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GESAMMELTE SCHRIFTEN

VON

THEODOR MOMMSEN

SIEBENTER BAND

PHILOLOGISCHE SCHRIFTEN

BERLIN WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG

1909

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PHILOLOGISCHE SCHRIFTEN

VON

THEODOR MOMMSEN

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BERLIN WEIDMAKt^SCHE BUCHHANDLUNG

1909

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Vorwort.

Trincipi philologonim' begann das von F. Bücheier vorgeschlagene Telegramm, das die zu Köln im Jahre 1895 tagende Philologen- versammlung Mommsen unter begeisterter Acclamation vieler Hunderte sandte. Die Zahl seiner in diesem Bande vereinigten kleinen philologi- schen Schriften ist so groß, daß noch während des Drucks die Teilung des Bandes in zwei Halbbände in Erwägung gezogen wurde ; doch ist es aus äußeren Grründen bei dem einen Bande geblieben. Einige Schwierigkeiten bereitete nur die Absonderung des Philologischen vom Historischen; Mommsens eigne Angaben, die er O. Hirschfeld darüber gemacht hatte, waren, wie dieser im Vorwort zu den Juristischen Schriften I und zu den Historischen Schriften I dargelegt hat, nur ganz provisorischer Natur, sodaß die Entscheidung darüber den Dispositionen Hirschfelds vorbehalten blieb. Daß diese oft mehr auf Grund äußerer als innerer Argumente erfolgen mußte, wird Jeder begreifen, der die unlösbare Einheit philologischer und ge- schichtlicher Arbeit Mommsens erwägt: hat doch gerade er. auch darin ein großer Lehrmeister, die Konstruktionen von Theoretikern, die jetzt diese Einheit sprengen woUen, durch seine Praxis als gegen- standslos erwiesen. Immerhin dürfte imser Prinzip Billigung finden, wonach wir außer den sprachlichen, exegetischen und kritischen Arbeiten auch diejenigen, deren sachliche Darlegungen eng an den Text eines Schriftstellers anschließen, zu den philologischen im weiteren Sinne des Wortes gerechnet haben; warum Tacitus von

VI Vorwort.

seinem Freunde Plinius, mit dem er sogar in unserer Überlieferung durch Personalunion vereinigt war, hier getrennt worden ist, hat Hirschfeld im Vorwort zum ersten Bande der Hist. Sehr. S. YI an- gegeben.

Die 87 in diesem Bande vereinigten Abhandlungen, deren Umfang alle Stadien von einer Miscelle bis zu einem libellus durchläuft, sind in der Weise geordnet worden , daß auf die latina die graeca und auf diese die grammatica folgen ; zwei Artikel allgemeineren Inhalts bilden den Schluß. Innerhalb jener Abschnitte ist das Prinzip chronologi- scher Reihenfolge, soweit sie sich ohne Pedanterie erzielen ließ, zugrunde gelegt worden. Ein paar kleine Irrtümer, die sich nach Beendigung des Drucks herausstellten, sind am Schlüsse des Inhalts- verzeichnisses vermerkt worden.

Nach Mommsens eignem Wunsche sollte 'geradezu Fehlerhaftes und Beseitigtes' nicht wieder abgedruckt werden (vgl. Vorwort zum ersten Bande der Jur. Sehr. S. VI). Es hat sich nur verschwindend weniges dieser Art finden lassen. Vom Abdruck ausgeschlossen worden sind auch diejenigen Aufsätze, deren Inhalt Mommsen bei anderen Gelegenheiten, fast immer in verbesserter und erweiterter Form, wiederholt hat. Dagegen gelang es, unter nr. XLIV und LVII zwei Inedita zu bringen. Ebenfalls entsprechend Mommsens Wunsche sind die philologischen Schriften, wie die übrigen, in der Weise zum Abdruck gelangt, daß zu ihrer Ergänzung oder Korrektur außer Mommsens eignen späteren Behandlungen desselben Gegen- standes auch die anderweitige moderne Literatur herangezogen und in [ ] vermerkt wurde. Wenn mir dabei manches zweifellos ent- gangen sein wird, so bitte ich das mit der Vielheit der Materien, deren einige meinem Arbeitsgebiet ferner liegen, zu entschuldigen; an einigen ganz wenigen Stellen, in deren Beurteilung ich mich kompetent zu fühlen glaubte, habe ich meine eigne Auffassung an- zudeuten mir erlaubt. Offenkundige Schreibfehler oder Versehen Mommsens sind stillschweigend berichtigt worden; wo aber auch nur ein leiser Zweifel obwalten konnte, wurde die Korrektur den Worten

Vorwort. VII

Mommsens mit einem Fragezeichen eingefügt. Die Schriftstellertexte sind, wo es sich nicht um bloß gelegentliche Zitate handelt, überall nach den neuesten Ausgaben, z. T. mit Unterstützung seitens meines Neffen cand. phil. Siegfried Vogt in Marburg, revidiert worden.

Bei meiner Arbeit habe ich mich des sachkundigen Rates be- freundeter Kollegen zu erfreuen gehabt, derer ich an mehreren Stellen dieses Bandes dankbar gedachte. Nicht unterlassen aber darf ich es, an dieser Stelle namentlich H. Dessau zu danken, der mich mit unermüdlicher Opferbereitschaft unterstützt und die Be- arbeitung von nr. LXYIII (Polemii Silvii laterculus) ganz übernommen hat, wie B. Kubier diejenige von nr. XXXII (Yolusii Maeciani distri- butio partium). Mir selbst hat die Arbeit, deren Übernahme ich dem Vertrauen von 0. Hirschfeld und U. v. Wilamowitz danke, nicht bloß was selbstverständlich war eine bedeutende Er- weiterung meines Wissens, sondern auch reichen innem Gewinn gebracht. Denn es hat wahrlich etwas Erhebendes und Ergreifendes zu sehen, wie dieser Große überall auch die Arbeit der Kleinen selbst tat, wie er das eigne Urteil mit unerbittlicher Wahrheits- liebe den Bedingungen des stofflich Gegebenen unterordnet und die Vermehrung des Tatsachenmaterials höher wertet als alle Kom- binationen, die sich ihm dank seiner den Zeiten und Personen kon- genialen Intuition aufdrängten; die schönen Worte, die er 1869 im Nachruf auf 0. Jahn von der philologischen Methode schrieb (Reden und Aufsätze S. 459), hat er Zeit seines Lebens in die Tat umgesetzt. Die jetzige Generation hat das Erscheinen vieler der hier vereinigten Aufsätze und den Impuls, den sie jedesmal brachten, in starkem Mitfühlen noch an sich erlebt, andere besitzen schon für sie den Zauber ehrwürdiger Vergangenheit. Daran können wir die Ehrfurcht ermessen, mit der künftige Geschlechter diese Monumente betrachten werden, vor allem die jedesmalige Jugend; denn gerade ihr war er und wird er fürderhin ein durch sein großes Beispiel wirkender strenger aber liebevoller jiaidaycoyög sein, bloßer Bewunderung ab- hold, aber jedem ernsthaften Mitarbeiter, und sei es im Kleinsten,

VI 11 Vorwort.

ZU Dank und Anerkennung freudig bereit, Forscherarbeit wird, wenn sie wahre Werte geschaffen hat, in den Strom lebendigen Wissens, der durch die Jahrhunderte rauscht, aufgenommen mit der Bestim- mung, in ihm zu zerfließen; aber wenn der Forscher zugleich ein Gigant des Wollens und ein Künstler des Gestaltens war, so bleibt von seinem Werke nicht nur das sachliche Ergebnis als gestaltlose Potenz, sondern der Mensch und der Schöpfer wirken fort in ewig junger Energie.

Berlin. Eduard Norden.

Inhaltsverzeichnis.

Seite

I. Zum Prolog der Casina (1856) 1

IL Über eine Leydener Handschrift von Ciceros Cato maior (1863) . 6

III. De Laelii Ciceroniani codice Didotiano narratio Theodori Momm-

seni (1863) 9

IV. Über eine Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros

ad Quintum fratrem (1844) 13

V. Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero (1845) ... 28

VI. Zu Ciceros Reden (1883) 36

VII. Theod. Mommsenii Excursus ad Ciceronis or. pro Fonteio cap. IX

§ 19 (1854) 37

VIII. Zu Cicero de republ. 2, 10 (1860) 39

IX. Zu Caesar (1867) 42

X. Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum (1894) 44

XI. Zum bellum Hispaniense (1893) 61

XII. Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius (1861) 70

XIII. Zu Sallustius (1866) 77

XIV. Kritische Miscellen (1854) 88

;XV. T. Livii ab Urbe condita lib. III VI quae supersunt in codice

rescripto Veronensi (1869) 96

XVI. Analecta Liviana (1873) 149

XVII. Zu Livius (1868) 160

XVIII. Zu Livius (1866) 161

XIX. Anecdoton Livianum (1870) 163

XX. Theodori Mommsenii epistula [de Romanorum prodigiis ad Ottonem

Jahnium] (1853) 168

XXI. Die Litteraturbriefe des Horaz (1880) 175

XXII. lullus und lulus (1889) 187

XXIII. Der Tribun Tillius (1898) 189

XXIV. Trimalchios Heimath und Grabschrift (1878) 191

XXV. M. Valerius Probus de notis antiquis (1853) 206

XXVI. Zu den notae iuris (1890) 214

XXVII. Anecdoton Parisinum (1845) 217

XXVIII. Plinius und Catullus (1866) 219

XXIX. Vitorius Marcellus (1878) 221

XXX. Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus (1870) 224

Inhaltsverzeichnis.

XXXI.

XXXII.

XXXIII.

XXXIV.

XXXV.

XXXVI.

XXXVII.

XXXVIII.

XXXIX.

XL.

XLI.

XLII.

XLIII.

XLIV.

XLV.

XLVI.

XLVII.

XLVIII.

XLIX.

L.

LI.

LH.

LIII.

LIV.

LV.

LVI.

LVII.

LVIII.

LIX.

LX.

LXI.

LXII-LXIII.

LXIV.

LXV.

LXVI.

LXVII.

LXVIII.

LXIX.

LXX.

LXXI.

LXXII. LXXIII. LXXIV.

LXXV.

LXXVL

Seite

Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats (1904) 253

Volusii Maeciani distributio partium (1853) 264

Festi codicis quaternio decimus sextus (1865) 269

Zu Festus (1857) 280

Zur lateinischen Stichometrie (1885) 283

Zu den Scriptores hist. Aug. (1878) 298

Die Scriptores historiae Augustae (1890) 302

Über den kritischen Apparat zum Ammianus (1872) .... 363

Weiteres über den Apparat zum Ammian (1873) 375

Über die Ammianhandschrift des Accursius (1873) . * * ' . 384

Zur Kritik Ammians (1880) 389

Zu Ammian (1882) 392

Ammians Geographica (1881) 393

Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians (Manuskript) . . 426

Zu Ammian und Ennodius (1889) 430

Eutropius Breviarium ab urbe condita (1866) 432

Zu der Origo gentis Romanae (1877) 434

Zu Vegetius (1866) 442

Firmicus Maternus (1894) 446

Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift (1861) 451 Über den codex Arcerianus der Gromatici und eine Handschrift

des Petrarca (1852) 459

Die Interpolationen des gromatischen Corpus (1895) .... 464

Zu Dictys (1876) 483

Carmen codicis Parisini 8084 (1870) 485

Zur lateinischen Anthologie (1854) 499

Zu den Scholien der virgilischen Georgica (1861) 505

Zeitalter des Scholiasten Juvenals (Manuskript) 509

Aus und über Leydener und Münchener Handschriften (1861) 512

Lateinisches Glossar des cod. Vat. 2730 (1874) 515

Über eine Stelle des Ennodius (1872) 517

Jamblichos bei Jordanes (1883) 519

Eugippiana (1897, 1898) 521

Über den Chronographen vom J. 354 (1850) ....... 536

Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius (1895) 580

Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus (1889) . 597

Über die Quellen der Chronik des Hieronymus (1850) . . . 606

Polemii Silvii Laterculus (1857) 633

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. (1861) 668 Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi

(1898) 691

Die Historia Papirii des Henoch von Asculum (1866) .... 695

Zur Kritik der Geographie des Ptolemaeos (1880) 697

Zosimus (1903) 699

Über die dem Cassius Dio beigelegten Theile der Planudischen

und der Constantinischen Excerpte (1871) 700

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes

Malalas (1872) 710

Lateinische Malalasauszüge (1895) 751

Inhaltsverzeichnis. XI

Seite

LXXVII. Zur byzantinischen Chronographie (Ifc^ö?) 753

LXXVIII. Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae missionis

(1866) 755

LXXIX. Terruncias (1887) 763

LXXX. Zahl- und Bruchzeichen (1887) 765

LXXXI. Quingenta milia (1869) 788

LXXXII. Die Wiedergabe des griechischen ^ in lateinischer Schrift (1878) 792

LXXXIII. Templa domus vici insulae plateae angiportus (1860) . . . 804;

LXXXIV. Triquetrum (1886) 806

LXXXV. fnxg6.-T/.Eov (1884) 807

LXXXVI. Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörter- buchs (1891) 808

LXXXYII. Besprechung von: Martin Hertz, Karl Lachmann. Eine Bio- graphie. Berlin 1851 (1851) 814

Sachliches Register 817

Register der behandelten Stellen 823

Berichtigungen.

S. 392. Die hier gegebene Verbesserung einer AmmiansteUe hat Mommsen 7 Jahre später s. S. 430 wiederholt, ohne sich zu erinnern, daß er sie bereits veröffentlicht hatte (vgl. S. 790*). Sie ist nun auch hier versehentlich zweimal zum Abdruck gelangt.

^i. 571 A. 2 hinzuzufügen: [vgl. über den obigen Abschnitt den unten nr. LXXVII abgedruckten Aufsatz S. 753].

S. 699 Z. 4 V. u. lies: Eustathius statt: Epiphanius.

Zum Prolog der Casina.*)

Ueber die chronologischen Daten des interessanten Prologs der 122 Casina ist vielfach verhandelt worden, zuletzt und am sorgfältigsten von Ritschi (parerga I, S. 180), der denselben etwa um 595 geschrieben glaubt. Dass er nicht früher geschrieben sein kann, da der Verfasser darin den Tod aller namhaften Dichter des römisch -griechischen Lustspiels beklagt, daran wird wohl kein Zweifel sein; ob er aber nicht vielleicht beträchtlich später fallen kann, dürfte minder fest- stehen. Ritschl stützt sich vorzugsweise darauf, dass die älteren Zuschauer das Stück schon kannten und liebten: 'vos probastis qui estis in senioribus' ; allein das Stück ist doch gewiss nicht bloss ein- mal gegeben worden und es steht nichts davon da, dass die älteren Zuschauer, an die der Prolog hier sich wandte, gerade der ersten 123 Aufführung beigewohnt hätten.**) Mehr ins Gewicht dürfte es fallen, dass später, wo von den Sklavenehen die Rede ist, der Prolog den Anstoss, den diese seinen römischen Zuschauem gaben, beseitigt durch die Bemerkung [V. 71 f.]:

Ät ego aio hoc fieri in Graecia et Carthoffini

Et hie in nostra terra in Apulia. Denn konnte dies noch gesagt werden nach 608, wo Karthago zer- stört ward? Ich meine: in diesem Zusammenhang doch; der Prolog hatte ja ein altes lange vor Karthagos Zerstörung geschriebenes Lustspiel zu vertheidigen und konnte sich daher sehr wohl auf den Brauch von Karthago bei-ufen und den Zuschauem die Wette an-

*) [Rhein. Mus, 10, 1856, S. 122—127. Obwohl das chronologische Resultat dieses Aufsatzes nicht haltbar ist, wird man ihn doch schon wegen der erst- maligen richtigen Deutung der mimtni novi hier gern abgedruckt finden.]

**) [S. hiergegen Ritschis nachträgliche Bemerkung in den Opuscula philol. II, 1868, S. 659 f.]

MOMIISEN, SCHR. Yll. 1

2 Zum Prolog der Casiua.

bieten, dass jeder 'punische Geschwome' für die Gültigkeit der Sklavenehen sich aussprechen werde. Liegt hiernach in diesen beiden Angaben eine bestimmte Zeitgrenze nicht, so scheinen mir dagegen zwei andre auf eine spätere Epoche zu deuten. Die eine ist freilich nur sehr allgemeiner Art; ich meine die Hindeutung auf das archäologische Interesse, das bei dem zuhörenden Publikum in Litteratur und Kunst vorausgesetzt wird, und die Zusammenstellung des plautinischen Lustspiels, der antiqua {aliqua) comoedia [V. 13] mit den antiqua opera et verha [V. 7]. Das sieht schon an sich viel mehr nach der Zeit des Sulla aus als nach der des Mummius; vor L. Aelius Stilo wird von archäologischer Sprachforschung kaum die Rede gewesen sein und das Kennerinteresse an *^alten' Kunstwerken geht auch in Rom nicht weiter zurück. Yor allem aber scheint die Zusammenstellung der plautinischen Komödien mit alten Bildwerken wenig zu passen für die ersten Jahre nach dem Tode des Dichters (f 570); so würde man heutzutage eine ähnliche Befürwortung schwerlich anwenden für ein Stück von Immermann oder Grabbe, aber wohl für eines von Lessing oder Iffland. Wichtiger aber als diese Erwägung, die ein bestimmtes Ergebniss nicht liefern kann, ist mir die Hindeutung auf die zu der Zeit des Prologs umlaufenden schlechten Geldstücke [V. 9 f.] : *)

nunc novae quae prodeunt comoediae Multo sunt nequim-es quam nummi novi. Die Untersuchung ist über diese Stelle in die Irre gegangen, indem 124 sie anknüpfte an die Einführung des semuncialen anstatt des uncialen Fusses im römischen Kupfergeld. Das ist zwiefach verfehlt, denn einmal war diese Maassregel nichts als eine Aenderung des Scheide- münzgehalts und kann den Verkehr so wenig gestört haben, als er heute gestört werden würde, wenn man anfinge die preussische Kupfermünze um die Hälfte leichter auszugeben; zweitens sind die nummi bekanntlich eben nicht Kupfer-, sondern Silber-, allenfalls auch Goldstücke. Zwingen uns also Geschichte wie Grammatik hier zu denken an eine Verschlechterung des Silbergeldes, so giebt es kaum eine Zeit, wo diese weniger annehmbar ist als die vermuthete Ab- fassungszeit des Prologs. Von Plautus Tode an bis auf den Bundes- genossenkrieg sind die Staatsfinanzen und der römische Verkehr in

*) [Vgl. Geschichte des röm. Münzwesens S. 385 ff., wo Mommsen seine im folgenden vorgetragene Ansicht etwas zurückhaltender formuliert hat. Die Vermehrung des numismatischen Materials lehrte übrigens , daß gefütterte Münzen schon seit 600 (154 v. Chr.) häufig sind; vgl. Bahrfeldt in der Wiener numismat. Zeitschr. 16, 1884, S. 309— 366, Graf ebd. 35, 1903, S. 66 74.]

Zum Prolog der Casina. 3

einem Zustand, zu dem die bezeichneten Zeilen gar wenig passen, während dagegen vom Beginn des marsischen Krieges bis auf Sullas Dictatur (663 672) in der That man Grund genug hatte auf das 'neue Silbergeld"* zu schelten. Zwar eine Münzverschlechterung in unserm Sinn, eine Reduction des Gewichts oder des Feingehalts haben die Römer in der ganzen Zeit der Republik nicht vorgenommen; wohl aber gab die Regierung in Zeiten der Noth kupferne mit dünnen Silberblättchen plattirte Denare mit den wirklich silbernen aus^, so z. B. im zweiten punischen Krieg (Zonar. S a. E.) und M. Drusus beantragte in seinem Tribunat 663 die merkwürdige Maass- regel auf je sieben silberne einen plattirten Denar zu geben ein Yorschlag, den man heutzutage etwa so formuliren würde, dass der Staat das Recht haben solle auf je sieben Silberthaler, die aus seinen Münzstätten hervorgehen, einen Papierthaler zu emittiren. Mag dies Gesetz einen praktischen Erfolg gehabt haben oder nicht, so steht soviel fest, dass während der marianischen Unruhen eine unerhörte Masse von solchen schlechten Denaren in Umlauf war und das Publikum sehr darunter Utt: laddbatur, sagt Cicero (de off. 3, 20, 80), Ulis temporihus numtnus sie uf nemo posset scire quid haheret. Dass das Probiren der Denare, welches diesem Unwesen eine Grenze setzte, auf den Prätor M. Marius Gratidianus (um 670) zurückgeführt 125 wird oder vielmehr auf einen Beschluss der vereinigten Prätoren und Yolkstribunen, und dass ihm desshalb von sämmtlichen Quartieren der Hauptstadt Statuen errichtet und an denselben Dankopfer dar- gebracht wurden, ist bekannt (Cic. de off. 1. c. Plin. 33, 9, 132. 34, 6, 27); allein die Darstellung des Plinius und der Neueren, dass Gratidianus die Technik des Probirens erfunden habe, lässt sich weder mit seiner amtlichen Stellung vereinigen, noch motivirt sie eine so unerhörte Dankbezeigung, noch ist es glaublich, dass die so äusserst einfache Manipulation, durch einen Einschnitt in das Geld- stück die Kupferanima zu ermitteln, bis auf Gratidian unentdeckt geblieben sei. Ich zweifle nicht, dass hier eine viel wichtigere Maassregel vorliegt. Es ist für die Kaiserzeit nachweislich und für die republikanische nicht minder gewiss, dass jene plattirten Denare gleich den ächten genommen WQi-den mussten; Gratidianus wird das Probiren gestattet und vielleicht em öffenthches Probirbureau ein- gerichtet haben. Diese Maassregel lief also im Wesentlichen hinaus auf eine Verrufung des Zeichengeldes; ob mit oder ohne Wiedereinlösung,

1) Der technische Ausdruck ist aes argento miscere. S. meine Abhandlung über den Verfall des röm. Münzwesens in den sächs. Berichten 1851 S. 219. [Vgl. Gesch. d. röm. Müuzwesens S. 385 flf.]

1*

4 Zum Prolog der Casina.

wird zwar nicht gesägt, aber es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass die öffentliche Kasse angewiesen ward die plattirten Denare durch ächte zu ersetzen, da sonst das Publikum dem Urheber der Maassregel vermuthlich ganz andre Dinge als Weihrauch verabreicht haben würde. Ist dies richtig, so wird man befugt sein die Abfassungszeit des Prologs zwischen 660 und 670 anzusetzen. Hierzu passen denn auch vortrefflich die militärischen Hindeutungen der traditionellen Formel am Schluss [V. 87 f.]:

bene rem gerite et vincite Virtute vera, quod fecistis antidhac indem man damals die Landung der asiatischen Legionen beständig erwartete und eifrig sich rüstete sie zu empfangen; ja wer Lust hat, mag selbst bei dem Gleichniss Z. 50:

Sibi nunc uterque contra legiones parant an Sulla und Cinna denken. Ebenso passen sehr wohl die An- spielungen auf die Schuldwirren Z. 23 ^^^. :

eicite ex animo curam atque alienum aes; 126 Ne quis formidet flagitatorem suum!

Ludi sunt; ludus datus est argentariis.

Tranquillum est; Alcedonia sunt circa forum.

Ratione utuntur ludis; poscunt neminem

Secundum ludos; reddunt autem (ob item?) nemini*) wobei damals jeder Hörer denken musste an die gar nicht halcyoni- schen Tage des Jahres 665, als auf dem Markt der Prätor Asellio von den Gläubigern erschlagen ward, weil er nicht nach ihrem "Willen Recht sprach (App. b. c. 1, 54. Liv. ep. 74. Val. Max. 9, 7, 4). Natürlich sollen diese Beziehungen hier nicht als weitere Beweise geltend gemacht werden, sondern nur als Anspielungen, die, wenn der Prolog in die angenommene Zeit fällt, jedem unabweislich sich aufdrängen mussten. In demselben Sinn mag es noch erlaubt sein auf zwei Punkte aufmerksam zu machen, wo durch Datirung des Prologs Daten für andere Thatsachen genommen werden. Einmal gehört hieher der merkwürdige Beweis, den der Prolog giebt für den noch in der sullanischen Zeit Apulien beherrschenden Hellenis- mus, wodurch vervollständigt wird, was ich darüber in einem andern Zusammenhang ausgeführt habe (unterital. Dial. S. 89 fg.). Aehn- liches bezeugt übrigens auch für die plautinische Zeit die bekannte Stelle im miles glor. 654 [648 L.], deren Pointe der ungeschlachte Hellenismus Apuliens ist:

*) [Vgl. die Interpunktion dieser Verse in Leos Ausgabe.]

Zum Prolog der Casina. 5

Post Ephesi sum natus, non sum in Apulis, non Animul/ie*) wo ein deutscher Komöde etwa gesagt hätte:

Denn ein Meissner, kein Lausitzer bin ich und aus Zittau

keineswegs. Zweitens aber und vor allem würde danach anzunehmen sein, dass die Stücke der alten Palliata des sechsten Jahrhunderts bis etwa 620 630 sich fortwährend auf der Bühne erhielten, dann vom Repertoir verschwanden und nach einer Unterbrechung von etwa 30—40 Jahren wieder hervorgesucht wurden, um in der ciceronischen Zeit zum zweiten Mal die Bühne zu beherrschen. Wem diese Untersuchungen geläufiger sind als mir, möge darüber entscheiden; unwahrscheinlich dünkt mich dieser Entwicklungsgang eben nicht. Plautus Komödien waren für die Menge geschrieben und hielten sich durch deren Beifall. Die Kennerkreise wie der des jungem Scipio 127 werden sicherlich sich nicht damit begnügt haben eine reinere, kunst- gerechtere, sittlichere Komödie zu schaffen und zu proniren,**) sondern auch die alte mehr volksmässige Komödie vom Theater zu ver- drängen bemüht gewesen sein; das heisst sie weckten nicht bloss die Muse des Terenz, sondern sie verbannten auch die des Plautus. Das, denke ich, hatte Tacitus im Sinn, als er die Worte schrieb (ann. 14, 21): 2^ossessa Achaia (608) Asiaqiie (624) hidos curathis editos; mit der 'verfeinerten Bühne' vertrug freilich die halb possen- hafte und oft ungezogene, nicht selten pöbelhafte plautinische Komödie sich nicht. Als dann später die Zeit der römischen Philologie begann, die Zeit der Stilo und Yarro, schlug das Urtheil natürlich wieder um und die antiqiii lepores traten jetzt bei den Kennern in ihre Rechte. Es ist ein Entwicklungsgang, wie er in England und Deutschland auch vorgekommen ist. Zwischen Shakespeare und Plautus in ihrer Stellung zum Volke und zum Theater, ebenso zwischen S. Johnson und Addison einer- und Terenz und Lucilius andererseits Hessen artige Parallelen sich ziehen und der Gräcismus des scipionischen Kreises erinnert vielfach an die französirenden Zirkel Dalbergs und der Herzogin AmaUe. Ueberall aber weckt dieses fremdländische und charakterlose Wesen nach kurzer Frist wieder eine litterarische Reaction, die die alte volksmässige Litteratur wieder zu Ehren bringt und sich in der Production an sie anlehnt.

*) [Vgl. die adn. bei Leo.] **) [Ilaoa Ttvi xeiTui; D. Sanders, Wörterb. d. deutsch. Sprache II, 1 belegt dies (bei Grimm DW. fehlende) "Wort im Sinn von 'ausposaunen' aus Immer- manns Münchhausen (Werke 1835 fF„ III, S. 198), übrigens einem Lieblingsbuch Mommaens.]

IL

Über eineLeydener Handschrift von Ciceros Cato maior.*)

l^> Ich theile nachfolgend eine Anzahl Lesungen mit aus einer

bisher meines Wissens unbenutzten Handschrift von Ciceros Cato maior, die, wie ich glaube, der besten unter den bisher verglichenen, der Pariser 6332 (F) ebenbürtig und doch von ihr wesentlich ver- schieden ist. Es sind zwölf Pergamentblätter in Folio aus dem zehnten Jahrhundert, zu Anfang bezeichnet: ex libris Petri Danielis Aurelii 1560, jetzt dem Miscellanband der Leydener Bibliothek Yoss. fol. n. 12 als Bl. 16 26 und an 26 sich anschliessend Bl. 15 einverleibt. Die ersten 19 Seiten, vor denen nichts zu fehlen scheint, enthalten den Cato maior vollständig, die letzten 5 den Anfang von Macrobius Commentar zum somnium Scipionis, welcher abbricht mit arescentihus laureis 1, 4, 2.

Der Text des Cato ist gewissermassen ein zwiefacher, denn die Handschrift ist sorgfältig von einer wenig jüngeren Hand durch- corrigirt, ohne dass doch dadurch, von wenigen und unwichtigen Stellen abgesehen, die ursprüngliche Schrift unlesbar geworden wäre. Indess diese Lesungen zweiter Hand haben im Ganzen genommen keinen selbstständigen Werth; denn die Handschrift, der sie ent- nommen sind, ist noch vorhanden: es ist keine andere als jene Pariser 6332, die dem Alter und wohl auch der Heimath nach mit der Leydener gleich steht. Aus diesen also werden wir nichts Neues lernen mit Ausnahme etwa des jetzt in der Pariser Handschrift fehlenden Schlusses 78 fg.), wofern, worüber ich nicht entscheiden will, unser Corrector die Pariser Handschrift vollständiger gehabt und nicht hier einen andern Text benutzt hat. Der eigentliche Werth der Handschrift liegt in dem Text der ersten Hand; dieser ist eine freilich nicht sehr sorgfältig, aber unbefangen gemachte Abschrift

*) [Monatsberichte der Berliner Akad. 1863 S. 10—21. Die Beschreibung dieser Hs., die seitdem in der Kritik dieser Schrift Ciceros eine wichtige Stellung erhalten hat, ist hier wegen des sonst nirgends so genau zu findenden Details aufgenommen, dagegen die aus ihr von Mommsen notierten Lesarten (sowie einige weniger wichtige Bemerkungen M.'s dazu) nicht wieder abgedruckt worden, da sie, soweit sie von Bedeutung sind, in den seitherigen Ausgaben Platz gefunden haben.]

über eine Leydener Handschrift von Ciceros Cato maior. 7

eines verlorenen Codex, der, wenn er noch vorhanden wäre, ver- muthlich unseren ganzen übrigen Apparat entbehrlich machen würde. 1 1 Am nächsten verwandt ist der Leydener Text erster Hand mit dem der genannten Pariser Handschrift; an zahlreichen Stellen haben diese beiden allein die echte Uberliefemng erhalten gegenüber allen übrigen, die man insofern als interpolirte Familie zusammenfassen kann. Aber dennoch sind diese beiden Texte unter sich wieder sehr wesentlich verschieden und zwar in der Art, dass beide wohl auf ein gemeinschaftHches von Verderbnissen , Interpolationen imd besonders von Glossen schon nicht ganz freies Original zurückgehen, aber beide dies selbstständig wiedergeben und das Richtige bald dort, bald hier bewahrt ist. Im Ganzen scheint P sorgfältiger als L geschrieben, aber häufiger interpolirt zu sein. In der Leydener Handschrift begegnen ausser einer sehr (besonders im Wechsel von und i) verwilderten Orthographie eine Menge kleiner Fehler, die grossentheils herrühren aus der Schwierigkeit in der Vorlage a und u, r und s zu unterscheiden und aus der Ungewandtheit des Schreibers in der Auflösung der in der classischen Zeit gangbaren Abkürzungen: so wird der Vorname Publius p. sehr häufig wiedergegeben durch pre, so ist cos. verdorben in quos, e sen(atu) in esse u. dgl. m. Auch kleinere Auslassungen, wie sie bei mangelnder Wortabtheilung der Vorlage so leicht entstehen, finden sich in ziemlicher Anzahl. Hie und da ist auch wohl ein Wort eingeschoben, so p. 586, 23 (der Halmschen Ausgabe) ut vor multo, 592, 11 Ennü vor idem, 594, 24 quidem vor tum, 596, J5 aut vor audierim u. a. m.; aber diese Interpolation hält sich doch in weit bescheideneren Grenzen als dies in P der Fall ist, wo z. B. 591, 1 aus Naeuii poetae ludo ge- macht ist Saevü posteriore libro. Die Zahl der SteDen, an denen L gegen P das Richtige bewahrt hat, ist sehr gross und nicht ganz klein diejenige, an denen L allein unter allen Handschriften, zum Theil übereinstimmend mit den Citaten der Grammatiker, den ur- sprünglichen Text darbietet. Auch haben schon die Philologen des zehnten Jahrhunderts erkannt, dass die beiden Texte L und P von einander unabhängig sind und sich gegenseitig berichtigen: denn nicht bloss ist, wie schon gesagt ward, L nach P durchcorrigirt, sondern auch umgekehrt P nach L. Die Correcturen und Varianten der zweiten Hand in P gehen wenigstens dem grössten Theil nach bestimmt zurück auf L: so stehen zum Beispiel gleich in den 12 Anfangsversen des Ennius die Lesungen letiauero und et quid erit praemii, die in P am Rande stehen, ebenso in L und die erstere in keiner anderen mir bekannten Handschrift.

g über eine Leydener Handschrift von Ciceros Cato maior.

Yon dieser kritischen Operation, welche wir in den Hand- schriften des zehnten Jahrhunderts ausgeführt finden, ist das Ergebniss der Text, welchen die jüngeren Handschriften vom eilften Jahr- hundert an aufzeigen, Offenbar sind sie alle geflossen aus Hand- schriften ähnlicher Art wie L und P, in denen die beiden alten Familien mit einander collationirt waren. Die Erfurter und die Rheinauer Handschrift (ER) schliessen sich enger an i, die drei Münchener (BIS) enger an P an; aber es sind sämmtlich conta- minirte Texte, die nach Gutdünken und oft nicht ohne Verstand der einen oder der anderen Lesung folgen, auch nicht selten beide neben einander in den Text setzen oder selbstständig den Text emendiren. Unmittelbar aus L und P stammen sie indess nicht; namentlich kann die Erfurter Handschrift, so vielfach sie mit der Leydener stimmt, doch nicht aus dieser abgeschrieben sein, sondern nur aus einer von demselben Original copirten und in gleicher Weise durchcorrigirten , hie und da auch besseren Schwesterhandschrift. Ein sicherer Beweis dafür ist, dass 599, 25 tarnen, das in P und den davon abhängigen Handschriften fehlt, aber als bei Nonius stehend unzweifelhaft echt ist, sich in Eli findet, während in Z^ die Worte qui in prima tarnen etiam ausgefallen und von der zweiten Hand aus P, also ohne tarnen ergänzt sind. Danach möchte auch 605, 26 est tarn, das ER und Nonius haben, während P und L etiam, BIS beides vereinigend est etiam tarn lesen, nicht Conjectur, sondern alte Überlieferung sein. Aber Fälle dieser Art, wo die ursprüngliche Lesung in L und P nicht , sondern nur in der geringeren Familie sich vorfindet und doch nicht füglich Conjectur sein kann, sind sehr selten und werden, wo nicht Grammatikerzeugnisse hinzutreten, auch nicht leicht zur Evidenz gebracht werden können. Im Ganzen werden in Zukunft, wenn nicht etwa noch bessere Hülfsmittel auftauchen sollten, für den Text des Cato lediglich L^ und P^ in der Art massgebend sein, dass zwischen ihnen selbst die Wahl frei bleibt. Das Hinzutreten der übrigen geringeren Handschriften zu der einen oder der anderen Lesung verstärkt deren Autorität nicht: in der 13 Regel sind jene selbst getheilt und auch wo sie es nicht sind, stimmen sie gar nicht selten, wie das bei contaminirten Texten begreiflich ist, nicht mit der richtigen, sondern nur mit der leichteren Lesung. So hat 601, 2 acini vinaceo ausser Nonius nur P, L und alle übrigen acino; 594, 28 parci aetatis, was mit dem richtigen ^;ar^i' aetatis des Nonius zusammenfällt, nur L^, P und alle übrigen die interpolirte Lesung parcitatis.

III.

De Laelii Ciceroniani codice Didotiano narratio Theodor! Mommseni.*)

Firminus Didot Parisinus, qui cum aliis nominibus egregie de 594 artibus liberalibus meruit tum parata sibi bibliotheca non minus splendida quam utili, inter alios quos inde protulit codicem mihi exhibuit, quem ex subnotatione saec. XY scripta ('iste liber est ecdie Comtan') apparuit olim fuisse Constantiae itaque descendere omnino ex ditissimo librorum thesauro Scotorum ordinis S. Benedicti qui Sangallense et Augiense aliaque per Alamanniam monasteria a saeculo inde YII fundavenint. Codex de quo agimus membranaceus est formae quartanae , quaternionum opinor sex, quorum tarnen numerus non notatus est nisi f. 29 in extremo quarto (ml = q = ml), foliorum vero 43; scilicet primi quatemionis primum folium, item extremi folia aliquot perierunt, praeterea ex quarto quatemione desiderantur folia secundum (inter f. 24 et 25) et septimum (inter f. 2S. 29). Scriptus est liber saeculo decinio vel fortasse exeimte nono. Continentur eo f. 1 32 r. Ciceronis Laelius inscriptione antiqua nulla, subscriptione hac : expUcit liber tiiUü et f. 32 v. 43 r. 'sententiae Senece phylosopM. In eadem pagina extrema manu eadem, sed postea ut videtur adiecta leguntur haec: 'Incipiunt versi O mortalis homo mortis reminiacere casus Nil pecude distas tantum si prospere (sie) captas'. Yersa item scripta est versibus sententiisve , sed ita detrita ut nisi remedio aliquo adhibito legi nequeat. Sententias Senecae quae dicuntur descripsi; dispositae sunt secundum primas litteras et re 595 ipsa bipertitae, nam prior pars ad f. 3S v. : nondum felix es si nondum te turha deridet (v. 531 Ribb.) pertinet ad corpus sententiarum hodie

*) [Rhein. Mus. 18, 1863, S. 594 597.1

10 De Laelii Ciceroniani codice Didotiaao narratio Theodor! MommsenL

notum 8ub nomine Syri, posterior, quae incipit sie: Nam etsi nullos inimicos tibi faciat iniuria, muUos tarnen facit invidia constat sententiis pedestri oratione conceptis iisque vulgaribus et magna ex parte argumenti Christiani, quibus librarius aliquis corpus illud quod im- perfectum accepit videtur explevisse. Sententias illas mea causa examinavit Hauptius neque quidquam in iis contineri docuit, quod ad corpus quod habemus vel augendum vel emendandum magnopere pertineret; itaque missas feci.*) Contra in Laelio libros quos prae- terea accurate novimus vincit opinor omnes Parisinus cum aetate (nam inter eos quibus usus est in nova editione Halmius unus Gudi- anus ad saec. X ascendit) tum bonitate, id quod vel unus locus 615, 4 extra dubium ponit. Nam cum ibi sit in codicibus D E G sed nee comparantur cato in (catoni D E^, in codd. BSV sed hi quidem nee catoni comparantur, veram neque interpolatam lectionem sed hi in pueris, Cato in dudum protulit Carolus Langius ex lacobi Susii libro, ad quam iam lectio libri Parisini sed Jii iniueris cato in tam prope acccdit, ut hunc librum aut gemellum esse Susiani necesse sit aut eum ipsum. Item 622, 18 quod hodie legitur ex coniectura Turnebi vel uxoriae condicionis id ipsum fere, scilicet vel luxoriae, legitur in codice hoc, cum in reliquis sit vel luxuriae. Haud scio an etiam comma quod est 627, 23 sperni ... 24 novis male adiunctum praecedentibus nee fortasse satis aptum delendum sit, cum desit in solo libro Parisino. Idem confirmant reliquae lectiones pauca quidem offerentes aliunde plane ignota et nova, sed omnes ita comparatae, ut Parisinum librum quamquam non exemptum mendis sibi propriis, tamen in summa re reliquis omnibus praestare appareat, Proxime autem ad eum accedunt ex Halmianis Vindobonensis 3115 (B), qui nonnunquam vel in peculiaribus erroribus cum Parisino consentit, et Erfurtensis (E); paulo longius absunt reliqui Gudianus (G), Bene- dictoburanus (B)^ Salisburgensis (S), Vindobonensis 275 (V). Propter 596 hanc libri praestantiam, cum praesertim extet in bibliotheca privata, visum est hoc loco ad editionem Halmianam a. 1862 edere variam lectionem omnem, ut excepi ego, confirmavit quibusdam locis gener Didoti vetus mihi familiaris Noel des Vergers. De orthographicis autem potiora hie summatim adnotabo.

Orthographia libri in Universum proba est, cuius generis scrip- turas praeter eas, in quibus codex cum editione consentit (ut sunt adulescens, intellegere, neglegere aliaque complura) adnotabo paucas. Vocabula quae semiplena scribi solent vel adeo debent, ut prae- nomina, cos., pr. (637, 25), tr. pl, rei p., p. R., plerumque adsunt

*) [Auch W. Meyer in seiner Ausgabe der sententiae des Syrus , Leipzig 1880, ignoriert diese Hs.]

De Laelii Ciceroniani codice Didotiano narratio Theodori Mommseni. H

compendiata. Non semper sed saepissime reperitur maxumus, proxu- mus, optumus, amicissumi (614, 25), hibklo, existuniare; raro i simplex pro duplici (socis 616, 2; riitili 639, 8^, unde etiam in vocativo saepe pro i legitur ii; semel Fili (620, 8), pro Philo; semper henivolentia, valitudo, repperire, item pernitiosus (634, 1 7. 637, 33), quod notandum cum c ei t rarissime permutentur (adnotavi tantum divicias 618, 14; inicio 620, 20; conditionis 622, 18). In assimilatione admittenda vel reicienda über non sibi constat, ut tamen saepius praetereatur ; adnotavi inlustris, inpendere, inpröbus (contra implerisque 616, 12), cmüegium, conlatus, conrohoratus, adpetere, adgnoscere, ecferre (619, 27), exflorescere (639, 2). Ybi fluctuat usus inter c et qu, plerumque illud scribitur, sed loquutus est 613, 32 corruptelaeque vocabuli cum inter- dum (615, 34. 617, 8. 619, 8) indigitant scripturam archetypi quum sive qtiom. In vocabulis syUabisve extremis permutantur & et p (suptüius 614, 15; reahse 623, 24;, d et t (ad 623, 4; quod 619, 17. 18. 19. 629, 17; capiid^2ö, 13. 629, 10; inquid 613, 16; laut 618, 13). Inter meros soloecismos longe frequentissimum est ae pro e, sie in adverbiis heafae, benivolae, eaquae, maximde, item in quaerella, cae- perunt, caeteri, interpraetari, laevitas, paenuria, praecari, praetiosus, quaeant, quaeri, repraehendere , saeveritas, adeoque in benivolaentia (619, 15) et in consulaere (626, 25); simile est coeperit (620, 11). Error contrarius e pro ae ut originis recentioris ita in hoc codice longe rarior est neque adnotavi commissum nisi sexies cause, humane, 597 fhature, vestre, Grecia, merere (616, 22). Praeterea haec adnotavi: hemiciclio, archita ßo pro Philo (631, 12) aceruius (628, 10) contempnunt (635, 9) hutilitas (636, 1); ospitis (619, 27); pyrro (621, 3) magestas (637, 17) suppellex (627, 27) ; inbecüus (619, 12), oportunus (618, 32) coniunta 616, 31) diliciis (627, 3) poene pro paene (634, 5). Haec etsi plena esse non spondeo, tamen suffi- cient ad indolem codicis orthographicam recte repraesentandam. Denique observandum est interlocutorum nomina ubi adsunt (nam desiderantur 614, 3. 23. 29. 617, 5. 10. 620, 6. 9. 10. 12. 622, 6) in margine scripta esse, primam autem paginam (ad p. 613, 8 utebare) situ et usu ita detritam esse, ut aegre legatur. In edenda varia lectione libri Parisini fP) ubi visum est notitiae causa aut de cete- rorum librorum omnium (C) aut de certorum quorundam lectione admonere, signa retinui Hahniana ; nota o distinguit mendas quasdam inutiles libro Parisino proprias.*)

*) [Es folgen auf S. 597—601 die Lesarten der Hs., die in die neueren Aus- gaben aufgenommen worden sind, hier daher nicht abgedruckt werden bis auf zwei, zu denen Mommsen ausfuhrlichere Bemerkungen gemacht hat.]

12 De Laelii Ciceroniani codice Didotiano narratio Theodor! Mommseni.

598 623, 1 [11, 36] hecilUnum. Cassii cognomen praeter hunc locum

non invenitur nisi apud Dionysium 5, 49 [, 1] ubi quod in codd. proditum est OYCKEAINOC, probabiliter OYEKEAINOC inter- pretabimur; apud Chronographum a. 354, apud quem est VigelUnus sive BigelUnus et in fastis Idatianis Siculisque, ubi in melioribus exemplis est Vitellinus, in deterioribus quibusdam Viscellinus similesve corruptelae. Vide C. I. L. I p. 486. 488 ad a. 252. 261. 266. 268. Quare VisceUini nomen omnino abiciendum restituendumque Vecellini. [Vgl. Rom. Forsch. I 107, 82. II 153, 2.]

601 637, 21 [25, 96] coaptatio PC; etiam in lege lulia municipali

(C. I. L. I p. 121) V. 86 est coaptato (cf. v. 106 coptato). Cum o geminatam antiqua lingua non admitteret, fortasse pro ea substituerunt modo 0, modo oa, ut pro uu scribitur modo u, modo ou.*)

*) [Vgl. coptamus C. I. L. I, 532, coptaverunt VIII, 68.]

IV.

üeber eine Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.*)

Im zweiten Buche der Briefe Cicero 's an seinen Bruder herrscht 593 schon seit alten Zeiten die grösste Yerwiming, welche Jedem, welcher Cicero's Werke für antiquarische oder historische Zwecke benutzen will, die grössten Schwierigkeiten in den Weg legt. Die Frage nach der Zeitfolge ist hierbei eine Vorfrage, die nicht ab- gewiesen werden kann, und wie Drumann im Laufe seiner aus- gezeichneten Untersuchungen vielfaltige falsche und vage Zeit- bestimmungen hat berichtigen müssen, so wird es Jedem ergehen, der sich ernstlich mit diesen ebenso anziehenden als schwierigen Sammlungen beschäftigt. Für die Zeitfolge ist aber die Stellung der Briefe von der grössten Bedeutung, so dass wir, auch abgesehen von dem rein philologischen Interesse der Untersuchung, keine über- flüssige Arbeit unternehmen werden, wenn wir die ursprüngliche Reihenfolge einiger Episteln in dieser Sammlung nachweisen.

Es ist anerkannt, dass die beste Hdschr. der Briefe ad Quintum fiatrem der codex Mediceus (plut. XLIX cod. 18) ist. Blicken wir einmal vorläufig nur auf diesen (die Gründe, warum wir von den übrigen noch abstrahiren, werden sich später ergeben): so stösst

*) [Zeitschrift für die Altertumswissenschaft, hrg. von Bergk und Caesar 2, 1844, Nr. 75. 76 Sp. 593—605. Die notwendige Korrektur einer Einzelheit hat Mommsen selbst in dem ersten Teile der folgenden Abhandlung vorgenommen; es schien aber wünschenswert, die erste und zweite Fassung hintereinander abzudrucken, da es nur um so bewunderungswürdiger ist, wie Mommsen trotz der falschen Angaben Orellis das Richtige gleich in der ersten Abhandlung erkannt h£.t. Der hier geführte Nachweis ist, wie die meisten Einzelemendationen, seit- dem Gemeingut aller Ausgaben Ciceros geworden; wichtige Nachträge und B(!richtigungen von Einzelheiten gab W. Stemkopf, Untersuchungen zu den Biiefen Ciceros ad Quintum fratrem, im Hermes 39, 1904, S. 383 ff.]

14 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem,

man gleich im ersten Briefe des zweiten Buches an. Wir ersuchen die Leser hier die angefügte Tafel vor sich zu nehmen; wenn sie die dort bezeichneten fünf Abschnitte nach der in der zweiten Colonne angegebenen Ordnung disponiren, so dass also z. B. die Worte; aperte pecunias unmittelbar auf inteUegere. Dixit folgen, so werden sie eine genaue Darstellung der Beschaffenheit des cod. Med. in den ersten neun Briefen dieses Buches vor sich haben, wie die- selbe von Orelli in der Gesammtausgabe III, 1 p. 432. 438 440 nach del Furia's Collation angegeben ist. Auf den ersten Blick zeigt es sich nun, dass die Worte aperte pecunias sq. nicht die Fortsetzung der vorigen sind, dass vielmehr diese erst mit den Worten Milo. Coepit demittere fortgehen^. Dadurch wird das Stück von aperte pecunias bis superioris ipsius herausgelöst ; wo es einzuschieben 594 ist, bleibt nicht lange zweifelhaft, indem der Cod. bald nachher in den Worten creditores vero regis copiis sed magna eine Lücke an- deutet, in welche das lose Stück aperte pecunias superiores ipsius nach beiden Seiten hin vollkommen hineinpasst; so dass also die richtige Ordnung ist creditores vero regis aperte pecunias superio- res ipsius copiis. Sed magna. Wir haben hier also eine offenbare Versetzung zweier Abschnitte der Handschrift:

II. Milo. Coepit Creditores vero regis I. aperte pecunias superiores ipsius, die alsdann wieder in richtiger Ordnung fortgeht. Dies ist auch längst bemerkt, und sei es nun durch Conjectur sei es durch Ver- gleichung anderer Handschriften ^ die richtige Ordnung in die Aus- gaben übergegangen. Allein auch die nun folgenden Briefe sind in der Handschrift keineswegs richtig geordnet. In dem Briefe PLA- CITYRUM. TIBI, wie er im Med. und danach bei Orelli a. a. O. S. 439 steht, ist im Anfang von dem Consul Crassus (55 a. Chr.), dann vom Consul Lentulus (56 a. Chr.) die Eede; zwei Briefe aus demselben zu machen, würde wenig helfen, weil der jüngere Brief doch voranstehen würde. Ueberdies fehlt es an einem geeigneten Anfangspunct. Wie andere mit diesem natürlich längst bemerkten

1) Ich lese Milo mit dem cod., da die Worte sententias se rogaturum negavit

quid senatus sentiret, se inteUegere. Bixit Milo. Coepit dimittere (sc. Lupus),

wenn man sie nur gehörig interpungirt, einen guten und richtigen Sinn geben. Die Conjectur intellegere dixit. In illo coepit, die man jetzt im Text hat, ist also nicht nöthig, obwohl sie sehr elegant ist. [Dies ist von Stemkopf a. a. 0. S. 388fF. berichtigt worden.]

2) Der cod. Regius hat die richtige Ordnung, während der cod. Bessarionis sich, wenn Orelli 1. c. p. 434 genau spricht, dem Med. anschliesst.

Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 1 5

Fehler verfahren sind, davon nachher; uns fiel es auf, dass Niemand auf die Idee gekommen war, ob hier nicht eine ähnliche Blatt- versetzung zum Grunde liegen sollte, wie sie die epp. 1 3 früher verunstaltete. Dass nämlich die in diesen eben bemerkte Verwirrung auf einer Blattversetzung im archetjpon des Mediceus beruht, folgt mit Sicherheit aus der gleichen Länge der beiden versetzten Ab- schnitte; jeder hält etwa 56 Zeilen in der Orellischen Ausgabe. Nun ist es doch in der That sehr leicht möglich, dass diese Blatt- versetzung sich nicht auf jene Blätter beschränkte, sondern auch andere Blätter der fraglichen Lage des Urcodex betraf. Möglichkeit ist nicht Gewissheit; allein die' doppelte Yer^s-irrung ist da, die Ursache der einen klar, und so hat es wenigstens einige "Wahrschein- Uchkeit, wenn wir auch das zweite Yerfahren aus einer theilweise schon bekannten Veranlassung ableiten. Zwar mit der ganz ein- fachen Annahme, dass zwei Bogen umgestellt und dadurch die Ordnung der Blätter 1. 2. 3. 4 in 2. 1, 4. 3 umgewandelt sei, von denen die ersten beiden die schon bekannte, die letzten die von uns nachzuweisende Versetzung enthielten mit dieser Annahme, 595 sage ich, reichen wir nicht aus,*) indem zwischen den beiden ver- wirrten Abschnitten ein richtig geordneter liegt, der sich an das Ende des ersten superiores ipsius mit den Worten copiis. Sed mag^ia e^'ident anschliesst. Allein die Annahme ist sehr wohl möglich» dass der innere Theil der Lage in seiner ursprünglichen Ordnung bheb, während die äusseren Blätter verlegt wurden. Ob dieselbe Realität habe, ist nun zu untersuchen und zunächst zu ermitteln, wo die Grenzpuncte der Versetzung nach inneren Gründen sein können.

Es ist schon bemerkt, dass von dem Briefe PLACITVRVM ein Theil dem Jahr 56, ein anderer dem Jahr 55 angehört, so dass der ältere, der vom Jahr 56, den Schluss macht. Bis zu den Worten ad nostrum lovem revertamur ist nun ebenso offenbar von den Er- eignissen des J. 55 die Rede, als das folgende von 'AfxcpiXacpiav aiitem illam bis zum Ende dem J. 56 angehört; für die letzte Behauptung mag vorläufig nur der gleich zu Anfang erwähnte Hausbau Cicero's angeführt werden, der bekanntlich ins J. 56 fällt (Drumann 11, 332 Anm. 75). In den nach dem Cod. Med. nun folgenden Brief DEDERAM sind in der Gestalt, wie dieser codex ihn darbietet, ebenfalls Bestandtheile der J. 56 und 55 gemengt, nur dass hier

Ereignisse des J. 56 voranstehen. Die Verhandlungen über den

*) [Grade diese Annahme stellte sich hinterher als die richtige heraus, S.29.]

16 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.

Getreidekauf (Drumann IV, 513) und den ager Campanus (Drum. II, 322) gehören ins J. 56, während das SCtum de ambitu vom 11. Febr. (nicht Mai: Drumann III, 279, not. 39) 55 ist. Zwar hat Tunstall (bei Orelli a. a. O. S. 434) dasselbe in 56 gesetzt und darum diesen letzten Theil des Briefes DEDERAM mit beispielloser Willkür in den dritten Brief SCRIPSI. AD. TE an irgend einer beliebigen Stelle eingerückt, indem ja beide Briefe vom Februar sind (!). Allein der Vorschlag, dass die Prätoren 60 Tage im Privatstande bleiben sollen, zeigt, dass eine sehr bedeutende Verspätung der Comitien stattgefunden hatte, was nicht im Febr. 56, wohl aber im Febr. 55 der Fall war^. Auch sind die hierbei erwähnten Consuln offenbar nicht die optimatischen des J. 56, sondern in Opposition mit dem Senat. Genau sind freilich in diesem Briefe die den beiden Jahren angehörenden Ereignisse nicht zu scheiden, da die dazwischen er- wähnte Ausstossung des Furius Flaccus aus dem capitolinischen Collegium eben so wohl dem einen als dem anderen Jahre angehören kann. Allein so viel ist klar, dass hier der Schluss eines Briefes und der Anfang eines andern, die beide dem Jahre 56 angehören, zwischen die Briefe des Jahres 55 gekommen sind; es löst sich auch hier ein Fragment ab, durch dessen Auswerfung die beiden Theile 59(5 des Briefes PLACITVRVM an einander treten. Zählen wir die Zeilen 'A/A,q)da(piav iacentem, so finden wir mit Einschluss des Passus über Furius etwas über 54, wodurch einestheils unsere An- nahme vollkommen bestätigt, andemtheils die noch nicht bestimmte Ausstossung des Furius dem Jahr 56 zugewiesen wird.

Weiter ist nun zu untersuchen, wo das abgelöste Fragment 'Aju(piXa<piav iacentem seine ursprüngliche Stelle hatte. In irgend einer Stelle zwischen den Worten copiis. Sed magna und ad nostrum lovem revertamur im Med. müssen sie eingeschoben werden. Dieser Abschnitt, wie er im Med. steht, also auf unserer Tafel Bl. 5. 6. 9. 10 enthält c. 106 Zeilen, also ungefähr das Doppelte der von uns als Einheit bei dieser Blattversetzung bemerkten Zeilenzahl. Dies passt sehr gut zu der früher gemachten Bemerkung, dass der Anfang dieses Passus copiis. Sed magna nicht versetzt, sondern an seiner ursprünglichen Stelle geblieben ist. Wir gewinnen nun die

1) Drum. 1,37. III, 277 fg., der übrigens das fragliche SCtum de ambitu nicht richtig aufgefasst hat. Der Senat beschloss nicht, dass die Prätoren ihr Amt gleich nach der Wahl antreten sollten, was sie ohnehin thaten, sondern er unterliess es, das Gegentheil zu beschliessen ; der eigentliche Inhalt des SCtum war eine blosse Phrase, eine Einschärfung der leges de ambitu, die Niemand zu halten gedachte.

Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintom frairem. 17

Möglichkeit, nach diesem unversetzten Doppelblatt bei uns Bl. 5. 6 wie bei der ersten Versetzung zwei Doppelblätter folgen zu lassen, wodurch der für eine Lage erforderhche Parallelismus vollkommen hergestellt wird. Ich sage Doppelblatt, weil es jetzt auch klar ist, dass die Einheit bei der Versetzung nicht ein einzelnes sondern ein Doppelblatt war. Nimmt man ein einzelnes Blatt an, -0 würde das Versetzungsschema:

ursprüngliche Ordnung: Versetzung:

3 3

was dasselbe Resultat giebt. aber darum zu verwerfen ist, weil ein einzelnes Blatt in der Lage keinen Platz finden kann. Bei Doppel- blättem ist dagegen das Schema:

urspr. Ordnung: Versetzung:

3^8 1 ^ 10

wobei Alles in Ordnung ist. Es ist auch keine unwahrscheinliche Annahme, dass in den altem weitläufig und luxuriös geschriebenen Codices auf vier Seiten nur etwa 56 Orellische Zeilen gestanden hätten: man vergleiche nur z. B. den rescriptus der Ciceronischen Republik. Wir haben also einen quinio vor uns, dessen dritter und vierter Bogen durch irgend einen Zufall vor den ersten imd zweiten geriethen, wodurch denn natürlich an zwei Stellen Versetzungen itstanden, während das mittlere fünfte Blatt seine Stelle behielt.

Es bleibt noch übrig, genau die Stelle zu ermitteln, wo das äe Doppelblatt 'AucfiXatfiav iacentem einzuschalten ist, indem dem Bisherigen nur noch hervorgeht, dass dasselbe etwa in der [itte zwischen copiis. Sed magna und lovem revertamur zu stehen )mmt. Zählen wir von lovem revertamur 56 Zeilen zurück, so ^ommen wir auf folgende Stelle: Dies erant duo, qui post Latirms

}entur religiosi; cetero confectum erat Latiar erat exiturus a. d. 597 Till. Id. Apr. sponscdia CrassijJedi praehui, die augenscheinlich >rrupt ist. Mir scheint es sicher, dass das Wort exiturus nicht zu jr Stelle vom Latiar gehört, worauf es allgemein bezogen wird, mdem zu der vom Brautschmause, wo es vortrefflich passt. Dadurch fird es leicht, die Stelle zu restituiren: Ceterum (cetero für cetera)

1 8 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.

cmfedum Latiar erat Exitiirus a. d. VIII Id. Apr. sponsalia Crassi- pedi praebui. Nachdem hier die richtige Lesart und Abtheilung hergestellt ist, können wir die Einschaltung vornehmen. Yon Exi- turus a. d. VIII Id. hängt alles so zusammen, dass dieselbe hier nicht stattfinden darf; namentlich kann die Unpässlichkeit des Quintus fil. nicht von dem gleich nachher erwähnten Besuche getrennt werden, wo Cicero denselben völlig wohl findet. Dagegen hängt dieser ganze Bericht mit der Erwähnung des latinischen Festes gar nicht zusammen, während er sich, wenn man das Fragment "Afxcpdacp.

iacent. zwischen Latiar erat und exiturus einschaltet, vortrefflich

an den Anfang der Epistel DEDERAM als Fortsetzung anfügt. In diesem will nämlich Cicero die Ereignisse vom 5. April an berichten und beginnt in gewohnter Weise im wahren Zeitungsstyl mit denen des 5. April selbst; worauf sehr passend die Erwähnung des Braut- mahls vom 6. April folgt. Zwar kommen auf diese Weise von den 106 Zeilen dieses Abschnittes auf Blatt 5. 6 copüs. Sed magna Latiar erat nur etwa 50, dagegen auf Bl. 9. 10 Exiturus rever- tamur die gewöhnliche Zahl von 56; allein dass eines der Doppel- blätter des archetypon einmal etwas weitläufiger geschrieben war, ist weniger zu verwundern, als die im Ganzen in der That über- raschende Gleichmässigkeit der von uns nachgewiesenen Abschnitte. Die also wiederhergestellte ursprüngliche Reihenfolge der Briefe zeigt unsere Tafel, indem sie zugleich die Doppelblätter des arche- typon darstellt. Es ist nur noch übrig, diese Folge mit den andern Ausgaben zu vergleichen. Um indess nicht weitläufig zu werden, beschränken wir uns auf die Orellische. Zuvörderst ist es ein Vor- zug unserer Umstellung, dass sie die handschriftlichen Anfangspuncte der Briefe festhält, und dadurch zugleich es vermeidet, Cicero nach Sardinien hin kleine nichtssagende Billete schreiben zu lassen. Die ersten fünf Briefe dieses Buchs (nach unserer Zählung) sind detaillirte Briefe über die häuslichen und öffentlichen Angelegenheiten, keine fliegenden Blätter, wie Cicero sie mit Atticus von seinen Landhäusern aus wechselt. Die kurzen Episteln, wie Orelli sie hat, wie ep. 4. 5. 7, sind offenbar für diesen Stand der Dinge nicht passend, und zum Theil augenscheinUch fragmentarisch, wie die siebente, die fast nur das Datum hat. Bei uns sind die sechs Briefe IV IX Orell. in

vier zusammengezogen: SESTIVS NOSTER DEDERAM

OLITERAS - PLACITVRVM TIBI, wie sie auch der Mediceus hat. Um ferner auch durch den sachlichen Zusammenhang unsere Umstellung zu befestigen, möge es uns gestattet werden, die Briefe in dieser Beziehung kurz durchzugehen.

ßlättervei-setzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 1 9

Ep. IV. SESTR'S NOSTER vom März 56.

Als Tagesneuigkeit ^\'ird Sestius Freisprechung a. d. II Id. 598 Mart. gemeldet, welches Datum nicht mit Orelli in a. d. V. Id. Mart. zu verändern, sondern eine andere Schreibart für prid. Id. ist, also den 14. März.*) Dies ist das einzige bestimmte Datum dieses Briefes: dass er an dem hiduum posf Lafinas geschrieben ist, hilft uns nicht weiter, da diese conceptivae waren (Varr. 1. 1. VI. 25). Von Privat- angelegenheiten berichtet Cicero über den Unterricht von Quintus Sohn: vom Hausbau beider Brüder: von TuUias bevorstehender Verlobung (de nostra Tidlia spero cum Crassipede nos confecisse); über Cicero's ökonomische Verlegenheit (äfxcpikacpiav desidero, vgl. Schütz im Ind. Graeco-Lat.^, wohl mit einem Seitenblick auf die Summen, die Marcus an Quintus schuldete (ad Att. IV, 3 fin.). Hieran schliessen sich die öffentlichen Angelegenheiten. Der treffliche Consul Lentulus Marcellinus hindere den Volkstribun C. Cato seine im Anf. Febr. (ad Qu. fr. H. 3, § 4 ad fam. I, 4, 1. nicht im Januar, wie Drumann V, 203 hat) promulgirten Gesetze über Milo (unbe- kannten Inhalts) und über den Proconsul von Cilicien Lentulus Spinther (dass das Volk diesem das Imperium nehme, damit er nicht, wie Cicero ihm rieth ad fam. I, 7, 4, aus eigener Machtvoll- kommenheit den Ptolemaeus wieder nach Aegj-pten führe, vgl. Drum, n, 541); ferner die Caesarianer ihre „monstra" (unbekannten Inhalts) durchzubringen, indem er alle Comitialtage durch Erneueiamg des Latinischen Festes und andere Mittel eximire. Von den im Jan. d. J. so eifrig betriebenen Bestrebungen des Tribuns L. Cani- nius. die Zurückführung des Ptolemaeus dem Pompejus zu übertragen, sei es jetzt ganz still (Drum. II, 539, Anm. 12. der wohl nicht richtig annimmt, dass das von Caninius projectirte Gesetz ad fam. I. 4, 1 auch durch dieses Verfahren des Marcellinus verhindert sei). Milo habe C. Cato's Bande gekauft und der Tribun Racilius sie öffentlich als solche feilbieten lassen (Drum. V, 204). Der Brief berichtet weiter über Pompejus verzweifelte Stellung, die ihn bald zwang, sich Cäsar in die Arme zu werfen (Drum. IV, 514): ferner über Milo's Anklage des Sex. Caelius, was wohl mit Recht in Sex. Clodius verbessert ist (Drum. II, 386).**) Die Worte Appius a Caesare nondtim redierat hat man missverstanden. Gemeint ist Appius Claudius cos. 54, der damals als Proprätor in Sardinien stand

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*) [,M. habet notam, quae et II et F significare potest" Baiter; vgl. Stemkopf a. a. 0. S. 407, der sich, wie auch Tyrrell-Purser (The eorrespondence " Cicero II* 1906 S. 48), für V entscheidet.] **) [Bestätigt von Sternkopf a. a. 0. S. 413.]

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20 BlätterversetzuDg im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrera.

und von da aus in Cäsars berühmte Winterquartiere zu Luca ge- gangen war, um sich das Consulat zu verschaffen, welches er auch für 54 erhielt. (Drum. II, 188. 111,264, der aber diese Reise des Appius zu Cäsar mit einer andern als Consul für 54 zusammen- zuwerfen scheint). Q. Cicero war damals als Legat des Pompejus, dem im Sept. 57 die Oberaufsicht über die gesammte Zufuhr auf 5 Jahre übertragen war (Drum. II, 307 fg.), mit Getreidekäufen eben- falls in Sardinien beschäftigt (pro Scauro 2, 38); ohne Zweifel sind also Cicero's Worte nicht berichtend, sondern eine Frage an seinen Bruder: Appius a Caesare nondum redierat? , da ja Appius nach Sardinien, nicht nach Rom zurückkehren musste.*) Der Brief schliesst damit, dass man von Quintus Getreidesendungen erwarte, sobald das Meer wieder offen sei. 599 Ep. V DEDERAM. AD. TE. vom 12. April 56.

Dederam ad te, beginnt Cicero, litteras antea, quibus erat scrip- tum Tulliam nostram Crassipedi prid. Non.**) Apr. (4. April) esse desponsam ceteraque de re publica privataque perscripseram. Postea sunt haec acta. Nonis April, etc. Der Brief, von dem Cicero hier spricht, scheint uns zu fehlen, wie ja auch Cicero nicht alle von Quintus geschriebenen Briefe empfing (ep. 8 Orell.), da die förmliche Anzeige von Tullia's Verlobung nirgends steht, und auch wie es scheint, der Bericht in ep. 4 nicht viel über Mitte März hinausreicht. Mit dem 5. April nimmt Cicero seine Erzählung wieder auf und meldet zunächst die an diesem Tage im Senat gepflogenen Ver- handlungen über die Getreidekäufe des Pompejus (Drum. IV, 513) und über das Julische Ackergesetz (Drum. II, 322, Anm. 10. IV, 514); dann die Ausstossung des Furius aus dem CoUegium Capitolinum. Hieran schliesst sich der Bericht über die Privatangelegenheiten: den Brautschmaus, den Cicero seinem Schwiegersohn am 6. April gegeben, als er im Begriffe war, Rom zu verlassen; dann am Tage vor seiner Abreise Besuch bei seinem Neffen, Besichtigung des Baues, zu Tische bei Crassipes, seinem Schwiegersohn, nach Tische Besuch bei Pompejus. Cenatus in hortos ad Pompeium lectica latus sunt. Lucceium convenire non potueram, quod abfuerat. Videre autem volebam, quod eram postridie Roma exiturus et quod ille in Sardiniam Her habebat. Hominem conveni et ab eo petivi, ut quam primum te nobis redderet. Statim, dixit. Erat autem iturus, ut aiebat, a. d. III. Id. Apr. ut aut Labrone aut Pisis conscenderet. Tu mi f rater simul ut ille venerit,

*) [S. jedoch Sternkopf a. a. 0. S. 411.] **) [Non. fehlt in der Hs,, ist aber richtig ergänzt: vgl. Sternkopf a. a. 0. S. 412 m]

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prhnam navigationem dnmmodo idonea tenipestas sit ne omiseris. Diese Stelle scheint verdorben; erst wird Lucceius verfehlt, dann heisst es ohne alle weitere Bemerkung: Hominem conreni und was soll überhaupt dieser Lucceius? Vergleicht man nun ad fam. I, 9, 8 Mnrcellino et Fhüiiypo coss. Non. Äjn: mihi est senatus assensus, ut de agro Campano freqiienti senatu Idib. Martiis referretur. § 9. Hoc SCto in meatn sententiam facto Fompeitis cum mihi nihil ostendisset se esse off'enstim (nämlich bei der Zusammenkunft am Tage vor Ciceros Abreise) in Sardiniam et in Africam profectus est eoque itinere Lttcam ad Caesarem venit. Yon da ging Pompejus nach Sardinien ab. wo er Quintus traf, der bald nachher nach Italien zurückkehrte (Dnimann III, 265. IV. 515). Hiernach scheint es mir klar, dass die Worte videre autem voleham sq. auf Pompejus gehen, der ja im Begriffe stand nach Sardinien zu reisen und dort seinen Legaten abzulösen. Keinen konnte Cicero passender bitten, nt fratrem sibi reddei-et. Allein störend bleibt die Erwähnung des Lucceius immer: wie wäre es, wenn man für Lucceium schriebe Liu^ eum? Wie vortrefflich dies passt, mag der Leser selbst beurtheilen: die paläographische Leichtigkeit ('/«fj/e^tm aus luceium)^ kann nicht grösser 600 gedacht werden. Uebrigens sind die Daten im Medic. offenbar verschrieben. Der Tag. an dem Cicero alle diese Besuche macht, imd den er selbst als den vor seiner Abreise bezeichnet, wird in demselben angegeben a. d. III. Id. April*) Damit ist es in Wider- spruch, dass Pompejus an diesem Tage gesagt haben soll, er werde a. d. III. Id. Apr. über Pisa oder Livorno nach Sardinien abreisen ; femer dass Cicero schon a. d. //.**) Id. Aptil. ante Jucem einen Brief in itinere dictirt, wonach er doch wenigstens schon den andern Tag unterwegs gewesen sein muss. Mit Bestimmtheit emendiren lässt sich hier nicht ; die einfachste Annahme möchte sein, die beiden letzten Daten stehen zu lassen und das erete in a. d. VII. Id. April. (7. April) zu ändern. Es ist am natürlichsten, dass Cicero exiturtis 6. Apr. die Brautmahlzeit giebt, bei der Quintus wegen Unpässlich-

1) Lticeius ist richtiger als Lttcceius und findet sich in den alten Ausgaben und in den Handschriften. z.B. im Reg. B. D. der epp. ad Att. (Orelli III. 2 p. XIIJ) und einem kürzlich von mir eingesehenen Handschriftenfragment. Der Name ist offenbar das Adjectiv von Lucius, wie Marcius von Marcus; die adjectivischen Endungen auf eins sind häu%. [Vgl. W. Schulze. Zur Gesch. lat. Eigennamen, Berlin 1904, S. :359. 426.]

*) [M. hat im Text VI, Obergeschrieben III. Die schon vor Mommseu von Wesenberg vorgenommene Änderung dieser Zahl in T'JJist in die neueren Aus- gaben übergegangen. Die Überlieferung VI verteidigt Sternkopf a. a. 0. S. 414 f.]

**) [Überliefert ist statt II vielmehr y, was andere in V oder VI ändern.]

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keit fehlt, dann am folgenden Tage 7. Apr. sich nach dessen Befinden erkundigt, bei seinem Schwiegersohn die Gegenmahlzeit einnimmt und seine Angelegenheiten zur Abreise ordnet, die dann am 8. April stattfindet. Damit verträgt es sich, dass Pompejus am 11. Rom zu verlassen dachte, und das Datum des Briefes vom 12. April, obwohl ich diesen Zahlen nicht viel vertrauen möchte. Soviel ist gewiss, dass Cicero etwa einen Monat auf dem Lande sich aufhalten und erst prid. non. Mai, (6. Mai) wieder in Rom sein wollte, quoniam in Non. Maias Miloni dies prodicta est. Die letzten Worte hat Drumann II, 326, Anm. 34 missverstanden. Prodita, was der Med. hat, ist gar Nichts, offenbar ist mit Orelli und A. prodicta zu schreiben.*) Da nun aber prodicere technisch nur von den Volks- gerichten steht, so ist es nicht zu billigen, wenn Drumann diesen Termin auf „einen andern Rechtshandel" bezieht, als auf den von Clodius am 2. Febr. 56 gegen Milo eingeleiteten. Dass dieser eine diei dictio ad populum war, scheint dem trefflichen Historiker über- haupt entgangen zu sein, obgleich es sowohl aus Cic. pro Sest. 44, 95. pro Mil. 15, 40 und dazu schol. Bob. p. 288. Ascon. in Mil. 14, 38 p. 49 Or. [43 K.- Seh.], als auch aus dem Formellen des Verfahrens deut- lich hervorgeht. Dass aber zwei verschiedene Processe gegen Milo beim Volke in dieser Zeit eingeleitet seien, wird Drumann selbst nicht behaupten wollen. Der weite Zwischenraum zwischen der dritten und vierten Verhandlung (17. Febr. 7. Mai), der Drumann bedenklich gewesen zu sein scheint, ist aus dem Princip der quattuor accusationes zu erklären, dessen richtiges Verhältniss ich an einem andern Orte mittheilen werde.**) 601 Ep. VI. 0. LITTERAS aus der Mitte Mai 56.

Ein kurzes Glückwünschungsschreiben an Quintus nach dessen Rückkehr aus Sardinien, wahrscheinlich von Rom aus nach dem Orte hingeschrieben, wo der Bruder gelandet war. Uebrigens hat Orelli hier eine Interpolation im Texte, der im Medic. so lautet: Mihi cum sua sponte iucundum (Gabinio supplicationem esse negatam) tum iucundius quod me absente est enim elkxgivkg iudicium sine oppugnatione sine gratia nostra eram ante quod Idibus et postridie fuerat dictum de agro Campano actum iri non est actum***) Dies ist corrupt, aber sehr leicht; für est enim ist etenim und erat für

*) [Die Emendation stammt von Victorius.J

**) [Vgl. Neue Jenaische allg. Literaturzeitung (1844) S. 251 und Staats- recht 3, S. 354 ff.. Strafrecht S. 165.]

***) [Die Hs. hat vielmehr non (dies in Rasur von anderer Hand) ut est actum. Vgl. über die ganze Stelle Sternkopf a. a. 0. S. 416 f.]

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ram zu schreiben, wo denn abzutheilen ist: quod nie dbsente. Etenim erat. Ante quod etc. Orellis Conjectur*) Eram Antü, so scharf- sinnig sie ist, ist darum zu verwerfen, weil Cicero als Grund seiner Abwesenheit nicht die Unparteilichkeit, sondern nur die Bedenklich- keit des Gerichts hätte nennen können.

Ep. YII. PLACITVRYM. TIBI vom Februar 55. Zwischen diesem und dem voiigen Briefe liegt fast ein Jahr, in dem die Brüder, wie Cicero es früher gehofft hatte, contuhernales waren. lieber die Zeitbestimmung und Anordnung dieses Briefes ist es überflüssig weiter zu sprechen, da theils schon oben davon die Rede war, theils hier und in dem vorigen Briefe die gewöhnliche An- ordnung mit der unsrigen übereinstimmt. Soviel dürfen wir be- haupten, dass die von uns angestellte Uebersicht des Factischen, das in diesen Briefen enthalten ist, nirgends das geringste Bedenken gegen unsere Anordnung ergeben und in ihrem Totaleindruck das auf kritischem Wege gewonnene Resultat bestätigt hat. Es bleibt ims nur noch übrig, die gewöhnliche Disposition dieser Briefe mit der unsrigen zu vergleichen.

Im Ganzen muss man sagen, dass die gemeine Ordnung, wie sie sich seit Manutius in allen Ausgaben (mit Ausnahme der Yicto- riana, die dem Med. genau folgt) im Wesentlichen gleichförmig findet, auf einer tappenden Verbesserung der offenbaren Fehler beruht, wie dies ja auch nicht anders sein konnte, wenn man zwar die Existenz der Verwirrung, aber nicht deren Quelle und somit die sichere Abhülfe einsah. Dass das Fragment äuq:da<piav iacentem 602 dem J. 56 angehöre und den Zusammenhang zwischen lovem rever- tanmr und A. d. III. Id. Febr. SCtum factum est de ambitu unge- hörig unterbreche, begriff man; man rückte diese Stellen zusammen; allein wo nun hin mit dem losen Bruchstück? Man hatte den Schluss eines Briefes, den Anfang eines andern ; den letzten Dederam iacentem Hess man für sich stehen, übrigens aber schob man ihn im Ganzen an die richtige Stelle ein. Am verlegensten und unglück- lichsten war man mit dem Abschnitt äfjicfdacpiav m'i f rater, vale; man hängte denselben an die AVorte m omiseris im 6. Briefe (nach Orelli's Zählung), wo sie den im Medic. ganz richtigen Zusammen- hang unterbrechen und zwischen Cicero's Anstalten zur Reise und den Reiseplan auf die verkehrteste Weise eingeschoben sind. Da- durch kam es denn, dass der vierte Brief SESTIYS. NOSTER. seines Schlusses entbehrte, wofür das Wort exiturus. das den Anfang

■*) [Sie findet sich schon in der Ausgabe des Manutius.]

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des 6ten Briefes bei Orelli hätte machen sollen, an demselben hängen blieb; ein Fehler, dessen Entdeckung dadurch erschwert ward, dass mittlerweile zwischen den vierten und sechsten Brief übrigens richtig der fünfte Orellische eingeschoben war. Der Brief DEDERAM ward gar gänzlich zerstückt und muss aus vier Briefen Orelli's zusammengesetzt werden, indem der Anfang bis iacenfem eine eigene Epistel bildet (ep. 5 Or.), das Wort exiturus beim vierten Briefe geblieben war, die folgenden Worte a. d. VIII. Id. Apr. sponsalia ohne handschriftliche Beglaubigung und ohne Wahrschein- lichkeit zum Anfang eines eigenen Briefes, des sechsten, gemacht waren ^, und endlich der Schluss des Briefes durch ungehörige Ein- schiebung des Fragments a[xcpdaq)iav mi f rater vale von dem Haupttheil getrennt und wieder zu einem eigenen wunderlich unbe- deutenden Briefe constituirt war. Wenn also auch hin und wieder Ansätze zu einer richtigeren Ordnung sich zeigen, so war die positive Verwirrung doch bisher noch gross genug, wenn man es auch für nichts anschlagen will, dass erst jetzt die niedere Kritik die höhere recht- fertigt und ergänzt, und an die Stelle der principlosen Versetzung eine sichere kritische Vermuthung tritt.

Bisher ist nur von der Ordnung der Florentiner Handschrift einer- und der postmanutianischen Ausgaben andererseits die Rede 603 gewesen. Wir müssen jetzt noch einen Blick auf die kritischen Hülfsmittel überhaupt werfen. Jener Codex ist eine von Petrarca genommene Abschrift*) der Briefe Ciceio's ad Brutum, ad Quintum fratrem, ad Atticum aus einem gemeinschaftlichen längst verlornen Original (Orelli in opp. Cic. vol. III pars 2 p. V— VII). Dass indess dieses letztere nicht die (xrundschrift aller vorhandenen Handschriften dieser Briefsammlungen ist, steht fest, indem der Mediceus selbst mehrere bedeutende Lücken hat, welche in anderen Handschr. und Ausgaben ergänzt sind (Orelli a. a. 0. p. XVI. XVII). Allein so weit meine Bemerkungen reichen, erstrecken sich die Lesarten der Familia Gallicana, aus der diese Verbesserungen herzurühren scheinen, nur auf die Briefe ad Atticum. nicht auf die damit verbundenen

1) Diesen Fehler hätte naan jeden Falls vermeiden können, wie denn auch Lambin die epp. 5. (j combinirt hat. Selbst in der Aldina 1564, die Manut. folgt, sind sie verbunden.

*) [Daß der Med. 49. 18 die von Petrarca aus der verlorenen Urhs. ge- nommene Abschrift sei, hat sich inzwischen als irrtümlich herausgestellt. Da- gegen ist das, was Mommsen weiterhin über die hs. Grundlage der Briefe ad Q. ausführt, bisher nicht widerlegt: vgl. die Ausgabe Pursers (Cic. epistulae vol. III, Oxford 1902, praef.).]

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anderen Briefsammlungen, so dass also namentlich für die Briefe an Quintus nur eine Handschriftenfamilie, die italienische, zu existiren scheint (vgl. auch Orelli vol. IIL pai-s l. p. 375 von den Briefen ad Qu. Fr.: Diversas edd. familias nondum investigavi: nam si eos cum Mediceo compares, magis minusve correctos ab Italis, magis minusve interpolatos reperies omnes nunc notos). Für die Richtigkeit dieser Annahme ist die von uns nachgewiesene Versetzung entscheidend, sowie umgekehrt der Xachweis, dass auch bei den Briefen ad Qu. Fr. eine vom Original des Medic. unabhängige FamiUe existirte, unsere Hjpothese wankend machen würde. Das scheint gewiss, dass alle übrigen Hdschr. und die Ausgaben vor Manutius in den Briefen 4 9 im Wesentlichen die Ordnung des Mediceus befolgen. Zwar haben wir nur die Ascensiana von 1511 fol. und eine Aldina von 1513. S. einsehen können: allein da diese sich durchaus dem Med. conformiren und Orelli wenigstens (a. a. O. p. 434) angibt, dass in allen Hdschr. und den Ausgaben vor Manutius seine ep. V mit ep. IX, § 3 wie im Med. verbunden ist, so ist mit einer an Gewiss- heit grenzenden AVahrscheinlichkeit zu behaupten, dass die Ordnung des Med. die bis auf Manutius allgemeine und die von uns nach- gewiesene in keiner Handschrift enthalten ist. Eine Abweichung findet sich in dem codex Bessarionis (übrigens höchst wahrscheinlich einer blossen Copie des Mediceus, Orelli HI, 2, p. 9 in fine) nach Manutius Angabe (bei Orelli HI. 1 p. 434), indem hier der Passus dederam iacentem nach den Worten superiores ipsius copnis ein- gerückt war und damit ein eigener, ausserdem noch den Schluss des dritten Briefes von Sed magna manus an enthaltender, Brief begann. So wenigstens verstehe ich die dunkeln Worte. Dass diese Abweichung nichts ist als eine schlechte Emendation des im Med. vorliegenden Textes, bedarf keines Beweises , obwohl sie wahr- scheinlich Manutius zu seiner Umstellung veranlasst hat. Sollten sich auch noch in andern Handschr. ähnliche Umstellungen finden, so würden diese doch nur dann von Wichtigkeit sein, wenn sie sich nicht mit Leichtigkeit aus Yerbesserungsversuchen des im Med. vor- liegenden Textes ableiten Hessen. So findet sich die erste Versetzung in epp. 1 3 schon in Hdschr. berichtigt ; allein schon Orelli bemerkte, dass diese Verbesserung nicht nothwendig aus einer dem archetypon 604 des Med. coordinirten Hdschr. zu erklären sei. sondern gar wohl a peracuto aliquo Italo sec. XV herrühren könne. Dass dieselben Gelehrten auch an der zweiten Versetzung Anstoss nahmen, und wenn es auch ihnen hier nicht gelang, die richtige Ordnung wieder herzustellen, doch derselben sich näherten, ist begreiflich. So sah

•76 Blätterversetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem.

der Schreiber des Cod. Bessar. ein, dass die Verlobung Tullia's mit Crassipes ins Jahr 56 falle, und warf darum den Passus dederam iacmtem, freilich auf eine sehr unglückliche Weise, unter die Briefe des J. 50, nach den Worten ipsms copiis; wahrscheinlich in der Annahme, dass hier ja die (damals schon berichtigte denn das Wort copiis steht an seinem Orte ) erste Versetzung aufhöre und dies Fragment noch dazu gehört haben möge. Wir müssen also weiter gehen als Orelli; wir müssen die richtige Ordnung einiger Handschriften in epp. 1-3 mit Sicherheit als die scharfsinnige Con- jectur eines Gelehrten des 15. Jahrhunderts bezeichnen, indem eine Handschrift aus einer andern Familie auch in der zweiten mit der ersten zusammenhängenden und bisher nicht befriedigend gehobenen Versetzung die ursprüngliche Ordnung geboten haben würde; wir müssen endlich mit Bestimmtheit behaupten, dass unser Text der Briefe ad Qu. Fr. auf einer einzigen verlornen Hdschr., dem arche- typon des cod. Med. beruht, ebenso wie durch Orelli's vortreffliche Beweisführung es für mich wenigstens zur Evidenz gebracht ist, dass das archetypon aller unserer Hdschr. der Briefe ad familiäres der noch vorhandene Florentiner Codex plut. XLIX cod. 9 ist^. Die weitere Untersuchung, ob aus dem archetypon des Med. plut. eod. cod. 1 8 noch andere Abschriften direct geflossen oder ob alle übrigen Handschriften Copien der angeblichen petrarchischen Abschrift sind, ist von unserer Entdeckung unabhängig.

1) Orelli's Gegner in Bezug auf die Briefe ad famil. [ daß sie im Recht waren, haben neuere Handschriftenfunde gelehrt ] könnten sich allenfalls auf die berühmte Verheftung im letzten Titel des Florentiner Pandectenexemplars berufen , die in alle andern Handschr. übergegangen ist und erst im 16. Jahr- hundert von Ant. Augustinus entdeckt wurde; während doch kürzlich von Savigny erwiesen ist, dass die Pandecten keineswegs auf der litera Pisana allein beruhen. Allein die Verhältnisse sind nicht gleich. Einmal konnte auch der, weicher zwei verschieden geordnete Exemplare des Titels de regulis iuris vor sich hatte, die falsche Ordnung vorziehen, da nur durch genaue Nachforschung die ursprünglich beabsichtigte ermittelt werden konnte. Für die Briefe gilt dies nicht. Dann ist es unbestreitbar, dass das Mittelalter andere dem Flor, coordinirte Pandectenhandschriften kannte, dagegen nur eine Handschrift der Briefe seit Petrarca erwähnt wird, ferner sind die Ergänzungen der andern Hdschr. in Vergleich mit der Flor, unendlich bedeutender und zahlreicher als die eine von Wunder in den Briefen angeführte. Endlich ist es mir selbst nach Savigny's Darstellung immer höchst wahrscheinlich erschienen, dass die sog. vulgata auf einer vollständigen Pandectenhandschr. (der Flor.) und einer am Ende defecten beruht, so dass für das sog. digestum novum, in das die Verheftung lUllt, in der That die Flor, das einzige archetypon ist, wie ja denn auch, was hier fehlt, erst aus den Basiliken von Cujaz ergänzt ist. Wir kommen vielleicht vor dem juristischen Publicum hierauf zurück. [Vgl. die Prolegomena zHr großen Ausgabe der Digesten, S. XII ff.l

Blätter Versetzung im zweiten Buch der Briefe Ciceros ad Quintum fratrem. 27

Dieses zweite Resultat unserer Untersuchung, das die ganze Textesconstitution bedingt und leicht das wichtigere von beiden sein möchte, setzt allerdings noch eine genaue Prüfung der varia lectio 605 voraus, ehe es als sicher auzusehen ist. Wir überlassen diese, wie billig, unsern philologischen Grenznachbarn. Das erste Bedürfniss möchte eine genauere Yergleichung des Mediceus selbst sein, dessen von Orelli mitgetheilte Collation keineswegs ausreicht; aber auch die Beschaffenheit der schlechtem Handschriften ist besonders im zweiten Buche genauer zu prüfen.*) Möge unsere Bitte namentlich an den sospitator der literae Tullianae, an Orelli, der ja schon längst eine neue Ausgabe der ciceronischen Briefe vorbereitet, nicht ver- gebens ergehen, diese Untersuchung, auf welcher die Textescritik einer für uns so wichtigen Quelle beruht, aufnehmen, und wenn unsere Resultate sich bewähren, weiter und zum Abschluss führen zu wollen.

Folia ar- chetypi.

male

recte dispo- sita.

dispo- sita.

AD QVINTVM FRATREM.

L. II.

quid senatus seutiret, se intelJigere. Dixit

Milo. Coepit dimittere

NON. OCCVPATIONE»

quid cupiant, omnes videut. Creditores vero regis

apert« pecunias suppeditant contra Lentulum.

SCRIPSI. AD. TE

In eo multo sumus superiores ipsius

copiis. Sed magna manus ex Piceno et Gallia.

SESTIVS NOSTER

habentur religiosi. C'etenam confectum Latiar erat

'Afi<pi}M(piav autem illam, quam tu soles dicere.

DEDERAM. AD. TE

praesentem ad pedes uniuscuiusque iacentem . .

Exiturus a. d. VIII. Id. Apr. sponsalia Crassipedi praebui.

A. d. II. Id. Apr. ante lucem hanc epistolam . .

O. LITERA.S

PLACITVRVM TIBI

Sin minus, ad nostrum lovem revertamur . . .

A. d. III. Id. Febr. SCtum est factum de ambitu.

Series epi- stolamm.

nostra dispos.

Orelli-

1. 2. 3. 4

ep. 1. contin. ep. 2.

ep. 1. contin. ep. 2.

1. 2.

ep.

ep.

5. 6.

5. 6.

7. 8.

9. 10.

ep. 4.

ep. 5.

ep. 6. pars altera ep. 5.

9. 10.

7. 8.

ep. 6.

ep. 7.

ep. 6. pai-s prior ep, 7, ep. 8. ep. 9.

*) [Die letztere Forderung ist noch immer nicht vollkommen erfüllt.]

1) Die Lapidarschrift bezeichnet die von uns angenommenen Briefanfänge.

V.

Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.*)

779 Sie fragen mich, geehrter Herr, ob ich Ihnen nicht jetzt, seit ich die berühmte Florentiner Handschrift der Briefe ad Quintum j&*atrem und ad Atticum selbst gesehen habe, zu meinem Aufsatz über eine Blätterversetzung im zweiten Buche der ersteren Samm- lung (Jahrg. n N. 75 fg.) einen Nachtrag mitzutheilen habe. Aller- dings bin ich im Stande die damals aufgestellte Yermuthung jetzt besser zu stützen und gerade durch eine Thatsache, die mich im ersten Augenblick, wo ich sie wahrnahm, befürchten Hess, ganz umsonst gearbeitet zu haben. Die bei Orelli mitgetheilte Collation, auf die ich meine Hypothese gründete, ist nämlich wie in vielen andern Dingen, so auch in Betreff der Ordnung der Briefe im zweiten Buch ganz unzuverlässig. Die handschriftliche Ueb erlief erung, wie

780 sie nicht bloss der Mediceus, sondern auch alle anderen nicht zurecht corrigirten Handschriften z. B. die pariser und vaticanischen haben, ist constant folgende:

se intelligere dixit.

omnes vident. Creditores vero regis^ aperte pecunias bis In

eo midto sumus superiores ipsius. Milo coepit dimittere bis familiäres eins quid cupianf 'Aju(pda(piav autem illam quam tu soles dicere bis praesentem ad

pedes uniuscuiusque iacentem copiis, sed magna manus ex Jficeno bis Ceterum confectum

Latiar o'at Exiturus a. d. VIII. Id. Apr. sponsalia u. s. w.

*) [Zeitschrift für die Alterturaswissenschaft hrg. von Bergk und Caesar 3, 1845, Nr. 98. 99. Sp. 779-787. Der erste Teil dieser in der Form eine.% ,Keiseberichtes" aus Florenz an die Redaktion der genannten Zeitschrift ge- sandten Abhandlung ist die Fortsetzung der unter der vorigen Nummer zum Abdruck gebrachten.]

1) Unwesentlich war der Fehler, dass die orellische Collation diese fünf Worte o. V. c. v. r. nach cupiant stellte.

Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 29

oder, wenn Sie die Tafel, die ich meinem früheren Aufsatz beigab, vergleichen: es folgen in den Handschriften die Stücke, wie ich sie in der ersten Colurane (folia archetypi recte disposita) numerirt habe, also aufeinander;

3. 4

l. 2

7. 8

5. 6

9. 10 So kommen wir denn freilich bedeutend leichter zum Ziele; die künstliche Annahme von einem quinio. dessen dritter und vierter Bogen vor den ersten und zweiten gerathen und das Mittelblatt an seiner Stelle geblieben eine Annahme, die mir selbst bei der evidenten Richtigkeit des Resultats viele Bedenken erregte, können wir jetzt bei Seite werfen und die einfachste Versetzung von vier Blättern (2. 1. 4. 3 statt 1. 2. 3. 4) dafür substituiren. Von dem Worte Exiturus an ist in den Handschriften genau die Ordnung, wie ich sie vorgeschlagen habe und nur in den Ausgaben ist durch eine der beliebten kritischen Halbheiten das Fragment 'Aju(fiXa(piav lacentem, das man auswerfen musste, um die offenbar zusammen- gehörenden Worte superiores ipsius und copiis an einander zu rücken, ungeschickt hinter reiertamur eingeschaltet worden, wodurch denn freilich der Kritik die Wiederauffindung der ursprünglichen Ordnung in diesem Abschnitt ungemein erschwert war. Ich darf aber hoffen, dass nun, wo zu dieser inneren Richtigkeit der früher vorgeschlage- nen Disposition eine äussere Autorität hinzukommt, dieselbe als kritisch gesichert wird gelten können.

Da ich Ihnen einmal über diese Blätterversetzung in den Briefen schreibe, so benutze ich die Gelegenheit noch eine zweite aufzu- decken, die den Schluss des vierten Buches der Briefe ad Atüciim verunstaltet.*) Die handschriftliche Ordnung, die bei Orelli p. 108 in der zweiten Columne richtig angegeben ist, hat man auch an dieser Stelle in den Ausgaben zerstört und ohne etwas Besseres an <lie Stelle zu setzen sich begnügt, die Stücke noch etwas mehr durch- einander zu werfen. Dass der Grund der Verwirrung eine Trans- ])08ition ist, kann dem aufmerksamen Leser nicht entgehen. Im 781 Anfange des sechzehnten Briefes sagt Cicero, dass er den ihm von M. Paccius übergebenen Brief beantworten wolle. Er erwiedert nun

*) [Die folgende Darlegung ist von Sternkopf, Hermes 40, 1905. S. 1 ff. geprüft und in ihren sämtlichen Hauptergebnissen als richtig befanden worden.]

20 Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.

auch zuerst in Betreff der Bücher über den Staat, dann über Privat- angelegenheiten (bei § 4 einen neuen Brief anfangen zu lassen ist nicht nöthig), auf die Anfrage über C. Cato, über den Prozess des Drusus, der im Juli beginnen sollte, und andre politische Neuigkeiten. Soweit hängt alles wohl zusammen. Aber nun folgt auf einmal ein Bericht über die skandalöse Coition der Candidaten des Consulats im J. 700 und Memmius Denunciation derselben, der das Datum vom ersten October hat 7). Dies Fragment muss also von dem Anfang abgelöst werden. Dagegen gehören die Worte, die jetzt ep. XVI § 13 stehen Paccianae epistolae respondi augenschein- lich zusammen mit dem Anfang des sechzehnten Briefes, eben der Antwort auf die epistola Pacciana und danach wird auch, was jetzt XVn, 2 bis zu den Worten Catone praesertim ahsoluto steht, hierher zu ziehen sein, denn in den Handschriften geht dieser Passus un- mittelbar dem Paccianae epistolae respondi voraus und ist nur in den Ausgaben mit grenzenloser Willkür davon getrennt. Soviel ist also klar, dass in XVI, § 1—12, XVII, § 3, XVII, § 1—2, XVI, 13 15, XVIII so ist die handschriftliche Folge , da XVI, 5 und XVI, 13 zusammengehören, XVI, 6 sq. aber später gestanden haben muss, ein Stück eingeschoben ist, und es kommt nur darauf an die Ränder zu ermitteln. In XVI, 5. 6 ist die Fuge offenbar in der corrupten Phrase enthalten:

senatus consultum quod hie consules de provinciis fecerUnt QUICUN- QUE POSTHAC non mihi ut quod (ita Med.) iam inteUegebamus (intellegebas Med. m. \) enuntiationem illam Memmii valde Caesari displicere (Med. despicerem) ;

denn während der Anfang noch zu dem politischen Tagesbericht vom Quintil gehört, ist die enuntiatio Memmii offenbar schon aus dem Briefe vom Oktober. Die entsprechende Fuge muss in XVII, 1 . 2 gesucht werden und zwar in dem Satze :

Quin tu huc advolas et (Med. sed) incisis illius nostrae reipublicac germane (ita Med.) putavi de nummis ante comitia tributim uno loco divisis palam inde ahsolutum Gahinittm detur esse valitunim. De Messala quod quaeris quid scribam nescio ; nunquam ego vidi tarn pares candidatos.

Denn die Freisprechung des Gabinius fällt bedeutend später als der Bericht über die Consularcandidaten, der noch vor der ärgerlichen Coition derselben geschrieben ist und vortrefflich in den Bericht von Quintil passt. Demnach füge ich folgendermassen zusammen:

Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 31

Senahis cmisiiUum quod Jiic consules de provinciis fecerimt: QÜI- CUNQUE POSTHAC non mihi vi\detur esse valiturum. Sie sehen, wie gut dies passt; die kleine Aendening von ut in vi hat besonders im Mediceus nicht das geringste Bedenken. Damit ist der erste Brief OCCUPATIONUM. MEARUM ^N-ieder hergestellt: er wird aus folgenden Stücken zusammenzusetzen sein: 7S2

Orelli.

XVI, 1 5 Occupationwn mearum wow mihi vi

XVII, 1 fin. 2 detur esse valiturum Catone praesertim ahsohtto XVI, 13 -fin. Paccianae epistolae de Eutychide quid egeris.

Wer sie in diesem Zusammenhange liest, wird nirgends Anstoss nehmen; für das Zusammengehören der Fragmente ist auch noch die doppelte Erwähnung von C. Cato's Freisprechung geltend zu machen, XVI. 5. XVII, 2; umgekehrt ist zu beachten, dass in diesem Briefe Drusus und Scaurus Anklage (XVI, 5. XVIl, 2), in einem anderen ihre Freisprechung erwähnt wird.

Gehen wir weiter in unserer Untersuchung, die freilich einige Geduld erfordert, nicht so sehr wegen ihrer inneren Schwierigkeit, als weil der heillose Zustand der Ausgaben den Ueberblick der handschriftlichen Grundlage unmöglich macht, so finden wir in den Manuscripten nach dem Schluss des Briefes vom Juli de Eutychide quid egeris den mit den Worten PVTO. TE. EXISTDIARE be- ginnenden (XVm Orell.). Dieser Brief hebt an. wie natürlich, mit der Neuigkeit von der infamen Coition der Candidaten mit den Consuln und Memmius Anzeige davon; bald aber stösst man auch hier an:

Memmius dirempta coitione invito Calvitio plane refrixerat et eo

magis nunc cociace dictaturam fruere ^ iustitio et omnium rerum

licentia. Perspice aequitatem animi mei u. s. w. Denn wenn man auch den schroffen Uebergang von dem Bericht über die Coition zu dem über Ciceros Ergebung in das Schicksal und sein gutes Verhältniss zu Caesar sich gefallen lassen und ihn roit der Corruptel entschuldigen will, so ist doch entscheidend, dass aus dem Schluss der ep. 18 der Brief offenbar geschrieben ist, als Cicero Atticus Landung erfahren und ihn in wenigen Tagen zu sehen erwartete; das passt eben so schlecht zu dem Anfang von ep. 18 ('A)ca et itinera tua nihil habere certi videoj als vortreffUch zu ep. 17: 0 expectatas mihi tiias litter as! o gratum adventum! Kommt nun hinzu, dass wir in XVI, 6 den Schluss eines Berichtes über die

1) tum steht nicht im Med.

32

Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.

Coition lesen und dass diesem in XVIII, 2. 3 eben der Schluss fehlt, die Angabe über die Processe nämlich, die durchaus nicht wegbleiben kann, so ist wohl unzweifelhaft, dass hier wieder eine Fuge entdeckt ist und wir nur die Stücke zusammenzusetzen haben. Wir fanden oben bei Ablösung des ersten Fragments, dass für das zweite nachblieb:

.... quod iam intellegebamus enuntiaiionem illam Memmii Caesari valde dispUcere und sehr natürlich schliesst sich dies an die obenstehenden Worte an :

Memmius dirempta coitione invito Calvino plane refrixerat et eo 783 magis nunc hoc iacet quod iam intellegebamus enuntiationem illam

Memmii Caesari valde dispUcere. Ob in dem verdorbenen cociace gerade hoc iacet steckt, will ich freilich nicht versichern , obgleich die Aenderung leicht ist, denn das c ist wie unzähligemal im Med. nur falsche Gemination und wull man einen handschriftlichen Beleg für das ^, so kann man daran erinnern, dass vor dem quod die Handschrift ut hat und das letzte t davon ebenso gut das uns fehlende als aus dem i von vi entstanden sein kann. Doch est modus in rebus!*) So viel scheint mir gewiss, dass die Fortsetzung des Briefes PÜTO. TE in XYI, 6 sq. zu suchen ist, wo auch bis zum Schluss des § 6 wohl Corruptelen, aber keine Lücken sich finden ; im Gegentheil bezieht sich Alles auf die eine grosse Tagesneuigkeit, den Ambitus der Consularcandidaten und die daraus resultirenden Processe. Der zweite Brief PVTO. TE besteht demnach aus folgenden zwei Stücken: Orelli.

XVIII, 1 3 in. Puto te existimare et eo magis nunc hoc iacet

XVI, 6 8. quod iam intelligehamus nihil reperio. Geschrieben ist er 30. Sept. 1. Oct., was sehr wohl dazu passt, dass Cicero im Anfang sich über sein langes Stillschweigen entschuldigt und der vorige Brief vom Juli war. Von dem nun folgenden dritten Briefe fehlt uns der Anfang,**) wie vielleicht von dem vorigen der Schluss. Für uns beginnt er XVI, 2: Ntmc ut opinionem haheas verum ferendum est. Dass dies nicht bloss Corruptel ist, Lambin hat, aber schwerlich aus dem Turnesianus: Nunc de Gäbinio habe absoluto. Verum ferendum est geht schon daraus hervor, dass

*) [Vgl. über die Korruptel und Momnisens Besserungsversuch Purser, The correspondence of Cicero IP, 1906, S. 179. Abweichend Stemkopf a. a. 0. S. 30 f. 40.]

**) [Anders hierüber Sternkopf S. 34 ff.]

Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 33

auch bei dieser Lesart der Anfang noch gar nicht befriedigt; eine 80 wichtige Neuigkeit, die Atticus noch unbekannt sein musste, konnte 80 nicht eingeführt werden, und wo will man hin mit dem ille inquies vi ferebat? Die Hauptsache aber ist, dass in diesem Briefe es heisst 11): Candidati consulares onmes rei ambittis, wogegen in dem Briefe PVTO. TE am Schluss gesagt ist: Tres candidati fare rei putabanhir ; ein anderer Brief liegt also jedenfalls vor und wahr- scheinlich mit einem Defect im Anfang, etwa vor ferendum est, so dass nunc rerum .... noch zu dem Briefe PVTO. TE gehören würde. Uebrigens ist dieser Brief nur in den Ausgaben, nicht in den Handschriften zerrissen; es gehören dazu Orelli

XVI, 9 12 ferendum est in Ciliciam cogitat.

XVII, 3 Ah Quinto fratre Epheso a. d. V. Id. Sext. datas. Geschrieben ist er Ende Okt. oder Anfang Nov.; Cicero schreibt darin, dass Pomptinus a. d. IV. Non. Nov. triumphiren wolle und er die letzten Briefe aus Britannien a. d. IX. Kai. Nov. empfangen habe.

Der letzte Brief endlich, mit dem das Buch schliesst und schliessen muss, ist das kurze Schreiben 0 EXSPECTATAS ep. XVH, womit Cicero dem Atticus zu seiner Landung in Italien Glück wünscht und 784 ihm einige eilige Nachrichten zum Vorschmack ihrer Gespräche mit- theilt. Wie gedankenlos es ist in demselben Brief zusammenzustellen: 0 exspectatas mihi tuas litteras ! o gratum adventum ! und : dbs ' te proximas litteras hahebam Epheso a. d. V. Id. Sext. datas, hätte man längst sehen sollen. Es gehören dazu: Orelli XVII, 1. 0 exspectatas mihi tuas litteras inde absolutum

Gabinium. XVni, 3. dictattiram fruere iustitio cum tuis maneas. Die Fugen , die hier zusammenschliessen , sind schon früher nach- gewiesen; die Verbindung ergiebt:

Quin tu huc advolas et inmsis illius nostrae rei publicae germane

putavi de nummis ante comitia tributim uno loco divisis palani

inde absohitum Gabinium dictaturam fruere iustitio et omnium

rerum licentia.

Die erste Corruptel weiss ich nicht zu lösen; für fruere möchte ich fervere vorschlagen, dictaturam fervere iustitio et o. r. licentia passt recht gut.*) Uebrigens passt es sehr wohl, dass hier noch auf die letzten politischen Skandalgeschichten kurz hingedeutet wird:

*) [invisis illius nostrae rei publicae gennanae {imaginem: add. Wesenberg). i'Cft vide nummis . . . palam; vide a. Gabinium (Manutius).]

HOMMSEN, SCHR. VII. 3

34

Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero.

785

Scaunis Zahlungen (XVI, 7), Gabinius Freisprechung (XVI, 9), Pompe jus Dictatur (XVI, 11); der kurze Brief schliesst wohl zusammen und das Buch vortrefflich ab.

Ihrer leichteren Uebersicht wegen gebe ich auch hier eine Tafel über die handschriftliche und ursprüngliche Anordnung:

il

S

s

1

2

AD ATTICÜM

L. IV.

fecerunt quicunque posthac non mihi vi-

Series

ex nostra dispositione

epistolarum

ex Orelliana

detur esse valiturum

ep. 16 contin.

fep.l7pars(§lfin.2) \ep.l6 » 13fin.)

1

2

PUTO. TE. EXISTIMARE . . plane refrixerat et eo magis nunc hoc iacet

ep. 17

»

ep. 18 pars 1-3)

quod iam intelligebamus

»

ep. 16 pars (§6— 8) i

2

1

NVNC. VT. OPINIONEM . . .

ep. 18

fep.16 » (§9-12) lep.l7 » (§3)

0. EXSPECTATAS. MIHI . . .

ep. 19

ep.l7 » (§1)

uno loco divisis palam, inde abso- lutum Gabinium

dictaturam fervere iustitio et omnium

rerum.

Sie sehen, die Umsetzung ist sehr einfach : das eine Stück von detur esse bis hoc iacet ist von seinem Platze abgekommen und ver- setzt, was man auch ohne Zweifel längst bemerkt hätte, wenn nicht die rein willkürliche Durcheinanderwürfelung der Stücke in den Ausgaben im Wege gewesen wäre. Bemerkens werth ist, dass das erste dieser Stücke detur esse hoc iacet etwa 60, das zweite quod iam Gabinium etwa 90 orellische Zeilen hat; es hat also Schwierig- keit bloss eine Umstellung zweier Blätter anzunehmen.*) Es kann dies indess unsre Annahme, wenn sie sonst begründet ist, nicht erschüttern, da der Urcodex an dieser Stelle,^ wie auch die zahlreichen und schweren Verderbnisse zeigen, sehr beschädigt und wie wir oben vermutheten, vielleicht an einer Stelle lückenhaft war. Aus diesem Grunde wird es auch gerathen sein über die un- zähligen Möglichkeiten, wie diese Versetzung entstehen konnte, nicht weiter Worte zu verlieren; obwohl es interessant wäre zu wissen, ob

*) [Dies ist durch die scharfsinnige Kombination Sternkopfs a. a. 0. S. 3 ff. erledigt.]

Die Florentiner Handschrift der Briefe des Cicero. 35

der Urcodex der Briefe ad Atticum dieselbe Zeilenzahl auf einem Blatte hatte, wie der der Briefe ad Quintum fratrem, oder wie es eher scheint eine verschiedene. Für die Geschichte der Kritik könnte diese Notiz brauchbar sein.

Sie sehen wohl schon aus dem oben Gesagten, dass die medi- ceischen Handschriften der Briefe noch nicht ausgenutzt sind; ich 7S6 erfahre es täglich, dass noch manche gute Lesart sich daraus ge- winnen lässt. So begreife ich z. B. nicht, warum Orelli ad YI, 1, 17, wo von zwei Statuen, der einen ad Opis per te posita, der andern ad IloXvdevxovg, hercide! die Rede ist, nicht die handschriftlichen Lesarten aufgenommen hat: cdt Opis parte posita und ad Uo/.vyJJovg (cod. nOJ^YKEAOYC) Hercuhm statt des unmöglichen per te und des inepten hercule! Die letzte Lesart wenigstens hat del Furia nicht übersehen und vielleicht giebt sie den Archäologen ein neues Kunstwerk. Doch davon vielleicht ein andermal;*) für diesmal will ich Ihnen noch über die berühmte SteDe Cic. de rep. H, 22 39], die ich im Tatican eingesehen habe. Einiges mittheilen, da vermuth- lich noch mancher Philolog mit dieser Sphinx sich zu schaffen machen wird. Ist soviel darüber exegesirt vmd conjicirt, so können Sie auch immer die paar Notizen über die Beschaffenheit der Handschrift drucken lassen, die wenigstens zeigen, wie Mai verfahren ist.**)

Aber leben Sie wohl; ich schliesse meinen Brief, ehe er ganz 737 zum Korrespondenzartikel wird. Das indess darf wohl auch noch in einer philologischen Zeitschrift stehen, dass seit kurzem die Laurentiana gleich der Marciana sechs Stunden täglich geöffnet ist und die edle Liberalität der toskanischen Regierung sich auch hierauf erstreckt hat.

*) [Mommsen selbst ist m. W. nicht darauf zurückgekommen; wohl aber hat Th. Bergk, der Adressat dieses Briefes, die neue Erkenntnis sofort verwertet in einer Abhandlung, die er in seiner Zeitschrift dem Briefe Mommsens auf dem Fuße folgen ließ : 'Über den Hercules des Poljcles' S. 787 ff. Vgl. auch Brunn, Gesch. d. gr. Künstler 2. Aufl., Stuttg. 1889. Bd. 1, S. 378.]

**) [Die kurze Mitteilung Mommsens über diese Stelle Ciceros ist hier fort- gelassen, da er selbst im Staatsrecht wiederholt darauf zurückgekommen ist. besonders 3, 274, 4. Übrigens haben die Worte, mit denen er diese Mit- teilung schließt: „Von Schreibfehlern würde eine neue CoUation des Codex gewiss noch eine bedeutende Nachlese liefern'' nicht die Beachtung gefunden, die sie verdienen: nach der von Halm benutzten Kollation du Rieus (1860) hat sich kein Kundiger mehr mit dem Palimpsest beschäftigt. Es folgen dann Bemerkungen über eine Inschrift von Cora und über die vom Sarkophag des Scipio Barbatus. Sie werden in der epigraphischen Abteilung der Gesammelten Schriften zum Abdruck gelangen. Hier folgen im Text daher nur noch die- jenigen "Worte, mit denen Mommsen seinen Brief schließt.]

3*

VI.

Zu Ciceros Reden.*)

160 Unter den epigraphischen Collectaneen des Mariangelus Accur-

sius (cod. Ambros. 0 125 sup.; in Abschrift 0 248 sup.) befindet sich eine Lage (jetzt f. 180—183), welche einige in der Juntina 1521 fehlende Stellen der ciceronischen Reden in Vatinium und pro Flacco enthält. Es sind dieselben, welche gedruckt zuerst in der Ausgabe des Andr. Cratander (Basel 1528) erschienen, und zwar

in Yatin. 8, 24 cum filio principe iuventutis

14, 34 Q. (so) Memii puUicis tdbulis 15, 35 legationis mentio facta (so) est

pro Flacco 31, 75 primum ut in oppidum 33, 83 esse cetera. Die Ergänzungen zu der ersten Rede haben sich seitdem in allen massgebenden Handschriften derselben gefunden und verdienen keine weitere Aufmerksamkeit ; dagegen steht das hier ergänzte Stück der Rede pro Flacco in unseren Ausgaben lediglich auf der Cratandrina, und zwar ist in dieser angemerkt, dass Konrad Peutinger dasselbe von Hieronymus Rorarius Foroiuliensis aus einem seitdem ver- schollenen Manuscript erhalten hat. Da Accursius in den Jahren 1522. 1525. 1530 in Deutschland war und wenigstens in dem letzten Jahre auch in Augsburg, so ist es mehr als wahrscheinlich, dass er diese Mittheilungen eben von Peutinger erhalten hat und für unsern Text daraus kein wesentlicher Nutzen erwächst : doch können wenig- stens für die Beschaffenheit der von Rorarius eingesehenen Hand- schrift diese Auszüge vielleicht in Betracht kommen.

*) [Hei-mes 18, 1883, S. 160.]

VII.

Theod. Mommsenii Excursus ad Ciceronis or. pro Fonteio cap. IX § 19.*)

Agitur hoc loco de portorio ab iis solvendo qui ex Italia in 477 Galliam vinum navibus portarent; nam praeter Massiliense Italico vino maxime usos esse Gallos doeet Posidonius apud Athen. lY p. 151 E innnitque Cicero hie cum ait nostros fructus. Naves igitur intelleguntur quae appellebant Narbone, qui ea aetate unicus Roma- norura portus maritimus fuit in Gallia transalpina; neque tarnen Narbone neque in agro Narbonensi portorium exactum est, ne coloni Ifarbonenses cives Romani eo gravarentur, sed ad vias quae a Xar- bone ad provinciam Romanam et ad populos ea aetate adhuc liberos ferebant. Primaria statio collocata est Tolosae, quo a Narbone inter montes Pyrenaeos et Gebennicos natura ipsa viam patefecit quodque oppidum in provincia Narbonensi primum inter provinciaUum ci^'itates locum tum obtinuisse nemo dubitat. A Tolosa cum proxime abesset qui eo tempore fuit terminus pro^dneiae Romanae et viae inde exirent et in Hispaniam et in Aquitaniam et Burdigalam et ad Cadurcos, nullo alio loco commode institui potuit statio quo vini ad hostem portandi portorium solveretur nisi Tolosae: quare ubi codex habet vellenfelosi vel veUentelesi in archetypo fuisse videtur veUent tolose. Qui de Elusa cogitaverunt, quae est in media Aquitania, iis antea docendum fuit quomodo statio portorii y\m ad peregrinos vehendi in ipso hostico solo collocari potuerit. Neque de Elusione. qui ^'icus est inter Tolosam et Xarbonem, recte cogitatur; qui enim scire potuerunt eo loco stationarii vinum utrum ferretur ad provinciales

*) [In: Ciceronis opera ex recensione Orellii, ed. altera. Vol. II Pars I. Turici 1854, Seite 477 478. Die Stelle Ciceros lautet bei Orelli so: Cognoscite nunc de crimine rinario, quod ilU inridiosissimum et maxinmm esse rohierunt. Crimen a Maetorio, iudices, ita constitutum est: 31. Fonteio non in Gallia primum enisse in mentem, ut jx>rtorium vini institueret, sed, in Italia iam hac proposita ratione, Eoma p}-ofectum. Itaque Titurium Tolosae qnaternos denarios in singiilas vini amphoras pjortorii nomine exegisse, Segoduni Porcium et Munium ternos, Volcalone Seriaeum binos et rictoriatum, atque in his locis Segoduni et Volcalone ah iis poiiorium esse exactum, si qui Eburomago, qui vicus inter Tolosam et Nar- bonem est, dererterentur neque Tolosam ire vellent: Tolosae Oduluscantum sertos denarios ob iis, qui ad hostem portarent. exegisse.]

3g Excursus ad Ciceronis or. pro Fonteio cap. IX § 19.

an ad peregrinos? Neque tarnen sufficiebat Tolosana statio, cum via Tolosa Narbonem diverticulum haberet ad vicum aliquem Cobia- machum, quo qui diverteret, non Tolosam perveniret sed Secrodunum et Vulchalonem. Sic omnino tria haec nomina in codice scripta sunt ; quod enim priore loco croduni legitur, factum est quod primam syllabam absorbuit praecedens exegisse. Neque opus est docere quantopere sententiam perverterit Wesenbergius (Observv. in or. p. Sestio p. 26) scribens Cohiamachum pro Cohiamacho; sane non diverte- bant Cobiamachum, sed Cobiamacho Secrodunum et Vulchalonem.

Tres hi loci ubi fuerint, quaeritur. Cobiamachum Walckenaer (geogr. anc. des Gaules I. 194) putat esse vicum qui hodie dicitur Cambiac «au midi de Caraman et d'Auriac et dans la direction de Toulouse a Narbonne » ; quod non probo, neque enim nominis simili- tudine haec quaestio diiudicanda est neque viam Tolosa Narbonem, in qua ipsa Cobiamachus fuerit necesse est, Cambiaci transisse credo. Omnino diiudicabunt hanc quaestionem qui in viae huius diverticula aliquando accuratius inquirent, quam adhuc factum esse videtur.*) Quod si mihi huiusmodi rerum notitia plane destituto coniecturam proponere licet, pro Cobiamacho vel potius Cobiamago restituerim aut Sostomagum (si quidem emendate sie scribitur in itin. Hierosol. p. 551, quod unum huius vici memoriam servavit) aut Hebromagum sive Eburomagum, qui vici eunti Narbone Tolosam hie lapide LXII,

478 ille lapide LXXII occurrunt. Inde non incommode divertitur Sego- dunum Rutenorum, quod hodie est Rodez; sie enim scribendum videtur pro Secroduno. Quod oppidum solet quidem hodie Rutenis provincialibus abiudicari, sed fit hoc ex coniectura d'Anvillii (notice de la Gaule p. 562) parum certa, neque quidquam obstare videtur ne eo extendatur provincia Narbonensis. Vulchalo vel potius Yolcalo forma nominis plane Gallica ubi fuerit, non constat, nisi quod in agro Volcarum sive Tectoragum sive Arecomicorum fuisse non facile quis negabit; quo optime pervenire potuit qui Ebromago diverterat.

Ad lectionem quod attinet, praeter ea, quae supra notavi, delevi victoriatos m post terms, ne nimis inaequalia vectigalia efficiantur. Deinde pro bims et victoriatos m (quo loco qui deleverunt et, non cogitaverunt male dici pro denario binos victoriatos) scripsi binos et Victor iatuni. Oduluscanti nomen num corruptum sit et, si est, quo- modo emendandum, in medio relinquendum est; Gallica nomina in atus desinentia non rara sunt, ut Adnamatus, Gutruatus. Exegisse pro exegissent eraendavit Pantagathus.

*) [Es ist m. W. bis jetzt nicht geschehen.]

VIII.

Zu Cicero de republ. 2, 10.*)

Cicero führt in seiner Schrift vom Staate (2, 10) den Satz durch, 165 dass die Vergötterung des Romulus bereits in die rein geschichtliche Zeit falle und desshalb diesem Bericht ein anderes Gewicht zukomme als den gleichartigen Erzählungen der Griechen aus ihrer Mythenzeit. Er belegt dies durch Anführungen aus der damals gangbaren griechi- schen Chronographie (Graecorum annalesj: Roms Erbauung werde in das zweite Jahr der siebenten Olympiade gesetzt, wo Griechen- land schon voll von Dichtern und Musikern war; falle doch Lykurgos 108 Jahre vor die erste Olympiade, Homer mindestens 30 Jahre vor Lykurgos, also Romulus viele Jahre nach Homer. Hier bricht der 166 Text ab ; nach einer Lücke von etwa 230 Buchstaben folgt der Schluss derselben Argumentation in dem folgenden defecten Satz:

US ne MS id di . . . . nt quidam . x filia quo .... iUe

mor ödem no na moni ympia . .

xta . . quin .... esima .... cilius . . t . . legi pos m

im

de Bo . . U iam mortdlitate creditum , cum iam inveterata vita

homimcm ac tractata esset et cognita. In einem von 3Iai zu dieser Stelle mitgetheilten Briefe Niebuhrs wird der letzte Theil unzweifelhaft richtig so ergänzt: iiatus Simo- nides Olympiade sexta et quinquagesima, quo facilius intellegi possit tum de Romuli immortalitate creditum u. s. w. Denn Simonides Geburt fällt der Ueberlieferung gemäss auf die 56. Olympiade und man kann auch nur beistimmen, wenn Xiebuhr hinzufügt: illud mihi extra controversiam esse videtur Ciceronem in hac lacuna enumeravisse poetas Graecos qui sub Romanis regibus floruerunt atque ita desivisse in Simonide sene, qui cum reges urbe pellerentur quadragenario maior •irat. Nominatum fuisse ante alios Archilochum propterea mihi

*) [Rhein. Mus. 15, 1860, S. 165 - 167.]

40 Zu Cicero de republ. 2, 10.

persuadeo quod in Tusc. 1, 1 sub Romulo floruisse dicitur , tum

vero Alcaeum, Stesichorum etc. Ohne Zweifel wollte Cicero durch Aufzählung verschiedener Dichtergenerationen von Homer bis auf den verhältnissmässig schon modernen Simonides deutlich machen, wie Romulus Zeitalter der mythischen Dichtung fern und inmitten der historischen Epoche stehe. Aber wenn Niebuhr die vorher- gehenden Worte ergänzt: eodem nomine alius nepos eins ut dixerimt quidam ex ßlia, quoniam ille mortuus eodem est anno, so kann man ihm hierin nicht beipflichten. Er stützt sich darauf, dass der selten genannte jüngere Simonides von Keos bei Suidas ein Enkel des bekannten Dichters heisst; allein weder ist die Erwähnung eines 80 obscuren Individuums in Ciceros Weise noch wird durch dieselbe sein Zweck irgend gefördert noch wird es deutlich, worauf sich die Worte quoniam ille mortuus eodem est anno nach dieser Ergänzung beziehen. Weit näher liegt es hier die Angabe zu erkennen, dass das Jahr oder vielmehr die Olympiade der Geburt des Simonides zugleich die des Todes des Stesichoros

ist, und also zu ergänzen: *) Stesichorus nepos eins

ut dixerunt quidam ex filia. Quo vero ille mortuus, eodem est anno natus Simonides Olympiade sexta et quinquagesima. Schwierig- keit macht hier nur die Bezeichnung des Stesichoros als des Tochtersohns eines Individuums, dessen Name in der Lücke unter- gegangen ist; denn eine hiezu genau passende Notiz ist anderweit nicht erhalten. Man erwartet einen Dichter oder doch sonst einen 167 sehr berühmten Mann, geeignet neben Homer, Lykurg, Stesichoros und Simonides genannt zu werden; und ein solcher, wie er geeig- neter nicht gedacht werden kann, wird allerdings dem Stesichoros zwar nicht als Grossvater, aber als Yater beigelegt: Hesiodos, den ebenfalls mit Homer, Stesichoros und Simonides derselbe Cicero anderswo (Cat. mai. 7, 23) zusammen nennt. Des Hesiodos und der Klymene Sohn heisst Stesichoros bei Philochoros (Proclus zu Hesiod opp. 272), bei Aristoteles oder wer sonst hier von Tzetzes excerpirt ist (fr, 115 Müller) und bei Suidas (unter ^ryoixogog). Man sieht, welche angesehene Namen an diesen Bericht sich knüpfen und auch die innere Wahrhaftigkeit mangelt ihm nicht, wofern er richtig gefasst wird (Welcker, kl. Sehr. 1, 151). Aber ein sachverständiger griechischer Chronograph hat ihn in dieser Form unmöglich sich

*) [Vgl. zum Folgenden E. Rohde, Rh. Mus. 36, 1881, S. 567, der Mommsens Ergänzungen annimmt, aber neque enim vor Stesichorus und enim statt rero: ergänzt.]

Zu Cicero de republ. 2, 10. 4 1

aneignen können, da Stesichoros Geburt nach constanter Annahme Ol. 37 = V. Chr. 632, Hesiodos aber selbst von denen, die ihn am jüngsten machen, noch 30 Jahre vor die erste Olympiade = v. Chr. 806 gesetzt wird denn dass Tzetzes, von dem jene verwirrte Angabe herrührt, den Herodot auf die elfte Olympiade = v. Chr. 736 bringt, ist ohne Zweifel nm- Folge jener Verwirrung^ und reicht doch auch noch nicht aus. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der Chronograph, den Cicero benutzt hat vermuthlich Apollo- dor*) die Ueberlieferung, dass Stesichoros ein Sohn des Hesiodos gewesen, mit der Milderung aufnahm, dass er aus dem Sohn einen Enkel machte und auch dann noch, da das Intervall immer noch zu gross blieb, ihn mit qiiidam dicunt einführte; Cicero aber nahm diese Nebenbemerkung bereitwillig auf, weil sie das ungefähre Altersverhältniss des Hesiodos und Stesichoros seinen Lesern ver- sinnlichte. Demnach wird Cicero den Faden, den er mit dem Be- weise, wie viel früher Homer gelebt habe als Romulus, angesponnen hatte, etwa folgendermassen weiter geführt haben:

[Eesiodum deinde, quamquam multis saeeuUs posf Homerum fuit^, tarnen ei ipsum constat vixisse ante JRonitdmn^. Non multos annos post conditam urhem natus est Stesichor]us, ne[pos hui]us ut di[xeru]nt quidam [e]x filia. Quo [vero] ille mor[ttms, e]odem [est an]no na[tus Si]mom[des ol]ympia[de se]xta [et] qum[quag]esima: [ut fa\cilius [in\t[eV^€gi pos[sit tu]m de Ro[mu]li immortalitate creditum, cum iam inveterata vita Jioniinnm ac tractata esset et cognita.

1) Yrgl. Clinton fasti Hell. 1, 361.

*) [Vgl. F. Jacoby, Apollodors Chronik, Berlin 1902, S. 196 f.]

2) Homerus multis ut mihi lidetur ante (Hesiodum) saecitlis fuit. Cicero Cat. mai. 15. 54.

3) Bomerus fuit et Hesiodus ante Romam conditam. Cicero Tusc. 1,1,3.

IX.

Zu Caesar.*)

145 Nachdem Caesar im Januar 706 mit einem Tlieile seines Heeres

von Brundisium nach Illyricum übergegangen war, wurden von dem Führer der feindlichen Flotte M. Bibulus von Kerkyra aus Anstalten getroffen, um die Nachsendung der übrigen Truppen zu verhindern, und namentlich die ganze Küste besetzt, wie Caesar (b. c. 3, 8 [, 4]) angiebt: a Salonis ad Oricum portus stationes Utoraque omnia longe lateque classihus occupavit. So lesen die meisten Herausgeber, ohne dass Rechenschaft darüber gegeben wird, warum Bibulus nur diesen Theil der Küste besetzen lässt und die ganze lange Küste von Salonae nordwärts vernachlässigt. Aber die gangbare Lesung beruht nur auf Textverderbung; die Handschriften haben vielmehr a Sasonis ad Corici portum stationes Utoraque omnia . . . occupavit und dies ist wesentUch richtig. Saso ist die kleine Insel Saseno, die vor den Häfen von Oricum und Apollonia liegt; sie wird bei den Alten ziemlich häufig genannt (Scylax 26; Polybios 5, HO [, 2]; Strabon 6, 3, 5 p. 281; Silius 7, 480; Plinius 3, 26, 152; Ptolemaeos 3, 13, 47 [3, 12, 44 (Müller)]; Itin. Ant. p. 489. 520; geogr. Rav. 5, 24 p. 408, 19, wo sie Sarona heisst) und war bekannt als Piratenstation (Plinius a. a. 0.); es ist die erste wichtige Position an der Küste nördlich von Corfu. Corici oder vielmehr Curici portus trifft auf die heutige Insel Veglia (slavisch Kerka), die nördlichste unter denen der dalma- tinischen Küste. Diese heisst Curictae (so auf einer kürzlich daselbst gefundenen Inschrift (C. I. L. III, 3126) und bei Plinius 3, 21, 139), Curictice (Strabo 2, 5, 20 [p. 123], 7, 5, 5 [p. 315]), Curicta (Ptole- maeos 2, 16, 13 [2, 16, 8]; curica die Peut. Tafel); die letzte Form brauchte wahrscheinlich auch Caesar 3, 10 [, 5] wo die handschriftlich überlieferte Lesung ad corcijram auf die (nach meinem Vorschlag

*) [Hermes 2, 1867, S. 145—146.]

Zu Caesar.

43

on Kraner aufgenommene) Verbesserung ad Curidam führt.*) lie Stadt auf der Insel aber nennt Ptolemaeos, der einzige, der irer besonders gedenkt, Kovqixov, eben wie Caesar an unserer Stelle ; enn diese ist hier gemeint. Wenn also Bibulus von Kerkyra aus ie Besetzung der Küste von dem Hafen von Saseno bis zu dem on Veglia anordnete, so heisst das einfach, dass er die ganze Küste on Corfu nordwärts besetzen Hess, wie es die Sache fordert; von er Küste südlich von Corfu ist nicht die Rede, theils weil diese 146 bnehin von der Flotte der Pompeianer occupirt war, theils weil bei aesars Stellung die Verstärkungen nicht nach dem eigentlichen riechenland. sondern nach Illyrien dirigirt werden mussten.

*) [Sie ist auch in die neueren Ausgaben aufgenommen worden. Vgl. auch atsch bei Pauly-Wissowa, R.-E. IV Sp. 18:34 f.]

198

X.

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.*)

Die hier mitgeteilten, die Textkritik von Cäsars gallischen Commentarien betreffenden Yorschläge sind hervorgerufen worden durch die nicht abschliessende, aber in dem Keiz ihrer Knappheit vielleicht um so mehr anregende Ausgabe Heinrich Meusels.**) Indem dieselbe einerseits lehrt, wie unvollständig und vielfach fehlerhaft der bisher gedruckt vorliegende Apparat war und demselben Einfachheit und Sicherheit giebt, zeigt sie andererseits mit einer freilich uner- freulichen Deutlichkeit, wie schwer das schöne und wichtige Ge- schichtswerk bereits in derjenigen Handschrift entstellt war, auf die alle erhaltenen zurückgehen, und in welchem Umfang dasselbe durch eine vor, und vielleicht lange vor dem fünften Jahrhundert einge- tretene Diaskeuase, namentlich durch Interpolationen beschädigt worden ist. Der gute Glaube, in dem ich wenigstens mich bisher befunden habe, dass die gallischen Commentarien uns recht leidlich überliefert seien, ist der Überzeugung gewichen, dass diese freilich in besserer als die des Bürgerkriegs, aber dennoch in einer Gestalt uns vorliegen, welche zwar weniger crasse Fehler aufweist als die Bücher des Livius und des Tacitus, aber um so mehr durch will- kürliche Correctur gelitten hat.

Dass die beiden Familien, deren Scheidung noch in die Römer- zeit zurückgeht Orosius benutzte eine der geringeren Klasse sich nähernde Handschrift , neben einander gebraucht werden müssen, steht seit langem fest; die schärfere Gegenüberstellung derselben und die Beseitigung der wertlosen Specialfehler ist das Hauptverdienst der neuen Recension. Es hätte wohl darin insofern noch weiter gegangen werden können, als da, wo ein Teil der Handschriften

*) [Zeitschrift für das Gymnasialwesen 48. Jg., 1894; Jahresberichte u philologischen Vereins zu Berlin 20. Jg. S. 198 218.]

**) [C. lulii Caesaris belli Gallici libriVII A. Hirtii liber VIII, Berol. 1894.

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 45

t'istor Klasse mit der zweiten oder ein Teil der Handschriften zweiter Klasse mit der ersten geht, damit in der Regel (denn Dittographien des Originals und Zufälligkeiten sind natürlich auch im Spiel) über die Lesung der Urhandschrift ebenso entschieden ist wie wo beide 199 Familien mit einander übereinstimmen. Was die Schätzung der beiden Familien anlangt, so kann über den Vorrang der Klasse a ebensowenig gestritten werden wie über den secundären Wert der Klasse ß; wenngleich Xipperdey dieser letzteren wohl zu enge Grenzen gezogen hat, so scheint Mensel dieselben eher zu weit zu greifen. So weit ich urteilen kann, ist die Klasse a von selbständiger Interpolation frei; die sehr seltenen Stellen, wo ß gegenüber a die nicht interpolierte Fassung bewahrt zu haben scheint (7, 77, 10; 8, 16. 2; vielleicht auch 7, 77, 13), gehen vielleicht auf Dittographien des Originals zurück und dürfte der Schreiber des princeps von a wohl öfter geirrt, aber nicht corrigiert haben. Das Umgekehrte gilt sicher von dem Schreiber des prmceps der zweiten Klasse ; dreiste und unwissende Textänderungen, wie z. B. 1, 47, 4 die Herauscorrigierung von Ariovists Kenntnis der gallischen Sprache und 4, 10, 3 die Um- wandelung der dem Schreiber unbekannten Xantuaten nach Auswahl entweder in Nemeter oder in ^iTamneter, begegnen hier in grosser Menge. Bei dieser Sachlage wird es wohl zulässig sein, da, wo die Lesung von a sich ß gegenüber auf Wortausfall oder auf Wort- umstellung oder sonst auf einfachen Schreibfehler zurückführen lässt, der letzteren zu folgen; wo dagegen, wie das sehr häufig der Fall ist, die Verschiedenheit der beiden Texte eine Diaskeuase voraus- setzt, dürfte der zweiten Familie vielleicht nicht dasjenige Vertrauen zu schenken sein, welches der neueste Herausgeber, obwohl er ihre secundäre Stellung anerkennt, ihr thatsächlich einräumt.*) Mehrere dei- folgenden Bemerkungen geben dazu die Belege.

1, 3, 2 constituerunt ea quae ad proficiscendum pertimrent comparare

cum proximis ciintatihus pacem et amicitiam confirmare. in

rfhim annum profectionem lege conßnnant. ad eas res conficiendas '"jetorix deligitw: is sibi legaüonem ad civitates suscepit. Der lach confirmare überlieferte Satz ad eas res conficiendas hiennium ■ühi satis esse duxerunt, der neben dem gleichartig anfangenden nicht bestehen kann, ist sachlich entbehrlich (ein ähnlicher müssiger Zusatz ist 1 , 26, 5 triduum m&rafi nach die quarto\ dagegen nicht entbehrlich der folgende gleichartig anfangende, da, wenn dieser

*) [Vgl. R. Schneider in derselben Zeitschr. 49. Jg., 1895; Jahresber. 21. Jg. 8. 116 ff.]

46 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.

gestrichen wird, Orgetorix deligitur in der Luft steht, weshalb diese Streichung weiter zur Einsetzung von dux genötigt hat. Auch gewinnt die Verbindung, wenn dem Orgetorix nicht die noch in der Ferne stehende Heerführung, sondern die Leitung der Vorbereitungen übertragen und die Beschickung der Nachbarn enger mit dem betreffenden Beschluss verknüpft wird. Endlich kann sihi dann in dem Sinne gefasst werden, dass von den ihm übertragenen Geschäften Orgetorix die übrigen anordnet, die Unterhandlungen mit den Nachbarstaaten aber selbst übernimmt.

2<>0 1, 6, 1. Das Her per Sequanos angustum et difficile, durch welches die Helvetier nach Gallien gelangen konnten und nach Verlegung des Marsches durch das römische Gebiet in der That gelangt sind, ist die über den Jura durch Yverdun und Pontarlier nach Besangon führende Strasse. Auf diese passt die Angabe inter montem luram et flumen Rhodanum in keiner Weise; diese Worte sind ebenso sicher Glosse wie 1, 33, 4 die verwandte Angabe cum Sequanos a provincia nostra Rhodanus divideret.

1, 8, 4 vielleicht ratibusque complurihus (actis {alii), aliis vadis Rho- dani. Indes bemerkt mir Meusel, dass diese Stellung des alii sonst bei Cäsar sich nicht findet.

1, 10, 4 ihi Ceutrones et Grai Oceli et Caturiges locis superioribus occupatis ifinere exercitum prohibere conantur. Das überlieferte graiocaeli (so a, gaioceli ß) ist, da eine Völkerschaft dieses Namens sonst nirgends genannt wird, so wie geschehen aufzulösen. Die Graier als Bewohner der graischen Alpen nennt Plinius h. n. 3, 20, 134: credunt . . . eiusdem (Herculis) exercitus et Graios fuisse Graiarum Älpium incolas. Ocelum, auch sonst öfter genannt, wird gleich darauf als citerioris provinciae extremum bezeichnet, wo der Gegensatz zu den Vocontii uUerioris provinciae die Zu- setzung der genaueren Ortsbezeichnung fordert. Erst durch diese Wortteilung wird die Sache klar. Die Ceutronen (vgl. Hirschfeld, C. I. L. Xn p. 16 ; die alte Missform Centrones sollte billig der Vergessenheit verfallen) haben ihren Mittelpunkt in Axima (Aisme), dem Hauptort der späteren Provinz der graischen Alpen, und in eben dieser müssen auch die Graier gesessen haben. Ocelum liegt nicht in diesem Gebiet, sondern etwas südlich davon; die Bewohner der graischen Alpen überschritten also ihre Grenzen, um Cäsars Marsch zu hindern. Derselbe ging dagegen durch das Gebiet der Caturigen (Hauptstadt Briangon); diese brauchten sich also zu dem gleichen Zweck nur längs der Strasse aufzustellen.

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 47

1 . 1 3, 6 se ita a patnhus maioribtisque suis didicisse, ut magis virtute quam [dolo contenderent autj insidiis nitei'entur.

1. 14, 4 quodqiie tarn diu se impune [iniurias] ttdisse admirarenfur. Die Änderung intidisse empfiehlt sich nicht: denn nirgends ist in der Rede der Helvetier die Rede von dauernder Schädigung der Römer durch sie, wohl aber ist darin angedeutet, dass die Römer sich lange Zeit des Angriffs auf sie enthalten hätten.

1, 17. 2 hos . . . multitudinem deterrere, ne frumentum conferant; [quodj praestare [deheant], si u. s, w. ; quod debeant ist offenbar Interpolation zu jrraestare und nicht zu versetzen, sondern zu streichen. Ebenso wird nachher debeant gewiss mit Recht von Dähne gestrichen.

1, 17, 6 quod necessaria, re coactus, Caesari enuntiaHt ist schon von 201 anderen vorgeschlagen statt des überlieferten necessariam rem; zu verstehen dürfte sein, dass er, durch die Sachlage gezwungen, das Erforderliche eröffnet.

1, 18, 10 in quaerendo ist müssig, da dies von der ganzen Erörterung gilt; inquirendo (Conjectur eines Teils der Handschriften zweiter Klasse) ist angemessen, indem es hervorhebt, dass diese den Dumnorix belastenden Angaben von seinen Landsleuten erst auf besonderes Befragen gemacht werden.

1, 19,4 in concilio Gallorum scheint mir unbedenklich; es war an- gezeigt hervorzuheben, dass nicht Römer, sondern Landsleute den Dumnorix also bezichtigt hatten. In diesem Zusammenhang kami die Versammlung der vornehmen Haeduer (c. 16, 5j auch concilium Gallarum genannt werden.

1. 25, 7 Romani [conversa] signa Inpertito intidenmt. Bei den ersten beiden Treffen tritt Frontwechsel nicht ein.

l. 33. 2 et sectmdum ea midtae res eum Jioitcdjantur ist schwerlich richtig; vielleicht secum dum ea {reputat), obwohl dum besser vor reputat stände.

j . 36, 1 idem populum Romanum ist wohl richtig und tenere hinzu- zudenken oder ein "Wort ausgefallen.

1,40,10 cum aiit de officio Imperatoris d^sperare viderentur auf praescribere auderent. Die Familie a hat desperare aui praescribere ciderentur. die Familie ß desperare auf praescribere auderent; hier

1^ dürfte jede einen Teil des Richtigen bewahrt und in X gestanden b viderentur

48 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.

1, 47, 2 pridie eins diei, am gestrigen Tag, weiss ich mit dem hiduo 2)0st c. 41, 1 nicht in Einklang zu bringen. Corruptelen scheinen nicht vorzuhegen, eher Ungenauigkeit der Relation.

1, 47, 3. Wenn ex suis gestrichen wird, fehlt der Anschluss an das Vorhergehende wie an das Folgende; nicht einen Boten verlangt Ariovist, sondern als Boten einen Offizier, und einen Boten schickt Cäsar, aber keinen Offizier. Dass ex suis nicht allgemein zu fassen, sondern ex suis legatis zu verstehen ist, was sonst Anstoss geben könnte, wird hier durch den Zusammenhang gedeckt.

1, 51, 2. Die richtige Schreibung Marcomani steht fest durch das inschrifthche Zeugnis Augustus mon. Anc. Lat. 6, 3 = Graec. 17, 4, sowie durch die Quantität (Statins silv. 3, 3, 170: quae modo Mar- comanos post horrida hello). Auch Marcommani ist inschriftlich belegt (C. I. L. YIII, 619 = 11780) und findet sich ferner bei Strabon 7, 1,3 p. 290. Dass in unseren Handschriften, namentlich 202 den lateinischen, die Form Marcomanni vorwiegt, kommt dagegen nicht in Betracht; Cäsar kann so nicht geschrieben haben.

1, 54, 1, Die Änderung von uhi in Ubii empfiehlt sich nicht; eher dürfte nach 1, 37, 3 an die linksrheinischen Treverer zu denken sein als an jene damals rechtsrheinische Yölkerschaft. Die Kunde über diesen Vorgang auf dem rechten Rheinufer ist Cäsar wohl nur unsicher zugekommen und die allgemeine Ausdrucksweise dadurch bedingt.

2, 3, 4 Germani qui eis Bhenum incolant ist sachgemäss ; die Fassung der geringeren Familie qui ripas Bheni incolunf hat offenbar die späteren Verhältnisse zur Voraussetzung, während sie auf die hier gemeinten Germanen (2, 4) nicht passt. Übrigens zeigt arhitrari 2, 4 a. E., dass diese Germanen an dem eoncilium der Beiger nicht teilgenommen haben.

2, 4, 5 totiusque belli imperium sibi postulare ist insofern auffallend, als später nirgends darauf Bezug genommen wird, und mit dem, was dann über Galbas Stellung folgt, nicht wohl zu vereinbaren, also vielleicht Emblem.

2, 11,4 hi novissimos adorti et multa milia passuum prosecuti magnam nmlütudinem eorum fugientium conciderunt und nachher ita sind wohl zu streichen. Es ist reine Wiederholung und fugientium geradezu falsch.

2, 17,4 inflcxis crebrisque, was in a fehlt, ist Interpolation für das in ß fehlende richtige enatis. Die jungen Bäume werden gekappt und dadurch der Astwuchs auf die Seite gezogen; jener Zusatz verdunkelt.

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 49

2, 20, 1 ist wohl der ganze Satz vexilliim . . . tuha dandum Emblem. Das vexiUum proponere kann nicht füglich unter den Obliegen- heiten des Feldherrn bei Abwehr des Überfalles aufgeführt werden.

2, 22, 1 deiedusque collis scheint Glosse. Was der Hügel soll neben loci natura sehe ich nicht ein und noch weniger, was man sich bei deiecUis zu denken hat.

cum divisis legionibtis dliae alia in parte hostibtis resisterent. Die Änderung des überlieferten diversis legionibtis in diversae legiones hat keine AYahrscheinlichkeit. Angemessen wird erst die Trennung der verschiedenen Tmppenkörper und dann deren Einzel- kampf bezeichnet.

2, 25, 1 ab novissimis desertos gehört wohl zusammen und ist Emblem ; ah novissimis ist aus dem Folgenden genommen.

2, 29, 5 j^ost eorum abitum, nicht obitum. Die Bedrängung wird nicht bedingt durch die späteren Schicksale der Kimbern und Teutonen, sondern durch deren Abzug. Auch ist obitus für diese Katastrophe nicht passend.

3, 4, 3 diutumitate pugnae hostes defessi {si) proelio excedebant. 203 3, 6, 4 frumenti [commeatusque] inopia. Die Glosse verrät sich

durch das in der zweiten Familie fehlende qtie.

3, 8, 1 in magno impetu maris litore (statt atque) aperto.

3, 9, 3 legatos, quod nomen ad omnes nationes sanctum inviolatumque semper fuisset, retentos ab se et in vincula coniectos ist ein müssiger und trivialer Satz, wahrscheinlich Zusatz.

3, 9. 7 aliam esse navigationem in concluso mari atque in oceano ist wohl die ursprüngliche Fassung; ein Teil der Handschriften erster Klasse setzt vor oceano ein vasiissimo, andere vastissimo atque apertissimo; die Handschriften zweiter Klasse haben zum Teil vastissimo vor mari, sämtlich apertissimo vor oceano. "Wahrschein- lich standen die Prädikate vastissimo imd apertissimo in X als Glosseme.

3. 11, 2 Germanos, qui auxilio a Belgis (ab belgis a, a gaUis ß) arcessiti dicebantur kann, da augenblickhch Gallien im wesentlichen befriedet ist, nur zurückweisen auf die niedergeschlagene Erhebung der Beiger, und es ist darum kein Grund vorhanden, von der präciseren Lesung der besseren Familie abzuweichen. Allerdings sind diese rechtsrheinischen Germanen, deren Eintreten in den Kampf be- fürchtet wird, verschieden von den 2, 3, 4 als daran beteiligt genannten linksrheinischen; aber es ist nichts im Wege, vielmehr an sich wahrscheinlich, dass die Beiger versucht haben, auch jene in den Kampf zu ziehen. Die Beiger sind wohl im vorjährigen

MOMMSEN, SCHR. VII. 4

50 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.

Feldzug niedergeworfen ; aber dass Cäsar dem Frieden nicht traut, ergiebt die Stelle selbst. Wahrscheinlich hat er eine neue Schild- erhebung derselben mit germanischem Zuzug besorgt.

3, 13, 7 cum se saevire ventus coepisset vento dedissent hat a, cum se vento dedissent ß; m X stand wohl:

se uento dedissent cum saeuire uentus coepisset und ist die Glosse in a in den Text eingedrungen, in ß an dessen Stelle getreten.

3, 17, 2 ex quibus exercitum [magnasque copias] coegerat.

3, 17, 4. Die Einschaltung des et beschädigt den Sinn. Das aus verkommenen Bauern hervorgegangene Raubgesindel kann nicht als dritte Kategorie zu perditi homines latronesque gestellt werden, sondern entwickelt deren Wesen genauer.

3, 20, >2 Tolosa (oder Tolosae) et Narbone der Handschriften a ist zweifellos die echte Lesung; die der zweiten Familie Tolosa Car- casone et Narbone ist als Interpolation gezeichnet durch die fehlende Copula. Auch sachlich passt die unbedeutende Ortschaft Carcaso übel zu den beiden Hauptstädten der Provinz.

204 3, 26, 2 eductis iis cohortibus scheint mir tadellos für das Heranführen der Infanteriereserve durch Reiteroffiziere. Gegen die Änderung devectis ist sprachlich einzuwenden, dass durch die Stelle 1 , 43 [, 2] legionem quam equis devexerat (oder vexerat) das einfache devehere im Sinne von beritten machen keineswegs erwiesen wird; sachlich, dass nach der Beschaffenheit der römischen Truppen eine solche Operation in dem gegebenen Zusammenhang schlechter- dings undenkbar ist.

4, 8, 2 neque aequum, esse statt des überlieferten verum,.

4, 10, 1 Vacalus in Oceanum influit neque longius ab Oceano m. p. LXXX insulam efficit Batavorum, wo dann zu in Oceanum influit als Correctur beigesetzt ist in Bhenum influit. Überliefert ist Vacalus insulamque efficit Batavorum in Oceanum influit neque longius ab Oceano m. p. LXXX in Bhenum influit.

4, 2] , ^ perspectis [regionibus] omnibus. Die bessere Klasse hat regionibus omnibus, die geringere regionibus; auch hier hat X die

regionibus Dittographie omnibus gehabt und ist die Glosse regionibus (was sachlich nicht wohl für diese kurze Erkundung passt) in der ersten Familie neben die richtige Lesung, in der zweiten an deren Stelle getreten.

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 51

4, 23, 2 a quibus kann nur auf die Reiter bezogen werden, ist aber dann falsch, denn die folgende Erzählung zeigt, dass j)rwme w«ves die der Hauptflotte sind, und dass die Reiter nicht paulo tardüis, sondern gar nicht eintreffen. Wird a quibus gestrichen, so ist der Bericht tadellos: die Einschiffung vollzog sich nicht so rasch, wie es hätte geschehen sollen, und so gelangte nur der Feldherr selbst mit wenigen Schiffen um die vierte Tagstunde an die Küste. Das unpersönliche cum paulo tardius esset administratum legte die Interpolation nahe. Die Yermuthung von Th. Bergk, dass nach administratum etwas fehlt, etwa aestu naves in continentem reiectae sunt, kann ich nicht teilen; die Fahrt der Reiter wird c. 28 berichtet, und es wäre ungeschickt gewesen, den ersten Abschnitt derselben hier zu anticipieren.

4, 23, 3 montibus afigusti(i)s ist auch wohl Dittographie und angustis nicht zu ändern, sondern zu tilgen.

4. 23, 5 monuitque, tU rei militaris ratio, maxime ut marititnae res postulahant (statt postularent) , tä, cum (statt quam) celerem . . . motum haherent, ad mttum . . . omnes res ah iis administrarentur.

4, 25, 3 aeque (atque a, at ß) nostris militihus cunctantibus. Trotz des Zuriickweichens der Feinde zögern die Soldaten.

4, 25, 6. In dem überlieferten ex proximis primis navibus wird das 205 dritte Wort nicht zu streichen, sondern mit Madvig in primi zu ändern sein, da die Parallele des aquilifer auch für die übrigen Schiffe Vormänner fordert, auch suis omnibus consecutis darauf hinweist. Die Stellung freilich ist auffallend imd vielleicht navibus zu tilgen.

4, 29, 2 sind die Worte longas und onerarias wohl zu streichen; dagegen compleverat nicht mit dem complebat der schlechten Familie zu vertauschen. Gefordert wird der Gegensatz der auf den Strand gezogenen Schiffe, welche die Flut mit Wasser gefüllt hatte, und der vor Anker liegenden, die der Gewalt der Wellen unterlagen; warum nur die Kriegsschiffe und diese alle auf den Strand gezogen sind, ist nicht einzusehen.

4, 33, 1 cum se insinuaverunt kann wegen primo nicht fehlen; aber inter equitum turmas ist wohl falsch und gemeint inter ardines.

5, 3, 5 et familiaritate Cingetorigis adducti wird mit a beizubehalten sein; auctoritate, was die andere Klasse bietet, liegt so nahe, dass es schon dadurch verdächtig wird und ist eigentlich nichts- sagend, während sachgemäss die näheren Freunde des Cingetorix

I hier genannt werden.

! 4*

52 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.

5, 4, 4 [id factum] graviter tulU Indutiomarus suam gratiam inter suos niinui. Die letzteren Worte mit dem scharfen Gegensatz sehen nicht nach Interpolation aus. 5, 5, 2. Da die Legionen, welche die Schiffe herstellen, alle in Belgis wintern (4, 38, 4), so kann man nicht wohl die Yenelli hier einsetzen. Das Marnegebiet dagegen passt, und es ist überhaupt schwer zu glauben, dass die selten genannten Melder hier inter- poliert sein sollen. 5, 12, 4 aut aliis ferreis muss in X gestanden haben, da a und ein Teil von ß hierin stimmen; taleis in den übrigen Handschriften zweiter Klasse ist wohl aus 7, 73 [, 9] entlehnte Conjectur. Danach dürfte mit F. Keller talis zu schreiben sein. 5, 13, 6. Ich glaube nicht an das eingesetzte alter. Von den drei Ecken nennt Cäsar zwei bei dem ersten Abschnitt, die dritte bei dem dritten. Das kann man tadeln; aber die Einsetzung des alter macht das Fehlen der Ecken im zweiten Absatz erst recht störend. 5, 15, 4 novo genere pugnae perterritis nostris ist wohl Glosse; vgl.

4,34,1. 5, 24, 3. 46, 1. 6, 6, l, das heisst an sämtlichen Stellen, wo Cäsar M. Crassus den Sohn einführt, wird er als Quästor bezeichnet: 5, 24, 3 tres (legiones) in Bellovacis collocavit: Ms M. Crassum quaestorem (quintwn a, fehlt ß) et L. Munatium Plancum et C. Trehonium legatos praefecit. 46, 1 nuntium in Bellovacos ad 206 M. Crassum qu/iestorem (fehlt ß) mittit .... alterum ad C. Fdbium, legatum mittit. 6, 6, t partitis copiis cum G. Fdbio legato et M. Crasso quaestore. Diese Stellen beziehen sich alle auf den Winter des Jahres 700/1 und lassen sich damit vereinigen, dass Crassus am 5. December 700 die Quästur antrat. Cäsar kehrte im September 700 aus Bri- tannien zurück und die Legionen werden schon vor dem December in die Winterquartiere eingerückt sein. Wenn demnach Crassus auch erst in diesen sein Amt antrat, so konnte ihm dennoch von vornherein dieser Titel gegeben werden, und erscheint es mir nicht gerechtfertigt, die drei offenbar correlaten Stellen verschieden zu behandeln. Wenn man sich erinnert, welches enge Verhältnis den Quästor mit dem Statthalter verband und in welchem Ansehen das Haus der Licinii Crassi stand, so wird man diesen Hinweis eben bei den ersten Erwähnungen ungern vermissen. Fraglicher ist es, ob in der Zusammenfassung 5, 25, 5 ah omnihus legatis quaestorihusque, quibus legiones tradiderat die Überlieferung gehalten werden kann.

fl

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 53

Dass Cäsar als Statthalter zweier Provinzen auch zwei Quästoren gehabt hat, ist mehr als wahrscheinlich ; der statthalterliche Stab ist für ihn in anderer Hinsicht erweitert, also sicher hierin nicht ge- schmälert worden, und von Pompejus, dem Statthalter beider Spanien, giebt es Münzen sowohl mit Varro pro q. wie mit Cn. Piso pro q. Auch kann unmöglich angenommen werden, dass er, der die Legionen ohne weiteres bald in der einen, bald in der anderen Provinz ver- wendete, nicht auch beiden Quästoren neben einander ein aktives Kommando gewähren konnte. Aber ein Fehler steckt auf jeden Fall in der Überlieferung. Hat sich unter den Legionskommandanten nur ein Quästor befunden, so muss man entweder quaest&ribusque ändern in quaestm-eque, was sprachlich bedenklich ist (vgl. zu 6, 12, 6), oder mit Mensel leqatis quaestoribusque streichen, wozu man sich auch nicht gern entschliesst, eben wegen des befremdenden Plurals. Aber wenn man diese Worte festhält, muss die voraufgehende Auf- zählung der Legionskommandanten (5, 24) nicht bloss einen Quästor nennen, sondern zwei, also bei einem Namen der Titel q. ausgefallen sein. Li der That heisst es kurz nachher (5, 53, 6): ah L. Roscio qtuiestore (so a, legato ß), quem legiani XIII praefecerai; der Amtstitel ist hier freilich, vermutlich weil man an dem zweiten Quästor Anstoss nahm, in der geringeren KJasse korrigiert imd in unseren Ausgaben gestrichen, aber zweifellos in a richtig überliefert und vielmehr q. hier vor quartam ausgefallen. L. Roscius Fabatus ist auch sonst bekannt: er ist wahrscheinlich der Münzmeister der mit diesem Kamen bezeichneten Denare (mein röm. Münzwesen S. 644), nach unserer Stelle Quästor (Proquästor) im J. 700 oder 701 , im J. 705 Prätor (Cäsar BC. 1, 3. S. 10; Cicero, ad Att. 8, 12, 2; Dio 41, 5), in welcher Eigenschaft er das auf der atestinischen Bronze erwähnte 207 Gesetz einbrachte (Bruns fontes^ S. 103) und fiel bei Mutina 711 (Cicero ad fam. 10, 33, 4). Dass das Litervall zwischen Quästur und Prätur danach sich nur auf vier bis fünf Jahre stellt, berechtigt nicht, die Identität der Person zu bezweifeln. Die AlterssteUung der Quästur ist durchaus nicht sicher (Staatsrecht I^ 570), und wenn bei Männern wie Cicero und Cato, die in frühen Jahren dieses Amt erlangten, das Intervall zwischen diesem und der Prätur sich be- deutend länger stellt, so folgt daraus nichts für diejenigen, bei denen kein Grund ist, den gleichen vorzeitigen Antritt vorauszusetzen. Übrigens wird gleich bemerkt werden, dass Roscius recht wohl mehrere Jahre früher die Quästur bekleidet haben und da, wo Cäsar ihn errwähnt, Proquästor gewesen sein kann. Unter allen Umständen wird daran festzuhalten sein, namentlich mit Rücksicht

54 Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum,

auf Cäsars Worte 1, 52: Caesar singuUs legionihus singulos legatos et quaestorem praefecit, 4, 13, 4: consiUo cum legatis et quaestore communicato und 4, 22, 3: quaestori legatis praefectisque distrihuit, dass Cäsar die beiden staatsrechtlich durchaus verschiedenen Titu- laturen streng auseinander hält und nirgends den Quästor als Legaten behandelt oder unter den Legaten mit begreift, Eine andere Frage ist es, ob, wo der Quästor genannt wird, damit notwendig der Magistrat des Amtsjahres gemeint ist oder diese Bezeichnung auch von dem nach Ablauf desselben die Funktion fortführenden Proquästor verstanden werden kann. Letzteres hat die Wahrschein- lichkeit für sich. Für Hirtius steht dieser Gebrauch fest (8, 50) und bei Cicero (ad Att. 7, 8, 5) heisst Antonius noch im Dec. 7( Cäsars Quästor. Es können also Crassus und Fabatus die Quästur auch schon vorher verwaltet haben. 5, 31, 5 omnia excogitantur, quare nee sine periculo eatur (maneatur Hss.^ et languore militum et vigiliis periculum attgeatur. Dieser' bittere Tadel kann nicht wohl interpoliert sein, schon weil dann die Verbindung fehlt zwischen dem unliebsamen Preisgeben des Gepäcks und der Gefährdung des Marsches durch dessen Mitnahme. „Es geschieht alles, um den Abmarsch so gefährlich wie möglich, zu machen und die Soldaten vor demselben zu ermüden". Das von Hartz vorgeschlagene mane eatur empfiehlt sich insofern nicht, als der Aufbruch in der Morgenfrühe die Gefährdung nicht steigert. 5, 35, 2 Interim eam [partem] nudari necesse erat et ab latere aperto tela recipi; Subjekt ist die ausfallende Cohorte und partem wohl Glosse. Gemeint ist nicht, dass dieselbe den Platz, wo sie stand, entblösst, so&dern dass sie selbst die Flankendeckung verliert.

5, 43, 6 paulum quidem intermissa flamma et ist wohl zu streiche Es ist abenteuerlich, dass der Brand im Lager die feindlichen Türme abwehrt, also wo dieser Brand eine Lücke lässt, diese

208 angreifen; und anders lassen sich die Worte nicht verstehen.

6, 3, 4 ut omnia postponere videretur {rebellibus subigendis). Eine solche Wendung scheint zu fehlen.

6, 10, 2 adductos wohl zu streichen.

6, 1 0, 5 Cheruscos ab Suebis Suebosque ab Cheruscis [iniuriis incursi- onibusquej prohibere.

6, 12, 6 gratia [dignitateque] amplificata. Wenn die Sequaner sich auch gleicher Gunst erfreuen wie die Haeduer, so können sie nicht füglich, nachdem sie den Principat verloren haben, im An- sehen ihnen gleichgestellt werden. „Auch sprachlich", bemerkt

Beiträge zur Kritik des Bellum Grallicum. 55

Meusel, „ist dignitateqtie bei Cäsar sehr bedenklich; bei guten Schriftstellern wird que nicht an ein mit kurzem e endigendes Wort angehängt''.

6, 12, 8 ita [et] novam et repente collectatn auctoritatem tenehant.

6, 13, 2 sese in servittUem dicant nobilihus {nobilibusque) in hos eadem omnia sunt iura quae dominis in servos. Der Gegensatz der geringeren Freien paene servi und der wirklichen Unfreien tritt also deutlicher heiTor, als wenn quihus nach nobilihus eingesetzt wird.

6, 17, 3 quae superaverint scheint Glosse, angelehnt an quMe hello ceperint.

6, 22, 2 gentibus cognationibusque hominum quicumque (quicum a, quique ß) iina coierunf. Damit wird näher festgestellt, welche Gemeinschaften bei der Ackerteilung Landlose empfangen; es sind Sippen, aber diesen selbst bleibt es überlassen, festzustellen, wen sie als zugehörig betrachten.

6, 22, 3 ne latos fines parare sttideant potentiares (j)ot€ntiores)que humiliores possessi&nibus expellant.

6, 24, 4 quod in eadem [inopiaj egestate patientia {anti)qua Gennani permanent. Unmöglich können egestas und patientia coordiniert werden.

6, 32, 2 ad se ut deducerentur statt reducerentur.

6, 43, 1 profectus {equites) magno coacto numero .... dimittit.

7, 11,4 qui (Carnutes) . . . adlato nimtio de oppugnatione Vellaunoduni . . . . jiraesidium Cenabi [tuend i causa] quod eo mitterent comparabant. Die Mannschaft wird in Cenabum gesammelt, nicht um dies, sondern um Vellaunodunum zu verteidigen.

7, 14, 5 a JBoia quoqiie versus gehört zusammen und wird ganz zu streichen sein.

7. 15, 2 hoc ideni fit in reliquis civitatibus ist Zusatz. Es handelt sich nur um Yerwüstung hoc spatio, quo pabtdandi causa adire posse videantur (Bomanij und es ist abenteuerlich, dies gleichzeitig 209 auf ganz Gallien zu erstrecken. Auch was folgt in omnibus partibus incendia conspiciuntur führt nur auf das Gebiet der Biturigen.

7. 21, 3 quod penes eos, si id oppidum retinuissent, siimmam nictoriae constare inteUegebant scheint mir richtig zu sein, Dass die Biturigen durch eigene Kraft die Römer abwehren, wünschen die übrigen Yölkerschaften nicht, weil sie ihnen diesen Kriegserfolg beneiden.

7. 27, 1 refectisque (statt derectisque) operibus.

7. 27, 2 legionibusque extra vifieas in occidto expeditis., wie a liest, scheint richtig und die Lesung von ß intra statt extra eine der

I

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.

dieser Familie eigenen gewaltsamen Interpolationen. Die Belagerten erwarten den Angriff aus den vineae; statt dessen wird er ge- richtet auf den ganzen Mauerring, ex omnihus partibus , und mussten also die Legionen um die Mauer herum ausserhalb der vineae aufgestellt werden. 7, 38, 9 qui eins praesidii fiducia una ierant (statt erant). 7, 42, 5 iter ad legionem facientem ist besser als legiones, da der Offizier zu einer bestimmten Legion gehört; suam scheint ent- behrlich, da kein Grund ist die Zugehörigkeit besonders zu betonen. 7, 45, 5. Die Änderung unam in decimam ist meines Erachtens sinnstörend. Die zehnte Legion ist bei dem Corps, das nachher angreift; die hier gemeinte wird bei dem Scheinangriff auf der anderen Seite verwendet, wie dies die Worte augetur Gallis suspicio zeigen. Auch eodem iugo ist richtig und silvis occtiltat so zu verstehen, dass die verdeckte Aufstellung den Feind über die Stärke der Truppe täuschen und ihn bestimmen soll, sie für das Hauptheer zu halten. Die weitere Ausführung würde hier zu weitläufig werden. 7, 58, 2. c. 58, 6. c. 60, 1. c. 61, 5. Meines Erachtens kann weder bestritten werden, dass an diesen vier Stellen dieselbe Ortschaft gemeint, noch dass diese Ortschaft das heutige Melun ist; der Name aber ist in seltsamer Weise entstellt:

meclodone (dritte Stelle) oder metclodone (zweite Stelle) ablativisch

ein Teil der Handschriften erster Klasse (B M), mellodunum oder ablativisch melloduno ein Teil der Handschriften erster Klasse (A Q) an der ersten und der zweiten Stelle. melledunum die übrigen Handschriften erster (B M S) und ein

Teil derjenigen zweiter Klasse (h l) an der ersten Stelle, metlosedum ein Teil der Handschriften erster Klasse (BMS) an der vierten Stelle, 210 mctiosedum die übrigen Handschriften erster Klasse (A Q) an

der vierten Stelle und sämtliche Handschriften zweiter Klasse an allen vier Stellen mit Ausnahme von hl an der ersten. Andererweitig heisst der Ort:

Mecledo im Itin. Ant. p. 383 (mededo die beste Handschrift, die

übrigen meclet-, metlet-, medet-)^ was Ablativ von Mecledum

sein muss, nicht Nominativ, da sonst das Wort nach Analogie

von Narhone, Tarracone flectiert sein würde.

Meteglo die Peut. Tafel, verdorben aus Megleto.

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 57

Mecledonense castrum, Megledotiensis pagus hat Gregor von Tours hist. Franc. 6, 31 (ohne wesentliche Variante). 32 (die besten Handschriften ebenso, andere megled-, methed-).

Mecledone episcopiis, Mecledonensis episcopus die fränkische Urkunde vom J. 538 bei Ruinart zum Gregor p. 1328.

Die jetzt gangbare Meinung, dass der Ort einen Doppelnamen geführt hat, wird aufgegeben werden müssen ; überall liegt in ver- schiedenen Abwandelungen oder Yerschreibungen dasselbe "Wort

vor. Die Formen der Cäsarhandschriften meclo-, mello-, metlo-,

t metclo- (wohl aus meclo- entstanden) , niefio- entsprechen dem ander- weitig beglaubigten mecle-; es wird also meclo- festzuhalten und das kurze o in e übergegangen sein. Hinsichtlich der Endung führen die nachcäsarischen Angaben auf MecUdum oder Meclediinum; doch möchte die letztere als aus gallischer Quelle stammend mehr für sich haben. Auch die cäsarischen weisen teils auf Meclodo, teils dMi Meclodununi ; Metlosedum hat wohl daneben in X als Dittographie gestanden und ist daraus in einzelne Handschriften der ersten und in die meisten der zweiten Klasse übergegangen. Vermutlich hat Cäsar selbst Meclodunum geschrieben. 7, 64, 1 ipse imperat reliquis cimtatihus ohsides, decimum (statt denique)

ei rei constituit diem. 7, 70, 3 hostes in fugam coniecti se ipsi multitudine impediunt atque migusüorihus portis relictis coacervati: tum Germani u. s. w. ist mit a zu schreiben. Der Rückzug wird behindert teils durch die grosse Zähl der Feinde, teils dadurch, dass sie an den allzu schmalen in der maceria gelassenen Durchlässen sich zusammen- drängen. 7. 72, 2 in nostros opere distentos statt operi desti^mtos. 7. 73, 1 erat eodem tempore et materiari et frumentari et tantas . munitiones fieri necesse [deminutis nostris copiis quae longius a castris progrediebantiir] . Die "Worte deminutis nostris copiis quae 211 l. a. c. progrediehantur sind nicht bloss überflüssig, sondern auch incorrect. 7, 73, 2 perpetuae fossae (quinque) quinos pedes aUae. Die Zahl der Gräben muss schon hier angegeben werden; sie ergiebt sich aus den quini ordines. 7. 74, 1 tit ne magna quidem multitudine, si ita accidat [eius discessu] {ut) munitionum pmesidia circumfundantur (hdschr. munitiomim praesidia circumfundi possent aut), cum periculo ex castris egredi cogatur, dierum XXX pabtdum frumentumque habere omnes con-

5^ Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.

vectum iuhet. Dies ungefähr wird gefordert; sichere Herstellung des Textes ist damit freilich nicht erreicht.

7, 75, 2 Amhivaretis (amhluaretis X) ist wohl in Ämbarris zu ändern : unmöglich kann jene neben den Menapiern wohnhafte kleine Völkerschaft in der Chentel der Haeduer gestanden haben, und das Fehlen der Ambarri in dieser Verbindung befremdet. Dies ist nicht Schreibfehler, sondern Interpolation; der Diaskeuast, von dem X herrührt, vermisste die kurz nachher (7, 90 [, 6]) in dem Verzeichnis der Winterquartiere genannten Ambivareti. Die an sich nicht wahrscheinliche Annahme, dass es zwei Völkerschaften dieses Namens gegeben hat, wird dadurch ausgeschlossen, dass alsdann Cäsar die südliche hier, die nördliche gleich darauf ohne unterscheidenden Beisatz genannt haben würde.

7, 75, 3 Esuviis et Äulercis Ehurovicihus terna dürfte zu schreiben sein statt Lexoviis et Äulercis JEburonibus terna der Familie a, woraus die Lesung ß Lexoviis Ehuronihus durch offenbare Inter- polation gemacht ist. Die Verbesserung des schon in der Urhand- schrift fehlerhaften Ehuronihus in Ehurovicihus ist längst gefunden und evident. Die Streichung der Lexovii empfiehlt sich nicht, zumal da dann terna in tria verwandelt werden muss; aber der Name ist vielleicht verdorben. Denn die Lexovii erwartet man zunächst unter den aremoricanischen Gauen, und nicht ohne Wahr- scheinlichkeit hat bei diesen Nipperdey diesen Namen statt der hier unzulässigen Lemovices eingesetzt; Ehurovices, was Kubier dafür setzen will, ist unmöglich, da in einer Liste, welche die Aulerci Brannovices und die Aulerci Cenomani aufführt, die Aulerci Ehurovices nicht bloss mit dem letzteren Namen figurieren können. Man muss entweder Lexoviis hier stehen lassen und unten die Lemovices streichen oder für diese mit Nipperdey die Lexovii ein- setzen und an der ersten Stelle für Lexoviis schreiben Esuviis, deren Fehlen in dem Verzeichnis befremdet und die gut zu den benachbarten Aulerci Ehurovices passen.

7, 75, 4. Die aremoricanischen Amhiharii sind sicher identisch mit den 3, 9 [, 9] in ähnlicher Verbindung genannten Amhiliati, wie 212 sie in der besseren Familie heissen, während die geringere dafür Amhiani setzt, Orosius Amhivariti, beides offenbar durch Inter- polation. Welche der beiden Formen Amhiliati und Amhiharii die richtige ist, lässt sich nicht entscheiden.

7, 77, 13 cuizis rei iudicarem fehlt in der geringeren Klasse

vielleicht mit Recht; es sieht ganz aus wie ein altes rhetorisches Emblem und unterbricht die Verknüpfung des voraufgehenden

Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum. 59

und des nachfolgenden Satzes. Der letztere indes nam quid iUi simile hello fuit ist schwerlich gesund; vielleicht ist zu schreiben: rMtn quid iUis (maiorihus) simile fuit? 7, 79, 3 concurruni hi (statt his) auxilüs visis.

7, 84, 3 quod suam in aliena vident virtute sahäem constare. Für suam haben die Handschriften suum periculum, für virtute salutem liest a salute, ß virtute.

8 praef. 2 commentarios rerum gestarum .... contexui novissimoque imperfecto (statt novissimumque imperfectuni) . . confeci, so dass commentarios wie mit contexui, so auch mit confeci verbunden wird. Hirtius kann nicht sagen, dass er den letzten unvollständigen commentarius geschrieben, wohl aber, dass er die von Cäsar ge- schriebenen teils in Zusammenhang gebracht, teils fortgeführt habe.

8, 4, 1 centurionibus II (statt tot) milia nummum praedae nomine cmidonatae (statt condonata) pollicettir. Dass II ebenso durch bina wie durch diio aufgelöst werden kann, weiss jeder Epigraphiker. Die den Soldaten gespendete Beute wird zu Gelde angeschlagen und abgelöst, so dass sie dann selber für Rechnung des Aerars verkauft werden kann.

S, 5, 2 in tecta partim Gallorum, partim [quaej conlectis celeriter stramentis tentoriorum integendorum gratia [erant inaedificata] milifes compegit. Die Soldaten werden unter Dach gebracht teils in den stehen gebliebenen gallischen Behausungen, teils durch Anlage von strohgedeckten Zelten.

8. 5, 4 dispersi wohl zu tilgen.

^. 12, 2 eodemque equites postero die mittunt, qui [primumj elicerent nostros, insidiae deinde circumventos adgrederentur. Nicht insidiae, das unentbehrlich ist, sondern primum ist zu streichen.

8, 13, 2. Nach der früher für diese deutschen Fusssoldaten ange- gebenen und hier wiederholten Bemerkung, dass sie eqiiitibus interpositi fechten, befremdet es, sie hier als selbständige Infanterie- truppe verwendet zu sehen, und ich habe an der Richtigkeit des Textes gezweifelt; aber in ähnlicher Weise treten die auxilia levis armaturae 8, 17 f. und die Germani pedites 8, 36 auf.

8, 14, 4 atque [id] iugum. 213

S. 16, 1 turmas mittit scheint mir sicher Interpolation der schlechteren Klasse; aber auch in eodem loco fehlte besser.

^. 35, 4 cum cohortibus admotis (statt armatis) ex proximis casteUis. 36, 4 ad {ea) Germanos equitesque . . . advolasse.

K

gQ Beiträge zur Kritik des Bellum Gallicum.

8, 46, 4 //// legiones in Belgio conlocavit cum M. Antonio et C. Trebonio et P. Vatinio et Q. Tullio legatis kann nicht richtig sein. M. Antonius bewarb sich im Winter 701/2 während der milonischen Händel um die Quästur (Cicero Phil. 2, 20), oflPenbar um eine der Stellen, für welche verfassungsmässig im Sommer 702 die Wahlen stattzufinden hatten und deren Zeit vom 5. December 702 zum 4. December 703 lief. Mit Recht wird er also am Ausgang der Campagne 702 als legatus bezeichnet (7,81 [, 6]), dagegen in dem Bericht über den Feldzug 703 durchaus als quaestor (8, 2. 24. 38). Da die oben angeführte Stelle von den Winterquartieren 703/4 handelt, also die zweite Hälfte derselben nicht mehr in das Amts- jahr des Antonius fiel, so könnte man meinen, dass er darum hier wieder legatus heisst; indes ist schon vorher bemerkt worden, dass für den sein Amt über die Amtszeit hinaus verwaltenden Quästor diese Bezeichnung schwerlich zulässig ist ^, sondern er Pro- quästor oder auch Quästor zu tituliren war. Aber auch in anderer Beziehung ist die Stelle mehr als bedenklich. Die bessere Familie liest et P. Vatinio legato oder legatis, die geringere et P. Vatinio et Tullio legato; die oben gegebene Lesung ist nichts als verkehrte Conjectur. Denn der Bruder Ciceros kann hier nicht genannt sein; er ging im Juli 703 mit diesem nach Kilikien (Drumann 6, 737) und kann also in den gallischen Winterquartieren 703/4 kein Kommando geführt haben. Also ist sein Name hier eine der in der geringeren Familie so zahlreichen Schlimmbesserungen; den aus- gefallenen vierten, den die Zahl der Legionen fordert, können wir nicht erraten, den Zusatz legato (denn dass X dies hatte, zeigt die Übereinstimmung eines Teils von a mit ß und die grössere Schwere der Corruptel) ebensowenig mit Sicherheit emendieren.

8, 48, 3 ne sua vulnera fide (perfidia oder per ßdem die Hand- schriften) interposita paterentur impunita. conversoque equo se {seorsus) a ceteris incautius permittit in praefectum.

8, 48, 7 quod fubi malum] dux equi velocitate evitavit.

1) Ein legatus pro quaestwe kommt freilich vor (Staatsrecht P, 687), aber es dürfte diese Bezeichnung nur da zutreffen, wo die Proquästur aus freiem Mandat des Statthalters hervorgeht, nicht wo sie auf der Continuierung des militärischen Amtes beruht.

XL Zum bellum Hispaniense.*)

Bei den folgenden überwiegend kritischen Bemerkungen habe 607 ich sowohl eine von Herrn Dr. Graeven für mich angefertigte CoUation der Florentiner Handschrift (A) Ashbumham 33 saec. XXI benutzt, wie auch die mir von Herrn Mensel gefälligst mitgetheilte Revision der wichtigsten von den bisherigen Herausgebern benutzten Handschriften T (Paris 5764 saec. XII), Y (Wien 95 saec. XH), U (Yatican 3324 saec. XII). Mit Hülfe dieser sich gegenseitig theils stützenden, theils berichtigenden Texte ^ lässt sich die allen zu Grande liegende Lrhandschrift mit genügender Sicherheit restituiren; die Abweichungen der uns vorliegenden von dieser sind in den folgenden Erörterungen nur da angeführt, wo sie mehr sind oder sein können als Fehler des einzelnen Schreibers, was nicht häufig der Fall ist. Die gemeinsame Grundlage aber war bereits so heillos zerrüttet, dass in zahlreichen Fällen auf eine auch nur den Historiker be- friedigende Herstellung des ursprünglichen Textes verzichtet werden muss. Für die Prüfung und Sichtung meiner Yorschläge bin ich meinem Freunde Yahlen mehrfach Dank schuldig geworden.

c. 1, 4. de Cn. Pompeio darf nicht gestrichen werden. Dass Gnaeus die Caesarianer zur Verantwortung zieht, versteht sich von selbst; aber er vergreift sich auch an den Führern seiner eigenen

*) [Hermes 28 (1893) S. 607—614, = Zur Geschichte der caesarischen Zeit III. Die beiden ersten Teile sind in den Historischen Schriften I S. 169 179 zum iVbdruck gebracht. Für die folgenden kritischen Bemerkungen zum bellum Hispaniense ist die in der Behandlung dieser Stellen mehrfach abweichende Ausgabe von Köhler (Leipz. 1897) zu vergleichen, zu der Mommsen zahlreiche linendationsvorschläge beigesteuert hat.]

1) Von einer fünften unvollständigen Handschrift Laurent. 68, 8 saec. XI lat H. Rostagno kürzlich (studi italieni di filologia classica 2, 135) die Varianten veröffentlicht; dieselbe geht mit ü und ist werthlos.

02 Zum bellum Hispaniense.

Partei, wenn ihr Reichthum ihn reizte; und offenbar stand die ört- liche Aristokratie der wohlhabenden Provinz auf seiner Seite.

c. 1, 4. ita paucis (so AT, j>aas UV) commoda ohtenta: eo maiores augehantur copiae. Für ohtenta eo haben die Handschriften hoste hortafo. Die incorrecte Gemination der Vermehrung wird diesem Schriftsteller zu belassen sein.

c. 2, 1. legatique Cordubenses qui a Cn. Pompeio discessissent. Es sind die aus Corduba vertriebenen Caesarianer gemeint; gefordert wird Cordubensium oder Cordubenses eorum qui a Pompeio disces- sissent.

c. 2, 1. Die mit Recht von Nipperdey angenommene Lücke muss

dem Sinne nach etwa in folgender Weise ausgefüllt werden: simulque

608 quod tdbellariis, qui a Cn. Pompeio dispositi omnihus locis essent, qui

certiorem Cn. Pompeium de Caesaris adventu facerent, [ipse suum

eius adventus metum significassetj .

c. 3, 5. litusque (so A, quem TUV) vis tempestatis ita ohscurabat. Dies scheint eine der wenigen Stellen zu sein, in denen A allein (mit den interpolirten, die aus litus gemacht haben aditus) die alte Corruptel bewahrt hat. Was in derselben steckt, wage ich nicht zu entscheiden; man erwartet etwa visumque cuiusque vis tempe- statis adeo ohscurabat, ut vix proximum agnoscere posset. Dass der einzelne Soldat gemeint ist, zeigt proximus.

c. 4, 2 wird falsch interpungirt: qui simul in conspectum oppidi se dederunt (so U wohl aus Conjectur, sederunt ATV), cum equis recipiuntur, hoc (das Aufsitzen der Infanteristen) a Cordubensibus nequaquam poterat animadverti.

c. 5. Die Erzählung kann nur so verstanden werden, dass Caesar, am linken Ufer des Baetis anrückend, durch Steinschüttungen eine Brücke herstellt und der am rechten Ufer gelegenen Stadt Corduba gegenüber sein Lager schlägt: ponte facto copias ad castra tripertito traduxit: tendebat (so Kraner, tenebat die Hdschr.) ad- versus oppidum: e regione ponit trahes, ut supra scripsimus; der Stadt gegenüber legt er die Brückenbalken, ut supra scripsimus weist zurück auf ponte facto. Bipartito huc (hoc TU) cum Pompeius cum suis copiis venisset, ex adverso pari ratione castra ponit. Das Wort bipartito braucht nicht zu dem vorigen Satz gezogen und auch nicht emendirt zu werden. Dann wird um die Brücke gestritten und beide Theile suchen von ihren Lagern, von den verschiedenen Ufern aus, befestigte Linien zu derselben zu führen, um sich deren Besitz zu sichern.

Zum bellum Hispaniense. 63

c. 5, 7. 6, 1. Caesar sucht das feindliche Heer zur Schlacht zu zwingen, die Pompeius verweigert: diebus compluribus cupiehat Caesar, si qua condicione posset, adversarios in aequum locum de- ducere et primo quoque tempore de hello decernere, cum id (die Hdsehr. id cum) animadverteret adversarios minime velle. quos quoniam ah Ulia (a uia die Hdschr.y retraxerat, ut (tit fehlt in A, wenn die Collation richtig ist^ in aequum deduceret, copiis flumine traductis noctu iuhet ignes fieri magnos. Dies ist wohl richtig : nachdem Caesar seinen ersten Zweck, den Entsatz von Ulia erreicht hat. überschreitet er den Fluss unter Abbrennung seines Lagers am rechten Ufer, um sich gegen die Städte der Pompeianer am linken zu wenden. Weiter muss es wohl heissen: contra (ita die Hdsehr.^ firmissimum eiu3 609 praesidium Ateguam proficiscitur. Diö folgenden lückenhaften imd verdorbenen Worte können dem Sinne nach etwa so gelautet haben: id cum Pompeius ex perfugis rescisset, qua die facultatem [nactus est, relinquens montes] et angustias carra complura multosque (multos 1) lanistas (lanystas A, lanistos T) retraxit (retaxit Tj et ad Corduham se recepit. Der Marsch nach Corduba steht dem Pompeius offen. Dass er bisher auf unwegsamem Terrain stand, fordert das Bestreben Caesars ihn in aequum locum zu bringen. Die lanistae, wenn sie richtig sind, rücken dem Gegner vor, dass sein Heer zum grössten Theil aus Sclaven bestand (34, 2. 4, vgl. 7, 5).

c. 6, 3. Cui de Pompeio cum nuntius esset oMatus eo die pro- ficisci, cuius in adventum praesidii causa Caesar complura casteUa occupasset .... hie ... incidit. So zum Theil nach einem Vorschlag Yahlens. Ueberliefert ist proficiscitur cuius, was nicht richtig sein kann, denn nicht Caesar marschirt. sondern Pompeius. Auch zeigt die weitere Erzählung, dass die Pompeianer an diesem Tage schon unterwegs sind.

c. 6, 3. in stationes in excuhitu sieht nach Glossem aus; in stationes wohl zu streichen.

c. 7, 3. haec loca sunt montuosa et natura impedita ad rem militarem, quae planitie dividmüur, Salso flumitie, proxime tarnen Ateguam ut flumen sit. Circiter passuum (passus die Hdsehr.^ II milia e regione oppidi in montihus castra hahtiit posita Pampeius. Für impedita haben die Handschriften edita: dass ein Berg ,von I^atur' hoch ist. kann selbst diesem Schriftsteller nicht zugetraut werden und ebenso wenig, dass ein hoher Berg besonders zum Schlagen sich eignet. Die Parallelstelle 8, 1, welche Yahlen dagegen geltend macht : loca sunt edita et ad castrorum munitiones non parum iihnea dürfte doch mit dem wunderlichen Ausdruck editus ad rem

g4 Zum bellum Hispaniense.

militarem kaum zusammenzustellen sein; eher könnte danach edita in idonea geändert werden, da impeditus und idoneus je nach dem verschiedenen Standpunkt des Angriffs und der Yertheidigung auf dasselbe hinauskommen und der Schreiber bei seiner infantia sich stetig selber wiederholt. Für e regione ist überliefert ex ea regione, wo is keine Beziehung hat und ferner die 2 Milien wohl passen für die Entfernung des pompeianischen Lagers von der Stadt, während für die Entfernung der Stadt von dem flunien proximum bei diesen engen Yerhältnissen 2000 Schritt viel zu viel sind. 610 c. 7, 4. Ueber die Bedeutung der legio vernacula vgl. diese

Zeitschr. XIX 1 3.*) Aber mit Unrecht habe ich dort mit dieser Stelle die zwei varronischen Legionen b. c. 2, 18 in Verbindung gebracht: diese sind vielmehr aus den römischen Bürgern ausgehoben, während die legio vernacula eine aus geborenen Nichtbürgern ge- bildete Legion bezeichnet. Im bell. Alex. 53 fg. tritt nur eine legio vernacida auf, und ebenso bei unserem Verfasser weiterhin 10, 3. 12, 1. 20,2. 4. 5; man könnte die Lesung beanstanden und hier vorschlagen duae fuerunt vernacula et II quae a Trehonio trans- fugerant, um dieser Schwierigkeit zu entgehen. Die legio secunda Pompeiana 13, 3 und bell. Alex. a. a. 0.

c. 7, 4. una facta ex coloniis quae (colonis qui A) fuerunt in his regionibils. Colonie im Rechtssinne kann in Baetica zu dieser Zeit höchstens Corduba gewesen sein; ohne Zweifel ist das Wort hier im factischen gebraucht von Ortschaften wie Italica und Gades mit starker römischer Bevölkerung, wenn auch ohne römisches Stadtrecht. Dasselbe wird auch anzunehmen sein hinsichtlich der so oft bei Cicero und bei den Historikern erwähnten Colonien der von Antonius und Caesar unter die Waffen gerufenen caesarischen Veteranen; Capua und die sonstigen wenigen eigentlichen Colonien Caesars sind darunter wohl hauptsächlich, aber schwerlich aus- schliesslich verstanden (vgl. C. I. L. X p. 369). Das Perfect fuerunt ist auffallend, erklärt sich aber auch am erträglichsten in der Weise, dass dem Schriftsteller dabei der factische Bestand der römischen Bewohnerschaft im Sinn gelegen hat, da dieser ja dem Wechsel unterworfen war.

c. 8, 3. omnia loca, quae sunt ab oppidis remota, turribus ei munitionibus retinentur, sicut in Africa: rudere, non tegulis teguntur. So muss wohl die Interpunction geändert werden; der Verfasser

*) [In der Abhandlung : „Die occidentalischeu und die orientalischen Legionen". Sie wird in Band VI der Ges. Schriften (= Band III der Eist. Sehr.) erscheinen.]

Zum bellum Hispaniense. 65

scheint sagen zu wollen, dass die Sitte die einzeln liegenden Land- häuser burgartig zu befestigen Spanien und Africa gemeinsam ist, aber die Deckung dort aus Ziegeln, hier aus Steinschutt hergestellt wird.

c. 10, 2. Der Abmarsch des Pompeius nach Corduba, der hier berichtet wird, findet nicht statt, wie die weitere Erzählung zeigt; er scheint bloss das Lager gewechselt und der Schreiber unseres Journals sich über den Charakter der Bewegung getäuscht zu haben. Es ist dies bezeichnend für die successive Aufzeichnung des Be- richtes.

c. 11, 2. sie ut omnigenus (omne genas quihus Hdschr.y ignis per iactus solitus est tnüti. Yahlen bemerkt dazu, dass omne genus stehen bleiben könne, wenn man es in gleichem Sinne erkläre.

c. 12, 2. et Trebonio transfugae erant statt transftigerant. 611

c. 12, 6. hi (l die Hdschr.^ cum eruptionem facere coepissent, tarnen virtute militwn tiosfrorum qui etsi inferiore loco premehantur tarnen ist reine Wiederholung und vielleicht zu streichen. Ygl. 16, 4. [„l significare videtur vel aut aliter" Kühler.]

c. 13, 3. se scutum esse posituros statt positurum; ein einzelner Soldat genügt hier nicht.

c. 13, 6. permagna pars hominum statt fere magna. c. 14, 1. eins praeter iti temporis (tem A^ ist wohl Rest einer Bemerkung über die Fortsetzung der 13, 1 erwähnten Schanzarbeit, etwa opus continuans praeteriti temporis Pompeius trans flumen (vom Standpunkt des Pompeius aus) castellwn constituit. c. 14, 2. nostrorum equitum ist zu tilgen.

c. 14, 4. qui cum aliquo loco a nostris recepti essent, ut conr- suessent, eximia (statt ex simili) virtute, clamore facto aversati sunt proelium facere. Der Conjunctiv consuessent ist incorrect, aber ebenso setzt unser Autor fuisset 11,2 (wo fuit A), fuissent 22, 2. 3. 6.

c. 15, 1. dimisso equo darf nicht gestrichen werden, da die folgende Erzählung sich um abgesessene Reiter dreht; bei id quod '11. hoc accidit proelio ist gemeint: ut par haheretur, nicht das Gegen- :heil.

c. 15, 6. Die Iwspites sind die in Ategua lebenden Römer. Eben diese senden dann Botschaft an Caesar.

c. 16, 4. Dies ist unverständlich, die Rückbeziehimg auf einen vorher nicht genannten cunicidus wahrscheinlich vom Erzähler ver- schuldet; der seltsame Bericht, dass der Mörder selbst von der li'ortführung der Schlächterei abmahnt, mag auf Schreibfehler beruhen. •Vielleicht ist unum zu schreiben statt lunium.

MOMMSEN, SCHR. YII. 5

ßg Zum bellum Hispaniense.

c. 18, 1. Die zerrüttete Erzählung lief wohl darauf hinaus, dass einer der Abgesandten der römischen Einwohnerschaft Miene machte dem mitgesandten Lusitaner nicht in die Stadt zu folgen, darauf dieser Gewalt brauchte und nun zwei der römischen Gesandten sich zu Caesar flüchteten. Correctur ist nicht möglich; gestanden kann etwa haben: remissis legatis cum ad portam venissent Tiberius et (et fehlt, in V hinter tib. leerer Raum von 5 Buchst.) Tullius et cum introeuntem Catonem hie (intro euntem c. antonius Hdschr.^ insecutus non esset, revertit ad portam u. s. w. Für die Machtstellung der römischen Einwohnerschaften in den spanischen Städten ist diese Erzählung (neben 19, 5) bezeichnend. 612 c. 18, 4. 5. servus .... in Pompei castra discessit et indicium

glande scriptum misit, per quod certior fieret Caesar, quae in oppido ad defendendum compararentur. ita lifteris acceptis cum in oppidum revertissent (so A, -tisset TVü), mittere glandem inscriptam solehant ist sicher verdorben; der Sclave dessen Hinrichtung 20, 3 berichtet wird, kann nicht das zu misit gehörige Subject sein. Es ist entweder missum oder Aehnliches für misit zu schreiben, oder es fehlt etwas. Am Schluss fehlt nach solehant das, was auf diese Mittheilungen geschah, und zwar, da Utteris acceptis dies fordert, im caesarischen Lager.

c. 22, 7. eumque (eum qui k) non amplius a(sses) VII accipere so wird wohl XVII (sedecim \]) aufzulösen sein. Dies ist, auf den As von ^/i6 Denar berechnet, ein Jahressold von 160 Denaren, was zu passen scheint. Marquardt Handb. 2, 95.

c. 25, 2. Wohl so zu interpungiren : simulque vociferantibus legionariis cum locum efflagitarent ut consueti insequi (existimare posses paratissimos esse ad dimicandum), nostri . . hene longe sunt egressi. Die Handschrift A hat hier mit den interpolirten ex consue- tudine insequenti für ut consueti insequi; nachher posse speratissimos TÜV, posses paratissimos (wenn die CoUation nicht trügt) A.

c. 25, 6. ita avidi cupidique suarum quisque partium virorum, fautorumque voluntatis (Hdschr. voluntas) habebatur scheint erträglich ; ex vor partium fehlt in A wie in T.

c. 26, 1. milia XIII und milia XII (die Hdschr. haben statt XII alle 0-C Gl) sind wohl x III und x II = denarium tria und duo milia. Das Denarzeichen ist an der zweiten Stelle nicht zu ver- kennen und milia oder mii Schreiberauflösung des Querstrichs.

c. 26, 6. profectu (Hdschr. profecto) nostro commeatu privati necessario ad dimicandum descendent (descendunt AV). Noster com-

Zum bellum Hispaniense. 67

meatus kann nicht wohl bezeichnen, was es nach dem Zusammenhang bezeichnen müsste, die von den caesarischen Belageningstruppen aus dem Gebiet der pompeianisch gesinnten Städte bis dahin be- zogene Verpflegung; profectus im Sinne von profectio, Abmarsch passt zu 27, 3,

c. 27, 3. Pompeius castra movit et contra Hispalim (spcdim ATU, sparim \) in oliveto constituH. Sevilla liegt von ücubi mindestens fünf Tagemärsche westlich, während das gleich nachher erwähnte Ventipo, dessen Lage feststeht, von Ucubi nur etwa zwei Tage- märsche entfernt ist. Entweder ist der Stadtname verdorben oder die Präposition; in der Richtung auf Sevilla kann Pompeius aller- 613 dings abmarschirt sein, aber nicht Hispalis gegenüber Lager ge- schlagen haben. Der folgende Bericht zeigt, obwohl übel redigirt, dass Pompeius, als er ,contra Hispalim' Stellung nahm, noch in nächster Jfähe von Ucubi stand, dieses mit der Nachhut besetzt hielt und diese anwies die Stadt einzuäschern und ihm dann in die castra maiora zu folgen. Auch die Stadt, die, weil sie ihm ihre Thore geschlossen hat , niedergebrannt wird , kann nur (vgl. 20, 1 ) Ucubi sein; es ist Caesar, nicht Pompeius, der vom Flusse Salsus aus (23, 1) Pompeius nachfolgend, nach Ventipo, zwei Tagemärsche südlich vom Salsus, und von da nach Carruca rückt. Wenn fort- gefahren wird: hinc itinere facto in campum Mundensem (so A, undensem TüV) cum esset ventum, castra contra Fompeium constituit, so scheint mit der jetzt über die Lage dieser verschollenen Stadt herrschenden Meinung weder dieser Bericht in Einklang gebracht werden zu können noch die über die Lage Mimdas anderweitig vorliegenden Zeugnisse. Wenn Strabon (3, 2, 2) sagt: eit öe ev alg oi IIojujiTjiov Tialdeg y.arejiokEft^&rjoav, Movvda xai 'Aieyova xal Ovqocov xal Tovxxig xai OvXia xai ÄTyova (?) ' aTiaoai d' avrai Koqdvßrjg ovx abiay&ev ' XQonov de riva /xrjrgoTioXig xaTeorr] rov tojiov xovrov [Movvda] ' dii'/ei de Kagrrjiag [f] Movvda] oradiovg yiXiovg xai xerQOxoaiovg, 30 darf der evidente Fehler der Ueberlieferung nicht in den Zahlen gesucht werden, sondern es ist durch Literpolation auf Munda über- tragen, was von Corduba gesagt war, dass es als Hauptstadt von Baetica gilt (vgl. bei unserm Autor 3, t : Cordubam tenebat, quod eius provinciae caput esse existimahatur) und 1400 Stadien =175 Milien von Carteia entfernt ist (vgl. denselben 32, 6: Carteiam contendit, quod oppidum ahest a Corduba milia passuum CLXX). Dagegen ist die bei den zugleich genannten uns sonst bekannten Städten zu- treffende Angabe, dass sie um Corduba liegen, für Munda ebenso unanfechtbar wie unvereinbar mit der Ansetzung des Ortes bei den

ßg Zum bellum Hispaniense.

Haras de Monda unweit Ronda, das ausserhalb des Flussgebiets des Baetis liegt und durch ansehnliche Gebirge von demselben getrennt ist. Aehnliche und noch grössere Schwierigkeiten macht die Angabe des Plinius (h. n. 3, 1, 12): huius (Astigitani) conventus sunt reliquae

coloniae immunes Tucci . . . Iptuci . . . Ucuhi TJrso . . ., inter

quae fuit Munda cum Pompeio filw rapta. Einmal kann der Bezirk 614 von Ecija sich unmöglich südwärts bis Ronda erstreckt haben; zweitens können die Worte des Plinius nichts anderes heissen, als dass Munda zwischen Ucubi und Urso lag, also etwa am mittleren Lauf des Singilis (Jenil), was in jeder Hinsicht, auch zu der Er- zählung in unserer Schrift vortrefflich passt, wogegen, wenn man Munda nach Ronda setzt, der Marsch von Ventipo im Gebiet des Jenil in das des Guadalete geradezu abenteuerlich herauskommt. Endlich die weitere Meldung (c. 4t, 5), dass, da es für die Belagerung von Urso an Holz fehlte, dies von der den Tag zuvor genommenen Stadt Munda herbeigebracht ward, fordert dieselbe Oertlichkeit. Die Localforschung geht davon aus, dass von den zwei in der Neuzeit Monda genannten Ortschaften, der einen unweit der Küste westlich von Carteia und derjenigen bei Ronda, die erstere sicher nicht zutrifft, und darin kann ihr nur beigetreten werden, nicht aber in dem Köhlerglauben, dass damit die zweite nicht minder unmögliche Annahme möglich werde. Die Stadt, zerstört nach der Schlacht, ist verschollen, aber sicher im Singilisgebiet zu suchen.

c. 28. 29. Es ist vermuthUch die Schuld des subalternen Be- richterstatters, dass Pompeius Anerbieten zu schlagen bald als Maske hingestellt wird, bald als ernstlich gemeint, so dass die Gegner und Caesar selbst die Entscheidungsschlacht erwarten. Wahrscheinlich durfte und wollte Pompeius nicht schlagen, wurde aber durch seine Erklärungen an die Provinzialen dazu gedrängt wenigstens sich zum Kampf aufzustellen und Caesar zwang ihn dann Ernst zu machen.

c. 29, 6. qui tamen a munitione oppidi longius non audehant procedere: immo se ibi (in quo sihi Hdschr.^ prope mumm adver- sariis constituebant.

c. 32, 1. praeterea pars evasit (hoc habuit Hdschr.^ eoc fuga Jiac, qui oppidum Mundam sibi (mundamis ibi AT) constituissent praesidium.

c. 33, 3. tofius seditionis caput: das sinnlose vor caput eingesetzte familiae et libertinorum ist aus dem folgenden anti- cipirt.

Znni bellam Hispaniense. 69

c. 34, 2. qui in Caesaris adventum cives caedere coeperurü. So etwas muss für descendere gestanden haben.*) Nachher ist wohl repugnaretur turres zu schreiben statt repugnarentur res.

c. 35, 2. clam quendam Phihnem gehört zum Vorigen; das von Nipperdey angenommene Anakoluth scheint mir unstatthaft.

c. 38, 3. ita leciica a turre cum (a turrem quem ATU, ad turrem quam Y) esset dblatus, in ea ferebatur Lusitanis (lusitanus Hdschr.^ more militari.

*) [Später hat Mommsen in Küblers Ausgabe excedere vermutet.]

XII. Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.*)

282 Die über die oben genannten in den Namen ähnlichen Schrift-

steller überlieferten Notizen gehörig zu sondern ist der Zweck der nachfolgenden Zeilen, welche zum Theil die in dem belehrenden Werke Reifferscheids über Sueton p. XVI sq. enthaltene Ausführung veranlasst hat.

1) Mamilius Sura wird in den Quellenverzeichnissen der Bücher 8. 10. 11. 17. 18. 19 der Naturgeschichte des Plinius auf- geführt, mit Namen angeführt aber nur an einer einzigen Stelle 18, 16, 143, wo er mit Cato und Yarro zugleich wegen einer seitdem abgekommenen Futtersorte (ocinum) genannt und deren Bestand- theile und Behandlung aus ihm mitgetheilt werden. Schon hieraus geht hervor, dass er einer der zahlreichen älteren römischen Acker- schriftsteller gewesen sein muss ; und dies bestätigt sich vollkommen dadurch, dass für die Bücher, bei denen Plinius ihn gebraucht hat, entweder nur oder doch vorzugsweise mit Geoponiker benutzt worden sind. An allen angeführten Stellen heisst er Mamilius Sura oder Sura Mamilius^ nur im Verzeichniss zum 11. Buch bloss Mamilius (was Sillig willkürlich in Manilius geändert hat); doch macht die Zusammenstellung mit den übrigen dem Plinius geläufigen Acker- schriftstellern wie auch die mit dem auch sonst mit ihm zusammen stehenden Nigidius es unzweifelhaft, dass er hier gemeint ist. Ander- weitig kommt er nicht vor und scheint auch, da er meistentheils ganz oder fast zuletzt steht, nach Brunns (de indic. Plin. p. 16) wahr- scheinlicher Vermuthung von Plinius selbst erst nachträglich benutzt worden zu sein. Mit dem Redner Manlius Sura, den Quintilian inst. 6,3,54. 11,3,126 als Zeitgenossen des Domitius Afer (f 59 n. Chr.) erwähnt, jenen Landwirth zu identificiren berechtigt gar nichts.

*) [Rhein. Mus. 16, 1861, S. 282-287.]

Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius. 71

2) Aemilius Sura. Eine alte gelehrte Glosse, die in den Text des Velleius 1, 6 gerathen ist, lehrt uns einen anderen Sura kennen. Sie lautet: Aemilius Sura de annis popidi Ramani. Assyrii principes omnium gentium rerum potiti sunt, deinde Medi, postea Persae, deitide Ilacedones; exinde duobus regibus Philippo et Antiocho, 283 qui a Macedonibus oriundi erant, hattd multo post Carthaginem subactam dsvictis. summa imperii ad populum Bomanum pervenit. Inter Jioc tempus et initium regis Nini Assyriorum , qui princeps rerum potitus (sehr, potitust), intersunt anni MDCCCCXCV. Man hat bisher und gewiss mit Recht inter hoc tempus auf die Besiegung des Antiochos bei Magnesia 564 d. St, bezogen; Reifferscheids Annahme, dass inter hoc teynpus 'die gegenwärtige Zeit' bezeichnen solle, ist sprachUch wie sachlich gleich bedenklich und wird schwer- lich jemand die daraus gezogenen Folgerungen billigen, wonach der Yerfasser dieser Glosse, nach Anführung einer Stelle des Sura über die Weltmonarchien, das Jahr, in dem er schrieb, als das 1995ste nach Ninus bezeichnet und demnach im J. 85 n. Chr. diese ^otiz geschrieben haben soll. Vielmehr ist hier einfach eine Parallelstelle zum Yelleius hinzugefügt worden, eine Aufzählung der vier der römischen voraufgehenden Weltmonarchien imd die Be- rechnung ihrer Gesammtdauer auf 1995 Jahre, welche wahrscheinlich, wie schon Clinton (fasti HeU. I p. 264) sah, sich an Ktesias anlehnt und etwa folgendermassen ansetzte:

AssjTische Monarchie 1306 Jahre ^

Mediscbe

Persische

Makedonische

1993 Jahre. Bei der Unsicherheit der handschriftlichen Ueberlieferung und den unendlichen Schwankungen dieser grösstentheils fictiven Zahlen wird diese Aufstellung genügen, um ungefähr den Weg zu zeigen, auf dem Sura zu seiner Zahl kommen konnte und damit die nächst- liegende Interpretation der fraglichen Worte zu schützen. Vermuth-

317

r

227

n

143

r)

1) Clinton fasti Hell. I, 263.

2) Clinton a. a. 0. I, 261. Da die erste Hälfte der medischen Eönigsliste in die assyrische Periode fällt, durfte dieselbe eigentlich nicht mitgerechnet werden; aber es lag nahe, die Gesammtzahl der Jahre der verschiedenen Monarchien einfach zu addiren.

o) Auch hier ist wie oft von den alten Glironologen vom ersten Jahre des Kyros Ol. 55, 2, nicht von der Eroberung Babylons an gerechnet.

72 Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.

lieh folgte bei Sura eine Berechnung der fünften noch dauernden Welt- monarchie und sind dies die anni populi Romani, die der Schreiber der Glosse im Sinn hatte. Berechnungen ähnlicher Art sind von den älteren Theologen, z. B. Sulpicius Severus und Augustinus, öfters angestellt worden, und man begreift, wesshalb eine solche Parallelstelle einem Späteren bemerkenswerth erschien.*) Reiffer- scheids Vorschlag endlich den Namen Aemilius Sura in Mamilius Sura zu ändern und den Urheber unserer Stelle mit dem von Plinius 284 benutzten Schriftsteller dieses Namens zu identificiren , kann ich in keiner Weise beipflichten. Das Buch, dem jene Stelle entnommen ist, kann keine landwirthschaftliche Fachschrift gewesen sein, sondern war vermuthlich ein kurzer etwa dem velleianischen ähnlicher Abriss der Weltgeschichte. Dass es weiter nicht erwähnt wird, giebt keine Veranlassung seine Existenz zu bezweifeln würden wir doch auch vom Velleius selber kaum den Namen wissen, wenn sich nicht zu- fällig eine Handschrift seiner Geschichte erhalten hätte. Der Beiname Sura aber ist gemein und begegnet in den verschiedensten Geschlechtern.

3) L. Manlius. Auf diesen Schriftsteller, den ältesten und bei weitem merkwürdigsten der hier besprochenen, beziehen sich, wenn ich nicht irre, die folgenden Stellen, die vor Augen zu haben nützlich sein wird.

Dionysios ant. I, 19 (aus ihm Steph. Byz. u. d. W. 'AßoQiylveg) erzählt von dem Kriege zwischen den Pelasgern und Aboriginern und wie jene, als sie die schwimmende Insel am heiligen See bei Cutilia erblickt, gemeint, dass das ihnen verheissene Zeichen sich erfülle : 6 yaQ ev Acodcovrj yevojuevog amoig ■x^QYjOfibg, ov (prjoi Aevxiog Mdfxiog (so die Handschriften) ävrjQ ovh äorj/uog avxbg ideiv im tivog T(bv ev TM re/LievEi rov Aiog xei/nevcov tqitioÖcov yQajujuaoiv aQy^aioig lyxexaQayixEvov, (hol eixe'

oxeixeie juaiojuevoi ^ixeIwv üaxoQviov alav fjd' AßoQiyivecov KorvXrjv, ov väoog oxeiraf olg ävajuix'&evreg dexdzrjv exJie/uyjatE 0oißcp xal xscpaXäg Kgovidtj xal reo Tiargi Tiejunere cp&xa. Ohne Zweifel schöpfte Dionysios dies alles aus Varro, aus dem Macrobius (sat. 1, 7, 27) und Lactantius (inst. 1, 21) das Orakel an-

*) [In seiner Ausgabe des Solinus, 2. Aufl., Berlin 1895, S. XCII schreibt Mommsen die Interpolation vermutungsweise einem Schottenmönche zu. Die obige Berechnung ist bestätigt worden von C. Trieber, Die Idee der vier Welt- reiche, Hermes 27, 1892, S. 337 t. und E. Schwartz, Die Königslisten des Erato- sthenes und Kastor, Göttingen 1894, S. 56, 1.]

Mamilius Sura, Aemilius Sara, L. Manlius. 73

führen. Der Schluss des Orakelspruehs deutet hin auf die Ent- stehung zweier römischer alterthümlicher Gebräuche, wie Macrobius a. a. O. dies weiter ausführt; die Hinabwerfung binsengeflochtener Puppen von der Brücke und die Sendung von Kerzen an den Satur- nalien — beides wird von dem Orakelmann dargestellt als eine von Herakles aufgebrachte menschlichere Interpretation der beiden doppelsinnigen Orakelworte y.e(paXäg und (pwxa. Danach ist nicht zu bezweifeln, dass der in der fragmentirten Glosse des Festus sexagenarios de ponte (p, 334 Müll.) als Gewährsmann angeführte Mani .... eben der L. Mamius des Dionysios ist, da zumal der ganze Bericht genau übereinstimmt ; und sicher entnahm auch Festus diese Anführung des Manilius aus einer varronischen Stelle. "Wenn es endlich bei Macrobius sat. 1, 10, 4 heisst: Sed MaUius ait eos qui se, ut supra, (c. 7, 27) diximus, Saturni nomine et religione defende- rant, per triduum festos instituisse dies et Saturnedia vocavisse; unde et Augustiis huius itiqiiit rei opinionem secutus in legibus iudiciariis triduo servari ferias iussit (vgl § 23), so muss es dahingestellt 285 bleiben, ob hier ein nachaugusteischer sonst ganz unbekannter Mallius gemeint oder, sei es durch die Abschreiber, sei es durch Macrobius selbst, hier etwas verwirrt ist wenn das inquit fehlte, würde Niemand zweifeln, dass hier abermals der varronische Manilius begegnet.

Varro de 1. lat. 5, 32 : Europa ah Europa Agenoris, quam ex Phoenice Manlius scribit taurum exportasse, quorum egregiam imaginem ex aere Fythagoras Tarenti {fecit).

Derselbe 7, 16 nach Lachmanns Herstellung, die mir Haupt mit- getheilt hat: Titanis Trivia Diana est, ab eo dicta Trivia

Titanis dicta, quod eam genuit, ut in Plocio, Lato. Ea, ut

scribit Manilius, est

Coeo creata Titano. id idem scribit:

Latona parit casta amplexu lovr Deliadas geminos ^ ^ iil est ApoUinem et Bianam'^.

1) Ueberliefert ist: gemiit ut ni plant; lato ea est coecreata

eusta complexn iovis delia dös geminos dianam dii quod tüanis deliade.

Was auf Dianam folgt, hat Lachmann als Randglosse Diana Titanis Deliadae getilgt. Ribbeck trag. Enn. 376 und ihm folgend Vahlen (Enn. tra^. 424) haben das zweite Fragment des Manlius fälschlich dem kurz vorher genannten Eimius zugetheilt. [Sie haben das in den neuen Auflagen geändert. Die anderen Vorsuche, die korrupte Überlieferung zu verbessern, verzeichnet A. Spengel in se.ner Ausgabe der varronischen Schrift, BerHn 1885.]

74 Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.

Derselbe 7, 28: Cascum vetus esse signißcat Ennius eo magis Manilius quod ait:

Cascum duxisse cascam non mirahile est, Quoniam cariosas^ conficiebat nuptias.

Amobius 3, 38 (vgl. 39): Novensües deos credit deos novem Manilius, quibus solis lupiter potestatem iaciendi sui permiserit fulminis. Eben daselbst werden über denselben Gegenstand die Meinungen angeführt von Piso, Granius, Aelius, Yarro, Cornificius, Cincius, lauter Schriftstellern der republikanischen oder der augustei- schen Zeit; wahrscheinlich rührt der ganze Bericht aus Cincius her, der wieder die Collectaneen des Yarro benutzt haben wird, Zu dem von Fulgentius (S. 560 [114, 20 Helm]) erfundenen Titel Mani- lius Crestus de deorum hymnis mag dieser arnobische Manilius den Anstoss gegeben haben.

Plinius im Autorenverzeichniss des 10. Buchs: Manilio (so die guten Handschriften); ferner 10, 2, 4 vom Phönix: Primus atque dili- gentissime togatorum de eo prodidit Mamilius (so die Handschriften hier)*) Senator ille maxumis nobilis doctrinis doctore nullo: neminem 286 extitisse qui viderit vescentem, sacrum in Ärabia soli esse, vivere annis JDXL, senescentem casia turisque sur cutis construere nidum, replere odoribus et superemori; ex ossibus deinde et medidlis eiu^ nasci primo ceu vermiculum, inde fieri pullum principioque iusta funer a priori reddere et totum deferre nidum prope Panchaiam in Solis urbem et in ara ibi deponere. Cum Jiuius alitis vita magni conversionem anni fieri prodit idem Mamilius (so die Handschriften)**) iterumque signi- ficationes tempestatum et siderum easdem reverti, hoc autem circa meridiem incipere, quo die signum arietis sol intraverit, et fuisse eius conversionis annum prodente se P. Licinio Cn. Cornelio cos. [657 d, St.] ducentesimum quintum decumum '^.

1) Auch diese sichere Verbesserung rührt von Lachmann her. Ueberliefert ist carioras; Scaliger vermuthete Caron eas.

*) [Maniillius nach Detlefsen.] **) [Einige Hss. nach Detlefsen hier Manilius.]

2) Lepsius (Chronol. der Aegypter 1, 170 fg.) will in dieser Stelle statt DXL und CCXXV schreiben MC DL XI und MCCXV, wodurch er auf das in der ägyptischen Chronologie auch sonst wichtige J. 1322 v. Chr. als Anfangsjahr der zu Manilius Zeit laufenden Phönixperiode kommt. Indess ist es mehr als bedenklich beide in allen besseren Handschriften ohne Abweichung überlieferten Zahlen, von denen die erstere auch noch durch Solinus 33, 12 beglaubigt wird, zu ändern; und wenn die Phönixperiode anderweitig gewöhnlich auf 500, zu- weilen auf 1461 Jahre gesetzt wird, so ist man doch schwerlich berechtigt bei

Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius. 75

Dass der von Plinius hier ausgezogene *) Manilius oder Mamilius mit dem anderweitig von ihm benutzten Mamilius Sura zusammen- falle, ist nach Jans Vorgang welcher sogar Sura statt Senator schreiben wollte von Reifferscheid a. a. O. angenommen worden, aber nichts desto weniger erweislich falsch. Denn Plinius nennt für das zehnte Buch unter den lateinischen Quellen an erster Stelle den Manilius. an letzter den Mamilius Sura; und nach dem jetzt fest- gestellten gerade in diesem Buch besonders deutlich hervortretenden Yerhältniss der pUnianischen Citate zu dem Quellenverzeichniss (vgl. Brunn a. a. 0. S. 17) kann der gleich zu Anfang des Buches ange- führte Mamilius kein anderer sein als der an der Spitze des Quellen- verzeichnisses stehende Manilius, also gewiss nicht Mamihus Sura. Der ganz unbedachte Vorschlag Silligs z. d. St. in diesem Manilius, der 657 schrieb, den bekannten Juristen Manius Manilius Consul 605 zu erkennen, verdient kaum der Erwähnung. "Vergleichen wir vielmehr die oben zusammengestellten Angaben von Varro und Plinius, so scheinen sie sämmtlich auf denselben Mann zurückgeführt werden zu müssen. Wenn man nach dem allgemein angenommenen Vorschlag Niebuhrs (R. Gr. 1, 13) das bei Dionysios überheferte MAMIOZ in MAAAIOZ ändert, so lassen sich die sämmtlichen überlieferten Namensformen mit Leichtigkeit auf den Namen L. Manlius zurückführen; ein Cognomen scheint derselbe nicht geführt zu haben. Auch der Zeit nach stimmen die verschiedenen Angaben wohl überein: für den Schriftsteller, den schon Varro vielfach be- 287 nutzt hat, passt sehr gut, was von dem plinischen Manilius berichtet wird, dass er in seinem Fache zuerst Bahn gebrochen (maxumis nohilis doctrinis doctore nidlo) und im J. 657 geschrieben habe. Endlich kehrt der äv^Q ovx aarjfiog des Dionysios wieder in dem phnischen Senator. Möglicher Weise ist sogar der L. Manlius, den wir aus den Münzen Sullas als dessen Proquästor um 670 und ander- weitig (Oros. 5, 23; Liv. 90; Cäsar b. c. 3, 20; Plutarch Sert. 12) als Statthalter des narbonensischen Galliens um 677 kennen lernen (vgl. mein röm. Münzwesen S. 595) kein anderer als eben dieser schrift- «tellernde Senator. Vor allen Dingen aber spricht der Inhalt der oben zusammengestellten Nachrichten sehr entschieden für ihre Zu- sammengehörigkeit. Wem es beschieden war das Pelasgerorakel

einem solchen Gegenstand und in einem leichtfertigen Wunderbuch, wie das tianlische gewesen sein muss, die von den gangbaren abweichenden Fabelzahlen zu emendiren.

*) [D. h. indirekt benutzte, vgl. Münzer, Beitr. zur Quellenkritik der Natur- gesch. d. Plinius, Berlin 1897, S. 163.1

76 Mamilius Sura, Aemilius Sura, L. Manlius.

über die schwimmende Insel im Sabinerland von einem der dodo- näischen Dreifüsse abzuschreiben, der war sicher auch zur Sache legitimirt hinsichtlich der schwimmenden Delos und der Fahrten der Leto so wie derjenigen der Tochter des Agenor Europe und der rechte Prophet für das grosse Wunder vom Phönix und der Sonnenstadt im Lande Panchaia. In welcher Form der vornehme Verfasser all diese wunderhaften Dinge seinen Landsleuten vorgelegt haben mag, wage ich nicht zu bestimmen; ausser jenem griechischen Epigramm kamen lateinische iambische und lyrische Verse in dem Buche des Manlius vor, während anderes daraus Angeführte füglicher, obwohl keineswegs mit zwingender Nothwendigkeit in prosaischer Form gedacht wird. Unter dem Einfluss des Euhemeros, den ja bereits Ennius bearbeitet hatte, ist das Reise- und "Wunderbuch des L. Manlius wohl auf jeden Fall entstanden. Immer aber bleibt es eine litterargeschichtlich merkwürdige Thatsache, dass ein vornehmer Römer der sullanischen Zeit aus dem Abhub griechischer Fabulistik für seine Landsleute lateinische Mirabilien zurecht gemacht hat und mag derselbe als Urvater des italischen Pelasgerthums den betreffenden Gläubigen hiemit bestens empfohlen sein.

Noch füge ich hinzu, dass Gellius 3, 3, ohne Zweifel nach Varro, mit fünf anderen Gelehrten des siebenten Jahrhunderts auch einen Manilius als Verfasser eines Verzeichnisses der echten plautinischen Komödien aufführt. Er ist mit Wahrscheinlichkeit von Ritschi (parerga I, 242) mit dem von Plinius angeführten Senator identificirt worden.*)

*) [Die Identität bezweifelt M. Schanz, Gesch. d. röm. Literatur I \ München 1898, S. 403, 1.]

XIII.

Zu Sallustius.*)

In Sallusts Darstellung des jugurthinischen Krieges findet sich 427 eine chronologische und staatsrechtliche Schwierigkeit, die bisher unbeachtet geblieben zu sein scheint.

Der Gang der Ereignisse ist nach der wohl zusammenhängenden und sorgföltigen Erzählung folgender. Nach Beendigung des thaten- losen Sommerfeldzugs 644 begab sich der commandirende Feldherr, der Consul Sp. Postumius Albinus nach Rom zui'ück, um rechtzeitig dort die Comitien abzuhalten (c. 36, 1. 4). Allein der Versuch zweier Yolkstribune sich das Amt wieder auf das folgende Jahr zu verschaffen, verzögerte die sämmtlichen Wahlen dieses Jahres. Yer- muthlich werden die Tribüne gegen die Zulassung jener beiden zur Tribunenwahl für 645 Einspruch gethan haben (resistentibus coUegis c. 37, 2j dass verfassungsmässig einer solchen "Wiederwahl bei den Tribunen, die nicht magistratus populi Rotnani waren, nichts im AVege stand, ist sowohl aus andern Gründen wie auch durch diese Angabe selbst ausser Zweifel und haben sodann die zurück- gewiesenen Tribüne ihrerseits die sämmtlichen Comitien des Jahres verhindert, bis ihnen ihr Wille gethan sein würde. Denn im Uebrigen wurden zwar sowohl die Magistrate der Gemeinde wie die der Plebs in der Rangfolge gewählt, also die Aedilen der Plebs erst nach deren Tribunen, die Prätoren erst nach den Consuln, die curulischen Aedilen erst nach den Prätoren; aber die Wahlen der patricischen und der plebejischen Magistrate sind in keiner Weise connex und durch die Terhinderung der einen Gattung wird die andere an sich nicht berührt ^ Durch diese Zwischenfälle muss die Wahl der Consuln fuj 645 sich bis in dieses Jahr selbst hingezogen haben; denn die Erzählung giebt an, dass dem Nachfolger des Albinus durch die

*) [Hermes 1 (1866) S. 427—437.]

1) Es zeigt dies namentlich der Brief des Caelius ad fam. 8. 4.

7g Zu Sallustius.

Verzögerung der Comitien die für die Operationen im Felde gegebene Frist verkürzt worden sei (c. 44, 3: aestivorum tempus comitiorum 428 mora imminuerat), was nur dann einen Sinn hat, wenn die Comitien erst nach dem letzten December 644 stattfanden. Dasselbe ergiebt sich aus dem weiteren Verlauf der Erzählung. Der stellvertretende Oberfeldherr in Africa, des Consuls 644 Bruder A. Albinus, in Kenntniss gesetzt davon, dass bei der Verschleppung der Comitien das Eintreffen des neuen Oberfeldherrn so bald noch nicht zu er- warten sei, beginnt im Januar (c. 37, 3: mense lanuariö) 645 einen Feldzug gegen lugurtha, der in raschem Verlauf zu einer Niederlage der Römer und zu einem schimpflichen Frieden führt. Dieser Friedensvertrag wird vom Senat cassirt. Darauf begiebt sich Sp. Albinus, nachdem er noch in Italien zur Verstärkung der africanischen Armee Truppen ausgeschrieben hat, zum Heer nach Africa (c. 39), wo er während eines Theils des Sommers das Commando führt (c. 44, 4: quantum temporis aestivorum in imperio fuit)^ freilich ohne das Gebiet des Feindes zu betreten, geschweige denn zum Schlagen zu kommen. Dass die Vertheilung der Provinzen unter die endlich gewählten Consuln für 645 später fällt als die Niederlage und der Friedensschluss des Aulus, wird ausdrücklich gesagt (c. 43, 1); allem Anschein nach machte erst die africanische Calamität jenem Wahl- gezänk in der Art ein Ende, als der eine Theil der Tribüne nach- gab und die Comitien also zu Ende geführt werden konnten. Metellus kann demnach, zumal da er nach seinem Amtsantritt noch Truppen in Italien aushob (c. 43, 3. 4), erst spät im Sommer 645 nach Africa gelangt sein; und da er hier zunächst das Heer reor- ganisirte und es eine Zeit lang in der Provinz Africa Uebungs- märsche machen Hess, so ist es ganz begreiflich, dass er überhaupt in diesem Jahr nicht zum Schlagen kam, sondern seine Kriegführung erst 646 begann. Denn, wie ich dies anderswo (E,. 0. 2, 149 der 4. Ausg. [146'']) gezeigt habe, die Kriegsereignisse, die Sallust c. 46 73 erzählt, von dem ersten Ueberschreiten der feindhchen Grenze (c. 46, 5: infesto exercitu in Numidiam procedif) bis zu den Winter- quartieren in der Provinz (c. 61, 2: exercitum in provinciam, qua nicht quae proxuma est Numidiae, hiemandi gratia coUocat) und zu dem in die Zeit dieser Winterquartiere fallenden Zug gegen die Stadt Vaga (c. 68, 2) gehören einem einzigen Feldzug an, der nach dem Verhältniss, in dem er zu Marius Consulwahl steht, nothwendig in das Jahr 646 gesetzt werden muss. Von dieser Seite her ist also alles in vollkommener Ordnung und der sachliche und chronologische Zusammenhang der Ereignisse evident.

Zu Sallustius. 79

Aber zwei Stellen in der Erzählung Sallusts fügen dieser Dar- stellung sich nicht gehörig ein. Einmal wenn es nach der Erzählung 429 ier Niederlage des Aulus und des Friedensschlusses heisst (c. 39, 2): ?6 ea cotisul Albinus .... senatum de foedere constdebat, et tarnen Interim exercitui supjüementum scribere, ab socüs et nomine Latino auxilia accersere, denique omnibus modis festinare. Senattis . . . üecernit suo atque popidi iniussu nidlum potuisse foedus fieri. Consul impeditus a tribunis plebis ne quas paraverat copias secum partaret, pancis diebus in Äfricam j^roficiscitur so ist aus dem Gesagten klar, dass diese Dinge Monate nach dem letzten December 644 vorfielen, mit dem Albinus aufgehört hatte Consul zu sein. Der Anstand, dass der gewesene Consul noch mit diesem Namen genannt wird, ist von keiner besonderen Bedeutung; diese Nachlässigkeit im Ausdruck begegnet bekanntlich nicht selten und kehrt zum Beispiel gleich c. 47, 4 für Metellus wieder. Aber dass Sallustius in der That sich den Albinus hier als noch fungirenden Consul gedacht hat, zeigen die Worte senatum consuluit, die in ihrer technischen Eigen- thümlichkeit nicht dem Proconsul, sondern nur dem den Torsitz im Senat führenden Consul zukommen. Allerdings heisst es ähnlich bei Livius (44. 13, [7]) in der Erzählung der Vorbereitungen zu dem Kriege gegen Perseus: designatos (consuJes et praetares) extemplo placuit sortiri provincias, ut, cum utri Macedonia constdi cuique prae- tori classis evenisset sciretur, ii iam inde cogitarent pararentgue quae bello usui forent senatumque consulerent, si qua de re consulto opus esset.*) Indess diese Stelle so wenig wie die des Sallust können den Satz umstossen, dass weder die designirten noch die gewesenen, sondern nur die fungirenden beikommenden Beamten befugt sind den Senat zu befragen; und wo hiervon abgewichen wird, wird man nicht umhin können, den Schriftsteller irriger Yorstellungen oder wenigstens falscher Redewendungen zu zeihen. Den sachlichen Zusammenhang wird man sich wohl so zu denken haben. Sp. Albinus verliess die Provinz offenbar in der Absicht bis zum Jahresschluss in Rom zu bleiben und somit alsdann das Imperium abzugeben. Ah aber die "Wahl seines Nachfolgers sich hinzögerte, fing er an sich Rechnung zu machen auf ein zweites Feldhermjahr in Africa imd verhess, um sich dieses nicht zu verschlagen, noch vor dem letzten December 644 Rom, um bei Ablauf seines Amtsjahrs ausserhalb des Pomerium zu sein und also sein Imperium zu behalten. Damit hängt sicher zusammen, dass der Bruder des Consuls, jedenfalls auf

*) [^gl- Staatsr. 1' S. 591, 7, wo einige weitere Belege hinzugefügt worden sinci.]

kl

gQ Zu Sallustius.

dessen Geheiss, den africanischen Feldzug trotz der rauhen Jahres- zeit bereits im Januar 645 wieder eröffnete.' Als nun nach der 430 Katastrophe in Africa der Senat zusammentrat, berufen sei es von den Yolkstribunen, wenn es deren damals gab, sei es von dem Inter- rex, konnte Albinus, seit dem 1. Jan. 645 Proconsul, an dieser Sitzung allerdings theilnehmen, wie in einer ähnlichen Stellung Pompeius, wenn der Senat im Tempel des Apollo oder sonst vor den Thoren zusammentrat; und wir haben keinen Grund zu bezweifeln, dass er dies gethan und also factisch den Senat abgehalten hat. Gerecht- fertigt ist damit die Darstellung, wie Sallust sie giebt, zwar in keiner Weise; aber er hat hier doch mehr in der Form als in der Sache gefehlt. Wenn hier ein zwar nicht geringes, aber doch nicht unbegreif- liches Versehen des Schriftstellers vorliegt, so lässt sich von der zweiten anstössigen Stelle kaum auch nur dies behaupten. Es ist dies die Angabe c. 43, 1 : post Äuli foedus exercittisque nostri foedam f'ugam Metellus et Silanus consules designati provincias inter se XMrti- verant. Jener Friedensschluss fällt in den Januar oder Februar 645, die Wahl der Consuln frühestens in den Februar dieses ihres Amtsjahres, wahrscheinlich noch später; wie können sie demnach designati genannt werden? Denn dass, wenn die Wahl der Consuln erst nach dem festgesetzten Antrittstag erfolgt, sie gar nicht erst designati werden, sondern ex templo antreten, ist selbstverständlich und notorisch. Auch sonst macht diese Angabe Schwiergkeit: denn der Regel nach theilen die Consuln sich in ihre Competenzen erst nach dem Amtsantritt und wenngleich aus älterer Zeit einige Fälle vorkommen, wo sie aus besonderen Gründen bereits früher dazu schreiten (Liv. 27, 36. 44, 17. Becker 2, 2, 120), so ist es doch sehr zweifelhaft, ob im siebenten Jahrhundert, nachdem das sempronische Gesetz die Theilung der consularischen Competenzen ein für allemal geordnet hatte, dies noch statthaft war. Indess es bedarf dieses Nebengrundes nicht; das zuerst angeführte Moment ist entscheidend, und will man nicht annehmen, dass der zwar nicht sehr gründliche, aber gewandte und sachkundige Schriftsteller sich in unbegreifHcher Weise hier verwirrt hat, so bleibt nur die Annahme übrig, dass der überlieferte Text verdorben ist. Nach meiner Ansicht ist statt consules designati zu schreiben consules de senatus sententia, welche letztere Formel wenigstens in Gesetzurkunden und auf Münzen be- kanntlich abgekürzt wird DE S S^ und ohne Zweifel, eben wie

1) Vgl. wegen der Inschriften C. I. L. I p. 612, wegen der Münzen mein röm. Münzwesen S. 378. 453. Bekanntlich hat die Eingangsforrael der kx Antonia de Ttrmensibus, wonach die Tribunen DESS das Gesetz rogiren, lange Zeit die

Zu Sallustius. Sl

das verwandte s. c, eine der wenigen allgemein gültigen Abkürzungen 431 gewesen ist, die in der klassischen Zeit auch in historischen Schriften zugelassen wurden. Diese Abkürzung aber konnte von einem minder kundigen Schreiber, zumal wenn sie, wie hier, hinter COSS. stand, irrthümlich durch designati aufgelöst werden. Damit ist nicht bloss jener arge Uebelstand beseitigt, sondern auch erklärt, was ein Pragmatiker wie Sallust nicht unterlassen konnte zu erklären, auf welchem Wege bei der Theilung der Competenzen Africa an Meteilus kam: es war der Wunsch des Senats, dem der College sich fügte. In der neuesten Ausgabe des Sallustius von H. Jordan, die für diesen so viel behandelten Schriftsteller anstatt der früheren eben so weitschichtigen wie unzuverlässigen Apparate zuerst eine knappe und feste Textgrundlage geschaffen hat, ist dieser dem Herausgeber von mir mitgetheilte Vorschlag bereits berücksichtigt worden.*)

Mit diesem Anstoss, den Sallusts Darstellung des jugurthinischen Krieges dem aufmerksamen Leser hervorruft, wird es nicht unpassend sein einen anderen in der Schilderung der catilinarischenYerschwörung begegnenden und nur zu wohl bekannten zusammenzustellen.**)

Die Frage, an welchem Tage die erste catilinarische Rede ge- halten sei, ist oft, zuletzt von Madvig (opusc. 1, 194), Drumann (5, 456) und Halm in der Einleitung zu seiner kleineren Ausgabe der Catilinarien § 17 behandelt worden, ohne dass ein befriedigendes Ergebniss erreicht worden wäre. Denn Drumanns Interpretationen der einzelnen Stellen sind keineswegs genau, und Madvigs Resultat, dass die erste catilinarische Rede in der Nacht vom 7. auf den

Missdeutung erfahren, als sei dasselbe von designirten Volkstribunen eingebracht worden. Uebrigens findet sich sehr häufig de senatus sententia und ex senatus considto, selten ex senatits sententia (Cic. ad fam. 12, 4, 1) , vielleicht niemals de ienatus consulto. Auch sind die beiden Formeln im Werth nicht völlig identisch ; sententia ist das Gutachten, constdtum der Beschluss und dem entspricht der Gebrauch der Präpositionen. Man kann vergleichen, dass lateinisch nur de con- süii sententia gesagt wird, nie ex consilii consulto, da das consiliiim bekanntlich nurberäth, der Berathene aber nicht rechtlich verpflichtet ist dem Gutachten zu folgen.

*) [Vgl. Staatsr. a. a. 0., wo die Möglichkeit eines Versehens des Sallust cffen gelassen wird. Daraufhin hat Jordan in der 3. Ausg. die Änderung Mommsens aus dem Text entfernt, aber mit Unrecht.]

**) [Vgl. zum Folgenden (gegen Mommsen): C. John, Die Entstehungs- geschichte der catilinarischen Verschwörung, in: Jahrb. f. cl. Phil. Suppl. 8, 1875/76, S. 778 f. und: Der Tag der ersten Rede Ciceros gegen Catüina, Philol. 46, 1888, S. 650 ff.]

MOMMSEN, SCHK. \n. fi

g2 Zu Sallustius.

8. Nov. gehalten und also gleichsam zweien Tagen zuzuschreiben sei, ist ebenso ein Nothbehelf wie Halms Annahme, dass Cicero bei Niederschreibung der Reden sich um einen Tag versehen haben müsse. Indess scheint es nicht unmöglich, wenn man bloss die Ciceronischen Stellen ins Auge fasst, zu einem befriedigenden Ergeb- niss zu gelangen. Es wird nothwendig sein, so bekannt dieselben auch sind, sie hier zusammenzustellen.

432 1. Cicero pro Sulla 18,52 schildert die von ihm abgehaltenen Con- sularcomitien und fährt dann fort: (C. Cornelius) inter falcarios ad M. Laecam nocie ea quae consecuta est posterum diem nonarum Novembrium me consule Catilinae denuntiatione convenit. Quae nox omnium temporum coniurationis acerrima fuit atque acerhis- sima. Tum Catilinae dies exeundi, tum ceteris manendi condicio, tum discriptio totam per urbem caedis atque incendiorum constitufa est; tum . . . . (C. Cornelius) illam sibi officiosam provinciam depo- poscit, ut cum prima luce consulem salutatum veniret, . . . . me in meo lectulo trucidaret.

2. Cicero in Cat. 1, 1, 1 .... quid proxima, quid superiore nocte egeris, ubi fueris, quos convocaveris , quid consili ceperis, quem nostrum ignorare arbitraris? .... 4, 8: recognosce . . . mecum noctem illam superiorem .... dico te priore nocte venisse inter falcarios ... in M. Laecae domum .... 9 . . . Fuisti . . . apud Laecam illa nocte, Catilina, distribuisti partes Italiae, statuisti quo qu£mque proficisci placeret, delegisti quos Bomae relinqueres, quos tecum educeres, discripsisti urbis partes ad incendia, confirmasti te ipsum iam esse exiturum, dixisti paulum tibi esse etiamnunc morae, quod ego viverem. Reperti sunt duo equites Romani, qui . . . sese illa ipsa nocte paullo ante lucem me in meo lectulo interfecturos pollicerentur. Haec ego omnia vixdum etiam coetu vestro dimisso comperi, domum meam maioribus praesidiis munivi atque firmavi, exclusi eos, quos tu ad me salutatum mane miseras, cum Uli ipsi venissent quos ego iam multis ac summis viris ad me id temporis esse venturos pra^dixeram.

3. Cic. in Cat. 2, 6, 13: quaesivi a Catilina, in nocturno conventu apud Laecam fuisset necne. . . . patefeci cetera, quid ea nocte egisset, quid in proximam constituisset , quem ad modum esset ei ratio totius belli discripta, edocui.

Zu Sallustius. S3

Die einzige unter diesen Angaben, die eine positive Zeitangabe enthält, ist in ihrer Fassung nicht ganz klar und die Bezeichnung i%ox quae coiisecuta est posierum diem nonarum Novembriwn ver- schiedener Deutung fähig. Drumann, Madvig, Halm nehmen nach dem Vorgang von Ferratius den posterus dies nonarum Novembrium als gleichbedeutend mit postridie nonas, d. h. den 6. und setzen demnach die Zusammenkunft bei Laeca übereinstimmend in die Nacht vom 6. auf den 7. Xov. Beispiele indess für diese B-edeweise sind nicht beigebracht worden mit Ausnahme der Stelle des Tacitus bist. 1, 26, die in den Ausgaben lautet postero iduiim die; aber da 433 nach dem Zusammenhang hier die Iden ohne Hinzufügung des Monats immöglich gestanden haben können imd auch in der Hand- schrift nicht die steht, sondern dierum, ist die Stelle als verdorben für den Sprachgebrauch auf keinen Fall beweisend^. Andrerseits ist nicht nachgewiesen worden, dass da, wo es nicht zunächst darauf ankommt den Tag als postriduanus zu bezeichnen, in gew(Anlicher Datirung der Sprachgebrauch postridie nonas Nov. statt a. d. VIII id. Nov. zu sagen gestattet. Dagegen lassen Ciceros Worte sich unge- zwungen dahin verstehen, dass posterus gar zur Datinmg nicht gehört, sondern den Tag als den auf die eben vorher erzählten Consular- comitien folgenden bezeichnet, die Datirung also nur in den Worten nonarum Novembrium angegeben ist, gleich als wenn Cicero ge- schrieben hätte posterum diem, qui dies fuit nonarum Novembrium. Danach wären die Wahlen auf den 4. Nov. gefallen, welcher Tag auch dem Kalender zufolge comitial ist, und hätten sieh die Yer- schworenen in der Nacht vom .5. auf den 6. im Hause des Laeca versammelt. Es war natürlich und angemessen in der Erzählung den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen dem Ausfall der Wahlen und dem Ausbruch der Yerschwörung dadurch hervor- zuheben, dass die Yerschwörungsnacht als die zweitfolgende nach dem Tag der Comitien bezeichnet ward. Dass die Nacht, in der die Verschwomen bei Laeca sich versammelten, die zweitletzte vor dem Tage war, an dem Cicero im Senat die erste Rede gegen Catilina hielt und dass sie in dieser Rede als die nox superior oder prior vor der unmittelbar dem Tage der Rede vorhergehenden, der nox proxima unterschieden wird, steht ebenso fest wie dass der Mordversuch auf den Consul an demselben Morgen stattfand, an dem

1) Man hat auch vorgeschlagen lamiariarum oder Decembriutn statt dierum zu schreiben. Vielleicht ist postero iduitm dierum nicht« als falsche Auflösung von postridie und der Tag gemeint nach demjenigen, an dem der Abfall der germanischen Legionen in der Hauptstadt bekajint ward.

6*

g4 Zu Sallustius.

er wenige Stunden später seine Rede hielt. Hesterno die, heisst es in der zweiten catilinarischen Rede 6, 12, cum domi meae paene interfedus essem, senatum in aedem lovis Statoris vocavi, rem omnem ad patres conscriptos detuli dass es unmöglich ist hesterno die von dem Vordersatz zu trennen und bloss mit senatum vocavi zu verbinden, haben Madvig und Halm mit vollem Recht bemerkt. Danach ordnen sich die Ereignisse also in folgender Weise :

434 prid. non. Nov. (Nov. 4) Consularcomitien non. Nov. ( 5)

Versammlung bei Laeca (nox superior)

VIII id. Nov. ( 6)

Mordversuch auf Cicero (nox proxima)

VII « ( » 7) erste catilinarische Rede VI ( 8) zweite

Unter diesen Voraussetzungen, und ich meine unter diesen allein, lässt sich auch die Angabe des Asconius (in Pison. p. 6 [p. 5 K.-Sch.]) befriedigend erklären, dass von dem Senatsbeschluss, der die Consuln mit dictatorischer Gewalt bekleidete, bis zu dem Tage der ersten catilinarischen Rede nicht, wie Cicero (in Cat. 1, 2, 4) ungenau angebe, zwanzig, sondern achtzehn Tage verflossen seien, wobei sowohl nach der allgemeinen Sitte als nach dem Zusammenhang Anfangs- und Endtag mitgezählt sein müssen. Denn jener Beschluss ist vom 21. Oct. (Cic. pro Mur. 25, 51; in Cat. l, 3, 7) und von da bis zum 7, Nov. sind achtzehn Tage. Dass aber hier, wenn irgendwo, Asconius genau gerechnet hat, kann keinem Zweifel unterliegen.

Untergeordnete Bedenken können in diesem so schwierigen Dilemma nicht entscheiden. Man wird es auffallend finden, dass die Schilderhebung des Manlius bereits am neunten Tage vor den Wahlen, am 27. Oct. stattgefunden hat. Aber dass Manlius die Nachricht von dem Ausfall der Wahlen nicht abwartete, um loszuschlagen, wird allgemein zugegeben; was kommt alsdann darauf an, ob er neun Tage oder einen Tag vor den Wahlen losschlug? Andrerseits lag es im Interesse der Optimaten, von denen die Festsetzung des Wahl- tages abhing, die Comitien hinzuzögern, bis die revolutionäre Partei zu offener Gewalt geschritten war, und dadurch entweder Catilina zum Rücktritt von der Candidatur zu zwingen oder mindestens ihm die Stimmen der Schwankenden zu entfremden. Auch stellt Cicero nirgends den offenen Aufstand des Manlius als eine Folge der Niederlage seiner Partei in der Wahlschlacht dar. Ein ernst- licherer Einwurf kann daraus hergenommen werden, dass die Corai-

Zu Sallustius. S5

tien auf den 28. Oct, angesetzt gewesen zu sein scheinen. Freilich erfahren wir mit Bestimmtheit nur, dass dieselben am 21. Oct. hatten stattfinden sollen, aber am Tage vorher durch Senatsbeschluss ver- tagt wurden (Cic. in Cat. l, 3, 7 und pro Mur. 25, 51). Indess wenn nach Ciceros Angabe in der ersten catilinarischen Rede Catilina den 28. für die Ausführung seines Mordplanes bestimmt hatte, imd an diesem Tage eine Anzahl der angesehensten Senatoren sich von 435 Rom entfernten, Cicero aber, der zurückblieb, den Mordplan ver- eitelte, so wird, namentlich nach Yergleichung der correlaten Berichte in den Reden für Murena und für Sulla, nicht wohl geleugnet werden können, dass der Mordplan des 28. Oct. mit den Consularcomitien in Zusammenhang gestanden hat. Jedoch folgt daraus noch nicht mit Nothwendigkeit. wie auch schon von Andern (Halm a. a. O. A. 49) mit Recht hervorgehoben worden ist, dass der Vorgang am 28. Oct. und der an den Consularcomitien zusammengefallen sind: was Cicero in der ersten catilinarischen Rede von seinen Gegen- anstalten am 28. Oct. berichtet, ist anders gehalten als wo er über sein berühmtes Auftreten im Panzerhemd handelt. Man wird an- nehmen dürfen, dass die Comitien auf den 28. Oct. verschoben waren, Cicero aber zunächst sich wieder durch eine Vertagung half und sie daher erst am 4. Nov. stattfanden. Um dies ziemlich schwächliche Verfahren zu bemänteln ist, wie es scheint, in den Darstellungen die Vertagung umgangen.

Aber, wird man sagen, alle diese Erwägungen scheitern an der bestimmt bezeugten Thatsache, dass der Mordversuch auf Cicero unmittelbar auf die nächtliche Zusammenkunft der Verschworenen bei Laeca gefolgt ist, ja die beiden Mörder aus dieser selbst weg- gegangen sind um die That auszuführen, während nach der obigen Aufstellung zwischen beiden Ereignissen vierundzwanzig Stunden hegen. Gewiss legen Ciceros Worte diese Auffassung nahe ; allein sie sagen doch, streng genommen, nur, dass die beiden Mörder sich in der Zusammenkunft nicht bloss zu der Blutthat, sondern auch zu deren sofortiger Vollziehung bereit erklärten. Wie wenn Catilina darauf erwiedert hätte, dass er das Anerbieten annehme, aber dass es für diesen Tag zu spät sei und auf den nächsten Tag verschoben werden müsse? Verschiedene Umstände scheinen diese Annahme zu unterstützen. In den beiden ersten catilinarischen Reden wird mit Nachdruck von den Vorgängen an zwei verschiedenen Nächten gesprochen, während, wenn der Mordversuch auf Cicero sich unmit- telbar an die Conferenz bei Laeca anschloss, es völlig dunkel bleibt, warum Cicero nicht bloss die vorletzte Nacht erwähnt. In der zuletzt

Zu Sallustius.

abgedruckten Stelle wird sogar deutlich gesagt, dass in der ersten Nacht der Plan entworfen, die zweite zu dessen Ausführung bestimmt gewesen sei. Was kann die 'für die nächste Nacht festgesetzte Unthaf anders gewesen sein als die Ermordung Ciceros? Denn alle die andern Vornahmen, die in der Conferenz bei Laeca beschlossen wurden, die Anzündung der Stadt und so weiter sollten augenschein- 436 lieh erst nach Catilinas Abreise stattfinden, der unbequeme Consul aber vorher beseitigt sein (paulum tibi esse etiamnunc morae, quod ego viverem). Ferner begreift man schwer, wenn der Mordversuch unmittelbar auf die Zusammenkunft folgte, wie Cicero in der Lage sein konnte den spät in der Nacht gefassten, am frühen Morgen ins Werk gesetzten Plan vorher vielen angesehenen Männern mitzutheilen. Man kann zwar sagen, dass bereits die ersten Morgenbesucher sich bei dem Consul eingefunden hatten, als die Mörder erschienen, und Cicero diesen deren Erscheinen vorhersagte; aber dagegen spricht, dass die Mörder auf jeden Fall die früheste Morgenzeit wählen mussten, so lange das Empfangzimmer noch leer war. Weit ein- facher gestaltet sich alles, wenn die nächtliche Berathung bei Laeca sich so lange hinzog, dass Yargunteius und Cornelius ihren Plan um vierundzwanzig Stunden verschieben mussten; es ist sehr möglich, dass nur dieser Aufschub Cicero gerettet hat. Dass er diese Zwischen- zeit nach Möglichkeit in den Schatten stellt und für den Zuhörer verschwinden lässt, ist ganz in seiner Weise. In stiller Allmacht und Allwissenheit gleich der waltenden Vorsehung machte der grosse Consul die Pläne der "Verschworenen augenblicklich zu Schanden; es schadete dem drastischen Effect, sowohl wenn man die Quelle erfuhr, aus welcher diese Vorsehung sich informirte, als wenn die Zeitfrist bekannt ward, die derselben zur Abwendung des Schlages verstattet war.

Wenden wir uns nun von Cicero zu Sallustius, so erzählt dieser (c. 27), wesentlich wie Cicero selbst, die Conferenz bei Laeca, Cati- linas Erklärung, dass er zum Heer abgehen werde, so wie Cicero gefallen sei; das Erbieten des Vargunteius und Cornelius diesen sofort aus dem Wege zu räumen: constituere ea nocfe paulo post cum armatis hominibus sicuti salutatum introire ad Ciceronem ac de improviso domi suae imparatum conf ödere. Curius . . . propere per Fulviam Ciceroni doluni qui parabatur enuntiat. Ita Uli ianua prohibiti tantum facinus frustra susceperant Niemand wird bezweifeln, dass Sallustius die Zusammenkunft bei Laeca und den Mordversuch als unmittelbar auf einander folgend betrachtet; aber wir sind gewiss befugt anzunehmen, dass er unter dem Einfluss der catilinarischen Reden schrieb und diese

Zu Sallustius. 87

genauer studirt hatte als die Acten des Senats : das Missverstandniss des Zusammenhangs, das Cicero seinen Hörern nahe legt, hat sich hier vollzogen. Natürlich ist bei ihm auch sonst der Zusammenhang der Dinge gänzlich verschoben: er (und ähnlich nach ihm Die 37, 30. 31) erzählt erst (26) den Ausfall der Comitien (4. Nov.); dann (27, 1. 2) die Entsendung des Manlius; hierauf (27, 3—28, 3) die Zusammenkunft bei Laeca und den Mordversuch gegen Cicero 437 (6. 7. Nov.); danach (28, 4) das Losschlagen des Manhus in Etrurien (27. Oct.) und endlich (29, 1. 2) die Ausstattung der Consuln mit dictatorischer Gewalt (21. Oct.), während in Wahrheit die Ereignisse in einer ganz anderen, zum Theil gerade in der umgekehrten Folge eingetreten sind. Die von Linker vorgeschlagene Transposition, wonach der Abschnitt 27, 3 28, 3 vor die Erzählung von Ciceros Auftreten im Senat am 7. Nov. gerückt wird, wird kein besonnener Philologe billigen, da sie weder zerrissene Satzglieder vereinigt noch auch nur ohne Aenderungen an dem überlieferten übrigens ganz unanfechtbaren Text durchgeführt werden kann; aber auch sachlich beseitigt sie nur einen Anstoss unter vielen. Vielmehr wird man sich dabei zu beruhigen haben, dass Sallustius ohne genaue Prüfung und nach ziemlich obei-flächlicher Lesung insbesondere der ciceroni- schen Reden seine Darstellung niederschrieb, sichtlich bemüht die Dinge in einen pragmatischen Zusammenhang zu bringen, aber ziem- lich gleichgültig dagegen, ob dieser Zusammenhang der wirkliche war oder nicht.

XIV. Kritische Miscellen.*)

153 Sallust fr. bist. 1, 27 Kritz [I 34 Maur.] lautet bei Donatus: inde

ortus sermo, percontantihus utrinque: satin' salve? quam grati ducihus suis? quantis familiaribus copiis agerenturi Die letzten Worte sind verdorben; denn dass copiae familiäres die Zufuhr bedeute, wie Kritz meint, wird kaum Jemand billigen. Es stand wohl: quantis mili- aribus copiae agerenturi wie stark die Tagemärsche? Aehnlieh steht in den Feldmessern 244, 1 0 Lachm. familiaris XII für miliario XII.

Sallust bist. fr. 1, 46 Kritz [I 63 Maur.] wird angeführt theils bei Nonius p. 264 Merc. : quin lenones et vinarii laniique quorum praeterea vulgus in dies usum habet pretio compositi; theils bei Charisius p. 58 Putsch, 42 Lind. [G. L. K. l, p. 75 f.]: quin vinarii {laniique). Es wird wohl zu lesen sein: quin lenones et vinarii laniique iiqtie quorum praeterea vulgus in dies usum habere solet pretio com- positi. .Gemeint sind die Inhaber von Bordellen, Schenkwirthschaften und Kneipen; der lanius ist, denke ich, nicht wie Kritz meint der Fleischverkäufer, sondern der Inhaber der popina, wo Fleischspeisen bereitet und servirt werden.

Sallust fr. bist. 4, 19 Kritz [IV 69, 2 Maur.] heisst es in dem Briefe des Königs Mithradates an den König Arsakes: Tibi si per- petua pace frui licet, nisi hostes opportuni et scelestissumi, egregia fama, si Romanos oppresseris, futura est, neque petere audeam socie- tatem et frustra mala mea cum bonis tuis misceri sperem. So haben die Handschriften; wenn Kritz die Lesung der alten Ausgaben Tibi perpetua pace frui liceret wieder hergestellt hat, 'quod haud dubie (?) ex codicibus fluxit", so kann ich in dieser Lesung nur eine alle Satzgliederung zerstörende und schlechthin verwerfliche Conjectur

*) [Berichte über die Verhandlungen der Sachs. Gesellsch. d. Wiss., phil.- hist. -Klasse. 6, Leipzig 1854, S. 153—160.]

Kritische Miscellen. 89

erkennen. Es ist vielmehr zu schreiben mit Aenderung eines einzigen Buchstabens: Tibi si perpetua pace frui licet, nisi hostes oppm-tuni et scelestissumi; egregia famu, si Roma nos oppresserit, futura est: neque petere audeam societatem et frustra nmla mea cum honis tuis misceri sperem. Vor egregia fama ist in Gedanken si zu wiederholen. Liv. 22, 49 [15 f.] heisst es von der cannensischen Schlacht: Quadraginta quinque milia quingenti pedites, duo milia septingenti equites caesi dicuntur; in Ms ambo considum quaestores L. 154 Atüius et L. Fiirius Bihaculus; et viginti untis de tribunis militum, consulares quidam praetariique et aedilicii (inter eos Cn. Servüium Geminum et M. Minucium numerant, qui magister equitum priore anno, aliquot annis ante constd fuerai); octoginta praeterea aut senatores aut qui eos magistratus gessissent, unde in senatum legi deberent, cum sua voluntate milites in legionihus fa^ti essent. Es ist nicht überflüssig darauf aufmerksam zu machen, dass der Annalist hier auszeichnet unter den Gefallenen 1) die höheren Staats- beamten, die Quästoren; 2) die Legionscommandanten, unter denen diejenigen, welche curulische Aemter bekleidet hatten, noch besonders ausgezeichnet werden; 3) die freiwilligen Soldaten senatorischen Ranges. Daran, dass selbst Consulare als Kriegstribunen wieder eintraten, wird Niemand sich stossen, s. Düker zu Livius 36, 17; ebenso wenig daran, dass Cn. Geminus, obwohl er in der Schlacht das Centrum commandirte, doch nur Kriegstribun und nicht Legat genannt wird. Legatus*) ist überhaupt ursprünglich gar kein be- stimmter in die militärische Aemterstaffel eingereihter Offiziergrad, sondern bezeichnet den mit einem stellvertretenden Separatcommando vom Obergeneral betrauten Offizier nach dem bezeichnenden Ausdruck des Plebiscits de Thermensibus [C. L L. I^ p. 114 n. 204j 3. 44. 52 [II 1.6. 14] legatus pro magistratu ; wesshalb z. B. Cato in seinem makedonischen Feldzug 563 unter Glabrio mit gleichem Recht bald Legatus, bald Kriegstribun genannt wird jenes, weil er das auf den Kallidromos detachirte Corps commandirte, dieses nach seinem Offiziersrang. Diese Auseinandersetzung ist veranlasst durch ein aus falscher Interpunction hervorgegangenes Missverständ- niss dieser Stelle in dem sonst so schätzbaren Buche Hofmanns (der römische Senat S. 49); der Verfasser meint, dass constdares praetorii aedilicii sämmtliche gewesene Consuln, Prätoren, Aedilen und nicht bloss diejenigen darimter, die eben Kriegstribunen waren, bezeichnen, imd bezieht demnach die "Worte qui eos magistratus gessissent, unde

*) [Vgl. Staatsrecht 1, 229 f.]

90 Kritische Miscellen.

in senatum legi deberent auf diejenigen, die nicht curulische Aemter bekleidet hatten. Auf diese Stelle wenigstens lässt sich diese Be- hauptung nicht begründen, ich halte sie aber überhaupt für falsch.*) Bis auf Sulla scheint nur die Verwaltung eines jener drei curulischen Aemter ihren Inhabern theils sofort die factische Theilnahme an den Senatssitzungen, theils das gesetzliche Anrecht auf Einzeichnung 155 in den Senat gegeben zu haben; so dass der Censor vermuthlich, wenn er sie wegliess, dieselben Formen beobachten musste wie bei der Streichung eines wirklichen Senators. Einen deutlichen Finger- zeig, dass noch 672, unmittelbar vor Sulla's Reconstituirung der Republik, diese Verhältnisse bestanden, giebt der livianische Bericht (bei Eutrop. 5, 9. Oros. 5, 22), dass der Bundesgenossen- und der Bürgerkrieg weggerafft habe consulares XXIV, praeforios VII, aedilicios LX, senatores fere CG eben wie Livius die qui eos magistratus gessissenf unde in senatum legi deberent zusammen- stellt mit den senatores. Dass daneben factisch auch die niederen Beamten eine Expectanz hatten bei der nächsten Censur in den Senat zu kommen, ist begreiflich, auch durch Val. Max. 2, 2, 1 und sonst bezeugt; wesshalb denn die Präterition natürhch auch für sie eine Makel war.

Bei Servius [Dan.] zur Aeneis 1, 421 heisst es: Älii magalia casas Poenorum pastorales dicunt. De his Sallustius »quae mapalia sunt circumiecfa civitafi suburbana aedificia magalia.« Et alibi**) Cassius Hemina docet ita »Sinuegsae* magalia addenda murumque circum ea.« Die gemeinte Stelle des Sallust ist ohne Zweifel, wie auch Kritz (in der Vorrede zu Sallusts Historien S. XXXIX) bemerkt, lug. 18: aedificia Numidarum agrestium quae mapalia Uli vocant; was also bei Servius folgt, sind seine Worte, nicht die des Sallust, und es ist etwa zu schreiben: De his Sallustius. Magalia sunt circumiecta civitati suburbana aedificia; Cassius Hemina docet ita »Sinuessae magalia addenda murumque circum ea.« Die Besserung von Sinuegsae ist längst gemacht; magalia et alibi scheint eine in den Text gerathene Randglosse; ob etwas Gesundes und was in dem verdorbenen quae nach Sallustius steckt, weiss ich nicht. In den Worten des Hemina [fr. 38 Peter] erkennt man sofort ein Bruchstück aus dem Verzeichniss censorischer Verdingungen, um so bestimmter als die Herstellung der öffentlichen Bauten in den Bürgercolonien

*) [Vgl. z^m Folgenden Staatsrecht 3, 860 f. , wo auch die Liviusstelle erwähnt ist.]

**) [alii CS alibi C\]

Kritische Miscellen. 91

den römischen Censoren oblag und Sinuessa Bürgercolonie war. Nun aber lesen wir bei Livius 41, 27 [Hf-], dass der Censor des J. 580 Q. Flaccus unter anderm verdang: Pisauri viam silice sternendam et Sinuessam a ga . . aviariae in his et clo . . um circumducend . . et forum 2)0)iicibus tabemisque claudendum et lanos tres faciendos; es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass zu schreiben ist et Sinuessa[e]

maga[lia addendu] aviariae in his et clo[acas faciendos et

mur]um circtimdticend[um . . . Was sich verbirgt in dem . . . aviariae, weiss ich nicht; vermuthlich irgend etwas in oder auf den Magalien 156 Befindliches, vielleicht et caularia in his, Yorrichtungen um Schafe in den Hürden (magaliaj unterzubringen.

Velleius 2, 27 heisst es von der Schlacht, die Sulla den Sam- idten am collinischen Thor lieferte, sie habe stattgefunden abhinc annos XI Tcal. Novemhribus. Man begnügt sich gewöhnlich hier XI in CXI oder besser mit Kritz in CIX zu ändern, wonach als Tag der Schlacht der erste IS^ovember angenommen wird. Allein dabei ist übersehen, dass die nach Yelleius a. a. O. (vgl. Pseudo-Ascon. p. 143 Orell.) zum Andenken dieses Sieges von Sulla gestifteten Spiele der Yictoria nach den Kalendern vom 27. bis zum 31. Oct. gefeiert wurden, der Schlachttag also entweder der erste oder der letzte dieser Tage gewesen sein muss. Es dürfte danach eine Lücke anzunehmen und überdies XI in VI zu ändern sein, so dass Yelleius geschrieben: abhinc annos CIX ante diem VI kal. Nov.

Yelleius 2, 29 in der Charakterschilderung des Pompeius: poten- tiae qnae honoris causa ad eum deferretur, non vi cd) eo occuparetur, cupidissimus. Die Ueberlieferung giebt dafür non vi ab eo.

Plinius h. n. 2, 104, 235 heisst es bei SiUig: In urbe Commagenes Samosata stagnum est emittens limum (maltham vocant) flagrantem. Cum quid attigit solidi, adhaeret; praeterea tactu exsequitur ftigientis. Sic defendere muros oppugnante Lucuüo (vgl. Dio 36, 3 a. Bekk. 75, 1 1) [Boiss. 1 p. 259, 9 f.]. Dies giebt keinen Sinn. Da aber die beste Handschrift (A) statt ta^tu exsequitur hat tactu et sequi, so wird zu schreiben sein : flagrantem cum quid attigit solidi; adhaeret praeterea tactu et sequitur fugientes. Der zähe Schlamm klebt, wenn man ihn anrührt, und wird von dem Zurückweichenden nachgezogen.

Florus 2, 9 (3, 21) [p. 89, 21 Jahn] ist überliefert: Scipione Nor- lanoque considibus tertius ille turbo civilis insaniae tote furore detonuit; quippe cum hinc octo legiones, inde quingentae cohortes starent in armis, iide ab Asia cum Victore exercitu Sulla properaret. Die Herausgeber streichen das erste inde: mit Unrecht, denn weder sind acht Legionen gleich fünfhundert Cohorten, noch lässt es sich rechtfertigen, dass die

92

Kritische Miscellen.

Heeresstärke theils in Legionen, theils in Gehörten angegeben wird. Vielmehr sind die acht Legionen die sullanischen , sei es nun, dass Florus dachte an die fünf Legionen, die Sulla nach Asien und wieder 157 zurück führte (App. Mithr. 30. b. c. I, 79; vgl. Vell. 2, 24) und die zwei des Fimbria (App. Mithr. 51. 64) und ungenau acht statt sieben setzte, oder dass er verkehrt, wie er pflegt jene fünf Legionen mit den dreien zusammenzählte, die Cn. Pompeius für Sulla warb (Drumann IV, 327). Die 500 Cohorten des cinnanischen Heeres sind sicher rund gesetzt statt der 450, die Sulla's eigener Bericht nannte (Plutarch Sulla 27; woher auch Velleius 2, 24 'mehr als 200 000 Mann' genommen sind 450 X 500 = 225 000). Wenn also die Ueberlieferung bis zu den Worten in armis tadellos ist, so bleibt es freilich zweifelhaft, wie weiter zu helfen sei. Vielleicht ist nach in armis ein Satz ausgefallen, der sich auf Cinna's versuchte Expedition nach der illyrischen Küste bezog: hinc naves iani con- scenderent ad Achaiam occupandam milites Cinnani.

Aus der Rede, die der Consul C. Fannius gegen C. Gracchus Vorschlag den Latinern das Bürgerrecht zu ertheilen im J. 632 hielt, hat Victor p. 224 Or. [p. 402 Halm] die Worte aufbewahrt: Si Latinis civitatem dederitis, credo existimatis vos ita ut nunc constitisse in contione hdbituros locum auf ludis et festis diebus interfuturos. Für das verdorbene constitisse schlug Orelli constitutum est, Spengel con- suestis, Dübner constituitis oder constituistis vor; das Richtige ist constitistis*) »Ihr meint also auch dann so wie ihr jetzt vor mir steht in der Versammlung Platz finden zu können?«

Bei Charisius p. 74 Lind. [G. L. K. I 138] heisst es: NohiUore.

comparativa Plinius e putat dblativo finiri tarnen ait per i

locutos guippe fastos omnes et libros a Fulvio NohiUori scripta rettu- lisse; wofür zu schreiben sein wird: . . , tarnen ait per i locatos ah ipso fastos et omnes lihros a Fulvio NohiUori scriptos etulisse. In der Lücke, wo der Name des Coelius jetzt mit Recht beseitigt ist, ergänzt Hertz de L. Cinciis p. 101 den des Gracchanus; es scheint aber nicht der eines Historikers, sondern der eines Grammatikers ausgefallen, Locatos für locutos ist alte Verbesserung der ersten Ausgabe, wenn nicht Lesung der Handschrift,**) in der a und u schwer zu unterscheiden sind; gemeint sind die Fasten, »quos in aede Rerculis Musarum posuit Fulvius Nohilior« (Macrob. sat. 1, 12), aber der Grammatiker durfte nicht verschweigen, dass dieselben von Nobilior herrührten so

*) [cotistitisse ist richtig : Modusangleichung, wie oben S. 65 Zeile 28 f.] **) [Nach Keil hat sie locutos.]

Kritische Miscellen. 93

gut wie die Bücher, und darum scheint die Umänderung von quippe in ah ipso nothwendig. Die Aenderung von scripta rettulisse statt des gewöhnlichen scriptos rettulisse in sa'iptos etidisse empfiehlt sich 158 sachlich wie paläographisch.*)

Bei Festus p. 326 lesen wir folgende Trümmer, denen im Aus- zug nichts entspricht:

lutationes vo unc ludi scenicos s primum fecisse C. liutn M. Popilium M. ediles memoriae historici solehant in orchestra dum hulae conponeren scaetiis

Ursinus und Müller zogen den Anfang zu dem voraufgehenden Artikel. Jener liest: [Salutari]s poria ap[peUata est] . . . [vel ita ob sa]lutation€s. Vo[cantur Megalensia qui n\unc ludi; dieser: [vel ita ob sa]lutation€s vo[catur. Thymelici qui ti]unc ludi. Beides kann nicht richtig sein, da die Reihenfolge der Artikel hier ein mit SAL anfangendes Lemma fordert. Es ist eine Ausrede, wenn Müller meint, diesen Artikel als einen bloss zur Erklärung des folgenden Salva res est vorausgesandten betrachten zu können; das ist gegen Festus "Weise und in der That bedarf der folgende Artikel keines- wegs einer solchen Vorrede. Mir scheint es nicht zweifelhaft, dass das Lemma war salfationes woraus durch ein leichtes Yerderbniss sahdationes ward uud dass Festus von irgend einer Art Bühnen- spiele spricht, die ehemals »Tänze« genannt worden seien. Welche Alt er meint, ist durch die schwer heilbare Corruptel der zweiten Zeile unsicher geworden. Möglichkeiten bieten sich bei dem engen Zusammenhang beider Künste mancher Art; das römische Bühnen- stiick entwickelte sich bekanntUch aus dem Tanz noch der jüngere Scipio (bei Macrob. sat. 2, 10) nennt die Tanzschule abwechselnd ludus saltatorius und ludu^ histrionum und man könnte vielleicht eben an die älteste Phase der römischen Bühne hier denken. Aber wahrscheinlicher dünkt es mich in den »Tänzen« die späteren Mimen

*) [finiri; (antiquos) tarnen ait per i locutos, quippe fastos omnes et Kbros 'a Fttlvio Xohiliori' scriptum rettulisse Keil; vgl. J. "W. Beck, Plinii liber dub. serm. fra:?m., Leipz. 1894, S. 14.]

94 Kritiscbe Miscellen.

zu erkennen, die bekanntlich recht eigentlich auf dem Tanz beruhten. Danach möchte ich folgende Ergänzung versuchen, ohne sie freilich als sicher bezeichnen zu wollen:

Sa]ltationes vo cabantur qui n]unc ludl oHrjvixcög 159 dicuntur mimi, quo]s primum fecisse C.

fi]lium M. Popilium M.

filium plehis a\ediles memoriae prodiderunt] historici. Solebant enim saliare] in orchestra, dum quae opus erant fa]bulae conponeren- tur, cum gestihus oh]scaenis.

Die Angabe am Schluss kehrt wieder bei Diomedes 3 p. 487. Putsch [G. L. K. 1, p. 490] in einer Stelle, die nach O. Jahns Beobachtung als aus Sueton [p. 14 f. Reiff,] geflossen gelten kann: (planipedem actores) olim non in suggestu scaenae, sed in piano orchestrae positis instru- mentis mimicis actitabant. Der Aedil M. Popilius dürfte derselbe sein, den Plinius 7, 48, 158 nennt: (Galeria Copiola emboliaria) annum VIII agens producta fuerat tirocinio a M. Pompilio aedile plebis C. Mario Cn. Carbone consulibus. Wenn dies richtig ist,*) so ist hier- mit ermittelt, dass im Jahre 672 zuerst der Mimus in Rom öffentlich aufgeführt worden ist; dass der Mimus um diese Zeit in Aufnahme kam und dass er anfänglich vorwiegend Nachspiel war, ist bekannt. Plutarch Sulla 36 wird unter Sulla's Genossen aus dessen letzter Zeit auch Zwqi^ ö aQ^tfujuag genannt. Sollte dies nicht derselbe Schauspieler sein, von dem sich zwei Hermen in Pompeii gefunden haben (inscr. Neap. 2209. Orell. 2644 [C. I. L. X, 814J) mit der Auf- schrift: C. Norbani Soricis secundarum mag. pagi Aug. felicis subur- bani ex d. d. loc. d., welche ich so verstehen möchte: C. Norbani Soricis, secundarum, (hnaginem) magistri pagi Augusti felicis subur- bani (posuerunt), ex decreto decurionum loco dato. Dass der actor secundarum partium und der archimimus nicht identisch sind, versteht sich; aber auch ohne einen Irrthum Plutarchs anzunehmen, lässt sich recht wohl denken, dass Sorex in den Komödien die zweiten Rollen, in den eben um diese Zeit aufkommenden Mimen die Hauptrollen spielte ; wenn nicht etwa der Titel archimimus vielmehr den Director

*) [Nach Deftlesen hat nur der cod. R Pompilio, die übrigen Pomponio. Auch abgesehen davon wäre die Identifizierung des Popilius mit Pompilius unbegründet.]

Kritische Miscellen. 95

der Truppe bezeichnet. Sulla verlebte die letzten Jahre auf seinem Landgut bei Cumae; Sorex wird also auch in Campanien gelebt haben und es ist begreiflich, dass noch in der augusteischen Zeit die Pompeianer seiner sich erinnerten. Yomame und Name lassen ver- muthen, dass der Schauspieler dem Gesinde des Hauses angehörte, aus dem der Consul C. Xorbanus 671 entsprang.*)

*) [Es folgt als letzte Miszelle die Behandlung eines Luciliusfragments (621 Marx). Dieser Deutungsversuch ist unhaltbar und daher hier nicht wieder- holt worden.]

XV.

T. Livii ab ürbe condita

Hb. III -VI

quae supersunt in codice rescripto Yeronensi

descripsit et edidit

Th. Mommsen.*)

153 Codex, ad quem Liviana ea quae praecedunt expressa sunt, est

codicis ^ibiiothecae capitularis Yeronensis^ signatus hodie n. 40 (antea 38)

Veronensis ^ " .

descriptio. mombranaceus formae quaternanae, posteriore scnptura, quae retert saeculum IX, proponens S. Gregorii papae moralium in lob libros XXVIII XXXY^ priore autem haec:

fol. 1—204 non rescr. /205 Vergilius ^206 207—9 non rescr.

^210

non

rescr.

//m.

Vergilius

/A212

-

[m

~

\V\215

-

\X2i6

-

^217

non

rescr.

*) [Philologische und historische Abhandlungen der Berliner Akademie aus dem Jahre 1868, Berlin 1869, S. 31—215. Die Seiten 33—152, die den Text des Veronensis reproduzieren mitsamt den Varianten der anderen Hss., sind hier nicht wieder zum Abdruck gebracht worden, da die neueren Liviusausgaben, was den Text des Veronensis betrifft, auf der Mommsenschen Kollation beruhen. Dagegen erschien es wünschenswert, die folgende Beschreibung dieses Codex und der Besonderheiten seines Textes als vorbildliches Muster paläographischer Akribie unverkürzt aufzunehmen.]

1) Olim Bobiensem videri fuisse ait Henr. Keil in praefatione ad scholia Vergiliana XI; ego non perspicio, cur Veronenses libri vetusti repetantur ex bibliotheca potissimum Bobiensi. [Keils Behauptung ist ohne Angabe eines Grundes wiederholt von E. Lommatzsch in seiner Ausgabe der appendix Serviana rec. H. Hagen (Leipz. 1902) S. IX.]

2) Cf. Reifferscheid bibl. patrum Lat. I (in academiae Vindobonensis actorum minorum volumine XLIX) p. 59 seq.

T. Livii ab ürbe condita Hb. III— VI.

97

'218 non rescr. J19 Vergilius

.220 //221 U222

\223

-224

-225 non rescr.

226 non rescr. 27 Yergilius 228

[eest

232 non rescr.

233 non rescr.

234 Yergilius 235

236 237 238 239 240 241 242 non rescr.

154

243 Vergilius

244

245

MOMMSEN, SCHR. VII.

98

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

155

259 Vergilius

60

267 Livius huius ed. p. 117. 118*)

- P-

- P-

- P-

- P-

- P-

- P-

- P-

103. 104. 5. 6. 54. 53. 48. 47. 3. 4. 105. 106. 111. 112.

275 Livius huius ed. p. 15. 16.

p. 35. 36.

p. 18. 17.

p. 39. 40.

p. 37. 38.

p. 24. 23.

p. 41. 42.

p. 9. 10.

283 Livius huius ed.

290

291 Livius huius ed.

292 - - - _ ^ _

81. 82. 57. 58. 91. 92. 30. 29. 32. 31. 89. 90. 63. 64. 83. 84.

95. 96. 45. 46. 59. 60. 19. 20. 21. 22. 61. 62. 55. 56. 97. 98.

*) pOie Seitenzahlen hier und im folgenden auf Bücher und Kapitel unserer Ausgaben umzuschreiben, erschien untunlich ; nur an einzelnen, genauer behandel- ten Stellen ist es zur Erleichterung der Identifikation geschehen.]

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

99

299 Livius huius ed. 300

I

85. 86. 107. 108. 75. 76. 73. 74. 71. 72. 69. 70. 101. 102. 79. 80.

/307

Livius huius

ed. p. 87. 88.

X/308

-

-

- p. 2. 1.

/ A309

-

-

- p. 28. 27.

( / F^

-

-

- p. 113. 114.

l l V'^^

-

-

- p. 115. 116.

\\ \312

-

-

- p. 26. 25.

\^813

-

-

- p. 8. 7.

^314

-

-

- p. 78. 77.

^Blb Christiani hominis tractatus argumenti philosophici.

^-316 Livius huius ed. p. 109. HO. ^317 - - - p. 44. 43.

,318 tractatus philosophicus. ^319

^320 Livius huius ed. p. 84. 38. ^321 - - - p. 119. 120.

322 tractatus philosophicus.

323 tractatus philosophicus.

324 Livius huius ed. p. 49. 50.

325 non rescr.

(non. num.) Livius huius ed. p. 68. 67. [326—329 non extant praeteritis numeris his in foliis signandis].

330 Euclides Latine factus.

331 - - -

332 Livius huius ed. p. 66. 65,

333 - - - p. 51. 52.

334 tractatus philosophicus.

335 tractatus philosophicus.

336 Euclides Latine factus.

337 Livius huius ed. p. 12. 11.

338 Euclides Latine factus.

339 Livius huius ed. p. 94. 93.

340 - - - p. 100. 99.

341 Euclides Latine factus.

342 Livius huius ed. p. 14. 13.

343 Euclides Latine factus.

344 tractatus philosophicus.

156

100

T. Livii ab Urbe condita lib. III —VI,

Folia igitur quae quidem antiquiorem scripturam habeant extant CXXV connumerata lacinia quae superest post fol. 325, quorum foliorum Livianis reliquiis occupantur numero sexaginta, Yergilianis unum et quinquaginta , octo philosophico, sex mathematico tractatu. stndiain gx his Vcrgiliana tractarunt carmina Ribbeckius, sed ut rem non p^SIr absolverit et a venenomm usu prohibitus et temporis praeterea angustiis impeditus ^, scholia Angelus Malus (1818), Henricus Keilius (1848), Arnoldus Hermannus^; Euclidea a se descripta Gulielmus Studemund mox public! iuris faciet;*) philosophus adhuc iacet non exscriptus.**) Liviana autem primus examinavit Blumius indicemque foliorum dedit diligenter factum in museo Rhenano vol. 2 a. 1828 p. 336 seq. (cf. itineris Italici t. 1, 263. 4, 189) una cum specimine variae lectionis pertinente maxime ad huius ed. p. 19. Post eum Detl. Detlefsenus codice denuo examinato in Philologi vol. XIV a. 1859 paginas duas (huius ed. p. 2. 7) diligenter descriptas pro- posuit exemplo lithographico. Denique A. G. Zumpt quattuordecim codicis paginis descriptis in commentatione 'de Livianorum librorum inscriptione et codice antiquissimo Veronensi' (Berolini 1859. 4) duas earum edidit (huius ed. p. 9. 16), reliquarum variae lectionis specimina dedit, denique exemplaris sui apographum Veronae reliquit optimo consilio, ut qui deinceps codicem retractarent illo adiuvarentur. Ceterum tam Blumio quam Detlefseno et arte impar et diligentia multis locis erravit, quos errores cum plerumque tacite emendarim, hie praemonendum est Zumptianas lectiones a meis diversas omnes reiectas esse examine Institute in re praesenti, 157 Hunc igitur laborem per plus quinquaginta annos, postquam

codicem repperit Maius, vixdum incohatum tandem ego suscepi et absolvi mensibus Aprili Maio lunio a. 1867 Yeronae. Sed ratio habenda erat et temporis, quod mihi aliis quoque eodem tempore studiis intento ad Livium superesse viderem, et commodi, quod in crisin Livii redundaret ex hoc libro plene excusso, non spernendo sane, sed Plauti Ambrosiano et Verrinarum Vaticano fide praestantiaque

1) Cf. eius prolegomena Vergiliana p. 227.

2) Cf. Buecheler in mus. Rhen. novo 19, 639. Recognitio tota propediem ut edatur optamus. [Sie liegt jetzt vor in der Appendix Serviana von H. Hagen, Leipz. 1902.]

*) [Das ist nicht geschehen. Diese Euclidea sind noch unpubliziert: vgl. J. Heiberg, Euclidis opera V (Leipz. 1888) prolegg. p. XCIX.]

**) [Das gilt noch für jetzt. Auch habe ich nichts Näheres über ihn in Erfahrung bringen können.]

T. Livii ab ürbe condita lib. III— VI. 101

minime pari. Itaque non hoc egi, ut imaginem codicis talem repraesentarem, qualem vel typis exhiberi posse aliquando demon- strabit exemplar Plautini libri Studemundianum, sed satis habui quae elementa ita oculis deprehendissem , ut de iis mihi satis constaret, ea in schedas referre et publice proponere secundum paginas versus- que codicis interpositis. ubi is hiabat, supplementis ; nam haec si omisissem, usui multo minus habile exemplum futurum fuisset nee propter eas molestias melius certiusve. Accurate et plene num repraesentata sint quae supersunt in codice, iudicabunt qui postea cum recognoscent; ego feci quod potui, non usu eiusmodi lectioni adsuefactus, sed adiutus libera usurpatione venenorum chymicorum concessa nobis a praestantissimo bibliothecae eins bibliothecario et in hac academia coUega Carole Giuliario, qui item permisit, ut folia examinarentur compagibus solutis, id quod in plicaturis magnopere profuit; adiutus item ab optimo amico et per illos menses suavissimo contubernali Gulielmo Studemundo, qui cum simul Yeronae degere- mus Livium ego pertractans, ille Gaium, laboris socius mihi factus saepenumero ope et consilio me sustinuit, ut est huiusmodi scrutatio- num hodie facile omnium peritissimus. Hoc non licuit, quod vellem licuisset, ut codicem descriptum iterum recognoscerem totum ductus- que evanidos et magna ex parte oblitteratos tempore interposito denuo examinarem. Nee tamen propterea exemplum diutius premere volui, quod tamdiu litteris debetur; satius enim visum est incurrere aliquando descriptorem in reprehensiones quasdam quam gravissüni auctoris vetustissimum librum diutius latere. Ceterum adhibui in codice recognoscendo editionem unicam quam habemus tali apparatu, qualem hodie requirimus, aliquatenus certe instructam et, ut omnium quae extant sine dubio longo deterrimam, ita a codicum lectione rarissime recedentem et propter id ipsum si alii nulli, certe huius- modi negotio maxime aptam Alschefskianam. Item ubicumque vel lectionis diversitas vel etiam cum recepta consensus scrupulum in re 158 praesenti iniecisset, vocabulum 'sie' adscripsi, ita testatus codicem de ea ipsa re data opera examinatum vere id habere quod ex eo edidi. Praeterea adnotatione adiecta quantum in me fuit curavi, ut simul idoneum apparatum criticum editio haec repraesentaret, quatenus pervenit, eumque ita adornatum, ut qui ea utatur et facile et certo lectionis traditae discrepantiam percipiat. In quo apparatu conficiendo cum subsidia Alschefskiana non sufficere viderem (caremus enim adhuc neseio quomodo in ipso Livio et omnium maxime in decade prima pleno et absolute critico instrumento), ut ea non exigua accessione locupletarentur, factum est partim Rudolfi Schoellii mei sollertia, qui

^02 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI,

Florentiae degens mea causa Mediceum denuo excussit, partim Pluygersii Leydensis liberalitate , quae eo gratior accidit, quod iam est consueta. Quod autem in varia lectione ea, quae bonis libris tradita est, referenda me continui abstinuique ab omni non dico emendationis faciendae periculo, sed ab ipsa emendationum factarum commemoratione , id in eiusmodi exemplo necessario fieri debuit; neque enim Livium recognovi, sed Codices eius antiquissimos repraesentavi nee utile est miscere diversa et sua natura seiuncta. Uvü codex Quo tempore Livii codex de quo agimus scriptus sit, certo

^'*° *®'^°'® determinari non potest, nisi quod vocabula quae sunt consul et

scnptus. r 1 1 x

consules sie notata cons et gonss ostendunt antiquarium qui librum scripsit non vixisse ante Diocletianum ^. Quod si hoc sumere licet scripsisse eum antequam fieret recensio Nicomachiana , propterea quod ipse sequitur recensionem diversam, adiudicandus est saeculo quarto; eam tamen ratiocinationem et per se incertam esse video et satis constare Cassiodorium saeculo sexto ineunte usum esse codice Liviano recensionis non Nicomachianae 2. Ea autem quae in codice observatur scribendi proprietas ab illo tempore nequaquam abhorret; nam cum labentis litteraturae permulta indicia habeat, a barbarismis veris eam plane immunem esse infra videbimus et omnino ita com- 159 paratam, ut tam in veris quam in falsis optime conveniat saeculo quarto. Litterae quoque pulcherrimae sunt, quarum si fieri poterit etiam ectypum aliquando parabo ; premere autem editionem, donec fieret, nolui nee puto multum inde profectum iri. Nam quam incerta opinatio hodie dominetur in huius generis libris ex litterarum nescio quibus differentiis aestimandis, pudet commemorare. Quater- Liviana folia sexaginta ea, de quibus agimus, pertinuerunt olim

mones foUa ^^ quatcmiones quindecim, quorum cum numeri in extremis quater- codicis. nionibus adnotati supersint quattuor XII. XXII. XXX. XXXII, etiam reliquos facile ad suos numeros Blumius revocavit sie:

[q. XV] fol. 2 fol. 5

_ o _ ft

- 6 q. XVII fol. 1

- 7 - 3 [q. XVI] fol. 3 - 6

- 4 - 8

1) Cf. Rossi inscr. ehr. I p. XXIII : 'Diocietiana aetate littera s post k gemiuari coepit ac deinde soUemne semper fuit nota cons unum , conss duos consules indicare, quamquam hanc regulam artificum imperitia saepe neglexit.' Ante Diocletianum consules notantur tribus fere litteris cos , raro nee nisi tertio saeculo quattuor cons

2) Vide quae infra observabuntur ad Liv. III, 65 [nicht abgedruckt, s. u. S. 138*].

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 103

[q. XVin] fol. 4 [q. XXVn] foL 2

- 5 - 3 [q. XTK] fol. 2 - 4

- 7 - 5 [q. XX] fol. 2 - 6

- 3 - 7

- 4 [q. XXTX] fol. 3

- 5 - 6

- 6 q. XXX fol. 1

- 7 - 2 q. XXII fol. 1 - 7

- 3 - 8

- 4 [q. XXXI] fol. 2

- 5 - 3

- 6 - 6

- 8 - 7 [q. XXIII] fol. 3 q. XXXII foL 1

- 4 - 3

- 5 - 4

- 6 - 5 [q. XXIY] fol. 4 - 6

- 5 - 8 [q. XXVI] fol. 3

- 4

- 5

lara cum folia CXLIII, quae in codice olim fuerunt a primo ad postremum eonim foliorum quae supersunt, respondeant paginis editionis Hertzianae c. CLXXYII, folia quae ante primum superstes 160 perierunt CXLH pro portione respondent Hertzianis paginis c. CXXIX, ut codicem incepisse appareat ab ipso exordio annalium Livianonim. Quousque pervenerit, ignoratur neque quicquam cogit, ut eum ad denariam annalium Livianorum divisionem perscriptum fuisse statua- mus: quod si pervenit ad finem decadis primae, constitit quater- nionibus c. LIV, foliis c. CCCCXXXIt. Subscriptio servata est p. 112 quinti libri coniuncta, ut fieri solet, cum inscriptione sequentis. Singulis paginis inscriptum est versis nomen auctoris, rectis libri numerus ad hoc exemplum titi liüi||lib iiii^, prout in palimpsesto Yaticano libro legitur titi liuiIlib xci similiterque etiam in reliquis libris Livianis paris vel supparis aetatis. Chartas dimensus Det- lefsenus adnotavit altas esse hodie centim. 27^2, latas hodie esse cen-

1) In ipso libri numero erravit librarius p. 83 (ubi errorem postea correxit). 87. 109. Ceteram ad hasce inscriptiones non satis attendi nee dubito multo plures earum superesse in codice quam adnotavi.

104 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

tim. 21, fuisse aliquando centim. 25, eius mensurae scripturam occupare in altitudinem centim. 26, in latitudinem centim. 8 -{- 8 (singulae enim chartae binas paginas comprehendunt) marginibus et supra et infra et utrimque et inter binas paginas late patentibus. Paginae singulae versuum sunt tricenorum breviusculorum , cum habere non soleant nisi litteras a senis denis ad vicenas; ut appareat librarium librum parare voluisse non perito solum, sed cuivis homini lectu commodum. Inveniuntur tamen non raro versus qui numerum illum excedunt cum propter marginis aequalitatem non anxie observatam tum prop- terea quod extremae litterae modo contignantur modo imminuuntur; quas contignationes in editione expressimus, minutarum autem litterarum rationem non habuimus. Praeterea in duabus certe paginis 34 et 64 cemuntur vel extremi versus litteris coartatis scripti excurrentes- que vel adeo versus quidam supra tricenarium numerurii in ima margine additi, ut appareat librario certum terminum propositum fuisse, quo si casu aliquo non pervenisset, extra ordinem quae deerant adiceret. Quocum componendum est, quod inter p. 14. 15, quamquam eae se exceperunt codice etiam tarn integro, tamen excidit tantum, quantum unam huiusce codicis paginam aequat. Quibus perpensis crediderim librum ita ex archetypo expressum esse 161 vel potius exprimi debuisse, ut pagina paginae, fortasse etiam versus versui responderet^; quod si probari potest in usu fuisse, neque eius usus ratio latet (nam errores, maxime omissiones ita et evitabantur optime et non evitati facile deprehendebantur; deinde ita facta exempla plura in scholis auditionibusque commode simul adhibebantur) et quae adhuc in obscuro posita est stichometria quo pertinuerit iam intellegetur. Quam ob rem qui in talia inquirunt, diligenter velim attendant, si qua forte similia alicubi lateant. Certe quod Livii Über alter rescriptus, nempe Vaticanus, totidem in pagella versus totidemque fere in versu litteras habere invenitur^, quot in- venimus in Veronensi, aliquatenus quod posuimus commendat^. Ceterum folia Liviana cum ad Gregoriana perscribenda aptarentur, margines desectae sunt, quas late patere voluerat scriptor Livianorum

1) Versus 80, 27 cur dimidia parte vacuus remanserit, non perspicio.

2) Vide p. 89. 90 editionis Niebuhrianae (Rom. 1820).

3) Vindobonensis decadis quintae codex habet in pagina versus undetricen in versu litteras circiter vicenas quinas nee in binas paginas ibi charta divisa est; divisa est in Puteauo decadis tertiae, ut pagina habeat versus vicenos senos, litteras a senis denis ad vicenas (cf. Silvestrii palaeogr. vol. 2 tab. 88 et Aischefski vol. 3 p. IX). Mihi uterque liber recentior creditur Veronensi etiam propter orthographiam.

J

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 105

qua desectione cum in inferiore margine litterarum nihil, in superiore autem tantummodo paginarum inscriptiones quaedam perierint, paginae exteriores complures mutilatae sunt. Quae damna cum ipsa editio proponat, licet propter supplementa adiecta typorumque rationem aequabilitate hiatuum aliquantum imminuta ^, hoc loco non opus est enumerare.

Notae in Yeronensi libro usurpantur eae, quibus locus esse Notae. potest vel etiam debet in annalibus similibusque libris exarandis, ut de his pauca tantum observanda sint. Praenomina quamquam 162 plerumque notantur, ut fieri oportet ubi nomen proxime sequitur, tamen non raro inveniuntur perscripta, e. c. 14, i. 19, 40. 30, 3«. 49, 46. 55, 11, 56, 20. 61, 41. 64, 19. 74, n. 114, 5&. Gaii cum plerumque recte notetur per litteram c •, g quoque reperitur 29, 12. 94, 4. 35, 37. Praeterea adnotabo p(atres) c(onscripti) 13, 37. 91, 56 ; I(uppiter) efptimus) m(aximus) 32, 32; imp(erator) passim, item imp(erium) 53, 10; p(opuUj 61, 20 comitante nulla alia Httera singulari. De notis cons. = consul, conss. = consules supra p. 158 [102] dictum est; quae quamquam passim permutantur (cf. 3, 35. 13, le. 14, 17 cet.), tamen regula apparet. Errorem inde ortum habemus 22, 42 consclib tan- TissiMO factum ex coxstaxtissimo. Ex notis non cum rei publicae ordinatione coniunctis, sed grammaticis mere nullae reperiuntur nisi Q . = que et B = btis, quarum utraque etiam in mediis vocabulis toleratur (q rextes 6, 7 = querentes; seq-JJtis 65, 30 = sequentis; RELixQ RE 110, 8 = relinquere; amb tum 89, 52 = amhustum). Ad has prope accedit n vel m littera tractu super proximam proximasve collocato significata ibi, ubi in versu aut ultima aut paenultima est; nam in medio versu eiusmodi compendium non admittitur nisi ubi continua scriptura interrumpitur perforata membrana, ut accidit 90, 35. Similiter litterarum contignationes non reperiuntur nisi in fine versi- culorum, sed ut contignentur etiam tertia secundaque a fine (33, 60.

1) In supplementis recipiendis cum id maxime egerim, ut reliquorum librorum lectionem repraesentarem, non raro evenit, ut receptae litterae earum, (luae perierunt, numerum aut non expleant aut superent, discrepantia orta ex mtionibus diversis; nam modo subest compendium aliquod a librario admissum, modo error ipsius, modo archetypi nescio quae diversitas. Videant igitur viri «locti de singulis quid statuendum sit; hoc moneo supplementa a me admissa in marginibus desectis non exacta esse ad numerum litterarum singulis locis deficientium, quem tamen facile colliges ex totius paginae propter similem truncationem in ea re aequabilitate. Aliud est in iis quae supplevi ibi, ubi Membrana cum supersit, legi non potest; haec enim ad numerum exegi vel, tibi sie exigere non potui, de ea re monui ; quamquam fateor aecuratius attendi ' '^biiisse ad hiatuum ambitum, quam a me factum est.

106 T. Livii ab Urbe condita lib. III VI.

35, 44. 45, 9 al.), raro quarta tertiaque (47, 12), scilicet ubi eae quae sequuntur contignationem non patiuntur. In medio versu contig- nationem semel tantum (25, 4) observavi. Capita et Eminent elementa cuiusvis paginae prima, ut mos est in huiusce

interstitia. ^ß^a^^g codicibus;*) in hoc autem quod interdum eminent primi paginae versiculi et prima littera et postrema (ita p. 16. 56. 108. 115), id alibi vidisse me non memini. Interpunctio post notam (etiam post numeros, ut 3, 21. 113, 59) sollemnis est et ubi deficit, aetate oblitterata magis quam a librario omissa; ubi comma finit, eam non observavi nisi in ipso libri fine (p. 111, ss) et praeterea uno loco 3, 15 (cf. 47, 9). Contra et principia orationum et in Universum commata insigniora destinguuntur modo capite facto (7, 22.

11, 60. 22, 27. 32, 2V. 43. 45, 48. 63, 42. 77, 55. 91, 56. 104, 3. 107, 42),

quod certe locis tribus (32, 43. 63, 42. 77, 55) incipit a littera eminente, modo spatio in medio versu vacuo relicto (3,26. 5,54. 13,36. 16,4. 17, 39. 22, 52. 35, 12. 47, 9. 49, 1. 50, 29. 53, 45. 59, 25. 67, 2. 93, 51. 94, 29. 101, 37. 105, 52). 163 Correctorem über nactus non est; nam quae subinde apparent

^^^"^®^^" .^ litterae expunctae inductaeve (2, 2. 6, 22. 9, n. is. 34, 52. 36, 48. 55, si.

libro obviae.55. 60, 15, 64, 59. 66, 33. 55. 91, 6. 92, 7. 43. 96, 29. 31. 97, 56. 98, 16) vel etiam mutatae (11, 42. 20, 35. 54, 16. 48. 61, 15. 69, 56. 83 inscr. 89, w. 92,34. 104,44. 105,55. 107,57) additaeve (16,54. 76, 15. 108, so), eae iure tribuentur ei ipsi qui codicem exaravit. Quaedam autem vel in bis mutata deprehenduntur in peius, ut 54, 16. 55, 55. 61, 15. 96, 28. 107, 57. schoiia Scholia in codice reperiuntur perpauca, nempe praeter oblitteratum

Latinaetp 4^1 Latina duo iuxta verba adscripta p. 61 Lucius JPmari[us\ (littera u scripta super c quo pertineat ignoro) et p. 107 [ord\tio Camüli dictatoris ad p. B. , Graeca item duo posita in margine in- feriore p. 61: ort xax exivo xegov rov Xoi/xov iv rfj Pcofxrj .... nqbg E^decooiv rfjg yevajuevfjg vooov reo "AnoXXoivi vaöv eyigai rjv^avro, quae respondent verbis textus 4, 25, 3: pestilentia eo anno . . . aedis

Apollinis pro valetudine populi vota est, et p. 88 aarevörrcDv

e^'&Q oig oTQatsvjuaoiv xivovoiv . . . ol 'Poj/uaioi noXirevodfievoi

. ... ig Tolg noXefjLoig rov ÖLxra.ro[Qa\ . . . v JigoxigiCovrai , quae de dictatore adnotatio hominis non admodum docti non coniuncta est

*) In den 'Addeuda' ist von M. folgende Bemerkung Studemunds notiert: 'In codice Veronensi Gaii in cuiusvis paginae versu priino praeter primam eminere solent litterae modo una modo duae vel tres ad arbitrium librarii delectae.']

1) Non numero lusus manus posterioris, ut p. 51.

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 107

cum Livianis in pagina illa perscriptis. Haec scholia licet videantur cum ipso libro magis exarata esse quam postea adiecta, tarnen quod propterea Blumius iudicavit librum in Graecia scriptum \'ideri inde- que allatum esse Yeronam, mihi non probatur; nam saeculi quarti grammatici quicumque erant, etiam in Italia degentes utramque linguam callere solebant neque mirum est ab eiusmodi homine quae- dam Graece ad Li\dum adnotari.*)

Videamus de scribendi ratione. Syllabarum divisionem Latinam, syUabarnm id est eam, quae nititur in consonantibus geminatis distrahendis in '^*^*^*»- scribendo sie, ut in voce formanda distrahi debent^, perpetuo ob- servavit librarius, ut vix bis terve eam neglegeret^. Exempla 164 apponam non omnia, sed quae sufficiant et peculiaria quaedam illustrent, maxime veriloquii in talibus nullam omnino rationem haben:

c\t: duc\tu 106, 1/2; introduc\ti 91, 53/4; noc\tis 102, 53/4; noc\- turnae 106, eo; spec\taculum 9t, 31/2.

n\s: tran\sisse 96, 2/3.

p\t: (yp\timus 106, 51/2; prop\ter 95, 27/8.

s\c: des\cendisset 104, 19/20; proficis\centis 101, 12/3.

s\p: res\ponso 7, 19/20; res\ponsum 75, u's, 20/1. 86, is/e.

s\f: cas\tella 81,31/2; Pos\tumius 61,41/2; praes\tifuta 118,25/6; 2)ra€s\fitufum 14, 51/2; praes\to 18, le/r. 102, 54/5; tris\tissimi 107, 44/5; tms\tatio 82, 33/4.

*) [Studemund a. a. 0. 'Etiam in Frontonis libro Mediolanensi quae repe- riuntur Graece adscripta, constat proficisci ab antiquario Latino'.]

1) Legem eam in libris qui quidem auctoritatem habent peraeque obtinere Lachmannus monuit in praefatione ad novum test. vol. I p. XXVII; eundem usum etiam in aere et marmore scribentes secutos esse ego observavi in addendis ad legum Salpensanae Malacitanaeque editionem p. 505 [= Jurist. Schrift. 1 S. 381]. Exceptionem quidem facit monumentum Ancyranum (v. ed. meae p. 145 [190*]); eins tamen in ea quaestione non talis auetoritas est qualis in reliquis, cum Graecus quadratarius facillime in ea ipsa re ad patrium usum declinare potuerit. [Vgl. ferner Mommsen in seiner Ausgabe der Digesta I (1870) praef. p. XXV über den Codex Florentinus, sowie inschriftliche Beispiele bei E. Hübner, E:iempla script. epigr. lat. (1885) S. LXXVIII f.]

2) Ita 8,23/4 totuadibtcs, 56, 5/6 an'ienem, 73, 22l% proxim'a; contra 19, 41/2 cuius ita explicari potest, ut pro trisyllabo vocabulum aecipiamus (cf. cumi 91,56 pro cui), quamquam qii od similiaque ab hoc quidem libro aliena sunt (nam qu\orum 104, 31/2 incertum). Non numero syllabas male divisas propterea quod librarius verba non recte diremit, ut 32, 22/3 suamet; 39, 58/9 rogaret t»; 5£, 56/7 dictator iam; 82,57/8 ^it aestate; 94, 23/4 creati sex; 111,42/3 omisso s\uij nee magis quod scribitur 27, is/s abesset et 79, 13/4 postea, nam haec vocabula pro binis habere potuit, quamquam alibi talia coniunxit, ut 36, 52/3. 82, 59/60 le'itur si.ctit.

108

T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI,

g\n: adsig\natus 118, is/e; benig\nitatem 86, 31/2; ig\nomini- 34,4o/i.

88, 53/4; ig\nota 2, 47/8; indig\num 52, 3/4; insig\nefn 114, 6/7;

mag\na 104, ss/a; mag\nos 93, 30/1; i?M^|wa similiaque 6, 31/2.

42/3. 9, 1/2. 19, 22/3. 56, 57/8. 96, 35/6; reg\num 52, 2/3. 77, 7/8;

sig\nificare 86, 22/3. Diversam divisionem non inveni;

inveni divisum ne\glegens 104, 39/40, cum divisio nec\legens

87, u/2 videatur coniuncta cum scripturae diversitate. Tres consonantes ubi concurrunt, syllabam novam orditur fere maxime pinguis, praecipue mutae cpt:

bs\c: abs\cedimus 80, 20/1; abs\cedunt 102,21/2.

ls\c: Vols\c- 16,14/5. 47,5/6. 63,7/8. 70,3/4. 75,29/30. 90,12/3; al.

ns\c: trans\cendere 96, 29/30.

ns\p: cons\pexisset 99,21/2; cons\piratwnem 38,5/6.

hs\t: abs\territi 100,23/9; ohs\tare 5,35/6; öbs\tinato 99,43/4. 165 mp\t: temp\tationem 24, 36/7.

.nc\t: Qmnc\tius 48, 40/1; cunc\ta 76, 51/2. ns\f: ins\tare 81, 52/3.

ns\tr: ins\tructo 120,4/5; ins\tructum 6,47/3; mens\truo 51, 18/9.

s\tr: cas\tris 15,37/3. 64,53/4. 88,3/9. 106,4/5; magis\trat- 9,34/5.

39,40/1. 72, 40/1; wosj^r- 42,25/6. 80,57/3. 92,4/5; pos\tremo

51, 2/3. 88, 33/4; plaus\trum 99, 35/6; ves\tr- 43, 3/9; 92, 3/4 al.

Littera sua natura gemina x ad secundam syllabam trahi

solet: di\xit 56, 23/4; du\xit 101, 17/3; eni\xae 64, 30/1; e\xudetur 81,51/2;

ma\xim- 8,52/3. 63,1/2. 93,7/3; pro\xum- 59,33/9. 87,36/7; ve\xationes

49, 56; u\xorem 99, 33/4. Semel tantum repperi contrarium ex\uti

. 42, 46/7.

Denique notabilis est divisio co\epta 111, 27/3 et denuo ibidem 31/2, item coe\ptum 47, 13/9, qua confirmantur, quae ad Lucretii versum 4, 619 siquis forte manu premere ac siccare coepit docte et caute, ut solebat, adnotavit Lachmannus. Ceterum secunda divisio nihilo minus legem infringit, etsi trisyllabum statuas co\ep\tum.

Unum addam extra ordinem. Cum ad manum esset pandectarum Florentinorum quinque paginarum adumbratio photographica, eius codicis in syllabis dirimendis observantiam intellexi ab ea, de qua supra exposuimus, in plerisque recedere. Nam deprehendi ibi quidem dis\cedere, item contes\tata, dis\tulerit, praes\titerit ; at refragantur alia, ut quae\stio, re\stüm, item edi\cto et da\mnum et nu\ptiarum, et prone\ptis quinquies similiter sie diremptum; denique ne de librarii incuria cogites, corrector vocabulum ipse (ed. meae vol. 2 p. 360

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 109

V. 5) a primo librario sie divisum ip\se ita emendavit, ut ^; litteram ad secundam syllabam revocaret faceretque i\pse. Quam differentiam dubium non est inde explicandum esse, quod digestonim codex Florentinus Veronensi annalium Livianonim aliquantum inferior est aetate. Nam contraria sibi sunt in hac quidem re aetatis bonae quae quidem auctoritatem habeant monumenta omnia conspirantia in divisione ea de qua dixi, et Prisciani reliquorumque grammaticorum praecepta, quae qui sequuntur hodie, in sexti saeculi doctrina innixi Latinam eonsuetudinem iam fere sustulerunt, peccantes scilicet in partem doctiorem. Similiter in novo testamento Fuldensi, quem librum Victor Capuanus emendavit a. 546 imperante lustiniano, Lachmannus^ observavit librarium vocabula in versuum confiniis ad 166 morem antiquum divisisse, emendatorem autem grammaticorum scitis fraudem fieri non ferentem talia pleraque omnia sua manu reforma- visse. Idem igitur factum est in libro digestonim exarato aut eodem saeculo aut sequente. At in Veronensi non Prisciani praecepta, sed antiqua consuetudo viget, quam quamquam tarde exolevisse is ipse de quo dixi Fuldensis liber significat, tamen si quis aliquando in codicum huius generis discrimina aetatesque data opera inquiret, ei Byllabarum divisio non erit neglegenda.

Orthographica quae observavi hoc loco composui, quamquam Otüm^^pm» taedet quaestiones huius generis mole sua iam laborantes a me quo- '^^^'^ que augeri. Sed pertinet ad codicis quem expressi proprietatem dignoscendam. ut etiam de talibus constet et fines aliquatenus regantur inter mera calami menda et leges sive certe usum scribendi. Quorum finium hodie quidam obliti sordes sordibus dum cumulant. dis- quisitionem sua natura exilem et ingratam etiam ineptam et fasti- diendam reddiderunt. Ad id quod mihi proposui sufficient quae iam proferentur; nee tamen spondeo exemplorum ordines plenos pro- poni nee deerunt opinor, qui quae desiderantur cupide expleturi sint

Aceusativus pluralis numeri in is eonstanter fere reperitur in participiis similibusque , ut sunt dbrmentis 119, 3; agentis 103, 33; castigantis 71, 48; conferentis 120, 50; confluentis 56, 47; fatenfis 47, so; hahentis 105, 30: ingentis 71, le; palantis 70, 3g; parentis 77, 32; potentis 117, e; proficiscentis 101, 12; recipientis 16, 1; recurrentis 70,35; repetentis 80,56: sequentis 65, 30; spectantis 81,38; toUentis 3t, 60; trahentis 120, 52; vergentis 96, 52. Formati in es quattuor tantum exempla adnotavi fideiites 35, 46; ftigientes 116, 1; sedentes 100, 41 ; vagantes 103, 31. E contrario in nominativo qui respondet

1) In praefatione ad novum test. vol. I p. XXYII.

IIQ T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI,

dominatur es, ut 3, i. 41,57. 66,29. 91, 30. 99,8. 100, 13; nee nisi semel repperi formatum in is, nempe hellantis 11,3$ indubio errore, ut erratum est item in senioris nominativo pluralis 40, 48. Similes sunt accusativi consularis 13, le; militaris 106, u. 109, 54 (at militares 30, 1); popularis 38, 52; inmortaUs 60, 10. 106, 34 (at annales 66, 19); talis 120, 45; civilis 40, 21 (sed QuinctUes 114, 11; Sextiles 3, 21. 113,59; inexpugnahiles 84, 13; omnes 16,3); tris 69,45 (accusativus tres est 45, 1. 55, 2. 69, s; nominativus tres 29, n. 76, le; i(m 71, 24); pluris 55, 2 (at complures 45, 51). Item accusativi Antiatis 71, 46; Veientis 167 109, 38; ^ewa^is 44,42. 110,49; contra eodem casu legimus Antiates 16,17. 119,48; Ardeates 101, 31; Fidenates 80,47; optimates 21,54. 47, 1; simultates 44, 22, ut mittam nominativos similes 45, 31. 99, 2. 101, 37. 60. 120, 58. Accusativi sunt etiam niontis 3, 44. 83, 6 (at mmites 65, 10); turris 81, 40; civis 17, 27. 104, 11 (at eodem casu dves 33, 29); Alpis 96, 15 (at eodem casu Alpes 96, 33, ut colles 2, 15. 3, 40; ignes 85, 28; nives 83, 5; secures 31, »4; viVes 4, 35. 35, 52). Denique variatur hoc casu inter finis 3,27. 71,58. 81, 21 et fines 70,5. 76,22. 118,53 et inter hosfis 3, 29, 25, 38. 36, 30. 49, 12. 84, 30. 114, 47 et hostes 2, 28. 3,40. 33,30. 58,40. 65,1. 104, 11. 115,43, cum hostis nominativo plurali 106, 38 originem traxerit ex corruptela, quam Codices secundi ordinis evitaverunt. Haec igitur recte conveniunt legibus sermonis aetate Augusta obtinentibus, de quibus nuper exposuit Corssenus Aussprache des Latein, ed. 2 vol. 1 p. 744, nimirura in vocabulis tortiae declinationis genetivo pluralis retinentibus vocalem i accusa- tivum eiusdem numeri formari solere in is, sed ut es, quae forma postea sola obtinet, vel ea aetate non improbaretur.

Ablativus singularis tertiae sequi tur fere accusativum pluralis, ut ubi hie retineat is, in illo esse soleat vel certe esse possit i. Ad- i notavi ex eo genere adiectivae formae insequenti 58, 56. 75, 8. 97, 25. \ 103,58 (insequente 50, 4, ut sequente 20,53 et persequente 107, 4oj; ingenti 26,33. 35,37. 37,24. 60,28. 62, 50. 64,33. 76,43. 93,49. 102, eo; i atroci 7,19; ancipiti 100,4; Fidenati 87, 4o; Veienti 93,33. 103, is ! (sed Veiente 82, 36. 115,7). Item formae substantivae civi 95, so; I classi 66, le ; sorti 38, 28. 89, 58, ut mittam sifi 84, 14 ; at semper parte | legitur et hoste. Comparativorum ablativum e requirere et notum j est et confirmat hie quoque über 86, 57. 88, e. 105, 53. 114, 5 al.; nam j altiori 76, 4i mendosum est. |

Nominativum singularem tertiae notabo unum aedis 61, is et j aedes 93, 34. j

Mensum genetivus est 16, 52; praeterea ex eo genere non repperi \ notabiliora. '

T. Livii ab Urbe condita lib. 111— VI. Ul

In declinandis vocabulis i geminata secundum recentiorum consuetudinem praevalet, quamquam vetustior orthographia per unum i quibusdam locis remansit. Ita reperiuntur genetivi singularis eiceidi 59, 21; offici 11, 51; suffragi 69, e; nominativi pluralis all 39, 13; Fäbi 114, 2; ßi 17, 27; patrici 61, 39; plebei 62, 15; ablativi pluralis alis 107, 9; dis 100, 48. 119, 11; is 21, 46. 41, 26. 46, u. 48, &). 59, 23; isdem 32,39. 43,47. 60,22; iurgis 30,42; nimis 93,5?; pleheis 71,36. 74,6. 168 77,44; qimestons 69, u servatum ideo, quod librarius pro genetivo habuit (cf. 69, 48); Veis 80, 22. 104, 4i. 118, is, item 79, 10. 109, e, ubi a Beis librario visum est significare ab eis. Eiusdem generis sunt perfecta perit 11, 20; petit 76, 23, item dbissent 30, 54, adissent 116,24, desisse 71, eo, exisse 70, 5 et exisse^it 3, 13. Diversum est, quod in genetivo singularis nominum propriorum constanter remansit forma contracta, nempe in Anti 14, 32; Äppi 27, 47; Servili 57, 2; Tolumni 55, 23; Valeri 9, 20; Vergini 28, 22; Volsci 19, 10; Volusci 16, u. Ipsum Livium exempiaque eins vetustiora multo saepius retinuisse i simplicem neque uno loco geminationem intulisse librarium cum ex supra allatis exemplis quaestoris, ah eis, nimis colligitur, quae intacta re- mansenint propterea quod non intellegerentur, tum ex solutionibus eius generis perperam factis, quo pertinent vocativi Cornelii 120, 22 et Valerii 119,59, genetivus puhlicii 120,24, ablativus Hemiciis 64,29, denique Falatii 104, 49 pro participio quod est palati et hiis 49, 37 pro is. Nihilominus cum satis constet aetate Augusta in bis vocalem plerumque duplicatam esse, sed ut exciperentur nomina propria (id quod nuper docui in Hermae vol. 1 p. 461 [s. u. bei Nr. LXXTX]) nee credendum sit exceptionem hanc mature oblitteratam , quippe quam constet et in titulis plebeium sermonem referentibus saepissime neglegi et ignorari a grammatistis Latinis iis quos habemus omnibus, codicis huius librarium ex sua ipsius doctrina tarn diligenter observasse, hoc documentum est codicis Yeronensis orthographiam in Universum accurate referre pristinam Livianam.

ei antiquum plane abest a Yeronensi libro. I^eque enim ad eam orthographiam pertinet dativus singularis plebei.^ quae forma cum etiam ex aliis libris Livio vindicata sit (v. Schneider gramm. Lat. 2, 359) , iam in Yeronensi quoque legitur 39, 40. 86, 33 ut eodem casu plebe 22, 1, cum plehi occurrat 69, 50. 70, 12. 93, 15. Genetivi simihs nullum exemplum repperi (cf. tamen infra ad Y, 24, 8), cum plebis passim l^atur. Plane similiter Ancyrana inscriptio genetivum format in plebis., dativum in plebei (v. ed. meae p. 147 [194 ^J) nee j dubium est ita loqui usitavisse saeculi Augusti homines. Non magis ad vetustam diphthongum pertinet dativus ablativusve eis 78, 44.

j ^ 2 T. Livü ab Urbe condita lib. III —VI.

79, 34. 91, 28. 106, 57. 111, 10 non rarus, licet frequentius scribatur iis vel is.

Geminata u constanter reperitur secundum usum ab Augusto inde receptum nullaque vestigia deprehendi neque antiquae loquelae 169 ab eiusmodi geminatione abhorrentis (nam novom 109, 17 mendum est) neque barbarismonim talium, quäle est volgo in digestis Floren- tinis obvium (cf. vulgus 113, si al.). Nam Volscus quod constanter fere scribitur, item Volsiniensis 93, 53. s«. 94, 37. 58. eo et VoUumna 59, 28. 61, 50, non adversatur, cum et nomina propria ab orthographiae lege communi quodammodo exempta esse soleant et ne hoc quidem certum sit secundam litteram in bis vocalis u sonum habuisse. Quamquam quod reperitur Vulscum 32, 4o. 43, 4o, Vultumna 114,33, ostendit librarium etiam in talibus aliquatenus deflexisse ab antiqua scriptura, ut similiter 118,45 pro Corvus male dedit Curvus, 88,4 monimentis pro munimenüs (cf. 115, 29). In genetivis pluralis quartae et contracto secundae pro uu non raro scribitur u simplex, ut magistratum 42, 57. 72, 40. 43 (at magistratuum 46, 20. 94, 28); passum 12, 45 (at passuum 47, 13); dumviri 61, 20 (at duumviros 106, 42). Idem cum passim redeat alibi et inter alia in optimae aetatis carminibus (v. Schneider gramm. Lat. 2, 334) et in ipso monumento Ancyrano (v. ed. meae p. 146 [193 ^J), utramque formam statuendum erit simul obtinuisse.

Litterae u in superlativis alibique ibi positae, ubi postea obtinuit «, vestigia repperi non multa, sed tamen aliqua, sunt autem haec: decumam 89, 12; proxumo 59,39; finitumus 50,27. 51,7. 55, 51 (quo loco ante u litteram deleta est ^). 83, 49, cum finitimus sit 46, «a. 66, 51. 75, 37. 79, 6. 98, 55. 101, 6. 119, 55. Item lubet 84, ss, quamquam libef similiave leguntur 30, 11. 45. 73, 12. 79, le; recuperare 105,2«. 108, 19. 114, 52, cum reciperatum habeamus 9, 7. 10, 17. 26. 108, 11. Etiam lacrimae est 86, 34.

De consonantibus geminandis vel non geminandis missis vulga- ribus et hodie satis notis, ut luppiter 11,8. 33, 42. 106, 51; mercennario 80, 10; Äppenninus 96, 33. 57 similibusque , haec tantum adnotabo: occassionem 63, 48 (at occasio 74, 42); post tridie 114, 10. le. 19 ter repe- titum ortum fortasse ex etymologia perversa; operiri 82, 59 non tegendi sensu, sed expectandi ; cotidie 30, 4i (at cottidie 6, 57) ; abscisa 47, 60; comisantium 19, 3; denique Aliam fluvium scribi 97, 10. 27. 105,56. 110,45, quamquam Älliensis est 114,5, quae vera scriptura est (cf. C. I. L. I p. 397) illis locis obscurata opinor eo quod inscitus librarius male ibi cogitavit de adiectivo. Betulere 26, 26. 66, 19 item erratum est; certe rettuUt est 33, 7. 44, 19. 56,9. 106,36. Causa. paulo semper habent consonantem non geminatam.

T. Livü ab Urbe condita lib. III— VI. 113

cu pro quu non ramm est. Exempla adnotavi haec: aecum 170 28,4. 72,56. 80,4 (aequum est 80, is>; inicum 28,8; relicum 13,« (at reliquum 84, 59, ut longinquum 82, 44); relincunt 36, 51; securUur 19, 39. Simile est cottidie 6, 57 et cotidie 30, 4i (at quotannis 11, 4«). Quod aliquoties invenitur nee quicquam 51, 9. 10. 61, eo pro neqtiiquam videtur pendere ex vocabulorum confusione potius quam ex ortho- graphiae diversitate : vera scriptura obvia est, ut 59, 55. 61, 54. 70,39. 71, 10. 72, 24 cet.

Adsimilatio litterarum in praepositionibus, quae coaluerunt cum yerbis, quatenus perveniat, breviter indicabo. Äd adsimilatum repperi ante c fere constanter (decedere; accendere; accidere; accipere; accire 38,46. 88,41. 95,31; at adcommodare 12,27^; ante l (cdlati 25, so); ante p saepe (ajjparare passim, semel atparatum 66, 50; apparere passim, semel adparebat 6, u; appeUare semper; at adpetere 66,31. 102,25; adprobare 19,6. 53,23. 111,24; adpropinqttare 21, w. 97, 1»^; ante r (arripi 7, 49^; ante s raro (aspicere 68, 40; aspirare 67, 13; at passim adsciscere; adsentiri; adserere; adservare; adsiduus 61, 1. 70, 19. 107. 34. 113, 15; adsignare; adsolere; adstitisse; adsuefcicere ; adsurgere); numquam ante f (adfectus; adfeire; adfirniare; adfuturus) g (adgredi) t (adtinere 35, 20. 119,48; adtonitus 104,36^. Con assimilatum repperi ante l semel (collatum 1 07, n, cum conlatus sit 58, 13. 97, s». 107, 22, conlaudatus 39, 5. 119, 27^; ante m omnibus locis (commercium; committere; communis et communicare; communire) exceptis duobus (conmittere 54, 56; corimuni 102, 8j; ante r (corrumpere 85, 3. 96, 8^; com factum ex con ante p bis (composito 37,7; compressi 103,45^, cimi obvia sint conpertus, conplexus, conpositus, conprimere, conptdsus. In mutatum in im vel il in Universum ramm est (inheUis; inbutus; inlatus; inlibatus: irüicere; inligatus; inmensus; inmeritus 53, 7. 77, u; irtminere; inminuere; inmiscere; inmissus; inmitis; inmortalis 53,37; inpedire 19, 12. 22,35. 69, 60. 70,42; inpendere et inpensa; inpertiri; inpetrare; 89, 40; inpehis 84, 5. 103, 44; inpiger; inplere 37, 47. 43, 46. 84, 29; inplicitus; inplorare; inponere; inpressio; inprobare; inprovidus; wprovisus: inpugnare 21, 4i; inpune; inritare; inritus) nee repperi im nisi paucis locis ante m (immeritus 53, 34; imnwrtalis 106, v>. 49^, paullo pluribus ante p (impedimentum 51,44; impetratus 74,37; im- petus 36,32. 97,7. 115,52. 116,12; implere 2,59; importunus 77, a; imptignare 78, 33; impulisse 71, 42^, sed ut imperium cum derivatis ita praevaleat, ut inperium non legatur nisi tribus locis 17, 36. 60, 15. 171 92, 25. Ob mutatur tantummodo ubi sequuntur c (occipere 70, 10. 94, 31; occupare; occun-ere) f (off ender e) p (opperiri; opponere; opportu- nes; opprimere; oppugnare), in bis autem constanter. Pei' cum

MOMMSEN, SCHR. VII. 8

114 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

( non facile mutetur, iamevi pellatis est 30, 57; sed perlatus 11, 20. 21, 5; perlicere 27, e. Suh item in sua forma manet (submUtere; sub- movere; subpositus 21, 55). Ceterum in minutiis his nee nusquam me in describendo excerpendove peccasse spondeo et patet librarium suo sive arbitrio sive licentiae aliquid dedisse, cum etiam talia repe- riantur qualia sunt im plebem 78, u; Conlina porta 57, 42 (cf. 30, 27. 58, 2); in Ädventino 109, e; de immovisse pro dei movisse 111, 1. Nihilo minus haud scio an quae satis certo deprehenduntur scribendi leges aut ipsius Livii fuerint aut certe aetatis Livianae.

In eompositis cum praepositione ex, cum simplex incipiat ab s littera, ea plerumque absorbetur scribiturque excendere 107, 40; exequi 7, 41. 59, 50. 98, 60 ; exul et exilium passim; expectare passim; extitisse 6, 28. 7, 27; exudare 52, e; exultare 41, 43; exutus 25, 13. Inveniuntur tarnen exsolvere 12, 15. 53, is. 89, 26 et exsurgere 118, 30, ut alibi 51, 33 pro ex equestri male scriptum est ex sequestri.

Litteras dt ei b p \n vocabulis extremis sie fere repperi in codice adhibitas. At et atque particulae utuntur fere littera rf, illa 33,37. 43,56. 44,27, haec 7, 10. 11,10.29. 14, 30, 17,28. 19,56. 24, 1. 33, 2. 45, 21. 46, 57. 56, 37. 57, 41. 62, 53. 66, 20. 67, 24. 75, 49. 76, 55. 98, 28. 119, 47. 1 20, 10. 48 ; at non repperi nisi 84, 29 , atque non nisi

79, 1. 7. 88, 37. 96, 50. 98, 13. 101, 30. Item in eompositis at non ob- servavi nisi semel in atparatum 66, 50. Similiter qtwd et aliquod etiam iis locis, ubi ad numerum pertinent, sie scribuntur, illud 8, 21.

80, 32. 33. 96, 58, hoc 3, 12. 7, 26. 26, 1; quot per se semel tantum enotavi 108, 44 (cf. quotannis 77, 46). Semper in codice est alind, plerumque illtid et id, quamquam legi illut 63, 30. 78, 39, it 20, w.' Perpetuum item est sed, nisi quod set est 95, 23 et fortasee 59, m, et haud, quod repperi vicies, haut non nisi ter 7, 46. 46, 39. 51, 4, ut mittam corruptum in auf 48, 40. 50, 64. 103, 34. Contra librarius constare fere sibi videtur in aput 16, 17. 22. 46, 8. 63, 2. 79, 17. 84, S4. 41. 91, 42. 102, 4. 114, 47, cum apud sit 84, 30. 85, 2. i7, item in aut et met enclitico (32, 22/3. 42, 4i) et velut 100, 48. Haec pleraque sunt

172 ex mediis, ut neutram scripturam plane reicias; barbarismum, quo d infertur in tertiam singularis verbi, non deprehendi nisi in inquid 11,28. 13,36. 35,13. 54,39, cum recte scribatur inquit 54,4. 60, so», 119, 59. Quae forma sola corruptelam passa est inter tot similes*. sine dubio propter confusionem tov e(pr] cum eo quod est in quid. Quod attinet ad & et p elementa, invenimus scribti 3, 32; saib- tores 16, 28; conscribtum 115, 4; item dilabsi 98, 54. 100, 20 (at dilapsis 70, 30); Hern pieps 45, 54. st. 69, 44, cum plebs obvium sit; item optinere 50, 18. 74, 13. 77, 22 et opstitisse 2, 21, cum praeterea in eompositis

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 115

sit ob', nam opprimere similiaque diversa sunt, nempe mutata ob adsimilationem.

Quae subieci per saturam collegi nullo ordine:

maiius 66, 28, nisi hoc mendum est.

ab codex Veronensis passim Livio reddit, ubi ex reliquis libris editur a: ita 46, 32. 47, 24. 53, 32. 57, 4. 48, 59, lo. 71, 28. 115,21. 119,34. Contrarium est 55,52.

dilectus semper est in codice neque umquam aliter scripserant antiqui, scilicet non ignorantes, quod hodie multi ignorant, in dilectu non tarn agi de seligendis fortissimis quibusque ex populo universo quam de distribuendis civibus idoneis in legiones quateraas vel binas. E contrario dirigere quod hodie obtinet obtinuitque iam labentis rei publicae Romanae temporibus, et veriloquium barbarismi convincit et tituli, qui quidem bonae aetatis sint, consentientes in forma quae est derigere.

Exquiliae quod legitur 43, 37. so, sine dubio grammaticus in Livium intulit propter veriloquium sive verum sive falsum, certe receptum; nam inscriptiones cum in ipsa tribus nota s solum admittant, de vera scriptura dubitare non sinunt, quam his quoque locis libri Nicomachiani servarunt tertio- que 41, 52 ipse Yeronensis.

nec^da similiaque ea divisione quam indicavi non minus saepe repperi 50, 52. 87, 11. 102, 58. 107, 3 quam ne\glegens 104, 40. similiaque 58, 30. 108, 32. 59. 109, 49.

tranant 65, 27 et travolat 36, 27; at traiisferre, translattis, transmigrare, transvectus, transverstis.

terros 20, 3 (terror est 62, eo^ videndum num aliis exemplis confirmetur.

augeres 12, 32 (at augures 2, 45. 45, u). Cf. Priscianus 1, 35 173 p. 27 Hertz : 'antiqui auger et augeratus pro attgtir et augu- ratus dicebant." Ceterum vide ne casui illud tribuendum sit vel etiam grammaticus Livium se ipso vetustiorem red- diderit, ut nunc facere solent nostrates ; tituli certe augerem ignorant.

rediebant 100, 32 cum retineant libri omnes, examine dignum est, num forte alibi quoque reperiatur (cf. exiebat Henzen inscr. 6644 [C. I. L. X, 6977 = Dessau 1558]).

duoviris 57, 17; at diiumviros 106, 42, dumviri 61, 20.

promiscue similiaque 61, 26. 69, le. 54. 72, 37. 111, 26, non prOmisce^ quam formam boni testes vereor ne reiciant omnes.

116

T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI.

urguerunt est 65, s, urgemus 80, la.

vincla legitur 31, 4. 32, is. 64, lo, vincula 8, s. 63, 57.

Quinctius nomen recte scribitur plerisque locis, non ita multis

Quintius 6, 19. 17, 2. 24. 42, 11. 46, 10. 56, 28, semel Quincius

12, n. Cum ilh) licebit componere autior pro audior

44, 18 et 14, 8 «M^ mm pro aucfam. Quinfus similiaque c

illud non admittunt.

sescentis 36, 4, quod unice verum est et est etiam in monu-

mento Ancyrano. Ceterum s pro x codex non admittit;

nam ausere 8, 54 solitarium est.

pernici(a)e 61 , 27, quam solam scripturam idonei testes te-

stantur.

Soioecismi Ex soloecismis qui in hoc codice deprehenduntur nullus tarn

codicis. ia,te patet quam e vocalis et ae diphthongi permutatio ita comparata,

ut quam vis e pro ae passim reperiatur, tamen in contrarium etiam

frequentius peccetur. In extremo vocabulo ae reperitur in que

passim \ item in adverbiis duhiae 16, 42. 59, 12. 106, 19; aegregiae

19, 21. 26, 8. 63, 41; enixae 64, 31; ferae 1, 30; inpigrae 18, 15; longae

17, 50; maturae 35, 25; piae 32, 37; promiscuae 61, 26; publicae 17, 24.

55,48. 111,28.32; utrimquae 63,4. 64, eo; in ablativis aciae 44,32.

100, 4; pacae 3, 5. 106, 18; perniciae 61, 27; posttridiae 114, 10; rahiae

41, 41 ; in imperativis sto^^*ä!e 111, 17; exspectatae 6, 2; in tertia pluralis

174 perfecti semel fuerae 56, 53; in infinitivo item semel dicerae 84, 4o.

Nee sae pro se repperi nisi in corrupto saepe ne 52, 47 effecto ex se

paene. Inverso errore reperiuntur que 25, i7. 35, 55. 53, 2. 57, 7.

62,47. 67,15. 97,26. 103,7. 105, 4i. 107, 1. 119,44; item acte 9,12;

aliaene 22, eo; College 119, le; date 95, e; Fidene 55, 14. 61, 57; he

107, 43; Monete 46, 30; periculose 33, 36 ; praede 65, 49; publice 70, 44;

Bomane 17, 50; sue 36, 31; VoUumne 61, so. In primis vocabulorum

syllabis similiter erratum est priore erroris genere in bis: aehumis

99,54; aedita 113, so; aegregius cum derivatis 6,43.47. 19, 21. 26,8.

63, 41; aegerunt 16, 48; aegressus 102, 55. 111, 22; aelati 34, is; aeques,

aequus cum der. 33, 59. 36, le. 26. 46, so. 53, 44. 57, ss. 64, 36. 65, 12. i4.

85, 52. 86, 12. 48. 50. 51. 92, 31; Aetruria 59, 30. 61, 31. 80, 53. 82, e. 25. 35.

84,36. 114,29. 115,7.12. 120,7; aevertere 110,54; laevandae 45,34;

praeces cum der. 7, 16. 48, 6. 53, se. 57, 39. 62, 27. 74, 48. 93, 4. s. 95, 4i;

praemebat 7,22; praetium 27, e. 89, 29. 117,59; quaeri 7, 19. 30,55.

1) 2, 6. 16. 18. 50. 3, 57. 6, 49. 7, 18. 11, 18. 14, 14. 17, 9. 19, 46. 26, 55. 57. 27, 58. 28, 42. 29, 45. 32, 3. 37. 54. 33, 4. 36, 41. 38, 38. 57. 39, 1. 45, 33. 38. 46, 48. 47, 15. 19. 48, 55, 50, 1. 23. 51, 20. 53, 48. 54, 6. 18. 61, 23. 63, 23. 64, 3. 72, 45. 77, 36. 85, 29. 51. 98, 28. 102, .■>9. 111, 30. 116, 46. 118, 14. 120, 54.

T. Livii ab Urbe condita üb. III— VI. 117

45, 19, 61, 56. 62, 6; Baegillum 114, 4o; saecum 16, ss; spraetos 62, 7, quibus adde cUiaenus 22, so. 81, i«. In contrarium peccatum est in bis: Ehutius 49,5. 47. 57, 59, Equi 66, 41. 71, 15; cedere 48, 5. 111, 29; herere 44, 45. 77, 23; Melius 51, 32; Nevius 66, js; pene 48, 5«. 52, 47. 91, 40; penitere 42, 42. 75, 35. 92, 19; predam 41, se; prestitutum 14, 51; sepire 81,6. 115,28; tedium 74,8. 84,82. Singularia sunt sociaetas 91, 6 et venissaet 6, 53.

Oe diphthongus ubivis recte ponitur (dboedire quoque legitur 64, 31. 78, 53; uno loco excepto praelii 33, 26, cum idem vocabulum recte scriptum passim inveniatur.

In aspiratione ponenda omittendave perpaucae mendae depre- henduntur, ut äbita 20,24 (cf. abieri = haben 44, 59); proibitus 104, 33; Tyrrenum 96, so; Oratio 32, 44; his 20, 8 et hiis 72, 33 pro //5, item 49,37 pro is; cohorta lectionis dubiae 60,59; denique aut pro haud 48, 40. 50, 54. 103, 34 (cf. audiuie = haud dubie 70, 52), liaud pro aut 78, 19. Apparet librarium qui haec scripsit regulas de littera ea perdidicisse et magis erravisse vocabulis similibus male permu- tatis quam in ipsa orthographia.

In litteris affinibus & et v simile quid observamus. Meri errores in ponendis iis rari sunt, ut h pro v reperitur in fäborem 74, 24; interbentum 55, 32; Lanubio 64, 52; nobos 38, is; item constanter fere in Bibtdanus 14, w; 22, 55. 49, 2. 56, 30. 74, 19 (Vibulantis est 61, u); similiter v pro b in acerua 51, 24; adprouantibus 53, 2s; Volas 116, 9; 175 Gavina 1 , 23 ; iuvendi 89, 19. Contra non ita raro sie erratur in verbis ambiguis, ut in nobis 31, 25. 41, 19. 110, 53; vidtio 37, 8; bis 71, 43; ab eis (= a Yeiis) 78, 10. 109, e; denique corruptelae quaedam inde explicantur, ut uerior 90, 27 pro tiberior, audivie 70, 52 pro haud dubie. Omnino codex, a quo pendebat librarius, eins generis errores longo plures habuit et emendationem grammatici talem, qualem prae se ferunt digesta Florentina, etiam Liviani libri subierunt.

Littera m quamquam non permutatur cum n (nam triunphus 37, 28. 38, cum passim legatur tritimpJius, et tanquam 54, 58 solitaria sunt; cf. 69, se, ubi ex tanidem factum tandeni), tarnen saepe male omittitur, saepius etiam male additur, ut antequam hie liber scribere- tur obmutuisse fere eam appareat librariumque in ea ponenda grammaticonim leges magis secutum esse quam aurium iudicium. Exempla litterae eins male additae haec sunto: haudquamquam '. 32; supersederim 114, 17 pro supersederi; cumi 91,56 pro cui; cum 'US 6, 36 pro cuius; Herctdems 80, 24 pro Hercules; tesseramrum •>5, 25 pro tesserarum; postumlant 28, 10 pro postulant; sumperbia 6,1 pro superbia.

11g T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

Littera n similiter modo demitur modo additur propter Vitium pronuntiandi. Ea labes maxime grassata est in coniugationis formis, ut creasset et creassent, malet et mallent et eius generis alia passim permutentur; sed alibi quoque similia reperiuntur, ut fungitis pro fugitis 44, 49; interando pro iterando 7, 7; non uere pro nouere 42,4». In numeralibus solita est inconstantia: miliens 80, 46, cum in corrup- tela 107, 50 lateat milies; vicensimus 80, 34, at tricesimo 20, 24, qua- dringentesimum 102, is. Semenstris legitur 80, 5.

Denique monendum est, ut appareant in libro Yeronensi labentis sermonis neque incerta nee pauca vestigia, ita plane abesse ab eo barbarismos meros. Nullo loco vel fere nullo reperies litteras x et s, diphthongos oe et ae inter se permutari, nusquam vocalem additam ante sp et similia, nusquam pro Graeco ph substitutum Latinum /", nusquam p neque male neglectam inter ms et mt litteras (ut in contempsi sumpsü, emptus temptare) neque male intrusam inter litteras mn (ut in damnare, confemnere), ne dicam nusquam commutatas litteras c et (, quod qui ante septimum saeculum obtinuisse sibi persuadent, ne ii vehementer errant. Neque puto uUum .librum 176 Livianum superesse hoc nomine Yeronensi parem praeter paucas pagellas ex libro XCI superstites et in aliis omnibus et in ortho- graphia vel pares Yeronensi vel superiores ; nam tam in Yindo- bonensi quam in Puteano talia, qualia sunt milex, suplicatio, suple- mentum, sumsit, adhorti, Änfhiocus, Epydicus^ sescentis locis offendes^. Quapropter haud scio an qui Livium deinceps recognoscent, si qui erunt, qui neque eiusmodi minutias süperbe contemnant neque ortho- graphia saeculi undecimi Livium adornare cupiant, in talibus Yero- nensis libri auctoritatem vel maxime secuturi sint. Sed de bis videant quorum interest; nobis codicis sufficiet scribendi proprietates ex- posuisse. Quas qui expenderit, non negabit opinor Livii Yeronensem librum in eiusmodi quaestionibus aliquid momenti habere, quippe qui, cum propter supra p. 158 [102] observata ante quartum saeculum scriptus esse nequeat, propter orthographiam plane Latinam et in multis priscae consuetudinis vestigia retinentem vix recte infra id ipsum detrudetur.

Sed ne videamur in Livii annalibus elementa tantum captare, iam pergendum est ad codicis in emendandis iis utilitatem enarrandam et vitiis item declaratis determinandam.

1) In verbis dirimendis Vindobonensis communem legem sequi videtur, quamquam edita scripturae specimina non satis certa argumenta subministrant. Eandem legem obtiuere in Puteano ex Silvestriano specimine (v. p. 161 n. 3 [104, 3]) coUigitur, ut ne in hac quidem re non errarit Älschefskius contendens eum divisionem sequi non syllabariam, sed arbitrariam.

T. Livii ab Urbe condita lib. III —VI.

119

Decadis primae Livii quicunque innotuerant libri ante repertum Codices Veronensem. eos originem ducere constat ex recognitione a Nico- ^"i«>- machis duobus Flaviano (cos. a. p. Chr. 394, f eodem anno) et Dextro ^^ *^ et a nescio quo Victoriano instituta exeiinte saeculo quarto, ipsos autem in duo quodammodo genera discedere, melius alterum reprae- sentatum codice Yormatiensi iam deperdito et extantibus hodie Mediceo Parisinoque, alterum in Universum fidei minoris, sed ut quibusdam locis illos vincat, repraesentatum Leidens! primo et Harleiano et Florentino S, Marci aliisque. Sed Veronensem librum c^^x iam Zumptius recte iudicavit non pendere ex Nicomachianorum ^eronensis archetypo, cum et subscriptionem eorum neque habeat neque habuerit umquam et in lectionibus tam veris quam falsis ab illis longe recedat, maxime nullum vestigium habeat dittographiarum earum. quae propriae simt Nicomachianorum librorum et cum proficisci videantur a gram- matico aetatis Romanae, iure revocantui* ad ipsam illam recognitlonem aaeculi quarti ^. Commodum autem visum est ad auctoritatem libro- jum plenius et certius definiendam hoc loco componere, quae eius codicibns generis lectiones Xicomachianae incidunt in folia Yeronensia compa- ,„^^1^^ rationemque recipiunt. iitem dirimit

genens diveisi.

177

Dissen- tientibns inter se

Veronensis.

scriptura primitiva: scripttira emendata:

16, 34 L. Lucretius V

17, u satin salve TP''

P. Lucretius PL [satisne salva essent omnial

scripturae primitiva et

emendata coniunctae:

P. L. Lucretius M

sat iam satisne salua

essent omnia in sa-

luem AI, satine salua

essent omnia P*i

1) Madvigium (emend. Liv. p. 5) non ignoro duplices scripturae hasrepetere non ab ipso archetypo codice Nicomachorum, sed ab exemplari aliquo inde descripto nostrorum archetypo comrauni, estque sane quaestio haec ex earum umnero, quas difficulter decidas, cum praesertim satis constet interpolationem in hac decade non solum late grassatam esse, sed etiam crevisse per gradus. Sed in contrarium me ducit maxime, quod inter duplices lectiones quaedam inveniuntur enatae ex fastorum laterculo cum annalibus Livianis collato; talis <uiim emendatio magis apta videtur saeculi quarti grammatico quam aetatis posterioris. Utut est. non inutile erit quod supra institui duplicium lectionum Nicomachianorum librorum ad Veronensem examen. Ceterum in Veronensi libro geminatae lectiones et rarissime reperiuntur et si quae sunt, eae diversae fomt a Nicomachianis. Itä p. 62, is in his est Cm. lulitts Mento, in Veronensi ■jvutem genuciits cn. inUm , quod vix admittit aliam explicationem. Similiter «ocplicari poterunt tui et tum 17, i9, cum requiratur tum; deretinenda 10, n, vt\fi videtur scribendum retmenda.

120

T. Livii ab ürbe condita Hb. III -VI.

scriptura primitiva: 22, 20 obsecundando VL

27, 5 amore amens VP 35, 17 consilio VF'

52, 17 Agrippa Mallius V

57, 59 Postumium Aebu-

tium Helvium VPL

178 60,31 mihi diuturna non

placere imperia V

66, 59 ad quam publice consensu venerant VPL 78, 11 aliquando fuerunt

VPL 80, 84 nos intra V 87, 6 L. Verginium V 93. 94 Sappinates VML

100

, 15 arcemque solam VL

102, 2 pro tantis VP

scriptura emendata: [obsequendo]

amore ardens L consulto L

Agrippa Menenius

PL [Postumium Aebu-

tium HelvamJ quam mihi diuturna

non placeant im- peria PL [ad quam consense-

rant consilio pu-

blico?] [aliquando incide-

runt] nobis intra ML P. Verginium P Salpinates PML

[arcemque totam] [pro Latinis]

scripturae primitiva et emendata coniunctae:

obsequendo secum dan- do M, obsecundo ob- secundando P

amore ardens mens M

consilio consulto M, consul consilto

agrippa mia manilius enenius M

postumium aebutium helvam heluium M

quam mihi diuturna non placeant re im- peria M

ad quam consenserant consilio publice con- sensu venerant M

aliquando inciderunt fuerunt M

nos bis intra P

P. L. Verginium ML

sal sappinates M, salppinates P«. Cf. infra ad h. l.

arcemque totam solam M, arcem totamque solam P

pro tantis pro Latinis ML

Quod si recte Veronensem diximus a Nicomachianis origine diversum esse, ubi hi aut contaminatarum lectionum duarum vestigia prae se ferunt aut eorum familiae inter se dissentiunt, eam lectionem aut veram esse oportet aut a vera proxime seiunctam, cui calculum adiciat Veronensis; eamque ratiocinationem confirmant supra relati loci ita fere comparati, ut binarum lectionum Nicomachianarum ea vera esse inveniatur, quam retinet Veronensis. Quod si duobus certe locis 52, 17. 57, 59 contrarium accidit, ii ad fastos pertinent potuerunt- que a grammatico saeculi quarti etiam contia exemplum emendari sive facili coniectura sive, quod magis crediderim, adhibito fastorum

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 12t

aliquo laterculo incorrupto. Similiter ubi dissentiunt inter se libri pleni, Veronensis stare solet cum genere meliore, maxime cum Mediceo Yormatiensique ^, quorum librorum lectiones quasdam singu- lares et adhuc prae ceteronim consensu spretas iam docet aut veras 179 esse (vide infra ad III, 44, e) aut veris proximas (vide infra ad lY, 23,3. V, 41,3). Sed idem aliis locis confirmat lectionem librorum deteriorum, Leidensis dico similiumque, quo pertinent et loci infra enarrati quidam, ut Y, 52, is et VI, 1,8, et minoris momenti alii, ut 44. 3 in quo statu VL, quo statu MF; 45, u ah Ärdea VL, ah ardeat F, ah ardeatihus 31; 50, lo nequiquam VL, nequaqtiam MF; 88, so Ul Octoh. VL, a hol. Odoh. MF; 94, 4 C. Mius VL, iulius 3IF. His quos diximus locis cum in dissensu Nicomachianorum Veronensis teneat lectionem per se probabilem, sunt quidam, sed numero pauci nee magni momenti, in quibus cum item dissentiant Nicomachiani, Veronensis facit cum lectione corrupta:

lectio Vera: lectio corrupta:

20, 57 celebrant MF celebrabant VL

24, 16 addit 3IF addidit VL

107,5 iussumque templum 3fP iussumque et templum FL

12,9 habituros edicimus M'' FL habituros sedicimus Füf" 19, 20 ad Eretum FL ad fretum VM Cf. 24, 3

70, *i tum FL cum VM

32, 42 apparare MF^L apparere VF"

In quibus id ipsum evenisse potest quod supra statuimus de locis 52, 17 et 57, £.9, scilicet corruptam lectionem in his primitivam esse ex archetypo communi in utriusque generis libros translatam, emen- dationem autem coniectura inventam esse sive ab ipso Nicomacho ita, ut altera quoque scriptura in eins exemplari remaneret, sive a librario aetatis posterioris. Sed etiam casui aliquid dandum est in talibus neque quae vera esse in Universum apparet, tam anxie perse- quenda, quasi omnia tam parva quam magna lex et ratio peraeque regerent.

At sicut certum est Veronensem libnim non proficisci ex Nico- veronensis machorum, ita non minus constat tam hunc quam illum pendeVe ab^^*^"™^*^ *"

' ^ i^ noromque

commones.

archetypo communi eoque a primitivo Livii exemplari longe remoto errores inquinatoque iam multis mendis tam ex incuriositate enatis quam ex

1) 9, 18 pace parta Veronensis et Vormatiensis adstipulante codice S. Marci, pate pace P, parta pace ML.

122

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

mala sedulitate antiquariorum emendatorumque. Quod cum quivis non hebe» ipse intellegat, confirmabo paucis exemplis allatis cör- ruptelarum indubitatarum , in quibus consentiant libri Veronensis et Nicomachiani.

180 Vera lectio:

2, 46 T. Verginius Rutilus 11,48 actionem tam gravis rei

16, 44 dixerat

17, 37 virum ipso imperio vehe- mentiorem

1 9, 24 Fabius

21, 1 ad rumores hominum de unoquoque legum capite editos satis correctae viderentur

21, 27 appellationi

21, 42 cum qua contenderant

22, 38 per coitionem 24, 3 ad Eretum

30, 9 quam quem

3 1 , 13 at se provocare 43, 37 Esquilias vidimus 50, 5 C. Furio Pacilo 55, 53 nefanda

58, 12 Nomento

66,55 Sp.Nautius Rutilus

79, 37 nee opera

80, 40 quicquam 82, 5 num

93, 7 legem una plures tribus

corrupta lectio reperta in VC: T. Verginius Rutilius rei om. dixerant virum in ipso imperio vehemen-

tiorem Fabius Quinctius

edito ^wo editos

appellatione

cum qua contenderent

per contionem

ad fretum. Cf. 19, 20

quamque

ait se provocare

Esquilias quidem

C. Furio Pacilio

nefandis F, nefandas M", ne-

fandum L momento

Sp. Naevius Rutilius nee operam quisquam nunc legem unam plures tribus

Accedunt exempla, de quibus infra dicetur, ubi Yeronensis servavit corruptelarum archetypi in Mcomachianis male emendatarum formam primitivam. Quamquam igitur lectionis iam praeter Nicomachianoa a Veronensi quoque testatae auctoritas non exiguo momento crevit nee facile recedemus a testium antiquissimorum consensu, tamen auc- toritas illa nequaquam ea est, quae probabilem ratiocinationem aut excludat aut vincat. Sunt sane quaedam, ubi propter Yeronensem librum ab iudicio etiam optimorum criticorum appellandum esse crediderim; ita fortasse ferendum erit quod legitur 3, 29, 7 = p. 19, is

T. Livü ab Urbe coudita lib. III— VI. 123

Lanuvium exilium abiit omissa praepositione ; nee magistrum equitum 181 L. Tarquinium 3, 27, i = p. 17, 45 commutarim in L. Tarquitittni propter fastos Capitolinos, quibus in Universum a Sigonio inde nimium tiibui existimo in crisi Liviana. At pleraque, quae sani iudicii grammatici in Livianis corrupta iudicaverunt, non propterea vindicata enint. quod totidem litteris perscripta leguntur in Yeronensi.

Propria quae habet Yeronensis. alia bona sunt, alia mala nee corrupteiae negari poterit in plerisque vincere haec Nieomachianuraque codicem, ®* *°*®''-

,. . . 1 1 .^ . n 1 Ti- polationes

licet non ipso utimur, sed exemplanbus eius, et nde et diligentia ubri aliquantum praestare Yeronensi.*) Qui quem scripsit pulehre magis ^'®'<'°®'^'^- quam bene quoties peccarit ignavia inscitiave, non opus est multis exagitare, cum ipsae huiusce editionis margines infelicem hominem eatis castigarint et qui volet errorum copias inde petere possit et si qui erunt mendorum venatores, etiam iustos ordines eomm sibi con- texere. Missos igitur faeimus tales errores, quales sunt 2, 43 circa pro clari; 14,8 aut iam pro auctam; IQ, ts aegerunt quam pro aeger w)iquam; 32, 32 ab ea pro ah eam; 5S, 45 ad vmeas pro ad vanas: 97, 58 qtwd iniquiore pro quo id aequiore; 100, 1 a continuatione pro a conieniione: 101, le uhi CamiUus exuhdahat pro exulabat; 107, 4< quo ad Ardeam vixi pro qnoad Ärdeae vixi. Sed quod vel in his 8pparet Studium corrupta vel non intelleeta ita formandi, ut verba certe efficiantur Latina, ut ipsum interpolationi proximum est, ita aliis locis et plurimis quidem ad veram interpolationem degeneravit. Rariora et exquisitiora, quae librarius non assequeretur, audacius nescias an inepäus immutavit, ut 4, 43 heUi vires substituit pro helli res; 7S. 24 viderentur pro renfur; 99, 51 censas pro tensas; 99, 15 ubi de Spitrio religio est pro tibi d^spui religio est, maxime exosus propria et sollemnia, ut 35, 32 ex agiteduni feeit agite; 27, 16 pro postulantibus vindicias cedere maluit petentibiis vindicias edere: 28, 31 lege agere \ ccrrupit in lege adsignare. Tribus locis inflati vocabulum in Livium 1 intulit bis pro elato 51, so. 94, 1, tertium pro irritato 69, 42, ut alibi 1 62, 4& iratus maluit quam irritattcs ^. Alibi conditas religiones dedit i pro positis 108, 26, contemnere pro aspernando 118, 23, reportare pro

*) [Die nun folgenden Untersuchungen über das Verhältnis von F zu der

anderen Klasse sind in Anlehnung an Mommsen fortgesetzt worden von A.

1 Wodrig, Analeeta Liviana de codicis Veronensis auctoritate, Greifewald 1873

I nnd W. Jung, De fide codicis Teronensis cum xecensioue Victoriana comparati,

' Hannover 1881.1

I ....

I 1) Studiis quod ibidem est pro animis, non tarn consilio videtur orationi

I iUatum quam adsumptum ex versu sequente, ut similiter 35, 49 victofiae scriptum

i est pro gloriae ideo quod illud mox redit.

124 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

182 referendo 1, e,*) infestum pro infenso 47, 55, remitiere pro relinquendo 106, 30, oppressum pro ohsesso U, 5, excursationem pro excursione 24, 20, exilire ex equo pro desiliendo 36, 4, g-MCxi Caesonis sodalicium fuit pro g-MOf? Caesonis sodalium fuit 8, 53, praefectus erat urbis pro praeeraf urhi is 3, 55 (cf. Liv. 3, 9, 6). Quae qui examinabit, plera- que inveniet ita comparata, ut ne tolerabilia quidem sint; ita 51, 50 efferri supra modum et 94, 1 efjferri superhia tarn apte dicitur quam inepte inflari supra modum et superhia inflari, nee tertio loco 69, 42 inflati utriusque partisanimi pro «VW^ai^is patronum facile invenient; reliqua autem si qua erunt per se non improbanda, eiusmodi socie- tatis labe trahuntur. Omnium maxime inscita haec temeritas grassata est in nomina propria, pro quibus librarius saepe subdidit vocabula communia, ut 27, u virginis dedit, ubi est Vergini; 76, 24 alteras et^ ubi Ecetras; 107, e aut alio loco, ubi Äio Locutio; 69, 54 Uli, ubi Icilii; 76, 32 anxis, ubi Anxur. Item lulios lulos cum ferri non posse sibi persuasisset, cognomen constanter suppressit 66, 56. 71, 25. 118, 45 in libris Nicomachianis ita servatum, ut abierit fere in Tullu^ vel Tullius. Denique ne numerem Servilios Sulpicios 2, 46. 1 1 8, 47, quod genus est erroris diversum, Icilios non semper (30, 12? 69, 6. 70, 53. 71, 29), plerisque tarnen locis (21, eo. 26, hi. 27, 35. 28, 50. 57 cf. 37, 26) in Sicilios transformavit. Praeterea non paucis locis suo arbitrio particulam quandam vel aliud quoddam vocabulum inseruit, ut 2, 40 quamquam coniunctum id cum corruptela quae praecedit quamquam tarn pro quxim quanta; 50, 33 tibi natum fortasse ex vocabulo quod praecedit consulibus; 76, 36 hac propter id quod praecedit ah ea parte; 85, 45 nee propterea quod idem praecedit v. 4i eique quod respondet alterum wec v. 42 corruptela oblitteratum est; 78,38 sive illud pro plebe [est] sive [illud] contra plebem est sit auxit ut indicavi. Simi- liter, licet de origine minus ibi constet et ex parte non interpolationes hae, sed errores esse videantur, insertum reperies 56, 51 in; 62, se, item 64, 44 est; 66, 46 neque; 70, 12 enim; 11, 26 nisi; 89, se dum; 94, 83 iterum; 108, 10 eam. His in Universum observatis aliquot locos subieci item interpolatos, sed propter certas causas non indignos, quos brevi enarratione persequamur.

p. 2, so [III 7, 7]: senatus . . . ad deos populum ac vota vertit: iussi . . . supplicatum ire . . . ad id quod sua quemque mala cogehant auctoritate publica evocati omnia delubra implent. Sic haec recte scripta

183 sunt in libris vulgaribus, nisi quod antiquissimo errore cum Veronensi quoque communicato pro publicaevocati legitur publicevocati. At idem

*) [III 6, 6; reportare ist richtig, vgl. Wodrig S. 4 f.]

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 125

Veronensis mira interpolatione enuntiatum ita defonnavit: itissos . . . supplicatum ire auctoritate publice vocat: omnia deluhra impleant: quamquam etiam magis mirum est inventum esse qui hoc defenderet, quasi LIatIus tarn inani repetitione uti potuerit, ut cives tarn iuberentur supplicare quam auctoritate publica ad id evocarentur.

p. 30, 30 [III 51, lo] ubi legitur: urhem intravere suh signis media- que tirhe agmine in Aventinuni 2)et'gttnt, Veronensis post agmine inserit ingenti. Scilicet grammaticus non intellexit vim orationis non in numero plebeiorum niti, sed in ordinatione militari.*)

37, 2 [ni 63, b] populus iniussu et altero die frequens iit suppli- catumque est reliqui libri, populi iussu et altero die supplicatumque est Veronensis. Extrema que est male intrusa esse dudum per- spexerunt viri docti neque defendi potenmt, quamquam iam intelle- gimus adiecta haec esse antiquissimo tempore; prior autem interpolatio propria est Veronensi.

48, 19 [IV 10, e] Rcmanus Ärdeae turbatas seditione res . . . cmnposuit. Sic recte iam libri deteriores; at optimi quique ex Nicomachianis pro turbatas habent turbata idque ipsum est etiam in Veronensi omittente praeterea res et pro Ardeae dante Ardea, illud casu opinor, hoc ex interpolatione accommodata ad mendam primitivam videlicet antiquissimam.

49,1 [IV 11, i] Consules creant M. Fdbium Vibulanum Postu- mum Aebutium Cornicinem. Ita Nicomachiani ; at Veronensis: con- stdes creantur M. Fahius Bibulanus Postumius M. Aehutius Cornicen evidentissima interpolatione, nam Marci praenomen altero loco originem duxit ex littera exti-ema accusativi Postiimum male ad nominativum redacti. Causa interpolandi videtur fuisse Postumi praenominis ignorantia.**)

51. 4.' [IV 13, 2] ad levandam publica cura annonam. Nico- machiani libri cum habeant fere publica curam annona, Veronensis gliscente interpolatione sie dat: publicam curam ännona. Quamquam in minoribus hisce et a pronuntiandi vitiis pendentibus erroribus difficillime fines reguntur inter consensum eum, quem casus fecit, et ex archetypo propagatum.

52, 19 [IV 13, 7] L. Minucius praefectus annonae seu refecttis seu . . . in incerfum creatus. Sic recte reliqui libri ; Veronensis cum

*) [ingenti ist nicht sicher, da bloß . . . enti zu lesen ist; silenti Wodrig a. a. 0. S. 13.]

**) [Die passive Konstruktion ist die bei Livius übliche, vgl. Wodrig a. a. 0. S. 19.]

126 T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI.

pro refedus dedisset praefectus, praefectus aunonae qui praecedit ibidem factus est praetor. 184 62, M [IV 26, i] tumultus causa fuit Veronensis interpolator ita

immutavit ut fieret tumultus causae fuerunt.

p. 62, .^8 [IV 26, 2] Cn. lulius Mento consul Veronensi dicitur Genucius Cn. lulius omisso cognomine, quod etiam Cassiodoriana excerpta Livio adserunt, adsuto autem primo nomine, quod originem traxisse videtur ex praenomine male repetito (cf. p. 177 not. [119, 1]),

p. 92, H [V 28, 4] qui legatorum nomen donumque et deum cui mitteretur et doni causam veritus ita pessumdedit interpolator, ut post causam intruderet cognovit.

p. 99, 4 [V 40, 7] quae sacrorum secum ferenda, quae, quia vires ad omnia ferenda deerant, relinquenda essent consultantes simili inter- polatione ita corrupta sunt in Veronensi, ut et quae insereretur ante relinquenda.

p. 102, 34 [V 44, 7] nee pati haec omnia Galliam fieri cum librario nimium videret, pro Galliam inepte substituit a Gallis.

p. 104, 41 [V 46, 4] non animi tantum in dies, sed [numerus] etiam vires[que] crescehant. Intra parentheses conclusa solus habet Veronensis.

p. 108, 8 sq. [V 51,3] quid enim repetiimus, quid ohsessam ex hostium manihus eripuimus, si reciperatam ipsi deserimusl Veronensis interpolator post manihus inserit eam, deinde pro ipsi vocabulo sub- stituit ohsidione, illius vim non satis assecutus.

p. 110, 3 [V 52, 17] postquam Camillus orationis primam partem absolvit oppidi translationem uetari religione, secundum librum Veronensem ad secundum locum de necessitate migrandi ita transitum

facit : at enim apparet quidem nia nee ullis piaculis expiari

posse. Quae videntur adiecta esse a rhetore quodam, ut partes orationis facilius distinguerentur : nihil enim hoc quidem loco desi- deratur nee causa apparet, propter quam librarius haec omittere potuerit.*)

p. 115, 4h [VI 2, 11] post Valium quod est in uno Veronensi [a] militibiis munitum, manifeste glossa est.

Haec similiaque qui considerarit in Veronensi inventa, cum Nicomachiani omnes quamquam quinque minimum saeculis post eum »cripti a tali labe immunes sint, ne ille recensione Nicomacbiana aliquantum profectum esse intelleget (quamquam Nicomachus fortasse non tam sua emendatione Livio profuit quam selecto exemplari aliquo antiquo et prae eins aetatis vulgaribus emendato), nee negabit in

*) [Für die Echtheit tritt ein Wodrig a. a. 0. S. 37 ff.]

servant.

T. Livii ab Urbe coudita lib. III— VI. 127

summa re, ubi ratiocinatio deficiat, illos sequi tntius esse quam 185 librum nuper nobis restitutum non tantum propter ftmdamenti aequa- bilitatem, sed etiam propter ingeneratam illorum praestantiam.

Nihilominus ut probi iudices ubi fieri potest duobus testibus veronensis

, . /! 1 •. Über quibus

rem agere malunt quam uno nee eum. qui mmons fidei sit, propterea j^^.^ Xemm de foro pellunt. ita Veronensis quoque liber non paucis locis solus soius verum servavit et ut plurimis locis erroris et interpolationis con- vincitur a Nicomachianis. aliis nirsus similiter bos coarguit et eius quidem interpolationis, quae cum longe distet ab ineptis Veronensis librarii commentis, eo facilius fallat et magis noceat (v. ad III 65). Haec deinceps enarravimus. scilicet missis iis, quae tota pendent ex auctoritate librorum K missis item minoribus non ita paucis 2, maxime, ubi lectio per se certa et dudum restituta iam emergit ex Veronensi; neque omnino hoc egimus, ut compleeteremur quidquid ex fönte iam patefacto in crisin Livianam redundaturum sit, nee potuissemus, etsi maxime voluissemus. ^N^eque enim Livium edo neque editurus sum, quippe cui satis sit aliquatenus didicisse eo uti. At hoc a meo incepto non abhorret componere meliora et graviora, quae quidem intellegam a codice Veronensi suppeditari. Pertractare autem eius- modi quaestionem et quantum nostrae aetati datum est absolvere eum unus homo possit ex iis qui ho die sunt Madvigius, hoc optamus, ut telam a nobis incohatam et retexat, ubi opus est, et detexat,

ni 8, 7 p. 3, 5u urbi quoque Romae ingens praebitus terror magis re Silbita quam quod .... partim virium esset. Sic Zumptius 1. c.

1) Quo pertinet ordo verborum non raro in Veronensi diversus a reliquis, ut 5, 46. 7, 41. 9, 18. 11, 12. 16. 49. 25, is. 26, 28. 29, 47. 33, 58. 42, 26. 51. 43, 55. 52, 9. 5c-, 24. 56, 42. 58, 59. 60, 28. 61. 58. 62, 37. 70, i7. 80, 14. 86, 39. 93, 29. 94, 45. 97, 29. 101,45. 115, i. 117, 35. 118, 39. 119,41; nam argumentis raro talia diiudicabis, ut 8C>, 14 aperte peccat Veronensis, contra 9, 18 ideo sequendus erit, quod Vormatiensis et quodammodo etiam Parisinus cum eo stant. [In den oben, S. 123, genannten Abhandlungen ist die Richtigkeit der Wortstellung im Veronensis an vielen Stellen aus dem Sprachgebrauch des Livius erwiesen worden.] Idem cadit in similia, ut in permutationem particularum et, ac, que e. c. 41, 24. 44, su; formas tei-tiae pluralis perfecti -re et -runt, ut 32, 46. 45, se; faciendum et facitmdum 110, 27; rursiis et rursum 81, so; uti et tU 119, 40, alia non pauca, etiam gravioris momenti, ut 16,4 ancipites haeremus, utrum legamus cum Nicomachianis ad Cclumen an cum Veronensi ad Colume.

2) Ut hospitum pro Jtostium 51, 40; a ceteris pro ctteris 37, 56; et söllemnibus ioiis pro ex soUemnibiis locis 19, 2 ; seqtieretur pro sequerentur 27, 4s; rei pro rei 1». 29, 44; inuJta pro inmta 29,52; praerogaHvam pro praerogativa 30, 16; ni pro ne 32, 14; Äulus Postumitts Tubertus pro Aurelius Postumitis Tuberos vel Tuber 59 35.

i[28 T. Livü ab Urbe condita lib. III— VI.

186 p. 22 et Madvigius (ed. vol. II p. IV) secundum Yeronensem, in quo est res subita-, reliqui in re subita.

III 12, 4 p. 6, 19 T. Quinctius CapitoUnus . . . ad firmabat .... Sp. Furius missum ab Quinctio Capitolino sibi eum venisse subsidio. Sic, nempe Furius missum, Veronensis, ut restituerunt iam editores antiqui; Furtum ipsum missum libri reliqui.

in 12, r. p. 6, 38 L. Lucreiius Veronensis recte , male reliqui (solo Florentino S. Marci excepto, nisi de hoc quoque errat Hertzius, sicut de Leidensi primo non recte rettulit Drakenborchius) P. Lu- cretius*)

in 12, 7 p. 6, hb quod offendat in eo fervorem et audaciam aetatem cottidie magis auferre. Vocabulum magis, quod habet solus Vero- nensis, tarn apte sententiam explet, ut quamquam eins additamenta pleraque falsa esse constat, hoc retinendum esse mihi quidem per- suasum sit.

III 1 3, 6 p. 8, 10 pecuniamque, ni sistatur, populo promitti Vero- nensis, cum nisi sistatur in reliquis sit contra usum in his formulis sollemnem.

III 1 3, 8 p. 8, 19 unum vadem tria milia aeris obligaverunt Vero- nensis, cum reliqui libri meliores notas habeant. lUud videant grammatici num ferri possit, cum summa vadimonii non, ut summa credita, causam obligationis in se contineat itaque fortasse defendi possit obligari nos assibus centum creditis, sed ex vadimonii causa obiigari centum asses.**)

III 13, 10 p. 8, 40 devio quodam tugurio sie ut restituerunt Cam- panus et Rhenanus etiam Veronensis, cum deuo sit in Vormatiensi et Mediceo, de uUo in reliquis.***)

III 19, 3 p. 9, 39 tribus liberis, quorum nemo Caesoni cedebaf magnitudine animi, consilium adhibendo ubi res posceret priores erant. Verba et modum, quae in reliquis libris leguntur post consilium, a Veronensi autem afuisse iam Zumptius sensit, delenda esse apparet.f)

III 19, 12 p. 11, 32 nescio quo fato magis bellantes quMm pacati propitios habemus deos. Fato repertum adhuc tantummodo in libris deterioris notae iam confirmat Veronensis; optimi secundi generis fa^to, Madvigius pacto.

*) [Zingerle ed. a. 1888 L im Text ohne Variante.]

**) [W. Heraeus, Quaest. crit. Liv., Beriin 1885, S. 50 hält die Konstruktion der Worte in V. für unmöglich.]

***) [Zingerle devio ohne Variante.] t) [Die Worte standen vielleicht auch in V,]

T. Livü ab Urbe condita lib. III— VI. 129

TTT 21, 2 p. 13, 18 senatus constdta ftunt, ut neque tribuni legetH eo anno ferrent neque consides ah urbe exercitum educerent; in reli- quum nuigistratus contimcari et eosdem tribunos refici senatum iudicare contra rem p. esse. Sic Yeronensis. Ex reliquis libris excidit ut^ quapropter Madvigius (emend. p. 72) proposuit senatus constdtum 187 ß, ut. Pluralis autem recte se habet, nam secundum consuetudinem Romanam talia comprehendi solebant non uno eodemque consulto argumenti miscellanei , sed pluribus simul factis. Deinde eosdem irihunos Yeronensis, sicut edidit Frobenius, eos tribunos reliqui, imde fecerunt consides tribunos Heerwagenus, cmisuUs tribunosve Mad- vigius. Yidemur autem adquiescere posse in lectione Yeronensis ita. ut decretum de magistratibus continuandis accipiamus de patriciis, quibus solis satis constat vere eonvenire nomen magistratus ^ ; simi- literque loeutus est Livius mox c. 64, i : ut iidetn tribuni reficerentur et . . . consulibus quoque continuarent magistratum. Yerum est mox Livium de continuandis magistratibus ita dicere, ut aperte compre- hendantur plebeii 4 : quia plehs senatus cousuUum in continuandis magistratibus solvit) ; at cum minus proprie etiam tribunis magistratus tribuatur, potuit Livius in senatus consulto referendo legitimum usum sequi, in oratione consulis cottidianum.

in 23, 6 p. 16, 4 Victor ad Columen (Colume Yeron.^ exerdtu reducto castra locat. Hoc quod dudum Sabellicus Livio restituit illumque secuti Madvigius et Weissenbornius, nunc prodit ex ipso libro Yeronensi (nam errat de eo Zumptius); relicio pro reducto libri reliqui.

in 24, 5 p. 16, 56 adfirmantibus qui una meruerant secutn eum tum frequentem ad signa sine idlo commeatu fuisse. Frequentemque libri vulgares, frequente Yeronensis; unde frequentem, quod olim Sigonius sub auctoritate ut solet ementita reposuit, verum esse agnovit Madvigius in ed. vol. II p. lY.*)

III 26. 9 p. 17, 3 fossam fodiens palae innixus Sabellicus itemque teste Zumptio p. 35 is qui scripsit librum Yaticanum n. 3329 pro- posuerunt, cum pah sit in libris idoneae auctoritatis omnibus; iam quod est in Yeronensi paleae (non pelele, quod legere sibi visus est Zumptius) etsi non verum, tamen aliquanto propius a vero abest.

1) Scilicet magistratiua plebis sive phbeii tribuni aedüesque plebis recte i dijuntur et proprie, non recte moffistratus populi Romani nee magis recte I muffistratus simpliciter, certe in actis publicis, ubi quidquid eins generis nude 1 enuntiatur, ipsa re refertur ad populum. [Vgl. Staatsrecht 1* S. 16 ff.]

*) [frequentem in einem von Zingerle benutzten cod. C saec. XIII.]

MOMMSEN, SCHR. VII. 9

130 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

PauUo post V. 10 idem liber recte habet quod hene verferet, ubi in reliquis est verteraf.*)

III 29, 6 p. 1 9, 5 eo die L. Mamilio Tusculano . . . civitas data

Veronensis, data est reliqui. Similiter III 31, i p. 20, 48 annona

198 propter aquarum intemperiem laboratum ille, lahoratum est hi. Item

III 65, 4 p. 40, 2 unde Aspero etiani inditum cognomen ille, inditum

est hi.

III 34, 6 p. 21, 5 leges perlatae sunt, qui nunc qtioque .... fons omnis publici privatique est iuris. Ita, nempe qui . . . fons Vero- nensis,**) quae .... frons libri vulgares; posterior mendae pars dudum sublata est, prior adhuc remansit.

III 38, 5 p. 24, 22 : Aequi . . . depopulantur . . . Tusculanum a^rum; legati ea ah Tusculo praesidium orantes nuntiant. Ua, quod est in uno Veronensi, magis crediderim ab Nicomachianis male omissum quam in illo adiectum.

III 38, 9 p. 24, 56 solitum quicquam liherae civitati Veronensis; quod exhibent reliqui civitatis emendarunt iam Drakenborchius Madvigiusque.

III 42, 4 p. 25, 4 numquam se aequo certamini committentes. Certamini Veronensis, reliqui certamine; illud dubitans licet pro- posuerat olim Gronovius. Ceterum numquam Veronensis et Leidensis, nusquam Parisinus et Mediceus.***)

III 42, 7 p. 25, 29 arma Tu^culum ac supplementum decernerentj quod proposuit Gronovius probante Madvigio pro lectione tradita ad supplementum, visus sum mihi legisse in Veronensi.

III 43, 6 p. 26, 16 postquam nullum spoliatum ibi corpus Sicciumque in m^dio iacentem armatum omnibus in cum versis corporibus videre Veronensis recte deleta particula que, quae in reliquis adhaesit ad armatum. Nam una cogitatio est, quae enuntiatur, nee incidendo distrahenda.

III 44, 4 p. 27, 7 postquam, omnia pudore saepta animadvertit Veronensis, non animadverteraf, ut vulgati. Offendit fortasse, cum sie pergatur ad crudelem superbamque vim animum convertit, duorum enuntiatorum similis exitus.

III 44, 5 p. 27, 12 M. Claudio clienti negotium dedit, ut virginem in servitutem adsereret . . . . ; quod pater puellae abesset, locum iniuriae

*) [verteret auch in einigen mittelalt. Hss.] **) [fons auch in einigen ma. Hss.]

***) [certamine ist richtig, vgl. die Erklärer, ebenso nusquam das noch eine dritte Hs. hat.]

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 131

esse. Quod in fine addunt reliqui libri rattis a Veronensi abest, recte puto.

in 44, 6 p. 27, L'o virgini venienti in foro ibi namque in tabernaculis ludi litterarum erant minister decemviri libidinis cet. Sic Veronensis cum Yormatiensi et Mediceo, cum in iabernis sit in Nicomachianis reliquis. Hoc qui nuper Livium recognorunt omnes admisisse praeter unum Alschefskium , qui mallem nulkis esset, ipsumque Madvigium (emend. p. 27) inter menda duobus illis codi- 189 cibus propria hoc quoque numeravisse miror; neque enim dubium videtur tabernaculum in foro ad tempus positum ludo multo magis aptum esse quam tabemam angustam et forum versus patentem. Denique interpolatio facile desumi potuit ex iis quae sequuntur c. 48, 5.

m 44, 6 p. 27, 20 virgini .... niamtm inicit serva stia natam servamque appellans: sequi itibebat cunctantemque vi dbstracturam Veronensis; manum iniecit servam stiam natam servaniqiie appellans esse sequique se ivibebat, cunctantem vi abstracturam reliqui, ubi setDa Sita restituerunt et esse induxerimt editores. Omnino illa lectio praestat, nisi quod que post cuticfantem non probarim. In eo quod sequitur: Vergini patris sponsique Icili populäre nomen celebratur, haec Leidensis libri alionimque lectio confirmatur eo quod in Yero- nensi est celebratum; nam reliqui celebrabatur.

m 50, 14 p. 29, 9 quippe ab ipsis datum loctim seditioni esse. Reliqui seditionis, quod recte emendarunt Glareanus Dukerus Mad- rigius.

rH, 50, 16 p. 29, 22 non defuit quod responderetur Veronensis id- que pro tradita lectione quid vel qui dudum revocarunt Reizius Hertzius Madvigius, Similiter eadem pagina v. 44. 52 et sequens v. le emendationes quasdam etiam per se certas confirmant.

in 56, 12 p. 31, 7 quod si tribuni eodem foedere obligatos se fate- antur toUendae appellationis , in quam conspirasse Xviros criminati sint, ait se provocare ad populum. Sic haec scripta sunt in Veronensi eiecta voce cau^a. quam reliqui libri admittunt post appellationis aperta interpolatione. Praeterea quae temptaverunt viri docti in quod pro in quam Madvigius,*) at pro ait Gronovius probabiliter, iis Veronensis liber non suffragatur.

in 61, 12 p. 34, 35 lam Horatius eos (miütes) excursionibus proe- Irisque levibus experiundo adsuefecerat sibi . . . fidere Veronensis omisso vocabulo sufficiendo post excursionibus obvio in reliquis libris,

*) [Vgl. ed. II S. 101 f.]

9*

L.

1^32 T. Livii ab Urbe condita lib. III VI.

quod intellegi posse recte negavit Madvigius, minus feliciter substituit suhigendo.*) Etiam levibus iam codice confirmatur; nam lenibus Nicomachiani.

III 62, 3 p. 35, 20 quod ad me adtinet, id consilii animigue habi- turus sum, quod vos mihi feceritis, milites. Sic partim lectum est, partim ad spatia suppletum in Veronensi confirmante in Universum restitutionem huius loci Madvigianam (emend, p. 84); mihi tegerifis Leidensis, mihi effeceritis Paris., milites geritis Med., quorum trium librorum archetypum hoc quidem loco accurate videtur repraesentare 190 Leidensis, ex cuius lectione duae aliae videntur effectae coniectura plus minusve felici. Extremum [milite\s incertum est, cum in Vero- nensi non apparuerit nisi post spatium sufficiens littera s.

III 62, 8 p. 36. 4 equites . . . sescenti fere Veronensis (nisi quod sescentis librarius dedit) ut dudum emendarunt editores; ac pro de libri reliqui.

III 63, 5 p. 36, 59 senatus unum diem suppUcationis consulum nomine decrevit liber Yeronensis ; in unum diem suppUcationis ( nis P") reliqui.

III 63, 7 p. 37, 21 iam tum ApolUnare appelläbant Veronensis, ut olim restitutum est; libri reliqui apollinarem uel apoUinarum.

III 63, 9 p. 37, 35 in trihunum Veronensis deteriorum coniecturae calculum adiciens, in tributum Nicomachiani qui fidem habent.

III 64, 2 p. 38, 15 iura tribunorum plebis Veronensis, iura plebis reliqui.

III 64, 3 p. 38, 20 per factionis suMe consules. Lectio haec a Madvigio substituta pro tralaticia factionis (s. factiones) suas commen- datur Veronensi, quae videtur esse factionis sua.

III 64, 6 p. 38, 52 auctores populäres sententiae haud populari Veronensis optime; libri reliqui pro populari habent populäres^ editiones popularis.

III 64, 7 p. 38, 60 memor libertatis per illos receptae domi, memor militiae rerum gestarum. Sic scribi iussit I. Fr. Gronovius, cum in libris repperisset rerumque; iam quod quae rerum proponit Vero- nensis, ex interpolatione quarto saeculo antiquiore, sed eo tempore sedis adhuc incertae particulam que originem traxisse declarat neque aliud patitur oppositorum ratio.

III 64, 9 p. 39, 20 tribuni modo ut relinquerentur. Dukeri haec emendatio pro eo quod traditur tribunis confirmatur Veronensi etsi hoc versu obscurato.

<') [a. a. 0. 102.

T. Livii ab ürbe condita lib. III— VI. 133

III 64, 10 p. 39, 26 recitabatque rogationis Carmen, in quo: si trüntr nos plehis X rogabo. si qui vos minus Jiodie X tribunos plebis fecerifis, tum uti quos hi sibi coUegas cooptassint, legitimi eadem lege tribuni plebis sint, ut Uli quos hodie tribunos plebis feceritis. Sic fere haec videtur constituenda esse. Post in quo inseniit Madvigius esset idque verum est aegre desiderari; at coniunctionem si quae sequitur sustulit non recte. cum nuda positio 'tribunos . . rogabo' a sermone legitime abhorreat, duplex autem eiusmodi condicio plane ei conveniat. In 191 mentem venit si inquit pro in quo si. Deinde verba »i qui vos minus hodie X tribunos fecerint iis (sie P, fecerint ii ML), in Vero- nensi recte legi non potuerunt, quamquam feritis, quod unum verum est, reapse in eo videtur perscriptum fuisse. Sequentia autem duobus locis ope eins libri emendantur, primum inserto vocabulo hi, deinde sublatis vocabulis ut Uli in vulgatis libris male repetitis ante legitimi; nam afuisse ea a Veronensi spatii rationes demonstrant.*)

m 65, 4 p, 39, 57 ut qui plebem R. tribunos pl. rogaret, is adeo 192 rogaret, dum X tribtmos pl. faceret. In libris praeter Yeronensem quod legitur usque eo**) pro adeo, fortasse interpolatum est, cum adeo hac significatione praeterea non inveniatur nisi in antiqua locutione 'adeo rem rediisse',***) videatur autem hisce verbis utpote desumptis ex antiquissima lege obsoletae significationis vocabulum recte convenire.

III 65, 5 p. 40, 6 contentiones Veronensis cum edd., contiones ceteri.

in 65, 6 p. 40, 18 urbano quoque otio foris omnia tranquilla esse. Sic Codices vulgares. Contra Madvigius emend. p. 85: 'debebat dici urbano otio foris quoque nee ulla est mutati ordinis excusatio\ Similiter, nempe urbano otio foris, liber Veronensis habet, nisi quod particulam non transponi iubet, sed deleri.f)

in 66, 2 p. 41, 12 sed imminebat utrumque iam, nee ultra discordia invium reprimi poterat Yeronensis ; rion pro nee Nicomachiani ; utrum verum sit, videndum.fl)

*) [Es folgt die ausführliche Behandlung der Stelle III 65 novi tribuni cooptavere. Da Mommsen seine Interpretation selbst widerrufen hat (^Staatsrecht 2' S. 277, 1), so ist dieser Abschnitt hier weggelassen worden.] **) [Einige Hss. bloß usque, andere uso eo.] ***) [Vgl. Thes. 1. 1. I Sp. 605, 60 f.]

t) [Der V. hat in der Tat: urban(o otio fojcis quoque om(nia tra)nquiUa tise: so Ms, Apographon.]

tt) [utrunique. iam non uUra die neueren Ausgaben.]

b

I

134

T. Livii ab Urbe condita Hb. III —VI.

in 67, 1 p. 42, 5 cum piidore summo in conspectum vestrum Pro- cessi Veronensis ; in contionem vesfrani recentiores. Illud praetulerim.

TU 67, 5 p. 42, 37 si in vohis Yeronensis cum edd., sin vdbis ceteri.

in 67, 6 p. 42, 50 discordia ordinum et venenum huius urUs

patrum ac plebis certamina Yeronensis proponit ut coniecit Madvigius

em. p. 86; nam est pro et Nicomachiani. At in iis quae sequuntur,

5 : nisi erravi ego, Yeronensis quoque habet ut reliqui sustulere Uli

aninios, non Ulis. 193 III 67, 6 p. 42, 56 nos pleheiorum Yeronensis cum codd. deteriori-

bus, hos pleheiorum Nicomachiani incorrupti.

in 67, 10 p. 43, 27 ecquando unam urhem habere, ecquando com- munem hanc esse patriam licebitt Sic Nicomachiani; at prius colon ecquando unam urhem höhere abest a Yeronensi fortasse recte.

III 68, 7 p. 44, 47 sequetur vos necessitas militandi quam fugitis Yeronensis cum edd., sequifur Nicomachiani.

lY 7, 3 p. 45, 14 C. Curtius cum requiratur, c. curiatius habent reliqui libri, c. curatius Yeronensis. Haec sine dubio antiqua cor- ruptela est, illa emendatio grammatici imperiti.

lY 7, 11. 12 p. 46, 21 credo quod trihuni militum initio anni fuerimt, eo, perinde ac totum annum in imperio fuerint, suffectorum iis con- sidum praetermissa nomina. Licinius Macer auctor est etiam in foedere Ardeatino et in linteis lihris ad Monetae ea inventa. Sic fere crediderim constituendum locum graviter corruptum; Yeronensis quomodo differat ab alterius familiae libris, supra proposuimus.*) Perinde ac magis Livianum esse videtur quam perinde ac si (cf. Hand. Tursell. 4, 460); illud Yeronensis hoc loco habet, hoc libri Vulgares.

lY 8, 2 p. 46, 54 quae (censura) deinde tanto incremento aucta est, ut morum disciplinaeque Bomanae penes eam regimen, senatum equitumque centuriis decoris dedecorisque discrimen suh dicione eins Magistratur, eins puhlicorum ius privatorumque locorum, vectigalia

*) [Nämlich der cod. V. so (die | bezeichnen die Zeilenschlüsse): fuerint 8u(f)\ fectijs iis conss. praeter\missa nomina consulv | horum Licinius Macer \ u. s. w., dann ad Monetea\ inventa; die übrigen codd.: fuerint, snffectis iis consulihus praetermissa nomina consulum hoi'um. Licinius Macem- u. s. w., dann ad Monetae ea inventa. Die Vermutung Ms. hat Zingerle in den Text aufgenommen ; Madvig, em. Liv.* S. 112 schlug vor: fuerint, suffectos iis consules praetennissos. nomina consulum horum Licinius Macer auctor est .... ad Monetae inventa. Die Über- lieferung bietet eine zwar ungefüge, darum aber nicht unlivianische Periodi- sierung.]

T. Livü ab Ürbe condita lib. III— VI. 135

2}optdi Romani stib ntäu atque arhifrio essent. Tribus bis commatis apte comprehenduntur tres partes officii censorii, civium recensus, senatus equitumque Romanonim ordinatio, vectigalium locatio. Recte igitur ut solet Madvigius emend. p. 92 defendit codicum scripturam iam Veronensi quoque libro confinnatam centuriis pro eo quod sub- «tituimt pleriqne recentiores centuriae; in eo opinor erravit quod pro senatus proposuit in senatuj^) Kam senatus decoris dedecorisque discrimen cum genetivo duplici per se offensionem nullam habet; deinde vero quod auctor a genetivo. nempe priore, ad ablativum deflexit, fecit ratione; nam equites simplieiter nominare non potuit, cum censoria constitutio non ad eos in Universum pertineat, sed ad solos centuriatos, equitum centuriarum decoris dedecorisque discrimen dicere noluit, ne triplicis genetivi cumulatione oratio obscuraretur. In principio tertii commatis addidi eins in Yeronensi libri corruptum in ?i<s, in reliquis omissum nee tarnen omittendum; nam ut supra 194 dixit penes eam regimen, sub didone eius magistratus, ita hie quo- que eius . . . sub nutti atque €urhitrio requiritur nee recte procedunt extrema nude posita. Accedit quod tertium comma, ne qui legit offendat, ita constituendum erat, ut agi hie de uno tantum negotio hcet bifariam expresso statim intellegeretur. Nam sua vi ac potes- tate ins publicorum privatorumque locorum censori non recte tribuitur, sed ita ei in hos ius est, ut non potest non esse magistratui vecti- galia locorum publicorum ordinanti et propterea fines quoque regenti quodammodo inter publicum privatumque.

IV 9, 12 p. 47, 6 duce Aequo Cluilio editiones recte ; ciuilio Vero- nensis,**) ciuili libri vulgares. Hie quoque apparet in illo proponi antiquam corruptelam, in his grammatici cuiusdam infelicem emen- dationem. E contrario IT 10, 7 pro Cluilio duce in libris vulgaribus est ciuilio duce, in Yeronensi visimi est esse ciuili duce.

rV 11, 7 p. 49, 58 qui . . . vexationes . . . remanendo in coloniä . . . vitavermif. Sic Veronensis omissis verbis, quae ante rematiendo inserunt libri vulgares, coloni adscripti; quae etsi adhuc in suspicionem non venerunt, iam admoniti ab antiquissimo libro omnino eiciemus.***)

IV 12, 9 p. 51, 12 qui cum . . . nulluni momentum annonae fecisset. Sic editiones accedente iam Veronensi libro; ut ante mdlum addunt libri vulgares.f) . ...iJi^ ridu

I

*) [Madvig emend. ed. 2 S. 113 hält daran fest.] **) [Sowie der cod. C] ***) [Die neueren Herausgeber belassen sie im Text.] t) [Zingerle nunum ohne Variante.]

136 T. Livii ab Urbe condita Hb. III VI.

IV 12, 10 p. 51, 16 quod nunc legitur profiteri cogendo frumentum et vendere, quod usui menstruo superesset etsi offensionem nullam habet, tarnen quod est in Veronensi ut venderet erunt fortasse qui ita tueantur, ut primitiva lectio fuerit ut venderent, corrupta in Veronensi libro, coniectura emendata in Nicomachianis. Kam quam- quam homines publice cogendi erant non tantum ad professionem, sed multo magis ad venditionem , causativam particulam recte ita accipiemus, ut sub hoc modo professiones fieri iuberentur.

IV 13, 4 p. 51, 52 Jiatid dvhium consulatum plebe ei favore ac spe (sipe Veron.^ despondente ipse . . . ad altiora et non concessa tendere et, quoniam consulatus quoque eripiendus invitis patrihus esset, de regno agitare. Sic fortasse verba haec scribenda sunt ita tradita, ut pro plebe ei Veronensis det pleheio, Leidensis ei, omittant ea Mediceus Parisinusque , deinde despondente sit in Veronensi, despondentem in 195 reliquis. Nam hoc qui retinent videant ne ipse quod sequitur non habeat cui satis respondeat, cum lectione ad Veronensem forraata recte opponantur consulatus et regnum. Ceterum qui hoc probabit, hunc locum addat necesse est iis, ubi deterius in Universum Nico- machianorum librorum genus meliori praestat.

IV 13, 4 p. 52, 3 id unum dignum tanto apparatu consiliorum et certamine quod ingens exsndandum esset praemium fore. Sic Vero- nensis stabiliens coniecturam a philologis bominibus, qui quidem sani iudicii essent, dudum receptam, nam libri vulgares scribunt certoy minum.

IV 13, 8 p. 52, 34 rem conpertam ad senatum defert Veronensis optime, cum Nicomachiani legant refert. Illam lectionem postquam idoneum auctorem nacta est non erit opinor quin probet. Praeivit Madvigius apud Ussingium p. XXII: 'probabiliter editio Curionis deferf.

IV 13, 12 p. 53, 21 se dictatorem L. Quinctium dicturum: animum parem tantae potestati esse. Ante animum quod inserunt libri reliqui ihi abest a Veronensi, recte fortasse.*)

IV 1 4, 6 p. 54, 27 haec eum vociferantem adsecutus Ähala Servilius öbtruncat respersusque cruore . . . dictatori renuntiat. Quod addunt libri Nicomachiani ohtruncati post cruore, eleganter Veronensis omittit.**)

*) [Im Apographum bezeichnet Mommsen die beiden letzten Buchstaben von dicturum als unsicher.]

**) [Die Herausgeber behalten es bei.]

T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI. 137

IV 17,1 p. 55, u Fidenae . . . ad Lartem Tolumnium Veieniium regetn defecere. Quod post regem addunt Nicomachiani ac Veientes, eo libenter carebimus.*;

lY 17, 2 p. 55, 20 Inter legatos a Fidenatibus interfectos qui nominatur Spuritis Nautius Plinio h. n. 34, 6, 23, apud Ciceronem (Philipp. 9, 2, 5) dicitur Sp. Antitis (et spuraniio Vat.y itemque apud Livium hoc loco testibus Nicomachianis. At quod in Veronensi legitur Spuantium . . . inter fecerunt , cum eiusmodi codicis librarium vix credibile sit Spurii praenomen tribus primis litteris expressisse per- verse, haud scio an ducat ad ipsam nominis fonnam Plinianam, ut metathesi elementonim Laniitis evaserit qui esse debebat yautius. Gerte veram esse iliam constat non tarn quod Xautionim gens clarior longe et vetustior est Antia, quam quod Spurii praenomen proprium est Nautiorum. Qui autem factum sit, ut similis corruptela insederit tam in Livii recensione Mcomachiana quam in Ciceronianis libris quos habemus, num liceat cogitare de interpolatione scholastica in utrumque scriptorem pariter grassata, definient qui aliquando data opera de ea re quaerent.

IT 17, 3 p. 55, 24 levant regis facinus. Recte opinor omittit 196 Yeronensis quod ante regis collocant reliqui Codices quidam; neque enim diversas relationes hie referre videtur Livius, sed causam facinoris ab auctore relatam reicere aliam ex coniectura substituens probabiliorem.**)

lY 21,6 p. 57,26 ut non modo praedandi catisa quisqttam ex agro Romano exiret. Negationem ante exiret repetitam in libris vulgaribus omittit Yeronensis probantibus Madvigio et Ussingio (cf. ed. eorum vol. I p. XXII vol. 11 p. lY).

lY 21, 7 p. 57, 30 qtii se primo aut morUihus atU muris tenuerarU. Quod post primo plus habent libri praeter Yeronensem omnes aut oppido, id delendum esse iam fere consentiunt viri docti, postquam abesse a Yeronensi Zumptius indicavit ; antea ex coniectura sustulerat Madvigius.

lY 23, 3 p. 59, 11 Licinio libros . . . sequi linteos placuit: Tubero iiicertus veri est. Sic Yeronensis; placet et tubero libri Mcomachiani; placet Tubero hodie legitur ex emendatione MuretL In iis quae Bcquimtur: sed inter cetera vettistate conperfa hoc quoque in incerto Position cum iam Yeronensis cum Mediceo consensus patefecerit ab

*) [ad Lartem Tolumnium ac Veientes H. J. MüUer.]

**) [Die Herausgeber belassen quidam im Text; in V. schließt mit levant di.i Zeile.]

138 T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI.

hac lectione proficiscendum esse, incomperta autem, quod habent Nicomachiani reliqui, venire ab emendatore, haud scio an scribendum sit emendatione et faciliore et ni fallor elegantiore vetustate cooperta.*)

IV 24, 7 p. 60, 34 deposito suo magistratu, inposito fine alteri cum gratulatione ac favore ingenti populi domum est reductus. Sic optime Veronensis eiectis verbis, quae post magistratu reliquis libris inhae- serunt modo aliorum magistratui, confirmans emendationem Mad- vigianam, nisi quod iam intellegitur non posterius, ut voluit Mad- vigius, comma delendum esse, sed prius.

IV 25, 1 p. 61, 3 trihuni plebi adsiduis contentionibus prohibendo consularia comitia, cum res prope ad interregnum perducta esset, evicere. Ubi contentionibus in Veronensi,**) contionibus legitur in reliquis; illud praetulerim, cum tribuni plebis ubi praeterea comitia impediunt, non soleant id facere per circuitum contione advocata, sed directo per intercessionem.

IV 25,4 p. 61, 28 famem quoque ex pestilentia, morbo inplicitis cultoribus agrorum, timentes in Etruriam .... frumenti causa misere. Quae diductis litteris expressimus omissa in reliquis libris nunc demum supplentur ex Veronensi. 197 IV 26, 2 p. 62, 56 Poenos dictos fuisse Quinctios Cincinnatos, non

Pennos iam efficitur ex codice Veronensi,***) in quo talia permutari non solent. Confirmant idem plerisque locis reliqui libri Liviani in geuere secundo optimi, item laterculi fastorum locis longo plerisque (cf. C. I. L. I p. 496 [1102] ad a. 323; p. 498. 499 [HO. HP] ad a. 326; p. 510. 511 [126. 127^] ad a. 403), cum in Capitolinis fastis cognomen integrum nusquam supersit. Neque impediunt lunii Penni quamquam per se satis certi, quominus fuerint Quinctii Poeni.

IV 26, 5 p. 63, 14 senatui dictatorem dici placuit, quia etsi saepe victi populi maiore tarnen conatu quam alias umquam rebellarant. Hoc quod proposuit Sigonius pro tradita lectione rebellarent confirmat liber palimpsestus.

IV 26, 12 p. 64, 20 dilectus simul edicitur et iusiitium neque aliud tota urbe agi quam bellum apparari, cognitio vaeantium militiae munere post bellum differri. Sic Veronensis, addens dilectus vocabulum, quod ex reliquis excidit propter id quod praecedit dictus, et differri Bubstituens pro eo quod ibi est differtur.

*) [Von den Herausgebern aufgenommen.] **) [Sowie im cod. C] ***) [Poeno auch in cod. C]

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 139

IV 33, 10 p. 65, 14 et equitem passim . . . distulissent equi. Coniec- turam Gronovii (nam libri vulgares dispulissent) confinnat Yeronensis.

IV 34, 4 p. 66, 2 singuUs captivis ah equite ac centurione sorte dttctis. Sic scribi iussit Madvigius pro eo quod traditum est in libris Nicomachianis ab equite ad centurionem. Veronensis paulo propius abest a vera lectione legens ah equi[te ad] centurionis; neque enim dubium est ab s vocabuli proxime sequentis male geminato errorem orsum deinde eo crevisse, quod eraendator pluralem centuriones ad praecedentem singularem reformarit.

IV 34, 5 p. 66, 12 ipse deinde abdicavit Veronensis, abdicat reliqui; illud commendat quod praecedit exerdtum Rotnam reduxit.

IV 54, 3 p. 69, 1 C. Appius quaestor plebeius tertio loco creatus dicitur in Veronensi, P. Pipius in Mcomachianis libris, unde P. Pupitis legitur vulgo. In re ineerta illa lectio retinenda erit, cum Appiam gentem nisi aetate liberae rei publicae, certe saeculo p. Chr. primo constet fuisse inter senatorias.

IV 54, 4 p. 69, 9 hi male intrusum post creatos, deletum autem in editione Frobeniana recte omittit Veronensis.

IV 54, 5 p. 69, 14 si ne in quaestoriis quidem comitiis . . . satis animi populo esset ad id quod tarn diu veUet. Sic Veronensis; in 198 «mittunt scribuntque vellent reliqui.

IV 55, 3 p. 70, 21 tini contionihus data nunc retinenda, nunc con- cienda plehs. In vulgaribus est detinendn, in Veronensi deretinendn; yidetur antiqua dittographia a diasceuasta non recte emendata.

IV 56, 5 p. 71, 46 eorum legatos utriusque gentis populos circuisse castiganfes ignaviam. Sic Veronensis cum editione Frobeniana expulsa particula que^ quae post castigantes reliquis libris insidet.

IV 56, 6 p. 71, 58 nee ipsos modo Romanos sua divisui höhere, sed Ferentimwi etiam de se captum Hernicis donasse. Quod commen- davit exemplis allatis lo. Fr. Gronovius divisui^ ei ita patrocinatur über antiquissimus, ut eins loco proponat diuis, unde divisa, quod tenent reliqui, effectum videri potest emendatione.

r\^ 56, 12 p. 72, 36 si quando promiscui honores communicata re publica essent videtur scribendum esse, cum rep. esset sit in Veronensi Leidensique, resp. esset in Florentino Parisinoque.

rV 56, 13 p. 72, 42 interim patricii soluti legum magistratuumque vi atque verecundia per se potestatemque tribuniciam agerent. Sic iam haec leguntur legebanturve in Veronensi, ex quo accedimt nunc demum verba vi a[fqtie] apte, cum vis propria sit legum, verecundia niagistratuum. Deinde quod in eo legitur potestatetn quae tribuniciam^

140 T. Livü ab Urbe condita Hb. III— VI.

cum in reliquis libris sit quoque trihuniciam potestatem, praeclaram huius loci interpretationem Madvigianam confirmat.

IV 58, 4 p. 74, 60 quia summa vi restari nuntiäbatur scripserim,*) cum in Veronensi sit restari nuntiahantur , in reliquis libris restare nuntiabantur.

IV 58, 13 p. 76, 1 quid super sanguinis, quod dari pro re publica posset. In Veronensi libro quod est quod vulgatae lectioni qui videtur praestare.

V 3, 2 p. 77, 55 si umquam dubitatum est, Quirites. Sic editores dudum restituerunt, cum libri pro eo quod est Quirites alii quis aut quin proponant, alii id omittant. In Veronensi quod est qui non verum est, sed antiqua corruptela, unde errores illi manarunt.

V 3, 7 p. 78 , 34 Veronensis non habet quod reperitur in Mco- machianis comma nisi forte hoc dicitis, quod apte omitti pauci opinor negabunt.**)

199 V 4, 1 p. 79, 9 hoc consilium collegarum meorum, quod abducere

infecta re a Veis exercitum noluerunt. Ubi Veronensis quod, reliqui habent quo.

V 4, 2 p. 79, 22 si mihi ipsi nihil quod dicerem in mentem venire posset Veronensis, confirmans iudicium grammaticorum eorum, quorum in crisi huius auctoris ratio haberi debet, librorum alterius ordinis ipse pro ipsi nullo modo posse defendi.***)

V 4, 5 p. 79, 45 mdleste antea ferebat miles .... gaudebat inde .... gaudet nunc . . . aequo igitur animo patiatur . . . Ubi inde est in Veronensi, f) idem proponunt reliqui libri; sed et argutius illud est, cum hoc ipsum demonstratum eat orator molestiam illam causam esse gaudii illius ut gaudium hoc molestiae huius, et melius sie sibi respondent quae opponuntur. Ibidem quod sequitur ab domo ac re familiari . . . abesse puto item praeferendum lectioni reliquorum librorum ab re familiari, nam anastrophe hoc quidem loco rationem non habet. Denique paulo post cum legitur : si ad calculos etiam res publica vocet, ubi pro etiam in ceteris codicibus eum est, oratio gravier redditur concinniorque.

V 4, 8 p. 80, 9 sie . . . agere debent, qui mercennario milite utuntur: nos tamqtmm cum patria agi nobiscum aequum censemus. Sic Veronensis, cum reliqui libri secundum enuntiatum ita amplificent:

*) [Von derl Herausgebern aufgenommen.] **) [Das voraufgehende comma schließt mit agitis.] ***) \vpsi auch cod. U saec. X/XI.]

t) [Das e -wird im Apographon als unsicher bezeichnet.]

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 141

fios tatnquam cum civibus agere volumus agique tamquam cum patria nobiscum aequum censemtis. Cum propter infinitivum agi diverso loco positum non possit cogitari de mera omissione librarii incuria com- missa, magnopere vereor, ne haec lectio interpolata sit. Nam com- mendatur Veronensis eo, quod ne in opposito quidem enuntiato partitio ulla est; denique gravitas orationis non augetur repeätione si quid video inani.

V 5, 4 p. 81, 24 ülud quod j)roprie ad milites pertinet, quibus bani tribuni plebis Stipendium extorquere voluerunt, nunc consuUum repente volunt, quäle estt Sic optime Yeronensis deleta particula cum*) inserta in secundi ordinis libri ante Stipendium^ a Madvigio post alios mutata in tum.'^*) Paulo post v. 29 in Veronensi est Valium fossamque, ingenfis utramque ran ojjeris. ubi utnmique rem libri reliqui, utrumque deleto substantivo Madvigius dubitans.

V 5, 7 p. 81, 44 cum tantum laboris exhaustum sit et ad finem iam operis tandem perventum, relinquendane haec censetis, ut ad aestatem rursum novus de integro his instituendis exsudetur labor, an instare ac perseverare defungique cura brevi? Brevis enim et quae 200 sequuntur. Sic haec videntur esse ordinanda secundum Yeronensem,

in quo quam quam non omnia legi potuerunt, tamen satis constat nuniquam fuisse enuntiatum quanto est minus opera tueri facta, quod in reliquis libris post labor vocabulum ita inseritur, ut pro an detur et. Deinde brevi ante brevis quod proposuerunt viri docti omissum in ceteris libris non adest quidem in Yeronensi, sed videtur requiri spatiis V. 54, Mox quod dudum revocaverunt viri docti uno tenore pro tradita lectione uno tempore, ei calculum iam adicit Veronensis. Contra quod sequitm*: curne ipsi .... lentiorem spem nostram facimus'i admodum dubium est, cum non soleant particulae istae copulari, ut tutius subsistere videamur in lectione familiae alterius nee ipsi.

Y 6, 2 p. 82, 60 sicut aestivas aves statim autumno tecia ac re- cessus circumspicere Yeronensis ; reliqui habent recessum minus proprie, cum recessus ipsae sint latebrae.

Y 6, 15 p. 84, 51 adeo quidquid tr. pl. loquitur etsi prodendae patriae . ... est adsuestis audire videtur fuisse in Yeronensi omisso qui quod inserunt reliqui libri post adsuestis, mutatum ab aliis in acqui, ab aliis in quieti; sed audire nude positum sufficit. Fieri potest ut qui corruptum sit ex Quirites ut supra p. 77, 55 [Y 3, 2].

*) [Nach Zingerle so nur eine Hs., die übrigen eum.] **) [Madvig, em. Liv. * S. 134, 1 'potest abesse'.]

142 T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI.

V 7, 8 p. 86, 9 tum vero superfundenti se laetitiae vix temperatum est Veronensis omissa post uero particula iam.

V 7, n p. 86, 32 certatim patrihus pleheique manare gaudio lacri- mae. Deinde revocatis in curiam patribus senatus consultum factum est. Sic Veronensis, cum in reliquis pro deinde sit donec; at lacrimas manasse, donec senatus consultum fieret, indignum est scriptore gravi neque inepto.

V 7, 13 p. 86, 50 tum primum equis suis merere equites coeperunt. Yera haec scriptura in reliquis libris obscurata, dudum vero ex epitome recuperata in Yeronensi mansit intacta.

V 8, 3 p. 87, 19 minus militum periit, quia praeter aegros lixarum in modum omnes negotidbantur. Quae verba inserunt post omnes iibri vulgares per agros vicinasque urhes, ea ab Livio aliena esse iutellegitur ex Veronensi.*)

V 8, 11 p. 88, 28 ne opem ab inimico videretur petisse Veronensis omisso ante opem vocabulo quam.

V 24, 8 p. 90, 40 ceterum partem plebis, partem senatus habitando 201 destinabant Veios duasque urbes communi re publica incoli a populo

Romano posse. Sic haec constituenda existimo, cum in Veronensi repertum sit partim plebs, partim senatus, in reliquis libris partem plebi, partem senatus; quod ipsum posset defendi, si liceret plebi habere pro genetivo (v. supra p. 168 [111]). Deinde habitando destina- bant Veios Veronensis, destinabant habitandos Veios ceteri. Mox communi re Veronensis, communes rei p. reliqui.**)

V 27, u p. 91, 44 fides Romana, iustitia imperatoris in foro, in curia celebrantur. Veronensis in curia celebratur, reliqui et curia celebrantur.

V 28, 1 p. 92, 4 taciti eius verecundiam non fulit senatus Vero- nensis Gronovii coniecturam confirmans Madvigio probatam; nam Iibri reliqui facite.

V 31, 5 p. 93, 54 propter famem pestilentiamque in agro Romano ex siccitate caloribus nimiis ortam. Recte opinor pro caloribusque vocabulo Simplex caloribus substituit Veronensis.***)

*) [Die neueren Herausgeber halten die Worte für echt; ebenso im Folgenden quam.]

**) [partim plebi partim senatui destinabant habitandos Veios Rhenanus, partem plebis partem senatus destinabant (ad) habitandos Veios Weissenbom- Luterbacher. communis reipublicae mit einer Hs. saec. XII die neueren Herausgeber.]

***) [In V. ist CALOBIB geschrieben.]

T. Livii ab Urbe condita Hb. III— VI. 143

Y 31. 32 p. 93, 60. 94, 39. 04. 57 Salpitiates qui dici solent in editionibus, in Yeronensi appellantur p. 93, eo Sapienates^ p. 94, s? Sa»pinates; reliqvii libri habeant sappinates, scdpinates, sdLppinates,

$ai

sal sapphiates, ut appareat in archetypo eonim foisse sappinates (cf. p. 17S [120]). Itaque restituenda est antiqua forma Sappinates^ quam Nicomachiani expulenint. Tribus tamen Sappinia Umbriae (LIt. 31. 2, 6, 33, 37, 1) cum Sappinatibus bis non recte componetur; illam enim satis constat fuisse ad fluvium Sapini prope Sassinam Gallis Boiis conterminam, cum Sappinates hi quaerendi sint prope Yolsi- nienses, quibuscum iunguntur.

Y 31, 5 p, 94, 2 agros incursavere Yeronensis, a^ros Bomanos reliqui.*)

Y 32, 2 p. 94, 87 Vohinienses provincia evenit Yeronensis (nisi quod Volsienses ibi videtur fuisse), ut restituit Madvigius; Vulsiniensis reliqui libri.**)

Y 32, 3 p. 94, 45 fusa primo concursu acies: in fugam versa milia

octo armatorum in deditionem venerunt. Yeronensis in fugam

versa, reliqui in fiigam^ unde in fuga fecit Madvigius^.

Y 33, 3 p. 96, 8 ira corruptae uxoris ab Lucumone, cui tutor 202 ipse fuerat Yeronensis simplicius quam quod est in reliquis cui tutor

ts fuerat ipse.

Y 39, 7 p. 97, 12 deinde sub occasum solis, quia liaud muHum diei supererat, ante noctem rati invasuros Yeronensis expulso ante invasuros vocabulo se, quo sententia obscuratur.

Y 39, 11 p. 97, 41 sacerdotesque et Vestales sacra publica .... auferre nee ante deseri cuUum dearum, quam non superessent qui colerent. Cum in libris vulgaribus legatur flaminem sacerdotesque Vestales, iure Madvigius monuit pro flaminem expectari flamines. lam cum sit in Yeronensi flaminem sacerdotesque et Vestales, pate- factum est illud vocabulum eiciendum esse huic loco illatum ex sequentibus.***) Deinde quod est in Yeronensi deortim, non eorum, gravitatem orationis adauget.

*) [Gegen V. die neueren Herausgeber.] **) [Volscinienses cod. C]

1) Quamquam ad Veronensem id non pertinet, tamen licebit monere c. 33, s male neglegi traditam lectionem accitis domiim tribulibm clientibtis, quae migna pars plebis erat inserta post tribtiUlnis copula. jSam clientium, nempe liljertinomm et inde oriundorum, hac quidem aetate tribus ea ipsa fuerit ntcesse est, in qua censeretur patronus, et ut Ap. Claudium narrant cum clientibus considentem in agro Romano Claudiam tribum constituisse, ita hie quoque clientes Furiae domus iidem sunt tribules nee recte bis opponuntur. ***) [Von Madvig a. a. 0. S. 147 gebilligt.]

j^44 T. Livii ab Urbe coudita Hb, III— VI.

Y 39, 12 p. 97, 53 si arx .... super fuisset, facilem iacturam esse seniorum . . . turhae. Quod num praeferendum sit vulgatae lectioni superfuerit, videant grammatici.*)

Y 40, 8 p. 99, 16 cetera inter eos onere partito feruntur via quae cet. Sic libri, nisi quod quod pro eos Yeronensis es, reliqui se; editiones hoc retinentes feruntur mutarunt in ferunt. Patet hoc loco vetustam corruptelam servatam esse in Yeronensi imperfecte emendatam in diasceuasi Nicomachiana. Item paulo post 9] recte opinor de plehe homo legitur in Veronensi omisso quod addunt alii Bomana.

Y 40, 10 p. 99, 29 religiosum rafus, quod restituit Yaassenus pro- bavitque Weissenbomius , iam tuetur Yeronensis liber, nam reliqui inreligiosum Christiane magis quam Latine.

Y 4], 1 p. 99, 41 turba seniorum domos regressi adventum hostium .... expectabat Yeronensis, regressa .... expectahat reliqui, quod facile oriri potuit ex emendatione.

Y 41, 3 p. 99, 55 M. Folio pontifice maximo Yeronensis adstipulante quadamtenus Mediceo libro, in quo est m. fiUo; contra M. Fäbio reliqui omnes adstipulante Plutarcho Camill. 21 e^r}yov fxevov 0aßiov Tov oLQxieQeo)?. Nullus dubito, quin hoc quoque loco gentis patriciae, sed parum notae Fosliae sive Foliae nomen male abierit in vulgatum et in narratione maxime Gallicae obsidionis celebratum Fabiorum, neque ex consensu deteriorum librorum Livii et compilatoris Graeci

203 quicquam efficitur praeter erroris proclivitatem. Intellegitur opinor M. Folius tr. mil. a. 321. Cf. quae dixi röm. Forsch. 1, 114.

Y 43, 4 p. 101, 3 per eos ipsos dies Yeronensis, quod praeceperat Gronovius; a libris reliquis ab est eos.

Y 44, 1 p. 101, 3 Ardeates . . veter es amici, novi etiam cives mei, guando et vestrum heneficium ita tulit et fortuna hoc egit mea. Id quod est hoc egit ferri non posse intellexit Madvigius, commendans pro 80 coegit: in Yeronensi tamen nee hoc fuit neque illud, sed verbum aliquod, cuius ultima syllaba plena esset it, puto voluit.**)

Y 44, 7 p. 102, 36 prima vigilia capite arma frequentesque me sequimini Yeronensis probantibus Zumptio p. 29 et Madvigio in ed. vol. II p. lY; que abest a reliquis non recte, nam frequentia aptius ad sequendum refertur quam ad armandum.

Y 45, 3 p. 103, 12 excursione ab oppidanis facta Yeronensis, in- cursione ab oppidanis in palatos facta Mcomachiani ; utrum praeferas,

*) [super fuerit die neueren Herausgeber.] **) [eguit Walker.]

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 145

ambigi potest, quamquam illud malim, cum incursionis vocabulum mox redeat apud Livium.

Y 45, 4 p. 1 03, 45 plenique praedae Veios etam frraesidiumque, spem idtimam Romani nominis, in animo hdbuerint opptignare. Yero- nensis et cum omittit ante spem, verum videtur servasse; nam clarius ita separantur urbs militesque qui oppugnarentur ab iis quae addit auctor ad eius oppugnationis momentum declarandum.

Y 46, 2 p. 104, 17 Gahino cinctu sacra manibiis gerens Yeronensis ut debuit esse ediditque Madvigius; cinctus reliqui.

Y 50, 2 p. 106, 36 senatiis considtum facii, fana omnia, quoad ea hosiis possedisset, resütuerentur expiarenturque. Sic haec videntur constituenda. Nam quod quamquam habent libri omnes, tamen rei contrarium est; Capitolina enim fana Galli non invaserunt. Deinde terminarentur quod inserunt secundi ordinis libri post restituerenfur, crediderim referendum inter interpolationes Nicomachianas; nam proprie terminatio pertinet ad fani institutionem potius quam ad restitutionem. et ut admittas terminare etiam eum qui terminos oblitteratos incendio vel vetustate restituit, tamen einsmodi terminos yix crediderim intra pomerium stetisse.

Y 50, 5 p. 107, 5 in nova via Aio Locutio legendum esse dudum iiitellectum est, cum in libris ex secundo genere optimis uia aio abierit in ia uel tin; diversa corruptela Yeronensis in noua uia aut 204 alio loco. Similiter c. 52, ii pro Aio Locutio libri vulgares legunt aUocutio (Leid.) vel locutio (Med. Par.), Yeronensis autem apatu- locutio.

Y 50, 6 p. 107, u cum quo referri oporteret confusa memoria esset Yeronensis; in qtiae (templa) quod habent reliqui pro quo^ videtur ortum ex interpretatione.

Y 51, 3 p. 108, 12 cum victorious GaUis .... Capitolium tamen atque arcetn diique et homines Romani tenuerini et Jiabif averint, vie- tcribus Romanis . . . arx quoque et Capitolium deseretur et plus vastitatis huic urhi secunda nostra fortuna faciet et quae sequuntur. Supplet Yeronensis quam recte desideraverunt viri docti et copulam ante habitaverint, quod vocabulum qui delent, \'ideant ne aceurate opposita sibi pessumdent, nempe tenendi deserendique vocabula et hubitandi vastitatisque faciendae.

Y 52, 12 p. 109, 23 si una cum GaUis urbem Romanam relicturi fvimus, si non voluntate mansimus in Capitolio . . . sed ab hostihus mettc retenti sumus. Quae Yeronensis libri scriptura magis placet quam quod pro sed est in reliquis s?, nam duo enuntiata extrema particulatim sibi respondent.

KOIOCSEK, SCHB. TII. 10

1

146 T. Livii ab ürbe condita Hb. III— VI.

V 52, 13 p. 109, 33 una illa sedes est, ex qua eas nihil umquam praetcrquam urhs capta movit. Lectioni huic deteriorum librorum nunc suffragatur antiquissimus omnium : pro eos Leidensis similesque habent fas^ omittunt id Mediceus et Parisinus.

V 53, 3 p. 110, 31 etiamsi tum migrandum fuisset incolumi urhe, nunc has ruinas relinquendas non censerem. Libri praeter Veronensem incolumi tota urhe: at in eiusmodi admonitione excipere arcem urbis non exustam interpolatoris magis est quam Livii.

V 55, 1 p. 111, 1 movisse Camillus . . . oratione . . . dicitur Veronensis omisso vocabulo eos, quod inventum in libris aliis post movisse non habere, quo recte referatur, dudum Madvigius monuerat. Delevit Weissenbornius ex auctoritate libri Yeronensis eodemque iam inclinat Madvigius (cf. ed. vol. II p. lY [, em. Liv. ^ S. 153]).

VI 1,8 p. 113, 32 is tribunos militum proconsulari potestate creat cum et in Veronensi sit et in Leidensi, ab auctoritate magis defenditur quam quod est in Mediceo Parisinoque consulari potestate emendationem referens. Proprio magis consularem potestatem tribunis tribui quam 205 proconsularem etsi nemo ignorat, tarnen hoc nee re falsum est neque alienum ab sermone Liviano (cf. V, 2, 9, item lY, 7, 7 41, 10).

VI 1, 10 p. 113, 44 foedera ac leges .... conquiri quae non com- parerent iusserunt. Sic Veronensis simplicius certe quam quod pro- ponunt editiones quae comparerent factum ex lectione librorum Nicomachianorum quae compararent.

VI 2, 6. 7 p. 114, 58 iustitio indicto dilectum iuniorum habuit, ita

ut senior es quoque centuriaret, et exercitum .... trifariam

divisit. Copulam supplevit Veronensis.

VI 2, 14 p. 116, 7 Victor ex Volscis in Aequos transiit. Quod addunt libri praeter Veronensem et ipsos bellum molientes haud scio an adiecerit corrector, offensus eo quod antea Livius locutus est de motu solorum Volscorum.*)

VI 3, 8 p. 117, 29 ni praecones . . . parci inermibus iussissent nee praeter armatos quemquam violari. Inermibus Veronensis, inermi reliqui.

VI 6, 7 p. 119, 20 sibi destinatum id animo esse, quod videtur esse in Veronensi, Liviano sermoni convenit (cf. IX, 16, 19. XXVIII 24, 3); destinatum in animo esse, quod habent reliqui, num ferri possit dubito.**)

*) [Die neueren Herausgeber belassen die Worte im Text.] **) [Vgl. E. Wölfflin im krit. Anh. zu XXI 44, 9 seiner erklärenden Aus- gabe, 4. Aufl., Leipz. 1891.]

T. Livii ab Urbe condita lib. III— VI. 147

YI 6, 8 p. 119, 37 tarn honoratorum coUegarum ohsequio. Lectio haec hodie recepta vera videtur, cum in Veronensi sit honorato, in reliquis bonis libris hon&rafum*)

VI 6, 13 p. 120, 3 te, Q. Sermli, altero exercitu . ... ad urbem castra habere. Ubi ad urbem Yeronensis, in urbe scribunt reliqui, quod quam sit molestum vel potius ineptum, per se quins intellegit Sed eiusmodi mendum quis tollere ausus esset sine exemplo?

YI 6, u p, 120, 20 quaeque alia belli tempora poscent Yeronensis, sicut scribi iusserunt Reizius et Madvigius; beUi alia [atia ML] reliqui Codices.**)

T. Livii ab Urbe condita lib. XCI quae supersunt in codice Vaticano Palatino.

Livianorum annalium libri XCI reliquias servatas in codice 207 Yaticano Palatino n. 24, editas autem post Paulum lacobum Bnms (fragmentum ex lib. XCI historianim T. Livi. Hamburgi 1773. fol.) et Yitum Mariam Giovenazzium (Romae 1 773. rep. cm*ante Emestio eodem anno Lipsiae 8.) codice recognito a Niebuhrio (M. Tullii Ciceronis orationum pro Fonteio et Rabirio fragmenta cet. Romae IS20 p. 85 97) cum propter summam utriusque libri similitudinem huius Yeronensiura schedarum exempli non inutilem accessionem fore intellexissem , petii ab amico Romae forte degente Paulo Kniegero iure consulto, quem eiusmodi negotio perficiendo et parem esse noram et paratum, ut libnim excuteret tertium exemplumque pararet huiuscemodi editioni aptum. Quod ille libenter receptum impigre perfecit, non medicamentorum usu adiutus, a quo nescio quam ob causam intercluduntur plane qui Yaticanam bibliothecam explorant, sed oculorum acie intenta meisque de singulis locis quae- stionibus et temptamentis, ut solet in eiusmodi negotio divinatio lectionem non tam subsequi quam praevertere. Ita quae eruimus, hi-3 proponuntur adiecta lectione priorum ^ eatenus, quatenus utilitatem

*) \hoiwraio entspricht dem Uvianischen Sprachgebrauch, vgl. Madvig, a. J. 0. S. 155.]

**) [Es folgen auf S. 206 'Emendanda et Addenda', die, soweit sie die oben ab;»edruckten Teile betreffen, dort verwertet sind, dann auf S. 207 215 eine Ausgabe des großen Fragments des 91. Buches ; hiervon sind im folgenden nur die Prolegomena aufgenommen worden, die Ausgabe selbst ist von Weissenbom und H. J. Müller (T. Livii libri, XI*, Berlin 1880, S. 162 ff.) verwertet worden.]

l) H est editio Hamburgensis, B Romana Giovenazzii, ^ Niebuhriana, K coUatio Kruegeriana.

10*

I

J48 T. Livii ab Urbe condita lib. XCI.

habere visa est, scilicet ut quid praestiterimus hac iterata recognitione, facilius et certius deprehendatur.

Codicum Palatini et Veronensis summa similitudo cum appareat, tarnen non ea est, ut cogitare possis de reliquiis utrisque ad idem integri corporis Liviani exemplum revocandis. Nam differunt inter alia litterae in principio eminentes eo, quod in Veronensi singularum 208 paginarum prima quaeque littera eminet, in Palatino in tribus chartis ex quattuor tantummodo prioris paginae littera prima. Deinde in vocabulis dirimendis cum in Veronensi deprehenderimus ins\pexisse, ins\truxisse (v. p. 164 [108]), in Palatino est 1, 55/6 ins\pectis, 2, 4/5 in\struxit. Orthographia cum in Palatino in Universum aut eadem sit aut pauUo emendatior, tamen semper ibi scribitur Ponpeius 2, 56. 5». 3, 17. 44. Denique etiam formae litterarum differunt, quae in Palatino quadrata est etiam in litteris D et E ^ ; item lineolae quae vices facit litterae M vel N punctum suppositum etsi non expressimus nisi ubi vel hodie certo apparet, tamen olim ubivis (excepto uno loco 2, 13) fuisse videri Kruegerus adnotavit. Simile punctum cernitur etiam in Gaio Yeronensi et in digestis Florentinis.

1) Specimina quae dicuntur scripturae Livianae adiecta in editionibus Romana a. 1773 et inde repetita Lipsiensi cum a Livianis intellexissem aliena esse, interrogatus de ea re Kruegerus rescripsit pertinere ad scripturam posteriorem codicis ita, ut ordo is qui incipit cumas legatur f. 78', alter incipiens addec f. 75'. Haec igitur addent qui volent collectaneis de incredibilibus philologorum. Contra Niebuhrianum scriptm-ae speeimen in Universum probum est et fidum.

XVI.

Analecta Liviana

Ediderunt

^, Th. Mommsen et G. Studemund.*)

I. Codicum Livii quattuor antiquissimorum exemplaria photolithographica.

I. Quattuor abhinc annis cum in actis maioribus Academiae l Berolinensis (a. 1668 p. 29— 216) [s. oben S. 96 ff.] annalium Livia- norum libri III YI quae in codice rescripto Veronensi supersunt fragmenta a me descripta ederem, scripturae specimen nullum addidi: illo enim tempore eo carebam neque donec pararetur librum retinere volui. lam vero postquam optimi viri mihique amicissimi Caroli Giuliani ecclesiae cathedralis A^eronensis canonici et bibliothecarii saepe ante a me laudata liberalitas et munificentia intercedente Studemundio hoc quoque mihi concessit, ut exemplum photographicmn paginae codicis eins fieret, id supplementi loco cum iis communicare placuit, quorum haec intersunt, quam quam ductus in ipso codice admodum evanidi in hoc exemplo parum apparent Selegi quae leguntur in codicis folio ut nunc numerantur 278 recto, cui adhaeret pars folii 279 versi: quae folia respondent Livianis in eo codice superstitibus 38. 39, editionis meae p. 70. 71 continentque quae in editionibus nostris leguntur 1. 3 c. 64, 5 ad c. 65, 4. Tabulam (I) inspicienti ut item apographum praesto esset, subiecimus tres ad quas pervenit scripturae ordines; medii tarnen latentis sub recenti scriptura in tabula vestigia nulla fere comparent et reliqua quoque aegre admodum in ea leguntur.**)

*) [Lipsiae. Apud S. Hirzel 1873. Die von Stndemxmd verfaßten Abschnitte werden hier nicht wiederholt.]

**) [Die Facsimiles dieser und der bei IL 111. IV genannten Bss. sowie das im Text erwähnte apographum sind hier nicht wieder abgedruckt worden, ebensowenig die bei II genannten Subscriptionen.]

150 Analecta Liviana.

3 Hac occasione oblata visum est etiam reliquorum triiim librorum Livianomm qui hodie extant litteris quadratis exarati scripturam repraesentare, scilicet tertiae decadis libri Parisini 5730 olim Puteani, quintae decadis libri Vindobonensis, denique libri XCVII palimpsesti Vaticani; nam palirapsestus Taurinensis, de quo in hisce Analectis exposuit Studemundius , tarn male habitus est, ut de eiusmodi imi- tatione desperandum sit. De singulis tabulis pauca addam.

11. Puteani libri dedimus locum ex libro XXI c. 21, 6 13. Addo quae Paulus Kmeger, quo curam agente photographia sumpta est, simul de eius libri scripturae proprietate a me rogatus adnotavit neque m et n litteras lineola repraesentari neque litteras contignari nisi in versu extreme, item in syllabis dividendis scriptorem eandem in summa re legem secutum esse de qua exposui Veronensem enarrans: exempli causa verba sie diremit: fac\ta^ pac\tis^ profec\tus ag\mine mag\no cap\ta his\paniam ip\se, sump\sit ades\tis^ Jios\ti, ves\tra. Idem Kruegerus observavit singulis libris emendatorem subscripsisse aut recognohi Ahellini (1. 21. 24. 25) aut recognohi uhis (1. 23) aut recognohi uos (1. 22) aut recognohi (1. 26—30), quarum subscriptionum hie subiecimus quinque priores [....]

Libri XXIII subscriptio diversam manum prodit, reliquae ab eadem sunt, quae item passim in ipso libro cernitur. Legit illam Hauptius sie: recognohi uhi s(upra), simile quiddam item latere opinatus in subscriptione libri XXII.

III. Vindobonensis libri repraesentaviraus et eam paginam, quae complectitur principium 1. XLY, et voluminis extremam. Hanc cum conferrem cum editionibus, aliquot eleraenta in ea apparuerunt in editionibus aut praetermissa aut non recte relata. Sic enim ad ectypum legi:

4 ciRCÄURBen . xxxAUTAnpUusbiesi^ ReGNunesTPROFecTUSACTunquei^ äsiäB e llun////feR////////7///NeTG AÜos

IHblllllll

TTfl llül

AtuRBeCONblTA iste codex est theutberti epi de dorostat.

ITb xTu exp

INC liB /////FellCITeR

Analecta Liviana. 151

Plerique qui librum contulenmt cum finiant in vocabulo actum- qtie, verba in Asia bellum agnovit Kopitarius, confirmantque ea et ectypum et amici Conzius et Hartelius, qui mea causa codicem identidem inspexerunt. Post hiatuni tredecim fere litterarum , in quo literarum T 6 R vestigia quaedam parum certa Conzius agnovit,

de iis quae sequuntur NeTGÄlloS | INÖ mihi ectypo inspecto dubitatio nulla remansit, amici in ipso codice legerunt alter

nONeTGAlloS I IN, alter URei (vel T) // loS | INÖ///. In fine quot litterae desint, non apparet, sed versus qui incipit I N b videtur fuisse huius libri extremus cuiusque pars posterior scripta non esset. Hartelio tarnen paenultimus magis fuisse videtui*, ut qui sequebatur totus evanuerit. Yidetur igitur Livius librum finivisse verbis bis fere : acfumque in Asia bellum [in\ter [Eumene]n et Gallos ■'md[e coepit]. Locutionis bellum agere exempla composuit Nipperdeius spicil. crit. in Nepotem p. 69. Ad rem quod attinet, de origine belli inter Eumenen regem et Galatas gesti Polybius exposuit ad Ol. 153, 1 = a. u. c. 5S7, quo pertinent ex reliquiis eius 1. 30, l 3, ex Livianis 45, 20, 1. Idem anno sequente Ol. 153, 2 = a. u. c. 5SS postquam de regis Prusiae in urbem adventu ea rettulit, quae respondent Livianis 1. 45 extremi, quamquam hie eum adventum ad annum 587 enarrat, mox (30, 20 [17], 12) mentionem i^ACit [xeydXov V71Ö rcbv rakaxcöv emxQsjuafievov xivdvvov t/; ßaodeiq. Bellum autem illud Eumenes non cum Gallis solis gessit, sed quodammodo etiam cum rege Prusia; certe a. 590 legati Prusiae regis questi sunt de Eumene, quod fines suos popularetur neque Gallos lacessere desineret (Liv. ep. 46; Polyb. 31, 6), itemque a. 591 Gallos adversus Eumenen concitasse dicitur (Polyb. 31, 9). simiUterque a. 594 Prusiae regis legati cum Gallis Romam veniunt ad accusandum Eumenen (Polyb. 5 32, 3, 1. c. 5, 5). Anno denique 603 Attalus rex Eumenis successor palam bellum gerit cum rege Prusia (Polyb. 3, 5, 2). Prusias igitur, etsi postea demum ipse contra Pergamenos arma movit, Galatarum causam ab ipsa inde eorum defectione ita amplexus esfc, ut reditus eius in regnum inter proximas causas belli Galatici recte omnino referatur nee sine idonea ratione utrumque Livius coniunxerit.

Praeterea subscriptio postea adiecta a hbri domino adhuc nee pleno lecta est nee recte. Yahlenus enim inde non agnovit nisi tixtrema de dorestaf., Endlicherus (catal. codd. phil. Lat. bibl. Pal. Yind. p. 49 seq.) quique Madvigii causa librum recognovit sutberti (pi de dorostat; unde Endlicherus collegit scripsisse haec sanctum Buithbertum monachonim Scotorum unum ex Hibernia in Germaniam

^52 Analecta Liviana.

saeculo YII translatorum christianaeque fidei apud Frisios primum apostolum, quem Dorostadii per biennium praedicasse vita eius tradit. At eam vitam commenticiam esse constat et alia quoque opponi possent, si operae pretium esset in coniecturis morari, quarum fundamentum nullum est. In photographia enim, in qua litterae aetate obscuratae clarius fortasse quam in ipso codice cer- nuntur, et ego vidi videruntque Jaffeus et Hauptius scripta esse litteris saeculi circiter octavi haec: iste codex est Theutherti epi de Dorostat. De ea subscriptione Jaffeus mens paucis diebus antequam litteris amicisque eriperetur in epistula, quae omnium ab eo ad me datarum postrema fuit, monuit Dorostati, id est Wyk hy Duurstede ad fluvium Leck, episcopum nullo tempore sedem habuisse videri, at Ultraiectum in diplomate Caroli magni a. 777*) appellari 'Traiectum vetus subtus Dorestado' itaque Theutbertum illum probabiliter quae- rendum esse in laterculo episcoporum Ultraiectinorum. Reperiri autem ibi sub finem saeculi YIII, ab a. fere 785 ad 791, episcopum dictum Theodardum, pro quo nomine sibi videri restituendum esse ex codicis subscriptione Theutbertum. Muellenhoffius praeterea ad- monuit me presbyteri cuiusdam scholae Ultraiectinae nomine Thiatbrat saeculi octavi commemorati apud Altfridum in vita S. Liudgeri c. 15 (mon. Germ. 2, 409). Promiserat Jaffeus in Analectis bis, quae eo tempore parabam, de universa quaestione, quam subscriptio codicis suscitat, se diligenter disputaturum ; sed promissis quominus staret, infelix fatum prohibuit, estoque hoc quoque desiderium inter tot alia, quae carum caput illud amicis reliquit.**)

IV. Libri denique palimpsesti Vaticani Palatini n. 24, qui annalis Liviani XCI partem servavit post alios a me editam ad calcem codicis Veronensis p. 207 seq. [s. o. S. 147**], adieci exemplum photolithographicum paginae ex quattuor quae supersunt tertiae superioris (p. 211 ed. meae) factum ad photographicum , quod ut mea causa fieret, eius bibliothecae praefecti benigne permiserunt.***)

*) [Mon. Germ., Dipl. Carol. 1, 164, 12.]

**) [Die Subscription ist seitdem genau behandelt worden von M. Gitlbauer, De codice Liviano vetustissimo Vindobonensi, Vindob. 1876, S. 2—21, und von W. van Hooff in den Analecta Bollandiana VI , Paris-Brüssel 1887, S. 73— 76. Vgl. auch L. Traube, Paläograph. Forsch. IV, München 1904, S. 17. Das Problem ist noch nicht endgültig gelöst.]

***) [Es folgt S. 6-31: II.

De Livii palimpsesto Taurinensi von Studemund.]

Analecta Liviana. 153

ni. Codicum octoginta duorum Livianorum decadis tertiae specimen.

Postquam Heerwagenus edita 'commentatione critica de T. Livii 32

26, 41, IS 44, r (Norimbergae 1S69. 4) demonstravit tertiae decadis crisin pendere a duobus libris auctoritatis aut paris aut supparis Puteano et Spirensi confirmaruntque eam demonstrationem et Carolus Halmius folio uno libri deperditi Spirensis felici casu recuperato (v. acta minora academiae Monacensis a. 1869 p. 580 5S4) et GuÜelmus Studemund reliquiis librorum XXYII et XXIX in lucem prolatis (supra p. 6 31) ex codice palimpsesto Taurinensi quibusdam locis cum Spirensi contra Puteanum consentiente , operae pretium Visum est reliquorum eius decadis codicum examine instituto peri- culum facere, quatenus eorum ope libri Spirensis iactura resarciri possit. Xeque enim Spirensis libri notitia tota comprehenditur folio illo uno hodie adservato in bibliotheca Monacensi, quod pervenit a 28, 39, 16 ita videtur ad 28, 41, 12 quid perictdi, iisque quae ex eo enotavit qui post renatas litteras unus eum adhibuit Beatus Rhenanus a fine libri XXYI ad principium 1. XXX (plura enim Rhenanus certe in eo non repperit). Immo etiam vulgati libri quidam ea ipsa additamenta easque ipsas lectiones exhibent, quae Spirensi propria sunt, restatque indagandimi, quinam ii libri sint et quaenam eorum cum Spirensi coniimctio, a qua indagatione nemo est quin videat crisin decadis tertiae iam vel maxime pendere. Selegi igitur locos duos maiores, 27, 33, 5 P. Sulpicius c. 34, 14 taliaque argiienteni et 28, 39, 16 c. 41, 12 eum, quem ex Spirensi 33 modo dixi superesse, item minores aliquot 26, 41, 18 26, 48, 7

27. 20. 9 28. 13, 10 29, 6, 5 29, 28, 8 peculiaribus Spirensis lectionibus insignes, eosque ad eos Codices, quorum mihi copia fieret, recognovi. Contuli ipse Berolinensem n. 8 et Lugdunensem n. 12; contulerunt mea causa Parisinos (P et n. 1 7) Carolus Morel, Monacenses (S et n. 9. 10) et Bambergensem (n. 9) Carolus Halm, Xorimbergensem (n. 11) Henr. Gul. Heerwagen. Guelferbytanos (n. 13. 14) Otto ab Heinemann bibliothecarius, Dresdensem (n. 15) Schnorr a Carolsfeld item bibliothecarius, Yindobonenses (n. 16 21) Gulielmus Hartel, Oxonienses (n. 22 25) Maximilianus Mueller, Cantabrigiensem (n. 26) Henricus Bradshaw, Londinienses (n. 27 33) Gulielmus Wright. Yenetos (n. 34. 35) Edmundus Hedicke, Floren- tiaos (n, 36 51) et Senensem (n. 52) Aeneas Piccolomini, Neapoli- tanos (n. 53. 54) Gulielmus Corssen, Romanos (n. 55 73) alios

154 Analecta Liviana.

Rud. Scholl, alios lustus Jeep, Lipsiensem (n. 74) Rudolfus Hirzel, Augustanum (n. 75) Fr. Mezger, Matritenses (n. 76 81) Aurelianus Ferdinandus Guerra, Sangaliensem (n. 82) Henricus Reimer. In bibliothecis Taurinensi Ambrosiana Angelicana aliisque pluribus amici de ea re interrogati huius generis Codices extare negaverunt. Ulis viris optimis eruditisque, qui mea causa libros inspexerunt, et ego ex intimo corde gratias ago et agent opinor quicumque bis utentur; nam ut hasce copias non mihi paravi, sed Liviani operis recognitoribus futuris, ita et ipsae non tarn meae sunt quam ami- corum, neque aliam praedicationem eo nomine appeto nisi fortasse felicitatis, quod amici mihi sunt tam in patria quam apud exteros plurimi et praestantissimi.

Yaria lectio haec ad orthographica non respicit exceptis duobus libris primariis Puteano et Spirensi.*)

69 Haec trado iis, qui Livium aliquando ita recognoscent, ut

recognoscatur oportet auctor historiae Romanae inter Latinos longe Primarius, sed nihilominus ut ingenio cum aliorum tum Madvigii praeclare expurgatus, ita in decade certe tertia adhuc iusto apparatu destitutus. Erit spero inter gnavos adulescentes , qui saepe hodie quid agant pro bono communi circumspiciunt et a magistris ex- quirunt, qui hoc specimine incitatus ad ipsum negotium sese ac- cingat.**) Equidem opitulari volui crisi Livianae, non in ea facienda, quae meae vires sunt, ipse operam collocare. Nihilominus pauca adiciam, quo quid his copiis profectum esse videatur aliquatenus certe appareat.

Medio aevo qui Livii decadem tertiam descripserunt, pependerunt omnes a codicibus duobus, Puteano et Spirensi ^, quorum ille dudum

*) [Der nun folgende 'conspectus librorum' und deren varia lectio (S. 34 68) sind hier nicht wieder abgedruckt worden.]

**) [Die Aufgabe löste, Mommsens hier gegebenen Anregungen folgend, A. Luchs, Livi libri XXVI— XXX, Berol. 1879. Infolge genauerer Collation der Hss., als sie Mommsen zu Gebote stand, sind dort zwei Einzelheiten corrigiert worden; da aber nach Luchs' eignem Zeugnis p. IUI Mommsens Scharfblick den richtigen Weg gewiesen hat, so schien es wünschenswert, auch die folgende Darlegung zum Abdruck zu bringen.]

1) Sane fieri potest, ut quae iam indicabuntur cum Spirensi conspirantia non ex ipso venerint omnia, sed ex libro aut archetypo eins aut gemello. Sed pro ea quae adhuc est librorum Livianorum notitia hodie otiosum est talibus immorari.

Analecta Liviana. 155

ante quam hie innotuit. Discedunt igitur libri reliqui in summa re in duo genera, descriptorum ex solo Puteano eiusve exeraplaribus et eorum. qui plus minus traxenmt ex Spirensi. Illud autem genus ipsum bipertitum est exemplarium sincerorum et interpolatorum. Ad illud pertinent libri antiquissimi quique, imprimis n. 66 Yati- canus Reginae n. 762 saec. IX; n. 9 = Bambergensis et n. 36 Lau- rentianus uterque saec. XI; n. 1 = Parisinus saec. Xu, omnino quotquot superant saeculum XIII. Huius tamquam mala nota est insignis interpolatio loci in Puteano hiantis 26, 41, 18, quae vocabulum arniaverat expulit et futili additamento hiatum celavit. Haec omnia missa facimus: neque enim utilitatem uUam habent praeterquam quod apographa illa antiquissima eam partem Puteani explent, quae antiquis descriptoribus praesto erat, hodie vero desideratur. Xobis videndum est de Spirensi et hoc aliquatenus certe demonstrandum, quibus modis ex codicibus deterioribus Spirensis lectio, ubi neque ipse superest neque Rhenani de eo testimonium suppetit, einii possit. Qua de re haec potissimum tenenda sunt.

1. XuUus liber extat aut certe inter adhuc examinatos nullus repertus est, qui Spirensem librum accurate et plene reddat. Exempli causa 26, 48, 7 lectio Spirensis libri que tectus classis corrupta ea, sed ut a vero praefectus classis propius absit quam Puteani lectio que classis, in nostrorum librorum nuUo comparuit. Itaque quos mox videbimus Spirensem librum aut contulisse aut descripsisse, conferentes non adnotavei-unt quae inutilia sibi viderentur, describentes 70 autem cum alterum exemplum vulgare item praesto haberent, in locis vitiatis passim hoc praetulerunt.

2. In margine codicis Laurentiani LXYIII, 21 saec. XTTT, nobis n. 37 quae leguntur, profecta sunt ex codice Spirensi. Exempli causa 28, 41, 8 cum pro vero accingeris Puteani in Spirensi sit haec ingeris^ id ipsum adscriptum est ad cod. 37, neque eins lectionis vestigia praeterea reperiuntur in nostris nisi in tribus libris 55 sive Yaticano 1S47 saec. XIII, 48 sive Laurentiano LXXXIX inf. 3^ saec. XY, 63 sive Palatino 876 saec. XY.*) Ex hisce Yaticanus cum a prima manu habeat hec ingeris accingeris, aperte fluxit ex libro Laurentiani simillimo, cuius et primariam et secundariam lectionem Yaticani scriptor coniunxerit: id quod alibi quoque in eo codice factum est, ut in loco de quo statim dicemus 28, 40, 9. Solam Spirensem, licet corruptam habent duo libri reliqui 48 (hoc

*) [Über die letztere Hs. handelt , an Mommsen anknüpfend , H. Nohl im Hermes 3, 187-5, S. 243 ff.]

J56 Analecta Liviana.

ingeris) et 63 (ingeris). Similiter in loco 28, 13, 10 ipsam corruptelam praelio quod, quam ex Spirensi enotavit Rhenanus, ex nostris tres tantum libri proponiint, nempe iidem duo 48 et 63 et praeterea n. 65 sive Urbinas 424 a manu prima, PauUo mutata, nempe prelio quo, legitur in libris duobus supra dictis n. 37 in margine et n. 55, interpolata in prelio equo in aliis novem (5. 13. 17, 20, 24. 41. 57. 68. 78), Quae cum ita sint, ante omnia necessaria erit secundariarum codicis Laurentiani lectionum plena et accurata enotatio; praeterea autem Yaticano quoque libro collato opus erit, Nam non ex ipso Laurentiano eum descriptum esse inde colligitur , quod non raro Spirensia habet in ea margine aut non reperta aut aliter tradita. Ita 28, 41, 1 cognoscere, quod errore legitur in Spirensi pro ignoscere, adest in Yaticano a manu prima, cum non sit in margine Laurentiani; item paullo post verba in Spirensi solo servata bono publico praeponam recte habet Vaticanus, perponam errore scribit Laurentianus. Etiam libri duo 48 et 63 quamquam pro Spirensi lectione passim Puteanam habent vel ex Puteana immutatam, hie etiam inter hunc et sequentem ordinem nescio quomodo medius stat, fortasse cum aliquo fructu excutientur. Contra novem illi libri, quos vidimus consentire in lectione interpolata prelio equo, cum longius absint a communi origine, tuto praetermitti poterunt, cum praesertim etiam aliis locis iidem fere libri consentiant in lectione ex Puteana et Spirensi contaminata. Sic 28, 40, 2 aliter id fieri P, id aliter finiri S, aliter id finiri et 48. 55 et 5. 17. 20. 41. 57, 65, 68, 78, Item 28, 40, 9 et mea ratio P. 37*, aemulatio S. 37'', uel emulacio et mea ratio 55", uel emulatio 5, 13, 17, 20. 41, 55^ 57, 68. Tam hos autem quam praedictos (37^, 48. 55, 63) inter eos, quibus omnino affinitas est cum Spirensi, propriam familiam efficere cum alia argumenta sunt tum maxime quod excepto uno libro infimae aetatis 41 additamento insigni, quod ad 26, 41, 18 suppeditat liber Spirensis, hi omnes destituuntur eoque tamquam vinculo arte inter se copulantur, Descendunt opinor haec antiquae scripturae testimonia ex Spirensis libri relectione instituta non ante saeculum XIII ita, ut magnum illud additamentum cum margo non reciperet, aut omitteretur aut seorsum perscriptum postea periret, Laurentiano adscripta varia lectio num universa Spirensi accepto ferenda sit, ab ulteriore examine pendebit; in specimine quod mihi praesto est diversae originis indicia non repperi,

3, Quod si reliquos libros examinamus cum Spirensi aliqua ratione coniunctos, qui sunt fere magnum illud additamentum habentes numero quinque et viginti, sed ut ad sex eorum id manus secunda demum adiecerit, statim intellegitur , id quod consentaneum est.

Analecta Liviana.

157

utriusque familiae lectionum contaminationem per gradus crevisse et cum nullus über extet a leetionibus Puteani immunis, alios per- pauca ex Spirensi traxisse, alios plura, alios denique ita comparatos esse, ut multo saepius cum Spirensi quam cum Puteano faciant et quidquid ad illius notitiam ex hoc quidem librorum genere colligi possit, exemplaribus non ita multis contineatur, quibus determinatis reliqua recte omittentur. lam ut intellegatur hi libri quinam sint, selectis leetionibus quibusdam libri Spirensis minus vulgaribus Codices adscripsi, in quibus praeterea invenirentur. Adscripsi item potiorum ordinis prioris librorum (scilicet 37''. 48. 55. 63) numeros, ut utraque familia quatenus Spirensis proprietatem repraesentet ex hoc indice quatenus pervenit uno obtutu comprehendatur. Asteriscum ubi adieci, codex is de quo agitur lectionem Spirensem habet paullum immu- tatam.

9 r

nagis P, astu 19 magis S

*25

27b 28

32 34

*43

*47

50

5 l

). P, procos. S

27b

32 34

43

47

50

4 c

•areret P, caruerit S

28

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18 B

ilia eis P, alii aliis S

25

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*32 34

43

47

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Draeberi P, prae- bere S

28

34

43

50 57

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ena P, dece S, decem:

28

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;sse P, om. S

28

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43

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50

12 .

iliter id fieri P, id aliter finiri S

28

32 34

43

47

50

tnsportaret P,

25

28 29b 34

43

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50

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4

jerta iam P, iam certa S

28

32 34

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47

io\

ipud populum P, ad populum S

32 34

43

47

50

13

am uiuendo non P, uidendo iam non S

34

58

W

Darta P, parata S

28*29» 34

43

47

50

1

gnoscere P, cog- noscere S

43

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i y,

-em publicam P, re

25

28 29b32 34

43

47

50

imperatorum S,

rem imperatorum :

>,3

D. P, om. S

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50

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nifficiamuspraeben- dis P, prebendis sufficiamus S

28

32 34

43

47

50

64 69 73

64

73

73

»65

65 73

74

74

73

accedunt ex ordine prior e: 37«> 63

63 63

*48*5d 63

63

37b 48 55

37»> 48 55b 48 55» 63

48 »63

I

j^58 Analecta Liviana.

Codices igitur, qui in cognatione cum deperdito Spirensi prae reliquis eminent, sex numero sunt hi: 28 = Londiniensis Burn. 198; 32 = Londiniensis Harleianus 2781; 34 = Marcianus 364; 43 = Lauren- tianus LXIII, 17; 47 Laurentianus XIX sin. 8; 50 = abbatiae Florentinae, praecedenti simillimus. Descendere autem videntur ab exemplari descripto ex ipso Spirensi;*) aliter enim vix explicari poterit, qui factum sit, ut hunc potissimum sequantur non solum ubi errat, sed etiam in vocabulorum omissione et verborum collo- catione similibusque aliis, quae descriptorem, non recognitorem arguunt. Denique duplicium lectionum vix ulla vestigia in bis repperi. Sed ut qui primarium huius familiae librum exaravit ipsum Spiren- sem descripserit, idem item adhibuerit necesse est exemplum alterum familiae diversae. Nam ut mittam quibusdam locis Spirensem lectionem in nullo huius ordinis libro comparere (ut in loco supra p. 70 [155] tractato 28, 41, 8 haec ingeris nuUus eorum habet, sed omnes cum Puteano accingeris), ipsum illud additamentum ficticium ad 73 26, 41, 18, quo interpolata Puteani exempla tamquam mala nota distingui diximus, etiam in his libris omnibus ita adest, ut verum additamentum ex Spirensi desumptum ficticio illi medium inseratur. Quam ob rem huius familiae ipsum archetypum exemplar contami- natum fuit ex Puteanae recensionis interpolatae aliquo et ex Spirensi, sed ut Spirense describeretur, alterum hie illic inspiceretur. Exem- plaria deinde ex hoc archetypo propagata passim immutata sunt ita, ut alterius ordinis lectio Spirensi substitueretur ; multis enim locis, ut supra vidimus, in aliis huius ordinis libris Puteana lectio reperitur, in aliis remansit Spirensis. Primarius autem inter huius familiae libros est opinor is qui et temporis ordine primus est scriptus a. 1389 n. 34 Marcianus omnium rarissime a Spirensi re- cedens; ita 28, 40, 13 genuinam Spirensis lectionem uidendo iam non solus fere exhibet, cuius loco reliqui huius familiae 28. 32. 43. 47. 50 substituerunt lectionem uiuendo iam non Spirensi ad Puteanam (iam uiuendo non) emendata. Quamquam Marcianus quoque 28, 4 1 , 1 verum ignoscere Puteani recepit, non errorem Spirensis cognoscere servatum in libris duobus Laurentianis scriptis a. 1421 et 1455. Praeterea is a quo hi libri originem ducunt verba non raro sua coniectura emendavit vel interpolavit. Ita 28, 13, 10 cum in Spirensi repperisset numqnam praelio quod insequenfis^ in exemplaribus ex Puteano derivatis aliquotiens sequentes (om. numquam), coniectura non infelici reposuit numquam aliquot; sie enim libri 28. 32. 34. 43.

*) [Dies ist von Luchs S. XV ff. widerlegt worden.]

Analecta Liviana. < 159

47. 50 praeter alios non paucos ex contaminatis. Item 28, 40, l pro P. Scipioni in quattuor eonim 2S. 32. 34. 43 est P. Cornelio Scipioni et paulo post pro finiendum in omnibus 2S. 32. 34. 43. 47. 50, item in 46 dif finiendum ^ a qnibus interpolationibus et PS immmies simt et reliqui libri omnes. Quam ob rem etiam optimi quique huius stirpis libri vel adeo omnes consentientes caute ad- hibendi sunt, cum lectio huic familiae propria tam ex interpolatione profecta esse possit quam ex codice Spirensi. Ceterum longe plenius haec familia quam quae praecedit Spii-ensis deperditi proprietatem repraesentet necesse est, si quidem non a recognitione eius pendet, sed ab exemplari saeculo opinor XTV" exeunte inde sumpto.

4. Denique dicendum est de ratione quae intercedit inter ordines duos quos posui priorem ortum ex recognitione Spirensis codicis repraesentatum libris nostris 37 **. 48. 55. 63 et posteriorem pendentem ex codicis Spirensis apographo passim interpolato repraesentatum libris nostris 28. 32. 34. 43. 47. 50. Ante omnia ne quis statuat priorem ordinem non pendere ex ipso Spirensi, sed ex exemplari aliquo ordinis posterioris, examinatis singulis reperiet prioris ordinis testimonia et differre magnopere ab altero et fere bis praestare. Ita supra iam monuimus 28, 41, 8 lectionem Spirensis liaec ingeris 74 a priore ordine satis accurate servatam in posteriore nusquam reperiri; item 28, 13, 10 optima quaeque prioris ordinis exempla corruptelam Spirensis accurate repraesentare, posterioris ordinis libros lectionem substituisse ex duplici tradita ingeniöse effectam. Similiter 27, 34, 1 [?] yerba a solo Spirensi servata plena leguntur in ordinis prioris libris quibusdam, in posterioris omnibus dimidiata. Unus autem über singulari casu utrumque genus in se recepit, scilicet 63 = Palatinus S76. Prioris hunc ordinis esse dubitari non potest, cum propter lectiones tum quod additamento primario (26, 41, 18) caret: sed tam multa recepit ex ordine posteriore priori praeterea plane ignota, nt qui archet^'pum eius exaravit duo exemplaria ha.buisse videatur, alterum prioris, alterum posterioris ordinis et cum illud descripsisset, ex hoc quaedam adnotasse. Sane vel propter hanc peculiarem libri condicionem optandum est, ut qui haec studia in se suscipiat eum quoque licet fortasse memorabilem magis quam vere utilem diligenter inspiciat. Liviani annales quid profecturi sint ex eiusmodi labore certe ingenti, hodie divinari non potest; Spirensis tamen libri l'3ctio multis locis sperandum est fore ut certa ratione recuperetur, modo recte posuerimus praeter Rhenanum duobus testibus nos de €0 uti recognitore et descriptore. Nam cum ipsi testes nequaquam exceptione maiores sint, consensus eorum aliquantum ponderis habebit.

XVII.

Zu Livius.*)

304 In einer Kölner Handschrift (W der Krügerschen Ausgabe^ der

Institutiones Justinians aus dem 12. Jahrhundert findet sieh zu 2, 1, 34 folgende Glosse:

Protagenes Ätheniensis fuit, Livius (so) ab urhe condita tesfante, qui pernimium diligehat Apellem (iusta Athenas stans am Rande von erster (?) Hand). Apellis enim solus Alexandri faciebat picturam.

Die Notiz beruht auf Plinius h. n. 35, 10, 81. 85, und die Verwechse- lung seines Namens mit dem des Livius ist nicht ungewöhnlich; auffallend aber die Bezeichnung der Annalen desselben mit dem richtigen Titel.

*) [Hermes 3, 1868, S. 304.]

XVIII. Zu Livius.*)

Livius giebt im Allgemeinen bei den Schätzungen, die er be- 129 richtet, die Ziffer des Lustrum nicht an; eine Ausnahme machen, so weit die uns erhaltenen Bücher reichen, nur die folgenden zwei Stellen:

3, 24 bei dem J. 295: census . . . perßcitur idque Ittstrum ab origine tirhis dechnum conditum ferunt.

10, 47 bei dem J. 461 : lustrum conditum eo anno est a P. Cor- nelio Arvina C. Marcio Rutilo censor^ms . . . censores vicesimi sexti a primis censoribus, lustrum undevicesimum fuit.

Die bereits in einer Anzahl jüngerer Handschriften begegnende und in neuerer Zeit von Huschke (Serv. Tüll. S. 520) wieder in Schutz genommene Yerbesserung lustrum inde mcesimtim fuit ist zweifellos richtig, wenn gleich sie weder von Hertz noch von Madvig auf- genommen worden ist. Zunächst ist das Lustrum des Jahres 461 den Fasten zufolge nicht das einundzwanzigste, sondern das dreissigste, wenn von Anfang an, und das zwanzigste, wenn von der Einsetzimg der Censur 311 gezählt wird; denn das Lustrum von 311 folgt un- mittelbar auf das des J. 295 und ist das elfte. Livius kann aber auch weder den Ausgangspunkt der Zählung unbezeichnet lassen, 130 da er ihn sowohl in der Parallelstelle 3, 24 wie in der Stelle selbst für die Censoreri ausdrücklich angiebt, noch ist es wahrscheinlich, dass er rein willkürlich hier die Lustrenziffer beigefügt hat, während er sie sonst regelmässig weglässt. Vielmehr wird man annehmen müssen , dass er. vermutlich nach dem Vorgang älterer Annalisten, clie Lustrenziffern von zehn zu zehn angemerkt hat, ähnlich wie in c en capitolinischen Fasten die Jahreszahl ab urbe condita bei jedem

*) [Hermes 1, 1866, S. 129 130.]

MOMMSEN, SCHR. VII. H

ik

Jß2 ^" Livius.

zehnten Jahre angemerkt wird. Dieser Annahme steht wenigstens nichts im Wege. Denn das Fehlen des zwanzigsten Lustrums, das die capitolinischen Fasten bei dem J. 391 verzeichnen, erklärt sich daraus, dass Livius diese Censoren überhaupt aufzuführen vergessen hat. Das vierzigste Lustrum, das des J. 520, fällt in das verlorene zwanzigste Buch der livianischen Annalen. Über den Census des fünfzigsten Lustrums berichtet Livius zwar im vierzigsten Buch aus- führlich, das Lustrum desselben aber, das in der capitolinischen Tafel unter 575 verzeichnet steht, muss er seiner Weise gemäss (C. I. L. I p. 566 [= I 1 2 p. 33]) unter dem J. 576 gemeldet haben, in dem es stattfand; und diese Notiz ist mit dem Anfang des ein- undvierzigsten Buches untergegangen. Endlich über das sechzigste Lustrum des J. 629, das letzte decennale, das in den Bereich der livianischen Annalen fällt, handelte Livius in dem sechzigsten Buch, das ebenfalls verloren ist.

XIX.

Anecdoton Livianum.*)

[Liuius lihro uicesimo. P. Celius patricius primus 372 aduersus ueterem morem intra septimum cognationis gra- duni dtixit uxorem. oh hoc M. Mutilius pleheius sponsam sihi praeripi nouo exemplo nuptiarum dicens sedicionem populi concitatiit adeo ut patres territi in Capitolium per- fug er ent.]

Ex periochis Livianis quas habemus cum constet comprehensas fuisse T. Livii annali XX res gestas ab anno urbis conditae DXIII ad annnum DXXXV, qui proxime praecessit eum quo coepit bellum Hannibalicum , ad id tempus referre licebit rixam eam, de qua 373 agitur, de puellae cuiusdam sponsalibus inter patrieium hominem plebeiumque natam indeque ortam civium dissensionem senatusque in Capitolium fugam. aliunde eins rei notitia nulla ad nos pervenit, neque facile id quod iani didicimus recte percipi et plene intellegi, quas

*) [Hermes 4, 1870, S. 372— 376. Diesem Aufsatz unmittelbar vorausgeht eine Mitteilung von Paul Krüger, aus der das zum Verständnis des Mommsen- 8'jhen Aufsatzes Notwendige hier abgedruckt ist: „Cum in codice Parisiensi Latino 3858 C (saec. XII exeuntis) quaererem quasdam constitutiones codicis lastiniani, quas ibi legi Biener (Beiträge zur Revision des Justin. Codex p. 230) docuit, praeter expectationem incidi in fragmentum quoddam Livianum. in coUectionis enim canonum secundum rerum ordinem eompositae, quae folia 1 55 ojcupat duabusque partibus eonstat parte priore capitum CCCCLXXXII, quae titulo caret (.altera autem inscripta de ordine accusacionum XCVIII habet capita), qaattuor occurrunt capita generis diversi ab reliquis, quae sunt excerpta ex decretis conciliorum et Romanorum pontificum epistulis. quorum quattuor capitum tria (CCCCXVIII CCCCXX) exscripta sunt ex codice lustiniano cum praescriptione hac 'ex quinto libro regum'; quartum caput, quod in codice habet nimerum CCCCXVII, infra posui." Es folgt dann das von mir zur Bequemlichkeit dtar Leser oben in den Text gesetzte Anecdoton, an das sich, nach wenigen Bemerkungen Krügers, der oben abgedruckte Mommsensche Aufsatz anschließt.]

11*

164

Anecdoton Livianum.

subieci observationes demonstrabunt. nani quae insperato emersit narrationis plenae et iustae summa et obscura et exilis cum quae- stionem unam solvat, plures movet.

I. Ad originem huiusce äjioojiaafxariov definiendam non habeo quod afferam, nisi quod in memoriam revocavit perioehae, quae inter nostras prima est, condicionem singularem, nempe ita comparatae, ut libri primi brevem summam sequatur altera aliquanto magis pro- lixa. videntur igitur Livianorum annalium duae certe summae ex- titisse, quas contaminare coepit librarius is a quo proficiscitur peri- ocharum recensio hodie superstes. fieri igitur potuit, ut ecclesiastici corporis cuiusdam conditor in summam Livii uberiorem incideret et inde excerperet quod a monacho non alienum esse putaret. cete- rum iuris canonici periti ut in corporis, quo Liviana haec continentur, originem diligenter inquirant, nomine philologorum publice ab iis petimus ^.

II. Qui nominantur duo homines P. Celius patricms et M. Rtdi- Ims pleheius, eorum primum vere dici P. Cloelium paene certum est. gentes enim patricias, quae quidem ad sextum usque saeculum duraverint, omnes nobis innotuisse credibile est neque ulla est inter eas praeter Cloeliam, quae ad traditam lectionem prope accedat; Cloelius autem vocabulum librariis minus notum alibi quoque, ut apud Livium 40, 42, [1] et Valerium Maximum 1, 1, 4 et Diodorum

374 15, 57, [1] aut in omnibus aut in deterioribus libris invenitur similiter corruptum. denique Publii praenomen Cloeliis recte convenit; nam nominantur P. Cloelius Siculus tribunus militum cos. pot. a. u. c. 376 (Liv. 6, 31, [1]; Diodor. 15, 57, [1]) et eiusdem nominis vir flamen Dialis creatus a. u. c. 574 (Liv. 40, 42, [11]; Val. Max. 1. c); quorum nihil obstat quominus is de quo agitur alterius nepos proneposve

1) Litteraturae iuris canonici peritissimus Maassenus antecessor Gratzensis per litteras a me interrogatus , quid de hac sylloge comperisset, rescripsit eam se repperisse praeter Parisinum in tribus codicibus bis: Monacensi 22289 saec. XII; Sangallensi 676 saec. XII; Ambrosiano C 51 sup. saec. XII eandemque comprehendi videri secundum ea quae leguntur in Archivio Pertzii vol. 7 p. 179 item codice adservato Engelbergi in Helvetia I */2. in Monacensi Sangallensi Engelbergensi syllogae praescriptum esse sie: incipiunt ecdesiasticae regulae ex sententiis sanctorum patrum defloratae, a legatis ipsius sedis apostolieae in Gallias pro ecclesiasticarum dispositione causarum portatae. accuratius de ea adhuc sibi non constare: plurima tarnen inesse ex commenticiis Isidorianis quae feruntur desumpta itaque antiquioribus iuris canonici corporibus eam nequaquam ad- numerari. Qua epistula accepta Halmium meum precibus adii, ut Monacensem librum mea causa inspiceret; quod cum fecisset, renuntiavit eum rautilum esse in fine neque ea de quibus agitur eo contineri.

Anecdoton Livianum. 165

fuerit, alterius pater vel avus. Rutiliorum autem plebeiae gentis liaec fortasse antiquissima memoria superest; nam reiecto corrupto loco Livii 4. 47, [7] nullus eins nominis quod sciam nominatur ante P. Rutilium tribunum plebis a, u. c. 585 (Liv. 43, 16, 3. 44, 16, S). praenomen Marci ab ea genta septimo saeculo incipiente usurpatum esse intellegitur ex Cicerone de orat. 1, 40, ISl, ubi commemoratur P. Rutilius M. f. tr. pl. a. u. c. 61 S. neutrum hominem alibi apud auctores qui supersunt nominari ex supra dictis intellegitur.

III. Matrimonia olim vetita fuisse inter eos. qui sexto propioreve gradu cognatione iungerentur recte Klenzius^ eollegit cum ex Plu- tarcho q. R. 6. ubi negat apud veteres Romanos licitum fuisse inter cognatos matrimonium ita. ut id componat cum iure osculi, quod pervenisse usque ad sobrinos (i^avey-'tovgj Polybius ait (6. 2, 6 Dind.), tum ex argumento eo, quo L. Yitellius Claudii imperatoris amicus apud Tacitum (ann. 12, 6) novum patrui cum fratris filia coniugium defendit: et sohrinarum diu ignorata tempore addito percrehruisse. a quo loco omnino alienum esse sobrini vocabuli usum vulgarem, quo qui proprie consobrinus est ita significatur, et recte monuit Klenzius et iam qui Klenzio non crediderunt, credent Livio. nam aperte eam ipsam annalium narrationem, cuius ex Parisino libro aliquam summam recuperavimus, respexit sive Tacitus sive Yitellius 2, cum ait sobri- narum matrimonia olim vetita postea in usu esse coepisse. hoc autem novi attulit summa Parisina intra sextum gradum nuptias primum admissas esse lege lata inter a, 513 et 535, id est eodem fere tempore, cui primum apud Romanos divortium plerique auctores adscribunt. lege enim ad eam rem, maxime ea aetate, opus fuisse et aliuude constat et colligitur ex ipsa Liviana narratione. nara novi exempli matrimonium qui aegre ferebant, apparet incusasse propterea non tam eum. qui primus intra septimum gradum cognatam duxisset, 375 quam ipsum senatum, quippe ex cuius auctoritate tum de omni re ad populum plebemve ferri soleret.

Hoc superest quaerendum. quemnam abrogato sexto lex ea gradum vetiti matrimonii finem fecerit, quem puto fuisse quartum. nam Plutarchus 1. c. ait sero (oipe) admodum coniugia inter conso- brinos admissa esse occasionemque addit iuris mutati; nimirum cum a marito quodam paupere, qui consobrinam locupletem pro uxore

1) In ephemeride iuris Savigniana 6, 17 seq. 1<X).

2) Collatis iis quae Seneca lusit in a:ioxoi.oxvvT:<i}oei c. 8 satis constat talia fere, qualia disserentem Tacitus inducit Yitellium vere a nuptiarum novi generis patronis in senatu prolata esse.

Ißg Anecdoton Livianum.

duxisset, rem eius mulieris tamquam non factam uxoriam cognati mulieris peterent, populum de ea re indignatum matrimonia inter consobrinos rata esse iussisse. quae lex quamquam ignoratur quo tempore lata sit ^, tarnen Plutarchi narratio satis ostendit aliquamdiu liciti matrimonii fines constitisse in gradu quinto, scilicet ab initio inde saeculi sexti usque ad latam legem eam quae quarto gradu cognatorum matrimonia admisit. similiter Ulpianus^. antiquiora aut ignorans aut praetermittens, liciti matrimonii finem ait fuisse olim gradum quartum, donec imperante Claudio a. p. C. 49 aliquatenus accederet tertius.

IV. In narratione supra proposita ofFensionem habet patricii plebeiique commemoratio. causa offensionis non tarn ea est, quod ea aetate controversiae inter patricios et plebeios sopitae fuerunt privilegiis illorum sublatis; nam etiam post legem Hortensiam c. a. u. c. 465 latam, quae iuris communicationem perfecit, altercationes maxime ex privatis causis inter utrosque nasci potuisse nemo negabit neque obliviscemur Sallustii gravis auctoris asseverantis ^ discordiariim et certaminis ufrimque finem fuisse secundum hellum Punicum. sed hoc quaerimus, cum propter controversiam hanc appareat non solum 376 homines, sed etiam ordines dissedisse (nam sane non sine causa adicitur iuris mutati auctorem patricium fuisse, vetusti usus vindicem plebeium, neque improbabile est ad hanc ipsam controversiam respexisse Sallustium loco modo citato), hoc dico iure quaerimus, qua ratione eius modi res ad ipsos ordines pertinuerit. lege enim nuptiali cum cives quicumque essent tenerentur, quid ad rem sponsum destitutum ex plebe fuisse, nuptiarum ereptorem patricium? num aliter res processisset, si uterque patricius fuisset vel uterque ple- beius? sane nuptiarum ordinatio legitima pars fuit iuris gentilicii olim mere patricii et cum plebeiis ita communicati, ut proprie etiam postea ad patricios pertinere videretur; quapropter eius iuris immu-

1) Lata sit necesse est tempore belli Punici secundi, si vere rettulit Livius 42, 34, [3] ad a. u. c. 583 de eiusmodi matrimonio eo tempore iam vetere. sed exigua auctoritas est eiusmodi narrationum non rerum ordiue, sed in orationibus obiter prolatarum videturque tam ipsius Livii silentium, cuius per hoc spatium annales supersunt integri, quam Plutarchi temporis indicatio eo ducere, ut quarti gradus adsumptio septimo saeculo potius quam sexto adscribatur.

2) 5, 6: intei' cognatos . . . ex transversa gradu olim quidem usque ad quartum gradum matrimonia contrahi non poterant: nunc autem etiam ex tertio gradu licet uxorem ducere. ex opposito intellegitur ante Claudium finem vetiti matrimonii fuisse tertium gradum, quartum autem ab ülpiano non includi olim vetitis, sed excludi ; quo posito convenit ei cum Plutarcho. cf. Zimmern Rechtsgesch. 1, 550.

8) bist. 1, 9 Dietsch. [1, 11 Maur.]

Anecdoton Livianum. 167

tatio a patricio homine ita profecta, ut plebeium gravaret, univeraam plebem exacerbare debuit, crediderim tarnen aliud quiddam subesse gravius et magis proprium, quod iam sive propter narrationis obscuri- tatem sive propter iuris antiquissimi exilem notitiam non satis adse- quamur.

y. Unum superest, de quo moneamus, dico seditionem populi ea aetate, qua adhuc putavimus plebem in eiusmodi motibus a vi abstinuisse neque ultra processisse, ubi ad extrema ventum esse nderetur, quam ut secederet vel in sacnim montem vel in laniculum; qui finis fuit ipsius seditionis Hortensianae a. 467. certo mirabuntur renim Romananim gnari, ubi legent de fuga senatorum ex curia in Capitolium propter seditionem populi propediem cum Hannibale dimicaturi. sed ut mirandi causa iusta est, ita nulla est dubitandi.

XX.

Theodor! Mommsenii

epistula

[de Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium].*)

XVIII Quod ea quae de Romanorum prodigiis notatu digna inuenerim

tecum communicari cupis, equidem libens tibi satisfaciam. quamquam enim eis qui in hanc rem accuratius inquisiuerunt uix noui quicquam a me prolatum iri putauerim, tamen ad has laceras magni Liuiani operis reliquias recte aestimandas et in usum uertendas haud inepte hie potissimum monebitur, ea prodigia, quae publice Romam nuntiari et per sacerdotes Romanos expiari fas erat, in agro publico obseruata fuisse neque uUam aliam ob causam publice procurata esse, nisi quod rei publicae eins agri quem possidebat expiandi officium incum- bebat, haud secus atque priuati portenti procurationem quiuis priuatus in se suscipere debebat (Liu. v, 15, [6]). haec ita esse Liuii uerba aperte demonstrant (xxxxiii, 1 3, [6]) duo non suscepta prodigia sunt, alterum, quod in loco priuato factum esset palmam enatam impluuio suo T. Marcius Figulus nuntiabat , alterum, quod in loco peregrino: Fregellis in domo L. Atrei hasta . . . arsisse . . . dicehatur; cum eodem tempore publica prodigia procurata esse narret, quid quod Constantinus Imperator a. cccxxii hunc in modum rescripsit (cod. Theod. XVI, 10, 1): si quid de palatio nostro aut ceteris operihus XVIIII puhlicis degustatum fulgore esse constiterit ; retento more ueteris obser- uantiae quid portendat ah haruspicibus requiratur. quo pertinet quod Liuius (xxxxv, 16, [5]) cum ait Calatiae in publico agro M. Valerius ciuis Romanus nuntiabat ex foco sanguinem . . . manasse, addit in

*) [In: T. Livi ab urbe coudita librorum CXLII periochae. lulii Obsequentis ab anno urbis conditae DV prodigiorum liber. Recensuit et emendavit Otto Jahn. Lipsiae 1853, S. XVIII XXVI.]

De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium. 169

jjuhlico agro^ quia facile quis hoc in agro priuato accidisse suspicari posset. unde apparet in corrupto Obsequentis loco p. 120, 14 in Ornecosiasi scribendum, neque uero quod traditum est in agro Corteisi ita emendandum esse, ut hominis priuati nomen reponatur. illud uero uix opus est monere, quae modo obseruata sunt eis prodigiis non adhibenda esse, quae ad mythica tempora pertinent; neque quemquam fallet, miraeula quaedam, quae prodigiorum naturam referre uidebantur, ab annalium scriptoribus narrata esse, quamquam ea aut omnino aut certe publice non procurabantui-. quodsi Aetnae incendium aut insula Lipara mota procurata esse inuenimus (p. 1 18, 6. 119,5. 121,10), ea re nihil aliud probatur nisi terrore commotos Romanos fecisse, quod ut facerent iure non cogebantur. neque uero si Obsequens de lacus Fucini (p. 118, 13) Padique (p. 124,5) inundationibus, de Regii incendio (p. I 1 8. 22) et Cyrenis peste uastatis (p. 121, 20) refert, inde colligere licet haec publica fuisse prodigia. et mihi quidem ueri simile uidetur, Obsequentem simili atque Orosius ratione cxcerpta sua eum in finem conposuisse, ut christianonim temporum felicitatem ethnicorum inmanibus prodigiis inlustraret. porro neque id mirura accidere potest praeter prodigia publica ab annalium scriptoribus miraeula cuiuscumque generis relata esse, quae hominum mentes in se conuertebant et fortasse per legatos Romam nuntiabantur. ita inter ea quae Liuius xxnii, 10, [6 seq.] post pugnam Cannensem narrat distinguere licet prodigia nuntiata et uulgaria miraeula, quorum quod in Sicilia accidisse traditur, publice certe expiandum non erat.

Quae si recte posita sunt, apparet ea quae de prodigiis referuntur eam utilitatem habere, ut inde de agri publici finibus XX coniecturam capere liceat. quamquam in tanta rerum minutanim, quae in hac quaestione alicuius momenti esse possunt, atque ex- ceptionum multitudine omnia ad liquidum perduci nequeunt, praesertim cum plenam omnium prodigiorum notitiam conponere neque per temporis angnstias possim nee. si possem, uellem. neque tamen prorsus operam lusisse uidebor. si Liuio et Obsequente ducibus pro- digia locorum ratione habita recensebo, qua in re dolendum est, prodigia quantum scimus ante annum dv publice non fuisse litteris ti-adita. hoc ex nostri libelli titulo siue subscriptione effici potest; Obsequens enim nulla alia de causa ab hoc anno initium fecisse patandus est. quam quod eo tempore pontificcs prodigiorum in annales r«jferendorum initium fecisse apud Liuium relatum inuenit. priorum temporum prodigia, quae cognita habere nostra uel maxime inter- esset, casu potius quam publica cura atque fide tradita esse uiden-

j 7Q De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium.

tur.*) similiter in hello sociali narrando Liuius scriptoribus eis usus esse uidetur, qui neglecta priscorum religione prodigia parum cura- bant, id quod ex ratione, qua prodigia eius temporis tradita inueni- mus, hodie quoque intellegi potest. quare ego intra bellum sociale subsistendum mihi esse putaui.

I. Neapolis Nola Nuceria Constantia ciuitates aequis conditionibus, ut satis constat, cum Romanis sociatae fuerunt et solae inter Italicas in fide permanserunt ne Hannibalico quidem bello excepto. unde coUigi potest hisce regionibus agrum publicum non fuisse: atque re uera prodigia nulla inde nuntiantur; nam Nuceria (p. 125, 1) nihil inpedit quominus Vmbricam aut Britticam esse putemus. Aenariae uero, quam Romanorum fuisse scimus donec ab Augusto Neapolitanis con- cederetur qua de re in libro de dialectis Italiae p. 198 dixi prodigium factum narratur p. 129, 20.

II. Coloniarura Latinarum agrum pro peregrino habitum fuisse Fregellarum exemplo confirmatum uidimus, sed cum Roma dedu-

XXI cerentur atque in agro publice conderentur, non multum ibi agri publici remansisse, ueri simile est quamquam uel uiarum publicarum causa aliquatenus seruari debuit. explicari iam potest, cur tam pauca inde prodigia nuntiata sint, cum tamen maximi momenti essent eorumque frequentissima mentio fieret. ex eis uiginti tres Signia Norba Circei Sora Interamna ad Lirim sita, Saticula Pontiae Cosa Paestum Beneuentum Aesernia Copia Yalentia Brun- disium Yenusia Luceria Pirmnm Cremona Placentia Aquileia Naruia Sutricum Nepet nusquam quod sciam in hac re commemorantur; quarum uero mentio fit, hae sunt

Alba Liu. xxviii, 11,[3].

Ardea Liu. xxxii, 9, [2]. Obs. p. 120, 2.

Ariminum Liu. xxxiiii, 45, [7]. apud Obsequentem p. 125] Ameriae scribendum uidetur.

Bononia Obs. p. 119, 7.

iur;

I

*) [Die Frage, wie es zu erklären sei, daß die Prodigien des Obsequens mit dem J. 505/249 einsetzen, ist seitdem viel behandelt worden, teils in einem der Mommsenschen Erklärung zustimmenden, teils in ablehnendem Sinne (so besonders von 0. Seeck, Die Kalendertafel der Pontifices, Berlin 1885, S. 67f.); die Literatur ist angegeben bei L. Wülker, Die geschichtliche Entwicklung des Prodigienweaens bei den Römern. Studien zur Geschichte und Überlieferung der Staatsprodigien Leipz. 1903, S. 58, 3. Mommsen selbst hat späterhin seine Ansicht modifiziert: s. Rom. Gesch. S. 461: ,Die von Gemeindewegen gesühnten Wunderzeichen scheint man erst seit der 2. Hälfte des fünften Jahrhunderts d. St. regelmäßig in die Chronik eingetragen zu haben."]

De Romanoruni prodigiis ad Ottonem Jahnium. 171

Cales Liu. xxiiii, 10, [7].

Fregellae Liu. xxvi, 23, [5j. xxviii, 11, [3]. apud Liuium XXXII, 29, [1] e Bambergensi Fregenae restitui debet; Obsequentis locus p. 128, 19 huc non pertinet, quia de prodigio anni dclx narrat, cum Fregellae a. dcxxviiii captae sint. Hadria Liu. xxxiiii, 45, [8]. de loco qui xxiiii, 10, [10] legitur p. xviiii [169] dictum est. fortasse Hadria ad Padum sita intellegenda est. (Setia apud Liuium xxviiii, 14 e coniectura parum probabili

legitur.) Spoletium Obs. p. 129, 22. de loco qui xxiiii, 10, [10] legitur p. X villi [169] dixi; Obs. p. 133, 17 huc non pertinet, quia de prodigio post bellum sociale nuntiato narrat. Suessa Liu. xxxii, l, [10]; 9, [3]. III. Yt de innumeris prodigiis taceam, quae Romae et in urbis uicinia e. g. Capenae (Liu. xxii, 1, [10]. xxvii, 4, [14]. xxxiii, 26, [8]), XXII Gabiis (Liu. xxiiii, 10, [9]. xxxxi, 16, [6]. Obs. p. 115, 27), Yeiis (Liu. XXVII, 37, [1]. xxxii, 9, [2]. xxxxi, 21, [12]. xxxxii, 2, [4]. Obs. p. 115, 4. 121, 19) accidisse narrantur, colonias tantum ciuium Roma- norum commemorabo, quarum prodigia tam frequentia referuntur quam infrequentia coloniarura Latinarum. coloniae uero ciuium Romanorum certae hisce temporibus solae maritimae haberi possunt, quas a. dxxxxvii Liuius xxvii, 38 recenset.

Ostia Liu. xxvii, 11, [2]. 23, [3]. xxxii, 1, [10]. Obs. p. 120, 15. Antium Liu. xxii, 1, [10]. xxviii, 11, [2]. xxx, 2, [9]. Obs.

p. 115. 26(?). Tarracina Liu. xxiiii, 44, [8]. xxvii, 4, [13]. xxviii, 11, [2]. xxviiii, 14, [3]. xxxvi, 37, [3]. xxxx, 45, [3]. Obs. p. 115, 5; 25. 118, 12. 120, 17. Minturnae Liu. xxvii, 37, [3]. xxxvi, 37, [3]. xxxxiii, 13, [3].

Obs. p. 120, 3. Sinuessa Liu. xxiii, 31, [15]. xxvii, 11, [4] cf. 37, [5]. xxxi,

12, [7]. XXXII, 9, [3]. xxxxi, 21, [12]. Puteoli Liu. xxxvii, 3, [2]. xxxxi, 9, [5]. Obs. p. 119, 1. Yolturnum Liu. xxxvi, 37, [3] cf. Obs. p. 132, 2. Croton Obs. p. 122, 7. Pisaurum Obs. p. 116, 3. 127, 14.

Saturnia Liu. xxxxii, 20, [5]. Obs. p. 122, 8 (?). 123, 2. Grrauiscae Liu. xxxxr, 16, [6]. Luna Obs. p. 117, 25. 120, 1. 125, 3.

j72 De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium.

IUI. Ciuitatum, quas ante bellum sociale ciuitatem adeptas esse aut certum aut ueri simillimum est, haud minus frequentia, ut par est, prodigia referuntur harum

Tusculum Liu. xxvii, 4, [11]. xxxvii, 3, [3]. xxxxi, 16, [6]. Lanuuium Liu. xxi, 62, [4]. xxiii, 31, [15]. xxiiii, 10, [6].

xxviiii, 14, [3]. XXXI, 12, [6]. xxxii, 9, [2]. xxxv, 9, [3].

xxxx, 19, [2]. XXXXI, 21, [13]. xxxxii, 2, [4]. xxxxv, 16, [5],

Obs. p. 115, 13. 117, 13. 126, 20. XXIII Lauinium Obs p. 118, 9.

Aricia Lia. xxii, 36, [7]. xxiiii, 44, [8]. xxx, 38, [9]. xxxv, 9 [3].

Obs. p. 117, 1. 125, 27. Frusino Liu. xxvii, 37, [5]. xxx, 2, [12]; 38, [9]. xxxi, 12, [7].

xxxii, 29, [1]. Obs. p. 116, 8. 117, 12. Priuernum Liu. xxvii, 11, [4]. xxxi, 12, [5]. xxxxii, 2, [4].

Obs. p. 115,29. 123, 1; 16. Formiae Liu. xxxii, 1 , [10] ; 29, [2]. xxxv, 21, [4]. xxxx, 2, [4].

Obs. p. 115, 25. Arpinum Liu. xxx, 2, [12]. Anagnia Liu. xxvi, 23, [5]. xxvii, 4, [12]. xxviiii, 14, [3].

xxx, 2, [11]. xxxxiii, 13, [3]. xxxxv, 16, [5]. Obs. p. 116, 7.

119,14. ,,

Sabini Liu. xxii, 36, [7]. xxiiii, 10, [9]. xxxi, 12, [6]. J

Reate Liu. xxv, 7, [8]. xxvi, 23, [5]. xxx, 2, [11]. xxxvii, 3, [3].

xxxx, 2, [4]; 45, [3]. xxxxiii, 13, [4]. Obs. p. 116, 9.

120, 13. 132, 19. Nursia Liu. xxxvii, 3, [3]. Obs. p. 124, 6. 126, 21. 127, 16. Eretum Liu. xxvi, 23, [5]. Amiternum Liu. xxi, 62, [5]. xxiiii, 44, [8]. xxxv, 21, [4].

xxxvi, 37, [3]. Obs. p. 117, 9; 19. 119, 12. 124, 11.

frequentissima quae hie accidisse referuntur prodigia

conieeturam per se satis probabilem confirmant, qua

Amiternum ante bellum sociale in ciuitatem receptum

esse putaut. Trebula Mutuesca Obs. p. 124, 15; 23; 30. Yenafrum Obs p. 128, 2. Caere Liu. xxi, 62, [5]. xxii, 1, [10]. xxvii, 23, [3]. xxviii,

11, [3]. XXXXI, 21, [13]. Obs. p. 116,4. 117, 11; 20 (?).

127, 28. Cumae Liu. xxv, 7, [8]. xxvii, 23, [2]. xxx, 38, [8]. xxxxiii,

13, [4]. Obs. p. 130, 1. Suessula Liu. xxv, 7, [7].

De Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium. 173

V. Ex eo tempore, quo Capua sui iuris erat, unum tantum XXIIII prodigium a Liuio xxii, 1, [12] refertur, unde in tanta de antiquis temporibus fontium penuria nihil effiei potest. ex quo a. dxxxxiiii Campas ager publicus factus est, frequentia prodigia commemorari oonsentaneum est.

ager Campas et Stellatinus Liu. xxvii, 11, [2]; 23, [2]; 37, [3].

XXX, 2, [lOJ. XXXII, 9, [2]. XXXV, 9, [4], xxxx, 45, [3].

xxxxF, 9, [5]; 13, [2J; 21. [13]. Obs. p. 115, 3; 23. 123, 6. Atella Liu. xxvii, 37, [2]. Obs. p. 124, 14. Calatia Liu. xxxxii, 20, [5]. xxxxv, 16, [5].

VI. Ciuitates Italiae, quae bello demum sociali Eomanam ciui- tatem adeptae sunt, quibus eas addam de quanim condicione nihil ■constat, multum agri publici continebant, quamuis maximam partem agro peregrino constarent. ita fit ut prodigia hie frequentiora quidem quam eis locis. quos primo et secundo loco, rariora quam eis quos deinceps enumeraui accidisse referantur.

Praeneste Liu. xxii, 1. [9] (xxiiii, 10, [10] cf. p. xviiii) Obs.

p. 115, 4. 118, 5; 11. 122,25. 128,25. Tibur quod nusquam commemoratur casu factum esse nequit;

potius ciuibus Tiburtinis nihil agri ablatum esse uidetor. Velitrae Liu. xxx, 38, [8]. xxxii, 1, [10]; 9, [3]. Ferentinum Obs. p. 120, 7, si modo Hernicoram oppidum

intellegendum est.

Yolsci Obs. p. 128, 8.

Casinum Liu. xxvii, 23, [2]. Obs. p. 115, 14. Teanum Sidicinum Obs. p. 115. 15. Satricum Liu. xxviii, 11, [2j.

Compsa Liu. xxiiii, 44 [8]. Obs. p. 116. 21.

Lucani Liu. xxxi, 12, [7]. Obs. p. 123, 16. 125, 3; 16.

128, 22. Bruttii Liu. xxxii, 1, [U]. XXV

Regium Obs. p. 129, 21.

Apulia Liu. xxiiii, 10, [6]. Obs. p. 120, 16. 128, 25. Arpi Liu. xxii, 1, [9]. Obs. p. 121, 20. Marrucini Liu. xxiiii, 10, [10]. Vestini Obs. p. 128, 11. 129, 19.

Picenum Liu. xxi, 62, [6]. xxxiiii, 45, [7]. xxxv, 21, [3]. xxxviiii, 22, [3]. Obs. p. 125, 14. 126, 13.

J74 ^^ Romanorum prodigiis ad Ottonem Jahnium.

Auximum, ante coloniam deductam Liu. xxxxi, 21, [12].

xxxxii, 20, [6]. Asculum Liu. xxxii, 29, [2], si modo lectio certa est. Vrbinum Obs. p. 128, 5.

Ymbria Liu. xxxviiii, 22, [5]. Nuceria Obs. p. 125, 1. Ameria Obs. p. 125, 3.

Falerii Liu. xxii, 1, [11].

Fregenae Liu. xxxii, 29, [1].

Tarquinii Liu. xxvii, 4, [14]. Obs. p. 125, 17. 126, 11.

Faesulae Obs. p. 127, 24. 128, 14. 129,4.

Arretiura Liu. xxxii, 9, [3]. xxxv, 21, [3]. Obs. p. 127, 24.

128, 21. 129, 9; 18. Perusia Obs. p. 124, 12. Volaterrae Obs. p. 1 29, 8.

Volsinii Liu. xxvii, 23, [3]. Obs. p. 125, 14. 128, 8; 29. His addo de quorum situ non constat forum Esii Obs. p. 116, 5. forum Subertanum Liu. xxvi, 23, [5j. forum Yessanum Obs. p. 122, 10. XXYI ^11- Extra Italiam commemorantur

ager Gallicus Liu. xxi, 62, [5]. xxxxii, 2, [5]. Obs. p. 122, 1:

123, 17. 125, 26. Mantua Liu. xxiiii, 10, [7]. Syracusae Liu. xxxxi, 13, [2] cf. xxiiii, 10, [10]. Cephallenia Obs. p. 116, 1. 118, 5.

Dabam Turici ineunte lanuario a. mdggcliii.

XXI. Die Litteraturbriefe des Horaz.*)

Die allgemeine Auffassung und die wesentlich davon abhängige 103

Zeitbestimmung der drei Briefe des Horaz. die in unseren Ausgaben

den Schluss und die Krone seiner Werke bilden, sind kürzlich von

Yahlen^ in ebenso anziehender wie erschöpfender Weise dargelegt

worden. Hier soll versucht werden vom geschichtlichen Standpunkt

aus jene feinen Untersuchungen aufzunehmen und hie und da zu

ergänzen. Es handelt sich um das volle und klare Yerständniss

des anmuthigsten und erfreulichsten Werkes der gesammten römi-

8(}hen Litteratur. und die Bewerber in diesem Wettkampf sind bis

jetzt sehr viel zahlreicher gewesen als die ertheilten Ki'änze. Der

I durchaus verschiedene Ausgangspunkt meiner Forschung von dem-

I jenigen Yahlens einerseits und andrerseits neben manchen Differenzen

i im Einzelnen die Uebereinstimmung meiner Ergebnisse mit den

seinigen in allen wesenthchen Punkten bestimmen mich dieselben

; hier vorzulegen.

Von den drei Litteraturbriefen , um die es sich hier handelt,

ist der erste an Augustus gerichtete nach Vahlen im Jahre 740

geschrieben. Xachdem der Dichter in dem 734 abgefassten und

, herausgegebenen Brief an Maecenas (ep. 1, 1) der lyrischen Poesie

feierlich Yalet gesagt hat, dann aber mit der Säcularode im J. 737

nnd weiter mit den auf den rätischen Krieg des J. 739 gedichteten

Siegesliedern und den andern jetzt im vierten Odenbuch zusammen-

gofassten Gedichten ihm selbst unerwartet in einen zweiten Lieder-

i friihling eingetreten ist. gedenkt er in in dieser Epistel an Augustus

; sowohl jener Absage an die Muse wie seiner Rückkehr in den ver-

I lassenen Zaubergarten und knüpft in zahlreichen Bezügen nicht

*) [Hermes 15, 1880, S. 103 115.]

1) Monatsberichte der Berliner Akademie 1878 S. 688 £

176 Die Litteraturbriefe des Horaz.

bloss in ausdrücklichster Weise an das Säcularge dicht an, dessen Erfolg ihm, wie er selbst sagt, gewissermassen officiell die Stellung 104 des ersten lyrischen Dichters der Nation eintrug, sondern nimmt auch die Motive und Wendungen der späteren Gedichte des vierten Odenbuchs überall in einer Weise auf, dass die wesentliche Grleich- zeitigkeit dieser Liedersammlung und unseres Briefes vollständig evident ist. Die allgemeine Zeitbestimmung ist mit diesen durchaus befriedigenden Ausführungen Vahlens gegeben; genau lässt sich das Abfassungsjahr natürlich auf diesem Wege nicht ermitteln. Einmal steht es keineswegs fest, bis wie lange die zweite lyrische Periode des Dichters gedauert hat. Aber auch wenn keine der im vierten Buch enthaltenen Oden jünger sein sollte als das J. 740^

1) Es ist ein Irr.thum Vahlens, wenn er aus meinen Worten C. I. L. vol. 1 p. 281 [1 ^ p. 186] : qriae (carm. 4, 8) scripsit poeta paulo ante quam diem obiret (u. c. 746) aede nondum dedicata folgert, dass ich das Gedicht, um das es sich handelt, in das Todesjahr des Dichters gesetzt habe. Der Marstempel auf dem forum Augustum wurde im J. 752 dedicirt und wahrscheinlich damals auch die Quadriga auf dem Dach desselben aufgestellt; aber der Bau zog sich sehr lange hin und das Forum selbst wurde bereits vor der Dedication dem öflPentlichen Gebrauch übergeben. Es können also auch Bildsäulen daselbst eine Weile vor dem J. 752 gestanden haben; überall aber kommt wenig darauf an, wann die einzelnen Statuen aufgestellt worden sind. Das von Augustus entworfene und damals in der Ausführung begrifi'ene grossartige und in dieser Art vollständig neue Project um den Marstempel eine Galerie von Feldherrnstatuen mit er- klärenden Unterschriften zu errichten muss in der letzten Lebenszeit des Dichters das hauptstädtische Publicum vielfältig beschäftigt haben; und wenn er nun spricht von 'Marmorbildnissen mit Unterschriften, welche die lebendigen Gestalten der Imperatoren vergegenwärtigen' (Lachmann kl. Sehr. 2, 99), so musste meines Erachtens der zeitgenössische Leser dabei nothwendig an die Statuen und Elogien denken, die auf dem forum Augustum aufgestellt waren oder werden sollten. Ich kann es Jordan (in dieser Zeitschr. 14, 276) nicht einräumen, dass der Dichter auch zu seinem Recht kommt, wenn man hiefiir die Triumphalfasten substituirt. Diese Auffassung führt nun allerdings für die Zeitbestimmung des Gedichts in die letzte Lebenszeit des Dichters. Aber sie gerade auf das Todesjahr des Horaz zu beschränken, wäre sehr unverständig gewesen; und ich glaube nicht mich eines solchen Fehlschlusses schuldig gemacht zu haben. Da der Bau sehr langsam ging, ist er sicher schon im J. 740 im Gang gewesen sechs Jahre für den Bau eines grossen Tempels würde wohl auch den Römern, um von uns nicht zu reden, kaum als Bauverschleppung erschienen sein. In demselben Sinne ist es gemeint, wenn ich die tituli carm. 4, 14 auf die im J. 752 auf- gestellte Quadriga bezogen habe. Vahlen hat ganz Recht den hier erwähnten Senatsbeschluss in Betreff des rätisch -vindelicischen Krieges in das J. 739 oder 740 zu setzen ; aber das Jahr der Beschlussfassung und dasjenige der Aufstellung des Beschlusses können, da der Beschluss sich auf ein im Bau begriffenes Ge- bäude bezog, recht weit auseinander fallen. Es ist wohl möglich, ja wahr-

Die Litteraturbriefe des Horaz. 177

lind wenn weiter das Buch in der That in diesem Jahr publicirt 105 worden ist, würde darum Horaz sehr wohl bald nachher haben schreiben können, dass er wieder eifrig dem Versemachen obliege; die zweite Liedersammlung schliesst ja nicht etwa mit einem Ab- schied an die Muse, und der kluge Poet konnte auch unmöglich unmittelbar nach der Rückkehr zur Lyrik durch einen abermaligen Valedictionsact den Spott des Publicums herausfordern. Mehr also wird aus jener Darlegung nicht entnommen werden dürfen, als dass dieser Brief in oder bald nach dem J. 740 abgefasst ist.

Dazu stimmt auch, wie Yahlen ebenfalls schon hervorgehoben hat, die Verbindung, in welcher Sueton. die Beziehungen des Horaz zu Augustus verzeichnend, diesen Brief aufführt, nach dem Carmen saeculare und dem Gedicht auf den vindelicischen Sieg. Dagegen kann ich mich nicht davon überzeugen , dass die sermones qiiidam^ deren Lesung den Augustus veranlasste den Dichter zu bitten ein solches Gedicht (eins modi scriptimi) an ihn zu richten und worauf dann dieser Brief die Antwort war, andere sind als die Episteln des ersten Buches, dessen Veröffentlichung freilich schon einige Jahre früher erfolgt war. Allem Anschein nach datiren die näheren Beziehungen des Fürsten und des Dichters erst aus dessen letzten Lebensjahren, zunächst vielleicht hervorgerufen durch den ehrenvollen Auftrag des Carmen saeculare zu schreiben. Wenn auch Horaz dem Kaiser seine Gedichte schon früher überschickte ^, so ist es dennoch ganz glaub- 106

scheinlich, dass die Inschrift, wie sie im J. 752 schliesslich redigirt ward, eine Reihe verschiedener bei verschiedenen Anlässen über die Verzeichnung der von Augustus erfochtenen Siege oder erlangten Ehren gefassten Senatsbeschlüsse zur Grundlage gehabt hat. Selbst die Worte des ancyranischen Monuments dürften dafür sprechen, dass im J. 752 nur der pater patriae hinzukam, .[Andere be- ziehen die titiili auf das c. 747 vollendete tropaemn Augusti zu Torbia bei Nizza; vgl, die Anm. Kiesslings.] Ich habe das Verhältniss immer dahin aufgefasst, dass vielleicht Decennien hindurch über die auf dem Augustusforum aufzustellenden Bildwerke und Inschriften Senatsbeschlüsse ergangen sind, und dass also von dieser Seite her nichts im Wege steht die Aeusserungen in späteren Gedichten di?s Horaz mit diesen Bauten zu verknüpfen. Den auf solche Stellen gebauten Athetesen kann ich demnach in keiner Weise zustimmen,

1) ep. 1. 13. Gewiss mit Recht hat Lachmann (kl. Sehr. 2, 155) dies Gedicht auf die Uebersendung der drei Bücher der Oden bezogen; sonst passen die M'endungen (carmina ferre, Volumina, sarcina chartae, fasciculus librorum) nicht. Auch dass der Bote des Dichters per clivos flumina lamas zum Kaiser geht, führt nuch meiner Meinung eben auf das Jahr 730, in das die Publication dieser drei Bächer aus anderen Gründen mit Recht gesetzt worden ist Denn Augustus ktihrte in der ersten Hälfte dieses Jahres aus Spanien und Gallien nach Italien zi^rück, wo er im Juni 730 verweilte (C, 1. L, VI 2014), und ging Ende 732 nach

MOSCMSEX, SCHB. VH. 12

jyg Die Litteraturbriefe des Horaz.

lieh, dass theils wegen mangelnder näherer Bekanntschaft, theils wegen der Abwesenheit des Kaisers das Verhältniss erst nach dessen Rückkehr aus Gallien sich in der "Weise gestaltet hat, dass die ver- schobene oder auch wiederholte Lesung des ersten Buches der Episteln jenes Schreiben hervorrufen konnte.*)

Suchen wir nun die historischen Beziehungen im Einzelnen auf, so sind dieselben im Allgemeinen für nähere chronologische Be- stimmung wenig zu brauchen.

Die Worte gleich im Anfang: cum . . . res Italas . . . moribus ornes legibus emendes beziehen sich ohne Zweifel auf die dem Augustus angetragene und der Form nach abgelehnte, thatsächlich übernommene cura legum et niorum ^ ; aber es ist damit nichts gewonnen, da diese Thätigkeit im J. 735 begann und dann durch eine Reihe von Jahren sich hinzog.

Der Scherz des Dichters (Z. 1 1 2), dass er sein Versprechen auf ewig die Muse zu meiden noch schlechter halte als die Parther ihre Zusagen, ist von historischem Interesse; denn diese Zusagen können nur bezogen werden auf die auch im ersten Buch der Episteln 107 erwähnte Unterwerfung des Phraates im J. 734. Es müssen also nach diesem Yertrag abermalige Verwickelungen eingetreten sein;

Sicilien und von da nach dem Osten. Jene Worte nun zeigen einerseits, wie Lachmann richtig bemerkt, dass der Bote den Landweg einschlug; andrerseits aber konnte der Dichter nicht füglich seinen Boten über Berge und Ströme und Sümpfe gehen heissen, wenn es sich um den Weg handelte von Rom nach dem Albanum oder nach Baiae. Dagegen passt die Wendung so genau, wie horazische Wendungen passen müssen, wenn der Bote, um zum Kaiser zu gelangen, die Alpen zu passiren hatte; und dies führt eben auf die erste Hälfte des J. 730, wo Augustus allem Anschein nach von Spanien durch Gallien nach Italien zurückging. [Vgl. für die Überreichung i. J. 731 , als Augustus in Italien war, A. Kiessling in den Philol. Untersuch. 2, 1881, S. 49.] Die Aeusserung des Augustus in einem Briefe an den Dichter (bei Sueton p. 47 Reiff.): pertulit ad me {Di)onysius [Onysius die Hss.] libellum tuum, quem ego iit accusantetn quan- tuluscumque est boni consulo ist natürlich nicht bestimmt zu beziehen ; auf unsere Epistel passt sie nicht, da Augustus den Dank nicht mit Scherzen über die Kürze des Gedichts und des Poeten eingeleitet haben würde. Uebrigens trifft für das sinnlose accusantem ReifiFerscheids Vorschlag excusantem schwerlich das Richtige: hrevitatem dürfte nicht fehlen und die Wendung, dass die Kürze wegen der Entschuldigung derselben verziehen werden soll, ist weder geschickt noch höflich. Vielleicht schrieb der Kaiser ut alios antea [für die Überlieferung tritt ein v. Wilamowitz bei Kiessling, Ausgabe IIP, S. 167].

*) [Für die Beziehung der sermones quidam auf ep. II, 2 u. 3 vgl. Kiessling, Untersuch, a. a, 0. S. 58.]

1) Vgl. mein Staatsrecht 2«, 686 A. 1. [= 2», 706 A. 1.]

Die Litteraturbriefe des Horaz. 179

und dazu passt recht gut, dass die parthischen Prinzen nicht gleich damals, sondern wahrscheinlich erst etwa ein Decennium später als Geisaeln an den römischen Hof gesandt worden sind. Denn dass dies bloss geschehen ist, um das fortwährend gute Einvernehmen der beiden Regierungen zu bethätigen, wird man doch auch dem Augustus selber schwerlich glauben ^. Indess wenn diese Andeutung des Dichters die Geschichte um eine nicht unwesentliche Thatsache bereichert, so ist eben darum für die Epoche des Gedichts damit nichts gewonnen; unsere üeb erlief erung meldet über das Verhalten der Parther in diesen Jahren gar nichts. Dagegen dürften in den Versen 15. 16:

praesenti tibi maturos largimur Iwnores iurandasque tuum per numen ponimus aras. zwei Andeutungen enthalten sein, die etwas weiter führen.

Vahlen ist der Meinung, dass Horaz den Brief an Augustus ebenso gut nach Gallien wie nach Rom oder Baiae habe richten können ; und gewiss würden gegen die erstere Alternative die Worte im Eingang cum . . . res Italas armis tuteris nicht geltend gemacht werden dürfen. Aber wohl spricht dagegen schon, dass der Dichter des ahes iam nimium diu hier der Sehnsucht nach der Rückkehr des Herrschers keinen Ausdruck giebt. Es erscheint fast unmöglich, dass, wenn Horaz dies schrieb, als Augustus, der im Frühjahr oder Sommer 738 nach Gallien ging, volle zwei Jahre und mehr von Rom abwesend war. er in diesem ganz persönlich gehaltenen poetischen Briefe mit keiner Silbe auf jenen Wunsch hingedeutet haben sollte. Aber noch mehr: in den Worten praesenti tibi wird die Heim- kehr geradezu bezeichnet als erfolgt. Bekanntlich traf Augustus aus Gallien am 4. Juli 741 in Rom wieder ein, wo ihn der Senat mit der Gelobung des Altars der pax Augitsta und mit anderen Ehrenbezeigungen empfing 2. Meiner Meinung nach kann der Histo- riker den ersten jener beiden Verse nur also übersetzen: 'die vom 'Senat längst beschlossenen oder doch debattirten Ehrenbezeigungen 'wurden dem Augustus nach seiner Rückkehr am 4. Juni 741 zur 108 'Kenntniss gebracht". Dann aber ist der Brief nicht im J. 740, sondern in der zweiten Hälfte des J. 741 geschrieben.*)

1) Mon. Ancyr. 6, 3 und was dazu von mir p. 31 [p. 141 *] zusammengestellt ist.

2) Von Spielen zur Feier der Rückkehr berichtet die Inschrift C. I. L. VI a. 386, Den vom Senat beschlossenen Altar in der Curie und die jedem, der den Rückkehrenden begrüssen werde, verheissene Amnestie lehnte Augustus ab T)io 54, 25).

*) [Vgl. aber Kiessling a. a. 0. S. 59 Anm. 13.]

12*

jgQ Die Litteraturbriefe des Horaz.

Aber auch der zweite jener beiden Verse geht den Historiker an. Wenn er die Interpreten fragt, welche Altäre gemeint sind, so ist die Antwort nicht sehr präcis. Vahlen (S. 689) vermisst für deren nähere Bestimmung überhaupt einen befriedigenden Anhalt, Ribbeck ^, auf den er verweist, erinnert an die beiden bei Augustus Rückkehr nach Rom ihm gewidmeten grossen Altäre auf dem Mars- felde, den am 12. Oct. 735 gelobten der Fortuna redux und den eben erwähnten der Fax Augusta vom 4. Juli 741; ferner an die Verehrung des nurnen Augusü in Vereinigung mit den Laren der Compita, die nach der Andeutung bei dem Dichter selbst^ schon um das J. 740 aufgekommen sein müsse, aber erst im J. 747, also nach des Dichters Tode officiell eingeführt worden sei. Von diesen beiden Erklärungen wird die erste abzuweisen sein, theils weil jene beiden Gottheiten wohl auf Augustus Beziehung haben, aber doch keineswegs an den bezeichneten Altären das numen Augusti verehrt wurde, theils weil Fortuna und Fax zu dem römi- schen Eide in keiner näheren Beziehung stehen ; denn dass bei ihnen wie bei jeder anderen Gottheit geschworen werden konnte, reicht für einen Dichter von der Froprietät, wie sie Horatius eigenster Vorzug ist, nimmermehr aus. Dagegen die Beziehung dieser Zeile auf das numen oder, um aus der poetischen in die historische Rede zu kommen, auf den genius Augusti ist unabweisbar, eben weil diese Gottheit in der römischen Eidesformel eine hervorragende Rolle spielt. Das Formular des öffentlichen Eides war bekanntlich in republikanischer Zeit auf den lupiter optimus mnximus und die DU Penates gestellt. Unter dem Frincipat jßnden wir zwischen diese Gottheiten den Genius des regierenden Kaisers eingeschoben^, und wenn auch die Formulirung des Eides im Frivatverkehr der Regel nach von dem Belieben der Farteien abhing, so kann doch zum Beispiel in die Formel des von den Beamten bei dem Amtsantritt 109 zu schwörenden Eides der genius Caesar is nur durch Gesetz oder Senats- beschluss hineingesetzt worden sein. Diesen Beschluss wird Horaz meinen ; wie es denn auch eine für einen Dichter seiner Art viel zu geringe Annahme ist, dass er hier bloss spontane Loyalitätskund- gebungen einzelner Personen und nicht eine in der That öffentliche Ehrenbezeigung im Sinne gehabt hat. Wann und wie diese erfolgt

1) Horatius Episteln S. 89.

2) Carra, 4, 5, 34: et Laribus tuum miscet numen.

3) Staatsrecht 2*, 788. [2», 809.] Der divus lulius erscheint nie in dieser Verbindung, wohl aber späterhin die consecrirten Kaiser.

Die Litteraturbriefe des Horaz. 181

ist. berichtet unsere Ueberlieferung nicht: für die Zeit und die" Umstände des für die Entwickelung der Monarchie nicht unwesent- lichen Wechsels der Eidesformel sind wir auch hier auf den Dichter und neben ihm auf die Inschriften angewiesen.

Es hat an sich grosse Wahrscheinlichkeit, dass die Aufnahme des genhis Caesarts in die öffentliche Eidesformel gleich bei der Aufnahme dieser Gottheit in den öffentlichen Cult stattgefimden hat und gewissermassen ein Theil dieser Reception gewesen ist. Diese Aufnahme aber ist, wie dies schon Ribbeck bemerkt hat. erfolgt bei der Umgestaltung des Compitaliencults, indem den beiden Lares Augiisti in der Stadt Rom von Staats wegen der genius Augusti beigesellt ward. Wenn Horaz hier in Beziehung auf den Eid nur der Altäre des genius Augusti gedenkt, so erwähnt er in der schon erwähnten ungeföhr gleichzeitigen Ode nur die Yerbindung desselben mit dem Larencult; wir dürfen beides als gleichzeitige und zusammen- gehörige Ehrenbeschlüsse betrachten. Was die Interpreten abgehalten hat die Worte des Dichters auf diese Beschlüsse zu beziehen, die Annahme, dass die Inschriften dafür auf das J. 747 führen, ist keines- wegs richtig. Yielmehr hegt die Sache so, dass wir von einer Anzahl dieser römischen Gassenkapellen das Einrichtungsjahr kennen und dasselbe, soweit unser jetziges Material reicht, bei den einzelnen Heiligthümern zwischen 742 und 747 schwankt^. Wenn das letzt- genannte Jahi-, unter welchem Dio die mit diesen Einrichtungen zusammenhängende Einsetzung der magistri vicorum aufführt, als dasjenige festgehalten werden darf, in welchem diese Organisation zum Abschluss kam, so geht doch schon die Ausführung in einzelnen Fällen sicher bis in das J. 742 zurück, und die allgemeine Anordnung, aus welcher die einzelnen Kapellen hervorgingen, kann füglich in eines der nächstvorhergehenden Jahre gesetzt werden. In der That nöthigt nicht unser Brief, aber die eben angeführte Ode dazu den betreffenden Senatsbeschluss denn ein solcher liegt sicher zu HO Grunde wenigstens vor die Rückkehr des Kaisers, vielleicht sogai' Ende 739 oder Anfang 740 zu setzen-. Insofern würde sich diese Auffassimg der Stelle auch mit Yahlens Datirung vertragen. Indess gehört diese Anordnung ohne Zweifel zu den maturi honares, die vielleicht lange vorher beschlossen, aber erat nach der Rückkehr

1) C. I. L. VI n. 454 mit der Anmerkung.

2) Diese Zeitbestimmung ergiebt sich, wenn, wie es seheint, die Wendung cann. 4, 5, 11: cundantem spatio longius annuo die Dauer der Abwesenheit ' Augusts andeuten soll; bloss auf das Gleichniss bezogen, in das sie eingefügt ist, erscheint sie ungeschickt und störend.

182 Diß Litteraturbriefe des Horaz.

des Kaisers und der Annahme zur Ausführung gelangt sind; und ungern würde ich darauf verzichten bei dem ponimus aras eben an jene Zeit zn denken, wo in der That in jeder Gasse der grossen Stadt der Altar für den neu eingeführten genius Augusti gebaut und die Priester dafür bestellt wurden.*) Auch aus diesem Grunde also dürfte es sich empfehlen diesen Brief dem J. 741 zuzuweisen.

Den zweiten Brief des zweiten Buchs der Episteln an Julius Florus setzt Vahlen zwischen 734 und 737, hauptsächlich dadurch bestimmt, dass er später fallen muss als das erste in jenem Jahr herausgegebene Buch der Episteln, aber früher als die Wieder- aufnahme der lyrischen Dichtung, weil er in diesem Brief sich dieser ganz ebenso gegenüberstellt wie in dem ersten Buch der Episteln, besonders in dem ersten Brief an Maecenas. Allerdings hat Horaz in oder bald nach dem J. 740 sich abermals von der lyrischen Poesie abgewandt; aber dass er dies zum zweiten Mal so unverhohlen eingestanden haben sollte, erscheint nicht allzu glaublich. Dieser Argumentation wird man sich anschliessen können, so weit das ein- zige historische Moment, welches dieses Gedicht darbietet, dass zur Zeit seiner Abfassung Tiberius sich nicht in Rom befand, damit in Einklang zu bringen ist. Sehen wir zu, in wie weit dies der Fall ist.

Stipendia prima, sagt Sueton (c. 9) von Tiberius, expeditione Cantahrica trihunus militum fecit. Dein . . . regnum Armeniae Tigrani restituit, recepit et signa quae M. Crasso ademerant Parthi (734). Post hoc Comatam Galliam anno fere rexit et barbarorum incursionihus et principum discordia inquietam. Exin Raeticum Vindelicumque bellum (739), inde Pannonicum (742 744), inde Germanicum (746. 747) gessit. Diese Aufzählung ist vollständig, so dass Tiberius, ab- 1 1 1 gesehen von diesen Expeditionen, in Italien verweilt und comites im eigentlichen Sinne nicht gehabt hat ^. Nach Vahlens Meinung ist Florus, als es geschrieben ward, in Begleitung des Tiberius in Gallien gewesen, dessen Verwaltung durch Tiberius er, dem jüngeren Zumpt^ folgend, dem J. 736 zuweist, während sie gewöhnlich mit dem

*) [Über die maturi honores vgl. jedoch Kiessling a. a. ü., der im übrigen den Ausführungen über Vers 16 zustimmt.]

1) Vgl. Hermes 4, 120 f. [In dem Aufsatz: Die comites Augusti der früheren Kaiserzeit = Hist. Sehr. I S. 311 ff.] Bezeichnend ist es, dass Tiberius, als er nach Rhodos gewissermassen ins Exil ging, keine comites mit sich führte (Dio 55, 9), obwohl er zu Anfang die tribunicische Gewalt inne hatte.

2) studia Rom. p. 103.

Die Litteraturbriefe Je.s Horaz. 1S3

rätischen Krieg verknüpft und in das J, 738 gesetzt wird. Zumpt stützt sich theils darauf, dass die Dreitheilung der Gallia comata vor 738 falle , theils dass für den annus unus Suetons im ' J. 738 die Zeit mangele. Beides ist leicht als falsch zu erweisen.

Die Theilung der Comata in die drei späteren Provinzen wird allerdings auf Augustus zurückgeführt; aber das Jahr ist nicht über- liefert ^. Dass Augustus diese wichtige Massregel nicht von Rom aus verfügt hat, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich; ob es geschehen ist während seines Aufenthaltes in Gallien im J. 727 oder während seines langen Yerweilens daselbst in den J. 73S 741, würde dahin- gestellt bleiben müssen, wenn nicht eben unsere Stelle für die letztere Annahme entschiede. Dass Tiberius damals, bei Agrippas Lebzeiten, eigenes proconsularisches Imperium gehabt und das Regiment von Gallien in dieser Eigenschaft als Nachfolger Agrippas übernommen haben soll, ist ebenso ohne Anhalt in der Ueberlieferung wie staats- rechtlich und politisch unmöglich; es ist beinahe überflüssig daran zu erinnern, dass er nach Augustus eigener Angabe ^ noch den pan- nonischen Krieg als legatus seines Stiefvaters geführt, also sicher auch Gallia comata lediglich als legatus verwaltet hat. Da nun nach Sueton diese Yerwaltung nicht vor das J. 734 gesetzt werden kann, so ist das von Caesar eroberte Gallien nicht bereits im J. 727 getheilt worden. Wohl aber ist es wahrscheinlich, dass dies in den J. 738—741 geschah, und Tiberius mag leicht der letzte dieser hoch- gestellten Statthalter gewesen sein.

Auch gegen den annus unus bei Sueton ist nichts zu erinnern. 112 Tiberius ging, nach Dios Zeugniss. im J. 738, obwohl Prätor, in Begleitung des Kaisers nach Gallien, und es muss die Abreise früh im Jahr erfolgt sein, da bei den sämmtlichen dem Prätor obliegenden Leistungen sein Bruder für ihn einti-at^. Der Alpenkrieg währte einen einzigen Sommer * und ging zu Ende durch den entscheidenden

1) Marquardt sagt freilich (Staatsverv. 1, 113 [= P, 2641) dass Dio sie in (las J. 727 = 27 v. Chr. setze; aber Dio fügt ja 53, 12 ausdrücklich hinzu: ravxa de ovtco xaTeXs^a, Sri vvv x^Q^? ixaarov fe^vogj f^yefiovevexai' i:iei x6 ye iiQXO^tov xal Eni zioXv xal avvSvo xai ovvroia rör»/ äfia iJQxrro.

2) Monum. Ancyr. 5, 45 : per Ti. Neronem qui tum erat privignus et legatus vteus. Vgl. Sueton Tib. 12.

3) Dio 54, 19 : TTjv dgyijv avzov :iäoav 6 Agovoog ix döy^tatog Sitjyayev. Die Megalesia. die damals schon den Prätoren übertragen waren, fallen in den April, die Apollinarspiele in den Juli; die Abreise des Tiberius muss wenigstens ^or die letzteren gesetzt werden.

4) Strabon 4, 6, 9 p. 206: degeia ^iiä.

]g4 Die Litteraturbriefe des Horaz.

Sieg vom 1. Aug. 739^. Genauer kann demnach nichts passen als Suetons Angabe, dass Tiberius, bevor er zum Krieg gegen die Raeter abging, 'etwa ein Jahr' die Verwaltung von Gallien geführt habe.

Ist somit durchaus keine Ursache vorhanden von der gewöhn- lichen Identification des von Dio berichteten Aufenthalts des Tiberius in Gallien während seiner Prätur und der suetonischen Verwaltung von Gallia comata abzugehen, so ist gegen die von Zumpt vor- geschlagene und von Vahlen adoptirte Combination schliesslich geltend zu machen, dass danach die suetonische Aufzählung der Expeditionen des Tiberius unvollständig sein würde. Denn eine Abwesenheit von Rom in öffentlichen Geschäften war doch die von Dio berichtete Thätigkeit im J. 738 unzweifelhaft; fehlen kann sie also nicht, und dass sie in dem erst etwa ein Jahr nach Tiberius Abgang von Rom begonnenen Baeticum bellum mit enthalten sein soll, ist keineswegs glaublich.

Das Ergebniss dieser Untersuchung für die Zeit des horazischen Briefes ist also insofern ein negatives, als das J. 736, dem ihn Vahlen zuweist, nicht das richtige sein kann, weil Tiberius damals nicht von Italien abwesend war. Sind wir nun darum genöthigt ihn entweder in die Zeit der gallisch-rätischen Amtführung des Tiberius 738/9 oder in die der pannonischen Legation 742/4 zu setzen? Jenes ist kaum möglich. Man müsste dann das Carmen saeculare als ein vereinzeltes Gelegenheitsgedicht fassen, welches auch ein poeta emeritus liefern konnte, ohne sich des Rückfalls in die Lyrik schuldig zu fühlen; aber bei der Art, wie Horaz selbst dies Gedicht und dessen Erfolg betrachtet, erscheint eine solche Auffassung doch geradezu 113 als eine schlechte Ausrede. Eher lässt die zweite Annahme sich vertreten. Der horazische Herbstfrühling hat nicht lange gedauert; nachdem die Remontanten abgeblüht hatten, konnte der Dichter wohl den Ton der Epistel an Maecenas zum zweiten Mal anschlagen mehrfache letzte Vorstellungen sind im Gebiet der Litteratur nicht gerade unerhört. Aber es giebt eine viel einfachere Aushülfe, bei welcher der von Vahlen mit gutem Grund betonte Gleichton dieses Briefes und der Maecenas -Epistel besser zu seinem Recht kommt. Das erste Buch der Episteln ist erwiesener Massen im Herbst des J. 734, sicher vor dem 46. Geburtstag des Dichters, dem 8. Dec. 734 herausgegeben worden. Augustus kehrte aus dem Osten nach Rom am 12, Oct. 735 zurück, und aller WahrscheinHchkeit

1) Horatius carm. 4, 14, 34.

Die Litteraturbriefe des Horaz. 185

nach mit ihm Tiberius^. Es liegt also zwischen dem Abschluss des ersten Buches der Episteln und der Heimkehr des Tiberius ein volles Jahr; und nichts hindert den zweiten Brief an den Florus diesem Jahre zuzuweisen. Dies empfiehlt sich weiter dadurch, dass, nach Ausweis des ersten Briefes an den Florus (ep. 1, 3), dieser eben bei der asiatischen Expedition im Gefolge des Tiberius sich befand und wir also nicht genöthigt sind anzunehmen, was freilich an sich auch kein Bedenken haben würde, dass Florus den Tiberius auf mehreren Expeditionen begleitet hat. Mit dieser Modification, aber auch nur mit dieser, wird der Historiker dem Urtheil des Litterarkritikers sich anschliessen können.*)

Soll ich noch über den dritten Brief dieser Reihe ein Wort hinzusetzen, so kann es eigentlich nur der Ausdruck des Bedauerns sein, dass, wenn sonst die Zeitfolge der horazischen Gedichte ziem- lich sicher festgestellt werden kann, eben für die in so vieler Hinsicht interessante Epistel an die Pisonen dies am wenigsten gelingt Man wird Michaelis, der vor nicht langer Zeit diese Frage eingehend und scharfsinnig erörtert hat 2, ohne weiteres einräumen müssen, dass die Scholiastenidentification des Vaters der beiden Adressaten mit dem bekannten Stadtprätor L. Piso (Consul 739) recht sehr anfechtbar ist und dass in der That gewisse Momente in dem Briefe auf eine frühere Zeit hinweisen. Ich möchte nicht alles unterschreiben, was [ 14 in dieser Hinsicht vorgebracht ist; aber dass Sp.^ Maecius Tarpa und A. Cascellius beide als Lebende aufgeführt zu werden scheinen und beide in den letzten Jahren des Horaz nicht füglich unter den Lebenden gewesen sein können, ist unbestreitbar. Jenen Dramaturgen finden wir bereits in Ciceros Zeit im J. 699 in einer angesehenen Stellung*; es ist nicht unmöglich, aber gar nicht wahrscheinlich, dass er ein halbes Jahrhundert später noch neue Stücke seiner

1) Dass Angustus am Tage nach seiner Rückkehr dem Tiberius die oma- menta praetor ia verlieh (Dio 54, 10), legt die Gleichzeitigkeit ihrer Rückkehr wenigstens sehr nahe.

*) [Kiessling, der a. a. 0. zustimmte, entschied sich in seiner Ausgabe

der Episteln* (1898) für das J. 736 unter der nach dem Wortlaut bei Dio

54. 10 nicht sehr wahrscheinlichen Voraussetzung, daß die Verleihung der

namenta praetoria an Tiberius während dessen Abwesenheit im Orient erfolgt sei.]

2) Comment. Mommsen. p. 420 f.

3) Nicht Publius. wie Jordan (Hermes 8. 90) will, getäuscht durch Orellis riaische Angabe über die Lesung des Mediceus ; dieser hat Sp., nicht P.

4) Cicero ad fam. 7, 1, 1.

jgß Die Litteraturbriefe des Horaz.

Kritik unterzogen hat. Noch bedenklicher ist der zweite Fall. A. Cascellius^ tritt auf als ein Gesinnungs- und Zeitgenosse Ciceros und Catulls, der das odium Vafinianum thätig mit durchmacht ^ ; bei dem Eintritt des Triumvirats bietet er demselben Trotz weil ihn als kinderlosen Greis weder der Tod noch die Einziehung seines Vermögens schrecken^. Wenn dieser Mann noch fast bis an Horatius Tod gelebt hat, so muss er Methusalems Alter erreicht haben, und befremdet es dann wieder, dass bei der häufigen Erwähnung des Cascellius davon niemand spricht.*) Aber auf der anderen Seite ist es noch viel zweifelloser, dass die kluge und feine Poetik unmöglich zu den Jugendarbeiten des Horaz gestellt werden kann; wie dies 1 1 5 denn auch niemand versucht hat. Wenn man nun mit Michaelis den Stadtpräfecten Piso aufgiebt und die Abfassung des Briefes kurz vor das J. 735 setzt, oder, wie dies Vahlen freilich zweifelnd vor- schlägt, um 736, so haben wir eine vierzigjährige Regisseurthätigkeit statt einer fünfzigjährigen; Cascellius, der den sonstigen Angaben nach um 712 ein Sechziger gewesen sein müsste, wird aus einem Neunziger zu einem Achtziger umgewandelt. Damit ist nicht viel gewonnen und überhaupt eine wirklich befriedigende Lösung dieses Problems bis jetzt noch nicht gefunden.

1) Der praediator dieses Namens , Zeitgenosse des Q. Scaevola (f 672), den Cicero pro Balbo 20, 45 (daraus Val. Max. 8, 12, 1) nennt , ist ohne Zweifel ein anderer, wahrscheinlich sein Vater. Was wir bei Pomponius (Dig. 1, 2, 2, 45) lesen: Aulus Cascellius Quintus Mucius Volusii auditor denique in illius ho'norem testamento Publicum Mu^ium nepotem eins reliquit heredem, darf auf keinen Fall in der Weise geändert werden, dass der Jurist Cascellius zum Schüler des Scaevola gemacht wird, theils der Altersverhältnisse wegen, theils weil Plinius h. n. 8, 40, 144, der gewiss mit Pomponius aus gleicher Tradition schöpft, als Lehrer des Cascellius den Volcacius nennt. Wahrscheinlich ist die Stelle dem Sinne nach so herzustellen, wie ich es in der Ausgabe vorgeschlagen habe: A. Cascellius Q. Muci auditoris, Volcacii auditor, so dass vielmehr Volcacius des Scaevola Schüler war. Die verzwickte Wortstellung freilich macht es .sehr wahrscheinlich, dass die Stelle noch weiter verdorben, vielleicht ungeschickt verkürzt ist. Die Verehrung des Cascellius für Scaevola erklärt sich, wenn dieser zugleich der Freund seines Vaters und der Lehrer seines Lehrers war.

2) Macrobius sat. 2, 6, 1.

3) Valerius Maximus 6, 2, 12. Die Kinderlosigkeit, welche Pomponius durch den Bericht über die Beerbung bestätigt, verschliesst den Ausweg zwei Juristen des Namens anzunehmen.

*) [Vgl. Hermes 20, 1885, S. 282 in dem Aufsatz: Oropos und die römischen Steuerpächter, der in Band II der Hist. Sehr, zum Abdruck gelangen wird.]

XXII. Julius und lulus.*)

Eine im Frühling 1SS8 auf dem Esquilin gefimdene Inschrift, 155

herausgegeben von Gatti im Bullettino della commissione arch. com. di

Eoma 1S88 S. 228 [= C. I. L.^T:, 30794, Dessau 92], lautet folgender-

massen : Imp. Caes[ar\ divi f. August, pantif. niaximus, cos. XI. tribunicia

potest. XIIII, ex stipe, quam p>opulus Romanus ]c. lanuariis apsenfi ei

contulit, lullo Antonio Africano Fabio cos. Mercurio sacrum. Durch

diese ist es endgültig festgestellt, dass der Sohn des Triumvir. der

zwar nicht durch seine Thaten. aber durch seine Beziehungen zu der

schönen Julia und durch das Lied des Horaz im Gedächtniss der

Nachwelt geblieben ist, nicht Julius hiess, sondern Julius. Dass von

dieser Schreibung auch die Handschriften bei Horaz und anderswo

die Spuren bewahrt haben und dass eine zweite kürzlich wieder zum

Torschein gekommene Inschrift (C. I. L. VI, 12010), der Grabstein

des Freigelassenen M. Antonius luUi patris l. Rufio diese Namenform

weiter bestätigt, hat Hülsen (in der Berliner philolog. Wochenschrift

1888 S. 667) nachgewiesen. Es bleibt aber noch einiges nachzutragen.

Dass der Sohn des Triumvir dieses Cognomen oder vielmehr

Praenomen entweder bei seiner Geburt von der Grossmutter oder,

was vielleicht wahrscheinlicher ist, unter Ablegung eines älteren,

unter die Aechtung der Antonier fallenden Tomamens bei seiner

i Aufnahme in das kaiserliche Haus, auf jeden Fall aber mit ßück-

1 ficht auf den alten Stammnamen des julischen Hauses erhalten hat,

1 kann nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn er sich also Julius

! schrieb, so kam diese Schreibung ebenfalls dem Stammvater der

Legende und den altpatricischen also zubenannten Juliem zu; und

damit stimmt die Ueberlieferung sowohl wie das Sprachgesetz. Die

i livianische Magistratstafel führt ziemlich überall, wo das Cognomen

I

*) [Hermes 24, 1889, S. 155 156.]

Igg lullus und lulus.

gesetzt ist (zu den J. 324. 330. 346. 349. 351. 353. 357), die dio- dorische bei dem J. 281, die dionysische bei dem J. 272, die der Paschalchronik und die verwandten bei den J. 265. 272. 324 auf die richtige Schreibung; dieselbe findet sich für das Stammhaupt bei Strabon 13, 1, 27 p. 595 und bei Pestus v. Süvi p. 340. Wenn also in diesem Kreis die echte Form wohl durch vielfache hier nicht weiter berücksichtigte Corruptelen verdunkelt, aber dennoch bewahrt 156 ist, so ist sie mit den Bildungsgesetzen der lateinischen Sprache nicht minder im Einklang. Wir erhalten hier einen neuen Beleg für das von Lachmann (zum Lucrez 1, 313) entwickelte Gesetz, dass, wenn bei einem Stamm mit doppeltem l nach langem Vocal in der Weiterbildung ein nicht dem Casussuffix angehöriges i eintritt, der Doppelconsonant zum einfachen wird. Wie aus villa vilicus, aus Messalla Messalina, aus mille milia^ so wird aus lullus in regulärer Entwickelung lulius. lullus ist also zweisilbig, ebenso wie Julius dreisilbig, und zweisilbig braucht es Horaz.

Yergihus ist es gewesen, der aus dem zweisilbigen lullus den dreisilbigen lulus gemacht hat, augenscheinlich unter dem Einfluss der griechischen Etymologie.*) Ihm gehört das a magno demissum nomen I-ulo und seine Handschriften, so wie seine Ausleger und die gesammte von ihm abhängige Litteratur kennen nur die Form mit einfachem l. Merkwürdigerweise erstreckt sich dies auch auf die capitolinischen Fasten (zu den J. 281. 303. 346. 349. 351. 353) nebst den daraus geflossenen des Chronographen von 354; diese stimmen mit dem Dichter überein, wenn nicht etwa auch sie unter seinem Einfluss redigirt sind.

*) [Vgl. Bücheier, Rhein. Mus. U, 317.]

XXIII.

Der Tribun TiUius.*)

Horatius viel umstrittene Worte im Anfang der 6. Satire des 665 ersten Buches (Y. 24) über den latus clamis lassen sich wohl auf einfachere Weise erklären, als dies von IS^ipperdey und Kiessling geschehen ist. Der letztere nimmt an, dass der hier apostrophirte Tillius der Caesarmörder L. Tillius Cimber sei,**) welcher in Folge seiner Yerurtheilung den Platz im Senat verloren, dann aber restituirt 666 ihn wiedererhalten habe und nun Yolkstribun geworden sei. Quo tibi, Tilli, sumere depositum clavum fieriqtie tribunot Wobei die folgenden Worte betreffend den Riemenschuh und den breiten Streifen zeigen, dass der clavtis der senatorische ist.

Zunächst kann der angeredete Tillius unmöglich der gleich- namige Caesarmörder sein. Diesen ereilte so wie die Yerschworenen alle das Yerhängniss bald. JS^ach Sueton^ ist von den nach dem podischen Gesetz Yerurtheilten allein Cn. Domitius Ahenobarbus, der Consul des Jahres 722, restituirt worden; von Cimber ist nach d(3r Schlacht von Philippi nicht weiter die Rede^ und wenn ein Mann, der bei der Mordthat so in den Yordergrund getreten war, nachher begnadigt worden wäre, so würden wir dies wissen. Auch biaucht der Dichter hier nothwendig einen Mann nicht vornehmer Art.

Was den lahis clamis anlangt, so ist nach augustischer Ordnung nicht bloss der Senator ihn zu führen berechtigt, sondern weiter

*) [Hermes 23, 1898, S. 665— 667.]

**) [Das ist ein Versehen Mommsens: Kiessling denkt an den Bruder des Ct.esarmörders. R. Heinze hat in der 3. Aufl. der Satiren (1906) die Fassung Kiesslings verdeutlicht und dessen Irrtum über die Tracht der Volkstribunen auf Grund der von Mommsen im folgenden gemachten Anmerkung beseitigt, im übrigen aber an der von Nipperdey gegebenen Deutung auf einen Volkstribun festgehalten.]

1) Sueton Nero 3 vgl. Caes. 89.

2) Drumann 3, 699.

190 Der Tribun Tillius.

ebenfalls der Sohn des Senators und überhaupt wer, auch ohne durch Geburt dazu berufen zu sein, die Aemterlaufbahn einschlug. Auf dieses vor der actischen Schlacht geschriebene Gedicht dürfen allerdings die augustischen Festsetzungen nicht bezogen werden; aber es steht der Annahme nichts im Wege, dass namentlich der letztere Gebrauch auch republikanisch ist.

Bei Horaz scheint der depositus clavus die Knabentracht zu sein. Allerdings kann ich den Beweis nicht führen, dass der praetextafus wie den Purpursaum an der Toga, so auch die Purpurstreifen an der Tunica führte ; aber wenn, wie wahrscheinlich, der clavus selbst, der Busenstreif allgemein getragen wurde ^ und bei der Tracht hauptsächlich die Farbe in Betracht kam, so werden diejenigen Knaben, die den rothen Saum an der Toga trugen, auch die Streifen roth geführt haben; und wäre dies selbst nicht der Fall, so hat der Dichter bei dem clavus offenbar die Magistratur und deren Purpur im Sinn und es ist nicht unzulässig den Purpur des Knaben und den des auf Avancement dienenden jungen Mannes in der Weise zu- sammenzustellen, dass auf das Abzeichen des letzteren der Accent gelegt wird. 667 Der trihunus ist alsdann nicht der Yolkstribun ^ , sondern der

trihunus müitum laticlavius oder, wie er auch heisst, der trihunus honores petiturus^. Dass Tillius als Sohn eines Senators dies Ab- zeichen trug, ist desswegen nicht wahrscheinlich, weil für einen solchen die Aemterlaufbahn damals die Regel war und der Dichter einen Mann braucht, den nichts nöthigt aus dem Privatstand heraus- zutreten. Er hatte also einen Jüngling im Sinn von dem Schlage seines späteren poetischen Collegen Ovidius, welcher auch, ohne senatorischer Herkunft zu sein, mit der Ablegung der Prätexta den latus clavus anlegte * und es dann, statt zum Kriegstribun , zu dem gleichwerthigen Yigintivirat brachte, alsdann aber zum schmalen j Clavus zurückkehrte und zu den Musen. I

1) Marquardt Privatalterth. S. 545 fg.

2) Ein Irrthum übrigens ist es, dass dieser den latus clavus nicht habe führen dürfen; die magistratische Prätexta kommt ihm nicht zu (Staatsrecht 1,418), aber seit er Senator ist, führt er die senatorischen Abzeichen.

3) Plinius ep. 6, 31, 4 : vsaviaxog . . xexdiagxv^^ ^^ ßovXsiag ilmda bei Dio 67, 11, während derselbe Mann bei Sueton Dom. 10 trihunus laticlavius heisst. Weitere Belege St. R. 1, 545 A. 1 ; 3, 466 A. 1.

4) Trist. 4, 10, 28 fg.: sumpta inHiique toga est induiturque umeris cum laf<> Purpura clavo. Vgl. St. R. 3, 469 A. 4, S. 470 A. 3.

XXIV.

Trimalchios Heimath und Grabschrift.*)

Die Frage, welcher Zeit die an Originalität wie an Meister- 106 haftigkeit unter den Erzeugnissen der römischen Literatur in erster Keihe stehende Erzählung der Abenteuer des Encolpius und seines Genossen angehört, darf als erledigt angesehen werden^. Ebenso wenig bezweifelt wohl jemand noch die Identität ihres Yerfassers

*) [Hermes 13, 1878, S. 106 121. Das Resultat des ersten Teils dieser Abhandlung Camae Schauplatz des Romans hat Mommsen im C. I. L. X, 1883, S. 351 kurz wiederholt. Gegen Cumae zu Gunsten von Puteoli s. E. Klebs, Philo!. Suppl.6, 1891 93, S. 668 ff. und danach L. Friedländer in seiner Aus- gabe Petrons (2. Aufl. Leipz. 1906) S. 8 f., der aber übersah, daß Bücheier, Rhein. Mus. 57, 1902. S. 327 das einzige, scheinbar gegen Cumae sprechende Argument widerlegt hat.]

1) Dass die vielbesprochene Inschrift Orell. 1175 [= C. I. L. VI, 14672, Dessau 8156] darum, weil sie drei sehr gemeine Cognomina mit den Satiren des Petronius gemein hat, keineswegs auf diese Personen selbst bezogen werden darf, hat zuletzt Bücheier in der Vorrede zu der grösseren Ausgabe mit berechtigtem Nachdruck hervorgehoben. Aber die Inschrift selbst hat wohl Niebuhr richtiger in das dritte Jahrhundert gesetzt als Bücheier in die Zeit der julischen Dynastie. Die Sprachfehler geben freilich keinen sicheren Beweis; aber Gräberbussen, wie He hier vorkommen, haben sich bisher in keiner Inschrift vor der Zeit des Pius Ijefanden (Staatsrecht 2 -, 67 [2 ', 70]) und die M. Äntonii erinnern an die Epoche Gordians.

2) Nach Plinius h. n. 37, 2, 20 und Tacitus ann, 16, 18 hat Petronius das Consülat bekleidet; aber die bisher bekannten Denkmäler gestatten nicht das Jahr zu fixiren. Die Tessera C. I. L. I n. 766 mit dem Datum n. Sep. M. Asin C. Pet. COS. hat Borghesi (^opp. 3, 343) dem J. 25 n. Chr. zugewiesen : davon aus- gehend, dass der erstere dieser Consuln der Ordinarius des Jahres M. Asinius Agrippa und dieser das ganze Jahr im Amt geblieben sei, identificirt er den zweiten mit dem C. Petronius Umbrinus der römischen Inschrift C. I. L. VI, 1266 ond giebt ihm zum Vater den C. Petronius, Präfecten von Aegypten unter i.ngustus (C. I. Gr. 111 p. 310) und zum Adoptivsohn den C. Petronius Pontius

192 Trirualchios Heimath und Grabschrift.

107 während andrerseits der thörichte Einfall allseitig aufgegeben ist, diesen losen und lustigen Roman mit dem bitter ernsten Sünden- register zu identificiren, welches sein Verfasser vor seinem Ende als Antwort auf das Todesurtheil dem alten Genossen seiner Lüste zu- stellen Hess. Nicht dasselbe aber gilt von der Frage nach der Oertlichkeit, in der die Erzählung spielt, oder wenigstens derjenige Abschnitt derselben, der in den auf uns gekommenen Trümmern allein noch in glänzender Frische vorliegt, die Aufnahme des Encolpius und seiner Gesellen bei dem reichen Kleinstädter Trimalchio und ihre Erlebnisse in dessen Hause.

Im Allgemeinen sieht man wohl, dass der Verfasser mit Vor- liebe seine Darstellung in die Gegenden verlegt, wo auf ursprünglich griechischer Cultur späterhin die italische sich angesiedelt hatte so nach Massalia; so nach Kroton; so vor allem in das Gebiet der campanischen Griechen. Auch ist es sehr begreiflich, dass ein Dichter wie dieser, der wie kaum ein anderer die italische Indivi- dualität zum vollen Ausdruck gebracht hat und vielleicht allein unter allen römischen unabhängig von griechischen Mustern seinen eigenen genialen Weg gegangen ist, einestheils sich wohl hütete den festen Boden der eigenen Nationalität aufzugeben und seine Scene in das eigentlich hellenische Gebiet zu verlegen, andrerseits aber auch bei der Schilderung seiner Heimath und seiner Zeit die Einwirkungen

Nigrinus (gewöhnlich blos L. Pontius Nigrinus genannt) Consul 37 n. Chr. , als dessen Tochter die Pontia gilt P. Petroni filia, quem Nero convictum [quam N. convictam die Hdschr.] in crimine coniurationis damnavit, wie das Scholion zu Juvenal 6, 638 berichtet. Dies ganze Gebäude ist sehr unsicher und schon die Basis, dass jener M. Asinius unter den Ordinarien zu suchen sei, durchaus problematisch. Es kann sein, dass die Tessera vielmehr unserm Petronius gehört und wir den CoUegen nicht kennen. Darin hat Borghesi a. a. 0. S. 361 ohne Zweifel Recht, dass unser Petronius nicht vor Neros Zeit das Consulat bekleidet haben kann und mit keinem der Petronier der älteren Fasten identificirt werden darf. Dass die genannten Persönlichkeiten der tiberischen Zeit seine Vorfahren sind, ist wahrscheinlich , da als sein Vorname von Bücheier mit guten Gründen Gaius festgestellt ist. Die Bezeichnung Arbiter, welche in den Handschriften der Satiren als Cognomen auftritt, wird wohl als ein von dem 'arbiter elegantiarum* entnommener Ehrenbeiname zu fassen sein, ähnlich wie in älterer Zeit Annalis und in der tiberischen Civica (Borghesi bei Nipperdey zu Tacitus ann. 3, 21); sie scheint das alte Cognomen der Familie verdrängt zu haben. Dass Tacitus ihn mit dem Vornamen bezeichnet, kann sich eben daraus erklären, dass sein ererbtes Cognomen ausser Gebrauch gekommen war und Tacitus das dafür ein- getretene nicht von vorn herein setzen wollte, sondern vorzog es später in der Schilderung durch den arbiter elegantiarum anzudeuten. [Arbiter als Cognomen: C. I. L. X, 5490, vgl. Collignon, l^tude sur Petrone (Paris 1892) S. 338.]

Trimalchios Heimath und Grabschrift. 193

des griechischen Wesens nicht entbehren mochte. Die Bildung wie die Yerbildung derjenigen Epoche, welche in den Ruinen von Pompeii auch uns noch vor Augen steht, ist so durchaus und so wesentlich von hellenischen Elementen durchdrungen, dass der Sitten- maler und Satiriker die latinische Landstadt, wie sie in der Togata 108 der späteren Republik zum Ausdruck gekommen war und wie sie auch damals sicher noch an einzelnen Stellen fortbestand, nur etwa noch als komisches Gegenstück zu verwenden im Stande war. Dem breiten Strome der Gegenwart, auf den ein Künstler dieser Art angewiesen war. lagen solche Inseln fern. Nirgends aber gelangte diese Culturphase zu so vollkommenem Ausdruck wie in den Städten hellenischer Gründung im Occident, welche ihrem Ursprung nach einen Stamm griechischen "Wesens bewahrend und durch ihre Um- gebung zugleich nothwendig bis zu einem gewissen Grade latinisirt die herrschende Doppelbildung gleichsam von Haus aus in sich trugen. Das Griechisch dieser Occidentalen mag dem Athener als provinziales Idiom erschienen sein; aber in einer Epoche, wo das hellenische Wesen überwiegend auf der Diaspora ruhte, wird der campanische Grieche hinter dem von Antiochien und Alexandrien nicht zurückgestanden haben, und dem gebildeten Mann aus Patavium, Lugudunum, Corduba. Karthago gegenüber blieb er doch immer der geborene Grieche, dem die damahge Weltsprache zugleich Mutter- sprache war. Die Bedeutung, welche in den Landschaften am westlichen Mittelmeer namentHch Neapel und Massalia dieser ihrer hellenischen Nationalität verdanken, wird vielleicht nicht allgemein hinreichend gewürdigt. Wenigstens in Neapel ist die officielle Sprache der städtischen Behörden nachweislich bis auf Domitian und wahrscheinlich noch weit länger die griechische geblieben, und die griechische Müsse, die griechischen Spiele, das gesammte künst- lerische und gelehrte griechische Treiben haben aus dieser Stadt bis auf den Zusammenbruch des italischen Wohlstandes und der itali- schen Bildung eine hellenische Culturinsel in Italien gemacht, in welcher das geistige Leben dieser Epoche vielleicht seinen vollsten und besten Ausdruck gefunden hat.

Für die Einsicht in diese Yerhältnisse , durch welche die Com- position der petronischen Satiren bedingt wird, genügt die unbe- zweifelte und evidente Thatsache, dass Trimalchio in dem griechischen Campanien zu Hause ist ; sie fordert nicht nothwendig die Entscheidung dijr Frage, in welcher Gemeinde er den Sevirat erlangt hat. Indess ist es immer von Interesse wo möglich auch diese festzustellen, i zumal da in einem Werk, wie das unsrige ist, die volle Realität

J , MOMMSEN, SCHR. VII. 13

■1

194 Trimalchios Heimath und Grabschrift.

derjenigen Zustände angenommen werden darf und muss, welche 109 der Roman zu seiner Voraussetzung hat. Diese Stadt nun liegt am Meer (c. 77. 81), nicht fern von Baiae (c. 53. 104) und von Capua (c. 62), also ist sie auf jeden Fall am Golf von Neapel zu suchend Hier gab es in der Kaiserzeit denn Baiae und Bauli haben nie Stadtrecht besessen vier Stadtgemeinden: Neapolis, Puteoli, Misenum, Cumae; es fragt sich, auf welche derselben die bei Petronius vorkommenden Indicien passen. Es sind dies die folgenden.

1. Die Stadt ist urhs Graeca c. 81. Dies passt weder auf Misenum noch auf PuteoU. Misenum ist als Stadt sehr jung, ohne Zweifel erwachsen aus der Lagerstadt, welche durch die von Augustus hier eingerichtete Flottenstation ins Leben gerufen ward, nach meiner Vermuthung mit Stadtrecht von Claudius ausgestattet, da wir sie der claudischen Tribus zugeschrieben finden. Von Puteoli hat Bücheier p. Villi bereits mit vollem Recht bemerkt: Graeca urhs mirum est si Puteolana civitas vocatur tarn diu a Bomanis colonis liabitata neque graecae magis quam variarum naüonum commerciis et frequentia insignis. Das griechische Dikaearchia, an dessen Stelle bald nach dem hannibalischen Krieg die römische Colonie trat, kann unmöglich eine Stadtgemeinde gewesen sein, da es weder Münzen noch sonstige Denkmäler hinterlassen hat, es auch gar nicht in der römischen Politik jener Zeit lag eine der campanischen Griechen- städte geradezu zu vernichten. Dagegen war nach allem, was wir über Puteoli durch Schriftsteller und Inschriften erfahren, diese Stadt der Sitz des römischen Handelsverkehrs in Campanien, ge- wissermassen der zweite Hafen Roms, wie denn Ostia und Puteoli die beiden einzigen einer städtischen Tribus zugeschriebenen Stadt- gemeinden sind, und stand sie insofern in scharfem Gegensatz zu den griechischen Stadtgemeinden, zwischen denen und gegen welche sie gegründet worden ist. Wohl aber passt die Bezeichnung so- wohl auf Neapel, welches bei Tacitus (ann. 15, 33) ebenso genannt wird, wie auf das alte Kyme. Nur wird gegen das erstere wiederum geltend gemacht werden dürfen, dass, wenn Petronius eine so intensiv griechische Stadt hätte schildern wollen, wie zu seiner Zeit Neapel war, er wohl andere Farben gewählt haben würde; denn in der That schildert er doch eine Ortschaft, die, wenn auch griechischen HO Ursprungs, doch zur Zeit lateinisch redete und lateinisch geordnet

1) Auch die crypta c. 16 ist wohl die cutnanische ; von der neapolitanischen spricht das Fragment 16 Buch.

Trimalcfaios Heimath und Grabschritt. 195

war: me denn der öffentliche Ausrufer bei ihm sich der lateinischen Sprache bedient (c. 97).

2. Die Stadt war nach mehrfacher Angabe des SchriftsteUers (c. 44. 57. 76) römische Colonie. Dies schliesst zunächst Neapel aus; denn obwohl es eine Inschrift frühestens des 3. Jahrhunderts giebt, welche wahrscheinlich dieser Stadt angehört und sie als colonia bezeichnet^, so kann sie das Colonierecht unmöglich schon vor der neronischen Epoche erworben haben. Ihre Beamten nennen sich, wo sie nicht mit dem griechischen Namen auftreten, Quattuorvim^, wie dies in den Municipien herkömmlich ist, und es ist überhaupt unmöglich die auf Beibehaltung der griechischen Geschäftssprache und einigermassen auch der griechischen Amtstitel und sonstiger älterer Einrichtungen beruhende Stadtverfassung von Neapel mit der ( olonialordnimg der früheren Kaiserzeit zu vereinbaren, wogegen die Annahme kein Bedenken hat, dass in der Zeit des Verfalls Neapel, ähnlich wie Mailand (vgl. C. L L. Y p. 654), unter Beibehaltung seiner sonstigen Einrichtungen zur Titularcolonie gemacht worden ist. Die drei übrigen Städte sind allerdings sämmtlich Colonien ge- wesen; doch passen die Angaben Petrons über seine Colonie. genauer erwogen, weder auf Misenum noch auf Puteoli, sondern nur auf Cumae. Dass Misenum Colonie war, lehren die Inschriften (I. R. X. 2575. 2576 [C. I. L. X, 367S. 3674 = Dessau 56S9. 6335]); aber es ist schon bemerkt worden, dass es wahrscheinlich erst durch Claudius Stadtrecht erhielt, während die Colonie des Peti-onius offenbar älter ist. üeberhaupt aber ist es überflüssig bei Misenum zu verweilen, da die Graeca iirbs allein dasselbe genügend ausschliesst. Es bleiben Puteoli, wohin, wie schon gesagt ward, bereits im Laufe des 6. Jahrhunderts der Stadt eine Bürgercolonie geführt worden ist, imd Cumae. über dessen Colonisirung wir nichts weiter wissen als was sich schliessen lässt aus der auf zwei Steinen (I. R. N. 2568. 2569 [C. I. L. X, 3703. 4 = Dessau 6338. 5054]) vorkommenden und mit höchster "Wahrscheinlichkeit auf diesen Ort zu beziehenden Bezeichnung cfolonia) Kulia). Indess ist schon durch diese die Zeit der Deduction einigermassen fixirt: sie wird entweder von den Triumvim herrühren oder von Augustus in der Zeit vor An- nahme dieses Titels, da nach der gewöhnlichen und wahrscheinlich zutreffenden Annahme seitdem in den derartigen Benennungen an 1 1 1 die Stelle des julischen Beinamens der augustische getreten ist. Demnach ist diese Colonie wahrscheinlich zwischen 711 und 727

1) I. R. X. 2455. [C. I. L. X, 1492.] 2) C. I. Gr. 5796. [I. 6. XTV, 745.

13*

IQQ Trimalchios Heimath und Grabschrift.

d. St. gegründet worden. Prüfen wir nun die Aeusserungen des Petronius über seine Colonie, so will für Puteoli schon das gar nicht passen, dass, wie es c. 44 heisst, Jiaec colonia retroversus crescit tanquam coda vituli. Petronius ist ein viel zu feiner Satiriker, als dass er Dinge hinstellen sollte, die den Thatsachen ins Gesicht schlagen; das Klein delos Italiens aber blühte und verblühte mit dem grossen Luxus der römischen Welt und muss unter der ersten Dynastie seine goldene Epoche gehabt haben. Dagegen gehört Cumae augenscheinlich zu den zahlreichen todtgeborenen italischen Militärcolonien ; die sparsamen und mehr und mehr versiegenden Steinschriften bestätigen auf das schlagendste, was der Satiriker sagt, dass es hier rückwärts vorwärts ging. Das Gleiche gilt von den dem Hermeros, einem Mitfreigelassenen des Trimalchio, in den Mund gelegten Worten c. 57 : puer capillafus in hanc coloniam veni: adhuc hasilica non erat facta. Wie diese beiden Sätze zusammen- gereiht sind, scheint darin die Coloniequalität der Stadt mit der Anlage der Basilica in einen ursächlichen Zusammenhang gebracht zu werden. Es ist selbstverständlich und lässt sich zum Beispiel bei der sullanischen Colonie Pompeii im Einzelnen nachweisen, dass die Gründung einer Colonie auch in schon früher städtisch geordneten Ortschaften umfassende Anlagen öffentlicher Gebäude im Gefolg zu haben pflegte. Auch hier scheint Petronius sagen zu wollen, dass die Colonie noch im Werden war, als der Sprechende dort anlangte, die dadurch veranlassten Bauten damals noch nicht alle standen. Damit war für die zeitgenössischen Leser, die wohl den Zeitpunkt der Grün- dung der Colonie kannten, aber unmöglich den des Baues der Basilica kennen konnten, die für das richtige Yerständniss der Stelle noth- wendige ungefähre Datirung in genügender Weise gegeben. Alles dies nun passt auf Puteoli durchaus nicht, aber vortrefflich auf Cumae, mag nun, wie Bücheier (p. YII) meint, der Roman in den letzten Jahren des Tiberius (f 790, 37 n. Chr.) spielen, oder, wie es mir wahrschein- licher ist, vielmehr unter Augustus. Denn der Monat Augustus heisst noch Sextilis (c. 53), welcher Namenwechsel im J. 746 stattfand, und wenn das 'gesegnete Mahlzeit' in die Formel gefasst wird (c. 60): Äugusfo patri patriae feliciter, so kann nicht wohl Tiberius gemeint 112 sein, der diesen Beinamen beharrlich verschmäht hat. Augustus dagegen hat ihn im J. 752 officiell angenommen, und dass er schon vorher allgemein gebräuchlich war, ist durch Schriftsteller^ wie durch Inschriften 2 bezeugt. Diese Zeugnisse dürften mehr beweisen

1) Dio 55, 10. 2) C. I. L. I p. 386 [= P p. 309]. 11 n. 2107.

Trimalchios Heimath und Grabschrift. 197

als, worauf Bücheier seine Meinung stützt, die Anekdote von dem Yerfertiger des unzerbrechlichen Glasgefösses und seiner Bestrafung durch 'Caesar", während sonst ^ dieselbe auf Tiberius I^amen erzählt wird: denn, selbst die historische Richtigkeit des wenig plausiblen Geschichtchens zugegeben, konnte der Dichter sehr wohl chrono- logisch in freierer Weise mit ihm schalten. Dabei kommen denn auch das Falernum Opimianum annorum centtim (c. 34), was wörtlich verstanden auf das J. 733 führt, so wie die Hinweisung auf die kürzlich überstandene lange Kriegsnoth (c. 116) besser zu ihrem Rechte. Ob man bei dem Sänger Apelles (c. 64) an den unter Gaius gefeierten Tragöden des Namens imd bei dem Sänger Mene- krates (c. 73) an den Kitharöden aus Xeros Zeit denken will und also der Verfasser mit Anachronismen aus der Rolle gefallen ist oder ob hier vielmehr die bei den Schauspielemamen so weit ver- breitete künstliche Homonymie obwaltet ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Bücheier folgt der ersteren Meinung; doch dürfte viel- leicht die zweite den Yorzug verdienen.*)

3. L. Friedländer (in dem Königsberger Lectionskatalog 1860.1) hat die Erwähnung der vigiles c. 78 damit in Zusammenhang ge- bracht, dass Claudius in Ostia und in Puteoli eine Cohorte gegen die Feuersbrünste stationirte ^. Aber abgesehen davon, dass unser Roman die Zustände einer früheren Zeit zu schildern scheint und dass die Einrichtung des Claudius aus anderen Gründen nur ephemere Dauer gehabt haben kann, so hat Bücheier p. TIHI richtig darauf hingewiesen, dass in dem Roman nur vigiles überhaupt gemeint sind, keineswegs aber diejenigen militärisch organisirten vigiles. welche Augustus in Rom einrichtete und die offenbar auch Sueton im Sinn hat. Löschmannschaften, ähnlich wie sie Rom in republikanischer Zeit gehabt hat, mag es vielfach in den Municipien gegeben haben, wenn wir sie auch nur für Lugudunum ^ und für Nemausus * nach- 1 1 3 zuweisen im Stande sind. Wenn also dieser Grund keineswegs für Puteoli entscheidet, so macht mit gutem Recht Bücheier a. a. O. gegen Puteoli geltend, quod in crebris sermonilms, quibus cotnmoda et incommoda coloniae vitaqtie vtdgi inter cenantes versantur, paene

1) Bei Plinius h. n. 36, 26, 195 und Dio 57, 21.

*) [Gegen die Ansetzung unter Augu.stus: Klebs a.a.O. S. 665flF. Fried- länder» S. lOf.]

2) Sueton Claud. 25.

3) praefectus vigütwi: Boissieu p. 4. [C. I. L. XIII, 1745; vgl. aber Hirschfeld, Wiener Sitzungsber. 107, 1884, S. 250.]

4) praefectus viffilum et armarum: Orelli 2157. 2542. 3435 [s. jetzt C. I. L. XII p. 382. 935].

J9g Trimalchios Heimath und Grabschrift.

nulla fit mercaturae ac rerum nauticarum mentio, quarum affltientia Puteolanum emporium celebrabatur.

4. Es bleiben die Magistraturen und sonstigen öffentlichen Stellungen. Das Auftreten der seviri Augustales oder seviri schlecht- hin (c. 30. 57. 65. 71) hilft nicht weiter, da diese überall begegnen. Was die Aedilen anlangt, die c. 44. 53 genannt werden, so gilt davon dasselbe; indess würde man doch, wenn die neapolitanischen gemeint wären, vielmehr die griechische Benennung erwarten (I. R. K 2451 [C. I. L. X, 1490]: äyogavo/u'^oag), wenn auch diese Beamten, wie schon bemerkt ward, wahrscheinlich eine doppelte Titulatur geführt haben und sich ebenfalls lateinisch aediles oder vielmehr IUI viri aedüicia pofestate nennen durften, Aber ganz entscheidend erscheint mir die Stelle c. 65: tricUnü valvas lictor percussit .... ego maiestate convictus praeiorem putdbam venisse, wo dann der vermeintliche Prätor sich als der College des Trimalchio Habinnas entpuppt, welcher als Sevir ebenfalls berechtigt ist Lictoren zu führen ^ Wenn Bücheier (p. VIII) hiezu bemerkt: praetor minus accurate summus magistratus appellatur, so mag er wohl theils an die bekannte Stelle des Horaz gedacht haben 2; Fundos Aufidio Lusco praetor e lihenter linquimus, theils an die formianische Inschrift 3, welche den Wahlprogrammschreiber ersucht das Grabmal nicht zu entstellen: sie tua praetores saepe manus referat; denn Fundi und Formiae stehen nicht unter Prätoren. Aber beide Städte gehören zu den wenigen, bei denen die höchste Magistratur durch drei Aedilen ge- bildet ward; und diese technische Bezeichnung konnten die Poeten nicht brauchen, weil sie ohne einen beschwerlichen Commentar die Stellung nicht als obermagistratische markirt haben würde. Wenn sie also aus diesem Grunde, Horaz ferner vielleicht auch um den 114 aufgeblasenen kleinen Zaunkönig damit zu zeichnen, die vornehmste für den municipalen Magistrat überhaupt mögliche*, hier aber un- eigentliche Bezeichnung gewählt haben, so kann das doch nicht füglich auf Petronius übertragen werden, der keinen Grund hatte ein anderes Wort zu setzen als das eigentliche und zutreffende. Vielmehr wird aus der Stelle geschlossen werden dürfen, dass die fragliche Gemeinde von Prätoren verwaltet ward. Nun aber stand Neapel unter Demarchen oder Quattuorvirn, Puteoli unter Duovim;

1) Vgl. C. I. L. V p. 1198.

2) sat. 1, 5, 34. 3) I. R. N. 4135. [C. I. L. X, 6193 = C. L. E. 1466 Bücheier.] 4) Vgl. Cicero de 1. agr. 2, 34, 92: L. Considio et Sex. Saltio, quemadmodum

ipsi loqtiebantur , praetorüms, ut inteüegatis quantam locus ipse äff erat superbiam.

Trimalchios Heimath und Grabschrift. 199

dass dagegen die Magistrate von Cumae den in dieser Gegend sonst nicht begegnenden Prätortitel führten, lehrt die Inschrift I. R. K 2558 [C. I. L. X, 3698 = Dessau 4 1 75] (vgl. 2459 [C. I. L. X, 3685 = Dessau 4040]). Danach scheint die Localisirung des petronischen Romans in Cumae, der griechischen Stadt, der römischen Colonie mit Prätoren an der Spitze wohl gesichert.

Indess ist noch einigen Zweifeln zu begegnen. Bücheier, der wohl sah, dass die gemeinte Oertlichkeit in keinem Fall Puteoli sein kann und dass gegen Neapel ebenfalls ernstliche Bedenken bestehen, hat auch an Cumae gedacht; aber, sagt er (p. YIH) Cumas illam cohniam non fuisse, ch qim convivae confabiäantiir, prohatur eo, quod Cumis se suis oculis SibyUam tndisse (c. 48) quasi rem raritate notabihm Trimalchio pronuntiat*) Dabei ist aber wohl nicht bedacht, dass eben Trimalchio spricht; für ihn passt oftmals das Unpassende, und so auch, dass er als ein merkwürdiges Erlebniss dasjenige vorträgt, was um die Ecke gehend jeder sehen musste. Es wirkt nur um so komischer, wenn er in Cumae selbst berichtet, wie er die cumanische Sibylle in einer Bouteille habe sitzen sehen und mit den Bengeln auf der Strasse Unterhaltung führen hören. Es Hesse sich noch ein ähnlicher Einwand daraus hernehmen, dass Trimalchios Fattore die Verlesung des Hausjournals also beginnt (c. 53): VII h. Sex. in praedio Cumano quod est Trimalchionis nati sunt piieri XXX, puellae XL und so weiter. Nicht mit Recht fasst Bücheier diese Stelle so, dass Trimalchio sein Grundstück in hoffärtiger Weise a Jonginquo oppido, non a propinquo voluit denotare, uf scilicet fmes illius patere usque nd Cumas crederentur. Denn diese Benennungen werden den Grundstücken ja nicht willkürlich von ihren Eigenthümern beigelegt, sondern sind abhängig von dem Territorium, 115 sei es der Stadtgemeinde, sei es eines Pagus derselben (wie Baianum, Baidanum, Arcamim), in welchem das beti-effende Grundstück be- legen ist. Aber eben darum würde man an dieser Benennung, angewandt auf das Grundstück eines cumanischen Stadtbürgers, mit gutem Grund Anstoss nehmen, wenn nicht wieder hier der trimal- chionische Geist sich in seiner Eigenart oflFenbarte. Die fragliche Bezeicbnungsweise der Grundstücke kommt ausschliesslich bei der Nobilität vor, zu deren vornehmer Lebensführung es gehörte nicht blos irgendwo ansässig zu sein, sondern wenigstens ein Luxusgrund- stück in der Umgegend Roms, ein anderes Luxusgrundstück für die Badesaison, endlich in der Heimathgemeinde die jyraedia patria zu

*) [S. jetzt Bücheier a. a. 0. (oben S. 191 *), wonach es Mommsens unwahr- scheinlicher Deutunof dieser Stelle nicht bedarf.]

200 Trimalchios Heimath und Grabschrift.

besitzen und welche demgemäss ihre Landgüter nach den verschie- denen Territorien benannten. Wenn dagegen der einfache Stadtbürger von Cumae, der ausser seinen dortigen Besitzungen allenfalls noch in einer Nachbargemeinde ein Stück Land an sich gebracht hatte, von seinem praednim Cumanum und seinen horti Pompeiani spricht, so ist dies eben so richtig wie lächerlich und also des Petronius würdig. In ähnlichem Kreise bewegt sich die scherzhafte Schilde- rung, die Trimalchio anderswo ^ von seinen Besitzungen giebt.

Spielt also der Roman in Cumae, so schilderte Petronius, was er täglich sah; denn eben dort hatte er vermuthlich seine Yilla, auf der er auch starb 2.

Es wird gestattet sein hieran einige Bemerkungen über die Grabschrift anzuschliessen, die Trimalchio sich selber gesetzt wissen will (c. 71).*) Eine Erörterung der dazu gehörenden Bildwerke, wie sie Jahn zu geben verstanden haben würde, gäbe einen so aus- führlichen wie belehrenden Commentar; so unmittelbar ist hier alles aus dem Leben gegriffen und so reichlich sind uns hier die Originale erhalten, die der Satiriker copirte und persifflirte. Man vergleiche zum Beispiel das pompeianische Denkmal des Augustalen L, Munatius Faustus I. K 2346 [C. L L. X, 1030 = Dessau 6373], wo man das in den Plafen einsegelnde Schiff abgebildet findet, und das des Brixianers 116 M. Valerius Anteros Asiaticus C. I. L. V 4482, das den vom Tribunal herab Geld ausspendenden Sevir darstellt, der auch von sich sagen konnte: scis enim quod eptilum dedi hinos denarios: faciatur si tibi videtur, et tridinia facias, et totum pojndum suaviter sihi facientem [c. 71, 10]. Anderes freilich wird man nicht finden; wie denn das Jiorohgium, wenn es auch bei der inneren Einrichtung eines Gesammt- grabes Verwendung finden kann (Orelli 4517 [C. L L. VI, 10237 =: Dessau 7870]), zu einem Einzelgrab nicht passt und vielmehr der schola eigen ist. Es gehört das zu dem Humor dieser Grabstätte mit dem weinenden Genius und der gebrochenen Urne, dass sie dem Anordner unter den Händen zum Lustplatz wird, auf welchem das Publicum treibt, was ihm Spass macht oder was es nicht lassen kann.

1) c. 48 vgl. c. 77.

2) Denu so scheint am natürlichsten gefasst zu werden, was Tacitus 16, 19 von ihm berichtet: forte Ulis diebus Campaniam petiverat Caesar et Cumas usqtie progressus Petronius illic attinehatur.

*) [Die folgenden Bemerkungen sind von Friedländer a. a. 0. S. 341 ff. mit großenteils wörtlicher Anführung verwertet und durch einige bestätigende Zu- sätze erweitert worden.]

Trinialchios Heimath und Grabschrift. 201

Aber das ist Sache der Archäologen; ich beschränke mich auf die eigentliche Inschrift. Da ist zunächst die bekannte Formel hoc monu- mentum heredem non sequatur, wofür eigentlich sequettir oder allenfalls sequitur erfordert wird * ; aber so genau nimmt es Trimalchio mit der technischen Formel nicht. Natürlich versteht er sie noch viel weniger ; er sieht darin nicht die Anordnung, dass die Grabstätte mit Aus- schluss der der Familie nicht angehörigen Erben der Descendenz verbleiben soll, sondern offenbar die Vorschrift, dass das Grab den Besitzer nicht wechseln soll, was ja auch ganz richtig ist, aber doch nicht gerade ante omnia eingeschärft zu werden braucht. Dann folgt die eigentliche Grabschrift:

( POMPEIVS TRIMALCHIO MAECENATIANVS

HIC REQVIESCIT HVICSEVIRATVS- ABSENTI- DECRETYS -EST CVM POSSET IN OMNIBVS DECVRIIS ROMAE ESSE TAMEN NOLVIT

PIVS FORTIS FIDELIS

EX PARVO CREVIT -SESTERTIUM-RELIQVIT [CCCl NEC VMQVAM PHILOSOPHUM AVDIVIT VALE ET TV

Zuerst der Name klingt an auf die Nomenclatur der vornehmen Welt und schliesst doch den Beweis der Libertinität so sicher in sich wie das vorsichtig weggelassene Gaii lihertus ihn nur immer geben würde. Mehrfache Cognomina sind bekanntlich das rechte Kriterium der Nobilität; insbesondere das zweite auf -anus endi- gende Adoptivcognomen ist schon in republikanischer Zeit in den 117 Fällen aufgekommen, wo Personen vornehmer Geburt auch nach dem formalen Geschlechtswechsel ein Kennzeichen ihrer angeborenen Nobilität fortzuführen wünschten. Bei Freigelassenen dagegen ist zwar die Führung des Cognomen unerlässlich und ohne Zweifel gesetzliche Vorschrift, da ein Freigelassener ohne Cognomen fast unerhört ist, während Freigeborene namentlich aus dem Ritterstande noch in der früheren Kaiserzeit nicht selten ohne Cognomen auf- treten. Aber der Freigelassene ist nicht blos in der Auswahl des Cognomen, sei es nun durch Gesetz oder durch Sitte, an bestimmte Können gebunden 2, sondern vor allem auf die Führung eines ein-

1) Voll ausgeschrieben sequetur z. B. Wilmanns 279 [C. I. L. X, 6060] (vgl. C. I. L. V p. 1202); seqititur Wilmanns 287 [C. I. L. VI, 10235 = Dessau 8364]. 293 [CLL. XIV, 166j. Die erste Formel ist die eigentlich correcte.

2) Gewöhnlich sieht man die Beinamen griechischen oder doch unrömischen U-spmngs als den Freigelassenen besonders eigen an, und dies trifft auch in

202 Trimalchios Heimath und Grabschrift.

zigen Cognomen beschränkt, worin füglich eine Fortwirkung der ebenfalls cognominalen und einnamigen Sclavenbenennung gefunden werden kann. Hievon giebt es indess sowohl für die Sclaven wie für die Freigelassenen eine allgemeine Ausnahme: in dem kaiser- lichen Hause so wie in denjenigen grossen Familien, die unter der ersten Dynastie gewissermassen als Pairs des Kaiserhauses galten, war die Zahl der Sclaven so ungeheuer, dass zur Verminderung der Homonymie, namentlich bei Erbfällen, die Sitte bestanden haben muss den neu hinzutretenden Sclaven ein von ihrem früheren Herrn entlehntes auf anus auslautendes zweites Cognomen zu geben. So nannte sich ein von Yedius Pollio dem Augustus vermachter Sclave nach der Freilassung C. Julius divi Aug. l. Niceros Vedianus^ ein Anderer, den König Amyntas von Galatien der Livia hinterlassen haben muss, M. Livius Aug(ustae) l. Anteros Amyntianus, eine wahrscheinlich von , der Marcella an Valerius Messalla gekommene Sclavin Valeria Nama Messallae l. Marcelliana ^. Dem entspricht genau unser C. Pompeius 118 Trimalchio Maecenatiamis. In den Namen selbst wird man be- stimmte Beziehungen nicht suchen dürfen; die vornehmen dem julischen Hause verschwägerten Pompeier führen den Vornamen Gaius nicht 2 und das Greschlecht des Maecenas ist kein senatorisches. Es scheint auch nicht Petronius Weise gewesen zu sein bestimmte Persönlichkeiten in dieser Weise zu maskiren oder gar seiner Satire eine direct politische Richtung zu geben. Aber den snob hat er für ein römisches Ohr mit dieser Doppelnamigkeit unvergleichlich charakterisirt; wie es denn auch wohl kein Zufall ist, dass zwei derjenigen Persönlichkeiten , die durch ihre Grabschriften sich als nächste Geistesverwandten des Trimalchio charakterisiren, ebenfalls mit Doppelnamen versehen sind ich meine den schon erwähnten

Rom und den sonstigen von griechischer Cultur durchdrungenen Gegenden zu, namentlich in den Küstenorten, wie in Pola und Salonae. Aber in Oberitalieu, wo die Kunde des Griechischen ohne Zweifel nicht allgemein war, sind diese Cognomina relativ selten und treten vielmehr diejenigen lateinischen ein, die nicht in der Geltung der cognomina equestria standen. Eine specielle Unter- suchung dieser localen Verschiedenheiten, die allerdings durch die zahlreichen Ausnahmen sehr erschwert wird, würde von wesentlichem Nutzen sein.

1) Es ist dies schon früher in dieser Zeitschrift 2, 158 ausgeführt worden, wo die Belege gegeben sind. [In dem Aufsatz: Grabschrift aus Rom, der im j II. Band der Epigraph. Sehr, zum Abdruck gelangen wird.] j

2) Der Consul 49 n. Chr. C. Pompeius Longinus (denn so , nicht Aulus scheint er geheissen zu haben; s. Nipperdey zu Tacitus ann. 12, 5) gehört i schwerlich zu dem Geschlecht des Magnus.

Trimalchios Heimath und Grabschrift. 203

Brixianer Anteros Asiaticus und den noch zu nennenden Asisinaten Eros Merula.

Hie requiescit ist, wie alle Formeln, die ein Pathos in sich tragen, plebejisch und also in guter Zeit nicht unerhört ^, aber ebenso selten wie in christlicher gemein. Es gehört zur uma fracta und zum pner plorans.

Huic seviratus dbsenti clecreUis est. "Was absens consul factus est bedeutet, weiss jeder-, und Analogien dazu aus dem municipalen Kreis fehlen ebenfalls nicht; so finden wir auf einer Inschrift aus der Zeit des Tiberius (I. R. N. 4337 [C. I. L. X, 5394]) : ei honorem IUI vir(atus) detii[krunf Veronenses ratione habita] absentis eius extra ordinem]. Xur steht es mit dem Sevirat insofern etwas anders als mit dem Consulat und dem Quattuorvirat, als derselbe bekanntlich der Regel nach von dem Municipalsenat vergeben wird^ den Frei- gelassenen aber, aus denen in dieser Gegend Italiens die Sevim 119 ausschliesslich genommen werden, die Curie ein für allemal ver- schlossen ist. Also sind freilich Marius zum Consul und Trimalchio zum Sevir beide abwechselnd gemacht worden; aber in dem Wie und Warum bestand doch ein gewisser Unterschied, und dies ist der Humor davon.

Ctim posset in omnibus decuriis Romae esse, tarnen tioluif. Der angesehene Municipale muss irgend eine Stellung auch in Rom ein- nehmen, der Regel nach das Ritterpferd besitzen und den Ge- schwomendecurien angehören ich führe unter unzähligen Belegen nur die spanische Inschrift (Henzen 6467 = C. I. L. II, 4223) an eines adlectus in quinqtie decurias hgitume Bomue iudicantium. So weit hätte es nun Trimalchio allerdings nicht wohl bringen können, auch wenn er gewollt hätte; aber es gab doch Decurien auch in Rem, für die er wohl sich qualificirte. Aus den Freigelassenen

\) hie requiescent auf einer gallischen Inschrift vielleicht republikanischer Zeit C. IL. 1, 1489 vgl. das. 1064 und die Zusammenstellung von Wilmanns p. t«l und von mir C. I. L. vol. V p. 1214; ferner Orelli 651. [C. I. L. VI, 8943 = Dessau 1830.]

2) Staatsrecht 1-, 485 [1», 507].

3) Der einfache Beisatz decurionum decreto erscheint bei dem sevir oder ideni AugustaUs eben darum nicht, weil dies die reguläre Form ist; dagegen ifincet sich häufig ffratis factus decurionum decreto, und es versteht sich, dass nur die Behörde, die das Ernennungsrecht hatte, die dafür zu entrichtende [Gegenleistung erlassen konnte. Locale Abweichungen kommen vor; so scheint |in Mailand der Sevirat auf andre Weise erworben, die Augustalität aber von Ideni Ordo verliehen zu sein (C. I. L. vol. V p. 1198). Indess an der Regel be- steht kein Zweifel.

204

Trimalchios Heimath und Grabschrift.

vornehmlich, sagt Tacitus ann. 1 3, 27 werden die decuriae genommen ministeria magisfratibus et sacerdotibus; und zahlreiche Inschriften bestätigen es, dass die Apparitoren der Beamten wie der Priester eben dieser Klasse vorzugsweise angehörten, dass es ganz gewöhnlich war eine Anzahl Stellungen dieser Art zu cumuliren und dass man in diese Posten sich einkaufte^. Yon diesen römischen Decurien sagt also Trimalchio, der wohlhabende Mann, ganz mit Recht, dass er in alle hätte gelangen können, wenn er Lust dazu gehabt hätte. Freilich hätte er dann wohl seinen Wohnsitz in Rom nehmen müssen; denn die Inschriften dieser Apparitoren sind ganz über- wiegend stadtrömisch und bestätigen, was an sich schon wahrscheinlich ist, dass der Inhaber eines solchen Postens, wenn auch kaum Amts- geschäfte, doch ein Amtsdomicil in Rom hatte. Darum eben lässt der Dichter seinen Helden nicht zu dem Besitz solcher Stellungen gelangen, sondern nur ihn erklären, dass es allein von ihm abgehangen haben würde eine amtliche Stellung zu bekleiden und in die öffent- lichen Decurien in der Hauptstadt zu gelangen. Ob dabei an die der Geschworenen des Reichs oder an die der Ausrufer und der Gerichts- diener zu denken sei, überliess er, wie billig, dem denkenden Leser. 120 Pius fortis fidelis. Der richtige grosse Herr in der kleinen

Stadt muss nicht blos Ritter und Geschworener, sondern auch wo möglich Herr Obrist sein; wie denn die tribuni müituni und die praefecti fabrum der Municipalinschriffcen in dieser Hinsicht allen billigen Anforderungen entsprechen. Solche Realitäten der Hoffart waren unserem Mann, dem der Prätor von Kyme schon ein grosser Herr war, nicht vom Schicksal beschieden; aber das konnte ihm doch niemand wehren, dass er sich die Eigenschaften beilegte, die unter dem Principat als der Inbegriff der soldatischen Ehre galten, die Loyalität, die Tapferkeit und die Treue. Sie spiegeln sich in den Ehrenbeinamen der Legionen, von denen schon Claudius zwei piae ßdeles, Traian eine dritte fortis zubenannte.

Ex parvo crevit, oder, wie es Petronius anderswo ausdrückt, rfe nihilo crevit (c. 38), ab asse crevit (c. 43) wird wohl zusammengestellt werden dürfen mit der Grabschrift C. I. L. Y, 7647: Q. Minucius Faber ab asse quesitum VI vir Äug(ustalis) recuie et memoriae diu- turnae; vgl. das. n. 6623: ab ase posit.

Sestertium reliquit trecenties. Bekannt ist die Parallele aus Horaz ^, wo ein Yalerius seinen Erben auflegt summam pafrimoni

1) Die weitere Ausführung im Staatsrecht I =^ S. 318 f. [I » S. 332 f.] giebt i die Belege. j

2) sat. 2, 3, 87. j

Trimalchios Heimath und Grabschrift. 205

htsciilpere saxo. Wir haben aber auch eine Inschrift, in welcher dies in der That geschehen ist; es ist die eines asisinatischen Arztes, der natürlich auch Sevir war ^ : P. Decimius F. l. Eros Mernla medicus clinmis chirurgus ocidarius, VI vir. Hie pro lihertate dedit HS (L milia); lue pro sevirntu in rem pfuhlicam) dedit HS (II milia); hie in statuas ponendas in aedem Herculis dedit HS (XXX milia) ; hie in vias sternendcLS in puhlieum dedit HS (XXXVII milia). Hie pridie quam m&rtuus est reliquit patrimoni HS (milia quingenta viginti)^. Trimalchio hatte es weiter gebracht; er hinterliess die rande Summe von 30 Millionen Sesterzen.

Nee umqiiam philosophum audivit mag wohl freier Scherz sein; wenigstens wüsste ich nicht, dass unter den zahlreichen Inschriften, deren Urheber alle Ursache hatte dies für sich geltend zu machen, rieh einer dessen ausdücklich berühmt hätte.

Vale: et tu kehrt wörtlich wieder zum Beispiel auf den Inschriften C. I. L. V, 4887. 7838.

Der Verfasser dieses Kunstwerkes scheint selber ein Stück auf 121 da.sselbe gehalten zu haben: inscriptio quoque, sagt sein Mann, vide diligenter si haec satis idonea tibi videtur. Es ist versucht worden, dieser Aufforderung zu entsprechen; wir wollen hoffen, dass die Leser Trimalchios Frage bejahen werden.

1 ) Orelli 2983 [C. I. L. XI, 5400 =- Dessau 7812].

2) Die Summe HS oo D iilii nlii ist wohl so zu erklären, dass die ersten beiden Zeichen nicht als Ziffern gelten, sondern die Worte milia quingenta = 500,000 vertreten, daran aber in Ziffern geschrieben iilii iiIii sich anschliesst.

XXV.

M. Valerius Probus de notis antiquis.*)

öl Unsre technische und fachwissenschaftliche Ueberlieferung aus

dem Alterthum bietet in allen ihren Zweigen, in der Jurisprudenz wie in der Gromatik, in Grammatik und Eloquenz, in Kriegs- und Messkunst, ja in der Geo- und Chorographie die eigenthümliche Erscheinung dar, dass an einen in der klassischen Zeit des römischen Alterthums in Compendien und praktischen Hülfsbüchern fixierten Kern sich eine zwar geist- und kraftlose, aber doch bis zu einem gewissen Grade betriebsame Schriftstellerei anschliesst, die vornäm- lich in den Klosterschulen des fränkischen Reiches ihren Sitz gehabt hat und in und über die karolingische Zeit sich fortspinnt. Be- greiflicher Weise waren die gewöhnlichen Hülfsbücher dieser Zeit die barbarisierten Umgestaltungen der ursprünglichen Handbücher; je vollständiger es dem Mönch gelungen war, die Präcision des Inhalts, die Geschlossenheit der Form, den Geist der Wissenschaft aus dem Lehrbuch zu verbannen, desto sicherer war seine Arbeit des Beifalls und der Yerbreitung. Dennoch begegnen uns zwischen diesem Wust in stets vereinzelt stehenden Handschriften hie und da technische Arbeiten der besten Kaiserzeit, die in den Libereien des Mittelalters gestanden haben mögen wie in denen unsrer Advocaten hie und da Accursius und Baldus. So sind, durchgängig in einzelnen

*) [Berichte über die Verhandlungen der Sachs. Gesellsch. d. Wiss., phil- hist. Kl. 5, Leipzig 1853, S. 91 134. Der größte Teil dieser Abhandlung, nämlich die recensio der Handschriften und die Edition der Schrift selbst, ist durch Mommsens kritische Ausgabe in den Grammatici latini ex rec. H. Keilii, vol. IV, Leipz. 1864, S. 265 352 erledigt worden und wird daher hier nicht wiederholt. (Vgl. von neueren Ausgaben noch: Huschke, Jurisprud. Anteiust., 6. Aufl. von Seckel- Kubier I (Leipzig 1908) S, 82 ff.) Die einleitenden Worte jedoch sowie die in der zweiten Ausgabe fehlenden exegetischen Bemerkungen mußten hier ihren Platz finden.]

M. Valerius Probus de notis antiquis. 207

Exemplaren, der Festus und Charisius, der ächte theodosianische Codex und der Ulpian erhalten; so steht unter dem Wust mittel- alterlicher Metrologien ganz vereinzelt der Maecian, und ebenso ver- 02 einzelt ist unter den mehr zahlreichen als werthvollen Verzeichnissen der sogenannten notae ein kleiner Aufsatz erhalten, der sprachlich und sachlich mit Maecian und Ulpian mindestens auf gleicher Linie steht und dem die nachfolgende Untersuchung seinen gebührenden Platz wieder zu verschaffen bestimmt ist. In unsern Ausgaben ist das Yerhältniss der verschiedenen Notensammlungen verdunkelt, indem der aus der besten römischen Zeit herrührende Aufsatz mit andern Arbeiten des früheren Mittelalters durch einander geworfen ist; ich hoffe Juristen wie Philologen einen Dienst zu leisten, wenn €3 mir gelingt, durch Zurückgehen auf die Handschriften die antike Schrift von dem barbarischen Wust, unter dem sie verschüttet ist, abzusondern und eine wenn nicht ganz befriedigende, doch erträg- hche diplomatische Grundlage für jene zu gewinnen. Seit längerer Zeit bemüht, das hiefür erforderliche Material zu erlangen, glaube ich jetzt, nachdem ich mich und meine Freunde mit Untersuchung der Handschriften, die hiefür etwas zu versprechen schienen, vielfach geplagt habe, im Stande zu sein, einen nicht interpoherten Text vorzulegen und die Entstehung der italienischen Interpolation auf- zudecken. Dass noch reicheres Material und bessere Quellen in den Bibhotheken sich verbergen, ist sehr wahrscheinlich; allein die Wiederentdeckung verschollener Handschriften ist zumal bei einer Schi-ift von wenigen Seiten zu sehr Sache des Zufalls, als dass ich den Tadel der Voreiligkeit befürchten dürfte, wenn ich der völlig verwilderten und bodenlosen Vulgata zunächst einen leidlichen Text substituire, den durch einen besseren zu verdrängen dem glücklicheren oder emsigeren Forscher anheimgestellt sein möge.*)

Ueber die Schrift selbst füge ich noch Einiges hinzu.**) Dass 128 di^ Ueberschrift , wie ich sie gegeben habe, handschriftlich wohl beglaubigt und der Name des Probus keineswegs Erfindung der italienischen Gelehrten ist, leidet keinen Zweifel. Allerdings passt

*) [Dieser Aufgabe hat sich dann Mommsen selbst unterzogen. Die nun

auf S. 93— 127 folgende recensio und editio sind hier nicht wiederholt worden.]

**) [Die von Mommsen hier angefügte Anmerkung gegen Osann, der auf

Grind des unzuverlässigen Vulgattexts verfehlte Kombinationen angestellt hatte,

ist hier fortgelassen worden.]

208 M- Valerius Probus de notis antiquis.

der Titel*) nicht, selbst wenn man, wie man jedenfalls muss, die Worte antiquis opuscidum als mittelalterlichen Zusatz streicht. Es geht aus der Vorrede mit Bestimmtheit hervor, dass die Abkürzungen, die der Verfasser aufzählt, gar keine notae im eigentlichen und technischen Sinn sind, sondern vom Verfasser durchgängig litterae singulares oder auch mit dem generellen Ausdruck notationes genannt werden. Der gute Sprachgebrauch nennt nur die Zeichen, wo es nicht deutlich ist singulae litterae qtiid signißcent, also die kritischen 129 Zeichen der römischen Grammatiker und die Zeichen der Steno- graphen, notae; der Verfasser unsrer Schrift belehrt uns ausdrücklich, dass man sich der litterae singulares die er aufzählt lange bediente, ehe die eigentlichen notae, die Stenographie erfunden wurde, was nach allen Nachrichten in die Zeit von Cicero und Augustus fällt (Bernhardy röm, Litt.-Gesch. S. 66).**) Allein andrerseits liegt uns, wie der Eingang zeigt, hier bloss ein einzelner Abschnitt einer grammatischen Anweisung vor, mag diese nun ein allgemeines Hülfs- buch oder eine Theorie der sämmtlichen Abkürzungen, also der notae und der litterae singulares, gewesen sein. Nimmt man das Letztere an, so kann man sich als Haupttitel des ganzen Werkes die Ueberschrift M. Valerii Prohi de notis gefallen lassen; denn das» im weiteren Sinn und bei den Späteren regelmässig notae auch die litterae singulares mit einschliesst , soll nicht bestritten werden. Was den Verfasser anlangt, so scheint mir das Zeugniss der Hand- schrift Glauben zu verdienen und nichts dagegen, wohl aber manches dafür zu sprechen, dass von dem bekannten Grammatiker M. Valerius Probus von Beryt, der unter Nero blühte und wahrscheinlich noch unter Domitian gelebt hat (O. Jahn zum Pers. p. CXXXVH), unser Tractat herrührt. Die Sprache dünkt mir einer Fachschrift des ersten Jahrhunderts vollkommen würdig; ich will in dieser Hinsicht nur aufmerksam machen auf die feine Distinction § 2 a. E. zwischen j)otestates und magistratus, ganz wie Cicero de leg. 3, 3, 9 imperia und potestates unterscheidet, und darauf, dass der Verfasser noch von edicta perpetua spricht, nach dem guten alten vollkommen richtigen Sprachgebrauch (s. Zimmern R. G. I, S. 119 A. 10), wie ihn auch Asconius in Com. p. 58, 16 [p. 52, 6 K.-Sch.] hat, wo die

*) [In der von Mommsen in der ersten Ausgabe zugrunde gelegten Hs. des Celtes lautet er: de notis antiquis opusculum; in den besseren, für die zweite Ausgabe benutzten Hss.: (de) iuris notarum (Über) o. ä. Mommsen setzt diesen Titel in Klammem so: Valerii Probi [de iuris notarum].]

**) [Vgl. M. Schanz, Gesch. d. röm. Lit. 1^, München 1898, S. 355f. und die dort angeführte Literatur.]

M. Valerius Probus de notis antiquis. 209

Neueren sogar ändern wollten; während der Sprachgebrauch schon der sogenannten klassischen Juristen nur den Singular kennt.*) Sachlich findet sich nirgends eine Hindeutung auf spätere Zustände; die jüngsten bestimmt chronologisch zu fixierenden Abkürzungen sind lex lulia (von Augustus) de adidteriis cohercendis § 3, 1 1 [10]**) und CL = Claudius § 2, 9 [S], das einzige abgekürzte Nomen, das der Verfasser aufzählt; es kann diese Abkürzung als notatio publica nicht vor die Zeiten der claudischen Kaiser gesetzt werden, und wenn auf ein Argument aus dem Stillschweigen viel zu geben wäre, könnte man aus dem Fehlen des IL sogar den Schluss ziehen, dass unsre Schrift vor Vespasian geschrieben ist. Mehr Gewicht lege ich auf die Erwähnung von Noten, die schon in der späteren Kaiserzeit wenig Anwendung mehr finden konnten; wohin manches 130 sich rechnen lässt, z. B, die Notationen der Curiennamen, aber vor allen Dingen die ausführlich mitgetheilten Noten der Legisactionen, nach deren Beseitigung durch die julischen Gesetze die darauf be- züglichen Notationen sehr bald zur Antiquität geworden sein müssen; und unsre Schrift sieht doch weit mehr nach einem praktischen Hülfsbuch aus als nach einer archäologischen Abhandlung. Ferner wissen wir aus Suetons Biographie (de ill. gramm. c. 24) einmal, dass Probus sich von den grammatischen Studien allerdings haupt- sächlich mit Textrevisionen abgab (multa exemplaria contracta emen- dare ac disiinguere et adnotare curavit, soli liuic nee tdli praeterea grammatices parti deditusj, dass er aber doch auch einige kurze Abhandlungen über Kleinigkeiten (pauca et exigua de quibusdam minutis quaest'mnculis) publicirte, zum Beispiel einen commentarius sntis curiose [actus de occulta litterarum sigtiificatione episttdarum Caesaris scriptarum (Gell. 1 7, 9 vgl. Suet. Caes. 56). Wer haupt- hlich bemüht war correcte Texte herzustellen, dem konnte es iiicht fern liegen eine kurze Belehrung über die zulässigen litterae singulares und ihre Bedeutung aufzusetzen so wie die Bedeutung der dem Leser nicht minder wichtigen conventioneilen kritischen Zeichen theoretisch zu erläutern; Probus verliess hiebei sein eigent- liches philologisches Gebiet nicht, und zugleich konnte eine solche Schrift von Sueton recht wohl unter den exigui libri de minutis

*) [Vgl. F. Puchta, Instit. I, 10. Aufl. bes. von F. Krüger, Leipzig 1893, .•^. 196. M.Wlassak, Edikt und Klageform, Leipzig 1888, S. 16 f. P. Krüger, Quellen, Leipzig 1888, S. 37. Th. Kipp, Quellen, 2. Aufl. Leipzig 1903, S. 46.]

**) [Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die etwas abweichende Numerierung der 2. Ausgabe.]

MOMMSEN, SCHR. VII. 14

210 ^- Valerius Probus de notis antiquis.

quaestiuncidis mit verstanden werden. Es scheint demnach sich alles zu vereinigen um dem Zeugniss unsrer Handschriften den Glauben nicht zu versagen und es festzuhalten, dass der römische Immanuel Bekker sich trotz seiner Schweigsamkeit doch dazu ver- standen hat eine theoretische Belehrung über die Noten im weiteren Sinn, namentlich die kritischen Zeichen und die litterae singulares aufzusetzen, wovon uns der zweite Abschnitt vorliegt. Wer da will, kann das kürzlich entdeckte Pariser Fragment (Zeitschr. für Alter- thumswiss. 1845 S. 81 [Sueton fr. 108 Reiff J) als beruhend auf einem andern Abschnitt dieser Schrift betrachten, obwohl darüber kein Zweifel sein kann, dass dasselbe wie es vorliegt nicht von Probus herrührt. Die Anlage des uns erhaltenen Abschnitts ist sehr einfach. Er unterscheidet zunächst die publicae notationes und die privntae, die arbiträren und individuellen Abkürzungen, welche 'letztere natürlich weder gelehrt werden können noch gelernt zu werden brauchen. 131 Jeder Epigraphiker weiss, was für Abkürzungen hier gemeint sind; wie oft auf Privatinschriften Eigennamen oder Phrasen mit den Initialen bezeichnet sind, wie oft Formeln vorkommen, die nur durch den Ort wo sie sich ursprünglich fanden und auch dann nur für Eingeweihte verständlich waren. Diese willkürlichen Abkürzungen, die uns nur auf Inschriften begegnen, kamen natürlich in den Privatscripturen noch unendlich häufiger und viel arbiträrer vor, und diese wird Probus hier zunächst beseitigen wollen. Einzelne für den Grammatiker wichtigere Kategorien der notationes privatae, so die in Cäsars Correspondenz vorkommende Chifferschrift hat er in besondern Abhandlungen esoterischer I^atur erläutert; in unsrer durchaus exoterischen Schrift war dafür kein Platz. Die allgemein gültigen Abkürzungen theilt Probus dann wieder in vier Kategorien ein, die wenn ich nicht irre sowohl in der Vorrede als in dem Auf- satz selbst vorkommen und die richtig aufzufassen von einiger Bedeutung ist. Ich setze sie zunächst her mit den eigenen Worten des Verfassers:

Vorrede Text

in praenominibus in monumentis publicis*) et hi-

sforiarum libris sacrisque publi- cis (§ 2 [1 a. E.])

in legibus publicis in iure civili de legibus et plebi |

scitis 3)

*) [In der ed. 2 plurimis nach der besseren Überlieferung.]

M. Valerins Probus de notis antiquis. 211

Yorrede Text

in 2)ontifictini mouumentis in legis actionibus 4)

in iuris civilis libris in edicfis perpetuis (§5)

Zunächst ist daran zu erinnern, dass Probus, der für «das Studium» schrieb, unzweifelhaft nicht an Inschriftenleser gedacht hat, sondern an diejenigen, die mit der römischen Litteratur sich bekannt machen wollten. Sonach war es für ihn natürlich die Abkürzungen in zwei Klassen zu theilen, von denen die erste die der amtlichen und historischen Schriften begriff, die zweite die juristischen. Die übrige Litteratur nämlich enthielt sich theils wohl gänzlich des Gebrauchs der Noten so werden die Abschreiber bei poetischen Schriften und Reden wohl nie haben notiren dürfen und ebenso vermuthlich bei dem grössten Theil der technischen Werke theils fand wie bei der Gromatik die Notation nur eine immer sehr beschränkte und wohl auch erst nach Probus Zeit zu einiger Bedeutung für die Litteratur gelangte Anwendung. Dabei muss freilich zugegeben werden, dass die in den amtlichen und historischen Schriften reci- 132 pierten Abkürzungen zum Theil einen generelleren Charakter trugen, namentlich die Yornamen, die Tribus, auch die Amtsbezeichnungen, überhaupt alles was mit den Eigennamen zusammenhing, und dass diese von jedem Abschreiber gesetzt wurden, wo ein Name in pro- saischer Rede vorkam: und hieraus erklärt es sich wohl, warum Probus in der Yorrede die Notation der Pränomina im Allgemeinen verheisst. in dem Aufsatz selbst an der entsprechenden Stelle die speciell in amtlichen und historischen Schriften übliche Notation theils der Pränomina, theils andrer Dinge ausführt eine aus der Natur der Sache hervorgegangene und also sich rechtfertigende Incongruenz. Was nun speciell die erste Klasse anlangt, so wird man bei den monumenta publica an die commentarii constilares, die tabulae censoriae^ die commentarii quaestoris zu denken haben, mit denen die Philologen der ersten Kaiserzeit sich viel beschäftigten (Yarro YI, 86 95), ebenso bei den libri sacri publici (denn so ist zu verbinden) an die commentarii sacrorum und die lihri augurales; zwischen beiden stehen sehr natürlich die Annalen, die ja in Form und Inhalt aus der vom Oberpriester officiell angefertigten Chronik des römischen Staats abgeleitet sind. Diesem Material entspricht vollkommen das Yerzeichniss der Gegenstände, welche ihre eigenen Abkürzungen haben; wenn Probus einen Theil der Noten hersetzt, einen andern nur erwähnt, so ist der Grund davon vermuthlich der, dass zu seiner Zeit das gewöhnlich lesende Publicum, für das er

14*

212 ^- Valerius Probus de notis antiquis.

schrieb, die censorischen Schriften und die Auguralbücher so wenig las wie heute die Polyptychen und die Diplomatare, und dass Probus desshalb nur verzeichnete, was etwa in einer Handschrift des Livius wie er sie las an Abkürzungen vorkommen konnte und im Uebrigen sich mit einer Andeutung begnügte. Die zweite Klasse befasst die in den Rechtsbüchern gebräuchlichen litterae singulares, welche Abkürzungsweise bekanntermassen in der Jurisprudenz die aus- gedehnteste und am feinsten angelegte wie am schärfsten fixierte Anwendung erfahren hat, recht als sollte sich hier wieder zeigen, wie die Jurisprudenz allen übrigen römischen Fachwissenschaften an Nationalität und Intensität überlegen war. In dieser zweiten Klasse unterscheidet Probus wieder drei Kategorien, die Notationen in den Volksschlüssen, in den Legisactionen und in den Edicten oder in 133 der juristischen Litteratur. Es kann auf den ersten Blick sonderbar scheinen, dass die Worte «in iuris civilis Uhris» und «in edictis perpetuis» als gleichgeltend betrachtet werden. Allein schon bei dem zweiten wird wenigstens jeder Jurist sofort sich erinnern, dass die Siglen, die in der juristischen Litteratur Anwendung' fanden und die wir in unserm Gaius wohl nicht viel anders finden als sie Probu» bei Labeo und Sabinus lesen mochte, wesentlich in den Formeln ihren Sitz haben und diese Formeln wieder wesentlich aus dem Edict herstammen; während dagegen es nicht nachweisbar und nicht glaublich ist, dass die Siglen, die den Volksschlüssen und den Legis- actionen eigen waren, jemals Eingang gefunden haben in die juristische Litteratur, ausser wo sie geradezu ein Gesetz oder eine der alten Spruchhandlungen referirte. Mit dem Edict ist die Litteratur über- haupt in der Rechtskunde aufgeblüht und gezeitigt worden; wie denn, das Album und die Schriften in der That nur verschiedene Pro- ductionen desselben Geistes und derselben Männer sind. Die ganze Weisheit der römischen Rechtsetzung bestand ja darin, dass man den Juristen gestattete selbst die Gesetze zu machen und zu ändern. EndUch wird es den Rechtsgelehrten wohl interessant, aber nicht eben überraschend erscheinen, dass die pontißcum monumenta und die legis acüones hier als synonym erscheinen.*) Wer weiss es nicht, was Pomponius erzählt, dass die ältesten mündlichen Verhandlungen i,

*) [S. dagegen E. P. Huschke, Jurisprud. Anteiust. *, Lipsiae 1886, S. 130 n. 1. 0. Kariowa, Rom. Rechtsgesch. I, Leipzig 1885, S. 758. Ebensowenig ist die Gleichung der iuris civilis lürri mit den edicta perpetua haltbar.]

1) Denn das heisst lege agere ; nicht nach einem Gesetz verhandeln, sondern mit einem bestimmten Spruch Klage erheben. [Diese Ansicht hat Mommsen auch in den beiden ersten Auflagen der Römischen Geschichte (I S. 104 der ersten,

M. Valerius Probus de notis antiqois. 213

durch die Art und Zweck des Prozesses geregelt ward, Sache der Pontifices waren (1. 2 § 6 D. de o. i. 1,2)? wer weiss es nicht, dass das älteste römische auf die eine oder die andere "Weise aus dem Schoss des Collegiums der Pontifices, den penetralia pontificum (Liv. 9, 46) hervorgegangene Rechtsbuch, das ius Flavianum, und diesem entsprechend das dritte Buch des itis Aelianum ein liher qui actiones continet (a. a. O. § 7) gewesen ist? Ganz ausdrücklich sagt es Cicero, dass die Legisactionen aus den Büchern der Pontifices herrühren. Es sei, so lesen wir bei ihm (de orat. 1, 43, 193), aus den juristischen Quellen für den Archäologen ebenso viel zu lernen wie für den Staatsmann und Philosophen: phirima est, bemerkt er in Beziehung auf den Alterthumsforscher , et in omni iure civili et in pontificum libris et in XII tabulis antiquitatis effigies, qttod et verhorum prisca vetustas cognoscitnr et actionum genera quaedam 134 maiorum consuetudinem vitamque declarant. Den Schluss, den einer unsrer vorzüglichsten Juristen (Leist Gesch. der röm. Kechtssyst. S. 15) aus diesen Worten zog, «dass die eigentliche Entstehungs- quelle der legis actiones die Pontifices gewesen seien», dürfen wir mit noch grösserer Bestimmtheit auf Probus Worte basieren und werden nicht irren, wenn wir in jenen pontificum monumenta, aus denen Probus die Legisactionen entnahm, eine der revidierten Aus- gaben des priesterlichen Klagspiegels erkennen, wie sie, so lange diese Prozessform noch praktisch war. von Zeit zu Zeit erschienen sein werden, die aber im Wesentlichen ohne Zweifel zurückgingen auf die von Cn. Flavius veranstaltete Sammlung. Ohne sehr zu übertreiben können wir behaupten, dass wir in diesen I^^oten Aus- züge aus dem ius Flavianum vor uns haben und lange vor uns gehabt haben ohne es zu wissen.*)

S. 140 der zweiten Aufl.) vertreten, sie aber später stillschweigend feilen gelassen (S. 150 der 3. Aufl.). Vgl. E. I. Bekker, Zeitschr. f. ßechtsgesch. Y, 1866, S. 343. 344.]

*) [P. F. Girard , Un document sur l'edit anterieur a Julien (Sonderabdruck aus der Festschrift für E. I. Bekker, Weimar 1907) weist nach, daß Probus in den zum Edikt gehörigen Noten (Kap. 5) einen Ediktskommentar, wahrscheinlich den des Sex. Pedius benutzt hat und in der Anordnung der Noten dem Edikte folgt. Es ergibt sich daraus, daß uns von diesem Abschnitt nur der Anfang (bis zum Titel XII nach der Lenelschen Anordnung) erhalten ist. Durch Girards Untersuchung wird ferner die bereits von Wlassak (Edikt und Klageform 1882) ausgesprochene Vermutung bestätigt, daß die Klageformeln ursprünglich, d. h. vor der Julianischen Redaktion, im Anhang des Edikts standen.]

XXVI.

Zu den notae iuris.*)

153 unter den im vierten Band von Keils grammatici Latini von mir zusammengestellten Verzeichnissen der römischen Abkürzungen befindet sich unter n. III (notae ex cod. reginae p. 282 284j eines, das sich nur im Auszug, einem Exemplar von n. VI in der Hand- schrift Vatic. reg. 1128 eingeordnet, vorgefunden hatte. Jetzt ist in einer der neuerdings für die K. Bibliothek etworbenen Phillipps- schen Handschriften dieses Verzeichniss selbständig und bis zum Buchstaben F, in dem der Text abbricht, vollständig zum Vorschein gekommen. Die Handschrift (n. 496 im Verzeichniss der Claro- montard, n. 571 in dem der Meermanniani, n. 1741 Phillipps) ist kurz beschrieben bei Maassen (Quellen des kanonischen Rechts 1,443); sie gehört vi^ohl dem 10. Jahrhundert an und enthält die hadrianische Kanonensammlung mit einigen Vorsatzstücken, zu denen diese notae gehören. Ihnen vorauf geht f. 22 25 (früher 38 41) unter der Ueberschrift incip notas iuris das von mir unter n. VI herausgegebene Verzeichniss, dasselbe, mit dem in der erwähnten vaticanischen Handschrift das unsrige verschmolzen ist; bei den wenigen meistens mit Magno (M bei mir) stimmenden Abweichungen von dem ge- druckten Text zu verweilen ist nicht erforderlich. Unser Verzeichniss steht f. 25' ohne Ueberschrift, blos mit vorgesetztem Alphabet; da die Handschrift selbst hier vollständig ist, geht der Defect zurück auf die Vorlage des Schreibers, Die von mir beigesetzten Ver- weisungen beziehen sich auf die in dem bisher bekannten Auszug enthaltenen notae: wie man sieht, kehren in den fünf vollständig erhaltenen Buchstaben mit Ausnahme zweier des Buchstabens E

E 2 EG egerunt

E 3 E d edictum

alle dieser Sammlung von mir zugeschriebenen wieder. Auch das

154 früher von mir über dieselbe gefällte Urtheil wird durch den ver-

*) [Hermes 25, 1890, S. 153-155.]

Zu den notae iuris.

215

voUständigten Text bestätigt. Es findet sich allerdiogs eine auf christlichen Ursprung hindeutende Stelle (exemplum psahnorum)^ und andere zeigen verfehlte Erklärungsversuche derjenigen Ab- kürzungen, welche am Ausgang der antiken Epoche den Halb- gelehrten zu schaffen machten dahin gehört d(omus) ni(örfui) neben der richtigen Erklärung und die dem Solidus entnommenen con(mitia) ob(ridiaca); aber die meisten Abkürzungen führen in den- jenigen Leserkreis, dem der Gaius und der theodosische Codex in ihrer ursprünglichen Gestalt vorgelegen haben.

A 1

A 2

A .3

E 1

AVG

Augustus

BF-

beneficium

AV

augusto

BF jT

bona fidei contractum

AA

Augusti

BM.

bone memoriae

AA

Augustalis

B.

Balbius

AVR

Aurelius

BP.

bona possessio

AG

agit

ADP Ä(3

adoptiuo actio

CS

c-

CSA

Caesar

ACjN AM

actionem amicus

cum

Caesar Augustus

AMN AMN A

amicus noster

amantissimus

aut

CN

C 1 COMI

•C-

comis

comite

Cornelius

AT ATR

autem auctoritas

J.T.

contra contractum

AONM

AP

APP

ACC

ADI

actionem mandat

apud

apellat

accepta

adiutor

r

C 2 CONS CTR CA

con

controuersia

consöles

ceterum

causa

ADP ADt

adiutor prouintiae ad locum

CM

cTi

causa mortis cuius

ADP

ad finem

CRC

cuius rei causa

ADQS

ad questorem

CRP

cuius rei causa pro- mittis

B

bonus

CS

consiliarius

BB

bonorum

CONB-

conmitia obridiaca

BP

bona paterna

BF

bona fide

D-

dedicauit

BF-

bonum factum

DD-

dedicauerunt

BFT.

bona fortuna

Dm

dolum malum

155

216

Zu deu notae iuris.

D M diis manibus sacrum

D M domus mortui

D D deinde

©e dexerunt

^ dixit

©0 donatio

DT dotem

D P detem (sie) petit

D Q S die quo supra

DT dumtaxat

D diuus

D C diuus Caesar

D C A- diuus caesar aug

DB debotus

DY deuotus

D P) douota (sie) persona

•ö damnat

DL de loco D 5 D C T decretum

ö©0 dotis dictio

DP defunctus

DIG dignus

D 6 DIGM dignus memoriae

DQR de qua re

DYL dulcissimus

D 7 DIL dilectissimus

DPO depositio

DIL dilectissimus

D 1 DNA domina

D 2 DM domino

D 3 DN domno

D 4 D L doleo

DSD- dum

D 9 ö dam

D 10 DD PP diui fratres D 11 DPO dare facere oportet D 12 DSCA- diuerse scole auctores D 13 D M diuus marcus D 14 D M dolo malo D 15 DQ denique D 16 D P dimidiam partem D 17 DM decemanus maximus ET etiam

ETNC etiamnunc

E 1 E) eius

E) eius

E 4 EC et cetera

E 5 ER et reliqua

E 6 EXP exemplum

E 7 EXP -EP- exemplum eplae E 8 EX PSL exemplum psalmo-

rum E 9 EX CO excepto E 10 EDE eiusdem

E 11 EN enim

E 12 EXMAS exaestimas

F

filius

PA

familia

PPM-

filius familias

FP.

fratres

FP KK-

fratres carissimi

FI

femina

FFI

fratres filius

Fo

forte

FR.

foram

FR-

forum

XXVII.

Anecdoton Parisinum.*)

Sie erinnern sich vielleicht, dass Quicherat den Codex**) in 791, 81 802 oder 813 setzte, weil in der Handschrift ein Jahresverzeichniss von 779 835 vorkommt, zugleich aber ein Kalender ohne Zweifel -des Jahres, in dem die Handschrift geschrieben ist worin Ostern VI K. apr. fallt und dieses Datum des Ostertages in dem angegebe- nen Jahresverzeichnisse nur auf die drei angeführten Jahre passt. 82 Er ist indess der alten Schrift wegen geneigt sich für 791 zu ent- scheiden. Ich bin im Stande diese geschickte Combination durch ein positives Zeugniss zu ergänzen : mitten in der Handschrift nämlich fol. 40 findet sich folgende Subscription : Servil grammatici scripsit do propitius papuhis constlheyderkJii indic II mensis fehruarii XXV dies sattirni Jiora III dei. Das zweite Jahr der indictio trifft in dem angegebenen Jahresverzeichniss die Jahre 780, 795, 809, 824; dass das Jahr 780 gemeint ist, ergiebt sich aus folgenden Argumenten. Es war natürlich, wenn man im J. 780 schrieb, das Jahresverzeich- niss mit indict. I. 779 anzufangen und die folgenden Jahre im Yoraus beizufügen. Als dies paschalis wird nun zwar in dem Jahresverzeich- niss VII K. apr. angegeben; allein dass dies nur verschrieben ist für VI K. apr., folgt daraus, dass der damit correspondirende Tag, wo incipit quadragesima , beim J. 780 ist id. febr., gerade wie bei den J. 791, 802, 813, wo Ostern VI K. apr. fällt. Folglich haben wir eine Handschrift vom J. 780 vor uns, wozu die sehr alte fast gar nicht getrennte Schrift vortrefflich stimmt.***)

*) [Zeitschrift für die Altertumswiss. 3. 1845, Sp. 81—88. Die Edition des ihm von Mommsen mitgeteilten Anekdoton übernahm Th. Bergk, der Heraus- geber der genannten Zeitschrift. Die oben abgedruckten Worte, mit denen Mommsen die Zusendung begleitet hatte , datiert aus Paris den 2. Nov. 1844, nahm Bergk nach einigen einleitenden Bemerkungen in seine Abhandlung auf] **) [Cod. Parisinus bibl. reg. 7530.]

***) [Es folgen Bemerkungen Mommsens zu dem Carmen de figuris, das L. Quicherat aus dieser Hs. nicht mit der erschöpfenden , deutschen Grenauigkeit",

218 Anecdoton Parisinum.

84 Sie wissen, dass in demselben Codex incipit Thuesta Varii (fol. 28); die kurze Notiz, die unter diesem prächtigen Titel steht, hat Quicherat mitgetheilt, doch mögen die wenigen Worte hier wiederstehen :

Lucius Varius cognomento Rufus thyesten tragoed . . . magna cura ahsoluto post actiacam vidoriam aug . . . ^ ludis eins in scaena edidit, pro qua fdbula sestertium deciens accepit.

85 Darauf sagt Quicherat folgt ein Kapitel aus Isidors origines über die alten Noten: allein das ist irrig. Das fragliche Kapitel (I, 20) steht allerdings später fol. 154. 155 ebenfalls als ein eigener Traktat, aber dies hier ist nicht die isidorische Abhandlung, sondern deren Original, und wird, wenn ich nicht sehr irre, unter den Notizen über die alten lateinischen Grammatiker eine bedeutende Stelle einnehmen. Wir haben hier die wahren Noten des Probus, ganz verschieden von denen, die unter seinem Namen bekannt sind; Sie, thun hier einen Blick in seine grammatische Werkstatt, der unserm Jahn bei seinen trefflichen Untersuchungen über den Yormann der römischen Grammatiker leider gefehlt hat. Ich bemerke nur, dass von der 21sten Note (äloyog) in der Aufzählung das Zeichen, in der Erklärung dieselbe ganz ausgefallen ist. Eine Kopie des isido- rischen Kapitels, wie es in unserm Mspt. steht; wird Ihnen vielleicht hie und da von Nutzen sein; Sie sehen, dass ich die Ordnung darin aufgelöst habe, damit sie der der notae Prohianae correspondirt.*)

wie Mommsen es hier nennt, herausgegeben hatte (bibl. de l'ecole des chartes 1, 51 ff.). Da das Gedicht seitdem oft behandelt worden ist und die Mommsen- schen Bemerkungen daher keine selbständige Bedeutung mehr haben, so sind sie hier übergangen worden.]

1) Eine späte Hand hat die erloschenen Buchstaben ergänzt augusto; ohne Zweifel stand ursprünglich augusti.

*•) [Von einem Neudruck des nun auf Sp. 85 88 folgenden Textes ist ab- gesehen worden; vgl. Suetonii rel. ed. Reifferscheid, Leipz. 1860, fr. 108 S. 137 ff.]

XXVIII. Pünius und Catullus.*)

Plinius leitet bekanntlich das seiner Naturgeschichte vorgesetzte 128 Zueignungsschreiben an Titus Vespasianus mit einem catullischen Citat ein: namque tu solehas putare esse aliquid meas ntigas, uf

ohicere nioliar Catullum conterraneum meum iUe enim, ut scis,

permutatis priorihus Saetabis duriusculum se feeif. Dass dies so, wie es jetzt bei Sillig und von Jan gedruckt steht, sinnlos ist, wird keiner längeren Auseinandersetzung bedürfen; dass insbesondere die Saetaba, die aus CatuUs zwölftem Gedicht genommen seien, desshalb priora heissen. ne cum simili furto carmine XXV exagitato confun- daniur, ist eine jener Interpretationen, an denen die gesunde Ver- nunft durchaus unbetheiligt ist. Es ist aber nicht nöthig dabei zu verweilen; denn gerade die anstössigsten Worte in jener Lesung sind nicht handschriftliche Ueberlieferimg. Diese ist vielmehr im Wesentlichen correct und es handelt sich nur darum, sie wieder in ihr Recht einzusetzen. Alle in Betracht kommenden Handschriften nehmlich haben statt ohicere moliar vielmehr ohicere molliam^ Barbarus, Rlienanus, Dalechamp sei es nach ihren Handschriften, sei es nach ehier nahe liegenden kaum als Conjectur zu bezeichnenden Aenderung ob'ter emolliam; Saetabis aber ist ein verkehrter Einfall Alciats für das handschriftlich allein beglaubigte sylluhis. Demnach ist zu sclireiben :

Lihros rMturalis historiae .... licentiore epistula narrare consiitui tibi, iucundissime imperator: sit enim liaec tui praefatio verissinia, dum maximi consenescit in patre.

namque tu solehas nugas esse aliquid meas putare ut ohiter etnolliam Catullum conterraneum meum (adgnoscis et hoc castrense vocabulum): iUe enim, ut scis, permutatis prioribtis syl- lahis duriusculum se fecit quam volehat existimari a Veraniolis suis et Fabullis.

*) [Hermes 1, 1866, S. 128-129.]

220 Plinius und CatuUus.

129 Catullus schrieb bekanntlich meäs esse aliquid putare nugas, indem er in der Basis seiner Hendekasy Ilaben unbedenklich den lambus wie den Trochäus zuliess. Daran aber nahmen die Späteren An- stoss; in Domitians Zeit scheint es festgestanden zu haben, dass der Hendekasyllabus mit einer Doppellänge beginnen müsse (L. Müller de re metr. p. 162 [p. 179 ^J). So erklärt es sich leicht, warum Plinius sich beiläufig bemüssigt fand jenem 'harten' Yers seines Landsmannes durch Versetzung der ersten Silben eine Verbesserung angedeihen zu lassen; die Herstellung der von ihm beabsichtigten Wortfolge, die in den Handschriften schwankt, verdanke ich Haupt. Wenn endlich der jüngere Plinius von einem seiner Freunde schreibt (ep. 1, 16, 5): facit versus, quales Catullus aut Calvus: quanfum Ulis leporis dulcedinis amaritudinis amoris! inserif sane, sed data opera, molUhus levibusque duriusculos quosdam: et hoc quasi Catullus aut Calvus, so hat bereits L. Müller (a. a. 0.) mit Recht hervor- gehoben, dass mit den nach dem Vorgang Catulls absichtlich ein- gemischten 'harten' Versen vermuthlich zunächst solche mit einem Trochäus oder lambus beginnenden Hendekasyllaben geraeint sind. Wir sehen nun, dass dem Neffen, als er jene Worte schrieb, eben jene Ramlerische Leistung seines Oheims in dem wohlbekannten Dedicationsschreiben im Sinne gelegen hat.

XXIX.

Vitorius Marcellus.*)

Derjenige Mann, dem Statins das vierte Buch seiner Silven zu- 428^ geschrieben und an den er das vierte Gedicht dieses Buchs gerichtet hat, heisst in der Dedication Marcellus; die Ueberschrift des Ge- dichtes lautet epistula ad Victorium Marceüum und Z. 85 wünscht der Dichter, dass dessen Heimath von dem Unheil verschont bleiben möge, welches der Yesuv über Campanien gebracht hat: procul ista tuo sint fata Teate (so nach Lucian Müllers Vorschlag;**) überhefert ist tiios in fata teate) nee Marrucinos agat haec insania montes.

Quintilianus ferner hat seine Einleitung in die Redekunst einem Freunde gewidmet, der an vier verschiedenen Stellen (1 pr. 6; 4 pr. 1; 6 pr. l; 12, 11, 31) als M. (oder Marce) Vitori angeredet wird, ohne dass unsere Handschriften bemerkenswerthe Abweichungen darbieten; denn dass die geringeren meistens, einmal (6 pr. 1) auch der alte Ambrosianus, uictori haben, kommt nicht in Betracht. Aber das erste Wort ist auf jeden Fall in Marcelle zu ändern, wie dies l pr. 6 schon jüngere Handschriften gethan haben, da der "Verfasser in dem kurzen vorgesetzten Briefe seine Schrift bezeichnet als die Bücher, quos ad Marcellum meutn scripseram ; denn die Annahme, dass der Mann sowohl Marcus wie Marcellus geheissen und Quintilian an jenen Stellen nur den Vor- imd den Geschlechts- namen gesetzt habe, ist für diese Zeit, in der schon das Cognomen in Gebrauch durchaus vorwiegt, nicht zulässig. Die immer ver- muthete Identität dieser Persönlichkeit mit dem Freunde des Statins darf jetzt als gesichert gelten, nachdem der Name des Sohnes Geta

*) [Hermes 13, 1878, S. 428 430. Vgl. Statu silvarum libri, erkl. von Fl. Vollmer, Leipz. 1898, S. 461. Prosopograph. imp. Rom. HI S. 455 n, 519.]

**) [pr. i. Uio sint fata schon die ed. Parmensis vom J. 1473; Tmti Imhof (1859) mid Vollmer.]

222 Vitorius Marcellus.

aus den Handschriften theils bei Quintilian (1 pr. 6: erudiendo Getae fuo), theils bei Statins (parvoque exempla parabis magna Getae) her- gestellt ist, während früher dort naio, hier geres für Getae gelesen wurde und man überdies der irrigen Meinung war, dass der von 429 Statins in demselben Gedicht erwähnte Gallus nicht ein Freund, sondern der Sohn des Marcellus sei. Letzterer hatte also vermuth- lich eine Dame aus dem Hause der Hosidii Getae geheirathet, was auch insofern wohl passt, als diese aus der benachbarten Frentaner- stadt Histonium stammten.

Es treten jetzt hinzu die neu gefundenen Arvalacten der Jahre 118 120, in welchen des Arvalen C. Vitorius Hosidius Geta vielfach Erwähnung geschieht [C. I. L. VI, 2078—81]. Offenbar ist dies eben derselbe, dessen als Knaben Quintilian und Statins gedenken; die Yermuthung, dass die Mutter aus dem Hause der Hosidii war, er- hält hiedurch ihre Bestätigung und der Vatername seine schliess- liche Feststellung. Dass der Name Victorius Marcellus für die bessere römische Zeit schlechthin unmöglich ist, wird zugeben, wer mit dem römischen Namenwesen einigermassen bekannt ist^. Vitorius Marcellus^ worauf schon die Handschriften des Quintilian führen, giebt keinen Anstoss 2. Dass derselbe nicht aus senatorischem Geschlecht war, sondern sein Vater, der iam nunc helliger avus des Geta, wie ihn Statins nennt, dem Ritterstand angehörte, ist wahr- scheinlich.*) Marcellus war, als Statins schrieb, nach Verwaltung der

1) Victorius kommt als Geschlechtsname nur in der Epoche vor, wo man besonders in den Provinzen diese aus den Cognomina entwickelte; Victorius Victorianus in dem Augsburger Stein C. I. L, III 5833 ist analog den lustii lustini, Marcellinii Marcelli, Severii Severiani, die auf den Inschriften des Rhein- und des Donaugebiets so häufig sind und die offenbar daher rühren, dass die mit dem römischen Bürgerrecht beschenkten Peregrinen das nun erforderliche Gentilicium aus dem bisher geführten Cognomen gestalteten. [,Über diese Art der Gentilicienbildung hat Mommsen auch sonst gehandelt, besonders in seinen Bemerkungen zu der Inschrift von Worms C. I. L. XIII, 6244, Korrespondenzblatt der Westd. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst 1892 S. 81 (= Epigraph. Sehr. 11)" DESSAU.] Als Cognomen erscheint Victoi-ius nur in der noch beträchtlich späteren Zeit, in welcher die signa auf ins sich bildeten; es steht als solches mit Eugenius, Ablabiiis, Innocentius, Bonifatius 11. s. w. sprachlich auf gleicher Linie.

2) Der Geschlechtsname Vitorius, wohl verwandt mit vitulari ([zu] C. I. L. I n. 58 [der 1. Aufl.]), ist nicht eben häufig, aber wohl beglaubigt (C. I. L. vol. I n. 1160 und besonders vol. V p. 1133 so wie I. R. N. p. 441 [C. I. L. IX p. 730, X p. 1061]; auch C. I. L. vol. II n. 3658; vol. III n. 2429. 5059).

*) [Der helliger nicht iam nunc b. avus des Geta war nicht der Vater des Marcellus, sondern Getas mütterlicher Großvater, wohl Hosidius Geta, Konsul unter Claudius ; s. Prosopogr. imp. Rom. a. a. 0. ; Postgate, Classical Review 1906 S. 306. DESSAU.]

Vitorius Marcellus. 223

Prätur mit der Aufsicht über die latinische Strasse betraut worden^ und sah der Verleihung eines Legionscommandos entgegen. Dass er aber nicht als Knabe den latus clavus getragen hatte, wie jetzt sein Sohn ihn trug, ist besonders desshalb wahrscheinlich, weil der Dichter in der Anrede an diesen Sohn neben der väterlichen Tüchtig- keit die edle Geburt der Mutter hervorhebt (stemmate materno felix, 430 virtute paferna). Die Hosidii gehörten allerdings seit längerer Zeit der Curie an.

Hervorzuheben bleibt noch, dass, wie aus dem Arvalenindex Henzens hervorgeht, Nohl das Sachverhältniss richtig erkannt und den Ajvalen mit dem Geta der Schriftsteller identificirt hat. Da aber in den neueren Handbüchern und Ausgaben der unmögliche Yictorius Marcellus noch fortwährend umgeht, so schien es ange- messen ihn ausdrücklich auszuweisen 2.

1) Z. 59: tuos alio subtexit (der Kaiser) munei-e fasces et spatia obJiquae mandat renovare Latinae.

2) Nachdem diese Miscelle gesetzt war, kam mir, zufällig verspätet, Nohls ■weitere Ausführung (in dieser Zeitschrift XII S. 517) zu Gesicht. Sie würde dem Zweck genügen; da indess meine Darlegung einige Momente enthält, die Nohl nicht hervorgehoben hat, mag auch diese ihren Platz behalten.

XXX.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.*)

295 Mancherlei Ursachen treffen zusammen, um ein Urtheil über

die historische Kunst des Tacitus und den historischen Werth seines Geschichtswerkes zu erschweren; eine der wesentlichsten aber ist die, dass wir weniger als bei den meisten bedeutenden Geschicht- schreibern im Stande sind über sein Yerhältniss zu den von ihm benutzten Quellen zu urtheilen. Kein Scharfsinn könnte in der Beurtheilnng des Livius das ersetzen, was die Vergleichung seines Werkes mit einer ihrer hauptsächlichsten Quellenschriften, der grossen- theils noch vorhandenen pragmatischen Geschichte des Polybios, uns lehrt; und für Tacitus scheint man einig darüber zu sein, dass es einen ähnlichen sicheren Anhalt nicht giebt. Dies ist indess doch nur mit einer wesentlichen Einschränkung wahr; ich meine, dass die Yergleichung der beiden ersten Bücher der Historien mit den plutarchischen Biographien des Galba und des Otho einen gewissen Ersatz dafür bietet, dass uns von den Quellenschriften des Tacitus selber keine einzige vorliegt, und dass die zwischen beiden Werken bestehenden Beziehungen, obwohl natürlich nicht übersehen^, doch keineswegs in ihrem vollen Umfang gewürdigt worden sind.

*) [Hermes 4, 1870, S. 295— 325. Das Problem ist auf Grund dieser Ab- handlung seitdem oft behandelt worden, vgl. die Literaturnachweise von Groag, Cluvius Rufus in der Realenzyklopädie IV Sp. 121 ff'. Wenngleich die Quellen- frage noch immer nicht einwandfrei gelöst ist, insbesouders gegen Cluvius Rufus als Quelle des Tacitus vielfach Bedenken erhoben worden sind, so behält Mommsens Abhandlung allein schon durch die erstmalige vollständige Vorlegung und Analyse des Materials ihren bleibenden Wert.]

1) So hat H. Peter (die Quellen Plutarchs S. 28 fg.) das Verhältniss zwischen Plutarch und Tacitus im Allgemeinen richtig aufgefasst; und sicherlich hat überhaupt jeder aufmerksame und verständige Leser beider Schriften im Ganzen die gleiche Beobachtung gemacht. Aber den Umfang des Problems finde ich nirgend vollständig erkannt; und eben an dem Umfang hängt seine ganze Bedeutung für die Litterar- wie die politische Geschichte.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rnfiis. 225

Es wird zunächst nothwendig sein die Entstehungszeit der beiden Schriften festzustellen; was, so weit es für diesen Zweck erforderlich ist, mit wenigen Worten geschehen kann. Yon Plutarchos wissen wir, 296 dass er im J. 66 als Jüngling seinen Studien in Griechenland oblag ^ und Vorgänge aus I^eros Zeit als eigene Erlebnisse bezeichnet 2; dass er unter Yespasian (f 79 Juni 23) nach Rom kam und 'den alten Mann', wie er ihn nennt, dort sah'; femer, dass er den Aus- bruch des Yesuv (79 Aug. 24)*, den Aufstand des L. Antonius Saturninus (88) ^, die Hinrichtung des Philosophen L. Junius Rusticus (93) ^ den Tod Domitians (96 Sept. 18)' und das Ueberwintern eines Kaisers im Lager an der Donau, wahrscheinlich das Traians im J. 98 9^ erlebte, während bestimmte Beziehungen auf Ereignisse späterer Zeit in den umfänglichen, aber freilich auf die Verhältnisse der Gegenwart wenig Rücksicht nehmenden Schriften gänzlich zu fehlen scheinen. Die Angabe, dass die Einnahme Athens durch Sulla 'vor beinahe 200 Jahren' stattgefunden habe', zeigt nur, dass diese Biographie nicht gar lange vor dem J. 114 abgefasst ist, wo dieser Termin ablief^''. Hienach wird Plutarchs Geburt um das 297

1) de EI apud Delphos c. 1 fin. Er und sein Bruder heissen zu dieser Zeit vEoi: das. c. 17. [Vgl. zum Folgenden: Prosopogr. imp. Rom. III S. 55ff.]

2) vita Antonii c. 87; Flaminini c. 12. Daraus Photios cod. 245 p. 1212 R.

3) de soll. anim. c. 19. Auf denselben Aufenthalt in Italien mag sich be- ziehen, dass Plutarch unter Rusticus Leitung in Rom declamirte (de curios. 15) und dass er das Schlachtfeld von Betriacum und Othos Grabmal in Brixillum besuchte (Plutarch Oth. 14. 18) in Gemeinschaft mit einem Waffengeföhrten Othos, dem Consular Mestrius Florus, der auch sonst von ihm genannt wird (sympos. quaest. 7, 4. 8, 10) und am Hofe Vespasians verkehrte (Sueton Vesp. 22).

4) de Pyth. orac. c. 9. 5) vita Pauli 25. 6) de curios. 15.

7) Deutlich als verstorben wird Domitian vorausgesetzt vita Num. 19 und vita Popl. 15, ebenso de curios. 15, Erot. 25 und wohl auch q. R. 50: sqj ^n&v htEXQExpev . , AofUTiavog.

8) de primo frigido c. 12: wg Ioxoqovoi ol vvv /iisrä rov Kaiaagog ijil lov 'Lngov diaysifidaavTEg. Dies kann allenfalls auf Domitian gehen, der auch im "VS'inter aus der Donaugegend zurückkam (Martial 8 z. A.) ; aber eigentlich über- wintert hat dort doch zuerst Traian und zwar zuerst im Winter 98 9 (in dieser Zeitschr. 3, 117 [Eist. Sehr. 1, 449]). Die Widmung der apophihegmata regum et imp. an Traian kommt nicht in Betracht, da es sehr zweifelhaft ist, ob dieses Schriftchen von Plutarch herrührt; und dasselbe gilt in noch höherem Grade vcn der sogenannten institutio Traiani, die bei Johann von Salisbury unter Plutarchs Namen läuft. Doch beweist wenigstens jene angebliche Widmung, dass man Plutarchs Schriftstell erei unter Traian zu setzen pflegte, was auch Suidas (e:tl twv Tgacavov . . yoovwv xai exi TiQÖodsv) thut.

9) vita Sullae c. 21.

10) Die Widmimg einer Reihe seiner Schriften an Q. Sossius Senecio Consul I im J. 99, II im J. 107 führt eben auch nicht viel weiter, zumal wir von diesem

MOMMSEN, SCHR. VII. 15

226 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

J. 46—48 gesetzt werden müssen, seine schriftstellerische Thätigkeit aber unter Domitian, Nerva und Traian. Dafür, dass insbesondere die Kaiserbiographien unter Domitian geschrieben sind, lässt sich geltend machen, dass sie, sofern dem sogenannten Verzeichniss des Lamprias ^ zu trauen ist, mit Yitellius schlössen; die Ausschliessung der flavischen Dynastie ist begreiflich, wenn der Verfasser unter Domitian schrieb, wogegen, wenn er nach dessen Tode geschrieben hätte, er keine Ursache hatte anders zu verfahren als Suetonius unter Hadrian. Indess weder ist die Autorität hinreichend sicher noch der Schluss, und es wird hierauf nicht viel zu geben sein. Besondere chronologische Anhaltspuncte bieten diese Biographien nicht ^; sie machen aber, verglichen mit den Biographien der Feld- herren der Republik, den Eindruck eines Antangerwerkes. Eine 'pragmatische Geschichte' will der Verfasser nicht geben, sondern die Geschichte der einzelnen Kaiser ^; aber Biographien sind es doch kaum. Bei Galba ist die Vorgeschichte äusserst dürftig, bei Otho: fehlt sie ganz oder steht vielmehr im Leben Galbas an der Stelle, die ihr in den Annalen zukam und die sie auch bei Tacitus ein- nimmt, bei dem ersten Auftreten Othos; zwischen beiden Biographien 298 ist kaum ein Abschnitt wahrzunehmen*; es begegnen Rückweisungeo

Mann wenig wissen. Wahrscheinlich gelangte er zum zweiten Consulat in sehr vorgerücktem Alter, so dass diese Widmungen besser für die Zeit Domitians oder die ersten Jahre Traians passen als für eine spätere Zeit. [Vgl. Prosopogr. imp. Rom. III S. 255.] Dass Plutarch Ant. 34 den parthischen Triumph Traians nicht kennt, kommt noch weniger in Betracht ; denn dieser ward erst nach dem Tode Traians gefeiert. Endlich mag noch erwähnt werden, dass Eusebius (nach dem armenischen und dem lateinischen Text) die Blüthe des Plutarch unter dem 3. Jahre Hadrians verzeichnet.

1) Dieser (bei A. Schäfer comm. de libro vitarum X oratorum S. 9) giebt unter N. 26. 27. 29 33: Avyovarov ßiog TißsQiog KkavSiog NsQcovof ßiog räiog KaXaaQ FdXßag xal "O&cov BirsXXiog ; dazwischen steht als. n. 28 Sxrimoiv 'A(pQixav6g. Die Vergleichung der von C. Wachsmuth in Neapel wieder aufgefundenen Handschrift (Philologus 19, 577) giebt hiefür keine Ab- weichungen.

2) Was von Verginius Rufus gesagt wird, insbesondere im Leben des Galba c. 10, wo der Schluss ganz so klingt, wie wenn von einem hochbejahrten Lebenden gesprochen werde, macht es allerdings wahrscheinlich, dass Plutarch vor dem J. 97 schrieb, in dem bekanntlich Verginius starb.

3) Galb. 2: xa fisv ovv xaß'' exaara röiv ysvofisvoov djtayyskkeiv axQißwg zfjg nQayfi,axixfjg iaroQiag sariv, oaa de ä^ia Xöyov roTg r<öv KaioÜQWv egyoig xal nä^sai avfutEsxrcoxev, ov8s Ifiol nQoarjxei naQs^ßeiv.

4) Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass der Katalog des Lamprias die beiden Biographien unter einer Nummer zusammenfasst.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 227

ganz wie in gewöhnlichen Annalen^; die nicht ganz gering anzu- schlagende Kunst der Isolirung und Abrundung. auf der die Wirkung der Biographien der Hauptsammlung wesentlich beruht, wird hier wohl erstrebt, aber doch keineswegs erreicht.*) Dagegen sind als Quellenschriften diese Kaiserbiographien brauchbarer als die andern plutarchischen : sie enthalten mehr Thatsachen als diese, weniger Raisonnement und historisch - litterarisches Flitterwerk und binden sich strenger an die Zeitfolge. Aus diesen Gründen möchte ich die Schrift eher für eine der früheren Arbeiten des gewandten Schrift- stellers halten als für eine aus der Zeit seiner Reife.

Dass Tacitus mit der Herausgabe seiner Historien wenige Jahre nach dem Regierungsantritt Traians begonnen hat, ist ausser Zweifel. Ich habe anderswo dafür das J. 105 festzustellen versucht 2; für die vor- liegende Untersuchung genügt jene allgemeine anerkannte Festsetzung.

Den Zeitverhältnissen nach also sind die beiden in Frage stehen- den Schriften entweder gleichzeitig herausgegeben oder wahrschein- licher die Plutarchs etwas früher als die des Tacitus. Danach ist es bedenklich bei Plutarch Benutzung des Tacitus anzunehmen, während die umgekehrte Annahme sich aus nahe liegenden Gründen als von Haus aus unzulässig darstellt. Beide Schriften erscheinen einander gegenüber vielmehr als selbstständig. Was also aus äussern Gründen sich ergiebt, bestätigt ihre innere Beschaffenheit in allen Stücken. Wo sich Uebereinstimmung bei ihnen findet, die auf Ableitung aus derselben Quelle beruht, da hat nicht ein Schrift- steller aus dem andern geschöpft, sondern beide mittel- oder un- mittelbar aus demselben verlorenen Werke.

Eine derartige Uebereinstimmung ist allerdings vorhanden und zwar ist sie eine auffallend enge, zu deren vollständiger Darlegung es eigentlich eines gegenüberstellenden Abdruckes der beiden Massen bedürfen würde. Die folgende Erörterung verfolgt, indem sie den Beweis für diese Uebereinstimmung liefert und dieselbe im einzelnen näher bestimmt, zugleich den Zweck mit Hülfe der plutarchischen Biographien die Manipulation darzulegen, welche Tacitus mit der 299 gemeinschaftlichen Quellenschrift vorgenommen hat.

1) Galb. 2: oja:teo etotjrac.

*) [Vgl. F.Leo, Die griech.-röm. Biographie, Leipz. 1901, S. 156 f.]

2) In dieser Zeitschrift 3, 107. [ffist. Sehr. 1, 440 f.] Bemerkenswerth ist die rücksichtsvolle Weise, mit der Marius Celsus und Vestricius Spurinna in den Historien behandelt werden; sie sieht ganz so aus, als werde von noch Lebenden gesprochen. In der That bekleidete Celsus das Consulat zum zweiten Mal im J. 105 und auch Spurinna lebte wenigstens noch im J. 101. [Vgl. Proso- pogr. imp. Rom, III S. 409.]

15*

228 Cornelius Tacifcus und Cluvius Rufus.

Zunächst ist zu beachten, dass Plutarch mit dem Regierungs- antritt Galbas im Sommer 68 anhebt, Tacitus, dem die Annalen- litteratur beherrschenden Gesetz folgend, nicht zum Vortheil seines Werkes, mit dem 1. Jan. 69, fünfzehn Tage vor dem Tode Galbas. Die kurze Uebersicht über den Stand der Dinge in Rom und den Provinzen (c. 4 11) bietet für den nicht wohl gewählten Ausgangs- punct keinen befriedigenden Ersatz. Den bei Tacitus fehlenden Theil der Herrschaft Galbas schildern die ersten 18 Kapitel Plutarchs. Ein durchgängiges Entsprechen kann also hier nicht stattfinden, wohl aber begegnen zahlreiche Stellen, theils und be- sonders in jener Einleitung, theils da, wo Tacitus später sich ver- anlasst sieht zurückzugreifen, die denselben auch hier abhängig zeigen von der bei Plutarch vollständiger erhaltenen Quelle. So wird c. 5 kurz zusammengefasst die durch Ueberlistung den Prä- torianern entrissene Erklärung gegen Nero (P. 2); das unter Galbas Namen ihnen verheissene Geschenk (P. 2) und dessen Ausbleiben (P. 18); der Yersuch des praef. praet. Nymphidius sich selbst zum Kaiser ausrufen zu lassen (P. 14); die gereizte Stimmung gegen den neuen Kaiser wegen seines Geizes und seines Alters, wozu die positiven Ausführungen in der Biographie (P. 11. 13 a. E.) sich finden. Ebenso wird im folgenden Kapitel berichtet der ausschliessliche Einfluss des Yinius und des Laco (P. 13); die Hinrichtung des Cingonius Varro und des Petronius Turpilianus (P. 15), wo nicht bloss alles Factische stimmt, sondern auch die Motivirung des Tadels; das Niedermachen der Flottensoldaten bei dem Einzug des neuen Kaisers in die Hauptstadt (P. 15). Hiermit bricht die Parallele ab: die Aufzählung der in der Hauptstadt befindlichen Truppen fehlt bei Plutarch; die Katastrophe des Macer in Africa und die des Capito in Untergermanien werden von ihm nur beiläufig erwähnt (P. 15), wie denn alle Vorgänge in den Provinzen, soweit sie nicht unmittelbar den Thronwechsel herbeiführen, von ihm planmässig beseitigt sind. Auch die nun bei Tacitus folgende Uebersicht über die Lage der sämmtlichen Provinzen zu Anfang des J. 69 ist bei Plutarch, abgesehen von einer kurzen, aber mit Tacitus wörtlich stimmenden Bemerkung über die den Galliern ertheilten Privilegien 300 (c. 18 vgl. c. 22), auf die beiden Germanien beschränkt, von wo die Katastrophe ausging; hier stimmt Plutarch genau mit Tacitus^ und obwohl im Ganzen kürzer, hat er die Anekdote c. 18 a. E. allein.

1) G. 19 z. A. ist statt des sinnlosen vno TiysXXivco zu schreiben vno BitsUü, es sind die Legionen von üntergermanien gemeint.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 229

Anderes aus diesem Abschnitt tritt späterhin vereinzelt bei Tacitus auf, wo er rückgreifend neu auftretende Personen einführt: so die Notiz über den Freigelassenen Icelus, quem anulis donatum equestri nomine Marciamim vocitabant, während Plutarch c. 7 die Schenkung fast mit denselben Worten nebst ihrer Veranlassung in der Folge der Ereignisse berichtet; so die von T. Yinius unter Gaius und Claudius begangenen Schandthaten, die fast wörtlich gleich- lautend Plutarch c. 12 bei der Einführung desselben, Tacitus l, 48 bei seinem Tode berichten '"; so die Errettung des Tigellinus durch Yinius, die Plutarch an ihrer Stelle (17) erzählt, Tacitus 1, 72 bei 301 dem Tode des Tigellinus erwähnt 2. Auch in der Kede Othos 1, 37 werden verschiedene Ereignisse aus dieser Epoche berührt, ohne berichtet zu werden; man sieht, dass Tacitus sein Buch als eine Fortsetzung bis zum J. 6S reichender Annalen schrieb und die voll- ständige Bekanntschaft mit solchen bei seinen Lesern voraussetzte.

1) Die Verwandtschaft beider Stellen ist so eng, dass sie hier Platz zu finden verdienen:

Plutarch: Tacitus:

'Ell . . wv reo; xal aroaTsvojuevog vjio prima müüia infamis: legatum Caivisium

KaÄßialcp Zaßt'yo) xrjv ^ocorrjv oroaxeiav Sdbinum habuerat.

axö'/.aozov ovoav zrjv yvvaixa xov riyefiövog cuius iixor mala cupidine visendi situm

castroriim

jiaosiotjyaye vvxkoq sig ro azQaTÖ.-iedov per noctem militari habitu ingressa,

iv eadrjzi azQazicozixi}

cum tiffüias et, cetera müiiiae munia eadem lascivia temptasset,

xal düfpdeiQEv h zoTg aoieioig, ä jzQiyxi- in ipsis principiis stiiprum ausa est:

.-ita xaj.ovoi 'Pcofidioi. criminis huius rcus T. Vinius arguebatur.

'E:ii zovzo) ök Fäiog Kaiaag idrjosv avzöv " igitur iussti C. Caesaris oneratus catenis

ixeivov öe cbiodavörzog evzvyja XQriod- mox mutatione temporum dimisstts

^svog ojieXv^.

cursii hatiorum inoffenso legioni post praeturam praepositus probatiisque

Asuivmv de jiaga KXav6icp Kaiaagi Jioz^- serrili deinceps probro respersus est tam-

Qiov dgyvQovy vtfeiÄezo quam scyphum aureum in convivio Claudi

furatiis

jtv&ofievog 8e 6 Katoag zfj vozEQaiq ndkiv et Claudius postera die sdi omnium

avzov im öslivov exödeasv, eXdövzi 8e Vinio fictilibtis ministrari iussU.

exiXevosv ixeivco . . . xeodfiea nävza . .

Ttaoazt'&evai zovg v:ir)Qszag.

2) Auch bei Mittheilung der Gerüchte über Nymphidius Herkunft, die Tacitus in den Annalen (15, 72), 'quia nunc primum öblatus est\ vorbringt, liegt der im Galba c. 9 mitgetheilte Bericht zu Grunde.

230 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

Yollständiger noch wird die TJebereinstimmung von da an, wo auch Tacitus zu erzählen anhebt. Die Berichte der Procuratoren über die Stimmung der germanischen Truppen, wie Plutarch angiebt, oder, wie Tacitus bestimmter sagt, des Procurators von Belgica über die der Truppen von Obergermanien, bestimmen Galba zu dem Entschluss einen Nachfolger zu adoptiren. Die Candidaten der Adoption Otho und Piso und die dadurch in der Umgebung Galbas veranlassten Spaltungen werden völlig übereinstimmend ge- schildert und bei dieser Gelegenheit auch, wie gesagt, das frühere Leben Othos erzählt, sehr ausführlich bei dem Biographen, kürzer und mit Beseitigung der drastischen, aber nicht allzu ehrbaren Anekdoten bei dem Historiker, von dem indess beinahe Satz für Satz in der vollständigeren Erzählung des Griechen wiederkehrt^. Yon nun an laufen beide Erzählungen längere Zeit hindurch voll- 302 ständig parallel; so werden berichtet Pisos feste und doch dankbare Haltung 2; der Gang ins Lager zur Vollziehung des Adoptionsacts (P. 23— T. 17); die bösen Zeichen unterwegs (P. 23 T. 18); die Stimmung der Soldaten, als das erwartete Geschenk ausbleibt (das.) ;

1) Ich setze auch diese Stelleu her, in der Folge wie sie bei Tacitus stehen; die plutarchische weicht ab.

Plutarch: Tacitus:

Mdgxog "Oß^cov .... TQvqfffj xal <pdr]do- Otho pueritiam incuriose, adulescentiam

viaig svdvg ix jiaiScov iv oXiyoig 'Pco/naicov petulanter egerat disqjd'aQiJt.evog.

q>iXo) 8e reo "O^oivi xal av/j-ßicorrj diä gratus Neroni aetnulatione luxus rrjv dacoTiav sxQfjxo. Es folgt ein Bei- spiel der aemulatio luxus.

(Ilojijiaiag) iJQu fj-sv 6 Nsqcov .... IVt eoque Poppaeam pi'incipale scortum ut

d' al8ov(A,svog trjv savzov yvvaixa . . . apud con^cium libidinum deposuerat,

{xpfjxs zov "O&cova u. s. w. donec Octaviam uxorem amoUretur.

Wird des breiteren mit allem Detail mox suspectum in eadem Poppaea berichtet.

i^ejiefx(pd7} Ävaixavcöv OTQaxrjyög in provinciam Lusitaniam specie lega-

tionis seposuit.

xal Ttagsaxsv iavrov ovx äxagir . . . Otho comiter administrata provincia roTg vjirjxöoig.

TCQüixog avxog TiQoosxwQrjas xcöv ■^ye/^övmv. primus in partes transgressus

Stdovg nsiQav ovdevog rjxtov iSöxsi jigay- nec donec bellum fuit segnis et inter

fidxcov s/j,jieiQog elvai. praesentes splendidissimus.

2) Tacitus : Pisonem ferunt . . . nulluni turbati aut exultantis animi motum prodidisse. sertno erga patrem imperatwemque reverens, de se moderatus: nihil in vultu habituque mutatum. Plutarch: xov 8s Usiacovog oi jiagövxsg e^avfiaaav rji xs (poivfj xsxfiaiQÖiAevoi xal xqj nQoaänqi x6 xt]kixavTr]v jKctßtJ' dvsxjiX.i^xxcog , ov (irjv dvaia&rJTWg dexd/^svov.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

231

die des Publicums wegen der Rückforderung der neronischen "Ver- gabungen i; die verzweifelte Lage Othos und das Drängen seiner Getreuen, insbesondere des Wahrsagers Ptolemaeos, von dem die- selbe Anekdote bei beiden erzählt wird (P. 23 T. 22); die Ein- wirkung der alten Beziehungen zwischen dem Genossen Neros und dessen Gardeoffizieren (P. 24 und 20 a. E.— T. 23. 24); die An- zettelung der Verschwörung, wobei die Namen und die Stellung der gemeinen Soldaten und der Freigelassenen übereinstimmen (P. 24 T. 25); der Ausbruch selbst, von dem ganz dasselbe gilt 2; die Versuche des Piso, des Marius Celsus die Soldaten vom Abfall zu- rückzuhalten (P. 25 T. 31); Galbas Schwanken, ob er persönlich ihnen entgegentreten solle oder nicht (P. 26 T. 32. 33) 3; das falsche 303 Gerücht von Othos Ermordung (P. 26 T. 34. 35): Galbas letzter

1) Plutarch giebt dies nicht wie Tacitus (20) in der Reihe, sondern bei der Schilderung der Habsucht Galbas (c. 16).

2) Ich setze unter vielen ähnlichen noch diese Stellen her:

Plutarch: IIqo dsxaoxToy xaJ.avdö}v ^eßgovaaicov . . . eco^sv evdvg 6 /^isv FäXßag edvev iv IJa/.axicp löyv qjikcov Jiagöyrcov, 6 ÖS ^virjg '0/.ißQixtog ä/xa r^ laßsTv sig zag yetgag rov ieqsi'ov a.i/.dy/va .... e(fr] otjf^isTa fie^/dj.t]g Taoayrjg y.al fxsrä döXov xivdvvm' ex xEtfaXrjg snixei-

(levov rät avToxodrogi

naofjv (Otho) ojiiadsv zov FdXßa xai

jiQoosTys ToTg Xsyo/iievoig

TiaoaoTdg 'Ovonaozog djisX^deoog fjxeiv eq^i] xai neoi^evEiv oTxoi zovg doyizixzovag.

■^v de oifißokov xatgov, agog oy edet dsiavzrjaai rov "Odorva roTg oroazicozaig. ehcüv ovv, ozi .-zaX.aidv icovTjf.ievog oixiav ßovXezai xd v:to:iza SsT^ai zoTg 7zu>).r}zaig ,

Tacitus: X VIII Kai. Februarias sacrificanti pro aede ApoUinis (auf dem Palatin)

hartispex Utnbricius tristia exta et in- stantes insidias ae domesticum hostetn praedicit

andiente Othone, nam proximus astiterat

nee tmilto post libertus Onomastus min-

tiat expectari eum ab architecto et re-

demptoribus,

quae significatio coeuntium iam müitum

et paratae conmrationis convenerat.

OtJu) causam digres»iis requirentibus cum

emi sibi praedia vetustate suspecta eoque

prius exploranda finxisset,

innixus liberto per Tiberianam domum

in Velabrum, inde ad miliarium auretim

perffit.

djzfjXds xai did tijg Tißeoiov xaXov^evrjg oixlag xazaßdg ißddi^ev eig dyogdv, ov XQvaovg Eiazrjxsc xi'cov, eig ov ai zezfit]- fih'ai zTJg 'IzaXiug odol näoai zsXsvTcöaiv. ivzav^a zovg nQcözovg ixöeSa/ÄSVovg avzov xai noocEutovrag airoxodzagd (paai fti] TiXtiovg zQicöv xai sTxooi ysvia&ai.

3) Bei Plutarch ist 26 z. A. statt KiXaov xai Adxcovog nach Tacitus 2, zu lesen IxiXov xai Adxcovog.

ibi tres et viginti speculatores consaJutätum imperatorem . . , rapiunt.

232 Cornelius Tacitus und Cluvius ßufus.

Ausgang und sein Tod (P. 26. 27 T. 39 [—41]), wobei drei Namen, die das unsichere Gerede als seine Mörder bezeichnete, bei beiden gleich stehen, während einen vierten nur Plutarch nennt; die Er- mordung des Vinius (P. 27 T. 42), des Piso (P. 27 T. 43. 44), sodann die Anerkennung Othos durch den Senat, die Bestrafung oder Begnadigung der letzten Anhänger Galbas (P. 27 T. 45) und die Bestattung der Leichen (P. 28 T. 47. 49).

Hier schliesst Plutarch seine Lebensbeschreibung Galbas. Die Ernennung des Flavius Sabinus zum Stadtpräfecten erzählt Tacitus hier c. 46, Plutarch fast wörtlich gleichlautend im Otho c. 5. Die Forderungen der siegreichen Prätorianerschaaren, deren Spitze namentlich gegen die eigenen Führer gerichtet ist, hat Plutarch nicht aufgenommen. Ebenso wenig stimmen die Charakteristiken Galbas, mit denen beide Schriftsteller abschliessen, enger überein als die Sache es nothwendig mit sich bringt.

Nachdem die hauptstädtische Katastrophe erzählt ist, wendet sich Tacitus zu den Vorgängen am Rhein, wo bekanntlich ungefähr gleichzeitig mit Otho in Rom, Vitellius in Köln zum Kaiser ausgerufen wurde, und schildert dessen Erhebung so wie den Marsch seinei Truppen nach Italien 1, 51 70. Yon dieser Erzählung liegen bei Plutarch nur geringe Reste im 22. Kapitel des Galba vor, die bei 304 Tacitus in besserem Zusammenhang und in grösserer Yollständigkeit sich wiederfinden: die Erbitterung der Gallier gegen Galba (T. 51); die Eidverweigerung der obergermanischen Legionen am 1. Jan. (T. 55); die Stimmung der Truppen zu Gunsten des Yitellius, die bei Plutarch klarer hervortritt als bei Tacitus; die Benachrichtigung' des Vitellius von dem Geschehenen (T. 56) und dessen Ausrufung bei dem untergermanischen Heer (T. 57); Vitellius Annahme nicht des Caesartitels, sondern der Benennung Germanicus (T. 62). Alles Uebrige was Tacitus hier berichtet, fehlt bei Plutarch; es hat bei ihm ohne Zweifel in der verlorenen Biographie des Vitellius seinen Platz gefunden.

Wo die Darstellung des Tacitus übergeht zu den Kriegsvor- bereitungen Othos (c. 71 fg.), hebt die zweite plutarchische Biographie an und findet sich auch die durchgängige Uebereinstimmung wieder ein. Es werden gleichmässig berichtet die Begnadigung des Celsus (P. 1 T. 71); die Hinrichtung des Tigellinus (P. 2 - T. 72); die Correspondenz der beiden Rivalen wegen des Abdankens (P. 4 T. 74); die dem Otho günstigen Erklärungen der Provinzen (P. 4 T. 76); die Consul- und Priesterernennungen (P. 1 T. 77); die Quasi- Restitution des Andenkens des Nero (P. 3 T. 78); die Berufung

Cornelius Tacitus und Cluvius Rafas. 233

der 17. Cohorte von Ostia und der dadurch veranlasste Auflauf (P. 3 T. SO— 85); die Prodigien vor dem Abmarsch (P. 4— T. 86); die Bezeichnung der Feldherren und des Gefolges des Kaisers (P. 5 T. 87); die Confinirung des Dolabella (P. 5 T. 88); die Rückgabe der noch nicht eingezogenen Yermögenstheile an die zurückgekehrten Verbannten (P, l T. 90). Den Abzug Othos von Rom, mit dem Tacitus das erste Buch schliesst, giebt Plutarch nicht ausdrücklich an; die beiden Sätze des Tacitus 1, 87 (vgl. 2, 23): copiis Stietoniits Faulimis, Jlarius Celsus, Annius Gallus rectores destinati und 2, 11 : his copiis rector additiis Annius Gallus cum Vestricio Spurinna . . . praemissus sind bei ihm (c. 5) vereinigt: oxQajrjyovg xcbv dvvdfiecov iiijisju^'e Mdgiöv re KeXoov xai Zovrjjcöviov JJavklvov, en xe rdXÄov xal ^^TiovQivav, oder, wenn sie, was möghch ist, ursprünglich zu- sammengehörten, bei Tacitus auseinandergerissen.

Sodann fehlt bei Plutarch alles, was Tacitus in den ersten 17 Kapiteln des 2. Buches erzählt: die Vorgänge bei den Heeren in Judaea imd Syrien; das Auftreten eines falschen Xero auf den Kykladen ; die ersten kriegerischen Vorgänge bei der Flotte und den Heeren in Oberitalien.

Die Erzählung des Entscheidungskampfes läuft dagegen bei 305 beiden Schriftstellern wieder in der Hauptsache gleich. Die Unbot- mässigkeit der übrigens tapferen Soldaten Othos in Placentia, die ihren Führer zum Schlagen zwingt, macht den Ausgangspunkt (P. 5. 6— T. 2, 18. 19. 21. 22); es stimmen genau überein die Schilderung des Caecina (P. 6 T. 3, 20 vgl. 1, 53); Caecinas Marsch nach Cremona und ihm entgegen der des Gallus (P. 7 T. 2, 22) ; das Gefecht am Kastorentempel bei Cremona (P. 7 T. 24 26^; sodann die Vor- gänge bei dem Corps des A^alens (T. 27—30) lässt Plutarch weg der Kriegsrath in Betriacum (P. 8 T. 32. 33); Othos Rückkehr dorthin (P. 10 T. 33); der Versuch der Vitellianer den Uebergang über den Po zu erzwingen [F. 10 T. 34. 35. 36); die aufgeworfene

1) Die Schlachtbeschreibung stimmt zum Theil wörtlich: Tov Kext'va y.oxioavTog sig /.data xoioia (Caecina) ferocissimos auxiliarium itn- xal vÄcoSr] ^loXXovg onUtag, minentibus iHoe hicis occuUos eomponü.

LxjieTg ök .-roof |c/.aoa< xe/.Evaarcog, equites procedere longius iussi

xar avvdxpoioiv ol aoUfiioi, xaxä fitxgov et irritato proelio sponte refugi festina- dvaxmoEiv xai dvaqpevyBtv, tionem sequentium elicere,

ä^^oig dv vndyovxeg ovrcog ifißd^icooiv donec insidiae coorerentur. ai'Toi'? eig rijv evidoav,

eiriyyedav avxöiioXoi reo KiXaco. xai ovzog proditum id Othonianis diicibus, et curam HSV mntvoiv dyadoig dvxt^eläoag u. s. w. peditum Paulinus, equitum Geisus sump-

sere.

234 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

Frage, ob nicht die Soldaten unter sich Frieden machen sollten (P. 9

T. 37. 38); die Ordnung des Commandos nach Othos Entfernung (P. 7

T. 39); die Vorbereitungen zur Schlacht (P. 1 1 - T. 39. 40); der Angriff der Othonianer (P. 11. 12 T. 41); das falsche Gerücht von dem Uebertritt der Soldaten des Vitellius (P. 12 T. 42); die Schilderung des Gefechts zwischen den Veteranen der Rapax und den Tironen der Adiutrix, welche bis ins Einzelne zusammentrifft, und der Kampf der Bataver und der Gladiatoren (P. 12 T. 43); die Flucht und das Verhalten der einzelnen Generale Othos (P. 13

T. 44); Othos schnell gefasster Entschluss zu sterben trotz der Bitte seiner Umgebung den Kampf fortzusetzen (P. 15 T. 46. 47); dessen Fürsorge für seine Begleiter und Getreuen (P. 16 T. 48. 49); sein Tod und seine Bestattung (P. 16 T. 49); der Rückblick auf sein Leben und seinen Charakter (P. 18 T. 50); endlich die Unter- werfung der bei ihm verbliebenen Truppen (P. 18 T. 51).

"Wer diesem kurzen Ueberblick der beiden Darstellungen gefolgt 306 ist, und weit mehr noch wer sie neben einander vergleichend selber durchläuft, wird sich davon überzeugen, dass beide nicht bloss aus der gleichen für uns verlorenen Quelle geschöpft haben, sondern dass diese sowohl für Plutarch wie für Tacitus die Haupt-, ja in gewissem Sinn wahrscheinlich für beide die einzige Qrelle gewesen ist. So unmöglich es sein würde die eine Darstellung aus der anderen abzuleiten, so leicht und natürlich fügen sich beide in ein- ander; ohne alle Schwierigkeit würde man beide in einander schieben und zu einer einheitlichen alles Factische bei beiden Autoren un- verändert festhaltenden Darstellung zusammenfassen können. Widersprüche begegnen so gut wie gar nicht. Dass der von der kaiserlichen Tafel entwandte Becher bei Tacitus und Sueton ^ ein goldener, bei Plutarch ein silberner ist (S. 229 A. 1); dass der tapfere Centurio, der sich den Mördern des Piso entgegenwarf, bei Plutarch - aus Versehen auf Galba übertragen wird; dass in dem Gefecht der Gladiatoren und der Bataver Plutarch die Rollen der Angreifer und der Angegriffenen verwechselt^, sind noch die wesentlichsten, so

1) Claud. 32.

2) G. 26 , womit Dio 64, 6 übereinstimmt oder vielmehr Xiphilinos ; denn nach Vergleichung des anderen dionischen Auszugs bei Zonaras erscheint dies wie ein Zusatz des Epitomators. Das Richtige giebt Tacitus 1, 43 und bestätigt Sueton Galb. 20.

3) Die 2000 Gladiatoren standen am rechten Ufer des Po unweit Cremona, um die Vitelliauer abzuhalten über den Fluss zu gehen (Tacitus 2, 23. 34 36. 72 [?]). Um in die auf dem linken Ufer bei Betriacum gelieferte Schlacht einzu-

Cornelius Tacitus und Cluvius Bufus. 235

dass beide Schriftsteller nicht ohne Sorgfalt verfahren sind und namentlich Plutarchs sonst nicht mit Unrecht getadelte Nachlässig- keit^ hier in der That sich in massigen Grenzen hält. Diese Ueber- einstimmung ist um so auffallender, als die Erzählung bei beiden so 307 ins Einzelne geht, wie es sonst in der alten Geschichte äusserst selten vorkommt, und eine Menge Gerüchte, Anekdoten, militärischen und politischen Details aufnimmt, worin selbstständige Berichte, wie vortrefflich sie auch sein mochten, niemals in diesem Umfang hätten übereinstimmen können. Natürlich bleibt vieles übrig, das nur bei Plutarch, und noch mehr, das nur bei Tacitus sich findet und für das kein äusserer Beweis vorliegt, dass auch dies aus der gemein- schaftlichen Quelle geflossen ist; aber bei genauer Prüfung stellen auch hier meistentheils indirecte Beweise dieses Ursprungs sich heraus und sind diese in der oben gegebenen Uebersicht grossentheils schon angedeutet worden. Beide Bearbeiter verfolgen einen ver- schiedenen Zweck. Plutarch beseitigt alles, was nicht mit den Kaisern Galba und Otho in unmittelbarem Zusammenhang steht, wie den Sarmatenkrieg (Tacitus 1, 79) und die zunächst Yitellius und Yespasian betrefiFenden Vorgänge: Tacitus das persönliche Detail, insbesondere da, wo es ihm der AYürde der Geschichte Eintrag zu thun schien. Beide aber verfahren dabei in der Weise, dass ge- wöhnlich die Ansätze stehen geblieben sind, an die das bei dem correlaten Gewährsmann Aufbehaltene sich anschliesst. Gewiss wird niemand den Beweis antreten wollen, dass die beiden Geschicht- schreiber, und namentlich Tacitus, für diesen Zeitabschnitt keine andere Quelle benutzt haben als die ihnen gemeinschaftliche: wie

greifen, versuchten sie über den Fluss zu gehen, wurden aber bei der Landung von Yitellius batavisehen Cohorten mit schwerem Verlust abgewiesen, worauf diese von der Flussseite her die Hauptarmee Othos in die Flanke fassten (2, 43). I"ies ist bei Tacitus richtig, aber nicht anschaulich dargestellt; falsch berichtet Plutarch (c. 12), Alfenus Yarus habe die Bataver gegen Othos Gladiatoren geführt, aber nur wenige von ihnen hätten Stand gehalten, die meisten seien zum Fluss geflohen und hier von feindlichen Cohorten zusammen gehauen worden. 1) An einer Stelle scheint Plutarch den lateinischen Ausdruck missverstanden ZI haben. Es habe gewittert, sagt er, als Galba über die Adoption des Piso ZI den Soldaten theüs sprach, theils vorlas: ao^afievov ra ftev leyetv ev tö> owaxo:ze8(p, la 8s drayivcöaxsiv (G. 23). Dass bei einem solchen Act die Verlesung euer Urkunde stattgefunden habe, stimmt gar nicht zu dem, was wir sonst von den Foi-men der Adoption wissen , und noch weniger zu dem correspondirenden Bericht bei Tacitus (1, 18): apud frequentetn militum contionem imperatoria brevitate adoptari a se Pisonem more diri Angusti et ejcemplo militari, quo ttr t.rwn Jegeret, pronuntiat. Sollte nicht dies legere und pronuntiare zu dem ä -ayivmaxEiv und Isysiv verführt haben?

236 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

Tacitus im dritten Buche der Historien Plinius und Messalla anführt, wie er für die Darstellung des Todes des Plinius sich an dessen Neffen wendet, so mögen auch schon diese ersten Bücher Einlagen anderswoher in sich schliessen. Aber die Masse dessen, was sicher oder höchst wahrscheinlich aus der Hauptquelle entlehnt ist, lässt doch für Benutzung anderweitiger Quellen nur einen beschränkten Raum. Was Plutarch anlangt, so darf man wohl, abgesehen von dem, was er über die Schlacht von Betriacum*) und das Grabmal des Otho nach Mittheilung von Augenzeugen oder eigener Anschauung erzählt (O. 14. 18), alles Uebrige als Auszug aus jener verlorenen Quellenschrift ansprechen. Aber auch was Tacitus anlangt, führt 308 nirgends eine sichere Spur darauf, dass er neben seiner Hauptquelle noch eine andere stetig und gleichmässig benutzt, dass er mehrere Berichte über dasselbe Ereigniss mit einander verglichen und aus dieser Vergleichung den seinigen gestaltet habe. Die einzige Stelle, die auf den ersten Blick davon den Anschein hat, die Erzählung, dass 'nach einigen Gewährsmännern^' die Soldaten vor dem Kampf sich hätten vertragen wollen, aber dies keineswegs glaublich sei, beweist vielmehr für das Gegentheil, wenn man die plutarchische Fassung derselben Erzählung mit der des Tacitus vergleicht. Während ein Theil der Soldaten von Kampflust entbrannt gewesen sei, erzählt Plutarch, hätten andere sich dahin vernehmen lassen, dass die Truppen auf beiden Seiten mehr Ursache hätten sich zu vertragen als sich zu schlagen. Es sei auch ganz glaublich, dass die verständigsten unter den Soldaten solche Reden geführt hätten; denn es sei allzu arg, dass sie das, was um Sullas und Marius und dann um Caesars und Pompeius willen erduldet worden, nun um solcher Gesellen willen wie Otho und Vitellins abermals erleiden sollten. Also unter den 'einigen Gewährsmännern' des Tacitus ver- birgt sich eben der eine, dem er überhaupt folgt; und was auf den ersten Blick als abweichende Darstellung erscheint, bezeichnet er selbst in der That klar genug bloss als abweichende Meinung. 'Ich räume gern ein', sagt er, 'dass einige so im Stillen gedacht haben mögen; aber im eigentlichen Bürgerkrieg giebt es keinen anderen Frieden als nach der Entscheidung der Waffen' und er

*) [Vgl. Histor. Schriften 1 S, 354 ff.]

1) 2,37. 38: invenio apud quosdam auctores. Dies darf nicht, wie Peter a. a. 0. S. 38 will, zusammengestellt werden mit Plutarchs (0. 9) higcov 8e ^v äxoveiv. Plutarch spricht von der verschiedenen Stimmung der othonischen Truppen, nicht von abweichenden Berichten.

Cornelias Tacitus und Cluvius Rufus. 237

entwickelt dies, indem er dieselben Beispiele, Marius und Sulla, Pompeius und Caesar beibehält. Nirgends tritt die allgemeine Abhängigkeit des Schriftstellers von seiner Quelle schlagender hervor als hier, wo er sich von ihr entfernt.

Kaum wird es nöthig sein auszusprechen, dass die merkwürdige Epoche, welche Tacitus und Plutarch gleichmässig schildern, bei dem Römer in einem nicht bloss reicheren und lebensvolleren, sondern auch in einem treueren Bilde erscheint als bei dem Griechen; wobei übrigens nicht vergessen werden darf, dass dieser ausdrücklich erklärt keine 'pragmatische Geschichte' schreiben zu wollen. Ohne Ausnahme aber sind die Yorzüge nicht auf Tacitus Seite. Abgesehen davon, dass Plutarch nicht wenige für uns brauchbare imd interessante Thatsachen allein bewahrt hat, lässt sich auch an verschiedenen Stellen nachweisen, dass die Darstellung des Tacitus entweder flüchtig .309 oder gefärbt ist. Sie sind nicht zahlreich und keine derselben von wesentlich gravirender Art; aber dennoch verdienen sie Beachtung.

Die durch das Austreten des Flusses veranlasste Ueberschwem- mung hat nach Tacitus auch Theurung im Gefolge: fames in vulgns inopia quaestus et penuria alimentorum (l, 86). Man sieht nicht recht ein, inwiefern die Wassersnoth besonders die letztere herbei- geführt hat. Das fehlende Moment findet sich bei Plutarch (O. 4) : das Wasser erreichte diesmal die Stadtgegend, wo die Läden und Magazine der Bäcker sich befanden, und verdarb die Vorräthe.

Der Versuch der Yitellianer den Uebergang über den Po da, wo Othos Gladiatoren den Strom bewachten, zu erzwingen wird gleichmässig von Plutarch 0. 10 und Tacitus 2, 34 erzählt; aber bei diesem ist die Erzählung unvollständig. Zunächst werfen die TitelUaner eine Schiffbrücke in den Strom hinein und errichten auf dem äussersten Schiff einen Thurm ; diesem gegenüber die Gladiatoren einen auf dem Ufer. Hier bricht Tacitus ab; Plutarch fährt fort, dass die Geschosse der Othonianer nichts gefruchtet hätten; sie hätten aber darauf durch Brander die Schiffbrücke angezündet und di<3 Gegner mit Verlust und Schimpf zm-ückgetrieben. Offenbar ist dies bei Tacitus weggelassen, und steht somit, wohl durch seine, nicht durch der Abschreiber Schuld, der Bericht von dem Anfang dieses Gefechts bei ihm in der Luft. Dass dann die Vitellianer sich einer Insel im Strom bemächtigen und die Gladiatoren von dort zumckschlagen, erzählen beide übereinstimmend.

Bei der Rückforderung der neronischen Vergabungen an Sciauspieler und Sänger übergeht Tacitus (1, 20) den wesentlichen Umstand, den Plutarch (G. 16) und bestimmter noch Sueton (G. 15)

238 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

ausdrücken, dass im Unvermögensfall der Beschenkten die späteren gutgläubigen Besitzer zur Kückgabe angehalten wurden. Wären bloss jene betroffen worden, so konnte die Massregel den öffentlichen Credit nicht erschüttern und das Publicum nicht in Furcht setzen, wie Tacitus dies schildert Die Farben des letzteren sind lebhaft genug, aber die Zeichnung fehlerhaft.

Belehrend ist die Yergleichung der beiden Berichte über den Yorfall mit den Classiariern. Bei Plutarch (G. 15) setzen sich die- selben nicht eigentlich zur Wehre [vTieorr] ovdelg exeivcov), aber dass einige die Schwerter ziehen, veranlasst Galba den Angriff zu befehlen; 310 bei Tacitus (1, 6) sind sie wehrlos (inermes). Plutarch spricht von Vielem Mord und zahlreichen Leichen'; bei Tacitus (a. a. O. vgl. 37) sind viele Tausende (trucidatis tot müibus) gefallen von einer Truppe, die höchstens 6000 Mann zählte und die keineswegs auf- gerieben ward ^.

Als der Po erreicht war, bleibt nach Plutarch Otho am rechten Ufer in Brixillum zurück und sendet nur seine Feldherren über den Fluss (c. 5). Seine Truppen sammeln sich in der Gegend von Cremona (c. 7) und hier, in Betriacum zwischen Cremona und Yerona, wird Kriegsrath gehalten, dem auch der Kaiser beiwohnt (c. 8), um dann von da, von einer starken Bedeckung begleitet, nach Brixillum zurückzukehren (c. 10). Bei Tacitus wird in dem Kriegsrath selbst beschlossen, dass der Kaiser sich nach Brixillum begeben solle (2, 33), was denn auch geschieht (2, 33. 39); nach ihm muss der Leser glauben, wenn er es auch nicht gerade gesagt bekommt, dass Otho bis dahin bei dem Heer sich befunden hat. Jene Erzählung ist offenbar genauer und stimmt auch zu Sueton (0. 9: nee ulli pugnae affuit suhstititque Brixüli); aber bei der taciteischen fällt Othos Abwesenheit mehr ins Gewicht und wird der Ausgang besser vorbereitet: is primus dies Othonianas partes adflixit , namque et cum ipso . . . valida manus discessit et remanentium fractus animus. Dieselben Nachtheile hatte seine Abwesenheit auch früher schon gehabt: aber dass er bei der Entscheidungsschlacht fehlte, macht mehr Eindruck, wenn dasselbe nicht schon von den vorbereitenden Gefechten gesagt war, und darum bringt Tacitus seine Abwesenheit erst hier ins Spiel.

Der Bericht über die Vorgänge bei dem Heere des Otho nach der Schlacht ist bei Tacitus (44. 45) unklar und eigentlich falsch. Annius Gallus, der wegen eines Sturzes vom Pferde in Betriacum

1) Sachgemässer als beide berichtet Sueton G. 12: non modo immisso equite disiecü, sed decimavit etiam. Dio dagegen giebt gar (64, 3) die Zahl der Gefallenen auf 7000 an und lässt dann noch den Eest decimirt werden.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufhs. 239

zurückgeblieben war, beruhigt die dorthin geflüchteten Soldaten in einer Ansprache, worin die Frage, ob der Kampf fortzusetzen sei oder nicht, noch als eine offene erscheint. Die Muthlosigkeit der übrigen Soldaten wird angedeutet, die Kampfbegierde der Prätorianer ausführlich geschildert und motivirt; es könne noch alles gut werden. Am folgenden Tage ist der Muth der Besiegten noch mehr gesunken; sie senden an die Sieger eine Deputation; beide Parteien bejammern den Bürgerkrieg und wenden sich dazu ihre Todten zu bestatten, ihre Yerwundeten zu pflegen. Darauf folgt die Katastrophe Othos. 311 Plutarch dagegen berichtet (c. 13), dass in Betriacum die Offiziere der geschlagenen Armee unter Vorsitz von Marius Celsus einen Kriegsrath gehalten hätten; dass Celsus erklärt habe, die Entscheidung sei gefallen und man dürfe nicht, wie einst Cato und Metellus Scipio, das Blutvergiessen nutzlos verlängern; dass die übrigen Offiziere und Othos eigener Bruder, der Höchstcommandirende Titianus beigestimmt hätten; dass darauf Celsus und Gallus persönlich und unter Lebens- gefahr mit Caecina den Unterwerfungsvertrag verhandelt und ab- geschlossen hätten; dass ein Versuch des Titianus und einiger muthiger Soldaten den Vertrag im letzten Augenblick rückgängig zu machen rasch wieder aufgegeben und Caecina in Betiiacum eingelassen sei. Es ist einleuchtend, dass diese Erklärung der sämmtlichen Generale Othos die Sache entschied. Die verlorene Schlacht konnte wieder eingebracht werden; aber wenn bei den bisher ziemlich sich die "Wage haltenden Kräften die Hauptarmee Othos mit dem gesammten Offiziercorps zum Feinde übertrat, so war auch mit Hülfe der Donautruppen und der in Betriacum zurück- gebliebenen Bedeckungsmannschaft Othos wohl noch, wie dies weiter- hin auch Plutarch angiebt, ein Hinausziehen des Kampfes möglich, aber nicht mehr eine günstige Entscheidung. Dieser Schritt seiner Offiziere liess in der That dem geschlagenen Kaiser keine andere Wahl als zwischen dem Tod durch eigene und durch Henkershand ; worauf auch Celsus in seinem Votum deutlich genug hinwies. Wenn Tacitus die Farben so vertheilt, dass die Möglichkeit den Kampf fortzusetzen und der Wunsch eines Theils der Truppen dies zu thun in helles Licht, dagegen die Abneigung der grossen Mehrzahl derselben zurück- tritt^ und wenn er die alles entscheidende Erklärung der sämmt-

1) Am bestimmtesten 2, 48: non . . tdtima desperatione, sed poscente proeUum txercitu remisisse rei publicae novissimum casum. Aber das 'Heer' hatte seinen Fiieden gemacht und die den Kaiser zum Schlagen drängten, waren die Soldaten der Stabswache.

240 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

liehen Offiziere und des eigenen Bruders des Kaisers verschweigt, so geschieht dies offenbar, um nicht die Offiziere, sondern den Kaiser selbst es aussprechen zu lassen, dass der rechte Mann, im Bürgerkrieg besiegt, das Unvermeidliche annehme und nicht verschleppe^, um 312 Otho, der freilich in das nothwendige Ende rasch und unverzagt sich ergab, als freiwillig gestorben hinzustellen, um also die Katastrophe mit tragischem Pathos und mit dem Reiz des psychologischen Con- trastes ausstatten zu können 2. Dies hat er erreicht; und wenn es sich um ein Trauerspiel handelte, würde man den Dichter bewundern, der seinen Helden also zu adeln und zu heben verstanden hat, ohne eigentlich an der Ueberlieferung zu rücken, bloss durch die Kunst der Colorirung und Gruppirung der Thatsachen. Indess was für den Dichter ein Lob sein würde, kann ein Tadel des Geschicht- schreibers sein.

Aber auch auf die Fassung und Wendung seiner Darstellung hat die von Tacitus hauptsächlich benutzte Quellenschrift mehr ein- gewirkt, als man es bei einem Schriftsteller dieser Art hätte voraus- setzen können. Ich lasse eine Anzahl von Stellen folgen, in denen dies deutlich hervortritt.

Plutarch: Tacitus:

G. 18: q)covr]v •^yejuovi fieydXcp h. l, b vox pro re publica honesta,

TtQEJtovoav etnoiv eico'&evai xara- ipsi anceps, legi a se militem,

Aeyeiv orgariwrag, ovx äyogä^eiv. non emi.

G. 15: edo^e jur] vofxijucog, et xal h. 1, 6 inauditi atque indefensi

dixaicog . . . ävrjQrjxSvat tiqo tamquam innocentes perierant.

XQioecog ävdqag ovx äoi^juovg

.... TovQTiiXidvov .... Xoyov

fieraXaßeTv ovdev sxcoXvev.

1) Tacitus 2, 47: ne plus quam semel certemtis, penes me exemplum erit. Bei Plutarch sagt dies Celsus von Otho: f^T]8s "O&oivog , slksg ävrjQ ayadog iauv, E'&sXrjoovtog ext jisiQäad'ai, rfjg xv^rig.

2) Dabei soll keineswegs geleugnet werden, dass eine ähnliche Tendenz auch schon in seiner Quelle sich fand; wie denn diese Steigerung der That Othos von einer gezwungen freiwilligen zu einer wahrhaft freien schon vor Tacitus bei Martial erscheint und auch die suetonische, ja selbst die plutarchische Darstellung davon die Spuren zeigen. Dem rhetorischen "Wesen dieser Zeit lag nicht an der einfachen Ermittelung des psychologischen Herganges, sondern an dem Contrast; und in diesem Sinne sind alle Auffassungen der Katastrophe Othos in ein schiefes Licht gebracht und darauf zugestellt einen sehr gemeinen Act der Desperation zu einer ungemein historischen Action zu steigern. Aber wenn Tacitus auch die Färbung vorfand, so wird der Vorwurf stehen bleiben, <Jass er dieser zu Liebe die Zeichnung nicht positiv, aber durch Weglassen wesentlicher Züge entstellt hat.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

241

G. 15: vjieart] d' ovdelg exeivcov .... Ol' yorjorbv ovde aXoiov noiovvreg xw rdkßq rbv oioivöv eioiovTi öiä . . . vexgcov tooovtcov eig Ttjv TiöXiv . . . Tiäoi q)Qiy.wdr]g y.al (foßsoög iyevero.

G. 18: röv ^kdxxov vno ovvxovov .Toddygag ädvvarov ovra rcb ocojuan xai Tioay/LidTcov ä^ieigov iv ovöevi koyo) to nagd:iav enoiovvxo.

G. 25: ov xazd zi]v tov acöjuarog jLiaÄaxiav xai dTjXvrrjra rf] y^i'xf} öiaxedgvfXfiEvog.

G. 25: &g (paoi, jui] ovveidcog, IxjiXayelg de tco dTrgooöoxrjxq) xai q)oßi]^£ig.

G. 26: xov (fogeiov xaddn^sg h xkvöoivi öevgo xdxei diaq:ego- jiiivov.

G. 22: TO /j.£xa ^Xdxxov axgdxevjua Tovg xakovg exeivovg xai drjfio- xgaxixovg eig ovyxkrjxov ögxovg dcpevxEg oj/xooav OvixeXXico.

0.1: xov de KeXoov . . . (frjoavxog al'xb xov xgoTiov öiÖovat x6 y.Xrjjua nioxiv iyxexXija'&ai , äg, 6x1 FdXßq ßeßaiov eavxöv rrageo/ev, o5 ;ifapfv ovdefuav (j'xfEÜev.

0. 2: 6/uov de 'Pa>/naiovg :xdvxag oi'dev evcpgavev ovxa>g .... cbg xd ::zegl TiyeXXlvov.

0.4: dvxeygaxpe de xdxelvog avxcö y.axeigojvevouevog fiov/J] Tigänov ix de xovxov diege&iCofxevoi noXXd ßXdo(fi]ua xai doeXyr] ^XevdCov- xeg dXXrjXoig eygacpov ov ipevdcög uh, ävoijxwg de xai ysXoioigu. s.w.

MOMMSES. SCHB. VII.

h. 1. 6 trucidatis tot milihus iner- mium militum infaustus omine atque ipsis etiam qui occiderant 313 fonnidolosus.

h. l , 9 Hordeonium Flaccum . . . senecta ac debil itate pedum in- validum, sine constantia, sine auctoritate.

1, 22: twn erat Othonis moUis et corpori similis animus.

Ij 28: magnitudine subiti sceleris an corrupta latitis castra et, si contra tenderet, exitium metuens.

1 , 40 : agebatur httc iUuc Galba vario turbae fluctuantis impulsu.

1,57: superior exercittis, speciosis senatus populique Romani no- minibus relictis, . . . ViteUio accessit.

1,71: Celsus c&nstanter servatae ergo GaWam fidei crimen con- fesstts exemplum idtro imputavit.

1, 72, nachdem die Begnadigung des Celsus erzählt ist: par inde exultatio disparibus catisis con- secuta impetrato TigeUini exüio.

1, 74: paria Vitellius ostentabat, prima moüius stidta tUrimque et indecora simulafione, mox quasi rixantes stupra et flagitia 314 in vicem obiectavere, neuter falso.

16

242

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

0. 3 : (poßovjuevog . .vTieQTCÖv dvÖQCov avTÖg fjv (poßsQog exeivoig.

O. 3: ÖQ^og ano rfjg xUvrjg ttoXM jiagrjyoQi^oag xal detj'&elg xal fxfjdk daxQvcov q:>siod/usvog juo/.ig änensfxxpev amovg.

0. 5 : xaraXeyoiv de tmv ev reXei ovvExdi^jUOvg ha^ev ev xovxoig xal Äevxiov tov OvizelXiov ädeX- q)6v ovre Tigoo'&elg ovdev ovre dq)eX(bv rjg ely^e rijurjg.

O. 6: exXsvaCov Tovg"0-&covog . . . Gxrjvixovg xal nvQQiiiordg xal IIv&iCDv xal 'OXvjumcov ^ecoQOvg, 7toXe/uot> de xal orgaielag anei- Qovg . . . änoxaXovvreg. Ungefähr dasselbe schon c. 5: ovroi de juaXaxol fxev fjoav vtio o/oXfjg xal öiairrjg änoXefiov, nXeloxov Xq6vov ev &edTQoig xal navr\yv- QEOi Tial Ttagd axrjvrjv ßeßim- xoreg.

0. 7: e'jiejuyjev ovv Tuiavbv enl rd orgarev/xaTa röv ddeXq)öv xal UgoxXov röv enagy^ov dg elyßv egyo) xrjv Jtdoi^v dgxrjv, ngoo- X^f^o. de tjv 6 Tixiavög. ol de

. jxegl TOV KeXoov xal UavXlvov äXXujg e(peiXxovTo ovjußovXcov övojua xal cpiXcov, i^ovolav xal dvvajuiv ev roig ngdyfxaoi jurjde- juiav e'xovxeg. 315 0. 17: xal (piXo(pgovovjuevog dte- vefxe xdjv ygrjjLidxüyv xcb fiev TtXeov, reo de eXaxxov, ovy coojxeg dXXoxgicov dcpeid&v, dXXd x6 xax d^iav xal xb juexgiov ejiijuekcög (pvXdxxcov.

O. 16: /xrjxe ejxiXa'&eod-ai navxdnaoc ixrjxe äyav fÄvrj^oveveiv , oxi Kaioaga d-ecov eoyeg.

1, 81 : cum timeret Otho, timebatur.

1, 82: toro insistens precibus et lacrimis aegre cohibuit.

1,88: muUos e magistratihus, mag- nam consularium partem Otho ... comitum specie secum expedire iubet, in quis et L. VitelUum, eodem quo ceteros cultu nee ut imperaforis fratrem nee ut Jiostts.

2, 21 ut segnem et desidem et Circo ac tJieafris corruptum mi- litem . . . increpdbant.

2, 39 honos imperii penes Titi- anum fratrem, vis ac potestas penes Proculum praefectum : Celsus et Paulinus, cum pru- dentia eorum nemo uteretur, inani nomine ducum alienae culpae praetendehantur.

2, 48 pecunias distribuit parce nee ut periturus.

2, 48 neu patruum sibi Othonem fuisse aut oblivisceretur umquam aut nimium meminisset.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 243

Dem Eindruck dieser Stellen gegenüber wird zunächst gestattet sein an die früher dargelegten Beweismomente dafür zu erinnern, dass Plutarch unmöglich aus Tacitus abgeschrieben haben kann.*) Kicht bloss schrieb er unzweifelhaft früher, als die Annalen, wahr- scheinlich auch früher, als die Historien des Tacitus herausgegeben wurden, sondern er bringt auch eine Menge von Thatsachen, die bei Tacitus nicht zu finden und doch mit der dem Plutarch und dem Tacitus gemeinschaftlichen Erzählung so eng verwachsen sind, dass jedem, der in solchen Untersuchungen Takt und Uebung hat, der Oedanke an eine Einlegung derselben aus einer zweiten Quelle von vom herein als unzulässig erscheinen muss. Vielmehr wird nichts übrig bleiben als alle diese Analogien darauf zurückzuführen, dass der Grieche wie der Römer von derselben Hauptquelle abhängig sind.

Wenn aber die griechische Copie so viele und so auffallende Uebereinstimmungen mit der lateinischen Bearbeitung zeigt, so darf wohl angenommen werden, dass das Yerhältniss sich noch ganz anders stellen würde, wenn statt jener uns das lateinische Original vorläge. Berühmt gewordene Wendungen, wie das cum timeret, timebatur cpoßovfxevog yv (poßeQog, wie flagitia invicem öbiectavere neuter falso TcoXXä aoeXyfj äXXtjXoK; e-ygacpov ov ipevöcog, stellen sich hienach geradezu heraus als wörtliche Entlehnungen. Damit soll keineswegs behauptet werden, dass die Historien nicht den eigenthümlichen Stempel ihres Verfassers tragen. Auch abgesehen von den Reden, die ohne Zweifel sein volles Eigenthum sind und mit denen auch die plutarchische Erzählung sich nirgends enger berührt ^, finden sich gerade in diesen ersten Büchern in besonderer Zahl die ihm eigenen schlagenden Pointen, liegt des Schreibers schwermüthige und hoffnungslose Weltanschauung, seine herbe Kritik nicht einzelner, sondern der sämmtlichen auf der Weltbühne in 316 Hauptrollen auftretenden Personen darin in ihrer ganzen Strenge vor; und kein Verständiger wird glauben, dass das omnia servüiter pi'o dMninationc, das corrtq^tncs quam in privata domo, das novissimum mahrum fuit laetitia und die unzähligen ähnlichen von Manier nicht freizusprechenden, aber wirksamen und oft von tiefem politischen Blick zeugenden Wendungen nichts sind als geborgte Phrasen. Aber

*) [Die verkehrte Ansicht , daß Plutarch von Tacitus abhängig sei , ist zuletzt von E. Wölfflin, Sitzungsber. d. bayr. Akad. 1901, S. 3ff. vertreten worden.]

1) Die letzte Ansprache Othos lautet bei Plutarch (15) und Tacitus (2, 47) völlig verschieden.

16*

244 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

ebenso ist es ausser Zweifel, dass Tacitus Eigenthümlichkeit nur der vollendetste Ausdruck der in der höchsten römischen Gesellschaft des ersten Jahrhunderts herrschenden Stimmung ist; man kann dies an Petronius und dem jüngeren Seneca wie an den beiden Plinius verfolgen, so gänzlich verschieden sie auch selbst von Tacitus sind. Es ist von vorn herein gewiss, dass das Geschichtswerk, von dem Tacitus hier abhängt, ebenfalls auf antithetischer Reflexion ruhte, nach glänzender und wirkungsvoller Darstellung rang, so dass Tacitus die Farben, die er brauchte, zum guten Theil schon auf der fremden Palette fand, wahrscheinhch bei weitem schimmernder und kunst- voller, als sie aus Plutarchs gemüthlicher oder auch gemüthloser, wenigstens allem Mitempfinden fernstehender Schreiberei hindurch- scheinen. Dass Tacitus bestrebt war sie zu steigern, zeigt sich, ab- gesehen von dem früher insbesondere über seine Behandlung der Katastrophe Othos Bemerkten, auch darin, dass er an einzelnen Stellen damit verunglückt ist. Wenn zum Beispiel Plutarch (18) von Otho sagt, er habe ebenso viele und ebenso nachdrückliche Lobredner wie Tadler gefunden, denn nicht besser als Nero habe er gelebt, aber besser als dieser sei er gestorben, und Tacitus (2, 50) dies also wendet: duohus facinorihus, altero flagitiosissimo , altero egregio tantundem apud posteros meruit honae famae quantum malae, so hat diese letztere Fassung zwar mehr Pointe als die erstere, aber in der That ist sie falsch; denn durch keine einzelne Unthat, der man die Grossthat seines Todes entgegensetzen könnte, ist Othos Leben, das ganz gemeine eines leeren und wüsten Hofadlichen, im Besonderen bezeichnet.

Also zeigt sich in den beiden ersten Büchern der Historien des Tacitus keineswegs polybianische Quellenforschung, sondern engstes Anschliessen an einen allerdings unzweifelhaft vorzüglichen Gewährs- mann. Wir finden ihn von diesem abhängig, wie Livius von Polybios, nicht bloss im Thatsächlichen, sondern auch in Farbe und Form bis in die einzelne Wendung hinein; er ist weniger Forscher als Dar- 317 steller, und auch als Darsteller darf man vermuthen, dass er die Darstellung, die er vorfand, mehr gesteigert und gereinigt, als wesentlich umgestaltet hat. Man wolle daraus nur nicht zu viel folgern und namentlich nicht meinen diese Beobachtung ohne weiteres auf den gesammten Tacitus übertragen zu dürfen. Nicht bloss sind die Historien zwar keine Jugend-, aber doch die erste geschichtliche Arbeit des bedeutenden Mannes, sondern, was noch weit mehr ins Gewicht fällt, dieselben sind von ihrem Verfasser in der Hauptsache angelegt als Zeitgeschichte, wie dies vermuthlich schon der Titel

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 245

ausdrückt^ und er selber auf das Bestimmteste ausspricht, sowohl in der allgemeinen Ankündigung seines Planes in der Yorrede des Agricola^ wie in der Vorrede der Historien selbst, wo es betont wird, dass der Terfasser seine Laufbahn unter der Regierung "Vespasians begonnen habe, mit dem die Erzählung anhebt. Aber da Tacitus keineswegs Memoiren schreiben will, sondern Geschichte. 80 wählt er den Ausgangspunct, wie billig, nicht da, wo zufällig seine eigene Erinnerung begann, sondern bei dem nächstliegenden grösseren Abschnitt, dem Anfang des Jahres, in welchem nach dem Sturz der julischen Dynastie Yespasian den Thron bestiegt. Somit fand er sich für die ersten Abschnitte seiner Erzählung allein auf die schriftliche Ueberlieferung angewiesen. Der Zufall hat es gefügt, dass uns von dem Theil der taciteischen Geschichte , wo er wenig- stens die Stimmung und die Färbung aus eigener Erinnerung nahm, gar nichts erhalten ist: und insofern wird unser Urtheil über seine 318 Leistungen immer ein sehr hypothetisches bleiben. Nur derjenige Theil der Historien, der dem Verfasser schwerlich die Hauptsache war, ist auf uns gekommen; dies wird in Anschlag zu bringen sein, sowohl wenn wir hier einen pathetischeren Ton angeschlagen finden üh wir ihn bei der Darstellung der Geschicke vergangener Geschlechter gewohnt sind, wie auch wenn die Quellenforschung sich darauf reduciren sollte, dass Tacitus das beste Memoirenwerk über diese Epoche historisch stilisirt hat.

1} Gellius 5, 18.

2) c. 3 : noji . . pigebit . . . memai-iam prioris servitutis ac testhnonium praesett- Uum bonorum composuisse, das heisst die Zeit Domitians und die Nervas und Traians. Hier ist also an Yespasian und Titus noch gar nicht gedacht.

3) Weiter wirkte hierbei bestimmend ein das Schema der Annalen (S. 299 [228]); denn dies sind, wie Nipperdey Einl. S. XI fS. 14 der 8. Aufl.] richtig bemerkt, sowohl die Historien wie die Bücher ab ex<:essu divi Augiisti. Ob ausserdem nooh Tacitus die Anlehnung an ein bestimmtes Geschichtswerk oder vielmehr an eine Reihe sich fortsetzender im Sinne hat bei den ersten Worten seines Buches: initium mihi operis Ser. Galba II T. Vinius cos. erunt; nam post conditam uruem octingentos et riginti prioris aevi annos (das ist nach capitolinischer Aera bis 68 n. Chr. einschliesslich) midti andores rettidemnt pari eloquentia ac libertate. mrss dahingestellt bleiben. Unwahrscheinlich ist es nicht; denn dass er damals den Plan zu seinen Annalen noch nicht gefasst hatte, ist klar, und dass seine Historien geradezu als Fortsetzung auftreten, ist oben S. 801 [229] bemerkt worden. Ine ess möchte es schwer sein ein passendes mit dem Ende des J. 68 schliessendes Geschichtswerk zu bezeichnen [einen vergeblichen Versuch machte 0. Seeck, Rhein. Mts. 56, 1901, S. 227 ff., vgl. dagegen F. Rühl ebd. S. 516 u. a.] ; und möglich ist es, dass Tacitus nicht zunächst ein einzelnes Werk, sondern die annalistische Litteratur überhaupt im Sinne gehabt hat.

246 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

Die Untersuchung ist geführt worden ohne Rücksicht auf die Frage, welchem Werke Plutarch und Tacitus hier gefolgt sein mögen. Sie ist in der That unabhängig davon, wie diese Frage beantwortet wird; ja sie würde nichts wesentliches verlieren, wenn diese Frage überall nicht beantwortet werden kann; wie denn überhaupt bei den jetzt beliebten Quellenuntersuchungen viel zu viel auf die Namen und viel zu wenig auf die Sachen Rücksicht genommen wird. Indess ist in diesem Fall die Antwort nicht eben schwer zu finden und auch längst gefunden; der gemeinsame Gewährsmann ist Cluvius Rufus, und überflüssig wird es nicht sein das gefundene Ergebniss mit dem, was von Cluvius bekannt ist, in Verbindung setzen.

Ich fasse zusammen, was wir von diesem wissen.*) Cluvius Rufus - - der Yorname ist unbekannt ^ war Consul in Gemein- schaft mit P. Clodius ^, wir wissen nicht in welchem Jahr, aber sicher vor dem J. 41 (A. 3); wonach seine Geburt nicht später als etwa 6 n. Chr. gesetzt werden kann. Er wird genannt unter den Senatoren, die im J. 41 bei der Ermordung des Caligula im Theater zugegen waren ^, und als Begleiter Neros auf seinem Schauspielerzug durch Griechenland im J. 67, wo er dem kaiserlichen Tragöden als Herold 319 diente*. Als der Statthalter der Hispania Tarraconensis Galba im Sommer 68 zum Kaiser ausgerufen ward, ernannte er den Rufus zu seinem Nachfolger auf jenem Posten^. Nach Galbas Tode schien Rufus anfangs geneigt für Otho Partei zu nehmen oder wenigstens zu temporisiren ^, schlug sich aber dann zu der Fahne des Vitel-

*) [Ys^' zum Folgenden : Prosop. itnp, Rom. I S. 426.]

1) Borghesi opp. 2, 74. 5, 321 nennt ihn nach dem Vorgange älterer Ge- lehrten Marcus, ich weiss nicht weshalb. Er mag ein Sohn des wie es scheint für das Jahr 721 zum Consul designirten C. Cluvius sein, von dem ich anderswo gehandelt habe (zwei Sepulcral reden aus der Zeit Augusts und Hadrians in den Abh. der Berliner Akademie 1863 S. 466 [= Jurist. Sehr. I S. 407]). Ein Nachkomme von ihm, eher ein Tochterenkel als ein Sohn, ist der Consul des J. 80 C. Marius Marcellus Octavius Publius Cluvius Rufus (Henzen 5428 [— C. I. L. III p. 854]).

2) Pompeianische Inschrift Orelli 1168 = I. N. 2224 [C. I. L. X, 826 = Dessau 6383] : . . . . uvio P. Clodio cos. [Diese Inschrift hat nichts mit Cluvius Rufus zu tun, es ist in ihr [D]uvio zu ergänzen: vgl. Mommsen, Hermes 12, 1877, S. 128 = Jur. Sehr. III S. 261.]

3) Josephus ant. 19, 1, 13, [91]. Cluvius heisst hier Consular und erscheint j als Begünstiger der That, wo nicht als Mitverschworener. j

4) Sueton Ner. 21 und vielleicht daraus Dio 63, 14. Beide nennen ihn j Cluvius Rufus und Consular. 5) Tacitus bist. 1, 8.

6) Tacitus h. 2, 65. Ein kaiserlicher Freigelassener denuncirte ihn später dem Vitellius, tamquam audito Vitellii et Othonis j»-incipatu propriam ipse poten- > tiam et possessionem Hispaniarum tetnptasset eoque diplomatihus nulluni principem

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 247

lius^ und schützte für ihn Spanien gegen die in Africa mächtigen Othonianer 2. Als Vitellius nach dem Siege seiner Truppen sich nach Italien begab, fand unterwegs unweit Lyon sich Cluvius bei ihm ein, um sich zu rechtfertigen; der Kaiser Hess ihm auch dem Namen nach die Provinz, aber veranlasste ihn doch nicht dorthin zurück, sondern mit ihm nach Rom zu gehen 3. Dort erlebte er die Kata- strophe des Yitellius und nahm damals lebhaften Antheil an den politischen Vorgängen: bei dem geheimen Vertrag zwischen Vitellius und dem Bruder Vespasians waren nur er und Silius Italiens zugegen *. Von seinen weiteren Schicksalen erfahren wir nichts; er muss aber damals schon bejahrt gewesen sein und hat Vespasian schwerlich überlebt^. Seine Schriften werden von den Grammatikern nirgends berücksichtigt^ und directe Fragmente derselben sind daher nicht vor- handen; dagegen wird er als Gewährsmann angeführt für die Entstehung 320 des Namens histrio, den er auf die Pest vom J. 390 d. St. zurück- führte, bei Plutarch " ; für die neronische Zeit bei Tacitus zweimal*; für die Vorgänge des J. 69 wieder bei Plutarch (S. 323 A. 3 [250 A. 4]) und bei dem jüngeren Plinius^, wonach Cluvius den Verginius Rufus ersuchte seine Darstellung derselben nicht übel zu nehmen.

praescripsisset , et interpretabatur quaedam ex orationibtis eius contumdiosa in Yiteüium et pro se ipso poptilaria.

1) Tacitus bist. 1, 76: idem (dass die Truppen dem Otho Treue geschworen) ex Hispania adlatum laudatusque per edictum Cluvius Rufus: sed statim cognitum est conversam ad YitdUum Eispaniam. Von Depeschen Othos an Cluvius Rufus in Spanien spricht Plutarch Oth. 3 (S. 323 A. 3 [250 A. 4]).

2) Tacitus bist. 2, 58. 59. 3) Tacitus h. 2, 65. 4) Tacitus h. 3, 65.

5) Bei Nipperdey Einl. S. XXIII [S. 27 der 8. Aufl.] und in vielen anderen Büchern steht zu lesen, dass Cluvius im Jahre 70 n.Chr. starb; Tacitus "aber bist. 4, 39, aus dem dies genommen sein soll, sagt nur, dass Spanien damals durch den Abgang des Cluvius Rufus ohne Statthalter war (discessu Chivii Muß vacua). Vielmehr ist es nicht zu bezweifeln, dass er einen Theil, wenn nicht sein ganzes Geschichtswerk erst nach Vitellius Tode geschrieben hat, also gewiss beträchtlich später als 70 gestorben ist; und die S. 321 A. 2 [249 A. 1] angeführte Stelle des Tacitus kann dafür wohl als unmittelbarer Beweis in Anspruch genommen werden.

6) Quintilianus , der ihn hat kennen müssen, nennt ihn nicht unter den römischen Historikern. Er mag mit an ihn gedacht haben bei den Schluss- worten (10, 1, 104): sunt et alii scriptores boni, sed nos genera degustamus, non bibliothecas excutimus.

7) Quaest. Rom. 107. Dies ist insofern von Interesse, als die antiquarischen Rückblicke, die in Tacitus Geschichtswerk eingelegt sind, sich danach wahr- scheinlich ähnlich bei Cluvius fanden, also Tacitus auch dafür das Muster, zum Theil vielleicht selbst den Stoff bei Cluvius fand. [Vgl. über diese Exkurse bei Tacitus: F. Leo, Nachr. d. Gott. Ges. d. Wiss. 1896 S. 191 ff.]

8) Zum J. 55 ann. 13, 20 und zum J. 59 ann. 14, 2. 9) ep. 9, 19, 5.

248 Cornelius Tacitus und Cluvius ßufus.

Das erste Citat geht ohne Zweifel auf eine beiläufige Erwähnung jener alten Anekdote zurück und beweist nichts für den Umfang des Werkes selbst. Dass er Caligulas Tod erzählt hat, ist nach der Weise, wie Josephus eine an sich unbedeutende den Cluvius be- treffende Anekdote in die Erzählung desselben einflicht, kaum zu bezweifeln; dass er Neros Regiment und auch die Vorgänge nach dessen Tode ausführlich geschildert hat, steht fest; die Vermuthung Nipperdeys, dass seine Erzählung mit dem Tode des Yitellius schloss, ist in hohem Grade wahrscheinlich. Wann er zu schreiben angefangen hat, ist natürlich nicht auszumachen; die Herausgabe des Werkes, das auch in seinen früheren Abschnitten wohl kaum unter Nero hätte publicirt werden dürfen, muss unter Vespasians Regierung erfolgt sein. Auch sein ohne Frage lateinisch geschriebenes ^ Werk trug wie das des Tacitus den Titel historiae^; es war ja auch wie dieses, und sicher noch in weit höherem Masse als dieses, Darstellung der gleichzeitigen und insbesondere der selbst erlebten Ereignisse, Wie Tacitus war er kein Kriegsmann , aber ein Sachwalter ^ und geschätzt wegen seines Rednertalents sowohl wie wegen seines Reichthums und seines Einflusses. Wie Tacitus wandte er in seinen späteren Jahren sich dazu die Zeitgeschichte oder auch seine 321 Memoiren zu schreiben. In der That mag kaum ein anderer dazu in gleichem Masse berufen gewesen sein. So weit es in dem ver- ruchten Hof leben jener Epoche anging, hielt er sich frei von den schlimmsten Befleckungen, namentlich von dem Delatorenhandwerk *, so dass seine Yergangenheit ihm nicht die Feder fesselte; dagegen war seine Haltung und sein Gewissen gefügig genug, um ihn am Hof des Caligula wie an dem des Nero eine Rolle nöthigenfalls auch die eines Theatergehülfen spielen, ihn sodann Vertrauens- mann des Galba wie des Vitellius werden und ungefährdet bis auf Vespasian gelangen zu lassen. Wenn ein solcher Mann erzählen durfte und erzählen wollte, so konnte es ihm an Stoff nicht gebrechen; und das wunderbar lebendige Bild von den Zeiten des Caligula,

1) Dafür spricht ausser der allgenaeinen Sitte dieser Epoche insbesondere das Missverständniss Plutarchs (S. 306 A. 4 [235 A. 1]) und die wörtliche Ueber- einstimmung bei Sueton und Tacitus (S. 323 A. 1 [250 A. 2]), welche auf eine gemeinschaftliche lateinische Quelle schliessen lässt.

2) Bei Plinius ep. 9, 19, 5 sagt Cluvius: si quid in historiis meis legis.

3) Tacitus bist. 1, 8: vir facundus et pacis artibus, beUis inexperhis. 4,43: eloquentia clarus.

4) Helvidius führt dem Eprius Marcellus das Beispiel des Cluvius Rufus vor, qui perinde dives et eloquentia clarus nulli umquam sub Nerone periculum facessisset. Tacitus h. 4, 43.

Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus. 249

Claudius und Nero, das, wenn auch verstümmelt und beschädigt, doch einigermassen sich erhalten hat, verdanken wir vermuthlich in der Hauptsache ihm.

Eines besonderen Beweises dafür, dass dasjenige Werk, welches sowohl Plutarch wie Tacitus hier zum fast ausschliesslichen Führer gedient hat, eben diese Historien des Cluvius sind, bedarf es nach dem Gesagten kaum. Der einzige Gewährsmann, der in diesen Erzählungen mit Namen angeführt wird, ist eben Cluvius Rufus bei Plutarch; und für Tacitus, der in diesem Abschnitt überhaupt keinen Gewährsmann nennt ^, steht wenigstens fest, dass er Clu^-ius Werk gekannt und anderweitig benutzt hat. Alle Nachrichten darin, die sich auf Cluvius eigene Erlebnisse beziehen, tragen in so bestimmter Weise den Stempel des Persönlichen, dass sie als ebenso viele Ursprungszeugnisse gelten dürfen. Die 'mündlichen Mittheilungen' des Secretärs des Kaisers Otho Secundus, auf die sich Plutarch beruft und die auch bei Tacitus und Sueton dem Inhalt nach wiederkehren 2. passen ebenfalls für Cluvius Rufus : denn jener ist wahrscheinlich der aus den Institutionen Quintilians und dem Dialog des Tacitus wohl- 322 bekannte Julius Secundus •^, der als jüngerer Zeit- und als Fachgenosse dem Cluvius nicht fremd gewesen sein kann. Ueberhaupt, dass Cluvius Werk zu den Quellenschriften des Plutarch wie des Tacitus, auch für dessen Historien, gehört hat, ist längst ausgemacht und zum Beispiel von Nipperdey und H. Peter richtig dargelegt: in welchem Umfang aber dies der Fall gewesen ist. dies aus einander zu setzen ist oben versucht worden.

Noch bleibt eine Frage übrig, die hier weder erledigt noch ganz übergangen werden kann : ich meine die Benutzung der Historien des Cluvius bei anderen Schriftstellern ausser Tacitus und Plutarch. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass von den Berichten, die wir über die Epoche von Caligula bis auf Yespasians Thronbesteigung besitzen, ein weit beträchtlicherer Theil auf Cluvius zurückgeht als

1) In dem Bericht über den Abfall der namhaftesten Officiere des Vitellius sagt Tacitus (h. 2, 102): scriptores lemporum, qui potiente rerttm Flavia domo vonumenta composuerttnt , ciiram pacis et amorem rei publicae, corniptas in adn- k'iionem eausas, iradidere. Dies geht ohne Zweifel zunächst auf Cluvius und "«äre auch sicherlich längst auf ihn bezogen worden, wenn die wunderliche lebersetzung von discessiis {S. 319 A. 7 [247 A. 4]) nicht irre gemacht hätte.

2) Plutarch Oth. 9; vgl. Tacitus 2, 33 und Sueton Oth. 9.

3) Diese Yermuthnng Hirscbfelds (bei Friedländer, Sittengesch. 1, 170 der 3. Aufl. [183 der 6.]) scheint mir sehr ansprechend; dass von Yitellius hervor- gehoben wird, er habe dergleichen eigentlich für Freigelassene bestimmte Posten an römische Ritter übertragen '.Tacitus bist. 1, 58) , schliesst nicht aus, diiss Otho gleichzeitig ebenso verfuhr.

250 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

man gewöhnlich annimmt. Dass Josephus für seine 93 n. Chr. ab- geschlossene Archäologie und ebenso für den jüdischen Krieg, insoweit er dabei römische Annalen gebrauchte, sich an Cluvius gehalten hat, ist wahrscheinlich schon wegen der Erwähnung des- selben, die er, wie bemerkt, in die Erzählung von Caligulas Tode einlegt. Auch Dio, dessen Schilderung von den Vorgängen der J. 69 und 70 mancherlei Eigenthümliches enthält, mag, sei es unmittelbar, sei es durch ein verlorenes Mittelglied, mehreres aus Cluvius aufbehalten haben, das sonst nirgends sich findet i. Indess- wenn das zwischen Cluvius einer- und Josephus, Dio und anderen geringeren Gewährsmännern andrerseits obwaltende Verhältniss für die Beziehungen zwischen Cluvius und Tacitus von keiner unmittel- baren Wichtigkeit ist und deshalb hier davon abgesehen werden kann, so gilt nicht das Gleiche von Cluvius Verhältniss zu Tacitus 323 jüngerem Zeitgenossen Suetonius, dem Biographen der ersten zwölf Kaiser. Es ist in hohem Grade auffallend, dass, während Suetonius mit Tacitus Annalen sich nicht enger berührt, als es die sachliche Uebereinstimmung mit sich bringt, von seinen auf die Staatsumwälzung der J. 68 und 69 bezüglichen Notizen eine beträchtliche Anzahl oft wörtlich mit Tacitus Historien übereinstimmt^. Man hat daraus geschlossen, dass Suetonius diese vor sich gehabt hat, die Annalen aber nicht ^; und mit der Publicationszeit der Werke Hesse sich diese Annahme allenfalls vereinigen. Aber dagegen spricht, dass in dem gleichen Abschnitt Sueton auch an mehreren Stellen in auf- fallender Weise sich mit den bei Tacitus nicht zu findenden Berichten Plutarchs berührt, am auffallendsten bei derjenigen Notiz, für die Plutarch den Cluvius ausdrücklich als Gewährsmann anführt und die nicht bei Tacitus, aber ganz ähnlich, nur ohne Nennung des Cluvius, bei Sueton wiederkehrt*. Danach hat vermuthlich H.

1) Es verdient Beachtung, dass die Zahl der bei der Einnahme Roms durch die Flavianer Umgekommenen bei Josephus bell. lud. 4, 11, 4 und Dio 65, 19, 3, und nur bei diesen, auf 50000 angesetzt wird. Diese Schätzungszahl muss natürlich auf eine und dieselbe Quelle zurückgehen ; denn dass Dio hier aus Josephus schöpft, ist unglaublich. Hängt aber Josephus dabei von Cluvius ab, so wird dies auch für Dio wahrscheinlich; womit natürlich weder gesagt ist, dass er diesen selbst benutzt hat, noch die Benutzung zum Beispiel Suetons durch Dio verneint wird.

2) Sie sind zusammengestellt von H. Lehmann Claudius S. 40 fg. [Vgl. Beckurts, Zur Quellenkritik des Tacitus, Sueton und Cassius Dio : Das Vierkaiser- jahr, Jena 1880.] 3) Lehmann a. a. 0. S. 47 fg.

4) Plutarch üth. 3: zoT? öe nokXotg x^Q'^^^f^^^^*? ovx icpevye . . h roTg ^sargoK Nsgmv JiQOoayoQevEO&ai' xai rivcov elxovag Nsgcovog eig tovfKpavsg Jigo^efievmv ovx

Cornelius Tacitus uud Cluvius Rufus. 251

Peter ^ das Richtige gesehen, wenn er annimmt, dass Sueton aus eben derselben Quelle schöpft wie Tacitus und Plutarch. In der That schliesst Sueton bald an Plutarch, bald an Tacitus in der Passung sich so eng an -, dass nur die Ableitung aller drei Berichte aus einer gemeinschaftlichen Quelle den Sachverhalt genügend erklärt. Auch wäre es doch unglaublich, wenn Sueton für das Leben des Galba, von dem Tacitus eigentlich nur den Tod berichtet, sich an 324

ix(ö/.vas. JfD.ovßiog de 'Povcpog eig 'Ißrjoiav (frjoi xofua&ijvai SuiXcöfiaxa, otg ixjiefijiovai Tov; yoaufiaTr/cfÖQOVS, ro xov Neocovog &ex6v ovofta noooyeyoa[ifiivov ij^ovra xöj tov 'Odoivog. Sueton Oth. 7 : ab infima plebe appeUatiis Nero nullum indicium recttsantis dedit: immo, iii quidam tradiderunt, etiam diplomatibus primisque epistulis tniis ad quosdam provinciarnm praesides Xeronis cognotnen adiecit. certe et imagines statuasque eins reponi passus est. Aehnlich sagen Plutarch G. 19 und Sueton G. 17, dass Galba den Piso adoptirt habe wg fit] [mövov 8iä ro ytjgag, «U/ä xai xijv a:iai8iav y.axa(foovovut\-og despectui esse non tarn senectam suam, quam orbitatem ratus; Tacitus 1, 12 sagt nur allgemein, dass Galba schon längst entschlossen gewesen sei zu adoptiren. Man vergleiche noch die Erzählung von den Flotten- soldaten (Plut. G. 15 Suet, G. 12); von dem Flötenspieler Canus (Plut. G. 16 Suet. G. 12); von dem Edict den Tigellinus betreffend (Plut. G. 17 Sueton G. 15). 1) a. a. 0. S. 28 fg.

2) Besonders belehrend ist die Vergleichung der drei Stellen Plutarch G. 19, Sueton Oth. 3 und Tacitus 1, 13, betreffend Othos Antheil an der Heirath des Nero und der Poppaea. Die beiden ersten Berichte stimmen beinahe wörtlich :

Plutarch: Sueton:

i/.&ovoT}g 8e .lao avxöv atg yafiexijg ovx Poppaeam nuptiarum specie recepit ijyöjia fiexE^^cor, oJ./' tjaya/./.s fisxadiSovs. nee comtpisse contentus adeo düexit,

ut ne rivalem quidem Neronem aeqtto

tulerit animo. Dann wird erzählt, wie Xero einmal Othos Haus verschlossen gefunden und auf der Strasse stehend vergeblich um Einlass gebeten und gedroht habe. Nur ist der Ausschliessende bei Sueton Otho , bei Plutarch Poppaea ; worin übrigens nicht gerade (mit Peter S. 89) ein Versehen Plutarchs angenommen werden muss die ursprüngliche Erzählung lief vermuthlich so, dass Poppaea und Otho dabei im Einverständniss handelten. Tacitus beseitigt dies widerwärtige Detail und sagt nur kurz : Poppaeam Subinam principale scortum ut apud couscium Ubidinuin deposuerat. Aber diese Wendung ist gewiss genommen aus der bei Sueton aufbehaltenen: miscentem frusira niinas et preces ac depositum reposcentem; imd ebenso sind die folgenden Worte Suetons: sepositus est per catisam legationis in Lusitaniam und die des Tacitus: suspectum in eadein Poppaea in provinciam Lusitaniam specie legationis seposuit offenbar aus derselben Quelle geflossen. Sueton hat manche eigenthümliche Züge, zum Beispiel die darauf umlaufenden Spottverse, die sonst nirgends stehen, und schöpft sicher nicht aus Tacitus. Tacitus könnte an sich wohl diese Erzählung aus Sueton genommen haben; aber die Priorität seiner Arbeit steht fest. Sonach bleibt nichts als die Annahme einer gemeinschaftlichen Quelle.

252 Cornelius Tacitus und Cluvius Rufus.

diesen gehalten hätte und nicht an dessen Quelle. Ist dies richtig, so ergiebt sich daraus für Tacitus schriftstellerische Entwickelung eine wichtige Wahrnehmung. Dass Sueton den Cluvius nicht bloss für das Vierkaiserjahr benutzt haben wird, versteht sich von selbst; er wird für Caligula, Claudius und Nero ebenfalls aus diesem reichen Born von Scandal und Anekdoten umfassend, wenn auch nicht aus- schliesslich ^ geschöpft haben. Wenn nun aber Sueton mit den Historien des Tacitus sich eng berührt, nicht aber mit den Annalen, so wird, wie jenes die Abhängigkeit des Tacitus von der gemein- schaftlichen Quelle, so dies dessen relative Selbständigkeit darthun. Hat .Tacitus im Anfang der Historien wesentlich den Cluvius wieder- gegeben, so darf man hienach vermuthen, dass er denselben in den Annalen zwar natürlich auch stark benutzt hat, wie er ihn ja mehr- fach darin anführt, aber doch selbstständig erzählt; das heisst, er hat in seinem späteren Geschichtswerk sich von der Unfreiheit des früheren losgemacht.

1) In welchem Umfang Sueton von Cluvius abhängt, wird sich für die letzten Kaiser der ersten Dynastie überhaupt nicht nachweisen lassen, da wir hier keine ausgeführteren und als sicher cluvianisch anzusprechenden Berichte besitzen. Nur etwa Josephus könnte hierbei in Betracht kommen; und aller- dings stimmt dessen Erzählung von Caligulas Ende mit Sueton in der Weise überein, dass beide aus derselben Quelle geflossen scheinen.

Dagegen die Biographien des Galba, Otho, Vitellius, sowie die Vor- geschichte der Flavier (das weitere kann natürlich nicht aus Cluvius ge- nommen sein) kommen allerdings mit den cluvianischen Berichten bei Plutarch und Tacitus so eng überein, dass auch für Sueton Cluvius nicht bloss als Quelle, sondern als Hauptquelle angenommen werden muss. Doppelrelationen begegnen bei ihm wohl hier und da (z. B. Oth. 6: alii febrem simulasse tradunt ; Galb. 20); aber diese können ja auch schon bei Cluvius gestanden haben. Auch Wider- sprüche gegen die cluvianische Erzählung finden sich, aber sie sind wenig zahlreich und manches, was man als Widerspruch bezeichnet hat, ist es keines- wegs. So besteht in der That keine Differenz in Betreff' der Anekdote über Neros Besuch bei Poppaea (S. 323 A. 5 [251 A. 2]); und ebenso irrt H. Peter (S. 38), wenn er in der von Plutarch (Galb. 3) behaupteten Verwandtschaft Galbas mit der Livia einen Widerspruch findet mit Suetons Worten (G. 2): nullo gradu contingens Caesarum domum Affinität ist nicht Cognation. Die wirklich vorhandenen Widersprüche sind meistens der Art, dass sie durch Gedächtnissfehler erklärt werden können, zum Beispiel wenn der Chaldäer, den Plutarch (G. 23) und Tacitus (1, 22) Ptolemaeos nennen , bei Sueton (0. 4. 6) Seleukos heisst. Auf- fallender ist die Differenz über den durch den Waffen transport veranlassten Soldatenaufstand , wobei Plutarch (Oth. 3) und Tacitus (1, 80), unter sich über- einstimmend, sich von Suetons (0. 8) Erzählung wesentlich entfernen. Aber der ganze Vorgang ist höchst räthselhaft; und ich wage nicht zu behaupten, dass die uns vorliegenden Versionen mit Nothwendigkeit auf zwei verschiedene Urberichte führen.

XXXI.

Das Verhältiiiss des Tacitus zu den Acten des Senats.*)

Die Fixirung der Thatsachen, welche das einzelne Gemeinwesen 1146 betreffen und bewegen, das heisst die Geschichtschreibung knüpft da, wo das Gemeinwesen durch eine ständige Körperschaft repräsentirt wird, mit einer gewissen Xothwendigkeit an die Aufzeichnungen der Beschlüsse und Verhandlungen derselben an. Wie jeder englische Historiker seiner Erzähluug Jahr für Jahr den betreffenden Jahrgang der Parlamentsbeschlüsse zu Grunde legt, so ist auch im Alterthum nicht die griechische, aber wohl die römische Geschichtschreibung aus den Senatsprotokollen erwachsen. Es ist dies den Kennern des Livius und Tacitus bekannt; aber wenn damit auch keinem etwas Xeues gesagt wird, so hat man sich die Ausdehnung, in welcher die Annalistik sowohl der republikanischen wie noch mehr der Kaiserzeit von den Senatsprotokollen abhängt und beherrscht wird, schwerlich

*) [Nach Mommsens Tode von Hirschfeld in den Sitzungsberichten der Berl. Akad. 1904 S. 1146-1155 veröffentlicht mit folgenden Begleitworten: ,Momnisen las am 24. Juli 1884 in der Sitzung der philosophisch -historischen Classe über das obige Thema, vgl. Sitzungsber. 1884 S. 853. Das Manuscript dieser offenbar damals bereits niedergeschriebenen, aber nicht veröffentlichten Untersuchung hat sich nebst zahlreichen unverarbeiteten Notizenzetteln mit Auszögen aus den ersten drei Büchern der Annalen des Tacitus in seinem Nachlass vorgefunden. Mommsen hatte, wie ich aus mündlicher Mittheilung weiss, die feste Absicht, diese Untersuchung weiterzuführen; an der Ausfuhrung ist er durch den Tod verhindert worden. Die Schlussbemerkungen sind offenbar nur vorläufige, zu späterer Ergänzung bestimmt« Hinweise. Einige fehlende Citate habe ich aus- gefüllt; die Citate aus Mommsens Staatsrecht waren der zweiten Auflage ent- nommen ; ich habe die Seitenzahlen der 1887 erschienenen dritten in eckigen Klammem hinzugefügt. Über die Protokollierung der Senatsverhandlungen hat Mommsen später eingehend im Staatsrecht III, 2 (erschienen 1888) S. 1015 ff. gehandelt." Vgl. A. Stein, Die Protokolle des römischen Senats u. ihre Bedeutung als Geschichtsquelle für Tacitus, S.-A. aus dem 43. Jahresber. der ersten deutschen Staatsrealschule in Prag, Prag 1904.]

254 ^^^ Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.

in genügendem Umfang zum Bewusstsein gebracht. Es soll hier versucht werden, an dem Schriftsteller, welcher für uns die Geschicht- 147 Schreibung hauptsächlich repräsentirt , an Tacitus, dies Verfahren anschaulich zu machen.

JS^ach altem Herkommen, welches nachweislich schon in der Zeit der Zerstörung Korinths und Karthagos bestand und vermuthlich weit älter ist, gehört es zu den Amtsgeschäften insbesondere der städtischen Quästoren, die Senatsbeschlüsse, die seit alter Zeit nieder- geschrieben zu werden pflegten, nicht bloss aufzubewahren^, sondern auch Jahr für Jahr in Buchform zusammenzufassen 2. Dass die officiellen Aufzeichnungen späterhin auf die gestellten Anträge er- streckt wurden, ist ebenfalls bezeugt^; nicht minder, dass die Dank- reden, welche die Consuln bei Übernahme des Amtes an den Kaiser zu richten pflegten, denselben einverleibt wurden*. Dagegen sind die eigentlichen Debatten wohl nie zu regelmässiger Aufzeichnung gelangte Die schriftlich von dem Kaiser an den Senat gerichteten

1) Staatsrecht 2^ 480. 532 [= 2', 489 fg. 546].

2) Cicero ad Att. 13, 33, 3: ... reperiet ex eo libro, in quo sunt senatus consulta Cn. Cornelio L. [Mummiö] cos. (J. 608). Josephus ant. 14, 10, 10: Aöyfia ovynXritov ex xov ra/iisiov dvtiysyQafiiusvoy ix x<öv dsktcov rcäv drjfiooicov rcöv rafiisvrixcöv Koivtco 'PovrMq> . . . KoQvrjXia» xafiiaig xaxa Jiöhv MXxco ÖEVtsQq xal ex rcöv jiQcoTcov jtQwri], Vgl. den Senatsbeschluss betreffend Aphrodisias Lebas- Waddington n. 1627.

3) Dies zeigt am bestimmtesten der Senatsbeschluss vom Jahre 138 (C.VIII, 270 [= 11451]) descriptum et reeognitum ex libro sententiarum in senatu dic[ta]rum K[ani, vgl. Bormann Oesterr. Jahreshefte 3 S. 13] luni Nigri C. Pomponi (hmerini co(n)s(ulum), wo wohl nur der Kürze halber nach dictarum vreggelassen ist: et consultorum a senatu facto^-um. Vgl. Eph. epigr. 2 p. 282.

4) Fronto ad M. Caesarem 2, 1 p. 26 Naber: hunc (den Pius) . . ita laudo, ut laudatio mea non in actis senatus abstrusa lateat. Bekanntlich wurden die Acta des Senats dem Kaiser vorgelegt, und es war dies wohl die übliche Form, die Dankreden zu seiner Kenntniss zu bringen.

5) Die prozessualische Verhandlung, über die Plinius ep. 7, 33 berichtet, und in der eine von ihm als einem der dabei plaidirenden Advocaten gefallene Äusserung sogleich notirt wird (qiiae vox et statim exeepta et postea tnulto sermone celebrata est), wird zwar nicht vor dem Senat geführt, sondern gehört in ein nach, erfolgter Verurtheilung durch den Senat (senatus cognitione finita) vor den Consuln stattfindendes iudicium secutorium (vgl. St. R. 2, 114 Anm. 9 [= 23, 122 Anm, 4]); sie kam als sensationell in das öffentliche Journal (cum sit in adis publicis), und wer sich die Äusserung des Plinius notirte, that dies wohl zum Zweck dieser Publication. Auch das bekannte, dem theodosischen Codex vor- gesetzte Protokoll über die im Jahre 438 wegen dessen Einführung abgehaltene Senatsverhandlung ist nicht eigentlich eine Aufzeichnung der gehaltenen Reden (vgl. zu Anfang: proceres amplissimusque o)-do senatus dum convenissent habuissent-

Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 255

Mittheilungen, die sogenannten orationes, sind ohne Zweifel diesen Protokollen einverleibt worden und wahrscheinlich auch alle Schreiben, die an den Senat, oder vielmehr nach römischer Sitte an die zum Vorsitz im Senat berechtigten Beamten und den Senat, gerichtet oder in gleicher Weise von diesen Beamten und dem Senat erlassen^, 1148 oder welche dem Senat auf kaiserlichen Befehl oder sonst in officieller "Weise mitgetheilt wurden. Diese Aufzeichnungen, die, insofern sie über die Verzeichnung der Beschlüsse hinausgriffen, auch als acta scnatus oder commentarii senatus bezeichnet werden^, wurden im Allgemeinen nicht veröffentlicht, wenngleich der Senat nicht selten beschloss einzelne derselben durch das Reichsblatt, die acta urbis^ dem Publicum zur Kenntniss zu bringen'; aber es wurden nicht

qtie inter se aliquamdiu tractcUum), sondern enthält nur die Anträge der Beamten, Acclamationen (vgl. S. 1148 A. 3 [unten A. 3]) und die Abstimmungen.

1) Man wird wohl nicht irren, wenn man sich das römische Protokollbuch vorstellt nach dem Muster des caeritischen, wovon uns ein amtlich am 13. Juni 114 genonunener und beglaubigter Auszug erhalten ist (Orell. 3787 [= C. I. L. XI, 3614, Dessau 5918^]). Zunächst wird der Titel des Buches referirt; er giebt zuerst das Datum (13. April 113), ohne Zweifel denjenigen Tag. an welchem der Band an- gefangen wurde ; es folgt die Angabe der damals versitzenden beiden Beamten der Stadt im Ablativ und der eigentliche Buchtitel: commentarium cottidianum municipi Ckieritum. Das erste Protokoll wird eingeleitet mit inde (d. h. vom Titelblatt an) pagina XXVII Jcapite VI, worauf ein Beschluss der Decurionen folgt (ohne Datum, wohl weil dieses zu Anfang der Sitzung stand und somit beim Ab- schreiben wegblieb). Es folgt inde pagina altera capite primo das in der er- wähnten Senatssitzung vom Rath beschlossene Schreiben an den Curator der Stadt, ausgefertigt von magistratns et deeuriones am 13. August. Weiter inde pagina VIII kapite primo die Antwort des Curators an dieselben vom 12. Sep- tember.

2) Der Annahme Hübners (de senatus populique Romanis actis p. 5. 12), dass diese beiden Ausdrücke Verschiedenes bezeichnen, kann ich nicht beistimmen, überhaupt nicht einräumen, dass es mehr als eine Kategorie derartiger Auf- zeichnungen gegeben hat. Wenn Cicero von dem Bande spricht, der die Senats- beschlüsse des Jahres 608 enthält, dagegen Caesar die acta senattts publiciren Hess, Augustus aber dies untersagte (Sueton Caes. 20. Aug. 36), überhaupt in der Kaiserzeit nur die acta senatus oder die commentarii senatus (Tacitus 15, 74) oder der liber sententiarum in senatu dictarum (oben S. 1147 Anm. 3 [254 A. 3]) erwähnt werden, so weist dies wohl darauf hin, dass diese Aufzeichnungen sich anfangs auf die Beschlösse beschränkten und nachher sich erweiterten; aber auf zweierlei officielle Aufzeichnungen senatorischer Actenstücke führt keine Spur.

3) Aus Plinius paneg. 75 erhellt, dass der Senat die Veröffentlichung (in acta publica mittere) der an ihn gerichteten kaiserlichen Botschaften (orationes) zu beschliessen pflegte (Beispiele Plinius ep. 5, 13, 8; vita Alex. 6), unter Traian aber ausnahmsweise auch die Acclamationen zu veröflfentlichen beschloss, mit welchen die einzelnen Senatoren den Vortrag des Kaisers über die vorzunehmen-

256 Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.

bloss jedem Betheiligten die erforderlichen beglaubigten Abschriften gewährt^, sondern die Einsicht der Protokolle selbst stand wahr- scheinlich, wo nicht etwa besondere Restrictionen getroffen waren, wenigstens jedem Senatsmitglied von Rechtswegen frei oder war doch ohne Schwierigkeit zu erwirken 2.

Dass diese Aufzeichnungen für den Greschichtschreiber ein un- schätzbares Fundament darboten, leuchtet ein; was den römischen Senat und das kaiserliche Haus in Freude oder Leid bewegte, ging regelmässig in der einen oder der anderen Weise durch den Reichs- senat. Andrerseits liegt es ebenso auf der Hand, wie wenig diese Aufzeichnungen allein für die umfassende und pragmatische Dar- stellung der geschichtlichen Yorgänge genügten. Dennoch haben sie im Wesentlichen ausgereicht; und wenn wir Späteren uns der Thatsache gegenüber finden, dass die Geschichtschreibung der Kaiser- zeit ohne Ausnahme flach und äusserlich ist und das innere Leben, wie es zum Beispiel in dem appianischen Auszug aus Pollio's Geschichte der Bürgerkriege pulsirt, in den folgenden drei Jahr- hunderten auch nicht einen einzigen Abschnitt beseelt, so ist der letzte Grund davon ohne Zweifel darin zu finden, dass die Geschicht- schreiber dieser Epoche im Grossen und Ganzen genommen sich be- gnügt haben, den dürren Abriss der Yerhandlungen des Reichssenats zu redigiren und zu staffiren. Es entspricht den geistigen Zuständen dieser hochgebildeten, aber matten und freier individueller Entwicke- lung schlechthin ungünstigen Epoche, dass die Schriftsteller insgemein sich diesem Herkommen fügten. 1149 Dies äussert sich zunächst in dem Festhalten der annalistischen

Form. Der Über annalis ist allerdings nicht aus dem Jahrbuch der Senatsbeschlüsse erwachsen, wohl aber durch dessen Einfluss für; alle eingehenderen Geschichtsdarstellungen die ausschliesslich gültige Form geblieben. Dass man deren Unzulänglichkeit fühlte, zeigt di( in Tacitus' Kriegsdarstellungen nicht selten begegnende Zusammen-

den Wahlen begleiteten oder erwiderten. Dies scheint dann stehend gewordei zu sein, wie ausser den Kaiserbiographien namentlich das Senatsprotdikoll von Jahre 438 (S. 1147 Anm. 5 [254 A. 5]) zeigt. Vielleicht darf man auch diese all Abstimmung der Einzelnen in adulatorischer Form betrachten; beachtenswerth ist^ dass nicht selten auch praktische Vorschläge in dieser Weise gemacht wurden (zum Beispiel in jenem Protokoll : Codices conscripti ad provincias dirigantur).

1) Das zeigt namentlich das S. 1147 Anm. 3 [254 A. 3] angeführte Actenstück,

2) Dass die acta senatus in den öffentlichen Bibliotheken Roms sich be fanden, kann aus der vita Probi c. 2 nicht gefolgert werden und ist nicht wahr scheinlich.

Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 257

fassung mehrerer Campagnen zu einer fortlaufenden Erzählung, und zeigt noch deutlicher die seit dem Anfang des 2. Jahrhunderts um sich greifende Umwandelung der Geschichtserzählung in Lebens- beschreibungen der Regenten, welcher wir namentlich die chrono- logische Verwirrung der Kaisergeschichte von Traian abwärts ver- danken.

Es äussert sich dies aber auch in dem Kreise, welcher mit dieser Schriftstellerei sich beschäftigt. Tacitus spricht einmal^ von den »Historikern und Senatoren der Epoche«, als ob nur der die Geschichte der Zeit schreiben könne, der auch im Reichsrath sitze; in der That gilt dies wohl von allen Annalisten der Kaiserzeit, und es hat seinen guten Grund. Mcht als ob die Benutzung der Senats- acten einem Mchtsenator immöglich gewesen wäre; aber allerdings konnte nur, wer an den Sitzungen theilgenommen hatte, dieses Werk einigermaassen mit Fleisch und Blut ausstatten und berichten, nicht 1150 bloss was der Senat beschloss, sondern auch was die Gemüther der Senatoren dabei erregte. Zeitgenossen und Reichsrathsmitglieder sind es gewesen, welche an der Hand der ReichsrathsprotokoUe die Geschichte der Kaiserzeit zuerst schriftstellerisch fixirt haben. Wenn ich demnach die geschichtlichen Schriften des Tacitus bezeichne als geflossen aus den Senatsacten, so ist dies nicht in dem Sinne gemeint, als ob für die davon uns erhaltenen Theile er dieselben unmittelbar zu Grunde gelegt habe. Für die in den verlorenen Büchern der Historien enthaltene Geschichte des flavischen Hauses, unter dessen erstem Regenten Tacitus in den Senat eintrat, wird dies wenigstens grossentheils der Fall gewesen sein, aber für die Epoche der juHsch-claudischen Dynastie hat er die Senatsprotokolle wenn überhaupt, gewiss nur beiläufig eingesehen 2.

1) Ann. 2, 88: reperio apud scriptores senatoresqu^ eorundem temporum. Die Viirsuche an der Lesung zu rütteln, sind jetzt wohl allgemein als verfehlt anerkannt.

2) Die Notiz am Schluss des 15. Buches, die einzige, in welcher Tacitus sich geradezu auf die Senatsprotokolle beruft: reperio in commentariis seiiatus Ctrialem Animim consnhtn desiffnatum pro sententia dixisse scheint allerdings daraus direct genommen, sieht aber auch aus wie eine nachgetragene Notiz. Elenso kann man auffassen, wenn Tacitus 6, 7 der Aufführung einiger unter- geordneter Criminalprozesse vor dem Senat, welche unzweifelhaft aus dessen Acten stammt, die Bemerkung beifügt, dass die meisten Historiker einen grossen

ij Tleil dieser Prozesse unterdrückt hätten (neque mm ignartis a plerisque scrip- ij toribus omissa multorum pericula et poenas, dum eopia fatiscunt) und er vieles 1 1 80118t nicht Berichtete beibringe (tiobis pleraque digna cognitu obvenere quamquam h ab cdiis incelebrata), womit er wohl nur sagen will, dass die ohne Zweifel damals

II

MOmiSEB, SCHR. VII.

17

258 D3,s Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.

Vor allen Dingen aber wird sowohl die Reihenfolge der er- zählten Ereignisse wie deren Auswahl durch die Beschaffenheit der Hauptquelle bedingt, beides sehr zum Schaden der historischen Oekonomie und der innerlichen Vollständigkeit der Erzählung.

In wie weit die Reihenfolge der Erzählung der Chronologie nicht der Vorgänge selbst, sondern der durch sie veranlassten Senats- verhandlungen sich anschliesst, wird durch die am Schluss auf- gestellten Tabellen*) besser als durch weitläuftige Darlegung vor Augen geführt, während andrerseits die nothwendige Beschränkung dieses Satzes durch Zusammenfassung des Gleichartigen sich daraus ebenfalls ergiebt. Nur beispielsweise soll hier die Folge in den Berichten für das Jahr 22 im 3. Buch der Annalen und für das Jahr 70 in dem 4. der Historien erörtert werden. In jenem werden berichtet die bei Eintritt der neuen Aedilen, also zu Anfang des Jahres, getroffenen Maassregeln gegen den Luxus (c. 52 55); der 1151 Antrag auf Ertheilung der tribunicischen Gewalt an Drusus (c. 56. 57), welcher, da dieser sie im Juni antrat, wohl einige Monate früher gestellt ward; die Verhandlung über die Besetzung der senatorischen Consularprovinzen und die daran sich knüpfende Controverse über die Qualification des flamen Dialis (c. 58. 59), welche, da der Amts- wechsel am 1. Juli eintrat, auch im Frühjahr erfolgt sein wird; die Verhandlung über das Asylrecht einer Anzahl Tempel in den senatorischen Provinzen (c. 60 63); die Supplicationen für die Ge- nesung der Kaiserin -Mutter, nicht lange nach der am 23. April erfolgten Dedication der Statue des Augustus (c. 64) ; die Senats- prozesse des C. Silanus (c, 65 69) und des Caesius Cordus (c. 70), dessen Anklagung im Vorjahr c. 38 erzählt ist; die durch die Dedi- cation an die unfindbare Fortuna equestris hervorgerufene Debatte (c. 71), anknüpfend an die früher erwähnte Erkrankung der Li via; die Entscheidung in der c. 59 dargelegten Controverse über die Qualification des flamen Dialis (c. 71); die Verhandlungen über die Wiederherstellung der aemilischen Basilica und des pompeischen Theaters (c. 72); die Ertheilung der Triumphalornamente an den Statthalter von Africa Junius Blaesus und bei dieser Gelegenheit über den Kries: mit Tacfarinas, ohne Zweifel am Jahresschluss nach

zahlreicli vorhandenen Darstellungen der Kaisergeschichte der Mehrzahl nach sich kürzer fassten als Tacitus, der allerdings nach gewisser Seite hin, nament- lich in Betreff der politischen Prozesse, offenbar nach sachlicher Vollständigkeit gestrebt hat.

*) [Diese in Aussicht genommenen Tabellen hat Mommsen offenbar nicht ausgeführt. Anmerkung Hirschfelds.]

Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senate. 259

dem Ende des Feldzugs und dem Eingang des Rapports (c. 72 74); endlich die Todesfälle des Jahres (c. 75. 76). Mit Ausnahme dieses letzten Berichts ist nicht bloss keine einzige unter all diesen That- sachen, welche nicht erweislich im Senat verhandelt worden wäre und von diesem Gesichtspunkt aus zur Darstellung kommt, sondern die Folge ist auch deutlich die chronologische der Senatsbeschlüsse, 80 dass, wo Anklage und Prozess in zwei Jahrgänge fallen, auch hier darüber an zwei Stellen gehandelt wird, ja sogar von einer staatsrechtlichen Controverse zuerst das Aufwerfen, dann die Ent- scheidung berichtet, endlich die Kriegserzählung nicht nach der Zeit der Action, sondern nach der des Rapports eingestellt wird. Aller- dings ist dies Jahr durch keine hervorragenden Ereignisse bezeichnet, und wo dies der Fall ist, erscheint das Material mehr verarbeitet; dennoch ist dieser annalis ein schlagendes Beispiel, wüe roh imd servil die römischen Annalenschreiber den Stoff wiedergeben und wie sehr sie unter dem Einfluss des senatorischen Protokollbuchs stehen. Der sehr ausführliche Bericht über die Vorgänge des Jahres 70 setzt ein mit einer den Senatsverhandlungen entnommenen kurzen Notiz über das Ausbleiben der Kornzufuhr aus Africa und den befürchteten Abfall des Statthalters Piso (4, 38). Dann aber folgt ein sehr ausführlicher Bericht über die erste Senatssitzung dieses Jahres am 1 . Januar und die zahlreichen darin verhandelten Gegenstände (c. 39 43), wobei der Prozess gegen Geier Fortsetzung des vorjährigen Berichts (4, 10) ist; und unmittelbar daran schliesst 1152 sich ein gleichartiger über die nächstfolgende Sitzung (proximo senatu: c. 44 47^. Die folgende Erzählung geht andere Wege: die Bewegung in Africa und Piso's Katastrophe (c. 4S 50); die Anord- nungen Yespasians in Alexandrien, darunter die betreffend den Neubau des capitolinischen Tempels, woran die Feier der Grundsteinlegung sich (21. Juni) anschliesst (c. 51 53); die Kriegsereignisse am Rhein (c. 54 79) ; Mucians letzte Yornahmen in Rom vor seinem Abgang nach Gallien (c. 80) und weitere Yespasians in Alexandrien (c. 81 84); endlich Mucians und Domitians Auftreten in Gallien (c. 85. 86) sind nicht den Senatsacten entnommen und ebenso wenig was von der Fortsetzung des Jahresberichts im 5. Buch sich erhalten hat, die Einleitung der Belagerung von Jerusalem durch Titus (c. 1 13) und die Fortsetzung des Berichts über den Krieg am Rhein (c. 14 fg.). In diesem Jahresbericht also zeigt sich wohl auch die Benutzung der Senatsacten und auch die gleichartige Abhängigkeit von der Reihenfolge der Yorlage, aber daneben werden die grossen geschicht- hchen Ereignisse nach anderweitigem Material erzählt.

17*

260 Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.

Wie die Folge, so ist auch die Auswahl der berichteten That- sachen wesentlich bedingt durch den Einfluss der Senatsacten. Es wird angemessen sein dies für einige der wichtigeren Kategorien im Einzelnen auszuführen.

Es gab zwei höchste Gerichtsstellen in Rom mit gleicher Com- petenz: das Senatsgericht und das Gericht des Princeps.*) Die Beamten- und die politischen Prozesse konnten vor beide gebracht werden; regelmässig wurden die wegen der Verwaltung der sena- torischen Provinzen erhobenen Klagen an den Senat gebracht, dagegen die Verwalter der kaiserlichen Provinzen und durchaus die Offiziere und die Finanz- und Hausbeamten bei dem Kaiser zur Rechenschaft gezogen. Ein lebendiges Bild von diesem Verfahren giebt die Schilderung des jüngeren Plinius^ von seiner Betheiligung an einer Anzahl von Prozessen, welche Traian während einer Villeg- giatur bei Centumcellae erledigte. Wenn auch eingeräumt werden muss, dass die Prozesse gegen Senatoren der Mehrzahl nach vor den Senat gekommen sind, so ist dennoch die Thätigkeit des kaiser- lichen Criminalgerichts im Guten wie im Schlimmen eine intensive gewesen und kann in ihrer allgemeinen Bedeutung dem concurrirenden Gericht des Senats nicht viel nachgestanden haben 2. Nun aber sind 1153 in den Annalen des Tacitus, während Criminalprozesse vor dem Senat viele Blätter derselben füllen, Prozesse vor dem Kaiser kaum zu finden. Das Verfahren gegen Valerius Asiaticus und die Poppaea Sabina im Jahre 47 (13, 1 4) ist insofern keine Ausnahme, alsi dasselbe schliesslich vor dem Senat zu Ende geführt ward; und ebenso wenig kann das Strafgericht über L. Piso und seine Genossea im Jahre 65 als Ausnahme betrachtet werden, da Nero nach dessen! Beendigung eine Botschaft an den Senat richtete und dieser die Prozessacten beilegte ^. In einigen anderen Prozessen ist es zweifel- haft, vor welchem Gerichte sie verhandelt worden sind*. Abei

*) [Vgl. darüber Mommsen: Römisches Strafrecht S. 251 ff. Anm. Hirschfelds.

1) Ep. 6, 31. Vgl. Staatsrecht 2^, 921 [= 2^ 960].

2) Wenn von Vespasian gefordert wird, ut commentariorum prineipaliun potestatetn senatui faceret, per quos nosceret, quem quisque accusandum poposeissa (Tacitus hist. 4, 40), so kann dabei nur an das Kaisergericht gedacht sein; denr die Postulation im Senatsgericht erfolgte bei den Consuln.

3) Tacitus 15, 73 : Nero vocato senatu oratione inter patres liabita edictun apud populum et eollata in libros indicia confessionesque damnatorutn admnxit.

4) Dass P. Celer wegen Erpressungen in Asien vor dem Kaiser angeklagt wurde, ist sowohl nach der Ausdrucksweise des Tacitus 13, 33 wahrscheinlich als wegen seiner Procuratorenstellung (13, 1); sicher ist es nicht.

Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 261

auch wenn einige wirkliche Ausnahmen vorkommen sollten, ist die Thatsache kaum weniger schlagend.

Dasselbe gilt von der Verwaltung der Provinzen, Yerwaltungs- angelegenheiten, die die kaiserHchen Provinzen betreffen, werden so gut wie gar nicht erwähnt^, trotz der eminenten Wichtigkeit dieser Districte. Dagegen sind dergleichen aus den senatorischen Provinzen, z. B. über die Qualification zum Proconsulat (3, 58. 71), über das Asylrecht (3, 60. 4, 14), über die Aushebung (14, 18. 16, 13) ver- hältnissmässig häufig erwähnt.

Die Kriegsberichte der römischen Annalen sind in der früheren Zeit regelmässig den Berichten entnommen, welche die Feldherren dem Senat einsandten, und theilweise gilt dies auch für die Annalen der Kaiserzeit, nur dass in dieser die Berichte an den obersten Kriegsherrn gehen und von ihm nach Befinden dem Senat vorgelegt werden. So ist z. B. schon hervorgehoben worden, dass die Schilde- iTing des Krieges in Africa im Jahre 22 augenscheinlich den wegen der dem Feldherrn zu ertheilenden Belohnungen dem Senat mit- getheilten Berichten des Statthalters entlehnt ist. Auch der Bericht über die thrakische Expedition des Poppaeus Sabinus geht aus von der Ertheilung der Triumphalinsignien an denselben im Jahre 26 (4, 46). Wie weit dies reicht, ist schwer zu sagen; z. B. was über den armenischen Krieg unter Nero berichtet wird, rührt wahrschein- lich her aus den Rapporten des Corbulo und insofern aus den Senats- acten^. Aber auch da, wo dies im Allgemeinen nicht angenommen 1154 werden kann und eigentliche Kriegserzählungen die Grundlage unserer Berichte sind wir kommen darauf zurück , erscheinen diese mehrfach als Einlagen in die den Senatsacten folgende Darstellung. So gehören die aus den Senatsacten stammenden Angaben (1, 55), mit denen der Jahresbericht anhebt: Bruso Caesare C. Norhano con- stdibus decernittir Germanico triumphus manente hello und 1 , 72 : decreta eo anno triumphalia insignia A. Caecinae, L. Apronio, C. Silio oh res cum Germanico gesias ohne Zweifel zusammen; gleich darauf

1) Als Ausnahme kann nur etwa der Kanalbau in Germanien (13, 53) angefahrt werden.

2) Corbulo wird mehrfach von dem älteren Plinius (auch im Antoren- verzeichniss für Buch 5 und 6) und ebenso von Tacitus (ann. 15, 16) als Ge- währsmann für historische und geographische Thatsachen aus dem armenischen Feldzug angeführt; es müssen sich auch Karten der neu aufgeschlossenen Gegenden dabei befunden haben (Plinius h. n. 6, 23. 40). Dass dies nicht Memoiren waren, sondern die in Buchform zusammen gefassten Berichte, ist wahrscheinlich wegen der sitiis depidi et inde (aus Armenien) tnissi (Plinius a. a. 0.).

262 Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats.

kommen der am 1. Januar zu leistende Eid und die den neu an- tretenden Beamten zu ertheilenden Instructionen zur Sprache. Dies ist also der Anfang des chronologisch geordneten Auszugs der Senatsacten dieses Jahres, und die Ehrenbeschlüsse für Germanicus und seine Offiziere sind gleich in der ersten Sitzung des Jahres gefasst worden. Motivirt wurden sie also durch den Feldzug des Jahres 14, und für Germanicus sagt dies Tacitus auch geradezu. Dann aber ist der zwischen jenen beiden Notizen c. 55 71 stehende Be- richt über den germanischen Feldzug des Jahres 15 eine Einlage, und zwar eine an sehr ungeschickter Stelle eingefügte. Danach dürfte auch da, wo die Darstellung der einzelnen Expeditionen aus- läuft in den darüber dem Senat erstatteten Bericht und die von diesem darauf gefassten Beschlüsse, wie unter dem Jahre 14 die des Drusus nach Pannonien (I, 52) und die über die Einnahme von Artaxata durch Corbulo im Jahre 58 (13, 41), die Stellung des Militärberichts durch die der entsprechenden Senatsbeschlüsse be- dingt sein.

Soweit eine Untersuchung dieser Art überhaupt abgeschlossen werden kann, ist für den Abschluss erforderlich, dass neben dem, was sicher oder wahrscheinlich aus den Senatsacten herrührt, auch das bezeichnet werde, was aus anderen Quellen herrührt öder her- zurühren scheint. Zunächst mögen hier einige Einzelheiten auf- geführt werden.

Die berühmte Notiz am Schluss des 2. Buches und des Jahres 19 über das Anerbieten des Chattenfürsten, den Arminius zu vergiften und über die späteren Schicksale und das Ende des deutschen Helden beruft sich zwar auf ein im Senat verlesenes Schreiben jenes Fürsten, kann aber unmöglich aus den Senatsprotokollen geschöpft sein, nicht bloss weil sie am Schluss des Buches und der Zeit nach am falschen Platz steht denn wenigstens der Tod des Arminius 1155 fällt nach der Erzählung selbst in das Jahr 21 und offenbar nach- getragen ist, sondern vor allem, weil die eigenthümliche Berufung auf die scriptores senaforesque eorum temporum bei einem in den Senatsacten verzeichneten Actenstücke keinen Sinn haben würde. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die Erzählung dahin ergänzt, dass beschlossen ward, jenen mehr als bedenklichen Brief von den Senatsacten fern zu halten und ein damals im Senat Anwesender den Vorgang späterhin aus der Erinnerung nachtrug. Dies wenigstens wird Tacitus in seiner Quelle gefunden haben. Die Thatsache selbst

Das Verhältniss des Tacitus zu den Acten des Senats. 263

gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit nicht; indess nöthigt anderer- seits nichts, darin eine Fälschung zu erkennen.

Dass Tacitus. dem angesehenen Sachwalter und dem Yerfasser der vortrefflichen Abhandlung über den Verfall der römischen Be- redsamkeit, die rhetorische Litteratur der Epoche geläufig war, versteht sich, und es zeigeft sich davon die Spuren. Die Aussage des P. Egnatius Celer in dem Prozess des Barea Soranus ann. 16,32 rührt gewiss her aus der Anklagerede des C. Musonius Ruftis (h. 4, 10. 40). Dass die Rede des Vitellius gegen Cn. Piso publicirt ward, ist bezeugt (Plinius h. n. 11, 37, 187); mit Rücksicht darauf lobt Tacitus (ann. 3. 13) des Yitellius Redekunst, und sicher rührt daher ein grosser Theil der detaillirten Schilderung von Pisos Auftreten vor und nach dem Tode des Germanicus.

Den Bericht über eine ohne Zeugen zwischen Tiberius und der älteren Agrippina vorgefallene Unterredung entnahm Tacitus (ann. 4, 53) den Memoiren, welche deren gleichnamige Tochter über ihre und der Ihrigen Geschicke aufzeichnete; in den Annalen fand sich, wie Tacitus hinzufügt, davon nichts, vielleicht weil sie erst spät zur Veröffentlichung gelangten. Aus derselben Quelle mag noch manche andere ergreifende Schilderung der Annalen herrühren.

Als eine gleich den Senatsacten allgemeine, allerdings diesen weit nachstehende Quelle ist das Reichsjoumal, die acta diurna zu betrachten; wir entnehmen aus dem jüngeren Plinius, dass es die Aufgabe des Geschichtschreibers war dies für seine DarsteUtmg durchzugehen und auszuziehen, und in der That hat Tacitus oder sein Gewährsmann sie einmal (3, 3) für eine Begräbnissfeier einge- sehen. Man wird aber unbedenklich auf diese Quelle die Verzeich- nisse der in jedem Jahr vorgekommenen Todesfölle namhafter Personen zurückführen dürfen, mit denen Tacitus den Jahresbericht zu schliessen pflegt.

XXXII.

Volusii Maeciani distributio partium.*)

281 L. Volusius Maecianus ^ scheint von niedriger Herkunft gewesen

zu sein und keineswegs mit dem bekannten im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit blühenden Geschlecht derYolusii Saturnini '^ zusammen- zuhängen. Nach allem Anschein gelangte er zu Ansehen und Einfluss durch seine juristische Thätigkeit, welche unter Antoninus Pius (138 161) fällt. Sein Hauptwerk, Quaestionum de fidei commissis

*) [Abhandl. der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften , Band 3, 1853, S. 279—295. Die Ausgabe des Schriftchens selbst ist hier nicht wiederholt worden, da es inzwischen öfters (zuletzt in lurisprud. Anteiustiniana ed. Huschke, 6. Aufl. von Seckel u. Kubier, 1908, S. 407 ff.) gedruckt wurde. Aber die ein- leitenden Bemerkungen über die Person des Verfassers durften nicht übergangen werden.]

1) Den Vornamen hat die Vita Marci c. 3 und eine Inschrift (S. 268 A. 1); Volusius Maeciauus heisst er z. B. in den Inscriptionen unsrer Schrift und der Schrift Exylege Rhodia (1. 9 D. de lege Rhodia 14, 2) und in dem ihn erwähnen- den Rescript von Marc Aurel und L. Veras (1.17 pr. D. de iure patr. 37, 14); gewöhnlich wird er bloss Maecianus genannt [S. jetzt Prosopogr. imp. Rom. III p. 481 n. 657].

2) Vgl. über diese Marini Arv. p. 122. 292, Borghesis oss. numism. VI, 6 und desselben Aufsatz im Giorn. Are. XLIX (1831) p. 280—301 [Borghesi oeuvres I p. 311—315, III p. 313—332], wozu die Inschriften des 1826 entdeckten Colum- bariums der Volusier in der Vigna Ammendola (am zugänglichsten in Cardinalis diplomi [CLL. VI p. 1013 n. 7281 ff.]) manchen Nachtrag liefern. Nach den Consuln dieses Namens Lucius u. c. 742, Lucius n. Chr. 3, Quintus n. Chr. 56, Quintus n. Chr. 92 ist wenig mehr von ihnen die Rede; doch kommt noch unter Commodus ein Volusius Saturnin us (Marini Arv. tav. XXXV) vor [das Stück ist älter; s. Henzen act. Arv. p. CLVI]. Die zahlreichen Inschriften dieser reichen Familie zeigen nirgends Verwandtschaft derselben mit Maecii oder Maeciani [S. jetzt Prosopogr. imp. Rom. III p. 482 sq. n. 659-665].'

Volusii Maeciani distributio partium. 265

libri XVI ^^ ward unter dessen Regierung publiciert^; weshalb es auch schon in einer wahrscheinlich unter M. Aurel und L. Yerus geschriebenen Schrift des Scaevola citiert wird^ und schon eben diese Kaiser in einem Rescript den «alten und wohlerworbenen litterarischen Ruf» des Maecianus erwähnen*. Dazu stimmt denn 282 auch, dass er sich in seinen Schriften vorzugsweise an Julian an- schliesst 5, der unter Hadrian blühte und sein Leben unter Pius oder vielleicht noch später beschloss^; dass er diesen mehrmals, ebenso den Yindius Yerus und den Kaiser Pius selbst als persönlich ihm bekannte und befreundete Männer bezeichnet''; dass er mit den beiden genannten und andern Juristen in Pius Consilium Sitz hatte ^ und dass er zimi Lehrer der Jurisprudenz für den Caesar M. Aurelius (geboren 121, adoptiert und zum Caesar ernannt 139) ausersehen ward^, wonach angenommen werden muss, dass er schon im Anfang der Regierung des Pius sich einen Namen gemacht hatte. Wir haben noch einen, wie es scheint zwischen 143 und 146 geschriebenen, Brief Marc Aureis an Fronto, worin er sein eihges Schreiben ent-

1) So citirt die Schrift Ulpian 1. 72 D. de usufr. 7, 1; gewöhnlich wird sie als fideicommissoritm libri, einmal (1. 86 pr. D. de adqu. her. 29, 2) auch als quaestiones angeführt.

2) «Antoninus Ätiffiistus Pius noster», heisst es darin (1. 42 de fideic. IIb. 40, 5); divus Pius nur in Citaten aus zweiter Hand (1. 86 pr. D. de adqu. her. 29, 2. L 11 § 1 D. de leg. III 32).

3) 1. 20 D. ad 1. Falc. 35, 2. [Die Quaestiones des Cervidius Scaevola sind fi^hestens unter der Samtregierung des M. Aurelius und Commodus abgefaßt (vgl. Lenel, Palingenes. II S. 271, 1); Krüger, Gesch. d. Quellen u. Literatur d. Rom. Rechts S. 197 setzt sie sogar erst unter Commodus.]

4) 1. 17 pr. D. de iure patr. 37, 14 : Volusitis Maecianus amicus noster iuris civilis praeter veterem et bene fundatam peritiam anxie diligens.

5) 1. 86 de cond. et dem. 85, 1. 1. 30 § 7. 1. 32 § 2 ad 1. Falc. 35, 2. 1. 1 § 8. 1. 16 § 3. 1. 67 (65) § 1 ad SC. Trebell. 36, 1. 1. 17 pr. de iure patr. 37, 14. Wun- derlich de L. Volusio Maeciano (Hamb. 1749. 4.) p. 10.

6) Zimmern Rechtsgesch. I, 336. [S. Mommsen Salvius Julianus, Jurist Schriften II S. 6.]

7) noster heisst ihm Julian 1. 86 de cond. et dem. 35, 1. 1. 30 § 7 ad 1. Falc. 35, 2. 1. 67 (65) § 1 ad SC. Treb. 36, 1 ; Vindius 1. 32 § 4 ad I. Falc. 35, 2: der Kaiser Pius 1. 42 de fideic. lib. 40, 5.

8) Vita Pii c. 12. Dass er in die Vita Alex. Sev. c. 68 irrthümlich gekommen ist, ist ausgemacht.

9) Sluduit et iuri audiens L. Volusium Maeciantim , sagt der Biograph des Kaisers c. 3, wo Casaubonus zu vergleichen ist über die Rechtskunde, die Marcus sich erwarb. Auch der Kaiser gedenkt in seiner Selbstbiographie I, 8 unter seinen Lehrern des Maecianus, wie dort längst für Marcianus mit Recht her- gestellt ist.

266 Volusü Maeciaui distributio partium.

schuldigt: »quia Maecianus urgehat»^. Dass er nach der Thron- besteigung seines Schülers in dessen Rath verblieb und in einem Rescript von M. Aurel und L. Yerus (161 169) mit grossem Lob erwähnt und als «Freund» der Kaiser bezeichnet wird 2, ist bei der bekannten Pietät Marc Aureis gegen seine Lehrer begreiflich. lieber 283 sein Ende liegt ein Bericht vor, der nicht wenige Schwierigkeiten gemacht hat und den ich hersetze in der doppelten Recension, die wir davon haben:

vita Avidii Cassii c. 7: vita M. Aurelü c. 25:

Imperatorio nomine cum proces- Maecianum etiam filium Cassii, sissef (Cassius), eum qui sibi apta- ciii Alexandria erat commissa, ex- verat ornamenta regia statim prae- ercitus occidit; nam et praefectum fectum praetorio fecit, qui et ipse praeforio sibi fecerat, qui et ipse occisus est Antonino invito ab ex- occisus est. ercitu; qui et Maecianum, cui erat commissa Alexandria quique con- senserat spe participatus Cassio, invito atque ignorante Antonino interemit.

War der Maecianus, von dem hier die Rede ist, wirklich der Sohn des Prätendenten Avidius Cassius, was vielfach als richtig ange- nommen worden ist^, so kann des Namens wie des Alters wegen der Maecianus, der beim Aufstand des Cassius 175 umkam, nicht unser Volusius Maecianus sein. Allein es ist einleuchtend, dass in dem ersten Bericht Maecianus keineswegs als Sohn des Cassius geschildert wird, von dem man doch unmöglich sagen könnte, dass er in Hoffnung auf einen Antheil am Siege sich mit dem Cassius vereinigte; vielmehr scheint das Wort filiiim in der zweiten Bio- graphie Excerptoren- oder Abschreiberfehler, wofür fautorem oder ein ähnliches Wort zu substituieren ist. Ist dies richtig, so steht

1) Fronto ad M. Caes. 4, 2. Die Briefe scheinen einigermassen nach der Zeit geordnet zu sein; das zweite Buch (s. besonders 11, 1) ist 143, der letzte Brief des vierten Buchs 146 geschrieben. [S. jetzt Mommsens Abhandlung „Die Chronologie der Briefe Frontos", Hermes 8, 1874 S. 198 ff. = Hist. Schriften I S. 469 ff.]

2) 1. 17 pr. de iure patr. 37, 14. Die Kaiser sagen hier, dass sie eine Rechts- controverse früher im Sinne des Proculus entschieden hätten und dass denn auch Maecianus später mit Rücksicht auf dies Rescript in demselben Sinn respondiert habe; allein bei nochmaliger Erwägung im Staatsrath hätten Maecian selbst und andre Juristen sich denn doch für eine Modification im Sinne Julians ent- schieden.

3) S. Franz im C. I. G. III p. 313.

Volosii Maeciani distributio partium. 267

nichts im Wege, die stets von den besten Rechtsgelehrten ^ vertheidigte Meinung festzuhalten, dass hier Volusius Maecianus gemeint ist; die grosse Seltenheit des Namens Maecianus und das vollkommene Zutreffen aller Momente sprechen entschieden für diese Annahme. Das Amt, welches Maecian in Aegypten bekleidete, hat man bald für die Präfectur von Aegypten erklärt, bald für den Juridicat von Alexandria ; möglich sind beide Annahmen um so mehr, als auf die Genauigkeit des Ausdrucks bei dem Biographen nicht viel Yerlass ist, doch ist dies letztere den Worten weit angemessener und dies Amt wohl geeignet für einen damals schon bejahrten und berühmten Juristen.*) Auf jeden Fall aber erhellt hieraus, dass Maecianus nicht in den Senat eingetreten, sondern als römischer Ritter gestorben ist; dass er aber in dieser Carriere es so weit brachte wie es möglich 284 war, denn der Juridicat gehörte gleich der Präfectur zu den höchsten dem Ritter zugänglichen Würden 2. Auch die Erweiterung der Competenz des Juridicus unter Marc AureP könnte aus Rücksicht für den Lehrer erfolgt sein, so wie die Abfassung der Schrift «Ex lege Wiodia» in griechischer Sprache, so viel ich weiss das älteste griechisch geschriebene Werk eines römischen Juristen, in Inhalt und Form ungemein passend erscheint für den römischen Chef des Ge- richtswesens der ersten gi-iechischen Handelsstadt. Endlich findet sich auch ein inschriftliches Zeugniss dafür, dass Maecian nur ein römischer Ritter, aber in seinem Stande sehr angesehen war; es ist dies das Yerzeichniss der Kahnführer (lenunctdarii tahtüarii auxiliarii) von Osria aus dem J. 152, in dem L. Volusius Maecianus in der zweiten Abtheilung der Patrone, das heisst unter den nicht sena-

1) Ritter praef. C. Theod. vol. V. Böckiog praef. zum Maecian.

*) [Es steht jetzt durch Papyrus Genev. (ed. Nicole) n. 35, womit Papyrus Oxyrhynch. n. 653 (III p. 289 ed. Greufell-Hunt) und Pap. Berol. (Aeg. Urk. BerL Mus. II) n. 613 zu vergleichen sind , fest , dass ein L. Volusius Maecianus , ver- muthlich unser Jurist, Praefect von Aegypten war, aber schon im J. 161; der im J. 175 umgekommene Maecianus hat mit ihm wohl nichts zu thun gehabt-l

2) Man vergleiche die Carriere des L. Baebius luncinus (Grut. 373, 4 [C. I. L. X, 6976 = Dessau 1434]), in aufsteigender Reihe: praef. fabr., praef. coh. IUI Raetorum, trih. milit. leg. XXII Deiotarianae , praef. alae Ästyrum, praef. vehi- culonim, iuridicus Aegypti; und die des Sex. Cornelius Dexter (Joum. des sav. 1837 p.658; Clarac musee pl. 74 [C. I. L. VIII, 8934 = Dessau 1400]), in ab- steigender: proc(urator) Äsiae, iuridicus Alexandreae, proc. Neaspoleos et mausolei, praef. classis Syr(iacae), praef. alae I Aug. gem. colonorum, trih. leg. VIII Aug., praef. coh. V. Raetorum, praef. fabrum III.

3) luridico qui Alexandriae agit datio tutaris constüttHone divi Marc* concessa est (1. 2 D. de off. iurid. 1, 20\

2€8 Volusii Maeciani distributio j)artiuin,

285 torischen Patronen der Körperschaft an der Spitze steht ^. Dass Maecianus, als die Soldaten der Begnadigung, die er von einem Kaiser wie Marc Aurel wohl erlangt haben würde,*) vorgreifend ihn niedermachten, ein bejahrter Mann gewesen sein muss, geht daraus hervor, dass er schon um 146 Prinzenlehrer, ums Jahr 152 Patron der Körperschaft von Ostia gewesen ist, also im J. 175 mindestens ein Sechziger gewesen sein wird.**)

1) Wir besitzen vier Verzeichnisse der Mitglieder dieser Körperschaft, welche übrigens zu verschiedenen Zwecken bestimmt gewesen zu sein scheinen und wenigstens nicht alle vollständige Verzeichnisse sein sollen; doch ist es belehrend, sie mit einander zu vergleichen: 1) vom J. 140 (Grut. 126. 127 [C. I. L.XIV, 246]); 2) vom J. 140 oder eher 145 (Reines. 10, 2 = Mur. 543, 4, jetzt im Museum Ves- covali in Rom [C. I. L. XIV, 247]); 3) vom J. 152 (Grut. 1077. Guasco II p. 185. Orell. 4054 [C. I. L. XIV, 250 = Dessau 6174]); 4) vom .1. 192 (Rein. 10, 1 = Gud. 206 [C. I. L. XIV, 251 = Dessau 6175]). Im dritten lesen wir unter der Ueberschrift patroni vier Namen, alsdann nach einem Zwischenraum ohne neue Ueberschrift fünf andre, wovon der erste L. Volusius Maecianus (den Irrthum Marcianus berichtigten Marini Arv. p. 258 n. 828 und Guasco a. a. 0. nach dem Original) ist; darauf folgt als neue Ueberschrift quinq. perp. und ein Name, alsdann quinq. und wieder ein Name, dann die plebs. Ein wahrscheinlich späterer q. q. ist am Rande nachgetragen. Danach scheint die Ueberschrift patroni über- haupt auf die ersten zehn Namen bezogen werden zu müssen, wo dann die beiden Gruppen zu vergleichen sind mit den beiden Klassen der Patrone im vierten Katalog patr. senat. und (patr.) equit. Rom. Hieraus erhellt also, dass Maecian bloss Ritter war. Uebrigens hat schon Marini a. a. 0. diese Inschrift auf den Juristen bezogen. Wenn die völlig bodenlose Vermuthung, welche unsern Volusius zum Referenten des volusianischen Senatusconsults macht, noch einer Widerlegung bedarf, so ist diese damit gegeben, dass der Jurist, wie gezeigt, nie in den Senat eingetreten ist.

*) [S. die Anm. * zu S. 267.] **) [Es folgt die recensio der Hss. und die Ausgabe selbst.]

XXXIII.

Festi codicis quaternioneiu decimum sextum

denuo edidit Th. Mommsen.

(Commentatio lecta in academicorum conventu d. 9. lun. 1864.)*)

Sex. Pompeii Festi de verborum significatione libri XX integri 57 extiterunt non solum saeculo post Christum nono, quo Paulus, sive diaconus is fuit sive alius quispiam,**) eorum epitomen a se con- fectam dedicavit Carolo regi, sed etiam saeculo undecimo, quo scriptum esse codicem, cuius pars hodie adservatur Neapoli in bibliotheca publica numero ibi signata IV. A. 3, Henricus Keilius testis est (mus. Rhen. nov. 6, 619). Nee post magnum illud nau- fragium, quod absumpsit litteras Latinas una cum re publica Romana longe plerasque, reliquiae earum maius damnum passi sunt quam quod Festi operis naufragio ipsi superstitis tres fere partes paene in ipso portu interierunt; nam vel portio ea quam inde habemus et permulta ex recondita antiquitate sola nobis servavit et Augustae aetatis antiquitatum Romanarum doctrinam unice hodie repraesentat, ut facile inde aestimes, quantam utilitatem integer liber studiis nostris allaturus fuisset. lam nihil relictum est nisi ut inde servata anxia diligentia colligamus. Quod cum facile perficiatur ibi ubi codex ille

*) [Philologische u. historische Abhandlungen der Kgl. Akad, d. Wiss. zu Berlin. Aus d. Jahre 1864. Berlin 1865, S. 57—86. Die Ausgabe selbst ist hier nicht wiederholt worden, da zu erwarten ist, daß der Ertrag in einer zu er- hoffenden Neuausgabe des Festus verwertet werden wird. Dagegen mußten die in solcher Genauigkeit sonst nirgends zu findenden Prolegomena über die hand- schriftliche Grundlage dieser Blätter sowie einzelne Anmerkungen zu Glossen des Festus abgedruckt werden.]

**) [Den Zweifel an der Identität des Festusepitomators mit dem Geschichts- schreiber der Langobarden hat nach dem Vorgang von Waitz in der Ausgabe der Script, rer. Langob. 1878 S. 19 f. Mommsen selbst später gehoben : vgl. N. Arch. d. Ges. f. alt. d. Gesch. 5, 1879, S. 55.]

270 Festi codicis quatemio decimus sextus.

undecimi saeculi adhuc extat, cum praesertim eos qui apographa saeculo XV confecerunt neque in marginibus ambustis quaternionum hodie superstitum neque in locis evanidis plus vidisse appareat quam hodie ibi cernitur, diffieilis res est et periculi plena in codicis eius parte ea, quae periit post litteras renatas. Scilicet infelix fatum, quocum Festi liber luctatus est, ne tum quidem ab eo exagitando destitit, cum reliquias codicis illius c. a. 1480 Manilius Rhallus ex lllyrico detulit Romam. Nam codex integer numerarat quaterniones sedecim, ex quibus ante id tempus perierant septem primi integri, reliqui novem et folia quaedam perdiderant et ambusto margine singulorum foliorum paginas alteras fere totas; ex novem autem illis, quot attulit Rhallus, iam rursus desiderantur tres, octavus decimus 58 decimus sextus, in quibus recognoscendis hodie pendemus ex apo- graphis factis saeculo XY exeunte. Quae exempla sane nee plena, utpote destituta fere paginis ambustis, nee satis exacta, sed tarnen diligenti examine omnino digna, cum tam praeclari operis non mini- mam portionem sola servent, cum viderem iacere immerito neglecta et in hac Festi parte vires doctos hodie fere acquiescere in exemplo edito Ursiniano, in bibliothecarum thesauris si quid forte fortuna in manus mihi venit ad Festi illos quaterniones deperditos pertinens, adnotare non neglexi. Iam harum adnotationum specimen publice proponere visum est, quod alios excitaret vel diligentiores vel for- tunatiores quam sum ego ad eiusmodi Codices investigandos. Nam libri de quibus hie agitur cum sint recentissimi omnes nee per se conspicui et splendidi, plus iusto contemnuntur et facile latent; sperandumque est eiusdem generis plures et fortasse meliores adhuc superesse quam quos mihi adhuc contigit ut reperirem. Dabo autem hoc loco primum elenchum eorum quos novi librorum scriptorum editorumque, qui ad Festum non epitomatum recensendum aliquam utilitatem habeant; deinde quaternionis decimi sexti reliquias pro- ponam ad ea subsidia castigatas, nam in eo quaternione cum aliquid profecisse mihi videar, ea quae hoc tempore collecta habeo ad quater- niones octavum decimumque, perpauca tantum vere utilia suppedita- runt^. Cuius diversitatis causam et originem propediem aperiam. Manilium Rhallum, de quo et ipso parum constat^, Festi librum ex lllyrico a. 1485 vel paullo ante attulisse Romam ad Pomponium

1) Notabile est in codice B ante Fectuscum Palati p. 213 Muell. legi: SEX. POMPEI FESTI LIBER XIII. Hoc igitur loco coepit 1. XV (non XIV), quod accedit ad similes inseriptiones collectas apud Muellerum p. XXXI.

2) Aliquam de eo notitiam suppeditat Lil. Greg. Gyraldus in dialogo I de poetis suorum temporum (opp. ed. Lugd. 1696 p. 530). Graecis parentibus in

Festi codicis quaternio decimus sextus. 271

Laetum principem eius saeculi eruditorum urbanonim constat ex testimoniis Politiaai Piique relatis apud Muellerum p. 11^ Allatum eum esse sine compage quatemionibusque resolutis efficitur cum ex testimonio Politiani narrantis se hunc librum habuisse a Manilio praeter aliquot pagellas a Pomponio Laeto etiamtum retentas et ab hoc sibi exhibitas, tum ex ipsorum exemplorum quae extant con- 59 dicione: nam cum horum pars omnes illos undecim quatemiones sistat aequabiliter descriptos, infra demonstrabitur librarium eum, a quo venit exemplar codicis Yaticani 2731 similiumque, archetypi non habuisse nisi quatemiones extremos, Politianum autem, qui descripsit et ipse, caruisse quaternionibus octavo nono decimo, contra habuisse utrumque quaternionem postremum hodie una cum octavo decimoque deperditum.*) Quo posito refellitur coniectura quoque quam de archetypi fatis Ursinus protulit adhuc vulgo admissa. Ursinus scilicet Festi quatemiones tres hodie deperditos edidit sub titulo schedarum quae Festi fragmento detractae apud Pomponium Laetum extitissent, aperte Politiani illam narrationem secutus ita, ut codicis Politiani aetate bipertiti partem Manilianam putaret esse sua aetate ut etiam nostra superstitem. partem Pomponianam interim periisse. At con- iectura e huic per se probabili obstat exemplum illud Politiani ipsius, unde hunc apparet excussisse quaternionem XYI hodie deperditum, non vidisse quaternionem IX adhuc extantem; ut nullo modo iam defendi possit schedas a Laeto retentas et Politiano monstratas esse quatemiones VIII. X. XVI actum que sit de appellatione quae iam invaluit 'schedarum apud Laetum*. Immo quaternio XYI cum non eodera tempore videatur interiisse quo interierunt octavus decimusque, non mimm est quaternionem hunc utpote a pluribus doctioribusque viris descriptum proponi posse aliquanto emendatiorem quam duos modo dictos. Exempla autem receosebo primum integra, deinde semiplena,

L Liber Yaticanus 1549 (nobis E) chart. saec. XY, quem in parte archetypi deperdita et praeterea in quaternione IX contuli ipse a. 1846. In fine legitur epigramma 'ad lectorem':

Italia natus est et a Leone X episcopatu Cretae omatus fiiitque socius academiae Pontanianae. Velim qui in Italia morantur morabunturve de eo homine certiora aliquando doceant. [Vgl. C. Sathas, NsoEU.rjrixij ^doloyia, Athen 1867, S. 77. Sein Name war Manilios Rhalles Eabakes.]

1) Pium Festi libro usum esse Mediolani, quod scribit Muellerus, ipse Pius minime dielt nee probabile est.

*) [Ygl. jedoch de Nolhac a. a. 0. (unten S. 277*) S. 147.]

272 Festi codicis quaternio decimus sextus.

Haec quicunque leges fragmenta novissima Festi, concidet in lachrimas lectio cuncta pias:

quod iam Romano defluxerit orbita giro et magna careat parte Latinus ager.

absumpsit Chartas nimium cariosa vetustas:

si qua igitur menda est, codicis esse patet.

Leidensem librum (Voss, Lat. Oct. 9), quem cum ante aliquot annos inspexissem Leidae (v. mus. Rhen. nov. 16, 137), iam Berolinum ad me misit solita liberalitate optimus Pluygers, descriptum iudico ex Yaticano hoc; nisi quod quae Leidensi corrector intulit mox osten- 60 demus aliunde petita esse. Hoc exemplum qui confecit, oraisit paginarum ambustarum glossas omnes paucissimis exceptis, etiam in paginis integris hie illic locos evanidos praeteriit, hiatum tarnen plerumque indicans nota deficü vel frag. Glossas de suo addidit fere nullas nee repertas transposuit. Textus autem non solum vitiis scatet, sed etiam interpolationibus, maxime ubi glossae aut initio aut fine incidunt in pagellas ambustas. Paulum in his librarius passim adhibuit, sed non ea constantia, qua qui editionem principem curavit. IL Editio princeps (nobis E), quae prodiit Mediolani a. 1510*) (v. praefatio repetita apud Muellerum p. XXXY), facta ad exemplar lo, Bapt. Pii ^, sed eo absente typis excusa. Ipse Pius in annotationi- bus posterioribus c. 16 conqueritur avocatum se Mediolano Bononiam opus susceptum Festi emendandi perficere non potuisse: 'multa nos ad illustrandum Jmnc scriptorem contulimus, cum Mediolani doceremus. His quae nobis venerunt ex codice pervetusto et oh hoc fidelissimo, qui ex Illijrico Pomponio Laeto fuerat oblatus, plura additurus eram, ni me JBononiam patriam meam princeps Johannes Bentivolius praeter spem redire coegisset, dum opus hoc esset sub incude'. In editione hac conflatae sunt Pauli epitome Festique integri reliquiae, in quibus- dam litteris etiam traditus glossarum ordo temere mutatus, denique pagellae imperfectae plerumque praetermissae. Sed ipsa archetypi verba maiore in Universum fide repraesentavit Pius quam qui exaravit codicem i?, ut deperdito vel latente eins apographo hac editione non sine fructu utamur.

*) [Vielmehr 1500, vgl. R. Reitzenstein, Verrian. Forschungen, Breslau 1887, S. 98.]

1) Editor Conagus quidam (v. Mueller p. XXXV), qui absentis Pii vices fecit, ad manus habuit praeter exemplum Pii alterum quoque, sed inde nihil sumpsisse se ipse testatur praeter glossam trnimviri (partem scilicet glossae Saticula p. 340 MuelL, quod non vidisse Muellerum 1. c. n. 3 miror) et emen- dationes quasdam in gl. satis et topper.

Festi codicis quatemio decimus sextus. 273

in. Fulvius ürsinus in editione a. 1581 (nobis ü) in hac Festi parte secutus est, ut ait in praefatione, 'doctissimi viri ciiiro- graphum',*) quod pariter ac Pii hodie aut periit aut latet. Aliis exemplis id non modo emendatius, sed etiam auctius fuisse addit Ursinus recte omnino; ita glossa p. 205, 17: pretet tremonti praetemurd pe abest tarn ab R quam ab E neque adhuc inventa est nisi apud solum Ursinum ; id ipsum etiam lectiones passim confirmant. DifficUe tarnen est et anceps de Ursini libro iudicium, cum praesertim quo- modo is liber exhibuerit partem Festi hodie superstitem ignoremus. In summa re licet Ursini editio singulis testibus reliquis superior esse soleat, tamen horum consensum equidem pluris fecerim quam 61 singulare Ursini testimonium, estque omnino cavendum, ne huic exemplo utut omnium quae habemus optimo nimium tribuamus. Nam non solum quaedam in eo desiderantur vere Festi in aliis exemplis servata, sed adest etiam interpolatio petita ex Paulo vel potius ex editionibus Festi anterioribus. lUud et notum est (v. Mueller p. Vll) et satis illusti-abitur glossis quaternionis XYI infra editi; huius interpolationis proponam exemplum satis memorabile glossam muni- ceps p. 142. Ea sie legitur in R: Municeps (est add. EUy, ut ait Aelitis Gallus, qui in municipio liber natus est; item qui ex alio gener e haminum muntts functvts est; item qui in municipio ex (a E^ Servitute se liberavit a municipe. Ät Ser. filius (sie ER, seruilitts ü) aiehaf initio fuisse, qui ea condicione cives (ro. ins. EU^ fuisseni, ut sempei' rem publicam separatim a populo Romano haberent (hdbebant R; uidelicet inserit Ej, Cumanos Aceiranos Atellanos qui aeque FRAG. Haec Paulus loco alieno p. 131 sie reddidit: municeps qui in muni- cipio liber natus est; item qui ex alio genere hominum munus functus est; item qui in municipio a Servitute se liberavit a municipe. Item municipes erant, qui ex aliis civitatibus Romam venissent, quibus non licebat magistratum capere, sed tantum muneris partem, ut fuenint Cumani Acerrani Atellani, qui et cives Momani erant et in legione merebant, sed dignitates non capiehayü. Ubi media petita videntur esse ex altera glossa Festi municipium. cuius compendium legitur apud Muellerum p. 127. At quocunque modo de origine Pauli- norum statuemus, hoc certum est Pium Festi Paulique locos ita con- flasse ut post Festi verba municeps . . . .a municipe reciperet Paulina item municipes .... muneris partem, his subiceret Festi ad Ser. filius

aeque adiuncta ex Paulo clausula cives Romani .... capie-

lant; id quod fecit ex instituto suo, ut aliis locis permultis similiter

*) [Vgl. M. Voigt, Rh. Mus. 31, 1876. S. 149 ff.]

MOMMSEN, SCHB. VII. 18

274 Festi codicis quatemio decimus sextus.

miscuit Festina et Paulina. At Ursinus dum simpliciter retinet editionum anteriorum lectionem, hoc loco eum chirographum illud expressisse quis credet? confirmantque alii loci non pauci Ursinum non ubivis accurate reddidisse lectionem scriptam, sed passim eam emendasse tacite ad editiones anteriores Pii et Aldi et Augustini.

IV. Liber Yaticanus n. 2731 (nobis S) foll. 63 non numera- torum chart. saec. XV. Contulit mea causa Kekule. Transpositos habet duos locos q. XIII p. 17 25 (a p. 281« 3 repotia ad p. 289&

62 1 non utiqae ed. Muellerianae) interpositis inter q. XII, 29 (gl. quot servi p. 261) et 31 (gl. ruhidus p. 262); item q. XV p. 16— 25 (a p. 340 & 33 serilla ad p. 3516 4 patriae sitae pulsi) interpositis q. XIV, 1 p. 297 inter gl. stipem et sobrinus. Deficiunt hodie in principio voluminis q.VIII et maior pars q. IX (nam incipit p. Mla 30 qui ferro) deestque item quaternio X totius ita, ut librarius prin- cipium undecimi extremo nono continuarit; integer autem liber quid continuerit, non liquet nee tuto statuemus quaternionem decimum ab initio inde afuisse, nam qui hunc librum scripsit cum alia quoque transposuerit, etiam decimum quaternionem in principio deperdito potest collocavisse loco non suo. Cum hoc libro proxime coniunctae sunt emendationes et additiones libro Leidensi supra memorato postea illatae (nobis F), quamquam desumptae sunt non ex ipso Vaticano, sed ex libro simili et subinde pleniore^: nam non solum perveniunt ad partem eam quoque quae in Vaticano desideratur, sed etiam in parte, quam habet Vaticanus, corrector Leidensis quaedam adnotat

. in Vaticano non reperta: ita indicatio infra relata post gl. tigülum sororium deesse Chartas sex magnas adhuc reperta est in solo libro Leidensi. Extitit itaque olim exemplum Festi quaterniones quotquot supersunt complexum, unde pendent tam liber Vaticanus (S) quam libri Leidensis emendationes (Y). At huiusce ipsius exempli origo et condicio sane obscurae sunt et dubitationi obnoxiae, quae ut ali- quatenus illustrentur, subicere placuit variam lectionem trium librorum R S Y ad litterae T partem adhuc superstitem p. 351. 352. 355. 356 Muell.

JEx p. 351 & BS nihil afferunt, Y f. 71 haec: Talassionem in nuptiis Varro ait

Signum lanificii. ralaQov. id est quassillum at historia-

rum scriptor ait Talassium militarem virum rapta virgine unicae pudi- citiae .... quod ei id cognomen (coniugium marg.) fuerit felix, item ominis gratia nunc redintegrari. deest, item f. 71' haec: Tarentum in

1) Cum glossam perpetrat p. 217 a 29 a scriba primario Leidensis male habitam secundus librarius ita emendet, ut praescribat: 'in antiquo est', suspicere hunc vidisse ipsum archetypum; at secus esse constat ex iis quae mox dicentur.

Festi codicis quatemio decimus sextus.

275

campo Martio locus dicendum fuisse quod te secolaris

ditis patris appellatur ab equis quadriga utilitas aequiperet.

Tauri ludi instituti dis inferis et fiunt intra muros quos Varro ait vocari Grece de pestilentia. Ex p. 352 a S nihil affert, B haec, qiiae emendavit T: Tuditantes tnndentes, hoc est negocium agentes significare ait Cincius. unde Ennius libro 11": nee (hec T) inter se totum tuditantes et Lucretias item li" II": nee tuditantia rem cessant (extrinsecus ullam add. T). Tudites malleos appellant antiqui a tundendo (. . . . us alii cruribus tudites add. Y).

inde Atteius Capito existimat M. Tuditano cognomen inditum,

quod Caput malleoli simile habuerit. p, 352 a 33 tuUos ali (alii) dixerunt RS* p. 355 a ali riuos om. R, suppl. Y

p. 352 h 1 uehementis proiectione S

3 tulii] tulli S Y, tullus R

4 afflantes R

5 temere] ac mature YS

8 uolcani] uolcani topper Y S eodem] eodem carmine neui S

9 humanus Y S

mare saeuum] mares eum YS

uiret] uires RS* 10 confringent] Y S, confrin-

gere R 12 sese] esse -B

studeat] Y S, audeat R 15. 16 te eicit] te eiecit RS* 17 in enni] et enni S

22 aedis] aedem R

23 duona] dona R

24 inserinuntur] sie ttel inserui-

untur S Y, inseruntur R 27. 28 ut est apud Pacuvium] pacuuius .S* Antiopa] arthiopa R uapore] uaporet R 30 imbribus] YS, ignibus R

1 torridum] torridum et S 63

4 oportet om. S

nee sem.] ne sem. S

5 ennio arrio annio] enio ario

anio R, enio ario anio eimio arrio annio YS

6 adictam (»ic. cod.)] S,

dictam R

7 terinam S

8 titientium ramnum S

10 in singulis ex eo R

11 torro] torreo S

15 turannos] turrenos R S*

16 lidorum duce R

17 et. pr. crud. B turannos YS

18 tyria] tria S 22 serriium .S^

maria tria S torintas S 24 toruus] torinis S

26 confidentia S

27 nunc] nos R

29 flaminicarum] flaminice S,

haminice ü* 31 crinibus] comibus R g^

33 inter ali et fig. lacu/na R

p. 355 &i 1. 2 fictores argeos et tutullatos uideo R; fictores et tutulatos uideo S Y 2 4 Tueor defendo et tuor. sed iam promiscue utimur tuor et intuor

pro uideo et contuor S, om. R 4 6 Tuguria a tecto appellantnr et sunt fomo sordida RS* 11—16 Tuscum vicum aiunt dictum (d. a. S) a Tuscis loco üs (bis S) dato sub Celio a fratribus Cele et Vibenno qui ad Tarquinium venerunt RS*

1) Ex paginis duabus mancis p. 355 b. 356 a quae hie praetereuntur, otiittunt RS.

18*

276 Festi codicis quaternio decimus sextus.

p. 355&18 22 Toxicum dicitur cerva. eo solent quidam perungere sagittas.

Caelius in Gamo (bamo B) ut hominem toxico transegerit.

Affranius uxorium istud toxicum BS*

22—34 Tuscos quidam dictos aiunt a Tusco Herculis filio. ali quod

unici studii sint sacrificandi ex Greco velut &vaxco d^vco ab eadem

causa sacrificiorum facilem habeat id est dvoxoXov. Tumulus

Gallus Elius sie definit: tumulus est superne editus secundum

mare fluctibusue uatus unde et quae sequuntur apud

Muellerum (nisi quod pro tumultuarii est tumultuosij usque ad quia is omatur umquam ab Italicis et Gallicis. deest. S, om. B

p. 356 o 23 sq. Templa antiqua tesca esse ait cuero aspera difficilia aditu. Ennius: ardua aspera saxa tuos. Tonsillam esse ait Verrius palum dolatum et cuspide preferratum ue existimat dictam cum figi in litore re . . . . causa. Pacuvius in Medio: accesseram et tonsillam pagi laeto in litore S, om. B 34 Tonsam Ennius signifi häbent B S

p. 356 h 2 poste] post B S* p. 356 b 20 ius sit] uis sit Y

4 reserunt JB 21 fit] sit S

5 nasota alius] naso talius S 22 autem] aut B

13 caede] cederet B 23 alterum] alterum in S

15 tonsiles S 27 claudantur S

17 ser. tullium] seruium tullum 28 quicquam S

S, tullum B 29 tagam] tagat -S* 20 quoad] quod ad B

Haec qui examinarit duo intelleget diversa, ne dicam contraria: R et SY pendere quidera ex eodem archetypi codicis exemplo passim interpolato (nam consensus e. c. in glossis tuguria, Tuscum vicuni, Toxicum explicari aliter non potest), sed eosdem libros ita comparatos 65 esse, ut sese invicem emendent paucisque tantum locis (iis scilicet quos asterisco designavimus) contra archetypum in falsa lectione consentiant, praeterea vero ut ÄFnon pauca suppleant ab jR omissa. Quarum positionum cum neutra negari possit, aut descendant necesse est tarn R quam archetypus librorum SY ex codicis primarii exemplo deperdito utroque illorum emendatiore et pleniore, aut, quod magis crediderim, vir doctus is a quo proficiscitur recensio codicum SY, nactus et exemplum antiquius libri nostri R simile et ipsum arche- typum codicem talem fere, qualem habuit Politianus, illud ad hunc emendavit et auxit ita, ut locos a primo descriptore iam satis recensitos et expletos raro attingeret. Hoc ut magis statuam, movet me variae lectionis in q. YIII et X condicio a reliqua diversa: nam emendator Leidensis quamquam illos quoque non minore diligentia quam reliquos castigavit, tamen perpauca in bis invenit corrigenda et supplenda, quae alicuius sint momenti, integras autem glossas in R codice

Festi codicis quaternio decimns sextas. 277

praeteritas non adiecit nisi inde a principio litterae <S^, ut in qua- ternionibus YIII et X videatur usus esse apographi ex quo venit It exemplo paullo meliore, in quatemionibus autem extremis, maxime in XYI ipso archetypo. Illud verum esse interim mihi credi volo; in q. XYI quomodo differant R et SY, infra propositum est.

Y. Angelum Politianum ipsum archetypum codicem vidisse et descripsisse supra diximus. Ab eo sumptum exemplum postea ad Yictorium pervenit. qui id casu invenit in tabema quadam libraria sibique emit; hodieque Monachi inter libros Yictorianos (Y. B. 86) extat non ipsum quidem Politiani exemplum, sed quae inde enotavit Yictorius ad marginem Festi ab Aldo excusi n. 1513. Librum hunc (nobis P) a Muellero iam commemoratum (v. praef. p. III) roganti mihi misit solita comitate vetus et verus amicus Carolus Halmius. Quae emendationes incipiunt p. 217 ed. MueU. inde ab ipso q. XI principio (prima earum est p. 217a 1 audent pro atideat Aldinae) perveniuntque ad finem q. XYI. Sunt autem optimae vereque Poli- tiano dignae, quamquam et Yictorius queritur Politianum scripsisse litteris minutis et per notas magis quam more solito, ut quibusdam locis Yictorium magis quam Politianum errasse non immerito conieias, et ipse Yictorius calamo usus est non satis bene temperato, denique 66 quod magis dolendum est, aperte Yictorius potiora tantum enotavit, ut ex silentio eius de eo quod legit Politianus nuUo modo coniectura capi debeat.*)

Hi sunt libri scripti et editi, qui ad Festi partem hodie deper- ditam emendandam aliquam utihtatem videntur habere. Editiones autem Aldi Manutii (Yenetiis 1513) et Antonii Augustini (Yenetiis 1559) adhibui quidem et hanc interdum citavi nota usus A, sed in ipsa recensione utraque abstinendum esse duxi nee laudo consilium MueUeri, qui editione principe neglecta praeter Ursinianam consuluit solam Augustinianam vel, ut eam appeUare solet, vulgatam. Xam scriptis quidem libris tam Aldus quam Augustinus usi sunt, sed Augustinus codice AchUlis Maffei, qui Festum Paulumque exhiberet in unum corpus conflatos, ductus omnino ex libro R nostri simili et iure sperneudus. De Aldi libro aceuratius non constat, sed nequa-

1) Gerte in libro Leidensi emendator glossas iategras addere coepit demum inde a p. 290 Muell. primaque earum est haec: S nhiio signifkat in carinine

augurdli sotianti Nee aliter puto esse in libro Yat. 2731.

*) [Die Originalhandschrift des Politianus ist inzwischen von P. de Nolhac in einem aus der Bibliothek des Fulvius Ursinus stammenden cod. Vaticanus gefunden worden: vgl. Nolhacs Mitteilung in der Revue de phil. 10, 1886, S. 145 ff.]

278 Festi codicis quaternio decimus sextus.

quam insignem eum fuisse ipsa editio comprobat praeterea more sueto sescentis locis non ex libro scripto, sed ex coniectura temere aut correcta aut corrupta. Unum adnotabo glossas duas has (p, 372 Muell.):

Vehere portare vel trahere.

Veredis (scr. veredos^ antiqui dixerunt, quod veherent rhedas, id est ducerent.

in nuUo ex libris meis repertas primum legi in Aldina a. 1513 et quidem sub finem litterae Y»insertas inter glossas vernisera et veruta, quae sunt extremae duae editionis Pii in parte eins Paulina. Earum alteram monuit me Hauptius totidem verbis redire apud Isidorum 12, 1, 55, apud quem 20, 14, 13 inter alia legitur etiam: vehere, id est exportare: Festi neutram esse patet.*)

85 Festus p. 78 Momms. [p. 371 Müll.]: vectigal aes appellatur

quod ob tributum et Stipendium et aes equestre et hordiarium populo debetur.

[Dazu Anmerkung Mommsens p. 85:] Ita locus iam sanatus est ope librorum ipsorum (v. Mueller p. 413), nee temptanda sunt verba ob tributum, pro quibus praeter tributum proposuit Huschkius. Scilicet tributum cum ita imponatur civibus, ut postea iisdem ex aerario reddatur, recte omnino dici potest vectigalia ideo solvi, ut populus tributum iis qui tribuerunt rependat. [Vgl. Staatsrecht 3 S. 228, 4. 256, 4.]

Festus p. 78 Momms. [p. 371 Müll.]: viae sunt et publicae et privatae: pupUcae per quas ire omnibus licet, privatae quibus nemini et hae VIII pedes in latitudine iure et lege puplicae quantum ratio utilitatis permittit. lex**) iubet XVI XVque pedes esse vias ut qui vias muniunt onisandi lapidas***) qua volet iumento a^ito.

[Dazu Anmerkung Mommsens p. 85 f.:] Quae hoc loco referuntur de viis, ea nunc intellegimus desumpta esse ex XII tabulis, id quod confirmant loci Gai (Dig. 8, 3, 8): 'Viae latitudo ex lege duodecim tabularum in porrectum octo pedes habet, in anfractum, id est ubi flexum est, sedecim' et Varronis (de 1. Lat. 7, 15) : 'anfractum est flexum .... ab eo leges iubent in directo pedum VIII esse, in anfracto XVI, id est in flexu'. Festi autem verba quamquam et caecis lacunis obscurata et interpolatione conta- minata tamen ad sententiam certe sie fere restituenda erunt: Viae sunt et publicae, per [quas ire ager]e omnibus licet, et privatae, quibus neminem

*) [Es folgen auf S. 66—84 die Ausgabe, dann auf S. 85—86 Bemerkungen zu einzelnen Glossen des Festus. Von diesen Bemerkungen sind einige im oben folgenden Text wieder abgedruckt worden.] **) [Leg. XII tab., VII 7 Schoell.] ***) [So der cod. Vatic. 2731 und der Leideusis, omsamdi lapidas Politianus, dionisam lapides Ursinus.]

Festi codicis quatemio decimus sextus. 279

uti [tos est] praeter quorum sunt, et ita privatae VIII pedes in latitudine [Jmbent] iure et lege, piiblicae, qiiantum ratio utilitatis permittit. [praeterea] lex iubet XVI [in anfracto fle]xuqi4,e pedes [latus] esse vias, tit [adiciat:] vias munitinto. ni sam delapidas[sint], qua völet iumento agito. Publicas vias tantae latitudinis esse, quantam ratio utilitatis pennittat, illustrabunt ea, quae ex libris coloniarum in gromaticorum volumine II p. 161 de 86 viarum militarium latitudine composui. In extrema parte ipsa illa verba legis latere, quorum argumentum Cicero (pro Caec. 19, 54) reddit bis verbis: 'si via sit immunita, (lex) iubet qua velit agere iumentum' iam Huschkius yidit (v. apud Muellerum p. 414) nee tarnen verba üla recu- peravit: equidem quae posui, ea certe et ad vestigia traditae leetionis proxime accedunt et sententiam habent rectam et simplicem. Sam voca bulum pro eo quod est eam cum vel apud Ennium reperiatur , non ab- horrebit a legibus XII tabularum : *) delapidandi vero vel sola depalandi analogia satis tuebitur.

Festus p. 80 Momms. [p. 372 Müll.]: vecors est turbati ac mali cordis. Pacuvius in Iliona : '^paelici superstitiosae cum vecordi coniiige\ et Novius in Herctde coactore: ' Tristimoniam ex animo deturhat et vecordianC.

[Dazu Anmerkung Mommsens p. 86:] Spero fore ut lectoris non ingrati accidant versus hi duo elegantissimi adhuc misere corrupti**) (Ribbeck Pacuv. 216; Novius 102. 103 [40 ^ p. 315 der 3. Aufl.]), iam vero pristino nitori restituti, item nova fabula et sane beUa HercuUs lucrorum ita po- tentis, ut ipse auctionem faciat et bonis divenditis summas redigat.

*) [Vgl. F. Skutsch in: Hoa; (Festschr. f. A. Fick, Göttingen 1903) S. 144 f.] **) [Müller hatte die Worte so herausgegeben: vecors est turhati et maii cordis. Pacuvius in Iliona: 'Qiii veloci f siiperstitione cum vecordi conitu/e'. et Novius in ... . '^coactus tristimoniam ex animo deturbat et vecordiam.]

XXXIV.

Zu Festus.*)

467 Bei Festus 8. 363 Müller findet sich folgender Artikel:

Teretinatihus (qui) a flumine Terede dicti existimantur et sylldba eins tertia mutata et pro (Terede Teram scribi de-

Derselbe stand auf einem der jetzt verlorenen Quaternionen unserer Festushandschrift und zwar wahrscheinlich auf der zweiten zur Hälfte 468 weggebrannten Spalte, so dass der vorliegende Text, und namentlich die bei Ursinus fehlenden nur in den Yulgathandschriften sich finden- den oben eingeklammerten Worte dem dringendsten Verdacht der Interpolation unterliegen. Paulus hat den Artikel übergangen. Daran kann nun wohl kein Zweifel sein, dass das Lemma dieses Artikels Teretina trihus war. Die sonstige handschriftliche Ueber- lieferung stimmt freilich, so viel mir bekannt, in der Schreibung Terentina überein (Liv. 10, 9; ep. 10 ; Cicero ad fam. 8, 8, 6; Josephus ant. 14, 10, 10. 13. 19), allein sie kann hier nicht entscheiden und muss zurückstehen gegen die freilich meinesWissens bis jetzt einzige**) Inschrift C. I. G. 2637 [vgl. Prosopogr. imp. Eom. III S. 468], in der der Name, und zwar zweimal, voll ausgeschrieben vorkommt und inj der er THPHTINÄ lautet. Dass man nicht etwa beide Formen wie vicensimus und vicesimus, semenstre und semestre als alte Doppel-j Schreibung neben einander gelten lassen kann , ist bekannt ; es gil^ dies nur von dem vor s eintretenden n. Dass der Artikel hier un( nicht mit dem über die tromentinische Tribus S. 367 zusammstehl

*) [Rhein. Mus. 12, 1857, S. 467-69 mit Nachtrag ebd. S. 633—34. Vgl Staatsrecht III S. 172, 7. Mommsens Ausführungen sind bestätigt worden voB Ritschi, op. IV S. 760 und Kubitschek, De Romanarum tribuum origine ac pr pagatione, Wien 1882, S. 21.]

**) [Doch s. den Nachtrag unten S. 282 und Kubitschek a. a. 0. S. 49.]

Zu Festus. 281

erklärt sich, wenn man die sämmtlichen Tribusartikel betrachtet sie finden sich durchgängig in dem alphabetisch geordneten Theü der Glossen (Clustumhia p. 55; Lemonia p. 115; Maecia p. 136; Oufentina p. 194; Quirina p. 254; R&milia p. 271^ und so sind auch die Teretina und Tromentina gestellt, wogegen die zahlreichen unter P (Pupinia, Pomptina, Poblilia p. 233j und S (Stellatina, Sabatina, Scaptia p. 343^ fallenden Tribus zusammen geblieben sind, Was nun die Ableitung dieses Namens anlangt, so ist an die Terentier überhaupt nicht zu denken, da die vier ältesten (Palatina, Suhnrana, Esqiiilina und Pollina) und die fünfzehn jüngsten Tribus (Clustumina, Stellatina, Trometitina, Sabatina, Ärniensis, Pomptina, Poblilia, Maecia^ Scaptia, Oiifentina, Falerina, Aniensis, Teretina, Velina, Quirina). wie es für eine solche rein äusserliche Departementstheilung sich schickt, vorwiegend nach Flüssen und Seen, daneben nach Ortschaften be- nannt worden sind. In unserm Falle empfiehlt sich die Ableitung von einem Flussnamen um so mehr, als die teretinische zugleich mit dem Aniodistrict (Aniensis) im J. 455 eingerichtet worden ist. Aber welcher Fluss ist der Teredes? Unzweifelhaft kein andrer als 469 der heutige Sacro, der bei Palestrina entspringend, zwischen den Gebieten der Yolsker und Herniker hindurch in südlicher Richtung zum Liris fliesst und mit diesem sich unweit Fregellä und Fabrateria vereinigt. Strabon, der meines Wissens einzig^ unter den alten Schriftstellern diesen Fluss erwähnt, nennt ihn (5, 3, 9 p. 237 Casaub.) TQYJQog. Ob danach hier Tgiidog oder bei Festus für Terede gelesen werden muss Terero^ muss dahin gestellt bleiben; die Ausstossung des kurzen Vocals der Anfangssilbe vor dem gleichen aber langen Yocal der zweiten ist in der Ordnung 2. Diese Annahme stimmt völlig zu der Geschichte der Zeit. Es war die Zeit wo nach dem Ende des grossen samnitischen Krieges (450) Rom sich bleibend in Mittelitalien festsetzte, die Hermiker (448), Aequer (452), Umbrer (455) definitiv unterwarf, Sora, Alba, Carsioli, Namia gründete (R. G. I 348 [I^ 376]). In diesen fernen Gebieten darf man natürhch die ursprüngUchen Bezirke des Anio und Trerus nicht suchen, da diese

1) Cluver S. 1038. [Vgl. H. Nissen, Ital. Landesktmde I S. 330 11 S. 647.] Nach Forbiger alte Geogr. 3, 509 kommt er auch auf der peutingerschen Tafel verschrieben als Birius vor. Xämlich sie giebt zwichen Anagni und Rom einen Scheideweg ad hiriiim . das ist ad bivium an!

2) Vergleichbar ist der alte Name des heutigen Trivento, das bei den Schriftstellern (Plin. h. n. 3, 12, 107; liber colon. p. 238) Tereventum, auf den Inschriften (C. I. N. p. 463 [s. jetzt C. I. L. IX p. 241]) bald Tereventum, bald Terventum heisst.

282 Zu Festus.

nicht nach Bürger-, sondern nach latinischem Recht constituirt wurden ; aber es passt vortrefflich dazu, dass in dem äquischen und herni- kischen Gebiet am unteren Anio und am oberen Trerus gleichzeitig zwei neue Bürgerbezirke eingerichtet wurden. Bei Festus also mag etwa gestanden haben:

Teretina tribus a flumine Terede dicta existimatur et sylldba

eins tertia mutata T pro D littera posita.

633 unter*) den ersten Steinen, die mir auf meiner Reise diesmal zu Gesicht gekommen sind, war der folgende jetzt in der Kirche zu Petronell eingemauerte aus den Ruinen des alten Laurentum : **)

634 L CORNELIVS L F FIRMVS TERETINA AREL ATE . MIL LEG XV APOL AN XXX STIP . X . H . S . E C VIBIVS . C . F MIL

- LEG XV APOL

VB H P viro bono heres posuit

Auch hier also ist der Name der Tribus Teretina geschrieben; wie auch Marsilius (Danub. II tab, 34, 3) und von Sacken (Sitzungsberichte der Wiener Akad. Bd. 9 S. 736) lasen; nur Muratori 808, 5, der den Stein aus Marsilius nahm, hat durch eine der ihm geläufigen kleinen Interpolationen daraus TERENTINA gemacht.

*) [Hier beginnt der Nachtrag.] '*) [Die Inschrift steht jetzt im C. I. L. III, 4464.]

XXXV.

Zur lateinischen StichometriJ*)

^

Der liber generationis, griechisch verfasst vom Bischof Hippolytos 142 von Portus im letzten Jahre des Kaisers Sevenis Alexander, uns vollständig nur in einer lateinischen Bearbeitung erhalten, muss wie eine der elendesten Schriften der sinkenden Civilisation, so auch eine der im Occident meist gelesenen gewesen sein. Er ist theils selb- ständig in Handschriften (namentlich der Bibliothek Phillipps in Cheltenham n. 1S95 saec. IX) auf uns gekommen, theils findet er sich aufgenommen oder stark benutzt in den historischen Compi- lationen, die jetzt unter den Xamen des Chronographen von 354, des Barharus Scaligeri und des fränkischen Fredegar umlaufen^. Es ist ein chronographisches Compendium geringfügigster Qualität, hauptsächlich ausgezogen aus der Bibel, von Interesse fast nur durch die auf Grundlage der Genesis aufgebaute VölkertafeP. Von dieser

*) [Hermes 21, 1885, S. 142 156. Über das Verzeichnis der Cyprian- schriften ist seit Mommsens Abhandlung außerordentlich viel geschrieben und sehr vieles gefordert worden. Die Literatur darüber hier anzufahren erschien zwecklos; diese Abhandlung, die die Entdeckung gebracht hat und dadurch grundlegend -wurde, mußte genau so bleiben, wie Mommsen sie ausgehen ließ. Die Nachträge beschränken sich daher auf die wenigen nebensächlichen Fragen, zu denen ilommsen selbst späterhin Stellung genommen hat.]

1) Neuerdings haben darüber gehandelt B. Krusch in Wattenbachs Neuem Archiv 7 (1882), 456 f. und, ohne diese Arbeit zu kennen, H. Geizer Africanus 2 (1885) S. 2. [Mommsen selbst hat dies Compendium ediert und behandelt in den C hronica minora I, 1892, S. 78 ff.]

2) Diese Völkertafel ist durch Hippolytos in Umlauf gekommen; aber i'.üllenhoff ('Weltkarte des Augustus S. 37) hat mit grosser Wahrscheinlichkeit, vermuthet, dass er sie dem wenig älteren Julius Africanus entlehnt hat, von djm er in der Chronik überhaupt abhängt (Geizer a. a. 0.). Bearbeitet ist sie ttit umsichtiger Berücksichtigung der verschiedenen griechischen und lateinischen Texte von Müllenhoff a. a. 0. S. 39 f. [Über Müllenhoffs und Geizers Forschungen zu Julius Africanus und Hippolytos, insbesonders über das Abhängigkeitsverhält-

284 2"^ lateinischen Stichometrie.

Schrift befindet sich in der Phillippschen Bibliothek ausser der eben erwähnten noch eine zweite ebenfalls der selbständigen Ueberlieferung angehörige Handschrift aus dem zehnten Jahrhundert (n. 12266 p. 66 f.), die meines Wissens noch nicht benutzt ist. An sich ist sie von geringem Werth; sie zeigt dieselben Lücken, wie die Hand- 143 Schrift n. 1895 sie hat und die Yorlage des sogenannten Fredegar sie hatte ^, und ist, im Ganzen wenigstens, der älteren n. 1895 nach- zusetzen, obwohl sie auf ein recht altes im J. 359 geschriebenes Exemplar zurückgeht. Denn wenn hinter dem Yerzeichniss der jüdischen Könige und vor den nomina prophefarum die folgende, dieser Recension eigenthümliche Bemerkung sich findet:

ab imperio G. lulii Cesar qui ah urbe condita initia eins per consules inveniuntur ann sunt DCCV in ****bium et typasium frs ann sunt CCCGVI si quidem ab urbe condita usque ad hos

consules eubi et typasi anni sunt ****. CoUiguntur u. s. w. bis

CXLVIII

usque eodem anno numero III BCC****

so ist dies offenbar eine in dem Jahre 359, das allerdings das Jahr ist nach Roms Erbauung 705 + 406 = 1111 und dessen Consuln Eusebius und Hypatius in der That Brüder waren 2, zu dem hippo- lytischen Werk zugefügte Schreibernotiz, welche dann in unsere Handschrift sich fortgepflanzt hat. Danach sind wir berechtigt die Aufnahme eines anderen wichtigeren Stückes, das diese Handschrift vor den übrigen voraus hat, auf dieselbe Epoche zurückzuführen.

Die Inhaltsangabe, mit der die Schrift beginnt, entspricht im Ganzen in unserer Handschrift derjenigen der älteren n. 1895, nur dass die unsrige beträchtlich verkürzt ist. Den Schluss setze ich her, wie er in beiden vorliegt.

nis des Hippolytos von Africanus urteilte Mommseu später wesentlich anders: s. Chronica a.a.O. S. 86f.] Aus dem Fredegar -Codex (Paris. Lat. 10910) hat Riese diesen Theil des Über generationis am Schluss seiner geographi Latini minores abgedruckt und dadurch auch Philologen im engeren Sinne zugänglicl gemacht.

1) Die Lücke in dem gallisch-germanischen Abschnitt, welche der griechisch! Text (Müllenhoff a. a. 0.) nicht hat, wohl aber der selbständige lateinische wie der Fredegar, ist wahrscheinlich durch den lateinischen Uebersetzer ver schuldet. Der Scaligersche Barbaras, aus dem Riese a. a. 0. c. 32. 33 und Kruscl a. a. 0. S. 465 sie ausgefüllt haben, ist bekanntlich Uebersetzung einer griecbi'J sehen Compilation und also von deren Urheber Hippolyt nicht in der üeber-jj Setzung, sondern im Original benutzt worden.

2) Ammian 18, 1, 1. 21, 6, 4. 29, 2, 9.

Zur lateinischen Stichometrie.

285

cod. 12266: nomina patriarcharum. prophetarum. sacerdotum ex luda. mulierum prcyphetissarum. regum Macedonum iuxta Alexan- drum, reges Saniartae.

reges Persarum a Cyro rege. impe\ra\torum Romanorum ab

Augusto et quis quot annis

imperavit. ^

lürri qui sunt veteri testamenti

canonici cum indictdis ver-

cod. 1895:

reges Persarum a Cyro et quis qtiot annis regnavif.

reges Macedonum ah Alexandra et quis quot annis regnavit.

imperatores Romanorum ab Au- gusto et quis quot annis impe- ravit.

tempora olympiadum ab Ipito us- que in praesentem Oli/mpiadem.

nomina patriarcharum a genera- tione.

nomina prophetarum.

mulieres prophetissae.

nomina regum Hebreorum et re- gum qui in Samaria regnave- runt supra X tribus et quis quot annis regnavit.

nomina sacerdotum.

nomina episcoporum^ Romae et quis quot annis praefuit.

Während im Uebrigen die Yerschiedenheit, abgesehen von den Aus- lassungen, wesentlich auf Umstellung hinausläuft, wobei übrigens die jüngere Handschrift zum Theil wohl treuer als die ältere die ursprüng- liche Folge bewahrt hat, fehlt in der älteren Inhaltsangabe der letzte Abschnitt der späteren, und entsprechend fehlt dem älteren Text das fragliche Yerzeichniss selbst, während die jüngere Handschrift den liher generationis p. & l f. abschliesst mit einem Yerzeichniss der bib- lischen Schriften, das die libri canonici nicht blos des alten, sondern auch des neuen Testaments ^ und überdies noch die Schriften Cyprians cum indiculis versuum verzeichnet. Dieses Yerzeichniss lasse ich hier folgen ^.*)

1) So die Handschrift, wie Labbe richtig las, nicht emperatontm, wie Krusch (a. a. 0. S. 468) nach Vogel angiebt.

2) Dass die Inhaltsangabe nur das alte Testament nennt, welches voran- steht, zeigt, dass der Anfertiger derselben nicht der Redacteur war ; sonst hätte er den vollen Inhalt gegeben, nicht mechanisch die erste Zeile wiederholt.

3) Der Sohn des jetzigen Besitzers der Phillippsschen Bibliothek Herr Fitzroy Fenwick hat auf meine Bitte die im letzten Augenblick und eiliger als biUig von mir genommene Abschrift mit der Handschrift verglichen.

*) [In einem Nachtrag: „Zur lateinischen Stichometrie" im Hermes 25, 1890, S. 636 638 machte Mommsen die Abweichungen einer Handschrift aus S. Gallen

144

286 Zur lateinischen Stichometrie.

Incipit indiculum veteri (so) [veferis G] iestamenti qui sunt libri can- nonici sie

Genesis ver n [versus IIIDCC G]

Exodus ver n [ver III G] 145 Numeri ver n [ver III G]

Leviticum ver n [Leviticus ver IICCC GJ

Deuteronomium ver n [ver HD CG G]

Ihü Nave ver n [Hiesu Nave ver QCDCCL G""

ludicum ver n [ver (XiDCCL G]

fiunt libri VII iJe? n [Fi fehlt in G] XVIIIC

Rut ver CGI'' [GCL G]

Regnorum Über I ver IIGGG

Regnorum liber II ver IIGG

Regnorum liber III [Ilß] vir HD [IlBL G]

Regnorum liber IUI ver IIGGL

ßunt versus VIIIID^ [VlTlB G]

Paralipomen [paralipomenon G] Hb. I IIXL [uer IIXL G]

Hb. II ^r Tic

Machabeorum lib. I ver IIGGG

üb. II ^ (X>DGGG lob ^^DGGG [(X)BGC G] Tobias verDCGGG [VIID G] Bester [verVIIDGC fügt G zu] ludit ver CCG

Psalmi David [Davitici G] CLI^ ver V Salomonis uer VD [VID GJ

profetas [prophetae G] maiores ver X VI[X V] CGGLXX * numero IUI *saias [Esaias G] uer IIIDLXXX leremias [Hieremias G] uer IIIIGGGGL Daniel [Danihel G] ver Q/oGGGL

(n. 133 p. 488—492, vgl. die Beschreibung dieser Hs. in den Chron. min. I S. von dem englischen Exemplar bekannt. Er urteilt a. a. 0. über das Verhältnis der beiden Exemplare zu einander so: „Dieses, aus dem neunten Jahrhundert, ist älter als das englische, aber nicht dessen Vorlage gewesen und nicht durch- gängig besser." Es erschien zweckmässig, die von Mommsen mitgeteilten Vari- anten der S. Gallen Hs. (G) den Lesarten der englischen Hs. gleich in Klammern beizufügen.]

1) Wohl CCL. [So G.]

2) Die Summirung ergiebt nur 9250. 8) Vielmehr CL. 4) Die vier Theilposten geben nur 1B180.

Zur lateinischen Stichometrie. 287

EzecMel ^ lUBCCC [lIlCCCXL G]

profetas [prophete G] XII IIIDCCC

erunt omnes ver n LXVIIIID^ [die Zahl fehlt in G]

Sed ut in apocalypsis (so) [apocalipsi G] lohannis dictum est: ''vidi XXIIII seniores ynittentes Coronas suas ante thronum'^, maiores 146 nostri probanf Jios libros esse canoniöos et hoc [hos G] dixisse seniores.

Item indiculum novi testamenti.

euangelia IUI Matheum [Mattheum G] vr IIDCC

Marcus [Marcum G] ver (X)DCC 1 [in umgekehrter lohannem vr QcDCCC J Reihenfolge G]

Zwm [Lucas G] v? lÜCCC

filmt omnes versus X^

eplae Pauli n XIII (so) [XZ/JJG; „die Zeüenzahl fehlt auch hier«]

actus [actuum G] aplorum ver IIIDC

apocalipsis ver [ver fehlt G] (JoDCCC

eplae lohannis III ur CCCCL [CCCL G]

una sola* [una sola fehlt G]

eplae Petri II ver CCC

una sola*" [una sola fehlt G]

Quoniam indiculum versuum in urhe Roma non ad liquidum^ sed et [et fehlt G] alibi avariciae causa non habent integrum, per sin-

1) Die Summirung ergiebt, wenn für Ruth 250 und für Könige und die grossen Propheten die Sammtzahlen in Ansatz gebracht werden, 70560, nach den Theilansätzen für die beiden letzteren, welche zuverlässiger sind, 67120, wozu die för Esther fehlende Zahl hinzutritt.

2) Äpokal. 4, 10 (Hieron.) : procidebant viginti qiMttiuyr seniores ante sedentem in throno .... et mittebant Coronas suas ante thronum. Hieronymus praef. in libros Samuelis et Malachim vol. 9 p. 457 Vall. (auf welche Stelle Hr. Dillmann mich hingewiesen hat) : fiunt . . veteris legis libri viginti dito, id est Mosi guinque, jarophetarum octo, hagiographoriim novem: qiiamquam nonmiUi Ruth et Cinoth (die

Klageb'eder des Jeremias) . . . in suo putent numero supputandos, ac per hoc esse priscae legis libros viginti quattuor, quos sub numero viginti quattuor seniorum apo- lUiJypsis lohannis inducit adorantes agnum et Coronas suas prostratis vultibtis afferentes. Das Yerzeichniss nimmt übrigens auf die 22 oder 24 kanonischen Bücher keine Rücksicht und enthält auch solche, die nicht im Kanon standen, <üe Makkabäerbücher, Tobias, Judith.

3) Die Theüzahlen geben 10600.

4) Vgl. S. 148 A. 2 [S. 289 A. 2].

5) Handschrift aliqui dum {dkqwdum G],

288 2"^ lateinischen Stichometrie.

gulos libros [Ubros fehlt Q] computatis syllahis posui ^ numero XVI versum Virgilianum omnihus lihris numerum^ adscribsi^.

147 Indiculum Cecili [cac U G] Cipriani. 1.* ad Donatum CCCCX

2. ad virgines D

3. de lapsis BCCCCLXXX [BCCCLXXX G]

4. de opere et elemosyna DCLXX [aelimosine DCCLXX G]

5. ad Demetrianum DXXXV

6. de aeclesiae unitate DCCL [DCC G]

7. de zelo et liuore CCCCXX

8. de mortalitate DL

9. de patientia DCCCLX [B G]

10. ad Fortunatum DCCXL [DCCCLX G]

XL

11. de domini oratione (so) [DCC G]

12. ad Quirinum libri III: I^ DL.

II DCCCL [DCCCCL G]

III DCCLXX

13. ad Äntonianum [Äntonium G] DCL

14. de calice dominico CCCCL

15. de laude martyrii [martirum Gj DCCCXXX

16. «^ confessores martyrum [ad confessione martirum G] CXL

17. Moysi [monsi GJ e^ Maxirno LXX

18. at? eosdem alia CXX

19. öJe precando deum CXC

20. «(/ clerum [clero G] il/IZ

21. Aurelio lectori pro ordinato CXL [Aurilio lectore pre ordi-

natio CXI G]

22. Celerino C

23. «^ lobianum [labaianura G] Di

24. a^ Quintum ü

25. J(^e p^ ZIIZ w . XXX [ad Efesius (geändert von 1 . Hand .

in efphesius) XIII XXX G]

1) Nach posui ein Buchstabe radirt.

2) num die Handschrift.

3) Die verwirrten Worte weiss ich nicht mit Sicherheit herzustellen ; viel- leicht sind posui und num auszuwerfen und ist zu schreiben : computatis syllahis numero XVI versum Vergilianum omnihus lihris adscrihsi. [In G lautet die Stelle: posui numero versus Virgilianum; das Weitere fehlt.]

4) Die Zählung ist von mir zugesetzt.

5) L die Handschrift. [IUI statt III: I G.]

Zur lateinischen Stichometrie. 289

26. Ade^n. CXX [ad Efhesius CXX G]

27. sententiae episcoporum DXX

28. ad Pompeium CCXC

29. ad Stephanum C

30. ad Fidum [fidem G] CVI

31. ad Ma^num CCLXXXIIII [ad Magnium CLXXXIIU G]

32. ad Martialem [de Martiale G] CCCL

33. Lud ad Eucratium [Egracium G] XL

34. Felici et ceteris XX

35. de Numidia [Numedia G] conf. XXX 148

36. ad Florentium CCVII [CCVIII G]

37. ad prest LXXII [LXXQ]

38. ad eosdem et diac XXV [die XXX Gll r i. x_ m

39. ad clerum urt LXX ] [-«^^g^*^*?- - ^1

40. Bomani resc (so) CCXV [Roman res (so) CCCXV G]

41. adversus lud CCXC

42-50. a(? Cornelium [Comüimn G] FJ/// [FilZ G] (XiCVIII 51. v?Va Cypriani DC

fiunf omnes versus [versi G] n XVIIID^

Es ist nicht meine Absicht diese Aufzeichnimg, die mir zufallig in die Hand gekommen ist, so nach allen Seiten hin zu erläutern Y-ie sie es wohl erfordert; diejenigen Gelehrten, die sich mit dem Kanon der biblischen Bücher ^ und mit der Kritik Cyprians so wie mit der Stichometrie überhaupt abgeben, werden nicht verfehlen,

1) Die Theilposten ergeben 15446 Zeilen; eine Zahl (n. 11) fehlt.

2) Herr Theodor Zahn in Erlangen bemerkt in dieser Hinsicht brieflich: 'I'a das Verzeichniss nur 13 paulinisehe Briefe zählt, den Hebräerbrief also da- 'von ausschliesst, denselben auch nicht anhangsweise aufführt, so muss dasselbe, 'v enn es africanischen Ursprungs ist, älter sein als die Synoden von Hippo (393) 'uad von Karthago (397). Denn damals wurde beschlossen: Pauli apostoli epistolae Hredecim, eiiisdem ad Hebraeos una, wobei der Uebergang aus dem alten abend- *lfc.ndi scheu Kanon zu dem aus dem Orient importirten jüngeren in der Unter- 'lassung der Addition noch deutlich zu sehen ist.' In den Worten una sola vor und hinter epistiilae Petri II erkennt Zahn den nachdrücklichen Protest eines Mannes, welcher nach altem africanischen Herkommen nur einen einzigen Brief des Petrus, den ad Ponticos, anerkannt haben wollte. [In dem Nachtrag bemerkt Mommsen über die Hs. G: ,««a sola fehlt an beiden Stellen, also sicher Randnote*.] .Interessant', bemerkt er schliesslich, 'ist auch die Ordnung der Bücher, ganz 'abweichend von dem Verzeichniss im Claromontanus. Die Reihe actus, apocaiypsis, 'epistulae lohannis scheint Andeutungen bei Tertullian zu bestätigen'.

MOMMSEN, SCHR. VII. 19

290 2ur lateinischen Stichometrie.

sich mit den Verzeichnissen eingehender zu beschäftigen. Nur eine vorläufige Erörterung mag die Veröffentlichung derselben begleiten. Dass die Notiz aufgesetzt worden ist, um, so weit sie reicht, den Käufern der betreffenden Schriften deren Umfang zur Kunde zu bringen und dadurch sie vor Uebertheuerung durch die Buchhändler in Rom zu schützen, welche die den Preis bedingende Zeilenzahl^ L49 eben desswegen wegzulassen pflegten, sagt sie uns selbst. Sie ist also ausserhalb Roms aufgesetzt, wahrscheinlich in Africa, einmal weil bekanntlich die älteste christliche Litteratur, soweit sie lateinisch, daselbst ihren Hauptsitz hat, zweitens weil neben der Bibel hier die Schriften des Bischofs von Karthago verzeichnet werden. Dass der africanische Schreiber über die Manipulation der römischen Buch- händler sich beschwert, wird wohl daraus sich erklären, dass die fabrikmässige Herstellung der Abschriften ihren Hauptsitz in Rom hatte und, nach unserer Weise zu reden, die Sortimentsbuchhändler in Karthago ihre Exemplare von Rom bezogen. Es war eben noch wie in den Tagen des Horaz, wo die römischen Verleger ihre Laden- hüter, die in der Hauptstadt den Motten verfielen, nach Ilerda und Utica schickten 2. Der versus Vergüianus von 16 Silben als Einheit der lateinischen Zeilenzählung wäre, wenn die Notiz vor Ch. Grauxs und Diels ^ Untersuchungen sich gefunden hätte , eine philologische Novität gewesen; jetzt bestätigt er im Wesentlichen nur, was die Forschung der letzten Jahre ohne solche Hülfe ermittelt hat. Ins- besondere hat Diels gezeigt, dass Galen seinen orixog zu 16 Silben zählte. Da die galenische Zählung sich nur auf den homerischen OTtxog und die griechische Silbe beziehen lässt, so stellt das Zeugnis für den versus Vergüianus von ebensoviel Silben die für beide Sprachen gleichmässige Durchschnittsrechnung fest, woran es auch nichts ändern würde, wenn sich herausstellen sollte, dass die Verschiedenheit in der Verwendung der Daktylen und der Spondeen und die lateinische Elision eine gewisse Differenz in der Silbenzahl des Hexameters für die beiden Sprachen bedingt. Bei buchhändlerischen Durchschnitts- zahlen, vergleichbar der Gewohnheit unserer Drucker den Raum nach dem n zu berechnen, konnten kleinere Differenzen füglich ausser Betracht bleiben, und wurde, was in Griechenland aufgekommen war,

1) Birt das antike Buchwesen S. 206,

2) Ep. 1, 20, 11: contrectatus tibi manibus sordescere vulgi coeperis, aut tineas pasces taciturnus inertes, aut fugies Utieam aut vinctus mitteris Berdam. Birt a. a. 0. S. 362.

3) In dieser Zeitschrift XVII 377 f., wo die früheren Schriften ange- fühi't sind.

Zur lateinischen Stichometrie, 291

von den Römern wohl auch dann übernommen, wenn es nicht völlig passte. Einer meiner Freunde hat sich übrigens der Mühe unterzogen aus dem ehdirenden Yergilius und dem die Elision vermeidenden Calpurnius einige Abschnitte auf die Silben durchzuzählen; ich lege das Ergebniss vor, um die Yergleichung des normalen und des wirk- lichen Yerhältnisses anschaulich zu machen.

51

Äm.TL l-lOl

Aen. X 807—908 Caljn

irnius 2, 1

(ohne 94):

(ohne 876);

(ohne 30):

Silben.

19 1 (v. 31)

V

18 1 (v. 64)

3 (v. 866. 883. 904)

rt

17 5

12

3

n

16 25

24

16

D

15 51

39

22

r)

14 15

20

7

n

13 2 (v. 78. S 100

7) 2 (v. 809. 906) 100

2

50

Durchschnitt: 15.23

15.33

15.22

Thatsächlich also kommen auf den lateinischen Hexameter im Durch- schnitt nicht 16, sondern nur wenig über 15 Silben.

Die stichometrischen Angaben über die lateinische Bibel zu erörtern beabsichtige ich nicht; es giebt manche ähnliche^, und die Abweichungen dieses Yerzeichnisses von den schon bekannten werden schwerlich von Belang sein. AYohl aber ist es von Wichtigkeit, dass die immer noch vorwaltende Auffassung der derartigen die Bibel betreffenden Angaben als überwiegend kolometi-ischer Art jetzt nicht länger wird festgehalten werden können. AYie immer über die bei den poetischen Büchern des alten Testaments schon von Origenes

1) Die (bei Birt mangelnde) Zeilenzählung der Bücher des alten und des neuen Testaments, wie sie die Mauriner (in dem Yallarsischen Hieronymus vol. 9 p. LXXXIII f. , zweite Columne) nach den exemplaria vetiistissima der hierony- mischen Uebersetzung zusammenstellen, stimmt mit imserem Verzeichniss so genau, dass letzteres vielleicht für jene Zählung zu Grunde gelegt worden ist. Beispielsweise werden dort für die vier grossen Propheten angesetzt: Jesaias 3580 Jeremias 4450 Daniel 1850 Ezechiel 3340, für die zwölf kleinen 3800, wogegen freilich anderswo stärkere Abweichungen auftreten. Die Zahlen dagegen des Verzeichnisses des Claromontanus (ebendaselbst in der ersten Columne und in Tischendorfs Ausgabe dieser Handschrift der paulinischen Briefe p. 468. 469), welche die Mauriner auf einen vorhieronymischen Text beziehen, bieten auch Berührungspunkte (so ist die Zahl 5000 für die Psalmen allen Listen gemein), scheinen indess zum weitaus grössten Theil auf einer vermuthlich nach demselben Princip angestellten, aber verschiedenen Zählung zu beruhen.

19*

292 Zur lateinisclien Stichometrie.

eingeführte und dann besonders durch Euthalius um 450 weiter ent- 151 wickelte kolometrische Schreibung der biblischen Schriften geurtheilt werden mag, die Zeilensummirung ist in den Bibelhandschriften der Regel nach offenbar ebenso, wie in der gesammten übrigen Litteratur, auf die Raumzeile zu beziehen ^.

"Wichtiger sind auf jeden Fall die entsprechenden Angaben über Cyprian. Wir haben hier allem Anschein nach ein Verzeichniss seiner Werke, wie sie etwa ein Jahrhundert nach seinem Tode dem Schreiber unserer Notiz vorlagen, und für die Feststellung der Titel und der Reihenfolge, ja selbst in Betreff der Echtheit giebt dasselbe manchen Anhalt. So werden die Titel ad virgines (statt de hahitu virginum) und de patientia (mit den Handschriften statt de bono patientiae) durch dasselbe beglaubigt. Die Schrift ad Antonianum (ep. 55 Hartel) wird auch wohl besser mit dem Verzeichniss in die Reihe der Tractate gestellt als zu den Episteln; auch die Abhandlung de calice dominico unseres Verzeichnisses ist sicher die ep. 63 unserer Ausgaben. Wenn den drei Büchern ad Quirinum hier 550 850 770 Zeilen gegeben werden, während sie jetzt in der Hartelschen Ausgabe 525 886 1876 Zeilen füllen, so lag unserem Gewährs- mann das letzte Buch in kürzerer Form vor als unsere Ausgaben es aufzeigen; es werden in demselben nicht blos die Abschnitte, die allein die Würzburger Handschrift hat, p. 134, 15—138, 21. 161, 8— 162, 26 gefehlt haben, sondern noch viele andere dieser 'Zeugnisse' dürften von späterer Hand zugesetzt sein. Auf jedes Fehlen in dem Verzeichniss wird man nicht gerade eine Athetese bauen dürfen; die Schrift quod idola dii non sint, der einzige unter den sicher echten grösseren Tractaten, der hier vermisst wird, ist wohl nur ausgefallen. Aber dass von den jetzt für unecht gehaltenen Schriften allein die Abhandlungen de laude martyrn und adversus ludaeos aufgeführt werden, ist einerseits eine Bestätigung der Unechtheit der übrigen, 152 andererseits ein nicht unwichtiges Zeugniss wenigstens für das Alter jener beiden Schriften, von denen übrigens auch Hartel die erstere

1) Dass auch Kolenzählung vorgekommen ist, soll damit keineswegs ge- leugnet werden. Uebrigens wird bei abermaliger Untersuchung dieser Frage die Terminologie noch besonders ins Auge zu fassen sein. Zrixog ist die Zeile schlechthin und wie oft es auch für die Raumzeile gebraucht wird, so bezeichnet es unleugbar anderswo die Sinnzeile, wie denn die poetischen Bücher des A. T. in der Recensiou des Origines in diesem Sinne ßißXoi anxrjoai oder oTixi]S6v yEy()afifisvai heissen. Dies ist auch insofern ganz in der Ordnung, als die Sinn- zeile ursprünglich ja nicht minder Raumzeile war. Wie man beide termino- logisch difFerenzirt hat, steht dahin; nahe liegt es hieher zu ziehen, dass in den Zeilenzahlangaben einzelner Bibelhandschriften ozixoi und QTJfiava sich neben- einander finden (Ritschi opusc. 1, 88).

Znr lateinischen Stichometrie.

293

als Cyprian gleichzeitig anerkennt. Die Biographie findet sich nicht blos vor, sondern kann auch nach der Zeilenzahl nicht kürzer ge- wesen sein als unsere Ausgaben sie geben.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Briefe, bei denen freilich die Identification nicht immer leicht ist und zum Theil wohl unsicher bleiben wird. Sie sind hier nicht, wie in unseren auch den besten Handschriften der Fall ist, mit den Abhandlungen durcheinander geworfen, sondern bilden eine besondere Sammlung von 33 Nummern, welcher von fremdartigen Stücken nur zwei, die sententiae episcoporum und die Schrift adversus ludaeos eingefügt sind und in der eine gewisse Ordnung herrscht; wenigstens stehen die neun Briefe an den römischen Bischof Cornelius und überhaupt die an denselben Adres- saten gerichteten zusammen. Die Reihenfolge verdient um so mehr Beachtung, als sie sich nahe berührt mit der ältesten der jetzt vor- handenen Handschriften, der Lorscher, jetzt Vindobmietisis 962 saec. IX, welche der folgenden Zusammenstellung zu Grunde gelegt ist.

Lorscher Handschrift^: ad Quirinum (Hb. III) de sacramento dominici ccUicis

(ep. 63; ad confessm-es (ep. 6^ ad Antonianum (ep. bo) ad martyras et confessores (ep. Xd) Mosi et Malimo (ep. 28^ quibus supra (ep. ZI) ad clerum de deprecando deo (ep. 1 \) ad clerum etphhem de Aurelio con-

fessore lectore ordinato (ep. 38) scheint hier zu fehlen ad clerum etplebem de Celerino con-

fessore lectore ordinato (ep. 39^ ad Comelium de confessione eius

(ep. 60; ad martyras et confessores in me-

tallis constitutos (ep. 16) ad luvaianum de hereticis bapti-

zandis epistulas numero tres

(ep 13) ad Quintum (ep. 1\)

Verzeichniss vom J. 359: imter den Abhandlungen unter den Abh?iildlungen

unter den Abhandlungen ad confessores martyrum (16) Moysi et Maximo (17) ad eosdem alia (18) de precando deum (19) ad cleriim (20)

Aurelio lectori pro ordinato (21) Celerino (22)

unter ad Comelium Villi (42— 50)

ad lobianum (23)

ad Quintum (24)

1) Haxtel praef. p. XXX. geben.

Die Adressen sind nach dem Lorscher Text ge-

294

Zur lateinischen Stichometrie.

ohne Ueberschrift ; Unterschrift ad lubaianum de haereticis ha- ptimndis epistula n. III (ep. 10)

sententiae episcoporum (Hb. XIIIIj

ad Pompeium contra epistulam Stephani (ep. 14)

scheint hier zu fehlen

ad Magnum de Novatiano (ep. 69j

de Martiale et Basilide (ep. %1)

ad Fidum (ep. 64^

ad Eucratium (ep. 2)

ad Ilogatianum (ep. 13j

de laude martyrii (lib. spur. III)

ad plebem de quinque presbyteris (ep. 43;

ad Epictetum et plebem Ässurita- norum (ep. 65)

ad Cornelium (ep. 52)

ad clerum et plebem (ep. ])

ad Fortunatum et ceteros (ep. 56^

ad Bogatianum (ep. 3)

ad Cornelium (ep. 41)

secunda (ep. 4b)

ad Cornelium III (ep. 48^

ad Cornelium IUI (ep. 44^

ad Lucium (ep. 61)

ad Maximum et Nicostratum (ep. 46;

ad Cornelium de lapsis (ep. bl)

ad Cornelium de quinque presby- teris (ep. 59)

quod idola dii non sint (lib. II)

ad Florentium (ep. 66) [54 de Numidico confessore presbytero ordinato (ep. 40)

ad Pomponium (ep. 4)

ad Stephanum (ep. 12)

ad Cornelium de confessoribus (ep.

5i;

ad Maximum presbyterum (ep. M) ad presbyferos et diaconos (ep. 32)

sententiae episcoporum (27) ad Pompeium (28)

ad Stephanum (29)

ad Magnum (31)

ad Martialem (32)

ad Fidum (30)

Lud ad Eucratium. (33)

unter den Abhandlungen

unter ad Cornelium Villi (42 50)

unter ad Cornelium Villi (42 50)

unter ad Cornelium Villi {42 50)

ad Florentium (36) de Numidia conf. (35)

unter ad Cornelium (42 50)

ad eosdem et diaconos (38)

Zur lateinischen Stichometrie. 295

ad Romanos (ep. 20^ ad presbyteros et diaconos (ep. V2) Cypriano papae lyreshijteri et dia- coni R&mae consistentes (ep. 30^

ad clerum urbis (39) ad presbyteros (37) Romani resc. (40)

Also lassen sich von den 33 Briefen, die das Yerzeichniss auf- führt^, etwa 28 in der Lorscher Sammlung mit Sicherheit oder mit Wahrscheinlichkeit wiedererkennen und stehen daselbst in einer vielfach der unsrigen sich nähernden Reihenfolge. Die fünf übrigen des Yerzeichnisses n. 21. 25. 26. 29. 34 dürften sich nicht unter den i zahlreichen ausserdem in der Lorscher Handschrift aufgeführten ver- bergen, sondern verloren sein. Die beiden Briefe n. 21.29 scheinen, nach den Adressen zu schhessen, mit den in dem Yerzeichniss vorauf- gehenden 20 (= 38 Hartel) und 28 (= 74 Hartel) in sachlichem Zusammenhang gestanden zu haben und gehören in diesem Falle sicher zu den verlorenen. Auch für die kurzen Schreiben an den Presbyter Adam und Genossen (n. 25. 26) ^ und an Felix und Ge- nossen (n. 34) wüsste ich unter den erhaltenen Briefen keine zu bezeichnen , die den durch das Yerzeichniss gegebenen Bedingungen entsprechen. Auf den Kreis der Lorscher Briefsammlung wird die Untersuchung wohl auf alle Fälle beschränkt werden müssen, da, so viel ich sehe, von den in dieser fehlenden Schreiben unsere Notiz nicht ein einziges aufführt. Möge der verdiente Wiener Herausgeber des Cyprian, dem es vor jedem Anderen gebührt über diese Fragen sich zu äussern, uns seine Auffassung des Yerzeichnisses baldigst zur Kunde bringen.*)

Zur Erleichterung des Xachrechnens setze ich das Cheltenhamer 155 Yerzeichniss noch einmal her mit Angabe der Zeilenzahl der corre- spondirenden Abschnitte nach Harteis Ausgabe. Wenn die Zahlen bei den Briefen im Ganzen zu niedrig erscheinen, so kommt das wohl auf Rechnung der ziemlich viel Raum in Anspruch nehmenden Inscriptionen.

1) Dabei sind die neun CF7J7J besserte Fenwick, ich las VUI) Briefe an den Bischof Cornelius eingerechnet. Unsere Ausgaben enthalten nur acht (44. io. 47. 48. 51. 52. 59. 60 Hartel), ausserdem zwei oder drei (49. 50; ep. spur. 2) des Cornelius an Cyprian.

2) Gemeint ist n. 25 wohl Adae et presbyteris XIII nnmero; in n. 26 mag vor n die Zahl der Coadressaten ausgefallen sein.

*) [Das ist nicht geschehen.]

296

Znr lateiniscilen Stichometrie.

156

Zeilenzahl

Zeilenzahl

der

dei

Cheltenhamer

Hartelschen

Handschrift.

Ausgabe.

1.

410

lih. \

319

2.

500

Hb. 4

472

3.

980

m. 6

703

4.

670

m. 11

579

5.

535

lih. 10

525

6.

750

m. 5

601

7.

420

Hb. 13

347

8.

550

Üb. 8

457

9.

860

m. 12

499

10.

740

Hb. 9

795

11.

Hb. 7

719

12.

I 550

Hb. 3

525

II 850

886

III 770

1876

13.

650

ep. 55

560

14.

450

ep. 63

375

15.

830

Üb. sp. 3

526

16.

140

ep. 10

118

17.

70

ep. 28

53

18.

120

ep. 37

86

19.

190

ep. 11

159

20.

54

ep. 38

44

21.

140

22.

100

ep. 39

92

23.

550

ep. 73

470

24.

100

ep. 71

83

25.

30

26.

120

27.

520

lih. 14 :

543

28.

290

ep. 74

250

29.

100

30.

106

ep. 64 :

97

31.

284

ep. 69 .

388

32.

350

ep. 67 :

212

33.

40

ep. 2 :

35

34.

20

.

35.

30

ep. 40 :

25

Zur lateinischen Stichometrie.

29-

42

Zeüenzahl

Zeilenzahl

der

der

Cheltenhamer

Hartelschen

Handschrift.

Ausgabe.

36. 207

ep. 66

194

37. 72

ep. 12

46

38. 25

ep. 32

20

39. 70

ey. 20

59

40. 215

ep. 30

182

41. 290

lih. sp. 9

241

50. 1108

ep. 44. 45. 47. 4

51. 600

vita :

483

991

XXXVI.

Zu den Scriptores bist. Aug.*)

298 Das merkwürdige Florilegium, das vor einigen Jahren aus der

Handschrift von Cues bekannt geworden ist^, enthält unter anderen auch Auszüge aus den Scriptores historiae Augustae (bei Klein S. 95 f.), auf welche zurückzukommen mich eine zufällige "Wahrnehmung ver- anlasst, die für die Handschriftengeschichte ein gewisses Interesse hat. Haupt (Hermes 1, 45 = opusc. 3, 339) und Dümmler (in Wattenbachs neuem Archiv 3, 189) haben in der Schrift des Sedulius de rectorihus christianis (Mai spicil. Rom. t. YHI) drei den scriptores historiae Augustae entlehnte Stellen nachgewiesen.

c. 6 p. 19: unde illa Antonini imperatoris praecipua semper in consiliis fuit sententia: ^aequius est ut ego tot et tälium ami- corum consilium sequar, quam ut tot et tales amici nieam unius voluntatem sequantur\ Aus vita Marci 22. c. 14 p. 43: qui ab uno vinci non potest, interdum a multis vincitur. elepJias grandis est et occiditur, leo fortis est [et occiditur], tigris fortis est et occiditur. Aus vita Maximinorum 9. c. 7 p. 22: quaeritur, quae causa etiam ex honis malos ijrincipes faciat. (ad quod dicendum) : iam primum regalis licentia, deinde rerum copia (cum ipsa ahundantia rerum causa malorum fiat), amici praeterea improM, satellites detestandi, eunuchi avarissimi, aulici vel stulti vel detestäbiles, (per quos omnes etiam in illo dominatore, qtd videhatur honus esse, nascitur ohlivio manda- torum dei: postremo), quod negari non potest, rerum puhlicarum

*) [Hermes 13, 1878, S. 298 301. Mommsens Ausführungen sind von H. Dessau, Hermes 29, 1894, S. 414f. bestätigt und in Einzelheiten erweitert worden.]

1) Ueber eine Handschrift des Nicolaus von Cues von Joseph Klein. Berlin 1866.

Zu den Scriptores bist. Aug. 299

ignorantia. hinc colligimt se quatUior vel quinque atque unum

consilium ad decipiendum imperatarem (seu regem) capiunf. 299

- dicunt quid prohandtmi sit. Imperator qui domi claustis est

Vera non novit: cogitur hoc tantum \scire\ quod iUi loquuntur.

facit iudices quos fieri non oportet, amovet a re publica qtios

debeat optitiere. unde etiam venditur bonus et cautiis et optimus

imperator. Aus vita Aureliani 43; Sedulius eigene Zusätze

sind in ( ) eingeschlossen.

Es kann nicht Zufall sein, dass diese alle in den Cusaner

Excerpten wiederkehren; und noch weniger, dass in der letzten

Stelle bei Sedulius genau die von der üeberliefening wesentlich sich

entfernende Fassung vorliegt, die der Epitomator der Stelle gegeben

hat. Damit ist erwiesen, dass wenigstens das Florilegium aus den

Scr. hist. Ättg., wahrscheinlich aber die ganze in dem Cusaner Codex

uns erhaltene Excerpten Sammlung vor der Mitte des 9. Jahrhunderts

abgefasst ist, in welcher Zeit der Irländer Sedulius an der Lütticher

Schule als Lehrer und Schriftsteller wirkte. Die Cusaner Handschrift

ist aus dem 12. Jahrhundert, bezeichnet sich aber selbst als Abschrift

eines älteren defecten Manuscripts.

\Venn also die Cusaner Excerpte aus Handschriften von solchem Alter hen-ühren, so werden ihre Lesungen von Wichtigkeit, nicht gerade an sich, aber wohl als Pfadweiser für die richtige Schätzung unserer Ueberlieferung. Insonderheit die Auszüge aus den Kaiser- biographien hätten wohl eine etwas sorgfältigere Behandlung verdient, als ihnen von ihrem Herausgeber zu Theil geworden ist. Trotz ihres bescheidenen Umfanges kann, bei der geringen Zahl der über das fünfzehnte Jahrhundert hinausgehenden Handschriften der Kaiser- biographien und bei dem fast gänzlichen Mangel von Allegaten derselben aus dem Mittelalter, die Frage keine müssige heissen, von welcher Beschaffenheit diejenige gewesen sein mag, die einst in derselben Bibliothek gestanden hat mit dem vortrefflichen Codex der Ciceronischen Reden, der die Fonteiana und die Pisoniana damals noch vollständig enthielt, und aus der schon spätestens im 9. Jahr- himdert Auszüge gemacht worden sind.

Es sind die Cusaner Excerpte nicht geflossen aus den schon früher bekannten palatinischen (Jordan in der Yorrede*) S. TUf.), sondern aus dem vollständigen Werk. Zwar ist der Umfang der letzteren nicht genau bekannt;**) doch zeigen schon die von Jordan

*) [Zu seiner und Eyssenhardts Ausgabe der script. hist. Aug., Berlin 1864.] **) [Sie sind in ihrem ganzen Umfang von Peter in seiner Ausgabe Leipz. 1834, benutzt worden; s. dort praef. S. XVI f. und Dessau a. a. 0. S. 414 f.]

300 2u den Scriptores bist. Aug.

p. VIII zur Probe mitgetheilten Auszüge aus dem Hadrian, dass die 300 Cusaner Excerpte drei Sätze S. 17, 8 [19, 17 Peter] frigora . . . texerit; S. 18, 17 [21, 3 P.] in honorem . . . iussit; S. 25, 6 [28, 21] item . . . esse enthalten, die in den palatinischen fehlten.

Die Handschrift, der sie entstammen, hatte dieselbe Unordnung in der Folge der Biographien und dieselbe Blätterversetzung wie diejenige, aus der der B(ambergensis) und der P(alatinus) und die den palatinischen Excerpten zu Grunde Hegende abgeleitet sind. Auch hier folgte Avidius Cassius erst nach Commodus, Diadumenus auf Elagabalus (denn aus jenem p. 189, 17 ist das von Klein, wie manche andere leicht zu findende, nicht nachgewiesene Sätzchen ^ nie speciosissimus omnium tamquam sydereus et caelestis emicuit gratia venustate). Die Umsetzung im Alexander Severus und den folgenden Biographien zeigt sich deutlich in der folgenden Zusammenstellung:

Ordnung unserer

Hand-

im Cusanus erhaltene

Schriften:

Stellen:

I p. 248, 25

I p. 243, 22

I p. 258, 20 II p

.4,9

I p. 263, 3

I p. 248, 26 258,

20

*I p. 250, 24 danda sunt beneficia I p. 258, 12

II p. 14, 1 - p. 57,

13

*II 18,15 Idborem in victoria nemo sentit (geht auf die Erzählung von dem Läufer) *II 20, 18 omnis hipocrita *II 44, 3 miser est imperator

II p. 4, 9 14, l

*II 4, 10 miro cum gaudio II 7, 12 II 12, 20 II 12, 27

II p. 57, 13 f.

II 64, 18

Die Ueberschrift ex vita Caesarum stimmt mit derjenigen der palatinischen Excerpte ^ex libro Spartiani de vita Caesarum excerptum\ während die für uns massgebenden Handschriften (BP) betitelt sind: vitae diversorum principum et tyrannorum a divo Hadriano usque ad Numerianum diversis conpositi (so), die Handschrift B daneben den 301 zweiten Titel trägt: excerpta Spartiani de principibus. Da die beiden Auszugmacher übereinstimmen und von einander, wie wir sahen,

1) Ich habe diese mit einem Stern bezeichnet.

Zu den Scriptores bist. Aug. 301

unabhängig sind, so möchte die üeberschrift vüae Caesarum Anspruch darauf haben die ursprüngliche zu sein.

Die abweichenden Lesungen sind fast durchaus gleichgültige Schreibfehler und kleine Aenderungen und Interpolationen, wie sie bei derartigen Excerpten selbstverständlich sind. Auszuheben möchten etwa folgende sein.

Hadr. 15, 12 (Peter) p, 15, 9 (Jordan): cum uerhum eins quondam

ab Hadriano reprehensiim esset Die Handschrift quoddam

eins mit der princeps richtig. Hadr. 17, 9 p. 17, 9 tegeret die Handschrift mit P^, texeret BP^.

Wohl Besserung des Auszugmachers. Comm. 19, 8 p. 101, 12 0 nos felices te viro imperante die Hand- schrift sie te vero statt te viro. Avid. Cass. 13, 5 p. 85, 16 zwischen mncis inimicos und Jiostis exu-

peras setzt der Cus. ein exemplo clementiae ttiae, was die Rede

aber verdirbt. Pescenn. 6, 5 p. 142, 11 vocis catiarae vocis raiicae, sed canorae-

die Handschrift, gewiss durch Interpolation. Alex. 7, 1 p. 223, 7 suscipias P mit Cus., accipias B. Alex. 10, 6 p. 225, 16 si tierecundicte] dii immortales fattearU uere-

cundiae Cus. Alex. 18, 2 p. 230, 17 steht das verdorbene dicit (statt edici) wie

in P^B so auch im Cus. Alex. 57, 5 p. 258, 12 salva Borna, salva res publica, quia salvus

est Alexander so Cus. ; in unsern Handschriften fehlt salva

res publica. Taler. 5(1), 6 p. 69, 21 steht im Cus. zwischen inimieiis tyrannorum

und hostis criminum noch in consiliis vehemens.

XXXVII.

Die Scriptores historiae Augustae.*)

228 Wenn ich es unternehme unmittelbar nach dem Erscheinen der

vortrefflichen Arbeit Dessaus über Zeit und Persönlichkeit der scrip- tores historiae Augustae ^ denselben Gegenstand abermals zu behandeln, so geschieht dies viel mehr, um deren Ergebnisse zu stützen als um sie zu bestreiten, supplendi gratia magis quam corrigendi. Das haupt- sächliche derselben, dass in diesen Biographien sowohl den Schrift- stellern der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts entnommene Abschnitte begegnen wie auch Beziehungen auf die Verhältnisse dieser Epoche, hat mich vollkommen überzeugt und giebt meines Erachtens das lange gesuchte Wort dieses litterarischen Räthsels oder, genauer gefasst, eines dieser Worte; denn das Räthsel ist einfacher Lösung nicht fähig. Aber es giebt wie ein Finderglück, so auch ein Finderunglück und meistens gehen beide zusammen; regelmässig pflegt wem dergleichen gelingt, die bisher geltende Ansicht allzu gründlich zu verwerfen und, wenn theilweise in das Schwarze, in anderer Hinsicht über das Ziel hinauszuschiessen. Dies scheint mir auch hier eingetreten. Die Sammlung ist nicht, wie

*) [Hermes 25, 1890, S. 228—292. Die umfangreiche Literatur, die seitdem über dies Problem erschienen ist, braucht hier um so weniger angeführt zu werden, als sie in den letzten Behandlungen durch F. Leo, Die griech.-röm. Biographie, Leipz. 1901 , S. 301 ff. sowie bei M. Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV 1, München 1904 , S. 55 verzeichnet worden ist (vgl. noch Otto Th. Schulz , Das Kaiserhaus der Antonine u. s. w., Leipz. 1907). Übereinstimmung in der Lösung des Problems ist noch nicht erreicht worden, es sei aber bemerkt, daß vieles zu Gunsten der hier von Mommsen bekämpften Ansicht zu sprechen scheint; für die prinzipielle Controverse wird man nicht ohne Nutzen Moramsens eigne Auffassung von der Zusammensetzung des gromatischen Corpus (unten Nr. LH) vergleichen. Doch sollen im Folgenden die abweichenden Meinungen nur insoweit angeführt werden, als sie einzelne tatsächliche Versehen Mommsens berichtigen.]

1) In dieser Zeitschrift 24, 337 f.

Die Scriptores historiae Augnstae. 303

Dessau meint, eine Arbeit aus theodosischer Zeit, welche fölschlich in der diocletianisch-constantinischen geschrieben sein will, sondern sie ist im Wesentlichen in der letzteren Epoche entstanden und nur unter der folgenden Dynastie mit einigen relativ nicht bedeutenden Einlagen versehen und hie imd da überarbeitet worden.

Es sollen zunächst diejenigen Momente hervorgehoben werden, welche es meines Erachtens verbieten die Abfassung dieser Bio- graphien, im Grossen und Ganzen genommen, in die theodosische Zeit hinabzurücken.

Dass eine unter der valentinianisch-theodosischen Dynastie redigirte Sammlung der Kaiserbiographien mit Carus abgeschlossen 229 haben soll, ist an sich schon befremdend, da Arbeiten dieser Art ihrem Wesen nach die Fortführung bis auf oder bis nahe an die Gegenwart fordern, und der Einschnitt, den die diocletianische Um- gestaltung des römischen Staatswesens allerdings gemacht hat, für diese Biographen unmöglich geltend gemacht werden kann. Aber geradezu unbegreiflich, ja widersinnig erscheint es, dass ein solcher Redacteur die Maske der diocletianisch-constantinischen Epoche vor- genommen haben soll und nicht blos damit jeder Hinweisung auf seine Zeit aus dem Wege gegangen ist, sondern auch eine damals erloschene Dynastie in seltsamer Uneigennützigkeit gefeiert hat. Die Fälschungen, von denen diese Biographien wimmeln, sind durchgängig Lückenbüsser; man begreift es, dass, wer erzählen soll und nichts zu erzählen weiss, ins Lügen geräth. Aber die Biographie des Claudius mit ihren überschwänglichen Lobreden auf einen ephemeren und längst verstorbenen Herrscher, mit der unverfrorenen Erklärung, dass dies des Constantius wegen geschehe, mit ihrer feierUchen Hinweisung auf die Unvergänglichkeit der flavischen Dynastie trägt unverkennbar den Stempel des natürlich gleich allen seinen Collegen durch die reine Wahrheitsliebe zu solcher Verherrlichung gedrängten Offi- ciosus; und die Hypothese, dass hier in mühsamer Fälscherconsequenz der Preis einer zur Zeit der Abfassung ausgestorbenen Dynastie verkündet werde, wird einfach widerlegt für jeden Unbefangenen durch das cui hono, das bei litterarischen Producten dieser Art nicht trügen kann. Sie ist gerade so wahrscheinlich wie es die Terherr- lichung der Neapolitaner Bourbonen durch einen italienischen Loyalen sein würde.

Aber auch eine Reihe anderer Erwägungen sprechen gegen die Entstehung dieser Sammlung in so später Zeit, wie Dessau dies annimmt. Man darf bei den folgenden Instanzen nicht vergessen, dass diese Biographien eine der elendesten Sudeleien sind, die wir

304 I^ie Scriptores historiae Augustae,

aus dem Alterthum haben, und dass ihren Verfassern alles eher zugetraut werden darf als Geschick und Consequenz im Verbergen des seltsamen von Dessau ihnen untergelegten Planes.

In religiöser Beziehung gedenkt der älteste unter Diocletian abgefasste Theil der Sammlung lediglich des severischen Verbots des 230 Uebertritts zum Juden- wie zum Christenthum ^ und spricht Pollio, der in den letzten Jahren Diocletians schrieb, von diesem überhaupt nicht 2, Von den Schriftstellern der constantinischen Epoche behandelt der ältere das Christenthum wie das Judenthum geringschätzig als insbesondere in Aegypten endemische Uebel^, der jüngere, obwohl auch ein guter Heide, mit Respect und bereits mit Apprehension*. Alle diese Momente stimmen eben in ihrer Nuancirung vollständig überein mit den Verhältnissen der diocletianisch-constantinischen Zeit; kein Sachkundiger wird bestreiten, dass sie für die tbeodosische nicht passen.

Die administrativen Ordnungen, welche aus diesen Biographien sich ergeben, würden, wenn diese gewissenhaft und sachkundig gearbeitet wären, lediglich auf die geschilderte Zeit sich beziehen und also auf die Zeit der Abfassung einen Schluss nicht gestatten. Aber namentlich die zahlreich eingelegten gefälschten Urkunden stehen vielfältig mit den Verhältnissen der Epoche, auf die sie sich beziehen, im Widerspruch, und es liegt in der Sache, dass, wenn auch manche freie Erfindung dabei mit untergelaufen ist, deren Urheber überwiegend sich anlehnen an die ihnen selber bekannten und geläufigen Ordnungen und also die Abfassungszeit daraus mit erschlossen werden kann. Die auf diesem schlüpfrigen Gebiet sich ergebenden Beobachtungen sind wichtig für die richtige Behandlung der schwierigen Quelle; was ich hier vorlege, macht nicht den Anspruch, den Gegenstand zu erschöpfen.

Die geographischen Bezeichnungen entsprechen im Allgemeinen den lateinischen der vordiocletianischen Epoche ; aber es finden sich

1) Secer. 17, 1.

2) Beiläufig erwähnt Pollio Claud. 2, 4 den Moses.

3) Aurelian 20,5 tadelt den Senat, dass es bei ihm zuginge, quasi in Christianorum ecdesia, non in templo deorum omnium tractaretis. In der bekannten Diatribe gegen Aegypten Saturnin. 7—8 spielen die Juden, Samariter und Christen eine Hauptrolle. Die heidnischen Götter heissen Aur. 24, 3. 26, 5 vere dei (an beiden Stellen in virdei verdorben).

4) Bezeichnend ist besonders die Abmahnung der Haruspices von der durch Alexander beabsichtigten Aufnahme des Christus unter die Tempelgötter: omnes Christianos futuros, si id fecissent, et templa reliqua deserenda (Alex. 43, 1). Vgl. ferner Elag. 3, 5; Alex. 22, 4. 29, 2. 45, 7. 49, 6. 51, 7.

Die Scriptores historiae Augustae. 305

einzelne Spuren der mit der diocletianischen Reiehsordnung neu eintretenden Xoraenclatur. Dahin gehört das häufige Auftreten der von Diocletian herrührenden Diöceseneintheilung und insbesondere die damit aufgekommene Verwendung von Oriens für Syrien und die 231 Xebenländer bei Pollio ^ wie beiVopiscus-; ferner von den diocletia- nischen Benennungen der Provinzen die der thrakischen Diöcese Haemimontus, Rhodope, Europa und Scythien bei denselben Autoren'. Ob die Vervrendung von Libya für die Küste zwischen Aegypten und Tripolis* hieher gezogen werden darf, ist zweifelhaft, da diese an ältere Verhältnisse anknüpfende Bezeichnung von Diocletian wohl mehr aufgenommen als neu gesetzt ist. Die engen Grenzen, in welchen anachronistische Districtsnamen auftreten, entsprechen der- jenigen Abfassungszeit, welche diese Schriften sich beilegen. Die Erwähnung der Provinz Tripolis findet sich in einer aus Eutrop eingelegten Stelle ^ und die merkwürdig genaue Eintheilung Italiens nach seinen Diöcesen und Provinzen bei Pollio ^ sieht ebenfalls nach Einlage aus. Aber die Schreiber dieser Biographien wissen nichts

1) Valer. 3, 2 neben Italia, GalUa, Hispania, Äfrica, Illyricum, Pontiis GaU. 2, 5 neben Asia und Illyricum Trig. tyr. 12, 12 neben Illyricum und Thraciae 29, 1 neben partes Gallicanae, Africa, Illyricum, Tliraciae, Pontus. r>ie3 alles geht zurück auf die Diöcesen.

2) Aurel. 13, 1: praeses Orientis. Ueber den Umes Oiientalis vgl. S. 238 A. 7 [ol2 A. 1].

3) Claud. 11, 3: cum se Haemimontum multitudo barbararum gentium . . contulisset. Aurel. 17, 2: Gothi . . Haemimontum Europamque vexant. Auch

' 'rel. 30, 4. 31, 1. 32, 1. 2 und Prob. 13, 4 kann Europa nur in dem späteren nie gefasst werden, wenn gleich die Bezeichnung hier etwas weiter aus- lehnt wird. Aurel. 31, 3: e Bhodopa revetiit. Aurel. 13, 1: Scytliici limitis dux.

4) Serer. 8, 7: ad Africam . . . legiones viisit, ne per Libyam atque Aegyptum !ier Africam occuparet; ähnlich Pescenn. 5, 5 und Prob. 9, 1. Auch Hadr. 5, 2

- wohl mit Recht lAhya hergestellt und Kyrene gemeint.

5) Sever. 18, 3.

6) Trig. tyr. 24. 5: (Tetrieum) correctorem totius Italiae fecit, id est Campaniae mni Lucaniae Brittiorum Ajndiae Calabriae Etruriae atquf Umbriae Piceni et ii.miniae omnisque annonariae regionis. Die annonaria regio (seltsam miss- istanden von Marquardt Staatsverw. l, 230 A.5) ist der Bezirk des Vicarius ■11 Italien, der seit Diocletian der Staatskasse steuerpflichtig war; die dem urius in urbe Borna unterstellten Provinzen, deren Abgaben der Stadt Rom

^.u Gute kamen, sind genau die hier neben der annonaria regio aufgezählten, wobei Flaminia uud Picenum noch ungetheilt unter den urbicariae regiones er- scheinen, während nach dem J. 365 der nördliche Theil davon zu dem Vicariat 7011 Italien geschlagen ward (röm. Feldmesser 2, 210 f.). Es kann also diese 'Stelle so, wie sie steht, von Pollio geschrieben sein, aber da sie als Erklänmg .ftritt, ebenso gut dem Diaskeuasten gehören.

MOMMSEN, SCHB. VU. 20

306 Die Scriptores historiae Augustae.

232 von Constantinopel; sie kennen allein und nennen häufig Byzanz, civitas clara navalihus hellis, clanstrum Ponticum^.

Yon grösserer Wichtigkeit sowohl überhaupt wie auch in Be- ziehung auf die chronologische Frage sind die Civil- und Militär- ämter.

Yon den comites^ deren Einrichtung in die spätere Zeit Con- stantins fällt ^ und die seitdem auf Schritt und Tritt begegnen, findet in unseren Biographien sich keine Spur^. Niedrig stehende Schrift- steller der theodosischen Zeit würden dies schwerlich fertig gebracht haben.

Unter den Civilämtern kann die mehrfach vorkommende Be- zeichnung des procurator als rationalis^ nicht beanstandet werden, da sie bereits dem dritten Jahrhundert, wenn gleich nicht als titulare angehört ^. Aber sicher ist anachronistisch der corrector Lucaniae Tetricus des Yopiscus,*) da erwiesenermassen Italien bis mindestens zum J. 290, vielleicht bis 300, unter einem einzigen Corrector gestanden hat und Pollio, im Widerspruch mit Yopiscus, eben dieses Amt dem Tetricus beilegt. Da indess derselbe Fehler bei Yictor und Eutrop sich vorfindet, so kann diese Ansetzung daraus von dem Diaskeuasten in den Text des Yopiscus hineincorrigirt sein^. Andere in den Biographien und vorzugsweise in den gefälschten Urkunden erwähnte Beamte, der mehrmals begegnende Civil- und

233 Militärverwalter von ganz Gallien ' oder gar von Gallien und Illyricum **,

1) Gall. 6, 8. 9, wo weiter die Verödung der Stadt geschildert wird.

2) Meinorie delV Instituto 2, 302 f.

3) Der comitatus prindpis der älteren Zeit wird erwähnt Fnis 7, 11 und Verus 7, 6-8.

4) Alexander 45, 6: procuratores id est rationales. Aehnlich wird in deni von Herodian abhängigen Stellen Maximin. 14, 1 ; Gwd. 7, 2 das grieehische| sjiETQÖjiEve mit fisci procuraü»' wiedergegeben , dann aber weiterhin dafür ratiO' tmlis gesetzt.

5) Hirschfeld Verwaltungsgesch. 1, 37 [2. Aufl. 35 f.]. *) [Aurel 39, 1.]

6) Dies ist weiter erörtert eph. epigr. 1, 140 (danach Marquardt Staats* Verwaltung 1, 230).

7) Am bestimmtesten bezeichnet Pollio den Postumus als Transrhenar limitis dux et Galliae p)-aeses (trig. tyr. 3, 9, Brief Valeriansj; gleichartig ist| offenbar Tetricus iure pi-aesidali omnes Gallias regens (das. 24, 4 vgl. 1) , aucli wohl Ragonius Celsus Gallias regens (Nig. 3, 9 , Brief des Severus^, wogegea| unter den von Balbinus verwalteten Provinzen (Max. et Balh. 7, 2) Galliae, wohlf nur mit incorrecter Verkürzung aufgeführt wjerden.

8) Trig. tyr. 18,5, Schreiben Valerians Ragonio Claro praefecto Illyric et GaUiarum.

Die Scriptores historiae Augustae. 307

der praeses Orieiifis^, der praefecius annonae Orientis^^ der proatrafor aerarii maioris^ sind ohne Zweifel ebenfalls fictiv, lassen sich aber nicht oder doch nicht mit Sicherheit als anachronistische Ueber- tragungen bezeichnen. Nur negativ kommt in Betracht, dass nirgends eine sichere Hindeutung sich findet auf die constantinische Prätorianer- präfectur. das heisst auf deren Umwandlung in ein reines Civilamt und auf die von dem Oberregiment unabhängige Theilung des Reiches unter die mehreren Präfecten.

Belehrender ist die Behandlung der Offiziere, wie die Kaiser- biographien sie aufweisen.

Die Bezeichnung legattis kommt nach der diocletianisch-constan- tinischen Ordnung titular allein den den Proconsuln beigegebenen zu, und für diese wird sie auch in diesen Biographien mehrfach verwendet*. Als Titel des Provinzialstatthalters findet sich Jegatus in correcter Verwendung nur in den älteren Biographien und auch hier nicht häufig '". in den späteren mehrfach als missbrauchte Reminiscenz ^.

1) Aurel. 13, 1 , Protokoll über eine Art Staatsrathsitzung unter Valerian. Der darin genannte consul Ordinarius Memmius Fuscus wird für den Tuscus des J. 258 gehalten, ist aber ebenso verdächtig wie das ganze Actenstück.

2) In demselben Protokoll.

3) J>iadum. 4, 1 ; vgl. über die möglichen Auffassmigen dieser Worte Eürsch- feld Untersuch. 1, 193 [2. Aufl. 307 A. 3]. Zu vergleichen ist das repostorium sandius, in dem Hadrians Daktyliothek aufbewahrt ward (Marc. 17, 4,). Der CJaud. 15, 4 in einem Schreiben Valerians genannte curator Illyrici metlarins oder nach meiner Vermuthung metdüarius kann der im 4. Jahrhundert als comes metallorum per lUyricutn (C. Th. 10, 19, 3; Not. dign. Or. 13, 11^ auftretende Beamte sein; es ist nicht erweislich, aber möglich, dass derselbe vordiocletianisch i?t und früher jenen Titel geführt hat.

4) Sever. 2, 5. 6; Gord. 7, 2. 18, 6; JVoft. 13, 1 wird den Senatoren gestattet, uf . . proconstiles crearent, legatos [üs ex] consulibus darent, fast gleichlautend mit Gord. 7, 2.

5) Hadr. 3, 9: legatus postea pradorius in Pannoniam inferiorem missus. Ser«r. 3, 8: Liigdunetisem provineiam legatus accepit. Gewöhnlich wird dafür die allgemeine Bezeichnung praeses oder auch redor oder dergl. gesetzt.

6) Im Nachtrag zu den trig. tyr. 33, 1 heisst Censorinus in einer Gruppe von Unglaublichkeiten: legattts praetorius secundo, quarto aedilicius, tertio quae- itorius; ohne Zweifel liegt hier die eben angeführte Stelle aus dem Leben Hadrians zu Grunde, wobei aber übersehen ward, dass diese legati nur entweder consulares oder praetorii sind und es legati aedilicii und quaestorii nicht geben kann, weil diese niederen Klassen zur Statthalterschaft nicht qualificirt sind. Yermuthlich dachte der Schreiber an die senatorischen Gesandtschaften, da er

'ortföhrt: extra ordinem q>'oque legatiotie Persica functtis, etiam Sarmatica, wonach

»r also jene Gesandten sich als ordentKche (I) vorgestellt zu haben scheint.

rschieden, unter sich aber verwandt sind die Stellen Nig. 6, 10: fuit . . . miles

20*

308 Die Scriptores historiae Augustae.

Der Legionscommandant heisst nirgends legatiis'^^ sondern es wird diese Stellung in den besseren Biographien regelmässig umschrieben ^, während, wie weiterhin gezeigt w^erden soll, bei den schlechteren tribunus dafür eintritt.

Praefectus findet sich als Titel und zwar correct für eine der von jeher unter Rittercommando stehenden Legionen 3; ohne Zweifel hängt dies damit zusammen, dass dieser Titel für den Legionsführer noch unter Diocletian in Gebrauch war*. In Beziehung aufAlenund Cohorten wird der Titel nirgends gesetzt; er ist hier, wie gleich zu zeigen sein wird, nach der späteren Redeweise verdrängt durch trihunus.

Die mehreren fribuni^, welche nach älterer Weise die Legion

commandiren, werden ausdrücklich nur einmal erwähnt^; regelmässig,

235 jedoch nicht in dem ältesten Abschnitt, ist der Tribun der Einzelführer

der Gesammtlegion ''. Die factische Beseitigung der Gesammtlegion

optimus, trihunus singularis, clux praecipuus, legatus severissimus, consul insignis; Alex. 52, 4 : iussit ut ante tribnnmn quattum' milites ambularent, ante ducem sex, ante legatum decem; Heliog. 6, 2: müitaribus . . . praeposituris et tribunatibtis et legationibus et dticatibus venditis und das. 11, 1: fecit Ubertos praesides legatos . . . duces; Maximin. 15, 6 als Adresse eines falschen Senatsschreibens: proconsidibus, p^'aesidibus, legatis, ducibus, 'tribiinis, magistratibus ac singulis civitatibus et muni- cipiis et oppidis et vicis et castellis. Dass hier die ältere Terminologie und die spätere in einander gewirrt sind, erhellt schon daraus, dass der legattis darin bald unter, bald über dem dux rangirt.

1) Die Pert. 9, 6 neben den vacationes genannten legationes militares sind wahrscheinlich Verschickungen, nicht Commandos. Daselbst 1, 6: a pi-aeside Syriae . . . pedibus ... ad legationem suam iter facere coactus est ist wohl legionem zu schreiben.

2) Hadr. 3, 6 : eum primae legioni Minerviae praeposuit ; Pert. 2, 6 : pi'uet<yrium eum fecit et primae legioni regendae imposuit; Sever. 3, 6: legioni IUI Scyiliicae p)raepositus ; lul. 1, 6: legioni praefuit in Germania . . . primigeniae; Älbin. 6, 2: egit et legionem quartanorum et primanorum. Offenbar wird die Bezeichnung legatus legionis als abgekommen vermieden.

3) Carac. 6, 7 : praefectus legionis II Parthicae. Vgl. Domaszewski Wiener Stud. 9 (1887) S. 297; Hirschfeld Berliner Sitzungsber. 1889 S. 434.

4) Er findet sich noch in einer Verordnung vom J. 290. In dieser Zeitschrift 24, 212 f. 270. [In dem Aufsatz: ,Das röm. Militärwesen seit Diocletian" = Eist. Sehr. Bd. III.]

5) Militaris trihmiis Max. et Balb. 5, 7; tribunus militum nirgends, ent- sprechend dem späteren Gebrauch. lieber die vicarii der Tribunen, die trig. tyr. 10, 4; Aurel. 7, 5. 10, 2 vorkommen, vgl. d. Ztschr. 24, 270 A. 5 [vgl. oben A. 4].

6) Alex. 54, 7: tribunos eins (legionis exauxioratae) capitali affecit supplicio. Entsprechend rechnet der Verfasser dieser Biographie 50, 5 die Legion zu 5000 Mann. Ebenso ist natürlich zu fassen Hadr. 2, 2 : tribunus II adiutricis legionis creatus. Unbestimmt Alex. 50, 2.

7) 3Iaximin. 5, 5; Claud. 14, 2; Aurel. 1,1, in welchen Stellen offenbar es sich um das Commando der ganzen Legion handelt. Unbestimmt Prob. 4, 7. 12,

I>ie Scriptores bistoriae Augustae. 309

und ihres Sammtcommandos und das Eintreten der von einem ein- zelnen Tribun geführten Theil- oder Neulegion ist ein Werk Dio- cletians '; und es passt gut zu den überlieferten Datirungen, dass der älteste Abschnitt die letztere nicht kennt, dagegen in den späteren, namentlich in den gefölschten Urkunden sie häufig auftritt. Ausserdem aber begegnet der tnhunus nicht blos als Führer der Prätorianer- 2 und der städtischen Cohorte', sondern als der Führer eines jeden mimerns*. auch der Reitertruppe ^; wobei diese erscheinen als den Legionstribunen nachstehend ^, auch zuweilen den nicht titular bezeichneten Legionsführem als trihimi entgegengesetzt werden". Dem entsprechend bezeichnet tribtmtis ganz gewöhnlich den Offizier überhaupt^ im Gegensatz einerseits zu dem Centurio und dem 236 Gemeinen ^, andererseits zu dem Feldherrn, dem (lux ^"; der tribunns rückt auf zum chix^^ und unterscheidet sich von ihm durch die geringere Zahl der Ordonnanzen ^^ und die geringeren Emolumente^^.

1) Diese Zeitschr. 24, 216 f. 270 [vgl. o. S. 308 A. 4].

2) Pias 12, 6; 3Iarc. 7, 3; Pert. 5, 7; lul 2, 4; Ser. 23, 1; Eeliog. 14, 8. Aus- drücklich als Tribane der Prätorianer werden sie freilich nirgend bezeichnet.

3) Get.6,4.

4) Claud. 13, 3: tribunus Assyriorum; Prob. 4, 1: iribunatum in eum (Pröbum) contuli datis sex cdhortihus Saracenis, creditis etiam auxiliaribus Gallis cum .. Persarum manu.

5) Äibin. 6, 2: egit tribtmus equites Balmatas. Auch der Iribunus Vocontionim trig. tyr. 3, 11 wird auf die gleichnamige cda (ej)h. epigr. 5 p. 170; zu beziehen sein.

6) Von dem A. 6 [4] bezeichneten Tribun mehrerer Gehörten heisst es Prcif. 4, 7: hospitia . . . eidem ut tribunis legionum praeberi iubebis.

7) Prob. 12, 6: adidescens tribimatus, non lange post adulescentiam regendas Ugiones accepit. Auch Albin. 6, 2 heisst es nach den A. 7 [5] angeführten Worten weiter: egit et legionem quaiianonim et primanorum.

8) Endr. 10, 3 7; ATbin. 5, 4; Maciin. 12, 7; Maximin. 3, 1. 5, 1. 6, 6. 7, 4 (tribunis barbaris); 3fa.r. et Balb. 5, 7; trig. tyr. 12, 10. 18, 11 (tribtmus stipator, wenn die Lesung richtig; vgl. Alex. 15,5); 29,2 (ex tribunis); Aur.6,2; Prob. B, 5. 4, 3. 5, 1. 6, 2 Schreiben tribunis exercituum lUyricianorum.

9) Cass. 4, 6; Nig. 3, 7—11; Carac. 11, 3: Alex. 15, 5. 23, 1. 50, 2; Maximin. 3, 6; Prob. 3. 2: cum ordines honestissime duxisset, tribunatum adeptus; 10, 4.

10) Tribuni und djices zusammengestellt: Ser. 9, 8; Xig.B, 12; Alex.b2,B; ; Gord. 28,4; Valer.6,1; ^»«r. 10, 2: habitit multos ducatus, plurimos tribunattis,

vicarias ducum et tribunorum diversis temporibits p}-ope quadraginta. Dttces, tribuni, milites: Maximin. 15,4; tribuni, duces, milites: Alex. 55, 2: Maximin. 7, 1; femer Aur. 17, 2 ; ttio magisterio milites uti rolo, tuo ductu tribunos. Dazu die S. 233 A. 7 [307 A. 6] angeführten Stellen.

11) Xig. 4, 4: ei tribuuatus dtios dedi, ducatum mox dabo, ubi per senectidem Aelius Corduenus rem p. recusavetit ; Maxiviin. 6, 4.

12) Alex. 52, 4 (S. 233 A. 7 [307 A. 6]).

13) Claud. 14, 15 : haec . . . idcirco specialiter non quasi tribuno, sed quasi duci detuli, gtäa vir talis est, ut ei plura etiam deferenda sint.

310 Die Scriptores historiae Augustae.

Dieser erweiterte Gebrauch des Wortes, welcher wesentlich die gesammte nachdiocletianische Litteratur beherrscht^, beruht theils auf dem Bedürfniss für die Abtheilungsführer eine zusammenfassende Benennung zu gewinnen, theils auf nachlässiger Handhabung der technischen Offizierstitel; eine genauere Zeitbestimmung scheint ihm nicht entnommen werden zu können und es lassen sich auch in den verschiedenen Massen darin keine bestimmten Unterschiede wahr- nehmen, wenn gleich allerdings, je schlechter die Biographen werden, desto mehr der uneigentliche Gebrauch des Titels um sich greift.

Die nicht häufig vorkommende Bezeichnung praepositus^ unter- scheidet sich nicht wesentUch von dem tribunus in dessen weiterer Anwendung.

Yon den beiden durch die diocletianisch-constantinischen Ord- nungen neu geschaffenen militärischen Titulaturen magister militum und dux kennen unsere Schriftsteller die erstere nicht und verwenden 237 überhaupt den Magisternamen nie für Offiziere^. Wo die historische Fiction so umfassend gewaltet hat wie hier, wird man dies nicht daraus zu erklären haben, dass es zur Zeit der erzählten Begeben- heiten also benannte Offiziere nicht gab, sondern es waren die erst von Constantin eingesetzten magistri militum den Schreibern unserer Biographien nicht bekannt oder doch wenigstens nicht geläufig.

Anders verhält es sich mit dem dux. Diese Bezeichnung des Feldherrn kommt in der besseren Zeit dem obersten Befehlsführer ohne Rücksicht auf dessen Rangstellung zu und hat also keinen titularen Werth ; auch in unseren Biographien, selbst in den spätesten und schlechtesten, wird häufig noch dux also gebraucht*. Aber

1) So braucht z. B. Victor Caes. 39 ebenso duces und tribuni. Vgl. diese Zeitschr. 24, 270 [vgl. o. S. 308 A. 4].

2) Neben dem Tribunat Heliog.G,2, allein Alex.B6,S. 46,4; Gord.24:,3. Vgl. diese Zeitschr. 24, 270 [s. die vorhergehende Anm.].

3) Die Wendungen bei Vopiscus Aur. 11, 2: in tua erit potestate militiae magisterium; 17,2: tuo magisterio milites uti volo, tuo ductu tribunos; 18, 1: equües . . . omnes . . . Aurelianus guhernavit, cum offensam magistri e<yrum incurrissent. Prob. 11, 7 in den Acclamationen für den neuen Kaiser: magister militiae felix imperes zeigen wohl, dass der Ausdruck auch militärisch bezogen werden konnte, aber führen nirgends auf die amtliche Competenz, wie sie später bestanden hat.

4) Dux der commandirende Kaiser Gallien. 1, 4; tr. tyr. 30, 11. Allgemein vom Commando Pert. 5, 7: Signum dedit . . . 'müitemus' . . . quod quidem etiam ante in omnilnis ducatibus dederat; Nig. 1, 5: oi'dines diu duxit muUisque ducatibus pervenit, ut exercitus Syriacos iussu Commodi regeret. Auch im Alexander 58, 4: sola, quae de Jwstibus capta sunt, limitaneis ducibus et militibus donavit können nur die Commandanten der einzelnen Grenzcastelle gemeint sein, nicht die duces limitum im diocletianischen Sinn, au die solche Schenkungen nie haben gelangen

Die Scriptores historiae Augustae. 311

daneben findet sieh kaum in denen der ersten Gruppe ^ wohl aber in den drei jüngeren dtix als die dem tribunus correlate höhere Staffel des Militäramts ^ ; dem dux kommt höhere Besoldung zu als dem Tribun 238 (S. 236 A. 5 [309 A. 13]) ein stcärkeres Gefolge (S. 236 A. 4 [ebd. A. 12]) und eine besondere Uniform ^. Das Commando des dux wird, wo eine Determinirung beigefügt ist, nie auf eine Militärabtheilung bezogen, wie dasjenige des tribtimis, sondern immer auf einen District. und zwar häufig auf einen Grenzdistrict. Am meisten hervor tritt der- jenige von Illyricum, zu welchem auch Thrakien noch gerechnet wird*; es werden aber auch dttces genannt für die zu Illyricum gehörigen Districte Dalmatien^ und den limes Scythicus^. Ausserdem begegnen derartige Commandanten fürKaetien", für die Rhein-* und

können. Sonst in diesem Sinn ilfaarfwjm. 29, 2; Gord.W.l: Gallien. 2, Q. A, 2; tr. tyr. 12, 1: Maerianus primus dueum; Aur. 44. 2 und sonst. Der griechische xaxa xi]v 'Pcöfirjv twv oroaTo.iedoiv hoosotok (Herodian 7, 6, 4), d. h. der praefectus praetorio, ist dem Uebersetzer (Maximin. 14, 4j dux militum praetorian<yrum, der oxQaxriyixo^; z6 d^iojua Muixtpa; xa/.ovuEV(K (Herodian 7. 11, 3), das heisst ein praetorius, demselben verkehrter Weise Maecena ex ducihus (Gord. 22, 8^, wobei allerdings die nach diocletianischer Ordnung titulare V^erwendung des dux den Uebersetzungsfehler befördert haben mag.

1) Nur Ser. 9, 8; Nig. 3, 12 stehen duces und tribuni so zusammen wie später oft; es wird die erste dieser Stellen den in die erste Gruppe später ein- gefugten Interpolationen zuzuzählen sein, während der Niger vielmehr ganz zu der zweiten gehört.

2) Die Belege sind meistens schon angeführt S. 236 Ä. 2 [309 A. 10]. Ausserdem Gord. 'SO, l. 3 im Gegensatz zu milites; tr. tyr. 10, lö. 13,3; TaCit. 6, 6: faciat eos consules duces iiidices. Vgl. Heliog. 11, 1 (S. 233 A. 7 [307 A. 6]). Dass bei Postumus (S. 238 A. 0 [unten A. 8]) die Combination beider Gewalten angedeutet wird, bestätigt, dass unsere Schreiber den dux lediglich und richtig als Offizier betrachten.

3) Aur. 13, 3: tunicae russeae ducales.

4) Der dux Illyridani limitis et Thracici wird in dem angeblich valerianischen Protokoll Aurel. 13, 1 aufgeführt. Claudius als dux totius Illyrici unter Valerian luibet in potestatem TJiracios, Moesos, Dahnatas, Pannonios, Dacos exercitus (Claud. 15, 2j. Dem Aureliau unterstellt Kaiser Claudius omnes exereittis Thracicos. omnes lllyricianos totumque limitem (Anrel. 17, d). In gleicher Stellung scheinen auch gedacht Ingenuus (tr. tyr. 9, 1 : Fannonias tunc regebat, a Moesiacis legionibus Imperator est dictus ceteris Pannoniarum vokntHms), Regillianus (tr. tyr. 10, J: in Illyrico ducatum gerens, 10, 9: Illyrici dux), lunius Brocchus (Claud. 8, 3: ad lunium Brocchum scripsit Illyricum tuentem).

5) Gallien. 14, 4. 9.

6) In dem valerianischen Protokoll (Aurel. 13, i; neben dem dux von Illyricum.

7) Dux Raetici limitis in demselben Protokoll und bei Vopiscus Bonos. 14, 2.

8) Postumus Transi-henani limitis dux et Galliae praeses in einem angeblichen Schreiben Valerians (tr. tyr. 3, 9^.

312 Die Scriptores historiae Augustae.

die Euphratgrenze^, für Armenien 2, Aegypten', Africa*. Als ausser- ordentliche Commandos lassen diese Stellungen principiell mit den vordiocletianischen Ordnungen sich vereinigen und auch die Bezeich- nung eines solchen Auftragnehmers als dux lässt sich rechtfertigen. Aber unzweifelhaft haben die Verfasser der Biographien diese Com- mandos vielmehr als ordentliche gefasst; die häufige IN^ennung des Times in der Titulatur, entsprechend der von Diocletian seinen Militär-

239 commandanten beigelegten, und überhaupt der enge Anschluss an die ordentlichen Ducate der diocletianischen Zeit lassen darüber keinen Zweifel. Sie finden sich so gut wie ausschliesslich in den jüngsten wie den verfälschtesten Abschnitten unserer Sammlung und sind wenigstens zum grössten Theil zweifellos freie Erfindung. Ins- besondere das vor allem als ständige Institution auftretende thrakisch- illyrische Ducat, welches mindestens sechs diocletianische Commandos umfassen würde ■*, ist gerade für diese Epoche eine Unmöglichkeit. Auch die Commandos der Binnenprovinzen Dalmatien und Thrakien sind unvereinbar sowohl mit der vordiocletianischen wie mit der dio- cletianischen Commandotheilung und haben als ordentliche Aemter niemals bestanden. Die diocletianische Reichsordnung hat für alle diese .Aufstellungen zum Anhalt gedient. Der Grundgedanke des älteren Provinzialregiments, die Vereinigung der obersten Civil- und der obersten Militärgewalt in derselben Hand, ist allem Anschein nach bis zum Ausgang des dritten Jahrhunderts principiell in Kraft geblieben; nach der Verdrängung der Senatoren aus den Statthalter- schaften wird wohl der legatus Numidiae vir clarissimus zum praeses Numidiae vir perfectissimus , aber auch der j^^f^ßses ist, so viel wir sehen, in den mit Truppen belegten Provinzen ordentlicher Weise noch der Träger des Commandos. Freilich ist in dieser verwirrten Zeit das Militärcommando wahrscheinlich häufiger in ausserordent-

240 lieber Weise geführt worden als in ordentlicher*' und dergleichen

1) Dux limitis Orientalis ia dem valerianisclien Protokoll (Aurel. 13, 1); ein anderer Saturnin. 7, 2; dem Probus decretirt Tacitus den diicatus totins Orientis (Pivh. 7, 4). 2) Biadum. 8, 4.

3) tr. tyr. 22, 3. Vgl. Victor Cnes. 20, 9 : (Pescennius) Aegyptum dux obfinens.

4) tr. tyr. 29, 1; Firm. 3, 1.

5) Pannonia I und Noricum; Pannonia 11; Valeria; Moesia 1; Dacia; Moesia IL Dazu kommen noch Skythien und Thrakien.

6) Wenn die Inschrift von Virunum (C. I. L. III 4855) eines Primipilaren, der als dux leg. III Italicae und als dux et praepositus leg. III Augustae ver- wendet wurde, in diese Epoche gehört, wie es wahrscheinlich ist, so hat dieser allerdings in Noricum und später in Raetien die Truppen commandirt und viel- leicht eher neben als unter dem gleichzeitigen praeses gestanden. Aber das

Die Scriptores historiae Augustae. 313

Commissionen mögen wohl von den Biographen mit den späteren diocletianischen Ducaten confundirt worden sein. Die generelle Beschränkung des praeses auf das Civilregiment und die Einrichtung der ständigen Ducate ist sicher erst das Werk Diocletians^. Auch die nicht officielle, aber übliche Bezeichnung des Civilstatthalters als des iudex ^ welche dem älteren Sprachgebrauch fremd und ohne Zweifel eben durch diese Trennung hervorgerufen ist, begegnet ebenfalls in den späteren dieser Biographien 2. Um das J. 290, als die erste Hälfte dieser Biographien redigirt ward, war die Trennung der Civil- und der Militärverwaltung noch neu und kam dem Bericht- erstatter nicht in die Feder: gegen das Ende des zwanzigjährigen diocletianischen Regiments und unter seinem Nachfolger hatte sie sich so festgesetzt, dass namentlich in den Fictionen nicht gerade für die einzelnen Militärbezirke^, aber doch im Grossen und Ganzen diese Theilung den Variationen der Ueberlieferung zu Grunde gelegt ward.

Die Benennungen der Truppenkörper, so weit sie erweislich oder wahrscheinlich fictiv sind, schliessen im Allgemeinen sich den vordiocletianischen an^; den diocletianischen Stempel trägt nur die legio VII GaUicana'. Die späterhin so geläufige Unterscheidung

hinzugefügte praepositus erweist diese Stellung als irreguläre. Sicher historische Commandos aus dieser Zeit sind zum Beispiel das, welches nach der Inschrift von Grenoble (C. I. L. XII 2228) unter Claudius der praefectus vigilum r. p. der Stadt Rom über rexillationes atqite erpiites itemque praepositi et ducenarü protec- tores, das heisst über die gegen die gallischen Sonderkaiser aufgebotenen Truppen in der Narbonensis führte ; ferner das des pi-aefecttis classis jn-aetoriae Misenatium V. p. duct(or) per Africam Kumidiam Mauretaniamqiie (Eph. epiffi: V n. 301^. Beide Inschriften zeigen in charakteristischer Weise, dass das effective Commando in dieser Epoche auch auf die pi-orinciae inermes erstreckt werden musste und die alten Militärsprengel nicht innegehalten werden konnten.

1) In dieser Zeitschrift 24, 266 [vgl. o. S. 308 A. 4].

2) Alex. 15, 1. 17, 1. 42, 4; Vcd. 6, 6. 7 (hier neben trilnmi und duces); Claud. 2, 6; Aui'el. 43, 4; Tac. 6, 6 (faciat eos coiisules duces iudices); Prob. 13, 1 (wo die inagni iudices, von denen an den Senat appellirt wird, wenigstens einen Theil der Provinzialstatthalter in sich begreifen), c. 20, 6. In den älteren Abschnitten werden wohl die italischen inridici als iudices bezeichnet (Hadr. 22, 13j. aber in der späteren weiteren Bedeutung wird, wenn ich nichts übersehen habe, das Wort dort nicht gefunden.

3) Doch ist der dux limitis Scythici wohl geradezu daher entlehnt.

4) So die legio III felix (Aur.W.A; Prob. 5, ß) und die legio V Martia (Claud. 14, 2), in angeblichen Schreiben Valerians. Gleichartig ist der tribunus Assyriorum in dem Stammbaum des Constantius (Claud. 13, 3j.

5) Atirel. 7, 1. Für die cohortes duae alares (Albin. 10, 6) und die gemischten Corps, wie das aus 6 Cohorten der Saracenen nebst einer Anzahl Gallier und

314 Die Scriptores historiae Augustae.

241 zweier gleichnamiger Truppenkörper durch den Beisatz von seniores und iuniores begegnet nirgends. Die Bezeichnung der Grenz- truppen als limitanei findet sich mehrfach^, einmal auch Erwähnung der riparienses^, beides nur in den späteren Biographien und ohne Zweifel in Rückwirkung der von Diocletian geschaffenen nicht an die Grenzen gebannten Reichstruppen; aber die wahrscheinhch erst durch Constantin aufgekommene Bezeichnung der letzteren als comi- tatenses wird auch in diesen nicht gefunden. Die wahrscheinlich unter Philippus und Decius eingerichteten protectores divini laieris werden proleptisch in den Biographien Caracallas und Maximins erwähnt^, und zwar an der zweiten Stelle in Folge incorrecter Uebersetzung der griechischen doovcpÖQoi. Dagegen die erst unter Constantius auftretenden domestici erscheinen in der Stellung der Gardisten nirgends*.

Die Eintheilung des Kaisergesindes nach den verschiedenen Geschäftszweigen (officia) ist so alt wie das Gesinde selbst, und die bureaukratische Ordnung, welche jeder einzelnen Kategorie einen Vormann (princeps, magister) setzt, geht ebenfalls in frühe Zeit zurück. Aber die Zusammenfassung der gesammten Hausdiener- schaft unter einem Vorsteher von Offiziersrang ist nachweisbar erst seit dem Jahre 320 und wahrscheinlich nicht sehr viel älter (A. 4). Wenn unsere Biographien nun mehrfach die älteren principes oder

Perser gebildete unter einem Tribun (S. 235 A. 6 [309 A. 4]) und das von 1000 nostri, 300 Armeniern und 100 Sarmaten in dem falschen Marcusbrief (Niger 4, 2j fehlt uns jede Controle. Die in den falschen Urkunden bei Vopiscus auftretenden deutschen Namen (Aurel. 11,4: Hariomundus Haldagates Hildomundus Carioviscus. Bonos. 15, 7 : Hunila) mögen wohl auch anknüpfen an die wesentlich auf das Heranziehen des deutschen Elements begründete Umgestaltung des Heerwesens in der diocletianisch - constantiuischen Epoche, führen aber nicht gerade auf constantinische Zeit.

1) Pescenn. 7, 7; Alex. 58, 4; Prob. 14, 7; vgl. in dieser Zeitschrift 24, 199 A. 1 [s. 0. S. 308 A. 4].

2) Aurd. 38, 4 in einem Kaiserbrief; vgl. in dieser Zeitschr. 24, 198 A. 4 [ebd.].

3) Carac. 5, 8. 7, 1 ; Maximin. 14, 4. Weiter ist dies ausgeführt ephem. ejyigr. 5, 126.

4) Allerdings gelangt Diocletian nach Car. 13, 1 zur Herrschaft domesticos Urne regens und schwerlich ist dies aus Victor Caes. 39 [, 1] eingesetzt, sondern gehört wohl der beiden gemeinschaftlichen Quelle. Aber es ist keineswegs sicher, was unter dieser Bezeichnung zu verstehen ist (vgl. EpJi. epigr. 5, 181); wahrscheinlich sind die domestici hier nicht in dem späteren Sinn als Truppe gefasst, sondern die Hausleute gemeint, und ist Diocletians amtliche Stellung nicht mit dem comes domesticorum der späteren Zeit zusammenzustellen, sondern mit dem seit dem J. 320 begegnenden tribunus (später comes) et magister officiorum (vgl. in dieser Zeitschr. 24, 224 A. 5 [s. o. S. 308 A. 4]).

Die Scriptores historiae Augastae. 315

magistri nennen^, aber der magister ofßciorwn wenigstens unter diesem Namen nirgends darin auftritt, so stellt bei der Masse der darin 242 enthaltenen Anachronismen sich auch dies zu den Beweisen dafür, dass diese Biographien in der That in derjenigen Epoche entstanden sind, welcher sie angehören wollen. Auch die castrenses erscheinen hier nur in der älteren militärischen Beschränkung, keineswegs all- gemein für das Hofgesinde-.

Bei den häufigen Erwähnungen von Geldsummen und Münzen ist vor allem bemerkenswerth. dass das so oft genannte Goldstück immer aureus heisst und die Benennung solidus nur an einer einzigen Stelle, imd hier in einer Verbindung auftritt, wo auch nach dem älteren Sprachgebrauch von dem Ganzstück gesprochen werden durfte-^. Dieser Wechsel in der Benennung des Goldstücks ist höchst wahrscheinlich unter Constantin eingetreten zugleich mit der Einführung des Goldstücks von ^/72 Pfund, und zwar ist seitdem die Benennung solidus wie die officielle so auch die gebräuchliche*. Wären diese Biographien unter Theodosius geschrieben, so würde es geradezu unbegreiflich sein, dass die damals allein geläufige Benennung der Grossmünze sich nirgends eingestellt hat. Die foUes aeris^ welche einmal in einem unter Constantin geschi-iebenen

1) Magistri aut principes: Alex. 82, 1 principes: Marcus 8, 10; Hdiog. 10, 2 magistri: Niger 12, 7; Heliog. 20, 2; Gallien. 17, 8. Weiter ist dies aus- geführt im Neuen Archiv für deutsche Geschichtskunde 14, 466. [In dem Aufsatz: .Ostgothische Studien" = Bist. Sehr. Bd. III.]

2) Im Gegensatz gegen Hirschfelds Ausführung (Verwaltungsgesch, S. 197 f. [2. Aufl. S. 313 f.] und bei Friedländer Sittengesch. 1«, 194) muss ich daran fest- halten, dass für das Hof lager in gewöhnlicher Rede (für die Juvenal 4, 134 nicht heweisend ist) die Bezeichnung castra erst aufgekommen ist, nachdem Diocletian thatsächlich die Residenz aufgegeben und dem sacrum Palatium die castra sub- stituirt hat. Alex. 4:1,3 wird sicher mit Recht et vor onifies castretises ministri ergänzt und ist die speciell für die Militärstellung des Kaisers thätige Bedienung gemeint, ebenso wie in sämmtlichen Inschriften des zur ratio castrensis gehörigen Personals. Selbstverständlich fungirt der Kaiser als oberster Feldherr auch wenn er in Rom verweilt und gehört die militärische Apparition insofern auch zur Palastdienerschaft. Hadr. 13, 7 : deinde a Cappadocibits seri-itia castris pro- futura suscepit kann unmöglich darauf gehen, dass er dort tüchtige Sänftenträger kaufte, sondern bezieht sich auf Rekrutirung, vielleicht zunächst für die grossen- theils mit Freigelassenen bemannte Flotte.

3) Alex. 39, 8. 10 im Gegensatz zum iriens; ähnlich spricht schon Appuleius von solidus aureus. Vgl. R. M.-W. S. 782.

4) Wir finden sie zuerst in einer Verordnung von 317 (C. Th. 9, 22, 1^ und seitdem ständig. Wie das diocletianische Goldstück von V«o Pfd. genannt ward, wissen wir nicht (vgl. in dieser Zeitschr. 25, 25 A. 5). [In dem Aufsatz: „Das liocletianische Edict über die Waarenpreise" = Jurist. Sehr. Bd. II S. 331 A. 3.]

316 Die Scriptores historiae Augustae.

Abschnitt begegnen 1, sind anderweitig vor diesem nicht nachweisbar, können aber füglich schon vorher in Gebrauch gewesen sein. 243 Wenn endlich in derselben Biographie zu centum sesfertki erklärend hinzugesetzt wird: hoc est argenü lihrae iriginta, so passt diese Gleichung weder auf die frühere Epoche noch auf die constantinische Ordnung, dagegen genau auf die Zeit Diocletians, welcher das zum Silber etwa wie 14 : 1 sich verhaltende Goldpfund auf 50000 Denare werthete ^.

Die hier zusammengestellten Beobachtungen, denen ohne Zweifel noch manche analoge angereiht werden können, lassen meines Er- achtens darüber keinen Zweifel, dass diese Biographiensammlung wohl in theodosischer Zeit einzelne Einschiebungen und Interpola- tionen erfahren haben kann, aber doch im Wesentlichen derjenigen Epoche angehört, welcher sie sich selber zuschreibt. Es soll weiter versucht werden die Sammlung in ihre Bestandtheile zu zerlegen, wobei allerdings von vorn herein eingeräumt werden muss, dass diese Scheidung durch Nachträge und Ueberarbeitung vielfach verdunkelt worden ist.

Schon der Ueberlieferung zufolge zerfallen die Kaiserbiographien in drei scharf von einander geschiedene Massen: die erste von ehi- undz wanzig Nummern, welche vier verschiedene Yerfasser namhaft macht, reicht bis auf Gordian III., zerfällt aber wieder, wie weiterhin gezeigt werden soll, in eine mit Macrinus schliessende und eine die Biographien von Caracalla bis auf die Gordiani umfassende Hälfte. Die zweite zu Anfang verstümmelte Masse von den Phihppi bis auf Claudius gehört dem Trebellius Pollio, die dritte von Aurelian bis auf Carus dem Flavius Vopiscus.

In der ersteh Gruppe sind den Subscriptionen zu Folge ab- gefasst von Aelius Spartianus Hadrian, (Aelius), Julian, Severus, (Niger), Caracalla, (Geta); von Julius Capitolinus Pius, Marcus, Verus, Pertinax, (Albinus), Macrinus, die Maximini, die Gordiani, Maximus Balbinus; von Aelius Lampridius Commodus, (Diadumenus), Elaga- balus, Alexander; von Yulcacius Gallicanus v. c. (Avidius Cassius). Diese Ueberlieferung schliesst allerdings mehrere Reihen zusammen,

1) HeKog. 22, 3. Vgl. R. M. -W. S. 805.

2) Heliog. 24, 3 : in dieser Zeitschr. 25, 27 [s. o. S. 315, 4 = Jur. Sehr. II S. 332], Hirschfeld vermuthet (Wiener Studien Bd. 6 [1884] S, 124), dass die in der Biographie des Severus 6, 4 erwähnten septingeni (denn so ist allerdings ohne Frage für das unmögliche sepUiagen- zu schreiben) viceni aurei aus 12 Pfunden Gold nach diocletianischem Münzfuss umgerechnet seien.

Die Scriptores historiae Augustae. 317

werden müssen, wie zum Beispiel Elagabalus und Alexander so wie die Maximini, die Gordiani und Maximus Balbinus; dennoch ist 244 sie aufs ärgste zerrüttet, und zwar theils durch Interpolation und Diaskeuase, theils wahrscheinlich auch durch einfache Abschreiber- verwirrung. Wenn, wie dies weiterhin wahrscheinlich gemacht werden wird, die oben in Klammern gesetzten Biographien durch nachträgliche Fälschung in diese Reihe gelangt sind, so hat der Fälscher, um dies zu verdecken, seine Autorbenennungen meistentheils den von ihm vorgefundenen Biographien entnommen und haben bei den secundären die Yerfassemamen überall keine Autorität. Aber auch wenn man diese ausscheidet, bleibt die Verwirrung unvermindert. Es ist eine baare Unmöglichkeit, dass auch der letzte Ueberarbeiter unserer Sammlung ihr diejenige Autorvertheilung beigelegt hat, welche uns vorliegt; wie denn schon die chronologisch übel gestörte Reilienfolge der unserem Text zu Grunde liegenden Urhandschrift und ihre Lückenhaftigkeit nebst der ständigen Verwendung der Formel eiusdem in den Subscriptionen die Annahme hierin eingetretener Verwirrung nahe legt. Nach den Texten der Biographien, die, wenn auch vielfach verdorben, doch sicher bei weitem zuverlässiger überliefert sind als die Subscriptionen, rühren die Biographien des Hadrian, des Aelius und desVerus^ von demselben Verfasser her, ebenso die des Severus, des Niger und des Albinus^; auch in der Biographie des Marcus findet eine Verweisung auf die des Commodus sich vor^. Wenn die Subscriptionen damit in Widerspruch treten, so kann dies nur Schuld der Abschreiber sein; unmöglich können die Urheber, Fälscher oder nicht, in dieser Weise sich selber widersprochen haben. Biographische Compilationen dieses Schlages mögen immerhin un- gefähr gleichzeitig von mehreren Schriftstellern unternommen worden sein und ein späterer Diaskeuast aus mehreren Reihen eklektisch unsere Sammlung zusammengestellt haben, wie denn der Verfasser des Aelius die Biographien der sämmtlichen früheren Kaiser ge- schrieben haben will*, derjenige des Elagabalus und des Alexander wenigstens die Absicht ausspricht auch über die folgenden Regenten bis auf Maxentius und Licinius einschliesslich berichten zu wollen ^ während unsere Reihe mit Carus abschliesst. Aber selbst unter den 245 weitgehendsten Voraussetzungen dieser Art lassen die überlieferten

1) Aelius 1, 1. 2, 9. 3, 1 (vgl. Hadr. 23, 14). 5, 5 (vgl. Hadr. 21, 4).

2) Pescenn. 9, 3; Albimis 1, 4 (vgl. Pescenn. 8, 1). 12, 14.

3) Marc. 19, 5; Comm. 11, 12. 4) Ael. 1, 1. 5) Heliog. 35; Alex. 64, 1.

318 Die Scriptores historiae Augustae.

Namen mit den sonstigen Daten sich nimmermehr in Einklang bringen. Auch anderweitig findet sich für diese vier Namen nur wenig Anhalt. Da der Name des Gallicanus nirgends erscheint als vor der einen gefälschten Biographie, so hat er nicht grössere Autorität als die in den Adressen der falschen Kaiserbriefe genannten Personen; dass der Yerfertiger der gefälschten Biographien zur Abwechselung für eine derselben einen neuen Autor erfand, liegt ganz in dem ihm geläufigen Verfahren. Von den drei Verfassern, welchen die nicht erst später zugesetzten Biographien der ersten Abtheilung beigelegt werden, lulius Capitolinus, Aelius Lampridius und Aelius Spartianus nennen andere Schriftsteller überhaupt keinen, Vopiscus, der Verfasser der dritten Abtheilung, der im J. 305 oder 306 schrieb, unter seinen Vorgängern den Capitolinus und den Lampridius^. Für die Unter- scheidung dieser drei Schriftsteller sucht man einen Anhalt in der gleich zu erwähnenden etwas festeren Scheidung der 13iographien in eine dem Diocletian und in eine dem Constantin gewidmete Gruppe ; aber man sucht ihn vergeblich: die Autornamen in beiden Reihen gehen wild durch einander. Wenn man statt dessen, gestützt auf jene Angabe des Vopiscus, die diocletianische Reihe dem Capitolinus und dem Lampridius, die constantinische dem Spartianus zusprechen möchte, so verstösst dies ebenfalls überall gegen die überlieferten Subscriptionen. Es muss unumwunden eingeräumt werden, dass die Zurechtstellung der Autornamen sowohl in der diocletianischen wie in der constantinischen Reihe sich in befriedigender "Weise nicht bewirken lässt und dass man wohl berechtigt ist Dessaus verwegene Hypothese abzuweisen, wonach unter allen diesen Namen ein und derselbe Schriftsteller der theodosischen Zeit sich verbergen soll, und vielmehr die Pluralität der Verfasser so wie von den vier Namen drei aufrecht zu halten sein werden, dass aber die Verknüpfung der einzelnen Biographien mit den einzelnen Namen theils sicher irrig, theils wenigstens ungenügend beglaubigt ist.

Etwas weiter führen die im Text dieser Biographien enthaltenen und somit ohnehin schon zuverlässigeren Dedicationen. "Während die beiden folgenden Gruppen Privaten dedicirt sind, sind sämmtliche 246 einundzwanzig Biographien der ersten Abtheilung den regierenden Kaisern zugeschrieben, und zwar theils dem Diocletian, theils dem Constantin. Die Anrede an Diocletian tritt auf in der ersten Hälfte, bis auf Macrinus^, die an Constantin in der zweiten von Elagabalua

1) Prohis 2, 7. Hier die an sich nicht verdächtigen Namen wegen der zerrütteten Subscriptionen zu streichen kann ich nicht richtig finden.

2) Aelius Marcus Veras Cassius Severus Niger Macrinusj

Die Scriptores historiae Augustae. 319

an^. und wir werden danach eine diocletianische und eine constan- tinische Reihe unterscheiden dürfen 2, von denen wahrscheinlich jede von anderen Verfassern herrührt, wenn gleich wir, wie gesagt, die Namen nicht zu bestimmen vermögen. Allerdings machen Instanz gegen diese Scheidung die beiden dem Constantin zugeschriebenen Biographien des Albinus und des Geta; aber jene steht insofern mit sich selbst im Widerspruch, als der Biograph des Albinus auch die dem Diocletian gewidmeten Biographien des Severus und des Niger geschrieben haben will, und beide gehören zu den nachgefalschten Stücken. Es wird also mit derjenigen Wahrscheinlichkeit, welche auf diesem Gebiete überhaupt erreichbar ist. eine diocletianische und eine constantinische Biographienreihe unterschieden werden dürfen. Innerhalb der sechzehn Biographien der diocletianischen Reihe stellt sich ein scharfer Unterschied heraus zwischen den neun der anerkannten Kaiserreihe (Hadrian, Pius, Marcus, Commodus, Per- tinax, Julianus, Severus. Caracalla, Macrinus) und den sieben der Mitherrscher (Verus, Geta), der Caesaren (Aelius, Diadumenus) und der Usurpatoren (Cassius, Niger, Clodius). Jene sind echte allerdings vielfach zerrüttete Geschichtsquellen: die der zweiten Reihe enthalten wenig oder gar kein eigenes wirklich geschichtliches Material und sind wesentlich entweder aus jenen der ersten zusammengestoppelt oder gefälscht. Die Beschaffenheit dieses Stoppeins erscheint es noth wendig durch einige Belege zu erläutern.

vita Marci: vita Cassii:

25, 5 in conscios defedionis ve- 8, 7 ipse autem Änfonimis a

iuit senatum graviter vindicare.

25, 6 sinud petit, ne qui Senator iempore principatus sui occideretur

senatu petit, ne graviter in con- scios defedionis animadverteret 60 ipso tempore, quo rogavit, ne quis Senator temporihus suis capi- tali supplicio afficerdur, quod Uli maximum amorem con- 247 ciliavit. 25, 7 eos etiam qui deportati 8, 8 denique paucissimis cen-

fiierant revocari iussit, cum pau- turionibus ]ninitis deportatos re-

cissimi cenfuriones capite essent vocari iussit.

puniti.

25, S ignovit et civitatihus qtiae 9, 1 Antiochenes quoque Avidio

Cassio consenserant : ignovit et \ Cassio consenserant : sed et his et

1) Elagabalus Alexander Maximiui Gordiani.

2) Anreden fehlen bei Hadrian, Pius, Commodus, Pertinax, lulianus, Cara- rallus, Diadumenus, Maximus Balbinus.

320

Die Scriptores historiae Augustae.

AntiocJiensibus, qui multa in Mar- cum pro Cassio dixerant (vgl. Carac. 1, 7).

25, 9 quihus et spectacida et conventus puhlicos tulerat et om- nium contionum genus, contra quos edictum gravissimum misit.

25, 10 seditiosos autem eos et oratio Marci indicat indita Mario Maximo, qwi ille usus est apud amicos.

26, 12 filii autem CassH et amplius media parte accepenmt paterni patrimonii

et auro atque argento adiuti, mu- lieres autem etiam ornamentis, ita ut Älexandria fdia Cassii et Druncianus gener liberam vagandi potestatem haberent

commendati amitae marito.

aliis civitatibus , quae illum iuve- rant, ignovif,

cum primo Antiochensibus graviter iratus esset hisque spectacida sus- tidisset et multa alia civitatis ornamenta, quae postea reddidit. 6, 6 amatus est ab . , Antio- chensibus, qui etiam imperio eins consenserunt , ut docet Marius Maximus in vita divi Marci.

9, 2 füios Avidii Cassii Anto- ninus Marcus parte media pjatri- monii donavit,

ita ut fdias eins auro argento et gemmis cohonestaret

9, 3 nam et Älexandriae filiae Cassii et genero Drunciano liberam evagandiubi vellent p>otestatem dedit vixeruntque non quasi tyranni pignora, sed quasi senatorii ordinis in summa securitate, cum Ulis etiam in Ute obici fortunam pro- priae vetuisset domus, damnatis aliquibus iniuriarum, qui in eos petidantes fuissent, quos quidem amitae sitae marito commendavit

24g Vita Severi:

6, 10 Heraclitum ad obtinendas Britannias, Plautianum ad occu- pandos Nigri liberos misit.

8, 6 Ad Orientis statum con- firmandum profectus est, nihil adhuc de Nigro palam dicens.

[ Vita Nigri:

j 5, 2 Severus Heraclitum ad obti- I nendam Bithyniam misit, Fulvium I autem ad occiipandos adidtos Nigri \ filios.

I 5, 3 nee tarnen in senatu quic-

I quam de Nigro Severus dixit, cum

iam audisset de eins imperio, ipse

autem proficiscerefur ad compo-

1 nendum Orientis statum nutantem.

Die Scriptores historiae Augustae.

321

S, 1 nd Africam tarnen legiones misit, ne per Lihjam atque Äegijp- tum Niger Africam occuparet ac j populum Romanum iienuria rei frumentariae perurgueret.

8, 12 miserat sane legionem, quae Graeciam Thraciamque prae- ciperet, ne eas Pescennius occu- paret, sed iam Byzantium Niger tenebat.

8, 13 PerintJmm etiam Niger volens occupare plurimos de exer- citu interfecit. atqtie ideo hostis cum Aemiliano est appeUatus

8, 14 cumque Severum ad parti- cipatum vocaret, contemptiis est

8, 16 Aemilianus deliinc victiis in Uelles2)07ito a Severi ducibus Cijzicum primum confiigit atque inde in aliam civitatem, in qua eorum iussu occisus est.

8, 15 promisit sane Nigro tutum exilium, si vellet, Aemiliano autem mm ignovit

9, 1 dein conflixit cum Nigro eumque apud Cyzicum interemit

caputque eius pilo circumtidit

10, 1 piostea (nach Albinus Ab- fall) . occisi sunt (filii Nigri) cum matre

MOMMSEN, SGHR. Vn.

5, 4. 5 sane illiul fecit profi- ciscens, ut legiones ad Africam mitteret, ne eam Pescennius occu- paret et fame populum B. per- urgueret. videhatur autem id facere posse p>er Lihyam Aegyp- tumque vicinas Africae, difftcili licet itinere ac navigntione.

5, 6 et Pescennius quidem ve- niente ad Orientem Severo Grae- ciam Thracias Macedoniam

interfectis multis inlustribus viris tenebat

5, 7 « quo causa eorum quos occiderat cum Aemiliano hostis est appellatus.

ad participatum imperii Severum vocans,

dein a ducibus Severi per Aemi- lianum pugnans victus est

5, 8 et cum iUi tutum exilium 249 ptromitteret, si ab armis recederet,

persistens iterum jmgnavit et victus est atque apud Cyzicum circa pa- ludem (eingelegt wegen des Ora- kels 9, 6) fiigiens sauciatus et sie ad Severum adductus et statim mortuus.

6. 1 Huius Caput circunüatum pilo Romam missum,

6, 1. 2 ßii occisi, necata uxor, Patrimonium j)ublicatum, familia amnis extincta. sed haec omnia postquam de Albini rebeUione co- gnitum est facta sunt,

21

322 Die Scriptores historiae Augnstae.

9, 2 filios Nigri . . . in exilium cum matre misit.

nam prius et filios Nigri et ma- trem in exilium miserat

In welchem Grade die Vorlage bei der Wiedergabe verstümmelt und verdorben ist, ergiebt die Zusammenstellung mit -so schlagender Deutlichkeit, dass ich dabei nicht verweile. Abgesehen von den in dieser Weise aus den neun primären Biographien entlehnten Materi- alien sind die sieben secundären wesentlich und im umfassendsten Massstab gefälscht. Es wimmelt hier alles von Anekdoten, Orakeln, Vergil- und anderen Versen, insbesondere von litterarischem Plunder; das Ideal des Niger ist Marcius Coriolanus, Severus heisst der punische Sulla, Albinus der zweite Catilina; Aelius hat Ovids amores jede Nacht unter dem Kopfkissen und Hadrian betrauert ihn mit einem Citat aus der Aeneis. Sicher hängt es damit auch zusammen, dass, während in jener Masse nur Diocletian angeredet wird, von den secundären Biographien zwar vier (Aelius, Verus, Cassius, Niger) demselben Kaiser, zwei andere dagegen (Albinus, Geta) dem Con- stantin zugeschrieben sind; dem Verfertiger dieser Machwerke lag vermuthlich ausser der diocletianischen auch die constantinische Reihe der Kaiserbiographien vor und er knüpfte unbesehens bald an diese, bald an jene an, ebenso wie er den Verfassern derselben seine Machwerke in die Schuhe schob.

Allerdings bedarf dieser Gegensatz nach beiden Seiten hin 250 der Einschränkung: weder sind die secundären Biographien des selbständigen Inhalts völlig baar, noch sind die primären von den Fälschungen gänzlich verschont geblieben. Abgesehen von kleineren Berichtigungen und Zusätzen, die das secundäre Exemplar ergiebt^, finden sich besonders im Verus 2, aber auch im Albinus^ und im Geta einzelne anderweitig bestätigte Angaben, wie denn bei einer

1) Die oben abgedruckten secundären Berichte sind frei von der Nennung Britanniens statt Bitbyniens Sev.^, 10 (die nicht Schreib-, sondern Redactions- fehler ist, da Britannien wohl, aber nicht Bithynien im Plural gebraucht wird) und nennen den Fulvius Plautianus, von dem die ältere Biographie nur das Cog- nomen giebt, mit dem Geschlechtsnamen. Jene Vertauschung wird dem Dias- keuasten zur Last fallen und ebenso die Einnamigkeit des Plautianus.

2) Zum Beispiel die Notiz über die Anfänge des parthischen Krieges Yen: 6, 9: interfecto legato, caesis legionihus, Syris defectionem cogitantibus, deren historische Richtigkeit feststeht, ist nicht aus der des Marcus genommen.

3) Historisch ist zum Beispiel sein Commando in Britannien (Victor), seine Betheiligung bei der Katastrophe des Pertinax (Victor, Eutrop), der gescheiterte Versuch des Severus ihn umzubringen (Herodian), die Entscheidungsschlacht bei Lugdunum.

Die Scriptores historiae Augustae. 323

solchen Zufügimg der Herrscher zweiter Ordnung es nahe lag aus den vorliegenden Biographien der älteren Redaction einzelnes nicht blos in die secundären Biographien hinüber zu nehmen, sondern auch dort zu streichen. Yon den zutreffenden Verweisungen auf den uns erhaltenen Herodian, die im Albinus imd im Diadumenus sich finden, wird weiterhin noch die Rede sein. Im Ganzen aber sind diese besseren Nachrichten hier äusserst sparsam, ja im Aelius, Cassius. Pescennius fehlen sie anscheinend vollständig und bleibt, wenn man die in den besseren Biographien wiederkehrenden Daten abzieht, nichts übrig, als was entweder sicher gefälscht oder doch der Fälschung in hohem Grade verdächtig ist. Die oben gegebenen Zusammen- stellungen geben auch dafür bezeichnende Belege. Die Zusätze sind entweder selbstverständlich, wie dass Marcus Milde ihn beliebt gemacht hat und dass Nigers am Commando betheiligte Söhne erwachsen gewesen sind, oder es sind ausspinnende Anekdoten, wie dass Severus die Advokaten, welche den Kindern des Niger ihren Vater vorrückten, als Injurianten bestraft habe. Andererseits kommt die Hand, die diese Sünden verübt hat, auch in den primären Biographien zum Vorschein. Wenn der Mangel an Materialien für die secundären Biographien, der darin oft und weitläufig beklagt wird, sicher die hauptsächliche Veranlassung zu den Fälschungen gegeben hat, und 251 bei den meisten Kaiserbiographien mit dieser Ursache auch die Folge wenigstens im Ganzen wegfällt, so ist doch eine derselben, und zwar die letzte, die des Macrinus, neben echten Materialien zum grossen Theil aus gleichartigen Erfindungen zusammengesetzt. Dass eben diese davon betroffen worden ist, hängt damit zusammen, dass uns diese Biographien nicht selbständig überliefert sind, sondern eingefügt in ein Sammelwerk; es lag in der Sache, zumal da in das Leben des Macrinus die Vorgeschichte des Elagabalus aufgenommen ist, dass diese Biographie einen hybriden Charakter erhielt, auch abgesehen davon, dass allem Anschein nach dem Fälscher im Lauf der Arbeit Lust und Muth gewachsen ist.

In diesen Zusammenhang gehören die berüchtigten falschen Urkunden. Sie treten in den sechzehn Biographien der diocletiani- schen Reihe sehr ungleichmässig auf. L'nter den primären begegnen sie einzig in der des Macrinus^, dessen Schreiben an den Senat

1) Diese ist überhaupt so beschaffen, dass man zweifeln kann, ob sie nicht vielmehr aus dieser Reihe auszuscheiden und mit der maximinisch-gordianischen Gruppe zusammenzustellen ist; auch die Benutzung der Griechen hat sie mit dieser gemein. Die Widmung an Diocletian indess steht entgegen; und viel kommt überhaupt nicht darauf an.

•21*

324 Die Scriptores historiae Augustae.

zweifellos dazu gehört; wogegen das Protokoll über die Senatssitzung nach Commodus Tode am Schluss der Biographie desselben vielmehr den Stempel der Echtheit trägt. Unter den secundären sind die beiden frühesten, Verus und Aelius, davon frei, ebenso Geta; massen- haft erscheinen sie in Avidius, Niger, Albinus, Diadumenus. Wer es über sich gewinnt, diese Producte im Zusammenhang zu lesen, wird nicht blos keinen Augenblick an der Fälschung zweifeln, sondern auch sich davon überzeugen, dass dieselben alle von der gleichen Hand sind und dass diese Hand verschieden ist von derjenigen, welche die Hauptreihe dieser Biographien verfasst hat.

Wenn also, was in den sieben secundären Biographien sich findet, so weit es selbständig ist, nicht viel mehr ist als freie Erfindung eines späten Litteraten, so ist das für die geschichtliche Forschung von nicht geringer Bedeutung. Die Chronologie des cassischen Aufstandes, das Gesammtbild des severischen Dreikaiser- kriegs, wie sie jetzt gelten, beruhen in erster Reihe auf diesen Schriftstücken und wir werden in diesem Abschnitt alle umzulernen 252 haben, falls dieselben, wie ich meine, nicht etwa eine getrübte Quelle sind, sondern eine Kloake. Aber nur eingehende prag- matische Behandlung kann diese wichtigen Fragen erledigen und sie sollen in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden.

Dass die ursprüngliche Abfassung der neun primären Biographien von der Entstehungszeit der später hinzugefügten wird später die Rede sein unter Diocletian fällt, ist schon hervorgehoben worden. Unter den Anreden an ihn ist allein bemerkenswerth die Ausführung des Satzes, dass es den Besten und Edelsten nicht beschieden zu sein pflegt ihrer würdige Söhne zu hinterlassen und es also solchen zu wünschen sei ohne leibliche männliche Nachkommenschaft aus dem Leben zu scheiden^; die Beziehung liegt so nahe, dass diese Auseinandersetzung allein genügt, um die Abfassung dieser Biographien in der bezeichneten Epoche gegen jede Anfechtung zu schützen 2. Dass Maximians nirgends gedacht wird, obwohl die Biographien in Rom geschrieben sind, ist ein merkwürdiger, aber in keiner Weise befremdender Beleg für die Stellung des Hercules neben dem Jupiter; man kann damit zusammenstellen, dass die neuen Thermen der Haupt- stadt nach Diocletian benannt worden sind und die stadtrömischen

1) Semr. 20.

2) Die mehr zutreffende als höfliche Nutzanwendung auf Maximian und Maxentius ist bei der Inferiorität dieses Scribenten wohl nicht zwischen den Zeilen zu lesen ; bei einem besseren würde man nicht zweifeln, dass er den dem Diocletian ertheilten Kranz durch Stacheln gegen den CoUegen pointirt hat.

Die Scriptores historiae Augnstae. 325

Ziegel dieser Epoche wohl eine officina lovia, aber keine nach Maximian benannte aufzeigen. Yon den Caesaren ist nur einmal und in einer Weise die Rede, dass sie nur als Erben, nicht als Theilhaber an der Herrschergewalt erscheinen^; wenn danach diese Biographien nicht vor 293 geschrieben sein können, so sind sie auch wohl wenig später und vor der Zeit abgefasst, wo die beiden Caesaren anfingen ebenso viel und mehr zu gelten als die Kaiser.

In der Reihenfolge der Abfassung schliesst an die diocletianische Gruppe der Kaiserbiographien sich die dem Trebellius Polho gehörende 253 von Philippus bis Claudius an. Hier ist die Autoi"schaft gesichert-: der Biograph des Aurelian, des Fortsetzers dieser Reihe, bezeugt sie ^ und die Subscriptionen stimmen damit überein*. Er selbst sagt uns, dass er die Reihe weiter zu führen beabsichtigte^, sein Fortsetzer aber, dass dies nicht geschehen sei^. Nach eben demselben waren PoUios Bücher vor dem März des Jahres 304 publicirt'; aus ihm selber erfahren wir, dass er unter der Herrschaft Diocletians und Maximians geschrieben hat. Unter den Machthabem hebt er den Caesar Constantius so auffallend hervor, dass dies auf die der Ab- dankung der älteren Regenten (1. Mai 305) nächstvorhergehenden Jahre hinführt, wo das Ansehen der Augusti vor dem aufgehenden Stern der Caesaren verblasste*. Eben darauf weist die Erwähnung

1) Ael.2,2: nostris tempc/ribus a vestra dementia Maximianus atqne Con- stantius Caesares dicti sunt quasi quidam princijnim filii virtute designaii Augustae tnaiestatis heredes. Die incorrecte Nennung des Constantius an zweiter Stelle sowohl hier wie Car. 18, 3 ist wohl lediglich Versehen; ebenso steht Prob. 1, 5 Maximianus vor Diocletian. [Der Verfasser wählte diese Reihenfolge der rhyth- mischen Klausel zuliebe. Dadurch erledigt sich der von Seeck, Jahrb. f. Phil. 141, 1880, S. 618, hiergegen erhobene Einwand.]

2) Wen der Verfasser anredet (Val.l. 8,5: vobis; Clatid.S, 1: tu), wissen wir nicht, da der Anfang fehlt.

3) Ätirelian. 2, 1 : seiino nobis de Trebdlio Poilione, qui a dtiobtis Philijijns usqtie ad divum Claudium et eins fratrem QttintiUum imperatores tarn claros quam ohsatros memoriae prodidit. Vgl. Firm. 1, 3.

4) Die Subscription der vita Clandii lautet: expJicit Treuelli PoUionis dia4S Claudius und danach bestimmt sich das eiusdem in den Inscriptionen eben dieser vita so wie der unmittelbar vorhergehenden bis zu der des Valerian, deren Anfang nebst den vorhergehenden Biographien uns fehlt. Die Inscription dieser rita Vcderiani: incipit eiusdetn Valeriani duo legt allerdings, nach der jetzigen Beschaffenheit der Handschrift, diese Reihe dem Capitolinus bei.

5) Trig. tyr. 31, 8. 6) Aurelian. 1, 4. 7) Darüber weiterhin.

8) Pollio spricht trig. tyr. 31, 8 von den Tyrannen, qui inter Tacitum et Diocletianum ftiei-unt; sonst nennt er ihn einzeln nicht und ebensowenig Maximian, spricht dagegen Claud. 10, 7 seine guten Wünsche für den Caesar Constantius aus salris Diocletiano et Maximiano Augustis et eius fratre Galerie und nennt

326 I^ie Scriptores historiae Augustae.

der im J. 305 oder 306 dedicirten Diocletiansthermen ^. Wenn die vermuthlich fictive Anknüpfung des Stammbaums dieses Caesar an 254 den Kaiser Claudius II. uns anderweitig zuerst in Documenten aus dem J. 310 oder 311 begegnet, so passt es dazu vortrefflich, dass Pollios Biographie des Claudius recht eigentlich zu diesem Zwecke geschrieben ist^; es ist möglich, dass die Fiction eben von unserem Autor herrührt, nicht unwahrscheinlich, dass sie dazu beigetragen hat diese Sammlung in Geltung zu bringen und sehr unverdienter Weise der Nachwelt zu erhalten. Wenn der Occident den Caesar Constan- tius auf den Schild hob, ohne um den Kaisersohn Maxentius sich zu kümmern^, so ist dabei nicht zu übersehen, dass der letztere allem Anschein nach als Bastard galt*; aber auch wenn derselbe ein ebenso

jenen Gall. 1, 1. 14, 3, so wie in der ganz zu seinen Ehren geschriebenen vita Claudii 1, 1. 3, 1. 9, 9. 13, 2.

1) Trig. tyr. 21, 7: in his loeis fmrunt, in quibus thermae Dioeletianae sunt exaedificatae tarn aeterni nominis quam sacrati. Wenn Dessau in der Dedications- iuschrift C. VI 1130 statt des von mir vorgeschlagenen [absen]s einsetzt [reversu]s, so ist übersehen, dass dann für das folgende sub p)-aesentia mai[estatis] der Gegensatz fehlt, [reversus oder rediens ist jetzt gesichert durch ein Fragment eines andern Exemplars der Dedikationsinschrift , s. Dessau inscr. sei. 646; C. I. L. VI p. 3079 n. 31242.] Dass die Thermen nach dem Rücktritt der senioi-es Awjusti 1. Mai 305 und vor Constantius Tode 25. Juli 306 dedicirt worden sind, habe ich seiner Zeit erwiesen. [In den 'Topographischen Analakten', Arch. Zeit. 1846 S. 228 ff. = Hist. Sehr. Bd. II S. 57 ff.] Also war der ungeheure Bau zu der Zeit, in der Pollio schrieb, im wesentlichen vollendet, und dazu stimmt seine Aeusserung auf das Beste.

2) Ich kann hiefür lediglich auf Dessaus Ausführungen verweisen , die an sich zutreffen, aber keineswegs beweisen, was sie beweisen sollen, dass dieser Stammbaum erst im J. 310 oder 311 und nicht schon einige Jahre früher auf- gestellt worden ist. Dass Constantius aus Rücksicht auf seine Mitregenten unterlassen haben soll sich vor seiner Erhebung zum Augustus dieser Herkunft zu berühmen, ist nicht mehr als eine Vermuthung und bei der den Caesaren in den letzten Jahren zukommenden Stellung eine recht unwahrscheinliche. Ebenso wenig lässt es sich begründen, dass die Verknüpfung des constantinischen Hauses mit dem des Claudius erst nach der Katastrophe des alten Maximianus (f 310) aufgebracht worden ist, mit welcher sie in gar keinem ursächlichen Zusammenhang steht.

3) Claud. 10, [7]: quae idcirco posui, ut sit omnibus darum Constantium divini generis virum sandissimum Caesarem et Augustae ipsius familiae esse et Atigustos multos de se daturum. Nichts nöthigt zu der Annahme, dass der Diaskeuast auf diese Fassung eingewirkt hat im Angedenken an die constan- tinische Dynastie ; Constantius hatte vier Söhne und es war nur natürlich, dass seine Getreuen in diesen die künftigen Herrscher sahen.

4) Dass Maxentius nach der Katastrophe mehrfach unecht gescholten wird (paneg. 9 [8], 4; sog. Victor epiY. 40 [13]; anon. Vales.l2), würde nicht hoch an- zuschlagen sein, wenn nicht der Umstand, dass seine Inschriften ihn als vir clarissimus und seinen Sohn als clarissimus puer, seine Gattin dagegen, die Kaisertochter Valeria Maximilla als nöbilissima femina bezeichnen (C. I. L. XIV

Die Scriptores historiae Augustae. 327

echter Kaisersohn gewesen sein sollte wie Constantius ein wenig be- glaubigter Kaiserenkel, entspricht seine Zurückstellung den politischen Verhältnissen, wie sie eben lagen. Die Nachfolge war fest regulirt, Constantius der anerkannte Mitregent und Kronprinz, Maxentius von jedem Antheil an der Herrschaft wie von jeder Aussicht auf die Kaiserwürde ausgeschlossen; Constantius nach allen Zeugnissen ein tüchtiger Feldherr und ein bedeutendes Yerwaltungstalent, im Voll- besitz des Ansehens und der Liebe der Unterthanen, Maxentius 255 allem Anschein nach eine Nullität, völhg geeignet, die Keihe der von der alten Prätorianergarde gekrönten Kaiserpuppen zu beschliessen ^. Das Adoptionssystem, nicht die Legitimität der Geburt beherrschte das römische Staatswesen; es wäre mehr als sonderbar, wenn in den letzten Jahren Diocletians die Loyalen des Occidents sich um Maxentius bekümmert hätten. Also schreibt Pollio völlig in dem Sinn, welchen man berechtigt ist für diese Zeit zu erwarten-.

Pollio scheint der erste gewesen zu sein, welcher neben den landläufigen lateinischen Quellen für diese Epoche die griechische Litteratur herangezogen hat; allem Anscheine nach hat ihm von den historisch richtigen Angaben, die er beibringt, den besten Theil der von ihm dreimal angeführte Dexippus geliefert^. Darum heissen ihm auch die Gothen gewöhnlich Skythen*, die GaUier

2825. 2826), die Annahme bestätigte, dass an seiner Gebui-t ein Makel haftete, er vielleicht vor der Ehe der Aeltern geboren war. Die von Borghesi (opp. 3, 151^ aufgestellte Vemiuthung, dass er durch den Rücktritt seines Vaters die Qualification als Kaisersohn eingebüsst habe, hat keine Wahrscheinlichkeit.

1) Die Zeugnisse bei Schiller Gesch. der röm. Kaiserzeit 2, 169 A. 1. 2. S. 175 A. 5.

2) Wenn gegen Pollios Betrachtung, dass der Gotheusieg des Claudius seinem Enkel das Reich gesichert habe (Claud. 9, 9: ut iam tunc Constantio Caesar i nepoti futuro videretur Clattdiiis securam parare rem piiblicam), Dessau S. 342 einwendet, der Schreiber dieser Zeilen habe nicht gewusst, dass Con- stantius zeitlebens (auch als Augustus?) nur einen kleinen Theil des Reiches zu verwalten gehabt habe, und zwar den, für welchen der Gothensieg des Claudius am wenigsten in Betracht gekommen sei, so vergisst er, dass Con- stantius der erklärte Nachfolger in der Herrschaft des Westens war und dass Illyricum allem Anschein nach damals ganz zum Westreich gehört hat. [Gegen letztere Ansicht s. Dessau, Hermes 27, 1892, S. 564, 1.]

3) Die annalistische Erzählungsform mit vorgesetzten Consnlaten, wie sie im Gallienus öfter, auch trig. iyr. 9, 1 und Claud. 11, 3 erscheint, geht sicher auf Dexippus zurück (vgl. S. 261 A. 3 [333 A. 3]).

4) Gull. 4, 7. 6, 2 (hier mit der wohl von dem Diaskeuasten herrührenden befremdenden Erklärung Scythae, Jioc est pars Gothorum). 6, 5. 7, 3. 11, 1. 12, 6. 13.6. 9. 10; Claud. G, 2 (Scytharum diversi populi, Peuci Grutungi Austrogothi Tervingi Visi Gipedes). 9, 4 (wechselnd mit Gothi). 12, 1.

328 Die Scriptores historiae Augustae.

Kelten^, die Numider Mauren 2, die Donau Hister^, Africa Libya*. Zu- 256 gleich aber führt er den Reigen der Fälscher. Wenn sein Fortsetzer Vopiscus ihn damit entschuldigt, dass alle Historiker einigermasson lögen, so wird man das Zugeständniss dankbar acceptiren, aber doch hinzusetzen müssen, dass, selbst wenn man dies Privilegium anerkennt, dieser Historiker davon einen übertriebenen Gebrauch macht. Wer die diplomatische Correspondenz Sapors mit allerlei Kleinfürsten des Orients und die für die Vorgeschichte der Kaiser nirgends mangelnden Originalzeugnisse und Bestallungen gelesen hat, non quaeret quem appellet ineptum; dazu giebt er seine Actenstücke nicht blos, wie er sie in authenticis vorfand^, sondern versichert auch, dass er vom Kabinetssecretär concipirte verschmähe und nur vom Kaiser selbst dictirte beibringe^ und pocht dabei auf die fides historica, die ihm allein am Herzen liege, nicht die Schönrednerei''. Für unseren Zweck ist es nicht erforderlich, darüber weiter Worte zu verlieren; res iudicata est.

An die Biographien Pollios schliessen als Fortsetzung sich an die der Kaiser Aurelianus, Tacitus, Probus und Carus nebst den Notizen über die gleichzeitig auftretenden Usurpatoren. Die hier chronologisch richtig geordnete Ueberlieferung legt diese Arbeiten dem Syrakusaner Flavius Yopiscus bei, und wenn dieser sonst nicht genannt wird, so liegt doch kein Grund vor diese Angabe zu bean- standen; auch führt die Einleitung zu der ersten dieser Biographien dieselben als eigene die des PoUio fortsetzende Reihe in angemessener und der Arbeit selbst gut entsprechender Weise ein ^. Gleich seinem Vorgänger Pollio macht auch er in Urkunden; sein Aurelian zum Beispiel enthält in den 50 kurzen Capiteln deren ganze zwanzig.

1) Gall.l, 1: cum multis auxiliis ... Celticis atque Francicis; Claud. 6,2 (wo Müllenhoff die Lesung mit Unrecht beanstandet hat). 9, 6.

2) Capellianus, bekanntlich Statthalter von Numidien und von Herodian 7, 9, 1 richtig bezeichnet mit den Worten t)yeTro dk MavQovoicov tmv vjzo 'Pcofiaioig, JNofidScov 8e xa?.ovfisvü)v, heisst Maximw. 19, 1 und Gord. 15, 1 Mauros regens. Wenn er an der zweiten Stelle als veteranus bezeichnet wird, so denkt der Schreiber verkehrter Weise au den praeses Mauretaniae vir perfectissimus , der allerdings aus den Primipilaren genommen zu werden pflegte; Herodian sagt richtig TCüv dnö ovyxkrjxm).

3) Gull. 13, 6. 4) Gall 5, 4 ; irig. tyr. 29, 1 : dux limitis Libyci.

5) trig. tyr. 10, 9. 6) Claud. 7, 2. 7) trig. tyr. 11, 6 vgl. 33, 8.

8) Fortgeführt wird dies im Eingang des Probus 1, 5 : non patiar ego ille, a quo dudum solus Aurelianus est expetitus, cuius (vielmehr eins) ritam quantum potui persecutus Tacito Florianoque iam conscriptis non me ad Pröbi facta con- scendere, si vitu suppetit omnes ad Maximianum Diocletianumqne dicturm.

Die Scriptores historiae Augustae. 329

und sie sind denen seines Yorgängers vollständig gleichartig. Gleich diesem berühmt auch er sich des Studiums lateinischer wie griechi- scher Quellenschriften^ und nennt deren eine relativ beträchtliche Anzahl; leider sind sie sämmtlich anderweitig unbekannt, Kallikrates 257 aus Tyros sowohl wie Valerians Kammerdiener Acholius und der Xikomachos, der den syrisch geschriebenen Brief der Zenobia ins Griechische übersetzt hat. Es ist befremdend, wenn auch diejenigen Forscher, die über die Beschaffenheit dieser Sammlung sich nicht täuschen, diesen Schriftstellemamen Vertrauen schenken und darauf hin dieser geistesarmen Zeit eine historische Productivität zuschreiben, die auch in der untergeordnetsten Gestalt sehr wenig für sie passt. Man sollte vielmehr an die Autorenreihen in der origo gentis Ttomanae und den Fulgentius sich erinnern und auch hier nicht vergessen, dass Vopiscus in der Einleitung sich den Freibrief geben lässt es mit der Wahrheit nicht genauer zu nehmen als seine Vorgänger: habebis mendaciorum comites. Indess hier beschäftigt uns nicht die Ab- grenzung seiner Fälschungen, sondern die Zeit der Abfassung seiner Schriften; und diese lässt sich genau und sicher bestimmen. Er giebt als Einleitung ein Gespräch, das er allem Anscheine nach am 25. März 304 ^ während einer Festfeier mit dem Stadtpräfecten Junius Tiberianus in dessen Kutsche geführt hat, wobei die Absicht des

1) In den Ortsbezeichnungen führt bei ihm nichts auf Benutzung griechischer Quellen ; die ferae Lihycae (Aureh 33, A) und die Uopardi Libyci (Prob. 19, IJ erklären sich genügend aus der lateinischen Dichtersprache. Während bei PoUio die griechischen Quellen durchgängig als die glaubwürdigeren behandelt ^verden, heisst es hier Prob. 3. 3: qtwd quia per unum tantum Graecorum relatum tst, nos in medio relinquemus.

2) Die oft verhandelte Controverse über die Datirung dieses Gesprächs geht darauf zurück, dass der Stadtpräfect lunius Tiberianus in dem zuverlässigen Verzeichniss derselben bei dem Chronographen von 354 zweimal vorkommt, zuerst als fungirend 291 XII k. Mali. 292 III non. Aug., dann als fungirend €03 prid. idus Sept. 304 j^id. non. lan., und dass das Gespräch an den Hilaria geführt wird. Die erstere Jahreszahl kann deshalb nicht gemeint sein, weil <3ie Biographien des Pollio, über die die beiden Freunde sich unterhalten, erst, wie wir sahen, um 303 publicirt sind. Die Hilaria erscheinen zweimal im Fest- kalender, als Fest der Göttermutter unter dem 25. März, als Isisfest unter dem 3. Nov.; jener Festtag wird häufig, dieser selten erwähnt. Entweder also ist hier das weniger bekannte Hilarienfest des Herbstes gemeint oder es ist bei dem Chronographen für prid. non. lan. zu schreiben prid. 'non. lun. Wofür immer man sich entscheiden will, jeder dieser Wege ist gangbarer, als den urkundlich beglaubigten lunius Tiberianus mit allem, was daran hängt, als eine Fictiou der theodosischen Epoche zu betrachten. [Dessau a. a. 0. (o. S. 327, 2) S 567, 1 bemerkt, daß er nur das Gespräch, das Vopiscus mit dem Stadt- präfecten gehabt haben will, als Fietion betrachte.]

330 Die Scriptores historiae Augustae.

Provinzialen, sich ein Ansehen zu geben, ebenso deutlich hervortriti wie die Befähigung des Litteraten eine derartige untergeordnet« Aufgabe in angemessener Form zu behandeln, während er in dei historischen Darstellung sich ebenso ungeschickt und impotent erweis 258 wie alle seine in der Sammlung vereinigten Collegen. Den Stempe der Gleichzeitigkeit trägt diese Einleitung so entschieden an der Stirn dass es sich nicht verlohnt darüber Worte zu verlieren. Weiterhir wird Diocletians und seiner Collegen mehrfach gedacht^, an ver- schiedenen Stellen so, dass sie noch am Regiment zu sein scheinen ^ während an anderen Dio'cletian und Maximian deutlich erscheinei als zurückgetreten^ und Constantius als der regierende Kaiser*

1) Erwähnung der Diocletiansthernien und ihrer Bibliothek: Prob. 2, 1 Ferner Aurel. 29,3: iy)'Oxime Diocletianus. 42, 3: ab Augusto in Diocletianun Maximianumque p-incipes quae series purpuratomm sit, index publicus tenet 44, 2. 8; P)-ob. 22, B; Car. 20, 2.

2) Carin. 9, 3 wird der Persersieg des Galerius bezeichnet als gewonnei per sacratissimum Caesarem Maximianum. Das. 17, 6: Constantium , qui postei Caesar est facttis. In dem Schlusswort Car. 18 werden die vier Regenten in de: Weise aufgeführt, dass Galerius wegen der persischen, Constantius wegen dei gallischen Erfolge gefeiert wird, kein Wort aber auf den Rücktritt hindeutet Auch dass der Schreiber sowohl hier wie Bonos. 15, 10: supersunt mihi Carus Carinus et Numerianus, nam Diocletianus et qui sequuntur stilo maiore dicencl sunt, passt am besten für eine unter ihrem Regiment geschriebene Arbeit, wi( denn auch die Worte qui sequuntur füglich auf die Folge nicht in der Regierung sondern in der biographischen Reihe bezogen werden können. Es scheinen dies( Stellen vor dem Rücktritt geschrieben und unverändert geblieben zu sein, ob wohl die Herausgabe erst kurz nach demselben erfolgte.

3) Aurel. 43, 2: ego a patre meo audivi Diodetianum piincipem iam privatun dixisse nihil esse difficilius quam hene imperare. Das. 44, 2 wird Maximianus ge tadelt. Ich kann nicht einsehen, warum jene Worte nicht im J. 306 als( geschrieben werden konnten; übrigens ist der Text ja überarbeitet und kam auch hier modificirt worden sein.

4) Aurel. 44, 5: et est quidem iam Constantius imperator . . . cuius puti posteros ad eam gloriam . . pervenire. Rühl (Rhein. Mus. 43, 697 f.) versucht dies( Stelle zu beseitigen als wörtliche Anführung aus der Schrift eines Dritten indess da die vorhergehenden Angaben mit dicebat und dixit eingeführt werden so ist selbst bei einem Schriftsteller dieser Art ein solcher Uebergang in directes Citat nach meiner Meinung undenkbar. Wer und wie citirt wird, ist aus den vielleicht mehr durch die Diaskeuasten als durch die Abschreiber zerrütteter Text nicht sicher zu entnehmen. Es werden zwei Aeusserungen Diocletians über Aurelian berichtet, die erstere mit den Worten: Verconnius Herennianm praefectus praetorii Diocletiani teste Asclepiodoto saepe dicebat Diodetianum fre quenter dixisse, die zweite also eingeleitet: compertum [a\ Diodetiano (vgl. Car 14, 1 : avus ineus mihi rettulit ab ipso Diodetiano compertum) Asdepiodotus Celsini eonsiliario suo dixisse perhibetur. Letzteres kann nur heissen, dass Asdepiodotus dieselbe von Diocletian erfuhr und sie dem Celsinus mittheilte; die ersterf

Die Scriptores historiae Augnstae. 331

ausdrücklich werden die vier Regenten der diocletianischen Epoche 259 bezeichnet als lebend ^ Demnach hat Topiscus geschrieben nach CoDstantius Antritt der Kaiserwürde ( l. Mai 305) und vor dessen Tod (24. Juli 306). Dazu stimmt es, dass er die Dynastie des Constantius als die Trägerin des Regiments betrachtet, da die Spannung zwischen diesem und Galerius dessen Ignorirung genügend erklärt, und dass er den Bürgerkrieg herannahen sieht-, welchen das zwischen den beiden obersten Machthabern bestehende Zerwürfniss erwarten lies» und der bald genug zum Ausbruch kam; auch stehen dieser Zeit- bestimmung anderweitige ernstliche Bedenken nicht entgegen^.

dürfte danach auch auf das Zeugniss desselben Asclepiodotus hin (vielleicht stand in der Urschrift etwa teste adlato Asckpiodoto praefecto praetorii Diodetiani) von Herennianus weiter erzählt worden sein. Diese Ketten von Gewährsmännern würden höchst befremdlich sein, wenn sie von zuverlässiger Hand kämen; aber diese Angaben sind gleichwerthig den Urkunden des Vopiscus und für gemischte mündliche Tradition recht wohl geeignet.

1) Vopiscus Car. 18 erklärt die vier Kaiser von seiner Darstellung aus- zuschliesseu, maxime cum vel vivorum principum vUa non sine reprdiensione dicatur, mag man nun übersetzen: 'da zumal auch bei lebenden Herrschern es ohne Tadel nicht abgehen kann' oder auch: 'da man bei lebenden Herrschern dem Austoss nicht entgeht". Ich sehe keinen Grund, vivorum für verdorben zu halten.

2) Prob. 23, 5: eant nunc qui cid civilia beüa milites parent, in germatwrum necem arment dexteras frcdrum, hortentur in patrum vulnera liberos.

3) Die von Rühl a. a. 0. für eine spätere Abfassungszeit, etwa 322/8 geltend gemachten Gründe sind nicht durchschlagend. Wie daraus, dass Aurelian seiner Tochter und seiner Gattin jährlich eine bestimmte Summe zum Satumalienfest scienkte (Aurel.hQ,2; vgl. Marquardt Handb. 6, 587;, gefolgert werden kann, dass jene bei des Vaters Tode noch unverheirathet war, sehe ich nicht ein; sear wohl kann ein Enkel des im J. 275 einundsechzigj ährig umgekommenen Kiisers im J. 305 oder 306 im reifen Mannesalter gestanden haben (Aur. 42, 2, wci eiiis wohl auf den Kaiser geht, nicht auf dessen Tochterj. Es kann aber anch, was Hirschfeld annimmt, die Notiz über Aurelians Nachkommenschaft vo-i dem letzten Diaskeuasten in die Sammlung eingelegt sein. Wenn Vopiscus den Diocletian und den Constantius zu den Offizieren rechnet, die aus Probus Sclmle hervorgegangen und quos patres nostri miraii sunt, so passt dies dazu, dass jener um 305 schrieb. Probus ward um 232 geboren, Diocletian um 245, Coastantius, Vater des um 273 geborenen Constantin, nicht viel später ; Vopiscus Vater konnte also füglich Altersgenosse der beiden Kaiser gewesen sein und unter dieser Generation von Offizieren jene beiden als die hervorragendsten gegrölten haben. Vopiscus Grossvater hat wohl Beziehungen zu Diocletian gehabt, aber nichts st^ht der Annahme im Wege, dass er um eine Generation ält«!r war als der Kaiser. Dass die Schrift, weil in der Vorrede der Verfasser sich der Beziehungen zu dem Stadtpräfecten berühmt, ihm nun auch hätte ge- widmet werden müssen, wenn er die Publica tion erlebt hätte, und dass, da sein Totl nicht erwähnt wird, er 'ziemlich lange vorher' mit Tode abgegangen ist, kann unmöglich ernstlich als Beweis geltend gemacht werden. Was endlich

332 Die Scriptores historiae Augustae.

260 Die Reihe endlich von Elagabalus bis auf Gordian III. ein- schliesslich gehört in die spätere Zeit des ersten Constantin. Dio- detian und Maximian^ sowie Constantius I.^ werden erwähnt als verstorben, Maxentius und Licinius (f 324) als überwunden'; Con- stantin, der in der Anrede stets allein genannt wird, heisst ständig maximus^ oder venerahilis^. Alle Indicien treffen zu auf dessen letztes Decennium. Vermuthlich sind diese Biographien alle von einer Hand; die Subscriptionen, wonach dem Lampridius Elagabalus und Alexander, die anderen Biographien dem Capitolinus beigelegt werden, lassen sich weder mit denen der vorhergehenden Sammlung

261 noch mit der aus Vopiscus sich ergebenden Zeitbestimmung dieser Schriftsteller in Einklang bringen und sind wahrscheinlich aus der- selben zerrüttenden Interpolation hervorgegangen, welche die nach- gefälschten Biographien des ersten Abschnittes älteren Schriftstellern aufgeheftet hat. Für zwei dieser Biographien liegt das Quellenmaterial, aus dem sie hervorgegangen sind, auch uns noch in ziemhcher Yoll- ständigkeit vor; es sind dies diejenigen des Maximinus und der beiden Kaiser Maximus und Balbinus. Die lateinische Quelle, die dem

die Frage anlangt, ob es für Vopiscus sich schickte Privatgespräche zwischen Diocletian und seinem Vater bei deren Lebzeiten zu publiciren, so wird man wohlthun, an diese Machwerke wie lür die Wahrhaftigkeit so auch für die Schickliehkeit ungefähr den Massstab anzulegen, welchen unsere untergeordnete Tagespresse uns an die Hand giebt. Gegenüber den positiven Anhaltspunkten, welche das Gespräch mit Tiberianus und die Erwähnung des regierenden Kaisers darbieten, fallen dergleichen Betrachtungen nicht ins Gewicht.

1) Elagah. 35, 4 in der Anrede an Constantin: Ms iungendi sunt Diocldianus. aurei parens saeeiiN et Maximianus ut viilgo dicüur ferrei ceteriqiie ad pietatem tuam.

2) Elagub. 2, 4.

3) Gord.S4:, 5; Elagah. Sb: te . . . prosequentur , quibus id felieior natura detulerit. his addendi sunt Licinius atque Maxentius, quarum omnium ius in dieionem tuam venit, sed ita, ut nihil de eorum rirtute derogettir: non enim ego id faciam, qiiod plerique scriptores solent, ut de his detraham qui vidi sunt. Es ist mir nicht verständlich, warum Dessau (S. 338) hieran Anstoss genommen hatte. Allgemeines Renommiren mit Unparteilichkeit ist den Servilen aller Zeiten eigen und zu allen Zeiten ungefährlich gewesen; hätte derselbe Scribent seine Absicht das Leben des Maxentius zu schreiben ausgeführt, so würde er sich wohl gehütet haben diese virtus zu specialisiren. Meines Erachtens tragen diese Redensarten vielmehr den Stempel der Gleichzeitigkeit.

4) Albin. 4, 2; Alex. 65, 1; Maximin. 1, 1; Goi-d. 34,6. Maximus heissi Constantin noch nicht im J. 316 (später zugefügt in der Inschrift des Jahres 314 C. L L. VIII 10064; fehlt in denen vom J. 315 C. I. L. VIII 8476. 8477 [Dessai! inscr. sei. 695]), aber vor dem J. 319 (Eckhel 8, 75 ; C. I. L. VIII 8412 [Dessau 696]);

5) Elagab. 34, 1. 35, 5; Gord. 1, 1.

Die Scriptores historiae Augustae. 333

Verfasser zu Gebote stand, ist dieselbe, aus der Victor und Eutrop schöpfen, und hat schwerlich viel mehr enthalten, als diese ihr entnommen haben; auf sie führt mit Sicherheit nichts als die eine Stelle Maxim in. 8, 1: Maociminus primum e corpore militari et nondum Senator sine decreto senatus Augustus ab exercitu appellatus est ^. Von den beiden griechischen wird Dexippus, angeführt in der ersten 32, 3. 33, 3. in der zweiten c. 16, nur nachträglich berücksichtigt, wogegen Herodian , angeführt in der ersten in der Ei-zählung selbst 13,4, in der zweiten 15, 3 ausdrücklich als Hauptquelle bezeichnet, augen- scheinlich dem Verfasser das Material wesentlich geliefert hat^. Für die Biographie der drei Gordiane ist er auch benutzt, aber, da er mit der Erhebung Gordians III, zum Augustus schliesst, überwiegend Dexippus zu Grunde gelegt*. Die Stellung dieser Berichte zu dem- 262

1) Fast gleichlautend bei Eutrop 9, 1, ähnlich Victor Caes. 25. Diese Stelle mit Dessau den nachträglichen Einlagen aus Eutrop zuzuzählen ist kein Grund vorhanden; sie kann in der Erzählung nicht entbehrt werden. Dazu kommt die Ausführung 33, 3 über den Namen des Kaisers Maximus.

2) Alle übrigen Citate sind ebenso wenig beglaubigt wie die nicht jenen Quellen entnommenen thatsächlichen Berichte. Dass der zu Anfeng der drei connexen Biographien neben Dexippus genannte Arrianus, insbesondere nach Vergleichung der gleichartigen und sicher von derselben Hand herrührenden Stelle trig. tyr. 32, 1, nichts ist als eine Corruptel vou Herodianus, ist längst bemerkt worden. Von den Corduscitaten wird noch unten die Rede sein. Vulcacius Terentianus, der die Geschichte seiner Zeit geschrieben (Gord. 21, 5), desgleichen Curius Fortunatianus (Max. et Halb. 4, 5^, Aelius Sabinus (Maximin. 32. 1) und Tatius Cyrillus, der griechisch geschriebene Biographien dieser Kj.iser nach Aufforderung Constantins ins Lateinische übersetzt haben soll (^laximin. 1, 2), werden jeder nur einmal und sonst nirgends genannt; ihre Existenz selbst ist mehr als fraglich. Auch der Lollius Urbicus (Diadum. 9, 2> imd der Valerius Marcellinus (Max. et Balb. 4, b) stehen auf der gleichen .Autorität.

3) Aus Herodian ist die Erzählung der Katastrophe des Vitalianus c. 10 geiommen; aber der Bericht auch über die beiden ersten Gordiane gehört in dei- Hauptsache nicht ihm, sondern dem Dexippus. Dexippus kennt die Zwanzig- männer (Maximin. 32, 3^ und diese figuriren in der Biographie der Gordiane (10, 1. 2. 22, 1; vgl. 14,4); Herodian dagegen behandelt, ohne Frage incorrect, den Maximus und den Balbinus einfach als Kaisercollegen, und dieser Auffassung fol^^en die Biographien des Maximinus sowohl wie des Maximus und Balbinos, nur dass in dieser 12, 4, in einem augeblichen Gitat aus Cordus, dieselben auf- tre-en umgewandelt in zwanzig senatorische Gesandt« ohne Zweifel ein Veisuch des Biographen, beide Traditionen zu verkoppeln. Ebenso definirt He:'odian nirgends die Stellung Gordians des Sohnes zu seinem Vater während des Proconsulats desselben; die zweifellos richtige Bezeichnung des Sohnes als Le^-aten consularischen Ranges des Vaters kann den lateinischen Quellen nicht entlehnt sein, da diese ihm eine ganz andere und verkehrte Stellung anweisen;

334 Die Scriptores historiae Augustae.

jenigen Herodians, bekannt und anerkannt wie sie ist, rauss dennoch hier dargelegt werden an einem längeren Abschnitt der Biographie Maximins c. 9, 6 c. 13, 4, dem bei Herodian der Anfang des siebenten Buches entspricht, weil nur dadurch über die Beschaffenheit der nicht herodianischen Zusätze eine genügende Anschauung gewonnen werden kann und diese Einsicht für die der gesammten, von verschiedenen Händen geschriebenen, aber innerlich connexen Sammlung unent- behrlich ist. Die geringen Umstellungen, die der Bearbeiter sich gestattet hat, sind nicht besonders hervorgehoben, seine Zusätze mit stehender Schrift gedruckt.

Nobüem circa se neminem passus est,

juovog eivai ßovkojuevog iv reo OTgaro) xal juijdev avxco nagelvai ix ovvsidijoecog evyevovg xgeitrova ....

prorsus ut Spartaci aut Athenionis exemplo imperabat.

praeterea omnes Alexandri ministros variis modis interemit: xrjv re &eQaneiav näoav ?; ovveyEyovei reo 'Ah^dvögo) . . .

rijg ßaoilelov avXrjg äjiejiejuxpe , rovg de TiXeiorovg avrebv

xal äjzexrsivev.

^63 f dispositionibus eins invidit et dum suspectus habet amicos

{ ac ministros eius crudelior factus est. [ emßovXäg vjionrevow ....

Cum esset ita moratus ut ferarum more viveret,

tristior et immanior factus est (actione Magni cuiusdam

consularis viri contra se parata, eri de xal /xäXXov avrbv eg ehju6r7]ra xal rrjv TtQog änavrag

ÖQyijv nQovxaXeoaro ovjueojuooia rig . . . Mdyvog rig övojua

fjv reöv . . . vjiarevxöreov

sie wird ausdrücklich auf Dexippus zurückgeführt (Gord. 9, 6) und erscheint mehrfach in der Biographie der Gordiane (7, 2. 8, 3. 9, 6. 15, 2. 18, 6) und nur in dieser. Dass die annalistische Erzählungsform mit vorgesetzten Consulnamen, wie sie unter diesen Biographien allein die Gordians III aufweist, ebenfalls aut Dexippus zurückweist, ist schon bemerkt worden (S. 255 A. 3 [327 A. 3]). Griechische Ethnika erscheinen Maximin. 14, 1 procurator in Libya (übersetzt aus Herodian) Gord. 3, 6 ferae lÄhycae (wohl Einwirkung der römischen Dichter- sprache) — 31, 1 Argunt Scytharum rex (wohl nach Dexippus) Max. et Bali. 16, 3 Scythicum bellum (aus Dexippus).

Die Scriptores historiae Augustae. 335

!qui ctim mtiltis militibus et centurionibus ad eum con- fodiendum consümm inierat. TiokXwv re exaTOVTa.Qyoiv ov/uTiveovrcov ....

ieum in se imperiiim transferre cuperet. dießÄ.rj&i] . . . argaTKorag Tivdg Tiei^eiv ig avxov ri]v dgyrjv juerdyeiv.

et gemis factionis fuit tale:

fi de ovoxevi] rocavn] rig ekeyero eaeo'&ai.

(cum ponte iuncto in Gemmnos transire Maximinus vellet ri]v yecfvoav C^v^ag (6 Ma^ifuvog) e/j^eXXev im reofiavobg diaßrjoea&ai.

placuerat, ut contrarii cum eo transirent^,

pons postea solveretur, iUe in barbarico circumventiis occi-

deretur, 6 de JMdyvog iXeyero oxQaxioixcbv .... xovg xtjv q)oovodv

xijg yeq)VQag . . . nentoxev/Lievovg dvaTieioai uexd x6 diaßfjvai

xöv Ma^ifxivov Xvoavxag xi]v yeqwgav Jigoöovvai xoXg

ßagßdooig.

imperium Magnus arriperet.

nam omnia hella coeperat agere et quidem fortissime, statim

ut facius est imperator, dpa ydo xm xr]v doyJ]v jiagaXaßeiv ev&ecog 7ioXsfitxä>v sgycov

rjgiaxo

{peritus ritpote rei militaris, 264

öid .... epTieiQiav 7ioXe/uxr]v

ivolens existimationem de se habitam teuere dox&v eTiiXeXeyßai egyoig xi]v öoiav xal x}]v xcöv oxgcoxicoxdtv vTiöXrjifiv emaxovxo

et ante omties Alexandri gloriam quem ipse occiderat

vincere ^. x/]v xe A?.eidvdgov . . . öeiXiav iXeyyeiv ejisigäxo eixoxcog

y.axeyvooopevrjv.

1) Dies ist widersinnig ; die Brücke wird abgebrochen, um den Kaiser den Germanen in die Hände zu liefern.

2) Dies ist geändert, weil der Biograph dem Alexander günstiger gesinnt ist als Herodian, dem er 13, 4 odium Al&candri vorwirft.

336

Die Scriptores historiae Angustae.

265

iquare Imperator etiam in exercitio quotidie milites detinebat äoHCÖv re ovv xal yvjuvdCcov rovg orgaridnag ov diehiJcev

ieratque in armis ipse magnus, avTÖg re ev onloig öjv

fexercitui et corpore multa semper osfendens. xal tÖv otgarov Tzagog/ucbv (vgl. 6, 8, 2 : roTg k'gyoig jidvxcov jiQorjyovjuevog).

Iet ista)n quidem factionem Maximinus ipse finxisse perJiihetur, Y] juev rfjg eTiißovkrjg (prjfxr] . . . eire dkr]'&rjg vndg^aoa eire vjiö Tov Ma^ijuivov ovoHevaa§Eioa.

ut materiam crudelitatis augeret

denique sine iudicio sine accusatione sine delatore sine defensore omnes interemit omnium bona sustulit

fxfjxe yäg xgioewg rivi /neradovg [xrjTe änoXoyiag jidvrag . . . e(pövevoev

et plus quattuor milibus hominum occisis se satiare non potuit

Fnit etiam sub eodem [actio desciscentihus sagittariis Ordroenis ah eodem oh amorem Älexandri et desiderium^ quem a Maximino apud eos occisum esse constabat, nee aliud persuaderi potuerat.

eyevETO de rig xal 'OogorjVMv xo^orcbv dnooxaoig , oi ndvn dXyovvxeg im rfj 'Aks^dvdgov xeXevxfj

denique etiam ipsi Titum unum ex suis sihi ducem atque imperatorem fecerunt, quem Maximinus privatum iam dimiserat: quem quidem et purpura circumdederunt, regic apparatu ornarunt et quasi sui milites obsaepserunt et invitum quidem.

negixvxovxeg xcbv dno imaxdag xal (p'ikoiv "Aksidvögov xivi (KovagxTvog de rjv övopa, ov Ma^ifxTvog EXJiljuxpag fjv toS oxgaxov) .... oxgaxrjyöv eavröjv xaxeoxrjoav nogcpvga xt, xal Jivgl Txgojiopjievovxi . . . exooprjoav em xe xrjv dgxv^ Yiyov ovxi ßovlofxevov.

Sed hie dormiens dornt suae ah uno ex amicis suis inter' fectus est, qui sibi doluit illum esse praepositum, Macedonio nomine,

Exeivog juev ovv ev xfj oxrjvfj xa^evdcov . . . vvxxcog . . . dvrjged^ vjio xov . . . doxovvxog cpilov . . . Maxeöayv fjv övopa avxtö

Die Scriptores historiae Augustae. 337

qui eum Maximino prodidit quique Caput eitis ad imperatorem

detulit. olöfievög re fieyäXa j^a^tteo^at zw Ma^t/aivco rijv xecpaXriv

OTIOTS/XCOV EXOfllOeV.

Sed Maximinus primo ei gratias egit, postea tarnen ut

proditorem odio habuit et occidit. b de . . exeivov . . . äjiexreivev (bg . . . ämotov . . . yevojuevov

Tiegl Tov (fikov.

His rebus in dies immanior fiebat ferarum more, quae vul- neratae magis exulcerantur.

Post liaec transiit in Germaniam cum omni exercitu et Mauris et Osdroenis et Parthis et omnibus quos secum Alexander ducehat ad bellum

IldvTa TOV oxQazbv ävaXaßwv xai ötaßdg äcpößwg Tr]v yecpvQav eiyezo t^? Jioög reo/navovg judyijg . . . eioijyaye MavoovoUov re äxovTioTcöv ägi^ixbr TzdjujiXeiorov xal to^otcöv 'Ooqotjvcöv .... xal et Tiveg IIaQ-&vaioiv .... 'Pco/naioig eöovXevov' xd de Tikri'dri xavra xov oxgaxov xal TiQÖxeoov vn ^Ake^dvbqov

rji&QOlGXO.

et oh hoc maxime orientalia secum trahehat auxüia, quod ntdli 266 maffis contra Germanos quam expediti sagittarii valent.

fidkioxa de oi dxovxioxal xal ol xo^oxai jigog xdg PeQfidvwv ^dyag enarjöeioi. öoxovoiv.

Imirandum autem apparatum belli Alexander habuit, cui Maximimis vvulta dicitur addidisse. rjv^Yjxo de vtio xov Ma^ifxivov

Ingressus igitur Germaniam Transrlietianam per triginta vel quadraginta milia barbarici soll vicos {inceiuiit), greges abegit, praedas sustulit, barbarorum plurimos interemit, militem divitem reduxit, cepit innumeros.

revofievog d' ev xfj Jiokefuq Maiijuivog 7iok}.T}v yrjv ijifjk'&ev . . . idijov xe ovv Ttäoav xrjv ywgav . . . xdg xe xcofxag i/uiijiQag diaQjidCeiv ididov xä> oxgaxcö.

et nisi Germani a campis (germani amnes die Hdschr.^ ad

paludes et Silvas confugissenf, 01 de reguavol djio fxev xiov nedkov . . . dvexeya>Qi]xeoav, ev

de xaXg v/.aig exovnxovxo Jiegi xe xd ekt] diexoißov.

omnem Germaniam in Romanam dieionem redegisset.

MOMSJSEN, SCHR. VII.

22

338

Die Scriptores liistoriae Augustae.

26'

(ipse praeterea manu sua multa faciebat, avxog 6 ßaodevg Trjg judyr]g 7]Q^ev.

cum etiam paludem ingressus circumventus esset a Germanis,

nisi eum sui equo inhaerentem liberassent. 6 Ma^iuXvog ä/ua rcp mnü) ejußaXcbv ig x6 eXog xakoi vjisq

yaorega rov mjiov ßgE^ojasrov

habuit enim hoc barbaricae temeritatis, ut putaret impera- torein manu etiam sua semper (pugnare) debere.

denique quasi navale quoddam proelium in palude fecit xriv re Xijuvr]v . . . 7i£Co/j.axovvn orgarcö vavjuaxiag öyjiv TiaQaox^Tv.

plurimosque illic interemit

rovg äv^eoTMiag icpövevoe ßagßaQovg.

Victa igitur Germania litter as Romam ad senatum et poptäum

misit se dictante conscriptas, xamr]v xi]v judxrjv xal xrjv ägioxeiav avxov ov juovov did

ygaju/bidxoiv xfj xs ovyxXrjxco xal xcb d^juM IdrjXwoEv

quarum sententia haec fuit (folgt der Brief und Urtheil des Aelius Cordus und des Schreibers über denselben).

lussit 2y>'(ieterea tabulas pingi ita, ut erat bellum ipsum gestum, et ante curiam proponi, ut facta eius xnctura

aXXd xal ygaqjfjvai xeXevoag /aeyioxaig elxooiv äve^rjxs Jigö xov ßovXevxrjgiov, ha jui) juövov dxoveiv, dXXd xal ßXeneiv h'ycooi 'PcojuaToi.

quas quidem tabulas post mortem eius senatus et deponi

iussit et exuri xrjv d' elxova voxegov xad^elXsv f] ovyxXijrog.

Fuerunt et alia sub eo bella plurima (ac) proelia, ex quibus

semper primus victor revertit yeyovaoi dk xal exegai ovjußoXat, iv alg cbg avxovgyog xe xal

avxoyeig xfjg judyrjg dgioxevmv xe navxayov ejcr]veixo

(et cum ingentibus spoliis et captivis. noXXovg de yELgo)od{xevog avrcüv aiyjuaXwxovg xal Xsiav djieXdoag

Extat oratio eiusdem (folgen deren Anfangsworte).

Die Scriptores historiae Augustae.

339

IPacata Germania Sirmium venu, Xeijuwvog ijdr] xaxaXafißdvovxog ijiavfjX^ev eg üaiovag ev re 2!iojuicp diargißcov

(Sarmatis inferre heUum parans rd jioog ttjv eioodov ig xo eag JiaQeoxevdCero.

j atque animo concipiens usque ad Oceanum septentrioncäes

partes in Eomanam dicionem redigere, quod fecisset, si

j vixisset, ut Herodianus dicit Graecus scriptor, qui ei

quantum videmus ob odium Älexandri plurimum favit.

fjneiXei ydo, xal jioiijaeiv ejiieXXev, exxoxpeiv xe xal vjioncd^eiv

xd fieygig ojxeavov FeQixav&v edvrj ßdoßaoa.

Diese Bearbeitung besteht, wie man sieht, abgesehen von der 268 Verkürzung und der mehrfach begegnenden Entstellung der Vorlage wesentlich in einer rhetorischen AmpÜfication von oft unerträgUcher Albernheit, wobei auch die an zwei Stellen eingelegten Urkunden lediglich die Vorlage mit gesteigerter Emphase wiederholen, und wobei mehrfach die Determinirung der unbestimmten Angabe ge- radezu in Fälschung übergeht: so werden aus der jioXXr} yi] 30 bis 40 Milien, aus den sämmtlichen hingerichteten Verschworenen 4000. Wenn dies am grünen Holz, einem wohl zusammenhängenden Bericht über den Thronwechsel und Maximins Kriegführung geschieht, so ist die Vorgeschichte desselben und die sogenannte Biographie seines Sohnes in noch ganz anderem Masse aus Interpolation hervorgegangen. Jene beruht wohl auch auf Herodian:

6, 8, 1 : i]v de xig iv xat oxoaxqj Ma^ifuvog övojjia, x6 juev yevog xcbv evöoxdxco Ogqxcov xal fxi^oßaQßdQCOv , dno xivog xcof-i-qg, (bg eXeyexo

nooreoov juh ev Tiaidl sioifxaivcov

ev dxjufj de xijg fiXixiag yevojuevog öid fxeye'&og xal ioyhv ocojuaxog ig xovg bi:ievovxag oxoaxio'ixag xaxaxayeig.

1, 5: hie de vico Ilirei- ciae vicino harbaris, bar- baro etiani patre et matre genitus

2^1: et in prima quidein pueritia fuit pastor

2, 2: prima stipendia eqiiestria huic ftiere: erat enim magnitudine corporis conspicuus, virtiUe intei' omnes milites clarus.

Aber was in der Biographie daran anknüpft, der gothische Vater und die alanische Mutter, das vor Severus aufgeführte Turnier, Maximins

22*

340 ^^ß Scriptores historiae Augustae.

loyales Verhalten gegen das severische Haus und so weiter, hat sicher keinen grösseren Anspruch auf Glaubwürdigkeit als die Zahl der 4000 Verschworenen. Noch zweifelloser gilt dies von der Novelle über den wunderschönen Sohn, von dem ein Kind zu bekommen Damenschwärmerei ist, den der Kaiser zum Collegen ernennt, um mit einem so reizenden Herrscher den Unterthanen eine Freude zu machen, dessen Schönheit die Römer noch bewundern, als man den Kopf an der Stange getragen bringt. Meines Erachtens ist mit der oben bezeichneten Ausnahme der gesammte Inhalt dieser Biographie entweder herodianisch oder apokryph.

Die hier dargelegte Benutzung der griechischen Quellen giebt 269 sich als Correctiv ^, und dazu ist sie berechtigt. Die Kaisergeschichte, wie sie in lateinischer Fassung in dieser Zeit vorlag, hat offenbar von den drei Gordianen, deren zwei allerdings Rom als Kaiser nicht gesehen hatte, den zweiten ausgelassen und den dritten in einen praefedus praetorio des ersten umgewandelt; es ist ein merkwürdiger Beleg für den herabgekommenen Culturzustand Italiens in dieser Epoche, dass der dritte Gordian erst in constantinischer Zeit mit Hülfe der griechischen Berichte wieder entdeckt ward^ und trotz dieser Entdeckung die ältere fehlerhafte Version sich noch bei Victor und Eutrop und selbst bei Späteren behauptet^. Auch mit der Hypothese, dass der Maximus der griechischen und der Pupienus der römischen Quelle vermuthlich derselbe Mann sei, hat der Verfasser es getroffen, so seltsam es ist, dass man bei solchen Fragen damals zur historischen Conjecturalkritik griff*. Es ist eine Ironie, aber

1) Beispielsweise Diadum. 2, 5: Herodianus Graecus scriptor haec praeteriens ; Alex. 57, 3: Herodianus auetor est contra miiUorutn opinionem. Durchgängig giebt dieser Schriftsteller den Griechen den Vorzug.

2) Vornehmlich Gord. 2, 1: Gordiani non, ut quidam imperiti scriptores loquuntur , duo sed tres fuerunt, idqiie docente Arriano (vielmehr Hei'odiano) scriptoi'e Graecae historiae, docente itetn Dexippo Graeco auctore potuerunt addis- cere, qui etiamsi hreviter, ad fideni tarnen omnia persecuti sunt. Dass unter den hier und anderswo gegen die Griechen zurückgesetzten Latini scriptores Victor und Eutrop gemeint sind, wie Dessau S. 372 annimmt, geht schon darum nicht an, weil auch nach Dessaus Ansicht der Biograph sich giebt als schreibend in constantinischer Zeit und dann doch unmöglich auf jene Späteren sich be- ziehen konnte. Auch ist notorisch dieser Fehler nicht bei jenen erst entstanden, sondern aus der älteren Quellenschrift übernommen.

3) Zonaras 12, 17 folgt der lateinischen Fassung, bringt aber als Variante den Tod der beiden Gordiane in Africa bei. Die unter Theodosius geschriebene sogenannte Epitome Victors aber führt drei Gordiane auf.

4) Diese Vermuthung wird an einer Reihe von Stelleu mit einer ebenso unerträglichen wie charakteristischen Weitläufigkeit und Selbstgefälligkeit entwickelt.

Die Scriptores historiae Augustae. 341

nicht minder eine Thatsache, dass diese schlechten Machwerke eine wissenschaftliche Leistung der constantinischen Zeit sind und theils durch Hinzuziehung besserer Quellen, theils durch Conjectur einige Erfolge aufzuweisen haben.

Die beiden vorhergehenden Biographien des Elagabalus und des Alexander tragen zwar einen wesentlich verschiedenen Charakter, insofern sie augenscheinlich hauptsächlich aus lateinischen Quellen 270 geflossen sind, und zwar die erstere sicher aus Marius Maximus, die zweite, wenn dieser wirklich mit Elagabalus geschlossen hat, aus einer gleichartigen Fortsetzung. Aber als secundäre Quelle begegnen auch hier dieselben Griechen: im Elagabalus (35, 1) werden sie im Allgemeinen neben den Lateinern angeführt und im Alexander sowohl Herodian (52, 2. 57, 3) wie Dexippus (49, 3).

Da die vitae diversorum jyrinciinim et tyrannornm a divo Hadrinno usque ad Kumerianum a diversis compositae zwar als ein Sammel-, aber doch auch als Gesammtwerk auftreten, also ein Sammtredacteur dafür gefordert wird, so liegt es am nächsten diesen in dem Urheber des jüngsten Abschnittes zu suchen und diesem zuzuschreiben, was in den übrigen sich als nachgetragen herausstellt. Das wird auch durch verschiedene Judicien bestätigt.

Die der ersten Gruppe eingelegten secundären Biographien können füglich von dem Redacteur der vierten Gruppe herrührend Wenn er die Reihen des Pollio und des Yopiscus mit denen der ersten Gruppe verknüpfte, so musste das Fehlen der Usurpatoren sich ihm aufdrängen und legte eine derartige Ergänzung nahe-. Dass die Biographien des Albinus und des Geta, obwohl sie in der diocletianischen Reihe stehen, dennoch dem Constantin dedicirt sind, spricht entschieden zu Gunsten dieser Vermuthung, und nicht minder spricht dafür, dass die drei oder vier Verfassemamen in der ersten Reihe und diejenigen dieses jüngsten Abschnittes dieselben sind; wie diese wunderliche Erscheinung immer sich erklären mag, sie knüpft diese beiden Massen gegenüber den von Pollio und von Yopiscus

1) Dass die Alex. 35, 1 dem Niger beigelegte Aeusserung in dessen Bio- graphie 11, 5 wiederkehrt, ist freilich ebenso unbeweisend wie umgekehrt die gänzlich abweichende Behandlung Diadumenians in dessen Biographie und in der des Elagabalus (8).

2) Man beachte die glückliche Auffindung der Schrift des Äemilius Parthe- nianus, qiii adfedatores tyrannidis iam inde a veteribus historiae tradidit, durch den Biographen des Cassius 5, 1 und die Klage desjenigen Nigers über die Be- schaffenheit der Quellenschriften für die 'Tyrannen (1, 1).

342 Die Scriptores historiae Augustae.

herrührenden enger zusammen. Nicht minder spricht für dieselbe, dass die beiden griechischen Historiker, welche der constantinische Redacteur in so ausgiebiger Weise compilirt hat, in den besseren

271 Biographien der ersten Gruppe nicht benutzt sind, wohl aber für den Albinus^, den Macrinus^ und den Diadumenianus ^ Sehr bemerkens- werth sind auch die Verweisungen auf den angeblichen Cordus, welcher zweimal (Alb. 5, 10. Maximin. 12, 1) Aelius, neunmal (Macrin. 1, 3. Maximin. 27, 7. Gordian. 5, 6. 12, 1. 14, 7. 17, 3. 21, 3. 4. 22, 2. Max. et Balh. 4, 2. h) Junius genannt wird: diese erscheinen massenhaft in den drei maximinisch - gordianischen Biographien, daneben aber nur in der des Albinus und der hybriden des Macrinus, und überwiegend für die imperatores obscuriores, mit denen er sich besonders beschäftigt haben soll (Macrin.i, 3^, so gut wie ausschliesslich bei den mythistoriae (Macrin. 1, 5j, den frivola (Albin. 5, 10), den fabellae (Maximin. 31, 4^, den ridicula et stulta (Gord. 21,3^, wie der Biograph selbst sie nennt, die das private Verhalten der Kaiser schildern. Alle Angaben, bei denen Cordus genannt wird, sind höchst verdächtig, zum Theil sicher gefälscht, wie denn insbesondere verschiedene gefälschte Urkunden bezeichnet werden als ihm entnommen (Albin. 7, 2, Maximin. 12, 7. Gord. 5, 6. 12, 1. 14, 7). Dass dieser Cordus sonst nirgends genannt wird, kann gegen die Zuverlässigkeit dieser Citate allerdings nicht geltend gemacht werden ; aber noch weniger wird sie dadurch gestützt, dass der Verfasser der Biographien , trotzdem er dem Cordus lange Abschnitte entnimmt, ihn zugleich mit äusserster Geringschätzung behandelt und sich ihm gegenüber überall auf das hohe Pferd des moralischen Historikers setzt: ea debent in historia poni ab historio- graphis, quae aut fugienda sunt aut sequenda (Gord. 21, 4). Mehr als blos verdächtig ist es, dass im Leben des Maximinus (12, 7) die anekdotische Amplification der herodianischen Erzählung ausdrücklich

272 auf Cordus zurückgeführt wird. Hätte der Schreiber neben dem

1) 1, 2. 12, 14 Herodian.

2) Genannt werden die Griechen in dieser Biographie nicht; aber der ganze Abschnitt 8, 3 10, 4 ist Auszug aus Herodian 4 fin. 5 in. Beispiels- weise ist die Notiz über die Maesa 9, 4: post mortem Antonini Bassiani ex aulica domo fuerat expulsa per superbiam, cui qiiidem omnia concessit Macrinus quae diu illa collegerat deutlich üebersetzung [53, 2] : zi]v de Matoav zavTtjv 6 MaxgTvog fierä T^v . . 'AvTCOvivov . . dvaigsaiv ngoasra^ev ig rijv nargida ijiave?.&ovaav iv roig oixsloig xaraßiwvai , oiävra e'xovaav iavzrjg ' nXsiatoov 8e fjv ;f ß>/|tarwv avcmXswg ate fiaxQ^ XQÖvcp ßaadix^ i^ovaiq ivTe^QafiinEvr]. Die Schlussbemerkung über die Caesarstellung des Sohnes kehrt genau ebenso wieder im Diadumenian 2, 4 und hier als aus Herodian entnommene Variante.

3) 2, 5 Herodian.

Die Scriptores historiae Augustae. 343

Griechen eine selbständige Anekdotenbiographie benutzt, so könnte sie unmöglich so eng an jenen sich anlehnen; hier sind nicht zwei Quellen contaminirt, sondern es sind bei der üebersetzung des Herodian Fälschungen eingelegt worden, welche die zugehörigen Citate noth wendig einschliessen. Der Biograph hat für die anek- dotischen Erfindungen, die er nicht unterdrücken konnte und deren er doch mit gutem Grund sich selber schämte, in diesem Pseudo- Cordus sich zugleich einen Gewährsmann und einen Prügelknaben ■geschaffen.*)

Auch in die von Pollio herrührende Biographienreihe hat der Verfasser dieser jüngsten Abtheilung eingegriffen. Den Biographien der sogenannten dreissig Tyrannen ist ein durch den Tadel, den die Aufnahme zweier Frauen, der Zenobia und der Victoria, bei dem Publicum fand, veranlasster Nachti-ag angehängt, worin der Verfasser zwar in seiner Weise die Aufnahme der angefochtenen Biographien rechtfertigt und sie denn auch stehen lässt, aber doch davon Veran- lassung nimmt zwei nicht unter jenen Dreissig aufgeführte Männer, den Titus und den Censorinus anzuhängen, zugleich bemerkend, dass er auch in dem Körper des Werkes dem Tyrannen Valens einen älteren gleichnamigen Usurpator (c. 20) zugesetzt habe. Diese alberne Procedur, deren Verkehrtheit noch dadurch gesteigert wird, dass der ältere Valens und der Titus zu den Usurpatoren der gallienischen Zeit gar nicht gehören, tritt auf als Selbstcorrectur; aber wie bei den Zusätzen zu der ersten Gruppe scheint auch bei der von Pollio herrührenden der Sammtredacteur unter den Xamen der ihm vor- liegenden Biographen zu arbeiten. Wenn nicht zwischen Pollio und dem Schilderer der maximinisch - gordianischen Zeit ein Verhältniss bestanden hat wie zwischen den associirten Lustspielschreibem unserer Tage, so ist der Urheber dieses !Xachtrages kein anderer als dieser Schriftsteller selbst. Denn nicht blos wird in diesem Nachtrag auf Dexippus und Herodian ganz in der gleichen Weise hingewiesen wie in den Biographien Maximins und der Gordiane, sondern jener sowohl im Maximin wie in diesem Nachtrag, und in diesem mit ausdrücklicher Beziehung auf Herodian, unter dem Namen Titus auftretende Usurpator heisst bei Herodian Quartinus, welche Verlesung und Verstümmelung doch nur einmal begangen sein kann. Wenn ferner in diesem Nachtrag (33, 6) der gentes Flaviae gedacht wird, so ist es zwar nicht schlechthin unmöglich, dass die

*) [S. dagegen KKlebs, Rheio. Mus. 47, 1892, S. 21, 3 und H.Peter, Die Script, bist. Aug., Leipz. 1892, S. 237.]

344 Die Scriptoies historiae Augustae.

273 Uebereignung des Grabmals des vespasianischen Hauses an das zweite flavische Kaisergeschlecht ^ bereits in den letzten Jahren Diocletians stattgefunden hat; aber bei weitem besser passt diese Angabe auf die spätere Zeit des ersten Constantin. Allerdings wird dann auch die zweite Erwähnung dieses Grabmals im Leben des Claudius nicht von Pollio, sondern von dem jüngeren Biographen herrühren und eine Einlage sein ähnlich wie die Biographie des älteren Valens, zu welcher letzteren der Urheber des Nachtrags sich ausdrücklich bekennt. Endlich die im Leben des GalUenus^ be- gegnende sehr auffallende Bemerkung, dass es in Byzanz gar keine alten Adelsfamilien gebe, scheint allerdings, nach Dessaus feiner Bemerkung, hervorgegangen aus der Eifersucht eines Bürgers der alten Reichshauptstadt auf die nova Borna und kann, wenn dies zutrifft, nicht unter Diocletian geschrieben sein; dagegen passt sie vortrefflich auf das letzte Decennium der cor die Nebenbuhlerin am Bosporus erbaut ward.

In dieser Weise scheint unter Diocletian und Constantin I. die uns vorliegende Sammlung der Kaiserbiographien von Hadrian bis auf Carus successiv entstanden und um das J, 330, wesentlich in der Form in welcher sie uns vorliegt, zum Abschluss gekommen zu sein. Aber Dessau hat erwiesen, dass dies nur mit Einschränkungen gilt und die Sammlung noch später weiterer Manipulation unterlegen hat. Es finden theils sich Abschnitte darin, welche nachconstantini- schen Schriftstellern entlehnt sind, theils sachliche Hindeutungen auf Personen und Verhältnisse der valentinianisch-theodosischen Zeit.

Die weit gehende Uebereinstimraung der Capitel 16 und 17 des Marcus mit dem entsprechenden Abschnitte des bald nach 364 ge- schriebenen Breviarium des Eutropius und der Capitel 17. 18. 19 des Severus mit der Lebensbeschreibung desselben Kaisers in den im J. 360 abgeschlossenen Kaiserbiographien des Aurelius Victor hat seit langem die Forscher zu dem Dilemma geführt, dass entweder beide Autoren aus derselben Quelle geschöpft haben müssen oder der eine aus dem anderen. Dass aber die erstere Hypothese mit 274 der Freiheit, mit welcher Eutrop und mehr noch Victor ihre Quellen behandeln, schlechthin unvereinbar ist und die zweite unter Aner-

1) Trig. tyr.Zd,6; Claud. S, 6. Vgl. meine Ausführung im N.Archiv für deutsche Geschichtskunde 14, 536 [s. o. S. 315, 1].

2) 6, 9.

Die Scriptores historiae Augustae. 345

kennung der Priorität Eutrops und Victors bei genauerer Yergleichung sich in sich selbst als allein zulässig erweist, hat Dessau in ab- schliessender Weise entwickelt.*) Die diesen grösseren Entlehnungen sich anschliessenden gleichartigen kleineren sind wenig zahlreich und wenig bedeutend.

Unter den sachlichen Zusätzen aus späterer Zeit steht in erster Reihe das merkwürdige Probusorakel. Posten Probi, heisst es am Schluss der Biographie dieses Kaisers^ .... Roma (urbe) fugenmt et in Italia circa Veronam ac Benacwn et Lariiim atque in his regionibiis larem locaverunt. sane quocl praeterire [non potui, cum imago Probi in Veronensi sita fuhnine icta esset, ita ut eius praetexta colores mutaret, hariispices responderunt Jmius familiae posteros tantae in senatu clarifudinis fore, ut omnes summis honoribus fungerentur: sed adhuc neminem vidimus: posteri auiem aeternitatem videntur habere {fi)on{or)um. Es kann dies, wie Dessau schlagend erwiesen hat, sich nur beziehen auf das gleichnamige Haus des 4. Jahrhunderts, welches wir zurückverfolgen können auf den Consul des J. 322 Petronius Probianus- und dem dann in den folgenden Generationen entsprossen sind Petronius Probinus, Consul 341; sodann Sex. Petro- nius Probus, Consul 371, derselbe, von dem kürzlich bei Gelegenheit der Hieronymuschronik in dieser Zeitschrift gehandelt ward^ der nächst dem Kaiser mächtigste und der reichste Mann seiner Zeit; endlich die Brüder Olybrius und Probinus, beide Consuln im J. 395. Dass diese Petronier. vermuthlich zu Unrecht, ihren Stammbaum an den Kaiser M. Aurelius Probus anknüpften, bestätigt die Hinweisung des Biographen auf Verona, nachweislich die Heimath der Probi des 4. Jahrhunderts. Der Schreiber dieses raticinium post evetitttm braucht, wie auch Dessau bemerkt, nicht gerade das Consulat der letztgenannten Brüder im Auge gehabt zu haben; man kann sogar einräumen, zumal da in der dürftigen Ueberlieferung der constantini- schen Epoche alle Xachrichten über die Consuln von 322 und 341 275 fehlen, dass unter Constantius H. oder Julianus so hat geschrieben werden können; unter Constantin I. aber würde dies in der That

*) [Gegen die direkte Abhängigkeit der vita von Eutropius s. Leo a. a. 0. S. 290, 1 und die dort angeführte Literatur.]

1) Prob. 24. Ueberliefert ist romanam refugenint und am Schluss non modum; was ich für beides gesetzt habe, ist unsicher. Hirschfeld schlägt vor Romanum larem fugernnt und fasst modtnn als Grenze.

2) Dass der Consul Probus des J. 310 dessen Vater ist , wie Seeck (zum Symmachus p. XCIV) annimmt, ist mindestens ungewiss; die Nichterwähnung desselben in der Inschrift von Verona C. V 3844 [= Dessau 1266] spricht dagegen.

3) 24, 399 f. [Vgl. unten nr. LXVL]

346 Die Scriptores historiae Augustae.

ein vaticinium ante eventum gewesen sein. Auch verräth der Schreiber selber deutlich genug, dass er die nachconstantinische Epoche im Sinn hat; die Bemerkung, dass die Erfüllung dieser Weissagung noch ausstehe und bis jetzt (adhuc) keiner der bezeichneten Nach- kommen zu der verheissenen ausserordentlichen Ehre gelangt sei, führt mit Nothwendigkeit darauf, dass, wer dieses schrieb, sich dessen bewusst war einen frühestens der Mitte des 4. Jahrhunderts ange- hörenden Vorgang in eine aus dem Anfang desselben datirenden Schrift einzuschwärzen , was denn freilich den Werth des Orakels beträchtlich erhöhte.

Wahrscheinlich hat sich diese Manipulation nicht auf den eben ausgeführten Fall beschränkt^. Dass der im Leben des Severus^ unter sehr verdächtigen Angaben genannte Clodius Celsinus dem Stadtpräfecten des Jahres 351 , der in einer nicht minder unglaub- würdigen Notiz im Leben Aurehans ^ vorkommende Faltonius Probus dem Stadtpräfecten des Jahres 391 gleichnamig sind, würde an sich nicht hindern diese Angaben einem Schriftsteller der constantinischen Zeit beizulegen; die genannten Männer können füglich von gleich- namigen uns unbekannt gebliebenen vornehmen Vorfahren abstammen. Aber der Stadtpräfect des J. 351 war der Gemahl einer Proba, diese eine Angehörige des eben erwähnten Hauses, vielleicht die Schwester des Consuls Probinus 341*, der Stadtpräfect des J. 391 wahrschein- lich der Sohn des Celsinus und der Proba; es ist danach kaum abzuweisen, dass die Beziehungen des Diaskeuasten zu diesem mächtigen Geschlecht auch hier eingewirkt haben. Hinzugefügt werden 276 kann noch der Probus, den Kaiser Severus zum reichen Mann und zu seinem Tochtersohn und zum Consul gemacht haben soll und der dann die Stadtpräfectur ausschlug als eines kaiserlichen Schwieger- sohns nicht würdig; wenigstens weiss von diesem sonst niemand als diese Biographiensammlung ^. Andere von Dessau hervorgehobene

1) Der Consul Furius Placidus, von dessen kürzlich (proxime) gegebenen prächtigen Spielen Vopiscus Aur. 15, 4 spricht , kann nicht wohl der consul Ordinarius des J. 343 M. Marcius Memmius Furius Baburius Caecilianus Placidus sein (C. I. L. X 1700 [= Dessau 1231]), da die Behandlung des Probusorakels zeigt, dass der Diaskeuast der Schrift den Charakter als diocletianisch-con- stantinischer zu wahren bemüht war und eine derartige oflt'en liegende Inter- polation sich damit nicht vertragen würde. Es wird also ein älterer gleichnamiger suffectus gemeint sein (vgl. Henzen 5699 [= C. 1. L. XI 5740. Dessau 8133]).

2) 11, 3. 3) 40, 4.

4) Sie ist die Verfasserin eines verlorenen Preisgedichts auf Constantins Sieg über Maxen tius und eines noch vorhandenen vergilischen Cento.

5) Sever. 8. Ich verdanke diese Hinweisung Hirschfeld. Desselben Kaisers zugleich erwähnter zweiter Schwiegersohn Aetius ist nicht minder unbekannt,

Die Scriptores historiae Augustae. 347

Coincidentien sind von geringerer Beweiskraft. Die Gleichnamigkeit des im Leben des Niger ^ genannten Ragonius Celsus mit einem um das J. 338 fungirenden praefecttis amionae kann zufällig sein. Noch weniger wird darauf Gewicht gelegt werden können, dass ausser dem im Leben des Maximinus ^ genannten Toxotius dieser Name nur bei dem Gemahl und dem Sohn der dem Hieronymus befreun- deten, im J. 404 verstorbenen Paula begegnet, zumal da die sig^m, zn welchen diese Benennung gehört, in der früheren Zeit keineswegs in dem Umfang die legitime Benennung überwogen haben, wie dies nachher der Fall ist. Sicher hat die Erzählung von Maximinu» Herkunft von einem gothischen Vater und einer alanischen Mutter keine Beziehung zu dem Uebertritt der Barbaren vom linken Ufer der Donau auf das römische Gebiet unter Valens und Theodosius; [lie Alanen werden wohl unter den Völkern des linken Ufers genannt, die damals den Römern zu schaffen machten, aber nicht unter denen, die zu dieser Zeit oder überhaupt jemals in Thrakien ansässig wurden, und, was die Hauptsache ist, die Erzählung selbst spricht >ar nicht von einem Zusammenwohnen der Gothen und Alanen in Ihrakien, sondern von einem gothischen Mann und einer alanischen Frau, die in einem vicus TJireiciae mcinus harbaris sich zusammen- fanden und aus deren Ehe dieser Thraker entspross, welcher dann in seinem Heiraathdorf sich ankauft und mit den Gothen imd den Alanen, die des Handels wegen an den Grenzstrom kamen, freund- jchaftlich verkehrt. Dies passt völKg zu den Wohnsitzen, welche beide Völkerschaften zu Anfang des 4. Jahrhunderts wahrscheinlich eingenommen haben. Indess es kommt wenig darauf an, ob der Diaskeuast der theodosischen Epoche etwas mehr oder eti^as weniger in 277 jeine Vorlage hineingetragen hat; das Vorkommen derartiger Fäl- schungen ist meines Erachtens von Dessau ebenso sicher erwiesen ^ie die Entlehnung einzelner Abschnitte aus nachconstantinischen Schriftstellern.

Nicht genügend erwogen aber ist der Zusammenhang, in dem lie sicher nachconstantinischen Abschnitte in den Biographien auf- Teten. Dieselben charakterisiren sich auch äusserlich auf das Be- itimmteste als Einlagen. Hinsichtlich der Beziehimg dieser Bio- graphien zu Victor und Eutrop ist es völlig ausgemacht, dass die

md es ist wenigstens befremdend, dass der Name sonst in den vornehmen Preisen nicht vorkommt vor Severus Aetius Proconsul von Aehaia in den ^ 396 401 (Athen. Mittheil. 6, 312) und im J. 419 Stadtpräfect von Constantinopel C. Th. 14, 6, b) und dem bekannten Feldherrn Valentinians III (f 454). 1) 3, 9. 2) 27, 6.

348 I^iß Scriptores historiae Augustae.

zahlreichen Uebereinstimmungen in richtigen wie in fehlerhafter Angaben zwischen Victor und Eutrop einer- und den Biographier andererseits grösstentheils auf die Benutzung einer gemeinschaftlicher verlorenen lateinisch geschriebenen Quelle zurückgehen. Aus jener Schriften selbst ist dagegen wenig mehr in die Biographien über- gegangen als die beiden früher bezeichneten Abschnitte, von welcher die Aufnahme des von Victor herrührenden den Severus betreffender offenbar dadurch veranlasst worden ist, dass dieser seinen Landsmanr mit einer Vorliebe schildert wie keinen anderen Herrscher; für di( Entlehnung des Marcus aus Eutrop mögen die eingehenden Angaber über die Palastauction bestimmend gewesen sein. Beide Abschnitte sind längst anerkannt als eingelegte Doubletten, denen ein ander gefasster Bericht über dieselben Vorgänge vorausgeht.*) Unter der Stellen, welche sachlich auf spätere Zeit hinführen, ist bei dei wichtigsten von allen, der Weissagung über Probus Nachkommen die Einlage, wie Hirschfeld mir bemerkt, gleichfalls handgreiflich an die Klage um den Tod des Kaisers 23, 5 schliessen die Worte 24, 4 senatus mortem Prohi gravissime accepit, aeque populus unmittel bar an und die Verbindung wird übel unterbrochen durch das da zwischen stehende Orakel über seine Nachkommen. Wenn als( einerseits die Sammlung sich herausgestellt hat als geschrieben ir der diocletianisch-constantinischen Zeit, andererseits die eben be zeichneten Stellen wenigstens ein halbes Jahrhundert jünger sind so vereinigen sich beide Beobachtungen darin, dass die letzterer auch an sich selbst als Einlagen erscheinen und durch deren Aus Scheidung der Zusammenhang nicht blos nicht gestört, sondern ge bessert wird.

In wie weit der zweite Diaskeuast sachlich und sprachlich di( Vorlage umgestaltet hat, lässt sich nur annähernd bestimmen. Zu der 278 Einlagen aus Victor und Eutrop, wo wir ihn zu controliren ver- mögen, hat er einzelne sachliche Zusätze gemacht, von denen einei aus den Kaiserbiographien selbst herzurühren scheint^, die anderer geringfügig und untergeordneter Art sind 2, Wenn, wie dies Dessai ausführt, bei jedem Kaiser angemerkt wird, ob er keinen Wein odei

*) [Daß es sich nicht um eingelegte Doubletten handelt, erweist E. Klebs Rhein. Mus. 45 , 1890, S. 439 f. unter Zustimmung von F.Leo, Die griech.-röm Biographie, Leipz. 1901, S. 288 Anm.]

1) Die Notiz über Severus Oelspeuclen 18, 3 rührt wohl her aus Alex. 22,2

2) Dies gilt von der Notiz über Hadriaus Daktyliothek Marc. 37,4, di( sonst nicht vorkommt, und über die Annahme des Titels Britanniens dural Severus Sev. 18, 2.

Die Scriptores historiae Augustae. 349

den Wein mit \\'asser oder zu viel trank und wenn die griechischen Sprüche durchgängig in lateinischer Uebersetzung vorgetragen werden ^, 50 mag dies und ähnliches erst bei der zweiten Diaskeuase einge- treten sein. Wenn von den fünf völlig gleichartigen Doppelcitaten :les Herodian und des Dexippus Maximin. 33, 3. Gord. 2, 1. 3Iax. it Balh. 1,2. 16, 6. Trig. tyr, 32, l der Name Herodians nur an den beiden letzten Stellen richtig steht, an den drei übrigen unter sich konnexen dagegen in Arrianus entstellt ist. so kann diesen drei- fachen Irrthum nicht wohl begangen haben wer den Herodian selbst Denutzt hat, wie dies von dem ersten Diaskeuasten vorher nach- gewiesen ward; allem Anschein nach hat der zweite Diaskeuast, ndem er die mit einem Schreibfehler ihm überlieferte Notiz an irei verschiedenen Stellen eintrug, den Fehler vervielfältigt, also luch hier Zusätze gemacht. Keineswegs aber darf die Ueber- irbeitung, welche oben dem constantinischen Kedacteur beigelegt vurde, auf den letzten Diaskeuasten übertragen werden; wie denn luch die Correctur der lateinischen Yulgaterzählung durch die reinere p-iechische Ueberlieferung nicht wohl in so späte Zeit hinabgerückt Verden kann. Dem letzten Diaskeuasten dürften ausser Yictor und Eutrop schwerlich sachliche Quellen von Belang zu Gebote gestanden laben. Auch die Interpolationen können, von dem Probusorakel md analogen Adulationen abgesehen, unmöglich erst durch ihn lineingekommen sein ; eben die inhaltlosen und gefälschten Abschnitte ragen am deuthchsten den Stempel einer früheren Epoche.

In der Fassung finden sich in den aus Victor und Eutrop 5t3nommenen Abschnitten neben den selbstverständlich nicht fehlenden Verkürzungen und Entstellungen ^ auch mehr oder minder berechtigte 279

1) Nur im Alexander wird 52, 2 ein Wort Herodians griechisch cittrt und .8, 5 ein griechischer Vers in beiden Sprachen gegeben.

2) Victor: Adiabene quoqiie, ni tei'rarum macies despectaretur , in tribtttarios o>icessisset. Der Biograph : Adiahenos in tributarios coegit. Unter den von Marcus 'erkauften Gegenständen nennt Eutrop tasa aurea, poctila crystallina et murrina ind ähnlich der Biograph in der aus der Quelle Eutrops geflossenen Erzählung 'l,d pocula et vasa aurea, dagegen in der aus Eutrop entlehnten 17,4 aurea )07ida et crystallina et murrina, vasa etiam regia incorrect; denn angemessen vird das Goldgeschirr zusammengefasst neben den Bechern von Krystall und Jlas, wogegen kein Grund ist im Goldgeräth die Becher besonders auszuzeichnen ini die rasa regia keinen Gegensatz zu den Bechern machen. Offenbar verband le:: Schreiber bei Eutrop aurea mit pocida statt mit vasa. Der alberne Zusatz Mirc. 18, 1: cum . . . ab aiiis modo frater modo pater modo filius nt cuiusque aetas inebat et dicerettir et amaretur stammt aus Julian 4, 1 : unumquemque, ut erat \etix8, vel patrem vel filium vel fratretn adfatus.

350 ^^® Scriptores historiae Augustae.

Correcturen ^. Den Wortlaut hat er im Allgemeinen beibehalten aber doch nicht selten variirt: für indicere provincialihus aut senatu aliquid wird gesetzt in animum inducere, ut extra ordinem provin cialihus aliquid imperaret; centum simul leones wird erweitert ii centum leones una missione simul exhihere et sagittis interficere; zi den tribuni, centuriones ac cohorfes der Quelle werden die ducei hinzugefügt. Von den zahllosen Wiederholungen in den uns vor- liegenden Texten, von den Störungen der richtigen Ordnung, vor den überall im Einzelnen hervortretenden Absurditäten der Fassung 280 von der aller Emendation^ spottenden Behandlung der Sprache insbesondere der Tempora und der Partikeln hat der letzte Diaskeuasi sicher einen Theil verschuldet. Dass auffällige Phrasen wie das n litteras mittere in allen Abschnitten wiederkehren^, mag wohl seir

1) Victor, der den Rivalen des Severus Didius an Salvius lulianus nenni (so beide Handschriften), sagt von Severus: SaMi nomen atque eins Scripte factave aboleri ivbet, quod unum effici nequivit. Er identificirte also den Kaisei Didius Julianus mit dem Juristen Salvius Julianus und bemerkte dann, das; trotz der von Severus verfügten Rescission der acta seines Rivalen das julianischt Edict in Kraft geblieben sei. Wenn der Biograph, der dem Kaiser Julianui •den richtigen Namen giebt und ihn zu einem Urenkel des Juristen macht, jen« Angabe also wiedergiebt ([Sev.] 17, 5): Salvii luliani decreta iussit aboleri, quoä non obtinuit, so hat er den groben Fehler zwar nicht beseitigt denn sicherlicl: hat Severus nie daran gedacht die Rescission der acta des Kaisers auf das Edict des gleichnamigen Rechtsgelehrteu zu erstrecken , aber doch bis zi einem gewissen Grade berichtigt. Nicht mit Recht nennt Dessau S. 364 dies eine Verdrehung der Vorlage. [Vgl. gegen Dessau auch Leo a. a. 0. S. 287 Anm. Eine andere Correctur findet sich Marc. 17, 4: nach Eutrop. 8, 13 (ebenso Victoi ■epit. 16) giebt der Kaiser in Auction uxoriam ac suam sericam et auream vestem

nach dem Biographen vestem uxoriam sericam et auratam, vermuthlich weil ei an der seidenen Garderobe des Philosophen anstiess. Ein drittes Beispiel giebt Severus Annahme des Beinamens Pertinax. Es sei dies, meint Victor, geschehen wegen seiner acerbitas, obwohl viele es auf die moruvi parsimonia bezögen, was ■der Biograph umkehrt: non tarn ex sua voluntate (vielleicht hier die Willens- festigkeit oder auch verdorben) quam ex morum parsimonia.

2) Es wird wahrscheinlich in unseren Ausgaben nicht selten den Abschreibern zur Last gelegt, was der Schriftsteller, insbesondere der letzte Diaskeuast ver- schuldet. Der Accusativ bei Ortsnamen, die Behandlung der Landschaftsnameu nach Analogie der städtischen, auch wohl manche constructionslose Sätze fallen vermuthlich diesem zur Last.

8) Indess ist auch in dieser Beziehung das Vertrauen auf die in den Sub- «criptionen überlieferten Namen der Untersuchung nachtheilig gewesen. In litteras mittere, sagt Dessau, kommt sechsmal bei Pollio, viermal bei Vopiscus, fünfmal bei Lampridius, je einmal bei Spartian, Vulcacius und Capitolinus vor. Aber die Kaiserbiographien des ältesten Abschnitts haben den Ausdruck nicht, sondern nur die secundären des Avidius (Vulcacius) und des Niger (Spartian; in

Die Scriptorea historiae Augustae. 351

"NVerk sein. Doch hat er schwerlich mit dem Hauptwerk so frei geschaltet wie mit den von ihm gemachten Einlagen; eine eigent- liche Umschreibung wird durch das früher nachgewiesene Festhalten des technischen Sprachgebrauchs der diocletianisch-constantinischen Epoche ausgeschlossen.

Indess die Gleichförmigkeit der ganzen Sammlung ist ohne Zweifel durch die zwiefache Ueberarbeitung wohl gesteigert, aber nicht erst in sie hineingetragen worden und insbesondere die hier waltende Fälschung, wie gleichartig immer sie auftritt, gewiss nicht das Werk einer Hand. Wenn neben Abschnitten, die in der knappen Aneinanderreihung mannichfaltiger , auf gleichzeitigen Berichten be- ruhender Thatsachen dem suetonischen Muster sich anreihen, überall, wo der Stoff versagt, die Lücken durch mehr oder minder freie Erfindung gefüllt werden, so beruht dies darauf, dass diese Bio- graphien ungefähr zu gleicher Zeit und am gleichen Ort entstanden sind und dass in dem sinkenden kaiserlichen Rom die Geschichts- ialschung ebenso epidemisch grassirte wie in dem sinkenden repu- blikanischen. Alexander Polyhistor, Talerius Antias, Licinius Macer sind ebenso gleichartig und ebenso verschieden wie Trebellius Pollio und Flavius Yopiscus; die Auferstehung der libri lintei^ ist die rechte 2Sl Signatur dieser Erscheinung. Die Myth-Historie, wie sie selber sich nennt und deren Programm die Vorrede zum Aurelian in wünschens- werther Klarheit entwickelt , ist eine litterarische Gattung wie der Itäuberroman, imd wo dergleichen Missformen auftreten, fehlt es nie an Adepten, von denen einer den anderen fortsetzt und überbietet-.

Möchten diese Erörterungen dazu beitragen, uns endlich eine für den Historiker brauchbare Ausgabe der Kaiserbiographien zu verschaffen. Wie sie jetzt vorliegen, ist man bei dem Gebrauch des ebenso gefährlichen wie unentbehrlichen Buches in stetiger Verlegenheit und Unsicherheit. Ich meine damit nicht die kritische Grundlage, welche im wesentlichen feststeht, wenn gleich auch in •dieser Hinsicht der Apparat noch zu wünschen übrig lässt; wir brauchen einen Commentar, welcher für jede einzelne Notiz die in

Ulros mittere das. 9, 1). Ebenso findet sich rei ptiblieae necessarius in dem ältesten Abschnitt nicht, sondern nur in den Biographien des Avidius und des Niger so "Wie in den nachseverischen. Auch die Verwendung von iudex für den Provinzial- Tcrsteher begegnet nur in den jüngeren Abschnitten (S. 240 A. 2 [S. 313 A. 2]).

1) Atirel 1, 7. 10.

2) Dies gilt auch im Einzelnen. Nachdem Pollio den Senat auf gut ciceronisch im Castortempel zusammentreten lässt (Valer. 5, 4), beraumt der Biograph Maximins (16, 1) dort ebenfalls eine Senatssitzung an.

352 Die Scriptores historiae Augustae.

der Sammlung selbst so wie ausserhalb derselben auftretenden Parallelstellen vor die Augen führt oder auch deren Mangel constatirt, und wir brauchen ein wenigstens die sachlich wichtigen Ausdrücke vollständig zusammenfassendes und chronologisch controlirendes Wort- verzeichniss.*) Erst wenn beides vorliegt, wird es für den Historiker einigermassen möglich sein die einzelnen Angaben in richtiger Weise entweder zu verwerthen oder abzuweisen.

Zur handschriftlichen Ueberlieferung.**) Die beiden Handschriften der Kaiserbiographien, die der ehe- maligen Heidelberger Bibliothek (Vatic. Fol. 899^ = P und die der Bamberger (Elil 19^ = 5, von denen jene in das 10. Jahrhundert i, diese in das 9. gesetzt wird, gelten bekanntlich als Abschriften des- selben Originals und insofern als gleicher Autorität. Mir hat indess die Prüfung ihrer Lesungen hieran Zweifel hervorgerufen. Dass beide auf das engste verwandt sind, ist ebenso evident wie dass an nicht wenigen Stellen die angeblich jüngere die richtige Lesung allein bewahrt hat. Es genügt in dieser Hinsicht auf die durch P 282 ausgefüllten Lücken der Handschrift B zu verweisen, welche Peter praef. p. X zusammengestellt hat. Dagegen habe ich vergeblich nach sicheren Belegen gesucht für nicht conjecturale Verbesserung des Textes von P durch B und wie schon vor Jahren ein Anonymus (vgl. Peter jarae/*. p. YHI) von den Varianten der letzteren Hand- schrift den Eindruck gewonnen, dass sie aus der ersteren abge- schrieben ist. Erschwert wird die Untersuchung über das zwischen beiden Handschriften bestehende Verhältniss durch die in beiden sich vorfindenden zahlreichen Correcturen verschiedener Hände. Die durch Jordan und Peter vorgenommenen Vergleichungen der Heidelberger lassen bei aller darauf verwandten Sorgfalt dennoch, wie es kaum anders sein kann, manchem Zweifel Raum hinsichtlich der Frage, welche in P vorgenommenen Aenderungen von dem ersten Schreiber oder einem gleichzeitigen Corrector herrühren und also in eine früh genommene Abschrift übergegangen sein könnten. Ich bat daher unsere römischen Freunde probeweise einen Abschnitt

*) [Dieser Forderung wird jetzt entsprochen durch C. Lessing, Script, hist. Aug. lexicon, Leipz. 1901 ff. Eine Ausgabe in Mommseus Sinn ist von Dessau zu erwarten.]

**) [Vgl. zum Folgenden Dessau, Hermes 29, 1894, S. 393 ff., der Mommsens Nachweis bestätigt.]

1) Meine sachkundigen Freunde erachten die Handschrift nicht jünger als das 10. Jahrhundert. [Rühl bei Peter, Berl. phil. Wochenschr. 1897 Sp. 814 setzt sie ins 9/10. Jh., die Bamberger ins 11.]

Die Scriptores historiae Augustae. 353

der Heidelberger Handschrift in der Weise für mich vergleichen zu wollen, dass die Abweichungen der Bamberger dabei berücksichtigt werden möchten, imd diese von Hrn. Dr. Bethe für die vita Alexandri 1 27 (p. 247 267, 10 Peter) in gewissenhaftester Weise vorge- nommene Revision lege ich hier znr Prüfung vor. Wo nichts be- merkt ist, hat dieselbe Peters Angaben lediglich bestätigt. Bei Aenderungen erster Hand bezeichne ich die erste Schreibung P*, die zweite P*, bei Aenderungen zweiter oder dritter Hand die Lesungen durch P^P^P^, wo die bessernde Hand nicht bestimmbar ist, durch P*"*. Wo eine derartige Variante allein angegeben wird, stimmt die correlate Lesung mit Peters Text. Die Lesungen der Bamberger Handschrift sind der Peterschen Ausgabe entnommen, diejenigen, welche aus Peters Stillschweigen sich ergeben, bezeichnet als (B).

247, 1 Die Anmerkung Jtec istoria imliget ist von anderer und

älterer Hand als die Beischrift ad constanfinum aug. 14 exponam (nicht et pmiam) P

248, 3 clodium albmum] P*, clodiimi nigrutn albinum B'^,

clodium nigrum et albinum B^

7 ciuilia] P'' B, ciuia P«, ciuilua P^ (?)

8 parricidialiter] (B), parricidaliter P

16 su/fragante] P^, suffragente P^B Caesaris] a (nicht et) caesaris P"

17 suffragante] P^, sujfragente P^ B, fragente P"

23 diceret] P (nicht dicereref), daret B 283

24 cui] P (nicht cum) B 26 tam] in tarn (?)

quam] qam

249, 9 quas in scmo^m] P*'", qua setiatu PB

24 conuiuia] P*^, cenuiuie P^ cenuiui B

25 uocatos] B, uocatus (so) P

s 250, 10 praenestinae (so mit kleiner Rasur nach dem zweiten e

und beide s von erster Hand) P

18 nmmmeae PB

251,23 infamis mico] P^"*, inf'amis iunto P^B^, infamis iuncto B^

25 contamitmtor] B^, conframinator PS contaminaiur P 252, 17 per te] P" B, parte

omnia ant.] (B), omne ant. P 253, l me] P"", mi B^ P^

6 diceret] diceraet P<^, dicerat P^B

MOMMSEN, SCHR. VH. 23

354 Diß Scriptores historiae Augustae.

2i luxurie] luxuri*e P^, hixuriae B, luxuria P^'"

254, 8 haec] (B), hac P

15 patres] P^"\ patris P^ B

255, 9 me] P'B, fehlt 11 tale] P'"\ talis P^B

29 öbtinuit P

256, 17 ouum] P^, ohiuni P^B

purpurei coloris] P^^', ^)?^r^;Mrei/(?)o(?)cö/ores P^, purpmree colores B

18 palumhinuni] P^, palumuinum P^ B

19 oUulit P

1hl ^ 10 parere] parere * * P

22 filosopia P^, filosofia P', filosophia B

25 equidem] quideni et (nicht ex) P^ B, equidem P*""' (e^ viel-

leicht schon von P* getilgt^

26 ordbunt] P'' B, orabant P"

30 debellare] P^, deuellare P^B 258, 10 re p.] P^", rei p. B, re*p. P^

14 suum] suum * * P 17 wre mrawc^o] (^P^, mrerando (so) P 259,2 %is PiP

4 ac saj)^ewi{i6t«s] P^ accipientihiis P^B 284 7 «Ve^wr wohl schon P^, nur nachgezogen von P*^'

14 ac hellorum in P so geschrieben, dass c& leicht für dh genommen werden kann, ad hellorum B

16 quid] P2, quin P^ B

23 addit septiminus B, addit * * ptiminus P^, wo die beiden

Buchstaben vor p nicht deutlich zu erkennen sind, doch war der erste schwerlich s, addit * ** timinus P* 25 furtorum] P^"' (vielleicht Aenderung erster Hand), fertorum

Pi (oder P«) B 11 choleram] P*'", cholera P''B, colera P" 261,7 qui] P'\ fehlt P^ B 16 f. ist in P, dessen Pergament hier einen zusammengenähten Riss zeigt, also geschrieben:

trem locum ee. moderationis tante fuit^'^'~-~^^^^^ZZy<'t nemo umquam ab eius latere summoueretur ut omnib. se hlandum adfdbilemq. Daher in B tante fuit zwischen eius und latere.

17 adfabilemque P^ affdbilemque P"^, ad fauHlemque B iS praeberet] P^, pr(a) ebnere P^ B

Die Scriptores historiae Augustae. 355

20 consent iehant P^ B, consentiehat P"" 27 mammea PB

maier . . . caftdi ergänzt von P*, also gleich vom ersten Schreiber und mit derselben Dinte

262, 6 perraras] erraras P^ B, raras P«'" 7 etquae P* (nicht P^) B, afquae P"

1 0 pecunias] P* B, pecunia P"

22 stipendia] P"", spipendia B, s*ipendia P^

25 proiiendis B P

j)elegebat B P^; das über das erste e gesetzte Zeichen ~ stammt wahrscheinlich von P^

263, 9 coniferre P, coniferre B

18 patipei-andos] P'> B, paupauperandos P" 22 sed iussit] se itissit P* B, fehlt 264, 15 fumtis Pi (nicht P^) B, ftimos P^ (nicht Pi)

\9 p^-aesidiales] P^ (B), praesidales P«"*; welche Hand das i

getilgt hat, ist nicht zu entscheiden. 24 imferi'i PB

266, 1 electros] P* B, electos

7 feneraren\tur P, feneraren (ohne tur) B

267, 4 qui P (nicht quis) B 285

S(?rM?] P^, serM7s P^P

Schon diese Probe stellt das Sachverhältniss fest: nicht blos erklären sich kleine Lesefehler 259, 14. 266, 7 in P durch Besonder- heiten von P, sondern die Wortversetzung in B 261, 16 geht augen- scheinlich zurück auf die durch den Riss des Pergaments bedingte Auseinanderschreibung der Stelle in P.

Alles Weitere stimmt dazu vollständig. Die Uebereinstimmung der beiden Handschriften reicht noch beträchtlich weiter, als die Ausgabe sie zeigt: an nicht wenigen Stellen, wo sie nach dieser differiren (248, 24. 254, 15. 255, 11. 258, 10. 259, 2. 261, 18. 262,22. 25. 264, 24. 267, 4), steht oder stand früher in beiden dasselbe.

Wo B von P abweicht, ist durchgängig jene Lesung fehlerhaft; so 247, 9 (zweimal). 12. 248, 2. 250, 10. 16. 252, 4 (wo die excerpta Cusana mit P gehen). 23. 253, 15. 254, 6. 256, 11. 14. 257, 29. 260. 10. 13. 261. 26. 262, 4. 264, 13. 265, 7. 266, 17. 21, wobei die zahlreichen Stellen, an denen der Schreiber der Bamberger Hand- schrift durch Correctur die Lesung von P hergestellt hat, nicht mit berücksichtigt sind. In den wenigen Stellen, wo umgekehrt B das Richtige oder doch Bessere gegen P giebt oder zu geben scheint:

23*

356 I^iß Scriptores historiae Augustae.

249, 25 uocatos B, iiocattis B P 250, 5 decureum P, decorum B"^, decoreum B^

251, 25 contaminator B^, contraminafor B^, contaminatur P

252, 17 in te oninia, per te omnia (B), in te omnia, per te omne P 28 antoninus B, antoninus antoninus P

254, 8 haec (B), liac P 258, 17 iureiurando (B), iurerando P

22 mimquam BP'' oder P^, numquam numquam P"^ oderP^; welche Hand das Wort gestrichen hat, ist nicht zu erkennen ist die Abweichung so beschaffen, dass sie füglich dem Abschreiber beigelegt werden kann.

Der Schreiber von B hat, wie dies nicht anders sein konnte, durchgängig den von erster Hand emendirten Text (P'') wieder- gegeben; wenn er an einer Stelle (248, 3) mit P'^ gegen P* stimmt, so hat er die Besserung übersehen. Dagegen haben die in P von 286 späterer Hand vorgenommenen Aenderungen, auch die von P^ her- rührenden (259, 4. 261, 18), dem Schreiber von B noch nicht vor- gelegen.

Diese "Wahrnehmung bestimmte mich Hrn. Dr. Bethe weiter zu ersuchen um Nachprüfung derjenigen Stellen, welche in Peters Vorrede p. VHI zum Beweise dafür angeführt werden, dass in zweifellos richtigen Ergänzungen P^ und B zusammenstimmen. Die mir darauf erth eilte Antwort hebt die letzten Zweifel: in allen diesen Stellen ist die Petersche Collation ungenau und rührt die in B über- gegangene Besserung von P* her: H 159, 3 gratias P'B, fehlt 160, 4 que P" B, fehlt 163, 31 etiam P* B, fehlt 168, 10 enim P'> B, fehlt 173, 22 scaenicorum ludorum P'' B, fehlt P'' 176, 26 que P'> B, fehlt 182, 11 aliis P'> B, fehlt 187, 28 primae s. u. r. i. creahir P* P, fehlt

194, 19 gessit . . . magnum P* P, fehlt P""

195, 4 senatu P'' B, senat P"

'Es gehört', bemerkt mein Correspondent, 'grosse Yoreingenom- 'menheit dazu, um die ganz evidenten Unterschiede der ersten Hand 'und der als P^ und P^ bezeichneten zu verkennen; die beiden 'letzteren, welche übrigens wohl nicht allein in der Handschrift 'späterhin herumcorrigirt haben, sind bei weitem schwieriger zu

Die Scriptores historiae Augustae. 357

'unterscheiden, da deren Dinten ähnlich sind. Diese späteren 'Schreiber brauchen grünliche Dinte, der erste eine meist tiefschwarz- 'braune, welche aber öfter in einzelnen Buchstaben hellbraun erscheint, 'was denn auch in den Correcturen, z. B. 159, 3 in gratias, der 'Fall ist. Die IST, 2S nachgetragenen Worte sind mit gelber, meist 'blasser Dinte geschrieben; aber in dem Zeichen im Text, das auf 'diese Worte verweist, b ist die senkrechte Hasta schwarzbraun wie 'der Text, das Häkchen dagegen ebenfalls von blasser gelber Farbe, 'welche auch in einzelnen Buchstaben des Textes hier auftritt. 'Die ganze Farbenscala der Dinte vom blassen Hellgelb durch alle 'Schattirimgen hindurch zum tiefen Schwarzbraun zeigt f. 32' der 'Handschrift. Unter den Buchstabenformen ist das r charakteristisch; 'die erste Hand schreibt V, die zweite V.

Ebenso wenig hat die Nachprüfung des defecten Anfangs der Biographie des Gallienus die Behauptung Peters praef. p. X bestätigt. 287 dass dem Schreiber von J5 hier ein von P verschiedenes Original vorgelegen habe: vielmehr stimmen oder stimmten beide Hand- schriften hier bis auf den Buchstaben überein, aber allerdings ist die ursprüngliche Lesung in P zum Theil beseitigt worden, während sie in 3 ungeändert vorliegt.

II 79, 7 mu * P^, geändert mit Radirung des letzten Buchstabens von P^ (Hand des XVXYI. Jahrh.) in murrmiräbant, mus B

8 amnium und quod fehlen wie in B so auch in P^, zu-

gesetzt von derselben späten Hand P^

9 romuni persida B und so scheint auch zuerst in P

gestanden zu haben: man erkennt * oma % * i persida; daraus ist zuerst mit Benutzung des vor persida stehenden i und unter Radirung der übrigen Buch- staben gemacht worden: in persida; diese Correctur könnte der Dinte nach vom ersten Schreiber her- rühren. Die Hand des XY/XYI. Jahrh. hat dann vor in zugesetzt romanus^ wobei zwischen dem vor- hergehenden iniperatar und in noch eine Lücke von neim Buchstaben bleibt. Ungenau also giebt Peter als Lesung von P an : romanus (sp. 9 litt, vac.) pei'sida. Z\vischen ptersida und vor omnium hat P von erster Hand nicht völlig leeren Raum gelassen, wie Peter angiebt, sondern es stand zwischen zwei leeren Räumen noch ein wegradirtes Wort; der spätere Corrector hat den ersten leeren Raum mit serviliter

358 Die Seriptores historiae Augustae.

gefüllt, für das wegradirte Wort teneretur gesetzt, den zweiten leeren Raum frei gelassen. Vermuthlich stand also auch hier, was JB an dieser Stelle hat: sertenetur. Wenn also auch hier B den Charakter der Abschrift von P nirgends verleugnet, so ergiebt sich weiter, dass die Abschrift in der Kritik ihren Platz insofern behaupten wird, als sie da, wo die erste Hand von P durch spätere Correctur unkenntlich geworden ist, für diese eintritt, und als sie uns eine Controle giebt für die Scheidung der von dem ersten Schreiber vorgenommenen Aenderungen und den von späterer Hand herrührenden. Diese Scheidung ist für die Kritik 288 massgebend. Jene oben als P* bezeichneten Besserungen tragen den Stempel der Zuverlässigkeit und gehen sicher durchgängig auf die Vorlage der Heidelberger Handschrift zurück; dagegen werden diejenigen Lesungen, welche nach der Anfertigung der Bamberger Abschrift in den Heidelberger Codex eingetragen sind, nicht an- gesehen werden dürfen als handschriftlich beglaubigt. Unmöglich ist es ja nicht, dass ein späterer Corrector derselben eine originale Handschrift eingesehen hat; aber schon die geringe Zahl derartiger Berichtigungen erweckt gegen diese Annahme gegründeten Zweifel. Yon den drei derartigen Lesungen, welche Peter praef. p. VH n. 1 als Besserungen bezeichnet, gehen die beiden Pert. 7, 6 und Nig. 2, 6 nicht über das Gebiet der Conjectur hinaus. Das kann man allerdings nicht sagen von den Worten I p. 187 Carac. 8, 3: eumque (Papinian) cum Severo professum suh Scaevola et Severo in advocatione fisci successisse, welche, wie mir geschrieben wird, von einer Hand etwa des 13. Jahrhunderts mit grünlicher blasser Dinte am unteren Rande nachgetragen sind. Sachlich erwecken sie kein Bedenken und figuriren auch in allen bisherigen Biographien Papinians^; sprachlich aber unterbrechen sie, wie Peter richtig bemerkt, evident den Zusammen- hang und auch bei der Umstellung, die Peter vorschlägt, ist dies nicht weniger der Fall. Dass sie grammatisch der Satzverbindung sich einfügen, macht die Interpolation erst recht evident.

Zu wünschen bleibt es, dass die kritische Grundlage der Kaiser- biographien hienach umgestaltet, das heisst gereinigt und vereinfacht werde. Ohne Zusammenhalten der beiden Handschriften wird dies freilich kaum in genügender Weise geschehen können; findet sich aber dafür der geeignete Arbeiter, so wird die liberale Verwaltung

1) In dieser Hinsicht habe ich die Stelle erörtert in der Zeitschrift der Savignystiftung für Kechtsgeschichte, rom. Abth. 11, 30 [Jurist. Sehr. II S. 64].

Die Sciiptores historiae Augustae. 359

der Bamberger Bibliothek hoffentlich die Hand bieten, um dies möglich zu machen.*)

Zur Textkritik.

Hadr. 2, 7 iiec tarnen et per paedagogos piterorum, quos Traiarms impens'ms diligebat, alio favente, defuit. Für et ist e«, für alio überliefert Gallo. Er versagte, wenn durch diese pasda- gogi nicht der Kaiser, sondern ein anderer ihn begehrte, diesem sich gleichfalls nicht.

Hadr. 3, 8 Suhurano bis et Serviano iterum coiiss. statt sub Surano. 289 Gemeint ist der Consul des J. 104, übrigens hier alles zer- rüttet.

Hadr. 4, 5 eosdem saepe linxisse statt sepelisse.

Hadr. 16, 7 iit semper Jcal. lan. scripserit statt sero.

Hadr. 17, 4 fercula de aliis mensis etiam ultimis sibi iussit adponi statt quibusque adponit.

Hadr. 18, 2 vilis materiae causa statt ullis.

Hadr. 23, 8 tunc livore Servianum . . . mori coegit statt libere.

Ael. 4, 5 quod si non rede constellatio eins coUeda est, substituetur quem credimus esse vidurum. Ein derartiges Wort ist aus- gefallen.

Fkis 10, 5 cuius avaritiam etiam mercedis notavit statt mercedibus.

Marc. 4, 9 amavit pugilatuum luctamina et cursus et aucupatus statt pugilatiim.

Marc. 8, 10 Verum Marcus Capuam usque prosecutus amicis comi- tantibus assectatu ornamt additis officiorum omnium priti- cipibtis statt a senatu.

Marc. 26, 3 in omnibiis studiis, templis, oecis statt ocis. Die Aen- derung stadiis ist wohl nicht erforderhch; Studium wird ähnlich gebraucht in den bekannten Beneventaner CoUegien- inschriften [ocis für oecis bei Peter ist nur Druckfehler].

Cass. 3, 7 nee ille abnuit Hirschfeld statt timuit.

Comm. 5, 11 nee irrumantium in se iuvenum carebat infamia statt irruentium.

Comm. 10, 3 si quis ante se mori velle praedixisset , hunc invitum jjraecipitari iubebat statt sane.

Comm. 11, 2 duos gibbos retortos in lance argentea convivis sinapi 2)erfusos exhibuit Hirschfeld statt sibi.

*) [Das ist geschehen: die beiden Handschriften sind von H.Dessau in Rom verglichen worden, wodurch die Mommsenschen Aufstellungen durchweg bestätigt worden sind : s. o. S. 352* **.]

360 I^iö Scriptores historiae Augustae.

Comm, 11, 3 quem saltare nudum ante concuhinas suas iussit qua-

tientem cymhala deformato vultu he der a leguminum coctorum

statt genera. Hedera würde hier der Epheukranz und der

Epheukranz gekochten Gemüses als Oxymoron zu fassen sein;

man könnte auch auf Corona rathen. Pert. 11, 3 et tunc quidem omnes milites in castris qui manebant cum

ad dbsequium principis convenissent statt in castris manebant

qui cum castris ad dbsequium. lul. 3, 7 creditum fuerat emendationem femporum Commodi Pertinacis

auctoritate iri parat um statt reparandum. 290 lul. 3, 10 ob tantas necessitates sollicitus statt de.

lul. 5, 3 ad senatum venit impetravitque ut Jiostis Severus renuntia-

retur statt imperavitque. Sever. 1 ist wohl zu schreiben cui civitas Lepti magna, pater Geta

.... patrui Aper et Severus; in den Handschriften fehlt

magna nach Lepti und steht magnaper statt aper. Patrui

magni, wie jetzt geschrieben wird, ist nicht möglich, da der

avus paternus nachfolgt. Sev. 22, 3 (Victoriola) quae ipsius nomine adscripto orbem tenebat

statt adscriptum. Sev. 24, 2 cum statim illic, ubi vita functus est, esset incensus statt

septimus. Nig. 3, 12 idque adsciscas de Nigro tnilitem timere non passe statt

sed scias idque. Macr. 3, 1 Caelestis apud Carthaginem, quae de re publica laeta

solet et Vera canere statt de repleta solet uera. Macr. 4, 7 imperatorem suum interemit obtenta factione statt tanta;

vgl. 6, 4 vindicandam factionem; Biad. 1, 1 factione Macri-

niana. Heliog. 14, 7 misit praefectos (oder de praefectis) alium ad com-

pescendos milites in castra, alium vero ad cos placandos, qui

iam in liortos venissent statt praefectis alio . . alio. Heliog. 15, 7 omniaque per praetorem urbanum facta sunt, quasi

consules illic non essent. Die richtige Ueberlieferung pr ist

falsch durch praefectum aufgelöst worden. Alex. 68, 1 Aeliu^ Gordianus Gordiani imperatoris parens vir insignis

statt ipsa res uiri. Gord. 22, 8 sind die Worte a Gallicano ex consulibus et Maecena ex

ducibus Uebersetzung der herodianischen 7, 11, 3: ävrjQ anb

vnareiag . . . FaXlixavog övo/xa . . . xal eregog oxQaxrjyixoq rb

ä^ioDjua Maixtjvag xaXovfievog. Man darf also nicht Maecenate

Die Scriptores historiae Augustae. 361

ändern, sondern dies ist Uebersetzerfehler wie anderes mehr an dieser Stelle.

Goi'd. 26, 5 illic frequentibus jvoeliis pugnavit et vicit et Sapore Persarum rege summoto et x^ost Artaxia duce statt aesapore p. r. s. e. p. artaxansen. Der zweite Name ist unsicher, aber wohl der eines Mannes, nicht einer Stadt.

Gwd. 27, 10 in der Inschrift für Timesitheus: parenti pn-incipum,

p(opuli) R(omani) et totius orhis statt parenti principum 291 praetototius urbis. Die Titulatur praefecto jyraetorü kann nicht zwischengeschoben werden zwischen Prädicate wie parenti principum und tutori rei p.

3Iax. et Balb. 5, 11 quare nolenti senatus ei ... . imperium tarnen detulit statt veluti. Hirschfeld vermuthet volenter.

Gall. 9, 4 conviviisque et epulis dies plures, alios dies voluptatibus publicis deputabat statt epidis depulsis alios.

Gall. 16, 4 corrigias gemmeas adnexuit, cum campagos reticiüos appellaret statt caligias.

Tng. tyr. 30, 21 ipsa Latini sermonis non usque quaque ignara, sed ut loqueretur pudore cohibita statt gnara.

Aurel. 1, 9 steckt der Name des Adressaten wohl in der Corruptel ptarrumipiane praeceptis., welche hervorgegangen sein kann aus parui, mi ülpiane(?), praeceptis. Vgl. 43, 1 und Carus 21, 2 mi amice. Dem Celsinus ist der Probus (1, 3) zu- geschrieben, dem Bassus der Firmus (2, 1); hier wird ein dritter Name gestanden haben.

Aiirel. 4, 2 matrem . '. Callicrates . . sacerdotem templi Solis sui in vico eo, in quo liabitabant pare^ites, fuisse dicit statt qui.

Aurel. 7, 5 de praeda hostis, non de Ubcrimis provincialium abundent statt habeant.

Aurel. 7, 8 alter alteri quasi liomo, quasi servus obseqtiatur statt quasi innemo; homo drückt denselben Begriff mit minderer Schärfe aus und wird also durch servus gesteigert. Hirsch- feld schlägt vor quasi domino servus obseqtuzttir.

Aurel. 19, 5 audivimus litteras, quibtis rogavit ope dei ut vir fortissi- mus adiuvetur statt opem. Indem Aurelian die Befragung des Sibyllenorakels begehrt, bittet er nicht um den Beistand des Gottes, damit er Unterstützung erhalte, sondern um Unterstützung seiner Tapferkeit durch göttlichen Beistand.

Aurel. 22, 1 fransactis quae ad saeptionis afque urbis stafum et civilia pertinebant statt saeptiones. Yielleicht ist auch für atque zu schreiben sacrae.

362 Die Scriptores historiae Augustae.

Tac. 10, 3 librum per annos singulos decies scrihi puhlicUus a prae-

fectis archiis iussit et in hpUiothecis ponl äta,tt euicosarchis.

Wenn man sich fragt, welcher Kategorie von Beamten ein 292 Auftrag dieser Art hat ertheilt werden können, so liegen am

nächsten die Vorsteher der tabularia in den italischen Muni-

cipien. Tac. \\^ 4: fdbricarum peritissimus fuit, mavmorum cupidus, nitoris

cenatorii, venationum studiosus statt senatorii. Tac. 15, 2 qui Taprobanis praesidem imponat, qui ad Monam insulam

proconsulem mittat statt romanam. Saturn. 7, 4 mathematici, haruspices, medici omnes ludaei Christiani

Samarifae statt nam eis christiani samaritae. Der Verfasser

wiederholt dies nach seiner Gewohnheit in dem folgenden

Briefe : nemo illic arcMsynagogus ludaeorum, nemo Samarites,

nemo Christianorum presbyter non mathematictis, non haruspex,

non aliptes. Carus 20, 4 et concessit aviae pallio aurato atque purpureo pro

syrmate tragoedus ut uteretur., wo für concessit überliefert ist

rectesi und ut fehlt.

XXXVIII.

über den kritischen Apparat zum Ammianiis.*)

Bei der ausserordentlichen Schwierigkeit, welche das grosse 231 Geschichtswerk des Ammianus sowohl in sprachlicher wie in sach- licher Beziehung hat wird, wo nicht der Philologe, doch wenigstens der Historiker schon demjenigen dankbar sein, der auf eigene dieses Xamens werthe Editorenthätigkeit verzichtend das kritische Material vollständig und übersichtlich darlegt. Wie weit die vor kurzem von W. Eyssenhardt besorgte Ausgabe in dieser Hinsicht hinter den be- rechtigten Anforderungen zurückbleibt, soll hier in kurzem dargelegt werden, in der Hoffnung, dass diese Hinweisung zur Ausfüllung des Fehlenden anregt.

Bekanntlich kommen für Ammian zwei Handschriften in Betracht, die noch^ vorhandene ehemals Fuldaer, jetzt vaticanische ?f. 1S73 des neimten Jahrhunderts und die jetzt verlorene Hersfelder, die nicht Jünger gewesen sein wird. lieber das Verhältniss beider zu einander ist wohl kaum zu einem abschliessenden Urtheil zu gelangen. Fest ^teht nur, dass die Hersfelder nicht Abschrift der Fuldaer gewesen ^ein kann, da jene bekanntlich die in dieser fehlenden längeren griechischen Stellen gehabt hat und auch sonst mehrfach besser

*) [Hermes 6, 1872, S. 231 242. Dieser und die folgenden kritischen Aufsätze zu Ammian behalten ihre volle Bedeutung auch nach der Entdeckung der Marburger Fragmente der Hersfelder Handschrift und den neueren For- schungen, unter denen diejenige L. Traubes in den ilelanges Boissier, Paris 1903, H. 443 flf. hervorragt. Diese Aufsätze Mommsens , deren Ergebnisse in der von Clark vorbereiteten Ausgabe Verwertung finden werden, sind daher hier unver- Icürzt zum Abdruck gebracht, von der neueren Literatur aber nur die wichtigsten ügebnisse angefahrt worden.]

1) Mit Ausnahme eines Blattes, das die Worte 31, 8, 5 p. 507, 1 Eyss. pau- Ictiim 31, 10, 18 p. 512, 8 est quo enthielt und aus den jüngeren Abschriften und der Ausgabe des Accursius zu ergänzen ist.

364 Über den kritisclien Apparat zum Ammianus.

gewesen sein muss als diese. So dürfte die Yersetzung, wodurch in der Fuldaer Handschrift der Abschnitt p. 442, 2 Eyss.*) tem (nicht tani^ wie Eyssenhardt druckt) octavianum p. 453, 12 inter intrejn 232 zwischen die Worte accidebat und quorum p. 430, 3 gerathen ist, der Hersfelder fremd gewesen sein^; und auch die p. 373, 4 in der Fuldaer Hdschr. (ohne Bezeichnung einer Lücke) fehlenden "Worte et ambitioso . . . quem hat Gelenius gewiss nicht ersonnen. Es kann sogar sein, dass die Fuldaer eine alte Abschrift der Hersfelder gewesen ist;**) denn dass zu Gelenius Zeit jene mit den Worten decus implebat p. 485, 19 Eyss. (nicht, wie Eyssenhardt in der Vorrede p. Vin sagt, ad fineni lihri tricesimi) abbrach, schliesst natürlich nicht aus, dass sie im 9. Jahrhundert am Schluss vollständig gewesen sein kann; und so weit ich sehe, liegt auch sonst nirgends ein ent- scheidender Beweis dafür vor, dass der Yaticanische Codex nicht Abschrift jenes verlorenen ist 2. Eyssenhardt folgt der entgegen- gesetzten Annahme, dass die Fuldaer und die Hersfelder Handschrift aus demselben Original geflossen sind, ohne Beweise dafür bei- zubringen. Von wesentlicher Bedeutung für die Kritik ist diese Differenz bei unserer unvollkommenen Kunde von der Hersfelder Handschrift allerdings nicht.

Von der Fuldaer Handschrift liegt jetzt in der Eyssenhardtschen Ausgabe eine Collation vor, für die wir dem Herausgeber dankbar sein müssen, da bis jetzt eine solche gefehlt hat. In wie weit sie erschöpfend ist, werden andere prüfen;***) einzelne Versehen kommen vor, wie z. B. die Angabe

*) [Von einer Transkription der Seitenzahlen der Eyssenhardtschen Aus- gabe in diejenigen der Gardthausenschen ist mit Rücksicht auf die in Vorbereitung befindliche neue Ausgabe von Clark abgesehen worden.]

1) Bei Gelenius erscheint von dieser Versetzung keine Spur und nach der verstümmelten Beschaffenheit der Ränder ist Valesius Annahme, dass Gelenius sie durch Combination beseitigt habe, wenig wahrscheinlich. Dass die lücken- hafte Stelle p. 442, 1 ... 3 Epiroten . . . permisso von Gelenius weggelassen ist, entspricht seinem sonstigen Verfahren und beweist eher gegen als für die Existenz der Versetzung in der Hersfelder Handschrift.

**) [Sie sind vielmehr Abschriften eines gemeinsamen Originals: s. Traube ; a. a. 0. S. 444.]

2) Auch Haupt sagt im Berliner ind. leet. vom Sommer 1868 p. 6 [opi 2, 375], nachdem er die thörichte Meinung, dass die Fuldaer Handschrift da Original der Hersfelder gewesen sei, abgewiesen hat: minus fotiasse fallereti qui Fuldensetn lihum ex Hersfeldensi descriptum esse existimaret : qiiamquam hoc quidem certo argumento demonstrari poterit.

***) [Über die schweren Irrtümer der Kollation vgl. Gardthausen in de praef. zu seiner Ausgabe (1874) S. XXIIL]

über den kritischen Apparat zum Ammianus. 365

p. 270, 14 ligneae] lineam V

17 sagittam maligne (ohne Yariante) nach der von Hrn. Hübner angestellten Vergleichung dahin zu be- lichtigen sind, dass vielmehr Z. 14 ligneae auch im Vaticanus steht, dagegen Z. 17 die Handschrift hat sagittam lineam, woraus die Herausgeber längst das richtige sagittam ligneam hergestellt haben. Das seltsame maligne bei Eyssenhardt wird wohl Druckfehler sein. Dagegen wird die begründete Hoffnung, dass die neue Ausgabe uns über den Hersfelder Codex so weit belehre, als dies jetzt über- 233 haupt möglich ist, nicht erfüllt.

Zunächst wäre der Herausgeber verpflichtet gewesen sich um die jüngeren dem 15. Jahrhimdert angehörigen Handschriften des Ammian in so weit zu bekümmern, als erforderlich war um fest- zustellen, dass sie aus der Fuldischen geflossen sind; wozu die Mittel keineswegs fehlen. Abgesehen von anderem sind die Worte 22, 10, 3 p. 24S, 1 3 ut fidenter . . . frenarent monstrabat von Gelenius ein- gesetzt, offenbar, wie dies auch Eyssenhardt anerkennt, aus der Hersfelder Handschrift, während sie im Fuldaer Codex so wie in ' allen vorgelenischen Ausgaben fehlen. Wenn dies hinreichend dar- thut, dass diese letzteren auf Handschriften beruhen, die aus der Fuldaer geflossen sind, so war weiter zu constatiren, dass auch in den Jüngern Handschriften wenigstens diese Worte durchgängig vermisst werden, und die freilich wenig berechtigte Hoffnung ab- zuschneiden, dass eine derselben uns Abschrift oder Yarianten der Hersfelder aufbehalten haben könnte.

In der That indess wird wohl alles, was wir über den Hersfelder Codex je erfahren werden, sich auf dasjenige beschränken, was Sieg- mund Gelenius daraus in seine Ausgabe des Ammian (enthalten in dem Corpus der lateinischen Historiker JBasileae in officiiia Froheniana, 1533) aufgenommen hat; und dies ist grossentheils ununterscheidbar von seinen auf die Lesung des Hersfelder Codex gestützten Besse- rungsvorschlägen. Um so mehr aber leuchtet es ein, dass jeder Apparat zum Ammian, der auf Yollständigkeit Anspruch macht, die Lesungen des Gelenius sämmtlich und in der Weise darzulegen hat, dass der Leser, so weit möglich, in den Stand gesetzt wird ihre Quelle zu erkennen. Dies ist in der neuen Ausgabe nicht geschehen, weder für die Bücher 27 30, die Gelenius lediglich aus dem Hers- felder Codex zum Abdruck gebracht hat, noch für die Bücher 14 26, in denen er den Text der älteren Ausgaben nach demselben durch- corrigirt hat. Ich gebe zunächst die bei Eyssenhardt fehlenden Varianten des Gelenius für die drei ersten Capitel des 27. Buches.

366

Über den kritischen Apparat zum Ammianns.

234

Vaticanus:

Geleniui

369, 24 pertulerunt

pertulerant

370, 10 hosthim

fehlt

13 peroffessum

per 08 fixuni

15 sonu

sono

16 confusus

confixus

20 sed eins

Jiuius modi

371, 8 instante

fehlt

22 e^ s?«e^a

insueta

splendentium

fehlt

24 extimum

extremiim

validus

ualidius

32 ea; a??!«

sex altera

i??e

fehlt

372, 4 se^ constrictos

Stratos

8 ascarüs

hastarns

ad dir. tent. miseraf

miserat ad dir. tent.

19 cwm

quoniam

25 escenso

ascenso

32 /afetfWi

falso

373, 8 infixerat

finxerat

12 Äomo

fehlt

27 we uitiorum

ni seruitiorum

374, 3 <?mersa

diuersas

5 danina defl. crebra

defl. crebra damna

7. 15 uiuentius

uincentms

11 ursinus

tirsiciniis

13 conflictabant conflictabantur ^

15 coactus ui magna vi magna coactus |

An diesen, wie man sieht, zahlreichen Stellen ist die gelenische| Lesung von Eyssenhardt schlechthin unterdrückt worden. Wo er sie mittheilt, geschieht dies zum Theil mit ausdrücklicher Erwähnung des Gelenius, häufiger aber in der Weise, dass die gelenische Lesung im Text steht und in den Noten nicht, als die abweichende des Vaticanus, zum Beispiel in dem oben angeführten Abschnitt an 4en folgenden Stellen:

Yaticanus: Gelenius:

p. 369, 27 claudles glaciales

p. 370, 19 magnum magna

p. 371, b x^errupta perrwpit

über den kritischen Apparat zum Ammianus. 367

p. 372, 30 provinciae in provindam

p. 374, 27 reuersas re tiera si

Nur darf man nicht etwa meinen, dass hier consequent verfahren sei und überall, wo ohne Angabe eines anderen Gewährsmannes ein- 235 fach die Lesung des Yaticanus angeführt wird, die Lesung des Textes die des Gelenius sei; wie zum Beispiel die folgenden Stellen zeigen: Yatic. und Gelenius: Eyssenhardt:

p. 372, 29 officmtn Orfitwn

p. 432, 26 artum sartum

p. 449, 24 hellen beUenen

Man wird also einräumen müssen, dass es völlig unmöglich ist sich über die Lesungen des Gelenius aus der Eyssenhardtschen Ausgabe zu unterrichten und dass selbst der notorisch aus der Hersfelder Handschrift geflossene gelenische Abdruck der Bücher 27 30 hier behandelt ist. als käme er allein wegen der Yerbesse- iirngsvorschläge des Herausgebers in Betracht. Ohne Zweifel ist die grosse Mehrzahl der oben mitgetheilten von Eyssenhardt weg- gelassenen gelenischen Lesungen theils auf Versehen, theils auf Besserungsversuche des Herausgebers zurückzuführen; aber darüber darf doch nicht vergessen werden, dass die Hersfelder Handschrift entschieden die bessere, vielleicht die Mutter der Fuldaer war und dass jede dieser Lesungen in ihr gestanden haben kann. Wer einen kritischen Apparat herstellen will, hat zwar selbst zu urtheilen, aber auch und vor allem die Acten vorzulegen, damit jeder Leser eben- falls urtheilen könne. .

Minder einfach liegt das Verhältniss für die ersten dreizehn Bücher. Gelenius hat hier nach dem Hersfelder Codex eine ältere Ausgabe durchcorrigirt; es kann also über sein Verfahren nur dann geurtheilt und was er in seiner Handschrift gefunden haben mag, niu" dann ermittelt werden, wenn man weiss, was ihm im Druck V3rlag. Selbstständigen Werth haben die vorgelenischen Ausgaben des Ammian nicht; ein gewissenhafter Herausgeber aber wird sich die massige Mühe nicht ersparen dürfen die EntvNickelung des Textes bis auf Gelenius in allen Einzelheiten sich deutlich zu machen, wenn es auch wohl kaum nothwendig ist diesen ganzen "Wust in den ge- deckten Apparat aufzunehmen. Diese Entwickelung ist einfach folgende. Gedruckt sind die Bücher 14 26 des Ammianus erst in Rom (R) 1474^ nach einer Abschrift des Fuldaer

1) per diffnissimos Impressores Georgium Saehsd de BeüAenhal et Barthölo- 'um Golsch de Hohenhart dericos. Diese Ausgabe so wie die Bologneser von

ZI

368 Über den kritischen Apparat zum Ammianus.

236 Codex ^ ; der Text ist von Abschreibern und Setzern arg zugerichtet, aber nicht mehr interpolirt, als dies sich bei jeder solchen Recension von selber versteht. Auf dieser ruht die von dem Bologneser (B) Petrus Castellus im J. 1517 in Bologna publicirte Recension 2, die nicht mit Unrecht auf dem Titelblatt selbst sich ankündigt als opus inßnitis errorum monstris enixissimo labore vindicatum und zugleich bereichert mit vielen Dingen, quae hacfenus desiderabantur; nur dass diese Ver- besserungen und Zusätze nichts sind als eine auf keine Handschrift^ gestützte über die Massen willkürliche Zurechtstellung des in der Ausgabe von 1474 vorliegenden Textes*. Ein Nachdruck dieser Bologneser Ausgabe ist der 'ex recognitione Bes. JErasmi Roterodami' bezeichnete, dem bei Froben in Basel 1518 erschienenen Corpus der römischen Historiker einverleibte Abdruck des Ammian (E); und diesen letzteren legte Gelenius seiner Ausgabe vom J. 1533 (G) zu Grunde ^, wie denn diese überhaupt nichts ist als eine neue Auflage jenes Frobenschen Corpus der römischen Historiker. Ich gebe hier zwei längere Proben, welche jedem Einsichtigen das Verfahren des Gelenius zur Genüge klar machen werden.

p. 63, 17 fatarum] BE&, factorum VR 23 multis] VG, muUisque RBE

18 fastorum] "VG, factorum RBE factis] fractis R

19 augustö] angusto R p. 64, 2 nobilüms] VR, mobilibus BEG genuino] VG, gemino RBE cunis] VBEG, cuius R

20 somniabat] G, somnahat V, 4 pi-udentia] prudentiam R sonabat RBE 5 antoninus] VG, antonius RBE

21 st adfuisset] "VG, se adfuisse 7 suos] V, fehlt RBEG R, se affuit BE 8 quoniam] quom R

•flatti] VG, facul R, face BE 12 hac] V^ BEG, hoc Y\ hee R

237 secundo] VRG, secunda BE 15 martium G, artium VRBE

1517 liegen mir vor durch die nie ermüdende Gefälligkeit der Direction der Göttinger Universitätsbibliothek.

1) Besorgt ist die Ausgabe von A(ngelus) Sabinus, demselben, der die den ovidischen Heroiden angehängten Briefe verfasst hat. Die Handschrift, aus der diese Ausgabe geflossen ist, scheint Vatic. Reg. 1994, da diese mit 1. XXVI schliesst und die von Hübner genommenen Proben mit den der Ausgabe von 1474 eigenthünilichen Fehlern stimmen.

2) impressit Hieronymus de Benedictis Bononiensis.

3) Der codex PhiUppi Beroaldi non malae frugis und der codex caeteris fidelior Pii Botioniensis pi-aeceptoris nostri, die Castellus in der Vorrede anführt, sind ohne Zweifel nichts als die Handexemplare dieser Bologneser Gelehrten.

4) Haec editio omnium fere errorum, qui in Marcellini libris oceurrwnt, semi- narium diei potest, sagt Henr. Valesius (p. LXXX "Wagner) mit Recht; wie er denn überhaupt die älteren Ausgaben durchaus richtig beurtheilt.

5) In den seltenen Fällen, wo E von B abweicht, folgt Gelenius jenem, z. B. p. 265, 17.

über den kritischen Apparat des Ammianus.

369

16 satiguinem] VG, sanffuinum RBE

17 mamts] inanibiis VRBEG catenis] VR, catetim BEG adilixit] V, affixit RBEG

21 torpeyxte] G, torrente VRBE

22 concursatione] BEG, cwicits- safione VR

25 2J*a] G, gjwe VRBE proximi] VRG, proximam BE

26 omni&iw] BEG, oronihus VR

28 cons«7iis] VG, con.?j7ü' RBE

29 fors] VG, /bros R, /'oro BE 80 tidum] BEG, ^ota VR

31 aliis] G, j)aZits V, pahis R, paludem BE

arfeor] VR, arborosam BEG

32 ^e»- sedelaucum et cor am] per sedelaiico et cora V, j)er sedes p leucoriim G, delauc. et cora

R, de Zoc« rt corbitis BE p. 65, 2 gwja fene&ris] G, jui antemu-

mibris V, ^t arrfe in umbris

RBE 3 auan7tartum] atixilianim R 5 nÜebattir] V, nifcfeawtwr ....

R , «jfefcafMT cunctis uiribtis

BEG

jnfer?i««ia<] V, interiieniet R,

jn^erueHiref BEG

cat}iaj)hractariis] VRBE, ca-

tapfiractis G

7 percurso] EG, percusso VR, pe)-cuso B

aMfos^ifZornm] G, auto . . . sm- dorum V, auro sudorum R, ac? anta sMCCorw/n BE

8 <r«casmos] VG, tricasmos R, tricastinos BE

11 /'aei7t] /"flCiZe B

j>ro<e?-ens] VG, preteriens RBE

13 2t<j«] gwi BE iialebat] ualebant BE ^yraepeditus] VRG , perpeditus B, praepeditos E

14 j)erpe*ts«s] prepessus R

15 !<enj7] V, uenerit R, uewera« BEG

16 fnc«sas] VR, ^ricosf«/« BE,

MOMMSEN, SCHR. Vn.

iricassas G

tnspercrfws] VG, tnsperatos R,

insperatum BE

20 uehentem ] VG, uehentetn

R, uesunti BE

21 SMom] BEG, tuam VR

24 oZamaHna;»] aletnannam G, aiamanniam V, afoinianjam R, o/einamam B, aZeman/itam E

25 tSttc] t«Md R

27 mjnefea«] V, exdpiebat RBEG

28 discttrso] discursos BE

30 auxiZm] G und Rand von E, auxilio VRBE deinde] inde Rand von E

32 quod] G, fehlt VRBE

33 brotomagum] BEG, brotomago VR

1 to6cr»»as] tarbdlos BE saZtsonem] G, salisone V, saJiso an€ R, sebusianos et BE /leindas] nemetes BE

2 carum] eorttm V RBEG

3 refiis] VR, retibus BEG

5 manus] G, fehlt VRBE

6 acj'e] asiae R

7 «r^eren<Mr] BEG, surgeretUur VR

coptis] capitis B aiits] aiios R

8 /eruore] V, fauore R, /'«rore BEG

residui] VBEG, se »i dw R 10 Tuiec] VR, Aac BEG 12 qiios] quod R

nee castellum] VG, fehlt RBE 14 rigomaguni] VR, rigodcium

BE, rigodidum G 17 firmaret reip.] firmare reip.

V, rejp. firmare R, rejp. ^r- 238

wäre« BEG

19 j>rtMU<iis] primitus R

20 mMH<?anüu;»] mufidanfium R 22 milites qui] G, mulieres qui

V, mulieres qxie RBE 24 iwowirfere*] preuideret VRBEG

27 con^<?e>i<€s] BEG, confidenter VR

28 ei] et VRBE, fehlt G

24

370

Über den kritischen Apparat des Ammiaaus.

prodentibus] G, et prodemon- tibus V, et quod de montibus R, et quod de multis BE nee] G, iie VR, ire BE

30 cum autem . . . .] VR, fehlt BEG

31 intuta] BEG, intota VR

32 die] VRBE, dm G

p. 67, 2 praesentis] BBEG, praesenteY

4 civitatis obsidium] G, ciritati subsidium VRBE

at] et VRBEG

5 adsignandutn] VRG, signan- dum BE

suppetias] RBEG, suppetia V

6 magister equitum] G, equitum VR, quietem BE

12 uastitatae] VRBE, uastatae G congrud] BEG, eongruas VR

13 qtwque diligentia curatö] G, quoque diligenti ac curato V (so), diligenti quoque accurato RBE

14 laetiore spe] G, laetiwes per VRBE

^wosi^crorMm] prosperum BE ad] VG, fehlt RBE

15 cowswpebaf] consurgebant BE

239

p. 265,

6 M*] BEG, fehlt VR negotioi'um] V, fehlt RBEG

7 a^eZ>a«iwr] VR, agehantur per provincias BEG

iam] VG, fehlt RBE consul VRBE, consule G collegium] V, collegio RBEG

12 flagranti] VG, flagrantis RBE

13 diligentiam] VRBE, diligen- tiae G

dmidews] diffidens VRBEG

15 hierosolyma] V, -maw RBEG

16 obsidente] VRG, obsistente BE posteaque] VG, posi itaque RBE

17 ca?pM^nafM}w] EG, oppiignatum VRB

22 adswZitbws] BEG, adsuinptibus VR

23 inaccessum hoc que] G, inex- cessum hoc quo VRBE

24 inceptum] G, incertum VRBE p. 266, 1 legatos ad se] G, legatis adiem V, %a^i sardinie R, legatos sardiniae BE aeterno] VRG, oena BE cZare] RBEG, dare V

4 2^'>'OConsulem] VG, p}-aeconsulem BE proconsulum R uicariam] G, uicari V, uicario RBE

5 aradium] VR, arabicum BE, arabium G

7 ordinatis VG, ordinatius BE, ordinatus R

8 profluvio ... 9 comrte fehlt RBE, comife fehlt G

9 extincto eumque] G, extinctum quae V

11 j^raecesseraf] VG, processerat RBE

12 eo] VRBE, fehlt G

13 sacerdotum consortio quidam e VRBEG

14 concidit] BEG, concedit VR

15 memorabant] remorabant R

16 sallustio set] VG, salustius et RBE

18 monstrabant VRBEG

gwofl! acciderat VRBEG 22 jserwadere] VG, preu^lere RBE

24 externis] VG, externi BE, externus R

25 remittente] V, renitente RBEG

26 jwons VRBEG 28 eo] V, Äoc RBEG

limitibus] VG, militibus RBE 30 aegentium V, egentium R, e^ gentium BE, gentium G

p. 267, 1 /b?-en] VR, /■o?*c»-e BEG

4 tendere] tenderet VRBEG

5 primam] VRG, properandi BE 9 transmissoque] G transmissaquc

VRBE 12 gMendctj?«] VG, gite»? RBE

synacoe] si/nce R 16 promiscua itum] G, promis-

quantum V, p'onus quantum

RBE

über deu kritischen Apparat des Ammianus.

371

exoptans] G, exortans Y, ex- hartam RE, exhorans B

17 ut deinde] \G, inde RBE ird\ iram R

21 reuersimm] VRBG. rmer- sum E

23 sui] YRBE, sibi G haud] mit R contiffit] contingit R

25 mhiirbana,] VR, suburbano BEG

26 »«ajös] VRBE, martias G

27 hierapolim] VRG. hieropolim BE

CMm] VRG, fehlt BE

30 feffulananque] VG, tegularum RBE

31 ?a»j] V, jam RBEG

32 iM-ae«ma] VBEG, peiuersa R eura^jMs] VR, accttrathts BEG

33 occieparet] VBEG, oceuparat R p. 268, 1 eux>hrate\ G, eiifraten V, ««-

/j-afem R, eiiphratem BE

rt(? 6f<f«a.s] VRG, acbatanas BE

2 osrfroenfle] osdrocene BE

3 calonnm] G, colonum Vß, co- lonoritm BE SHsdpiendum] sttspiciendnm R

4 co»Js?iefe] VRG, consueta BE 9 anfjg^tuw] VBEG, antiquum

cum V*R U Ztwiae] VG, 7««« RBE

riftt] «Ytt VRBEG 15 /ert] VRG, /-e^-i«»- BE

19 praesagiebat] BEG, i>i-a€sa- ^«&a^ VR

20 sec»^?/n(/H] BEG, seeutum V. secunim R

23 /jac] Äcrcc V, /joc compertuvi est R, fehlt BEG pa7a/äu] VG, fehlt RBE

24 «eto-«fl] aewa BE ni] ne VRBEG

28 disp<menti]disponendiYRBEG

»proci<rsatorum] G, perparo- ciirsatorwn VR, propero cur- satonim BE tum] VG, CMjw RBE

31 cogitmierat] G, cot/jY« e7-«f V,

cognita erat RBE p. 269, 1 ex duce] VRG, rfwce BE

2 uigilanter] iiigilianter BE smtaiun] VG, serwan RBE

3 didicerat] VG, rfta-eraf BEG

4 posset] V, posst« RBEG

regft sociarentur] GV-, r^t- so€tarentttrY\ regis optarentt4r R, rc/7i optarentur BE

5 moxoenam] VRG, misenam BE cAtZjocoOTo] VRG, chaJonitide BE

6 mediae] inedie R

7 a^enfi] G, o^e«/e YRBE concurrerent] concurrent V, 240 conctirret RBE, accurrerent G

10 re «"darja] rö/i t<ana YRBE, rc&w« i<a?iis G

13 torminis] BEG, fonwnt VR

14 lapiUisque VG, /oiw/Z/s RBE osfento] BEG, ext^nto VR

15 exclamauit] esclamauü VR, clamauit BEG

fcai«/Zon«] VRBG, babylonia E procidisse] G, praecidisse Y, prendisse RBE

16 o»jen] VG, omnes RBE

17 /josfjas] VG, Äosfianj RBE

18 funäitur] VRG. g«t diffundittir BE

in] V*BEG, fehlt V^R

19 curatis et guiete] cur misit quiete VR, accurate refectis BEG

ca/ZiOTJCum] caZ/intsu»j VRBEG

20 e#] V, fehlt RBEG opimitate] RBEG, opiimitate V\ oporttmitate V*

21 anf« fehlt VRBEG

22 pmnpae] pampe R

23 almonis] BEG, salmonis V, salomonis R

afe/«i] VBEG, aZ>so??ti R soUemnitate] V*BEG, soUicUate V>R

28 saracc«artt»n] saracinanm V, sarracenortim RBEG ^ewjfe««] VG, fehlt RBE

29 nixi] VG, «I« R, misi B,

24*

372

Über den kritischen Apparat des Ammianus.

missi E

oblata ex auro] V, öblato auro

R, oblata auri BEG

30 fuHa] VG, futura RBE

31 odloquittM-] VRG, adloqui BE p. 270, 1 classis\ V^BEG, classi V^R

constantiano] VBEG, con- stiano R

3 artabat] VBEG, artabant R

4 eonteoäae] G, contectae VRBE Zu schreiben ist also confectae.

6 230«M V^BEG, jpoies V^R

7 admoneor] BEG, admoneo VR 241 8 circumscripte] VR, circum- scripta BEG

10 axicwZos] exiculos R dwos] V^BEG, dwo V^R

11 waioris] VBEG, maiores R

12 pars] V, ars RBEG extentius] VR, extensius BEG

13 multiplici chorda] G, »HMZft- jjZicJs /jorc?a V^ multiplicis chorda V*, multiplices corda R, multipUce corda BE

14 dwae] dftto R

%neae] VRBEG (lineam Ejss.)

16 iewiowts] G, temones VKBE cat«tHime] cauanine R

17 lineam VRBE, ligneam G (maligne Ejss.)

22 ZetoZe BEG, Z[eto]Ze V, Za*afe R agnoscat] VG, agnoscit RBE 24 tZicei] BEG, Zicaei VR

28 <^issi7iai] G, dissiiiant VRBE

29 resimw] testimn R

31 wwct] Htict R p. 271, 1 2iendet] G, penden« VRBE stuppea] BEG, struppea V, strupea R

/erre« /ttwda] /errea /errea V* /"wZ/HewiMm] VR, fulcimentum BEG

3 cespiies] cospites V^

4 latericios] lateriotios R

5 inuenerit] VG, intertienerit R BE

SM&^cr] G, SMjier VRBE

6 a(Z RBEG, a«e V^. awfe

9 paene supinum] paene surinum VR, ^Jaewe undnum BE, 2)e«€S uncinum G

11 /br^i] sorii V^ perculsum] perclusum V*, ^Jß^- clausum VRBE, percussum G uolucri] uolucris BE

12 moUitudine] mollitudinem R incurrerit] inconcurrerit V

13 conlisurum] BEG, consorum V^ conlisorum V*R

ftr eo gwod] VR, ^worf ex eo G, ea; eo ^gwod fehltj BE

14 torquetur] contorquetur E awiewi zweimal Eyss, (Druck- fehler)

quoniam] VG, cum RBE acttZc?t»i] eculeum R

17 pOSi] i30S V

calcitrando] RBEG, cal[cita]n- do V

Hienach scheiden sich die gelenischen Lesungen innerhalb der ersten dreizehn Bücher in Kategorien durchaus verschiedenen Werthes. "Wo Gelenius die Lesungen der ihm vorliegenden Ausgabe beibehält, wie z. B. p. 265, 7 den Zusatz per provincias, p. 269, 19 den Vorschlag accurate refecfis, oder auch mit unwesentlicher Aenderung, wie z. B. p. 66, 14 Bigodulum statt des Bigodolum der älteren Drucke, kann aus seinem Text auf die Hersfelder Handschrift nicht geschlossen werden und ist die fragliche Lesung unzweifelhaft Conjectur. Wenn Eyssenhardt solche Lesungen stillschweigend in den Text setzt, ohne in den Anmerkungen etwas anderes beizubringen als die abweichende Lesung des Vaticanus, wie z. B. p. 265, 22 adsuUibus statt adsmnpü-

über den kritischen Apparat des Ammianas. '373

6m5, oder wenn er gar dergleichen in den Anmerkungen ausdrücklich auf Gelenius zurückführt, wie p. 265, 6 das eingesetzte«^, p. 265, 17 eocptignatum statt oppugnahim^ so führt er den Leser geradezu irre und ist seiner eigenen Worte in der Yorrede uneingedenk, dass Gelenius Autorität sehr hoch zu stellen sei, quia persaepe, quae primo aspectu cmiiectura orta videntur, Hersfeldensis libri memoriam repraesentare jwsstint; denn diese Lesungen können dies eben nicht und in der That schweigt hier Gelenius, während Erasmus oder Castellus reden. Umgekehrt ist es ausser Zweifel, dass solche Lesungen, die Gelenius von seiner Vorlage abweichend in den Text genommen hat und die mit dem Yaticanus stimmen, wie z. B. p. 265, 7 das eingesetzte iam, p. 265, 16 die Aenderung von posf itaque in posteaqiie, dem Hersfelder Codex entnommen sind; und ein gewissenhafter Herausgeber wird wenigstens die wichtigeren Fälle der Art anzuzeigen sich verpflichtet fühlen. Es bleiben endlich die zahlreichen Stellen, an welchen Gelenius sich sowohl von seiner Yorlage entfernt wie vom Yaticanus; wie zum Beispiel p. 265, 7 consule, 13 diligentiae^ 23 inaccessum Jiocque allein bei Gelenius sich finden, während die demselben vorliegende Ausgabe hier mit dem 242 Yaticanus übereinstimmt. Diese Lesungen können sowohl aus der Hersfelder Handschrift entnommen wie durch Conjectur gefunden sein. Natürlich ist das letztere bei weitem der häufigere Fall und wird man nicht oft es zur Evidenz bringen können, dass Gelenius, was er also drucken liess, auch wirklich gelesen hat. Aber es giebt doch Fälle der Art, wie zum Beispiel die schon erwähnte Ausfüllung der Lücke p. 248, 1 3; und die Sache liegt mm einmal so, dass der hauptsächliche Nutzen, den die gelenische Ausgabe uns gewährt, in dieser wenn gleich bedenkhchen dritten Kategorie enthalten ist und dieselbe im Apparat vollständig aufgeführt imd deutlich gekenn- zeichnet werden muss. Die Hoffnung mag wohl eitel sein,*) dass in unserer rasch lebenden und noch rascher arbeitenden Zeit sich ein Philologe finden werde , welcher Yalesius Arbeit aufnimmt und sich in einen Schriftsteller vertieft, wie Ammian ist, obwohl derselbe darauf ein besseres Anrecht hat als viele mehr gepriesene und gelesene. Aber was man jetzt eine kritische Ausgabe nennt, wird auch wohl für Ammian gehofft werden dürfen; und was von einer solchen zu fordern sei, hat vor einigen Jahren Haupt in präciser Weise definirt, Totum illiid^ sagt er in dem angeführten Proömium p. 6 [opusc. 2, 374 f.], praeparandae emendationis negotium qtwd receti-

*) [^gl- jedoch die Anfangsworte des folgenden Aufsatzes.!

374 Über den kritischen Apparat des Ammianus.

sionem dicimus in Ammiani opere continetur diligenü Vaficani libri et exemplaris Geleniani, quod ex Hersfeldensi libro sumptum est, com- paratione . . . illa . . comparatio tantum dbest, ut certam antiquae scripturae formam praebeat, ut plurimis inpedita sit maximisque duhi- tationibus. alia enim^ quae codex Fuldensis auf non habet aut habet peius scripta, Gelenium plane non potest dubitari sumpsisse ex Hers- feldensi codice, alia ajjertum est eum ßnxisse coniecturis usum partim egregiis (ut erat homo praeclari ingenii), jjartim falsis; denique haud raro in Castelli commentis adquievit, ita fit ut multa Geleniana incerta sint neque fere tutum ab omni parte sit quicquam praeter Fuldensis libri litteras. Die hier geforderte Arbeit ist, was den Gelenius betrifft, immer noch zu leisten. Wir vermissen immer noch einen Apparat des Ammian, in dem die Lesungen der gelenischen Ausgabe theils vollständig angeführt werden, theils bei jeder einzelnen kenntlich gemacht wird, ob sie auf Sabinus, Castellus oder Erasraus zurückgeht oder von diesen sich entfernt und aus der überhaupt erkannt werden kann, was Gelenius, sei es nun aus seiner Handschrift oder aus Yer- muthung, an dem ihm vorliegenden Texte geändert hat.

XXXIX.

Weiteres über den Apparat zum Ammian.*)

Rascher, als ich es hoffen durfte, ist der in diesen Blättern 91 (6, 233 [oben S. 365]) ausgesprochene Wunsch in Erfüllung gegangen, dass auch die jüngeren Handschriften des Ammian einer gewissen- haften Prüfung unterzogen und deren Verhältniss zu den massgeben- den, der fuldischen und der hersfelder festgestellt werden möchte. Gardthausen, der seit längerer Zeit mit Vorstudien für eine Ausgabe des Ammian beschäftigt ist, hat kürzlich in Fleckeisens Jahrbüchern 1S71 S. 829 ff. eine dankenswerthe Uebersicht über die geringeren Handschriften gegeben und ist zu dem Ergebniss gekommen, dass zwar die vollständigen sämmtlich aus der fuldischen abgeschrieben sind, also nur etwa für das eine jetzt in dieser fehlende Blatt in Betracht kommen, dagegen diejenigen Handschriften, die nur B. 14 26 umfassen, auf eine zwar der vaticanischen nächst ver- wandte, aber doch von dieser unabhängige Handschrift zurückgehen.

Jeden, der den Text dieser unvollständigen Recension einiger- massen kennt und im Wesentlichen ist er ja in den älteren Ausgaben bis hinab auf die frobenisch-erasmische von 1518 allen zugänglich wird dies Ergebniss befremden. Diese Recension entfernt sich zwar an unzähligen Stellen mehr oder weniger von dem Text der fuldischen Handschrift, durchaus aber in der Weise, dass alle Fehler der letzteren bleiben und die Abweichimgen lediglich weitere Yerderbungen oder, im besten Fall, leicht durch Conjectur au findende Textherstellungen sind. Mir war nicht eine einzige Stelle vorgekommen , die Veranlassung gäbe auf eine selbstständige 92 handschriftliche Quelle zu schliessen; und ebenso haben Valesius und meines Wissens alle Kenner des Ammianus ohne Ausnahme geurtheilt. Diese Differenz der früheren Wahrnehmungen von den

*) [Hermes 7, 1873, S. 91—101. Einige zweifelhafte .\ngaben sind durch <^larks briefliche Mitteilungen kontroliert worden.]

376 Weiteres über den Apparat zum Ammian.

Aufstellungen Gardthausens hat mich veranlasst die Grundlage der letzteren nachzuprüfen. Ich bin dabei zu dem Ergebniss gekommen, dass Gardthausen geirrt hat, und auch die Handschriften dieser un- vollständigen Recension, wie die der vollständigen jüngeren, lediglich aus der fuldischen geflossen sind. Vielleicht kann, indem ich in aller Kürze hier meine Bedenken ausspreche, dies dazu führen, dass, wenn sie begründet befunden werden, dem Pubhcum, das sich jetzt mit einem durchaus unvollständigen Apparat zum Ammian begnügen muss, der umgekehrte Uebelstand eines übervollständigen mit den Schreibfehlern von schlechten Abschriften noch erhaltener Originale belasteten Apparats bei der neuen höchst wünschenswerthen Recen- sion erspart bleibt.

Die unvollständige Recension kennen wir aus drei nach Gardt- hausens Annahmen von einander unabhängigen Quellen: der Hand- schrift des Archivs von St. Peter aus dem 14. Jahrhundert (P), der Handschrift der Yaticana Reginae n. 1994 (R) aus dem 15. und der ältesten von Angelus Sabinus in Rom 1474 besorgten Ausgabe; denn dass die des Castellus von 1517 nur auf der letzteren fusst, giebt Gardthausen zu. Dagegen bestreitet er die von mir S. 235 A. 2 [o. S. 368 A. 1] aufgestellte Yermuthung, dass für die Ausgabe des Sabinus die Handschrift Reg. 1994 als Vorlage gedient hat.*) Dass die Handschrift des Sabinus mit R allerdings nahe verwandt, aber nicht identisch gewesen sei, ergebe sich nicht nur aus der Verschiedenheit der Lesarten, sondern hauptsächlich aus einer grossen Lücke. In der Ausgabe des Sabinus fehlen die Worte est enini occasio (26, 7, 10) bis Helenox>olini venu (26, 8, 1), natürlich durch Ausfall eines Blattes. Dieser Abschnitt ist aber in PR vorhanden, auch fallen diese Worte nicht mit Anfang und Ende von Blättern einer oder der anderen Handschrift zusammen; demnach 'kann wohl kein Zweifel sein, dass 'die Ausgabe des Sabinus einen dritten Codex der unvollständigen 'Familie repräsentirt'. Vielmehr beweist dies nur. dass Sabinus nicht jene Handschrift selbst in die Druckerei geschickt hat; von einer sei es zum Behuf des Abdrucks, sei es sonst genommenen Abschrift konnte sehr wohl ein Blatt also verloren gehen, und da 93 sonst die Lücken und Fehler von R in der Ausgabe durchgängig wiederkehren, hat diese Annahme immer noch einen hohen Gradj von Wahrscheinlichkeit ^ In gleicher Weise dürfte R nichts seil

*) [In seiner Ausgabe (1874) praef. S. XVIIII hat Gardthausen seinen Wider Spruch zurückgezogen. Auch den codex Petrinus gibt er nach einer briefliche^ Mitteilung bei Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV 1 (1904) S. 98 jetzt preis.]

1) Wenn dagegen -wirklich, wie es nach Gardthausens Angabe S. 834 übe complectm- p. 339, 12 (Eyss.) und delatas p. 339, 31 der Fall zu sein scheint

Weiteres über den Apparat zum Ammian. 377

als eine Abschrift von P; wenigstens nach allen von Gardthausen beigebrachten Proben scheint R, ausser in der Hinzufügung neuer Lesefehler und Auslassungen, P gegenüber nichts Selbstständiges darzubieten. Soll also diese unvollständige Familie überhaupt Berücksichtigung finden, so wäre mindestens zu erwägen, ob nicht die Ausgabe des Sabinus, als aus R, und R, als aus P geflossen, neben dieser letzten unzweifelhaft ältesten und besten Handschrift dieser Familie in Wegfall kommen müssten. Uebrigens kommt darauf wenig an; nicht so sehr um den kritischen Werth der ein- zelnen Exemplare dieser Familie handelt es sich als um den der Familie selbst.

Aeusserlichkeiten können diese kritische Frage nicht entscheiden. Dass der Petrinus aus dem 14. Jahrhundert ist, die vollständigen Handschriften des Ammian alle erst aus dem 15., schliesst selbst- verständlich nicht aus, dass jener so gut wie diese aus einer und derselben Yorlage unmittelbar oder mittelbar geflossen sind. Gardt- hausens Behauptung (S. 830), dass die bisherige Annahme 'unhaltbar geworden sei, seit sich ein italienischer Codex gefunden hat, der in das 14. Jahrhundert hinaufreicht, also in eine Zeit, wo der Vaticanus noch in der KlosterbibHothek von Fulda vergraben und vergessen war", zeugt nicht von richtiger Kenntniss des litterarischen Verkehrs im Mittelalter. Dass Abschrift (oder Abschrift einer Abschrift) der fuldischen Handschrift zwischen dem zehnten und vierzehnten Jahr- hundert über die Alpen gekommen sein kann, wird von vornherein zugegeben werden müssen, und das 'Vergrabensein' in einer Kloster- bibliothek darf doch auch nicht allzu buchstäblich verstanden werden. Erwiesen ist durch jenen Fund eines in Italien im 14. Jahrhundert geschriebenen Ammian eben nur, dass der Ammian schon vor Poggio in Italien nicht völlig unbekannt war. Von dem Puteanus der dritten 94 livianischen Dekade können wir Abschriften vom 11. bis zum 15. Jahr- hundert nachweisen, die unter sich Familien bilden, aber, so weit das Original erhalten ist, alle kritisch gleich werthlos sind; und ähnliche Fälle begegnen überall. Dass der Petrinus mit dem 26. Buch

Sibinus zuweilen in Fehlem mit P gegen R stimmt, so kann er allerdings letztere Handschrift nicht gebraucht haben. Aber wenigstens in die erste An- gabe scheint sich ein Druckfehler eingeschlichen zu haben, da nach Eyssenhardt T nicht compJentur hat, sondern complectur. [,V hat wirklich conpledur; delatas ist richtig. P hat complectur und delatas. Die Lesarten von P haben aber keine Bedeutung, da die Hs. nur eine entfernte Abschrift von T ist. Die Ausgabe dt's Sabinus ist, wie auch ich glaube, von R oder einer Kopie von R abgednickt worden." Clark.]

378 Weiteres über den Apparat zum Ammian.

schliesst, beweist natürlich auch nicht, dass die Vorlage (oder die Vorlage der Vorlage) nicht darüber hinausgegangen ist. Wie Vat. 1874, obwohl unzweifelhaft Abschrift des Fuldensis, doch im 25. Buch abbricht, so können nicht minder unzählige Zufälligkeiten bewirkt haben, dass aus einer Handschrift der letzten 18 Bücher Ammians eine andere floss, der die letzten fünf Bücher fehlten. Wenn in P eine Anzahl Lücken sich finden, die 51 63 Buchstaben betragen, (Gardthausen S. 835), und wenn daraus in der That mit Recht geschlossen wird, dass die Vorlage von P und der unvollständigen Klasse überhaupt in Zeilen von dieser Länge geschrieben war, so schli'esst diese Annahme keineswegs aus, dass diese Vorlage eine Abschrift des fuldischen Codex gewesen ist; für unseren Zweck ist es also nicht nöthig den weitgreifenden und zum Theil bedenklichen Combinationen Gardthausens über die Zeilenlängen der Vorlagen unserer Handschriften im Einzelnen nachzugehen. Jeder unbefangene und mit solchen Fragen vertraute Kritiker wird urtheilen, dass der Herleitung der unvollständigen Familie aus der fuldischen Handschrift äussere Gründe zwingender Art nicht entgegenstehen und dass alles ankommt auf das Verhältniss der Lesungen zu einander. Ist die unvollständige Familie in nichts selbstständig als in Fehlern und Lücken und geht sie überall, wo die beiden Haupthandschriften, die von Hersfeld und Fulda, sich gegenüberstehen, mit der letzteren, so ist sie, ebenso wie die vollständigen Vulgathandschriften, nur in früherer Zeit und in anderer Weise, aus der fuldischen geflossen und also kritisch werthlos. Die Beweisführung Gardthausens hat die inneren Argumente, die doch allein entscheiden können, bis jetzt durchaus in die zweite Reihe gestellt. Eine abermalige Discussion derselben, bevor die Ausgabe selbst begonnen wird, scheint mir wünschenswerth, und um diese herbeizuführen, lege ich hier meine Zweifel dar.

Es liegt auf der Hand und wird auch von Gardthausen selbst mehrfach unumwunden anerkannt, dass die Vorlage der italienischen unvollständigen Handschriften, die Familie P mit dem Vaticanus nächst verwandt ist. Beide brechen in der griechischen Obelisken- 95 inschrift mit denselben Buchstaben NONCO ab (S. 836); überhaupt theilt P mit V 'zahlreiche' ich möchte dafür setzen sämmtliche Lücken und nicht minder zwei von Gardthausen S. 837 näher bezeichnete Wiederholungen derselben Worte an falscher Stelle. Wenn es unnütz ist, bei dieser unbestrittenen Thatsache nächster Anverwandtschaft von V und P länger zu verweilen, so fragt man um so mehr nach den Gründen, die für die Selbstständigkeit der

Weiteres über den Apparat zum Ammian. 379

letzteren Familie geltend gemacht werden. Wird diese mit Recht angenommen, so hat Gardthausen allerdings guten Grund die durch- gängige Uebereinstimmung im Falschen dieser Klasse mit dem Fuldensis als eine wunderbare Erscheinung zu bezeichnen (S. S37); ist die Vorlage derselben aus dem Fuldensis abgeschrieben, so erklärt sich dies Wunder auf sehr natürliche Weise,

•Natürlich genügt es nicht", sagt Gardthausen S. 833 sehr richtig, 'um die Selbstständigkeit der italienischen unvollständigen Klasse zu beweisen, sich auf einige verschiedene Namensformen zu berufen', deren er dann eine Anzahl anführt. Ich verweile dabei nicht, da Gardthausen selbst darauf keinen Werth legt; sonst wäre es ein Leichtes zu zeigen, dass die Abweichung der Familie P von R in sämmtlichen angeführten Fällen zweifellose und nahe liegende Yer- derbniss der entweder richtigen oder doch der richtigen sich mehr nähernden Lesung des Fuldensis ist. Gardthausen fährt dann fort: 'ich greife daher ein beliebiges Stück (25, 8, 15 9 fin.) heraus, um die Lesarten der vollständigeren mit der unvollständigeren Klasse zu vergleichen', und schliesst, nachdem diese Lesungen aufgeführt sind, 'dass daraus hervorgehe, dass die Ueberliefeining der unvollständigen Klasse schlechter sei, als die des Vaticanus'. Aber darum handelt es sich gar nicht: nicht dass die Lesungen dieser Klasse schlechter sind als die von Y, sollte bewiesen werden sie galten ja längst nicht bloss als schlechter, sondern als absolut schlecht , sondern dass sie selbstständig seien; und davon zeigt die von Gardthausen beigebrachte Probe vielmehr das gerade Gegentheil. Sämmtliche hier von P und Consorten beigebrachten Abweichungen sind die gemeinen Schreibfehler oder Schreiberinterpolationen, von denen die geringen Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts wimmeln: so p. 338, 12 inumhatque V (statt invitahatqtie), munibatque P, niunie- hatque R Sab.; p. 339, 14 contempna (statt contempta) reliqua V, con- dempnare liquet P, contemnari liquet R und so weiter. Nicht eine 96 ehizige Stelle findet sich, wo man auch nur einen Augenblick sich fragen könnte, ob die Lesung von P nicht den Vorzug vor der von V verdiene; es ist alles ganz und völlig werthlos, eben wie ich diese Recension sonst überall schlechthin werthlos gefunden habe, wo ich in dem Abdruck des Sabinus sie prüfte. Ich habe nur Stücke ver- glichen und diese mögen täuschen; aber der Beweis, dass selbst- ständige ächte Ueberlieferung in dieser Familie bewahrt ist, bleibt nooh zu führen. Noch ist nicht eine Stelle nachgewiesen worden, dei* die Ueberlieferung dieser Handschriftenklasse ii-gend aufhilft; er^t wenn dies in überzeugender Weise geschehen sein wird, erscheint

380 Weiteres über den Apparat zum Amniian.

es gerechtfertigt mit den zahllosen Varianten derselben den kritischen Apparat zu behaften.

"Wenn um das Verhältniss von P zu Y festzustellen es in erster Reihe darauf ankommt, die jener Familie eigenen Lesungen nach ihrem inneren Werth zu würdigen, so bleibt daneben noch ein anderer Weg den kritischen Werth derselben zu ermessen. Notorisch stehen sich bei dem Ammian die beiden Haupthandschriften, die Fuldaer und die von Gelenius benutzte Hersfelder so gegenüber, dass die letztere häufig allein das Richtige bewahrt hat. Wenn der Klasse P neben V überhaupt ein selbstständiger Werth zukommt, so muss sich dieser nothwendig darin zeigen, dass, wo V in fehlerhafter Weise von G abweicht, P wenigstens zuweilen gegen Y mit G stimmt. Allerdings ist dieser Weg der Yergleichung meistentheils versperrt; denn in den letzten 5 Büchern, die aus dem Hersfelder Codex ab- gedruckt vorliegen, fehlt P, in den ersten 13 aber, die Gelenius nach einer aus P geflossenen Ausgabe gedruckt und aus dem Hersfelder Codex nur durchcorrigirt hat, kann die mit P stimmende Lesung des Gelenius aus jener Ausgabe herrühren und bleibt es also ungewiss, wo und wie P mit der Hersfelder Handschrift gegen Y gestimmt haben mag. Somit sind wir hier beschränkt auf jene schon oben (S. 376) erwähnte Stelle im 26. Buch, welche in P sich findet, aber in der dem Gelenius vorliegenden Ausgabe fehlte und von diesem aus dem Hersfelder Codex eingesetzt worden ist. Hier allein können wir YP, wenn nicht mit der Hersfelder Handschrift, doch mit dem von Gelenius danach hergestellten Druck vergleichen; und es ist dankenswerth , dass Gardthausen S. 838 den Apparat zu diesem Abschnitt vollständig mittheilt ^. Aber die Annahme, dass der Familie P ein selbstständiger Werth zukomme, wird durch diese Mittheilung nicht unterstützt. Der gelenische Text giebt in diesem kurzen Abschnitt, wie wir später noch sehen werden, gegenüber dem fuldischen eine Lückenausfüllung und gegen dreissig Textbesserungen, von denen wenigstens einige nicht füglich als Conjecturalemendationen des Herausgebers betrachtet werden können. Halten wir damit die unvollständige Familie zusammen, so findet sich nicht bloss keine Stelle, wo YG gegenüber die Lesung derselben irgend in Betracht käme, sondern es geht dieselbe, und insbesondere ihr ältester und bester Repräsentant P, durchgängig auch im Fehlerhaften mit T gegen G. Nur die Besserungen p. 359, 9 efftgiatos GP gegen eff)-

1) Wir lassen denselben zur Vergleichung unten folgen. [Anmerkung der Redaktion des Hermes. Dieser auf S. 100 f. des Hermesbandes mitgeteilte Apparat ist hier nicht wieder abgedruckt worden.]

Weiteres über den Apparat des Ammiau, 3S1

ciatos V p. 359, 2S desertorumque GPR gegen desertorum V p. 360, 1 congregarat GPR gegen congregerat V sind G mit P ge- meinsam; wozu man vielleicht noch zu stellen hat p. 359, 23 ni V^GPR gegen re V\ falls in der That, wie Gardthausen (S. 833) aufstellt, die dritte Hand in V aus der unvollständigen Familie geschöpft hat. Ein paar andere kleine Besserungen: p. 359, 10 aliaque GP gegen adiaqiie VP p. 359, 12 poeyiarum GR gegen poenar VP p. 360, 16 molliil V^GR gegen moUiciti V^P treten in dem jüngeren Codex E, hinzu. Aber wenn man dies alles zu- sammenfasst, wird man darin nichts erkennen können als naheliegende, zum Theil fast unvermeidliche Besserungen, wie sie von jedem Ab- schreiber eines also verwahrlosten Textes vorgenommen werden mussten. Die Annahme also, dass die Yorlage von PR eine andere gewesen sei als V oder eine Abschrift von V, erscheint auch mit diesem Thatbestand als unvereinbar.

Was weiter das Yerhältniss der hersfelder und der fuldaer Handschriften zu einander betrifft, so können nur entweder beide aus einem gemeinschaftUchen Original herrühren oder die noch vor- handene Fuldaer aus der verlorenen Hersfelder abgeschrieben sein. Die erstere Ansicht, die hergebrachte und auch von Eyssenhardt festgehaltene wird von Gardthausen ebenfalls gebilHgt; aber nach Idem von diesem selbst zuerst zusammengestellten Beweismaterial idüifte die zweite schon früher von Haupt und mir vermuthungsweise auegesprochene Annahme entschieden den Vorzug verdienen. Yon Igrcsser Bedeutung für die Handhabung der Kritik ist die Differenz inicht; denn auch wer der letzteren Ansicht folgt, kann nicht in 98 Abi-ede stellen, dass die verlorene Hersfelder Handschrift weit zuverlässiger vertreten wird durch die Fuldische Abschrift als durch den gelenischen Abdruck, also jene immer die wesentliche Grundlage ;ler Kritik bleiben wird. Doch mag es nicht überflüssig sein, den Staad dieser Controverse nach dem jetzt vorliegenden Material ibermals zu erwägen.

Die Behauptung, dass die fuldaer Handschrift nicht aus der lersfelder abgeleitet sei, stützt Gardthausen theils auf die von ihm ). 838 mitgetheilten Lesungen zu 26, 7, 10 8, 1 (vgl. unten), theils uf einige Stellen, wo die vaticanische Handschrift mehr biete, als xelmius in der seinigen gefunden habe. Für die erstere Behauptimg enaisse ich den Beweis. Die Durchsicht der a. a. O. mitgetheilten '^aranten ergiebt nämlich, dass an einer einzigen Stelle Y gegenüber r dies Richtige bietet es ist dies 359, 5 quaedam Y, quodam G,

382 Weiteres über den Apparat des Ammian.

WO Gelenius, nach seiner Interpunction zu schliessen, durch Miss- verständniss des Textes zu einer falschen Conjectur geführt worden zu sein scheint. An einer anderen es ist dies 359, 6 vel occidi Ucentia V, veloci licentia G liegt eine deutliche Falschbesserung des Gelenius vor. An einer dritten 359, 5 praeire V, praecedere Gt

sind beide Lesungen gleich gut. An allen anderen Stellen da- gegen — es sind dies, von ganz geringfügigen Varianten abgesehen, ^egen dreissig giebt G gegen Y das Richtige. Freilich sind die meisten dieser Berichtigungen von der Art, dass sie auch durch nahe liegende Vermuthung gefunden werden konnten und also nicht mit Sicherheit auf die hersfelder Handschrift sich zurückführen lassen; aber eine Reihe derselben so 359, 4 congruum quod G, congru- amque V 359, 1 1 militum redor extinxit G, mil regio rex ünxit V

360, 1 fere sex G, ureui V 360, 11 labefadans cuncta G, aliefadas cimdas V 360, 22 rumitalca G, rumit V sind so schlagend und den Spuren der in Y getrübten Ueberlieferung so eng angeschmiegt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit als Lesungen der Hersfelder Handschrift betrachtet werden dürfen; und von der Ausfüllung der (in Y nicht angezeigten) Lücke 360, 1 1 ut rapiat . . . avitae wird dies noch weniger bestritten werden können. Mit ab- soluter Gewissheit bewiesen wird hierdurch freilich nicht, dass die hersfelder Handschrift die Mutter der fuldischen ist, und schwerlich wird sich bei der jetzigen Sachlage ein solcher Beweis überhaupt

^9 führen lassen; aber wohl bestätigt es sich abermals, dass die hers- felder sehr viel besser war als die fuldische, und gewiss können diese Lesungen weit eher geltend gemacht werden zu Gunsten der ' Annahme, dass Y aus der Yorlage des Gelenius abgeleitet ist, als, wie Gardthausen dies thut, zu deren Widerlegung.

Dasselbe gilt von den angeblichen Lücken der hersfelder Hand- schrift, welche durch die fuldische ihre Ausfüllung finden. Dass wenigstens an neun Stellen die gelenische Ausgabe Lücken des Yaticanus ausfüllt, giebt Gardthausen zu; aber die beiden Stellen, die er für den umgekehrten Fall anführt, 29,6,11 und 30,8,5 sind nicht beweisend. Es ist nicht genau, dass an der zweiten die Worte qui hella diutiirna per se superavii et gravia solus in V stehen, in G aber fehlen. Yielmehr steht in Y: non ideo contemptus ius hella diuturna parum superavit . . et gra .... Ius ad resistendum aptiis*) und indem Gelenius schrieb non ideo contemptus ut ad resistendum aptus, hat er offenbar, seiner Gewohnheit gemäss, das unheilbar

*) [,V hat vielmehr optus"" Clark,]

Weiteres über den Apparat des Ammian. 3S3

Yerdorbene in der Weise beseitigt, dass was übrig blieb sich ver- stehen lässt. Aehnlich verhält es sieh auch mit der ersten dieser beiden Stellen. Was Gardthausen angiebt: ^retersit obriitas rndeoihis fossas morumque maximam V, fehlt G', ist ebensowenig genau richtig. In Y steht recrisit ohrutas rtiäerihus fossas morumque maximam partem pacis diuturnitate contemptam et suhversas und daraus hat Gelenius gemacht arces ob pacis diuturnitatem contemptas et suhversas, was eben auch ein freilich sehr verfehlter Verbesserungsversuch ist. Um so weniger kann darauf irgend Gewicht gelegt werden, dass die an beiden Stellen in unsern Texten stehenden höchst un- zuverlässigen Worte ungefähr gleich viel Buchstaben zählen. Alles, was bisher über die Vorlage des Fuldensis ermittelt worden ist. kann meines Erachtens gerade ebenso gut auf die hersfelder Handschrift selbst wie auf eine dritte bezogen werden.

Ich bin weit davon entfernt die Frage damit für erledigt erklären zu wollen; dazu würde es einer vollständigen Vergleichung der gele- nischen und der fuldischen Lesungen bedürfen, welche anzustellen ich nicht in der Lage bin. Wohl aber möchte ich dem künftigen Herausgeber bemerklich machen, dass die bis jetzt von ihm vor- gebrachten Argumente die Unabhängigkeit der fuldaer Handschrift von der hersfelder keineswegs beweisen und dass, bevor auf diese Annahme die neue Recension aufgebaut wird, es noch einer weiteren 100 und nicht bloss auf die Aeusserlichkeiten eingehenden Untersuchung der Frage bedarf.

Schliesslich mag noch erwähnt werden, dass das angebliche Ammianbruchstück aus dem 9. Jahrhundert,* das der französische Catalog der Bibliothek von St. Omer aufführt und dessen auch Gardthausen gedenkt, nach der mir auch sonst von competenter Seite bestätigten Angabe Bethmanns in Pertzs Archiv (8, 80) nichts ist als die constantinopolitanische Chronik des Marcellinus.

XL. Über die Ammianhandschrift des AccursiuS.*)

Je weniger es bestritten werden kann, dass die in der vor- stehenden Mittheilung des Herrn Gardthausen**) ans Licht gezogene Thatsache für die Ammiankritik von Wichtigkeit ist, desto eher wird es gestattet sein einige Bemerkungen daran zu knüpfen, die für die Beurtheilung des Gefundenen und damit für die Weiterführung der Arbeit von Belang zu sein scheinen. Ein fertiges Werk zu kritisiren ist in der Regel ein undankbares Geschäft; von dieser Aeusserung über ein noch nicht fertiges hoffe ich, dass sie, in dem- selben Sinne aufgenommen wie vorgebracht, dazu beitragen wird einem der grössten und ohne Zweifel dem von der Kritik am meisten misshandelten Historiker des römischen Alterthums zu einer seiner würdigen Bearbeitung zu verhelfen.

Die bisherige Annahme, dass die beiden ungefähr gleichzeitigen Herausgeber des Ammian, Gelenius und Accursius, von einander unabhängig arbeitend, jener die Hersfelder, dieser die Fuldaer Hand- schrift des Ammian ihrem Abdruck zu Grunde gelegt haben, ist der Darlegung Gardthausens gegenüber nicht mehr aufrecht zu halten; man würde sich dem Augenschein verschliessen , wenn man nicht einräumte, dass schon das zufällige Uebereinstimmen beider, wie es Yalesius für 28, 1,4 voraussetzt, Bedenken zu erregen geeignet war, aber die jetzt nachgewiesenen zahlreichen Fälle, in denen Gelenius und Accursius, von dem Fuldaer Codex abweichend, unter sich über- einstimmen, unmöglich auf zufälliges Zusammentreffen zurückgeführt werden können.

Man wird ferner Gardthausen einräumen müssen, dass die von ihm aufgestellte Erklärung die nächstliegende und äusserlich die

*) [Hermes? (1873) S. 171-175.] **) [Die Ammianhandschrift des Accursius, Hermes a. a. 0. S. 168—170.

über die Ammianliandschriffc des Accursius. 385

wahrscheinlichste ist. Direct ist es nicht bezeugt, dass Accursius die Fuldische Handschrift benutzt hat; bei der ungemeinen Genauig- keit der Abschreiber des zehnten Jahrhunderts kann er allerdings auch eine jetzt verlorene Zwillingshand schrift der Fuldischen vor sich gehabt haben ^ und können also die Fälle, wo er und Gelenius gegen die Fuldische stimmen, auf die üebereinstimmung seiner und der gelenischen Handschrift zurückgehen.

Aber wenn diese Annahme das Richtige trifft, so ist auch Gardthausens Folgerung unabweislich , dass, wo die relativ selbständige Hersfelder und die supponirte Zwillingshandschrift der Fuldaer gegen diese übereinstimmen, die Lesung der Fuldaer von der gemeinschaftlichen Grundlage sich weiter entfernen muss als die gelenisch- accursische und die letztere allein für die Kritik in Betracht kommt. Wenn die gelenisch- accursischen Lesungen diesem Erforderniss nicht genügen, so ist Gardthausens Yermuthung trotz ihrer äusserlichen Wahrscheinlichkeit nichts desto weniger unhaltbar. Auch hier also handelt es sich darum, nicht bloss die Lesungen neben einander zu stellen, sondern sie zu erwägen. Da meine Absicht wiederum nur ist eine Frage aufzuwerfen, nicht sie zu be- antworten, so beschränke ich diese Erwägung auf die von Gardt- hausen vorher angeführten Beispiele; was übrigens auch schon da- durch geboten sein würde, dass bei der Mangelhaftigkeit der Eyssen- 173 hardtschen Collation des Yaticanus die üebereinstimmung von GA

1) Haupt macht mich darauf aufmerksam, dass Valentin Rose in dem 2. Bande der anecdota Graeca et Graeco-Latina (1870) S. 164 eine weitere auf die Ammianhandschrift der Ladenburger Bibliothek des Bischofs von Worms Joh. Dalberg (f 1503) bezügliche Notiz beigebracht hat. Sebastian Münster in der lateinischen Bearbeitung seiner Kosmographie (zuerst Basel 1550) S. 619 sagt vom Kloster Lorsch: 'Non est locus in Germania, tibi vetustior quam in hoc monasterio bibliotheca fuerit. Vidi ihi exemplar unum quod manu Virgilii scriptum atulus praemoyiebat. Inventus est ibi quoqtie uUimus liber Ammiani MarceUini,

grut et iam publicatus est, scrijattts maiusculis tantum Jitteris Johannes Dai-

hurffius episcapus Wormacensis vir doctissimtis transtulit inde ad hiNiothecam Ladenhurgensem meliores quosque Codices'. Wie fabelhaft auch dieser Bericht des wenig zuverlässigen Gewährsmanns lautet, so verdient er dennoch deshalb Be- achtung, weil durch Reuchlins Zeugniss feststeht, dass die Dalbergsche Biblio- thek einen Ammian enthielt. Die alten Kataloge der Lorscher Bibliothek aus dem zehnten Jahrhundert (A. Wilmanns rhein. Mus. 23, 385 fg. [vgl. 6. Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui, Bonn 1885, S. 82ff.]) fuhren allerdings keine Ammianhandschrift auf; und andererseits ist es gewiss genug, dass in der Pfälzer Bibliothek, in welche die Ladenburger übergegangen ist, sich weder jetzt ein Ammian vorfindet noch zu Gruters Zeit vorfand.

MOMMSEN, SCHR. VU. 25

386 Über die Ammianhandschrift des Accursius.

gegen V aus dem zur Zeit gedruckt vorliegenden Apparat sich nicht- erschöpfend feststellen lässt.

Es classificiren sich die von Gardthausen mitgetheilten Stellen, wo GrA gegen Y steht, folgendermassen :

1) gegen V giebt GA das Kichtige oder wenigstens dem Sinne Angemessenere:

Y

GA

27, 1, 4 per offessum

per OS fixum

2, 6 sueta*)

insueta

3, 4 infixerat

finxerat

5, 9 iurandi

iuris iurandi

7, 4 dilatum

dilatum aliquamdiu

10, 14 ruinaruni

turmarum

28, 1, 4 linae

Nileum''*)

Y

GA

2) Y und GA sind geich möglich :

27, 4, 8 accipimus

accepimus

4, 9 timehantur

memorantur

5, 2 ducens

pendens

6, 16 auctoritaüs

maiestatis

9, 9 praeclari

clari

12, ^ ad Valentem

a Valente

28, 1, 6 dodrinarum

disciplinarum

1, 9 ob

propter

Dazu kommen ferner die Wortumstellungen, wohin zwölf der an- geführten Fälle gehören. Bemerkenswerth ist indess bei diesen, dass,^wo der einfachen Wortfolge die mehr versetzte gegenübersteht, jene in GA, diese in Y auftritt; so 27, 3, 10: pauperum damna deflentium crebra Y, pauperum deflentium crebra damna GA 27, 12, 5: uxorem cum filio tuebatur Ärsacis Y, uxorem cum filio Arsacis tuebatur GA.

3) gegenüber der richtigen Lesung von Y geben GA die falsche : Y GA

27, 5, 4 we igitur ne

6, 15 licuisset licuisset et

8, 10 multos alios multos

*) [V hat et sueta.] **) [Clark: Nikum EG, Nehum A.]

über die Ammianhandschrift des Accursius. 387

4) gegenüber der richtigen oder doch der richtigen sich nähernden 174 Lesung von V giebt GA eine Interpolation:

Y statt GA

27. 2, 1 sedehis setius huiusmodi

3, 8 vitiorum vicinorum servifiorum

4, 1 1 cum adorissima cum durissima cum audacissima

5, 9 equestrem equestrem militiam eqiiestretn militiam

curabant et agerent^

pedestrem

6, 10 animo animo laeto 10, 6 terente tepente recente

10, 11 ohlita ohlica = obliqua dbrupta

28, 1, 4 fehlt Müetum reUgaitts est

Nach diesem Thatbestand, der in allem Wesentlichen feststeht, wenn auch über die Classificirung einer oder der anderen unter- geordneten Lesung gestritten werden kann, gehört dieser Fall zu den nicht seltenen, wo das zunächst Wahrscheinliche doch nicht das Wahre ist; denn die äussere Probabilität gilt nichts vor der inneren Evidenz. Die zuletzt aufgeführten verfehlten Conjecturen und Inter- polationen, acht an der Zahl, als solche nachzuweisen wird nicht nöthig sein; sie werden keinen Anwalt finden und tragen jede für sich und um so mehr in ihrer Gesammtheit an ihrer Stirn den Stempel von Falschbesserungen nicht der Abschreiber des zehnten Jahr- hunderts, sondern der Philologen des sechzehnten. Eben dahin führen diejenigen Stellen, wo bei GA ein unzweifelhaft echtes Textwort ausgefallen oder durch falsche Gemination ein et eingeschoben oder die verzwicktere, dass heisst die echt ammianische Wortstellung in die gewöhnliche umgesetzt ist. Dergleichen konnte den ersten Her- ausgebern des Ammian leicht begegnen, während es mit der Gardt- hausenschen Hypothese überall unvereinbar ist, dass Y gegen GA das Richtige bewahrt hat. Selbst aus den den Sinn unbeschädigt lassenden Wortversetzungen und Wortvertauschungen in GA geht dasselbe hervor; dergleichen Abweichungen vom Original sind bei den mechanisch copirenden Schreibern des zehnten und elften Jahr- 175 hunderts selten und eng begrenzt, aber den Gelehrten des fünfzehnten und sechzehnten bei ihrem freien und nicht selten willkürlichen Zu-

1) In dieser Lesung ist nicht bloss der Conjtmctiv und das militiam agere anstössig (pedestrem müüiam curare steht 18, 5, b), sondern vor allem, dass Victor und Arinthaeus beide zu magistri equitum gemacht werden, während kurz vorher ausdrücklich jener als mag. eq., dieser als )nag. ped. bezeichnet ist.

25*

388 Über die Ammianhandschriffc des Accursius.

rechtrücken der Ueberlieferung sieht es gleich ein längeres Komma, wie 27, 11, 2, ohne wesentliche Beschädigung umzustellen oder ducens und pendens, auctoritas und maiestas, doctrina und disciplina für ein- ander zu setzen. Hieran wird auch dadurch nichts geändert, dass in einzelnen Fällen die Ausgaben GA gegen die Handschrift V das Richtige geben. Unter den bisher hervorgehobenen Fällen dieser Art ist keiner, der nicht allenfalls auf Conjectur zurückgeführt werden könnte; aber wenn auch einzelne derselben und von Lesungen wie 27, 1,4 per os fixum und 27, 10, 14 turmarum möchte dies in der That gelten auf bessere handschriftliche Ueberliefe- rung zurückweisen sollten, so würde dies doch das Gesammtergebniss nicht ändern.

Wenn nehmlich der von Gardthausen aufgestellte Erklärungs- versuch der von ihm zwischen Gelenius und Accursius beobachteten Uebereinstimmung sich als unhaltbar gezeigt hat, so bleibt, da an ein Spiel des Zufalls nicht gedacht werden kann, nur noch eine mögliche Erklärung: es müssen zwischen beiden Herausgebern irgend welche Beziehungen der Art bestanden haben, dass der Text des einen von dem des andern wenigstens theilweise abhängt. Auf welche Schwierigkeiten diese Hypothese trifft, weiss ich wohl; aber un- möglich erscheint es nicht, dass beispielsweise neben der Fuldischen Handschrift eine unfertige gelenische Abschrift des Hersfelder Codex in Accursius Hände gekommen ist und in Folge dessen einige der vorzüglichen Lesungen der letzteren Handschrift und nicht wenige der gelenischen Yerderbnisse auch bei Accursius auftreten. Alles hängt hier davon ab, in welchem Umfang die von Gardthausen be- obachtete Uebereinstimmung beider Ausgaben statthat, insbesondere ob sie sich auf den ganzen Ammian, so weit beide Ausgaben ihn enthalten, oder nur auf einen Teil desselben erstreckt. Es muss demjenigen, dem das Verdienst der "Wahrnehmung zukommt, über- lassen bleiben sich weiter das grössere einer wissenschaftlich be- friedigenden Lösung des Problems zu erwerben.*)

*) [Gardthausen hat in seiner Ausgabe praef. S. XXI f. auf Grund der obigen Darlegungen Mommsens, deren Richtigkeit er anerkennt, eine Lösung versucht, die er selbst nicht als endgiltig betrachtet.]

XLI. Zur Kritik Ammians.*)

Auch nachdem die Auffindung der Ueberreste des Hersfelder 244 Ammian und Nissens^ Auseinandersetzung über dessen Stellung zu den übrigen Handschriften und den Ausgaben die hinsichtlich des kritischen Fundaments bestehenden Fragen erledigt hat, wird es immer noch erwünscht sein für Dissens Urtheil (p. 29) über die grösseren Zusätze des Gelenius: si unus vel plures versus in Vaticano praetermissi a Gelenio additi sunt, codici dehentur, eine inschriftliche Bestätigung zu erhalten.

Ammian 27, 3, 3 berichtet von der Verwaltung Roms durch Symmachus, den Yater des Redners: quo instante urhs sacratissima otio copiisque solifo ahundantius fruehatur [et amhitioso ponte extdtaf atque firmissimo, quem] condidif ipse et magna civium laetitia dedicavit. Sowohl die Erklärer Ammians z. d. St. wie die Topographen ^ haben diesen Bericht auf den pcms Gratiani bezogen, den heutigen Ponte S. Bartolomeo, der die Tiberinsel mit dem Janiculum verbindet. Dass dieser, nach der noch erhaltenen und den Namen feststellenden Inschrift, erst im J. 370^ vollendet worden ist, auch seinen Ifamen nicht vor der Ernennung Gratians zum Augustus im J. 367 hat er- halten können, während Symmachus die Stadtpräfectur vom Früh- jahr 364 bis spätestens Anfang 366 verwaltet hat*, brachte man in

*) [Hermes 15, 1880, S. 244-246. S. Mommsen im C I. L. VI (4, 2) S. 3096.]

1) Ammiani Marcellini fragmenta Marbtirgensia. Berlin 1876.

2) U. A. Becker S. 699.

3) C. I. L. VI 1175, wo Z. 7 TRIB POT UI zu lesen ist [s. jetzt C. I. L. VI, 31250]. Die Daten sind nicht congruent, lassen aber nur die Wahl zwischen 369 und 370 (vgl. Staatsrecht 2, 762).

4) Nach den Adressen der kaiserlichen Rescripte hat Symmachus das Amt angetreten zwischen 8. und 22. Apr. 364. Die letzte an ihn erlassene Verordnung :st vom 20. Dec. 365; nicht lange darauf muss er zurückgetreten sein. [Das

390 Zur Kritik Ammians,

Uebereinstimmung durch die Annahme, dass die Brücke erst nach

245 Symmachus Rücktritt benannt und eingeweiht worden sei. Nun ist aber vor kurzem in Rom unter Ponte San Sisto die folgende In- schrift zum Vorschein gekommen^: imp. Caesari d(omino) n(ostro) Fl(avio) Volenti max(imo) ]p(io) f(elici) vidori ac triumfafori seniper Äug(usto) s(enatus) p(opulus) q(ne) R(omanus) ob providentiam, quae Uli semper cum inclyto fratre communis est, instituti ex utüitate urbis aeternae Valentiniani pontis atq(ue) perfecti: dedicandi operis Jionore delato iudicio princip(um) maximor(um) L. Äur(eUo) Avianio Sym~ macho v(iro) c(larissimo) ex praefectis urbi. Ohne Zweifel entsprach diesem Stein ein zweiter zu Ehren Yalentiniäns, des Herrschers im "Westen und desjenigen, von dem die Brücke den Namen trägt. Ge- setzt sind die Inschriften entweder im J. 366 oder in der ersten Hälfte des J. 367, nach Symmachus Rücktritt von der Präfectur und vor Gratians Ausrufung zum Augustus im Sommer des J. 367. Ammians Worte erhalten nun zum ersten Mal ihr volles Licht: Sym- machus hat den Bau während seiner Amtführung wenigstens zum grössten Teil ausgeführt und bald nach seinem Rücktritt ihn in be- sonderem Auftrag des Kaisers eingeweiht. Die Echtheit der oben in Klammern eingeschlossenen nur durch Gelenius aufbehaltenen Worte Ammians wird durch diese inschriftliche Bestätigung über jeden Zweifel erhoben.

Auch für die so verwickelte Geschichte der römischen Brücken ist hiedurch ein neues und wichtiges Datum gewonnen. Dass Ponte Sisto in alter Zeit pons Aurelius geheissen hat, ist bisher ziemlich allgemein angenommen worden und kann ja auch mit der neu ge- fundenen Inschrift bestehen, wenn man die Anlage als blossen Um- bau einer älteren Brücke betrachtet; doch sind die Argumente für

246 die recipirte Identification nicht zwingend 2. Einen pons Valentiniani

älteste an ihn gerichtete kaiserl. Reskript ist nach Seeck Symm. p. XLII 91 das vom 24. Mai 364 datierte Cod. Theod. VIII 5, 19 + XV 1, 11.]

1) Fiorelli notizie degli scavi 1878 p. 344; Lanciani bull, archeologico comunale 1878 p. 245. [C. I. L. VI, 31402. Dessaiu inöcr. sei. 769.]

2) Wenn, wie es den Anschein hat, das mittelalterliche Verzeichniss der römischen Brücken sie der Hauptsache nach in ihrer Folge von Ponte Molle flussabwärts aufführt, so muss der pons Antonini den Ponte Sisto bezeichnen, der alsdann in diesem Verzeichniss noch einmal am Schluss als pons Valentiniani aufgeführt wäre, möglicher Weise auf Grund. unserer zur Zeit der Anfertigung jenes Verzeichnisses vielleicht noch am ursprünglichen Platz sichtbaren Inschrift. Dass der pons felicis Gratiani auf Grund der noch vorhandenen Inschrift in dies Verzeichniss eingetragen worden ist, ist sehr wahrscheinlich. Aber mag mit der Bezeichnung pons Antonini auch von dem Urheber dieser Beschreibung

Zur Kritik Ämmians. 391

erwähnen die antiken Quellen nicht, wohl aber das Yerzeiehniss der Stadtbrücken, welches die mittelalterliche grapkia urbis und die mirahilia geben ^. Becker ^ und Preller ^ haben diese Bezeichnung für den späteren Namen desselben Ponte Sisto erklärt, während Jordan* darin die Brücke am Aventin sieht; und die erstere An- nahme hat, obwohl sie auf ein ganz nichtiges Ai'gument gestützt ist^, dennoch zufällig das Richtige getroffen. Wichtiger aber als diese Einzelheiten ist die Feststellung der überraschenden Thatsache, dass in der Hauptstadt des AYestens zwischen 366 und 380 gewiss zwei, wahrscheinlich drei® grosse Brücken erbaut worden sind; es ist das ein Zug aus dem Regiment Yalentinians I, der den grossartigen Uferbefestigungen und der Reform des verfallenen Municipalwesens sich angemessen an die Seite stellt. Indess die weiteren topo- graphischen Consequenzen aus der neuen Entdeckung zu ziehen wird Jordan nicht unterlassen*): mir kam es nur darauf an den Zusammen- hang derselben mit der Kritik Ammians darzulegen.

Ponte Sisto gemeint sein, so folgt daraus noch keineswegs, dass dieser Name antik ist und noch weniger, dass er dem pons AureUus der älteren Liste entspricht.

1) Alle Nachweisungen findet man bei Jordan Topogr. 1, 192. Pons Vcden- tiniani heisst er in der (fraphia, Pons Valentinianus in den Mirabilien; die Analogie des inschriftlich festgestellten pons Gratiani spricht für die erstere Form.

2) Topographie S. 701. 3) Regionen S. 245.

4) Topographie 2, 196.

5) Die noch vorhandene Inschrift C. I. L. VI 1176, auf die sich Becker beruft, befindet sich keineswegs an Pont« S. Sisto, sondern an Ponte S. Bartolomeo.

6) Wenn Symmachus der Sohn als Stadtpräfect (rel. 25. 26; ep. 5, 76; Tgl. laud. Grat. 8), also in den J. 384 386 die Ahnahme des pons nocus und die daran sich knüpfende Rechnungslegung erörtert, so wird auch dies jetzt auf den pons Gratiani bezogen. Allerdings sind diese Verhandlungen bereits unter Symmachus beiden Amtsvorgängem geführt worden; aber die Wendung rel. 26: (operis) stabilitatem, sictiti assa-tum est, hietJis tertia non resdvit führt doch darauf, dass der fragliche Bau erst um 380 oder noch später beendigt worden ist, was für die Brücke, die Gratians_ Namen trägtj wenig passt. Vielleicht ist hier vielmehr der pons Theodosii gemeint, wofern derselbe von dem 379 zur Regierung gelangenden ersten Theodosius seinen Namen trägt.

*) [Er hat sie m. W. nicht gezogen.]

XLU.

Zu Ammian.*)

165 In der Schilderung des herabgekommenen Rom, welche Ammian

seinem 14. Buch eingereiht hat, ist c. 6, 20 überliefert: et licet quo- cumque oculos flexeris feminas adfatim multas spectare cirratas, quibus si nupsissent per aetatem ter iam nixius poterat suppetere liherorum, ad usque taedium pavimenta tergentes iactari volvetur cyris (volucriter gyris Gronov^, dum exprimunt innuniera simulacra quae finxere fabulae theatrdles. Die alten Herausgeber besserten nixus, Valesius nidtis unter Tilgung von ter; dass die letztere Vermuthung keine äussere Wahrscheinlichkeit hat, ist ebenso einleuchtend wie Valesius Einwand gegen die erstere: ridiculum est Romae fuisse virgines grandes ad tria milia, quae si nupsissent per aetatem iam trinos liheros singulae domi habere potuissent. An das ius trium liberorum erinnerte Gronov, hielt aber an der Lesung nixus fest. Es muss heissen: quibus, si nupsissent, per aetatem ter iam nixis ius poterat suppetere liberorum.

*) [Hermes 17, 1882, S. 165.]

XLm.

Ammians Geographica.*)

Wenn der geschichtliche Theil der auf uns gekommenen Bücher 602 Ammians wenigstens insofern mit denen des Thukydides zusammen- gestellt werden darf, als Benutzung wenn nicht geschriebener Quellen, 80 doch eigentlicher Litteratur bei beiden ausgeschlossen ist, so bieten dagegen die, mit der Absicht das encyclopädische Wissen der Gebildeten der theodosischen Zeit darzustellen, von Ammian ein- gelegten Excurse für eine solche Untersuchung hinreichenden Anhalt. Insonderheit gilt dies von den geographischen Erörterungen, mit welchen Ammian, vielleicht nach dem Muster Sallusts, seine geschicht- lichen Darstellungen einzuleiten pflegt. Zwar liegt auch ihnen zum Theil die eigene Anschauung des im Osten und Westen des römischen Reichs vielgereisten Verfassers zu Grunde ; aber das Meiste ist doch aus Büchern entnommen. Mit Recht hat daher der neueste Heraus- geber Gardthausen diesen Abschnitten eine eigene Untersuchung^ gewidmet; sie ist mit Sorgfalt gemacht und für die Kritik des Schriftstellers wie für die sachlichen Fragen nicht ohne Nutzen gewesen, aber keineswegs abschliessender Art ; ich hoffe nichts Ueber- flüssiges zu thun, wenn ich die Frage noch einmal aufnehme, welches die hier benutzten Bücher gewesen sind.

Allerdings kann das Ergebniss auf keinen Fall mehr in Anspruch nehmen als annähernde Sicherheit. Ammian ist keiner von jenen Schriftstellern, die lange Strecken hindurch ein einziges Buch com- piliren; er hat viel gesehen wie gelesen und diese visa vel lecta (22, 8, 1) mannichfach gemischt und in einander geschoben. Mit der

603

*) [Hermes 16, 1881, S. 602—636.1

1) V. Gardthaiisen die geographischen Quellen Ammians (1873) im 6. Sup- plementband der Fleckeisenschen Jahrbücher S. 509—556.

2) 15, d,2: et diligentia Graeciis et litigua.

394 Ammians Geographica.

sprach er sicherlich aus, was er auch für sich im Gegensatz gegen seine römischen Zeitgenossen beanspruchte und in gewissem Sinne wohl beanspruchen durfte. Weiter als zur individuellen Bestimmung seiner wichtigeren Hilfsbücher wird nicht zu kommen sein; und gar manche Nachricht Ammians lässt sich auf kein einzelnes derselben mit Sicherheit zurückführen.

Eigenthümlich erschwerend greift in die sachliche Quellen- untersuchung Ammians sprachliche Phrasenstoppelung ein. Die dar- über namentlich von M. Hertz geführten oder angeregten dankens- werthen Untersuchungen haben im Einzelnen nachgewiesen, in welchem Umfang dieser Schriftsteller seine Wendungen den klassi- schen Prosaikern, unter andern dem Cicero^, Sallust^, Livius'', Tacitus* entnommen hat. Diese stilistischen Yorarbeiten haben mit der Zusammenstellung des Materials ah sich nichts gemein; die Worte und Phrasen werden ohne Rücksicht auf ihre ursprüngliche sachliche Beziehung verwendet °. Aber gelegentlich sind natürlich die Lese- früchte doch auch sachlich genutzt worden. Wenn in der Schilderung Galliens bei der beiläufigen Erwähnung der Saguntiner 15, 10, 10 diese memorabües aerumnis ac fide heissen, so ist dies blos eine dem Sallust (fr. bist. 2, 21 Dietsch [H 64 Maur.J) Saguntini fide atque aerum- nis incluü abgeborgte Wendung. Aber auch die Worte, mit denen die Beschreibung Galliens 15, 12, 5 abgeschlossen wird: omnes Gallias, {ut) Sallustio docetur auctore, posf decennalis belli mutuas clades sub- {egit Caesar) societatique nostrae foederihus iunxit aeternis^ hat 604 Ammian sicher selbst dem Sallust [I 11 M.] entnommen. Man wird darum diesen noch nicht gerade unter diejenigen Schriftsteller ein- zureihen haben, die Ammian für seine geographischen Darstellungen

1) Hugo Michael de Ammiani Marcellini süicliis Ciceronianis. Breslau 1874.

2) Hertz de Ammiani Marcellini studiis Salliistianis. Breslau 1874.

3) Michael a. a. 0. S. 4.

4) Wölfflin und Gerber Philol. 29 (1870) S. 558.

5) So wird 31, 2, 11 für die Schilderung der Hunnen gebraucht, was Livius 29, 3, 13 von den Africanern sagt. Aehnliches begegnet oft.

6) Dies Supplement der älteren Herausgeber wird sich dem, was Ammian schrieb , mehr nähern als was Gardthausen vorschlägt und in etwas geänderter Fassung auch Hertz (stud. Sali. p. 7) billigt, clades Sul{picio Marcello cos. Caesar) soeietati nostrae. Es ist philologisch unstatthaft die an sich nicht anstössige Copula zu tilgen; ferner ist es gegen Ammians Gewohnheit Thatsachen dieser Art mit einer bestimmten Jahrangabe zu versehen ; endlich wird ihm damit ohne Noth ein historischer Fehler aufgebürdet. Sallust sagt ganz richtig, dass im J. 703 res Bomana plurimum imperio valuit; aber keineswegs fallen in dies Jahr die ünterwerfuugsverträge der gallischen Völkerschaften.

Ämmians Geographica. 395

sachlich zu Grunde legte; aber YÖllig trennen lässt sich die sach- liche Benutzung von der stilistischen nicht, und dem eigentlichen Quellenmaterial Ammians tritt durch Einlagen dieser Art ein schwer zu berechnendes Element hinzu ^.

Den schematischen Charakter der chorographischen Abschnitte Ammians hat Gardthausen richtig erkannt. Die Diöcesen des römi- schen Reiches Aegypten (22, 15. 16), Oriens (14, 8), Thrakien (27,4, 1 14) und die beiden gallischen (15,9 12) werden in der "Weise abgehandelt, dass die Beschaffenheit der Landschaft, Gebirge, Flüsse, Fruchtbarkeit, dann die Yerwaltungsbezirke nach älterer und besonders nach diocletianischer Ordnung, die namhaften Städte nebst ihren Memorabilien, endlich der Eintritt einer jeden in das römische Reich dargelegt werden. In den verlorenen Büchern waren die darum bei der Diöcese Oriens fehlende Provinz Mesopotamien (14. 7, 21) und die Diöcese Britannien (27, S, 4) geschildert, ohne Zweifel in ähnlicher Weise. ^N'ach derselben Schablone, so weit dies möglich ist, wird auch das persische Reich oder, genauer gesprochen, der nicht römische Osten dargestellt (23, 6), einigermafsen auch Skythien (31,2,12 20). Ungleichartig ist nur die Schilderung der Küste des thrakischen und des schwarzen Meeres (22, 8) 2; indess ergänzt sie jene Auseinandersetzungen, insofern sie theils die pon- tische Diöcese, theils Sarmatien umfasst. Das vollständige "Werk Ammians mag wohl, abgesehen von Italien, das in der Geschichte des römischen Reichs nicht in der Form der Einlage vorgeführt werden durfte, nach der Absicht des nicht mit grosser Kunst, aber mit grosser Ueberlegung arbeitenden Verfassers eine vollständige Beschreibung der damaligen Oekumene enthalten haben; die noch fehlenden fünf Diöcesen (Spanien, die beiden illyrischen, Asia und 605 Africa), so wie das freie Africa und das freie Germanien werden auch an geeigneter Stelle ihre Erörterungen gefunden haben. Für jene Absicht des Verfassers spricht namentlich die Aufnahme auch der ferneren asiatischen Gebiete, wie Skythiens, des serischen Landes

1) Dass die sonstigen sachlichen Beziehungen zwischen Sallnst und Ammian im Ganzen wahrscheinlich indirecte sind, hat Gardthausen S. 549 f. richtig erkannt. Auch die Notiz 22, 8, 46 über den geringen Salzgehalt des "Wassers im schwarzen Meer, die Hertz stud. Sali. p. 8 auf Sallust zorückföhrt, wird bei dessen Ausschreibem nicht gefehlt haben.

2) Die Beschreibung der Stadt Amida (18, 9) lässt wohl analoge Gesichts- punkte erkennen, aber gehört nicht hierher; noch weniger die Schilderungen der Saracenen (14, 4, 1 7) und die mit der Darstellung Skythiens verbundene der Hunnen (81, 2, 1—11) und der Alanen (31, 2, 21—25).

396 Ammians Geographica.

und der beiden Sarmatien des Ptolemaeos, die für die historische Orientirung in keiner Weise in Betracht kamen.

Gardthausen geht von der Annahme aus, dass dem Ammian eine nach jenen Gesichtspunkten gearbeitete Erdbeschreibung vor- gelegen und er diese ins Kurze gezogen und überarbeitet habe. Ich meine im Gegenteil, dass Ammian selbst jenes Schema für seine geographischen Abschnitte aufgestellt und aus mehreren nach ver- schiedenen Kichtungen hin chorographisch angelegten Hülfsbüchern dieselben zusammengestellt hat. Dass diese Gesichtspunkte seine eigenen sind, tritt schon darin hervor, dass jener Gliederung für das römische Reich diejenige Diöceseneintheilung zu Grunde liegt, welche zu Ammians Zeit bestand, neben die dann der persische Staat und die sonstigen nicht römischen Gebiete sich stellen.

1. Rufius Festus. Am bestimmtesten lässt sich der Quellennachweis führen für die geschichtlichen Nachrichten über den Eintritt der einzelnen Landschaften in das römische Reich: dieselben sind grösstentheils dem Breviarium des Rufius ^ Festus entlehnt. Diese von einem lite- rarisch wie politisch angesehenen Mann^ etwa zwanzig Jahre, bevor 606 Ammian selber schrieb, verfasste und dem Kaiser Valens gewidmete kleine Schrift hat Ammian unmöglich unbekannt bleiben können; und in ihrer ersten Hälfte ^ giebt sie eben das, was Ammian brauchte,

1) Dass er so hiess, nicht Rufas, lehrt die athenische Inschrift C I. Gr. 372 = C. I. A. III 635. Die römische (C. I. L. VI 537 [Dessau inscr. sei. 2944]) E. Festus und die Subscription des Breviars Euß Festi sind hienach aufzulösen. Wenn in der alten Wiener Handschrift die Dedication überschrieben ist pio perpetuo domino Valentiniano imp. et semper Äugtisto Eufus Festus v. c. , so dürfte dieselbe in der andern Familie wohl mit Recht fehlen und Schreiber- zusatz sein, da sie nicht bloss Valentinian statt Valens nennt, sondern auch den Namen des Verfassers nach falscher Auflösung giebt.

2) Vir clarissimus nennt er sich selbst und ist ohne Zweifel identisch mit dem gleichnamigen Proconsul von Achaia und Africa (im J. 366), dem Verfasser des Weihgedichts an die Nortia C. I. L. VI 537 [C. L. E. II 1530 Bücheler]. Der Uebersetzer des Aratus Rufius Festus Avienus ist vielleicht derselbe, wahrschein- licher sein Vater (vgl. meine Anmerkung a. a. 0.). Ammian kann ihn sehr wohl persönlich gekannt haben. [Die Identification ist strittig: vgl. u.a. H.Peter, Die geschichtl. Lit. über d. röm. Kaiserzeit II, 1897, S. 133, 2.]

3) Der zweite mit dem ersten nur lose zusammenhängende Theil (c. 15—30) zählt die orientalischen Expeditionen der Römer in chronologischer Folge auf, mit Rücksicht auf den damals bevorstehenden persischen Krieg. Dass Ammian diese zweite Hälfte nicht benutzt hat, durfte Gardthausen nicht unter den Gründen gegen die Benutzung der ersten aufführen.

Ammians Geographica. 397

einen kurzen Abriss der Geschichte des römischen Reiches, geordnet nach der Erweiterung desselben durch das successive Zutreten der Provinzen. An diesen schliesst sich Ammian in den historischen Notizen über Kilikien und Isaurien (14, 8, 4), Syrien und Palaestina (14, 8, 10. 12), Kypros (14, 8. 15), Aegypten nebst Kyrene (22, 16, 24) und Thrakien (27,4,4.10 12)^ nicht blos sachlich, sondern auch wörtlich auf das engste an, so dass man schon in dieser Hinsicht nicht geneigt sein wird die Uebereinstimmung mit Gardthausen auf ein Ausschreiben derselben Quelle zurückzuführen^. Die ganz gering- fügigen Zusätze, die bei Ammian begegnen, sind entweder nach- weislich anderswoher entnommen, wie die Angabe, dass der Hebros durch das Land der Odrysen fliesse, eine der bei Ammian so häufigen Selbstwiederholungen aus 18, 6, 5 ist, und der Name des letzten Königs von Kypros wahrscheinlich aus Valerius Maximus (9, 4 ext. 1) 607 hinzugesetzt ist, oder sie sind blos ausschmückender Art. Dahin gehört, was er mehr hat in der Stelle 27, 4, 4:

Festus 9: in Thraciae regionibus etiam Scor- disci liahUarunt ....

multa de saevitia praedictorum fdbidosa memorantur

Ammian:

partem (Thraciarum) hdbitavere Scordisci longe nunc ah iis- detn promnciis disparati^

saevi quondam et truces, ut anti- quitas docet

1) Die Notiz über Curio 29, 5, 22 bezieht Gardthausen nicht mit Recht auf Rufius ; es handelt sieh hier um die Lagerzucht und der Vorgang ist wahrschein- lich mit dem von Frontin strat. 4, 1, 43 berichteten connex, obwohl nicht identisch. Uns ist er anderweit nicht überliefert; Ammian mochte ihn aus Sallusts Historien kennen.

2) Beispielsweise führe ich die Stelle über Kypros an:

Festus: eam (Cyprum) rex foederatus regebat, sed tanta fuit penuria aerarii Romani. . . ut . . Cyprus confiseari iiiberetur

Ammian : Ptolemaeo rege foederato nobis et socio ob aerarii nostri angnstias iusso sine lüla culpa proscribi

quo accepto rex Cxjprius nuntio venemim ; ideoque hausto veneno voluniaria morte siimpsit. \ deleto

j et tribtitaria facta est Cato Cyprias opes Eomam navibus ad- j et veliit hostiles eius exticiae dassi im- vexit. positae in urhem advectae sunt per

I Catonem. Jede Redewendung bei Ammian lässt sich in der Weise auf Festus zurück- rahren, dass überall bei dem Ausschreiber das Bestreben hervortritt zu steigern und zu coloriren.

3) Dies geht auf die Versetzung der Skordisker nach Unterpannonien (C. L L. III p. 415) und beruht zunächst ohne Zweifel auf Ptolemaeos 2, 15, 2.

398 Ammiaus Geographica.

quod hostiis captivorum diis suis

aliquando litaverint quod humanuni sanguinem in ossi-

hus capitum x^otare sinf soliti saepe per eos Ronianus est caesus

exerdtus.

Jiostiis captivorum Bellonae li-

tantes et Marti humanumque sanguinem in ossibus

capitum cavis bibentes avidius quorum asperitate post multiplices aerumnas saepe res Bomana vexata postremo omnem amisit exercitum cum rectore. Bei einem Schriftsteller, welcher unbedenklich einen in der Schilde- rung der Massageten gefundenen Charakterzug auf die Parther ^ und den Speer des Fetialen auf einen germanischen König ^ über- trägt, muss auch die Verwandlung der dii in Bellona et Mars ebenso sicher als blosse Ausführung gelten wie die 'hohlen' Schädel und das 'gierige' Trinken; und dass der Zusatz cum rectore nicht etwa der gemeinschaftlichen Quelle entlehnt, sondern freie Erfindung ist, geht daraus mit Sicherheit hervor, dass Rufius, wie die Vergleichung der analogen Berichte zeigt, hier an die Niederlage des C. Cato Consul 640 denkt, bei welcher aber der Feldherr keineswegs um- kam^. Ganz entscheidend ist die Wiederholung eines von Rufius 608 Festus begangenen argen Fehlers bei seinem jüngeren Zeitgenossen. Bekanntlich wird die Erwerbung von Kyrene in den römischen Annalen in zwei verschiedene Epochen gesetzt, in das Jahr 658, in welchem der letzte König Ptolemaeos Apion starb, und in das J. 679, in welchem die Römer das Land besetzten*. Das Neben- einanderstehen der beiden an sich gleichmässig richtigen Angaben hat auch sonst Irrungen herbeigeführt^, aber die verkehrte Aus-

1) Was Strabon 11, 8, 6 von den Massageten berichtet über die Missachtung derer, die nicht im Kampfe fallen, erzählt Ammian zweimal, einmal 31,2,22 von den 'veteres Massagetae' den Alanen, aber ebenso und mit denselben Worten 23, 6, 44 von den Parthern.

2) 19, 2, 6. Mit Recht weist Hertz im Hermes 8, 278 mit Nachdruck auf dieses schlagende Beispiel hin und fügt andere ähnliche hinzu.

3) Drumann 5, 152.

4) Marquardt Staatsverwaltung 1^, 458, wo das wichtige Sallustfragment 2, 39 Dietsch [II 43 M.] fehlt.

5) So steht bei Hieronymus J. 1922 Abr. nach dem sicilischen Krieg 653 die Notiz: Ptolemaeus rex Cyrenae moriens Romanos testamento reliquit heredes, unter dem J. 1954 zwischen den Ereignissen von 690/1 die andere: Libya per testamentum Apionis regis Romanis relicta. Die erstere Nachricht muss wohl eusebisch sein, obwohl sie weder im armenischen Text noch bei Synkellos erscheint; auf keinen Fall hat Hieronymus sie aus Rufius entnommen, auch wenn er diesen benutzt haben sollte, da er sie correct datirt. [Vgl. Über die <iuellen der Chronik des Hieronymus S. 687 = u. nr. LXVIL] Die zweite Angabe

Ammians Geographica. 399

gleichung durch Scheidung der Landschaften Libyen und Kvrene und der Könige Ptolemaeos und Apion findet sich ausschliesslich bei Rufius und bei Ammian:

Rufius 13: Cyrenas cum ceteris civiiatibus

Libyae Pentapolis Ptolemaei

antiguioris liberalitate stisce-

jyimus. Libyam supremo Apionis regis

arbitrio sumus adsecuti.

Ammian 22, 16, 24: Aridioretn Libyam supremo Apio- nos regis consecidi sumus arbitrio.

Cyrenas cum residuis dvitatibus Libyae PentapoUos Ptolemaei liberalitate suscepimus. wobei offenbar mitgewirkt hat, dass damals die alte Cyrenaica in die beiden Provinzen Libya x>e}itapolis (oder superior) mit der Haupt- stadt Kyrene und Libya sicca (oder inferior) zerfiel. "Wahrscheinlich hat schon Rufius bei seiner Libya an die letztere gedacht, was dann Ammian ausdrücklich ausspricht. Diese gleichmässige Falschbesserung einer unverstandenen Ueberlieferung führt mit zwingender Noth- 609 wendigkeit zu der Annahme, dass der spätere Schriftsteller sie von dem früheren übernommen hat.

Wenn hiernach die Benutzung von Rufius Breviar für die auf die Erwerbung der einzelnen Reichstheile bezüglichen Kachrichten durch Ammian ausser Zweifel ist, so ist Gardthausens Annahme einer bei diesem zu Grunde liegenden systematischen Erdbeschreibung wenigstens nach dieser Seite hin widerlegt. Höher aber werden wir es anzuschlagen haben, dass wir an diesen nicht umfänglichen, aber lehrreichen Stücken ersehen können, wie weit Ammian einer- seits in treuem und selbst wörtHchem Anschluss an seine Quellen, andrerseits im Uebertreiben und Ausmalen gegangen ist.

IJebrigens hat Ammian für die historischen Notizen, die er in seine chorographischen Darlegungen verwebte, neben Rufius auch andere Quellen benutzt. Wir sahen schon, dass er für das durch

ist sicher ein aus Eutrop 6, 11 entlehnter Zusatz, woher auch die unrichtige Einstellung sich erklärt. Dass Hieronymus selbst beide Notizen in seiner Vor- stellung vereinigt und ähnlich wie Rufius geirrt hat, ist möglich. Aber da Eutropius, den er doch ausschreibt, diese Auffassung ausschliesst: Libya . . Ro- mano imperio per testamentum Apionis gui rex dus ftierat accessit, in qua indwtae urbes erant Berenice Ptolemais Oyrene, so ist es wahrscheinlicher, dass er die zweite Notiz hinschrieb, ohne dabei der ersteren sich zu erinnern, und also nicht so sehr selber irrte als seine Leser zum Irren verleitete. Auf jeden Fall ist dieser Vorgang unabhängig von dem bei Rufius und Ammian vorliegenden Versehen. [Vgl. A. Schöne, Die Weltchronik des Eusebius, Berl. 1900, S. 223, 1.]

400 Ammians Geographica.

Caesar eroberte Gallien (15, 12, 6) einer beiläufigen Aeusserung des Sallustius den Vorzug gab, obwohl er das Erforderliche auch bei Rufius c. 6 hätte finden können. Was er in derselben Verbindung über die narbonensische Provinz berichtet (15, 12, 5), steht bei Rufius nicht und in ähnlicher Form überhaupt bei keinem der uns erhaltenen Autoren mit Ausnahme der Periochen des Livius ^, deren Benutzung durch Ammian damit freilich nicht erwiesen, aber an sich glaublich genug ist. Die kurze Meldung über die Eroberung Arabiens durch Traian (14, 8, 13) geht ohne Frage auf Ammians eigene Darstellung in den verlorenen Büchern zurück.

610 2. Das Verzeichniss der Reichsprovinzen und

Reichs gemeinden. Es ist evident, und auch von Gardthausen nicht verkannt 2, dass für die administrative Reichseintheilung seiner Zeit Ammian eine Liste benutzt hat, welche die Diöcesen, in jeder Diöcese die Pro- vinzen, in jeder Provinz die Städte verzeichnet, so wie sie uns für Gallien in der wahrscheinlich Ammian ungefähr gleichzeitigen Notitia GaUiarum, für das Ostreich der justinianischen Zeit in Hierokles ovvexörjfiog erhalten sind. Eine das Ost- und Westreich in gleicher Ausführlichkeit umfassende Liste, wie sie Ammian vorgelegen haben muss, besitzen wir nicht, sondern nur die Verzeichnisse der Diöcesen und Provinzen mit Weglassung der Stadtnamen in der Veroneser Liste und in derjenigen des Polemius Silvius. Dass die Land- schafts- und Städtenamen in den ammianischen Beschreibungen von

Ammian : regiones . . . primo temptatae per Ful- vium

deinde proeliis parms quassatae per

Sextium ad ultimum per Fabium, Maximum

domitae.

1) Man vergleiche:

Livius 60: M. Fulmus Flaccus primus Transalpinos

Ligures domuit hello. Livius 61 : C. Sextius proeos. victa Salluviorum gente

u. s. w. Q. Fabius Maximus cos. . . . aäversus

Alloh'ogas . . . felieiter pugnavit ....

Alldbroges in deditionem recepti Die Schlussworte cui negotii plenus effectus asperiore Ällobrogum gente devicta hoc indidit cognomentum können mit Benutzung von Valerius Maximus 6, 9, 4 ge- schrieben sein.

2) Freilich drückt er sich darüber in schwankender "Weise aus: theils soll die angebliche schematisirte Geographie nach diesen Provinzen geordnet gewesen sein (S. 515), theils ist von einem Provinzialverzeichniss, das auch die Metropolen oder noch andere Stadtnamen enthielt, noch als von einer besonderen Quelle die Rede (S. 524).

Ammians Geographica. 401

Aegypten (22, 16, 1—6), Oriens (14,8), Thrakien (27, 4, 12. 13) und der beiden gallischen bei Ammian genau geschiedenen Diöcesen (15,11,7 15) aus dieser Quelle geflossen sind, lässt namentlich bei den beiden letztern Abschnitten sich auf das Bestimmteste zeigen. Diese Verzeichnisse, wahrscheinlich sämratlich officiellen Ursprungs, sind rein nomenclatorisch, so dass bei den Ortschaften nur die Metropolenstellung und etwa noch die übrigen Rechtsverschieden- heiten ^ Berücksichtigung finden; Ursprungsnachrichten, historische Bemerkungen, Memorabilien sind in ihnen schlechthin ausgeschlossen. Da Ammian durchaus bestrebt ist diese in seine Darstellung zu ver- flechten, so ist es ein deutlicher Beweis der Abstammung der galli- schen wie der thrakischen Städtelisten aus dem Provinzialkatalog, dass solche Zusätze hier entweder fehlen oder ihre Entlehnung anderswoher nachweislich ist. Bei Gallien finden sich, wenn man 611 von Redensarten wie ampla et copiosa, inter alia emhiens und dgl. absieht, derartige Bemerkungen nur bei Trier: domicilium principum darum und bei Argentoratum : harharicis cladibus nota, beides Reminiscenzen an anderswo in Ammians Werk ausführlich geschil- derte Vorgänge ; dann bei Aventicum die Hinweisung auf den ehe- maligen Glanz, den aedificia semiruta nunc quoque manstrant, also kein lectum, sondern ein visum ; endlich bei Massilia die Bemerkung, dass auf dessen societas et vires in discriminihus arduis Rom sich verschiedene Male gestützt habe, was auch aussieht wie eine ver- einzelte Lesefrucht. Vielleicht noch auffallender ist das Sach- verhältnis bei Thrakien. Hier werden zwar bei Philippopolis und Hadrianopolis die alten Namen Eumolpias und Uscudama angeführt^ und bei Aenos sogar die mit dieser Stadt verknüpfte Aeneasfabel. Aber die beiden ersten Notizen stammen offenbar aus Rufius, den Ammian auch in dem vorhergehenden Abschnitt ausschreibt, und die dritte ist eine Wiederholung aus der Beschreibung des schwarzen Meeres (22, S, 3). Also lag Ammian eine notitia Thraciarum vor, wie wir sie für Gallien haben, welche nur die nackten Namen ent- hielt, und ist er bestrebt gewesen, diese aus seinem sonstigen Notizen- vorrath dem historischen Kothurn anzupassen. Bei den Diöcesen

1) Die Notitia Gaüiarum unterscheidet von den dvitates die castra, ver- muthlich ummauerte Ortschaften, denen das Stadtrecht fehlte. So werden neben der civitas Helvetiorum Aventicum die castra Vindonissa und Eburodunum auf- geführt, beide nachweislich der helvetischen civitas angehörige nicht selbständige Flecken.

2) Der Doppelname Heraclea Perinthua ist zu allen Zeiten in Gebrauch gewesen, kehrt übrigens auch wieder 22, 2, 3. c. 8, 5.

MOMMSEN, SCHR. VII. 26

402 Ammians Geographica.

Aegypten und Oriens tritt die Reichsliste nicht so deutlich hervor und erscheinen die Memorabilien in grösserer Zahl. Aber die Grund- lage, besonders die Yertheilung der einzelnen Städte unter die Pro- vinzen, wird bei der zweiten doch wohl auf dieselbe Quelle zurück- gehen. Auf Aegypten kommen wir weiterhin zurück.

Was Ammian diesen Verzeichnissen entlehnt hat, hält die sach- liche Prüfung im Allgemeinen recht gut aus. Dass die kurz bevor er schrieb neu eingerichteten gallischen Provinzen Lugdunensis III und Senonia fehlen, führt darauf, dass er eine etwas ältere Liste 612 benutzte^, ist also kein von ihm begangenes Versehen. Dass er die Doppelprovinzen Äquitania I. II und Narbonensis I. II nur einmal aufführt, mag mit der für die südgallische von jeher aus sieben Pro- vinzen bestehende Diöcese gangbaren Benennung der quinque pro- vinciae zusammenhängen: auch fehlt die Narbonensis II nicht ganz, so wenig wie die Alpes maritimae'^. lieber andere Abweichungen seiner Ansetzungen von den sonst überlieferten lässt sich streiten; einen eigentlichen Fehler hat er nur begangen in Beziehung auf Aventicum, das er nicht der sequanischen Provinz, sonden den poe- ninischen Alpen zutheilt. Wenn man sich erinnert, dass er über die Ruinen dieser Stadt aus eigener Anschauung berichtet, so möchte man hier einen Nachtrag des Verfassers erkennen, wobei er die Liste nicht zu Rathe zog und daher die an der Grenze der sequa- nischen Provinz gegen die poeninische liegende Stadt irrig dieser zuschrieb.

3. Ptolemaeos. Die Dienste, welche das Verzeichniss der Reichsgemeinden für das römische Gebiet leistete, gewährte jenseits desselben die Geo- graphie des Ptolemaeos. An der einzigen Stelle, wo Ammian diese anführt (22, 8, 10), steht das nicht in ihr, was er angiebt; aber in welchem Umfang er von Ptolemaeos Geographie da abhängt, wo er sie nicht nennt, haben schon Accursius und Valesius erkannt, und es liegt dies in der That besonders in der Schilderung des persischen

1) Dafür spricht ferner, dass er Ikonion, die Hauptstadt der einige Zeit vor 373 von Pisidien abgetrennten Provinz Lykaonien, noch als Pisidiae oppidum (14, 2, 1) bezeichnet. Dergleichen kleine Incongruenzen berechtigen nicht zu der Annahme, dass Ammian das Provinzialverzeichniss nicht selbst, sondern durch einen Vermittler benutzt hat, welcher in diesem Fall nur wenige Decennien vor ihm geschrieben haben könnte.

2) In dem nicht recht angegliederten Schlusssatz: Ms prope Salluvii sunt et Nicaea et AntipoUs insulaeque Stoechades stecken sowohl die Aliies maritimae (Nicaea), wie die Narbonensis II (Antipolis).

Ammians Geographica. 403

Staates auf der flachen Hand. Die Kritik des Ptolemaeos kann aus diesen Auszügen einiges gewinnen^; umgekehrt haben für diejenige Ammians sowohl die früheren Herausgeber wie auch Gardthausen den Ptolemaeos in berechtigter "Weise herangezogen, der letztere aber wie bei Festus darin geirrt, dass er die unmittelbare Benutzimg der Geographie durch Ammian aus schlechthin nichtigen Gründen 613 bestreitet 2. Es tritt die Abhängigkeit Ammians von seiner Quelle nicht blos in dem Namengerippe hervor, sondern auch in zahlreichen anderen Beziehungen, deren Darlegimg für die Compositionsweise Ammians und die Beurtheilung seiner Autorität von Wichtigkeit ist und daher hier nicht fehlen darf. Es wird angemessen sein zunächst einige Proben ^ zu geben, sowohl aus Ptolemaeos Schilderung des europäischen und des asiatischen Sarmatien (3, 5. 5, 8), die Ammian bei der Beschreibung der Landschaften am schwarzen Meer (22, 8) neben einer anderen später zu erörternden Quelle benutzt, wie aus dem sechsten Buch, das in seinem ganzen Umfang die Grundlage der ammianischen Darstellung des Perserreichs (23, 6) bildet, obwohl es über die Grenzen des persischen Reiches weit hinausgreift.

1) Es giebt Stellen, wo Ammian ziemlich allein mit dem Vat. 191 das Richtige bewahrt hat, so 23, 6, 26 et Arsiana aus Ptol. 6, 3, 5 = 8, 21, 6 Tag- ciäva, was fast in allen übrigen Handschriften des Ptolemaeos in TaQEiäva oder Tagiäva verderbt ist. Ebenso giebt 23, 6, 42 die Schreibung Fara eine gewisse Bestätigung für die Lesung des Vat. Zcoqpd& gegenüber der der anderen Hand- schriften Zcoq:da. Ich verdanke diese Mittheilung wiederum der zuvorkommen- den Gefälligkeit des Hm. K. Müller.

2) Coniectanea Amm. p. 34; geogr. Quellen S. 524. Wenn es richtig wäre, dass die ammianischen Ptolemaeos - Excerpte der schlechteren Handschriften- famüie folgten, so würde dies nur noch auffallender werden dadurch, dass sie von einem älteren Autor herrühren, als Ammian selbst ist. Aber es verhält sich gerade umgekehrt; dass Ammian nusquam fere cum codicibus conspirat optimis BE Pal I (Wilberg) , sed plencmque cum M(irandtda) cdiisqtie notae inferioris, stellt sich zu den Beweisen dafür, dass der Codex des Mirandula, welcher der lateinischen Uebersetzung zu Grunde liegt, besser ist als die sonst von Wilberg benutzten. Wenn Gardthausen dann weiter sagt: mvMo maioris momenti haec Ammianea Persiae descriptio esset, si non auctor Ammiani Latinus, sed Ammiamis ipse Ptölemaei geographia usus esset, so verstehe ich weder wie unterschieden werden kann noch was es für die Kidtik austragen soll, ob die Umschrift aus dem Griechischen ins Lateinische, die hier stattgefunden hat und von der in Lesefehlern und sonst die Spuren zahlreich genug sind, von Ammian oder von einem Andern vollzogen worden ist. Missverständnisse des Textes, die auf Un- kunde des Griechischen zurückgehen und die Ammian daher nicht beigemessen werden könnten, finden sich nirgends; diejenigen Entstellungen der ptole- mäischen Namen, wie sie bei Ammian auftreten, konnten genau ebenso gut einem Griechen begegnen wie einem Römer.

3) Es sind dabei alle conjecturalen Terbesserungen bei Seite gelassen worden.

26*

404

Ammians Geographica.

Ptolemaeos: 5, 8, l fj . . . HaQfxatia negiogi- Cetai . . . . Tft) Taväidi norajuco

c. 2 Magovßlov nox. exß.

'Pojußirov fJLEydXov nox. exß. 614 Oeocpaviov nox. exß.

Ammian :

22, 8, 29 ultra Tanain panduntur

in latitudinem Sauromatae

per quos amnes

Maraccus ei Bomhifis et Theofanes

fluunt perpetui

et Totordanes (sehr, et Oardanes)

licet alia quoque distans immanibus intervallis Sauromatarum prae- tenditur naiio litori iuncta, quod Coracen suscipiens fluvium in aequor eiectat extremum.

22, 8, 38 {uU Riphaei deficiunt mon- tes, Jiabitant Arimphaei"^), . . . quos amnes Chronius et Visula praeterflunt

iuxtaque Massagetae^ Halani et Sargetae, aliique plures öbscuri, quorum nee vocahula nohis sunt nofa nee mores 39 interiectu deinde non mediocri Carcinites panditur sinus eius- demque nominis fluvius

et religiosus per eas Terras Triviae lucus

23, 6, 25 perfluunt . . . easdem terras potiores ante alios amnes M qtios praediximus et Marses et Flumen regium et JEupJirates cunctis ex- cellens ....

OvaQÖdvov ^ nox. exß.

C. 3 änö de /u.eorj/u.ßQiag xco xe evxevß'ev juegei xov Ev^eivov JJovxov juexQi Kogaxog noxa- fiov

3, 5, 1 fJLSxä xäg xov OvioxovXa noxajuov exßokäg . . . Xqovov nox. exß.

3, 5, 10 (vgl. 19) fxexa^v de x&v 'AXavvcov xal xcöv 'Ajua^oßicov . . . 2aQya.xioi

3, 5, 2 nQog xcb KaQxivixt]

x6Xnq>

Kagxtvhov nox. exß. . . äXoog 'Exdxi^g.

5, 20, 2 diüQQeovoi de xrjv xdÖQav ö xe Baoikeiog noxa/xbg xal 6 . . . . xaXovfxevog Maagod- Qrjg^, dg xco juev EtxpQdxr] ovfxßdXXei.

1) So die Handschriften alle.

2) Dies stammt aus der Solinusquelle (Sol. p. 101, 4 [p. 89, 21 «]). Insofern Ptolemäus 3, 5, 5. 101 die rhipaeischen Berge im europäischen Sannatien verzeichnet, knüpft er an diese Berge verkehrt genug die beiden Flüsse an, mit denen Ptolemaeos die Beschreibung Sarmatiens beginnt.

3) Diese identificirt Ammian mit den 'Jfia^oßtoi.

4) So weit stimmen die Handschriften überein. Bald nachher haben die meisten r«^ 8e öiä BaßvXcovias og xaXsTxai MaagadQTjg 6 BaciXsiog norafio; avvdnxmv, andere mit der lat. Uebersetzung bloss toi;t<j> 8h ovvdnxei 6 BaoiXsiog Tioza/nög.

Ammians Geographica.

405

6, 3 2!ovoiavijg 'dsoig

6, 3, 4 7i6?.eig de eiolv ev ifj 2!ovaiavfj

"Agaxxa 6, 3, 5 Zovoa

Tagoidva (vgl. S. 612 A. 2 [403 A. 1])

6, 3, 1 fieXQ'^ "^^ £''s töv üeQoixov y.ohiov exßoXwv Tov 'Ogodrcdog Jioxa/xov

6, 3, 2 Xäga^ üaoivov Mcooaiov tzot. exß.

6, 16, 1 fj 2li]oix7] Tteoiooi^erai

OTid /bikv dvoecog rf] exxbg 'Ifxdov ÖQOvg Zxvdiq ....

ÖLTtb de ägxTCOv äyvcboro) yf] Tiagd TOV avrbv did Qov- Xrjg TiaQaXXriXov , öjuoicog de xal djiö ävaroXcbv äyvcooTO) yfi ....

ajiö de fieorjfxßQiag reo re XoiTicö juegei rfjg exxbg Payyov 'Ivöixfjg 6, 16, 2 bor] . . .

rd re xaXovfxeva "Awißa . . .

1) Für vosae ist wohl ignotae lose nivosae.

26 His tractibus Stisiani iunguntur, apud quos non muliu sunt op- pida,

23, 6, 26 inter alia tarnen eminet 615 Stisa saepe domicilium regum

et Arsiana

et Sele

et Araclia: cetera brevia sunt et obscura.

Fluvii vero mtdti per haec loca discurrunt, quibtis praestant loroafes

et Harax

et Meseus

per harenosas augustias, qiiae a rubra prohibent Caspium mare, aequoream imdtitudinem inun- danfes 23, 6, 64 Ultra haec utriusque Scy- thiae loca contra orientaletn plagam in orbis sjjecietn consertae celsorum aggerum summitates ambiunt Seras ....

ab occidentali latere Scythis ad- nexos

a septentrione et onentali vosae ^ solitudini cohaerentes

qua meridiem spectant ad usque Indiam porrectas et Gangen.

Appellantur autem idetn mmües Anniva

herzustellen, nicht das jetzt gangbare sinn-

4<^ Ammians Geographica.

et Nazavicium^

616 xal x(bv AvCaxicov x6 äva-

TOXIXÖV jUEQOg ....

xal rd xaXovjueva 'AojuiQaia

ÖQrj

xal Tcbv 'Hjucodcöv . . . x6

ävaxohxöv juegog . . . xal xb xaXovfXEVov 'Oxxoqo-

xoQQag

et Äsmira

et Emodon et Opurocarra

Diese Zusammenstellung, mit der manches weitere Blatt gefüllt werden könnte, zeigt genau dasselbe Verfahren, wie wir es bei dem Provinzialverzeichniss fanden, nur, wie sich dies bei der Entlegenheit und Unbekanntschaft der Gegenden von selbst versteht, noch be- trächtlich zum Schlimmeren gesteigert. Die Ortsnamen werden dem Handbuch in der Weise entlehnt, dass in der Auswahl der angeblich bedeutendsten theils der reine Zufall waltet, theils nahe liegende Suppositionen , wie denn zum Beispiel die Alexandrien des Ostens fast alle von Ammian aufgenommen worden sind, theils gewisse Andeutungen, die Ammian bei Ptolemaeos fand oder zu finden meinte: so werden bei Medien diejenigen Städte bevorzugt, die im achten Buch des Ptolemaeos wiederkehren 2, aus der ungeheuren Masse der 'Städte' im glücklichen Arabien diejenigen ausgesucht, denen jUfjxQÖJioXig oder auch blos jtöhg beigefügt ist 3, so auch anderswo die von Ptolemaeos als Metropolen*, als /ueydXa s^vrj^ bezeichneten Ortschaften und Völker ausgewählt. Neben der Namen- liste werden für die Darstellung auch die ptolemäischen Grenz- bezeichnungen in sehr freier Gestaltung benutzt, wie dies namentlich 617 der mit Rücksicht darauf ausgewählte Abschnitt über Skythien dar- thut ®, auch wo es angeht aus den Namen Memorabilien heraus- oder

1) 'Verwechselung von ß und x' bemerkt mir K. Müller.

2) Amm. 23, 6, 39 vgl. mit Ptol. 6, 2. 8, 21, 8 11.

3) Amm. 23, 6, 47 vgl. mit Ptol. 6, 7.

4) Ptol. 6, 8, 13 : KäQfiava firjxQÖTioXig = Amm. 23, 6, 49 : Carmana omnium mater. Ptol. 6, 9, 7: 'Ygxavia fi^rgonoXig = Amm. 23, 6, 52: Ms nobiliorem Hyr- eanam. Ptol. 6, 12, 6: Agsipa /nrjTQÖnoks = Amm. 23, 6, 59: Areta ipsa metro- polis. Vgl. Ptol. 6, 11, 9: BdxzQa ßaaiXeiov = Amm. 23, 6, 58: Bactra ipsa, unde regnum.

5) Ptol. 6, 11, 6: Toxagoi fisya e&vos = Amm. 23, 6, 57: quas (gentes) exu- peran[t To]c7iari. Ptol. 6, 14, 10: 'la^dgrai fisya e^og = Amm. 23, 6, 62: laxartae. Ptol. 6, 16, 5: 'loarjböveg nsya edvog == Amm. 23, 6, 66: Essedones omnium splmdi- dissimi.

6) Ebenso Ptol. 6, 16, 5: dvazcohxcözeQot tcov 'Jvvißcov .... 'Paßdvvai = Amm. 23, 6, 66 : incolunt . . . Ännibi . . . exortum vero solis suspiciunt Babannae.

Ammians Gec^raphica.

407

in sie hineingedeutet^; die meisten derartigen Bemerkungen sind allerdings anderswoher entnommen. Einlagen eigentlich geographi- scher Art finden sich in der Beschreibung Persiens zwar auch, so aus Homer 2 und Herodot^, aber nur vereinzelt*.

\Yenn diese gesammte Manipulation als eine leichtfertige und wenig gewissenhafte Quellenbehandlung bezeichnet werden muss, so verdient es noch härteren Tadel, dass und wie Ammian diese Be- nutzung des Ptolemaeos wenigstens auf eine der Provinzen seiner Zeit, auf Libya sicca ausgedehnt hat.

Ptolemaeos: 4, 4, 3 IJevTanöXeoog

Beoevixi] rj y.al 'EoTiegideg

'Agoivöt] f] aal Tev/eiga

IlroXejuaig

Adgvig

4, 4, 7 Kvoijvi]

Xaigexka NedTioXiq 4, 5, 3 vouov Aißvrjg Tiagdkiog

Ammian 22, 16, 4. 5: in Pentapoli Lihija Cyrene est posita

et Ptoleynais

et Arsinoe eademgue Teuchira

et Darnis

et Berenice quas Hesperidas appeUant

in sicciore vero Lihya

Paraetonion et Chaerecla et Neapolis

üagaiToviov inter municipia pauca et hrevia.

Da die Ortschaften des Reiches bei Ptolemaeos nach dem älteren, 618 bei Ammian nach dem diocletianischen Provinzialschema aufgeführt werden, so fügten jene Namen diesen Kategorien sich nicht; und

1) Ptol. 6, 13, 1 : Siä roi' ogovg o xaXsTrai 'Aaxardyxa? fi^ZQ' ^^ xarä ro 'I/zaov ooog oourjxrjQiov tÜ)v ei; ttjv ZrjQav ifiaogeroftevcov = Amm. 23, 6, 60: cui Ascanimia mons imminet . . . praeter . . radices .... iter lonffissimum patet merea- toribus pervium ad Seras subinde commeantibus. Ptol. 6, 7, 46: 'Ogyara (Grad- bestimmung) Zsoasitadog (Gradbestimmong) = Amm. 23, 6, 47: insignior tarnen aliis Turgana est, in qua Serapidis maxiimim esse dicitur templum.

2) Amm. 23, 6, 53. 62: Abier und Galaktophagen. Allerdings kann dieser Zusatz ebenso wie der folgende herodotische auch mittelbar an Ammian gelangt sein (S. 6-27 A. 2 [416 A. 3]).

3) Die Flüsse Choaspes und Gyndes Amm. 23, 6, 40 nennt Ptolemaeos nicht, wohl aber Herodot 1, 188 f., und den letzteren ausser Herodot nur Ammian.

4) Einige andere ammianische Namen, die wir bei Ptolemaeos nicht nach- weisen können, wie 23, 6, 39 Zombis und Patigran, c. 43 Choatres (vgl. Ptol. 6, .J, 1), c. 49 Sagareus sind sicher entweder durch Ammian selbst oder durch: seine

oder des Ptolemaeos Abschreiber entstellt oder verdunkelt.

408 Ammians Geographica.

das Ergebniss ist denn auch, dass zwei sonst unbekannte, aber sicher unmittelbar bei Kyrene gelegene Ortschaften des Ptolemaeos von Ammian verwendet werden, um die libysche Wüste zu bevölkern. Dass das Yerzeichniss der Reichsgemeinden hier mit Stadtnamen karg war, ist begreiflicher als dass ein Historiker dieses Ranges es nicht verschmäht hat den Defect in ebenso verkehrter wie unwürdiger Weise zu verdecken.

An Ptolemaeos knüpfen auch wohl die verwirrten Nachrichten an, die Ammian über die vordiocletianische Reichseintheilung für Gallien (15, 11, 6) und Aegypten (22, 16, 1) beibringt. Dort spricht er von vier Provinzen, nach ihm Narbonensis nebst Lugdunensis, Aquitanien, Obergermanien, Untergermanien nebst Belgica, während er entweder mit Ptolemaeos Narbonensis, Lugdunensis, Aquitanien, Belgica nebst den beiden Germanien als die vier gallischen Provinzen aufführen oder, die vierte für drei zählend, sechs gallische Provinzen verzeichnen musste. Bei Aegypten spricht er gar von drei alten Provinzen Aegypten, Thebais und Libya, wobei wahrscheinlich die bei Ptolemaeos verzeichneten drei Epistrategien (Delta, Heptanomis, Thebais) ihm im Sinne liegen ; in der That bildete die spätere Diöcese Aegypten nach der alten Ordnung die beiden Provinzen Aegypten und Kyrene.

4. Timagenes und die Beschreibung des schwarzen

Meeres. Haben wir uns bisher mit denjenigen Quellen Ammians be- schäftigt, die in gleicher oder doch nicht wesentlich veränderter Gestalt auch uns noch vorliegen, so treten wir jetzt in die Unter- suchung über die uns verlorenen Schriften ein, aus denen er geschöpft hat nicht ohne Bedenken, nachdem sich dort nur zu deutlich gezeigt hat, wie weit Ammian im Mengen wie im Erweitern geht. Indess einen Gewährsmann nennt uns wenigstens Ammian selbst, und 619 offenbar mit dem Gefühl besonderer Befriedigung wegen des exquisit gelehrten Citats; in der That ist diese Anführung nebst derjenigen des Hermapion wohl die einzige directe eines nicht zu den damaligen Schulschriften zählenden Werkes, welche bei Ammian sich findet.

Timagenes aus Alexandreia in Aegypten kam im J. 699 d. St., ohne Zweifel schon erwachsen, als Kriegsgefangener nach Rom ^ und ist daselbst bejahrt ^ unter Augustus, wahrscheinlich zehn bis zwanzig

1) Suidas u. d. W. Müller fr. hist. Gr. 3 p. 317.

2) Seneca de ira 3, 23, 5: in contubernio Pollionis Äsinii consenuit.

Ämmians Geographica. 409

Jahre vor dem Beginn unserer Zeitrechnung^ gestorben. Er muss sich in Rom, theils durch seine scharfe Zunge, theils durch seine litterarischen Leistungen, eine sehr angesehene Stellung geschaffen haben, welche auch durch den Bruch mit dem Kaiser nicht erschüttert ward; selbst ein Mann wie Quintilian bezeichnet ihn, allerdings mehr dem Streben als dem Gelingen nach, als den Wiedererwecker der griechischen Historiographie 2. Geschrieben hat er ein historisches "Werk unter dem Titel der Bücher 'der Könige', dessen erstes die Könige der Fabelzeit verzeichnete^; dass die sonstigen Anführungen aus diesem Schriftsteller, in denen der Diadochenkönige von Aegypten und Syrien und der Könige der Juden Erwähnung geschieht, dem- selben Werk entlehnt sind, ist wahrscheinUch, und da die darin erwähnten Vorgänge bis in die ciceronische Zeit hinabreichen, so ist es wohl möglich, dass die nach dem Bruche mit dem Kaiser von dem Verfasser vernichtete Geschichte Augusts den Abschluss des- selben bilden sollte. Es ist eine keineswegs sichere, aber ansprechende Vermuthung Gutscbmids ,*J dass dieses "Werk bald nachher von Pom- peius Trogus lateinisch bearbeitet worden und insofern auch uns noch im Auszug geblieben ist. Femer gab es wahrscheinlich von 620 ihm einen Tieotji/.ovg Tidorjg '&a).door]g in fünf Büchern*. Er muss

1) Nach der Art, -wie Horaz in der kurz vor 733 geschriebenen Epistel 1, 19 von ihm spricht, war er damals vermuthlich nicht mehr am Leben oder hatte wenigstens das Leben hinter sich. Eben dahin führt, dass Livius in dem wohl Tor 734 herausgegebenen neunten Buch c. 18, .6 bei dem levissimiis ex Graecis allem Anschein nach das Geschichtswerk des Timagenes im Sinne hat.

2) Inst. 10, 1, 75: longo post intervdllo temporis naitis (vorher ist Kleitarchos genannt, der Zeitgenosse Alexanders des Grossen) Timagenes vel Iwc est ipso pro- habilis, qttod intermissam historias scinbendi indtistriam nova laude reparai-it.

3) Stephanus Byz. u. d. W. Müvai, oi rroÖTeoov Z6i.vi.ioi, ok Ti^ayevrjg rtgärat ßaadicov. Aus ihm wird geschöpft sein, was Stephanos weiter von dem König Solymos anführt.

*) [Vor dem Erscheinen der vorliegenden Abhandlung Mommsens hatte Gutschmid diese Hypothese noch ohne nähere Begründung aufgestellt in der Recension der Gardthausen'schen Schrift, an die Mommsen hier anknüpft (Lit. Centralbl. 1873, 738 = Kl. Schriften hrsg. von Rühl Y 368 vgl. 352).]

4) Der erste Artikel des Suidas, welcher der Schx-ift des Berytiers Hermippos aus hadrianischer Zeit .7£pt tw»- öianoetf'dvTwv h Tiaiötia. dov/.coy entlehnt zu sein scheint (Wilamowitz) , giebt eine ziemlich eingehende Biographie, bezeichnet aber die Schriften nicht genauer (lyoarf's no/lä). Die zweite Notiz: Tt^iayevtj^ iorooixog :i£oi:n}.ovv ndorjg &a/.daar]g iv ßiß/.toig £ auf dieselbe Persönlichkeit zu beziehen ist dadurch angezeigt, dass kein anderer namhafter Historiker dieses Namens begegnet. Müller vermuthet (fr. bist. 3 p. 317), dass diese Schrift identisch sei mit der in den Apolloniusscholien unter dem Namen TtudyrjTo; öfter angeführten einer weit älteren Zeit angehörenden .-rfot kiiievoyv (die Frag-

4 1 0 Ammians Geographica.

sonst noch manches geschrieben haben, das wir nicht mehr im Stande sind zu fixiren.

Aus Timagenes entlehnte Ammian, was er über die Ursprungs- geschichte der Gallier mittheilt 15, 9, 2 3 und c. 10, 9^; und es passt der Inhalt zu dieser Herleitung vollkommen: nicht bloss ist die griechische Abstammung dieser Berichte evident, sondern sie stimmen auf das Genaueste zu dem, was die ungefähr gleichzeitigen Schriftsteller Dionysios von Halikarnassos ^ und Strabon^ über die- selben Dinge berichten. Freilich wird man daraus nicht folgern 621 dürfen, dass diese hier eben aus ihm geschöpft haben. Timagenes, der nach Ammian ex muUijylicibus l'ibris sein Werk zusammenstellte, hat für die gallischen Dinge ohne Zweifel den Poseidonios heran- gezogen und namentlich den Bericht über die Barden, Vaten und Druiden, in dem er mit Strabon übereinstimmt, sicher diesem Ge- währsmann entnommen*, dem wir ja überhaupt ungefähr verdanken, was wir von älteren gallischen Zuständen wissen. Strabon konnte denselben also von Timagenes entlehnen, den er für Gallien aller- dings neben dem Poseidonios einmal anführt^; aber es ist viel wahr-

mente das. 4 p. 519). Aber die Bezeichnung ioxoQixog zeigt wenigstens, dass der Verfasser dieser Notiz in der That an den Timagenes der augustischen Zeit gedacht hat; und ich sehe keinen genügenden Grund eine über Suidas hinaus reichende Verwechselung hier zu statuiren.

1) c. 10, 9 fehlt bei Müller und wird von Gardthausen S. 555 auf Sallust bezogen, ist aber augenscheinlich ein weiteres Stück (nt relatum est) des tima- genischen Excerpts.

2) Die Erzählung Ammians 15, 9, 6 von dem thebanischen Hercules, der nach der Ueberwindung der bösen Herrscher Spaniens und Galliens cum gene- rosis fetninis die zwei Söhne erzeugt habe, welche beiden Ländern den Namen gegeben haben, kehrt wieder bei Dionysios 14,1 Kiessling [IV 248, 9 Jacoby], wonach Herakles mit der Asterope, der Tochter der Atlantis, die Söhne Iberos und Keltos, die ersten Könige Spaniens und Galliens erzeugt.

3) Die merkwürdige Uebereinstimmung des Berichts über die gallischen Barden, Vaten und Druiden bei Strabon 4, 4, 4 p. 197 und Ammian 15, 9, 8 ist oft hervorgehoben, auch schon von Zeuss gr. Celt. p. 46* darauf hingewiesen worden, dass Ammians evhagis gewiss nichts ist als verlesen aus dem griechischen OYATIC. Uebrigens wird hienach nicht abzuweisen sein, dass der römische vates seinem Ursprung nach nicht minder gallisch ist als der haruspex etruskisch, wenngleich schon Ennius ihn mit dem Faunus zusammen nennt und Varro für ihn nach einer lateinischen Etymologie suchte.

4) Dass Poseidonios von den Barden erzählte , lehrt das Fragment 23 (vgl. 25) bei Müller = Athenaeos VI p. 246 c.

5) 4, 1, 13 p. 188. Was er ihm entnimmt, ist Stadtklatsch und er fährt fort: ni&avcoTSQog d' iazlv 6 JIooeiScoviov köyo?.

Ammians Geographica. 411

scheinlicher, dass er denselben vielmehr der eigentlichen Quelle, das heisst dem Poseidonios entnommen hat.

Die Frage, ob bei Ammian weitere Auszüge aus dieser relativ werthvollen Quelle enthalten sind, lässt sich für den Abschnitt über die Chorographie Galliens mit Bestimmtheit verneinen^. Dagegen ist Bergers 2 Vermuthung sehr wahrscheinlich, dass die sicher einer griechischen Quelle entstammende, der Darstellung Galliens kurz voraufgehende Schilderung des Bodensees ebenfalls auf Timagenes zurückgeht^.

Welche Schrift des Timagenes dem Ammian vorgelegen hat, ist nur insoweit zu entscheiden, dass die lediglich in mythologisch- geographischen Nachrichten bestehenden Auszüge auf das Geschichts- werk nicht passen*. Für den Periplus gilt dies nicht in gleicher ^V^eise; vielmehr verdient Erwägung, dass die einzige Stadt, die die 622 ammianischen Timagenes- Excerpte nennen, Massalia ist, der einzige darin vorkommende Alpenpass der über die Seealpen. Letzteres ist besonders bemerkenswerth, weil Ammian die Alpenpässe überhaupt schildern will und neben der dem Timagenes entnommenen Dar- stellung des Seealpenübergangs den cottischen Pass nach eigener

1) Wir sind hier in der Lage die Quellen fast durchgängig mit Sicherheit nachweisen zu können. Cap. 9 u. 10, 8. 9 kommen von Timagenes; c. 10, 1 7, c. 11, 16 18 (Schilderung der Rhone) und c. 12 aus eigener Anschauung; 10, 10. 11 aus Livius; 12. 1 5 aus Caesars Commentarien; 12, 6—15 aus der ßeichsliste der Gemeinden; 12, 5 vielleicht aus der livianischen Epitome; 12, 6 aus Sallustius.

2) Eratosthenes S. 363.

3) 15, 4, 2 6. Für ihn passen die Stadien so wie die Vergleichung der Nilkatarakten und der Arethusaquelle. "Wie Gardthausen S.545 diese Beschreibung des Oberrheins, die beste aus dem Alterthum, die wir haben, im Ernst hat auf Eratosthenes zurückführen können, der 'das Keltenland gar nicht kannte' (Strabon 2, 1, 41 p. 93), verstehe ich nicht. Am letzten Ende stammt sie sicher von Poseidonios. [Vgl. E. Fisch, De Argonautarum reditu, Göttingen 1896, S. 51.]

4) Dass Strabon dieses benutzt hat, nicht bloss in seinem verlorenen Ge- schichtswerk, sondern auch in der erhaltenen Geographie, führt Gutschmid (Litterar. Centralblatt 1873 S. 788 [= Kl. Sehr. V S. 368]) mit Recht gegen Gardt- hausen aus dass Strabon das Werk 'in seiner Geographie benutzt', was Gardt- hausen geltend macht, beweist natürlich gar nichts. Aber die Nachricht über die to-osanische Beute vS- 621 A. 2 [410 A. 5]) kann unmöglich in einem Periplus ge- sta-nden haben. Auch die Fabelerzählung von dem indischen Kupferregen (15, 1, 57 p. 711) lässt sich nicht mit Sicherheit dem Geschichtswerk absprechen; der Zug Al'jxanders bot dafür eine geeignete Anknüpfung. Aber für Ammian folgt daraus nichts; denn dass Strabon und Ammian dieselbe Schrift des Timagenes benutzten, wi'5 dies Gardthausen und Gutschmid annehmen, beruht auf der Zurückführung des strabonischen Berichts über die keltische Religion auf Timagenes, deren ünwahrscheinlichkeit oben dargethan ist.

412 Ammians Geographica.

Anschauung^, den poeninischen nach Livius beschreibt 2; es scheint also ziemlich sicher, dass Timagenes die anderen Alpenpässe nicht beschrieben hat. Bedenken erregt freilich die Schilderung des Boden- sees, womit noch zusammengestellt werden kann, dass Plinius^ die Längenausdehnung der Alpen aus Timagenes anführt. Unmöglich ist es allerdings nicht, dass ein Periplus bei der Rheinmündung und der Seealpe diese Notizen beibrachte. Aber andrerseits ist nicht in Abrede zu stellen, dass das Hervortreten des Timagenes vorzugsweise bei Nachrichten, welche sich auf Gallien beziehen, die Annahme einer Gallien behandelnden Specialschrift empfiehlt*. Eine bestimmte Ent- scheidung ist nicht zu gewinnen.

Es liegen aber bei Ammian noch anderweitige geographische Excerpte aus einer griechischen Quelle vor. Ich habe früher (S. 604 [395]) hervorgehoben, dass die Schilderung der Küsten des thrakischen und des schwarzen Meeres (22, 8) den sonstigen geographischen 623 Erörterungen Ammians ungleichartig ist. Allerdings ist sie nicht einheitlicher Art^. Der zweite Abschnitt, der die Nord- und West- küste des schwarzen Meeres vom Phasis bis zur thrakischen Ost- küste umfasst (24—48), enthält nicht wenige ptolemaeische Excerpte, die zum Theil schon früher erörtert sind^; andere Nachrichten des-

1) 15, 10, 1-7. Vgl. C. I. L. V p. 811.

2) 15, 10, 10. 11. Dies führt Gardthausen S. 553 f. mit Recht gegen Wölfflin aus. Jede einzelne positive Angabe kehrt bei Livius wieder; wie arg Ammian seine Quelle zerrüttet, lehrt freilich auch diese Stelle in nur zu schlagender Weise. j

3) n. h. 3, 19, 132. I

4) Dies ist Wilamowitzs Ansicht; die Nichterwähnung der übrigen Alpen-' passe würde dann darauf zurückzuführen sein, dass diese der griechischen Legende fem lagen. [Vgl. H. Wilkens, Quaest. de Strabonis aliorumque rerum Gallicarum auctorum fontibus, Marburg 1886, S. 29 ff.]. Strabons Nachricht von dem tolosanischen Schatz wird nicht hierher zu ziehen sein, weil dieser den Timagenes auch für nichtgallische Dinge mehrfach anführt.

5) Von eigenen Wahrnehmungen des Schriftstellers, auf die das visa vel lecta des Eingangs führt, finde ich hier keine Spur.

6) Die erste ziemlich sickere Spur ist die Nennung der Achaeer und Cer- ceten c. 25, schwerlich zu trennen von Ptolemaeos 3, 9, 25: tuagä t6v IJovrov 'Ayaiol xal KsQxhai, womit auch die bei Ptolemaeos vorhergehenden, bei Ammian folgenden Bosporaner und der Fluss Ra (Ptol. 5, 8, 6 und sonst) zusammengehören werden. Der bei Ammian folgende Abschnitt 29 ist oben S. 613 [404] ab- gedruckt und sicher ptolemaeisch. Ebenso sind in c. 33 die Arinchi et Sinchi et Napaei ohne Zweifel die 'AQiyyoi (so mehrere Handschriften, ähnlich auch Mirandula ; Aq^ikoi der Vat.) Ziyyol (2ivxoi der Vat. , Zivyoi oder Ziyyol die übrigen^ Kavatprjvoi (so der Vat., die übrigen Kovaiprjvoi) des Ptolemaeos 5, 9, 18. Man sieht, dass Ammian bis hieher Ptolemaeos asiatisches Sarmatien benutzt

Ammians Geographica. 413

selben berühren sich so eng mit dem solinischen Memorabilienbuch, dass über deren Herkunft insoweit kein Zweifel bleiben kann^. Anders verhält es sieh mit dem ersten Abschnitt, der Beschreibung der europäischen Küste vom Athos bis Byzanz und der asiatischen von Alexandria Troas bis zum Phasis (2 24), woran einige wenige gleichartige Stücke aus dem zweiten Theil sich anschliessend. Augenscheinlich liegt hier, und zwar in dem ersten Abschnitt aus- schliesslich, eine griechisch geschriebene Küstenbeschreibung zu Grunde, deren Verfasser die mythologische, historische und litterar- 624 historische Ueberlieferung in weitem Umfang geläufig war. Die zahl- reichen Entstellungen kommen ohne Zweifel auf Rechnung Ammians ^. Mit Recht sagt Valesius einmal, dass hier Apollonios Rhodios über- setzt oder vielmehr in die Form eines Periplus umgesetzt zu sein scheine*; die Argonautensage spielt an der pontischen Küste überall

hat. Weiterhin entnimmt er dem dritten Buch die Angaben über den taurischen Chersonesos (6) und über das europäische Sarmatien (5). Die Städtenamen c. 36 Eupatoria, Dandake, Theodosia sind wohl geflossen aus Ptolemaeos 3, 6, 2; ptolemaeische Entlehnungen in c. 38. 39 sind S. 614 [404] aufgeführt; c. 40 sind die Städtenamen Borysthenes und Cephalonesus , so wie die Alexander- und Augustusaltäre aus Ptolemaeos 3, 5, 8. 26. 28 genommen. Auch in den folgenden Abschnitten mag noch so manches Einzelne der Art enthalten sein, ist aber nicht mehr sicher zu scheiden.

1) Dahin gehört die Notiz über Dioskurias und die Heniocher c. 24, wo Ammian selbst in der verdorbenen Xamensform mit Solinus übereinstimmt; die Erwähnung der ilelanchlaenen, Gelonen und Agathyrser c. 31 zusammengehalten n:it der weiteren Ausführung 31,2,13 15; die schon S. 614 A. 2 [404 A. 2] erwähnten Arimphaeer c. 38 ; die Angaben über die Donau, das Wasser und die Fische des schwarzen Meeres c. 44—47 (Tgl. S. 632 [420]).

2) Dahin gehört wenigstens die auserlesene Notiz c. 34 über die Artemis Orsiloche, die in unserer Litteratur nur bei Antoninus Liberalis c. 27 wiederkehrt; vielleicht auch die Inseln Phanagoria und Hermonassa c. 30 und anderes, was auf das griechische Wesen engeren Bezug hat.

3) Namentlich in dem Umsetzen der Orte, auch wo geographisch geordnete Verzeichnisse vorliegen , leistet Ammian das Unglaubliche. Auf die Folge der Localnamen hat Gardthausen S. 538 mehr Gewicht gelegt als er durfte. Eigent- liche Zusätze hat Ammian nicht gemacht; denn ConstanthiopoUs vetus Byzantium c. 8 zählt nicht, und ob die Provinz Rhodope auf die Fassung c. 4 eingewirkt hat, ist fraglich.

4) Die merkwürdigste Analogie ist 22, 8, 20: attoUitur Carambis placide cottis co'itra septentrionem Heiken surgens, von Valesius verglichen mit Apollonios

2,360:

eari Ss tis äxQrj 'EXixfjs xaTEvavxiov agxzov jrdvzodev rjUßaxo^- xal ftiv xakiovai KÖQajxßiv, WC in der That entweder Ammian oder schon sein Gewährsmann aus der 'Bärin Helike' des Dichters einen poetisch wie prosaisch unmöglichen 'Heüke Norden'

414 Ammians Geographica.

die erste Rolle, obwohl auch gelehrte Notizen anderer Art in Fülle vorhanden sind. Citirt werden Hekataeos und Eratosthenes, und zwar wenigstens letzterer richtig^; gerechnet wird nach Stadien, und die mitgetheilten Angaben stimmen ziemlich mit den erato- 625 sthenischen überein 2. Daneben erscheint Rücksichtnahme auf römische Verhältnisse, wie die Aeneassage^ und die römische Provinzial- eintheilung nicht der ammianischen, sondern der früheren Zeit*. Wenn Timagenes einen neQiTiXovg ndorjg 'd^aXdoorjg geschrieben und Ammian diesem die Gallien betreffenden Timagenes - Auszüge ent- nommen hat, so wird man nicht anstehen dieselbe Quelle auch hier zu erkennen 5, Man kann dafür weiter geltend machen, dass die einzige gewissermassen historische Stelle sich nahe berührt mit Justin:

Justin 2, 4, 2:

(Scythae) in Cappadociae ora iuxta amnem Tliermodonta consede- runt suhiectosque Themiscyrios campos occupavere.

ihi per multos annos spoliare fini- timos adsueti

Ammian 22, 8, 17. 18: Thermodon Ms est proximus .... Themiscyraeos interlahens lucos, ad quos Amazonas quondam migrare necessitas suhegerat talis. attritis damnorum adsiduidate fini- timis

gemacht hat. Wie war es hieuach möglich septentrionem bei Ammian zu athetiren !

1) 22, 8, 10. Gardthausen führt S. 541 aus, dass die Vergleichung der West- küste des schwarzen Meeres mit einem Skythenbogen , um die es sich hier handelt, bei Eratosthenes stand und wahrscheinlich von ihm herrührt, Hekataeos also hier ebenso zu Unrecht citirt wird wie Ptolemaeos. Die Hereinziehung des letzteren hat Ammian verschuldet; ob auch die des ersteren oder dieser Fehler älter ist, lässt sich nicht entscheiden. Berger (Eratosth. S. 333) ist geneigt jene Vergleichung auch dem Eratosthenes abzusprechen; aber sie tritt so früh und so häufig auf, dass ich Gardthausen beistimmen möchte.

2) Die Entfernung der Vorgebirge Criumetopon und Carambis beträgt 2500 Stadien nach Ammian 22, 8, 20 wie nach Strabon 2, 5, 22 p. 125 , ohne Zweifel nach Eratosthenes, da späterhin niedrigere Zifi"ern erscheinen. Als Umfangsmass des schwarzen Meeres giebt Ammian 22, 8, 10 nach Eratosthenes 23000 Stadien an, und diese Ziffer wird als die richtige eratosthenische durch zahlreiche andere Angaben geschützt (Müller zu Agathemeros 3, 11; Berger Eratosth. S. 330); die Zahl 25000 bei Strabon a. a. 0, ist von ihm oder den Ab- schreibern verdorben. 3) 22, 8, 3.

4) Bomanae provinciae: 22,8,11. Bithynia: c. 14. Post Bithyniae partem provindae Pontus et Paphlagonia protenduntur : c. 16, welche der Schreiber zu- sammenfasst, also die Doppelprovinz Pontus und Bithynien im Sinne hat.

5) Daraus, dass c. 18 bei der lo-Fabel hinzugesetzt ist: ut poetae loquuntur, und c. 15 der Argonautengedichte als priscorutn carmimim cantm gedacht wird, kann unmöglich mit Gardthausen S. 539 auf einen metrischen Periplus ge- schlossen werden.

Ammians Geographica. 415

Die weitere Erzählung geht allerdings verschiedene Wege. Aber die hier auf jeden Fall zu Grunde liegende der Argonautensage sich anschliessende Küstenbeschreibung ^ kann allerdings auch durch eine andere Zwischenquelle oder selbst unmittelbar von Ammian benutzt worden sein.

Auch in die Beschreibung des Orients scheinen einige gleich- 625 artige Notizen eingelegt. Gardthausen hat aufmerksam gemacht auf die hier hin und wieder auftretenden eratosthenischen Nachrichten. "Was Strabon über das persische Meer aus Eratosthenes anführt, stimmt genau mit dem Anfang der Beschreibung der Diöcese Oriens^. Drei offenbar zusammengehörende Angaben Ammians 23, 6, 43. 69. 70 sind dem berühmten eratosthenischen Kontier über die Strasse von den kaspischen Pforten zum Indus entnommen, erscheinen aber hier nicht bloss arg zerrüttet, sondern sonderbarer "Weise als Masse irgend welcher Küstenfahrt ^. Weiter begegnet als Abschluss der Beschreibung des persischen Staates ein Bericht über die Ausdehnung

1) Welcher Beschaffenheit dieselbe gewesen ist, liegt, ausserhalb des Kreises meiner Forschung. Wilamowitz schreibt mir darüber: ^.Evident ist, dass der Periplus an Apollonios auschliesst, um so auffallender, dass er mit den erhaltenen Schollen, welche doch schon Valerius Flaccus benutzt hat, keine BerOhnrng zeigt. Ausserdem aber erkennt man, dass attische Tradition irgendwie einge- wirkt hat: denn die singulare Notiz, welche Byzantion von Athen gegründet werden lässt (vgl. Kydathen S. 17), die Bemerkung über die ionische Wanderung und die attische, allerdings populärste, Amazonensage schliessen sich zusammen. Ebenso geht die Gründung von Ainos durch Aineias, von Parion durch Paris lasions Sohn auf gute sehr alte epichorische Ueberlieferung zurück. Dagegen versagt das Historische fast völlig ; vs-o doch Lysimacheia Apameia Nikomedeia Erklärung forderten."

2) Strabon 16, 3, 2 p. 765 = Ammian 23, 6, 10. Hier stimmt sogar das Mass; Gardthausen hat übersehen, dass die 10000 Stadien bei Strabon nur die eine Hälfte des Ringmasses sind. Vgl. Plinius 6, 24, 108. Agathemeros 3, 12. Berger Eratosthenes S. 274.

3) Ammian 23, 6, 43: a ciiius (Heeatonyayli) finibus per Caspia litora ad tisque portarum angustias stadia XL numerantur et M. Dieselbe Distanz be- rechnet Plinius 6, 15. 44 auf 133 Milien = 1064 Stadien, Eratosthenes bei Strabon 11,8,9 auf 1960 Stadien. C. 69: unde (von Alexandria Ariana) naviganü ad Caspmm mare D stadia numerantur et M. Gemeint ist wohl die bei den ge- nannten Autoren (Plinius 6, 17, 61, Strabon a. a. 0.) nächstfolgende Distanz von Hekatompylos nach Alexandria Ariana von 575 Milien = 4600 Stadien nach Plinius, 4530 Stadien nach Strabon. C. 70: Ortospana, unde litorea naiigatio ad usque Mediae fines portis proximos Caspiis stadiorum »unt duo milia et CC. Ter- muthlich ist dies die Strecke von der Stadt der Arachoten bis Ortospana, 175 Milien = 1400 Stadien nach Plinius, 2000 Stadien nach Strabon. Das Schwanken der Zahlen darf nicht iiren ; schon Plinius merkt an : in quihusdam •ixemplarihus diversi ntomri reperiuntur.

416 Ammians Geographica.

der nördlichen und der südlichen Küsten desselben ebenfalls in 627 Stadien ^. Diese Art der Entstellung wird etwas weniger unbegreif- lich, wenn Ammian hier einem Periplus folgte^ und die Angaben, die er bei diesem fand, unverständiger Weise sämmtlich als Küsten- masse auffasste. Ob dies eben derselbe Periplus ist, der für das schwarze Meer die Nachrichten lieferte, steht dahin. Auf alle Fälle schien es angemessen, unter diesem Abschnitt die eigentlich grie- chischen Quellen, die nach Stadien messen und eratosthenische An- setzungen wiedergeben 3, zusammenzufassen. Sind die ammianischen Angaben wie gleichartig, so auch der gleichen Schrift entnommen, so kann dies nur eine des Timagenes sein; denn diesen allein nennt Ammian in dieser Verbindung und zwar in einer "Weise, dass hier an indirecte Benutzung nicht gedacht werden kann.

5. Solinus und die Memorabilien. Die enge Verwandtschaft zwischen Solinus collectanea verum memordbilium und Ammian ist notorisch. Wenn jene Schrift im Grossen und Ganzen als ein geographisch geordneter und vielfach

1) 23, 6, 74: ne igitur orae maritimae spatia adluentia Persidis extremitcUes per minutias demonstrantes a proposito longius aberremus, id sufficiet dici, quod mare praetentum a Caspiis montibus per horium latus ad usque memoratas angustias novem milium stadiorum, austräte vero ab ostiis Nili fluvii ad usque principia Carmanorum XIV milium stadiorum numero definüur. Die Rückbeziehung auf die eben erörterten Ansetzungen ist deutlich, denn die memoratae angxistiae können nur die c. 40. 70 genannten kaspischen sein. Im Uebrigen ist schwer zu sagen, was hier gemeint ist. Als persische Nordküste kann, zumal da die Skythen c. 61 ausdrücklich intra Persicos fines gesetzt werden, wohl nur die süd- liche und östliche Küste des kaspischen Meeres gedacht sein, indess ist weder mit Caspius mons etwas anzufangen (Berger S. 328), noch können als andere Grenze die kaspischen Pässe auftreten, noch lassen aus den überlieferten eratosthenischen Zahlen (Berger S. 328 f.^ die 9000 Stadien ohne arge Willkür sich herausrechnen. Noch seltsamer ist die zweite Angabe. Bergers Vermuthung (S. 251), dass für den Nil der Indus zu setzen und die Südküste der zweiten eratosthenischen atpQayig gemeint sei, die Strabon 15, 2, 8 p. 724 auf 14000 Stadien angiebt, mag das Richtige treffen; aber unerklärt bleibt, warum hier der persische Meerbusen fehlt und nicht von der Mündung des Indus bis zu der des Euphrat gemessen ist.

2) Bergers Vermuthung (Eratosth. S. 239), dass die im Alterthum weit verbreitete Annahme einer Verbindung des kaspischen Meeres mit dem Ocean und der Möglichkeit einer Fahrt vom indischen ins kaspische Meer hier zu Grunde liege, scheint mir verfehlt ; alle greifbaren Elemente bei Ammian führen auf die Landstrasse von den kaspischen Thoren an den Indus.

3) Auch die Behandlung der beiden früh in die geographische Discussion hineingezogenen Homerstellen bei Ammian in der Beschreibung des Perserreichs 23, 6, 53. 62 und in der von Thrakien 27, 4, 3 führt Gardthausen S. 543. 546 auf die eratosthenische Quelle zurück, vielleicht mit Recht (vgl. Berger Eratosth.

Amniians Geographica.

417

erweiterter Auszug der in Plinius Naturgeschichte erwähnten Merk- würdigkeiten sich charakterisiren lässt, so schliesst Ammian auch da, wo Solinus von seiner Quelle abweicht, sich im Ganzen an ihn an^ und giebt selbst solche solinische Angaben wieder, welche bei Plinius fehlen^. Nichts desto weniger reicht man nicht aus mit der 628 einfachen Annahme, dass Ammian den Plinius nur mittelst des So- linus benutzt hat; es finden sich verschiedene Stellen, wo er sich enger an Plinius anschliesst als an Solinus'. Hätte Ammian beide

S. 350 nnd oben S. 617 A. 3 [407 A. 2]). Es mag auch sonst noch manches vereinzelte Excerpt aus gleicher Quelle bei Ammian vorkommen.

1) Zu den zahlreichen Beweisen, die die Zusammenstellungen und die Anmerkungen in meiner Ausgabe des Solinus dafür geben, füge ich einen dort fehlenden, der besonders schlagend ist. Die Wagenlenker der Dioskuren, von denen die Stadt am Phasis erbaut sein soll, heissen bei Plinius 6, 5, 16 Amphitus und Telchius und diese Formen Te/.yig y.al "Aucfnog bestätigt Charax (schol. Dionys. perieg. 687), während alle sonstigen Quellen (Strabon 11,2,12 p, 496 und aus ihm Enstathios zum Dionys. 680; Justinus 42, 3, 3) in den Namen variiren. Bei Solinus 15, 17 heissen sie Amphitus et Cercius (Var. tercius, circius) und die letztere ohne Zweifel bloss auf Verderbniss des plinianischen Telchius beruhende Form wiederholt sich bei Ammian 22, 8, 24 ebenso wie bei Isidor.

2) So die Notiz über die Danae Amm. 14, 8. 3 = Solin. 88, 3; die Erwähnung der hundert Priester bei der Apisweihe Amm. 22, 14, 8 = Solin. 32, 18; die der punischen Bücher Amm. 22, 15, 8 = Solin. 32, 2. Aus dem, was Plinius vom Krokodil sagt 8. 25. 89: armatus est contra omnes ictas cute invicta ist dann geworden

bei Solinus 32, 24: circumdatur maxima cutis firmitate in tantum, ut icttis quovis tormento adactos tergo repercutiat.

bei Ammianus 22, 1-5, 16: diebus hutni versatur confidentia cutis, quam ita validam gerit, ut eius terga cata- phracta vix tormentorum ictibus per- forejitur.

3) So haben vom Nil den Gegensatz ruere fluere Plinius 5, 9, 54 und Ammian 22, 15, 9 (ebenso vom Rhein 15, 4, 2), während Solinus 32, 7 dafür fhiere manare setzt. So geben Plinius 8, 25, 89 und Ammianus 22, 15, 16 dem Krokodil achtzehn Ellen Länge (denn in edbeciem kann nur octodecim stecken), Solinus 32, 22 abge- rundet 20. Auch was Ammian 22, 8, 47 über die Fische des Pontus sagt, steht wohl ähnlich bei Solinus 12, 13, aber schliesst sich weit enger an Plinius 9, 15,49. 50 an:

Plinius: i Ammian: |

zumthynnishaec (amia) \ constat ah ultimis )wstri fini- '? pelamydes in Fontiwi ■■ btts maris agminatim ad hunc ad didciora päbula in- [ secessum pariendi gratia petere

tränt gregatim pisces, ut aquariim suavitate

in Pontum nuUa intrat \ saluhrius fetus educant in re- ceptaadis cavis, quae sunt ihi densissima, securi voracitim heluarum; nihil enim in Ponto huiusmodi aliquando est visum praeter innoanos delphinas et phocas (Hdsch. et pauos)

Itstia piscibus malefica jraeter ritulos et parvos ('elphinos.

Solinus: (in Ponto) praeter pho- cas rara hdua est: plu- rimus thynnus in Ponto, nee aJibi paene fetificant: nusquam enim citius adulescunt, scilicet ob aquas dulciores.

MOMHSEN, SCHR. VII.

27

418 Ammians Geographica.

620 neben einander gebraucht^ und im Anschluss an Plinius die Worte des Solinus geändert, so würden wir erwarten dürfen wenigstens in den geographischen Abschnitten irgend einem von den Memorabilien unabhängigen plinianischen Excerpt zu begegnen. Dies aber ist schlechterdings nicht der Fall. Es bleibt also wohl nichts übrig als die von mir schon früher*) aufgestellte Annahme, dass das uns vor- liegende Memorabilienbuch verkürzt ist und dem Ammian reiner und reicher vorgelegen hat als wir dasselbe besitzen.

Wenn, was hienach nicht abgewiesen werden kann, im Ammian noch andere Auszüge aus dem Memorabilienbuch stecken als sie in unserem SoHnus sich finden, so muss die Untersuchung, welche Nachrichten Ammian dem Memorabilienbuch entlehnt hat, auf eine vollständige Lösung verzichten. Denn bei dem desultorischen Cha- rakter dieser Notizen, die aus unzähligen und sehr verschiedenartigen Quellen herrühren können, sind Schlüsse aus Analogie hier vor allem bedenklich. Wir werden uns begnügen müssen in allgemeinen Um- rissen darzulegen, wie Ammian diese Quelle genutzt hat.

Dass im Laufe der Erzählung gelegentlich Notizen aus dem Memorabilienbuch verwendet werden, so über die Träume 15, 3, 6; über den Biber 17, 5, 7 = Solinus 13, 2; über das Schaltsystem 26, 1, 12. 13; über die Waffenthaten des Dentatus und des Catilina 25, 3, 13. 27, 10, 16, versteht sich bei Ammians schriftstellerischer Weise von selbst. In ähnlicher Weise, aber häufiger, hat er des Yalerius Maximus Anekdotensammlung geplündert.

Anders verhält es sich in den geographischen Abschnitten, Hier ist die Benutzung gewissermassen eine systematische, nachweisbar für die Diöcesen Aegyptus (22, 14 16) und Oriens (14, 8), für Persien (23, 6), für die pontischen Districte (22, 8) und für die Schilderung der Hunnen und Alanen (31, 2), also für alle, mit Aus- nahmen des gallischen und des thrakischen. Es ist dies auch natür-

630 lieh; denn da die Memorabilien chorographisch geordnet waren, so bildeten sie das natürliche Complement der Stadtverzeichnisse der

Fariendi gratia stammt aus den fetificant des Solinus, ebenso die beluae statt der bestiae und die phocm (denn so ist offenbar zu schreiben) statt der vituli, aber die innoxii delphini kommen aus Plinius.

1) Diese Vermuthung hat Hertz ausgesprochen (Hermes 8, 266), indem er auf die aus dem Widmungsschreiben des Solinus entlehnte Phrase 26, 1, 1 referre a notioribus pedem hinweist. Aber dies entscheidet insofern nicht, als der Redacteur des uns vorliegenden Memorabilienbuchs füglich auch diese Vorrede ganz oder theilweise von seinem Vorgänger übernommen haben kann.

*) [In der ersten Ausgabe des Solinus (1864) S. XXIf.; später (1895) in der zweiten S. XVII f.]

Aramians Geographica. 419

Eeichsliste und des Ptoleraaeos. In welcher "Weise im Einzelnen die Benutzung stattgefunden hat, ist im Wesentlichen aus dem Index meiner Solinusausgabe ^ zu entnehmen; wo Solinus uns im Stich lässt, vermögen wir nur selten eine Nachricht mit einiger Sicherheit auf diese Quelle zurückzuführen. Ich beschränke mich daher auf wenige Bemerkungen.

Die Benutzung ist natürlich sehr ungleich. Am ausgedehntesten hat sie stattgefunden bei dem Wunderlande Aegypten. Manches erzählt Ammian hier nach eigener Anschauung ^ oder wenigstens ohne Zuziehung schriftlicher Vorlagen, besonders in der Schilderung Alexandreias und seiner namhaftesten Gebäude namentlich des Heptastadiums ^ und des Serapeums*, ferner des nahen Kanopos (22, 16, 7—14), sowie der Aegyptier überhaupt (22, 16, 23) 5; die Betrachtung über die Stellimg der Alexandriner in der Wissenschaft und der Religion (22, 16, 16 22) ist ebenfalls ohne Benutzung schriftlicher Torlagen verfasst. Dass der kurze Abschnitt 22, 16, 1 6 (vgl. c. 15, 1. 2) von einigen Einlagen abgesehen aus der Reichsliste und Ptolemaeos, die historische Schlussbemerkung 22, 16, 24 aus 631 Rufius entnommen ist. wurde schon gesagt; die Jfachricht über Alexandreias Schicksale unter Aurelian 22, 16, 15 ist ohne Zweifel

1) Hinzuzufügen ist Ammian 17, 5, 7 hocque bestias impavidae = Solinus p. 91, 11. 12 [81, 9. 10*]: 22, 8, 47 = Solinus p. 90, 3—7 [80,6-8*] (s. S. 628 [417]; nachgewiesen von Gardthausen S. 551); 22, 15, 12. IS cum atüem . . . nuUas inspirat = Solinus p. 157, 18 158, 12 [141, 10—142, 1»]; 23, 6, 50 tibi etiam tigridum . . . plures = Solinus p. 101, 17 [90, 9*] ; 23, 6, 56 cameli = Solinus p. 200, 18 [181,8*]; 31,2,23 sed gladhis colunt = Solinus p. 92,10 [82,9*] (nachgew. von Gardthausen S. 553).

2) Nach seiner eigenen Angabe 22, 15, 1 hatte er bei einer früheren Ge- legenheit von Aegypten visa pleraqiie erzählt.

3) Die sicher fabelhafte, aber merkwürdige Erzählung über die Erbauung des Heptastadium durch die Königin Kleopatra zur Beseitigung des rhodischen Hafenzolls sieht ganz aus wie eine an Ort und Stelle dem Fremden erzählte Legende.

4) Mit Unrecht also verwirft Gardthausen, was man bisher aus dieser Stelle gefolgert hat, dass das 22. Buch publicirt ist vor der Zerstörung des Serapeums im J. 391. Aus andern Gründen hat hiegegen schon Gutschmid in der angeführten Recension [Kl. Sehr. V 366 f.] Einspruch erhoben. Daraus, dass das 26. Buch c. 5, 14 den Neoterius als postea consul bezeichnet, also nach 391 geschrieben ist, hat Gart (quaestiones Ammianae p. 48) mit Recht auf successive Publication der Bücher geschlossen. Die Fixirung des 21. Buches in oder nach 389 wegen der Präfectur des Victor (c. 10, 6) ist unsicher; das Jahr derselben ist nicht fixirt.

5) Dahin gehört auch die Bemerkung über das Schwinden der Elephanten :i2, 15, 24, wahrscheinlich auch die über die Syringen 22, 15, 30.

27*

420 Ammians Geographica.

eine Recapitulation aus der eigenen Erzählung des Historikers. Anderswo begegnen vereinzelte Lesefrüchte ^ Dagegen scheint der Abschnitt 22, 14, 7 15, 32 wesentlich dem Memorabilienbuch ent- lehnt, aus dem auch noch weiterhin einige mehr oder minder sichere Spuren sich finden 2. Für einen sehr grossen Theil setzt die Ueber- einstimmung mit Solinus die Herkunft ausser Zweifel; von dem, was dieser nicht hat, kehrt einiges bei Plinius wieder, und zwar in so enger Anlehnung an die solinischen Excerpte, dass es mit grosser \Yahrscheinlichkeit auf die diesen zu Grunde liegende Chorographie zurückgeführt werden kann^. Was weder bei Plinius noch bei Solinus steht, ist den solinischen Einlagen in dem Pliniusauszuge 632 durchaus gleichartig*; auf die vollständigere Chorographie lässt sich davon mit ziemlicher Sicherheit die folgende Angabe zurückführen.

Plinius 5, 9, 54: 1 Solinus 32, 7:

(Niliis) vectus ... ad\ (Nilus) cum primum oc- loeum Aethiopum qui Cata- I cursantibus scopiüis aspe- dupi vocunttir , novissimo j ratur, tantis agtninibus ex-

catarracte inter occursantes scopulos non fluere immenso fragore creditur, sed ruere.

tollitur inter obiecta rupium, ut ruere potius quam manare credatur, demumque a ca- tarracte ultimo tutus est.

Ammianus 22, 15, 9: (Nilus) ad catarractas id est pmeruptos scopulos venit, e quibus xjraecipitans ruit potius quam flult: unde Atos olim acrotas usu au- rium fragore adsiduo demi- nuto necessitasvertere solum ad quietiora coegit.

1) So ist Gellius 7, 17, 3 sachlich die Quelle von 22, 16, 13, welcher selben Stelle anderswo Ammian die Phrase opera consulta entlehnt hat (Hertz im Hermes 8, 279. 285). Der ganze Schlangenknäuel 22, 15, 27 ist aus Lucan 9, 700 f. entlehnt, nur dass der Grieche den iacuU Z. 720 die acontiae substituirt hat, und nach Valesius feiner Bemerkung die Notiz über die Aspis ein Missverständ- niss ist von Z. 704.

2) Der Anfang der Beschreibung von Alexandreia ist sicher daraus ge- nommen, da er vielfach wörtlich mit Solinus 82,41. 43 stimmt. Die Anekdote über Dinokrates lehnt so eng sich an, dass sie auch wohl ein von Solinus weg- gelassener Zusatz der plinianischen Chorographie ist; allerdings konnte Ammian sie auch aus Valerius Maximus 1, 4 ext. 1 entnehmen. Minder sicher ist die gleiche Herkunft der Ursprungsgeschichte von Kyrene 22, 16, 4, Pelusion 22, 16, 3, Kanopos 22, 16, 14. Die Notiz über den kasischen Berg 22, 16, 8 stimmt mit Solinus 34, 1.

3) Dahin gehören die Aufzählung der Nilmündungeu 22, 15, 10 = Plinius 5, 9, 64, während Solinus 32, 8 nur allgemein der sieben Arme gedenkt ; die Erwähnung der 100 Tage der Nilschwelle 22, 15, 12 = Plinius 5, 9, 57, die bei Solinus in der sonst genau entsprechenden Schilderung fehlt. Der bei Solinus fehlende Bericht über das Schatten werfen in Aegypten 22, 15, 31 = Plinius 2, 73, 183 ist um so sicherer aus Plinius geflossen, als der Auszugmacher ofi'enbar die Worte XC dies . ... in Meroe unrichtig mit einander verband.

4) Dies sind die Erwähnung des Sonnenstiers Mneuis 22, 14, 7 (vgl. Plinius 36, 8, 65); die Angabe über die Dauer der Etesien und ihre prodromi 22, 15, 7

Ammians Geographica. 421

Die Taubheit der Anwohner der Katarrakten erwähnen Cicero somn. Scip. 5. 2 und Plinius h. n. 6, 29, ISl, die Auswanderung fast mit denselben Worten wie Ammian Seneca nat. quaest. 4, 2. 5 (vgl. epist. 56. 3): (strepiUim) j)erferye geiis ibi a Pcrsis collocata non potuit obttisis adsiduo fragore aurihus et oh hoc sedibus ad quietiora trans- latis; aber den Xamen des Volkes ^ nennt ausser Ammian niemand. Diese ofiFenbar gleich den solinischen Additamenten auf recht alte Quellen zurückgehende Nachricht kann Ammian weder aus Solinus noch aus Plinius genommen haben; imd doch lehnt sie sich, eben wie die solinischen Zusätze, auf das engste an Plinius an. Hier scheint keine andere Herleitung statthaft als die aus einer über Solinus hinausreichenden vollständigeren plinianischen Chorographie. In der Beschreibung der Diöcese Oriens kann nur eine Angabe, die bei Solinus wiederkehrende Gründung von Tarsos durch die Danae (14, S, 3), mit Sicherheit auf das Memorabilienbuch zurück- geführt werden. Was sich sonst, abgesehen von einigen auch ohne litterarisches Material herstellbaren Angaben, noch findet, die zweite Gründungssage von Tarsos durch Sandan (14, S, 3), die sonst nirgends erscheint, diejenigen von Anazarbos und Mopsuestia (a. a. O.). endlich die Meldung über den Zeus- und den Aphroditecult auf Kypros^, kann ebendaher rühren, aber mindestens mit gleichem Recht für den Periplus in Anspruch genommen werden. Woher die Angabe kommt, dass Kypros aus eigenen Ei-zeugnissen ein Seeschiff aus- 633 rüsten könne, weiss ich nicht ^. Dass die Beschreibung des Perser- reichs oder vielmehr des nicht römischen Ostens im Wesentlichen ein Auszug aus dem sechsten Buch des Ptolemaeos ist mit Ein- setzung einiger der griechischen Quelle entnommenen Nachrichten, ist früher ausgeführt worden; es ist dies wohl der geringhaltigste

(verwandt mit Plinius 2, 47, 123. 124, aber nicht darauf zurückzuführen, wie ich in der Einleitung zum Solinus p, XXVII [auch ed. 2 p. XXII] aus Versehen gethan habe); die über Aegyptens siebzigfältige Frucht 22, 15, 13 (vgl. Plinius 18, 10, 95); die Nennung der ävTiaxioi 22, 15, 31, die Plinius nicht hat.

1) Wesselings Vermuthung, dass Aetos zu lesen sei, weil der Nil asrög genannt werde, ist nicht plausibel. Eher könnte man an aoto$ denken.

2) 14, 8, 14. Am nächsten verwandt ist Tacitus ann. 3, 62; der salaminische Zeus kommt nicht häufig vor.

3) Ihre von Valesius nachgewiesene Wiederkehr bei dem gothofredischen Anonymus (c. 63 p. 527 Müller) legt, in Verbindung mit einigen anderen in der Beschreibung von Trier und Alexandria hervortretenden Uebereinstimmungen (nachgewiesen von Gardtbausen S. 537), die Frage nahe, ob deren Verfasser den Ammian gekannt hat. Das Werk Ammians, von Cassiodor ausgeschrieben und als Stilmuster nachgeahmt, von Priscian citirt, muss grossen Erfolg gehabt haben.

422 Ammians Geographica.

Abschnitt der ganzen Schrift. Aus eigener Kunde ist neben manchen Einzelheiten ^ die Schilderung der Perser am Schluss (23, 6, 75 84), so wie die der Magier (32 36) wenigstens grossentheils genommen, obwohl darin auch litterarische Reminiscenzen eine bedeutende Rolle spielen. Anderes (c. 24) ist Reminiscenz aus früheren Büchern. Aber auch die Memorabilien haben ihren Theil geliefert: was Ammian sagt über das medische Oel'^, über die hyrkanischen Tiger ^ und die baktrischen Kamele*, über die serische Seide (c. 67. 68), über die Perlen (c. 85—88), ist daraus genommen. Uebrig bleibt eine Ausführung unbestimmter Herkunft über hitumen und naphta und über Bodendämpfe ^. 634 Endlich sind in die Schilderung der Hunnen und Alanen, welche

der Schriftsteller, so weit er dies überhaupt vermag, nach eigener Anschauung giebt, aus einer auch anderweitig (22, 8, 31) von ihm benutzten Stelle der Chorographie einige Nachrichten über die sagen- haften skythischen Yölker (31,2, 14. 15) eingefiochten worden. Dass diese etwas vollständiger darin standen als wir sie jetzt bei Solinus lesen, ist anderswo ausgeführt worden^.

1) So die vitaxae 23, 6, 14; die Flüsse ia Adiabene quos ipsi transmmus c. 21; die nesäischen Rosse c. 30; vielleicht auch die Mittheilungea über die Entstehung von Ktesiphon c. 23.

2) 23, 6, 37. 38 = Solinus 21, 4. Aus Versehen führt Gardthausen (eoni. p. 36, geogr. Quellen S. 552) diese Stelle auf Sallust bist. 4, 54 Dietsch [IV 61 M.] zurück.

8) c. 50, weitläuftige Umschreibung der Worte Solins 17, 4: Hyrcani . . . gens silvis aspera, copiosa inmanibus feris, feta tigribus.

4) Ammians (23, 6, 56) cameli a Mithridate exlnde (von den Baktriern) per- ducti et primitus in obsidione Cyzicena visa Romanis gehen zurück auf Solins Worte 49, 9: Bactri camelos fortissimos habent. Dass die Eömer die Kamele zuerst bei der Belagerung von Kyzikos gesehen haben, rührt von Sallust her (bist. fr. 3, 29 Dietsch [III 42 M.]), wie Gardthausen S. 550 nachweist; warum es nicht von Ammian aus eigener Leetüre der Historien beigesetzt sein kann (ders. a. a. 0.), sehe ich nicht ein.

5) 23, 6, 15-18. Gardthausen coni. p. 36 denkt hier c. 15. 16 an Sallustius, der allerdings darüber gehandelt hat (bist. 4, 54 [IV 61 M.]), für c. 17—19 an einen Paradoxographen (geogr. Quelle S. 520). C. 19 stammt augenscheinlich aus Philostratos vita Apoll. 1, 4; aber dass Ammian selbst es diesem entlehnt hat, ist desswegen nicht recht wahrscheinlich, weil der ganze Abschnitt auf einen Gewährsmann zurückzugehen scheint. Gehört diesem auch die Anführung aus dem Philostratos, so lebte er nicht vor dem dritten Jahrhundert-

6) praef. ad Solinum p. XXIV [= ed. 2 p. XXI , unverändert]. Ich würde freilich jetzt, nachdem ich Ammians redactionelles Verfahren genauer untersucht habe, kein Gewicht mehr darauf legen, dass er von den Neuren 31, 2, 14 wesent-

Animians Geographica. 423

Ich fasse das Ergebniss dieser Untersuchungen zusammen. Es ist richtig, was Gardthausen sagt, dass Ammians geographische Ab- schnitte schematisch gearbeitet sind ; ja man wird hinzusetzen dürfen, dass es wahrscheinlich die Absicht des Historikers war eine nach diesem Schema gearbeitete Beschreibung der gesammten bewohnten Erde, an die passenden Orte vertheilt. seinem Geschichtswerk ein- zufügen. Aber die schematische Geographie, die nach Gardthausens Hypothese Ammian hiebei zu Gmnde gelegt haben soll, hat nie existirt^. Tielmehr hat Ammian zur Grundlage seiner Arbeit für das römische Reich dessen officielle Districts- und StadtHste, für das Ausland die analogen ptolemaeischen Listen genommen und aus dem chorographisch geordneten Geschichtswerk des Rufius Festus die historischen Xotizen, aus den ebenfalls chorographisch geordneten plinisch-solinischen Memorabilien die Merkwürdigkeiten hinzugefügt. Ausserdem hat er eine oder mehrere griechische Orts- beschreibungen in einzelnen Abschnitten hinzugezogen benutzt [so!]; es ist hauptsächlich der Einwirkung der letztgenannten Quelle zuzu- schreiben, dass der Yerfasser sein Schema theilweise selber bei Seite gesetzt hat. Endlich begegnen zahlreiche sachliche Ent- 635 lehnungen mehr vereinzelter Art, nachweisHch aus Caesar, Sallustius, Livius. Wenn dieser Arbeitsplan von Ueberlegung und Belesenheit zeugt, so tritt in der Ausführung nicht bloss eine arge Fahrlässigkeit zu Tage, sondern auch das Bemühen durch leere Worte die mangelnde Kunde zu verdecken und ein scheinhaftes Bescheidwissen an allen Orten und von allen Dingen dem Leser vorzuführen, welches bei ernstlicher Prüfung vielmehr sich darstellt als eine ebenso unzu- längliche wie dreiste Uebertünchung der eigenen Unkenntniss. Das eitle Bemühen um Allwissenheit, wie es der Fluch aller encyclopädischen Bildung ist und vor allem der Fluch jener unseligen, auch auf dem geistigen Gebiet in der Trümmerwelt einer grössern Vergangenheit kümmerlich hausenden Generationen war, zeigt sich bei Ammian nicht bloss auf diesem Gebiet; seine übrigen Excurse über die Orakel und allerlei andere religiöse Begriffe, über Regenbogen,

lieh anders berichtet als Solinus. Aber mehr Gewicht hat die Erwähnung der Budiner (denn nur diese können in den Vidini stecken) und der Melanchlaenen, die bei Solinus fehlen, nicht aber in den verwandten Stellen des Mela (1, 116. 2, 14) und des Plinius) 4, 12, 88. 6, 5, 15).

1) Kein geographisches Buch aus dem Alterthum entspricht dem ammia- nischen Schema. Die unter dem Namen des lunior laufende Provinzial- beschreibung sieht von der Historie gänzlich ab, berücksichtigt dagegen den Standpunkt des Kaufmanns.

424 Ammians Geographica.

Kometen, Finsternisse, Jahrschaltung, Erdbeben, Palmenzucht, Hiero- glyphen und so weiter steigern noch jeder in seiner eigenen Unzu- länglichkeit die schon so dunklen Schatten; und zu dem allen kommt die Hoffart des Griechen statt seiner eigenen vielmehr die vornehme Sprache des Hofes und des Reiches zu reden, die der Schriftsteller trotz eifrigster phraseologischer Beflissenheit dennoch zu handhaben nie vermocht hat^. Mchts desto weniger bleibt uns Ammianus auf seinem eigentlichen Gebiet was er uns war, ein ehrenhafter frei und hoch denkender Mann und ein scharfer und dennoch liebevoller Kündiger des menschlichen Herzens, besser geeignet höfische Nichtswürdigkeit zu durchschauen als in die In- dividualität andersartiger Völker sich hineinzudenken, aber mit allen 636 seinen nicht geringen Unzulänglichkeiten und Fehlern dennoch weit- aus der beste Geschichtschreiber einer ebenso tief versunkenen wie höchst bedeutsamen Epoche der Weltgeschichte.

Ich möchte noch einen Rathschlag hinzufügen in Betreff dieser Stücke des ammianischen Werkes. Die Untersuchung, die ich hier angestellt habe, hat mir in erschreckender Weise den Missbrauch gezeigt, der mit ammianischen Nachrichten in den geographischen Handbüchern getrieben wird; hunderte von Namen, die Ammian aus Ptolemaeos abgeschrieben hat, laufen in ihnen um und gehören einfach vor die Thüre. Freilich zeigte sie mir nicht minder die Entschuldbarkeit dieses Missbrauchs. Wer jemals geographische Nachrichten zusammengestellt hat, weiss aus Erfahrung, wie unmög- lich es ist in jedem einzelnen Falle dem einzelnen Zeugniss die- jenige Stelle zuzuweisen, die ihm in der That zukommt. Wir brauchen eine Bearbeitung dieser Abschnitte, welche, so weit dies möglich ist und in weitem Umfang ist es möglich einer jeden Angabe das Ursprungszeugniss beisetzt. Innerhalb einer Ausgabe

1) Bei aller Dankbarkeit für den Einblick in die stilistische Eigenart Ammians, den Hertzs gelehrte und lehrreiche Untersuchungen mir eröffnet haben, möchte ich doch ihm auf dem Wege nicht folgen, dass in diesen Reminiscenzen System und Tendenz steckt. Mir scheint seine Sprache die eines Fremden, der das Lateinische vielleicht spät erlernend mit fertig empfangenen und angelernten, oft auch missbrauchten Phrasen operirt; wobei es sich von selbst ergiebt, dass er diese meistens für ganz andere Zwecke verwendet als wofür sie ursprünglich dienten. Das Register seiner gellianischen Phrasen, wie es Hertz, gewiss im wesentlichen richtig, geliefert hat, würde ohne Zweifel nicht bloss seine da- maligen Leser, sondern ihn selbst in hohem Grade überrascht haben; ebenso wie wir, wenn wir unser sogenanntes Latein schreiben, gar nicht wünschen können unsern Stil in einem ähnlichen Präparat in seiner ünfreiwilligkeit zu begreifen.

Ammians Geographica. 425

des Geschichtswerks ist das nicht füglich auszuführen; aber in den Sammlungen der kleinen lateinischen Geographen würde ein Abdruck dieser Abschnitte mit Hinzufügung der erforderlichen leicht in Xoten- form zu bringenden Xachweisungen mehr Nutzen stiften als die Wiederholung längst bekannter einzeln überlieferter Stücke. Mit diesem Apparat in der Hand würde es bei jeder geographischen Untersuchung leicht sein die werthlose Spreu zu entfernen und würden andrerseits die brauchbaren Xachrichten, an denen es auch nicht fehlt, in ihrem ATerth besser zur Geltung kommen.

XLIV. Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians.*)

16,11,4. Die Laeti erscheinen nur an dieser Stelle als auf dem rechten Rheinufer wohnende Germanen, nicht, wie sonst, auch bei Ammian selbst bald nachher, als in Gallien angesiedelte und zum Theil daselbst geborene germanische Mannschaften,**) Die Yermuthung liegt nahe, zumal bei der abenteuerlichen Beschaffenheit dieses gegen die Hauptstadt Galliens gewagten Handstreichs, dass auch diese Laeten germanische Zwangscolonisten sind, die sich gegen die Römer auflehnen und mit den Waffen die Rückkehr in die Heimath erzwingen.

22, 12, 8 docerentur deumque (fehlt cod. F) adfatus circumhumata Corpora statuit exinde transferre. Dies geht auf die von Sozomenus 5, 19 berichtete Ansprache Julians an die bei Daphne verehrte Gottheit, wo diese ihm auf seine Fragen zur Antwort gibt, dass die Gräber sie am Orakelspenden hinderten, so dass adfatus sicher richtig

*) [Ungedruckt; der Titel vom Herausgeber hinzugefügt. In Mommsens Nachlaß fanden sich, außer einer angefangenen Untersuchung über Ammians Chronologie, über die Seeck Hermes XLI 1906 S. 481 berichtet hat, zahlreiche Bemerkungen zürn Text desselben Schriftstellers, die, soweit sie sich auf Ver- besserungsvorschläge beschränken, in der in Vorbereitung befindlichen neuen Ausgabe des Ammianus von Clark Verwendung finden werden. Von den übrigen wird hier nur eine Auswahl gegeben, da einige durch Seecks angeführten Aufsatz, mehrere durch Mommsens eigene Auseinandersetzungen über das „römische Heer- meisteramt" (Hermes XXXVI 1901 S. 531 ff. = Ges. Sehr. 4, 5545 fi".) und „Sallustius- Salutius" (Hermes XXXVII 1902 S. 443 ff; wird in den epigraphischen Schriften zum Abdruck gelangen) erledigt waren und es bei anderen zweifelhaft schien, ob Mommsen sie ohne wesentliche Veränderung veröffentlicht haben würde. Kleine stilistische Härten würde er auch in den oben abgedruckten Bemerkungen vermutlich beseitigt haben. In Mommsens Nachlaß fand sich außerdem ein alphabetisch geordnetes Notizbuch mit vielen noch unverarbeiteten sprachlichen und sachlichen Bemerkungen zu Ammianus, ein weiterer Beweis für das be- sonders lebhafte Interesse, das er vor allem in seinen letzten Jahren an diesem Schriftsteller nahm.]

**) [S. Mommsen Hermes 24, 1889, S. 252; A. Müller Philol. 64, 1905, S. 583.]

Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians. 427

ist. Ob bloss deiimque fehlt oder, wie wahrscheinlich, noch weiteres, ist nicht zu entscheiden, üebrigens ist die Erzählung bei Sozomenus verchristlicht ; während nach der älteren (auch bei Sozomenus noch durchscheinenden Erzählung) der Gott nur die Entfernung der Gräber verlangt und der Kaiser dem entsprechend den Ort reinigt, bezieht nach dem christlichen Historiker der Kaiser den Befehl des Orakels auf die Beseitigung des Grabes des christlichen Märtyrers Babylas.

23, 5, 15 fracto (praetor cod. V) igitur, ut ante diximus, ponte cumtisqiie (man erwartet cunctis) transgressis. Gemeint sein kann nur die nach 23, 5, 4. 5 bei Circesium über den Aboras geschlagene und dann auf den Befehl des Kaisers aufgelöste Schiffbrücke. Die Erzählung ist aber insofern verwirrt (wie dies nach Andern Sudhaus*) p. 19 fg. richtig hervorgehoben hat, mit Unrecht aber den Text verdächrigend), als c. 5. 15 25 sich an c. 5, 5 anschliesst und stehen sollte vor c. 5. 6 14, dem Aufbruch von Circesium nach Zaitha sowie dem Abmarsch nebst den dazu gehörigen Anekdoten und Wundergeschichten. Dadurch ist die Ansprache Julians, die auch bei Zosimus 3, 13, 3 erwähnt wird, also schon in der gemeinschaft- lichen Quelle stand, und die nothwendig bei dem Eintritt in das Feindesland (24, 1, 1) gehalten sein muss, verschoben, während sie sich an den Uebergang über den Aboras anschliessen imd dann der Bericht 23, 5, S mit 24, 1, 5 zusammenschliessen sollte. Dies ist kein Versehen Ammians, sondern rhetorische Mache, veranlasst durch seine Liebhaberei für Anbringung historischer Rerainiscenzen. Das Grab des Kaisers Gordian, das in der julianischen Allocution erscheint (23, 5, 17), befand sich jenseits von Circesium unweit Dura (Zosimus 3, 14, 2) und um dies in der Rede anzubringen, musste der Standort verschoben werden.

24, 2, 6. Lucillianus, welcher hier zuletzt und ebenso bei Zosimus zuletzt 3, 12, 2 als einer der Führer in dem persischen Feldzug erscheint, erscheint einige Monate später 25, S, 9 als ver- abschiedet und in seiner Heimath Sirmium verweilend. Die Richtig- keit beider Angaben vorausgesetzt, an der zu zweifeln kein besonderer Grund vorliegt, hat Ammian die wahrscheinlich in Ungnade erfolgte Entlassung dieses hohen Offiziers zu berichten vergessen. Zosimus (3, 35, 1) lässt den Lucillianus erst nach JuUans Tode nach dem Westen abgehen; doch scheint der detaillirtere Bericht Ammians

*) [Zosimi et Ammiani de hello a luliano cum Persis gesto reiationes. Diss. Bonn. 1870.]

428 Bemerkungen zu einzelnen Stelleu Ammians.

correcter. Dass die Kriegführung Julians in ihrem letzten Abschnitt, insbesondere der Flussübergang, bei den Offizieren des Kaisers lebhaften Widerspruch fand, berichten die Geschichtsschreiber (Zos. 3, 25, 1 , abgeschwächt Amm. 24, 6, 4) ; Libanius in der Grabrede (p. 606 [18, 250 vol. II p. 345 Foerster]) berichtet, dass, als der Kaiser im Kriegsrath seinen Plan den Tigris zu überschreiten ent- wickelte, die Uebrigen schwiegen, ein Mann aber, vcp cd . . f]v r^g dvvdjuecog jiXeov, entschieden widersprach, der Kaiser aber bei seiner Meinung blieb und einen andern Mann (einsetzte; der Text ist hier lückenhaft).*) Dies kann recht wohl Lucillianus gewesen sein.**)

24, 2, 7. Der entsprechende Bericht bei Zosimus 3, 16, 1 zeigt, dass Ammianus diesem Euphratkanal mit Unrecht die Benennung Naarmalcha beilegt, die vielmehr dem später 24, 6, 1 an der richtigen Stelle unter gleichem Namen von ihm erwähnten zukommt. Die geographische Notiz 23, 6, 25 hat er zweimal und zuerst an der falschen Stelle wiederholt.***)

24 , 6 , 3 in agro consedimus opulento. In dieser Weise , als habe er selbst den Feldzug mitgemacht, erzählt Ammian durchaus, nirgends aber deutet er auch nur an, in welcher Stellung er sich befunden und was ihn persönlich betroffen hat. Yergleicht man damit seine Erzählung der Belagerung von Amida, bei welcher er wirklich im Sattel gesessen hat, so erscheint seine eigene Betheiligung in hohem Grade zweifelhaft. Dass ihm überall ein geschriebener Bericht vorgelegen hat, ist evident,

24, 6, 5. Bewusste Entstellung der ihm vorliegenden Ueber- lieferung zur Yerherrlichung seines Helden Julians liegt vor bei dem Uebergang der Flotte über den Kanal. Bei Zosimus (3, 25, 2), der dieselbe Quelle ungetrübt wiedergibt, sendet der Kaiser zur Recognoscirung zwei (bei Ammian fünf) Schiffe vorauf, welche sofort von den Persern in Brand geschossen werden. Der Kaiser gibt seinen Truppen an, es sei dies das als Zeichen des gelungenen Uebergangs verabredete Feuerzeichen und sendet die ganze Flotte nach, die in der That das andre Ufer gewinnt und auch jener beiden *halb verbrannten" Fahrzeuge sich wieder bemächtigt und einen Theil der Mannschaften rettet. Ammian berichtet dieselbe Kriegslist, bei ihm aber wird der Brand der recognoscirenden

*) [Die Lücke wird von Reiske und Foerster an einer etwas späteren Stelle angenommen.]

**) [Eine andre Vermuthung bei Sudhaus S. 78]. ***) [Vgl. Sudhaus a. a. 0. p. 38.]

Bemerkungen zu einzelnen Stellen Ammians. 429

Fahrzeuge verschwiegen : 'sie wären verloren, wenn die Flotte nicht Hülfe gebracht hätte'. Die Entstellung ist eine leichte, aber doch eine Entstellung.

24, 7. Ammians Bericht über das Verbrennen der Schiflfe wider- spricht sich, insofern die zwölf übrig bleibenden zunächst bezeichnet werden als von dem Verbrennen ausgenommen, dann als aus dem Brande gerettet; die Schlusswendung, quae ut possint custodiri servatae sunt zeigt nur die Verlegenheit des Schreibers. Was er über die infausti ductores [24, 7, 3] und die perfugae [5] sagt, ist aus sich selbst nicht verständlich; anderweitig aber wird vielfach der Schiffsbrand auf eine vielfach variirende persische Kriegslist zurückgeführt (Sievers Studien S. 256 aus Zonaras 13, 13). Zosimus 3, 26, 3 berichtet die Verbrennung der Schiffe mit abweichenden Zahlen; von den falschen Ueberläufern spricht er nicht. Ammian scheint hier verschiedene Berichte combinirt zu haben.

26. 4, 6. 27, 12, l. Ammian hat hier vergessen, dass seinem eigenen Bericht zufolge (25, 7, 12) Tortianus im Friedensvertrag Armenien den Persern preisgegeben hatte, während hier das Ver- hältniss so gefasst wird, dass der von Tortianus den Armeniern aus- gewirkte Schutzvertrag durch den Tod des Kaisers hinfällig geworden sei. Dass über dessen Inhalt, da er nicht schriftlich geschlossen war, Zweifel entstanden, deutet Ammian 30, 2, 3 an.

26, 7, 14. Frocopius Calchedone eijressus (procopkis aniicea regresstis V). Procopius ITebergang nach Asien kann nicht wohl anderswohin gegangen sein als nach Kalchedon. das sogleich (26, 8, 2) genannt wird als in der Gewalt des Procopius. Die gewöhnliche Lesung a Nicaea regressus ist sinnlos : Nicaea wird erst später 28, 8, 1 besetzt und zwar vom anderen Ufer aus.

XLV. Zu Ammian und Ennodius.*)

153 In der Schilderung der Stadt Rom spricht Ammian 14, 6, 20 von den 3000 Tänzerinnen daselbst, quibus, si nupsissent, per aetatem ter iam nixus poterat suppetere liberorum. Für die Möglichkeit drei Kinder zu haben die Möglichkeit zu setzen dreimal die Geburt von Kindern leisten zu können, ist auch bei diesem Schriftsteller uner- träglich und Yalesius Vorschlag, nidtis zu setzen, ist keine Ver- besserung. Die Handschrift hat nixius; Ammian schrieb: quibus, si nupsissent, per aetatem ter iam nixis itis poterat suppetere liberorum.

Theodosius, der Vater des späteren Kaisers, ward nach dem- •selben 28, 3, 9 in Gallien im J. 369 an des Jovinus Stelle zum magister equitum ernannt: in locum Valentis lovhii successit, qui equorum cojnas tuebattir. Valens Jovinus ist ein seltsamer Name und Jovinus, sehr oft vorher erwähnt, heisst sonst nirgends so. Die Handschrift hat utlentis; Ammian schrieb: in locum ut Jenti lov'mi successit.

Valentinian," lesen wir bei Ammian in der zusammenfassenden Schilderung 30, 7, 5, impteritare exorsus arces prope flumina sitas et urbes et Gallias petit Alemannicis patentes excursibus reviviscentibus crectius cognito principis luliani interitu. Die Schuld dieser stam- melnden Rede trägt nicht der Schriftsteller; die seltsame Marsch- zieldreiheit der Flusscastelle, der Städte und Galliens haben erst die Herausgeber entwickelt aus der corrupten Ueberlieferung exorsus ut arces p. fl. s. et turbines et Gallias. Vermuthlich ist die Stelle lückenhaft und dem Sinne nach zu schreiben: ut arces prope flumina

154 sitas et turbines (barbarorum frenantes def ender) et, Gallias petit. Ein Wort wie turbines darf bei diesem Schriftsteller nicht herauscorrigirt werden.

") [Hermes 24, 1889, S. 153-154.]

Zu Ammian und Ennodius. 431

Epijihanüis, sagt Ennodius in dessen Lebensbeschreibung (c. 7 Togel), oriundo Ticmensis oppidi indigetm fuit, patre Mauro generattis et matre Focaria editiis. Dies sollen die ^N'amen der Eltern sein; aber der weibliche ist als Eigenname mir nicht vorgekommen und auch Maunis als solcher keineswegs geläufig. Es soll wohl gesagt sein, dass er ein Soldatenkind war. Focaria bezeichnet in den Rechtsbüchern (cod. lust. 5, 16, 2 vom J. 213; 6, 46, 3 vom J. 215) bekanntlich die Frau, mit welcher der vom Heirathen ausgeschlossene Soldat zusammenlebt, ohne dass mit dem Wort ein schimpflicher Nebenbegriff sich verknüpft. Abtheilungen der Mauri führt zum Beispiel die Notitia eine ganze Reihe auf.

Ebendaselbst c. 79 heisst es: defuncto Urne Bicema'e vel Anthemio successit Olyhrius. Ricimer war nicht Kaiser, sondern nur Kaiser- macher; er substituirte dem Anthemius den Olybrius. Die Erzählung ist schlicht und rührt von einem Zeitgenossen her; es ist unglaublich, dass dieser den Ricimer als Kaiser bezeichnet und noch mehr, dass er als dessen Nachfolger den Olybrius hingestellt haben soll. Ricemere (vel) ist wohl eine in den Text gerathene Glosse. Ebenso wird bald nachher c. 93: mediatias insidas Cycladas Lerum ipsamque .... Lerinum adiit das widersinnige Cycladas nicht in Stoechadas zu «orrigiren sein, sondern zu streichen.

Derselbe op. 458 (ep. 9, 30) feiert die Beseitigung des Schisma zwischen Symmachus und Laurentius im Auftrag, wie man meint, des Rhodanius; filius vester dmnnus Rodanitis exegit a me in usum stili praesetitis erumpere. Als Eigenname ist auch diese Bezeichnung seltsam; ohne Zweifel heisst es 'der Rhonesieger'. Theoderich selbst ist gemeint, auf dessen Heersendung nach Gallien im J. 508 gleich nachher angespielt wird: didicistis eins evenfus prosperos, quem videtis secutam dum mandat hella victoriam. Also wird dieser Brief wenigstens ein Jahr später geschrieben sein als er bisher angesetzt ward (Vogel praef. p. XYI).

XLVI.

Eutropius Breviarium ab urbe condita.*)

468 In der schönen Gothaer Handschrift (n. 101) des neunten Jahr-

hunderts, welche ausser dem Rufius Festus und einem Theil der Strategeme Frontins den echten Eutropius enthält und welche, wie die Yergleichung unzweifelhaft herausgestellt hat, identisch ist mit der von F. Sylburg verglichenen Handschrift von Fulda,**) ist zwar dem Werke selbst wie in andern Handschriften vorgesetzt: incipit hreviarius Eutropi und steht auch am Schluss nur: Eutropi Über X explicit. Aber vollständiger wird der Titel am Schluss des ersten Buches also angegeben: hreviarium ab urbe condita Hb x>rimus explicit, incipit secundus und ebenso am Schluss des neunten: Eutropi bre- viarium (zuerst stand breviarum) ab urbe condita liber Villi explicit incipit X. Es wird wohl keines besonderen Nachweises dafür be- dürfen, dass der meines Wissens bisher für diese Schrift noch nicht bekannte Titel breviarium ab urbe condita der von dem Urheber desselben gewählte ist. Eine Bestätigung gewährt dafür noch Suidas, indem er unter den Schriften des Lydiers Capito er- wähnt juerd(pQaoiv xf}g ejiirojufjg EvxQomov 'Pco/naioxl imis/növrog Äißiov röv 'PcüjuaTov. Denn auch hienach muss Eutropius seine Arbeit nicht als Auszug schlechtweg bezeichnet haben, sondern als Auszug aus Livius, sei es nun, dass er dies indirect that, indem er sein Werk , Auszug aus den Büchern ab urbe condita^ betitelte, oder dass der volle Titel seines Abrisses gelautet hat breviarium T. Livii ab urbe condita. Also auch von Eutropius gilt, was ich in meiner Aus- gabe der Chronik Cassiodors S. 551***) für die gesammte Behandlung der Geschichte der Republik in der Kaiserzeit nachgewiesen habe,

*) [Hermes 1, 1866, S. 468,] **) [Vgl. über die beiden Handschriften jetzt H. Droysen in seiner Ausgabe des Eutropius (1879) S. II fF. und Mommsens Bemerkung daselbst S.XIV.] ***) [S. unten nr. LXIX.]

Eutropius Breviarium ab urbe condita. 433

dass all diese späteren Abrisse Auszüge aus Livius entweder waren oder doch dafür galten. Dabei mag noch erwähnt werden, da es vielfach übersehen worden ist, dass schon Malalas (1. 8 p. 211 Bonn.) die Schrift des Florus als Auszug aus Livius anführt: y.a^cog 6 oocpdizoTog 0Äcooog vrce/uv7]judnoev ix rcbv Äißiov ovyyga/xfj.a.T(ov, also deren Bezeichnung als epitoma de T.Livio, wenn nicht ursprünglich, doch mindestens sehr alt ist.

MO>tMSE>-, SCHB. VII.

28

XLVII. Zu der Origo gentis Romanae.*)

401 Die Zusätze, mit denen Paulus Diaconus am Ende des achten

Jahrhunderts das Breviarium des Eutropius ausgestattet hat, lassen sich, so weit das letztere reicht, im Allgemeinen mit Leichtigkeit und Sicherheit auf uns erhaltene Quellen, insbesondere die Chronik des Hieronymus, die Geschichtsbücher des Orosius und Jordanis, die sogenannte Epitome des Victor zurückführen^ und sind insofern für uns ohne selbständigen Werth. Aber eine Ausnahme macht in der Einleitung, auf die Paulus selbst in dem Brief an die Adelperga hinweist als auf sein Werk (jmuIo superius ab einsdem des Eutrop textu historiae narraüonem capiens), was dort über die Ursprungsgeschichte Roms gesagt und nicht aus Hieronymus abgeschrieben ist. Es scheint angemessen zunächst die wenigen Notizen, um die es sich hier handelt, zusammenzustellen, da sie auch für die Philologen von einigem Werthe sind und von denen, die sie angehen, nicht beachtet worden zu sein scheinen. Ich füge diesen (unter lY Anm. YII. XI) die gleichartigen bei Paulus fehlenden, aber bei Landolfus Sagax in der sogenannten Mstoria miscella erscheinen- den Nachrichten hinzu. Derselbe hat bekanntlich um das J. 1000 den Paulus erweitert und zwar regelmässig in der Weise, dass er die von Paulus dem Eutrop eingefügten Zusätze aus den ursprüng- lichen Quellen weiter vermehrt. Es wird sich zeigen, dass auch er

*) [Hei-mes 12, 1877, S. 401— 408. Über das hier besprochene Verhältnis der Origo zu Paulus hat Mommsen ausführlicher gehandelt in dem Aufsatz: Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus, im Neuen Archiv f. ältere deutsche Geschichtsforsch. V, 1880, S. 59 ff. Dieser Aufsatz wird im 3. Bande der Hist. Sehr, zum Abdruck kommen.]

1) Im Einzelnen ist dies kürzlich von H. Droysen geschehen in seiner Dar- legung 'die Zusammensetzung der Historia Bomana des Paulus Diaconus' For- schungen 15, 167 f.

Zu der Origo gentis Romanae. 435

Doch jenes Geschichtsbuch gekannt und Auszüge aus demselben dem

Paulus einverleibt hat.

I. Primus in Italia^ ut quibusdam placet, regnavit lanus. deinde Saiumus, lovem filmm e Graecia fugiens, in civitate quae ex eins nomine Saturnia dicta est, cuius ruinae hactenus cemuntur in finibtis Tusciae liaud procul ab urbe. hie Satumus quia in Italia luiuit, ab eins hfebra Latium appellata est. ipse 402 enim adhtic rüdes poptdos domos aedificare, terras incolere, plantare vineas docuit atque humanis moribus vivere, cum antea semiferi glanditim tantummodo aUm£ntis vitam susten- tarent et aut in speluncis aut frondibus virgultisque cantextis casulis habitarent. ipse etiam eis nummos aereos primus instituit, pro quibus meritis ab indocili et rustica mtdtitudine deus aj)pellatus est. Post hunc Picus eitis ßitcs, de quo fahu- lose dicitur, quod a qtuxdam famosissima maga Circe 7iomine ob contemptum eins amorem in avem sui nominis sit mutatus. post hunc eius filius Fatinus, qui fuit pater Latini, cuius mater Camientis Nicostrata creditur Latinas litteras reperisse. n. (Latinus) Latinam linguam correxit et Latinos de suo nomine appellavit.

m. Capta Troia Aeneas Veneris et Änchisae filius ad Ita-

liam venit cum Turno Bauni Tuscorum regis ßio

dimicans cum interemit eiusque sponsam Laviniam Latini regis filiam in coniugium accepit, de cuius etiam notnitie Lavinium oppidum, quod construxerat, appellavit. lY. (Regnum suscepit Äscanius) qui et lulus, dusdem Aeneae ßius, quem apud Troiam ex Creusa coniuge^ genuerat et secum in Italiam veniens adduxerat. V. (Capys Silvius) Capuam in Campania condidit. YI. (Tiberinus Carpetiti ßius . .: ab huius nomine Tiberinus fluvius

dictus est) eo quod in eum decidens extinctus sit. Yn. Zusatz von Landolfus: Dum Procas obisset, testamentum suum duobus filiis suis Amulio et Numitori reliquit, ut unus pecu- niam protinus, alter regnum susciperet. Amulius vero fratri suo Numitori electionem dedit, quid desideraret, acciperet. Numitor vero pecuniam tidit, Amulius autein regnum optinuit

et dum regnum optineret, consuluit deos responsum-

que est ei, quia ab stitpe fratris sui occideretur et regnum perderet, statimque eum de regno expulit erant autem

1) Zusatz von Landolfus: filia JPriami regis.

28*

436 Zu der Origo gentis Romanae.

ei (Numitori) duo filii Sergestus et Rhea quae et llia dicta est. metuens ergo Ämulius rex responsum, Sergestum ad venationem secum duxit et cum in silva occidit^. 403 VIII. (Romulus condita civitate, quam a nomine suo Romam vocavit) a qua et Bomanis nomen inditum est (Jiaec fere egit). condito templo, quod asylum appellavit, pollicitus est cunctis ad eum confugientihus inptmitatem; quam oh causam (uiuUitudinem finitimorum) qui aliquam apud suos cives offensam contraxe- rant, ad se confugientem (in civitatem recepit). IX. (Romulus) mille etiam pugnatores delegit, quos a numero milites

appellavit.

X. Pepigere tarnen Romani^ cum Sahinis, quorum filias rapuerant,

amicitias adeo, ut Sahinorum rex Tatius pariter regnaret cum

Romulo Sahinique et Romani unus populus efßcerentur. quo

tempore Romani ad confirmandam coniunctionem nomina illo-

rum^ praeponebant nominibus et invicem Sahinis Romanorum;

et ex illo consuetudo tenuii, ut nemo Romanus sit dbsque jjrae-

nomine. propter hanc etiam societatem, cum Sahinorum more

Romulus hastam^ ferret, quae eorum lingua cyris appelldbatur,

Quirinus est dictus^.

XI. Den Tod des Romulus berichtet Paulus nach Eutrop und

Hieronymus; Landolf setzt hinzu, er sei gestorben VII hol.

Augusti und fulmine ictus.

Weiterhin begegnen analoge Zusätze nicht mehr. Dass den

oben mitgetheilten eine der uns erhaltenen origo gentis Romanae

verwandte ebenfalls auf Vergil oder vielmehr auf vergilianische

Schollen zurückgehende Schrift über die Anfänge Roms zu Grunde

liegt, hat G-. Bauch (über die hist. Romana des Paulus Diaconus.

Göttingen 1873. S. 14) beiläufig bemerkt, ohne auf den Gegenstand

weiter einzugehen. In der That aber ist das Yerhältniss dieser

Notizen zu der erhaltenen origo ein eigenartiges, das zu entwickeln

1) Paulus hat an dieser Stelle die aus Hieronymus geschöpften Worte: Isti quoque Amulius suecedens eins (Procae) iunior filius regnavit annos XLIII: Numitor Procae rq/is maior filius a fratre Amulio regno pulsus in agro mo vixit, welche bei Landolf an die beiden mit Puncten bezeichneten Stellen vertheilt sind.

2) romanis die besten Hdschr. des Paulus.

3) suis schalten die geringeren Hdschr. des Paulus ein.

4) longam setzt Landolf hinzu.

5) Hieraus rührt wohl weiter her, dass die Worte des Hieronymus (Abr.

1274) : JRomani a Cwibus Quirites appellantur bei Paulus so wiedergegeben

werden: Romani vero sive a cyribus, id est hastis (longis setzt Landolf hinzuj sive a Quirino Quirites nominari coeperunt.

Zu der Origo gentis Romanae. 437

der Mühe lohnt. Ich schicke vorauf, dass Paulus seine Quellen 404 regelmässig wörtlich wiedergiebt und wir auch hier dasselbe Yer- hältniss werden voraussetzen dürfen.

I. Der Anfang stimmt fast -wörtlich mit der origo: er. c. 1, 1: Primus in Italiam creditur venisse Sattirmis, ut etiam Moronis (Aen. 8, 319) 3Iusa testatur his verhis primus ab aetherio venit Saturmis OJympo arma lovis fugiens or. c. 1,3: Certum tarnen est priorem lanum in Italiam devenisse.

Ton der Gründung Saturnias spricht die Origo 3, 1 und 4, 5. aber wenigstens an der ersten Stelle ist die Fabelstadt auf dem capitolinischen Berge gemeint (Schwegler 1, 213). Als Gründer der noch heute unter gleichem Namen bestehenden Stadt Etruriens wird Saturnus in unseren Quellen so ausdrücklich wie hier nirgends be- zeichnet, obwohl wahrscheinlich TertulHan (apolog. 10: civitas quam depalaverat Saturnia usque nunc est) und wohl auch Solinus 2, 4 [S. 32, 2 ed. 2] die Tuskerstadt im Sinne haben und überhaupt es nicht bezweifelt werden kann, dass in der voll ausgeführten Saturnus- legende auch sie ihren Platz gefunden hat.

Die Herleitung des Namens Latium von Saturnus Yersteck und die Sittenbildung der eichelnessenden Barbaren stammt wieder aus der oben angeführten Stelle des Yergilius und den Scholien dazu, die die Origo c. 3 ähnlich wiedergiebt. Auffallend aber sind die Angaben über die Einführung des Geldes. Diese führt die Legende einstimmig auf Janus zurück, und sie konnte nicht anders erzählen, da ja der As den Januskopf trägt. Dem Saturnus wird daran nur insofern ein Antheil beigelegt, als nach der gangbaren Erzählung Janus das Schiff auf die Münze gesetzt haben soll in Erinnerung an den über das Meer nach Italien gelangten Saturnus (Plutarch q, R. 41: d)g Ol TioXXoi Xsyovoiv; Ovidius fast. 1, 233; Macrobius sat, 1, 7, 22), während eine andere Yersion (Plutarch a. a. O,; Athenäos 15, 46 p, 692) den Saturnus ganz beseitigt und den Janus zum Erfinder des Schiffes macht oder auch ihn wegen seiner eigenen Einwande- rung nach Italien das Schiff auf seine Münze setzen lässt (Plutarch a. a. 0.; Scholien zur Aen. 8, 357). "Wenn es nun in unserer Origo 3, 4 heisst: is tum etiam usum signandi aeris ac mmietae in formam incutiendae oste^idisse traditur, in quam ab una parte caput eiiis imprimerettir, altera navis, qua vectus illo erat, so stellt sich diese Erzählung offenbar zu der letzten Yersion. die ja auch die ihrer 405 Quelle, der Yergilcommentare ist; und es kann der erste Concipient

438 Zu der Origo gentis Romanae.

dieser Worte bei dem iste nur an den Janus gedacht haben, dessen Kopf die Münze trug. Aber in dem Zusammenhang, in dem diese Stelle in der Origo auftritt, muss iste vielmehr auf Saturnus bezogen werden, sei es nun, dass der Schreiber seine Vorlage missverstanden, sei es, dass er selber die Angabe richtig bezogen und sich nur, wie oftmals, im Ausdruck verwirrt hat. Wenn nun Paulus geradezu von Saturnus sagt: ipse etiam eis nummos aereos primus insfituit, so ist es evident, dass dies der Origo eigenthümliche Yersehen in seinen Bericht übergegangen ist, das heisst, dass er keine andere Quelle als eben die Origo benutzt hat.

Die Erzählung vom Picus und dessen Verwandlung in einen Vogel durch die Zauberin Circo, deren Liebe er verschmäht hatte, stammt aus den Schollen zur Aeneis 7, 190 (vgl. Schwegler 1, 214); in der Origo wird Picus nur kurz genannt (4, 3) und dies nicht berichtet.

Pannus ist der Vater des Latinus nach der gemeinen auch bei Vergilius 7, 47 auftretenden Erzählung. Als Mutter des Latinus dagegen erscheint bei diesem die Nymphe Marica (vgl. Schwegler 1, 215); die Carmentis gilt bekanntlich vielmehr als Mutter des Euander (Schwegler 1, 358) und sie ist dies auch in der Origo 5, 1, so dass hier Paulus Confusion gemacht zu haben scheint. Die Angabe, dass die Carmentis Nicostrata das lateinische Alphabet er- funden habe, kehrt so nirgends wieder, schliesst sich aber am engsten an die Origo 5, 2 an, wo die erst Carmenta, dann Nicostrata genannte Mutter des Euander (die Namen haben auch Plutarch q. R. 56 und Rom. 21 ; Strabo 5, 3, 3 p. 230; Schollen zur Aen. 8, 51. 130. 336) als litterarum peritissima bezeichnet wird. Die gewöhn- liche Erzählung legt bekanntlich dem Euander die Erfindung des Alphabetes bei.

II. Dass die Latiner ihren Namen vom König Latinus führen, sagt ausser vielen Anderen (Schwegler 1, 197) der Hauptgewährs- mann unserer Schrift, der Scholiast zur Aeneis 8, 322. Als Sprach- verbesserer wird meines Wissens König Latinus sonst nicht prädicirt; wenn man nicht hierher ziehen will, was Jupiter bei Vergil 12, 834 sagt: sermonem Ausonii patrium moresque tenebunt.

m. IV. Die Angaben über Aeneas und Ascanius enthalten nichts von Belang. Der Vater des Turnus Daunus stammt aus der 406 Aeneis 10, 616; die Origo nennt ihn nicht. Dass Turnus Etrusker ist, ist wohl Verwirrung, obwohl die bei Schwegler 1, 331 zusammen- gestellten Notizen dafür Anknüpfungen bieten.

V. Die Erbauung Capuas durch den Silvier Capys berichten die Vergilschohen 10, 145 und Sueton Caes. 8 1. In der Origo fehlt die Notiz.

Zu der Origo gentis Romanae. 439

VI. Dass der Tiberfluss seinen Namen davon führe, weil der Silvier Tiberinus in ihm ertrunken sei, kehrt dagegen wieder in der Origo 18, 1 und findet sich auch sonst mehrfach (Liv. 1, 3; Scholien zur Aen. 8, 330).

YII. Das Verhältniss der beiden Söhne des Procas Numitor und Amulius wird regelmässig einfach dahin angegeben, dass der jüngere den älteren vom Thron verdrängt habe; abweichend lässt Strabon (5, 3, 2 p. 229) sie zunächst gemeinschaftlich regieren und die Schrift de viris ill. ( 1 ) die Herrschaft von Jahr zu Jahr zwischen ihnen wechseln. Die Erzählung, dass der eine die Herrschaft, der andere den Schatz habe erben und der ältere wählen sollen, haben nur Plutarch (Rom. 3; aus ihm Zonaras 7. t) und die Schrift de origine gentis Born. 19. jedoch in verschiedener Wendung: bei Plutarch wählt Xumitor die Herrschaft und wird dann von seinem Bruder mittelst seiner Schätze vom Thron verdrängt, während der Verfasser der Origo den Xumitor den Schatz wählen lässt. Der letzteren Version, die gewiss eine sehr späte ist, da sie die Usurpation des Amulius aufhebt, folgt Landolfus; und es kann schon hienach keine Frage sein, dass er die Origo gentis Romanae ebenso wie Paulus be- nutzt hat. Dasselbe bestätigt die weitere Erzählung. Den Sohn des Xumitor, den sein Oheim auf der Jagd umbringen lässt, nennen von den uns gebliebenen Autoren nur Ovid (fast. 4,55), bei dem er Lausus heisst, imd die Griechen Dionys. l, 76 (Atyeorog), Appian (reg. l "EyeoTog), Dio. fr. 4, 11 [vol. I p. 6 Boiss.] (Atyeairjg) und Plutarch (parall. 36: AXvnog), bei welchen er Aegestus genannt wird. Den Griechen schliesst Landolfus mit seinem Sergestus sich an, folgt also hier einer für uns verlorenen lateinischen Quelle.

Vni. IX. Die Angaben über Romulus Asyl sind so allgemeiner Art, dass sie sogar als eine Amplification des Paulus gefasst werden können. Die Zurückführung von miles auf mille hat schon Varro de 1. L. 5, 89.

X. Die Angabe, dass die Doppelnamigkeit der Römer auf die Coalition der Gemeinden des Romulus und des Tatius zurückgehe, 407 findet meines Wissens sich nur hier; denn die bekannte Zurück- führung der Benennung der Curien auf die geraubten sabinischen Jungfrauen (Schwegler 1, 464) ist davon wesenthch verschieden, und auch was die Schrift de praen. 2 über das Verhältniss der römischen Xamen zu den sabinischen bemerkt, gehört schwerlich hierher. Wie unhaltbar die Aufstellung auch ist, so ist sie immer ein Zug mehr für jenes Bild der Fusionirung zweier stammfremden Gemeinden, welches die römischen Archäologen nicht müde geworden sind in allen Einzelheiten auszvmialen.

440 2u der Origo gentis Romanae.

Die Yersion der bekannten Yerknüpfung der sabinischen curis mit den Quiriten und dem Quirinus (Schwegler 1, 495), dass Romulus nach der römisch -sabinischen Conföderation die sabinische Lanze angenommen habe und davon Quirinus benannt worden sei, gehört in denselben Zusammenhang: auch sie soll das Zusammenfliessen der beiden Nationalitäten veranschaulichen.

XL Als Todestag des Romulus bezeichnet die Legende (Schwegler 1, 519) bekanntlich entweder die Poplifugien (III non. lul. = 5. Juli^ oder die nonae Cajyrotinae (non. lul. ^= 7. Juli^. Für den von Landolfus bezeichneten Tag des 26. Juli (VII hol. Aug.) weiss ich keine Anknüpfung und muss er wohl auf einem Versehen beruhen.

Aus dieser Uebersicht ergiebt sich einerseits, dass Paulus und sein Fortsetzer die origo gentis Romanae., welche uns in dem Corpus des sogenannten Victor vorliegt, ebenfalls vor Augen gehabt haben, andrerseits, dass die von ihnen benutzte Fassung eine weit voll- ständigere gewesen ist. Sie muss sogar etwas weiter hinab geführt gewesen sein als die uns vorliegende. Bekanntlich ist diese Origo dem Gesammt werke, das sie uns erhalten hat, in der Weise ein- gefügt worden, dass das erste Capitel der viri illustres., das die Gründung Roms behandelt, dafür weggestrichen ist; das zweite aber, das mit Romulus Regiment, der Gründung des Asyls und den weiteren Einrichtungen sich beschäftigt, ist stehen geblieben, während die Paulus vorliegende Schrift bis zum Tode des Romulus reichte. Es hat also der Zusammensteller jenes Corpus wie das erste Capitel der viri illustres., so den Schluss der Origo ge- strichen. Dass er auch sonst noch vieles weggelassen hat, zeigt die oben gegebene Uebersicht; indess ist nichts darunter, was nicht der Origo sich durchaus passend einfügte und nicht ebenso, 408 wie diese selbst, in der Hauptsache auf die Commentare zur Aeneis zurückging.

Insofern gewinnen wir hier theils eine entscheidende Bestätigung der jetzt wohl allgemein recipirten Annahme, dass die Origo, obwohl uns nur in einer einzigen jungen Handschrift überliefert, doch keines- wegs als moderne Fälschung angesehen werden darf, theils einen EinbHck in die Beschaffenheit der Ueberlieferung, insofern sie sich als ein Auszug herausstellt.

Da unsere Schrift nach der einzigen auf uns gekommenen Handschrift wahrscheinlich den Titel origo gentis Romanae geführt hat, so kann es sein, dass der Verfasser der ältesten Langobarden- chronik (mon. Germ. LL. IV, 641) ebenso wie Paulus dieselbe gekannt

Zu der Origo gentis Romanae.

441

und desshalb seinem Werke den Titel gegeben hat origo gentis Langohardoriim. Weiter als auf den Titel erstreckt sich freilich die Analogie der beiden Schriften nicht.

Yielleicht darf man aber nach einer anderen Seite noch einen Schritt weiter gehen.*) Zu den Quellenschriften, aus denen Hiero- nymus die eusebianische Chronik mit Zusätzen versah, gehört be- kanntlich eine Latina historia^ wie er sie nennt, die von Janus bis auf Romulus Tod gereicht hat: ich habe die Auszüge im 1 . Bd. der Abhandlungen der sächs. Ges. S. 6S9f.**) zusammengestellt. Die kurzen Angaben gestatten meistens keine genaue Yergleichung; die Vorgeschichte zum Beispiel fasst Hieronymus zusammen in den Worten: ante Aeneam lanus Saturnus Picus Faunus Latinus regnaverunt annis circiter CL. Dennoch ergeben sich auch hier entschieden Beziehungen theils zu der vergilischen Litteratur (wie zum Beispiel die Erwähnung des Melampus, des Täters des Larinus Silvius, bei Yergil Aen. 10, 320), theils unmittelbar zu der Origo. wie dies in den Anmerkungen von mir nachgewiesen ist. Anfang und Ende endlich stimmen genau zu der Origo des Paulus. Danach drängt die Termuthung sich auf, ob nicht die Schrift, welche Hieronymus benutzt hat, eben diejenige war, die dem Ordner des victorianischen Corpus und sodann dem Paulus vorgelegen hat. Dass die falschen Autoritäten, an denen die Schrift so reich ist, ebenso gut in der Epoche vor Hieronymus erfunden sein können wie in derjenigen des Fulgentius, unterliegt keinem begründeten Zweifel.

*) [Vgl. zum Folgenden A. Enmann im Philol. Suppl. IV (1884) S. 490.] *) [S. unten nr. LXVII.]

XLVIII.

Zu Vegetius.*)

130 In dem uralten Palimpsest der Verrinen Vat. Reg. 2077, dessen zweite Schrift in das siebente Jahrhundert gehört (vgl. Rossi inscr. Christ. I p. LYIII sq.),**) findet sich von dieser nach Hieronyraus und Gennadius de viris ill. (f. 1 78 r) ein Stück de duohus testihus. Incipit de Enoc et Hella (f. 78 r. v.); die von Rossi a. a. 0. erörterte ratio Paschae [Chron. min. I, 1892, S. 739 ff.]; der verkürzte Prosper mit seinen Anhängen wie sie bei Roncalli p. 705 734 aus dieser Handschrift abgedruckt sind [Chron. min. a. a. O. S. 385 ff.]; f. 99 eine Welt- und Windtafel; f. 99 v lOOv Auszüge aus Yegetius; f. 101 r nomina heresum. Die bisher meines Wissens unberücksichtigt gebliebenen Auszüge aus Vegetius sind ohne Zweifel das älteste Stück handschriftlicher Überlieferung, das wir von diesem Schrift- steller besitzen, und insofern beachtenswerth. Die Überschrift lautet: Ux lihro quarto Publi fegati (so) Benati de re militari in titulo XXXVIIII posf praecepta helli naualis, quae incipiunt a titulo supra scripti libri XXXI, inter cetera et ad locum. Es folgt nun wort-

131 getreu aus Buch 5 Kap. 8—11 nach unserer Zählung (= IV 38 40 Lang ed. 2) die Stelle igitur uentorum (p. 138, 1 der Zweibrücker Ausgabe [p. 154, 16 L.]) bis usus intellegit (p. 141, 2 [159, 15]). Dann weiter: item ex su^jeriorihus libris eiusdem operis inter cetera et ad locum zunächst apud Romanos in legione erant ' equites DCCXXX, ein freier Auszug aus 2, 6, und ohne Absatz der Anfang von 2, 2: legiones ergo proprie Romanorum sunt, Macedones vero Greci Bardani sena millia armatorum. Der Text dieser Auszüge (E), so kurz sie sind, erweist die Handschrift, aus der sie genommen wurden,

*) [Hermes 1, 1866, S. 130 133.] **) [Über diese Hs. bat Mommen selbst genaue Angaben gemacht in den Chron. min. I, 1892, S. 871 f.]

Zu Vegetius, 443

wenn nicht als die Quelle der sämmtlichen auf uns gekommenen Vegetiushandschriften, doch mindestens als die interpolationsfreie Grundlage derjenigen zwar interpolirten , aber sehr alten Recension, die am besten der von Dr. Zangemeister in Rom aufgefundene und verglichene Codex Yat. Pal. 909 (P) aus dem zehnten Jahrh. vertritt. Mit diesem stimmen die Excerpte zunächst in Buchtheilung und Capitelzählung; denn 1. 4. c. 21 der Handschrift P entspricht dem Anfang des 5. Buchs in der Yulgatausgabe und ist in P überschrieben praecepta helli navalis. Es ist nur ein Schreibfehler der Excerpte, dass sie B. 5 K. 8 bezeichnet als 4, 39 und nicht, wie in P, als 4, 38; denn B. 5, 9 ist in E wie in P bezeichnet mit XXXYILH. Auch die Schreibimg uegati statt tiegeti wiederholt sich in einer der Subscriptionen des Palatinus. Mit diesem stimmen die Excerpte femer in eigenthümlichen Fehlern, von denen, wie es scheint, die übrigen Handschriften frei sind:

p. 139, 22 [157, 10] taurus a verdorben in tmirura P, taurora E 140, 2 [158, 10] ist das richtige tempiantur in P in tempes- tantur, in den Excerpten in testantur verdorben. Beide Texte stimmen aber ebenso im unzweifelhaft ganz oder nahezu Richtigen; so

139, 10 [157, 2] ist zu lesen Pachone decurso; pachnifae decurso

E, pagnite decurso P, phaenitae decursu die Yulg.

140, 2 [158, 8] urbium EP statt des sinnlosen gentium

140, 23 [159, 8] aut inephim uidetur (uideatur) aut hngum EP,

longum est die Vulgata und so ja wohl auch die übrigen

Handschriften. [Im Wesentlichen so auch Lang.]

Der Unterschied von E vmd P zeigt sich zunächst darin, dass

von den massenhaften und zahllosen Interpolationen, die P überall

entstellen, in E keine Spur erscheint: ich erwähne nur

138, 16 [155, 10] notv^] auster quod latini euroaustrum uocant P

corus] austroafricus P 18 [155, 11] subuesp.] id est cortis*) setzt P hinzu 20 [156, 1] sive fauonius] id est corus P

139, 11 [157, 3] iuniaruni\ maiarum P 132 30 [158, 6] natalem uero] octaiio igitur kalendas ianuarias

P. d. h. der Schreiber dachte an den natalis Christi, wo Yegetius vom natalis navigationis spricht!

140, 8 [158, 12] priuatarum mercium] prius commercium.

*) [Nach Längs Apparat sind die von P hinzugesetzten Worte vielmehr sict faboniits.]

444

Zu Vegetius.

"Wo, abgesehen von diesen Interpolationen, E und P abweichen steht in der Regel der erstere Text dem Original näher.

138, 5 [154, 19] ist zu lesen: experimentum posterioris aetafii

duodecim comprehendit mit E, nur dass hier potiorii steht; non solum {stsitt experimentum) posterioris aetatii (XII fehlt) comprehendit P, experimento x^osterior aefai XII comprehendit die Vulgata. 6 [155, 1] Quorum uocahula ad summouendam duhitationen E und so, mir hortim, die Yulg.; uocdbula ad dduendan uero dub. P 13 [155, 7] caecias siue eurohorus E; celcias siue rohorut quod latini uolturnum dicunt P; xaixiag die Vulg.

139, 21 [157, 10] ist aeduU (statt haedi) und V id. easdem stat

des unlateinischen eiusdem in E richtig überliefert. Der umgekehrte Fall tritt ein

139, 28 [158, 4] wo zu lesen ist mit P und Stewechius: uentorun\

imhri uel niuibus geminata saeuitia; imhrium niihibus E Aufmerksamkeit verdient bei dem hohen Alter der vaticanischer Excerpten noch eine eigenthümliche Reihe von Fehlern in denselben

falsche Lesung in E

138, 4 [154, 18] quartos 5 [155, 1] pofioris

8 [155, 2]. 24 [156,5] et

[155, 3] perttdimus 13. 16. 19 [155, 7. 9. 12] iungit 30 [156, 9] inierdo (ido)

139, 8 [157, 1] sed (s'J 17 [157, 7] peraptior 26 [158, 3] plixa 29 [158, 5] pelagorum

140, 5 [158, 10] industriarum 10 [158, 13] quomodo (qni) 22 [159, 7] nuncupatur (-f)

141, 2 [159, 15] ratiorum 133 Es kann niemand entgehen, dass diese zum Theil sehr seltsamen

und den Sinn gänzlich aufhebenden und dennoch gleichförmigen Schreibfehler sich, zumal in einer Handschrift des siebenten Jahr- hunderts, lediglich durch die Voraussetzung erklären, dass die dem Schreiber voi'liegende Handschrift des Yegetius mit denjenigen Ab- kürzungen geschrieben war, die uns aus dem Gaius und den vati- canischen Fragmenten geläufig sind ; hier ist allerdings nichts leichtei

richtige Losung

IUI

quattuor

postioris

posterioris

ei

etiam

ptulimus

protulimus

iungif

iungitur

-tdo

secundo

s

sunt

propior

plixa

prolixa

' pelagos''

pelago sed

industrias'

industria sed

qäm

quemadmodum

nuncupaf

nuncuparunt

ratios'

ratio sed

Zu der Origo gentis Romanae. 445

ils die in der zweiten Columne stehenden Zeichen mit denjenigen EU verwechseln, die nach diesem Abkürzungssystem den im Codex befindlichen Lesungen entsprechen würden und die, wo es nöthig schien, in Klammem beigefügt sind. Indess ist mir kein zweites Beispiel dafür bekannt, dass die ^notae iuris ausserhalb ihres eigent- ichen Kreises und für andere, wenn gleich ebenfalls fachwissen- schaftliche Schriften verwendet worden sind. Als eine weitere Analogie zwischen diesen Auszügen und der juristischen Litteratur kann übrigens noch die Formel intcr cetera et ad locum angeführt fverden; dieselbe findet sich sehr häufig in der Consultatio veteris Iuris consulti da, wo nicht das ganze Gesetz, sondern nur die unter ien übrigen zur Sache gehörigen Worte desselben angeführt werden, während ich mich nicht erinnere ihr anderswo begegnet zu sein.

XLIX. Firmicus Maternus.*)

468 Dass die Mathesis des Senators Julius Firmicus Matemus zwischen

den Jahren 334 und 337 geschrieben wurde, ist ausser Zweifel. Der Verfasser erwähnt einerseits (1 , 2 der Baseler Ausgabe von 1551 = 1, 5, 10 der neuen Ausgabe von Sittl [= vol. I p. 13, 18 ff. ed. Kroll-Skutsch]) die Sonnenfinsterniss des 17. Juli 334 mit Angabe der Consuln, und nennt an zwei anderen Stellen (1, 1 = 1, 1, 7 [I p. 3, 18] und 1, 4 = 1, 10, 15 fg. [I p. 37, 25]) als damals regierende Herrscher Constantin I. und die Caesaren, schrieb also vor dem Tode des erstgenannten 22. Mai 337. Allerdings scheint dieser Datirung zu widerstreiten, was aus derselben Schrift über den Empfänger der Dedication zu entnehmen ist. Es ist dies bekannt- lich eine auch sonst nicht unbekannte Person, Q. Flavius Maesius (oder Messius) Egnatius Lollianus mit dem Beinamen Mavortius, Präfect der Stadt Rom nach dem officiellen Verzeichniss (chron. min. 1 p. 68) vom 1. April bis 6. Juli 342, ordentlicher Consul des J. 355 und im Jahre darauf praefectus praetorio von Italien (Ammian 16, 8, 5). Seinen vollen Namen und seine frühere Amtslaufbahn ersehen wir aus vier Inschriften (Suessa C. I. L. X, 4752; Puteoli C. I. L. X, 1695. 1696; Rom C. I. L. YI, 1723).**) Yon diesen sind die drei ersten vor der Stadtpräfectur gesetzt und auch die vierte

*) [Hermes 29, 1894, S. 468— 472. In demselben Bande S. 618 619 hat Mommsen auf Grund einer Neukollation eines Abschnitts der Münchener Hs. des Firmicus die Unbrauchbarkeit der Sittl'schen Ausgabe (Pars I 1894) erwiesen. Da sein Wünscht, daß diese Ausgabe bald durch eine bessere ersetzt werden möge, inzwischen seiner Erfüllung entgegengeführt worden ist (Firmicus ed. Kroll-Skutsch. I 1897), konnte von einem Wiederabdruck der zweiten Miszelle abgesehen werden.]

**) [Hinzugekommen ist eine Inschrift vom Forum Romanum Notizie <Jegli scavi 1901 p. 129; auch bei Hülsen Klio II 1902 S. 244 n. 29.]

Finnicus Matemus. 447

unvollständige nennt nur die früheren Aemter;*) diese Aemterreihe stellt sich danach folgendermassen :

qttaestor kandidatus

praetor urbanus

augur (fehlt auf dem römischen Stein)

comes doniinorum nostrortim Ätig(usti) et Caesarum (nur auf dem sicher unter Constantin gesetzten Stein von Suessa).

curator (oder considaris) alvei Tiberis et cloacarum

curator (oder considaris) operwn publicorum

consularis aquarum et Minuciae

considaris Campaniae (hiermit endet die Reihe auf dem Stein von Suessa).

comes Flavialis (so die puteolaner Steine; der römische ist von hier an in der Lesung wie in der Erklärung unsicher, vgl. meine Erörterung memoria dell' Instituto II 304).**)

comes Orientis

comes primi ordinis

proconsid provinciae Africae. Nach der Dedication hat Firmicus dem Lollianus oder Mavortius 469 (er wechselt mit dem JS^amen und dem Signum) die Abfassung dieser Schrift zugesagt, als derselbe Statthalter von Campanien war (cum esses in Campaniae provinciae fascibus constitutus), aber mit der Ausführung gezögert; LoUianus habe als comes Orientis Aegypti et Mesopiotamiae so lautet der volle Titel (cum tibi totius Orientis gttbernacula domini atque imperatoris nostri Constantini Augusti . . . iudicia tradidissent) ihn vergeblich gemahnt; erst jetzt erfülle er seine Zusage: proconsuli itaque tibi et ordinario consuli designato jiromissa reddimus. Der Proconsulat ist der auch auf den Steinen genannte von Africa, und diesen kann Lollianus füglich von Constantin I. erhalten haben. Die Nichterwähnung der im J. 342 bekleideten Stadtpräfectur stimmt zu der angegebenen Abfassungszeit. Aber befremdend ist in diesem Zusammenhang die Designation zum ordentlichen Consul, welche wiederkehrt S, 15 p. 221: talis nostris temporibus Lollianus, qui severiiatis merifo etiam ordinarii cotistdatus insignia consecutus esf^, da Lollianus, wie gesagt, erst achtzehn

*) [Wie 0. Seeck, Mitt. d. archäol. Instit. Rom 1905 S. 283 ff. bemerkt hat, ist auch die zweite Hälfte dieser Inschrift erhalten, C. I. L. VI, 1757 = Dessau 1232.]

**) [In der Abhandlung de C. CaeUi Satumini titnlo, die im 1. oder 2. Bde. der epigraph. Schriften zum Abdruck gelangen wird.]

1) Das Fehlen dieser Worte in einer der späten Handschriften, welche die

448 Firmicus Maternus.

Jahre nach Constantins Tode das Consulat bekleidet hat, auch nicht wohl anders als im Vorjahr dazu hat designirt werden können; wenigstens führt keine Spur auf dergleichen Anticipation. Desshalb ist die Abfassung der Schrift selbst in das Jahr 354 gesetzt worden, was der neueste Herausgeber Sittl (Archiv für lat. Lexikographie IV 610) mit Recht verwirft. Aber was er als ,sehr einfache Lösung des Räthsels' bezeichnet, dass Firmicus die Schrift nicht in den Buchhandel gegeben habe, oder, wie er in seiner Ausgabe (vgl. die Anm. zu 2, 27, 15) diese Vermuthung modificirt hat, dass die Worte et ordinario consuli designato Zusatz des Verfassers bei einer zweiten Publication seien, hebt die Schwierigkeit nicht; es hätten dann doch in dieser die auf Constantin bezüglichen Stellen abgeändert werden müssen. Eine Nöthigung zur Annahme eines so groben Schrift- stellerversehens liegt nicht vor ; es genügt die Annahme, dass Kaiser Constantin dem Lollianus, als er ihn zum Proconsul von Africa er- nannte, zugleich das ordentliche Consulat in Aussicht stellte. Eine förmliche Designation war dies nicht, da die gleichzeitigen Inschriften von einer solchen schweigen, aber adulatorisch konnte dies wohl so 470 heissen. Dies mag auch mit den ,Insignien' des ordentlichen Consulats gemeint sein; einen festen Begriff vermag ich mit dieser Bezeichnung nicht zu verbinden, da die Insignien vielmehr negativ das Fehlen des betreffenden Amtes ausdrücken und mit dem ordentlichen Consulat in correkter Rede nicht verbunden werden können. Auf keinen Fall kann die gesicherte Datirung der vielfach merkwürdigen Schrift durch diese Stelle erschüttert werden.

Wichtiger ist eine andere auf die Verhältnisse der Gegenwart bezügliche Stelle 2, 32 = 2, 27, 15 fg. Sittl. [I p. 81, 9 ff.]. Firmicus giebt hier das detaillirte Horoskop einer bestimmten Person, die er nicht nennt, weil LolHanus weiss, wer gemeint ist (cuius Jiaec genitura sit, LoUiane . . . optime nosti): eins geniturae pater post geminum ordinarium consulatum in exilium datus est, sed et ipse oh adulterii crimen in exilium datus et de exilio raptus in administratio- nem Campaniae primum destinatus est, deinde {ad) Achaiae pro- consulatum, post vero ad Asiae proconsulatum et praefecturani urhi Romae. Der Vater, geringer Herkunft (paternum genus ignohile), sei heatus felix potens gewesen, obwohl nach dem zweiten Consulat heimgesucht durch ein vom Senat über ihn verhängtes famosum exilium-, der Vater wie der Sohn hätten viel von Feindschaften zu

letzten Bücher allein bewahrt haben (Sittl. a. a. 0. S. 610 A.), dürfte deren Tilgung nicht rechtfertigen.

Firmicus Matemus. 449

leiden gehabt. Der Sohn wird endlich bezeichnet als ein hervor- ragender Forscher, ein Kenner der absconsae Utterae, der eine solche doctrina et litterarimi scientia besitze, ut oratio eius ac stilus veterihus aiictoribus conferatur. Es fragt sich, ob die hier genannten Personen sich finden lassen. Nach Borghesis (opp. IV 521 ff.) Ver- muthung ist der Sohn der Lollianus praef. urhi 254, nach seiner Meinung der Grossvater des Mavortius; den Tater zu finden hat er aufgegeben, da er -wohl sah, dass bei jener Annahme die beiden ordinarii consnlatus unmöglich wurden. Entschuldigt wird die unglückliche Hypothese dadurch, dass eine an dieser Stelle eingelegte Zeichnung die L'eberschrift trägt Lolliani genitura und Borghesi darum in diesen Kreis glaubte gewiesen zu sein. Die neue Ausgabe hat von diesem wie von zahlreichen anderen Emblemen der Italiener des 15. Jahrh. uns befreit; man wird umgekehrt sagen müssen, dass der Ehebrecher am wenigsten in dem Hause des Mannes gesucht werden darf, dem das ^Verk zugeschrieben ist. Sittl hat durch ein mir unbegreifliches Missverständniss den nicht genanntea Sohn für den Lollianus selbst gehalten, dem das Buch gewidmet ist und dann den Schluss Ächaiae . . . Bomae als Zusatz zweiter Ausgabe be- ti-achtet, ohne durch den Widerspruch der Inschriften des Lollianus mit der hier aufgeführten Aemterreihe sich irre machen zu lassen. 471 In der That ist die Lösung leicht und sicher, wenn man ausgeht von dem sichersten Anhaltspunkt, dem ordentlichen Consulat. Mehr- malige Bekleidung desselben gehört vom Ende des 3. Jahrh. an zu den ATorrechten des Kaisers und des Kaiserhauses^: die einzige Ausnahme macht C. Ceionius Rufius Yolusianus^, -der unter ganz besonderen Verhältnissen zuerst unter Maxentius die Stadtpräfectur vom 2S. Oct. 310 bis zum 27. Oct. 311, sowie das ordentliche Consulat im Sept. 311 übernahm, dann nach Maxentius Katastrophe unter Constantin sowohl abermals die Stadtpräfectur vom 8. Dec. 313 bis zum 19. Aug. 315 wie auch für 314 abermals das ordentliche Consulat erhielt'; er heisst auf der Inschrift seines Sohnes (C. I. L. \1, 1708

1) Staatsrecht 2\ 93.

2) Wahrscheinlich derselbe ist Rufius Volusianus Corrector von Campanien unter Carinus 282 3 (C. I. L. X, 1655).

3) Ueber ihn und seine Nachkommenschaft handelt Seeck zum Symmachus p. CLXXIY, aber nicht ohne Versehen. Die dem Constantin von Volusianus gesetzte Inschrift C. I. L. VI, 1140 [Dessau 692], auf der er sich consul ordhiarius, praef. tirhi vice sacra iudicans nennt, kann natürlich nicht, wie Seeck meint, während seiner ersten Präfectur unter Maxentius gesetzt sein; vielmehr fehlt sowohl hier wie in einer dritten Inschrift C. I. L. VI, 1707 [Dessau 1213] bei

MOMMSEX, SCHB. VH. 29

450 Fimiicus Maternus.

[Dessau 1222]) Rufius Volusianus bis consul Ordinarius. Dieser sein Sohn (C. I. L. a. a. 0.) ist Ceionius Rufius Albinus, ordentlicher Consul des Jahres 335 (Eossi inscr. ehr. 1 p. 40), Stadtpräfect vom 30. Dec. bis 10. März 337 (chron. min. 1 p. 68). Als Gelehrten phüosophus bezeichnet ihn auch die Inschrift; die von Boethius und Cassiodor erwähnten Schriften eines Albinus über Dialektik, Geometrie und Musik (Teuffei Litt.-Gesch. § 407, 5) sind längst mit Wahrscheinlichkeit ihm beigelegt worden und passen auch wie zu dem philosophus so zu den ahsconsae litterae. Wenn endlich Servius seine Schrift de centum metris einem jungen Albinus widmet, dessen Yater und Grossvater sich um die Litteratur verdient gemacht hätten 472 (Teuffei a. a. O. § 431, 4), so wird der letztere wohl auch derselbe sein.*) Diesen Albinus also hat Firmicus zunächst im Sinne, den zu der Zeit, wo er schrieb, fungirenden Stadtpräfecten. Die Ab- fassungszeit des Werkes bestimmt sich darnach enger auf die Epoche vom 30. Dec. 335 bis zum 22. Mai 337.

beiden Aemtern die Iteration desswegen, weil sie von einem , Tyrannen' verliehen waren. Sie sind erst späterhin wieder als gültig betrachtet worden. Insofern ist auch das Consulat des Volusianus von 314 nach der Absicht des verleihenden Kaisers keineswegs ein iterirtes gewesen, sondern vielmehr eine Art Rehabili- tation und ist die Regel, dass Privaten das ordentliche Consulat nicht mehr als einmal gegeben wird, ausnahmefrei. Dass Constantin den Volusianus also rehabilitirte , hängt wahrscheinlich mit den Verhältnissen der Provinz Africa zusammen, wohin Volusianus als praefectus praetorio von Maxentius geschickt worden war (Zosimus 2, 14; Victor Caes. 40, 18).

*) [^gl- zu der letzteren Identifikation Graf in der Realenzykl. I Sp. 1315.]

L.

Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.*)

In der reichen Bibliothek des Ritters Carlo Morbio in Mailand 1014 fand Hr. Jaffe bei seinem letzten Aufenthalt daselbst einen Band in Grossfolio von 242 Pergamentblättem, von welchen f. 17 r. bis 239 r., von derselben Hand des zehnten Jahrhunderts geschrieben, die EtjTnologien Isidors (f. 17r. 192v.), die ars Donati grammafici (f. 192v. 21 Ir.) und verschiedene Glossare enthalten. Am Schluss sind von anderen Händen des zehnten Jahrhunderts noch die Distichen Catos (f. 239 v.— 240 v.), ein Brief des Hieronymus an Paulus (f. 240 v 241 r.), ein Yerzeichniss juristischer Noten (f. 241 r. 242 r.) und einige Excerpte aus den Biographien der Päpste (f. 242 v.) hinzugefügt. Yorgeheftet sind dem Codex 16 ursprünglich demselben nicht an- gehörige Blätter etwas kleineren Formats, von denen die ersten 13 ein gromatisches, die letzten 3 ein grammatisches Fragment ent- halten; am Anfang imd am Ende so wie zwischen beiden Stücken ist eine Seite leer gelassen. Das grammatische Bruchstück, be- ginnend f. 14 V. mit den Worten: littera est pars minima uocis arti- cidatae. Primtim nohis quer&ndum est, schliessend f. 16 r. mit den Worten : longa syU duo temjn' habet ut unns hreuis umim ut amor, ist nicht näher imtersucht worden. Das gromatische Fragment dagegen hat Hr. Jaffe abgeschrieben und mir mit zuvorkommender Freundlichkeit zur Yerfügung gestellt.

Dies gromatische Bruchstück ist ganz in eckigen langgezogenen und ungefälligen Majuskeln geschrieben, ausser wo Bl. 13 die kreis- förmige Richtung der Schrift einen veränderten mehr gerundeten Schriftcharakter bedingte. Auf die voll beschriebene und nicht theU-

*) [Monatsber. der Berl. Akad. der Wiss. 1861, II S. 1014—1021. Die Über- schrift ist von mir zugesetzt worden.]

452 Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.

weise von Bildern eingenommene Seite gehen 16 Zeilen. Abgesehen von den festen Siglen, wie p, für passus, finden raumsparende Schreiberabkürzungen sieh nicht, mit der einzigen Ausnahme, dass am Ende der Zeilen m zuweilen durch einen Querstrich vertreten wird; überdies werden hie und da, gewöhnlich am Zeilenschluss Buchstaben zusammengezogen, so ^, \^ was alles sämmtlichen Majuskelhandschriften gemeinsame Eigenthümlichkeiten sind. Roth geschrieben sind in dem ersten Abschnitt die Einzelbuchstaben und die Ziffern oder was der Schreiber für Ziffern ansah, in dem zweiten 1015 überdies die Anfänge der einzelnen Paragraphen. Die diesem letzteren beigegebenen rohen Zeichnungen sind sämmtlich in Farben ausgeführt. Der Text umfasst diejenigen zwei Recensionen der casae litierarum, welche Lachmann p. 327 333 und p. 325—327, jene aus dem Arcerianus, diese aus der jüngeren Wolfenbüttler und der ehemals Heidelberger, jetzt römischen Handschrift des gromatischen Corpus herausgegeben hat. Indess sind beide Stücke nicht vollständig, sondern es mangelt dem ersten der Anfang (A E), dem zweiten der Schluss (Y^ü); die Handschrift aber ist nicht defect, da sie mit einem leeren Blatt beginnt und schliesst. Vermuthlich ist dieselbe die Copie eines von dem Schreiber vorgefundenen Fragments, dessen Schriftcharakter er beibehalten und woran er ein zweites übrigens in keiner Weise damit zusammengehöriges Bruchstück grammatischen Inhalts angehängt hat; es möchte darum auch nicht so sehr unserer Handschrift als vielmehr ihrem unmittelbaren Original ein besonders hohes Alter beizulegen sein. Über die casae litterarum selbst, die Rudorff mit Recht 'das sonderbarste Stück der ganzen Feld- messersammlung genannt hat, ist hier zu sprechen nicht der Ort; es muss in einem andern Zusammenhang untersucht werden, ob diese Stücke wirklich aus der noch lebendigen gromatischen Technik hervor- gegangen und nur verdorben sind oder ob sie nicht vielmehr der Periode vollständiger innerer Auflösung der Gromatik bei einem scheinhaften äusserlichen Fortleben derselben und Forthanthieren mit den Büchern und Bildwerken der alten Messkundigen angehören. Auf jeden Fall sind die Stücke wie sie liegen ihrer ganzen praktischen Beziehung nach noch viel mehr als in ihren Einzelheiten unver- ständlich; wie denn auch Lachmann sich begnügt hat sie einfach abdrucken zu lassen, ohne eine Besserung auch nur zu versuchen. Dasselbe geschieht hier mit den in der neu gefundenen Handschrift enthaltenen Recensionen, da sie auf jeden Fall Documente sind aus einem der dunkelsten Gebiete der Geschichte, der Tradition antiker Technik während des frühesten Mittelalters, und was von dieser sich

Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift. 453

erhalten hat, für künftige Prüfung aufbewahrt zu werden verdient. Es soll nur hinzugefügt werden, dass die erste Buchstabenerkläning unserer Handschrift der in der arcerianischen enthaltenen eng ver- wandt, aber doch vielfach von ihr verschieden ist. ohne dass sich für jetzt bestimmen Hesse, welcher von beiden Texten den Vorzug verdiente; die zweite dagegen ziemlich wörtlich mit der von Lach- 10I6 mann herausgegebenen, besonders nach der Fassung des Wolfen- büttler Codex, übereinstimmt, aber in sofern schlechter ist als diese, als von den dieser Buchstabenerklärung in der Lachmannschen Recension fehlenden Buchstaben ZHSZOYXW in der jetzt bekannt gewordenen drei ZIO durch ungeschickt aus der ersten Recension herübergenommene, vielleicht erst dem letzten Abschreiber beizu- messende Plagiate ergänzt worden sind.

Die mir mitgetheilte Abschrift ist Zeile auf Zeile gemacht und giebt auch die Bilder annähernd wieder. Ein einfacher Abdruck und kurze Beschreibung der Bilder schien zu genügen ; wem daran liegen sollte jene Abschrift selber einzusehen, dem diene zur Nach- richt, dass dieselbe an die hiesige Königl. Bibliothek abgegeben worden ist.

Bl.lR. * _ ' * ' , ' , ' \ ' ' -, , " , Lachm. S. 32"

I casa quae per i ^ nomen habet fines grandes habet et casa ipsa in

montem posita est fluuium ti*ansit limitem sextaneum proximum

habentem. casa quae per G nomen habet tortas fines habet in monte posita est

tres riuos ei significat in trifinium uineam positam habet, casa quae per H nomen habet multas fines habet in monte posita

est super se albarium et fontem super se montem habentem

significat limitem sextaneum proximum habentem. casa quae per I nomen habet fines ei in longum significat si in i^chm. s. 32!

sextaneo passus XXX quod computum colligosun orientatem

pedes mille ducentos ICC casa quae per K nomen habet fines ei ante se subiacent super se

montem habentem de latus uallem habentem in uallem duasßi. av.

aquas uiuas habentem et haec casa in latere montis posita est

super se fines proximas habentem super se riuum et cauam

terminum iuxta sub ipso fluuium currit proximum se pentagonum

habentem uineam in sinistris pratum sub se habentem et hoc

ca per quae per K nomen habet tales fines habet.

1) Alles mit Versalien Gedruckte ist in der Handschrift roth geschrieben.

454 Ei° gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.

1017 casa quae per L nomen habet finis sub se proximum habet pro-

ximum se aquam uiuam significat limitem sextaneum habentem passu3 CCL de latus orientalis significat riuum qui albeum facit hoc legitur casa quae per L nomen habet quam plurimum tales fines habet

casa quae per M nomen habet de dextram et sinistram partem aquam

uiuam significat et fines grandes habet et casa in medio fine

BL 2E. posita fines quadratos |j habentem limitem maritimum et Galicum

intercedentem et haec casa in curtem aquam uiuam habet et

flumen inferiua

casa quae per N nomen habet in sinistram partem fines nihil habet et haec casa est in campo posita super se limitem proximum habet et ante se fluuium aquae qui albeum currit limitem eins passos in longum IICCC et haec in alio casulem inpinget partet miliarium in sinistram quidem partem dimitto casulibus

casa ^ [quae per 0 nomen habet in montem posita est quae per campos (ita est quae per campos ztveimdl) fines rutundos (rotundos) habet et culta. per medium finem aquam uiuam significat et sub se iuncinam et exforam quam uergens habet arcam (exforam aquam uergens harcam) in monticellum constitutam ubi casa per Bi. 3 V. eum mittet casaliculos dimisimus || ideoque haec arca trifinium faciet]

Lachm.s. 329 casa quac per P nomen habet fines ante se habet de latus limitem orientalem qui proximum casa finit multos casules alius fundus continet limites eius post casam orientalem qui finit proximum se aquam habet super aquam arcam super arcam memoriam de intus sextaneam partem aliam fontanam sub se habentem super se montem et de latus montem in triuio tribotines in sinistram partem arcam constitutam in trifinium positam inter 0 et P multa casulia et subtus se riuum currit

casa que per Q nomen habet in piano posita est fines habet multas

1018 transit riuum de sinistram partem in aliam finem montem super se habentem subtus flumen transit subtus flaminia^ posita et

Bi. 3R. circa uinea riuus currit et intra uinea ^ j| memoriae sunt

super se loca macra habentem et subtus se campum extensum habentem limitem eius in longum p CCL, casa quae per R nomen. habet, fines super se habet grandes campum sub se habentem et per medium campum flaminiam currentem

1) [ ] wiederholt BI. 12 V. der Handschrift. Die abweichenden Lesungen dieses zweiten Textes sind in ( ) in den Abdruck eingerückt.

2) 'Das erste a nicht deutlich'. Jaffe.

3) 'Etwa fünf Buchstaben abgerieben'. Jaffe.

Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift. 455

miliarium transit pratum super flaminiam habentem de latus flaminia nuces super se montem habentem et de monte exsurget riuum qui descendit fsoj proximum casa et de riuum petent aquam et de sub riuo alium latum riuum limitem transit qui uenet super sextaneum

casa quae per S nomen habet super se aquam uiuam signifacat (so) de orientalibus partibus riuum significat super riuum cur- rentem 1 transet super se montem habente et casa ipsa umorosum Bi.iV. locura fines habentem in septentrionem proximum finit et super se fines grandes habentem et subtus se alius casules intra limitem habentem et super se montem et subtus se montem et in montem albarium ^ habentem EY retro hoc nomina et signa in casa finis^-achm. s.330 limitibus suis est adsignata

casa quae per T nomen habet super se finem nihil habet sub se mittet riuum qui currit subtus transet limitem eins et trans flumen aquam uiuam habet usque in aliam aquam uiuam mitet limitem eius ipsa aqua uiua trifinium facit super se limitem orientalem proximum habentem hoc legitur

casa quae per Y nomen habet fines grandes habet \\ super se montem bi.4K. habet et casa in piano posita est sub ipsa riuum descendit de sinistram partem riuum altenim tria riuora ei descendent a sinistram partem lapis grandis qui in albario est duas seras ab eo et caba de ab unam partem sacra pannarium appellatur

casa quae per X nomen habet ^ [fines in longum habet et casa ipsa

in campo posisita (posita) est non per omnes fines eius seminatur 1019 sed per campum super se montem significat de latus albarium currentem (curentem) sub se alium albarium pentagonum pro- ximum scriptum de latus (latum) alium riuum quattur (soj riuora habentem in finibus suis et in hoc finem albatum inpinget (inpiget) super albarium alium riuum curret quod in albarium coniungitur bi. sv. gurgalis super ipsum albarium constituta id est super se montem (raon) habentem et transis montem alius casulis inpinget] de

I^K duodecimam partis limitem proximum constat basis in sinistris ^P partibus riuum significat hoc legitur casa quae per Y nomen habet fines grandes habet super se albentem et super se planum habentem de latus in sinistra fontem de ap partem sinistram mutabilis locus et casa in suis subiacet ceteria proximum uenit casa super casa duo riuora ei current hoc legitur

1) 'Oder albareum'. Jaffe.

2) [ ] wiederholt Bl. 11 R. der Handschrift.

456 Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.

casa quae per Z nomen habet ^ [fines nihil habet proximum si orien- talis concidat de sinistram partem fontanam proximam habentem simi (si) limitem proximum casulis inpinget horocitide (orocitide) ^^•5R- diuidi mille uenit computationis liraites || qui usque (asque) finibus]

AC litteris DE EA YSquae finibus partibus partire cui TV litteris quia de litteris conputare casa quae Z nomen habet DVIVGVM PYTARE finis conputum hoc est nominis destinata per conputum designata conputa P CCC et CCCL hoc est in litteris conputum colligitur^ de omnibus finibus quales fines sint iiitellegis hoc A uenit ^

Lachm. s. 325 SCARifus expositio litterarura finalium.

Bi. 6V. II MONticellum habet, post montem non transet ad collem stricta est habet ad pedem aquas uiuas duas et subtus se fluuium aquae uiuae Lachmann Fig. 254. Berg unten violett, oben matt roth,

alpha

A

(im Buchstaben). J\. der Rand hlatc. Qtiellen und Fluss gelb.

1020 SYPER se montem habet et ad pectus strita est alia casa eadem

ibidem mordet post se riuum habet et trans et contra non longe a R. riuo II fines ei iacent

BF. 255, doch fehlt der ziveite Berg. Berg braunroth mit grünem Hand, Quelle und Fluss schmutzig blau.

YSQYE ad collem exit non grandes fine habet in gama iacet post V. se ad pedem aquam uiuam habet et flumen inferius ||

r-^ F. 256, über dem Buchstaben noch Berg ziegelroth mit

gamma grünem Band. Quelle und Fluss schmutzig blau.

R II AD Montem se colliget inferius maiores fines habet et ad pedem aquam uiuam habit et flumen inferius

AF. 257. Berg unten dunkelblau, oben röthlich. Band grün. Quelle und Fluss schmutzig blau. V. II SICCA casa est aquam minus habet per collem iacet longe a se fluuium habet

^ Berg (nur ei'ngipflig) braun mit blauem Band. Tief unter

^ dem Buchstaben Fluss schmutzig hellgelb.

B. II *fines nihil habet quiasque finibus

; 1) [ ] wiederholt Bl. 8 R. der Handschrift.

2) 'Nach CO leerer Raum für zwei Buchstaben'. JafFe.

3) Eine Zeile leer.

4) Der Buchstabe Z fehlt in den Lachmannschen Handschriften; was in der Morbios steht, ist von Bl. 5 V. derselben herübergenommeu. Die Buchstaben H & fehlen sowohl in den Lachmannschen Handschriften wie in der Morbios.

Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift. 457

^ Quelle sclimutzig hellgelb.

11 IN" SCAmnum iacet per iugum in lanciolam habet a pedem aquaniBi.gv. uiuam et flumen inferius Laehm. s.

IF. 259. Berg ohne Farbe, Quelle und Flttss schtmttziq ''"" heUgelb.

II SVPER se nihil habet quia usque ad coUem exit et ad pectusBi.gR. steriles terras habet et confragosas et sub se meliores et latiores ad sinistram partem aquam uiuat fso) habet et flumen inferius.

KF. 260. Berg ohne Farbe, Quelle nnä Fltiss schmutzig heUgelb.

In TRIgono iacet ad pectus striata est et inferius latior est habet g/^^j^^ ad pedem aquas uiuas duas et flumem (so) inferius

XF. 261, aber zicei Quellen. Dieses und alle folgenden Bilder schmtttzig hellgelb.

11 QYADRA possessio est super se colliget aquam et habet uelutßi.ioK. herbam germanam ad dextram et sinistram aquas uiuas habet flumen inferius

]yj F. 262.

AD COLLEM exit et usque ad flumen aqua a coUe redit a sinistram bi. u v. partem ad pedem aquam uiuam habet et flumen inferius

NF. 263; über dem Buchstaben noch grosser ziceigipfliger Berg. Zicei Quellen. I ^FI^ES in longum habet alius casulis inpinget blur.

^^ Übe>- dem Buchstaben ein grosser Berg; an jeder der vier

C~^ Ecken des Buchstabens Quelle.

^QVAE per O nomen habet trifinium faciet

OÜber dem Buchstaben Berg mit ztcei Quellen ; neben dem bl 12 v. Btichstaben Quelle. , PER COLLES in quadru iacet per colliculos descendentibus dextraßiiaK. leleuaque aquas uiuas habet et flumen inferius

T 1 FlusSj darüber zicei Quellen.

' Circat montem et sub se redit ^ ßi.i3V.

"\ta6e^r^ P ^Me7/e, darunter Fluss.

1) Die Buchstaben 3 0 fehlen in dem Lachmannschen Text; was hier in tler Morbioschen Handschrift steht, ist aus Bl. 4 R, 5 Y. und 2 R. 3 V. derselben ■^nederholt.

2) Circat redit und ab aqua cadet mit abweichender mehr gerundeter Ilncialschrift im Kreise um den Kopf des P und um C geschrieben.

458 Ein gromatisches Fragment in einer Mailänder Handschrift.

Uallem tenet ab aqua exit per colles in aqua cadet^

f^ Quelle, darunter Fluss.

B1.13R. II PER iugum currit ei limes ante se habet casulem post se ad pedem habet aquam uauam (so) et flumen inferius

TF. 267 ; ausserdem über dem Buchstaben grosser zweigipfliger Berg.

1) Circat redit und ab aqua cadet mit abweichender mehr gerundeter Unicialschrift im Kreise um den Kopf des P und um C geschrieben.

LI.

Über den codex Arcerianiis der Gromatici und eine Handschrift des Petrarca.*)

Die von mir S. 151 [= Hist. Sehr. H S. 150 f.] aufgestellte Be- 215 hauptung, dass der Arcerianus schon um 1509 von Rom weggekommen sei, steht im Widerspruch mit Blumes Ausführung, welcher zwar die nahe liegende Combination, dass Erasmus während seines Aufenthalts in Italien (1506 1509) von dem ihm befreundeten Wiederauffinder der Handschrift Phädrus dieselbe erworben habe, selbst andeutet (S. 16), sie aber dennoch verwirft, weil Angelus Colotius in den ersten Decennien des sechszehnten Jahrhunderts die Handschrift besessen habe. Es wird gestattet sein die Gründe anzugeben, wesshalb wenn ich nicht irre Colotius aus der Reihe der Besitzer des Areerianus ganz zu streichen ist,

Blume hat den Colotius aus zwei Gründen in diese Reihe auf- genommen: einmal weil Volaterranus Auszüge aus einer Agrimensoren- handschrift des Colotius beibringt, welche Blume für den Arcerianus erklärt; zweitens weil die Abschrift des Zanchi, welche nach Blume's Ansicht aus dem Arcerianus geflossen ist, nach dem Zeugniss des Metellus ex codice Colotiano copirt ist.

Was indess die Auszüge des YolateiTanus anlangt, so sind nicht bloss, wie Blume selbst bemerkt, einige darin enthaltene Notizen aus einer Handschrift dritter Klasse entlehnt, sondern sie sind von A.nfang bis zu Ende aus einer der erfurter durchaus analogen Hand- schrift genommen. Man vergleiche nur die S. 12A. 15 abgedruckten

*) [Die Schriften der römischen Feldmesser, herausg. und erläutert von F. Blume, K. Lachmann und A. Rudorff II, Berlin 1852, S. 215-220. Diese von Ilfoinmsen als , Zusatz über den Arcerianus" und „Notiz über eine Handschrift des Petrarca" bezeichneten Darlegungen bilden den Schluß seiner Abhandlung über „Die libri coloniarum", a. a. 0. S. 143 214 = Hist. Sehr. 2 S. 146 fif.]

460 Über den codex Arceriauus der Gromatici etc.

Auszüge des Yolaterranus mit E. 16 18 (Ausg. Frontin 27, 13 fg. Nipsus 290, 17fg.); E. 3. 4. (Ausg. lib. col. 246 249); 1. 2 (Ausg. Balb. 94, 13. 19). Die Identität geht bis in die kleinlichsten Schreib-

216 fehler, wie z. B. 29, 2, wo Frontin sagt: qui qua longior erat, fecerunt decumanum, der Erf. quia für qui qua liest und Volaterranus desshalb schreibt : decumanum vocavenmt quod is longior sit. Ebenso ist sexta sii)e dutrans statt sextans sive dodrans 94, 19, nigrius oder ingrms statt iugarius 247, 1 7 im Erf. ebenso wie bei Yolaterranus zu finden. Dagegen findet sich auch nicht ein "Wort, das auf eine Quelle anderer Art deutete und schon die Bezeichnung der Handschrift bei Vola- terranus als Iidius Frontinus et M. lunius Nypsus führt auf eine Handschrift der dritten Klasse, welche Recension nach Lachraanns sehr wahrscheinlicher Vermuthung (S. 1 1 3) das gromatische Material in zwei Bücher zusammenfasst und das erste derselben dem Julius Frontinus, das zweite dem M. Junius Nipsus beilegt. Zum TJeberfluss hat Blume selber erwiesen, dass lange nachdem der Arcerianus von Rom weggeführt war, Colotius sich im Besitz einer Gromatiker- handschrift befand, welche Metellus, der sie sah, als Frontinus und

^Nypsus bezeichnet und mit der florentiner, einer Schwesterhandschrift der erfurtischen vergleicht. Also die Handschrift, die Yolaterranus bei Colotius sah, war keineswegs der Arcerianus ^, sondern die auch von Metellus dort gesehene der dritten Klasse.

Was die Abschrift des Basihus Zanchi betrifft, so sind wir darüber immer noch ungenügend unterrichtet. Ich kann es nicht billigen, dass Blume zwei Abschriften desselben aus zwei ver-

217 schiedenen alten gromatischen Handschriften unterscheidet, von denen die eine ich sehe schlechterdings nicht wesshalb zu dem ganz verschiedenen Erfurter und den diesen analogen Manuscripten gestellt ist. Mir scheint es vielmehr einleuchtend, dass sowohl der Vitruvius, Rufus, Simplicius u. s. f. (S. 14) als der Hyginus de castrametatione, die libri col. u. a. m. (S. 52) von Metellus aus demselben zanchischen Exemplar copirt wurden. Das einzige Bedenken hiegegen, dass Metellus als das Original der zanchischen Copie einmal eine Hand- schrift des Colotius bezeichnet, ein anderes Mal eine des Gallesius

1) Hiemit fällt auch das Zeugniss weg für die Identität der in Bobbio 1493 gefundenen und der arcerianischen Handschrift, auf welches Blume S. 11 Gewicht legt. Zum Glück bedai-f es dessen aber nicht; denn es kann unmöglich Zufall sein, dass das von Volaterranus mitgetli eilte Inhalts verzeichniss der Handschriften von Bobbio die gromatischen Schriften genau in der Ordnung des Arcerianus aufzählt, nur dass B vor A steht. Die beiden Handschriften waren bei der Auffindung also noch nicht in einen Band vereinigt.

über den codex Arcerianns der Gromatici etc. 461

Massa, hat kein Gewicht, da einerseits Metellus flüchtiger und sich selbst widersprechender Bericht in keiner Weise vollständig aufrecht gehalten werden kann, andererseits er in keinem Punkte leichter irren konnte als in der Bezeichnung des ihm ohne Zweifel nur vom Hörensagen bekannten Originals der ihm zu Gesicht gekommenen Copie. Wie nahe lag es ihm. als er zwanzig Jahre später in Köln seine Notizen machte, den von ihm selbst gesehenen vermuthlich alten Codex des Colotius dritter Classe mit dem nicht gesehenen Original der jungen zanchischen Abschrift zu verwechseln! Wäre es also auch völlig ausgemacht, dass das Exemplar des Zanchi unmittelbar aus dem Arcerianus abgeschrieben ist, so würde doch auf jene Aeusserung des Metellus codex Basilii Zatichi swnptus ex Colotiano noch keineswegs Colotius als Besitzer des Arcerianus an- gesehen werden dürfen.

Wie steht es denn aber mit dem Original des zanchischen Manuscripts? von dem übrigens, beiläufig gesagt, nirgends gesagt wird, dass es von Zanchis Hand geschrieben und nicht bloss in seinem Besitz gewesen sei, so dass man aus Zanchis Geburtsjahr 1501) keinen Schluss machen kann auf das Alter der Handschrift. AVir würden die Frage, ob die zanchische Abschrift aus dem Ar- cerianus, und wenn dies, ob sie direct aus dem Arcerianus geflossen 2 IS sei, bestimmt und mit Leichtigkeit entscheiden können, wenn Metellus Abschrift der zanchischen Copie (cod. Barb. 1546, Blume S. 53; vielleicht auch cod. Eeg. 7229, Blume S. 31) genauer bekannt wäre; indess nur für den einzigen Hygin de castrametatiane ist Zanchis Text zugänglich geworden. Der neueste Herausgeber dieser Schrift meint nun S. 30 seiner Prolegomenen, dass zwar die Blattversetzungen, Verstümmelungen und eine Menge auffallender Fehler dem Arcerianus mit dem Codex Zanchi gemeinschaftlich seien, dennoch aber dieser von jenem in zu vielen und auffallenden Dingen abweiche um aus dem Arcerianus geflossen zu sein. Ist dies richtig, und Blume wenigstens giebt es zu. so wird auch in den übrigen Stücken der gromatischen Sammlung den zanchischen Abschriften eine ähnliche Geltimg angewiesen werden müssen. Die genaue Beweisführung wird bei Lange leider vermisst und es ist weder meines Amtes noch dieses Ortes diese L'ntersuchung hier nachzubringen; wohl aber darf man zu einer nochmahgen ernstlicheren Prüfung auffordern. Es ist ungemein auffallend, dass von einer Anzahl Schriften, die sonst schlechterdings nur aus dem Arcerianus bekannt sind, hier auf einmal iine Handschrift erscheint, die in Lücken und Versetzungen und Zufälligkeiten aller Art, vor allem aber in dem Inhalt wie in der

462 Über den codex Arcerianus der Gromatici etc.

Ordnung^ mit dem Arcerianus offenbar übereinstimmte, deren kriti- scher Ertrag trotz des äusserst corrupten Zustandes dieser Schriften mindestens sehr unbedeutend ist^ und die dennoch auf einer vom Arcerianus verschiedenen Grundlage beruhen soll. Ja wenn es wahr 219 ist, dass Metellus den berufenen „Simplicius" im Codex Zanchi fand (S. 14), 80 muss derselbe schlechterdings eine Abschrift des Arcerianus gewesen sein, in dem bekanntlich dieser Name durch ein absurdes Quiproquo entstanden ist. Man möchte demnach fragen, ob sich nicht Lange doch geirrt hat und ob das Original der zanchischen Copie nicht eine etwa im zwölften Jahrhundert gefertigte und durch mehrfache Mittelglieder von der Urhandschrift getrennte Tochter- handschrift des uralten Arcerianus war.

Diesen Bemerkungen über den Arcerianus mag sich noch folgende Notiz über eine Handschrift des Petrarca anschliessen.

In einem wohl ungedruckten*) im cod. Riccard. n. 898 p. 109 von mir gefundenen Briefe des florentiner Staatsschreibers Colucius Salutatus, welchen dieser VIII hol. Oct. um das J. 1390**) an den Kanzler des comes Virtutum (d. h. des Herzogs von Mailand Gian Galeazzo Yisconti) Pasquino de Capellis schrieb, finden sich folgende Worte : Ex ore FranciscuoU generi quondam celebris memorie Fetrarce nostri (Francesco da Brossano, Petrarca's Schwiegersohn und Uni- versalerbe, s. Tiraboschi Bd.V. S. 90) certissimum haheo ex hibliotheca dicti Fetrarce in manihus communis domini illustrissimi principis domini comitis Virtutum esse librum M. Varronis de mensuris orhis terrae, lihrum quidem magnum in antiquissima littera, in quo sunt quaedam geometricae figurae. Quanvis Antonius Luscus noster michi scripserit, quod putet esse Varronem de lingua Latina^. Quidquid Varronis

1) Ich erinnere z. B. au die mathematischen Fragmente, die im Arcer. wie im Codex Zanchi der Schrift de castranietatione vorangehen.

2) Ich wenigstens habe keine Stelle gefunden, wo die Abweichungen der zanchischen Copien vom Arcer. bestimmt auf eine andere Quelle führten.

*) [Jetzt gedruckt in: Fonti per la storia d'Italia XVI, Roma 1893 = Epistolario di Coluccio Salutati a cura di Francesco Novati II S. 392 f. Nach dieser Ausgabe ist im Folgenden der von Mommsen auf Gruud der alten vom J. 1741 gegebene Text geändert worden.]

**) [Nach Novati a. a. 0. S. 381, 1 am 24.-30. Sept. 1392.]

3) Der Brief des Colucius, auf den Luscus ihm dies zurückschrieb, an Antonius Luscus von Vicenza, datirt Florentiae XII kal. Sextilis, steht im cod. Medic. Gadd. pl. XC sup. cod. 41, 8 ep. 60 [Fonti etc. a. a. 0. S. 358] : Miroret non modicum , quod de Varrone nichil exploratum habeas nichilque rescripseris. Bogavi super hoc, videns te negligen tiorein, Boggerium Canem, non quod hanc pfoairationem

über den codex Arcerianus der Gromatici etc. 463

fuerit, cupio plurimum etim habere, et ob id etiam nomine nieo, si tibi 220 videtur, illum a domino po!<tules ut habe^-e valeam in exemplar, michique quantocius fieri potest et hanc sitim extinguere. Dass Luscus falsch rieth, leidet keinen Zweifel; eine gromatische Handschrift ist höchst wahrscheinlich gemeint. Unter den bekannten finden sich varronische Titel in zweien : liber Marci Barronis de geometria ad Rufum SiJbium im Arcerianus (243, 17 A) und M. Varro de arithmetica in dem ver- schollenen und mit Sicherheit nicht einmal zu classificirenden Codex des Alciat (Blume S. 55; vgl. Ritschi im rhein. Mus. N". F. YI, 505 [opusc. in S. 443]). An jenen kann man nicht wohl denken, da die Nachricht, dass er erst 1493 aus Bobbio nach Rom kam, voll- kommen beglaubigt ist; die alciatische Handschrift könnte dagegen recht wohl die des Petrarca sein, zumal da diese ja in Alciats Heimath, nach Mailand gekommen sein soll. Die Abweichung in dem Titel ist zwar befremdend, aber dennoch um so weniger ent- scheidend, als Alciatus sämmtliche Ueberschriften sehr frei angegeben zu haben scheint.*)

Ueber die von Gian Galeazzo gestiftete Bibliothek vergleiche Tiraboschi Bd. Y. S. S6. 87, woraus hervorgeht, dass auch eine andere Handschrift des Petrarca in dieselbe gekommen ist, die jetzt in der Ambrosiana sich befindet.

« te transferam et Uli maioi'ibus occupato confidam, sed qtioniam facilitts poteris forte per ipsum quam per te vel Pasquinum meum quod expedit impetrare.

*) [Zu diesen von ihm citierten Worten Mommsens bemerkt Xovati a. a. 0. S. 392,2; ,Come VHoHis ha giä dichiarato (M. T. Cicer. nelle op. del Petr. p. 71) i\ell' inventario della libreria pavese compilato del 1426, questo codice non si cüa, sebben dei lihri Rerum Rusticarum di Varrone siani-i menzionate due copie. Lo Siesso silenzio noto neW inventario del 1459; cf. Giom. stör. d. letter. ital. I 43."]

LH. Die Interpolationen des gromatischen Corpus.*)

272 Yon den in unserem gromatischen Corpus vereinigten Schrift-

stücken gehören die grösseren, meistentheils mit gesicherten Autor- namen versehenen, überwiegend der besseren Litteraturperiode an und können mit den überall massgebenden Einschränkungen für die sachliche Untersuchung als zuverlässige Quellen betrachtet werden. Aber eine allerdings nicht sehr umfängliche Reihe anderer, theils benannter, theils anonymer Schriftstücke sind diesen ungefähr mit demselben Recht beigesellt, wie das Buch Esther dem Pentateuch. Die ziemlich unterschiedslose Benutzung der gesammten uns unter denselben Buchdeckeln vorliegenden Masse, wie sie zum Beispiel in den sonst so trefflichen gromatischen Institutionen Rudorffs durch- gängig stattfindet, gereicht der Forschung zum Schaden, und es ist der Zweck dieser Blätter, davor zu warnen. Den Philologen, die sich eingehend mit den Gromatikern beschäftigt haben, werden sie wenig Neues bringen, aber als zusammenfassende Uebersicht doch vielleicht nicht ganz unnütz sein.

Es ist dabei auszugehen von dem Gegensatz der beiden gro- matischen Corpora, auf welchen unsere Ueberlieferung beruht: das bessere ist überliefert durch die erste Klasse Lachmann -Blumes, das heisst die Handschriften A B nebst den aus diesen vor dem späteren Blattverlust geflossenen Abschriften J V, sowie durch die dritte Klasse (E), da diese von der ersten sich wesentlich nur durch die veränderte Ordnung unterscheidet; das geringere durch die zweite Klasse der Ausgabe (PG, welche letztere Handschrift aus der ersteren jetzt defecten, damals noch vollständigen abgeschrieben zu sein scheint^. Um das Gesammtergebniss vorweg zu nehmen: das

*) [Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande Heft XCVI. XCVII (1895) S. 272 292.]

Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 465

erste Corpus ist eine gromatisehe Compilation aus der zweiten 273 Hälfte des fünften Jahrhunderts und im Grossen und Ganzen nicht interpolirt; das zweite ist aus dem ersteren geflossen, aber in der "Weise vermehrt, dass, was dieses allein bietet, überwiegend als Fälschung frühestens der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts sich darstellt.

Die gromatisehe Sammlung, wie sie den Handschriften ABE zu Grunde liegt, enthält oder enthielt die Schriften des Frontin, des Agennius, des Baibus, des Siculus Flaccus, die beiden dem Hygin beigelegten, die Schrift über die Lagerschlagimg, die unter den Namen des Epaphroditus und des Yitruvius gehenden geometri- schen Aufgaben, die Schrift des M. Jimius Nipsus, das mamilische Gesetz, endlich ausser einigen kleineren Pseudonymen oder anonymen Tractaten (de sepulchris p. 271. 272; Uebersicht über die termini p. 242, 7 243, 17; agrorum quae sit inspectio p. 281 2S4^ das italische Städteverzeichniss wesentlich in der Gestalt, wie es in der Ausgabe als Über coJonianim priar vorliegt. Der Titel finium re- gundorum des 43S publicirten theodosischen Codex fehlt in A JB, findet sich aber schon in E. Da alle auf uns gekommenen Hand- schriften zerrüttet und verstümmelt sind, sind mehrere dieser Stücke defect und können kleinere Bestandtheile der Sammlung uns mög- licher Weise ganz fehlen. Ueberwiegend gehören die in dieser Sammlung vereinigten Stücke der Fachlitteratur der guten Kaiserzeit an. Indess ist dieselbe von Interpolationen nicht frei geblieben. Abgesehen von dem kleinen Tractat de sepulchris, welcher durch unvernünftige Zusätze am Anfang und am Schluss in eine an die Triumvirn Octavian, Antonius und Lepidus adressirte Verordnung des Kaisers Tiberius umgewandelt ist, hat am meisten das Städte- verzeichniss gelitten. Die Grundlage dieser Listen ist gut und alt; aber fast bei jeder Ortschaft zeigen sie die Spuren davon, dass sie um 450 n. Chr. aus dem Bureau der stadtrömischen Feldmesser überarbeitet hervorgegangen sind, wofür ich auf meine Darlegungen Feldm. 2, 176 fg. [= Hist. Sehr. Bd. 2, S. 169 f.] und Hermes 18, 173 fg. [a. a. 0. S. 167 f.] verweise. Es gibt uns dies zugleich einen Anhalt für die Epoche der Redaction der ganzen Sammlung. Für die weitere Entwickelung kommt in Betracht, dass in den wenigen Abschnitten des Städteverzeichnisses, welche der Text E vor dem Text A voraus hat (p. 239, 20 240, 15), sich deutliche Spuren ge- steigerter Interpolation zeigen; es scheint jener einer etwas späteren Textgestaltung anzugehören. Im Ganzen aber hält die Textfölschung 274 sich in der Recension AB E \n bescheidenen Grenzen.

MOMMSEIf, SCHB. VII. 30

466 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.

Ein einziges diesem Corpus einverleibtes Schriftstück scheidet durch die barbarische Sprache wie durch die Nichtigkeit seines Inhalts aus dieser Reihe werthvoller Reste aus: dies sind die casae litterarum (p. 327, 4 331, 7). So weit es nicht, sicher durch die Schuld mehr des Concipienten als des Abschreibers, geradezu un- verständlich ist, stellt es sich dar als entnommen einer Art von Situationsplan, darstellend 25 mit den Buchstaben des Alphabets bezeichnete Häuser, dazwischen Wasserläufe, Berge und Wege. Bei jedem Hause werden zunächst die fines angegeben, das heisst die dazu gehörige Bodenfläche:

P finis ante se habenfem D. Q finis pos se habentes oder pos se finem habet

R finis super se habentem C.T finis super se non habentes oder super se finem nihil habentem r^J^'" X finis in longo habentem ""°^B.Y finis grandis habentes M. S.|V finis egrcgios habentes G tortas fines habentis N sinistram partem finis nihil habet Z finis nihil habentes Aus den Angaben über die Berge und die Wasserläufe setze ich einige leidlich verständliche her:

V super se montem et casa in piano loco posita N casa in campo piosita

F (vgl. G. H. 0) casa in monte posita

A super se montem habente

D super se mittit usque in balle montem de latus habentem

K super se montem habentem de latus ballern habentem

A sinistra partem aquam vivam significat

K et in vallem duas aquas vivas habentis

M dextra levaque aquam vivam significat

Q multas aquas vivas transeunt de sinistram partem in alias

fines S super se aquam vibam significat, de orientalibus partibus

rivum significat 275 V sub se rivum discindit et de leva parte rivus alter

Y habentem de latus in sinistris fontem super casa

duo rivora current

Z de sinistris partihus proximum fontanam habentem M hoc casa (occasu?) aquam in curtem habentem.

Die Interpolationen des gromatiachen Corpus. 467

Diese wirren Ansetzungen steigern sich in das Maasslose hin- sichtlich der Angaben über "SVege und sonstige von Menschenhand herrührende Dinge: wir kommen auf die Einzelheiten, arca, hotmi- tinus, lavacncm, memoria, trifinium, limes sextaneus, weiterhin zurück. Das Ganze macht den Eindruck eines Schulexercitiums zu dem Zweck, den Schüler die auf dem Situationsplan gegebenen Darstellungen in Wortbeschreibungen umsetzen zu lassen, was an sich wohl für den gromatischen Unterricht passt, hier aber in einer theoretisch wie praktisch gleich unbrauchbaren und völlig barbarischen Exemplification auftritt. Das Merkwürdigste an dem ganzen Stück ist, dass es, nach Zeit und Ort hinreichend bestimmt, uns einen Maassstab gibt für den Tiefstand der höheren Bildung in der Stadt Rom nach Alarich und vor Theoderich.

Auch die jüngere Sammlung ist nach Ort und Zeit ungefähr bestimmbar. Sie ist so. wie sie vorliegt, im Laufe des 6. oder des 7. Jahrhunderts gestaltet worden. Unter den hinzugekommenen Stücken sind für die Zeitbestimmung wichtig ein Abschnitt der im J. 533 publicirten justinianischen Digesten und Auszüge aus den Origines Isidors (f 636). Da der Pandektentext die vollen Inscrip- tionen und die griechischen Stellen im Original und unverdorben hat und die Digesten nicht lange nach Justinian in Italien ausser Gebrauch kamen, kann dessen Aufnahme in die Sammlung nicht wohl später als in die Mitte des 6. Jahrhunderts gesetzt werden; wenn die isidorischen Excerpte nicht bloss durch spätere Schreiberwillkür mit der Sammlung vereinigt worden sind, was möglich ist, wenn auch nach ihrer Stellung in derselben nicht gerade wahrscheinlich, so ist die Sammlung in ihrer gegenwärtigen Gestalt mindestens ein Jahr- hundert jünger. Eine letzte Grenze gibt das Alter der im 10. Jahr- hundert geschriebenen palatinischen Handschrift. Oertlich kann auch diese Sammlung nicht ausserhalb Italiens entstanden sein, da das ihr eigenthümliche Städteverzeichniss ausschhesslich italienisch ist. Bestätigend tritt hinzu, dass in den casae litterarum dieser Recension keine andere geographisch bestimmte Localität gefunden 276 wird, als die sehr oft genannte Flaminia und dass für FäUe extra Italiam Ausnahmebestimmungen getroffen werden (p. 335, 7. 337, 25). Es kann dagegen nicht geltend gemacht werden, dass in den hinzu- gekommenen Stücken von Messungen in Constantinopel (p. 351, 15. angeblich vom Kaiser Arcadius) und Africa (p. 307, 24. 344, 4. 353,2.20) gehandelt wird, da das Rom des siebenten Jahrhunderts dem byzantinischen Machtbereich angehört. Wahrscheinlich ist, wie ich schon früher vermuthet habe (Feldmesser 2, 166), die jüngere

30*

468 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.

Recension in Dalmatien entstanden. Diese Landschaft, unter Theo- derich ein Theil seines Herrschaftsgebiets ^, ist auch unter dem byzantinischen Regiment bei Italien geblieben 2; und es ist schwerlich zufällig, dass in dieser zweiten Redaction dem besseren Über coloniarum die Provinz Dalmatien zugefügt worden ist^.

Diese jüngere Sammlung ruht, wie gesagt, auf der älteren; wenn manche der in dieser enthaltenen Stücke in der jüngeren Recension verstümmelt sind, insbesondere Frontinus und Nipsus, so sind dies Schäden der Abschrift und hat der Redactor allem Anschein nach von den wesentlichen Bestandtheilen der älteren Sammlung keinen geradezu weggelassen mit Ausnahme der Schrift über die Lagerbeschreibung, die ihm ohne Zweifel für seine prakti- schen Zwecke entbehrlich erschien. Für den Text ist sie selbständig und sehr häufig werden Lücken der älteren Sammlung (zum Beispiel die grossen im Siculus Flaccus p. 142, 1—145, 2. 148, 19—165, 24) und Corruptelen derselben durch die jüngere authentisch ergänzt oder gebessert. Auch von allgemeiner Interpolation der Texte hält sich die Sammlung frei. Aber einzelne Abschnitte sind in der jüngeren Redaction in eine andere Form gebracht oder hinzugefügt worden; von diesen soll jetzt gehandelt werden.

1. Vor allem charakteristisch für die jüngere Recension ist der nur in ihr auftretende Commentar zu den beiden Tractaten des Frontinus de agrorum qualitate und de confroversüs, welcher, in der 277 handschriftlichen Ueberlieferung dem echten Frontinus voraufgehend und in derselben zu Unrecht dem Agennius Urbicus beigelegt, als Untersatz zu jenen Tractaten bei Lachmann p. 1 26 abgedruckt ist. Die Beschaffenheit dieser Schrift, obwohl von Lachmann wohl er- kannt, ist meines Wissens weder von ihm noch von Späteren aus- einander gesetzt worden. Nach der Vorrede ist das Werk ein Schulbuch, bestimmt die jungen Leute, die nach Erledigung des niederen Unterrichtes dem höheren (litteris secundis ac Uheralibtis) sich zuwenden, in diesen Theil desselben einzuführen. Wir erfahren daraus, was meines Wissens sonst nicht bezeugt ist, dass in der Jugendbildung dieser Epoche, wie wir sie im Allgemeinen aus Augustinus, Macrobius, Boethius kennen, das höhere Studium auch

1) Neues Archiv für deutsche Geschichte 14, 503 [„Ostgothische Studien' die im Bd. 3 der Hist. Sehr, zum Abdruck gelangen werden]; meine Cassiodor Ausgabe im Index p. 503 [Chron. minora vol. II 1894].

2) Constantin Porpb. de them. 2 p. 57 Bonn: t] 8e Aa^./nazia rfjg 'haUag earl XcÖQu. Joh. Lydus (dem ich a. a. 0. Unrecht gethan habe) de mens. 4, 60,

3) Auch die arcae und arcellae passen dazu (vgl. unten S. 290 [480]).

I

Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 469

die Feldmesskunst bis zu einem gewissen Grade einschloss. Zu den eigentlichen vier oberen artes liberales: Geometrie, Arithmetik, Musik, Astronomie, gehört allerdings die Groraatik nicht, aber scharf war dieser Kreis schwerlieh abgegrenzt und sie konnte leicht an die Geometrie angeschlossen werden. Der Commentar, der uns hier vorliegt, besteht im Wesentlichen darin, dass in die frontinische Schrift zwei andere ebenfalls in der älteren Recension enthaltene gromatische Schriften oder Schrifttheile hineingearbeitet sind, welche letztere desshalb aus der jüngeren Sammlung beseitigt wurden: es sind dies die Schrift des Agennius Urbicus über die agrarischen Contro- versen und der gleichartige Abschnitt des (sogenannten älteren) Hyginus. a. Yon der Schrift über die agrarischen Controversen (p. 59 90 der Ausgabe), welche die ältere Sammlung in der Subscription dem Agennius Urbicus beilegt, ist in die zweite Sammlung in der ursprüng- lichen Form nur ein einzelnes Blatt p. 73, 2S— 74, 10 = 42, 21— 43,13 ^ gelangt, das ohne Zweifel in dem ihrem Redactor vorliegenden Exemplar der älteren Sammlung von seinem Platze verschlagen worden war und darum nicht, wie das übrige Werk, in der jüngeren wegblieb. Dagegen hat der Verfasser des Commentars zum Frontin in denselben eine Reihe von Auszügen aus dem Agennius aufge- 27S nommen; die erste derartige Stelle ist p. 79, 13 e^ sunt plerumque'^) 17 ita esse = 15, 10 19 und es folgen weitere genau in der Folge bei Agennius bis zu der letzten p. 89, 25 satis ut puto genera confroversiarum exposui 90, 21 artifices coguntur = 25, 4 26, 25, in welchen Epilog ausserdem einige bei Agennius in der Einleitung stehende Brocken p. 6S, 16. 69, 3. 20, 70, 1 eingelegt sind. Mit Rücksicht darauf, dass der Epilog des nur die Controversen behan- delnden Agennius von dem Commentator für sein in der ersten Hälfte de agrorwn qualitate handelndes Werk verwendet wird, setzt er nach controversiarum hinzu vel primum agri qualitatem. Was schon hier- nach evident ist, dass nicht Agennius aus dem Commentator, sondern der Commentator aus Agennius geschöpft hat^, bestätigt die Ver-

1) Das Anhängsel 74, 11 vam et 14 ostendunt = 43, 14—17 ist nicht zum Agennius zu ziehen schon der Zeichnungen wegen (auch Fig. 34 gehört offenbar zu 74, 11, nicht zu 74, 10), die im Agennius nicht vorkommen, kann aber auch nach dem Inhalt (trxfinium!) zu diesem nicht gehören. In den Handschriften P G, welche dieses Stück aufbewahrt haben, steht es zwischen den Elxcerpten ans Faustus und Valerius p. 307. 308 und denen aus Latinus p. 809, und hierher gehören offenbar auch jene vier Zeilen.

*) [Gemeint ist wohl vielmehr: p. 79, 7 nam ubi mons ftiit.] 2) Dass Lachmann 2, 110 dies unentschieden lässt, ist nichts als ein üeber- s(;hen der nicht von ihm abgeschlossenen Untersuchung. Danach kann es auch

470 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.

gleichung überall. Dass derjenige Theil des agennischen Werkes, welcher in unseren Exemplaren der älteren Redaction unter dem unzweifelhaft echten Namen des Agennius Urbicus mit In- und Subscription vorliegt (p. 77, 20—90, 21), auch von dem Redactor der zweiten Sammlung unter demselben Namen gelesen ward, wird dadurch ausser Zweifel gesetzt, dass er mit dem Epilog zugleich diesen Namen übernommen und ihn als Inscription p. 1, 5 seinem ganzen Commentar vorgesetzt hat. Der vorhergehende Abschnitt aber (p. 59 77, 18), der in unseren Handschriften der ersten Recension lückenhaft und verwirrt und ohne Yerfassernamen überliefert ist, war wohl schon zerrüttet, als die zweite Recension entstand, und ging unter dem Namen des Frontinus, da der Verfasser des Frontin- commentars p. 10, 19 eine Stelle daraus p. 68, 6 als Worte des Frontinus anführt und die zweite Recension ihrem vorher erwähnten einzelnen Agennius - Blatt die vermuthlich dem laufenden Blatttitel entnommene Ueberschrift gegeben hat ex lihro Frontini secimdo^. 279 Aus inneren Gründen aber kann dieser Abschnitt unmöglich frontinisch sein; sicher richtig hat Lachmann darin die erste Hälfte der Contro- versen des Agennius erkannt. Das Verhältniss der Controversen- schrift des Agennius zu derjenigen Frontins über denselben Gegen- stand kann hier unberührt bleiben; Lachmanns Ansicht, dass Frontinus diesen Gegenstand zweimal bearbeitet und Agennius dessen zweite ausführlichere Bearbeitung überarbeitet hat, scheint mir wenig wahr- scheinlich. Auf alle Fälle ist es rathsam, den überlieferten Text des Agennius p. 59 90 anstatt des von Lachmann daraus hergestellten nach ihm frontinischen p. 34, 15 58, 22 zu benutzen.

b. Weiter hat der Commentator den letzten Abschnitt des hygini- schen Lehrbuchs von p. 123, 17 nunc de generibus controversiarum perscribam bis zum Schluss p. 134 aus seinen Digesten entfernt und dagegen sehr umfängliche Auszüge daraus seinem Frontincommentar einverleibt.

nicht zweifelhaft sein, dass der Name des Agennius Urbicus vor der Controversen- schrift zu Recht und vor dem Frontincommentar zu Unrecht steht.

1) Diese Ueberschrift ex lihro Frontini seeundo ist von Lachmann ohne zu^ reichenden Grund 26, 3 eingesetzt worden ; hier ist überhaupt kein Abschnitt, da 25, 1 und 26, 5 deutlich zusammengehören. Meines Erachtens kann als fron- tinisch nur p. 1 34, 13 der Ausgabe betrachtet werden, welche auch die In- und die Subscription der besseren Recension dem Frontin beilegen. Die Ordnung war wohl dieselbe wie bei Hygin: de limitibiis (p. 27, 13—34, 13) de agrorum qualitate (p. 1 8) de controversiis (p. 9 26, 2). Der Abschnitt über solidum und cultellatum p. 26, 6— 27, 12 scheint nicht am richtigen Platz zu stehen.

Die Interpolationen des groma tischen Corpus. 471

Wenn zu diesen Excerpten noch eine einzelne Stelle aus Baibus p. 4, 33 5, 12 = 104, 3 7 gefügt wird, so ist damit erschöpft, was der Verfasser des Frontincommentars aus noch vorhandenen Bestandtheilen des älteren Corpus entlehnt hat^ Aber er hat auch Stücke gehabt, die uns fehlen, nicht eigentlich andere Quellen'^, aber wahrscheinlich die beiden oben angeführten jetzt stark verstümmelten vollständiger als wir sie besitzen^. Zweimal p. 3, 23. 28 führt^er 280

1) Die Stelle p. 11, 24 kehrt zwar wieder im Städteverzeichniss p. 220, 15, aber Lachmanu 2, 141 hat sehr schön gezeigt, dass der Commentator sie nicht diesem entnommen hat. sondern dem Hyginus.

2) Lachmanns Vermuthung 2, 108, dass der Verfasser des Frontincommentars einen älteren gleichartigen benutzt hat, kann ich nicht theilen. Was in den Stellen steht, auf die sich Lachmann beruft, dass die richterliche Entscheidung nicht den Mensoren zukommt, sondern dem Statthalter (16, 20), und dass diese nur die Grenzen zu weisen haben , aber Land zu adsigniren allein der Kaiser befugt ist (8,26), dürfte, auch abgesehen davon, dass dergleichen bei Hyginus oder Agennius gestanden haben kann, der Verfasser des Commentars wohl aus eigenen Mitteln haben beschaffen können.

3) Lachmann (2, 129) nimmt an. dass der Commentator nicht bloss für uns verlorene Blätter des Agennius benutzt, sondern auch in dem anscheinend äusserlich vollständigen Theil einen volleren, in unseren Handschriften durch Schreiberwillkür gekürzten Text gehabt hat. Aber die fraglichen Stellen scheinen mir nicht dem Agennius zu gehören. Es handelt sich um die folgenden:

15, 10 nam ubi mons 16 stringebantur (^ergänzt im Agennius 79, 7 13, ^im

Frontin 48, 9—16). Es ist dies lediglich Amplification der im Commentar vorhergehenden "Worte Frontins und kann füglich dem Commentator ge- hören.

16, 16 sxint et aliae proprietates , quae muMicy^us a principibus sunt concessae (da-

nach im Agennius 80, 9. 10, im Frontin 49, 12. 13). Dies ist Umschreibung des Commentators für den Satz des Agennius: aliaheneficia etiam quaedam mtmici'pia acceperunt. 21, 11 sunt silvae .... 14 peregrinis (danach im Agennius 86, 4—7, im Frontinus 55, 4—7). Da von der Holzlieferung in balnea eben vorher die Rede gewesen ist, so hat Agennius schwerlich die Lieferung in lavacra publica folgen lassen. Die Freigebung der pa^ua quibuscumqiie in urbetw venientibtis peregrinis ist seltsam und schwerlich dem Agennius beizulegen.

21, 18 sunt autem loca publica coloniarum .... 28 casalia non täuntur (danach

bei Agennius 86, 16 25, bei Frontinus 55, 16—22). Was hier über die praefecturae gesagt wird, hat der Commentator offenbar aus 16. 10 wieder- holt. Warum die Bemerkung über die Tiberinsel aus .Agennius genommen sein soll, ist nicht ersichtlich.

22, 25 si enim loca Sacra ... 23, 28 perspicimus (danach bei Agennius 88, 4—17,

bei Frontinus p. 57, 5—20) ist sicher in dieser Gestalt nicht von Agennius; die Worte des Commentators in Itaiia multi crescenie rdigione sacratissima Christiana lucos profanos sive templorum loca occupaterunt et strunt sind vielmehr Umschreibung derjenigen des Agennius: in Italia densitas pos- sessorum mullum improbe facit et lucos sacros occupat, ebenso wie bei den

472 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.

den Hyginus an, wo unser Hygintext anscheinend versagt^; eine 281 Reihe anderer Stellen aus dem Commentar hat Lachmann (2, 129 f. 139 f.) vermuthungsweise theils dem Agennius p, 67, 12. 70, 11. 71, 11. 72,24. 73,5, theils dem (älteren) Hyginus p. 108—111. 113—115 zugewiesen. Dabei bleibt selbstverständlich das Einzelne zweifelhaft; indess wird man im "Wesentlichen dem grossen Sprachmeister wenig- stens hinsichtlich des Agennius beipflichten können. Ob der Commen- tator den sogenannten älteren Hygin wirklich vollständiger gehabt hat, ist minder sicher; was Lachmann auf diesen zurückgeführt hat, kann entweder auf freie Benutzung uns erhaltener Stellen zurück- gehen (so auf 133, 9 die schon durch die Beziehung auf den augusti- schen Reichscensus bedenkliche Stelle 8, 18—22 = 111, 3—7) oder auf die vielleicht von Lachmann etwas unterschätzte eigene Kunde des Verfassers.

2. Das Städteverzeichniss findet sich in der jüngeren Recension in doppelter Gestalt, von denen die eine (in G fehlende) im Ganzen dem Über coloniarum I der Ausgabe entspricht, diejenige dagegen, welche Lachmann p. 252 262 als Über coloniarum II herausgegeben hat, der jüngeren Recension ausschliesslich eigen ist. Was in dem Über coloniarum I die jüngere Recension allein hat, ist durchaus minder- werthig. Unzweifelhaft gilt dies, wie ich schon früher (Feldm. 2, 1 57. 165 [Hist. Sehr. 2 S. 155. 162]) hervorgehoben habe, von einigen bei Picenum gemachten kleineren Zusätzen und von der neu hinzutretenden 2)rovincia Dalmatia; aber auch den Abschnitt über die überhaupt bedenkliche provincia Valeria p. 228, 3 229, 5 hätte ich strenger, als a. a. O.

folgenden: lucos frequenter in trifinia et quadrifinia invenimus, sieut in siiburbanis . . . perspicimus die Stelle des Agennius benutzt ist : haec maxime aut in loco urbis aut in suburbanis locis privatis detinentur. 23, 31 si aqua ... 24, 18 perita finiendum (danach bei Agennius 89, 8—9, bei

Frontinus 58, 4— 10) passt in den Agennius nicht gut. Wenn man erwägt, dass wir die handschriftlichen Quellen des Commentators keineswegs vollständig besitzen und noch weniger zu ermessen im Stande sind, was er aus seinem eigenen Vermögen hat hinzuthun können, so empfiehlt es sich gewiss nicht, einen in der bezeichneten Weise vermehrten Agennius - Text zu schaffen. Die Lachmannsche Ausgabe fordert sehr vorsichtigen Gebrauch. In einem neuen Abdrucke wäre es dringend zu wünschen in dem Text des Commentars die sicheren und die nur conjecturalen Entlehnungen durch ver- schiedene Schrift kenntlich zu machen und auf die sämmtlichen Reconcinnationeu zu verzichten. [Eine neue Ausgabe der Gromatiker verspricht Carl Thulin, dem Ad. Schulten sein Material zur Verfügung gestellt hat.]

1) Der sogenannte jüngere Hygin hat entsprechende Stelleu, aber sie stimmen im Wortlaut nicht und Benutzung dieser Schrift durch den Commentator lässt sich nicht erweisen.

Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 473

S. 167 geschehen ist, behandeln und mit den übrigen Stücken der zweiten Recension auf eine Linie stellen sollen. Bei einem neuen Abdruck der gromatischen Digesten Tnrd es nothwendig sein im liber ccloniarum I die in AB erhaltenen relativ reinen Bestandtheile von den aus EP hinzutretenden sorgfältig zu scheiden. Der gesammte liher coloniarum II aber charakterisirt sich deutlich als verschlech- ternde Ueberarbeitung des liber coloniarum I, wie dies bereits früher (a. a. O. S. 167 f. [Hist. Sehr. 2 S. 162 f.]) von mir entwickelt worden ist. 3. Ueberarbeitet in den jüngeren Digesten ist auch der kleine Abschnitt p. 242, 7 243, 17. eine Uebersicht der verschiedenen Grenz- steinformen von Gracchus bis auf Traian, welche in den älteren gromatischen Digesten unter den kleinen Schlussstücken steht, wäh- rend sie in den jüngeren unter Verkürzung und Verderbung des 2S2 Anfangs an die Erwähnung der termini Augiistei p. 22S, 1 ange- schlossen ist: In der Ausgabe steht sie nicht zweckmässig am Schluss des liber coloniarum I. "Weiter erscheint die jüngere inter- polatorisch verkürzte Form im wesentlichen identisch in einem der jüngeren Recension eigenthümlichen Abschnitt (p. 347. 348) unter der L'eberschrift Latinus et Mysrontius togati Augustorum auctores. Es mögen hier die drei Texte stehen, um die interpolatorische Hand- habung der zweiten Recension zu verdeutlichen,

A p. 242, 7 P p. 227, 16. 242, 11 PG^ p. 34S, l

ratio militiae (vielleicht Umitum) adsignationis prima (primae?) trium- inralis lapidesGraccani rotundi columniaci, in capite diatnetrum ped. I

et ped. IS, altus ped. et variis locis tenni- Nam in locis montanis IUI et Ulis. nos Augusteos ^, per terminos posuimus ro-

Item divi luli idem quorum cursus in Pi- tundos, quos Augusteos sunt. ceno fities terminantur. vocamus, pro hac ra-

Item Augustei idem Item divi luli Augu- tione quod Augustus sunt hac ratione quod stei pro hac ratione eos recensivit et ubi Augustus eorum men- sunt, quod Augustus fuerunt lapides alios suras recensiit et tibi eos recensivit et ubi constituit cet. fuerunt lapides alios fuerunt lapides alios cynstituit cet. constituit cet.

1) Vgl. P bei Dalmatien p. 240, 20 : summa montium, terminos Ättgusteos, tf' est rotundos in effigiem columnae.

474 Die Interpolationen des groniatischen Corpus.

So geht es weiter mit Auslassungen, aber in wesentlicher Identität des jüngeren Textes mit dem älteren.

4. Analog behandelt werden die casae litterarum. Das in der älteren Recension vorliegende Alphabet wiederholt in dieser bar-^ barischen Gestalt in der jüngeren sich nicht; aber vier durchaus analoge, zwei lateinische und zwei griechische, das zweite doppelt

283 (p. 310—325. 331. 338) treten dafür ein, das erste unter der Ueber- schrift ex libro XII Innocentius v. p. auctor de litteris notis iuris exponendis, das zweite ohne Ueberschrift, das dritte in dem einen Text ebenfalls ohne Ueberschrift, in dem andern überschrieben ex- positio litterarum finalium, das vierte betitelt de casis litterarum montimn in ped. V fac. pede uno. Die Sprache ist minder roh als in dem der älteren Sammlung einverleibten Exemplar, die Darlegung aber künstlicher und oft unglaublich verzwickt, so dass die bei jenem mögliche Annahme einer entsprechenden einfachen Zeichnung sich hier nicht mehr durchführen lässt. Im Wesentlichen gilt sonst von diesen Yerzeichnissen das von dem ältesten Gesagte. Augenschein- lich haben wir gleichartige Schulexercitien vor uns, herrührend von einem grammatisch etwas weiter gediehenen, aber sonst dem älteren gleichwerthigen Ludimagister, dem die Feder und der Griffel offenbar geläufiger waren als die Messstange.

5. Während in der älteren Sammlung der theodosische Codex erst in der Recension E vertreten ist und die posttheodosischen Novellen ganz fehlen, haben von diesen drei in die jüngere p. 273 275 Aufnahme gefunden, aber in einer selbst in diesem Kreise unerhört interpolirten Gestalt. Zwei derselben tit. 24 vom J. 443 und tit. 4 vom J. 438, die von den milites limitanei handeln, sind hier dahin umgestaltet, dass den Mensoren die erste grössere Emolumente, die zweite eine höhere Rangstufe beilegt; die dritte tit. 20 vom J. 440 ist nicht ganz so arg misshandelt, aber zwei rohe Einlagen zeugen auch hier von der Absicht den Mensoren gegen die bestehende Ordnung die rechtliche Entscheidung in Alluvionsstreitig- keiten beizulegen.

6. Dazu tritt endlich eine der älteren Recension gänzlich un- bekannte Masse von angeblichen Excerpten aus einer Menge von Schriftstellern, auctores, wie sie hier heissen. Es sind dies die etruskische Wahrsagerin Begoe (p. 348, 17. 350, 17), deren Brief an den Aruns Yelthymnus allerlei religiöse Merkwürdigkeiten enthält; Mago (p. 348, 16), doch wohl der alte karthagische Ackergelehrte; der Kaiser Arcadius (p. 343, 20. 351,12); Theodosius (p. 345, 22), auch wohl der Kaiser Theodosius II; dann die meistens als viri per-

Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 475

fedissimi, zum Theil auch als togati (Advocaten) titulirten Auetoren Dolabellä (p. 302); Faustus (p. 307,21. 353,1); Gaius (p. 307,1. 345, 23): Innocentius (p. 310, 2); Latinus (p. 305, 1. 309, 1. 347, 1); Mysrontius (p. 347, t); Yalerius (p. 307, 22. 353, l); Vitalis (p. 307, 14. 284 343, 20. 352,7), denen dann noch eine Reihe kleiner, ohne Xamen der Verfasser auftretender Abschnitte beigefügt sind. Die Gesammt- masse macht den Eindruck von Excerpten aus einem nach Art der justinianischen Digesten geordneten, vielleicht bloss gromatischen, vielleicht umfassenderen Sammelwerk, dessen zwölftes Buch zweimal angeführt wird, einmal p. 310, 1 vor dem Auszug aus Innocentius und allgemein von dem Kaiser Arcadius p. 351, 20; sicut in libro XII aiictores constituermit. Dass das, was uns vorliegt, in der That Excerpte sind, findet eine Bestätigung darin, dass die zwei Stellen aus Gaius und die drei aus Yitalis in verschiedener YoUständigkeit auf eine gemeinschaftliche Quelle zurückgehen. Aber damit wird die nicht abzuweisende Frage nach der Echtheit dieser CollectaneeQ nur etwa um eine Stufe zurückgeschoben. Anderweitige Anlehnung finden diese Citate nirgends ausser in einem anderen der Zusatz- stücke der zweiten Redaction, indem der liber coloniarum II p. 253, 24 mit den signa quae in lihris auctorum leguntur (vgl. 255, 16) auf Dolabellä p. 303, 4 verweist, und allenfalls in den casae Utterarum, welche mehrfach (p. 313, 12. 316, 24. 317, 14. 322, 25) auf die auctores verweisen. Kann einer Compilation des 6. Jahrhunderts n. Chr., deren Redactor die Ueberschrift Balbi ad Celsum umgewandelt hat in lulius Frmitinus Celso'^ und dessen Interpolationen der theodosi- schen Xovellen an Unverschämtheit ihres gleichen suchen, diese Schaar sonst unbekannter Gromatiker in gutem Glauben entnommen werden? Dass eines dieser Excerpte in der älteren Sammlung anonym vorkommt, während es die jüngere Recension in inter- polirter Form dem Latinus beilegt 2, und dass eine Yariation der in der älteren Sammlung ebenfalls anonym auftretenden Hausalphabete hier dem Innocentius und dem zwölften Buch der Sammlung zuge- schrieben wird, muss den Yerdacht wesentlich steigern.

Dieser durch die äusserlichen Momente erweckte Yerdacht gegen die der jüngeren Sammlung eigenthümhchen Abschnitte wird zur

1) Allerdings leitete ihn dabei die Subscription der älteren Sammlung p. 108, 8: expUcit liber Frontonis.

2) S. 282 [473]. Auch das dem Mago beigelegte Stück knüpft p. 348, 19 in bedenklicher Weise an den interpolirten Abschnitt der älteren Sammlung de sepiila-is p. 271, 11 an, sowie p. 349, 10 an die Interpolation der theodosischen Verordnung.

476 Diß Interpolationen des gromatischen Corpus.

Gewissheit, wenn dieselben auf ihren Inhalt geprüft und die darin auftretenden Ungehörigkeiten erwogen werden. Zwar in dem Frontin-

285 commentar begegnen uns dieselben nicht, sei es, dass dieser in noch umfassenderem Grade, als jetzt angenommen wird, einen blossen Cento aus älteren Schriften darstellt, sei es, was mehr Wahrschein- lichkeit hat, dass er von anderer Hand herrührt als die übrigen der jüngeren Redaction eigenthümlichen Stücke, die Umarbeitung des Über coloniarum, die Zusätze zu den theodosischen Verordnungen, die casae litterarum, die Auszüge aus den gromatischen Digesten. Durch alle diese geht, wie ich schon vor vielen Jahren in den Feldmessern (2, 163. 164 [Hist. Sehr. 2 S. 159 f.]) erinnert habe, die Tendenz die Grenzmarken, sowohl die natürlichen wie die von Menschenhand gesetzten Merk- zeichen zu specialisiren, und an dieses Bestreben knüpfen sich eine Anzahl gleichartiger Verkehrtheiten. Schon in der älteren Recension, sowohl in ihrem Städteverzeichniss wie vor allen Dingen in dem ihr einverleibten schlechten Schulexercitium, den casae litterarum, zeigen sich davon die Anfänge, so dass wir den Ursprung dieser Schwinde- leien in der Tradition des gromatischen Schulunterrichts zu suchen haben werden; die jüngere wird ganz von ihnen beherrscht. Es erscheint erforderlich, von diesen verwirrten Ansetzungen die wichtig- sten hervorzuheben. Dass auch sprachlich diese Stücke gleichartig sind, zum Beispiel in dem Gebrauch von latitia für latitudo und in der incorrecten Verwendung der Präposition de, will ich nur andeuten.

Das Limitationssystem der Römer kennt die Zählung der Mr- dines und decimani, gibt aber der sechsten Stelle keine besondere Bedeutung. Dagegen spielt der linies sextaneus'^, welcher in der älteren Sammlung nur in den casae und in dem Verzeichniss der nomina limitum p. 248, 15 auftritt, in der jüngeren eine hervor- ragende Rolle: er erscheint massenhaft in den casae, aber auch bei Mago 350, 14: Hmes sextaneus transit per limitem possessionis und bei Vitalis 345, 18 = 352, 11 vgl. 342, 25.

286 ^on dem llmes Galliens weiss die gute Litteratur ebenfalls nichts; in der älteren Sammlung begegnet er nur an einer zweifellos inter-

1) Rudorff 2, 344 versteht darunter den Tiardo maximus, weil dieser in horavi sextam trifft (p. 170, 8). Aber es kann auch der Schreiber daran gedacht haben, dass der limes quintarius, insofern die Hauptlinie mitgezählt wird, auch als sechster gezählt werden kann (p. 112, 9 fg. 174,17: hunc volunt esse quintum, qui est sextus). Die unlateinische Endung auf -eus ist auch charakteristisch für diese halb byzantinischen Schriftstücke, die ebenso stets von dem limes oder terminus Augusteus sprechen, niemals lateinisch von Augustus oder Augustanus (einmal Augustianus p. 237, 2).

Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 477

polirten Stelle des Städteverzeichnisses p. 227, 11: ager Falerionensis limitibus maritimis et GaUicis, quos dicimus decimanos et Jcardines; ferner wie der sextmieus in den casae p. 328, 20: finis quadratos hahentes limites maritimense GaUicu intercidunt und in dem Xamen- verzeichniss 24S, 10: limites GaUici hinter den limites maritimi. In den jüngeren Stücken findet er sich, abgesehen von der Wieder- holung der Xotiz über den ager Falerionensis p. 256, 6, an folgenden Stellen:

lih. col. II p. 252, 2: Ädrianus ager limitibus tnaritimis et GaUicis,

quos nos d. et k. appellamus. lib. col. II p. 256, 16: Kam^rinus .... ager eins limitibus mariiimis

et GaUicis corUinetur. casae p. 314. 30: fines in quadro habens: limes maritimus Gaüicum intercidet offenbar Rectifieation der aus der älteren Samm- lung angeführten Stelle. casae p. 334, 12: per GaUicum limitem IcUitia ped. oc L. Faustus und Yalerius p. 308,18: circa urbem Babylonis Bomae

maritimtim fiet et GaUicum. expositio limitum p. 359, 15 fg.: omiies limites maritimi aut GaUici una factura current, quoniam sanctior est, id est iustior videtur mariiimiis limes frequentius solei recte studiri .... est GaUicus in sua constiettidine .... contra urbis Babylonis Borna maritimi limites fient et GaUicus inpinget. Handgreiflich ist hier aus den beiden Stellen der älteren Sammlung, die allem Anschein nach selbst nichts taugen, dieser Doppelgänger des limes maritimus in eine Reihe von Angaben der zweiten Recen- sion hineingetragen worden.

Ein Hauptkriterium der späten Pseudogromarik ist, wie gesagt, die Specialisinmg der arcifinischen Grenzlinien durch zufällige die Grenzsteine oder Grenzpfähle ergänzende Grenzmerkmale. Was der Art bei den älteren Schriftstellern sich findet, ist ebenso sparsam vie sachgemäss: genannt werden in dieser Beziehung der Fluss, der Graben, die Strasse, der Höhenzug (summa montium iuga oder ähn- lichy und die Wasserscheide (divergia aquarum), die Tieflinie der Bodensenkung (supercilium : p. 128, 15. 143, 3^, die Hecke, der Stein- haufen (congeries lapidum, scorpio, attina), der freistehende oder gezeichnete Baum. In der späteren Schriftmasse dagegen ver- schwinden die guten alten technischen Ausdrücke, wie supercilium 287 und divergium aquarum, ganz oder fast ganz und treten in der neuen Terminologie Wortgruppen auf folgender Art:

478 ^^^ Interpolationen des gromatischen Corpus.

p. 227, 14 arcae, ripae, canahula, noverca . . . muri, maceriae,

scorofiones, congeriae, carbunculi, fast ebenso 211,10. 228,5.

252, 3. 256, 8.

p. 259, 25 arcae, ripae, sepuUurae, congeriae, carbunculi, rivi,

supercilia et limites decumani et hardincs. Dies ist nichts als ein wüstes Conglomerat halb oder nicht verstandener zum guten Theil synonymer oder gar in diese Yerbindung nicht gehöriger Ausdrücke; die den Grenzsteinen etwa unterlegten Kohlen passen zu den sichtbaren Grenzmarken übel und gar die decumani xm'di Icardines haben mit der arcifinischen Termination nichts zu thun. Es soll dies weiter an einzelnen Beispielen dargelegt werden.

Als arcifinische Grenzmale begegnen in der guten gromatischen Litteratur Berge und Hügel nicht ^, sondern nur der Höhenzug, die summa montium iuga; wo von montes in allgemeinen Angaben die Bede ist (p. 5, 8. 41, 10), ist dieselbe Hochlinie gemeint. In der That eignet die Anhöhe ohne nähere Determination sich für eine solche Verwendung nicht, weil sie weder als Punkt noch als Linie hinreichend bestimmt ist. Zu den Kriterien der schlechten Masse .gehört dagegen der monticellus; er begegnet häufig in den Auszügen aus den gromatischen Digesten (p. 305 367) und in keineswegs vertrauenerweckender Weise. Die mit gelehrtem Herabsehen auf ■die Ignoranten (qui nesciunt quid est in lectionihus) vorgetragene Auseinandersetzung (p. 306, 9), dass in Kriegszeiten (in tempore quando müites occidebantur in hello puhlico) die Gefallenen regel- mässig an den Trifinien und Quadrifinien^ beigesetzt worden seien und zwar ein jeder unter besonderem Hügel, ist hinreichende Warnung. Wenn nach einer mehrfach wiederholten Notiz (307, 17. 345, 15. 352, 8) der mitten auf der Grenze (limes) stehende Grenzstein (ter- 288 minus), falls er nach einer Seite hin ausgehöhlt ist, auf drei Hügel hinweist (so scheint tres monticellos transit gemeint zu sein) und auf dem dritten Hügel am Bad eine das Quadrifinium bezeichnende Steinkiste (arca) sich findet, so wird es nicht gelingen diesen und ähnlichen Angaben eine bestimmte Vorstellung abzugewinnen. Ver- ständlich ist es, dass nach einer anderen Notiz (p. 308, 1) bei der africanischen Termination, um Grenzsteine zu sparen, dafür Erdhügel

1) In dem Schema 19, 21 = 114, 16 lieisst es zwar: ex colle (Hdschr. coUegio) qui appellatur ille ad flumen illud, aber es gehört dies zu den nur im Froutin commentar enthaltenen vermuthungsweise von Lachmann dem Hygin zug wiesenen Stücken, bei welchen die Wortfassung keineswegs zuverlässig ist

2) Was die centuriae hier bedeuten, weiss ich nicht; vielleicht sind die afrikanischen Steuerhufen (Marquardt Staatsverw. 2, 230) gemeint.

I

Die Interpolationen des gromatischen Corpus.* 479

aufgeschüttet werden, sogenannte botonfini. Es ist nichts im "Wege darin eine africanische Localgewohnheit und Bezeichnung zu erkennen, da alle die hotontini behandelnden Stellen füglich von africanischen Mensoren herrühren können; für die allgemeine Gromatik ist eine derartige, nur durch die Umgebung, in der sie auftritt, verdächtige Angabe auch dann nicht verwendbar, wenn man sie gelten lässt.

Dass die Gräbmäler bei der arcifinischen Termination gelegentlich erwähnt (19, 28 = 114, 23. 19, 30 = 115, 1. 347, 5. 348, 14) und namentlich in den casae litterarum unter dem späten Namen memoria häufig genannt werden, hat keine weitere Bedeutung; eine gewisse Beachtung aber verdient die sepultura finalis (250, 22. 341 , 17. 361, 12. 405, 19; vergl. 243, 14. 271. 272), insofern die römische Sitte die Gräber längs der öffentlichen Wege, eventuell an der Grenze des Privatackers die Frage nahe legt, ob sie nicht bei Grenzstreitigkeiten unter Umständen Berücksichtigung gefunden haben. In der That sieht ein dem Dolabella beigelegtes Fragment^ dies vor: um zu finden, nach welcher Seite hin das Grab an die Grenz- linie stösst, soll fünf Fuss von demselben der Boden ausgehoben oder aufgepflügt werden und ist die Grenze an derjenigen Seite, an welcher Topfscherben oder ganze Töpfe zum Vorschein kommen. Irgend welche monumentale Bestätigung dieser Angabe ist mir nicht bekannt und bis eine solche sich finden sollte, verbietet die Unzu- verlässigkeit des Gewährsmannes ihr Glauben zu schenken.

Am auffallendsten unter den Grenzmalen ist die arca oder arcella. Die bessere gromatische Litteratur kennt die arca nicht; selbst in dem Colonieverzeichniss findet sie sich in der besten Hand- schrift (Ä) nur an einer einzigen zweifellos in später Zeit eingescho- benen Stelle^ und ebenso wenig erscheint das Wort in dieser Ver- wendung ausserhalb des gromatischen Corpus. Dagegen begegnet es 2S9 überall in den nur in den geringeren Handschriften (PG) bewahrten Abschnitten des Colonialverzeichnisses; ferner sehr häufig in den Auszügen aus Latinus und den gleichartigen Autoren; die arca darf als das rechte Kennzeichen der Zugehörigkeit zu dieser verdächtigen Masse angesehen werden. Auf die Frage, was sie sei, fehlt die Antwort nicht; sie ist von Marmor (p. 334, 25: arca constiiuta mar- morea. 363, 2S) und hohl (p. 308, 25: terminns in modum arcellae covatus Claudianus dicitur; ähnlich p. 227, 5). Die Maasse giebt

1) 303, 12 fg. Zu lesen ist wohl ixixta sepulturam sive bitsttnn (huxus die Hclschr.^ sive etiam eitleres (cineates die Hdschr./

2) 227, 14 vgl. 2, 163. Die Worte p. 227, 5 gut in modum arceUae facti sunt fei Jen im Arcerianus und sind Zusatz der jüngeren Recension.

480 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.

beispielsweise das Excerpt aus Faustus und Yalerius p. 353, 6 = 356, 21 : 30 Fuss lang, 15 Fuss breit, 7 Fuss hoch, also 3150 Fuss im. Kubikinhalt, womit die Zeichnung (Fig. 288) übereinstimmt. Aber die Zweckbestimmung bleibt fraglich. Da die arca sehr häufig in Verbindung auftritt mit der aqua (z. B. 305, 8: ipsa aqua viva in arca trifinii est; ähnlich 314, 17. 320, 2) oder mit dem alveus (312, 17: ipsa arca alveum signißcat; 317, 33: arca super ripa alvei constituta est; 319, 10: sub alveo arca constituta est pl[us'\ m[inus'\ ped. C de ripa alvei), auch mit dem /«mcr^m (307, 1 9. 311,27. 319,20. 352,9), könnte an einen Wasserbehälter gedacht werden; aber diese Yer- bindung ist keineswegs durchgehend und auch die quadratische Form, welche zum Wesen der arca gehört, kann unmöglich als normale der Cisterne hingestellt werden. Am nächsten liegt es immer bei der viereckigen hohlen Steinkiste an den Sarkophag zu denken, der ja häufig arca heisst; insbesondere wenn man sich an die Sitte der Spätzeit erinnert, die Todten beizusetzen in mächtigen unter freiem Himmel stehenden Steinsärgen, wie Cassiodor (var. 3, 19) die für die cadavera in supernis humata in Ravenna angefertigten arcae beschreibt und wie sie uns der Soldatenfriedhof in Concordia und ähnliche dalmatinische Sarkophagfelder ^ vor Augen führen. Dass der Grabstein, in diesem Spätlatein memoria, zuweilen mit der arca in Yerbindung gebracht wird (besonders 364, 28: quia arcas d. i. arcae aliquotiens circa sepulchrum sine dubio ponuntur et super ipsam arcam memoriae constitutae . . . . ut in ipsa memoria consecraretur arca finalis, vgl. 315, 27. 324, 2. 329, 7), lässt sich mit der Auffassung der arca als Sarkophag wohl vereinigen. Hirschfeld 290 erinnert daran, dass die Bezeichnung arcella ausser bei unseren Autoren allein auf einer dalmatinischen Inschrift (C. I. L. HI. 5 n. 9546) sich gefunden hat und dass die dalmatinischen Christen- gräber nicht selten in eine sonst nicht vorkommende Yerbindung mit der piscina gebracht werden; da die Compilation in Dalmatien gemacht zu sein scheint (S. 276 [467 f.]), so bieten sich hier allerdings nach mehreren Seiten Anknüpfungspunkte. Aber andrerseits passen zu der Auffassung der arca als Sarkophag die oben angegebenen Maasse keineswegs, und vor allem bleibt es unerklärt, inwiefern die arca als Sarkophag zugleich Grenzbezeichnung sein kann; daran aber ist doch kein Zweifel.*) Sie heisst arca finalis (241, 2. 363, 23. 364, 32)

1) Ich sah ein solches bei Spalato auf der Strasse nach Trau (C. I. L. III p. 305).

*) [Im Thes. 1. 1. s. v. arca (vol. II p. 433, 68) wird noch citiert: Lex Vis. Reco. 10, 3, 3 quotienscumqm de terminis fuerit mia contentio, signa quae antiquitus

Die Interpolationen des gromatischen Corpus. 481

und es wird die arca in quadrißnio unter den termhii aufgeführt (341,16), auch sonst das quadrißnium (310,15. 311,27. 312,8. 16. 352, 10) wie das trißnkim (325, 9: arca in monticeUo posita, cui [d. h. in quo] casales [= Dörfer] conveniunt; ideo arca trißnium signi- ficat et territoria dividet; 313,8. 315,18. 352,13. 360,22) durch die arca bezeichnete Richtig kann dies nicht sein; gegenüber dem Schweigen der älteren und zuverlässigen Zeugen und gegenüber dem Fehlen aller monumentalen Belege ^ erscheint die Bezeichnung der Trifinien und Quadrifinien durch Sarkophage ebenso widersinnig wie das Schreiben des Kaisers Tiberius an Octavian und dessen Collegen im Triumvirat. Mir gilt die arca ßnalis, wie die verrückte Schematisirung der Ebenen und der Gebirge nach dem lateinischen und dem griechischen Alphabet, als dreiste Erfindung nicht eines Feldmessers, sondern eines Schulmeisters, welchem die Sarkophage der Gräberfelder im Sinne lagen und dem es beliebte in die Plan- skizzen für seine Schulübungen dergleichen Kasten einzuzeichnen, unmöglich in der realen Feldmesserei, aber wohl geeignet in dem verfallenden Unterricht dieser traurigen Jahrhunderte mitzuwirken bei der Yerdummung der Jugend. Da die zufälligen Grenzmarken dem ager arcißnins eigen sind und die späteren Schulmeister die arca sprachlich mit diesem verknüpfen (367, 4 : arcam ab arcendo vocatam, fines enim agri custodit eosque adire prohihet: trißnium 291 dictum eo quod trium possessionum fines attinget, hinc et qtiadrifinium, quod quattuor), so mag die Lucubration des Stubengelehrten darauf verfallen sein die Knickpunkte der arcifinischen Termination häufig durch eine arca zu illustriren. Die viereckige Form passte zu dem quadrißnium; bei der arca am trißnium mag man sich vorgestellt haben entweder, dass die eine Seite unbenutzt blieb oder dass die arca selbst hier dreieckig geformt war (vgl. 306, 16).

Das trißnium und das quadrißnium kennt die gute gromatische Litteratur natürlich sowohl in Beziehung auf die nachbarlichen Sacra*

constituta sunt, obportet inqttiri, id est aggeres terre sive arcas, quas propter fines fundorum antiquittis apparuerit fuisse coniectas adque ccmstructas.]

1) Dies hat Rudorflf 2, 264 richtig erkannt, aber irrig die arca auf das (ntadrifinium, die arcella auf das irifinitim bezogen.

2) Den quadratischen Kern, der sich kürzlich in den sogenannten Begleit- hägeln am obergermanischen Limes herausgestellt hat, könnte man mit einigem guten Willen wohl arca nennen; aber an ihn kann schon darum nicht gedacht ■<?erden, weil er zugeschüttet ward und die Anlage dem Auge sich als Rund- hügel darstellt.

3) Siculus p. 141, 18. Agennius p. 88, 14. Vgl. 3, 4 = 110, 11.

MOMMSES, SCHR. VII. 31

482 Die Interpolationen des gromatischen Corpus.

wie auch bei Grenzstreitigkeiten i; aber sie werden nur beiläufig erwähnt, da die Limitationsordnung gar nichts mit ihnen zu schaffen hat und auch die Termination, so viel wir wissen, keine besonderen Zeichen und Regeln für die Fälle aufstellt, wo der Markstein mehr als zwei Besitzungen scheidet. In der jüngeren Sammlung hat sich nicht der Begriff verschoben 2, aber wohl die Handhabung. Die erste der Theodosius II. untergeschobenen Constitutionen spricht dem Mensor, si fundo^ cui finem restituens in trifinii rationem institerit et convenientiam trium ccnturiarum ibidem esse signaverif, ein Honorar von drei Goldstücken zu, und dem entsprechend finden sich die trifinia und quadrifinia, welche in der älteren Recension, abgesehen von den casae (327, 25. 328, 31. 329, 10. 330, 7), gar keine Rolle spielen, in der jüngeren vielfach und zwar in dem Über coloniarum II einmal p. 252, 16 = 308, 26, in den casae an unzähligen Stellen und nicht minder häufig in allen Excerpten aus den angeblichen gromatischen Digesten*. Die Yorstellung dabei ist überwiegend wohl die eines auf drei, resp. vier Seiten markirten Grenzsteines: Latinus p. 306, 16: terminus si in tres acies constitutus fuerit, tres

lineas auctoris ostendit; si in quattuor acies, quadrifinium facit. 292 Gaius p. 307, 7: terminus si una(m) acie(m) reproba(m) habuerit,

hoc est non aequalem aciem, . . . ponitur aliquando in trifmium,

in quadrifinium autem ... non ponitur nisi solidus lapis. Ygl.

344, 13. Aber es kommt auch Bezeichnung durch drei, resp. vier Steine vor: Faustus und Yalerius 308, 25 (ähnlich 227,5): terminus in modum

arcellae cavatus Claudianus dicitur . . . et si tres fuerint, tri-

finium faciunt. Gaius a. a. O.: et quattuor lapides in quadrifinium constituimus. Bei mancherlei recht wunderlichen Einzelheiten, zum Beispiel der festen Normirung der Intervalle theils zwischen Trifinien, theils zwischen Quadrifinien p. 343, 23. 345, 24, verweile ich um so weniger, als diesen Ansetzungen wohl grösstentheils gar keine greifbaren Vor- stellungen zu Grunde liegen und sie vielfach den Eindruck sinnlosen Wortgeklingels machen.

1) Frontinus p. 10, 3 mit dem Commentar p. 10, 9 = 39, 18 = 70, 18.

2) Pseudo-Theodosius p. 273, 4. Dolabella p. 302, 20. Anonymus p. 367, 5.

3) So, nicht fundi der Palatinus.

4) Die Stellen hier und weiterhin sind im Index der Ausgabe verzeichnet.

LIII.

Zu Dictys.*)

Bekanntlich wird darüber gestritten, ob die der Vorrede zufolge 3S3 von einem gewissen L. Septimius aus dem griechischen Original des Dictys von Kreta übei-setzte sogenannte Geschichte des trojanischen Krieges nicht vielmehr ursprünglich lateinisch abgefasst sei. Es liegt mir fern, diese Controverse zu erörtern: ich möchte nur auf ein Moment aufmerksam machen, das dafür in Betracht kommen dürfte, vielleicht aber bisher noch nicht in Betracht gezogen worden ist.

unter den von Jordanis oder vielmehr von seiner Vorlage, von Cassiodorius, für die Getica benutzten Quellen befindet sich auch die Schrift des Dictys, dem augenscheinlich die Geschichte des 'Kaisers von Moesien* Telephus im neunten Capitel entlehnt ist.**) Dabei begegnen aber zwei Abweichungen in der abgeleiteten Darstellung von der des Originals, die Fehler des letzteren berichtigen oder Lücken ergänzen. Telephos Gemahlin Astyoche heisst bei Dictys 2, 5 des Priamos Tochter, dagegen bei Jordanis des Priamos Schwester; die letztere Angabe kehrt wieder bei Quintus von Smyrna 6, 135, Servius zu Vergils ecl. 6, 72 und sonst; und nur so konnte die Fabel erzählen, da sie ja den Sohn des Telephos und der Ast\oche Eury- pylos zum Bräutigam der Tochter des Priamos Kassandra macht. Wenn dann weiter der Kampf des Telephos gegen die griechischen Helden Aias und Odysseus berichtet wird, so lässt Jordanis jenen im Rebengelände mit dem Pferd stürzen und also von Achilles am Schenkel die Wunde empfangen: dum Aiacem infestus invadit Ulixem- que persequitur, vitibus equo cadente ipse corruit Achillisque iactdo

*) [Hermes 10. 1876, S. 383 384; Mommsens Annahme eines griechischen Originals ist jetzt durch einen Papjmisfand bestätigt worden: The Tebtnnis Papyri, II, London 1907 S. 9 flf.]

**) [Vgl. Mommsens Anmerkungen in seiner Ausgabe des Jordanis (1882) S. 70 f.]

31*

484 Zu Dictys.

femur sauciafus diu mederi nequivit, genau wie Eustathios das Märchen erzählt: (zur II. 1, 59): 6 di] TrjkEcpog . . . nsnov&E juev igav/ua öeivöv vnb 'ÄyiXXewg äjUTteXov eXixi ovjujiodiod'evrog avxcb rov i'jijiov. 384 Dictys 2, 3 stimmt fast wörtlich: Telephus . . . infestus aciem invadii atque . . . cum obstinate Ulixem inter vineas quae ei loco adiundae erant insequerefur, praepedifus trunco vitis mit. id uhi Achilles procul animadvertit, telum iaculatus femur sinistrum regi transfigit; aber von dem Stürzen des Rosses weiss er nichts, und es scheint dieser Zug der älteren Erzählung fremd zu sein. Von Cassiodorius erfunden aber ist er nicht, da er in griechischen Fassungen wiederkehrt.

Sollte es hiedurch, besonders durch die erste Stelle, nicht wahr- scheinlich werden, dass Cassiodor eine reinere Quelle benutzt hat als die uns vorliegende Schrift, das heisst deren griechisches Original? Die Uebereinstimmung im Wortlaut ist zwar ziemlich eng (z. B. Dictys 2, 4 : Hercule genitus procerus corpore ac pollens viribus divinis patriis virtutibus proprium gloriam aequiparaverat; Jordanis: Telephus

Herculis fdius procerus quidem corpore, sed plus vigore terri-

bilis, qui paternam fortitiidinem propriis virtutibus aequans), aber doch nicht von der Art, dass die Aehnlichkeit nicht auch durch die Gleichheit des griechischen Originals sich erklären Hesse. Dass Cassiodorius, wie den Dio und den Dexippos, so auch den griechi- schen Dictys benutzt haben kann, wird keinen Widerspruch finden.*)

*) [Zustimmend E. Rohde, Rhein. Mus. 38, 1883, S. 303 = kl. Sehr. 1 S. 349 A. 2; mit Unrecht ablehnend H. Haupt, Philol. 43, 1884, S. 546.]

LIV. Carmen codicis Parisini 8084.*)

Carminis quod legitur in codice Parisino Lat. S0S4 postquam 350 versus quosdam protulerunt a. 1620 Salmasius^ et a. 1757 Tassin et Toustain Maurini'^, totum nuper edidit primus Leopoldus Delisle^, denuo recognovit ad ipsum codicem Carolus Morel*, repetivit inde Alexander Riese in anthologia Latina^ egeruntque de eo praeter Morelium, qui diligentissimo et utilissimo commentario editionem omavit, Italus Johannes Baptista Rossius® et Anglus R. Ellis'. quo carmine non minus pio et Christiano quam inepto et barbaro cum nihilominus rerum Romanarum aetatis labentis neque vulgarium nee minimarum notitiam contineri intellexissem, leetionem autem a duobus viris supra laudatis diligenter quidem exeeptam esse, sed tamen non ita satisfacere, ut detritarum et multis locis perforatarum membra- narum iterata inspectio supervacanea fore videretur, familiari meo

*) [Hermes 4, 1870, S. 350 364. Das Gedicht ist, seitdem Mommsen die Aufmerksamkeit darauf gelenkt hatte, oft besprochen worden. Die Literatur hat M. Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV 1, 1904, S. 200 f. zusammengestellt.]

1) Scilicet in adnotatione ad vitam Caracallae c. 9 et ad Elagabali c. 7 edidit v. 57—62 (inde Burmann anth. 1, 57; Meyer anth. n. 605) et v. 106—109 (inde Burmann 1, 58; Meyer n. 606). [Die von Salmasius genommene Abschrift fend Baehrens in dem cod. Paris. 17904 wieder: vgl. Rhein. Mus. 32, 1877, S. 212.]

2) Nouveau traue de diplomatique vol. III p. 156 tab. 43 n. 1. ibi leguntur aere expressi v. 1 4.

3) Bibliotheqiie de Veeöle des diartes. Serie 6. Tom. 3 (1867) p. 297 seq. principium idem edidit in actis menstruis academiae Berolinensis a. 1867 p. 526.

4) Bevne arcMologique 1868 m. lun. et lul. = recherches sur un poeme latin du IV^ siede. Parisiis 1868. 8. pp. 23. adde eiusdem observationes Sevue aitique d'histoire et de litterature a. 1869 p. 300 seq.

5) Fase. 1 p. 13 seq. [20 seq. ed. 2] cf. praef. p. XI.

6) BtiUettino di archeologia cristiana 1868 p. 49—58. 61 75. Rossias codicem quoque inspexit et quaedam inde emendavit.

7) Journal of philology vol. 2 p. 66—80.

486 Carmen codicis Parisini 8084.

Paulo Kruegero, nuper antequam Parisios proficisceretur officiose adeunti me quaerentique , si quid vellem ibi mihi curari, respondi gratam rem eum mihi facturum esse, si breve Carmen denuo recog- nosceret. quod ille cum suscepisset, paullo post praestitit quaeque accepta recognitione eius dubia mihi subnata essent, codice resumpto orania solvit. hac autem recognitione quid effectum sit, quot locis 351 errores emendati sint et hiatus expleti, intellegent qui hanc carminis recensionem cum antea editis component. nos satis habuimus veram et plenam lectionem repraesentasse suppressis mendis, quarum com- memoratio non solum utilitatem nullam habitura fuisset, postquam quae posuerunt priores omnia in re praesenti examine instituto aut comprobata sunt aut reiecta, sed etiam nisi re certe specie in exagi- tationem abiisset optimorum peritissimorumque virorum, qui si qua erraverunt, indignabuntur fortasse imperiti et tirones, at facile excu- sabunt, qui quam arduum sit in tali re non errare longo usu didi- cerunt.

Nactus itaque plenam et certam codicis notitiam Carmen vel sie difficillimum (nam et multis locis librarius peccavit et poeta ipse sensus imperfecte et implicate expressit saepissimeque ad res alludit quotidianis suae aetatis sermonibus magis quam rerum notitia cele- bratas hodieque plane obscuratas) cum intellegerem a me satis per- poliri et emendari non posse, Kruegeri schedas tradidi Mauricio Hauptio, qui cum eiusdem generis multa insperato sanaverit, insana- bilibus quoque, ut fieri solet, et paene desperatis opem ferro posse creditur, is Carmen ita ut infra scriptum est constituit. deprecatur tamen, ne putetur aut opinionibus suis probabilitatem attribuere eandem omnibus aut tutam existimare emendationem carminis non librariorum tantum, sed ipsius etiam auctoris culpa obscuri quodque poetam referat ineptum sententiis, sermone rüdem, versuum facien- dorum syllabarumque metiendarum imperitum. sed ut dubia rema- neant non pauca et, ut fit, ea praesertim, quae propter rerum notitiam maxime volles elucidata, tamen etiam hoc nomine aliquantura pro- fectum esse hac quam edimus recensione intellegent eruditi. qui ut libenter legent carmen nisi bonum, certe memorabile et quod nunc demum ita prodeat, ut non continuo offendas, ita fortasse quaerent, qui fiat, ut a me potissimum id accipiant, cuius nullum in ea re meritum est nisi fortasse suasoris. nam rerum explicationem in summa re praecepit Morelius auxitque Rossius, qui quae posuerunt, paucis exceptis mihi quoque probantur; minora autem persequi sin- gillatim nee placet nee mei officii est, qui ab Isiacis similibusque tarn abhorream quam liceat epigraphicae rei studioso, habebunt

Carmen codicis Parisini 8084. 487

igitur qui haec percurrent lectionem Kruegeri, recognitionem Hauptii, interpretationem Morelii, quarum omnium mihi non restat nisi prae- conium. sed quoniam amici ita voluerunt, raalui morem iis gerere et officio isto minirae splendido fungi, quam bona litterarum sub- sidia aut perire sinere aut certe latere.

Sequitur codicis descriptio Pauli Kruegeri. 352

„Conrinet codex olim Puteanus, nunc Parisiensis Lat. S084 car- mina Aurelii Prudentii Clementis scripta litteris quadratis simillimis eis, quibus Plautus Ambrosianus et Vergilius Laurentianus exarati sunt, initio carminum in margine metrum adnotatur litteris semi- uncialibus inclinatis ita nitidis. ut hominis non cuiusvis, sed eins qui scribendi arti se dederit esse videantur. eadem ut videtur manus in fine Cathemerinon folio 45 recto, quod scriptura paene vacat, in media pagina haec scripsit edita primum a Maurinis^:

t UETTIUS AGORIÜS BASILIUS

Tres primae litterae quamquam incertae sunt, tamen satis intelle- gitur et probe intellexit Delislius nominari hie Mavortium consulem a. p. Chr. 527 notum cum aliunde tum ex subscriptione librorum Horatianorum 2 :

UETTIUS AGORIUS BASILIUS MAUORTIUS U. C. ET IXL. EX COM. DOM. EX COXS. ORD. LEGI ET UT POTÜl EMENDAUI COXFEREXTE MIHI MAGISTRO FELICE ORATORE URBIS ROMAE

utrum autem Mavortius ipse ita simpliciter nomen suum ac ne id quidem integrum carminibus Prudentianis subscripserit, quod visum est Delislio, an librarius subscriptionem imperfecte repetiverit^, certo diiudicari non potest. codicem autem saeculo sexto recentiorem

1) L. c. tab. 46 n. 2 cf. p. 208.

2) Cf. Jahn in actis soc. Saxonicae 1851 , 363 et Rossi inscr. ehr. I p. 460. [Lommatzsch, Z. f. vergl. Litt. -Gesch. 15, S. 177.]

3) Mihi opinio haec sola probatur. nam in ipso libro Parisino nullo tem- pore subscriptio ea de qua agitur plenior fuit quam adhuc cemitur, nee potuit Mavortius ita libro subscribere, ut nomina secundaria poneret primario omisso. quare qui autographum eins ibi agnoscunt, iis eo coulugiendum est, ut Mavor- tius inter scribendum interpellatus nomen non perscripserit ; quae defensio quam sit infirma, apparet. immo librarius aliquis nactus exemplum Prudentii a Mavor- tio recognitum cum ipsius subscriptione vetustate maiore ex parte abolita quod inde dispicere posset in librum hodie Parisinum rettulit. unde hunc intellegimus recognitum esse post annum p. Chr. 527. quod autem posuit Delislius probavit- que Rossius codicem Parisinum scriptum esse auctore vivo, id est saeculo quarto, non perspicio quomodo inde eflfecerint sit sane saeculi quarti, quoniam in hac parte palaeographiae probationibus deficientibus quisquis pro lubitu asseveratione uti solet; sed quid ad eam rem, quod adnotatus est aut saeculo lustiniano aut post id saeculum? TH. M,

488 Carmen codicis Parisini 8084.

esse veri simile non est: mirorque praeter Nicolaum Heinsium nemi- nem editorum hunc librum omnium Prudentianorum qui supersunt veterrimum atque Optimum excussisse ^. 354 „Constat ex viginti compagibus, quae quamquam numerantur

tripertito, ut f. 1 44 quaternionibus comprehendantur T VI, f. 45 123 quaternionibus I X, f. 124 155 quaternionibus I IUI, tamen cum carmina tam a f. 44' ad f. 45 quam a f. 123' ad f. 124 continuen- tur, non tres sunt Codices in idem volumen compacti, sed placuit librario quaterniones non continuo ordine numerare.

„Continet codex hymnos cathemerinon, apotheosin, hamartigeniam, psychomachiam , hymnos quinque peristephanon deficitque in v. 142 hymni quinti.

„Sequuntur tria folia eiusdem membranae eiusdemque formae, scripturae tamen prorsus diversae, quae utrum ab initio an postea Prudentio adiecta sint dici nequit. Carmen quod sine ulla inscriptione in iis exstat, scriptum est litteris semiuncialibus elegantissimis, quae non multum differunt ab iis quas videmus in fragmento Veronensi de iure fisci et Neapolitaiio digestorum ^. paginae quinque primae vicenos singulos versus habent"*, sexta cum non tota scripta sit, tantummodo septendecim. compendia scripturae non occurrunt nisi duo: u. 71 BACGHiQ- et v. 78 xpigolas. in fine versuum bis ligaturis usus est librarius (v. 106 m ae, v. 118 in us); ubi necesse fuit litteris minutis versum explevit.

„Primum folium integrum, secundi recta, tertii versa pagina facillime leguntur: in secundi autem versa et tertii recta (f. 157'*. 158*) litterae partim exesae partim evanidae eo difficilius distin- guuntur, quod alterius paginae scriptura perlucet. quam difficultatem ita evitavi, ut inclinato ad oculos libro non tam atramenti reliquias investigarem quam sequerer ductus litterarum, qui etiam ubi atra- mentum decidit, coloris diversitate membrana ibi ofFuscata a reliqua superficie distinguuntur. ita factum est, ut exceptis paucis litteris quae membrana perforata perierunt, iam nuUa supersit, de qua non constet".

Hactenus Kruegerus. ipsum Carmen Hauptius sie constituit, ut quid in codice dispici possit accurate ubique aut in ipsis versibus scriptum aut infra adnotatum sit.*)

1) Quod V. d. Dressel (praef. p. XXIV) monet omnes quos viderit Codices Vetüstos et variis lectionibus et glossis instructos esse, in Puteanum non quadrat. Cf. eundem p. XXXVIII.

2) Specimen scripturae dederunt Maurini (v. p. 350 not. 2 [485, 2]).

3) Prudentii über in singulis paginis habet versus vicenos.

*) [Beiträge zur Kritik seit der vorliegenden Ausgabe verzeichnet Schanz

Carmen codicis Parisini 8084. 489

Dicite qui Colitis lucos antnimque Sibyllae 156* 354

Idaeumque nemus, Capitolia celsa Tonantis,

Palladium Priamique Lares Yestaeque sacellum

incestosque deos, nuptam cum fratre sororem.

inmitem puerum. Yeneris monumenta nefandae,

purpurea quos sola facit praetexta sacratos,

quis numquam uerum Phoebi cortina locuta est,

Etruscus ludit semper quos uanus aruspex,

luppiter hie uester, Ledae superatus amore,

fingeret ut cycnum uoluit canescere pluma?

perditus ad Danaen flueret subito aureus imber?

per freta Parthenopes taurus mugiret adulter?

haec sie monstra placent nulla sacrata pudica?

pellitur arma louis fugiens regnator Olympi.

et quisquam supplex ueneratur templa tyranni,

cum patrem uideat nato cogente fugatum?

postremum, regitur fato si luppiter ipse,

quid prodest miseris perituras fundere uoces?

plangitur in templis iuuenis formonsus Adonis,

nuda Venus deflet, gaudet Mauortius heros,

luppiter in medium nescit finire querellas

iurgantesque deos stimulat Bellona flagello. 156'^

conuenit bis ducibus proceres sperare salutem

sacratis? uestras liceat conponere lites?

dicite, praefectus uester quid profuit urbi,

quem louis ad solium raptum tractatus abisset,

a. a. 0. (Dazu kommen noch üseners Bemerkungen im Anecdotön Holderi, Bonn 1877, S. 36.) 8ie sind hier nur berücksichtigt worden, insoweit sie thatsächliche Versehen berichtigt haben. Die Nachweise von Imitationen älterer Dichter sind sehr vervollständigt worden u. a. von M. Ihm, Rhein. Mus. 52, 1897, S. 209f. Eünen ausführlichen Kommentar gibt Seefelder im Programm des Realgymn. in Gmünd 1901.]

C codex Parisimcs 8084. qiiae nullo auctore menwrato coirecta sunt debentur 'flleraque Delislio. | 1. sybillae C. \ 2. ideumque C. Aen. III 112 Idaeumque nemos. | f>. nefandae Haupt: nefanda C. Aen. VI 26 Veneris monumenta nefandae. ] " nimm C. | curtina C. Aen. VI 347 Phoebi cortina. ] 10. cycynum C. | 11. danain O. 1 12. parthenopis C. \ mugire* C. \ 13. sie Haupt: si C. | nullo sacrata pudere ■Riese. I 16. sogente C. | 19. Bue. X 18 formosus Adonis. | 22. Aen. VIII 703 Bellona flagello. | 24. Buc. III 108 conponere lites. [Das 2'« Fragezeichen hinzu- (,efügt von J. MaeMy, Z. f. d. ösfr. Gymn. 18T1 S. 585.] \ 25, urbii C. | 26. quom l3uis ad solium raptum trabeatus adisset Haupt, et trabeatus tarn Morel, quom Ijuis ad solium raptim tractatus abisset EUis. qui louis ad solium raptus trac- titua abisset de Rossi. Aen. XII 849 louis ad solium.

490 Carmen codicis Parisini 8084.

cum poenas scelerum tracta uix morte rependat? mensibus iste tribus totum qui concitus orbem 355 lustrauit metas tandem peruenit ad aeui.

30 quae fuit haec rabies animi, quae insania mentis? sed louis uestram posset turbare quietem. quis tibi iustitium incussit, pulcerrima Roma, ad saga confugerent, populus quae non habet olim? sed fuit in terris nullus sacratior illo,

35 quem Numa Pompilius, e multis primus aruspex, edocuit uano ritu pecudumque cruore polluit (insanum) bustis putentibus aras. non ipse est uinum patriae qui prodidit olim antiquasque domus, turres ac teeta priorum

40 subuei'tens, urbi uellet cum inferre ruinam, ornaret lauro postes, conuiuia daret, pollutos panes, infectos ture uaporö poneret, in risum quaerens quos dederet morti, 157^ collaribus subito membra circumdare suetus,

45 fraude noua semper miseros profanare paratus? sacratus uester urbi quid praestitit? oro. qui hierium docuit sub terra quaerere solem; cum sibi forte pirum fossor de rure dolasset, diceret esse deum comitem Bacchique magistrum;

50 Sarapidis cultor, Etruscis semper amicus, fundere qui incautis studuit concepta uenena, mille nocendi uias, totidem conquireret artes, perdere quos uoluit percussit luridus anguis, contra deum uerum frustra bellare paratus,

55 qui tacitus semper bigeret tempora pacis,

27. poena C. \ 28. totum certo C. \ orbem Mommsen: urbem C. \ 29. lustrauis aetas C. Aen. X 472 metasque dati peruenit ad aeui. | 30. qua insania G. | 31. ioui C: nominatiuum requiri uidit Morel. | 36. paecudumque C. \ 37. polluere Morel. \ busti C. \ 38. uenum patriam Haupt: tradita uenum castra Lucanus IV 206. | 39. antiquaque C. \ turres a tecta C. | 41. adiret Ellis. sed dedisse conuiuia ille multo hie rectius dieitur quam adiisse, neque mutanda sunt in hoc carmine quae nulla alia re quam nunworum uitio displicent. \ 42. infectous C. I 43 quos Haupt, dederet Belisle: quodedere C. \ 44. collaribus Haupt: galla- ribus C. I suetus Haupt: subitus C. | 47. quid G. [ | hibernum Usener; s. u. S. 494*)] ] 48. pyrum C. | 49. diceret Ellis : diceretque C. \ bhaccique deleto h post b C. I ministrum Haupt, Priapum intellegens. \ 51. concerta G, contrita Haupt, ut trita uenena saepius dicuntur. [concepta erweist Him a. a. 0. 211 als richtige Eniendation von Delisle] \ 52. conquereret C. \ 53. percuss'' C.

CÄrmen codicis Parisiui 8084. 491

nee proprium interius posset uulgare dolorem?

quis tibi taurobolus uestem mutare suasit, 35g

inflatus diues subito mendicus ut esses.

obsitus et pannis, modiea stipe factus epaeta,

sub terram missus, pollutus sanguine tauri,

sordidus, infectus, uestes seniare cruentas,

uiuere cum speras uiginti mundus in annis?

abieras, censor meliorum eaedere uitam,

hinc tua confisus possent quod facta latere, 157^

cum canibus Megales semper circumdatus esses,

quem lasciua cohors (monstrum) comitaret ouantem.

sexaginta senex annis durauit efebus,

Saturni cultor, Bellonae seraper amicus,

qui cunctis Faunosque deos persuaserat esse

Egeriae nymphae comites Satyrosque Panasque,

nympharum Bacchique comes Triuiaeque sacerdos;

quem lustrare choros ac molles sumere thyrsos,

cymbala, quae inbuerat quatere Berecyntia mater,

quis Galatea potens iussit loue prosata summo,

iudicio Paridis pulcrum sortita decorem?

sacrato liceat nulli seruare pudorem,

frangere cum uocem soleant Megalensibus actis.

christicolas multos uoluit sie perdere demens,

qui uellent sine lege mori, donaret honores

oblitosque sui caperet quos daemonis arte,

muneribus cupiens quorundam frangere mentes

aut alios facere parua mercede profanes

56. nee de Eossi: ne C. | 57—62 protiilit Salmasius in Ijampridii Hdiog. '' V. I 59. modicastepefactusepeta C: correxit Morel. | 60. terra C. | 62. annis, 1011 annos, C, i fere certo, s non plane perspicuo. j 63. [ambieras Usener} \ eaedere Eüis: cedere C. \ 64. facta certo C. | 65. Megales semper Morel: magalis semper 0. I 66. lasciua cohors Haupt: laciua (u incerto) eorum C. [S. Ihm a. a, O.] ] :oniitarecouantem C: correxit Morel. \ 67. efoebus C. \ 68. saturni, solo s non plane oenpicuo, C. \ bellonae certo C. \ 69. quictis faunosique certo C. | 70. egaeriae lynipae C. \ saturosque poeuasque C. \ 71. bacehiq. comae triuaeque C. Petro- 1««.', quem Morel indicauit, c. 133 nympharum Bacchique comes. Aen. VI 35 Iriiiiaeque sacerdos. \ 72. quem, non cum, C, quantum dispicitur. \ lustrare thorus 10 moles sumere thyercos C: correxit Riese. Aen. VII 390 molles tibi sumere thyrsos, Te lastrare choro. | 73. cymbala non prorsus certis m et h C. \ quae Baupt: quem C. [,nothicendig 'cymbala quem inbuerat' etc." C/sener] | berec'ntia ^. Aen.Yl 784 Berecyntia mater. | 75. paridis non prorsus certo p C. \ 78. xpicolas - I 30. oblitusque sui C. oblitosque dei Riese \ demonis C. \ 82. aut non prorsus \erto t C.

492 Carmen codicis Parisini 8084.

357 mittereque inferias miseros sub Tartara secum: ; soluere qui uoluit pia foedera leges,

85 Leucadium fecit fundos curaret Afrorum, perdere Marcianum, sibi proconsul ut esset, quid tibi diua Paphi custos, quid pronuba luno Saturnusque senex potuit praestare sacrato? quid tibi Neptuni promisit fuscina, demens?

90 reddere quas potuit sortes Tritonia uirgo?

die mihi, Sarapidis templum cur nocte petebas? quid tibi Mercurius fallax promisit eunti? quid prodest coluisse Lares lanumque bifrontem? quid tibi Terra parens, mater formonsa deorum,

95 quid tibi sacrato placuit latrator Anubis,

quid miseranda Ceres, subter Proserpina mater, quid tibi Vulcanus claudus, pede debilis uno? quis te plangentem non risit, caluus ad aras sistriferam Phariam supplex cum forte rogares

100 cumque Osirim miserum lugens latrator Anubis quaereret inuentum rursum quem perdere posset, post lacrimas ramum fractum portaret oliuae? uidimus argento facto iuga ferre leones, lignea cum traherent iuncti stridentia plaustra,

105 dextra laeuaque istum argentea frena tenere,

egregios proceres currum seruare Cybebae, 15S''

quem traheret conducta manus Megalensibus actis,

358 arboris excisae truncum portare per urbem, Attin castratum subito praedicere Solem.

83. niTTeRGü* Ire RIAS C, neque littera qicae ante f non satis dispid potuit N fuisse uidehatur Kruegero. tarnen puto scriptum fuisse fOlTTeRGQ. INFGRIAS. I 84. qui Haupt: quis, minus perspicuis qui litteris, C. \ uersus refid potest conplemento eiusmodi, sanctas, pia foedera, leges. | 86. macianum C. | ut esse, tribus postremis litteris non satis perspicuis, perforata post ultimum memhrana. C. I 87. diua Paphi Haupt: uaphafus C. [Paphu Baehrens] \ luno Biese: foramim ahsumptum in C. \ 91. pebas C. \ 95. Aen. VIII 698 latrator Anubis. | 96. niise- rande caeris subtes C. [miserande (so mit G Usener), Ceres mater, Proserpiun subter Maehly a. a. 0. S. 589.] | 97. Aen. V 271 debilis uno. Minucius Felix, qiwn Ellis indicauit, c. 22 5 Vulcanus, claudus deus et debilis. | 99. fariam G. \ 100. cumq o.ssyrim C. \ lugens Mommsen: lugis G. \ 101. perdere posset (posset minoribm litteris) G. | Minucius Felix, quem de Bossi et Ellis indicarunt, c. 22 1 mox inuentc paruulo gaudet Isis, exultant sacerdotes, cynocephalus inuentor gloriatur, ne( desinunt annis Omnibus vel perdere quod inueniunt vel inuenire quod perdunt. j 105. leuaque situm G. \ 106—109. i)rotulit Salmasius. \ 106. aegregios G. \ cirilla'j C. Cybellae Salmasius. | 107. quem incerto e C. \ trahere G. | 108. arboribus C.

Carmen codicis Parisini 8084. 493

11(1 artibus heu magicis procerum dum quaeris honores, sie, miserande, iaces paruo donatus sepulcro. sola tarnen gaudet meretrix te consule Flora, ludorum turpis genetrix Yenerisque magistra, conposuit templum nuper cui Symmachus heres.

115 omnia quae in templis positus tot monstra colebas ipsa mola manibus eoniunx altaria supplex dum cumulat donis uotaque in limine templi soluere dis deabusque parat superisque minatur carminibus magicis cupiens Acheronta mouere,

ijo praecipitem inferias miserum sub Tartara misit. desine post hydropem talem deflere maritum, de loue qui Latio uoluit sperare salutem.

Invehitur poeta in sacratos ^ vires id est proceres antiquae reli- gionis adversus Christianam sectam Ultimos vindices quales fuerunt Vettius Agorius Praetextatus (f cos. des. a. 385) et Aurelius Sym- machus (cos. a. 391) et Yirius Nicomachus Flavianus (cos. a. 394) principes suae aetatis senatus Romani et tarn in litteris quam in re publica clari. nam haec ipsa tempora, quibus ita luctabantur vetus- tarum caerimoniarum cultores cum ritu extemo, ut iam desperarent, cum Universum Carmen clare indicat tum inde confirmatur diserte, quod V. 114 Symmachus heres aedem Florae dicitur restituisse. in- tellegitur enim omnino aut is, quem modo nominavimus, Q. Aurelius Avianius Symmachus orator consul a. 391 aut fihus eius Q. Fabius Memmius Symmachus praef. urbi a. 419. utrum eorum poeta respiciat, ex ipso carmine non elucet;*) nee de aedis Florae, eius opinor quae fuit in circo 2, restitutione facta aetate labente quicquam prae- terea traditur. Ut ex Symmachi nomine de aetate carminis certa

110. heu Biese: seu C. \ quaeres C. | 111. iacis C. \ 114. symmacus C. \ 116. molat C. Vergilius, quem EUis indicauü, Aen. IV 517 ipsa mola manibusque piis altaria iuxta. | eoniunx C. \ 117. comulat C. | limina C. | 118. düs C. | minatus, coAiunctis us litteris, C. | 119. aceronta C. Aen. VII 312 flectere si nequeo superos, Acheronta, mouebo. i 121. ydropem C.

1) Eodem vocabulo notabile est tam Praetextatum quam coniugem eius insigniri in titulo Donat. 72, 2 [C. I. L. VI, 1779 = Dessau 1259], ubi ille dicitur sacratus Libero et Eleusinüs, haec sacrata Cereri et Eleusinüs, sacrata apud Eginam Eecatae.

*) [Nach Seeck, Symmachus praef. p. CXIX war es der Vater.]

2) Becker top. I, 472. neque enim hac excepta certa memoria ullius ad nos peivenit aedis ei numini in urbe dedicatae. [Vgl. Wissowa, Relig. u. Kultus d. Rom. S. 164.1

494 Carmen codicis Parisini 8084.

359 coniectura capi non potest, ita multo minus certi quicquam coUigitur ex eo, quod item norainantur ibi v. 85 Leucadius et v. 86 Marcianus, quorum hie videtur proconsul fuisse Africae, ille primum rationalis in Africa ^, deinde in supra dictl proconsulis locum substitutus. Leu- cadius, praeses nescio cuius provinciae dioecesis ut videtur Galliarum, quod a partibus Gratiani (f 383) stetisset, eo interfecto apud Maxi- mum (383 388) accusatus^ potest idem esse, cum praesertim voca- bulum infrequens sit. Mareiani cum plures nominentur, invenitur eadem aetate eius nominis vicarius (Italiae fortasse) a. 384 ^, is ipse fortasse, ad quem epistulas complures Symmachus dedit* quemque amico commendat ^ utpote Optimum virum, sed invidia tyrannici temporis involutum, scilicet aut sub Maximo aut sub Eugenio. Denique v. 47 coniecit Rossius induci Hierium aliquem sub terra Solem quaerentem, id est Mithrae sacrificantem. quae coniectura de loco interpretationis paene desperatae si proba est nee praefe- renda, quam equidem praeferendam esse iudico, Hauptii interpretatio in hierium latere leQsa, illius nominis viri praesto sunt orator urbis Romae saec. lY exeunte, cui Augustinus adulescens libros quosdam inscripsit ^, item vicarius Africae a. 395 '^ et fortasse ab eo non diversus consul Ordinarius a 427.*) hi sunt qui in carmine nomi- nantur nominarive videntur.

Sed ut ex disquisitione hac de nominatis a poeta personis non auferas nisi opinationem ambiguam et parum firmam, ita alia profe- runtur de adversariorum principe quodam, qui cum non nominetur, quae de eo enuntiantur vel certe videntur enuntiari (nam multa ambigua sunt nee plane certum est eundem ubivis significari), haec sunt :

1) Verbis Leticadium fecit fundos curaret Afrorum innuitur sine dubio rationalis rei privatae fundorum domus divinae per Africam (Not. dign. occ. p. 53 [p. 155 Seeck]). ceterum quae de utroque magistratu significare voluit poeta, propter infantiam eius parum assequimur. Rossius comma ita cum praece- dentibus conectit ut Flavianus arguatur asseclarum apostasiam remunerasse magistratibus in eos collatis; quod si verum est, in Leucadium tantum convenit, non item in Marcianum.

2) Sulpicius Severus dial. 2 (3), 11, 8 Halm. Monuit de eo Morel.

3) C. Tb. 9, 38, 7.

4) 1. 8 ep. 9. 23. 53 [54]. 58. 73. [Vgl. Seeck p. CXCIL]

5) 1. 3 ep. 33.

6) Augustinus conf. 4, 14. Cf. Suidas s. v. Ua/ujigEJitog.

7) C. Tb. 16, 2, 29.

*) [üseners Emendation hibernum ist von Cumont, Textes et nionuments ... de Mitbra II, 1896, S. 52 als ricbtig anerkannt worden.]

Carmen codicis Parisini 8084. 495

1. Praefectus dicitur v. 25 fuenmtque sub eo tarn Roma quam 360 Africa (v. 85. 86), cuius adeo proconsulem rautandum curavit. Fuit igitur praefectus praetorio Italiae Illyrici Africae.

2. Consul dicitur v. 112, quo item pertinet traheati epithetum V. 26 a Morelio felici coniectura recuperatum.

3. Motus eo tempore fuit in Italia tam gravis, ut tumultu Romae indicto plebs urbana ad arma vocaretur^,

4. Cum per tres menses is de quo agitur in itinere bellove fuisset, periit morte violenta ( v. 26 seq.) habuitque parvum sepulcnim (V. 111).

5. Heres quod dicitur Symmachus v. 114 quamquam potest ad aliam quamlibet hereditatem referri, tarnen probabilius est heredem eum dici ipsius illius viri, in quem toto carmine invehitur poeta, ut cum bonis etiam impii cultus hereditatem crevisse insimuletur 2.

Haec omnia conveniunt in Flavianum eum, quem supra nomi- navimus.*) Primum quae ex caede Yalentiniani II (j 1 5. Mai. 392) originem cepit seditio Eugeniana adversus Theodosium ita gentilium motus fuit adversus sectam Christianam, ut paganorum dux et prin- ceps esset non Eugenius imperator, ipse Christianae fidei addictus, sed Flavianus^. Quo tetenderint qui turbas eas concitarant. inter

1) Tumultus indicendi vetusta consuetudo accurate enuntiatur v. 32. 33: qiiis tibi iustitium incussit, pulcerrima Roma, ad saga confugerent, poptdus quae non habet ölim? Cf. Cicero Philipp. 5, 12, 32: rem . . . confestim gerendam censeo: tumultum deeerni, iustitium edici, saga sumi dico oportere. item adhibe quae Victor Caes. 40, 25 de Constantino Magno scribit: praetoriae legiones ac subsidia factionibits aptiora quam urbi Romae sublata penütis, simul arma aique usus indumenti militaris.

2) Conferendus titulus est nuper Romae repertus, quem qui edidit Henzenus (Bullett. 1868 p. 90 [C. I. L. VI, 754 = Dessau 4269 = C. L. E. 265 Bücheier]), demonstravit scriptum esse inter a. fere 382 et 391, ubi Tamesius Augentius Olympius avi exemplum secutus sumptibns suis antrum Mithrae restituisse se praedieat sie finiens: damna piis mdiora hicro: quis ditior illo est, qui cum caeJi- colis parcus bona dividit heres?

*) [Vgl. über ihn Seeck, Symmachus, praef. S. CXII ff.]

3) Rufinus Aquileiensis hist. eccl. 2, 33: pagani .... innovare sacrificia et JRomatn funestis victimis cntentare, inspicere exta peciidum et ex fibrarum prae- scientia securam Eiigenio victoriam nuntiare, superstitiosius haec agente et cum omni animositate Flaviano tuiic praefecto, cuius adsertionibus (magna enim erat eius in sapientia praerogativa) Eugenium victorem fore pro certo praesumpserant. Sozo- menus hist. eccl. 7, 22 : weto dk (Eugenius) tov eniyeiQrmaTog u.a<paX<ög xQarijaeiv, vnayöfisvog Xöyotg ävdoco.-icov sidsvat ro fisJU.ov vmoyvovi.isvcov a<fayioig rtai xai ^naTooHo:iiaig xal xaiaß.fjifei äaxiocov eo:TOv8a^ov öe .Tfßt zavza äXXoi ze Tiokkoi xätv 'hf TsXet 'Peof.iaicov xal 0/.aßiav6g 6 tote vnaQxog, avtjo ilXöyifiog xai tteqI xa jioXixixä v:xeq>Q(ov Eivai doxä>v, :ioooexi de xal iA.i).i.ovxa dxQißovv loyiCöfievog kriaxijfit}

496 Gannen codicis Parisini 8084.

alia declarant lovis simulacra a Theodosii adversariis nescio quibus ritibus consecrata et in Älpibus constituta, quorum post victoriam

361 fulmina aurea cursoribus, et se ab eis fulminari velle dicentibus, Theodosius hilariter benigneque donavit^; item quod Yictoriae ara in curia restituta est reditusque templorum caerimoniis redditi inter- cedentibus apud Eugenium Arbogaste et Flaviano^. Romae appropinquante Theodosio secundum antiquam consuetudinem tumultum edictum esse etsi nemo praeterea memoriae tradidit, tarnen recte convenit huic extremae vetustarum caerimoniarum adversus novicias pugnae. Flavianum denique constat cum ex auctoribus tum ex titulis sub Eugenio et praefecturam praetorii Italiae sustinuisse ^ et a. 394 consulatum ordinarium suseepisse, deinde vere eiusdem anni profectum adversus Theodosium ad Italiam tendentem in bello eo periisse*. De genere temporeque mortis quamquam parum accu-

362 rate auctores rettulerunt, tamen quae accepimus cum carmine facile

Jiavxo8ouifjg fiavzeiag. tavz]] yag indXiara tov Evyeviov sneioe sig jzökefior naga- oxEvdaao&ai, /noigidiov elvai avxcö xrjv ßaoiXeiav la^vgi^öfisvog xal vixrjv im rfj fidxf} ovfißi^OEa&ai xal ixstaßokrjv rrj? ÄgiOTiavcüv §Qrjaxeiag.

1) Augustinus de civ. dei 5, 26, 1.

2) Paulinus in vita S. Ambrosii c. 26 (opp. Ambrosii app. p. VII ed. Maur.): Eugenius .... petentibus Flaviano tune pi-aefecto et Arbogaste comite aram Victo- riae et sumptus caerimoniarum, quod Valentinianus .... petentibus denegaverat, oblitus fidei sxme concessit. Ambrosius in epistula ad Eugenium (n. 57 opp. 2 p. 1012 ed. Maur.): donata illa praecellentibus in re publica, sed gentilis observantiae viris: et fortasse dicatur, imperator Auguste, quia ipse non templis reddideris, sed bene meritis de te donaveris. et post alia: petierunt legati ut templis redderes: non fecisti. iterum alteri postulaverunt : renisus es. et postea ipsis, qui petiere, donandum putasti.

3) Orelli 1188. 5593 [C. I. L. VI, 1782. 1783 = Dessau 2947. 2948]; in hac diserte dicitur praef. praet. Ital. Illyr. et Afric. iterum. Africa quamquam eo tempore sub Gildone fuit, qui totum se Eugenio non commisit, tamen nihil obstat, quominus Flavianus quaedam ibi egerit. verba sibi proconsul ut esset possunt ferri, quamquam proconsul Africae proprie non fuit sub praefecto prae- torio; nee necessarium est scribere ibi.

4) Paulinus 1. c. c. 31 : pi-omiserant Arbogastes tunc comes et Flavianus prae- fectus Mediolano egredientes, cum victores reversi fuissent, stabulum se esse facturus in basilica ecclesiae Mediolanensis atque clericos sub armis probaturos. Rufinus bist. eccl. 2, 83 : uin . . . Theodosius Alpium fauces coepit urgere, primi Uli .... dae- mones in fugam versi, post etiam magistri (immo ministri) horum et doctores errorum: praecipue Flavianus plus pudoris quam sceleris reus cum potuisset evadere, eruditua admodum vir mereri se mortem pro errore iustius quam pro crimine iudicavit. Theodosii imperatoris nepotes in epistula ad senatum Romanum (Orell. 5593 [CLL. VI, 1783 = Dessau 2948]) sie scribunt de avi sui frustrata dementia: eum (Flavianum) vivere nobis servarique vobis, quae verba eins aput vos fuisse pleriq. meministis, optavit.

Carmen codicis Parisini 8084. 497

conciliantur et eius ope explentur. Flavianus cum secimdum ßu- finum Alpibus luliis videatur praesedisse ibique primus ex ducibus Eugenii Theodosio occurrisse, eo rettulit Rossius^ quod legitur v. 26 praefectum abiisse ad 'lovis solium', nempe ad simulacra illa lovis in summa Alpe lulia adversus Theodosium constituta. nam ibi aedem lovis fuisse veri non absimile est, maxime ubi compararis aedes lovis Poenini et lovis Apennini^ similiter in summo monte QoUocatas. ita sine nimia exaggeratione Flavianus dici potest totum orbem lustrasse, scilicet dum Alpium itinera communit ibique hosti- bus se obicit; tertio autem post bellum coeptum mense eum oecu- buisse eum ex carmine intellegatur, auetores non adversantur, eum praesertim secundum Rufinum^ mortem oppetivisse videatur, ante- quam Alpes superaret Theodosius et apud fluvium Frigidum (394 Sept. 6) cum Eugenio debellaret*. Tracta mors, scilicet ea quae secuta est post longos cruciatus, quo referatur, ignotum est, cum de genere mortis hoc imum constet voluntariam eam quodam modo fuisse. Denique inter heredes Flaviani esse potuit Symmachus oratoris filius utpote maritus neptis Flaviani, cui etiam post mortem domi statuam posnit. nam quamquam Flaviano heres ab intestato ne uxor quidem Symmachi fuit patre suo etiamtum vivo, tarnen Flavianus potest progenerum testamento honorasse, ut fortasse eum Florae aedem reficere iuberet, Theodosius autem hereditatem propter crimen maiestatis commissam nihilominus testamento scriptis here- 363 dibus reddidisse.

Ad haec qui addet ea aetate, quam carmen indicat, satis in Universum nobis nota nee motum alium nee hominem ullum reperiri, de quibus cogitari liceat, id quod diligenter persecutus est Morelius,

1) Lectionis constitntio tarnen felicios quam Rossio cesait Morelio. - nam sölium rapttim omnino recte hie rettulit ad lovis adversus patrem Satumiun rebellionem iam antea v. 14 ei exprobratam, et quod summum est, non potest V. 26 significari victi Flaviani ad victorem adductio, cum hie indicetur scelus, propter quod punitur, poena enuntietur versu sequente. irabeatus denique optime dicitur dux idem consul.

2) cf. C. I. L. I [ed. 1] p. 267.

3) Nam post ea quae supra p. 361 n. 4 [p. 496 n. 4] rettulimus sie pergit : ctteri vero instruunt aciem et coUocatis in superiore iugo insidiis ipsi pitgnam in descensu montis exspedant et quae sequuntur. proelium hoc, quo debellatum est, factum est ad flumen Frigidum, hodie Wippach, XXX VI lapide ab Aquüeia in latere ad Italiam vergente Alpium luliarum.

4) Quod si Hauptius recte ex abisset fecit adisset, verba intellegenda sunt de noto consulis processu die initi magistratus ad aedem lovis optimi maximi (Liv. 21, 63, 8; cf. Becker in encliir. 2, 2, 124 [Staatsrecht P S. 616]). [Vgl. C. SchenkL Wiener Stud. 1, 1879, S. 73, der für Haupts Deutung eintritt.]

MOMMSES, SCHB. TU. 32

498 Carmen codicis Parisini 8084.

non dubitabit Carmen referre ad Flavianum partis gentilium ante- signanum, idque scriptum iudicare aut eo ipso anno 394 aut certe proximo. nam vivida rerum memoria in summa carminis exilitate et languore etiam magis elucet.

Hoc posito quae ex solo hoc carmine innotuerunt, ad eundem Flavianum referre licebit. ita obiisse eum natum annos sexaginta coUigitur ex v. 67; hydropicum eum fuisse vel certe ab inimicis eiusmodi corporis habitum ei exprobratum esse ex v. 121. quae de uxoris eins pro eo invocationibus magicis traduntur v, 115 seq. osten- dunt mulierem, de qua nihil praeterea comperimus, marito super- fuisse. paullo maioris momenti est quod v. 38 Flavianus obiurgatur propterea, quod olim, id est ante Eugeniana tempora, vinum patriae prodiderit; quod si recte traditum accepimus, trahendum erit ad canonem vinarium ex Italia urbi Romae subministratum ^ a Flaviano, fortasse cum primum praefectus esset praetorio in Italia a. 383, aliqua ratione imminutum^. sed fortasse magis se commendabit legentibus Hauptiana emendatio, qua admissa Flavianus non vinum patriae prodidit, sed venum patriam, id est subvertit eam et pessum dedit malis artibus. quae sequuntur, innuunt demolitiones nescio quas quove tempore factas plebi invisas. Reliqua, quae ad res sacras magis spectant quam ad publicas, aut explicuerunt alii aut explicabunt, maxime insignes locos de feriis ea aetate in urbe Roma celeberrimis, ut de taurobolio v. 57 62, de Isiis (Oct. 28 Nov. 1) v. 99—102, de dendrophoriis (Mart. 22 27) v. 103—109; de quibus quaedam in carmine leguntur alibi nusquam reperienda. nam ego mihi certe, puto etiam aliis nimium iam videor immoratus esse diris hisce infantiae piae.

1) Gothofredus ad C. Th. 14, 6, 3, cf. quae adnotavi ad edictum Diocletianijj de pret. rer. p. 76 [Edictum Diocletiani ... ed. Mommsen-Blumner, Berl. 1893, S. 76].J

2) Querelae Sjmmachi (ep. 7, 96), quod Longinianus Flavianum iuniorei propter vinarii tituli debita multarit, ad rem de qua agitur non pertinent.

LV.

Zur lateinischen x\nthologie.*)

Die bekannte Einsiedler-Handschrift,**) aus der Mabillon (anal. 296 1723 p. 359 sq.) und Hänel (Jahns Jahrb. für Phil, fünfter Suppl- Band S. 115) die älteste auf uns gekommene Inschriftensammlung und die zu dieser gehörige Stadtbeschreibung von Rom heraus- gegeben haben, ist zwar zunächst dem Epigraphiker von "Wichtigkeit; doch findet sich auch einiges darin, das für die lateinische Anthologie brauchbar scheint und worüber ich hier für die, die es angeht, Bericht erstatten will. Von den fünf Schriftstücken, die der Buchbinder in diesem Band vereinigt hat, ergeben die ersten drei (ein Siglenverzeichniss ; das lateinische evangelium Nicodemi; ein Pönitentialbuch) für diesen Zweck nichts. In dem fünften, das von einer Hand wohl des zehnten, spätestens des elften Jahrhunderts die nicht zu Ende geschriebene Legende von der Auffindung des Kreuzes enthält, ist auf der letzten Seite in wunderlicher, die In- schriftenbuchstaben nachahmender halber Majuskelschrift mit grossen- theils dreieckigen Worttrennungspuncten und Horizontalstrichen über den meisten Wörtern die Grabschrift verzeichnet, die man bei Gruter €60, 1 und in Bumianns Anthologie IT, 323 findet. Ich gebe den Text, wie er mir vorliegt.***)

d. m. xanthippes a sive a

laleae a . cassius . lucilianus . alumnae a

dulcissimae . seu . mortis . a . miseret . a

seu . A te A vitae a perlege nomen a 297

*) [Rhein. Mus. N. F. 9, 1854, S. 296 301, mit Nachtrag S. 480.] **) [Über sie hat sich Mommsen späterhin noch geäußert iu den Gramm. lat. ed. H. Keil IV, S. 315. Vgl. Henzen im C. I. L. VI p. IX.]

***) [Der Text ist hier wegen der von Mommsen daran geknüpften Be- merkung unverändert wiedergegeben worden; über das Original der Inschrift auf Stein s. die folg. Anm.]

2*

500 ^^'* lateinischen Anthologie.

xantippe . a . lalalea (so) . eadem . a ludic

ro quod a exspimens (so) a dolorem fu

git A anima . corpore . hie a conqui

eseit . A cunis a . terrae . molibus (so) quam a

trino A annorum a filo a proterren

tia . novem . a post a . menses . a fata a

conficiunt a malo lues a . ignita . a

torret a ultra a . quot a dies venus

ta A amoena a intellegens a et garru

la . qua si qua a pietas a insistat a caelesti

bus A //// viventi a ingenio a soll a

et A luci A reddite altoris a memo

rem a quem a parentes a dixerant cum

primum . a natus est lucilianum cassi

um. A

Es scheint dies in der That eine altrömische Grabschrift zu sein, welche irgend ein Mönch im Mittelalter vom Stein copirt hat;*) er hat sogar die Puncto getreulich nachgeahmt,**) die ganz römisch am Ende jeder Zeile (mit wenigen Ausnahmen) fehlen. Sonach giebt sie ein kleines Seitenstück zu der Inschriftensaipmlung aus Rom und Pavia, die in demselben Bande mit ihr vereinigt ist, und zeigt immer mehr, welcher Sinn sich im neunten und zehnten Jahr- hundert in der Sanct Galler Schule regte. Das vierte Stück unsers Miscellanbandes , das wohl eher im zehnten als im neunten Jahrhundert geschrieben ist, enthält nach der Inschriftensammlung, der dazu gehörigen Beschreibung von Rom und einer offenbar gleich- falls von demselben Urheber stammenden Beschreibung des der- zeitigen Ceremoniells der kirchlichen Feierlichkeiten in Rom^, das

*) [Hierzu Mommsens Nachtrag a. a. 0.: „Die a. a. 0. abgedruckte und besprochene Inschrift der Xanthippe sive Lalea [laia der Stein] existirt, wie ich zu spät gesehen, noch in Parma und ist von Affo mem. de' scritt. di Parma I p. IV und de Lama iscr. ant. ne' muri della scala Farn. p. 119 (daraus Jahn spec. epigr. p. 106) nach dem Original herausgegeben. Es war also richtig, was dar- über gemuthmasst ward, dass sie ganz wie die Inschriften der grossem Sammlung von irgend einem reisenden St. Galler oder Reichenauer Mönch aus Italien heii gebracht ward". Nach dem Original ist die Inschrift inzwischen heraus-^ gegeben worden im C. I. L. XI, 1118 und von Bücheier C. L. E. nr. 98.]

**) [Das hat de Rossis Kollation des Einsidlensis bestätigt, vgl. Bormär zum C. I. L. a. a. 0. Sogar die apices sind von dem Kopisten wiedergegebei worden.]

1) Dies ist das Stück, welches Hänel, S. 116, ich weiss nicht warum, al die Anbetung des Kreuzes durch die Apostel bezeichnet.

Zur latemischen Anthologie. 501

heisst nach den Reisenotizen , die irgend ein alemannischer Mönch von seiner Römerfahrt heimgebracht hatte, eine Anzahl lateinischer Gedichte, die ich hier verzeichne. 1. f. 88 v. ohne Ueberschrift folgendes Räthselgedicht, das bei Burmann 5, 121 corrupt und defect steht [vgl. Anth. lat. 727 Riese^]:

Quadam nocte niger dux nomine, candidus alter 298

Forte subintrarunt unica tecta simul. Candidus exhibuit secum ter quinque nitentes

Totque niger nigros more colore pares. 5 Candide. de nostris primus quis, dixerat alter,

Providet excubias? nam tua dicta sequar, Haec placido contra respondit candidus ore:

ludicio quemquam nolo gravare meo, Ife nova lis socios per me conspiret in arma; 10 Sed tibi consilium non removebo meum.

Ordine disponam socios discumbere cunctos,

Quos sors nona legat noctis in excubias. Candida sed sedeat nigris commixta catervis,"

Ut me volle viros fallere nemo putet. 15 Quattuor eximii candori.s. quinque nigelli,

CandiduH bini, unicus atque niger, _ , ., . , -. Splendentes trini, fuscato pelle nigellus, . _,-

Candidus hinc unus carboneique duo, Fulgentes bini, fuscato tegmine trini, 20 Candidus hinc unus carboneique duo.

Candiduli bini splendentes pelle decora,

Quos sequitur cunctos unicus atque niger. Hoc super ingenio cunctos sors nona nigellos

Sic cecidit; turba Candida sorte caret. 25 Dux niger excubias solus cum milite fusco

Pervigiringratus duxit adusque diem. Ast placidum tota carpebat nocte soporem

Candidus ingenio praeditus atque sxii.

2. f. S9 r. Monastica de erumnis XII Herculis. Gedruckt bei Burmann anth. I, 43. [641 Riese 2 J

3. f. 89v. Conflictus versis (so) et hiemis. 0 :/..A ei; Gedruckt bei Burmann anth. V, 70. [Poet. lat. aevi Carol. t ^70] " '

4. f. 90r. ohne Ueberschrift [485^ Riese2] -

Klustius invidia nihil est quae protinus ipsum Corrodit auctorem excruciatque animam.

502 Zur lateinischen Anthologie.

299 5. f. 90r. mit dem vorigen verbunden [720'' Riese^]. Titire tu fido recubans sub tegmine Christi Divinos apices sacro modularis in ore; Falsas non fabulas studio meditaris inani. Ulis nam capitur felicis gloria vitae, Istis succedent poene sine fine perennes. Unde cave, frater, vanis te subdere curis, Inferni rapiant miserum ne tartara tetri; Quin potius sacras animo spirare memento Scripturas, dapibus faciant quae pectora castis. Te domini salvum conservet gratia semper.

6. f. 90 r.

Anima pro diversis actibus diversa nomina sortitur. Dum ergo vivificat corpus, anima est; dum vult, aniraus est; dum seit, mens est; dum recolit, memoria est; dum rectum iudicat, ratio est; dum spirat, Spiritus est; dum aliquid sentit, sensus est.

7. f. 90v. Ad Septitianum.

Decipies alios verbis vultuque benigne; Nam mihi iam notus dissimulator eris.

Der Schluss des Epigramms von Martial 5, 89.

8. f. 90 V. ohne Ueberschrift folgt das Dittochäum von Prudentius p. 665 sq. Arev. [S. 470 Drossel] Die 24 Vierzeilen des alten Testaments sind mit römischen, die 24 des neuen Testaments mit arabischen Ziffern numerirt.

9. f. 97 V. Epitaphium Geroldi.

Mole sub hac magni servantur membra Geroldi,

Huius vita (schreibe iura)*) loci cunctis qui viribus auxit.

Pannoniis vera ecclesiae pro pace peremptus

Oppetiit sevo Septembribus ense kalendis,

Sideribusque animam dedit; artus Saxo fidelis

Abstulit, huc retulit dignoque hie clausit honore

Die hiesigen Forscher, die ich desswegen zu Rathe zog, er-

300 kannten in diesem Gerold den Schwager Karls des Grossen, Bruder

der Kaiserin Hildegard, der am 1 . Sept. 799 in einem Treffen gegen

die Avaren fiel und in. der Abtei Reichenau bestattet wurde, die er

reichlich beschenkt hatte (Stalin würt. Gesch. I, 246). Im Reichenauer

*) [Diese Konjektur fand Mommsen nachträglich in der gleich erwähnten Hs. von St. Gallen bestätigt, s, u. S. 504 ]

Zur lateinischen Anthologie. 503

Nekrolog (Mitth. der ant. Ges. in Zürich Bd. YI) steht er unterm I.Sept. verzeichnet: 'Geroldus comes caritatem constiiuif. Abgedruckt ist diese Grabschrift aus einer Handschrift von St. Gallen bei Canisius lect. ant. 11, 2 p, 73 ed. Basnage und danach bei Bouquet rec. 5, 400.*)

10. f. 97v. Epitaphium Bernaldi.**)

Qüaravis magna piis meritorum praemia restent,

Parva tarnen functis sunt loca corporibus. Mole sub hac terrae Bernaldi praesulis almi

Membris (sehr. Membra) iacent tumulis insinuata suis. Saxo quidem genere et gremio nutritus in Auuae

Aulica mutato gesta labore adiit. Hinc honor exhibitus; hinc digna potentia crevit,

Nobileque ornavit vita modesta genus Plena viro fuerat germine (wohl geminae) prudentia partis

IIK: (Die folgenden Blätter weggeschnitten.)

Dieselben Freunde haben auch diesen frommen Herrn mir nach- gewiesen. Es ist die Grabschrift des Bischofs Bernald, der seine Bildung in Reichenau empfing, Ende 821 oder Anfang 822 Bischof in Strassburg wurde und in dem Kampfe zwischen Kaiser Ludwig dem Frommen und dessen Söhnen treu zu dem Yater hielt, dessen Missus in Rätien er 825 war und für den er 832 als Gesandter nach Rom ging. Er starb am 17. April 840; der Reichenauer Nekrolog verzeichnet ihn unter diesem Jahrestag als ^PernnoUus episcopus' ***) Ermoldus Nigellus (um 826) schildert ausführlich seine geistliche "Wirksamkeit unter dem rohen Yolke des Elsass, welches

nescit amare deum, Barbara lingua sibi, scripturae nescia sacrae, Ni foret antestis ingeniosus ei und rühmt die Bildung, die er in den Carolingischen Schulen em- 301 pfangen :

Quem Carolus sapiens quondam regnator in orbe Doctrinae studiis imbuit atque fide.

*) [Neuerdings in den Poetae lat. aevi Carolin! rec. E. Dümmler I 1,'Berl. 1880, S. 144 nr. X, vgl. die Vorbemerkung Dümmlers a. a. 0. S. 101.]

**) [Gedruckt auch in der in der vorigen Anm. genannten Sammlung Dämmlers, Bd. II, Berlin 1884, S. 420 nr. LXXXVIL] ***) [V'gl- Dümmler a. a. O. Anm. 6.]

504 Zur lateinischen Anthologie.

; - Saxona (sehr. Saxonum)*) hie equidem veniens de gente

sagaci Sensu atque ingenio nunc bene doctus homo^.

Sollte diese Grabschrift noch nicht bekannt sein,**) so werden unsere germanistischen Collegen sie nicht ungern kennen lernen. Dass sie hier mitgetheilt und die des Gerold wiederholt worden ist, mag darin seine Entschuldigung finden, dass es für uns in mancher Hinsicht interessant wäre zu erfahren, aus welchem Kloster die Einsiedler Inschriftensammlung hervorgegangen ist. Die Handschrift hat früher dem Kloster Pfäffers gehört, allein sie ist sicher nur eine Abschrift; diese beiden Epitaphien deuten vielmehr nach Reichenau. Yielleicht gelingt es noch in der Geschichte dieser in der Carolingi- schen Zeit so blühenden Benediktinerabtei für die Entstehung unserer im ganzen Mittelalter einzig dastehenden litterarischen Römerweise eine Anknüpfung zu ermitteln.

Nachschrift, Nachdem diese Notiz zum Druck abgesandt war, hatte ich Gelegenheit die St. Galler Handschrift jetzt 899, sonst S. 259 , aus der Canisius die Grabschrift des Grafen Gerold ans Licht gezogen hat, einzusehen; hier steht richtig iura loci. Sie ist ein Miscellanband wie die Einsiedler, geschrieben wohl im neunten Jahrhundert.***) Da sich auch sonst noch ein paar kleine Stücke in beiden Handschriften gleichmässig finden, ist es nicht unwahrscheinr lieh, dass dies das Original ist, aus dem der Einsiedler Codex zum Theil abgeschrieben ist oder auch ganz; denn die St. Galler Hand- schrift ist nur der Ueberrest eines ehemals sehr starken Bandes. Der Quaternio eines Inschriftencodex, den Poggio in St. Gallen sah und abschrieb,!) könnte recht wohl zu diesem Bande gehört haben.

*) [Saxona unverändert Dümmler a. a. 0. (s. die hier folgende Anm. 1),] 1) Ermoldi Nigelli eleg. I mon. Germ. bist. 11, p. 518. Nougart episc. Con-

stant. I, 110. 160. Grandidier hist. de Strassbourg I. 123—150. [Ermoldi Nigelli

carmina ed. Dümmler a. a. 0. (503**) S. 84, Vers 154-156. 147-150.] **) [Sie war es, als Mommsen sie publizierte, in der Tat nicht.] ***) [Dümmler, der diese Hs. genau beschrieben hat in den Mitt. der Züricher

antiquar. Gesellsch. XII p. V s. seine Bemerkungen a. a. 0. (503*) S. 31 f.

setzt die Handschrift ins zehnte Jahrhundert.]

t) [Vgl- über diese Abschrift Poggios Mommsen in den Sitzungsber. d. sächs.

Ges. d.w. 1850 S. 288 f. Seine dort aufgestellte Vermutung, dass Poggio die

handschriftl. Sammlung der Inschriften kannte, wurde dann durch de Rossis

Auffindung der Sylloge des Poggio bestätigt.]

LYl. Zu den Schollen der A-irglllschen Georgica.*)

Es wird, wenn ich nicht irre, manchem erwünscht sein hier 449 wenn nicht alle, doch die wichtigsten neuen Fragmente, die in den Bemer Schollen zu Tage gekommen sind, zu finden. Sie fehlen in den gangbaren Sammlungen, selbst in den nach Yeröffentlichung der Schollen erschienenen, z. B. in Yahlens Ennius, in Ribbecks comici Latini, in Dietschs Sallust; nur die suetonischen sind von Reiffer- Bcheid Suetoni rel. S. 242. 257. 350 gebührend berücksichtigt worden. Ennius. Schol. G. 1, 512. carceribus] ianuis. Ennius [484 f. Yahlen^] ait:

cum a carcere fusi Currus cum sonitu magno permittere certant.

Schol. G. 2, 43. non mihi si linguae centum sint oraqüe öentum] 450 Homer ictis sensiis; sie [waw] et Ennius: [561 f.]

ora decem.*'^) Schol. G. 4, 72 Ennius in VIII [299] ait: tibia musarum pangit melos.

*) [Rhein. Mus. N. F. 16, 1861, S. 442 453 mit Xachtrag ebd. 17, 1862, S. 143 144. In dem ersten Teile dieses Aufsatzes macht Mommsen Mitteilungen aus mehreren Hss. mit Schollen zu Vergils Georgica darunter den Bemer Scholien, und behandelt die Verwandtschaft dieser Scholienconglomerate zu einander. Da seiner Forderung, diese Fragen genauer zu untersuchen, inzwischen von verschiedenen Seiten nachgekommen ist, so erschien es unnötig, diesen Teil seines Aufsatzes hier wieder zum Abdruck zu bringen. Dagegen durfte der zweite Teil über die Autoren, die in den (inzwischen von H. Hagen in den Jahrb. f. Philol. Suppl. IV 1867 zum ersten Mal kritisch edierten) Bemer Scholien zitiert sind, schon wegen der zu einzelnen dieser Autoren gemachten Bemerkungen nicht übergangen werden.]

**) [Dieses Scholion hat Mommsen in dem Nachtrag vervollständigt aus einem Kommentar der Georgica in der (jetzt auch von Hagen in der appendix Serviana p. 284 benutzten) Pariser Hs. 7960. Danach ist das erweiterte Ennius- fragment von Vahlen a. a. 0. behandelt worden.]

506 Zu den Scholien der virgilischen Georgica.

Afranius. G. 2, 98: Vinum masculino genere dicit Tmolius^ nee immerito, quoniam et apud Äfranium (Hdschr. franium) in, satyria invenitur. Lustspiele des Titels Satura werden angeführt von Atta und von Pomponius.*)

Calvus. G. 1, 125 Ante lovem et reliqua] Bicunt lovem commu- tasse omnia, cum bonus a malo non discerneretur , terra omnia liherius ferente, quod Calvus [20 Baehrens] canit. luniUus dicit, G. 2, 94: Temptatura et reliqua] Hos versus a Calvo [21] poeta transtulit; ait enim ille;

lingua vino temptantur et pedes.

Kleitarchos, Aurimantus (?).

G. 2, 124: Arhores procerrimae gignuntur, quarum cacumina sagittae non pertingunt, sicque Clitarchus**) scripsit. G. 2, 137 : Pactolum esse auriferum Aurimantus*"^*) qui Alexandra Macedonis res gestas scripsit, testis est.

Asellio. G. 3, 474 Norica] Norica castella dixit ah urhe Noreia (aborea norea) quae est in Gallia, ut Asellio [fr. 9 Peter] historia- rum non ignarus (vielleicht historiarum nono) docet. Dies kann sich wohl nur beziehen auf die Besiegung des Consuls Carbo bei Noreia im J. 641 ; dazu, dass dies bei Asellio im neunten Buche stand, passt auch recht gut, dass Asellio im fünften Buch 451 den Tod des Ti. Gracchus erzähltet Dass Noreia, die Stadt

*) [Eis ist vielmehr zu lesen : apud Petronium (nämlich c. 41, 12) in satira: s. Büchelers Ausgabe 1862 praef. p. III.]

**) [sicque eclitarchus B sique eelitartus C; sicut et Clitarchus Hagen.]

***) [Amyntianus Schneidewin, Philol. 7, 1852, S. 739 nach Photios bibl. cod. 131 p. 97 BR.]

1) Dazu passt auch das von Roth (fragm. hist. p. 326 fr. 10) [fr. 11 Peter] vielleicht mit Recht auf die Ermordung des Drusus 663 bezogene Fragment des 14. Buches. Ein anderes aus dem 13. bei Gellius 4, 9 [, 12 = fr. 10] : facta sua spectare oportere, non dicta, si minus facundiosa essent könnte wohl auf desselben Drusus Auftreten sich beziehen, den Cicero (Brut. 62, 222) nennt gravem oratorem ita dumtaxat, cum de re publica diceret. Endlich bei dem Citat des Charisius p. 195 Keil: Asellio [fr. 13] verum Eomanarum quadragesimo: tarn pulchrum opus tamque artificiose factum passus est dirui möchte ich denken an die Zerstörung des Peiraieus durch Sulla 668; s. Florus 1, 39 Jahn: subrutus Piraei portus sex aut amplius mu/ris dnctus. Appian Mithr. 41 : 6 8s UvXXäs tdv ÜEigaiä xazemfiJtQtj, (psibofXEVog ovrs ztjs onXodrjxrjg ovzs twv vecoootHcov ovzs rcvog aXXov xcöv doidcficov. Vgl. Plutarch Süll. 14 und Strabon 9, 1, 15 S. 396 Gas. Die BuchzifFer 40 ist vielleicht verschrieben, braucht es aber nicht nothwendig zu sein, da der Bundes- genossenkrieg und die sonstigen Vorgänge der ereignissreichen Jahre 663 668 füglich eine grosse Zahl von Büchern gefüllt haben können. [Die Zahl ist sicher falsch: s. Peter, Hist. Rom. reliquiae, Leipz. 1870, S. CCL.]

Zu den Schollen der virgilischen Georgica. 50T

der Taurisker im heutigen Steiermark, hier nach Gallien gesetzt wird, ist vielleicht kein Fehler; wir können denjenigen Sprach- gebrauch, wonach Gallien östlich vom Rhein begrenzt wird, nicht über Cäsar zurück verfolgen und es ist gar nicht unwahr- scheinlich, dass man in früherer Zeit auch das von Kelten be- wohnte Land zwischen den Alpen und der Donau 'Keltenland' genannt hat. Ygl. Polyb. 2, 22.

Ungenannter Annalist.*) G. 4, 108 vellere signa] mos etiim fuerat hellantium ut (ut fehlt^ signa figerent eaque moverent (Hdschr. ea quae moverint) profeduri. Si facüe vellentium (Hdschr. veUenentium) manus sequerentur (Hdschr. sequeretur)^ prospera pugna ostendebatur, si cum conatu (Hdschr. conaturis), tum exitium signifieahant , ut in historia: Sertorius effodit signa, pugnamf et victus est, vix ipse ut evaderet, Rhodanum transnatavit. Dies gehört in den Kimbernkrieg des Jahres 648 (Plutarch Sertor. 3), ist aber sonst mit diesem Detail nicht bekannt. Sertorius muss danach die erwähnte Niederlage als Befehlshaber erlitten haben, da auf sein Geheiss die widerstrebenden Feldzeichen aus dem Boden gerissen wurden.

Sallustius. G. d,\3: Salustius: [ine. 21 Maurenbr.] hene posita urhs, id est hene constituta. G. 4, 104: Salustius: [IV 35] frigida nocte, id est pro tempore.

Varro. G. 1, 448. Varro: haruni pampinorum. Ygl. Servius zu Buc. 7, 58.

G. 2, 97: Amimos Felasgos fuisse Varro aif; hinc ah agro 452 Ämineo hatte vitem translatam dicutit; womit zu verbinden Phi- largyrius zu dieser Stelle: Amineos Aristoteles in politicis hoc scribit Thessalios fuisse, qui suae regionis vites in Italiam trans-

tulerint atque Ulis inde nomen impositum. G. 2, 325 Caeli uxorem, Terram dici testis est Varro. Vgl. de ling. Lat. 5, 57 sq. G. 4, 168. Varro ait: pecus a pascendo veteres omne atiimal dixerunt. Noch verdienen Beachtung die Anführungen von Accius G. 1, 502 (von Ribbeck trag. p. 1 88 nach Suringar gegeben [ed. 3 p. 255 ver- bessert]), Aemilius Macer G. 2, 160 (für eine geographische Angabe); Alkman G. 3, 89; Cicero G. 1, 4. 2, 28. 157; Cominianus (Charisius) E. 3, 21. G. 1, 215. 3, 311 ; Eusebius (?) [Aeschijlus Hagen a. a. O. S. 711] G. 1,482; Flavianus B. 6, 62 (vgl. Reifferscheid in diesem

*) [Nach Wölfflin, Philol. 17, 1861, S. 541 aus SaUosts Historien Buch L]

508 Zu den Schollen der virgilischen Georgica.

Museum 16, 23);*) Fronto poeta G. 4, 283; Hesiodus gynecon G-. 4, 361;**) Nigidius G. 1, 174. 428. 498. 2, 168. 3, 147; Philorus (?) [Phüochorus Hagen a. a. 0. S. 720] G. 1, 19; ferner die der älteren Commentatoren des Virgil Asper zu G. 4, 238 und Probus zu G. 4, 134 (vgl. das schon bekannte Scholion zu G. 1,403 und dasjenige zu B. 3, 105) und gewisser glosomata zu G. 1, 399. 4, 151. 232, die ganz aussehen wie Bruchstücke eines Commentars zum Aratus [vgl, Hagen S. 727].***)

*) [Gemeint ist vielmehr Flavius Charisius : vgl. H, Keil, Hermes 1, 1866, S. 334.]

**) [Vgl. M. Haupt, opusc. 8 S. 861.] ***) [Es folgen zwei Stellen aus einer von Mommsen verglichenen Leydener Scholienhandschrift in korrekterer Fassung als sie Burmann gegeben hatte. In dem Nachtrag hat er das Verwandtschaftsverhältnis der Leydener und einer Pariser Handschrift auf Grund einer für ihn angefertigten Kollation der letzteren J>räzisiert.]

LVII.

Zeitalter des Scholiasten Juvenals.*)

Dass die Scholien nicht vor dem vierten Jahrhundert geschrieben sind, ist aus zahbeichen Angaben deutlich. Nur beispielsweise er- innere ich an die Erwähnung der Diocletiansthermen (321, 3. 338, 4); des constantinischen magister militum (320, 24) oder magister peditum et equitum (377, 5); der circetises quos praetores edunf (345, 18), nämhch in Folge einer Yorschrift Constantins (C. Th. YI, 4 u. das. Goth.); an die constante Bezeichnung des Goldstückes durch den constantinischen soZjV?ws, wodurch sogar aureus erklärt wird (247,11. 2S4, 11. 289, 25. 375, 24); an die Bezeichnung der bekanntlich durch Constantin geschleiften castra praetoria als nicht mehr vorhanden (384, 18, vgl. 321, 2). Andererseits können die Scholien nicht wohl

*) [Ungedruckt. Das (ziemlich vergilbte) Manuskript fand sich in O. Jahns I'apieren nnd wnrde von Ad. Michaelis zur Verfügung gestellt. Offenbar war der Aufsatz dazu bestimmt, dem zweiten Bande von Jahns Juvenalausgabe bei- gegeben zu werden (vgl. die epistula Mommseus über Obsequens aus dem J. 1853, oben S. 168 ff.); da aber dieser zweite Band nicht erschien, unterblieb auch die Veröffentlichung des vorliegenden Aufsatzes. Hieraus läßt sich auch auf die Zeit seiner Abfassung schließen: bald nach 1851, dem Erscheinungsjahre der Jahnschen Ausgabe (D. lunii luvenalis saturarum libriV. Ex recensione et cmn commentariis Ottonis lahnii. Vol. I. Berolini a. 1851), nach deren Seitenzahlen Mommsen zitiert. (Der Hinweis auf den Kalender von 449, unten S. 510, läßt v.jrmuten, daß er eben damals mit der Arbeit an Polemius Silvius beschäftigt •war; diese Abhandlung, von der der Kalender selbst freilich ausgeschlossen wurde, erschien 1853, s. u. nr. LXVIII.) Als dann Jahn i. J. 1868 den Text und die Scholien Juvenals abermals edierte (A. Persü Flacci, D. lunü luvenalis, Sidpiciae saturae, recognovit Otto Jahn. Berolini a. 1868), faßt« er das Resultat des Mommsenschen Aufsatzes, ohne ihn zu nennen (wozu bei der Kürze der praefatio keine Veranlassung vorlag), in die Worte zusammen (praef p. 7): 'originem eorum (näml. der alten Scholien) satis certis argumentis ad saecuH quarti fit'em referre licet.' Es wird den Lesern, obwohl diese Ansicht von dem Zeitalter der Mehrzahl der alten Scholien längst rezipiert worden ist, erwünscht sein, nun zum ersten Male die Argumente zu erfahren, auf die sie sich stützt.l

510 Zeitalter des Scholiasten Juvenals.

lange nach dem Anfang des 5. Jh. geschrieben sein. Die Bezeich- nung Germani sive Franci 228, l passt am besten auf die Zeit, wo die Franken noch diesseit des Rheines sassen, also auf die Epoche vor 430 (Zeuss die Deutschen S. 342). Noch bestimmter führt die Angabe, dass der Rhein zwischen den GalHern und Alamanniern iliesse (299, 4), auf das 4. Jahrh. ; denn seit dem Anfang des 5. Jh. «assen die Alamannen auf dem linken Rheinufer im heutigen Elsass (Zeuss S. 317). Dazu kommen andere Spuren. Das gewöhnliche Silberstück heisst seit dem fünften Jahrh. regelmässig als Aequivalent eines Goldkarats siliqua (Verfall des röm. Münzw. S. 270); der Scholiast aber giebt ihm den älteren und eigentlichen Namen argenteolus oder nummus (das. S. 272). Der christliche (vgl. iaptware 367, 26) und jüdische Cult ist dem Scholiasten wenig bekannt wegen des letztern citirt er Tacitus und nirgends Tieigt sich Bekanntschaft mit den Dingen, die zu der Zeit, wo das Ohristenthum Staatsreligion war, auch dem renitenten Altgläubigen geläufig sein mussten. Vielmehr spricht der Schreiber von der Yerehrung der Götter in der gegenwärtigen Zeit (319, 20. 321, 24), «benso von der Sühnung der Blitze durch die Pontifices (271, 5), wogegen die Anspielen schon verschwunden sind (333, 21. 341, 9). Dies passt nicht mehr auf das fünfte Jh., wo dergleichen 'Aber- glauben' wohl noch geübt, aber nicht darüber in den Schulen docirt ward, wohl aber auf das vierte, in dem man das heidnische Wesen wohl controlirte und gelegentlich verfolgte, aber nicht eigentlich unterdrückte (vgl. z. B. Goth. zu C. Th. XVI, 10, 7). Ebenso ist 309, 20, wo die Rede ist von den Matronalia, quae sunt k. Apr., quibiis est natalis Veneris, offenbar eine Angabe des derzeitigen officiellen Kalenders referirt, welche sich dann auch in dem der Chronographie von 354 einverleibten wiederfindet; wogegen in dem von 449 (acta sanct. lun. VII p. 176 sq.) keine derartige Notiz mehr erscheint.

Die Schollen sind also im Laufe des 4. Jh. entstanden; wahr- scheinlich gegen das Ende desselben, wie schon Gothofred zu C. Th. XrV, 17, 2 sie mit Recht für 'wenig jünger als Prudentius" erklärt hat. Sie gegen das Ende hinabzurücken bestimmt mich weniger die Erwähnung des panis gradilis 286, 4, welcher Ausdruck aller- \ dings erst seit 364 nachzuweisen ist (Goth. a. a. O.) als die Erklärung von tutor principis durch patricius (320, 25). Es ist nicht glaublich, dass der Scholiast hiebei an das constantinische Rangprädicat allein, gedacht haben sollte (vgl. Goth. zu C. Th. VI, 6); vielmehr müssen ihm Patricius wie Stilicho, Rufinus Eutropius im Sinn gelegen haben.

Zeitalter des Scholiasten Juvenals.

511

die allerdings recht eigentlich die Kaiser bevormundeten. Man kann sich kaum der Vermuthung wehren, dass der Scholiast, indem er den magister tnüihim und den pafricius so nahe zusammenrückte, eben an Stilicho gedacht hat, der beides war.

Es wird hiedurch auch ziemlich sicher gemacht, dass der prae- fectus Cerealis (316, 58 vgl. 374, 6) der Stadtpräfect dieses Namens 352 3 sein soll; obwohl die Möglichkeit, dass ein älterer Präfect dieses Namens gemeint sein kann, in einer so verwirrten und so offenbar einem Missverständniss der Worte Juvenals accommodirten Notiz keineswegs geleugnet werden kann.

Die Schollen sind also wahrscheinlich um 400 in Rom (dies zeigen die Stellen 207, 17. 208, 20. 244, 22. 289, 13. 293, 8. 338, 3) niedergeschrieben und später wohl verkürzt und verdorben, aber nicht eigentlich verfälscht.

LVIII.

' Aus lind über Leydener und Münchener Handschriften.*)

[45 Unter den lateinischen Glossarien, woran die Leydener Biblio-

thek bekanntlich so reich ist wie kaum eine zweite, ist mir besonders einer verständigen Untersuchung werth erschienen die früher Krohnische Handschrift XYIII, 67. D (n. 498 des Geelschen Supplements) aus dem zehnten Jahrhundert. Ich gebe, was ich mir daraus angemerkt habe.

*) [Rhein. Mus. N. F. 16, 1861, S. 135—147. Da die von Mommsen in diesem Aufsatz gegebenen Nachweise seitdem von den Herausgebern der Texte ver- wertet worden sind, werden sie hier nicht wieder zum Abdruck gebracht. Seine Exzerpte betreffen : 1) 'Florus'. Die Mommsensche Neukollation des Brüsseler Kodex, der das Fragment überliefert hat, ist von C. Wachsmuth in einem Nach- trag zur Ausgabe in Ritschis op. 3 S. 742 benutzt worden. 2) 'Paulus Auszug des Festus'. Die von Mommsen namhaft gemachten Handschriften hat daraufhin E. Thewrewk de Ponor in der Ungarischen Revue 1884 genauer beschrieben. Am Schluß dieses Teiles seines Aufsatzes spricht Mommsen von der Notwendig- keit, die Überlieferungsgeschichte der im Farnesinus nicht mehr vorhandenen Quaternionen des Festustextes zu klären; die Lösung dieser Aufgabe hat er dann später selbst in Angriff genommen: s. o. S. 272. 3) 'Virgilische Scholien'. Die Münchener Handschrift ist für den Text des Probus von Thilo -Hagen benutzt worden (Servius 111,2, Leipz. 1902, praef. p. Vlllf.); die von Mommsen daraus notierten Bemerkungen des Petrus Crinitus über den Kommentar des Ti. Donatus hat H. Georgii, soweit sie von Bedeutung sind, in der Ausgabe dieses Kommen- tars Bd. 1 Leipz. 1905 praef. p. Vlll A. 1 und XIX wiederholt. 4) 'Der Grono- vische Scholiast zu Ciceros Reden'. Die von Mommsen aus der Blätterfolge der Leydener Handschrift gezogenen Schlüsse auf die 'Sammlung ciceronischer Reden, welche dem Scholiasten vorlag', lassen sich nach den neueren Forschungen über dieses Scholienkonglomerat nicht mehr aufrechterhalten. 5) 'Glossarien'. Was Mommsen aus dem minderwertigen, von ihm eingesehenen Glossar der Leydener Bibliothek (vom Corpus gloss, ausgeschlossen) notierte, ist oben abgedruckt worden wegen der von ihm daran geknüpften Bemerkungen.]

Aus und über Leydener und Münchener Handschriften. 513

Anfang: Ab ahatissimis a deformissimis et ab infirmissimis. Ab

abiectissimis ab tenuissimis , ab öbscurissimis, ab angusiissimis

sive a paucissimis et liumilibus. Atnpilestiis quorum (1. Ampiles Tuscorum) liiigua Malus ynensis

dicitur. ActoUera urbe ArgiripJia. hanc enim JDiomedis Etolus post

excidium alii (1. Ilii) in Aj)ulia condidit. Ceraunium nota est quae in libris apponitur quotiens muMi

versum (1. versus) inprobantur nee per singidos obolantur.

ceraunium enim fulmen dicitur. Aus Isidor etym. I, 21, 21. Ciathum cum h scribi oportet. Ciati decem dragmis appenditur,

qui etiam quibusdam Cassatus nominatur. Ereo Octimber mensis dicitur in lingua Bizantinorum. Lemnias genus tnonstri in Libia credunt esse truncos sine capite,

OS et ocidos habere in pectore. Linne saga quadra et mollia sunt, de quibus Plaut us: Unna

cooperata est testrio Gallia. Sensa dici Donatus grammaticus ait Epicureus ostendit omnia 146

conpraehendi posse sensa corporis. Septem arces Septem montes intra Homam, id est Tarpeius Aven-

tinus Viminalis Quirinalis Celius Escilitius et Palatinus. Soene castrum in ßnibus Ethiopiae habetur; ibi est turris Magdal

et Romanae ditioni std)iacet. Ibi sunt irdicata rede {\..NiU

catarractae), usque aque locum denso (1. ad quem locum

deusque) mari ipse Nihilus navigabilis est. Traneus Iiüius mensis dicitur in lingua Tuscorum. Velcitanus Tuscorum lingua Martins mensis dicitur. Xoffer Octimber mensis dicitur in lingua Tuscorum. Schliesst: Zoxia signa est. Folgen Thierstimmen u. dgl. m.

Dass von den etniskischen Monatnamen, die kürzlich aus dem Papias ans Licht gezogen -svorden sind, in diesem älteren Glossar wenigstens vier erscheinen (nach Aclus und Celius habe ich vergeblich gesucht), i^t beachtenswerth. Erwägung verdient auch, dass hier die uns geläufigen sieben Hügel Roms aufgeführt werden, während die noch dem Alterthum angehörigen Verzeichnisse andere jS^amen nennen^.

1) Das älteste ist das der Stadtbeschreibung S. 26. 27 PreUer: Cadius Aventinus Tarpeius Palatinus Esquilinus Vaticanus et lanienlensis; warmn Quirinal und Viminal hier fehlen, habe ich in der dritten Ausgabe meiner R. G. I, 109 gezeigt. Servius (zur Aeneis 6, 784) nennt statt des tarpeischen mid des vaticanischen Hügels, Quirinal und Viminal; die zwei von Johannes

MOMMSEN, SCHB. VII. 33

514 Aus und über Leydener und Müuchener Handschriften.

Dagegen kehren die sieben Hügel unseres Glossars in dem Über Guidonis (f. 9 der Handschrift) wieder; und die gemeinschaftliche Quelle des Glossenschreibers wie des Geographen scheint die kurze Notiz de montibus und de aquarum ductibus zu sein, die Preller in der Ausgabe der Regionen S. 37 aus cod. Laur, pl. 89, 67 saec. X herausgegeben hat und die Bock (lettres ä M. Bethmann p. 1 7) in der Pariser Handschrift 4806 ebenfalls fand.

Dagegen möchte dasjenige Lexikon derselben Bibliothek (Bibl. 147 publ. n. 56) aus dem Bake in seiner Ausgabe der Schrift Ciceros von den Gesetzen S. 285 ein Fragment Macers mitgetheilt hat, nach Angabe des gedruckten Katalogs eine Papierhandschrift, Auszüge aus Nonius und ähnlichen Büchern enthaltend, den davon gehegten Erwartungen nicht entsprechen. Die mitgetheilten Worte: Acca. Mater Msforiarum IP sind unzweifelhalt so zu ändern : Acca. Macer historiarum l. P und geflossen aus Macrobius Sat. I, 10, 17: Macer hisforiarum libro primo Faustuli coniugem Accam Larentiam JRomuU et Remi nutricem fuisse confirmat. Hiernach wird man auch von den abweichenden Lesungen, mit denen die Stelle Varros de 1. Lat. VI. S. 265 88] in derselben Handschrift wiedergegeben ist (Bake a. a. O. S. 658), für unseren Text sich keine Hülfe versprechen dürfen.

Lydus S. 118 Bekker [de mens. ed. Wünsch p. 173] mitgetheilten Listen sind lückenhaft und verwirrt (vgl. Becker Topogr. S. 123), aber weder die ältere noch die jüngere lässt sich füglich auf die uns geläufigen sieben Namen zu- rückführen.

LIX. Lateinisches Glossar des cod. Vat. 2730.*)

Ob für die Kritik des einen oder des anderen dieser Schrift- 73 steller [der in den von Mommsen gegebenen Proben zitierten] die Anführungen in dem Glossar brauchbar sind, lasse ich dahingestellt; viel wird damit nicht anzufangen sein. Aber wenigstens in einer Hinsicht ist die Auffindung dieser Handschrift doch von einigem Nutzen. Caspar Barth hat in den Adversarien 37, 5 aus einer Handschrift des Yirgil den Anfang eines Glossars herausgegeben^, der dann in Lions Ausgabe der Yirgilscholien 2, 373 374 wieder- holt und in den Fragmentensammlungen von Ribbeck, Peter und Anderen benutzt ist. Wer diesen Abdruck mit den oben gegebenen Proben zusammenhält, wird sich leicht überzeugen, dass Barth eben unser Glossar vor Augen gehabt hat, und dass sein Text noch viel -^ zerrütteter war als der uns vorliegende, dagegen durch alle Buch- staben des Alphabets reichte, während unsere Handschrift im M abbricht. Ich gebe zur Vergleichung den Buchstaben B nach Barth :

hachar herba quae fascinum peUit. Virg.: 'hachare frontem cingite ne ptiero noceant mala signa futuro.' Neratitts in Ydro dixit: 'bachareis frondihus puerum amictum\

Bldbios est Mantiiae conditor: dictus est autem quasi animo et corpore fortissimus.

*) [Hermes 8, 1874, S. 67—74. Das Glossar, von dem Mommsen Proben gab, ist nicht wieder abgedruckt worden, da es, wie mir G. Goetz brieflich mitteilt, von Guarino herrührt: vgl. Sabaddini, La scuola e gli studi di Guarino, Catania 1896, S. 54 und in der Riv, di filol. 31 S. 470 f. Von den an die Veröffentlichung angeschlossenen Bemerkungen Mommsens schienen die oben stehenden den Abdruck zu verdienen.]

1) Barth sagt von dieser Handschrift: Est aptid nos priscus Moronis codex, cui subiectmn visitur glossariolum, in quo isla offendo ex antiqtiis explanatoribtis excerpta .... Glossae . . . toittm (üfdbetwm percurrunt, rariores tarnen in postremis praecipue litteris.

33*

516 Lateinisches Glosar des cod. Vat. 2730.

Uaterare inepta vociferare. Appuleiiis in antalogio: quae et si possent ab iis velint hlaterata esse hlaterata ob mercedem. blatea lamina ex metallo. Virg.: crepitabant blatea vento. bruina hiems dicta. finitur bruina VIII kl. lan.

Dies stimmt, wie man sieht, im Ganzen wörtlich und selbst in argen Corruptelen mit dem vaticanischen Glossar überein, und das Gleiche wird bestätigt finden, wer weiter die aus dem Buchstaben A mitgetheilten Auszüge mit dem Barthschen Text zusammenhält. Nur eine Anführung ist davon auszunehmen: das angebliche Citat aus Neratius in Ydro, wovon unser Text so wenig etwas weiss wie die sonstige antike Ueberlieferung, und das jetzt unzweifelhaft als eine Barthsche Interpolation sich herausstellt. Dergleichen begegnet auch sonst noch; wie denn die beiden unter admitto von Barth beigebrachten Citate aus Plautus und luvenal in der vaticanischen Handschrift sich nicht finden und ebensowenig unter apparere Servius angeführt wird. Man wird das Barthsche Glossar als einen schlechten und interpohrten Auszug des vaticanischen in Zukunft bei Seite legen dürfen und manche auf dessen Corruptelen aufgebaute Combination (wie z. B. die in Orellis onomast. Cic. unter Anser vorgebrachte) ist hiedurch erledigt.

LX.

Ueber eine Stelle des Ennodius.*)

Ennodius preist in seiner Lobrede den König Theodorich (p. 315 47 der Simaond. Ausg. von 1611 [p. 284 Hartel]), dass er die Jugend durch Scheinkämpfe zu dem ernsthaften Waffendienst vorbilde, und fügt hinzu, dass er damit die alten Römer übertreffe. Butilium, fährt er dies belegend fort, et Manlium comperimus glaäiatorium conflictum magistrante poinilis Providentia contulisse, ut inter theatrdles caveas plebs diuturna pace possessa, quid in acie gereretur, agnosceret. Sed tiinc feriatis manihus frustra sociae mortes ingerehantur adspectui. In diesen Worten hat kürzlich Huschke (in dieser Zeitschrift IX, 330) ein Zeugniss dafür gefunden, dass die Gladiatorenspiele im J. 649 der Stadt bei den Römern unter die amtlichen und regelmässig wiederkehrenden aufgenommen seien was allerdings wichtig genug sein würde, um diese Worte, wie Huschke dies thut, einer „neu entdeckten Quelle" gleichzuachten. Freilich erheben sich für jeden, der die in Rede stehenden Dinge kennt, sogleich sehr ernstliche Schwierigkeiten, Wir wissen nichts von festen Spielen, die aus- zurichten den Consuln obgelegen hätte. Ebensowenig weiss die Ueberlieferung der republikanischen Zeit etwas von stehenden Gladiatorenspielen; was Huschke für die Regelmässigkeit derselben geltend macht, dass Dio 47, 40 die Aufführung von Gladiatoren- anstatt Bühnenspielen bei den Cerealien im J. 712 unter den Pro- digien verzeichnet beweist augenscheinlich das Gegentheil. Sogar dass die Einführung der festen Gladiatorenspiele in das J. 47 n. Chr. fällt, berichtet Tacitus (annal. 11, 22) und ist auch sonst wohl be- glaubigt; sie fielen in den December und wurden von den Quästoren gegeben (C. I. L. I. p. 407). Somit ist guter Grund vorhanden, nicht eher aus der „neu entdeckten Quelle" zu schöpfen, bevor wir wissen,

♦) [Zeitschrift für Bechtsgeschichte 10, 1872, S. 47—48.]

518 - Ueber eine StelUe des Ennodius,

48 ob die Wasser nicht trübe sind; und sie sind es in der That. Was Valerius Maximus 2, 3, 3 von dem Consul des J. 649 P. Kutilius Rufus, dem Collegen des Cn. Mallius erzählt, dass er die Gladiatoren aus der Fechtschule des C. Aurelius Scaurus als Instructoren für seine Soldaten verwendet habe, liegt zwar weit genug ab von dem Bericht des Ennodius; aber wenn lanuarius Nepotianus in seinem Auszug des Valerius (10, 22) diese Erzählung folgendermassen wieder- giebt: Fisi virtute Romani sine artißcio dimicahant. itaque P. Rutüio et Cn. Mallio cos. e ludo gladiatorio doctores accersiti sunt, ut inferre ictus et declinare monstrarent, adiutaque est artificio fortitudo, so ist es dennoch evident, dass Ennodius Meldung nichts ist als ein Miss- verständniss der Erzählung des Yalerius. Denn Nepotians Worte können allerdings so verstanden werden als handle es sich nicht um ein Vornehmen des Rutilius, der mit Mallius Consul war, sondern um ein Vornehmen der Consuln Rutilius und Mallius; ferner als habe die Instruction darin bestanden, nicht dass man den Rekruten Fechtmeister aus den Gladiatorenschulen gab, sondern dass vor der Bürgerschaft Kunstfechten von Gladiatoren aufgeführt wurde. Also ist aus den Worten des Ennodius über die Munera nichts zu lernen, und überhaupt nichts weiter als etwa, dass Nepotianus Auszug vor dem Anfang des sechsten Jahrhunderts verfertigt worden ist ; ausser- dem allenfalls noch, was Auszugmacher und Auszugbenutzer zu leisten im Stande sind. Cave!

LXI. Jamblichos bei Jordanes.*)

Jordanes beginnt seinen Abriss der römischen Geschichte mit 352 den Worten: Eomani , ut ait lamhlicus, arniis et legibus exercentes orhem terrae suum fecerunt: armis, si quidem constrztxerunt , legibus autem conservaverunt, qiiod et ego, sequens eruditissimum virum, dum aliqua de cursu temporum scribere delibero, necessaritim duoci opusculo meo velut insigne quoddam ornamentum praeponere. Dass dieser Satz bei dem berühmten Philosophen Jamblichos von Chalkis sich nicht findet und auch nicht füglich von ihm geschrieben sein kann, habe ich in der Vorrede meiner Ausgabe hervorgehoben und, da nach der Art, wie Jordanes den Mann erwähnt, doch kaum an einen anderen als jenen vielfach gefeierten Schriftsteller gedacht werden kann, das Citat überhaupt als mindestens bedenklich be- zeichnet. Ich werde nun aber aufmerksam gemacht auf eine Stelle des bekannten Juristen der justinianischen Zeit Stephanos aus den Basilikenscholien zu 23, 1, 9, 9 p. 601 Heimbach: xalcbg ovv xal äojuoöicog äv Tig tov f]QO)og 'AfxßXixov (sehr. "lafxßXiy^ov) xe/Qrjfiivog orffiaoiv amoi ' w Tiooa dvvarai xoyv ovvaXXay fxdroiv ff cpvoig. cb Jiöoa dt evog iJ,eiaox^]fJ-o.rioTai grjfjiaxog' aTiavia yaQ reo 'y^orjoai fxeta- ßeßXr]vxai grj/uari, deoTioreia, vojui], ovvd/.Xayp,a, xivdvvog, äycoyij. Weiter wird dieser Jamblichos nicht genannt; die Bezeichnung •JQcog wird öfter von Stephanos angesehenen Vorgängern bei- gelegt; nach der Meinung Zachariäs von Lingenthal ist es der Titel der berytischen Rechtslehrer. Ich lege diese mir zugekommene Nachweisung hier zur weiteren Prüfung vor. Dass die an beiden Stellen angeführten Worte den gleichen declamatorischen Charakter tragen und füglich in derselben Schrift vorkommen konnten, leuchtet

*) [Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschieh tskunde 8, 1883, S. 852.]

520 Jamblichos bei Jordanes.

ein. Andererseits erhebt sich freilich ein doppeltes Bedenken. Einmal muss, wie ich bereits in der Ausgabe hervorgehoben habe, wenn Jordanes das sequi nicht völlig gedankenlos gesetzt hat, die fragliche Schrift einen der des Jordanes einigermassen analogen Inhalt gehabt haben. Zweitens stimmt zu dem, was wir über Jor- danes litterarische Hülfsmittel seinen Schriften entnehmen, die An- führung einer doch ohne Zweifel in griechischer Sprache nicht lange vor Justinian, vielleicht in Berytos abgefassten juristischen Schrift nicht besonders gut. Indess beachtenswert ist die Zusammenstellung auf jeden Fall und trifft vielleicht das Richtige.

LXII— LXIII. E u g i p p i a 11 a.*)

Sauppe contra Knöll.

Die Biographie des Severinus, welcher als Abt von Faviana 454 (unweit Ips) im Jahre 482 starb und dessen Körper, bei dem Ab- zug der Römer aus Noricum im Jahre 488 mitgeführt, seine zweite Ruhestätte bei Xeapel im casti-um LucuUanum fand, verfasst im Jahre 511 von seinem jüngeren Zeitgenossen Eugippius, damals Abt des bei jener Ruhestätte gegründeten Klosters, zum Theil aus eigener Anschauung, überwiegend aber nach den Erzählungen älterer Männer^, ist ein so einzigartiges und so werthvolles Document für den Unter- gang der römischen Civilisation in den Landschaften nordwärts der Alpen, dass es gestattet sein wird auf dessen Ueberlieferung noch einmal die Aufmerksamkeit zu richten.

Handschriften aus älterer Zeit besitzen wir nicht, wohl aber Auszüge aus der Biographie in der italischen Chronik 2, deren Auf- zeichnung wohl noch dem sechsten Jahrhundert angehört, weitere bei Paulus Diaconus aus dem Ende des achten^ und in den wenig

*) [Hermes 32, 1897, S. 454—468. In einer zweiten Abhandlung 'Eugippiana II' im Hermes 33, 1898, S. 160—167 hat Mommsen die deutschen Hss. des Eugippius, deren Prüfung er unten S. 523 als wünschenswert bezeichnet, in ihrem Verhältnis '.;u einander und zu den italienischen untersucht. Diese zweite Abhandlung hier 5;um Abdruck zu bringen erübrigt sich durch die unmittelbar darauf erschienene Ausgabe des Eugippius, 1898, S. XVIIl ff., während die vorliegende Abhandlung rieben der kurzen Zusammenfassung ihrer Resultate a. a. 0. S. XXVI ff. ihren selbständigen Wert behält. Die Abweichungen der in vorliegender Abhandlung Elitgeteilten Lesarten von denjenigen der Ausgabe sind hier im Text in Klammem angegeben worden.]

1) Brief an Paschasius 2 : ex notissima nobis et cottidiana maiorum relatione. Mit Namen nennt er solche Gewährsmänner 27, 19. 35, 1.

2) In meinen Chroniken 1 p. 314. 315.

3) bist. Lang. 1, 19; bist. Rom. 15, 8.

522 Eugippiana.

jüngeren Gesten der Bischöfe von Neapel ^ Von den uns erhaltenen Handschriften gehören die ältesten die von Sauppe und Knöll dem neunten Jahrhundert zugeschriebene Münchener 1044 ist vielmehr aus dem elften dem zehnten Jahrhundert an, die des Lateran (L) und wohl auch die Turiner (T); die grosse Masse dem elften Jahrhundert und der Folgezeit. Die Feststellung des kritischen Fundaments verdanken wir Sauppe. In seiner Ausgabe (1877) warf er die Masse der deutschen bei Seite als in verschiedener Weise, aber gleichmässig arg interpolirt, und schied die brauchbaren in zwei 455 Classen, eine bessere, vertreten durch jene des Lateran, und eine geringere, von der er zwei Exemplare, das vaticanische 5772 aus Bobbio (V) und das Mailänder J 61 inf. (M) heranzog.

Pius Knöll schloss in seiner Ausgabe (1886)^ diesen Feststellungen sich vollständig an, aber zog in zweckmässiger Weise noch andere Handschriften der italischen Classen hinzu, für die erste theils die beste der zahlreichen Handschriften von Monte Cassino 145 (C), theils eine zweite vaticanische 1197 (G), für die zweite theils die ehemals bobiensische Handschrift, jetzt in Turin lY. F. 25 (T), welche er als das Original der vaticanischen 5772 (V) nachwies, theils die römische der Vallicellianischen Bibliothek XII (N). Damit wurde insbesondere für die erste Classe ein wichtiger Fortschritt gemacht. Die Handschrift des Lateran erwies sich den Zwillings- handschriften CG wohl als eng verwandt, aber in der Weise, dass an zahlreichen Stellen L gegen CG, an zahlreichen anderen CG gegen L im Rechte waren, und fortan also für Sauppes L vielmehr CGL einzutreten hat. Dies ist insofern von wesentlichem Gewinn, als die Lateranhandschrift zwar von sachlichen Interpolationen frei, der Text aber durch leichtfertige Behandlung der Ueberlieferung und durch eine grosse Zahl kleiner Verderbnisse entstellt ist, welche Sauppe, dem die Controle fehlte, nur zum Theil mit Hilfe der andern Classe hat beseitigen können. Von minderer Wichtigkeit, obwohl ebenfalls nützlich, ist die Verstärkung des Fundaments der zweiten Classe; T ist allerdings wohl die Vorlage von Sauppes V beide sind bobiensisch und dafür einzusetzen, aber die Abschrift ist sorgfältig und viel wird durch diesen Wechsel nicht gewonnen. Nützlicher hat sich in manchen Einzelfragen die Hinzuziehung des dritten weder von T (V) noch von M abhängigen Exemplars N bc-

1) Gesta ep. Neap. in den scr. rer. Lang. p. 468.

2) Dazu gehört die Abhandlung ,Das Handschriftenverhältniss der Vita S. Severini des Eugippius' in den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der Wiener Akademie 95, 1880, S. 445 498.

Eugippiana. 523

wiesen. Darin, dass weder LCG noch TNM entbehrlich sind, vielmehr bald die eine Classe, bald die andere den echten Text bewahrt hat, stimmt Knöll mit Sauppe überein. Aber in der Schätzung der beiden Classen stehen sich die beiden Herausgeber schroff gegenüber: wie Sauppe der ersten, so giebt Knöll der zweiten den Yorzug.

Bei dem fundamentalen Ergebniss, dass die deutschen Hand- schriften, die allerdings noch genauerer Prüfung bedürfen, kritisch zurückstehen, die italienischen aber in zwei Classen zerfallen und 456 zwischen den Classenlesungen die Wahl offen steht, wird es bleiben; Sauppes Ansetzungen sind von Knöll bestätigt worden und haben sich auch mir als völHg gesichert erwiesen. Der Classengegensatz ist ein merkwürdig scharfer und Contamination scheint bei dieser Schrift überhaupt nicht vorgekommen zu sein, worauf wir weiterhin zurückkommen werden. Nichts desto weniger ist der zwischen Sauppe und Knöll bestehende Gegensatz für die Handhabung der Kritik von wesentlichem Belang; obwohl keine der beiden Classen entbehrlich ist, stehen sie im Werthe nicht gleich und Knölls Aus- gabe ist, wie in der Verstärkung des Apparates ein wesentlicher Fortschritt, so ein arger Rückschritt in dessen Schätzung und Be- handlung. Es wird angezeigt sein zunächst diejenigen Stellen folgen zu lassen, bei welchen eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Lesungen möglich ist und dadurch das Urtheil über die Beschaffen- heit der beiden Classen- Archetypen zu fundiren. Einzelne für das Classenverhältniss nicht in Betracht kommende Stellen sind hinzu- gefügt, wo sie anderweitig zu Bemerkungen Anlass geben. Da die Knöllsche Ausgabe allein den Apparat vollständig bietet, so citire ich hauptsächlich nach deren Seiten und Zeilen.*)

1, 9 ep. Eug. 1 Titcis] I, titis IL Dass jene Form die richtige ist. hat Knöll im Index erwiesen.

2, 20 ep. Eug. 3 und sonst. Die ältere Schreibung spirital- iat in der zweiten Classe bewahrt, nur dass M an zwei Stellen 36, 14.- 42. 8 abweicht; in der ersten Classe hat sie L 2, 20. 31, 8. 36, 14 i(hier geändert in spiritual-) , dagegen spiritual- 4,8. 42,8. 45, 11. j55, 24, während CG keine andere kennen als diese.

I 3, 24 ep. Eug. 6 sperantes nos haiuli nomen etiam de tui operis ^perfecüone esse dictiiros. Die Aenderung Sauppes, die Knöll gebilligt ihat, ducttoos, beruht auf Missverständniss; der Bote heisst Deogratias,

*) [Von der Umschreibung dieser in die Seiten und Zeilen von Mouunsens (Vu8 »abe konnte abgesehen werden, da die Zahlen der Kapitel und Paragraphen k beiden Ausgaben gleich sind.]

524 Eugippiana.

und der Schreiber hofft dies ,Gott sei Dank' auch nach Abschluss der von Paschasius erwarteten Arbeit sagen zu können. 4, 7 ep. Eug. 7 weichen die beiden Familien also ab: I. de qua (patria Severini) me II. de qua licet me fatear

fatem' nullum evidens habere do- (fateor M) nulluni evidens habere cumentum. nam cum multi sacer- documentum , tarnen quid hinc ab dotes cet. meunte aetate cognoverim non

tacebo. cum multi igitur sacer- dotes cet.

457 Dies ist nicht Schreibfehler, sondern verschiedene Fassung. Die erstere ist, wie Sauppe gezeigt und Knöll (S. 488) nicht widerlegt hat, die allein dem Zusammenhang angemessene; denn die folgende Erzählung giebt über die Heimath des Severinus keine Auskunft, wie die zweite Fassung dies andeutet, sondern belegt nur, dass Eugippius darüber nichts in Erfahrung gebracht hat. Auch ist hinc ab meunte aetate damit unvereinbar, dass Eugippius den Severinus erst am Schluss seines Lebens kennen lernte und darum (S. 455 A. 1 [S. 522 A. 2]) seinen Bericht bezeichnet als herrührend ex notissima nobis et cottidiana maiorum relatione. An dem von Eugippius hier zunächst berichteten Gespräch hat allem Anscheine nach dieser selbst nicht theilgenommen. Die verkehrte Interpolation ist handgreiflich, übrigens in M nicht völlig durchgeführt,

4, 22 ep. Eug. 9 serio I (CG-, seuerinus L) wird auch von Knöll als richtig anerkannt gegenüber dem unmöglichen, aber eher inter- polirten als verschriebenen senior der zweiten.

7, 19 cap. 8 und sonst heisst der König der Ruger in I durch- gängig (mit Ausnahme einer Stelle 40, 2) Feva, in II durchgängig Feba. Jene Form kehrt wieder in der italischen Chronik (I p. 312. 313 meiner Ausgabe) und bei Paulus hist. Lang. 1, 19; analog ist der Name des Westgothenkönigs Livva. Die Chronik Cassiodors zum Jahre 487 (chron. 2 p. 159) hat Foeba.

12, 8. 12. 58, 21. 59, 5. 14. 62, 14. 63, 1. 5. Durchgängig heissti der Bruder des Königs Feletheus in der ersten Classe (ebenso in' dem Auszug der gesta ep. JSeap.) Ferderuchus, in der zweiten Frede-\ ricus, welchen letzteren Namen in beiden und auch anderswo dei; Sohn des Feletheus führt. ,

13, 3 c. 1, 1 ist der in II nach rebus turbabantur ambiguis einj geschobene Satz: ac primum inter filios eius (des Attila) de opti nendo regno magna sunt exorta certamina, qui morbo dominationi inflati materiam sui sceleris aestimarunt patris interitum deutlic

Eugippiana. 525

entlehnt aus der Chronik Prospers c. 1370: Attila insedibus suismortuo magna xirimum inter filios ipshis (eius v. 1.^ certamina de optinendo regno exorta sunt. Was jener A-bschreiber hinzusetzt, ist nicht bloss inhaltlos, sondern albern; bei Erbsehaftsstreitigkeiten kann der Tod des Erblassers nicht angemessen die , Quelle des Frevels' genannt werden.

23, 8 c. S, 1 rehaptizare quosdam est conata catholkos I, ohne Zweifel richtig; qiiondam II ist unerträglich.

27, 7 c. 10, 2 scrt/waras] jS^, se amaras TM, scamerasl. Jene 458 Form scheint die ältere zu sein.

27, 24 c. 11, 2 manu unusquisque] II, manus quisqtieh, manuCGt.

29, 12 c. 12, 3 omnis aetas et sextts quae etiam voce non po- terat I, wo quae nicht grammatisch, aber dem Gedanken nach zutrifft; qui II ist Correctur.

29, 17 c. 1 2, 4 ad agrum propriae segetis invisendi causa I mit M, hwisendae TN, auch wohl in Folge grammatischer Correctur. Jene Ausdrucksweise ist der Sprache nicht fremd; vgl. z. B. Cicero acad. pr. 2, 41, 128: omniiim rerum una est definiiio comprehendendi.

30, 1 c. 12, 4 ea twcte I, ex nocte II sinnlos; ex ea nocte Hartel. Yielmehr sind hier X und A verwechselt.

30, 3 c. 12, 5 atque eontemptor I, fehlt II; dass die Worte durch das Capitelverzeichniss gestützt werden, bemerkt Knöll richtig.

31, 4 c. 13, 1 cancussis ex more lapidihusl; excussis, was II für concussis hat, ist sinnwidrig und wird von Knöll (in der Vorrede p. X) unrichtig vertheidigt durch die Stelle des Ovidius met. 8, 339: eacussis elisi mibibus ignes. Der Funke fährt aus dem Kiesel nicht wie der Blitz aus der Wolke, sondeni durch Zusammenschlagen mit einem anderen Stein.

31, 5 c. 13, 1 alterutra ferri ac petrae conlisione I tadellos; feiri fehlt 11; wenn Knöll schreibt alterutra hac xietrae conlisione, so fragt man billig, wo dabei alteruter bleibt. Bei dem Feuerzünden sprechen die Alten meist von Stein und Stein, aber Stein und Eisen kommt auch vor. Lucretius 6, 160: ceu lapid^m si percutiat lapis atä ferrum. 314. Lactantius de ira dei 10, 18. 19.

I 32,2 c. 14,2 quid inquit I; inquit fehlt 11, auch nach Knöll I durch Versehen.

j 34, 8 c. 16, 3 credideris I ist bedenklich, credideras H wohl vor- Izuziehen. [credideris in der Ausgabe.] » 35. 1 c. 16, 6 suhdiaconi I, diaconi II; zweifellos ist jenes richtig.

35. 1 c. 16, 6 materni I, niartini II; zweifellos ist jenes richtig.

526 Eugippiana.

36, 1 c. 17, 4 Tiburnia heisst hier und ebenso 36, 4 p. 39, 10 der Ort I, Tigurnia II. Die correcte Benennung Teurnia (C. I. L. III p. 593) konnte füglich in Tiuurnia, Tiburnia übergehen; die andere Bildung ist sprachlich unmöglich.

37, 5 c. 19, 1 h(a)enum II, r(h)enum I: an den beiden anderen Stellen, wo der Inn genannt ist (16, 11. 39, 14), findet sich dieselbe Corruptel in CGr, aber nicht in L.

459 38, 14 c. 20, 1 per id temporis II, per ideni tempus I; per id

tempus scheint nothwendig. [idem in der Ausgabe.]

38, 16 c. 20, 1 ist zu schreiben: qua consuetudine desinente simul militares turmae sunt deletae cum limite, Batavino utcumque numero perdurante; durch richtige Interpunction wird die Stelle klar, delatae (V*M), was Hartel vorzieht, wird ausgeschlossen durch den zu per- durante geforderten Gegensatz.

39, 1 1 c. 21, 2 coegerunt I, elegerunt II: jenes ist vorzuziehen, da es die Worte populorum desideriis aufnimmt.

39, 14 c. 22, 1. 53, 12 c. 36, 1 Boiotro I und an der ersten Stelle N; baiothro M an der ersten Stelle, boit(h)ro an der ersten Stelle T, an der zweiten alle Hss. der zweiten Classe. Jene Forin steht der correcten Boiodurum näher.

39, 17 c, 22, 1 x>'^'oferebat WY gegen praeferebat I und N; jenes ist nothwendig, aber bei den regelmässig abgekürzten Präpositionen pro und prae hat der Zufall leichtes Spiel.

40, 2 c. 22, 2 Die Accusativform Febanem (MT) ist von Feha correct gebildet, wie Attilanem und Aehnliches häufig sich findet, wogegen febanum (I und N) nicht gebilligt werden kann. Auch die italische Chronik (I p. 312. 313) hat beide Formen und es ist dies kaum mehr als orthographische Variante.

40, 5 c. 22, 2 destituto II, destituta I unrichtig, [destitutum in der Ausgabe nach Mommsens Konjektur.]

42, 5 c, 24, 2 praesagio I, nuntio II: praesagium kehrt wieder | 51, 14. 63,2, nuntius ist wahrscheinlich Interpolation. |

42, 13 c. 24, 3 sed presbytero, was I und N nicht haben, kann | fehlen , da reliquis in dem folgenden p)i^ßsbytero retinenti einen ge- I nügenden Gegensatz hat; auch sprachlich ist die unmittelbare Wiederholung von presbytero nicht gerade empfehlend.

43, 17 c. 24, 3 vastantes I ist sicher dem vexantes der zweiten Classe vorzuziehen, das hier viel zu schwach ist.

44, 1 3 c. 27, 2 spe I, fehlt II fehlerhaft.

45, 10 c. 28, 1 praestruebat] II, perstruebat I; ebenso 48, 8 prae- struxit II, perstruxit I; umgekehrt 43, h praestructus J, perstructus U.

Eagippiaoa. 527

Es ist wohl überall praestriiere zu schreiben in der Bedeutung von 460 monere, certiorem f'acere.

47,19 c. 29, 3 ducatus 11 mit dem Capitelverzeichniss 10, 14, ductus I irrig.

51, 9 c. 31, 6 Vn romani (romam h) soU provinciam (-da CG) I, in romanis ad suas provincias TN, romanos ad suus provincias M. Es ist schwer zu begreifen, dass Knöll, anstatt der befriedigenden Lesung der guten Classe (vgl. 57, 14: emigrantes ad Romanam pro- vinciam) zu folgen, aus der sinnlosen der zweiten die Schlimmbesserung herausgearbeitet hat inde Romanos ad suas provincias.

51, 13 c. 32, 1 ^" qua I, quae II; jenes wird durch den Anon. Yales. bestätigt, hat aber dennoch bei Knöll der interpolirten Lesung weichen müssen.

51,21 c. 32, 2 integer inter tredecim et quattttordecim: so I und ebenso der Anon. Yales., nur dieser mit Weglassung von integer, das nicht fehlen kann wegen der folgenden Worte: annos videlicet integri eins regni significans. Dagegen fehlt in II das durch I und Yales. gesicherte inter und ist danach auch bei Knöll weggelassen ; da die dadurch entstehende Fassung integer tredecim et quatttwrdecim annos widersinnig ist, weil der Prophet das Ende im vierzehnten Regierungs- jahr anzeigen wiU, so wird weiter et geändert in vel, auch damit aber das Nothwendige nicht erreicht; denn .zwischen dreizehn und vierzehn' ist präcis, , dreizehn oder vierzehn' unklar.

52, 1 c. 32, 2 integri eius regni] U (integrum eins regnum M^ mit dem Yales., infegritatem eius regni I fehlerhaft.

52, 22 c. 35, 1 oculorum imhecilUtate plurimum praegravaius medelam . . . poscehat I, ocidorum imbecillitatetn plurimam jyatiehatur medelatnque . . . poscehat II. Die erstere Fassung ist correcter und gewählter.

53, 7 c. 35, 2 dedit opeiam corde magis uidere quam corpore 1; didendi 11 (fehlt N) für videre sieht nach grammatischer Correctur aus.

54, 10 c. 36, 3 diaholo NT, diaboli MI; jenes haben die besseren, dieses die schlechteren Handschriften des Sulpicius und vielleicht hat auch Eugippius die letztere Lesung befolgt, da er gleich darauf tentus mit denselben Handschriften liest gegen retentus der besseren.

54, 12 c. 36, 3 iUa II mit allen Handschriften des Sulpicius; fehlt in I, ohne Zweifel durch Yersehen.

56, IS und 23 c. 40, 1. 2 giso I, wie 23, 6 alle Handschriften haben, gisa hier II, weil der Frauenname auf o Anstoss gab. Auch Paulus bist. Lang. 1, 19, der hier den Eugippius ausschreibt, hat Giso geschrieben, obwohl diese richtige Form sich bei ihm nur in

528 Eugippiana.

einer einzigen Handschrift und in dem sehr alten Excerpt der gesta ep. Neap. erhalten hat.

461 60, 5 c. 43, 2 singulos I richtig, singulorum IL

60, 6 c. 43, 2 infimi ac tepidi I, inßrmi ac t. II; vgl. 57, 16: indignus et infimus.

62, 8 c. 43, 9 nobis vix respondenfibus I, nostris v. r. II. Diese Variante ist insofern sachlich von Belang, als nach der ersten Lesung Eugippius bei dem Tode des Severinus anwesend war, nach der zweiten dies nicht gesagt oder vielmehr ausgeschlossen ist. Nun war Eugippius nicht bloss sechs Jahre später bei der Oeffnung des Grabes anwesend (c. 44, 6), sondern hat auch den Severinus persön- lich gekannt (epist. ad Pasch. 1 0 ; Paschasii ep. 3) ; also ist die erste Lesung die angemessene. Wenn er bei der Berufung an das Sterbe- lager und bei dem Abschiedskuss sich nicht mit nennt, so ist daraus nur zu schliessen, dass er damals noch nicht zu den fratres gehörte, sondern in einer untergeordneten Stellung sich befand.

62, 11c. 43, 9 praeterire] I und N, praeteriri TM. Das Wort im Sinne von evanescere, perire findet sich ebenso 39, 18. 58, 17. 68, 15 in beiden Classen und gehört zu den zahlreichen Besonder- heiten der eugippischen Schreibweise.

64, 10 c. 44, 7 idem iter I, eundem iter II: solche Schnitzer macht Eugippius nicht.

64, 1 3 c. 44, 7 sancti itaque corpusculum ad casteUum nomine Mon- teni Feletem (felentem G) multis emensis regionihus apportatum est. So haben die guten Handschriften OLG in Uebereinstimmung mit dem Auszug in den Gesten der Bischöfe von Neapel und nach L Sauppe; Knöll streicht mit der geringeren Classe monteni und setzt für multis emensis regionibus mit derselben Mulsemensis regionis mit der Bemerkung, dass in mzdse mensis der Name einer italischen Region zu stecken scheine welche das sein kann, sagt er nicht, obwohl wir die italischen doch kennen. Gemeint ist, wie längst feststeht, der mons Feleter, die heutige Stadt S. Leo bei S. Marino. Erwähnt wird der Ort zuerst bei Prokop b. Goth. 1 , 11: eori de xa\ älla (pQovQia ovo Kaiorjvd (xaioiva die interpolirte Classe, xaoiva die bessere^ re xal Movxeq)EQerQa (so Comparettis V und alle besseren Handschriften, juovifjg (peQavrrjg die interpolirten), für welche letztere Form Comparetti MovrecpsQEjQov in den Text gesetzt hat. Weiter wird der Ort genannt bei dem Ravennaten p. 273: Monte Feletre (mons felleris Guido^ und in der Biographie Papst Stephans IL : 3Ionte Feretri oder Felitis (1 p. 454 Duch.). Die Gleichung des

462 Namens mit dem heutigen S. Leo beruht auf Liutprand (bist. Otton.

Eagippiana. 529

c. 6) und ist auch dadurch gesichert, dass das Gebiet Monte Feltre heisst, Noch heute giebt es in S. Leo eine Kirche des heiligen Severinus und wird jährlich sein Gedächtniss daselbst gefeiert ^. Bei Eugippius wird FeUtrem herzustellen sein. Die Weglassung von mofitem ist ebenso sicher ein Fehler der geringeren Classe wie die Substituirung des ungeheuerlichen mulsemensis regio anstatt des klaren und guten Texts der besseren Handschriften 2.

65, 2 c. 45, 2 reversus ad hospitium . . . interrogantis fuisset ex more nutu signoqtie ptdsatus, wie beide Classen haben, ist richtig und interrogantis mit nutu sigyioque zu verbinden; interrogatus (M), was Sauppe und Knöll aufgenommen haben, ist Interpolation.

65, 3 c. 45, 2 orasse et I richtig, orasset 11.

66, 6 c. 46, 4. 5. 6 tunc ... 23 rettidisse miraculu I; in der zweiten Classe fehlen diese zwei "Wundergeschichten und diese Ab- weichung ist auch in das Capitelverzeichniss übergegangen. KnöUs Argumente für die Unechtheit der in n fehlenden Stücke (S. 4S6) sind zwar weitläufig, aber unschlüssig. Wenn Eugippius den Bericht über die Wunder abschliesst mit den Worten multis plura scietitihts, so folgt daraus , offenbar' nicht, dass er selbst keine anderen kennt als die angeführten; der Gedanke ist vielmehr, dass er noch andere berichten und auch belegen könnte. Die Aeusserung verträgt sich auch vollkommen mit der in dem Brief an Paschasius enthaltenen, dass der Ueberbringer diesem noch eine Reihe anderer Fälle werde berichten können. Wenn an anderen ähnlichen Stellen der Biographie 463 der Autor nur ein einziges Beispiel wunderbarer Thaten des frommen Mannes anführt, so kann ihm darum doch nicht verboten werden

bei der vorzugsweise wichtigen fortwirkenden Wunderthätigkeit des Todten drei Fälle zu erwählen. Ebenso wenig folgt daraus, dass

1) G. B. Marini saggio di ragioni deUa cittä di S. Leo (Pesaro 1758) p. 322: II comune di S. Leo fa ogni anno un' oblazione per un uffizio di messa alla chiesa di S. Severino posta presso la cittä.

2) Knöll (S. 495) fordert zu castellum den Zusatz der Region : ,Eagippia8 konnte doch nicht voraussehen, dass der Leser oder auch nur Paschasius dieses fast nie erwähnte Castell kenne' als ob das Publicum des Eugippius nicht •Ortschaften genug gekannt hätte, die Knöll nicht finden kann. .Rathlos stehen ■«Tir vor dem Wort mulsemensis. Was verbirgt sich dahinter? Hier verlassen ims die Mittel der Nachforschung. 80 viel scheint aus dem Zusammenhang hervorzugehen, dass der Ort nicht weit von Neapel gelegen haben kann und dass daher an Monte Feltre in Umbrien nicht zu denken ist'. Warum der von der Donau nach Neapel gebrachte Sarg nicht eine Zeit lang in S. Leo gestanden liaben kann, ist ,aus dem Zusammenhang' nicht zu entnehmen; und darüber, ob auch femer an Monte Feltre gedacht werden kann, steht die Entscheidong in btzter Instanz nicht bei Pius Knöll.

MOJtMSEN, SCHR. VII. 34

530 Eugippiana.

er erklärt sich kurz fassen zu wollen, dass er nur eine Heilung berichten darf. Dass die Wendungen sich wiederholen, liegt in der Sache; warum es , läppisch und ungeschickt' sein soll, dass der Blinde, als der Leichenzug vorbeikommt, die Umstehenden fragt, was der Lärm bedeute, habe ich mich vergebens bemüht zu be- greifen. Nach meiner Ansicht giebt weder was der Abt des neapoli- tanischen Klosters von ^dem blinden Laudicius berichtet noch die . Erzählung von dem Kopfschmerz des Marinus primicerius cantorum sanctae ecclesiae Neapolitanae irgend begründeten Anstoss.

67, 1 c. 46, 6 scheinen die in I mangelnden Worte sunt curati et diversis ohstricti langorihus, namentlich nach Vergleichung der analogen 64, 15 nicht wohl fehlen zu können.*)

69, 19 ep. Pasch. 5 sertis decorati perennihus I passt vortrefflich zu der civica Corona, wogegen gestis II für sertis ungeschickt aus 69, 5 entnommen ist.

Von der Beurtheilung dieser Einzelfälle hängt das Gesammt- resultat ab.

1. Die Fehler der ersten Classe sind nicht bloss minder zahl- reich als die der zweiten, sondern fast durchgängig einfache Yer- schreibungen. Die sichersten und bedeutendsten sind 52, l integritatem für integri gegen den Text der Chronik und 54, 12 das fehlende illa gegen den Text des Sulpicius, weiter die übrigens in der Classe nicht durchgeführte Verwandlung des Aenus in den Rhenus (zu 37, 5). Die sonst vorher aufgeführten 27, 24. 34, 8. 38, 14. 39, 17. 40, 2. 5. 45, 10. 47, 19. 48, 8 (zu 45, 10). 67, l sind zum Theil unsicher und sämmtlich einfache Schreibversehen; von ab- sichtlicher Entstellung der Ueberlieferung ist diese Classe frei.

2, Wo bei Eigennamen Classenunterschiede hervortreten, hat durchaus die erste Classe die reine oder die reinere Form, die zweite die corrupte: so Titas Titis 1, 9; Ferderuchus Frede- ricus 12, 2; Materni Martini 35, 1; Tiburnia Tigurnia 36, 1; Boiofro Boitro 39, 14; Giso Gisa 5Q, 18. Dabei ist vor allem

464 bemerk enswerth, dass in drei von den sechs Fällen nicht einfache Schreibversehen vorliegen, sondern Interpolationen, da die Namen mehrfach mit derselben Differenzirung wiederkehren, Ferderuchus zum Beispiel und Fredericus ebenso im Capitelverzeichniss sich gegenüberstehen wie im Text. Also muss der Archetypus der einen

*) [In der Ausgabe setzte Mommsen die Worte nicht in den Text, weil er inzwischen festgestellt hatte, daß sie auch in den deutschen Hss. fehlen.]

Eugippiana. 531

Classe interpolirt worden sein; und allem Anschein nach ist dies der der zweiten gewesen.

3. Auch an anderen Stellen hat sicher Interpolation stattge- fiinden; so 4, 7 bei den allein in der zweiten Classe erscheinenden "Worten tarnen quid . . . tacebo; 13, 3 bei der Notiz über die Söhne Attilas; 66, 6 bei der in das Capitelverzeichniss übergegangenen Differenz der drei und der einen Wundergeschichte. Gleichartige, aber geringere Interpolationen begegnen oft, so 42, 5. 51, 9. 52, 22. 69, 19. Nicht um Schreiberversehen handelt es sich hier, sondern entweder der eine Text oder der andere ist absichtlich verändert worden. Meines Erachtens ist dies der der zweiten Classe; denn den Zusatz 4, 7 macht der Zusammenhang unmöglich und denjenigen 13, 3 die Yerwandtschaft mit Prosper mehr als verdächtig. Sauppe, der etwas von Kritik verstand, ist offenbar hauptsächlich durch diese Stellen zu seinem ürtheil über das Handschriftenverhältniss geführt worden; und wer nach diesem Urtheil jene Interpolationen wieder aufnimmt, weist sich damit ausreichend seinen Standpunkt an. Ueber den dritten Fall lässt sich aus inneren Gründen nicht entscheiden; aber die Yergleichung der beiden anderen spricht auch hier für die Ursprünglichkeit des Textes der ersten Classe.

4. Der erste Text ist bis in das achte Jahrhundert hinein be- glaubigt, während von den Besonderheiten des zweiten dies nicht erwiesen werden kann. Die in die italische Chronik aufgenommenen Stellen entscheiden insofern nicht rein, als dieser Text über unsere beiden Classen hinausreicht; 51, 13 si qua 1 (gegen quae U) und 51,21 inter I (fehlt 11) stimmt die Chronik mit I, dagegen 52, 1 integri II (gegen integritatem I) mit 11. Aber die Eigennamen Ferderuchus und Giso so wie den mmis Feleter geben die gesta episc. Neap. in den Formen der ersten Classe.

Es liegen uns also wohl zwei von einander unabhängige Texte vor, aber nicht zwei gleichwerthige, sondern ein reiner hier und da durch kleine Schreibfehler entstellter und ein mehrfach schwer inter- polirter. Jenem ist Sauppe gefolgt, obwohl er ihn nur unvollkommen kannte; diesem folgt Knöll, obwohl er beide kennt, ja den ersten 465 uns zuerst in besserer Gestalt kennen gelehrt hat. Er folgt ihm so blind, dass er auch da an der zweiten schUmmbessert (51, 9), oder verzweifelt (64, 13), wo der bessere Text das einfach Richtige bietet.

An dieser Auffassung wird auch die Untersuchung der deutschen Handschriften nichts "Wesentliches ändern, die allerdings, wie schon bemerkt ward, noch aussteht.*) Sauppe hat von einer derselben

*) [Die zweite Abhandlung (s. o. S. 521*) hat dies Urteil bestätigt.]

34*

532 Eugippiana.

eine umfassende Probe gegeben und danach alle als werthlos be- zeichnet, KnöU sie in Folge dessen vollständig ignorirt. Damit sind sie nicht erledigt. So weit ich Handschriften dieser Kategorie unter- sucht habe, sind sie nicht contaminirt, sondern in sehr verschieden- artiger und arger Interpolation aus einem und demselben Archetypus abgeleitet, welcher selbst zwar auch übel interpolirt ist, aber weder auf die eine noch auf die andere Classe der italienischen Hand- schriften zurückgeführt werden kann, sondern eine selbstständige Stellung einnimmt und, wenn er auch kaum wesentliche eigene Text- verbesserungen giebt, doch vielleicht in manchen Fällen, wo die beiden italienischen Classen sich gegenüberstehen, die Entscheidung geben wird. Indess wird diese noch nicht abgeschlossene Unter- suchung das Gesammtergebniss nicht verschieben.

Ist die Sachlage in der bisherigen Darlegung richtig entwickelt, so ergeben sich daraus für die Kritik der Biographie zwei weitere Gesetze oder vielmehr dasselbe Gesetz in zwiefacher Anwendung, einmal dass jede Lesung einer Einzelhandschrift, wenn die anderen derselben Classe mit der anderen Classe übereinstimmen, Schreib- fehler oder Interpolation ist, zweitens, dass die Lesung, in welcher die eine Classe mit einer Einzelhandschrift der anderen übereinstimmt, die des unseren beiden Recensionen zu Grunde liegenden Archetypus ist. Natürlich ist dabei abzusehen von geringfügigen und nicht noth- wendig auf Gleichheit der Vorlage zurückgehenden üebereinstim- mungen. Bei der Durchsicht des Knöllschen Apparates, welcher durch die gedankenlose Aufnahme auch der gleichgültigsten ortho- graphischen Differenzen übel verdunkelt wird, übrigens aber durch- aus gewissenhaft und zuverlässig erscheint, habe ich beide Conse- quenzen der vorher entwickelten Auffassung bewährt gefunden.

Die Werthlosigkeit aller Yarianten nicht der Classe, sondern des einzelnen Exemplars, hat der Sache nach im Wesentlichen auch KnöU anerkannt, indem er diesen zwar in seinem Apparat den 466 breitesten Raum gewährt, im Text aber davon nur in einem Fall Gebrauch gemacht hat, und hier mit Unrecht, c. 9 p. 25 fragt der auf Anordnung des Severinus gelöste Gefangene dessen Abgesandten, ob er ihn nicht zu diesem Gottesmann führen könne, dem er an- gewiesen sei Märtyrerreliquien zu übergeben. Tunc, heisst es weiter, nuntius hominis dei eins se aspeciihus praesentavit, qui debito sancto- rum Gervasii et Profasii martyruni reliquias honore suscipiens in hasilica . . . collocavit. Dies ist entweder schlecht erzählt oder lücken- haft; der Abgesandte muss nicht sich, sondern den Bringer der Keliquien dem Severinus vorstellen oder auch von dem Träger die

Engippiana. 533

Reliquien in Empfang nehmen und dann sich mit diesen zum Seve- rinus begeben. Aber -wenn die schlechteste der zugezogenen Hand- schriften, die Mailänder, nach praesentavit einsetzt: reliquiasque sanctorum ah eo suscipiens viro dei detidit, so ist damit die Confusion nur gesteigert, da ab eo auf den Bringer bezogen werden muss, vorher aber nur Severinus imd dessen Bote genannt werden; allem Anschein nach ist hier die Correctur eines Abschreibers mit der überlieferten Lesung übel cumulirt und soll es etwa heissen: tunc nuntius hominis dei reliquias sanctorum ab eo stisceptas viro dei detidit unter Streichung der folgenden Worte. Dass Sauppe und nach ihm Knöll jenen schlechten Flick haben stehen lassen, kann nicht gebilligt werden; ob eine Lücke anzunehmen ist, steht dahin. [Ygl. die Ausgabe S. 21, 10 mit der krit. Anm.]

Wichtiger ist die zweite Regel , dass bei Differenzen zwischen CG und L die zweite Classe, bei Differenzen zwischen T xmd N und M die erste entscheidet. Dass dies nicht auf jede kleine Variante erstreckt werden darf, ist schon gesagt worden. 16, 3 steht male partis CG, male paratis in L und der zweiten Classe; dies Zusammen- treffen kann zufällig und jene Lesung die echte sein. 25, 4 ist studiosms wahrscheinlich mit CL zu schreiben, obwohl G mit der weitezn Classe studiosus hat: denn dieser Gebrauch des Comparativs^ gehört zu den Besonderheiten der nicht selten eigenartigen eugippi- schen Schreibweise^. Die Formen mensuum 44, 2 und ossuum 21, 11 467 hat Knöll mit Recht nach II in den Text genommen, obwohl mit I M dafür die gewöhnlichen setzt. Aber von solchen Minutien ab- gesehen, ist die gegenseitige Correctur von CG und L durch die zweite Classe evident und nützt diese Classe überhaupt der Kritik mehr dadurch als durch die ihr eigenen Lesungen. Eher könnte bestritten werden, dass der Zutritt einer Einzelhandschrift der zweiten Classe zu der ersten für diese entscheidet; aber bei keiner der drei zugezogenen begegnen Spuren von Dittographie oder Contamination und da sie von einander unabhängig sind, so können die Lesungen des Originals in jeder selbstständig bewahrt sein. Einige Beispiele mögen dies erläutern.

1) animo promptiore mandavit 2, 1 (in II herauscorrigirt) citius 14, 4. 52, 2 evidentius 16, 15 vehementius 20, 5 maturiiis 25, 12 soUicitius 26, 9 religiosius 29, 2 attentius 31, 7 vdocius 42, 5 instantius 42, 9. 43, 4 inixius 58, 15. 23 celebrius 69, 14.

2) Eine der merkwürdigsten Eigenthümlichkeiten ist, wie Sauppe nach- j-ewiesen hat, in den Ortsnamen der constante Gebrauch des indeclinabel be- landelten Ablativs, Batavis fär Batav-, Boiotro für Boiodur- u, s. w. Die einzige i.Qsnahme macht Lauriacum, welches daher in regelmässiger Weise flectirt wird.

534 Eugippiana.

I mit T gegen NM:

5, 2 iadantiam] iactandam NM 33, 6 alluuione] illuuione NM 39, 11 sacerdotii] sacerdotis NM

45, 9 hortatibus] hortafionibus N, oracionibus M I mit N gegen TM:

13, 13 quadam die] quodam die TM

14, 18 quidam] quidem TM

42, 13 sed x>resbyter6\ TM, während N mit I die Worte

wegläset 44, 1 3 omnes] I N, fehlt TM

50, 1 ex quibus unum erat favianis] I N, fehlt TM 56, 18. 23 giso] I N, gisa TM 65, 17 lucullano] I N, luca(l)lano TM I mit M gegen TN;

16, 4 diu denegata] CG, diu negata LM, dure negata TN 29, 17 inuisendi] inuisendae TN 44, 20 induiiis] indiciis TN 64, 10 idem] eiundem TN Die Verderbnisse des Archetypus der zweiten Classe gegenüber der ersten sind wahrscheinlich zum Theil im Wege der Aenderung entstanden und in diesem Fall in verschiedenem Umfang in die Abschriften übertragen worden. Es ist danach auch die Heranziehung des Vallicellianus durch Knöll wohl gerechtfertigt.

Derjenige Text der Biographie, den wir mit unseren Hülfs-

468 mittein herzustellen vermögen, erscheint auffallend rein. Sicher

verdorbene Stellen, die durch die handschriftlichen Lesungen nicht

zu bessern sind und als Fehler des Archetypus angesehen werden

müssen, begegnen in verschwindend geringer Zahl^.

6, 2 et] ut

11, 11 ajfectum] effectum (vgl. 53, 9)

28, 10 satis factionibus] satis actionibus (so ist wohl zu

schreiben) 33, 15 eher fluvius zu tilgen als inferius zu ändern [In der

Ausgabe S. 27, 4 fluvius .... erat inferius im Text] 37, 22 pro re qua] re pro qua

1) Unnöthige oder irrige Aenderungen sind nach meiner Ansicht vor- geschlagen für dicturos 3, 24 (oben S. 456 [523 f.]) ducenta 47, 12, was wohl sachlich Anstoss giebt, aber darum aus der Wiedergabe einer mündlich um- laufenden Wunderanekdote nicht herauscorrigirt werden darf simplicibus 61, 3 interrogantis 65, 2 (vgl. S. 462 [529]) priorum 68, 14.

Eugippiana. 535

38, 7 regis] regi

46, 1 2 stiUa] situla (?)

64, 13 fehtem] feletrem (oben S. 461 [528]). Auch die Orthographie des Urexemplars, so weit sich diese aus der Ueberlieferung erkennen lässt die üblichen Schnitzer der Schreiber des zehnten und elften Jahrhunderts kommen natürlich nicht in Betracht ist derart, wie sie dem Zeitgenossen Cassiodors und einem gebildeten Geistlichen wohl beigemessen werden kann: ohoedire, spiritalis, internicio, Danuvius ^ hat das Urexemplar correet geboten imd mit Ausnahme von locusta statt lucusta wüsste ich keine Fehlschreibung unserer Handschriften zu bezeichnen, die sich mit Wahrscheinlichkeit auf den Archetypus unserer beiden Recensionen zurückführen Hesse. Bei dieser Schrift des sechsten Jahrhunderts haben zwischen dem Original und unseren Abschriften vermuthlich nm* wenige Zwischenglieder gelegen.

1) Daniibius ist fast constant in CG, umgekehrt Danuvius sowohl in L wie in der zweiten Classe, die überhaupt in der Orthographie dem Original wohl näher steht als die sonst bessere.

LXIV. Über den Chronographen vom J. 354.*)

549 Unter den auf uns gekommenen Ueberlieferungen aus dem

römischen Alterthum nimmt nicht die letzte Stelle ein Sammelwerk aus der Mitte des vierten Jahrhunderts ein, welches ohne allen An- spruch auf litterarisches Verdienst nur zum unmittelbar praktischen Gebrauch compiliert worden ist, aber manche wichtige historische Daten uns erhalten hat. Es finden sich darin Verzeichnisse der römischen Consuln, Stadtpräfecten und Bischöfe, eine Ostertafel, eine kurze Weltchronik, eine nach den Königen und Kaisern geordnete Stadtchronik von Rom, eine Beschreibung der Stadt, ein wenn nicht heidnischer, so doch wenigstens nicht christlicher Kalender, ein Ver- zeichniss der Gedächtnisstage der römischen Bischöfe und Märtyrer, das in gewissem Sinne die Grundlage des spätem christlichen Kalenders geworden ist ; so dass die ganze Sammlung als ein Noth- und Hülfsbüchlein für den Gebrauch der Stadt Rom erscheint. Wenn nun gleich seit drei Jahrhunderten diese Sammlung vielfältig benutzt, die einzelnen Stücke zum Theil, wie z. B. das Consulnverzeichniss und der Papstkatalog, sehr ausführlich bearbeitet worden sind, so hat doch noch Niemand es der Mühe werth gefunden die ganze Sammlung einer kritischen Untersuchung zu unterwerfen und die Ueberlieferung, die Redaction und die Quellen derselben im Zu- sammenhang zu prüfen; ja man hat nicht einmal alle Stücke der Sammlung publiciert. Desshalb schien es zweckmässig hier, mit

*) [Abhandl. der Sachs. Ges. d. Wissensch. Bd. 2, 1850, S. 547— 693. Von dieser Abhandlung sind hier nur diejenigen Abschnitte abgedruckt worden, die nicht von Mommsen selbst in seine Ausgabe (Chronica minora I Berl. 1892) auf- genommen worden sind und daher ihren selbständigen Wert behalten haben. Der 'Anhang' Über die Quellen der Chronik des Hieronymus folgt gesondert als Nr. LXVII.]

über den Chronographen vom J. 354. 537

Ausnahme allein des Kalenders, der in der Sammlung der römischen Kalender seinen Platz finden wird,*) und der Stadtbesehreibung, welche nicht in diesem Sammelwerk allein erhalten und kürzlich erschöpfend bearbeitet worden ist,**) die sämmtlichen gedruckten und ungedruckten Stücke der Sammlung nach den Handschriften vollständig mitzutheilen. Die Einleitung wird über die Handschriften und Ausgaben das Nöthige zusammenstellen und hieran die Unter- suchung über Zweck und Material der Redaction anschliessen ; in dieser Beziehung werden auch der Kalender und das Regionen- verzeichniss Berücksichtigung finden,***)

m. 564

Die Bestandtheile der Sammlung, f) Wir wenden ims zu den Bestandtheilen der Sammlung unseres Chronographen, die wir zunächst einzeln betrachten wollen in der Ordnung der Wiener Handschrift als der vollständigsten von allen, jedoch mit Beseitigung der offenbaren Yersetzungen.

L Der Kalender. ff) 565

Der Kalender unserer Handschrift befasst nicht bloss die ge- wöhnlichen zwölf Monatstafeln, sondern folgende Stücke:

1) ein mit Zeichnungen fff) verziertes Titel- und ein ähnliches Schlussblatt, wovon das letztere allein in Peiresc's Kopie erhalten iät, das erstere auch in der Wiener und Brüsseler Abschrift sich findet (s, die Beschreibung oben S, 554. *t) 555). Das Titelblatt nennt den dem das Buch gewidmet war: VALENTINE LEGE FELICITER, VALENTINE FLOREAS IN DEO (dies auch im Monogramm),

*) [C. I. L. I S. 334ff. u. I* S. 256 ff.]

**) [L. Preller, Die Regionen der Stadt Rom, Jena 1846. Neuere Bearbeitung TDn Jordan. Topographie der Stadt Rom 11 Berlin 1871 und Forma urbis Romae regionum XIV, Berlin 1874.]

***) Es folgt auf S. 550 561: ,1. Die Handschriften': vgl, Chron. a. a. 0. S. 17—34, sowie auf S. 561—564: „11. Die Ausgaben": vgl. ebd. S. 34—36.] t) [Vgl. 0. Seeck in Pauly-Wissowas Realenzykl. III, 1899, Sp. 2477 ff.] tt) [Nach dieser Überschrift und den folgenden (II XI) machte Mommsen jedesmal Angaben über das Vorkommen der betr. Abschnitte in den Hand- schriften und älteren Ausgaben. Diese Bemerkungen sind nicht wieder ab- gedruckt worden.]

ttt) [Die hier und im Folgenden erwähnten Zeichnungen sind reproduziert vcn J. Strzygowski, Die Calenderbilder des Chronogr, vom J. 354, Jahrb. d. areh. Inst., I. Ergänzungsheft, Berl. 1888.]

*t) [Die Beschreibung steht in dem hier weggelassenen Abschnitt L]

538 Über den Chronographen vom J. 354.

VALENTINE VIVAS FLOREAS, VALENTINE VIVAS GAVDEAS

und den Verfertiger des Titelblatts so wie der übrigen Zeich- nungen, die das Buch illustrieren: FVRIVS DIONYSIVS FILOCALVS TITVLAVIT. Das Schlussblatt stellt zwei Kaiser dar, den einen sitzend mit dem Diadem und dem Nimbus, den andern stehend ohne Diadem mit dem Nimbus allein.*)

2) Die natales Caesarum. d. h. derjenigen Kaiser, die consecriert waren und deren Geburtstage gefeiert wurden, gleichfalls auf einem mit Zeichnungen verzierten Blatte, das Peiresc allein uns erhalten hat ^ Man sieht darauf das Brustbild des Kaisers mit dem Phönix auf der Weltkugel, einen Typus, der zuerst auf den Münzen der jüngeren Söhne Constantins des Grossen vorkommt (Eckhel VIII p. 111. 504 [Cohen, med. imp.^ VII p. 406]); ferner die Bilder der vier Haupt- städte des römischen Reiches, wobei merkwürdiger Weise neben Rom Constantinopel und Alexandria nicht Antiochia, sondern an dessen Stelle Trier erscheint.**) Eine Beischrift lautet: SALVIS AVGVSTIS FELIX VALENTINVS.

3) Der Kalender selbst besteht aus zwei Abtheilungen: einem astronomisch - astrologischen und einem bürgerHchen Kalender. Ich lasse hier den noch ungedruckten Text des astronomischen Kalenders

566 nach der Brüsseler Handschrift folgen; die dazu gehörigen Flaneten- bilder***) finden sich unter Aleanders Nachlass in der Barberina. Jupiter und Venus fehlen. Die Wiener Handschrift hat diesen ganzen Abschnitt ausgelassen, f)

*) [Gemeint sind der Augustus Constantius und der Caesar Gallus, vgl. Chron. S. 37.J

1) Den Text der natales hat auch die Brüsseler Abschrift. Der Wiener Abschreiber Hess die Tafel wohl weg, weil die natales Caesarum im Kalender selbst sämmtlich wiederkehren , nur dass L. Verus und Trajan zufällig aus- gelassen sind. Die Tage des Regierungsantritts (d. h. der Erhebung zur Caesarwürde) finden sich erst seit Constantin dem Grossen in den Fasten und Kalendern gleichfalls als natales verzeichnet; die Fasten des Idatius und unser Kalender zeigen durch ihre Uebereinstimmung, dass dies eine neue im vierten Jahrhundert aufgekommene Form officieller Komplimente war. Auf diese natales bezieht unser Verzeichniss sich nicht.

**) [Hierfür gibt Mommsen a. a. 0. S. 40 einen Erklärungsversuch.] ***) [S. 0. S. 537ttt-]

t) [Dieses Stück hat Mommsen in den Chronica zwar wiederholt, es mußte hier aber wieder abgedruckt werden zum Verständnis der folgenden, in den Chron. nicht wiederholten Erläuterungen, auf die Mommsen selbst a. a. 0. S. 46 mit folg. Worten verweist: '(?e Iwrum laterculorum usu quae dixi in editione. Chronographi p. 567 seq., nee repetere huius loci est neque auger e; unum adäe

über den Chronographen vom J. 354.

539

Noct.

Diur.

Noct.

Diur.

I Mar.

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Saturni dies k. Sb<urm dies horaque eins cum erit nocturna site ditima, omnia obscura Idboriosaqiie fiunt: gut nascentur peri- ctilosi erunt; qui recesserit non invenie- tiir; qui decubuerit periclitabitur ; furtum factum non invenietur.

Martis dies h. Martis dies horaque eius cum erit noc- turna sive diuma, nomen militiae dare, arma militaria comparare utile est. qui nascentur periculosi erunt; qui recesse- rit non invenietur; qui decubuerit peri- clitabitur ;* furtum factum non invenietur.

Koct.

Diur.

I Sat.

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Mer.

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Diur. I Lun. n Sat. m lott. im Mar. V Sol. VI Veti. vn Mer. vin Lun. villi Sat. X lou. XI Mar. xn Sol.

Mercuri dies c. Mercuri dies horaque eius cum erit n-Ktuma sive diuma, t-üicum actorem institorem in negotio ponere utile est. qti nascentur vitales erunt; qui reces- serit invenietur; qui decubuerit cito con- valescet; furtum fact%im invenietur.

Lunae dies c. Lunae dies horaque eius cum erit nocturna sive diurna, stercus in agro mitter e, putea cisternas fabricare utile est. qui nascentur vitales erunt; qui recesserit invenietur; qui decubuerit con- t; furtum factum invenietur.

sifälis laier culi frustulum repertum esse lapidi incisum Poientiae in Piceno C. I. L. vol. IX n. 5808.* Der oben abgedruckte Text ist der aus einer inzwischen gefundenen Hs. von St Gallen korrigiert« und ergänzte der Chronica S. 42 ff.]

540 Über den Chronographen vom J, 354.

567

Noct.

Diur.

I Mer.

c

I

Sol. c

II Lun.

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B

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V

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B

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Mar. N

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X

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B

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XII il/ar.

N

xn

Sat. N

(SoZis dies c. Solis dies horaque eius cum erit nocturna sive diurna, viam navigium ingredi, navem in aquam deducere utile est. Qui nascentur vitales erunt, qui recesserit invenietur , qui decvbuerit convalescet, furtum factum invenietur.

laterculus deficit

lovis dies b.

lovis dies horaque eius cum erit nocturna sive diurna,

beneficium petere, cum potente colloqui, rationem reddere i,

utile est. qui nascentur vitales erunt; qui recesserit cito |

invenietur; qui decubuerit convalescet; furtum factum in- >)

venietur. |

laterculus deficit |

Veneris dies b. ,^

Veneris dies horaque eius cum erit nocturna sive diu/rna, |

sponsalia facere, pueros puellas in disciplina mitter e utile ^:

est. qui nascentur vitales erunt; qui recesserit invenietur; '

qui decubuerit convalescet; furtum factum invenietu/r. J

Jedem Tag und wieder jeder Stunde ist beigefügt, welcher der sieben Planeten regiere und welchen Einfluss er übe; dabei sind Saturn und Mars mit N, Sol, Luna, Mercur mit C, Venus, Jupiter

mit B bezeichnete Dies erklären Servius (in Yirg. Georg. I, 335): j

de planetis quinque duos esse noxios Martern et Saturnum, duos bonos >

lovem et Venerem, Mercurius vero talis est qualis üle cui iungitur; und ;

Plutarch de Iside c. 48: XaXdaToi de tcöv nXavrjx&v rovg d'eovg ysvEO^ai \

ovg xakovoi ovo juev äyad^ovQyovg , ovo de xaxonoiovg, /ueoovg '

de Tovg rgeig anocpaivovGi xal xoivovg. N ist also noxius, B bonus,

1) Lersch's Aufsätze über den planetarischeu Götter kreis (Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr. im Rheinland IV, S. 147 176. V. VI, S. 298—314. VIII, S. 145— 152) sind mir bei dieser Auseinandersetzung sehr nützlich gewesen.

über den Chronographen vom J. 354. 541

C communis. Hiernach sind sie auch geordnet, so dass die noxii Saturn und Mars beginnen, die communes folgen, Mercur, Luna, Sol; die honi, Yenus und Jupiter fehlen in der Lücke*) ähnlich wie auf der alexandrinischen Münze des Antoninus Pius (Barthelemy Acad. des inscr. et b. 1. XLI p. 502 pl. I n. 11. Eckhel D. K lY p. 70): Saturn, Mars Sol, Luna, Mercur Yenus, Jupiter. In welcher Art der Planet seinen Einfluss geltend mache, wird bei jedem Tage am Schluss kurz angegeben. Die Yertheilung der Stunden imd Tage der planetarischen Woche unter die sieben Planeten ist nach dem von Dio Cassius 38, 19 und Paulus Alexandrinus {ajioxeXeafiatixri Yiteb. 15S8 fol. 31, angeführt von Ideler Chronol. I, 179, vgl. II, 177) dargestellten ursprünglich ägyptischen 568 und von dort aus in Rom eingebürgerten System gemacht. Die Stunden des Tages und der J^acht werden vertheüt unter die sieben Planeten in der Reihenfolge ihrer Umlaufszeit, so dass Saturn, der ' die längste Bahn hat, die erste, Jupiter, Mars, Sol, Yenus, Mercur die folgenden, endlich Luna, deren Bahn die küi-zeste ist, die siebente Stunde beherrscht; worauf dann derselbe Reihenlauf bei Saturn wieder beginnt. Der Planet, welchem die erste liora diurna jedes Tages zufällt, beherrscht den ganzen planetarischen Tag, d. h. nicht die folgenden 24 Stunden, wie Ideler T, 181 und Lorsch a.a.O. lY S. 154 annehmen, sondern die zwölf vorhergehenden Nacht- und die zwölf folgenden Tagesstunden, wie ein Blick auf unsre Tafel lehrt, die den Tag beginnt von der ersten Nacht- und benennt von der ersten Tagstunde. Der planetarische und astrologische Tag begann also nicht wie der bürgerliche der Römer und Aegypter um Mitter- nacht (Ideler I S. 100), sondern mit Sonnenuntergang, und zwar ohne Zweifel mit dem wirklichen, nicht einem mittleren, so dass die liorae diurnae und nocturnae der Astrologen je nach der Jahreszeit von verschiedener Dauer waren (vgl. Ideler I S. 87). Dadurch recht- fertigt sich die Angabe, in der Serv. ad Aen. Y, 738, Lydus de mens. p. 13 Schow [II 2 p. 19 Wünsch] und Isidor etym. Y, 30 über- einstimmen, dass der ägyptische Tag mit Sonnenuntergang beginne. Ideler I S. 100 verwirft diese Notiz, da sie auf den bürgerlichen Tag der Aegypter nicht passt; allein dies secundum Äegyptios kann in dieser Zeit sehr wohl den Tag nach astrologischer Rechnung bezeichnen, und ist insofern ganz richtig. Aus dieser Yertheilung der Stunden und der daraus hervorgehenden der Tage unter die

*) [Die Lücke ist in den Chronica S. 45, wenigstens für die Subskriptionen, aus der St. Galler Hs. ergänzt worden.]

542 Über den Chronographen vom J. 854.

Planeten nach der Reihenfolge der Umlaufszeit entwickelt sich die Reihenfolge der Wochentage, wie wir sie im Wesentlichen noch jetzt befolgen *) Wenn die erste Tagesstunde des ersten Tages nebst den 11 folgenden dem Saturn gehört, so fällt von den folgenden 24 Stunden die 13. oder die erste hora diurna auf den Sol, und so fort auf Luna, Mars, Mercur, Jupiter, Yenus, bis mit dem Ende der zwölften hora diurna des siebenten Tages die erste Woche ab- gelaufen ist.

Zu dem astronomischen Kalender gehören ohne Zweifel noch die Bilder des Thierkreises, welche ohne weiteren Text wie es scheint sich in der Handschrift gefunden haben und durch Peiresc aufbewahrt worden sind. Neben diesem astronomisch -astrologischen Kalender, der die Monde nach dem Zodiacus, vor allem aber die 569 Tag und Stunde regierenden sieben Planeten verzeichnet, steht der bürgerliche Kalender, der die einzelnen Tage der zwölf Monate mit ihren Festen aufführt und in den Bildern der Monate die Beschäf- tigungen jeder Jahreszeit in Haus und Feld symbolisch darstellt; ganz wie der Kalender, der im Triclinium des Trimalchio auf den beiden Thürpfosten auf zwei Tafeln gemalt war (Petron. c. 30). Die eine enthielt einen bürgerlichen Kalender, wie die parodierende Inschrift: HI. ET. PR. K. lAN. C. NOSTER. FORAS. CENAT beweist; die zweite einen astronomischen: altera (inscriptum hdbebat) lunae cursum (die zwölf Zeichen des. Thierkreises) stellarumque Septem imagines pictas (die Planeten), et qui dies honi quique incommodi essent distinguente hulla notahantur die dies honi und noicii waren durch Nägel oder Buckeln ausgezeichnet. Noch anschauhcher stellt sich uns dieser astronomisch -bürgerliche Kalender auf einer Zeichnung dar, die in den römischen Titus[vielmehr: Trajan]thermen auf der Wand eingeritzt gefunden worden ist ^. In einem viereckigen Rahmen erscheinen hier in oberster Reihe die sieben Planeten neben

*) [Mommsen ist in der Röni. Chronologie«, Berl. 1859, S. 313 f. kurz hierauf zurückgekommen. Vgl. jetzt auch A. Bouche-Leclercq, L'astrologie grecque» Paris 1899, S. 476 ff.]

1) Guattani mem. enciclopediehe suUe ant. e belle arti di Borna, vol. 6 (1816) i Roma 1817. p. 160 f. Le antiche camere Esquüine dette comunemente delle terme j di Tito dis. ed ill. da Ant. de Romanis Roma 1822 fol. p. 12. 21. 59. Die Wand | zeigte unter verschiedenen Kritzeleien, wie ACHILLIS VIVAS u. dgl. (Guattani j p. 163), diesen Kalender, welcher, als auf derselben Wand christliche Fresken j die h. Felicitas mit ihren Kindern darstellend gemalt wurden, absichtlich nicht | übermalt ward, offenbar weil er auch für den kirchlichen Gebrauch diente (Guattani p. 161). [Vgl. Jordan -Hülsen, Topographie d. Stadt Rom 13, Berl. 1907, S. 311 Anm. 68.]

über den Chronographen vom J. 354. 543

einander; Saturn (zerstört) Sol Luna Mars Mercur Jupiter (zerstört) Venus; darunter die zwölf Zeichen des Zodiacus im Kreise, bezeichnet mit den Anfangsbuchstaben Xries Taurus Gemini Kancer Leo Birgo hibripens Scorplus Sagittarius Kaper Aquarhis Fisces; neben diesem rechts die Tage I— XY, links XYI— XXX. J^eben jedem Wochen- tag, Monatsstembild und Monatstag ist ein Loch, in deren einem sich ein beinerner Knopf fand; durch das Umstecken dieser Knöpfe gab man Monat, Wochentag und Monatstag an für den 31. Tag findet sich zwar keine Nummer, aber ein überzähliges Loch zwischen XXYTTTT und XXX. Noch in diesem compendiösesten aller Kalender finden sich wesentlich dieselben Bestandtheile wie in dem ausführ- lichen Kalender unserer Handschrift.

4) Der bürgerliche Kalender in zwölf Monatstafeln, ohne Zweifel der officielle Kalender, wie er im römischen Reiche galt, nachdem das Heidenthum durch Constantin den Grossen aufgehört hatte Staats- 570 religion zu sein und ehe das Christenthum Staatsreligion geworden war; die eigentlichen Opfer und heidnischen Ceremonien sind aus demselben gestrichen und die ursprünglich dem Cultus der Götter bestimmten Tage nur als dies feriati ohne religiöse Bedeutung bei- behalten, namentlich aber die Spiele unverändert geblieben. Neben der achttägigen römischen Woche ist die siebentägige planetarische in den Kalender aufgenommen; die Bezeichnung der Tage als fasti nefasti u. s. f. ist verschwunden, wofür die Tage des senatus legitirmis angemerkt sind. Auch das Eintreten der Sonne in die Zeichen des Thierkreises und in die Solstitialpuncte und die unheilbringenden Tage (dies Aegyptiaci) sind verzeichnet; andre Notizen, wie canna intrat, arhor intrat sind aus dem cal. rusticum entlehnt. Ton christ- lichen Gebräuchen ist nirgends eine Spur. Es ist indess hier nicht der Ort auf diese wichtige Urkunde einzugehen, die in der von mir beabsichtigten Sammlung der römischen Kalender ihre geeignete Stelle finden wird;*) vergl. vorläufig die Berichte der sächs. Ges. der Wiss. phil. bist. Gl. 1S50 S. 63flF.**) Hier sei nur erwähnt, dass die Berner Handschrift am Schluss des December die Worte hat: QYAE SIS QYAM YIS ANNYM CLAYDERE POSSIS, wovon viel- leicht die erste Hälfte mit dem gegenüberstehenden das Bild des December darstellenden Blatte verloren gegangen ist. Beigegeben sind dem Kalender die Bilder der zwölf Monate mit erklärenden

*) [S. 0. S. 537*.]

**) [Epigraph. Analekten 8 ; wird in den Epigraph. Sehr. Bd. I abgedruckt werden.]

544 Über den Chronographen vom J. 354.

Tetrastichen; letztere indess finden sich nur*) in der Brüsseler Handschrift und zwar auch hier nur für Febr. Sept. Nov. Dec. Yoll- ständig sind sie in verschiedenen Catalectenhandschriften erhalten^, woraus schon Pithöus sie entlehnt hat; den vollständigsten Apparat giebt Burmann in der Anthologie II p. 360 sq. [Baehrens, Poet. lat. min. I p. 206 sq.]**)

572 n. Annalen von Cäsar bis 539 n. Chr., die Consulate mit einigen historischen Notizen enthaltend.

Ein kürzeres und geringeres Exemplar derselben Annalen, welche unter VIII wieder vorkommen; s. daselbst.

III. Consularfasten vom Beginne des Consulats bis 354 n. Chr. (der sog. anonymus Norisianus).

Dies Consularverzeichniss***) ist das vollständigste und zuver- lässigste aller handschriftlich erhaltenen. Zu verbinden damit sind die Consularkataloge , die bei der Ostertafel (IV) und dem Ver- zeichniss der Stadtprafecten (V) vorkommen, so wie die zerstreuten Angaben von Consulaten im Papstverzeichniss (VII) und sonst, indem alle diese auf ein und dasselbe Exemplar der Fasten zurückgehen und den unter III gegebenen Text hie und da berichtigen und ver- vollständigen. — Beigefügt ist die Angabe der Schaltjahre nach dem 84 jährigen Cyclus, ferner der Wochentage, auf die der erste Januar fällt und des Mondalters am 1. Januar, wonach man die Ostern jedes Jahres berechnen kann. Vgl. über diese astronomischen Daten Ideler Chronol. II, 238 f.; bemerkenswerth ist, dass die Mondalter nur für den letzten Cyclus 298 n. Chr. f. einigermassen mit den mittleren Bewegungen des Mondes übereinstimmen, während sie in den früheren Cyclen stark und je weiter man zurückgeht immer stärker diffe- rieren — zum deutlichen Beweis, dass sie nur für den letzten Cyclus auf unmittelbarer Beobachtung, für die früheren dagegen nur auf unvollkommener Zurückrechnung beruhen. Dass diese Fasten im J. 354 geschrieben sind, lehrt der Augenschein.

*) \yg^- jedoch Chronic, a. a. 0. S. 48.]

1) Mit der Ueberschrift tetrasticum autenticum de singulis mensibm z. B. in einer Handschrift von Avranches saec. XII (Ravaisson rapport sur les bibl. des dep. p. 124). [Vgl. Chronic, a. a. 0. S. 33.]

**) [Hier folgt auf S. 570—71 eine Bemerkung über die Entstehungs- zeit des Kalenders. Da Mommsen seine damalige Ansicht in den Chronica S. 37 korrigiert hat, ist diese Bemerkung hier weggelassen.] ***) [Vgl. C. I. L. S. 483 f. P S. 81 f.]

über den Chronographen vom J. 354. 545

lY. Yerzeichniss der Ostertage vom J. 3 1 2 auf 100 Jahre berechnet; Anhang zu n. III.

Die ursprünglich beabsichtigte Ordnung dieses durch Abschreiber und Ergänzer sehr verunstalteten wichtigen Aktenstücks ist von Bucherius p. 255 266 sehr gut wiederhergestellt worden. Die Reihe 573 der Consuln ist richtig von 312 358; worauf, da die Consulate 359—367 fehlen, sofort die von 368—410 folgen! Das Jahr 378 ist unter den gleichgeltenden Bezeichnungen post consulatum Gratiani et Merobaudis und Valente VI et Valentiniano iun. zweimal gezählt. Die drei letzten Consulate 408, 409. 410 finden sich in der Wiener Handschrift nicht, die mit 407 schliesst; die Brüsseler hört mitten im J. 410 mit den Worten Varrane et auf. Es scheint die gemein- schaftliche Urhandschrift des Brüsseler und Wiener Manuscripts hier beschädigt gewesen zu sein, so dass in den verloschenen Zügen der eine Abschreiber noch einige Zeüen mehr las als der andere. Unabhängig von der ersten Columne ist die zweite die Daten der Ostertage enthaltende fortgeführt; es versteht sich also, dass nach dem J. 358 die Ostertage und die Consuln nicht mehr auf dasselbe Jahr treffen. Aber auch hiervon abgesehen ist die Ostertafel selbst durch den Abschreiber verunstaltet, indem nach dem Ostertag des J. 361 erst dieser noch einmal, dann die Ostertage 355 361 aber- mals, und alsdann erst der Ostertag des J. 362 folgt. Wirft man diese acht Tage, die neben den Consuln 371 378 a stehen, heraus, so bleiben die ächten 100 Ostertage von 312 411, die der Chrono- graph zu geben beabsichtigte, wie die Unterschrift amio centesimo ergiebt. Die Consuln hat er selbst offenbar so weit nicht hinab- geführt, sondern wie gewöhnlich in Kalendern die für die Zukunft feststehenden chronologischen Angaben auf eine Reihe von Jahren im Voraus eingetragen und für die Is'achtragung der wandelbaren Zeitbestimmungen leeren Raum gelassen. Die ursprüngliche Auf- zeichnung nebst der unmittelbaren Fortführung reicht nur bis 358 ; hiemach scheint die Urhandschrift eine Zeit lang vernachlässigt zu sein und der Fortsetzer, der sie alsdann wieder aufnahm, Hess neun Jahre aus und zählte ein andres doppelt, so dass er um acht Jahre zu kurz kam^. Uebrigens scheint er die Absicht gehabt zu haben die Consuln bis zum Schluss der 100jährigen Tafeln, also bis 411 fortzuführen und es dürften der zweite Consul von 410 und die beiden

1) Die Haudschrift hat also acht Consulate zu wenig und acht Ostertage zu viel. Vielleicht wurde der erste Fehler bemerkt und, indem man ihn an der unrichtigen Stelle verbessern wollte, der Irrthum verdoppelt.

MOMMSEX, SCHR. VII. 35

546 Über den Chronographen vom J. 354.

von 411 wohl nur in Folge der oben erwähnten zufälhgen Beschä- 574 digung des dem Brüsseler und Wiener Codex zu Grunde liegenden Manuscripts fehlen.

Die also wiederhergestellte Paschaltafel schliesst sich nun in ihren ächten Theilen durchaus den voraufgehenden Fasten an. Die Consuln von 312 354 entsprechen denselben durchaus; die Oster- tage sind berechnet nach demselben 84jährigen Kanon, welcher dem den Fasten beigefügten Yerzeichniss der Epakten jedes Jahres zu Grunde liegt. Im Ganzen stimmen nun auch die Ostertage unsrer Tafel überein mit den nach diesem Kanon sich ergebenden, welche bei Ideler II, S. 249 251 verzeichnet sind; allein es finden sich nicht wenige Verschiedenheiten, von denen manche zwar blosse Schreibfehler, andere aber offenbar absichtliche und sehr merk- würdige Abweichungen von dem 84jährigen Kanon sind. Dass bei den meisten an Schreibfehler nicht zu denken ist, ergiebt sich aus der Wiederkehr derselben Abweichungen bei denselben Jahren ver- schiedener Cyclen und besonders daraus, dass die von unsrer Hand- schrift dargebotenen Tage auch Sonntage sind, was nicht zufällig sein kann. Ideler's Machtspruch, dass unsre Paschaltafel ein späteres Machwerk sei (II, S. 275), verdient in der That keine ernsthafte Widerlegung; Niemand, der die Ueberlieferung derselben und die Umgebung in der sie erscheint einigermassen kennt, wird einer solchen Behauptung beistimmen, die bei Ideler zu finden in der That gerechtes Befremden ejregt. Vielmehr hat van der Hagen p. 355 f. (s. Ideler a. a. O. und oben S. 563*)) mit weit grösserem Rechte in unsrer Tafel ein aus den päpstlichen Archiven gezogenes Verzeichniss der zu Rom wirklich gefeierten Osterfeste erkannt; was allerdings auf die Ostertage 312 354 oder vielmehr —358 zu beschränken ist, da die folgenden 359 411 wie oben gezeigt nur durch Berech- nung gewonnen sind. Auch die Principien der Aenderungen und Abweichungen von dem 84jährigen Kanon sind von ihm nicht durch- aus richtig festgestellt worden; sie beruhen ohne Zweifel auf Ver- fügungen der römischen Bischöfe, bei denen zwar ein Princip zu erkennen ist, aber die strenge Durchführung desselben vermisst wird. Es ist ja auch bekannt genug, dass häufig Zweifel über das Datum des Festes entstanden und diese dann durch bischöfliche Rund- schreiben erledigt wurden (vergl. z. B. Ideler II, 245. 256 u. s. w.). Die Differenzen zerfallen in folgende zwei Kategorien:

*) [Die dort zitierte Schrift des Joh. van der Hagen hat den Titel: Obser- vationes in Prosperi Aquitaui chronicon, Amstelod. 1733.]

über den Chronographen vom J. 354. 547

1) Abänderungen des Kanon selbst, veranlasst durch allza fi^es 575

oder allzu spätes Einfallen des Osterfestes.

a. Verschiebung der zu frühen Paschaltage. Es muss mit der Reception des 84 jährigen Kanon selbst zugleich nicht bloss in Alexandrien, wie Ideler meint, (H, 192. 275), sondern (wie immer die von Ideler S. 247 angeführte Stelle des Victorius zu erklären sein möge) auch in Italien (s. den anon. de computo Ideler S. 245. 248) der Satz angenommen sein, dass das Osterfest nie vor noch an dem Tag der Frühlingsnachtgleiche (21. März) gefeiert werden dürfe. Deshalb (s. van der Hagen p. 101 f.) wird in dem Jahre des Cyclus 63 (n. Chr. 360) statt des 19. März der 16. April, in dem Jahre des Cyclus 6 (387) statt des 21. März der 18. April angesetzt, d. h. das Osterfest um einen Mondmonat von 28 Tagen verschoben. So zeigt es unsere Tafel und ebenso der anon. de computo (Ideler a. a. O. S. 252. 253), nur dass dieser im 6. Jahre beide Tage nennt, 21. März und 18. April, mit einer merkwürdigen Bemerkung (van der Hagen p. 252): man solle sich an das einmal vorkommende Datum des 21. März nicht stossen; denn darin liege nur eine levis reprehensio, wenn man aber den 28. März ansetze, wo die Iwia XXIII statthabe, verfalle man in eine criminis nota, cum lege sit cautum, ne modum lunae statutum ("cod. statum) ali- quis excedat. Er schliesst mit der Bemerkung, zuweilen könne Ostern auf zwei Tage gesetzt werden, et quia una observanda est, erit in arbitrio summi sacerdotis conferre cum preshyteris qui dies eligi debeat (S. 245). Aber auch wenn Ostern auf den 22. und 23. März fiel, fand eine Translation statt: so wenn Ostern nach dem Kanon am 22. März zu feiern war, in den Jahren 33 (330) imd 44 (341) des Kanon, substituierte man den eine luna späteren 19. April^; wenn Ostern auf den 23. März fiel, in dem Jahre 60 (357) den nächsten Sonntag, 30. März, im Jahre 71 (368) den vierten Sonntag, 20. April. Auf den 24. März fällt Ostern nur einmal nach diesem Kanon, im J. 3 (384), wo keine Verlegung bemerkt ist; auch der 25. März 2 ist gebUeben in den J. 14 (395) und 25 (322. 406); ja

1) Xlll Kai. Mai., wie auch 330 zu schreiben ist statt III Kai. Mai., i7as kein Sonntag ist. [In der Brüsseler Hs. ist III in XIII korrigiert: s. (niron. S. 62.]

2) Im Jahre 6 (373) ist VIII Kai. Apr. angegeben, wofür man Villi Kai., den 25. März substituiren möchte. Allein der Kanon fordert vielmehr pr. Kai. .^.pr., was mit van der Hagen p. 304. 317 zu schreiben sein wird, da durchaus kein Grund der Aenderung abzusehen ist, namentlich bei einem bloss berechneten Osterfest.

35*

548 Über den Chronographen vom J. 354.

im J. 316 ward sogar (s. S. 680*)) Ostern irregulärer Weise vom 1. April auf den 25. März verlegt. Dass alle die Aenderungen, welche die Ostern des 19., 21., 22., 23. März betreffen, nicht bloss für die einzelnen Jahre verfügte, sondern auf die Dauer und ohne Zweifel gleich bei Aufnahme des Kanon in Rom festgestellte ßectificationen desselben für den praktischen Gebrauch sind, zeigt theils ihr innerer Zusammenhang, theils der Umstand, dass sie grossentheils bei Osterfesten vorkommen, die für den ursprüng- lichen Verfertiger des Kalenders zukünftige waren. Das einfache Resultat ist also, dass die Ostergrenze der lateinischen Kirche im vierten Jahrhundert der 23. März ist, so dass Ostern frühestens auf den 24. März fallen kann. b. Beschleunigung der zu späten Paschaltage. Der Kanon von 84 Jahren führt im J. 36 (333) auf den 22. April ^, wofür unsre Tafel den vorhergehenden Sonntag, 15. April, an die Stelle setzt. Als das 36. Jahr des Kanon wieder eintrat, im J. 417, wurde durch Verordnung des Papstes Leo statt des 22. April der 25. März substituiert (Ideler II S. 247); entweder also war die Verordnung, die für das J. 333 erging, keine kanonische, oder Leo fand für gut sie wieder zu ändern. Auf den 21. April fällt Ostern in den Jahren des Kanon 9 (390) 20 (317. 401) ^ und 82 (379). Die Jahre 9 und 82, welche für unsern Schreiber in der Zukunft lagen, zeigen auch wirklich dies Datum; dagegen scheint im J. 317 Ostern um eine Woche früher, auf den 1 4. April, angesetzt zu sein, welche Bestimmung eine bleibende gewesen sein muss, da unser Schreiber sie auch auf das J. 401"anwendet. Ebenso muss für das Jahr des Kanon 23 (320. 404), dessen Ostern auf den 17. April fällt, in dem Jahre 320 eine ähnliche Abänderung stattgefunden haben, indem Ostern damals um eine Woche verfrüht und auf den 10. April angesetzt ward, was der Schreiber auch auf das Jahr 404 an- 577 wandte^. Im Allgemeinen aber fand man kein Bedenken darin

*) [Diese Zahl sowohl hier wie in Anm. 1. Gemeint ist wohl vielmehr S. 578 = 550 dieses Abdrucks.]

1) Auch als luna XIV war dieser Tag anstössig ; doch entstand dies Be- denken erst in späterer Zeit. S. 680.

2) Bei 317 hat Brux. richtig XVIII, Vind. XIIII; 401 haben beide XVII. was in XVIII zu ändern ist.

3) Hierdurch erledigt sich das Bedenken, welches van der Hagen p. 299 gegen die Ansetzung des Pascha 401 und 404 erhebt dass deren Ostertage auf luna XV und XIV fallen, während man doch um 400 schon die luna XVI verlangte. Das ist richtig; allein die exceptionellen Bestimmungen für die Jahre 317 und 320 wirkten hier nach und veranlassten Ausnahmen. Im J. 488

über den Chronographen vom J. 354. 549

Ostern auf die dem 21. April kurz vorhergehenden Tage anzusetzen; auf den 20, fällt das Fest im J. 66 (363) und durch Yorrückung im J. 71 (36S), auf den 19. im J. 55 (352) und durch Yorrückung in den J. 33 (330) und 44 (341), auf den 18. in den J. 17 (314. 398), 28 (325. 409), 39 (336) und durch Yorrückung im J. 6 (387), auf den 17. in den J. 1 (382), 12 (393) und 74 (371). Das Resultat ist, dass man Ostern gesetzlich nicht später als den 21. April an- setzte, also wenn sie auf den 22. hätten fallen müssen, dieselben eine "Woche früher eintreten Hess, dass man aber in dem ersten Decennium der mit 312 beginnenden Periode auch an einem an oder kurz vor dem 21. April fallenden Ostertag Anstoss nahm und desshalb in den J. 317 und 320 das Osterfest vom 21. und 17. April auf den 14. und 10. verlegte^, wogegen man im J. 314 sich den 1 8. April als Datum des Osterfestes gefallen Hess. Seit dem J. 320 zeigt sich von diesen Schwankungen keine Spur mehr, ausgenom- men dass die in den Jahren 317 und 320 getroffenen Bestimmungen für die Jahre 20 und 23 anderer Cyclen massgebend blieben; viel- mehr trägt man von da ab kein Bedenken das Osterfest vor und an dem 21. April eintreten zu lassen. Nur in einem Falle, wo im 60. Jahre des Kanon im J. 357 Ostern eigentlich auf den 23. März fiel, aber, da dieser Termin zu früh war, um einen Mondmonat von 4 Wochen hätte vorgerückt, also auf den 20. April hätte an- gesetzt werden sollen, wählte man ausnahmsweise statt dessen den 30. März, offenbar weil man das so sehr späte Eintreten der Ostern zwar sich gefallen Hess, wenn der Kanon es mit sich brachte, aber nicht in denselben hineintragen wollte. Es scheint diese Angabe wie alle vor dem J. 358 verzeichneten nicht auf Rechnimg, sondern auf unmittelbarer Bestimmung des römischen Bischofs zu beioihen; 578 im J. 71 (368), wo derselbe Fall eintrat, berechnet der Schreiber Ostern dagegen allerdings auf den 20. ApriP.

übrigens, wo das 23. Jahr des Cyclus wiederkehrte, war man zur ursprünglichen Regel zurückgekehrt und feierte Ostern den 17. April (XV Kai. Mai.), wie der Annalist von Ravenna (unten n. VIII) zu diesem Jahre beweist. [Chron. min. I S. 312 'his cons. (Dinamio et Sifidio) arsit pontus (scr. pons^ Apollinaris noctu in pascha XV Kald. Maias.]

1) Ein anderer Grund als die Nähe dieser Tage an der Paschalgrenze dürfte schwerlich für die Verlegung ausfindig gemacht werden; denn an der luna XXII oder XX7, auf welche die kanonischen Ostern des J. 317 und 320 gefallen sein "Würden, scheint man keinen Anstoss genommen zu haben (van der Hagen p. 311. 315) und die Neumonde, die auf den 20. und 17. März fallen, können noch weniger zu einer Aenderung veranlasst haben.

2) Die Ostergrenzen, welche hiernach im 4. Jahrhundert bei dem 84 jährigen

550 ^ber den Chronographen vom J, 354.

2) Zufällige Verlegungen des Osterfestes. Ich finde deren drei, und zwar jedesmal Verfrühungen der Ostern um eine Woche: im J. 316 Verlegung vom 1. April auf den 25. März; im J. 323 vom 14. April auf den 7. April; im J. 340 vom 6. April auf den 30. März. Es ist möglich, dass auch hierbei noch astronomische Gründe mit- wirken; doch glaube ich es nicht, einmal weil in dem auf Rechnung beruhenden Theil der Ostertafel 359 411 von diesen Anomalieen auch nicht eine vorkommt, zweitens weil in den Jahren 400 und 407, die ebenso wie 316 und 323 19te und 26 te Jahre des Cyclus sind und von einer bleibenden Bestimmung in Betreff der letztgenannten Jahre mit wären getroffen worden, die gewöhnlichen Ostertage des Kanon erscheinen.

Die vielfachen und nicht uninteressanten Belehrungen, die aus unsrer Tafel sich für die Berechnungsweise des lateinischen Oster- festes im 4. Jahrhundert ergeben, kann man bei dem trefflichen van der Hagen nachsehen; so über die Grenze der Neumonde, nach denen das Osterfest angesetzt wird, vom 5. März bis 2. April, aus- nahmsweise auch am 3., 4., 5. April (p. 305 311), und über die Tage des Mondmonats, wo man vor dem nicänischen Concil die luna XIV zuliess, später die luna XF, endlich die luna XVI forderte (p. 320 f.). Hier genügt die Nachweisung, dass unsre Tafel bis zum J. 358 nicht bloss auf Rechnung, sondern auf unmittelbarer Auf- zeichnung beruht. Wir besitzen in unserer Paschaltafel ein Ver- zeichniss der in der Diöcese des römischen Bischofs von den J. 312 358 wirklich gefeierten Ostertage so wie eine Vorausberechnung der- selben nach dem damals gültigen Kanon für die Jahre 359 411; eine Vorausberechnung, von der indess unter Umständen abgewichen sein mag, wie z. B. das Pascha des J. 417 nicht, wie man nach unsrer Tafel vermuthen sollte, auf den 15. April, sondern durch specielle Abkündigung des Papstes auf den 25. März angesetzt ward. Es bleibt nur eine Frage noch übrig : warum beginnt unsre Paschal- tafel mit dem J. 312, d. h. mit dem 15. Jahr des 84jährigen Cyclus? 579 Die Frage fällt zusammen mit einer anderen auch noch nicht genügend beantworteten; es ist nämlich dies Jahr der Ausgangspunkt der In- dictionenrechnung, indem die erste indictio des ersten Quindecennium

Cyclus festgestellt waren, finden sich fast ebenso wieder bei den alten Britten [und Iren], die diesen Kanon am längsten in Gebrauch behielten (van der Hagen p. 336f). [Krusch, Studien zur christl.-mittelalterl. Chronologie, der 84jährige Ostercyklus u. seine Quellen, Leipz. 1880. Derselbe: Die Einführung des griech. Paschalritus im Abendland, im Neuen Archiv der Ges. f. ältere deutsche Ge- schichtskunde IV S. 99 ff.]

über den Chronographen vom J. 354. 551

beginnt mit dem 1. Sept. 312 1. Dass unser Schreiber mit dem J. 312 begonnen habe, weil mit diesem die Indictionen begannen, ist mög- lich, allein nicht eben wahrscheinlich, denn nirgends ist sonst bei ihm eine Spur von der Rechnung nach Indictionen und 15jährigen Cyclen; auch scheint im J. 354 die Rechnung nach Indictionen erst im Aufkommen gewesen zu sein (Tillemont h. des emp. IV, 144. Ideler IT. 352).*) Yielmehr hängt der Anfangspunkt, den der Chronist gewählt hat, wahrscheinlich eng mit der Osterfeier in Rom zusammen. Es ist bekannt, dass Constantin nach seinem Siege über Maxentius am 28. Oct. 312 (Tillemont lY, 135) den christlichen Cultus in Rom freigab; es versteht sich von selbst, dass es von da an dem christlichen Bischof freigestanden und dieser nicht unterlassen haben wird die Ostern jedes Jahres öffentlich und feierlich zu verkündigen, und dahin zu wirken, dass in seiner Diöcese alle Christen an diesem Tage Ostern feierten. Dann musste aber auch von diesem Tage an eine römische Ostertafel entstehen, welche die für jedes Jahr vom Bischof festgesetzten Tage des Ostersonntags aufführte-.**)

V. Yerzeichniss der Stadtpräfecten von 254 354 mit der 580 Ueberschrift: ex temporibus GdUieni quis quantum temporis prae- fecturam TJrbis adtninistraverii. Die Wichtigkeit dieses vortrefflichen vom J. 2S8 und besonders von 302 an bis auf die Tage genauen Aktenstücks ist jedem Ge- schichtsforscher hinreichend bekannt. Es enthält zugleich Consular- fasten für die Jahre 254—354, die wie schon bemerkt aus demselben officiellen Register wie die imter III aufgeführten Fasten entlehnt sind; sogar offenbare Fehler wie Gallicano für Gallieno 261. 264

1) Allerdings findet sich auch ein anderer Anfangspunkt, der erste Sept. des J. 49 V. Chr. (Ideler II, 350); allein es ist evident, dass dieser Indictionen- kreis, der 24 Quindecennien umfasst (1. Sept. 49 n. Chr. 31. Aug. 811 v. Chr.), nach Einführung der Indictionenrechnung nachträglich erfunden ist, um auch die Zeitangaben vor 312 in der damals üblichen Weise ausdrücken zu können. [Etwas anders hierüber F. Rühl, Die constantinischen Indictionen in den Jahrb. f. class. Philol. 1888, S. 789 S.]

*) [Genaueres hierüber jetzt bei V. Gardthausen, Griech. Palaeogr. Leipz. 1879, S. 391 f.]

2) Allerdings müsste diese Tafel eigentlich mit dem J. 313 beginnen , da doch frühestens fiir die Ostern d. J. Constantins Edict wirksam sein konnte. Allein abgesehen davon, dass man das Jahr, wo das ersehnte Edict erschien, und dessen noch unter dem Druck gefeierte Ostern könnt« an die Spitze stellen wollen, ist es gar nicht unmöglich, dass schon Maxentius den christlichen Cult freigegeben. Tillemont IV, 120.

**) [Die weiterhin aufgestellte Hypothese über den Grund der Benennung in- dictio ist hier nicht abgedruckt worden, da Mommsen selbst sie hat fallen lassen.]

552 Über den Chronographen vom J. 354.

kehren in beiden wieder. Bei einigen Jahren (307. 308. 311. 312. 317) sind die Consuln in diesem Yerzeichniss vollständiger angegeben als in den Fasten. In den Jahren 308—311 findet sich Maxentius, in den J. 351. 352 Magnentius und Decentius unter den Consuln des Präfectenverzeichnisses , während sie in den Fasten getilgt sind; da diese Empörer in ßom zur Herrschaft gelangten, sind sie natürlich auch in die römischen Fasten eingetragen worden, und während man sie in dem officiellen Consulverzeichniss später auslöschte, scheinen sie in dem gleichfalls officiellen Stadtpräfectenverzeichniss vergessen worden zu sein.

VI. Depositio episcoporum. Item depositio martyrum.

581 Dies Yerzeichniss der Gedächtnisstage der römischen Bischöfe

und Märtyrer*) ist offenbar für die römischen Christen bestimmt, da mit Ausnahme dreier afrikanischer Märtyrer (Perpetua und Felicitas Xini K. lun., Cyprian XYIII K. Oct.) nur römische Gedächtniss- stätten in demselben vorkommen. Ein ähnliches Yerzeichniss der Kirche von Karthago hat Mabillon (anall. ed. 1723 p. 163^ aus einer Handschrift des YII. Jahrhunderts bekannt gemacht, mit der üeber- schrift '^Hic continentur dies nataliciorum martyrum et depositiones episcoporum, quos ecclesia Carthagenis anniversaria celeirat". Es ist dasselbe ein Yorläufer des christlichen Kalenders, der aus solchen Yerzeichnissen sich gestaltet hat. Das Martyrologium ist das älteste aller bekannten; vergleicht man es mit dem martyr. Hieronymi, das die Grundlage der übrigen bildet, so zeigt sich, dass der Redacteur des letzteren unser Yerzeichniss vor sich hatte, es (zum Theil mit Missverständniss) benutzte und die in diesem vorkommenden Daten unter den einzelnen Tagen an die Spitze seines Yerzeichnisses stellte. Es scheint also der sog. Hieronymus unser Martyrologium bei seiner Arbeit zu Grunde gelegt zu haben. Das Yerzeichniss der Be- gräbnisstage der römischen Bischöfe begreift von Lucius (f 255) sämmtliche Bischöfe, nur dass Marcellus vom Abschreiber ausgelassen ist und Sixtus unter den Märtyrern steht; letzteres beweist das Zu- sammengehören der beiden Yerzeichnisse. Geordnet ist dasselbe ähnlich wie das Martyrologium nach der Folge der Gedächtnisstage im Laufe des Jahres;**) doch reicht die so geordnete Reihe nur bis

*) [„i] veramente il feriale della chiesa romana, cioe la tabella delle feste solenni non mobili" G. B. deRossi, La Roma sotterranea I, Rom 1864, S. 116, vgl. II, 1867, S. IV f. dem Mommsen selbst Chron. min. I S. 71 zustimmte.]

**) [Und zwar des mit dem 25. Dez. beginnenden kirchlichen Jahres : s. Usener, Rhein. Mus. 60, 1905, S.489f.]

V über den Chronographen vom J. 354. 553

auf Silvester (f 335 Dec. 3t), die beiden letzten Päpste Marcus (t 336 Oct. 7)^ und Julius (f 352) sind später nachgetragen. Das Verzeichniss muss demnach ursprünglich zwischen dem 1 . Jan. und 7. Oct. 336 entworfen und alsdann bis nach 352 fortgeführt sein. Dass diese beiden Verzeichnisse ebenso wie die Ostertafel als offi- cielle Documente der römischen Kirche des lY. Jahrhunderts an- zusehen sind, bedarf wohl keines Beweises; man sieht, dass deren Archiv damals bis in die Mitte des dritten Jahrhunderts hinauf- reichte, oder vielmehr bis gegen den Anfang, denn wenn man das Martyrologium hinzunimmt, fehlt von Pontianus an (231 235) die depositio nur eines römischen Bischofs, des Anteros, der nicht mehr als 41 Tage im Amte war 2.

YII. Yerzeichniss der römischen Bischöfe, von Christi Tode 582 bis auf Liberius (352 369), dessen Amtsantritt bezeichnet, sein Todesjahr aber so wie die Dauer seines Amtes in blanco geblieben ist. Nach einer kurzen Einleitung lautet die Ueber- schrift: qiiis episcopus quot annis prefuit vel quo imperante. Dies Yerzeichniss ist sehr merkwürdig und oft besprochen als die älteste uns bekannte Grundlage des Über pontificalis^. Dass eben unser bis auf Liberius Regierungsantritt fortgeführtes Yer- zeichniss den spätem Bearbeitern vorlag, geht mit Evidenz hervor aus dem Aufhören der Consulate in allen späteren Recensionen des liber pantificalis mit Liberius. Am nächsten der Zeit nach steht die mit Papst Felix (f 530) unter Justinian schliessende (abgedruckt am besten bei Schelestrate antiqu. eccl. T. I p. 401 f., vgl. p. 354 f.*)), welche bei den beiden letzten Päpsten, wo der Schreiber als Zeit- genosse die Consulate kannte, diese beifügte, um sich ihrem Muster möglichst eng anzuschliessen; aus dieser jüngeren Recension haben wir die zahlreichen Auslassungen und sonstigen Copistenfehler in imsrer Handschrift der älteren berichtigt. Doch findet sich auch in

1) wenigstens nach der Wiener Handschrift ; in der Brüsseler [und der von Amiens] ist er einrangiert.

2) Cornelius scheint durch Versehen des Schreibers zu fehlen, s. zu XVIII K.Oct.

3) Genau genommen entstand dieser aus der Vereinigung zweier verschieden- artiger Kataloge: des unsrigen, der die Consuln nennt, und des bei Schelestrate I, p. 611 abgedruckten, der die Heimath und die Ordinationen lieferte. [Vgl. Wommsens Prolegomena zu seiner Ausgabe des liber pontificalis in den Mon. Germ. bist., gest. pontif. Rom vol. I, Berl. 1898; über das vorliegende Verzeichnis handelt er dort kurz auf S. VIII.]

*) [Vgl. Duchesne, Liber pontificalis I, Paris 1886, S. XLIX S. und Mommsen selbst a.a.O. (Anm. 3) S. LXIX f. und 229 f.]

554- tJher den Chronographen vom J. 354.

den späteren Recensionen , dem sog. Anastasius, manches unserm Katalog Entlehnte, was in der jüngeren Recension fehlt; so dass diese entweder verkürzt sein oder Anastasius beide Recensionen vor sich gehabt haben muss. Dass unser Katalog unter Liberias redigiert ward, ist evident; allein der Redacteur schöpfte nicht aus gleichartigen Quellen, wie dies auch schon Henschen (Acta Sand, l. c. [Apr. 7. I Antverp. 1675]^ u. A. bemerkt haben;*) bis auf Urbanus (f 230) giebt er nur die Namen der Bischöfe, die Dauer des Amtes nach Jahren, Monaten und Tagen, die gleichzeitigen Kaiser und die Consuln des ersten und letzten Jahres eines jeden Bischofs. Diese werden so berechnet, dass jeder Bischof eine Anzahl voller Jahre zugetheilt erhält, so dass die Consuln, unter denen sein Nachfolger beginnt, unmittelbar voraufgehen. Dagegen wird von Pontianus an seit 231 die Behandlung eine andre: einzelne historische Notizen 583 werden eingestreut und die Tage des Amtsantrittes und des Todes häufig bemerkt, womit es zusammenhängt, dass der Tod des einen und der Antritt des andern Papstes von nun an regelmässig nicht mehr in zwei verschiedene, sondern meistens in dasselbe Consulat gesetzt werden. Folglich stand für den zweiten Theil des Ver- zeichnisses von Pontianus an bis auf Liberius dem Schreiber eine bessere Quelle zu Gebot, womit es 'in offenbarem Zusammenhange steht, dass in n. VI die Gedächtnisstage sämmtlicher Bischöfe von Pontianus an (mit Ausnahme von Anteros und vielleicht Cornelius) verzeichnet sind, während von den früheren ausser Petrus und Calixtus (f 222) nicht ein einziger genannt wird. Also kirchliche Aufzeich- nungen, die um 231 begannen, sind die Quelle des zweiten Theils dieses Verzeichnisses, dessen Glaubwürdigkeit durchaus keinem Zweifel unterliegt, ja das wahrscheinlich einen officiellen Charakter trägt.

Anders steht es um den ersten, der wenigstens einen unzweifel- haften faktischen Irrthum enthält: er stellt nämlich Anicetus vor Pius, während es durch gleichzeitige Zeugnisse vollkommen feststeht, dass Anicetus auf Pius folgte. Aber noch ärger sind die Fehler in der Angabe der gleichzeitigen Kaiser von Sixtus bis Eleutherius und ein offenbarer Rechnungsfehler liegt vor in der Angabe, dass Papst Anicetus 153 n. Chr. gestorben, sein Nachfolger Pius im J. 146 ein- gesetzt sei. Sagen wir es gleich, wie es sich mit diesem Katalog verhält: dem Redacteur lag für die Epoche bis 230 nichts vor als ein Verzeichniss der römischen Bischöfe von Petrus an mit Angabe ihrer Amtsdauer, ähnlich wie es Irenäus, Hegesippus, Eusebius uns

*) [^gl- jetzt auch Duchesne a. a. 0. S. IX.

über den Chronographen vom J. 354. 555

auch aufbehalten haben, um dies dem zweiten Theil des Ver- zeichnisses, wofür er in der That Consulatsangaben vorfand, einiger- massen zu accommodieren, berechnete er nach den ihm vorliegenden Consularfasten und Kaiserverzeichnissen die auf jeden Bischof tref- fenden Consulate und Kaiser, jene nach den Fasten unsrer Hand- schrift n. m, diese nach der Kaiserchronik n. X. Hieraus erklärt es sich vollständig, wesshalb die Consuln unsres Kaiserkatalogs in dem ersten Theil durchaus, selbst bei den Jahren wo die Bezeich- nungen ungemein variieren z. B. 161, die unsrer Fasten sind es konnte nicht anders sein, da unser Redacteur sie aus diesen ab- geschrieben hat^ Hieraus erklärt es sich femer, warum jeder 584 Bischof mit dem Jahre anfangt, welches auf das letzte seines Vor- gängers folgt es heisst das nur, dass der Redacteur in den Fasten bloss die vollen Jahre zählte und auf Monate und Tage keine Rück- sicht nahm. So begreift man endhch die Entstehung der oben gerügten Fehler. Die Rechnung, welche von den beiden End- puncten Christi Tod 29 und Pontianus Antritt 231 ausgehend in diesen Zwischenraum die überlieferten Zahlen einzuordnen ver- suchte, kam nämlich nicht aus; es fanden sich, indem man theils von 231 zurück, theils von 29 vorwärts rechnete, da wo beide Rech- nungen sich begegneten, unter Pins Episcopat acht Jahre zu \ael2, was der Schreiber vielleicht auch bemerkt und den Fehler absichtlich auf dies längere Pontificat gelenkt hat, um ihn einigermassen zu verstecken. Eine noch grössere Confusion herrscht in den Angaben der gleichzeitigen Kaiser von Telesphorus bis auf Anicius:

Sixtus 117—126 Hadrianus 118—138.

„, , ,„_ ,.„ f Antoninus (Pius) 139— 161.

Telesphorus 12 (—137 . . < ,, , ^-.

^ \ Marcus (Aurel.) 162—180.

TT 1QQ 1.0 i Veras 162—169.

Hyginus 138—149

Marcus 162—180.

1) Auch in dem zweiten Theil ist die Übereinstimmung fast durchgängig 'Vgl. z. B. die Jahre 308. 309) ; doch findet sich eine vollständigere Angabe bei dem J. 311: Maximiniano VIII solo, quod fuit mense Sep. (Eusebio) et Rufino (Vgl. das Präfectenverzeichnis z. d. J.). [Über letztere Angabe urteilte Mommsen «päter anders: s. Chronica S. 76,4.]

2) Da in den älteren Verzeichnissen entweder nur Cletus oder nur Anacletus vorkommt, so scheint einer dieser Päpste zu streichen. Tilgt man den Cletus tmn. VI, so kommt die Rechnung ziemlich aus; ganz genau kann sie ohnehin rieht sein, da sie nur nach vollen Jahren rechnet, auch die Vacanzen nicht beachtet sind. Wahrscheinlich aber hat der erste Verfertiger des Verzeichnisses es den Cousulaten von Christi Tod bis auf seine Zeit aecommodiert, wenn er gleich die Consulate nicht beischrieb.

556 Über den Chronograplien vom J. 354.

... ,.n .f,o f Verus 162—169.

Amcetus 150—153 ....-!„ ^ ^

\ Marcus 162—180

Pius 146—161 Antoninus Pius 139—161.

Soter 162 170 Verus 162—169.

Eleutherius 171-185 . . p'^toninus (d.i. M. Aurel.) 162-180. \ Commodus 181—192. Man sieht, dass bis auf Pius richtig zurück, bis auf Sixtus richtig- vorwärts gerechnet ward, dass aber bei Hadrian ein Versehen vor- kam, indem der Rechner zu früh mit dessen Regierung fertig zu sein glaubte; was dann in Verbindung mit dem Fehler in der Be- rechnung der Consuln dahin führte, dass Antonius Pius und die Divi fratres zweimal im Katalog vorkommen. Unser Resultat ist dem- nach, das uns hier vorliegt: 585 t . Ein älteres Verzeichniss quis episcopus quot annis praefuit bis

zu Urbanus Tode (230), welches durch blosse Rechnung vermehrt ward mit der Angabe der Kaiser (daher auch in der Ueberschrift der Zusatz vel quo imperante) und der Consuln des ersten und letzten Jahres. Diese sind brauchbar als Correctiv der hie und da corrupten Jahrzahlen, aber als synchronistische Angaben ohne allen Werth.

2. Ein Verzeichniss von 231 352, das aus derselben Quelle stammt mit den deposifiones n. VI und auf synchronistisch zuver- lässigen, vermuthlich aus einem römischen Kirchenarchiv entlehnten Nachrichten beruht. So weit wir hier nachrechnen können, sind diese Angaben vollkommen richtig; so namentlich in der Angabe des Todestages Sixtus 11. (6. Aug. 258), und selbst scheinbare Ver- wirrungen, wie bei Lucius und Stephanus, erklären sich bei genauerer Untersuchung.

VIII. Annalen von Cäsar (nach vorausgeschicktem Verzeichniss der Könige) bis 403 und wieder von 455 496. Diese namentlich für die spätere Zeit nicht unwichtigen Annalen, von denen unter n. II. ein geringeres Exemplar vorkommt, erweisen sich durch die Epoche, wo sie entstanden sind, und durch die be- deutenden Abweichungen der Fasten von der bei unserem Chrono- graphen durchgängig zu Grunde liegenden Recension als ein mit den anderen Stücken unsrer Sammlung nicht zusammenhängender zufällig von dem Schreiber irgend einer Handschrift damit verbundener Be- standtheil. Was darüber ferner zu bemerken ist, wird unten in der Einleitung zu dem Abdruck gesagt werden.*)

*) [Diese Einleitung auf S. 656 f. ist nicht wieder abgedruckt worden: s. Chronica S. 263 f.]

über den Chronogfraphen vom J. 354. 557

IX. Eine Weltchronik, die sich selbst als chrotiica Horosii be-

zeichnet.*)

X. Stadtchronik von Rom.

Diese Schrift, die wie eben gezeigt, der Absicht des Redacteurs zufolge einen Abschnitt der Weltchronik bildet, aber in der Aus- führung selbstständig erscheint und aus ganz anderen Quellen ent- lehnt ist, trägt die Ueberschrift : Item origo gentis Romanorum ex quo primum in Italia regnare coeperuni. Sie nennt die Könige von Laurentum, Alba ^ und Rom ; die nomina dictatorum, d. i. eine Anzahl berühmter J^^amen aus der republicanischen Epoche in grösster Con- fusion und ohne historische J^otizen; endlich die Kaiser von Cäsar bis auf Licinius. Gewissermassen umfasst sie also die ganze römische Geschichte. Die Xotizen, die sie mittheilt, betreffen aber nicht Er- eignisse von allgemein geschichtlicher Bedeutung, sondern durch- gängig städtische Merkwürdigkeiten: Pesten, Feuersbrünste, Einsturz von Gebäuden, Bauten, namentlich der für die römische Plebs so wichtigen öffentlichen Bäder, die der Plebs zu Theil gewordenen Congiarien, die Ankunft grosser Schiffe, monströse Erscheinungen, ja sogar das Auftreten von Fresskünstlern machen den hauptsäch- lichen Inhalt aus, geschichtliche Ereignisse werden fast nur erwähnt, wenn sie die Hauptstadt direkt berühren, wie z. B. die Kämpfe der Soldaten und der Bürger unter Maximin imd Maxentius. Auch das Königsverzeichniss ist von gleichartigem Charakter; es weist den Ursprung derjenigen Institutionen nach, die für die tenuiores von besonderer Bedeutung waren, des Hausgeräthes , der Strafen, der Congiarien, Frumentationen und circensischen Spiele. Das Büchlein ist also keineswegs ein gewöhnliches Königs- und Kaiserverzeichniss, sondern eine planmässig angelegte und von Romulus bis auf Licinius 599 im gleichen Sinne und zu demselben Zweck durchgeführte Stadt- chronik. Dazu passt auch gar wohl die grosse Fülle und Präcision

*) [Der Nachweis S. 585 598 , dass diese Chronik sowie das oben unter VII behandelte Verzeichnis der röm. Bischöfe in seinem ersten Teile auf flippolytos von Portos zurückgehen, ist hier nicht wieder abgedruckt worden, ia Mommsen ihn in den Chronica S. 84 ff. mit z. T. neuem Material wiederholt iat; vgl. dazu auch die gegen die Zweifel von C. Frick, Chron. minora, Leipz. 1892, praef. gerichteten Bemerkungen von A. Hamack , Die Chronol. der altchr. Lit. bis Euseb., II, Leipz. 1904, S. 236 ff.]

1) Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass der Auszug aus der römischen "■Vorgeschichte, den die Berliner Handschr. saecVIU. Santen. n. 66 enthält und clessen Pertz im Archiv VIII, S. 854 gedenkt, entlehnt ist aus Augustin de <ivitate dei XVIII c. 15. 16. 19. 21.

558 tJhev den Chronographen vom J. 354.

der Notizen über die Topographie der Stadt Rom, welche diesen sog. catalogus imperatorum Vindohonensis zu einer der wichtigsten Quellen dafür machen. Merkwürdig ist der trockene Euhemeris- mus in der Darstellung der ältesten Sagen, der geflissentlich allen Schimmer des Göttlichen abstreift: acht Könige treten auf statt der heiligen sieben, denn Titus Tatius muss ja mitgezählt werden; Romulus ertrinkt beim Baden, Ancus Marcius wird zu einem Marciu& Philippus, Numa ist Erfinder der Betten, Tische, Stühle und Leuchter, Tarquin der jüngere der Foltern, Bergwerkssklaverei, Ketten und Stockprügel! Dass der Schreiber ein Christ war, ist nicht zu be- zweifeln, da die Stadtchronik ja ein Theil der christlichen Welt- chronik ist^; es ist charakteristisch, in welcher entwürdigenden Weise die römischen Christen des vierten Jahrhunderts die den Vorfahren heiUge Sagengeschichte auffassten. Die gewaltigen geistigen und sittlichen Strömungen, welche durch die Geschichte gehen, ohne auf ein Land und ein Volk sich zu beschränken, wirken immer zerstörend auf den nationalen Kern; wie segensreich und nothwendig das Christenthum auch sonst gewesen ist, der römische Sinn und der römische Staat ist in seiner Eigenthümlichkeit durch dasselbe zu Grunde gegangen.

Da die Stadtchronik nach der Intention unseres Chronographen einen Theil der mit dem J. 334 schliessenden Weltchronik bildet, so muss sie in demselben Jahre geschrieben sein. Hiezu passt es, dass sie mit dem letzten der vor 334 gestorbenen Kaiser, Licinius, abschliesst, und dass sie unter Domitian die hasilica Constantiniana als ein neues Gebäude erwähnt. Die Quellen, aus denen der Chronograph diesen Abschnitt zusammentrug, sind kaum zu er- mitteln. Kaiserkataloge gab es zu seiner Zeit genug, ja sogar einen officiellen Index (Vopisc. Aur. 42.) ; es sind deren theils mit Angabe 600 der Regierungsdauer 2, theils mit Hinzufügung der Todesarten und Todesorte noch mehrere uns erhalten; eine Vereinigung von zwei derartigen Verzeichnissen scheint die Grundlage des Buches geliefert zu haben. Den Katalog der zweiten Art, den unser Chronograph benutzte, finden wir in der series regum des armenischen Eusebius

1) Auch heisst es unter Diocletian: circum templa domini posuei-unt wo aber domini vielleicht Emblem ist. [Chron. S. 148,27: „domini magis videtur a librario additum esse, quamquam potest accipi pro nominativo pluralis".]

2) Der alexandrinische Anon. Scalig. p. 65. 66 [Chronic, min. I S. 279 ff.] fügt noch die Zahl der vom Kaiser bekleideten Consulate hinzu. Das Verzeichnis» bei Schelestrate antiqu. eccl. I p. 597, das Roncalli mit unserm Kaiserverzeichnisa zusammenstellt, ist eine werthlose Compilation aus Hieronymus und Eutrop.

über den Chronographen vom J. 354. 559

(T. n p. 35. 36 Aucher [I Append. I A p. 17. IS Schöne]) wieder; dagegen ist das von ihm eopierte höchst genaue Kaiserverzeichniss mit Angabe der Regierungszeit sonst nirgends erhalten, und nament- lich ist der von Hippolyt aufgenommene Katalog sicher ein anderer, da dieser mit August, der unsrige mit Cäsar beginnt und die Zahlen sehr wesentlich abweichen. Die historischen Xotizen, die die Königszeit betreffen, dürften aus Suetons drei Büchern de regibus entlehnt sein, da die ^N^otiz, welche unser Chronograph über Numa's Congiarien vmd Lederasse giebt, bei Suidas unter Suetons Xamen citiert wird; auch passt die geistlose Behandlung des Sagenstoffs unter allen römischen Schriftstellern am besten für Sueton, den Mann der Antichambre und der Anekdoten.*) Für die republicanische Epoche fehlte es dem Redacteur offenbar an geeigneten Quellen oder an der Fähigkeit sie zu bearbeiten; er mag seine nomina dicta- toriim aus dem Index irgend einer Schrift de viris illustribus com- piliert haben. Eine ähnliche Xomenclatur findet sich bei Hieronymus p. 66 Rone.**) zwischen den Königen und den Kaisern; im armeni- schen Eusebius fehlt sie an der entsprechenden Stelle, könnte aber am Schluss des ersten Theils gestanden haben. Die Quellen, aus denen der Chronograph für die Kaiserzeit schöpfte, liegen uns nicht mehr vor; vermuthlich eine der zahlreichen Sammlungen von Bio- graphien der Kaiser ^. Für die spätere Zeit mag der Schreiber auch aus eigener Kunde geschöpft haben, zumal da die Notizen gegen das Ende an Fülle zunehmen 2.***)

*) [Seine Ansicht über den suetonischen Ursprung dieses Abschnitts hat Jloromsen in den Chronic. S. 141 f. etwas modifiziert. Vgl. auch H. Geizer, Sex. lal. Africanus I, Leipz. 1880, S. 228.]

**) [S. jedoch über dieses Vei-zeichnis unten S. 570, 3.]

1) Ein durch das mon. Ancyr. widerlegter Irrthum Suetons über die Con- giarien Augusts kehrt bei unserm Chronographen wieder; doch wissen wir nicht, ob dieser Irrthum dem Sueton eigenthümlich war. [Vgl. Res gestae divi Augusti* S 60.] Dass unser Chronograph die Kotizen über die zwölf ersten Kaiser sonst n:cht aus Sueton entlehnte, steht fest.

2) Gradezu unmöglich wäre es nicht, dass das am Ende des 1. Buches von Eisebius gegebene verlorene Kaiserverzeichniss die Quelle nnsres Chronographen g(!wesen, denn Eusebius schliesst 326. Allein das erhaltene Königsverzeichniss p. 359 f Aucher [I 289 f Schöne] stimmt durchaus nicht mit dem unsres Chrono- graphen; und wie hätte Eusebius dazu kommen sollen eine Stadtchronik von ß')m in seine Chronik einzurücken?

***) [Es folgen zunächst auf S. 600 f. kurze Bemerkungen über die Autoren, di} ihrerseits die Stadtchronik benutzt haben: s. Chronic. S. 142. Dann auf S. 601— 605 der Abschnitt: „XI. Die Regionen der Stadt Rom'. Er ist hier

560 Über den Chronographen vom J. 354.

606 IV.

Die Sammlung als Ganzes.

Ueberblicken wir noch einmal den gesammten Inhalt der ver- schiedenen auf uns gekommenen Handschriften, der uns bisher beschäftigt hat, so sondern sich für uns drei grössere Massen.

Ä. Die erste Abtheilung, welche die ganze Brüsseler Hand- schrift und die erste Hälfte der Wiener einnimmt, begreift folgende sechs Abschnitte:

I. den Kalender, geschrieben zuerst 340 350, überarbeitet zwischen 350 und 361.

III. die Consularf asten aus dem J. 354.

IV. die Ostertafel, regelmässig fortgeführt bis 358, mit späteren schlechten Ergänzungen bis 410 oder 411.

V. das Präfectenverzeichniss aus dem J. 354. VI. Gedächtnisstage der Bischöfe, abgefasst 336, ergänzt zwischen

352 und 369.

Gedächtnisstage der Märtyrer, gleichzeitig. VII. Yerzeichniss der römischen Bischöfe, seiner Anlage nach um

230 entstanden, vollendet zwischen 352 und 369. Dies ist die handschriftliche Ordnung des Berner Fragments, des Wiener und auch des peiresc'schen und Brüsseler Manuscripts, nur dass im Wiener die viel jüngeren Annalen zwischen I und III gerathen sind, und dass der Jean Sibilla, welcher Peiresc's Hand- schrift ergänzte und vermuthlich neu binden Hess, die n. III zu An- fang defect und die Reste von n. I in losen Blättern vorfand, wo er dann seine Handschrift für zu Anfang defect hielt und die losen Blätter an's Ende stellte. Der Kalender, der ein gemaltes Titelblatt hat, auf dem sich der Schreiber nennt, wird wohl jedesfalls an der Spitze des Bandes gestanden haben. Von diesen sechs Abschnitten sind zwei (III. V.) bestimmt im Jahre 354 abgefasst, drei (I. VI. VII.) um dies Jahr, und wenn der letzte (IV) bis 358 fortgeführt ist, so rührt dies, wie schon bemerkt, davon her, dass hier ursprünglich für die Namen der Consuln bis 411 Raum gelassen war und diese die ersten vier Jahre nach Vollendung der Arbeit in dem Exemplare,

fortgelassen worden, da alle daran sich knüpfenden chronologischen und hand- schriftlichen Fragen inzwischen von H. Jordan, Topographie d. Stadt Rom i. Alterthum II, Berlin 1871, zum Teil in genauem Anschluß an Mommsen erörtert worden sind. Das Resultat hat Mommsen selbst in den Chronic. S. 77 zusammen-

über den Chronographen vom J. 354. 561

woraus unsre Abschriften geflossen sind, regelmässig nachgetragen 607 waren. Demnach sind diese sechs Abschnitte im J. 354 ^ abgefasst und als chronologisches Hülfsbüchlein in diesem Jahr veröffentlicht worden, in dem man ausser dem Haupterfordemiss , dem Kalender, noch die Verzeichnisse der wichtigsten Beamten der Stadt Rom und die für die christliche Feier erforderlichen Tafeln fand.

Dies Büchlein trägt an der Spitze zwei Namen, über die noch einiges zu bemerken ist. Dediciert ist es einem gewissen Yalentinus, einem Christen, wie aus der Formel Valentim floreas in deo erhellt. Lambek (in der Einleitung zum Kalender) denkt an den Valentinus bei Amm. Marc. XYIII, 3, 5, der primicerius protectorum, trihunus und nach einer im J. 359 grundlos gegen ihn erhobenen Anklage auf Hochverrath dux lllyrici war; dieser kann allerdings gemeint sein, obwohl die Identität nicht bewiesen ist. Wenn dagegen bei der hasilica in via Flaminia mill. II. quae appellatur Valentini, die unser Papstverzeichniss unter den Bauten des Papstes Julius (337 352) nennt, Bucher p. 273 bemerkt: an forte est Valentinus, cui hüendarium inscrihitur?, so ist dagegen einzuwenden, dass diese Basilica, die unweit Ponte molle lag, dem unter Claudius hinge- richteten heiligen Yalentinus geweiht war (Acta Sanct. Febr. t. IE p. 752). Ferner heisst es auf dem Titelblatt: Furitis Dionysius Filocalus tiiulavit. Damit ist zu vergleichen eine aus drei Fragmenten bestehende christliche Inschrift, die aus der römischen Basilica S. Martini in montibus in das vaticanische Museum gekommen ist; die Schrift ist vortrefflich ^ :

1) Ein blosser Zufall ist es, dass mit demselben Jahre auch die ältere Becension des Chronicoti Pasdiale schliesst (Ducange II p. 16 Bonn.). [Die Un- richtigkeit der Holstenschen Hypothese, daß die ältere Rezension der Paschal- chronik 354 schließe, hat H. Geizer, S. lul. African. I, Leipzig 1880, S. 139 ff. er- "viesen.] Die römische Sammlung, die uns hier vorliegt, und jene alexandrinisch- constantinopolitanische Chronik sind durch Sprache, Entstehungsart, Zweck und (Charakter völlig von einander geschieden.

2) Gedruckt ist sie bei Mai Script. Yatic. vol. V p. 58; ich gebe sie nach der genaueren Abschrift, die mein Freund Henzen in Rom mir zugesandt hat. [Sie ist hier wiederholt nach de Rossi, Roma sotterranea I S. 120, vgl. Chron. min. I S. 16.]

MOMMSEN, SCHR. VII. 36

562

Über den Chronographen vom J. 354.

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608 SCRIBSIT FVRIYS DION heisst es hier; es ist wohl

mehr als wahrscheinlich, dass derselbe Filocalus, der unseren Kalender titulierte, die vorstehende Inschrift geschrieben, d. h. die von dem Steinmetz einzugrabenden Züge vorgezeichnet hat. Derselbe scheint also ein berühmter Kalligraph des vierten Jahrhunderts gewesen zu sein, der seinen Handschriften wie den nach seiner Yorzeichnung ver- fertigten Inschriften seinen Namen beizusetzen nicht versäumte.*) Auf Inschriften sind dergleichen Angaben äusserst selten; mir ist nur ein ähnliches Beispiel bekannt, eine christliche Inschrift aus dem coemeterium Maximi, die Bianchini zum Anastasius III p. 88 im Stich

*) [Vgl- Chron. min. a.a.O. S. 15 ff,, wo Mommsen über Filocalus, dessen kalligraphische Thätigkeit durch neues Material inzwischen bekannter geworden war, genauer gehandelt hat.]

über den Chronographen vom J. 354. -563

mitgetheilt hat.*) Die oberste Zeile ist der Rest einer Grab- schrift .... TIAJsAE EIYS; darunter sind gezeichnet die Figuren zweier in dieser Grabstätte beigesetzten Märtyrer, beide sitzend, mit beigeschriebenen Xamen MAXIM VS und SECYNDES^VS; neben diesen steht dem Beschauer links:

s^IPTVM EST T per ruf?^}S. und darunter

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Auch an dieser Inschrift wird die eJegans charaderum forma hervorgehoben, wie an der des Furius Dionysius; was sehr gut zu der Annahme passt, dass sie von Kalligraphen vorgeschrieben wurden. Ob derselbe Kalligraph, der unsre Handschrift illustrierte, sie auch geschrieben, ob er ferner den Inhalt derselben selber zu- sammengestellt hat oder ein Andrer dies that, sind ziemlich müssige Fragen.**) Von einem Verfasser kann eigentlich gar nicht die Rede sein bei einem Werke dieser Art, das nichts ist als eine Zusammen- . Stellung von Urkunden, die vielleicht alle als officielle Documente von den römischen bürgerlichen und geistlichen Behörden bekannt gemacht worden sind. Dass das \Yerk nicht, wie Peiresc vermuthete, in der Gegend von Trier, sondern in der Stadt Rom enstanden ist, ist evident nicht bloss durch den ausschliesslich auf Rom berechneten Inhalt, sondern jetzt auch durch das Yorkommen des Kalligraphen, <ler in demselben erscheint, auf einer römischen Inschrift.

B. Während Peirescs und die Brüsseler Handschrift uns die Sammlung des Chronographen von 354 in ihrem ursprünglichen umfang aufbewahrt haben, erscheint dieselbe in dem Wiener Manu- 609 Script vermehrt mit theils gleichartigen, theils ungleichartigen Zu- isätzen. Als gleichartige Ergänzung können wir betrachten die -N^ummem

IX. Weltchronik |

X Stadtchronik | geschrieben im J. 334.

XI. Regionenverzeichniss j

*) [Die Inschrift haben weder Dessau noch ich identifizieren können. Das coemeterium Maximi ist unter diesem Namen in der neueren einschlägigen Literatur unbekannt, es heißt coem. Felicitatis; vgl. de Rossi, Bull, di archeol. crist. 1863 f. 41 ff., 1884 5 S. 149 ff.]

**) [In den Chron. min. a. a. 0. S. 17 wird es als wahrscheinlich bezeichnet, •diß die Thätigkeit des Kalligraphen sich auf den Titel beschränkt habe.]

36*

'564 tJher den Chronographen vom J. 354.

Diese drei Abschnitte bilden ein kleines Werk für sich, von dem CS nur zweifelhaft erscheint, ob dasselbe rein äusserlich mit der Sammlung von 354 verbunden ist oder doch auch ein innerer Zu- sammenhang stattfindet. Auf den ersten Blick möchte man sich für die erste Annahme entscheiden ; allein die zweite scheint dennoch mehr für sich zu haben. Dafür spricht zunächst die Gleichartigkeit beider Sammlungen, von denen jede offenbar für die Stadt Rom berechnet war, und die sich einander nicht ohne Absicht ergänzen. Wer die Consuln, die Präfecten und die Bischöfe Roms verzeichnete,^ hätte doch, sollte man denken, auch ein Kaiserverzeichniss geben müssen; dennoch fehlt es in der Sammlung von 354, aber es findet sich in der von 334. Was aber besonders die Zusammengehörigkeit beider Sammlungen beweist, ist die oben S. 597*) nachgewiesene Thatsache, dass das Verzeichniss der römischen Bischöfe in der Sammlung von 334 desshalb fehlt, weil es in die von 354 auf- genommen ist. Verbinden wir hiemit die mannigfachen Spuren einer um zehn bis zwanzig Jahre älteren Redaction, die die letztere Samm- lung im Kalender, in den Depositionen, ja auch im Papstverzeichniss,. . wo die Notizen über Papst Julius 337 352 unverkennbar ein späterer Nachtrag sind, noch an sich trägt (S. 606 [560]), so dürfte es wahr- scheinlich werden, dass beide Sammlungen ursprünglich verbunden waren. Zu Grunde liegt vermuthlich die Weltchronik des Hippolyt, die ein unbekannter Römer im J. 334 fortsetzte bis auf seine Zeit und zugleich mehrere Abschnitte besonders und sorgfältiger ausführte. Ob derselbe schon den Kalender, die Fasten, die Ostertafel, das Stadtpräfectenverzeichniss hinzufügte oder nicht, lässt sich nicht aus- machen. Zwanzig Jahre später wurden diejenigen Abschnitte dieser Sammlung, die am unmittelbarsten ein praktisches Interesse hatten, ergänzt und die zuletzt genannten Stücke, wenn sie in der Sammlung von 334 fehlten, hinzugefügt; während die Chroniken und das Regionenverzeichniss, auf die es im täglichen Gebrauch weniger ankam, unverändert blieben. Die Handschrift von Peiresc enthielt 610 nur diejenigen Stücke, welche im J. 354 durchgesehen oder zugefügt waren, während die Wiener die Bestandtheile der ersten und der zweiten Ausgabe mit einander vereinigt

C. Zusätze späterer Abfassung. II. Annalen bis 539. VIIL Annalen bis 496 (Schluss fehlt).

Die Weltchronik des Hippolyt, die überhaupt in Italien und Frankreich bis in sehr späte Zeiten hinab gebraucht und ausge-

*) [Vgl. die Anm. * oben S. 557.]

über den Chronographen vom J. 354. 565

schrieben wurde nur der IS^ame des Yerfassers scheint früh in Vergessenheit gerathen , wird in der zweckmässigen Gestalt, welche der A.nnalist von 334 ihr gegeben und sein Nachfolger vom J. 354 bis auf seine Zeit fortgeführt hatte, im Abendlande vielfach benutzt worden sein. Dafür bürgt der ungeschickte Versuch einer Fortfüh- rung der Ostertafel bis 410. welche allem Anschein nach nicht 410, sondern später stattgefunden hat; denn der Schreiber wollte offenbar nur die 100 Jahre, für die Platz gelassen war, nachführen, nicht aber bis auf seine Zeit die Arbeit fortsetzen. Dafür bürgen ferner jene beiden Handschriften aus dem VIII. oder IX. Jahrhundert, wo- von so weit wir sehen die eine aus Belgien, die andre aus der Schweiz stammt: deren gemeinschaftliches Original nicht älter ge- wesen sein kann als 410, da die Supplemente zur Ostertafel in beiden gemeinschaftlich sich finden, wahrscheinlich aber noch jünger gewesen ist. Es kann nicht befremden, wenn zu einem solchen Werke später andre chronistische Werke hinzugeschrieben wurden, die durch nichts andres mit demselben in Verbindung stehen als durch die ungefähre Aehnlichkeit des Inhalts und die Laune des Schreibers. Von dieser Art sind die Annalen, welche wenigstens in ihrem späteren Theil in Ravenna entstanden sind; «s sind diejenigen libri chronico- rum, aus denen der Anonymus Vaksii schöpft. Die Wiener Hand- schrift enthält davon zwei Exemplare, ein ausführlicheres und ein verkürztes, die leider beide unvollständig sind. Diese Chroniken stehen mit dem Werke des Hippolvt nur in einem ganz äusserlichen Zusammenhang; da dem Schreiber von n. H die Weltchronik vorlag und er daraus einen Zusatz aufnahm, wird vermuthKch der Urheber von jenen sie ursprünglich einer Abschrift des hippolytischen Werkes hinzugeschrieben haben.*)

*) [Die nuu folgende Ausgabe des Chronographen (S. 611 668) ist durch diejenige in den Chron. min. I überholt worden ; doch gab Mommsen dem Text <ler Origo in der ersten Ausgabe Anmerkungen bei, die er in der zweiten, deren verändertem Charakter entsprechend, teils ausließ teils verkürzte. Es schien daher wünschenswert, diesen Abschnitt der Chronik, den siebenten, mit den Anmerkungen, soweit diese sich nicht auf bloße Zitate aus topographischen Handbüchern beschränken oder durch neuere Untersuchungen überflüssig ge- worden sind, hier wieder zum Abdruck zu bringen. Der Text ist derjenige der zweiten Ausgabe; die Anmerkungen, die in der ersten Ausgabe hinter dem Text stehen, sind gemäß der später von Mommsen befolgten Praxis unter diese ge- setzt worden.]

566 Über den Chronographen vom J. 354.

644 VII.*)

Item origo gentis Romanorum, ex quo primum in Italia regnarc coeperunt.

Picus Saturni filius^ regnavit agro Laurentino usque ad eum locum ubi nunc Roma est, ann. xxxviii^. Eo tempore ibi nee oppida nee vici erant, sed passim habitaverunt^.

Faunus Pici filius eisdem locis regnavit annis xliiii*. Eo tempore Hercules cum ab Hispania reverteretur, aram quae est ßomae ad forum boarium posuit et dedicavit eo quod Cacum filium Vulcani ibi in spelunca sua occiderat.

Latinus isdem locis regnavit .... Hie ex suo nomine cives suos Latinos appellavit. Hoc regnante Troia capta est, unde Aenea» Veneris et Anchisae filius venit et se cum Latino iunxit unaque bellum gesserunt adversus Rutulos. Eo proelio Latinus occisus est et regnum eius penes Aeneam remansit.

Aenea s oppidum condidit Lavinium ibique regnavit annis tribus.

Ascanius Aeneae filius regnavit annis xxxvi. Albam longam con- didit.

•*) [Vgl- die Anmerkung auf der vorhergehenden Seite.]

1) Dass Janus und Saturuus fehlen, ist charakteristisch; der Verfasser hat jedes Wunder und so auch die Götterkönige beseitigt. Aehnlich Augustin CD. 18,15: primus (rex) Laurentum Picus, und Syncellua p. 322 Bonn., der überhaupt hier aus einer Quelle mit dem Verfasser der Stadtchronik schöpfte oder aus der Stadtchronik selbst: Africanus kann hieför seine Quelle nicht ge- wesen sein; Snavla weist auf einen lateinischen Autor. Mit Syncellus ist hier der Anonymus Scaligers p. 53 (hinter dem Eusebius) verwandt. [Das Abhängigkeits- verhältnis wird etwas anders beurteilt in den Chron. S. 142; vgl. auch H. Geizer, Sex. lul. Africanus I, Leipz. 1880, S. 243.]

2) TiQo Alvsiov a <paoi IIeTxov vlov Kqovov ßaoiXevoai x^Q*^^ Aavgevrov l^ . Eivat ÖS rrjv xwgav k'cog rfjg vvvl 'Pcöfirji; jzöXsws. Syncell. 1. c. Die Zahlen der ersten beiden Regierungen scheinen nacherfunden denen der römischen Könige:

Picus 37 (Sync.) oder 38 (St. Chr.) = Romulus 37 oder 38. Faunus 44 = Numa 43.

3) erant omnes partes illas sine urhes et sine regem, secundum quod nairat historia. Anon. Seal. p. 53.

4) fxed'' ov ^avvov rov vlov avrov IIeUov rov xai Aiog ht] fid' y.a^' ov 'HgaxXfj? ano Sjiaviag enavsX&Oiv ev (pögu) reo X.syofievfp ßaagico ßcojuov rjyeiQE , Stötc äveUs Kdxov tov 'Hcpaiatov viöv. Syncell. p. 323. Tunc Eraclius ah Spanorum partibus rediens arma sua ['scr. aram suam': Zusatz in den Chron. min.] posuit in Roma in boarium forum in templo clausit. Anon. Seal. p. 53. Dass die Er- richtung der ara moxima auf dem Forum Boarium (Becker Topogr. S. 469 A. 974 [O.Richter, Topogr.* S. 187]) unter Faunus gesetzt wird, rührt wohl daher, dass die Sage den Faunus und den Euander zu Zeitgenossen macht (Dionys. I, 31).

über den Chronographen vom J. 354. 567

Reges Albani^. Posturaus Silvius Aeneae nepos regnavit aiin. xxxvii. Ab hoc

prognati postea Albae regnaverunt ac Silvi sunt cognominati, Aeneas Silvius regnavit annos xxxi. Latinus li. Alba XXVIII. Appius^ xLi. Capys XXVIII. Campeius' xxi. Titus* viii. Agrippa Li. Aventinus xxxviii. Procas viii. Amulius LI. Remus Silvius regnavit xvii. Eum Romulus interfecit.

Reges Rotnanortim mimer o viii^ 645

Romulus Martis et Iliae filius regnavit annos xxxviii. Urbem Romam condidit xi kal. Mai., qui dies appellatur Parilia. Hie x menses in annum constituit a Martio in Decembrem. Mille iuvenes de plebe Romana legit, quos railites appellavit^, et centum senio- res, quos senatores dixit"^. Congiarium dedit congium vini inter

1) Dies Register der Könige stimmt im Ganzen mit Livius und Eusebios, bis auf eine oflFenbar absichtliche Aenderung: der 12. Silvier Remulus ist weg- gestrichen und unmittelbar vor Romulus gesetzt, wo er durch die Aenderung des Namens in Remus und den Beisatz: Eum Romulus interfecit mit dessen Bruder identificirt wird. So willkürlich ist hier die Sage historisirt worden. [Vgl. Geizer a. a. 0. S. 239.]

[2) 'debuit esse Epitus" (Zusatz a. a. 0.).]

[3) debuit esse Calpetus (a. a. 0.).]

[4) 'secundum antiquiorem laterculi formam Tiberinus: sed Titum item habet licet loco non suo Barbarus' (a. a. 0.).]

5) Es wird nämlich T. Tatius mitgezählt von dem Verfasser, den die heilige Siebenzahl wenig kümmert. Die Regierungsjahre stimmen nicht mit den ge- wöhnlichen Angaben überein, doch kann dies auf Schreibfehlem beruhen. Ich h;ibe vermittelst einiger Aenderungen die Gesammtzahl 245 hergestellt.

6) Tgl. Isidor. orig. IX, 3[, 31] : miles dictus quia milJe erant ante in numero uno vd quia unus est ex mille dedus. Romulus autem primus ex populo milites sumpsit et appellavit. Die gespen-ten Worte sind aus Hier. [z. J. Abr. 1289]: Romulus primus milites sumit ex populo, die andern vielleicht aus der Stadtchronik.

7) Isidor. orig. IX, 4[, 8]: senatui nomen adas dedit, quod seniores essent; was hieraus genommen sein kann, aber ähnlich bei vielen vorkommt.

568 Über den Chronographen vom J. 354.

homines xii^. Hie cum natat ad paludem caprae^, subito nusquam comparuit. In numerum deorum relatus deus Quirinus appellatus est.

Titus Tatius dux Sabinorum una cum Romulo regnavit annos quin- que. Hie Tarpeiam, virginem Vestalem, vivam armis defodit eo quod secreta Romuli ei propalare noluisset^.

Numa Pompilius regnavit ann. xli. Pontifices, virgines Vestales instituit. Hie duos menses ad x menses Romuli instituit, lanuarium diis superis, Februarium diis inferis. Hie prior hominibus adinvenit grabata mensas sellas candelabra*. Congiarium dedit scortinos? asses et militibus donativum aere ineisum dipondium semis.

1) Also jedem Mann eine Hemina. Diese imaginäre Geschichte des Ursprungs und der Entwicklung der Congiarien findet sich vollständig nur hier: Romulus gab jedem Mann eine Hemina Wein, also je zwölfen einen Congius ; Numa jedem Plebejer einen (oder 1 ^2) ledernen As, den Soldaten aber 2V2 erzene Asse; Ancus endlich gab dem Plebejer IV«, dem Soldaten 2^2 Asse. Ein Fragment daraus scheint die von Suidas v. daadgia aus Sueton angeführte Stelle : Novfiä? 6 Tigcbrog ßaacXsvg fietä 'PwfMvXov 'Poj/naicov ysyovcD? djio oiÖtjqov xai xa^xov jtejtoirjfisva ngöürog ixaQiaaro 'Pcofiatot? , rcöv jiqo avrov siävxcov öid oxvtivwv xal oaxQaxivoiv rijv XQ^^a^ nXrjQovvTWV ojisq wvöjxaoEv ix rov Idiov ovofxarog vovfxfiia. Ebenso ohne Nennung des Sueton Cedren. I. p. 260 Bonn.: xai doaoQia 8e dno doijfiov (sehr. oiSrjQov) fcai XaXxov 7isjioir]/j,Eva TiQwxog 'Pcofiaioig syaQiaaxo, tiqiv diä axvxivcov xal ^vXlvcov xal

650 oaxgaxivcov xtjv ;|fß«tav nXrjQovvxcov ojisq ix xov Idiov oro/iiarog vovfxia ixdXsaev (dass Sueton hier die Quelle des Cedrenus ist, wird auch dadurch bestätigt, dass die unmittelbar vorhergehende Notiz über die Entlehnung der Toga von den Isauriern in dem Chr. Pasch, p. 217 ausführlicher berichtet wird xa§cog 6 oocpüxaxog ZovEXcoviog TgdyxvkXog 'Pco/naicov laxogioygdcpog avveyQdtpaxo [vgl. Reifferscheid, Suet. rel. S. 321]); und kürzer Africanus (daraus Syncell. p. 398 Bonn, und Euseb., aus diesem wieder Chr. Pasch, p. 218 Bonn, und der Anonymus Scaligers p. 54 [p. 242 Frick, Chron. min. IJ) yoyyiaQtov edojxev daoaQia ^vXiva xal oxvxiva xal oaxgdxiva (nach dem Text des Syncellus). [Vgl. Geizer a.a.O. S. 230. 234 fi".] Hieraus ergiebt sich, dass die Geschichte von der Entstehung der Congiarien aus Sueton, wahrscheinlich aus dessen Büchern de regibus, herrührt, aus denen sowohl der Verfasser der Stadtchronik als Africanus schöpften [doch s. 0. S. 559*].

2) Der Verfasser insinuirt, dass Romulus wohl beim Baden ertrunken sein möge.

3) Die Sage von der Tarpeja erscheint hier in andrer, jedoch nicht ganz klarer Gestaltj Ursache des Todes ist die Treue gegen Romulus, vielleicht die Weigerung die Burg zu öffnen. Tarpeja wird auch sonst zur Vestalin gemacht (Varr. V, 41. Propert. IV, 4, 18), obwohl übrigens nach dem Verfasser erst Numa die Vestalinnen einsetzt; bemerkenswerth ist der mythische Zusammenhang, welcher zwischen dem Tod der lebendig unter den Schilden begrabenen Tarpeja und der bekannten Strafe der vestalischen Jungfrauen offenbar hier angedeutet wird. Dies scheint eine gute Sagentradition.

4) Dass Numa Betten, Tische, Stühle und Leuchter erfunden habe, steht sonst wohl nirgends; es ist das Gegenstück zu der Erfindung der Strafen durch Tarquinius Superbus.

über den Chronographen vom J. 354, 569

Tullius Hostilius regnavit annos xxxii. Hie prior censum egit

edictoque suo cavit ut quicunque temporibus ipsius falsum fecisset,

daret pro capite suo dimidium verbecem^ Marcius Philippus^ regna^•it ann. xxxvi. Cong. dedit assem semis

et militibus donativum dipondium semis. Ostiam coloniam condidit. L. Tarquinius Priscus regnavit annos xxviii. Hie eum fundamenta

Capitolii eavaret, invenit eaput bumanum litteris Tuscis scriptum

CAPVT. OLIS. REGIS3, unde hodieque Capitolium appellatur.

Hie prior Romanis duo paria gladiatorum edidit, quae comparavit

per annos xxvii*. Servius Tullius serva natus regnavit ann. xlv. Hie votum fecit

ut quotquot annos regnasset, tot ostia ad frumentum publicum

constitueret^.

1) Diese Bemerkung über den Census, die wohl eigentlich bei Numa stehen sollte [vgl. Geizer a. a. 0. S. 237], ist sonst nirgends zu finden; wie der incensus in die Fremde als Knecht verkauft ward (Walter R. G. §. 164) [vgl. Strafrecht S. 44], so hatte der, welcher beim Censiren falsche Angaben machte, sein Haupt mit einem halben (?) Hammel zu lösen. Ob er aus Irrthum oder aus Betrug gefehlt, war wohl gleichgültig; vorzugsweise mag an jenen gedacht sein, da der zufällige Todtschlag ähnlich gesühnt wird durch Entrichtung eines Widders (aries stibiectus) an die Agnaten.

2) Dass die Marcii Philippi ihr Geschlecht auf den vierten König zurück- führten, wussten wir (Ovid. fast. VI, 803. Eckhel D. N. V p. 248 [Rom. Mflnzw. S. 547. 641]); nicht aber, dass sie auch ihr Cognomen ihm geradezu beilegten. Auch das gehört zu den vielen Zügen, durch welche unser Redacteur bemüht gewesen ist. die römische Sage zu historisiren und zu trivialisiren.

3) Hieraus schöpft Isidor XV, 2 [31]: loco fundamenti caput hominis litteris Tuscis notatum invenit et proinde Capitolium appeUavit. Die etmskische Inschrift ist ein ächter Zug der Sage, da das gefundene Haupt das des Königs Olus von Volci war (Amob. VI, 7) und etmskische Zeichendeuter die Inschrift auslegen (Liv. I, [38, 7]. 55 [5]. Serv. ad Aen. VIII, 345).

4) Wie die Spenden sollten auch die circensischen Spiele auf einen König zurückgeführt werden, wobei mau denn natürlich den Erbauer des Circus und den Gründer der ludi Eomani wählte.

5) Dass jede Getreidemarke auf ein besonderes Ostium lautete, wissen wir aus Inschriften: C. Vibius Celer frum. ac. d. VII ostio XV (Fabrett. 234, 617, jetzt im Mus. Borbon. [C. I. L. VI 10225]); C. Sergius C. f. Aldmus fruvientum itccepit die X ostio XXXIX (Fabrett. 235, 618 [C. I. L. VI 10224]). Vgl. Henzen tab. alim. p. 23. Unzweifelhaft sind die Arkaden der Porticus Minucia frumen- taria (Becker Topogr. S. 621. Preller Regionen S. 168 [Jordan I 3 S. 546]) ge- rieint, welche ebenso mit Nummern bezeichnet gewesen sein müssen, wie noch jjtzt die Arkaden des Coliseo. Dass deren 45 waren und dass der Sage nach Itervius so viele Getreidebureaus errichtete, als er Jahre regierte, war uns bisher rieht bekannt; nur wussten wir aus Aur. Vict. de viris ill. c. 7, dass die Frumen- titionen von Servius zuerst eingerichtet wurden.

570 Über den Chronographen vom J. 354.

Tarquinius Superbus regnavit ann. xxv. Hie prior hominibus invenit lautuinias tormenta fustes metalla flagella carceres exilia. Ipse prior exilium meruit^ Inter duos pontes a populo Romano fuste mactatus (est) et positus in eireo maximo^ sub delfinos.

Item nomina dictatorum^. P. Cornelius Seipio Africanus. Fabius Maximus. Apulius Claudius. Popilius Lenas. Yalerius Publicola. Pompeius Maximus. Enea» Julius. Sulla Felix, Barbatus. Seipio Nasica. Aemilius Paulus. Fabius, Cincinnatus. Decimus. Titus Marius, Plutatius Catus. Marius Rutulus. Yalerius Corvinius. Cornelius Seipio, P. Decius. Q. Fabius. Metellus Pius, Marius. Licinius Salinator. Curiu» Dentatus. lulius Brutus.

Item imperia Caesarum. C. lulius Caesar imperavit annos in menses vii dies vi*. Con- giarium dedit X C. Occisus curia Pompeia.

1) Dies hat Isidor V, 27 [23] wörtlich ausgeschrieben : (Tarquinius Superbus} pnai' latomias tormenta fustes metalla atqu£ exilia adinvenit et ipse piior ex regibus exilium mefi-uit. Aus derselben Quelle, der die Stadtchronik dies entnahm, vermuthlich aus Sueton entlehnte es Eusebius beim J. 1470 : T. S. invenit vincula verbera cippos carceres custoäias ligamina collaria catenas exilia damnationes ad metalla (so der armenische Text); oder, wie Hieronymus übersetzt ['adhibito fortasse in fustibus et lautumiis Chronographo': Zusatz in den Chron. min. S. 145J:

651 T. S. excoyitavit vincla taureas fustes lautumias carceres compedes catenas exilia metalla; oder wie Cedren. I. p. 262 wohl aus Eusebius hat: e^evqs Seafia judoTiya^ ^vXa siQxräg (pvXaxäg xloiov? Tiedag ulvoeig s^ogiag ^wcraAAa. Vgl. S. 568, 4.

2) Diese rohe Ciceronensage kommt hier allein vor: der (aus der Verban- nung zurückgekehrte) letzte König sei auf der Tiberinsel (deren Entstehung mit der Vertreibung der Tarquinier in Verbindung gebracht wird, Becker S. 651 [Liv, II 5J) zu Tode geprügelt und im Circus bestattet worden,

3) Dieser Lückenbüsser soll die Zeit der Republik vertreten; es sind Namen berühmter Kömer ohne alle Rücksicht auf die Zeitfolge hier zusammengehäuft, deren Berichtigung unnütz ist. Vgl. den ähnlichen Abschnitt iu der series regwn bei Hieronymus p. 66 Rone. [I app. p. Schöne], der bei Euseb. fehlt und viel- leicht aus einem besseren Exemplar unsrer Stadtchronik herrührt. Er beginnt: Jlomae post exactos reges consules guotannis bini creati, et in maxima urbis cala- mitate quandoque etiam creabatur dictatoi': daher die nomina dictaUn'um. [In den Chron, min. S. 141, 1 wird bemerkt, daß diese Stelle des Hieronymus keine hand- schriftliche Beglaubigung habe.] Die Consularfasten, die beim J. 705 bemerken: hoc usque dictatores fuerunt, deuten damit offenbar auf diesen Abschnitt; was deswegen bemerkeuswerth ist, weil hier wieder eine Wechselbeziehung der zweiten Abtheilung vom J. 334 und der ersten von 354 hervortritt (vgl. S. 609 [564]).

4) Von Cäsars Tode 15, März 44 drei Jahre sieben Monate sechs Tage zurück- gerechnet führt auf das Datum der Schlacht bei Pharsalus (9. Aug. 48), von wo

über den ChroiK^raphen vom J. 354. 571

Divus Octavianus Augustus imp. ann. lvi. m. im d. unum. Gong. 646 ded. ter X CCCLXIIS K Hoc imp. navis Alexandrina primum in portu Romano introivit nomine Acatus, qui attulit frumenti modios CCCC, vectores MCC, piper, linteamen, carta, vitria et opoliscum cum sua sibi base, qui est in circo maximo, altum pedes LXXXVJLIS^. Excessit Xola.

Tiber iu8 Caesar imp. ann. xxii m. vii d. xxviii. Cong. dedit X LXXIIS. Hoc imp. in civitate Fidenis populo spectante amphi- theater mit et oppressit homines iiliccv'. Excessit Miseno.

C. Gallicula imp. ann. iii. m. viii. d. xii. Cong. dedit X LXXIIS et de basilica lulia sparsit aureos et argenteos, in qua rapina perierunt homines xxxii (mulieres) [cgxlvii et spado*. Occisus Palatio.

Tiberius Claudius imp. ann. xiii m. viii d. xxvii, Cong. dedit X LXXY^. Hoc imp. primum venenarii et malefici comprehensi

auch die aera Caesariana beginnt. (Eckhel D. N. 4, 400). Die genauen Angaben aber die Regierungsdauer in unserer Stadt chronik sind wohl zu beachten; eine jede derselben zu prüfen ist hier nicht möglich.

1) August gab (uach dem mou. Ancyr. tab. III [p. 60 ed. 2]) drei Congiarien von je 400 Sesterzen und 60 Denare sportulae bei der dediictio in forum des L. Cäsar ; dass die St. Chr. letzteres Geschenk nicht als congiarium mitzählt, entspricht dem mon. Ancyr. Die Gesammtsumme ist nach dem mon. Ancyr. 360 Denare; wenn unsre Chronik .362'« rechnet, so kommt dies daher, weil sie mit Sueton Aug. 41 die sportulae nicht zu 60 Denaren, sondern zu 250 Sesterzen ansetzt. [Vgl. Chron. min. S. 145.]

2) Interessant ist die Notiz über das gewaltige ägyptische Lastschiff Acatus (axaro? I, welches den Obelisk des Circus (jetzt auf Piazza del popolo) mit seiner Base, 1200 Passagiere, 400000 Scheffel Weizen und andere ägyptische Waaren: Pfeffer (Plin. H. N. 6, 23 [105] i, Byssus, Papyrus, Nitrum (Plin. 31, 10 [106 ff'.]; nitria, nicht vitria hat die Hdscbr. [nach den Chron. min. S. 145, 17 vielmehr doch vitria]) nach Rom brachte. Dies ist dasselbe Schiff, welches Claudius nachher da, wo er den Leuchtthurm anlegen wollte, ins Meer versenkte. Saet- Claud. 20. Preller a. a. 0. S. 13.

3) Tacit. Ann. IV, 62. 63. Suet. Tiber. 40. Gros. VII, 4. Cluver. Ital. ant. p. 656. Tacitus spricht von mehr als 50000 Verwundeten und Todten, Sueton von 20000 Todten; die Zahl von 4205 Getödteten, wie unsre Chronik sie giebt, hat ein weit glaubwürdigeres Ansehen als diese beiden Angaben.

4) Ueber diese Siiendungen vom Dach der Basilica lulia (über welches die vcm Capitol nach dem Palatin geschlagene Brücke geführt sein wird, Becker Top. S. 393. S. 4;31. A. 879.) vgl. Suet. Calig. 37. Die Zahl der Getödteten ist vermuthlich corrupt; vielleicht stand homines XXXII, mulieres CCXLVII et »pado.

5) Dies bestätigt Dio 60, 25.

572 Über den Chronographen vom J. 354.

sunt; homines XLV, mulieres lxxxv ad supplicium ductisunt^. Hie metas in circo maximo deauravit^. Excessit Palatio.

Nero imp. ann. xiiii menses v dies xxviii. Cong. dedit X C.^ Hoc imp, fuit polyfagus natione Alexandrinus nomine Arpocras, qui manducavit pauca: aprum coctum, gallinam vivam cum suas sibi pinnas, ova c, pineas c, clavos galligares, vitrea fracta, thallos de scopa palmea, raappas im, porcellum lactantem, manipulum feni, et adhuc esurlens esse videbatur*. Nero occisus via Patinaria ^

Galba imp. m. viii d, xii. Cong. promisit sed non dedit. Hie domum suam deposuit et horrea Galbae instituit^. Deeolatus foro i^o- mano iaeuit.

Otho imp. dies xc. Ipse se Brixellis interfeeit.

Vitellius imp. m. viii. d. xi. Occisus Palatio.

Divus Yespasianus imp. ann. xii. m. viii. d. xxviii. Congiarium dedit X LXXV. Hie prior tribus gradibus amphitheatrum dedicavit". Excessit Curibus Sabinis.

Divus Titus imp. annos . , Hie

amphitheatrum a tribus gradibus patris sui duos adiecit. Excessit Curibus Sabinis cubieulo patris.

Domitianus imp. ann. xvii. m. v. d. v. Congiarium dedit ter X LXXV*. Hoc imp. multae operae publicae fabricatae sunt^: atria vii, horrea

1) Tacit. Ann. XII, 52: de viathematicis Italia pellendis factum actum atrox 652 et irritum. Dasselbe wurde unter Tiberius beschlossen, wobei ebenfalls Hin- richtungen stattfanden. Tac. Ann. II, 32.

2) Suet. Claud. 21. Becker Top. S. 666.

3) Suet. Ner. 10: divisis populo viritim CCCC nummis. Tac. Ann. 13,21.

4) Dieser Harpokras muss derselbe ägyptische polyphagus sein, dem Nero lebendige Menschen zum Frass vorzuwerfen den Gedanken gehabt haben soll (Suet. Nero 37). Vgl. unter Sev. Alexander den Bericht über einen ähnlichen Vielfrass, der nach den Speisen auch die Behälter und die Tischtücher so wie die Palmenwedel, womit man den Tisch abfegte, verschlang; ferner Vopisc. Aurel. 50. über einen solchen Fresser aus der Zeit Aurelians.

5) Die via Patinaria kommt nur hier und im Summarium des Reg. Verz. vor; sie muss zwischen der Salaria und Nomentana gesucht werden (Suet. Nero 48). S. Preller Reg. S. 228.

6) Wegen der horrea Galbiana s. Preller S. 102. [Jordan ISS. 175 f.]

7) Zu denen Titus nachher noch zwei fügte, s. daselbst. Vgl. besonders die Arvaltafel XXIII, wo den Arvalbrüdem und ihrer Dienerschaft Plätze in drei Gradus angewiesen werden: im maenianum primum im maenianum summwn secundum im maenianum summum in ligneis.

8) Suet. Domit. 4 : Congiarium populo n. CCC ter dedit.

9) Das nun folgende Verzeichniss ist ausgeschrieben theüs von Eutrop 7, 23, der nur das Capitol, das forum transitoiitim und das Stadium bei Sueton. Dom. 5 fand', die divorum porticus und das Iseiim und Sei'apeum aus unserm Kataloj:

über den Chronographen vom J. 354. 573

piperataria ubi modo est basilica Constantiniana et horrea Vespasiani^, templum Castorum et Minervae^. portam Capenam, gentem Flaviam, Divorum^, Iseum et Serapeum, Minervam Chalcidicam, Odium*, Minuciam, veterem Stadium, et thermas Titianas et Traianas^,

zugesetzt haben wird, theils von Hieronymus (p. 443 Rone. [z. J. Abr. 2105], s. den Anhang [Chron. min. I S. 417]) und dieser wieder copirt von Prosper p. 570 Rone, und Casaiodor p. 198 Rone. [Chron. min. II 140]. Die Ordnung der Gebäude in der St. Chr. ist keine streng locale, doeh sind gewisse locale Gruppen er- kennbar. So liegen die Gebäude von Divorum particus bis zum Stadium alle in der neunten, die Thermen des Titus und das Amphitheater in der dritten, die drei folgenden Gebäude in der achten Region.

1) hwr hat die Handschrift, nicht forum, wie Roncalli hat. Ein forum Vespasiani kennt man auch sonst nicht, so dass Becker S. 441 A. 912 sieh ge- nöthigt sah, hier das templum Pacis zu verstehen, das aber keineswegs Domitian erbaut hat. üebrigens kommen auch die Jiorrea Vespasiani nur hier vor. Hier, hat durch Miss verstand niss Vespasiani templum aus den horrea Vespasiani, templum Castorum gemacht.

2) Da die Stadtchronik ebenso wie das Curiosum von einem templum Casto- rum et Minervae spricht und die Notitia dafür blos das templum Castorum nennt, ist es wahrscheinlich, dass Domitian nicht neben dem alten Castortempel einen Tempel der Minerva erbaute, sondern bei der Wiederherstellung von jenem denselben den Castoren und der Minerva dedicirte. Hiedurch entgeht man der grossen Schwierigkeit zwischen dem Vestaheiligthum und der Basilica lulia, da wo noch jetzt die drei Säulen stehen, für zwei Tempel Platz zu gewinnen. [Vgl. Jordan 1 2 S. 373, 81.]

3) Die Divorum porticus, welche auch Eutrop 7, 23 (und aus ihm Hieronymus) anter Domitians Bauten nennt, und die ebenfalls blos als Divorum im Regionen- verzeichniss in der neunten Region vorkommt, in der Gegend von S. Maria sopra Minerva. Preller S. 178 will zwar im Regionenverzeichniss nicht die porticus Divorum Domitians, sondern ein von Tacitus erbautes templum Divorum ver- stehen, allein bei dem engen Zusammenhang und der Gleichheit des Sprach- gebrauchs der Stadtchronik und des Regionenverzeichnisses (hier z. B. hat jene: Divorum, Iseum et Serapeum, Minervam CJialcidicam, dieses: Is. et Serap. 31. Ch. D.) iät unzweifelhaft an beiden Stellen dasselbe Gebäude zu verstehen und zwar der von Domitian errichtete Säulengang, in dem die Statuen der consecrirten Kaiser aufgestellt waren. [Vgl. jetzt Hülsen bei Jordan 13 S. 564fF.]

4) In der neunten Region, Preller S. 169 [Jordan I 3 S. 594f.]. Das hand- schriftliche synodum ist sinnlos; wollte man an das forum transitorium denken, so würde dieser halb in reg. IV, halb in reg. VIII belegene Platz (s, meine Äbh. *• comitio Romano § XVIII [Hist. Sehr. II S. 29flf.]) hier unpassend zwischen If ,uter Localitäten der neunten Region stehen. Das richtige odium giebt Hiero- nymus, der hier die Stadtchronik ausgezogen hat.

b) In der dritten Region beim Amphitheater, wo Titus sie celeriter anlegte (Suet. Tit. 7), Domitian sie ausbaute und Traian das (gewiss auch schon von D imitiau begonnene) Frauenbad hinzufügte (S. 574, 5) : Becker S. 686 fg., der aber nicht an eine Anlage von Trajan als Consul hätte denken sollen. [Vgl. jetzt H ilsen a. a. O. S. 307 ff.]

574 Über den Chronographen vom J. 354.

amphitheatrum usque ad clypea^, templum Vespasiani et Titi,

Capitolium, senatum, ludos iiii^, Palatium, (micam auream)' metam

sudantem et Panteum. Occisus Palatio. Nerva imp. ann. v. m. im d. unura. Gong. de. X LXXV et funera-

ticium plebi urbanae instituit X LXIIS*. Excessit hortis Salustianis. Traianus imp. ann. xix. m. im. d. xxvii. Cong. dedit X DCL. Hoc

imper. mulieres in thermis Traianis laverunt^. vii. idus lulias

excessit Selinunti^. 647 Adrianus imp. ann. xx. m. x. d. xiiii. Cong. dedit X QC . Hoc imper.

templum Romae et Veneris fabricatum esf. Excessit Bais veteribus**, Antoninus Pius imp. ann. xxii. m. viii. dies xxvm. Cong. dedit

X DGGc. Hoc imper. Circensibus Apollinaribus partectorum columna

ruit et oppressit homines qc cxii^. Excessit Lorio^".

1) In der dritten Region. Ueber die clipei s. Becker S. 682. A. 1495. Auf den Münzen, welche das Amphitheater darstellen (s. die Abbildungen zusammen bei Maffei Verona ill. V tav. 1. [vgl. Hülsen a.a.O. S. 283,3]), ist der oberste Ring mit einem Kranze von Kugel eben geschmückt, welche eben diese clipei sein werden; warum sie auf der Münze von Titus fehlen, erklärt unser Katalog.

2) Nämlich matutinus magnus Dacicus Gallicus, die die Regionarier in reg. II. III. nennen. Da Hieronymus den ludus matutinus nennt, dürfte er in seinem Text der St. Chr. die vier Namen gefunden haben, die jetzt fehlen.

3) Ich habe dies aus Hier, ergänzt; in unsrer Stadtchr. scheint mica vor meta ausgefallen.

4) In dieser Stelle habe ich früher zu finden geglaubt, dass Nerva über die Todtengilden der plebs urbana eine Bestimmung getroffen habe. Indess ist bei dem funeraticium instituit vielmehr zu verstehen, dass Nerva im Testamente einem jeden römischen Bürger, der seiner Beerdigung beiwohnte. Sportein von ^50 Sesterzen zu geben vorschrieb. S. meine Schrift de sodalic. et colleg. [Berl. 1843] p. 103.

5) S. S. 573, 5.

6) Trajans Todestag ist sehr bestritten (Tillemont note 28 über Trajan); VII idus lul. = 9 Juli kann nicht richtig sein, da Hadrian in Antiochia den Tod Trajans am 11. Aug. erfuhr. Vielleicht ist vii idus Aug. = 7. Aug. der wahre Tag.

7) Hieraus Hieronymus [z. J. Abr. 2147]: Templum Eomae et Veneris sub Hadriatio in urbe factum.

8) Baiae veteres so wie die dadurch vorausgesetzten Baiae novae kommen sonst nirgends vor.

9) Die drei ruina erwähnt auch Capitolin Ant. Pius c. 9. Das in. den Wörterbüchern fehlende Wort partectum findet sich nur in unsrer Chronik, die hier den Einsturz der partectorum columna, unter Diocletian den des partectoi'um podius beide Male im Circus erwähnt. Es scheinen die Gerüste zu verstehen, welche im Circus die hinteren Sitzreihen bildeten ^partectum fortasse fonuatum est a JiaQaxexraivoi : conferri potest nagaaräg, naoräg (Vitruv. VI 10, 1)': Zusatz iu den Chron. min. S. 146].

10) Zwölf Miglien von Rom an der aurelischen Strasse. Cluver. p. 521. [Nissen, Ital. Landesk. II 1 S. 351.]

über den Chronographen vom J. 354. 575

Divus Verus imp. ann. vii. m. viii dies xii. Congiar. ded. 3t (xcc.

Hoc imper. scrofa porcellum peperit in effigiem elefanti. Excessit

Altino. Marcus Antoninus imp. ann. xviii. m. xi. dies xiiii. Cong. ded.

X DcccL. Hoc imper. instrumenta debitorum fisci in foro Romano

arserunt per dies xxx^. Excessit Pannonia superiore. Commodus imper. ann. xvi. m. viii. d. xir. Cong. dedit X dcccl^.

Hoc imp. thermae Commodianae dedicatae sunt^. Excessit domo

Yictiliana. Pertinax imper. d. lxxv. Congiarium dedit X gl*. Excessit Palatio. lulianus imp. dies lxv. Occisus Palatio. Divus Severus imp. an. xvii. m. xi. dies xxviii. Cong. ded. X QO c.

Hoc imper. Septizonium et thermae Severianae dedicatae sunt^

Excessit Britaniae. Oeta imp. menses x dies xii. Occisus Palatio. Antoninus Magnus imp. ann. vi. m. 11. dies xv. Cong. dedit X cccc.

Hoc imp. ianuae circi ampliatae sunt et thermae Antoninianae

dedicatae sunt^. Hie suam matrem habuit'. Excessit interEdessam

et Carras. Macrinus imp. anno uno menses im d. 11. Cong. dedit X cl*. Hoc

imp. amphitheater arsif. Occisus Arcelaida^".

1) Africanus: rd xe Srjfiöoia reh] avrjy.av xai xovg rä>v xosäv xagrag i:ii z^^ 'Fcofianoias dyoocig xaretpXs^av (s. Syncell. p. 667; ebendaher Eusebius Hieronymus Cassiodor). Dio LXXI, 32. Spanhem. de usu et praest. II. p. 552. Tillemont If. p. 390. Wörtlich aus unsrer Stadtchronik schöpften die sog. fasti Hydatiani, die aber das Factum irrig beim J. 218 unter Caracalla eintrugen [Chron. min. I 226]: Eis conss. instrumenta dehitwum fisco in foro Bomano arserunt per dies XXX.

2) Lamprid. Comm. 16. hat eine etwas niedrigere Summe, 725 Denare.

3) Hieraus Hieronymus [z. J. Abr. 2199] : Thermae Commodianae Bomae factae. Tgl. Chr. Pasch, p. 492 : Oiouai Kofifiodiaval ev 'Ptöfuj dq^ieQwdrjaar. Lamprid. Comm. c. 17. Becker S. 689.' Preller S. 114. [Jordan I 3 S. 217 f.]

4) Sein Congiarium von 100 Denaren erwähnen Dio 73, 5. Capit. Pert. 15. 654

5) Hieraus Hieronymus [z. J. Abr. 2216] : Severo imperanie thermae Severianae Bomae factae et Septizonium exstructum. Vgl. über jene Becker S. 690. Preller ?. 114[. Jordan ISS. 217], über dieses Becker S.434. [Hülsen bei Jordan a. a. 0. S. lOOfiF.]

6) Hieraus vielleicht Hieronymus [z. J. Abr. 2231]: Antoninus Bomae thermas sd nominis aedificavit (vgl. Eutrop. 8, 20).

7) Spartian. Carac. 10.

8) Ebenso berichtet Dio 78, 34 über diese Spende.

9) Dio 78, 25. Becker S. 682. 10) Archelais in Cappadocien.

576 Über den Chronographen vom J. 354.

Antoninus Eliogaballus imper. annos vi. m. viii. dies xviii. Cong. ded. X CCL. Eliogaballium dedicatum est^. Occisus Romae.

Alexander imper. ann. xiii. m. viii. d. ix. Cong. dedit X dc. Hoc imp. fuit polyfagus natione Italus qui manducavit pauca: cistam, lactucas, vascellum sardinarium , sardas x, melopepones lxx, tallos de scopa palmea, mappas im, panes castrenses im, cistam, cardos cum suas sibi spinas, et ebibit vini grecanicum'^ plenum et venit ad templum lasurae ^ et ebibit labrum plenum et adhuc esuriens esse videbatur. Et thermae Alexandrinae dedicatae sunt*. Alexander occisus Mogontiaco.

Maximinus imp. ann. iii. m. im. d. duos. Cong. ded. X gl. Hoc imp. magna pugna fuit cum Romanis et praetorianis 5. Occisus Aquileia.

Duo Gordiani imper. diesxx^. Excesserunt Africae.

Pupenius et Balbinus imper. dies xcix. Cong. dederunt X cci. Occisi Romae.

Gordianus imper. ann. v. m. v. d. v. Cong. ded. X gcgl. Hoc imp. mula hominem comedit. Agonem Minervae instituif. Excessit finibus Partiae.

Duo Philippi imper. ann. v. m. v. dies xxix. Cong. ded. X ggcl. Hi seculares veros in circo maximo ediderunt^. Occisus senior Verona, iunior Romae in castris praetoriis.

1) Hieraus Hieron. [z. J. Abr. 2236]: Heliogahalum templum Botnae aedificatum. Vgl. Becker S. 435.

2) graecanici eadum?

3) ['id est deae Syriae (Jordan in Hermae vol. 6 p. 314)': Zusatz in den Chron. min. S. 147.]

4) Hieraus Hier. [z. J. Abr. 2243]: Thermae Alexandrinae Eomae aedificatae. Vgl. Becker S. 685. [Jordan I 3 S. 591.] Eutrop. 7, 15: Aedificavit (Nero) Romae thermas, quae ante Neronianae dictae nunc Alexandrianae appellantur (daraus Cassiodor) schöpfte diesen Zusatz zu Sueton, den er sonst hier ausschreibt, ent- weder aus der Stadtchronik, oder aus der vita Alexandn (vgl. Lamprid. Alex. 25). [Die zweite Möglichkeit ist in den Chron. min. 147 nicht erwähnt.]

5) Besser Eomanis cum praetoi'ianis. Tillemont III. p. 236 (art. 9).

6) Dies scheint die richtige Angabe, nicht m. VI, wie (nach der richtigeren Lesart) bei Capitol. Gord. c. 16 steht. S. Tillemont note 4 sur l'empereur Maximin.

7) Aurel. Vict. Caes. 27 : lustri certamine, quodN ero Bonuim invexerat, aucto firmatoque. Ueber diese Neronia vgl. Tac. Ann. XIV, 20. dial. de orat. 11. Suet. Nero 12.

8) Hier scheint ausgefallen, was Hier, [z, J. Abr. 2263] aufbewahrt hat: Agon mille annoi'um actus.

über den Chronographen vom J. 354. 577

Decius imper. annum unum m. xi d. xviii. Cong. ded. X gcl. Hoc

imp. therraae Commodianae ^ dedicatae sunt. Occisus praetorio

Abrypto ^. Gallus et Yolusianus imper. ann. ii m. im d. ix. Cong. dedenint 648

5 GCL. His imp. magna mortalitas fuit^. Occisi in foro Flamini. Aemilianus imper. dies lxxxviii. Occisus ponte Sanguinario*. Gallienus cum Yaleriano imper. ann. xnii. m. im dies xxviii. Yale-

rianus occisus in Syria. Gallienus cong. dedit 5 oc ccl et binionem

aureum^. Occisus Mediolano. Claudius imper. ann. unum m. im d. xiiii. Cong. dedit X gcl. Ex-

cessit Sirmi. Quintillus imp. dies lxxvii. Cong. promisit sed non dedit. Occisus

Aquileia. Aurelianus imp. ann. v. m. im. d. xx. Congiarium dedit X d. Hie

muro urbem cinxit, templum Solis et castra in campo Agrippae

dedicavit, genium populi Romani aureum in rostra posuit. Porticus

termarum Antoniniarum arserunt et fabricatum est, Panem oleum

et sal populo iussit dari gratuite ®. Agonem Solis instituit'. Occisus

Caenophrurio ^. Tacitus imper. m. viii. dies xii. Occisus Ponto. Florianus imper. d. lxxxviii. Occisus Tharso. Probus imper, ann. vi. m. ii. d. xii. Hoc imp. senatores agitaverunt

in Circo maximo missos xiiii^. Occisus Sirmi.

1) Sehr, ['exspectamus' Chron. S. 147] Decianae. Becker S. 691. Preller S. 201. [Jordan I 3 S. 163.]

2) In Mösien. S. Tillemont III. p. 285.

3) lieber diese Pest s. Tillemont III. p. 288.

4) Vielleicht bei Spoleto. Cluver p. 631. Tillemont III. p. 292.

5) Vermutblich sind die grossen Goldmünzen mit VIRTVS. GALLIENI. AVGVSTI. gemeint, die zum Theil mit COS. II bezeichnet sind, also ins Jahr 255 gehören. Eckhel VII, 390. 415. [Cohen, med. imp.^ V p. 457. 461.] Die Münzen Eckhel VII, 406 [Cohen a. a. 0. 364] sind nach Typus und Aufschrift (DONA. AVG.) zur Erinnerung an dies Donativ geschlagen. Jene Goldstücke sind Doppelaurei von 50 Denaren, die ungemein selten geschlagen wurden und bei den Schriftstellern sonst nirgends vorkommen (vgl. Letronne consid. p. 69).

6) Aurelian gründete die bleibenden und sogar vererblichen tesserae frumen- iariae. Vopisc. Aurelian. 35. 47., wo auch der Oelvertheilung gedacht wird. [Vgl. 0. Hirschfeld, Philol. 29 (1870) S. 20 f.]

7) Hieraus Hier. [z. J. Abr. 2291]: Primus agon Solis ab Aurdmno instituUts.

8) Kaivov (pQoi'Qiov zwischen Byzanz und Heraklea. Tillemont III. p. 404.

9) Das Zeichen zum Rennen mit der Mappa zu geben war ein Vorrecht der Magistrate (Suet. Nero c. 22), welches also zu denen mit gehörte, die Probus dem Senat einräumte (Vopisc. Prob. 13. Tillemont IIL p. 424).

MOMMSEN, SCHK. VlI. 37

578 Über den Chronographen vom J. 354.

Carus imp. m. X. d. v. Excessit Seleucia Babyloniae.

Carinus et Numerianus imper. ann. ii menses xi. d. ii. Cong. ded. 5 D. His imper. fames magna fuit^ et operae publicae arse- runt senatum, forum Caesaris^, basilicam luliam, et Graecostadium. Occisus campo Margense^.

Diocletianus et Maximianus imper. ann. xxi. m. xi. dies xii. Cong. dederunt S QC dl. His imper. multae operae publicae fabricatae sunt: senatum, forum Caesaris, basilica lulia, scaena Pompei, porticos II, nymfea iii, templa ii Iseum et Serapeum, arcum novum, thermas Diocletianas. Sparserunt in circo aureos et argenteos. Partectorum podius ruit et oppressit homines xITi; et mulier nomine Irene peperit pueros tres et puellam. Regem Persarum cum Omnibus gentibus et tunicas eorum ex margaritis numero xxxii circa templa domini posuerunt*. Elephantes xiii, agitatores vi, equos CGL in urbem adduxerunt -'. Excessit Diocletianus Salonas, Maximianus in Gallia.

Constantius et Maximianus** imp. ann. xvi m. viii. d. xii. Cong. dedit bis X qo d. Constantius excessit in Gallia "', Maximianus in Dardania.

Severus imp. ann. in. m. im. d. xv. Ipse se interfecit via Latina miliario iii^.

Maxentius imper. ann. vi. Hoc imp. templum Romae arsit et fabri- catum est. Thermas in palatio fecit et circum in catecumbas.

1) Fasti Hydat. ad a. 284 [Chron. min. 1229] Caro II et Numeriano: his conss. magna fames fuit.

2) Patrimonium ist Glossem eines Abschreibers [überliefert ist: forum Caesaris Patrimonium], der das forum desshalb Caesaris genannt glaubte, weil es dem Kaiser gehöre. Dass Preller S. 143 daraus atrium Minervae macht, ist nicht zu billigen, um so weniger, als unter Diocletian, wo dieselben Gebäude als wieder- hergestellt vorkommen, Patrimonium oder etwas ähnliches nicht wieder erscheint.

3) Bei Viminacium in Mösien. Tillemont t. IV p. 6.

655 ^) Vermuthlich zur Erinnerung an den triumphirenden Einzug Diocletians

und Maximins in Rom, worin die Bilder der besiegten Völker, namentlich der Perser, und die Gattinnen, Schwestern und Kinder des Narses aufgeführt wurden, Eutrop. VIII, 27. Tillemont IV p. 48. Diese perlengeschmückten fercula wird man später in den Tempeln aufgestellt haben, wahrscheinlich in den capito- linischen, wohin der Festzug ging. Domini ist Zusatz eines christlichen Copisten.

5) Muss sich auf denselben Triumph beziehen.

6) Nämlich Galerius Maximianus.

7) Abweichend von der gewöhnlichen Erzählung, wonach er zu York in England stirbt. Tillemont IV p. 91.

8) Severus Tod wird sonst anders berichtet. Tillemont IV, 99 und note 10 sur Constantin.

über deu Chronographen vom J. 354. 579

Farnes magna fuit^. Romani traxerunt militem Moesiacum et occisi sunt Romani a militibus homines vi 2. Romanis omnibus aurum indixit et dedenmt^. Fossatum apeniit, sed non perfecit*. Occisus ad pontem Mulvium in Tiberim.

Maximianus imper. ann. ix. m. viii. d. vi. Occisus Tarso.

Licinius imp. ann. xv. m. im. d. xvi. Occisus Thessalonica.

1) Tülemont IV p. 121.

2) Ein Soldat, der die Göttin Fortuna gehöhnt hatte, wurde von der römischen Plebs erschlagen, worauf die Soldaten unter den Plebejern ein Blutbad anrichteten. Tülemont t. IV p. 121. Dass der Soldat ein Mösier war und durch die Strassen geschleift ward und dass 6000 Bürger dabei umkamen, lernen wir aus nnsrer Chronik.

3) Aur. Vi ct. 40, 24: uti pritnus instüttto pessinw munerutn specie patres aratoresque (also alle Römer, wie unsre Chronik sagt) pectmiam conferre sibi rogaret. Tülemont 1. c.

4) Dass Maxentius sich auf eine Belagerung vorbereitet und die Stadt ver- proviantirte, ist sonst bekannt (Tülemont IV p. 123. 124); hier erfahren wir, dass er auch Gräben zu ziehen begann, um die Stadt in Vertheidigungsstand zu setzen.

Ö7«

LXV.

Die armenischen Handschriften der Chronik

des Ensebius.*)

321 Für den armenischen Text der Eusebischen Chronik kommen

drei Handschriften in Betracht: G bei Petermann, die um 1 790 im Auftrage der Venezianer Mechi- taristen angefertigte Abschrift einer damals, angeblich aus Jeru- salem, in die Bibliothek des armenischen Seminars in Con- stantinopel überbrachten Handschrift. Die Abschrift befindet sich in Venedig im Mechitaristenkloster und ist dort von Peter- mann sorgfältig verglichen worden. Eine zweite in gleicher Weise entstandene Abschrift umfasst nur die ersten Blätter (Petermann bei Schöne 1 p. 59 A. 6). Gefertigt sind die Ab- schriften, nach Petermanns, wie es scheint aus den Acten der Mechitaristen herrührenden Angaben, von dem Lector Georg Johannesean in den Jahren 1790 1793; auf Grund dieser Ab- schriften hat Avger (oder nach der jetzigen Aussprache Avker, italianisirt Aucher) nach seiner eigenen Angabe, schon 1795 die lateinische Uebersetzung fertig gestellt er bringt die vom 6. Mai 1795 datirte Druckerlaubnis bei. Nachher während seines siebenjährigen Aufenthaltes in Constantinopel 1802—1809 hat] Avger die Handschrift selbst in Händen gehabt; dass er die] Abschrift mit dem Original collationirt hat, sagt er nicht undj ist auch nicht wahrscheinlich, da weder die Handschrift G nochl die darauf gebaute Ausgabe Spuren einer Nachvergleichungj zeigen. Der von Avger gedruckte armenische Text (E Peter- mann), sowie Avgers lateinische Uebersetzung Pet.) und nichtl minder die aus denselben MateriaHen geflossene Uebersetzungj Zohrabs (Z Pet.) kommen neben G für die Kritik so gut wie}

*) [Hermes 30, 1895, S. 321—338.]

Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 5Sl

gar nicht in Betracht, nur dass, da Petermann die Lesungen der Handschrift G blos für den lateinischen Apparat veröffent- licht hat, der Text E, dessen Mangelhaftigkeit eben diese Collation erwiesen hat, zur Zeit nicht entbehrt werden kann. ^ bei Petermann, geschrieben in Tokat im Jahre 1696, um 1854 322 daselbst für dieselben Yenezianer Mechitaristen erworben und von Petermann ebenso wie G für den lateinischen Apparat ver- glichen. E Handschrift des Klosters Ejmiatsin n. 1 724 ^, von der Petermann (vol. 1 p. XI, vol. 2 p. LH) eine kleine Probe gegeben hat; Abschrift der ersten 14 Seiten der Handschrift sowie Tergleichung einer grösseren Anzahl ausgewählter Stellen und der Jahres- zahlen der Chronik, ferner photographische Facsimiles hat der Pater jenes Klosters, Galust Ter Mkrtcean auf Verwendung der Herren Belck und Lehmann mir zur Verfügung gestellt. Herr F. Justi in Marburg hat sodann sich der Mühe unterzogen diese armenische Probecollation zu übersetzen und die Lesungen in dem Sinn zu ordnen, dass das Verhältniss der drei Handschriften danach bestimmt werden kann. Diese Gruppen sollen hier mit- getheilt werden, bevor das Ergebniss dargelegt wird. Die Citate der Schöne -Petermannschen Ausgabe sind vorangestellt, wobei der erste Band und die series regiim (Schöne app. I des ersten Bandes) nach Seite und Zeile, der zweite nach Jahren Abrahams angeführt wird: daneben ist in runde Klammern der armenische Text nach der von Galust benutzten Folio- und der von Justi ge- brauchten Quart -Ausgabe nach Seite und Zeile citirt.*) Hinsicht- lich der Transcription bemerkt Justi: ,Das armenische Alphabet besteht aus den Buchstaben a b"g d e z e e t' z i P/ ts k h dz 1 c m y n § 0 c p j r s w t r ts v p' k' ö f. Für u und ü wird nach dem Vorbild des Griechischen ov geschrieben, iv für in, heute ü gesprochen, z. B. in der Endung ovt'ivn (ut'iun, ut'ün), daher iv auch für griechisch v. Für langes o steht theils ö. theils ow.'

Zunächst verzeichnen wir eine Reihe von allen drei Handschriften

gemeinschaftlichen Fehlern.

1) In dem von Karenian im Jahre 1863 publicirten, von Fehlem wimmelnden Katalog der Handschriften von Ejmiatsin ist die unsrige, wie Petermann (H p. LHI) richtig sah, als n. 1684 aufgeführt; aber die Angabe des Katalogs, dass dieselbe im Jahre 1144 Arm. = 1695 n. Chr. geschrieben sei, bezieht sich auf n. 1683, jetzt 1725, ein Exemplar von Eusebius Kirchengeschichte, und ist durch Con- fusion auf die folgende Nummer übertragen worden.

*) [Für den Abdruck sind nur die Schöneschen Zahlen revidiert worden.]

582 Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.

32:5 p. 9, 3 (= 7, 12 =: 12, 7) 'i Parmibihlon EGN, aber in E durch

übergeschriebenes vt in 'i Pavtibiblon corrigirt, wie weiterhin immer geschrieben ist.

p. 69,1 (=49,2 V. u. = 103,6) Meles] übergeschrieben in G, Seles ENG (Text).

p. 103, 10 (= 78, 18 = 161 , 14) Äbdon ann. XXX ENG: ann. VIII Avger nach dem Griech.

p. 103, 12 (= 78, 20 = 161, 16) ann. XX] ann. XL ENG.

p. 135, 36 (= 98, 22 = 201, 31) merots = nosfra] ENG.

p. 139, 16 (= 100, 3 V. u. = 207, 10) Sosorthus] ENG.

p. 163, 22 (= 115, 1 V. u. = 242, 4) XVJ ENG.

p. 178, 2 (= 124, 5 = 261, 2) K'arimedos] ENG.

p. 179,29 (= 126, 7 = 265, 15) Kovmemes (gesprochen Kume- nies)] ENG.

p. 181, 5 (= 126, 23 = 266, 13) "i Timmin = in Timaeo ENG.

p. 183,23 (= 128, 12 = 270,4) Kravnavos EG, mit geänderter Orthographie Krönavos N.

p. 183,26 (128, 16 = 270, 8) Nanaatsvots = Nanaidum ENG statt Danaidum.

p. 185, 8 (= 128, 16 V. u. = 271, 5) Partiatsvots ENG statt Spartanis.

p. 185, 14 (= 128, 9 V. u. = 271, 12) Timows E und wesentlich gleich Tinows NG statt Minos.

p. 191, 15 (= 132, 1 = 278, 14) Engimioni ENG statt Endymion.

p. 193, 24 (= 133, 20 = 282,4) CCCCXIX ENG statt des rich- tigen CCCCLIX.

p. 195, 6 (= 134, 2 = 283, 11) Antikle E{NG).

p. 197, 30 (= 136, 1 = 287, 14) Speron ENG.

p. 201, 13 (= 137, 20 = 290, 22) noijn = idem G am Rande, Yoyn = lonius ENG.

p. 201,26 (137,9 V. u. = 291,15) Kamarinetsi G am Rande, Katarinetsi ENG.

p. 205, 13 (= 139,5 V. u. = 296, 1) Petostramos ENG.

p. 207, 4 (= 140, 5 V. u. = 298, 6) Imandreatsi = Imandrius ENG.

p. 207, 11 (= 141, 6 = 298, 16) Lagas ENG statt Ladas: d und g ähnlich.

p. 210, 1 (= 141, 4 V. u. = 300, 9) Kapos ENG statt Kapros. 324 p. 211,7 (= 143, 15 = 303, 7) in secundo ENG, von Avger

getilgt.

p. 213, 19 (= 144, 16. 15 v. u. = 306,7) Pasems ENG i Pammenes.

Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 583

p. 213, 19 (= 144, 16. 15 v. u. = 306, 7) Seandreay = in Seandria ENG statt in Meandria.

p. 238, 9 (= 157, 24 v. u. = 332, 18) XLIII] ENG.

p. 239, 8 (= 158, 18 v. u. = 335, 3. 4) CLIX] ENG.

p. 295, 32 (= 189, 1 1 v. u. = 397, 10) et Marctmi et in Piso- nem ENG.

A. 475 Musictis Euctei et Niphae filius] Nipa ENG (Peter- mann n S. LIY Z. 10). ,Auch syrisch Nlpa neben Nimpä; vgl. griechisch Nvcpecav ieoov der alten Inschrift von Siphnos CIG 2423 c (Kirchhoff Studien zur Gesch. des griech. Alphabets S. 67)' Justi. Synkellos und Hieronymus haben Nympha.

A. 481 fdio Deucalionis et Preal(k')] so ENG; Avger verbessert Pmreay = Pyrrhae.

A. 538 Ämantes] ENG für Amyntas.

A. 710 Paleatos] ENG für Palaephatus.

A. 760 Diposeay] ENG statt Oedipi; ,die armenische Casusendung hängt an der griechischen Nominativform OidL-io(v)g^ Justi.

A. S03 Amentes] ENG statt des (in armen. Schrift ähnlichen) richtigen Amenemes.

A. 814 Tikenits (gen. j[>?.)] ENG statt Mycenis (Petermann 11, LI, 23): m und t ähnlich.

A. 847 Palepos] ENG statt Palaephatus (Petermann U, LI, 23).

A. 864 Agenoraysn] ENG (womit im Widerspruch Avger in den Errata Aden- als Lesung seiner Handschrift angiebt) statt Antenoris: d und g ähnlich.

A. 882 Thometes a.] EG statt «. VIII.

A. 888 Aridemos] ENG statt Charidemus.

A. 952 Ik'sbion] ENG statt Ixion.

A. 1023 Mersipos] ENG statt Thersippus: m und t ähnlich.

A. 1227 TelPstos] ENG statt Telestas.

A. 1228 P'satmos] ENG statt Psammos: m und t ähnlich.

A. 1239 Actos] EGN statt Automenes.

A. 1258 Krine] EGN statt Cyrena.

A. 1278 Midam] EGN statt Midas: m und s ähnlich.

A. 1282 ams XIX] EG (wohl auch N) statt ann. LI; die Zijffern 325 sind unähnlich.

A. 1284 Lidikos] ENG statt Clidicus.

A. 1303 em assaria] ENG statt et (= dedit, Aorist von tat) assaria.

A. 1326 Aseres] ENG statt AmPres (Petermann IL LI, 24): m und s ähnlich.

584 Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.

A. 1333 y-evripatideantsn\ ENG statt ex eupatridis.

A. 1338 Stepinafri] ENG statt Stephinatis.

A. 1363 PWavontes] ENG statt Phraortes.

A. 1409 Ayerpos] ENG statt Aeropus.

A. 1 427 tragos travn] EG, tragos trönn N (av und ö nur ortho- graphisch verschieden): Avger verbessert im Druck tragos tavav z= Mrcus dabatur.

A. 1466 Koyisay] ENG statt Croesi.

A. 1470 Sijwrhos] ENG statt Superbus.

A. 1476 ivardapet i-fagavorats] =. paedagogus a regibus statt war- dapet Pitagoray = mag ister Pythagorac.

A. 1484 Pandohostos] EGN statt Pantagnostus : ,in der neueren Aussprache ist t zu d, g z\i k geworden' Justi.

A. 1532 Porpiliakos] ENG statt Pompilia Icoys (= virgo).

A. 1546 Süniakos] ENG statt Sünia koys {= virgo).

A. 1550 Bakfajides] ENG statt BakJcalides = Bacchylides.

A. 1573 Protvbagras] ENG {ow = o) statt Protagoras.

A. 1580 Karpanatsvots] ENG statt Campanorum.

A. 1597 ivistht {= calamitates)] EN, wistn {= calamitas) mit untergeschriebenem Pluralzeichen G.

A. 1678 Armes] ENG statt Arses; m und s ähnlich.

A. 1687 z-Sonatsis und am Rande z-Savinatsis ENG.

A. 1688 Attalus in Asiam fugit cum Paulo {cum Polo N) et Taxide] ENG mit falscher Stellung der Schlussworte.

A. 1695 leandros] ENG statt Menandros.

A. 1818 Skopanay E, Skoiionay G(N): ,nicht wesentlich ver- schieden' Justi.

A. 2052 Mameay] ENG statt Memmii.

A. 2084 Steay] ENG statt Cestii.

A. 2097 Domitianus inJcn (== ipse) Sehaste appellatus est] ENG statt Domitiani kinn (= uxor) Sehaste appellata est: eine in E bei- gefügte Erklärung in = inJcnin ist undeutlich. m 326 A. 2123 Pilinios] ENG statt Plinius. -B

A. 2237 ar Yovlios arl'ay Aprikanosi (= ad lulium regem Afri- cani) ENG statt ar arJi-ny Yovliosi Aprikanosi = ad regem, lulii Africani.

ser. reg. p. 8 Aeg. dyn. XVI (= 13,36 = 24,21) Sehaijatsilc] ENG statt Thehaidarum.

p. 9 Aeg. dyn. XXI, 3 (14, 11 = 25, 18) NelcrJ^ercs] ENG statt NepJiercheres.

p. 12 Lac. 9 (= 17, 14 = 30, 9) Alkem^inos] ENG statt Alkamenes.

Die armenischen Handschriften der Chronik des Easebius. 5g5

p. 17 (== 21, 16 = 36, 15): Gaius Caesar interfedus est Nolae, Augustus mortuus est in Palatio ENG; durch übergesetzte Zahl- zeichen ist in EG in palatio zum ersten, Nolae zum zweiten Glied gezogen.

p. 18 Kodomos\ ENG statt Commodus.

Hieran schliessen sich weiter diejenigen Stellen, in denen EN besser oder vollständiger sind als G.

p. 55, 1 3 (= 40, 20 = 82, 27) die Worte z-or kargeats = quos redegit stehen nach ^i kanonsn = in canonibus in EN und der un- vollständigen Abschrift Avgers, fehlen in der vollständigen G, offenbar nur aus Versehen.

p. 65, 30 (= 48, 17 = 99, 22) Davith EN, fehlt G.

p. 115, 2 (= 85, 17 = 174, 9) hramayer = iussit EN, fehlt G.

p. 125, 25 (= 90, 20 = 190, 3) t^tie .... Olimpiadis EN (Peter- mann A. 1), fehlt G.

p. 137, 28 (= 110,4 = 205, 6) Wibenüs EN, Wihetis G: Obßiev&ig Syncellus.

p. 181,8 (= 126, 26 = 267, 2) shishn arnel = initium fecisse EN, nach Piatons emyeiQsTv^ skizbn ar = initium fecit G.

p. 183, 2 (= 127, 18 V. u. = 268,22) sub finetn . . . mortem (Peter- mann A. 1) EN, fehlt G.

p. 189, 31 (== 131, 18 = 277, 7) fori ind = videtur mihi E, wie Avger dazu vermuthet; tovi im = videtur aliquid G [N unbekannt).

p. 191, 16 (= 132, 2 = 278, 15) AMsinosi EN, Aleksiosi G: AXe^vov Eusebius.

p. 215, 3 (=: 145, 5 V. u. = 308, 16) ev "i bowandaks = et inper- fecto EN, fehlt in G: xal (t6) rekeiov Eusebius.

p. 223, 28 (= 151, 13 = 320,4) geben dem Egestrates 35 Jahre 327 EN, was mit der Summe stimmt, 37 G: 5 und 7 sind in armenischer, namentlich cursiver Schrift leicht zu verwechseln.

p. 231, 37 ff. (= 155, 9 V. u. = 328, 18) wird von Galust nach EN richtig also ergänzt: et filiorum Cassandri computantur anni imperii a quarto anno centesimae et vigesimae olympiadis usque ad centesimae vigesimae (primae eiusdem {tertium annum). Demetrium regnantem annos VI inde a centesimae vigesimae primae olympiadis qtuirto anno usque ad centesimae vigesimae) et tertiae olympiadis primum annum Fyrrhus u.s.w., wo was in ( ) steht, in G fehlt, die beiden in ( ) ein- gijschlossenen Worte in EGN fehlen und dem griechischen Text ent- nommen sind. Darnach kommen auf die Jahre Kassanders Ol. 1 20. 4

586 I^iö armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.

Ol. 121,3, auf Demetrius 121,4—123,1. Eiusdem würde olyminadis vertreten.

p. 239, 13 (=158,11 v.u. = 335,11) Levkios et AUlios JEN, Leucippus et Acilius G: Aevxiog Aljuikiog der griechische Text. Die Yerderbniss des ersten in EN richtig überlieferten Namens bei Avger sieht nicht nach Schreibfehler eines alten armenischen Copisten aus, sondern ist meines Erachtens einer der Beweise dafür, dass der Avgersche Text (so wie der davon abhängige Zohrabs) von nicht angezeigten conjecturalen Besserungen keineswegs frei ist.

p. 245, 29 (= 162, 16 = 342, 8) mensibusV EN, mensihusVII G.

p. 247, 12 sextum annum EN, annum fehlt G,

A. 508 OQ Ismayelatsvoyn = non Ismaelitae (gen. sing.) EN, or "i Semeleay = qui ex Semele G: ov^l rov ex I^ejuekrjg Syncellus und ebenso Hieronymus (vgl. auch zu Abr. 520). Ohne Frage ist die Lesung von EN die echte des Uebersetzers, der freihch den Text albern missverstand, die Avgersche Lesung, die die echte Negation beseitigt und die Mutter des Dionysos Semele herstellt, eine Inter- polation, deren sich ein alter armenischer Abschreiber nicht schuldig gemacht haben kann, die aber recht wohl für Avger oder einen seiner Gehülfen passt.

A. 525 i Dedos = quod in Dcdo EN, i Bel'pos = quod in Delphis G. Dass hier vom delischen, nicht vom delphischen Apollo die Rede ist, bezeugen Syncellus und Hieronymus ; der armenische Uebersetzer hat allem Anschein nach in seinem Originale AHaDI statt AHAQl gelesen. Hier aber haben wir es wiederum zweifellos mit einer Literpolation der armenischen Gelehrten unseres Jahrhunderts zu 328 thun; diese konnten wohl aus dem ,dedischen' Apollo einen del- phischen machen, nimmermehr aber kann eine solche Schlimm- besserung einem alten armenischen Abschreiber zugetraut werden.

A. 670 KeJcores ann. XL EN, Kekropes ann. XLIV G.

A. 743 CCXL EN mit Hieronymus, CCXLI G.

A. 981 Samos condita est EN, fehlt G.

A. 1260 in Sicilia Silinus et Gängle conditae sunt EN, fehlt ('.

A. 1283 Messene a Lacedaemoniis capta est EN, fehlt G,

A. 1345 Libyeos ann. XCVI EN, ann. XCVI fehlt G.

A. 1358 DesJces] E, Deßes G (N nicht angegeben), verlesen aus Aeoxrjg.

A. 1360 Jstoros EN, Istros G.

A. 1599 Alkibades EN, Alkibatcs G.

A. 1746 Epicurus dedessit EN, fehlt G.

A. 1969 liomanorum monarcha regnavit ann. IV mens. IV EN;

Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 587

)ei Avger fehlen die Worte monarcha regnavit und für aim. IV nens. IV steht wenigstens im armenischen Druck wie in der Ueber- etzung ann. V, ob auch in der Handschrift G, ist zweifelhaft. Auch lier ist die Editoreninterpolation zweifellos, da die Tafel dem Caesar ünf Jahre giebt.

A. 20S0 2-Hoktabia EN, z-HoTcahia G.

A. 2123 itidem et Ignat'ms Antiochensiutn episcopus EN, et Ign. ehlt G.

A. 2135 Achianus . . . . multis EN, fehlt G.

A. 2140 Armonikos EN, ar Armoikos G: ursprünglich wohl ar Monikos = ad Mimicium.

A. 2181 Pisis . . . iecit EN, fehlt G.

A. 2317 hinter telis = locorum hat E isk (diese beiden Buch- staben undeutlich) artatseloyn = iitique (?) superhientis und ebenso N, edoch mit Weglassung der beiden undeutlichen Buchstaben, wodurch V als Abschrift von E bestätigt wird.

Weit geringer ist die Zahl der Stellen, in denen EG besser »der vollständiger sind als N.

p. 223, 10 f= 1 50, 1 2 V. u. = 317, 19) Agisilavos EG, Agislavos N.

A. 1100 nach dem ausgefallenen Blatt prophetabant Elia et ^lisaeus G, von N wohl absichtlich weggelassen als zum Fehlenden ;ehörig.

A. 1358 et Almaeon cognoscehatur EG, fehlt N (Pet. II, LII, 6). 329

A. 1376 gavazans = scepira EG, gazans = bestias N.

A. 2082 i-Sifia = in Isthmiis] EG, i-sidia N.

A. 2160 Mesodemes E, mesdemes (wesentlich dasselbe) G, fehlte.

Auch die Zahl der Stellen, in welchen E richtiger oder voll- täüdiger ist als GN, erscheint gering und ist wohl noch bedeutend ;eringer als sie hier erscheint, da in den meisten derselben es an .usdrücklichem Zeugniss über N fehlt und das Schweigen Peter- nanns, zumal bei einem nur der Uebersetzung angepassten Apparat, liclit allzu beweiskräftig ist.

p. 107, 7 (= 80, 10 v. u. = 165, 26) datavoratsn = iudicum E, agavoratsn = regum G{N).

p. 111,21 (= 83,8 = 171, 10) arkanel = suffocaret E, wie Avger ennuthet hatte; ankanel = caderet NG.

p. 245,25 (= 161,20 = 340,25) anisxanovfivn er = anarchia rat E, -fean er = anarchiae (Genetiv) G(N).

588 1^16 armenischen Handschi-iften der Chronik des Eusebius.

p. 291, 10 (= 186, 6 = 392, 9) TovUos OstiUos E, Tovlvos or Stillos == Tullus qui Stilius und am Rande Otilios G; jene Lesung scheint auch \^ zu haben. An einer zweiten Stelle ser. reg. p. 12 (= 16, 9 V. u. ^= 29, 24) haben alle drei Handschriften TovUos or Stilios (auch E nach Galust, nicht, wie Petermann angiebt, Stilos).

ser. reg. p. 10,2 (= 14,8 v. u. = 26,21) Nephirites mens. IV E, mens. III G(N).

ser. reg. p. 15 Med. 6 (= p. 19, 18 = 33, 14) Artavan mens. VII E, ann. VII (GN).

A. 1684 0-Aornm E, z-Omin NG.

A. 2312 nach Alexandria nequivit resisfere Bomanorum exercitui setzt E hinzu: coactique sunt ad fradendos seditionis atictores, was bei Avger und Petermann sich nicht findet; Hieronymus, im Uebrigen hier von Eutropius abhängig, giebt diese Worte wieder: interfectis his qui auctores perduellionis extiterant.

Stellen, in denen N alleinstehend den Text von EG besserte oder ergänzte, sind uns nicht begegnet. Dagegen giebt es eine Anzahl solcher, in denen G das Richtige hat gegen EN:

p. 179,24 (=126, 1 = 265,9) Atrevs G, Artevs EN. 330 p. 181, 36 (= 127, 20 v. u. = 268,20) Andropompeay G, Andor-

pompeay EN.

p. 195, 19 (= 134, 16 = 284, 8) \ Epidaivratsi G, Epigaw-

p. 199,23 (= 136, 13 v. u. = 289, 8) ) ratsi EN.

p. 211, 32 1= 144, 5 = 304, 18) Tavromenatsl G, Tavram- EN.

p. 265, 19 (= 171, 1 V. u. = 360, 15) Anßiseay = Anchisae G, Anißseay EN.

ser. reg. p. 1 1 Ath. 1 (= 16, 2 = 28, 12) Mcdon G, Makedon EN.

ser. reg. p. 1 1 Ath. 3 (= 1 6, 4 = 28, 14) Arßippos G, Ärßiapos EN.

A. 532 Pslesgatsis {= Pelasgos)] Asl- E, Oel- N (Petermann p. LH 16): a und r ähnlich.

A. 562 F'inißs = Phoenix G, Ginih EN: g und /> ähnlich.

A. 600 Zefos] G, Getos EN: g und z ähnlich.

A. 618 ajme (sinnlos) EN, patme = narrat G (Petermann H, j LH 11).

A. 704 "i Mikeans (statt -nas) G, "i Sikeans EN: s und m ähnlich, j

A. 1260 Treapesos G, Treapegos EN: z und g ähnlich.

A. 1354 Ardes G, Argeos EN: d und g ähnlich.

A. 1387 y- Ehrayetsis G, y- Erayetsis EN: ,die echt armeniscln Form für Hehraeos ist Hreays'- Justi.

Die armenischen Haudschriften der Chronik des Eusebius. 589

A. 1771 Evergetes G, Ergetes EN.

A. 1772 sarsetsan = concussae sunt G und übergeschrieben in E, sinetsan = conditae sunt E (im Text) N.

A. 2051 Trdelianos = Tertullianus G, Trgelianos EN: d und g ihnlich.

A. 2123 Eron G, Ereon EN.

A. 2131 srhel {purgaret) Jianel (eiciendö) "i nahangen (= e pro- incia G): in N fehlt hanel in freigelassenem Raum, ebenso in E, vie es scheint ohne Andeutung der Lücke. Der Schreiber von N vie Avger haben diese Lücke bemerkt, letzterer sie ausgefüllt, »der gegen E allein, wo die Lesung von N nicht bekannt ist:

p. 187, 20 (= 130, 1 =271, 16. 18) ar oroiv = suh quo G, orow ehlt E.

p. 190, 14 (= 130, 5 V. u. ^ 276, 5) ev or ine = et quaecumque] V oc im = et non aliquid E.

p. 198, 13 (= 135, 16 = 286, 10) i/errord = tertio] yerhrord = vcundo E.

p. 271, 31 (= 176. 19 = 370, 2) i Lavinion] i Lavinios E: s und 331 i ähnlich.

p. 273, 8 {= 177, 4 = 371, 18) Silovios] Sihvisos E.

ser. reg. p. 1 1 Ath. 17 (= 15, 1 v. u. = 28, 10) Kodros] Kogros E.

ser. reg. p. 11 Ath. arch. 4 (= 16,5 = 28, 15) Tersippos] T'reippos E nach Galust, T'rmeippos nach Petermann.

ser. reg. p. 1 1 Lat. in. (= 16, 30 v. u. = 29, 3) Dimopneay G, W.omfnneay E.

ser. reg. p. 15 (= 21, 10 = 33,28) annos CCXXXV] CC fehlt E.

A. 401 XXXI] XXX E.

A. 1351 manhtvoy {== puerorum)] maktvoy E unrichtig.

A. 1410 Afenatsvoy (= Atheniensis)] Afenatsvots (= Athenien- ivm unrichtig) E.

A. 1 443 edav agon {= actus est agon)] ed agon (= egit agonem) E.

A. 1493 Angeos] Angeas E.

A. 1497 ayrs (= hie vir)] so G am Rande, hie G im Text, t7i> Wger in der Uebersetzung, aysr unrichtig E.

A. 1498 Aristogiton] -diton E (g und d ähnlich).

A. 1619 Grilay (= Grylli)] Drilay E {g und d ähnlich).

V. 1697 l^eoprastos] Teoprados E.

\. 1799 XLII] XLVIII E.

A. 1802 Eratostenes] Eastofenes E.

A. 1993 Lolios] ZoUos E: l und z ähnlich.

A. 2085 a. IX m. XI d. XXII] a. X E: hier muss Avger, wie

590 I^iö armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.

bei Caesar (S. 328), die Ziffern nach Hieronymus geändert und Peter- mann die Abweichung in N übersehen haben.

A. 2139 '^ Yadrianosi, y in neuerer Aussprache auch A] "i Tsadria- ■nosi E, y und ts ähnlich,

A. 2200 DovliJcianos] LovUfcianos E: d und l ähnlich.

A. 2272 PHaminay = Flaminii] P'^alminay E.

An einigen anderen Stellen bedarf der Text noch weiterer Verification :

p. 193, 19 (= 133, 14 = 281, 18) für dexargsig ÖXvjumddag hat E die Zahl LIII, N XIII, G LIII und am Rande XIII. Das Zeichen L ist dem für X sehr ähnlich; die Besserung in beiden Ab- schriften (6r hat sie im Text nur halb vollzogen) lag nahe, da die 14. Olympiade sogleich folgt. 332 ser. reg. p. 17 (= 18, 21 = 36 a. E.) Bemetianos EG, Bome-

tianos N: wenn kein Irrthum unterläuft, hat N hier gebessert, was möglich ist, da der Name mehrfach vorkommt.

A. 618 Äntipiojn = Ätthidos E und ebenso, aber wie es scheint, mit übergeschriebenem n, NG (Petermann 2, LI, 26) mit Yerwechselung der ähnlichen Buchstaben p und t. Das n ist falsch und man sollte erwarten, dass es auch in E über der Zeile steht; doch wird dies nicht angegeben.

A. 1423 Epesinedes E und so haben wohl auch G (da Zohrab Epesinedes giebt) und N (worüber nichts gesagt wird) statt Epimenides.

A. 1729 Lysimachus a. V hat Hieronymus; Livsimalcos ann. V ev mniss (= L. ann. V et menses) E, L. ann. V et menses V N; G wie Hieronymus. Sowohl N wie G scheinen corrigirt zu sein.

Schliesslich sollen hier noch eine Anzahl geringfügiger, meistens blos orthographischer Differenzen aufgeführt werden, die wenigstens beitragen werden die Beschaffenheit der Texte zu charakterisiren. Allgemein ist hervorzuheben, dass die Handschrift E gegenüber der Ausgabe die ältere Orthographie zeigt, namentlich für au der Hand- schrift sehr häufig ö gedruckt ist. Ebenso ist nicht selten, um eine Consonantenhäufung zu mildern, ein der Handschrift fehlendes e ein- geschoben, z. B. für csdiv = cum cura gedruckt cesdiv.

p. 1,25 (= 2, 23 = 3, 1 1 . 12) ameneJcin = omnium] amenelcean E.

p. 5, 30 (= 5, 14 = 8, 17) amenesin =. onines] amenesean E.

p. 15, 6 (= 11, 13 V. u. = 22, 14) arnis = mascuUnas] arnatsis J richtiger.

Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 591

p. 31,3 (= 23, 8 = 45, 35) eöfanasn cttneay = LXX annorum] evfan- E und so überhaupt bei dem Zahlwort 7 mit der altern Form.

p. 73, 41 (= 53, 7 V. u. = 110. 24) ayseafi = eiusmodi] ays doppelt E.

p. 89, 7 (=68, 13 = 140, 2)1 .. , j, . rn

p. 89, 35 (= 69, 1 3 = 142, 7) / ''"^''" *' = ''^^ ^ ""'"^"^ ^ ^'

p. 89, 38 (= 69, 15 = 142, 9) ams = annos fehlt E.

p. 93, 45 (:= 72,8 v. u. ^ 149, 14) prius quam ante XXX. annum] Jean = quam fehlt E.

p. 107,2 (= 80, 17 V. u. = 165, 19) miangamayn] miatigamayn (= simul) isJc (ipsos) E.

p. 121, 40 (= 90, 9 = 185, 6) arajnordi] arajnerordi E = in 333 {anno) primo: beides üblich.

p. 139, 24 (=111,9 = 207, 21) | piramidti] piratidn E: m und

p. 139, 40 (= 1 1 1, 6 V. u. = 209, 3) J t verwechselt.

p. 159, 13 (= 112, 12 = 234, 20) möti '/ M am = annos prope M] -möt für möti E.

p. 163, 19 (= 115,4 V. u. = 241. 242) 'i tagavorovfivn] -tivnn E mit Zusetzung des zweiten n, einer Art von Artikel.

p. 163, 30 (= 116, 15 = 243, 13) govmareal (Particip des Aorists = gesammelt habend)] govmarel (Infinitiv statt des Finalzeitworts) E.

p. 169, 7 (= 118, 1 V. u. = 249, 11) Antonios] Antonia E = {Marcus) Antonius.

p. 169,32 (= 119,7 V.u. = 250,12) AMsandriatj] z- AI. E mit Torgesetztem Accusativzeichen.

p. 199, 31 (= 136, 1 V. u. = 290, 2) brnamaiikn = pugilatu] hrnamartkin E unrichtig.

p. 201, 33 (= 138, 2 = 292, 4) osox = adversarium] ovsox E unrichtig.

p. 205, 28 (= 140, 16 = 297, 2) 2- ivr = suam] s- am- = dieni E unrichtig.

p. 211, 17 (= 143, 31 = 303, 20) Hrom = Romam] H fehlt E.

p. 2 1 9, 26 (= 1 48, 9 V. u. = 3 1 5, 3) matneal = tradentes] matnal E.

p. 223, 11 (= 150, 2 V. u. = 319, 29) Jean z L = (un)dequinqua- ginta] z fehlt E.

p. 225, 7 (= 151,23 = 320, 14) tane familia] tanen E mit iZU-^esetztem Artikel.

p. 225, 36 (= 152, 1 0 = 321, 24) AMsandrosi = Alexandri] AleJc- sandri E mit anderer Form des Genetivs.

p. 239, 18 (= 158, 5 v. u. = 335, 17) > Albe = Albam] 'y Alben E mit Zufügung des Artikels.

592 I>ie armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.

p. 243, 10 (= 160, 4 V. u. = 340, 2) ordvoy = filii] ordvots = fdiorum E unrichtig: y und ts oft verwechselt.

p. 283, 13 (= 183, 5 = 385, 14) Bovtovlatsis liutulos] Bovtov- latsits = Rutulis E.

p. 291, 17 (= 186, 12 V. u. == 392, 3) ts- Bomilos = usque ad Romulum] '^ Bomilos E unrichtig. 334 p. 291 , 20 (= 187, 8 = 392, 22) fagavorafs = regum] z- ^agavorats

= reges (Accus.) E.

p. 291, 26 (187, 17 393, 5) Bomilay = Bomuli] Bomilos E mit nicht flectirter griechischer Nominativform.

p. 293, 12 (188, 9 = 394, 18) Atenatsvoy = Ätheniensis] Ate- natsvots = Atheniensium E.

ser. reg. p. 8 Sic. 18 (= 13, 18 = 24, 3) Lavomedoiv] Lama- medow E.

ser. reg. p. 8 Aeg. dyn. 18, 11 (= 13, 10 v. u. = 24, 36) K'en- Tceres^ K'enkeres E.

A. 545 fargmanovfeann = versionis] -tivn = versionem E.

A. 847 "i frier navavn = trieri navi] H fehlt E.

A. 889 tön = soUemnitas] tavnes E (av ■= ö und zugesetzter Artikel).

A. 1 303 0- gongiarion = congiarium] -rionn E mit Artikel.

A. 1406 Arion] Ariown E.

A. 1427 2- tragowdeans = tragoedos] z- tragowdsean E.

A. 1471 Teognes] reognis E.

A. 1484 Samay] Sama E.

A. 1496 hnakelotsn = habitantium (Particip)] hnaJccatsn E (das- selbe, Adjectiv).

A. 1537 T^ermovpivlis] GN, Termovpavlis E.

A. 1541 EsBlos] EsJcilos E.

A. 1563 Piaton] Platn E.

A. 1572 y- Afrikanoy] -nay E mit anderer Declination.

A. 1738 Gonatas] Gonatos E.

A. 1825 Termovpivlisn] -pavlisn E.

A. 1856 ß- Omapölis] z- Omopavlis E = av).

A. 1928 i- pausten = ex fuga] i- pavsten E unrichtig.

A. 1928 z- soyn = eum] z- sayn E (dasselbe).

A. 1 962 paylatahmamb = fidmine] -momhlc E mit anderer Decli- nation und Plural.

A. 2049 or i Urüits = quod ab Hehraeis] i fehlt E.

A. 2062 bivrovts = decem milium] bovrovts E ungenau.

A. 2079 sarzmambJc = terrae motibus] -mamb = terrae motu E.

Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 593

A. 2081 yoicanakakans = puUinos] yotcanakans E fehlerhaft.

A. 2093 hanel = educerent] Jianeal E (dieselben Formen wie die zu 163, 30 angeführten).

A. 2109 z- püisopay = philosophos] z- püisopays E richtig.

A. 2110 Dometianosiv] Demet- E. 335

A. 2121 Kitos = Quietus] V Kitos = a Quieto E.

A. 2292 merovm ocoys (Dativ) =: adversum nostram religionem] meroy ocoys (Genetiv) E.

l^ach diesen ausgiebigen Proben scheint es mir festzustehen, dass uns die Chronik durch die Handschrift E überliefert ist und sowohl N wie G aus dieser abgeschrieben sind. Es werden die folgenden Sätze sich aufstellen lassen:

N hat gegenüber E nichts Eigenes von TVerth. Ganz richtig hat Petermann bemerkt, dass iV näher mit E stimmt als G und auch Galust hat dies betont; aber es zeugt dies eben nur für die grössere Genauigkeit der älteren Abschrift. Nicht mit Recht hat Petermann die Lesungen und die Zusätze von N grossen- theils aus dem Text entfernt; die Handschrift ist von Inter- polationen frei und von den bis jetzt genügend bekannten die beste.

G das heisst Avger oder vielmehr der Lector Georg (S. 321 [580]) hat allerdings an einer Reihe von Stellen allein das Richtige; aber bei genauer Prüfung erweisen sich diese Besserungen als con- jecturale. Wie frei Avger den Text behandelt hat, zeigt schon das Yerhältniss seines Druckes zu seiner Abschrift; aber auch in der letzteren ist sicher nicht selten stillschweigend gebessert, wie dies für die Stellen p. 239, 13, A. 508. 525 oben S. 327 [586] nachgewiesen ist. Mir ist nicht eine einzige Stelle begegnet, wo die an sich bessere Lesung von G nicht mit Wahrscheinlichkeit als Conjectur aufgefasst werden könnte. JSG sind unter sich nicht enger verwandt; wo dies der Fall zu sein scheint, z. B. bei der Weglassung der Schlussworte A. 2312, muss entweder ein Collationsversehen vorliegen oder der Zufall sein Spiel getrieben haben.

Für die Geschichte der Handschriften ergiebt sich hieraus, dass der jetzt in Ejraiatsin aufbewahrte Codex im Jahre 1696 in Tokat sich befunden hat, und dass er eben derjenige ist, welcher um 1790 (an- geblich aus Jerusalem gesandt) sich in Constantinopel befand und

MOMMSEN, SCHR. VII. 38

594 Die armenisclien Handschriften der Chronik des Eusebius.

daselbst im Jahre 1864 von Petermann vergeblich gesucht worden 336 ist. Das Wandern der Handschrift durch diese verschiedenen Stellen kann bei dem engen Zusammenhang des armenischen Klerus nicht befremden. Dazu stimmt das völlige Zusammentreffen der Beschrei- bung, die Avger von dem Original seines G und Galust von der Handschrift E giebt. Beide sind in Bolorgir oder Minuskelschrift geschrieben. Beide werden von den genannten armenischen Gelehrten in das 12. Jahrhundert gesetzt. In beiden findet sich der (wahr- scheinlich erst später aufgedrückte) Stempel des Katholikos Gregor (abgebildet bei Avger 2 p. 134 = 238, vgl. 191 = 347), in dem Avger den Grigor Pahlavuni, Katholikos seit 1113, erkennt, der aber nach Justi eher Grigor Tlay, Katholikos 1173—1190 sein dürfte, welcher eine Elegie auf die Einnahme Jerusalems durch Saladin verfertigt hat (K. P. Patkanean, Bibliograph. Abriss der armen, geschichtlichen Litteratur, Petersburg 1880 S. 40. 41). Schon nach diesen Be- schreibungen, insbesondere nach dem gleichartigen Stempel ist es nicht wahrscheinhch, dass wir es hier mit verschiedenen Hand- schriften zu thun haben, vielmehr die Identität derselben alle Pro- babilität für sich hat.

Es kommt dazu schliesslich die Beschaffenheit der grösseren Lücken. Sie sind allen Handschriften gemein und wenigstens die beiden der Chronik nach A. 1030 und am Schluss beruhen nach Avgers Angabe auf Blätterausfall der Constantinopolitaner Hand- schrift. Ueber die der Handschrift von Ejmiatsin hat mir Galust auf meine Anfrage Aufschluss gegeben. Dieselbe zählt jetzt 181 Seiten, welche durchlaufend arabisch numerirt sind. Aber daneben findet sich eine ältere Lagenzählung in armenischer Schrift, welche vor dem Blätterausfall, ohne Zweifel von dem ursprünglichen Schreiber gemacht ist, in der Weise, dass auf die unteren Ränder des ersten und des letzten Blattes einer jeden Lage ^ der betreffende Buchstabe des armenischen Alphabets gesetzt ist. Das Vorsetzblatt ist dabei nicht mitgezählt. Danach hat die Handschrift aus zehn (oder mehr) Lagen von je 12 Blättern bestanden und ist der gegenwärtige Bestand der folgende.

Lage 1 (S. 2—25) vollständig.

Lage 2 (S. 26—49) vollständig.

Lage 3 (S. 50—73) vollständig.

Lage 4 (S. 74—97) vollständig.

1) Von der siebenten Lage fehlt das Schlussblatt, auf dem Schlussblatt der neunten die Zahl.

Die armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius. 595

Lage 5 Bl. 1. 2 (S. 98 101) schliessen wo unsere Ausgaben des 337 ersten Theiles abbrechen (l p. 295 Schöne). Bl. 3 10 verloren; es fehlt der Schluss der Chronik

und der Anfang des series regum. Bl. 11. 12 (S. 102—105) beginnt ser. reg. (app. 1 p. 5 Schöne) sub quo llium, wo auch nach Avgers Zeugniss die Handschrift von Constantinopel be- gann. Lage 6 Bl. 1.2 (S. 106 109) schliessen wo unsere Ausgaben der ser. reg. abbrechen (app. 1 p. 18 Schöne) Pupinius et Balhinus occi . . . Bl. 3 10 verloren; es fehlt der Schluss der series regum

und der Anfang der Chronik. Bl. 11. 12 (S. HO 113) beginnen mit unseren Ausgaben Abr. 344. Lage 7 Bl. 1 9 (S. 114 -131) schliessen Abr. 1030.

Bl. 10 verloren; umfasste die Jahre Abr. 1031—1099. Bl. 11 (S. 132. 133) Abr. 1100 1166. Bl. 12 verloren; umfasste die Jahre Abr. 1167 1220. Lage S (S. 134—157) vollständig.

Lage 9 (S. 158—181) vollständig, reicht bis Abr. 2319. Lage 10 (und vielleicht noch weitere) verloren. Damit ist die Frage endgültig entschieden. Wo äusserlich voll- ständige Handschriften mit äusserlich unvollständigen im Umfang übereinstimmen, ist der Beweis für ihr Yerhältniss als Copien und Originale geführt. IsG, welche die gleichen Lücken ohne ßlatt- ausfall aufweisen, sind aus E nach dessen Yerstümmelung abge- schrieben. Dass in der Richterliste der Schreiber von N die vor Esebon fehlenden Namen zugesetzt hat, kommt um so weniger in Betracht, als diese mit denselben "Worten in der Chronik p. HO Schöne sich findet und darnach von dem Schreiber ergänzt werden konnten.

Für die Textkritik der eusebischen Chronik ergiebt sich daraus, dass der ganze Apparat NGEAZ bei Petermann wird entbehrt werden können, wenn die Mutterhandschrift, unsere E^ vollständig und genügend verglichen sein wird. Bedeutende Ergebnisse können, da unser Text auf zwei von einander unabhängigen Abschriften derselben beruht, allerdings nicht erwartet werden. Aber wenn man erwägt einerseits, dass der armenische Text uns zur Zeit nur vor- hegt in dem recht unzuverlässigen Avgerschen Druck, andererseits, 33g dass die Bücher des Eusebius zu den wichtigsten Denkmälern der

596 1^16 armenischen Handschriften der Chronik des Eusebius.

späteren klassischen Litteratur gehören und namentlich die authen- tische Feststellung der armenischen Jahreszahlen, in welchen die Handschrift an zahlreichen Stellen von der Ausgabe abweicht, von Werth ist, so erscheint der Wunsch gerechtfertigt, dass eine neue Ausgabe des armenischen Textes mit entsprechender Uebersetzung in Angriff genommen werden möge. Die Handschrift ist so schön und deutlich geschrieben, dass die Arbeit verhältnissmässig leicht ist. Diesen Wunsch zu begründen war der Zweck dieser Zeilen.*)

*) [Vgl. E. Schwartz, Eusebios in Pauly-Wissowas RE. Bd. VI Sp. 1376: ,üer dort (näml. in obiger Abhandlung) ausgesprochene Wunsch, den Text nach dieser Hs. neu herauszugeben, ist bis jetzt nicht erfüllt."]

LXVI. Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus.*)

Die älteste aller auf uns gekommenen Handschriften der Chronik 393 des Hieronymus befindet sich in Oxford in der Bodleiana unter den lateinischen Handschriften aud. T II 6.**) Sie gehört zu den Claro- montani und ist in dem Pariser Katalog derselben vom J. 1764 unter Nr. 638 verzeichnet als codex memhr. in quarto foll. 196 saec. VIII exaratus praeter quaterniones tres priores saec. XVI descriptos, non compactus et mutilus; ungefähr mit denselben Worten in dem Meer- mannschen Katalog als Nr. 771 . An der Identität kann um so weniger gezweifelt werden, als die im Katalog angegebene Blätterzahl ^ wie überhaupt in den Claromontani so auch in diesem auf dem Vorsatz- blatt gleichfalls verzeichnet ist. Wie manche anderen Stücke dieser unschätzbaren Sammlung ist sie nicht an Sir Thomas Philipps gelangt, sondern im Jahr 1824 aus der Meermannschen Bibliothek um den (vorn in der Handschrift angemerkten) Preis von 131 Gulden in die Oxforder übergegangen. Da ein genügender Katalog dieser Ab- theilung noch nicht vorhanden ist,***) ist sie bis jetzt unbeachtet ge-

*) [Hermes 24, 1889, S. 393 401. Die Handschrift wird in der neuen, von R. Helm vorbereiteten Ausgabe der Chronik verwertet werden. Von Helm stammen die in den folgenden Anmerkungen mit H. signierten Angaben; auch einige Druckfehler sind nach seinen Mitteilungen stillschweigend verbessert worden.]

**) fCod. Oxon. Bodleian. Auct. T. 2.26. Vgl. Madan, A summary cata- logue of Western Manuscripts in the Bodleian library at Oxford vol. IV, Oxf. 1897, S. 441 nr. 20632. Die Hs. ist im Facsimile herausgegeben: The Bodleian Manuscript of Jeromes Version of the Chronicle of Eusebius reproduced . . . . by J. Knight Fotheringham, Oxf. 1905; vgl. E. Schwartz, Berl. phil. Wochenschr. XXVI 1906 Sp. 744 ff.' H. Die im Text angegebene Signatur beruht nach freund- licher Mitteilung von K Jacobs auf einem alten Druckfehler oder einem Ver- sehen Mommsens.]

1) In Folge der Herausnahme einiger früher angebundener Papierblätter zählt die Handschrift jetzt deren nur 178.

***) [Die Lücke ist jetzt durch den in Anm. ** genannten Katalog ausgefüllt worden.]

598 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus.

blieben; ich verdanke die Kunde derselben dem jetzigen Vorsteher der Sammlung Hrn. Nicholson.

Die Handschrift enthält die Chroniken des Eusebius-Hieronymus und des Marcellinus. Aber sie ist nicht vollständig. Die ersten Lagen sind verloren und der Hieronymus-Text beginnt jetzt p. 33 Seh. mit dem als 555 Abr. gezählten Jahr:

Ärgivorum Ätheniensium XIII XXVI

XIIII XXVII in Creta regnavit Lappis.

Ferner fehlt von dieser Chronik das letzte Blatt; sie schliesst kurz vor dem Ende p. 198 Seh. mit j?er auaritiam Maximi. Die Chronik 394 des Marcellinus ist selber zu Anfang wie am Schluss vollständig. Die mit dem J. 535 beginnende nur aus dieser Handschrift bekannte und aus ihr von Sirmond herausgegebene Portsetzung, welche wohl gleichartig ist, aber meines Erachtens dem Marcellinus mit Unrecht beigelegt wird, reicht in der Handschrift bis zum J. 548 und ist am Schluss defect; der letzte auf die in den Ausgaben schliessenden Worte: qui postea patitur noefurnum Totilae superventum Bulgarum suorum proditione folgende unvollständige von Sirmond weggelassene Satz lautet:

Verus quoque magisfer militum et ipse in parte alia Calabriae

infestum sustinuit Totilan et Valerianus ab imperatore in

eorum solacia. Ich verweile hiebei nicht, da ich bei der Herausgabe der Chronik Marcellins auf diesen Theil der Handschrift zurückzukommen haben werde.*)

Die Schrift in beiden Chroniken ist uncial; nach dem Urtheil des bewährten Kenners E. Maunde Thompson in London ist der Hieronymus spätestens im 6. Jahrhundert, der Marcellinus etwas später, aber auch gegen das Ende des 6. Jahrhunderts geschrieben. Die hie und da auf dem Rande des Hieronymus sich findende Schrift so wie die gleichartige eines zwischen den beiden Chroniken stehenden Blattes, welches aus der Chronik des Hieronymus ausgezogene Com- putationen und eine Zusammenstellung der Christenverfolgungen ent- hält, nähert sich der Cursive, ist aber sicher nicht jünger als die Hauptschrift und rührt vielleicht von demselben Schreiber her. Die Berichtigungen, welche die Handschrift zeigt, gehören meistens dem ersten Schreiber an und scheinen für den Text von keiner

*) [S. Chronica minora II, 1894, S. 48 ff.]

Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus. 599

grossen Bedeutung zu sein ^ ; die den Rand bedeckenden zahlreichen Glossen aus später Zeit haben nach der Angabe des Hrn. Xettleship zum Theil ältere verdrängt. Die Orthographie der Handschrift*) bestätigt durchaus das Urteil des englischen Paläographen und be- 395 weist wiederum, dass den Autoren auch der letzten Römerzeit die incorrecten Schreibungen der späteren Epoche nicht aufgedrängt werden dürfen. In dem genau von mir verglichenen Schluss (von Julian an) habe ich keine anderen orthographischen Irrthümer ge- funden als b für v {iobianus constant) einmal Fehler im h {eustatii, dagegen richtig gegen den Schöneschen Text schola und darostori) einige Male e für ae {terre inott4S^ sepe, aber dies berichtigt) oder ae für e [dogmutae) i für ae {niciam; dagegen elementum, nicht elimentum und superiore, nicht superiori) falsche Gemination (atrabattas) ; also nur diejenigen Fehler, welche die gleichzeitigen Steinschriften auch aufzeigen und welche Hieronymus allenfalls selbst gemacht haben kann, und auch diese nur in geringer Zahl. Ver- wechselung von c und t dagegen und was dessen weiter ist begegnet hier so wenig wie in den Florentiner Pandekten, denen diese Hand- schrift in jeder Hinsicht an die Seite gestellt werden darf. In ortho- graphischer Hinsicht wird für die Chronik des Hieronymus diese Handschrift, wie die älteste, so auch die massgebende sein.

Für den Text des Hieronymus gilt nahezu das Gleiche wie für die Orthographie ; man kann die übrigen Handschriften nicht schlecht- hin bei Seite lassen, wo diese (0) vorliegt, aber den erhaltenen und bei Schöne verglichenen gegenüber

A Yalenciennes 7. Jahrh.

B Bern 7. Jahrh.

F Leiden Seal. 14 9. Jahrh., Abschrift einer von einem gewissen Bonifatius um 500 geschriebenen Handschrift.

M Middlehill, jetzt Berlin 8. Jahrh.

P Leiden Voss. Q. 110 9/10. Jahrh.

R Rom reg. 560 13. Jahrh.

1) p. 131, wo die Begiei-ungsjahre Hyrkanos II. auf XXVI angesetzt werden, ist über diese Zahl von zweiter Hand gesetzt Vo XXXI. Diese Zahl stammt aus Josephus, welcher (nach Nieses freundlichen Mittheilungen) sie in den antiq. sowohl 13, 10, 7 wie auch 20, 10, 3 im griechischen wie im lateinischen Text ohne wesentliche Abweichungen giebt; im bell. lud. 1, 2, 8 hat zwar die zuverlässige Ueberlieferung in beiden Sprachen die Zahl 33, doch giebt der sogenannte Hegesipp auch hier jene. Was bezeichnet, weiss ich nicht.

*) [Vgl. A. Schöne, Die Weltchronik des Eusebius, Berlin 1900, S. 138 ff.]

2) Die Handschrift schreibt den Genitiv der ersten Declination meistens richtig, aber in dem zusammengesetzten Wort terremotus setzt sie in der Regel einfaches e.

600 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus.

gebührt ihr die erste Stelle. Ich habe selbst, wie gesagt, den Schluss verglichen und über den Abschnitt p. 131 139 Seh. aus- führliche Mittheilungen von Hrn. Nettleships freundlicher Hand er- halten; was mir vorliegt reicht aus, um der Handschrift ihre Stelle anzuweisen und verdient vorläufige Bekanntmachung.

Die chronologischen Ansetzungen sind hier, wie in allen anderen 396 Handschriften, nach den Jahren Abrahams, den Regierungsjahren und den Olympiaden gemacht. In den beiden letzteren Angaben weichen die mir vorliegenden Proben vom Druck nicht ab. Die Jahre Abrahams, welche hier wie in den Handschriften überhaupt nur von Decennium zu Decennium angegeben werden, stimmen bis zum J. 2320, dem 19. Diocletians mit der Ausgabe; aber Abr. 2330 steht in der Handschrift nicht neben dem 8., sondern neben dem 7. Jahre Constantins und von da sind diese Jahre sämmtlich um eine Stelle vorgerückt, also das Jahr 2379 Seh., das zweite Julians, n CCCLXXX, das Jahr 2389, das neunte des Valens, H CCCXC. Die Handschrift M stimmt nach ihrer ursprünglichen Lesung hierin wesentlich mit 0 überein. In der Yertheilung der historischen Notizen unter die einzelnen Jahre weicht die Handschrift nach den vorliegenden Notizen von der Ausgabe nur an einer Stelle ab: die Bemerkung über die Hinrichtung des Theodosius p, 198w ist nicht zum elften, sondern zum zwölften Jahr des Yalens gestellt.*)

Am nächsten kommt unserer Handschrift unter den oben auf- geführten, wie schon die Jahreszählung ergiebt, die Handschrift M; an einer Reihe von Stellen haben diese beiden allein oder fast allein die ursprüngliche Lesung bewahrt.

p. 131/" vallo circumdans OM, circumdans ABFPR **)

p. 133 6 gaUis lucilius OM, gaius lucius APFR, c. lucius B

ß uuUacilius OM, uulcacilius APR, uttacilius F, uuUacius B***)

p. 197 v prohus praefectus illyrici OM, illyrici (ülirici P, yllirici F) equitius comes ABPF, prohus praefectus illyrici equitius comes R Auch in Fehlern stimmen beide Handschriften überein:

p. 135e ad miliarium II ABFPR, ad miliarium 0, fehlt M wobei sich die Oxforder als die bessere zeigt; denn der Ausfall der Zahl in 0 hat offenbar die Streichung von ad miliarium in M herbei- geführt. In gleicher Weise hat die Oxforder Handschrift p. 137 a;

*) [Vgl. Schöne a. a. 0. S. 144, 1.] **) [vallo steht auch in AP c. N' H.] ***) {uultadlius steht in F ganz deutlich' H.]

Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymns. 601

lecticis mit APFR gegen electis M, woraus in B das interpolirte electris geworden zu sein scheint.

An anderen Stellen zeigt sich eine bemerkenswerte Ueberein- stimmung mit dem Bonifatiustext F, theils in völliger oder an- nähernder üebereinstimmung mit M:

p. 133 Syriae et Asiae regnuyyi defecit ABPB, fehlt in MOF

p. 137 (Caesar) mens. VII OF, mens. VIII M, mens. VI ABPB

p. 198/) qui (Basilius) miäta continentiae et ingenii bona uno supei- 397 biae mdlo perdidit nur vorhanden im Text von OMF und am Rande von P theils im Gegensatz auch zu diesem:

p. 137/) ab hoc loco Antiocheni sua tempora computant ABPRM, fehlt in OF. Entsprechend fehlen in beiden Hand- schriften die Worte p. 159 secundiim Antiochenos anni CCCLI

p. 139/* Cicero tit qtiibusdam placet interficittir in Caietis ABPBM, fehlt in OF*) Selbst in kleinen Schreibfehlern stimmen theils die drei Hand- schriften überein:

p. 139e popili BP, pupili A, pompilii B, popidi OMF theils die Oxforder und die des Bonifatius:

p. 131a: iannaeus BM, ianneus AP, annaeus OB, anneiis F wobei allerdings der Zufall mitgespielt haben kann. Dagegen geht den Fehlem in F gegenüber regelmässig 0 mit den übrigen:

p. 133^ aetatis suae OAPBM, aetatis FB

p. 135 dionysus OAPB, dionisus M, dyonisius F, dionysiiis B

p. 137 0 apud romanos OAPMR, romnnos F, romamis B Es zeigt sich hiernach 0 einerseits mit M frei von den in der Gruppe ABPFR eingetretenen Corruptelen und Interpolationen, andererseits mit F frei von denen, die in ABPRM vorliegen, also durchgängig jeder einzelnen der übrigen sechs Handschriften überlegen und wird demnach als die dem ursprünglichen Text nächststehende Ueber- iieferung zu gelten haben.

Allerdings weist auch diese Handschrift schon eine Interpolation auf. Wo Hieronymus unter dem ersten Jahre JuUans (p. 196^^) über die Einsetzung des katholischen Bischofs von Antiochia Paulinus berichtet, die der aus Sardinien verbannte Bischof Lucifer durch- setzte adscitis dnobus aliis confessoribus , stehen die Worte: Gorgo- fiium dicit de Germanicia et Cymatium de Gabala, welche die Hand- schriften AB am Rande haben, bei 0 im Text mit den Schreibfehlern

*) \^Oi<xro Caietis steht in AMP am Rande' H.]

ß()2 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronyraus.

gorgonium und gahata.*) Dass diese Erläuterung nicht von Hierony- mus herrührt, ist ebenso evident wie dass sie herrührt von einem über diese Vorgänge wohl unterrichteten Zeitgenossen ^ Aber die 398 Aufnahme in den Text ist incorrect und stellt sich zu den Fehlern^ welche gegenüber den sechs übrigen die Oxforder Handschrift auf- weist, zum Beispiel

p. 133 (Philippus) a. II fehlt 0.**)

p. 135^ cahyle A. cdbile PFR, gabyle B, ahyle M, cyhele 0 r praebiiere] praehere 0

p. 137 a capto] captum 0 Wo an sich zulässige, aber einzela stehende Lesungen in 0 begegnen, was übrigens, so weit die mir vorliegenden Notizen reichen, nicht häufig und nicht in wichtigen Stellen der Fall ist:

p. 131 Ä expulsus aegypto] ex aegypto pulsus 0 2) appellari] appellare 0 X fiUus] fehlt 0

p. 133 m; LXII 0, LXIII ABRFM, LXIIII P

p. \31 ß iulius] fehlt 0 wird hienach auch wohl eher ein singulare» Versehen dieses Schreibers anzunehmen sein als die ausschliessliche Bewahrung der richtigen Lesung durch denselben.

Aber ausser den bisher erwähnten Handschriften der Hieronymus- Chronik giebt es noch eine weitere, welche freilich an Alter und Genauigkeit hinter den besten der oben genannten weit zurück, aber doch selbständig neben ihnen steht und für die Kritik ebenfalls in Betracht kommt. Es ist dies die Handschrift des Brittischen Museums 16974 aus dem 10. Jahrhundert^, die einzige, welche das dem Prosper beigelegte sog. chronicon imperiale und die Chronik des Marius von Aventicum uns bewahrt hat;***) denn die zahlreichen mit dem Sige-

*) [Diese Angabe hat Mommsen im gleichen Bande des Hermes S. 649 folgendermaßen korrigiert:

„Die Bemerkung Gorgonium Gabala rührt zwar von dem Schreiber der Handschrift her, steht aber in der von diesem für die Randnoten angewandten Schrift, am Rande in der Weise, dass der Schreiber beabsichtigt zu haben scheint sie hinter corruei'unt (p. 196 e) einzuschalten."]

1) Die beiden Männer werden sonst nicht erwähnt; im Allgemeinen be- richtet den Vorgang Theodoretus bist. eccl. 3, 5. Vgl. Tillemont mem. ecel. 7, 520. [Vgl. Schöne a. a. 0. S. 177 f ]

*♦) ['Philippus fehlt auch in 0' H.]

2) Schöne erwähnt sie in der Vorrede II p. XIV [sowie a. a. 0. S. 30 f.]- ***) [Genaueres über diese Hs. machte Mommsen bekannt in den Chron.

min. I, 1892, S 620. Ihren Wert für die Kritik des Hieronymus beurteilt von Mommsen abweichend Schöne a. a. O, S. 144 f.]

Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus. 603

bert verknüpften Handschriften der ersteren Chronik sind allem An- schein nach aus diesem Codex geflossen. Der Hieronymustext dieser Handschrift oder vielmehr der von ihr abhängigen Sigebert-Hand- schriften ist derjenige, welchen Scaliger {animadv. p. 4 f. imd bei Schöne praef. H p. XXX) als prioris exempli Codices (PB) bezeichnet; die in Schönes Ausgabe nicht wiederholten, aber bei Scaliger ab- gedruckten Notizen über den Petrus Caesaraugustae orator unter Constantius H. und über den Theodultis preshyter unter Valentinian gehören dieser Recension an. Die Handschrift ist voll von Fehlem und wird für die Fundirung des Textes kaum selbständige Beiträge 399 liefern; aber die Plünderung Illyricums legt sie, wie IfO, dem Probus bei und Scaliger hat auch nicht unterlassen in den Anmer- kungen p. 253 zu dem Equitius zu bemerken: ita editioties et POST. ( d. h. die Handschriften BPF u. s. w.), sed PR Probus, was allerdings unbeachtet geblieben ist. Für die Verzweigung der Handschriften ist noch von Wichtigkeit, dass die eben erwähnte Notiz über Theo- dulus, welche dieser Familie eigen ist und auch von Scaliger (p. 259) bezeichnet wird als nur in den PR vorhanden, sich auch, aber ver- stümmelt, in der Handschrift 31 gefunden hat. Also ist diese aus einer der Londoner gleichartigen interpolirt worden und es stellt sich das Fehlen dieser den hierony mischen gleich werthigen, aber dem Hieronymus selbst fremden Notiz zu den Vorzügen, welche 0 gegenüber 31 aufweist.

Wie hienach sich herausstellt, hat die Chronik des Hieronymus flüher und stärker, als wir es bisher wussten, der Interpolation unterlegen; und diese Zusätze und Aenderungen haben theilweise ein über die Textkritik hinausreichendes Interesse. Da die Notiz über das Anfangsjahr der antiochenischen Aera weder in dem griechisch-armenischen Text des Eusebius sich vorfindet*) noch aus der hier von Hieronymus zugezogenen lateinischen Quelle entnommen sein kann, so liegt es auch von dieser Seite her nahe sie als eine sachlich zutreffende spätere Interpolation aufzufassen; sie kann von derselben Hand herrühren, die die Notiz über die Wahl des Bischofs Paulinus von Antiochia erläutert. Die Verbindung Caietas mit dem Ende Ciceros mag darauf zurückgehen, dass er nach Senecas (suasor. 5, 17) aus Livius entnommener Erzählung bei Caieta sich einschiffen wollte. Merkwürdiger ist die Tilgung des von Hiero-

*) [Dies korrigierte Mommsen a. a. 0. so:]

„Die Angabe über den Anfang der antiochenischen Aera fehlt im griechisch- irmeniscKen Text nicht, sondern steht bei dem Armenier nur an etwas anderer Stelle (p. 138 a)."

ßQ4 Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymuy.

nymus über den Bischof von Caesarea Basilius ausgesprochenen Tadels; denn unstreitig ist das scharfe Wort über die Hoffart seines gefeierten Zeitgenossen nicht Schreiberzusatz, sondern es hat die fromme Schönfärberei das unbefangene Urtheil des Presbyters getilgt. Aber vor allem verdient die Aufmerksamkeit auch des Historikers, dass die von Hieronymus unter dem achten Jahre von Valentinian und Valens, also zum J. 371 berichtete Misswirthschaft des Statthalters von Illyricum iniquissimis tributorum exactionihus ante provincias, quas fegehat, quam a harbaris vastarenücr, erasit in den drei Handschriften OML*) dem Probus praefectus Illyrici, da- gegen in AB PF diQm Illyrici Equitius comes zur Last gelegt wird, 400 während die Handschrift R beide Lesungen contaminirt aufweist^. Beide Persönlichkeiten sind wohl bekannt und Titel und Zeit treffen für beide gleichmässig zu. Sex. Petronius Probus ^ ist der Consul des J. 371, praefectus praetorio von Illyricum, Italien und Africa in den J. 368 375; Equitius^, der Consul des J. 374, hat in den J. 365— 373 das Commando der illyrischen Truppen, zuerst als blosser comes, dann als magister equitum peditumque geführt. Also wird das Missregiment in den Donauprovinzen, das heisst in der Heimath des Hieronymus, nach der einen Version dem Civil-, nach der anderen dem Militärvorsteher derselben zur Last gelegt. Eine dieser beiden Lesungen ist ebenso sicher interpolirt, wie es evident ist, dass diese Interpolation von einem Zeitgenossen herrührt und der Publication der Chronik selbst der Zeit nach sehr nahe steht. Keinen Augenblick kann es zweifelhaft sein, dass Hieronymus den Probus genannt hat und die Anklage durch den Interpolator von diesem auf den Equitius abgewälzt worden ist. Denn die ein- gehende und allem Anschein nach unparteiische Schilderung, welche Ammian von der Verwaltung namentlich der illyrischen Provinzen durch den in Sirmium residirenden Präfecten Probus macht, ent- spricht völlig der kurzen Verurtheilung desselben durch Hieronymus, während gegen Equitius, den Ammian ebenfalls häufig erwähnt, nirgends eine ähnliche Beschuldigung erhoben wird und derselbe

*) [Schöne a. a. 0. S. 96 bemerkt, daß die Überlieferung in L so laute : . . . . exactionibiis pi-ovincias quas regebat, tamquani a harbaris vastarentur, evasit.]

1) Die zweite früher Philippsische, jetzt Berliner Handschrift der Chronik aus dem 8. Jahrhundert n. 1872 hat die gewöhnliche Lesung , aber am Rand probus praefectus.

2) Die Nachrichten über ihn sind zusammengestellt bei Seeck in der Vor- rede zum Symmachus p. XCIX f. [Vgl. oben S. 345.]

3) Ammian nennt ihn häufig; auch die Inschriften C. I. L. III, 3653. Eph. epigr. II n. 718.

Die älteste Handschrift der Chronik des Hieronymus, 605

durchaus als ein strenger, aber tüchtiger Beamter erscheint.*) Femer erklärt sich die Interpolation zu Gunsten des Probus durch die beispiellose Machtstellung, die derselbe einnahm und bis an sein Ende behauptete potuit quoad vixit ingentki, sagt Ammian (27, 11,2) und Ausonius {ep. 16,2; ähnlich Mosell. 4ü7f.) nennt ihn den ersten Mann nach den drei Herrschern. Hieronymus, der im Ost- reich schrieb, scheute sich nicht in der wahrscheinlich bei Probus Lebzeiten veröffentlichten Chronik den mächtigen Mann mit Namen- nennung scharf zu tadeln. Dass die occidentalischen Abschreiber und Buchhändler eine Censur vornahmen, ist begreiflich; dass sie 401 zu diesem Zweck nach dem Muster des Prügelknaben einen un- schuldigen Beamten dem schuldigen substituirten , allerdings wenig erbaulich.**)

Schliesslich mag noch darauf hingewiesen werden, dass die Ver- zweigung der Hieronymus -Handschriften mit den ihr angehängten Fortsetzungen in deutlichem Zusammenhang steht. Die Oxforder Handschrift ist die einzige, welche die dem Marcellinus angehängte Fortsetzung bewahrt hat; die Berliner die einzige, welche den voll- ständigen Idacius enthält; die Londoner die einzige füi- die deni Prosper beigelegte Kaiserchronik und den Marius; die grosse Masse der übrigen Handschriften, insbesondere der Scaligeranus, verknüpfen die Chronik des Hieronymus mit dem Schluss der Consularchronik Prospers. Obwohl Contaminirung dieser Recensionen sich früh ein- gestellt hat, sind wir dennoch bei dieser Schrift mehr, als dies sonst durchgängig der Fall ist, in der Lage unseren Text auf verschiedene der Zeit der Abfassung nahe stehende Exemplare zurückführen zu können; und es ist nur zu bedauern, dass in Schönes Ausgabe allein die letzte Kategorie vorliegt, von den drei übrigen die zweite nur im Nachtrag, die beiden anderen überall nicht vertreten sind.***)

*) [Vgl. über ihn O. Seeck bei Pauly-Wissowa VI Sp. 321f.] **) [Eine etwas andere Lösung der Frage versucht Schöne a. a. 0. S. 98 £F. Gegen Schöne E. Schwartz a. a. 0.]

***) [Hierzu äußert sich Schöne a. a. 0. S. 142 ffi]

LXVII.

lieber die Quellen der Chronik des Hieronymus.*) ^

669r^ Hieronymus selbst giebt in der Yorrede zu seiner Uebersetzung des zweiten Buches der Chronik des Eusebius ausführliche Rechen- schaft von seinem Verfahren. Er sei, sagt er [p. 3 Schöne], theils treuer Uebersetzer, theils Verfasser: nonnuUa quae mihi omissa videbantur adieci, in Romana maxime hisforia und weiterhin: A Nino et Abraham usque ad Troiae captivitatem pura Graeca translatio est. A Troia autem usque ad XX. Constantini annum nunc addita nunc mixta sunt plurima, quae de Tranquillo et ceteris ülustrihus in historicis curiosissime excerpsi. A Constantini autem supra dicto anno usque ad consulatuni Augg. Valentis VI et Valen- tiniani II totum meum est. Jetzt, wo uns in der armenischen Ueber- setzung ein von allen Interpolationen freier Text des ächten Eusebius vorliegt, können wir die Prüfung dieser Angabe des Uebersetzers und die Scheidung der Materialien unternehmen, in der Hoffnung, die unkritische Compilation hiedurch für die jetzige Forschung brauchbarer zu machen 2.

*) [Abhaudl. der Sachs. Ges. d. Wiss. Bd. 2, 1850, S. 669 693 als 'Anhang zur Abhandlung 'Über den Chronographen vom J. 354.' Vgl. oben S. 536.]

1) Ich erlaube mir diese zunächst um das Verhältniss der Stadtchronik zu Hieronymus [s. 0. S. 558 f.] festzustellen geführte Untersuchung hier gleich bei- zufügen; es kam darauf an, nicht eben in den Hauptsachen neue Resultate zu gewinnen das Verhältniss des Hier, zu Sueton und Eutrop ist ja bekannt genug, sondern die Bestandtheile der Compilation zum praktischen Gebrauch übersichtlich darzulegen.

2) Ich folge im Allgemeinen der neuesten Ausg. von Mai Script, vet. nova coUectio T. VIII. Romae 1833. 4., jedoch mit steter Zuziehung der älteren, namentlich der Roncallischen Ausgabe. Mai hat den Hieronymus nicht selten aus dem armenischen Eusebius corrigiert und manche schon von Scaliger be- seitigte spätere Zusätze wieder in den Text hineingetragen. [Die Zitate sind in diesem Abdruck nach der Ausgabe von A. Schöne, Berl. 1866, revidiert worden.]

üeber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 607

Es ist durchaus kein Grund vorhanden, die eigenen Angaben des Hieron^Tnus in Zweifel zu ziehen. Wenn er auch in dem nicht- römischen Theil Zusätze von Bedeutung gemacht hätte, warum hätte er es verschweigen sollen? Nun aber finden sich in der That dennoch eine ganze Reihe nichtrömischer Notizen bei Hieronymus, die bei dem Armenier fehlen; es fragt sich, ob diese dem ächten Eusebius gehören und von dem Armenier weggelassen oder eigne 670 Arbeit des Hieronymus sind. Einen Theil derselben erkennt man leicht als dessen Werk; es sind kurze und werthlose Zusätze, wie sie jeder mit der heidnischen und christlichen Ueberlieferung einiger- massen Yertraute mit Leichtigkeit machen konnte. Die wichtigeren darunter, die selbstständig Facta berichten, stammen dagegen wohl ohne Zweifel aus Eusebius her. Denn einmal finden sich diese auch schon in grosser Anzahl in den vorti-ojanischen Zeiten, wo doch Hieronymus eine pura translatio zu geben versichert: andemtheils kehren die meisten derselben wieder in den o7iooddi]v überschriebenen fast ganz mit Eusebius Kanon übereinstimmenden Kapiteln des Syn- cellus^. Ueberdies sind sie den eusebischen Notizen ganz gleichartig und deuten jedesfalls auf griechischen Ursprung; römische Notizen sind nur sparsam darunter, ähnlich wie bei Eusebius selbst. Es ist also anzunehmen, dass der armenische Uebersetzer in den Zeiten vor Christi Geburt sein Original stark, aber planlos verkürzt hat;*) in den Zeiten nach Christus hat er wenig oder nichts weggelassen, indem alles, was Hieronymus hier vor dem annenischen Text voraus hat, nachweislich von ihm selber zugesetzt ist. Wir geben in Beil. A. ein Verzeichniss der in dem armenischen Eusebius fehlenden und sonst auf keine bestimmte Quelle zurückzuführenden Noten des Hieronymus mit Verweisung auf Syncellus.

Gehen wir über zu dem eigentlichen Gegenstand unsrer Unter- suchung, der Ermittelung der römischen Quellen, welche Hieronymus in den vollständigen Eusebius einrückte. Zunächst finden wir in <ler Regum series et qtianto qnisqtie tempore regnaverit vor dem

1) Syncellus scheint indess nicht den Eusebius, sondern vielmehr dessen <!uelle , den Africanus ausgeschrieben zu haben , den er auch p. 283 und 489 Itonc. dafür citirt. Von da an, yfo dieser aufhört (mit Heliogaballus), hört auch die Aehnlichkeit auf zwischen Eusebius und Syncellus. Indess ist dies im Besultat für uns gleichgültig; denn dass Hieronymus neben dem Easebios den Africanus benutzt, ist durchaus unwahrscheinlich.

*) [Das Verhältnis der armenischen Übersetzung und derjenigen des Hiero- n;mius zu Eusebius wird jetzt anders beurteilt von A. Schöne, Die Weltchronik dos Eusebius, Berlin 1900, S. 256 ff.; vgl, auch E. Schwartz in Pauly-Wissowas ß E. VI (1907) Sp. 1380f.]

608 Ueber die Quellen der Chronik des Hierouymus.

Kanon,*) die überhaupt bedeutenfl von der eusebischen abweicht, in den römischen Abschnitten manche Zusätze zum Eusebius, deren Quellen bei diesen nackten Namenreihen weder leicht zu ermitteln noch von grosser Bedeutung sind. Hieronymus nennt

1. die Könige von Aeneas, mit Angabe ihrer Regierungszeit 671 im Ganzen, die bei Eusebius fehlen. Dieses Register kehrt im

Kanon genau ebenso wieder, und werden wir dort über dessen Her- kunft sprechen.

2. Die Könige von Aeneas bis Tarquinius Superbus, aus Eusebius. Die Summe: hi regnaverunt simul CCXL, welche dieser nicht hat, beruht auf Addirung der einzelnen Angaben.

3. Romae post exactos reges consules hini creati et in maxima urbis calamitate quandoque etiam creabantur didatores; worauf ein Verzeichniss einzelner bekannterer Consuln und Dictatoren folgt. Genau ist nicht zu ersehen, woraus dies Register entnommen ist; Scaligers Meinung (im Comm. p. 9. 10), dass dies ein Rest der von Eusebius und Hieronymus ursprünglich beigesetzten Consularfasten sei, ist von Yallars im Comm. p. 34. 79 mit Recht verworfen worden; auf Eutrop passen nicht alle Namen. Yielleicht war der Abschnitt nomina diciatorum, den wir in der Stadtchronik finden, die Quelle oder wenigstens die Veranlassung dieses Artikels; wir werden unten sehen, dass dieselbe zu Hieronymus Quellen gehörte und ihm wohl in etwas besserer Gestalt vorlag, als wir sie kennen.

4. Imperatores Romanorum, ein Verzeichniss der Kaiser mit Angabe der Regierungsdauer, dem Hieronymus im Kanon selber aufs Genaueste folgt und an fünf Orten von den Angaben "des Eusebius im Kanon abweicht, um sich diesem Verzeichniss anzuschliessen :

Arm. Euseb. Hieron. im Kanon und im Verz. Caesar a. v. a. iv m. vii.

Nero a. xin m. vn. a. xni m. vn d. xxvin.

Domitian a. xvi. a. xv m. v.

M. Aurel. u. L. Verus a. xix. a. xix m. i. **)

Pertinax a. i. m. vi.

Hieronymus muss also noch ein andres Kaiserverzeichniss vor sich gehabt haben als das im Kanon enthaltene. Dass er aber auch dies Verzeichniss bei Eusebius fand, bezeugt Syncellus p. 669 Bonn.,

*) [Nacb Schöne , Weltchronik S. 259, 1 ist die vor dem Kanon stehende lateinische series regum nur ein Auszug aus der Hieronymus -Chronik.]

**) [Nach dem Druck dieser lateinischen series regum bei Schöne, Eusebi chronicorum liber prior, Berl. 1876, appendix I B, S. 36, im Verzeichnis 19 Jahre, ohne Monatsangabe.]

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 609

von Pertinax: ßaodevoag xatd jusv Evoißiov fifjvag e^. Hiezu kommt eine andre ähnliche Erscheinung. Yon Claudius sagt Hier.: moritur in Palafio , von Trajan : in Selenunti perit, von Caracalla : interficitur inter JEdessam et Carras, von Claudius: Sirmii moritur, von Quintillus: Aquileiae occiditur lauter Angaben, die er weder bei Eusebius im Kanon, noch bei Eutrop fand. Dass seine Quelle wiederum Eusebius war, sagt uns abermals Syncellus, der p. 657 von Trajan sagt, dass er xar Evoeßiov iv ZeXivovvri starb. Dies erklärt sich dadurch, dass Hieronymus in einem andern Theile des eusebischen "Werkes einen Kaiserkatalog fand, der die Regierungs- 672 jähre, und einen zweiten, der die Todesorte und Todesarten ver- zeichnete. Letzterer findet sich noch im armenischen Text vor dem Kanon p. 36 Aucher [app. I A, S. 17 f. Schöne], und so weit er geht (die Handschrift bricht ab mit Pupienus und Balbinus) enthält er alle Angaben des Hieronymus wörtlich. Der erste Katalog, der die Regierungsjahre verzeichnete, wird am Schluss des ersten Theils von Eusebius verheissen; die Lücke der Handschrift hat ihn uns entzogen. Sonach ist unter den Quellen des Hieronymus dieses doppelte bei Eusebius, aber ausser dem Kanon stehende Kaiser- verzeichniss mit aufzuführen.*)

Wir kommen zu der Chronik selbst Schon Scaliger und viele Andere haben, noch ehe der armenische Eusebius bekannt war, es bemerkt, dass das Breviarium des Eutropius von Gründung der Stadt bis zu Diocletians Tod, von wo er dasselbe weniger stark benutzt hat, die vorzüglichste historische Quelle des Hieronymus ist, aus der er den Eusebius ergänzt. Jetzt wo wir den echten Eusebius besitzen, kann man namentlich für die Kaiserzeit, wo die Einfügung der historischen Notizen in das chronologische Gebäude leichter war, die Chronik des Hieronymus als eine Yerschmelzung des Eusebius und Eutrop bezeichnen. Es muss einer künftigen kritischen Aus- gabe des Hieronymus überlassen bleiben, an jeder Stelle die Ent- lehnung aus Eutrop hervorzuheben;**) hier genügen wenige Beispiele, um zu zeigen, wie Hieronymus das Breviar selbst mit theilweisen Missverständnissen ausgeschrieben hat. So heisst es in der Chronik beim J. 43 vom Kaiser Claudius : Iste - est Claudius patruus Drusi, qui apud Mogmitiacum monumentum habet ; was sinnlos abgeschrieben i^t aus Eutrop. YH, 13: Post hunc Claudius fuit, patruus Caligulae,

*) [Eine abweichende Auffassung von der armenischen series regum sacht Schöne, Weltchronik S. 259 ff. zu begründen.]

**) [Dies ist in der Schöneschen Ausgabe geschehen. Die Benutzung Eutrops durch Hieronjrmus leugnet F. Rühl, Litt. Centralbl. 1892 Sp. 5.]

MOMMSES, SCHK. VII. 39

QIQ Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

Drusi qui apud Maguntiacum monumentum habet filius, indem Hieronymus verband patruus Caligulae Drusi. Ebenso sinnlos ist in der Note beim J. 67 des Hier.: duae tantum provinciae sub Nerone factae Pontus cet. das tantum; es rührt her aus Eutrop. VH, 14: duae tarnen pr. sub eo f. sunt Pontus cet., mit Verwechselung von tarnen und tantum. Bei Eutrop. YH, 15: a senatu hostis iudicatus cum quaereretur ad poenam hat Hieronymus a senatu falsch bezogen und geschrieben: cum a senatu quaereretur ad poenam. Eutrop. YII, 19: Achaiam Lyciam Rhodum Bymntium Samum, quae liberae ante hoc tempus ftierant, item Thraciam CiUciam Commagenen, quae sub regibus amieis egerant, in provinciarum formam redegit hat Hieronymus so zusammengezogen: A. L. Rh. B. S. Thr. C. Com- 673 magene, quae liberae antea et (!) sub regibus amicis erant, in provincias redactae. Eutrop. YHI, 17: Victus est a Severo apud Mulvium pontem, interfectus in Palatio; Hier.: quem postea Severus apud Mulvium pmitem interfecit. Die Stelle über die späteren Schick- sale des Tetricus und der Zenobia Eutrop. X, 13 scheint Hieronymus gleichfalls missverstanden zu haben, indem er diutissime vixit Zenobia verband. Selbst dass Hieronymus mit dem Regierungsantritt der Kaiser schliesst, unter denen er schrieb, und die Wendung praef. p. 7 [3 Seh.]: reliquum temporis Gratiani et Theodosii latioris historiae stilo reservavi, ist offenbar dem Eutrop entlehnt, der also schliesst: reliqua stilo maiore dicenda sunt, quae nunc non tarn praetermittimus, quam ad maiorem scribendi . diligentiam reservamus. An diesen Beispielen wird es genügen; sie zeigen zugleich, mit welcher wört- lichen Treue Hieronymus seiner Quelle folgte. Es ergiebt sich hieraus, dass für uns, die wir den Eutrop noch besitzen, alle diese Auszüge und namentlich auch die chronologischen Epochen, unter welche Hieronymus sie eingestellt hat, ohne historischen Werth sind und Hieronymus hier eigentlich gar nicht angeführt werden darf. An einigen wenigen Stellen scheint Hieronymus neben dem Eutrop das fast gleichzeitige grösstentheils aus Eutrop entlehnte Breviarium Sex. Ruß gebraucht zu haben, s. zu den J. 250. 267. 275.*)

Ein wichtiger Theil der Zusätze des Hieronymus betrifft die römische Litterargeschichte. .Dieselben sind kürzlich von Karl Fried- rich Hermann (de scriptoribus illustribus quorum tempora Hieronymus ad Eusebii chronica annotavit, Göttinger Programm 1 848) übersicht- lich zusammengestellt ; ich werde die Nummern dieser Excerpte den Olympiadenjahren beifügen. Die Hauptquelle des Hieronymus ist bekanntlich Sueton, den er in der Yorrede allein unter seinen Quellen

*) [S. jedoch unten die Beilage A zu den Jahren 250. 267.]

üeber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 61t

mit Namen nemit, und zwar dessen Schrift de viris ülustribus (vgl. besonders Ritschi parerga Plaut. I. p. 609 ff.) ; so sehr ist dies seine Hauptquelle, dass seine Notizen da aufhören, wo Sueton schliesst, mit Quintilian und dem älteren PUnius'^. Von dieser Schrift ist ein Abschnitt {de iüustribus grammaticis) vollständig, von einem zweiten {de iUustribus rhetoribus) wenigstens das Inhaltsverzeichniss und der 674 Anfang auf uns gekommen; zwei andre Abschnitte de oratoribus und de poetis werden von Pontanus in einer Notiz über den durch Sicco Polentone angeblich vernichteten Codex (Ritschi a. a. O. S. 612)*) genannt und verschiedene vitae sind daraus einzeln auf uns gekommen. Die Yergleichung des Erhaltenen mit Hieronymus Angaben zeigt mit Evidenz, dass die letzteren Excerpte, wenn gleich noch so kümmerliche, aus Sueton sind, und dass Hieronymus nichts Wesent- liches zugesetzt 2, aber freihch sehr vieles weggelassen hat, z. B. alle Grammatiker vor Yerrius Flaccus, alle Redner vor Cicero, alle Historiker vor Sallust.**) Man sieht, dass man in Hieronymus Zeit von den Schriftstellern der republicanischen Zeit höchstens noch die Poeten las, aber nicht mehr die Prosaisten. Die Yergleichung der erhaltenen Abschnitte mit Hieronymus Auszügen beweist, dass Hieronymus bei jedem Namen die Kategorie, imter die Sueton ihn eingetragen, zu wiederholen pflegte: aus den stehenden Epitheten des Hieronymus können wir also zurückschliessen auf die Abschnitte und Eintheilung der suetonischen Schrift. Es schien zweckmässig von den uns bei Hieronymus erhaltenen suetonischen Notizen nach diesen Kategorien eine Uebersicht zu geben, bis einmal ein künftiger Herausgeber des Sueton diesen Fragmenten den gebührenden Platz einräumt.***) Die vier Abschnitte der grammatid rhetores oratores historici stehen imzweifelhaft fest; von den Dichtem ist es zweifel- haft, ob sie in einer Abtheilung zusammenstanden oder ob, wie ich eher glaube, die poetae, d. h. die Epiker, Satiriker und Lyriker von

1) Die drei letzten Paragraphen bei Hermann verdienen ihren Platz nicht; sie gehören zu den Auszügen aus Eutrop. Vgl. Salvius lulianus (§. 98, Ol. 227J) rdt Eutrop.YIII, 17; Fronto (§. 99, Ol. 235,|) mit Eutrop. Vm, 12; ülpianus (§. 100, Ol. 251,i) mit Eutrop. Till, 23.

*) [Die Angabe des Pontanus ist erfunden: s. A. ReifFierscheid, Snetoni reli- quiae, Leipz. 1860, S. 363 f.]

2) Eine triviale synonymische Bemerkung ist bei dem Grammatiker Palaemon zugefügt; auch bei Plinius finden sich irrige Zusätze.

**) [Mit Reifierscheid S. 406 wird jetzt angenommen, daß Sueton die ält«ren Redner und Historiker nicht genauer behandelt habe; doch ist diese Annahme Dllbeweisbar.]

***) [Das ist inzwischen von A. Reifierscheid geschehen.]

ßj2 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

den Dramatikern, den comoediarum tragoediarum mimorum scriptores, getrennt waren ^.*) In Ermangelung einer passenderen Rubrik ward Varro unter den Dichtern als philosophus et poeta mit aufgeführt.

675 I. de illustrihus grammaticis.

C. lulius Hyginus grammaticus (§. 63, Ol. 192,4 oder 193, 1) = Suet. c. 20.

Melissus grammaticus (§. 66, Ol. 194, ^) = Suet. c. 21.

Verrius Flaccus grammaticus (§.69,01.196,4) = Suet. c. 17.

Palaemon grammaticus (§.85,01.206,4) = Suet. c. 23.

Die differentia zwischen stilla und gutta ist Zusatz des Hier.; sie findet sich ebenso, doch ohne den Namen des Palaemon bei [Ps.-I Frmto de diff. p. 1332, 50 [GL VII 527]. Isidor orig. XIII, 20. In den differentiae sermonum, die unter Palaemons Namen noch vor- handen sind, wird zwischen gutta und stilla anders distinguiert (ßitschl 1. c. p. 626. Hermann §. 85 not. [Reifferscheid S. 292]).

Probus grammaticus (§.86,01.208,4) = Suet. c. 24.

II. de claris rhetorihus.

Plotius Gallus primus Romae Lat. (§. 18, Ol. 173, i) = Suet. c. 2.

rhetor. docuit

Vultacilius Plotus Latinus rhetor. (§.20,01.174,4) = Suet. c. 3.

Hieronymus hat den Namen verdorben**) {L. Otacilius Pilutus heisst er bei Sueton) und ihn fälschlich zum Freigelassenen des grossen Pompejus gemacht (manumissus Cn. Pompeium magnum docuit Suet.).

Cestius Latinus rhetor. (§.60,01.191,4) =Suet.ind.6.

Albucius Silo rhetor. (§. 64, Ol. 193,|) = Suet. c. 6.

[vielmehr: Silus]

M. Porcius Latro Latinus declaraator (§. 67, Ol. 194,^) = Suet.ind.7.

Claudius Quirinalis rhetor. (§. 82, Ol. 205,4 oder 206, 1) = Suet.ind.l2.

M.Antonius Liberalis Latinus rhetor. (§. 84, Ol. 206,4 oder 207, 1) = Suet. ind. 13.

Statius Ursulus rhetor. (§. 87, OL 209, i) = Suet.ind. 11.

Gabinianus rhetor. (§.95,01.213,4) = Suet. ind. 14.

Quintilianus (§. 96, Ol. 216,4 oder 217, 1) == Suet. ind. 15.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sueton diesem Yerzeichniss der öffentlichen Lehrer der lateinischen Rhetorik in Rom anhangs- weise eine Notiz über die römischen Professoren der griechischen Rhetorik beigegeben hat. Daraus scheint entlehnt [S. 80 Reiff.]:

1) Vgl. auch Hieronymus ep. CXII p. 738 Vallars.: legisti mim et Graecos et Latinos, qui vitas virorum illustrium descripserunt, quod nunquam epitaphium titulum indiderint, sed de illustrihus viris, verhi gratia ducihits philosophis oratoribus historicis poetis epicis tragids eomicis. Gewiss dachte er bei den letzten Titeln an seinen Sueton. Diese Theilung der poetischen Werke geht auf die alexandri- nischen Bibliothekare zurück. Tzetzes im rhein. Mus. N. F. VI S. 117. *) [S. dagegen Reifferscheid S. 380.] **) [Vgl. M. Hertz im Rhein. Mus. 43, 1888, S. 312.1

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

613

Nicetas et Hybreas et Theodorus et Plutio nobilissimi artis rhetoricae Graeci praeceptores habentur (§. 48, Ol. 187, |)

und eine andere Spur davon, auf die O. Jahn mich aufmerksam macht, und die um so wichtiger ist, als sie den Sueton namentlich citirt, findet sich Schol. luv. 3, 74 (aus dem Probus des Yalla): Isaeus rhetor fnit Atheniensis illius temporis: cuius et Tranquillus meminit [S. 80 Reiff.]. Die summarische Weise, in der vier der bedeutendsten griechischen Rhetoren in einen Satz zusammengedrängt werden, scheint dafür zu sprechen, dass Sueton diese Nachrichten nur anhangsweise*) mitgetheilt hat. Die Angabe über Apollo- dorus von Pergamus könnte man auch hieher ziehen; doch scheint 676 sie eher aus dem Leben des Redners M. CaHdius entnommen (s. das.).

ni. de oratorihus. Cicero (§. 12, Ol. 168,3; §. 23, Ol. 174,4 od. 175,1;

§. 24, Ol. 175, 1 ; §. 30, Ol. 180, 1 ; §. 41, Ol. 184,4 od. 185,1. Hiezu füge ich noch die bei Hieronyraus nach § 12 folgenden Worte : Cn. Pompeitis Magnus oriUir, deren Quelle sonst nicht nachweisbar ist; wahr- scheinlich bemerkte Sueton, dass Cicero in demselben Jahre mit Pompejus geboren sei. Femer §.65, Ol. 193,4: M. Tuüius Tiro Ciceronis libertus qui primus notas commentus est, in Puteolano praedio usqiie ad C annum consenescit; was unter keine der fünf Rubriken passt, aber sehr wohl am Schluss der vita Oieeronis gestanden haben kann.) (§. 32, 0. 180,1; §. 52, Ol. 188,1; §. 71^ Ol.

197,f-).

(§.34, Ol. 180,4.) Aus dessen vita wohl

auch §. 29 (Ol. 179,2.): ÄpoUodorus Perga-

menus (rraectis orator praeceptor Calidii

et Äugusti clarus habetur.

(§.36, 01.181,4 oder 182,1.)

(§.45, 01.186,1.)

(§.53, Ol. 188,4 oder 189,1.)

(§. 56, Ol. 189,4 oder 190,1.)

(§. 62, Ol. 192,1.)

(§.68. Ol. 195,4 oder 196,1.)

(§. 73, Ol. 198,2.)

(§.77, 01.200,4 oder 201,1.)

(§.78, Ol. 201, |.)

(§.79, 01.202,4 oder 203,2.)

(§.81,01.204,2.) Ein Auszug der sue-

") [Vielmehr wohl in der Einleitung: s. Reifferscheid S. 405.]

Messalla Corvinus

orator

M. Calidius

orator

Ciuio

orator

Furnii

oratores

Munatius Plancus

orator

Atratinus

orator

Passienus pater

declamator

Asinius Pollio

orator

C. Asinius Gallus

orator

Q. Haterius

orator

Votienus Montanus

orator

Cas.sius Severus

orator

Passienus filius

614

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

Domitius Afer

orator

tonischen Biographie ist erhalten [Schol. luv. 4, 81 (s. daselbst 0. Jahn) , in dem sich die Angabe des Hieronymus wieder- findet. (§.83, 01.205,4 oder 206,1.)

Die unmittelbar auf das Excerpt über Q. Haterius folgende Angabe:

Saevius Plautus corrupti filii reus semet in iudicio interficit (01.200,4.) scheint in der Biographie irgend eines Redners bei Sueton gelegent- lich vorgekommen zu sein.*)

677 IV. de poetis.

(§. 1, Ol. 134,4 oder 135,2; §. 6, Ol. 153,;i.)

(§.2, Ol. 144, f.)

(§.3, Ol. 145, f)

(§. 4, Ol. 148, i)

(§. 5, Ol. 150,2.)

(§. 7, Ol. 155, |.). Stimmt mit der suetoni-

schen vita Terentii.

(§. 8, Ol. 156, |.)

(§. 9, Ol. 158,i; §. 14, Ol. 169, |.)

(§. 10, Ol. 160, |.)

(§. 11, Ol. 166,1; §.50, 01.188,1 oderjl89,l.)

(§. 13, Ol. 169,2.) (§.15, 01.169,3 oder 170,2.) (§. 16, Ol. 171,2.) (§.17, 01.172,1.)

(§. 19, Ol. 173,1; §. 33, Ol. 180,4 od. 181,1.) (§.21, 01.174,3.)

(§.26, 01.177,3; §. 31, Ol. 180, |; §. 35, Ol. 181,4 oder 182,1; §. 57, Ol. 190 1; §. 58, Ol. 190,4: Varius et Tucea u. s. w., was auch aus dem Leben des Virgil herrührt. Auch §.54, Ol. 189, -|: Quintilius Cremo- nensis Vergilt et Horati famüiaris moritur ist sicher Fragment der vüa Virgüii.) satiricus et ly- (§. 28, Ol. 178,4 oder 179,2; §. 61, Ol. 192, 3.). ricus poeta Stimmt mit der suetonischen vita Horatii. mimographus (§.39, 01.184,2.) mimorum scriptor (§. 40, Ol. 184, |.) poeta (§. 42, Ol. 184, |; §. 75, Ol. 199,i)

P°^*^l (§.43, Ol. 184,4 oder 185,1.)

poeta (§.47, Ol. 186, |.)

poeta (§.51, 01.188,3.)

poeta (§.59, Ol. 191, i.)

Q. Ennius

poeta

Naevius

comicus

Plautus

T. Livius

trag. scr.

Statius Caecilius

com. scr.

P. Terentius

com. scr.

Pacuvius

trag. scr.

C. Lucilius

satir. scr.

L. Accius

trag. scr.

M.TerentiusVarro

philosophus et

poeta

Turpilius

comicus

M.Furius Bibaculus poeta

T. Lucretius

poeta

L. Pomponius

Atell. scr.

C.ValeriusCatullus scriptor lyricus

P. Terentius Varro

Vergilius Maro

Horatius Flaccus

Publius Laberius Ovidius Naso Comificius Comificia M. Bavius Cornelius Gallus Aemilius Macer

*) INach Reifferscheid S. 85 f. eben in der vita des Haterius.]

lieber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

615

Phüistio

mimographus

Persius Flaccus satiricus poeta

M, Ann. Lucanus poeta

(§. 70, Ol. 196, -J.) (schrieb lateinisch,*) wie es scheint, s. Hermann a. a. 0., vgl. 0. Jahn z. Persius praef. p. XC). (§.80, 01.203,1; §.88, 01.210,2.) Stimmt mit der i-ita, die von dem älteren Gramma- tiker Val. Probus herrührt, aber auch für Sueton Quelle war. (§. 90, Ol. 211,1.). Stimmt mit der mta.

V. de historicis. 678

Sallustius Crispus scriptor historicus (§.20, Ol. 173, |; §.46. Ol. 186,2.)

T. Livius scriptor historicus (§. 32, Ol. 180, J; §. 74, Ol. 199,1.)

Cornelius Nepos scriptor historicus (§.44, Ol. 185, i.)

Fenestella historiarum scriptor (§. 76, Ol. 199,3.)

et carminum

Q.AsconiusPedianus scriptor historicus 94. Ol. 213, |.)

Plinius Secundus (orator et) historicus (§.97, 01.221,3 oder 222,1. Da, wie

Hermann gezeigt hat, Hier, die sue- tonische Biographie des älteren Plinius irrthümlich auf den jungem bezog, so möchte auch das orator et auf seine Rechnung kommen.)**) Stimmt mit der Biographie, welche um so sicherer dem suetonischen Werke de viris iUustribus entlehnt ist, als Vincentius Bello vacensis im spec. histor. L. XI. c. 67 sie anfahrt aus TranquiUus in cathalogo virorum ittustrium.

Wir schliessen hieran verschiedene andere mehr oder weniger die Litterärgeschichte berührende Angaben, deren Quelle nicht mit Sicherheit ausgemittelt werden kann.

1. Eine Anzahl Ts'otizen beziehen sich auf Seneca: lunius Gallio frater Senecae egregius declamator propria se manu interficit

(§.89, 01.210,4 oder 211,1.) L. Annaeus Seneca Cordubensis praeceptor Neronis et patruus Lucani poetae incisione venarum et veneni haustu perit (§.91, 01.211,1.). Damit zu verbinden: (Sotio philosophus Alexandrinus ) praeceptor Senecae (clarus habetur) (§. 72, Ol. 197,4 oder 198,1.). Das Eingeklammerte ist aus Eusebius. L. Axmaeus Melas, Senecae frater et GaUionis, bona Lucani poetae filii sni a Nerone promeretur (§. 92, Ol. 211,4 oder 212,1.). Aus der suetonischen vita Lucani ist dies nicht entlehnt.

*) [S. dagegen H. Reich, Der Mimus I 2, Berl. 1903, S. 423 ff.] **) [Vgl. Schöne, Weltchronik S. 153, 2 u. 170 ff.]

616 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

Diese Notizen über den Jüngern Seneca und seine Brüder einer suetonischen vita desselben beizulegen verbietet einmal die notorische Verwechslung des Jüngern Gallio mit seinem Adoptivvater, dem Declamator, die man Sueton nicht zuschreiben kann; zweitens der Umstand, dass in den bekannten Abschnitten der suetonischen Schrift für den Philosophen Seneca nirgends Platz ist.*) Sollten diese Notizen nicht vielmehr in einem gewissen Bezug auf die Controversen des älteren Seneca stehen? Diese sind den drei Brüdern Novatus (wahrscheinlich dem später lunius Gallio umgenannten) Seneca Mela 679 gewidmet in derselben Ordnung wie Hieronymus sie aufführt ; der Rhetor Junius Gallio der Vater, den Hieronymus mit dem Adoptivsohn verwechselte, kommt sehr oft darin vor. Alles was wir hier lesen, könnte sehr passend in einer Vorrede oder Einleitung zu Excerpten aus Senecas controversiae gestanden haben, wo Rechen- schaft gegeben ward über die Schicksale derer, denen das Buch dediciert war.

2. Aus einer gemeinschaftlichen Quelle dürften folgende Notizen stammen :

Nigidius Figulus pythagoricus et magus in exilio moritur (§.37, Ol. 183,4). Anaxilaus Larissaeus pythagoricus et magus ab Augusto urbe Italiaque pellitur

(nicht bei Hermann, Ol. 188,1). Titus Musonium Rufum philosophum de exilio revocat (nicht bei Hermann,

Ol. 214,4).

Aus Sueton rühren diese Angaben gewiss nicht her;**) er würde weder Nigidius und Anaxilaus zu magis gemacht, noch überhaupt den letzteren so wie den Musonius Rufus beides griechische Schriftsteller aufgenommen haben. Wenn aber die Notiz über den Anaxilaus nicht von Sueton ist, ist es auch nicht die über den Nigidius, wie denn auch die suetonischen Kategorien hier fehlen. Vielmehr scheint Hieronymus irgendwo eine Angabe über die Aus- treibungen der Philosophen aus Italien gefunden und daraus diese drei Noten entlehnt zu haben.

3. Die Bemerkung über den jüngeren M. Porcius Cato stoicus philosophus (§. 27, Ol. 177,4), der in die römische Litteraturgeschichte nicht gehört, da er nichts geschrieben, gehört dem Eusebius (s. u. S. 687 [Beil. A z. J. 1948]). Die über den Juristen Ser. Sulpicius und den P. Ser- vilius Isauricus, von denen letzterer nicht Schriftsteller war, ersterer

*) [Nach Reifferscheid S. 95 f. handelte Sueton über Seneca und dessen Familie in einem Abschnitt de philosophis.]

**) [Reifferscheid S. 408 sucht sie, freilich in Einzelheiten irrend, als Frag- mente eines Abschnitts de philosophis zu erweisen.]

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 617

wenigstens nicht in das suetonische Werk passt, welches offenbar die Juristen nicht mit umfasste; die über Augusts Arzt M. Artorius (§.49, 01.187,4 oder 188,1); die über den Pantomimen Pylades (§. 55, Ol. 189|) sind ungewisseren Ursprungs, aber schwerlich dem Sueton entnommen.*) Wir haben die letzteren in die Beilage C. aufgenommen, da sie vielleicht mit den dort aufgeführten Noten zusammengehören. Dass die Noten über Julian, Fronto und Ulpian aus Eutrop entlehnt sind, wurde schon S. 673 [610] bemerkt.

Prüfen wir nun die Bemerkungen, welche nach Abzug des Euse- bius, Eutrop und Sueton dem Hieronymus übrig bleiben, so wird man darunter zunächst wie natürlich eine Reihe christlicher, besonders literarischer Notizen finden, wofür bei einem kundigen Philologen, wie Eüeronymus war, eine besondere Quellennachweisung kaum sich geben lassen wird. Uns interessieren dieselben hier nicht. Be- 681 merkenswerth sind einige Notizen, welche aus der Localtradition von Antiochia herrühren (Abr. 1949; n.Chr. 101. 110. 201. 271. 275, wo er eines Vorfahren seines Freundes Euagrius gedenkt, 281. 283. 306), eine andre aus der Localtradition von Jerusalem (Aelia Capi- tolina) beim J. 138 n. Chr.; diese entnahm Hieronymus aus eigener Kunde, da er an beiden Orten lange lebtet Von manchen Angaben geringerer Bedeutung wird es stets unausgemacht bleiben, woher sie rühren; hervorzuheben sind hier indess noch drei Quellenschriften, von denen zwei uns verloren, die dritte noch vorhanden ist. Die erste ist eine Schrift de origine gentis Romanae von Janus bis auf den Tod des Romulus (Beil. B.), welche Hieronymus selbst fr. 1 0, wo er ad verhum daraus etwas anführt, im Gegensatz zu seinem griechischen Original als Latina historia bezeichnet {alia historia fr. 5). Von wem diese Schrift herrühre, lässt sich nicht ermitteln. Ihr Verfasser benutzte Sallusts Catilina (fr. 21) und citiert für das Alter des Homer den Apollodor und Euphorbus (wohl Corruption eher des Verfassers als des Abschreibers für Ephorus, s. Seal. z. d. St.) und den Cornelius

*) [Die Bemerkung über Pylades nach ReiflFerscheid S. 372 vielleicht aus der Einleitung zu de poetis.]

1) Hieronymus schrieb bei Lebzeiten von Gratian (f 383) und Theodosius {.irraef. p. 9 Rone. [3 Seh.] und in der Chronik 363 [S. 195 w Seh.]), noch ehe Theodosius die Gothen aus dem Reiche vertrieb im J. 380 (praef. 1. c. verglichen mit Tillemout V. p. 206) ; wie Vallars in der vita S. Hier. (opp. XI. p. 66) gut g(!zeigt hat. Damals hatte er schon längere Zeit in Antiochia bei Euagrius gelebt (373 fg.) , dessen er auch im Chronicon gedenkt (Yallars 1. c. p. 36) und WUT auch wohl in Jerusalem gewesen (ib. p. 34). [Vgl. über die Datierung der Cluronik: Schöne, Weltchronik S. 249 ff.]

618 Ueber die Quelleu der Chronik des Hieronymus.

Nepos. Er berichtet manches ihm Eigenthümliche , so dass Lavinia ausser dem Silvias Postumus, den sie vom Aeneas hatte, noch mit Melampus den Latinus Silvius gezeugt habe, der nach seinen beiden Brüdern Ascanius und Silvius zur Herrschaft gekommen sei; dass Romulus Feldherr Fabius den Remus erschlagen, dass der Raub der Sabinerinnen im dritten Jahre nach Erbauung Roms stattgefunden. "Vergleicht man unsre Fragmente mit Livius, so wird man in den Facten und oft in den Worten einen engen Anschluss bemerken, jedoch so, dass in der Regel unsre Schrift, selbst in ihrer fragmen- tarischen Gestalt, noch ausführlicher ist als Livius und das erklärt, was dieser andeutet; ob uns hier Fragmente der Schrift vorliegen, welche Livius in diesen ersten Kapiteln hauptsächlich vor Augen hatte, oder, was glaublicher ist, Fragmente einer den livianischen Bericht zu Grunde legenden und weiter ausführenden Bearbeitung, 681 ist nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden. Jedesfalls zeigt die Ver- wirrung in den Zeitangaben fr. 10, dass schon die Quelle des Hieronymus eine sehr trübe war.

Von der zweiten Quellenschrift haben wir die Auszüge de& Hieronymus in Beilage C. gesammelt. Es sind historische Notizen aus der Zeit von Pompejus Tod bis auf die Schlacht von Actium, von bester Art und sehr detailliert. Die Quelle, aus der Hieronymus hier schöpft, scheint auch Quelle des Dio in den Büchern 43 48 gewesen zu sein, und zwar sind die einzelnen Facta in der Regel bei Hieronymus genauer und detaillierter angegeben als bei Dio, so dass man nicht etwa meinen kann, Hieronymus habe aus Dio ab- geschrieben. Für die Verwandtschaft der Angaben bei Dio und bei Hieronymus spricht nicht bloss die zum Theil wörtliche Ueberein- stimmung, sondern auch die Gemeinsamkeit des Fehlers, dass Kleo- patra mit Cäsar in Rom statt in Alexandrien ihren Einzug gehalten [s. u. Beil. C zu 46 v. Chr.]. Diese Notizen sind daher ein werthvoller Rest; nur darf man auf die Jahreszahlen, denen Hieronymus die Facta beigeschrieben hat, nicht zu viel Gewicht legen. Welchem Schriftsteller Hieronymus diese auch durch Proprietät, Genauigkeit und Eleganz des Ausdrucks bei ihm sich auszeichnenden Fragmente entlehnt hat, weiss ich nicht; sicher aber einem römischen Autor guter Zeit. An Livius zu denken liegt nahe; indess dagegen spricht, dass die epii. CXI den Tod des Coelius und des Milo, CXII den des Pompejus erwähnt, während bei Hier, die Ordnung umgekehrt ist; auch stimmen die Prodigien nicht mit Obsequens zusammen.*)

*) [Eine Liviusepitome sucht als Quelle zu erweisen H. Haupt, Philologus 44, 1885, S. 291 ff.]

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 619

Die dritte Quelle, welche Hieronymus benutzt hat, ist die noch vorhandene Stadtchronik, wie die in Beilage D. zusammengestellten Auszüge beweisen. Es sind deren zwar nur wenige, wie die Natur der Sache es mit sich bringt ; allein es ist darum nicht minder be- weisend, dass die wenigen Angaben des Hieronymus über römische Bauten, welche bei Eusebius und Eutrop nicht vorkommen, sämmtlich in der Stadtchronik verzeichnet sind. Am schlagendsten ist die Ent- lehnung bei dem Verzeichniss der Bauten Domitians. Die ersten Worte ynulta opera Stadium sind wörtlich und mit beibehaltener Reihenfolge aus Eutrop abgeschrieben. Die folgenden Worte sind ebenfalls wörtlich und mit beibehaltener Reihenfolge, jedoch mit Auslassung der schon bei Eutrop genannten und einiger weniger wichtigen, aus der Stadtchronik entlehnt; wobei es dem Compilator begegnet ist aus horrea Vespasiani, templum Castorum herauszulesen Vespasiani templum. Weil er femer unter Domitian tliermas Titianas 682 et Traianas fand (was ganz richtig ist, da dies zwei zusammengehörige Bäder sind, von denen das letztere, das Frauenbad, wohl auch unter Domitian gebaut, aber erst unter Trajan dediciert ward), meinte er auch das forum Traiani hier anbringen zu dürfen, das unter Domitian ganz verkehrt steht, und stellte desshalb um: tJiermae Traianae et Titianae, nicht richtig, denn das Titusbad war das hauptsächliche. Die unkundige Compilation aus Eutrop und der Stadtchronik ist hier handgreiflich; Hieronymus hat hier für uns nur den Werth, dass er das auch bei Paeanius und in den besten Handschriften fehlende Glossem odium im Eutrop beseitigt und in der Stadtchronik das sinnlose synodum verbessert in odium, so wie die in der Stadtchronik vor der meta su^mis ausgefallene mica aiirea und den Namen des einen ludus ergänzt, welche wahrscheinlich alle vier in den bessern Texten der Stadtchronik genannt waren. Ueberhanpt scheint er ein besseres und vollständigeres Exemplar derselben als das unsrige ist vor sich gehabt zu haben. Dass er vielleicht aus derselben Chronik das Verzeichniss einiger Consuln und Dictatoren, welches in der series regum zwischen den Königen und den Kaisern steht, entlehnt hat, ist schon S. 671 [609] bemerkt worden. Die Namen stimmen zwar nicht, allein sie schwanken in den Hdschr. des Hieronymus (s. Vallars p. 81) selbst gar sehr; auch mag er die Nomenclatur der Stadtchronik bloss als Ausgangspunkt benutzt, die Namen aber aus Eutrop und Victor zugesetzt haben. Was übrigens von den Jahren za halten ist, denen Hier, die der Stadtchronik entnommenen Notizen beigeschrieben hat, sieht ein Jeder; an einer Stelle ist sogar noch das Severo imperante der Stadtchronik stehen geblieben.

620 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

Endlich ist hier noch einer Stelle besonders zu gedenken, beim J. 212 n. Chr.: Äntoninus Caracalla cognominatus propter genus vestis quod Bomae erogaveraf, et e contrario caracallae ex eins nomine Antonianae (so alle Hdschr.) dictae. Eutrop und Eusebius wissen hiervon nichts; auch in der Stadtchronik findet sich diese Notiz nicht. Dagegen haben wir darüber zwei divergierende Berichte : den einen, wonach der Kaiser die Plebs zwang, seine celtischen caracallae ihm abzukaufen und in den Audienzen damit bekleidet vor ihm zu erscheinen, in der epitome Aur. Vict. c. 21., worauf auch Dio 78, 3 hinführt; den zweiten (übrigens mit jenem nicht unvereinbaren), wonach er die caracallae an die Plebs verschenkte und diese nach ihm Antoni{ni)anae genannt wurden. Diesem folgt Spartian. Car. 9 683 (vergl. Diadum. 2): Caracalli nomen accepit a vestimento quod populo dederat demisso usque ad talos, quod ante non fuerat; unde hodieque Antoninianae dicuntur caracallae huiusmodi in usu maxinio Romanae plehis frequentatae; und daraus Yict. de Caes. 21 : Äntoninus incognita munerum specie urbem Romanam adficiens, quod indumenta in talos demissa largiretur Caracalla dictus, cum pari modo vesti Antonianae nomen e suo daret. Aus einem dieser beiden Autoren, wahrscheinlich aus Yictor (mit dem er in der Form Caracalla und Antonianae übereinstimmt) scheint Hieronymus geschöpft zu haben; was aller- dings auffallend ist, da sich sonst nichts aus Yictor bei ihm findet, aber einigermassen dadurch unterstützt wird, dass Hieronymus im J. 374 (wo er im Begriff war seine Chronik zu schreiben) von einem lombardischen Freunde sich propter notitiam persecutormn Aurelii Victoris historiam erbat (ep. X p. 24 Yallars). Diese Spur einer Benutzung des Yictor verdient Aufmerksamkeit, da die schwierige Frage über die Echtheit und die Yerfasser der verschiedenen jetzt unter Yictors Namen bekannten Schriften hier vielleicht einigen Anhalt findet.*)

Wir schliessen hiemit unsre Untersuchung. Die Epoche von Constantins Regierungsantritt bis auf Yalens Tod (310—381) ist von Hieronymus, wie er auch in der Yorrede sagt, selbständig bearbeitet worden und es kann hier, abgesehen von der Scheidung dessen, was dem Eutrop gehört, von einer Ermittelung seiner Quellen in der Art wie sie bisher versucht ward, nicht mehr die Rede sein. Das Resultat ist, dass Hieronymus sein Chronicon zusammengesetzt hat, aus folgenden Quellen:

Noch ganz oder theilweise vorhanden sind: 1. Kanon und series regum des Eusebius; wovon er jenen in

*) [Vgl. Schöne, Weltchronik S. 209 ff]

üeber die Qnellen der Chronik des Hieronymus. 621

einem vollständigeren Exemplar benutzt als das armenische ist [s. jedoch oben S. 609]. Aus dem ersten Theil des Eusebius scheint er die Zahlen der Könige von Mycenae entlehnt zu haben (S. 685 [Beil. A z. J. 705]), wenn nicht diese auch in der series regiini standen. Ygl. auch oben S. 672 [609].

2. Eutrops Breviar.

3. Das hreviarium Sex. Rufi, wenig gebraucht.

4. Die Stadtchronik, in einem besseren Exemplar von Hierony- mus gebraucht.

5. Suetons Schrift de viris in litteris iUtisfribtts, die Hieronymus vollständig hatte.

Verloren sind: 684

6. eine Latina historia de origine gentis Romanae.

7. ein Werk über die Zeit von Pompejus Tod bis zur Schlacht bei Actium, das auch Quelle des Dio war.

Hiezu kamen verschiedene einzelne Notizen: vielleicht eine Ein- leitung zu den Excerpten der Controversen des älteren Seneca eine Angabe über die Austreibungen der Philosophen aus Rom Localtradition von Antiochia und Jerusalem mancherlei Kunde über christliche Dinge, namentlich über christliche Literatur und sonst mancher kleinere, nicht gerade einem bestimmten Buche ent- lehnte Zusatz. AVie Hieronymus seine Quellen behandelt hat, ist aus der Vergleichung seiner Excerpte mit den noch vorhandenen Originalen zu ersehen: er hat ziemlich planlos ausgewählt, die Texte stark verkürzt, aber wo möglich die eigenen Worte beibehalten, oft freilich auch missverstanden. Am wenigsten Werth haben gerade die wichtigsten Angaben, die der Jahreszahlen; wo er sie nicht ausdrücklich in den Quellen fand, hat er die Anmerkungen beliebig unter gewisse Jahre untergebracht, wie dies Ritschi {parerg. I. p. 623 fiF.) mit strengem, aber richtigem UrtheU gezeigt hat und wie die Yer- »leichung seiner Auszüge mit Eutrop und der Stadtchronik augen- scheinlich darlegt. Als Zeittafel taugt er wenig, als Excerpierender hat er den Werth seiner Quelle, so dass man ihn nicht brauchen sollte, ohne in jedem Falle sich erst über diese zu vergewissem. Dass er späterhin selbst wieder Quelle geworden ist imd Prosper lind Cassiodor fast nichts gethan haben als den Hieronymus aus- schreiben, ist so bekannt, dass es Verwunderung erregt bei gründ- Lchen Forschern jene neben diesem als eigene Gewährsmänner erwähnt zu finden.

622

lieber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

685 A.

Anmerkungen des Hieronymus, die im armenischen Text fehlen und

entweder aus Eusebius entlehnt sind oder sich nicht auf eine

bestimmte Quelle zurückführen lassen^.

Abr. 1 344 fehlen im armenischen Teoct. (349. Pharaones ex Maneth. fehlt in aUen

guten Handschr. Vgl. zum J. 1144.) 351. principium xlvii lub. (fehlt hei Mai.)

[und Schöne]. 365. ccxc annus reprom. (fehlt hei Mai.)

375. ccc annus reprom. (fehlt hei Mai.)

376. Callithyia sac. Arg. Syncellus p. 283 Bonn, init der Ueberschrift 'Aq^Qi- xavov.

385. cccx ann. repr.

400. quippe cuius statua Zus. des Hier, [fehlt hei Schöne].

402. princ. XLvni lub. (fehlt hei Mai.) [u. Seh.].

405. cccxxx ann. repr.

415. cccxL ann. repr.

443. Hercules Antaeum. Vergl. unter 820. Wohl aus Euseb. Fehlt hei Syn- cellus, der hier einen Abschnitt über- sehlagen zu haben scheint.

445. cccLXX ann. repr., xx ann. Moysis.

449. Primus quadr. Trochilus. Wahr- scheinlich aus Eusebius.

451. Xanthus Triopa Lesb. cond. Wahr- scheinlich aus Eusebius.

452. princ. xiix lub. (fehlt hei Mai.) [u. Seh.].

453. In Greta regn. Cydon. Wohl aus

Eusebius. 455. XXX ann. Moysi (fehlt hei Mai.) 460. XXXV Moysi anno Cecrops. Zus.

des Hier. 464, XL ann. Moys.

485. ccccx a. r. et lx a. M. (fehlt bei Mai.)

486. iudicium Neptuni et Minervae. S. p. 290.

489. Iste est Pharao Chencheres, Schevnt Zus. des Hier, [fehlt hei Seh.].

490. quam urbem Euboici. S. p. 290. 495. Lxx ann. Moys.

505. quae nupta postea Telegono. S.

p. 288. 510. In Aegypto regn. Telegonus. 518. qui et urbem condidit. S. p. 296. 520. Deucalionis filius Dionysius. S.

p. 297. 530. Cath fil. Trismegisti. Wohl Zus. des

Hier, [fehlt bei Seh.]. 530. Lacedaemon cond. S. p. 298. 533. Remesses. cui datum est regn.

eiecto Danao. S. p. 293. [fehlt bei

Seh.]. 541 . post Sthenelum Argisregn. Gelanor.

S. p. 288. 543. Argos sibi Danaus vind. S. p. 288.

1) Unter dieser Ueberschrift ist zusammengestellt, was Hieronymus mehr bat als der armenische Text des Eusebius, so weit es nicht aus Eutrop entlehnt oder in die Beilagen B. C. D. aufgenommen ist. So weit möglich ist bei jeder einzelnen Bemerkung die Quelle angegeben, der Hieronymus sie entnahm, namentlich ist Syncellus sorgfältiger verglichen als Mai es gethan; was Hier, nicht gerade einem bestimmten Buch entlehnt, sondern aus eigener Kunde zu- gesetzt hat, bezeichne ich als Zusatz des Hieronymus. Was in ( ) eingeschlossen ist, halte ich für Interpolationen im Text des Hieronymus, der in dieser Be- ziehung noch einer durchgreifenden Kritik bedarf. [Die Interpolationen sind in der Schöneschen Ausgabe ausgeschieden worden. In der Tabelle sind für die Bequemlichkeit des Benutzers die Jahre Abrahams nach der Schöneschen Ausgabe geändert, dagegen die p. Chr. so belassen worden, wie sie Mommsen nach Mai gab.]

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

623

546. Erichthonius pr. quadr. S. p. 297.

546. Eleazar. S. p. 284.

555. lesus succ. Moysi.

567. templ. Delph. ine. S. p. 288.

570. in Greta regn. Asterius. S. p. 289.

590. Melus et Paphus et Thasus et Callista cond. S. p. 299.

593. Bithynia cond. S. p. 299.

599. qui ferr. reper. S. p. 299.

608. Ephyra cond. S. p. 299.

611. Harmonia rapta. S. p. 299.

613. Cadmea et Side cond. S. p. 300.

619. a quo Peloponnesus. S. p. 303.

643. Thebis expulso Cadmo Amph. et Zethus. Wiederholung aus 602?

645. Progne et Philomela. S. p. 304.

654. apud Pythium Phemonoe. S. p. 304.

683. gesta Persei. (fehU hei Mai.)

705. Ben Katalog der Könige von Mycenae, den der arm. Euseh. am Schluss der argivischen ohne die Jahreszahlen giebt, hat Hieronymus mit den Jahreszahlen eingerückt, wohl aus dem ersten TheU des Eusebiusp. 133 Mai. [p. 179 f. Seh.].

708. Midas. S. p. 306.

709. Ilium cond. S. p. 305. 713. Laius S. p. 306.

715. templ. Eleus. S, p. 306.

801. Minos leges ac iura const. S.

p. 308. 303. Philistus scr. Carth. S. p. 324. .S06. Hercules agon. Olymp. S. p. 324. 812. Apri Calyd. S. p. 324. 823. lephte in libro. Zus. des Hier. 8.35. a quo Mopsicrenae. WoM 2his. des

Hier. 835. Menestheus moritur. S. p. 325. 841. Aegistbus. S. p. 322. H7. Sirenas quoque. Zus. des Hier. 857. Zeuxipp. baln. Byz. Vgl. 1550. 860. Tisamenus. Vgl. zu 705. (661. Hebraei hunc trad. (fehlt bei Rone.

[u. Seh.])). 862. Hectoris filii. S. p. 322. -875. agon Lycior. S. p. 334. 9)1. Saul. S. p. 332. (910. Samuel (fehlt bei Rom.)).

916. 921.

927. (944. 968. 970. 972.

985.

1003.

1009.

1031- 1113.

1116.

1134. 1152. 1155. (1158.

1167- 1233. 1248. 1249. 1251. 1260.

1261.

1283.

Heracl. in Pel. S. p. 334. Eurysth. et Procl. S. p. 336. lones. S. p. 335. Pelop. rursus (fehlt bei Rone.)). Cumae cond. S. p. 340. Myrena cond. S. p. 340. Ephesus cond. S. p. 340. Samos cond. (feMt bei Rone. [u. Seh.])).

a diluvio usque ad Zusatz des H.; vgl. S. p.U2. quod Virgilius. Zusatz des H. [fehlt bei Seh.].

tertio Thraces mare obt. S. p. 340; vgl. unier 1055. -1099 fehä im armenischen Teoct. Hie Zacharias. Zusatz des H. {Interpol.].

qui dedit mand. Zusatz des H. [fehlt bei Seh.]. Lycurgus. Cypri mare obt. Elisaeus. S. p. 353. alter Sesonchoris, Serapis, mit einem Zitat auf die membranae aegyptiacae Ptolemaei , quae dicitur sacra scriptura. Fehlt bei Seal. [u. Seh.] und scheint [ist siehei-] Emblem. Vgl. zum J. 349 und Sync. p. 170.). -1220 fehlt im armenischen Text. Aeg. mare obt. triremis Ath. S. p. 400. Osee loel Isaias Oded. S. p. 375. Hesiodus.

fuit autem sub regibus. Zusatz des H.

(Cyzicus condita fügt Rone. [u. Seh.] hinzu, fehÜ bei Mai.). mare obt. Milesii. Naucratis. Messena capitur. WoM atis Euse- bius, wie die folgenden Notizen. S. p. 404 mit Zusatz des Hier. [fehU bei Seh.]. Taracus Sebic. Ecbatana cond. S. p. 372. Tarentum Corcyra cond. Hipponax. Chalcedon cond.

1305. Manasses.

1305. 1309. 1312. 1329. 1332.

686

624

Ueber die Quellen der Chrouik des Hieronymus.

1344. Nechepsus.

(1557.

1352. Aristoxenus. S. p. 401.

1370. Selinus cond. S. p. 402.

1566.

1372. Borysthenes cond. (fehlt hei Rom.)

S. p. 402.

1566.

1376. Terpander. S. p. 402.

1387. Sinope = Sidon im arm. Text.

1406. Alcman. S. p. 403.

1568.

1415. Perinthus cond.

1573.

1441. Hoc tempore Über. Zus. von Hier.

1580.

{fehlt hei Seh].

1583.

(1442. Alyattes et Astyages (fehlt hei

1588.

Rone. [u. Seh.]) vgl. unter 1435.).

1591.

(1450. Amosis iste (fehU hei Rone. [u.

1617.

Seh.])).

1623.

1460. Anaximenes. S. p. 454.

1625.

1467. Apollinisresponso. Zus. von Hier.

1648.

1471. Cyrus S. c. S. p. 451.

(1652.

1472. Harpagus. S. p. 451.

1653.

687 1482. Ibycus.

1666.

1489. Dicaearchia cond.

1670.

(1497. a Davide (fehlt Rone. \u.

1672.

Seh.])).

1672.

(1497. Olympias (fehlt bei Rone.)).

1676.

1505. rege.s imperunt annis ccxl (ist

1678.

die Totalsumme der 7 regua, s.

1681.

series reg. p. 66 Rone, ohen

1684.

S. 671) sive ut quibusdam placet

coxiiii (aus Eutrop. 1, 8.j.

1694.

1505. Naxii mare obt. (fehlt bei Rom.

1695.

[u. Seh.]) S. p. 469.

1696.

1513. Censu agitato Romae inventa

1697.

sunt hominum cxx milia. S.

1706.

p. 452.

1713.

1525. bellum Marath. Miltiades Ari-

1716.

stides. S. p. 468.

1733.

1529. Gelo. S. p. 469.

1745.

1533. Aristides. S. p. 470, vgl 472.

1747.

1(1533. Xerxes pontem (fehlt in vielen

Hdsehr.) [fehlt bei Seh.]).

1774.

1538. Ath. Piraeum. S. p. 470, 5.

(1540. Hieron Syrac. regnat (fehlt hei

Mai.)).

1550. Zeuxis lavacr. Byz. Vgl. unter 8bl.

1801.

(1551. Themistocles. Rone. [u. Seh.] hat

1813.

diesen AH. so Jcurz toie Euseb.,

Mai hat ihn erweitert.).

1816.

(1551. lub. Lxxi (fehlt in vielen Hdsehr.

[u. bei Seh.])).

1828.

Reges gent. div. mare obt. (fehlt

hei Rone. [u. Seh.])).

Bacchylides Praxilla Cleobulina,

S. p. 470.

Romani per legatos ab Athenien-

sibus iura petierunt, ex quibus

xn tabulae conscribtae. S. p. 484.

Abaris. S. p. 471.

Melissus. S. p. 471.

Aristofanes. S. p. 482.

Socrates. S. p. 482; vgl. 489.

Pericles.

ex Aetna. S. p. 489.

Ctesias. S. p. 490.

Dionysius. S. p. 491.

Eudoxus. S. p. 491 cf. 489.

Teos rex.

laddus (fehlt hei Rone. [u. Seh.])).

Alexander Pheraeus.

hucusque Manethos. S. p. 486.

Ochus Sidonem. S. p. 486.

Dionysius Corinthum.

Plato. S. p. 494.

Dionys. Corinthum; vgl. S. p. 494.

laddus. S. p. 484.

Manasses. S. p. 484.

ist der Name des Consuls Maelius

Torquatus Zus. des Hier.

Agathocles. S. p. 522.

Lamiacum bellum. S. p. 522.

qui divinitate. Zus. von Hier.

Demetrius Phalereus. S. p. 521.

Edesseni. S. p. 520.

Theodorus. S. p. 522.

Seleucus Babyl. S. p. 520.

Demetrius. Vgl. S. p. 519.

Aratus. S. p. 523.

Argenteus nummus primum in

urbe figuratus. S. p. 523.

Romae templum Vestae incen-

sum. S. p. 524. (Der Zusatz

MaVs correptis abripuit fehlt

bei Ronealli, Synceüus [u. Seh.]).

victi ludaei.

Scipio Hiberiae multas urbes

recipit. S. p. 524.

Carthago in ditionem Rom. redi-

gitur [fehlt bei Seh.].

Eumenes.

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

625

1860. ludas occ. S. p. 535.

1911. lonathas. S. p. 544.

1922. Ptolomaeus Cyren- rex. Von Hie- ronymus rührt dies sicher nicht her, da er dasselbe Factum zum J. 1951 aus Eutrop. 6, 11 nachtrug. Viel- mehr hat hier im armenischen Text der Schreiber durch mehrere Jahre die Notizen weggelassen; und auch Syncellus lässt uns hier im Stich, da er die Epoche van der Zerstörung Karthag&s bis auf Sulla überschlägt, so dass Hiero- nymus hier allein den E^isehius uns betcahrt hat*)

1929. Alexander matrem saam occ.

1931. Sylla Ath. vastat.

1932. Descriptione Romae facta inventa sunt hominum ccccLXin müia.

1933. templum tertio apud Delfos in- censum et Romae Capitolium.

1934. lannaeus plurimas civ. cepit. 1937. Sylla Romam obtinuit et post

biennium moritur.

1944. Bellum gladiatorium in Campa- nia; eher aus Euseb. als aus Eutr. 6, 7.

1945. Pompeius universam Hiberiam subiugavit; nicht aus Eutrop. 6, 1, da der Ausdruck Hiberia die grie- chische Quelle anzeigt.

1947. Crassus triumphat.

1948. M. Porcius Cato stoicus philo- sophus agnoscitur. Diese Angabe gehört waJirscheinlich dem Eusebius, nicht dem Sueton; Hermann hätte sie rmter die Zus. des Hier, nicht aufnehmen sollen. Vgl. S. 679.

1949. Die Notiz über den lucus Daph- nesium ist aus Eutrop. 6, 14 (vgl. Brev. Eufi c. 16; jedoch mit Zus. von Hier, aus Localtradition voti Antiochia.

1954. Pompeius captis Hierosolymis tributarios ludaeos facit. S. p. 566.

1955. Ea quae de Catilina cet. S. p. 566. Die Erwähnung des Sallust ist von Hieronymus zugefügt.

1971.

1976.

1985. 1988.

1956. Pompeius Imperator appellatus.

S. p. 566. 1968. Diodorus Siculus graecae scriptor historiae clarus habetur. Woher diese Notiz, ist schwer zu sagen. Decretumsenatus et Atheniensium ad ludaeos mittitur qui per lega- tionem amicitiam postularunt. S. p. 577.

Antonium superat Aug. S. p. 578. 1983. Lunae secundum Romanos cursns inventus est. Der Ausdruck sec. Rom. deutet auf ein griech. Ori- ginal. Vgl. S. p. 577. de quo VLrg. scr. Zus. des Hier. Aegypti regn. destr. Zus. des Hier. [fehlt bei Seh.]. 1997. Cantabri res novas mol. oppr.

S. p. 593. 2014. TertuUianus in eo libro. Zus. des

Hier. p. Chr. 31. principium lxxxi lubilaei

(fehlt bei Mai.) p. Chr. 38. Die Angabe über Pilatus von Hier, ericeitert, tcofür er sich auf TertuHian in apolog. beruft, den auch Eusebius aber kürzer anführt. p. Chr. 62. Terrae motus Romae et solis

defectio. S. p. 636. p. Chr. 70. Vitellius octavo cet; viel- leicht ausgefallen im armen. Euseb., kann aber auch aus Eutrop. 7, 18 zusammengestellt sein [fehlt bei Sdi.]. hat Hier. Notizen über den Ignatius von Antioehia zu- gesetzt.

p. Chr. 120. Hadrianus (eruditissimus in utraque lingua) sed in puero- rum amore parum continens fuit. Die erste Hälfte aus Eutrop. 8, 7, die zweite Zus. des Hier. p. Chr. 120. Hadrianus reliqua tributo- 688

rum. S. p. 659. p. Chr. 131. (Antinous puer egregius) eximiae pulchritudinis (in Aegyp- to moritur, quem Hadrianus vehe- menter deperiens, nam in deliciis habuerat, in deos refert); ex eins

Chr. 101 Chr. 110

*) [Vgl. Hermes 16, 1881, S.

MOMMSEN, SCHB. Vn.

?, 2 = 0. S. 398, 5.]

40

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

nomine etiam urbs appellata est. Zus. des Hier.

p. Chr. 135. Basilides mit Zm. des Hier.

p. Chr. 138. Aelia ab Aelio Hadriano condita, et in fronte eins portae, qua Bethleem egredimur, sus sculptus in marmore, significans Romanae potestati subiacere lu- daeos. Nonnulli a Tito Aelio filio Vespasiani extructam arbi- trantur. Zus. des Hier, aus eigener Kunde.

p.JChr. 144. Marcus episc. Alex. Vgl. Sync. p. 661.

p. Chr. 147. Taurus Berytius. S. p. 662.

p. Chr. 166. Apud Pisas peregrinus phi- losophus. S. p. 664.

p, Chr. 169. Der Märtyrer Pionius von Hier, zugefügt.

p. Chr. 172. Melito Asianus. S. p. 665.

p. Chr. 173. Dionysius, S. p. 665.

p.JChr. 173. Pinytus. Zus. des Hier.

p.'^Chr. 173. Pseudoprophetia mit Zus. von Hier.

p. Chr. 174. Tatianus, Bardesanes. Zus. des Hier.

p. Chr. 182. Comm. de Germ, triumph. S. p. 667.

p. Chr. 184. Irenaeus. S. p. 668.

p. Chr. 194. (Victor) cuius mediocria extant de religione volumina. {Zus. des Hier.)

p. Chr. 198. Anführung der Schriften über die Oster zeit; Zus. des Hier.

p. Chr. 199. Judaicum et Samariticum bellum vel ortum vel resumptum.

p. Chr. 201. Severo imperante thermae Severianae apud Antiochiam et Romaefaetae. Tlieils aus der Stadt- chronik, theils aus Localtradition von Antiochia.

p. Chr. (209. Tertullianus. Zus. des Hier.)

p. Chr. 211. Antoninus Caracalla cogno- minatus propter genus vestis, quod Romae erogaverat, et e contrario caracallae ex eins no-

mine Antonianae dictas. Aus Aur. Vict. de Caes. 21, wie es scheint; vgl. oben S. 682. p. Chr. 230. Geminus , Hippolytus , Be- ryllus, clari scriptores. Zus. des Hier.

p. Chr. 246. hat Hier, zu Eutrop. 9, 2 hinzugefügt, dass Philippus praef. praet. war. Denselben 2ksatz hat das brev. Rufi c. 22.

p. Chr. 247. (Philippus Philippum filium suum consortem regni facit) pri- musque omnium ex Romanis imperatoribus Christianus fuit. Der Anfang wohl aus Eutrop. 9, 3.

p. Chr. 250. Philippus urbem nominis sui in Thracia construit. Woher dies ist, ist schwer zu sagen jedesfalls ist es eine Verwechselung des thracischen von dem Vater Alexanders gegründeten Philippo- polis und einer von dem Kaiser in Arabien gegründeten Stadt dieses Namens. Also wohl ein Zusatz aus Hier, eigener Kunde oder eher Missverständniss des brev. Rufi c. 9.*)

p. Chr. 254. diaconus Laurentius mart. [fehlt bei Seh.].

p. Chr. 254. Antonius monachus.

p. Chr. 254. Alexander et Babylas interf. Vgl. S. p. 683.

p. Chr. 255. Fabiani, Comelii mors. Vgl. S. p. 683. Cypriani epist.

p. Chr. 255. Citat von Cyprian de mor- talitate.

p. Chr. 255. Novatus, abweichend von Eus.

p. Chr. 256. Citat von Cyprians epistolae.

p. Chr. 259. Cyprianus mart. Vgl. S. p. 683.

p. Chr. 261. Sapor rex Persarum Syriam Ciliciam et Cappadociam depo- pulatur. Aus Eusebius'i

p. Chr. 267. Odenatus decurio Palmyre- nus collecta agrestium manu ita

*) [Nach Schöne a. a. 0. S. 219 ff. stammt diese Notiz, wie die übrigen über Kaiser Philippus, aus Eusebios, den Hieronymus mißverstand.]

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymas.

62:

Persas cecidit, ut ad Ctesiphontem castra poneret. Eutrop. 9, 10, ergänzt aus dem brav. Rufi c. 23.*)

p. Chr. 271. Timaeus episc. Antioch.

p. Chr. 275. Die Stdle über Zenobia ist aus Eutrop. 9, 13, aber die Worte apud Immas sind hinzugefüfft aus brav. Rufi c. 24. Der ScMuss: in qua pugna descendit ist, tcie Hier, selbst sagt, Familientradition seines Freundes Euagrius in An- tiochia.

p. Chr. 278. Die Nachricht über den Tod des Äurdian ist aus Euseb. und Eutrop. 9, 15 zusammengesetzt; das Wunderzeichen des Blitzes ist Zus. des Hier.

p. Chr. 280. Anatolius Laodic. episc.

p, Chr. 281. Secundo anno Probi iuxta Antiochenos. cet. LocaUradition von Antiochia.

p. Chr. 283. Cyrillus episc. Antioch.

p. Chr. 283. (Saturninus) magister exer- citus novam civitatem Antiochiae orsus condere, (qui postea im- perium molitus invadere) Apa-

miae (occiditur). 2him Theil aus Eutrop. 9, 17, zum Theü aus Tradition von Antiochia.

p. Chr. 299. Marcellinus Rom. episc

p.Chr. 303— 329. fehlt der armenische Text, und da auch Syncellus fehlt, hört die Contrdle auf; die armeni- schen Excerpte sind dürftig.

p. Chr. 306. terrae motu horribiÜ.

p. Chr. 306. decimo nono anno eccl. subversae.

p. Chr. 306. pers. Christiana secundum Antiochenos an. cccu. Hier, fügt überall die Rechnung nach den 689j Jahren der Verfolgung hinzu.

p. Chr. 307. Galeriussolus [fehUbeiSch.].

p. Chr. 309. Für das obscurius matri- monium Eutrop. 10, 2 nennt Hier, die coneubina Helena.

Mit Diodetians Tode, loo Hier, selbst- ständig icird, obwohl er den Eusdnus, so weit er reicht, und den Eutrop auch noch benutzt hat, schliessen wir diese Ud)erskht.

B.

Auszüge des Hieronymus aus einer ^Latina historia' de origine gentis RomanaeK

1. [Abr. 839] Ante Aeneam lanus Saturaus Picus Paunns Latinus m Italia regnaverunt annis circiter gl 2.

2. [Abr. 851] (11. Ascanius Aeneae filius) derelicto novercae suae regno Lavinii ^ (Albam Longam condidit) et Silvium Postumum fratrem 3uum Aeneae ex Lavinia filium summa pietate educavit.

3. [Abr. 875] Ascanius lulium filium proereavit, a quo famUia luliorum orta. Et propter aetatem parvuli, quia necdum regendis

*) [Nach Schöne a. a. O. S. 221 f. aus der von Rufius und Hieronymus be- rutzten Historia des Aurelius Victor, auf die er auch die folg. Notiz z. J. 275 zurückführen möchte.]

1) Das in ( ) Eingeschlossene ist von Hieronymus aus Eusebius fibersetzt.

2) Auch in Hier, series regum p. 65 Rone. [s. 0. S. 608] ; Eusebius hat dies •weder hier noch dort. Die Zahl 150 weiss ich sonst nicht nachzuweisen.

3) Vgl. Liv. 1, 3. '

40*

628 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

civibus idoneus erat, Silvium Postummn fratrem suum regni reliquit heredem.

4. [Abr. 877] iii. Silvius Postumiis, quia post mortem patris editus ruri fuerat educatus, et Silvii et Postumi nomen accepit; a quo omnes Albanorum reges Silvi vocati sunt.

5. [Abr. 909] (iv. Aeneas Silvius annis xxxi). In alia historia repperimus quarto Latinum Silvium regnasse Laviniae et Melampodis ^ filium, uterinum fratrem Postumi; et quinto, (qui nunc hie quartus ponitur), Silvium Aeneam Postumi filium.

6. [Abr. 1029] vii. Aegyptus^ Silvius a. xxiiii^. Silvius (Atys sive) Aegyptus Albae superioris regis filius fuit.

690 7. VIII*. [Abr. 1053] (Capys) Atyis superioris regis filius (annis

XXVIIl).

8. [Abr. 1081] ix. (Carpentus Silvius) superioris regis Capyis filius (annis xiii).

9. X. [Abr. 1094] (Tiberinus Silvius) Carpenti filius (anni8;viii).

10. XI. [Abr. 1102. 1104] (Agrippa Silvius) Tiberini filius (annis xl). In Latina historia haec ad verbum scripta repperimus: Agrippa apud Latinos regnante Homerus poeta in Graecia claruit, ut testantur Apollodorus grammaticus et Euphorbus^ historicus, ante urbem Ro- mam conditam annis cxxiiii, et, ut ait Cornelius Nepos, ante olym- piadem primam ann. c^.

11. [Abr. 1142] XII. (Silvius Aremulus sive Remulus) Agrippae superioris regis filius praesidium Albanorum inter montes ubi nunc Roma est posuit; qui ob impietatem postea fulminatus interiit. Huius filius fuit lulius proavus lulii Proculi, qui cum Romulo Romam commigrans fundavit gentem luliam.

12. XIII. [Abr. 1161] Aventinus Remuli superioris regis maior filius in eo monte qui nunc pars urbis est mortuus ac sepultus aeternum loco vocabulum dedit.

1) Der mit Hercules nach Italien kam (Virg. Aen. 10, 320^. Dass er mit der Lavinia sich vermählt, berichtet sonst Niemand.

2) [So Schöne nach den Hss.]; Epistus S. Eus. Arm. Epitus S. die hist. laisc. ; Atyvjitiog üdovibg Syncell.

3) XXVI Eus. Arm.

4) Die Könige 8. 9. 10 fehlen in der armenischen Handschrift; mit Zu- ziehung des Syncellus ist indess leicht zu bestimmen, was hier dem Eusebius gehört.

5) Scaliger glaubt, dass Ephorus gemeint sei.

6) Dieser Bericht igt ganz confus ; Nepos in primo Chronicorum setzte mit Apollodor den Homer 160 J. vor Roms Erbauung. Gell, xvn, 21. [Vgl. jedoch F. Jacoby, Apollodors Chronik, Berlin 1902, S. 105 f.] *

Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus. 629

13. [Abr. 119S] xiv^. (Procas SiMus an. xxni). ÄTentini superioris filins.

14. [Abr. 1221] xv. Numitor Procae superioris regis maior filhis a fratre Amulio regno pulsus in agro suo vixit. Filia eins adhnendi parhis gratia virgo Yestalis lecta ; quae cum septimo patrni anno "^ geminos edidisset infantes, inxta legem in terra viva defossa est. Yenim parvulos prope ripam Tiberis expositos Faustulus regü pastor armenti ad Accam Laurentiam uxorem suam detulit. quae propter pulchritudinem et rapacitatem corporis quaestuosi lupa a vicinis appellabatur. Unde ad nostram usque memoriam meretricum cellulae lupanaria dicuntur^. Pueri cum adolevissent, collecta pastorum et latronum manu interfecto apud Albam Amulio avum Numitorem in regnum restituunt.

15. [Abr. 1264] Roma Parilibus, qui nunc dies festus est, condita.

16. [Abr. 1265] Ob asyli impunitatem magna Romulo multitudo coniungitur.

17. [Abr. 1266] Remus rutro* pastorali a Fabio Romuli duce 691 occisus.

18. Consualibus ludis Sabinae raptae anno ab u. c. tertio*; et una virginum pulchenima cunctorum* acclamatione rapientium Talasso duci Romuli decemitur. Unde in nuptiarum solemnitatibus Talasso vulgo clamitant; quod scilicet talis nupta sit. quae Talassum habere mereatur.

19. [Abr. 1274] Tarpeia clipeis Sabinorum obnita, unde mons Tarpeius in quo nunc Capitolium.

20. [ibid.] Romani Tatio Sabinorum rege regnante cum Romulo, a Curibus Quirites appellati.

1) Fehlt in der armenischen Handschrift.

2) Da Procas 23 Jahre regierte, war also Romulus bei Roms Gründung 18 Jahre alt, nach der allgemeinen Annahme Dionys. 2, 56.

3) Vict. origo gentis Born. 21: (Accam LaretUiam) eo quod preHo corpus esset Ktügare solita Lncpam dictam. Notum quippe ita appeUari mulieres quaestrtwi cor- pore facientes; unde et eiusmodi loci in quibus hae consistant lupanaria dicta.

Dieselbe Erklärung auch Liv. 1, 4 u. a.

4) rastro Eonc. Vgl. Vict vir. Hl.l: a Celere ceniuri&ne rutro fertur oceisus [Keil (S. Aur. Victor de viris ill. herausgeg. v. Keil Breslau 1872) liest auf Gnmd der Überl. rastro.]

5) Diese Zeitbestimmung findet sich sonst nirgends. Gewöhnlieh wird dw I^nb der Sabinerinnen in den vierten Monat, von Cn. Gellius ins 4. Jahr d. St. j,'e8etzt (IHon. 2, 31), und so muss auch Hieronymus geschrieben haben, da die list. misc. 1, 4, die ihn ausschreibt, hier hat anno ab u. e. quarto.

6) besser cunctarum.

630 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

21. [Abr. 1289] (Romulus primus milites sumpsit ex populo et nobilissimos c senes) ob aetatem senatores, ob similitudinem curae patres appellavit^.

22. Secundum quosdam Romulus descripsit in x menses annum (prius sine aliqua supputatione confusum)^,

23. [Abr. 1300] Romulus apud paludem Caprae nusquam com- paruit, et suadente Lucio Proculo Quirini nomine consecratus est.

Hieronymus Auszüge aus einer röm. Geschichte der Periode von Cäsar und August.

Pompeius proelio victus et fugiens a spadonibus Alexandrini regis occiditur. (28. Sept. 48 v. Chr., unter Ol. 183, 1.)

M. Caelius praetor et T. Annius Milo exul oppressi, res novas in Thyriano Bruttioque agro simul molientes^. (48 v. Chr., unter Ol. 183, 1.)

Romae basilica lulia dedicata*. (46 v. Chr., unter Ol. 183, 3.) 692 Cleopatra regio comitatu urbem ingressa^. (46 v. Chr., unter

Ol. 183, 3.)

Prohibitae lecticis margaritisque uti quae nee vires nee liberos haberent et minores essent annis xliv^. (46 v. Chr., unter Ol. 183, 3.)

Idibus Martiis C. lulius Caesar in curia occiditur, et fasces statim suscipit P. Dolabella''. C. Caesaris corpus in rostris ob honorem con- crematum. (15. März 44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)

Ser. Sulpicius iuris consultus et P. Servilius Isauricus^ publico funere elati. (Sulp. 43, Servil. 44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)

1) aus Sali. Catil. 6: ei vel aetate vel curae simüüudine patres appellabantur.

2) die Schlussworte von Hieronymus zugesetzt aus Eutrop 1, 3 von Numa: annum descripsit in x menses prius sine aliqua supputatione (so ist zu lesen) confusum.

3) vgl. Dio 42,25; doch ist die Ortsangabe bei Hier, genauer. Drumann 1, 51 [\\ 36].

4) Dio 43, 22 nennt das forum luiium.

5) Dio 43, 27 ^Xd'sv i? aaxv. Das Factum ist falsch und beruht wohl auf Verwechselung von Rom und Alexandria, s. Seal. z. d. St. [doch vgl. Cic. ad Att. 14, 8. 20. 15, 15] Dieselben Worte finden sich auch bei Eutrop. 6, 22 in einigen Hdschr., aber da weder Paeanius noch die besseren Handschriften sie haben, sind sie als aus Hier, interpoliert anzusehen.

6) Gehört zu den Luxusgesetzen und den noXvnaibiag ä&Xa, die Dio 43, 25 im Allgemeinen erwähnt. Sonst kommt dies Gesetz nicht vor. [Die Hss. schwanken zwischen ledicis (APF) und electris (B).]

7) Dio 44, 22. 8) Dio 45, 16.

üeber die Quellen der Chronik des Hieronjrmus. 631

Romae tres simul exorti soles paallatim in eundem orbem coie- nrnti. (44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)

Inter cetera portenta quae toto orbe facta sunt bos in suburbano Romae ad arantem locutus est frustra se urgeri; non enim frumenta sed homines brevi defuturos^. (44 v. Chr., unter Ol. 184, 1.)

Antonius adversus Caesarem Augustum bellum movet. (44 v. Chr., unter Ol. 1S4. 2.)

C. Falcidius tr. pl. legem tulit, ne quis plus testamento legaret, quam ut quarta pars heredibus superesset ^. (40 v. Chr., unter Ol. 184, 4.)

Curtius Salassus in insula Arado cum iv cohortibus vivus com- bustus est, quod tributa gravius exigeret. (40 v. Chr., unter Ol. 184, 4*.)

Yibium Maximum designatum quaestorem agnovit dominus suus et abduxit^. (39 v. Chr.,. unter Ol. 184, 4.)

E tabema meritoria trans Tiberim oleum terra erupit fluxitque tota die sine intermissione ^ (38 v. Chr., unter Ol. 184, 4.)

Templa Rhodiorum depopulatus est Cassius '^. (42 v. Chr., unter Ol. 184,4.)

Secunda secessio Augusä et Antonii. (41 v. Chr., unter Ol. 184, 4.)

Augusti et Antonii tertiae dissensionis exordium (quod repudiata sorore Caesaris Cleopatram duxisset uxorem) ^. (33 v. Chr. , unter Ol. 186, 4.)

Artorius medicus Augusti post Actiacam victoriam naufragio 593 perit. (31 v. Chr., unter Ol. 187, 2.)

Agon Aerius constitutus ^. (30 v. Chr., unter Ol. 1 87, 4.)

Pylades Cilix pantomimus. cum veteres ipsi canerent atque saltarent, primus Romae chorum et fistulam sibi praecinere iussit (unter Ol. 189, 3).*)

1) Dio 45, 17. Vgl. Obseqn. c. 130.

2) Kommt sonst nirgends vor.

3) In ähnlicher Weise Dio 48, 33.

4) Weniger genau und ohne den Namen Dio 48, 24.

5) Dio 48, 34 Md^ifMv yovv rivä jafuevaetv ftdXioyta eyrrngtae re 6 deasionj^ xcd cbiijyayev.

6) Wozn Hier, noch fugt: significans Christi graiiam ex gentibus. Kürzer erwähnt dasselbe Zeichen Dio 48, 43.

T:) Dio 47, 33. 8) Aus Eutrop. 7, 6.

9) Dio 51, 1. Könnte auch aus der Stadtchronik sein, die mehrere Agonen Dinnt.

*) [Nach Reifferscheid a. a. 0. 8. 372 stammt diese Notiz aus Einleitung »i de poetis.]

632 Ueber die Quellen der Chronik des Hieronymus.

D.

Hieronymus Auszüge aus der Stadtchronik.

(Multa opera Romae facta, in quis Capitolium, forum transi- torium, Divorum porticus, Isium ac Serapium, Stadium ^) horrea pipe- rataria, Vespasiani templum, Minerva Chalcidica, odium, forum Traiani, thermae Traianae et Titianae, senatus, ludus matutinus, mica aurea, meta Sudans et pantheum (p. Chr. 92) [Ol. 217, 1].

Templum Romae et Yeneris ab Hadriano Romae factum (p. Chr. 132) [Ol. 227, 3].

Thermae Commodianae Romae factae (p. Chr. 185) [01.240,3].

Severo imperante thermae Severianae (apud Antiochiam et) ^ Romae factae et Septizonium extructum (p. Chr. 201 [Ol. 244, 4].

Antoninus Romae thermas sui nominis aedificat^ (p. Chr. 216) [Ol. 248, 3].

Eliogabalum templum Romae aedificatum (p. Chr. 223) [01.249,4].

Thermae Alexandrinae Romae aedificatae (p. Chr. 229) [Ol. 251, 3].

Atlas mons natali Romanae urbis cucurrit et agon mille annorum actus (p. Chr. 250)* [Ol. 256, 3].

Primus agon Solls ab Aureliano institutus (p. Chr. 277) [Ol. 263,3].

Thermae Romae Diocletianae factae et Maximianae Karthagine ^ (p. Chr. 302) [Ol. 270, 2].

1) So weit aus Eutrop. 7, 23.

2) Zus. des Hier., s. S. 688 [o. S. 626.]

3) Entweder aus Eutrop. 8, 20 oder aus der Stadtchronik.

4) Der arm. Eus. hat nur: stadia pro dedicatione urbis currebant [genauer die von Petermann revidierte Auchersche Übersetzung : stadia in encaeniis Romae incedebant: Schöne S. 180 bei d], so dass der Schlusssatz wahrscheinlich von Hieronymus hinzugefügt ist, vielleicht aus der Stadtchronik, die sonst die Agonen aufführt. Ob auch im ersten Satze etwas von Hier, zugesetzt ist, ist um so schwieriger zu bestimmen, als die Lesart schwankt. Wir folgen der scaligerschen, welche sich auf den Bongarsianus und die Hdschr. der ersten Familie stützt; in andern (s. Pontac. p. 644) steht xl missus bald für, bald vor Atlas mons (oder Aihalasmos). Auch findet sich cucurrerunt statt cucurrit. [Vgl. die Angaben bei Schöne S. 181 bei h sowie desselben genaue Behandlung der ganzen Stelle in der Weltchronik S. 89ff., wo auch der Nachweis geführt worden ist, daß Hier, den griech. Text des Eusebius umschrieb.]

5) Es ist zweifelhaft, ob dies aus der Stadtchronik ist; wenigstens die thermae Max. fand Hier, dort nicht.

Lxvni.

Polemii Silvii Laterculus.*)

Die im Katalog der königlichen Bibliothek in Brüssel als 233 n. 10615 10729 bezeichnete Pergamenthandschrift von 231 oder nach einer andern Angabe 244 Blättern aus dem Anfang des zwölften Jahrhunderts^, welche früher den Jesuiten in Antwerpen, in noch älterer Zeit dem Hospital des heiligen Nicolaus, vermuthlich irgend einer niederrheinischen oder mitteldeutschen Stadt gehört hat 2, enthält unter vielen anderen Collectaneen ^ auf S.94 fg. n. 10691 10695 einen

*) [Abhandlungen der K. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Bd. HI (= Abb. der phil.-hist. Kl. H), 1857, S. 231—277; gedruckt 1853 und als Sonder- abdnick in diesem Jahre erschienen ; mit Nachträgen Abh. VIII (phil.-hist. Kl. III), 1861, S. 694 696. Neununddreißig Jahre später hat Mommsen den Later- culus zum zweitenmal herausgegeben, in den Chronica minora (Monum. Germ. hist., Äuct. Antiquiss. t. IX) I (fasc. 2) 511 flF.; doch schien es richtig, die Ein- leitung zu der ersten Ausgabe und die Bemerkungen zu den ersten Abschnitten des Stücks in ihrer ursprünglichen Fassung, und damit auch diese ersten Ab- schnitte selbst wieder abzudrucken.]

1) Vgl. überhaupt das gedruckte Inventar der Brüsseler Handschriften S. 213, wo die Beschreibung indess mehr ausführlich als genau ist; ferner die von Hänel (Richters Jahrb. 1837 S, 760 fg.) und Hertz (in Lachmanns Feldm.

2, 47) gegebenen Mittheilungen über dieselbe. Der Katalog setzt die Handschrift ins erste Drittel des zwölften, Herr Gachet sie ins zwölfte, Hertz theils ins elfte, theils ins zwölfte Jahrhundert.

2) «Le codex faisait partie autrefois des mss. du Museum des Jesuites ä Anvers; il y etait cote ainsi: + ms. 120 a. Anterieurement ü arait appartenu ä un hopital dont le nom est au premier feuillet, mais qu'une tache d'encre

empeche de lire : Iste est liber hospitalis Sancti Nicolai » (Mittheilung

des Herrn Gachet). Nach Hänel a. a. 0. wäre die Handschrift aus der Abtei Tongerloo nach Brüssel gekommen. [Der Codex gehörte dem Nicolaus Cusanus,

3. Chronica min. I p. 517.]

3) Z. B. Stücke von Aratus, Sidonius Apollinaris, Paulinus Nolanus, Salvian, Notker, Aldhelmus u. a. m. ; das interessanteste Stück ist ohne Zweifel das kürzlich daraus (n. 10677) bekannt gewordene Fragment der Declamation des P. Annius Florus (in 0. Jahns Florus praef. p. XLI), dessen schon im J. 1643 BoUandus in seiner Vorrede gedacht hat. Die agrimensorischen Stücke sind nach Blume (Feldm. 2, 47) abgeschrieben aus einer jetzt in Rom befindlichen, ^wahrscheinlich aus Fulda stammenden Handschrift ; was für die Herkunft unsers tchriftchens nicht ohne Bedeutung ist.

634 Polemii Silvii Laterculus.

kleinen Aufsatz, der sich selbst als eine von einem gewissen Polemius Silvius im J. 448 unsrer Zeitrechnung abgefasste und dem Bischof Eucherius gewidmete Kalendertafel (laterculus) mit einer Anzahl Beigaben zu derselben ankündigt. Die BoUandisten sind es, die diese Handschrift, und damit wie es scheint das einzige auf uns gekommene Exemplar dieses Laterculus wie das einzige Exemplar 234 des merkwürdigen Florusfragments, erwarben und die Aufmerksam- keit auf sie lenkten; sie gaben im J. 1643 die Vorrede und einige Proben^, im J. 1717 den Kalender selbst heraus nebst den Schluss- worten des Kaiserverzeichnisses und der Chronik^, und hatten, wie eine Randnote in der Handschrift zeigt, die Absicht, die ganze Schrift mit Commentar zu publicieren. Daraus ist nichts geworden und auch sonst hat sich meines Wissens Niemand dieser Arbeit unterzogen, so dass ein nicht unwesentlicher Theil der Handschrift immer noch ungedruckt ist. Durch freundliche Vermittelung mehrerer Gelehrten gelang es mir, eine von dem Chef des paläographischen Bureaus in Brüssel, Herrn Emil Gachet, sorgfältig revidierte Abschrift zu erhalten,*) wonach hier die bisher nicht oder nicht vollständig aus der Handschrift bekannt gemachten Stücke mitgetheilt werden sollen. Den Kalender, der gedruckt ist und zweckmässig mit den gleichartigen Documenten, namentlich dem lambecianischen verbunden wird,**) lasse ich zurück, ebenso wie es mit diesem bei der Heraus- gabe der im J. 354 veranstalteten chronographischen Sammlung ge- schehen ist, wovon der lambecianische Kalender bekannthch einen Theil bildet.

Der Yerfasser Polemius Silvius ^ oder schlechtweg Silvius ist nach Tillemonts* wahrscheinlicher Vermuthung derselbe Silvius, der

1) Acta Sanct. Jan. I praef. gen. p. XLIV,

2) Acta Sanct. Jun. VII p. 176—184 [der ersten Ausgabe; .Tun. VI p. 833—842 des Pariser Abdrucks].

*) [Die Abschrift hatte zahlreiche Fehler, die Mommsen aus der Handschrift selbst in den Nachträgen Abh. III S. 694 verbessert hat.] **) [S. jetzt C. I. L. 1 ed. 2 p. 254 ff.]

8) Die Conjectur Bollands P. Annaeus Silvius, die aus jenem P. Annius oder Annaeus Florus geflossen ist, ist nicht glücklich; ein solcher Name würde für das fünfte Jahrhundert so wenig passen wie Polemius Silvius der damaligen Nomenclatur durchaus angemessen ist. Polemii finden sich in dieser Zeit öfter, z. B. heisst so einer der Consuln des J. 338. Uebrigens soll nach Holland praef. gen. p. XLIII zuerst Patmei, dann an einer andern Stelle Polemei in der Hand- schrift stehen; Herrn Gachets Angabe darüber verstehe ich nicht recht; es scheint einmal Poltmei, einmal Polemei zu stehen. [Irrtum, anscheinend dadurch hervorgerufen, daß der Inhalt von f. 93 von jüngerer Hand auf f. 94 wiederholt ist. Die Handschrift hat Poltmei.] 4) M6m. pour servir ä l'hist. eccl. XV, 134.

Polemii Silvii Laterculus. 635

in der Biographie des Bischofs Hilarius von Arelate (403 449) unter den namhaften Theologen des fünften Jahrhunderts aufgeführt wird^ und, nach einer Chronik dieser Zeit, nach vollendeter Beamten- carriere verschiedene theologische Irrlehren bekannt machte 2; wie denn auch die Dedication seines Laterculus zeigt, dass er schon 235 vorher mancherlei geschrieben hatte. Der Bischof Eucherius, dem der Laterculus gewidmet ist, ist unzweifelhaft der bekannte Bischof dieses Namens von Lyon, der wenigstens schon im J. 441 dieses Amt bekleidete und wahrscheinlich am 16. Nov. 450, also bald nach Abfassung unsrer Schrift, starb ^. Man hat vermuthet, dass der Verfasser unsers Laterculus derjenige Bischof, wie man annimmt von Agaunum, jetzt Martinach im Wallis, sei, dem Eucherius das Leben des heiligen Mauritius gewidmet hat; allein dieser scheint Salvius, nicht Silvius geheissen zu haben* und auch sonst findet diese Vermuthung nirgends einen Anhalt. Nach der Art, wie der Chronist sich ausdrückt, sollte man auch annehmen, dass unser Silvius wenn gleich vielleicht Geistlicher, doch schwerhch Bischof war. Genauer zu bestimmen wo die Schrift entstanden ist, vermag ich nicht; aber nach Gallien führen alle Spuren: die Datierung nach dem occidentalischen Consul*; die Yerzeichnung des Geburts- und Krönungstages (nataUs genuinus und natalis purpurae) des occidentali- schen Kaisers Valentinian III. im Kalender, während von seinem Collegen nicht die Rede ist; endlich die Erwähnung Galliens in allen Verzeichnissen der Districte unmittelbar nach Italien und die zuweilen hervortretende Berücksichtigung gallischer Verhältnisse, z. B. die Notiz, dass die Prätendenten Magnentius und Decentius

1) Acta Sanct. Mai. II p. 29: übi instructos supervenisse vidisset sermoni

se ipse celsior apparebat, ut eiusdem praeclari auctores temporis, qui suis scriptis nuriti summi daruere, Silvius Eitsebius Domnolus admiratione siKxensi in haec veiba proruperitU , noti doclrinam, tum eloquent iam, sed nescio quid super homines cotisecutum.

2) Tironis ehr. beim J. 438 p. 754 Rone, [chron. min. I p. 660]: Silvius turbatae admodum mentis post müitiae in pcUaMo eoMcta munera aUqua de reUgione coiiscribit.

3) TiUemont a. a. 0. XV, 120 fg. 848 fg. Haller Bibl. der Schweizergesch. ; in. 511 fg.

i 4) Die Adresse lautet bei ßuinart Acta mart. p. 274: domino beatissimo in

i Christo Salvio episeopo Eucherius. Auch Tillemont a. a. 0. unterscheidet beide. j[S. jetzt Krusch mon. Germ., Script, rer. Meroving. III p. 20. 39.] I 5) Asterio consule am Schluss der Chronik; der Schreiber wusste wohl den

lNa:iien des Consuls Asterius, der am 1. Jan. d. J. die Fasces in Arles genommen hatte, aber noch nicht den Namen des constantinopolitanischen Consuls Proto- genes. S. Reland zum J. 449. TUIemont Eist, VI, 237. [Chron. minor. lU p. 532.]

636 Polemii Silvii Laterculus.

Franken waren, während von italischen und speciell römischen Dingen der Verfasser nichts weiss, und z. B. das forum pacis und das forum Yespasiani, welche beiden Namen im fünften Jahrh. der Friedens- tempel in Eom führte, als zwei verschiedene Plätze aufführt, Nach Gallien, speciell nach Fulda (S. 622 A. 3) führt endlich die Handschrift. Als das Jahr der Abfassung giebt uns der Verfasser selbst an zwei Stellen das der Consuln Zeno und Postumianus, 448 n. Chr., an ; offenbar ein wenn gleich nur um wenige Monate späterer Nach- trag ist die Notiz am Schluss der Chronik, dass mit dem J. 448 das Jahr 1200 der Stadt abgelaufen sei und Asterio consule eine 236 neue Aera beginne. Es passt dazu, dass alle in diesem Laterculus als lebend erwähnten geschichtlichen Personen, Theodosius IL, Valen- tinian IIL, Placidia, Eudoxia, Eucherius, damals in der That noch lebten. Dass dagegen von den eingerückten Beilagen eine bestimmt fünfzig bis sechzig Jahre früher redigiert worden ist, begreift bei einer solchen Compilation sich ohne Mühe.

Der Zweck der Arbeit liegt klar vor, Silvius wollte eine simpli- ficierte Kalendertafel liefern mit Weglassung theils alles Schwierigen, theils alles Gottlosen und Heidnischen; wobei ihm offenbar ein älterer dem lambecianischen nahe verwandter Laterculus vorlag. Schwer machte er sich die Sache nicht; die Buchstaben der acht- und der siebentägigen Woche, die Epakten und alles was wie Chiffer aussah, liess er einfach weg und setzte bloss den Monatstag. Die Siglen in den Randbemerkungen, so weit sie beibehalten wurden, löste er auf; man findet nicht mehr N, sondern natalis. Die Tag- und Nachtlängen, die z, B. im Kai. rusticum stehen, blieben weg, «da es doch nicht möglich sei sie genau zu geben». Die Zeichen des Thierkreises schickten sich gleichfalls nicht mehr für den christlichen Mann; «wer sah je am Sternengewölbe irdische Individuen», Steinböcke oder Fische ? Noch weniger Gnade fanden natürlich die Bilder der sieben tagbeherrschenden Planeten; «wozu die Tage abmalen oder benennen, da sie doch alle gleich sind»? So blieben also einestheils die Bilder der Planeten und die Zeichen der Ekliptik weg, die noch den Kalender der Chronographie von 354 schmückten^, anderntheils wurden im Text die irreführenden Bezeichnungen wie sol piscibus, sol tauro^ sorgfältig vermieden und die Namen der Tage, wo der Schreiber sie für das erkannte was sie waren, wie lunonalia, Hilaria, Requetio,

1) Abb. der säcbs. Ges. 11, S. 566. 568 [o. S. 538. 541].

2) In dem gedruckten Text steht allerdings beim 15. December Aqtmrms; aber die Handschrift hat XV X qttaHus XIII, d. h. XV, XIIll, XIIL [C. I. L. I ed. 2 p. 279.]

Polemü Silvii Laterculus. 637

Lavatio in der Mehrzahl beseitigte Auch die schlimmen Tage sind nicht bezeichnet, «da Gott ja alles wohl geschaffen hat»; deshalb fehlt der Abschnitt über die horae bonae, noxiae, commmies^ und die Verzeichnung der dies Aegyptiaci. Endlich liess der Verfasser auch die Monatsbilder weg, die in der Chronographie von 354 auf der Nebenseite einer jeden Monatstafel in stattlicher Grösse ge- 237 zeichnet waren; doch gedenkt er dieser in der Vorrede nicht. So blieb denn freilich im Kalender nicht viel nach als die Angaben einiger christlichen Festtage, der regelmässigen Senatssitzungen und der Tage der Aratsantretung bei wechselnden Aemtern, der Geburts- tage der Kaiser und Märtja-er, der Spiele und einige dürftige histo- rische Nachrichten; während auf der Rückseite und am oberen und unteren Rande der Kalendertafel der dm-ch die Bilder eingenommene Raum frei ward. Unser Reformator hatte vollkommen Platz nicht bloss im Kalender selbst vollständige Wetterprophezeiungen anzubringen, sondern noch daneben seinen Lesern und Käufern das Nützliche und Nöthige von Geschichte und Geographie in einer Nuss darzubieten. Dass es nicht viel ist, wird man begreifen; nicht minder aber, dass der fromme Verfertiger dieses zeitgemässen verbesserten Kalenders durch ein ausführliches Verzeichniss des reichen Inhalts dem Leser sich sofort empfiehlt. Es ist dies für uns insofern wichtig, als wir in unserm Exemplar zwar den Kalender ganz, aber manche der Zugaben auf den Zwischenblättern nicht mehr finden. Ich gebe im Folgenden die übersichtliche Vergleiehung der in der Vorrede an- gezeigten und der in der Handschrift enthaltenen Stücke.

I enumeratio principum cum tyran- Nomina omnium principum Romanorum

nis. (zwischen Jan. und Febr.).

II enumeratio provinciarum Roma- Nomina provinciarum (zwischen Febr.

norum. und März).

III enumeratio spirantium: quadrupe- Nomina cunctorum spirantium: quad- dum, volatilium, natantium. rupedum, volucrum, eorum quae non

moventur, colubrarum (zwischen März und April», insectorum sive reptantium, natantium (zwischen April und Mai).

IV ratio quaerendae lunae festivique Fehlt zwischen Mai und Juni. pasehalis.

V enarratio fabricarum urbis Rom.ae. Quae sint Romae (zwischen Juni und

Juli).

1) Einige sind übersehen oder missdeutet worden und so stehen geblieben; so 11. Jan. Carmentalia, 13. Febr. parentatio tumulorum, 15. Febr. Lupercalia, 17. Febr. Quirinalia, 23. Febr. Tenninalia, 27. März «Lavationem veteres nomina- bmt.»

2) Abh. a. a. 0. S. 566 [o. S. 538].

638

Polemii Silvii Laterculus.

VI poeticae fabulae. Fehlen zwischen Juli und August.

VII series Romanae historiae breviter Breviarium temporum (zwischen Aug. conclusa. und Sept.).

VIII Stridores animantium. Voces variae animantium (zwischen

Nov. und Dec). IX pondera sive mensurae. Nomina ponderum vel mensurarum

(nach Dec). X pedes metrorum omnium. Fehlen.

XI sectae philosophicae. Fehlen.

238 Da der lange dritte Abschnitt offenbar auf zwei Blätter vertheilt

war, haben wir hier die in alternis foliis versprochenen zwölf Stücke vollständig aufgezählt. Da die Handschrift mit Explicit schliesst, auch von den Monaten keiner fehlt, scheinen die vier fehlenden Stücke vom Abschreiber weggelassen zu sein, während er die beiden letzten versetzte und überhaupt die alte Kalenderform aufgebend den ganzen Text, selbst den Kalender, fortlaufend schrieb. Es wäre übrigens noch zu untersuchen, ob sie sich nicht an einem andern Ort in derselben Handschrift sollten wiederfinden lassen. Ich gebe im Folgenden unter den Nummern I IX die Vorrede, die Einleitung und die sieben erhaltenen Beilagen.*) Zwei derselben, die nomina spirantium (V) und die voces animantium (VIII) liegen meinem Kreise so fern, dass ich mich begnügt habe den Text mit allen Fehlem abdrucken zu lassen, da es doch möglich ist, dass ein Lexi- kograph oder ein Herausgeber des Plinius daraus hie und da einigen Nutzen ziehen kann. Die übrigen Stücke sind kritisch und, so weit es der Mühe werth schien, historisch bearbeitet worden. Der Text ist nicht interpoliert, aber sehr corrupt, so dass an manchen Stellen die Lesung zweifelhaft bleibte Dass der Stil nicht gut sein kann, versteht sich; Ansätze zur Eleganz, die hie und da sich finden, wie necessum. est, ad celsiorem tramitem surgens und dgl., machen das Stammeln des Schreibers nur noch fühlbarer. Immer aber finden sich in dem Wust platter und gewöhnlicher Notizen mancherlei in verschiedener Beziehung nicht unbrauchbare Angaben und Excerpte. Von dem Libellus provinciarum erhalten wir hier einen zweiten von dem Speierer Codex nicht abhängigen Text, der das keineswegs

*) [Von den Beilagen sind hier nur die beiden ersten wiederholt, s. S. 633 A. *.] 1) Die Bollandisten sagen, der Codex sei geschrieben charactere minuto sed staute, scriptus ab eadem manu a capite ad calcem, non sine mendis. «Die Schrift», sagt Hänel, «ist klein, gedrängt, mit vielen Abkürzungen, aber im Ganzen deutlich und ziemlich correct; die griechischen Stelleu für die damalige Zeit genau wiedergegeben.» Dies ist zunächst von den gromatischen Abschnitten gesagt; für den unsrigen bedürfte es einer starken Beschränkung.

Polemii Silvii Laterculus. 639

unwichtige Aktenstück wesentlich berichtigt. Von der Beschreibung Roms giebt uns Polemius Auszüge, die aus einem weit reineren Text entlehnt sind als ihn alle unsre Handschriften, selbst die der Chrono- graphie von 354 einverleibte, darbieten und mehrere bisher unlösbare Monstra erfreulich aufklären. Auch in den Gewicht- und Mass- bestimmungen finden sich ein paar beachtenswerthe Notizen und das Register der Thiere stützt sich wenigstens auf schätzbare Quellen. Endlich ist in den beiden historischen Abschnitten der Anfang der Chronik zwar aus Hieronymus ausgeschrieben, einiges Andere viel- 239 leicht aus Eutrop^, dagegen bei weitem das Meiste aus guten für uns verlorenen Quellen geschöpft und zum Beispiel das Verzeichniss der römischen Regenten und Tyrannen so vollständig gegeben, dass manche IS^amen darin zum erstenmal erscheinen für die Geschichte freilich ein geringer Gewinn, da es ihr an Bettelkönigen nicht mangelt. Immer noch ist der Laterculus ein Ueberrest aus den letzten römischen Zeiten, wo ein kleines Geschlecht im Plunder früherer Grösse unterging; geschrieben während Aetius die römische Herrschaft in Gallien aufrecht erhielt, wenige Jahre vor der grossen Schlacht auf den catalaunischen Feldern (453). Die armselige Dürftig- keit der Kenntnisse wie der Ideen dieser Epoche, ihre platte Oppo- sition gegen die Reminiscenzen des Heidenthums liegen in dieser Encyclopädie in einem Spiegel vor, der nicht schmeichelhaft, aber belehrend ist. Der Leser, wenn diese Blätter einen finden, darf sich allerdings weder \ie\ Freude noch viel Aufklärung versprechen; doch glaube ich nicht zu fehlen, wenn ich hier eine Ausnahme mache von dem nicht oft ungestraft verletzten Erfahrungssatz, dass die Inedita aus der Zeit des Verfalls ihre Bestimmung erfüllen, wenn sie Inedita bleiben.

1) S. zum Kaiserverzeichniss (III) S. 642 A. 3 und S. 643 A. 1 ; zur Chronik A. 1. [S. 275 der 1. Ausg. ; chron. min. I p. 547.]

640

Polemii Silvii Laterculus.

240 POLEMII SILVII LATERCVLVS.

I. DOMINO BEATISSIMO EVCHERIO EPISCOPO 8ILVIVS. Laterculum quem priores fecerunt cum difficilibus supputatoribus indiciis notatum legissem, ne minus doctis esset obscurior absolutione, positarum in eo rerum significationem mutavi et apud te potissimum, a quo mea omnia pro eo qui inter nos est amoris studio compro- bantur, digestum direxi. Laetificabor iudicio tuo, si eum tibi pla- cuisse cognovero.

II. Quae in eo sunt. Menses singuli cum vocabulis suis, quibus apud diversas gentes ] dicuntur, et in alternis inter eos foliis enumeratio principum cum tyrannis; provinciarum etiam Romanorum; spirantiumque , quadrupe- dum volatilium natantium ; ratio quaerendae lunae festivique paschalis ; nee non urbis Romae fabricarum enarratio ; poeticae fabulae ; Romanae historiae breviter conclusa series; cum stridoribus animantium, pon- j deribus sive mensuris, vel metrorum omnium pedibus, ac sectis filo- soficis continentur.

De diebus. Dierum necessum non fuit formas depingi, quia sibi omnes quali- tate consimiles sunt, neque ut stulti gentiles locuntur nomina desig- :

24 1 nari, quoniam nullius rei nisi septenarii propter revolubiles ebdomadas numeri, sicut scriptura caelestis edocuit, appellatione censentur. In quibus non ita modus certus horarum est, ut valeat a quocumque monstrari; quia quod nequit dividi, non possumus computare. Quarum, etiamsi oculis subiacerent, nulla mala erat aestimanda, quoniam Dens ; universa bona constituit. Quod qui esse credit aliter, in eo a quo cuncta sunt non credit.

Bei der Angabe der Varianten ist die in der Hdsehr. fast eonstante Schreibung e anstatt der Diphthongen ae und oe übergangen [hier die Varianten nach Chronic, minor.]. Die Handschrift 1 Poltmei [nach Äbh. d. sächs. Ges. 3 S. 695 Poltmii] latercolus 3 prioris difficelibus suppucatioribus : einfacher wäre suppu- tatori 5 besser ad te 6 eo]tius 11 folis 13 natuncium {am

nanancium) pascalis 15 triumphatoribus statt stridoribus 16 ac]ae

17 contenentur 19 furmas 21 revolubelis 22 cinsentur 24 nequid

26 esse non credit

Folemii Silvii Latercnlas. 041

De signis.

De signis nihil est quod dicatur, quia non sunt, etiamsi dicantur. Quis enim facies terrestrium singulonim aliquando inter astra con- spexit? Quorum, quoniam longe post mundi ortum vana vetenim 5 profanorum arte conficta sunt, mentio relinquenda est.

De anno.

Annus primum decem mensum fuit, qui trecentos et quattuor dies habebat; licet, ut auctores plurimi prodiderunt, apud Aegyptios quattuor, apud Arcades tribus, apud Acamanes YI mensibus eompu-

0 tatus fuisse referatur ^. Post a Numa rege Komanorum secundo inter Decembrem et Martium lanuarius et Februarius fertur adieetus, ut trecentis quinquaginta quattuor diebus atque duodecies luna reno- vata, quae vicenis novenis et semis vicibus cursum suum efficit, in- pleretur. Postremo additi'sunt decem dies, atque ob quadrantem,

5 quod per quadriennium dies unus iunctus crescit, quarto anno, quem bisextum vocamus, inseritur. Cuius initium cum Aegyptiis qui nonas idusque non norunt mense Septembri, cum Graecis Novembri 2, Martio cum ludaeis^ habetur. Nos calendarum rationem secuti a lanuario, cuius ante dies octo et sol ad celsiorem tramitem surgens recurrit,

» et quod est amplius Dominus et Deus noster Dei filius lesus Christus corporaliter natus est, ordiemur.

3 terrestraum 5 confecta sunt nachgetragen 8 prodederunt

9 Archades Carnanes 10 post annum a rege Romanorum secundnm

11 iauinarius 12 quinquaginta et quatuor atque] quos 12/13 renovat atque vicinis novenis et simis 13 effecit et inpleritur 14 diebus atque

quadrantem (ob fehlt) 15 quadriennum 17 et cum Grecis 18 calendorum 19 recnrret 20 ihesus

1) Plut. Numa 18. Censorin. c. 19. Macrob. Sat. I, 12. Solin. c. 1 p. 3 242 Salm. [1, 34 p. 9 Momms. ed. II.] Ideler Chronologie I, 62. 94.

2) Ich weiss nicht recht, was hiemit zu machen. Die Graeci sind gewiss wie im Kalender die syrischen Griechen (Ideler I, 431), deren Jahr aber mit dem ersten Hyperberetäus oder October anfing. Vielleicht fand eine Verwechselung statt, indem das makedonisch-kleinasiatische Jahr beginnt mit dem ersten Dius, welcher nicht in dem kleinasiatischen, aber im syrischen Jahr dem 8. Nov. entspricht.

3) Ideler Chronol. I, 559 vgl. 491. Der mosaische Nisan ist gemeint

MOMMSEN, SCHR. VlI. 41

ß42 Polemii Silvii Laterculus.

m.

NOMINA OMNIVM PRINCIPVM ROMANORYM.*)

1 Anno septingentesimo et decimo ab urbe condita primus Gaius lulius Caesar socer Pompei ex dictatore imperatorem ipse se fecit^

2 Quo occiso in curia post quadriennium , Lepidus, Antonius et Octavianus, sororis supradicti Caesaris de filia nepos, triumviri constituti sunt. De quibus Lepido mortuo, cum Antonium Cleopatrae reginae maritum navali proelio devicisset, Octavianus praedictus primum dictus Augustus quinquaginta et VI annis imperium solus obtinuit.

3 Sub quo Gaius et Lucius Caesar es varia mortis sorte perierunt.

4 Huic successit Tiberius eius privignus ex Livia, quam praeg- nantem superstite viro eius Domitio idem Augustus coniugio suo suo iunxerat.

5 Graius Caligula Germanici filius occisus a Chaerea.

6 Claudius Gai patruus paterque Britannici.

7 Sub quo Camillus tyrannus primum factus in Syria^ est.

8 Nero Aenobarbi et Agrippinae filius, qui quintodecimo anno ipse se ferro, cum ob scelera sua et dedecora, quibus genus humanum omne superavit, a Romano populo ad poenam quae- ritur^, occidit.

9 Sub quo Yindex et Clodius tyranni fuerunt. 10 Galba cum Pisone occisus.

*) [Text nach Chron. min. I p. 520—523.] Die Handschrift 1, i orbej 2 imperatore 2, i in curia am Bande ergänzt 2, i octouianus sororej nepus 5 octouianus quinginta 4, i theberius quam prignante super- stetit 5 gaius gaicoli caligola occisus caereia 6 paterquem 7 siria 8, 1 aenobardi agripine 3 huminum omnes 10 bisone

1) Den Titel imperator in dem späteren Sinn nahm Caesar im J. 709 der St (nach varronischer Zählung) an. Die vierjährige Regierung Caesars beruht auf einer Abrundung der 3 Jahr 7 M. 6 Tage, die die Stadtchronik [chronic, minor, p. 145] und Clem. Alexandr. ström. I [21, 144] p. 146 von der pharsalischen Schlacl bis auf Caesars Tod zählen, während die zweite Berechnung bei Hieronymus' von 4 Jahr 7 M. oder rund 5 Jahren von der ersten Dictatur an zählt. 245 2) Vielmehr in Dalmatien. Suet. Claud. 13. Dio 60, 15. Vict. epit. 4.

Vielleicht «in Illyrico» [oder in Istria, nach v. Gutschmid Rh. Mus. 17, 1862, S. 826 (Kl. Sehr. 5, 278)].

3) Eutrop 7, 15: Nero cum quaereretur ad poenam.

Polemii Silvii Laterculus. ß43

11 Vespasianus.

12 Titus filius ludaeae gentis subactor.

13 Domitianus frater eius, qui primus Flavius nominatus dominum se dici iussit^, occisus a Stephano.

14 Sub quo tyrannus Antonius fiiit.

15 Nerva ex praefecto^.

16 Traianus Ulpius.

17 Hadrianus Aelius.

18 Antoninus Pius.

19 Sub quo 3 in Oriente tyrannus Cassius fuit.

20 Yerus.

21 Marcus Aurelius.

22 Com modus filius occisus.

23 Pertinax occisus.

24 Julian US occisus.

25 Severus Afer.

26 Sub quo Pescennius et Albinus ex Caesare tyranni fuenint. 243

27 Geta filius Severi occisus a fratre.

28 Antoninus Caracalla frater praedicti,

29 Macrinus cum Diadumeno filio occisi.

30 Antoninus Heliogabalus occisus.

31 Sub quo Marcellus Caesar* et Sallustius, Uranius, Seleucua atque Taurinus^ tyranni fuenint.

12 iude 13, i dominus 17 helius 18 antonius 19 casius 21 auri- lius 22 filius occisos 26 poscennius 27 zeta 28 antonius 29 dia- domino 30 antonius 31 macellus salustius

1) Eutrop 7, 23: dominum se et deum primtis appellariiussit; ähnlich Victor epit. 11, beide aus Sueton. Domit. 13. Die Erwähnung der Flavier ist ein Zusatz des Polemius, veranlasst dadurch, dass zu seiner Zeit sowohl dominus noster als Flavius stehende Prädicate der Kaiser waren.

2) Ich weiss nichts zu machen mit dieser Angabe; vielleicht hat eine Verwechselung stattgefunden des Kaisers mit dem praef. praet. Petronius Secundus, der ihm zur Regierung verhalf.

3) Vielmehr unter Marcus Aurelius.

4) Vict. epit. 23 : hie MarceUum, qui post Alexander est dictus consobrinum suum Caesarem fecit. Dies ist ausser dem des Polemius das einzige Zeugniss, das dem Kaiser Severus Alexander vor seiner Adoption den Namen Marcellus giebt; Dio 78, 30 nennt ihn Bassianus, Herodian 5, 7 Alexianus. [S. Prosopogr. imp. Rom. I p. 215. 216.]

5) Von diesen vier Prätendenten sind nur zwei sonst bekannt, L. lulius Aurelius Sulpicius Uranius Antoninus, von dem es Münzen giebt (Eckhel 7, 288. Lenormant Rev. de num. 1843, p. 255 fg.) und der auch als Uranius bei SynceUus

41*

644 Polemii Silvii Laterculus.

32 Alexander,

33 Maximinus cum filio occisi.

34 Sub quo duo Gordiani in Africa tyranni fuerunt.

35 Balbinus, Pupienus occisi.

36 Gordianus occisus.

37 Philippus cum Philippe qui primus factus est Christianus.

38 Sub quo lotabianus tyrannus in Cappadocia fuit^.

39 Decius cum Herennio filio occisus in pugna Gothorum.

40 Sub quo Prise us in Macedonia et Valens Romae tyranni fuerunt.

41 Hostilianus cum Yolusiano Caesare.

42 Aemilianus.

43 Valerianus captus a Persis aput eosdera defecit.

44 Gallienus praedicti filius cum Salonino et Licinio filiis* occisi.

34 gorgianus 35 babienus popienus 36 gorgianus 88 iotabian 39 herinnoo (?) pugnatorum (/%r pugna gothorum) 41 uolustiano 42 emilia- nus cum 44 galliaenus praedicasti filius salonio

I, p. 675 Bonn. , als Uranius und Antoninus (woraus irrthümlicli zwei Personen gemacht werden) bei Zosimus I, 12 vorkommt; ferner Taurinus, dessen Victor epit. 24 gedenkt. Lenormants Vermuthung a. a. 0. p. 259, dass Taurinus Schreib- fehler für Uranius sei, wird durch Polemius Zeugniss widerlegt. Sallustius wird zwar nirgends unter diesem Namen genannt; allein es scheint nicht zu bezweifeln, dass er der Schwiegervater des Kaisers Macrinus oder Macrianus ist, den Alexander zum Caesar erhob (vita Alex. 49), der Vater seiner aus Münzen und Inschriften bekannten Gemahlin Sallustia Barbia Orbiana. Vielleicht ist der affinis Alexanders Varius (Barbius?) Macrianus (vita Alex. 58) ein Sohn dieses Caesar. Von Seleucus finde ich nirgends eine Spur. Dass übrigens diese vier Tyrannen unter Alexander, nicht unter Elagabalus zu setzen sind, bedarf wohl keines weiteren Beweises. [Über Sallustius s. Prosopogr. imp. Rom. II p. 314, 22. III p. 158, 58, über Uranius Prosopogr. II p. 170, 123.]

1) Zosim. I, 20. 21. Vict. Caes. 29. Seine Erhebung fällt unter Philipp, sein Tod unter Decius. Zosimus setzt ihn in den Orient, Victor nach Syrien ; Polemius Angabe ist genauer. [S. Prosopogr. 11 p. 43, 1.]

2) Vict. epit. 33: Gallienus in locum üorndii filii sui Salonianum cUterum filium subrogavit. Diese Angabe, die bei ihrer Flüchtigkeit grosse, durch die gefälschte Inschrift eines Sohnes des Gallien Namens Q. lulius (Eckhel 7, 345. I. N, 647* [C. I. L. X, 565*]) noch vermehrte Schwierigkeiten gemacht hat, wird jetzt bestätigt und ergänzt durch die Inschrift von Sitifis (Letronne Journ. des sav. 1847 p. 730; Abb. der Bair. Akad. V, II, 230 [C. I. L. VIII, 8473 = Dessau 557]): Divo Caesari P. Cornelio Licinio Valeriano, nepoti imp. Caes. P. Licini Valeriani Aug., fUio imp. Caes. P. lAcinii Gallieni Aug., frcUri P. Corneli Licini Salonini noUlissimi Caes. Aug. u. s. w. Also der ältere Sohn, den Postumus tödten liess, hiess P. Cornelius Licinius Valerianus er ist der Cornelius Victors, der Licinius

Poletnii Silvii Laterculus. 545

45 Sub quo Ingenuus Sirmii et Regalianus ibidem; Viennae Postumus, Laelianus et Marius ex fabro; Macrinus*) quoque, Quietus et Odaenathus in Oriente, vel Aureolus in Italia tyranni fuerunt *.

46 Claudius in bello Gothico occisus.

47 Quintillus occisus.

48 Aurelianus occisus.

45, 1 ingenuos 2 laebanus marius et fabro 3 odinatus aorealus 47 quintillus 48 aurilianus

iinsrer Chronik ; der jüngere P. Cornelius Licinius Saloninus, bei den beiden Chronisten Saloninus. Hiemach wird es auch wohl gelingen, die Münzen wenig- stens zum Theil zu scheiden, was Eckhel 7, 421 nicht durchfuhren konnte; ich denke in folgender Art:

Der ältere Sohn: Der jüngere: 246

P. C. L. Valerianus nob. Caes. (Eckhel B). P. Cor. Sal. Yalerianus Caes. (Eckhel A). P. Lic. Cor. Yalerianus Caes. (Eckhel D). Salon. Valerianus Caes. (Eckhel C). Valerianus Caes. oder nobil. Caes. Lic. Cor. Sal. Valerianus n. Caes.

(Eckhel G). (Eckhel E).

P. Lic. Valerianus Caes. (Eckhel H). Salon. Valerianus nob. Caes. (Eckhel F).

divo Caes. Valeriano (Eckhel p. 422). imp. Salon. Valerianus Aug. (Eckhel

p. 422). divo Valeriano Caes. (Eckhel p. 422). divo Com. Sal. Valeriano (Eckhel p. 422).

divo Valeriano (Eckhel p. 422).

Dass der ältere Sohn nur den Caesarentitel erhielt, ist hiernach gewiss ; auf zwei in Wien von mir abgeschriebenen Meilensteinen (Ameth n. 20. 21 ungenau [C. I. L. III, 4646. 4652]) setzt er aber den Imperatorentitel voran: imp. P. Licinius Cornelius Valerianus nobilissimics Caesar princeps iuventutis. Der jüngere bekam einen höheren Rang, jedoch welchen, schwankten schon die Alten: qiiem multi Augustum, mtiUi Caesar em, multi neuirum fuisse dicunt (vita GaUieni c. 14). Daher heisst er denn auch auf der afrikanischen Inschrift nobilissimus Caesar Augustus, was sonst vielleicht ohne Beispiel [doch s. Staatsrecht II* S. 1164 A. 5, 2], aber eben darum wohl das streng Richtige ist : einzelne lateinische und die meisten griechischen Münzen nennen ihn geradezu imp. Caes. Aug., worin wohl einige Steigerung liegen mag. [S. jetzt über die beiden Söhne des GalUenus: Prosopogr. imp. Rom. II p. 272. 273 n. 123. 124; Regling Wochenschr. f. klass. Philologie 1904 n. 22 (S. 610£F.); Kubitschek numismat. Zeitschr., Wien 1908, S. 102 ff., Regling daselbst S. 115 ff.]

*) [Vielmehr Macrianus, wie Mommsen in der 1. Ausgabe auch in den Text aufgenommen hatte.]

1) Polemius folgt wie Eutrop, Victor und die Epitome dem Bericht, dass in Gallien nach Postumus Tode Laelianus und Marius und erst nach dessen kurzer Regierang Victorinus, und zwar dieser unter Aurelian zur Regierung gelangten; wähi-end die Biographie den Victoi-inus zum Mitregenten des Postumus macht. Da ein Tyrann Fabius sich nicht findet, habe ich es gewagt nach trig. tyr. 8. Vict. Caes. 33, 9 aus d Fabio herzustellen fai>er [so die 1. Ausg. ; ex fabro von Gutschmid nach Trig. tyr. 8 eingesetzt].

§46 Polemii Silva Laterculus,

49 Sub quo Victorinus, Vabalathus et mater eius Zenobia, vel Antiochus ^, Romae Felicissimus,*) duo Tetrici pater et filius, qui se eidem dederunt et post purpuram iudices provin- ciarum facti sunt, sive Faustinus Treveris^ tyranni fuerunt.

50 Tacitus.

51 Florianus frater eius occisus.

52 Probus, qui Gallis vineas habere permisit.

53 Sub quo Saturninus, Proculus et Bonosus tyranni fuerunt.

54 Carus in Perside fulminatus.

55 Carinus filius occisus.

56 Numerianus frater praedicti.

57 Sub quo Julian us tyrannus fuit.

58 Diocletianus et Maximianus, sub quibus primum Romanum imperium divisum est; hi primi sponte regnum deposuerunt.

59 Sub quibus Achi Ileus in Aegypto, Carausius et Allectus in Britannia tyranni fuerunt,

60 Constantius et Galerius.

61 Sub quibus Maxirainus et Severus Caesares fuerunt.

62 Constantinus Constantii filius, a quo Crispus Caesar ex eo 244 natus occisus est, et Maxentius uxoris suae frater, sub quo

Alexander fuit tyrannus, socerque ipsius Maximianus cum imperium resumpsisset, et Licinius sororis suae maritus, qui Martinianum et Yalentem Caesares sibi fecit, cum Licinio filio Thessalonicae pariter extincti sunt. Ab hoc imperatores Christiani esse coeperunt.

63 Vel Calocaerus Cypro tyrannus fuit, sive Dalmatius, frater illius de matre alia, de quo nati sunt Gallus et lulianus qui

49,1 bala (für vabalathus) 2 antiochoro(a?)me/ili/issimus 3 iudicis 4 fau*tinus 52 que haberi 53 bonosus {aus bonosius) 58, i dioclisianus (aus dioclisidnus) primum nachgetragen 2 exponte 59, i achileus 2 britannia aus britania 60 constantinus et gallerius 61 sub fehlt 62, i con- stantini, verändert in constancii 3 cui (für cum) 4 ea {für et) 5 mari- tinianum cesares fuerurit sibi fecerunt licino 6 tessalonice 63, i calocelus sipro

1) In Palmyra nach Zenobias Besiegung: Zosim. I, 60. 61 [auch C. I. L. III, 6727]. Im Leben des Aurelian c. 31 heisst er Achilleus,

*) [Romae Felicissimus in der 2. Aufl. nach den Spuren der Handschrift hergestellt.]

2) Tetricus cum Faustini praesidis dolo corruptis militibus plerumque peteretur, Aureliani praesidium imploraverat (Vict. Caes. 35, 4). Nach dieser Angabe ver- glichen mit der des Polemius scheint der Präses von Uutergermanien Faustinus gegen Tetricus rebelliert und selbst den Purpur genommen zu haben; was dann die Katastrophe der gallischen Separatregierung herbeiführte.

Polemii Silva Laterculas. 547

imperavit^, factus est Caesar, Uannihalianus frater praedicti factus est rex regum gentium Ponticanim^..

64 Constantinus filius Constantii occisus.

65 Constans frater praedicti vitae infamissimae oqcisus.

66 Constantius frater praedictorura.

67 Sub quo Magnentius et Decentius ex natione Francorum^, Nepotianus etiam Romae, sive Silvanus in Gallia tyranni fuerunt, et Gallus consobrinus suus Caesar, quem ipse iussit occidi.

68 lulianus.

69 lovianus.

70 Yalentinianus.

71 Talen s frater eins incensus a Gothis.

72 Sub quo Procopius Antiochiae tyrannus fuit.

73 Gratianus Yalentiniani filius. Sub quo Maximus et Victor eius t}ranni filius tjranni fuerunt. Lugduni occisus est.

74 Yalentinianus praedicti frater Yiennae laqueo vitam finivit.

75 Tbeodosius a Gratiano factus Augustus.

76 Sub quo tyrannus Eugenius fuit.

77 Arcadius filius Theodosii.

78 Honorius frater praedicti.

79 Sub quo Gratianus et Constantinus, bisque Attalus, Constans, Maximus atque Servatus, Marcus, Magnus et Maximus, lovinus, Sebastinus ac Yictor tyranni fuerunt*.

63, 3. 4 Caesar factus est felM 64 filius constantini filius, rerändert in filius constancii 67, i decensius 2 pro me {für romae) 3 suos 69 ieuianus, verchidert in iouinianus 72 pro cobius anthiocie 73, i ualentinianius 2 ty- ranni filii lucduni 75 theodocius 76 fuit mtchgetragen 77 archadius 79, 1 athalus 3 sebassianus

1) Dalmatius der Caesar war nicht der Bruder Constantins, sondern der Sohn seines Halbbruders Dalmatius Censor; Gallus und Julianus waren nicht die Söhne dieses, sondern eines andern Halbbruders desselben, des Julius Con- stantius. Ich habe indess nicht geändert, da es nicht wahrscheinlich ist, dass die beiden Brüder Constantins in der Reihe der regierenden Fürsten mit auf- geführt wurden ; Polemius scheint selbst diese Verwirrung verschuldet zu haben.

2) Exe. de Const. § 35 [chron. min. I p. 11] : Calocaeriim qiiendam oppressit.

Dalmatium filiiim fratris sui DalmcUü Eius fratrem Annibalianum

regem regum et Ponticarum gentium constituit, wo vor et vielleicht Cappadocicarum ausgefallen ist. Aus oreticarum [so die Mommsen Obersandte Abschrift] weiss ich nichts besseres zu machen als Ponticarum [durch die Handschrift bestätigt].

3) Dass die beiden Brüder hier geradezu Franken genannt werden, ist beachtenswerth. Tillemont IV, 354.

4) Ich finde von diesen Tyrannen nur Gratianus (Tillemont V, 551), Constan- tinus (ib.), Attalus, der zweimal den Purpur nahm (Till. V, 579. 619), Constans

648 Polemii Silvii Laterculus.

80 Constantius.

81 d, n. Theodosius praesens Augustus.

82 d, n. Placidus Valentinianus.

83 Sub^ quibus lohannes tyrannus extinctus est et a quibus cum d. d. matre Placidia, uxore Eudoxia Augustis nunc imperiura possidetur.

84 Quod Postumiano et Zenone viris clarissimis consulibus adnotavi.

IV.

Das Yerzeichniss der Provinzen des römischen Reiches, das gewöhnlich unter dem Namen libellus provinciarum Schonhovianus angeführt wird, ist aus dreifacher Quelle uns überliefert, nämlich einmal in dem Kalender, den Silvius 449 zusammenstellte; zweitens in derjenigen Sammlung von Stücken des späten Alterthums (z. B. dem Staatskalender des östlichen und westlichen Reiches, dem Stationenbuch, den Beschreibungen von Rom und Konstantinopel u. a. m.) und des frühen Mittelalters (namentlich dem Dicuil), welche unter dem Namen des Speierischen Codex der Notitia dignitatum bekannt und durch eine Anzahl aus demselben im fünfzehnten Jahr- hundert geflossener Abschriften uns erhalten ist^; drittens ver- schmolzen mit dem bekannten Yerzeichniss der gallischen Provinzen und Civitates, das übrigens auch in der Handschrift von Speier voranging. Für die zweite Klasse habe ich die beiden Münchener Abschriften Mon. Lat. 10291 (früher cod. Palat. cum pict. 41 a, bei Böcking Ä, bei Pinder U) *) und die weniger sorgfältig geschriebene Mon. Lat. 794 (früher cod. Vict. 99, bei Böcking C, bei Pinder 7)**),

81 dni n 82 dn. n. 83 iohannis {vorher anscheinend et getilgt)

Constantins Sohn (Till. V, 554), Maximas die Creatur des Gerontius (Tillemont V, 584), Marcus (Tillemont V, 551), einen zweiten Maximus (Tillemont V, 605. 247 643), lovinus (Tillemont V, 607) und Sebastianus (Tillemont V, 609). Von Ser- vatus, Magnus, Victor ist mir sonst keine Erwähnung vorgekommen; bei dem damaligen Zustand von Gallien, Britannien und Spanien kommt auf ein paar Tyrannen mehr oder weniger in der That auch nicht viel an. [In den Chron. min. I p. 523 vermutet Mommsen , daß mit Magnus und Victor der von Theo- dosius besiegte Magnus Maximus der übrigens bei den Schriftstellern sonst nur Maximus heißt und sein Sohn Flavius Victor gemeint seien,]

1) Böcking über die not. dign. S. 4 fg. Parthey und Pinder itin. Antonini p. XXV seq. p. XXXIII. [Seeck praefatio zu seiner Ausgabe der Notitia digni- tatum p. X ; Mommsen chron. min. I p. 527.] *) [Chron. min. I p. 531.]

**) [A. a. 0. p. 530.]

Polemii Silvii Latercalus. 549

für die dritte die Handschrift des achten Jahrhunderts Mon. Lat. 6243 (früher Frisingensis 43)*) und die römische Ausgabe in De Roma prisca et nova varii auctores (Romae ex aed. Mazochii 1523. 4 foL 87 v.) benutzt, welche aus einer Handschrift dieser Klasse geflossen ist. Meinem Freunde Halm verdanke ich nicht bloss die Abschriften der drei Münchener Texte, sondern auch die erste Kunde der wichtigen Freisinger Handschrift. Der mir vorliegende Apparat reicht hin, um einen wohlbeglaubigten Text zu constituieren. Dass er noch sehr vermehrt werden kann und namentlich die dritte ßecension in einer grossen Anzahl alter Handschriften uns überliefert ist, ist wahr- scheinlich; vermuthlich wird ein beträchtlicher Teil der für die not. prov. Gall. benutzten Handschriften auch unser Verzeichniss enthalten in ähnlicher Weise wie der cod. Yat. 1338 saec. XI,**) aus dem 248 Schelestrate (antiq. eccl. II, 643 fg.) einen in allen wesentlichen Stücken dem der Freisinger Handschrift entsprechenden, aber geringeren Text hat abdrucken lassen. Allein wo drei in so alter Zeit von einander sich scheidende Recensionen vorliegen, wie dies hier der Fall ist, kann von der Vermehrung des Apparats kaum ein wesentlicher Aufschluss erwartet werden. "Was die Ausgaben anlangt, so habe ich die vermuthlich älteste Romae loann. de Besicken 1505***), worin dem Yibius Sequester eine Schrift «de regionibus cum pro- vinciis suis», vermuthlich unser Katalog, angehängt ist, nicht gesehen, sondern nur den eben angeführten Wiederabdruck derselben von 1523 benutzen können. Aus dieser und nicht aus einer Handschrift wird Schonhovens Ausgabe (mit dem Eutrop Basil. 1552) geflossen sein, nur dass der Text willkürlich corrigiert und der Abschnitt über Gallien aus der not. prov. Galliae interpoliert ist. Dieser inter- polierte Text ist es, der allen späteren Abdrücken, die mir zu Gesicht gekommen sind, zu Grunde liegt, ohne dass Handschriften oder auch nur die älteren Ausgaben zugezogen worden wären. Es wird daher nicht überflüssig sein, einen besser beglaubigten Text vorzulegen; jedoch müssen über das Yerhältniss der verschiedenen Handschriften noch einige Bemerkungen voraufgeschickt werden.

Der Text des Polemius ist wesentlich derselbe, welchen die Handschriften dritter Klasse darbieten, während die Recension des Speierischen Codex als interpolierte erscheint. Der wichtigste Unter- schied der beiden ersten Klassen und zugleich der wichtigste Vorzug

*) [A. a. 0. p. 524. 564.] *•) [Über diese Handschrift, n. 85 in der Reihe der von Mommsen für die Notitia Gralliarum benatzten, s. Chron. min. I p. 562. 572.] ***) [S. jetzt chron. min. I p. 545. 568.]

650 Polemii Silvii Laterculus.

des von Polemius copierten Textes besteht darin, dass die ersten sechzehn der gallischen Provinzen in den Handschriften der zweiten Klasse theils ungeschickt weggelassen, theils ungeschickt ergänzt sind. Wo sie fehlen, ist dies nicht eigentlich eine Lücke, sondern da die Notiz über Gallien und das Reichs -Yerzeichniss zu einem Ganzen verbunden wurden, Hess man absichtlich in dem letztern Galhen aus. Allein man versah sich dabei und vergass die letzte Provinz zu streichen; wovon die Folge war, dass die Alpes Graiae als die letzte Provinz von Italien auftraten und dieses 17 statt 16 Provinzen erhielt. So erscheint das Verhältniss in der Freisinger Handschrift. In der römischen Ausgabe ist Gallien wieder eingerückt, und zwar nicht aus einer interpolierten Handschrift und noch weniger aus der not. prov. Galliae, sondern aus einem dem des Silvius völlig gleichartigen 249 Texte, den ich indess handschriftlich nachzuweisen nicht vermag.*) Der Fehler ist aber dennoch stehen geblieben, und daher kommt es, was den Topographen viele grundlose Mühe gemacht hat, dass die grajischen Alpen in allen Ausgaben unsres Katalogs sowohl als italische wie als gallische Provinz aufgezählt werden. Uebrigens ist das Verhältniss des Freisinger und des Römischen Textes auch sonst ähnlich. Zwischen beiden besteht zwar die engste Verwandtschaft, wie ausser der Ueber- und Unterschrift die Fehler Favia 57, Afla- conia 98 zeigen;**) allein keineswegs ist doch der letztere aus dem ersteren geradezu abgeleitet, sondern die zahlreichen Lücken und argen Verderbnisse des Freisinger Codex sind aus besseren hand- schriftlichen Quellen in der römischen Ausgabe grossentheils beseitigt. Dass die dritte Klasse von Handschriften einen mehrfach inter- polierten Text giebt, ist evident ; ich hebe nur hervor, dass in Gallien, weil die Narbonensis secunda ausgefallen war, aus der Maxima Sequanorum zwei Provinzen, Maxima und Sequanorum, ebenso aus der Tingitana trans fretum eine Provinz Tingitana und eine trans fretum gemacht werden, und dass bei Britannien die römische Provinz (!) Orcades zugefügt wird. Dennoch ist diese Recension nicht bloss für die Textesconstituierung von Wichtigkeit wie denn zum Beispiel gleich in Hinsicht der Alpes Graiae nur in den inter- polierten Texten und bei Silvius das Richtige steht sondern sie giebt auch sonst einen lange vergebens gesuchten Aufschluss, Be- kanntlich hat Paulus Diaconus in seine Geschichte der Longobarden

*) [Eine ganze Reihe von Handschriften dieser Art führt Mommsen chron. min. I p. 566 ff. unter den Ueberschriften ,recte ordinati cum duplicatione Alpium Graiarum" und ,similes adiuncti Vibio Sequestri" auf.] **) [S. chron. min. I p. 539. 541.]

Pol^Qui Silvii Laterculas. 65 t

2, 14—23 ein Yerzeichniss der Provinzen Italiens in römischer Zeit eingerückt, welches er citiert als catalogus provinciamm : « Marsonim regionem ideo intra Yaleriam provinciam aestimo computari, quia in catalogo provinciarum minime ab antiquis descripta est». Es zeigt sich jetzt, dass dieser verloren gegebene Katalog kein andrer ist als der der Speierer Handschrift, den Paulus allerdings mit mancherlei anderen, besonders etymologischen Notizen und aus seiner eigenen topographischen Kunde bereichert hat, jedoch in einer Weise, dass die Grundlage überall hervortritt, in der Angabe der Provinzen selbst wie in den Nebenbemerkungen z. B. in der Hervorhebung des tyrrhenischen Meers bei den drei Inseln, am deutlichsten eben in den Abweichungen, wo sich zugleich mit Sicherheit ergiebt, dass nicht unser Katalog aus Paulus, sondern Paulus Katalog aus dem unsrigen geflossen ist.*) So hat der letztere als neunte Provinz Alpes Cotticae et Appenninae, während Paulus jene zur fünften, diese zur neunten macht, allein mit der Bemerkung: «sunt qui Alpes 250 Cottias et Appenninas unam dicant esse provinciam; sed hos Victorini revincit historia, qui Alpes Cottias per se provinciam appellat». So gewiss mit dem letztem Citat gemeint ist Yict. epit. 5 : « Pontum in ius provinciae redegit itemque Cottias Alpes» denn es ist bekannt, dass der Schriftsteller bald Victor, bald Victorinus genannt wird imd dass ein aus der Epitome von Paulus verfertigter Auszug noch jetzt in Bamberg vorhanden ist , ebenso gewiss geht das erste Citat auf unsern Katalog. Wenn es femer weiter bei Paulus heisst: «extiterant quoque, qui Aemiliam et Valeriam Nursiamque unam provinciam dicerent; sed horum sententia stare non potest, quia inter Aemiliam et Valeriam Nursiamque Tuscia et Umbria sunt consti- tutae» so scheint hiermit gleichfalls unser Katalog gemeint zu sein, der die Valeria Nursiaque durch Interpolation nach der Aemilia eingeschoben hat. Nimmt man an, was glaublich ist, dass das Paulus vorliegende Exemplar die Ordinalzahlen nicht beigefügt hatte und dass darin die Gesammtzahl der italischen Provinzeii nicht interpoliert war, so lag es nahe Aemilia Nursia Valeria als eine Provinz zu betrachten. Es ergiebt sich hieraus das negative, aber darum nicht anwichtige Resultat, dass für die Kenntniss römischer Verhältnisse das Verzeichniss bei Paulus nicht femer gebraucht werden darf, während dagegen das offenbar in Italien interpolierte Provinzen-

*) [Über das von Paulus benutzte Provinzverzeicliniß hat Mommsen dann lusfohrlich gehandelt im Neuen Archiv f. ältere deutsche Geschichtskunde '), 1880, S. 84flF. (,Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus*; s. jetzt Ges. Schriften VI).]

652

Polemü Silvii Laterculus.

verzeichniss der Speierer Handschrift für das frühe Mittelalter und selbst die späteste römische Zeit einige Autorität in Anspruch nehmen kann.

Um den Ueberblick zu erleichtem, schien es zweckmässig, den interpolierten Text in Cursivschrift dem reinen zur Seite zu stellen, welchem letzteren der nothwendige kritische Apparat beigefügt ist. Zu Grunde liegt die von Polemius aufbehaltene Recension, die bei weitem die beste ist.*)

251 NOMINA PROVINCIARUM.t)

I in Italia sedecim.

1. Campania, in qua est Capua.

2. Tuscia cum Umbria. 8. Aemilia,

DE PROVINCIIS**)

Provintiae (Provincie) Italiae

sunt XVII.

Prima Campania, in qua est

Capua. Secwnda Tuscia cum Umbria,

in qua est Borna.

Quarta

Nursia Valeria, in qua est Beate.

4. Flaminia, in qua est Ravenna,.

Quinta

Flammina (-nea), in qua est Bavenna.

5. Picinum.

Sexta

Picinum (Picenum), in qua est Asculis.

6. Liguria, in qua est Mediolanus.

Septima

Liguria, in qua est Mediolanum.

7. Venetia cum Histris, in qua est Aquileia

. Octava

Venetia cum Histria, in quibus (qua est) Aquileia (-legia).

8. Alpes Cottiae.

Nona

Alpes Cotticae(-ce) et Appenn, in quibus (quibus est) Genua.

9. Samnium.

Decima

Samnium (Samnum), in qua est Bene-

3 emilia

ventu (-tum).

t) Die Handschrift hat: 1 capud

4 flamminia 6 leguriam

est fehlt 9 samium

*) [Mit üben-eichem kritischen Material hat Mommsen die Liste in ihren verschiedenen Variationen bearbeitet Chron. min. I p. 535—542. Hier ist für den , reinen" Text nur Polemius Silvius mit den Lesimgen der Brüsseler Hand- schrift gegeben; für den interpolierten Text, s. die folgende Anmerkung.]

**) Nach Cod. Mon. lat. 10291 (früher cod. Palat. cum pict. 41 a) [vergl. Chron. min. I p. 531] f. 63 sq.; die Abweichungen vom cod. Mon. lat. 794 (früher Cod. Vict. 99) [nach Chron. min. I p. 530 einer Abschrift eines Oxoniensis , von dem er nur in orthographischen Kleinigkeiten abweicht] sind in ( ) eingefügt [weitere Varianten zu geben schien nicht nötig].

Polemii Sütü Laterculas.

653

10. Apulia cum Calabria, in qua est Ta- rentum.

11. Brutia cum Lucania.

12. Haetia prima.

13. Raetia secunda.

14. SiciHa.

15. Sardinia.

16. Cursica.

II item Galliarum XVn.

17. Yiennensis

18. Narbonensi3 prima.

19. Narbonensis secunda.

20. Aquitanica prima.

21. Aquitanica secunda.

22. Novempopulana.

23. Alpes maritimae.

24. Belgica prima, in qua est Trevems.

25. Belgica secunda, de qua transitur ad

Britta nniam.

26. Germania prima, super Rhenum.

27. Germania secunda, ut supra.

28. Lugdunensis prima.

29. Lugdunensis secunda, super oceanum.

30. Lugdunensis tertia, ut supia.

31. Senonia.

32. Maxima Sequanorum.

t53. Alpes Graiae.

Undecima

Duodecima

Tertia decima Quarta decima QtUnta decima

Sexta decima

Septima decima

Äpulia cum Calab- ria, in quibus (qua est)Tarantum(Ta- rentum).

Britia (Bricia) cum Lucania, in quibus (qua est) Begium,

Betia prima.

Betia secunda.

Siciliae (-ia) insuHa in mari Tyrrheno.

Sardinia in mari Tyrrheno.

Corsica in mari Tyrrheno.

252

Provinciae Galliarum sunt XVII. Prima Viennensis.

Secunda Narbonensis.

Tertia

Äquitania prima.

Quarta

Aquitania secunda.

Quinta

Notempolana.

Sexta

Alpes tnaritimarum.

Septima

Belgica prima, in qua

estTreveris(inq.e.

T. fehlt;.

Odava

Belgica secunda de

qua iransitus Bri-

tannorum.

Nana

Germania prima,

super Benum.

Dedma

Germania secunda.

versus Britanii

(-tannß-).

ündeäma

Lugdunensis prima.

Duodecima

Lugdunen supra

oceanum.

Tertia decima

Lugdunensisut supra

versus Britah

(•tann).

Quarta decima

Senonia.

Quinta decima

Maxima.

Sexta decima

Sequanorum. 253

Septima decima

Alpes Graiae.

10 tarentum fehlt 11 brittannia 12 raetia fehlt 14 cicilia 17 vien- iienses 18 narbonenses 20 aquitania 24 treferus 26 germanica rennm 19 ocianum 33 graciae

654

Polemii Silvii Laterculus.

III item in AfricaVI.

Provi/nciae Africae sunt VI.

34. proconsularis, in qua est Carthago.

Prima

consularis (proconsu-

laris), in qua est

Kartago.

35. Numidia.

Secunda

Numidia.

36. Byzacium.

Tertia

Bizantium.

37. Tripolis.

Quarta

Tripolis.

38. Mauretania Sitifensis.

Quinta

Mauritania Caesa- riensis (Ces-).

39. Mauretania Caesariensis.

Sexta

Mauritania Siti- fensis.

IV in Hispania VII.

Provinciae Ei

Ispaniae sunt VIII.

40. Tarraconensis.

Prima

Terraconensis.

41. Carthaginensis.

Secunda

Carthaginensis.

42. Baetica.

Tertia

Betica.

43. Lusitania, in qua est Emerita.

Quarta

Lusitania, in qua est Emerita.

44. Gallaecia.

Quinta

Galada (-atia).

45, insulae Baleares.

Sexta

insulae (-le) Baleares.

46. Tingitana, trans fretum quod

ab oce-

Septima

Tingitana.

ano infusnm terras intrat inter

Octava

trans fretum quod

Calpem vel Abinnam.

ab oeeano infusum transmittitur inter Calpem et Avienam (Amenam).

V in Illyrico XVIIII.

Provinciae lllyricae sunt XVIII.

47, Dalmatia, super mare.

Prima

Dalmatia.

48. Pannonia prima, in qua est Sirmium.

Secunda

Pannonia prima.

254 49. Pannonia secunda.

Tertia

Pannonia secunda.

50. Valeria.

Quarta

Viridia.

51. Praevalis.

Quinta

Siribalis.

52. Mysia superior.

Sexta

Misia inferior.

53. Epirus vetus.

SeptiwM

Epirus vetus.

54. Epirus nova.

Octava

Epirus nova.

55. Noricus ripensis, super Danuvium.

Nona

Noricus (-cum).

56. Noricus mediterranea.

Dedma

Mediterranea.

67. Suavia.

Undecima

Suavia.

58. Dardania.

Duodeäma

Dardania.

59, Haemimontus.

Tertia dedma

Emantus.

60. Dada.

Quarta dedma

Datia.

61. Scythia.

Quinta dedma 36 bizaci ut supra 37

Scotta (Scorta).

34 proconsulares cartago

tripoles 38 mauri-

tania 39 mauritania cesarienses

41 ca

irthaginenses 42 betica 43 teme-

rita 44 gallicia 45 insole

46 ocianum calpe

abinam V illirico

48 sermium 52 misia 53 eph:

irus uentus 55 supra danubium 59 hemy-

Polemii Silvii Laterculus.

655

62. Greta insula.

Sexta decma Orda insuia.

63. Achaia.

SepUma decima Achnia,

64. Macedonia.

Octava decima Macedonia.

65. Thessalia.

Nona decima Thessaionicensis.

VI in Thraciis VI.

Pr<mnciae Thraciae sunt VL

66. Thracia prima.

Prima Thratia.

67. Thracia secunda.

Secunda item Thratia.

68. Mysia inferior.

Tertia Europa, in qua est Constantinopölis prius dicta lAcus sive Byzantium (Biz-).

69. Scythia inferior.

Quarta Bodopa.

70. Europa, in qua

est

ConstantinopoHs

Quinta Misia superior.

prius Lycos dicta !

äive Byzantium.

71. Rhodopa.

Sexta Scythia (ScUhia) superior.

Vnin A

sia

xn.

Provinciae Asiae sunt XII.

72. Asia ipsa, in qua

est Biam.

Prima Asia, in qua Hium.

73. Lycia.

Secunda Lycia (Licia).

74. Galatia.

TerHa Galatia.

75. Lydia.

Quarta Lyca (Lica).

76. Caria.

Quinta Caria.

77. Hellespontus.

Sexta HeUespontus.

78. Pamphylia.

Septima Pamphüia.

79. Pisidia.

Octava Pisidia.

80. Phrygia prima.

Nona Phrygia (Phrigia).

81. Phrygia salutaris.

Decima Salutaris.

82. Lycaonia,

ündedma Lycaonia (Lic-).

83. Cyclades.

Duodecima Cyclades (Eldades).

255

87.

VIII in Oriente X. Syria Coele, in qua est Antiochia. Syria Palaestina. Syria Phoenice. Isauria.

Promdae (so) Orient: sunt X (Cr. s. X erloschen^.

Prima

Secunda

Tertia

Quarta

Stria cade (cole), in qua est Antiochia.

Palaestina (Pale- stina).

Siria Pfiaenicis (Phenicis).

Isauria.

VI trachiis 66 tracia 67 tracha 68 misia 69 scithia 70 in qua am Bande nachgetragen licos bizancium 71 rodoui 73 licium 75 lidia 78 pamphüia 80 frigia 81 frigia secunda 82 licaonia

83 clades 84 siria eile 85 siria palestina 86 siria finice 87 ysauria

656

Polemii Silvii Laterculus.

88, Cilicia, iuxta montem Taurum.

Quinta

Cilicia iuxta montem

Taurum (T. et

Euphraten).

89. Cyprus.

Sexta (fehlt)

Cyprus (fehlt).

90. Mesopota.Tnia, inter

Tigrem vel Eu-

Septima

Mesopotamia inter

fraten.

Tygrem et Euphra- ten (et E. fehlt hier;.

91. Eufratesia.

Octava

Hosdroene (-drone).

92. Hosdroene.

Nona

Supannenae.

93. Sophanene.

Becima

Eufragia.

IX in Ponto

VIII.

Provineiae Ponti sunt VIII.

94. Pontus Polemiacus.

Prima

Pontus Pole- moniacus.

95. Pontus Amasia.

Secunda

Pontus Ämassia.

96. Honoriada.

Tertia

Honoriada.

97. Bithynia.

Quarta

Bythinia (Bith-).

256 98. Paflagonia.

Quinta

Paflagonia.

99. Armenia minor.

Sexta

Armenia maior.

100. Armenia maior.

Septima

Armenia minor.

101. Cappadocia.

Octava

Cappadotia (-oda).

X in Aegyp

toVI.

Provineiae A

egipti (Aegypti) suntVI.

102. Aegyptus ipsa, in qua est Alexandria.

Prima

Aegyptus (Eg-), in

qua est Alexandria.

103. Augustamnis.

Secu/nda

Augustalis.

104. Thebaida.

Tertia

Thebaida.

105. Libya sicca.

Quarta

LyUa sicca.

106. Libya pentapolis.

Quinta

ijylia pentapolis.

107. Arcadia.

Sexta

Archadia.

XI in BrittanniaV.

108. Brittania prima.

109. Brittania secunda.

110. Flavia.

111. Maxima.

112. Valentiniana.

Summa CXII.

Provineiae Occiden: (oecidentales) sunt VI.

Prima

Secunda Tertia Quarta Quinta

89 cipros 90 mesopomitamia tigremi eufrate 96 bithelia 98 pamflagonia X egipto 102 egiptus 105 libea 106 libea 107 archaida

Brittannia

(Britannia). item Britannia. Phlagia (Flagia). Maxima. Valentiniana. Oreades (Orchades).

95 pontus samaria 102 augustamnes

Polemii Silvii Laterculus. ' 557

Da das vorliegende Aktenstück far die Kenntniss der damaligen 257 Zeitverhältnisse nicht ohne Wichtigkeit ist und zum richtigen Ge- brauch desselben es vor allem darauf ankommt, dessen Abfassung so scharf wie möglich festzustellen, sollen hier die Zeitgrenzen so weit thunHch ermittelt werden. Es würde dies eine ziemlich ver- gebliche Mühe sein, wenn Tillemont darin Recht hätte, dass dies Yerzeichniss von einem unkundigen oder nur halbkundigen Ver- fasser herrührt^: allein ich zweifle nicht und es zweifelt wohl jetzt Memand, dass unser Katalog nicht minder eine officielle Arbeit ist wie die Notitia dignitatum, vermuthlich eben ein Auszug aus einer älteren Notitia dignitatum, und ohne in Abrede zu stellen, dass auch ein officieller Arbeiter sich versehen kann, werden doch solche Yer- sehen, wie Tillemont sie annahm, unmöglich supponiert werden dürfen.*)

Das Provinzenverzeichniss muss abgefasst sein auf alle Fälle zwischen 385 und 399, wahrscheinlich zwischen 393 und 399, nach folgenden Merkmalen.

1. Es kommt darin vor die im J. 369 eingerichtete britannische Provinz Yalentia^.

2. Es kommen darin vor die drei jüngsten gallischen Provinzen Narbonensis II, Lugdunensis III, Senonia, die Rufus**) Festus (ums J. 369) noch nicht kennt 3, während die Narbonensis II schon 381 erwähnt wird*.

3. Es kommt darin vor die Satrapie Sophanene, die zu den von Jovian an die Perser überlassenen transtigritanischen Districten gehört und vermuthlich im Frieden mit Sapor 384 wiedergewonnen ward 5.

1) V, 699 der Origiaalausgabe : L'anteur de la Notice vivoit en Occident, et ne savoit pas trop l'etat estoit TOrient.

*) [Später hat Mommsen Tillemont Recht gegeben, s. Chronic, min. I p. 533, und sich zu der Ansicht bekannt, daß die Liste für den Westen den Zuständen zur Zeit des Polemius Silvius selbst entspreche, für den Osten aber eine ältere Vorlage ungenügend korrigiert wiedergebe. Direkt als unbrauchbar hat Mommsen die Liste im J. 1901 bezeichnet, s. Ges. Schriften IV S. 559 A. 1.]

2) Amm. 28, 3, 7. Böcking zur not. dign. p. 500*.

**) [Über die Schreibung des Namens s. Ges. Sehr. V S. 569 A. * und oben S. 396, 1].

3) Rufi brev. 6. Dass auch Ammian , der doch sicher noch zwischen 383 und 390 an seinem Werke arbeitete, noch Gallien nach der älteren Eintheilung darstellt (15,11), kann bei einem so voluminösen und wahrscheinlich langsam gearbeiteten Werk nicht entscheiden. [Anders erklärt 0. S. 402.]

4) Acten des Concils von Aquileia 381 (Mansi III, 615): episcopis provinciae Vünnensium (sehr, -sis) et Narbonensium primae et secundae. Warum Walckenaer (g^ogr. des Gaules II, 370) die Theilung in das Jahr 379 setzt, sehe ich nicht ein.

5) Tülemont V, 238.

MOMMSEX. SCHR. VU. 42

658 Polemii Silvii Laterculus.

4. Die Aemilia und Liguria, die im J. 385 noch unter einem Statthalter standen i, erscheinen schon getrennt. 258 5. Es kommen die beiden von Theodosius I Söhnen benannten

Provinzen Arcadia und Honorias darin vor, von denen die letztere auf jeden Fall jünger ist als Honorius Geburt 384, wahrscheinlich auch jünger als seine Erhebung zum Augustus 393.

6. Andrerseits fehlt die italische Valeria, die schon im J. 399 vorkommt 2 und vom Interpolator auch in unserm Yerzeichniss hin- zugefügt ward.

7. Es fehlen darin die Provinzen Macedonia salutaris, Galatia salutaris, Cappadocia secunda, Syria salutaris, Palaestina secunda,

1) C. Th. II, 4, 4.

2) Vgl. meine Ausführung in den röm. Feldmessern II, 210 [Ges. Sehr. V 195]. die hiedurch näher bestimmt wird : bis wenigstens 365 gab es nur einen District Flaminia et Picenum unter einem Consularis ; zwischen 365 und dem Entstehungs- jahr des Lib. prov. 393/399 wurden zwei Districte gemacht : Flaminia et Picenum annonarium und Picenum suburbicarium , beide unter einem Consular; vor 399 ward der letztere wieder getheilt in Valeria und Picenum suburbicarium. Ich habe dabei eine Inschrift übersehen, die wichtig ist, aber grosse und ich fürchte unlösbare Schwierigkeit macht: die dem Ceionius Contucius Gregarius von den Foronovanern gesetzte Base (Gud. 120, 1 besser als Fabrett. 101, 229), euius ope, wie es darin heisst, auctam instauratamq. tota se Piceni et Flaminiae promncia gratulatur. Auf der Seite steht das Jahr dedic. e. XIII Tel. Die. Fl. Stüichone v. c. cos, d. h. 400 n. Chr. Nimmt man nicht an, was allerdings nicht unmöglich ist, dass die Dedication nicht zu dieser Inschrift gehört, sondern zu einer andern auf der Gegenseite, so ist der Stein in entschiedenem Widerspruch mit allen sonstigen Zeugnissen. Nicht bloss weil die Valeria, in der Forum novum gelegen ist und die doch schon 399 bestand, nicht vorkommt man könnte allenfalls sagen, dass die Dedication ein oder zwei Jahre nach der Amts- führung stattgefunden hätte; sondern weil, ehe die Valeria eingerichtet ward, Forum novum schlechterdings nur zum Picenum (suburb.), nicht zur Flaminia gehören konnte, wie ein Blick auf die Karte zeigt. Sonach bleibt wohl nichts übrig als die Annahme, dass Gregarius ausserordentlicher Weise mehrere Pro- vinzen verwaltete, worauf auch die zweimalige Hervorhebung der tota provincia und die sonst wohl nirgends vorkommende Stellung Picenum et Flaminia (statt Flaminia et Picenum) hindeuten. Ohne Beispiel sind dergleichen Aemter- cumulierungen nicht; ich erinnere nur an eine vor kurzem in Rom gefundene Inschrift [C. I. L. VI, 1736 = Dessau 1256] des Julius Festus Hymetius, Proconsul von Africa vor 368 (Amm. 28, 1. 17), wo er heisst consularis Campaniae cum Samnio. Meine Bemühungen, zu ermitteln wohin der Stein gekommen ist, sind fruchtlos geblieben; die Aechtheit ist ausser Zweifel. [Die Inschrift, im Palazzo Barberini, aber ohne die anscheinend verlorene Seiteninschrift mit dem Datum, nach Bormanns Abschrift C. I. L. VI, 1706. Über die Schwierigkeit, die sie bietet, s. jetzt Mommsen chron. min. I p. 532 not. 4.]

I

Polemii Silvii Laterculus. 659

Phoenice Libani, Cilicia secunda, welche sicher im J. 381 noch nicht bestanden \ wahrscheinlich auch noch nicht im J, 386 2, während 259 wenigstens eine derselben 409 vorkommt^; wahrscheinlich sind die- selben sämmtlich von Eutropius, also zwischen 395 und 399 errichtet worden*.

1) Den entscheidenden Beweis geben die Akten des zweiten Constantino- politanischen Concils von 381 (Mansi III, 568), auf dem sämmtliche Provinzen der Diöcese Oriens und der grössere Theil der Provinzen von Pontus und Asia vertreten waren; es ergiebt sich daraus mit vollkommener Gewissheit, dass damals wenigstens die letztgenannten fünf Provinzen noch nicht existierten. Hiermit stimmt auch überein, dass Ammian von all diesen Provinzen nichts weiss (Tillemont V, 100) und dass Damascus, später der Sitz des praeses Phoenices Libani, im J. 380 noch dem Consularis des (ungetheilten) Phoenice gehorchte <C. Th. VII, 22, 9), überhaupt aber, dass keine Urkvmde aus dem vierten Jahrh. dieser Provinzen Erwähnung thut. Die Theilung Cappadocieus , gegen die Basilius [ep. 74] im J. 371 protestierte (Tillemont mem. de l'hist. eccl. IX, 174), kann daher, wie Norisius (epochae Syromaced. p. 302 ed. Florent. 1691) mit Recht ausführt, damals noch nicht zur Ausfuhrung gekommen sein.

2) Wir finden bis 386 einen Proconsul von Palaestina (Tillemont V, 699 [Prolegom. zum Theodosianus p. CXCIV]), während die not. dign. auch in der vornehmsten der drei Palaestinae, Palaestina prima oder Palaestina schechtweg, nur einen Consular nennt. Die Rangverminderung dieses Beamten und seine Unterordnung unter den Comes des Oriens (denn die Consulare gehorchten diesem, nicht aber unbedingt die Proconsuln, s. Böcking zur not. dign. or. p. 167) fiel wahrscheinlich mit der Theilung der Provinz in Palaestina und Palaestina secunda zusammen, welche man nicht verwechseln darf mit der älteren Theilung Arabiens in Arabia und Palaestina salutaris, wie Böcking zur not. dign. or. p. 512 gethan hat. Palaestina salutaris bestand schon 381 (s. u.); aber daraus folgt nicht, dass es damals drei Palaestina gab.

3) C. Th. VII, 4, 30 per primavi, secuttdam ac tertiam PaJaestitiam.

4) Claud. in Eutrop. 2, 585 von Eutropius: Ne quid tarnen orbe reciso tetu ditor amittat, provinda quaeque superstes dividitur, geminumque duplex passura tnhimdl cogitur alterius pretium sarcire peremptae, womit zu vergleichen das etwa um 408 abgefasste Schreiben des Papstes Innocenz 1 an den Bischof von Antiochia (Mansi coli. 3, 1055) : Quod seiscitaris utrum divisis imperiali iudicio provinciis ut duae metropoles fiant, sie duo tnetropolitani episcopi debeant nominari, tum vere (sehr, e re) visum est ad mobilitatem necessitatum mundanarum dei ecdesiam com^ mutari honoresque aut divisianes perpeti, quas pro suis causis faciendas duxerit imperator. Vgl. Tillemont V, 450. Dass ich wie vor mir Böcking auf Malalas confuse Angaben keine Rücksicht genommen habe, bedarf keiner Entschuldigung. Man findet dieselben übrigens auch bei einem andern Byzantiner (Mai spiciL Rom. II in f. p. 20), der für die Quelle des Malalas gilt. [Vielmehr Malalas selbst; s. E. Patzig, Unerkannt und unbekannt gebliebene Malalas -Fragmente, Jahres- bericht der Thomasschule in Leipzig 1891. Mommsen war also die versteckte Mai'sche Publikation nicht unbekannt geblieben, wenn er sie auch in seiner späteren Arbeit über Malalas (Hermes 6, 1872 = unten nr. LXXV) nicht er- wähnt hat.]

4ß»

660 Polemii Silvii Laterculus.

8. Es erscheint Tuscien noch ungetheilt, das vermuthlich schon 418, sicher 458 getheilt war^.

Nachdem so die Entstehungszeit festgestellt ist, sollen noch die wesentlichen Differenzen, die zwischen unserem Provinzenverzeichniss und demjenigen, das sich aus der Notitia dignitatum entnehmen lässt, hier zusammengestellt und beleuchtet werden. Dass die letztere jünger ist als unser Register und nicht vor Gildos Tod 398 geschrieben sein kann ist bekannt; die Annahme Böckings, dass sie zwischen 260 400 und 405 abgefasst sein müsse,*) bedarf noch einer weiteren Recht- fertigung, die der vortreffhche Herausgeber in seiner Einleitung sicher nicht schuldig bleiben wird, wenn er nicht quod absit uns die Einleitung selbst schuldig bleibt.**) Was die sonderbare Reihenfolge anlangt, in der die Diöcesen und Provinzen in unserem Register erscheinen, so kann ich darin nur eine theils an die Rangordnung, theils an die Namensgleichheit und Lage sich anlehnende, theils wohl rein zufällige Aufzählung erkennen. So steht Campanien in Italien voran als vornehmste Magistratur 2; aber dass der Consular von Sicilien erst an der vierzehnten Stelle steht, rührt her von der Zusammenstellung der Inseln. Ebenso steht in Gallien die Viennen- sis voran als die im Rang erste Provinz, aber der Consular von Lugdunensis I ist verbunden mit den Praesides der Lugdunenses II. III. 1. Die Diöcesen unsres Katalogs, die in Polemius Breviar***) mit Weglassung von Aegypten wiederholt sind, sind dieselben, die auch in der not. dign. vorkommen, mit der einen Ausnahme, dass Illyricum hier als eine einzige Diöcese erscheint, während die not. dign. theils im Occident eine Diöcese Illyricum unter dem praef. praet. Italiae, theils im Orient unter dem praef. praet. per Illyricum die zwei Diöcesen Macedonia und Dacia verzeichnet. Diese Abweichung ver- dient Aufmerksamkeit bei der eigenthümlichen und noch immer nicht ganz aufgehellten Stellung von Illyricum im vierten Jahr- hundert, f) Regelmässig bestanden nach der constantinischen Ver-

1) Rom. Feldmesser II, 208 [Ges. Sehr. V 193].

*) [Mommsen hat zuletzt, in dem Aufsatz über Aetius (Ges. Sehr. IV S. 558), die AbfassuDgszeit der Notitia dignitatum auf etwa 425 bestimmt.]

**) [S. Seeck, quaestiones de Notit. dign. (1872) p. 5, Hermes 9, 1875, S. 218.]

2) Rom. Feldmesser II, 205 [Ges. Sehr. V 192].

***) [S. 275 in Mommsens erster Ausgabe = chron. min. I p. 347.] t) [Über die Entstehung der Praefectura praetorii von Illyricum hat Mommsen in dem Aufsatz über ,Die diocletianische Reichspraefectur", Hermes 36, 1901, S. 201 ff. (Ges. Sehr. VI S. 284 ff.), eingehend gehandelt.]

Polemii Silva Laterculus. QQ\

fassung drei Instanzen: die der Provinzialstatthalter, die der Vicare und die der Praefecti praetorio; in lUyricum jedoch hatte nur die Diöcese Macedonien einen Vicar, während es in den übrigen Pro- vinzen nur zwei Instanzen gab, indem über den Provinzialstatthaltem unmittelbar in dem kleineren westlichen Theil der praef. praet. Italiae, in dem grösseren östlichen der praef. praet. per lUyricum stand. So hatte Constantin selbst, wie es scheint, die Verhältnisse geordnet 1 und so bestanden sie bis zum Tode des Constantius (361)2, 261 Juhan combinierte die beiden Präfecturen von Italien (nebst Africa) und Illyricum unter einem praefectus praetorio Italiae, lUyrici et Africae, den wir von 362 bis zum Jahre 393 nachweisen können und der unzweifelhaft bis zum Tode Theodosius des Ersten 395 bestand^. Bei der Theilung des Reiches erhielt Arcadius die beiden

1) Anderer Meinuug sind die sorgfältigsten Forscher, so Tillemont IV, 284. V, 716; Böcking zur not. dign. occ. p. 141, nach deren Annahme das westliche Illyricum (d. h. beide Noricum, beide Pannonien, Taleria, Savia, Dalmatien) bis zur Abtretung des östlichen an die Constantinopolitanische Regierung mit diesem vereinigt war. Es muss indess jeder einräumen, dass man gute Gründe haben konnte die Immediatprovinzen unter die beiden nächsten Präfecten zu vertheilen. Was den Titel des italischen Präfectfu anlangt, so steht der Annahme nichts im Wege, dass er sich auch jetzt wie später (S. 651 A. 1) praef. praet. Italiae. lUyrici et Africae nannte. Endlich schliesst gerade die Hauptstelle des Zosimus 2, 3.3, die den Sprengel des praef. praet. per Illyricum, wie Constantin ihn fest- gesetzt hatte, augiebt, das occidentalische Illyricum ausdrücklich aus. Er gab ihm, heisst es, 'IÄ?.voiovg xai Aäxag xai ToißakÄov; xai tovg ä/oi t/;» BaXeoiag Ilaiova; xai sm xovroig ttjv avoi Mvaiav. Die «lllyrier, Päoner. Triballer» sind im Stil dieser Zeit die Districte Epirus nova, Macedonia II, Dardania; von den Districten des westlichen Illyricum wird nicht bloss keiner genannt, sondern die Valeria sogar ausdrücklich ausgeschlossen [?]. Zosimus könnte allerdings geirrt und die Verhältnisse seiner Zeit auf die constantinische übertragen haben ; allein warum er geirrt haben muss, sehe ich nicht ein. [Später, in der Abhandlung über „die diocletianische Reichspraefectur", Hermes 36, 1901, S. 207 A. 3 (s. Ges. Sehr. VI S. 289 A. 6), hat Mommsen selbst die Angabe des Zosimus verworfen.]

2) Amm. 21, 6, 5. Böcking zur not. dign. occ. p. 141.

3) Der erste Beamte, der beide Sprengel zugleich verwaltete, war Mamer- tinus, den wir 361 als praef. praet. per Illyricum (.\mm. 21, 12,25), 362 schon in Italien thätig finden (C. Th. VIII, 5, 12 vgl. VIII, 1, 8). In den nächsten dreissig Jahren finden sich zahlreiche Beweise dieser Combinierung, die Gotho- fred zu C. Th. I, 1, 2 und X, 19, 7 gesammelt hat; wenn neben dem vollständigen Titel, der Italien, Illyricum und Africa neben einander auffuhrt, häufig abge- kürzte Bezeichnungen vorkommen und namentlich Africa oft nicht mit genannt wird, so sind darin unzweifelhaft nur Abkürzungen des Sprachgebrauchs oder der .Abschreiber zu erkennen. So heisst Nicomachns Flavianus, Präfect zum zweiten Mal 390 bis 392, in einer Inschrift praef praet. Ital. Illyr. et Äfric. (Ann. deir Inst. 21, 285 [C. I. L. VI, 1783 = Dessau 2948]), in den Adressen der Verordnungen C. Th. I, 1, 2. III, 1, 6 praef. praet. lUyrici et Italiae. Der letzte

6g2 Polemii Silvii Laterculus.

Östlichen, Honorius die beiden westlichen Präfecturbezirke , wovon die nothwendige Folge war, dass die Combinierung der italischen 262 und der illyrischen Präfectur aufhörte und wir von dieser Zeit an im Wöstreich einen praef. praet. per Italias oder im officiellen Stil praef. praet. Italiae lUyrici et Africae^, im Ostreich einen praef. praet. per Illyricum ganz wie unter Constantin und dessen Söhnen wiederum finden 2. Unser Verzeichniss fällt eben in die Ueber- gangszeit. Ist es nach 395 abgefasst, so sehe ich keine Möglichkeit es zu rechtfertigen, dass ganz Illyricum als Ein Yerwaltungsbezirk aufgeführt ward. Entstand es vor 395, während das östliche und westliche Illyrien unmittelbar unter dem italischen Präfecten, Mace- donien unter dem von diesem abhängigen Vicar standen, so bleibt es noch immer sehr sonderbar, dass nicht wenigstens Macedonien und Illyricum getrennt sind, wie doch in den Verordnungen dieser Zeit geschieht^; allein es lässt sich doch die Sache eher be-

Präfect, der nachweislich beide combinierte Aemter verwaltete, ist Apodemius 392—393, der praef. praet. Illyrici et Africae (392 C. Th. XIII, 5, 21), per Illyricum (393 C. Th. XII, 12, 12), Illyrici et Italiae II (393 C. Th. XI, 30, 51) heisst. Gewiss sind diese drei Formeln nichts als verschiedene Abkürzungen der vollständigen Illyrici Italiae et Africae; Hänels Vorschlag zu C. Th. XIII, 5, 21 et Africae zu streichen und anzunehmen, dass Apodemius erst Präfect des östlichen Illyricum, dann von Italien und dem westlichen Illyricum war, ist im höchsten Grade gewaltsam und unbefriedigend. Allerdings macht es grosse Schwierigkeit, dass dies in Constantinopel , also von Theodosius an den Präfecten von Italien, Illyricum und Africa erlassene Rescript das Datum XV kal. Mart. des J. 392 trägt, während der occidentalische Kaiser Valentinian II. erst den 15. Mai d. J, starb; allein das Datum ist unzweifelhaft falsch, da theils das vorhergehende Rescript prid. id. Apr. datiert ist, theils VI id. Apr. dieses J. der Vorgänger des Apodemius, Flavianus noch im Amte war (C. Th. X, 10, 20). [In seiner Ausgabe des Theodosianus ist Mommsen auf Hänels Vorschlag zurückgekommen und hat Xni 5, 21 den Zusatz et Africae, außerdem aber auch XI 30, 51 et Italiae II für unecht erklärt und Prolegom. p. CLXXIX Apodemius unter die Praefecti praetorio Illyrici des Ostreichs aufgenommen. Über die andern in dieser An- merkung genannten Praefecti praetorio s. Prolegomena z. Theodosianus p. CLXVIIif.]

1) Die alte Titulatur blieb, wie die Inschrift des Jüngern Flavianus praef. praet. von Italien 431 beweist (Ann. 21, p. 285 [C. I. L. VI, 1783 Z. 6]).

2) Zosim. 4, 59. Der erste Präfect von Illyricum, den wir in Verordnungen der constantinopolitanischen Kaiser finden, ist Anatolius 397 fg. (C. Th. XVI, 8, 12 u. a. m.); er ist wohl zu unterscheiden von dem praef. praet. Illyrici Italiae Africae, der abgekürzt auch wohl bloss praef. praet. per Illyricum genannt wird.

3) So nennen die occidentalischen Verordnungen Illyricum et dioecesin Macedonicam (370 C. Th. X, 19, 7), Macedoniam et Illyrici tractum (376 C. Th. X, 19, 8). Ebenso unterscheidet Festus c. 8 Illyricum und die dioecesis Mace- doniae. In der Verordnung von 383 C. Th. XI, 13, 1 wird freilich nur omne Illyricum genannt, allein Macedonien scheint damals unter Theodosius gestanden

Polemii Silvii Laterculus. 663

greifen,*) wenn man annimmt, dass der Schreiber den Staatskalender des ungetheilten Reiches in der Art epitomierte, dass er soviel Abschnitte machte als er Vicarii fand und die keinem Vicarius untergebenen Provinzen, wie die illyrischen, die direct unter dem praef. praet. standen, die Proconsulate, die nicht von den Vicarien, sondern ent- weder von dem praef praet. (so in Achaia). oder direct vom Kaiser (so in Asia und Africa) ressortierten, die gleichfalls nicht unter dem Präfecten stehenden Sprengel der orientalischen Correctoren ^. endlich die Provinzen Hellespontus und Cyclades, deren Vorsteher statt unter dem Yicar unter dem Proconsul von Asia standen, der Diöcese des nächsten Vicars beifügte. Ist dies richtig, so ist das Provinzen- verzeichniss älter als 395: ich habe es indess nicht gewagt, darauf oben bestimmt zu fussen, weil es zwar schwierig, aber nicht ganz 263 unmöglich ist, beim Excerpieren einer Not. dign. des getheilten Reiches zu ähnlichen Resultaten zu gelangen.

2. In der Yertheilung der Provinzen unter die Diöcesen findet sich ausser der eben berührten bloss formellen Differenz, wonach auch die ausserhalb der Diöcesen stehenden Provinzen in dieselben eingeschaltet sind, nur eine einzige Abweichung zwischen dem Pro- vinzenverzeichniss und der Not. dign. : Galatia steht nach jenem unter dem Vicar von Asia, nach dieser unter dem Vicarius des Pontus. Bei einer an der Grenze beider Diöcesen gelegenen Provinz ist ein solcher Wechsel begreiflich; weitere Belege dafür habe ich nicht gefunden 2.

3. Dass die Provinzen Valeria in Italien, Macedonia salutaris in lllyricum. Galatia salutaris in Asia. Cappadocia secunda in Pontus, Syria salutaris, Palaestina secunda, Phoenice Libani, Cilicia secunda im Oriens in unsrem Verzeichniss fehlen, in der Not. dign. aber vorkommen, also in der Zeit zwischen der Abfassung beider Schrift- stücke errichtet sind, ward schon erwähnt.

4. "Wenn umgekehrt die Provinzen Sophanene im Oriens und Valeria in lllyricum in unserm Provinzenverzeichniss vorkommen, dagegen in der Not. dign. fehlen, so sollte man danach annehmen, dass sie in der Zwischenzeit eingegangen sind. Indess was die

zu haben (Tillemont V, 716), so dass diese Verordnung in der That nur die Immediatprovinzen betroffen hätte. *) [Vergl. Ges. Sehr. V S. 569.]

1) Ich glaube nicht richtig hat auch Böcking noch diese beiden Correctoren im c. 2 der not. or. eingeschaltet; wenigstens sehe ich nicht, was der im Text angegebenen Auffassung entgegenstände.

2) Im Gegentheil steht in dem Schreiben der Synode von Philippopolis 341 (Mansi III, 126) Galatia unter den pontischen Provinzen.

664 Polemii Silvii Laterculus.

erstere anlangt, so kann diese «Satrapie», die erst von Justinian als Provinz organisiert ward, recht wohl in dem jüngeren Katalog nur aus diesem Grunde weggelassen sein ^. Auch von der Valeria nimmt Böcking an, dass sie noch zur Zeit der Not. dign, bestand und ich glaube mit Recht; auch hier scheint der Unterschied zwischen den beiden Verzeichnissen mehr formell als reell zu sein 2. 264 5. Blosse Namensverschiedenheiten ohne weitere Bedeutung

sind es, dass der District Helenopontus der not. dign. in dem Pro- vinzenverzeichniss als Pontus Amasia, die beiden Phrygien der not. dign. Pacatiana und salutaris in diesem als Phrygia prima und secunda (nach einigen Handschriften) vorkommen. Nicht anders urtheile ich von den bemerkenswertheren Abweichungen in Thracien und Illyricum :

lib.prov. Thracia not. dign.

Thracia secunda Haemimontus

Scythia inferior Scythia

Illyricum Scythia Dacia mediterranea

Dacia Dacia ripensis

Haemimontus Macedonia

Macedonia Macedoniae salutaris pars

in dioecesi Daciae Macedoniae salutaris pars in dioecesi Macedoniae.

Evident ist es zunächst, dass die Thracia secunda, die ich sonst nirgends finde, mit der Provinz an der Südseite des Haemus, die

1) C. Th. XII, 13, 6 vom J. 387: Gaddanae Satrapae Sofanenae und Justinian nov. 31 c. 1 § 3: ovveotrjodfis^a ds xal XEx6.Qxr}r 'Agfisviav f] jIQÖxeqov ovx sig sjiaQxia? ovvexeixo axfjf^a, dAAct xcöv xs idrcüv ^v xal ix diaqpögcov ovvsiXexxo ßagßa- Qixcöv ovo/iidxcov, TCoq)avr}vrj xs xal 'AvCfjxrjvrj , 7] Tl^ocprjvi] xal 'Ao^iavrjvrj , tj xal Bakaßixrjvrj xalovfisvr] xal vtio aaxQOjiatg ovoa. ' Weitere Nachweisungen giebt Gothofred zu dem a. 0.

2) Böcking zur Not. dign. occ. p. 144. 691. Wenn geändert werden soll, muss nicht bloss in c. 2 Valeria ergänzt und septem statt sex gesetzt werden, sondern ebenso in dem Verzeichniss der Praesides c. 1 triginta duo statt XXXI, quinque statt quattuor gesetzt und Valeria hinzugefügt werden, was unmöglich angeht. Entscheidende Beweise für die Existenz dieser Valeria nach dem vierten Jahrh. sind mir nicht bekannt; denn das Zeugniss des Jordanis de regn. succ. p. 233 Mur. [p. 27. 28 Momms.], der den Festus ausschreibt, macht nicht vollen Beweis und noch weniger, dass der dux Valeriae ripensis in der not. dign. vor- kommt. Ich glaube indess ebenfalls, dass zur Zeit der Not. dign. es noch eben wie im vierten Jahrhundert einen District Valeria in Pannonien gab. Die einfachste Annahme scheint mir zu sein, darin einen Militärbezirk zu erkennen, in dem der dux ausnahmsweise auch die Civilverwaltung besorgte; wesshalb dieser District sowohl in dem Katalog der Provinzialstatthalter als in dem der vom

Polemii Silvii Latercnlas. 6ß5

bei Ammian^ und in der Notitia unter dem Namen Haemiraontus auftritt, identisch ist, also der Haemimontus des Provinzenverzeich- nisses von dem Haemimontus der Notitia verschieden ist, wie denn auch der letztere District nie zu Illyricum gehört haben kann. Ebenso kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die zwei Scythien und das eine Dacien des Provinzenverzeichnisses zusammenfallen mit den zwei Dacien und dem einen Scythien der Notitia; ohne Zweifel ist die nördlichere der beiden Dacien, Dacia ripensis dort unter dem Namen Scythia (superior), dagegen Dacia mediterranea als Dacia . schlechtweg aufgeführt. Schwieriger ist es, über die macedonischen Districte ins Klare zu kommen. Die Xotitia kennt einen Consularis 265 von Macedonia, dessen Sprengel unter dem Yicarius von Macedonien steht, femer einen Präses von Macedonia salutaris, dessen Sprengel halb in die Diöcese Macedonien fallt, halb in die Diöcese von Dacien. Yor der Einrichtung von Macedonia salutaris. also zur Zeit der Ab- fassung des Provinzenverzeichnisses, wird ganz Macedonien unter einem Consular gestanden haben, von dessen Sprengel die grössere südliche Hälfte zur Diöcese Macedonien gehörte, die kleinere nörd- liche zur Diöcese Dacien. Ich zweifle nicht, dass unser rein topo- graphisches Yerzeichniss beide gesondert aufführt als Macedonia und Haemimontus, so dass der letztere District (wohl zu unterscheiden von dem Haemimontus der Notitia) das Hochland des skomischen Gebirges bezeichnet 2.

6. Endlich fehlen in unsrem Register zwei Provinzen Arabia und Palaestina salutaris, welche sowohl in der Zeit vor als in der Zeit nach Abfassung desselben nachzuweisen sind imd deshalb nur durch ein Yersehen des Epitomators ausgefallen sein können. Die beiden Provinzen machen das alte Arabia aus, das vor und wahr- scheinlich kurz vor 381 in die zwei ProArinzen Arabia mit der Haupt- stadt Petra und Bostra oder Palaestina salutaris (später auch Palae-

praef. praet. abhängigen Districte fehlt, während unser rein topographisches Verzeichniss ihn aufnimmt. Aehnlieh stand es wahrscheinlich mit Arabia, s. u.

1) 27, 4, 12.

2) Dass der Haemus nicht bloss der grosse Balkan ist, sondern schon die Kette, die an dem rechten Ufer der Morawa hinauf von der Donau zum Balkan läuft, diesen Namen führt, hat Mannert Geogr. VII, 5 gezeigt, besonders nach Amm. 21, 10. 3. Sehr passend führt eben die Landschaft, die der Knotenpunkt der Gebirgszüge und das Quellgebiet der grossen nach allen Richtungen von da entsendeten Ströme ist, den Namen Haemimontus. Wer dies nicht annimmt, dem wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als mit Gothofred die Aufführung von Haemimontus in Illyricum für einen groben Fehler des Redacteurs zu er- klären.

(566 Polemii Silvii Laterculus.

stina tertia genannt) getheilt ward ^. In der Notitia dignitatum stehen beide, doch ist es bemerkenswerth, dass von Arabia kein Präses 266 aufgezählt und bei der Aufzählung der dem Präfectus des Oriens untergebenen Sprengel Arabia zwar vorkommt, aber mit einer Note, die anzudeuten scheint, dass dieser District unter keiner Civil-, sondern einer Militärjurisdiction steht 2. Yielleicht galt damals, als das Pro- vinzenverzeichniss abgefasst ward, dasselbe von Palaestina salutaris; in welchem Fall die Auslassung der beiden Districte begreiflich würde. Wie dem auch sein möge, es scheint mir ebenso ausgemacht, dass diese beiden Sprengel zur Zeit der Entstehung unseres Ver- zeichnisses bestanden, als dass sie nicht absichtlich, sondern nur durch Versehen von dem Exceptor ausgelassen worden sind.

7. Schliesslich soll noch daran erinnert werden, dass wir von einer der unbequemsten Divergenzen zwischen dem Provinzenverzeich- niss und der Notitia durch den bessern Text des Polemius befreit worden sind: ich meine von den am Schluss Italiens hinzugefügten Alpes Graiae, die, wie wir jetzt sehen, bloss zufällig von dem Ende des zweiten an das Ende des ersten Abschnitts sich verirrt hatten, ohne an der ersten Stelle darum zu fehlen; und da die Zahlen sowohl in Italien als in der Summe hiernach geändert worden waren, war es bedenklich zu ändern. Wir sind dadurch einer Schwierigkeit über-

1) Die älteste Spur der Theilung, die bisher übersehen zu sein scheint, enthalten die Akten des constantinopolitanischen Concils von 381, wo zwischen Cölesyrien und Osroene die provincia Arabia und provincia Bostron erscheinen (Mansi III, 568). Damit stimmt überein Hieronymus in seinen nicht nach 392 (Hieron. v. ill. c. 135), vermuthlich 389 oder 390 (vita Hieron. von Vallars p. 108) geschriebenen quaestiones in Genesim (opp. III p. 337 Vall.): in Geraris ubi et ßersabae hodie oppidum est. Quae provincia ante non grande tempus ex dimsione praesiduni Palaestinae (sehr. Palaestina) salutaris est dicta. Insofern würde also die Aenderung des verdorbenen pi-aesidi Frygiae Palaestinae in einer Verordnung von 396 (C. Th. XI, 23, 3) in Hygiae Palaestinae zulässig sein; doch scheint sie mir in der Stellung wie in dem Gebrauch des griechischen Epithetons gegen den Curialstil zu Verstössen, wesshalb vielmehr mit Wesseling Phrygiae Paca- tianae zu schreiben ist. Die Palaestina secunda kam erst 399 hinzu (oben S. 659); weshalb es auch ganz in der Ordnung ist, dass in der Notitia die Palaestina salutaris oder tertia immer vor der zweiten steht.

2) «et dux et comes rei militaris», was sich, wie Böcking p. 165 zeigt, auf den dux Arabiae und den comes rei militaris Isauriae bezieht. Verdorben sind die Worte, aber gewiss kein Glossem, sondern stehen damit in Verbindung, dass in dem Verzeichniss der Provinzialvorsteher c. I Arabia und Isauria fehlen. Für jede andere der in c. II. III aufgezählten Provinzen konnte man den Vor- steher in c. I finden, ausser für diese beiden; es war daher zweckmässig sie beizusetzen. Vielleicht stand est dux, est comes.

Polemii Silvii Laterculus. 667

hoben, deren Lösung nicht gelingen konnte^, und können jetzt mit Bestimmtheit behaupten, dass die grajischen und pöninischen Alpen, d. h. Savoyen und das "Wallis, nie zu Italien, sondern zu allen Zeiten zu Gallien gerechnet worden sind, wie die Alpenscheide es in der That fordert.*)

1) S. darüber Böcking zur Not. dign. occ. p. 488, der ausser mit der falschen handschriftlichen Lesart sich auch noch mit den Interpolationen hat plagen müssen, die die Herausgeber aus der Not. prov. Gall. in unser Verzeichniss hineingebracht haben. Dass auch Paulus Diaconus die Alpes Graiae et Poeninae nicht zu Italien rechnet und seine Alpes Apenninae keineswegs Savoyen und das Wallis bezeichnen, ist klar. [S. den oben S. 651* angeführten Aufsatz S. 86.]

*) [Die übrigen Abschnitte des Latercnlus s. Chron. min. I p. 543—551; über das von Mommsen S. 273 aus einer Pariser Handschrift herausgegebene ,. topographische Bruchstück* (Riese geogr. min. p. 140) s. Chron. min. I p. 545.]

LXIX.

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.*)

549 Abfassungszeit und Quellen der Chronik.

Die Chronik, mit der wir uns beschäftigen, ist 519 geschrieben, das ist im zweiten Regierungsjahre des byzantinischen Kaisers Justinus I., im siebenundzwanzigsten nach der gewöhnlichen Rechnung des ostgothischen Königs Theoderich, unter dem Con- sulat des Kaisers Justinus für den Osten, des Eutharichus Cillica für den Occident. Nicht dem König Theoderich, wie die Ausgaben fälschlich sagen, ist die Schrift gewidmet, sondern sie ist, wie der Schluss zeigt, auf Begehren eben jenes Eutharich abgefasst und daher ihm zugeeignet, Eutharich, aus dem königUchen Geschlecht der Amaler, war seit seiner Vermählung mit Theoderichs Tochter Amalasuinta (515) von diesem in Ermangelung eigener Söhne zu seinem Nachfolger bestimmt, wesshalb Cassiodor ihm auch schon geradezu den königlichen Titel {dominus noster) beilegt; er starb indess noch vor Theoderich und es ging nach dessen Tode (526) der Königstitel über auf dessen Enkel, den Sohn des Eutharich und der Amalasuinta, Athalarich. Als Verfasser der Chronik nennt sich Magnus Aurelius Cassiodorus Senator, v{ir) c(larissimus) et inliustris),

*) [Abhandlungen der Sachs. Ges. der Wiss. Bd. 8, 1861 S. 547—696. Infolge der Neubearbeitung in den Chronica minora vol. II, 1894, S. 109—161 lag keine Veranlassung vor, die Darlegungen über die Handschriften und Ausgaben (S. 571 588) sowie die Ausgabe der Chronik selbst (S. 589 ff.) hier zu wieder- holen, obwohl in der Neubearbeitung Einzelnes gekürzt oder weggelassen worden ist. Auch die 'Beilagen' (S. 660 ff.) sind durch die Neubearbeitung in den Chronica erledigt. Die einleitenden Bemerkungen hingegen behalten ihren selbständigen Wert, wie Mommsen selbst dadurch bestätigt, daß er sich in der Neubearbeitung, in der ganze Stücke daraus fehlen, öfters auf sie bezieht.]

Die Chronik des Cassiodonis Senator vom J. 519 n. Chr. 669

ex quaestore sacri*) pdlatü, ex cons{iüe) ord{inano), ex mag{istro) o/f{iciorurn) , piraefedus) p{raetori)o atque patricins welches die- selbe Titulatur ist, die wenigstens in den Ausgaben^ der Verfasser der variae sich beilegt. Ueber Cassiodors Zeitverhältnisse überhaupt fehlt es noch an einer genügenden Untersuchung, so viel darüber auch geschrieben worden ist 2; da die Abfassungszeit der Chronik, von einzelnen Lobreden etwa abgesehen des ältesten von ihm bekannt gemachten Werkes, feststeht, so können für diesen 550 Zweck die übrigen Fragen auf sich beruhen bleiben und es mag nur bemerkt werden, dass, wenn der Titel der Chronik genau gefasst ist, Cassiodor nach der Quästur sacri palatii, dem Consulat (514) imd dem magisterium officiorum im J. 519 praefectus praetorio ge- wesen ist.**)

Cassiodor hat die Weltgeschichte in die folgenden sechs am Schlüsse seiner Chronik zusammengefassten Abschnitte zerlegt:

1 . von Adam bis zur Sündfluth 2242 Jahre,

2. von der Sündfluth bis auf Ninus .... 899 »

3. von Ninus bis auf Latinus 852 »

4. von Latinus bis auf Romulu» 457 »

5. von Romulus bis auf die ersten Consuln . . 240 »

6. Consularjahre bis 5!9 n. Chr 1031 »

5721 Jahre. Die ersten fünf Epochen sind wesentlich herübergenommen aus Eusebius-Hieronymus, auf den sich auch Cassiodor in dem Schlusswort ausdrücklich beruft: Prosper, den Cassiodor sonst auch gebraucht, hat von diesen Angaben das Meiste nicht. Die zweite Hauptziffer beruht auf einer Combination der beiden Ansetzungen des Hieronymus, dass von der Sündfluth bis auf Abrahams Geburt 942 Jahre verflossen,

*) [Dies in der Titulatur der Variae fehlende Wort beruht auf Interpolation : vgl. Mommsen a. a. 0. S. IX.]

1) In den Handschriften der variae, die mir vorgekommen sind, habe ich diese Titulatur nirgends gefunden. [Sie findet sich auch dort: s. Mommsens J'rooemium zu seiner Ausgabe (1894) S. IX-]

2) Vgl. Manso ostgoth. Reich S. 85fg.; Baudi di Vesme in den Schriften der Turiner Akademie Ser. 2 Bd. 8 S. 172 u. A. m. [dazu jetzt H. üsener, Anecdoton Holderi, Leipzig 1877 und vor allem Mommsen selbst a. a. 0. p. VfF.]

**) [Diesen Irrtum hat Mommsen a. a. 0. p. IX so korrigiert: 'subscriptio at variis apta est editis ab auctore in praefectura, ita nequaquam convenit chronicis f .bsolutis a. 519 aliquanto ante eam adeptam , neque dubium est in exemplari Jjitiquissimo nostrorum omnium parente et varias et chronica simul complexo eam ab illis ad haec perperam translatum esse'. Das Jahr der Praefectur ist r33, das des mag. off. unbekannt: cf. p. XI.]

670 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

Abraham aber im 43. Jahre des Ninus geboren sei, die folgenden auf einfacher Addition der aus Hieronymus entnommenen Einzelsätze. Bemerkenswerth ist die arge Nachlässigkeit im Uebergange von der dritten Periode auf die vierte: während nach Hieronymus im 25. Jahre des 26. assyrischen Königs Tautanes (reg. 32 Jahre) Troia einge- nommen und das 28. Jahr desselben dem 1. des Aeneas geglichen wird, bricht Cassiodor vielmehr die assyrische Königsliste mit dem 25. König ab, giebt dann die 32 Jahre des Tautanes vielmehr dem König Latinus und setzt den Fall Troias in dessen 25. Jahr; wodurch er auch in den Gesammtsummen 5 Jahre mehr erhält als nach hieronymischer Rechnung sich ergeben würden.

Von Interesse ist allein der letzte Abschnitt, das längste aus dem Alterthum überlieferte Consulnverzeichniss. Dasselbe zerfällt in zwei ihrer Quelle wie ihrer Beschaffenheit nach völlig verschiedene Theile. Die Consuln bis zu dem Jahre, in welches Cassiodor die Kreuzigung Christi setzt (31 n. Chr.), einschliesslich sind sämmtlich nach älterer Weise mit den Vornamen bezeichnet, die hier auch durchaus abgekürzt geschrieben sind, während übrigens, wo ander- 551 weitig bei Cassiodor Vornamen vorkommen, sie in der Regel voll ausgeschrieben werden; von da an dagegen mangeln die Vornamen durchaus und sind die Consuln ohne Ausnahme (abgesehen von dem aus L. Aelius hervorgegangenen Laelius 1 37 n. Chr.) nach späterer Weise mit einem einzigen Namen benannt. Augenscheinlich hängt dieser Unterschied zusammen mit der Angabe am Schluss, dass das Consularverzeichniss ex Tito Livio et Aufidio Basso et Paschali virorum clarorum auctoritafe firniato entlehnt sei: der ältere bessere Theil stammt aus den Geschichtswerken des Livius und Bassus, der spätere aus dem Paschale. Wir werden diese beiden Abschnitte demnach jeden besonders zu prüfen haben.

Die Auszüge aus Livius. Livius Annalen haben in der Epoche des Verfalls nicht als eine, sondern als die Geschichte der römischen Republik gegolten. Schon in der besseren Kaiserzeit ist er für Römer und Griechen die Haupt- quelle; je mehr die Litteratur versiegt und je dürftiger die Quellen- benutzung wird, desto ausschliesslicher werden für die vorkaiserliche Periode Roms die livischen Annalen gebraucht. Es geht dies so weit, dass selbst diejenigen älteren Abrisse der republikanischen Geschichte, die keineswegs einfache Auszüge aus Livius waren, doch den Späteren als solche galten. So heissen des Florus hellorum onmium annorum septingentorum lihri II (denn also ungefähr lautete der echte Titel

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 671

des Buches) in den Handschriften nebenbei und in den späteren allein epitoma de Tito Livio;'^) so wird in dem Corpus der römischen Geschichte, das unter dem Namen des Victor geht, der die republi- kanische Geschichte in Biographien darstellende Abschnitt ebenfalls dem Livius beigelegte Es kann demnach nicht überraschen, dass auch Cassiodor für die republikanische Epoche sich an Livius ge- halten hat; in der That ist nach der Yergleichung der erhaltenen Theile des livischen Werkes mit der cassiodorischen Consularliste nicht zu bezweifeln, dass dieselbe von Anfang an bis zum J. 745 d. St., mit welchem Livius seine Annalen geschlossen hat, mit Ein- 552 schluss der hier und da eingelegten kurzen geschichtlichen Notizen lediglich aus Livius abgeschrieben ist. Wohl aber kann die Frage aufgeworfen werden, ob Cassiodor die weitschichtigen Annalen zu diesem Zwecke unmittelbar ausgezogen hat oder vielmehr an eine schon vorhandene Epitome sich gehalten, an welcher es gewiss nicht gefehlt hat es ist ganz im Geiste der Kaiserzeit, dass man das weitläuftige und viel «Ueb erflüssiges» enthaltende Werk des Livius früh in einen kurz das Thatsächliche Jahr für Jahr, unter Voran- stellung der Consulnamen im Ablativ, zusammenfassenden Abriss gebracht hat. Manche Spuren deuten darauf, dass sowohl Obsequens wie Cassiodor aus einem solchen und zwar dem gleichen geschöpft haben. Darauf, dass die Cassiodor vorliegende Liste die Consulnamen ebenso im Ablativ aufführte, wie dies bei Obsequens geschieht, führt das seltsame Labeon (571 d. St.)^ und die durchgängige Ver- vs-andlung des Cognomens Paetus in Paeto. Dass bei Obsequens nicht bloss die Prodigien verzeichnet sind, sondern öfters auch andere historische Notizen gleichsam verloren sich vorfinden, legt die An- nahme nahe, dass dieser Schreiber aus einer allgemein gefassten Epitome des Livius die Prodigien zusammengestellt hat. Endlich und besonders stimmen die Notizen bei Obsequens und Cassiodor in der Auswahl und Fassung verhältnissmässig so oft zusammen (vgl. besonders die J. 571. 64S. 657. 671), wie es bei zwei selbstständig aus dem Hauptwerke geflossenen Auszügen kaum hätte der Fall

*) [Vgl. 0. S. 433.]

1) Der Titel dieses Abrisses der römischen Geschichte a lano et Scäwmo conditoribus tisque ad consuJatwn decimum Constantii nennt, nachdem die falschen Zeugen für den ersten Theil, die Urgeschichte, aufgezählt sind, als Gewährs- männer für die spätere Zeit den Livius und den Victor Afer. Jenem wird also die Schrift de viris illustribus zugeschrieben, diesem die Sammlung von Kaiser- biographien.

2) Vgl. Voran 410. 456 n. Chr. [und anderes dieser Art Chron. p. 112.]

672 t)ie Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

sein können. Hieraus erklären sich wahrscheinlich noch manche auffallende Uebereinstimmungen im Falschen bei den späteren von Livius mehr oder minder abhängigen Berichterstattern, vor allen Dingen die anderswo (Chronol. S. 204) erörterte Ansetzung der magistratlosen Jahre auf vier bei Vopiscus, Eutropius, Sex. Rufus, dem Pseudo-Idatius und Cassiodor, während Livius selbst so wie der Chronograph von 354 und Lydus vielmehr fünf dergleichen Jahre zählen. Cassiodor hat diese Angabe unzweifelhaft aus seiner livianischen Quelle, da dieser der ganze Abschnitt entnommen ist und Hieronymus der Anarchie überhaupt nicht gedenkt; aus einem gleichartigen Gewährsmanne können auch die übrigen Angaben füglich herrühren, selbst die des sogenannten Idatius, da dieser zwar die Consularliste nicht aus Livius, sondern (mittelbar) aus den 553 capitolinischen Fasten*) geschöpft, aber für die eingelegten historischen Notizen noch eine zweite Quelle benutzt hat. Wenn im dritten Jahrhundert oder auch bereits früher ein Auszug aus Livius gemacht und darin durch Versehen der Anarchie ein Jahr zu wenig gegeben wurde, so ist es erklärlich, dass sämmtliche später schreibende lateinische Chronisten diesen Fehler wiederholen und ausser dem echten Liviustext und den Byzantinern nur die von den Annalisten gänzlich unabhängige Zeittafel das Richtige bewahrt hat ^ Umgekehrt erscheint von denjenigen Verderbnissen, die der im Anfange des fünften Jahrhunderts veranstalteten nicomachischen Recension der ersten Dekade des Livius anhaften, der dem Cassiodor zu Grunde liegende livianische Text noch durchaus unberührt, wie er denn die Namen der Consuln 248 noch unverdorben so wie die von 439 noch nicht verloren gehabt hat; was allerdings nicht zu der Annahme nöthigt, aber doch sehr gut sich damit verträgt, dass Cassiodor nicht aus dem Liviustexte seiner Zeit, sondern aus einem spätestens im dritten Jahrhundert entstandenen Auszuge geschöpft hat.**) Wenn

*) [S. jedoch C. I. L. I ed. 2 p. 81.]

1) Vielleicht gehört auch das hierher, dass zwischen den Consulaten 362 und 388 Cassiodor 17 tribunicische, 4 magistratlose, 3 tribunicische, Idatius 18 (sehr. 17) tribunicische, 4 magistratlose und [3] tribunicische Jahre zählt, während Livius selbst vielmehr 15 tribunicische, 5 magistratlose und 4 tribunicische Jahre verzeichnet. Die Gesammtzahl ist dieselbe; in den Theilzahlen aber scheint der Epitomator sich mehrfach versehen zu haben und diese Fehler gleichmässig auf seine Ausschreiber übergegangen zu sein.

**) [Den obigen Nachweis der Existenz einer Livius-Epitome hat Mommsen selbst auf S. 696 durch folgenden Zusatz erweitert: „Noch verdiente hier ein anderer merkwürdiger Fall hervorgehoben zu werden, wo eine Anzahl von Schrift- stellern, die von Livius abhängen, in einem Fehler übereinstimmen, von dem

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 673

übrigens wie Cassiodor so auch Ausonius im J. 383 n. Chr. aus den römischen Annalen, also für die ältere Zeit ohne Zweifel aus Livius oder einer livianischen Epitome, eine Consularliste zusammengestellt hat, wie er selber sagt (p. 91 Toll [carm. 22, 1 Schenk]]): Digessi fastos et nomina perpetis aevi

Sparsa iacent Latiam si qua per historiam. 80 ist es nicht gerade unmöglich^, aber auch nicht besonders wahr- scheinlich, dass Cassiodor diese Arbeit sich angeeignet und auf ihr fortgebaut habe.

Um die Benutzung dieser Auszüge, auf denen der Werth der cassiodorischen Chronik beinahe ausschliesslich beruht, dem Leser zu erleichtem, sind die entsprechenden Angaben aus Livius und Obsequens ihnen gegenübergestellt und zwar, da es hier zunächst 554 auf die Yergleichung der verschiedenen handschriftlichen Ueber- liefemngen ankommt, unter Beseitigung sämmtlicher wenn auch noch 80 sicherer Verbesserungen und unter Beibringung der in Betracht kommenden Varianten, in welcher letzteren Hinsicht ich mich der Hülfe meines Freundes M. Hertz zu erfreuen gehabt habe. Es sind demnach mitgetheilt:

1) Für Livius B. 1 10 die Varianten der Florentiner (M) und Pariser (P) Handschrift nach Aischefskis für diesen Zweck von Hertz noch einmal eingesehenen CoUationen, ferner die der

Livius eigener Text frei ist. Den Consul des ersten Jahres der Freiheit nennt Livius 2, 2 P. Vaierius, unzweifelhaft richtig, wie schon die It«rationsangaben beweisen, und ebenso heisst er bei Vaierius Maximus (4, 1, 1) und bei sämmt- lichen von Livius unabhängigen Gewährsmännern. Aber derselbe Consul heisst L. Valeritis in der Livianischen Epitome (2, wo erst Sigonius den Vornamen geändert hat), in Cassiodors Chronik, bei Victor (viri ill. 15, sowohl nach der vollständigen Brüsseler Handschrift wie in den besten Handschriften der anderen am Schluss defecten Familie) und bei Eutrop 1, 9 (wenigstens in der grossen Mehrzahl der Handschriften und in der griechischen Paraphrase). Auch hier haben alle diese aus einem und demselben Auszug geschöpft, der jenen falschen Vornamen enthielt. Von gleicher Art ist es, dass der Consul A. Manlius 576 bei Livius den richtigen Vornamen geführt zu haben scheint, bei Cassiodor und Obsequens aber falsch Chi. genannt wird." Die umfangreiche Literatur, in der Mommsens Nachweis durch neue Argumente gestützt worden ist, braucht hier nicht angeführt zu werden. Mommsen selbst, der in den Chronica min. voL II p. 112 die Sache mit einigen Worten erwähnt, weist dort darauf hin, daß bereits Martial epigr. 14, 190 eine solche Epitome kenne.]

1) Die Bedenken gegen die Möglichkeit dieser Annahme, die ich früher hegte (Chronol. S. 130), haben sich bei näherer Erwägung gehoben. Cassiodor konnte die Liste des Ausonius für die republikanische Zeit übernehmen und dennoch, da er in der Zählung wesentlich an Hieronymus sich anschloss, zu einer um 17 Jahre differirenden Stadtjahrzahl gelangen.

MOMMSEK, SCHR. VU. 43

674 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

Wormser (Y), so weit sie bekannt sind. Die übrigen Hand- schriften kommen für die Kritik nur ausnahmsweise in Betracht und konnten hier übergangen werden,

2) Für B. 21 30 die Varianten des Puteanus (P), und wo dieser fehlt, der Florentiner (M) und der Pariser (C) Handschrift (Aischefski vol. 3, p. XXI; Hertz vol. 1, p. XXXYI).

3) Für B. 31—38 die Varianten der Bamberger Handschrift (B) nach Kreyssig (Hertz a, a. 0.). Wo diese fehlt und wir auf die aus der Mainzer Handschrift geflossenen Ausgaben ange- wiesen sind, ist die diplomatische Grundlage bekanntlich sehr unsicher.

4) Für B. 41 45 die Lesung der Wiener Handschrift nach ge- fälliger Mittheilung des Hrn. Vahlen.

5) Für den Obsequens die Lesungen der ersten Ausgabe. Cassiodors Excerpte aus Livius sind insofern rein, als in diesem

Abschnitte weder interpolirte Consulate vorkommen, noch anders- woher entlehnte Notizen eingemischt sind selbst den Hieronymus muss Cassiodor in dem ganzen Abschnitte von Vertreibung der Könige bis auf die Kreuzigung Christi, abgesehen von den gering- fügigen Notizen über die Gründung der Monarchie bei dem J. 705 d. St., den Tod des Augustus bei dem J. 14 n. Chr., sowie über Christi Geburt und Kreuzigung, ganz bei Seite gelegt oder höchstens insoweit berücksichtigt haben, dass er einige von Hieronymus er- wähnte Thatsachen (vgl. die Jahre 253. 300. 442. 571. 724) mit Rücksicht darauf, aber aus seiner livianischen Quelle und in einer zunächst von dieser abhängigen Fassung aufnahm. Willkürliche Verkürzungen hat sich Cassiodor insofern gestattet, als er nicht bloss die sämmtlichen Namen der Decemvirn und der Kriegstribunen in derselben Weise weggelassen hat, wie dies auch die aus den capitolinischen Tafeln geflossenen Listen des Idatius und der Paschal- chronik thun und die von Sex. Rufus benutzte that (meine Chronol. 555 S. 113), sondern auch nur an zwei Stellen (303. 304 und 363—387) diesen Ausfall angegeben hat; womit weiter zusammenhängt, dass er zur Deckung der also entstandenen Lücken auf das Decemvirat statt der 3 des Livius 40 Jahre rechnet. Dieser Lückenbüsser zeigt nur zu klar, wie plump und gewissenlos der ostgothische Chronist seine Aufgabe durchgeführt hat; doch haben wir diesem Umstand es zu verdanken, dass im Uebrigen die livianische Consularliste von Cassiodor weder interpolirt noch willkürlich verkürzt worden ist. Wie die cassiodorische Liste jetzt vorliegt, zählt sie vom Anfang des Consulats bis zum J. 705 d. St. einschliesslich 459 Jahre, nämlich

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 675

395 Consulpaare, indem diejenigen der Jahre 247. 264. 265. 333. 485. 561. 6SS/9 sich nicht vorfinden; femer anstatt der zwei oder drei Decemviraljahre (303. 304), der neunundvierzig der Kriegstribunen (316. 321. 322. 32S 330. 332. 334 340. 346-360. 363—378. 384—387) und der fünf magistratlosen (379—383) die nach 302 und 362 eingelegten 40 -f 24 Fülljahre, wogegen die vier Dictatorenjahre (421. 430. 445. 453) selbstverständlich fehlen. Doch sind von jenen sieben fehlenden Consulaten einige ohne Zweifel bloss durch Schuld der Abschreiber aus dem cassiodorischen Texte ausgefallen; wie viele dies gewesen sind, lässt sich einigermassen daraus bestimmen, dass Cassiodor als Gesammtzahl der Consuljahre 1031 angiebt und, wie wir später sehen werden, von 706 d. St. bis 519 n. Chr. 568, 569 oder 570, wahrscheinlich aber 569 Consuljahre in Eechnung bringt. Demnach muss, falls er überhaupt richtig gezählt hat, die republikanische Liste 461, 462 oder 463, wahrscheinlich aber 462 Jahre gezählt haben. Es sind mithin drei Jahre bei ihm aus- gefallen ; und dies ist auch in anderer Hinsicht wahrscheinlich. Denn die Verschmelzung der beiden Consulpaare von 688 und 689 zu einem kann nicht wohl von dem Verfasser, sondern nur von den Abschreibern verschuldet sein; und ebenso werden die Consuln von 485 und 561, von denen die letzteren sich in unserem Liviustexte noch vorfinden, bei Cassiodor selbst schwerlich gefehlt haben. Da- gegen die Consuln von 333 konnten sehr leicht übersehen werden weil sie mitten unter Kriegstribunenjahren vorkommen; und die Consuln 247. 264. 265 haben schon in der livianischen Quelle Cas- siodors sich nicht vorgefunden. Von den letzten beiden Jahren ist dies unbestritten; aber auch von 247 lässt es sich erweisen. Dio- nysios, der hier unter den annalistischen Quellen allein das Richtige bewahrt hat, giebt folgende Liste:

246 (5, 20; vgl. 12, 22) P. Valerius Poplicola IL 556

T. Lucretius. 247(5,21) P. Valerius Poplicola IIL

M. Horatius 11. 248 (5, 36) Sp. Larcius.

T. Hermenius.

und erzählt den Krieg mit Porsenna unter dem J. 247, die Rückgabe des an Porsenna abgetretenen Gebiets imter dem J. 248, während im J. 246 nichts Erwähnenswerthes vorkommt. Livius nennt (2, 8) die Consuln des J. 246, erzählt dann ausführlich den Krieg mit Porsenna (2, 9 14), hierauf, nachdem er den Amtsantritt anderer

43*

676 1*16 Chronik des Cassiodorus Senator vom J, 519 n. Chr.

Consuln berichtet hat, die Rückgabe des transtiberinischen Grebiets (2, 15). Offenbar sind also die bei ihm fehlenden Consuln die des J. 247, welche vor 2, 9 einzuschalten sind etwa in folgender Weise : inde P. Valerius Herum, T. Lucretius, [mox P. Valerivs tertium, M. Horatius iferum] consules facti; da unter jenem Jahre nichts zu erzählen war und die Namen theilweise gleich lauteten, war ein solcher Ausfall sehr leicht möglich. Die Consuln demnach, deren Amtsantritt 2,15 berichtet wird, müssen die des J. 248 gewesen sein; und dies bestätigt auf das Vollständigste Cassiodor, der nach dem Consulat 246 die Namen der Consuln von 248 Spurius Largus et Titus Herannius verzeichnet. Unsere Handschriften des Livius lesen hier folgendermassen:

M: spurius publius lucretius inde et*)

V: purius publius lucretius inde et

P: p. lucretius inde et

Flor. """

S Marci pii^üus lucretius inde et

Leid. 1. purius lucretius inde et**)

31: p. valerius publicola.

P: p. valerius publicola.

Flor. S. titus ermenius p. valerius publicola.

Marci

Leid. 1. titus hermenius p. valerius publicola.

557 In dem von Nicomachus durchcorrigirten Exemplar war also die Stelle vermuthlich folgendermassen geschrieben:

PVBLIVS P. VALEBIVS PVBLICOLA

PYRITS LVCRETIVS ET TITYS HERMENIYS

Yon den zwei Yerbesserungsvorschlägen des Nicomachus hat der erste die alte Lesung nur in der Pariser Handschrift völlig verdrängt; dagegen ist dem zweiten die echte Lesung durchaus gewichen mit Ausnahme der im Ganzen geringeren Familie, welche hauptsächlich Harlei. 1, Leid. 1 und Flor. S. Marci vertreten. Es stellt sich also der Fall zu den von Madvig emend. Liv. p. 31 aufgeführten, wo diese letzteren allein das Echte bewahren; an eine Interpolation ist um so weniger zu denken, als der Name des T. Hermenius sonst

*) [Nach Riemann M^ purius publius, M' spurius publius.] **) [inde et scheint in dieser Hs. vielmehr zu fehlen.] ***) [Die La. dieser Hs. scheint auch jetzt noch nicht bekannt zu sein.]

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Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 677

nur bei Cassiodor und Dionysios genannt wird und nicht leicht eine dieser Quellen einem Abschreiber des Mittelalters zu Gebote gestanden haben kann. Die Yerderbniss von Larckis in Lticretius scheint zu- fällig zu sein; die übergeschriebenen Lesungen aber sind handgreif- liche nicomachische Interpolationen, von denen die erste sich leicht erklärt, aber auch die zweite höchst gewaltsame nahe genug lag, da Livius den P. Yalerius Publicola unter dem J, 246 als cos. II, unter dem J. 250 als cos. lY aufführte und demnach dazwischen nothwendig sein drittes Consulat ausgefallen sein musste. Nicomachus versah sich nur darin, dass er, statt in 2, 9 das ausgefallene dritte Consulat zu ergänzen, es 2, 15 durch verkehrte Aenderung hineintrug. Es ist dieser Umstand auch für die Beurtheilung des Verhältnisses der Handschriften der ersten Dekade zu einander und der Kritik des Mcomachus selbst nicht ohne Wichtigkeit und schien desshalb eine etwas ausführliche Erörterung zu verdienen.*) Fassen wir zu- sammen, was von der livischen Consulartafel theils in den erhaltenen Büchern, theils durch Cassiodor überliefert ist, so ergiebt sich, dass dieselbe, abgesehen davon, dass die vier Dictatorenjahre gemäss des annalistischen Princips fehlen, von der jetzt gangbaren sich nur unterscheidet durch das Fehlen der vier Eponymencollegien 247. 264. 265, 37S, die in einer jenseit unserer gesammten handschrift- lichen üeberlieferung liegenden Zeit aus dem Texte der livischen Annalen ausgefallen sind. Dass Livius einzelne derselben selber vergessen hat, ist allerdings auch möglich, aber desshalb nicht wahr- scheinlich, weil er in seiner Zählung der Stadtjahre diese vier durchaus mit in Ansatz bringt (vgl. meine Chronol. S. 120 fg.). Livius muss für die Consularzeit von 245 bis 705 d. St. 45S Jahre 553 gerechnet haben. Was Cassiodor zu seinen 64 Fülljahren und zu der Gesammtjahrzahl 462 geführt hat, ist nicht klar. Yielleicht hat er mit Hieronymus auf die Consularperiode 464 Jahre rechnen wollen und um diese Ziffer zu erreichen seine chronologischen Fictionen vorgenommen. Indess ergiebt seine Rechnung, wie gezeigt isi:, von 245 bis 705 d. St. nicht mehr als 462 Jahre.

Die Auszüge aus Aufidius Bassus. Das Wenige, was über Aufidius Bassus anderweit bekannt ist, hat kürzlich W. Harless (de Fabiis et Aufidiis rerum Romanarum acriptoribus. Bonn 1S53. S. 49 fg.) sorgfaltig zusammengestellt. Von

*) [Andere Behandlungen der Stelle verzeichnet z. B. H. J, Müller im Anhang de: Weißenbornschen Ausgabe 12*, Berlin 1894, S. 166 f. und im Kommentar zn c. 8, 9.1

678 I^ie Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

seinen Lebensumständen wissen wir nichts, als dass er nach Quin- tilians (10, 1, 103) Zeugniss etwas älter war als der Historiker M. Servilius Nonianus, der im J. 35 zum Consulat gelangte und im J. 59 starb (Tac. ann. 14, 19) und dass, als der jüngere Seneca (f 65) an Lucilius schrieb (ep. 4, 1 = 30), er noch in Rom lebte, aber seine schwache Constitution bereits unter der Last der Jahre erlag. Sein Geschichtswerk oder wenigstens ein Theil desselben war bereits publicirt, als der ältere Seneca um 37 n. Chr. seine rhetorische Blumenlese herausgab, in der einige Stellen aus jenem angeführt werden (p. 34. 36 Bursian [suas. 6, 18 u. 23]). Er erzählte den Tod Ciceros (Seneca d. Ä. a. a. O.) und die deutschen Kriege, denn die mit besonderem Lob von Quintilian erwähnten lihri belli Germanici wird man wohl, ähnlich wie des Livius Bücher belli civilis, als inte- grirenden Theil seines Hauptwerkes betrachten dürfen.*) Ausserdem wird noch eine Notiz über den Flächenraum Armeniens aus ihm angeführt (Plin. h. n. 6, 9, 27). Der ältere Plinius (f 79) setzte in seinen a fine Aufidii Bassi libri XXXI (h. n. praef. § 19; Plinius d. J. ep. 3, 5) dies Werk bis auf seine Zeit fort; ob diese plinischen Bücher erst mit dem Regierungsantritt Neros 54 n. Chr. anhoben, wie Nipperdey (Einl. zum Tacitus S. XIX) meint, ist nicht aus- gemacht.**) Das bedeutende Ansehen, dessen das "Werk des Bassus genoss, geht ausser den freihch bedingten Lobsprüchen Quintilians noch hervor aus der lobenden Erwähnung bei Tacitus (dial. 23) und selbst aus der Aufführung der epitomae Aufidii unter den falschen Zeugen in der Schrift de origine gentis Romanae (18, 13). Was 559 Gassiodor aus diesem Geschichtswerke entlehnt hat, ergiebt sich leicht. Die livischen Annalen schlössen mit 745 d. St.; was vom J. 32 n. Chr. an bei Gassiodor steht, rührt, wie wir sehen werden, aus dem Paschal buche her; dagegen das Consularverzeichniss von 746 d. St. bis 31 n. Chr. nebst den dazu gehörigen Notizen kann weder aus der einen noch aus der andern Quelle geflossen sein, sondern nur aus dem von Gassiodor in seiner Quellenangabe zwischen Livius und dem Paschalbuche genannten Aufidius Bassus. Auch ist dies eben die Epoche, welche nach den sonst bekannten Nachrichten von Bassus erzählt worden ist.***) Höchstens könnte in Frage kommen,

*) [Vgl- gegen diese, in den Chron. S. 112 wiederholte Auffassung u.a. M. Schanz, Gesch. d. röm. Literatur II 2 (2. Aufl., 1901) S. 254. H. Peter, Histor. Rom. reliquiae II (Leipz. 1906) S. CXXVI.]

**) [Auch nicht durch die neue Forschung, vgl. die folg. Anm.] ***) [Vgl. Chron. S. 112 'constat Bassum res gestas narrasse a morte Caeaaria dictatoris ad mortem Seiani'. Daß er wirklich mit dem Tode des Seianu»

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 679

ob Bassus, der wie sein Zeitgenosse Seneca der Ä. ab initio heUorum civiliutn die Geschichte seines Landes geschrieben zu haben scheint (vgl. Seneca d. J. Fragm. 15 Haase), nicht schon vor 746 d. St. von Cassiodor zur Hand genommen worden ist; doch lässt es sich nicht füglich bezweifeln, dass die von Cassiodor gebrauchten livianischen Excerpte bis zum Schluss des ganzen "Werkes gereicht haben und dass Cassiodor oder wer vor ihm diese Annalenwerke epitomirte, das jüngere und minder bemhmte erst da zur Hand genommen haben wird, wo das ältere abbrach.

Die Jahrtafel der Kaiserzeit. Die cassiodorische Jahrtafel der Kaiserzeit beruht auf der Combination einer Kaiserliste, die jedem Regenten unter mehr oder minder genauer Angabe seiner wirklichen Regierungszeit zugleich nach ägyptischem Muster eine bestimmte Zahl conventioneil fixirter Regierungsjahre beilegt wie es denn ausdrücklich bei Decius und Gallus heisst, sie hätten 1 J. 3 M. und 2 J. 4M., aber quanfum ad consules 1 und 2 J. regiert und einem Consularverzeichniss. "Wie dieser einfache Plan ausgeführt und die eponymen Consuln unter die einzelnen Regenten vertheilt worden sind, legt übersichtlich die folgende Tafel dar, die zugleich die beiden Quellen, aus denen Cassiodor hier geschöpft hat, die Kaiserjahrtafel des Hieronymus und die nach Kaisern abgetheilte Consulartafel des Prosper, zur Yergleichung daneben stellt.

schloß, macht W. Pelka, Rhein. Mus. 61 (1906) S. 620 ff. auch durch andere Gründe wahrscheinlich, während J. Münzer ebd. 62 (1907) S. 161 ff. die Grenze zwischen Aufidius und Plinius weiter hinabrückt.]

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6iS2 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

Im Einzelnen ergiebt sich hieraus Folgendes: 1) Die Kaiserliste mit Angabe der wirklichen Regierungsdauer ist bei Hieronymus, Prosper und Cassiodor im Wesentlichen, nament- lich auch in der fehlerhaften Ausdehnung der Regierung des Philippus, identisch, das heisst die beiden letzteren haben sie aus jenem, so weit dieser reicht, und wo Hieronymus aufhört, Cassiodor sie aus Prosper herübergenommen ^. Dass Cassiodor die frühere Liste nicht aus Prosper, sondern unmittelbar aus Hieronymus entnahm, beweist auch die Zählung der Regierungen, die bei Cassiodor mit Hieronymus stimmt, während Prosper, da er Florianus und Galerius mitzählt, zwei Nummern mehr hat. Einige untergeordnete Differenzen be- sonders zwischen Hieronymus und Prosper mögen theils auf die Ungleichheit der beiden Listen des Hieronymus der in der Ein- leitung und der im Kanon enthaltenen , theils auf Schreibfehler zurückgehen. Bemerkenswerther sind folgende Abweichungen Cassiodors von seiner Vorlage:

Hieronymus. Cassiodor.

Otho 3 M 3 M. 5 T.

VitelHus 8 M 8 M. IT.

Trajanus . . 19 J. 6 M 19 J. 6 M. 15 T.

Hadrianus. . 21J 20J. lOM. 29T.

weil in diesen vier Fällen Cassiodor genauere und zwar unter allen uns vorliegenden Quellen vollständig lediglich mit Eutropius stimmende Zahlen giebt. Warum Cassiodor, der sonst nicht gerade es geliebt zu haben scheint mehrere Quellen neben einander zu brauchen, diesen anscheinend so gleichgültigen Tagzahlen zu Liebe eine Aus- nahme gemacht hat, wird später sich zeigen. Wenn er dagegen dem Pius statt 22 J. 3 M. nur 21 J., dem Julian statt 1 J. 8 M. nur 1 J, giebt und die 2 Jahre des Constantius und Galerius mit der Bemerkung unterschlägt, dass Constantius tantum Äugusti dignitate contentus cum esset otiosus, anni ipsius adscribuntur filio eius, so 563 hängen diese Umänderungen mit den Umgestaltungen zusammen, die er in der Zählung der Regierungsjahre sich gestattete und von denen sogleich die Rede sein wird. Die drei letzten Regenten

1) Die Behauptung von Baudi di Vesme (mem, dell' Acc. di Torino ser. II vol. 8 p. 181), dass ein kurzes seltsamer Weise trotz der Versicherung, dass dasselbe »qui vede per la prima volta la luce«, ungedruckt gebliebenes Kaiserverzeichniss hinter dem Codex Theodosianus eine der Quellen Cassiodors gewesen, fällt in sich selber zusammen, da dieses Verzeichniss, nach den daraus mitgetheilten Proben, nichts ist als ein Auszug aus Hieronymus. Vesme hat nicht gesehen, das Cassiodor aus Hieronymus schöpft. [S. jetzt Chron. min. III p.4l3.]

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

683

Leo, Zeno und Anastasius hat Cassiodor hinzugefügt, aber in einer so Kederlichen Weise, dass er nicht einmal die Regentennummern weiter fortgeführt hat, als er sie aus Prosper abschreiben konnte, femer den Kaiser Justinus, der im J. 5 1 8 den Thron bestiegen, zwar als Consul aber nicht als Kaiser verzeichnet.

2) Die Zählung der conventioneilen Regierungsjahre ist schon bei Hieronymus, ja bei Eusebius selbst, abgesehen von einigen unter- geordneten sich bald wieder ausgleichenden Fehlem, durch ein tiefer greifendes Versehen entstellt, indem dem Phihppus ein Jahr zu viel beigelegt wird, was denn zur Folge hat, dass das Jahr, mit dem Hieronymus schliesst, 378 n. Chr. nach unserer Zählung, nach der seinigen, wenn man das Jahr von Christi Geburt = 1 n, Chr. setzt, 379 n. Chr. werden würde, und, da er selber Christi Geburt um zwei Jahre höher hinaufrückt, nach seiner eigenen Zählung 381 n. Chr. ist. Unter Zugrandelegung dieser List^ hat sich Cassiodor die folgenden Abweichungen gestattet:

Hieronymus. Cassiodor.

. . . . +

+ 2

2

Augustus 56 ... .

Tiberius 23 ... .

Galba, Otho, Vitellius ..—....

Nerva 1 . .

Traianus 19 ... .

Pius 23 ... .

Pertinax ....

Aurelianus 5 . . . .

t Galerius 2 2

Julianus 2 1

mittelst welcher Manipulationen er im Ganzen um 1 J. höher kommt und von 706 d. St. bis 378 n. Chr. nicht ^vie Hieronymus 427, sondern 428 J. erhält ^ Hier hat ihn bei den Zuschlägen für Augustus, Galba,

1) Prosper hat in ähnlicher Weise an der Liste des Hieronymus folgende Abänderungen vorgenommen:

Hieronymus. Prosper. Hieronymus. Prosper.

[0 . . . . 1 Decius . . . 1 . . . . + 1

2 . . . . + 1 Tacitus ... 1 .... 1

23 . , . . 1 Julianus . . 2 . . . . + 1

7 . . . . -1 Indem er also vier Kaiserjahre weglässt und nur drei zuschlägt, kommt er im Ganzen auf 1 Jahr weniger, d. h. er rechnet von da, wo bei ihm die Consulate beginnen, dem 14. J. des Tiberius bis zum Schluss seiner Liste 429, also mit Zusatz der Regierungen Cäsars, Augustus und des ersten Theües der Regierung

Yespasianus Titus . . Pius . . . Caracalla .

6g4 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

Otho, Vitellius, Traianus, Pertinax, Aurelianus die Erwägung geleitet,

564 dass in dieser Rechnung 6 Monate besser für ein Jahr zu rechnen als wegzuwerfen seien; und eben damit muss es zusammenhängen, dass er, wie bemerkt, mit einer ihm sonst nicht eigenen Genauigkeit bei Otho, Yitellius und Traianus die Tage aus Eutrop nachgetragen hat, um auf diese Weise die grössere Jahrhälfte zu erhalten. Selbst bei Nerva, der freilich nur 1 J. 4 M. regierte, mag ihm das Weg- werfen der Monate Scrupel gemacht haben, zumal da Hieronymus unmittelbar vorher für Domitian bei einer Regierung von 15 J. 5 M. doch 16 J. in Ansatz gebracht hatte. Natürlich kam er bei diesem gedankenlosen Verfahren von der Wahrheit noch viel weiter ab als sein Vorgänger; und wo er dann auf das Vorlaufen seiner Consulate vor den Kaiserjahren aufmerksam ward, half er sich durch Inter- polationen, die jener Fiction eines vierzigjährigen Decemvirats voll- kommen ebenbürtig zur Seite stehen. Es war nichts dagegen zu sagen, dass er, nachdem er das J. 14 dem Augustus gegeben, dem Tiberius ein Jahr weniger zutheilte; aber Pius Regierung ist mit sichtlicher Willkür verkürzt um das Consulat 161 {duo Äugusti), von dem an Prospers Consularliste einigermassen in Ordnung kommt, ebenfalls auf das erste Jahr von Marcus und Lucius zu bringen; Galerius Consulate und das eine des Julian sind gestrichen, um das Consulat 364 {lovianus et Varronianus) auf das Kaiserjahr des Jovianus zu lenken. Hätte der Verfasser der Chronik diese seine Zuschläge und Abminderungen gleichförmig vorgenommen, so würde er wenigstens die Gesammtzahl des Hieronymus festzuhalten ver- mocht haben; indess auch dies ist ihm nicht gelungen, sondern er hat sich bei seinen Aenderungen um ein Jahr versehen. Dass die ganze Procedur von der übelsten Art ist und den viel gefeierten gothischen Historiker in jeder Weise compromittirt, bedarf keiner Auseinandersetzung. Für die spätere Zeit fällt der Unterschied der wirklichen und der conventioneilen Regierungsdauer weg, indem

565 sowohl Prosper wie Cassiodor überhaupt nur die letztere namhaft machen; für Leo und Anastasius hat der Letztere auch diese anzu-

des Tiberius (5 + 56 + 13 = 74) im Ganzen 503 Kaiserjahre, also nach Abzug der nachhieronymischen 77 für die Zeit von 706 d. St. bis 378 n. Chr. 426 Jahre. Hat er aber, was wahrscheinlich ist, das erste der zehn Consulate des Tiberius mit dem 15. Jahre desselben geglichen, in das er die Kreuzigung setzt, also in der That auf Tiberius nicht 23, sondern 24 Jahre gerechnet, so stimmt er im Gesammtresultat mit Hieronymus überein. [Über die von Prosper an Hieronymus vorgenommenen Änderungen hat Mommsen genauer in den Chron. min. I S. 351 f.' gehandelt.] Cassiodor hat diese Abweichungen Prospers unberücksichtigt gelassen.

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 685

geben vergessen. Ergänzt man, und zwar unter Anrechnung des wohl nur von den Schreibern überschlagenen Consulats 503, diese Ziffern so wie die des Justinus nach den Consulaten, so erhält man für die Kaiserjahre als cassiodorische Gesammtzahl 569. Sollte das Consulat 503 von Cassiodor selber ausgelassen sein,*) so würde die Ziffer sich auf 56S stellen.

3) Die Consulartafel vom J. 32 n. Chr. an ist, wie schon oben (S. 551 [670]) hervorgehoben wurde, unzweifelhaft aus einer anderen und weit geringeren Quelle geflossen als die der früheren Epoche imd zwar, nach des Verfassers eigener Angabe, ex Paschali clarorum virarum auctoritate firnmto. Diese Tafel stimmt in zahllosen Verderb- nissen, Auslassungen und Interpolationen mit derjenigen des Prosper, der adnotatio consulum apassione d. n. lesu Christi cum historia (p. 559 fg. Roncalli [Chron. min. I p. 410]) überein und geht ohne Zweifel auf diese zurück. Da nun Cassiodor die dem J. 379 455**) beige- schriebenen historischen Notizen der Chronik Prospers entlehnt hat, auch in seiner Schrift über die Klosterbibliotheken (div. lect. c. 17) die vollständige Chronik Prospers anführt Sancttis qtwque Prosper chronica ab Adam ad Genserici tempora et urhis depraedationem tcsqtie perduxit und zur Anschaffung empfiehlt, so könnte man meinen, dass er auch die Consularliste unmittelbar aus dieser Chronik genommen habe. Allein dies ist nicht der Fall: bereits Bucherius (in Victorii canonem pasch, p. 227 fg.) und van der Hagen (obss. in Prosp. Aquit. p. 145 fg.) haben gesehen, dass Cassiodor seine Consular- tafel zimächst aus der im J. 457 geschriebenen Ostertafel des Victo- rius Aquitanus abgeschrieben habe, welcher allerdings dieselbe wieder, zufolge seiner eigenen Angabe in dem Prolog, aus der zwei Jahre vorher bekannt gemachten Chronik des Prosper herüber- genommen hat. Dafüi- zeugt die Uebereinstimmung der victorischen und der cassiodorischen Liste gegenüber derjenigen des Prosper in einer Anzahl von absichtlichen Veränderungen (vgl. z. B. J. 410. 414. 453, wo Prosper nur einen der eponymen Consuln namhaft macht, Victorius dagegen und Cassiodor gleichmässig den zweiten beifügen) und offenbaren Fehlem; wohin ich rechne vor allen Dingen das Fehlen des Consulats 130 und die Umstellung der Consulate 96. 97. sodann die constante Verderbniss des oft vorkommenden Namens Glalrio, der bei Victorius wie bei Cassiodor stets Gabrio heisst, so wie die ähnhchen Verwandlungen von Bagalaifus in Gadalaifus 566

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*) [Hierfür entscheidet sich Mommsen in den Chron. S. 115. 116.] **) [Wahrscheinlich nur bis 445 : s. Chron. S. 113.]

6g6 Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

(J. 366) *) und von Batianus in Titianus (J. 358). Alle diese Ent- stellungen der von Prosper gegebenen Consulartafel scheinen von Victorius begangen und mit dessen Liste von Cassiodor übernommen zu sein. Die zu Cassiodors Zeit vermuthlich allgemein recipirte Tafel des Yictorius also ist das Paschale darorum virorum auctoritate firmatum, das Cassiodor neben Livius und Bassus für seine Arbeit benutzt zu haben angiebt. Nur den Schluss von 458 an bis auf seine Zeit hat Cassiodor selbstverständlich anderswoher entlehnt. Die Tafel des Prosper ist in der ersten Beilage abgedruckt und auch die Abweichungen der victorischen Fasten von derselben sind dort verzeichnet nach der einzigen mir von denselben vorgekommenen Handschrift, der in den Beilagen genauer beschriebenen Leydener Seal. 28.*) Cassiodor hat die Liste weder verbessert noch weiter verdorben, sondern sie genau so wiedergegeben wie er sie bei Yictorius fand; dagegen erscheint dieselbe bei ihm anders angeknüpft als bei Prosper. Denn während Prosper das Jahr der Kreuzigung, das erste seiner Liste und darin, der bekannten Ueberlieferung gemäss, mit den Consulnamen des J. 29 bezeichnete, mit dem 14. des Tiberius = 27 n. Chr. gleichsetzt, hat Cassiodor, gestützt auf die Angabe des Hieronymus, dass Christus im 18. Jahre des Tiberius hingerichtet sei, das Jahr nach der Kreuzigung, das erste bei ihm aus dem Paschalbuch entlehnte und darin richtig mit den Namen der Consuln des J. 30 bezeichnete, mit dem J. 32 n. Chr. geglichen; so dass von der Kreuzigung an Prosper 10, Cassiodor nur 6 Con- sulate auf Tiberius rechnet. Also ist bei Cassiodor die Liste von Haus aus falsch gestellt, und theils dadurch, theils durch ihre zahl- reichen und argen Fehler sind dann die unsinnigsten Ansetzungen entstanden, ohne dass der Verfasser der Chronik sich dadurch irre machen lässt; wie er denn zum Beispiel Nervas Tod in dem Jahr vor dem sechsten Consulat Traians verzeichnet. Wo er ausnahms- weise auf dergleichen Widersprüche zu achten für gut gefunden hat, wie bei dem Consulat der beiden Kaiser 161 und nachher unter lovianus, hat er desswegen an den Kaiserjahren gerückt (S. 564 [684]). So ist es gekommen, dass, abgesehen von einer zufälligen durch das Fehlen der beiden Consulpaare von 31. 32 bei Prosper herbei- geführten — Uebereinstimmung der cassiodorischen Liste mit der richtigen in den Jahren 33 fg., in derselben die Consulate nur unter

*) [Doch vgl. die Ausgabe des Victorius in den Chron. min. I p. 714.] **) [Diese Beilage ist, da sie durch die Edition des Prosper in den Chron. min. I überflüssig geworden ist, nicht wieder abgedruckt worden.]

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr. 6g7

M. Aurelius und Commodus und sodann von Constantin und besonders von Julian an richtig gestellt sind.

Für die Feststellung des cassiodorischen Textes gewinnen wir 567 hieraus, dass die Dauer der Kaiserregierungen indem 6 Monate oder mehr immer für ein volles Jahr, weniger als 6 Monate in der Regel nicht gerechnet werden und die der Consulate, wie Cassio- dor sie aufstellt, sich gegenseitig controliren und wir gewiss sein können mindestens bis zum J. 491 , von wo an die Regierungsjahre nicht mehr angegeben sind, die Consultafel so vollständig zu besitzen, wie Cassiodor sie niedergeschrieben hat. Die einzige Differenz zwischen den Regierungsjahren imd der Zahl der entsprechenden Consulate besteht in dem Ueberschiessen eines Consulats unter Diocletian, dem Cassiodor mit Hieronymus 20 Jahre beilegt und unter dem er dennoch 21 Consulpaare verzeichnet. Wahrscheinhch hat Cassiodor sich hier selber verzählt. Ob das J, 503 durch seine oder der Abschreiber Schuld fehle, ist nicht bestimmt auszumachen; doch ist, so nachlässig er sich auch im Allgemeinen erweist, schwer zu glauben, dass er ein nur 16 Jahre vor das der Abfassimg fallendes Consulat selber vergessen haben sollte. Die Gesammtzahl der Consulate der Kaiserzeit stellt sich demnach für Cassiodor in Folge der Differenz unter Diocletian um ein Jahr höher als wir sie für die Kaiserjahre fanden, nämlich von 706 d. St. bis 519 n. Chr. auf 570: doch wird er selbst wahrscheinlich die Kaiserjahre zusammen- gezogen, nicht die Consulate gezählt und also als Gesammtsumme 569, nicht 570 Jahre gefunden haben. Sollte das Consulat von 503 von Cassiodor ausgelassen sein, so hat er, selbst wenn er nach Consulaten zählte, als Gesammtzahl ebenfalls 569 erhalten.

Die der Jahrtafel der Kaiserzeit beigesetzten historischen Notizen. Die historischen i^otizen, die Cassiodor der Jahrtafel vom J. 31 an beigefügt hat. sind bis zum J. 373 aus Hieronymus und von 379 bis 455 aus der Fortsetzung des Prosper entlehnt,*) auch nicht nach den Consulaten, sondern nach den von Hieronymus allein angesetzten Kaiserjahren eingetragen. Die Entlehnung geschieht meist bis zur Gedankenlosigkeit wörtHch: wie denn die Notiz über Jerusalem bei dem J. 141 n. Chr. in einer Fassung gegeben ist, die wohl für den in Jerusalem schreibenden Hieronymus, nicht aber für den in Rom schreibenden Cassiodor sich schickt. An einigen wenigen Stellen 568

*) [Genauer darüber Chronica vol. I p. 346. 374.]

688

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

es sind ausser den oben angezeigten über die Regierungsdauer der Kaiser Otho, Vitellius, Traian und Hadrian hauptsächlich die Angaben über die neronisch- alexandrischen und die decischen Thermen und über die Säule des Traianus ist daneben Eutropius gebraucht. Ausser dem Nutzen, den diese Auszüge für die Textconstituirung der älteren Chroniken gewähren, sind sie vollkommen werthlos. Von eigenen Aenderungen oder Zusätzen Cassiodors sind, ausser den früher erörterten Abänderungen einzelner Kaiserjahrzahlen und den beiläufigen Bemerkungen, dass der Romatempel jetzt templum urbis (J. 135) und die von Decius erbauten Thermen nach ihrem Erbauer genannt würden (J. 252) und dass Constantinopel früher Byzantium geheissen habe (J. 332), nur die folgenden auf die Gothen oder doch gothische Verhältnisse bezüglichen Umgestaltungen des ihm vor- liegenden Textes zu erwähnen:

Hieronymus: Decius cum filio suo in Abritte

occiditur. (Vgl. Eutrop. 9, 4:

ipse et filius in barbarico

interfecti sunt). Claudius Gothos Illyricum et Ma-

cedoniam vastantes superat.

Cassiodor:

Decius cum filio suo in Abritto Thraciae loco a Gothis occiditur (J. 252). (Ausführlich erzählt dasselbe Jordanis c. 18.)

Claudius barbaros vastantes re- pellit (J. 271).

Prosper:

Ambrosius episcopus pro catholica

fide multa sublimiter scribit.

Athanaricus rex Gothorum apud Constantinopolim xv die quam fuerat receptus occiditur.

PoUentiae adversus Gothos vehe- menter utriusque partis clade pugnatum est.

Roma a Gothis Alarico duce capta.

569 Placidiam Theodosii imp. filiam, quam Romae Gothi ceperant, quamque Athaulphus coniugem habuerat, Wallia pacem Honorii

Ambrosius episcopus de Christiana fide multa sublimiter scribit (J. 380). (Geändert wegen des Arianismus der Gothen.)

Athanaricus rex Gothorum Con- stantinopolim venit ibique vitam exegit (J. 382).

PoUentiae Stiliconem cum exercitu Romano Gothi victum acie fuga- verunt (J. 402).

Roma a Gothis Halarico duce capta, ubi clementer usi victoria sunt (J. 410).

Gothi placati Constantio Placidiam reddiderunt, cuius nuptias pro- meretur (J. 416).

Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

689

Prosper: expetens reddit eiusque nuptias Constantius promeretur. Placidia Augusta a fratre Honorio pulsa Orientem cum [Honorio et Valentiniano] filiis proficiscitur.

Gens Yandalorum ab Hispaniis ad Africam transit.

Attila multa vicinarum sibi gen- tium milia cogit in bellum, quod Grothis tantiim se inferre tam- quam custos Romanae amicitiae denuntiabat. Sed cum transito Rheno saevissimos eins impetiis multae Gallicanae urbes ex- perirentur', cito et nostris et Gothis placuit, ut furori super- borum hostium consociatis exer- citibus repugnaretur; tantaque Aetii Providentia fuit, ut adversae multitudini non inpar

occurreret. Chunos eo

constat victos fuisse quod amissa proeliandi fiducia qui super- fuerant ad propria reverterunt.

Attila redintegratis viribus, quas in Gallia amiserat, Italiam in- gredi per Pannonias intendit, nihil duce nostro Aetio secun- dum prioris belli opera prospi- ciente, ita ut ne clusuris quidem Alpium quibus hostes prohiberi poterant uteretur.

Cassiodor.

Placidia Augusta a fratre Honorio ob suspicionem invitatorum hos- tium cum Honorio et Valenti- niano filiis ad Orientem mittitur (J. 423).

Gens Yandalorum a Gothis exclusa de Hispaniis ad Africam transit (J. 427).

Romani Aetio duce Gothis auxilia- ribus contra Attilam in campe Catalaunico pugnaverunt, qui virtute Gothorum superatus ab- scessit (J. 451).

Attila redintegratis viribus Aqui- leiam magna vi dimicans introivit

(J. 452).

Diese Stellen sind entweder im gothischen Interesse geändert 570 oder mit kurzen auf gothische Leser berechneten Zusätzen versehen ; womit noch zu verbinden ist, dass an vielen Stellen (z. B. J. 333. 370. 378. 405. 425. 436. 438. 439. 453) Niederlagen der Gothen

MOSEMSEN', SCHK. VII.

44

ß90 ^^6 Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.

oder was sonst ihnen nachtheilig erschien ausgemerzt worden sind. Eigentliche Umänderung der überlieferten Thatsachen hat der Ver- fasser sich zwar nicht zu Schulden kommen lassen denn dass die Treffen bei PoUentia und auf dem catalaunischen Felde ihm zu Siegen der Gothen geworden sind, ist ziemlich unschuldig , wohl aber mahnt diese immer doch sehr freie und stark parteiische Zu- rechtlegung der Ueberlieferung, wie sie hier nachweislich vorliegt, zur Vorsicht bei dem Gebrauch der Auszüge aus seinem wichtigeren und hauptsächlich aus uns nicht mehr zugänglichen Quellen geschöpften Werke, der gothischen Geschichte.

Für die Jahre 455 519 kann Cassiodor für uns als eine selbst- ständige Quelle betrachtet werden; jedoch hat er für die Jahre 455— 495 höchst wahrscheinlich geschöpft aus der mit der Chronographie von 354, freilich in zerrütteter und verkürzter Gestalt, erhaltenen Ravennatischen Chronik, die von der jüngeren Fortsetzung abgesehen im J. 495 geschlossen ist. Ohne Zweifel hat dieselbe wie dem Ver- fasser der Auszüge »ex libris chronicorum« hinter dem Ammian so auch dem Cassiodor in ihrer ursprünglichen Vollständigkeit vorgelegen; die Aufgabe aber aus diesen drei Quellen die ursprüngliche Fassung wiederherzustellen kann nur unter sorgfältigem Eingehen auf die Geschichte dieser merkwürdigen und schwierigen Epoche und daher nicht an diesem Ort und in diesem Zusammenhang gelöst werden.*) Erst von 496 an scheint Cassiodor, abgesehen von dem Consuln- verzeichniss, keine schriftlichen Quellen benutzt sondern aus eigener Kunde, freilich in dürftigster Hofschreiberauswahl und Hofschreiber- weise, die gleichzeitigen Ereignisse aufgezeichnet zu haben.

^) [Vgl. Chron. vol. I p. 252.]

LXX.

Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi.*)

Die im Jahre 1875 von mir übernommene Abtheilung Auetores 287 antiquissimi der Monumenta Germaniae historica ist mit dem jetzt abgeschlossenen Arbeitsjahr zu Ende geführt worden. Sie umfasst in 13 Quartbänden die folgenden Schriftwerke:

Alcimus Avitus (VI, 2)

Ausonius (V, 2)

Cassiodorus, Variae (XIT)

Chronica minora, vol. I. 11. m (IX. XI. XDI)

Claudianus (X)

Corippus (III, 2)

Ennodius (VII)

Eugippius, vita Severini (I, 2)

Eutropius und Paulus, bist. Romana (II)

lordanes (V, 1)

Salvianus (I, l)

Sidonius (VIII)

Symmachus (VI, 1)

Venantius Fortuna tus (IV)

Victor Vitensis (IH, 1). Von diesen Bänden sind Cassiodor, Jordanes und die drei Bände der Chroniken von mir, die übrigen von den Herren Birt, Droysen, Halm, Krusch, Leo, Lütjohann, Partsch, Peiper, Sauppe, Schenkl, Seeck, Vogel unter meiner Leitung bearbeitet worden.

Dass diese im Wesentlichen der römischen Geschichtsperiode angehörige Abtheilung in die Monumenta Germaniae historica auf-

*) [Sitzungsberichte der Berliner Akademie. Jg. 1898 HalbbcL I S. 287— 290.]

44*

692 Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi.

genommen worden ist, war von den Begründern dieser Sammlung beschlossen worden, lange bevor nach Pertz' Tode mit dem Eintritt des Directorats von Waitz der neue Arbeitsplan festgestellt wurde. Der annus quingentesimus aus dem Yorblatt unserer sämmtlichen Bände bezieht sich auf die beabsichtigte Ausgabe von Jordanes imd Cassiodor. Ausgeführt war allerdings von den dafür bestimmten Arbeiten noch keine, auch der Kreis derselben nicht endgültig fest- gestellt; aber für einen Theil derselben waren umfassende Yorarbeiten unternommen und die Abtheilung selbst öffentlich angekündigt worden, so dass man damals übereinkam, auch hierin an dem ursprünglichen Plan festzuhalten.

Für die Auswahl trage ich als Leiter dieser Abtheilung im Wesentlichen die Yerantwortlichkeit. Mich hat dabei zunächst der Gedanke geleitet, dass es überhaupt, insbesondere aber für eine Uebergangsepoche, wie diejenige ist von dem Zusammenbruch des 288 römischen Westreichs bis zum Beginn der fränkischen Yormacht, schlechterdings unmöglich ist, das für den Historiker erforderliche Material in einer bestimmten Zahl von Bänden zusammen zu fassen, und dass demnach diese Abtheilung nicht darauf angelegt werden durfte, in dieser Hinsicht eine nothwendig scheinhafte Yollständigkeit zu erzielen, sondern vielmehr bei jedem einzelnen Schriftwerke zu erwägen war, einmal ob es für die historische Kunde dieser Epoche von wesentlicher Bedeutung sei, und zweitens, ob eine kritische Be- arbeitung desselben, namentlich die Herstellung der handschriftlichen Grundlage Nutzen verspreche. Die höhere auf Sprach- und Sach- kenntnis beruhende Kritik kann bei Collectivunternehmungen , wie die unsrige ist, wohl als wünschenswerther Gewinn, aber nicht als das regelmässige Ziel in das Auge gefasst und wie die geistige Arbeit überhaupt wohl gefördert, aber niemals abgeschlossen werden. Die diplomatische Kritik dagegen fordert, wo sie in weiterem Umfang auftritt, Mittel, wie nur eine vom Staat getragene Institution sie zu liefern vermag, und bei ihr ist andrerseits ein Abschluss erreichbar. Darum sind Tacitus und Ammian ausgeschlossen worden; sie sind ohne Zweifel für die deutsche Geschichte unendlich viel wichtiger als sämmtliche in meine Abtheilung aufgenommene Autoren; aber die diplomatische Kritik ist bei beiden einfach und im Wesentlichen erledigt. Dagegen war für alle oben genannten Schriftwerke die handschriftliche Grundlage der Feststellung bedürftig, und dass jedes einzelne derselben für die Geschichtsforschung der bezeichneten Epoche von wesentlichem Nutzen ist, wird nicht bestritten werden. Die Grenzen einer derartigen Bearbeitung sind allerdings mit objectiver

Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi. 693

Bestimmtheit nicht zu ziehen und bis zu einem gewissen Grade abhängig theils von der Meinung des Leiters der Abtheilung, theik von dem Belieben der Centraldirection selbst, die nicht alle Anträge des Leiters genehmigt hat. Bei der Grenzenlosigkeit der Aufgabe selbst hat in der praktischen Ausführung eine gewisse Willkür nicht vermieden werden können. Indess hoffe ich, wenn auch im Einzelnen manches hinweg- oder hinzugewünscht werden mag, doch im Ganzen den richtigen Mittelweg zwischen dem zu Wenig und dem zu Yiel gefunden zu haben. Insbesondere bei den in den drei Bänden der Chroniken vereinigten Miscellaneen habe ich es lebhaft empfunden, dass ohne die grossen Hülfsmittel, welche eine Institution wie die unsrige gewährt, eine derartige für das einzelne Kleinstück schlechthin unmögliche und doch in ihrer Gesammtheit imentbehrliche Sammlung sich niemals würde haben durchführen lassen.

Die Rücksicht darauf, dass Ausgaben, wie die unsrigen sind, vor allen Dingen den diplomatischen Apparat liefern sollen, hat mich weiter dazu bestimmt, was vielleicht manchen Tadel gefunden hat, wo es irgend anging, nicht einzelne Stücke, sondern die uns er- 2S9 haltenen Werke des betreffenden Schriftstellers vollständig zu geben. Freilich bei Prosper, Eugippius, Cassiodor, Beda liess sich dies nicht durchführen. Aber wenn auch von Ausonius oder Claudianus dem Historiker nur wenige Abschnitte direct nützlich sind, so darf auch über diese keiner mitsprechen, der nicht den Schriftsteller im Ganzen kennt und beurtheilen kann. Die Excerptenpublication mag fiir die Wissenschaftlichkeit zweiter Ordnung am Platz sein, für unsere Arbeiten ist sie mir immer als ein dem nationalen Unternehmen wenig anstehendes Armuthszeugnis erschienen.

Die mir übergebenen Yorarbeiten erwiesen sich mit geringen Ausnahmen als unbrauchbar; die CoUationen solche von Pertz und Waitz fanden unter den für diese Arbeit mir übergebenen sich nicht gehörten überwiegend der Frühzeit der Gesellschaftsarbeit an und waren ebenso unzulänglich wie leicht ersetzlich. Wir, meine Mitarbeiter und ich, haben keine Mühe und keine Kosten gescheut, um in dem bezeichneten Kreise die diplomatische Kritik abschliessend zu erledigen.

Eine Schranke habe ich bei dieser Abtheilung oft ungern, aber dennoch streng eingehalten; es ist dies der Ausschluss der byzanti- nischen Geschichtswerke. Dass der Römerstaat namentlich der späteren Kaiserzeit diese ebenso und vielleicht noch mehr fordert als die latei- nischen Quellen, bedarf der Ausführung nicht; und wie sehr selbst ein Schriftsteller wie Prokop des kritischen Apparates entbehrt, in

694 Schlussbericht über die Herausgabe der Auetores antiquissimi.

wie geringem Grade die sogenannte akademische Byzantinerausgabe ihrem Namen Ehre macht, wie wir überall, wo de Boor nicht ge- arbeitet hat, uns in kläglicher Unsicherheit befinden, das wissen die Kundigen alle und fordert dringend Abhülfe. Aber diese kann nur eine Sonderbearbeitung der byzantinischen Geschichtsquellen bringen, die zu unseren Monumenten so nothwendig gehört wie einstmals das Ostreich zum "Westreich gehört hat. Die grosse Gefahr, der unsere Monumenta Germaniae in Folge der centralen Lage unseres Landes ausgesetzt sind, die Uferlosigkeit unserer Sammlungen durch das Ueber- greifen in die Geschichte der Nachbarstaaten, würde wesentlich ge- steigert werden, wenn unsere Arbeiten auch auf das Gebiet des Ostreichs und die griechischen Geschichtsquellen erstreckt würden. Ich habe darum der namentlich bei der Bearbeitung der kleinen Chroniken oft sehr lockenden "Versuchung, in diese Kreise ein- zugreifen, nicht nachgegeben.

Ebenso wie ich bemüht gewesen bin, von den aufgenommenen Schriftstellern die "Werke, so weit möglich, vollständig zu geben, habe ich dieselben auch nach Möglichkeit in der Publication ge- trennt. Ein Sammeluntemehmen, wie das unsrige ist, kann bei den 290 Schriftwerken die Trennung nach den Autoren nicht in dem Umfang durchführen, wie dies in der Behandlung der griechischen und römischen Schriftsteller geschieht; in viel weiterem Umfang ist es hier erforderlich, kleinere Schriftwerke zusammenzufassen, secundäre den primären anzuschliessen. So weit aber die Sonderung sich durchführen lässt, erleichtert sie nicht bloss die Fertigstellung der Publicationen, welche ohne weitgehende Arbeitstheilung nicht zum Ziel gelangen können, und gewährt den Benutzern bei ihren sehr verschiedenartigen Interessen die Möglichkeit, sich das, was ein jeder braucht und nur dies zu beschaffen, sondern sie macht es auch mög- lich, wo nöthig und so weit wie nöthig zu bessern und zu erneuern. Bei weitschichtigen Unternehmungen dieser Art kann es nicht aus- bleiben, dass eine einzelne Bearbeitung mit oder ohne Schuld der Herausgeber sich als ungenügend erweist, der litterarische Apparat einer Ergänzung oder einer Correctur bedarf. In meiner Abtheilung ist dies bei der kleinen Schrift des Eugippius eingetreten. Ich habe in Folge dessen eine neue Recension derselben hergestellt, welcher bei dem geringen Umfang des "Werkes und bei der Brauchbarkeit desselben auch für Unterrichtszwecke die Form der Octavausgabe gegeben worden ist.*)

*) [Eugippii vita Severini denuo recognovit Th. Mommsen, Berl. 1898.]

LXXI.

Die Historia Papirii des Henoch von Asculum.*)

Auf der Yallicelliana in Rom findet sich eine Papierhandschrift 1 34 aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh., bezeichnet G. 47. Der im inneren Deckel verzeichneten Notiz zufolge {Jo. de Beate prothono- tario et correciori apostolico, qui bibUothecam hanc et aureos xyro fdbrica quingentos sacratissimo Fontis Palumbe loco legamt, fratres aeteme memoriae causa posuere) stammt diese Handschrift aus Rieti; und ihr ganzer Inhalt zeigt, dass sie eben daselbst entstanden und längere Zeit hindurch verblieben ist. Diesen Inhalt vollständig zu verzeichnen ist übrigens nicht erforderlich: es finden sich Gedichte neuerer Ita- liener neben einigen virgilischen Katalekten, auch eine Cansmi de M. F. F.; Auszüge aus Gellius und Livius, Miscellen von Guarinus, Karolus Arretinus, Philelphus, Poggio, Laur. Valla; Auszüge aus den älteren Inschriftensammlungen von Signorili, Poggio, Cyriacus von Ancona, grösstentheils stadtrömische Steine enthaltend, aber auch Inschriften aus Ariminum, dem Orient und Kleinasien, darunter ein- zelne griechische; endlich eine wie es scheint originale Sammliing der Inschriften von Rieti (von Muratori angeführt unter dem Kamen der schedae Vallicelliaiiae), welche auch die von Papst Pius U (f 1464) seinen Aeltern, Silvius und Victoria Piccolomini gesetzten Grab- schriften enthält. Dazu kommen andere Notizen mannigfaltigster Art, unter denen ich der Zeitbestimmimg wegen eine Bulle vom J. 1476 (f. 6) erwähne. Um diese Zeit etwa muss die Handschrift 135 geschrieben sein; wenigstens deutet nichts auf eine spätere Ent- stehungszeit hin. Hier nun finden sich, unmittelbar hinter der Reatiner Inschriftensammlung und gleich dieser im Text mit Kapi- tälchen geschrieben, die folgenden Auszüge: f. 39 r. Ex historia Papirii inventa ab Enoc in Datia de situ Reatino. Subacto agro Beaiino Romani Picenis bellum inttäerunt.

*) [Hermes 1, 1866, S. 134—136.]

696 Die Historia Papirii des Henoch von Asculum.

f. 39 V. Ex eadem hystoria Papirii.

Velinus fluvius Beatinum agrum secat, qui paludem in SuUuco a JRomanis effectam ingreditur, dehinc Septem meatibus sulfureas petit aquas. (folgen Auszüge mit der Ueberschrift : Plinius naturalis hystoriae libro secundo cap. de miraculis aquarum, d. i. Plin. 2, 103. 227. 226 sehr zerrüttet), f. 40 r. Ex eadem hystoria Papirii.

Hörnern rerum caput a puella ^ Graia istic combusta, cui nomen erat Rhomi, dictam putant. Hieran schliessen sich die falsche Inschrift divo lulio Caesari urbis et orbis hero [C. I. L. VI 5, 23*], aus dieser Handschrift heraus- gegeben von Mur. 221, 4, und weitere Auszüge aus Plinius naturalis hystoriae 2, 103, 230 und 3, 12, 109. Dann folgt, ohne Ueberschrift, der Anfang der bekannten Mummiusinschrift von Rieti [C. I. L. IX 4672 add. p. 684 Dessau 3410]:

sancte de decuma victor tibei Lucius Munius (so) donum was desshalb hervorzuheben ist, weil diese Inschrift hier mit am frühesten auftritt: sie wurde von Pomponius Laetus copirt und ist nur durch ihn erhalten, begegnet übrigens wohl zuerst vereinzelt in dem Siliuscommentar des Petrus Marsus, des Schülers des Laetus (zuerst gedruckt 1483), und dann bei Jucundus. Was nun folgt, hat auf Rieti keinen bestimmten Bezug weiter und gehört wohl nicht zu der eben erörterten Sammlung.

Es ist auf den ersten Blick klar, dass dieser Papirius seinen Platz finden muss nicht neben dem von Henoch von Asculum ent- deckten Porphyrie und Apicius, sondern neben dem Fenestella und Messalla Corvinus; so ist die palus in Subluco a Romanis effecta offenbar gemacht nach der zuletzt angeführten Pliniusstelle , in der 136 unsere Handschrift statt qui nomen dedere Sublaqueo liest cui nomen dedere Subluco und aus der auch die sulfureae aquae genommen sind. Immer aber verdienen dergleichen Fälschungen des fünfzehnten Jahr- hunderts, wenigstens wenn sie auf bestimmte Namen alter Schrift- steller und sogar bekannter Handschriftensucher gestellt sind, eine gewisse Beachtung, da für die litterarische Thätigkeit dieser Zeit daraus sich Anknüpfungspunkte ergeben können.

1) puUa die Handschrift.

LXXII.

Zur Kritik der Geographie des Ptolemaeos.*)

Unter den 0 ertlichkeiten, welche Ptolemaeos 3. 3, 3 an der 297 Südküste Sardiniens aufführt, nennt er zwischen Sulci und Nora unter anderen auch Bioia kijutjv, wie die Ausgaben und die für sie ver- glichenen Handschriften, entsprechend auch die alte lateinische Ueber- setzung {Bioea portus) schreiben. Nur Cluverius merkt in seiner Sicilia et Sardinia antiquu (vom Jahre 1619!) p. 491 dazu an: in Vaticano exemplari legitur Bi&ia :i6Xig, welche Lesung er übrigens selbst, ebenso wie die gewöhnliche, für irrig hält. Die Herausgeber des Ptolemaeos haben sich weder um diese Lesung noch viel weniger um ihre Quelle bekümmert. Dagegen hat dieselbe eine überraschende Bestätigung erhalten durch einen bei dem alten Xora (jetzt Pula) gefundenen und zuerst im J. 1S31 herausgegebenen Meilenstein des Kaisers Philippus (Orelli-Henzen 5195 [C. L L. X 7996 = Dessau 5870]), den ich selbst im Museum zu Cagliari gesehen habe. Er stand an einer via, quae a Nora dticit Bitiae, und zeigt, da weder der falsche Casus noch die mangelnde Aspiration bei einer Inschrift dieser Epoche weiter in Betracht kommt, dass der Ort nicht Bioea hiess, sondern, wie die vaticanische Handschrift ihn schreibt, Bithia.

Eine derartige Abweichung von der constanten Vulgata zu einer zweifellos besseren und ebenso zweifellos nicht durch Conjectur ge- fundenen Lesung musste jedem, den die Kritik des Ptolemaeos angeht, wesentlich erscheinen, und die Ermittellung der Quelle schien ja nicht schwer. Indess die sämmtlichen Ptolemaeoshandschriften der Yaticana, welche Hr. Mau auf meine Bitte einsah, ergaben nichts als die gewöhnliche Lesung; und zu demselben negativen Resultat führte die Einsicht der sämmtlichen Handschriften der Pariser Bib- liothek durch Hm. A. Schöne, so wie die Einzeluntersuchungen, 298

') [Hermes 15, 1880, S. 297 300.;

698 "^^^ Kritik der Geographie des Ptolemaeos.

welche ich hie und da zu veranlassen Gelegenheit hatte. Schliesslich aber wies Herr Ch. Müller, an den ich mich wandte, mir im Vatican die, wie es scheint, in den Katalogen nicht verzeichnete Handschrift n. 191 etwa des 13. Jahrhunderts nach^ als die von Cluverius be- nutzte. Nachdem ich durch diese liberale Mitteilung des verdienten Gelehrten in den Stand gesetzt war die Untersuchung weiter zu verfolgen, fand sich in dieser Handschrift an der angegebenen Stelle eine Zeile mehr, als die Ausgaben haben, und die ganze Stelle in folgender Fassung:

XeQoövvjoog Xa L' Xe L'<5'

Bid^ia Xifxrjv Xa yo Xe L'/

BiMa jioXig Xa gd' Xe L'y'

'HgaxXeovg Xijuijv Xe L'/ Es wird also noch ein anderes Bedenken hiedurch gehoben. Die römischen Strassen nennen als Endpunkte ohne Ausnahme Ort- schaften. War Bithia blos Hafen, so konnte eine Strasse nicht füglich dort endigen, wohl aber, wenn an diesem Hafen eine gleichnamige Stadt lag, wie dies das vervollständigte Yerzeichniss des Ptolemaeos ergiebt.

Ich habe seitdem Veranlassung gehabt einige grössere Abschnitte aus jener Handschrift vergleichen zu lassen und daraus die Ueber- zeugung gewonnen, dass sie mit der von Jacob Aessler bei der Strassburger Ausgabe der lateinischen Uebersetzung von 1513 zu- gezogenen damals von Picus de Mirandola besessenen zusammen- gehört ^ und dass diese vaticanische Handschrift eine ähnliche Stellung in der Kritik des Ptolemaeos einnimmt, wie die des Escurial in der- jenigen des antoninischen Itinerars, das heisst, dass ihr Zeugnis» allein wenigstens ebenso viel wiegt wie das aller übrigen Hand- schriften zusammen.*)

1) Erst nachträglich fand ich, dass Nobbe in der litteratura geographiae Ptolemaeae (1838) p. 3 und in der Vorrede seiner sogenannten Ausgabe eine in der Leipziger Rathsbibliothek vorhandene Randcollation (p. 7 Graec. n. XIV, rep. T. 4. 67 des Naumannschen Katalogs) erwähnt, welche nach einer Mittheilung Heyses den Vat. 191 in unvollständiger Weise wiedergeben soll.

2) Freilich kehrt nicht alles, was die vaticanische Handschrift richtig hat, bei Aessler wieder, zum Beispiel heisst Bi&ta auch ihm Bioea.

*) [Es folgen einige Textproben aus B. 2 und 4 der Geographie sowie ein Werturteil über den Vaticanus. Ein Abdruck ist unterblieben, da inzwischen wenigstens der erste Teil der Müllerschen Ausgabe erschienen ist.]

Lxxm.

Z 0 s i m u s.*)

Dem der "Wissenschaft zu früh entrissenen Mendelssohn ist bei 533 seiner philologisch wie historisch trefflichen Ausgabe des Zosimus ein Versehen begegnet, auf das, da es leicht Schaden stiften kann, hier aufmerksam gemacht werden soll. Nach dem Vorgang von Jeep setzt er in der Vorrede (p. VII) die Abfassung jenes Geschichts- werkes vor das Jahr 502, weil Eustathius von Epiphania dasselbe in seiner in diesem Jahre herausgegebenen Chronik (die Fragmente bei Müller fr. bist. Graec. 4, 138 fg.) anführe. Aber Euagrius, durch den so gut wie allein wir von dieser Arbeit des Eustathius Kunde haben, sagt dies nicht, sondern 5, 37 (ähnlich, aber kürzer 5, 24) : og (Eusta- thius) inexQi rfjs ygaiprjg ravrrjg (bis zu dem Krieg gegen den Perser- könig Choades) lorogi^oag roig djuMovoi owagi^jueirai dcodexarov ezog rfjg 'Ävaoraoiov y.axaXeXoiJicog ßaoiXeiag. Dies giebt Malalas p. 399 richtig also wieder: Tiegl ov TioXefiov Evaxd'&iog .... ovvEyQo.- yjaro' öorig xal ev^ecog ixeXevxrjos fxrjTe etg reketov zrjv ex^soiv avrov ovvra^ag. Das Jahr 502 also ist das letzte von Eustathius behan- delte, keineswegs aber dessen Todesjahr. Andrerseits erwähnt Zosimus 2, 38 zweifellos, und nicht als einen Vorgang aus nächster Vergangenheit, die Aufhebung des Chrysargyrum durch Anastasius im Jahre 501^; es ist unmöglich mit Mendelssohn seine Worte auf die schon früher eingetretene Beseitigung des Follis der Senatoren zu beschränken. Demnach besitzen wir für Zosimus' Lebensdauer keinen sicheren Endtermin, werden ihn aber nicht im 5., sondern im 6. Jahrhundert zu suchen haben. Dasselbe gilt von Epiphanias, dessen Tod natürlich später angesetzt werden muss. Endlich Euagrius selbst scheint auch noch vor dem Jahre 601 gestorben zu sein; ein positives Datum aber fehlt auch für ihn.

*) [Byzantinische Zeitschrift 12, 1903, S. 533.]

1) Die Jahrzahl beruht auf Theophanes (p. 14, 3 de ßoor), J. d W. 5993 = n. Chr. 500/1 , ist also keineswegs sicher. Die Erlasse Cod. Tust. XI, 1, 1. 2 haben das Datum verloren.

LXXIV.

lieber die dem Cassius Dio beigelegten Theile der

Planudischen und der Constantinischen Excerpte.*)

I.

Die planudischen Excerpte.**) 82 Yon dem Mönch Maximus Planudes, der im 14. Jahrhundert in

Constantinopel mancherlei Compilationen angefertigt hat, giebt es bekanntlich auch eine solche historischen Inhalts, betitelt ovvaycoyi] ovXXeyEioa äjib öiacpoQcov ßißUcov jcagd tov oocpcüxdTOv xal Xoyio)xdrov xal rifiicoraTov iv fiova^oTg hvqiov Ma^ijuov rov Ilkavovdr} ndvv dxpeXijuog. A. Mai fand diese Compilation in zwei vaticanischen Handschriften, einer des 14. Jahrh. und einer jüngeren^; Kramer (Strab. praef. p. XLV) in der Pariser n. 1409; auch die von Heidel- berg nach Paris und Rom geführte, jetzt wieder in Heidelberg be- findliche Handschrift Nr. 129 des Sylburgischen Verzeichnisses muss wenigstens einen Theil derselben enthalten. Siebenkees und Kramer haben diese CoUectaneen für den Strabo benutzt; Mai hat im 2. Band seiner Scriptores (1827) p. 552 verzeichnet, was ihm daraus aus Cassius Dio herzurühren schien und das Ungedruckte davon daselbst p. 527 555 herausgegeben. Ausserdem finden sich darin nach den Angaben von Siebenkees, Mai und Kramer Stücke aus Plato, Aristo- teles, Pausanias, Dio Chrysostomus, Johannes Lydus, Basilius, Synesius und vielleicht noch aus manchen Andern; eine erschöpfende Unter-

*) [Hermese, 1871, S. 82 91.] **) [Die hier von Mommsen angeregte Frage ist seitdem öfters behandelt worden, zuletzt von Boissevain in seiner Ausgabe des Cassius Dio Bd. I (Berlin 1895) praef. S. CXI ff., wo auch die weitere Literatur verzeichnet ist. Das Haupt- resultat der Mommsenschen Darlegung hat sich dadurch als gesichert erwiesen.]

1) Nam tertii minor fruetus erat, fügt er in der Vorrede p. XXXV hinzu. Die von Siebenkees angegebene Bibliotheknummer Pal. 105 ist nach Mai irrig, was Kramer bestätigt; die richtige Nummer giebt Mai nicht an. [Genauere Angaben über die Hss. der Exzerpte macht Boissevain a. a. 0. S. CXHI f.]

Ueber Planudische und Constantinische Excerpte. 701

suchung der ganzen Masse hat meines Wissens nicht stattgefunden. 83 Die von Mai als dionisch herausgegebenen Bruchstücke sind seit- dem in die Ausgaben des Dio von Bekker und Dindorf übergegangen, wie es scheint, ohne dass die inuicta argumenta, auf Grund deren Mai (p. 427 vgl. praef. p. XXY) dieselben dem Dio beigelegt hat, ernstlich nachgeprüft worden wären. Dass dies nicht überflüssig gewesen wäre, soll hier gezeigt werden.

Planudes hat ofl'enbar diese Excerpte entweder aus einem ein- zigen im Allgemeinen chronologisch geordneten und von Romulus bis auf Gratian reichenden "Werk genommen oder, wenn aus ver- schiedenen Werken, selbst seine Auszüge in dieser Folge zusammen- gestellt. Wir betrachten dieselben zunächst nach den vier Zeit- abschnitten, in die sie sich zweckmässig zerlegen lassen: von Romulus bis auf den viriathischen Krieg; die sullanische Zeit; von dem mithra- datischen Krieg bis auf Elagabalus; von da an bis auf Gratian.

1. Die Fragmente, welche die Epoche von Romulus bis zum viriathischen Krieg betreffen, verzeichne ich hier, wie sie nach Mai in den planudischen Collectaneen auf einander folgen, da aus den gangbaren Ausgaben darüber keine Uebersicht zu gewinnen ist.*)

Mai fr. 1 Dindorf fr. 5, 2. 2 11,8.

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3

»

n

11,9.

n

4

»

n

13, 1 = E. 1, 9.

T)

5

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7)

17, 13.

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n

18,1.

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7

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19,2.

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8

n

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25,8.

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10

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25,9.

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11

n

r)

27.

r

12

n

r>

31, vollständiger bei Suidas u. d. W. Toqxov- äro?; = E. 2, 5.

ff

14

f)

30, aber in anderer Form.

r

n

18

n

n

34, vollständiger bei Suidas u. d. W. KbXtoi; = E. 2, 6.

n

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20

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35,6.

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35,-3.

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22

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36,9.

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26

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39, 2.

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27

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39, 2 am Ende.

*) [Vgl. jetzt Boissevain a. a. 0. S. CXIV ff.]

Mai fr.

33 ]

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702 lieber Planudische und Constantinische Excerpte.

Dindorf fr. 40, 17 = E. 2, 11.

84 34 40, 20 = E. 2, 11. 40, 41 = E. 2, 13. 40, 44, vollständiger bei Suidas u. d. W. 0a-

ßQixiog; = E. 2, 14. 43, 24. 71. 43, 28, vollständiger bei Suidas u. d. W.

PrjyovXog; = E. 2, 25. 44.

57, 27. 57, 37, ön IlrohjLiaiog Alyvnxov ßaodevg u. s. w.

56 du im IlToksjuaiov rov micpavovg 'Irjoovg 6 xov ^igax 'lovöacoig rrjv Tiavagsrov oo(piav sis'&ero.

57 Dindorf fr. 57, 41. 57, 44.

66, 5 = E. 4, 7. 66, 6 = E. 4, 8. 70, 1 = E. 3, 15. 80, genauer bei Suidas u. d. W. Bogiav^og;

= E. 4, 16. 66 ön juerd rov tzqcütov xrjg 'Pco/urjg ovvoixiojuöv e^axooio- ordv XQiaxooTOv nifxnxov exog enl xrjg exaxooxrjg e^axooxijg xExoLQxrjg fjv dXvjuTiiddog.

Diese Stücke dem Dio beizulegen ist Mai hauptsächlich dadurch veranlasst worden, dass nachher, wie wir sehen werden, dionische Excerpte folgen. Aber einmal werden diese, wie sogleich gezeigt werden soll, durch Auszüge aus dem Plutarch von der hier in Frage stehenden Masse geschieden. Sodann aber lässt sich auf das Be- stimmteste zeigen, dass unsere Bruchstücke, so wie sie liegen, einem um Jahrhunderte jüngeren Autor entnommen sein müssen. Dafür ist vor allem entscheidend, dass ein nicht geringer Theil derselben einfach aus dem Eutrop übersetzt oder vielmehr einer griechischen Metaphrase des Eutrop entlehnt ist; es sind dies die zwölf in dem Yerzeichniss mit E. bezeichneten Stellen, von denen hier zwei zur Probe stehen mögen.

85 fr. 40, 20 Eutrop. 2, 11

ön JJvQQog rovg xaxä rrjv judxfjv tietixco- Pyrrlius Romanos . . . occisos xoxag 'Pcojualovg smixeXwg Maips' xal sepelivif. quos cum adverso '&avjudCo)v cpoßsQÖv xov ei'dovg xcöv vulnere et truci vultu etiam

58

n

n

59

n

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60

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61

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64

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Ueber Planndische und Constantinische Eicerpte. 703

avdg&v eil diaaoil^ofjLeyov xal Sncog evav- mortuos iacere vidisset, ttdisse

jia jidvzsg £(peQov roavfiara, Xsyexai ad caelum mantis dicitur cum

dvarsivag eg ovgavöv rag ydgag roiomovg hoc voce se iotkcs orhis domi-

ev^ao^ai ol yeveodai avjufidyovg' gadicog num esse potuisse, si tales sihi

yoLQ av HQajrjOELE Ti]g oixovjuevijg. milites configissent.

fr. 66, 5 Eutrop. 4, 7

on IleQOEvg, voraxog ßaodevg Maxe- Ipse rex, cum desereretur ab

öovcag, y.arahjujiavo/uEvog ev reo .t^o? aniicis, venit in Pauli potesta-

'Pcojuaiovg no?Jjucp vnb xcbv otxeicov, tem. sed honorem ei Aeniilius

djioyvovg (pegüiv evEyeiQioev iavTov Atfii- Paulus consid non quasi victo

Ucp IIavX(p. 6 de neoeiv ßovXrj^evza hahuit, nam et volentem ad

TiQog ToTg yovaoiv aircov dvaaxijaag xai pedes sibi cadere non permisit

ejumoiv 'äv&QOiTK, xi fxov xa^igeig xb et iuxta se in sella coUocavit. xaxoQ-^cofxa;' em xivog ßaoiXixov ^govov ndgeögov avxco xaxeoxrjoaxo.

Diese beiden Stellen sind desshalb ausgewählt, weil wir von bei- den Anekdoten auch die wirklich dionische Fassung besitzen 40, 19 und 66, 4 Dind., die von der eutropischen wesentlich abweicht: zum Beispiel heisst es an der letzten Stelle : avxov eg xr]v 'A/MpuioXiv äyßevxa 6 IlavXog ovöev ovxe egyco ovxe Xöyq> deivöv eögaoev, äXXd xal ngo- ciovxi ol vnavaoxdg xd xe dXXa ede^icooaxo xal öfxooixov ejTOiTJoaxo, ev xe cpvXaxf] dÖeojuco xal ev '^egoTteia jioXXij fjye. Die eutropische Ueber- setzung ist nicht die noch vorhandene des Paeanius, sondern eine andere verlorene, vielleicht die des Capito aus Lykien, welche Suidas (u. d. W.) erwähnt, "Welche weiteren Quellen dem Verfasser vor- gelegen haben mögen, ist nicht mit gleicher Bestimmtheit zu sagen. Es ist der Annahme nichts im Wege, dass er den Dio neben dem Eutrop gebraucht hat, aber zwingende Gründe für diese Annahme finde ich wenigstens in den planudischen Excerpten nicht, und aus den dionischen Fragmenten müssen nicht blos die eutropischen, son- dern sämmtliche oben verzeichnete Excerpte entfernt werden. Sie 86 rühren von einem Schriftsteller her, der, da er eine Metaphrase des Eutrop ausschreibt, nicht vor dem Ende des 4. Jahrhunderts sein Werk verfasst hat; und es finden sich auch in der nicht beträcht- hchen Masse genug der Dinge, die Dios unwürdig sind und die eher an Malalas und Cedrenus erinnern so die symbolische Deutung der Ceremonien bei Roms Gründung fr. 5, 2; die alberne Erzählung von dem Ankläger des Camillus Februarius, dem zur Schande der Monat dieses Namens verstümmelt worden sei fr. 27 ; die Verstüm-

704 lieber Planudische und Constantinische Excerpte.

melung von Viriathus und Caepio in Borianthos und Scipio^ fr, 80; die Verschiebung der aus dem dritten punischen Kriege bekannten Belagerungsgeschichten in den ersten fr. 71; die Hereinziehung zweier die Ptolemäer und den Jesus Sirach betreffenden Notizen 57, 37 Dind. und 56 Mai. "Wir stehen hier schon im reinen Byzantinismus, in dessen Entstellung, AUegorisirung und Anekdotisirung des über- lieferten Stoffes die immer schwankenden Grenzen zwischen Ge- schichte und Roman vollständig verschwinden.

Es bleibt noch übrig den Namen des wahren Verfassers zu be- zeichnen, dem diese Bruchstücke gehören: und er liegt nicht fern. Schon Mai hat gesehen, dass das von Planudes ausgezogene Ge- schichtswerk auch dem Suidas vorgelegen hat und dass eine relativ beträchtliche Anzahl der von Planudes ausgezogenen Stellen bei diesem, und zwar grossentheils vollständiger, wiederkehrt^. Zur Er- mittelung des Verfassers hilft dies freilich nicht weiter; denn keinem dieser Fragmente hat Suidas den Namen des Verfassers beigesetzt. Aber eines derselben, das Planudes (fr. 80 bei Dindorf) und in mehr authentischer Form Suidas aufbewahrt haben es ist das schon erwähnte von Borianthos, das ist von Viriathus handelnde kehrt in wörtlicher Uebereinstimmung mit Suidas wieder in den constantini- schen Excerpten de consiliis, und zwar hier unter den Auszügen aus dem Johannes von Antiochia (fr. 60 p. 559 Müll.). Auch hat man längst bemerkt (Müller 4, 538), dass eine der Hauptquellen dieses Schriftstellers eine griechische Bearbeitung des Eutrop ist; und zwar eine von der noch vorhandenen verschiedene. Also nicht den Cassius Dio hat Planudes hier excerpirt, sondern den Johannes; und alle 87 Merkmale, die gegen die Autorschaft Dios sprechen, passen umgekehrt yollkommen auf diesen späten christlichen Scribenten.

2. Die bei Planudes aufbehaltenen Fragmente, welche von dem mithradatischen Kriege Luculis bis auf Elagabalus reichen, sind un- zweifelhaft dionisch; an drei Stellen werden die Auszüge eingeleitet mit öu Aicov, welche Stellen in der That bei Dio 44, 2. 72, 23. 75, 4 erscheinen, und auch die grosse Masse der übrigen Auszüge findet bei Dio, wie wir ihn besitzen, sich wieder. Die wenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, hat Dindorf in seiner Ausgabe Bd. 5 S. 234 236 zusammengestellt 3; es ist nicht zu bezweifeln, dass auch diese

1) SxrjjiLwv haben Planudes und Suidas; Dindorf hätte es nicht in Kamicov ändern sollen.

2) Unter den Worten dfivoostv, cbioaTvyovvTSS , BoQiavd^og , Bqevvo? , KsXxoi, PiqyovXog, ToQXoväto?, ^aßgixiog, ^eßgovagiog.

3) Es sind dabei die Stellen, die Mai als unedirt gegeben, aber Dindorf am Rande bei Dio nachgewiesen hat, in Abzug zu bringen. Durch Versehen, wie

Ueber Planudische und Constantinische Excerpte. 705

dem Dio angehören. Aber daraus folgt noch nicht, dass Planudes oder des Planudes Gewährsmann für diesen Abschnitt den vollstän- digen Dio vor sich gehabt hat; ja es lässt sich das Gegentheil be- stimmt erweisen, so weniges auch aus diesem Abschnitt gedruckt vorliegt. Die vier ersten Excerpte dieser Masse hat Mai als fr. 74 77 abgedruckt; von diesen ist fr-, 76 zusammengestellt aus Dio 36, 30, 3 und 36, 37, 1, ganz ebenso wie diese beiden Stellen in Xiphüins Auszug verschmolzen erscheinen, und ebenso wird, wer vergleicht, sieh leicht überzeugen, dass fr. 77 identisch ist mit dem xiphilinischen Auszug von Dio 36, 43. 44. Ebenso stimmt fr. 75 wörtlich mit der xiphilinischen Fassung, die statt der verlorenen dionischen jetzt bei diesem 36, 3 a eingerückt ist. Nun hat freilich der Yerfasser dieser Compilation nicht den Xiphilinos benutzt, da er viele bei diesem nicht vorkommende Stellen aus Dio beibringt; aber ein älterer Auszug aus Dio muss die gemeinschaftliche Quelle der xiphilinischen wie der planudischen Excerpte sein. Diesem ältesten Compilator selber aber haben von Dios grossem Werke wohl die fi-üheren Bücher nicht vorgelegen, da Xiphihnos wie Planudes ungefähr an derselben Stelle mit dem J. d. St. 685, nicht bedeutend vor dem jetzigen An- fangspunkt der dionischen üeberreste, anheben.

3. Dass für die suUanische Epoche von Planudes oder dem Ge- währsmann desselben nicht Dio, sondern Plutarchs Sulla benutzt ist, hat Dindorf (Yorrede zu Bd. 5 S. YII) richtig ausgeführt imd zu- gleich nachgewiesen, dass bereits die Compilatoren des Porphyro- gennetos das dionische Werk in ähnlicher Weise durch den Sulla 88 des Plutarch ergänzt vorgefunden und ausgezogen haben. Gewiss hängt diese Ergänzung des dionischen Werkes durch die plutarchische Biographie Sullas zusammen mit der oben ausgeführten Wahrnehmung, dass für die zweite Hälfte desselben schon in ziemlich früher Zeit das J. 678 d. St. der faktische Anfangspunkt geworden ist. Der Abschnitt desselben, der von Sulla handelte, muss früh verloren ge- gangen und so als Surrogat diese litterarische Combination eingetreten sein. Dem Plutarch gehören bei Planudes die Excerpte 67 72 nach Mais Zählung; ausser denen, die bereits Dindorf (Bd. I S. 143—146) mit Recht aus der Reihe der dionischen Fragmente gestrichen hat, ist noch ferner zu tilgen fr. 103, l = Plutarch Süll. 14. Wenn in dem zweiten dieser plutarchischen Fragmente 68 Mai := p. 1 43 Din- dorf als Gewährsmänner Xivius imd Diodoros' angeführt werden, so

es scheint, fehlt bei Dindorf das Excerpt p. 553 fr. 78 Mai, das zwischen 54, 21 und 23 gestanden haben soll, beginnend: ort KoQvr)liov zivog cuziav naoa xov

Kataaoo; u. s. w. ; es ist gewiss dionisch.

II

MOIIMSEX. SCHR. VU.

45

706 Ueber Planudische und Constantinische Excerpte.

kann die Nennung des ersteren darauf zurückgehen, dass Plutarch im Sulla c. 5 sich auf ihn beruft; die Erwähnung Diodors in dieser Verbindung ist wohl nichts als Confusion des späten Byzantiners, aus dem Planudes hier schöpft, oder auch des Planudes selbst. Das planudische Fragment 73 Mai = 106, 2 Dindorf, den Untergang der sibyllinischen Bücher bei dem Brande des Capitols im J. 671 betreffend, ist nicht aus Plutarch, und da es genau auf der Grenze steht zwischen den plutarchischen und den dionischen Excerpten, kann es der letzteren Masse beigezählt werden; aber da diese, wie wir sahen, wahrscheinlich erst mit 685 anhob, so ist vermuthlich diese Notiz aus irgend einer dritten Quelle hier eingelegt.

4. Die planudischen Excerpte reichen bis über die Zeit hinab, wo Dio schliesst; die wenigen in diese Epoche fallenden Stücke, von denen das jüngste den Kaiser Gratian betrifft, sind bei Dindorf 5, 233 abgedruckt.

Es hat also Planudes, wofern er selbst hier verschiedene Quellen- werke nach einander in historischer Folge ausgezogen hat, zunächst den Johannes Antiochenus benutzt, ferner von Sulla ab einen zu Anfang aus dem Sulla Plutarchs vervollständigten Auszug aus Dio, endlich eine mindestens bis auf Gratian hinabgeführte Fortsetzung der dionischen Annalen. Aber es kann auch sein, dass er alle diese Auszüge einem einzigen Geschichtswerk entlehnt hat, welches in die- sem Fall kein anderes sein kann als das des Johannes Antiochenus. Ohne eine eingehende Untersuchung über die Frage anstellen zu wollen, ob auch die Auszüge aus Plutarchs Sulla und aus Dio wie 89 aus der Fortsetzung desselben dem Planudes durch Vermittelung des Johannes zugekommen sind, bin ich doch geneigt dieselbe zu bejahen. Dass Dies Name einigen Auszügen bei Planudes vorgesetzt ist, steht nicht entgegen; wenn Johannes, wo er den Dio zur Hand nahm, ihn als seinen Gewährsmann namhaft machte, so konnte dies den Planu- des bestimmen seine Auszüge auf den Dio zurückzuführen. Johannes hat für die Kaisergeschichte bis auf Marcus nach Ausweis seiner zweifellosen Fragmente den Dio oder auch einen daraus geflossenen Auszug fast ausschliesslich benutzt und es scheint nichts im Wege zu stehen, die betreffenden planudischen Excerpte als durch Johannes aus Dio übernommene zu betrachten. Yon Commodus an folgt aller- dings Johannes in den gesicherten Ueberresten hauptsächlich dem Herodian, während in den planudischen Excerpten auch hier Dio vorwaltet; aber einzeln erscheinen in dem von Herodian erzählten Zeitabschnitt doch auch in den andern Fragmenten des Johannes dionische Auszüge (so fr. 134 Müll.) und man wird wegen dieser

Ueber Planudische imd Constantinische Excerpte. 707

allerdings befremdenden Discrepanz eine sonst fast unabweisliche Combination nicht aufgeben dürfen. Bevor die planudischen Excerpte vollständig durchgearbeitet sind, ist die Frage allerdings nicht end- giltig zu entscheiden. Es ist der Zweck dieser Notiz einen unsrer jüngeren Fachgenossen, der Zeit und Gelegenheit dazu hat, zu dieser Arbeit zu veranlassen, die nicht überflüssig sein wird, sollte sie auch mehr dazu führen schlechte Münze aus unserem Bestände zu ent- fernen als diesen selbst zu mehren.

n.

Die Excerpte des constantinischen Titels de sententiis*)

Genau dasselbe Versehen, das hinsichtlich der planudischen Ex- cerpte stattgefunden hat, Auszüge aus dem Johannes für solche aus Dio auszugeben, hat Mai auch in dem Titel de sententiis der con- stantinischen Sammlung sich zu Schulden kommen lassen. "Was er davon dem Dio beilegt, zerfällt in zwei Massen. Die erste, von der Vorrede bis auf die Schilderung der cannensischen Schlacht reichend, ist unzweifelhaft aus dem vollständigen Dio geflossen. Die zweite (p. 197 246 Mai, vollständig wieder abgedruckt in dem 5. Bande der Ausgabe Dindorfs S. 181 232) reicht von Augustus bis Con- stantin und kann also selbstverständlich wenigstens in der zweiten Hälfte dem Dio nicht gehören. Aber dass auch derjenige TheU, der dem Inhalt nach mit Dio zusammentrifft, wohl materiell aus dessen 90 Werk entlehnt, aber von den Compilatoren nicht aus Dio, sondern aus einem seiner Ausschreiber entnommen ist, und zwar eben aus dem Johannes, hat eigentlich schon K. Müller in den fragm. histor. 4, 191 nachgewiesen, obwohl er sein eigenes Resultat nicht gelten lassen will. Schon Mai wies auf die enormes varietates lectionis hin, die dieser Abschnitt verglichen mit Dio darbietet, weshalb er ihn eben auch ganz hat abdrucken lassen; man braucht nur hineinzu- sehen, um sich davon zu überzeugen, dass diese Abweichungen nicht von den Eklogarien Constantins, sondern von einem älteren und freier arbeitenden Epitomator herrühren. Müller wies weiter hin auf das den Caligula betreffende Fragment p. 204 Mai, p. 186 Dind., das wohl aus Dio 59, 22, 4 geflossen ist, aber in der Fassung keines-

II

*) [Auch den hier erbrachten Nachweis, daß die zweite Excerptenmasse undionisch ist, hat die weitere Forschung bestätigt. Dagegen ist ihre Zuweisung an Johannes Antiochenus widerlegt und für diesen vielmehr Petrus Patricius an die Stelle gesetzt worden von Boissevain, De excerptis Pianudeis et Constanti- nianis , Rotterdam 1884 und besonders de Boor , Byz. Zeitsc^. I (1892) S. 13 flF.]

45*

708 Ueber Planudische und Constantinische Excerpte.

wegs mit Dio, dagegen wörtlich mit einem sicheren Bruchstück des Johannes (fr. 83 bei Müller) stimmt. Also wird was in dem Titel jiegl yvcofx&v von römischer Kaisergeschichte sich vorfindet, aus dem Johannes genommen sein. Für den nachdionischen Abschnitt sprach schon Mai diese so nahe liegende Vermuthung aus; Müller verwarf sie, weil Johannes Chronik von Adam bis zum Schluss des 6. Jahr- hunderts n. Chr., hier aber die Erzählung nur von Augustus bis Constantin reiche; weil sie hier ausführlicher sei als sonst bei Johan- nes und weil Johannes in dem Abschnitt von Commodus bis Gordian aus Herodian schöpfe, was hier nicht der Fall sei. Er hat es darum vorgezogen diese Fragmente einem Anonymus qui Dionis historias continuavit beizulegen (4, 191 199) und sie von denen des Johannes getrennt. Aber das erste seiner Argumente ist nichtig, da die frag- lichen Excerpte am Anfang wie am Schluss defect sind. Sehr wesent- liche Verschiedenheit ferner in der Behandlung des Stoffs kann ich zwischen den sicheren Fragmenten des Johannes und den hier in Frage stehenden nicht finden. Das Gewicht des letzten von Müller beigebrachten Arguments verkenne ich nicht; es ist auffallend, dass die Spuren Herodians in diesen Bruchstücken sich nicht vor- finden, wie dies auch in Betreff der gleichartigen planudischen Ex- cerpte schon eingeräumt werden musste. Dass die die Kaiserge- schichte betreffenden Excerpte des Titels de sententns aus derselben Quelle geflossen sind wie die planudischen, ist evident; wie denn auch Dindorf, ohne sonst den Sachverhalt zu erkennen, wenigstens die drei nachdionischen den Maximianus, Constantin und Gratian be- treffenden Bruchstücke bei Planudes richtig mit den entsprechenden 91 Fragmenten des constantinischen Titels combinirt hat. Aber auch die Zurückführung beider Massen auf den Johannes von Antiochia scheint mir kaum einem Zweifel zu unterliegen.

Ueberhaupt wäre dringend zu wünschen, dass einer unserer jüngeren und weniger beschäftigten Genossen es sich angelegen sein Hesse dem unbillig vernachlässigten Johannes die Wohlthat einer gesonderten Sammlung und Bearbeitung zuzuwenden, wobei dann auch sein Yerhältniss zum Xiphilinos und vor allem zum Zonaras, der ihn entschieden gebraucht hat, ins Auge zu fassen wäre; ferner seine Benutzung durch Suidas, unter dessen anonymen die römische Geschichte betreffenden Citaten eine grosse Menge ans dem Johannes sein muss.*) Dios Geschichtswerk nimmt in der späteren griechischen

*) [Hierzu schreibt mir de Boor: , Obwohl in der Zwischenzeit die Anti- ochenus- Frage namentlich in den ersten Bänden der Byz. Zeitschr. sehr lebhaft

üeber Planudische und Constantinische Excerpte. 709

Litteratur einen ähnlichen Platz ein wie Livius in der lateinischen; das Epitomiren des Werkes und wieder der Epitomen desselben einer- und das Fortsetzen andrerseits ist die Geschichtschreibung dieser Epoche: und eines der wichtigsten Glieder in dieser Kette ist Johannes von Antiochia.

ventiliert worden ist, fehlt es zur Erfüllung von Monunsens Wünschen noch an jedem Fundament."]

LXXV.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.*)

323 Nachdem ich vor einiger Zeit in diesen Blättern (oben S. 82 fg.

[700 f.]) gezeigt habe, dass verschiedene bisher für dionisch geltende Excerptenmassen vielmehr dem Johannes von Antiochia gehören, bin ich jetzt durch freundliche Mittheilung anderer Forscher in den Stand gesetzt über diesen nicht unwichtigen Chronisten des 7. Jahrhunderts einige aus Handschriften geschöpfte Nachträge vorzulegen, die den auf diesem Gebiet thätigen Arbeitern willkommen sein werden,

I.

Den ^^ ersten dieser Nachträge verdanke ich Herrn Professor Schäfer in Bonn und glaube ihn hier nicht unterdrücken zu dürfen, obwohl er in der kürzlich in Bonn erschienenen Inauguraldissertation des Herrn Dr. A. Köcher^ bereits Erwähnung gefunden hat. Ale- mannus theilte in seinem Commentar zu Prokops Anekdotis aus einer vaticanischen Handschrift zwei Bruchstücke unter dem Namen des Johannes von Antiochia mit, die in den sonst bekannten Fragmenten desselben nicht wiederkehren und die, da sie Justinian betreffen, von Müller vermuthungsweise dem damals unbekannten Schluss des con- stantinischen Titeh TieQUmßovXöjv beigelegt und also als fr. 217. 218 seiner Sammlung der Fragmente des Johannes einverleibt wurden. Indess von Verschwörungen handeln diese Bruchstücke nicht, und in den inzwischen vollständig bekannt gewordenen wirklich von Johannes herrührenden Excerpten dieses Titels haben sich die beiden

*) [Hermes 6, 1872, S. 323-383.]

1) De loannis Antioeheni aetate fontibus auctoritate Bonn 1871. Mir lagen durch Herrn Schäfers Güte dieselben von Herrn Dr. Kruse in Rom herrührenden Mittheilungen vor, aus denen Herr Köcher geschöpft hat.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 711

alemannischen nicht gefunden. Andererseits haben die auf Herrn Schäfers Yeranlassung im Vatican angestellten Nachsuchungen die von Alemannus benutzte Handschrift wieder ans Licht gezogen; es ist cod. Vat. Graec. 96 saec. XIV oder auch der wahrscheinlich aus 324 dem eben genannten abgeschriebene cod. Vat. Palat. 93 ebenfalls saec. XIV. Der erstere enthält nach den ßioi (pdoo6(pojv des Diogenes Laertius und den ßioi ooqpiojcöv des Philostratus die ägyaioloyia 'Icodvvov 'AvTioyewg eyovoa xal diaod(pr}oiv rdtv fiv^evofxevoiv, welche nach der salmasischen Abschrift cod. Paris. 1763 bei Gramer (anecd. Paris. 2, 3S3 401) und nach ihm von Müller abgedruckt ist^ Diese Auszüge füllen in der Handschrift 96, in welcher eine übrigens am Rande bemerkte Blattversetzung stattgefunden hat, die Blätter 99 102. 106 111. 103; auf sie folgen andere aus dem Agathias, denen der Name, wenn auch erst von zweiter Hand, vorgesetzt ist, auf den Blättern 103' 105. 112 114'; daran schliesst sich die noixiXr] imogia Tiegl Ccocov idiojrjTog von Aelian. Die fraglichen beiden Fragmente^ bilden den Beschluss der Fragmente des Agathias, und werden also zunächst bei diesem zu suchen sein. In der That ist das zuerst stehende (fr. 218 bei Müller) zusammengesetzt aus den Angaben des Agathias p. 301, 6. 303, 5. 305, 16, und auch das zweite nichts als eine allerdings sehr willkürliche Redaction des von Agathias p. 332 fg. mitgetheilten Schreibens Justinians an den Hunnenfürsten Sandilchos; womit also diese Frage ihre Erledigung gefunden hat.

1) Dieselbe findet sich auch in dem Neapolitaner Codex 1. E. 22, wie nach Bachmann Müller a. a. 0. p. 235 bemerkt hat. Wenn Köcher sagt: inedita res- tant ea fragmenta (des Johannes), quae codicibus Neapolitano, Vaticano et Escuria- lensi insunt, so ist dies von den spanischen abgesehen falsch; denn die vaticanischen wie die neapolitanischen sind ja nichts als die wohlbekannten, auch von Köcher eben vorher angeführten salmasischen. Von den Johannes- fragmenten der vaticanischen Handschrift 96 hat Hr. Kruse eine Collation ge- nommen : zur Probe gebe ich die Abweichungen des fr. 200 Müller. § 1 tw^ im- diScoai] (bg i:Ti ri diScooi t^ Avyovaxi] tov vor Ma^iuov wie vor 'Aertov fehlt TOV ßaodeoig] tov ßaadsa (wie der Salm.) § 2 ovTog] ovTCjg Evdo^ia] i) Evdo^ia OTi nach (prjalv fehlt Tr;v :töXiv] ttjv te nöltv Ttjv ^vyaxioa] xa; ^'yaTsgag ßaadscog] tov ßaodscog. Der Text wird hie und da in Kleinigkeiten berichtigt, wie man sieht; wesentlich Neues giebt die Handschrift nicht. Die neapolitanische ist auf den Johannes noch nicht untersucht; doch wird sicher von ihr dasselbe gelten. [Über die Handschriften der sog. Exzerpta Salmasiana und ihr Verhältnis zu einander s. jetzt C. de Boor, Zu Johannes Antiochenus im Hermes 34, 1899, S. 298 ff. und 480. Derselbe teilt mir mit, daß er die voll- ständigen Kollationen besitzt.]

2) Die Abweichungen der Handschrift von Müllers Text theilt Köcher p. 2 mit, ohne auf das Verhältniss der Stellen zu dem gedruckten Agathias weiter sich einzulassen.

712 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

325 n.*)

Von positivem Werthe sind dagegen die jetzt endlich vollständig bekannt gewordenen Fragmente des constantinischen Titels Ttegl emßovköjv. Von diesem scheinen nur zwei Handschriften sich er- halten zu haben, die Pariser N. 1666 und die der Bibliothek des Escurial I. ü. 11. Jene enthält nichts als die Auszüge aus dem Johannes von Antiochia und auch von diesen fehlt der Schluss; ihr Inhalt wurde zuerst durch J. A. Gramer (1839) ans Licht gezogen. Die Inedita der Madrider Handschrift sind bekanntlich durch K. Müller und A. Feder grösstentheils bekannt gemacht worden; durch einen wunderlichen Zufall indess wurde von beiden der in der Pariser Handschrift fehlende Schluss der Excerpte des Johannes übergangen, nicht minder die Auszüge aus dem Johannes Malalas und dem Georgius Hamartolus. In Folge dessen ersuchte ich Herrn Professor Geppert bei der von ihm für andere litterarische Zwecke unternommenen Reise nach Spanien auch diese seinen eigenen Studien fern liegende, aber für den Historiker empfindliche Lücke auszufüllen; und kurze Zeit darauf sandte mir derselbe die mit grosser Sorgfalt gemachte Abschrift sowohl der Schlussstücke des Johannes ^ wie der gesammten Auszüge aus Malalas. Die beste Anerkennung dieses mühevollen und mit Aufopferung eigener Interessen von Herrn Geppert den ferner stehenden Fachgenossen erwiesenen Dienstes schien die schleunige Bekanntmachung alles dessen zu sein, was von diesen Abschriften für den Druck geeignet ist^, indem auch ich nicht blos

*) [Die in diesem Abschnitt edierten und commentierten Exzerpte aus Johannes von Antiochia sind inzwischen von de Boor (Excerpta historica iussu Imp. Constantini Porphyrogeniti confecta, vol. III: Excerpta de insidiis, Berlin 1905) S. 138 S. auf Grund einer neuen Collation der Madrider Hs. herausgegeben worden. Dennoch erschien es wünschenswert, diesen Abschnitt unverkürzt wiederzugeben, da der historische Commentar, mit dem Mommsen die Exzerpte ausstattete, unersetzt ist, aber ohne den Text der Exzerpte nicht voll verständlich sein würde. Text und kritischer Apparat sind nach der genannten Ausgabe revidiert, die Abweichungen von Mommsens Ausgabe aber nur in Ausnahmefällen ausdrücklich bezeichnet worden.]

1) Nach Abschluss der Arbeit geht mir der fünfte Band von K. Müllers fragmenta historicorum Graecorum zu, der die Fragmente des Johannes nach den Abschriften des Herrn Bussemaker bringt. Ich habe die Mittheilung in diesen Blättern dennoch nicht unterlassen, da jenes Werk wohl manchem, der sich für diese Forschungen interessirt, nicht zukommen wird, auch die neuen Bruchstücke des Malalas darin so gut wie ganz fehlen.

2) Herr Geppert verglich auch Müllers fr. 214 §1-6 [FHG IV S. 620f.] mit dem gedruckten Text und bemerkt daraus folgende Variauten: § 1 xai

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 713

andere dringende Arbeiten zurückstelle, sondern auch Bruchstücke bekannt mache, die sachlich und spracbUch wohl einen geeigneteren Herausgeber hätten finden können. Indess in letzterer Hinsicht habe ich meinen Freund Hercher auch hier, wie so oft schon, um seinen kundigen Beistand ansprechen können; die unten mitgetheilten 326 Yerbesserungsvorschläge gehören, so weit sie irgend von Belang sind, ihm alle an. AVas aber die sachliche Erklärung anlangt, so werden die von mir hinzugefügten historischen Erörterungen wenig- stens insoweit genügen, als sie über das Yerhältniss der neuen Berichte zu den früher bekannten orientiren; was weiter erforderlich ist, wird schon von den Beikommenden gehörigen Orts nachgetragen werden. Yielleicht darf ich diese daran erinnern, dass nicht freie Wahl, sondern der Zufall und die in dem Zufall liegende Verpflich- tung mich zur Herausgabe dieser Stücke berufen haben.

In Betreff der Beschreibung der Handschrift habe ich dem sorgfiiltigen Bericht Feders (excerpta e Polybio u. s. w. Darmstadt 1848—1855) p. IV fg. nichts hinzuzusetzen. [Vgl. de Boor S. Xf.]

'Yjidjov de Tov Aoyyivov xaiu rov e^rjg änoöeöeiy fievov yQÖvov, f. 148 o TC 0£odc6or/og tiolXiv eig djidoraoiv eiöe xal rd ::ieQl rr/v Ogdxrjv eXv/xaivero xwQia, xal 6 Zrjvoiv tiqoq röv ""Odoaxgov ro twv 'Pöycov eTcaveoxrjoe yevog, (hg eyvco rovrov :ioög zriv 'IXXov ovjujuayiav Tiaga- 5 oxsva^öfzevov. ka/ujigdv de dvadrjoa/nevcov vixrjv tcöv 71€qI tov 'Odoaxgov, JiQOohi de xal nEfJ,xpdvTCOv öcöga rcp Zt]V(ovi xwv Xaqw- Qcov, OMongoonoirjodfievog ovvrjdero xöig ngax&sTocv. oi de xfj 'IXXov xal Aeovxiov Jigooedgsvovxeg TioXiogxiq juexd emxvxeiv xov dvxt- (pgovgiov TioXXdig jurjxav^fJ'aoiv eygwvxo. dvxixa&eCo/uevcov de xcöv

10 oxgaxevjudxcov xal ig Xoyovg cpiXiovg ovvfjX&ov "IXXovg xe xal 'loidwrjg 6 2!xv'&r]g, xal ygdf.i/uaxa Jigog xov Zi]vcova öiejiefj,if'axo vTio/uijuvt]- oxcov avxöv xfjg ngoxegag evvoiag. (bg öe ovöev JiXeov edga, av&ig ev xo7g ojiXoig iyevovxo. xco de e^i]g exet Seodwgiyog enaveXdoiv ex Noßcbv eoxgaxoTiedevoev ev x0 XeyojLievw 'Prjyicp xal xaxaxgeyei

15 xd 7i).r}Giov. 6 de ye Zrjvoiv ßovXo/iievog avxöv vnoxXlvai, fjv elxev

11 [SisnsfiyjaTo (sc. 'IXäovs) de Boor, öiesrsftipavTo die beiden Hds.] \] 12 mit ai'Tov bricht die Pariser Hds. ab. i| 14 xarargixei] xaTeg^erai Hds. [de Boor im

Text]

'I/./.OV statt xaxä tov 'IXXov (wie die Pariser Hdschr.) § 2 o* 8e dij äilot statt Ol 8k äD.oi § 3 viä xov avxov ä^ioxTEivavrog statt oia xov avxov cutoxxtivavxa ßovotpavxiavaig statt ßovo(faxiavatg. § 6 xao8ä).o}v statt xao8äu(ov. [Dies Stück jetzt bei de Boor S. 136 f.]

714 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

avrov ädelcptjv rfj ßaodidi ovvdiaircojusvrjv äjiSTiejUJiev en nolefxovvri ä/xa noXXcö itkovicp, ojioxeqov MeXot didovg' ix rovde voeiv rjv cbg q)do7ioiov/uevog eri. juetd de xrjv OeodcoQixov xfjg JioXiogxiag djiaXlayrjv "Av&ovoa fi xov 'IXkov d'vya.xrjQ ev xcb cpQovqicp /xerrj}.-

20 Xa^EV, e^ ovTisQ judXiora 6 'IXXovg xaxooXiycoQsi x'^g cpvXaxrjg xcov

327 evöov. xai 6 xcov üegocüv ßaodevg UeQoCrjg T ßiovg xQOvovg juexd

xov Jtaxega 'lodiyegdrjv ßaodevoag heXevxrjoev ev xcb jiQÖg xovg

öjuoQOvvxag Ovvvovg noXe/uo). evög de diayevojuevov XQOvov Kaßd-

dr]g xrjg ßaodeiag xgaxeT, dXXd xai avxög £| emßovXiig x&v ev xeXei

25 xivcöv xfjg fjyeixoviag (hod'elg ev cpQovQiq) xad-eiQX'&i]- exei'&ev xe

f. 148' Xd'&Qa diaq)vydiv Jigög xovg || Kadiorjvovg Xeyo/uevovg Ovvvovg d(pixveT-

xai xai öl' avxcbv av'&ig xrjv ßaodeiav xxrjodjuevog xovg emßovXev-

oavxag dvedev. enQd'/pri de xai fj xov q)QOVQLOv Xegqig xaxdXrjxpig

XQOTicp xoiüide. 'Ivöaxbg 6 Koxxovvrjg ndXai xr]v uQoöooiav jueXexdJv,

30 äfia de xai xyjv cpvXaxrjv xov egvjuaxog emxexQajujuevog , jieid-et xov 'IXXovv e^co xov (pQOVQiov xovg djicp" avxov Jiagaoxevdoai , (bg dr} x(bv evavxicjov did xrjg vvxxög emovxwv, avxov xe ä/xa Äeovxico ev xcö ovvTJ'&ei xaxevvao'&fjvai xoixcbvi. o de vvxxög emXaßojuevrjg did xov TjQefiovvxog juegovg xaXcodiov xa^elg xovg evavxiovg dvdyei. xai

35 TiQcbxa juev ol xcov jivXcöv (pvXaxeg dnoocpdxxovxai , eneixa ßorjg dxovo'&eiorjg, (bg e'&og eoxl 'Pco/xaioig Xeyeiv, ' Zrjvojv Avyovoxe xov^ ßixag' JtaQaygrjjua juev 'Ivdaxög xai ol ovv avxco Ttgodövxeg dvai- Qovvxai, 'IXXovg de xai Äeövxiog eig xejuevog xov judgxvgog K6va>- vog xaxacpevyovoiv. xai xov Aeovxiov ßovXrj'&evxog dveXeiv eavxöv

40 eneoxev 'IXXovg' cbg de eig avxovg yjX'&ov ol evavxioi, Jigög ßiag exßdXXovxai xai ^vXonedaig de'&evxeg vnb xcöv axQaxioixwv äyovxai. xai 6 [lev 'IXXovg noXXd xai elncov xai ödvgdjuevog fjxrjoe xovg negl IlavXov xai 'IXXovv xovg dovXovg avxov yevojuevovg x6 juev xfjg '&vyaxQÖg ocojua ev Tagoäf xaq)fj dovvai, xrjv de yajuexrjv dvv-

45 ßgioxov cpvXd^ai xai xov ovxoig evvovv yevojuevov Kövcova xov dvdqa cpeidovg xv^eTv. ol de ojiovdaiwg xavxa ejiexeXeoav xai x6 juev oöjjua ovv xi] 'IXXov yajuexfj xai xfj naidl GexXt] eig evxxrJQiov xcöv y naidoiv ev Tagoä) dneoatoav , avxovg de juixqÖv e'ia> xov cpQOVQiov Xaßovxeg xai jioXXd jzgög d'eTov ovv ddxgvoiv djiemovTag

50 xai xdg x^^QO.? ^^g xöv ovqavöv dvaxeivavxag xcöv xecpaX&v dnexejuov. doxQajial de xai ßqovxal ovv yaXd^tj xai dve/xco xaxd xwv nagovxcüv fjvex'O'rjoav , xai 6 dveXwv avxovg e^eoxt] xai ävavdog ev Tagocö

17 i]v Müller, t} Hds.] H 20 xatcoliyögei Hds. || 21 [| vermutet Müller] || ßiovs zu tilgen || 23 6[xoQoovvxag Hds. || 29 'Mavxbg Hds. || 32 avxög Hds. || 49 laßövxsg] dyayovxeg ?

Brachstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 715

exofua^. Zijvcov de tag xecpaXäg tovtcov ds^d/aevog dvrixov rfjg noXecog äveoxoXomosv xal Kovcova ^avfidaag ^eQa:ieiag d^iovodai 328

ö5 VTOOoeza^Ev. d/x' 6 jmv eqr^ xdv -^dvarov 'IX Xov te xal Aeovriov i.\A^ fxa'&eTv xal anaoa^ag iavxöv djießiov. 6 de ßaadevg öeivwg äjiaai TÖig dXovoiv hceitjei rovg juev dvaigaw ;^vdi7v, xovg de jfov oi'oubv äXkozQi&v. To de BijQivTjg oatjua ig rrjv Kcovoravxivov ßaaiXixcbg exrjdevoe, xal Jigög xw xov dvdoog xaxa^e/uevog juvrjjuaxi Ävyovaxav

60 ovo/xd^eodai diexeXevoaio. nXelord xe xcbv ev 'laavoiq (pQovoiwv xaxeXvoev, xal ol xfjg 'IXXov xexoivwvnxozeg Jioodooiag oixxiaxoig dicoXovxo davdxoig, Koxxovvrjg xe o deiXaiog xal Kovoiv 6 dygecljxtjg xal Äoyyivog 6 xov Aoyyivov naig xal 6 Tgoxovvdov vjiaojiioxijg 'ÄQxe/LudaiQog.

Das Bruchstück*) berichtet den Ausgang des einst so mächtigen Isauriers Illus. Johannes erzählt in den schon bekannten Auszügen, wie Illus mit dem Leontius, den er vergeblich versucht hatte an Zenos SteDe auf den Kaiserthron zu setzen, mit der Schwiegermutter Zenos und der erbittertsten Feindin desselben, der Yerina und seinen sonstigen Getreuen in dem festen Schloss Cherris ^ von dem Feldherrn Zenos Johannes dem Skythen belagprt wird, wie während der Belage- nmg Zenos Schwiegermutter und ein anderer seiner Getreuesten Namens Marsus^ rasch nach einander starben, Illus und Leontius, den Muth verlierend, jener sich mit Bücherlesen beschäftigte, dieser 329 nichts that als klagen und jammern, während sie die Yertheidigung dem Indakus Kottunes überliessen, der in früheren Jahren als Haupt- mann einer Räuberschaar in dem isaurischen Bergschloss Papurion

57 aX<öaiv ens^Ui Hds. |j 60 :iK£iaxöv Hds.

*) [Zu dessen Anfang machte Mommsen in demselben Bande des Hermes S. 496 folgende nachträgliche Bemerkung:]

Prof. Dümmler macht darauf aufmerksam, daß durch die Nachricht Z. 3, Zeno habe die Rugier gegen Odovakar aufgehetzt, zuerst die Beweggründe für dessen Zug gegen Fevva klar werden.

1) Es kommt dies nur hier vor und in den aus derselben Erzählung ge- flossenen Bruchstücken bei Suidas unter 'Ivöanog und XeooeoH (poovoiov.

2) Den Marsus erwähnen Candidus (Müll. 4. 137). Theophanes zum J. 5972 [1128,9 de Boor], Euagrius 3,27 und Damascius bei Photius cod. 242 p. 352 Bekk., femer unter den Begleitern des Illus Malalas in einer in unserem verkürzten Text fehlenden, aber in der Handschrift des Escurial erhaltenen und unten [S. 371] abgedruckten Stelle [nicht wieder abgedruckt: s. u. S. 750*. Bei de Boor a. a. 0. (o. S. 712*) auf S. 165]. Malalas nennt ihn tov aro i-.TaTwv Mdoaov. Da- mascius schliesst die Aufzählung der Christenfeinde, die dafür das Verderben traf, mit Marsus und Illus.

716 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

sich durch die Tapferkeit seines Armes und vor allem die unerreichte Greschwindigkeit seiner Füsse einen Ifamen gemacht hatte. Das Aussenwerk war bereits gefallen und die von Illus an Zeno gesandte flehentliche Bitte ihm in Erinnerung der alten Freundschaft Gnade angedeihen zu lassen ohne Erfolg geblieben. Hiemit setzen die neuen Bruchstücke ein, die, wie über den früheren Gang der Dinge Johannes hauptsächlich Aufschluss gegeben hat, so auch den Ausgang zuerst genau berichten^. Es starb während der Belagerung auch Anthusa, die Tochter des Illus, und dieser Hess sich immer mehr von der Muthlosigkeit übermannen. Das Ende aber kam nicht durch Gewalt, sondern durch Yerrath^. Der factische Befehlshaber der Feste Indakus^ veranlasste den Illus durch die Versicherung, dass ein nächtlicher Angriff bevorstehe, die Besatzung vor der Festung 330 aufzustellen: und während der Nacht zog er dann an den von Truppen entblössten Theilen der Mauer Soldaten des Johannes mit Stricken herauf. Diese besetzten die Thore, machten die Wachen nieder, und erst das Geschrei der Sieger Zeno Auguste tu vincas erweckte den Illus und den Leontius, die wie gewöhnlich in ihren Betten

1) Die sonst hierüber vorliegenden Berichte sind die folgenden. Candidus erzählte im 3. Buch von Leontius und Illus : knoXioQxrj'&rjaav xal aXövrsg djTEr/j.ij&r]oav (Müller 4, 137). Auch Eustathius beschrieb (nach Euagrius 3, '27) ausführlich das klägliche Ende des Illus (Müller 4, 140). Marcellinus zum J. 488 [chron. min. II p. 93]: Leontius interrex et Illus tyrannus in Papyrio Isauriae castello capti decollatique sunt: capita eorum Constantinopolim adlata praefixa hastilibus tabuere. Daraus schöpft Jordanis (de regn. succ). Theophanes zum J. 5980 [I p. 132 de Boor]: rovtco xä> erei "IXXog xal Äeövriog ^exa noXXovg jioXsfiovg etil TEaaaga hr) qjgovQovfxsvoi iv reo JJanvQiov xaarsXXJq) ixsiQW&tjaav Tigodooia xov a8e}.(f>ov xfjg yafiexijg Tgoxovvöov öoXco ns/LKpd'svxog vno Ziqvojvog. xal djrex/nij&rjaav xal al XECpaXai avxcov ejiEfj.cpßr)oav xcö Zrjvcovi xal Eiorjvsx&rjaav eig xovrovg iv xq> Ijimxü) xdxsT§sv sjidyrjoav nsgav iv üvxatg Jigog ■&Qca/xßov. Damit stimmt wörtlich Theodorus Lectör 2, 3 p. 571 Reading. Victor Tuununensis zum J. 488 [chron. min. II p. 191]: Leontius tyrannus et Illus patricius proditione castelli capti morte turpissima pereunt. Codinus de aedif. p, 84: (pvycov 6 'IXXog sig ri <p()ovQiov jiags- 86{}rj vno xwv olxeiwv avxov dovX.wv xal djiexfitj&tj xrjv xecpaXJp' nagä ^Icodvvov xov Qr)§ivxog' GvX).aß6[xsvog 8e xovg äg^ovrag xal xtjv x£(paXrjv 'IXXov im Sogarog fjveyxe Zi]vcovi. Zonar. 14, 2 p. 257 Dind. Malalas p. 389 der Bonner Ausgabe, etwas ausführlicher in den Excerpten des Escurial (s. u. [Hermes S. 372 = de Boor p.166]).

2) Dass Illus verrathen ward, sagen auch die übrigen Berichte; den Ver- räther aber nennt keiner, nur Theophanes bezeichnet ihn als den Bruder der Gemahlin des Trocundus, des Bruders des Illus. Dass dieser Schwager des Trocundus eben Indakus war, ist kein Grund zu bezweifeln.

3) Vgl. über Indakus Johannes Antioch. fr. 206 und die dazu von Müller angeführte Stelle aus dem Suidas.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 717

schliefen. So fiel das CasteU. Hlus und Leontius flüchteten sich in die Kirche des Märtyrers Konon^; Leontius wollte sich das Leben nehmen, aber Illus hielt ihn davon zurück, Wenn er es that, weil er noch auf Gnade hoffte, so hatte er sich geirrt. Ohne Rücksicht auf das Asylreeht der heiligen Stätte drangen die Soldaten in den Tempel ein, schleppten die Gefangenen hinaus und legten sie in Fesseln. Die Führer derselben waren zwei gewesene Sclaven des Hlus, Paulus 2 und (wenn der Name richtig ist) ein anderer Illus; sie hatten jetzt an ihrem ehemaligen Herrn das Todesurtheil zu voll- strecken. Er bat sie die Leiche seiner während der Belagerung gestorbenen Tochter Anthusa nach Tarsos zu bringen er scheint dort ein Familienbegräbniss gehabt zu haben ^ und seiner Gattin so wie seiner überlebenden Tochter Thekla und ihres Gatten Konon* zu schonen. Sie vollzogen die Aufti-äge ihres jetzigen wie ihres ehemaligen Gebieters. Der gewesene Kaiser Leontius und der während Zenos bisherigen Regiments fast mit grösserer Macht als der Kaiser selbst schaltende Illus wurden vor das Castell geführt und erlitten unter Thränen ihr Geschick bejammernd den Tod durch Henkershand. Die Leiche der Anthusa sandten die Diener des Kaisers nach Tarsos zur Beisetzung in der Kirche der drei Knaben und eben dahin des Hlus Gemahlin und Tochter. Die Häupter aber der Hingerichteten wurden dem Kaiser geschickt und nach damaliger 331 Sitte auf Stangen öffentlich aufgestellt. Den Konon dachte der Kaiser zu begnadigen; aber als er den Tod des Leontius und des Illus erfuhr, nahm er sich das Leben. Die Leiche der Yerina, der Gemahlin des Leo und Mutter der Kaiserin Ariadne , wurde auf Befehl des Kaisers nach Constantinopel geführt imd hier ehrenvoll

1) Vergleiche über diesen selten erwähnten Heiligen von Ikonion Tülemont mem. potir servir ä Phistoire eecl. 4, 355, auch Prokop de aedif. 5, 9.

2) Diesen nennt Johannes kurz vorher fr. 214 § 4 als einen der beiden gegen Illus gesandten Flottenfuhrer und zugleich als Schatzmeister: Ilavlov rov ix dov/.cov ysv6/.ievov avzov oay.EU.äoiov . Es ist gewiss nur Entstellung dieses Berichts, wenn Codinus den Illus von seinen eigenen Sclaven nicht enthauptet, aber ver- rathen werden lässt.

3) Tarsos ist in der späteren Zeit die Metropole der drei Provinzen Kilikien, Isaurien und Lykaonien (Waddington zu Lebas inscr. 3, 1480). Illus war, wie Zeno, aus Isaurien gebürtig. Natione Isatirus heisst er bei Marcellinas zum J. 484 und bei Malalas p. 385 Bonn. Vgl. Johannes fr. 211, 2.

4') So scheint der wahrscheinlich verstümmelte Text aufgefasst werden zu müssen. Warum dieser Konon von Johannes als ovzoj? evvov; yevönsvog bezeich- net wird imd bei Zeno so besondere Gnade findet, erhellt nicht.

718 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

neben ihrem Gatten beigesetzt i. Im Uebrigen erging über die an dem Aufstande Betheiligten ein entsetzliches Strafgericht. Die Ge- nossen des Illus, Artemidorus der Leibwächter des Trocundus, des Bruders des Illus 2, ferner ein Sohn des Longinus ^ und andere mehr, ja sogar Indakos selbst*, durch dessen Verrath das Castell den Kaiserlichen überliefert worden war, wurden unter Martern hin- gerichtet; wer nicht am Leben gestraft ward, verlor mindestens sein Vermögen. Eine Anzahl Burgen in den isaurischen Bergen wurden geschleift; aber die Annonae, welche Illus den Isaurern aus- gesetzt hatte, im Gesammtbetrag von 1400 Pfund Gold, wurden denselben auch von Zeno gelassen^, sei es, weil auch er sich als Isaurer fühlte, sei es, was wahrscheinlicher ist, dass er diesen Schritt zu thun nicht wagte.

In diese Erzählung von Illus Ende sind einige die Reihenfolge der persischen Könige betreffende Notizen eingelegt. In dieser Hinsicht begnüge ich mich darauf hinzuweisen, dass über Isdigerdes, 332 Perozes und Kabades ähnliche Angaben bei Agathias 4, 27. 28 zu finden sind; vgl. auch Clinton fast. Rom. zum J. 482 und Bd. 2, 261. Die Kadisener nennt Prokop de hello Pers. 1, 14.

1) Dies berichtet auch Theophanes zum J. 5975 [I 129,25]: ixsta xQÖvov dvExo/iiiodrj elg to Bv^dvriov iuio 'jQeäövrjg. Der Befehl sie Augusta zu nennen kann darauf bezogen werden, dass sie bei ihrer Verbannung vom Hofe diesen Titel verloren hatte, jetzt aber dennoch als Augusta bestattet und nach dem Tode geehrt ward.

2) Ihn nennt Johannes auch fr. 214, 4.

3) Welcher Longinus gemeint ist, ist nicht klar; wir kennen unter den Anhängern des Illus keinen dieses Namens. Dass es der eigene Bruder des Zeno sei, ist nicht glaublich. Ebenso unbekannt ist Kövcov 6 dyQscortjg oder vielmehr dyQoicozrjg. An Konon den Bruder Zenos (Zonaras 14, 2 p. 255 Dind.; Suidas unter Aöyyivog) ist wohl nicht zu denken.

4) KoTTovvrjg 6 deiXaiog scheint identisch mit dem Indakos, dessen Tod mit dem der übrigen Verräther Johannes vorher schon berichtet hat. Johannes selbst mag freilich beide für verschiedene Personen gehalten haben.

5) Dies zeigt Johannes später (S. 339 Z. 50 [S. 725]). Vgl. Jordanis de regn. succ. [p. 46, 4 Momms.] : contra quem (Anastasium) , dum sibi quod Ulis tyi-annus nie adieccrat donativum et Zenon reeonciliationis gratia invitus largierat ab isto fraudantur. Euagrius bist. eccl. 3, 35: evxevd'Ev xal tu xaXovf^isva jtqcötjv 'laavgtxd roTg ßaaiXixoTg iarjvex&f] &r]aavQoTg' fjv ök äga zovro yQvaiov ig sxaozov ezog ßagßd- QOig x^QrjyovixEvov nevzaxiaxMo.? i'Xxov Urgag.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannns Malalas. 719

'Oxi Oeodcogr/og xal 'Odoaxoog ovv&^xag xal ^v/bißdaeig bioitj- oavro TiQÖg dXÄij/.ovg äficpco fjydo^ai rfjg 'Pco/uaicov äQxrjg xal Xouidv fjoav avroTg evrev^eig Jia^ äXXrjkovg (ponwai ovyvai ovnco de fjvveio fj^eoa dexdrr] xal xov 'Ododxgov yevofxevov nagd rov 0eo- 5 dwQiyov noooeX^ovxeg rcov avrov ävögeg ovo rag rov 'Ododxgov, äre ixhai yevö/Lievot, xareyovoi yelgag. /jie&' o rcov TigoXo/jo^evrojv ev rolg nag' ixdrega olxioxoig ETieX^övrcov ä/ua roTg ^[(peotv, Ix de rrjg -deag xaraTikayEvroiv xal ovx eTiiri&ejuevcov rä> 'Oöodxgm Qeo- öcogiyog ngooögafidiv Jiaiei rä> ^i(pei avrov xard rrjv xXelöa, eisiövra 10 de 'nov 6 'deog;' ä/ueißerai 'rovro eariv o xal ov rovg ejuovg edga- aag' rrjg de JiXrjy^g xaigiag xal fleugt rrjg oacpvog dtel&ovorjg ro 'Ododxgov ow/ua ebieiv tpaoiv 0eoda>giyov (bg 'rdya ovde oarovv fjv rw xax(b rovrcp' xal rov juev nefxxpag e^io §djirei elg rag ovvo- dovg rcöv 'Eßgaicov ev h&ivr} kdgvaxi, err] ßeßicoxora ^, dg^avra 15 de id' , rov de ddeXcpov rovrov ev rä> re/uevei qwyovra xarerö^evoe. ovveyoiv de xal ri]v 'Ododxgov ya^ieri]v 2ovviyiXdav xal 'OxXdv rov naida, ov 'Odoaxgog Kaioaga änedei^ev, rovrov fiev exTie/nJiei elg Fakkiav, exel&ev de dnodgdvra xard rrjv 'IraXiav dia<p^eigei, rrjv de vjio Xi/uov q^govgovjuevrjv c^rjyaye rov ßiov.

» Ich fasse hier zusammen, was die Auszüge für Theodorich I^eues bringen. Johannes Nachrichten über ihn, so weit sie bekannt waren, reichten bis zum J. 4S6, in dem (wenn Johannes richtig datirt hat) Theodorich, der damals in Novae in Niedermoesien residirte^, mit Zeno brach und Thrakien verwüstete. Die jetzt zum Vorschein ge- 333 kommene Fortsetzung der Erzählung hebt damit an, dass dieser Zug im folgenden Jahr (487) wiederholt wird: Theodorich bricht von Novae auf und gelangt bis nach Rhegion, womit die Station dieses Namens auf der Strasse von Serdica nach Constanänopel, nur 12 Milien von der Hauptstadt entfernt, gemeint ist 2. Zeno sendet

3 aXXriXoig Hds. H 5 x&v aurotJ] tcöv exeX&Bv'i fl dv(o Hds. H 16 viehnehr öi/ior.

18 diatf&EiQeTai Hds.

1) Anon. Vales. § 42 [chron. min. 1 314] : ad civitatem Novam. § 49: rf« civitaU Nova [ib. 316]. Marcellinus zum J. 487 [chron. min. II p. 93]: ad Novensem Moesiae civitatem. Eugippius vita S. Severini c. 44 [p. 52, 16 ed. Monunsen]: apud Nocas civitatem provinciae Moesiae. Ohne Zweifel ist Novae in Niedermösien an der Donau nicht weit von Rustschuk gemeint, wie auch Jordanis Goth. 18 bestätigt. Vgl. Böcking zur not. dign. or. p. 467 : Zeuss S. 427.

2) Itin. Hierosol. p. 570. Marcellinus [S. 720 A. 1] nennt dafür Melentias, auf derselben Strasse 18 Milien von der Hauptstadt.

720 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

die Schwester Theodorichs, die am Hofe von Constantinopel bei der Kaiserin Ariadne sich aufhielt, mit reichen Geschenken an den Gothenkönig und es gelingt denselben zur Aufhebung der Belagerung zu bestimmen ^. Jene Schwester kann keine andere sein als Amala- freda, die spätere Gemahlin des Vandalenkönigs Thrasamund; von ihrem Aufenthalt am Hofe von Byzanz, wo sie vermuthlich als eine Art von Geissei für den gefährlichen Statthalter von Thrakien verweilte, ist weiter nichts bekannt.

Belehrender ist das Bruchstück, das die Katastrophe des Odova- kar berichtet. Wir besitzen über dieselbe bekanntlich zwei Ueber- lieferungen, die gothische, welche ohne Zweifel auf eine und dieselbe wahrscheinlich officielle Quelle zurückgeht, bei dem Anonymus des Valesius, in der ravennatischen Chronik, in den Kopenhagener Sup- plementen zum Prosper, bei Cassiodor, Marius von Avenches und in 334 den beiden Büchern des Jordanis, woran sich weiter die rhetorische Darstellung in Ennodius Lobrede auf Theodorich anschliesst ; ferner die dem Ostreich angehörige in Marcellins Chronik und vor allem bei Pro- kop (bell. Goth. 1,1). Beide stimmen darin überein, dass, nachdem Odovakar in Ravenna eingeschlossen war, ein gütliches durch den Bischof Johannes vermitteltes Abkommen dem mehrjährigen Kampf zwischen den beiden deutschen Fürsten ein Ende machte. lieber die Bedingungen aber gehen sie aus einander, und zwar in der "Weise, dass nach jenen Odovakar sich dem Theodorich unterwirft, nach diesen beide beschliessen fortan gemeinschaftlich zu regieren. Denn, wenn auch die ravennatische Chronik und bestimmter noch

1) Ueber diesen Zug berichten sonst Marcellinus zum J. 487 [a. a. 0.]: Theodorieus rex Gothorum Zenonis Augusti nmnquam beneficiis satiatus cum magna suorum manu usque ad regiam civitatem et Melentiadam oppidum infestus accessit plurimaque loea igne cremata ad Novensem Moesiae civitatem, unde advenerat, remeavit. Prokop b. Goth. 1, 1: rör&oi, o'i im QQÖxrjg dövrog ßaodecog xarcpxrjvzo, OTila im 'Pcofj,aioig ©svSeQt'xov acpioiv riyovfMEvov ävrtjQav. Theophanes p. 203 [I 131,9]: i^eX'&cov {Osvösgixog) iv xfj &Qq>crj xai arQaro:^s8evoäfA.svog ijzegxsrai tm BvCavricp xal fiovfj (psidoT xfj jzsqI trjv tiöXiv, äg qiaoi, xQaxrjd'Elg ijiavsQxexai etg zijv ©Qcpcrjv. Malalas p. 383 Bonn: xal fiX'&s {0sv8sQi/og) xaxä rov ßaadimg Zrjvmvog ecog 2vH(bv Jiiqav xaxevavxi Koivoxavxivovjiolscog xöipag xal xov ayoiybv x^g nölstog xal Jioirjoag ■^fisgag noXXag xal fir/ Svvrj^slg ßldipai xov ßaadsa dvsxcögrjaev. Die gothischen Quellen verschweigen den Angriff auf Constantinopel; charakteristisch ist die Recapitulation bei dem Anon. Vales. § 49 [chron. min. I 316]: Zeno itaque recompensans beneficiis Theodericum, quem fecit patriciwn et consulem, donans ei multum ec mittens cum in Italiam, wonach man nicht vermuthen würde, dass dazwischen die Berennung Constantinopels durch den Gothenfürsten fällt. Ganz ebenso ist die ausführliche Erzählung bei Jordanis (Goth. 57 [p. 132 f.] und de regn. succ. [p. 45]) gehalten.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 721

die kopenhagener Annalen diesen Yertrag als einen Frieden be- zeichnend so kann doch nur als Unterwerfung gefasst werden, dass Odovakar seinen Sohn Thelane als Geissei stellt und ihm dagegen das Leben zugesichert wird 2; und gi-adezu als Unterwerfung bezeichnen den Act der Redner Ennodius ^ und der rhetorisirende Historiker Jordanis*. Der Byzantiner dagegen hebt zunächst die für beide streitende Theile aussichtlose militärische Lage hervor und lässt dann den Yertrag dahin abschliessen, dass Theodorich und Odovakar in Ravenna in gleicher Stellung residiren sollten (enl t/) Totj y.al 6/uoiq diaiTf] e^ovot). was auch, wie er hinzufügt, einige Zeit geschehen sei. Zu diesem letzteren Bericht stellt sich nun, wie zu erwarten war, der des Johannes; er stimmt völlig mit Prokop, aber er lautet bei weitem bestimmter: OeodwQiyog xai'Odöaxgog avv^xag xal ^v/nßd- 335 oeig £7ioi}]oavro Jigog dXXi^Xovg äjU(pco fjyeio&ai zfjg 'Ptofxaicov äoxrjg. Hier ist also auf das Bestimmteste gesagt, dass beide gedachten über die Römer des Westens gemeinschaftlich zu herrschen ^, wobei vermuthlich hinzuzudenken ist, dass jeder über seine Germanen, Odovakar über die Rügen und Skiren wie Theodorich über die Gothen, die Sonderherrschaft behalten sollte^. Auch von dem weiteren Hergang der Dinge lagen uns die beiden verschiedenen Versionen , die gothische wie die byzantinische in allgemeinen Um-

li Ravenn. Chronik p. 668 meiner Ausgabe: facta est pax inter dotninum Theodorieum regem et Odoacrem. Ebenso Agnellus p. 279 Bacch. [chron. min.

I 321]: invitat (Johannes der Bischof) nonim regem de Oriente venietUem et

subiit JRavennam III non. Martias. Kopenhagener Annalen p. 31 Hille [chron. min. I 321]: Odoachar pacem ab Theudm-ico postulans accepit, qua non diu potittis est, dediique obsidem filiutn suum. Theudoricus cum pacem cum Odoachar fecissd, ingressus est Ciassem IUI k. Mar. ac deinde ingressus est Ravennam.

2) Anon. Vales. §54 [chron. min. I 320]: accepta fide securum se esse de sanguine.

3) Ennodius p. 305 Sinn. [209, 11 Vogel] : ecce iterum ad deditiottem sibi cögnitam hostium leto dehita pars cucurrit, ei cum excessissent occumhentes nume- rum, ad serritium tarnen armis instruda radiarüibus agmitia convenerunt. Die Stelle wird gewöhnlich (Dahn Kön. der Germanen 2, 79; PaUmann Völker- wanderung 2. 453) auf den Vertrag mit Tufa bezogen, aber sehr mit Unrecht, wie wir noch weiter sehen werden.

4) In der sogenannten Schrifl de regnorum successione [p. 45, 13] : Theodo- ricus Odoacntm Ravenna in dedüione suscepU. In den Goth. 57 [p. 134] heisst es: Odoacer ... missa legatione veniam supplicabat: et« d primum concedens Theodoricus.

5) Eine verwirrte Erinnerung hieran liegt vielleicht den S. 334 A. 1 [0. A. 1] angefahrten Worten des Agnellus zu Grunde.

6) Pallmanns Combinationen (2, 468) haben also keineswegs das Rechte getroffen.

MOMMSEX, ?CHR. VII.

722 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

rissen vor. Sie stimmen darin überein, das einige Tage nach Ab- schluss des Vertrages^ Theodorich mit eigener Hand in seinem Palast in Laureto den Odovakar getödtet hat 2; aber während die Gothen einstimmig den Odovakar bezichtigen dem Theodorich nach dem Leben getrachtet zu haben und dieser also nur dem geplanten Meuchelmord mit gleichen Waffen entgegentritt^, beschuldigen die Byzantiner vielmehr den Theodorich des Verraths: er habe den Odovakar zur Tafel geladen und ihn, als er dazu erschien, mit 336 tückischer Hinterlist umgebracht*. Schon an sich kann es keinen Zweifel leiden, dass der letztere Bericht, dessen Urheber weder dem Odovakar besondere Gunst noch dem Theodorich besondere Ungunst zuzuwenden Veranlassung hatten, allein Anspruch hat auf Glaub- würdigkeit gegenüber dem erstem, in welchem in der That der Mörder die Geschichte des Ermordeten schreibt. Jetzt erhalten wir zum ersten Mal von byzantinischer Seite eine ausgeführte und lebens- volle Schilderung des folgenreichen Ereignisses. Die beiden Könige verweilten gemeinschaftlich in Eavenna und häufig fanden Zusammen- künfte unter ihnen statt. Als einmal es waren noch nicht zehn Tage nach dem Frieden vergangen König Odovakar den König Theodorich besuchte, kamen zwei Männer ihm entgegen ihn um Gewährung eines Gesuchs anzusprechen und ergriffen als Bittende seine beiden Hände. Dies war das verabredete Zeichen: aus den

1) Post aliquot dks sagt der Anou. Vales. § 55 [chron. I 320], post paucos dies Agnellus p. 279 [chron. I 321].

2) Am genauesten erzählt der Anon. Vales. § 55 : in Palatio manu sua Theo- dericus eum in Lauretum pervenientem gladio interemit. Im Wesentlichen stimmen damit alle anderen Meldungen überein.

3) Am ehrlichsten sagen die Kopenhagener Annalen [chron. I 321] : pacis specie Odoachrem interfecit. Die übrigen haben für den Mord kaum einen Tadel. Anon. Vales. § 54 [chron. I 320]: dum ei Odoachar insidiaretur, detectus ante (die Handschrift, von der ich die Collation besitze, cante [es ist der cod. Berolinensis, aus dem in den chron. a. a. 0. aber conte notiert wird]) ab eo praeventus. Cassio- dor ehr. zum J. 493 [chron. II 159]: molientem sihi insidias interemit. Jordanis de regn. succ. [45, 14Momms.]: ac si suspectum iugulans. Ennodius paneg. p. 305 [209, 13 V.] geht gar so weit dem Theodorich sein allzugrosses Vertrauen auf die Redlichkeit des gewesenen Feindes vorzuhalten: credidisti quod fidem ad- su^escerent . . . Servamt te, regum praecipu£, quod abiecisti sacramenti confidentia cautionem. Pependimiis anxii, ne mererentur quos de hostibus tuis receperas non perire. Gratias tibi, mundi arhiter deus, qui conscientias ...ad ultores gladios impulisti . . . Libuit eos rursus tendenti inei'mem dextram Odovacri (d. h. nach erfolgter Dedition) regna poUiceri.

4) Prokop b. Goth. 1,1: OsvdsQixog 'Odöaxgov Xaßcbv w? qyaaiv sjiißovi.f] ig avzov XQcönevov, XQonco te doksQc^ kg ß-oivijv xaUaag eursivs. Bist. misc. 16, 20: a Theoderico in fidem susceptus ab eo trucidenter peremptus est. Marcellinus zum J. 489 [chron. II 93]: ab ... Theodorico periuriis inlectu^ interfectusque est.

m

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 723

Nebenzimmern zu beiden Seiten stürzten Bewaffnete hervor mit gezogenen Schwertern den Wehrlosen niederzustechen. Aber als sie ihm gegenüberstanden, wagte doch niemand die Hand zu dem ersten Streich zu erheben. Da trat Theodorich selbst in das Gemach und durchstiess den König mit dem Schwert, so dass es bei dem Schlüsselbeine in den Leib und bis an die Hüften eindrangt. Dir thue ich, rief er dabei, was du den Meinen gethan hast 2. Und als er die furchtbare Wunde sah, die sich sofort als tödtlich erwies, meinte er, dieses Scheusal habe wohl nicht einmal einen Knochen im Leibe gehabt. So starb Odovakar, im sechzigsten Jahre seines Alters, im vierzehnten seiner Regierung^ und wurde in einem steiner- nen Sarg bei der Judensynagoge beigesetzt. Der Bruder es wird der auch sonst öfter erwähnte Onoulf sein , der sich in eine Kirche gerettet hatte, wurde dort mit Pfeilschüssen erlegt*. Die Gemahlin 337 des Odovakar Sunigilda, die sonst nicht genannt wird, wird einge- sperrt, sein Sohn Thela^, den der Yater wie wir hier zuerst erfahren zum Caesar ernannt hatte, nach Gallien verbannt; als dann dieser den Bann bricht und sich in Italien zeigt, wird er hin- gerichtet und die Mutter im Gefängniss durch Himger getödtet. Von den Massregeln, die gegen die Mannschaften des Odovakar ergriffen wurden, erfahren wir aus Johannes nichts, dessen Excerpt hier abbricht; aber anderweitig steht fest, dass Theodorich den Befehl hatte ausgehen lassen dieselben mit ihrer ganzen Nach-

[Ol

1) Dabei scheint vorausgesetzt, dass Odovakar den Todesstoss in kniender llung von oben herab empfing.

2) Damit wird auf denselben Vorfall angespielt, den auch Ennodius p. 298 Sirm. [206, 17 V.] als die nächste Ursache des Krieges zwischen Theodorich und Odovakar bezeichnet: natu est felicis inter vos causa discordiae, dum perdueUes animos in propinqtiorum tuorum necem Romana prosperitas incitavit. Welche propinqui Theodorichs diurch Odovakar den Tod gefunden haben, wissen wir nicht. Dahn 2, 33.

8) Dem Odovakar legt die vita S. Severini in der Prophezeihung c. 32 42, 2 Momms.] inter tredecim et qnattttordecim annos bei, der Anon. Vales. § 45 chron. I 314] dreizehn Jahre, während er § 48 [315] die Stelle der vita Severini ausschreibt, zehn Jahre Prokop b. G. 1,1, vierzehn Jahre die bist. misc. 16, 12. Sein Tod erfolgte im Frühjahr 498; der Anfangspunkt für die vierzehnjährige Regierung ist ohne Zweifel der Tod des Nepos, der in das Jahr 480 föllt. Vgl. Dahn 2, 41. Sein Lebensalter wird sonst meines Wissens nirgends gemeldet. 4) Johannes fr. 209, 1 (vgl. Suidas u. d. W. 'Aoftdu(K). Eugippiua vita S. Severini c. 44 [p. 52 M.]. Abweichend Isidor chron. Goth. 39 [chron. II 283]: perempto Odoacar rege Ostrogothorum atque devicto fratre eius Onoulfo et trans confinia Daniaii effugato. Vgl. Pallmann 2, 172.

5l Filium Thelanem nennt ihn der Anon. Vales. §54 [chron. I 320], 'Oxiay Tov :iaida Johannes, welches letztere wohl aus Oi^Xav verschrieben ist.

46*

724 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

kommenschaft an dem für den Tod des Königs bestimmten Tage 338 allerorts niederzumachen ^ und er sich also seiner Rivalen so gründ- lich wie gewissenlos mit einem Schlag entledigt hat.

"Chi 'Avaordoiog ö ßaodsvg Xvel röv df]jUEVoscog cpoßov rolg

vnrjxooig, äjiayogsvEi de xdig ovxofpdvxaig ttjv äöemv xal xb xfjg

f. 149 xaXov fJLEvrjg drjXaxcoQiag nd&og xi/icoQEtxai || xal xovg ex xöjv Eiocpogcbv

öcpEiXErag eXev&eqoI xcöv e/jljiqoo^ev xqovojv. (hg de xaxd xdg '&Eag

5 axaxxovaiv 6 xfjg jiökECog Enag^og did jiQoyQdfXfxaxog rag svöov öia-

xQißdg antjyoQEVOEv , vjtovoia x6 Xoinov ixöovreg eavxovg ol roTg

jikrjjujuehjjuaoiv evexo/uevoi änavxa diExdgaxxov. xal dr} xov ßaodsojg

xfjv iTtJioÖQOjuiav '&Ea)juEvov noXvg evxev'&ev öcrjyEiQEXo d^OQvßog, (hg

xal avxov xov xrjg ßovXfjg rjyov/XEVOv xaxaßoäv. 'lovXiavög dh fjv

10 d "'AXE^avÖQEvg xcöv Ix naiÖEiag xal X6ya>v Eior]yr]X'^g. ev ogyfj

xoivvv xov ßaoiXECog JioirjoajUEvov xovg xd xoiavxa xoXjucovxag xal

1 zcöv drjfisvaeoiv cpößcov Hds. [zov x&v drjfisvaecov cpößov de Boor] || 2 zoi? vnr/xooig] so die Hds. |1 3 Vgl. Suidas unter örjXdrcoQ: ozi 'Avaoxäaiog 6 ßaodsvg 'Pcofiaicov x6 xfjg drjXaxcoQiag jtdßog xificogecxai TiQog xoTg äXXoig sQyoig

1) Die ravennatische Chronik p. 668 und Agnellus p.279 [chron.1 321] lassen den Odoaker umkommen cum commilitibus (Agnellus cum comitibus) suis. Bestimmter er- zählt der beste unter den gothischen Gewährsmännern, der Anonymus des Valois § 56 [chron. I 320]: cuius (Odoacri) exercüus in eadem die iussu Theoderici omnes interfecti sunt, quivis (Hdschr. quis) ubipotuit reperiri (Hdschr. [von 1. Hand] reperire) cum omni stirpe sua. Auch nach den Kopenhagener Annalen [chron. I 321] vrird Odovakar getödtet cum coHegas omnes, qui regni praesidium {praesidio die Hdschr.) amministrabant. Dies bestätigt Ennodius paneg. p. 305 [209 V.]. Nachdem der angeblich von Odovakar angezettelte Aufstand erzählt worden ist, werden die von Theodorich dagegen getroffenen Abwehrmassregeln dargelegt, die durch alle Districte ergehenden geheimen Befehle an die erprobten gothischen Genossen (fecisti consilioi'um participem in secretis popuhim iam probatum . . . mandata est per regiones disiunctissimas nex votiva), die trotz der Menge der Mitwissenden dennoch den ausersehenen Opfern verborgen bleiben (neminem adversarium novisse contigit, quod tecum pars mundi potioi- disponebat). So unterliegt denn Odovakar und mit ihm an einem Tage alle die, die so lange Italien bedrückt hatten (. . ut unius ietu temporis effunderetur Bomani nominis clades longa tempm-um im- pi-oUtate collecta . . . eonsumpta res est prospero fatalique belle, succisa est Odovacris praesumptio, postquam eum contigit de fallacia non iuvari). Dass diese ganze Stelle nicht auf Tufas, sondern auf Odovakars Katastrophe geht, wird jedem Unbefangenen einleuchten. Nicht bloss wird dieser zweimal genannt und jener nicht, sondern es ist auch unglaublich, dass ein Redner lange Jahre nach den Vorgängen einen relativ unbedeutenden Incidenzfall des Zwistes so ausführlich geschildert, dessen Katastrophe aber übergangen haben sollte, üeberdies passt von dem Bericht des Redners Zug für Zug auf den geschichtlichen Hergang, so weit Phrasen dieser Art überhaupt der Wirklichkeit entsprechen können.

I

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 725

öid 7iX)]&ovg axQaxKOTixov äveigyeiv avxovg hii'/eiorioavKx; eixötcog, eig asieyvcooixevTjv eiQOJi'qaav nqä^iv, jivq h'tevxeg tcö rag ■&vQag Ttjg hijiodgouiag e/ovri rojico, e^ oimeg xal ai TigooTiaoay.eifievai oroai

IS diecp&EioovTO gadicog. exeWev re zag axrjXag rcöv ßaoikecov ex x^^~ xov Tiejtotij/Lisvag t&v idgv/udrcov dj&rjoavreg Jiäv eldog vßgecug eig avtdg EJiereXovv, (bg xal avxovg exeivovg aixiCöjuevoi, xaixoi tioXX&v fxev dvatgovjuevcov noXXwv de xal ^juidv^xcov yevo/nevajv. 6 ßaoi- Xevg xoivvv ögcbv xr/v xaxd xöjv vjitjxocov avxov vixt]v ov :ige7iovoav

20 eJvai, djionavei fiev x^g dgyrjg xöv'Iovhavöv, vjiagyov de Jigoxeigi- ^exai ZexovvöXvov xov xfjg eavxov ddeX<pfjg Kaioagiag ävöga, xal xovx(p Xrj^dorjg xfjg xcöv oxgaxicoxcov Avxxijg ov -/aXencög xal xd TiETtovdoxa xcbv olxodoixr]fidxü)v dvexxijoaxo. xgivcov de eixoxoig ex xfjg xcbv evdrifxovvxoiv 'loavgcov eTtißovXrjg öieoxevdo&ai xavxa djio-

25 yatgelv xovxovg xrjg ßaodiöog exeXevoev, ovö^ d^icojudxcov dtpaigov- fievög xiva avxcöv ovöe ygr]/adxcov, xal xavxa ijörj dyyeX'&eiorjg xfjg xaxd yoigav avxöiv djiooxdoewg. jueXXovxcov de xal ev öiaxgißfj Tioiov/nevwv X7]v dvaycogijaiv ovveldev avxoTg dvdyxt]v ejw&eivai, e^ 339 ovTieg XafXTigoxegov djieösiy^oav övo/neveTg xco xgaxovvxi TioXixev-

30 fiaxi. evxev&ev Xouibv 6 xov Z^vwvog döeXcpbg Aoyylvog xaxd xr)v Orjßaicov dcpogi^exai ywgav, xal avxov djieqyddgrj Xifxco juexd ygovovg r] , ^ xe ovaa avxw yafiext] OvaXegia xovvofia ovv xfj\\7iaidl ^oy-f. 150 yivq, i] xal cbjuoXoyrjxo Zi^voivi xcb 'Ay&ejLilov xal 'Hgatöog vicö, xal AaXlg fi Z}]vo)vog xal Aoyyivov /^^xrjg xb ev Bgoyßolg ovxco Tigoaa-

yogevouevü) Tigoaaxe'up xrjg Bi^värv xaxeXaßov evxxrjgiov, ev cojieg xal Zi]va)v ovy fjxioxa öie&egiCev, mißicooaaac de ygövov ov juexgiov xal xd Jigbg xb Cfj^ £^ egdvov nogiCovoai äXXooe äXXr) /uex^XXa^e xbv ßiov. Aoyylvog de 6 /xdyioxgog xal 'A^voöcogog, dvögelq xe avyßiv xal nXovxw, avv exegoig ovyvoig ig xtjv 'Ioavga>v e^Tieaov yjüigav. djiooxeg^ag de 6 ßaodevg eodna^ xd 'loavgwv xrjv xe xov ßaoiXevoavxog Zrjvoivog negiovoiav ngoeygaxpev , &axe xal avxt) ye Yj ßaoiXeiog eo&i]g ojviog ngovxeixo, xal xb ücmeigiov xaXovfuvov (pgovgiov neuxpag xaxeoxgeipev. dvaigel de xal xdg dido/nevag avxölg Tiagd xov Zi]vcovog oix^oeig, xeivovoag eig v xal ;ffA/as ygvoiov

45 XJxgag exrjoiag. dgxvoafievoiv de xd Tigbg dvxioxaoiv xal ijdr] xivrj- ^evxwv ex xfjg ocpexegag vTib fjyeixooi Aiyyivivr] xal 'A^vodmgcp, ovvovxcov avxoTg xal Kovcovog 0ovoxiavov xov djib enioxöncov xal Aoyyivov juayiaxgov xal 'A&i]vod(jOQOV xov exegov, JiXfjdog xe nayi- fiwv dfi(pl xdg g yiXiddag mayojuevojv ex xe 'loavgcov xal 'PwfiaUov, Tuw fuv exovoicog eXojuevcov xrjv ov/xfiayiav, xcöv de xal dvdyxfi

15 diEfpdeigavro Hds. H 16 ä&rjaavze? Hds. H 20 dva.-iav€i MüUer 1| 27 [xaxainjv) Müller] II 36 emßiwaa; Hds.

726 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

ijiojuevcüv xal diadga/növrcov rag Tzökeig xal yevofxhoov iv Koriaelco reo äoxEi rfjg ^gvyiag, vjtrjvriaoev avxdig xal x6 tov ßaodecog axQdxevfxa a.fji(pl rovg diox'ihovg. ijyovvro ds avxwv oxQaxrjyol ß' , 'Icodvvrjg 6 Hxv'&rig xal 'Icodvvi^g o Kvgxog, xal avxög ex Zdvßgiag

55 ÖQjucojLisvog , VTiooxQaxrjyoi de 'lovoxlvog ex Bedegiavov (pQovgiov TtkrjoidCovrog NaCoocö xfj 'IXIvqiÖl, xal 'ÄyjixdX ßdgßagog yevovg xoiv xaXovfievmv Fox^ojv, eri xe Ziyii^av xal ZoXßwv, Ovvvcov äyovxeg Tilrj'&og. ejieidi] de nXrjOiov äXXrjXcov f]X'&ov, ovggdiavxeg Tiegl öeiXrjv ionegav noXXovg rcöv evavxiayv diecpd'eiQav ol 'PoifxaXoi, xal avxöv

60 äveXovxeg xov fjyefiova rcüv 'loavgcov Äiyyivcvfjv, (bg xovg jiegiXeKp- 340 '&hxag ÖQOfiatwg öiacpvyelv eg xd ocpexega. 6 de xov ßaoiXea>g axQaxog ejiidicü^ag emg xal xrjg xov Tavgov vnegßoXrjg öiejueivev xijv f. 150' II TOV xeifxmvog Sgav.

Dass Anastasius dem Delatorenunwesen ein Ende machte, be- richtet Cedrenus^. Dass er die rückständigen Steuern erliess, finde ich sonst nicht. Die Abschaffung der lustralis coJlatio oder des so- genannten chrysargyrimi und die Verbrennung sämmtlicher darauf bezüglicher Steuerpapiere ^ hat allerdings ohne Zweifel die Meder- schlagung der Rückstände dieser Steuern eingeschlossen; aber dass Johannes dies gemeint hat, ist nicht glaublich.

Weiterhin berichtet unser Fragment ausführlich über die Um- triebe der durch den Vorgänger des Anastasius, den Isaurer Zeno und dessen Landsmann Illus grossgezogenen isaurischen Partei und die dadurch veranlassten Insurrectionen in der Hauptstadt wie in Kleinasien. Ein strenges Edict des Stadtpräfecten lulianus gegen die Unruhstifter bei den öffentlichen Spielen führte zu einem heftigen Aufstande, bei dem die Hallen an den Thoren des Circus nieder- gebrannt und die daselbst stehenden bronzenen Bildsäulen des Kaisers und seiner Gemahlin von den Piedestalen herabgerissen und von der Menge geschleift wurden, als wären es die Originale^. Anastasius ersetzt den Julianus durch Secundinus, den Gemahl seiner Schwester

52 vjiavTiäoav Hds. || 58 riytXxo Hds. || 55 ßeSegiavoi; Hds.

1) p. 626 Bonn: ovrog tovg öijkdroQag ix rijg nökscog zsXsicog i^sxoyjsv. Es kann sein, dass die nur im Auszug erhaltene griechische Verordnung Cod. lust. 10, 11,7 die hier in Rede stehende ist.

2) Cedrenus p. 627 Bonn ; Euagrius 3, 39.

3) Marcellinus erzählt den Brand des Circus unter 491 [chron, II 94] , das Schleifen der Statuen unter 493 [ib.], beides ohne es ausdrücklich mit den isaurischen Unruhen zu combiniren.

Bruchstücke des Johannes von Autiochia und des Johannes Malalas. 727

CaesariaS und es wird nun streng eingeschritten gegen die in der 341 Hauptstadt lebenden Isaurer, denen die Urheberschaft dieser Frevel zur Last gelegt wird, zumal da auch ihre Landsleute daheim sich zum Aufstand zusammenrotten. Jene werden, ohne jedoch an ihrer Habe beschädigt zu werden, aus der Hauptstadt ausgewiesen 2, dar- unter Longinus, der Magister officiorum, der wenige Jahre vorher gegen Hlus befehligt hattet und Athenodorus*. Zugleich wird Longinus, der Bruder des Zeno und dessen präsumtiver Nachfolger, aus der Hauptstadt entfernt und nach der Thebais in die Verbannung gesandt, wo er acht Jahre später den Hungertod stirbt '^. Die Frauen aus dem Hause des Zeno, seine und des Longinus Mutter Lalis, die Gattin des Longinus Yaleria, dessen dem Zeno, dem Sohn des Anthemius und der Herais, verlobte Tochter Longina fanden ein Asyl in Brochthoi, einer Vorstadt Constantinopels auf dem asiatischen Ufer, wo sie von Almosen erhalten noch lange lebten ^ Denn das ganze Vermögen des verstorbenen Kaisers und der Seinigen zog

1) Secundinus war Consul 511, wo ihn Johannes (unten S. 344 [730]) Schwager (ya,ußQ6g) des Kaisers nennt. Bei Theophanes p. 247 [I 160, 29] heisst er yaußgog 'AvaoTaaiov m ddsJ.qpfj, und dem entsprechend des Secundinus Sohn Hypatius bei Jordanis (de regn. succ. [p. 16, 19]) und bei Theophilus p. 245 NeflFe (nepos, adslffidovs) des Anastasius, Anastasius bei Marcellinus zum J. 515 dessen avunculus. Wenn er von Theophanes p. 242 [I 157, 18] genannt wird v»o? i| dde/.q.fjg 'Avaaraai'ov xal Ssy.owöivov , so hat der Verfasser wohl geschrieben oder hätte doch schreiben sollen vlög Zsxowöivov i| ddeXqp^^ 'Avaaraoiov. Den Namen der Gemahlin des Anastasius erfahren wir erst aus Johannes.

2) Theophanes J. 5985 [I 137, 28]: 'Avaardaio<; 6 ßaat/^v; tov; h Kcovarav- xivovn6).£i. 'laavoovg 8iä jioXXäg diomag idiw^sv. Priscianus paneg. 51 fg. Zonar. 14, 3. Theodorus Lector 2, 9. Nach Euagrius 3, 29 werden die Isaurer auf ihre Bitte in die Heimath entlassen.

3) Johannes r. 214, 6, wo er AoyyTvog ix KagSaficov (oder KaodäXatv, vgl. S. 325 A. 2 [712 A. 2]) heisst. Euagrius 3, 29 und Codinus de aedif. p. 84 ver- wechseln ihn mit Longinus dem Bruder Zenos, wie in Betreff der letzteren Stelle Köcher (de Joh. Antiocheno p. 76) richtig bemerkt; unterschieden werden beide ausser von Johannes auch von Theophanes und Zonaras 14, 3.

4) Ihn nennen ausser Johannes auch Theophanes und Theodorus Lector 2, 9. Bei Euagrius 3, 35 heisst er OeoSotgog.

5) Theophanes zum J. 5984 [1137,2]: ioraaiaae xoj aviov 6 Aoyyiyoc 6 Ztjvojvoi; döeÄ(fCK, ov /etQOioduevog hi' 'Aiyv-irov sidfiaei i^ögiarov iv 'Ale^ovdoeiq. xal ixeXevas xEioorovrj&rlvai ainov jtQeaßvTegov. hixaniav be Liißiov; iv 'AXs^avdQeia irs/.evTr]asv. Zonaras 14, 3.

6) Alle diese Personen sind meines Wissens sonst nicht bekannt. Der Ort iv Boöyßoig [die Hs. hat so wie oben im Text gedruckt ist; M. druckte: iv jq> iv B.] ist wohl die Villa an dem asiatischen Ufer Constantinopel gegenüber, welche nach Prokop de aedif. 1, 8 früher JIoöoz&oi hiess, späterhin Bgozoi {Boöyßoi'i) genannt ward.

728 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

Anastasius ein und Hess dessen Habe, sogar die Kleider öffentlich 342 versteigern; dasselbe geschah, nachdem der Aufstand förmlich aus- gebrochen war, gegen sämmtliche Isaurer^. In Isaurien selbst befahl er das papurische Castell, von dem in den isaurischen Wirren unter Zeno so oft die Rede ist, zu schleifen und entzog den Isaurern die ihnen von Illus überwiesenen und von Zeno belassenen jährlichen Annonae im Gesammtbetrag von 1400 Pfund Gold (S. 331 A. 5 [718 A. 5]).

Nun wurde die Insurrection zum Kriege. Die Isaurer fühlten sich stark genug in das Feld zu rücken und die förmliche Offensive zu ergreifen; dass der Krieg überdies auch zur See geführt ward, sehen wir aus anderen Quellen 2. An die Spitze des Heeres stellten sich die schon genannten aus der Hauptstadt ausgewiesenen isauri- schen Offiziere, Longinus der gewesene Magister und Athenodorus; ferner Konon des Fuscianus Sohn, früher Bischof von Apamea in Syrien, aber ein streitbarer Mann und schon von Zenon gegen Illus aufgeboten^; ausserdem ein anderer Athenodorus und vor allem Lilingis, ein unechter Bruder des Illus, der auch schon gegen diesen gefochten hatte, in diesem Kriege aber den Oberbefehl über das Rebellenheer führte *. Dieses Heer, dem sich theils freiwillig, theils gezwungen zahlreiche 'Römer' anschlössen, zählte 100,000 Mann^ und drang vor bis nach Cotyaeum in Phrygien, das an einem Neben- fluss des Sangarius liegend den Weg nach Bithynien öffnete; offen- bar war das Ziel des Marsches die Hauptstadt und bereits die grössere und schwierigere Hälfte desselben zurückgelegt. Dort endlich trat ihnen eine Abtheilung kaiserlicher Truppen entgegen; es waren nicht mehr als 2000 Mann, die Johannes der Skythe, der Ueberwinder

1) So mögen die Angaben des Johannes: ov8' d^KOfidrcov acpaiQovfiEvö? Tiva avTcov ovös xQrjfxätwv und: h mta^ 'laavQcov jigoBygatpsv auszugleichen sein.

2) Priscian paneg. 107: quid tempestates memorabo fluctibus ortas atque hostis Lyciae proiectas litore classes? Theophanes zum J. 5987 [I 139].

3) Als Führer gegen Illus nennt ihn Johannes fr. 214, 2, als Führer der Aufständischen ausser dem Johannes in unsern Fragmenten Theophanes zum J. 5985 [I 138, 4] und Euagrius 3, 35. Müller 4, 134 bezieht auf ihn auch das 4. Fragment des Capito.

4) Aiyytjv tov v6&ov avzov (des Illus) d8s?.(p6v nennt ihn Johannes fr. 214, 2, Aiyyig Suidas u. d. W., beide als Führer gegen Illus. Den Feldherrn der Rebellen nennen Aiyyivlvrjg Johannes in unsern Excerpten, Nivlhyyig Theophanes, Lilingis Marcellinus und Jordanis. Bei Marcellinus zum J. 492 [chron. II 94] heisst er segnis quidem pede, sed eques in hello acerritnus (daraus Jordanis), bei Theophanes zum J. 5985 [I 138, 2] 6 tfjg 'loavgiag ^yefiwv etiI Zi^vcovog xaraardg, dvrjQ {^Qaovxazog.

5) Bei Theophanes a. a. 0. sind daraus 150 000 geworden. [Vgl. de Boor zu I 137, 26.]

Bi-uchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 729

des Dlus, und Johannes der Buckliche von Selymbria heranführten i; 343 unter ihnen befehligten Justinus von Bederianum unweit Naissus in Mösien. der spätere Kaiser 2, der' Gothe Apsical und die Hunnen- führer Sigizan und Zolbo. Dennoch erfocht der kleine Haufe einen vollständigen Sieg: Lilingis selbst fiel im Kampfe; die Isaurer eilten in wilder Flucht zurück in ihre Heimath und nur die rauhe Jahres- zeit bewog die Verfolger am Fuss der Tauruskette Halt zu machen und hier den Eintritt der besseren Jahreszeit abzuwarten'.

"Cht eJil 'AvaoTaoiov 6 xrjv vtioq^ov ävvoiv rrjg TioXecog 'H/Jag f. 150'

rovvoua zrjv r<öv xaXovfxevcov ßgirctöv eoQirjv enixeXwv (hg ovtko

Tcoöxeoov yeyovev, vjio xivog ßaoxaviag aXxiog noUxöv iyevexo (povcov.

jcov yäo ä&ooio'&evxoav eg öeikijv xov di^juov ä/xa ^Upeai xax' clÄItj-

hov cooLuyy.oxoiv, noXvg fjv x&v dXkvfxevwv 6 xgojiog. öfioicog xal

wxdvTiog 6 ägyrcov xfjg nöXetog xrjv avxrjv emxeXeiv xwv ßgvxcöv

jyvQiv ßovXevodfxevog oXiyov dtcoieae xov obiavxa drjfiov, Tioiy.i-

ug diatpßagevxa xgojioig, mg xov ßaoiksa xov Xouiov yijgcöoai xrjg

y.a)Moxi]g ög/t]a€cog xäg TioXeig.

Leber diesen Vorgang berichten meines Wissens sonst nur noch falalas in einer in den Ausgaben fehlenden unten S. 374*) mit- getheilten Stelle und ein von Suidas unter dem Worte Maiovfiäg 344 erhaltenes Bruchstück: exeXovv öe fiexgig 'Avaoxaoiov ßaoiXeoyg oi ev KcovoravxivovTioXei Tiavi^yvgiv xcbv ßgvxcöv, xal xavxrjv 'Avaaxdoiog k'rtavoe. Auch das Fest selbst finde ich sonst nicht erwähnt. Die Bedeutung: desselben ist dunkel.

t4 Tov brjuov zu tilgen 1) Beide nennt auch Theophanes zum J. 5985 [I 138, 7] und bezeichnet sie \ TOV 6ony.o)ov orgarevuaKK fjyov^ievoi, was dazu stimmt, dass sie nach Johannes n Selvinbria herankommen; den zweiten Prokop hist. arc. 6.

2) Dessen Heimath so wie seine Theilnahme au dieser Expedition berichtet übereinstimmend Prokop hist. arc. 6. Von den anderen Führern wird sonst meines Wissens keiner genannt; Theophanes fand sie wohl in seiner Quelle, aber er fertigt sie ab mit eiegoi rivsg irraiveroi ävSoeg.

3i Aehnlich, aber minder genau Theophanes zum J. 5985 [I 138,11]: udxtjs de .TfOf Korvdeiov yevofiivtjg Nivihyyig ftev 6 aiQanjyog äsiootfaTrerat. uty.gov 8k t6 .-T/.£toTov 'loavgiy.bv cujoUv^urov fiohg inri a<peTsga Steacodi). xal ei tu) -Tfot oy.v'/.a roTg 'Pcoitaioig yiyove oyoKt], re/Lsicog av sxgdxrjoav xov :to/Juov. äjj' extircov iv Toizotg ä.-TOOtfa/.h-xon' (fgovotov Tirog i.ii r^g äxgag zov Tavgov xgaxt)aavxeg oi "loavgoi xgixov Ixog tjgxeoav :io).euovvxEg.

~*^ [Nicht wieder abgedruckt: s. u. S. 750*. Die dort von Mommsen zitierte Stelle des Malalas jetzt auch bei de Boor a. a. 0. (oben S. 712*) S. 168. Ebd. führt Mommsen auch eine Vermutung Herchers über die Bedeutung von ßgvxa an.]

730 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

"Chi xad^' ov xQovov 6 rov ßaodecog rov 'Avaojaoiov yajußQog 2exovvdTvog rrjv vnarov OLQyJjv naQeikrjrpei, exivr/^f] ra jisqI rijv Uacpkayoviav.

Secundinus wird Consul 511; vgl. über ihn oben S. 340 A. 4 [727 A. 1]. Von den paphlagonischen Unruhen, die hier erwähnt werden, finde ich sonst nichts.

"Chi ovvExvxa xard rov avrov ygövov xaxä xyjv Ogdxijv BixaXiavog , äv^QComoxog ßga^vg xai xQavXog xrjv qycovijv xai xäg äxgag xoiv ßXeqxxQOiv vjioxexav/xevog, viög öjv UaxQixiolov, naxgida Eoxy}>ioxog Zdkdaßa, xrjg xdrco Mvoiag jiohojua ßgayv. ovxog 5 sjieidrj xd noXXd ovvdiaxgißcDv xoig Ovvvoig exoijuÖQQOTiog Jigbg anovoiav fjYyeX'&r] xcö ßaciXel' dcpaigs'&elg ydg oirrjoecog drjjuoolag xcöv xaXovjUEvcov (poidegaxixcov dvvcovcov eiorjysTxai xöig xd negi Sxvd^iav xai Ogdxrjv nlrjgovoi xdyjuaxa, dvoy^egaivovoi juev xai i^ eavxcüv ecp oig enaoyov Jigog xov xijv oxgaxrjyiav syovxog 'Yjtaxiov,

10 xai drj nd'&ei gadicog xä) ngäyxog äg^ai xcöv Jiagavojutjjudxcov xai ETiexeiva x6X/ur]g. xovg ydg xco oxgaxtjycp jiagsdgEvovxag Kcovoxav- xXvov xiva EX Avdiag xai KEXsgTvov (povEvoag exi xai Ma^Evxiov xov xov xaXovjuEVov Aovxog xrjv Mvgcüv EJiixExgajujUEvov ägyj]v dia- (f&eigEi, xai xov reo oxgaxrjycp ovjujivovv xai sig änavxa xsyagio-

15 jUEVov Kagivov ovoyojv xrjg xov fir] dvEXElv ydgixog xojuiCExai dcögov ovjungäiai oi ngbg xyjv xfjg 'Odvooov xai xfjg oxgaxtjyiag i^ov- oiav, xaxafprjjuioavra (bg eYyj avrqj xd xfjg '^ys/ÄOviag EJiixExgajujUEva, nagadovvai Öe xai onooov fjv nag avxcb ygvoiov. TiEioag ovv ix xovxayv änavxag ßXsjiEiv Eig avxöv, ovva^goioag djuq)i xdg v yiXiddag 345 20 TtoXE/biixcöv XE xai dygoixcov ävdgcöv, xfj Koivoxavxivov ngoodysiv f. 151 II rjyyEXxo' 6 Öe ßaoiXEvg xai e$ cbv Evayyog etzejiov&ei Jigög dsiXiav xaxEVEy&slg xai xco nagado^co xü)v jisgioxdvxcov avxcb övoyEgaivcov, TigooExi ÖE xai xcö axovEiv xovg ijiiövxag xrjv 6/uoiav xfjg i^grjoxEiag ngoßdXXEO'&ai juEjuyjiv, oxavgovg juev ex yaXxov nayfjvai VTikg xdg

25 TivXag xcöv xEiycöv nagaxEXEVExai, ygdjujuaoi xi]v alxiav xov ovordvxog ETI avxöv d^ogvßov jiagaxa§ioxcövxag , xfjg öe vTchg xcöv ^cocov eio- cpogäg xyjv xExdgxt]v TtEgiEXdtv juoTgav xov Bid'vvcöv re xai 'Aoiavan' Ed^vovg, xov xavxa drjXovvxa ydgxip iv xfj xaxd xf]v ngcoxEvovoav

5 sneiörj zu streichen 1| hoifiözQOJiog Hds. [vielmehr ETOi/.i6zsQog , wie mir de Boor ausdrücklich bestätigt] || 7 dvcovcov Hds. || 8 rd/naia Hds. || 10 jiQwzog Hds. II jcagavo/ndzcov Hds. [am Rand von zweiter Hand hinzugefügt oz, d. h. jzaoa- voficozdzcov] II 12 xsleagTvov Hds. || 14 z6v fehlt |1 15 zfjg] zijv Hds. || 18 ojiöooaov Hds. jj 27 r^v fehlt nEQul&ojv Hds. |1 28 ev fehlt

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 731

exxhjaiav iega rgaTieCf] q^sgcov xaxe&rjxe, xal T»)g TioXecog (pQovQav

30 enoieXxo diä tcöv ev xoTg xeXeaiv. rjörj de xov BixaXiavov ngoaßa- Xövxog xdig xrjg noXecog Tigoaoxeioig xal Tiegl avxä xd xeiyj} iXij- Xaxoxog, oxeXXexai Jtgög avxöv Uargixiog 6 oxgaxrjyog, ä/xa fxkv <hg ngoorjXovTog oi öiä xi]v ägyjjv xov xoiovde koyov , äua de xal <hg yrjgq Tigovywv xal äiicooeoiv, xal avxcö Se xm BixaXiavco juegog

35 ov juixgöv xrjg evTigayiag yevöjuevog. og ejieidi] :iag avxöv ijX&e xal xfi ex xrjg evegyeoiag nagg7]oiq xa'&^rm)axo, eixoxa fjxovev, eig ola 710/JA Tigorjveyßr} ex xe xcöv xi]v ßaoiXeiav eoyrjxoxojv , xal vvv ^xeiv avxovg öeofxevovg eTiavog&ay^ijvat /uev xcbv dötxrjfxdxarv xov XTJg Ogqx&v^ oxgaxrjyov , xvgcod^rjvai de xal xijv ög&cög eyovoav

40 xov 'deiov öö^av. xfj de voxegaiq xcbv ev ngdnoig nagd xov ßaodea)g etoxkrjdevxoiv xal 7iagayevofxh>oiv BixaXiavov ywgig {xovxov ydg ovde eiooj xi]g TiöXeojg yeveo&ai ejieioe) xd juev ijieyxaXeoag 6 ßaoiXevg xal (hg fxt]dev öXiycogrj^evxag dieXey^ag, xd de ix&ega^evaag dcbgotg xe xal xfj xcbv öcpeiXojuevcov ejiayyeXiq, d^eiv xe VTiooyöjuevog

4- xoi'g x^g Tigeoßvxegag 'Pco/tirjg xd Tiegl xijg dö^tjg xcbv iegcbv xaxa- oxrjoovxag d^ejiejuyjev, ogxovg vjieg xijg ig Xouiöv evvoiag avxcbv OTiodeidjbievog. oi de xcb BixaXiavcb ovyyevojuevoi dvaXaßovxeg avxöv xe xal TiXfj&og coyovxo. 6 de ßaoiXevg 'Avaoxdoiog xrjv xörv ev Qgdxrj crcoXcov axgaxTjyiav KvgiXXco Tiagadidcooiv, ovx dovvexco ovde

.'0 TToXe/uixTJg e/njieigiag djua&ei' eX^d>v de 6 KvgiXXog xaxd Mvoiav xal hiißovXevoai oTiovddCcov xcb BixaXiavcb avxög e7ießovXev&i] ■K Ij Ti^WTOs ev xoig oxgaxrjyixoig oixoig diacp&agelg ^icpei. 6 de ßaoi- tibi' \^^'Xevg dxovoag xd ov/ußdvxa doyfiaxi xijg avyxXrjxov ßovXrjg xijg

'Pcojual'xijg TioXixeiag dU.6xgiov xöv BixaXiavöv tprjcpiCexai, xal crcgaxidv 346

55 fieyioxrjv dyeigag dfxcpl xdg n yiXiddag avxoxgdxogd xe xov TioXejuov

^^ßibiodei^ag 'Y^iaxiov xöv ddeXcpidovv xöv eavxov, "AXa&ag de yevog

^KtSxv&ixöv eTil xf] xov oxgaxTjyov xcbv Sgqxcbv agootjyogiq ejceo&ai

Ol Jigooxd^ag xal Oeödcogov xöv xcbv ßaoiXixcbv ^rjoavgcbv xa/iiav,

Ol ovfi/xi^avxeg avxcb xal diacpögoig eXao&evxeg xvyaig xai Jioxe xai rixTjv ägavxeg fiexgiav eyvcbgioav xcb ßaoiXevovxi, diene avxöv xal ngoeXdeXv ev xoig iegoTg xojioig xal ^eag enixeXeoai drjßioxeXeig. ov fiaxgdv de 'YTidxiog jidXiv enl xöv xvgawov ögjmjoag 'lovXiavöv djießaXe <^o)ygi]devxa xöv ex xov Xoyov xcbv Xeyofxevcov juejuagiaXicov, xoXixTjoavxa öXcog xal ^edoao&ai TiöXe/iov. xal o fiev ev xXcoßcb 65 ßX)]deig xal Tiegiay&elg d<pe&r] ygvoicp. dvaoxrjoag xoivvv 6'Y:;iaxiog ex xcbvde xöv oxgaxov, ägxi xe xal Tijuo&eov xivög h xoig oojfiaxo- (pvXa^iv xexay/uevov xov ßaaiXecog vjiö xcbv ßagßdgcov dvaigedevxog

34 yiga Hds. || 36 eig] (bg flds. H [49 ori?.(ov Hds., rekibt- de Boor] U 56 aJla&ao Hds. 11 63 Tov] xä>v Hds. 11 [66 xivog xov Hds.]

732 Bruchstücke des Johanne? von Antiochia und des Johannes Malalas.

im rfjg ''AxQidog OTgarojisdevexai , to ex xcbv ä/ua^wv yaQaxcojua TiQoßaXofievog. töte öe xcbv Ovvvcov ändvicov owad^goiodevrcov xal

70 elg äjua eqpoQjurjodvrcüv ijieoxe ju^ev rig elg ßga^vv iQovov ävxijiaXog xo^eta cbg de oi ßdgßaQoi xovg x&v äjua^cöv ßöag eßaXXov ovoxeva- odevxag rjör] ngög juexdoxaoiv , öiaXvexai juev rj xov xagaxcojuaxog ovvxa^ig, eti' avxovg de i'aoiv oi ßdgßagoi xovg 'Poijuaiovg , ovdk dvxägai acpioi xdg ;f£t|Oa? xoXfi&vxag. vjio de juiäg xrjg jigög xb

75 dnodgävai onovöyjg JiieCojuevcDv Jigög dXXrjXwv xal vno xivog juayeiag xcbv ßagßdgwv EJiiyEvoju£vt]g dyXvog ejiioxoxiodorjg avxoig xdg ötpecg, ov TiQoiöovxeg ev olg xtjv (pvyrjv etioiovvxo xonoig ig xgrjjuvovg xal (pdgayyag xaxa(peQ6juevoi öiecp^e'iQovxo. äjicoXovxo juev ovv xcööe xcp xQOJicp JiXeiov fj ^ yjXidöeg xal xalg dxQU>Qeiaig x6 xrjg q^dgayyog

80 TZQOoiocod^f] ßd&og vjio xov jtXij&ovg xcbv ijujiEoovrcov dvögcöv xe xal

Ccoayv dX6ya>v' ?]Xa>oav dk xal ol xcöv Xoyaycbv xr}v xd^iv nXrjqovvxeg.

f. 152 avxög dk 'Yjidxiog j| ig xrjv ^dXaxxav xaxadvg xal ola xd TioXXd xcbv

EV xfj äXl xQE^ojUEVwv oQVEOiv ix ju6vr]g dveyovorjg xrjg xetpaXrjg

EJiiyvwo^Eig ovvEXrjcp'&ri. JiXrjQcbv öe BixaXiavog xoig Ovvvoig ov

85 vTiEo^exo 7coQio/u6v x(bv xQTjjLidxov, djioöidoo^ai avxoig xovg äXovxag

i(pfjxev xal xov xe "AXadag djieXvxgcboaxo xal 'Aoiyviov äXXovg xe

347 ovxvovg, xov de 'Yndxiov 6 BixaXiavog xojuiörjg fj^iov xrjg ÖEOvorjg,

(bg im (hvio) jXEydXco xov vjieq avxov xid^ijuEvog Xoyov. xal xb

Xoinbv ovvEOXoXaoxo juev änavxa xd iv üxvd^aig xal MvooTg (pQOvgid

$0 XE xal JioXeig, jidvxeg Se avxbv idedieoav xal ßaoiXea jigooEdoxcov. 6 Öe ßaoiXEvg JiQovoovjUEVog xov ovjußdvxog oxeXXei xivd Ovgdviov, xrjv xov xaXovfXEVOv xayxeXXagiov xd^iv jiXrjQovvxa xcb xcbv öcpcpixicov [xayioxQcp, dfxa UoXvyQovicp xe xal MagxvQicp xoTg xdg xcbv Ovvvcov jigeoßeiag imxexgajujuevoig , ovv avxoig de xal dixa xQ^oiov XiXQcbv

95 Exaxovxddag. ovg drj xaxd xrjv ^cüI^otioXiv 6 xvgavvog Xoyioag avxrjv XE xrjv nöXiv i^eiXe jurjxavijjuaxi doXico, xal xb yqvoiov dcpaigelxai Jigbg ßiav. iv de xfj Kcovoxavxivov xaxd xrjv xrjg inmxrjg '&eav xov drjfxov Jigbg oxdoiv diavaoxdvxog xrjv xe xrjg öeiXrjg navrjyvgiv 6 ßaoiXevg fjQviqoaxo xal cpovog ovx oXiyog eyeyövei, avxov je xov xrjg

100 TtöXECog vvxxEJidgyov xov xaXovjuivov Fexa dvaige&evxog xaxd rr]v judyrjv. rjör] de juixQOv diadgajuövxog ygovov BixaXiavbg avd^ig dgag vrjcbv cbg o cnoXov xal oxgaxbv ne^ixov xe xal iJimxbv noXvv Jiaqa- noQevd^elg xbv Ev^eivov IIövxov, dd^gocog imcov axp&rj xfj Kcovoxav- xivov. jUEXECOQOv ds xrjg JiöXECog ovorjg xal vnb xovg JioXEjuiovg

105 iXmCojUEvrjg yevEO'&ai, oxeXXexai nag avxbv 'Icodvvrjg, xrjv xcbv

86 Evalyviov Müller [dies ist nach de Boors Mitteilung vielmehr die La. der Hs.] || 89 ovvsoxsvaoTo? [dsgl.] |1 98 ngöoraoiv diavaozävzeg Hds.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 733

oxQarrjXaxcbv xal vnaioiv d^icoaiv ex(ov, ex rov rijg jurjTOog etkovv/wv BaXeoiavrjg yvcogiCo/xevog. xal 6 jukv vTiamjoag xdig TioXeuloig rov ex xfjg Tiocorrjg jigooßoXrjg dirjycoviCero xivdvvov, em de tm Xeyofievco Aaoo&evicp Ixezevev, atnög de hiavfiei doojudörjv ^aod rov 'Ava-

110 ordötov, dyyeXXcov xd vtio xov xvgdvvov ejii^rjjov fieva. (bg de 6

ßaoiXevg rf] xe xrjg noXiooxiag dvdyxrj xal xfj rov oroaxTjyov || xatf.152' ovyyevovg ejioyj] ^dvxa jioieTv (bfxoXoyei, ecpegexo juhv ?; xov x&^o^ Tcoooxrjg, eig nevxaxioyiXiag xeivovoa kirgag, iölSoxo de xal xd t^s^ Ogqxiag dgyjjg ovjußoXa Tiagaygijiua, ögxoi xe negl (piXiag Txagec-

115 yovxo xal xijg i&grjoxeiag dveveovxo xrjgvyixa. (hg de ovde ovxcog eX^elv Jigög xov ßaoiXea ngoedvfxeixo, djieycogei. 'Avdeuiov de X7]v vjiaxov dgyi]v diade^a/uerov Bixahavog av&ig e^oyxovaevog deivcbg xov 'Avaoxdoiov enie^ev xal oi xcbv Xeyo/nevwv Ovwayv 2!aß^g, ex xfjg Tigoxegag Tiagoxgvv^evxeg Tieigag, nolAankaoioveg xcö TcXij&ec

120 xaig Txdoaig ayedbv eneyeßrjoav enagyiaig xrjg xaXov/nevrjg Tlovxixfjg, 348 dgdoavxeg de (povov fj.vgiov dyeXag aiyjuaXcüxcov asirjyayov. av&ig xe xaxd rr/v Tiavtjyvgiv xrjg yaaxgfjg ovveßr} '&6gvßov vjio rov drjfxov yeveo^ai. 6 de ßaodevg äxe ovx OJid yvcojurjg jieTigaycbg xdg jxgdg xov xvgawov ovjußdoeig e/bitjyaväTO ei xi dvvrjßeii] dgäoai xax' exeivov

i2f, doXioig. 6 de nagaygfjfia xt]v xov ßaoiXewg Jivdofievog yv(6/nr]v ai'&ig XYjv Tigoxegav /xeregyexai Tieigav xal ovv noXXw JiXij&ei dia- 7iegaio)ßelg xov Ev^eivov tiovxov eg xd Aaoo&eviov rjxev, Tigbg avxaig de xaig xaX.ovjuevaig Zvxalg {jxolga de avxr] xfjg ::i6X.ecog eoydxif) xcbv ßagßdgcov TigooeXaodvxoiv JieCojuayia xe ovvexgox/]d)] jxgbg xovg

130 ev exeiv7] cpvXdxxeiv ex xe 'loavgcüv xal xcov äXXcov X.ayövxag {ecbga ydg eg xdg xcbv Tigodidovxoiv v:iooyeoeig 6 xvgavvog), xal vrjcbv avrov xaxd xb /LLepaixaxov xfjg XgvoonoXecog yevofievcov vjiavxtjoaaa vavg xayvdgoixog xov ßaoiXecog eqf ^g 'lovoxZvog fjv xcbv xaXov/nevatv e^xovßixogoiv ägycov, ov/ujiXaxelg fuä xcbv vrjcbv xal C(oyg}]oag xavg

135 ev avxfj xovg äXXovg ig cpvyfjv exgetpev. d&goio&evxoiv de xcbv Tie^cbv xaxd xov 'AvdjiXovv vvxxcog aio^ofxevog xfjg hi avxcb yevo- fievTjg emßovXijg d:rcedga, 01 xe ovv avxcb ä<pavxoc änavxeg h dxagei eyevovro yoovcp, xovg xgcoßevxag ex xcbv ßagßdgcov Tifj fxev fj^i- 'dvfjxag Tifj de xal vexgovg xaxaMxpavxeg. juexd de xiva yoovov 6

140 x&v BixaXiavw owagafievcov Ovwayv (bg öxi ^dXiaxa xgdxiatog, og xal xov II KvgiXXov xov axgaxrjyov (povov avxoyeigia enga^e, Taggdx 153 xr]v Tigooriyogiav, TiegieXMvxog avxbv ojidxT] Tovgyovv Ovwov xai avxov xal ygt]/Lidxa)v dnodoixevov xfjv xoiavxrjv Jigä^iv, ovvdedelg

115 TÖ] t6t£ Hds. II 118 £-Ta«r«' Hds. H 121 dysXa;] xai äyej.<x^ Hds. H 133 i^axov- ßrjrÖQcov Hds. 0 140 d>g] og Hds.

734 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malales.

jiQÖg avTov xal xoTg rov ßaodecog Jiagado'&elg sg rrjv Kcovoravrivov

145 ^x^V- ^^^ ßaodvovg tzqoxeqov vjiooräg fiexä rovto ^cöv eri Jivgl

die(p'&dQr] xaTO. rov XaXxrjdövog sjiexeiva xorcov, ov Uarxeixiov

övojudCovoiv. juexä de xavxa 'PovcpXvog 6 oxQaxrjyög 'ÄvaoxaGiov

xe xal Ao/xvixov xovg xvgdvvov ocojuaxoq^vXaxag Coiygia Xaßwv

exnefiTiEi xa> ßaodei, xovg de naQayevofxevovg (bg nolXcbv '&avdxa>v

150 alxiovg 6 avxoxgdxcoQ diaq)'d-aQrjvai xQivag xöig xöjv vvxxöjv (pvXa^i

349 Tiagadidmoiv oi de xaxd xbv avxixgv xrjg Kcovoxavxivov nokecog

kocpov xdg xeq)aldg exxefxovxeg enl ^vXivcov ene&rjxav xiovojv.

Yitalianus Vater war, wie auch sonst angegeben wird, Patriciolus, welcher im persischen Kriege des Anastasius 502 fg. ein höheres Commando führte ^, seine Heimath Zaldaba in Medermösien^. Seine Persönhchkeit schildern uns die neuen Fragmente nicht von der vortheilhaften Seite; er sei von kurzer Statur und stammelnder Stimme gewesen und entstellt durch die an den Rändern versengten Augenlider. Verkehrt habe er vor allem mit den Hunnen, mit welchem Namen Johannes, wie Prokop und Andre, die Bulgaren bezeichnet ^. Den Anlass zu dem Aufstand, der von ihm den Namen führt, gab ein Befehl des magister niilitum per Thracias Hypatius*, 350 eines Neffen des Kaisers Anastasius, welcher den in Skythien und Thrakien stehenden Besatzungen die annonae foederaticae entzog. Foederati heissen diejenigen Barbaren, die sich der römischen Herr- schaft unterworfen haben ^ und in den Grenzprovinzen mihtärisch

148 CoyyQialaxcbv Hds.

1) Prokopius bell. Pers. 1,8. Die Identificirung dieses Patriciolus mit Patri- cius, dem Sohne des Aspar (Tillemont 6, 414; Gibbon eh. 40) ist eine leere Ver- muthung.

2) Der Ort kommt auch sonst vor, zum Beispiel bei Hierokles p. 637. Er gehört nach der späteren Eintheilung zur Provinz Scythia, weshalb Vitalianus bei Marcellinus zum J. 514 [chron. II 98] Scytha heisst. Unrichtig machen ihn Malalas p. 402, 3 und Euagrius 8, 48 zu einem Thrakier.

3) Vgl. Zeuss S. 710 fg., der die Hunnen und Bulgaren, es scheint mit Recht, identificirt. Zonaras 14, 3 nennt statt der Hunnen x6 x&v Bovkydgwv s&vog firjnoi jiQiv yivfooxo/xevov. Hunnen und Bulgaren nennen Malalas und Theophanes.

4) Er war der Sohn des Secundinus, des Consuls 511 und der Caesaria, einer Schwester des Kaisers (S. 340 A.4 [727 A. 1]). Hypatius der Consul 500, Führer im persischen Kriege 503, muss von ihm verschieden gewesen sein, da sonst der Sohn vor dem Vater zum Consulat gelangt wäre.

5) Olympiodorus fr. 7 Müll.: iv xal? i^/nsQuig 'Ovwgiov . . x6 (poidsgarcov {ovofia) xaxa SiatpÖQOV aal ov/nfxtyovs ecpsgexo nXrj^ovg. Suidas u. d. W. : (poiSsgäxoi ovxoo xakovai 'Poofiaioi xovg vnoosiövdovg xcöv 2xv&cöv. Malchus fr. 11 Müll. : e^^i

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 735

verwendet werden; und wie in dieser Zeit die nicht römische Miliz überhaupt mehr gilt und besser gestellt ist als die eigene, so sind auch in Betreff der militärischen Emolumente diese Grenztruppen vor ihren Kameraden privilegirt ^. Es wurde dem Vitalianus, dem Sohn eines der Führer dieser foechrati^, nicht schwer die also be- schädigten und gekränkten Soldaten aufzuwiegeln; auch mögen gleich jetzt eine Anzahl von Hunnen sich angeschlossen haben ^. Dass Yitahanus mit seinen Leuten als Vorkämpfer der Orthodoxie gegen den manichäischer Irrlehren angeschuldigten Kaiser aufgetreten ist, wie die Spätem angeben*, sagt Johannes hier nicht; und wenn 351 gleich, wie spätere Aeusserungen auch bei ihm zeigen, allerdings dergleichen religiöse Motive mit im Spiel gewesen sind, werden wir immer aus ihm zu lernen haben, dass dieser Zug kein Kreuzzug gewesen ist, sondern eine Schilderhebung unzufriedener Söldner. Zunächst entledigte sich Vitalianus der dem Kaiser getreuen Officiere, des Constantinus aus Lydien und des Oelerinus, der Beistände des Hypatius, ferner des Statthalters von Moesien Maxentius, Sohnes des

Zijvan'og TTOsoßsig rj/.dov ex Ogqxfjg röjv v:ioa:iöv8<i}v fördcov, ovg di] xai «foiöeoarovs Ol 'PcofiaTot y.aj.ovaiv. Sie werden mehrfach den milites entgegengesetzt, so in der uov, Valent. III 9 vom J. 440: tarn müittim atqtie foederatorum Uiitionem, und nov. Theod. II 24 § 3 vom J. 443: ab omni limitaneorum müitum ac foederatarum gentium concussione. Vgl. Gothofred zum C. Th. 7, 13, 16.

1) Nov. Theod. II 24 § 2: de Saracenorum vero foederatorum aliarumgue gentinm annonarüs alimentis nuUam penittts eos decerpendi aliquid . . . licentiam habere concedimus , nachdem vorher verfugt worden ist, dass den duces und anderen Offizieren ein Zwölftel der annonae des limitaneus niiles zu Gute kommen soll, üeber die foederaticae annonae ist auch die unten S. 369 aus Malalas nach- getragene Stelle zu vergleichen. [Diese unten nicht abgedruckte Stelle des Malalas p. 371 Boim. lautet: sl/j yäg (^Janag) . . jiiij&oi röxdwv xai xöfitjxas Jio/LÄ.oi'g xai äX/.ovg :TaTöag xai :iaQa[^iivovTac avxöig dr&gwsiovt;, ov; ixdXtae (poi&egd-

oup' MV xai ai (foiöegarixal äwtovai xazdyovrai.]

2) Johannes bezeichnet des Vitalianus Stellung nicht; aber Theophanes Tum J. 6005 [I 157, 11] nennt ihn tov viov IlaxQixiöXov xöfttjzog <poi8eo6j(ov, Victor

Tunn. zum J. 510 [chron. II 194] Vitalianus comes (vielmehr comitis [diese Ver- mutung ist a. a. 0. fallen gelassen worden]) PatricioU filius.

3) Johannes spricht von den Hunnen hier nicht, und es ist wahrscheinlich, dass in diesem ersten Abschnitt die foederati im Wesentlichen allein standen, besonders wenn man die Verhandlung der Offiziere mit Anastasius beachtet, die dieser Bewegung ein Ende machte. Dass unter den foederati selbst und im Gefolge des Vitalianus sich Hunnen befunden haben (vgl. Prokop bell. Goth. 1,27 p. 125, 21 Bonn), auch freiwillig deren jetzt sich anschlössen, soll damit nicht geleugnet werden; aber das Herbeirufen der Fremden als solcher scheint erst später stattgefunden zu haben.

4) Theophanes zum J. 6005 [1 157, 12] : oi h 2xv^tq xai Mvaiq xai iouiais Ztögaig ogßödo^oc :iagexa/.ovv xtvrj&^at xaxd 'Jvaaxaoiov xov dvaaeßovs. Ebenso Victor Tunn. zum J. 510 [chron a. a. 0.].

736 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

sogenannten Dux, die alle niedergemacht wurden. Eines andern Beamten, des Carinus, bemächtigte er sich und nöthigte ihn seinem Vorgeben, dass ihm, dem Yitalianus, vom Kaiser die Befugnisse des magister militum übertragen seien, Glauben zu verschaffen, wodurch er sich in den Besitz der Stadt Odessos^ und des Schatzes setzt. So marschirte er an der Spitze von 50,000 Mann auf ConstantinopeP. Anastasius sucht zunächst sich von den an seiner Orthodoxie ge- machten Ausstellungen zu reinigen: er lässt bronzene Kreuze mit der Angabe des wahren Grundes des Aufstandes über den Thoren der Hauptstadt aufstellen und bringt auf dem Altar der Hauptkirche als Opfergabe den vierten Theil der Viehsteuer ^ der Diöcesen Asia 352 und Bithynia dar. Als dann Vitalianus vor den Thoren der Haupt- stadt erschien, wurde ihm der mag. mil. Patricius* entgegengesendet, ein bejahrter hochangesehener Mann, unter dem Vitalianus früher den persischen Feldzug mitgemacht hatte ^. Vitalianus erklärte, dass er in Erinnerung des Wohlwollens, das ihm die Regierung früher bewiesen, gekommen sei um die Aufhebung der dem thrakischen Heer von Hypatius zugefügten Unbill und die Festhaltung am ortho- doxen Bekenntniss nachzusuchen ^ Am folgenden Tage wurde nicht

1) Dasselbe Factum ist wohl das von Marcellinus [chron. II98] nach der ersten Rückkehr von Constantinopel berichtete: hinc Odyssum Moesiae civitatem Vitalianus pernoctans astu ingressus est. Ebenso erzählen Theophanes und Euagrius (S. 352 A. 5 [S. 737 A. 2]).

2) Marcellinus zum J. 514 [chron. a. a. 0.]: Vitalianus Scytha adsumpta Bomanarum equitum peditumque plus quam LX milia armatorum in triduo eongre- gatorum in locum qui Septimus dicitur advenit ibiqu£ castra metatus est, dispositis- que a muri in mare suarum ordinibus ipse ad usque pai'tam quae aurea dicitur sine ullius accessit dispendio. Die Späteren, wie Jordanis {Vitalianus cum LX milibus armatwum tertio vielleicht triduo [andere Vermutung in der Jordanis- ausgabe der Monumenta S. 46, 17] paene non rei publicae, sed regi infestus accedens multa suburbana regiae urbis praedis spoliisque attrivit) und Theophanes (zum J. 6005 [I 157, 13]: 6 Ss xivrjd'slg jioVmq /nvQidda? dvsT?.s orgarov tcöv vjisq 'Avaoraoiov /LcayofiEvcov yqvaöv ts slg göyag avrcöv jtsiLi7i6/j,svov nkeToxov xai onXa stg avi^naxiav xal dojrdvag xai oaa akka iysiQovTo) machen schon aus diesem Zug einen eigentlichen Feldzug, aber gegen ,i die besten Zeugen und offenbar verkehrt.

3) Dies ist die capitatio animalium, die neben der capitatio humana C. Th. 11, 20, 6, oder die publicae functiones animales, die neben den publicae functiones terrenae Cod. lust. 11,48, 23, 2 auftreten, derjenige Theil der Grundsteuer, der für das Vieh entrichtet wird. Vgl. Hermes 3,438 [in dem Aufsatz: 'Syrisches Provinzialmaß und römischer Rechtskataster', der in den Epigraphischen Schriften zum Abdruck gelangen wird].

4) Consul 500, Feldherr gegen die Perser 503 fg.

5) So wird wohl Johannes Andeutung zu fassen sein: avzc^ tcö Bizahavcö fisQo; ov fiixQov zi]g svjigayiag yevö/HEvog.

6) Marcellinus nach den S. 351 A. 2 [oben A. 2] angeführten Worten: scilicet

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 737

Vitalianus selbst denn er zog es vor draussen zu bleiben

wohl aber seine Offi eiere zum Kaiser geführt, der ihnen theils den Ungrund ihrer Beschwerden darthat; theils für die begründeten Abhülfe versprach, wegen der Rehgionsstreitigkeit aber verhiess die Bischöfe des ^\'estreichs als unparteiische Richter um ihren Schieds- spruch anzui-ufen. In der That gelang es dem Kaiser die Gefahr * zu beschwören. Die Offi eiere leisteten ihm aufs Neue den Eid der Treue und bestimmten den Yitalianus sowohl wie die Massen dahin woher sie gekommen, zurückzukehren 1.

Anastasius ernannte nun anstatt des Hypatius zum mag. mtl. för Thrakien den Cyrillus, einen fähigen und erfahrenen Officier. Dieser suchte mit List den Yitalianus aus dem Wege zu räumen; aber seine Pläne wurden demselben kund und einer der treuesten und angesehensten Genossen des Yitalianus, der Hunne Tarrach, erschlug den Cyrillus mit eigener Hand 2. Als Anastasius diese xs'achricht erhielt, Hess er nach altem Herkommen den Yitalianus durch den 353 Senat in die Acht erklären und sandte den Hypatius, dessen Mass- regeln die Insurrection hervorgerufen hatten, als Höchstkommandiren- den mit SO 000 Mann gegen die Insurgenten. Unter ihm standen der Skythe Alathar, der als tnag. mil. von Thrakien dem Cyrillus nachfolgte ^, und der kaiserliche Schatzmeister Theodorus. Yitahanus

pro orthodoxorum se fide proque Macedonio wrbis episcopo incasstim ab Anastagio

EHpe exulato Constantinopolim accessisse adserens. 1) Marcellinus a. a 0. : Anastasii simulationibus cUque periuriis per Theodo- ' intemuntium ilUctus atque iUusus octavo die, quam urbem aceesserat, remeavU. 2) ]\tarcellinus a.a.O.: CyriUum Unocinantem magis quam stremium müitiae yrem inter duas paelices Vitaliamis repperit donnientem eumque abstractum mox cuUro Getieo iugulavit hostemque se Anastasio Caesari paiam aperteque eaJti- hiit. Malalas p. 402 sehr ausführlich. Theophanes zum J. 6006 [I 160, 13]: rovrcp TW hei Bixakiavog jragcüaßoyv jiäaav zijr Oqoxtiv xcu . . . ix<ov fi£&' iavrov :t/.fjdo; Ovwcov y.al BovXydgcov nagiXaßev rr]y 'Ayiiclov xcu rrff 'OdvooöJioXiv, xiäoas y.al Kvoi/./.ov xov aroarTjXdTrjv OQÖxrjg, xal ^/i?e 7toai8sv(ov eoyg zov Bv^avziov. Aus Theophanes schöpft Cedrenus, den ich desshalb nicht -weiter berücksichtige. Euagrius 3, 43: KvqiXX<k zag ImaxQatevaEig syxeioi^exai xcu Jigtöia fiev rij; fidxtjs u-'/co/^id/.ov yevofiEvrjg , sha xal noXXäg XQo:ias de^afievTjg ev xe xaig v:iay<aycüg xcu Tov KvoiXkov x6 ziXiov iaxijxöxog kiiGXQoq;ä8rjv :icdivdico^ig yeyovev edti.oxaxT]odvio>y Töiv GxoaxicoxöJv xal ovxu> xov KvQiÄlov EX xrjg 'Obvoaov ^aQsiXi]<fsv 6 Bixcdiavog. Malalas, Theophanes und Euagrius setzen die Niederlage des Cyrillus nach der des Hypatius, während Johannes die Folge umkehrt. Die übrigen Quellen, selbst ' Marcellinus, nennen nur die eine oder die andere. Vermuthlich ist Malalas der

IHfcheber dieser Umstellung und hängen Theophanes und Euagrius von ihm ab. ^^ 3) Ihn kennt auch Jordanis de regn. succ. [p. 46, 22]: item Bufinus Alathort- que magister militum saepe supercdi. So hat die Heidelberger Handschrift, wofür freilich in den Ausgaben steht: Herum suus gubemator magisterque rmlitum.

MOMMSEN, SCHR. VU. ^7

Ift

738 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

stellte sich ihm mit den Seinigen entgegen und rief die befreundeten Hunnen auf; gegen Zusicherung einer grossen Geldsumme sandten diese ihm ansehnliche Haufen ^. Von den Kaiserlichen wurden einige glückliche Gefechte geliefert und der Kaiser glaubte schon die In- surrection unterdrückt, so dass er wieder in den Kirchen der Haupt- stadt und bei den öffentlichen Spielen erschien. Aber es folgten bald neue Unglücksfälle. Julianus, ein Beamter aus dem Scrinium der Memoriales, der, ohne Officier zu sein, den Krieg als Zuschauer hatte mitmachen wollen, wurde gefangen und in einem eisernen Käficht mitgeführt 2, bis mit vielem Golde seine Freigebung erkauft ward. Ein höherer Officier Timotheus, einer der Protektores des Kaisers, fiel im Gefecht. Hypatius schlug sein Lager bei der Burg Akris ^ am Ufer des Meeres und ordnete hier hinter der Geschütz- reihe seine Truppen. Mit gesammter Hand griffen die Hunnen ihn an. Eine Zeit lang stand das Schiessgefecht; aber als die Hunnen ihre Pfeile auf die Ochsen richteten, mit denen die Geschütze be- 354 spannt waren, und diese niederschössen, ward die Geschützreihe durchbrochen* und die Truppen selbst hielten den anstürmenden Hunnen keinen Augenblick Stand. Es wird berichtet, dass deren Zauberer gar noch Finsterniss machten und also die nicht von den Streichen der Feinde fielen, auf der Flucht theils in die Bergschluchten, theils in die See stürzten, zusammen über 60,000 Menschen umkamen. Die Officiere wurden fast alle gefangen, Hypatius selbst lebend aus

1) Johannes erwähnt dies erst später; es passt das Herbeirufen des Landes- feindes aber nur in diesen Zusammenhang.

2) Dasselbe berichtet Victor Tunnunensis von dem Patricius oder vielmehr dem Hypatius (S. 354 A. 2 [S. 739 A. 1]).

3) Dass Akris Ortsname ist , zeigt Marcellinus zum J. 515 [chron. II 99] : Hypatium . . captivum catenatumque apud Acres castellum tenebat; dass es am Meere lag, die weitere Erzählung. Sonst ist der Ort unbekannt; er muss an der thrakischen oder allenfalls an der skythischen Küste gelegen haben.

4) Die mit Ochsen bespannten Wagen der Römer, die während der drtijia- Xog ro^eia in erster Linie stehen, können nur die onagri des Vegetius (2, 25; vgl. Marquardt 3,2,471) sein: legio . .. instruitur iaculis, quae mdlae loricae, nulla possunt scuta sufferre. nam per singulas centurias singiclas carroballistas habere consuevit, quibus muli ad trahendum et singula eontubernia ad armandum vel dirigendum, hoc est undecim homines deputantur . . . mm sölum autem castra defendunt, verum etiam in campo post aciem gravis armaturae ponuntur . . . in una autem legione LV carroballistae esse solent. item decem onagri, id est singuli per singulas cohortes, in carpentis bubus portantur armati, ut si fo^ie hostes ad oppugnandum (Hdschr. ad pugnandum) venerint Valium, sagittis et saxis possint castra defendi. Die Bezeichnung carpentum deutet an, dass die Wagen bedeckt waren. Uebrigens kenne ich keine zweite Schlachtbeschreibung, die die Verwen- dung der Geschütze in dem Standgefecht dieser Zeit so anschaulich machte.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 739

dem Meere aufgefischt ^. Die ungeheure Beute setzte den Yitalianus in den Stand den Hunnen die versprochene Summe zu zahlen. Die übrigen gefangenen Officiere, Alathar, Asignius und andere wurden gegen Lösegeld entlassen; aber den Prinzen des kaiserlichen Hauses, den ihm das Kriegsglück in die Hände gespielt hatte, bewahrte Vitalianus sorgfältig wie eine kostbare für hohen Preis anzubringende 355 Waare. Er hatte sich nicht geirrt. Der Kaiser sandte den Can- cellarius des magister officiorum^ Uranius mit den beiden für den Verkehr mit den hunnischen Gesandten bestimmten Beamten Poly- chronius und Martyrius ^ imd mit zehn Hundertpfunden Goldes *, um den Gefangenen von den Hunnen zu lösen. Aber bei Sozopolis, dem alten Apollonia in Thrakien, fielen die Boten in einen Hinterhalt und statt den Gefangenen zu befreien wurden sie selbst mit dem Lösegeld und der Stadt Sozopolis eine Beute des Feindest

In den Statthalterschaften Moesien und Skythien waren die Castelle und Städte sämmtlich in der Gewalt des Yitalianus und allgemein erwartete man, dass derselbe sich zum Kaiser werde

1) Jordanis [p. 46, 19] : contra quem (Vitalianum) dum Hj/patius nepus Caeaaris cum exercitu mimeroso prignaturus egreditur, ante ab Hunnis ar4xäiaribus capitur et Vitaliano mula insidens turpiter venditur, anteguam aperto prodio parte adversa sese inimieum ostenderet. Marcellinus übergeht die Gefangennahme des Hypatius, obwohl er dessen Lösung erwähnt ; Theophanes und Euagrius erwähnen sie, aber, wie schon bemerkt ward (S. 352 A. 5 a. E. [S. 737 A. 2]), wahrscheinlich nicht an der richtigen Stelle. Jener erzählt unter dem J. 6005 [1 157, 16] : <paal 8s ozi ir fiiä ovfißoXfj k^rjxovra :xhne ^Uiddag argarov ßaaüixov ixQtjfivioe ovv 'Y^ariq) aTQorrj- yovvri avx&v, vlät 8e i^adskqpfjg 'Avaaraoiov xal 2sxow8ivov aargtxiov, ov xai niaaas CöHra SV q?QovQä slxev. Dieser sagt 3, 43: ago? tcöv olxslcov ^Qo8odsi? 6 'YTcärio? Qoiyoiag ?//£ö. Victor Tunnunensis zum J. 511 [chron. II 195] : Vitalianus comes Patricium nepotem Anastasü principis magistrum Bomanae müitiae congressione facta LXVviris ex militia Bomana peremptis rtntm capit et vinculis aereis vhictutn in custodiam cavae (vielmehr caveae [so eine Hs.]) ferreae trudit et postea distrahU, wo Patricius, Hypatius und lulianus verwechselt werden [statt Patricium haben zwei Hss. Hypatium]. Keiner dieser Berichte ist correct; der wahre Zusammen- hang der Dinge wird erst durch Johaimes klar.

2) Die Not. Dign. Occ. c. VIII verzeichnet unter den dem magister ofßeio- ■tm untergebenen Bureaus an letzter Stelle die cancdlarii,

3) Diese merkwürdigen rag xätv Ovwcov ngsaßsiag hiixsxQannevoi sind ver- muthlich zu suchen unt^r den interpretes diversarum (oder omnium) gentium, die die Notitia unter dem Bureaupersonal des magister officiorum aufführt Vgl. dazu Böcking not. dign. occ. p. 322.

4) Vgl. Cod. lust. 12, 51, 12: exceptis auri centenariis.

5) Diese Sendung erwähnt auch Marcellinus beiläufig zum J. 515 [chron, II 99]: iam miUe centiim auri libris cum TJranio captivo sibi a suis in Sozopoli dblatis. Die 1100 Pfund scheinen aus Missverständniss der 8ixa yovalov iAXQtöv sxajovrddeg entstanden.

47*

It

740 Bruchstücke des Johannes von Antiochja und des Johannes Malalas.

ausrufen lasspn. Auch in der Hauptstadt fanden Aufläufe statt, zu dienen, wie gewö,hnlichj, die Circusspiele die Veranlassung gaben; da der Kaiser sich weigerte das Rennen am Abend zu wiederholen, erschlug der Pöbel den jjraefedus vigilum Geta und andere Personen ^. Zum Kaiser nun zwar Hess Vitalianus sich nicht machen 2, wohl aber griff er die Hauptstadt an, diesmal zu Lande und zu Wasser, indem er an der thrakischen Küste hinab marschirend bis nach dem Hafen Sosthe- nion, zehn Milien von Constantinopel, vordrang und dahin zugleich seine Flotte von 200 Schiffen steuern liess^. Die Bewohner der 356 Hiauptstadt erwarteten ihn einrücken zu sehen; der Kaiser hatte in der That nichts ihm entgegen zu stellen. Wie immer suchte er sein Heil in der Diplomatie und sandte an ihn den Johannes, den Sohn der Yaleriana, der Schwester des Vitalianus, der schon hohe Aemter bekleidet hatte und späterhin in Justinians Gothenkrieg eine hei-vorragende Rolle spielte *. Derselbe gelangte nicht ohne Lebens-

1) Von diesen Unruhen ist sonst nichts bekannt. Die von Theophanes unter dem J. 6005 erzählte durch religiöse Motive veranlasste Bewegung, bei welcher das Volk den Ruf erhoben haben soll, dass Vitalianus Kaiser werden möge, scheint nicht hierher zu gehören, sondern aus dem hervorgegangen zu sein, was Marcellinus unter dem J. 512 von Areobindus berichtet.

2) Johannes sagt das nicht, obwohl er ihn als xvqawog bezeichnet; und dass es von Vitalianus keine Münzen giebt (Sabatier monnaies Byzantines 1, 156), ist entscheidend.

3) Marcellinus 515: Vitalianus eiäem Anastasio imp. imnianior factus est inimiciis : praemissis quippe suorum equitibus armatisque naviculis sinistro sibi litwe deeurrentibus ipse peditum armis stipatus Systhenense praedium ingressus est totius- que loci palatium habuit mansionem. Theophanes zum J. 6006 [I 160, 17], unrichtig anknüpfend an die Gefangennahme des Cyrillus: (pEidöfisvo? ds x^s nöXacog h Zoio&Evicp iorgatoMEÖsvaaro. Victor Tunn. zum J. 514 [chron. II 195]: Vitalianus comes cum manu valida barbara)-um Constantinopolim veniens in Sosthene sedit. Den Ort nennt auch Johannes Antiochenus fr. 15, 2 (und dessen dort von Müller angeführte Ausschreiber) ; die Lage bestimmt Malalas p. 403, 8. 406, 21 und besonders der Periplus des Euxinus § 90. Die Form Aaooßiviov findet sich ausser unserer Stelle nur in den salmasianischen Excerpten des Johannes a. a. 0., Ascood^enov bei Stephanus (u. d. W. rvvaixöonoXig) , während der Pariser Codex 1680 der Excerpte und alle anderen Zeugen Scoad'eviov schreiben. Vgl. Man- nert 7, 152.

4) Marcellinus zum J. 515: missi sunt ad Vitalianum a Caesare senatores, qui pacis cum eo leges componerent. Theophanes zum J. 6006 [1 160, 18]: Ava- 0x6.0105 Sk ojioyvovg nsixnei xiväg xfjg ovyxXrjXov Jtagaxakcöv EiQrjvsvoai avxöv. Vgl. Prokop bell. Goth. 2, 5: "loiävvrjg 6 Bixahavov xov iiQwrjv xexvQavv7]x6xog a8sX(pi8ovg, und Malalas p. 404, 2: Imdvvtjv xöv BaleQiavijg, wonach der lückenhafte Text des Johannes zu ergänzen ist. Wenn Johannes der Neffe des Vitalianus nach Johannes von Antiochien schon mag. mil. und Consul gewesen war, so kann letzteres nicht vom Ordinariat verstanden werden: denn die beiden aus dem

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 741

gefahr durch die feindlichen Yorposten bis in das Hauptquartier des Yitalianus in dem kaiserlichen Palast von Sosthenion. Man musste wohl jede Bedingung annehmen, die Yitalianus zu stellen beliebte: dass dieser sich enthielt die Absetzung des Kaisers zu fordern und überhaupt Bedingungen stellte, war schon ein unerwartetes Glück. Yitalianus wurde, wie er verlangte, zum magister militum per TJiracias bestellt^, für die Lösung des Hypatius die ungeheure Summe von 5000 Pfund Goldes entrichtet 2, endlich durch ein kaiserliches Edict 357 den Beschwerden der Orthodoxen abgeholfen und der ganze Yertrag durch feierliche Eide bekräftigt. Dass die Wiedereinsetzung der abgesetzten Bischöfe und die Einberufung eines allgemeinen, auch von den occidentalischen Bischöfen zu besuchenden Concils gefordert ward und Yitalianus sich nicht mit dem oft gebrochenen kaiserlichen Eidschwur begnügte, sondern auch die Principes der sämmtlichen Scholae so wie der Senat und die Oberbeamten den Yertrag eidlich bekräftigen mussten, sagt Johannes nicht, ist aber sonst glaubwürdig überliefert^. Ohne den Kaiser haben sehen zu wollen ^ ging der neue magister miliitim in seinen Sprengel zurück.

Aber Anastasius war nicht gewohnt sich an irgend etwas zu binden, am wenigsten an ein gegebenes Wort; er rechnete den Meineid für den Herrscher zu den Mitteln gerechter Notwehr*. Im folgenden Jahre 5!5 es ist dies leider die einzige in diesen Frag- menten ausdrücklich angegebene Jahrzahl brachen die Saber- Hunnen von Armenien her in das römische Gebiet ein und plünder- ten und mordeten entsetzlich in der ganzen pontischen Diöcese^

isaurischen Feldzuge bekannten Johannes, die 498 und 499 zum ordentlichen Consulat gelangten, sind von diesem verschieden.

1) Das sagt auch Marcellinus [chron. II 99]: tnagistef tnilüttm VUahanus per Thracias factus.

2) Marcellinus zum J. 515: nongenta pondo (oder pondera) auri exeeptis regalibus mutieribiis pi'o pretio tunc accepit Bypatii . . . Hypatium, quem captivum catenatumqtie apud Aa-es castellum tenebat, reversus siw remisit avunculo. Theo- phanes zum J. 6006 [I 160, 28]: Hsxovvdlvog dk 6 jtazQixio;, yafißgog 'Avamaa/ov i:i ä8£/.q:i~j, .tot^o 8k 'Ynaxiov etg rovc :j6Sag rov BiraJuavov :igoc:isaü}y :ioHoTi däy.ovaiv 'Y:tdriov rov löiov viöv ex twv iv Mvaiq deoficöv C^vro d.-üj.aßsv. Kurz erwähnt den Loskauf Euagrios 3, 43. Dass Marcellinns nicht von 90 Pfiind Gold gesprochen haben kann, ist aus dem Zusammenhang klar; vermuthlich schrieb er oder hätte schreiben sollen L auri pondera, so dass pondus so viel ist als centenarium.

k; 3) Theophanes zum J. 6006 [1 160, 21]. Victor Tunn. zum J. 514 [chron. U 195]. 1, 4) Theophanes a. a. 0. [I 161, 10]: sleys rofior eivai xs'uvovxa ßaadia xar avdyxTjv eTctoQxsTv xai xpevdeodai.

5) Marcellinus zum J. 515: ea tempesMe Hunni Armenia transmissa totam Cappadociam devastantes usgue Lycaoniam perrexerunt. Victor Tunn. zu dems.

742 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

.Nach Johannes Angabe ist dieser Angriff der Hunnen vom Kaukasus durch die von den Hunnen an der Donau bei dem Aufstand des Vitalianus erreichten Erfolge hervorgerufen worden, und unmöglich ist es nicht, dass die in Europa zu Tage getretene Schwäche des Römerstaates auf die asiatischen Völkerschaften bestimmend ein- gewirkt hat. Anastasius suchte, vielleicht diesen Hunneneinfall zum Vorwand nehmend, sich den mit Vitalianus geschlossenen Verträgen zu entziehen ; anderweitig wird gemeldet, dass er die Abhaltung des 358 zugesicherten allgemeinen Concils zu hintertreiben wusste ^ und dass er das dem Vitalianus gegebene Commando in Thrakien an seiner Stelle dem Rufinus übertrugt. Da brach Vitalianus zum dritten Male mit Heer und Flotte gegen die Hauptstadt auf und gelangte wiederum ungehindert bis nach Sosthenion; ja er besetzte Sykae, die Vorstadt Constantinopels auf der andern Seite des goldenen Horns, das heutige Pera. Vitalianus hoffte, dass die Isaurer und die sonst dort stehenden Besatzungstruppen zu ihm übergehen würden, aber vergebens: sie leisteten tapferen Widerstand. Seine Schiffe zeigten sich selbst an dem asiatischen Ufer Constantinopel gegenüber bei Chrysopolis, dem heutigen Scutari. Andere Berichte sagen, dass der kaiserliche Admiral Marinus der Syrer hier den Vitalianus zur See besiegte und in Folge dessen dieser eiligst die Belagerung auf- hob'; Johannes meldet davon nichts, als dass der Führer der kaiser-

J. [chron. II 195]. Theophanes zum J. 6008 [I 161, 28] : zoitca xw hei Ovvvoc ot Xsyöfisvoc SaßrjQ TtsQaoavreg rag Kaaniag nvXag rtjv 'AQfxeviav s^sögafMOV, KannaSoxiav xal FaXaziav xal Ilovtov Xrji!^6fi£voi dtg xal Evxdira (iixqov 8eTv jiaQaan^aaa&ai. Euagr. 3, 43. Malalas p. 406, 10. Bei Theodorus Lector 2, 19 heissen sie, wohl durch Schreibfehler, xatßavoc Andere Stellen über diese Sabern am Kaukasus giebt Zeuss S. 711. 713, wo die hier angeführten fehlen.

1) Theophanes zum J. 6006 [1 160, 31] berichtet, dass der Papst Hormisdas auf das Ansuchen des Anastasius das Concil von Heraklea in Thrakien zu be- schicken bereits zwei Abgesandte ernannt gehabt habe, aber obwohl Vitalianus und der mit Vitalianus einverstandene Theodorich auf deren Absendung gedrungen hätten, sich doch durch vertrauliche Mittheilungen des Kaisers habe bestimmen lassen sie zurückzuhalten.

2) Marcellinus zum J. 516 [chron. II 99]: mutata fide Anastasius imp. Vita- liano siiccedit (= ruft ihn ab) eidemque Rufinum destinat suecessorem. Den Rufinus nennt Jordanis (S. 353 A, 1 [S. 737 A. 3]) unter den von Vitalianus überwundenen Feldherren.

3) Euagrius S. 43, anknüpfend an die Gefangennahme des Cyrillus: fiexec rcov xaXovfieviov Hvxäv rrjv sXaoiv snoirjoaxo (Vitalianus) nävra Srjwv, nävxa tivqjio- Xwv ov8h> STEQOV Toig qpavraoiaig sxcov rj xal xrjv nöXiv avxrjv i^sXsTv xal xfjg ßaai- Xsiag XQaxfjoai. iv 2vxaTg de avxov axr]vcooa/x.ivov axeXXsxai JiQog rov ßaaiXimg MagTvog 6 üvQog .... fiexä vtjixov otqüxov noXs/ntjocov x(p BixaXiavw. ovv^xrjv ovv

Bruchstücke des Johannes von Äntiochia und des Johannes Malalas. 743

liehen Palastwächter {excubitores) Justinus mit einem Schnellsegler 359 ein feindliches Schiff weggenommen habe, und den plötzlichen nächt- lichen Abzug der Hunnen unter Zurücklassung selbst der Verwundeten. Weiter erfahren wir aus Johannes ^, dass es den Kaiserlichen gelang Zwietracht unter den Anhängern des Yitalianus anzustiften. Der getreue Diener desselben, durch dessen Hand Cyrillus gefallen war, der Hunne Tarrach, wurde durch seinen mit kaiserlichem Gold er- kauften Landsmann Turgun den Kaiserlichen in die Hände geliefert imd in Panteichion bei Kalchedon lebendig verbrannt. Rufinus bekam die Leibwächter des Yitalianus, Anastasius und Domnicus in seine Gewalt und auch diese wiu-den in Constantinopel hingerichtet. Hier bricht der Auszug ab. Ueber die Wendung, die der Tod des alten Anastasius (9. Juli 5 IS) vmd der Regierungsantritt des ortho- doxen Justinus diesen Dingen gab, über die hohe Stellung, die Yitalianus unter diesem einnahm, über seine Erhebung zum mdgister militiae in praesenti und zum ordentlichen Consul für 520 und seine Ermordung auf kaiserlichen Befehl in eben diesem Jahre erfahren wir aus den neuen Fragmenten nichts.

äfj.(f<o Ttü axQara), o ^ev i:ii :iQVfivav ras Zvxäs, o 8e rijr K(ovoxavTivov:ioXtv f/eov. }<ai ngcörov ftev dvexcöxfvov , sha /lexa tovc exJiXovs xai xoi-g dxQoßoXtofioi-s firta^i' roiv dvoTv aroaxo:ti8otv vavfiaxias xaQxegäg ovoxäarjg jxegi xaXnvutva Bv&ägia (vgl. Malalas p. 405, 5) qjevyei fiiv nQoxQonddfjv :;igvfivav xoovadftsvos 6 BixaXtavog :io/./.ä xtjg Svvdfteco? obxoßaXwv, <pevyovai 8e xai oi äfitp' avxöv ovxto xdxiaxa, <5ff firjöeva .-rokiuiov dvä xrjv s^ij? .-xeqI xov 'Avcuniovv tj :t€Ql xijv jcöhv avxijv ei^Qe&rjrat, Anaplus heisst eine Oertlichkeit vier Milien vor Constantinopel gegen Norden (Marcellinus zum J. 481 ; Stephanus u. d. W. /i-vatxoo.-io/t^ und KcdXüxoXt^; Skylax § 67 und sonst). Der Bericht des Euagrius ist unter den über diese Seegefechte erhaltenen der beste: noch geringer sind die bei Malala.s p. 403 und bei Zonaras 14, 3, wobei die Wunderthaten des Proklos die Hauptrolle spielen; obwohl in der märchenhaften Umgestaltung bei dem ersteren mancher der wahren Ueberlieferung entnommene Zug enthalten sein mag. Die im Ganzen besseren Darstellungen des Marcellmus und des Theophanes übergehen diese Seeschlacht ganz.

1) Die übrigen Quellen schweigen Ober den weiteren Verlauf der Verwick- lung; nur Euagrius sagt 3, 43: qraai S" oiV xov Bixadtayov iv 'Ayztdi.ip xtra ZQ^"^ diaxoiipai, xrjv rjovxiav äyovxa. Was Theophanes unter dem J. 6007 [I 161. 14ffi] berichtet, dass Vitalianus, durch den Meineid des Anastasius erbittert, ihm viel Böses zugefügt habe und ihm zum Hohn die einzelnen gefangenen Soldaten ftlr einen Follis den Kopf verkauft habe, fugt sich in die sonst bekannten Nach- richten nicht recht ein.

744 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

"Ort enl Uovoxiviavov hvQdvvrjoav ol ZafxaQeXtai xal eorexpav ßaodsa. Gemeint ist der Aufstand der Bewohner von Samaria unter Führung des Julianus gegen Kaiser Justinian im J. 529. Vgl. Clinton fast. Rom. zu d. J.

"Chi 'lovorTvog rbv äveyjiöv avrov äjiExexpdXioev cog emßovXevod- jusvov avrcp. Der jüngere Justinus, Sohn des Germanus, des Bruders Justini- ans, Consul 540, wurde auf Befehl Justins II im J. 566 hingerichtet ^.

3ßQ "Chi oxavdaXio^eig 6 Mavgixiog enl rcp juiorj'&fjvai diä ro jiqo-

dovvai Ti]v aixjualojoiav ygäcpEi ngog rbv oxQaxrjyov KojuevnoXov xgv(pa jiQodovvai röv Xaov Tijg Ogaxrjg eig rovg ßagßdgovg. eyvoj ovv 6 Xabg rbv doXov rbv ydg OTQaxr]ybv XQarijoavrsg , vjxedei^ev 5 avxoig xd yodjujuaxa. änb xoxe ovv ei^rjxovv (povevoai Mavgixiov. yvovg de 6 Mavqixiog dieöe^axo KojuevxiöXov noirjoag 0iXi7i7iix6v. ene^xpav ovv evxoXixaoiovg öid KojuevxiöXov f]v de sig e^ avxcov 0coHäg. 6 ovv 0(oxäg dvxixaxeoxr} xcö ßaoiXeT xal ndvxo)v e^eX- d^övrojv elg xcöv jiaxQixicov eTiidga/ucbv xw 0ü)xa dneonaoe xcbv 10 yeveicov avxov. 6 de 0ojxäg eveßXeipev avxbv änoxQioiv /it] öovg avxüj.

Dies Bruchstück gehört in den Avarenkrieg des J. 600. Nach- dem der Chagan der Avaren den Kaiser Mauricius vergeblich auf- gefordert die Gefangenen für einen niedrigen Preis auszulösen, lässt er sie sämmtlich umbringen. Die Erbitterung der Soldaten gegen den Kaiser, dem sie den Tod ihrer Kameraden zur Last legen, bestimmt diesen dem Feldherrn Commentiolus den geheimen Befehl zugehen zu lassen das Heer dem Feinde zu verrathen; die Soldaten erhalten Kunde davon und senden Abgeordnete, darunter den Centu- rionen Phokas, den spätem Kaiser, an Mauricius, um über Commen- tiolus Beschwerde zu führen. Wie Phokas den Kaiser anredet, wird er von einem der Senatoren gemisshandelt, der Kaiser aber ruft den Commentiolus ab und ersetzt ihn durch den Philippicus. So erzählt

2 ai/jiaXcooiav] alyjiaXcooiav xal Hds.

1) Johannes Biclariensis zum 2. Jahr Justins II [chron. II 211]: lustinus filius Geitnani patricii consobrinus lustini impei-atoris factione Sophiae Augustae in Alexandria occiditur.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 745

Johannes. Bei unseren anderen Gewährsmännern, insbesondere Theophanes zum J. 6092 p. 432 [I 2S0 de Boor] und Theophylactus Simocatta S, 1, legt das Heer nicht dem Kaiser, sondern dem Com- mentiolus den beabsichtigten Terra th zur Last, was allerdings zu der Beschwerdeführung beim Kaiser besser passt, und ^vird Com- mentiolus für jetzt nicht abberufen, sondern im Oberbefehl bestätigt. Doch ist der genau motivirte und detailUrte Bericht eines so ge- wichtigen Zeugen, wie Johannes für diese Epoche ist, sehr beachtens- werth. Theophanes Erzählung mag zur Yergleichung hier stehen: iy. Tovrov tio'/.v fuoog ey.ivt]dr] xaxä Mavgtxiov tov ßaodecog xal rjoiavTO Xoidogiaig tovtov ßdXXeiv öuoicog xal 6 ?M6g 6 ev r/) Soaxt] :To6g Xoidooiav rov ßaouecog exivtj'&r]. 6 de orgarög evrohxaoiovg a:T€7ieLiyje Tioög rov ßaot/Ja xarä KoixevnÖAov ojg Tiooöooiav ev reo 7io/J/ucp Jioii^oavrog, ev olg fjv xal 6 0a)xäg, oortg reo ßaodei dia- 361 ?.ey6/nevog ßovegebg xovzep ävreXeyev ev reo oeXevriw, Sore rivd reöv TiarQixieov rovrov juar^eöaai, xal rov 7ieoyo}va avrov riXai. 6 de ßaai- Xevg ov xareöe^aro ttjv xarä Kofxevriokov eyxXr]aiv, aXkä rovrovg OTiodxrovg OTieXvaev. öiä rovro xal }) eTiißov).)} tov ßaoiXeeog ägxrjy i/.d/ußavev.

"Ort /uravevovrog rov ßaoiXeeog Mavoixiov eig ri]v v:ianavr}]v yvjuivoTiodog Xi&oi xar avrov tie/uep&tjoav elg rd KaQTiiavov, xal exddiodv riva epaXaxqbv elg ovov, ßaXovreg eig rijv xeepaXrjv avrew oxoQoda jiQog jui/urjoiv Mavoixiov, Xeyovreg 'evgev rrjv ödfxaXiv 5 djiaXi]v xal rgvepegdv xal ebg ro xatvov dXexrögiv, ovreog avrijv 7ie7irjöi]xev.

Diesen Yorfall berichtet fast mit denselben Worten Theophanes zum J. 6093 p. 437 [I 2S3, 12]: rov de ßaoiXeeog wxrl dvvjioörjrov Xiravevovrog juerd Tidoijg rfjg TioXeeog, 7iagegx,o/Li£vov h röig Kagmavov, oraoidCovotv ex rov JiX^dovg riveg xal Xidovg xard rov ßaaiXeeog eßeülov, öjene fioXig rov ßaoiXea ohv Oeoöooiq) xeb vleb avrov öiaooi- •dtivai xal ri]v evxT]v jiXtjgeöoai ev BXayegvaig. oi de dijfwt evgovreg ävöga Tigooojuoiovvra Mavgixio) xal ßaXovreg avrq> oayiov ^lavgov xai d:i6 oxögdatv jiXe^avreg eneepavoiv xal eig ovov rovrov xadioavrsg die:naii^ov Xeyovreg 'eügrjxe ri]V dauaXiöa äjiaXrjv xal eog ro xatvov dXexTogiv ravrt] TieTirjdrjxev und so weiter. Kürzer Theophylactus S, 4. 5^. '

746 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

f. 153' "Oll vtpcoQäro MavQixiog eig röv oxQaxbv 0QqxYjg xal eig xbv

yafxßgbv 0diJiJiix6v. xal eldev änoxdXvxpiv 6 Mavgixiog, öti i'oraro iv zw 7iOQq)VQM juagjudQü) xrjg y^aXxfjg, xal eXsysv avjcö 'nov MXug änodcüOü) ooi; code fj sv rä> fxeXXovxi;" o öe eJnev ^cbde' xal xöxe 5 STiexQerpev avxbv Ixdod^rjvai ^coxä oxQaxicoxr]- xal divnvio'&r]. EnoitjOEv ovv juerdvoiav xco ^iXinnixio 6 Mavqlxiog. enexEiQOvv ovv oi oxgaxol &QqxY]g dvEQxead^ai Jigbg smßovXrjv MavQixiov. sßovkEvoavxo ovv oi oxgaxol xiva noirjoovoi ßaoiXm. EJioirjoav ovv 0a)xäv xal atpiEoav xöv xe 'AXe^avdgov xal AiXXiv , xal ^X'&av

10 EOig xov xajujiov eßdojuov. ixpcoQwvxo ovv oi xrjg jiöXECog diä

362 MavQixiov, xal ovdslg ixöXjua e$eX-&eTv Jigbg avxovg. etieovqexo ovv

Eig xal djifjEi Jigbg xbv axgaxov. fjßovXij^t] 6 Mavgixiog xfj vvxxl

(pvysiv Tigbg xbv äyiov Ävxovojuov, äXX' imaosv avxbv fj jioöaXyia.

jigooEggvTjoav ovv xal xd ß' jusgr], Ugdoivoi xal Bevexoi, xal Jidvxsg,

15 xal dvrjyayov xbv 0(oxäv Eig oxovxdgiv iv xco xgißovvaXico xov xdjujtov xal dvrjyögEvoav avxbv ßaoiXm. 6 öe Mavgixiog dxovoag, e^eX'&cov did xo^Xiov EÖoxEi juExd xov viov avxov cpEvyEiv Eig xbv äyiov Avxovojuov xal Jigbg Xoagorjv ev ÜEgoiöi. fjv öe juex' avxov xal 2xEcpavog, 6 ßaiovXog OeoÖooIov , 6 xxioag xd dgjuaxiov xal xb

20 odyjua. dvxavEjuiag yEvojUEvrjg i^rjX'&Ev Eig dtadgojuovg. 6 ds 0eo- ööoiog fjdvvfid^ri öiacpvyElv xal ovÖElg öiEyvoi. o'i ök t'cpaoav öxi <pEvya>v E^EßgaoE xal exeXevxyjoev. yj Öe yvvr} xov ßaoiXEOig Mavgi- xiov xal xd xsxva dnfjXd'Ov ev XaXxrjdovi, 6 öe ^iXinjiixbg ixEigaxo xYjv x6jui]v xXrjgixbg ev XgvooTtoXsi. iitjxrjOEv ovv 6 0coxdg xbv

25 Jiaxgixiov , xbv xgaxrjoavxa xbv ndöywva avxov, Xsyoiv '(pigEXE xbv xaxd juov^ xal dnsxEtpdXioEv avxov. k'oxEyjEv ovv xbv 0coxäv Kvgia- xbg 6 naxgidgxrjg Eig xbv äyiov ^Iwdvvrjv Eig xb C'. W ^^ ^f? ysvEi 0gq^ ExdJv ve', eI^e Öe yvvaixa ÄEOvxiav xal jurjxsga xal Svyaxsga AvojXEvI^iavrjv xal sßaoiXEvoEv hrj rf. xal Exga^EV ö örjfiog ev xco f. 154 30 II ijijiodgofiiq) 'Mavgixiog ovx dnE^avE, fidd^E xyjv dX-iq^Eiav. xal exeXevoev dTiEVEyßrjvai Mavgixiov xal xd xsxva avxov Eig xbv jucöXov xbv Evxgojiiov xal dnoxxavd^rjvai.

Die Katastrophe des Mauricius und die Thronbesteigung des Phokas wird von Johannes im Ganzen so wie von Theophanes p. 439 fg. [I 284 f.] berichtet. Die Besorgniss vor dem thrakischen Heere und dem Philippicus; das Traumgesicht, in dem Mauricius erklärt lieber in dieser als in jener Welt die verdiente Strafe er- leiden zu wollen; die Aussöhnung mit Philippicus; die Revolution

1 dg zu tilgen || 2 d:!iöxafitpiv Hds. || 32 röv Evzq.] täv Evtq. Hds.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 747

bei dem thrakischen Heere und die Ernennung des Phokas stimmen wesentlich überein. Nicht genannt werden bei Theophanes, wenig- stens nicht in diesem Zusammenhange, Alexandros und Lillis; es scheinen dies die Abgesandten des thrakischen Heeres zu sein, die in der Hauptstadt gegen Mauricius auftreten, imd sie sind wohl identisch mit den später unter den Yertretem der Sache des Phokas 363 von Theophanes genannten Alexandros und Lilius. Die Flucht des Mauricius zur Kirche des H. Autonomus ^, der Plan sich zu Chosroes zu begeben, die Ausrufung des Phokas in der Hauptstadt, die Hin- richtung des Mauricius und fünf seiner Söhne erzählt Theophanes ebenfalls ganz ähnlich. Die Nachrichten aber über das Schicksal der sonstigen Glieder des kaiserlichen Hauses fehlen bei ihm und sind zum Theil wohl neu, obwohl einiges daraus Zonaras 14, 14 bei- bringt, ebenso die über die Hinrichtung des Patriciers, der den Phokas, als er als Abgesandter des Heeres zum Kaiser Mauricius kam, am Bart gerupft hatte. Es liegt nicht in meinem Kreise ge- nauer hierauf einzugehen.

"On Tioiijaag rbv Ttargoetov JIoioxov 6 ^coxäg yafißgov htl t^- yarQl y.al decogtjoag rd XavQara xov yafißgov avrov ^coxag xal T^? &vyaTg6g eig ^rjXov eX^&cov e^rjxa^E xovg ygajujbucfxdg xal rovg i^gcoxovg xibv juegcöv. 6 de yafxßgbg avxov ügioxog .... toore 5 äjiooxsUai 'HgdxXeiov xov viöv avxov xal Nixrjxav xov viov Fgrjyogd xov vjiooxgaxijyov avxov, vjiiayvovfievog avxoig Jigodiöovai ^ojxäv fjxovexo ydg oxi xaxaoxgarijyeT 0(oxä. oi de IJgdaivoi ev bino- ögofiiq eXeyov ngog ^oixäv 'ndXiv eig xov xavxov enieg, TidXiv xov vovv ojKühoag! xal jioXXovg e^ avxcbv djiexxeive. ^jnco^evxeg 10 oi ügdoivoi exavoav xb :igaixd>gtov.

"Oxi eTiißovXovg TioXXovg tüaoe ^<oxäg vjio xe xov tidgxov avxov xal dXXmv. xal fjX^ev 'HgdxXeiog, örjXw^elg nagd xov üglaxov Tiaxgixiov, eig "Aßvdov xal öe^dfievog xbv xo^tjxa "Aßvöov efxa&ev jiag avxov xd xivov/aeva ev xf] noXei. biifKfSij de 6 ddeX(pbg 15 <^oixä 6 xovöoyjig eig xb Maxgbv xelyog, xal fiadibv eig "Aßvöov elvat xbv 'HgdxXeiov, ecpvyev ev xfj JioXet. 6 'HgdxXeiog ovv eig

4 Keine Lücke in der Hds.; es fehlen, wie Theophanes zeigt, die Worte eyoaxpev :TQ6g 'Hqox/leiov xov jtaxQixiov xai oxQaxriyov "AtpQiXfjg \\ 5 vucriaap Hds. I| 10 JiQaixÖQiov Hds. 11 14 i^dfiqpei Hds.

1) Vgl. über diesen selten genannten bithynischen Heiligen, von dem Gibbon sagt, dass er nicht die Ehre habe ihn zu kennen, Tillemont mem. pour servir ä Vhist. eccl. 5, 159.

748 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

"Äßvdov ndvxag rovg e^oqigtovq eÖE^aro, ovg e^cogioe ^coxäg. yjX'&ev O'öv 'HqdxXeiog elg 'Hgdxhiav xal rjv^axo eig xrjv äyiav PXvxEQiav xal äjio ^dvßgiag EiarjX^E nkcb xal äjifjl^Ev sig xrjv vvjoov rrjv

364 20 xaXovfXEvrjv Kakcovvjuov. fxa&cov ovv SxEcpavog 6 KvCixrjvog, Xaßoiv

EX xfjg '&Eox6xov 'Agxdxrig oxEfXjxa dmfjyayEv avxö tw 'HqaxXEiq). i^fjX^Ev ovv 0ojxäg iv BXayEQvaig' exeixo yaQ Ugioxog 6 ya/ußgög avxov Etg rrjv dyiav ooqov, TXQOonoiovjUEvog aXyETv xovg nodag. 6 Bovvcooog ovv ovveßovXEVExo djioxxEivai xov yajußgov avxov. jua-

25 '&6vxEg ovv xivsg Ugdoivot oxi rjX^Ev 6 ßaoiXEvg sig xrjv vfjoov xrjv

7iQoonaQaxEiju£vr]v xfj tioXei, EJiijQav xrjv yvvaZxa xal xrjv jurjxsga

'HgaxXEiov 0aßiav xal anrjveyxav 'HgaxXEiq). l^fjXdsv öe 6 0(jDxäg

xal dnrjX^EV Etg Bvgidag xal e^ecüqei xrjv nagdxa^iv xcov nXoioiv

f. 154' x(bv eX^ovxcov fiExd 'HgaxXEiov änb l4.q)Qixrjg. rjoav Öe \\ xd 7i),oTa

30 Ewg xov ^. xal wg iß^Ecogsi oxi iyyiCovoi xfj tioXei, EviJiJiEvoag 6 0a)xäg EioijX'&EV iv xfj jiöXei xal sjiixQEnEi <pvXdxxEO&ai ex xöjv Hgaoivciv xov XijUEva xov Kaioagiov xal xov 2ocpiag, xovg öe Beve- xovg xd Eni 'Oqjuio^ov. 6 öe ITgioxog sdrjXwoE ovvax^ijvai xovg E^oxovßixwQag Eig xd Bogatöog Eig xov ituiööqoiuov xov ol'xov avxov

35 äjua xoig oxgaxicoxaig ßovxsXXaQioig. eJ^e Se 'HgdxXEiog MavQixwv jzXfj^og jioXv, xal eIotjX&ev Eig odvdaXov KaXXionäg 6 TgijuoXaijurjg 6 fjvioyog, (pogaJv äg/xa xal xaooida, xal i^EX'&div Eig äxgofioiXov ETifjgE- xrjv xaooida, fjv l(p6gEi, xal yvcogio^svxog avxov sv^vg s'ßaXov Ol JJgdoivot Eig td Kaioagiov nvg' 6 dk Ugioxog EVExpsv avxov

40 ngög xd E^oxovßixoga. xov Öe Bovvcooov djiEX'&övxog Eig xd Kaioa- giov, ETifjXdov ovxcb Ol Ugdoivoi, xal (poßrj'&Elg E(pvyEV Eig juiav xojv oxaXcöv Tial k'XaßE xovxagaiav exeZoe' ol öh ävd^goiJioi xov 0a>xä dvExcbgrjoav. 6 ovv 0(bxiog 6 Jiagd 0coxä EJiißovXEv&Elg Eig xrjv yvvaixa avxov, eioeX^ojv Eig xd naXdriov juExd oxgaxov, xgaxrjoag

45 ai)xbv dnb xov ndyycovog i^sßaXsv avxov xov naXaxiov. Exövoavxsg ovv avxbv xrjv ßaoiXixrjv oxoXrjv xal ijußaXovxEg avxbv Eig dyxvgo- judyov dnrjyayov Jigbg 'HgdxXEiov. idojv Öe avxbv 6 'HgdxXEiog E^dyxayva ÖeÖejuevov XiyEi avxqj 'ovxojg idioixrjoag, äd'XiE, xrjv ßaoi- Xsiav;' o ök eTtiev 'ov xdXXiov E^Eig dioixijoai! o ovv 'HgdxXEiog

50 xad^rjfJiEvog Eig xb osXXiv ÖEdmxEV avxö) Xaxxaiav. xal im xov tonov djiEXEcpdXioav avxov, xöyjavxsg xbv (bjuov xbv ÖE^ibv xal xrjv /etioa

, xal xrjv cpvoiv, xal ßaXovxEg Eig xovxdgia Eovgav avxbv xal Aojuvix- ^ioXov xbv dÖEXcpbv avxov xal Bovvcooov xal Aeovxiov xbv oaxsXXd-r

365 giov avxov xal k'xavoav avxovg Eig xbv ßovv.

34 s^oxovßrjzoiQa? Hds. H 38 snrjQs] xal sjifjQE Hds. [| 40 s^oy.ovßrjxoQa Hds.

Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas. 749

Auch der Bericht über den Ausgang des Phokas (1610 Oct. 6) stimmt in der Hauptsache mit dem besten oder vielmehr bisher einzigen, dem des Theophanes, giebt aber einiges anders und manches mehr. Die Yermählung seiner Tochter Domentia mit dem Patricier Priscus, die Erbitterung des Kaisers, weil die Tribüne der Factionen (rd fieorf) die Bilder der Neuvermählten mit dem Lorbeer bekränzen, die Bestrafung dieser Tribüne wie der Maler {yga/u/nioxai) berichtet Theophanes p. 454 [I 294] ausführlicher als Johannes oder wenigstens unser Auszug. Weiter heisst es bei Theophanes p. 456 [295, 27j: 6 JJoioxog fj-i] U7io(f£ocov ooäv rovg xe ädiy.ovg (povovg xal rd y.axd vTib 0(oxä yivojueva eyqayfe TiQog 'HgdxXeiov röv Tiargixiov xal OToaxYiyov "AcpQixrlg, wäre djiooTei/.ai ^Hodxkeiov röv viov avrov xal Nixrjxav xbv viov rgTjyooä xov Jiaxgixiov xal vTiooxQaxrjyov avxov, öncog ekßojoi xaxd xov xvgdvvov ^ayxä. ijxove ydo /LieksTOJin€vt]v ev xf] 'Acpoixf] xaxd ^orxd avxaqoiav, was fast wörtlich mit unserm Text stimmt. Dasselbe gilt von dem Aufstand der Grünen, den Theophanes p. 457 fg. [296 f.] ausführlicher erzählt, und der Ankunft des Heraklius p. 460 [298, 26], wo es heisst: xaxakaßcov de 'HgdxXeiog xi]v "Aßvöov Evoev OeoöcoQOV xov xöfirjxa xrjg '-ißvdov xal dvaxoivag ejuade Tiag avxov xd xivovjUEva h Ka>voxavxivovJiökei. 6 de ^coxäg asiemede xbv döeXcpbv avxov AojuevxCloXov xbv judyioxgov bei Johannes heisst er 6 xovöo/eio, der Einarmige cpvMxxeiv xd Maxod xeiyt]' fxa&ojv de 6 fxdyioxQog, öxi xaxüaßev 'HodxXeiog xfjv "Äßvöov, ecfvye xaxaXiJidiv xd xeixt] xal eioT]X§ev eig KcovoxavxivovTioXiv. 6 de 'HgdxXetog ede^aro ev 'Aßvdcp ndvxag, ovg e^cogiae 0o)xäg, xal dvfjX&e ovv avxolg eig 'Hgdxleiav. Yon der Ankunft in der Kirche der H. Glyceria, der Fahrt von Herakleia (Permthos) nach Selymbria und von da nach der Insel Kalonymos bei Constantinopel ^ steht bei Theophanes nichts, wogegen das Folgende wieder fast wörtlich stimmt: Zxe(pavog de 6 366 r>)g Kv^ixov jLii]xgo7ioXixT]g Xaßcov oxejUfia ex xfjg ixx/.J]oiag xijg dyiag deoxoxov Agxdxrjg djirjyayev avrb xw 'HgaxXeicp. Die bei Johannes folgende Erzählung, die manches geschichtlich wie geographisch unbekannte Detail enthält, ist bei Theophanes zusammengezogen in die wenigen Worte: xaxaXaßmv de xrjv KcovoxavxivovnoXiv jigoawgiuoe xcp Xi^evt xrjg Zocpiag xal noXefiov xgoxrj&evxog vixq xji x^Qixi xov Xgioxov 0o}xäv xbv xvgawov. ol de dfjjuoi xovxov nagaXaßovxeg dveTXov Tivgl xaxaxavoavieg h x& Bot Unter den sonstigen Quellen berichtet Zonaras 14, 14 von der Gefangensetzung der Mutter und

1) Sie wird auch erwähnt bei Theophanes in der vüa p. XXV [II 19, 7] und bei Leo Diaconus p. 147, 19.

750 Bruchstücke des Johannes von Antiochia und des Johannes Malalas.

der Braut des Heraklius, deren Befreiung durch die Grünen nachher Johannes meldet. Dass dieselben das Haus des Cäsarius anzünden und Bonosus vor ihnen die Flucht ergreift, berichtet, aber in unklarer und abweichender Fassung, die Paschalchronik p. 700. Die Gefangen- nahme und Hinrichtung des Phokas wird von Zonaras 14, 14 und Cedrenus p. 712, 20 so erzählt, dass offenbar der Bericht des Johannes, wenn auch nicht unmittelbar, beiden zu Grunde liegt; ich setze die erstere etwas bessere Fassung her: ^conog de rcöv e7ii<pava>v vjzaQxcov, ov TTjv yvvaixa 6 rvQavvog ßia ijuoixsvoe, ovv 7ikrj§Ei oxQarKOTCov xaraXaßoiv ßaoiXeia xazsoTiaoe rov '&q6vov tov zvQavvov (ot yoLQ Tiegl avxbv dTzoyvövreg tcöv ßaodsicov v7tavex(OQt]oav) xal anoövaag rtjv 7ioQ(pvQida cpaiäv eod^rlTa eveÖvoe xal deojuiov tw 'HgaxXeiq) nage- OTYjOEV. ö Öe iödiv avxbv eqpr] 'ovxcog, ä'&he, ra xfjg noXecog öicoxrjoag TiQayfxaxa-' xal 6 ^coxäg dnovoiq xdxoxog ojv äjiEXQtvaxo 'ov de xgeix- xovcog juaXkov öioixrjoeig avxd;^ OQyiod^Elg de 6 'HgdxXeiog Xdi exEivqy EVE'&OQE xal £XT/ut]'&i]vai TiQooha^ev. oT /liev ovv avxixa avxbv dvaiQE'&fjvai loroQfjoav, oT Öe tiqoxeqov avxov xdg xeXgag xal xovg noöag Exxojtfjvai (paoiv, eixa xal alödia . . . xal ovxcog avxov xrjv xe(paXf]v Exxonijvai, xb Öe övoxfjvov acbfia xav&fjvai xaxd xbv Bovv. Ausserdem ist auch hier die Paschalchronik p. 700 beachtenswerth. Das Einzelne dieser Vorgänge zu verfolgen liegt meinen Untersuchungen fern.*)

*) [In einem III. Abschnitt (Hermes a. a. 0. S. 366 383) publizierte Mommsen die Malalasexzerpte der Madrider Hs., so weit sie bisher ungedruckt waren, und notierte, soweit sie im Malalastext des Bonner Corpus schon vorlagen, die Ab- weichungen der Madrider Hs. von der Oxforder. Da er diese Exzerpte ohne historischen Kommentar herausgab und die Ausgabe selbst durch diejenige von de Boor (a. a. 0. S. 151 ff.) ersetzt wurde, da endlich sein am Schluß geäußerter Wunsch, jüngere Gelehrte möchten sich des über Gebühr vernachlässigten, sach- lich wie sprachlich interessanten Chronisten annehmen, eben durch die von ihm hier gegebenen Anregungen in Erfüllung ging, so schien es nicht erforderlich, diesen Abschnitt hier wieder zum Abdruck zu bringen.]

LXXVI. Lateinische Malalasauszüge.*)

Angelo Mai hat im Spicilegium Romanum 9 p. 118 140 (danach 437 hei Migne vol. 94 p. 1162) aus dem im 8. Jahrhundert in Uncial- schrift geschriebenen vatikanischen Codex Pal. 277 eine lateinische Chronik übrigens recht nachlässig und vielfach korrigierend herausgegeben, deren enge Verwandtschaft mit dem griechischen Malalas ihm nicht entging, ohne indes in ihrem ganzen Umfang von ihm erkannt zu -werden. Bei Nachvergleichung und Untersuchung des Textes habe ich gefunden, dass alles darin enthaltene Historische einfach aus dem Malalas übersetzt ist. Daraus ergiebt sich einiges für das merkwürdige Buch des Antiocheners, worauf hier hingewiesen werden soll.

Dass hier und da Schreibfehler berichtigt und kleine Lücken ergänzt werden, zum Beispiel

p. 228 Bonn.: d>g dijXov elvai c. Z ut hoc quoqtte darius ap- 6x1 pareaf qui (so) sicuf sexta die

homo in paradyso plasmatus

ovrco xal ri] corruit in peccato, ita sexta

ey.Tt] fjixEoa rfjg yj^^oidog im rrjg die miliarii mundtis (so) in aetate

yrjg Efpdvt] 6 deonozrjg ^ficöv "Ljoovg Christus super terratn manifesfatus

6 XoioTog est

will nicht viel bedeuten. Bei anderen Stellen ist die nähere Unter- suchung erforderlich, ob sie aus unserem griechischen Text aus- gefallen oder von dem Bearbeiter eingelegt sind.

Die grosse Lücke des Oxforder Textes, in welcher die Kaiser- geschichte von Gallus bis auf Aemilianus untergegangen ist, war in der Vorlage des Bearbeiters ebensowenig vorhanden, wie in der- jenigen der constantinischen Epitomatoren (Hermes 6, 368. 382 [s.

*) [Byzantinische Zeitschrift IV, 1895, S. 487— 488.]

752 Lateinische Malalasauszüge.

oben S. 750*]). Die Kaiserreihe ist hier Yollständig. Allerdings befremdet es, dass Kaiser Yalerianus in derselben zweimal auftritt, einmal am richtigen Platz nach Aemilianus, das andere Mal nach Caracalla, also an eben derjenigen Stelle, welche er infolge des Ausfalles im Oxforder Codex einnimmt. Indes kann dieses nur Zufall sein; denn dass jene Kaiserreihe nicht anderswoher eingelegt, 488 sondern wie alles Übrige aus Malalas entlehnt ist, geht daraus hervor, dass die fehlerhafte Umsetzung der Kaiser Decius und Gallus in Gallus und Decius in unserer Liste ebenso sich vorfindet wie in den constantinischen Exzerpten.

Der falsche Kaiser Marcus, den Zonaras und Cedrenus zwischen Gordian und Philipp einschieben und der wahrscheinlich nichts ist als ein Doppelgänger des M. lulius Philippus, ist auch hier vor- handen; womit übrigens nicht behauptet werden soll, dass jene späteren Chronisten von Malalas abhängen.

Endlich wird dadurch, dass das Kaiserverzeichnis schliesst mit lustinus ann. Villi, authentisch bestätigt, was allerdings ohnehin nicht zweifelhaft war, -dass Malalas unter Justin II geschrieben hat, und neu gewonnen, dass er sein Werk im neunten Jahr des- selben, also 573 n. Chr. (f 578 Sept. 26) abschlösse

Erwähnung verdient noch, dass der Lateiner in der Vorrede auf das mulioloquium der Scottorum scolares (Hs scolaces) schilt und weiterhin denselben Scotti vorwirft, dass sie sapientia(m) se existimant habere et scientiam perdederunt. Dieser Gegensatz einer im Abend- land von Byzanz abhängigen Schule zu derjenigen Columbans ist merkwürdig, und darum möchte man wohl wissen, wo diese Chronik latinisiert worden ist. Die theologischen Stücke, die sie enthält, weisen durch das Zitat wenigstens des Ephrem wohl auch auf ein griechisches Original; es kann sein, dass der lateinische Bearbeiter nicht den Malalas selbst vor sich gehabt hat, sondern einen mit theo- logischen Ausführungen verschmolzenen byzantinischen Auszug aus demselben. Die Frage, wo der Übersetzer zu suchen ist, dem sicher jene Ausfälle gegen die Schotten angehören, bleibt noch zu erledigen.*)

1) Wenn Bethmann (Archiv 12, 333) die Abfassung der Chronik gleich nach 628 setzt, so ist dies ein Versehen; er hat wohl sagen wollen, dass die Hand- schrift, da sie verschiedene Isidoriana enthält, nicht älter sein kann.

*) [Eine Vermutung darüber in unmittelbarem Anschluß an obige Worte äußert L. Traube, Byz. Zeitschr. a. a. 0. S. 489 ff.]

Lxxvn.

Zur byzantinischen Chronographie.*)

Yon der Stadtchronik, welche der von mir (Abhandlungen der 625 Sachs. Ges. Bd. II) herausgegebenen Chronographie von 354 ein- verleibt ist, findet sich eine Stelle (p. 646 meiner Ausgabe [oben S. 571]) ausgeschrieben von Cedrenus I p. 302 der Bonner Ausgabe, wodurch der Text berichtigt und vervollständigt wird: Hoc imp. navis Alexandrina pri- "Em dk Tfjg ßaotXeiag Avyovazov mum in portu Romano introivit Kaioaoog elafjXde tiXoTov cbiö 'A- nomine Acatus, qui attulit fru- le^avdgecag eig rrjv jvograv 'Pwßiijg, menti modios CCCC, vectores e^iq}eoöfi.Evov oirov /uodicov xiXiddag MCC, piper,linteamen, carta,nitria v, hiißdxagao, vavzaga, Jtejiegi, et opeliscum cum sua sibi base, o^ovag, x^Q'^V'^' veha, xcu rov qui est in circo maximo, altum /iiyav oßekioxov juerd rov ßaoiXicog 626 pedes LXXXYÜS. avröv re iaxdna ev töji /xeydXwi

»buiixcöi eyovra vrpog nodag n^ ^fuovv.

Im griechischen Text hat schon Meursius eig töv jiootov herge- stellt, womit freilich vielleicht nicht der Abschreiber, sondern der Uebersetzer corrigiert wird. Auch das imsinnige furd tov ßaodimg statt f.iEjd xfjg ßdoecog hat wohl dieser verschuldet, da, wenn maa ändert, mit dem folgenden avröv re nichts Rechtes anzufangen ist Dagegen ist im lateinischen Text aus der Version herzustellen natäas CC, was nach vectores MCC ausfiel, und es ist statt nitria herzu- stellen vürea, wenn nicht dies schon in der Wiener Handschrift steht.**)

Uebrigens ist es für die Quellengeschichte nicht ohne Interesse bei diesem späten Byzantiner eine Benutzung jener Schrift der con- stantinischen Zeit zu finden, die nur mittelbar sein mag, wovon aber

*) [Rhein. Mus. 11, 1857, S. 625—26.] **) [vüria (sie) hat die Hs. in der That: s. o. S. 571, 2.]

MOIMSEH, SCHB. Vn.

754 Zur byzantinischen Chronographie.

meines Wissens die Mittelglieder uns nicht mehr vorliegen. Weitere Auszüge aus der Stadtchronik finde ich bei Cedrenus nicht. Möchte doch endhch sich jemand dem undankbaren, aber notwendigen Ge- schäft unterziehen das nachzuholen, was die Herausgeber der Byzan- tiner mit wenigen Ausnahmen versäumt haben: die Angabe der Quellen. Die ganze bändereiche Reihe ist doch lediglich für den historischen Quellenforscher bestimmt; und dieser kann mit diesen Chroniken ernstlich und im Zusammenhang nichts anfangen, bis sie so bearbeitet vorliegen wie die verwandte occidentalische Litteratur in den monumenta Germaniae. Möchte sich ein Philolog entschliessen, wenigstens für die vorjustinianische Zeit den Cedrenus, den 'Malalas, die alexandrinische Chronik und die übrigen einschlagenden Quellen im Zusammenhang durchzuarbeiten, wie es Moerner mit dem Orosius gethan hat. Er wird nicht viel, aber doch sicherlich einiges an neuem Material wie an Textberichtigung gewinnen und die Grenzen wie die Sicherheit der historischen Quellenforschung nicht unwesent- lich erweitern und steigern.*)

*) [Dieser Wunsch Mommsens ist wenigstens in dem von ihm verlangten Umfange m. W. bisher unerfüllt geblieben. Vgl. auch oben S. 708f.]

Lxxvm.

Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.*)

Die Bürgerrechts Verleihungen, officielle und beglaubigte Docu- 460 mente und sämmtlich in Rom selbst ausgefertigt wie copirt, mit wenigen Ausnahmen entweder noch vorhanden oder doch vollkommen sicher überliefert und zwar, wo die Tafeln vollständig sind, durchaus in doppelten Exemplaren, sind schon an sich für römische Recht- schreibung Documente vollkommener Autorität, einzig aber in ihrer Art insofern, als sie uns aus einem Zeitraum von zweihundert und 461 fünfzig Jahren, von Claudius an bis auf Diocletian, wesentlich die- selben Formeln in über fünfzig sicher datirten ^ Beispielen vorführen und wir also hier wenigstens für einzelne Fälle und Wörter Be- obachtungen anzustellen vermögen, die nicht auf der Individualität des einzelnen Schreibers, sondern auf zahbeichen durch einen längeren Zeitabschnitt sich vertheilenden Wahrnehmungen beruhen. Es wird daher gerechtfertigt sein hier übersichtlich zusammenzustellen, was diese Documente für die römische Orthographie ergeben und dabei auch Geringfügiges nicht zu übergehen, insbesondere wo darin eine

*) [Hermes 1, 1866, S. 460 467. Die von Mommsen hier benutzten 'tabolae' sind von ihm selbst ediert worden im 0. I. L. III 2, 1873, S. 843 ff. mit Nach- trägen im Suppl. dieses Bandes, pars prior, 1902, S. 1955 ff. ; vgl. auch Ges. Sehr. V S. 38 A. **. Diese Nachträge hier zur Ergänzung der Mommsenschen Aus- führungen heranzuziehen, schien nicht angebracht; nur in einem Falle, wo dadurch eine besondere Bemerkung ergäjizt werden konnte, ist davon eine Aus- nahme gemacht worden (u. S. 761*).]

1) An sich hat Föringer (Münchener Gel. Anz. 1844, 293) allerdings Recht. wenn er darauf hinweist, dass die Daten nur für die Privilegien selbst mass- gebend sind, nicht für die Copien. Aber wie alle anderen Alterskennzeichen, so insbesondere die Zeugennamen lehren, dass die Extracte durchgängig wenig jünger sind als die Originale.

48*

756 I^ie Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.

gewisse Stetigkeit sich zeigt. Ich citire die Tafeln nach den Jahren in denen sie erlassen sind.

1. Der Genetiv der 2. Decl. von Wörtern auf ius und ium.

Das ältere Latein, das überhaupt nicht zwei gleiche Buchstaben neben einander duldet, kann desshalb von den Wörtern der zweiten Declination auf ius und ium die Bildungen auf ü im Gen. Sing, und Nom. PI. und auf iis im Dat. Abi. PI. nicht verwenden, sondern muss dafür andere Formen an die Stelle setzen. Diese sind indess nicht durchaus gleichartig. In republikanischer Zeit bildete man von filius den Nominativ Plural fiU, filei oder filiei, den Dat. Abi. PI. ebenso ^_filis, ßeis oder ßieis, dagegen den Genitiv Singular nie anders als fili oder filei, so dass die Unterdrückung des «-Lautes vor der Casusendung im Plural facultativ ist, im Singular dagegen obligatorisch. Dies lehren die Inschriften dieser Epoche ^ und damit stimmt die grammatische Theorie, wie Lucilius sie vorträgt^; dass auch die Dichter der republikanischen Zeit keinen andern Genitiv wenigstens von Substantiven kennen ^ als auf einfaches i, ist von Bentley längst 462 erkannt und seitdem vielfach bestätigt worden. Hieran änderte zunächst nichts, dass man in der augustischen Zeit das Gesetz nicht zwei gleiche Yocale neben einander zu schreiben aufgab; es hatte dies nur zur Folge, dass man das bisher oft stellvertretend gebrauchte ei durch langes i ersetzte und also im Nominativ Plural auf fili und ßi%, im Dativ Abi. PI. auf ßis und filils, im Genitiv Singular da- gegen auf fili kam. Aber gegen die letztere Schreibung traten die theoretisirenden Grammatiker auf, zuerst, so viel wir wissen, Yarro *, indem sie behaupteten, dass der Genitiv wohl mehr, aber nicht weniger Silben haben dürfe als der Nominativ, wesshalb sie auch für den Genitiv der Wörter auf ius die Schreibung ßii forderten ähnlich wie man für den Nominativ derselben, der in älterer Zeit

1) Vgl. die Zusammenstellung in Hübners Index zum C. I. L. I p. 605. 607. Füiei z. B. ist immer Nora. PI., fili und filei entweder Nom. PI. oder Gen. Sing. Lucilius [364 Marx] forderte weiter, dass im Genitiv Sing, immer i, im Nom. PI. immer ei geschrieben werde; diese Differenzirung aber ist in der Praxi» nicht durchgedrungen.

2) Charisius p. 78 Keil und dazu Lachmann zu Lucret. 5, 1006.

3) Von Adjectiven so wie von Lehnwörtern haben schon ältere Dichter den Genitiv auf ii gebildet. Die Inschriften übrigens schreiben vicei Sulpicei (C. I. L. I, 804 [VI 32452 = Dessau 6078]) und muniäpi Flavi (S. 463 [u. S. 758]) und Hdi so gut wie luli (I. N. 6310, 116 [C. I. L. X 8059, 209]); wenn man nur auf sie Rücksicht nähme, könnte man für die ältere Zeit den Genitiv auf i oder ei als ausschliesslich geltend aufstellen.

4) Bei Charisius a. a. 0.

Die Orthographie der sogenannten Tabolae honestae Missionis. 757

sehr häufig in i(s) verkürzt ward, bereits viel früher die volle Form allgemein zurückgeführt hatte. Es ist nicht meine Absicht nach Bentley und Lachmann die weitläufige und schwierige Untersuchung aufzunehmen, wie sich zu diesem Schulstreit die Schriftsteller der Kaiserzeit, insbesondere die Dichter verhalten haben ; im Allgemeinen steht fest, dass der Einfluss der varronischen Theorie zuerst bei Propertius und Ovidius wahrgenommen wird und sie dann allmählich zu allgemeiner Geltung gelangt.*) Hier soll nur constatirt werden, dass in unseren Documenten, die durchgängig die Zeugennamen im Genitiv zeigen und wo also die Beispiele für den Genitiv der zweiten Declination nach Hunderten zählen, unter allen diesen Genitiven von Eigennamen nicht ein einziger begegnet, der anders als auf einfaches i auslautete das einzig widersprechende Marii auf der Berliner Tafel Yespasians vom J. 71 ist nichts als ein Lesefehler für Marci. Andere solche Genitive als von Eigennamen sind freilich auf den Tafeln überhaupt sparsam und nur aus späterer Zeit zu finden; contihi steht auf den Tafeln des M. Aurelius und L.Yerus von Chieti, contibii auf denen von Caracalla vom J. 216 und Gordian vom J. 243, femer durchgängig (J. 208. 216. 230). Jene Thatsache aber föllt sicher- lich schwer ins Gewicht, um so mehr wenn man damit andere Docu- mente gleichen Ranges zusammenhält und sich dadurch überzeugt, wie sparsam in den Urkunden des ersten Jahrhimderts der Genitiv nach varronischer Theorie geschrieben wird. Das ancyranische Monument kennt den Genitiv auf i, wie es scheint, ausschliesslich, während im Plural einfaches i mit doppeltem wechselte Damit stimmen die Pisaner Decrete zu Ehren der Söhne des Augustus 463 überein 2. Dass Yerrius Flaccus auch hierin Varros Yorschrift befolgt hat, ist sehr wahrscheinlich; aber die pränestinischen Fasten geben kein sicheres Beispiel eines solchen Genitivs', während sie übrigens zeigen, dass Yerrius im Plural durchaus das doppelte i brauchte*. Die ersten ganz sicheren Belege für diese Schreibung sind wohl

*) [Vgl. F. Neue, Formenl. d. lat. Spr. I», Leipz. 1902, S. 134 £F.]

1) Hier findet sich conffiari, coronari, Feretri, luli, Pompei, prodi; 8. meine Ausgabe S. 145 [191*]. Ckrnlegii 4, 36/7 beruht auf nicht sicherer Ergänzung. Die frühere Meinung, der noch Lachniann a. a. 0. folgt, dass das über die Linie hinausgeführte i als Surrogat der Gemination anzusehen sei. bedarf jetzt keiner Widerlegung mehr: unzweifelhaft bezeichnet dasselbe nichts als die Vocallänge.

2) Hier lesen wir fili, Gai, Lud, während die Nominative ti und oH, die Dative Ablative üs und spoleis begegnen, genau wie im ancyranischen Monument.

3) TARVTILI (Dec. 23) ist wahrscheinlich aus TARVTII entstellt, aber doch kein sicherer Beweis.

4) Wir finden hier aJii, Exqiiüüs, iis, ebenso abiit.

758 Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.

imperii in der Lyoner Eede des Kaisers Claudius^ und municipii auf der malacitanischen Bronzetafel Domitians, wo dies ungefähr ebenso oft steht wie municipi, während die gleichzeitige Tafel von Salpensa ausschliesslich die letztere Form kennt ^. Dies stimmt vollkommen mit der Bemerkung des älteren Plinius im fünften Buche der Schrift dubii sermonis, die Charisius (a. a. 0.) aufbewahrt hat: esse quidem rationem per duo i scrihendi, sed multa iam consue- tudine superari; zu seiner Zeit also hatte man wohl in der Theorie sich für die Ansicht des Varro entschieden, aber im Gebrauch be- hauptete sich noch sehr überwiegend die ältere Schreibung und es waren vielleicht nur die orthographischen Revolutionäre, die den Genitiv fdii bildeten, wie Kaiser Claudius der Buchstabenerfinder und der Schreiber der malacitaner Tafel, der ebenfalls, einer andern orthographischen Theorie zu Liebe, eines und cuiius schrieb. Aber um die seltsame Beständigkeit unserer Tafeln in dieser Schreibung zu erklären, wird man wohl noch eines hinzusetzen müssen: dass auch diejenigen Grammatiker, die der varronischen Lehre folgten, sie doch auf Eigennamen nicht anwandten. Dies ist zwar von den Grammatikern nicht überliefert, ja die von ihnen gewählten Beispiele zeigen durchgängig, dass sie die Regel auch auf Eigennamen erstreckt wissen wollten; aber die Documente scheinen es zu fordern. Die Lyoner Tafel des Claudius schreibt zwar imperii [s. jedoch Anm. 1], aber daneben Caeli und Tarquini; und noch auffallender ist es, dass die Tafel von Malaca in der zehnmal wiederkehrenden Phrase municipii 464 Flavi Malacitani häufig municipii, aber nicht ein einziges Mal Flavii schreibt. Dasselbe gilt von unseren Bronzen. Wäre die varronische Schreibung auf , die Eigennamen erstreckt worden, so wäre es mehr als seltsam, dass unter so vielen Concipienten vom ersten bis zum dritten Jahrhundert auch nicht einer ihr darin gefolgt sein sollte; und dieselben Tafeln aus der Zeit Severus und Caracallas, die pH und conubii schreiben, kennen von Septimius nur den Genitiv Septimi. Ferner erklärt es sich bei dieser Annahme, dass Varro, obwohl er die Schreibung filii fordert, dennoch^ den Genitiv von Plautius für identisch mit demjenigen von Flautus erklären konnte *. Wenn end-

1) I, 36. Doch fällt auch hier n in den Bruch und ist genaue Constatirung der Lesung vorzubehalten. [Die Tafel hat nach Hirschfelds Lesung imperi: C. L L. XIII nr. 1668, Zeile 36.]

2) Auf der letzteren erscheint überhaupt ü nicht; sie schreibt is, nuptis.

3) de l. l 8, 36.

4) Ebenso wird man aus der bei Gellius 13, 26 (25) aufbewahrten Aeusse rung des Nigidius Figulus über die verschiedene Aussprache des Vocativs und

J

Die Orthographie der sogenannten Tabnlae honestae Missionis. 759

lieh Lachmann von Propertius sagt: disylldbo a recto trihrevi sdus usus est cum dixit arma Mari et bene facta Mari, Tunc animi vettere Beci, contudit arma Tati, item hasta Tati et ora Tati; hoc enim nulltis ceterorum imitatus est nee facile adducor, ut credam Ovidium semel Tati scripsisse in fastarum l, 260, so verdient es gleichfalls Beachtung, dass die hier zusammengestellten Fälle sämmt- lich Eigennamen angehören. Auch können wir andere Fälle nach- weisen, wo sonst allgemein durchgeführte Gesetze der lateinischen Orthographie auf Eigennamen nicht erstreckt worden sind so schrieben die Numonii Valae auch in späterer Zeit noch ihren Namen mit doppeltem a^ und hat sich das ei in den Namen Veiditis"^ und Teidius^ bis in Zeiten behauptet, wo es aus der gewöhnlichen Schreibung lange verschwunden war, wie ja denn in allen Sprachen ähnhche Anomalien zahlreich begegnen imd die theoretisirenden Orthographiker doch vor den Stammbäumen und den Urkimden einigen Respect zu empfinden pflegen. Ohne weiterer Untersuchung vorzugreifen, wird als Ergebniss der epigraphischen Documente -anzusehen sein, dass dieselben den Genitiv der zweiten Declination auf ii zu keiner Zeit ausschhesslich und überhaupt nicht vor der Mitte des ersten Jahrhunderts zulassen, in Eigennamen aber durch- aus ausschliessen.

2. Dass im Dativ und Ablativ Plural der zweiten Declination für den Nominativ derselben bieten unsere Documente keine Belege die Schreibung mit doppeltem / weit älter und weit 465 berechtigter ist als in dem entsprechenden Genitiv, wurde schon gesagt; denn auch in repubhkanischer Zeit wurde gewöhnlicher ".edißcieis geschrieben als aedificis oder aedificeis. Damit stimmen auch unsere Tafeln überein, und zwar in der Art, dass für die frühere Zeit, d. h. von Claudius bis Traianus, der Doppelvocal auf das entschiedenste überwiegt, späterhin aber das Verhältniss sich umkehrt. Die Tafeln des ersten Jahrhunderts zeigen stipendiis achtmal (J. SO zweimal 86 zweimal 93 zweimal 96 zweimal), während stipendis nur ein einziges Mal auf der Tafel vom J. SO begegnet; die Urkunde vom J. HO hat einmal stipendiis und einmal stipendis; auf denen vom J. 113 abwärts begegnet nur die letztere

des Genitivs Valeri nicht mit Sicherheit schliesseu können, dass Nigidius ein Gegner der varronischen Theorie gewesen ist.

1) Rom. Münzwesen S. 471.

2) Vgl. den Index zu den I. R. N. p. 440 unter Veidins.

3) Der Consul des J. 31 heisst Sex. Teidius Catullinm (Orell. 4033 = L R. N. 1968 [C. I. L. X 1233 = Dessau 6124]). Vgl. C. I. L. I n. 1090 [VI 21363].

760 Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.

Form (J. 113. 116. 129. 134. 145. 230. 247), und auf denselben erscheinen die Formen praeforis (J. 161/9. 208. 216 zweimal. 243) und filis (J. 230. 247. 249). Ungefähr dasselbe gilt von dem Dat. Abi. PI. des Demonstrativpronomens. Unsere sämmtlichen Tafeln bis zum J. 110 einschliesslich kennen nur die Form iis und zwar so, dass sie auf jeder mit Ausnahme der gänzlich fragmentirten der ersten einundzwanzig Tafeln und gewöhnlich mehr-, oft vier- bis siebenmal, im Ganzen, wenn ich recht gezählt, siebenundsechzig mal vorkommt, woneben sich zweimal eis findet (J. 71 und 80), is nur ein einziges Mal auf dem Berliner Diplom vom J. 71. Dasselbe gilt von den Documenten von Marcus Aurelius abwärts: vom J. 167 an bis zum Ende des dritten Jahrhunderts finden wir ausschliesslich, freilich in nur fünfzehn Fällen überhaupt, die Form iis und iisdem, wozu sich die Form piis in den Urkunden von 208 (zweimal). 243. 248 stellt. Daneben erscheint ein einziges Mal (J. 247) isdem. Da- gegen in der Zwischenzeit, d. h. in den letzten Jahren Traians und unter den Regierungen von Hadrian und Antoninus Pius schwankt die Orthographie des Wortes: iis findet sich achtzehn-, is zweiundzwanzig- mal, oft beides auf denselben Tafeln neben einander. Im Ganzen ergiebt sich, dass die Römer bei der definitiven Fixirung der Ortho- graphie unter Augustus und den julischen Kaisern im Dat. Abi. PI. sich für die Schreibung iis entschieden und dass man im ersten Jahr- hundert daran festhielt; dass aber dann gegen das Ende der Regie- rung Traians und unter Hadrian, wahrscheinlich im Zusammenhang mit den archaisirenden Tendenzen dieser Epoche, wie sie zum Bei- spiel bei Fronte hervortreten, die freilich nicht mit Recht als ursprünglicher erscheinende Schreibung auf is vorzuwalten anfing. Diese hat dann zwar in den Wörtern, wo das i zum Stamm gehört, wie in iis und piis, sich nur so lange behauptet, als diese litterarische 466 Richtung dominirte, das heisst etwa bis an den Anfang der Regierung des Marcus; aber wo i blosser Bindevocal ist, hat sie auch späterhin vorgeherrscht, wie sie denn auch in nnsern Handschriften überwiegend häufig ist.

3. Unter den Casusendungen verdient endlich noch Beachtung die des Abi. Sing, der dritten Declination, namentlich in den Ad- jectivformen. Der constante Ablativ classe und die Bildung Ceriale von dem Eigennamen Cerialis (Diplom vom J. 74) folgen nur an- erkannten Regeln; ebenso ist es jetzt hinreichend bekannt, dass die Comparativformen nur den Ablativ auf e gestatten, wie in unsern Documenten dexteriore, posteriore, sinisteriore bestätigen. Aber beachtenswerth ist, dass das sehr häufig im Ablativ vorkommende

K

Die Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis. "61

gregalis diesen stets (auf acht Urkunden) auf e bildet; ebenso, dass unsere Tafeln, und zwar die der besten Zeit, die Ablative fidde (J. 70), adiuirice dreimal (zwei des J. 68 und eine des J, 70), Baven- nate (J. 71. 127. 249) aufweisen, wogegen Misenense sich zwar auch findet (J. 247), aber auf den Tafeln der besseren Zeit (J. 129. 134. 145) doch nur Misenensi.

4. Ich füge noch einige Einzelheiten hinzu.

Die Schreibung praest statt praeest behauptet sich stetig durch die beiden ersten Jahrhunderte; erst die Tafeln des Severus Alexander vom J. 230 haben einmal praest (so getheilt) und einmal 2)raeest.

Die Gesammtzahl der Alen imd Gehörten, welche gleichzeitig die Privilegien empfangen, wird auf denjenigen Diplomen, die sich auf Auxiliartruppen beziehen, bis zum J. 116 einschliesslich (mit Ausnahme allein des neronischen vom J. 60), und ebenso auf den der städtischen Besatzung ertheilten, nicht mit Ziffern, sondern mit Buchstaben angegeben, offenbar um dieselbe von der unmittelbar darauf folgenden Ordnungszahl der ersten Ala oder Cohorte besser abzusetzen. Dabei verdient Beachtung, dass die Ziffern über zehn durchgängig mit Yoranstellung des grösseren Zahlwortes gebildet werden: decem et una (zweimal J. 104 und J. 105) decem et tribus (J. SO) decem et quinque (J. 85) decem et Septem (J. 116), während nur ein einziges Mal duodecim (J. 74) sich findet. Jenes scheint also die solenne Bildung gewesen zu sein, wenn auch der Sprachgebrauch undecim u. s. w. vorzog. Dagegen heisst es durch- gängig quina {sena, octona) et vicena, quinque et viginti (Diplom des Pius Cardinali XVIII; vgl. das hadrianische von 124), niemals viginti quinque. Die Copula fehlt nur auf dem schlecht überlieferten Diplom om J. 92.

Die Bezeichnungen des gemeinen Soldaten, die imsere Tafeln iifzeigen, sind je nach den Truppenkörpern verschieden: in den Cohorten heisst er stets pedes, woneben auch nicht selten Reiter der 467 Cohorten vorkommen; in den Alen und den Flotten dagegen nie anders als gregalis.

Die Kupfertafel heisst auf unseren Urkunden bis zum J. 134 durchgängig tabida aenea (nie ahenea), vom J. 13S abwärts ebenso durchgängig nur mit Ausnahme des übrigens nicht ganz sicher überlieferten Diploms von 247*) tabtda aerea. Auch zeigen die Bomitii ÄlienoharU und die Formel hoc aere aemaque libra sowohl

lt.

*) [Aber auch auf d^m Diplom vom J. 148: C. I. L. III suppl. pars prior 1985.1

762 I^ie Orthographie der sogenannten Tabulae honestae Missionis.

wie überhaupt der Sprachgebrauch der republikanischen Zeit, das» aeneus die althergebrachte Bezeichnung dessen ist, was aus Kupfer besteht; aereus findet sich nicht vor Virgil*) und in früherer Zeit überwiegend in dem Sinn von aeratus, mit Kupfer bekleidet.

Die Copula zwischen den voll angegebenen Consulnamen fehlt bis zum J. 167, erscheint dagegen vom J. 216 an durchgängig in den Urkunden des dritten Jahrhunderts. Wo aber die Consuln ausnahms- weise mit den blossen Cognomina bezeichnet sind, wie auf der Innen- seite eines Diploms von Pius und desjenigen von 167, fehlt die Copula niemals. Die Ursache liegt nahe. Die ältere Sprache lässt die Copula zwischen nothwendig zusammengehörigen, insbesondere complemen- tären und zusammen einen Gesammtbegriff bildenden Wörtern durch- aus weg, da hier eben eine Einheit vorhanden, also nichts zu verbinden ist. So sagt man usus fructus, emptio venditio, usus audoritas, lis vindiciae u. dgl. m. und ebenso M. Tullio C. Antonio cos., da beide Consuln nothwendig zusammengehören, ganz besonders, wo sie zur Bezeichnung des Jahres stehen. Diese lebendige Auffassung aber ging der Sprache später verloren und erhielt sich nur erstarrt in einzelnen Formeln. Die Bezeichnung der Consuln mit Vor- und Geschlechtsnamen aber ist bekanntlich . die alte und lange Zeit allein gültige, die mittelst der Cognomina noch viel jünger als der Gebrauch der Cognomina selbst; als diese aufkam, war jene alte asyndetische Zusammenstellung bereits verschollen.

Die Abkürzung f. wird nur für filius verwendet, niemals für fdia. Letzteres wird entweder voll ausgeschrieben so auf den altern Tafeln von den J. 64 und 93; oder in fU. abgekürzt so auf den Tafeln der J. 113. 129. 134 wo fünfmal f. für fiUo, zweimal fil. für filiae neben einander steht 247 und in einem Münchener Bruchstück aus hadrianischer Zeit. Uebrigens findet sich die Ab- kürzung fd., besonders in den Tafeln des dritten Jahrhunderts, auch wohl für filius (J. 129. 230. 247. 249).

*) [Vielmehr schon bei Varro sat. 169 : s. Thes. 1. 1., s. v.]

LXXIX.

T e r r u n c i u s.*)

In Bona, dem alten Hippo regius, ist vor kurzem die folgende 485 Inschrift zum "Vorschein gekommen, herausgegeben von Hrn. Papier im Bulletin de VÄcademie d'Hijjpatie n. 21 p. 81, auch von Joh. Schmidt besichtigt und abgeklatscht.**)

. . [Salviiis] L. f. Quir. Fiisc[^is praef.] fabr{um), aedü{is), Ilvir, II mr quinqiuennalis) [st\atuam argenteam ex SS HCCCXXXV tribus lihelijis), sing{ula), terr(uncio) et aeris qttad{rante) , cum rei p{uhlicae) SS L prom{isisset) ; amplius ad SS X mi(lia) n{ummum) legitima et SS VII m{ilia) n{ummum), quae in imagines argenteas imp. Caes. Traiani Hadriani Aug(tisti) promisit, suo et C. Salvi Hestituti fUi sui nomine posuit idemque. dedic{avit) cum corona aurea.

Hier wird also die Schreibung terruncius inschriftlich festgestellt. 486 Sie ist aber gleichfalls die einzige handschriftlich beglaubigte. Cei Plautus capt. All; Varro de l. Lat. ö, 174; Cicero de fin. 3, 14, 45 und ad fam. 2, 17,4; Plinius h. n. 33, 3, 45 ; Volusius Maecianus (lisfr. jyart. 63 f. hat die jedesmal beste handschriftliche Ueberlieferung dieselbe Schreibung, die allerdings von allen Herausgebern (auch von mir) herauscorrigirt worden ist. In den übrigen mir für dieses AVort bekannten Belegstellen (Cicero de fin. 4, 12, 29; ad Ätt. 6, 2, 4. 7, 2, 3 ; Appuleius apol. 76) ist die hergebrachte Schreibung über- liefert oder wenigstens Abweichung der Handschriften von derselben nicht angemerkt; indess ist keine darunter, bei der die handschrift- liche Ueberlieferung in solchen Fragen Autorität macht. Allerdings widerstreitet die Schreibung terruncius der zweifellosen, auch von Varro und Plinius a. a. O. angegebenen Herleitung a tribus unciis;

*) [Hermes 22, 1887, S. 485— 486. Vgl. Buecheler Rhein. Mus. 1891 S. 236.] '*) [Jetzt C. I. L. VIII suppl. 17408; Dessau 5474.]

764 Terruncius.

aber dies stellt den Gebrauch nur um so deutlicher in das Licht. Das Wort, obwohl sprachlich lateinisch, ist griechisch gedacht, der xQLäg lateinisch quadrans, und wird darum barbarisirt nicht anders als scaena und epistula.

Die Inschrift ist auch sonst von Interesse als das meines Wissens einzige Zeugniss, in welchem die Rechnung nach Sesterzen in ihrem incongruenten Verhältniss zu den effectiv vorhandenen Münzen uns deutlich entgegentritt. Fuscus hat die Herstellung der im Werth von 50000 Sesterzen versprochenen Bildsäule in der Weise geleistet, dass ihm eine Rechnung präsentirt ward von 51335 Sesterzen 3 libeUae (= 3^10 Sest.) 1 singula {= ^J2o Sest.) 1 terruncius (= V*o Sest.) und 1 Quadrans (= ^/le Sest.). Der Theilbetrag von zusammen ''/le Sesterz setzt sich, in Münze ausgedrückt, zusammen aus l As (V* Sest.), 1 Semis (^/s Sest.) und 1 Quadrans (Vie Sest.). Die beiden ersten Münzen Hessen sich ratione sestertiaria ausdrücken durch E ST, wie dies hier mit Worten geschieht; aber für den Quadrans giebt diese Bruchrechnung einen Ausdruck nicht und es musste derselbe also als et aeris quadrans angehängt werden.

LXXX.

Zahl- und Bruchzeichen \

Den Ausgangspunkt aller Wortkürzung haben für Italien die 596 Zahlwörter gegeben. Sie können in der Prosa für die Nieder- schrift der Poesie existiren Abkürzungen überhaupt nicht durch die entsprechenden Zeichen vertreten werden, ohne dass der Unter- schied der Kategorien der Zahlwörter 2, geschweige denn der des Casus ^ dabei Ausdruck fände. Indess ist es nicht schlechthin gleich- gültig, ob die Ziffer gesetzt oder dafür das entsprechende Zahlwort geschrieben wird. Kleinere nicht zu einer Gruppe sich zusammen- schliessende Zahlen werden in der guten Schrift vorzugsweise mit Buchstaben ausgedrückt*. "Wo dagegen die Angabe mehr geschäft-

1) [Hermes 22, 1887 S. 596—614 mit Nachtrag ebd. 23, 1888, S. 152—156.] Diese kurze Uebersicht über das römische Zififemwesen soll nicht sowohl Neues lehren als an einem Beispiel zeigen, dass die lateinische Grammatik, geschicht- lich und systematisch behandelt, der Schrift, ich meine den Buchstabenformen, den Ziffern, den Abkürzungen, der Interpunction, eingehendere Darlegung widmen sollte. Hier ist der zweite dieser vier Abschnitte erörtert. Mit den Belegen ist Mass gehalten; es kam mir weniger auf die Einzelheiten an als auf die Darlegung des Systems in seinem Zusammenschluss.

2) Duo und secundus wenigstens sind von jeher gleichmässig abgekürzt worden; hini und iterum oder bis ursprünglich schwerlich, späterhin ebenfalls.

3) Als das alte Grundgesetz der Abkürzungen, nur den oder die Anfangs- buchstaben hinzusetzen, ins Schwanken kommt und schliesslich fällt, erstreckt sich dies auch auf die Ziffern; XMVS = decimtis u. dgl. ist in christlichen Inschriften spätester Zeit nicht selten.

4) Dafür sind vor allen Dingen, wie überhaupt ftr das Schriflsystem der guten Kaiserzeit, die Veteranengesetze massgebend. Die Gesammtzahl der Alen und der Cohorten. ebenso die Zahl der Dienstjahre, werden darin regelmässig mit Buchstaben ausgedrückt ; für die ersteren erscheinen bis auf Hadrian Ziffern nur vereinzelt (Nero D. 11; Traianus D. XIX), for die letzteren in besserer Zeit nirgends (zuerst Pius D. XXXIX), Dagegen sind die Ziffern stehend in den Kalenderdaten, den Namen der Cohorten und Alen, der Kaisertitulatur, den Citaten.

766 Zahl- und Bruchzeichen.

liehen als historischen Charakter an sich trägt, Summen römischen Geldes, Gewicht- und Massangaben, Jahr- und Tagesdaten, Citate nach Büchern und Capiteln, Bestimmung der Lebensdauer, Zahlen 597 enthaltende Amtstitel auftreten, gehört die Anwendung der Ziffern zur correcten Schreibung. In einzelnen Fällen lassen sich hier Zeit- grenzen erkennen. Die Iterationszahl wird bei den Aemtern in republikanischer Zeit immer mit Buchstaben geschrieben und es beginnen die Ziffern dafür erst um die Zeit der actischen Schlacht in Folge der bei der weitläuftigen Titulatur der damaligen Macht- haber wünschenswerthen Verkürzung ^ Meistentheils ist natürlich eine scharfe Abgrenzung nicht möglich, auch an Licenzen und fehler- haften Ausnahmen begreiflicher Weise kein MangeP. In gewissen Fällen ist, um der Fälschung vorzubeugen, die Schreibung mit Buch- staben vorgeschrieben oder doch üblich gewesen 3.

1) Als Pompeius den Tempel der Victoria weihen wollte, war er zweifel- haft, ob er sich consul tertio oder tertium nennen solle und schrieb auf Ciceros Rath teH. (Gellius 10, 1, vgl. C. I. L. I 615. 616 [Dessau 877. 876]). Die Denkmäler der Republik verwenden für die Iterationsadverbien die Ziffern nicht. Deutlich lässt sich der Wechsel auf den Münzen verfolgen. Die des Dictator Caesar kennen für die Iteration nur die Vollschreibung; dasselbe gilt für die Münzen des Sex. Pompeius, für die Caesars des Sohnes vor der actischen Schlacht und für die des Antonius bis zum J. 719 d. St. Die Ziffern stellen zuerst bei diesem ■sich ein auf seinen spätesten mit cos. des. III (720—722) oder cos. III (723) be- zeichneten Münzen. Bei Caesar dem Sohn finden wir sie zuerst im J. 726 auf den mit Caesar divi f. cos. VI Aegypto capta bezeichneten Denaren und von da an constant. Auf den Inschriften heisst Augustus im J. 721 cos. desig. tert., Illvir r. p. c. iter. (Triest, C. V 525 [Dessau 77]) , im J. 725 cos. quinct., cos. desigii. seoct., imp. sept. (Rom, C. VI 873 [Dessau 81]) , im J. 726 .... cos. sept., designat. oetavom (Rimini, C. XI 365 [Dessau 84]); im J. 729 cos. nonum, designato decimum, imp. oetavom (Nemausus, C. I. L. XII 8148. 3149 [Dessau 85]); ebenso Agrippa auf der Inschrift des Pantheon vom J. 727 cos. tertium (C. VI 896 [Dessau 129]). Dagegen Augustus im J. 723 imp. VI cos. III (Capua, C. X 3826 [Dessau 79]); im J.J725 COS. Vimp. VI (Rufrae bei Teanum, C. X 4830 [Dessau 80]); im J. 744/5 imp. XII COS. XI trib. potest. XIV (Rom, C. VI 701. 702 [Dessau 91]), im J. 745 imp. XIII COS. XI trib. potest. XV (Rom, C. VI 457 [Dessau 93]), im J. 747/8 trib. potest. XVII (Rom, C. VI 1236 [Dessau 5924]).

2) Wenn es in dem pompeianischen Elogium [Dessau 64] von Romulus heisst: regnavit annos duodequadraginta , so ist die Vollschreibung dem histori- schen Bericht angemessen; wenn aber Geldsummen ausgeschrieben werden oder die Lebensjahre, so zeigt schon die Seltenheit solcher Fälle, dass dies Verstösse später und meist provinzialer Schreiber sind.

3) In den pompeianischen Quittungen aus neronischer Zeit ist die gezahlte Summe im Hauptexemplar in Ziffern, im Nebenexemplar regelmässig in Buch- staben ausgedrückt (in dieser Zeitschrift [Hermes] 12, 103 [Ges. Sehr. 3, 236]). In der veleiatischen Alimentartafel Traians ist die Hauptsumme des Capitals sestertium deciens quadraginta quaituoi- milia mit Buchstaben angegeben, alle

Zahl- und Bruchzeichen. 757

1. Die Zahlbezeichnung. :)!(S

Die lateinischen Ziffern sind ihren Anfängen nach früher ent- standen, als das Alphabet in Italien Aufnahme fand. Dass die Bezeichnungen der kleinen Einheit durch den Punkt oder den Horizontalstrich 1. der grossen durch den Perpendicularstrich, der fünf durch Y. der zehn durch X, älter sind als die Einführung des Alphabets, zeigt theils das verschiedene in ihnen obwaltende graphische Princip, theils die Identität dieser Zeichen oder wenigstens der drei letzten bei den Römern und den stammverwandten Nationen einer- und den Etruskern andererseits, nur dass diese das Zeichen für fünf umkehren. Ob diese Zeichen von den Italikern zu den Etruskern gekommen sind oder umgekehrt, ist nicht zu entscheiden. Im späteren Gebrauch sind sie insofern nicht homogen, als das Verhältniss der grossen und der kleinen Einheit das duodecimale ist, während die letzten beiden an die einfache und die doppelte Hand sich an- schliessenden Zeichen mit dem Zählen nach den Fingern und insofern dem Decimalsystem in Zusammenhang stehen. Aber nichts steht der Annahme entgegen, dass da« Zeichen der kleinen Einheit bei dem Uebergang vom decimalen zum duodecimalen System, welcher nothwendig einmal stattgefunden haben muss, seine Form behalten und seinen Werth gewechselt hat, die uncia in fernster Zeit ein Zehntel war.

Mit oder nach Einführung des Alphabets sind zwei andere Zeichen hinzugetreten für 50 und 1000 i (später iL ± l_) 0, ohne Zweifel die beiden Buchstaben x ^ des Musteralphabets, denen sie in der Gestalt genau entsprechen, für die lateinische Sprache unbrauchbar und daher zur Ergänzung der Zifferreihe verwendet. Ein Zeichen für 100 muss gleichzeitig eingeführt worden sein und das später dafür gebrauchte trägt seinen relativ jungen Ursprung an der Stirn: Ö99

Theilzahlen mit Ziffern. Darauf, dass in den C. VIII p. 448 behandelten Inschriften C. VI 1261 und XIV 3676, die das Wasserrecht der Privaten betreffen, alle Ziffern vermieden sind, habe ich schon Zeitschr. für gesch. Rechtswiss. 15 8.310 [Ges. Sehr. 8, 88] aufmerksam gemacht. Dasselbe gilt von der Inschrift von Viterbo bei Lanciani aeque p. 378 [C. I. L. XI 3003 = Dessau 5771].

1) Diese Verschiedenheit ist ohne Zweifel nur graphisch; der Punkt ist. wie die Münzen zeigen, die urspüngliche Form, die aber, da sie dem Wesen der Quadratschrift wenig homogen ist, später zur Querlinie sich erweitert. Diese Linie erscheint bald gerade, bald gerundet oder geschwungen (— ^ f»). Es ist mindestens sehr irreführend, wenn Marquardt (Staats verw. 2,47 [2*49]) sagt, dass die «ncja 'vier Bezeichnungen habe.'

768 Zahl- und Bruchzeichen.

aber in lateinischen Urkunden ist uns ein älteres Hundertzeichen nicht erhaltend Indess dürften die etruskischen Zeichen für 50, 100, 10002

'^ (8) ^

diese Lücke ergänzen. Denn da die sicher festgestellten etruskischen Ziffern für 1, 5, 10, 50 mit den lateinischen wesentlich überein- stimmen, wird dies auch für die connexen mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden dürfen ; und hier sind die Etrusker, welche die Aspiraten nicht wegwarfen, auf jeden Fall die entlehnenden gewesen. Aus demselben Grunde haben sie die betreffenden Ziffern von denen der Aspiraten differenzirt. Bei ^ ^ geschah das durch Stürzung, bei (p 0 vielleicht durch Yereinfachung der Figur in 0 und Fort- führung und Kreuzung der beiden oberen Linien. Das Zeichen für 100, genau dem ^ des Musteralphabets entsprechend, bedurfte der Abänderung desshalb nicht, weil in der etruskischen Schrift früh, und wahrscheinlich mit Rücksicht auf diese Ziffer, der Buchstabe ^ das Kreuz einbüsste und durch |~| oder Q bezeichnet ward. Sind nun die etruskischen Zeichen für 500 und 1000 den Etruskern aus Latium zugekommen, so wird auch das Zeichen für 100 ebendaher stammen, und es dürfte also die ältere durch C verdrängte lateinische Ziffer das Theta des Musteralphabets gewesen sein. In der That lag dem Lateiner nichts näher als wie für 50 und 1000 9? x^ so für 100 die dritte Aspirata zu verwenden.

Die übrigen Ziffern sind auf römischem Boden entstanden theils durch Halbirung des Tausendkreises, wonach die Kreishälfte den Werth von 500 bekam, theils durch Multiplicirung desselben Tausend- 600 Zeichens, indem dem um den Tausendkreis gezogenen zweiten und dritten Kreis der Werth der Yerzehnfachung beigelegt wurde. So entstanden ® = 10000, (^ = 100000 und die drei Hälftenzeichen

1) [Vgl. Buecheler Rhein. Museum 1891 S. 239]. Die coranische Inschrift (jetzt C. I. L. X 6514 [Dessau 3819]), in welcher 0. Müller (Etr. 2, 319 der 1. Ausg.) und nach ihm ich (unterital. Dial. S. 33) das älteste Zeichen für 100 zu finden meinten, enthielt nach den besten Abschriften nur das gewöhnliche Zeichen ® = 1000.

2) Dass 0. Müller die Zahlentafel der Pariser Gemme (A. Fabretti n. 2578 <er) richtig gefasst hat, ist trotz Deeckes Widerspruch (2, 533 der 2. Ausg.) zweifel- los; denn wenn hier auf die Zeichen 5 und 10 die beiden ® ^ folgen, so kann unmöglich mit Deecke angenommen werden, dass die Tafel von 10 auf 1000 und 10000 springt. Hat OIC der etruskischen Kupfermünzen den Werth von 100 und bezeichnet nicht etwa, was auch möglich wäre, das Ganzstück, so hat das Zeichen verschiedene Formen angenommen.

Zahl- und Bruchzeichen. 769

für 500, 5000, 50000. Ueber 100000 ist man in älterer Zeit nicht hinausgegangen ^.

Es hat also eine Epoche gegeben, wo Buchstaben und Ziffern geschieden waren, das heisst auf verschiedenem Princip beruhten; denn freilich fallen graphisch die drei einfachsten und ältesten Ziffern I Y X mit dreien des Buchstabenalphabets zusammen und ist in ähnlicher Weise das auf Halbirung des Tausendzeichens beruhende Zeichen für 500 graphisch identisch mit dem Buchstaben D. Diffe- renzirung ist bei den ersten drei in Latium nicht versucht worden, wogegen das letzte häufig quer durchstrichen gefunden und dadurch von dem Buchstaben unterschieden wird. Die Etrusker haben, wie schon bemerkt ward, der Unterscheidung wegen die Ziffer y gestürzt.

Merkwürdiger Weise macht sich späterhin die Tendenz geltend sämmtliche Ziffern den Buchstabenformen zu assimiliren, wahrschein- lich weil die wenigen und einigermassen fremdartigen Zahlzeichen bei der wenig beachteten, aber sehr beachtenswerthen künstlerischen Handhabung des lateinischen Alphabets unbequem erschienen.

Darauf beruht die Verdrängung des Hundertzeichens und dessen Ersetzung durch den Anfangsbuchstaben C. Sie muss verhältniss- mässig spät stattgefunden haben, da C bekannthch noch in der Epoche, in der die Abkürzungen der Yomamen sich fixirten und der unsere ältesten lateinischen Schriftmale angehören 2, auch im Lateini- 601 sehen den ursprünglichen Werth des Gamma behauptete, in dem Zahlzeichen dagegen bereits in seinem späteren Werth als Tenuis auftritt.

1) Wenigstens stellte die duilische Säule [Dessau 65] das Zeichen für 100000 etwa dreissig Male hintereinander; wer sie coneipirte, wusste also, dass die Schreibung XXX später aufgekommen sei.

2) Die neuesten Funde haben uns zurückgeführt in diejenige Epoche der lateinischen Schrifl, in welcher G noch g war, K c. Denn wer auf die Fibula von Praeneste (Mitth. des röm. Instituts 1887 S. 41 [C. I. L. XIV 4123 = Dessau 8561]) FHEFHAKED setzte, schrieb auch KENTVM. Vielleicht gehört der- selben Epoche auch an die bekannte Inschrift eines Geräths aus Thon vom Esquilin: ECO C ANTONIOS (Dressel ann. deW Institttto 1880 S. 301 [C. I. L. XV 6122 = I ed. 2 n. 462]). Aber die seitdem zum Vorschein gekommenen lateinischen Inschriften mit EQOKANAIOS (Ardea; C. I. L. X 8336, 1 [= I ed. 2 n. 474]) und'EQOFVLFIOS (Latium; Notizie degli scavi 1887 p. 150 [CLL. XV 6159 = I ed. 2 u. 479]), so wie die faliskischen mit eko lartoe und eko kaisidsio (Mitth. des röm. Instituts 1887 S. 62) scheinen vielmehr dafür zu sprechen, dass der zweite Buchstabe des ersten Worts als Tenuis genommen werden muss. Die gangbare Identification desselben mit ego wird freUich nur derjenige leichten Herzens statuiren, für den Etymologie und Grammatik Nebensache sind. [?1

MOMMSEX, SCHR. VII. ^

770 Zahl- und Bruchzeichen.

Das alte Zeichen v[» ist zunächst in ein gestürztes T umgewandelt, späterhin geradezu dem L gleichgemacht worden.

Von dem Tausendzeichen und den daraus entwickelten fiel das Hälftenzeichen, wie gesagt, ohnehin mit dem Buchstaben D zusammen; aber auch bei ihm beseitigt die Ausgleichungstendenz allmählich die früher beliebte Durchstreichung. Zur Vereinfachung der beschwer- lichen Aneinanderreihung der Hunderttausendzeichen kam zunächst für quingenta milia die Form Q_J5 auf^, eine Verknüpfung des decimalen Multiplicativzeichens mit dem Anfangsbuchstaben. Auch das Tausendzeichen selbst und seine Multipla wurden im Laufe der Zeit nicht völlig ausser Gebrauch gesetzt, aber doch aus dem ge- wöhnlichen verdrängt. Zwar durch den Anfangsbuchstaben von niille ist dies nicht geschehen. M im Werthe von mille oder milia findet sich als Wortabkürzung vom zweiten Jahrhundert ab nicht selten 2, ziffermässig aber ist der Buchstabe von den Kömern niemals ver- wendet worden^. Dagegen kam der Gebrauch auf das Tausend und dessen Multipla mit den einfachen Zahlen zu schreiben und diese durch übergesetzten Querstrich von den einfach geltenden zu scheiden, ferner das Hunderttausend von der Million an, gemäss dem Sprachgebrauch, welcher hier die Numeraladverbien mit Unterdrückung des zugehörigen centena milia verwendet, ebenfalls mit den ein- fachen, aber nach drei Seiten hin eingerahmten Ziffern zu bezeichnen, also decies (centena milia) mit | X | und so weiter auszudrücken *. 602 Also schrieb man 5000 nicht mehr 100 =, sondern V, 500000 nicht mehr cd, sondern D, die Million | X 1. Aber es ist dies System in- sofern begrenzt, als die Combinirung des TJeberstrichs und der Ein- rahmung nicht zulässig ist; um 100 Mill. und höhere Summen zu

1) In dieser Zeitschrift 3, 467. 10, 472 [unten S. 788. 790]. C. VI 3824 [add^ 31603 = Dessau 5799].

2) XV M N Inschrift vom J. 133 (Henzen 6086 [Dessa^u 7212]); HS L M Inschrift vom J. 153 (Orelli 2417 [Dessau 7213]); X M N Inschrift vom J. 1( (Orelli 1368 [Dessau 5449]). In der Verbindung M P = milia passuum ist Verwendung von M für milia viel älter.

3) In der Tafel der lex municipalis Caesars (Ritschi P. M. L. Tab. 33) 1 Z. 67 A stehen; aber Z. 68. 69 ist das nach späterer Art etwas verzogene gesichert und offenbar ist auch das erste Zeichen ebenso zu fassen. Es wissei ■wohl nicht Viele, aber es ist vollkommen sicher, dass die Schreibung MM 2000 nichts ist als ein Schnitzer.

4) Inschriftliche Belege z. B. C. IX 6072. 6075 [Dessau 5875] und mehrfac in der veleiatischen Alimentartafel. Die Multipla von 100000 unter der Millic werden nicht durch Einrahmung, sondern durch üeberstrich bezeichnet, die Schrift der Sprache folgt und 200000 lateinisch nicht bis heisst, sonde ducenta milia.

Zahl- und Bruchzeichen. 771

bezeichnen, musste man auf die Bezeichnung des Tausend durch Ueberstrich verzichten und auf das alte Q) zurückgreifen^. Den ältesten Beleg für dieses System denn das ist es giebt das rubrische Gesetz aus Caesars Zeit 2; nach dem ausgedehnten Gebrauch, der davon schon in der frühen Kaiserzeit gemacht wird, mag das Aufkommen dieser Schreibung wenigstens in der Buchschrift noch viel weiter zurückreichen. Auf den pompeianischen Quittungstafeln aus neronischer Zeit herrscht die ältere Schreibung vor; doch findet sich daneben auf einer Urkunde aus dem J. 56 die neuere*. In den Handschriften des älteren Plinius, den Alimentarurkunden Traians und überhaupt in der späteren Zeit herrscht die letztere aus- schliesslich.

Die Differenzirung der Ziffern von den Buchstaben durch einen über die Linie gezogenen Querstrich ist der guten republikanischen Schrift fremd, auch in Widerspruch mit dem damals streng fest- gehaltenen Schreibungsgesetz, dass die Schriftzeichen das Zeilen- quadrat, den vorsus, nicht überschreiten dürfen. In der Monumental- schrift beginnt er in augustischer Zeit*, vielleicht gleichzeitig mit der Einführung der Zahlzeichen iiür Bezeichnung der Iteration in der Titulatur. Von da an erscheint in dieser der Ueberstrich zum Beispiel auf den Arvaltafeln und den Militärdiplomen wesentlich constant, nicht minder bei den Nummern der Truppentheile und in den Citaten. Merkwürdiger Weise dringt er in die Kalenderdatirung erst spät ein^, vermuthlich weil deren Fixirung einer Zeit angehört, 603 welche den Ueberstrich noch nicht kannte. Die Zweideutigkeit, welche dadurch entstand, dass der Ueberstrich schon innerhalb der Ziffern zui- Differenzirung der Tausende und der Einer in Gebrauch war, scheint man hingenommen zu haben, ohne Abhülfe dagegen zu versuchen. Wenn die Verwendung des Ueberstrichs zur Hervor-

i a,2

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11

1) 99 Mill., nongenties nonagies mit Ziffern geschrieben sind DCCCCLXXXX', 100 Mill., milies [ööi. Inschriftliche Belege für die letztere Schreibung kenne ich nicht, aber sie erhellt aus den Spuren bei Plinius n. h. 33, 3, 56.

2) Diese Nachweisung (C. I. L. I n. 204 Col. 2 L 4. 19. 27: HS XV) giebt Ritschi P. L. M. p. 114. Der Ueberstrich kehrt wieder auf dem Meüenstein des Claudius C. IX 5959 = Benzen 5181 [Dessau 209].

3) De Petra Nr. 14 [C. I. L. IV suppl. p. 306 n. XXIV, vergl. Ges. Sehr. 3,265] HS Vi CCLII; Nr. 15 [C. I. L. IV p. 308 n. XXV] XI XXXIX auf dem Neben-, ccloo oo XXXVIIII auf dem Hauptexemplar; Nr. 39 [CLL. IV p. 346 n.XLIX].

4) Er steht schon auf den S. 597 A. 1 [S. 766 A. 1] angeföhrten Inschriften 4es Augustus, den pisanischen Cenotaphien und sonst. Vgl. Ritschl a. a. 0.

5) In den Diplomen zuerst unter Traian (D. XXIII. XXVI).

49*

772 Zahl- und Bruchzeichen.

hebung der Ziffer schlechthin zunächst bei der Iteration der Aemter in Gebrauch kam, wie es scheint, so war hier die Yerwechselung- mit dem Tausendzeichen von selber ausgeschlossen; und auch sonst wird die Zweideutigkeit in den meisten Verbindungen durch den Zusammenhang thatsächlich aufgehoben. Doch fehlt es nicht an Fällen, wo man sich fragt, ob III drei bezeichnet oder drei- tausend.

Die neben einander stehenden Ziffern sind der Regel nach additioneil aufzufassen, wobei, so weit höhere Ziffern verwendet werden können, die niederen ausgeschlossen sind^, und stehen in fester Folge, so dass die höhere voraufgeht. Nur in später Zeit und in untergeordneten Kreisen wird dies Gesetz, am häufigsten in Anlehnung an die Sprechweise bei den Kalenderdaten, verletzt und für ante diem quintum decimum VX geschrieben. Indess, wie in der Sprache subtractive Bezeichnungen neben additionellen vorkommen {duodeviginti , undeviginti und so weiter bis undecentum), so und in noch bedeutend weiterem Umfang begegnet auch in der Ziffernsetzung die Yoraufstellung der niederen Ziffer in subtractiver Bedeutung. Es steht aber diese Schreibung unter folgenden Gesetzen:

1. Nicht blos eine Ziffer, sondern auch mehrere coordinirte können subtractiv verwendet werden; IIX ist ebenso correct oder ebenso incorrect wie IX.

2. Subtractiv werden regelmässig nur die Zeichen I X^ C '^ rendet,

L*) D.

1) Ausnahmen wie Hill; XXXXXXXX; LL; LXXXXX in africanischen Inschriften (C. VIII p. 1108), sind Licenzen oder Fehler.

2) Zum Beispiel CCCX'L in der Betilienusinschrift von Alatri C. I 1166- [Dessau 5348], CXvUVIIIS in der pränestinischen 11143 [Dessau 5916], CCXXCVI in der Inschrift vom J. 567 C. I 536 [Dessau 5804], XXCIIII in der Strassen- inschrift vom J. 622 C. I 551 [Dessau 23], CCCXXC C. I 1179 [= X 5680].

3) CD± im Repetundengesetz vom J. 631/2 (C. I. L. I 198) mehrfach und constant; C oo I, C oo LX auf den augustischen Inschriften C. VI 1243 e, f. 1250 c [suppl. S15b8gh. 31562 c]; . . CG oo XXI C. I 1257 [= X 290].

4) In der Inschrift der Trebonia Salvia Grut. 997, 15 [C. VI 27619] ist die Lesung oo ly wohl beglaubigt, ebenso in der nolanischen C. X 1273 [Dessau 6344].

5) In der Inschrift Eph. IV p. 289 n. 833 = Grut. 897, 2 [C. VI 31619] scheint gestanden zu haben ccciooo Q "^ = 400000; in der von Dessau ge- sehenen praenestinischen C. XIV 3015 steht ccloo Iood = 40000.

6) VL der africanischen Inschrift VIII 3998 ist barbarisch.

*) [Doch s. Mommsen Hermes 23, 1888, S. 159 A. 1; C. I. L. IV suppl. p. 408.]

i

Zahl- und Bruchzeichen. 773

3. Das Zeichen I wird subtractiv der Regel nach nur verwendet vor Y und X, nur ausnahmsweise vor L^ und den höheren Stellen 2.

4. Die subtractive Schreibung hat den Zweck der Raumersparung; «ie ist also unzulässig, wo damit nicht Stellen gewonnen werdend und tritt namentlich in besserer Zeit nur in zweiter Reihe auf, vor- wiegend da, wo dadurch eine wesentliche Vereinfachung erreicht wird, also insbesondere bei den Zahlen 80 und 90*, und mehr in der vernachlässigten Privat- als in der eigentlichen Monumentalschrift ^

5. Der Stellung nach treten die subtractiv geltenden Ziffern in 615 die additionell geordnete Reihe vor die zu vermindernde Ziffer und, wenn diese Ziffer darin mehrfach auftritt, vor die jedesmal letzte; man schreibt also XIIX, nicht IIXX CCCXXC, nicht XXCCCC

S. 603 A. 1 [S. 772 A. 1].

2. Die Bruchbezeichnung.*) Die römische Briichbezeichnung ist insofern so alt wie die Be- zeichnung des Ganzen, als das Zeichen für die kleine Einheit, der

1) IIL im Kepetundengesetz Z. 34. Auf den Münzen findet sich meines Wissens nichts Aehnliehes.

2) Einen Beleg, der Autorität machte, finde ich für HC, IC und dgl. nicht; IIIC der africanischen Inschriften VIII 1616. 5113 ist barbarisch.

3) Dadurch ist IIIX statt VII, XXXC statt LXX ausgeschlossen.

4) Deutlicher als aus den Inschriften geht der Verwendungskreis der sub- tractiven Ziffern namentlich im letzten Jahrhundert der Republik aus den Denaren hervor, deren Ziffern zum Beispiel in dem Fabrettischen Katalog der Turiner Münzsammlung verzeichnet sind. Hier findet sich von dem Denar des L. Piso Frugi auf elf Exemplaren IUI, auf einem IV (n. 1412a XCIV): VIII und Villi ohne Ausnahme; ebenso XXXX; dagegen zwar gewöhnlich ±XXX,

er zweimal XXC; femer ^XXXX auf sieben, XC ebenfalls auf sieben Exem- laren. Hier wurden allerdings fünf Zeichen durch zwei ers^etzt. Aus demselben Grunde überwiegen auf den Legionsmünzen des Antonius IV und IX über IUI und Villi, während IIX, wo nur eine Stelle erspart wird, nicht begegnet. Diese Gruppen haben die Subtractivziffern noch am häufigsten; anderswo er- scheinen sie vereinzelt und fehlen auf zahlreichen Sorten vollständig. Keine einzige Münzgruppe zeigt dieselben in regelmässigem oder auch nur vorwiegen- dem Gebrauch.

5) Belege C. I. L. III p. 1187; Hübner exetnpla p. LXX. Dafür ist weiter bezeichnend, dass in den Inschriften republikanischer Zeit (nach dem Index von C. I. L. I p. 613) die Zeichen IV, IIX, XIV sich so gut wie ausschliesslich auf den Griffelinschriften der Aschentöpfe von Vigna S. Cesario gefunden haben: nicht minder, dass die ausserhalb Italiens roh und schlecht geprägten Legions- münzen des Antonius allein unter allen den subtractiven Ziffern IV und IX den Vorrang geben (A. 4).

*) [Hierzu sind Mommsens Bemerkungen „über die römische Bruchbezeich- nung" (zum Hildesheimer Silberfund) zu vergleichen: Hermes Bd. 3, S. 469— 475 (s. in den „Epigraphischen Schriften").]

774 Zahl- und Bruchzeichen.

Punkt oder der Horizontalstrich (S. 598 A. 1 [S.767 A. 1]), augenschein- lich demjenigen der grossen Einheit, dem Perpendikularstrich correlat und gleichzeitig entstanden ist. Alle übrigen Bruchziffern aber haben die Schrift zu ihrer Voraussetzung, indem sie sämmtlich aus den Anfangsbuchstaben der betreffenden Wörter entwickelt sind. Es ist dies evident für semis S; semuncia und sembella H, später gewöhn- lich S_; 3 sextula; T terruncius. Das Zeichen des sicilicus 0 und das des scripulum B, die beide erst spät auftreten und von denen das erstere schon durch die Benennung seinen Ursprung anzeigende ursprünglich auf die von griechischem Einfluss beherrschte Silber- rechnung beschränkt ist, sind wahrscheinlich nach dem gleichen Princip aus dem griechischen Sigma in seiner jüngeren Form ent- wickelt^.

Yon den Bruchzeichen kann nur ein einziges in ähnlicher Weise wie die Ziffern allgemein verwendet werden : es ist dies S, welches, wie das entsprechende meist indeclinable semis in der Sprache, so in der Schrift jedem Ganzen angefügt werden kann. Hiervon ab- gesehen werden die Bruchzeichen allgemein verwendet, wo der Begriff des as und seiner zwölf Theile zur Geltung kommt, zum Beiispiel bei der Theilung des Grabrechts nach Zwölfteln 2, bei der 606 als Zins zu zahlenden Capitalsquote^, bei der Erbschaft, dem Gesell- schaftsvermögen, der Stundentheilung und überhaupt sonst in mancher- lei Beziehungen; wo immer dies der Fall ist, können auch die Bruch- ziffern gesetzt werden. Yor allem aber erscheinen sie bei dem Geld, dem Gewicht, dem Längen- und dem Flächenmass, wobei im All- gemeinen ebenfalls duodecimale, im Silbergeld aber auch decimale Brüche zur Verwendung kommen.

Geld und Gewicht fallen bekanntlich ursprünglich zusammen. Für beide sind bei der ältesten Bruchziffersetzung nach dem Duo- decimalsystem aus den beiden einfachen Zeichen für ^2 S und '/12

1) Diese Erklärung erscheint mir jetzt probabler als die der Ableitung- des sicilicus aus dem griechischen Hälftenzeichen (R. M.-W. S. 202). Das grie- chische C im Werth von s erscheint schon auf den vor Pyrrhos geschlagenen tarentinischen Münzen (R. M.-W. S. 137) und in Griechenland seit der Zeit Alexanders (v. Wilamowitz homer. Untersuch. S. 307; Köhler zu C. I. A. II 1152).

2) In der Inschrift des T. Flavius Heuretus (C. VI 18100 [Dessau 8295]) werden drei Grabbesitzer aufgeführt , jeder mit dem Beisatz P P ^ ^ = pi'o parte triente.

3) Alimentartafel von Veleia (Bruns fontes ed. 7 p. 347 [Dessau 6675]) z. A.: quae fit usura ^ (^ ~ sortis supra scribtae, das heisst quincunx (vgl. usurae quincunces Henzen 7172 [Dessau 6148]), das ist V12 vom Hundert für den Monat oder 5 V. H. im Jahre.

Zahl- und Bruchzeichen. 775

die übrigeo, ähnlich wie die der Ganzen, combinirt worden, so dass das letzte Zeichen bis zu fünf Malen wiederholt werden kann. Dazu fügte man als drittes Zeichen das der Hälfte der kleinen Einheit, der semuncia, welches, da es dem vierstrichigen s entlehnt ist, sehr alt sein muss, und in der That schon auf der ältesten Prägung be- gegnet. Hierin scheint die Bruchziffersetzung in ältester Zeit ihre Grenze gefunden zu haben; wenigstens gehen die Münzzeichen nicht weiter abwärts^. Indess muss namentlich bei der Behandlung der Edelmetalle sich schon früh die Nothwendigkeit aufgedrängt haben die Theilung weiter zu führen. Es ist dies in der Weise geschehen, dass die Theilung der grossen Einheit in vierundzwanzig Theile bei der kleinen Einheit, der uncia, wiederholt ward: so entstand das scripidum, ^,24 der Unze, '/288 des As. Dieser Feststellung folgte auch die Ziffersetzung wenigstens in so weit, dass für * 4, V«-< V»»» S* der Unze oder ^/«g, ^/la, */***» ^Z*«» des Pfimdes eigene Namen und Zeichen: 0 sicilieus 8 sexttda -g- dimidia sexttda O scripulum festgestellt wurden, von denen die beiden letzten aber erst nach Yarros Zeit in Gebrauch gekommen zu sein scheinen 2. Durch Combination dieser Zeichen konnte das Gewicht bis auf ^/»ss der grossen Einheit hinab ausgedrückt werden, und zwar geschah dies durch additionelle Zusammenreihung der verschiedenen Brüche bis hinab zum Scrupel. Mehrfache Setzung desselben Zeichens war hierbei nur einmal, bei der Bezeichnung von '/as durch Verdoppelimg der sexttda {binae sexitdae) erforderlich. Indess die hierbei sich herausstellenden Additionsreihen von V2, V12, V«*» ^^*^-) *i"*? Vi*«> V*«« des Pfundes waren nichts weniger als übersichtlich, und es sind daher 1/48, V^a? V»** ausser Gebrauch gestellt^ und diese Brüche 607 vielmehr auf Scrupel reducirt worden, so dass die Bruchreihe von der semuncia zum scripulum fortschreitet. Da es aber nicht wohl anging das Scrupelzeichen bis zu elf Malen zu wiederholen, so wurde dasselbe als Exponent verwendet und ihm die Zahl der Scrupel nachgesetzt, als wären sie Ganze*. Es erleichterte dies das Ver-

1) R. M.-W. S. 189.

2) Varro de 1. L. 5, 171. R. M.-W. a. a. 0.

3) Ich kann keinen Beleg nachweisen, welcher die Reihe in der hier be- zeichneten VoUständigkeit giebt; praktisch scheint die Scrnpelzählong allein zu herrschen.

4) So drückt zum Beispiel Frontinus die Brüche aus. Dasselbe thon regel- mässig die Inschriften, zum Beispiel C. X 8071, 7. 8. 15. 18. 19 und die von Praeneste C. VI 194 = XIV 2861: ex argienti) p{ondo) XIS- -§_ >V = 11 9 V, Unzen 5 Scrupel. Ein anderes Beispiel S. 612 A. 2 [S. 781 A. 1]. Es kommt anch vor, dass statt des Scrupelzeichens das Wort gesetzt wird (so in der Inschrift von

776 Zahl- und Bruchzeichen.

ständniss. brach aber die alte Regel die Zahlzeichen lediglich für die Ganzen zu verwenden und die Brüche durch ihnen eigenthüm- liche Zeichen auszudrücken ^,

Im Gewicht hat sich dies System zu allen Zeiten ohne wesent- liche Modification behauptet. Auch im Geldwesen werden, so weit das Kupferpfund als aes grave auftrat, die Bruchziffern dafür in Gebrauch geblieben sein. Auf den reducirten As ist das System der Zwölftelung in gleicher Weise angewendet worden wie auf den ursprünglichen pfundigen, und es konnten die Bruchziffern auch auf diese Einheit bezogen werden; indess kam derselbe rechnungsmässig hauptsächlich als Quotentheil des Silbercourants in Ansatz und insofern nicht für sich zu eigenem Ausdruck 2.

Jede Silbereinheit konnte an sich als as gefasst und gezwölf- telt werden. Bei dem Denar ist dies auch geschehen ^, und zwar nachweislich im Anschluss an die spätere Prägung. Indem der Denar als zwölftheiliger As gefasst ward, wurden seine silbernen 608 Theilstücke der Quinar zum Semis, der Sesterz zum Quadrans. Von den beiden reducirten Assen von Vio und ^/le Denar ist, so viel wir wissen, nur der letztere, der Münzas der späteren Prägung auf den zwölftheiligen Denar bezogen worden. Er konnte ausgedrückt wer- den durch die semuncia und den sicilicus, ^jn -f ^48 des Denars, und dem entsprechend natürlich auch das Dupondium = ^js Denar durch die uncia und die semuncia ^ji2 -f- ^ju, so wie jedes höhere Multi- plum. Wir kennen diese Bruchziffern allein aus der Schrift des Maecianus*, und zwar verzeichnet dieser sie in der Weise, dass er diesen Bruchziffern wie den etwa damit verbundenen Ganzen als Exponenten das Denarzeichen vorzusetzen vorschreibt und dass er bei dem As aufhört. In der That liess sich auf diesem Wege zwar

Ostia C. I. L. XIV 3: arg. p. XV scrp.IX), oder dass das Scrupelzeichen fehlt und die Zahl nur durch ihre Stellung am Schluss sich als die der Scrupel an- zeigt (C. X 8071, 9. 12. 17; in dieser Ztschr. 3 S. 473 [s. S. 773 A. *]).

1) Die Stellung des Scrupelzeichens nach der Zahl nimmt Hübner eocempla n. 445 = C. II 3386 mit Unrecht an; vielmehr ist zu lesen entweder, wie er selbst früher las, OV, oder, falls das Schlusszeichen nicht blos verschnörkelt ist, OVS. Aber es wäre dies das einzige Beispiel des halben Scrupels. Marquardt Handb. 5, 50 fasst die beiden Zeichen als die des sicilicus und der sextula; aber beide sind anders geformt.

2) Man kann natürlich mit dem As die Bruchzeichen ebenso verbinden, wenn er Vio oder '/le wie wenn er V* des Denars ist; aber die Römer rechneten praktisch in jenen Fällen nach Denaren oder Sesterzen, eben so wie wir nicht voh 25 Groschen, sondern von 2Vj Mark reden.

3) R. M.-W. S. 199.

4) Distr. part. 4:8-63.

Zahl- und Bruchzeichen. 777

der Semis = 1/32 Denar durch den sicüicus und die sextula = Vis + ^96 <^6s Denars wiedergeben; weiter hinab aber war nicht zu gelangen, wenn nicht unter den Scrupel hinabgegangen werden sollte, was in der gemeinen Rechnung nie geschehen ist, obwohl späterhin die siliqua = ^\% des Scrupels vorkommt^. Diese Rechnung kann nicht älter sein als die Einführung der Sechzehntheilung des Denars neben der älteren Zehntheilung und ist vielleicht noch jünger. Eine praktische Anwendung derselben hat sich bis jetzt nicht gefunden^. Die ursprüngliche römische Silberrechnung geht andere Wege. Bei der Einführung des griechischen Silberstücks, des nummtis in Rom wurde dessen Theilung in zehn libellae zu 12 Unzen oder 4 Trienten im griechischen Sinn {xQiäg = 3 Unzen) mit dem nummtis selbst übernommen , also für die neue Silberrechnung ein neues Bruchziffersystem gebildet. Darin erhielten, abgesehen von dem allgemein gültigen Hälftenzeichen, zwei der alten Bruchziffern ver- änderten Werth; eine vierte wurde neu gebildet. Somit kamen hier die Zeichen auf libella = ^lo, H semheUa (singula) = ^j-io, 0 609 oder T sicüicus oder terruncius = ^jio^. Auch für die älteste der Silberprägung gleichzeitige Kupferprägung, insofern dabei abgesehen wird von dem Triens, dem Sextans und der Unze*, gestattete dieses System einen entsprechenden und bequemen Ausdruck, sowohl wenn der Sesterz von 2^2 Assen als Einheit gesetzt wird:

dupondius (*/5 Sesterz) S _-

OS (2/5 Sesterz) --

semis (Vs Sesterz) --

quadrans (\'io Sesterz) wie auch wenn der Denar von 10 Assen zu Grunde gelegt wird:

Quinar (^2 Denar) S

Sesterz (V* Denar) ZZ

1) Die merkwürdige Inschrift eines goldenen Armbandes P (?) I -i- HI ?t XXII SIL IUI 0 ö (?) II (in dieser Zeitschrift 4, 377 [s. in den Epigr. Schriften]) giebt das Gewicht an nach Pfunden, Unzen, Scrupeln, siliaqtuu und vielleicht Obolen.

2) Bevor die Inschrift von Hippo zum Vorschein kam, meinte ich einen solchen in der S. 610 A. 4 [S. 779 A. 2] angeführten Inschrift gefunden zu haben {Eph. epigi: IV p. 333). Aber das zwischen die Denare und die Bruchziffem eingesetzte AER wird bei Maecianus nicht erwähnt und ist mit seiner Darstellung unvereinbar. Jetzt kann es nicht zweifelhaft sein, dass die römische Inschrift mit dem zwölf- theiligen Denar nichts zu schaffen hat.

3) Es ist dies näher ausgeführt R. M.-W. S. 198 f., wo aber in der Tabelle S. 200 A. 87 verschiedene Schreibfehler zu berichtigen sind.

4) R. M.-W. S. 418.

Sesterzrechnung:

Denarrechnung

as (Vi Sesterz) 12"

As (1/16 Denar)

semis (Vs Sesterz) - T

Semis (1/32 Denar)

quadrans (Vie Sesterz) nicht aus- zudrücken

Quadrans {^jei Denar) J

778 Zahl- und Bruchzeichen.

Dupondius ('/s Denar) -

As (^/lo Denar) -

Semis (^/zo Denar) Z

Quadrans (^/4o Denar) T Wahrscheinlich ist nach dem einen oder dem andern dieser Systeme das Geldwesen der republikanischen Zeit im Wesentlichen geführt worden, während andererseits das Zurücktreten der demselben in- commensurablen Theilstücke, des Triens, des Quadrans [so! lies: Sextans] und der Uncia wohl eben dadurch herbeigeführt ist.

Bei dem Sesterz von 4, dem Denar von 16 Assen stellt sich die Rechnung für den ersteren weniger günstig, für den letzteren ganz incongruent:

nicht aus- zudrücken

woraus wohl geschlossen werden darf, dass nicht blos im Militär- wesen, sondern überhaupt im Grossverkehr der Rechnungsas von ^/lo Denar auch dann sich behauptet hat, als er in der Münze durch den von ^/le Denar verdrängt ward. Man sollte erwarten, dass^ nachdem letzteres geschehen war und die Kleinmünze den Bruch- ziffern des Silbers nicht mehr entsprach, wenigstens im gewöhnlichen 610 Leben die Gross- und die Kleinmünze selbständig neben einander gestellt worden sind und man erst die Denare oder Sesterze, dann die Asse gezählt hat wie wir heute Mark und Groschen. Aber es scheint dies nicht geschehen zu sein^ In der jucundischen Tafel 119 wird die gleiche Summe ausgedrückt in Buchstaben mit sesteriios . . . quinquaginta nummos nummi (so, oder numm. I *)) libellas quin- que, in Ziffern mit HS . . . LIS; hier ist also der halbe Sesterz, in Münze 2 Asse, nicht also bezeichnet, sondern als S oder quinque lihellae'^. In einer kürzlich in Africa gefundenen bereits in dieser

1) Sind in der jucundischen Tafel 34 die Ziffern HS N . . . DLXII richtig

aufgelöst durch sester sexages dupundius, so ist allerdings dies widerlegt.

Aber es ist mir wahrscheinlicher, dass vielmehr sexaginta duo gemeint sind und die Auflösung irrig ist (in dieser Ztschr. 12, 131 [Ges. Sehr. 3, 263 ; s. auch C. I. L. IV suppl. p. 335 not. 11]). Die Griffelinschrift von Pompeii C. I. L. IV 2041: X XIIII A /// V DIIBIIS X-XLVII XVI- ist ganz unsicherer Lösung, zumal wenn man sich erinnert, dass der Denar 16 Asse hat.

*) [Die Tafel hat nummo; s. Ges. Sehr. 3, 263; C. I. L. IV suppl. p. 390 n. CXCLIIL]

2) In dieser Zeitschrift 12, 130 [Ges. Sehr. 3, 263].

Zahl- und Bruchzeichen. 779

Zeitschrift von mir behandelten Inschrift aus der Zeit Hadrians^ so wie in einer zweiten stadtrömischen ^ wird die Sesterzrechnung mit der Münze nur in so weit combinirt, dass blos was in Bruchtheilen des Sesterz nicht auszudrücken war, mit dem Vormerk et aeris an- geschlossen ward.

Wenn der Fuss, sei es als Längen- oder als Flächenmass, zwölf- theilig auftritt, werden auf ihn die Bruchziffem in gleicher Weise angewendet wie auf das Pfund 3. Wo die Sechzehntheilung mass- gebend ist, wie bei dem Fuss im römischen Bauwesen und bei den Hohlmassen, sind die Bruchzeichen, von dem der Hälfte abgesehen, 611 praktisch unverwendbar. Dasselbe gilt von den decimal gestalteten Einheiten des Wegemasses, dem Schritt = 5 Fuss und der Meile = 5000 Fuss. Da man, immer von der Hälfte abgesehen, hier keine Bruchzeichen verwenden kann, legen die Römer bei Ent- fernungsangaben durchgängig nicht die Meile zu Grunde, sondern den Fuss, drücken also zum Beispiel fünf Viertel der römischen Meile in Wort und Schrift aus mit passuum quinqtie milia ducenti quinqiia- ginta = VCCL*.

1) S. 485 [s.^ben S. 763]. Es heisst in dieser Inschrift: [fecit 8t\atxtain argenteam ex HS LICCCXXXV tribus libel(lis) sing{ula) terr{uncio) et aeris qua- d{rante), cum rei p(uhlicae) HS L prom{isisset). Gezahlt sind 51335 Sest. 1 1 Semis 1 Quadrans; As und Semis werden rafjone sesiertiaria ausgedrückt durch '10 + V20 + *'4o und der nicht auszudrückende quadrans angehängt.

2) In einem grossen von J. Schmidt vortrefflich zusammengesetzten Prae- torianerverzeichniss aus dem 3. Jahrhundert {Eph. ep. IV p. 329 [C. I. L. VI suppl. 32536]) findet sich auf den Resten der Stirnseite (in vrelcher Verbindung, ist nicht zu erkennen) die Zahlangabe X / // \ AER - T . aufzulösen durch denarii X[X]X, aer{is) quadrans, falls das letzte Zeichen, wie wahrscheinlich, ebenso wie in den Handschriften des Maecianus die Combiuation des Unzen- zeichens mit dem Schlusspunkt darstellt. Vgl. S. 608 A. 3 [S. 777 A. 2].

3) Klassisch sind dafür die Arvaltafel vom J. 80 (C. VI ^059 [Dessau 5049] V. 29-34), welche schliesst mit summa ped{um) CXXVIIII S _ _ - S. = 129"/,» [über die Ziffern dieser Tafel s. jetzt Hülsen Bullett. della commissione archeoL di Roma 1894 S. 314 ff.]; femer die Bauinschrift von Puteoli vom J. 649 (C. I n. 577). Grabinschrift aus Ostia CLL. XIV 665: in agr. j>._XXVS Z - S_ = 2b-' js Fuss; aus Velitrae C. I. L. X 6596: in agr. p. XVIISE^ = 17»/. Fuss.

4) Bemerkenswerth sind Schreibungen wie millia passtts XV-B<!CL auf dem hadrianischen Meilenstein C. I. L. IX 6075 [Dessau 5875]; ebenso müia pedum 00 00 ooLX auf dem Stein aus guter Zeit C. I. L. XIV 4012 [Dessau 5387] und sogar millia pas»us 00 00 00 auf dem Stein C. I. L. XIV 2121 [Dessau 5683]. Wo milia voraufgeht, müssen die Einheiten folgen, nich^die Tausende; und so schreibt man auch correct M-P-IH, nicht M P III und per passuum XXXX VTiCLXXXII auf dem Meilenstein des Claudius C. IX 5959. Aber wenn Zahlen unter dem Tausend sich anschliessen , ist die Coordinirung der zu miha gehörigen und der einfachen Einheiten unbequem, und dadurch werden jene Schreibungen wenigstens entschuldigt.

780 Zahl- und Bruchzeichen.

Auf das zwölftheilige Flächenmass des iugerum endlich werden die Bruchbezeichnungen ^ und Bruchziffern '^ in regelmässiger Weise bezogen. Aber auch hier werden, wie an die Pfunde von der Semuncia abwärts die Scrupel, so an die lugera von der Semuncia abwärts die Fusse angehängt^.

3. Die Exponenten.

Die Ganz- wie die Bruchzeichen fordern, da sie auf die ver- schiedensten Gegenstände bezogen werden können, regelmässig die Vorsetzung eines die Kategorie determinirenden Wortes, welches hier als Exponent bezeichnet wird. Obwohl die Zahlwörter der Notirung auch unterliegen können, wenn kein Exponent dabei steht 612 oder wenn derselbe voll ausgeschrieben wird, so erstreckt sich doch in zahlreichen Fällen, und namentlich in denen, wo die Setzung der Ziffern obligatorisch ist, die Abkürzung auch auf einen vorhergehen- den Exponenten. Insbesondere gilt dies von denen, welche die Münze, das Gewicht und das Längenmass determiniren. Es gehören diese Zeichen nicht dem Ziffersystem an, sondern dem der Wort- abkürzungen; doch treten sie so oft zusammen mit Ziffern auf, dass es angemessen ist ihrer auch hier zu gedenken.

Der Exponent kann die Einheit nicht vertreten; ein Pfund ist nicht P, sondern P I. Der Exponent ist seinem Wesen nach ein- fach, das heisst es werden die unter dem Ganzen stehenden Grössen, mögen sie in Verbindung mit Ganzen oder allein auftreten, ursprüng- lich nie anders als durch die Bruchziffern ausgedrückt. Im Laufe der Zeit ändert sich dies Gesetz, indem neben Ganzeinheiten Bruch- einheiten angesetzt werden; ein und ein Viertelpfund schreibt man anfänglich P IZ- = IV* Pf-, später P I - III = 1 Pf. 3 Unzen.

Den Gewichtangaben wird regelmässig das Wort p{ondo) vor- gesetzt. Indess kann dieser Exponent vor den Pfundganzen fehlen*

1) Inschrift von Praeneste C. XIV 3340 [Dessau 8844]: mm agro iugeribus duobus dextante semuncia; Columella de re rust. 5, 2, 2: decem milia pedum qua- dratorum efficiunt iugeri trientem et sesetulam; Inschrift bei Marini Arv. p. 230 [C. I. L. VI 29961]: hie locus . . . plus minus quincumque iugeri; C. I 1430 [Dessau 8381]: loc. patet agrei sesconeiam quadratus.

2) Bruchziffern in Verbindung mit dem iugerum sind selten. Inschriften von Praeneste (Anm. 3) und Ostia C. XIV 396 [Dessau 8346] iugera^H ZZ -; in fronte p. CCLXXX; in agro pomprensa maceria colligit iugera II .

3) Inschrift von Praeneste C. I. L. XIV 3343: IVG V S S (vielmehr 8.) P -B- und meine Anmerkung dazu. Man schreibt also in Bruchziffern bis hinab zur semuncia des Jugerum = 1200 QFuss und fügt den Rest in Füssen hinzu.

4) Zum Beispiel C. I. L. X 8071, 15.

Zahl- und Bruchzeichen. 7g j

und wo das Gewicht unter dem Pfund bleibt, fehlt er häufig ^ Dass das scriptdum, eigentlich die Ziffer für Vas«, schon früh zum Exponenten geworden ist und, wie auf p{ondo), die gezählten Ein- heiten darauf folgen, wurde schon bemerkt. In noch späterer Zeit ist dasselbe mit dem Wort wie mit dem Zeichen der Unze geschehen; auf den Exagien zum Beispiel ist nicht mehr ein Zwölftel des Pfundes, sondern der Nenner der folgenden Einheiten. So entwickelt sich schliesslich die Gewichtangabe mit den mehrfachen Exponenten der Pfunde, Unzen und Scrupel (S. 608 A. 2 [S. 777 A. 1]), wie wir sie heute gewohnt sind.

Bei Geldangaben ist Kupfersummen oft kein Exponent vorgesetzt worden 2; doch findet sich zuweilen der nicht notirte Vorsatz aeris 613 gravis^ oder aeris allein*, oder auch notirt a{sses)'. Die Silber- rechnung bedient sich des Exponenten seit ältester Zeit und constant, theils um den Gegensatz gegen das Kupfergeld zu bezeichnen, theils, namentlich in späterer Zeit, weil die ratio sestertiaria und die ratio denariaria lange neben einander in Ajiwendung gewesen sind. Bei der ratio sestertiaria dient als Exponent entweder N = nummi

1) Näher ist dies ausgeführt in diecer Zeitschrift 3, 472 [s. oben S. 773 A. *]. Er findet sich vor blossen Bruchziffem; zum Beispiel auf dem Stein von Ostia C. I. L. XIV 21 (vgl. add. [Dessau 4373]) stehen neben einander drei Gewicht- angaben: PIS = IV2 Pf., P-- 3 III = 3 Unzen 3 Scrupel, PZZ- D J, = 5 Unzen 8 Scrupel und auf einem von Reii (C. I. L. XII 354 [Dessau 3855]) Prr-L = 5V2 Unzen.

2) Darin drückt die Inschrift des Duilius (C. I 195) gewiss den alten Ge- brauch richtig aus: [omne] captom aes, worauf die ZiflFem folgen.

3) R. M.-W. S. '292. Auch auf der Inschrift Eph. IV p. 289 n. 833 = Grat. 897, 2 [C. I. L. VI 31619]: [aeri]s gravis.

4) Abgesehen von den Stellen, wo aeris blos der kürzere Ausdrack ist für aeris gravis, wird aeris auf den Münzas wohl nur bezogen, wenn keine Ganz- zahlen folgen, zum Beispiel in der lex metatti Vipascensis (Brans fotUes'' p. 289 [Dessau 6891]) Z. 23: aeris semisses, aeris asses und in den S. 610 A. 3. 4 [S. 779 A. 1. 2] angeführten Beispielen, wo den Silbersummen die nicht darin auszu- drückende Kleinmünze mit dem Vormerk (et) aeris angehängt ist. Von Münz-

IWB^ assen sagt man nicht aeris duo, sondern asses duo. Hp 5) So sind die Multen sowohl auf dem uralten Stein von Spoleto (Brans

>^^ fotUes'' p. 283 [Dessau 4912]) auf 300 wie in dem Collegialgesetz C.VI 10298 [ßruns fmtes'' p. 394] auf 500, 100, 5 Asse gesetzt. In dem ersten sind ohne Zweifel Pfundasse gemeint, und wahrscheinlich auch in dem zweiten, da der reducirte As von »/lo, resp. Vi, Denar wohl schwerlich, wie schon gesagt ward, selbständig als Rechnungseinheit zur Anwendung kommt. Sonst erscheint die Note, wo sie den Münzas bezeichnet, wohl nur bei Zahlungen im Kleinverkehr, so in der Wirthshausrechnung von Aeseraia C. IX 2689 [Dessau 7478] und in den pompeianischen Griffel inschriften (C. IV 1751: st qui futuere toUt, Atticm quaerat a. XVI; vgl. 1969. 2028. 2450).

782 Zahl- und Bruchzeichen.

allein, was die älteste Schreibung^ ist, oder vorgesetztes HS^ N = sestertii nummi^, selten N HS = nummi sesterfii^ oder endlich, was in späterer Zeit Regel ist, HS- . . . N , sestertii . . . nummi mit zwischengesetzter Zahl. Bei der ratio denariaria wird als Exponent des nummus denarius niemals das Substantiv, sondern lediglich ^, denarii vor die Ziffern gesetzt. Gewöhnlich werden diese Exponenten 614 nur gesetzt, wenn Ganze folgen*; doch liegt für den zweiten ein Beispiel vor, wo er der blossen Bruchziffer vorgeschrieben ist^. Da die hier als Wortabkürzungen für sestertius und denarius zur Verwendung kommenden Zeichen IIS und X ihrem Ursprung nach Ziffern waren und von den auf sie folgenden Ziffern nothwendig streng geschieden werden mussten, so wurden sie zu diesem Behuf quer geschnitten HS X- Diese Durchstreichung wird analogisch auch für den vic{toriatus) angewendet^.

Bei den Massangaben ist der Vorsatz von p(edes) da geboten, wo das Mass den Fuss übersteigt; vereinzelt steht dieser Exponent gleichfalls vor der allein stehenden Bruchziffer '^.

1) So steht numei vorgesetzt auf der Tafel des Duilius vom Golde wie vom Silber; ebenso auf der Inschrift vom J. 683 d. St. (C. VI 1299 [Dessau 5800]) opus constat w. j^^CD J.XXII. Gleichbedeutend ist argenti centum et quinqiia- ginta milia bei Livius 40, 38, 6 (vgl. 45, 43, 5: centum viginti milia Illyrici argenti); da streng genommen der Sesterz im Silber dasselbe war wie der As im Kupfer, so genügte als Exponent bei Münzangaben das Metall.

2) So das Repetundengesetz vom J, 631/2 Z. 48 und die Inschrift der via Salaria vom J. 639 [wohl aus späterer Zeit] Eph. II p. 199 [Dessau 5799]. Die- selbe Formel zeigen alle Quittungen des lucundus aus neronischer Zeit.

8) Senatsbeschluss für Priene unbestimmter Zeit (C. I. Gr. 2905, 7 [Hiller v. Gärtringen Inschr. v. Priene 40]): [v6]/xcov orjarsQti'cov sxaxöv el'xooi nsvrs.

4) Zum Beispiel in der africanischen lex portus C. VIII 4508.

5) In der Griffelinschrift von Pompeii 1232 add. steht folgender Ansatz

X s X I

X I

X I

X I

X s

^ I

6) C. I. L. I 199 V. 25 = Ritschi P. L. M. Tab. 20. Auch bei duovir und wo sonst die Zahlwörter in die Titulatur eintreten, kommt häufig Durchstreichung vor (Beispiele bei Hübner exempla p. LXX). Im Ziffersystem erscheint sie nur bei •©- = 500 und gehört vielmehr zum System der Wortabkürzungen (vgl. diese Zeitschrift 4, 379 A. 1).

7) In dem Baucontract von Puteoli (C. I 577 [Dessau 5817]) 1, 14: latum p.IS'.', altum p. S'.'. Dagegen 1,15: crassos S;., altosp.l und sonst überall fehlt p. vor blossen Bruchziffern.

Zahl- und Bruchzeichen. 7g3

Bei dem iugerum ist der Exponent nothwendig und wird nicht

abgekürzt.

Die Exponenten bei der Zeitrechnung, wie a{nno) u(rbis) c{<m- ditae), a{nno) p(ost) r(eges) e{xactos\ sowie die des Kalenders genügt es hier kurz zu erwähnen.

Wer römische Starrheit und römische Folgerichtigkeit sich ver- gegenwärtigen will, der findet sie in der Nuss im Schreibsystem, und vor allem in den neben der Reihe der Buchstaben selbständig stehenden und völlig originell auf italischem Boden gestalteten beiden Reihen der Ziffern und der Bruchzeichen. Der Mathematiker mag lächeln über den Bruchtheil eines Systems, für das es Theile ausser dem Zwölftel und allenfalls dem Zehntel nicht giebt; vom geschicht- lichen Standpunkt aus offenbart die Klarheit, die Einfachheit, die Festigkeit des römischen Wesens sich auch in seinen Zahlen und Brüchen.

Gleichzeitig*) mit meiner in das letzte Heft dieser Zeitschrift auf- ^2 genommenen Erörterung über die römischen Zahl- und Bruchzeichen hat mein Freund und Arbeitsgenosse Karl Zangemeister in dem Sitzungsbericht der Berl. Akad. vom 1. Dec. 1SS7 (S. 1011 f.) die 'Entstehung der römischen Zahlzeichen' behandelt. Die Ergebnisse beider Untersuchungen gehen weit auseinander. Da ich die Zange- meistersche bei der meinigen nicht habe benutzen können und sie mich in keinem Punkte überzeugt hat, will ich hier nachträglich hinzufügen, warum sie mir verfehlt erscheint.

Is^ach Zangemeister sind die Ziffern bis 1000 gleichzeitig und nach einem einheitlichen Bildungsprincip entstanden und zwar durch 'Decussation'. Aus I wurde durch Kreuzung X = 10, aus diesem durch Halbirung V = 5. Aus dem Zehnzeichen gingen durch 'Decussarion" zwei Zeichen für 100 hervor, theils )K, theils g:. Das Zeichen für 50 i ist entweder durch 'Decussation' aus dem Fünf- zeichen oder durch Halbirung aus dem ersten Zeichen für 100 her- I vorgegangen. Das zweite Zeichen für 100 ist durch Vereinfachung nnter Mitwirkung der Initiale aus jgc zu C geworden. Aus dem- selben Zeichen für 100 ging durch abermalige 'Decussation' die äPorm CXO = 1000 hervor, aus dieser durch Halbirung D = 500. Das Zeichen für 500 gab dann, wieder durch 'Decussation*, die für 5000 100 und 50000 1000, und diese durch Verdoppelung die Zeichen für 10000 CCIOO und 100000 CCCIOOO.

Gegen diese Theorie sprechen die folgenden Bedenken. 153

*) [Hier beginnt der Nachtrag: s. o. S. 765, 1.]

784 Zahl- und Bruchzeichen.

1. Die Behauptung, dass die Italiker in der Epoche vor der 'gewiss spät erfolgten' Einführung des griechischen Alphabets mit den Ziffern für 1, 5, 10 nicht hätten auskommen können, sondern auch ein Zeichen für 100\ hätten haben müssen, ist nicht blos inso- fern bedenklich, als jene Einführung gewiss früh erfolgt ist, wenn überhaupt bei solchen Fragen von spät und früh geredet werden darf. Es ist mehr als verwegen über das Stadium der Cultur, auf welchem das hellenische Alphabet die Italiker vorfand, sich Muth- massungen zu gestatten und die Frage aufzuwerfen, wie die noch nicht schreibenden, aber der Ziffern sich bedienenden Italiker das Hundert ausgedrückt haben mögen. So gut wie die Hunderttausende in langen Reihen auf der duilischen Inschrift figuriren, so gut kann in ältester Zeit die Zehn vielfach wiederholt worden sein. Man kann damit vergleichen, dass das einzige vorgriechische Bruchzeichen des römischen Systems das der kleinen Einheit (uncia) ist und das Hälften- zeichen erst mit dem Alphabet eintritt, also in ältester Zeit die kleine Einheit bis neunmal (oder gar wenn für diese Zeit ein Duo- decimalsystem bestarjd, bis elfmal) hat neben einander gestellt werden können.

2. Dass von den drei Aspiraten, die das griechische Alphabet in der Folge ® 4) ^ darbot, das erste Zeichen für 100, das zweite für 1000, das dritte für 50 verwendet worden ist, erklärt sich daraus, dass die beiden ersten Zeichen für die Ergänzung des vorhandenen Ziffernsystems wesentlich waren, das dritte entbehrlich und eigentlich erst brauchbar wurde in Verbindung mit der Aufstellung des Zeichens 500 durch Halbirung der zweiten Aspirata. Mit Unrecht also fordert Zangemeister die Verwendung der drei Zeichen in der durch den Zahlenwerth gegebenen Folge.

3. Dass das jetzt im lateinischen für das Hundert dienende Zeichen in dieser Form jung und ein älteres verschollen ist, ist evi- dent und räumt auch Zangemeister ein. Jede methodische Unter- suchung wird weiter anerkennen müssen, dass bei der wesentlichen Analogie der lateinischen und der etruskischen Zahlzeichen in diese Lücke das etruskische Zeichen (^ eintritt, dessen Form derselbe Gelehrte bestätigt und dessen Deutung als Zeichen für 100 auch er als wahrscheinlich anerkennt.

4. Dass die Etrusker, welche in ihrem Alphabet die Aspiraten festhalten, sich derselben Zahlzeichen bedienen, indem sie dieselben

154 von den entsprechenden Buchstabenformen differenziren, kann den Ursprung der lateinisch-etruskischen Ziffern aus den Aspiraten nicht in Frage stellen, da es sehr wohl möglich, ja wahrscheinlich ist,

Zahl- und Bruchzeicben.

785

dass die Etrusker diese Ziffern entweder von ihren südlichen Nach- barn übernommen oder doch im Wechselverkehr mit diesen fest- gestellt haben.

5. Die Fehlerhaftigkeit und Willkürlichkeit der von Zange- meister aufgestellten einheitlichen Reihe ist augenfällig. Die Ent- wickelung der Zeichen für 5 und 10 aus der Einheitslinie, wie er sie annimmt, führt nicht auf X und Y, sondern auf -f- und ±; meine Erklärung, dass diese Figuren die Hand und die Doppelhand andeutend wiedergeben, giebt den Schräglinien ihr unabweisbares Recht.

6. Was Zangemeister decussare nennt und wie er dies decussare verwendet, verstehe ich nicht. Decussis sind decem asses^, wie cen- tussis hundert und qtiadrussis vier Asse; decussare heisst das Zehn- zeichen setzen, also zwei Linien in das schräge Kreuz stellen. Nie- mals heisst das Wort Verzehnfachen' und es hat überhaupt mit dem Zahlensystem nichts zu schaffen. Die in der lateinischen Cursivschrift häufige Form ^ u. s. w. für 20 und die analogen für 30 und 40 führen in keiner Weise auf ein sonst unbekanntes Verzehnfachungszeichen, sondern sind einfache Contignaticn mehrerer Zehnzeichen. Alle Contignation beruht bekanntlich auf der Zusammenziehung mehrerer Zeichen in eines mittelst der Doppelfunction einzelner Linien, mögen diese nun unverändert bleiben, wie in V\\ und \Ä., oder denaturirt werden, wie in "V^, wo der zweite Schrägstrich des V zugleich als Perpendicularstrich des R functionirt. Bei dem Zeichen für XX wird durch Veränderung der Stellung (Tieferstellung des zweiten X) und Verbindung zweier der vier Querlinien ^ 2:u \^ und in analoger Weise können drei und vier Zehnzeichen verbunden werden. Auf welchem graphischen Wege aus X die Zeichen X oder ]^ im Werthe von 100 hervorgehen können und wie dies Decussation genannt werden kann, ist mir ein unlösbares Räthsel.

7. Der Werth des auf zwei etruskischen Denkmälern vorkommen- 155 den Zeichens ^ = 100 ist sehr problematisch,*) die Annahme eines doppelten Zeichens tur 100 ein übler Nothbehelf.

1) Schon das analoge Wort centussis zeigt, dass nicht eine Manie gemeint sein kann; auch hat in dem Knpfergeld das Zehnasstöck eine untergeordnete Rolle gespielt und heisst das silberne Zehnasstück nicht decussis, sondern (num- miis) denarius. Es ist also der Werth oder das Gewicht von zehn Assen darunter verstanden.

*) [Trotz L. de Feis, Disaertaz. della pontif. accad. di archeologia ser. II vol. 7, 1900, S. 14.]

MOMMSEN, SCHR. VII. - ^

7S6 Zahl- und Bruchzeichen.

8. Die 'Erschliessung' der nirgends überlieferten Form ]^ = 100 und deren Yereinfachung in C kritisiren sich selber ohne weiteren Commentar.

9. Dass die Grundform des Tausendzeichens 0, nicht aber CXO ist, zeigt zur Evidenz das Hälftenzeichen D, während dies aus der von Zangemeister angenommenen Grundform sich nicht entwickeln lässt. Uebrigens sind beide nur graphische Varietäten; die jüngere i^t entstanden durch stärkere Angabe des oberen und unteren Ein- schnittes der Hasta, wodurch die beiden Hälften Q D sich der Kreis- form näherten, 0 in oo und CXO überging.

10. Die Annahme, dass die Zeichen für 5000 und 5000,0 die primären und die für lOOOO und 1 00000 erst daraus abgeleitet sind, ist aller Wahrscheinlichkeit zuwider. Zu welchen unhaltbaren Con- sequenzen die durch nichts gestützte Behauptung, dass der einzelne Seitenstrich oder seitlich gestellte Halbkreis verzehnfacht, nothwendig hinführt, ist hier mit Händen zu greifen. Wäre sie richtig, so müsste sie vor allem auch für die Zeichen 10000 und 100000 gelten, und es kann dem nicht durch 'Verdoppelung' der Zeichen für die Hälften ausgewichen werden. Ueberhaupt ist die Entwickelung der Zeichen für 10000 und 100000 aus dem Zeichen für 1000 durch Umkreisung und die der Zeichen für 500, 5000, 50000 aus den entsprechenden Doppelten durch Halbirung so in sich selbst evident, dass an diesem Bildungsprozess bisher noch niemand gezweifelt hat und auch in Zukunft schwerlich ein Zweiter zweifeln wird.

11. Das Zeichen für quingenta milia ist aus der Initiale durch eine kleine an das Hunderttausendzeichen anlehnende Differenzirung hervorgegangen. Der neben dieser naheliegenden Auffassung von Zangemeister zur Auswahl hingestellte Vorschlag, dasselbe auf ein verzogenes cursives D zurückzuführen, verdient keine Billigung. Das cursive D ist offenbar denaturirt aus dem der Lapidarschrift, indem der Perpendicularstrich mit dem Halbkreis in einem Zug gebildet und dadurch selber zum Halbkreis ward. Dergleichen denaturirte Formen sind nicht zeugungsfähig; auch ist nicht D quingenta milia, sondern D, und bei Zangemeisters Aufstellung fehlt dem Zeichen jede Spur des unentbehrlichen Ueberstrichs, selbst wenn man so

156 nachsichtig sein will die Aehnlichkeit des Zahlzeichens selbst mit dem Cursivbuchstaben anzuerkennen.

12. Nach Zangemeisters Ansetzungen sind die italischen Ziffern von 1 bis 1000 in vorgriechischer Zeit auf einmal ins Leben getreten, gleich wie Athene aus dem Haupte des Zeus, und es wird dies be- zeichnet als ein in die Urzeit Italiens fallender Lichtstrahl. Die

Zahl- und Bruchzeichen.

r87

natürliche Geburtsform geht andere Wege und der Lichtstrahl scheint mir ein Irrlicht. Es ist höchst unglaublich, dass irgend ein und nun gar ein nicht schreibendes Volk das Problem der Ziffernerfindung in dieser Yollkommenheit mit einem Schlage gelöst hat. Es ist noch weniger glaublich, dass dieses selbe Yolk gleichzeitig nicht ein ein- ziges Bruchzeichen erfunden haben soll, zwar 500 und 1000, aber keine Hälfte schreiben konnte. Denn Zangemeister selbst, wie sehr er auch die Ziffernbezeichnung durch die Initialen perhorrescirt und selbst den Zeichen für centum und für quingenta milia ihren recht evidenten Ursprung halbwegs bestreitet, wird nicht leugnen, dass die Zeichen für semis und semuncia nichts anderes sein können als die Initialen und dass also selbst das einfache Hälftenzeichen jünger ist als die Bildung des lateinischen Alphabets.

Mit schlagender Deutlichkeit fiihrt das römische Ziffemsystem uns die drei grossen Etappen der italischen Civilisationsanfange vor: die Epoche vor der Kunde des griechischen Alphabets lediglich mit den Ziffern für 1, 5 und 10 nebst dem Zeichen der uncia; die Ent- nahme der Zeichen für 100, 1000 und 50 aus dem griechischen Alphabet; endlich die auf italischem Boden hinzugetretene Ent- wickelung weiterer Zeichen aus dem des Tausend. Auf keinem anderen Gebiet begegnen dem vergleichbare Repräsentanten der vorgriechischen Cultur, der einfachen Entlehnung griechischer Er- findungen, der diesen Erfindungen sich anschliessenden und vielleicht der Zeit nach mit ihrer Uebemahme zusammenfallenden Weiter- gestaltung; da wir hier sie haben, werden wir sie auch zu behaupten wissen.

50*

LXXXI.

Quingenta milia.*)

467 Zu den wohlbekannten römischen Zahlzeichen füge ich das in der folgenden Inschrift an erster Stelle vorkommende hinzu, das in Deutschland kaum und in Italien wenig gekannt sein dürfte:

GAVIA (^ F MAXIMA

IN A^VAM HS- Qj<ilk)

^eSi^AMENTO DEDIT

Der Stein befindet sich in Yerona eingemauert in einem an der Ecke des Corso vecchio und der Yia rosa belegenen Hause; gedruckt ist er bei Persico descrizione di Verona 2 (1821) p. 328.**) Dasselbe Zeichen wiederholt sich auf einem zweiten ungedruckten Veroneser Fragment im Hause Balladoro am Corso:

c|vM SOLJo

,;hs- Cum I

und auf einem dritten unweit Yerona in Colognola in der Yilla Nichesola aufbewahrten und ebenfalls von Persico a. a. 0. publicirten:

ex ii\s CL» T F ' I

Ausser auf diesen drei sämmtlich von mir gesehenen Steinen, die alle aus guter Zeit sind, ist mir dieses Zeichen nie begegnet und

468 auch Borghesi, der so wie Labus von Persico über den Werth des- selben befragt wurde, scheint es anderweitig nicht gekannt zu haben.

*) [Hermes 3, 1869, S. 467— 468 mit Nachträgen der gleichen Überschrift in derselben Zeitschrift 7, 1873, S. 366; 10, 1876, S. 472; 20, 1885, S. 317.]

**) [C. I. L. V 3402; zweites Exemplar Notizie degli scavi 1893 p. 11. Dessau 5757.]

Qaingenta milia. 7g9

Die von Labus und von Borghesi aufgestellten Erklärungsvorschläge sind nicht glücklich: denn wenn jener das Zeichen im Werth von 5000 mit subtractiver Geltung nahm, so steht dem entgegen, dass für diese Zahl die wohlbekannte Ziffer loa vorhanden, ferner die substractive Anwendung der höheren Zahlzeichen überhaupt unzulässig ist; und wenn Borghesi zwischen diesem Zeichen und der tironischen Note für quater eine gewisse Aehnlichkeit fand und daher qttater centies zu lesen vorschlug, so haben weder die tironischen Abkür- zungen mit der gemeinen Schrift irgend etwas zu thun noch darf eine willkürlich modificirte, um nicht zu SLgen incorrecte Ausdrucks- weise wie quater centies statt quadringenties der Ziffernsetzung zu Grunde gelegt werden, um davon abzusehen dass das zweite Zeichen nicht centies heisst, sondern cenfum milia. Ohne Zweifel ist das Zeichen vielmehr aufzulösen durch quingenta milia. Dafür spricht einmal die Stellung, wonach dasselbe einen höhera Werth gehabt haben muss als 100000; zweitens die Form, die augenscheinlich zur Hälfte aus dem Buchstaben <^, zur Hälfte aus dem der Hundert- tausendreihe zu Grunde liegenden Zeichen gebildet ist; drittens und vor allem das Bedürfniss. Denn in demjenigen Ziffersystem, dem das nebenstehende Hunderttausendzeichen angehört, ist dies das höchste bisher bekannte einfache Zeichen, so dass, um eine halbe Million zu schreiben, nichts übrig bleibt als diese an sich schon schwerfällige Ziffer fünfmal zu wiederholen. Wie man aus gleichen Gründen nach IHI mit V, nach XXXX mit L, nach CCCC mit D, nach oo oo oo oo mit Iod fortfuhr, lag es auch nahe mit dem in Frage stehenden Zeichen die Reihe der einfachen Hunderttausende auf höchstens vier zu begrenzen. Da das Zeichen somit vollständig in das allgemeine System sich einfügt, wird man dasselbe auch, wenn es gleich zufällig bisher nur auf Steinen von Verona sich gefunden, keineswegs als ein bloss local gültiges betrachten dürfen, wie denn eigenthümliche Zeichen örtlichen Werths überhaupt der römischen Schreibweise fremd sind und insbesondere in dem Pogebiet höchst auffallend sein würden *)

Vor einiger Zeit habe ich in dieser Zeitschrift (3, 467) bemerkt, 366. dass auf drei Inschriften von Verona das Zahlzeichen o. in der Bedeutung von quingenta milia begegnet, und seitdem bei dem Wiederabdruck dieser Inschriften im 5. Band des C. I. L. (n. 3402.-

*) [Das Zeichen hat sich später auch auf einer stadtrömischen Inschrift aus republikanischer Zeit (C. I. L. VI 31603 = Dessau 5799) und im alten Volskergebiet (C. I. L. X 5624) gefunden.]

3f^0 Quingenta milia.

3447. 3867) darauf hingewiesen, dass in den Briefen Oiceros an Atticus 9, 9, 4: volui HS q: egi per praedem {predum die Handschrift) dasselbe Zahlzeichen erscheint. Seitdem macht mich Studemund darauf aufmerksam, dass auch Priscian in der Schrift de ßguris niime- Korum, quos antiquissimi hdbent Codices (S. 407 Keil), dieses Zeichens Qrwähnt und den von mir vermutheten Werth desselben bestätigt: quingenta milia per q, quod est initium nominis, et apostrophon 'I'. Offenbar ist ein Zeichen q' oder vielmehr in Quadratschrift Q' ge- meint, welches eben das jener Inschriften ist.

472 Ich habe früher in dieser Zeitschrift (3, 467)*) auf ein Zahl-

zeichen aufmerksam gemacht, das mir auf drei Inschriften von Verona in folgender Gestalt

vorgekommen war, und dessen "Werth als quingenta milia nachge- wiesen. Uebersehen habe ich damals und auch bei der Herausgabe jener Inschriften im fünften Bande des C. I. L. (n. 3402. 3447. 3867) nur theilweise nachgeholt, dass dasselbe Zeichen auch in der Litteratur begegnet, einmal bei Cicero ad Att. 9, 9, 4 : volui HS Q, wo offenbar das Häkchen am Schluss abgefallen ist, vor allem aber bei Priscian de fig. num, p. 407 Keil, wo aber die richtige Ueb erlief erung in die Varianten verwiesen worden ist: quingenta milia per q" quod est initium nominis et apostrophon. So haben die Handschriften P (Paris 7530) und Y (Leid. Voss. 12), und eben diese Figur, ein in einen Haken auslaufendes Q, zeigen die Steine. Dagegen ist die theilweise von Keil in den Text genommene Lesung von RA (Paris 7496 und 7501) : quinquaginta milia per q quod est initium nominis et apostrophon T eine Schlimmbesserung, die das Verständniss aufhebt.

317 Das erst durch die Inschriften rehabihtirte Zahlzeichen cl =

quingenta milia ist früher in dieser Zeitschrift (3, 467. 7, 366) nach- gewiesen worden als auch handschriftlich überliefert bei Cicero ad Ätt. 9,9,4 und bei Priscian de fig. wwm. p. 407 Keil. Dazu kommt weiter eine gleichartige Stelle in Ciceros Rede für den, Schauspieler Iloscius. Den "Werth des erschlagenen Sclaven bestimmt derselbe c.glO, 28. 29 auf 150000 Sesterzen: ex qua parte erat Fannii,

*) [Bei Niederschrift dieser Miszelle erinnerte sich Mommsen offenbar nicht mehr der drei Jahre vorher von ihm im Hermes ßd. 7 veröffentlichten.]

Quingenta milia. 791

non erat SS ho oo ^ ex qua parte erat JRoscü, amplius eiat BS ccclooo looD^ und fügt dann hinzu, dass Roscius für seine Hälfte einen reichlichen Ersatz bekommen habe, dessen Höhe sich übrigens daraus erkläre, dass ihm aus dieser Veranlassung ein seitdem sehr im Preise gestiegenes Grundstück abgetreten worden sei. Magno, sagt der Gegner des Roscius, tu tuam dimidiam partem ahstulisti; und Roscius erwiedert: magno et tu tuam partem decide. HS ccclooo tu ahstulisti. Sit hoc verum^: SS Cl ccclooo tu aufer. Ueberliefert ist an erster Stelle i/S g: cccinr, an zweiter SS q:, wo also vermuthlich ccciojo ausgefallen ist. Das Grundstück wurde demnach zur Zeit des Processes auf 600000 Sesterzen geschätzt. Auch der Sache nach leuchtet es ein, dass bei einem Sachwerth von 150000 Sesterzen, da eine weit über den "Werth hinaus gehende und durch eine allgemeine Verschiebung des Bodenwerths erklärte Entschädigung gefordert wird, die Summe von 600000 Sesterzen den Verhältnissen angemessen ist. Für die Beurtheilung des Rechts- handels selbst ist die Richtigstellung dieser Ziffern ebenfalls von wesentlichem Nutzen.*)

1) Diese Zahlen wiederholen sieh dreimal. Ueberliefert ist an der zweiten Stelle SS III oc, an der ersten und dritten IUI oo, und dies letitere haben unsere Ausgaben. Aber es ist sinnlos, da das Zahlzeichen für Tausend niemals das Wort milia vertritt; 4000 kann nur ausgedrückt werden entweder mit IUI milia oder mit IUI oder mit oo co oo ex. Ohne Zweifel ist loo oo = 6000 herzustellen.

2) Die handschrifliche Ueberlieferung fthrt an beiden Stellen hierauf; die Ziffer ccclooo der Ausgaben ist unvollständig.

3) So ungefähr ist zu sehreiben: si fit hoc vero ist Oberliefert.

*) [Vgl. auf Grund obiger Darlegung: H. Pflüger, Ciceros Rede pro Q. ßoscio com. rechtlich beleuchtet, Leipz. 1904, S. 152 ff. mit der Rezension von B. Kühler, Berl. phil. Wochenschr. 1905, Sp. 671.]

LXXXII.

Die Wiedergabe des griechischen * in lateinischer Schrift.*)

65 Die Wiedergabe der griechischen Schriftzeichen durch das im Allgemeinen dem griechischen nah verwandte, aber doch sehr eigen- thümlich ausgearbeitete lateinische Alphabet und insbesondere die des griechischen 99 durch die Zeichen ph, f, p hat die Philologen so oft beschäftigt, dass es wohl befremden mag, wenn heute jemand darüber besonders zu handeln unternimmt, insbesondere wenn es nicht in der Absicht geschieht das grenzen- und meist nutzlose Detail der Schreibfehlerverzeichnung vor dem Leser auszuschütten, sondern nur die wesentHchen Abschnitte der Entwickelung der Orthographie in diesem Punkte festzustellen. Ich meine dennoch neben manchen längst jedem geläufigen Dingen, die des Zusammenhangs wegen hier wieder zu erwähnen sind, für die Geschichte der lateinischen Gram- matik sowohl wie für die Zeitbestimmung der uns erhaltenen Schrift- denkmäler in dem folgenden einige neue Anhaltspunkte geben zu können.

Bekanntlich Hessen die Lateiner in älterer Zeit den Lautgesetzen ihres Idioms gemäss auch in den Wörtern, die sie einem fremden entlehnten, in sämmtlichen aspirirten Consonanten die Aspiration schwinden und drückten wie ^ q x durch f r c, so cp durch p aus. Aus der Epoche bis auf den Anfang des 7. Jahrhunderts ist bisher noch kein Beispiel der Consonantenaspirirung nachgewiesen worden und noch in der ersten Hälfte des siebenten begegnet die Aspiration

66 in Lehnwörtern oder was dafür galt ^ nur vereinzelt. Das bis jetzt

*) [Hermes 14, 1878, S. 65 76. Das Material hat sich seither kaum wesent- lich vermehrt.]

1) Dass triumphus, obwohl es eigentliches Lehnwort nicht ist und am wenigsten das ph auf griechische Entlehnung zurückgeführt werden kann, den-

Die Wiedergabe des griechischen * in lateinischer Schrift. 793

bekannte älteste Beispiel ist triumphans in der Mummiusinschrift C. I [ed. 1] 541 [= Dessau 20], die oder wenigstens deren Original im J. 609 oder doch nicht lange nachher abgefasst ist^; und kaum dürfte ausser diesem Wort und Corinthi&nim im Ackergesetz vom J. 643 in einer sicher datirten Inschrift ein anderes Beispiel der Aspiration aus der Zeit vor 650 vorhanden sein. Auf den Denaren beginnt die Aspiration um 640 650 sich zu zeigen 2; auf den Sacral- inschriften von Capua erscheint sie bis 656 nicht und zuerst im J. 660 3. Man wird daher mit ziemlicher Sicherheit die Regel auf- stellen dürfen, dass bis zur Mitte des siebenten Jahrhunderts die Aspiration der Consonanten der römischen Rechtschreibung fremd gewesen ist.

Die Einführung der Aspiration der Consonanten in Fremdwörtern hat demnach um das Jahr 650 stattgefunden; und zwar in der "Weise, dass, während die Griechen den aspirirten Laut durchaus durch einen einfachen Buchstaben ^ <P X oder höchstens durch den Hauchexponenten o ausdrückten, die Römer überall ihren Aspirationsbuchstaben h hinter dem Consonanten einschalteten. Auf die nahe liegende Frage, warum man 0uog nicht vielmehr durch Filus wiedergab, eben vne die Griechen für Felix ^ijXt^ schrieben, antworten unsere alten Gewährsmänner mit der Lautverschiedenheit zwischen lateinischem f und griechischem q), die aber doch die Griechen aller Zeiten nicht abgehalten hat, als verstände es sich von selbst, lateinisch f durch ihr 9 wiederzugeben. Es mag an sich richtig sein, dass das aspirirte 9? und das nicht aspirirte f lautlich nicht völlig zusammenfallen: aber bei diesen Sprachmeisterbetrach-

noch den Römern als Lehnwort erschienen ist, lehren die Thatsachen und be- stätigen die Grammatiker Cledonius (5 p. 61 Keil) und Pompeius (5 p. 239 Keil), letzterer unter Anführung des triftigen Grundes, dass der Triumph eigentlich nicht römisch, freilich auch nicht griechisch, sondern von dem indischen Vater Bacchus und seinen Satyrn aufgebracht sei. [Vgl. Varro de 1. L. VI 68.] Umge- kehrt scheint purpura niemals als Lehnwort betrachtet worden zu sein. Die Begrenzung des Fremd wortbegriffs ist offenbar eine wesentlich conventioneile und wenig rationelle gewesen. In wie fem bei dem Eintreten der Aspiration in Wörtern wie Cethegus, Tlialna, Thoriiis brachium, Gracchus, pulcher u. dgl. m. griechische Etyma mitgespielt haben, ist hier nicht zu untersuchen.

1) Es ist dies nicht das einzige Moment, welches gegen die Gleichzeitigkeit der Inschrift Bedenken erweckt. S. Ritschi titulus Mutnmianus p. IVf. [op. IV S. 87 f.]; tria monumenta p. 27. [Op. IV S. 147 f. Vgl. Bächeier zu carm. epigr. I 3.]

2) Anncdi delT InstÜxdo 1863 p. 52. [Gemeint ist der Aufsatz Mommsens: Sopra alcuni ripostigli di denari scoperti nella Spagna, der in Bd. IX der .Ges. Sehr." zum Wiederabdruck gelangen wird.]

3) C. I. L. I 570. 571 [X 3789. 3772 = Dessau 3609. 6302].

794 Die Wiedergabe des griechischen 4> in lateinischer Schrift.

tungen über den rauhen lateinischen /-Laut, den kein Grieche zu sprechen vermöge, und über den lieblichsten der griechischen Buch-

67 Stäben, dessen Aussprache dem römischem Munde versagt sei, wird doch sehr wesentlich mitgewirkt haben, dass die griechische Sprache den lateinischen Schulmeistern und ihren Schülern, eben wie vor Zeiten die französische den deutschen, überhaupt feiner und gebildeter klang als die Muttersprache und sie diesen ganz anderswo begründe- ten Zauberreiz in den Klang des einzelnen Buchstabens hineinlegten. Auf jeden Fall ist für 99 nicht /", sondern ph lediglich desshalb ge-r schrieben worden, weil diese Veränderung der Orthographie sich nicht auf den ^-Laut beschränkte, sondern die Aspiration der Con- sonanten damals überhaupt aufgenommen ward , und da man für ^"^ § yi entsprechende Zeichen nicht besass, man es vorzog die allge- meine Regel in Betreff des nachgesetzten h aufzustellen und diese dann auch auf das j) zu erstrecken. Wenn jede orthographische Neuerung nothwendig zunächst Schwankungen herbeiführt und kürzere oder längere Zeit die alte wie die neue Schreibung neben einander auftreten, so gilt dies ganz besonders von dieser, wie es ja denn auch sich eigentlich von selbst versteht, dass eine lediglich die Fremdwörter betreffende orthographische Neuerung, abgesehen von der principiellen Opposition, den weniger Gebildeten in der Durchführung immer Schwierigkeit macht und häufig verletzt wird» Es wird darum hier vor allem nothwendig den thatsächlich uns ent- gegentretenden Schreibgebrauch und die normale Orthographie zu scheiden. Bleiben wir bei der Ersetzung des p durch ph stehen, mit der diese Untersuchung sich allein beschäftigt, so ist allem An- schein nach, wenn man nur auf die Regel sieht, die Aspirirung sehr früh durchgedrungen und der Zeitraum, in welchem die ältere Schreibung mit der jüngeren stritt, ein verhältnissmässig kurzer gewesen. Aus Inschriften oder gar aus Handschriften den Beweis für oder gegen zu führen dürfte freilich nicht wohl möglich sein. Die Inschriften aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts zeigen ein solches Schwanken in dem Setzen oder Weglassen des Aspirations- zeichens, dass von ihnen aus zu einer chronologischen Fixirung des Aufkommens der Regel schwerlich 2u gelangen ist, obwohl allerdings die nicht aspirirte Schreibung in stetigem Schwinden ist und die Allgemeingültigkeit der Aspiration, wie wir sie in den massgebenden Denkmälern der guten Kaiserzeit durchgeführt finden, sich schon in republikanischer vorbereitet. Noch weniger aber dürfte es auch nach unseren besten Handschriften sich entscheiden lassen, ob Cicero

68 Phüus oder Pilus geschrieben hat, da die ältere Schreibung als

Die Wiedergabe des griechischen 0 in lateinischer Schrift. 795

fehlerhafte Form nachweislich bis in das viette Jahrhundert hinein vorgekommen ist K Aber was Inschriften imd Manuscripte nicht ge- währen, lehren uns die Münzen; denn dass auf ihnen mit ver- schwindenden Ausnahmen die correcte Orthographie der Epoche herrscht, versteht sich in der That von selbst und bestätigt sich bei jeder speciellen Prüfung. Auf den römischen Denaren aber erscheint die Aspiration von da an, wo sie überhaupt beginnt, wesentlich als allgemein herrschend: in derjenigen Epoche, die etwa den Jahren 640 650 beigelegt werden kann 2, findet sich einerseits Cilo (C. I 345), andrerseits Philippus (C. I 35S) und Philus (C. I 385) und auf den später geschlagenen Münzen erscheint nirgends ein Fremd- wort ohne seine Aspiration^. Wir haben daher Grund anzunehmen, dass bereits in ciceronischer Zeit die lateinische Sprache die Aspira- tion der Fremdwörter als Regel anerkannte. In der Kaiserzeit und zunächst im ersten Jahrhundert derselben zeigen die pompeia- nischen Steininschriften ohne Ausnahme das ph da, wo es hingehört*, während auf den Wandinschriften ^ und ebenso auf den Quittungs- tafeln des Jucundus^, welche letztere wesentlich der neronischen 69

1) Auf dem Soldatenverzeichniss vom J. 205 (ungefähr) C. VI 1057 findet sich für (f neben ph und f auch noch p: Philippus 7, 83; Sympor 1, 81; TeU- spo(rus) 1, 125. Philosopus steht auf einer Inschrift (C. VI 2153) der constantini- schen Epoche aus den vornehmen Kreisen der Hauptstadt. Die Form triumpator erscheint sogar noch auf den Meilensteinen der Söhne Constantins (de Minicis iscr. dt Fermo n. 644, von mir gesehen [C. IX 5942]; C. II 4742, wo die üeber- lieferung ebenfalls auf diese Form führt). Jovians (C. V 8012) and von Valens und Gratian (C. V 8008). Der späte Grammatiker, der unter dem Namen des Probus geht (4 p. 199, 7 Keil), erinnert : strofa, non stropa.

2) Wegen der Zeitbestimmung vgl. Ann. deWinst. 1863 & 50f. [vergl. S. 793 A.2].

3) R. M. W. S. 471. Dass triumpus auf den Münzen der Papia aus der Zeit Caesars und der Münzmeister etwa des J. 717 Ti. Sempronius Graccus hiegegen nicht geltend gemacht wenden können, bedarf kaum der Erwähnung; diese Schreibung rührt von Grammatikern her, welche für beide Wörter als nicht- griechische die Aspirata nicht zuliessen.

4) Auch die sonstigen aspirii-ten Consonanten erscheinen mit einer einaigen Ausnahme {scoia 1. X. 2227 = C. X 831) an richtiger Stelle. Die vor einigen Jahren bei Scafati gefundenen fast barbarischen Grabsteine {Giunuik degh aeavi di Pompei N. S. 3 p. 144) mit dem seltsamen, aber nicht seltenen Eucumene (C. X 1072; vgl. Hübner C. II 2259), das doch wohl auf Eizofürv zurückzufahren ist, und dem fehlerhaften Thice (C. X 1070) gehören vielleicht der Zeit nach, aber nicht nach dem Bildungskreis zu den Inschriften der Stadt PompeiL

5) Zusammengestellt von Zangemeister C. I. L. IV S. 256 [Mau ib. snppl. S. 778.]

6) Hermes 12, 107 [in der Abb.: 'Die pompeianischen Quittungstafeln', jetzt in den Ges. Sehr. III 221 ff., die hier angeführte Stelle S. 239 A. 1. Vgl. auch

796 I^iß Wiedergabe des griechischen 0 in lateinischer Schrift.

Zeit angehören, Schreibungen wie elepantus, Posporus, Pronimus un- gemein häufig gefunden werden. Hier tritt es also deutlich hervor, dass die um 650 eingeführte Orthographie im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung die allein anerkannte war, aber häufig Personen ge- ringerer Bildung von derselben abwichen und in die ehemalige aspirationslose Schreibung zurückfielen, während andrerseits nicht selten selbst da, wo man es kaum erwarten sollte, in partem doc- tiorem peccirt und griechisches ji durch lateinisches ph wiedergegeben ward^ Damit stimmen auch die übrigen inschriftlichen Denkmäler wesentlich überein, wenn man dabei, wie es freilich nur zu selten geschieht, die Kategorien in genügender Weise scheidet und bei den einzelnen Inschriften den voraussetzlichen Bildungsgrad der Schreiber und die dabei obwaltende Controle nicht aus den Augen lässt. Aus den öffentlichen stadtrömischen Inschriften der Kaiserzeit wird es nicht leicht sein ein Beispiel von p für griechisches cp vorzubringen. Bei den privaten erscheinen merkwürdige Gegensätze. Die Inschriften aus dem Grabmal des Hausgesindes der Livia, jetzt zusammengestellt im C. YI 3926—4326, zeigen wie überhaupt einen in dieser Gattung von Denkmälern ungewöhnUchen Grad von Correctheit, so insonder- heit p für ph nur dreimal, und zwar in der Weise, dass diese Aus- nahmen die Regel bestätigen; die drei Inschriften rühren alle von demselben Philadelpus Neronis Caesaris] her und sind alle unter Tilgung älterer nachträglich geschrieben, haben also der von der Verwaltung der Grabstätte ausgeübten Controle nicht unterlegen 2. 70 Aehnliche Grabstätten gleichfalls aus der Zeit der ersten Dynastie,

Zangemeister im Index der neuen Ausgabe der Quittungstafeln C. I. L. IV suppl. S. 449].

1) Wenn wir auf den Inschriften der hauptstädtischen Plebejer Olymphus (C. VI 3684) und Phylades (VI 766) lesen, so ist das ebenso in der Ordnung, wie wenn unsere Journalisten der 'Sphynx' zum Opfer fallen oder unsere Klassiker für Halbgebildete den oder die 'Amaranth' besingen. Aber Phisidae auf einem römischen Plebiscit vom J. 684 d. St. (C. I [ed. 1] 204 [ed. 2 n. 589 = Dessau 38], 9, 32) und vor allem Apollo Phutius auf der delphischen Inschrift eines römischen Senators der ciceronischen Zeit (Hermes 8,414; Eph. epigraph. IV p. 51 n. 107 [Dessau 4047]) zeigen, wie bedenklich es noch in der ciceronischen Zeit mit der Durchbildung der höheren römischen Gesellschaft bestellt war. [Über die delphische Inschrift, die nicht in die ciceronische Zeit, sondern ins J. 646 d. St. gehört, s. jetzt Pomtow, Philol. 54, 1895, S. 226 und Herrn. 41, 1906, S. 368.]

2) C. VI 3971 = Gori 187, 190; C. VI 4012 = Gori 104, 44; C. VI 4179 = Mur. 1594, 3. Die letzte der drei Inschriften ist verloren und daher die Rasur nicht äusserlich zu erweisen; aber das darin genannte Ehepaar ist evident dasselbe wie in N. 8971.

Die Wiedergabe des griechischen * in lateinischer Schrift. 797

zum Beispiel die der Statuier, haben dagegen das p für ph häufig ^ und stehen orthographisch ungefähr auf einer Linie mit den oben erwähnten Quittungen des pompeianischen Banquiers. Die weitere Fortführung dieser Beobachtungen kann für die richtige Behandlung der einzelnen Denkmälerkategorien und selbst für den Bildungsgrad der einzelnen vornehmen Häuser von Wichtigkeit werden; für unsern Zweck genügt es die Regel und die Abweichungen davon im All- gemeinen bezeichnet zu haben.

Weiterhin stellt nun die Wiedergabe des griechischen 93 durch lateinisch f sich ein. Aus republikanischer Zeit ist ein gesicherter Beleg für das letztere überhaupt nicht vorhanden; in der nicht be- sonders gut überlieferten Inschrift C. I. L. I n. 602 [= Y 4087] vom J. 695 d. St. wird ORFEYS, das dort neben Aprodisitcs, Fhilogenes u. dgl. m. auftritt, aus ORPEYS verlesen sein. Auch in der früheren Kaiserzeit erscheint f für ph nur ganz vereinzelt; auf den pompeia- nischen Steininschriften so wie auf den Quittungstafeln des Jucundus begegnet es in griechischen Lehnwörtern nirgends und unter den Pinsel- und Griffelinschriften hat Zangemeister (C. lY n. 258) das- selbe nur viermal gefunden: n. 680 (ziemlich alt) Dafne; n. 2402 Fileto; n. 1265* Fyllis; n. 2039 Trofime. Dies sind meines Wissens die ältesten datirten Belege, die wir für diese Schreibung besitzen; überhaupt aber tritt dieselbe in der vorseverischen Zeit nur in äusserst beschränktem Umfang und nur in gänzlich incorrect geschriebenen Documenten auf. In keiner der Inschriften, welche der nach Hadrian nicht mehr vorkommenden ornamenta ^riMW/)ÄaZ/a Erwähnung thim-, ist das Wort mit f geschrieben, ebenso in keiner von denen, welche die mit Severus abkommenden phcderae^ erwähnen. In den Arval- acten, die doch sonst der Fehler genug enthalten und keineswegs sorgfältig geschrieben sind, begegnet f in einem Fremdwort (scyfos) zuerst unter dem J. 218 (Yl 2104 Z. 26). Unter den sämmtlichen sicher vorseverischen sacralen und Kaiserinschriften, die im 6. Band des C. I. L. zusammengestellt sind, ist keine, die f in einem Fremd- wort zeigte, mit Ausnahme des Pontificalschreibens vom J. 155 (YI 71

1) Die Beispiele sind Apihonus 6256 [dies ist correct: vgl. W. Schulze, Orthographica (Marburg 1894) S. XLIX] Äprodisia 6440 Dapnts 6431. 6528 Eupemm 6438. 6439 - Nicepar 6318. 6354.

2) Staatsrecht P S. 450 [= S. 466, 3. Aufl.].

3) ijalarae C. I. L. V 7495 [= Dessau 2337]; palerae C. I. L. I [ed. 1] n. 624 [X 8886 = Dessau 2225]; phalarae Henzen 6749 [C. I. L. X 1202 = Dessau 2660]; sonst phalerae. Die schlecht überlieferten Inschriften III 1664. 2718 können die Schreibung falerae nicht beglaubigen.

798 ^iö Wiedergabe des griechischen * in lateinischer Schrift.

2120 [Dessau 8380]), in welchem neben dem fehlerhaften Älphius^ umgekehrt sarcofagus auftritt 2; dasselbe ist aber überhaupt in solchem Orade incorrect geschrieben, dass es nothM^endig unter anderen Be- dingungen entstanden sein muss als sie bei der Technik der Stein- schrift im Allgemeinen massgebend gewesen sind. Wir werden also 2war einräumen müssen, dass f und ph, da sie in der Aussprache ohne Zweifel zusammenfielen, schon wenigstens seit der neronischen Zeit bei Personen von niedrigem Bildungsstand mit einander ver- tauscht worden sind; aber bis auf Severus hinab begegnet diese Yerweehselung so selten, dass das f im Lehnwort, wenn die Inschrift nicht allergeringster Qualität ist, als ein sicheres Indicium der nach- severischen Zeit angesehen werden darf.

Dass mit Severus die Barbarismen, die vorher nur in einzelnen Privatscripturen auftreten, auch in die öffentlichen Urkunden und in -das Gebiet der eigentlichen Steintechnik eindringen, ist schon anders- wo bemerkt worden (C. I. L. III p. 919). Aber kaum irgendwo zeigt sich dies so scharf und umfassend wie in dem plötzlichen Ein- treten des / statt ph auf den Inschriften dieser Epoche.

vom J. 197/8, Soldatenkatalog (VI 3884): Eumorfiis (3, 17) neben

Tryphon (5, 6). vom J. 198, Yerzeichniss der paedagogi puerorum a capite Africae

(YI 1052): Tryferus, Eutyfron neben TropMmus.

vom J. 205, Soldatenverzeichniss (YI 1056); Afrodisi (3, 92), Calli-

morfe (3, 109), JEufron (3, 37), Füonice (3, 110), Ifianax

(3, 17), Menofante (2, 6), Philadelfie (4, 11) neben Ephoebe

(4, 17), FMippe (1, 37), Philomuse (3, 75).

vom J. 205 (?), Soldatenverzeichniss (YI 1057): Eufraf. (7, 85),

72 Euf rosin. (7, 45), Fileterus (7, 89), Filippus (7, 51), Filo-

calus (2, 2), Filofa (2, 140), Filume. (1, 155), Fotinus (5,

136), Nymfi(dius) (2, 81), Syntrof. (5, 113), Trofim. (5, 4,

auch wohl 7, 76), Tryfo (1, 142) oder Trifon (7, 76), Xc-

1) Gleichartig ist Orphitus in einer Inschrift des J. 142 (VI 644). [Der Irrtum Mommsens betr. Alphius ist, worauf mich Dessau hinweist, im Thes. ling. iat. I S. 1722 Z. 76 korrigiert worden: das griechische Libertinencognomen '^A9?£toä hat mit dem römischen Gentilnamen Älfius nichts zu tun.]

2) In den Verzeichnissen der magistri fontis findet sich im J. 131 Filumenus (VI 157), im J. 165 Fileros (VI 164); was an sich nicht eben befremden würde, da dies geringe Leute, grossentheils Sclaven sind. Aber die üeberlieferung ist 80 schlecht, dass auf diese Angaben kein Verlass ist. Die traiauische Alimentar- tafel ist in dem Gebrauch des ph fehlerfrei, was ich anführe, weil Schneider Iat. Gramm. 1, 1 p. 202 img daraus Epafrodüus anführt; nicht minder das grosse Verzeichniss der magistri vicorum aus dem J. 136 (C. VI 975).

Die Wiedergabe des griechischen ^ in lateinischer Schrift. 799

nofon (5, 103); daneben Äphian. (1, 154), Euphrates (4, 96), Fhihn (2, 4), Phihimen. (3, 22); auch nach alter Schreibung Püippus, Sympor, Telespofnis) S. 68 A. 1 [S. 795 A. 1]). Für diesen Concipienten also war es Regel (p durch /"auszudrücken, vom J. 210, Soldatenverzeichniss (YI 105S), dem vorigen ganz gleichartig, aber von einem andern Concipienten: hier wird mit nur zwei Ausnahmen (Fotinus 2, 127; Menofilus 5, 106) in griechischen Wörtern durchaus ph geschrieben, dafür aber findet sich auch Phidelis (3, 30).

Dazu stellen sich weiter die ziemlich zahlreichen misenatischen In- schriften, auf denen das Amt des Schiffswächters durchgängig als naofylax oder naufyJax vorkommt; sie sind nicht datirt, gehören aber ohne Frage sämmtlich dem 3. Jahrhundert an.

Aber wenn auch hienach in den Steinschriften der hauptstädtischen und der campanischen Plebs seit dem Anfang des severischen Re- giments das griechische ph ganz gewöhnlich durch f wiedergegeben wird, so ist diese Schreibung doch in der gleichen Epoche noch keineswegs in die Kreise der besseren Gesellschaft eingedrungen: "vielmehr hat die Orthographie der früheren Kaiserzeit hier sich nach- weislich bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts behauptet. Sämmtliche Münzen der beiden Philippi (244 249 n. Chr.) so wie ihre sämmt- lichen Diplome folgen derselben; und auch unter den Bildsäulen- steinen ist mir nur ein einziger einer kleinen illyrischen Landstadt bekannt, der von dieser sich entfernt ^. Wir besitzen stadtrömische Mithrasinschriften, die von Personen aus den höchsten Kreisen der römischen Gesellschaft in den J. 313 ^ und 319^ dedicirt sind imd der alten Orthographie folgen. Das Wort triumplius mit seinen Derivaten, das auf den Münzen und den Ehreninschriften von Anfang des 4. Jahr- hunderts an häufig begegnet*, erscheint in der alten Orthographie sowohl auf dem in Rom Constantin dem Grossen gesetzten Bogen ^

1) Aus Albona in Histrien C. III 3049 [Dessau 512].

2) C. VI 507: hierophantes.

3) C. VI 508 [Dessau 4146] : Phryg. Daneben mochten andere Personen des gleichen Kreises und der gleichen Epoche sich der vulgären Schreibung bedienen : so wird die Inschrift VI 48 [Dessau 3375], in der Eufranor vorkommt, wahr- scheinlich mit Recht dem Consul Gallus des J. 298 beigelegt.

4) Brauchbare Belege der Schreibung aus dem dritten finde ich nicht; die Aufschrift triunfu Quad&r. auf einer Münze Numerians (Cohen n. 19 [ed. 2 n. 91]) ist auch sonst incorrect, triumfus Caesarum «uf einer Münze des Constans (Cohen n. 156 [ed. 2 n. 116]) schlecht beglaubigt.

5) C. YI 1139.

800 I^iß Wiedergabe des griechischen ^ in lateinischer Schrift.

wie überhaupt auf seinen stadtrömischen Inschriften ^, ferner auf den Goldstücken mit der Aufschrift ob victoriam triumphalem des Constans (339—350)2 und Constantius II (337—361)3. Also bis um das J. 350 war die Vertretung des 99 durch f zwar sehr gewöhnlich, aber doch nichts als ein häufiger Sprachfehler, der mit der Schreibung e für ae und analogen Barbarismen auf einer Linie stand. Dieser ortho- graphischen Yerwilderung gegenüber lehren die Grammatiker Caper*: Graeca nomina, ut Phryne et phalanx et Phronimus, per p et h scri- henda: Latina, ut f allere et facile, per f scribenda; Sacerdos^: harba- rismus . . fit . . . per immutationem loquelarum, ac si Graecum nomen Latine dicas vel Latinum, nomen Graece scribas vel dicas, ut puta si 'pMlosophum' per f scribas, cum per p et h scribere debeas, vel si 'felix' scribas per p et h, cum f ratio exigat.

Aber um die Mitte des vierten Jahrhunderts ändert die Schrei- bung sich plötzlich und vollständig. Auf den oben angeführten Goldstücken von Constans ^ und Constantius II '^ ist die Schreibung ob victoriam triumfalem etwas häufiger als die mit triumphalem; ihre Emission muss eben in die Zeit des Wechsels fallen. Die unter den- selben Kaisern beginnende, dann unter Magnentius, Yalentinian I und Valens, Theodosius I und Honorius häufig gebrauchte Münzaufschrift triumfator gentium barbararum tritt nie anders als in dieser Schrei- bung auf. Dasselbe ergeben die Inschriften in Betreff dieser jetzt 74 fast zur ständigen Titulatur gewordenen Bezeichnung: triumfatores heissen die Kaiser von Constantius II an^ auf den stadtrömischen Inschriften wie auf denen der Provinzen^, und wenn daneben vereinzelt die Form triumpator erscheint (S. 68 A. 1 [S. 795 A. 1]), so ist da-

1) triumphator: C. VI 1135. 1141. 1142. 1144. 1146. 1683. Auf den durch- gängig schlecht überlieferten kleinasiatischen Inschriften desselben Kaisers (CLL. III 209. 477. 6159. 6375) scheint die Schreibung mit f vorzuwiegen; es ist begi^iflich, dass sie früher in der griechischen als in der lateinischen Reichs- hälfte allgemein wird.

2) Cohen n. 43 [ed. 2 n. 90].

3) Cohen n. 92 [ed. 2 n. 148 vergl. n. 147]. Dazu kommt die unzuverlässige Inschrift C. VI 1165 und eine spanische des Magnentius (350-353) C. II 4765.

4) p. 2240 Putsch, 7 p. 95 Keil.

5) 6 p. 451 Keil.

6) Cohen n. 41. 42 [ed. 2 n. 88. 89].

7) Cohen suppl. n. 9 [ed. 2 n. 146].

8) C. VI 1158. 1161. 1162. 1163, 4. 24. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass selbst in der Inschrift des Symmachus, auf die unten noch zurückzukommen ist, die triumfatores principes begegnen.

9) Vgl. die Indices zu C. I. L. II p. 766. III p. 1120. V p. 1161.

Die Wiedergabe des griechischen $ in lateinischer Schrift. gOl

gegen triumphator vom J. 350 ab so gut wie verschollen^. Von dem Consul des J. 348 Philippus führt Rossi^ neben sechs Inschriften mit Filippus zwei mit Philippus auf; von dem gleichnamigen Consul des J. 408^ und von dem Consul 451 Adelphius* giebt es keinen Stein, der den ]S'amen mit ph schriebe. Diese Christengrabschriften machen allerdings keinen Beweis für die schulmässige Rechtschrei- bung der Epoche, aber es bleibt doch bemerkenswerth, dass sowohl das Uebergangsstadium von ph in f wie die spätere Alleinherrschaft der letzteren Schreibung selbst in ihnen hervortritt. Wenn also in der zweiten Hälfte des vierten und im fünften Jahrhundert in den officiellen Urkunden und in den aus den vornehmen Kreisen hervor- gegangenen Denkmälern^ regelmässig ph durch f ersetzt wird, so kann keinem der Verhältnisse Kundigen ein Zweifel darüber bleiben, dass wir es hier mit etwas ganz anderem zu thun haben als mit dem Umsichgreifen eines schon länger eingerissenen Barbarismus. Aller- dings herrscht auf den öffentlichen Denkmälern dieser Epoche nicht mehr die absolute Sprachrichtigkeit, wie dies unter dem früheren Principat der Fall ist, aber sehr deutlich imterscheidet man auch 75 auf ihnen noch das orthographische Gesetz und den Verstoss dagegen. Wer untersucht hat, in welchen äufserst beschränkten Grenzen die zweiffellosen Sprachfehler, zum Beispiel die Vertauschung von h und V, von e und ae auf den Münzen erscheinen, wird einräumen, dass um das J. 350 das orthographische Gesetz selbst geändert und was bis dahin Barbarismus war, die Vertretung des griechischen (p durch f, vielmehr zur orthographischen Regel geworden ist. Auch war diese Aenderung der bestehenden Orthographie, soweit überhaupt

1) Ich weiss augenblicklich keine anderen sicheren Belege dafür als die Meilensteine 72 und 113 (beide wohl ungedruckt [C. I. L. IX 5956. 5952]) der valerischen Strasse aus der Zeit von Valentinian, Valens und Gratian. Ohne Zweifel giebt es noch mehrere [z. B. C. I. L. IX 5946. 5957] ; aber sie sind ausser- ordentlich selten.

2) Rossi inscr. Chr. 1, 96—103.

3) Rossi a. a. 0. 584-589. C. V 6282. '

4) Rossi a. a. 0. 752. 753.

5) Hieher gehören namentlich die Inschriften des oppositionellen Heiden- thums der vornehmen Welt in Rom; wir lesen darin cryfios (J. 358: VI 751 [Dessau 4267^]) oder chryfios (J. 362: C. VI 753 [Dessau 4267«]; hierofanta (J.376: C. VI 504. 510 [Dessau 4153. 4152]; J. 377: C. VI 511; vgl. ierofanta C. VI 846 [Dessau 4413]. 1675, letztere geschrieben vor 333 [vielmehr vom Ende des 4. Jahrhunderts: s. C. VI 31902]); profeta (C. VI 846). Femer Passißus (J. 355: C. VI 1656) sifo (J. 362: C. VI 3744) amfor- (J. 362 eher als 339: C. VI 1771, 14 vgl. 1784, 5) Epifanius (J. 412: C. VI 1718) fcUancarii (C. VI 1785, 4) Nymfium (C. 1728) Sfalangim (C. VI 1672).

MOMMSEN, SCHR. VII. 51

802 Diß Wiedergabe des griechisclien * in lateinischer Schrift.

dergleichen Neuerungen sich rechtfertigen lassen, wohl begründet und zeitgemäss. Da in den Alphabeten der beiden Cultursprachen, auf deren Gleichstellung die damalige Civilisation ruhte, das grie- chische (p und das lateinische f lautlich zusammenfielen, so war es allerdings sehr anfechtbar, dass f durch 99, aber cp nicht durch f, sondern durch ph ausgedrückt ward. Mehr und mehr aber war man in dem römischen Staat seit der Verlegung des Herrschersitzes von Rom in den griechischen Osten auf die harmonische Doppelent- wickelung der beiden Sprachen angewiesen, und es durfte wohl an- gemessen erscheinen das völlige Gleichgewicht der Idiome auch in der Orthographie nach Möglichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Aber wir sind noch nicht am Ende. Es zeigen sich Spuren einer Opposition gegen das neue System, die zwar sparsam, aber durch die Namen, an die sie sich knüpfen, bedeutsam sind. Ab- gesehen von einer Inschrift unbestimmter Zeit (C. YI 1728^ vgl. 1728''), der zufolge der Stadtpräfect Flavius PhiUppus ein nymfium erbaut 1, lesen wir auf einer Inschrift des Symmachus, des Vaters des Redners, vom J. 377 (VI 1698 [Dessau 1257]) Phosphorius neben triumfatores und auf Inschriften (VI 1779. 1780 [Dessau 1259. 1260]) des Vettius Praetextatus (f 384) hierophanta und hierophantria neben sofus. Auch hier wird, wie man sieht, die ältere Schreibung nur theilweise festgehalten, wobei wohl irgend ein Versuch principieller Scheidung zu Grunde liegen mag. Es scheint danach die neue Schreibweise damals wohl officiell anerkannt gewesen, aber bei den Vertretern des alten Classicismus, den Symmachi und den Praetex- 76 tati, auf Widerspruch gestossen zu sein; wie es ja denn auch be- greiflich war, dass diese einem System nicht hold sein konnten, das in folgerichtiger Entwickelung die Umschreibung der Bücher des Cicero und des Livius in die moderne Orthographie herbeigeführt haben würde. Diese Opposition, fortgepflanzt in den gelehrten Kreisen, wird wohl dahin geführt haben, dass, als nach dem Untergang des Westreichs das Lateinische in seiner schriftmässigen Gestalt haupt- sächlich als Hof- und Gesetzsprache des Ostreichs fortlebte, die constantinopolitanischen Grammatiker zu der älteren Theorie zurück- gekehrt sind, oder, wie Priscian^ dies ausdrückt, nunc quoque in

1) [Ein drittes, neuerdings gefundenes Exemplar dieser Inschrift C. I. L. VI 31912 = Dessau 5733 hat nymphium; so auch vielleicht C. I. L. VI 1728».] Die Lesung phaleras in der Inschrift des Probus Consuls 371 C. VI 1756i> 8 [vergL 81922; Buecheler carm. epigr. 1347] ist nicht genügend beglaubigt; die angeb- liche Inschrift des J. 391 mit M. Phihnius Phüomenus C. VI 736 ist falsch.

2) 1, 12 p. 11 vgl. 1, 24 p. 19 Hertz.

J

Die Wiedergabe des griechischen $ in lateinischer Schrift.

803

Graecis nominihus antiquam scripturam servamtts pro qjp eth ponerUes, ut 'Orpheus' et 'Phaethon', nicht ohne guten Grund die antiqua scrip- tura betonend. Unsere Philologen aber werden bei Feststellung der in den Textreeensionen zu befolgenden Schreibung vielleicht gut thun die verschiedenen Stadien, die diese orthographische Kleinigkeit durchlaufen hat, nicht ganz unbeachtet zu lassen, und wenn es ihnen, unbenommen bleibt sich in die individuelle Methode oder Unmethode jedes alten Steiohauers und Abschreibers nach wie vor liebevoll zu vertiefen, doch auch zu bedenken, dass es zwar sehr genau und glücklicher Weise zugleich sehr bequem, aber weder sehr gelehrt noch sehr gescheit ist Privatschnitzer zu generalisiren.

51*

Lxxxm.

Templa domus vici insulae plateae angiportus.*)

303 In der berühmten Pariser Handschrift (Lat. 7651 saec. VIII [IX nach G.-G.]), die die lateinisch - griechischen unter dem Namen des Philoxenus gehenden Glossen bewahrt hat, findet sich hinter diesen von derselben Hand geschrieben f. 218. 219 eine nicht alpha- betisch geordnete Glossenreihe seltener lateinischer "Wörter, vorzugs- weise griechischer Lehnwörter, mit kurzen Erklärungen. Dass die kleine Arbeit nicht aus spätrömischer Zeit ist, sondern fränkischen Ursprungs, zeigt nicht bloss das mehr als bescheidene Mass von Kunde des Griechischen, das der Verfasser entwickelt, sondern geradezu Glossen wie Tragelafus bestia quem elcum vocamus und Sandix herha apta tincturae, quam vulgus waranfia (vgl. Ducange unter waranchia, franz. garance) vocant. Vollständigen Abdrucks dürfte das Stück nicht werth sein, am wenigsten des Abdrucks an dieser Stelle; Auf- merksamkeit aber verdient die folgende Notiz:

Urhs omnis dividitur in sex partes, id est templa domos vicos insulas plateas et angiportus [-tas G.-G.]. Templa sunt loca diis sacrata. Domus publica aedißcia, id est theatra amphi-

304 theatra drei balneae sive termae nimpheta (so) culinae pistrina yppodromi et reliqua. Vici sunt publicae construcfiones man- sionum. Insulae qui inter vicos sunt horfi. Plateae viae latae a porta in portam. Angiportus (geändert in angiportas) viae angustae inter minores vicos, quae exitum ad muros aut nullum aut angustum habent.

wozu noch die folgende Glosse gestellt werden kann

*) [Hermes 3, 1860, S. 303-304. Das ganze Stück, aus dem Mommsen hier einen Teil heraushob, ist dann im Corp. gloss. lat. II, Leipz. 1888, praef S. XI flf. von Goetz- Gundermann veröffentlicht worden.]

Templa domus vici insulae plateae angiportus. 805

HEPTIZONION Septem zonae, dictum Latine septizonium,

domus caenacuhrum Septem.

Diese Angaben, deren Quelle ich nachzuweisen nicht im Stande bin, verdienen Prüfung. Sie zeigen einestheils eine gewisse anschau- liche Kunde und eigenthümliche Bezeichnung der beschriebenen Ge- genstände, andererseits deutliche Beziehungen zu den Regionariem, die in jeder Region die Zahl der vici, insulae, domus verzeichnen. Es wäre möghch, dass irgend eine spät römische vielleicht an diese sich anschliessende Notiz hier zu Grunde liegt, die ebenso gut in einer solchen Arbeit sich erhalten haben kann wie manches Aehn- liche in den gleichzeitigen Virgil- und Horazcommentaren.

LXXXIV.

Triquetrum.*)

283 Schon die Alten haben an dem seltsamen „Triquetrum" Anstoss

genommen; Quintilian inst. 1. 6. 30 berichtet, dass manche Triquetra ansähen als verdorben aus triquadra (denn so ist dort zu lesen, nicht triquedra). Ich kann nur dabei bleiben, dass es auf quadrus zurück- geführt werden muss ; dass in diesem Wort d für t steht, ist bekannt (quattuor, rstraQeg) und der Umlaut von a in e im Compositum re- gulär, wie in perpetrare, von patrare, expertes von pars. Dass man „dreiviertelig" statt „dreiseitig" setzt , (an der Bedeutung ist kein Zweifel), ist allerdings ein seltsamer Sprung der Sprache, und eine gute Analogie dafür weiss ich nicht; quadrare im Sinne von anpassen hat wohl den Grundbegriff von „vier" aufgegeben, aber doch nicht aus der Yierheit eine Dreiheit gemacht. Trihus, Drittel, nimmt sehr früh den Begriff „Teil" an (distrihuere), aber nicht den des Viertels. Aber die Etymologie scheint mir so durchsichtig, dass man sich doch dabei wird beruhigen müssen. Man hat im zweiten Worttheil auch edga (Sitz, Sessel) gesucht; aber das ist sprachlich, wie logisch verkehrt.**)

*) [Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte Jg. 1886 S. (283). In der Sitzung dieser Gesellsch. vom 10. April 1886 sprach Olshausen 'über Anwendung symbolischer Zeichen', darunter I. Über das Triquetrum. Dort heißt es zum Schluß (S. 282): „Da ich über die Etymologie desselben aus den mir zu Gebote stehenden Hülfsmitteln nichts sicheres erfahren und also auch nicht feststellen konnte, ob es auf 3 Arme oder Schenkel überhaupt anwendbar oder nicht vielmehr zu beziehen sei auf die Seiten oder, wie trinacrium, auf die Ecken eines Dreiecks, so wandte ich mich an Hrn. Prof. Theodor Mommsen, welcher die Güte hatte, mir darüber Folgendes zu schreiben."] **) [Neuere Deutungsversuche verzeichnet A. Walde , Lat. etymol. Wörter- buch, Heidelberg 1906, u. d. W. triquetrus.]

LXXXV.

JLIIXQOTI XtO V*)

In einer Inschrift von Comum vom J. 401 (C. I. L. Y p. 1060) 423 heisst es: C^oag jutxQOJiAovg eicov £^r,xovxa, in einer von Concordiae vom J. 409/410 (das. n. 8731; vgl. S989): h&v fuxgojisog (sie) X; in einer von Trier (C. I. Gr. 9892): Cv^ag [jui]xQ6jiXovg errj xß'. Alle diese Inschriften gehören nachweislich Syrern, und es scheint, dass diese wunderliche Formel dem örtlichen Sprachgebrauch dieser Provinz angehört.

*) [Mitteilung Mommsens an U. Wilcken: Hermes 29, 1884, S. 42:3 A. 2.]

LXXXVI.

Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörterbuchs.*)

685 Es wird kein Einsichtiger bestreiten, dass der "Wissenschaft, und

zwar keineswegs der Sprachforschung allein, kaum^ durch ein anderes Einzelwerk mehr genützt werden könnte als durch die Herstellung eines ihren Anforderungen genügenden lateinischen Wörterbuchs. Dass die Sicherung und Herstellung der Schriftstellertexte, die Be- obachtung der Stilunterschiede nach der Zeit wie nach der Art der Schriftsteller, die chronologische Feststellung der uns gebliebenen Litteraturtrümmer dadurch ein festes Fundament gewinnen würden; dass was jetzt durch mühsame und endlose Einzelarbeit mehr erstrebt als erreicht wird, dann zu grossartigem Allgemeingebrauch eröffnet wäre; dass damit an die Stelle|einer in ihrer Zerstreutheit unüber- sehbaren und durch ihre Massenhaftigkeit zum guten Theil sich selber unmöglich machenden Litteralur mit einem Schlage ein grosses Ge- sammtwerk träte, ist sicher nichts Geringes; in dieser Hinsicht würde ein solches Werk den grossen Gesammtpublicationen über Inschriften und Bildwerke mindestens gleichberechtigt sich an die Seite stellen. Aber dies, so werthvoll es ist, wäre noch nicht die Hauptsache. Viel wesentlicher noch würde der Einblick sein, den dasselbe gewähren würde in die Geschichte der heutigen Cultursprachen, das heisst in die Geschichte unserer Civilisation. Wie die Sprachen der älteren Culturperiode geworden sind, können wir meistentheils nur durch Rückschluss erkennen; für die gegenwärtige lässt sich das gleiche Problem, der wunderbare aus den Trümmern der antiken Cultur neu

*) [Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1891 Halbbd. II S. 685 689. Es geht voran eine Denkschrift von M. Hertz über 'Bedeutung, Geschichte, Plan und voraussichtliche Kosten eines lateinischen Wortschatzes'. Die hier ab- gedruckten Bemerkungen, unterzeichnet von der Kgl. Akademie der Wissen- schaften, stammen von Mommsen.]

Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörterbuchs. 809

erblühte Sprachenfrühling in grossem Umfang in historischen Docu- menten verfolgen. Aber freilich muss man dazu sie sammeln und ordnen. Die Schlüsse ins Allgemeine können erst gezogen werden, wenn im Besonderen die Lebensgeschichte jedes einzelnen Worts, der abgestorbenen nicht minder wie der lebendig gebliebenen und ihres verjüngenden Nachwuchses, der Wandel der Formen wie der Ver- wendungen zuverlässig und übersichtlich dargelegt ist. Insofern kommt dem lateinischen Thesaurus eine allgemein geschichtliche Bedeutung zu, wie sie einer gleichen Bearbeitung des griechischen oder eines anderen Wortschatzes nicht zugesprochen werden kann. Es ist das Vorrecht der grossen Ziele, dass sie ernste Männer zwingen zu streben und zu hoffen, selbst wenn ein unmittelbarer Erfolg nicht abzusehen ist. In diesem Sinne ist die Frage angeregt worden, wie dies Ziel sich erreichen lässt, und in diesem Sinne wird sie auch hier auf- genommen.

Darüber kann keine Frage sein, dass dieses Werk nur durch 686 staatlich organisirte Arbeit herbeigeführt werden kann. Es über- steigt weitaus die Arbeitskraft auch des thatkräftigsten Individuums imd darf nicht an die zufällige Lebensdauer einer einzelnen Per- sönlichkeit geknüpft werden. Wie auf allen anderen Gebieten der menschlichen Thätigkeit fordert auch die Wissenschaft die Organisa- tion der Arbeit, und wir Deutsche dürfen uns rühmen hierin die Spitze genommen zu haben und zu behaupten. Kann ein solcher Wortschatz überhaupt geschaffen werden, so wird er in Deutschland geschaffen, und dieses Yorrecht schliesst eine Pflicht ein.

Ueber die Modalitäten dieser Organisation schon jetzt zu rechten scheint kaum der Sache förderlich zu sein. Die der Akademie vor- gelegte Denkschrift ist als ein erster Entwurf nützlich und anregend ; dass der Arbeitsplan erst festgestellt werden kann, wenn die Aus- führung als möglich erkannt und im Allgemeinen beschlossen ist, wird ihr Verfasser selbst am wenigsten bestreiten. Auch sind die Grundlinien des Unternehmens, wie bei jedem grossen Bau, einfach und zweifellos und ihre Nothwendigkeit einleuchtend. Die Leitung kann nur einer dauernden Körperschaft, sei es einer Akademie oder einer nach Analogie unserer wissenschaftlichen Centraldirectionen ge- stalteten staatlichen Corporation übertragen werden. Die Theilung der Arbeit ist, nicht bloss für das Sammeln, sondern auch für das Verarbeiten der Materialien, unerlässliche Bedingung, und wird die Leitung des Unternehmens hauptsächlich darin bestehen, die für dieses wie für jenes geeigneten Kräfte zu finden und zu staatlicher Genehmigung vorzuschlagen. Es wird von der Individualität der

glO Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörterbuchs.

also gerufenen Gelehrten abhängen, welchen grösseren oder geringeren Einfluss auf die Gestaltung des Unternehmens der einzelne gewinnt; formell kann ihre Stellung zu der leitenden Stelle nur als gleichartige und zu einander nur als paritätische geordnet werden. Das Ziel der Arbeit ist die Zusammenstellung der Acten über das Vorkommen eines jeden lateinischen Wortes und die Darlegung der aus diesen Acten sich ergebenden Resultate über das Wandeln seiner Formen und seiner Verwendung. Die sprachevergleichende Untersuchung über die in vorhistorische Zeit fallende Bildung des Wortes und nicht minder die Untersuchung über dessen Umwandlung oder auch dessen örtliches oder allgemeines Verschwinden in der nachlateinischen, ungefähr mit dem Anfang des 7. Jahrhunderts anhebenden Epoche werden von dem Wörterbuch selbst auszuschliessen sein; für diese grossen Arbeiten soll dasselbe das Substrat bieten, aber sie keines- wegs in sich aufnehmen. Daran wird nicht zweifeln, wer die deutsche Wissenschaft kennt, dass es an den Arbeitern, den Gehülfen sowohl 687 wie den Meistern, nicht fehlen wird, wenn an einen solchen Bau die Hand gelegt wird, und dass für die zahlreichen und schwierigen Einzelfragen, welche in Betreff der Modalitäten schon jetzt sich jedem aufdrängen und bei effectivem Angreifen in noch weit grösserer Zahl hervortreten werden, die nach Umständen mögliche praktische Lösung alsdann ebenfalls gefunden wird.

Aber wer einen Bau beginnen will, hat zunächst und vor allem eine wenigsten ungefähre Einsicht darein sich zu verschaffen, welche Mittel zu dessen Vollendung erfordert werden. Wenn der Verfasser der vorstehenden Denkschrift in richtiger Erkenntniss der Sachlage einen vorläufigen Kostenanschlag aufgestellt hat, so soll hier im An- schluss daran auf einige Punkte hingewiesen werden, in welchen er der Ergänzung bedürftig und die erforderliche Summe in Folge dessen allzu niedrig angesetzt erscheint.

Wir sehen dabei ab von der Abschätzung des Umfanges der zu bearbeitenden Schriften; die Masse des nicht in den Sammlungen von Teubner und Migne enthaltenen Materials dürfte beträchtlich grösser sein als dort angenommen ist. Aber da Gewissheit hier doch nicht erreichbar ist, mag es bei der gegebenen Aufstellung bewenden.

Weit wichtiger ist die Frage, in welcher Weise die Materialien gesammelt werden sollen. Bisher ist dafür durchgängig der Weg eingehalten worden, und diesen hat auch der Verfasser der Denk- schrift im Sinn, dass die Werke unter die Hülfsarbeiter vertheilt werden und jedes einzelne von einem einzelnen zu diesem Zweck ausgezogen wird. Wie unvollkommen diese Manipulation ist, hat

J

Gutachten über das Unteraehmen eines lateinischen Wörterbuchs. 811

niemand schwerer empfunden als der Meister der Lexikographie Jakob Grimm, auch scharf genug es ausgesprochen; z. B. in seinen Briefen an Hirzel, wo es unter anderem heisst: »Aller Anweisungen »zum Trotz haben solche Schlingels von Mitarbeitern nur nach Wörtern »gesucht, die in ihren Gedanken wichtig waren, die aber worauf es »ankam unausgezogen gelassen« und später: »Die bedeutendsten »Schweizer Schriftsteller sind nur ungenau und ohne Einsicht in die >Zwecke des Wörterbuchs genutzt; es musste, so gut es ging, nach- »geholfen werden<^, und so weiter. Dieselbe Erfahrung wird mit Nothwendigkeit sich bei jedem Unternehmen wiederholen, das auf vereinte Thätigkeit Vieler angewiesen ist; es ist von der Organisation der Arbeit eben nicht zu trennen, dass unter den vielen Mitarbeitern halbfähige gar nicht und unfähige schwer zu vermeiden sind. Indess mag dies Yerfahren bei den gewöhnlichen, wesentlich auf eine leid- liche Ueb ersieht des Sprachschatzes sich beschränkenden, Wörter- büchern sich ertragen lassen; wenn aber ein solches den Anspruch erhebt, die Geschichte des einzelnen Wortes zu liefern und wenn, wie selbstverständlich, nicht bloss die Raritäten, sondern vor allen 688 Dingen die häufig gebrauchten und vielfach gewendeten Ausdrücke darin zur Anschauung kommen sollen, so kann es nimmermehr auf solche vom individuellen Belieben gewöhnlicher Gehülfen abhängige Auslesungen gegründet werden. Unumgänglich bedarf es dafür einer Verzettelung wenigstens der wichtigsten Schriftwerke, wie sie für das von der Savigny-Stiftung vorbereitete Vocabularium juris bei den klassischen Juristen durchgeführt worden ist; insbesondere lässt sich das Fehlen eines Wortes in einem zeitlich oder örtlich oder personal bestimmten Kreise, das oft wichtiger ist als das Vorkommen, in weiterem Umfange nur auf diesem Wege ermitteln. Wenngleich dies Verzettelungsverfahren den Vortheil gewährt, dass rein mecha- nische, also billigere Arbeitshülfe dabei in weiter Ausdehnung zur Anwendung kommen kann, so hat doch die Erfahrung gelehrt, dass das Verzetteln und das Ordnen des in grösseren Werken enthaltenen Wortschatzes bei weitem kostspieliger ist als das blosse Ausziehen. Auch wird für das beabsichtigte Lexikon das letztere nothwendig mit dem Verzetteln verbunden werden, werden die Zettel, bevor man sie in die alphabetische Folge bringt, von wissenschaftlichen Männern durchgegangen und wird bei den zur Aufnahme in das Lexikon ge- eignet erscheinenden Stellen die zum Verständniss erforderliche Verbindung hinzugefügt werden müssen. Wenn es bei den Digesten durchführbar ist auf Grund jener mechanisch hergestellten und einer solchen Durchsicht nicht unterworfenen Zettel auch häufig vor-

812 Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen Wörterbuchs.

kommende Wörter bei der Redaction überall nachzuschlagen, so würde keine Arbeitskraft bei einem allgemein angelegten Wörter- buch für jedes einzelne Wort die sämmtlichen Citate zu verificiren und daraus dessen Darstellung zu gestalten vermögen. Aus dem- selben Grunde werden auch die überhaupt nur in beschränktem Umfang bereits vorliegenden Indices verborum zu einzelnen Schrift- stellern für eine derartige Arbeit grossentheils unbrauchbar sein. Gewiss soll nicht behauptet werden, dass das hier angedeutete Ver- fahren für die gesammte einschlagende Litteratur zur Anwendung zu kommen hat. Insbesondere die stereotype Inschriftenmasse, sowie die gleichfalls in ihrem Wortgebrauch homogene patristische Litteratur werden durch verständig angelegte und, wovon nicht abgesehen werden darf, von den Leitern des Unternehmens revidirte Excerpte genügend ausgenutzt werden können. Aber ohne Yerzettelung des Wortschatzes der wichtigsten Profanschriftsteller, sowie der lateini- schen Bibel in allen ihren Abwandlungen und einzelner Hauptwerke der theologischen Litteratur wird ein lateinisches Lexikon nie das geben, was mit vollem Rechte von dem Verfasser der Denkschrift verlangt wird, die Geschichte des Einzelworts. Um wieviel bei dieser 689 Voraussetzung die Kosten des Sammeins der Materialien sich erhöhen würden, lässt sich zifFermässig nicht fixiren; sicher würde der von der Denkschrift dafür eingestellte Betrag von 140000 Mark sich mindestens verdreifachen.

Nicht minder als die Sammelarbeit wird in der Denkschrift die Redaction unterschätzt. Die Voraussetzung, dass ein derartiges Werk mit zehn Bänden von je 1200 Seiten abgeschlossen werden kann, ist völlig problematisch und selbstverständlich wird, wenn dasselbe um- fänglicher ausfallen müsste, auch der Kostenbetrag verhältnissmässig steigen. Aber selbst wenn man jene Voraussetzung vorläufig gelten lässt, ist der Kostenansatz weitaus zu niedrig gegriffen. Jakob Grimm, ein Meister auch im Fertigstellen, hat in zwölf Jahren in Gemein- schaft mit dem Bruder fünf Buchstaben zum Druck gebracht; und nicht im Nebenamt und mit unendlich viel knapperem Material, dessen Mehrung wohl den Werth des Werkes, aber in gleichem Maass auch die Schwierigkeit der Arbeit steigert. Man wird acht bis zehn geeignete Gelehrte einen jeden zehn bis zwölf Jahre hin- durch ausschliesslich für diese lexikalische Arbeit zu beschäftigen haben, wenn dieselbe in absehbarer Zeit zum Abschluss gelangen soll. Auch hier also wird die in der Denkschrift für die Kosten der Redaction in Anschlag gebrachte Summe von 360000 Mark ohne Frage nicht ausreichen.

Gutachten über das Untemelimen eines lateinischen Wörterbuchs. 813

Es können demnach die Gesammtkosten des Unteraehmens nicht unter einer Million Mark präliminirt werden.

Eine derartige Forderung, von etwa 50000 Mark jährlich auf einen Zeitraum von etwa 20 Jahren für ein fundamentales wissen- schaftliches Unternehmen darf nicht erschrecken, ja nicht einmal be- fremden. Wenn die Kosten, welche die preussische Regierung, bez. das Reich durch viele Jahre hindurch für die griechische und latei- nische Inschriftensammlung und für die Herausgabe der deutschen Geschichtsquellen aufgewendet hat, zusammengerechnet werden, so werden sie für jedes dieser Unternehmen einen gleichen Betrag theils erreichen, theils sich ihm nähern. Bisher sind die also aufgewendeten Gelder auch ausserhalb der Fachkreise weder als übel angewandt noch als unbillige Belastung des Staatshaushalts bezeichnet worden. Was in den Zeiten nationaler Erniedrigung und mühsamen Auf- strebens möghch war, wird das vereinigte Deutschland auch zu leisten und allenfalls zu übertreffen vermögen. Aber wenn man in schwierige und weitaussehende Unternehmungen nicht mit sehenden Augen hineingeht, so wird diese Blindheit denselben nicht zum Vortheil ausschlagen. Der rechtzeitige Hinweis auf die Schwierigkeiten ist der beste Weg um sie zu überwinden.

LXXXVII.

Besprechung von: Martin Hertz, Karl Lachmann. Eine Biographie. BerKn 1851.*)

783 Es wird nicht viele Gelehrte geben, von denen, wenn das Grab

sieh über ihnen geschlossen hat, für weitere Kreise etwas Anderes zurückbleibt, als höchstens ihre Schriften. Lachmann ist eine der seltenen Ausnahmen: eine ächte und eigene Natur, deren scharf markirte Specialität der reinen Menschlichkeit keinen Eintrag that, und welche eben darum weit tiefer und allgemeiner vermisst wird, als manche viel berühmtere Männer. Es ist dankenswerth, dass einer seiner jüngsten Schüler es übernommen hat, den vielen, die Lach- mann treu anhingen, eine Biographie des seltenen Mannes zu bieten. Mit grosser Sorgfalt hat derselbe das Material zusammengestellt, welches Lachmanns Schriften und die Unterstützung zahlreicher Freunde ihm gewährten; auch über die göttinger Zeiten und die kurze Campagne von 1815 hat es an Mittheilungen nicht gefehlt und man wird in den Notizen über die äusseren Lebensumstände, welche freilich nur die wenig bewegten eines deutschen Professors waren, wenig Lücken wahrnehmen. Bei der Rechenschaft über Lach- manns litterarische Thätigkeit hätte indess der Verfasser billig sich kürzer fassen und nicht die Biographie in eine Bibliographie über- gehen lassen sollen. Auch über das innere Leben und die charak- teristischen Eigenthümlichkeiten Lachmanns hat sein Biograph eine Menge einzelner Züge und Erzählungen gesammelt, in denen das in- nerste Wesen des Mannes sich offenbart. Ein eigentlich biographisches Talent besitzt Herr Hertz nicht, der auch Lachmann nicht nahe genug gestanden zu haben scheint, um den ganzen Mann aus dem Ganzen

*) [Literarisches Centralblatt 1851 Sp. 783—784. Die Besprechung ist nicht gezeichnet, stammt aber nach Mitteilung des jetzigen Herausgebers des Central- blatts laut dessen handschriftlichen Eintrags von Mommsen.]

Besprechung von Martin Hertz, Karl Lachmann. 815

schildern zu können; die bedeutendsten Verhältnisse, wie z. B. zu Schleiermacher, zu Meusebach, zu dem Buttmannschen Hause werden kurzweg abgefertigt, und doch liegt bei jeder sittlichen Natur, die nicht zum öffentlichen Wirken berufen ist, in diesen Verhältnissen der Schwerpunkt des Lebens. Manche der eigensten Züge des Lachmann'schen Wesens, z. B. sein Talent Verächtliches gründlich zu verachten und die ihn genirende Impotenz und Insolenz mit ver- zehrender Schärfe zu vernichten, sind hier so in den Hintergrund geschoben und in einer durchaus nicht Lachmannischen apologetischen Tendenz fast vertuscht, dass dadurch charakteristische Documente, wie z. B. die Eingabe wegen der Anstellung Massmanns, in einem sehr schiefen Licht erscheinen. Der panegyrische Ton in der Schil- derung von Lachmanns Wesen verdeckt die Armuth der Anschauung nicht ausreichend und stört recht sehr den einfachen Eindruck einer rein angelegten und consequent entwickelten Natur; nicht als ob des Lobes an sich zu viel gesagt wäre oder als ob wir die reine Pietät des Verfassers irgend verkennten, aber wer ein Buch schreibt über einen Mann, soll es nicht auf jeder Seite dem Leser bemerken, wie gross der Mann war, und braucht es nicht, wenn er ihn zu schildern versteht. Unter den Beilagen sind einige ganz unschätzbare Lach- mann'sche Reliquien, so die allerliebsten altdeutschen und griechischen 7S4 Spässe und die Selbstkritik seines Lessing, vielleicht das sprechendste Document von Lachmanns Verhalten gegen litterarische Naseweisheit und buchhändlerische Importunität. Recht im Sinne Lachmanns hat der Verfasser gehandelt, indem er der Schrift ganz dieselbe Aus- stattung sohder Eleganz gab, wie sie Lachmann für seinen Lukrez gewählt und so oft gelobt hat.

Sachliches Register.*)

Acatus, aegyp tisch es Lastschiff 571, 2

acta diurna als Quelle der Historiker 263; a senatus s. Senat

Aemilius Sura, Historiker 71 f.

Agennius Urbicus, Gromatiker 469

Albinus, Schriftsteller saec. FV: s. Ce- ionius

Alpes Graiae et Poeninae, provinzielle Zugehörigkeit 650. 666 f.

Ammianus Marcellinus, Handschrift- liches 363 ff. 374ff. 384ff.; Geographi- sche Exkurse 393 ff.; Quellen 396 ff. Entlehnungen aus Caesar, Sallust u. Livius 394. 397, 1. 400, 1. 411, 1. 412. 422, 4, aus Lucan u. Gellius 420, 1 ; Publikationszeit einzelner Bücher 419,4; Benutzung A.'s bei Späteren 421,8; Allgemeine Wür- digung 423 f.

Anastasios (I), Kaiser: aus d. Geschichte seiner Zeit 724 ff.

Apollonios Rhod., benutzt in einem Periplus des Pontos Euxeinos 413. 415, 1

Apulien, Hellenismus in sullanischer Zeit 4 f.

Arabia, Teilung in zwei Provinzen saec. IV: 665 f.

archimimus 94f.

artes liberales: s. Gromatik

Aufidius Bassus 677 f.

Augnstus, Feldhermstatuen auf dem Marsfelde 176, 1 ; genius Augusti 180

Aurelius Victor 620. 671, 1 ; u. die scrip- tores bist. Aug. 344 f. ,347 f. 349 f.

Avarenkrieg des J. 600: 744 f.

Basilica lulia 571, 4

Büdung, Tiefstand in Rom saec. V : 467

Bithia auf Sardinien 697 f

Bqoxoi (Bgö/doi) in Kleinasien 727, 6

Bruchbezeichnung 773 ff.

Brücken, römische 389 ff.

ßQvxä, unerklärter Name eines Festes

in CP 729 mit Anm. Bulgaren u. Hunnen 734

Caesar, verschiedene Berechnungen seiner Regierungszeit 642, 1 ; Hand- schriftliches zum bell. Gall. 44 ff.

capitatio animalium, Grundsteuer 736, 3

casae litterarum in der Gromatik 452 ft". 466 f. 474

Cascellius 186

Cassiodor, Chronologie seiner Ämter 669; Chronik 668 ff.; Benutzung grie- chischer Quellen 483 f.

Catilinarische Verschwörung 81 ff.

Cedrenus: s. Kedrenos

C. Ceionius Rufus Volusianus 449 f.; dessen Sohn Ceionius Rufius Albinus, Schriftsteller 450

*) Stiebworte mit Sammelbezeichnung: 'Chronograpbisches', 'Grammatisch-Sprach- liches', 'Handschriftliches', 'Heerwesen', 'Münzwesen*, 'Namen'. 'Rom (Topographisches)'. Von Mommsen als noch unerledigt Bezeichnetes s. bei 'Geographica', 'Grammati- sches Fragment', 'Johannes von Antiochia', 'Kedrenos'.

MOMMSEN, SCHR. VII. 52

811

Sachliches Register.

Census, legendarische Einsetzung 569, 1

centuriae in der Gromatik 478, 2

Christentum im Kampfe gegen den na- tionalen Glauben 485 ff. 510. 802

Chronographisches: Cassiodor 668 if.; Chronogr. vom J. 354: 536 ff. 753; liber generationis 283 ff.; Polemius Silvius 633 ff.; Prosper Aquitanus 683, 1. 686 ff. Vgl. Eusebius, Hiero- nymus, Kedrenos, Malalas, Synkellos

Cicero, Zeit der 1. catilinarischen Rede 81 ff.; Hss. der Reden in Vatin. u. pro Flacc. 36, der Verrinen 442, des Cato maior 6 ff., des Laelius 9 ff., der Briefe 28 ff

clientes : s. tribules

Cloelia gens 164f.

Cluvius Rufus 264 ff

colonia im weiteren Sinne 64; liber coloniarum 472 f.

Compitalienkult seit Augustus 181

Congiarien , legendarischer Ursprung 568, 1; des Augustus 571, 1

Consulat, ausnahmsweise Iteration des ordentlichen C.'s Anf. saec. IV; 4491; Consulnamen der Jahre 246. 247. 248: 675 ff.; cons., conss. als Zeit- indicium 102

Corbulos Berichte an den Senat 261, 2

Cumae als Schauplatz des petronischen Romans 193 ff.

Curici portus, Curictae 42 f.

Cyprian, Schriftenverzeichnis mit Stichometrie 286 ff.

üalmatien saec. VI: 467 f. 480 decuriae der Apparitoren 203 f. Dexippos als Quelle der script. bist.

Aug. 327. 333 Dictys, griechisches Original 483 f. Dio Cassius, Epitome (nicht Xiphilinos)

von Planudes benutzt 704ff.; com-

biniert mit Plutarchs Sulla 705; in

den constantinischen Excerpten 707 ;

Quelle von XLIII-XLVIII: 618, vgl.

680 f. Diocletiansthermen, Zeit der Dedication

326,1

Ehen zwischen Verwandten 165 f. Eid, öffentlicher, der Republik u. Kaiser- zeit 180 f. Ennodius benutzt den lanuarius Nepo-

tianus 51 7 f. Equitius cos. 374: 604 Eratosthenes bei Ammianus Marc. 414,

1. 415 Etruskische Zahlzeichen 768, 2. 784 f. Euagrius, Lebenszeit 699 Eugippius, Handschriftliches zur vita

Severini 521 ff. Eumenes und Prusias 151 Eusebios, armenische Hss. der Chronik

580ff.; Verhältnis zu Hieronymus

606 ff. Eustathios von Epiphania, Lebenszeit

699 Eutropius, Titel seiner Schrift 432 f. ;

E. und die script. bist Aug. 344f.

347 f. 349 f.; benutzt in Hieronym.

Chronik 609 f, von Polemius Silvius

639; griech. Paraphrase (nicht Pai-

anios) 702 f. 704

Fälschungen von Autorennamen 329.

351. 441. 474ff. 696 Fasti von Fulvius Nobilior aufgestellt

92 f. Festus, Handschriften des Quaternio

XVI: 269ff., vgl. 512 Filocalus: s. Furius Firmicus Maternus, Abfassungszeit der

mathesis 446 Flaminia, Picenum, Valeria: Districte

658,1 Flaviauus (Virius Nicomachus Flavia-

nus) 493 ff Flavius, Q. Fl. Maesius Egnatius Lollia-

nus Mavortius: Ämterlaufbahn 446 ff. Florus und Livius 433. 670 f. foederati, Miliz der Grenzprovinzen

734f. Folia s. Foslia gens 144 Franci: Germani sive Franci in den

luvenalscholien 510 funeraticium des Nerva 574, 4 Furius Dionysius Filocalus 561 ff. Furius Placidus, cos. suff. 346, 1

Sachliches Register.

819

I

Gallien, Gebrauch des Namens in vor- caesarischer Zeit 507; Einteilung in Provinzen 183. 657; Topographisches 37 f. 46. 56 f.; 58; Schilderung des Poseidonios, Timagenes, Ammianus 410 f.; Heimat des Polemius Silvius (saec. V) 635 f. Gallienus' Söhne 644, 2 Geographica des Ammianus Marc, Not- wendigkeit einer Neubearbeitung 424 f. Gerichte des Senats und des Princeps

2G0 Geschichtschreibung der Kaiserzeit,

allgemeine Charakteristik 256 f. Geschütze in der späteren Kaiserzeit

738,4 Getreidemarken 569, 5. 577, 6 Glossar einer Leydener Hs. 51"2ff., einer Pariser 804 f., einer vaticanischen 515f., des Caspar Barth 515f. Grabmäler, Bildwerke auf ihnen 200 Grammatisches Fragm. in einer Mai- länder Hs., noch nicht untersucht 451 Grammatisch-Sprachliches : Vocalismus: ae und e vertauscht 116f., ae und oe 117; u für uii 112; uo, uu 112; M und i in -iimus , lubet u. dgl. 112; dilecttis, nicht ddeetus 115; derigere, nicht dirigere 115; Dissimilation : coaptare = cooptare 12; Synkope von e {Tereventtim- Terventum u. dgl.) 281 ; lulus, drei- silbig bei Virgil 188 Consonantismus : b und p {scribtor, optinere u. dgl.) 114f.; b und t? 117; c ^ k, g 769, 2 ; -d und -t {adqtie, haut u. dgl.) 114; ex- und exs- 114; exquiliae 115; qim und eu {aecum, relinaint u. dgl.) 118; tra- und trans- (tranare. transfhre u. dgl.) ; Aspira- tion: Wiedergabe des (p u. anderer griech. Zeichen 792 ff., falsche Asp. 117; Gemination (Iwppj^ u. dgl.) 112; Vereinfachung [lulhis - luKits u. dgl.) 188; Assimüation 113f.; Consonantentrennung 107 ff. 148. 150

Flexion :

nomen: Gen. sing -ii oder -i 111. 756 ff., plur. -uum in mensunm, ossuum bei Eugippius 533; Dat. sing, plebei, plebe 111 ; .\bl. sing. -i oder -e 110. 760f.; Acc. plur. ■is 110; Dat-Abl. plur. -eis oder -its oder -ts Ulf. 759 f.; Abi., in- declinabler von Ortsnamen bei Eugippius 533, 2 ; sam = eam 279 Syntax :

Comparativ Positiv bei Eugip- pius 583

et zwischen Consulnamen 762

Zahlwörter {decem et quinque u. dgl.) 761 Wortgebrauch :

aeneus u. aereus 761 f.

arca 'Sarkophag' in der jüngeren Gromatik 479 ff".

botontini in der afrikanischen Gro- matik 479

casae litterarum in der Gromatik 452 ff. 466 f. 474

castra 'Hoflager' 315, 2

centuriae in der Gromatik 478, 2

delapidare 279

-eus unlateinisch in sextaneus u. dgl. 476, 1

gregalis 761

fiixg6::iXsov 807

partectum, Bedeutung zweifelhaft 574,9

prodicere, technisch 22

terruncius 763 f.

triquetrum 806

Zahl- und Bruchbezeichnung 767 ff'. 778 ff. Orthographisches: varia lOf. 109 ff.

augur, auger 115

Encumene = Ev^onerTj 795, 4

neelegere, neglegere 115

praest = praeest 761

promiscue, nicht -ce 115

Quinctitis, Quintius 116

sescenti, nicht sexcenti 116

triump(h)ns, triumfm 792. 1. 795. 8. 799 ff., vgl. oben bei Consonantis- mus: Aspiration

820

Sachliches Register.

Abkürzungen auf Inschriften 765, 3;

f. = filius, nicht ßia 762 Interpunktion im cod. Veronensis des Livius 106, vgl. 148 Griechische Kultur in Campanien 192 ff. ; Sprache in juristischer Literatur 267 ; Scholien im cod. Veronensis des Livius 105 f.; Mißverständnis bei Übersetzen ausdemLat.: s.Tlutarch' Gromatik, Teil der artes liberales 468 f.; codex Arcerianus 459 ff.; Zusammen- setzung und Abfassungszeit des Er- haltenen 464 ff. ; Fragment in einer Mailänder Hs. 451 ff. Grundstücke benannt nach Territorien 199 f.

Haemus, Ausdehnung des Namens 665,2

Handschriftliches : Mitteilungen aus Hss. von Gotha 432, Einsiedeln 498, St. Gallen 504, Leyden u. München 512 ff, Mailand 451, Rom 442. 695 f. Verona 96 ff.; Cusaner Excerpte 298 ff. ; Altersbestimmung eines cod. Parisinus 217. Anderes s. unter 'Ammianus', 'Caesar', 'Cicero', 'Eu- gippius', 'Eusebios', 'Festus', 'Glos- sar', 'Gromatik', 'Hieronymus', 'Li- vius', 'Ptolemaios', 'Vegetius'

Heerwesen: Benennung der Truppen- körper seit Diocletian 313 f. ; Deutsche im röm. Heere 313, 5; domestici 814; dux in titularer Verwendung 310f.; tribuni seit Diocletian 308 ff.

Herodianos als Quelle der script. bist. Aug. 333 ff. 349

Hesiodos, Geburtsjahr 40 f.

Hieronymus, Chronik: Abfassungszeit 617,1, Quellen 606 ff., älteste Hs. 597 ff

Hippolytos, Bischof von Portus 283; Weltchronik 564 f.

historiaAugU8ta:hand8chriftlicheÜber- lieferung 352 ff ; Textkritisches 359 ff. passim ; Dessausche Hypothese 302 ff. Vgl. 'Aurelius Victor', 'Dexippos', 'Eutropius', 'Herodianos'

Hofgesinde 314 f.

Hügel Roms 513 f.

Hunnen 741 f.; s. auch 'Bulgaren*

lamblichos, Jurist aus Berytos 519 f.

lanuarius Nepotianus, Excerptor des Valerius Max. vor Anf. saec. VI 518

Illos der Isaurier 715 ff.

Illyricum saec. IV 660f.

Interpunktion : s. 'Grammatisch-Sprach- liches'

lohannes von Antiochia, Fragmente in d. constantinischen Excerpten 712ff.; Quelle für Planudes 704. 706 f.; Not- wendigkeit einer Bearbeitung 708 f.

losephos u. Cluvius Rufus 250

Isaurische Insurrection unter Anasta- sios I. 726 ff.

Italien, Einteilung nach Diöcesen und Provinzen 305

iudex = Civilstatthalter 313. 350, 3

lugurthinischer Krieg i. J. 644/45: 77 ff.

lulians persischer Feldzug nach Am- mianus Marc. 426 f.

lullus Antonius 187 f.

lunius Tiberianus , Stadtpräfekt 329, 2

lupiterterapel auf Berghöhen 497

Kaiser: Prätendenten unter Alexander Severus 643,5; andere 'tyranni' 644 ff. passim

Kedrenos: Quellenfrage ungelöst 753 f.

Kyrene, Erwerbung durch die Römer 398 f.

Lachmann 814 f.

Laeti , germanische Zwangscolonisten 426

latus clavus 189 f.

legatus, Bedeutung des Wortes 89; nicht quaestor oder proquaestor 53 f. 60; in der diocletianisch- con- stantinischen Ordnung 307 f.

legio vernacula 64

limes in der Gromatik 476f.

Livius, codex Veronensis 96 ff. 149, codd. Puteanus, Vaticanus, Vindobonensis 150ff.; Recensio der I. Decade 119 ff. 677, der III. Decade 153 ff.; Frag- ment des 91. Buchs 147 f.; Auszüge

Sachliches Register.

821

432 f. 670ff.; periochae in verschie- denen Fassungen 164 lustra bei Livius 161 f.

Maecius: Sp. Maecins Tarpa 185 f.

magalia 90 f.

Malalas 659, 3. 750*; lateinische Über- setzung 750f.

Mamilius Sura. Ackerschriftsteller 70

Manilios Rhalles, Humanist saec. XV: 270, 1

Manlius, L., Mirabilienschriftsteller 72tf.

Marcii Philippi, legendarischer Stamm- baum 569, 2

Maurikios, Kaiser 746 f.

Mavortius cos. 355: s. Tlavius'

Maxentius, Bastard ? 326, 4

Meclodunum = Melun 56f.

Mimen 93 f.

Misenum 194 IF.

mons Feleter (= S. Leo bei S. Marino) 528f.

Monumenta Germaniae auct. ant. 691 ff.

Munda in Spanien, Topographie 67 f,

Münzwesen: Bruchziffem 775 ff.; mit den clipei des amphitheatr. Flav. 574, 1 ; decussis 785, 1 ; foUes aeris 316f.; gefütterte Münzen 3f; Gold- münzen des Gallienus 577, 5; Gold- pfund, Wert in diocletianischer Zeit 316; sicilicus 774; solidus 315; ter- runcius 763 f.

Namen: Cognomina der Nobilität und der Freigelassenen 201 f.; nomina von Geschlechtem aus cognomina entwickelt 222, 1

Neapel 194 ff".

Nerva, Testament 574, 4

notae des M. Valerius Probus 206 ff. 218; notae iuris 214, in Hss. nicht- juristischen Inhalts 444 f.; im cod. Veron. des Livius 105 f.

notitia dignitatum, Abfassungszeit 660; n. Galliarum u. a. Provinzen 400ff.

Obsequens benutzt Liviusepitome 671 Odovakar 715*. 723, 3; vgl. 'Theode- rich'

Origo gentis Romanae: Titel 440 f.: ver- kürzt 440 f.; vollständigere Fassung als Quelle des Hieronynius 441. 617. 627 ff., des Paulus Diaconus 484 ff.; im Chronogr. vom J. 354: 566 ff.

Patrizier u. Plebejer, Streit noch inner- halb der Jahre 513—535: 167

Paulus Diaconus und die origo gentis Romanae 434 ff.

Periplus des Pontes, von Timagenes 413 f.; vgl. 'Apollonios Rhod.'

Petronius, Roman 191 ff.; P.s FamUie 191,2

Philostratos , vita ApoUonii von Am- mianus Marc, benutzt? 422, 5

Phoenixperiode 74, 2

Phokas, Kaiser 747. 749 f.

Picenum, District : s. 'Flaminia'

Planeten in der Astrologie 539 ff.

Planudes, historische Excerpte 700 ff".

Plautus, Zeit des Prologs der Casina Iff.

Plutarch, Leben 225 f.; CharakterLstik des Galba u. Otho 226 f.; Mißver- ständnis eines lat. Ausdrucks 235, 1 ; 248, 1 ; nicht abhängig von Tacitus 227. 243; Sulla combiniert mit Dio Cass. 705 f.

Polemius Silvius 633 ff.

polyphagi 572, 4

Pompeius, Cn. in Spanien 67

Pompeius Trogus (lustinus) und Tima- genes 409. 414

porticus Minucia frumentaria 569, 5; Divorum 573, 3

Poseidonios (über Gallien), benutzt von Timagenes 410 f.

praefectus 308; praefecti praetorio Italiae, lllyrici et Africae 661 f.

praeses 312 f.

praetor im weiteren Sinne 198

Probi, Familie 345 f. 604 f.; vgl. Vale- rius

Prodigien bei Livius -Obsequens 168 ff".

Provinzen, Einrichtung neuer saec. IV: 658 f.; Provinzialkataloge400f. 648 ff. 650 f.

Prusias und Eumenes 151

822

Sachliches Register.

Ptolemaios, Geogr. : Handschriftliches 697 f.; als Quelle Amraians 402 iF. 412,6

Puteoli 994 ff'.

Quaestur, Altersstellung 53; quaestor für proquaestor 54

Rittercarriere 267, 2

Rom (Topographisches): s. 'basilica',

'Brücken', 'Hügel'. Torticus', 'temp-

lutn', 'therraae", 'via' Roscius: L. Roscius Fabatus 53 Rufius Festus, Namensform 396, 1. 657**;

Persönlichkeit 396, 2; als Quelle des

Ammianus Marc. 396ff'. ; desHierouy-

mus 610 Rutilia gens 165

Sallusts Historien, Notiz daraus bei Ammianus Marc? 897, 1

Saso, Topographie 42

Scholien zu luvenal, Zeit 509 if.; Berner zu Virg. georg. 505 ff'.

Scotti, Polemik gegen ihre Gelehrsam- keit 752

Scriptores hist. Aug. s. 'historia Augusta'

Senat: acta senatus oder commentarii s. aufgezeichnet 254 f.; als Quelle für Historiker 256; senatuscons. de ambitu vom 11. Febr. 55 v. Chr.: 16; de oder ex senatus sententia oder consulto 80, 1

Seneca d. ä. 616

Sertorius 507

Sevirat 203

Solinus, vollständigerer benutzt von Ammianus Marc. 4160".

Sorex, archimimus 94 f.

Sosthenion, Hafen bei CP. 740

Spanien: s. 'Munda'

Spurius, Praenomen 137

Stesichoros, Geburtsjahr 40f.

Stichometrie 286 ff.

Subscriptionen in Liviushss. 1501f.; des Mavortius 487

Sueton, nicht abhängig von Tacitus sondern von Cluvius Rufas 250 ff.;

de regibus benutzt im Chronogr. vom J. 854? 559. 56S, 1; de viris ill. als Quelle des Hieronymus 610 ff'.

Syramachi 493

Synkellos, Quelle 607, 1

'Tabulae honestae missionis', Ortho- graphisches 7550".

Tacitus und die acta senatus 253 ff". ; undCluviusRufus '224ff'.; Darstellung stellenweise flüchtig oder gefärbt 237 ff'.; Excurse 247, 7; Zeit der Herausgabe der Historien 227

Tarpeiasage .068, 3

templum Castorum et Minervae, erbaut von Domitian 573, 2

Teretina tribus 280flF.

Theoderich u. Odovakar 7 19 ff'.

thermae Titianae et Traianae 573, 5. 619

Tiberius, Expeditionen 182 ff'.

Tillius, L. Tillius Cimber 189

Timagenes, Leben u. Werke 408 ff'., be- nutzt von Pompeius Trogus, Strabon u. Ammianus Marc. 410 ff'.

Traian, Todestag 574, 6

Trerus, Fluß (= Sacro) 281 f.

tribules clientes 143, 1

triquetrum 806

Valentinianus 1., seine Bedeutung 391 Valentinus, Adressat des Clironogr. vom

J. 354: 561 Valeria, District: s. 'Flaminia' Valerius, M. Valerius Probus de notis

antiquis 206 ff. 218 Varius, L. Varius Rufus, sein 'Thyestes'

218 Vecellinus, Cognomen 12 Vegetius de re militari, Überlieferung

442 ff. via Patiuaria 572, 5; viae publicae 278 f. Victorius, Namensform 222, 1 vigiles in den Municipien 197 Virgilcommentare als Quelle der origo

gentis Rom. 436 ff'. Vitalianus, Aufstand unter Anastasios I.

734 «•. Vitorius Marcellus und seine Familie

221 ff'. ■^olusius Maecianus 264 ff.

Register der behandelten Stellen.

Weinhandel von Italien nach Gallien

37 f. Weltmonarchien 71 f.

823

Zahl- und Bruchzeichen anf Inschriften und Münzen 765 ff.; quingenta miJia 788 ff.

Zosimos, Lebenszeit 699

II.

Register der behandelten Stellen.

Ammianas Marc.

14, 6, 20 - 392. 430

15, 9, 8 410, .3

15, 12, 5 - 394 f.

16, 11, 4 - 426 22,8, 17 f. 414 22, 8, 20 - 413. 4 22, 8, 47 - 417, 3 22, 12, 8 - 426f. 22, 15, 9 - 420

22, 15, 16 417, 9

23, 5, 15 _ 427'

24, 2, 6 f. - 427 f. 24, 6, 3. 5 - 428 24, 7 - 429 26, 4, 6 - 429

26, 7, 14 - 429 27,3, 3 - 388f.

27, 12. 1 - 429

28, 3, 9 - 430 30, 7, 5 480 33, 6, 74 - 416, 1

Anthologia lat.

Edition einiger, z. T. mittelalterlicher

Gedichte 499 ff.

Asellio

fr. 9. 10. 11. !3 Feter _ 506

(aesar

bellum civile 3, 8, 4. 10, 5 42 f.

bellum Gallicum, passim 44 ff.

bellum Hispanieuse, passim 61 ff. Tannen adversns paganos' 485ff. Cassins Heini na fr. 38 Peter 90 Catnllu.s 1 _ 219f

(.'edrenus: s. 'Kedrenos'

Charisins

GLK I 138 Cicero

pro Fonteio 9, 19

pro Roscio com. 10, 28 f. ad Att. Buch 4, Blätter-

versetzung

ad Att. 4, 16 ff. _ 6, 1, 17 _ 9, 9, 4 _ ad Qaint. fr. Buch 2, Blätter- versetzung

ad Quint. fr. 2, 4ff.

de republ. 2, 10 _

2, 22, 39

Laelius 11,36 _

25, 96 _

Dionysios Hai.

ant. 1, 19 _

Ennodins

paneg. in Theodos. p. 209

Vog. _ 721, 3

vita Epiphanii c. 7. 79 ep. 9, 30 _

Engippias

vita Severini, passim

Easebios

Chronica, armenischer Text

92

37 f. 790 f.

13 ff'.

30 ff.

35

790

13 ff. 20 ff 39 ff. 35 12 12

72 f.

724,1 431 431

521 ff-.

Fannins

Rede g. Gracchus Festns

p. 326

p. 363 Teretina tribus

p. 371 vectigal

580ff. 607

92

93 f. 280 ff. 278

824

Register der behandelten Stellen.

278

- 279

p. 371 viae p. 372 vecors

Firmicns Maternus

math. 2, 32 (I 81, 9ff. Kroll-

Skutsch) - ^8ff.

Florus

2, 9 (3, 21 = p. 89, 21 Jahn) - 91 f.

Hieronymus

Chronica, passim -622tf. b83tt. quaest. in Genesim opp. HI

p. 337 Vall. - 666, 1

Horatius

carm. 4, 8 - 1^^'/

sat. 1, 6, 24 - 189f-

epist. 1, 13 - 17^' 1

2, 1-3 - nSff.

Innocenz I.

Schreiben an den Bischof von Antiochia vom J. ca. 408 (Mansi, coli. 3, 1055)

- 659, 4

Inscbriften

C. 1. L. 1 195 - 769, 1. 781, : III 4464 III 4855

V 4087 VI 1706 VI 14672 VI 30794 VI 31402

VI suppl. 32536 VllI 8473

VIII suppl. 17408

X 7996 XI 1118 XI 3614

XI 5400 XII 2228

XIV 250 Ephemeris epigraphica V

n. 301 Christliche (Bianchini ad

Anastas. bibl. III p. 88) hie requiescit hoc monumentum heredera

non sequetur

782,1 282 312,6 797 658,1 191,1 . 187

390

779, 2

- 644,2

- 762

- 697

- 499 f.

- 255, 1

- 205

- 312,6

- 268, 1

- 312,6

- 562 f.

- 203

loliannes Aiitioch.

Exe. Const. IIl 138 ff. de Boor lordanis

bist. Rom., Anf.

p. 46, 17 -

lastinns

2, 4, 2 Kedrenos

I p. 260 Bonn. Llvins

2, 8-15

3—6 passim -

3,24 10, 47

20 fragm. ""

22, 49, 15 f. 41, 27, 11 f. 45 Schluß 91 fragm. MUn/en

Eckhel 7, 421 f.

Novius

102 f. Ribb.

Obsequens

p. 120, 14 Jahn

Pacuvius

216 Ribb.

Petronius

30 (Kalender)

71 (Grabschrift des Trim.)

Plautus

Casina, prol.

Flinius

nat. bist, praef. Anf.

2, 104, 235

Plinius

epist. 1, 16, 5

Plutarchos

Sulla 36 quaest. Rom. 6 Polemins Silvius

Pomponins

201, 1 in Dig. 1, 2, 2, 45

712 ff.

519 f. 736,2

414

568, 1

- 675 f.

- 124 ft'.

- 161

- 161

- 163 ff.

- 89

- 91

- 151

- 147 f.

- 644,2

- 279

- 169

- 279

- 542 _ 200 ff.

_ Ifi-.

- 219f.

- 91

94

- 165

- 640 ff.

186, l

Register der behandelten Stellen.

825

Priscianus

Snidas

de fig. num. p. 407 K.

- 790

V. TifiayivTjs

409, 4

Ptolemaios

Snetonins

Geogr. 3, 3, 3

697 f.

Tiberius 9

182f.

5, 9, 18

412, 6

6, 3, 5 = 8, 21, 6

- 403, 1

Tacitus

Qnintilianns

ann. 2. 88

- 262 f.

inst. 1, 6, 30

806

3, 13

263

Sallustins

4,53

- 263

Catü. 26fF. bist. 1, 34 Maur. 1,63

- 86f.

- 88

- 88

6,7 14,21 15,74 16,32

- 257,2

5

- 257, 2

263

4, 69 lug. 39, 2

88f.

- 79 f.

bist. 4, 39

-

- 247, 5. 249, 1

43,1

80 f.

Tarro

46-73

78

de ling. Lat.

5,32

73

Scriptores liist. lug.

7,16

73

V. Marci 25

- 266

Vegetlns

V. Avidii Cassii 7

- 266

de re mil, 2,

25

- 738,4

V. Severi 17, 5

- 350,1

Yelleins

V. Maximini, passim

334 ff.

1,6

71

91

91

T. XXX tjrann. 33, 1

- 307,6

2, 27

V. Probi 24

-345

2,' 29

Senins

Serv. Dan. in Aen. 1, 421

90 f.

Zosimos

Solinns

2,33

660, 1

15, 17

- 417, 1

Zwölf Tafeln

Strabon

7, 7 Schöell

278 f.

3,2,2

- 67

M0M3ISEX, SCHR. Vn.

53

Weimar. Hof - Buchdruckerei.

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«wuir^Gc-^.. MAY 201970

DG 15

Bd.7

Mommsen, (Theodor

Gesammelte Schriften

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UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY

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