HANDBOUND AT THE

UNIVERSITY OF TORONTO PRESS

GESCHICHTE

DER

DEUTSCHEN SPRACHE

VON

JACOB GRIMM.

ZWEITER BAND.

VIERTE AUFLAGE. \^

f^"''

LEIPZIG

VERLAG VON S. HIRZEL. 1880.

Druck von Hundertstund & Pries in Leipzig.

XXI. HESSEN UND BATAYEN.

Dasz ich von den Hessen ausführlicher handle als dieses buches 565 ganzer anläge gemäsz scheint, wird keinen der mich kennt verwun- dern, da ich an meiner heimat, in der meines bleibens nicht war, immer lebhaft hieng und noch hänge.

Die Hessen sind, auszer den Friesen, der einzige deutsche volks- stamm, die mit behauptetem altem namen bis auf heute unverrtickt an derselben stelle haftet, wo seiner in der geschichte zuerst erwähnt ward, denn wenn schon der Sueven name aus frühster zeit fortbe- steht, sind doch ihre sitze weiter gesteckt und veränderlicher gewesen, dies in seinem beginn unvordenkliche, mit dem volksgefühl verwachsne einhaben angestammter statte ist ein vortheil, aus welchem mehr als eine tugend flieszt. auch die Hessen, gleich den übrigen Deutschen müssen einmal in ihre landstriche eingewandert sein; aber wann und unter welchen umständen es geschah weisz die geschichte nicht, nur reicht ihre ankunft lange hinaus über Caesars zeit, der die erst von den Chatten ausgewanderten Bataven bereits auf der insel des Nie- derrheins kennt.

Caesar selbst nennt die Chatten nie ; allein nur sie gemeint haben kann er unter den Sueven, die er als nachbarn der Cherusken im bakenischen walde schildert (s. 491), unter den Sueven, von welchen er 4, 16 die Ubier gedrängt werden läszt, wie sie bei Florus mit Cherusken und Sigambern ungemachte beute theilen (s. 521). es 566 flieszt daraus für unsre Untersuchung gleich der wichtige satz, dasz die Chatten ein hochdeutscher, zu den Sueven nah gehöriger stamm sind (s. 494).

Ich will dafür einen beweis aus unscheinbarer volkssage führen, den ich nicht gering schätze, noch heute nennt man in ganz Deutsch- land, ohne zu wissen warum, beide die Hessen und Schwaben ""blinde', und wer etwas nicht gesehn hat, das andern in die äugen fiel, wird auf der stelle "^ein blinder Hesse' gescholten. besonders ist diese schelte den sächsischen oder westfälischen nachbarn der Hessen zur

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band; ich finde aber auch, dasz die Niedersachsen im 16. jh. den Hessen den beinamen "^Hundhessen ertheilten, was man auf den hund- ähnlichen löwen der hessischen fahne bezog*, ein müUer zu Affoltem nannte die hessischen Soldaten im j. 1622 'blinde hundehessen, Schelme, diebe und räuber ,** Süddeutschen und Schweizern müssen die Schwaben herhalten: ""blinder Schwab' ist schweizerisches Sprich- wort (Kirchhof er s. 94). 'ei ist es wahr , heiszt es in Nefflens vetter aus Schwaben s. 166, 'dasz die bauern in Schwaben zehn tage blind bleiben nach der geburt? mein groszvater sagte mirs, er war in Schwaben einmal gar lange im quartier . Leonh. Thurneiser, der be- kannte Baseler arzt, schreibt 3, 147 (im j. 1584): 'schwäbische art; welche geschlecht der menschen nach der geburt, wie man vermeint, neun tage als die hunde blind ligen sollen.' Was so tief in scherz und ernst des volks wurzelt, kann nicht anders sein als uralt, und ich zweifle nicht, dasz im dreizehnten und neunten jh. dieselben redensarten, vielleicht nur verschieden gewendet und ausführlicher entwickelt aus dem munde der leute giengen.

Wie sie nun deuten? schon Moser läszt die frage auf werfen 567 und nicht uneben beantworten***, es konnte selbst Römern, die den namen Chatti oder Catti hörten, einfallen ihn mit catus, catulus, catellus und catta zu vergleichen (s. 38. 39); ich weisz nicht, wann zuerst in unserm mittelalter aus Melibocus, bei Ptolemaeus ro MriU- ßoüov OQog, die Vorstellung Cattimelibocus und der deutsche name der grafen von Katzenellenbogen sich erzeugte, in deren gebiet ein Malchenberg (mallobergus) diese anwendung erleichterte, in deren fahne, wie in allen hessischen, der löwenhund warf. Dieser einklang erklärt aber blosz den hessischen namen, nicht den schwäbischen, es ist an sich völlig unwahrscheinlich, dasz aus dem lateinischen witz die deutsche sage und schelte, die Schwaben und Hessen in gemeinschaft schon auf sich nehmen dürfen, entsprungen sei.

* Lüntzels hildesheimische stiftsfehde s. 36. 38. 39. ** Rommels hess. geschichte 7, 202.

*** Mosers werke 5, 26: ich weisz nicht wie die rede eben auf dieblin- den Hessen fiel, als jemand fragte, woher es doch in aller weit kommen möchte, dasz man die Hessen bhnd nennt,^ da doch diese nation gewis eine der scharfsichtigsten in Deuschland sei? 'o' rief der alte präsident von Z . . . aus, 'das will ich ihnen wol sagen: die Hessen hieszen ehmals Rat- ten oder Khazzen, woraus zuletzt Hessen geworden; und es ist sicher eine anspielung auf die blinde geburt der katzen, dasz man die Hessen mit jenem sobriket beehrt hat, welches itzt, da die Hessen nicht mehr Khazzen heiszen, ganz wegfallen sollte. Wahrscheinlich haben die Cherusker, die mit den Katten in beständigem kriege lebten, jenes sobriket zuerst aufgebracht.' t oder auch katze (Zeitschrift des hess. Vereins 4, 13). Heinrich I er- scheint in der zweiten hälfte des eilften jh. als ältester Graf von Katzen- ellenbogen; eines seiner nachfolger gedenkt Walther von der Vogel weide 81, 6. Übergang aus dem M in N war natürlich und gebir^sgestalten nach thieren zu benennen üblich. Rühs in seiner gesch. des mittelalters s. 621 versichert höchst naiv: der name kommt nicht von den Chatten, sondern von dem alten schlosz Katzenellenbogen, das ist als behauptete man, der name Böhmen komme von Bojohemum, nicht von den Bojen.

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Sichersten aufschlusz gewährt uns also der mythus von den Weifen, der sich unter Baiern, Schwaben und Hessen, wie wir s. 468 sahen, wahrscheinlich auch bei Skiren und Eugiern, in wechselnder Überlieferung seit uralter zeit entfaltet hat ; er scheint mir hochdeutscher abstammung volles zeichen. Die an manchen orten auftauchende sage 568 meldet von drei, sieben, zwölf auf einmal gebornen knäblein, die, weil sich ihre mutter fürchtete, oder eine böse schwieger es veranstaltete, ausgetragen und ersäuft werden sollten, durch dazwischenkunft des vaters aber, dem man sie für blinde weifer* angab, zur rechten stunde gerettet wurden, hiernach empfangen sie den namen Weife, Hunde oder Eitelwelfe, Eitelhunde und werden stammherrn berühmter ge- schlechter, auch die abweichung kommt vor, dasz man die neugebornen drillinge dem priester spöttisch als hunde oder weifer zur taufe darge- tragen habe. Mir scheint nun, dasz ein solcher mythus schon in ältester zeit von einem urahnen der Sueven, Hessen und Baiern umgieng, und der ihm angewiesne name sich nicht nur in seinen söhnen und nachkommen, mit sagenhafter Verschiedenheit, wiederholte, sondern auch in natürlicher anwendung auf das gesamte volk fortübertragen wurde, und bei dem volk blieb zuletzt der Vorwurf weifischer blindheit hängen. Es mag sein, dasz das alterthum zugleich von einem wirklich blind gebornen beiden, wie sonst von stummen oder tauben zu erzählen wüste, dem hernach äugen und zunge gelöst wurden und der dann um so gewaltiger er- schien**; ein solcher kann davon den namen Weif, Welfo, wie der langobardische Lamissio von der "^lama' (piscina), in welche er ausge- setzt war, erhalten haben, huelf bezeichnet eigentlich catulus (s. 39), wird aber gleich diesem auf die blindgebornen jungem der löwen, wölfe und katzen erstreckt, und weil durch abstumpfung der form huelf in weif scheinbare ähnüchkeit mit wolf hinzutrat, so begreift es sich, dasz in hochdeutscher heldensage auch der wolf eine grosze rolle spielt. In solchem sinn werden also die Wolfunge den Weifen identisch, und Wolfdietrichs name findet die nebenbedeutung, dasz er als neugebornes kind von einem wolf in den wald getragen wird, im Wappen schwäbischer und hessischer geschlechter konnten sich die weifer von selbst zu löwen umgestalten, wo nicht hunde und wölfe 569 schon im namen blieben, wie bei den hessischen Hunden von Holz- hausen und Wölfen von Gudenberg. Mit dieser Übereinkunft hessischer und schwäbischer sagen und namen ist, wie micht dünkt, jene uralte gemeinschaft der Chatten und Sueven nicht wenig bestärkt worden***.

Sie rechtfertigt sich auch durch die bald freundliche, bald feind- liche berührung, in welche schon zu Caesars zeit und nachher solche suevische Chatten ihre östliche läge mit den niederrheinischen Sigambern

* vgl. Plinius 8, 40.

** in der edda ist Helblindi eines wolfs und zugleich Odins name. *** in andern mythen erscheint Verschiedenheit, wie sie selbst unter mehrern suevischen stammen obwalten mochte, z. b. in dem hessischen Holle und schwäbischen Berthacultus, falls sich nicht durch die schwä- bische Hildaberta (mythol. s. 255) sogar beide einigen.

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und den Cheruskern zwischen der Weser und Elbe brachte. Was den älteren Schriftstellern hier noch Sueven heiszt, geht allmählich in den genaueren namen der Chatten über. Sueven und Sigambern waren es, die römisch gesinnten Ubiern feindlich entgegentraten. Als 12 j. vor Chr. Drusus durch das land der Sigambern, die damals mit den Chatten überwerfen waren (Dio Cass. 54, 23), bis zur Weser gedrungen war, scheint diese gefahr die Deutschen schnell wieder geeint zu haben und bei Arbalo setzten sie dem weichenden feinde sich zur wehr; doch der sieg blieb den Römern, deren feldherr festen anzu- legen bedacht war, im sigambrischen lande Aliso, im chattischen dicht am Rhein, einige jähre später fiel er nochmals über verbündete Chatten und Sigambern (Dio Cass. 54, 36). ein dritter feldzug, der im j. 9 vor Chr. mit des Drusus tode endigte, war noch tiefer in das chattische, cheruskische und markomannische gebiet vorgerückt: Ttgo^ld^B ^B%Qi rijg Uovrjßiag sagt Dio Cassius 55, 1, der sonst Chatten von den Sueven unterscheidet, im auszug der verlornen bücher des Livius heiszt es 138: Tencteri, Chatti aliaeque Germano- rum trans Rhenum gentes subactae a Druso referuntur; bei Pedo (oben s. 521) sind an der Chatten stelle wiederum Sueven genannt. 570nian erkennt deutlich wie sich diese nam^n vertreten; wenn Tacitus Germ. 38 behauptet: Suevorum non una ut Chattorum Tencterorumve gens, majorem enim Germaniae partem obtinent, propriis adhuc nationibus nominibusque discreti, quamquam in commune Suevi vocen- tur, so können hiernach zwar die Sueven nicht Chatten, wol aber die Chatten Sueven heiszen.

Im ganzen ersten jh. flieszt die künde von den Chatten reicher, als in den folgenden, und den Cherusken zur seite treten sie als eins der bedeutendsten und tapfersten deutschen Völker auf. Zwar dem Strabo, der uns den chattischen namen neben Livius zuerst ausspricht, erscheinen die Sueven als das gröszte unter allen (^syiötov tcov Zlotjßav sQ'vog) vom Rhein bis zur Elbe; EvdBsöTBQtt tb'vt] yigfia- VLnä sind ihm Cherusken, Chatten, Gambrivier (d. i. Sigambern) und Chattuarier. Plinius 4, 28 ordnet dem herminonischen hauptstamm unter : Sueven, Hermunduren, Chatten und Cherusken. Tacitus aber, nachdem er von den Bataven und Mattiakern, die beide chattischer abkunft sind, und den undeutschen bewohnern des zehntlandes geredet hat, ergieszt sich (Germ. 30) in das lob der Chatten, ihr gebiet ist kein flaches und sumpfiges, sondern hügeliches land, das sich vom herkynischen wald gegen den Rhein erstreckt: et Chattos suos saltus hercynius prosequitur simul atque deponit. Duriora genti corpora, stricti artus, minax vultus et major animi vigor; multum ut inter Germanos rationis ac sollertiae, was an ihren kriegerischen tugenden näher entfaltet wird, omne robur in pedite, im gegensatz zur ge- rühmten tenctrischen reiterei; was bei andern Deutschen selten wahr- genommen wird, ist bei ihnen allgemeiner brauch: ut primum adole- verint, crinem barbamque submittere, nee nisi hoste caeso exuere vo- tivum obligatumque virtuti oris habitum. super sanguinem et spolia

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revelant frontem, seque tum demum pretia nascendi retulisse dignos- que patria ac parentibus ferunt. ignavis et imbellibus manet squa- lor. Es ist, als höre man im epos erzählen, wie der held, auf dem erlegten feind stehend, seines gelübdes endlich ledig, sich die langen haare aus der siegesfrohen stirn streicht; der zug begegnet öfter in lied und sage, dasz einer durch gelübde verbunden ist haar und bart^'^l wachsen zu lassen, bis ein kämpf gefochten oder räche genommen sei.* gleich feiglingen zeigen sich die unerledigten mit zottigem, un- gepflegtem haarwuchs. erst der sieger darf seine stirne aufräumen, und die locken, nach suevischer weise, oben zusammenschürzen. Aber noch ein andres zeichen wird namhaft gemacht: fortissimus quisque ferreum insuper anulum, ignominiosum id genti, velut vinculum ge- stat, donec se caede hostis absolvat; plurimis Chattorum hie placet habitus, jamque canent insignes et hostibus simul suisque monstrati. omnium penes hos initia pugnarum, haec prima semper acies, visu nova. nam ne in pace quidem vultu mitiore mansuescunt. nulli domus aut ager aut aliqua cura; prout ad quemque venere aluntur; prodigi alieni, contemptores sui, donec exsanguis senectus tam durae virtuti impares faciat. Diese in der schlacht vorkämpfenden, ohne haus und hof lebenden, aber wo sie hinkommen vom volk unter- haltnen tapfersten krieger haben einige ähnlichkeit mit den nordi- schen berserkern wie mit einzelnen zügen des ritterlebens im mittel- alter und der noch späteren landsknechte. Der schimpfliche eiserne ring gemahnt merkwürdig an die fpogßHci oder pferdehalfter , die nach einem alten gesetz in Makedonien umgürtet tragen muste wer noch keinen feind erlegt hatte**, vielleicht auch an das satteltragen in unserm mittelalter (RA. 718) und die circuli ferrei (RA. 710), nur dasz dies alles zur strafe auferlegt, die fessel des eisenrings frei- willig von den mutigsten erwählt wurde, um sich durch den schein der Schmach zu gröszeren thaten anzutreiben.

Diese Schilderung der Chatten konnte Tacitus, dem ihre geschichte fast bis zum ausgang des ersten jh. vorlag, im allgemeinen aufstellen; 572 seine übrigen Schriften berühren aber hin und wieder im einzelnen, was bei ihnen vorgieng.

Des Yarus niederlage im j. 9 nach Chr. trachtete Germanicus sieben jähre später zu rächen; er überfiel mit ansehnlicher macht unversehens die Chatten an der Adrana, und verbrannte Mattium, ihren hauptort. die Cherusken wurden von Caecina abgehalten den Chatten beizuspringen (ann. 1, 56).

Gleich im folgenden j. 16 muste Silius diesen einbruch ins chat- tische gebiet wiederholen (ann. 2, 7. 25). das erstemal trug er nur

* Tacitus selbst meldet bist. 4, 61 von dem batavischen Civilis: bar- baro voto post coepta ad versus Romanos arma propexum rutilatumque crinem patrata demum caede legionum deposuit. Paulus diac. 3, 7; sex millia Saxonum devoverunt, se neque barbam neque capillos incisuros, nisi se de hostibus Suavis nlciscerentur.'

** Aristoteles polit. VII. 2, 6.

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geringe beute davon, nahm aber äes chattischen fürsten Arpus ge- mahlin und tochter gefangen, die beim zweitenmal entfaltete römische Streitkraft von 30,000 fuszgängern und 3000 reitern gestattet einen schlusz auf die chattische bevölkerung, gegen welche ein so bedeu- tendes beer auszusenden nöthig schien.

Im jähr 17 sah Rom den groszen triumph, durch welchen des Germanicus unvollendete siege über die Deutschen gefeiert wurden; es heiszt bei Tac. ann. 2, 43: triumphavit de Cheruscis Chattisque et Angrivariis, quaeque aliae nationes usque ad Albim colunt. vecta spolia, captivi, simulacra montium, fluminum, proeliorum; bellumque quia conficere prohibitus erat, pro confecto accipiebatur. in diesem Schaugepränge, das uns Straljo p. 291. 292 unmittelbar aus seiner zeit näher schildert, musten auch die gefangnen deutschen fürsten mit ihren frauen und kindern einhergehn : darunter 'Pa^ig, OvXQO^v- gov ^tJfccTijQ ^y^fiovog Xarrcov, dem cheruskischen söhne Segimers Sesithak vermählt, welchen OvKQOixvQog aber Tacitus ann. 11, 16. 17 Actumerus nennt; wahrscheinlich auch jene frau und tochter des Arpus, endlich Alßrig tav Xccxrov iegevg, vielleicht der ahd. name Liupo; dieser priester muste unter dem volk in ansehn gestanden haben, weil ihn der römische pomp gleich den fürstlichen geschlech- tern hervorhob. Dasz die Chatten auszer priestern auch weissagende frauen (alahtrudi s. 563) hatten, wie die Bructerer Velleda, lehrt eine 'chatta mulier', die dem Vitellius, als er von Galba nach Deutsch- land gesandt worden war (im j. 68) sein Schicksal verkündete (Sue- tonii Vitell. cap. 7. 14). 573 Zur zeit der Agrippina im j. 50 heiszt es ann. 12, 57: iisdem

temporibus in superiore Germania (d. i. den decumatischen ländern) trepidatum adventu Chattorum latrocinia agitantium. dein Lucius Pom- ponius legatus auxiliares Vangiones et Nemetas addito equite alario monuit ut anteirent populatores vel dilapsis improviso circumfunderen- tur. et secuta consilium ducis industria müitum, divisique in duo agmina quae laevum iter petiverant recens reversos praedaque per luxum usos et somno graves circumvenere, auctalaetitia, quodquosdam eclade variana quadragesimum post annum servitio exemerant. dies dient zum beweis, dasz die Chatten gegen Varus mitgefochten und die ganze zeit über damals gefangne Römer als knechte mit sich geführt hatten, welche genaue künde von ihnen zu erth eilen musten diese im stände sein.

Ins jähr 58 fällt ein für die Chatten übel ausgeschlagner krieg zwischen ihnen und den Hermunduren über die Salzquellen (wahr- scheinlich der Werra, wo noch heute Salzungen liegt* [aber auch Allendorf]), wovon Tacitus 13, 57 merkwürdige nachricht gibt.

Bei dem bata vischen auf rühr unter Civilis im j. 69. 70 kann kein germanischer volksstamm heftiger angeregt worden sein, als die Chatten, und die belagerung von Mainz durch Chatten, üsiper und Mattiaker (bist. 4, 37) hieng ohne zweifei eng damit zusammen.

Salzunga in finibus Thuringiae super fluviumWisara. Schannat n" 454.

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Im j. 88, unter Domitian, der selbst einen heerzug gegen die Chatten unternommen hatte (Suetonius in Dom. 6), brach ein krieg zwischen Chatten und Cherusken aus, in welchem letztere völlig unterlagen, so dasz Chariomer, ihr fürst, bei den Römern, aber um- sonst, hülfe suchte (Dio Cass. Reim. p. 1104). Nicht den kämpf selbst, nur dessen ausgang schildert Tacitus Germ. 36, offenbar mit zu grellen färben: in latere Chauchorum Chattorumque Cherusci nimiam ac marcentem diu pacem illacessiti nutrierunt. idque jucundius quam tutius fuit, quia inter impotentes et validos falso quiescas ; ubi manu agitur, modestia ac probitas nomina superioris sunt. Ita qui olim574 boni aequique Cherusci, nunc inertes ac stulti vocantur*. Chattis victoribus fortuna in sapientiam cessit. Tracti ruina Cheruscorum et Fosi, contermina gens; adversarum rerum ex aequo socii sunt, quum in secundis minores fuissent. Diese sonst nie genannten Fosi sollen an der Fuse gewohnt haben, welche sich in die Aller gieszt [weisth. 3, 249. 250], ich denke, die schnellrinnende, füsa, ahd. funsa? Aus dem sieg der Chatten folgert man unsicher eine beträchtliche ausdehnung ihres gebiets gegen osten, wie sie die geographischen angaben des Ptolemaeus zu begehren scheinen.

Nach den bisher gedachten meidungen erstreckten sich die Chat- ten im Westen gegen den Rhein und an die Usipeten, im norden an Tencterer, Sigambern, es scheint auch an eine ecke der Chauchen**, im osten an die Weser und Cherusken, im Süden an Hermunduren, vielleicht noch an andere Sueven und das decumatische land. des Volkes kern und mittelpunct lag an der Adrana (Eder, Edder), wo sie sich in die bei Römern nie genannte Fulda*** ergieszt. dieselbe gegend ist auch später und bis auf heute unverändert als eigentlicher 575 sitz der Hessen angesehn worden, welche die Werra von den Thüringen, ein dorf Wolfsanger an der Fulda unweit Cassel von den Sachsen schied [Landau Hessengau 75]. Ptolemaeus aber in der ersten hälfte

* galten solche beinamen in gutem und bösem sinn unter den Deut- schen selbst, so kann es nicht befremden, dasz frank (s. 513. 519. 522) und quad (s. 507) in förmliche namen übergiengen.

** Chauchorum gens in Chattos sinuatur. Germ. 35. hatten sich die Chauchen einen schmalen streif an der Weser mitten durch cheruskisches land errungen? oder ist für Chauchorum zu lesen Chamavorum?

*** auch der geographus ravennas nennt sie nicht, vor dem achten jh. wird der name Fuldaha, Fulda kaum erscheinen : fuldense monasterium fun- dari coeptum a Bcaifacio anno 744 (Pertz 1, 345). nun läszt er sich zwar ab- leiten vom ahd.fulta terra und bedeutet einen landflusz (fultaha) [Roth beitr. 1,13], wozu die alte Schreibung Fulta (MB.28», I a. 777 und Pertz 2, 83) stimmt, das D ist dem alts. folda, ags. folde gemäsz. Da sich aber slavische ansiedier den Main entlang bis ins Fuldische niederlieszen; so darf auffallen, dasz auch die böhmische Moldau den Slaven selbst Wltawa, Wletawa heiszt und in den ann. fuld. beiPertzl,385 Fuldaha, Waldaha eben dieseMoldau meint; im rus- sischen bezirk Minsk ergieszt sich ein flusz Volta, Velta in die Dwina. Oder begegnen sich, noch höher hinauf, sogar die Wörter folda terra (finn. peldo ager, arvum) und molda terra (finn. mulda, multa) ahd. molda? in der edda Ssem. 94» ist foldvegr, was 240» moldvegr. M und F können leicht neben und für einander eintreten, wie sonst M und B (Massel und Bassel, weisth. 2, 516).

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des zweiten jh. rückt die Chatten ostwärts vor, fast^in das heutige Thüringen, zwischen Chamaven und Tubanten, welche ganze Stellung, wie die der langobardischen Sueven, bei ihm verfehlt oder vielfach dunkel scheint; es gebricht uns an genauen meidungen über die läge und geschichte der Chatten im laufe des zweiten und dritten jh., als dasz eine berichtigung thunlich wäre, wenig aber hat es für sich, dasz über die Weser hinaus im lande der Cherusken und über die Werra hinaus in dem der Hermunduren die Chatten fusz gefaszt haben sollten.

Wie seit Caesars tagen und vorher schon deutsche beere den Rhein überschritten und sich auf der linken seite des stroms in Gallien ansiedelten, wie einzelne häufen von den Römern selbst gewaltsam übergeführt ihnen befreundet und sogar im römischen beer verwandt wurden, allmählich dichtere germanische bevölkerung dort erwuchs, unter der im dritten jh. der fränkische name verlautete, ist in den vorausgehenden capiteln gezeigt worden. Wenn Sigambern und Salier den wesentlichen bestand dieser Franken bildeten, so könnte man im voraus erwarten, dasz dem alten zug nach westen folgend auch Chat- ten in die fränkische masse getreten wären; den Sigambern standen sie längst befreundet und verbündet und dasz die mit den Saliern örtlich sich berührenden Bataven aus der Chatten schosz hervorge- gangen waren, muste im andenken des volks unvergessen sein, auch wohnen gerade in batavischer gegend, wie nachher anzugeben ist, die noch ganz chattisch benannten Chattuarii, und Sulp. Alexander 576 bei Gregor von Tours 2, 9 läszt zu Valentinians zeit den in frän- kischer geschichte neben Sunno auftretenden Marcomir (s. 519) aus- drücklich als chattischen führer erscheinen, selbst die bei Ptolemaeus neben Danduten und Turonen aufgeführten MaQovtyyoi leiden ver- gleich mit den fränkischen Merowingen und bezeugen uralten Zu- sammenhang zwischen Franken, Chatten und Thüringen, dessen die geschichte dieser stamme vielfach eingedenk bleibt. l3ennoch scheint das innere chattische volk nicht aus seinem Stammsitz an der Eder gewichen, und weder früher jemals in die legionen der Römer ein- geworben*, noch später ein eigentlicher bestandtheil des fränkischen siegesheers. Um so weniger wird sich behaupten lassen, dasz der name der Chatten, wie er zuerst in dem der Sueven begriffen war, zuletzt in dem der Franken aufgehe; zwischen dem mächtig auf- blühenden fränkischen reich im westen und dem thüringischen im Südosten erblich der Chatten rühm, nicht ihr name.

Hier liegt es mir ob, früher angeregten grammatischen zweifei gegen die gleichheit des chattischen und hessischen namens wieder zu tilgen.

Die Römer schrieben Chatti (Strabo und Dio Xarrot, Ptolem. Xaztai) ganz nach fränkischer weise (s. 543), und wie Chamavi in Hamaland (s. 530) übergieng, muste das CH in Chatti allmähHch sich

* die notitia dignitatum nennt Bataven, Mattiaker, Bructerer, Tuban- ten, niemals ühatteu.

HESSEN ; ^^^^V 40t

in H wandeln, auch erscheint in dem namen eines von den Chatten entsprossenen nebenstamms, auf welchen ich zurückkommen werde, die form Chattuarii gemildert in Hattuarii und sogar Attuarii, wie wir es in Charibertus Haribertus Aribertus, Chilpericus Hilpericus Ilpericus fanden (s. 544). der anlaut macht also keine Schwierigkeit und für Chatti würde ahd. Hazzi Hazi ganz in Ordnung sein, denn auch für Hattuarii begegnet ahd. Hazzoarii in den annalen bei Pertz 1, 7. 343.

Warum aber erscheint das seit jener letzten anführung des Sul- pitius Alexander verschollene chattische volk zuerst wieder bei den 577 fränkischen annalisten des achten jh. durchgängig unter der benennung Hassii oder Hessii und nicht Hazzi Hezzii? die briefe des Bonifacius schreiben 'in confinio paganorum Haessonum et Saxonum', die vita Bonifacii Hessi Hessorum, die annales Einhardi (Pertz 1, 153) Hassi, und so finde ich überall auch in dem häufigen aus dem volksnamen geleiteten mannsnamen Hassi, Hassio, Hesso nur SS, nicht ZZ ge- schrieben: 'Hessi unus e primoribus Saxonum' (Pertz 1, 155. a. 775) 'cum Hassione' (Pertz 1, 154). die heutige Schreibung »Hessen ist also schon durch die mhd. (Nib. 175, 1) und ahd. rechtfertig, und es wäre überflüssig noch mehr belege zu häufen, ein Schwab oder Baier des siebenten jh. würde in diesem volksnamen ZZ, ein Sachse TT ausgesprochen haben, das im achten entfaltete SS erklärt sich aus beiden, und hat andeie analogien: vom goth. vitan wird das praet. vissa für vitida, vom ahd. wizzan wissa wössa für wizzita gebildet und eben daher entspringt das goth. adj. viss certus, ahd. kiwis gen. kiwisses; aus altn. sitja sedere sess sella und sessa pulvinar. wir sahen s. 358, dasz auch aus lat. sedeo sessum, aus meto messum her- vorgieng ; es besteht eine uralte assimilation der inlautenden lingual- muta in die spirans, zumal bei geläufigen formen wie eigennamen.

Kann hiernach die Verschiedenheit der namen Chattus Chatta (und Chattio, wie Francus Francio) Hazzo Hassio Hesse keinen anstosz geben, so wird auch über den ursprünglichen sinn dieses worts wenig zweifei bleiben; es ist zurückführbar auf eine eigenthümlichkeit der tracht, die den ganzen volksstamm, oder vielleicht den an seine spitze treten- den heros und gott auszeichnete. Tacitus hebt zwar kein solches kennzeichen an den Chatten hervor, es könnte etwas gewesen sein, was allen Deutschen bemerkbar, dem äuge der Römer nicht aufl"iel. ags. heiszt hat, engl, hat, altn. hattr pileus, pileolus, galerus, etwan eine hauptbinde und haube, die sich dem ags. heafela (zeitschr. für d. alterth. 1, 136) vergleicht; das ags. häter, mhd. haz, hseze (gramm, 3, 451) scheint binde und gewand in allgemeinem sinn, merkwürdig aber führt Odinn selbst, dem wir vorhin (s. 568) auch im Helblindi578 begegneten, den namen Höttr pileatus (mythol. s. 133), wie der Geten und Gothen priester pileati hieszen; warum sollte nicht den chatti- schen yiißrjg (s. 572) solche mitra geschmückt haben? Höttr wäre goth. Hattus (gen. Hattaus) und hetja heros (myth. s. 317) könnte ihm verwandt, ja unmittelbar ein goth. hattja = ahd. Hassio Hesso

Grirain, gescUiclite der deatsclien spräche. _ 26

402 HESSEN

sein, so dasz es unnöthig wird, für die holden und krieger die im hintergrund liegende Vorstellung des hauptschmucks festzuhalten.

Ich weisz kein andres deutsches volk, bei dem sich so viele er- innerungen an das heidenthum eng neben einander bewahrt hätten wie bei den Hessen, und zwar gerade in dem landstrich, der auch als hauptsitz der Chatten angesehn werden musz. unfern von jener Don- nerseiche bei Geismar lag zugleich ein Wuotansberg im Edergrund wie im Fuldathal bei Rotenburg ein andrer Wuotansberg und Grosz- vaterberg (Ellerheitenberg), dem als groszvater gedachten Donnergott geweiht; es scheint, dasz man die heiligen örter der beiden höchsten götter gern neben einander hegte, wie auch im Norden ihre bild- seulen oft zusammen standen. Frideslar, zwischen Geismar und Gudens- berg, musz, wie der name anzeigt, eine gefriedete, heilige statte gewe- sen sein; was Geismar bedeutete, entgeht uns, weil aber mehrere örter dieses namens auf hessischem, engrischem und thüringischem boden vorkommen (die hessischen in Urkunden des eilften, zwölften jh. chesmari, gesmere, geismere, bei Pertz 2, 825 steht gaesmere), darf man einen mythischen und chattischen bezug kaum bezweifeln; die Wurzel gisan geis spirare, bullire, wovon geist, Spiritus, halitus und goth. gaisjan metu percellere, usgeisnan stupere leitet auf heid- nischen brauch an heiliger quelle; bei Geismar liegt ein Sauerbrun- nen, bei Hofgeismar ein gesundbrunnen.

Dicht vor Gudensberg liegt ein dorf Maden (urkundlich Mathana, Madana) und nordwärts am flüszchen Rhein, das auch den namen Matze, Matzof d. i. Mazzaha empfängt, ein andres Metze genanntes dorf; man hat die wähl, in welchem von beiden man das alte, von 579 Germanicus verheerte Mattium (nach Tac. ann. 1, 56 ausdrücklich 'id genti Caput') annehmen will, in die lautverschiebung, wenn TT la- teinisch sein soll, fügt sich Mattium, fränk. Mathana, ahd. Madana; war aber das TT, wie in Chatti fränkisch, so ergebe sich ahd. Mazzaha. das alte volksgericht soll eben zu Maden gesessen haben, nach wel- chem ganz Niederhessen die grafschaft Maden hiesz. In dieser gegend zwischen Eder und Fulda behaupteten sich im 11. 12. jh. hessische grafengeschlechter von Maden, Gudensberg und Felsberg, auf welche sich der geschwächte chattische glänz gleichsam zurückgezogen hatte, um neue kraft zu sammeln, noch lange zeit gieng der spruch

Dissen Deute Haldorf Ritte Bune Besse, das sind der Hessen dörfer alle sesse,

wie sie bis heute links der Eder zwischen Gudensberg und Cassel fortbe- stehn; es wird damit der enge umfang des zuletzt aufrecht gebliebnen, aber echten Hessens angezeigt. Dissen [Dusinun Landau 96] und Deute, Bune und Besse alliterieren. Ritte ist Altenritte, Bune Altenbaune ; Besse heiszt in Urkunden Passaha*. Man könnte wähnen auch im namen

* 'in Passahe et Fanahe' trad. fuld. ed. Dronke 6, 112 p. 39; in Villis duabus Ritehessis et Fanahessis' ibid. 6, 61 p. 37 mit merkwürdiger anfügung des volksnamens an den Ortsnamen, wie insgemein aus dem dat. pl.der volks- namen die örtlichen hervorgegangen sind, und wie 'Hessen' eigentlich bedeutet

HESSEN. BATTEN 403

'assel liege noch der des volks, die älteste form in einer urk. Conrad des ersten von 913 lautet Chasella, Dietmar schreibt im j. 1015 Cas- salun (Pertz 5, 840); doch wüste ich weder das zutretende L zu verstehn, noch zu erklären, warum sich niemals die gestalt Hassala Hessala zeige, anderes bedenken hat die ableitung vom lat. castellum 580 dessen T sonst nicht schwindet*, und keine spur ist hier von römi- schen bauten, wie etwa bei dem Cassel gegenüber Mainz ; bekanntlich gibt es sonst örter dieses namens, auszer dem flandrischen auch ein Cassella am Niederrhein (Lacorhblet n^ 97 und 117 a. 947. 974).

Wenig ertragen die von Römern angegebnen chattischen eigen- namen. für ' Adgandestrii principis Chattorum lectas in senatu literas, responsumque esse' bei Tacitus ann. 2, 88 schlug ich vor [Haupt 9, 225]: ad Gandestrii literas responsum esse, um Gandestrius fassen zu können wie Gandaricus (s. 478 vgl. Gandrikes ande Pertz 2, 388) und nach dem grundsatz der namensanalogie in alten geschlechtern auch Arpus (ann. 2, 7) zu deuten anas mas, wofür noch heute in Nieder hessen Erpel gilt (vgl. Arbalo s. 521). Bei Strabo stehn so viel entstellte namen; sein OvxQo^vQog oder Ovxgofi^Qog p. 292 heiszt dem Tacitus 11, 16. 17 Actumerus, was man nicht in Catumerus ändern darf, ahd. Ahtomäri wäre genere clarus, man wird auch OvKQO^yjQog zu bessern haben in 'ilxto^iJQog [Haupt 9, 223. 224]. 'Pa^ig seine tochter könnte auf Chramnis Framnis (s. 514) leiten [Haupt 7, 470], bei Libius dachte ich an Liubi (s. 572). Man übersehe nicht, dasz den Chatten, wie den Cherusken und andern nordwestlichen Germa- nen nur principes oder rjyefxoveg beigelegt werden, keine reges.

Aber es ist zeit auch die chattischen nebenstämme zu erwägen, im text des Strabo heiszt der eben angeführte OvxQOfirjgog rjyE^chv Bartcj}', was man auf Tacitus bericht hin in Xaträv zu ändern be- fugt gewesen ist, da es unglaublich scheint, dasz neben Chatten noch ein andrer nahverwandter stamm des Namens Batten bestanden habe, dessen Tacitus und Dio überall geschweigen. Zwar liesze sich zu gunsten dieser Batten anführen, dasz Strabo auch noch Z!outidttoL beibringt, die sich wie UovyafißQOi in Sigubatti auflösen (s. 526) und schon bedenklicher von Zeusz s. 89 für Tubanten erklärt werden, noch gröszeres gewicht haben könnte, dasz bei der eingeständlichen 581 abkunft der Bataven von den Chatten, solche Batten geradezu Bataven schienen, die in der alten heimat zurückgeblieben wären, wobei sogar der Ortsname Besse Passaha (s. 579) in betracht käme**, dessen SS

'in Hessis', auch 'in Ritehessis, Fanahessis' nichts sagt, als 'in dem von Hessen bewohnten Ritte und Fenne'. Fenne (auch amts Gudensberg) ist ausgegangen [Landau 51. 52]. Dasz diese bauernart etwas auf sich hielt ersieht man aus dem liede von der stolzen braut zu Bessa, gedruckt iu Kornmanns mens Veneris Frankf. 1614 s. 304—308; es ist wol noch im 14. jh. entsprungen und hält ganz die neidhartische weise ein.

* es sei denn im poln. kosciot (spr. kos-ziol) kirche, das man aus castel- lum leitet ; doch dies sc geht vor i aus st hervor, wie das böhm. kostel zeigt. ** die getischen Bossen (s. 198. 199) anzuschlagen wäre verwegen, wenn auch ihr SS eben so gefaszt werden dürfte.

26*

404 HESSEN. BATAVEN. MATTIAKER

aus TT wie Hessen aus Chatten folgte, während andere örter, z. b. Battenberg an der Eder TT festhielten; ja die annales fuld. Enhardi ad a. 715 schreiben wirklich terra Bazzoariorum, welches Pertz 1, 343 in die note verwiesen und im text durch Hazzoariorum ersetzt hat. ganz darüber abzusprechen wage ich nicht, da es, Batten neben Chatten vorausgesetzt, ebensowolBattuarii als Chattuarii geben konnte. Der name jenes chattischen hauptortes Mattium führt unmittel- bar auf die von der Eder abliegenden, westwärts gesessenen Mattiaci, deren meidung Tacitus Germ. 29 einschaltet, als er von den Bataven und ihrer Unterwürfigkeit redet : es ist in eodem obsequio et Mattia- corum gens. protulit enim magnitudo populi romani ultra Rhenum ultraque veteres terminos imperii reverentiam. ita sede finibusque in sua ripa, mente animoque nobiscum agunt, cetera similes Batavis, nisi quod ipso adhuc terrae suae solo et coelo acrius animantur; das soll heiszen, sie sind noch wilder, ungezähmter als die Bataven. als aber der batavische aufstand ausgebrochen war, sehen wir sie sogleich neben andern Chatten und Usipen gegen die Römer vortreten. Tac. hist. 4, 37. Nach ihnen hieszen die am fusze des Taunus sprudeln- den heilquellen: mattiaci in Germania fontes calidi trans Rhenum, Plin. 31, 2; zur zeit des Claudius lieszen im gebiete der Mattiaker (am Taunus?) mit geringem erfolg die Römer nach erz graben. Tac. ann. 11, 20. Ptolemaeus nennt sie nicht mehr, wol aber jenes chattische Mattium MatzLaKOv. die notitia imperii kennt noch Mattiaci als germanische söldner der Römer. 582 Läszt sich Mattium und Mathana Madana aus dem wiesengrund

an der Eder deuten, so stimmt auch hier das schwäbische und ale- mannische mate, matte pratum, fries. mede, ags. mädo. engl, meadow, aber TT wiche in der lautverschiebimg von dem des namens Chatti ab, oder das TZ des dorfes Metze fügte sich besser, man sucht in Wisbaden, nhd. Wiesbaden denselben begrif der Matte oder Wiese, und zugleich des bades. ich hielt es 535 zu Wsinobates Usipetes und bin nicht entgegen, dasz in Usi Visi und vielleicht wiese liege, ja des Ptolemaeus 'lyyQicavEg an derselben stelle und der spätere Engiresgau könnten auf anger pratum zurückgehn, so dasz usipetes, Mattiaci und Engriones in dem begrif wiese, matte und anger zusam- menträfen*.

Für Mattiaci halte ich aber eine andre scheinbar kühne, doch im Sprachgesetz wolbegründete Vermutung bereit, es ist zu bewun- dern, wie die uralten Völkerverhältnisse, nach allen eingriffen der späteren geschichte, oft und fast unvertilglich wieder hervortreten, den namen der Mattiaker glaubte man seit jener letzten erwähnung in der notitia imperii erloschen; wie wenn ich ihn in Nassau, dem lande bei welchem sich auf derselben stelle die herschaft forterhalten hat, wiederfinde?

* wobei jedoch die cheruskischen Angrivarii, späteren Engern in be- tracht kommen.

HESSEN. NASSAU. BATAVEN 405

In einer Urkunde Conrads des ersten vom j. 915 wird ein hof Nassau dem kloster zu Weilburg geschenkt*; das ist die frühste er- wähnung dieses namens, der ort lag auf dem rechten ufer der Lahn oberhalb Dausenau und kam nachher unter das stift Worms, ihm gegenüber auf dem linken Lahnufer baute im beginn des 12 jh. ein graf von Lurenburg eine feste, die er wiederum Nassau nannte** und um die mitte des 12 jh. nannten sich alle grafen von Lurenburg nach diesem Nassau, die benennung musz also von altersher in der gegend hergebracht worden sein, dasz sie sich an bürg und her- schaft hieng.

Eine alte genealogie deutet sie ganz richtig 'madidum territorium' 583 und nun ist nur ein schritt weiter zu thun. das lat, madere und madidus scheint unserm nasz, mhd. ahd. naz, alts. nat, goth. nats, wovon natjan, ahd. nezan, nhd. netzen gebildet wird, urverwandt, M hat sich geschwächt in N (vgl. oben s. 493 Mdövog und Nasua, s. 557 mascus und nascus); die Chatten konnten noch zu Tacitus zeit das alte M in Mattium, Mattiaci besitzen, das hernach und schon bei den Gothen des vierten jh. N ward, die bedeutung der wiese und nässe scheint sich aber leicht zu einigen, matte wird wie aue einen wasserumflosznen platz bezeichnen, während also gegenüber madidus nat und naz die liquida schwächten, die muta verschoben, haftete in Madana wie im ags. mado der lat. laut, welcher sich dann im alemann, mate, matte um eine stufe minder als bei naz verschob, ich möchte auch die sonst zu erklären schwer fallenden wetter- auischen Ortschaften Massenheim und Massenbach heranziehen; eine urk. von 790 (in Martene coli. 1, 45. Hontheim 1, 142. Calmet 1, 293. Böhmers reg. Karol. n*^ 139) hat Nasongae et Squalbach in der Mainzer gegend auf rechter Rheinseite, wäre das Nastätten und Schwalbach? in mehrern theilen Deutschlands erscheinen Ortsnamen mit vorgesetztem dat. pl. nassen.

Ist der vermutete Zusammenhang beider formen haltbar, so hat Tacitus weissagend Bataven und Mattiaker nebeneinander gestellt (wie sie auch die notitia dignitatum öfter vereint) und die spätere geschichte den verband zwischen Holland und Nassau vielfach bewährt.

Schon Caesar 4, 10 nennt uns die von der Maas und einem arm des Eheins gebildete batavische insel : Mosa profluit ex monte Vosego, qui est in finibus Lingonum, et parte quadam Rheni recepta, quae adpellatur Vahalis, insulam efficit Batavorum, ac in oceanum influit, neque longius ab eo millibus passuum LXXX in Rhenum transit. die- selbe Batavorum insula geben Plinius 4, 15 und Tacitus ann. 2, 6. bist. 5, 23 näher an, Dio Cassius 54, 32 hat 7j zcov Baraovcov vijöog, 55, 24 aber rj Baxaova^ BaTdcßia, und im mittelalter dauerte der 584 gauname Batua, heute noch Betuwe fort.

* orig. guelf. 4, 275. Böhmers regesta 25 und regesta Karolorum n" 1255.

** Reinhards jur. und hisfc. ausführungen 2, 151.

406 HESSEN. BATAVEN

Von den Bataven selbst, so wenig er der Chatten namentlich erwähnt, meldet Caesar nichts, desto mehr aber Tacitus, welcher die niederrheinischen Germanen schildernd sich so ausdrückt: omnium harum gentium virtute praecipui Batavi non multum ex ripa sed in- sulam Eheni amnis colunt, Chattorum quondam populus, et seditione domestica in eas sedes transgressus, in quibus pars romani imperii fierent. manet bonos et antiquae societatis insigne, nam nee tributis contemnuntur, nee publicanus atterit; exempti oneribus et collocatio- nibus et tantum in usum proeliorum sepositi velut tela atque arma bellis reservantur. Auch bist. 4, 12 sagt er: Batavi, donec trans Rhenum agebant, pars Chattorum, seditione domestica pulsi extrema gallicae orae vacua cultoribus simulque insulam inter vada sitam occu- pavere, quam mare oceanum a fronte, Ehenus amnis tergum ac latera circumluit: nee opibus romanis societate validiorum attriti viros tan- tum armaque imperio ministrant, diu germanicis bellis exerciti. Sie wohnten, da Caesar die Batavorum insula als bestehend, nicht als neu entstanden anführt, wenigstens schon hundert jähre vor Christus an dieser stelle und bezeugen also die frühe anwesenheit der Deutschen an dem Rhein ; unvergessen war aber, dasz sie, chattisches Ursprungs, durch innere Spaltung genöthigt worden waren aus ihrer heimat zu weichen und sich auf der linken seite des Rheins in der nördlichsten ecke Galliens niederzulassen, wo damals noch kein römisches reich bestehn konnte, das sich erst seit Caesars kriegen dahin erweiterte. Die Ursache des Zerwürfnisses mit den übrigen Chatten erfahren wir nicht, und den Schlüssel zu ihrer abhängigkeit von der römischen macht bietet die örtliche läge dar; dasz ihr herz und mut deutsch geblieben war lehrte des Civilis empörung unter Vespasian.

Den namen Batavi musten sie schon aus der alten heimat her mitgebracht haben, wie die s. 581 vorgelegten spuren anzuzeigen scheinen, zum hessischen Pazaha, Besse stimmt Passau am zusam- 585nienflusz des Inns und der Donau in Baiern, ahd. Pazawa Bazawa (Graff 3, 234. 356), wofür die vita Severini Battavis Battabis Patavis, battabinus vicus darbietet*; es wurde batava castra nach einer bata- vischen cohorte genannt, die da zur besatzung lag. Pettau in Pan- nonien, Petavio, bei Ptolemaeus IJavaüviov, heiszt bei Tac. bist. 3, 1 Poetovio, bei Ammian 14, 11 Petobio und gleicht eher dem veneti- schen Patavium; aber des Ptolemaeus Bateivol am Riesengebirge lassen sich zum batavischen namen halten. Gehört Batavi zum goth. batiza ahd. peziro und zu gebatnan coq)slsig&ai'i denn kaum ist sich Baduhenna als unverschoben oder das ahd. unpata lentus (Graff 3, 327) hinzuzudenken, die vielmehr zum ags. beado, ahd. pato pugna, bellum gerechnet werden müssen.

Wie nah sich den Römern die Vorstellung der Bataven und Mat- tiaker mischte ergibt sich aus Martials versen über die germanische, das haar beitzende seife:

* Poiotro dicht dabei ist Bojodurum, in der notitia dign. p. 100 Boiodoro.

HESSEN. BATAVEN. CANNINEFATEN 407

VIII. 33, 20. et mutat latias spuma batava comas. XIV. 26. caustica teutonicos accendit spuma capillos. XIV. 27. si mutare paras longaevos cana capillos accipe mattiacas (quo tibi calva?) pilas.

wozu man eine stelle des Plinius XXVII, 12, 51 halte: prodest et sapo; Galliarum hoc inventum rutilandis capillis. fit ex sebo et cinere, optimus fagino et caprino, duobus modis, spissus ac liquidus, uterque apud Germanos majore in usu viris quam feminis.

Einen gegensatz zu dem chattischen fuszvolk (s. 570) macht die batavische und tenktrische reiterei; diese stamme hatten sich im ebnen land, jene auf hügeln zum krieg heran gebildet: kmjyaysv Ovagog 'y4X(pfjvog tovg Tiakov^svovg Baräßovs' slöl ös FsQ^avcov Inmlg agtöroi. Plutarch Otho cap. 12; ^svoi rs innelg, mdsatot, olg t6 tav Baxaovcov . . ovo^a, ort drj ngdtiötoi inuBvuv £töl, y.utai. Dio Cass. 55, 24.

Im kriege des Civilis sehen wir auf batavischer Seite zunächst Canninefaten, dann auch Tencterer und Bructerer, Gugernen, Usi- 586 peten, Chatten und Mattiaker ; im rücken schlössen sich Friesen und Chauchen an, und selbst die römischgesinnten Ubier wurden wieder zum kämpf für die deutsche freiheit gewonnen.

Unmittelbare nachbarn der Bataven und stets in gemeinschaft neben ihnen erscheinen die Canninefaten, Cannanifaten, deren nicht allein bei Plinius, Tacitus und VeUejus, sondern auch in mehrern Inschriften er- wähnt wird, der sg. lautet Canninefas (ann. 11, 18) aus dem sich das plurale T wie in Maecenas oder Atrebas entfaltet; fas für fats gleicht also dem goth. faj)s der Zusammensetzungen bruj)faj)s und hundafa|)S (gramm. 2, 493). läszt sich Canninefates zu Usipetes stellen (s. 534), so hätten in diesem, ihnen früher bekannten namen die Römer noch unverschobnes P, in jenem schon die Verschiebung F vernommen, wie es sich auch mit Usipetes verhalte, in Canninefates läge gerade das goth. hundafadeis, wenn man zugeben will, dasz die Bataven centum durch cannin cannan ausdrückten, wozu in der that das fränkische NN für ND in chunna (s. 552) stimmt, gieng goth. hund aus taihuntehund hervor (s. 250 253), so könnte aus techan- techan chan und mit wiederholter endung channan geworden sein; für die benennung Canninefates müste irgend ein grund aus der ger- manischen kriegs oder gauverfassung (s. 491. 492) entnommen werden. V^arum aber wird nicht Channinefates geschrieben, warum hat sich hier wieder unverschobnes C bewahrt ? ich weisz darauf ebensowenig be- scheid zu geben, als in abrede zu stellen, dasz auch in Kenemare, Kenmerland, dem noch heute so genannten theil von Nordholland*, welchen man als sitz der Canninefaten anzusehn hat, K und nicht H anlautet, die annales fuld. ad a. 882 (Pertz 1, 396) schreiben Kinnin, und spätere nachrichten Kinhem, wie noch ein bach, nordwärts von Alkmaar, an der grenze gegen Friesland geheiszen haben soll.

vgl. Huydecopers Melis Stoke 1, 186. 372. 517.

408 HESSEN. BATAVEN

Haftet in diesen Ortsnamen Kinnin und Kenmerland, wie man

587 sie auch deute, spur der alten Canninefaten, so darf daraus gefolgert werden, dasz sie, gleich den alten Chatten, in ihrer heimat blieben und nicht in den ström der südwärts ziehenden Germanen gezogen wurden, von welchen der fränkische name ausgieng. warum sollte aber nicht von ihren nachbarn, den stammverwandten Bataven das- selbe gelten? es ist kein grund zu der annähme vorhanden, dasz sie mit den Saliern und Sigambern nach Gallien vorgerückt sein sollten.

über alle diese für immer dunkel bleibenden Verhältnisse könnte uns die spräche aufklären, wenn wir wüsten, wie es um den chatti- schen, batavischen und sigambrischen dialect bewandt war, dessen Überbleibsel dann noch in heutigen volksmundarten aufgesucht werden möchten. Unter den mannsnamen fällt mir auf Chariovaldo dux Bata- vorum bei Tac. ann. 2, 11, wo man Chariovaldus erwartet hätte, denn es ist das alts. Hariolt Heriolt, altn. Haraldr; aus dem cannine- fatischen Brinno oder Brunio hist. 4, 15. 16 erhellt der schwache ausgang -o. Gannascus ann. 11, 18 mahnt an die weissagende Ganna. auf einer Inschrift (bei Cannegieter in Postumo p. 158) erscheint Flavius Vihtirmatis filius, summus magistratus civitatis Batavorum, welchen namen, so deutsch er klingt, ich doch nicht zu deuten unternehme. Flavius erklärt sich aus dem häufigen verkehr der Ba- taven mit den Römern, Flavius oder Flavus hiesz auch des Arminius bruder, und selbst Arminius scheint ein von den Römern eingerichtetes deutsches Irmin oder Irman. Julius Paulus und Claudius Civilis (ann. 4, 13) waren Bataven königliches stamms. Wichtige, zur auslegung noch nicht reife frauennamen begegnen auf lateinischen inschriften neben matribus und matronis;* wer könnte verkennen, dasz in matronis arvagastis und andrustehiabus auch das altfränk. Arbogast und antrustio erscheinen? matronis asericinehabus wird zu bessern sein in ascari- cinehabus, nach Ascaricus; matronis hamuvehis scheint chamavehis;

588 von den Chamaven (s. 530). eine Inschrift 'deae Sandraudigae cul- tores templi' ward unweit Breda bei einem dorfe Grootsundert, das in einer urk. von 992 Sandert heiszt, ausgegraben; im namen wäre leicht das goth. audags, ags. eädig, ahd. ötac ^laxccQiog enthalten, vielleicht ein ahd. suntarötac praedives, lauter begriffe, die auf eine gefeierte göttin gerecht sind, matribus quadriburgicis bezieht sich auf das bekannte castell Quadriburgium, dessen Ammian 18, 2 neben castra Herculis am Niederrhein und die notitia dignit. p. 96. 98. 99 (ed. Böcking) erwähnen, wenn auch quadrum römischen Ursprung, so verkündet burgium, wie in Asciburgium, Teutoburgium deutschen.

Keins unter allen bisher verhandelten chattischen Völkern konnte in der heldensage aufgewiesen werden, weder die Chatten selbst (es sei denn im mythus, der sie den Sueven gleichstellt), noch Mattiaker, Bataven, Canninefaten ; allein es bleibt übrig eines nebenstamms zu

* Zusammenstellung derselben in van den Bergh woordenboek der nederlandsche mythologie. Utrecht 1845 s. 135—141.

HESSEN. OHATTUARIER 409

gedenken, der durch namen und läge recht gemacht scheint, den verband zwischen Chatten und Bataven zu erläutern, und dessen name im ags. epos unverschollen ist.

Schon Strabo s. 291 und 292 nennt uns XdrtoL und Xattovd- QLOi in einem athem, ohne ihre örtliche läge zu unterscheiden, die erste stelle schiebt nur noch Faf-iaßgiovioi, d. h. Sigambern zwischen beide. Tacitus und Dio Cassius geschweigen der Chattuarier, denn die von jenem im rücken der Angrivarier und Chamaven angegebnen Chasuarier (Angrivarios et Chamavos a tergo Dulgibini et Chasuarii cludunt aliaeque gentes haud perinde memoratae. Germ. 34) liegen zu nördlich um chattisch zu sein und gelten für anwohner des flusses Hase [Haupt 9, 232], der sich in die Ems ergieszt und nach ihm hieszen sie Hasuarii, wie nach der Fose die Fosi; auch schreibt Pto- lemaeus KaöovccQOi ganz abweichend von Xcctroi. es ist unglaublich dasz Tacitus, der für Chatti überall TT aufrecht erhält, Chattuarii schon mit bloszem S geschrieben haben sollte, auch dauerte jenes TT noch später; Vellejus, den feldzug Tibers beschreibend, 2, 105, drückt sich aus: intrata protinus Germania, subacti Caninefates, At- tuarii, Bructeri, recepti Cherusci. diese Attuarii, zwischen Cannine- ^^9 faten und Bructerern meinen entweder das batavische volk selbst oder einen benachbarten gleichfalls von den Chatten entsprungnen stamm, wie ihr name ankündigt. Zeusz s. 100 vermutet sogar, Chat- tuarii könne deshalb gemeinschaftliche benennung der Canninefaten und Bataven gewesen sein, gleichwol ergeben spätere nachrichten für das chattuarische gebiet besondere lagen und zwar auf beiden Seiten des Niederrheins. Als Julian aus Gallien nach der Germania secunda überschritt in der gegend von Tricensima (zwischen Quadri- burg und Neusz) heiszt es bei Ammian 20, 10: Rheno exinde trans- misso regionem subito pervasit Francorum, quos Attuarios* vocant, inquietorum hominum, licentius etiam tum percursantium extima Gal- liarum. quos adortus subito nihil metuentes hostile nimiumque se- curos, quod scruposa viarum difficultate arcente nullum ad suos pa- gos introisse meminerant principem, superavit negotio levi. hier schlieszen die rauhen bergwege batavische ebenen aus und man findet sich in der Ruhrgegend, wo auch noch im mittelalter der pagus Hattera bestand an den pagus Boroctra grenzend, ganz wie Vellejus Attuarier und Bructerer nebeneinander nennt. Wenn sich die Chat- tuarier zu den Franken hielten', waren auch die späteren Hattuarier feinde der Sachsen, welche, wie die geschichte meldet, im j. 715 das hattuarische land überzogen und verheerten (Pertz 1, 6. 323). in diesem pagus Hattera (später Hettera, Lacomblet n^ 207 a. 1067) lag die villa Heribeddi (Pertz 2, 680, wo der dativ Heribeddiu) d. i. heerlager, nhd. Herbede an der Ruhr; wo nach ausweis eines alten hofsrechts (weisth. 3, 56) das nieder hessische stift Kaufungen be-

* Zeusz s. 336 will die lesart Ampsivarios vorziehen, aber der cod. vatic. hat Atthuarios.

410 HESSEN. CHATTUARIER

rechtigt war*, eine, dünkt mich, nicht undeutliche spur uraltes ver- 590kehrs zwischen Chattuariern und Chatten. Diese von den Sachsen verwüstete terra Hattuariorum ist es, welche in einzelnen lesarten auch terra Hazzoariorum heiszt (s. 576).

Jenseits des Rheins, wo eine andre Ruhr (Roer) nach der Maas flieszt, längs dem flüszchen Niers erscheint aber noch ein pagus Hat- tuaria, und man musz annehmen, dasz vor zeiten ein theil des chat- tuarischen Volkes über den Rhein, durch die alten sitze der Gugernen und Ubier in Gallien eindrang und sich behauptete; wahrscheinlich blieb es auch mit seinen auf der rechten Rheinseite fortwohnenden landsleuten in Verbindung, noch in der fränkischen theilung von 830 werden Ribuarii und Atuarii (Pertz 3, 359), in der von 870 comitatus Testrabant, Batua, Hattuarias, Masau nebeneinander auf- geführt, d. h. uralte Bataven und Chattuarier. Wenn in der vita S. Ludgeri (Pertz 2, 418) eine mulier quaedam de Hattuariis erwähnt wird, so ist freilich nicht zu sagen, von welcher seite des Rheins sie kam. Aber die westlichen, überrheinischen Chattuarier sind es ohne zweifei, welche im beginn des sechsten jh. einen heerzug der Dänen auf das fränkische gebiet abzuwehren hatten. Gregor von Tours 3, 3: his ita gestis Dani cum rege suo nomine Chochilaicho evectu navali per mare Gallias appetunt, egressique ad terras pagum unum de regno Theoderici devastant atque captivant, oneratisque navibus tam de cap- tivis quam de reliquis spoliis reverti ad patriam cupiunt. sed rex eorum in litus residebat, donec naves altum mare comprehenderent, ipse dein- ceps secuturus, quod cum Theoderico nunciatum fuisset, quod scilicet regio ejus fuerit ab extraneis devastata, Theodebertum filium suum in illas partes cum valido exercitu ac magno armorum apparatu di- rexit. qui interfecto rege hostes navali praelio superatos opprimit 591 omnemque rapinam terrae restituit. die gesta regum Francorum be- zeichnen aber jenen pagus als den attuarischen, und dazu stimmt was im ags. epos (Beov. 2405. 4705 ff.) von Hygeläc, welcher sichtbar mit dem fränkisch geschriebnen Cochilaichus übereinkommt, gemeldet wird [Haupt 6, 437]. altn. heiszt er Hugleikr, ahd. würde er Hukileih lauten, auf seinem kriegszug gegen die Friesen trug er einen kost- baren von Beovulf zum geschenk empfangnen halsring, im gefecht mit den Franken verlor er das leben; diese Franken werden ausdrück- lich Hetvare genannt und hier erblicken wir die noch ags. form des alten namens der Chattuarier; merkenswerth ist der vers 4720 nealles Hetvare hrem geJ)orffcon fedeviges, ^e him föron ongean, sie entbehrten nicht den rühm des fuszkampfes, denn f6da, ahd. fan- deo (Graff 3, 540) bedeutet fuszvolk, (paXay^, zur bestätigung des

* vgl. Böhmers regesta n" 3650 (a. 1226). Kaufungen war noch im beginn des eilften jh. königliche pfalz und Heinrich der erste hatte dort seiner gemahlin Kunigund ein frauenstift errichtet, vielleicht bestand hier schon unter den heidnischen Chatten ein cultus, dessen einflusz sich unter alle zweige des volks erstreckte, solche örter pflegten auch nach der be- kehrung hofstätten und Stifter zu bleiben.

HESSEN. TUBANTEN 411

altchattischen 'omne robur in pedite'. Vidsld im cod. exon. 320, 22 nennt uns einen Hün als beherscher der Hätvere, von dem sonst nicht das geringste bekannt ist; man sieht dasz die hätverischen helden- geschlechter noch lange unvergessen waren. Hygeläc war ein Geäta cyning, über scandinavische Geätas waltend, dem die sage des zehn- ten jh. ungeheure grösze beilegt: Hugilaicus rex, qui imperavit Ge- tis et a Francis occisus est, quem equus a duodecimo anno portare non potuit, cujus ossa in Rheni fluminis insula, ubi in oceanum pro- rumpit, reservata sunt et de longinquo venientibus pro miraculo osten- duntur (Haupt 5, 10. mythol. vorr. VII). wie, hätten schon die Römer bei den Friesen von diesem beiden gehört, was sie auf Her- cules und dessen seulen im ocean anwandten? denn dasz der histo- rische Chochilaicus des sechsten jh. für einen solchen mythus nicht ausreicht, liegt am tage.

Nicht genug, dasz die Chattuarier im belgischen Gallien fusz gefaszt hatten, auch in den Vogesen scheint ein theil von ihnen, wie von den Chamaven (s. 530) niedergesessen, weil neben dem dortigen pagus Ammavorum auch ein pagus Attoariorum (Zeusz s. 582 584) aufgeführt wird, in diesen Attoariern will jedoch Ledebur (Bruct. 592 s. 161) nachkommen der keltischen Aeduer wiederfinden, die neben den Lingonen wohnten.

An dieser stelle gedenke ich noch der Tubanten, nicht weil ich im stände wäre bei ihnen den chattischen bezug aufzuweisen, sondern blosz weil sie örtlich neben Friesen, Bataven und Saliern auftreten und bis auf heute noch eine benennung dieses landstrichs ihren namen zu tragen scheint. Schon Cluver will die bei Strabo s. 292 hinter Chatten und Chattuariern aufgeführten UovßdtroL in Tovßdvrot ändern (üben s. 580). Tacitus läszt in der Germania die Tubanten unerwähnt, doch seine annalen haben zweimal anlasz sie zu nennen, 1, 51 bei des Germanicus zug gegen die Marsen im j, 14, wo Tanfana zerstört wurde, excivit, heiszt es, ea caedes Bructeros, Tubantes, Usipetes, saltusque per quos exercitui regressus, insedere. dann 13, 54. 55. 56 wird berichtet, dasz zu Nerons zeit Friesen auf dem boden, dessen sich die Römer anmaszten, vorgedrungen und zurückgeschlagen, her- nach aber Ampsivarier eingezogen seien: Chamavorum quondam ea arva, mox Tubantum et post Usiporum faisse. vergebens suchten die Ampsivarier hier der römischen macht widerstand zu leisten, sie musten weichen und flüchteten rückwärts zu den Usipen und Tuban- ten: quorum terris exacti quum Chattos, dein Cheruscos petissent errore longo hospites egeni, hostes in alio, quod juventutis erat cae- duntur; imbellis aetas in praedam divisa est. Die Tubanten saszen also zwischen Friesen, Chamaven, Bructerern und üsipeten, ohne zweifei auch Saliern und Bataven nah. Jener landstrich, dessen be- sitz streitig war und vielfach gewechselt hatte, musz eben der römi- schen ansprüche wegen unfern dem Rhein und dem batavischen ver- bündeten gebiet gelegen haben. Noch die notitia dign. occidentis p. 18. 24 nennt Tubantes neben Salii, Batavi und Bruct eri im römischen

412 TUBANTEN

dienst, wie ist es also möglich den gradmessungen des Ptolemaeus glauben zu schenken, der die Tubanten weit nach Süden vorschiebt? sie sollen im zweiten jh. sogar hinter den Chatten, ungefähr im ful-

593 dischen, ostfränkischen lande gewohnt und sich später unter die Ala- mannen verloren haben, da sie doch das vierte jh. gleich andern nordwestlichen Germanen in den römischen legionen verzeichnet?

Hierzu tritt, dasz auch im verfolg der zeit, hart an der friesi- schen grenze, zwei gaunamen vorkommen, Twente und Drente, die in unverkennbarer beziehung aufeinander stehend zugleich den aus- druck Tubantes enthalten und erläutern helfen, Twente heiszt in einer urk. des achten jh, Tuvanti, d. h. Tubanti, in einer andern bei Lacomblet n^ 9 vom j. 797 Northtuianti ; Tubantes aber kann nichts anders aussagen als Tvibantes, die an zwei bauten wohnen. Drente, oder wie man heute unrichtig schreibt Drenthe, lautet in der alten spräche (weil die mnl. nnl. D für alts. TH gibt) Thrianti, Threant, welches ein volleres Thrivanti Thribanti voraussetzt*, zu des Tacitus zeit waren also Tribantes die an drei bauten niederge- sessenen, bant musz etwas ähnliches wie gau oder pagus bedeuten, da noch andere landschaftliche namen damit zusammengesetzt er- scheinen, die meisten in derselben nordwestlichen gegend. an der Ems erstreckte sich der gau Bursibant, von pursa, ahd. porsa, nhd. porst ledum palustre; an der Scheide lag der Ostrobant und Westro- bant, weiter nördlich der gröszere Bracbant, wahrscheinlich von bräka, ahd. prächa aratio (s. 61), mhd. Brächbant nhd. Brabant; zwischen Maas, Waal und Rhein unmittelbar auf altbatavischem gebiet aber die grafschaft Teisterbant, Testerbant, welche schon in der fränki- schen theilung von 870 (Pertz 3, 517) als comitatus Testrabant neben Batua und Hattuarias steht, hierher müssen schon fi-ühe Friesen vorgerückt sein, da sich in den ann. fuld. zum j. 885 (Pertz 1, 402) gesagt findet: ""Frisiones qui vocantur Destarbenzon'. in dieser Schrei- bung ist das Z ahd., nicht aber das D, welches sächsischem TH ent- spräche, Testerbant wäre ahd. Zöstarpanz auszudrücken, ich kann

594 tßstar für nichts anders halten, als eine merkwürdige, dem lat. dexter gleichgebildete form, während goth. taihsvö, ahd. zesawä wie gr. ÖB^id ohne T sind, d. h, dexter und testar scheinen comparative. vielleicht waltet hier noch Zusammenhang mit dem namen Toxandrien, Texandrien (s. 528), aber meine deutung des tßstar bestärkt der wald Suiftarbant an der Issel (Lacomblet n^ 2. 4. 8 a, 793. 794. 796), wo suiftar comparativ von svift velox, fortis ganz dasselbe auszu- sagen scheint. Mainz gegenüber nennt Ammian 29, 4 als alamanni- sches Volk die auch in der not. dign. Orient, p. 22 auftretenden Bu- cinobantes, die nicht aus lat. bucina buccina, vielmehr dem deutschen bökln, ahd. puochln fagineus zu deuten sind (vgl. Triboci und silva Bacenis Bochonia) und füglich chattischen Ursprungs sein könnten.

* wie hier B wurde in Trient für Tridentum D ausgestoszen. zu ver- gleichen sind übrigens auch die Throvendas im cod. exon. 322, 17.

CHATTEN 413

Es läge nah, statt der s. 535 angefühi-ten Wsinobates Wsinobantes zu vermuten, scliwerlich aber ist N in Canninefates ausgefallen, zu- mal die Eömer selbst Tubantes, nicht Tufantes schrieben. Dasz für bant der ahd. mundart panz geläufig war, folgt nicht nur aus jenem benzon der ann. fuld. sondern auch aus elibenzo fremider 0. III. 18, 40, elevenz advena Diut. 2, 341 [anders wb. 1, 204. 205] und dem Banzgau am Main in Franken, wo das stift Banz lag. In nieder- ländischen friesischen strichen musz es aber manche örter des namens Bant gegeben haben, so hatte die Nordsee neben Borkum, das schon die Römer kannten (Burchana Plin. 4, 13. BovQXccvig Strabo s. 291), vormals eine jetzt verschwundene Insel Bant aufzuweisen* und in Rüstringen unweit Jever lag ein bezirk des namens Bant**. Einen mannsnamen Bant gewähren die trad. corb. 377; sollte nicht der in unsrer heldensage, zunächst aus Gudrun bekannte Sigebant von Ir- lande die mhd. form Sigebanz fordern? [Haupt 7, 473.] Der nnl. spräche nun ist beemd, mnl. bömt, baemt, baempt pascuum, pratum eigen, dessen abkunft noch niemand aufdeckte ; wie wenn es aus bant verderbt wäre? diesem würde die bedeutung zusagen und in den Bauten erschienen uns wieder wiesenbewohner Mattiaker (s. 582), in den Bucinobanten hirten der wiesengründe des Buchenwalds. Wer 595 den Drenten, Thrianten, Thribanten die britannischen Trinobanten zu vergleichen wagt, hätte das welsche bant anhöhe zu erwägen, unser nordwestliches bant fällt aber in lauter ebne flächen.

Nach diesen ergebnissen allen bleibt unentschieden, ob die Tu- banten, ihrer abkunft nach, sich mehr den Friesen, Bataven, Che- rusken oder Franken anschlieszen.

Wir haben gesehn, wie die Chatten von der Werra und Weser, im gebiet der Fulda, Schwalm, Eder und Lahn bis zum Main und Rhein sich erstreckten, ein ansehnlicher ableger von ihnen aber auch am Niederrhein, zwischen Friesen und fränkischen Völkern, frühe festen sitz gewann, hätten wir nähere künde von den Verhältnissen der Usipeten, Tenkterer und Brukterer, so könnte uns aufgeschlossen sein, ob die Mattiaker zu den Chattuariern und Bataven in ununter- brochner kette verwandter glieder reichten.

* Ledeburs fünf münstersche gauen s. 45. ** Ledebiir s. 96. Ehrentrauts fries. archiv 1, 118. 120.

XXII. HERMUNDUREN.

596 Aller Germanen vierten oder mittleren hauptstamm nennt Pli- nius den herminonischen : mediterrane! Herminones, quorum Suevi, Hermunduri, Chatti, Cherusci; wie den Römern, wenn sie von Süden nach norden schauten, in der mitte Germaniens diese vier Völker auf- stoszen musten. hierzu stimmt auch des Tacitus angäbe, welcher die mittleren Germanen von des Mannus zweitem söhne stammen läszt, dessen name Hermin aus dem der Herminonen gefolgert werden darf, welche einzelnen Völker aber zu diesen Hei'minonen gehörten berichtet Tacitus nicht. Dasz zwischen Sueven und Chatten engeres band statt- fand suchte das vorhergehende capitel nachzuweisen ; wenn aus fehden und eifersucht benachbarter stamme ein schlusz gilt gegen ihre nähere Verwandtschaft, so mag man zweifeln, ob Chatten mit Cherusken und Hermunduren zusammen gehören. Auf den herminonischen namen, wie ihr eigner zeigt, haben Hermunduren den unmittelbarsten ansprach.

Es ist bekannt, dasz jenem lat. Hermin oder Hermun die ahd. form Irmin oder Erman, die ags, Eormen, altn. lörmun entspreche, den Gothen lautete sie wol Airman; wie noch heute romanische Völ- ker thun, pflegten die Römer deutsches H, wo es wirklich bestand, zu unterdrücken, hingegen hinzuzufügen, wo das deutsche wort rein vocalisch anlautet, das H in Herminones Hermunduri weicht also

597 durchaus ab von dem CH in Chatti Cherusci, welches dem lat. C und ahd. H entspricht, und niemals könnte Cherminones Chermunduri geschrieben werden, im mannsnamen Arminius wahrten die Römer reinen deutschen vocal.

Mag uns nun dunkel bleiben, welchen göttlichen held oder gott die germanische Verehrung unter Irmin verstand; einer menge von andern Wörtern, deren begrif dadurch erhöht werden sollte, pflegte dies Irmin vorzutreten (mythol. s. 106. 107. 325. 326.327), gerade wie altn. Wörter durch die praefixe tyr oder J)6r Steigerung empfiengen, oder ags. gen. pl. durch nachfolgendes bealdor (mythol. s. 201). ein hehres, auf der grenze zwischen Chatten und Cherusken, vermutlich

HERMUNDUREN 415

noch anderwärts, errichteies bild, führte den namen Irmenseule; sie war rechtes kennzeichen herminonischer stamme.

Einleuchtend ist also auch in Hermunduri der vorsatz von dem eigentlichen namen abzulösen, welcher Duri oder Dori (nach Strabons Schreibung 'Eq^ovöoqol, Dio Cass. hat 'EQixovvdovQOt) lauten musz, und allem anschein nach in dem abgeleiteten späteren Thuringi, bei 'Vegetius Toringi, bei Cassiodor Thoringi, bei Procop (bell. goth. 1, 12) &6Qi'yyoi, ahd. Duringä, mhd. Düringe enthalten ist. nur wird hier das gesetz der lautverschiebung gefährdet, wonach goth. TH und ahd. D ein lat. T, nicht D erwarten lieszen. Hermunduri stände für Her- munturi, wie durch Ptolemaeus T£VQLO%alßaL an der Hermunduren stelle bestätigt scheint. Teuriochaemae aber wäre gebildet wie Bojo- hemi, und ihm entspräche der Ortsname Dürincheim Dürkheim Dörnig- heim, vielleicht ist auch mhd. Türheim verderbt aus Dürheim. Doch soll das D in Hermunduri nicht vorschnell beseitigt sein. Dio 67, 6 hat einen dakischen könig Duras. Den sinn dieses Tur Turi, Dur Duri selbst will ich lieber noch unerschlossen lassen; wäre, wie s. 449 gemutmaszt ward, goth. Thervingi identisch, so käme auch V nach R in betracht*.

Strabons Hermunduren stehn neben Langobarden in der Elb- 598 gegend; nach Tacitus müssen sie zwischen Elbe und Donau, im ge- biet der Saale und des Mains gedacht werden, gegen norden an Che- rusken und Chatten, gegen osten an Semnonen und Markomannen, gegen Süden, zum theil auch westen ans römische gebiet stoszend. Tacitus schildert sie den Römern befreundet und mit ihnen in fried- lichem verkehr bis hinein nach Rhätien. ihr reich mag auszer dem heutigen Thüringen auch einen theil des späteren Frankens begriffen haben, doch so dasz um den pfalzgraben (s. 495) wahrscheinlich noch andere suevische stamme hausten, jene Armilausen und luthungen, deren ich s. 499. 500 gedachte.

An nahem Zusammenhang der Hermunduren mit den östlichen Germanen, zumal Lygiern (Lygius Hermundurusque, ann. 12, 30) und Gothen läszt sich überhaupt nicht zweifeln, jene gothischen Thervinge und einstimmungen der heldensage (s. 449) geben es dar. Nicht allein, dasz der goth. Hermanarich und thüringische Hermanfried vielfach einander ausgleichen, auch Iring von Dänemark wie er neben Irnfrit von Düringen erscheint, löst sich auf in luwaring Iborduring, und Dänen müssen im alten sinn der Daken genommen werden, so dasz hier gothische und hermundurische mythen zusammenspielen. Nicht ohne bedeutung unterscheidet das ags. Vidsideslied 320, 17. 322, 16 Thyringas und 323, 30 EastJ)yringas , wovon gleich nachher; wenn

* nicht ohne Scharfsinn führen, die in den Thüringen alte Cherusken erblicken, den namen zurück auf jene 'inertes ac stulti' bei Tacitus (s. 574) und bekanntlich macht schon die glosse zu Ssp. 3, 44 aus den Thüringen Wenden und thoren. doch ist tore erst mhd., noch nicht ahd., wie es scheint aus mnl. dor entlehnt, dem ags. dysig, engl, dizzy verwandt, also vom mhd. Dürinc und ags. Thyring im vocal und consonant abstehend.

416 HERMUNDUREN

den letzteren Amothingas (es ist th, kein J)) zur seite stehn, möchte man mutmaszen Amolingas, Amelunge. gewis aber ist das auf Eäst{)y- ringum alliterierende sinnlose Eolum mit einem einzigen buchstab in Eorlum zu bessern und daraus bestätigung der schon s. 470 zusam- mengestellten "EqovXoi und Eorlas zu entnehmen. Nicht genug, ich

599 verstehe nun deutlicher, warum Odovacer neben Sciren und Herulern auch Thurilinge (nach der s. 465 hergestellten lesart) beherschte, und warum der ostgothische Theoderich ein uns von Cassiodor var. 3, 3 aufbewahrtes schreiben zugleich den Herulorum, Guarnorum, Thurin- gorum regibus erliesz, deren Völker er verbündete (conjuratas sibi gentes) nennt, erscheinen auf solche weise dreimal in verschiedner queUe Heruler und Ostthüringe, Heruler und Thurilinge, Heruler und Thuringe nebeneinander, so liegt der Ostthüringe, Thurilinge und Thuringe gleichheit vor äugen, auf die Warnen werde ich zurück- kommen.

Ungenau scheint Tacitus zu sagen : in Hermunduris Albis oritur, statt in Marcomannis, aber sie schied aus Böhmen herflieszend her- mundurisches und semnonisches land: qui Semnonum Hermundurorum- que fines praeterfluit (Vellejus 2, 106). dann fiel sie in cheruskisches.

Zwischen Chatten und Hermunduren lag Werra, Rhön und Bu- chenwald; im krieg um den heiligen salzflusz (s. 573) zogen jene den kürzern. doch wird dieser hader kein hindernis gewesen sein, dasz nicht unter beiden Völkern früher wie nachher gutes vernehmen ob- gewaltet hätte. Darin waren die Hermunduren von den Chatten und allen westlichen Germanen verschieden, dasz sie, gleich Markomannen und Quaden könige über sich hatten, nicht blosze fürsten; bezeichnet die königswürde schon damals gröszere macht? Tacitus nennt ann. 2, 63. 12, 29 als solchen könig Vibilius, welcher name appellativ sein könnte, vgl. ahd. weibil praeco und goth. vipja königsbinde. Als das thüringische königreich durch die Franken gebrochen war, herschten über Thüringen und Hessen blosze landgrafen, erst gemeinschaftlich, zuletzt in jedem gebiet besonders, im schild führten Hessen und Thuringe den gestreiften löwen mit geringer abweichung der streifen.

Aber mir schwebt noch eine höher hinaufreichende ähnlichkeit beider Völker vor, die sich im dunkel ihres alterthums verliert, wir sahen dasz die Chatten schon vor beginn unsrer Zeitrechnung sich gespaltet und einen zweig in das äuszerste Belgien entsandt hatten, dieser chattische auszug musz tieferen grund gehabt haben, als wir jetzt

600 erforschen können und sollte er nicht zusammenhängen mit einem auch der Hei-munduren in dieselbe überrheinische gegend? war ein anlasz vorhanden, der schon vor Ariovists zeit Völker des mittleren Deutsch- lands, Chatten und Hermunduren bewegte mannschaft über den Nieder- rhein vordringen zu lassen? hier scheint sich jener unterschied auf- zuthun zwischen Thüringen und Ostthüringen, die sich zu einander verhalten mögen wie Chattuarier oder Bataven zu den Chatten, in der heimat diesseits waren Chatten und Ostthüringe geblieben, über den Rhein Bataven und Westthüringe gezogen. Hermun vor Duri könnte

HERMUNDUREN 417

den groszen, alten stamm des volks bezeichnen, was allein schon auf die nothwendigkeit führte, ihm einen abgeleiteten jüngeren an die Seite zu setzen.

Gregor von Tours ist es der uns jenseitiger Thüringe versichert, indem er den Übergang der Franken schildert 2, 9: tradunt enim multi eosdem primum quidem litora Rheni amnis incoluisse, dehinc transacto Rheno Thoringiam transmeasse, ibique juxta pagos vel civitates reges crinitos super se creavisse de prima et, ut ita dicam, nobiliori suorum familia. . . . Ferunt etiam tunc Chlogionem utilem ac nobilissimum in gente sua regem Francorum fuisse, qui apud Dispar- gum castrum habitabat, quod est in termino Thoringorum. man will vergebens die lesart anfechten und Tungrorum einschwärzen; es ist klar, dasz seit undenklicher zeit schon eine niederlassung der Thüringe in Belgien bestand, als die Franken vorrückten musten sie thüringi- schen boden durchziehen, auf oder neben ihm faszten sie fusz, denn 'in termino' kann beides aussagen, im land (gau) wie an der grenze, wichen die Thüringe aus einem theil ihres gebietes, das übrige werden sie fortbehauptet haben, als selbständige Völkerschaft mit eignen königen kennt sie auch Gregor im verfolg seiner geschieh te; jenes Thüringen, wohin Childerich zu Bisinus und Basina floh (2, 12), kann nicht diesseits des Rheins, nur in der nachbarschaft von Dispargum (s. 529) an der Scheide gesucht werden; vielleicht ist hier eine weit ältere sage auf Childerich übertragen, mit recht bemerkt Waitz (sal. ges. s. 49), diese Thüringe habe man sich in geringer ferne vom meer zu denken, weil Basina sagt: 'si in tranmarinis partibus aliquemöOl cognovissem utiHorem te', und wenn es 2, 27 von Chlodevech heisze 'Thoringis bellum intulit eosdemque suis ditionibus subjugavit', so sei er von den Thüringen des Innern Deutschlands noch durch alle mög- lichen Völker und herschaften getrennt gewesen*.

Wie diese belgischen Thüringe das ags. Thyringas nennt, ist von ihnen auch mhd. und mnl. dichtem künde geblieben, könig Rother, seinen dienstmannen lehen austheilend (4829)

Dorringen unde Bräbant, Vriesen unde HoUant,

gaf he vier heren, die mit ime wären

üzir lande gevarin, die hetten herzogin namen;

he merten allin ir göt, sie hetten ime wol gedienöt.

Rother saz bit voller hant und decte widene die lant,

he richede manigen, Erwine gaf he Ispanien,

Sahsen und Turinge, Plisum und Swurven .

gaf he zen gräven,

* freilich hätte man erwarten sollen, dasz Gregor, als er nun 3, 4, 7 auf die besiegung dieser inneren Thüringe an der Unstrut wirklich zu sprechen kommt, sie mit dem beinamen der östlichen ausgezeichnet, wenigstens gesagt hätte, dasz sie der läge nach von den früher erwähnten verschieden seien, es fragt sich aber, ob er selbst des scheinbaren Widerspruchs einmal ge- wahrte ? er berichtet die begebenheiten samt den überlieferten namen, und war ihm auch sonst der unterschied zwischen westlichen und östlichen Thü- ringen klar geworden; so galten ohne zweifei auch damals beide für desselben Volksstamms und es muste unanstöszig sein beiden den nemlichen namen

GrimiD, geachicbte der deatschen apraclie. 27

418 HERMUNDUREN

hier wird westliches Thüringen neben Brabant, Friesland und Holland, östlichen neben Sachsen, Pleiszen und Sorbenland aufgeführt. Wenn im mnl. Karel 1, 1403 gesagt wird:

in Doringen voer Garin, Karel blef, des sit wis, in die stat te Paris,

602 SO kann dies Thüringen wieder nur das jenseitige meinen, nicht das östliche. Aus dem D in Doringen entnehme ich keine bestätigung des in Hermunduri, da die niederländische mundart überall D anstatt des älteren TH braucht; merkwürdig aber ist, dasz im testament des Willebrordus, dessen guter in Toxandrien lagen, auch ein pagus Tu- ringasnes (Turingansis, Turinginsis ?) vorkommt und wahrscheinlich an den mündungen der Maas und Waal zu suchen wäre (Waitz s. 51).

Sind nun Thüringe auf belgischem gebiet unabweisbar, so werden doch die meinungen getheilt bleiben, zu welcher zeit sie dahin ein- gewandert sein können. Gregor setzt sie bei der Franken ankunft dort voraus, wie unbestimmt aber erscheint diese sage selbst ! Brechen, nach der herschenden ansieht, die Franken erst im vierten jh. in Gallien ein, so hindert nichts diese Thüringe für einen besondern fränkischen oder unfränkischen volksstamm anzusehn, der zu gleicher zeit mit den Sigambern und Saliern, wenn auch aus einer andern ecke her vordrang. Waitz läszt die Salier von der batavischen insel aus, die Thüringe vom meere her nach Toxandrien gelangen, und nimmt an, dasz sie von da sich weiter gegen Süden erstreckt haben können, das früher fränkische Dispargum ihnen hernach zugefallen sei. Herm. Müller vermutet, unter Thuringia sei ein stück vom gebiet der kelti- schen Bataven zu verstehn, das von germanischen Düren, wahrscheinlich chattischen Ursprungs, eingenommen auch deren namen empfangen habe. Des durischen oder thüringischen namens Ursache in diesem landstrich einer älteren zeit als der des dritten oder vierten jh. beizumessen scheint mir ein glücklicher gedanke, obwol ich weder die Bataven für Kelten halte, noch die eingerückten Hermunduren für Chatten. Nach der vorhin aufgestellten ansieht mag vielmehr bei Chatten und Her- munduren der alte zug nach westen oder ein besondrer anlasz, dessen grund wir nicht mehr durchschauen, obgewaltet haben, um theile ihrer bevölkerung über den Rhein vorzuschieben. Seien Bataven, Cannine- faten, Chattuarier und Testerbanten zurückführbar auf einen einzigen allgemeinen namen oder nicht, ihr alter bezug zu den Chatten scheint

603 unzweideutig ; warum sollte nicht eben so früh in ihrer nachbarschait der name von Düren oder Thüringen auftauchen und aus der Hermun- duren heimat abgeleitet werden dürfen? Caesar nennt uns der Bataven insel, ohne das geringste weiter von ihnen zu melden; auch in des Tacitus Germania sind aus dieser gegend die einzigen Bataven ange- führt, Canninefaten und Chattuarier übergangen, weil er sie für zu

beizulegen. Durch Chlodevechs siege hatte sich das fränkische reich all- mählich bis zum Rhein erweitert und war in unmittelbare beriihrung mit Alamannen und östlichen Thüringen getreten, deren besiegung aber erst unter Theoderich erfolgte.

HERMUNDUREN 419

gering hielt oder unter den Bataven begrif; wie leicht entschlüpfen konnten ihm hier die Düren. Sehen wir, ob noch andere zeugen für sie auftreten; es fällt viel schwerer sie erst in späteren zeiten west- wärts vorrücken zu lassen.

Schon s. 519 und 564 gedachte ich einer nachricht Procops von der Franken herkunft und ihren nachbarn in dieser nordwestlichen ecke; er kommt darauf zu reden, als er ihren zusammenstosz mit Westgothen in Gallien zur zeit des fünften jh. meldet, aus dem verein der Franken mit den Armorikern, die von ihm '^gßoQvxoi d. i. ^Aq^6qi%ol genannt werden, sei damals ein mächtiges, bereits christliches reich erwachsen, welchem gegen osten das den Thüringen von kaiser August bewilligte gebiet gelegen habe, ich will die worte selbst ausheben: ^ihra 8h avrovg sg xa JiQog avi6%ovxa ^hov &6QL'yyoi ßdgßaQOi, (Jovrög Avyovötov nQMtov ßaöiUcag, iögvöavco. südwärts aber habe sich der Burgunden, hinter den Thüringen der Suaben und Alamannen land befunden, hätte er üavccduvta statt avlö'^ovta geschrieben, die läge wäre deutlich, da dem entfalteten Frankenreich jene Thüringe westlich, Burgunden südlich saszen. in der vom Byzantiner irgendwo aufgetriebnen merkwürdigen künde, dasz August den Thüringen diese niederlassung gestattet habe, liegt nichts unwahrscheinliches, und darum musz sie frühe erfolgt sein; auf mitten in Deutschland wohnhafte Hermunduren kann es unmög- lich bezogen werden, geschah in der quelle ausdrückliche erwähnung der Armoriker, die was ihr name besagt und Caesar 7, 75 bestätigt, am meer wohnten, so entscheidet auch ihre nachbarschaft für den westlichen standpunct. im fünften jh. sind sie von der nordwest- lichen küste auf die südliche gewichen.

Derselbe Procop reicht aber noch anderes dar, was hier ein- 604 schlägt. Aus Tacitus Germania 40 (vgl. oben s. 472) wissen wir, dasz tief im deutschen nordosten jenseits der Elbe und gegen die ostsee unter andern suevischen Völkern '"Anglii et Varini' wohnten; Ptole- maeus nennt 'AyysiXol Uovfjßoi, die Variner hingegen Omgowoi. Auch sie scheinen sich frühe nach dem fernen westen gewandt zu haben, bei Procop (b. goth. 4, 20) hausen Ovccqvol neben Franken an den Rheinmündungen, 'Ayyikoi schon auf der jenseits liegenden britischen insel. wie im osten an der Elbe musten sie sich wieder im westen mit Thüringen begegnen, ja sie scheinen thüringische oder nahverwandte stamme.

Nicht anders stellt der ags. wandrer, nachdem er 322, 6 von Värnum gesungen hatte, unmittelbar darauf 322, 10 und schon 321, 10 Engle und Svsefe zusammen, und 322, 16 werden die Thyringas genannt, das sind nicht Verhältnisse des fünften bis zum zehnten jh. sondern musz höher zurückgehn. ihrer herscher namen Vöd und Billing, wären sie uns in voller sage bewahrt, würden näheren auf- schlusz bringen.

Nun ist noch ein altes volksrecht vorhanden, das alle diese faden sowol am östlichen als westlichen ende zu festigen scheint, es wird

27*

420 HERMUNDUREN

überschrieben: "^incipit lex Angliorum et Werinorum hoc est Thurin- gorum*. hier werden Angeln und Werinen unmittelbar für Thüringe erklärt, fragt sich nur, zu welcher zeit und in welchem landstrich?

Dem gesetz ist in seiner fassung vieles mit dem friesischen ge- mein, das unter Carl dem groszen aufgezeichnet oder neu abgefaszt wurde ; ja von den beiden sapientes die zum friesischen recht, wahr- scheinlich im j. 802, Zusätze machten, Wlemarus und Saxmundus, hat ersterer auch solche zur lex Angl. et Wer. geliefert. War er, wie das WL bestärkt, ein Priese, so muste er Westthüringen näher stehn als Ostthüringen.

Es scheint natürlich, dasz Carl, der den rechtsbrauch aller deut- schen ihm gehorchenden stamme durchsehn oder verzeichnen liesz, auch der Thüringe nicht vergasz; aber können mit den Angeln und Werinen hier die östlichen gemeint sein ? gab es im achten jh. an der 605 Elbe und Saale noch selbständige Angeln und Werinen? zu des ost- gothischen Theoderichs zeit herschte, wie wir sahen, ein Guarnorum rex; seitdem waren 300 jähre verstrichen, doch niemals gedenken die ältesten ostthüringischen geschichten anglischer oder wernischer könige, dagegen Procop den Hermegisclus und dessen söhn Radiger als könige jener niederrheinischen Warnen angibt, die ungefähr gegen die mitte des sechsten jh. fallen, hatten damals diese westlichen Warnen könige, so scheint auch ihrem und dem westanglischen volk nächster anspruch auf das recht zuzustehn, das wol schon Jahrhunderte vor Carl auf- geschrieben war, nach dessen geheisz durchgesehn und gemehrt wurde, man musz schon deshalb solch eine frühe fassung annehmen, weil auch für Carls zeit und herschaft jene westlichen Thüringe nicht mehr gerecht sind; die Angeln waren in der mitte des fünften jh. nach Britannien übergefahren, wo sie Procop längst weisz, und weder bei Eginhart noch andern fränkischen annalisten geschieht im siebenten, achten jh. der Weriner meidung. des gesetzes grundlage könnte also mit der des salischen und ripuarischen ziemlich gleichzeitig erfolgt sein und Gaupp s. 234 hat vollen fug auch aus der ab Wesenheit aller spuren des christenthums einen früheren Ursprung zu schlieszen. das wergeld von 200 sol. stimmt völlig zu dem salischen und ripuarischen, während das alamannische und bairische niedriger steht; des ags. königs Canut constitutiones de foresta (Thorpe s. 184) beziehen sich ausdrücklich auf das pretium hominis mediocris (d. i. ingenui), quod secundum legem Werinorum i. e. Thuringorum est ducentorum soli- dorum. zwischen Angelsachsen und Werinen musz der alte verband fortgedauert haben.

Im gesetz ist auszerdem bemerkenswerth, dasz es dem freien nur einen adaling, keinen litus zur seite gibt, 4, 20 des '"harpator, qui cum circulo harpare potest' und der ''feminae fresum facientes' ge- denkt, die hearpe nennen ags. lieder, die harpa altn. oft, ahd. glossen lassen harafa bald chelys, bald tympanum, bald cithara verdeutschen (vgl. oben s. 480. 499). was der ring oder circulus dabei eigentlich bedeute, weisz ich nicht, fresum ist das mlat. frisum fimbria, lacinia.

HERMUNDUREN 421

was gewöhnlich ahd. koltporto, mhd. goltborte, borte heiszt und dem 606 gewand der vorzeit nicht fehlen durfte, vgl. Graff 3, 829 freisa. 7, 3 steht zu ornamenta muliebria die glosse 'quod rhedo dicunt , das ist die älteste spur der späteren gerade (EA. 566 ff.), nur dasz hier kein fem. sondern schwachförmiges masc. erscheint, folglich eine männliche personification, wenn sie obwaltet (mythol. s. 840) vermutet werden müste. vlitivam 4, 10, ein technischer ausdruck für faciei labes, Vitium, entspricht genau dem ags. in den ältesten gesetzen Äthelberhts 56 und dem fries. wlitiwimelse (Richth. 1157), woraus von neuem die nähe der britischen Angeln, Werinen und Friesen hervorgeht.

Mag also auch ein Angelagowe (Engelingowe) und Weringowe an der Unstrut und Werra fortbestanden haben und das vormalige dasein der Angeln und Werinen in dieser gegend bezeugen; das volksrecht ist ohne zweifei nicht da, sondern unter den westwärts vorgerückten niedergeschrieben worden, und den auszug dieser westlichen Thüringe denke ich mir gleich dem der Bataven aus dem chattischen gebiet, oder doch nicht viel später aus hermundurischem erfolgt. Man kann nicht zweifeln, dasz diese bewegung die Elbe hinab und von da zur Weser und Ems gegen den Niederrhein geschah; unmöglich aber bleibt es zu erkennen, wie sich die von den Thüringen eingenommnen landstriche zu den wohnplätzen der Chauken, Friesen und Bataven genau verhielten, an den Eheinmündungen strömen von allen selten her Völker zusammen, nur der annähme ist nicht auszuweichen, dasz das durische oder thüringische, auch nachdem es sich der von Bri- tannien aufgenommnen Angeln entladen hatte, einen festen kern im Westen zu bilden fortfuhr, weil ohne das die dauer und spätere er- neuerung seines gesetzes sich nicht wol begreifen liesze.

Gleich den Gothen, Sueven und Herulern (s. 471) sehn wir auch den Hermundurenstamm in weite fernen gebreitet, vom osten an der Elbe, wo er in masse stand hielt und sich behauptete, ausgegangen erreichte ein ansehnlicher theil das westende Deutschlands, ein andrer scheint mit Odovacer nach dem Süden verschlagen und in Gothen 607 oder Langobaren sich verlierend. Dunkel wie Duri und Thuringi bleibt mir auch Varini, Werini und Warni, in so viel eigennamen und Ortsnamen es eingegangen zu sein scheint; Warin, Warinheri, Werinpereht und andere bei Graff 1, 930 verzeichnete mögen zeugen, erst wenn die vergleichung des dakischen Ovst,lvas mit Werinus Warinus (oben s. 202) sicher ist, dürfte gewagt werden den flusz- namen Weser und Werra (Wisuraha) hinzuzuhalten.

Fast aller auskunft entbehren wir über hermundurische oder alt- thüringische spräche; ihr musz gleich der chattischen im ganzen auch hochdeutsche, suevische natur beigemessen werden, und die wenigen ausdrücke des alten rechtsbuchs enthalten nichts was dem widerstritte. das WL in Wlemarus und wlitiwam ist zwar nicht mehr ahd., mag es aber früher gewesen sein, wie es gothischem VL entspricht, zugleich erscheint es alts. und ags. und jene Wörter ergeben nichts für den characteristischen unterschied der zweiten lautverschiebung. etwas

422 HERMUNDUREN

weichere formen als die ahd. sind darf man schon der hermundnri- schen und chattischen mundart zutrauen, wie die blosze nachbarschaft der angrenzenden sächsischen und friesischen stamme rathsam macht, und das scheinen auch die Merseburger denkmäler, wenn sich von dem fundort auf den dialect der niederschrift schlieszen läszt, bei ihrem geringen umfang freilich sehr ungenügend zu bestätigen. In den thü- ringischen und warnischen mannsnamen Hermenefridus, Hermigisclus (oben s. 477) ist gothischer anklang, wie ihn schon die Verwandt- schaften gothischer und thüringischer könige mit sich bringen.

Den Hessen und Thüringen ist auch das gemein, dasz ihr alter rühm vorübergieng, und -in der mitte Deutschlands sie sich nicht zur höheren macht der Franken, Schwaben, Baiern und Sachsen entfalteten, doch bis auf heute und nach zahllosen Umgestaltungen des reichs dauern sie selbständig und gesondert fort.

XXIII. DIE NIEDERDEUTSCHEN.

"Wie im Süden der schwäbische und bairische volksstamm grund- 608 läge der hochdeutschen ist im norden der sächsische die der nieder- deutschen spräche geworden, im osten sind die das älteste und echteste deutsch anstimmenden Gothen ausgezogen und verschollen, im Westen die Franken mit dem gallischen element verschmolzen, ihre lieder untergegangen, von Chatten und Hermunduren frühe schon nach dem äuszersten nordwesten entsandte zweige scheinen wesentlich zur bildung der niederländischen spräche mitgewirkt zu haben; im Innern land blieb die eigenheit hessischer und thüringischer mundart allzu schwach, es ist als ob die herschende spräche und entscheidende kraft eines groszen volks lieber an seinen selten als in seiner mitte sich aufthue.

Da auch unter Thüringen und Hessen hochdeutsche art vorwiegt, konnte der niederdeutsche stamm von frühster zeit an dem hoch- deutschen nicht die wage halten, und naturgemäsz behielt dieser die Oberhand; wofür der niederdeutschen spräche ihr näherer anschlusz an die niederländische, friesische und selbst nordische, so wie ihrer aller nichtkennen der hochdeutschen nochmaligen lautverschiebung einen haltbaren gegensatz gewährten, so unablässig die hochdeutsche mundart vorgeschritten ist, hat sie noch bis heute diesen vereinten widerstand zu bekämpfen.

Meine Untersuchung hat schon in vielfachen beispielen dargethan, 609 dasz die gröszere Verwandtschaft der einzelnen stamme durch ihre spräche bedingt ist, und die derselben mundart zugethan sind auch seit uralter zeit unmittelbar neben einander wohnen, es sei denn, dasz besondere anlasse, wie' wir bei den Chatten und Hermunduren voraus- zusetzen hatten, einen strahl des Volkes voraus sprengten und ihn von dem zurückbleibenden kern absonderten. Behauptete sich nun in dem nördlichen Deutschland ununterbrochen die niederdeutsche mundart, so müssen die ihr angehörigen Völker schon so lange in

424 SACHSEN

diesen sitzen vorhanden gewesen sein als die hochdeutschen in ihren südlichen.

Man will annehmen, dasz die Sachsen, deren namen Strabo, Plinius und Tacitus noch gar nicht kennen, die zuerst Ptolemaeus im kimbrischen chersonesus aufführt, nachher, also ungefähr im dritten oder vierten jh., sich vom norden südwärts ergossen hätten. Aber die im verfolg näher zu betrachtende sage von der Sachsen einzug aus dem nordalbingischen land in die strecken zwischen Elbe und Weser hat keinen höheren geschichtlichen werth als die von einwanderung der Gothen aus Scanzien an die Weichsel und Donau (s. 446). wie die Gothen seit undenkbarer zeit, vom Pontus und aus Thrakien heranrückend, an der Donau, saszen die sächsischen stamme an der Elbe und Weser, und ihre macht ist zu breit und gewaltig, als dasz sie erst aus einer nördlichen ecke könnte herbei- gezogen werden. War der Franken name uralt und doch von den frühsten berichterstattern unerwähnt geblieben, so mag noch viel- mehr der sächsische in das höchste alterthum zurückreichen, ja es ist s. 226 228 möglich gedacht worden, dasz er bis an den der Sacae oder Zldy.ai in Asien selbst rühre; der Zusammenhang wäre nicht überraschender als der unter den Gothen und asiatischen Geten wahrnehmbare, und die lautverhältnisse fügen sich. Ed'nai Sacae steht wie 8ky.a decem zu taihun, zehan und das eingeschobne zweite S wie in «x il, vicus goth. veihs gen. veihsis, fuhs gen. üihses neben fohä u. s. w. ob sich sex mit seco verknüpfen lasse, bleibt dahin- 610 gestellt, dasz aber zu seco saxum gehöre überaus wahrscheinlich, weil dem ahd. sahs, ags. seax, altn. sax der begrif des schneidenden messers einwohnt, scharfen flins bearbeiteten die des metalls ent- rathenden Völker der urzeit zu waffen, d. i, messern oder kurzen Schwertern, und saxum konnte dem Eömer der harte stein nur heiszen, weil er schnitt und schneidendes geräth hergab, [montes Sahson, notizenbl. 6, 114.] Zu welcher skythischen oder medischen wurzel jener name Z^anai gerecht sei, läszt sich nicht mehr nachweisen, in ahd. Sahso, ags. Seaxa, altn. Saxi legte aber unsre vorzeit von jeher die Vorstellung des schwerttragenden.

Widukind 1, 6. 7 die schöne sage von den Sachsen und Thü- ringen berichtend und einer Zusammenkunft beider Völker gedenkend, wobei diese unbewafnet, jene mit waffen auftraten, sagt ausdrück- lich: erat autem illis diebus Saxonibus magnorum cultellorum usus, quibus usque hodie Angli utuntur morem gentis antiquae sectantes. mit diesen Schwertern überfielen und schlugen sie ihre feinde nieder, fuerunt autem et qui hoc facinore nomen illis inditum tradant: cultelli enim nostra lingua sahs dicuntur, ideoque Saxones nuncupatos, quia cultellis tantam multitudinem fudissent, Nennius bist, Brit. cap. 46 legt dem Hengist die worte in den mund: quando clamavero ad vos et dixero ""eu Saxones, nimith eure saxas!' cultellos vestros ex ficonibus vestris educite, et in illos irruite et fortiter contra illos resistite! Im Annolied heiszt es aber:

SACHSEN 425

ein Duringin duo der siddi was daz si minhili mezzir hiezin sahs, der di rekkin manigiz druogin, damidi si di Duringe sluogin mit untruwin ceinir spräcnin, die ci vridin si gelobit havitin: von den mezzerin also wahsin wurdin si geheizin Sahsin.

Gotfried von Viterbo bei Pistor. 25 S'^ hat die verse:

ipse brevis gladius apud illos saxo vocatur, unde sibi Saxo nomen peperisse notatur,

wobei nur der deutsche unterschied zwischen sahs und Sahso ver- wischt wird. Es ist noch bis in spätere zeit bei Sachsen und 611 Westfalen der gebrauch geblieben, dasz die männer zu gericht mit messern erschienen und sie in die erde niedersteckten (RA. s. 771).

Dies alles erscheint bedeutsamer, wenn zweierlei anderes damit in bezug treten wird.

An die spitze des ostsächsischen stamms in Britannien, germa- nisch belgischer küste gegenüber, stellen die ags. genealogien den Seaxneät, Vodens söhn und göttlichen beiden; derselbe Saxnöt wird in der abrenuntiation neben Vödan und Thunar als dritter gott auf- gestellt, dem scandinavischen glauben aber ist er unter solchem namen fremd, dieser würde altn. Saxnaut, ahd. Sahsnöz, goth. Sahsanauts auszudrücken und Schwertträger, gott des leuchtenden Schwerts, kriegsgott bedeuten. Heiszen nach ihm seine kriegsgenossen, alle männer des volks, dem er heilig ist, Sahson, Sachsen, so hat diese auslegung sicher den Vorzug vor der spielenden sage, die den namen erst auf eine besondere wafifenthat des volks, zur zeit in welcher es ihn längst geführt haben musz, ziehen will.

Mit solchen stammsagen scheint aber die wähl der ältesten zeichen auf schild und fahne in Verbindung zu stehn, wie vorhin das weifische wappen der Chatten bestätigte, und jenen Sahsnot mag auch das seh wert im sächsischen von frühster zeit her ankündigen, 'der herzöge von Sahsen ist des chuniges marschalch und sol dem chunige sin swert tragen', sagt der Schwabenspiegel cap. 31*; dies recht des schwertvortragens flieszt nicht aus der marschallswürde, ' noch ist durch sie das schwert ins wappen der Sachsen eingeführt, sondern eben weil es von jeher darin war, pflegten es auch die könige sich durch den herzog von Sachsen vortragen zu lassen**, der erzschenke und erztruchsesz, welche becher und Schüssel vor- tragen, nahmen diese zeichen darum nicht in ihren schild auf; wol aber gieng das angestammte sächsische schwert hernach auch 612

* aber nicht in den ältesten hss. vgl. Kopps bilder und sehr. 1, 109. ** es geschah doch nicht immer, auch andere fürsten als der reichs- marschall trugen unserm kaiser zuweilen das schwert vor, z. b. der dänische oder böhmische könig. Kopp a. a. o. 110.

426 SACHSEN. CHERUSKEN

mit dem erbamt auf die askanischen und meisznischen kurfürsten über*.

Das bisher aus dem namen der Sachsen allein gewonnene er- gebnis ihres hohen alters und ihrer frühsten anwesenheit mitten auf deutschem boden wird sich aber durch betrachtung der Cherusken zur gewisheit erheben. Cherusken sind mir nichts als Sachsen mit gleich altem andern, dennoch vollkommen einstimmigen namen.

Denn wie Sahso auf sahs und den schwertgott, leitet Cherusk geradezu auf ein wort, das schwert und einen gott des Schwerts be- zeichnet, cheru ist fränkische Schreibung des alts. heru, goth. hairus, ags. heoro, altn. hiörr, die wiederum dem litth. kardas (s. 399) gleichen**, das kurze, aus Claudians scansion ersichtliche E wahrt Dio Cassius in Xegovöycoiy tadelhaft scheint Strabons Xr]Q0v6y.0L Da nun aber die ableitung SK nur an personen und persönlich ge- dachte Sachen tritt (manna mannisks, ^iuda J)iudisks), so folgt, dasz ein goth. hairvisks so wenig als heute schwertisch von schwert ge- bildet werden könne, es sei denn auf einen personificierten Hairus zurückfühi-bar, der als gott des volks ahnherr ward; der name Che- rusk nöthigt also unmittelbar von einem göttlichen Cheru auszu- gehn, dem wir schon im bairischen kriegsgott Ero oder Er (s. 508) begegneten.

Hieraus flieszen wieder örtliche Verhältnisse, da nemlich, bevor sie südwärts zogen, die Markomannen neben den Cherusken an der Elbe wohnten, so begreift sich berührung des markomannischen 613 schwertcultus mit dem cheruskischen , der noch hart an der chatti- schen grenze einen Eresberg (mythol. s. 182. 184) aufzuzeigen hatte, während Sueven, Hermunduren, Chatten denselben gott unter dem namen Zio oder Tio feierten. Waren Thraker und Geten Aresdiener (s. 508), so sehn wir vom Hämus her durch die Gothen zu Marko- mannen und Cherusken die Verehrung des gleichnamigen gottes sich erstrecken. Tacitus aber führt uns tiefer im nordosten, neben Angeln und Varinen, auch Suardonen an, die sich nochmals aus alts. suörd, ags. sveord, ahd. sufe'rt deuten, und in den Sveord verum des cod. exon. 322, 12 aus langer versunkenheit neu auftauchen, diese Sveord- veras sind ganz gebildet wie die schwäbischen Ziuwari und man hat die wähl sie und die Suardones Sachsen oder Cherusken gleichzu- setzen, möglich, dasz alle drei benennungen, innerlich gleich, in verschiednem landstrich zur selben zeit galten, oder dasz sie einander allmählich vertraten, wie leicht aber durften die Römer des ersten Jh., wenn ihnen der sinn des namens Cheruscus offenbar wurde, des

* meine ganze Untersuchung versteht unter Sachsen blosz die echten, ursprünglichen (Niedersachsen), nicht die heutigen Sachsen (Obersachsen), die erst seit 1423 diesen namen annehmen, der ihnen im gründe so wenig gebührt als den Hessen der einmal sieben jähre lang aufgedrungne westfälische. ** auch den Zigeunern ist charo schwert und, wegen der beiden Schwer- ter im Wappen, nennen sie Sachsen charodikkotemm, schwertland. Pott 2, 161. 1, 100.

CHEßüSKEN 427

identischen Saxo geschweigen, falls er schon vor Ptolemaeus zu ihrem ohr gedrungen war.

Caesar nennt uns die Cherusken durch silva Bacenis von Sueven d. i. Chatten geschieden; als er gegen diese über den Mittelrhein vor- rücken wollte, waren sie durch den Ungeheuern wald an die cherus- kische grenze zurückgewichen. Auch Strabo nennt Cherusken und Chatten nebeneinander und nun gar Plinius ordnet seinem hermino- nischen hauptstamm Sueven, Hermunduren, Chatten, Cherusken unter; das mochte durch ihre läge in des landes mitte, wie durch manches einzelne anschein gewinnt. Deckt uns aber schon Tacitus der Chatten und Cherusken ewige Zwietracht auf (cum quis aeternuin discordant, ann. 12, 28), wie sie lange zeiten nachher im Widerwillen des ge- meinen haufens durchbricht (s. 566); so darf an beider Völker gründ- lichem abstand, den auch die sich entfaltende trennung hochdeutscher und niederdeutscher spräche ins licht setzt, nicht gezweifelt werden.

Es ist kein andres germanisches volk, das in der geschichte den Cherusken sich zur seite stellen könnte; an ihrem zur rechten stunde 614 gefaszten und muthig ausgeführten entschlusz hieng die erste, uns noch alle begeisternde rettung des Vaterlands, von Arminius, ihrem unsterblichen beiden sagt Tacitus ann. 2, 88: canitur adhuc barbaras apud gentes. diese den Römern gewordne künde kann nicht falsch gewesen sein, und gewis feierte das lied seine thaten. mit den ge- sängen mochte sich aber frühe der preis des älteren gottes oder halb- gottes Irmin vermischen, den schon Armins eigner name voraussetzt, unstatthaft wäre anzunehmen, dasz das in alle zweige deutscher spräche tiefverwachsne und in den volksnamen Herminones Hermunduri fort- lebende, über das erste jh. hinaufreichende praefix Irman- erst durch den Cheruskenfürst entsprungen sei und umgegrifFen habe, von Sachsen her konnte doch den Gothen kein Airmanareiks , den Nordländern kein lörmungandr zugebracht werden, und beruht die Irmansül auf einer uralten mythischen Vorstellung, so war sie nicht zu Armins ehren errichtet, merkwürdig ist, dasz Arminius, neben Herminones und Hermunduri geschrieben wird; Arminius, lang unter Römern verkehrend (Vellejus 2, 118) mochte ihnen den reinen anlaut seines namens eingeübt haben, dessen ausgang auf -ins sie nur lateinisch zurichteten, schwerlich setzten sie deutsches Irman um in Armin, eher liesze sich in arm das vorgeschobne a einer brechung spüren, die der goth. form airm gliche; oder dachte man an Armenius, wie Strabo wirklich schreibt?

Varus ward im j. 9 geschlagen und darauf folgten fünf jähre ungestörter freiheit; vom j. 14 an erneuerten die Römer ihren krieg. Thusnelda im j. 15 schwanger gefangen gebar ihren söhn Thumelicus unter den feinden, er war dreijährig, als sie im pomp zu Rom vor- geführt wurden, die schlacht auf Idisiaviso fällt ins j. 16; in den Jahren 17. 18. 19 erlangt Arminius das übergewicht vor Maroboduus, der nach Italien flüchten musz, wo er im j. 39 hochbejahrt und ruhm- los sein leben beschlieszt. Arminius aber erlag schon im j. 19, 'dolo

428 CHERUSKEN

propinquorum', falls die den Römern zugebrachte nachricht gegründet war, also ohne Thusnelda wieder, ohne seinen söhn je gesehn zu eiBTiaben; auch diesem kann kein langes leben beschieden gewesen sein, denn im j. 47 war vom ganzen cheruskischen fttrstenstamm* der einzige Italiens übrig, den das volk aus der Römer hand zurück er- bat und erhielt.

Die Verwandtschaften des geschlechts, wenn man alle nachrichten der Römer vergleicht, stellen sich so dar:

Segestes Segimerus Inguiomerus Actumerus

Segimundus Thusnelda Arminius Sesithacus Flavus Rhamis^

Thumelicus Italiens

Chariomerus obschon einzelnes dunkel bleibt, den Arminius nennt Tacitus nie- mals weder Segimers söhn noch Segests neffen, man durfte es schon aus seinem Verhältnis zu Flavus folgern, allen zweifei hebt aber Velle- jus 2, 118, wo er ausdrücklich Sigimeri filius heiszt; dasz er sich des oheims tochter zur braut raubte stimmt mit dem brauch des alterthums. ein ann. 1, 71 ungenannter söhn Segimers musz der- selbe sein, welchen Strabo Sesithak nennt und zum gemahl der Rha- mis macht, eine Chattin hatte nach Tacitus auch Flavus geheiratet, er kann aber nicht zusammenfallen mit Sesithak (etwa bei Cherusken diesen, bei Römern den namen Flavus führen), weil er stets den Römern anhieng, von Sesithak des Varus leichnam mishandelt wor- den war. es müssen also zwei töchter Actpmers gewesen, Rhamis an Sesithak, die ungenannte an Flavus ausgegeben sein, zwischen chattischem Actumer, battischem Ukromer unterscheiden mag ich nicht; offenbar sind beide nur einer. Aus dem Stammbaum erklärt sich einfach, wie Armin gegen Segest, dessen söhn römischer priester geworden war, kräftig auftreten konnte, und warum nach Segests, 616 Segimers, Armins, wahrscheinlich auch des Thumelicus tod Cherusken- land dem Italiens anfiel, sein recht beruhte auf des Flavus abkunffc von Segimer; dasz Chariomer (Dio 67, 5, oben s. 573) sein söhn war, macht beider ergebenheit gegen Rom wahrscheinlich, so wie der Chatten einschreiten in der nahen Verwandtschaft vollkommen be- gründet war.

Segest ist Sigegast (s. 541) und des namens erster theil wieder- holt in Sigemund und Sigemär; sie alle entsprechen sigambrischer

* hier ann. 11, 16 redet Tacitus von einer stirps regia und 11,17 nennt er den Italicus rex; bei Strabo heiszen alle cheruskischen häupter fjyefio- vsg, vgl. s. 580.

CHERÜSKEN 429

nachbarschaft. Inguiomßrus, ahd. Ingumär, romanisch gefaszt Hinc- mar, klingt recht ingaevonisch, Thusnelda habe ich schon oft erklärt. Thumelicus war wol Thümeling d. i. pollex, altn. pumlüngr; wurde dem in der fremde und des vaters abwesenheit gebornen kind der ungewöhnliche name bedeutsam beigelegt? oder wäre es entstellt (Mfür 2J) aus Thuselicus d. i. thurselic nach der mutter? Sesithacus scheint zunächst ahd. Sisidanch, thacus hätte N ausgeworfen, wie altn. J)ökk, J)akkir. Actumerus wurde s. 580 gedeutet, seiner tochter Ehamis name zurückgeleitet auf das fränk. chram und fram (s. 513).

So kurz Arminius seines siegs genosz, diese glanzvolle erhebung gegen römische weltherschaft hatte frucht getragen und der feinde hier gebrochne macht für immer hinter den Ehein zurückgewiesen; wie oft sie sich noch hervor wagte, es hatte keinen erfolg mehr. In der Varusschlacht, zur stunde der gefahr, waren alle nordwest- lichen Deutschen geeint gewesen, Cherusken, Angrivarier, Marsen (ann. 2, 25), Bructerer, Sigambern, Chatten (s. 573), alle die hernach Germanicus mit dem seh wert heimsuchte, um räche zu nehmen; es erhellt auch aus den im römischen triumph gemeinsam aufgeführten gefangnen Cherusken, Sigambern und Chatten, und zwischen Chatten und Cherusken mochte damals vor der engen Verknüpfung der fürsten die alte abneigung der stamme zurückgetreten sein. Nach errungnem sieg muste in der Deutschen wie der Eömer äugen Arminius vor- ragen und sein ansehn noch höher steigen, seit er sich mit Marobo- duus (s. 504. 505) gemessen hatte. Wenn hier von Tacitus ann. 2, 45 Cherusci 'sociique eorum' den Sueven entgegengestellt werden, von suevischer seite Semnonen und Langobarden zu den Cherusken über- treten, während Inguiomer samt seinem anhang von Arminius zu 617 Maroboduus abgieng; so sind darunter blosze erscheinungen dieses kriegs, keine dauernden Verhältnisse zu verstehn und auf ähnliche auch bei Strabo s. 291 die Xijqovöxol xat ot xovtav vTCijxooi ge- meint. Der annähme eines cheruskischen Völkerbundes bedarf es also gar nicht; die den Cherusken stammverbundnen Posen, Marsen, Angri- varier und andere, deren namen wir nicht kennen, hielten es schon früher wie später mit ihnen, und dasz sie zu Chatten, Hermunduren, Langobarden ihre alte Stellung beibehielten, lehrt die geschichte.

Den Cherusken, allgemein gesprochen, gehörte das mittlere Deutschland zwischen Elbe und Weser und noch über die Weser hinaus am Teutoburger wald*; im süden waren Hermunduren, im Südwesten Chatten, im westen Sigambern, Bructerer, im osten Lango- barden und Sueven ihre nachbarn. am schwierigsten fällt die bestim- mung ihrer nördlichen grenze, hier müssen ihnen im rücken gegen die Elbe hin nicht allein Chauken sondern auch noch andere stamm- verwandte Völkerschaften gewohnt haben, deren genaue angäbe nach Verschiedenheit der zeiten und bei dem drang, der an der niedern Elbe von osten gegen westen stattfand, manchem zweifei unterliegt.

* man kann diese XsQovaxia ungefähr umschreiben durch den sprengel der bisthümer Paderborn, Hildesheim und Halberstadt.

430 CHERUSKEN. ANGRIVARIER. MARSEN

Mit den Chatten, ihren nachbarn und gegnern, haben die Che- rusken auch die zeit ihres beiderseitigen hervoi'leuchtens gemein; nach dem ersten jh, beginnt ihr name zu erblassen. Ptolemaeus nennt sie zwar noch zwischen Weser und Elbe, schiebt aber ihren sitz, wie er auch bei Chatten und Tubanten thut, zu weit nach Südosten vor; vergebens sucht hier Zeusz s. 107 seine angaben zu retten, offenbar hatte Ptolemaeus keine lebendige künde. Wenn in des Nazarius rede vom j. 321 unter den gegen Constantin verbündeten Völkern noch Cherusci aufgeführt werden, wenn Claudian de hello getico 419 Sicam- 618bern, Chatten und Cherusken und de IV. cons. Hon. 450 Bructerer, Cimbern und Cherusken nennt; so scheinen diese namen blosz gelehrt zusammengestellt und nicht den ereignissen selbst entnommen. Am- mian kennt keine Cherusken mehr, nur Sachsen an ihrer stelle.

Den alten Cherusken benachbart und, wie es scheint, mit ihnen ingaevonischen Stammes waren Fosen, Angrivarier, Marsen, Dulgi- binen, Chasuarier, vielleicht noch einige kleinere, von Ptolemaeus an- gegebne Völker.

Wenn die Fosi, wie man annimmt, von der bei Celle in die Aller flieszenden Fuse ihren namen führen (s. 574), so hätten sie im nor- den der eigentlichen Cherusken gesessen, also den Chatten ziemlich fern, bei deren sieg über die Cherusken sie das einzigemal angeführt werden.

Westwärts an der Weser wohnten die Angrivarier, zwischen Chauken und Cherusken, beim zug des Germanicus gegen diese sagt Tac. ann. 2, 19: latus unum (paludis) Angrivarii lato aggere extu- lerant, quo a Cheruscis dirimerentur. Germ. 33. 34 stellt er sie noch westlicher den Chamaven zur seite auf ehmals brukterischen boden ; es ist kaum anzunehmen, dasz sie von da südlich vorgeschrit- ten und am Rhein neben die Mattiaker gelangt seien (s. 582). die notitia dign. nennt auch Anglevarii, welche form sogar Angern und Angeln vermitteln könnte. Liegt dem volksnamen der begrif anger oder wiese zum grund, so dürfte er anwohnern der Weser wie des Rheins zustehn. auf jeden fall müste, wenn ein theil der Angriva- rier gegen den Rhein gezogen wäre, der kern ihres stamms an der Weser geblieben sein, wo er noch später waltet.

Höchst alterthümlich klingen die Marsen an. als Tacitus aus des Mannus drei söhnen drei hauptstämme der Germanen abgeleitet hat, fügt er hinzu: quidam plures deo ortos pluresque gentis appella- tiones Marsos, Gambrivios, Suevos, Vandilios affirmant, aeque vera et antiqua nomina. führen sich also Gambrivier auf einen Gambar (den ahnen der Sigambern), Sueven auf Suevus, Vandilier auf Vandil zurück, so musz den Marsen ein Marso (myth. 336) als mythischer 61.9ahnherr gegolten haben, und an der uns jetzt verdunkelten allge- meinen gültigkeit dieses namens ist kein zweifei, da suevische Mar- signi d. i. Marsingi angeführt werden*, und ^er bei Marsiburg, Mersi-

* die batavischen, bist. 4, 56 neben Canninefaten genannten Marsaci sind vielleicht unverwandt und auf das engl, marsh, ags. merse palus zu- rückzuführen, vgl. lat. mariscus juncus marinus.

CHERUSKEN. MARSEN 431

bürg (Pertz 8, 537. 540) zu gründe liegt, auszer diesem thüringi- schen ort erscheint auch ein westfälisches Mersburg, Mersberg für Eresberg (mythol. s. 1209), das vielleicht aus dem lat. mons Martis entsprungen ist; dunkel bleibt uns das deutsche wort. Wenn ein mhd. dichter die seltsame, sonst unerhörte redensart braucht: "^der des tödes durch si gert und zuo zallen marsen vert' MS. 1, 25*, so meint er einen liebenden, der für seine frau sich in den tod und alle gefahren oder abenteuer stürzt, [marsen man. Crane 2865.] nnl. be- deutet mars einen mastbaum, aber von keinem dieser ausdrücke weisz ich Vorstellungen zu entnehmen die sich dem alten volksnamen eigneten. Wichtiger ist es der Marsen wohnsitz zu ermitteln, und früher mag er etwas westlicher gegen den Rhein gewesen sein; als des Drusus feldzüge die folge hatten, dasz August germanische Völker auf das linke Rheinufer versetzen Kesz, wichen sie aus, und zogen sich tiefer ins innere land, wo wahrscheinlich der kern ihres Volkes sasz. Strabo nennt sie ausdrücklich als zurückbleibende, neben einem theil der Sigambern, s. 290: Tccvtrjg (Tiyg noTa^iag) öl ^Iv dg trjv KhXxL^iriv ^hzYiyayov 'PiofialoL, xcc d' 's'q)&tj (lExaördvta slg trjv Iv ßäd'Si xcSquv, Ka&aTieQ Magöol' Xoinol d' elolv okiyoi xal räv Uovycc^ßgav {iSQog. Man darf, da sie an der Varusschlacht theil- nahmen (s. 616), in ihnen nachbarn und freunde der Cherusken vor- aussetzen und ihr land in das gebiet der oberen Ruhr, d. h. die grafschaft Mark und einen theil des herzogthums Westfalen legen. Das wird nun auch durch eine recht verstandne nachricht bei Taci- tus ann. 1, 50. 51 vollkommen klar, im j. 14 überzog Germanicus die Deutschen, und man darf ihm zutrauen, dasz er sich gerade gegen die stamme wandte , welche den Varus vernichtet hatten. Laeti, 620 heiszt es, neque procul Germani agitabant, dum justitio ob amissum Augustum, post discordiis attinemur. at Romanus agmine propero silvam Caesiam limitemque a Tiberio coeptum scindit, castra in limite locat, inde saltus obscuros permeat, consultatque ex duobus itineribus breve et solitum sequatur, an impeditius et intentatum eoque hosti- bus incautum. delecta longiore via cetera accelerantur. etenim attu- lerant exploratores festam eam Germanis noctem et solemnibus epulis ludicram . . . juvit nox sideribus inlustris, ventumque ad vicos Mar- sorum et circumdatae stationes stratis etiam tum per cubilia propter- que mensas, nullo metu, non antepositis vigiliis. Caesar avidas le- giones, quo latior depopulatio foret, quattuor in cuneos dispertit, quin- quaginta millium spatium ferro flammisque pervastat. non sexus, non aetas miserationem attulit, profana simul et sacra, et celeberrimum illis gentibus templum, quod Tanfanae vocabant, solo aequantur. sine vül- nere milites, qui semisomnos, inermos aut palantes cediderant. Excivit ea caedes Bructeros, Tubantes, üsipetes, saltusque per quos exercitui regressus insedere. Auf diesen heimtückischen und grausamen zug er- hob sich der römische feldherr vom Rhein bei castra vetera aus südost- wärts gegen die Ruhr, die silva Caesia entfernt allen zweifei; man hat sie nördlich bei Coesfeld (Kuhfeld?) gesucht, eine Urkunde vom j. 796 bei

432 CHERÜSKEN. MARSEN

Lacomblet 6 lehrt aber deutlich: comprehensio (bifang) in silva quae dicitur Heissi, in aquilonari parte fluYÜ Rurae, vgl. n^ 17 a. 800 und n^ 290 a. 1119, wo silva Hese steht, noch heute trägt Heisingen, ein dorf (zwischen Essen und Werden, auf der rechten seite der Ruhr), davon seinen namen. bis zur Caesia reichte römischer besitz*, von da im deutschen gebiet zog das beer durch dichte wälder und nach mitternacht war der wohnort der Marsen erreicht, die ein heiliges fest begangen hatten und in tiefem schlafe lagen. Um von Wesel

621 aus an diese stelle zu gelangen darf man dem Germanicus nur einen tag und eine halbe nacht einräumen, binnen welcher zeit höchstens sechs bis acht meüen zurückgelegt wurden; machte die silva Caesia ungefähr die mitte der ganzen reise, so hätte der ausgang derselben einen punct wie Dortmund erreicht, in dessen gegend ich geneigt bin den sitz der Marsen und des Tanfanatempels anzunehmen. Das schwierige ist sich die läge und abgrenzung der Marsen von den übri- gen westlichen Germanen zu verdeutlichen. Zwischen Ems und Lippe wohnten Bructerer (s. 530), an der unteren Ruhr Chattuarier (s. 589) und dann Tencterer (s. 533), diesen beiden östlich Sigambern (s. 520), die mitte zwischen Sigambern und Bructerern an der oberen Ruhr mögen Marsen eingenommen haben; ostwärts den Sigambern grenzten Chatten und Cherusken, ostwärts den Marsen und Bructerern wiederum Cherusken; gegen Süden saszen üsipeten und Mattiaker. Mit richtigem blick hat auch Zeusz, ohne von der silva Caesia auszugehn, die Mar- sen nicht so nördlich verlegt, wie bisher geschah; ich weiche nur darin von ihm ab, dasz sie mir nicht in den Sigambern aufzugehn scheinen; ob sie, gleich den Cherusken, ingaevonischen Stammes waren, wie ich zu vermuten wage, wird sich freilich nicht entscheiden lassen. Dasz ihre niederlage die Bructerer aufregte, und diese dem römischen beer den rückweg abzuschneiden suchten, begreift sich; Tacitus ge- sellt ihnen hier aber auch Tubanten bei, die man sich nördlicher, und üsipeten, die man sich südlicher zu denken pflegt (vgl. s. 592).

Auf diesem heerzug sengten und brannten die Römer 50,000 schritte weit und breit im umkreis und Tanfana wurde zerstört; es beiszt 'celeberrimum illis gentibus templum', der ort stand in grösztem ansehn und galt mehr als einem deutschen volke für heilig; hieraus erhellt, dasz vielen deutschen stammen auch glaube und cultus gemein waren, welch hohen werth würde diese meidung für uns haben, wenn sie genauer ausgefallen wäre und auszer den stammen auch die stelle des heiltums bezeichnet hätte, aus andern umständen scheint

622 sich folgern zu lassen, dasz solche örter gern auf der grenze zwischen zwei oder drei Völkerschaften angelegt waren und zugleich deren absonderung.und gemeinschaft ausdrückten; Tanfana mochte Marsen Bructerern Cherusken, Irmanstll Chei-usken Sigambern Chatten zusam- men heilig sein. Wie man immer Tanfana deuten könne, es war ein

* auch später gehört Heisingen nebst Werden zum fränkiscb-ripuari- schen Ruhrgau und jenseits begann Boroctragau.

CHERUSKEN. MARSEN. DULGIBINEN 433

weibliches höheres wesen, das hier verehrt wurde und kein kelti- sches, sondern echt deutsch gleich der nahen Veleda; s. 232 führte mich der name auf eine göttin des heerdes und feuers, die man leicht mit einer anderen und bekannteren göttermutter vereinbaren dürfte, nun wies die örtlichkeit vorhin nach Dortmund, dessen uralter name in rein sächsischer form Throtmani, Throtmeni, Throtmenni lautet, was nicht anders aussagt als monile gutturis, colli, wie noch ein ort an der Weser Holtesmeni (Holzminden) monile silvae heiszt. Frowa oder Freyja trug aber an ihrem hals das berühmte Brosinga mene und davon konnte ein heidnischer ort benannt sein, man darf gar nicht bezweifeln, dasz nach Verheerung des Tanfanatempels die Deut- schen den heiligen ort wieder neu errichteten.

Ebensowenig waren die Marsen selbst vernichtet, zwei jähre später fand es Germanicus für nöthig sie wiederum zu überfallen, und nachdem er einen andern häufen gegen die Chatten entsandt hatte, heiszt es ann. 2, 25: ipse majoribus copiis Marsos irrumpit, quorum dux Mallovendus nuper in deditionem acceptus propinquo luco defossam varianae legionis aquilam modico praesidio servari in- dicat. Missa extemplo manus, quae hostem a fronte eliceret, alii qui terga circumgressi recluderent humum: et utrisque aflFuit fortuna. 60 promptior caesar pergit introrsus, populatur, exscindit non ausum congredi hostem, aut sicubi restiterat statim pulsum, nee unquam magis, ut ex captivis cognitum est, paventem. Des Überläufers name liesze sich aus mahal und vendo phalanx deuten.

In seiner Germania aber vergiszt Tacitus, auszer jener allgemeinen erwähnung bei angäbe der hauptstämme, die Marsen und ihren Wohn- sitz zu schildern , wie er auch der Sigambern völlig geschweigt, da 623 doch in den annalen beide, Marsen und Sigambern, bedeutsam vor- treten. Später scheint der Marsen name gänzlich zu erlöschen und entgeht auch dem Ptolemaeus; sie mögen sich in dem volk, das den namen und die stelle der Cberusken vertritt, gleichfalls verlieren.

Dafür gedenken Tacitus und Ptolemaeus eines geringeren, den Cherusken benachbarten und ohne zweifei nahverwandten volks, das hernach wiederum verschwindet. Tacitus Germ. 34 läszt im rücken der Angrivarier und Chamaven noch Dulgibini oder besser Dulgubini und Chasuarii hausen, dem Ptolemaeus sind zlovXyov^noi an Lango- barden grenzend, also weiter im osten oder nordosten der Cherusken. In diesem namen ist das ags, dolg, fries. dolch, ahd. tolc vulnus nicht zu verkennen, und gerade wie im goth. aus vermutlichem einfachem vundö vundubni vulnus fortgebildet wird, mag aus dulg, dolg ein dulgubni vulneratio entspringen, von dem sich dann weiter dulgubnja vulnerator ableiten läszt. Dulgubini ist leicht in Dulgubnii, wozu zJovXyov^vioi näher tritt, zu berichtigen [Haupt 9, 243], und bedeutet viri vulnerantes, vulnera dantes d. i. bellatores, wie sich vielleicht der thrakischen oder getischen TgavöoL Trausi name (Herod. 5, 4. Liv. 38, 41) nicht nur auf gr. tqcoco xitQCJöiico tgäoig tgav^a, son- dern auch auf goth. driusan, ags. dreosan cadere und ags. dreore,

ärimm, geüchichte der deutschen spräche. 28

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434 CHERUSKEN. DULGIBINEN. SACHSEN

altn dreyri, ahd. trör gutta cadens, sanguis, cruor zurückführen läszt. [doch t fordert J). vgl. J)rör cervus, J)roskr vigor.] aus der bedeutung vulnerans ist das altn. dölgr hostis hervorgegangen, da jedoch unter Friesen und Hochdeutschen dolg und tolc nur wunde ausdrückt, so wäre unrichtig und auch sonst unpassend Dulgubini durch feinde zu erklären, über das goth. dulgs (s. 325) habe ich mich anderswo ausgesprochen. Der den Cherusken nördlich gelegnen Chasuarier und ihres sitzes geschah schon s. 558 meidung, Ptolemaeus nennt auszer den Kaöovd- QOL auch noch NEQtSQBavsg und ^avdovtoi, deren sitze sich aber nach seinen angaben gar nicht fassen lassen; im vorletzten namen liegt ein merkwürdiger anklang an die göttermutter Nertus oder Nerthus.

624 Von allen diesen nachbarn der Cherusken ist, mit ausnähme eines einzigen volks, nach dem verlauf des ersten und zweiten jh. keine rede mehr, und ihr name geräth, gleich dem cheruskischen selbst, in Vergessenheit, wäre aber glaublich oder möglich, dasz so mannhafte und ansehnliche stamme verschwunden, und aus der gegend, die sie inne hatten, gewichen wären? von einem solchen abzug noch von ihrer ankunft auf anderm boden weisz die geschichte nicht das geringste, und neben ihnen haben Thüringe und Hessen fortwährend die alten sitze behauptet, man kann sich nichts anders vorstellen, als dasz auch die Cherusken in ihrer heimat blieben und nur mit verschiednem namen auftraten; dieser name war aber der sächsische, welchem, wie vorhin gezeigt wurde, gleicher sinn mit dem cheruski- schen einwohnt. Ungefähr um dieselbe zeit hören auch die Sigambern und andere ihnen stammverwandte Völker auf und werden durch Franken ersetzt; keine dieser benennungen scheint mir neu erfunden, sondern längst vorhanden und jetzt nur die bisher übliche verdrängend.

Man hat, sahen wir s. 609, gemutmaszt, im dritten jh. seien die Sachsen aus der kimbrischen halbinsel, als eine neue erscheinung, vorgerückt und siegreich in weite ferne gedrungen, es wäre doch das seltsamste, dasz ein auf schmaler chersonesus neben sechs oder sieben andern wohnhafter stamm, nothwendig geringes umfangs, plötz- lich angeschwollen, von der mündung der Elbe aus das gesamte gebiet zwischen Elbe, Weser und beinahe Rhein bis zur mitte Deutschlands hin erfüllt, und sich zugleich gegen westen an der gallischen küste her, bald auch nach Britannien ausgebreitet hätte, von solcher kraft- äuszerung, sollte man meinen, würde doch auszer ihren äuszersten er- folgen am litus saxonicum und in Britannien auch dem Innern Deutsch- land künde geblieben sein, sollten Chauken und Cherusken diesem einbrach der Sachsen keinen widerstand entgegengesetzt haben? ja wäre überhaupt gedenkbar und durch andere beispiele in der deut- schen geschichte zu bestätigen, dasz ein stamm verwandte stamme auf solche weise überzogen und unterworfen hätte? Wie viel wahr- scheinlicher also ist es zu glauben, dasz die von Ptolemaeus zuerst

625 in einem winkel hinter der Elbe erforschte benennung der Sachsen schon längst unter dem ganzen volk gäng und gäbe war und seit dem dritten jh. auch die allgemein herschende wurde. Als sich, in

SACHSEN 435

immer gröszerer menge, die fränkischen stamme vom Niederrhein nach Gallien wandten, schob nicht nur die sächsische masse gegen Westen vor, sondern einzelne theile gelangten entweder mit den Franken über den Ehein oder segelten auf dem nordmeer heran und erwar- ben sich belgische oder gallische bezirke, es mögen vorzugsweise die nordwestlichsten Sachsen gewesen sein, die der seefart kundig auf ihren schiffen an der küste streiften und wo es ihnen gelegen war sich niederlieszen.

Die notitia dign. imp. occid. kennt schon im tractus armoricanus derBelgica secunda und in Britannien ein litus Saxonicum (ed. Böcking p. 23. 80. 106. 108). Eutropius 9, 13 erzählt: Carausius apud Bo- noniam per tractum Belgicae et Armoricae pacandum mare accepit, quod Franci et Saxones infestabant (vgl. Beda 1, 6). dem Julian (ed. Spanh. p. 34) stehn gerade so ^Qccyyot xal Zld^ovsg xäv vneg xbv 'Pijvov xal triv iönsQiav d^dlattav id^vav ^ccxtfioitata neben- einander, in des Römers äuge traten zur zeit des vierten jh. unter allen Germanen die Franken und Sachsen vor*, über diesen namen geriethen jetzt alle älteren und berühmten in Vergessenheit Ammia- nus 26, 3: hoc tempore velut per Universum orbem romanum belli- cum canentibus bucinis excitae gentes saevissimae limites sibi proxi- mos persultabant, . . . Picti Saxonesque et Scotti et Atacotti Britannos 626 aerumnis vexavere continuis ; 27, 8 : gallicanos tractus Franci et Sa- xones iisdem confines, quo quisque erumpere potuit terra vel mari, praedis acerbis ineendiisque et captivorum funeribus hominum viola- bant; 28, 2: quam ob causam prae ceteris hostibus Saxones timentur ut repentini; 28, 5t signorum aquilarumque fulgore praestricti venia- lem poscerent pacem; diuque variatis consiliis, cum id reip. condu- cere videretur, pactis induciis et datis ex conditione proposita juve- nibus multis habilibus ad militiam, discedere permissi sunt Saxones, sine impedimento unde venerant reversuri. Das waren die letzten Züge des römischen reichs in diesen landstrichen, als es zu schwach um mit eigner kraft zu bestehn aus den beeren der überall plötzlich ein- brechenden Deutschen für kurze fristen gefährliche krieger zu gewinnen suchte, bald erfolgten niederlassungen kühner Sachsen nicht allein an der ganzen Westküste Galliens ** sondern auch an der entgegenliegen-

* sicher geht ein beiden zugetheilter beiname der wilden in hohes alterthum hinauf: Franci feroces oben s. 513 und Pertz 1, 282. Graff 4, 493; Francorum barbarorumque ferocia et ferrea corda. Pertz 2, 651; Sa- xones natura feroces. Eginh. cap. 7; feroces Saxones. Pertz 2, 367; die stein- harten Sahsen. Rol. 258, 28, was noch bezug auf sahs saxum nehmen kann; ein wilt Sas. Maerl. wapene Martin 109; wilde Sahsen. Lohengr. p. 150. Gudr. 1503, 4, und verbunden Gudr. 366, 4: er löntim sit so höhe sam einem wilden Sahsen oder Franken, die chuonen Sahsen. ßol. 184, 21. die grimmin Sahsen. Rol. 65, 4.

** in Neustrien hiesz ein pagus Otlingua Saxonia (Pertz 3, 426 a. 853) Autlingua saxonica (Ducange 4, 748), da wo Greg. tur. 5, 27 Saxones bajo- cassini (von Bayeux) nennt, es sind deutlich sächsische edilinge, adalingä, die dort wohnten, [ödlingar, fomald. 2, 11.]

28*

436 SACHSEN

den von Britannien; wie vorbereitet war die hernach stattfindende einnähme der britischen insel!

Von den Schicksalen der in ihrer heimat weilenden Sachsen wäh- rend des fünften, sechsten und siebenten jh. sind wir wenig unter- richtet, um diese zeit müssen manche der alten namen geschwun- den und neue aufgekommen sein. Seit die Franken in Gallien auf- geblüht und zum Christenthum übergetreten waren, scheinen sie mit den Sachsen, die eifrige beiden blieben, in feindseligeres Verhältnis zu treten, kleine sächsische stäm.me wurden austrasischen königen zinsbar und suchten sich dieses jochs wieder zu entledigen, andere streiften mit Langobarden und Burgunden in südliche länder. zwischen Sachsen und Thüringen, aber auch mit den fränkischen Boructuariern und Hattuariern mögen wiederholte kriege und fehden stattgefunden

627 haben, eine solche meidung hat Beda 5, 12 von Svidberct im letzten zehntel des siebenten jh. : non multo post ad gentem Boructuarorum secessit ac multos eorum praedicando ad viam veritatis perduxit. sed expugnatis non longo post tempore Boructuaris a gente antiquorum Saxonum, dispersi sunt quolibet hi, qui verbum receperant. dasz die Sachsen im j. 715 das hattuarische gebiet überzogen hatten wurde s. 589 angeführt. Von solchen kriegen der Franken und Sachsen kann noch in altfranzösischen gedichten einzelnes sagenhaft nachhal- len, z. b. wenn Jean Bodel in der chanson des Saxons (ed. Fr. Michel, Paris 1839) p. 72 den Schauplatz des sächsischen kriegs 'entre Rune et Tremoigne' setzt, so mag das auf ältere zeit als die des Wittekind zurückgehn, Tremoigne ist Tremonia, Dortmund, der (s. 621) ver- mutete hauptsitz der Marsen, und Rune offenbar Rure, die Ruhr, von Dortmund aus rückten gewis noch spätere Sachsen oder Westfalen, aber lange vor dem achten oder neunten jh. den Franken entgegen. Beda 5, 10, indem er des Niger und Albus Hewald gedenkt, die zu ausgang des siebenten jh. aus England nach Altsachsen ge- kommen waren, das christenthum zu predigen, gibt eine lehrreiche nachricht: qui venientes in provinciam intraverunt hospitium cujus- dam villici, petieruntque ab eo, ut transmitterentur ad satrapam, qui super eum erat, eo quod haberent aliquod legationis et causae utilis, quod deberent ad illum perferre. Non enim habent regem iidem antiqui Saxones, sed satrapas plurimos suae genti praepositos, qui ingruente belli articulo mittunt aequaliter sortes, et quemcunque sors ostenderit, hunc tempore belli ducem omnes sequuntur, huic obtem- perant; peracto autem hello rursum aequalis potentiae omnes fiunt satrapae. Suscepit ergo eos villicus, et promittens se mittere eos ad satrapam, qui super se erat, ut petebant, aliquot diebus secum retinuit. Qui cum cogniti essent a barbaris quod essent alterius religionis, . . . suspecti sunt habiti quia si pervenirent ad satrapam et loquerentur cum illo, averterent illum a diis suis, et ad novam christianae fidei

628 religionem transferrent, sicque paulatim omnis eorum provincia vete- rem cogeretur nova mutare culturam. itaque rapuerunt . . . , quos interemtos in Rheno projecerunt (3. oct. 695).

SACHSEN 437

Dieser altsächsische strich musz auf der rechten seite des Rheins gelegen haben, etwa im ehmaligen gebiet der Marsen, das sich viel- leicht gegen westen erweitert hatte, weil die leichen in den Rhein geworfen wurden und zugefügt ist, dasz sie stromaufwärts vierzig- tausend schritte weit trieben, eh man sie wieder auffieng; Pippin habe sie nachher zu Cöln in einer kirche niederlegen lassen, leicht also könnte jener häuptling seinen sitz wieder in der Ruhrgegend und wie vor alters zu Dortmund gehabt haben*.

Zu Carl des groszen tagen predigte den Sachsen Lebuin oder Liafwin, dessen lebensbeschreibung von Hucbald im zehnten jh., aber aus älteren nachrichten verfaszt ist und mit dem von Beda gesagten übereinstimmt (Pertz 2, 361): in Saxonum gente priscis temporibus neque summi coelestisque regis ei-at notitia . . neque terreni alicujus regis dignitas .... singulis pagis principes praeerant singuli. statuto quoque tempore anni semel ex singulis pagis . . . singillatim viri duo- decim electi et in unum collecti, in media Saxonia secus flumen Wiseram et locum Marklo nuncupatum exercebant generale concilium, tractantes, sancientes et propalantes communis commoda utilitatis, juxta placitum a se statutae legis, sed et si forte belli terreret exi- tium, si pacis arrideret gaudium, consulebant ad haec quid sibi foret agendum.

Marklo will sagen was silva Marciana, dunkler wald, und die heiligkeit des waldes ist der feierlichen, allgemeinen jahrs Versammlung angemessen, wo der ort lag scheint nur unsicher ermittelt, man glaubt unweit Hoya bei Markennah und dem Heiligenloh daselbst.

Die lex Saxonum enthält zwar bestimmungen , welche erst für das bekehrte und christliche volk getroffen werden konnten (nament- 629 lieh 2, 8. 10 und 3, 5); gleich wol wäre denkbar, dasz der erneuerung unter Carl dem groszen schon eine ältere fassung vorhergieng. wliti- wam 1, 5 ist ganz dem ausdruck der lex Angl. et Wer. (s. 606) gemäsz.

Dies gesetz lehrt nun tit. 8 und 19 eine durchgreifende ein- theilung des sächsischen volks, wie sie auf jeden fall schon im achten jh. bestanden haben musz. es gibt drei sächsische stamme Ostfalai, Westfalai und Angrarii, oder, wie sie der poeta Saxo zum j. 772 (Pertz 1, 228,1 benennt Westfali, Ostfali, Angarii. die Westfalen wohnen gegen den Rhein, die Ostfalen gegen die Elbe, zwischen bei- den an den ufern der Weser die Angrarii oder Engern. gleichbe- deutig mit Ostfali wird auch Osterliudi oder Austreleudi gesagt, ob- wol dieser letzte ausdruck allgemeiner ist und auch die östlichen stamme jedes andern volks bezeichnen darf, wie namentlich im Hilde- brandslied unter argösto Ostarliuto kaum ein Sachse gemeint wird. Als Carl der grosze mit seinem beer zur Ocker kam, giengen ihm die Ostfalen, darauf im gau Bucki (bei Bückeburg an der Weser) die Engern, endlich zwischen Weser und Rhein die Westfalen, alle ihre

* aus der ganzen stelle zeigt sich klar was Beda hier und 1,15 unter alten Sachsen versteht, und wie abenteuerlich man letzthin gesucht hat diese zu den bewohnern des litus saxonicum zu machen.

438 SACHSEN. ANGRARIER. FALEN

geisein stellend, entgegen (Pertz 1, 154. 155). Mitten im ostfälischen gebiet zwischen Ocker und Leine, lag noch ein eigner gau des namens Ostfala oder blosz Fala, Falaha mit dem Hauptort Hildesheim, in älterer form Hildenesheim, was ein masc. Hildan oder fem. Hildana mit dem gen. Hildanas voraussetzt.

Sichtbar entsprechen nun diese drei landstriche Ostfalen, Engern und Westfalen, die der gemeinschaftliche name Sachsen* umfaszt, dem alten Cheruskengebiet, und es läszt sich nicht verkennen, dasz die mittleren Angrarii oder Engern auch den namen der alten Angri- varier bewahrt haben [Haupt 9, 226 228. 236], die, wo nicht selbst Cherusken, ihnen nahgelegen und befreundet waren, in der grafschaft Ravensberg, südwestlich von Minden, dicht bei Herford liegt ein städt- 630 chen Enger, alts. Angari, das für den hauptort des angrivarischen ge- biets und fast für die mitte von ganz Sachsen gelten kann [Angarion. Werden reg. 239]; nur dasz sich die Angrivarier südlich nicht bis an die Chatten, nördlich nicht bis an die Chauken erstreckten, also bei der neuen eintheilung Engern oben und unten ausgedehnt wurde. Vielleicht, dasz sie dennoch mit des Ptolemaeus Ingrionen am Rhein (s, 582), ja mit dem uralten namen der Ingaevonen zusammenhängen; weit be- denklicher scheint es sie und die Angeln zu verknüpfen, obschon in den lateinischen gesetzen Eduard des bekenners ein später eingeschalteter titel (Schmids ausg. s. 286) gerade sagt: exierunt enim Gudi quondam de nobili sanguine Anglorum, scilicet de Engra civitate, et Anglici de sanguine illorum, et semper efficiuntur populus unus et gens una, was man in England zur zeit des eilften jh. nicht mehr recht wissen konnte.

Wer sind aber die Falen und wie gerathen sie in den osten und Westen des altcheruskischen landes?

Durch die Schreibung Ostfalai und Westfalai des gesetzes wer- den wir vorerst auf ein volleres Falahi geführt, das im capitulare von 797 (Pertz 3, 75, vgl. 89. 90) bestätigung erhält, es heiszt da: congregatis Saxonibus de diversis pagis, tarn de Westfalahis et Angra- riis quam et de Oostfalahis. den einfachen mannsnamen Falh ge- währen die trad. corb. § 477. 478, neben Fal § 243. 341, den Orts- namen Falhahilsen § 366, ein gau hiesz Faledungen, ein ort Falothorp, noch heute sind in Westfalen oder Niedersachsen Fal, Val, Phal, West- fal, Kuhfal u. s. w. unseltne eigennamen. Dies falah, falh scheint aber zunächst aus alts. fölhan, goth. filhan, ahd. fölahan condere, tegere entsprungen, mithin ganz den sinn des lat. conditus d. i. con- stitutus, institutus darzubieten: falah wäre ein geschafner, ansässiger.

Nun sagt die vorrede der edda, Odinn habe Saxland erworben und (gleich Mannus) dreien söhnen so ausgetheilt, dasz Vegdeg Ost- sachsen, Beldeg Westfalen (Vestfal) und Sigi Frankenland empfieng; dieser enge verband zwischen Sachsen und Franken ist bedeutsam, Sigi ahd. Sicco knüpft sich an Sigmund, Sigfrid (Haupts zeitschr.

* die lauenburgischen fürsten führten noch im 16. jh den titel 'her- zogen zu Sachen, Engern und Westfalen'.

SACHSEN. FALEN. NORDALBINGE 439

1, 3. 4) und an unsre Sigambern (s. 525). Vägdäg (Vecta) und 631 Bäldäg erscheinen auch in den ags. genealogien als göttliche heroen und Bäldäg ist geradezu der nordische gott Baldr ; sollte nicht Vester- falcna, ein andrer name dieser ags. stammreihen, auf Vesterfalca, Vestfalha ahd, Westfalaho zurückgehn? Phal auf Phol = Baldr ? wie es immer darum stehe, das zurückweisen des namens Westfal in ur- alte göttersage musz uns verbürgen, dasz die benennung der West- falen und Ostfalen nicht erst im achten jh. aufgekommen, sondern weit früher begründet war. Gehören aber die s. 194 verglichnen gothischen Thaiphali und Victophali in denselben kreis, so gewinnt der name noch höheres alterthum; das nach dem L unterdrückte H im munde lateinischer Schriftsteller macht keinen anstosz.

Als ergebnis dieser noch unabgeschlossenen forschungen mag be- trachtet werden, dasz wenn sächsische Falen statt der alten Cherus- ken erscheinen, damit ein bloszer Wechsel uralter namen, nicht der Völker eingetreten sei. weder sind die Cherusken als frühere ein- wohner von ihrer stelle gewichen, noch Sachsen als neukömmlinge in diese gerückt, in der mitte haben sogar die Engern die alte be- nennung der Angrivarier gewahrt, was den beweis vollendet, allen dreien musz dieselbe abkunft und spräche beigelegt werden und von jeher war Cherusken wie Sachsen der niederdeutsche dialect eigen, wie aber noch heute die niedersächsische spräche abweicht von der thüringischen, bleibt die annähme unvermeidlich, dasz auch vor alters Cherusken und Hermunduren stammverschieden waren, und des Pli- nius aufzählung der Cherusken unter den Herminonen unwahrschein- lich, da sie vielmehr gleich den Sachsen als kern der Ingaevonen an- zusehn sind, worauf ich zurückkommen werde.

Diesen drei gliedern des sächsischen volks, Westfalen, Engern und Ostfalen, tritt aber jenseits der Elbe noch ein viertes hinzu, welches der poeta Saxo (Pertz 1, 254) Northalbingi benennt, wofür aber auch Transalbiani oder Nordleudi, im gegensatz jener Ostarleudi (s. 629) üblich wurde; durch den blosz örtlichen namen sollen einzelne, kleinere stamme der halbinsel, zwischen Elbe und Eider, gerade da, 632 wo Ptolemaeus zuerst die Sachsen wahrnahm, zusammengefaszt wer- den. Adam von Bremen 2, 15 (Pertz 9, 310) zählt sie näher so auf: Transalbianorum Saxonum tres sunt populi, prima ad oceanum Ted- marsgoi (al. Thiatmarsgoi, einwohner des Thiadmarsgau, woraus das heutige Dithmarschen entstellt wurde), secundi Holcetae (d. i. Holtse- tae, Holtsati) dicti a silvis quas accolunt, tertii, qui et nobiliores, Bturmarii dicuntur. ebenso schildert Helmold 1, 6: ultimam partem Saxoniae, quae est trans Albiam et dicitur Nordalbingia , continens tres populos Thetmarsos, Holsatos, Stormarios. genau betrachtet fallen auch die an der Westküste der halbinsel wohnenden Friesen in die Vor- stellung von Nordalbingien, obschon sie nicht Sachsen heiszen können; jenseits der Eider oder vielmehr Schlei beginnen die Juten. Dasz diese nordalbingischen Sachsen den übrigen urverwandt waren entscheidet die bis auf heute in Holstein und Dithmarschen waltende mundart.

440 KIMBERN. HARUDEN

Schwerer scheint die frage zu erledigen, welche Völker in älte- ren Zeiten, vor dem achten und neunten jh. auf der halbinsel wohn- ten? aber die Untersuchung wird gewinnbringend.

Tacitus führt einzig und allein die Kimbern auf: eundem Ger- maniae sinum proximi oceano Cimbri tenent, parva nunc civitas, sed gloria ingens. dem Plinius 4, 14 bilden das alterum genus aller Germanen Ingaevones, quorum pars Cimbri, Teutoni ac Chaucorum gentes. auf dem monumentum ancyranum werden dem Augustus selbst diese worte in den mund gelegt: Cimbrique et Charudes et Semnones et ejusdem tractus alii Germanorum populi per legatos amicitiam meam et populi romani petierunt. der gesandtschaft der Kimbern, wie sie dem kaiser einen heiligen kessel verehrten, erwähnt Strabo s. 293: xal yag vvv exovöt t^v icSgav, rjv ü%ov tiqotbqov. xal 'sTCEfitl^av ta IJsßaöro) öaQOV xbv iegärarov nag' avtols l£ßt]ta, 633 aitovfjbEvoL cpiUav accl ccfivi^ötiav rav V7if]Q'y^£viov*. Zu Ariovists beer, wie Caesar 1, 31. 37. 51 meldet, waren unter andern Germanen auf gallischem boden auch 24,000 Harudes gestoszen, mit Kimbern kam Caesar nicht in berührung, so oft er ihrer aus alten zeiten ge- denkt, wo dann immer Cimbri Teutonesque neben einander genannt sind (1, 33. 40. 2, 4. 7, 77). Ptolemaeus kennt auf der halbinsel auszer Cimbern und Charuden noch fünf andere mit fast unbekannten oder entstellten namen, und zählt sie alle sieben in folgender Ord- nung her: UiyovXaves, UaßaUyyiOL, Koßavdoi, Xaloi, Öovvdovöoi, XaQOvÖEQ avaroAtxwTepot, Kt^ßgoi jiccvtcdv agxTixcdtSQoi.

Charudes Harudes bedeutet silvicolae von charud harud, alts. hard, ahd. hart lucus, silva (GrafF 4, 1026), womit viele Ortsnamen wie Reginhart, Spehteshart, Mänhart gebildet sind, die Harudes bei Ario- vist brauchen nicht gerade aus dem norden gekommen zu sein, man könnte sie sich gleich den Markomannen in mehr als einer gegend denken. Als im j. 852 könig Hludowic durch Sachsen zog, heiszt es in den fuldischen annalen (Pertz 1, 368): transiens per Angros, Harudos, Suabos et Hohsingos . . . Thuringiam ingreditur, aus Engern gelangte er in den Hartegö, Suävegö und Hohsigö, der unmittelbar an Thüringen grenzte, im pagus Suevon, zwischen Bode und Säle wohn- ten die Nordschwaben. Diese Harudi sind also Harzbewohner, man weisz dasz zu verschiednen zeiten nordalbingische Sachsen nach an- dern gegenden versetzt wurden (Zeusz s. 396. 397). Klar aber fal- len, und darauf kommt es an, die nordalbingischen Harudes zusam- men mit den Holtsaten, was nur ein andrer ausdruck für den begrif accolae silvae ist. auch hegt Holstein** im osten der halbinsel, wie

* wie ihre heiligen frauen aus solchen opferkesseln weissagten berichtet er s. 294; auch die Sueven bedienten sich groszer opferkessel (myth. s. 49) und der häufige altn. eigenname Thorketill, Thorkell (myth. s. 170) er- klärt sich aus diesem cultus. Hymisqvida singt, wie Thörr den unge- heuren kessel von dem riesen, Thrymsqvida wie er den mächtigen hammer wieder holte, beide kessel und hammer waren heilige gegenstände.

** bekanntlich ist diese hochdeutsche form ganz verkehrt aus Hülsten (= Holtseten) land gebildet worden.

KIMBERN 441

dem Ptolemaeus die Charuden ävarohxcotsgot hieszen. übrigens ent- 634 sprechen ihnen auch im namen und vielleicht der abkunft die altn. Hördar (fornm, sog. 12, 309).

Wie Cherusken = Sachsen sind also Charuden = Holtsaten; sind aber Charuden und Semnonen unanfechtbar deutsches Ursprungs, so werden es auch die mit ihnen von August zusammen genannten Kimbern sein.

Neuere critik, irre geleitet durch Kimmerier und Cymru (Cambria) hat sie zu Kelten stempeln und dem Vaterland einen seiner ältesten zeugen rauben wollen; wären die Kimbern keltisch, so würde da- durch selbst die deutschheit der Teutonen, ihrer gefährten ver- dächtigt.

Auf den unterschied der Germanen von den Kelten, welchen Griechen nicht zu fassen vermochten, hatten allmählich die Römer sich verstehn gelernt, in deren meidungen Kimbern und Teutonen ausdrücklich germanische Völker heiszen. Caesar gedenkt ihrer, um sie den ki-iegern Ariovists gleichzustellen, die wild und grausam, wie die alten Kimbern und Teutonen in Gallien einfallen; nie erscheinen sie ihm als landsleute der Gallier, sondern als deren feinde. August stellt Kimbern zu Charuden, Semnonen und andern nördlichen Ger- manen, wiederum betrachtet Tacitus bist. 4, 73 Kimbern und Teu- tonen als gegner der Gallier, von welchen diese der römische beistand befreit habe. Strabo und Plutarch, griechische aber aus römischer quelle schöpfende Schriftsteller, lassen die Kimbern aus der nördlichen halbinsel, wo man sich nur Germanen dachte, über Gallien und Italien einbrechen. Plutarch nennt sie geradezu ysQ^ccvinä ykvri tav xa^i;- xövTcav snl xöv ßögsLOV axeavöv, und dasz sie die altskythischen KLfinEQLOi gewesen und erst beim einfall in Italien Kifißgoi genannt worden seien ist ihm unsichre Vermutung, es wäre auch schwer, Zusammenhang zwischen diesen Skythen und einwohnem der nörd- lichen küste herauszufinden oder des Posidonius meidungen bei Strabo s. 293 glauben beizumessen.

In den jähren 113 bis 101 vor Chr. erschienen Kimbern und Teutonen in Noricum, Helvetien, Gallien und Italien, zu ihnen gesellt 635 hatten sich helvetische Tiguriner und Ambronen ; sie waren nach einer sinflut des oceans* aus ihrer heimat gezogen, um sich andere Wohn- sitze zu suchen. Marius schlug die Teutonen und Ambronen an der Rhone, die Kimbern jenseits der alpen. der Teutonen anführer wird Teutoboch, der Kimbern Bojorix genannt.

Die grösze dieser gefahr hinterliesz in Rom den nachhaltigsten eindruck; es ahnte von welcher seite her seine macht gestürzt wer- den sollte. Gallien hatte längst aufgehört ihm furchtbar zu sein (s. 164), aber Germanien drohte.

In der römischen volkssage müssen manche züge aus dem kim-

* nX^/nfivglQ, Sirskho p. 292; subita inundatio maris, Festus s. v. Ambro- nes; cum terrae eorum inundasset oceanus, Florus 3, 3.

442 KIMBERN

brischen krieg von der riesengestalt der feinde und ihrem schrecken- den aussehn lebendig gehaftet haben, man pflegte das bild eines die zunge ausreckenden Kimbern auf Schilde zu malen und als zeichen auszuhängen, die capitolinischen fasten gedenken eines Q. Aufidius mensarius tabernae argentariae ""ad scutum cimbricum'. scherzhaft wurden häszliche dieser misgestalt verglichen. Cicero de oratore 2, 66: valde autem ridentur etiam imagines, quae fere in deformitatem aut in aliquod vitium corporis ducuntur cum similitudine turpioris, ut meum illud in Helvium Manciam: ""jam ostendam cujusmodi sis' quum ille 'ostende, quaeso' demonstravi digito pictum Gallum in mariano scuto cimbrico, sub novis, distortum, ejecta lingua, buccis fluentibus. risus est commotus: nihil tam Manciae simile visum est. Dasselbe erzählt aber Plinius von Crassus 35, 4 : denique video ei in foro (tabulas) positas vulgo. hinc enim ille Crassi oratoris lepos agentis sub Veteribus, cum testis compellatus instaret: 'die ergo, Crasse, qualem me reris? 'talem', inquit ostendens in tabula pictum infice- tissime Gallum exserentem linguam. sicher hieszen im munde des römischen volks alle Kimbern Gallier und das bild im schild konnten Cicero und Crassus nicht anders nennen als Gallus, wenn ihnen auch 636 sonst die Kimbern schon als Germanen bekannt waren, wie auf dem Schild der Athene ein Gorgohaupt mit gereckter zunge gebildet war, stellte man des römischen beiden schild mit des Galliers haupte dar: es war das zur schau getragne des erlegten feindes (s. 141. 142), der im todeskampfe fletscht. Noch jetzt findet man in mauern solche köpfe eingehauen z. b. in der Schweiz, wo man sie lälli (von lallen, die zunge strecken) nennt.

Verstehn wir den namen Charudes, so fragt es sich auch nach Cimbri. die Römer haben uns eine wichtige deutung überliefert: Cim- bri lingua gallica latrones dicuntur, sagt Festus, KlfißQOvg snovo- ^ät,ov6i rsQfiavol rovg ^rjötdg Plutarch im Marius cap. 11, und auch Strabo s. 292. 293 weisz dasz die KlfißQOL nXdvrjtEg und IrjÖtQMOL wurden, k^Gxi^g gilt den Griechen vorzugsweise von pira- ten, die auf beute ausgehn, ein begrif der zumal für küsten bewoh- nende Germanen und noch später Sachsen (s. 625. 626) geeignet ist. nun kennt aber keine der heutigen keltischen sprachen einen solchen ausdruck* und namentlich ist das welsche Cymro fern von diesem ne- bensinn, wogegen der Übergang aus dem ags. cempa miles, heros, ath- leta^ ahd. chempho, altn. kappi in die Vorstellung eines raubhelden und räubers leicht und natürlich scheint, sowol ags. cempa als ahd. chempho sind glossen zum lat. tiro d. i. miles novus et rudis militiae, gerade so findet sich ahd. scefdiup d. i. pirata für tiro (Graff 5, 98), folglich stehn chempho und scefdiup synonym, ich habe sonst (RA. s. 635) dargethan, dasz todschlag und raub dem alterthum keine ent- ehrende, vielmehr ruhmvolle handlungen und das gewerbe der beiden waren ; auch steht in niederdeutschen volkssagen kämpe für riese (Mül-

* räuber heiszt ir. creachadoir, gal. creachadair und spuinneadair.

KIMBERN. STURMAREN 443

lenhoff s. 267. 277) also gewaltthätiger räuber. Cimber im sg. wird getroffen bei Gruter 410, 7. 1075, 2; den eigennamen Cimberius hat Caesar 1, 37. ein von den Eömern nach der bedeutung des Wor- tes gefragter Germane konnte ohne bedenken angeben: praedator, grassator; war hier der eigentliche begrif verschlimmert, so mochte er auch im spätem cempa, chempho gemildert scheinen. Für die 637 form ist blosz zu merken, dasz anlautendes K der sächsischen Ver- schiebung, B nach dem M aber der lat. stufe gemäsz sei, mögen die Römer germanisches MP in MB erweicht, oder die Germanen selbst in diesem inlaut noch MB gesprochen haben. E in chempho ist Um- laut des A in champhio ; will man auf diese Verschiedenheit des A vom I in Cimber gewicht legen, so kann in ihm der laut von kimpan kamp angenommen werden, aus welchem hernach kampian und kampio = kempo flosz. Besteht meine auslegung und ist Cimber ags. cempere, ahd. chemphari oder ein ags. cimpor, ahd. chimphar ; so wird damit aller keltischen abkunft der Kimbern ein ende gemacht.

Wie ich aber die Charudes in den Holtsaten, möchte ich auch mit verändertem wort und haftendem begrif die Kimbern aufweisen in den Sturmaren, welche Adam bedeutsam neben Dietmarsen und Holsteinern als ""nobiliores' bezeichnet, denn ahd. stürm ist tumultus, seditio (Graff 6, 710), altn. stormr Impetus hostilis, folglich Sturmari Stormare nichts andres als unser nhd. stürmer tumultuator, grassator. wurde lat. grassari de latronibus qui vias obsident gesagt, so mag vor alters sturman in gleichem sinn gegolten haben, Adam fügt selbst hinzu: eo quod'seditionibus' ea gens frequens agitur. ich kann Dahl- mann nicht beistimmen, welcher zu Neocorus 1, 557 meint, Adam habe an stur (in welchen glossen hiesze das seditio?) storinge und stören gedacht, und der name sei in Sturmarii zu zerlegen; soll dann der zweite theil märi illustris gedeutet werden? das entscheidet*, dasz noch im Gudrunepos Wate von Sturmlant oder von Stürmen auftritt 263, 1. 331, 3. 564, 1. 884, 1 und im ags. ßyrhtnört 128, 30 ein held Sturmere heiszt; bekannt ist der ahd, Sturmio, Sturmi, Die Stormarn sind also eine gute probe auf die Kimbern, als deren nachkommen ich sie betrachte, und der altkimbrische rühm (parva nunc civitas sed gloria ingens) haftet an ihnen, weil sie noch so spät 'nobiliores' genannt sind; nur dasz sie im verlauf der zeit aus dem norden der halbinsel in den süden an die Elbe gezogen scheinen, 638 immer aber nachbarn der Haruden, wir werden sehn, vielleicht auch der Teutonen blieben**.

Eine andere bestätigung liefern die den Kimbern und Teutonen zugesellten Ambronen, deren Strabo und Plutarch gedenken, Florus geschweigt. Pestus sagt: Ambrones fuerunt gens quaedam gallica, qui

* geleugnet in MüUenhoffs Kudrun s. 93. ** Plinius 4, 5 nennt neben der Batavorum und Cannenufatum insula et aliae Prisiorum, Chaucorum, Frisiabonum, Sturiorum, Marsaciorum, quae sternuntur inter Helium ac Flevum. für Sturiorum lesen andere hss. Tusio- rum, und ihre läge entfernt sich auch von der kimbrischen halbinsel.

444 AMBRONEN. TEUTONEN

subita inundatione maris qinim amisissent sedes suas, rapinis et prae- dationibus se suosque alere coeperunt. eos et Cimbros Teutonosque C, Marius delevit. ex quo tractum est, ut turpis vitae homines am- brones dicerentur. Placidus p, 436: Ambronem perditae improbita- tis: a gente Gallorum, qui cum Cimbris Teutonisque grassantes periere. im gloss. Isidori: Ambro devorator, consumptor patrimonio- rum, decoctor, luxuriosus, profusus, ja später werden riesen und men- schenfresser daraus (mythol s. 487. 493), gerade wie die kämpen in riesen übergehn, ähnliches meldeten die Griechen von thrakischer Triballer wildheit. Mit recht aber nimmt Zeusz s. 149. 150 an, dasz Kimbern vnd Teutonen auch die verbündeten Ambronen aus dem keltischen in den deutschen völkerhaufen nach sich ziehen; nur sehe ich keinen grund sie für vorfahren der Sachsen zu halten, ihren namen, so deutsche färbe er trägt, weisz ich noch nicht auszulegen. Wir gelangen zu den Teutonen, deren name auf den unsrigen, allgemein alle stamme des volks umfassenden ohne zweifei eingewirkt, wenn er ihn auch nicht hervorgebracht hat. im höchsten alterthum erscheinen Cimbri Teutonique beständig zusammen*, wie sie die ge- schichte bei dem groszen heerzug verbündet, dessen tragischen aus- gang ihre letzte trennung entschied. Tacitus weist noch den Kimbern, nicht mehr den Teutonen wohnstätte in der nördlichen heimat an, Pli- 639 nius läszt den ganzen ingaevonischen hauptstamm von Kimbern, Teu- tonen und Chauken gebildet werden, während er die Cherusken zum vierten, herminonischen schlägt, kein zweifei also, dasz die Römer den sitz der Teutonen, wie der Kimbern in den germanischen norden legten. Pytheas (bei Plinius 37, 2) meldet, hinter den germanischen Guttonen sei die insel Abalus, deren einwohner ihren bernstein den benachbarten Teutonen als holz zur feuerung verkauften ; diesen namen hier mit Zeusz s. 135 für einen Schreibfehler zu erklären scheint mir verwegen, da auch Mela 3, 6 Codanonia in der ostsee von Teutonen bewohnen läszt. mit solchen nördlichen Teutonen, wie mit den Kim- bern müssen auch die Römer zur zeit des ersten jh. verkehr unter- halten haben, Plinius 35, 4 berichtet: in foro fuit et illa pastoris senis cum baculo (tabula), de qua Teutonorum respondit legatus inter- rogatus, quanti eum aestimaret : sibi donari noUe talem vivum verum- que. die frage ist nur, an welcher stelle die Teutonen ihren sitz hat- ten? jene inseln Abalus und Codanonia können ihn nur unsicher be- stimmen und auszerdem wäre glaublich, dasz seit Pytheas das volk sich weiter gegen westen bewegt hätte. Ptolemaeus stellt östlich von der halbinsel Teutonoarier zwischen Saxonen und Sueven (ungefähr ins heu- tige Lauenburgische), zu den Teutonen verhalten sich Teutonoarier wie zu den Chatten Chattuarier. die natürlichste annähme ist wol, dasz die Teutonen unmittelbare nachbarn der Kimbern und gleichfalls auf der halbinsel angesessen waren; ich wäge sogar zu vermuten, dasz

* wie Usipi et Tencteri, Bructeri et Tencteri, Anglii et Varini, Daci et Getae, Sciri et Hirri.

KIMBERN. TEUTONEN 445

die Ditmarsen ihre unmittelbaren nachkommen seien und Thietmaresgö auf ein älteres einfaches Thietengö, Thiodönogö, Teutonorum pagus zurückgehe, da Dedo, Dieto, Diez ein hypokorismos für Dietrich oder Dietmar ist, so kann umgekehrt aus dem einfachen volksnamen Teuto = alts. Thiado, ahd. Dioto die erweiterung Teutomßres, Thiadmär, Diotmär entsprungen sein. Hiernach wären in den Dietmarsen, Stor- marn, Holtseten die Teutonen, Kimbern und Charuden des höheren alterthums aufgewiesen, von den Ditmarsen aber ist auch in der späteren geschichte teutonische kraft bewährt worden.

Des teutonischen heerführers namen hat Plutarch nicht gemeldet, 640 bei Florus heiszt er Teutobochus und anderwärts Teutobodus, welche letzte form an die von Plinius 5, 32 angeführten keltogalatischen Tectosages ac Teutobodiaci, aber auch an Maroboduus mahnt, die Wurzel teut war Germanen und Kelten urgemein (vgl. welsches tud regio, ir. gal. tuath regio und zugleich regio aquilonaris). den kim- brischen könig nennt Plutarch BoiöJQi^ und auch Florus Bojorix, was ahd. Pougorih, goth. Baugareiks lauten könnte und von baugs annulus zu erklären ist, wie man Boji und Bojoarii Baugveri deutete, beide königsnamen, so keltisch sie auf den ersten blick erscheinen, lassen sich also auch deutsch rechtfertigen*. In Plutarchs geschmückter schüderung hat man die glänzenden mit thiergestalten und federn prangenden helme der kimbrischen reiter ungermanisch, also wieder keltisch gefunden ; als wenn des Tacitus beschreibung einiger rheinischen Germanen, der im gründe auch hier nichts widerspricht, für alle übrigen ausreichen müste. die kimbrischen wagen, auf welchen die frauen fochten und die hunde zuletzt aushielten (s. 16), bezeich- nen noch ganz nomadische lebensart. Merkwürdig ist das im heer mitgeführte eherne stierbild, über dem sie eide schwuren (Marius cap. 23); soll damit das stier haupt im meklenburgischen wapen zusam- menhängen, so müsten die nachrückenden Slaven den altkimbrischen oder warnischen brauch übernommen haben.

Aus den Sigulonen (so deutsch dieser name klingt), Sabalingen, Kobanden und Phundusiern des Ptolemaeus weisz ich nichts zu ent- nehmen.

Müllenhoff hat in den nordalbingischen Studien 1, 111 174 eine schöne abhandlung über die deutschen Völker an Nord- und Ostsee in ältester zeit geliefert und die namen des ags. Vidsidesleod der reihe nach fruchtbar auf die meidungen bei Tacitus angewandt ; es ist das beste was wir über diesen gegenständ besitzen, nur will er vielleicht 641 zu viel Völker auf der halbinsel unterbringen, so wenig zu zweifeln ist, dasz an der mündung der Elbe wie des Eheins von jeher ein groszes drängen stattfand. Das vorige capitel hat dargethan, dasz Thüringe von osten nach den Niederlanden zogen ; ich kann mich aus den von Müllenhoff s. 137 angeführten Ortsnamen nicht davon über-

* bedenklicher sind die Aduatici 'ex Cimbris Teutonisque proereati' bei Caesar 2. 29. fuxf welche ich hier nicht eingehe.

446 ANGELN. ANGELSACHSEN

zeugen, dasz sie auch auf der kimbrischen Halbinsel hausten, zwei- felhaft steht es um die Warnen. Doch für einen volksstamm, dessen schon s. 604 606 erwähnt wurde, ist die anwesenheit im chersones nicht zu leugnen ; die Angeln, welche Tacitus noch ostwärts der Elbe, Ptolemaeus an der mittleren Elbe neben Sueven und Langobarden kennt, müssen später den ström hinab gezogen und in die Schleswiger landschaft zwischen der Schlei und dem Plensburger meerbusen ge- langt sein, die nach ihnen Angeln hiesz. Man wird wol annehmen dürfen, dasz von den drei über die Elbe westwärts vordringenden stammen die Thüringe sich südlich, die Angeln nördlich, die Warnen zwischen beiden in der mitte hielten, diese mitte aber auf der land- carte nachzuweisen scheint am schwierigsten. Müllenhoff s. 129 bringt Warnses und Warnitz auf der halbinsel bei, solche Ortsnamen würden sich von dem flusz Warne und Warnemünde an noch in andern gegenden aufzeigen lassen (vgl. s. 607). Procop scheint die Warnen auch an den Niederrhein zu versetzen, und die lex Angliorum et Werinorum i. e. Thuringorum (s. 604) einigt alle drei Völker. Beim vordringen in der mitte zwischen Thüringen und Angeln, ungefähr im Wesergebiet, würden die Warnen auf Friesen gestoszen sein. Wie es aber um die Warnen sich verhalte, die Angeln rückten weder an den Rhein, noch gegen die Ems und Weser vor, sondern nahmen auf der halbinsel einen landstrich zwischen der Ost- und Nordsee, in der richtung von Schleswig und Tönningen ein, und wurden nachbarn der Sachsen, Friesen und Juten, während jene Thüringe sich an das fränkische reich schlössen.

Von diesem gebiet aus und durch die gemeinschaft seekundiger, 642 mutiger stamme, wahrscheinlich auch durch frühere niederlassungen am litus saxonicum (s. 626) und die britische einladung angeregt er- folgte nun im fünften jh. der berühmte zug nach Britannien, welcher dort ein deutsches weitreich gründete und für die geschichte unserer spräche ähnliche bedeutung gewann wie die auswanderung nach Island für die der nordischen. Beda schreibt 1, 15: advenerant autem de tribus Germaniae populis fortioribus, id est, Saxonibus, Anglis, Jutis. de Jutarum origine sunt Cantuarii et Victuarii ... de Saxonibus, id est ea regione, quae nunc antiquorum Saxonum* cognominatur, venera orientales Saxones, meridiani Saxones, occidui Saxones. porro de Anglis, hoc est de illa patria quae Angulus dicitur, et ab eo tempore usque hodie manere desertus inter provincias Jutarum et Saxonum

* was Beda unter Altsachsen versteht ist schon s. 628 gesagt, man darf wol annehmen, dasz zu dem britischen zug hauptsächlich nordalbingische Sachsen sich rüsteten, weniger falische und engrische; doch kann der ruf weit gedrungen sein und manche aus dem inaern Deutschland gelockt haben, überall aber blieben grosze theile des volks in der heimat zurück und auch Anglien (oder Schleswig) mag nicht so verlassen gestanden haben, wie Beda memt. Wenn der geographus ravennas sagt: insula quae dicitur Britannia, ubi olim gens Saxonum veniens ab antiqua Saxonia cum principe SUD nomine Anschis in ea habitare videtur, so zeigt schon die abweichung von dem namen Hengist, dasz er anderswo her als aus Beda schöpfte.

SACHSEN 447

perhibetur, orientales Angli, mediterrane! Angli, Merci, tota Nord- anhymbrorum progenies . . . ceterique Anglorum populi sunt orti. Unter diesen drei stammen scheinen die Juten am wenigsten, die Angeln am meisten zahlreich gewesen zu sein, wie sich auch der name jener nicht erhielt, der name dieser für das ganze reich herschend wurde. Als auf italischem markt vor dem heiligen Gregor schöne blondlockige heidenknaben feil standen und er nach ihres volks namen fragte, empfieng er zur antwort: 'Angli', at ille, "^bene' inquit, ""nam et angelicam habent faciem, et tales angelorum in coelis decet esse coheredes'*. sie waren aus Deira dem northumbrischen bezirk.

Hat aber die sage von der meerfart nach Britannien sich wieder 643 abgespiegelt in überKefe rangen, die der Sachsen erste ankunft in dem vaterlande selbst berichten wollten?

Widukind, gleich zu eingang seines werks vom Ursprung des Volkes redend, meldet, die Sachsen seien zur see im lande Hadeln angelegt: pro certo autem novimus Saxones his regionibus navibus advectos, et loco primum applicuisse, qui usque hodie nuncupatur Hadolaun**. woher sie schiften, sagt er nicht, man mag sich hinzu denken, vom norden her oder aus Griechenland. In Hadeln wohnten aber, fährt er fort, damals Thüringe, mit welchen die Sachsen bald in streit geriethen und von denen sie durch list und gewalt festen sitz im land errangen. Es scheint, obwol es nicht ausdrücklich er- wähnt wird, dasz die unterliegenden Thüringe sich ins mittlere reich zurückzogen, denn als im verlauf der zeit zwischen Thüringen und Franken feindschaft ausbrach, erschienen die Sachsen, qui jam olim erant Thuringis acerrimi hostes, den Franken zum beistand und ent- schieden den sieg, wofür ihnen ein theil des eroberten lands zu theil ward, die begebenheiten fallen nun schon historisch in den beginn des sechsten jh., sind aber voll mythischer züge.

Diese volksmäszig ausgeprägte sage könnte irre machen an allem, was im vorhergehenden über die abkunft der Sachsen und ihr Ver- hältnis zu den Cherusken ermittelt wurde, wie, sollte man diesen nicht vielmehr die Thüringe statt der Cherusken gleichstellen müssen ? hätten thüringische stamme das gebiet zwischen Elbe und Weser inne gehabt und wären sie im dritten, vierten jh. von den Sachsen zurück hinter den Harz gedrängt worden? stimmt das nicht zu Plinius, der Cherusken, Hermunduren und Sueven dem herminonischen hauptstamm beizählt? erst mit den Sachsen wäre der ingaevonische hauptstamm in die mitte des landes vorgerückt?

Solch eine annähme scheitert dennoch 1) an der nachgewiesnen 644 Identität des namens Cherusken und Sachsen; 2) an Verschiedenheit der Cherusken und Hermunduren, auf welche letztere sich nothwendig

* Beda 2, 1. lesenswerth ist Älfrics ags. erzählung in den homilies of the ags. church ed. Benj. Thorpe vol. 2 (Lond. 1846) p. 120—122.

** andere lesen Hadoiava, was sich, lava für ags. läfe, ahd. leiba ge- nommen, deuten liesze Martis reliquiae, hereditas. [ags. HeaJoläf Beov.460.]

448 SACHSEN

die Thüringe zurückleiten; 3) am dasein der Angrivarier, die wie vorher bestandtheil der Cherusken nachher der Sachsen waren ; 4) an der unWahrscheinlichkeit, dasz die Sachsen von einem winkel der halbinsel ausgegangen sich erobernd zugleich in das ganze cherus- kische gebiet, ans litus saxonicum und nach Britannien ergossen haben sollten, welche ausgedehnten sitze begreiflicher werden, so bald man, wie es schon Bedas stelle fordert, Altsachsen mit auf den breiten boden von Westfalen, Engern und Ostfalen hausen läszt; 5) an der Innern unzulässigkeit der sage selbst: die Sachsen sollen mit einer flotte im lande Hadeln gelandet sein, dem sie längst benachbart lagen ; aus dem eingang der kimbrischen halbinsel, wo sie Ptolemaeus kennt, hätten sie blosz die Elbe zu überschreiten brauchen, um nach Hadeln zu gelangen. Überhaupt ist es rathsam, völkerstämme, so lange es nur thunlich und nicht bestimmten nachrichten entgegen scheint, an der stelle, die sie einnehmen, auch mit unverändertem namen fort- wohnen zu lassen. Die niederdeutschen stamme, wie sie immer heiszen, haben sich vom ersten jh. bis ins mittelalter in ihren sitzen auf der halbinsel und zwischen Elbe und Weser beinahe unverrückt behauptet, nur ein wenig, nach dem auszug der Franken, von der Weser gegen den Rhein vorgeschoben.

Was nun Widukinds sage angeht, so hallt in ihr entweder uralte Überlieferung von ankunft der Sachsen auf der Ostsee an die küste der halbinsel nach, die allmählich auf andere örter und stamme an- gewandt wurde, oder sie verkehrt den meerzug nach Britannien in einen aus Britannien nach dem festen land*, was durch Rudolfs Vor- stellung in der translatio Alexandri (Pertz 2, 674) bestätigt wird, wo es geradezu heiszt : Saxonum gens, sicut tradit antiquitas, ab Anglis 645 Britanniae incolis egressa per oceanum navigans Germaniae litoribus studio et necessitate quaerendarum sedium appulsa est in loco qui vocatur Haduloha eo tempore quo Thiotricus rex Francorum contra Irminfridum generum suum ducem Thuringorum dimicans terram eorum crudeliter ferro vastavit et igni; hier ist die landung gleich mit der zeit des thüringischen kriegs zusammengerückt, während bei Widukind zwischen beiden längere zeit angesetzt werden musz. Noch deutlicher wird der sage mythischer gehalt durch die dem Gotfried von Viterbo vorgelegne Überlieferung, welche die meerfart der Sachsen weiter ausholt und an der Weser, statt an der Elbe enden läszt :

Nunc bene procedo, dum tempora Saxonis edo, Saxo, velut credo, patria fuit ante Macedo.

regis Alexandri miles ubique fuit. Rege diem funeto tulit a Babylone meatum, circuit Italiam ratibus, veniens Arelatum

Siciliaeque pharum, transit in oceanum; inde per oceanum britannica litora transit, Flandria pertimuit, sed nee sine clade remansit,

Guisara saxonica terminus ejus erat.

wie schon Niebuhr röm. gesch. 1, 46 (dritter ausg.) mutmaszt.

ALTSACHSEN 449

ßespice tu lector, cui regna notamus avorum, non tunc saxonicum fuerat cognomen eorum, imo Turingorum crede fuisse solum.

die Weser konnte leichter zur thüringischen Werra leiten, als die Elbe; worauf mit dem einbrach der Sachsen in Flandern, bevor sie die Weser erreichten, angespielt wird, ist schwer zu sagen, möglich aber dasz ein aufenthalt der Thüringe an der niedern Elbe in die zeit ihrer mit den Angeln und Warnen gemeinschaftlich unternommnen Wanderung gegen westen gestellt werden darf.

Es ist zeit auch von der niederdeutschen spräche zu handeln, wobei die arme und spärliche quelle der altsächsischen und die reicher flieszende ags. gesondert werden müssen.

Auszer urkundlichen eigennamen und einzelnen kleinen denk- mälern steht der altsächsischen spräche nur ein einziges ansehnliches zu, dessen schon s. 511 gedacht wurde, das gedieht von Heliand läszt uns nicht zweifeln, dasz eine altsächsische poesie vorhanden war, 646 deren weise hier gewandt und reinlich auf den Inhalt der evange- lien übertragen wird; doch jeder wahre und wirkliche ton der ver- klungnen, einheimischen lieder würde für uns höheren werth haben. Nach einer auf den unbekannten Verfasser bezogenen dichtersage, worin er vir quidam de gente Saxonum, qui apud suos non ignobilis vates habebatur, heiszt, soll ihm von Ludwig dem frommen der auftrag geworden ein, das alte und neue testament deutsch zu singen; es ist aber von einem gedieht aus dem alten testament, wenn es vollbracht wurde, keine spur vorhanden, welcher sächsischen landschaft der dichter angehörte ist kaum sicher zu bestimmen ; mehr als ein zeichen in der mundart scheint auf den sprengel von Münster zu weisen.

In den stummen consonanten hält sich die gesamte nieder- deutsche spräche zur gothischen stufe und bleibt der hochdeutschen zweiten Verschiebung fremd, bemerkens werth ist das in einer hand- schrift des Heliand erscheinende, dem d parallele gestrichne b, welches in BH, wie jenes in DH auflösbar ist; beiden sollte auch ein GH zur Seite stehn. CH geht eigentlich ganz ab, sowol das altfränkische für gothisches H, als das ahd, für goth. K ; obschon dies letzte CH, nach ahd. brauch, zuweilen eingeschwärzt wird.

Wichtiger ist hier der vocalismus. kurzes A hat sich in wurzeln und zumal flexionen noch häufig behauptet, wo es die ahd. spräche in 0 oder E wandelt, beispiele des wurzelhaften sind fana, fan ahd. fona und haloian, wo ahd. schon holon neben halon einreiszt; den bedeutenden unterschied zwischen ahd. und ags. langen vocalen und diphthongen hat schon die grammatik s. 247 ff. besprochen, aus- führlicher handle ich hier von der flexion.

Statt des goth. gen. sg. -is war der alts. spräche -as gemäsz, dem man auch in der ersten decl. den preis zuerkennen musz. so findet sich in alten Ortsnamen bei Moser Bergashövid, Etanasfeld campus gigantis, Reasford vadum capreoli; in den trad. corb. 204 Karlasthan; Lacomblet n^ 19. 26 hat in Wenaswalda (n^ 52 schon

Griinm, geschickte der deutschen spräche, 29

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647 Waneswalde und s. 29 steht Wagneswalde, weshalb ich den zusam- menziehungen langen vocal ertheile). die beichtformel gewährt am- hahtas, nithas, drohtinas, unrehtas anafangas, gibedas, drankas, minas hördömas, hetias, unrehtas cussiannias, unrehtas helsiannias. die Freckenhoster rolle: hanigas, smeras, gisc6thanas smeras, rukklnas brädas, gerstinas maltes gimalanas, rukklnas melas, eveninas maltes, ävandas, gßras daga, Welas tharp, Eammashuvila, Asschasberga. im Heliand liest man gewöhnlich, nach ahd. weise -es: godes, barnes, dödes, kuninges, drohtines, himiles, ferahes, nur wenn ableitendes E vorausgeht oder gieng, pflegt A zu haften: tyreas 4, 15, gesldeas comitis, herdeas pastoris, suotheas veri, oder nach wegfall des E tiras 4, 15, suothas 27, 13; tritt aber in denselben formen I für E

I ein, so folgt ihm E, nicht A: gesidies, herdies, suothies (bei Moser nO 21 Riesfordi = Reasfordi), was als einflusz des I auf das folgende A betrachtet werden darf. Ohne zweifei ist das E des ahd. und alts. -es Schwächung des ursprünglichen A, wie es auch niemals umlaut erregt; steht aber alts. dages für dagas, ahd. takes für takas, so wird für goth. dagis ein älteres dagas, stimmend zum dativ daga zu behaupten sein.

Die männlichen nominative pl., gleich den goth. und abweichend vom der ahd., haben -ös: fiscos, dagös, helidös, slutilös, welches -s sich noch bis auf heute in vielen Wörtern der niederdeutschen mundart behauptet, zumal nach ableitendem L, N und R: engeis, slutels, Wagens, fiskers. Einigemal auch hier -as (unsicher ob mit langem oder kurzem A): slutilas Hei. 94, 18; muniterias monetarii Hei. 114, 15; hallingas obolos Diut. 2, 170; su6nas subulci. Alle feminina hingegen empfangen -ä, wie die ahd., nicht mehr -ös, wie die gothischen, welches auch im gen. sg. stattfindet. Das -s scheint also zuerst in der weiblichen flexion gewichen, und hernach auch dem masc. (im ahd.) entgangen zu sein; die sächs. spräche hält hier die mitte zwischen goth. und ahd.

Auch der gen. pl. aller geschlechter zeigt mitunter -a statt des gewöhnlichen -o, welches dem ahd. 6 gleicht, und wiederum aus der

648 weiblichen flexion in die männliche übergegangen scheint ; denn die goth. masc. und neutra zeigen -6, die fem. -6. So begegnen bei Widukind die Ortsnamen Stedieraburg Horsadal (Pertz 5, 442. 456), bei Lacomblet n^ 1 Bidningahüsum, n"^ 8. 28 Bidningahem, n** 3 Hrödbertingahova, trad. corb. 258. 291 Winethahüsen, bei Moser 18. 19 Drevanameri Drevanamiri, und in ostfälischen Urkunden Edingahü- sun, Eilwardingaburstal, Magathaburg urbs puellarum. Halvarastad ist aus Pertz 3, 561. 4, 18. 5, 38 zu entnehmen, locus dimidiorum, mediorum? die Freckenhorster rolle hat neben Aningero einmal auch Aningera und Wernera holthüson. hierher würde auch das cheruskische Idisiavisus Tac. ann. 2, 16 gehören, wenn meine Ver- mutung gilt.

Die alts. neutra haben im nom. pl. den ausgang -u, aber nur bei kurzsilbigen wie fatu, bladu, clibu gerettet; langsilbige wie word,

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thing machen, nach ahd. weise, sg. und pl. gleich, die Gothen hatten immer -a, sowol kasa als vaurda. nach einem alten grundsatz laufen nom. sg. fem. und nom. pl. neutr. parallel, wie goth. giba, blinda, göda, kasa, vaurda lehren; neben alts. vatu, clibu sollte folglich gibu und blindu erwartet werden und das ahd. adj. plintu oder plintiu des nom. sg. fem. stimmt zum plintu, plintiu des nom. pl. neutr., doch im subst. hat das fem. k6pa, der pl. neutr. ohne flexion parn, wort = goth. barna, vaurda. nur einzelne ahd. denkmäler wahren den ausgang -u nach ableitendem I, und bilden von chunni, effili, fingiri den pl. chunniu effiliu fingiriu, was dem adjectivischen pl. plintiu, kuotiu gleichkommt, durch alle mängel hindurch regt sich in allen dialecten das gleiche gesetz.

Besonders zu merken ist auf die schwache flexion ; zwar im Hei. herscht, wie ahd. -o, -on, hano hanon, jungaro jungaron, und so haben auch die eigennamen der trad. corb. und Freckenhorster rolle gewöhnlich Bodo Col^bo Oio ürögo Benno Bövo Franco in zahllosen beispielen, gleichwol erscheint daneben Slboda 62, Uffa 201, Asica233, Bacca 123 (Bacco 244. 24(5. 252), Hoia 146, Barda 151, Dodica 135. 169, Wala 438, Höma 414, Hassa, Wenda 454, ja beiderlei form nebeneinander, z. b. Addasta und Bodo 300, Beya und Wydugo 649 416, Witta Crea Horobolla und Enno 299 und in der rolle Bavika Hacika u. s. w. Noch häufiger findet sich im obliquen casus -an statt des gewöhnlichen -on oder -un, z. b. der dativ Abban 24, Ennan 78, oder in den Zusammensetzungen Ymmanhüsen 275, Bennanhüsen 187. 198, Thudanhüsen 14, Swalanhiisen 53, Battanhüsen lOÜ, Heianhüsen 101, Bredanbeke 65; Br6danbiki 130, Nianthorpe 99, Aldanthorpe 100, Guddianstede 234, Fohanreder 367. 456. Die in Wigands archiv 5, 114 130 gedruckten paderbornischen Urkunden des 10. 11 jh. liefern UflPa Eppa Uda Berda Poppa Reinza Azzaca Franca Wega Bacca Döda Daia Poppica Ika Tiaza Sicca Bennaca Godica Cöna Tiamma Acca Liuda Egia Bösa G6la Ova Hizza Benna Böva, und nur in einzelnen, vielleicht von hochdeutschen Schreibern herrührenden, wie n*^ 19. 22. 30 er- scheint -0. nicht anders heiszt es Tadican Hemmanhüs Bullanhüs Perranhiis Baddanhüsun Niganbrunnon Wallanstedi, und wenn n^ 8 Aldunthorpe gedruckt steht, kann die handschrift leicht Aldan gewäh- ren, dagegen die Urkunden bei Moser fast immer -o statt -a zeigen, und nur in Zusammensetzungen, wie Hrütansten n^ 19 die flexion -an; in der Freckenhorster rolle schwankend Pikon und Pikanhurst. ost- fälische aber: Rotanbiki Widukindesspeckian Wetanspeckian LuUan- burnan Bunikanroth Kobbanbrug Puttanpathu (ranae semita) Mösan- st6n (pari lapis) Runtheshornan (armenti cornu); bei Lacomblet 6 Hlopanheldi, U. 12. 13. 19 Diapanbeci, 27 Berugtanscotan, 28 Ber- tanscotan, 65 Sceddanwurthi, Aspanmöra. Aus den annalen sind eine menge solcher composita zu entnehmen: Willianstedi Pertz 2, 387; Ivikansten Givikanst6n Pertz 5, 92. 762. 803. 805; Welanao Pertz 2, 699 u. s. w. Es läszt sich nicht verkennen, dasz -a und -an die ursprünglich sächsische, allen theilen des volks gemeine form war, wie

29*

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sich auch durch die ags, spräche bestätigt; sie fand sich in West- falen, Engern, Ostfalen, wie über der Elbe, sehn wir also in einem bedeutenden werk, wie der Heliand, -o und -on durchgedrungen; so ist schon so frühe einflusz der hochdeutschen spräche auf die nieder- 650 deutsche, sei er nun von Schwaben (s. 488) oder Franken (s. 546) her gekommen, zu behaupten, in den eigennamen dauerte das -a, -an noch so lange fort, bis es, gleich dem -o, -on, zuletzt in -e, -en verdünnt wurde, die Eömer können aber ihr Gothones Ingaevones Herminones Semnones nur bei Hochdeutschen vernommen haben.

Sicher war der weibliche und neutrale nom. sg. schwacher form vom männlichen unterschieden, und man darf ihm, nach ags. weise, -e zutrauen, dessen quantität ich dahin gestellt sein lasse; es ent- spricht dem goth. -6 und ahd. -ä. doch habe ich nur einen einzigen beleg: Albe tr. corb. 354; denn Swala Tetta 321. 323 ist entweder hochdeutsche oder lat. form, für welche letztere der gen. Swale Wende 321. 326 redet = Twalae Wendae.

Ein bedeutender unterschied der alts. von der goth. und ahd. spräche ist der wegfall des starken männlichen kennzeichens im nom. sg. statt des goth. dags, sunus, gods, hardus heiszt es alts. dag, sunu, göd, hard; ahd. dauert zwar nicht im subst., doch im adj. kuotßr, harter. Das neutrale kennzeichen ist im goth. subst. ge- schwunden; vaurd, faihu, im adj. gödata, svesata bewahrt, und ebenso entbehren es die ahd. subst. wort, fihu, erhalten es die adj. kuotaz, suäsaz. die alts. adjectiva haben ihm entsagt, wenigstens ist im gan- zen Hei. keine spur davon (die pronominalen it, that, huat abgerech- net). Das Hildebrandslied zeigt noch suäsat kind, und da noch die heutige Volkssprache auf beiden Seiten der Elbe formen wie allet, liebet, gronet == nhd. alles, liebes, grünes oft verwendet; so möchte auch schon vor alters der ostfälische dialect diesem -at länger ange- hangen haben, als der engrische und westfälische.

In der conjugation ist das auffallendste, dasz der pl. für alle drei personen nur eine einzige form besitzt, d. h. in der dritten auch für die erste und zweite gelten läszt. was im goth. gibam gibi|) giband, im ahd. kSpam kepat kepant unterschieden lautet, fällt alts. in gebad gebad gebad zusammen; was im goth. gibaima gibaij) 651 gibaina, im ahd. kep6m köpßt kfe"p6n ist, alts. nur geben geben geben, ebenso in den praeteritis.

Des vocalischen ausgangs der starken secunda praet. ind. wurde bereits s. 487 gedacht; hier treffen alts. und ahd. spräche überein im gegensatz zur gothischen.

Das verb. subst. lautet bium bist is (oder ist); pl. sind sind sind, wofür auch sindun; praes. conj. sl sls si, pl. sin sin sin. imp. wis, wesad.

Genitivgerundia der woUautigen form -annias ergibt die beicht- formel: liagannias mentiendi, sueriannias jurandi, cussiannias osculandi, helsiannias amplexandi; das I nach NN geht der ahd. form -annes (s. 486) ab, könnte aber NN selbst deuten helfen, welches ahd.

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einigemal aus NI entspringt (dennan f, denian, zeinnä f. zeiniä) ; dann stände annias für anias, was ich oben annahm.

Wie jedwede mundart, hat auch die alts. eigenthümliche Wörter und formen voraus, deren reichthum in dem einzigen Heliand nur zum kleinsten theil erkennbar wird, mir genügt wieder an beispielen. an them felde sind fruhti ripia, aroa an them accare, in campo sunt fruges maturae, spicatae in agro 78, 17, aroa ist, wie garoa 20, 17, von gare paratus, von aro, das ich für ötaxvaörjg nehme, von arewa, altn. ör sagitta und dann auch wegen ähnlichkeit der spitzen gestalt arista, spica; nach dem goth. arhvazna ßsXog scheint zwischen E und V auch ein H ausgefallen, gibäda oder gibädi bedeutet lenimen- tum, fomentum: lungra föngun gibäda an iro brioston blßca idisi, celere acceperunt lenimentum in pectoribus suis pallidae mulieres 172, 1 1 ; th6m mannum ward hugi at iro herton endi gihelid möd, gibädi an iro breostun, viris rediit animus in corda, mens restituta est et levamen additum in pectoribus 97, 9; wurdun an forhtun, wurdun underbädöde, timor eos occupavit, consternati sunt 148, 6, wurden aus der behaglichkeit gesetzt, d. h. erschreckt, hier hat under priva- tive kraft, wie in untersagen, versagen; wurzel von bädön und gibäda ist baian fovere, ahd. päan, päwan (Graff 3, 4) nhd. bähen, böggebo, annuli dator 84, 2 bezeichnet den freigebigen, gold oder ringe sehen- 652 kenden herrn und entspricht dem ags. beäggifa oder goldgifa, wie ich schon zu Andr. und El. s. XXXVIII ausführte; zur seite steht ihm bögwini 84, 2, ags. goldvine cod. exon. 287, 31. 288, 23 und noch mhd. goltwine Rol. 164, 20; die lesart baggebo bagwini fordert ä = 6, wie bräd panis für bröd, und fränisco für frönisco. thes thramm imu an innan möd 152, 20, das herz sprang, klopfte ihm, von thrimman springen, wozu das goth. J)ramstei dxQig gehört, die viele namen vom springen führt. f6mea mulier 9, 22 entspricht dem altn. feima virgo pudica, zugleich dem ags. fsemne, fries. fämne, und in beiden letzten überraschend dem lat. femina foemina, sogar mit dem oe, welches auf ein goth. faiminö ahd. feiminä rathen liesze, und doch ist die Über- einkunft allzugrosz und gegen die lautverschiebung. auch reicht das altn. feiminn pudibundus, feimar pudet die sicherste ableitung dar; selbst das keltische bean käme in betracht. g6dea 132, 8 aus dem gen. pl. gedeono zu folgern bedeutet penuria und entspricht dem goth. neutrum gaidv vßtSQrj^a, vielleicht dem ags. gäd cuspis, weil mangel und hunger stacheln? sumbl convivium, ags. sjonbel, altn. sumbl. Bei so vielfacher Übereinkunft zwischen alts. und ags. Wörtern fällt es auf, dasz im Heliand für lacrimae trahni erscheint, wie im ahd. trahani, nhd. thränen, nnl. tränen, und nicht taros, wie im ags. tearas, ahd. zahari, neutral aber goth. tagra, altn. tär. Das ags. bolla vas, altn. bolli tina musz auch der alts. spräche zugesprochen werden, da die tradit. corb. 229 den seltnen mannsnamen HoroboUa gewähren, welcher vas luteum ausdrückt, und, wenn kein anderer mythischer grund wal- tet, vielleicht der christlichen Vorstellung entsprechen soll, wonach alle menschen die irdnen, leimerschafnen heiszen, vgl. N. ps. 72, 9

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hurwine lutei, und Georg 3409 die leim'men. Nur im pl. findet sich fratahun ornamentis, und immer mit dem adj. fagarun pulchris 12, 1. 52, 21. 102, 14. 139, 2 oder diuriun pretiosis 115, 7; fagarero fratoho pulchrorum ornamentorum 52, 9; auch die ags. formen sind auf den pl. eingeschränkt: frätva dselan ornamenta distribuere Csedm.

653 171, 17. feoh and frätva Csedm. 128, 21. gyrvan on frätvum Csedm. 28, 28. frätva ornatuum Beov. 74. das weibliche geschlecht ist nach diesen ags. formen sicher, der alts. sg. würde fratah, der ags. frätv lauten; einem alts. verbum fratahön ornare stellt sich ags. frätvian, altengl. fretien part. fretted (Ploughman p. 596^^), goth. fratvjan in- struere II Tim. 3, 15 (wo man nicht fraj)vjan lesen darf) an die seite. folglich wäre auch ein goth. fratvs ornatus pl. fratveis (oder fratus pl. fratjus, gen. frativß?) zu gewarten, allen übrigen deutschen sprachen geht das wort ab, man müste denn ahd. frazar temerarius, protervus für verwandt halten und dazu ags. frät Andr. 111 cod. exon. 84, 15 vergleichen. Merkwürdig sind die wiederum beiden mundarten, der alts. und ags., eigenthümlichen verwandten bildungen erod und werod, ags. eorod und veorod für die begriffe legio und turma. erod steht im Hei. nur 126, 18 und wird da eorid, ierid geschrieben, desto häufiger kommt werod vor; erod ist von dem ver- lornen eru, eoru == goth. airus vir, nuntius gebildet, werod von wer = goth. vair vir, sie drücken also menge von männern aus. die goth. form wäre mutmaszlich airuds, vairuds? dagegen ist blosz alts. bewod 78, 16 messis, nnl. bouwd oder bouw. Beide sprachen be- wahren anlautendes WL und WE, wofür ahd. nur L und E gelten, ich hebe das einzige wlanc superbus, elatus, ags. vlanc hervor, dem ein verbum vlincan zu gründe liegen musz; ahd. scheint es ausge- storben, es sei denn der eigenname Lancho (GraflF 2, 223) davon übrig, der aber auch Hlancho gedeutet werden könnte (hlancha ca- tena). eld ignis, ags. äled, altn. eldr, eigentlich ignis pastus von alan alere pascere, im gegensatz zu dem fressenden, verbeerenden ; warum sollte ahd. nicht auch alit elit möglich sein? Die einstimmung des vor infinitive ermahnend gesetzten ags. vuton, alts. wita und mnl. weten habe ich gramm. 4, 89. 90. 944 vorgetragen; nicht weniger eigen ist das huat und hvät im beginn des satzes, wovon gramm. 4, 449. Vom seltsamen ansciann 171, 24 gramm. 1, 245. Wanum ist splendidus, lucidus, clarus, pulcher, wanamo splendide, wanami splen- dor; man darf das -um für alte superlativform und dem -ustus

654 des lat. venustus gleichsetzen, wie goth. auhama lat. augustus, wäre vanuma venustus, und der lat. wurzel ven in Venus und venustus entspricht ganz das wan in wanum oder wanumo. auch hat die ags. spräche bloszes van lucidus statt des alts. wanum, es heiszt Beov. 1398 "^on vanre niht', bei mondheller nacht, und 1295 'van under volcnum' ganz wie Hei. 19, 20 wanum undar wolcnum'. wenn das altn. appellativum Vanir kurzen vocal, das adj. vsenn pulcher, venustus langen an sich trägt, so müssen ablaute im spiel sein ; mit lat. Venus vergleicht sich aber das welsche Gv/ener und gwyn albus, gwion eibin

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(s. 296. 306), vielleicht das ir. ban bhan albus, ben, bean femina, ags. cven, goth. qinö, so dasz hier die deutsche spräche doppelte wortgestalten, aber auch sehr abweichender bedeutung mit und ohne gutturalpraefix erzeugt hätte.

Hei. 35, 10 wird durch ""thia gisunfader' unser: die söhne und der vater gedrungen ausgedrückt, ebenso wie im Hildebrandslied ""untar heriun tu6m sunufatarungo' sagt: inter exercitus duos filii patrisque. die nordische spräche verwendet dafür fedgar und fedrüngar. Unserm alterthum ist bei unmittelbar aufeinander folgenden namen oder bei dem namen, der hinter das umfassende dualpronomen tritt, die copula und entbehrlich, Id Völundr Ssem. 139^ heiszt: du Und Völundr; 'vid Sigurdr' Ssem. 229i> ich und S.; Vit Scilling' ich und S. ; 'vit Aedered' Kemble n^ 314 ich und A.; "^unc Adame' Csedm. 25, 1 mir und Adam; 'vid karl minn fornald. sog. 1, 231 ich und mein mann; ''yät land is healf uncer Brentinges' Kemble 2, 250. 3, 422: das land ist halb mein und Brentings*. auf ähnliche weise steht mhd. ■"gote mir willekomen' für gott und mir, oder \ater muoter beide' passion. 348, 5 für vater und mutter (vgl. Haupt 2, 190). in gisun- fader und sunufatarung ist aber die Verknüpfung noch fester, durch das praefix -gi oder suffix -ung sind die beiden Wörter aus der 655 bloszen apposition in eins übergegangen.

Christus heiszt Hhat fridubarn godes' 123, 5. 162, 17; die ags. gedichte geben oft die ausdrücke freodoscalc, freodoJ)eov für den knecht, freodovebbe für die frau, weil söhn, knecht, frau im mun- dimn, im frieden des mannes, vaters, herrn stehn.

Dasz die Altsachsen Seefahrer waren, folgt schon aus den be- zeichnungen des Schiffes, die man unter Hochdeutschen kaum treffen würde: neglid 35, 17 mit nageln beschlagen (wie negilid sper 169, 29) höhurnid 69, 8. 89, 8 hochgehörnt**; wie viel schönere aus- drücke für schif und meer sind aber in ags, und altn. liedern gehäuft, von denen sich die hochdeutsche spräche und dichtung nichts träu- men läszt.

Das meer hiesz alts. geban, ags. geofon, gifen und musz auf ein göttliches wesen zurückgeführt werden (myth. s. 219. 288); im Orts- namen Gebeneswilare (Stalin 1, 598) scheint doch eine hochdeutsche spur, wie geban und geofon sind alts. heban und ags. heofon ein rechtes kennzeichen sächsischer mundart, das ich schon gramm. vorr, XIV und mythol. 661, 662 hervorgehoben habe, dies heban, heofon, engl, heaven ist weder hochdeutsch, noch gothisch, nordisch und frie- sisch, beinahe gleich durchgreifend scheint die partikel alts. biütan,

* fast so fügt die lappische spräche nach dem dualis des pron. ohne copula den eigennamen, diesen aber im Instrumentalis : 'mo.j Hansajn': ich und Hans, ich mit Hans; Vioj bapajn': du und der pfaffe, mit dem pfafFen. Rasks lappisk sprogläre §. 303.

** doch wird bei Schilderung des gestillten sturms der ausdruck puppis aus Marc. 4, 38 nicht verdeutscht, blosz das allgemeine naco gebraucht 68, 11. dem Gothen stand dafür nöta zu.

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nnl. buiten, ags. bütan, engl, but, die nur ans hochdeutsche streift, büzan hat Is. 5, 6 und in hessischen Urkunden liest man oft bauszen, pauszen; das gewöhnliche ahd. wort lautet nur üzan.

Die längere dauer des heidenthums unter den Sachsen muste auch in ihrer spräche viele darauf bezügliche ausdrücke festhalten nur verstolen blickt noch ein ahd. wurt für fatum durch, das alts. wurth, ags. vyrd haften allenthalben (myth. s. 377. 378). vor Schmel- 6561ers fund hätte man der ahd. spräche kein muspilli zugetraut, was dem alts. und altn. ausdruck entsprechend (myth. s. 568) selbst der ags. mangelt, die seltnen beispiele des ahd. itis femina, matrona zählt Graff 1, 159 auf, das alts. idis, ags. ides, altn. dis sind ganz häufig; ich habe das berühmte Schlachtfeld der Cherusken an der Weser Idistavisus (Tac. ann. 2, 16) in Idisiavisus gebessert und den klaren sinn von nympharum, parcarum pratum gewonnen, zugleich ältesten beleg für den ausgang des gen. pl. auf -a. Tanfana, Veleda waren solche heilige idisi.

Wenn in Hochdeutschland die groszen ströme Donau, Ehein, Main undeutschen, d. h. schon von Kelten bei der einwanderung über- nommnen namen führen, sind die sächsischen flüsse Elbe (s. 325) und Weser deutsch benannt, diese gegenden müssen lange schon un- gestört in deutscher hand gewesen sein, der altn. spräche ist elf, elfa allgemeiner ausdruck für jeden flusz. was in Wisuraha, Visurgis liege errathe ich nur unsicher: wie zu ags. enge inge pratum, altn. engl sich das ahd. angar verhält, könnte zu wisa pratum ein abge- leitetes wisur, wfe'sar* stehn, Wisuraha (den Römern Visuria Visuris Visurgis) wäre wiesenflusz, der durch grüne matten strömt, was mit dem sinn des namens Angrivarii, Angrarii, die an der weser wohnen (s. 629) gerade zusammenfiele, man dürfte weiter gehn und selbst den namen der Ingaevonen zu jenem inge, enge halten.

Throtmani Throtmeni Dortmund wurde s. 622 erklärt; auszer Holtesmeni gab es auch ein Dulmani Dulmeni, das heutige Dülmen; was aber bedeutet dul? altn. ist dula velamen, tegmen, von dylja celare, also das verhüllte halsband? Münster hiesz in vorchristlicher zeit Mlmigernaford, Mlmigardaford, was wie Mimida = Minden den namen des halbgottes Mimi (mythol. s. 352) zurückruft, aber den mythus eines von ihm durchschrittenen flusses oder wassers voraus- setzt; der flusz bei Münster führt den namen Aa (aha), nicht weit von Münster ab liegt Freckenhorst, Frickenhurst, ein heiliger hain, 657 wie der name Irminlo bei Lacombl. n'^ 65 p. 31 an die silva Herculi Sacra (Tac. ann. 2, 12) mahnt. Bedeutsam scheint der name Osna- brück, der noch in seiner heutigen gestalt das -a des gen. pl. hegt, schon im 8. 9 jh. schrieb man Osnabrugga Pertz 2, 679, später Osenbrugge Pertz 2, 425, Dietmar giebt Asnebrugge Pertz 5, 840. 860, und mit recht erklärt Zeusz s. 1 1 brücke der Äsen, Osna, was ahd. wäre Ansonö, und der berühmten eddischen Asbrü (myth. s. 694)

* in einer ags. grenzurkunde bei Kemble n" 598 p. 301 'on visere,

ALTSACHSEN. ANGELSACHSEN. 457

entspricht, neben der starken form äs aesir kann bei Schwaben die schwache anso anson, bei Sachsen 6sa ösan (gen. ösana) gegolten haben, zumal starker subst. masc. und fem. genitive pl. gern in schwache flexion umschlagen, die Osi des Tacitus (Germ. 43) [Haupt 9, 239] ohne weiteres heranzuziehen wäre verwegen,- sicherer bezeugt die göttlichen Ösen der westfälische bergwald Osning Osnengi (myth. s. 106. 1204). fAsiningseli, Werden, reg. 235. 246.] Aus Carls feld- zug im j. 779 ist ein ort der Wesergegend namens Medofulli, Midu- fulli bekannt (Pertz 1, 160. 161. 221. 349. 8, 559); medoful sagt aus poculum mulsi (Hei. 62, 10), es scheint ein flusz gewesen zu sein, der heute andern namen führt, gerade so heiszt ein durch die land- schaft Kent in die Themse sich ergieszender flusz Medway, d. i. ags. Meadovgege Medevaege Medvaege (Kembles urk. n^ 295. 688 p. 283 vgl. 386. 400. n^ 1051) von vsege, alts. w6gi (Hei. 62, 8) altn. veig poculum, mit medovsege ist gleichviel ags. ealovaege Beov. 956. 985. 4038. lidvsege Beov. 3960. ich ahne hier mythische bezüge: wie den Griechen und Eömern das gewässer aus dem hörn oder der urne des fluszgottes strömt, mag auch unser alterthum bäche und flüsse aus dem verschütteten oder umgestürzten methkrug eines mythischen Wesens geleitet haben, woher der quelle name. Die Externsteine an Äinem felsen des Teutoburger walds lehren anschaulich, dasz hier ein christliches denkmal (seit 1115) an eines älteren heidnischen stelle trat; in den Urkunden steht Agisterstein , Egesterenstein. für den vielgedeuteten namen läge doch nichts näher als das ahd. und gewis auch alts. ßgester ßgesteren 6rgestere nudius tertius, ags. sergistran, nhd. vorgestern, ehgestern; was dem gestern vorausgeht bezeichnet lange Vergangenheit, das finn. eilenen ist hesternus, aber auch anti- 658 quus, non nuperus. es sind felsen, nicht von heute, auch nicht von gestern, sondern vor gestern, aus grauem alterthum. in der edda Ssem. 269* heiszt es: vara J)at ne 1 gser, J)at hefir längt lidit sidan, und man bi-auchte blosz aus der sächsischen spräche die anwendung dieser naiven ausdrucksweise auf örter nachzuweisen. Magathaburg, ahd. Magadopuruc, urbs puellarum, böhm. Dewjn oder D^w6j hrad weist auf sage und mythus. Agidora, Egidoro, der volle, alte name des flusses Eider ist mythol. s. ^19 erläutert.

So viel von den Altsachsen, und ich wende mich näher zu den Niederdeutschen in Britannien (s. 642).

Dasz unter den dort eingewanderten Sachsen, Angeln und Juten die Sachsen vorwalteten, scheint aus der stammsage und den namen der sich bildenden einzelnen reiche hervorzugehn. während haupt- sächlich von Ostsachsen und Westsachsen (vgl. s. 442) die rede ist, aber auch von Mittelsachsen und Südsachsen, wie noch die heutigen namen Essex Wessex Middlesex und Sussex zeigen, während das glück- liche Westsachsen bald an der spitze aller stamme steht; werden nur Ostangeln genannt, denen sich etwa die bewohner Merciens als West- angeln an die seite setzen lassen. Von den Angeln sind nach Beda auszer Ostangeln auch Mittelangeln, Mercier und ganz Northumberland,

458 ANGELSACHSEN

d. i. Deira und Bernicia entsprungen, die Juten bleiben auf das kleine Kent eingeschränkt. Entscheidend ist für das vorwiegen der Sachsen, dasz den Kelten bis auf heute der Engländer Sachse heiszt, den Welschen Sais, Saeson, den armorischen Bretagnern Saoz, den Galen Sasunnaich, den Iren Sagsonach*, wie auch unser Widukind vom zuge der Sachsen nach Britannien redet, der Angeln nicht einmal

659 gedenkt und selbst den namen Anglisaxones** daher deutet, dasz die britische insel 'in angulo quodam maris' gelegen sei, welcher angulus von Beda wenigstens in der Angeln heimat, zwischen Sachsen und Jütland gesetzt wurde (s. 642). In der römischen kirche scheint von Gregors zeit an, vielleicht jenem Wortspiel zu liebe (s. 642), und hernach bei allen Romanen der name Anglia voi'gezogen. Beda, ob- gleich ausgehend von der Anglorum sive Saxonum gens, und die Sachsen den Angeln und Juten voranstellend, schreibt eine historia gentis Anglorum, und in der folge drang die benennung Anglia, Angle- terre oder England allgemein durch. Wir Deutschen hätten mindestens das alte einfache Angeln beibehalten sollen, denn Engländer klingt un- beholfen, wie Deutschländer, Ruszländer oder Dänmärker klingen würde.

Dasz des Ptolemaeus 'Ayyulol (s. 604) noch nicht verbündete der den groszen seezug unternehmenden Sachsen sein können, eben- sowenig die bei Vidsld angeführten Engle, versteht sich, das ganze gedieht von Beovulf nennt weder Engle noch Seaxan, Vidsid aber beide, wogegen Procops 'AyyiXoi bereits britische luft athmen, wie man sich immer seine msel Brittia auslege, durch meine voraus- gehende vmtersuchung ist ermittelt, dasz die Angeln durischer oder hermundurischer abkunft waren, woraus folgt, es müsse, wie im In- nern Deutschland Sachsen und Thüringe sich berührten, auch in der angelsächsischen spräche neben dem sächsischen ein thüringisches Clement obwalten und vorzugsweise in Ostangeln und Nordengland zu gewahren sein.

Bei Beda erscheinen noch einige engere volksnamen: 3, 7 und 4, 15. 16 Gevissi oder Gevissae, ohne zweifei nach dem westsächsi- schen stammhelden Gevis (scius, praescius?), weshalb auch Alfred in

660 seiner ags. Übertragung diesen namen wegläszt und sich mit dem ausdruck Westsachsen begnügt, der eddische formäli s. 14 sagt: Gevis, er ver köllum Gave. bei Beda 4, 13. 23. 5, 23 werden Huiccii angeführt, ags. on Hviccura, Hvicca (einmal Hvicna) mägd, zwischen Wessex und Wales; ich weisz den namen nicht sicher aus- zulegen, altn. ist hvikull vagus, inconstans. 4, 13 Meanvari, ags.

* etwas andres ist, dasz die Finnen und Esten den Deutschen insge- mein Saksalainen Saks nennen, was erst aus den zelten der hansa herrührt, wo ihnen die niedersächsischen kaufleufce waare zuführten.

** die Zusammensetzung Angulsaxones findet sich nicht allein in Ur- kunden ziemlich oft, z. b. bei Kemble 5, 134. 146. 149, sondern auch bei Schriftstellern in und auszerhalb England, z. b. Paul, diac^ 4, 23 _ schreibt Anglisaxones. Häufig heiszt es aber auch in den Urkunden saxonica gens', 'saxonice' oder 'in lingua saxonica'. Kemble 1, 62. 172. 207. 5, 50, 51. 144.

ANGELSACHSEN 459

Meanvara mägd, wird auf Meon in Hampshire bezogen. 3, 20. 4, 6. 19. 5, 21. Gyrvii, ags. on Gyrvum, Gyrva mägd oder land, soll bedeuten palustres von gyrve palus. Mägessetan (im bezirk Radnor) nennt das chron. sax. a. 1016.*

Zu den reichen quellen der ags. spräche in poesie und prosa, die bisher zugänglich waren, sind in neuester zeit auch homilien und viele Urkunden in Kembles samlung zugetreten, wo die ahd. spräche mit stücken zufrieden sein musz, liegt hier eine fülle von denkmälern vor. Der spräche schlug in groszen vortheil aus, dasz die Angel- sachsen, obgleich früher zum christenthum übergetreten als die zurück- bleibenden Altsachsen, durch einflusz der freieren britischen kirche weniger zum gebrauch der lat. spräche gezwungen waren und in den kirchlichen handlungen meistentheils die ihrige beibehielten, weder geistliche noch könige und vornehme verschmähten es die angeborne zunge fortzubilden, und daher rührt die beträchtliche zahl von prosa- schriften aus einer zeit, wo bei uns mitten in Deutschland die mutter- sprache gering geschätzt wurde.

Im ags. vocalismus fällt die beschränkung des reinen A in den wurzeln auf, während es die flexion liebt; doch wird auch wurzel- haftes A durch A oder U der flexion gehegt, dem sg. däg däges däge steht der pl. dagas daga dagum zur seite. umlaut kann dies Ä nicht heiszen, weil dessen Ursache fehlt, es gleicht ihm aber in 601 der Wirkung, wie die nominative cräft daed sp6d gled vyrm vyrd statt ies alts. craft däd spöd glöd wurm wurd ihm gleichen.

Die goth. diphthonge stehn hier nicht auf einerlei fusz, sondern ei wird in i, ai in ä verengt, iu hingegen bleibt eo, au bleibt eä. ä hat gleichsam das i in sich aufgenommen (wie griech. a) und ist dadurch lang geworden; das u von au konnte nicht auf dieselbe weise in a eingehn, weil dann die beiden goth. diphthonge ai und au ununterschieden geworden wären, man schlug also dem ä ein e vor, und vielleicht sollte richtiger statt geschrieben werden.

Viel weiteren umfang als im ahd. haben die ags. brechungen der kurzen vocale.

Die consonanten befinden sich im stand der gothischen, nur dasz R für S häufig eintritt, organisches R aber gern hinter den wurzel- vocal geschoben wird (s. 330). sehr merkwürdig ist veler oder velor labium für verel veröl = goth. vairilö, wo das altn. vor gen. varar und fries. were die wurzel bezeugen, aber vergleichbar das ahd. elira alnus neben erila, nhd. eller und erle.

Das schon in alts. flexion vordringende -as der männlichen nom. pl. und -a der gen. pl. überhaupt waltet hier entschieden, ebenso das

* hier noch einige belege aus Kembles Urkunden: judicio sapientium Gevisorum et Merciorum, n** 1078; metropolis Huicciorum id est Wegri- nancaestir, n" 91 ; in Hvicca mägcfe, in {)sere stöve l)e mon häted Veogerna cester, 95; subregulus Huicciorum, 124. 145. 146. 171; viculus in monte quem nominant incolae mens Huicciorum ät Codeswellan, n^ 140; oJ Meon- vara snäde, 1038.

460 ANGELSACHSEN

-an der schwachen form für goth. -an, -in, -6n. der männliche schwache nom. sg. hat wie im goth., der weibliche und neutrale aber -e, welches vielleicht ursprünglich -6 war und dann zum goth. -6 stehn würde, wie gl6d zu glod. alle dative pl. behaupten einför- miges -um, mit ausnähme von bäm ambobus, tväm tuobus, J)äm his, J)rim tribus, him iis.

Keine andere deutsche spräche hat, nach der gothischen, einzelne reduplicationen treuer bewahrt als die ags. die II praet, starker form geht auf -e, schwacher auf -est aus. die plurale praes. setzen für alle drei personen einförmiges -ad (statt -and), praet. aber -on, conj. -en. Das gerundium hat nur den dativ -anne, keinen gen, -annes.

Unter den einzelnen Wörtern gibt es manche, die zu gothischen,

662 alts. und vorzüglich altn. stimmen, aber auch eine anzahl ganz eigner ; doch würde sich davon nicht weniges im ahd. auffinden, wäre uns dies so genau bekannt, wie das ags.

Beispiele der gothischen einstimmung. eode iddja; bysen busns; cild infans vgl. goth. kil|)ei uterus; meovle mavilö; gedöfe gadöbs; heän hauns ahd. höni; haest vehemens, ahd, heist, vgl. goth. haifsts vehementia; hindema hinduma; hnesc hnasqus; läcan leolc laikan lailaik; rsedan reord rödan rairöd.

Zum alts. stimmen: ädre mane alts. adro; heofon heban; reced rakud domus; rodor radur coelum; hleor hlear gena, mnl. Her; sine opes sink; vräd iratus dirus alts. wr6th, altn. reidr, im ahd. reid blosz mit der sinnlichen bedeutung von crispus, tortus.

Zum altn. b6n bcen; bsel bäl; egor cegir; häle halr; heaf haf; meotud miötudr; missire missiri; rsesva reesir; sund sundr fretum und natatio, also von svimman für sumft; J)räc J)rekr; J)yle J)ulr.

Eigenthümlich : ädl morbus, zu äd feuer, hitze gehörig; bäd coactio, wovon nödbäd pignus (Kembles urk. n^ 95) ahd. nötpfant, vgl. bsßdan cogere, ahd, peitan, wäre demnach in ahd. nötpeit zu übertragen; bäsnian exspectare vgl, zu Andr. s, 107; brim mare, br6me illustris Beov. 35 cod. exon. 155, 4 (unstatthaft breme, weil I vor M haftet); bront aestuans vgl. zu Andr. s, 103; calla vir Caedm. 193. 26; caege clavis, engl, key; cöfa cubiculum; cumb vallis; den neutr. lustrum ferarum; den fem. vallis; dun collis engl, down; 6ce aeternus, vielleicht ece? vgl. goth. ajukdu{)s aevum; fäle proprius vgl. altn. fair venalis und anm. zu El. s. 143. 144; fulviht fuUuht, der kirchliche ausdruck für taufe, vgl. fuUvona bearn baptizatorum filii Ceedm, 117, 9, könnte viht weihe bedeuten, volle weihe? oder fulluht dem ahd. follust folieist auxilium, benedictio entsprechen? dafür haben aber die Angelsachsen sonst fylst, und eine northumbrische form für fulviht soll lauten fuUoc, gsesen sterilis cod. exon. 53, 13. ahd, keisan (Graff 4, 267). gehdu geohdu cura, sollicitudo scheint dem altn. ged vergleichbar, wie ich zu Andr. s. 97. 98 ausführe, hafela heafela ist zu Beov. öfter besprochen, hseven glaucus; haso, gen.

663 hasves lividus; hläford dominus, herus, hlaefdige hera, materfamilias, zwei, nicht bei den dichtem, aber in rechtsurkunden vorkommende

ANGELSACHSEN 461

ausdrücke, die ins engl, lord und lady verkürzt wurden und etwa brotherr (panis origo), brotfrau (panis dispensatrix) besagen, von ord initium? (wo nicht in -ord blosze bildung) vgl. gramm. 2, 339 und dige, altschwedisch degja, deja dispensatrix, villica; hlinc agger limi- taneus; bodma nubes; hruse terra; byse pl. hyssas puer, woher der eigenname Hvithyse (albus puer) bei Kemble n^ 129 und der Orts- name Hyssaburna daselbst n^ 158. 642, nach dem auch bei uns all- gemein verbreiteten Volksglauben von kindei'brunnen , ich vergleiche dem hyse das gr. adöLg. was heiszt Iserig in den redensarten ofer linde l^rig Csedm. 192, 29 barst bordes Iserig Byrhtn. 129, 32? man sollte denken rand; Ini gen. Ines bekannter name eines königs, mir unbekannter wurzel; meagol fortis Beov. 3955 verschieden von dem häufigeren micel; oräd oröd Spiritus, halitus scheint mit sedm ahd. ätum verwandt und eigentlich ausathmung, vgl. örendr mortuus, qui efflavit animam, und goth. usanan mori; racenta (daneben racen- teag) catena, ahd. rachinza (Graff 2, 443. Ha.upt 5, 201*); rip gen. ripes, rippes messis, ripe maturus ad messem, metendus, welche Ver- schiedenheit der quantität ein starkes rlpan räp ripon ankündigt, dem auch räp funis, restis zu gehören scheint, die ahd. spräche hat blosz reif funis, rifi maturus, kein rif messis; scräf caverna ; stid rigidus; stöv locus; strengel rex, princeps Beov. 6225; tedre fragilis nnl. teder; tudor proles, untydre mala sobeles; J)isa f)isva J)issa scheint gleichviel mit hengest oder mearh, denn ich finde zur Umschreibung des schifs brimj)isa merepisa väterpisa, doch exon. 410, 2 zeigt sich mägenj)ise weiblich; veaihstöd interpres; vrsesen vinculum, torques, ahd. reisan.

Noch viel mehr zu sagen wäre von den dichterischen ausdrücken und in die heidnische mythologie greifenden namen, die am leben- digen Zusammenhang ags. und altn. Vorstellungen nicht zweifeln las- sen und für letztere das älteste zeugnis ablegen, da begegnet nicht nur eoton iötunn, pyrs purs, välcyrge valkyrja, brego bragr, sondei-n 664 auch Earendel Örvendill, Bregovine, Brosinga mene Brislnga men, der eigenname Osvudu in urk. bei Kemble 55. 60, dessen bedeutung "^ göttlicher hain' auf heiligen ort weist, und viele cultusausdrücke wie bearo nemus sacrum, hleodor oraculum, tiber sacrificium. reich sind die dichter an Umschreibungen des schiffes, Schwertes (bilde leoma, beado leoma u. s. w.); seltsam heiszt das Weltmeer gärsecg.*

Es gehört unter die auffallendsten eigenheiten der deutschen spräche überhaupt, dasz einige starke verba in den verschiednen dia- lecten oder auch in einem und demselben auf ganz abweichende be- deutungen angewandt werden, so drückt das goth. tökan tangere aus, das ags. taecan und altn. taka capere; fassen ist ein fangen, nehmen, anfassen ein berühren, das goth. urreisan, ags. ärisan, alts.

* manche Ortsnamen scheinen noch bezüglich auf alte stammhelden, z. b. Hengestes heäfod bei Kemble 3, 385; Hengestes healle 3, 80; on Hengestes rige 4, 412; Hnäfes scylfe 3, 130 von Hnäf, der in Beov. 2132. 2222 und im cod. exon. 320, 14 auftritt.

462 ANGELSACHSEN

ärisan und risan, tVies. und altn. risa bedeuten surgere, das ahd. risan, mlid. risen umgekehrt cadere, welches der ursprüngliche sinn scheint, so dasz der von surgere erst durch die im goth. und ags. nicht fehlende partikel ur und ä bewirkt wurde, dann aber auch nach deren abfall im alts. fries. altn. beharrte.* dem goth. lukan und altn. lüka wohnt blosz die bedeutung claudere bei, dem ags. lücan, fries. lüka, mhd. liechen auszerdem die scheinbar ganz ferne von vellere avellere, raufen, rupfen; ohne zweifei galt sie auch im niedersächsischen dialect, da sich z. b. in den Bremer stat. s. 187 lök veilebat findet, mhd. belege stehn Diut. 2, 119. MS. 2, 101*. hier wiederum zeigt erst das goth. uslukan den sinn von sIkhv, onäö^ai, 665 vellere, extrahere, ebenso das ahd. arliochan, üzliochan zaliochan, d. h. erschlieszen, aufschlieszen, öfnen (weil das eingeschlossene versteckt, das erschlossene hervorgezogen wird), allmählich blieb aber die den sinn umdrehende partikel weg, dennoch die von ihr abhängige be- deutung haftend. das ags. risan und lücan müssen ursprünglich cadere und claudere ausgedrückt haben, von ihnen wurden ärisan surgere, älücan vellere gebildet und zuletzt auch nach abgeschliffener partikel den scheinbar einfachen risan und lücan diese bedeutungen gelassen, was Graft' 2, 138 von einem formellen unterschied zwischen lüchan claudere und liuchan (soll heiszen liochan) aufstellt ist grundlos. Bisher ist blosz die herschende sächsische oder westsächsische mundart abgehandelt worden, der anglischen oder nordenglischen, northumbrischen sollten eigne forschungen gewidmet werden und da- bei die heutigen volksdialecte nicht unberücksichtigt bleiben. Von Csedmons erstem lied gibt es eine schwach gefärbte anglische recen- sion (in Thorpes vorrede s. XXII). mehr northumbrischen dialect liefern das rituale ecclesiae dunelmensis London 1839 und das soge- nannte Durhambook, dessen ausgäbe noch unvollendet ist (ich besitze nur Matth. 1 bis 14, 3). Auszer den schon gramm. 1, 377. 378 angemerkten vocalverhältnissen hebe ich hier folgende eigenheiten hervor. Dem infinitiv, pl. praes. conj., so wie der schwachen decli- nation gebricht das anlautende N, wöl aber behaupten es die prae- terita pl. und die participia praeteriti. es heiszt also vosa für vesan, habba f. häbban, doa f. don, foa f. fön, nioma f. neman, lufa f. lu- fian, boensa supplicare f. bßnsian u. s. w. habba habeamus, gifoela sentiamus, si simus; dagegen die praeterita lauten veoron eramus und essemus, rioson surreximus und surgeremus, und die part. praes. -ende, die gerundia -anne behaupten: to fleanne ad fugiendum, ich finde selbst das genitivische boensendes supplicandi im ritual s. 41. einigemal zeigt die prima praes. sg. M: biom ero, sium video, dorn faciam. für ags. -ad häufig schon -as.

* Bopp hat angemerkt, dasz auch die sansbritwurzel pat cadere (gr. ninxeiv redupl. für neteiv praet. ninxwxa, slav. pasti, padati) ausdrücke, durch zutritt der praep. ut in utpat auffliegen also surgere bezeichne, das ahd. art'allan, ags, äfeallan behalten aber den sinn von fallan feallan.

ANGELSACHSEN 463

Die männlichen plurale zeigen -as: cneihtas pueri, lärvas docto- res, die weiblichen -o: synno peccata, tido tempora, beodo preces, boeno preces, gern aber auch im gen. sg. -es: oestes gratiae (goth. 666 anstais) eordes terrae (goth. air|)ös) aes legis, voedes vestis, rödes crucis, snyttres sapientiae, bloetsunges benedictionis, wenn nicht in einzelnen Übergänge des geschlechts anzunehmen, alle dat. pl. be- haupten -um, doch die starken gen. pl. zeigen oft schwaches -ana: cnehtana sunana dagana dingana tödana neben töda. alle schwachen subst. und adj. setzen für ags. -an bloszes -a: noma nomine, galla feile, tunga linguae, cirica ecclesiae, {)äs ilca ejusdem, pone strenga fortem.

Das verbum subst. lautet: am ard is, aron aron aron statt des ags. eom eart is, sindon sindon sindon; biom bist bid, pl. bidon be- zeichnet das futurum, steht a,ber auch für praesens. Voes esto! vosad estote! seltsam erscheint vallas volumus (Durh. book s. 99) f. ags. villad. eade ivit = ags. eode.

Manche eigenthümliche formen und Wörter wären auszuzeichnen, die praep. derh gleicht dem goth. J)airh, und entfernt sich vom ags. purh, ahd. duruh. givian avere, exigere scheint dem ags. gifer avi- dus altn. gifr nah. bisene coeci Matth. 9, 27. 11, 5 vielleicht bei- sichtig, das ahd. pisiuni bedeutet accuratus (Graff 6, 128). cuople navicula Matth. 8, 23 ist das engl, coble, führt sich aber zurück aufs mlat. caupulus. luh fretum Matth. 8, 18 gemahnt an lagu aequor. im ritual s. 9G, wo von der tonsur geredet wird, steht zweimal gi- vseld heafdes für coma capitis, wörtlich die gewalt des hauptes (nicht wald des hauptes), was mich ans ahd. waltowahso nervus (Graff 1, 689) Schweiz, altewachs waldiwachs nervus und fries. walduwaxe ge- mahnt, diese walduwaxe zieht sich von den obren über den rücken zu den lenden hinab (Richthofen s. 1124*), begreift also auch das haar des hinterhaupts. statt waldwachs sagt das volk in oberdeut- schen landstrichen haarwachs.

Gleich diesem letzten ausdruck stimmt jener abfall des N in den nordenglischen oder anglisehen flexionen sichtbar zur friesischen spräche, worauf ich mehr gebe als auf die oft wahi'genommne ana- logie zwischen dem ausgang der part. praes. auf -ing in heutiger 667 thüringischer mundart und der englischen spräche, da diese erst im 13. 14. jh. ein solches -ing eingeführt hat und die altanglischen denk- mäler keine spur davon an sich tragen, so wenig als die angelsächsi- schen insgemein, auch greift das -ing weit über Thüringen hinaus. es ist also das vermutete thüringische element (s. 659) gar wenig zu spüren.

XXIV. FRIESEN UND CHAUKEN.

668 Die Friesen behaupten, so weit unsere geschichte reicht, ihren

sitz an derselben stelle, d. h, der nordwestlichen küste Deutschlands, fast von der Scheide bis gegen Jütland sich erstreckend, und die nahgelegnen inseln des meers erfüllend: der besitz kleiner eilande scheint immer von ruhiger niederlassung auf dem festen lande ab- hängig, da wo die Römer schon Friesen kannten, sah sie auch das mittelalter und wissen wir sie noch heute, es kommt nicht vor, dasz Friesen in andere theile Europas gezogen seien oder dasz sie auszu- wandern begehren; sie bewahren ihre angestammte heimat. damit hängt auch die zähere beschafFenheit ihrer spräche zusammen ; in denk- mälern aus der mhd. und mnl. zeit erscheint sie noch mit formen, die sich den alts. und ahd. an die seite stellen; die abgeschiedenheit des Volks hat, beinahe wie auf Island, den alten sprachstand gehegt, und man ist zu dem schlusz berechtigt, dasz von dem mittelalter rückwärts bis zum beginn des neunten jh., wo im lateinischen volks- recht einzelne friesische Wörter begegnen, und von da bis zur zeit der Römer in der friesischen spräche verhältnismäszig weniger Ver- änderungen eingetreten sein werden, als in jeder andern deutschen, auch in den jetzigen friesischen dialecten dauert noch viel alterthüm-

669liches, wiewol auf den westfriesischen die niederländische, auf den ostfriesischen die nieder- und hochdeutsche, auf den nordfi-iesischen die niederdeutsche und dänische spräche starken einflusz geübt haben. Die Römer nennen dies volk Frisii, Ptolemaeus schreibt OqIööloi, Procop ^QiööovEQ, Dio Cassius 54, 32 OqeColol, mlat. Fresones Fri- sones Frisiones (so namentlich die lex) ; altn. wird angenommen Frisir und Frlsland (forum, sog. 12, 287); ags, steht in Alfred periplus Frysan Frysland, Beda 3, 13 Fresones, wo auch die Version Fresan hat, Beov. 2414. 5819 cod. exon. 322, 24 der dat. pl. Frysum, wel- cher auf den nom. Frysan wie Frysas gerecht wäre, 13eov. 2246 Frysland, 2180 Fresena cyn, 2201 Frysna hvylc, Beov. 5826 Fresna- land, 5002 Frescyning, cod. exon. 320, 11 Fresnacyn. die volks-

FRIESEN 465

rechte selbst geben schwachformig Frisa oder Fresa, gen, Frisona Fresena. ahd. aber gilt Frieson, mhä. Vriesen (gramm. 1, 163) und auch mnl. Vriesen Vrieselant (Maerl. 3, 29. Stoke 1, 155) nnl. Vriezen. dies IE scheint aber blosze brechung und kommt dadurch mit dem I oder E in einklang, dessen kürze durch das 2JZ! der gi-iech, Schreibung bestärkt wird, vielleicht wäre auch altn. richtiger zu setzen Frisir, kaum umgekehrt im ags. Fr^san oder Fr6san. I scheint der ursprüngliche laut.

Was bedeutet nun dieser volksname? an goth. friusan gelare, ahd. friosan, nnl. vriezen ist nicht zu denken, dann hätten die Römer geschrieben Freusii und welchen erträglichen sinn könnte diese Wur- zel hier gewähren? mir fiel das mlat. fresum frisum limbus fimbria ein, das prov. frezar freisar, ital. fregiare, franz. fraiser border, fri- ser ci'ispare, neben dem ags. frisle fresle haarlocke, engl, frizzle, in- sofern jene romanischen Wörter deutscher abkunft sein und die Frie- sen von ihren krausen, gelockten haaren den namen führen könnten, doch nirgend ist von friesischer haartracht die rede, nirgend heiszen sie gleich den Franken criniti, comati. Besser also scheint Zeusz s. 136 aus jenem schwanken des I und EI ein starkes fraisan frais frisun zu schlieszen, von welchem dann das reduplicierende fraisan faifrais tentare weiter entsprungen sein müste; für Frisans ergäbe 670 sich leicht die meinung periclitantes , audaces. fast möchte ich in diesem sinn friesisch zu werke gehn und auf ein noch einfacheres wort rathen. wir sind in manche geheimnisse unsrer spräche unein- geweiht und haben über den zutritt von Spiranten umnittelbar nach vocalen neues zu erforschen; s. 431 wurde vorgetragen, wie sich S in bis und visan entfaltete, nicht viel anders wird es in blösan plä- san aus bläjan, bläwan, ags. blövan, oder in gras herba aus gröjan ags. grovan virere* entspringen, auf gleichem wege könnte vom goth. freis frijis liber ein fris frisis, oder frisus, frisaus, oder frisa frisins, frizva frizvins mit sehr verwandter bedeutung geleitet und den Frie- sen ein auch andern Völkern des alterthums, in mehr als einem aus- druck, beigelegter name zugesprochen werden, bedeutsam alliteriert Froncum and Frysum Beov. 5819. cod. exon. 322, 24. In einem gnomischen gedieht des cod. exon. 339, 17 begegnet der merkwürdige Spruch: leof vilcuma frysan vife, J)onn flota stonded, bid his ceol cumen and hyre ceorl häm, in den folgenden versen wird die freude des weibes, dessen geliebter mann (ceorl) von der seefart heim- kehrt, noch mehr ausgemalt; wie können aber die ersten worte über- tragen werden: dear is the welcome guest to the frisian wife? es müste dann stehn: frysican, und noch weniger mag Frysan für den gen. Frisonis gelten, denn was soll hier der Friese? heiszt es aber,

* dasz unser gras und lat. grämen (für grasmen, wie blöma blosma) zusammengehören leuchtet ein; das deutsche wort führt aber auf die Wur- zel, nicht das lateinische, dessen die lautverschiebung störendes GR falsch und für HR (was kein Römer aussprach) oder CHR eingeführt scheint.

Grimm, geseliiclite der deutscheu spraclie. 30

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466 FRIESEN

wie ich mutmasze, dem freien weibe, so wäre das ein glänzendes Zeugnis für die angenommne bedeutung fris oder frise = liber, übe- raus, doch bestehe ich nicht auf dieser, es liegt mir daran ein adj. nachgewiesen zu haben, dessen sinn auch ein andrer verwandter ge- wesen sein und sich jenem fraisan anschlieszen darf.

671 Caesar nennt die Friesen noch nicht, Plinius aber weisz 4, 15, dasz hinter den Bataven und Cannenufaten auch Frisii und Frisia- bones wohnen, Tacitus, majores und minores Frisios unterscheidend, sagt: utraeque nationes usque ad oceanum Rheno praetexuntur, am- biuntque immensos insuper lacus et romanis classibus navigatos. Als Drusus die Usipeten und Sigambern bekriegt hatte, fuhr er den Ehein hinab, überwältigte die Friesen und gelangte zur see ins land der Chauken, wie Dio Cassius 54, 32 meldet; bald aber empörten sich die Friesen und behaupteten ihre freiheit, wurden dann von neuem zurückgedrängt und traten neben den Bataven unter Civilis gegen die Römer auf. Tac. ann. 4, 72—74. 11, 19. 20. 13, 54. hist. 4, 79. Nach Ptolemaeus scheinen sie südlich an die Bructerer, östlich an die Chauken zu grenzen, vielleicht auch an die Tubanten (s. 592. 593), deren batavische oder friesische abkunft unsicher bleibt.

Frisiabones mögen jene Frisii minores sein; nach dem Frisaevo einer Inschrift bei Gruter 532, 7 würde Frisaevones die bildung von Ingaevones und Iscaevones haben, also auf einen stammhelden Friso zurückleiten.

Es unterliegt keinem zweifei, dasz vom zweiten bis zum sieben- ten Jh., wo sie den Franken entgegentreten, die Friesen fortwährend in ihrer heimat walteten, läszt sich aber, bei dem mangel an nach- richten, nicht bestimmen, in welchem Verhältnis sie zu den benach- barten Bataven, Chamaven, Werinen, Angeln und Sachsen standen, oder wie sich die grenzen dieser Völkerschaften im laufe der zeit ver- rückten. Der geogr. ravennas setzt Dorostate am nördlichen Rhein- ufer in der Frigonum oder Frixonum patria, und noch südlicher bis in den gau Testerbant (s. 593) reichten sie und grenzten an Flan- dern, nordwärts aber wird Fositesland oder Helgoland in confinio Fresonum et Danorum* bezeichnet; offenbar führt älteres chaukisches gebiet bald auch den namen des friesischen, was sich noch über die

672 älteste und mittelalterliche geographie Frieslands ermitteln läszt wird uns Richthofen aufklären; dasz es niemals ein Siatutanda gab, son- dern Ptolemaeus die worte des Tacitus (ann. 4, 73) misverstand hat Hermann Müller zuerst gewiesen.

Nach besiegung der Friesen war Drusus ostwärts, fg rrjv Xav- xtda gezogen, wo sich seitdem die römische gewalt fühlbar machte. Tac. ann» 1, 38 redet von dort liegender römischer besatzung und gibt 1, 60. 2, 17 an, dasz Chauken den Römern verbündet kriegs- dienste leisteten; doch später traten sie wieder als feinde der Römer

* Egilssaga p. 260: {)eir koma til landamseris I)ar er moetiz Danmörk ok Frisland, ok lägu |)ä vit land; ohne bezeichnung des orts.

CHAUKEN 467

auf, und Corbulo unter kaiser Claudius war gegen sie ausgerückt. Dio Cass. 60, 30. im batavischen kriege standen sie gleich den Frie- sen gegen die Eömer Tac. bist. 4, 79. 5, 19. Strabo s. 291 von den deutschen Völkern zwischen ocean, Ems, Weser und Lippe redend läszt auf BgovxTSQOi KifißQot KavuoL folgen, Friesen nennt er nirgends.

Wie bei den Friesen werden auch grosze und kleine Chauken unterschieden: visae nobis Chaucorum gentes, quae majores minores- que appellantur. Plin, 16, 1; beide sonderte, nach Ptolemaeus, die Weser, jener Corbulo liesz die groszen Chauken zur ergebung auf- fordern. Tac. ann. 11, 19. Schwerlich aber streckte sich ein theil des chaukischen landes so weit nach Süden hin, dasz sie mit den Chatten zusammengestoszen wären (s. 574). Dennoch musz ihnen ein ansehnliches gebiet zwischen Friesen und cheruskischen Völkern, von der Ems bis zur Elbe eingeräumt werden, Tacitus sagt von ihnen rühmend : tam immensum terrarum spatium non tenent tantum Chauci, sed et implent: populus inter Germanos nobilissimus, quique magni- tudinem suam malit justitia tueri. sine cupiditate, sine impotentia, quieti secretique nuUa provocant bella, nullis raptibus aut latrociniis populantur; id praecipuum virtutis ac virium argumentum est, quod, ut superiores agant, non per injurias assequuntur. prompta tarnen Omnibus arma, ac si res poscat exercitus plurimum virorum equo- rumque, et quiescentibus eadem fama. Von ihrem lande entwirft dagegen Plinius ein düsteres aber malerisches bild als augenzeuge: vasto ibi meatu, bis dierum noctiumque singularum intervallis effu- 673 sus in immensum agitur oceanus, aeternam operiens rerum naturae controversiam, dubiumque terrae sit, an parte in maris. illic misera gens tumulos obtinet altos aut tribunalia structa manibus ad expe- rimenta altissima aestus, casis ita impositis, navigantibus similes, cum integant aquae circumdata, naufragis vero, cum recesserint: fugien- tesque cum mari pisces circa tuguria venantur. non pecudem his habere, non lacte ali, ut finitimis, ne cum feris quidem dimicare con- tingit omni procul abacto frutice. ulva et palustri junco funes nec- tunt ad praetexenda piscibus retia. captumque manibus lutum ven- tis magis quam sole siccantes, terra cibos et rigentia septemtrione viscera sua urunt. potus non nisi ex imbre servato scrobibus in vestibulo domus. et hae gentes si vincantur hodie a populo romano, 'servire se dicunt. ita est profecto: multis fortuna parcit in poenam. Das ist der damals noch unurbare Strand des Harlinger, Butjadinger und Hadeler landes mit seinen dämmen gegen die nordsee*, den ärm- lichen fischerhütten und dem torf ; heute mangelt es da nicht an fetten wiesen und rindern, fast gemahnt die ulva an den ags. garsecg**.

* stolzer nannten die Friesen ihren dämm einen goldnen reif (geldenne hop), der um ganz Friesland liege.

** Haupt 1, 578. warum drückt Luther das rothe meer stets durch schilfmeer aus? nach ihm hat auch die litth. Übersetzung nendrü oder Bzwendru mares.

30*

468 CHAUKEN

Diesen Chauken legt Spartian im Did. Julian. 1 einen streifzug ins römische gebiet bei: Belgicam sancte et diu rexit. ibi Chauchis Germaniae populis, qui Albim fluvium accolebant, erumpentibus re- stitit tumultuariis auxiliis provincialium. Dem Claudian erscheinen sie als anwohner des Rheins (Stilich. 1, 225):

ut jam trans fluvium non indignante Cauco paseat Belga pecus.

ein audermal aber heiszt es de IV cons, Honor. 450

venit accola silvae Bructerus hercyniae, latisque paludibus exit Cimber et ingentes Albim liquere Cherusci,

674 so dasz auf solche dichterische angaben gar kein gewicht zu legen und der Chauken name seit jener erwähnung bei Spartian unter allen lateinischen Schriftstellern wie in den annalen des mittelalters verschollen ist.

Er lebt aber noch in der ags. poesie. die gesänge XVI. XVII. XXXV und XL des Beovulf berühren friesische sage von einem krieg zwischen Dänen und Priesen, wo zwei volkssagen angeführt werden, die sich beide auf die Chauken beziehen lassen. Hildburh, des frie- sischen herschers Finn Folcvaldan sunu (vgl. ags. Stammtafeln s. XII. XIII) gemahlin heiszt 2146 Höces dohtor, und dieser Hoc eignet sich als ein den Friesen verwandter fürst ganz für den namen Chaucus, dessen sinn ich hernach untersuche*, im cod. exon. 320, 14 wird ferner gemeldet, dasz Hnäf über die Höcingas herschte, diese sind nachkommen des Hoc, und derselbe Hnäf (= altn. Hnefi, ahd. Hnab, Graff 4, 1126 Nebe f. Hnebe, Graff 2, 996) tritt gerade in jenen liedern des Beovulf 2132. 2222, aber auf seite der Dänen gegen die Friesen auf, was Verwirrung scheint, dem namen Höcing entspricht der ahd. Huochingus (Pertz 2, 590). Auszerdem nennt das Beovulf- lied in zwei andern stellen den volksnamen Hugas, nemlich z. 5000 einen beiden Däghrefn (ahd. Tachraban) Huga cempa (Hugorum heros) und 5824 ff. ist erzählt, wie die Hugas ein schweres geschick traf, als die Hetvare ihren fürsten Hygeläc erschlugen, dies wichtige Zeugnis wurde schon oben s. 591 ausgehoben und scheint sich viel eher auf einen mythus, als ein geschichtliches ereignis zu beziehen, das mit unrecht von Gregorius turon. daraus gebildet wurde, hier geht uns blosz der name an, offenbar tragen die Hugas und Hygeläc denselben; wandeln aber die fränkischen annalisten diesen Hygeläc

675 oder Hugleikr in Chochilaicus, so klingen auch die Hugas, altfränkisch Chochas? wieder an die Chauci an**. [Haupt 6, 437.]

* auch die langob. namen Hildehöc und Gudehöc bei Paulus diac. 1, 18 (im prolog des gesetzes Childehoc und Godehoc) gehören hierher; den letzten halte ich für den burgundischen Gundioch, Gundiac. statt Childe- hoc eine hs. Scildehoc. Graff hat die ahd. namen Alphoh, Chunihöh.

** die zu beginn des eilften jh. niedergeschriebnen annales quedlinbur- genses nennen den fränkischen Theodorich, der mit Irminfrid und Iring zu schaffen hatte, Hugotheodoricus (Pertz 5, 31) und geben an: Hugotheo-

CHAUKEN 469

Deutungen dieses alten volksnamens sind schon viel versucht, der übelsten eine war von Moser 6, 78, welche aus dem ags. cvacian tremere den begrif eines bebelandes leiten und damit den namen der stadt Quakenbrücke verbinden wollte: die bebenden, zitternden! wel- ches Volk hätte solche benennung ertragen, das römische CH in Chauci (denn so, nicht Chauchi ist zu schreiben und Strabons Kavxoi wie des Ptolem. Kav%OL zu verwerfen) fordert, wie in Chatti, ags. und ahd. H. Schriebe man nun Chauchi, so läge buchstäblich darin das goth. hauhai, ahd. höhö, ags. heähe, fries. häge excelsi, sublimes [Haupt 9, 236], und dabei könnte selbst Chauci bestehn, weil der in- lautende consonant leicht verändert wird, zu den freien Franken und Friesen, den berühmten JBrukterern (s. 532) stimmten ihre nachbarn, die erhabnen Chauken. Über der wurzel von hauhs schwebt noch dunkel, liesze es sich wie tiuhan tauh auf ein verlornes hiuhan hauh zurückbringen, von welchem auch hiuhma oyXog (wie liuhma von liuhan lauh) stammte; so läge der Übergang in hugs vovg, hugjan cogitare nah und von hauhai wären die hugai fortschreitender ablaut. auf diese weise wage ich ags. Heähas und Hugas nebeneinander zu stellen, Hugas wären sapientes. das ags. 6 in Hoc und Höcingas könnte falsche auffassung eines ahd. oder alts. ö = goth. au sein, denn ö =^ goth. ö, ahd. uo führte auf ags. hoc, ahd. huoh uncus, womit hier nichts anzufangen ist. jenes hiuhan könnte aber crescere 676 bedeuten und daraus der begrif von hiuhma menge aufsteigen, wie aus liudan crescere der von lauJ)S ahd. liut populus, oder aus J)eihan crescere der von J)iuda; hauhs wäre cretus oder altus von alere, al- mus, sublimis. die bedeutung von hugs und hugjan würde sich gleich der von kunnan sapere neben kuni genus einfinden.

Haupts einfall , den namen Chauci auf jene tumuli bei Plinius zu ziehen und aus ahd. houc, altn. haugr tumulus, collis zu erklären (zeitschr, 3, 189), scheint mir sinnreicher als haltbar, einem Eömer möchte tumulati in sinn gekommen sein, das volk hätte seine vor- fahren so benannt (altn. heygdar), nicht sich selbst. haugs (oder hauhs?) der aufgehöhte hügel wird aber zu jenem hauhs gehören*.

Genug dieser etymologien ; ich kann nicht umhin hervorzuheben, dasz gerade drei sich nahgelegne Völker, die Bructeri, Frisii und Chauci, jedes in majores und minores unterschieden werden, solch ein unterschied erscheint sonst in der gesamten Germania nicht, ob- schon viel gröszere Völkerschaften, z. b. Sueven oder Gothen, sollte

doricus iste dicitur, id est Francus, quia olim omnes Franci Hugones vo- cabantur a suo quodam duce Hugone. Bekanntlich hieszen spätere Franken- könige Capetinge_ nach Hugo Capetus (cappatus) mhd. Hugschapler (von schapel corona, pileus), der im j. 987 erwählt wurde und söhn Hugo des groszen war, und diese namen scheint der annalist auf das fränkische volk zu übertragen, kaum ist hier Zusammenhang mit jenen alten Hugen, sicher aber die älteste spur des Hugdieterichs im beldenbuch.

* auch die Kavxorjvaioi Kwyaiovov und Caucaland mahnten mich s. 200 an unsere Chauci, und warum nicht?

470 FRIESEN. CHAUKEN

man meinen, eher anlasz dazu gegeben haben müsten*. es wird also eine dem beobachtenden äuge der Römer unentgangne wirkliche eigen- heit dieser nordwestlichen Germanen im spiel sein, und ich bekenne, dasz sie mich geneigt machen könnte, die Bructerer eben darum dem friesisch-chaukischen stamme beizuzählen und von den fränkischen Deutschen zu trennen, worüber jedoch die uns abgehende kenntnis der brukterischen spräche zu entscheiden hätte. Was sind nun diese majores und minores oder nach dem griechischen ausdruck (id^ovEg und BXdttovES^ es erhellt, dasz beide nicht untereinander wohnten,

677 wie die sonst bei germanischen Völkern unterschiednen TiQCJtOi und TtaTadesöTBQOi, optimates, mediocres und minores, dasz sie also keine abstufung des Standes bezeichneten, sondern räumlich getrennt waren. Ptolemaeus stellt die kleinen Kauchen bis zur Weser, die groszen bis zur Elbe, Tacitus ann, 11, 19 scheint aber die den Friesen benach- barten westlichen Chauken majores zu nennen, was auch richtiger ist ; hernach macht Ptolemaeus die kleinen Kauchen zu nachbarn der groszen Busakterer, die groszen Kauchen zu nachbarn der Angrivarier. Angrivarier fallen in die Wesergegend (s. 618), Brukterer weisz ich freilich nicht gegen die Elbe auszudehnen; nach Ptolemaeus ist es die Ems, welche kleine von den groszen trennt, nach dem späteren Borahtragau an der Lippe (s. 531) schiene dieser flusz die scheide. Wie es darum stehe, man sieht, dasz majores und minores örtlich durch flüsse gesondert wurden und nach dem friesischen volksrecht bildete gleichfalls Laubach, Weser und Sincfal eine politisch wichtige landesth eilung**, alles zeugt von altem ruhigem besitz des bodens im nordwesten Deutschlands, wie er bei den niederlassungen der übrigen, bewegteren Völker nicht in gleichem masze vorkommen mochte, zwar finden sich überall nachher einzelne dörfer durch den beisatz groszen und kleinen unterschieden, wie es die erste grtindung eines orts und der spätere anbau eines zweiten gleichnamigen mit sich brachte, doch vielleicht nirgend häufiger als in Friesland***. Fresia minor hat auch noch Saxo gramm. ed. Müll, p, 10 und 688. Die

678 kleinen Friesen, Chauken und Brukterer wird man also für solche halten dürfen, die nach der ersten niederlassung des volks sich über

* Ptolemaeus, so viel ich weisz, sondert unter allen Völkern Europas oder Asiens keine fi£it,ovsg und fiixQoi auszer den Kauchen und Busakterern. ** Gaupp in seiner vorrede zur lex Frision. s, XVII hält das land zwi- schen Fli und Laubach für das friesische normalland, und bezeichnet in seinem recht der alten Sachsen s. 49 die östlichen Friesen zwischen Lau- bach und Weser als hervorgegangen aus den kleinen Chauken, während die groszen Chauken bauptbestand der Sachsen seien, ich kenne keinen beweis für diese ansieht, zulässiger wäre, Friesen und Chauken überhaupt für ein und dasselbe volk unter verschiednem namen zu nehmen, so dasz

frosze und kleine Friesen mit groszen und kleinen Chauken zusammen- elen, die Sachsen aber müssen von ihnen beiden getrennt bleiben. *** vgl. minor und major Harxstede, minor und major Metna, Phalren major und minor, Borsum major und minor in einem alten register bei Ledeburs münsterschen gauen s. 105. 106. 111.

FRIESEN. CHAUKEN 471

einen flusz hinaus verbreiteten und zwar noch im bund mit den groszen für sieb selbst einen eignen verein nach besondrer Verfassung bildeten, man kann der eintheilung vergleichen das was anderwärts durch ost und west (s. 442) oder in Friesland selbst durch üp und üt (Uphriustri üthriustri, gramm. 1, 419) bezeichnet wurde.

Nach allem diesem stellen sich Friesen und Chauken nur als nahverwandte zweige desselben volkschlags dar, als der südwestliche und nordöstliche, und man begreift, warum der chaukische name all- mählich ganz erlosch. Ostfriesen und Nordfriesen scheinen mir nach- kömmlinge der alten Chauken, Westfriesen die der eigentlichen Frie- sen, wohnten die Chauken an der meeresküste, so müssen sie noth- wendig die striche inne gehabt haben, auf welche nachher auch der friesische name erstreckt wurde, vernichtet worden sein kann der mächtige chaukische stamm nicht: er wechselte blosz die benennung.

Es verdient gewis aufmerksamkeit, dasz in den geretteten über- bleibsein epischer poesie neben andern nordöstlichen deutschen Völ- kern auch die Friesen und Chauken vortauchen, während die Innern Deutschen, zumal Sachsen und Schwaben darin keine rolle spielen. Frisan, Hugas und Höcingas greifen noch ein in die von den Angel- sachsen aus ihrer heimat mitgenommnen Überlieferungen, Francan und Hetvare werden mit eingeflochten; auch bei Vidsld dem Wan- derer sind alle diese unvergessen. In der weit jüngeren fassung des Gudrunliedes ist auszer Tenelant Sßlant Sturmlant (s. 637) Dietmers (s. 639) Holzäzelant (s. 633) eben wieder Friesland wahrzunehmen, andere entstellte ländernamen würden uns aus einer älteren gestalt des epos deutlich entgegentreten und immer in dieselben gegenden der nordwestlichen küste versetzen, was ich über Mateläne, der Hege- linge sitz gerathen habe (bei Haupt 2, 3) zeigt auf die Vechte im Münsterland, möglicherweise altchaukisches gebiet, und wie, wenn 679 die mythischen Hegelinge doch Höcingas oder Chauken wären?

Das Gudrunlied gibt dem Herwig von Seeland seeblätter als zeichen in die fahne, wie die Friesen sieben seeblätter im Schilde führten: es ist die Wasserlilie, der heilige lotus (mythol. s. 620). man weisz, dasz die Friesen früh auf kräuter und blumen achteten, den Römern wiesen sie die auf ihren inseln wachsende herba britan- nica (mythol. s. 1147).

Zwischen Friesland und der gegenüberliegenden britannischen küste musz uralter verkehr vorausgesetzt werden, lange bevor die Sachsen und Angeln sich Britanniens bemächtigten, und wahrschein- lich waren im geleite der Angeln und Juten auch friesische genossen, auffällt, dasz im Beovulf 2159. 2175. 2186. 2248 Hengest, ein führer der Dänen (Juten) den Friesen gegenüber auftritt ; er könnte sich mit dem berühmten Hengest vermischen? jüngere uncritische nachrichten lassen Hengist und Horsa aus Friesland nach Britannien ausziehen*;

van der Bergh nederl. volksoverleveringen s. 43. 137.

472 FRIESEN

ich weisz nicht, ob Maerlant 3, 29 aus Vincentius schöpft, wenn er Engistus einen Vriesen und Sachsen nennt.

Bei Procop 4, 20 wohnen auf einer insel des oceans, die er Brittia nennt und von Britannien unterscheidet, unter fränkischer oberherschaft "Ayyikoi, 0Qi66c3V£g und Bgirraves zusammen; was er unter dieser insel meine ist schwer zu bestimmen, aber die Ver- knüpfung der drei Völker auf allen fall ein zeugnis für das enge be- rühren der Angeln mit den Friesen zur zeit des fünften, sechsten jh.

Plinius rechnet die Chaucorum gentes, gleich Kimbern und Teu- tonen zu den Ingaevonen, und ich sehe keinen grund sie mit MüUen- hoff s. 129 für iscaevonisch zu nehmen; ihre läge und spräche stellt sie dem sächsischen stamme ungleich näher als dem fränkischen. Chauken wie Friesen scheinen sich leichter unter die römische macht gebeugt zu haben als Cherusken, und gegen diese in der schlacht (Tac. ann. 2, 10) standen auch chaukische helfer. doch ergriffen 680 beide stamme jede gelegenheit um sich zu empören und die verlorne freiheit herzustellen, von Cherusken, Kimbern, Teutonen werden sie, aller berührung ungeachtet schon zur römischen zeit abgestanden haben, wie noch heutzutage Holsteiner und Ditmarsen abstehn von ihren nordfriesischen nachbarn.

Die friesische spräche hält eine mitte zwischen angelsächsischer und altnordischer, wobei ihr besondrer anschlusz an den anglischen oder nordenglischen dialect, so weit wir von diesem urtheilen können, nicht zu übersehn ist (s. 665).

Den friesischen vocalismus würden uns ältere Sprachdenkmale reiner lehren, ähnlich dem ags. ä pflegt e an des a stelle zu tre- ten, aber in allen flexionen zu beharren; ohne die schöne rückkehr des a in einzelnen ags. endungen; es heiszt dei deis, pl. degar dega degum statt des ags. däg däges, dagas daga dagum, die diphthonge erscheinen meist verengt und zumal ^fallen in 6 und ä viele laute zusammen, die im ahd. und goth. geschieden sind, wenn häch und dach für goth. hauhs daug, ahd. höh touc, ags. heäh teäh stehn; so läszt die röm. Schreibung Chaucus noch ahnen, dasz damals der un- verengte laut dem gothischen gleichkam.

Die consonanten stehn überhaupt auf ags. fusz; eine auffallende ab weichung, das SZ für K und Gr wurde schon s. 388 hervorgehoben, wahrscheinlich ist aber auch sie erst erzeugnis späterer zelten.

In der flexion männlicher subst. ist das ags. -as schon in -ar übergegangen und dadurch dem altn. gleich geworden, doch zeigen es nicht die weiblichen. Die schwache flexion legt wie jene anglische (s. 665) und die altn. das oblique N ab. der dat. pl. aller starken und schwachen subst. hält das alte -um fest, wogegen die adjectivi- schen dative pl. gleich dem artikel thä (goth. paim, ahd. d6m) bloszes zu haben pflegen. In den gen. pl. starker masc. dringt wie im anglischen gern die schwache form, z. b. degana dierum f. dega.

Alle Infinitive zeigen, gleich den anglischen und nordischen bloszes -a, doch die pl. praes. -on, die part. praes. -en. die gerundialform

FRIESEN

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-ande (für -anne) fällt zusammen mit dem pai't. praes. Den pl. 681 praes. ind. bilden alle drei personen auf -tli oder -ath.

Auch in dem wortvorrath schlieszt sich die friesische spräche zunächst an die ags., und viele sonst ungewöhnliche ausdrücke sind beiden gemein, z. b, sc6nia frangere, ags. scaenan; filmene membrana, squama, ags. filmen, engl, film; brein cerebrum ags. bregen; spödel Sputum ags. spädl ; d6ne deorsum ags. düne ; pli periculum ags. pleoh ; fethe amita ags. fadu; hop circulus ags. höp, mnl. hoep; stith firmus rigidus ags. stid ; bräs aes ags. brses. Andere stimmen zu altn. und nl. Wörtern : heli cerebrum altn. heili * ; ili planta pedis altn. il ; liana socius altn. lioni; lana callis nnl. laan, engl, lane; mitsa attendere, nnl. mikken. hoxene poples ist ahd. hahsina von hahsa, mhd. hahse, was genau das lat. coxa. merkwürdig begegnet logia nubere dem goth. liugan. manche sind eigen, wie muka culmus, fuke rete, bunke OS ossis; bant und Burchana oben s. 594, man möchte an das ags, byrgene sepulcrum denken, da im alterthum auf inseln begraben wurde (mythol. s. 792).

* diesem heli, heili gleicht das lat. coelum und gr. xolXrj xoiXla, weil himmel und hirnschädel gewölbt erscheinen, und nach der edda der him- mel aus des riesen schädel, die wölken aus seinem hirn geschatfen wur- den (mythol. s. 526. 531. 533).

XXV. LANGOBARDEN UND BURGUNDEN.

682 Diese beiden Völker, welchen es schwer ist eine andere stelle anzuweisen, fasse ich zusammen, da sie miteinander gemein haben, dasz sie aus dem norden in den Süden vorgedrungen hier allmählich ihrer deutschheit verlustig giengen. sie erreichten keine küste, kein eiland, wo sich ihre eigne, angestammte art hätte erhalten können.

Langobarden nennt uns zuerst Strabo s. 290 neben Hermun- duren, beide als einen theil des groszen suevischen volks und jenseits der Elbe, d. h. auf der linken seite des stroms wohnhaft, musz man nun die Hermunduren der mittleren Eibgegend überweisen, so bleibt für die Langobarden die niedere, Plinius und Dio geschweigen ihrer. Tacitus, nachdem er die Semnonen als hauptvolk der Sueven geschil- dert und ihre ansehnliche macht hervorgehoben hat, fährt cap, 40 fort: contra Langobardos paucitas nobilitat ; plurimis ac valentissimis natio- nibus cincti non per obsequium, sed proeliis et periclitando tuti sunt, gegenüber im osten müssen ihnen Semnonen und vielleicht noch an- dere nordöstliche Sueven, im Süden Hermunduren, im westen Cherus- ken, im norden Haruden und Chauken gesessen haben, Vellejus 2, 106 Tibers heerzug in Germanien vom j. 5 berichtend stellt sie auch gleich unmittelbar nach den Chauken: receptae Chaucorum nationes.

683 omnis eorum juventas infinita numero, immensa corporibus, situ loco- rum tutissima traditis armis . . , ante imperatoris tribunal. fracti Langobardi, gens etiam germana feritate ferocior. denique quod nunquam antea spe conceptum, nedum opere tentatum erat, ad qua- dringentesimum milliarium a Rheno usque ad flumen Albim, qui Semnonum Hermundurorumque fines praeterfluit, romanus cum signis perductus exercitus. wie natürlicher klingen des Tacitus worte als diese prahlerei, aber die folge der Chauken Langobarden Semnonen und Hermunduren stimmt zur mitgetheilten angäbe, ann. 2, 45 wird erzählt, dasz suevische, vorher dem Maroboduus gehörige Völker, Semnonen und Langobarden zu Arminius übertraten und Cherusken mit Lango- barden für die freiheit kämpften; 11, 17 dasz später, als Italiens von

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den Cherusken vertrieben war, die Langobarden dessen herstellung bewirkten. Mit diesem wohnsitz der Langobarden an der untern Elbe trift nun aucb vollkommen überein die läge des Bardangä (Bar- dengauwi Pertz 1, 184) im Lüneburgischen, dessen name wie der des fleckens Bardanwic zugleich für die Barden d. i. Langobarden zeugt.

Diesen stand der dinge verdirbt nun Ptolemaeus durch seine ganz unhaltbare Vorstellung, nach welcher die UovrjßoL Aayyoßagdoi zwischen Sigambern und Tencterer, also westwärts gegen den Ehein gesetzt werden, hernach aber auch bei ihm in ihrer rechten läge an der Elbe neben Angrivariern und Dulgumniern erscheinen, wie ver- trüge sich diese ausdehnung zu der langobardischen paucitas bei Tacitus? und wie sollen Langobarden zwischen Weser und Ehein platz gefunden haben, wo alles mit andern Völkerschaften besetzt, keine spur von ihnen ist?

Ich beklage, dasz Zeusz s. 94. 95. 109 111 sich auf diesen misgrif eingelassen, einen nichtssagenden, grundlosen unterschied zwischen Langobarden und Lakkobarden des Ptolemaeus angenommen, und nun den Langobarden als Westsueven eine solche erweiterung gegeben hat, dasz sie sogar die Chatten und Hermunduren unter sich begreifen sollen [Haupt 9, 233]. jene nachbarn der Sigambern und Tencterer lassen sich nicht einmal als Chatten auffassen, da Ptole-684 maeus die Chatten an anderm orte, nämlich zwischen Chamaven und Tubanten ausdrücklich nennt. Es ist also auf diese westlichen Lango- barden des Ptolemaeus kein gewicht zu legen, sondern bei den öst- lichen, deren läge er richtiger beschreibt, allein zu verharren. Die frage, ob Langobarden überhaupt suevischer abkunft waren, will ich im verfolg zu beantworten suchen.

Nicht anders musz auch die alte und verbreitete sage von abkunft der Langobarden aus Scandinavien abgelehnt werden, sie sind eben- sowenig aus der nordischen insel herangefahren, als die Gothen, und ebensowenig zu schiffe angelangt als die Sachsen, Bei andrer gelegen- heit werde ich ausführlicher die mythen zusammenstellen und erörtern, die sich mehrfach über die auswanderung einzelner stamme erzeugten, und deren Ursache bald in eingetretne Überschwemmung des meers, bald in ausgebrochne hungersnoth gesetzt zu werden pflegt. Giengen schon von der kimbrischen sinflut uralte erzählungen (s. 635), so er- neuerten sie sich im verfolg der zeit und wurden auf andre Germanen, und von der halbinsel auf inseln übertragen. Paulus läszt die Lango- barden, man ahnt nicht in welcher zeit, unter dem namen Winiler, als dritten theil der durch das losz bestimmten bewohner des eilands Scandinavien ausziehen und zuerst nach dem lande Scoringen gelangen. Doch schon lange vor ihm berichtete Prosper von Aquitanien zum j. 379: Langobardi ab extremis Germaniae finibus, oceanique protinus littore, Scandiaque insula magna egressi, et novarum sedium avidi, Iborea (? Iboreo) et Ajone ducibus Yandalos primum vicerunt; viel- leicht ist hier von Scandiaque an Interpolation, da der ausgang von der äuszersten küste Germaniens am ocean durch den aus der insel

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selbst wieder aufgehoben wird. Der anonymus Langobardus in Ritters vorrede zum cod. theod. läszt sie an einem amnis vindelicus hausen und fügt hinzu: postquam de eadem ripa Langobardi exierunt, sie Scatenauge Albiae fluvii ripa primi novam habitationem posuerunt; ihm sind sie von der küste des oceans (denn amnis vindelicus kann

685 das Wendilmeer, vielleicht auch Vendsyssel in Jütland, bei Saxo Wendala bezeichnen) ausgewandert und dann erst in Scatenauge an der Elbe niedergesessen; er meint Scandien nicht im ocean, an der Elbe gelegen. Hier wie bei Prosper bricht die wahre heimat der Langobarden an der Niederelbe immer durch, nur dasz sich das sagen- hafte Scandinavien einmengt. Mit dem namen Vindili müssen aber dennoch, meinen zweifeln s. 476 zum trotz, auch die Winili des Paulus zusammenhängen; Vindili = Vandali (s. 475) sind abart, neben- stamm der Vandali, welche er als nachbarn und feinde der Vinili anführt: zwischen beiden stammen desselben volks war zwist und krieg ausgebrochen, zu Prospers Iboreus und Ajo stimmt des Paulus Ibor und Ayo, des Saxo gramm. Ebbo und Aggo; Ibor ist nichts als ahd. Epur, ags. Eofor, altn. löfur, d. h. eher, doch frühe schon auf beiden angewandt, ihrer mutter, der weisen Gambara name, den Saxo in Gambaruc entstellt, mahnt anGambar sagax (s. 525). Dürfte man Scoringa in Sceringa Sciringa ändern und auf die Skiren (s. 465 ff.) deuten? in Ohderes periplus wird auf Halgoland ein hafen Sciringesheal genannt, Scoringa war aber auf dem festen land gelegen; Saxo hat an dessen stelle Blekingia.

Bei Saxo wird die auswanderung in das gebiet des völlig mythi- schen königs Snio versetzt, der in altn. sagen Snser hinn gamli heiszt und dreihundert jähre lang gelebt haben soll, wie sein eigner name schnee bedeutet, war der seines vaters Frosti, seines sohnes Thorri (s. 93); die töchter hieszen Fönn, Drifa, Miöl (mythol. s. 598). an eines solchen wesens zeit läszt sich der langobardische ausgang auf keine weise historisch knüpfen und die sage wird dadurch desto sichrer auf mythische grundlagen zurückgewiesen.

Solche mythen entsponnen sich, als die Langobarden ihre nieder- elbische heimat verlieszen und sich gegen Süden wandten; die sage strebte ihren ausgangspunct noch weiter rückwärts nach dem norden zu verlegen, dies musz der critik mit dem finger zeigen, auf welche weise sie die Überlieferungen von der Sachsen und Gothen erster

686 ankunft zu behandeln habe, auch hier scheint der mythus erst auf- gestiegen, als der eingewanderten sieger rühm Britannien und Welsch- land erfüllt hatte.

Im lauf des vierten jh. mag der Langobarden auswanderung be- gonnen haben. Von jenem Scoringa zogen sie nach Mauringa, das der ravenn. geograph noch im osten der Elbe findet. Saxo läszt sie Blekingen und Moringen vorüberschiffen, bevor sie Gutland erreichten, doch bei Paulus wird von Scoringa aus der ganze zug stets zu lande vollbracht, und nach Mauringa Golanda besetzt, wofür sich die bessere Variante Rugulandia darbietet. Hierauf, immer noch zu Ibors und

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Äjons lebzeiten, nahmen die Langobarden drei gebiete Anthaib, Banthaib und Wurgondaib (cod. ambr. Vurconthaib) ein, in welchen sich das nemliche aib oder aiba erkennen läszt, das auch im ahd. Wetareiba, Wingarteibe und Toringeiba (wenn ich so Toringuba bei Pertz 1, 455 richtig ändere) waltet, vgl, RA. s. 496 und Wungardiweiba bei Graff 4, 251. in Bantaiba und Wurgondaiba f. Burgondaiba läge leicht das s. 593. 594 verhandelte bant und der volksname Burgunden. Nach langen abenteuern, die das volk der Langobarden im lande der Amazonen* und Bulgaren, dann mit Rugiern, Herulern, Gepiden**, Avaren, Hünen und Gothen zu bestehn hatte, immer gegen Süden vordringend, fand dasselbe bleibendere statten in Pannonien und von da zuletzt in Italien, wo es unter Alboin, in der reihe seiner könige schon dem eilften einzog und ein königreich gründete, welchem die dauer von zwei Jahrhunderten (568 774) beschieden war, bis es den Franken unterworfen wurde, doch erhielt sich lange und sogar heute noch, mit dem namen Lombardia, der unvertilgbare eindruck mancher langobardischen eigenheit.

Kaum ein andres deutsches volk hat eine so frische und leben- 687 dige sage behalten wie das langobardische und Paulus diaconus Warne- frieds söhn, dem wir die aufzeichnung des besten danken, würde mit leichter mühe noch viel reicheres haben sammeln können; es läszt sich nachweisen, dasz er schon einzelne züge verschmähte, die seinem geschmack nicht mehr zusagten. In den prolog der von könig Rothari gesammelten langobardischen gesetze ist eine merkwürdige Stammtafel seiner vorfahren aufgenommen worden, die sich groszentheils schon aus des Paulus werk ergeben und begreiflich weit über die zeit ihres einzugs in Italien, doch nicht bis auf Ibor und Ajo zurück reichen, da erst mit Agilmund oder Agimund, Ajons söhne die reihe der könige beginnt, von Ajo bis Alboin erfolgen also zwölf geburten, die drei auf ein jh. gerechnet*** deren vier ausfüllen, was zur bestätigung der annähme Prospers von der zeit, in welcher ihr ausgang begann, dienen wird. Bis über die mitte des vierten jh. hinaus müssen dem- nach die Langobarden in der gegend, wo sie von den Römern wahr- genommen wurden und wohin sie vor undenklicher zeit aus osten, nicht aus norden eingewandert waren, beharrt und mit andern nord- östlichen Deutschen, namentlich Sachsen, Angeln und den auf dem rechten ufer der Elbe hausenden stammen in gemeinschaft gestanden haben. In dieser beziehung darf nicht übersehn werden, dasz ein berühmter eponymus der anglischen sage, Sceäf (ahd. Scoup), der auf

* die sich wenigstens Paulus noch innerhalb Germanien dachte, denn er versichert: nam et ego referri a quibusdam audivi, usque hodie in intimis Germaniae finibus gentem harum existere feminarum.

** das etym. magn. 230, 20 hat sogar FriTiaiöeq ol Xsyofxsvoi Aoyylßag-

äot, und läszt dann die schon oben s. 463 ausgehobne etymologie folgen.

*** bei Ajo dem ersten wird ausdrücklich gesagt: hie sicut a majoribus

traditur, tribus et triginta annis Langobardorum tenuit regnum. das ist die

normal zahl.

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dem schaub schlafend den Angeln im scMf zugeführt wurde, bei Vidsid 320, 21 Sceäfa, und herscher über die Langobarden heiszt. in jenen Stammtafeln, denen er vorausgeht, ist er natürlich nicht zu erwarten. Agilmundus, folglich auch Ajo heiszt bei Paulus 1, 14 ex pro- sapia ducens originem Guningorum, quae apud eos generosior habe-

688 batur. im prolog steht aber Gugingus [Haupt 9, 245] oder Gugincus (Diut. 2, 356) und die guten hss. des Paulus geben Gungingorum*, was wieder einen Gung voraussetzt und an den eddischen namen des göttlichen Speers Güngnir (mythol. s. 134), welcher sieg verlieh und alle, über die er geworfen wurde, dem tode weihte, war er von Wodan einmal dem ahnherrn der Guginge verliehen worden? güngnir oder gugnir soll nach Biörn bedeuten violentus domitor, das schwed. gunga sagt aus oscillari, ein ahd. gingan appetere, desiderare, gingo appe- titus und gungida eunctatio (Graff 4, 218).

Von Leth dem dritten könig, bei Paulus 1, 18 besser Lethu, entsprangen die Lithinge : Lithingi, quaedam nobilis prosapia (Haupt 1, 555). das goth. lij)us ahd. lid bedeutet articulus, membrum; ich wage daran keine weitere erklärung zu knüpfen, und werde nachher noch einige andere namen dieser genealogie hervorheben.

Wie steht es um den der Langobarden selbst? Paulus 1, 8 berichtet den schönen mythus, wie dieser name den Winilen von Wodan selbst verliehen worden sei und im prolog des gesetzes ist es noch mit näheren umständen erzählt (Haupt 5, 2). dazu musz man nehmen, dasz der nordische Odinn selbst den beinamen Längbardr** führt, wie er Sldskeggr und Härbardr heiszt (mythol. s. 124. 905); seinen günstlingen durfte aber der gott namen, wie vielleicht den sieg- speer, geliehen haben. Lancpart ist auch sonst ahd. mannsname (Schannat n^ 427), wobei nicht nothwendig an einen Langobarden braucht gedacht zu werden. Ich habe nichts dawider, dasz man die bei diesem volk übliche barttracht zum anlasz der benennung mache***,

689 ohne dabei auf das chattische ' crinem barbamque submittere' zu sehn (woraus Zeusz s. 94 seine Identität der Chatten und Langobarden erweisen will), weil ja die Chatten hart und haar schoren, so bald sie

* Waitz deutsche verf. gesch. 1, 164.

*♦ wer sind aber die Längbarz lidar, deren prächtiger aufzug Ssem. 233'' geschildert wird?

*** hier verdient eine im etym. magn. s. v. yevsiov aufbehaltne sage an- führung 225, 45 : sQ^voq yag sl'xoat xal nsvie ;(iAtadcüv insXQ-ov naQSxä- &STO TOtg ^P(o[x.aioiq. ixsZvoi 6h oUyoi ovtsg, avol^avteg sveQug nvXag, e(psQOV rag axXaßrjviag. ezi äh ol axXäßoi, oXiyoL övxeg, SipeQov rag yvvalxag avrwv xal nsQi&ifxsvoi avzaig oxrjf^a avögsTov xal yeveiaöag i^riQ^ovro. löövxsg 6h xb nXrj&og xu s&vtj, r/Qcäxwv xovg Pwfiaiovg, xiveg elalv ovxoi; xcd slsyov AoyyißaQ6oi, xovxsaxi ßa&eZav vnrjvrjv xal fxaxQav ^Xovxsg, Dem Griechen musz jener mythus zu ehren gekommen sein und er wendet ihn auf die Römer an. axXdßoi sind knechte, servi, ital. schiavi, die damals schon der name der Slaven bezeichnete. ox?>aß7]via mag entweder Speer, jaculum levius (Ducange s. v.) oder die masse der knechte bedeuten. Wodans frage an Frea ist hier an die Römer gerichtet.

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männlich auftreten konnten. Andere wollen an ahd. parta ascia den- ken und den Langobarden diese waffe beilegen, über deren gebrauch sonst nichts erhellt; unter den eddischen schwei-tnamen Sn, 214* steht allerdings Längbardr, zu erwägen aber bleibt, dasz für Lango- barden auch das einfache Barden gilt, nicht nur im lat, gedieht bei Paulus 3, 19 wo die zusammengesetzte form im vers unbequem ge- wesen wäre*, und bei Helmold 1, 26, sondern auch in den Orts- namen Bardangä und Bardanwlc (s. 683); noch mehr aber, in den ags. liedern erscheint neben Longbeardan cod. exon. 320, 21. 323, 18 zugleich der volksname Headobeardan cod. exon. 321, 21, Beov. 4060. 4070. heado, ahd. hadu bedeutet bellum, pugna und zeigt sich in vielen compositis (gramm. 2, 460), Headobeardan sind also was Helmold Bardi bellicosissimi bezeichnet; soll auch hier die bedeutung des hartes festgehalten werden?

Das langobardische reich während seines bestands in Italien und nach ihrer bekehrung hätte ersprieszliche Sprachdenkmäler zu tage fördern können, zu einer zeit, in welcher die Gothen schon durch Yerdeutschung der heiligen schrift vorangegangen waren und die ags. und ahd. literatur zu erwachen begannen, es ist aber gar nichts langobardisches vorhanden und auch keine spur da, dasz es unter- gegangen sei. wir müssen also die wichtige frage, in welchem Ver- hältnis die langobardische spräche zu den übrigen deutschen gestan- 690 den habe, lediglich aus den Wörtern, die in den lat. gesetzen, bei Paulus und in Urkunden vorkommen, zu beantworten suchen, jene technischen rechtsausdrücke, von welchen es schon alte, aber dürre, unverständige Verzeichnisse in hss. gibt**, erscheinen fast so verderbt wie die malbergischen glossen ; das meiste andere sind eigennamen, die ich freilich nicht erschöpfend sammeln konnte.

Der langobardische vocalismus hat fast alles gemein mit dem ahd. kurzes A in lama piscina; fara generatio; bandum vexillum; arga meticulosus ; Wacho ; gastaldius ; ans in den Zusammensetzungen Ansfrit Anspald ; ohne umlaut bei folgendem I : arimannus ; ariscild heerschild ; Aripertus; camphio pugnator; scario praeco; aldia colona; Rachis; Lamissio. I in impans ; gisil ; scilpor armiger ; scild ; child ; thingare ; widriboran; Ildipert, Sigipert, Winiberta; Albsuinda; fio ahd. fihu; iderzön sepes, wo ahd. schon ötarzün gälte. U selten: fulfreal; scul- dahis; Rugiland; tubrugi Paul. 4, 23, wovon nachher. E noch nicht als umlaut, nur als brechung in Helmichis ; Berto, Aripertus ; Hersemär Paul. 6, 51; Peredeo; Cleph und Lethu, welcher name ahd. Lidu fordert. 0 als brechung in modula; hosa Paul. 1, 20; sonor grex; Godescalc; Nordo; widribora; scilpor; morgingap; Droctulfus.

Lange vocale. ä ausdrücklich bestimmt durch die Schreibung aamund in den glossen für ämund liber, e potestate dimissus Roth. 225; stölesäz; Hersemär ; vielleicht in läma piscina. 6 wahrscheinlich

desgleichen in einem gedieht des cod. vatican. 5001 fol. 147:

ortus fuit ex Barde rum stemmate clarissimo. gedruckt Diut. 2, 357—359 und bei Haupt 1, 548—562.

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anzusetzen in dem namen Evin Paul. 2, 32. 3, 27, worin ich ahd. 6wln, goth, aiveins, aeternus sehe. [m6ta.] i nicht zu erkennen. 6 = ahd. uo, goth. ö in stölsäz; Röthari ahd. Hruodheri; Wödan ahd. Wuotan; Austrigösa Paul. 1, 21 gepidische königstochter ; plövus aratrum (s. 56). ü vielleicht in Rümetrüda Paul. 1, 20.

Diphthonge. AI = goth. ai, ahd. ei und 6: rhairaub goth.

691 hraivaraubs ? ahd. hrßoroup; Gaila n. pr.; laib reliquiae, ahd. leipa; aidones sacramentales ahd. kieidon; gaida hastula ags. gäd; snaida incisio in arbore Roth. 244; Argaid n. pr.; Aistulfus n. pr. AU = goth. au, ahd. ou und 6: laun merces; raub spolium; walapauz; Audoin ags. Eädvine; Grauso Paul. 5, 38. 39. 6, 6 = ahd. Cröso Graff4, 616; Austrigösa. lU = goth. iu: Liutprand; Agiliup; Tinea in einer urk. bei Troya s. 442; EU in Theudelinda; geschwächt zu EO in Peredeo. Frea für Fria.

In den consonanten zeigt sich die ahd. lautverschiebung. P für goth. B: prand; pert; Peredeo; scilpor; marpahis; impans; walapauz. F oder PH für goth. P: camfio; Cleph; Claffo. T für goth. D viel- leicht in Tato alts. Dado. [m6ta = ahd. mieta.] D für goth. p: Peredeo, goth. Bairapius?; adaling; Nandigild; modula. Z für goth. T: in den eigennamen Zangrulf Paul. 4, 14, bissiger wolf, vom ahd. zangar mordax; Zuchilo Paul. 1, 21; Zotto Paul. 4, 19; Tazo; Nazo; [Pezola.] vom Übergang des auslautenden Z in S nachher. K für goth. G: cap donum; crap sepulcrum. CH für goth. K: achar goth. akrs. Befremden darf aber nicht, dasz zuweilen noch die goth. media haftet und bora, Berto, brand, band; Wödan, fader, ider = ahd. 6tar, band, sculdahis; arga, thingare, anagrip geschrieben steht; da ein gleiches in vielen ahd. denkmälern geschieht (s. 424. 425). so ist auch das haftende TH in thingare, Theudelinda und Lethu zu fassen, [aber Zaban, zotan für th?] Eigen scheint das schwanken des G in CH, wie es zumal die wörter launechild, Alachis, Arechis, Rätchis, Helmichis, Hildechis in namen an sich tragen, denen ahd. -gis oder -kis (Graff 4, 266) zusteht, ich darf dies CH dem hin und wieder auftauchenden ahd, GH (s. 425) vergleichen; vom fränk, CH für H ist es verschieden. Seltsamen Übergang des B in F zeigen lesarten der composita scilfor armiger f. scildboro und fulfor liber f. fulboro.

N vor S und TH wird nicht unterdrückt, es heiszt ans svind wie goth. und ahd. Die spirans V pflegt, doch nicht nothwendig, nach ahd. weise gedoppelt zu werden oder in GU, GV überzutreten, was recht langobardisch sein musz, da es Paulus 1, 9 am namen Wödan

692 und Gwödan hervorhebt ; ebenso : guald silva, guadium pignus, guare- gangus exsul, guidribora renatus d. i. liber. vielleicht ist dies GU erst aus romanischem einflusz (vgl. s. 295. 296) zu erklären. In den Zusammensetzungen Alboin Audoin = Älfvine Eädvine ist V in 0 aufgelöst. Auch mit der spirans H wird auf romanisch verfahren, die organische weggeworfen und eine unorganische eingeschoben, so findet sich ari für hari in Arimanni (homines exercitales) Aripertus = ahd.

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Heripert, fränk. Charibert; Ildipert f. Hildipert; mar equus ahd. marah; Waltari f. Walthari; freald vielleicht für frihald liber, wo nicht freals = ahd. frihals zu lesen, umgekehrt aber ist geschrie- ben sculdahis marpahis Ahistulf sonorpahir modulahiscus lahip für sculdais marpais Aistulf sonorpair modulaiscus laip, ja dasselbe falsche H tritt ein in Landuhin Alpuhin f. Landuin Alpuin (Alboin) in urk. bei Troya s. 437. 438. 439.

Wenig oder nichts zu gewinnen steht für die flexion.' darf aus casindios comites und gamalos gamahalos confabulatores in der glosse bei Haupt 1, 551. 554 ein dem goth. gleicher nom. pl. auf -ös ge- folgert werden? es könnten auch lat. acc, pl. sein. Den nom. sg. schwacher masc. würde man nach arga bei Paul. 6, 24 auf -a, nach goth. und ags. weise ansetzen, wenn nicht viele andere namen auf -o überwögen: Berto, Claffo, Tato, Wacho, Pando, Paracho, Falcho u. s. w. Seltsam lautet thinx Eoth. 171. 173. 174. Liutpr. 6, 19 und garathinx Eoth. 167. 172, in den glossen thinx und gairethix (Haupt 1, 558. 553) für thing, worin unmöglich eine flexion stecken kann, wie sie dem neutrum unangemessen wäre (es heiszt in den texten: omne thinx, ipsum thinx). man wird also in diesem X eine affection des G zu sehn haben, ähnlich dem fries. SZ (s. 680). Von der conjugation ist gar nichts zu gewahren.

Aber eine reihe einzelner Wörter verdient besprechung. marpahis strator Paul. 2, 9. 6, 6. Haupt 1, 556. marepahis Pertz 5, 227. 248* ist sehr oft angeführt, doch, glaube ich, seit den Langobarden bis auf 693 mich von niemand verstanden worden, sogar das gr. nals hat man darin wollen sehn, strator bedeutet equorum curator, compositor sellae und marpahis steht für marpais wie sculdahis f. sculdais; das wird auf die fährte leiten, sculdais oder auch sculdasius entspricht dem ahd. scultheizo, würde also mit hergestelltem anlaut langob. sculdhaiz lauten, welches wiederum statt sculdhaizo, wie scilpor statt scildporo gesetzt ist. in marpahis läszt sich mar für marh, ahd. marah nicht verkennen, folglich wird pahis oder pais aus paiz oder paizo herrühren, welches wie jenes hais von haizan jubere von paizan frenare herzuleiten ist. dasz auch ahd. peizan frenare bedeute, lehrt eine glosse peiztun bei Graff 3, 230, wo nur infrenant oder infrenarunt zu bessern ist, noch deutlicher das ags. bsetan, Csedm. 173, 25 heiszt esolas bsetan, asinos infrenare; der eigentliche sinn des worts ist: gebisz anlegen, facere ut equus mordeat, von der wurzel goth. beitan, ahd. pizan. marpahis entspricht also dem franz. palfrenier, und würde ahd. marahpeizo, ags. mearbseta, goth. marhbaitja lauten müssen, für die langob. lautlehre zu beachten ist die Verschärfung des Z in S bei den auslauten sculdahis und marpahis. Haben wir eben das langob. wort für marschall erforscht, so bietet sich für ein anderes hofamt

* in der letzten stelle ist die sinnlose lesart Pando marepahissatum aufgenommen; es musz nothwendig heiszen Pando marepahis Suram (vgl. 5, 198) regebat.

Grimm, geschickte der deutschen spräche. gj

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dar stölesäz, stolesaiz (Haupt 1, 558) qui ordinat conventum, archi- triclinus, ahd. stuolsäzo und verkürzt stuolze, stolze (Graff 6, 305. 679) ähnlich unserm schulze für schuldheisz. noch das chron, salernit. bei Pertz 5, 489 sagt: Grimoalt, qui lingua todesca, quam olim Lango- bardi loquebantur, stoleseyz fuit appellatus, quod nos in nostro elo- quio 'qui ante obtutus principis et regis milites hinc inde sedendo perordinat' (1. praeordinat) possumus vocitare. 5, 495 steht zweimal storesais, einmal storesaiz. Paulus würde hiernach schreiben stölesahis, oder lieber stölesäz.

Ein angesehenes öffentliches amt bekleidete der oft genannte

694 gastaldius, gastaldio, auch castaldius castaldio geschrieben (Hegels ital. städteverf 1, 455 461). es ist unmöglich dies wort von gast zu leiten, seine quelle kann nur gastaldan sein, und ihm entspricht das goth. gastalds, ags. gesteald steald, ahd. stalt in vielen Zusammen- setzungen (gramm. 2, 527). z. b. aglaitgastalds aiöxQoxegör^g, ags, hägsteald, ahd. hagastalt coelebs, woraus nhd. mit falscher fortschie- bung hagestolz geworden ist, wie buckelstolz gibbosus. die Lango- barden hatten also ganz die goth. form des praefixes ga-, wie auch das dunkle gafan cafan gafandus gaphans heres, coheres lehrt, und gadawida consuetudo, wenn ich das sinnlose cadarfreda recht bessere.

In der sage von Agilmundus meldet Paulus 1, 15, wie der könig in einem teich sieben ausgesetzte kinder erblickt und das kräftigste am Speer herausgezogen habe: et quia eum de piscina, quae eorum lingua lama dicitur, abstulit, Lamissio eidem nomen imposuit. man hätte Lamiscio, Lamisco erwartet, doch kehrt jene form oft wieder und auch die Stammtafel gibt Lamisso. vielleicht war lama, dem ich in keiner deutschen zunge begegne, ein goth. wort, das auch zu den Spaniern übergieng, welchen lama schlämm [s-lam] und seegrund be- deutet ; noch näher reicht das finnische lammi lacus minor, stagnum, piscina und das lat. lama locus humidus, palustris, das litth. loma locus depressus in agro.

Des palastes erwähnend, welchen die königin Theudelinde in Modicia hatte erbauen und mit gemählden aus der langob. geschichte zieren lassen, bespricht Paulus 4, 23 die altlangobardische tracht; cervicem usque ad occipitium radentes nudabant, capillos a facie us- que ad os dimissos habentes, quos in utramque partem in frontis discrimine dividebant. vom hart nichts, vestimenta vero eis erant laxa et maxime Hnea, qualia Anglisaxones habere solent, ornata institis latioribus, vario colore contextis. calcei vero eis erant usque ad summum poUicem pene aperti et alternatim laqueis corrigiarum retenti. postea (in späterer zeit) vero coeperunt hosis uti, super quas equi- tantes tubrugos birreos mittebant. sed hoc de Romanorum consuetu- dine traxerunt. Unter hose verstand man enganschlieszende, unter

695 bruoch oder bracca weite beinkleidung. die über die hose beim reiten gezognen tubrugi erläutern sich zwar aus dem mlat. tubrucus, tubra- cus (Ducange 6, 691), noch besser aus dem ahd. diohpruoh lumbare (Graff 3, 278). ags. peohbrdc.

LANGOBARDEN 483

Sonorpahir, sonarpair, verres qui omnes alios verres in grege batuit et vincit Roth. 356 enthält genau das ags. sunor, suner grex (vgl. sonesti s. 548) verknüpft mit dem ahd. p6r, ags. bar, es ist der die heerde führende eber, und die (s. 36) vermutete goth. form bais scheint durch die Variante sonorpaiz bestätigt, das Z wäre hier eben erst den Langobarden R geworden.

Scamera Roth. 5 bedeutet für oder latro, den niemand in seinem hause bergen noch speisen soll, dazu stimmt die stelle bei lornand. c. 58: abactoribus scamarisque et latronibus undecumque collatis, so wie bei Eugippius cap. 11: latrones quos vulgus scamaros appellabat. in den langob. glossen steht scamara furto und es scheint auch ein solches subst. für depraedatio zu gelten, aber Menander de legat. p. 367, der ums j. 582 zu Constantinopel schrieb, konnte das ungrie- chische wort öKa^ccQEig für praedones von Gothen vernommen haben, mir fallen dabei Cimbri und Ambrones (s, 636. 638) ein, ohne dasz ich des deutschen Ursprungs von scamera gewis bin.

Die räuber pflegten, um beim anfall unerkannt zu bleiben, tracht und gesiebt zu verstellen, das nannten die Langobarden walapauz. Roth. 3 1 : walapauz est dum quis alienum furtivum vestimentum induit, aut si caput latrocinandi animo aut faciem transfiguraverit ; und eine formel bei Canciani 2, 465'' sagt: te vestisti de veste fur- tiva, Ruprechts von Freisingen rechtsbuch (ed. Maurer s. 269): ist, das rauber reitent oder gent, und verkerent ir gewant und verpergent sich unter den äugen, das man sie nicht erkennen mag. pauz scheint mir aus pauzan tundere, ahd. pözan, ags. beätan gebildet, wie sculdais marpais aus haizan, paizan, die ahd. form wäre demnach walapözo und pözo ist fasciculus lini, womit vielleicht die das gesicht unkenntlich machende larve bereitet wurde, wala könnte sich von wal caedes leiten.

Unter den übrigen technischen ausdrücken des gesetzes ziehen 696 mich folgende an. das oft hier und in Urkunden erscheinende laune- child ist das alts. löngeld Hei. 71, 20 und bezeichnet die gegengabe. modola Roth. 305 und in den glossen modula ist quercus und gleicht dem medula medela des alamann. gesetzes 96, für das eichene wagen- holz, sonst lancwit vinculum plaustri genannt, die fortbildung modu- laisclo, modulahisclo verstehe ich nicht, aber zu modula habe ich mythol. s. 769 das dunkle mudspelli gehalten.

Roth. 387, wo von Verletzung der ai'me und beine gehandelt wird, stehn drei schwere glossen neben einander: si quis homini libero brachium super cubitum, hoc est morioc ruperit, componat solidos XX. [Blume hat mir alle ab weichungen der lesart gegeben : cod. vindob. morioch, cod. matrit. morihot, cod. ambros. mox'ioh, cod. vercell. mu- rioth, cod. veron. modo, cod. paris. murioth, cod. guelferb. morioth, cod. cavens. morith, cod. vatic. in oriuth.] si autem subtus cubitum, hoc est tremum, componat sol. XVI. [cod. vindob. thremum, matrit. treno, ambros. trenum, vercell. treno, veron. thremum, guelferb. renum, cavens. trino, vatic. treno.] si vero coxam ruperit supra genuculum, hoc est largicam, componat sol. XX. [cod. vindob, legi, matrit, lagi,

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484 LANGOBARDEN

ambros. lagi, verc. lagi, veron. legit, guelferb. lagi, cavens. lagi, vatic. lagi.] die glosse bei Haupt 1, 557 gibt marioth, morjoth und mario; 1, 558 treno und trino; 1, 355 zweimal lagi. Sicher ist für das erste wort murioth morioth richtig, wie die einstimmung zum ahd. murioth oder murigot (Graff 2, 846) lehrt, welches aber gleichviel mit coxa = dioh, dieh sein soll, nicht cubitus, oder oberarm über dem einbogen.* da nun die composition für oberarm und hüftbein dieselbe ist, so fragt sich ob murioth auf beide gehn kann? das glaublich verwandte gr. (ifjQog fiTjQLOV gilt nur vom Schenkel, und vielleicht gehört dazu das altn, miödm gen. miadmar coxendix, falls

697 es aus miördm entsprang ? thremus oder trenus für unterarm man- geln in jeder andern deutschen spräche, aber merkwürdig bietet die litthauische trainys für hinterarm, treinija für arm am wagen, wodurch die lesart trenus bestätigt wird; diesen ausdruck müssen die Lango- barden sicher aus der alten heimat mitgebracht haben, lagi ist un- bedenklich das altn. leggr crus, engl. leg.

Roth. 125: qui per impans, id est in votum regis dimittitur. in der gl. bei Haupt 1, 554 zweimal inpans. Papias: impans, in manu regis servus dimissus, extraneus est. einige hss. sollen infas und infans haben. Wenn impans oder inpans votum ausdrücken soll, so ist vielleicht die Zusammensetzung des ahd. unnan mit partikeln zu berücksichtigen; wie arpan invideo aus ar-pi-an, urpunst invidia aus ur-pi-unst, könnte ein inpan faveo inpanst favor aus in-pi-an, in-pi-anst entspringen, inpanst aber mit wegfall des auslautenden t (vgl. scilpor f. scildpor) zu inpans geworden sein, sogar mhd. gons für gunst. Ben. 1, 34'*. nur bliebe die composition in-bi erst wirk- lich aufzuweisen.

Es wären noch andere ausdrücke zu erörtern, doch die ganze Untersuchung, so weit ich sie geführt habe, ist zum Schlüsse reif, schon nach den lautverhältnissen liesz sich nicht zweifeln, dasz die langobardische zunge in die reihe der hochdeutschen falle ; noch keinen Umlaut hat sie entfaltet, aber brechungen und lautverschiebung, wie alles der mitte des siebenten jh., um welche ßothari eine samlung veranstaltete, zusagt, zwar scheinen die diphthonge AI und den gothischen gleich und von dem ahd, EI OU abzustehn; man erinnre sich aber, dasz auch ältere ahd. denkmäler ebenwol bei AI und AU beharren (gramm. 1, 103. 104. 122). Das ergebnis bestätigten so- dann einzelne Wörter und bildungen, welche die gröszte analogie zu ahd. verrathen. Endlich stimmt dazu die örtliche läge der italieni- schen Langobarden, die unmittelbar auf Rugier (s. 469) und Alaman- nen stieszen, zumal an den auch Tirol erfüllenden stamm der Baieru

698 grenzten, und mit ihnen, wie stammgenossen pflegen, vielfache und enge berührung unterhielten.

* möglich aber, dasz abt Salomon murioth und murigot selbst aus dem langob. gesetz schöpfte und durch diech deutete.

LANGOBARDEN. BDRGÜNDEN 485

Alboin wurde in bairischen liedern, wie in langobardischen ge- priesen (Paul. 1, 27), Theudelind, Autharis und Agilulfs gemahlin, war bairische königstocMer. Im Hede von könig Rother, das auf langobardiscber sage beruht, ist darum auch anknüpfung an Baiern und Österreich durch Wolfrat von Tengelingen und Berker von Meran. Wie aber Uothers geschlecht mit Pippin und Berta den Kerlingen sich anreihte, erscheint der berühmte waskonische Walthari wenigstens dem namen nach unter den langobardischen königen in der genealogie der neunte (vgl. Paul. 1, 21. 2, 32. 6, 54) und die Novaleser chronik versetzt jenen held am schlusz seines lebens aus- drücklich in ein langobardisches kloster. im epos fällt auch Otnit, Ermenrich und Dietrich der Lombardei zu.

Ziehen sich so manche schlingen durch die sagen hochdeutscher stamme, so wäre nicht zu verwundern, dasz die Langobarden schon an der Elbe in vielfacher gemeinschaft mit Sueven und Markomannen standen, vor dem ausgang aller dieser Völker nach Süden, ich lege darum gewicht auf die Wiederkehr des suevisch-bairischen mythus von den ausgesetzten kindern auch in der langobardischen Urgeschichte, mit vollem grund heiszen die Langobarden Sueven, und was s, 492. 494 noch unbestimmt gelassen werden muste, hat sich nunmehr entschieden herausgestellt.

Von den Burgunden ist weniger zu sagen. Zuvorders^nennt sie uns Plinius, gleich im ersten germanischen geschlecht: Vindili, quorum pars Burgundiones, Varini, Carini, Guttones, durch Vindili (s. 475) und Varini (s. 604) schlieszen sich die Burgundionen den elbischen Langobarden an; im nordöstlichsten säum aller Germanen lagen Gu- tonen (s. 439). neben Varini sind ganz verschollene Carini gesetzt, die man aus dem text hat merzen wollen, wie hinter den Sciri die Hirri (s. 465). nun fällt mir wenigstens auf, dasz auszer der schwe- dischen insel Hernö bei Angermanland auch im norwegischen Sunnmseri eine insel Herna oder Hernar (fornm. sog. 12, 302) neben einer insel 699 Borgund (das. 12, 270) gelegen ist, wovon gleich nachher noch.

Aller dieser Völker geschweigt Strabo, dessen blick nicht zu ihnen reichte ; es scheint Verwegenheit [Haupt 9, 244], seine Bovtavag in FovTcovag (was jetzt Kramer sogar in den text nimmt), seine Movyi- Xavag in BovQyowdtcDvag zu ändern. Auch dem Tacitus, der Vandilier und Varinen kennt, bleiben Burgundionen ungenannt, Ptolemaeus hin- gegen, nachdem er das sd'vog tav 2Jovrißc3v y.ccl Es^vovav aufgeführt hat, setzt das täv Bovyovvtcov zwischen Suebus (Oder?) und Weichsel, da der name zweimal so geschrieben steht, darf man q nicht für aus- gefallen, nur für verschluckt halten* und jene Bovravsg Strabons lieszen sich in Bovyovvrcovsg wandeln**. Wie es immer um diese

* wie in fodern, köder, bair. fackel für fordern, körder, ferkel. ** r und T vermengen sich leicht (für Aovyioi schrieb man Aovtioi) ; gesetzt, aus Bovyovvzwvsq entsprang einmal BovxovvxvDveq, so war in der Verwirrung nur ein schritt zu BovTcavsg.

486 BüßGÜNDEN

namensform stehe, die Burgunden gehören im ersten jh. zu den Ostseegermanen zwischen Oder und Weichsel und haben vielleicht schon im zweiten begonnen sich südlicher zu wenden, im Süden kennt sie Procop, und unter dem namen BovQyovtlcovBg.

Sahen wir nun zweige der alten Kugier und Ulmerugier nach Norwegen gesprengt (s. 469), warum sollten nicht auch einzelne Carinen und Burgunden gegen norden gezogen sein? Hernö und Herna wurden eben aufgewiesen, die nähere insel Bornholm hiesz den Scandinaven Borgundarhölmr (fornald. sog. 1, 303. 2, 385. 456. 3, 361. forum, sog. 12, 270), bei Saxo gramm. p. 675 Burgunda in- sula, und Alfreds periplus nennt die bewohner Bornholms Burgendas oder Burgendan, bei Vulfstän ist Burgendaland wieder dies Bornholm. Noch mehr, im norwegischen Sunnmseri fand sich, wie vorhin gesagt, neben Herna eine andre insel Borgund, und die altn. eyjaheiti unter-

700 lassen nicht beide Borgund aufzuzählen *. Es scheint kein grund vor- handen, um mit Zeusz s. 465 diese inseln dem volksnamen zu ent- ziehen und auf einen bloszen mannsnamen Burgund zu leiten **. das altn. Borgund gen. Borgundar ist ortsbegrif.

Burgundio habe ich gramm. 2, 343 recht gedeutet; die goth. form wäre Baurgundja***, wie nöhvundja vicinus, es kann nichts an- ders ausdrücken als den in der baurgs wohnenden, was man sich nun unter die^m letzten wort denke, bei ülfilas verdeutscht baurgs nohg und einmal Neh. 7, 2 ßigd, bürg im sinne von arx, wie auch das ahd. puruc urbs und castrum meint: beides enthält den begrif der bergenden, schützenden wohnung. den Burgunden musz von frühester zeit an eigen gewesen sein, sich durch solche bürgen, und wären es blosze Wagenburgen t, gegen feinde zu wehren, burgus gehört zu den Wörtern deutscher spräche, die von den Römern am frühsten ver- nommen und selbst in die ihre eingelassen wurden: das stolze Teuto- burg (noch ahd. diotpurc populosa civitas) drang an ihr ohr und Asciburgium, im viertem jh. schreibt schon Vegetius 4, 10: castellum parvulum, quem burgum vocant, inter civitatem et fontem convenit fabricari; im sechsten Justinian cod. 1. 27, 2: ubi arte invasionem

701 Vandalorum et Maurorum resp. romana fines habuerat, et ubi custodes antiqui servabant, sicut ex clausuris et burgis ostenditur. Procop de

* annaler for nordisk oldk. 1846 s. 85 und 87. ** Burgundio für zusammengesetzt aus bur und gund zu nehmen, scheint die häufige Wiederkehr der namen Gundahari Gundobaldus Gundiacus im burgundischen geschlecht und selbst altn. Gudormr und Gudrun (des Giuki tochter) == ahd. Gundrün fast zu rathen, und der erste theil des composi- tums könnte sich auf den stamm der Buren, von welchen nachher zu han- deln ist, beziehen, allein alle auf gund ausgehende namen sind weiblich, führen also auf keinen stammhelden, und das ags. Burgenda, altn Bor- gundr (Saem. 246^) selbst das mhd. Burgende Nib. 526, 4 B. Burgensere Mb. 426, 2 B. sträuben sich, auch heiszt Günther altn. Gunnar, ags. Gud- here. Burgundari findet sich bei Grafif 3, 208.

*** der form BovQyov'Qlwvsc, wegen musz man auch einen misbräuch- lichen Übergang des Baurgundja in BaurgunJDJa vermuten.

t vgl. Ammianus 31, 8. 15.

BURGüNDEN 487

aedif. 4, 6. 7 nennt solcher bürgen mehrere: MccQsßovoyos Etih- ßovgyog 'AlmavtßovQyog Jaxscoßovgyog yiovxsQvaQtaßovgyog, 4, 4 TovkaoßovQyo Zocovlxoßovgyo, in deren einigen auch das erste wort deutsch sein könnte: Tulgabaurgs Laggabaurgs Skalkabaurgs, wenn für oi; ein a zu setzen; 4, 6 steht slucIo. ßovgyavoßoQS und Bovqyovdl- Tov. bekannt ist das rheinische Quadriburgum. Einfältig ist nun zwar, wenn Orosius 7, 32 meint (was ihm Isidor 9, 9 nachspricht): hos Burgundiones quondam subacta interiore Germania a Druso et Tiberio per castra dispositos ajunt in magnam coaluisse gentem, atque etiam nomen ex opere praesumpsisse, quia crebra per limitem habita- cula constituta, burgos vulgo vocant; aber die herkunft des namens aus burgus bleibt richtig, Drusus und Tiberius reichten zu keinen Burgunden, und hätten die unter ihrer band stehenden Germanen sich der anordnung fügen müssen, so würden andere stamme jenen namen tragen, Liudprand antapod, 3, 44 läszt den Albericus, einen Burgundenfeind, das märchen verworren so erzählen: Burgundiones ideo dictos, quoniam dum Romani orbe devicto ex gente hac captivos ducerent multos, constituerunt eis, ut extra urbem domos sibi sustollerent, e quibus et paulo post a Romanis ob superbiam sunt expulsi; et quoniam ipsi domorum congregationera, quae muro non clauditur, burgum vocant, Burgundiones a Romanis, quod est a burgo expulsi appellati sunt. Burgunden sind bewohner der mauerlosen Vorstadt, des burgum, it. borgo*.

Hundert jähre, seit Ptolemaeus schrieb, finden wir die Burgunden südöstlicher in feindlicher berührung zu dem gothischen volk der Ge- piden, die ungefähr in der gegend der Karpathen angesessen waren, von Fastida, dem gepidischen könig, berichtet lornandes cap. 1 7 : Burgundiones paene usque ad internecionem delevit. das musz zu des gothischen königs Ostrogotha zeit, um das j. 245 geschehen sein. Cl. Mamertinus genethl. c. 17: Gothi Burgundios penitus exscindunt.-702 rursum pro victis armantur Alamanni, itemque Theruingi pars alia Gothonum. adjuncta manu Thaifalorum adversum Vandalos Gipedesque concurrunt. Theruingi, Taifali (s. 448. 449) und Sueven hielten es also mit den Burgunden ; doch hernach : Burgundiones Alamannorum agros occupavere, sed sua quoque clade quaesitos, Alamanni terras amisere, sede repetunt ; es mag aber zwischen beiden verglichen wor- den sein, das vierte jh. zeigt Burgunden im Südwesten neben Ala- mannen, die seit dem dritten im heutigen Schwaben wieder festen fusz gefaszt hatten (s. 498. 499). die altrömische mauer, den pfal (mythol. s. 975) nennt Ammianus 18, 2 als beider Völker grenze im j. 359 : ad regionem, cui capellatü vel palas nomen est, ubi termi- nales lapides Alamannorum et Burgundiorum confinia destinguebant. capellatium kann in dieser heidnischen zeit noch auf keine cappella, aedicula sacra gedeutet werden, und mit recht vermutet Stalin 1, 128

* die deutung: Burgundiones = sine burgo, als läge das deutsche ohne (mhd. äne) in -ones! ist unzulässig.

488 BÜRGUNDEN

auch in ihm eine ahd„ wieder palas enthaltende bildung, capalatium gleichsam capalazi. Des ortes wird man aber aus einer andern stelle Ammians 28, 5 näher gewahr, wo berichtet ist, wie Valentinian im j. 370 Burgunden gegen Alamannen aufwiegelte : seditque consilia alia post alia imperatori probante, Burgundios in eorum excitari perniciem, bellicosos et pubis immensae viribus affluentes, ideoque metuendos finitimis universis. scribebatque frequenter ad eorum reges per taci- turnos quosdam et fidos, ut iisdem tempore praestituto supervenirent, poUicitus ipse quoque transito cum romanis agminibus Rheno occurrere pavidis, pondus armorum vitantibus insperatum. Gratanter ratione gemina principis acceptae sunt literae : prima quod jam inde tempori- bus priscis subolem se esse romanam Burgundii sciunt, dein quod salinarum finiumque causa Alamannis saepe jurgabant. soboles romana zu sein konnten die Burgunden nur wähnen nach jener von Orosius erzählten sage, die also früher verbreitet sein muste; Ammian lebte ungefähr 50 jähre vor Orosius. die sage setzt aber nothwendig ein

703 günstiges Verhältnis der Burgunden zu den Römern voraus, das min- destens schon in die erste hälfte des vierten jh. gefallen war, nicht zu lange seit dem streit mit den Gepiden, nach welchem die flüeht- linge vielleicht bei Römern aufnähme gefunden hatten, der hader um die Salzquelle gestattet aber den ort der grenze an den Kocher im schwäbischen Hall wie an die Saale bei Kissingen zu legen (Zeusz s. 312).

Gegen ausgang des vierten jh. standen also die Burgunden in den decumatischen feldern neben Alamannen, da wo ehmals auch Helvetier gehaust hatten, und es drängte sie immer näher an und über den Rhein. Eusebii chron. ad a. 374: Burgundionum octoginta ferme millia, quod nunquam ante, ad Rhenum descenderunt. Hierony- mus ad Ageruchiam de monogamia epist. 9 p. 748 ad a. 409: in- numerabiles et ferocissimae nationes universas Gallias occuparunt. quidquid inter alpes et pyrenaeum est, quod oceano et Rheno inclu- ditur, Quadus, Vandalus, Sarmata, Alani, Gepides, Eruli, Saxones, Burgundiones, Alemani vastarunt. Prosper ad. a. 414: Burgundiones partem Galliae propinquantem Rheno obtinuerunt, hier trafen sie sich mit Römern unter Jovinus, später unter Aetius und mit Attila. In der gegend von Worms musz ihr reich zu anfang des fünften jh. eine Zeitlang festen sitz behauptet haben, weil ihn das epos unverrückt dahin verlegt. Allmählich aber begannen sie (um 435. 436) strom- aufwärts in das südöstliche Gallien zu ziehen und ein ansehnliches gebiet, das von den Vogesen bis über die Rhone reichte, in besitz zu nehmen, wo sie sich etwa hundert jähre lang mächtig und unabhängig

704 behaupteten. * da kennt auch Procopius BovQyov^iavsg (de b. goth. I,

* in dem nachherigen Schweizergebiet stieszen Burgunden und Alaman- nen aneinander, was zum sprenge! von Besan9on und Lausanne gehörte gilt für burgundisch, was zu Mainz und Constanz für alamannisch. der gröszte theil der deutschredenden Schweiz ist alamannisch, die französischredende

BÜRGimDEN 489

12. 13) und da erliegen sie um das j. 530 der fränkischen über- gewalt; die Franken theilten das land, lieszen jedoch den Burgun- den ihre gesetze und brauche.

Die lex Burgundionum wurde von könig Grundobald, etwa 513. 514 gesammelt, empfieng aber zusätze unter seinen söhnen Sigismund und Godomar 517 534. nach Gundobald nennt sie das mittelalter lex gundobada, gumbada, loi gombette und allen Burgunden wird der name Gundebadingi (Ducange s. v.) Guntbadingi (Pertz 3, 74) gegeben. tit. 3 berührt Gundobald seine vorfahren: Gibicam, Godomarem, Gis- laharium, Gundaharium, patrem quoque nostrum et patrnos, Gibica scheint groszvater, unter den drei folgenden einer vater, zwei vaters- brüder, denn man darf doch nicht Gibica zum vater, die drei andern 2U oheimen erklären, der Wortfolge nach würde Godomar vater sein, im epos aber, das freilich von keinem Gundobald weisz, ist Gunda- hari der älteste, die königsreihe fortsetzende söhn, starb Gundobald um 515, so könnte Gundahari gegen 480, Gibica gegen 450 fallen, wo sie bereits aus Worms fortgezogen scheinen, im lat. Waltharius sitzen vater und söhn, Gibicho und Guntharius beide zu Worms als Frankenkönige; in den Nib. Gunthere, Gernöt und Giselher, drei brü- der zen Burgonden, ze Wormze, der vater heiszt Dankrät statt Gibeche, welcher name doch noch andern dichtei-n bekannt bleibt. Vidsid meldet wieder von Gifica und Gudhere: Bürgend um veold Gifica 319, 22 und

ic väs mid Burgendum, {)8er ic beäg gel^äh

me t)8er Gudhere forgeaf glädlicne mäddum. 322, 18.

Auch in der edda steht Giuki oben an, seine drei söhne heiszen705 Gunnar Högni Guttormr, doch soll der letzte ihr Stiefbruder sein (Saem. 117*), wir in den mhd. liedern Hagene den königssöhnen ver- wandter, kein bruder ist. da Gunthere und Giselher zur alten ge- nealogie stimmen, scheinen auch Görnöt und Guttormr aus Godomar verderbt; gleichwol liegt in Gör gais, das sich mit glsil berührt (mythol. s. 344). das wichtigste ist uns, dasz die Burgunden des lieds zugleich Nibelunge, die Giuküngar zugleich Niflüngar heiszen und schon im namen fränkische an burguudische heldensage knüpfen. Gunnar aber wird in der edda Ssem. 247'' einmal Geirniflüngr ge- nannt, was wieder zu Görnöt stimmt.

War aber Gundobald söhn des Gundahari (oder hier gleichviel des Godomar), so kann sein vater nicht Gundioch geheiszen haben, wie mein bruder (heldens. s. 13) annimmt, dieser Gundioch vielmehr

burgundisch und nur im Bernerland und stücken von Freiburg, Luzern imd Argau nimmt man burgundische bewohner an, die der, deutschen spräche . treu blieben. Die mittlere und obere Ar scheidet beide stamme, Murten, Solothurn, Bern fallen zu Burgund; der Argau bis zur Reusz ist alaman- nisch, so wie ganz Zürich, S. Gallen, Appenzell, Glarus, Zug, Schwiz, Uri, Unterwaiden tmd das meiste von Luzern: rechts der Roth (Rotaha) war alamannisch, links burgundisch (Kopp 2, 506. 507). Zwischen Burgund und Rhätien soll nach einer urk. von 1155 schon könig Dagobert im 7. jn. grenze gesetzt haben (Böhmer n" 2354. rechtsalt. s. 542. 951. mythol. 671). Die ala- mannische Schweiz ist reich an weisthümern(öfnungen), dieburgundische arm.

490 BURÖUNDEN

gehört einem andern etwas früheren burgundischen geschlecht, von welchem Gregor, tur. 2, 28 meldet: Gundeuchus (ex genere Athana- t'ici regis Visigothorum) zeugte vier söhne Gundobaldus, Godegisil, Chilpericus, Godomarus, von Chilpericus rührten zwei töchter her Mucuruna und Chrothildis, welche letztere 470 geboren und gemahlin des Frankenkönigs Chlodoveus war. Gundebald Gundiochs söhn musz hiernach um 450 470 gelebt haben*, nicht der 516 gestorbne Gundebald Gundihars söhn sein, zwei burgundische brüder Gundia- cus und Hilpericus nennt lornandes cap. 48 im j. 456; sie scheinen Gregors Gundeuch und Chilpericus, die vater und söhn sind, in diesem geschlechte Gundiochs weisz ich keinen Gundahari, allein man wird auch auszer dem von Gibica stammenden einen älteren annehmen müssen. Olympiodor macht einen Guntiarius Burgundiorum praefectus namhaft, unter Honorius und Jovinus, also im j. 412 (Mascov 1, 374) und nach Prosper ad a. 435 fällt Gundicar in Gallien ein, von Attila sagt Paulus Diaconus de gestis episcop. metensium: postquam Gun- 706dicarium Burgundionum regem sibi occurrentem protriverat (Mascov 1, 432) [Pertz 2, 262]; mag diese niederlage ins j. 436 oder erst 450 fallen, Gundobalds vater kann dieser Gundicarius nicht gewesen sein, oder wir fassen die genealogie in der lex Burg, überhaupt unrichtig auf. Die burgundische spräche wird uns kaum erschlossen. Ammian 28, 5 theilt zwei wichtige Wörter mit: apud hos generali nomine rex appellatur hendinos .... nam sacerdos apud Burgundios omnium maximus appellatur sinistus et est perpetuus, obnoxius discriminibus nullis ut reges, hendinos scheint völlig das goth. kindins riys^cav, zumal auch Olympiodor den Burgunden keinen könig, bloszen führer oder gebieter beilegt. H mag hier für GH = goth. K vernommen worden sein, ein Vorläufer der ahd. Verschiebung, wie auch ein Ala- mannenkönig Hortarius für Chortarius steht, von chortar grex, ags. corder. kindins scheint dem ahd. chint puer, filius verwandt und auch im westgoth. Chindasvinthus Cinthila (concil. tolet. 13 a. 683) vorhanden, nicht anders stimmt sinistus zum goth. sinista Ttgeößv- tSQog priester, dessen positiv sich mit dem ahd. sin (Graif 6, 25) be- rührt, also jenem perpetuus entspräche. Gothisch ist nun ferner der schwache ausgang burgundischer namen, deren das grafenverzeichnis vor der lex vier darbietet: Goma = guma, homo; Sonia == sunja verax; Wulfila; Fastila. dagegen läszt sich wittemon aus der lex. tit. 66. 68. 86 nicht einwenden, welches keine schwache flexion eines nom. wittemo (wie er freilich dem ahd. widemo, ags. veotuma gliche, sondern nach tit. 68 selbst nominativ scheint und vielleicht für witte- mond steht? morgengeba 42, 2 begegnet allen deutschen dialecten. vegius 16, 3 und addit. 8 scheint in der rubrik des additaments via- tor übersetzt, musz also von veg via rühren und etwa ein goth. vigja sein, qui viam parat, index viae, der die spur des gestolnen viehs weist, wittiscalci heiszen 76, 1 pueri regis, qui judicia exsequuntur, mulc-

er wurde von Olybrius (f 472) zum patricius ernannt.

BÜRGUNDEN 49 1

tarn per pagos exigunt (49, 4); die alid. form würde lauten wiziscalh, von wizi poena, Judicium (Graff 1, 1117). faramanni 54, 2. 3 musz einen besondern stand von leuten anzeigen, die zu einer fara gehör- ten, vgl. Roth 177 cum fara sua migrare. mir fäUt dabei der eigen- 707 name Burgundofaro ein, der z. b. in der fundatio monast. corbejen- sis von 669 steht, navis caupulus add. 7, 1 mahnt zwar an das s. 666 besprochne anglische cöple, ist aber gleich diesem auf das mlat. wort (Ducange s. v.) und bereits auf das lat. caupulus bei Gellius 10, 25 zurückzuführen.

Unter den grafennamen, deren lesart mir Blume nach zehn hss. gegeben hat, findet sich Agantheus Agatheus, ich glaube das altn. Angantyr f. Anganpyr, von ängan molestia, necessitas; die Agathio scheint mir jetzt auch Walthar. 629 herzustellen, ogleich die ahd. form Agadeo fordert, auch Aunemundus zeigt gothischen diphthong, ich habe über aun bei Haupt 3, 144 geredet, merkwürdig Sigisvul- dus Sigisuuldus, victoriae gloria, vom goth. vulpus vgl. ahd. woldar (Godevolda Winevolda bei Irmino 230. 234 stehn für -bolda, -balda). Conegisil wäre goth. Kunjagisils, ags. Cynegisel = Cynegils.

Einer müste aus den ältesten burgundischen Urkunden des 7. 8. 9. Jh., wo noch das volk weniger mit Pranken und Alaraannen ver- mengt war, alle von den fränkischen und alamannischen abweichen- den eigennamen sammeln. Goldast hat das schon einmal ungenügend versucht, in seinem Verzeichnis fiel mir der mannsname Chustaffus auf, der an den eigenthümlich schwedischen Gustaf gemahnt, ich trefle ihn in Schweden seit dem 14. jh., doch mag er sich erst durch die könige Gustaf Wasa und Gustaf Adolf weiter verbreitet haben; die altn. denkmäler Islands, Norwegens und Dänemarks kennen ihn nicht, seine erste spur ist im Vestgötalag s. 297, wo unter den alten lag- männern der achtzehnte Göstawär heiszt ; liegt in Gustaf staf, wie in Sigestap stap, so dürfte der erste theil aus kürzung des altn. gunn oder gud pugna hervorgehn*, baculus belli und baculus victoriae eignen sich gleich gut zur benennung von beiden, ahd. Kundastap? Seltsam klingen die bürg, frauennamen Solsepia und Wuona bei Goldast, aber auch Mucuruna bei Gregor 2, 28 und Caretene, wieyos ein epitaph Gundobalds gemahlin nennt (du Chesne 1, 514). Chilpe- richs tochter hiesz Sedeleuba, eine tochter Sigismunds Suavigotha nach ihrer mutter Ostrogotha, des ostgothischen Theoderichs tochter. Mucu- runa halte ich zum ags. mucg muga, altn. mugr mugi acervus frumenti, dann acervus insgemein, woher almugi der grosze häufe, schwed. almoge, dän. almue; das fries. muka (s. 681) mag gleichfalls acervus, manipu- lus culmorum sein, da nun ags. mucgvyrt artemisia bedeutet, scheint in Mucuruna (wie in Gönofeifa s. 540) der name eines krauts zu liegen.

Alle diese betrachtungen zeigen nähere Verwandtschaft der bur- gundischen Sprache zur gothischen, als zur ahd., wie dies auch der

* vgl. prov. gofaino ffonfano f. gundfano (Rayn. p. 483), ja vielleicht sind die s. 526 anders geaeuteten Gugerni = Gundgerni bellicosi.

492 BURGüNDEN

östlicheren läge der alten Burgunden und ihrer fortdauernden nahen Verbindung mit den Gothen angemessen scheint, hinter der Ehone stiesz burgundisches an westgothisches reich, im Waltharius 80 haben Herricus (Hariricus) von Burgund und Alphere (Albhari) von Aqui- tanien ihre kinder verlobt, und ein additamentum zum gesetz ver- ordnet: quicunque ingenuus de Gothia captivus a Francis in regionem nostram venerit et ibidem habitare voluerit, ei licentia non negetur.

XXVI. DIE ÜBRIGEN OSTSTÄMME.

Im Osten Deutschlands waren wir durcli Langobarden über die 709 Elbe, durch Burgunden über die Oder geführt, es gab aber zwischen Oder und Weichsel, bevor an die grenze der weiterstreckten Gothen gereicht wird, noch eine nicht geringe zahl gröszerer wie kleinerer deutscher stamme, auf welche unsere von den Gothen ausgegangne, vom Südost nach westen, von da nach norden gelangte betrachtung im nord- und Südosten nothwendig zurückkehren musz, diese Völker waren den Römern von allen Germanen die unbekanntesten, daher auch ihre nachrichten darüber so wie unsere künde dürftig ausfallen, was um so mehr zix beklagen ist, weil wir von dieser seite voller einsieht in die gothischen Verhältnisse, welche als grundlage aller deutschen geschichte zu betrachten sind, entbehren, doch auch hier werden unerwartete Streiflichter auf die Gothen fallen.

Ich lasse gleich die gröszte sich darbietende masse vortreten: es sind die Lygier [Haupt 9, 253]. Strabo s. 290 von Marobod redend, der als Jüngling zu Rom gewesen und wieder heimgekehrt sei, gedenkt ihrer zuerst: InavElrfcov 8s aövvdötEvöE aal xatsxrr]6aro ngog olg slnov ylovLovg re, (isya s%'vog^ xal Zov^ovg xal Bovtavag xal MovyiXcovag xal IJißLVOvg zal tc5v ZJotjßav avtäv ^sya sQ'vog, Ue^vcovag. jioviovg in Aovyiovg zu ändern ist kein bedürfnis. die begebenheit fällt unter August, noch vor den anfang unsrer zeit- 710 rechnung. Fünfzig jähre später, als des quadischen Suevenkönigs Vannius reich (s. 505) zu ende neigte, waren auch Lygier heran- gezogen, also südwärts gegen die Donau: nam vis innumera, Lygii aliaeque gentes adventabant fama ditis regni. Tac. ann. 12, 29; quia Lygius Hermundurusque illic ingruerant. ^12, 30. bei Dio Cassius 67, 5 (um das jähr 85) erscheinen Avyioi noch südlicher, auf der rechten seite der Donau in Moesien, wo sie sich mit Sueven entzweit und bei Domitian um hülfe hatten bitten lassen; er sandte ihnen nur hundert reiter, was die Sueven dennoch so aufbrachte, dasz sie ihrer- seits um der Jazygen beistand warben. In der Germania schildert

494 LYGIER

Tacitus nocli der Lygier östliche heimat: dirimit scinditque Sueviam continuum montium jugum, ultra quod plurimae gentes agunt, ex quibus latissime patet Lygiorum nomen in plures civitates diffusum, valentissimas nominasse sufficiat, Harios, Helveconas, Manimos, Heli- sios, Nahanarvalos. für Lygiorum geben einige hss. Legiorum, Li- giorum (Tagmann p. 42), wogegen aber das ansehn der älteren hss. der annalen entscheidet. Ptolemaeus nennt sie Aovytoi (denn die lesart AovtOi ist sicher zu verwerfen, vgl. vorhin s. 699), unter- scheidet aber nur drei civitates: vno tovg Bovyovvtag AovyioL ot 'OfiavoL vg)' ovg Aovyioi ot zJovvoi. vtco 'A6%ißovQyicy oqbi Koq- novtOL xal Aovyiov oi Bovgoi, wonach man ihnen ungefähr das heutige Schlesien und nördliche Böhmen anzuweisen hätte. Die letzte meidung über sie hat Zosimus 1, 67 aus der zeit des Probus auf- behalten, dieser kaiser habe (ungefähr um 277) gegen die Logionen (AioyicJVEg), ein germanisches volk, gestritten und ihren anführ er Semno nebst seinem söhn gefangen genommen, hernach aber wieder herausge- geben. Us^ti'cov gemahnt nothwendig an die bei Strabo neben den Ly- giern genannten Semnonen (s. 493). auf der tab. peuting. bessert man Lupiones in Lugiones, in der späteren zeit sind sie ganz verschollen.

Keinem zweifei unterliegt, dasz ein so bedeutendes, neben lauter Germanen auftretendes und in deutsche händel verflochtnes volk lll(fi8ya Bd'vog) rein deutsch war, und Schafarik ist unberechtigt, aus der ähnlichkeit des sl. Wortes lug poln. ieg, das auch unsere spräche im (goth. lauhs?) ahd. loh, ags. leäh, mhd. 16, die lat. in lucus be- sitzt, zu folgern, der volksname sei sl. Ursprungs und erst durch ein- nähme des altslavischen sumpf oder wiesenlandes auf deutsche Völker übergegangen, wahrscheinlich hat Lygius mit diesem wort und be- grif nicht das geringste gemein, man dürfte allenfalls an die ahd. mannsnamen Maganlöh Raginloh Wolfolöh (Graff 2, 127) denken, doch nie erscheint das einfache Loh als mannsname. die älteste ge- stalt des namens yfoviog bei Strabo lehrt mich den westgothischen königsnamen Liva (bei Isidor geschr. Liuua) und Livigild (Leuuigil- dus) zu erwägen (vgl. ahd. Liuwiho, Graff 2, 207), deren bedeutung [löwe] freilich noch musz dahin gestellt bleiben, aus IV entfaltet sich und aus VJ und den diphthongen ÜG, G, vgl. goth. valvidai und valugidai Eph. 4, 14, bauan bagms u. s. w. wäre die diphthongische form falsch und Lugius, Lygius festzuhalten, so könnte auch die Wurzel liugan laug lugum, deren bedeutung ursprünglich celare scheint, in betracht kommen, ohne dasz ich es wage den sinn des namens zu rathen, vgl. auch liugan nubere.

Dions wichtige stelle bezeugt uns, dasz schon in der zweiten hälfte des ersten jh. Lygier und Sueven in Moesien auftreten, wel- ches damals noch entschieden von Daken d. i. Geten bewohnt war. es mochten nur auszüglinge sein, die sich vom hauptvolk gesondert hatten, etwa wie des Pytheas Guttonen vorgeschoben waren oder die batavischen Chatten. Erblicken wir aber zwischen Oder und Weichsel um diese zeit Lygier neben Burgunden, Sueven und Gothen, die hier

SILINGE. MUGILONEN. BUREN 495

jeder zugibt; zugleich südlich an der Donau Lygier und Sueven bei Daken, warum sollen diese Daken nicht auch gothisch können ge- wesen sein? Lygier reichen also gleich den Bastarnen früh in den Südost zurück. Dio sagt auch 51, 22 dasz Daken, die Moesier heiszen, neben Triballern zu beiden selten der Donau hausen, indem er eines von Caesar 28 jähre vor Chr. veranstalteten triumphs gedenkt, wo die Römer von Daken und Sueven ein kampfspiel aufführen lieszen (oben s. 184). hier werden jene skythisch, diese keltisch genannt; 712 nicht uneben nach dem alten Sprachgebrauch, jenachdem Germanen im Osten oder westen begegneten.

Aber die einzelnen lygischen Völker kosten kopfbrechen. Zov- ^loi klingt fast undeutsch, da Ulfilas in goth. Wörtern gar kein an- lautendes Z hat und ahd. lautverschiebung damals noch nicht ein- trat; in der entstellten form könnte etwas stecken von den Manimi des Tacitus, den 'O^avot oder gar ztovvoi des Ptolemaeus, für welche auch wenig rath zu schaffen ist. viel lieber halte ich an der unver- dächtigen lesart fest und bedenke das ermittelte Verhältnis des go- tischen Z zu goth. H und litth. SZ (s. 188). ist Za^^o^ig von t,aX- Ung cutis, tegmen ein Halmaha von halm culmus (wurzel hilan, celare tegere); so wäre für Zovfiog nach goth. Haums, ags. Heäm zu suchen, die sich freilich nicht darbieten (ein ags. adj. heämol homo frugi ist nicht sicher genug), aber die trad. corb. 414 liefern den alts, manns- und zugleich Ortsnamen Höma [ahd. Huomo Förstern. 1, 702]; das litth. szamas, lett. soms, poln. sum bedeutet den fisch weis, silurus. Zu jenem z/owot liegt es nahe den bei Ptol. in dieser gegend angegebnen Ortsnamen yiovyidovvov zu vergleichen und beide aus dem ags. dün mons zu deuten, das ahd. Askitün wäre was sonst Asciberg, nhd. Escheberg; doch volksnamen aus örtlichem Verhältnis zu erklären scheint immer bedenklich. Strabons Bovxcovig nehme ich für BovyovvxcavBg (s. 699), seine UißLvoi sind eher als EiQßivoL (s. 171) EiXivol, nemlich die von Ptol. zwischen Semnonen und Bou- gunten gestellten ^Lhyyai, welche bei Idatius und Isidor noch im 5. jh. in Lusitanien und Baetica als Vandali Silingi auftreten, wie ja Plinius Burgundionen und Guttonen dem vandalischen geschlecht überweist. Sil fällt einer guten deutschen wurzel, wahrscheinlich seilan sail silum ligare zu, die trad. corb. 241 bieten den namen Silhard; nähere deutung ist nicht möglich; man könnte aber Zusammenhang mit dem pagus Silensis bei Thietmar (Pertz 5, 855) und dem namen Silesia Schlesien finden, den die nachher eingerückten Slaven in der gegend vorfanden. Die MovyiXavsg dürfen an das ahd. müchilari sicarius, müchilsuert sica, mücheo müchari latro, grassator mahnen, wenn man 713 erwägt, dasz in Cimber und Ambro (s. 636. 638) dieselbe, jener rauhen zeit angemessene bedeutung waltet, das sl. mogila grabhügel (s. 171) gebe ich wieder auf, wie bei den Chauken den houc tumulus (s. 676).

Auf solche weise wären die von Strabo angeführten lygischen Völker besprochen, des Ptolemaeus Bovqol sind unverkennbar von Tacitus zu eingang des cap. 43 als hinter den Markomannen und

496 BÜREN. MÜGILONEN

Quaden wohnhaft angegeben; die ganze stelle musz aber ins äuge gefaszt werden: retro Marsigni, Gothini, Osi, Buri terga, Marcoma- norum Quadorumque claudunt. e quibus Marsigni et Buri sermone cultuque Suevos referunt. Gothinos gallica, Osos pannonica lingua coarguit non esse Germanos, et quod tributa patiuntur. partem tri- butoi'um Sarmatae, partem Quadi ut alienigenis imponunt. Gothini, quo magis pudeat, et ferrum effodiunt. omnesque hi populi pauca campestrium, ceterum saltus et vertices montium jugumque insederunt. Dieser bericht scheidet umsichtig drei sprachen ; auf die gallische werde ich nachher zurückkommen; unter pannonischer musz illyrische verstanden werden, die sich nach Dio Cass. 49, 36* nordwärts gegen Moesien und Noricum erstreckte; Osi, ungeachtet Tacitus cap. 28 unsicher redet, gehn uns also nichts an. Die suevischen oder lygi- schen Buri erscheinen schon in der nähe der Karpaten, ungeföhr wo die Weichsel entspringt, reichen also südlich gegen Dacien. ihr name flieszt aus der wurzel bairan bar baurum und gleicht dem mythischen Buri und Börr der edda (mythol. s. 323. 526). den Marsingen darf Verwandtschaft mit den westlichen Marsen (s. 619) zugesprochen wer- den, wenigstens führt ihr name auf einen ahnen zurück, dem auch jene entstammen konnten. Beide, Buren und Marsinge zählt Tacitus mehr zu den Sueven als Lygiern, während Ptolemaeus die Buren 714lygisch nennt, über diese stehn aber noch andere bedeutsame mei- dungen zu gebot, bei Dio Cassius nemlich 65, 8. 71, 18. 72, 3 heiszen sie Bovqqol, und werden im krieg der Römer gegen die Daken, Quaden und Markomannen bald als bundsgenossen, bald als feinde aufgeführt; offenbar waren sie allen diesen, zunächst den Daken benachbart, woneben zugleich 71, 12 gothische Astinge (s. 448) schon zu Mark Antonius tagen auftauchen, auch Capitolinus im M. Anton, c. 12 nennt Quadi, Suevi, Sarmatae, Latringes et Buri in einem athem, und zum letztenmal gibt ihren namen die tab. peuting. zwischen Sar- maten und Quaden über der Donau, unvollständig Büß, offenbar Buri. worauf jedoch besonders gewicht liegen musz, ist, dasz Ptolemaeus bei aufzählung der dakischen stamme selbst Buridaensii oder Buri- diensii und ihre stadt Burridava Buridava nennt; nach allem was ich s. 190. 191 erörtert habe sind in dieser Zusammensetzung die beiden Völkernamen Buri Burri und Dai Daci verbunden und durch Buridava wird die s. 202 gegebne deutung der andern Ortsnamen auf -dava will- kommen bestätigt. Es ist vollkommen natürlich, dasz zwei deutsche stamme sich verschmelzen, wäre aber seltsam, wenn sie von geschlecht einander fremd es gethan hätten. Buren also wie Lygier streiten für das deutsche dement in den ihnen benachbarten Daken oder Geten. Unter den Völkerschaften, welche Tacitus für eigentlich lygische hält, wurden vorhin schon die Manimi den Omanen des Ptol. und Zoumen des Strabo verglichen; das ist gewagt, weil für keinen dieser

* Dio war unter Alex. Severus selbst Statthalter in Dalmatien und dem obern Pannonien gewesen.

HARIER. NAVARNAHALEN. VICTOHALEN 497

namen Sicherheit besteht, wie sollte man aus einem die andern her- stellen? Die furchtbar, wie ein wildes heer (feralis exercitus) geschil- derten Harii erscheinen unmittelbar als goth. harjös legionen (myth. s. 902) vgl. Hariwa oben s. 228 [Haupt 9, 247]. Helvecones sind des Ptolemaeus AlXovcciavEg , was leicht in AiXovaicovsq zu ändern stände ; sie folgen ihm auf Burgunden und gehn den Semnonen vor- aus, ihr name klingt an keltische Völker, wovon hernach noch, zu Helysii oder Elysii hat bereits Zeusz s. 124 passend andere namen des deutschen alterthums gestellt. Vor allen aber wünscht man auf- 715 geklärt zu sein über den namen Nahanarvali, von deren heiligem hain Tacitus die anziehende künde gibt, eine reingrammatische auf- lösung des altn. wertes norn in goth. navairns, die ich neulich ver- suchte, hat glücklich das räthsel deuten helfen. MüUenhoff schlieszt scharfsinnig, dasz Nahanarvali für Navarnahali stehe; es braucht kein Schreibfehler zu sein, das römische organ konnte die stelle des ihm lästigen H selbst verrrücken, s. 333 sind beispiele anderer consonant- versetzungen vorgebracht, vgl. s. 720 Vividarii f. Vidivarii und Za- molxis f. Zalmoxis, des wechseis zwischen H und V wurde s. 306 er- wähnt. Navarnahali wären goth. Navarnehaleis , altn. Nornahalir, viri qui dearum fatalium tutela gaudent; das altn. halr, ags. häle vir, heros gestattet auch ein goth. hals pl. haieis anzunehmen [anders Haupt 6, 460. 9, 255]. will man damit nun den dienst der beiden Jünglinge (vgl. s. 118) in einklang bringen, so könnten diese lygi- schen Völker männliche nornen statt weiblicher verehrt haben, wie ja für Nerthus, unhold (myth. s. 942) und wicht (myth. s. 409) die geschlechter schwanken. Der letztgenannte ausdruck soll uns aber gleich, wie mich dünkt, entscheidende bestätigung der Navarnahalen bringen, auszer Tacitus nennt sie nemlich niemand, spätere Schrift- steller jedoch verschiedentlich Victohalen oder Victovalen, ganz mit demselben Wechsel der Spiranten H undV; Capitolin im Marcus cap. 14: Victovalis et Marcomannis cuncta vastantibus; cap. 22: Marcomanni, Narisci, Hermunduri, hi aliique cum Victovalis Sosibes, Sicobotes, Rhoxolani, Bastarnae, Alani, Peucini, Costoboci; Eutropius 8, 2: Da- ciam nunc Thaiphali habent, Victohali et Tervingi. Ammianus 17, 12, die händel der Römer mit Quaden und Sarmaten im j. 358 berichtend, erzählt von den letzten: qui confundente metu consilia ad Victohalos discretos longius confugerunt, wie die besten handschriften geben, einige lesen Victobales, wie bei Eutrop Victoali und VictophaK. un- bedenklich ist aber in diesem namen dem PH zu entsagen und allem Zusammenhang mit dem cheruskischen Falen (s, 631), Victohali sind goth. Vaihtehaleis, altn. Vsettahalir, von vict, ahd. wiht, goth. vaihts, altn. vsettr, einem meist weiblich, zuweilen männlich gedachten geisti- 716 gen wesen unseres alterthums, das auch die nornen begreifen kann. Ssem. 145* ist vsettr ausdrücklich von einer schutzverleihenden valkyrja gebraucht, vaihts kann also navairns vertreten, bei solcher gleich- heit der namen sind Vaihtehaleis was Navarnehaleis, nicht blosz ein verwandtes, sondern ganz dasselbe volk, das wie alle lygischen stamme

Grimm, geBcMchte der dentachen spräche. 32

498 VICTOHALEN. REÜDINGE. SÜARDONEN

nach Südosten streift. Wie Cherusken und Sachsen, Charuden und Holsaten, Kimbern und Sturmaren, Heruler und Suardonen, sind Na- varnahalen und Victohalen ein und dierselbe, nach Verschiedenheit der zeit mit verschiednem , aber identischem namen belegte volkstamm. Dasz sie zugleich neben Bastarnen Alanen Markomannen und Hermun- duren dakischen grund und boden betreten, musz unbefangnem blick wieder das nahe Verhältnis zwischen Gothen, Lygiern und Daken er- schlieszen.

Nordwestlich von diesen Lygiern, im räum zwischen Elbe und Oder, hinter den Langobarden gegen die ostsee liegen die von Taci- tus cap. 40 aufgeführten Eeudigni, Aviones, Anglii, Varini, Eudoses, Suardones und Vithones, von welchen einzelne, weil sie sich west- wärts wandten, schon in vorausgehenden capiteln behandelt worden sind. Suardones s. 473. 613; Anglii et Varini s. 604. 605; Aviones s. 472, welche letzteren fast zu nördlich wohnen um sie mit fug den Gothen beizuzählen. Eeudigni [Haupt 9, 257] scheinen sich gut zu erklären aus dem goth. riuds, gariuds ösfirog, sie führen den schönen namen verecundi, reverendi. nicht den geringsten grund sehe ich für die von Zeusz s. 150 geäuszerte Vermutung, Eeudigni bei Tacitus sei nichts als falsch gehört statt Teutingi, Eutingi, Jutingi. glaub- licher ist mir, dasz uns die Eudoses gothische lutusjös nach analogie von börusjös (s. 457) und Sedusii (s. 496) anzeigen, vielleicht auch die Vithones, wofür man Nuithones zu lesen pflegt, in luthones ge- wandelt werden dürfen (s. 500), doch musz die abweichung des D und TH vorsichtig machen. Wie den Lygiern das heiligthimi der Alces wird allen diesen dem strande der ostsee nahen Germanen die 717göttin Nerthus überwiesen, deren hain auf einem eiland des meers lag. für dasselbe hiöchte ich es immer noch bei der alten annähme von Eugen bewenden lassen, da Bornholm zu fern gelegen, Hidden- see* zu klein ist. warum sollten nicht die den Suardonen, Avionen und Eeudingen nördlich benachbarten Eugier (s. 469. 470) genossen dieses cultus gewesen sein? freilich auf der strecke von der Oder zur Elbe gelangt man zuletzt an die kimbrische halbinsel, und für Suar- donen soll das flüszchen Swartowe bei Lübeck zeugen, da doch der volksname richtiger auf schwert zurückgeführt wird, obgleich ich nichts dawider habe, dasz die Suardonen die westlichsten dieser Ner- thusvölker seien und mit Kimbern wie Cherusken zusammenstoszen ; dann käme auch die insel Femarn in betracht oder eine noch nord- westlichere. Mit den Eugiern werden Lemovii [Haupt 9, 251] ge- nannt, zu deren erläuterung ich nichts beizutragen weisz, auszer der s. 469 ausgesprochenen Vermutung; doch fällt mir jetzt ein, dasz die bei Ptolemaeus auf Scandia genannten ^bvcjvol aus Lemovii könnten verderbt sein, falls sie nicht Lygier sind (s. 711).

Von Eugiern und Lemoviern tiefer gegen osten an der meer-

* Hedinsey Ssem. 152* vgl. Haupt 2, 3. man denkt beim namen Hedinn leicht an Procops XaiöeivoL auf der Scandia.

I

ABSTIEß 499

küste vorrückend gelangt Tacitus zu den Suionen, über welche ich im nächsten cap. sprechen werde, endlich zu den Aestiern und Sito- nen, die ihm hier Germaniens äuszerste grenze bilden : hicSuaviae finis. Der Aestier namen überliefert vor Tacitus schon Strabo s. 63 nach dem ihm lügenhaften Pytheas in der form 'SlönalOL (nicht SlötC- fiioL, wie Kr. und Meineke aufnimmt). Wäre des Pytheas meidung vollständig bewahrt, so würde erhellen, wie er sich die läge dieser Ostiaeer neben Guttonen und Teutonen dachte, über welche Plinius 37, 2 den bernstein abhandelnd folgendes auszieht: Pytheas (credidit) Guttonibus Germaniae genti accoli aestuarium oceani , Mentonomon nomine, spatio stadiorum sex millium; ab hoc diei navigatione insulam718 abesse Abalum, illuc vere fluctibus advehi (succinum)* et esse con- creti maris purgamentum: incolas pro ligno ad ignem uti eo proxi- misque Teutonis vendere**. Mentonomon hält man für das frische haf, Abalus für die kurische nehrung, welcher letzte name deutschen Ursprung verräth, und aus dem ags. abal robur, altn. afl erklärbar scheint. Stephanus von Byzanz hat '^öriavsg und setzt sie deutlich an die westliche küste: sS^vog naga ta dvTtx« (ojcsavcö, ovg KoööL- vovg 'j^QTE^idcoQog cptjöi, Tlv%kag 6' 'SlötLaiovg. rovtcav d' e^ evcjvv- (.kjdv Ol KöoöLvoi XsyofiBvot 'Slötlcoveg, ovg Ilvd'sag 'Slötiatovs tiqoö- ayoQBvet. Man hat anzunehmen, dasz Pytheas von Thule aus nach Mentonomon schifte, wo Guttonen wohnten, und von da zur bern- steinküste der Ostiaeer, welchen wiederum die Teutonen benachbart lebten, es bleibt aber ungesagt, von welcher seite her***. Der bern- stein wird auch von Tacitus als eigenthümlich den aestischen Völkern angesehn: sed et mare scrutantur, et soli omnium succinum, quod ipsi glesum vocant, inter vada atque in ipso litore legunt. glßsum ist nun sichtbar deutsch, und nahverwandt, obgleich im ablaut ver- schieden, mit glas vitrum (gramm. 1, 58), wie sich ag?. glas vitrum, glgere succinum sondern, und S : R genau stehn wie in väs fui : vsere fuisti (vgl. s. 315). Plin. 37, 3 meldet ferner: certum est gigni in insulis septentrionalis oceani et a Germanis appellari glessum; itaque et a nostris unam insularum ob id Glessariam appellatam, Germa- nico caesare ibi classibus rem gereute, Austraviam a barbaris dictam. Austravia ist genau das altn. Austrey (forum, sog. 12, 263). ahd. Ostar- ouwa, wie aber mehr als eine insel in verschiedner gegend geheiszen haben mag; man weisz dasz bernstein längs der ganzen ostseeküste ge- 719 funden wird. Alle umliegenden Völker benennen das succinum anders, die Scandinaven rafr, die Finnen merikivi, die Litthauer gintaras

* das wird auch 4, 13 nach Timaeus berichtet, wo aber ein andrer schwieriger name der insel.

** hiermit scheinen noch sagen des mittelalters in Zusammenhang von einer nördlichen insel, wo das holz theuer sei, die einwohner mit kristall- hartem eis kochen und heizen, fundgr. 2, 5.

*** Zeusz s. 135 erklärt die Teutonen in dieser stelle des Plinius, also überhaupt bei Pytheas, für schreib- und lesefehler, was ich nicht mag, da zu Pytheas zeit die Teutonen noch östlicher gesessen haben können, als später beim auszug mit den Kimbern.

32*

500 AESTIER

(oben s. 233): der name zeugt also laut für der alten Ostiaeer und Aestier deutschheit. zwischen Guttonen, Teutonen, Suionen, Sueven wie sollten sie nicht Germanen sein, in deren reihe sie auch Tacitus einstellt.

Hierzu treten aber noch andere gründe. Aestii, und das ist die richtige Schreibung [altn. Eistir Haupt 9, 225] (6 kann aus oi = oe hervorgegangen sein) wäre goth. Aisteis reverendi, von aistan IvtQi- TTEöO'afc, ein begrif, der sich dem vorhin entwickelten der Reudinge nähert; weder aus finnischer noch keltischer spräche liesze sich der name deuten. Tacitus drückt sich nun folgendergestalt aus: dextro suevici maris litore Aestiorum gentes alluuntur, quibus ritus habi- tusque Suevorum, lingua britannicae proprior. Matrem deum vene- rantur. insigne superstitionis formas aprorum gestaut: id pro armis omniumque tutelae securum deae cultorem etiam inter hostes praestat. frumenta ceterosque fructus patientius quam pro solita Germanorum inertia laborant. Sie heiszen also Germanen und ihre art und weise ist suevisch; wie Sueven die Isis, Reudinge und Suardonen die Ner- thus, verehren sie eine göttermutter und tragen in ihrem dienste eberbilder, die gleich amuleten sicher stellen, dieser cultus trift ganz mit dem von Frö und Frouwa (myth. s. 194. 195. 632) überein; auf die lingua britannica werde ich hernach kommen.

Erscheinen nun die Aestier in germanischer färbe für die Römer- zeit, so bekundet sich auch lange nachher noch ihr Zusammenhang mit andern Deutschen. Wenn Vldsid im ags. reiselied 323, 30 singt: mid Eästoyringum ic väs and mid Eolum and mid Istum and Idumingum,

so habe ich die Idumingas oben s. 500 in Idungas Eodingas zu be- richtigen gesucht und schlage für Eolum vor Eotum, worüber im fol- 720 genden capitel ; die Iste sind unverkennbar Aestii und begegnen unter andern deutschen Völkern. Theodorich der berühmte Ostgothenkönig stand im verkehr mit ihnen und dankt in einem bei Cassiodor 5, 2 bewahrten schreiben für bernstein, den ihm ihre boten gebracht hatten, sie heiszen da Haesti und in oceani litoribus constituti. die zwischen jenen alten Guttonen und Aestiern gepflogne gemeinschaft musz angehalten haben, lornandes cap. 23 bezeugt, dasz sie schon Ermanrich klug zu sichern wüste : Aestorum quoque similiter nationem, qui longissimam ripam oceani germanici insident, idem ipse prudentiae virtute subegit; nennt aber noch cap. 5 ein anderes volk, an der Weichselmündung ihnen zur seite : ad litus oceani, ubi tribus faucibus fluenta Vistulae fluminibus ebibuntur, Vidivarii resident ex diversis na- tionibus aggregati. post quos ripam oceani item Aesti tenent, pacatum hominum genus omnino. noch näheres gibt er cap. 17 an: Gepidae com- manebant in insula Visclae amnis vadis circumacta, quam pro patrio sermone dicebant Gepedojos (oben s.462), nunc eam, ut fertur, insulam gens vividaria (1. vidivaria) incolit, ipsis ad meliores terras meantibus, qui Vividarii (1. Vidivarii) ex diversis nationibus acsi in unum asylum collecti sunt et gentem fecisse dicuntur. an die stelle der gothischen

AESTIER. GUTTONEN 501

Gepiden sind den Aestiern andere nachbarn gerückt, ohne zweifei die zu Alfreds zeit Vitländer genannten, denn er läszt den Vulfstän berichten: seo Visle is svide micel eä, and heo tölid Vitland and Veonodland, and pät Vitland belimped to Estum. bei Albericus trium fontium (Leibn. acc. bist. p. 527) werden die Vithländer zwischen Letten und Samländer gerückt: erant hoc anno (1228) in illis parti- bus quinque tantummodo provinciae paganorum acquirendae : Prutia, Curlandia, Lethonia, Vithlandia et Sambria, und noch heute heiszt Liefland den Letten Widsemme, das zwischen Kurland und Estland liegende, von widdus mitte, hat diese ableitung ihre richtigkeit ? oder hallt in den Vidivariern und Vitländern noch der alte name Vithones [Haupt 9, 256] nach? die alten benennungen Vithones und Aestii blieben, aber der germanische stamm scheint durch fremde ein- zöglinge, unter welchen die Finnen überwogen, getrübt und schon Ior-T21 nandes sieht hier einen zusammenflusz verschiedner Völker, wobei auch das litthauische angeschlagen werden musz, dessen spräche in Sam- land an die stelle der gothischen trat. Eginhart cap. 12 sagt: litus australe Sclavi et Aisti et aliae diversae incolunt nationes ; altn. sagen haben Eistir; später meldet Vulfstän bei Alfred umständlich vom estischen gebrauch der leichbestattung, worin kein deutscher, ich weisz nicht ob finnischer anklang ist. wenn er auszerdem anführt, dasz die Esten kein alu (ags. ealo, altn. öl dat. ölvi, litth. lett. allus, est. öllut, finn. olut gen. oluen, olwen) brauen, sondern meth trinken (ags. meodo, altn. miödr, litth. middus, lett. meddus, est. möddo, finn. mesi gen. meden), der könig und die reichen aber Stutenmilch; so weisz noch Adam von Bremen (Pertz 9, 375) von den alten Samlän- dern und Preuszen (Sembi et Pruzzi): carnes jumentorum pro cibo sumunt, quorum lacte vel cruore utuntur in potu, ita ut inebriari dicantur, und der scholiast (9, 377) fügt hinzu: Gothi a Komanis vocan- tur Getae, de quibus Virgilius dicere videtur (Georg. 3, 462):

quum fugit in Rhodopen atque in deserta Getarum et lac concretum cum sanguine potat equino;

hoc usque hodie Gothi et Sembi facere dicuntur, quos ex lacte jumen- torum inebriari certum est. Die sage von den Hippomolgen reicht in hohes alterthum (II. 13, 5) und geht bekanntlich von den Skythen (Herod. 4, 2), musz aber auch von den Geten gegangen sein; unter Gothen neben Samen in Preuszen kann sich dieser scholiast nur Samo- geten nach litthauischem Sprachgebrauch (s. 170) denken, keine er- haltne nachricht weist auf das melken der stuten bei entschiednen Germanen, obwol aus dem verbreiteten genusz des pferdefleisches auch das trinken der milch gefolgert werden dürfte : es war die natürlichste nahrung aller nomaden, vgl. oben s. 18, Strabo s. 296. 300. 302. 303. 311 und ükerts Skythien s. 296. 412. [stuten melken Schott wal. märch. 190. 191. Haltrich 55. 107.]

Die ganze Untersuchung drängt zurück auf die Gothen. schon 320 jähre vor Christus traf an der ostsee Pytheas neben Ostiaeern Guttonen ; wir sehen im ersten jh. die Sueven als nachbarn der Geten,

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502 GUTTONEN. GOTHINEN

722 damals war der name Sueven zugleich allgemeine benennung vieler östlichen Germanen, einzelne derselben, Lygier und Navarnahalen erstrecken sich bald bis zum getischen Dakenreich, aber lygische Völ- ker für gothische selbst zu erklären wäre unerlaubt, weil Tacitus nachdem er das grosze ausgebreitete volk der Lygier abgehandelt hat, fortfährt : trans Lygios Gothones regnantur, paulo adductius quam cete- rae Germanorum gentes, nondum tarnen supra libertatem. protinus deinde ab oceano Rugii et Lemovii. man kann diese Gothen nicht anders als jenseits der Weichsel setzen, wo sie in ungekannter aus- dehnung an Finnen, Litthauer und Sarmaten rührten, wahrscheinlich aber auch Verbindungen gegen Süden unterhielten, in den annalen 2, 62 läszt Tacitus einen edlen Gothen wider Marobod auftreten. Pli- nius muste sich die dem vindilischen geschlecht zugeordneten Guttones, neben Burgundionen, Varinen und Carinen nordwestlicher denken.

Wer aber sind die hinter Markomannen und Quaden, neben Mar- singen und Buren genannten Gothinen ? nach der Wortbildung darf man nicht anstehen, sie für gothischer abkunft zu erklären, ich habe den Gothen und Gothinen s. 181 die retai und PeTrjvoi verglichen, auch gerade so finden sich sonst neben Tgox^oi Ux^dßoL 2JovfjßoL auch TQox(i7]oi Z!xlaßrjVol Z!ovi]ßrjvoL der lange vocal dieser ableitung gemahnt ans goth. fadar und fadrein yoveig, guma und gumein agösv, qinö und qinein ^i^Xv, aus GuJ)a Gothus könnte ein adjectivisches Gu- J)eins entsprieszen und der bedeutung nach von jenem so zu unter- scheiden sein, dasz GuJ)ans die eigentlichen Gothen, Gupeinai einen verwandten, vielleicht mit fremdem blut gemischten stamm bezeichnete? Dio Cassius 71, 12 nennt zur zeit des einbruchs gothischer Astinge in Dakien (um das j. 166) auch Kotinen, welche Konvoi des Ptole- maeus Korvoi (wie für KoyvoL zu lesen?), des Tacitus Gothini schei- nen [Haupt 9, 244]. Dieser sagt aber, freie Germanen seien sie nicht, sondern theils den Sarmaten, theils den Quaden steuerpflichtig und gezwungen im bergwerk zu arbeiten, wahrscheinlich den Römern, was

723 für schimpf und strafe galt (damnare in metallum, condemnare ad metalla eflfodienda*). An der angäbe richtigkeit ist nicht zu zweifeln, vielmehr hinzuzunehmen, dasz ihnen auch gallische, wie den gleich dienstbaren Ösen pannonische spräche beigelegt wird.

Hier bin ich bei dem punct angelangt, dessen erörterung mir zuletzt obliegt, das seltsame Verhältnis der Gothinen, dünkt mich, kann nicht anders als so gefaszt werden: sie waren die frühsten gegen westen vorgedrungnen Gothen (s. 181), wahrscheinlich in älte- rer zeit als Pytheas lebte, wo noch mehrere keltische Völker in Ger- manien niedersaszen ; unter Kelten gemischt lieszen sie, wie später die Franken jenseit des Rheins, allmählich ihre muttersprache fahren und bequemten sich der gallischen, behielten aber den angestammten

* man hat in Siebenbürgen und andern südöstlichen gegenden spuren römischen bergbans gefunden, vgl. Massmann libellus aurarius und Ukerts Skythien s. 623.

TECTOSAGEN 503

nameo, der ihre deutsche abkunft verbürgt, den später nachrücken- den Deutschen konnten sie jedoch nicht mehr für volle landsleute und stammgenossen gelten, sondern wurden geringgeschätzt und mit abga- ben belegt. Das keltische element der Gothinen hängt also mit dem der Bojen, Tectosagen und Helvetier (s. 165. 166. 494. 502) zusam- men, die gedrängt von aufrückenden Germanen aus dem ganzen Ost- gebiet vom Pontus, der Donau bis zum Ehein gegen Südwesten weichen musten. In diesen gewinden früher Völkergeschichte bleibt aber noch manches zu erforschen, einiges leicht für immer dunkel. Scheinen doch jene unenthüllten Tectosagen (s. 165 167), da schon im asia- tischen Skythien bei Ptolemaeus neben Sacae (s. 609) und Suobeni (s. 489) Tectosacae TsKTOöaxai Tsxtoöäyai treten (vgl. ükerts Sky- thien s. 357. 358), eine weit ältere mischung germanischer und kel- tischer stamme und ich wäre versucht, sogar den ersten theil ihres namens dem der rheinischen Tencterer (s. 533) zu vergleichen. Livius 38, 16 läszt die unter Brennus ausgezognen Gallier hernach von Leo- norius und Lutarius geführt Thrakien, den Hellespont und Asien erreichen und ihre drei hauptstämme das errungene land so vertheilen, dasz Trokmer das hellespontische gestade, Tolistobojen Aeolien und 724 lonien, Tectosagen die vorderasiatische küste in besitz nehmen, wer kann sich des gedankens entschlagen, dasz schon Jahrhunderte vor dem beginn unsrer Zeitrechnung im östlichen Europa und westlichen Asien Kelten und Germanen, wer weisz genau zu rathen wie ? an ein- ander gestoszen sind. Strabo läszt die Tolistobojen in Galatien, die Trokmer am Halys und zwischen beiden die Tectosagen hausen: in Tolistoboji steckt einmal der name Boji, dann eine superlativform, die an Costoboci mahnt (s. 199. 200). merkwürdig, dasz jene doppel- gestalt der volksnamen (s. 722) eben die Trokmer mit angeht.

Ich verliere mich zu tief in den osten ; nicht zu bezweifeln steht, dasz die Römer unter allen barbarischen sprachen die gallische am bestimmtesten erkennen musten und des Tacitus meidung von der gothi- nischen nur Wahrheit enthalten kann, ebenso sicher war ihm bekannt, dasz die Lygier kein gallisch, sondern germanisch redeten; sonst hätte er sie nicht ausdrücklich den Germanen beigezählt, der name des lygischen ortes ^ovyidovvov, so auffallend er dem gallischen Lugdu- num entspricht, darf hieran nicht irren, zumal es lygische zJovvoi gab (s. 712). es gab auch gallische Lemovices (Caesar 7, 4. 75), die an jene germanischen Lemovii (s. 717) erinnern mögen, ich weisz nicht, ob die gallischen Helvii und Helvetii an unsre Helveconen (s. 714). Auf die wichtigen Lygier wird cap. XXX nochmals zurück- kehren und enthüllen, wie es um sie be wandt war.

Seit der eroberung Britanniens konnte den Römern die bedeu- tende Verschiedenheit britannischer von der gallischen zunge nicht mehr entgehen, und wenn Tacitus von der lingua Aestiorum ausspricht, dasz sie britannicae propior sei ; so traue ich der römischen beobachtung, ohne nachweisen zu können, wie ein keltisch-britannischer stamm in der einwanderung urzeit an die ostseeküste verschlagen wurde und

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504 OSTSTÄMME

sich dort hernach mit östlichen Germanen verschmolz, aus der alt- ästischen spräche aber, die uns verloren ist, müste der beweis solcher mischung erbracht werden, nicht aus dem finnischen dialect des heu- 725 tigen Estlands, von den eberbildern erscheint auch unter Kelten spur, wie selbst Nerthus an keltische spräche mahnt (Haupt 3, 226).

Es ist unmöglich, sich der deutschen Spracheigenheit der in die- sem capitel abgehandelten Völker zu versichern, das Z=H in Zov- fioi, wenn es für begründet gelten kann, wäre merkwürdig, die bil- dung Eudoses der goth. weise entsprechend; -ones in Aviones Suar- dones luthones Gothones, der lateinischen, suevischen oder fränkischen form gemäsz gebildet, würde den bestand eines goth. -ans dennoch nicht ausschlieszen.

XXVII. SCANDINAVIEN.

Alles was dem festen lande Germaniens in einer groszen halb- 726 insel und den gmppen einzelner eilande auf der ostsee nördlich gegen- über liegt, heiszt uns Scandinavien*, obwol diese benennung nur von einem theil der mittleren küste, nemlich der landschaft Schonen aus- gegangen scheint, die auf der linken seite ins meer vorragende kim- brische chersonesus gehört, natürlich wie historisch angesehn, noch zum festen Deutschland, führt auch nach dem stamm der Kimbern ihren namen und war von lauter unscandinaviachen Völkern bewohnt.

Schon Plinius 4, 13 nennt Scandinavia des sinus codanus berühm- 727 teste insel, von unerforschter grösze. auch enthält -avia den begrif des eilands, gleich jenem Austravia (s. 7 1 8), das goth. avi gen. aujös (wie mavi maujös) ist das altn. ey gen. eyjar (wie mey meyjar), ahd. ouwa für ouwia, woneben augia, ags. ige. der ganzen Zusammen- setzung aber entsprechen mlat. Scandinovia Scandanavia Scatenaugia Schatanavia, ags. Scedenigge, bei Alfred Sconeg, altn. Skäney, bei Saxo gramm. Scania, dän. Skaane, schwed, Skäne, nhd. Schonen, lornandes und nach ihm andre brauchen die verengte form Scanzia für Scandia, die gleich dem BovQyovi,lcov£g für Burgundiones an den über- tritt des goth. Nj) in altn. J) gemahnt, dessen ausspräche sich dem Z nähert (s. 395), Was nun scandin scandan scadan sceden skän selbst besage ist noch unermittelt ; Vermutungen stellt meine abhandlung über

* Norden oder Nordland wäre bald zu allgemein, bald zu eingeschränkt, da es alle in nördlicher himmelsgegend wohnenden bezeichnet und wie es hauptsächlich auf Norwegen gerecht schiene, auch die Schweden selbst ihre nördlichste landschaft Norrland nennen. Nordman galt im mittelalter sogar von Sarmaten (Graff 2, 741). Nortman heiszen oft Dänen, oft Schweden. Sueones quos Nordmannos vocamus. Eginh. cap. 12. allmählich setzte sich das wort fest für die nördlichsten Scandinaven, nemlich Norweger, die Saxo gramm. entweder Normanni oder Norici nennt. Ohne zweifei ist auch das lat. den Römern nördlich liegende Noricum schon in der wurzel unserm nord verwandt, vgl. läpp, nuort borealis, finn. nuori recens, bask nartea septentrio. den Iren und Galen bezeichnet tuath das nördliche land.

506 SCANDINAYIEN

diphthonge s. 18 auf. Müllenhoff nordalb. stud. 1, 147 sucM darin den sinn der vagina gentium bei lornandes ; doch die späte sage musz auszer betracht bleiben, um so mehr ein von ihrem erzähler gebrauchter ausdruck. wüste man, warum die alten den sund codanus sinus nannten, so würde uns vielleicht ein scodanus scadanus (vgl. sceddan s. 649) erschlossen, aus welchem sich Scodanavia Scadanavia ableitete, für godanus ist codanus nicht zu nehmen, aber des Mela Codanonia (s. 639) musz eins sein mit Scandana via.

Wir haben der Gothen und Langobarden abkunft aus dem schosze dieser Scanzia als unhistorisch auf das feld der sage gewiesen, aber der altanglische mythus stellt einen ahnherrn Sceäf oder Scoup nach derselben Scedenigge, worunter man sich nur Schonen, nicht die kimbrische halbinsel zu denken hat, denn es mag Verwirrung sein, dasz abweichende sagen ihn in Heithaby d. i. Schleswig landen lassen, wie dem auch sei, Angeln, Sueven und Langobarden berühren sich (s. 604. 687) und es scheint natürlicher und der geschichtlichen Wahrheit näher, dasz der schlafende held aus dem süden nach dem norden geleitet werde, als dasz die Völker vom nördlichen Schonen nach dem süden des festen landes ziehen.

Also völlig das entgegengesetzte von jener verbreiteten sage ist 728 zu behaupten. Nicht aus dem norden wanderte irgend ein stamm unsers volks nach südlicher küste, sondern ihrem groszen naturtrieb gemäsz ergieng die Wanderung von Südosten nach nordwesten.

Auf doppeltem wege jedoch scheint vom schwarzen meer, oder schon der Maeotis aus, die scandinavische bevölkerung nach ihrer neuen heimat gelangt zu sein, mit einem nördlichen und westlichen arm. der nördliche drang ungefähr zwischen Dniester und Dnieper durch Sarmatien gegen Finnland vor und erreichte von dort aus die nördliche scandinavische halbinsel; mit dem groszen häufen der übri- gen Germanen zog aber der westliche zwischen Dniester und Donau gegen die Weichsel und setzte erst von da aus über die ostsee nach dem südlichen Scandinavien. jenen hauptzweig darf man den schwe- disch-norwegischen, diesen den dänisch-gothischen nennen; da wo im heutigen Schweden schwedisches und gotisches reich sich berühren, stieszen beide hauptstämme wieder zusammen ; Schweden fällt beiden, ganz Norwegen dem nordischen, alle dänischen inseln fallen dem gothischen stamm zu.

Was unsere historiker von sich abwehren, Zusammenhang der Germanen mit Osteuropa und Westasien hält die nordische Überliefe- rung getreuer fest. Wie lornandes seine Gothen an Geten und Sky- then knüpft, die fränkische sage auf Pannonien und Troja, die sächsi- sche auf Makedonien zurückleitet (s. 520. 523. 643); haben sich in der altnordischen noch reinere und lebhaftere umrisse einer fernen Vorzeit bewahrt, denen sicher nicht ihr recht angethan wird, wenn man sie aus einer künde erklären will, die erst in der Normandie die Normannen geschöpft haben sollen.

Vielleicht früher noch als der gothische volkszug, aber langsam

SCANDINAVIEN. GOTHEN 507

und unterwegs tiefe spur hinterlassend musz der nordisclie ergangen sein. Ynglingasaga nimmt nordwärts vom schwarzen meer noch eine SviJ)iod hin mikla eda kalda an und läszt sie sich erstrecken bis zum Tanais (oder Don), der alten grenze zwischen Asien und Europa (lornandes cap. 5). diesem Tanais legt aber Snorri den alten namen Tanaqvisl oder Vanaqvisl bei: qvisl (fem.) bedeutet ramus fluminis und Vanaqvisl wäre fluvius Vanorum, der Vanaland durchströmt, 729 Tana scheint blosze annäherung an den lat. namen Tanais, aus dessen letzter silbe sich selbst qvisl erklären liesze. ostwärts der Tanaqvisl, in Asien soll nun Asaland oder Asaheimr gelegen haben; diese öst- liche läge scheint jedoch aus falscher deutung des wortes äs hervor- gegangen, die schon wegen der goth. form ans aufgegeben werden musz ; ja es könnte sein, dasz selbst die Unterscheidung einer groszen und kleinen SviJ)iod ihren Ursprung in der ähnlichen einer groszen und kleinen Scythia fände: ^LXQCi UxvQ^la pflegte ein theil der taurischen halbinsel bis zum Borysthenes zu heiszen. ich werde im verfolg auf die grosze Svipiod zurückkehren.

Der Svipiod zur seite steht bedeutsam eine GodJ)iod, das land und volk der Gothen, die sich vom osten Europas nach Süden und westen ausbreiteten und in Südscandinavien durch zwei hauptstämme, den gothischen und dänischen dargestellt werden, ganz wie sie schon an der Donau im thrakischen land als Geten und Daken vortraten. Weshalb auch der im gothischen calender aufbewahrte, also bei Donaugothen übliche name GutJ)iuda (s. 410) einstimmt zu dem in Scandinavien gül- tigen Godpiod. in Völuspä (Ssem. 4^) sieht die Vala valkyrien reiten "^til GodJ)iodar\ was hier ganz allgemein aussagt: in die weit, zu den menschen, ebenso steht Seem. 228^ 226^ '"ä God|)iodo' für: auf der erde; 267^ 'GodJ)iodar til', in gleichem sinn finden wir Ssem. 113'' 'Godveg troda', die erde betreten, wie es sonst 240"^ heiszt ""moldveg sporna', vegr für land gesetzt, gerade wie lotavegr Jütland, Norvegr Nordland ausdrückt, bestimmter heiszt Grimhild Saem. 233^^ got- nesk kona', mit hinblick auf das südliche geschlecht der Giukungen (Ssem. 201). in Hervararsaga cap. 16. 18 (fornald. sog. 1, 495. 499) hat Godpiod wieder jenen allgmeinen sinn von reich und land über- haupt, wie er unter Völkern gothischer abkunft herschen muste, im sögubrot (fornm. sog. 11,- 413) wird aber ausdrücklich gesagt, dasz das von den ostwärts her eingezognen männern besessene land God- piod benannt worden sei: en pa vorn J)essi lönd, er Asiamenu bygdu, köllud Godlönd, en fölkid Godiod. Im herzen Deutschlands und den 730 Geten voraus standen Sueven und andere hochdeutsche stamme ; es blieb den Gothen keine weitere wähl, als seitwärts an der ostseeküste, wo wir schon drei Jahrhunderte vor Christus Gothen treffen, gegen Scan- dinavien vorzudringen und mit dem kern des volks an der Donau stehn zu bleiben, bis sich diesem später ein weg nach Italien, Südfrankreich und Spanien öfnete. Aber jenen nach dem norden vorangegangenen Gothen müssen allmählich noch lange zeit hindurch andere gothische stamme nachgerückt sein; schlugen gegen ausgang des fünften jh.

508 DÄNEN

(unter kaiser Anastasius) Heruler die bahn von der Donau nach Scandinavien ein (s. 471), warum sollen sie lang vorher andere Gothen nicht gefunden haben?

Auch das getische zwillingsvolk, die Daken, risz der unaufhalt- same ström dieser bewegungen mit sich gegen den norden fort; wie es scheint, gab des Decebalus niederlage durch die Römer dazu den nächsten anlasz. ein theil des volkes, dem die fremde herschaft unerträglich wurde, wanderte aus, in der richtung, die schon Jahr- hunderte früher andere Gothen genommen hatten.

Die von Ptolemaeus 2, 10 auf seine insel Scandia, den Weichsel- mündungen gegenüber, gesetzten PovraL xal zJavulavig hätten doch der critik sollen das äuge öfnen. es ist ungebotne Verwegenheit, aus ZlaviciavBg mit Zeusz s. 159 ZJxavdLCSvsg zu machen, noch bedürfen wir der änderung zlavplcovBg, die ihm gleichwol beifällt, deren NN hier so wenig taugt als in der jüngeren Schreibung Dännemark für Dänemark. Daukionen sind die auf nördlichem zug begrifnen Daken, deren Zusammenhang freilich dem Africaner seine nachrichten nicht enthüllen. Aus z/axot entspränge genau zlcxKOVEg, wie aus Gothi Gothones, bei zluKlavEg musz also ein /täniog Dacius im mittel lie- gen und das AT für A in ^ccvKiCovsg Verderbnis sein, aber es bleibt noch eine andere nebenform vorauszusetzen, nemlich ^axrjvoi, die sich zu zld'AOL verhalten, wie Gothini zu Gothi.

"Wir gelangen dem begrif wie der Wortbildung nach auf den 731 namen der Dänen, waren Gothinen vorgeschobne Gothen, Slovenen vorgeschobne Slaven, so erweisen sich Dakinen als vorgedrungne Daken, und aus Dakini nach grammatischen gesetzen entspringt Dani, wofür beweis s. 192 geliefert wurde. Hiermit aber ist die natürlichste nachweisung gegeben, wie dieser name entstanden und woher dieser volkstamm eingewandert sei. aus dem engl, thane, das dem ags. J)egen entspi'icht und ganz andrer wurzel gehört, Danus zu leiten war ein irthum.

Den ersten drei jhh. scheint die kürzung Dani unbekannt; am frühsten auf taucht sie bei Servius zu Aen. 8, 728: Dani dicti a Dahis, qui sunt populi Scythiae juncti Persidi. will man diese worte für späteres glossem halten, so reicht der name Dani auch noch nicht einmal in die mitte des vierten jh. und ein zeugnis aus dem fünften steht ihm ebensowenig zu gebot, doch dem sechsten ist er nicht abzustreiten; um diese zeit hatten sich die Byzantiner genauere künde vom norden erworben. lornandes cap. 3, nachdem er mehrere nor- dische stamme ausgezeichnet hat, fügt hinzu : quamvis et Dani, ex ipso- rum stirpe progressi, Erulos propriis sedibus expulerunt, qui inter omnes Scanziae nationes nomen sibi ob nimiam proceritatem affectant praecipuum. er ahnt also nichts von ihrem ausgang aus Dakien, das ihm Dacia heiszt (cap. 5) und würde Dani und Daci unterscheiden*.

* Ekkehards auszug dieser stelle (Pertz 8, 120, 26) stellt hier Dani Daci nebeneinander, unmöglich als verschiedne Völker, denn niemand wird je darauf gefallen sein, die Donaudaken aus Scandinavien herzuleiten.

DÄNEN 509

Nicht anders Procop, der b. goth. 1, 15 z/axat aal Ildvvovss und 3, 33. 34 das land /JaMcc, 3, 24 ^axcöv %coQa nennt, aber 2, 15 jenen zug der Heruler über die Donau in das gebiet der Sklabinen, Warnen und Dänen berichtend sagt: zlavcöv e&vr] TCaQSÖQa^ov. Anastasius Sinaita, patriarcb von Antiochien drückt sich gegen den schlusz des sechsten jh. merkwürdig genug so aus: UxvQ'iav öe slä&aöi aalBiv ot nakaioi to 'nXip.a anav ßoQEiov svd-a siölv oi JorO'ofc %al zJävELg. denn hier stehn beide Völker gerade zusammen 732 wie bei Ptolemaeus rovroi aal zJavulcavEi;. Zu dem allen tritt nun eine bestätigung, die ich nicht gering schätzen kann: vom zehnten bis zum dreizehnten jh. pflegt bei lat. Schriftstellern wie in Urkun- den des dänischen reiches selbst Dacia für Dania, Dacus für Danus geschrieben zu werden (s. 193), und warum sollte es nicht schon früher geschehn sein? hätte das mittelalter diese gleichstellung der Dänen und Daken aus dem finger gesogen oder blosz nach analogie der Gothen und Geten gelehrt ersonnen ? wie gelangte aber der name Dazh in den mund des Lappen? warum ist dem Russen Dattschanin Däne, datskfi datskoe dänisch? die auskunft scheint doch als natür- liche vorzuziehen, dasz der alte name in gewissen gegenden haftete, in andern gekürzt wurde.

Von dieser gekürzten unklar gewordnen form weis,z auch weder die dänische und altnordische, noch eine andre deutsche spräche rechen- schaft zu geben, denn wer möchte altn. Danir aus ags. denu vallis leiten und sie als vallilocae zum gegensatz jener zlovvot monticolae (s. 712) machen? den nord. sprachen mangelt selbst ein solches Sub- stantiv, Stellt Saxo in seiner dänischen geschichte die brüder Dan und Angul, söhne von Humblus, an die spitze dänischer königsreihe und läszt er von Dan Dänemark, von Angul Anglien ausgehn; so mag das an Überlieferungen hängen, die Dänen und Angeln, was auch sonst geschieht, verknüpfen; die gestalt des namens ist hier schon als alt vorausgesetzt. Erst in späterer zeit, zu der des dänischen königs Fridleif, setzt Saxo in Schonen einen gleich mythischen Rig als herscher an, dessen söhn Dag heiszt. Yngl. saga cap. 20 hin- gegen bezeichnet diesen Rig eben als ersten Dänenkönig und verleiht ihm einen söhn Danpr, welcher Danpr im eddischen Rigsmäl Ssem. 106^ neben Danr aufgeführt und ihm wol schon namentlich identisch ist. Drött, mutter des Dyggvi, vaters von Dagr, wird jenes Danpr tochter und Schwester des Danr hinn mikilläti genannt, aus welchem Yngl, saga cap. 20 den namen Danmörk herführt. Unverkennbar spielen hier überall die namen Dagr, Danr, Danpr in einander und lassen in Danr das alte Dagr immer wieder nachklingen ; auf Dagr 733 geht das mythische geschlecht aller Döglingar und Dellingar zurück (Sn, 191), Dellingr heiszt Dags vater (Saem. 34* 91^ HO. 115^).

Aushebenswerth ist eine rohe stelle des um 1288 geschriebnen chronicon Erici regis (bei Langebek 1, 149): Dani, ut testantur ve- teres historiographi, tempore Saruch, proavi Abrahae, regnum, quod nunc Dania dicitur, intraverunt, venientes de Gothia . . . quod autem

510 DÄNEN

quidam dicunt, Danos a Danaitis i. e. Graecis venisse, verisimile est, sed usquequaque certnm non est, nisi ab initio dicti sunt Dani, sed quaelibet terra habuit nomen speciale, quod habet adhuc, donec tem- pore David regis habuerunt regem Dan. nam tempore illo Dan, filius Humblae, de Suecia veniens regnavit super Sialandiam, Monen, Falster et Laland, cujus regnum dicebatur Withesleth. eo tempore rex quidam potentissimus ad invadendum Jutos venit. quo audito Juti, timentes valde locum, qui adhuc Kowirki dicitur, fossatis et fragis ligneis munierunt miseruntque nuntios ad Dan regem Withes- leth, ut eis ferret auxilium, pollicentes ei, victoriam si reportaret, dominium super se. qui cum suis veniens apud Kowirki hostibus occurrit, occisis plurimis et reGquis in fugam actis, dominus Juto- rum factus Dan cum Jutis Fyoniam, Scaniam et omnes alias insulas Daciae sibi subjugavit, et postmodum communi omnium decreto reg- num suum Daniam et incolas Danos a se, qui Dan dicebatur, appella- lavit. Dieser aus Schweden, d. i. Schonen nahende Dan, dessen ab- kunft Saxo verschweigt, ist offenbar Rigs söhn, Rigr aber im eddi- schen lied der die geschlechter der menschen stiftende gott Heim- dallr, unter welches edelsten nachkommen Danr und Danpr aufgeführt werden, ja das dallr in Heimdallr wäre ich geneigt jenem Dellingr für Deglingr zu vergleichen, über Vitisleth will ich hernach eine Vermutung äuszern. das Gothia der älteren nachricht ziehe ich aber nicht auf das schwedische Götland, sondern auf das östliche Gothen- land oder Getenland.

Scandinavien blieb eines Zusammenhangs zwischen östlichem und nördlichem Gothland, und gleich den Lappen und Russen eines zwi- 734 sehen Dänen und Daken, wenn auch dunkel und sagenhaft eingedenk, wobei schon durch lautverschiebung des K in G (für H) verdacht falscher gelehrsamkeit ausgeschlossen wird. Ich habe nur noch zweier- lei hinzuzufügen, ist meine auslegung Dani = Dakini, vorgeschobne, schon mit fremden bestandtheilen gemischte Daken, nicht fehlgeschla- gen; so drückt der bekannte name Hälfdanr (gamli. Sn. 190. ahd. Halbtene bei Mone 1835, 98) mit äuszerlicher form ungefähr dasselbe aus was Dakinus, da bekanntlich die eigennamen Halpdurinc Halp- walah im gegensatz zu Altdurinc (gramm. 2, 629. 633) unserm alter- thum reinen oder gemischten stamm bezeichnen, was auch bei Alt- sahso (s. 627) zu erwägen ist. Dann fällt mir auf, dasz Yngl. saga cap, 2 Odins priester Diar genannt werden; das sind doch wunder- bar die getischen z/tot übergehend in ^doi (s. 191. 198) ohne laut- verschiebung und wiederum zugleich mit lautverschiebung altn. tivar, divi und divini (mythol. s. 176), was helfen kann in den Ursprung des namens ^ccxol zu dringen, dem ich die griech. zfavaoi oder in- dischen Dänavi nicht vorschnell gleichstelle*.

* wer das altn. Däinn verwandt hielte mit Dagr, dürfte auch Dain- sleif Sn. 164 dem goth. namen Dagalaif vergleichen und die ahd. frauen- namen Tenilint und Tagalint für identisch erklären.

DÄNEN. JUTEN 511

Wenn sich nun nicht bestreiten läszt, äasz die Dänen in ge- nauem band und verkehr mit den Gothen und andern östlichen Ger- manen waren, allem anschein nach aber von den zur Weichsel vor- gerückten Gothen losgerissen wurden; so darf auch ihr vielfaches auftreten in dem deutschen oder anglischen epos nicht befremden, ohne dies Verhältnis liesze sich kaum begreifen, wie in unsern Nib. Irnvrit von Düringen einen Irinc von Tenemarke zur seite hat, oder Liudger von Sahsenlande einen Liudgast von Tenemarke, welche noch im alten ingaevonischen gegensatz zu iscaevonischen Franken erschei- nen. Vidsid unterscheidet Ssedene 320, 13 und Süddene 322, 5, solche die schon auf einer insel der ostsee saszen von südlichen, noch an der küste des festen landes wohnhaften, oder will man die süd- lichen auf Laaland und Falster einschränken? im Beovulf unter- 735 scheiden sich Dene nach allen vier weltgegenden Eästdene Vestdene Süddene Norddene, auszerdem werden noch Hringdene und Gärdene eingeführt, welches alles einen zahlreichen, in der neuen heimat um sich greifenden volkstamm erkennen läszt. aber schwer hält es ihnen bestimmte sitze anzuweisen. 4984 sind Gärdene unmittelbar auf Gifdas d. i. Gepiden genannt, was ihren aufenthalt noch tief in den Osten des festen landes zurückschiebt, da sonst keine Gepiden im westland vorkommen (s. 464). Die namen Hringdene und Gärdene, hergenommen von ringen und Speeren der beiden, scheinen mehr aus- zeichnende dichterische epitheta der Dänen überhaupt, als eigne be- nennungen; so sahen wir oben s. 705 Gunnar Geirniflüngr = Ni- flüngr heiszen, und Geirniördr Ssem. 266^^ mit dem verstärkten namen eines gottes bezeichnet nur einen beiden.

Man nimmt an, dasz der dänische stamm hauptsächlich Schonen Seeland und Fühnen erfüllte, die schonischen könnten Ostdänen, die übrigen Westdänen heiszen, allenfalls die jütischen Norddänen. Und hier ist nun von den Juten zu reden, deren schon cap. XXIII rael- dung geschah. Jütland war im mittelalter sitz und kraft des däni- schen reichs, dessen könig von den skalden Iota drottinn genannt und zu Viborg erwählt wurde; wie ich schon s. 446 anführte, Finnen heiszt ein Däne noch heutzutage Juuti. Doch lag der alte und berühmteste königstul zu Hleidra auf Seeland (forum, sog. 6, 613) Hleidargardr (forum, sog. 1, 46. 64. 97. 347), bei Saxo Lethra, später Leire; dies wort ist genau das goth. hleij)ra öiCTjvrj, vielleicht auch gr. x^sld'QOv, lat, clathri, ags. hlseder, ahd. hleitara, welche beiden letztern freilich scala ausdrücken : zäun und gitterwerk der hütte scheinen aus ruthen und sprossen geflochten gleich leitern. sollte nicht mit Lethra der zweite theil jenes dunkeln namen Vitisleth (s. 733) zusammenhängen?*

Zuerst nennt die Juten Beda in den s. 642 angezognen stellen 736 ausdrücklich als Germanen, neben Sachsen und Angeln, mit welchen

* Keyser om Nordmändenes herkomst s. 334 hält Hleidra zu des Pli- nius insula Latris (4, 14) in ostio sinus Cylipeni, und zu diesem die altn. Kylpingar im nordwestlichen Ruszland, welche aber allzuweit abliegen und nicht lautverschoben sind.

512 JUTEN

gemeinschaftlicli sie den zug nach Britannien unternahmen, der Angeln heimat war zwischen Juten und Sachsen gelegen, den Juten musz der kimbrischen halbinsel nördlicher theil überwiesen werden und von vornherein scheint die annähme natürlich, dasz diese drei Völker stammverwandt gewesen sein müssen. 1, 15 verdeutscht Al- fred luti durch Geätas, misgeleitet von der ähnlichkeit des gothischen und jütischen namens*, doch 4, 16 ist provincia lutorum mit dem richtigen Eotaland ausgedrückt, was mich veranlaszt auch cod. exon. 323, 30 Eotum statt Eolum herzustellen.

Weder im Beovulf sind Eotas, noch in den eddaliedern lotar anzutreffen, bei den skalden aber lotar, lotland, lo tagrund, lotavegr (belege forum, sog. 12, 313) häufig genug, Saxo gramm. schreibt luti und lutia, die schwedische form lautet Jute Jutland, die dä- nische Jyde Jylland. hiernach würde ein goth. luts pl. lutös, ahd. loz pl, lozä zu gewarten sein, wozu sich der schwachformige ahd. mannsname luzo halten läszt. dürfte man nun der dunkeln partikel ut, uta 8^co die formel iuta aut utum unterlegen, so könnte sich für unsern volksnamen die örtliche bedeutung exterior, extremus ergeben, ahd. ilzaro üzarösto.

So viel scheint klar, dasz er nichts gemein haben kann mit einem andern, oft hinzu gehaltnen, aber der formel ita at 6tum gehörigen ausdruck. dem altn. iötunn gigas, ags. eoten, alts. Stan hätte ein goth. itns, ahd. {jzan zur Seite zu stehn. iötnar und lotar, eotenas 737 und Eotas würden im goth. itnos und lutös, ahd. Szanä und lozä noch deutlicher abweichen**.

Aber wie schwer vereinbares hat auf einer einzigen seite 146 Zeusz unter den hut bringen wollen: Tsvtoveq Tcovyevoi*** Nui- thones Euthiones luthungi lutae Vitae Ziuvari! ist es etwas mit der lautverschiebung, so begehrte sie für goth. lutös lat. Eudi, die schon nach goth. weise geschriebnen luthungi, ahd. ledungä (s. 500) wären in lat. Eutigni zu übersetzen, wofür ich die urkundlichen Eeudigni nicht hingebe, könnte den wegfall oder zutritt des linguallauts die altn. form iod proles neben |)iod gens erweisen ; so müste überall gefunden

* Procop bell. goth. 2, 6 legt dem Belisar gegenüber italischen Ost- gothen die werte in den mund: fj/istq Sh roT&oiq B^etrawiav ^öXrjv avy- X<oQovfjiev sx^iv, aber dabei denkt der schlaue feldnerr der Römer nicht an die in Britannien eingezognen Juten, sondern will die Gothen aus Ita- lien nach der fernen insel verlocken.

** doch könnte sein, dasz der mythische Forniotr gen. Forniots, ags. Forneot Forneotes (mythol. 220) auf Verwechslung von lotr und iötunn beruht, da sich das kennzeichen des alters mehr für riesen schickt (mythol. s. 496).

*** Tiovysvol steht in zwei stellen Strabons s. 183 und 293, leidet aber keine änderung in Teviovol, weil Strabo s. 196 Tevzovsg schreibt und Twvyevoi, TiyvQTjvol s. 293 nebeneinander als helvetische stamme erschei- nen._ allerdings würden sich s. 183 "AfißoeDvsg xal Tevzovsg besser schicken als ^'Afißgwvsq xal Ttovyevol und Strabo konnte hier beide namen ver- wechseln; doch den buchstaben geschähe zu viel gewalt, wollte man jene lesart unterschieben.

JUTEN 515

werden lodar und nicht lotar. Aber von den Teutonen, die auf der halbinsel wohnten, mag sich in lütland leicht spur weisen lassen, wie in Dietmarsen (s, 639). Nidudr, den die edda nach Schweden setzt (Niara drottinn Ssem. 134. 135 wird aus Nerike gedeutet), herscht nach Vilk. saga cap. 21 in Jütland 'par sem Thiodi heitir' ; man meint zu Thy in Nordjütland, falls ein solcher name dort sich nicht wiederholte, in Biörns wb. ist Thiodi = Franconia angegeben nach der merkwürdigen stelle der Snorra edda s. 138, welche auch den Hialprekr d. i. Chilpericus, zu dem Reginn und Sigurdr gelangen, nach Thiodi setzt. Völs. saga cap. 12 heiszt aber Hialprekr könig von Dänemark.

Rask vertheidigt eine andere, gleich unhaltbare ansieht, ihm sind die Juten keine Teutonen, aber Gothen, lotar sei nur eigne aus- 738 spräche für Gotar; solche erweichung des G in J oder I ist doch der altn. mundart fremd, dasz in Ohtheres reise Gotland sowol für Jütland als die insel Gothland geschrieben steht, kann nach jenem ags. Geätas für Eotas nichts beweisen. Nach einer stelle im formäli der edda s. 14 soll lotland gleichviel sein mit Reidgotaland ; wir werden aber nachher sehn, dasz diese letzte benennung, wenn auch einigemal auf Jütland eingeschränkt, sich viel weiter erstreckte und mit gröszerem recht dem festen lande zuerkannt werden musz.

Mir scheinen die Juten schon vor ankunft der Dänen im norden angesessen auf der halbinsel und gleich deren übrigen bewohnern deutschen stamms, d. h. hier weder dänischen noch gothischen. die vorhin grammatisch bestimmte namensform Eudi findet in den Eudoses des Tacitus volle gewähr, welche ich schon s. 716 als goth. lutusjös aufgestellt habe. lutös und lutusjös bezeichnen dasselbe volk. im ersten jh. aber wohnten die Eudoses noch zwischen Suardonen und Varinen am gestade der ostsee, im verlauf des zweiten werden sie sich westwärts in die halbinsel gezogen haben; bei Ptolemaeus sind sie da als 0ovvöov6ot genannt, mit welchen ich s. 640 noch nicht auskommen konnte: man wird 'lovdovöoi Evöovöol bessern dürfen, womit auch Zeusz s. 152 einverstanden ist, der zugleich aus hss. des Orosius 6, 7 Caesars Sedussi (s. 496) für Edusii Eudusii hält, die sich neben den Haruden schon in Ariovists heer einfanden, [vgl. Hellusii Germ. 46.] Nach verlauf der zeit, vielleicht erst im 5. 6 jh. mögen nun Dänen aus Seeland und Fühnen in die nördliche halbinsel eingebrochen sein und die Juten überwältigt haben, deren alter name aufrecht blieb, obschon ihre spräche der dänischen wich, im ganzen mittelalter rechnete man also die Juten schon zu den Dänen, Adam von Bremen (Pertz 9, 367) sagt: et prima quidem pars Daniae, quae ludlant dicitur, ab Egdore in boream longitudine protenditur; und nochmals (9, 373): itaque primi ad ostium praedicti sinus habitant in australi ripa versus nos Dani, quos luddas (al. Viddas) appellant usque ad Sliam lacum. diese Schreibung ludlant hält noch ganz den unver- 739 schobnen laut von Eudi und Eudoses.

Gröszeres umfangs als der dänische volkstamm war der ihm

Grimm, geschieht« der deutschen spräche. 33

514 GOTHEN

nahverwandte, im südlichen theile Schwedens niedergelassene gothische, des namens God|)iod im norden eigentlicher träger, nordwärts von Schonen hat er die gebiete Westgothlands und Ostgothlands eingenom- men, die lange zeit ein eignes, vom übrigen Schweden gesondertes reich bilden, auch die zwischen gelegnen Halland, Blekingen und Smäland, sammt der insel Gothland müssen ihm überwiesen werden. Doch stellt sich hier gleich etwas merkwürdiges heraus, diese schwedischen Gothen, wie schon ihr name Götar Göter zeigt, sind keine Gupans, sondern Gautös, ags. Geätas, altn. Gautar, ahd. Kozä, oder in den lauten des höheren alterthums ausgedrückt: sie sind keine Getae, sondern Gaudae, d. h. eine durch ablaut iind Verschiebung bestimmte Verschiedenheit des groszen gothischen volks, deren schon s. 200, 439 und 445 erwähnung geschah, aber auch darin folgen sie, fast instinctmäszig, dem alten stamm nach, dasz ihnen wie diesem aufgang und niedergang der sonne (s. 442) in der neuen heimat wieder zur abtheilung wird und alsbald ein Eystragautland Vestra- gautland, schwed. östergötland Vestergötland vorhanden ist (s. 445).* Solche Gautar oder Götar sind die in Beovulf neben Sueonen und Dene auftretenden Geätas (s. 445); wenn sie aber in Vedergeätas und Ssegeätas zerfallen, scheinen hiermit nichts als westliche und öst- liche gemeint (s. 45), wie unter Ssedene die östlichen, schonischen. statt Vedergeätas steht häufig einfaches Vederas oder Vedera leod, was an den namen Wetterau, ahd. Wetareiba, in einem westlichen, warmen land strich gemahnt**. 740 Allein das AU waltet nicht ausschlieszlich, sondern auch einfaches

U oder 0, wie es schon s. 440 in den altn. formen gotna und gotnesk aufgezeigt war***. Gautland meint das schwedische Götland (Ost- und Westgothland), Gotland aber entweder Schonen oder Dänmark (Sn. 146) oder die insel des baltischen meers, deren altes gesetzbuch immer Gutland, Gutalagh und gutnisc schreibt, niemals in diesen Wör- tern den diphthong AU verwendet. Allerdings sollte mit der Uform ein TH, nicht T verbunden sein, wie auch Godpiod und im nächsten capitel der name Godheimr bestätigt; TTH in Fot^ol und GutJ)iuda reicht nicht hin das einfache T zu entschuldigen, es erscheint auch in allen folgenden namen wie im ags. Gotan (s. 440), und mag durch scheinbare analogie des T in Gautar und Geätas herbeigeführt sein. Die altn. spräche und sage unterscheidet nemlich ferner ein Eygota- land und Reidgotaland, welchen niemals AU zusteht (s. 446). mit dem ersten dieser ausdrücke werden ganz klar gothische Inselbewohner, vermutlich die auf öland und Gotland angezeigt ; schwierig aber bleibt der andere. Biörns Wörterbuch deutet Reidgotaland durch Jutia und

* Götaelf, altn. Gautelf heiszt die aus dem Wenersee durch Westgoth- land flieszende, bei Gothenburg in die see strömende Elbe.

** ein Vedra fiörör in Kräkumäl 16 und Vedrey in Halland. fornm. sog. 4, 373.

*** beide formen vereinbart der volksname Gauthigoth bei lornand. cap. 3, dessen örtliche deutung schwer gelingt (vgl. oben s. 441).

REIDGOTHEN 515

läszt unmittelbar darauf das wort reidgoti veredus folgen, wie auch das einfache altn. goti equus bedeutet, wir sahen aber, dasz im volks- namen das T unorganisch ist. ebensowenig kann pferdeland des namens sinn, als dessen einschränkung auf Jütland gegründet sein, hält man jene stelle des formäli der edda s. 14 zu skäldskaparmäl s. 146, so ergibt sich beider gleichheit und dasz in der ersten Gotland für lot- land zu setzen ist. In der ganzen Hervararsaga wird Reidgotaland offenbar ins nordöstlichste Deutschland und an Hünaland grenzend gelegt, ja s. 509 steht: er J)at sagt, at Reidgotaland ok Hünaland se Thydskaland kallat. zwischen beiden reichen liegt Myrkvidr (Hervar. p. 496), was an den niederländischen wald Mircwidu bei Dietmar (Pertz 5, 869) erinnert, um so merkwürdiger, da in unsrer heldensage die fränkischen Völsüngr und Sigmundr könige von Hüna- land sind (fornald. sog. 1, 116. 119. 144), Sigurdr in der edda selbst 741 hünskr heiszt (Ssem. 216'' 225'' 264*), welches alles auf die oben s. 475. 524 berührte mythische nähe der Franken Hünen und Friesen hinweist und ein andermal genauer ausgeführt zu werden verdient. Hierher gehört blosz, dasz auch Vidsld im ags. lied 322, 3 mid Hünum and Hrßdgotum verkehrt und Hrödcyninges häm Eormanrices 319, 4 besuchte, der gothische Ermanricus tritt als reidgothischer könig auf, und 325, 31 wird gesagt: Hrasda here ymb Vistla vudu vergan sceoldon ealdne ßdelstöl, an der Weichsel hatten die Hrsedas ihren alten sitz, nicht anders läszt auch der dichter von Elene v. 20 Hüna leode and Hr6dgotan, Francan and Hünas zu Constantin des groszen zeit das römische reich überziehen, und v. 58 wird noch- mals Hüna and Hr6da here nebeneinander genannt; der zug ergeht nach V. 37 an die Donau über die riesenburg (bürg enta) v. 31 und scandinavische Völker können hierbei gar nicht in betracht kommen. Wie aber der name Hr6das oder Hrsedas (denn kurzen vocal zu setzen verbietet das altn. Reid) sich deuten lasse? ist erheblich genug zu fragen, die altn. Schreibung hat nur R im anlaut, welches ich darum dem ags. oft falschen HR vorziehe; mir schwebt vor, dasz in Reid Red oder Raed die vocale entstellt, und wenn man Reod oder Reud vermuten wollte, des Tacitus Reudigni zu erwägen sein dürften, diese Reudinge sahen wir zur römischen zeit neben Angeln, Varinen, Eudosen, Suardonen zwischen Elbe und Oder an der ostsee; warum könnte ihr name nicht in den Reidgoten nachklingen? gleich ihren nachbarn werden sie sich später gegen westen fortbewegt haben, ohne dasz das andenken an ihren alten sitz im osten und an ihren Zusammenhang mit den Gothen ausstarb; aber der mit den Eudosen macht, dasz sie auch nach Jütland gesetzt wurden, von den schwe- dischen Gauten unterscheiden sie sich bestimmt, wie schon die Schrei- bung der namen anzeigt. Wer die mythischen Ortsnamen in Her- vararsaga und Ynglingasaga cap. 21 näher deuten könnte, würde mehr licht über diese Reidgothen, und wenn es mich nicht triegt über die alten Reudinge verbreiten.

Ich gehe über von der God^iod auf die SvlJ)iod. Schweden 742

33*

516 SCHWEDEN

kennt schon, der noch von keinen Dänen weisz, Tacitus nicht mehr im germanischen festland, sondern als inselbewohner, als eigentliche bevölkerung der bei ihm ungenannten Scandinavia; nachdem er von Gothen, Lygiern und Lemoviern gesprochen hat, heiszt es cap. 43: Suionum hinc civitates, ipso in oceano, praeter viros armaque classi- bus valent, und hierauf werden ihre schiffe, ihre herscher und noch ein eigner brauch geschildert: nee arma, ut apud ceteros Germanos in promiscuo, sed clausa sub custode et quidem servo, wobei mir eine stelle der edda einfällt, Saem. 245*:

siö eigo vid salhüs sverda füll, hverjo ego J)eirra hl ölt er guUi.

denn dasz edle und freie sich nicht zu hütern der waffen hergaben, ist deutscher sitte angemessen. Die Schweden waren also ein ansehn- liches volk, das mehrere landschaften (civitates, wiedieLygier cap. 42) bildete, aber sie waren Germanen; man kann kein entscheidenderes Zeugnis verlangen dafür, dasz die Eömer Scandinavien unter Germanien begriffen.

Der namensform Suiones entspricht auch im mittelalter Sueones z. b. bei Eginhart cap. 12, in den annalen (Pertz 1, 200) bei Adam von Bremen und Saxo, die fast immer so, nur ausnahmsweise anders schreiben, nicht anders stimmt das ags. Sveon, gen. pl. Sveona Beov. 5888. 5911. 5998, dat. pl. Sveom cod. exon. 320, 19. 322, 4, wozu Thorpe s. 534 einen falschen nom. pl. Sveas bildet, der altn. name hat im nom. pl. Svlar*, gen. Svia, dat. Svium; wie hier der nicht übliche, stets durch das adj. Svenskr ersetzte nom. sg. zu lauten hätte? etwa blosz Svi? dem ags. gebührt Sveo, gerade wie das lat, 743 Suiones den sg. Suio fordert. Aber von dieser nordischen und säch- sischen gestalt des namens scheint sich die goth. und hochdeutsche zu entfernen, jene überliefert uns lornandes cap. 3 : alia vero gens ibi moratur Suethans**, quae velut Thuringi equis utuntur eximiis; ganz die goth. schwache form, einen nom. sg. Suetha voraussetzend; darf man auch den vocal gothisch fassen, so ist Su6tha zu schreiben; ein Gothe, denke ich, würde geschrieben haben SveiJ)a, wo nicht gar Svaipa, dem bald darauf folgenden Finnaitha ähnlich, wofür das altn. Finneidi (fornm. sog. 11, 358) d, i. heutige Finweden in Smäland gewähr leistet. Adam von Br. 378, 16 nennt Finnedi (al, Finwedi) neben Wermelani (Wermländern). zu bedauern ist der abgang ahd. glossen für den namen des volkes und landes, aus dem nhd. Schwede, mhd. Sweide (Diut. 1, 66. Oberlin s. 1132) und Swßde Sw6den folgre ich ahd. Sueido pl. Sueidon und vermute in Suiones Sueones

* die üppsviar in üppland (wo auch Uppsalir) gemahnen an Uphriustri (s. 678) und behaupten den vorrang unter allen stammen, üpplönd finden sich sodann in Norwegen, ein Utland neben Vestergötland; ütlönd, ütiardir sind terrae exterae, minores, folglich üppsviar Sueci majores, IJtsviar minores. ** die Schreibungen Subeans = Sweans (ÜB für W, wie öfter) Suue- hans kommen dagegen nicht auf; auch Ekkehard (Pertz 8, 120) las in lornandes Suehans.

SCHWEDEN 517

Svlar einen ausfall der lingualis, ähnlich dem in fior feover statt des goth. fidur fidvör (s. 242). Nicht zu übersehn, dasz neben Sueones Adam aber auch häufig Suedi und Suedia, einmal sogar Suevi 319, 30 und Suigja 345, 3, dann auch Suevi schreibt, welches letztere statt des gewöhnlichen Sueones ebenfalls einigemal bei Saxo gefunden wird und in der heutigen lat. form den sieg davon getragen hat. Sueci scheint kürzung eines adjectivischen Sveici oder Suevici, und auf diesem wege liesze sich der schwedische an den suevischen namen knüpfen. Was aber ist aus der von lornandes gegen den schlusz desselben cap., man musz annehmen, als verschiednem namen aufge- zählten form Suethidi zu machen ? er sagt : Finni mitissimi, Scandzae cultoribus omnibus mitiores, nee non et pars eorum Vinoviloth, Suethidi, Cogeni in hac gente reliquis corpore eminentiores. kann in Suethidi liegen Svipiod, goth. Svej)iuda, wie in einem vorausgegangnen namen Liothida Liut|)iuda (gens effera, saeva, von liuts ahd. lioz ferus)? Wir müssen den critischen apparat zu lornandes abwarten, um hier 744 festeren fusz zu fassen.

So viel scheint mir jetzt schon durchzubrechen, dasz unsere Schweden und Suethans zusammenhängen müssen mit den von Tacitus, als er nach den Suionen des ihn mehr anziehenden bemsteins aus- führlich gedacht hat, noch erwähnten Sitonen cap. 45 : Suionibus Sitonum gentes continuantur, cetera similes, uno differunt, quod femina dominatur. dieser letzte zug macht denken nicht sowol an des lor- nandes skythische Amazonen und Aliorunen (cap. 6. 8. 24), als an die von Paul, diaconus 1, 15 ins ende Germaniens versetzten: nam et ego referri a quibusdam audivi, usque hodie in intimis Germaniae finibus gentem harum existere feminarum. die sage hatte den lango- bardischen Lamissio mit diesen frauen kriegen lassen, in Alfreds reisebericht sind aber zwei solcher frauenländer genannt, einmal Mägdaland (terra virginum) zwischen Horithen und Sermenden, und Cvenaland (terra feminarum) hinter Sveoland, dessen bewohner jedoch Cvenas, nicht Cvena frauen genannt werden, wie überhaupt beide ländernamen den erzähler nicht veranlassen etwas von frauen zu er- wähnen, forum, sog. 11, 414 geschieht eines Kvennaland (feminarum regio) in Asien meidung, doch Egilssaga cap. 14 p. 56. 57 nennt ein historisches Kvenland, das zwischen Schweden und Finnland (auf schwedischer seite in Helsingjabotn, auf finnischer in Austrbotn) gelegen war. genau genommen unterscheiden sich die Kvenir von Schweden und von Finnen, gelten aber zuweilen auch für Finnen; fornald. sog. 2, 3 stehn Gottland, Könland und Finnland zusammen unter einem herscher. Diese altn. Kvenir und ags. Cvenas erscheinen also ihrer läge und der frauengewalt nach ganz die Sitonen des Tacitus, deren name lautverschoben den goth. Sv6J)ans und mhd. Sweiden entspricht, da die anlaute S und SV öfter identisch sind, z. b. die goth. seina sis sik aus sveina svis svik entspringen (s. 261) und goth. svein, sl. svinja dem lat. sus suis gleich steht.

Soll ich nun eine deutung des dunkeln namens wagen? ans altn.

518 SCHWEDEN

745sved:ja framea denke ich nicht; es mag ein uraltes verbum sveij)a svai]^ svij)um gegeben haben, dessen bedeutung noch aus dem altn. svld sveid svidum aduro, svidinn adustus ersichtlich ist; daher leite ich ags. svädu vestigium, gleichsam eingebrannte spur, die Schwe- den sagen sveda, die Dänen svie adurere, svedja aber drückt jenen ganz besonders aus: dejectis arboribus ignem subjicere, ut in cineri- bus frumentum seratur; altn. gilt svla von der warm werdenden luffc. bezeichnete man die waidgrenze durch niedergebrannte bäume? den Friesen ist sw6the grenze, in der jüngeren niederd. spräche swette. waren dem alterthum Schweden was Markomannen (s. 503), die auf der waidgrenze wohnenden? das ahd. suid strages, exitium (Graff 6, 871) war vielleicht ein muspilli, perditio ligni = ignis, wie bei 0. V. 23, 149 suldit urit scheint; in den tradit. wizenb. p. 386 begegnen die ahd. mannsnamen Suueidinc und Suueidmunt. nicht unangemerkt lassen darf ich aber, dasz jenes altn. SviJ)iod (grenz- volk?} in der ags. chronik ad a. 1025 Svädeod lautet, und vielleicht ist auch dem ags. svädu der begrif grenze nachzuweisen.

Strabo s. 306 hat unter den Bastarnen auch Utdoveg, Plinius aber 4, 11 unter thrakischen Völkern circa Ponti litora Moriseni Si- thoniique Orphei vatis genitores*. Ptolemaeus stellt in die weichsel- gegend, nach den Lugiern und Buren Uidiovsg, ska Koyvai, welche zu den bei lornandes genannten Suethidi und Cogeni treffen, weshalb ich die besserung in Kotvol = Konvoi ablehne**, es sei denn, dasz lornandes den fehler selbst aus Ptolemaeus schöpfte, ins Odergebiet hingegen setzt Ptolemaeus Xsiöivoi. verhält sich meine deutung des sitonischen namens recht, so kann er Völkern verschiedner gegend, ohne dasz man Wanderungen anzunehmen braucht, zugestanden haben. Es ist auf jeden fall bedeutsam, dasz uns auch dieser name aus dem norden zurück an die Oder, Weichsel und an das schwarze meer

746 führt, von wannen der Gothen und Geten ausgang erfolgte, wie hernach im norden Dänen Gothen und Schweden neben einander kön- nen schon dort im osten Daken Geten und Sitonen sich zur seite gesessen haben und die Bastarnen sind dabei nicht zu übersehen.

Nirgend hielt das bewustsein dieses alten Zusammenhangs länger an als in Scandinavien, wo ihm freilich auch die nicht so früh aus- gerottete mythologie Vorschub that. während im übrigen Deutschland fast nur noch in der fränkischen sage (s. 523) rückwärts nach der Donau geschaut wurde, andern stammen aber die östliche abkunft in eine nördliche sich umdrehte ; hielt die nordische sage an einem alten viel ausgedehnteren Schwedenreich fest*** und blieben die Nord- männer des Pontus und Tanais eingedenk, diese absichtslos fortge-

* den Orfeus brachte die griechische sage an mehr als eine stelle in Thrakien und Makedonien.

** wie wenn zu diesen Cogeni das getische Kcoyalcovov (s. 200) gehörte? *** Sviaveldi begreift auch Gardariki, das spätere ßuszland. fornald, sog, 1, 413. 422.

SCHWEDEN. ROXOLANEN 519

pflanzte Überlieferung musz dem aus andern gründen geschöpften be- weis mächtig zu statten kommen.

Ich will aber noch eine andere spur aufweisen, dem Strabo sind s. 114 'Pco^oXavot die fernsten Scythen, vöratoi räv yvcogifiav Sxvd'cov, und s. 294. folgt nähere angäbe, dasz sie ostwärts hinter der Germania und den Bastarnen wohnen, nach s. 306 zwischen Tanais und Borysthenes, als eben der Peukinen und Sidonen gedacht war. auf einer lat. inschrift (oben s. 459) werden reges Bastarnarum et Rhoxolanorum zusammen genannt, durch diese Verbindung mit den Bastarnen fallen sie in die zeit vor Christus. Plinius 4, 12 zählt sie gleich Geten und Sarmaten unter den Skythen auf: Alani et Rhoxolani. sie hängen also mit den ältesten und nordöstlichsten Germanen zu- sammen. Dem Tacitus bist. 1, 79 heiszen sie Sarmaten, er läszt sie im j. 69 in Moesien einfallen: eo audentius Rhoxolani, sarmatica gens, priore hieme caesis duabas cohortibus magna spe ad Moesiam inru- perant: novem millia equitum, ex ferocia et successu, praedae magis quam pugnae intenta. Ptolemaeus, der in Sarmatien vier grosze Völker- schaften ansetzt, darunter auch Peukinen und Bastarnen begreift, stellt 747 lazygen und Rhoxolanen nebeneinander, hat aber zwischen Bastarnen und Rhoxolanen Hünen {Xovvoi). Noch bestimmter lautet des lornan- des angäbe cap. 12: hanc Gothiam, quam Daciam appellavere majores, quae nunc ut diximus Gepidia dicitur, tunc ab Oriente Roxolani, ab occasu Tamazites, a septentrione Sarmatae et Bastarnae, a meridie amnis Danubii fluenta terminant (1. terminabant). Tamazites a Roxo- lanis alveo tantum fluvii segregantur. offenbar heiszt nach diesen Tama- siten (deren namen fast an den skythischen Poseidon Thamimasadas bei Herod. 4, 59 mahnt) der ort Tamasidava im lande zwischen Ister und Hierasus bei Ptolemaeus. Merkwürdig aber lautet die cap. 24 von Hermanricus ende mitgetheilte nachricht: nam Hermanricus rex Gothorum licet, ut superius retulimus, multarum gentium extiterit triumphator, de Hunnorum tamen adventu dum cogitat, Roxolanorum gens infida, quae tunc inter alias (ei) famulatum exhibebat, tali eum nanciscitur occasione decipere. dum enim quandam mulierem Sanieih nomine ex gente memorata pro mariti fraudulento discessu rex furore commotus equis ferocibus illigatam, incitatisque cursibus per diversa divelli praecepisset, fratres ejus Sarus et Ammius germanae obitum vindicantes Hermanrici latus ferro petierunt. das schlägt unmittelbar in unsere heldensage ein, Sarus und Ammius sind die in der Quedlin- burger Chronik bei Pertz 5, 31 Serila und Hemido (1. Hemideo), in der edda Sörli ok Hamdir genannten, ihre gothischen namen würden lauten Sarvila (onUtrjg) Hamapius (loricatus); Sanieih = Svanihild (s. 298), ihre Schwester oder Stiefschwester war Sigurds leibliche tochter, sie selbst sind söhne lonakurs (goth. Aunaharis, Haupt 3, 156), dessen reich edda und Völsvlngasaga nicht ausdrücken, es musz je- doch am meer, weil Godrvln auf den wellen zu ihm getragen wird, und dem Gothem-eich benachbart gelegen haben, hierzu fügt sich, dasz bei Saxo gramm. diese brüder 'genere hellespontici' genannt sind.

520 SCHWEDEN. ROXOLANEN

was deutlich den Hellespont am schwarzen meer meint, also zur öst- lichen heimat der ßoxolanen stimmt, die im vierten jh. bei Gothen 748 und Hünen wohnen, und in deren königsgeschlecht deutsche namen nicht verwundern können, wenn sie auch mit lazygen und Sarmaten, also Slaven vermengt erscheinen, nie steht Ehoxalani, doch man hat, weil Plinius Alani und Ehoxolani verbindet, nicht uneben beide Völker auch im namen verwandt gehalten (Böckh inscr. 2, 115*), wozu das s. 223. 473 über Alanen gesagte verglichen werden musz.

Diese nachricht von den Ehoxolanen hätte ich bereits im zehnten cap. gegeben, wenn sie nicht der folgenden beziehung halben hierher gehörte, die Finnen nemlich nennen einen Schweden noch den heu- tigen tag Euotsalainen, die Esten Eootslane, die norwegischen Lappen Euotteladzh; das land Schweden heiszt finnisch Euotsi, lappisch Euotti*; es sind uralte formen, die sich in dem fernsten norden, gleich jenem Dazh und Dattschanin für Däne (s. 732) geborgen haben und beide namen bezeugen sich ihren östlichen Ursprung wechselweise. Euotsalainen ist Ehoxolanus und der Finne der vorzeit musz sich mit einem schwedischen, gothischen, alanischen, sarmatischen volk- stamm berührt haben, den er so benannte; auf dem schwedischen nachbar blieb zuletzt der name haften, hat ihn aber die finnische spräche zuerst gebildet, welche alle volksnamen auf -lainen ableitet (Lappalainen ist ein Lappe, Pohjalainen ein Nordländer); so kann jener Zusammenhang mit den Alanen nicht richtig sein, es sei denn, dasz der name ^Akavoi selbst dem finnischen gesetz folge. Das aber leuchtet mir ein, dasz die gewöhnliche herleitung von Euotsalainen aus Eos- lagen, wie ein theil der Finnland gegenüber liegenden upländischen küste genannt wird, falsch und wol umgekehrt Eoslagen aus Euotsa- lainen gebildet worden sei. gehörte Eoxolanus schon im hohen alter- thum einem germanischen volkstamm, so kann es füglich ein un- deutscher, ihm von fremden nachbarn zugelegter name sein**.

* den Norweger nennen die Finnen ßutialainen, Norwegen Rutia, das scheint dem Euotsalainen sehr ähnlich, den schwed. Lappen heiszt der Schwede Tarolats oder Laddelats (rusticus).

** an den ersten theü von Rhoxolanius erinnert schon ^Pm^ävj], der name einer gemahlin Alexanders des groszen. es scheint, man hat allen grund den Ursprung des russischen namens mit den Roxolanen zu verknüpfen, da nicht allein die byzantinischen ^oiösgäzoi und BÜQayyoi (s. 450. 451) als Varjager undgosti (gaste), als Varjagorussi auf russischem gebiet erscheinen, sondern auch die drei brüder Riurik, Sinous und Trivor bei Nestor als unslavische, deutsche ansiedier geschildert werden, die ann. trecenses (Pertz 1, 434) mel- den, dasz der griech. kaiser Theophilus im j. 839 eine gesandtschaft an Lud- wig den frommen nach Ingelheim schickte: misit etiam cum eis quosdam, qui se, id est gentem suam Rhos vocari dicebant, unter welchen man sich noch Bägay-yoi denken darf, die mit dem alten namen der Roxolanen be- nannt wurden, wenn sie auch schon Slaven waren. Roxolanus und Ruotsa- lainen musz also im alterthum von einem germanischen oder halbgermanischen volkstamm gültig gewesen sein. Dasz die Finnen gerade den Russen Wenä- läinen und nicht Euotsalainen nennen, beweist nichts gegen den Zusammen- hang der Russen und Roxolanen; die finnische benennung hatte sich auf den germanischen bestandtheil des volks, nicht auf den sarmatischen gewandt.

ROXOLANEN. NORWEGER ^f

Wie der Römer äuge in Scandinavien nur Germanen sah und 749 scandische gleich deutschen stammen eine uralte gemeinschaft im Osten ahnen lassen; findet sich auch die deutsche und altnordische heldensage vielfach verflochten, jene liedberühmten brüder der Rho- xolanen bezeugen es eben und das gedieht von Beovulf bürgt dafür, in welchem Dene, Geätas, Sveon, Gifdas, Francan, Frysan, Hetvare und Höcingas auftreten, neben andern deutschen stammen nennt uns Vidsid auch Sveon und Heisingas 320, 1, d. i. die einwohner des schwedischen Helsingeland, altn. Helslngjar; 322, 9 Geflegas? ein- wohner von Gefle?

Man kann erwarten, dasz auch für den dritten, noch entfernteren haupttheil Scandinaviens, für Norwegen ähnliche beziehungen walten.

Die altn. benennung Noregr (schwed. Norrige, dän. Norge) ent- springt aus Norvegr (s. 298), wie durch helvegr die unterweit, durch 750 moldvegr die erde (ags. foldveg) ausgedrückt wird; zumal aber kann sie jenes ähnliche Godvegr (s. 729) erläutern. Saxo braucht die lat. form Norvagia, welcher das mhd. Norvaege Nib. 682, 3. Parz. 66, 1 gleicht, doch Conrad schreibt Norwegen (: degen) Partinop. 48, 14. troj. kr, 23783. dem mhd. Sweiden scheint Norweide Diut 1, 67 nachgebildet, blieb aber bis ins 16. jh. üblich in der form Norweden Nortweden bei Er. Alberus, Seb. Frank und Fischart. Wichtiger ist die frage, ob das verengte Noregr schon gesucht werden dürfe in einem alten namen bei Plinius 4, 16: sunt, qui et alias (insulas) prodant, Scandiam, Dumnam, Bergos, maximamque omnium Nerigon, ex qua in Thulen navigetur? Zeusz s, 195 verneint es, weil er sich unter Thule nur das von den Norwegern erst im 9. jh. erreichte Island denkt; da doch Thules sagenhafte Unbestimmtheit auszer Is- land und vielleicht den Orkaden auch auf die norwegische küste an- gewendet werden darf, bei Strabo s. 63. 64. 114. 201 heiszt &ovXr] nördlichste der britischen inseln, das äuszerste nordland, auch bei Plinius 4, 16 ultima omnium, quae memorantur, und berühmt ist Virgils ultima Thule Georg. 1, 30. Tacitus im Agric. 10 von ent- deckung Britanniens und der Orkaden redend fügt hinzu: dispecta est et Thyle, quam hactenus nix et hiems appetebat. Procop b. goth. 2, 15 schildert aber Thule zehnmal gröszer als Britannien und von dreizehn stammen unter eignen königen bewohnt, was nur auf Nor- wegen passen kann und zu der grösze von Nerigon bei Plinius stimmt, dasz Procops Thuliten Normänner oder Scandinaven insgemein sind, geht auch aus den darunter mitbegViffenen Gauten (/airoi) hervor, die er B^^vog noXvdv&QGinov nennt.

Der name Thule würde sich lautverschoben gut aus dem altn. dylja celare occulere, dul occultatio erklären: es ist das nebelhafte, unbekannte land und die norweg. landschaft Thelamörk, deren ein- wohner Thilir heiszen, schlage ich lieber nicht hinzu.

man vgl. Ewers vom Ursprung des russ. Staats, Riga 1808, aber mehr des stofs als der ergebnisse wegen.

522 NORWEGER

Auszer Scandia und Nerigon kommt noch eine andere benennung

751 bei Plinius 4, 13 in betracht: Scandinavia est incompertae magnitu- dinis, portionem tantum ejus, quod sit notum, Hillevionum gente D incolente pagis, quae alterum orbem terrarum eam appellat. Diese 500 pagi Hillevionum gehn noch über die 100 der Sueven (s. 490. 491) hinaus; der name klingt fast an jene AiXovalavBg, Helvecones und Helusii des festen landes (s. 714), das altn. helluland bedeutet felsenland von hella petra, goth. hallus, und die klippen von Nor- wegen können ihn veranlaszt haben*. lornandes cap. 3 hat Bergio und Hallin als volksnamen hintereinander. Schwerlich steckt in diesem Bergio oder des Plinius Bergos das heutige Bergen, altn. Biörgyn, Biörgvin, Biörgynja, sondern vielleicht noch das goth. fair- guni mons, altn. Fiörgyn, es liesze sich denn ein Übergang des F in B nachweisen.

Bei Vidsid werden mehrere norwegische stamme aufgeführt. 322, 15 die Headoreämas (gebildet wie Headobeardan s. 689) sind altn. Eaumar oder Hadaraumar, bewohner von Eaumarlki (vgl. Rau- maricae lornand. cap. 3) und Hadaland, zu beiden seiten der Raum- elf; Beov. 1032 findet sich 'on Headoreämes' , wobei man land häm oder geard zu verstehen hat (gramm, 4, 261). unmittelbar voraus geht 322, 14: mid Hronum ic väs and mid Deänum, welches letztere ganz verschieden von Denum ist; doch weisz ich solche Deänas oder altn. Daunir sonst nicht zu zeigen, bei den Hronum fallen des lor- nandes Granu, ein, vielleicht auch das mare Cronium bei Plin. 4, 13; dann aber Hrones näs aus Beov. 5607. 6267, die statte am meer, wo des beiden hügel erbaut wurde, den Angelsachsen hiesz der wallfisch nicht blosz hväl, sondern auch hron oder hran (vgl. hronräd Caedm. 13, 9), was man von rhän rheno, altn. rheinn unterscheide. Die Thrövendas 322, 17 sind altn. Thraendir, besser Thrcendir, be- wohner Drontheims; soll man sie aus ags. J)rövan pati, certare, ahd. druoßn oder altn. prösa augeri herleiten? vielleicht einigen sich beide

752 bedeutungen, ein nordischer heros hiesz Thröndr, gewis aber ist der ahd. mannsname Druoant (Ried, n^ 94. Thröant b. Schannat n^ 45. 259) dasselbe, mit den Glommum 319, 22. 322, 26 konnte ich s. 469 nicht fertig werden; es müssen anwohner des flusses Raumelf gewesen sein, der heute noch Glomm oder Glommen heiszt. Den Rugum und Holmrygum wurde s. 469 ihre stelle gewiesen. Frum- tingas 322, 25 treten sonst nirgend auf; die bedeutung des altn. frutnti clunis liesze auf einen höhnischen Spottnamen schlieszen.

Im Ossian bezeichnet Lochiin Norwegen, von loch see und linn land, also Seeland; die Iren heiszen jeden Scandinaven Lochlannach, die Galen Lochlunnach; genauer ist fionn Lochlannach weiszer L. ein Norwege, dubh Lochlannach schwarzer L. ein Däne, merkwürdig dasz auch die Lappen Norwegen Vuodn nennen, welches sinus maris

* Keyser a. a. o. s. 331 hält die Hilleviones für die norwegischen Elfar- büar oder bewohner vonAlfheim, was ich nach den lautverhältnissen bezweifle.

ALTNORDEN 523

ausdrücken soll, wenn man nicht lieber von vuodo fundus ablei- ten will.

Die keltischen und finnischen Völker waren den deutschen in Europa vorangegangen, und es scheint Finnen selbst den Kelten (s. 174). von den Germanen wurden die Kelten gegen westen, die Finnen gegen norden zurückgedrängt, dies Verhältnis älterer be- wohner zu den eingewanderten bezeugen nicht blosz stehn gebliebne Ortsnamen und andere Wörter der spräche, sondern auch haftende Überlieferungen, deren im nächsten cap. erwähnt werden soll.

Auf erhaltung der reinen nordischen spräche hat sowol der längere fortbestand des heidenthums als die abgesonderte niederlas- sung freier norwegischer geschlechter in dem fernen Island günstig gewirkt, wodurch allein eine grosze zahl von denkmälern geborgen und fortgepflanzt wurde, deren edelster theil jedoch schon vor jenem auszug, wenigstens ihrer grundlage nach, entsprungen gewesen sein musz. darum heiszt auch diese spräche richtiger altnordische oder norroena als isländische, obschon sie sich auf der abgeschiednen insel bis heute fast unversehrt erhalten hat. Sie gehört zwar dem ge- samten scandinavischen alterthum, vorzugsweise jedoch dem norwegi- schen und unter allen benennungen scheint die zur zeit der vorwal- 753 tenden dänischen macht ihr beigelegte einer dänischen zunge (dönsk tünga) die ungeeigneteste.

Es ist nicht leicht in gedrängter kürze alle kennzeichen der alt- nordischen spräche anzugeben.

Im vocalismus hat sich umlaut noch vollständiger entwickelt als der mhd. und nhd., und wird nicht allein durch I, sondern auch durch U erregt, doch so dasz das ü nur ein vorausgehendes A, keinen andern vocal verändern kann. Die altn. brechung des I in lA (und bei zutretendem ü lö) dreht den goth. laut AI um und steht dem ags. EO am nächsten, während ags. EA reines A bleibt. U wird aber nicht in gebrochen, das sich zu goth. AU wie lA zu AI verhalten könnte, sondern erleidet Verengung in 0, wie ahd. und ags.; auch hierin bewährt sich das beweghchere, feinere element des I gegenüber dem schon spröderen des U.

In der vierten ablautsreihe entspricht altn. AU dem gothischen, wogegen in der dritten statt^ des AI der umlaut EI eingetreten ist, nach ahd. weise, das ags. A aber offenbar für AI steht (wie gr. a für aC); wäre der umlaut des A durch U ganz ebenbürtig dem des A durch I, so hätte hier gleich dem EI entspringen sollen ÖU, wel- chem auch die spätere schwed. und dän. Verengung des altn. AU in CE näher kommt. Für das goth. !E in zweiter ablautsreihe gilt altn. A, wie ahd., während ags. M sich mehr an E schlieszt. Den ahd. diphth. OU kennen weder die goth. noch ags. und altn. mundart.

Für die consonanten besteht goth. und ags. Verschiebung, nicht die weitere ahd. S ist noch häufiger zu R geworden, als in irgend einem andern deutschen dialect, wie zumal die flexionen lehren, assimilation und gemination erfolgt gern, und bemerkenswerth sind

Ö24 ALTNORDEN

DD == goth. ZD, ags. RD, aM.RT; RR = goth.RS; LL == goth. Lp,

ahd. LD ; NN == goth. Np, ahd. ND. goth. LD und ND bleibt auch

altn. dagegen ist PP = goth. MP; KK = goth. GK; TT = goth. Nj).

Die apocope des N ist in den flexionen weiter vorgeschritten

754 als in der fries. spräche, denn auszer dem schwachen obliquen casus entbehrt seiner beim verbum der inf. und die tertia pl. in jedem tempus und modus, nur das pari praet. starker verba behält es. dasz es aber nicht ursprünglich mangelte, folgt theils aus dem gen. pl. auf -na, theils aus dem part. praes. auf -ndi. gerundialformen gebrechen, wie im goth., ganz. Ähnlich der abneigung vor N im auslaut, wie sie auch die partikeln ä i ö = goth. ana in un kund- geben, ist die im inlaut, was jene assimilationen KK TT und S für goth. NS zeigen.

Die vocale im schwachen masc. verglichen mit den gothischen haben fast ihre stelle getauscht, indem goth. hana hanins hanin altn. hani hana hana lauten, das I des nom. sg. erkennt sich leicht als unorganische Schwächung von A, wie zumal das ags. hana hanan hanan bestätigt, dessen gen. und dat. zum altn. stimmen, dem weibl. und neutralen nom. sg. gebührte gewis ursprüngliches ä, wie dem ahd., aber auch das oblique für -6 begegnet dem ahd. In der starken flexion haftet aber -r für -goth. -s in vielen fällen, wo ahd. der consonant ganz erlischt,*

Den instrumental kennt die altn, spräche nur im sg, neutr. der adjective, wo er zugleich die dative flexion vertreten musz, und dann in pronominalpartikeln. ein dualis lebt blosz im pronomen und ist im verbum erloschen.

Die ags. spuren der reduplication mangeln hier, aber die secunda praet. starker verba hat ihr T behauptet, wie im goth. (s. 485. 487).

Als hervorstechende eigenheit der nordischen spräche, wenn man ihre spätere entfaltung erwägt, darf zweierlei betrachtet werden, das

755 artikelsuffix und die passivflexion. Der dem subst, angehängte artikel wird mit dem zweiten demonstrativum hinn hin hit = goth. jains jaina jainata gebildet, welches, wie mir scheint, anfänglich ein dar- auf folgendes adj. voraussetzt, z. b. aus mädr hinn godi entsprang allmählich madrinn godi und zuletzt auch bloszes madrinn, ohne ge- leitendes adj. eigentlich stehn also die goth. ahd. und ags. spräche der altn, hier darin entgegen, dasz jene ihr subst. durch das erste demonstrativ, diese durch das zweite bestimmt, dem nord. brauch schlieszt sich einigermaszen der mnl. an, insofern er auszer die die dat auch ghene ghene ghßnt als artikel setzt, wie der romanische artikel insgemein aus dem lat. ille illa erzeugt wurde, gramm. 4, 376

* auffallend ist R in margr = goth. manags, ahd. manac, ags. mani^ moneg, fast wie L im serb. mlogi, altsl. mnog", poln. mnogi, böhm. mnohi. aus dem comp, meiri darf man es nicht deuten; sollte es vom suffigierten mangi nemo deutlich unterschieden werden? Schweden und Dänen, welche dies letzte wort nicht mehr kennen, sind wieder zum N in mänga mange gekehrt.

ALTNORDEN 5^5

und 431 ist die Seltenheit und das allmähliche auftreten des artikel- suffixes gezeigt worden. Ebendaselbst 4, 39 48 wurde gewiesen, dasz durch anhang eines ursprünglich dem verbum frei nachfolgen- den reflexivpronomens eine scheinbare flexion entstand, die statt der medialen bedeutung zuletzt passive annahm.

Aus dem gesagten erhellt, dasz heutzutage so auffallende beson- derheiten des nord. dialects keinen genetischen unterschied begrün- den, vielmehr anzunehmen ist, es sei zur zeit des ülfilas oder im beginn unsrer Zeitrechnung von den vorfahren der Scandinaven so wenig ein artikel (der noch überall selten war) am nomen, und ein reflexiv am verbum suffigiert, als damals schon das N der flexionen abgeworfen worden, was auch der friesischen und englischen flexion widerfuhr, geschah der nordischen allerdings früher; überhaupt sehn wir sie sich immer mehr für suffixe und gegen praefixe entscheiden, wie ihr denn z. b. die gothischen ga- und bi- mangeln, einzelnen spuren nach (gramm. 2, 735. 751) aber gleichfalls einmal zugestan- den haben müssen, hierher auch risa für goth. usreisan (s. 664) und das schwed. dän. paa statt des altn. uppä; die angehängten negationen sind dagegen einleuchtendes beispiel der suffixe.

Im pronomen stimmt J)at zum goth. sa so pata, ags. se seo J)ät, gewis aber stand dem masc. ursprünglich kurzes sa zu, aus welchem dann für die schwache flexion überhaupt -a statt -i zu ent- 756 nehmen wäre; das fem. verhält sich zu goth. so, wie das ü in tungü zum goth. ö in tuggöns. characteristisch ist der abgang des goth. is si ita, ahd. ör siu öz, wofür ein der neutralform unfähiges hann hun gilt, dessen Ursprung schwierig scheint, erwägt man das ags. he heo hit und die Überreste des goth. demonstrativum hita himma hina; so zeigt sich die demonstrative form eingedrungen in die persön- liche und mit einem suffix des andern demonstr. hinn hin = ille illa verbunden, hann hun entspränge also aus goth. bis jains hi jaina.

Unter den praepositionen gebrechen der altn. spräche das goth. bi, ahd. pi; goth. du, ahd. zi; goth. J)airh, ahd. duruh und werden ersetzt durch hiä (schwed. dän. hos), til, i gegen. Mit ihrem hau hun hos tu igenom stehn noch heute die Scandinaven uns andern Deutschen entgegen.

Die ergibigkeit der denkmäler altn. spräche ofi"enbart uns ihren reichthum, der sich mit jedem andern dialect, dem goth. ahd. und ags. vielfach berührt und noch genug eignes, allen übrigen entgehen- des besitzt, könnten wir aber der andern sprachen umfang eben so vollständig überschauen, so würde sich die gemeinschaft aller besser an tag legen.

Dem goth. bagms entspricht badmr näher als das ags. beäm, ahd. poum; dem hauri hyr, dem hallus hallr, dem valus völr, dem vandus vöndr, dem magnus mögr, dem malö mölr, dem trigo trfe'gi, dem airus ari, dem vairilö vor, dem lubi lyf, dem lasivs lasinn, dem nipjis nidr, dem grßtan grata, dem hinpan hitta, dem drunjan drynja, dem digrs digr, dem bani ben, dem fani fen, dem kuni kyn. das

526 ALTNORDEN

goth. 6ta in uz6ta praesepe von itan gleicht dem altn. gebrochnen iata gen. von iötu von 6ta und litth. edziös von esti, gr. (pdtvrj f. (payBxfvr) von (paystv*

Ahd. und altn. 6tar iadar, hachul hökull, enchil ökkull, hlancha

577 hlökk, wanchön vakka = lat. vagari, HnSchar Hnikur, kamal gamall,

haru liör, här här, dilli J)il, ella elja, challön kallä, andi enni, omo

omi, rippi rif, Sippia Sif, luppi lyf, louli laukr, haruc hörgr, sölah

s6lr, falawisca fölskvi, heigiro hegri (gramm. 1, 432).

Ags. und altn. häle halr (vgl. ahd. halid), hat hattr (s. 577), hväl hvalr, seolh s6lr, brim brim, eorl iarl, eorp iarpr, äled eldr, eodor iadar, leäc laukr, hreäc hraukr, sveora sviri, oma omi, secg seggr, söt söt, näs nes, gicel iökull, hei hoel, geohdo ged, grid grid. nemlich auszer frido fridr pax besitzen diese beiden sprachen ein den übrigen mangelndes grid für den begrif friedlicher Sicherheit, wie die Gothen neben frij)us auch gavairj)i verwenden.

Es wäre aber leicht eine menge Wörter auszuheben, die der altn. spräche eigen und den übrigen verloren sind oder darin nie vorhanden waren, bei abhandlung des vocalismus im ersten theil meiner grammatik habe ich ein reiches Verzeichnis aller altn. wörter gegeben.

Viele jener eigenthümlich altnordischen leben auch noch in der neueren spräche fort, z. b. agn esca, piscatura, schwed. dän. agn, woher der mannsname Agnar venator piscator (ahd. Aganheri? denn Agenaricus hat Ammian 16, 12); gäta aenigma schwed. gäta dän. gaade ; hali cauda schwed. dän. hale ; skegg barba schwed. skägg dän. skäg; hiarsi hiassi sinciput schwed. hjesse dän. isse, doch übrig im nnl. hersepan; hreidr nidus dän. rede; litr color schwed. let; Iser femur schwed. lär dän. laar; fors Cataracta schwed, fors dän. fos, woher vermutlich der name Porseti Fosite (mythol. 1210); gluggi fenestra schwed. glugg dän. glug; sseng lectus schwed. dän. sang; ostr caesus schwed. dän. ost; leir argilla schwed. dän. 1er; il planta pedis altschwed. il; sild halec schwed. dän. sild; kätr hilaris schwed. kät lascivus dän. kaad; püngr gravis schwed. dän. tung; tapa per- dere schwed. tapa dän. tabe; kasta jacere schwed. kasta dän. käste; elska amare schwed. älska dän. elske, schwerlich für eldska von eldr, vielmehr von ala fovere.

Nicht wenige sind aber heute erloschen z. b. farmr onus; hratti 758 aestus maris ; garpr und greppr vir fortis ; bland lotium ; gandr lu- pus; klasi racemus; masti papilla; hvammr convallis; skagi Promon- torium; tad fimus; glata perdere; hättr mos; mak unguentum; fönn nix; J)ömb arcus; söl alga; der umbraculum pilei; fler ratis; hik mora; rik pulvis vgl. goth. rikan congerere; lipr facilis; niprpulcher; slippr nudus; glis fucus; linni serpens scheint ein goth. linpa; ahd. lindo? vgl. mythol. s. 652; bil momentum; J)ulr orator; brum

* altn. deli canis mas wäre oben s. 448 anzuführen gewesen; aber auch urri heiszt canis, yrsa canis f. also = ursi.

ALTNORDEN 257

frondes arborum; skrum nugae; buna scaturigo; hrund femina; urri canis; skutull venabulum von skiota; hylr gurges; gola aura frigida; fok ningor von fiuka; Ion intermissio ; mor pulvis; dorg hamus; dorri aries; rygr mulier opulenta; frann nitidus; skän cortex; lära fran- gere ; smaera trifolium ; sömi decus ; glöra micare ; stauli servus ; J)aul sermo prolixus vgl. J)ulr; raumr vir grandisonus (vgl. Raumar s. 751); fliod virgo venusta; hliod sonus (vgl. ahd. hliodar ags. hleodor ora- culum); und eine grosze zahl anderer.

An lat. Wörter reichen manche z. b. ardr aratrum; füll pocu- lum (vgl. s. 657); vömb goth. vamba = venter (vgl. s. 336); ledja ahd. leddo = lutum; karn hernia; hiörr und hiari cardo; wahrschein- lich gehören hyr und goth. hauri zu carbo. dallr arbor und doli nympha, deren leben an den bäum gebunden war, halte ich zu &u^- Xstv grünen, wachsen und die &äXkc!i ist Doli.

Merkwürdig scheint die ähnlichkeit finnischer Wörter: är remus finn. airo läpp, airru; herdar scapula ahd. harti finn. hartio läpp, hardo; refr und rebbi vulpes schwed, räf dän. räv finn. repo gen. revon; loll segnities finn. löUi segnis tardus; magi stomachus schwed, mage dän. mave finn. mako gen, maon; maur formica schwed. myra dän. myre mnl. miere finn. muurainen; piltr puer schwed. pilt finn. piltti; püki puer schwed. pokje puer piga famula dän. pog puer pige puella, finn. poika poian puer, piika puella; alda unda finn. alto; altschwed, nek dän. neg merges frumenti, finn. nikuli par mergitum; llk corpus goth. leik finn. liha; kös acervus finn. kasna; maekir gla- dius finn. miekka. andere habe ich sonst aufgezählt. Solche ein- stimmungen erklären sich aus früher nachbarschaft der Finnen und 759 Deutschen und wechselweise wurde deutsches ins finnische, finnisches ins deutsche übernommen.

Keltische Verwandtschaft zeigte sich uns oben gerade beim haus- vieh: kälfr colpa; tarfr tarbh taru; bauli taurus und baula vacca von baula mugire; lamb Uamp, es sind aber auch andere Wörter beizubringen, z. b. altn. las sera schwed. las dän. laas, ir. und gal. glas, denn fiösse es aus der wurzel l6sa gotfi. lisan, so würde es sich auch in den andern deutschen dialecten zeigen. Man hat Niördr und Nerthus zum ir. gal. neart gen. nirt, welschen nerth, armor. nerz gehalten, welche alle kraft und stärke ausdrücken, wie wunder- sam, dasz den Finnen neiti neito virgo neitoinen puella, den Iren naoidhe, den Galen naoidhean kind ausdrückt, aber auch den Böhmen neti neptis, den Gothen nipjo, altn. nidr filius und propinquus, nift nipt soror, sponsa (vgl. s. 271),

Einzelne Ortsnamen weisen bald auf finnische, bald keltische spräche, z. b, Sämsey auf Sämr = Sabme Same d. i. Lappe, Hlessey auf Hlör den wassergott, vielleicht vom welschen Uyr see, ström.

XXVIII. DIE EDDA.

760 JDiö ßdda ist ein tmvergleicliliches werk, denn ich wüste nicht, dasz bei irgend einem andern volk grnndztige des heidnischen glau- bens so frisch und unschuldig aufgezeichnet worden wären; an sol- cher einfachen, von keiner kunst der poesie ausgeschmückten fassung, wenn die natur des mythus wie der spräche erkannt werden soll, liegt es aber, in der edda verschlingen sich götter- und heldensage, die auch sonst nicht von einander zu lösen sind. Snorri in der Ynglingasaga und noch entschiedner Saxo in seinem ganzen werk unterwerfen schon den mythischen stof ihrem eignen urtheil. Unter den Griechen hat fast allein Pausanias in seiner treflichen TtEQtij'yfjötg der gesammelten volksage ihre reinheit gelassen; aber er geht ihr nur nebenbei nach. Hesiods darstellung ist zu dichterisch Tind Apol- lodors bibliothek zu nüchtern, Ovids reiche metamorphosen erscheinen weder ursprünglich noch ungeziert, im alterthum der übrigen Deut- schen ist zufällig, etwa wie in griechischen schollen, einzelnes werth- voUe geborgen.

Gemeint aber wird hier die jüngere prosaedda aus drei (eigent- lich nur zwei) theilen Gylfaginnlng, Bragaroedur und Skäldskaparmäl bestehend, deren Verfasser, allem anschein nach, Snorri nicht war, da dieser in Ynglingasaga, welche ihm mit gröszerem recht zusteht, eine abweichende, viel bestimmtere ansieht an den tag legt. Von

761 Snorri ist auszerdem ein hättatal oder hättalykill geschrieben worden, welcher jetzt einen zur edda ungehörigen anhang, unter dem titel bragarhsettir bildet.

Eben so wenig gebührt den kostbaren altern liedern mythischen und epischen Inhalts, deren sich ein ansehnlicher theil erhalten hat, und welche schon in noch gröszerer zahl dem Urheber der edda vor- lagen, dieser name. höchstens könnte man in einigen ungebimden beigefügten eingängen und Schlüssen den stil der edda wiederfinden, allein die lieder selbst machen kein ganzes, zusammenhängendes werk und ihr höheres alterthum, der edlere ton, den sie anstimmen, schlieszt einen namen aus, der für die erzählende weise eines werkes späterer zeit überaus passend gewählt wurde.

EDDA 529

Edda nemlich bedeutet proavia, wie aus Ssem. 100^ Sn. 202 zu ersehn ist, und nach dem gewöhnlichen Verhältnis des altn. DD wäre dafür goth. izdo zu gewarten, welches ich schon s. 313 berathen habe, wobei aber das einfachste schiene, sich an das finn. isä pater, isoisä avus, isoäiti avia zu erinnern, von eida mater goth. ai|)ei finn. äiti (s. 267. 271) wird edda proavia Sn. 202 ausdrücklich unter- schieden. Es ist nun völlig im sinne des alterthums, dasz die ur- groszmutter dem kreis ihrer kinder und enkel von der Vergangenheit künde gibt, und so mag auch die spinnende frau Berhta oder königin Pedauca den lauschenden nachkommen erzählt haben,, was ich damit bezeuge, dasz in Frankreich die contes de ma möre l'oie unverschollen sind. In einem abgehenden, verlornen prolog würde vielleicht die edda leiblich eingeführt werden und den faden der erzählung drehen. Ob eine der erhaltnen handschriften noch den alten titel edda führt, kann ich nicht sagen; doch werden schon in einem isländischen gedieht auf den heil. Gudmund aus der zweiten hälfte des 14. jh. die dichtkunst eddulist, und in dem gedieht lilia', vermutlich derselben zeit, die gesetze des dichtens eddureglur benannt, was sich alles auf skäldskaparmäl beziehen musz. man könnte von diesem gesichtspunct die nordische edda der mhd. aventiure vergleichen.

Wie nun der ganzen altnordischen poesie gesprächsform zusagt 762 und viele lieder in rede und antwort eingekleidet sind; so stimmt auch die grundlage der edda höchst merkwürdig mit dem gewebe eines älteren liedes überein.

In Vaf|)rüdnismäl wird vorgestellt wie Odinn, der vielerfahrne gott es unternimmt einen weisen und mächtigen riesen heimzusuchen und zu prüfen, als wegemüder pilgrim tritt er unter dem namen Gängrädr in Vaf[)rüdnis halle, wird gastfrei empfangen und nachdem er dem iötunn rede gestanden hat auf vorgelegte fragen, richtet dann Odinn eine reihe der schwersten über die weit, götter und riesen an seinen wirt, der ihm bescheid gibt, aus der letzten frage Inhalt aber räth, dasz ihm der mächtige gott selbst entgegengetreten sei und seine geheimnisse ausgeforscht habe, was darauf weiter geschah, wird nicht gesagt; während ein andermal dieselbe frage (nach dem, was Odinn dem Baldr ins ohr geflüstert, bevor er auf den Scheiterhaufen ge- tragen ward) Unheil herbei führte, offenbar ist Odinn, der als Gestr blindi dem klugen Heidrekr gegenüber steht (fornald. sog. 1, 464 488) identisch dem Odinn als Gängrädr gegenüber Vafprüdnir. das wich- tigste aber musz scheinen, dasz der name VafJ)rüdnir mit Vafudr, einem der namen Odins selbst (Saem. 47^) zusammenfällt, der die webende wabernde luft ausdrückt (Ssem. 50*). dies Verhältnis soll sich hernach näher aufschlieszen.

In der edda tauschen die rollen geradezu, hier tritt kein gott auf, der die riesen, sondern ein mensch, der die götter erforschen will, ein kluger, in SviJ)iod herschender könig macht sich auf nach Asgard und Vallhöll, um der äsen herlichkeit zu schauen ; auch er birgt seinen eigentlichen namen Gylfi und nennt sich Gängleri, was

Grimm, gescliichte der deutschen spräche. 34

530 EDDA

deutlich mit jenem Gängrädr eins ist und wieder den pilger bezeichnet, wie aber Odinn selbst Vafudr = Vaf J)rüdnir heiszt, erscheint wiederum Gängleri oder Gänglari als name Odins (Ssem. 46*) [der arme genge- leere. GA. 2, 426], und mit recht hat in dieser stelle Munchs ausgäbe s. 31^ Rasks unnöthige, ja falsche lesart Gängrädr wieder beseitigt. 763Gylfi wird zwar nicht iötunn genannt, noch ist Svi{)iod lötunheim, allein er scheint doch früher im land angesessen als die äsen [und den riesen befreundeter], und sonst heiszt eine riesin Giälp (Ssem. 118^), Gylfi aber (ags. Gylpa Gulpa? ahd. Golfo?) drückt prahler aus.* Dieser Gylfi oder Gängleri legt nun eine menge fragen vor über die äsen, die schöpfung, himmel und erde und wird darauf ausführlich von Här beschieden; öfter (Sn. 5. 23. 48. 49) reden auch lafnhär und Thridi mit ein in die antwort. zuletzt aber scheinen dem Gängleri die fragen auszugehn und er wird von Här entlassen; da vernimmt er heftigen donner, VallhöU ist vor seinen äugen verschwunden, er kehrt heim in sein reich und erzählt, was ihm widerfahren war: aus seinem bericht schöpfte man künde von diesen dingen. Den in solchen rahmen gebrachten erzählungen, die durchgängig nicht blosz aus den älteren, vorhandnen oder verlornen liedern geschöpft sind, sondern auch den Zusammenhang zwischen ihnen herstellen, hat man den namen do3mi- sögur (beispiele) ertheilt und jüngere abschreiber mögen sie gar Gyl- faginning (Gylfis teuschung) oder Härs lygi (Härs lügen) benannt haben.

Der andere theil der edda heiszt Bragaroedur. wie Vafjirüdnis- mäl auf einem besuche Odins bei dem iötunn, Gylfaginning auf einem besuche Gylfis bei den göttern beruht, werden auch Bragaroedur durch ein gastmal eingeleitet, nach dem alten lied hatte Oegir oder G^mir den äsen zu sich entboten und brauchte goldlicht statt des feuerlichts. die edda kehrt es aber wieder um und läszt den Oegir, der aiich Hier heiszt, nach Asgard reisen, welchen die äsen mit gaukelspiel**, wie den Gylfi empfangen; statt des feuerlichts hatte Odinn schwertlicht, beim gastmal sasz dem Oegir zunächst Bragi, und beantwortete ihm die vorgelegten fragen durch erzählungen, wie 7()4Här dem Gylfi, daher rührt der fragliche name Bragaroedur. Zu- gleich erhellt, dasz der Sammler der edda nicht jenes lied vor sich hatte, welches wir unter dem namen Oegisdrecka oder Lokaglepsa besitzen, weil beide einleitungen völlig abweichen, es gab also ver- schiedne, wenn schon ähnliche sagen.

Ferner trage ich keinen zweifei, dasz die sogenannte skälda oder skäldskaparmäl, die man in den ausgaben als dritten theil der edda sondert, unmittelbar und noth wendig zu Bragaroedur gehört, was immer Rask s, 93 dawider sage, denn zu geschweigen, dasz sonst Bragaroedur viel zu geringen umfang erhalten würde, empfängt man

* eine tochter des Gylfi, namens Heidr wird dem Sigrlami, Odins söhne vermählt, fornald. sog. 1, 413.

** sionhverfingum; man erinnert sich dabei des empfangs der heid- nischen boten in Carls bürg (mythol. s. 1086); auch eine lombardische sage von Arichis ist zu vergleichen (Pertz 5, 479).

EDDA 531

über die wähl Bragis zum erzähler erst dadurch eigentlichen auf- schlusz, dasz er als gott der dichtkunst vorzugsweise geschickt ist die dichterischen ausdrücke nach ihrem mythischen Ursprung zu deuten, er hatte (Sn. 83) den beginn der skaldschaft erzählt und aus seinem munde schlieszen sich nun höchst passend die weiteren antworten auf Oegirs fragen an, die alle zur dichtkunst gehören, mit unrecht sind darum in Rasks ausgäbe des skäldskaparmäl diese durchlaufen- den bezüge auf Oegir und Bragi als unecht eingeklammert worden; dasz aber die dichter regeln stets zur edda gerechnet wurden, lehren die s. 761 beigebrachten Zeugnisse. Hingegen formäli Sn. 1 16 und die beiden eptirmäli Sn. 78. 88 90 verrathen sich von selbst als fremdartige, wenn schon ziemlich alte zusätze.

Warum aber habe ich hier überhaupt die edda zur spräche ge- bracht? weil sie beitragen soll den rechten standpunct für die völker- verhältnisse des alterthums zu sichern.

Es ist schon mehr als einem forscher aufgestoszen , dasz in den sagen von zwergen und riesen die beiden als zurückgedrängte, vor dem einwandernden stamm der menschen weichende alte landeinwoh- ner erscheinen, davon bin ich gleich oben s. 2 und 15 ausgegangen: gegenüber alten weidenden und milchessenden riesen traten ackernde menschen auf, und wenn der pflüg selbst für ein lebendes thifer galt (s. 57), konnten auch pflügende rinder und menschen einer hünen- jungfrau wie seltsames gewürm vorkommen; zwischen dem alten und neuen volk war abneigung und feindschaft und dieser grundzug zuckt 765 im beweglichen dement mythischer Überlieferung allenthalben nach, jene riesen oder zwerge im gegensatz der menschen sind bald bei- den, bald geschichtliche fremde Völker, die sich von den Christen und eingebornen absondern, zwerge und riesen, wie sie die dichtende sage ausstattet, gab es nie, wol aber nachbarn von verschiedner race und kleinem oder groszem schlag, deren sich der mythus bemächtigte, mythol. s. 427. 493. 1035 ist entwickelt worden, wie den Deutschen und Scandinaven Wilzen, Wenden, Finnen, Lappen, Avaren und Hünen als zwerge oder riesen erschienen und die beschafl'enheit dä- monischer wesen annahmen, mit welchen bald in friedliche bald feind- liche berührung getreten wurde, an den i'iesen wird sowol treue und verstand als plumpheit und Übermut, an den zwergen sowol elbische Schönheit und geschick als häszliche gestalt, truglist und verrath wahrgenommen.

Mit diesem gegengewicht einer umheimlichen geisterweit zu dem menschengeschlecht rinnt aber zusammen die tiefwurzelnde Vorstellung des alterthums von einer zwiefachen art der götter selbst, die es ent- weder als waltende naturkräfte oder sittliche begrifl^e auffaszt. denn nicht zu verkennen ist, dasz die groszartigen Wirkungen der demente dem kindlichen glauben der vorzeit sich als riesische oder titanische gewalten, die sittlich erhabenen eindrücke göttlicher wesen im be- freundeten bilde menschlicher beiden und ahnen darstellen, weshalb auch jenen übermenschliche gestalt, diesen aber das höchste masz

34*

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menschlicher Schönheit beigelegt wird, hieraus folgt nun weiter, dasz, da der rohen naturkraft allmählich die sittigung der menschen entgegentritt, mit den einwandernden Völkern zugleich ein neues göttergeschlecht anlangt, vor welchem die älteren naturgötter weichen : den Vaf prüdnir überwältigt Odinn. wie bei unsern vorfahren standen auch bei den Griechen neue götter den älteren titanen gegenüber (mythol. s. 311); das ist eine der wichtigsten und bedeutsamsten ein- stimmungen zwischen deutschem und griechischem alterthum.

Es gehört nicht hierher näher im einzelnen zu entfalten, auf

766 welche weise der altnordische glaube sich die macht des feuers, Was- sers und windes, der sonne und des mondes*, des tages und der nacht als leibliche riesen dachte, deren sinnliche eigenschaften her- nach zum theil auf die jüngeren gottheiten, die jener stelle einnah- men, übertragen wurden, zum beweis dienen allein schon die mehr- fachen namen, welche den hauptgöttern beständig gewissermaszen alten und neuen cultus vereinen. Odinn, wie wir vorhin sahen, fällt als Vafudr mit dem iötunn Vaf}3r0.dnir zusammen, der die webende, bebende luft darstellt; mit andrer benennung heiszt aber auch Odinn Biflindi, ja der eigne name Odinn oder Wuotan scheint auf die all- durchdringende luft bezüglich (mythol. 120. 135. 836) und eine be- nennung seines sittlichen wesens , Oski oder Wunsc , bedeutsam mit dem begriffe öskabyr oder wunschwint (mythol. s. 135. 136) ver- knüpft. Donar oder Thörr gleicht dem riesen Thrymr (sonitus), dem am besitz des hammers gelegen ist wie jenem, er ist gleichsam ein älterer Ökupörr, der dem jüngeren Asapörr erliegt. Oegir, ags. Egor, noch heute im engl, dialect von Nottingham Eager, gemahnt an die finnische wassergottheit Alito gen. Ahin wie ans lat. aequor, und hiesz mit anderm namen Hlör, wovon Hlösey, dän. Lässö, die insel genannt wird, mit einem dritten G^mir (Seem. 59), der auch sonst deutlich als iötunn auftritt (Sa3m. 82^. si**-^), und als der vater der

767 Gerdr (Saem. 117^')» ^^ welche Preyr warb, dessen vater Niördr bei den äsen über das meer waltete, wie Nerthus bei Tacitus am see- gestade wohnt. Oegir aber, dem das goldfeuer zu gebot stand, scheint zugleich feuergott, was seiner diener namen Funafengr (feuerfänger) ** und Eldir (zünder) verrathen, denen Loki, als neuer gott des feuers,

* Caesars berühmter nachricht von den Germanen: deorum numero eos solos ducunt, quos cernunt et quorum opibus aperte juvantm-, Solem et "Vulcanum et Lunam: reliquos ne fama quideni acceperunt, lasse ich mythol. s. lOH noch nicht ihr recht angedeihen: sie trift vollkommen zu für den naturcultus, wie er damals llömern bei Sueven und noch späterem beobachter bei Alamannen (mythol. s. 89) vortrat, nur dasz daneben an- dere götter, wie sie Tacitus im folgenden jh. wahrnimmt, nicht verehrt worden seien, dasz ein Übergang von den alten göttern zu den neuen gerade im ersten jh. stattgefunden habe, darf man so wenig glauben, als dasz die Alamannen des sechsten blosz bäume und wasserstrudel angebetet hätten, auf die übrigen götter erstreckte sich Caesars und Agathias künde nicht, sie müssen lange vor Caesars zeit da gewesen «ein. ** gewis ist Saem. 59. Sn. 129 so zu lesen für Fimafengr.

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aufgesessen ist: den Funafengr erschlägt, mit Eldir streitet er. ein andermal unterliegt aber Loki dem alten naturgott Logi, aus dessen namen nur jener fortgeschoben ist.

Odinn, Thor und Loki heiszen äss, alle neuen götter und göt- tinnen sesir und äsynjor, ihre himmlische brücke heiszt äsbrü (s. 657), ihre bürg äsgardr oder äsagardr (borgr äsa, Saem. 5*) und steht dem iötunheimr oder den iötnaheimar entgegen; doch in keinem der lie- der wird gesagt, dasz die äsen aus dem osten (wo sie lornandes als anses kennt) in den norden eingewandert seien, nur die edda weisz es noch, weil sie einen äsgard hinn forna, einen alten äsgard nennt (Sn. 3, 11), der vom nordischen verschieden sein musz. ich halte das für echte Überlieferung, aber freilich die s. 10 vorausgehenden worte '|)at köllum ver Troja' für später eingeschaltet, vielleicht vom Verfasser des formäli, der s. 7. 11 diese falsche anknüpfung an Troja und Griechenland noch weiter ausmalt.

Snorri, wenn es sicher ist, dasz er Ynglingasaga schrieb, war schon in der ersten hälfte des 13. jh. der meinung, dasz aus jener SvlJ)iod hin mikla am Tanais, wo Asaland, Asaheimr und eine bürg Asgardr gelegen habe, Odinn und seine diar mit groszem beer west- wärts nach Gardariki, von da südwärts nach Sachsen und endlich nördlich über das meer nach Fion (Fünen) gelangt seien, wo hierauf der name Odinsey entsprang, als ihm nun auch Schweden gehorchte, sei es Mannheim, das alte grosze Schweden aber Godheim genannt worden und zuletzt Odinn selbst wieder dahin zurückgegangen: sagdi hann sik mundo fara i Godheim ok fagna par vinum sinum. hugdu Svlar, at hann vgeri kominn 1 hinn forna Äsgard ok mundi J)ar Ufa at eylifu. sehr merkwürdig aber ist, was cap. 16 von Svegdir be-768 richtet wird, dasz er feierlich gelobt habe 'at leita Godheims ok Odins ens gamla'. dies Godheim suchen, oder wie es gleich darauf heiszt, dies "^at hitta Odinn', Odin aufsuchen bat entsprechende ähnlichkeit mit dem gehn zu Zalmoxis bei den Geten (s. 187), die gleich den Schweden an unsterbliches leben in gemeinschaft mit ihrem gott glaubten. Godheimr, Godvegr ist aber deutlich der Godjjiod alte heimat im osten, nach der ihre Sehnsucht auch in der ferne fortdauerte. Mannheim neben Godheim bringt mich auf neue fährte: in Mannheim wohnen die Menn (goth. Maus, gleichsam Alamans s. 498 und des Mannus nachkömmlinge), welche Alvismäl neben lötnar, Alfar, Dver- gar, Vanir und Godar stellt, diesen nom. aus dem dat. pl. Godom zu entnehmen ist eben so zulässig als aus godom den nom. pl. god (dii), und mythol. s. 308 machte mich schon stutzig; dasz str. 17 götter und äsen, str. 21 götter und ginregin nebeneinander genannt werden, sind aber Gothen, Mannen, Vanen als Völker gemeint, so vernehmen wir zugleich die organische, den goth. GuJ)ans entsprechende namensform Godar, die hernach in Gotar entstellt wurde, genau ge- redet wäre str. 17 söl heitir med Mönnom, enn sunna med Godom, wenn schon sauil auch gothisch, sunna auch nordisch ist. von Mann- heimr und Godheimr wird aber in den nordischen sagen Alfheimr

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und lötunheimr unterschieden. Die beiden Asgard, das alte und neue, im osten und westen, können sie nicht auch anklingen an die niaeotischen 'JönovQyLavoi zwischen Phanagoria und Gorgippia bei Strabo s. 495. 556 und auf inschriften (Böckh 2, 94^ 115*- ^*j, ja selbst an das abweichende '^ötußoigyLOV am riesengebirge und Asci- burgiura am Rhein, die sich hernach von Iscio, der Iscaevonen stamm-

769vater oder dem eddischen Askr deuten lassen? Asaland aber muste sich der späteren betrachtung von selbst in Asia wandeln und so den gedanken an die Türkei herbeiführen, ohne dasz es nöthig oder glaublich wäre, diese Verknüpfung aus einer bekanntschaft der Nor- mannen mit altfränkischer sage abzuleiten. Sögubrot (fornm. sog. 11, 412) drückt sich folgendergestalt aus: upphaf allra fräsagna i nor- rcenni tüngu, Jjeirri er sannindi fylgja, höfst er Tyrkir ok Asia- menn bygdu nordrit; ])vi er J)at med sönnu at segja, at tüngan kom med J)eim nordr higat, er ver köUum norroenu, ok gekk tünga um Saxland, Danmörk ok Svipiod, Noreg ok um nokkurn hluta Eing- lands. höfudmadr Jiessa folks var Odinn, son Thors, hann atti marga sonu. hann skipadi sonum slnum til landa ok gerdi höfdingja. einn af sonum hans er nefndr Skiöldr, er land tök ser, |)at er heitir Danmörk. en J3a voru J)essi lönd, er Aslamenn bygdu, köUud God- lönd, en fölkid Godiod (vgl. oben s. 740). Nicht anders sagt Her- vararsaga cap. 2 (fornald. sog. 1, 413): pessa samtlda komu austan Asiamenn ok Tyrkjar, ok bygdu Nordrlöndin, Odinn h6t formadr J)eirra. Aber schon Ari prestr hinn frödi, aus dem 11. Jh., der dem Snorri lange vorangieng, nennt in der genealogie der Ynglinge am schlusz seiner Islendinga bok, den Yngvi Tyrkja konüngr, welche künde ihm doch sicher nicht aus Frankreich her gekommen ist. Zugleich ist klar, dasz unter allen Nordländern der glaube an östliche abkunft verbreitet war und auf Godpiod wie Svipiod erstreckt werden musz, also mit dem gegensatz der zu verschiedner zeit und aus verschied- ner gegend eingewanderten Schweden und Goten nichts zu schaiFen hat. Dringt man in diese Verhältnisse ferner ein, so empfangen die dem Odinn schon von den alten liedern beigelegten namen auszerordent- liche bedeutung. er heiszt Vegtamr (wegemüd), Gängrädr, Gängleri, bei Saxo p. 45 viator indefessus, warum er gerade von allen göttern? gewis weil seine Wanderungen von osten nach norden unter dem Volke berühmt und eingeprägt waren, wenn also auch dieser züge die uns verbliebnen lieder nicht mehr gedenken, setzen in solchen

770 namen sie sie offenbar voraus, es ist oft gesagt worden, dasz die ältesten hss. der lieder nicht über das 13. jh. reichen, aber auch eingesehn, wie wenig das ihrem höheren alter anhaben könnte, wel- ches wol sicher in das elfte jh., aller Wahrscheinlichkeit nach weiter

* ich weisz, dasz man auch an 'das pers. asp equus (s. 30) gedacht hat, wodurch die Zusammensetzung as-purg ausgeschlossen schiene, doch zwingend sind die gründe nicht, und selbst asp könnte übertreten in ask, das in unsrer alten spräche schif bedeutet, namen des schifs gehn in die des rosses über.

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in die vor zeit zurück aufsteigen musz. mögen sie immer im verlauf der zeit änderungen und einschaltungen erfahren haben; solche bei- namen wie die angeführten odinischen und ihre Ursache gehören dem tiefsten alterthum, und es läszt sich aus einem wichtigen zeugnis des Paulus diaconus darthun, dasz mit der ansieht von Odins herkunft aus dem osten schon das achte jh. gleich den späteren, und nicht allein im norden, sondern auch in andern theilen Deutschlands ver- traut war. Wodan sane, sagt er 1, 9, quem adjecta litera Gwodan dixerunt, ipse est qui apud Romanos Mercurius dicitur, et ab uni- versis Germaniae gentibus ut deus adoratur, qui non circa haec tem- pora, sed longe anterius, nee in Germania sed in Graecia fuisse per- hibetur; man hat ungeschickt und die kraft der ganzen stelle zer- störend, den letzten satz auf Mercur, statt auf Wodan ziehen wollen*, dessen und seines volkes abstammung aus Griechenland (und das darf doch Thrakien und Getenland meinen) durch solch eine Überlieferung willkommen bestätigt wird.

Weder Paulus stellt diesen Wodan, noch die edda Odinn als einen betrüger, zauberer und volksaufwiegler dar ; aber der späteren christlichen Vorstellung muste angemessen scheinen, den von dem heidenthum verehrten mächtigen namen nur in solchem licht auf- treten zu lassen. Yngl. saga cap. 7 legt dem Odinn zauber und runenkünste bei, er habe todte aus der erde geweckt und alle ver- borgnen schätze gewuszt. Noch weiter schreitet Saxo grammaticus, der den Othin nicht blosz als machthaber schildert, sondern als listi- gen Verführer, dessen leben durch entehrende handlungen in schatten gestellt wird, aber auch Saxo weisz und berichtet, dasz Othin und die andern äsen oder dii- ihren alten sitz in Griechenland hatten, 771 oder wie er sich bestimmter ausdrückt zu Byzanz, also in Thrakien, p. 45 heiszt es geradezu: at dii, quibus praecipue apud Byzantium sedes habebatur, Othinum variis majestätis detrimentis divinitatis gloriam maculasse cernentes, collegio suo submovendum duxerunt. vorher aber s. 13 war gesagt worden: ea tempestate cum Othinus quidam Europa tota falso divinitatis titulo censeretur, apud Upsalam tarnen crebriorem diversandi usum habebat . . . cujus numen septen- trionis reges propensiore cultu prosequi cupientes effigiem ipsius aureo complexi simulacro, statuam suae dignationis indicem maxima cum religionis simulatione Byzantium transmiserunt. als nun die unge- treue Frigga von dieser bildseule das gold abgezogen hatte, sei Othin vor schäm aus dem lande gewichen und ein andrer zauberer Mitothin (unter welchem man sich Odins bruder Ve oder Vili bei Snorri denken mag) [Yngl. 3 Vilir = OUerus] an seinen platz eingetreten, doch zuletzt Othin zurückgekehrt und wiederhergestellt worden, dem Saxo war folglich Othins auszug und rückkehr in das östliche reich bekannt.

Umsonst war die mühe einen Odinn und Wiedergeburten Odins historisch aufzustellen: es ist an ihm der hauch eines göttlichen

Schmidts zeitschr für gesch. 1, 264, vgl. mythol. s. 1207.

536 EDDA

Wesens, das sich nicht anfassen läszt oder dem fassenden unter der hand verflüchtigt, Odinn ist schon jener Zalmoxis (s. 187), der zu Pythagoras gekommen und zuletzt wieder ins land der Geten zurück- gekehrt, oder der nach dreijährigem verweilen im unterirdischen haus ihnen von neuem erschienen sein und den glauben an Unsterblichkeit sie gelehrt haben soll, war er aber den Geten und vielleicht auch 772 den Skythen* vor beginn unsrer Zeitrechnung bekannt, wie könnte die aus Wanderung der Gothen und andrer Deutschen gegen westen und norden unter seinem geleit anders als mythisch verstanden wer- den? sein cultus erstreckte sich längst über alle Deutschen.

Klingt altnordische poesie, edda und was Snorri, andere Nor- weger und Saxo melden ein in alle andern ergebnisse über die ab- kunft der deutschen stamme aus fernem osten ; so werden sowol die denkmäler des nordens frei von dem ihnen oft gemachten Vorwurf werthloser und unglaubhafter erdichtung, als auch die übrigen nach- richten dadurch nicht um ein geringes bekräftigt, an der edda hat sich eine zum urtheil in mythologischen dingen noch unreife critik oft versehn.

* etymol magn. s. v. Zäf/o?.^ig 408, 2: a9^avatit,ovai 6h xal Tigil^oi xal Kgoßv'Qoi xal rovc ano&avovvtag loc Zä,uok^iv (paalv oi'xsa&ai, %etv 6h av^iq. xal tavza del vo(xlt,ovaiv dXrjO^svsiv. 9vovai 6h xal evcoxovv- rai, loq av&ig ij^orrog rov dno9av6vrog. die Terizer kenne ich sonst nicht, man dürfte an regaea^ai goth. Jjairsan und an Jjaursus ^rjQog erinnern, die Crobyzer aber sind dem Herodot 4, 49 Thraker, deren land ?) Kgoßv- t,ixh yrj heiszt imd nach Strabo s. 318 in Niedermoesien, nach Steph. Byz. südlich des Isters lag. Plinius 4, 12. 26 hat sie weit östlicher zwischen Donau und Borysthenes, am flusz Axiaces, in skythischem gebiet. Hroptr ist beiname Odins, mit dem ich aber hier noch nichts ausrichten will.

XXIX. GERMANEN UND DEUTSCHE.

Nachdem wir namen, sitz und Verwandtschaft aller einzelnen 773 stamme erwogen haben, ist es gelegen zuletzt noch eine bis hierher aufgesparte Untersuchung über die ihnen gemeinschaftlich zustehende benennung zu verbreiten.

Ich musz aber zuvor in die natur der volksnamen überhaupt mehr einzudringen suchen. Schon s. 153 wurde von dem grundsatz ausgegangen, dasz ein volk seinen namen sich nicht selbst ertheilt, sondern dasz er ihm von den umwohnenden nachbarn gegeben wird, zwischen welchen es auftritt, wie das neugeborne kind benannt sein musz, lange ehe es sich auf die nothwendigkeit einen namen zu füh- ren besinnen könnte; so empfängt auch der neue volkstamm, da wo er sich bildet, durch die früher bestehenden älteren stamme, die mit ihm in verkehr treten, eine benennung, die er hernach ebensowenig ablegen kann als der täufling die seinige; blosz ausnahmsweise mag sie genauer bestimmt oder verändert werden. Die nachbarn, von denen der name ausgeht, sind aber sowol stammverwandte einheimische als fremde, und je gröszer und wichtiger die Völkerverhältnisse waren, je zusammenfassender ihre merkmale, desto leichter wird ein aus fremder zunge herrührender name um sich greifen. Zuweilen kann auch geschehn, dasz ein volk, wenn es an die stelle eines fremden weggezognen oder verdrängten einrückt, dessen namen mit überkommt, 774 und gleich den eingeprägten benennungen der flüsse, berge und Wäl- der auch die der bewohner haften bleiben.

Betrachtet man nun den grund der namen, so ergeben sich drei arten, indem sie sich entweder auf einen stammherrn oder auf eine vorstechende eigenschaft des volks selbst oder endlich auf die gegend beziehen, in der es wohnt.

Die patronymische bezeichnung scheint dem geist unseres alter- thums die allerangemessenste. wie es tiefgewurzelte sitte war, und bis auf heute, nur in beschränktem umfang, unter fürsten und edeln noch ist, die im geschlecht hergebrachten eigennamen festzuhalten

538 VOLKSNAMEN

und zu wiederholen; so muste natürlich scheinen, auf die aus be- rühmten geschlechtern hervorgehenden stamme auch den namen des ahnen anzuwenden, der an ihrer spitze stand, hierbei kann aber das Verhältnis der abstammung auf mehr als eine weise ausgedrückt sein. die schönste und eigenste ist, wenn bloszer ablaut waltet, wie er in eigennamen pflegt (s, 441); so stehn nebeneinander Getae und Gau- dae, Gu|)ans und Gautos, Godar und Gautar, wo auszer dem ablaut des vocals auch die consonanz verschoben wird*. lornandes stellt bei den gothischen Ansen obenan einen Gaut, welchen ich aus der verderbten lesart Gapt zurückgeführt habe**, hier verdient aber eine bisher unangeführte stelle des etymol. magn. betracht, dessen compi- lator ums j. 900, nicht lange nach Photius lebte; gleich jener lango- bardischen sage (s, 688) konnte ihm auch die gothische bekannt ge- worden sein, es heiszt 238, 51: Fovd'og 6 ccqxcov Uicv^äv T(m> xcckov^Bvcov rovr&iüv (man vgl. Philostorgius oben s. 183). ebtxE yccQ ccTio Tov rjys^ovog avräv nXi]d'^vai. ta yccQ nolla eO'vr] ccTto tiüv fjys^ovcav oialovvtcci. Ist nun der in ags. genealogien als Vödens söhn aufgeführte Vodelgeät = ahd. Wuotilgöz um so gewisser mit 775 Vöden selbst einerlei, da noch ein mhd. dichter wuotegoz für tyrann braucht (s. 440), was ahd. glossen eben wieder wuotan ausdrückt (mythol. s. 121); so liegt hierin ein strenger beweis für die identität des Wuotan und Göz = altn. Odinn: Gautr, Hergautr, und wir erken- nen, dasz auch der goth. Gauts zugleich Yödns gewesen sein müsse; was könnte für allgemeinheit und alter des Wuotancultus stärker zeugen? Es tritt aber auch äuszerliche ableitung hinzu, am einfachsten blosz die schwache form, von einem göttlichen ahnen Irmin Irman entsprieszen des Tacitus Herminones (bei Plinius falsch Hermiones) d. h. goth. Airmanans, ahd. Irminon; von Ingus und Iscus (Iggvus Iskus) gothische Iggvans Iskvans oder Isqans), woraus dem Römer Ingaevones Iscaevones wurden; doch goth. V geht aus U hervor und bedarf keines bindenden AI, gerade so wird aus gavi pagus gaujans pagani. hat eine römische Inschrift die bildung Frisaevo, so würde dadurch das oben s. 670 gemutmaszte Frizva rechtfertig, die be- rühmte trilogie Ingaevones Herminones Iscaevones, hoffe ich, ist nun- mehr auch in der form einstimmiger gemacht. Tacitus setzt aber diese drei ahnen nicht zu oberst, sondern noch über sie als vater den Mannus, als groszvater den Tuisco, einen erdgebornen gott. von Mannus lieszen sich, ohne zwischenkunft schwacher flexion, die altn. Menn, nach welchen Mannheimr heiszt, vielleicht die goth. alamans und suevischen Alamannen (s. 498) leiten, ob von Tuisco die Deut- scheu? soll nachher untersucht werden. Es kann sein, dasz in einigen volksnamen die schwache form durch annähme eines stammherrn, auch wo er nicht grund hatte, herbeigeführt ist.

* vgl. Askr und Eskus, Vandali und Vindili (s. 685); Heähas und Hn- gas (s. 675).

** die gestalt des goth. V (ähnlich dem griech. Y) konnte leicht mit lät. P verwechselt werden; an die Gepiden denke ich nicht.

VOLKSNAMEN 539

Ableitendes I wäre wirksam in den namen Gambrivii und Van- dilii, die ich auf einen goth. eponymus Gambrus (gen. pl. Gambriv6, vijjrus vintrus vij)riy6 vintriv6) und Vandils zurückbringe.

Häufigere ableitung ist goth. IGGS, was der Römer durch ignus wiedergibt, die Marsigni und Reudigni verlangen einen heros Mars und Riuds (verecundus s. 716), Thuringi Thervingi einen Thurus Therus (vgl, zlovQag bei Dio Cass. 67, 6), Greotingi einen Griuts;776 doch ist IGG nicht nothwendig patronymisch, Griutiggs liesze sich auf ein sächliches griut (s. 448) ziehen.

Bedeutsam scheint das ableitende IN in Gothini neben Gothi und ähnlichen, worüber ich s. 722 gesprochen habe.

Auf andere weise wird alte und neue, volle und halbe volks- verwandtschaft durch vorgesetzte adjectiva ausgedrückt, ahd. be- gegnen die eigennamen Altdurinc Althün Altsuäp; Ealdseaxan nennt auch Alfreds periplus. Niustria wurde s. 529 aufgeführt, es braucht aber kein altes Westrien bestanden zu haben, Neuwestrien scheint blosz dem alten Austrien gegenüber zu stehn. Halpdurinc Halpsuäp Halptene Halpwalah bezeichnen das gemischte Verhältnis* und ich denke Aladurinc Alasuäp, die sich aber blosz aus Alaman rathen, das reine.

Dasz solche stammhelden ungeschichtlich und mythisch waren, verschlägt nichts; es lag nur am glauben der Völker, von ihnen die reihe der historischen könige abzuleiten, nach einem "Elh]V, söhn des Deukalion und enkel des Prometheus, die nie gelebt hatten, nach einem rpat/og oder ylaxadai^tov, söhn des Zeus, nannten sich Hel- lenen, Griechen und Spartaner, warum nicht die Gautös nach Gauts, einem söhne des Vödns? Man merke, dasz nie von dem gott un- mittelbar die stamme, sondern erst von einem beiden, des gottes söhn beginnen.

Sichtbar sind viele stammhelden erst durch die sage ans länder- namen entsprungen, von Noregr, das noch nach der himmelsgegend hiesz, leitete sie einen Norr (fornald. sog. 2, 3) und neben ihm einen bruder Gorr, deren Schwester Göi (vgl. oben s. 93) Rask, ich weisz nicht ob glücklich, zum finn. koi (aurora) hält. Andere beiden hat man eben aus dem volksnamen gebildet; so werden sich nicht leicht 777 die Sueven auf einen ahnen Suevus zurückführen, dessen name ein schwachformiges Suevones für den volksnamen veranlaszt haben würde. Raumar und Throendir scheinen den heldennamen Raumr und Thröndr vorhergegangen, nicht umgedreht aus ihnen entstanden und so in vielen ähnlichen fällen.

Die zweite hauptart der volksnamen und eigentlich die ansehn- lichste unter allen geht von einer beschaffenheit des volks selbst aus**.

* Sollten dieses nicht zusammengesetzte namen wie z. b. ahd. Hazgoz Hüngoz Dioteoz noch deutlicher erkennen lassenV Hazgoz wäre aus chat- tisch-gothischem, Dioteoz aus teutonisch-gothischem blut entsprossen, Sua- vigotha (s. 707) aus suevisch-gothischem. Amalgöz aber bezeichnete den amalischen Gothen, Magangoz den reinen Gothen.

** gerade wie bei den monatsnamen auszer den von göttern herge- nommnen andere sich auf naturbeobachtung gründen.

540 VOLKSNAMEN

Handelt es sich aber um geistige und politische anlagen, so kann im alterthum nichts mehr hervorgestochen haben als die freiheit und ktihnheit der Völker.

Bedeutsam erscheint, dasz zwei unserer ausgedehntesten und mächtigsten volkstämme die freien heiszen; wie im volk selbst der stand der freien seinen kern bildet, ragen auch unter den einzelnen Völkern hervor, die einen solchen namen verdienen, um so mehr aber steigt dieses namens gehalt, wenn er uns von fremden nachbarn bei- gelegt wird. Franken (s. 512), und wenn ich recht deute (s. 670) ihnen anstoszende Friesen, denen noch ihr rechtsbuch immer freien hals und freie spräche beilegt, werden die freien genannt; wie viel schöner klingt die von fremden nachbarn zugetheilte benennung, das sicherste anerkenntnis öffentlicher freiheit! s. 322 und 490 ist be- gründet, dasz Sueven eigentlich Suoven Suovenen, leute sui juris (von svoi, suus proprius, verwandt dem gotb. sv6s) sind, deutsche nachbarn, welchen der Sarmate oder SlavQ,seinen eignen, besten namen überweist, jetzt füge ich hinzu, dasz Plinius 4, 17. 18. 19 bei aufzählung der Völkerschaften Galliens häufig das beiwort liberi anwendet: Nervii liberi, Suessiones liberi, ülmanetes liberi, Leuci liberi, Treveri liberi, Meldi liberi, Secusiani liberi, Santones liberi, Bituriges liberi, Arverni liberi, was sich nicht auf die freiheit des Standes gegenüber knechten, 778 sondern nur auf ein masz politischer freiheit beziehen kann, die den Galliern untereinander oder in bezug auf den römischen oberherrn gelassen war. ich finde in den keltischen sprachen nicht mit Sicher- heit das wort heraus, welches ihnen für dies lat. liber zustand; er- wägt man aber, dasz die belgischen Gallier dicht an Germanen grenz- ten, zumal an die hier von Plinius selbst genannten Frisiabones, Neme- tes, Tribochi, Vangiones, Ubii, Guberni, Batavi ; so darf der fränkische name, dessen von mir in ansprach genommnes hohes alter (s. 518. 519) dadurch bestärkt wird, in betracht kommen. Germani liberi muste noch viel höheren sinn haben, weil sie grösztentheils unab- hängig und ununterworfen waren, zwischen jene liberi schaltet Pli- nius Lingones foederati, Remi foederati, welches ausdrucks begrif und wie er sich zu liberi verhielt, wir erst einer uns abgehenden genauen nachricht über die Unterwürfigkeit der Gallier entnehmen könnten, mit dem einschmeichelnden namen amici, fratres, consan- guinei, foederati waren die Römer auch gegen Germanen freigebig, und die ersten foederati kamen nicht in Byzanz vor (s. 450). Es ist aber zu bemerken, dasz auch im osten Ammians schon s. 448 beige- brachte stelle Taifali, Liberi und Sarmatae verbindet, welchen Liberi nicht unfügsam die gothischen Balthae verglichen werden, weil Baltha nach lornandes audax und balJ)S bei Ulfilas Ttaggrföiadrjs ist, freie spräche und freier hals eng zusammen hängen. [Eleutheri Caesar 7, 75.]

Freiheit, mut und rühm laufen dem alterthum ineinander, seien die Balthen freie oder leuchtende (s. 447), die hellen Skiren (s. 466), die lichten Daken oder Dänen (s. 192) treten ihnen zur seite; auch die Bructeri scheinen glänzende (s. 532), die Aestii geehrte (s. 719),

VOLKSNAMEN 541

die Chaukeii hohe (s. 675), Gambrivii, wenn nicht die patronymische herleitung von Gambrus überwiegt, wären strenui, sagaces, Sigigambri bello strenui (s. 525), Gugerni Gundgerni schlachtbegierige (s. 707)*, Dulgubnii krieger (s. 623); Druonti Throendir ayiovi^ovtSQ, Gepiden die glückhaften (s. 464. 465). bei Alamannen gebe ich dem patro- 779 nymischen begrif den vorzug, sonst dürfte man sie als männer den Erulen, wenn diese ags. eorlas sind (s. 470. 598) vergleichen. Ge- vissi sind praescii sagaces (s. 659), Fall Falhi constituti, ordinati (s. 630), Reudigni vielleicht verecundi (s. 716), Tencteri juncti, con- juncti, consanguinei (s. 532), was an den römischen begrif der fratres und consanguinei mahnt.

Die Vorstellung der frömmigkeit und des gottesdienstes könnte man im volksnamen gleichfalls erwarten, wie in mannsnamen bezug auf götter erscheint (mythol. s. 82. 83). auch habe ich Ziuwari auf Zio gedeutet, sie sind 2fd'(pdoi, '^Q)/t(pLXoL und hierher gehören die Daci als zJäot und zitot (s. 191. 192). Ansivarii werde ich nachher (s. 782) vergleichen. Navarnehalen und Victohalen, wenn die namen recht ausgelegt sind (s. 715) stehn unter der nornen schütz. Wenig- stens läszt sich die frage stellen, ob nicht, wie Gautös auf Gauts, die andere form Gujja auf gu}) deus gehe und sich mit ans divus und gudja sacerdos berühre (s. 447)? Verwandtschaft zwischen gup und göds äyaO'ög schien etymologisch unstatthaft; doch ist neulich ein schmaler pfad gebrochen worden, auf dem man von gujjan dennoch auf göd gelangen könnte**.

Zwar in der regel sind alle eigennamen guter bedeutung und nur als ausnähme mögen schimpfliche und nachtheilige beinamen ent- springen, wenn Tacitus Germ. 36 sagt: ita qui olim boni aequique Cherusci, nunc inertes ac stulti vocantur (vgl. s. 574 und 597); so scheint das blosz des Römers urtheil, kein damals im munde der Ger- manen gewesener beiname. Dasz begriffe der beiden und kämpfer übertreten in die von räubern und gewaltthätigen beweist der name der Kimbern und Stürmen (s. 636. 637); doch solche namen ehrten im alterthum, verletzten nicht, welchem ofner raub und todschlag kein laster schien***. Zweifelhaft bin ich, ob dem namen der Qua- 780 den gute oder üble Vorstellung unterliege (s. 507); ein altn. manns- name Illugi ist mit ill (übel) gebildet, ähnlich dem franz. Malvoisin Maupertuis. die ags. Hviccas (s. 660) sind vielleicht inconstantes und die unbekannten Frumtingas (s. 752) ungünstig zu deuten, mehr noch gehört hierher der s. 566. 567 erörterte beiname der blinden Schwaben und Hessen f, welchen der Litthauer allgemein auf alle Deutschen anwendet; aklas Wukietis, heiszt es, der blinde Deutsche

* Germani laeta bello gens. Tac. bist. 4, 16.

** s. meine vorrede zu Ernst Schulzes goth. glossar s. XVIII.

*** noch Nib, 1242 hebt die gewohnheit des straszenraubs in Beierlant

hervor, vgl. 1369. 1540 ff. dem bairischen grusz (Ernst 1585) steht der

schwäbische (arm. Heinr. 1421) gegenüber. Swäbe die muten. Rol. 2G8, 5.

t auch llaus Sachs IV. 3, 92*: die Hessen engst man mit den hunden.

542 VOLKSNAMEN

[nach Nesselmann 3* stockdeutscher], was bei der groszen ausdehnung der alten Sueven nicht zu verwundern ist, wie noch heute in Ungern Schwab von jedem Deutschen gilt, je weiter verbreitet desto älter scheint die redensart*. Nicht eines leiblichen gebrechens halber heiszt den Slaven der Deutsche stumm, sondern weil er ihre spräche nicht redet, akakog oder barbarus, ahd. elirart ist: russ. Njemetz, poln. Niemiec, böhm. NSmec, vgl. njem" mutus, poln. niemy, böhm. n^my; nach den Slaven sagen auch die Ungern Nemet, die Kalmücken Ne- mesch. unsere alten Nemetes (s. 496) gleichen nur zufällig, den un- redenden Niemtzi dürfen aber die redenden lazygen vom russ. jaz'ik" lingua, poln. j^zyk, böhm. gazyk entgegengehalten werden.

Die beiden letzten benennungen gaben schon leibliche beschaffen- heit kund, auf welche man etwan auch Balthen, Sciren und Bructe- rer beziehen dürfte, nach den haarlocken heiszen die edlen und freien 781 mehrerer Völker capillati, ags. locboran; vielleicht sind auch die goth. Hazdiggös (s. 448) mehr stand als stamm, vom hart ihren namen tragen die Barden oder Langobarden, die Armilausi (s. 449) heiszen nach der kleidung, die Chatten oder noch deutlicher Chattuarier d. i. Hätvere** scheinen von der tracht eines hutes oder einer binde (s. 578. 579) genannt; Fischart geschichtskl. cap. 11p. 118* nennt unter andern seh wert- und dolchnamen auch "^ weidner, hessen und mortpfrimen' und Schmeller 2, 249 hess als eine der waflfen, die in der Schlacht von Mühldorf geführt wurden; aus der alten spräche kann ich eine solche waffe nicht aufweisen. Unter allen waffen voran geht aber das seh wert, und hinzugenommen dasz es einen schwert- gott und schwertcultus gab, musz höchst begreiflich sein, dasz nach dem Schwert Sveordveras, Suardones, Sahson, Cherusken und viel- leicht noch andere Völker hieszen. Vom geflochtnen schild aber können die Bastarnen genannt sein (s. 461), ahd. ist linta, altn. ags. lind

* volksmäsziger scherz über einzelne stamme geht in hohes alterthum hinauf, einen spruch vom Ursprünge der Schwaben, Franken und Baiern theilt Schmeller mit 3, 524; eine estnische sage vom kochen der deutschen, russischen und lettischen spräche steht in den verhandl. der Dorpater ge- sellschaft bd. 1_, 41 4(5. wie schon Polyaen strateg. 8, 10 den Kimbern und Teutonen thierische stimme beimasz, .Julian diegesänge der rheinischen Deut- schen dem gekrächze rauh schreiender Vögel verglich, haben auch romanische Völker die deutsche spräche pferdegewieher oder hundegebell gescholten. ** aus ags. verjan, altn. verja defendere, tueri (goth. varjan, ahd. we- ria.n) leitet sich ein ags. subst. vare vere, altn. veri, das in häufiger Zu- sammensetzung colens, habitans ausdrückt, altn. skipveri nauta pl.skipverjar, skogverjar qui silvam incolunt, Romverjar qui Romam incolunt, Romani; eyverjar habitatores insulae, ags. burhvare cives. ceastervare castrenses, hät- vare oder hätvere colentes, gestantes pileum = Chattuarii, sveordvere ge- stautes ensem = Suardones. daher nun auch Ripuarii qui ripam tenent, ri- penses, Bajuvarii ags. Bsegdvare, qui Boihemum incolunt (Baugweri, viri co- ronati ist falsche annäherung an deutsche klänge, Graft' 3, 40), Ziuwari qui Martern colunt, tuentur, Ansivarii, qui deos colunt. Nahverwandt liegen die frauennamen altn. Hervor, quae exercitum tuetur, bellatrix, Gunnvör, quae pugnam colit, bellona, Eyvör, quae insulam incolit; ahd. Heriwara, Gund- wara u. s. w.

VOLKSNAMEN 543

tilia, cortex und dann auch aus hast gewirkter Schild, lindvigende sind den ags. dichtem scutiferi, mhd. die ""under Schilde' gehn. ich habe s. 220 222 2Jxv%'rjg entweder für rotottjg oder scutarius genommen*.

Am wenigsten angemessen scheint für den zustand beweglicher 782 und wandernder Völker die dritte, durch örtliche Verhältnisse bedingte hauptart der namen. während die der beiden ersten arten immer taugen, so lange im volk die erinner ung an seinen ahnen nicht er- loschen, oder eine geistige und leibliche eigenheit unverwischt ist, die den namen bestimmte; musz ein vom flusz, berg oder wald des Wohnsitzes entlehnter seinen sinn verlieren, wenn das volk in andere gegenden rückt, erst langer friedlicher aufenthalt an derselben stelle würde solche benennungen heiligen, in der that finden sich auch nach allen unsern groszen strömen, wie Donau, Elbe, Ehein, Weser niemals stamme benannt, und nur zur nähern bestimmung eines schon be- stehenden namens kann der flusz gereichen, z. b. wenn von Rinfranken, i'heinischen Franken die rede ist**, aus diesem grund bleibt mir der bezug des namens Fosi auf die Fuse (s. 574. 618), die nicht zum chattischen gebiet paszt, ganz unwahrscheinlich, und ist dieser flusz- name richtig aus füs promptus geleitet, warum nicht die Fosi durch alts. fusa, ahd. funs6 d. i. ad bellum prompti deuten? sie fallen da- mit in die zweite hauptart. Mit der Ems, römisch Amisia, haben die Ampsivarii oder 'A^iiJcavoi'J^'^^ävoL des Strabo s. 291. 292 kaum zu schaflTen [Haupt 9, 237. 239]; die Variante Ansivarii*** darf auf ans deus leiten und Ansivai'ii deos colentes gebildet sein wie Ziowari? Ob die Salier von einem flusz oder gau benannt waren (s. 528) bleibt unausgemacht, doch die nordischen Glommas (s. 752) scheinen nach einem flusz geheiszen, wie vom ufer des stroms Ubii und Ripuarii (s. 527). auch ist glaublich, dasz die eintheilung in majores und minores (s. 677) 783 durch flüsse bestimmt wurde, wie noch heute innere grenzen und bezirke f.

Als bewohner von inseln und auen künden sich Aviones (s. 472), Batavi und Chamavi (s. 531. 584); Peucini heiszen von der insel Peuce (s. 461). Mattiaci und Angrivarii waren auf matten und angern nieder- gelassen, Griotungi (s. 448) vielleicht auch am gestade des meers, denn grioz bedeutet arena (Graff 4, 345) und ""an den griezen', 'zuo den griezen', "^üf den wilden griezen' im Gudrunlied das meeresufer. im wang hausten Vangiones (s. 497), im baut die -bantes (s. 593).

In heiligen Wäldern Semnonen (s. 493) Nemeten und Triböken (s. 497), vor allen Haruden und Holtsaten, Holtinge Hülzinge (s. 663),

* auch mannsnamen werden aus waflFen entnommen, z. b. die vielen mit -ger, oder Hornboge.

** so wurden Hessen näher bestimmt in Fanehessen, Ritehessen (s. 579).

*** NS = MPS, vgl. oben s. 337 und meine vorrede zu Schulze s. XI

über amisala ampsla, was sich auch, als wäre es ansala, in ags. ösle, engl.

ousle wandelt; war die amsel ein heiliger vogel, gleich der meise (mythol.

s. 647)?

t Umgekehrt flüsse nach Völkern genannt: die Oder Suevus Sovr/ßog bei Ptolemaeus nach den Sueven; Guttalus bei Plinius ein flusz östlich der Weichsel, Pregel oder Memel? nach den Guttonen oder Gothen.

544 VOLKSNAMEN

vielleicM auch Markomannen (s. 503), welche doch, gleich den Schwe- den (s. 745) auch als grenzhüter können angesehn werden. Bur- gunden scheinen davon genannt, dasz sie bürgen anlegten.

Nach der himmelsgegend : Ost- und Westgothen (s. 442. 739) begreiflich in ganz verschiedner heimat, wenn man stammahnen Ostro- gotha und Visigotha zum gründe legt; auch bei Usipetes liesze sich an Visipetes denken (s. 534). die Vederas (s. 739) scheinen West- länder. Nordmannen Normannen, Norwegen ist für sich klar; in den altn. liedern heiszt der bewohner des festen deutschen landes, den skandischen inseln gegenüber, Südroenn oder Südrmadr, wie wir die Skandinaven Nortmannen, benannten sie uns Südmannen. luti und Eudoses habe ich versucht als extremi zu bezeichnen (s. 736), ja man könnte sie, nach dem in Utlönd, Uthriustri s. 678. 742 lie- genden sinn, für minores nehmen,

Thiere, die in mannsnamen, oder blumen, die in frauennamen einzugehn pflegen, finde ich niemals in deutschen volksnamen. die 184 Hessen sind keine katzen und schon darum ist die Vorstellung auer- hahn (rerpal, lat. tetrao, altn. J)idr, schwed. tjäder) von dem namen der goth. Tetraxiten auszuschlieszen, welcher sich auf eine vierfache eintheilung des stamms gründen mag (s, 444). in den Canninefaten mutmasze ich die hunderttheilige (s. 586). Doch sehe man gleich nachher eine bemerkung über griechische volksnamen.

Hält man zu deutschen griechische und lateinische, so musz in der that auffallen, dasz hier unsere zweite hauptart gar nicht statt- findet; ich wüste keinen hellenischen oder römischen stamm, der nach tracht, Waffen, freiheit oder tapferkeit benannt wäre, entweder heiszen die Völker nach einem ahnen, wie "EXXrjv, die Phokaeer nach ^ä/.og, die Arkadier nach 'AQÄCcg des Zeus söhn, oder nach dem land und der Stadt, aus welcher sie entsprieszen, '^TTtxoi nach L^rrtxjf , Boicorol nach BoicoTia, dem land der rindertriften, KogivQ^LOi nach Koqlv- ^og, 'HhlOL nach 'HAig, 'J&rjvaTot nach 'Ad^^vcci, der stadt, die selbst von '^^•//vr] der göttin benannt war, Romani nach Roma, Latini nach Latium, Samnites nach Samnium. die Sabini führen auf einen ahnen Sabus. Aus den städten Rom, Athen, Sparta erblühte das ganze Volk, unsere vorfahren bauten noch keine städte, und der name Bur- gunden (s. 700) hält sich ganz in der allgemeinheit ; volksnamen wie Hanoveraner oder Würtemberger sind neu und undeutsch. In den namen der zweiten hauptart liegt etwas naives, das Grriechen und Römern barbarisch aussehn mochte; Quirites, welches vom sabinischen quiris hasta (vgl. gais, g6r) herrühren soll, ist mehr beiname, als eigentlicher volksname. riekaöyoi wird theils von nsXä^eiv herge- leitet, theils auf den schwarzweiszen storch bezogen, und wäre dann treffende bezeichnung aller gleich Zugvögeln wandernden Völker, vgl. Lobeck zu Phrynich s. 109, ja so liesze sich auch die fortziehende schwalbe nehmen in XekiÖonot und KQrjörcovaloi (s. 205).

Nunmehr bin ich genug vorbereitet um auf die in der Überschrift des capitels angekündigten beiden allgemeinen benennungen unseres

GERMANEN 545

Volks einzugehn; gleich anderm eigenthum sehn wir sie uns vielfach bestritten und verkümmert.

Dasz den Römern die Völker der rechten Rheinseite, so bald sie 785 von ihnen künde empfangen, überhaupt Germanen heiszen, ist be- kannt, und auszer inschriften bezeugen es die werke von Caesar, Strabo, Livius, Plinius und Tacitus allenthalben, nicht weniger weisz man, dasz sie diesen namen auf die inneren deutschen Völker erstrecken, wie wir sahen, nordwärts auch über die scandinavischen inseln und ostwärts bis zu Sarmaten, Geten und Daken. die beiden letzten sind ihnen offenbar noch keine Germanen. Undeutsch aber erscheint der name, weil er niemals im munde unserer vorfahren selbst geführt wird; nie weder bei ags. oder altn. dichtem taucht er auch nur als dunkles, veraltetes beiwort auf, was doch kaum unterblieben wäre, wenn er im volk und in der spräche je gewurzelt hätte, seine schein- bar mögliche deutung nach deutschen worten musz darum aufge- geben werden : er ist nicht aus g6r hasta und man zusammengesetzt, noch aus irman, irmin entstellt, im ersten jh. und vorher hätten die Römer für g6r noch g6s vernommen, das ihnen zudem aus gaesum her geläufig war, das E in ger galt ihnen offenbar kurz, und von Germani weisz ihr ohr sehr wol die Hermunduri und Arminius zu scheiden, aller deutsche klang in Germani trügt also.

Nun ist aber weiter höchst wichtig festzuhalten, dasz der name von einem winkel der linken seite des Niederrheins her ausgegangen war und sich von da in immer weitere kreise gedehnt hatte, wir besitzen darüber eine berühmte oft besprochne stelle des Tacitus cap. 3 : ceterum Germaniae vocabulum recetis et nuper additum, quoniam qui primiRhenum transgressi Gallos expulerlnt, ac nunc Tungri, tunc Ger- mani vocati sint. ita nationis nomen, non gentis evaluisse paulatim, ut omnes primum a victo ob raetum, mox a se ipsis invento nomine Germani vocarentur. vorerst kann hier recens und nuper nicht auf die jüngste zeit gehn, weil schon Caesar den namen kennt und ver- wendet, ihn vielleicht auch zu des Marius tagen die Römer wüsten (wenigstens braucht ihn Plutarch, von den Kimbern redend); es soll sagen, dasz er nicht der alte, ursprüngliche gewesen sei, sondern bei 786 besonderm anlasz aufgekommen*, nemlich die zuerst über den Rhein schreitenden und die Gallier austreibenden Deutschen, die jetzigen Tungern, seien damals Germanen genannt worden, von dem einzel- nen stamm habe sich der name allmählich auf das ganze volk er- streckt, ein name, den erst der besiegte aus furcht gebrauchte, her- nach die Deutschen selbst sich gefallen lieszen. ich ändere das un- taugliche Victore des textes in victo, für Avelches hier kein victis gefordert wird, da Gallos weit vorausgeht, mit Victore ist nichts anzufangen : entweder müste es den siegenden heerführer der Deutschen

* auch cap. 1 nuper cognitis, ann. 1, 31 nuper acte delectu, hist. 4, 17 nuper caeso Quinctilio Varo, sagt Civilis im j. 69 sich beziehend auf das ^as im jähr 9 geschehen war.

Grimm, gescltichte der deutschen üprache, 35

546 GERMANEN

bezeichnen, und da wäre schon der gegensatz zwischen ihm und dem Volk (a victoVe und a se ipsis) seltsam, noch seltsamer, dasz er ein ihm fremdes wort ob metum (incutiendum) verwandt haben sollte; oder, was ich sonst dachte^ den weltbesiegenden Römer, insofern die Römer, als sie vom einbrach der Deutschen hörten, aus furcht vor ihnen den oft an fremde verschwendeten namen amici, consanguinei, germani, d. i. brüder gebraucht hätten, um den eindringlingen zu schmeicheln*, in der that wurde Germani in solchem sinn aufgefaszt, Strabo s. 290 sagt ausdrücklich: yvrjöLOt yccQ oi FsQ^avol %axa Trjv 'Pa^aicov öicchxTov, Plutarch im Marius cap. 24 scheint Grermani durch aötXcpol wiederzugeben und bei Vellejus 2, 67 dreht sich die spitze eines Soldatenliedes um die Zweideutigkeit von Germani und germani, Galli und galli. Allein diese bedeutung muste sich von selbst aufdringen und konnte sagenhaft bestehn, ohne dasz sie wirk- lich auf den Ursprung des namens führt; es liegt doch etwas unrömi- sches in solcher Zuvorkommenheit gegen barbaren. Am richtigsten scheint mir daher die benennung von den gallischen nachbarn der 787 Deutschen ausgehen zu lassen, wie auf entgegengesetzter seite die der Sueven von den slavischen : sie braucht aber blosz zufällig den schreck- haften sinn enthalten zu haben, den hernach eine auch den Römern zu ohr gekommene Überlieferung damit verknüpfte. Germani hat ganz das ansehn eines keltischen worts und steht auf gleicher linie mit dem bei Caesar verzeichneten volksnamen Paemani, welcher zu leiten scheint vom ir. oder gal. 'beim' wunde oder streich das den pl. bei- meanna bildet (Odonovan s. 91. 92), so dasz in Paemani ein begrif läge, den ich s. 623 für Dulgibini annahm, von gairm pl. gair- meanna ruf, ausruf (welsch garm, und das mnl. caermen vociferari lamentari mag verwandt sein), könnte wieder ein männliches subst. mit der bedeutung des heutigen gal. gaii-madair, garmadair oder wel- schen garmwyn schreier, rufer leiten, das dem sinn des gr. {ioi]v ayad-öq nahe stände und sich treflich für einen beiden im kämpf schickte, für den rauhen Deutschen, Galliern gegenüber, um so mehr, da ihm baritus oder fremitus ausdrücklich zugeschrieben wird. Ger- mani bedeutet demnach nichts als ungestüme, tobende krieger und schon ein solcher name mochte den Galliern schrecken einflöszen**. von den wütenden Berserkern heiszt es in altn. sagen: gengu peir grenjandi, ibant vociferantes (fornald. sog. 1, 421). So erschienen den belgischen Galliern die Tungern, und mit diesem namen wurden sie von ihnen belegt***, der hernach auch auf andere deutsche stamme und allmählich von den Römern auf alle übertragen wurde. Die

* vffl. s. 779; die Römer nannten auch die Gothen <piXovg xal ^vfifid- '/ovQ. Frocop b. gotli. 2, 6.

** selbst dem römischen beer theilte der gallische bericht von den Ger- manen zu Caesars zeit diese furcht mit. Caes. 1, 39.

*** nachdem ich diese keltische etymologie selbst finde, freut es mich beim nachschlageu von Haupt 5, 514, dasz sie schon Leo gefunden hatte.

GERMANEN 547

Tungern habe ich cap. XX mit absieht unerwähnt gelassen, um erst hier von ihnen ausdrücklich zu behaupten, dasz sie deutscher abkunft waren, sie treten auch im krieg des Civilis und hernach unter Agri- cola neben Bataven, Treverern und Nerviern in belgischem gebiet auf, Tac. hist. 2, 28. 4, 16. 55. 66. 79 Agric. 56 vgl. Plin. 4, 17.788 die not. dign. occid. cap. 38 erwähnt einer cohors Batavorum^ Tungro- rum und Frixagorum (Frisaevonum) hintereinander. Tungra, heute Tongern, zwischen Lüttich und Mastricht, führt nach ihnen den namen; die warmen bäder zu Spa lagen apud Tungros. Plin. 31, 2, 8: Tungri civitas Galliae fontem habet insignem, plurimis bullis stellantem. im sg, lautete der volksname Tunger, wie eine Inschrift bei Gruter 334, 3 und ein vers bei Silius ital. 7, 681 lehren, kel- tischer anklang ist hier gar nicht, ich halte das wort für verwandt mit gitengi, bitengi, Tencter (s. 532) und dem ahd. zankar vibex, öriynr, die sämtlich ein verlornes tingan tang tungun voraussetzen, wozu auch zanga forceps und zunga lingua gehören, mit bezug auf das letzte wort könnte tungar, ahd. zungar aussagen linguosus, cla- mosus, was jenes gairmadair und garmwyn sogar erreicht; möglich also dasz Germani geradezu Übersetzung von Tungri war. oder sollen Tungri sein was lazyges (s. 780), die redenden, einheimischen?

Trat hiernach der name Germani zuerst bei den westlichen Iscae- vonen oder Franken hervor, so verleugnet er auch lange nachher, als er schon allgemeine ausdehnung gewonnen hatte, diese seine wiege nicht, die belgischen Franken, d. h. die Deutschen, welche den Nie- derrhein überschritten hatten und in Belgien niedergesessen waren, hieszen noch immer vorzugsweise Germanen (vgl. gramm. 1, 12); dem Procop sind z. b. Franken und Germanen identisch: £g FEQ^avqvg, di vvv ^Qd'yyoi xaXovvvat, de b. vand. 1, 3; oi dl <DQCcyyoi ovxol FsQ^ccvol ^Iv t6 naXaiov avo^d^ovro, de b. goth. 1, 11, und eine randglosse zu Strabo s. 196 (Kram. 1, 307) hat: BsXyoi oi vvv Ogdyyoi. Justinian, um recht sicher zu gehn, liesz in seinem titel zu alamannicus, gothicus, francicus auch noch germanicus fügen; wie wunderbar, dasz die nachfolger im römischen weitreich sich nur mit den namen deutscher Völker schmückten, und die fränkischen könige verübelten ihm, nach Agathias, mit vollem recht seine anmaszung. Nimmt man hinzu den späteren rühm der fränkischen herschaft, so musz es natürlich erscheinen , nicht nur dasz der hochdeutsche Ot- 789 fried die spräche seines gedichts eine fränkische nannte (s. 511), son- dern dasz auch in Byzanz den Türken der name Franken für alle Deutschen überliefert wurde, während die Franken selbst, im gegen- satz zu sich, die ihnen benachbarten Deutschen nicht umhin konnten Alamannen und Theodisken (Alemans et Tyois) zu nennen, unter Alamannen verstanden sie die süddeutschen oberrheinischen, unter Theodisken die norddeutschen niederrheinischen nachbarn.

Wenn Franzosen und Spaniern allmählich alle Deutschen Alle- mands und Alemanes heiszen, so rührt das noch an die ausbreitung des Suevennamens im höheren alterthum; doch den Italienern gilt

35*

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548 DEUTSCHE

Tedeschi, und hierdurch werden wir auf den andern und schönern hauptnamen, der uns zusteht, hingeleitet.

Gal. 2, 14 wird ed'VLxag durch das goth. piudiskö übertragen; piudisks folglich ist l&viKos^ gentilis und wie dies lat. wort von gens, von J)iuda gebildet, bezeichnet also was volksmäszig, populär, natio- nal ist; erst heutige schriftsteiler können es nöthig finden von deut- scher nationalliteratur zu reden, was das alte diutiska schön auf einmal ausdrückt, einen besseren allgemeinen, alle germanischen stamme umfassenden, keinem abbrechenden namen zu erfinden wäre unmöglich, hatte er anfangs die bescheidenheit der Vorstellung bar- barus, vulgaris, so musz er dem erwachten bewustsein stolz auf alles eigne und vaterländische einflöszen*. Wie er aber von jedem stamm zu schreiben sei bestimmt das gesetz der lautverschiebung, dem ahd. diutisc steht ein nhd. deutsch unabänderlich zur seite und vom mnl. diet ist dietsc gebildet, vom ags. peod entspringt J)eodisc, der eng- lischen Schreibung gemäsz wäre thiedish thedish (wie noch schottisch 790thede = peod fortdauert), es ist aber german eingeführt und ein dutch aus dem nl. dutsc, zu dessen bezeichnung aufgenommen wor- den, dasz Schweden und Dänen, welchen altn. piod verloren ge- gangen ist und an die stelle des J) allgemein wieder t gilt, altn. ^^dskr durch tysk und tydsk wiedergeben, verhält sich ganz nach der regel. die Italiener aber schreiben tedesco wie Teofilo teatro teoria, und nicht anders verhält sich die tenuis des franz. tyois und tudesque. Noch aber ist zu erledigen, in welchem bezug zu dieser benen- nung der alte volksname der Teutonen stehe. Teutones Tsvrovtg stammt wiederum aus teuta, wie vor der Verschiebung das goth. J)iuda** ahd. diota gelautet haben musz, welches dem litth. tauta und ir. gal. tuath, welschen tud, tuedd regio begegnet (s. 120). in tuath scheint sogar der zweite linguallaut genauer als in jenem teuta für teutha, weil die Ei5mer kein TH hatten. Von teuta gens leitet sich der eigenname Teuto gentilis, pl. Teutones, wie vom goth. J)iuda Thiuda pl. Thiudans, vom ahd. diot oder diota Dioto pl. Dioton, und der sinn dieser ableitung kommt der von -isc nahe; selbst das goth. piu- dans, ags. peoden, alts. thiodan altn. J)iodan bedeutet den aus dem volk entsprosznen könig oder fürsten, wie jenes ifY&iv (s. 789) und das ir. tuathach den herrn. Da unter allen Germanen Kimbern und Teutonen in Rom zuerst bekannt wurden, als sie den kühnen zug von der nördlichen halbinsel her über die alpen unternahmen (s. 638. 639), und hernach ihr rühm haftete; so ist wahrscheinlich, dasz das

* ebenso entspringt aus ahd.folh, ags.folc, altn.folk (welcher ausdruck der goth. spräche mangelt) foMih ags.folclic popularis und altn. fylkir dux.rex.

** man darf auszer {)iuda auch das goth. {)iul) «^«i^ov und J)iu{)jan be- nedicere erwägen, deren zwiefache aspirata der zwiefachen tenuis m Teu- tones genau zu entsprechen scheint, und darum dachte ich s. 461 bei dem namen Teutagonus an J)iul)eiga. Teutones wären in diesem sinn die rei- chen, seligen, glücklichen, am ende läszt sich puida mit {jiuj) noch leich- ter vermitteln als Gujians mit Göds und die forschung soll offen bleiben.

DEUTSCHE 549

mittelalter Teutones und Teutonici für gleichbedeutend mit Thiotisci nahm, wie z. b. Saxo grammaticus Teutones in diesem allgemeinen 791 sinn verwandte; belege für Teutonici sind gramm. 1, 16 gesammelt, teutonicus ist aber wie saxonicus von Saxo, undeutsche, blosz latei- nische Wortbildung* und dem diutisc, theotiscus nachzusetzen; auch hat schwerlich der Gotha bei seinem J)iudisk an jenen stamm der Teutonen gedacht.

Süddeutsche schriftsteiler widersetzen sich der allein richtigen Schreibung unseres volksnamens mit D, und halten T für deutscher ; sie bedenken nicht, dasz media so hochdeutsch ist wie tenuis, und das niederdeutsche D hier und in viel andern Wörtern unorganisch an die stelle von TH getreten; wie sollte in diesem namen hoch- deutsches T gerecht sein, dem nur organisches niederdeutsches D zur Seite steht ? So sehr das einleuchtet, hat sich dennoch Hattemer jüngst in einer eignen schrift für T erklärt und vorgestellt, der volksname führe auf einen gott Teuto zurück, wie bei Tacitus für Tuisco zu lesen sei, und stehe auszerhalb der lautverschiebung. allein Teuto oder Tiuto ist gegen den buchstab der handschriften und wenig glaub- lich (wir sahen vorhin ein solches wort in der bedeutung von gen- tilis), am unglaublichsten, dasz aus ihm der volksname entspringe, da Teuto durch seine schwache form sich selbst schon als abgeleitet kund gibt, alle götter oder ahnen, auf welche sich Völker hinführen, starke form an sich tragen, dasz Teutones unverschoben bleiben 792 müsse, ist falsch, wie das goth. J)iuda |)iudans, ags. J)eod f)eoden und ahd. diot Dioto lehren die Teutones sind also ahd. Dioton und nhd. Dietmarsen, wie Teutoburgium ahd. Diotpuruc, goth. piudisk nhd. deutsch und Chatti Hessen, was Ammian 15, 3 Teutomßres, Gregor von Tours 2, 9 Theodem6r und unser heldenbuch Dietmar nennt ist sicher derselbe name.

Es ist von neueren Schriftstellern mit groszem unrecht geleugnet worden, dasz im höheren alterthum unter den deutschen volkstämmen warme Vaterlandsliebe und gefühl ihres Zusammenhangs vorhanden gewesen sei. jene wird schon durch eine reihe von schönen ausdrücken bezeugt, die unsrer spräche gewis von uralters her zu gebot standen, für patria gebraucht sie, der Zusammensetzung überhaupt geneigt, ahd. sowol fatarland (Graff 2, 235) Tiarglc: yala, als fatarheim (4, 950) und fataruodil (1, 144); mhd. finde ich von diesen dreien nur vater- lant troj. kr. 11672. Silvest. 2411. doch galt auch schon ahd. das

* ans Teutones oder Teutoni entsprang den Römern, wie aus Senones senonicus, teutonicus. mit bestimmtem bezug auf diesen volkstamm und es ist nicht zu erweisen, dasz es ihnen schon den allgemeinen sinn von ger- manicus hatte, z. b. wenn Martial 14, 26 teutonici capilli nennt; auch dem späteren Claudian in Eutrop. 1,406 scheint teutonicus vomer weniger deutsch, als blosz dichterisches beiwort. statt teutonicus setzt aber die not. dign. occ. cap. 40 teutonicianus, indem sie einen praefectus laefcorum teutonicia- norum wie batavorum, francorum, gentilium suevorum aufführt, das waren doch Teutonen aus der halbinsel, vorfahren der Dietmarsen, keine Deut- schen überhaupt.

550 DEUTSCHE

abgeleitete heimuoti (Graff 4, 951) und heimingi (4, 952; und das zusammengesetzte heimuodil (4, 951) vgl. goth. haimöjjli ager; von welchen dreien rahd. nur heimüete, nhd. heimat, endlich begegnet ahd. inbeim (Graff 4, 950) und inlenti (2, 238). Ssem. 140* 148* munarheimr, heimat der lust, süsze heimat, wie patria dulcis, Rud- lieb 1, 64; Suevia dulcis in den gestis Witigowonis v. 51 und häufig in altfranz. gedichten la douce France; ma douce contr^e, la douce Champaigne ; die insel Eugen, oder Hiddensö, heiszt den eingebornen 'dat söte länniken'. wer gedenkt hier nicht der homerischen stellen? ov xoL sycoys r/g yairjg ßvvafiai yXvxätiQov «AAo Ideo^at. Od. 9, 27; Sg ovöiv yXv%iov Tjg Ttatgldog ovös toyiTJcov yiyvirai. Od. 9, 34; q)drjv hg Tiargiöcc yalav. Od. 15, 65. 18, 148. II. 23, 145. tu q)d- tdtr] yrj fi^zeg in einem bruchstück des Menander bei Meineke 4, 175. die Finnen sagen "^kuUainen koto' goldne heimat. Kalev. 15, 128. 359. für heimweh altn. heimsyki, schwed. hemsjuka, dem hjem- sot, heimsucht, landsucht (Graff 6, 141),

793 Man gibt vor, Karl der grosze habe zuerst das weltgeschichtliche bewustsein der deutschen Völker geschaffen*, es wäre aller natur entgegen, dasz sie bis dahin gewartet haben sollten, um zu erkennen, wie sie durch gemeinsame spräche, sitte und kraft untereinander zu- sammenhiengen ; was sie schon lange vor jener zeit in der weit aus- gerichtet hatten, war fast gröszeres als alles nachfolgende, und we- nigstens dessen grundlage. sie waren in alle theile Europas und darüber hinaus vorgedrungen und erst ihr übertritt zum christenthum hatte diesem möglich gemacht auf die dauer fusz zu fassen, konnten jene kühnen und i-aschen heerzüge von dem der Kimbern und Teu- tonen an (denn die früheren sind uns verborgen) überhaupt geschehn, ohne dasz sich mehrere stamme dazu vereinten und die übrigen sie gewähren lieszen? Ariovist hatte Haruden, Markomannen, Triboken, Nemeten, Eudusier, Sueven an sich gezogen und den andern beiden nach ihm gelang es eben so leicht deutsche scharen zu sammeln (s. 472). das musz man doch erkennen, dasz der Quaden und Markomannen Weigerung gegen die Daken zu kriegen (s. 181) und des Arminius thaten auf dem politischen gefühl gleichgesinnter Völker, die ihre freiheit retten wollten, beruhten, was von ihm und andern voll- bracht war, wurde in liedern gesungen, die lange zeit hindurch den mut und stolz der Völker erhöhen musten. in des Römers erheben- dem ausspruch heiszt er liberator haud dubie Germaniae proeliis am- biguus, hello non victus, Graecorum annalibus ignotus, qui sua tan- tum mirantur. das kann nicht auf den held der Cherusken allein, nur auf den aller Germanen gehn.

Tacitus berichtet uns, dasz die Deutschen in ui-alten liedern von einem erdgebornen gott und dessen söhn sangen, aus welchem drei beiden entsprossen, die stifter der germanischen hauptstämme. dieser

794 gemeinsame Ursprung haftete im bewustsein aller Deutschen und es

Bunsens Aegypten 1, 516.

DEUTSCHE 551

wird noch einer abweichenden sage erwähnt, welche die reihe der göttlichen helden vergröszerte und mehr als drei stamme ausdrückte. An anderer stelle werden dem Arminius die worte in den miind ge- legt: cerni adhuc Germanorum in lucis signa romana, quae diis pa- triis suspendorit (ann. 1, 59): das meint doch götter aller Deutschen, wie die Tencterer den Agrippinensem entbieten lassen: redisse vos in corpus nomenque Germaniae communibus deis et praecipuo deorum Marti grates agimus vobisque gratulamur, quod tandem liberi inter liberos eritis (bist. 4, 64). es ist dem Tacitus nicht zuzutrauen, dasz er nur seine rede ausschmücken wollte; ihm muste bekannt gewor- den sein, dasz die Germanen ihres volks und ihrer götter sich be- wust waren, und hätte dies gefühl in den nächsten Jahrhunderten nicht gedauert? sollten Gothen, Langobarden, Sachsen nicht jedes einzelnen königs ihrer Stammtafel, die zuletzt auf einen gemeinschaft- lichen gott hinaus lief, sich erfreut haben?

Solcher stolz bricht auch sonst noch hell durch, als Tacitus von der mischung gallischer und germanischer Völker redet und auf die den Galliern zunächst wohnenden Germanen kommt, heiszt es cap. 28: Treveri et Nervii circa affectationem germanicae originis ultra ambitiosi sunt, tanquam per hanc gloriam sanguinis a similitu- dine et inertia Gallorum separentur. ne Ubii quidem, quanquam romana colonia esse meruerint ac libentius Agrippinenses conditoris sui nomine vocentur, origine erubescunt. Mit gutem fug glaube ich auch s. 503 die einheit aller Germanen aus dem namen der Marko- mannen gefolgert zu haben, der erst unter solcher Voraussetzung rechten sinn empfängt: sie hüteten die grenze Germaniens gegen die fremden; ja man könnte den Markomannen im Süden die dänische mark im norden gegenüber stellen und darin neuen grund für die annähme finden, dasz die halbinsel und die Dänen den Germanen des festen landes beigezählt und nicht zu den eigentlichen Nordmannen gestellt wurden.

Ich bin der annähme eigner Völkervereine, gothischer, suevischer, 795 cheruskischer abgeneigt, weil alles was aus ihnen hervorgegangen sein soll, schon in dem naturgemäszen dasein jenes allgemeinen deut- schen Verbands gesucht werden darf, bei dringendem anlasz mögen eben so natürlich besondere bündnisse geworben und feierlich ge- , schlössen worden sein, ohne dasz sie auf die länge gedauei-t oder in der Stellung der Völker selbst etwas geändert hätten, zwei merk- würdige äuszerungen begegnen bei Cassiodor var. 3, 1 und 2; der ostgothische Theodorich schreibt an den westgothischen Alarich in bezug auf dessen hader mit dem fränkischen Chlodwig: objiciamus quamvis cognato cum nostris conjuratis eximias gentes. und an Gundobald: ideo legatos ad fraternitatem tuam credimus destinandos, ut si filio nostro Alarico visum fuerit, ad regem Francorum cum conjuratis nobis gentibus dirigere debeamus, quatenus causa, quae inter eos vertitur, amicis mediis rationabiliter abscidatur. damals mochten die gothischen und ihnen benachbarten Völker für erspriesz-

552 DEUTSCHE

lieh gehalten haben, sich gegen die steigende macht der Franken und Burgunden näher zu verbdnden.

Jede der groszen hauptabtheilungen, so schwer es hält, den be- stand der Iscaevonen, Ingaevonen und Herminonen genau anzugeben, festigte engere kreise und konnte freundschaft oder abneigung zwi- schen einzelnen stammen zu wege bringen, die geschichte erwähnt der feindschaft unter Chatten und Cherusken, unter Chatten und Hermunduren; wenn Cherusken ingaevonisch, Hermunduren hermino- nisch waren, stehn schon darum die suevischen Chatten dem iscae- vonischen stamme nah. Langobarden und Heruler, Langobarden und Gothen, Franken und Gothen, Franken und Sachsen, Dänen und Schweden traten einander feindlich entgegen; warnisches blut dauchte die Gothen unedel. lornandes sagt cap. 44 von Athiulf : is siquidem erat Warnorum stii-pe genitus, longe a gothici sanguinis nobilitate sejunctus, idcirco nee libertati studens nee patrono fidem servans. 796 Ward durch die thaten Ermanarichs, Alarichs, Theodorichs,

Chlodowigs und Carls der deutsche rühm mächtig gehoben, so ge- schah ihm grosze minderung durch den Untergang des gothisehen, langobardischen und die theilung des kerlingisehen reichs, nach wel- cher die Franken fast ganz dem romanischen element heimfielen, bis ihn die sächsischen könige glücklieh wieder herstellten.

XXX. RUCKBLICK.

Wie die alten kämpfer, den heim abbindend und an die luft797 stehend, sich in den ringen kühlten, will ich auch meinen lauf ein- halten und mich einmal verschnauben.

Daran lag es, dasz unserer spräche ein tieferer hintergrund bereitet und ihre längst unbezweifelte gemeinschaft mit Asien durch bisher vernachlässigte, aber nothwendige mittelglieder nachgewiesen würde, warum soll eine grosze analogie, die, so weit ihre hellere geschichte reicht, zwischen allen ihren ästen und zweigen sich kund thut, in einer älteren dämmernden zeit aufhören und nicht vielfach zu spüren sein? doch musten neue kreise gezogen und alle sprach- lichen und geschichtlichen Verhältnisse zurückgeschoben werden.

Aus den alten grabhtigeln schallt uns nur leises getöse, noch keine vernehmliche stimme entgegen, bilder des hirtenlebens und des begonnenen ackerbaus zeigen wunderbaren einklang und Wechsel der sich ausbreitenden kennbar urverwandten völkerstämme, aber nicht sichere fährte, die wir suchen, in ferner höhe scheint sie ein falken- flug anzudeuten, unser hapuh ist das welsche hebog, ir. seabhac (s. 301); das litth, sakalas, sl. sokol das skr. ^akunas, allein lat. falco kann versetztes faculo sein und F wie so oft H vertreten.

Noch mehr licht hervor bricht aus der dunkelheit der monats- namen. ich möchte jetzt auch das s. 72 unbestimmt gelassene goth. 798 dulj)s, ahd. tuld zum gr. ^ccXla fest und gastmal halten, &cchä^SLV ist BOQTCc^eLV, dul))jan. wie ausgestreckt ist die begegnung von he- manta hima hiems zima ^^£1/1« geimhra qintrus = vintrus (s. 73); eingeschränkter die von sumar, samhra und haf (armor. hanv) s. 304. Wie rege naturanschauung milchtrinkender nomaden in thrimilki und louprisi ! aber dem ackerbau gehört schon der sl. srpen (von srp ägni], lett. zirpe, s. 105. 302) bedeutsam einstimmend zum maked. yoQmmog, ich möchte sogar unser herbst, ahd. herbist, ags. hearfest, engl, har- vest jetzt nicht mehr von xagnog, lieber von cigiti] leiten und ein verlornes goth. harfö, ahd. harbä falx annehmen, so dasz jener bald

554 RÜCKBLICK

dem august, bald späteren monaten zugetheilte herbst genau mit si'pen und yogmcclog überein träfe, dasz die echt deutschen alten monatsnamen den sla vischen näher kamen, folgt auch aus gruden, litth. grodinnis und hartmonat (s. 98. 105). hartmonat ist zugleich recht chattisch, chattuarisch und batavisch, weil er noch heute von Hessen durch den Westerwald an den Niederrhein reicht. Aber wie herbst sowol das jahresfest als den einzelnen monat bezeichnen konnte, gieng auch das uralte jul aus der Vorstellung der sonne und Sonnen- wende (s. 106. 108) über auf den bestimmten monat, und in ihm bewährt sich die wichtige Übereinkunft zwischen altlateinischer und deutscher spräche, welche noch auf den zendischen monat mithra (s. 112) mit ausgedehnt werden kann. Es bleibt aber für alle monats- namen vieles fortgesetzter samlung und beobachtung vorbehalten imd zumal musz erst aufgehellt werden, warum sich beim februar die dunkelsten und ältesten namen hartnäckig behaupten: hornung, spor- kel, goi, solmonat, seile, wozu vielleicht auch volborn zu rechnen ist. volborn == volboran legitimus könnte als Januar neben hornunc spu- rius dem februar stehn. richtiger aber nimmt man volborn für fol- brunno und dann musz es zusammenhängen mit Pholesbrunno , Hai- ders brunnen (myth. s. 207) und uralten mythischen bezug haben. in Berlin ist Polborn ein bekannter eigenname, der für Folborn und 799Ftilleborn die bedeutung von füllen ausschlieszt. Auf die gepaarten monate wurde s. 110. 111 hingewiesen; mich erinnert die benennung des ersten und zweiten monats, des groszen und kleinen hörn, des mali und veliki traven, mali und veliki serpan an die groszen und kleinen Friesen Chauken Brukterer (s, 677): es sind keine unter- schiede des Standes, sondern der Zeitfolge und des nebeneinanderstehns. Seit ich mein sechstes capitel geschrieben hatte, sind durch Rawlin- sons auflösung der keilschrift auch einige bisher unbekannte, von den zendischen ganz abweichende altpersische monatsnamen an den tag gekommen: Viyakhna 1, 37. 3, 67; Grarmapada 1, 42. 3, 46; Ba- gayadish 1, 55; Anamaka 2, 26. 56. 3, 62; Thuravahara 2, 36. 41. 3, 39; Thaigarchish 2, 46; AtHyatiya 3, 18; an deren deutung ich mich nicht wagen darf, einer ist mir indessen klar, der Gai-mapada- monat, worin sich das skr. gharma wärme, hitze nicht verkennen läszt. es sei hinzugefügt, dasz dies gharma sowol dem goth. varms, ahd. waram, altn. varmr als dem gr. d'EQuog entspricht: denn varms steht für qarms (wie vintrus für qintrus %Bi^a) und ■O'ap/Lidg für x^Q- /io'g, nach dem Wechsel zwischen & X 0 (s. 348 350).

Die deutsche spräche mittenein gelegen zwischen griechischer, lateinischer, keltischer auf der einen und slavischer, litthauischer, finnischer auf der andern seite fühlt sich zu ihnen allen verwandt, wenn schon in verschiedner stufe der nähe, es würde aber in der kette der Völker, da Slaven und Litthauer nicht unmittelbar an die Griechen reichen, eine lücke sein, die nur durch Thrakien erfüllt werden kann, das in Makedonien sich an Griechenland, in Getien und Dakien an das deutsche und sarmatische gebiet schlieszt. dieser

RÜCKBLICK 555

keil musz sich in alle Untersuchungen europäischer sprachen einfügen, Thrakiens grenze aber verläuft mit der skythischen, und hier knüpfen sich Europa und Asien aneinander.

Thrakiens vom nachschleppenden schweif der Völkerwanderung fast verwischte spur ist weniger südwärts in Illyrien, als nordwärts da aufzusuchen, wo sich Germanen, Sarmaten und Litthauer begegnen, dem noch heute waltenden litthauischen wortvorrath und aberglauben sind reichliche samlungen zu wünschen, die zu neuen unerwarteten 800 aufschlüssen führen werden. Wären uns die thrakischen, getischen monatsnamen erhalten, was müste sich allein aus ihnen ergeben? ich zweifle nicht, wir würden dem grodinnis, gruden, hartman und dem srpen yogninlog auch bei den Geten unter die äugen treten, kaum etwas anders scheint mir hier folgenschwerer als das habhaft- werden der dakischen tcgovörccvr] in der litthauischen kregzdyn^, aber auch dasz der langobardische treno zum litthauischen trainys trift (s. 697) bleibt von gewicht, merkwürdig ist doch, dasz dem Hero- dot 1, 57 die am makedonischen Echedorus wohnenden KQrjötanfjtttc ein ^9'vog mlaöytxov heiszen, und wenn der stadt KQrjörcöv name wirklich auf ein getisches XQtjGtt] xgovötij schwalbe bezogen werden darf, dasz die einwandernden schwalben und storche im volksnamen gleichen Ursprung anzeigen (s. 784.) Ruhig und Mielke schreiben kregzd^, Szyi'wid krekzde.

Da der Geten und Gothen Identität fast ein angel ist, um den sich mein ganzes werk dreht, und wie ich die deutsche spräche nach der gothischen geregelt habe, nun auch der Vordergrund deutscher geschichte der Geten nicht entbehrt; will ich hier meine ansieht, und welche einwände ihr entgegenstehn, nochmals überschauen.

Der erste grund, dem man nichts anhaben wird, ist die formel Getae: Gaudae = GuJ)ans: Gautös (s. 200. 439), man müste den Plinius lügen strafen, der 4, 11 Getae und Gaudae neben einander in Thrakien kennt, wie unsere einheimischen denkmäler Godar und Gautar in Scandinavien. schon darum darf die gleichstellung eine Wahrheit sein, was ihr auch sonst zu widerstreiten schiene, es ist bemerkenswerth, dasz in dem fränkischen eigennamen Gaudus (s. 540) überall unverschobne form anhielt.

Einen andern, wiederum kaum zerstörbaren grund gewahre ich in der durch den Firag und /iäog des griechischen lustspiels gleich- sam praestabilierten genossenschaft zwischen Geten und Daken, die sich an ferner stelle in den skandischen Gouten und Daukionen wie- derholt, und welche die altn. Gautar und Danir, die ags. Geätas und 801 Dene von neuem kund geben, an gleichheit der Geten und Gothen zweifelten Claudian, Augustin, Cassiodor, lornandes nicht, und niemand bedenkt sich Donaugothen und nordische Gautar, niemand GutJ)iuda und God^iod zu verknüpfen, warum sollen skythische z/aat und getische /Jccoi, warum Daken und Daukionen, warum Daukionen und Dänen unverbunden bleiben? wie das fingerzeigende Dacia für Dania im mittelalter, das Datschanin der Eussen aus der luft gegriffen sein?

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ich wüste gar nicM, aus welcher Ursache die erfindung gemacht wäre, und der name Dan weist auf Dag Dagvin Dacuinus unmittelbar hin. Ebensowenig darf, drittens, die historische betrachtung Geten von Gothen lossagen, die Geten erscheinen schon drei, vierhundert jähre vor Christus als mächtiges volk in Thrakien und am schwarzen meer; noch im laufe des ersten jh. unsrer Zeitrechnung stehn sie so den Römern entgegen und erleiden unter Trajan niederlage, vermöge welcher Dacien römische provinz wurde, war aber damit das ganze getische volk vernichtet und ausgerottet? sein südwestlicher theil hatte weichen müssen, der nordöstliche, allem anschein nach, hielt dort stand und sammelte neue kraft, sieht nun die geschichte fünfzig, sechzig jähre nach Trajan, unter Marcus Antoninus gothische Azdinge an der dakischen grenze auftreten (s. 182. 448) und im dritten, vierten jh. mitten auf dem alten boden das gothische volk mit brei- ter, unwiderstehlicher gewalt emporsteigen; so überschreitet es doch allen glauben, dasz die Geten mit stumpf und stiel ausgetilgt, gleich- namige Gothen angerückt und jenen unverwandt ihre stelle einge- nommen haben sollten, wo wären plötzlich die Geten hin, die Gothen hergestoben? von der Weichsel? eine solche annähme hat alles wider sich, was der behauptung entgegensteht, dasz an Elbe und Weser der alte stamm der Cherusken geschwunden und aus der halbinsel das schmale volk der Sachsen an ihren platz getreten sei. wie dem cheruskischen namen der sächsische ist dem getischen der gothische identisch, und man wird der mühe überhoben, lebensvolle Völker aus 802 dem land, wo sie niedergesessen sind, zu entrücken. Wären uns zustand und geschichte der römischen Dacia im zweiten jh. genau bekannt, es würde nicht an künde gebrechen, welche nachbarn, heiszen sie nun getische oder germanische, zur seite wohnten. Es gibt aber noch eine bestimmte, ausdrückliche stütze für das dasein germanischer bevölkerung auf getischem grund und boden zur zeit des ersten jh. oder früher, ich meine die aufstellung des fünften ger- manischen hauptstamms bei Plinius: Peucini Basternae, contermini Dacis (s. 458). was den fünften theil von Germanien bilden soll, kann nicht von geringem umfang gewesen sein, und über ausdehnung wie Zusammenhang der Bastarnen mit den Geten (s. 458 462) waltet kein zweifei. seien Peucinen und Bastarnen derselbe stamm, oder zu unterscheiden, getisch waren -sie in jedem fall und reichten bis zur Donaumündung und noch weiter gegen osten; Tacitus aber miszt ihnen germanische spräche und sitte zu : beinahe wäre thöricht, was den Bastarnen gehört, Geten und Daken abzuleugnen, ohne Geten, Daken, Bastarnen würde im hintergrund des germanischen gebiets eine grosze lücke sein und die fülle seiner späteren macht- entfaltung unbegriffen bleiben, zur zeit, wo jene künde des Plinius geschöpft war, erstreckten sich Germanen unbedenklich, über Sue- ven und Lygier hinaus, bis zum Ister und Pontus, und wir sahen im ersten und zweiten jh. Lygier wie Buren in Moesien und Dacien (s. 711. 714).

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Wie sich aber beim wachsthum der forschung einzelne knospen erst später öfnen, scheint jetzt etwas wichtiges, dessen ich noch irn cap. XXV. XXVI ungewahr blieb, dem aufschlusz nahe, man kann nemlich, wenn die möglichkeit eines verschwindens der Geten und Cherusken aus dem kreise der Völker mit recht in abrede gestellt wird, fragen, was denn aus dem groszen volk und weit verbreiteten namen der Lygier (s. 709. 710) geworden sei? darauf gebricht jedoch passende antwort nicht : die Lygier sind in den Burgunden der spä- teren zeit enthalten, und meine herstellung der Bovyovvravsg für BovravEg (s. 699) musz dadurch gewinnen; auf einmal erklärt sich, warum Tacitus der Burgundionen, Plinius 4, 14 der Lygier geschweigt. 803 was aber den namen der Lygier betrift, so ergibt sich zwiefaches: entweder ist es doch richtig, die lygischen Buren auf Burgunden zu ziehen (s. 700), wobei sogar der begrif des wohnens bleiben darf, weil ahd. pur, ags. bür, altn. b;^r habitaculum, mansio, gipür civis, rusticus ausdrückt, oder in Lygius liegt möglicherweise dasselbe, ich denke an das lat. locus, it. luoco, span. lugar, franz. lieu, ags. loc loh clausura, von der wurzel goth. lukan, ags. lücan, ahd. liohhan claudere, und das G in Lygius blieb vielleicht alterthümlich unver- schoben, so dasz goth. K genau fügte? Über welche etymologie des namens man sich einige, das leuchtet ein, dasz durch die Stellung der Lygier zwischen Sueven und Gothen eine leere ausgefüllt werde und hernach bei der Völkerwanderung gegen süden die Burgunden noch gerade so zwischen Alamannen und Westgothen stehen, wahr- scheinlich erklärt sich noch anderes daraus.

Ich vermag mir, viertens, von der groszen Völkerwanderung erst dann einen deutlichen begrif zu machen, wenn ich die Gothen dicht zu Geten reihe, der deutschen stamme heerzug kann aber nicht im zweiten, di'itten jh. unsi'er Zeitrechnung, er musz lange vorher an- gehoben haben. Seinem naturgesetz zufolge gieng er von osten nach Westen, aus Skythien her am gestade der Maeotis und des Pontus, auf dem weg, den vor ihm auch Griechen, wahrscheinlich Römer und Kelten, nach ihm Slaven und Litthauer einschlugen; sein anfangspunct läszt sich nicht bestimmen, aber zwischen Tanais, Borysthenes, Tyras und Ister bis über den Haemus werden die hintersten Deutschen lang- sam gezogen sein und geraume zeit hindurch verweilt haben, während die vorderen an Weichsel, Oder, Elbe und Rhein gegen die Kelten, ein nördlicher theil über Volga und Düna gegen die Pinnen drangen. Ungefähr zu Alexanders des groszen zeit scheint die ganze masse der Deutschen, während die gallische macht gegen Italien vorneigte, schon vom schwarzen meer fast bis an den Rhein und zur ostsee ergossen; im norden von Griechenland und Makedonien ist das räthselhafte 804 Thrakien gelegen, durch welches uns in der geschichte europäischer sprachen hellenische und gei-manische zunge vermittelt werden müssen.

Die bisher geltende ansieht von den bewegungen der Völker hat sich in zu enger schranke gehalten, und auf der einen Seite den Zusammenhang der Thraker und Geten mit den Skythen vernachlässigt,

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auf der andern für die Grermanen selbst sieht durcli seitengänge ein- zelner Völker irren lassen, das naturgemäsze vorrücken gegen westen kann durcli querzüge oder ausweichungen nach Süden gestört und verzögert, auf die länge nicht aus seinem ziel gerückt werden. Man will unsere gescMchte beginnen damit, dasz Gothen, Vandalen, Sue- ven, Burgunden, Langobarden, Sachsen von norden her sich rühren und die Weichsel, Oder, Elbe aufwärts gegen Süden sich erheben. Wer von Gothen redet, setzt ihre heimat ans gestade der ostsee, ja nach Scandinavien, und läszt sie aus diesem sitz aufbrechen, durch Sarmatien, Moesien, Pannonien Italien erreichen, fragt aber nicht, von wannen sie früher zur ostsee gelangten; zwischen jenem ausgang nach Süden und der ankunft aus osten können Jahrhunderte verstrichen sein, es wird also nur ein theil der jüngeren geschichte des volks, nicht seine ältere ins äuge gefaszt. Kimbern und Teutonen rücken südwärts, Markomannen drängen die Bojen, Sueven die Helvetier in derselben richtung, und wir erblicken Langobarden, Burgunden (d. i. lygische Völker), Vandalen, Gothen zuletzt in südlichen sitzen, weil ihnen nord und west keinen räum darbot; allein alle diese Völker müssen vorher aus dem osten in der mitte Deutschlands eingetroffen und lange da verweilt sein, alle weisen nach dem osten zurück, und genauer zugesehn erscheint selbst die südliche wendung eine südwest- 805 liehe und im groszen wieder westliche. * So waren auch die Geten aus Skythien in das Donauland gelangt, von wo sie sich nordwärts nach der ostsee und Scandinavien, südwärts nach Thrakien, Pannonien, Ita- lien bewegten; nichts zwingt zur annähme, diese südlichen Ostgothen und Westgothen seien von der ostsee ausgegangen, in Scandinavien saszen weder sie, noch Burgunden und Langobarden, an der untern Donau aber musz die lange wohnstätte aller Geten und Gothen gewesen sein. Aber mit der Vorstellung kann ich mich nicht befreunden, in Scandinavien selbst sei die früher wohnhafte deutschere GodJ)iod von der nordischen Svlpiod gegen Süden zurückgedrängt , sowol in das südliche Schweden und die dänischen inseln als auch in das feste Deutschland gewichen und erst dann, wie vorhin gesagt wurde, von der ostsee, längs der Weichsel zur Donau gelangt**, denn nur ein theil des groszen Gothenvolks scheint umgekehrt von der ostsee in Südscandinavien eingewandert***, während Nordscandinavien von

* auch die Griechen rückten aus nordosten südwestwärts in ihre hei- mat; sie müssen am schwarzen meer her durch Thrakien, Makedonien, Thes- salien, Böotien nach dem isthmus und peloponnes eingerückt sein, weil ihnen die gerade westliche richtung durch das meer und vielleicht illy- rische küstenbewohner gesperrt war.

** angeführt in einer gelehrten scharfsinnigen abhandlung Rudolf Key- sers: om Nordmändenes herkomst og folkeslägtskab, in den samlinger til det norske folks sprog og historie 6, 263—462. Christiania 1839.

*** dasz auch auszer den Gothen einzelne häufen anderer volkstämme den Norden heimsuchten, lehrt nicht nur das beispiel der Heruler (s. 471) und Rugier (s. 469) sondern auch die haftende benennung Borgundarhölmr (s. 669) und Hernö (s. 698).

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einem andern nördlichen zuge, früher oder später, in besitz genom- men ward, eines sieges der Svipiod über die GodJ)iod erwähnt die geschichte nicht*, die sage aber leitet beide auf den östlichen Odin zurück, jene nördliche Wanderung der Svi{)iod bezeugt diesen Zu- sammenhang mit dem osten auch dadurch, dasz sie die Roxolanen806 berührt, welche an Bastarnen und Geten stieszen. Keine spur ist vorhanden, dasz der Ostseegothen, Burgunden und Langobarden auf- bruch nach Süden in den ersten jhh. unserer Zeitrechnung durch den andrang der aus Scandinavien flüchtigen GodJ)iod veranlaszt worden sei. Allenthalben aber zeigt die mythologie grosze und durchdringende gemeinschaft zwischen allen germanischen und nordischen stammen, die nur darum in Norddeutschland stärker vortritt als in Süddeutsch- land, weil dort das heidenthum länger anhielt, hier früher ausgerottet wurde, wie unmittelbar weist die anglische, warnische Nerthus auf Niördr, der friesische Fosite auf Forseti; jetzt scheinen auch die nornen aufgefunden in den navarnen lygischer stamme.

Einen fünften aufwiegenden grund in die schale würde die spräche legen, wenn uns thrakische, getische, dakische denkmäler überliefert wären; es steht uns aber auszer den kräuternamen bei Dioscorides ** nichts zu banden als eigennamen der Völker, männer und örter. 807 Unter den kräutern ist KQOVötävrj unbezahlbar, weil es mit voller Sicherheit auf kregzdyn^ xshdovLOV leitet, von kregzdS gewagt auf hruzdö hrottä. TSvÖEdd (vorr. zu E. Schulze s. XXI), TiQLodrjkd, rovl- ßrjkä, öovadtjlcc klingen wie goth. ^iupilö friapvilö, und wenn ^ovk- ßrjld vermutet werden darf, wie dulbilö. iCBQXSQa(pQ(ov (s. 204) be- ruht auf einem versehn der ausgaben und blosz tcsqkbq darf als pflanzenname betrachtet werden, dann folgt in den Wiener hss."A(pQOi

* denn die berühmte Brävallaschlacht kann nicht so gedeutet werden,^ da auf des siegenden Hrings seite auszer Schweden auch Vestgötev , auf Haralds Dänen und Östgöter kämpften, vgl. fornald. sog. 1, 376—383. Saxo gramm. p. 145. 146. 147.

** Apulejus madaurensis soll ein buch de virtutibus herbarum geschrie- ben haben, das in den medicis antiquis Venet. 1547 fol. p. 211 ft". gedruckt steht, wahrscheinlich aber die arbeit eines viel jüngeren Verfassers ist. von wem sie auch herrühre, er hat eine hs. des Dioscorides vor sich gehabt, und aus ihr dakische kräuternamen entnommen, welche dann durcli neue Schreibfehler entstellt werden, ich will sie inzwischen hier ausheben, da sie dennoch einiges richtige und neue liefern können, cap. 1 arnoglossum. Daci simpeax. cap. 2 pentaphyllum , Galli pompedulon, Daci propedula, alii drocila. cap. 4 hyoscyamus, Daci dieliane. cap. 10 artemisia, Galli ponem, alii titumen, Daci zyred, alii zonusten. cap. 19 aristolochia, Daci absinthium rusticum, scardian. cap. 22 apollinaris, Daci colida. cap. 23 chamaemilon, Daci amalustam, Galli ovalidiam, Campani anialociam. cap. 25 chamaeleon, Daci sciate, alii calox cardiatos. cap. 26 chamaepitys, Daci dochela. cap. 35 centauria minor, Daci stirsozila. cap. 36 prosopites, Itali personatiam, Galli betilolen, Daci riborasta. cap. 41 bei buglosson kein dakischer name, ebensowenig cap. 46 bei xiphium und 51 bei adiantum. cap. 67 bryonia, Daci dochlea. cap. 88 cynosbatos, Daci mantiam. cap. 89 millefolium, Galli bellicocandium, Daci diodela. cap. 91 mentastrum, ohne dak. namen. cap. 92 ebulum, Daci olma. cap. 99 hedera nigra, Daci ar- borriam. cap. 104 portulaca, Daci lax.

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mit einem andern afrikanischen namen, der uns nichts angeht, die reduplicierende form xsqxeq würde sich in ein sehr unwahrscheinliches goth. hairhair übersetzen, wofür ich keine deutung weisz [ir. coirce, oben s. 66]; wäre nach der Variante der ausdruck gallisch, nicht dakisch, so liesze sich das welsche ceirch avena vergleichen, ölxovti- VOE^ (s, 207) geben beide Wiener hss. ölxovtivov^ (etwa wie 6 i^ zusammengezogen wird in ov^), wodurch die erklärung nichts gewinnt, statt ^o^ovXa (s. 207) haben sie beide ^i^tjka. statt t,ov6örr] (s. 208) B t,ovov6tvj, N ^ovovötTjQ. statt ÖQ(.aa beide OQ^usa, ohne dasz man den Spiritus ersehn kann, für fovokrjta (s. 208) beide deutliches yovoXyjta, was die von gono versuchte auslegung verdächtigt, ein schwedisches horletta lithospermum in Dybecks Runa 1847 s. 13 wird aus litr color gedeutet, weil sich die mädchen damit schminken sollen. änaöös^s (s. 208) lautet beidemal aviagöeSL öo^eA« (s. 209) fehlt in B, und lautet in N %o8ikä, was wol unrichtig. SocKiva (s. 209), in B ebenso, in N daxBiva. xoriatcc (s. 209), in N fehlend, in B noT^ata. ^avtsla (s. 210) in beiden ^avtia. 7CQ07te8ovXd (s. 210) beidemal ngonodiXä, was keine fünfzahl herstellt, in proped propod musz also anderes liegen, öiehia (s. 211) fehlt in B und lautet in "N ÖLskkHva. zviccaXlda (s. 211) xotxoötAa B, xomoöl . . . N. xoa- öd^a (s. 211) fehlt B, und scheint in N Koakdfia. ßovddXla (s. 212) in B und N ßovddO^Xa, ®A wie im folgenden wort, diese lingualis 808 vor der liquida führt aber weiteren aufschlusz herbei: die zunge scheint wirklich in einer getischen mundart daplo, daj)il6 oder dadlö dadilo geheiszen zu haben, woraus mit lautverschiebung goth. tadlo tatlö würde; davon ist noch das engl, tattle schwätzen, plaudern und das nnl. tateren stottern, stammeln übrig und man darf ein ags. tetlian, ahd. zazilön zezilon vermuten, Graff 5, 714 hat die eigen- namen Zazo Zazil, die einen schwatzhaften bezeichnen, verwandt sein könnte das welsche tafod lingua (tafod yr ych buglossa) armor. teod (teod ejenn buglossa). dies dapla == ags. tatle ist also von be- lang. aaQOTii&Xa (s. 212) in B und N xccQCOTiid^Xa; wenn ödd^Xa tadlö ist auch nid'la fidlö oder fitlo und könnte zum altn. fiatla pl. fiötlur tricae, ahd. fezil, nhd. fessel gehalten werden. cpi&oq)&s- &£Xd (s. 212), ebenso in N, in B aber cpid^Ofp^ai^eXd, dasz cp^ibBld eins mit ni&Xa sei, ist mir noch immer wahrscheinlich, zurückführung auf nktcdov oder cpvXXov zweifelhaft. TiQoöhgva (s. 213) B und N TiQOÖidQvcc. tovrdöTQcc (s. 214) B und N TQOvvQäötQa, das richtige wird wol TQovtdötQa sein, wozu ich ags. trüd tibicen und trüdhorn lituus halte; von der runden gestalt eines blasinstruments könnte die -aoXoxvv^is benannt worden sein, bleibt unverschoben , T aber geht in TH über, für TTQiadrjXa (s. 215) in B und N ngittdiXa. hinzuzufügen sind auszer /.aXapilv%^]] , z/axoi zEvdiXd B, zevöeiXu N, noch d^dQa/.ov, ^dnoi 8ov(odt]Xd N (in B fehlend) und ßgvcovia XsvxT], ^UKOi XiVOvßoiXd aus N, vielleicht sind mir noch einige in den groszblättrigen hss. entgangen. revöiXd habe ich durch goth. J)iu]ii]6 erklärt, diodela für millefolium bei Apulejus scheint dasselbe;

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afidgaxov öovcodijld ist origanum vulgare, ahd. dosto, tosto (Graff 5,232), dessen lingualanlaut schwankt; mit der änderung in öovoödrjkd &ovooörj^d würde man diesem worte nah kommen, jcivovßoilä für bryonia alba klingt undeutsch und ich mutmasze dasz für z/a>cot zu setzen sei rdklot, wie die Schreiber mehrmals beide Völker vertau- schen (vgl. vorhin s. 807 xequeq und s. 211 övv); der ausdruck stimmt beinahe ganz zum welschen gwenwialen von gwen albus und gwial reis (vgl. böhm. beyl byl stengel und öernobyl, poln. czarnobyl schwarz- 809 Stengel artemisia). da welsches gwen zu ir. gal. fion wird (s. 296) und gwial zu gal. faillean; so entspräche in dieser mundart fionfail- lean, was ich nicht finde, wol aber fionduille weiszes laub, vitis alba.

Die beute aus diesen glossen des ersten jh. ist nicht zu ver- achten und flöszt durch Wörter wie öaXia XQOvötdvr] Tsvötld ngia- dr]ld dd^Xa tQOvtdöTQa mut ein auch den übrigen, da sich nicht alle dem ersten anlauf ergeben, fernere aufmerksamkeit zuzuwenden, dasz mit ödd^la hybridisch ein griech. ßov verknüpft wird, kann bei dem griech. einflusz auf Thrakien kaum befremden; es ist möglich, die Daken hatten ßovg in ihre mundart wirklich aufgenommen, vgl. Havrela (s. 210) oq^lu (s, 208) und vielleicht war auch fio^ovka er- borgt, vgl. Ducange s. v. mossiclum, was rubus mosylicus sein soll, den ich auch nicht näher kenne.

In eigennamen getischer und thrakischer götter, könige, Völker und örter ist der nachweis ihres Zusammenhangs mit deutscher spräche mehr oder weniger gelungen; aber ich kann mich nicht anheischig machen ihn überall zu liefern oder nur zu versuchen, des Decebalus geschah s. 193. 194 meidung und aus meiner akademischen abhand- lung s. 50 sei hier wiederholt, dasz ihn Orosius 7, 7 Diurpaneus Dacorum rex, lornandes cap. 13 Dorpaneus Gothorum princeps nen- nen; Orosius scheint den bericht über Cornelius Fuscus* aus des Ta- citus historien, in stücken die uns verloren sind, zu schöpfen, dem lornandes mochte aber Cassiodor vorliegen, weil an des Dorpaneus sieg der Ursprung des heldennamens Anses geknüpft wird, war nun Decebalus Dacibalus bloszes appellativ, wie ich denke == Taifalus, so gibt Diurpaneus Dorpaneus den eigennamen des fürsten kund und Dorpaneus scheint uns ein goth. Thaurponeis (gebildet wie sipöneis) zu verrathen, dem sich der ahd. name Dorfuni bei Meichelbeck n" 84 vergleicht, von J)aurp aygog abgeleitet, bedeutete er etwa oppidanus und der gothische gehalt dieses dakischen namens liefert ein treffen- 810 den Zeugnis**. Bei den Ortsnamen wurde s. 202 auf die Wichtigkeit der besonders in dakischem, getischem und getoskythischem land er- scheinenden Zusammensetzung mit -dava gewiesen, ein Scaidava (itin. Anton, p. 104) lag an der Donau zwischen Nicopolis und Sexanta pristis, Capidava zwischen Dorostoro (Silistria) und Tomi, Sucidava

* vgl. Suetonius im Domitian. 6 und Martials epigramm 6, 76. ** unverschwiegen sei, dasz eine inschrift in Maszmanns libell. aurar. , 98 einen namen Diuppaneus gewährt, der an sipöneis mahnt.

Grimm, geschichte der dentschen spräche, 36

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noch näher bei Dorostoro, in welchem selbst das goth. daur oder daurö porta sichtbar ist. Zumal merkwürdig sind mir im itinerar. Antonini p. 105. 106 die örter Dinigutia (al. tunigutia, dimigutia) und Timogitia, jenes in der richtung von Trosmi, Beroe, dieses in der von Tomi und Odessa, wo schon das schwanken der formen Gitia und Gutia, wie man auch das vorausstehende wort deuten wolle, zum bekannten Wechsel der vocale im volksnamen Geten und Guten stimmt. Nicht alle und jede namen sind uns so durchsichtig, da schon die gothische mundart, wie wir sie aus bruchstücken des vierten, fünften jh. kennen, in ihrer eigenheit vieles allen übrigen zuvorthut; so ist klar, dasz uns zwar ihre volle künde manches jetzt dunkle räthsel lösen, aber auch anderes ungelöst lassen würde, was auf dem weit höher steigenden alterthum und der gröszeren ferne der getischen spräche beruht, man müste ihr von dem umgekehrten wege her, aus Skythien entgegenkommen können.

Bewährt sich meine s. 216 und 435 fl". entwickelte annähme, dasz die Geten zur zeit des Dioscorides den laut noch nicht ver- schoben, während es die westlichen Deutschen, wie Harudes und Tenchtheri lehrt, schon zu Caesars tagen thaten; so wäre für das gesetz der lautverschiebung nun überhaupt eine basis auf einheimi- schem boden gewonnen und alle drei stufen unter deutschen Völkern selbst, ja bei einem volk der zeit nach beide anzutreffen. Erste stufe wäre die getische = lateinisch-griechische, zweite die gothische, dritte 811 die hochdeutsche, wie nun die Gothen ungefähr zwischen dem ersten und dritten jh. zur zweiten stufe, traten die Hochdeutschen im fünften und sechsten über zur dritten; die zweite musten sie schon minde- stens ein jh. vor Chr. angenommen haben, die neuerung begann immer im westen, wohin der drang der Wanderung geführt hatte, die östlichen stamme folgten nach und gelangten nicht zur dritten stufe, es ist nicht unwichtig einzusehn, dasz einige jhh. vor unserer Zeitrechnung noch alle, und in unsern ersten jhh. noch einige deutsche stamme von dem lautsystem der urverwandten Völker nicht abwichen. Man fühlt aber, dasz im einzelnen strenger beweis entgehn und blosze ahnung genügen musz.

Wiewol ich durch alle diese gründe meine Vorstellung von der Geten und Gothen untrennbarkeit unterstützt und gerechtfertigt zu haben glaube, wird immer noch die critik an ihren eingefleischten zweifeln und einwänden hangen.

Sie wird vor allem geltend zu machen nicht unterlassen, dasz im äuge der Römer, die doch schon auf sprachunterschiede der Völ- ker achteten und germanische eigenthümlichkeit von gallischer, britan- nischer und pannonischer absonderten, Geten und Daken nie als Ger- manen erscheinen. Geten und Daken, welche (was ihnen unmöglich entgeht) eine und dieselbe spräche reden, heiszen thrakische stamme, und Dacia ist kein theil der Germania (s, 177. 178). Tacitus hat hist. 3, 46 anlasz den Dacus und Germanus zusammen zu nennen; hier hätte sich eine Wahrnehmung über beider näheres Verhältnis wol

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geschickt, ilim fällt bei Gothen und Gothinen keine ähnlichkeit des namens der Getan ein, seine beobachtung denkt vielmehr bei Gothinen an gallische spräche. Plinius, der im eilften cap. seines vierten buchs Geten und Gauden unter andern thrakischen Völkern, aber im zwölf- ten Geten, Daken, Sarmaten als nachbarn der Germanen aufgeführt, nennt im vierzehnten alle germanischen stamme und darunter auch Guttones, ohne bezag auf jene Getae und Gaudae Thrakiens. Das ist wahr; allein ich darf erwidern: wie die Griechen noch nicht zur einsieht des rechten Unterschieds zwischen Galliern und Germanen 812 gelangt waren*, blieb den Römern umgekehrt die nahe Verwandt- schaft der Geten und Germanen dunkel, weil sie Geten und Daken von Thrakien und Pannonien her unter griechischen gesichtspunct faszten, Germanen von Gallien aus über den Rhein betrachteten, ge- naue künde aller westlichen Germanen, ungenauere der östlichen be- saszen. bei nordwestlich vorgeschobnen, von östlichen Geten losge- trennten Guttonen oder Gothonen scheinen sie durch nichts auf den Zu- sammenhang geführt worden zu sein, der unter beiden Völkern eintrat.

Ohne zweifei war den Römern das reichhaltigste material zu Sprachvergleichungen dargeboten, wenn sie sinn dafür gehabt hätten es zu ergreifen, ihre weltherschaft und der gebrauch, gefangne könige, priester und krieger im triumph aufzuführen, vorzüglich aber unter besiegten und befreundeten stammen hilfsvölker zu werben, die wie- derum in entlegne theile des reichs versandt wurden, brachte sie in langen verkehr mit ausländem. Etwas mehr neigung zu fremden sprachen empfanden schon die Griechen, wie Herodots skythische Wör- ter (4, 27. 52. 59) und noch des Dioscorides kräuternamen bewähren. Manches andere mochten die Römer erkundigen, nach barbarischen Zungen zu forschen schien ihnen der mühe unwerth; eine spur der - neugier hätte sich doch bei Plinius gezeigt , höchstens wird gesagt, ein bestimmter ausdruck sei barbarisch, welchen anlasz hätte Ovid, der getische spräche erlernt und in ihr gedichtet haben will (s. 197), in seiner langen weile gefunden, uns den unterschied zwischen Geten und Sarmaten bündig zu lehren. Vergeblich sucht man auskunft, wie sie den Römern auf gallischem boden so leicht gewesen wäre, über die spräche der Trevirer, Nervier, Menapier, Paemanen undEburonen, was allein die Verhältnisse dieser zwischen Galliern und Germanen wohnhaften 813 Völker aufgeklärt haben würde, dafür zu sorgen fiel ihnen nicht ein.

Tacitus dachte sich alle Germanen als indigenae und uneinge- wanderte, wie wäre er darauf gerathen, ihm wenig bekannte Gotho- nen von thrakischen Geten abzuleiten? Die irrige oder noch nicht fest gebildete ansieht der Römer kann also der Wahrheit nichts ab- brechen, und dennoch leuchtet diese schon durch ritze und spalten, die Peukinen und Bastarnen, welche Plinius den fünften germanischen hauptstamm bilden, Tacitus ausdrücklich germanisch sprechen läszt,

* was lange nachwirkte, noch eine ags. glossensamlung des 10. jh. schreibt: Teutoni gens Galliae. teutonico ritu Gallitiae ritu. Mones quellen s. 442. 443.

564 RÜCKBLICK

dürfen weder von den Geten noch den Gothen losgerissen werden (s. 460 462): sie hausen immer in der nachbarschaft von Geten und Skythen*, auszer den thrakischen Gauden gemahnen auch die thra- kischen Sithonen (s. 744. 745) an germanische Sitonen und vor der zeit, in welcher man Gothen in thrakischem lande zuzugeben pflegt, sahen wir schon lygische und suevische Völker in Moesien und Da- kien auftreten (s. 711). Schlage ich die notitia dignitatum auf und ersehe das gewirre westlicher und östlicher Völker, die im laufe der ersten jhh. der römische Staatsdienst misbrauchte und entwürdigte, wo Daci, Scythae, Moesiani, Nervii, Bructeri, Chamavi, Bucinobantes, Brisigavi, Mattiaci, Salii, Heruli, Tervingi, Taifali und eine menge andrer bunt verzeichnet stehn ; so fällt mir doch auf, dasz zwar häufig Daci, wie sich nach Unterwerfung ihrer provinz versteht, niemals Getae angeführt sind, wol aber Gothen (not. Orient, p. 88 ala Juthun- gorum, cohors Gotthorum, cohors Dacorum), beim entwerfen der rolle also Gothen und Daken ganz natürlich zusammentrafen, so wie Daken neben Franken, Sachsen, Quaden, Markomannen genannt wurden.

Schade, dasz Dioscorides auszer dakischen, gallischen, afrischen 814wörtei'n nicht auch germanische sammelte, wie Geten und Daken zu den Thrakern standen bleibt eine gleich anziehende und schwie- rige Untersuchung; nach Thucydides 2, 96 ist anzunehmen, dasz von Haemus und ßhodope bis zum Pontus Euxinus die oqslvoI Sgäusg = rixav saszen; auffallend unterscheidet Dio Cassius 51, 22 getische und thrakische Daken {zJa'/.ol aexk'rjvtaL s'ks d^ rhai tLVsg ehe xal &Qäxes). Die Thraker scheinen mir im norden mit Geten, im Süden mit Makedonen (welche Abel allzu griechisch macht) unablösbar zu- sammengefügt und auf jener seite deutsche, auf dieser griechische spräche zu vermitteln.

Zweitens werden die gegner fortfahren: wenn keines Zusammen- hangs zwischen Geten und Gothen Strabo, Plinius, Tacitus gewahr- ten, ist auch zu erwarten dasz Crito (wovon nachher s, 816) und Dio Chrysostomus, jenen Römern gleichzeitig, nicht von Gothen, blosz von Geten geredet haben, was erst Jahrhunderte hernach spätere fälschlich auf Gothen zogen. Dio war am linken gestade des Pon- tus in Skythien und Getenland gewesen, die nardgatoi ritai, wie er sie nennt, müssen ihn mit für uns untergegangnen nachrichten versehn haben, ob diese FiXixä auf Verwandtschaft der östlichen Geten, unter welchen er verweilt hatte, zu den westlich vorgedrung- nen, bei Römern Gothen heiszenden hinwiesen oder nicht? entgeht uns. von Dio Cassius, dessen mütterlicher groszvater jener Dio war, geschieht nur der getischen Daken, niemals der Gothen meidung, und Ptolemaeus, dem es um die läge der örter und Völker, nicht um ihren geschichtlichen verband zu thun ist, setzt wieder blosz Daken

* gleiche Wichtigkeit erlangen die Roxolanen (s. 746. 748), deren Zu- sammenhang mit Ruszland (s, 749) an den der gotn. Hazdinge (s. 448) mit Härtung von Reuszen (mythol. s. 316. 321) gemahnt.

RÜCKBLICK 565

statt der Ostgeten, dann Gythonen gegen die ostsee, Gauten auf Scan- dia. Die lateinischen scriptores historiae augustae und die Byzanti- ner pflegen von Gothen, deren spätere gescMchte sie erzählen, zu sprechen, erinnern aber verschiedentlich an die identischen Geten. bekannt und noch aus der zweiten hälfte des dritten jh, ist Spartians: 'quod Gothi Getae dicerentur'. Petrus Patricius meldet von TuUius Menophilus, der unter Gordian ums j, 237 Statthalter in Moesien war, dasz sich bei ihm die Carpen über den Vorzug der Gothen be- schwerten; diese Carpen heiszen sonst auch Carpodaken, KuQJtodäxoL 81b und werden neben Basternen aufgeführt (Zeusz s. 699), also gewinnt alles getisches ansehn. Im vierten jh. redet Capitolinüs (oben s. 183) von Germanen und Daken, Trebellius Pollio im Claudius cap. 6 nennt Peucini, Trutungi, Austrogothi und noch andere als skythische Völ- ker, Eutropius 9, 8 läszt Griechenland, Makedonien, den Pontus unter kaiser Gallienus (im j. 259) durch Gothen verheeren; zu des Claudius zeit (t 270) kamen diese Gothen zu schiffe nach Makedonien, belager- ten Thessalonich und flüchteten, von den Römern geschlagen, in den Haemus, wo sie noch ein Jahrhundert später unter Ulfilas saszen: das waren doch alles deutsche Gothen, aber mit getischer macht, auf getischem boden. wir sahen vorhin (s. 813) auch die not. dign. neben Daken Gothen, keine Geten verzeichnen. Entscheidend nennt Julian im vierten jh. und zu Byzanz, wo man dem alten Getenland nah war, die unverkennbaren Gothen wieder Geten (s. 182) und im fünften jh. sagt Orosius 1,16 gerade heraus: ""Getae illi, qui et nunc Gothi', gleich entschieden Philostorg (s. 183). dem Claudian ist getisch für gothisch ganz geläufig, Ammian, dessen erhaltner theil verschiedentlich von Gothen spricht, hat keinen anlasz die älteren Geten zu berühren. Je näher das byzantinische reich mit den Deut- schen, die sich selbst ror&OL nannten, zusammenkam, desto begreif- licher muste diese namensform die alte getische verdrängen. Enno- dius im 6 jh. wechselt ab mit getisch und gothisch (s. 183); viel bedeutender ist, dasz dem gelehrten, welterfahrnen Cassiodor beide namen gleichviel gelten, in seiner uns leider auch verlornen gothi- schen geschichte musz er sie unterstützt und durchgeführt haben, auch der hellsehende und unterrichtete geschichtschreiber Procopius kennt diese Identität, obgleich zu Justinians tagen längst schon die form Gothen im gemeinen leben, wie bei Schriftstellern überwog, den Cassiodor hat lornandes geplündert: ein ärmlicher compilator, der bis auf die Wendungen seiner kurzen vorreden* von allen enden her borgt, ohne dessen buch aber gar nichts von des Dio, Cassiodor 816 und Ablavius werken auf uns gekommen wäre und dessen andenken ich dankbar ehre; erste entdeckung oder gar erfindung der getischen und gothischen gleichheit kann ihm im geringsten nicht beigemessen werden; selbst jenen Dorpaneus Gothorum princeps musz er aus Cas- siodor haben, aus Orosius hätte er Dacorum rex geschrieben. Als

Sybel in Schmidts Zeitschrift 7, 288.

566 EÜCKBLICK

letzten und wichtigen zeugen aufgespart habe ich den Stephanus by- zantinus, dessen alphabetisches werk de urbibus et populis zwar schon etwas früher, gegen des fünften jh. ende fällt, aber nur in einem von Hermolaus, zu Justinians zeit, verfaszten und vielleicht noch von späterer band interpolierten auszug ei-halten ist. Stepha- nus s. 206 der neuen ausgäbe von Meineke sagt: rsrla, tj xcoga. rcöv rstäv. rerrjg yccQ to e&vucov, ov t6 kvqlov. eött öe i)-QaxiHov 8&V0S. Eötfc xai &f]Xv}täg Fstig' ovrag yccg exaXBtro »y yvvjj xov OiKinnov xov 'A^vvtov^ aal xrrjtiiiäg Isyerai ysTixog, acp ov Kgl- rcovog rsTiüä, aal ^rjkvxbv yETLxrj. vo^og ds Fttäv xo BmötpaQEiv xfjv yvvatxa x(ß avögl xccl öxav iTHXfjQvxEviüvraL XL&aQl^ELV. 'J^QOia- vbg ÖE rBXtjVOvg avxovg tpr^öL. durch Philipps getische gemahlin wird die s. 184 besprochne jornandische angäbe berichtigt, denn sie selbst hiesz so, nicht ihr vater, aber aus gup- wurde richtig auf yEX- geschlossen, vom tödten der getischen witwen oben s. 139, vom xid'(XQit,SLv s. 140, von Arrians Getinen s. 181. Kritons Getica sind gleich den dionischen verloren gegangen. Weiter heiszt es bei Ste- phanus s. 112: jTorO'ot e&vog näkai oixijöav Evxog xrjg MaicStLÖog. vöTEQOv dh elg rrjv Eicxog &Qaw]v ^sxaveöxrjöav^ ag sYQrjtai fioi ev xotg Bv^avxLaaotg. ^E^vrjxat xovxcav 6 ^conaEvg üagd^sviog. Dies absondern der Geten von den Gothen, ohne dasz irgend auf ihre Ver- wandtschaft hingewiesen wird, scheint nun ungünstig und wenigstens zu beweisen, dasz Stephanus selbst nicht an sie glaubte; ihm war es angelegner zu bestimmen, ob ein wort eigenname oder volks- name sei, als Völkerverhältnisse zu untersuchen, durch das, was er hier über die Gothen weiter sagt, wird aber der zweifei fast wieder aufgehoben: sie seien vor alters an der Maeotis, zuletzt in Thrakien 817 ansässig gewesen, oder wenn nä^ai und vöxeqov unbestimmter ge- nommen werden soll, sonst dort, in der folge hier, unter diesen maeotischen Gothen kann man sich offenbar keine germanischen, nur getische denken; auch nicht die späteren Tetraxiten (s. 444); allein ich habe nichts dawider, damit den alten sitz zu verknüpfen, wel- chen die sage auch Herulern und Vandalen an der Maeotis einräumt (s. 470. 476) oder gar die maeotischen Aspurgianen (s. 766). immer wird dadurch mehr auf Skythen und getische Völker an der scheide Europas und Asias geführt, als auf solche Gothen, die erst im zwei- ten, dritten jh. von der ostsee nach dem Pontus sich bewegt haben sollen. Das entscheidendste könnte aber der bezug auf einen phocäi- schen Parthenius werden, falls es der bei Athenaeus 11, 31 TlaQ^E- viog xov ^lovvöiov genannte ist, welcher iieqI xäv naga xoig iözo- QMOig Ie^ecov ^rjxov^EVCJv geschrieben hatte und nach Suidas s. v. /diovvöiog von Nero bis Trajan lebte, ein schüler des alexandrini- schen Dionysius*. hätte ein schriftsteiler aus Lydien in Kleinasien den namen der Gothen noch vor Tacitus und Dio Chrys. ausgespro- chen, so müste er ihm wieder nur von Geten gelten, nicht von ger-

* Fabricii bibl. gr. 3, 678.

RÜCKBLICK 567

manischen Gothonen. doch leiden alle angaben bei Stephanus durch die über den echten bestandtheilen seines werks schwebende Unsicher- heit und unter der möglichkeit jüngerer einschaltungen*.

Eines dritten einwands versehe ich mich: die Geten seien auf höherer stufe der bildung gestanden, und im besitz von göttern, prie- stern, königshöfen, städten, auch der Vielweiberei ergeben gewesen, 818 während unter den Germanen noch bai-barei, roher priesterloser natur- dienst, aber reinere sitte geherscht habe. Pas alles wäre nun so in den tag hinein gesprochen, barbaren nannte doch der Grieche auch Geten und selbst Makedonen; der verbannte Ovid hat nicht grelle färben genug, um der Geten wildheit zu schildern, in deren nachbar- schaft er leben muste. von einer durch Alexander genommenen Tiohg FsTiSv (Strabo 301) wird man sich keine grosze Vorstellung machen, bedeutender sein mochte Decebals ßaöiksiov iv ZsQiu^Eye- &ov6r] (Bio Cass, 68, 9. 14), die von Ptolemaeus genannten dakischen örter entsprangen vielleicht groszentheils erst unter der römischen oberherschaft ; aber auch in ganz Deutschland hat er Ortsnamen anzu- führen, Mattium inTac. ann. 1,56 könnte ebenwol Xccttcov nohg heiszen.

Thrakischer, getischer, dakischer priester wird mehrfach erwähnt, und jene mit spiel und gesang, in weiszem gewand, als boten dem feind entgegenziehenden getischen oder gothischen priester (s. 140. 816) sind nicht aus dem äuge zu lassen, bei lornandes werden sie ausdrücklich genannt Pii, was dem goth. gagudai evöEßsig und gud- jans ugelg nahe käme, und wie den Gothen gudja hiesz den Nord- mannen der priester godi, den Hochdeutschen cotinc (goth. gudiggs) und der alts. Ortsname Guddingun deutet auf heidnische priester- stätten. Pii liesze sich leicht in Dii ändern und den thrakischen z/tot vergleichen. Aber eine bedeutsame meidung danken wir dem Jose- phus 18, 2, die jüdischen Essener (Eööijvol), welche an Unsterblich- keit glauben, nicht heiraten und ackerbaus pflegen, vergleicht er dakischen Pleisten: ^(üöi de ovdev TtaQrjXkay^Evag akV otl ^dhötcc EfKpBQOvreg zJaxäv Totg n^eiötoig IsyD^evoig. sollte das Pii bei lor- nandes hervorgegangen sein aus Plisti? IlkelöTOL wäre der echtdakische, dem griech. begrif nrAEtöTot buchstäblich entsprechende name = maximi, da die Vorstellungen der Vielheit und grösze zu wechseln pflegen, das gr. nKü0TOL lautet altn. flestir (für flöstir, fleistir) und läszt ein goth. flaistai (gramm. 3, 614), also vor der Verschiebung plaistai erwarten, wozu sich der gr. ausdruck genau bequemte**, hier wäre wieder 819

* Stephanus nennt diesen Parthenius auch unter den Wörtern dsxevxioi und iäyfvoe und jene stelle (Meineke p. 224) nöthigt vielleicht ihn in das vierte jh. zu setzen: dsx^vxiOL, ^d-voq Ilavvoviag dnö AsxsvtIov rov Mäyvov naiSoq, Mayvsvrlov 6' a6£X<pov. xb &7]}.vxdv /Jsxsvxiäq, o)? üagd^eviog o ^(oxasvg. denn Decentius und Magnentius treten erst um 350 in der ge- schichte auf und ein älterer Parthenius könnte den namen Asxevxiaq, selbst wenn man auf diesen seine gewähr einschränken wollte, kaum gebraucht haben, im vierten jh.aber hatte der gothische nameden getischen bereits verdrängt. ** darf auch an den thrakischen goii nXelaxwQoq bei Herod. 9, 119 er- innert werden? viele griech. eigennamen sind mit nXsiax- zusammengesetzt.

568 RÜCKBLICK

entschiedenste Übereinkunft griechischer, dakischer und gothischer spräche. Doch sei un verschwiegen, dasz die neuern ausgaben Josephs (ed. Dindorf Par. 1845 p. 695) für TIXüötOLg lesen IIoXiöTcuq, und noUötai conditores scheinen die thrakischen Kgißtm bei Strabo s. 296: elvai ds nvag täv Ogccxäv, di x^^q'''S yvvaiyiog t,co6Lv, ovg Ktiötag xaXslöd'ai^ avLeQao&al tb Ölcc n^rjv xal ^Btcc aödag ^^v. solche atiijtaiu, noUöxai, ahd. felahon (Graff 3, 504) wären gewisser- maszen alts. Falhon (s. 630); was man aber auch von diesen namen denke, die bisher gültige ansieht, Germanien sei priesterlos gewesen, musz aufgegeben und kann nicht durch Caesars bekannte worte be- gründet werden: nam neque druides habent, qui rebus divinis prae- sint, neque sacrificiis student. entweder geht seine beobachtung nur auf die westlichen Deutschen und im gegensatz zu dem ausgebilde- teren priesterthum der Gallier, oder sie ist untreffend, da bei Strabo und Tacitus genug meidungen von germanischen priestern und opfern stehn; dem was ich im fünften cap. der mythologie gesammelt habe liesze sich vieles zufügen, aus dem salischen gesetz ergaben sich oben s. 563 die benennungen theourg und alatrud, welchem letzteren vielleicht das goth. J)r6J)jan, us|)röj)jan ^vilv initiare und yv^vä^HV exercere verglichen werden darf, vom ehlosen stand deutscher und nordischer priester erhellt zwar nichts, aber keuschheit und enthalt- samkeit ist ein natürliches erfordernis für göttliche diener unter allen Völkern. Hut oder binde war nach lornandes und Dio Chrysostomus abzeichen edler geschlechter, aus welchen könige oder priester ge- wählt wurden*; von solcher tracht scheint der Chatten name zu 820 deuten (s. 124. 577. 578) und ihr priester Aißrig wird mit der binde zu Rom aufgezogen sein. Tarabosti lege ich aus durch goth. J)ar- böstai, was zwar egentes, necessarii, vielleicht aber auch sacrifici, sacrificantes heiszen kann (vgl. s. 328). Vollkommen priesterlich er- scheinen endlich Odins zwölf hofgodar, mit der benennung Diar und Dröttnar (Yngl. saga cap. 2), lautverschoben tivar (Ssem. 30*) und vergleichbar den alten thrakischen z/tot (s. 191. 734).

Ich will nun auch angeben, auf welche weise der lautenschlag bei jener getischen sm%7]QViCBia wirkliche Übereinkunft mit altdeut- schem brauch haben kann, den heidnischen Geten waren bei feier- lichem anlasz ihre priester zugleich X'rJQVxsg, caduceatores, und dasz sie gesanges und saitenspiels pflagen scheint dem amt und geschäft des Standes angemessen. Unser mittelalter aber wählte zu boten auch Spielleute, deren hofamt an die stelle des priesterlichen getreten sein mochte ; Werbel und Swemmelm in den Nibelungen sind Etzels fiedler und boten, warum sollten sie bei öffentlichem auftritt nicht gefiedelt haben?

Ist überhaupt die rede von der geistigen anläge noch unausge- bildeter, allein begabter und einfach lebender Thraker, Geten, Ger-

* A.nacharsis kam 592 jähre vor Chr. nach Griechenland ohne hut, den er daheim gelassen. Lucian de gymnas. c. 16.

EÜCKBLICK 569

manen, wobei ich auch gern zurückgehe auf die Skythen; so darf diesen milchessenden hirtenvölkern* oder beginnenden ackerbauern zwar vieles treffliche aberkannt, aber auch manche tugend und reine kräftige empfindung zugetraut werden, ich hoffe aus griechischen nachrichten erst noch mehr von Thrakien zu lernen und glaube schon in einzelnen zügen bei seinen bewohnern tiefes naturgefühl, wie es auch bei Germanen und Slaven waltet, zu gewahren. Thrakien musz ein land der Nachtigallen gewesen sein, von wannen sie selbst den Griechen zuflogen (s. 176); die thrakischen winde hieszen diesen auch ngviS^iat avsfioi, mit welchen frühlingsvögel kamen. , Pausanias 9, 30 821 erzählt eine schöne sage: keyovat de ot 0QKXBg, dl räv drjdovav BxovöL VBoööiag stiI ra tcccpco xov ^OQq)£G)g, tavtag rjdiov xal fiel^ov Vi äösLV. so kommt nach nordischer sage gesanges künde über den hirten, der nachts auf eines sängers grabe geruht hat**, gerade wie bei Pausanias: Ttoi^^v tceqI ^eöovöav ^ccXkjtu t^v ^j^sQav hniuXi- vcov ttvrov TiQog rov 'OgcfBcog rbv t(xq)ov, 6 i^dv etcdd^Evdev 6 tcol- ^7]V. kni^H Se OL xal xad'EvdovrL etd] aÖEiv xüv ^Ogcpecog xal (lEya xal '^dv rpcovEtv. Ähnlich dem erhöhten gesang der vögel auf Orpheus grab ist, dasz im jähr von Häkons königswahl die bäume zweimal trugen, die vögel zweimal brüteten, wie das lied singt (forum.

sog. 9, 265):

bar tällaust tvinnan blomii aldinvidr einu sumri, ok ükallt ütifuglar öndvert är urpu tysvar.

Auszer solchen Überlieferungen, die vielen allzu schwankend vor- kommen werden, mich aber mit ahnungen erfüllen, ist gar manches in den sitten und gebrauchen der Thraker und Germanen geeignet, den Zusammenhang dieser Völker zu bestätigen. Um noch einmal auf die morgenländische, thrakische und germanische falkenjagd zu kommen, so sind doch die Falchonarii in der not. dign. Orient, cap. 5 (ed. Böcking p. 22. 24) neben Bucinobantes , Thraces und Tervingi nicht zu übersehn, sicher führten sie nicht ihren namen von dem sicilianischen flusz Falconara, wol eben so wenig von lanzen, die das mittelalter falcones nannte, sondern allem anschein nach von abrich- tung und jagd der falken, welche damals in Byzanz durch Thraker oder Deutsche eingeführt sein konnte. Ducange s. v. falconarius kennt diese merkwürdige stelle nicht und wenn er aus Pachymeres und Codinus einen byzantinischen TCQCOtoieQccxccQLog beibringt, so stehn solche schriftsteiler des 13 und 15 jh. dem oben s. 47 mitgetheilten Zeugnis aus Theophanes bedeutend nach.

Von der pelztracht und weiten beinkleidung der Geten und 822

* quibusdam nationibus frumenti expertibus victum commodat (ovillum

f)ecus), ex quo nomadum Getarumque plurimi j'aA«;«Ton;oTa( dicuntur Co- umelia 7, 2. sie tranken auch Stutenmilch (s. 721). ** frau Aventiure s. 28. mythol. s. 859.

570 RÜCKBLICK

Gothen wurde s. 452 geredet; trugen auch die Langobarden weites gewand (s. 694), so darf das enge und knapp anschlieszende der rheinischen Germanen bei Tac. cap. 17 keinen maszstab für die öst- lichen stamme geben, wie er auch den rheinischen wenig, den innern mehr pelze beilegt.

Langgelocktes haar war abzeichen aller freien und edeln, die könige nährten es am sorgsamsten; knechten und geistlichen wurde es geschoren. Ulfilas braucht tagl (vgl. dak. do%eXä s. 209) und skuft für TQLX^S} ahd. gilt zagal ags. tägel, altn. tagl schon für das schweif haar der rosse und dann für schweif überhaupt; aber auch ahd. scuf ist caesaries, nhd. schöpf, ein dritter ausdruck war wol goth. hazds, altn. haddr, wonach die Hazdiggös und Haddlngjar hieszen (s. 448), ein vierter ahd. fahs, ags. feax, altn. fax, wieder mit anwendung auf die mahne, denn Faxi ist name von rossen, ein dak, TCOE^ Tiov^ (s. 207. 807) zweifelhaft, von balz coma cirrus (Graif 3, 114) stammt das mhd. baizieren, ahd. floccho lanugo gleicht dem litth. plaukas, mag sich aber zugleich mit flahs linum und sl. vlas" d'QL^ berühren, unser haar, ahd. altn. här, ags. hser, engl, hair mangelt in goth. denkmälern, und würde vielleicht h6s oder nach jenem engl, hair hais gelautet haben, wozu lat. caesaries nahe träte ; man könnte selbst goth. haiza lampas vergleichen, insofern sich strahl und haar berühren. Von langobardischer haartracht s. 694, von chattischem submittere crinem barbamque s. 570. 571; apud Suevos, sagt Tacitus cap. 38, usque ad canitiem horrentem capillum retro sequuntur. ac saepe in ipso vertice (am schöpf) religant. principes et ornatiorem habent. Seneca epist. 124 sagt: quid capillum ingenti diligentia comis? quum illum vel effuderis more Parthorum, vel Ger- manorum nodo vinxeris (das ist das religare), vel ut Scythae so- lent sparseris: in quolibet equo densior jactabitur juba, horrebit in leonum cervice formosior. horrere gilt zumal vom sich sträubenden haar, vgl. horridus und horripilare. 823 Zum trinken dienten den nomaden thierhörner und in der ge-

stalt von hörnern wurden trinkgefäsze geschmiedet, wie die auf der kimbrischen halbinsel ausgegrabnen goldhörner bezeugen; von der spitze des horns hiesz darum ein trinkbecher goth. stikls, ahd. stSh- hal, altn. stikill (apex, hoi-nspitze), woher sich das litth. stiklas, sl. st'klo vitrum erklärt; Litthauer und Slaven haben, wie der name zeigt, ihre trinkhörner den Deutschen nachgeahmt, aus getischer beute weihte Trajan dem Zsvg KdöLog zwei silberschalen und das vergoldete hörn eines urs {ßoog ovqov*). Man trank aber auch aus Schädeln (s. 143). die sitte des erlegten feindes haupt abzuschneiden und mit sich zu führen (s. 141), war nicht blosz barbaren eigen ; zur zeit desselben Trajans schleppten die Eömer des besiegten Decebalus haupt mit nach Rom (Dio Cass. 68, 14).

anthol. gr. ed. Jacobs l, 294. 6, 332. Suidas s. v. Kaoiov OQoq.

RÜCKBLICK 571

Zumal wichtig erscheinen alle Verhältnisse des häuslichen lebens. von der getischen polygamie, die sich im beginn unsrer Zeitrechnung wahrscheinlich schon sehr vermindert hatte, war s. 188. 189 die rede; vom freiwilligen tod der witwe, wann der ehemann starb, s. 139. 816, welche sitte ins höchste alterthum zurückreicht, der germani- schen hausgewalt des mannes scheint frauenherschaft , wie sie Taci- tus von den Sitonen berichtet (s. 744) zu widersprechen, aber auch sarmatische Völker waren yvvaiiioxQaTOV^EVOt* und die amazonensage scheint auch unter Deutschen verbreitet gewesen zu sein. Die an- wendung der stierhaut unter verwandten und freunden war Scandi- naven und Skythen gemeinschaftlich (s. 128), noch verbreiteter die blutsbrüderschaft (s. 135). Was Plinius und Mela von hyperboreischen Skythen melden stimmt bedeutsam zur sitte des altn. setternis stapi (RA. 486 ff. 972).

Dringen aber Gothen auf Geten zurück, so thun es auch thra- kische Geten auf asiatische, thrakische Daken auf skythische Dahen**, 824 europäische Alanen auf asiatische und Massageten. Cyrus, schon 550 560 jähre vor Chr. begegnete den Massageten am Araxes, Da- rius aber bewältigte die Geten in Thrakien am Salmydessus 490 495 vor Chr., ohne dasz damit dem Getenreich in Thrakien ein ende gemacht worden wäre, aber zu Alexanders tagen fand Pytheas be- reits Guttonen an der ostsee; wie rasch oder wie langsam müssen diese Geten im westen vorgerückt sein und mit ihnen alle andern deutschen stamme! für ihren alten Zusammenhang mit Asien kann das Thataghus der keilinschrift (s. 226) hohen sinn gewinnen, und die ^dai und 2Jdxai am kaspischen meer (s. 225), die sue vischen und alanischen gebirge in Skythien (s. 489) werden ihn noch steigern, haben Sarmaten, als beider heerzug im tiefen Asien weilte, Germanen schon den suevischen namen beigelegt, oder kannte die germanische spräche damals selbst noch die bedeutung eines possessiven svoi, dem das goth. sv6s verwandt liegt? sind die Wagnisse meiner gleichungen xoQaxoi: harugä (s. 118), Taßitl: Tanfana (s. 231) nicht verzeih- lich? Julius: jiuleis (s. 106) wiewol überraschender, scheint um viele schritte heller. In dem Jahrtausend vor Chr. hebt und lichtet sich an den verschiedensten puncten die griechische, römische und kel- tische geschichte; in derselben zeit waren auch deutsche Völker rege und nach dem Schauplatz ihrer künftigen macht aufgebrochen, es ist nothwendig ihnen schon damals breiten Spielraum zu gestatten ; kenn- bare spuren verkünden zugleich ihre gemeinschaft mit der alten weit.

Je länger ich nachsinne über unsern alten, schon den Römern des ersten jh. kund gewordnen stammythus von Mannus und seinen •irei söhnen Iscus Ingus Hermino, desto mehr schwinden mir alle zweifei, er müsse bereits aus Asien mitgebracht worden sein, zu 825

* Hippocrates de aeribus, aquis et locis, 41.

** Steph. byz. p. 216: Jäai axv^ixhv Mvoq. sial 6h vOfjtaSeq. Xiyovxai xttl ddoai fisrd xov ö, nach uraltem Wechsel zwischen H und S (s. 291 ff.).

572 RÜCKBLICK

geschweige!!, dasz ihn der britische Nennius im j. 858 offenbar aus anderer quelle schöpft, den vater Alanus, die drei söhne Hisicio Armenon Neugio (vgl. ir. NG s. 369) nennend, ein irisches gedieht des Isiocon erwähnt (Haupt 2, 334), ein cod. vatic. den drei brü- dern die namen Ermenius Ingo Escio ertheilt (anh. zur mythol. s. XXVII [Haupt 9, 249]); so lehren Asciburgium, der altn. Askr (neben Embla) [Es, Imlja, Castren 235], der ags. Oesc, der ags. Ing und altn. Yngvi Odins söhn, die alts. Irmansül und viel andre composita mit Irman, ags. Eormen, altn. lörmun, goth. Airmana, dasz diese drei namen in unsrer mythologie allenthalben tiefste wurzel schlagen und die formen Ask Isk Esk, Armin Irmin Irman Erman zusammenfallen. Nun aber heiszen bei Moses Genes. 10, 3 Gomers drei söhne Aschke- nas Rlphath Thogarma (rasüN, r?"!, Tii^y^'T)), 'jiöxdvtog ist ein phrygischer name und Thogarma aufzulösen in thog-arma von thog, skr. töka, zend. taokhma, armen, tohm tribus, familia, so dasz in Arma der eigentliche name des thessalischen "Ag^^vog (arm. Arme- nak) vortritt, welchen Strabo s. 530 als stammherrn von Armenien aufführt, zwischen Phrygien und Armenien fand nahe Verwandtschaft statt, Armenien aber steht in den keilschriften neben Arien Medien Gedrosien* Thataghush (s. 226. 228) und andern asiatischen Völkern, die sich mit unserm volk in seiner Urheimat berührt haben können, die armenische spräche ist einq arianische und hängt zusammen mit der medischen, sarmatischen, zendischen**, wahrscheinlich auch mit der unsrer vorfahren, als sie noch in Asien weilten, ihnen, Arianern und Hebraeern scheint die stammsage von Ask 'y^öxccriog Aschkenas, 826 von Avmino "Jg^avog und Thogarma [Thorgoma Mones anz. 6, 361] frühe gemein; Aschkenas nennen die Juden Deutschland (mythol. s. 1219), von Askanius entspringen die Sachsen (vgl. Anschis s. 642). Rlphath weicht aber ganz von Ing ab und hat auch bei den Arme- niern keinen anklang***, ebenso musz des vaters Mannus name für echt deutsch (s. 768) und zugleich indisch (mythol. s. 544) gelten. Viele dieser Wahrnehmungen schweben noch unbefestigt, bald aber wird man sich einiger nicht mehr entschlagen können f.

Leicht mag unter allen beispielen das vom reliquiencultus ent- nommene (s. 146 152) am meisten wuchern, dasz der gebrauch in Thrakien galt zeigt eben die sage von Orpheus gebeinen; bestätigt sich aber sein ausgang von Buddha, den man doch nicht ohne grund zu Wodan gehalten hat (merkwürdig heiszt Wodans tag, dies Mer-

* rsÖQfoala raÖQcoala bei Arrian und Strabo hat noch keiner mit des Plinius Gauden verglichen, mancher schon die persische KaQixavla mit Germanien.

** Rieh. Gosche de ariana linguae gentisque armeniacae indole. Berol. 1847 p. 12. 15. 43.

*** nach Moses von Chorene 1,12 heiszen des Armenac brüder Chor und Manaraz, welcher letztere an unsern Mannus, Irminons vater mahnt.

t auch Wackernagels Untersuchung der deutschen stammsage leitet auf asiatischen Ursprung (Haupt ö, IT),

RÜCKBLICK 573

curii selbst im skr. Budhuvaras, mythol. s. 118), so kommen die skythischen Bovölvol bei Herod. 4, 21. 22. 108. 109, Badrjvol bei Ptolemaeus, nachbarn der Sauromaten und Thyssageten in betracht und die von unsern europäischen Völkern durch Skythien hin und weiter rückwärts hinter lassene spur . tritt an mehr als einer stelle immer sichtbarer vor.

XXXT. DEUTSCHE DIALECTE.

827 Die spräche, wie das volk selbst in gaue und hunderte, der stamm in äste und zweige, zerfällt in dialecte und mundarten; doch pflegt man mit beiden letzten ausdrücken selten genau zu sein, da wenn dialect als spräche gesetzt wird auch seine mundarten sich zu dialecten erheben, es kann aber die spräche wiederum, je höher ins alterthum aufgestiegen wird, als dialect oder gar mundart einer früheren, weiter zurückliegenden erscheinen, dialecte sind also grosze, mundarten kleine geschlechter.

Jede spräche unterliegt geistigen wie leiblichen einflüssen. geistig wird sie durch poesie und rede ausgebildet und in ihrer reinheit von den dichtem erhalten und erhöht, treten schrift grammatik und endlich Vervielfältigung im druck hinzu, so gewinnen diese handhaben entschiednere gewalt über die sprachregel und gestatten von ihr nur schwer und langsam ausnahmen. Immerhin thut das vorgewicht des geistes der natur der spräche einigen zwang, weil die dichterische kunst im einzelnen irren kann und das mündlich ungefesselte wort, obwol ungeschickter, sich freier bewegt, zu haus, unter den seinen, redet der mensch nachlässiger, aber behaglicher und vertrauter als gegenüber andern und fremden oder selbst beim niederschreiben seiner gedanken. das Verhältnis der mundarten und dialecte er-

828 scheint stufenweise ebenso, jede mundart ist volksmundart, heimlich und sicher, aber auch unbeholfen und unedel, dem bequemen haus- kleid, in welchem nicht ausgegangen wird, ähnlich, im gründe sträubt sich die schämige mundart wider das rauschende papier, wird aber etwas in ihr aufgeschrieben, so kann es durch treuherzige Unschuld gefallen: grosze und ganze Wirkung vermag sie nie hervorzubringen.

Leiblichen oder physischen eindruck auf die spräche nenne ich den durch Veränderung des bodens und der himmelsgegend ent- springenden, die spräche, in ihren grundbestandtheilen wird von dem einwandernden volke mitgebracht, allein sie kann durch langen aufenthalt im gebirge, in Wäldern, auf ebenen und am meer anders

DIALECTE 575

gestimmt und in abweichende mundarten gebracht werden, erfahrung lehrt, dasz bergluft die laute scharf und rauh, das flache land sie weich und blöd mache, auf der alpe herschen diphthonge und aspi- raten vor, auf dem blachfeld enge und dünne vocale, unter conso- nanten mediae und tenues. Die merkwürdigste eigenheit unsrer spräche, die lautverschiebung scheint minder physisch als geistig zu erklären.

Sollen dialecte sich setzen und lebendige sprachen aus ihnen ersteigen, so bedarf es schon eines gewissen raums an gebiet, inner- halb dessen die entfaltung eintrete; von zu dicht nebeneinander ge- drängten dialecten werden einige gehemmt und erstickt, wie nicht mit gleichem gezweige alle äste des baums sich ausbreiten, für den ast entscheidet die gunst der luft und des lichts, für die spräche unter allen einwirkungen den ausschlag gibt das gedeihen der poesie. da nun die poesie auf drei wegen ausgeht, als epos, lyrik und drama, das epos am alter das erste, das drama das jüngste ist und das lyrische lied in der mitte steht; so wird die spräche am reinsten entwickelt sein, in welcher sich alle stufen der dichtkunst ungestört dargethan haben.

Der griechischen spräche war ein glückliches losz gefallen, weil sie unter bewegten und ruhigen menschen auf meerengen, halbinseln und inseln (s. 162), immer zur rechten stunde, in alle geheimnisse der dichtarten eingeweiht wurde, sie entfaltete vier dialecte, vons29 welchen der aeolische für den ältesten noch auf dem festen lande Thessaliens und Boeotiens waltenden und dann weiter vorgedrungnen gilt: er gewährt die alterthümlichste, oft dem latein begegnende und bei vergleichung urverwandter sprachen überhaupt ergibigste form, im gebirgsland des peloponnesos erblühte der dorische, in Jonien der jonische dialect, jener hell und scharf die lyrischen töne, dieser weich flieszend das epos zeugend, aus allen dreien gieng zuletzt, im drama und reichgebildeter prosa, der gewaltigste attische hervor, dessen die geistige ausstattung des griechischen volks nicht mehr entrathen konnte, er ist weder berg- noch küstensprache, weder alt noch neu, sondern die gelungenste einheit sämtlicher dialecte.

Es mangelt viel dasz die geschichte andrer sprachen ein so voll- endetes, in sich abgeschlossenes bild darböte ; bevor ich versuche die deutschen dialecte zu gliedern, ist es nöthig eine schon von den Eömern überlieferte Ordnung unserer stamme, was ich absichtlich bis hierher verspart habe, näher zu betrachten.

Tacitus trägt eine berühmte, im vorhergehenden schon oft ge- nannte trilogie aller Germanen vor, erwähnt aber auch eine heptas, deren vier letzte reihen neben jenen dreien namhaft gemacht wer- den; Plinius hat eine pentas aufgestellt und ein groszes verdienst durch nennung der einzelnen glieder jeder reihe sich erworben, die man bei Tacitus blosz rathen kann.

Dieser legt dem Mannus drei söhne zu, nach deren namen die dem ocean benachbarten Ingaevonen, die mittleren Germanen Hermi- nonen, alle übrigen Iscaevonen heiszen (s. 824). Ingaevonen sind also die nordwestlichen, Iscaevonen die westlichen, Herminonen die öst-

576 DIALECTE

liehen, da den Römern, von Gallien aus, zumeist die vorderen Iscae- vonen und Ingaevonen bekannt waren, so blieb ihnen der mittlere und hintere herminonische stamm unsicher und am wenigsten er- forscht. Ohne diese drei namen ferner zu nennen beginnt Tacitus seine beschreibung mit den auf der linken seite des Rheins nieder-

830 gesessenen Vangionen, Triboken, Nemeten, Ubiern und Bataven, geht dann von diesen auf die bewohner der rechten seite Mattiaker, Chat- ten, üsipen, Tencterer, Bructerer, Angrivarier, Chamaven und auf die Friesen, Chauken, Cherusken, Fosen, Kimbern über, dann an der Ostsee gegen die Elbe vorschreitend beschreibt er Sueven, Semnonen, Langobarden, zwischen Elbe und Oder Reudinge, Avionen, Angeln, Varinen, Eudosen, Suardonen und nun tiefer im östlichen Elbegebiet Hermunduren, Narisken, Markomannen, Quaden, hinter diesen zwischen Elbe, Oder und Weichsel Marsinge, Gothinen, Ösen, Buren, die lygi- schen Völker Harier, Mammen, Helveconen, Helisier, Navarnahalen, hinter welchen dann der ostsee näher Gothonen, Rugier, Lemovier und weiter ostwärts Suionen, Aestier und Sitonen folgen, er schlieszt mit den noch tiefer in den osten reichenden Peukinen, Bastarnen, Veneten und Fennen. Bei dieser aufzählung sind jedoch einzelne in den annalen und historien genannte westliche Völker unangeführt ge- blieben, namentlich Canninefaten, Gugernen, Sigambern, Marsen, Tu- banten, Teutonen; wie viele andere, zumeist mittlere und östliche werden ungenannt sein. Die jenen drei hauptstämmen zutretenden viere stellen sich dar als Marsen, Gambrivier, Sueven und Vandilier; die Marsen sind jene zwischen Rhein und Weser, vielleicht aber den östlichen Marsingen beschlechtet; Gambrivier scheinen eins mit den Sigambern. Wie sich nun Tacitus seine drei hauptstämme Iscaevo- nen, Ingaevonen und Herminonen aus den einzelnen Völkerschaften zusammengesetzt dachte, ist mit Sicherheit schwer zu entnehmen; wir wollen erst die genauere fünftheilung des Plinius vornehmen 4, 14:

Germanorum genera quinque : Vindili, quorum pars Burgundiones, Varini, Carini, Guttones, alterum genus Ingaevones, quorum pars Cimbri, Teutoni ac Chaucorum gentes. proximi autem Rheno Iscae- vones, quorum pars Sicambri, mediterrane! Hermiones, quorum Suevi, Hermunduri, Chatti, Cherusci. quinta pars Peucini, Basternae conter- mini' Dacis. Ohne zweifei flosz diese höchst wichtige mittheilung aus

831 dem munde von Germanen selbst und aus deutschen liedern, wie auch die drei hauptnamen Isc Ing und Ermin das volle glied einer allite- ration bilden, dem Tacitus musz eine ähnliche, aber nicht dieselbe vorgelegen haben, wie das stimmende und abweichende medii und medi- terranei, proximi oceano und proximi Rheno zeigt, wie hätte Tacitus des vindilischen und peukinischen stamms geschwiegen, die seinen Mar- sen Gambriviern Sueven und Vandiliern nur im letzten namen begegnen?

Nach allem was vorhin (s. 825) einleuchtete gründet sich aber die eintheilung in Ingaevonen, Iscaevonen, Herminonen auf uralten mythus, der im andenken der Germanen des ersten jh. haftete, aber damals schon so dunkel sein muste, dasz ihn nur die phantasie zum

DIALECTE 577

wirklichen unterschied der stamme gebrauchen konnte, dies sah viel- leicht Tacitus ein und unterliesz eine solche anwendung Plinus oder eine von ihm genutzte nachricht suchte verwandte oder sich nah- liegende Völker in die fünf abtheilungen einzureihen.

Am unbedenklichsten werden dabei Kimbern, Teutonen und Chau- ken als Ingaevonen erscheinen, weil auch nach dem ags. runenlied Tng als ostdänischer heros auftritt und Yngvi in der nordischen sage fortlebte, für die rheinischen Iscaevonen schickt sich Asciburgium und der am Rhein gewaltige stamm der Sigambern oder Franken; da nun auch Sicambri geschrieben wird und die volle gestalt des namens Sigigambri scheint, wäre vielleicht blosz Cambri zu schreiben, wie sogar des Tacitus Gambrivii bestätigen, heiszen aber die Sigambern auch Gambej-n, Kambern, so wäre thunlich Kambern und Kimbern durch den ablaut (wie Ask und Isk) zu einigen, woran ich s. 525 und 637 noch nicht dachte, und dann würden Franken und Teutonen (Francs et Tyois) in anderm licht erscheinen. Im vierten stamm der Herminonen sind natürlich die Hermunduren enthalten und Sueven mit Chatten zusammengestellt, wie es die aus andern gründen erkannte Verwandtschaft beider mit sich bringt, dagegen ist der Cherusken aufnähme in den herminonischen stamm verdächtig (s. 613); zwar grenzten sie im Süden an Chatten, im osten an Sueven, und ihre fürsten waren eine Zeitlang mit chattischen verbunden, doch im volk 832 scheint hartnäckige feindschaft zwischen beiden gegolten zu haben, man musz auch der Spracheigenheit wegen Cherusken zu den Ingae- vonen schlagen und die sächsische Irmansül kann sie nicht in Her- minonen wandeln, da Irman wahrscheinlich unter allen Germanen verehrt wurde ; freilich finden wir im epos Düringe Dänen und Sachsen den Franken entgegentreten (s. 734). Beim Iscaevonenstamm sind einzig und allein die Cambern oder Sigambern hervorgehoben, was auf die fülle der fränkischen macht zielt; zweifelhaft bleibt also die Unterordnung der kleineren Völker, doch räth die Verwandtschaft der Chatten und Bataven auch diese und Chattuarier und Mattiaker in den suevisch-herminonischen stamm zu schalten, welchem ostwärts Langobarden, Markomannen, Quaden gehören.

Grosze aufmerksamkeit anregen müssen der erste und fünfte, die nordöstlichen und südöstlichen Germanen umfassende stamm, jener wird angeführt von den Vindilen, sicher des Tacitus Yandiliern, welche formen sich wiederum verhalten wie Isc und Asc, vielleicht Cimbern und Cambern. Vindilen, später Vandalen (s. 475. 476) und die zu ihnen gerechneten Völker nahmen den räum zwischen Oder und Weichsel ein und da Plinius nächst den Vindilen Burgundionen nennt, der Lygier geschweigt, Tacitus aber statt der Burgundionen und wahrscheinlich neben seinen Vandiliern das grosze lygische volk setzt, so darf dem schlusz, dasz Burgunden und Lygier eins und dasselbe seien nicht ausgewichen werden, inwiefern sich die Vandilier vielleicht als Vindilen und Winilen mit den westlicher hausenden Langobarden berühren (s. 685), bleibe künftiger forschung vorbehalten ; auch Varinen

Grimm, gescliichte der deutschen spräche. 37

578 DIALECTE

saszen zwischen Elbe und Oder, und stieszen an Angeln und Lango- barden, der Carinen einzige spur wurde in Scandinavien aufgewie- sen. Guttonen sind nach Tacitus hinter die Lygier ans gestade der Ostsee, wo sie schon Pytheas vorfand, zu stellen (s. 721. 722). Unter den Peukinen und Bastarnen des fünften stamms denke ich mir einigermaszen das alte Getenvolk, von welchem Tacitus nur einen

833 nördlichen zweig als Gothonen kennt, ohne diesen namen mit dem der Geten zu verbinden, in die nachbarschaft solcher Gothonen waren damals schon Sarmaten und Jazygen vorgedrungen.

Fragt es sich nun nach dem unterschied deutscher dialecte, so ist klar, dasz dieser nicht weder in den dreitheiligen noch fünftheiligen der stamme aufgehn kann ; sie mögen blosz nebenbei zugezogen wer- den, um den gang der dialecte zu ermitteln.

Für die richtige beurtheilung der dialecte gehe ich aber von folgendem, aus der geschichte der spräche geschöpften und in der natur ihrer Spaltung gegründeten satz aus : alle mundarten und dialecte entfalten sich vorschreitend und je weiter man in der spräche zurück- schaut, desto geringer ist ihre zahl, desto schwächer ausgeprägt sind sie. ohne diese annähme würde überhaupt der Ursprung der dialecte, wie der Vielheit der sprachen unbegreiflich sein, alle inanigfaltigkeit ist allmählich aus einer anfänglichen einheit entsprossen und wie sämtliche deutschen dialecte zu einer gemeinschaftlichen deutschen spräche der vorzeit verhält sich die deutsche gesamtsprache wiederum als dialect neben dem litthauischen, slavischen, griechischen, lateini- schen zu einer älteren Ursprache, die besonderheit dieser sprachen mag schon in Asien entsprungen sein, gewis war sie dort noch nicht so entschieden und scharf bestimmt wie späterhin.

Alle mundarten und dialecte liefen gefahr sich ins unendliche zu splittern und zu verwirren, wäre dem nicht eine weise schranke ge- stellt durch das übergewicht der sich niedersetzenden gröszeren Schrift- sprachen, wie die herschaft groszer Völker dem zerfahren der einzelnen stamme steuert und die im kleinen unvermöglichen kräfte zu einem mächtigen ziele sammelt, herschende sprachen verzehren, schonungs- los aber wohlthätig, eine masse von eigenheiten, günstigen und nach- theiligen, deren schalten der groszen Wirkung des ganzen nicht zu gute kommen würde. Wie es den bäumen des waldes versagt ist alle äste, dem ast alle zweige in gleicher reihe zu treiben, so werden

834 auch sprachen, dialecte, mundarten neben und durcheinander gehindert und zugleich gefördert: zwischen zurückbleibenden ragen erblühende desto herrlicher vor.

Zur zeit, wo deutsche spräche in der geschichte auftritt, ist sie von allen urverwandten zungen characteristisch und specifisch ab- weichend, obwol ihnen in einzelnem noch weit näher als heutzutage; ihre eignen dialecte hingegen scheinen unbedeutender und unent- schiedner als in der folge.

Man kann den gothischen, gleich dem aeolischen der griechischen spräche, den alterthüralichsten und formreichsten dialect der deutschen

DIALECTE 579

nennen; vergleichende Sprachforschung wird sich seiner am liebsten bedienen, um die erscheinungen unserer spräche den urverwandten anzureihen, beide dialecte, die vielleicht einmal leiblich in Thrakien zusammenstieszen, sind sich auch darin ähnlich, dasz nur bruchstticke ihres reichthums, brocken von der fülle des groszen gastmals hinter- blieben, doch reicht unsere kenntnis von der aeolischen mundart lange nicht an die durch ülfilas der geschichte unserer spräche bereitete bestimmtheit.

Aus der hochdeutschen spräche weht uns gleichsam dorische berg- luft an, und jonische Weichheit mag sich im altsächsischen, angel- sächsischen und friesischen finden ; auch haben die Angelsachsen mit aus ihrer heimat noch alte stücke des epos gebracht, fast der ganze ahd. Zeitraum war der entfaltung aller Volksdichtung hindersam, im mhd. erwachten lied und epos mit einer fülle, der die niederdeutsche spräche nur im niederländischen dialect einiges entgegenzusetzen hat; mnl. lieder zeigen gegen mhd. gehalten schwächere poesie und viel geringere anläge zur kunst des reims.

Als Luther den glauben, zugleich die spräche reinigte und hob, langsam aber nach der Verwilderung des 17 jh. endlich im 18ten mächtige dichter erstanden, war das übergewicht hochdeutscher spräche völlig entschieden, nichts ist unverständiger als den Untergang des niederdeutschen dialects zu beklagen, der längst schon zur bloszen mundart wieder herabgesunken und unfähig war, wie der hochdeutsche zu nähren und zu sättigen, während sich alle hochdeutschen stamme 835 der höheren Schriftsprache beugen, der niederdeutsche stamm bereits die niederländische, in gewissem sinn die englische spräche hergegeben hat, wäre es ungerecht und unmöglich der niedersächsischen bevöl- kerung ein anrecht auf Schriftsprache einzuräumen; Niedersachsen und Niederländer hätten im rechten augenblick zugleich eine nieder- deutsche gesamtsprache der hochdeutschen an die seite setzen müssen. Es war jedoch besser, dasz es unterblieb und dasz nunmehr alle Deutschen mit gesammelter kraft einer einzigen spräche pflegen, die gleich der attischen streben soUte über allen dialecten zu schweben.

Die spräche der Daken und Geten, als sie auf doppeltem wege sich nach Scandinavien in zug setzten, mag kaum von der aller übrigen Gothen weit abgewichen sein, der grelle abstand der heutigen dänischen und schwedischen rede von hochdeutscher und niederländi- scher schwindet mit jedem schritt, den wir in das nordische alterthum zurück thun können, zwei vorstechende eigenheiten, artikelsuffix und tibertritt der medialen intransitivform in strenges passivum erscheinen früher seltner und müssen in noch tieferer vorzeit fast ganz unter- blieben sein (s. 755). das K der flexionen statt des goth. S, der Wegfall des auslautenden N (s. 338. 754) sind eben so sicher erst zu bestimmter zeit eingetretne abweichungen von dem ursprünglichen typus als die ahd. lautverschiebung auf die gothische und diese auf den getischen stand der stunamen consonanten zurückweist. Nicht

37*

580 DIALECTE

anders lehren einzelne ausnahmen des ahd. vocalismus, dasz seine abweichung vom gothischen keine ursprüngliche ist.

Allerdings ist die lautverschiebung das sicherste kennzeichen, woran sich hochdeutsche spräche von niederdeutscher unterscheiden läszt. auszer den Schwaben und Baiern sind auch Hessen, Thüringe und Langobarden hochdeutsch und man könnte überhaupt die dritte stufe des verschubs auf die Herminonen einschränken, alles was sächsisch, friesisch, scandinavisch, gothisch heiszt beharrt entschieden bei zweiter stufe, also alle gothischen und ingaevonischen Völker,

836 wahrscheinlich auch die iscaevonischen und burgundischen, obwol sich rein fränkische xmd burgundische denkmälen nicht mehr aus der zeit erhalten haben, wo bei den herminonischen die Verschiebung um sich grif. Aber es gab eine zeit, wo die hochdeutsche Verschiebung noch nicht da war und alle deutschen dialecte auf der zweiten stufe standen, es gab eine noch frühere zeit, wo auch die zweite unentwickelt war, und alle deutschen consonanten zu den lateinischen stimmten.

Innerhalb dieser einheit und Verschiedenheit hat sich die ganze geschichte deutscher spräche entfaltet, wir dürfen sechs bestimmt unterschiedne zungen ansetzen, welche der Schrift theilhaft geworden ihre eigenthümlichkeit behaupteten : die gothische, hochdeutsche, nieder- deutsche, angelsächsische, friesische und nordische, von ihnen ist die gothische ganz, ohne dasz etwas neueres an ihre stelle getreten wäre, erloschen, die hochdeutsche hat ihre lebenskraft und bildsamkeit be- währt und davon in drei Zeiträumen unverwerfliches zeugnis abgelegt ; die niederdeutsche wurde zersplittert, man kann annehmen, dasz ihr edelster theil mit den Angelsachsen auszog, aus dem schosz der angel- sächsischen spräche aber erhob sich, mit starker einmischung des romanischen elements, verjüngt und mächtig die englische spräche. zur Volksmundart herabgesunken ist der Priesen und Chauken spräche und ein gleiches gilt von einem groszen theil der altsächsischen, doch so, dasz aus den trtimmern eines andern theils eine eigne nieder- ländische zunge neu erstand, obschon diese nicht ganz mit der alt- sächsischen grundlage zusammen zu fallen, sondern noch batavische oder fränkische stücke in sich einzuschlieszen scheint, deren genauere ermittlung zu den einladendsten Untersuchungen gehören wird, die auf dem gebiete deutscher Sprachforschung zunächst bevorstehn. In Scan- dinavien sind sich altnordischer, schwedischer und dänischer dialect fast so zur seite gestellt, wie auf dem festen lande gothischer, hoch- deutscher, niederdeutscher ; man hätte besonders dort nach gründlicher aufifassung des schwedischen und gothischen elements zu streben. Es haben sich also bis auf heute nur fünf deutsche sprachen auf dem

837 platz behauptet, die hochdeutsche, niederländische, englische, schwe- dische und dänische, deren künftige Schicksale nicht vorausgesagt, vielleicht geahnt werden dürfen. Wie in den Völkern selbst thut sich auch in den sprachen, die sie reden, eine unausweichliche anziehungs- kraft der schwerpuncte kund, und lebhaft erwachte Sehnsucht nach festerer einigung aller sich zugewandten stamme wird nicht nachlassen.

DIALECTE 581

einen übertritt der Niederländer zur hochdentsclien spräche, der Dänen zur schwedischen halte ich in den nächsten Jahrhunderten sowol für wahrscheinlich als allen deutschen Völkern für heilsam, und glaube dasz ihm durch die lostrennung Belgiens von Holland, Norwegens von Dänemark vorgearbeitet ward : es leuchtet ein, dasz dem Niederländer lieber sein musz deutsch als französisch, dem Dänen lieber schwedisch als deutsch zu werden, auch verdient die spräche der berge und höhen zu siegen über die der flachen ebene. Dann aber wird nicht ausbleiben, so bald Seeland aufhört eine nordische hauptstadt zu ent- halten, dasz auch die Juten in ihren natürlichen verband zu Deutsch- land, wie er ihrem alterthum gemäsz und durch die deutliche spur des sächsischen dialects unter ihnen* gerechtfertigt ist, wiederkehren.

Unsere heutigen volksmundarten enthalten gewissermaszen mehr als die Schriftsprachen, d. h. in ihnen stecken auch noch genug Über- reste alter dialecte die sich nicht zur Schriftsprache aufschwangen, aus diesen volksmundarten wäre für die geschichte unsrer spräche erkleckliches zu gewinnen, wenn sie planmäszig so untersucht und bearbeitet würden, dasz sich in ihnen jene spuren einzelner bedeuten- der Völkerschaften ergäben und man ermittelte, welcher groszen reihe jede angehört habe, für solchen zweck aber müste weniger nach selt- nen, der Schriftsprache fremden Wörtern, vielmehr nach dem Ver- hältnis aller entscheidenden laute, formen und ausdrücke geforscht 838 werden, seien diese gleich heutzutage die gangbarsten**. Dem gang und steigenden fortschritt aller mundarten überhaupt angemessen ist es aber auch, dasz eine grosze zahl derselben sich erst in späterer zeit hervorgethan haben und ihre eigenheiten in früherer noch gar nicht zu erwarten sind.

* in Nordschleswiff und Jütland steht z. b. noch der artikel vor, nicht imch. ** man hat deutsche sprachearten vorgeschlagen, es ist ziemlich leicht, an der grenze den unterschied zwischen wallonischem, französischem, ro- manischem, italienischem, slavischem, littbauischem und unsrer spräche zu merken, aber äuszerst schwer und den bisher aufgewandten kräften uner- reichbar, linien mitten durch Deutschland zu ziehen, welche die manigfalt abstechende mundart scheiden und fassen sollen, und nun gar mit bezug auf die geschichte der stamme, z. b. in der Schweiz (s. 703. 704). Am rath- samsten wäre vielleicht, statt von dem ganzen, damit zu beginnen, dasz man alle örter und bezirke, die eines auffallenden, von der gemeinen spräche abweichenden idioms pflegen, auf der specialcarte hervorhöbe undanspruchs- los allmählich gröszere massen erwachsen liesze; es mag sich zeigen was daraus werden kann, eigenthümliche Schwierigkeit erhebt sich für die nord- östlichen landstriche, deren alte deutsche bevölkerung im verlauf der zeit von Slaven überschwemmt wurde und deren Wiedereroberung ansiedier aus andern deutschen gegenden herbeizog, die sich dem lauf der Völker ent- gegen wieder ostwärts wandten. Worauf beim sammeln der volksmundart zu achten sei, ist neulich in bezug auf die schlesische musterhaft von Weinhold angegeben, lange vor ihm aber von Schmeller in dem preiswür- digen bairischen Wörterbuch ausgeübt worden. Welchen wichtigen aus- sen! ag für die Scheidung der mundarten auch sage und mythologie ergeben, lehren jetzt schon genug beispiele, wie der schwäbische zistag nnd bairische ertag (s. 508) oder die schwäbische sungicht und bairische sunwende.

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5S2 DIALECTE

Ich will aus einer menge von beispielen für das, worauf es bei Unterscheidung der deutschen dialecte ankommt, hier eins geben, im hochdeutschen ist die sorge für reinheit der vocalverhältnisse, im niederdeutschen die für consonanten gröszer. doppelte liquida wird auslautend ahd. und mhd. vereinfacht, ags. alts. altn. und auch goth. bleibt sie doppelt, selbst nach vorausgehendem langem vocal. die ahd. verba fallan wallan spannan bilden das praet. fial fialun, wial wialun,

839 spian spianun, die mhd. fallen wallen spannen fiel fielen, wiel wielen, spien spienen, unhochdeutsch wäre fiall fiallun, fiell fiellen, weil das mehr als diphthongische vocalgewicht auch kein inlautendes fiallun wiallun spiannun gestattete: vielleicht lassen sie sich sogar auf ein älteres flal wlal spian zurückleiten, die der ursprünglichen redupli- cation näher ständen. Ulfilas hat keins dieser drei verba, sondern für fallan driusan, für wallan vulan, für spannan |)anjan, aber die redupli- cation würde der theorie gemäsz faifall, vaivall, spaispann anzusetzen sein. Den sächsischen und nord. sprachen ist die behauptung der doppelten consonanz angelegner als die des diphthongs. ags. feallan feoll feollon, veallan veoll veollon, spannan speonn speonnon und ebenso alts. fallan feil fellun, wallan well wellun, obgleich die Schrei- ber sich im auslaut ags. feol veol speon, alts. fei wel spen, nicht im inlaut gestatten ; altn. falla feil fellu (statt valla vell vellu gilt nach andrer conj. vella vall ollu); schwed. falla föll föllo. Dasz nun die alts. form auch noch im mittelalter fortdauerte lehrt vellen (cecide- runt) in Lappenb. brem. chron. 112 Detmar 1, 40 und vellen: ge- sellen Reinke 6822. Zeno 1014, welcher reim mhd. unthunlich wäre (vielen, gesellen). Merkwürdig aber schwankt die mnl. spräche zwi- schen beiden weisen, die dichter reimen sowol vel (cecidit) : snel, wel (bene), el (alius) Rein. 3551. 7051. Maerl. 1, 16. 225 (niemals auf del pars, gehel totus) als viel : kiel navis, giel guttur und nicht anders wechseln auch die plurale vellen (ceciderunt) : ghesellen Maerl. 1, 52. 2, 78 und vielen : knielen Ferg. 1833. vellen ist der mnd., vielen der mhd. form gemäsz' und schon an diesem beispiel zeigt die niederländische spräche, was sie auch sonst oft bewährt, bei sächsi- scher grundlage im einzelnen hang zu hochdeutschen lauten und for- men, ja das nnl. hat sich entschieden für viel vielen erklärt, feil feilen, das man noch heute im munde des Niedersachsen vernehmen wird, hält den stamm fallen treuer fest, während das hochdeutsche fiel fielen die flexion besser wahrt.

In jedem stand der Sprachentwicklung pflegen für laut und form

840 neben der geltenden regel als ausnähme einzelne alterthümliche fälle, gleichsam zeugen einer vergangnen zeit fortzudauern, die historisch grosze bedeutung empfangen, von solchen nachzüglern bei der laut- verschiebung wurden s. 421. 422 beispiele angegeben, welche sehr verschiednen anlasz haben können. Dasz der ahd. diphthong uo früher ö war, wie im gothischen, scheint die adjectivflexion plintö = goth. blindös, zuö = goth. tvös, diö = goth. J)ös und die schwache flexion salpön salpöta = goth. salbön salböda zu lehren, ich werde im

DIALECTE 583

folgenden capitel darauf zurückkommen ; aus dem mhd. und fast nhd. zwo und den mhd. -öt -öte -6n der schwachen conj. (gramm. 1, 957) sieht man, welche kraft der dauer in diesem vocallaut lag.

Noch ein auffallenderes zeugnis sowol für die unursprünglichkeit des lautverschiebens als des vocalischen ausgangs der II praeterita starker verba wurde s. 485. 487 geschöpft, und die ahd. scalt chanst u. s. w. weisen in hohes alterthum zurück.

In unsrer heutigen spräche halten die eigennamen Otto Hugo Poppo sogar ahd. gestalt fest; die mundart der Lötscher im Walliser- land sagt noch bis auf diesen tag 'dir jungro' (Stald. dial. s. 342) = ahd. der jungiro und'^himil' (das. 343), aber neben vatir bruodir. einzelne Wörter und redensarten in der Schweiz klingen vöUig notke- risch, z. b. dankeigist, dankeiget ! *" es sind alprosen, die unten nicht sprieszen.

Dieser ausdruck ruft mir die gleichheit ahd, und ags. kräuter- namen in den sinn, proserpinaca heiszt ahd, wegapreitä, ags, vegbrsede ; centaurea ahd. ertgallä, ags, eordgealle; abrotanum ahd. stapawurz, alts. stafwurt, ags. stäfvyrt; ahd. depandorn rhamnus ags, pefeJ)orn (vgl. oben s. 232); ahd, metere (wol früher matarä) frebrifugia (sumer- lat. 56. 57) ags. raädere rubia, engl, madder, ich finde auch bei Eenvall ein finnisches matara, mattara galium boreale ; ahd. faram filix, ags. fearn, engl, fern, nnl, varen. Will man wähnen, ags. mönche841 hätten solche glossen verbreitet, so steht entgegen, dasz sich auch zwischen ahd. und altn., zwischen ags. und altn. namen einstimmung findet, ahd, reinefano, tanacetum ist das schwed. renfane, ich glaube xdvvaßig dygla. 'Pw^alot rsQfiivdXLg, bei Diosc. 3, 56 ohne an- gäbe eines dakischen worts, als unentlehnt zeigt sich die Übereinkunft ganz sicher, wo kleine Verschiedenheiten eintreten, z, b. altn, mistil- teinn lautet ags. misteltä, engl, misseltoe, jenes vom begrif des zweigs, dieses vom verwandten der zehe gebildet. Unsere meisten pflanzen- namen sind schon zusammengesetzte, nicht abgeleitete Wörter, gleich- heit der dialecte in Zusammensetzungen, die inuner erst allmählich ent- springen, scheint aber auf viel längere gemeinschaft hinzuweisen.

Das betrift doch nur einzelnes, im groszen ist die eigenthüm- lichkeit aller deutschen sprachen wesentlich an zweierlei zu gewahren, an der neigung die stummen consonanten zu verschieben, wovon cap. XVII gehandelt wurde, und am ablaut, welchen das folgende capitel vornehmen soll.

* bilder und sagen aus der Schweiz von Jeremias Gotthelf (Bitzius, pfarrer im Bernerland) Solothurn 1842. 1844, 2, 60, 5, 94.

XXXII. DER ABLAUT.

842 Unter ablaut verstehn wir einen von der conjugation ausgehen- den, die ganze spräche durchdringenden regelmäszigen Wechsel der vocale.

Unsere spräche, in jedem ihrer äste, vermag am verbum nur zwei Zeiten gegenwart und Vergangenheit auszudrücken, wodurch sie auffallend absteht von allen urverwandten, denen sämtlich reiche ent- faltung der temporalunterschiede verliehen ist. aber sie tritt der hebräischen, gleichfalls nur zwei tempora, futurum und praeteritum bezeichnenden einfachheit nahe*, genau betrachtet schlieszen die Vor- stellungen der Zukunft und Vergangenheit den kreis ab, da gegen- wart nur ein kleiner kaum zu haschender punct ist, der im augen- blick entweder noch der zukunft oder schon der Vergangenheit an- heimfällt, dies hebräische aufgehn des praesens im futurum erscheint auch in unsrer alten spräche, deren praesensform zugleich mit für das futurum gilt (gramm, 4, 176); blosz ausnahmsweise hat die ags. mundart am verbum subst. ein praesens eom vom fut. beo (s. 431)

843 geschieden, ganz wie litth. esmi sum von busu ero, sl. jesm' von budu, ir. taim sum von biad ero abweicht.

Bei so empfindlichem mangel kommt uns aber von frühester zeit jene eigenthümliche bestimmung der vocallaute zu statten, wodurch zwar keine stufen der Vergangenheit ausdrückbar, allein praesens und praeteritum, ja singularis, dualis und pluralis praeteriti auf das leb- hafteste hervorgehoben werden, erscheinen auch in den urverwand- ten sprachen spuren des ablauts, so hat ihn doch keine so klar als regel aufgestellt wie die deutsche.

Ich suche ganz in sein wesen einzudringen, im zwölften capitel wui'de vorgetragen wie für den vocalismus die trilogie A I U als quelle

* auch die lazische spräche, und wahrscheinlich andre mehr, ist auf zwei tempora, praes. und praet. eingeschränkt (abh. der Berl. akad. 1843 s. 12).

ABLAUT 585

aller übrigen laute anzusehn sei. diese, gleichviel kurze oder lange, können nur hervorgehn aus Verbindung jener drei untereinander, so dasz jedem derselben die beiden andern vorangestellt, d. h. neben dem einfachen satze jedes lauts noch zwei diphthongische Sätze mög- lich werden, das gesamtgebiet der vocale enthält folglich neun laute, in bemerkenswerthem parallelismus zu den neun stummen consonan- ten (s. 342. 394):

A lA UA

I ÜI AI

U lU AU

welche formel alle möglichen deutschen vocallaute erschöpft, aber blosz nach der theorie entworfen ist, von der alle einzelnen sprachen und schon die gothische mehr oder minder abweichen.

Die gothischen vocale entsprechen folgendergestalt A E Ö

I EI AI

U AU

wozu ich noch die altsächsischen füge, da es überflüssig sein würde die aller übrigen anzuführen:

A A 6

I I

ü u ö

Es erhellt, dasz im gothischen nur die dritte oder Ureihe so geblie-844 ben ist, wie es die natur derjaute mit sich bringt; die erste oder Areihe hat lA in E, UA in 0 verengt, die zweite oder Ireihe an die stelle von UI EI gesetzt, im altsächsischen sind aber alle diphthonge zu bloszen längen verengt, obwol^für Ü gewöhnlich noch 10 oder lU auftritt, nachtheilig ^fallen goth. 0 und AU (ursprüngliches UA und AU) in einem alts. 0 zusammen, man wird schon jetzt im allgemei- nen erkennen, dasz diphthonge den ersten, anfänglichen stand des lauts, Verengungen den späteren anzeigen, das goth E und 0 der ersten reihe kann nach dem ergebnis des EI und AI, lU und AU in zweiter und dritter nicht für ursprünglich gelten.

Den beweis liefern hin und wieder die verschiednen dialecte untereinander. lA für % UA für 0 begegnen wirklich in der be- sondern ahd. mundart, welcher Kero und Otfried zugethan sind, d. h. der alamannischen. lA nur in einzelnen, hier aushebenswerthen Wörtern, goth. f6ra ^egog xUfia entspricht dem ahd. fiara (gramm. 1, 60. 109), 'in fiara gangan' heiszt bei Otfried was wir heute aus- drücken ""zur Seite gehn' (GraflF 3, 668. 669); goth. m6s tQccjtB^a nlva^ ist das ahd. mias (GrafF 2, 874), wozu ir. mias genau stimmt, vgl. span. mesa, lat. mensa (oben s. 337); goth. h6r adi ahd. hiar; goth. Kröks Graecus ahd. Chriah. diese vier Wörter bleiben allein übrig, und dem groszen häufen der goth. E steht ags. M, ahd. mhd. altn. A zur Seite, die auf ähnliche weise aus lA verdichtet sein müssen, wie wenn das goth. biari ^rjQiov (unbiari unthier?) Tit. 1, 12 selbst noch ein rest des alten lauts wäre, also der späteren Schreibung böri

586 ABLAUT

entspräche, und ahd. pari, ags. bsere forderte? biari gliche dem lat. fera, aeol. cpijg, wie dius dem O'iy'p (s. 350), und auszer dem Wechsel des B und D käme der des inlautenden R und S in betracht. zu- rtickführung des goth. mßki und lekeis auf miaki liakeis begünstigt das finn. miekka und sl. Ijekar'. Haftet aber doch zweifei über E = lA, so musz ihn die analogie des 0 = UA tilgen, goth. för lautet bei Otfried fuar, döms duam, blöma bluama, mods muat, göds guat, 845br6J)ar bruadar, vöhs wuahs, gamösta muasa; im ahd. zeigt sich der laut ursprünglicher als im gothischen. dieser aufschlusz über 0 und UA ist anders als der oben s. 840 gegebne: man wird sagen müssen, dasz UA an alter vorangehe, in die ahd. flexion aber schon früh 0 eingetreten sei.

Befremden mag auf den ersten blick der Übergang des durch die theorie gefundnen UI in EI, und doch ist es der einzige weg um goth. EI zu begreifen, da nemlich die Gothen kein kurzes E, nur langes E besitzen, wird auch EI für EI zu nehmen, also triphthon- gischem lAI gleichzustellen sein, das dem UI nahe käme*, die goth. instrumentale J)6 und hv6 sind ahd. diu huiu, also zwischen J)ia hvia und |)iu hviu schwebend, folglich lAI beinahe IUI = UI. statt des goth. EI haben die ahd. ags. altn. spräche I, das sich noch leichter als verengtes UI darstellt. Hierzu tritt nun ein entscheidender be- weis, den uns der entlegenste norden in ^der färöischen mundart dar- bietet, welche regelrechtes UI für altn. I zeigt (gramm. 1, 488) und geradezu muin tuin suin für goth. meina J)eina seina schreibt, ruiki für goth. reiki, kvuit für hveits, uis für ahd. altn. Is. UI steht zu AI wie lU zu AU und diese parallele ist nicht abzuweisen.

Irre ich nicht, so wird nunmehr die annähme geminierter vocale von der ursprünglichen einrichtung unsrer spräche ausgeschlossen, wie goth. E und 0 erst durch Verdichtung aus diphthongen erwach- sen, sind auch die dem Gothen abgehenden ahd. und^altn. A I Ü nur auf diese weise begreiflich, ahd. A ist goth. E, ahd. I goth. EI, ahd. ü entweder goth. lU oder ^ unorganisch, ags. A ist goth. AI, ags. ^ gewöhnlich umlaut des 0, ags. I goth. EI. umgekehrt sahen wir die goth. ^ und Ö im ahd. lA UA noch diphthongisch erscheinen; wie könnten sie gefaszt werden^ als EE und 00, da es kein kurzes E und 0 gibt? ahd. E und 6 führen sich auf goth. AI und AU 846 zurück, welche umgedrehtes lA und UA sind und dieselbe Verdich- tung erfahren haben. Auch im consonantismus wird sich vielleicht die ursprünglichkeit der gemination behaupten lassen.

Brechung und umlaut, als jüngere erscheinungen des vocalismus, haben mit dem ablaut nichts zu schaffen, obwol das gebrochne kurze E und 0 gewisse analogie zu dem verengten langen E und 0 kund* geben und wiederum aus dem zusammenflusz zweier vocale, doch bei haftender kürze entsprungen sind, sie hängen von andrer be- dingung ab.

* man vergleiche für ^vq and si- gr. ^g und ^v-, obwol diese zwei- silbig sind ( ■~'), nicht triphthongisch.

ABLAUT 587

Dies alles vorausgesandt kann ich nun näher auf den ablaut eingehn.

Ablaut ist dynamische Verwendung des vocalgesetzes auf die Wurzel der ältesten verba, um die unterschiede der gegenwart und Vergangenheit in sinnlicher fülle hervorzuheben, dadurch dasz er alle und jede localverhältnisse in sich schlieszt, ruht er auf dem innersten grund der spräche, an ihm hängen wollaut und zutrauliche gewalt unserer rede.

Fünf ablautende conjugationen bilden sich, deren keine den vocal des praesens im praet. bestehen läszt, und allein die dritte für den sg. und pl. praet. gleichen ablaut verwendet, während die übrigen jedwedem numerus eignen geben, welchen vocal pl. ind. zeigt, der- selbe findet im ganzen conj. sg. wie pl. statt, der vocal des part. praet. stimmt bald mit dem praes., bald mit dem pl., nicht aber dem sg. praeteriti. einmal hat das part. praes. auch seinen ablaut für sich.

Es genügt die fünf conjugationen nach der goth. spräche auf- zustellen :

I. praes. I praet. sg. A praet. pl. U part, U

n f I ^ |] i(ü)

m. A Ö ö A

IV. EI AI II

V. U U

Die erste conjugation beruht auf dem Wechsel aller drei kurzen vocale selbst, ohne Zuziehung langer und diphthongischer, voraus setzt sie zwei consonanten nach dem wurzelvocal, entweder doppelte 847 liquida oder liquida mit muta, einigemal auch spirans und muta: linnan lann lunnum lunnans; finj)an fanj) funj)um funj)ans; hvairban hvarb hvaurbum hvaurbans; trisgan trasg trusgum trusgans.

Im gegensatz hierzu sind der zweiten conjugation lauter kurz- silbige wurzeln eigen, deren vocal von einfacher consonanz geleitet wird, sie wechselt kurzen vocal zwischen praesens und sg. praet., läszt aber im pl. praet. langen eintreten. Man musz ihr, scheint es, zwei arten einräumen, jenachdem das praesens I oder ü zeigt; zwar dem sg. praet. gebührt beidemal A, es ist aber unwahrscheinlich, dasz der pl. E entfalten könne, wenn das praes. U, wie wenn es I lautet; erst dadurch werden die rechte beider kurzen vocale gewahrt, dasz im pl. praet. I ein E, U ein 0 nach sich zieht.

Die erste art hat kein bedenken : stilan stal stelum ; qiman qam qßmum; bairan bar bßrum; qij)an qaj) q6{)um; lisan las lösum; ligan lag l6gum. nur der laut des part. praet. schwankt, vor liquidis be- kommt er ü: stulans numans qumans baurans, hingegen gibans qi- J)ans lisans ligans; ausnähme ist brukans und wahrscheinlich auch stukans; ahd. kiprochan, kistochan.

Die zweite art, als einen neuen fund, musz ich umständlicher behandeln, auf sie leitete mich zuerst die entdeckte analogie zwischen den subst. qinö : qßns = funa : fön. qinö femina, qöns uxor scheiden

588 ABLAUT

sich sogar dem begriffe nach, und da auch altn. kona (== qvena, wie koina = qvema) femina, qvän uxor (Sam. 73* Hl'' 134^ 138*-^) nebeneinander stehn, unterliegt hier das goth. E = altn. A keinem zweifei. andere dialecte besitzen für beide bedeutungen lediglich eine form: ahd. qufjnä chöna mulier und uxor, vgl. skr. dschani, gr. yvvrj, sl. shena, böhm. ^ena, litth. zyn^ (kluge frau, zauberin). Lenken nun qinö q6ns auf die ablautende wurzel qina qan qönum (gr. y^vvccc), lat. gigno) ; so darf aus dem nebeneinanderstehn von funa (altn. funi) und fön ein funan fan fönum (vgl. gr. nävog fackel) geschlossen wer- den, und siehe da, noch andere spuren sind der spräche eingedrückt, vulan fervere, t^slv Eom. 12, 11 ist nach vulij) II Tim. 2, 17 stark-

848 formig und fordert im praet. val (nicht vaul) pl. völum, wie aus dem ags. völ lues, pestis, alts. wuol wol Hei. 132, 4, mhd. wuol : pfuol Herbort 6466. 6467 zu folgern steht; die bedeutung dieses subst. scheint eigentlich hitziges fieber, aestus, wofür auch sonst brinnö und heitö steht, trudan calcare, praet. trad, pl. trödum erweise ich aus dem altn. troda calcare und troda terra culta (oben s. 61 unrichtig troda geschrieben), knudan depsere, praet. knad knödum erklärt uns den ausdruck knöds genus, eigentlich massa substantia. auf studan fulcire stad stödum leitet anastödjan dustödjan «p^^söd'at, weil das anheben ein fassen, festigen, wahrscheinlich gab es ein goth. adj. stöps, schwachformig stödja firmus; ags. findet sich studu fulcrum, postis und^das gleichbedeutige stöd; im ags. stede stabilis musz um- gelautetes 0 sein. ahd. studan statuere, fundare, aber stuodalTful- crum, basis (Graff 6, 653. 654) ein stuodali purus, urstuodali perspi- cax, altn. stod oder stöd? fulcrum, auxilium, stydja studdi fulcire; schon das ü lehrt, dasz alle diese formen nicht von dem allerdings verwandten standan stoj) (s. cap. XXXIV) geleitet werden dürfen, endlich möchte ich aus dem goth. usgrudja languidus ein grudan grad grödum schlieszen, ohne schon aufschlüsse seiner bedeutungen zu wagen. Die ahd. spräche hat nun alle diese goth. U in I^(oder gebrochen 6) geschwächt und folgerichtig dem praet. A, pl. A verliehen: trStan trat trätum; chnßtan chnat chnätum, wonach ihr adj. stati stabilis an die stelle des vermuteten goth. stödis getreten scheint und ein stetan stat stätum erwarten liesze. das ältere U verbürgen die haf- tenden chnuot genus und stuodal basis. Ebenso gilt ags. cnSdan und trfe'dan, altn. aber knöda (schlecht hnoda) und troda; stoda scheint unerweislich, stedi fulcrum, incus für stodi oder stödi gesetzt.

Lassen aber die participia auf U bei verbis erster art, wie stu- lans numans brukans alte praesentia auf U ahnen, denen folglich im pl, praet. wieder 0 gebührt hätte? aus einem solchen nömum für n6mum begriffe sich das mnl. noemen nominare, das sich sonst mit der

849-wurzel niman (vgl. oben s. 153) schwer einigen liesze. Ich werde noch- mals im cap. XXXVI auf die ablaute dieser zweiten conj. zurückkommen. ^Die dritte conjugation läszt das A des praes. im sg. und pl. praet, zu 0 werden und stellt im part, praet. A wieder her; sie kann die einfachste unter allen heiszen: anan ön önum anans; faran för forum

ABLAUT 589

farans; skapjan sköp sköpum skapans; tvahan tvoh tvöhum tvahans. alle diese und die meisten übrigen sind kurzsilbig, nur vahsjan und standan haben positionslänge. standan bekommt im praet. stoj) stö- J)um, das part, praet. zeigt aber stö])ans (1 Cor. 4, 11) für standans, worüber näheres cap. XXXIV. ahd. gilt stantan stuont stuontum (bei 0. stuat stuatun) part. stantanßr, ags. standan stöd stödon stan- den, altn. standa stöd stödu stadinn.

Wie nun in zweiter conjugation, wenn meine Vorstellung richtig ist, das A des sg. praet. sowol in E als 0 des pl. übergieng, sollte man auch hier erwarten, dasz das A des praes. ein praet. doppelter art, auf fi und 0 zeugen könnte; doch findet sich nur 0. ich werde indessen auf diese frage zurückkommen,

Eegelrecht und einander analog verlaufen die vierte und fünfte conjugation. der zweiten und dritten stehn beide darin entgegen, dasz dort das praes. kurzen, der pl. praet. langen vocal, hier das praes. langen, pl. praet. kurzen vocal besitzen, skeinan skain skinum ; greipan graip gripum; smeitan smait smitum; steigan staig stigum; reisan rais risum stehn parallel zu hniupan hnaup hnupum; niutan naut nutum; biugan baug bugum; kiusan kaus kusum. die part. praet. halten stets den im pl. praet. angeschlagnen laut aus.

Jedes tempus jeder conjugation ist an seinem vocallaut alsbald zu erkennen, nur ausgenommen die plurale praet. auf 0, welche der zweiten und dritten angehören können, so wie die part. praet. auf I oder U, von welchen unsicher bleibt, ob sie aus der zweiten oder vierten und fünften stammen.

Man musz annehmen, dasz der kurze vocal die grundlage des lauts enthalte und aus ihm erst die diphthongischen Veränderungen hervorgegangen seien, der kurze vocal kann aber nicht nur selbst 850 allein den ablaut bewirken, wie die erste conjugation zeigt, sondern auch an jeder stelle, bald im praesens, bald im sg., bald im pl. des praet. aufsteigen, eben um dieser wechselnden stelle der kürze und länge willen besitzen unsere verba schöne manigfaltigkeit.

Erst in der nhd, spräche ist, zum nachtheil der ablaute, was organischer weise nur für die dritte conj. galt, für alle durchgeführt worden, dasz in sg. und pl. praet. derselbe laut waltet: wir sagen heute band banden, gab gaben, lag lagen, grif griffen, trof troffen, statt der mhd. schöneren formen baut bunden, gap gäben, lac lägen, greif griffen, trouf truffen. die alte regel ist dadurch untergraben und zumal der unterschied des ind. vom conj, oft verwischt: griffen kann rapuerunt und raperent aussagen, wahrscheinlich veranlaszte die mischung der quantitäten in der zweiten und die falsche analogie der dritten conjugation den unfug ; seit man für gap gäben ein gleich- betontes gab gäben zugelassen hatte und beide wie schuf schufen behandelte, schien auch fand fanden recht und bald hatten die gleich- gesetzten formen das übergewicht, die vierte imd fünfte conj. lieszen umgekehrt den laut des pl. in den sg. vorrücken.

So verhält oder verhielt sich in der deutschen conjugation der

590 ABLA-ÜT

reine ablaut, dessen groszer und entscheidender einflusz auf die ganze spräche vorzüglich in der Wortbildung und flexionslehre sichtbar wird, vom ablaut in der flexion soll cap. XXXVI handeln, aus den Wort- bildungen begnüge ich mich hier zwei vielumfassende beispiele her- vorzuheben. Starke intransitiva lassen aus dem ablaut ihres praet. sg. schwache transitiva erwachsen: brinnan, brannjan; urrinnan, ur- rannjan; drigkan, dragkjan; vilvan, valvjan; snairpan, snarpjan; ti- man, tamjan; ligan, lakjan; rikan, rakjan; stikan, stakjan; vrikan, vrakjan; nisan, nasjan; galan, goljan; faran, förjan? (ahd. fuoran); saj)an', sopjan; hneivan, hnaivjan; beidan, baidjan; leisan, laisjan; urreisan, urraisjan; driusan, drausjan; kiusan, kausjan; liusan, laus- jan; sliupan, slaupjan; biugan, baugjan. Nach dieser formel sind nun

851 verlorne intransitiva oder transitiva leicht zu folgern, z. b. aus J)an- jan |)inan, aus slauj)jan sliuj)an, oder aus beitan baitjan. mhd. wer- den manche intransitive verba erster und zweiter conj. von ihren transitiven nur an dem unterschiede des 6 und e erkennbar z. b. swßllen und swellen, erschöllen und erschellen. Adjectiva zweiter declination pflegen mit dem ablaut des pl. praet. und vorzugsweise aus verbis zweiter conj. gebildet zu werden, z. b. von niman goth. andanßms acceptus, von qipan unq6J)s inefifabilis, von sitan andas6ts horridus (entsetzlich), von studan wurde stöj)s s. 848 vermutet, ahd. nämi acceptus, pari ferax, prächi fragilis, käpi gratus, gleichsam dabi- lis, wägi gleichsam libratilis, stäti firmus, welche mhd. lauten: genaeme, gebsere, gaebe, waege, stsete. In dritter conj. stimmen ablaut des pl. und sg. zusammen, von gadaban leitet sich gadöfs conveniens, ags. gedefe, vom ahd. chalan frigere = altn. kala das adj. chuoli frigidus. In fünfter conj. von niutan uti das adj. nuts utilis, unnuts inutilis, ahd. nuzi unnuzi, mhd. nütze unnütze. Aus vierter ist mir kein beispiel zur hand, warum aber sollte nicht aus smeitan ein adj. smits ahd. smizi, aus beitan ein bits ahd. bizi bildbar sein? zu einer menge anderer ist das verbum ausgestorben, wie zum ahd. räzi, späti, wähl, zähl, dräti, muodi, chuoni, kruoni, wenn beide letztere nicht anders zu fassen sind.

Anziehend ist es, die Sprünge des ablauts aus einer reihe in die andere zu betrachten.

Die häufigsten erfolgen zwischen beiden arten der zweiten con- jugation, wobei doch die vocale U und 0 die ältere, I und £ die jüngere form dazustellen scheinen, geht trudan trad trodum, knudan knad knödum dem trStan trat trätum, chnStan chnat chnätum voraus, so darf dieser maszstab auch an andere Wörter gesetzt werden, dem goth. möna ahd. mäno altn. mäni steht ags. möna engl, moon zur Seite; erscheint nicht möna älter und auf die ablaute munan man mönum leitend? mena würde zu minan man mönum berechtigen,

852 eben darum liegt das ags. adverb söna engl, soon dem goth. suns näher als das mhd. sän*. Aber auch zwischen der vierten und fünften conj.

* Lobe hält zu suns und söna unpassend das nhd. schon, welches das mhd. schöne, ahd. scöno adv. von schcene scöni goth. skauns ist, auf goth. also skauniba lauten würde.

ABLAUT 591

schwanken I und ü; die praeterita dau und snau würden nach fünfter reihe ein praes. diuan sniuan fordern, welche das euphonische gesetz der spräche in divan snivan wandelt; im pl. praet. entspränge duum suum, was gleich unerträglich gewesen wäre und der sprachgeist be- quemte sich dafür zu divum snivum, womit ganz in den ablaijt der dritten reihe gegriffen wurde, deren spei van spaiv, hneivan hnaiv den pl. spivum hnivum darbieten, snivum belegt Marc. 6, 53; Philipp. 3, 16 findet sich sn6vun, vielleicht dasz mundartlich sniva snav sn6- vum nach zweiter conj. galt, wie umgekehrt das mhd. krösen kras repere in krisen kreis (Servat. 1856) überspringt, vgl. Schm. 2, 395. Wechsel zwischen vierter und fünfter reihe bekunden goth. heiv fa- milia, ags. hl van familiaris, altn. hiu hiun hion famulitium, ahd. hlwisci hiuwisci familia, mhd. hirat und hiurät, nhd. heirat und heurat; mhd. Krimhilt und Kriemhilt (gramm. 1, 188); kric und kriec; kit (ahd. chit = quidit) und kiut (gramm. 1, 192), ohne dasz es nöthig wäre aus solchen einzelnen formen vollständige ablaute zu folgern, unbe- denklich aber ist mhd. die doppelgestalt schrien schrei schrirn ge- schrirn und schriuwen schrou schruwen geschriuwen. noch merk- würdiger geht das ahd. pliuwan plou pluun pliuwan gothisch nach erster conj. bliggvan blaggv bluggvun bluggvans und die plurale pluun bluggvun weisen den mittelpunct der begegnung. nicht anders ver- hält sich das ahd. adj. triuwi fidus zu goth. triggvs altn. tryggr, wo- her der bekannte mannsname Tryggvi, während ahd. triuwßn trüßn confidere dem goth. gatrauan, altn. trüa begegnet, goth, siggvan saggv suggvun bleibt auch im ahd. singan sanc der ersten conj. zu- gethan, altn. s^ngja sang zeigt wenigstens im f für 1 des praesens neigung zur fünften, die sich im schwed. sjunga noch entschiedner entfaltet, dessen praet. bald sang, bald söng lautet, mit siggvan aber 853 läszt sich auch den begriffen nach goth. siujan sivida, ahd. siuwan süta, lat, suere vereinen, hiernach dürfte man versucht sein, den stammnamen Inguio Ingo goth. Iggvs Iggvus wie triggvs und bligg- van, mit tilgung des nasallauts, jenem volksnamen Eovan im cod. exon. 320, 8 zu vergleichen, den ich oben s. 472 in Eävan änderte. Zumal beachtung fordert, wo in einer und derselben mundart mit verschiednem sinn doppelgestalt der wurzel nach zwei conjugationen sich entwickelte, ülfilas hat in zweiter conj. stikan stak stekum, was dem gr, 6xit,uv entspricht, woher sich stiks 6Tiyfj.tj, staks öriy^K, stikls calix (vgl. s. 823) leiten; in erster, mit eingehender nasalis, stiggan stagg pungere, wovon sich noch ein verwandtes stigqan stagq impin- gere, ruere sondert, dem sich lat. stinguere anschlieszt. ahd. stSchan stah stächum, wovon stih ictus, stfe'chal calix, stichil apex und stingan pungere, stungan compungere, stunc punctum, ags. stican und stician sticode pungere, stingan stang stungon stimulare. wie der name Franke mit den wurzeln frei und frech zusammenhänge zeigte s. 512. 513. Sobald die spräche in folge des ablauts einer andern reihe nah kommt, ist es ihr verstattet in sie überziigehn und oft wird eine zu- gefügte liquida brücke des Übergangs. Es scheint schon ein wichtiger

592 ABLAUT

satz, dasz manclie wurzeln erster conjugation sich blosz aus gemina- tion der liquida herleiten und ursprünglich der zweiten gehören. --.^ die ags, Umstellung irnan birnan setzt rinan brinan voraus , kein rinnan brinnan, und allem anschein nach ist das goth. inbranjada crem^tur Joh. 15, 6 kein fehler, sondern zeigt uns noch die echte form branjan von brinan. dafür streiten auch die alten Zusammen- setzungen manas6J)S manamaur]3rja manariggvs, alamans alaparba Alamöds und ahd. Alaman alahalba alahant (gramm. 2, 628), ja das merkwürdige mhd. sunewende (mythol.s. 584) und sunegiht Lanz. 7051. schon darum musz NN in manna und mannisks unorganisch erschei- nen, weil manags ahd. manac mhd. manec einfaches N hat und die

854 Wurzel munan man munum gleichfalls ; noch gebieterischer heischen es die skr. Manus und manuschja. wie aber Mannus und manna, entsprosz auch ahd. minna memoria, animus, amor und minnön amare, eigentlich meminisse derselben wurzel. unbedenklich lege ich älteren wurzeln, aus welchen brinnan und sunna stammen, nur einfaches N bei. mhd.brimmen bram brummen rugire folgte ahd. noch zweiter conj. prßman pram prämun, und die analogie wird sich weiter ausdehnen.

So unser ablaut; wie steht es um ihn in den urverwandten sprachen ?

Auch diesen mangelt er nicht, ist aber zu keinem waltenden gesetz erhoben worden, nur in einzelnen spuren und reihen zu er- kennen.

Was eben schon die geschichte unserer spräche durchschimmern liesz, dasz verba erster conjug. mit ihrem uns gleichsam eingebornen dreiklang I A U (gramm. 1, 561 563) dennoch unursprünglich seien, wird durch die Wahrnehmung ihrer fast gänzlichen abwesenheit in jenen andern sprachen bestätigt, es gibt weder ein lat. noch skr. verbum mit positionslanger wurzel, dessen tempora ein I A ü wech- seln lieszen. Starke wurzeln auf MM NN erscheinen nirgend. LL haben zwar die lat. cello pello vello fallo, die gr. ßdlXco ipdllco xillw tiXkco u. s. w. allein es pflegt sich im praet. zu vereinfachen: pello pepuli, percello perculi und nur ausnahmsweise zu haften, dann aber ohne ablaut: vello velli, fallo fefelli, welcher unterschied mich an den des ahd. fallan fial und altn. falla feil (s. 838) gemahnt. ßdXXco bildet ßaAc5 eßakov und ßsßölrjfiai. RR im lat. verro, verri. latei- nische MB NG ND lauten nicht ab: lambo lambi, mando mandi, pando pandi; es sei denn, dasz sie ihre nasalis ausstoszen, d. h. die form in unsere zweite conj. übertreten lassen: tango tetigi, pango pepigi, doch pungo pupugi bleibt, diese tilgung des N in tango tetigi, findo fidi, scindo scidi gleicht der altn. form binda batt, hrinda hratt, vinda vatt. die composita von pango tango schwächen A in I: contingo compingo ; andern grund hat I in mingo. verto verti (= goth, vairpa varj)), volvo volvi, solvo solvi wissen nichts von ablaut. dem goth.

855 binda band entspricht die sanskritwurzel bandh, zeugt aber das praet. babandha, d. h, das A des goth. praet. ist dem ganzen skr. verbum in jedem tempus eigen. Nur im griech. sind wichtige annäherungen

ABLAUT 593

an deutsche weise: afiEhya) a^oXyog, vgl. lat. mulgeo goth. miluks. a^8Qyo3 ä^ögyi]. ^slno ^oKTnq. ^e^cponai ^of-icpi]. cf^kyyonai q)d'6yyog. nefinco non^ri. Ttsgöco JiBTCogöa. TtsgO^cj nmoQd^a.

Den ablaut unsrer zweiten conj., wie schon aus dem eben ge- sagten hervorgeht, erkennen lat. und gr. verba in einzelnen gestaltungen an. hierher gehören tetigi pepigi pepuli, die ein älteres praesens tago pago pelo voraussetzen, wie tuli = tetuli ein älteres telo. für cecini cecidi hat sich cano cado erhalten, zu precor gehört proco procus goth. fraihna frah frßhum fraihans. Ungleich reicher ist die gr. spräche, doch musz ich oft zum erweis der ähnlichkeit abgeleitete subst. hin- zunehmen, vi^ca vs^og vofiij vo^og und vo^og, wie das lat. nemus und nomen zeigen den lautwechsel des goth. nima nam numans, den Übergang der begriffe s. 29. 153. 497; im aor. svH^a sehe ich das fi des goth. pl. nömum. ysvco yivog yLVOfiat yeyova yovog ysivo^ai, lat. gigno genus führen auf ein goth. kinan kan kunans, wovon kuni, welchem qinan qan qönum nahe kommen musz (s. 847). ^ivca ft£- iiova goth. man munum, lat. memini, xdvo) rsvä stELva rsvog rs- vcov TÖvog Tovoo) verlangen ein goth. J)ina pan J)6num J)unans, wo- her panjan tendere und ahd. donar (goth. J)unrs) ictus nubis, ahd. dono tendicula. nkvo^ai növog Tiovrjgog. ri^va te^cö ro^og. ßdllco ßoh'j. q)BQC} q)0Q6g cpoQog, lat. fero forum (Yarro 4, 32) goth. baira bar baurans. q)d^eiQ(X} (p^sgco sq)d'OQa icp^aQriv tpd^oQa cp^OQog, goth. bidaira? was ich aus dem ags. daru nocumentum ahd. tara, agS. derian ahd. terian terran nocere, ahd. tarßn nocere schliesze*. (pi- ßofiai 3tsq)oßa q)oßsc) q)6ßog. ösßofiai ooßsco. Gtgecpco eötgocpa^öQ otQSTiTog GzQoq))]. tQ£(po3 xhTQOcpu rQO(prj. TQiTtca Etganov ZQOTtrj, Tilmxci xksTcog nXonrjj goth. hlifa hlaf. Uyav Xsxog Xbxtqov Xoyog Xoxog goth. liga lag. ßgexco ßQO%r]. tQE%(o tgoiög, goth. ^ragja ein Jiriga voraussetzend. dsxo(iaL ÖEÖBy^at öoxog öoxtj. öbqxco ÖQa'/.c5 ÖBÖogaa diögoica. tlxTd isklo tbjcvov toxog tozBvg. eög) odovg. ^EÖco walte, ^BÖcov /hbÖbcov herscher, von göttern gebraucht, (.iBÖiiivog ein masz, fioÖLog desgleichen, lat. modius und modus, moderari wal- ten, meditari bedenken, mita mat mßtum, alts. metod ags. meotod altn. miötudr vom göttlich waltenden (mythol. s. 1199); das lat. m6tior und gr. ^btqov sind vorboten der lautverschiebung. Auch die sl. und litth. spräche lassen verschiedentlich E in 0 (d. h. nach deutscher weise I in A) ablauten, sl. tepl" und topl" calidus, von der skr. wurzel tap (s. 231); das sl. pepel" cinis lautet poln. popiO't böhm. popel. bred" und brod" vadum wechseln, teku curro tok" cursus, fluxus. nesu fero, nesti und nositi ferre. vedu duco, vesti und voditi ducere, voshd' dux. grebu sepelio, grob" sepulcrum. Litth. deru paciscor, dora pactum padorus honestus. stSgiu tego,

* für latro galt ahd. scado, lantscado (qui terram laedit, perdit) ags. sceada, und ebenso ahd. lantderi (Graff 5, 440). mit gleichem fug nann- ten die Griechen ein schädliches, verderbliches insect ^ö-s/ß von (pü^eigsiv, das unsere spräche geradeso lüs, die Gothen ohne zweifei lius bieszen von liusan perdere, consumere, devorare (Graff 2, 263).

ärimm, geschickte der deutschen spräche. 38

594 ABLAUT

stogas tectum. teku curro, takas semita, curriculum, isztoka decursus. ^elu vireo, zalias viridis, ^ol^ herba. wedu duco, westi ducere, wa- das dux, wadzioti ducere. neszu fero, naszta onus. Im sanskrit und zend waltet A rein durch: tan tendere tatana, vali vehere, vahämi veho, zend. vazämi; sad sedere, sasada sedi; svap dormire, saävapa dormivi. dies A maclit mir wahrscheinlich, dasz das gr. 0 in ykyova ^8(iova xBtqo(pa u. s. w. eher dem skr. A gleich stehe als dem goth. U, wie es auch in vielen andern fällen dem A entspricht.

Dem ablaut A 0 unsrer dritten conjugation ist lat. A und gr. 0 und H gleichzustellen, wie ahd. muotar pruodar goth. bröpar, lat. mäter fräter, gr. ^r]X£Q cpQäxriQ^ zumal die pronomina sa so gr. 6 ri lehren; man vgl. ferner lat. räpum ahd. ruoba, lat, rädix altn. rot, lat. fägus gr. g)7jy6g goth. böka, gr. rjövg ahd. suozi, gr, ^}jv ^rjvr] ags. möna, goth. mßna, ahd. mäno. nrjvog lat. panus scheint ablaut zu ahd. fano, ags. fona und verschieden jvon dem zu funan 857 gehörigen fön (s. 847). skr. käs tussire, litth. köstu tussio, ahd. huosto tussis, böhm. kaSel, poln. kaszel; skr. jära adulter goth. hörs, von einem gramm. 2, 42 vermuteten haran hör mingere. Wie im pl, ablaut der zweiten conj. 'S und 0 scheinen auch hier A und H gleich berechtigt. In der lat, schwachen conj, entspricht A dem 0 der gothischen z. b. in piscäri piscätus: fiskön fisköJ)S. Als lebendigen ablaut wüste ich blosz lat. lavo lävi, caveo cävi, faveo fävi, paveo pävi anzuführen; alo hat alui, käme es mit altn. ala öl auch in der form überein, so müste es lauten alo äli. O'cfAA.o* ts&rjla, Q^djcc) ts-

Das goth. EI AI I vierter conjugation begegnet sichtbar grie- chischem EI Ol I, wodurch zugleich das hohe alter des goth. EI für das theoretische UI gerechtfertigt scheint, ausnahmsweise steht JI = lat. AE und goth. AI in aid'cav ignis goth. aids, ags. ad, ahd. eit (vgl. Ahvf] lat. Aetna), in Ol ist O an die stelle von A ge- treten, wie wir vorhin gr. 6 = goth. sa erblickten, elöo oida id^sv deckt sich mit goth, veita vait vitum, und olöd-a mit vaist. ccEida doLÖog. iBLTta liXoma ilinof.iBV = leiba laif libum, welches aus laifs loiTtog zu folgern, goth. teiha taih taihum weist auf ein fehlendes ÖbUcü dedofna sdtxo^BV, wovon öbIkw^l übrig ist. goth, laiga laig ligum, dessen schwache ableitung laigö allein vorkommt, würde ein gr. kBtxco XbXolxcc bUxo^bv darthun, bIkb II. 18, 520 videbatur, 'eoixa videtur. nBlnat und KOLiidco gehören dem ablaut und begriffe nach zusammen, nco^rj, der ort wo die leute schlafen, ist Verengung von yioi^rj, aber dem litth. kiemas vicus, wie dem goth. haims altn. heimr entsprechend, so dasz die volle formel heima haim himum wäre, h^og (mit ], früher hinog) fames und koi^og pestis; vgl. altn, sultr f, sveltr fames, goth. sviltan mori, svults mors. TtBi&a) nBLöo) nmoid^a Bm^ov. ÖBido ÖBÖLd ÖBÖOLiccc. auf ^BiXG) ^BfiOLxcc = goth. meiga maig weisen öiiixa und fioixog, vgl. oben s, 305 und vorhin haran hör. ötbLxoü ötoixog Orixog. TBtxog murus, moenia, TOt^og murus, paries, wozu auch TBXVf] kunst, baukunst gehört, das für TBtxvrj gesetzt scheint

ABLAUT 595

in unsrer spräche gleich ahd. dich fossa, vallum, piscina, wofür man 858 aber ags. |)ic, nicht die erwarten sollte, wie r£%v7j für rBl%vrj (oder altn. flestr für fleistr, tcXblötos) steht nun auch s^co für Etj^cj, dessen imp. £l%ov augmentiert ist, wie bltcov von mco, mit fl'^^w aber knüpft sich der ablaut OLXOnai, dem genau das AI des goth. aih und aigum entspricht*. a^Elßa ccfioißi], encc^Elßco ma^ioißog. ^elgofiai ^£Qog (xoiQcc. TiXüco Ttlsiäg nXolov. nvüa nvocrj (vgl. nvhco nvot] nach zweiter conj.). elg läszt sich, doch besser olog für otVog (s. 241) zu goth. ains halten und das litth. wienas hat IE, wie vorhin in kie- mas. Einigemal steht gr. Ol nicht dem goth. AI, sondern EI gegen- über: oixog veihs; olvog vein; in noLnUog aber faihs ahd. feh. gr. EI schwankt in das E zweiter conjugation,- wie dort telvco svsi^a ydvo^ai cp^ÜQCo und hier %a3 xix'vy} Tcvia und ^BQog zeigen, dem griech. ötelqk entspricht lat. sterilis mit kurzem, goth. stairö mit gebrochnem vocal.

Wichtig wird hier das lat. lautverhältnis U OE I = goth. EI AI I, was dem s,^845 gefundnen UI für EI neue bestätigung bringt; das verdichten in ü ist leicht zu begreifen, da coelum dem gr. aoilrj und altn. heili (s. 681), coecus dem goth. haihs, hoedus dem goth. galt entspricht; so scheint pünio in poena, münio in moena abzu- lauten, und lat. iinus weniger oiog als dg, communis weniger das goth. gamains, als ein nicht bestehendes gameins. doch ist auch spilma ahd. feim, ags. fäm, südor ahd.^sueiz, ags. svät, man nehme es dann ^für svoedor. Auszer dem ü erscheint aber in einzelnen Wörtern I, welches genau dem ahd. ags. altn. I entspricht: fides fidus859 lauten ab in foedus; civis ist goth. heiv, ags. hiv; vlnum goth. vein, ahd. win; so rechtfertigt sich ahd. pinön trucidare, tribulare aus lat. pxlnire. den Sabinern hiesz der lat. Liber Loebasius**. Dem goth. AI näher wird auch AE für lat. OE geschrieben: caelum haedus maestus und so begreift sich caedo neben ciido. des Tacitus Schrei- bung Aestii (s. 719) stimmt nicht allein zu der angenommnen abkunft des namens aus goth. aistan, sondern auch zu des P;^theas 'Slörlcovss für OlöticiVEg (wie oica^fj f. y.ni^r]). Verdichtetes E für OE wäre dem I für EI analog, und scheint in der späteren Schreibung des mittelalters, welche hedus fedus cecus d. i. h6dus fedus c6cus an die stelle von hoedus foedus coecus setzt, und in den romanischen spra- chen umzugreifen; gleichwol besitzt es auch schon das alte latein in

* die Vermittlung der begriffe lehrt öd'/jo, ich gehe, fahre hindurch, und avh-^oi, ich trage, halte (wie sich auch halten und haben vertreten). oifjioq via scheint verwandt, vielleicht otaw feram und sogar alts. chu, das gehende oder tragende thier, wofür oben s. 30 goth. aihvus = lat. equus vermutet wurde, ex^o ist demnach nicht für /^g'xo = veho zu halten (Bopp vgl. gr. s. 639) und man unterscheide von e^^ aig sowol aym lat. ago, altn. ek 6k, sl. vedu (oben s. 60) als skr. vahämi, zend. vazämi, sl. vezu, lat. veho, goth. viga, wovon o^oq = ahd. wakan (s. 60), so nah sich die liegen, denn öxso) heiszt auch ich trage, ertrage.

** in der ausspräche mochte U und OE (punio poena) an einander grenzen, etwa wie das niederländische OE den laut D empfängt.

38*

596 ABLAUT

allen schwaclien verbis auf -6re, wie das goth. AI ausweist, wovon näher cap. XXXIV. Den kurzen urlaut I kann ich nur in video auf- zeigen, das mit vitum und Xd^sv parallel steht, wie das I in vidi mit Ei in veita und sida), dem Ai in vait, Ol in olda entsprechendes hat das latein nichts; gerade so ist I in dico dicare, I in idlco dicere, nichts dem goth. taih gleiches, aber video vidi gleicht dem caveo cävi wie goth. vitum vait dem faran for. überhaupt zeigt die ge- samte lat. spräche keine wurzel, durch welche die formel Ü (1) Ol I lebendig waltete.

Im Sanskrit sehn wir dem goth. EI AI I gegenüber I £ I, was völlig gleich käme- der alts. bezeichnung dieser laute, E heiszt guna von I, d. h. es ist AI und entspringt durch ein dem I vorgetretnes A. zu olda W^sv, vait vitum ^stimmt vollkommen veda vidima (praes. vedmi vidmas), doch kein I zeigt sich in diesem verbum, wie eigent- lieh auch gr. £töa) und goth. veita (in solchem sinn) nicht vorhanden, blosz zu füUung der formel anderswoher entnommen sind. skr. ömi pl. imas hat hingegen gr. eifit pl. l^bv sich zur seite, d. h. bl^l steht 860 für oi[iu auch im skr. phßna, sl. pjena, litth. pienas darf sich E dem goth. AI vergleichen, wenn man aus ahd. feim, ags. fäm ein goth. faims schlieszen mag. bhid Andere ist das goth. bitan, und hat im praet. bibheda pl. bibhidima. mßgha nubes weist neben dem gr. o^iyXri und litth. migla auf die wurzel migh, welcher das altn. miga meig, lat. mejere mingere und das goth. maihstus, vielleicht auch milhima nubes gehören, was nach Bopp Umstellung von miglma maihlma ist. hingegen äv6tas ist goth. hveits, deha vielleicht goth. leik (s. 354). für lat. aes, goth. ais gilt skr. ajas, ungefähr wie goth. mais zu majis, lat. magis, und goth. aikan, ahd. göhan zu lat. ajere sich verhalten.

Dem goth. AU U fünfter conjugation zunächst treten wieder die gr. ET OT T, doch verengen sich ET in langes T, OT in Si; aber vollständig entfaltete verba beibringen kann ich nicht, ibvco (gewöhnlich schon xbgi) xbv6(o %i%vy.a By^vöa gleicht dem goth. giuta gutum, %ovg (ahd. guzfaz, nhd. gieszfasz) wird gedeutet aus %6os, aber ovg ist offenbar goth. ausö. -jivbvco (gewöhnlich tivbco) TtvBvöo) nBTivevxa ninw^ai und davon Ttvovs flatus f. Tcvöog. (pBvyo) tib- (pBvya nBcpvyfiUL, doch der volle ablaut sollte formen wie xbxovxu ninvovnDL Tiicpovya zeigen! y-Bv^w hbvOco HBJCBv&a büv&ov xv&og. yiBv&ca notitia, TiBv&o^ai ninvö^ai B7tv&6^ijv. qbc3 f. qbvoj, qbv^cc QBvöig QvöLg. kBVicög stellbar zu goth. liuhadeins und lat. lucidus, jiBvar] zu ahd. fiohta, tcvq zu ahd. fiuri und lat. pürus, dgvg zu triu, aXvQ'i 'kXvtb zu^ahd. hlos6 hlos6t!

Im latein U AU U, doch wieder nicht in einem verbum aufzu- weisen, nur aus einzelnen Wörtern zu gewinnen, auris entspricht dem goth. ausö, litth. ausis, augeo dem goth. auka. fugio fügi dem gr. (pBvyGJ, düco dem goth. tiuha, und wie neben dlco ein dico, so neben düco ein duco in educare; fugio fügi analog dem video vidi, caveo cävi. das verengen von plaudo in plödo gleicht dem des goth. band in ahd. pöt. claudo (ahd. sliuzu) nimmt an reclüdo inclüdo.

ABLAUT 597

Im^sanskrit ü 0 ü wiederum gleich dem alts. ablaut lüku lök lukun. 0 ist guna des U, folglich und dasz es ursprünglich so 861 ausgesprochen wurde lehrt die heilige formel 6m = aum, welche mit den drei buchstaben A ü M die göttliche trinität Brahma Vishnus Sivus ausdrückt (Bopps gloss. 61*). die wurzel bhudsch flectere bil- det ihr praet. bubhödsch = goth, biuga baug bugum, die wurzel rud plorare ruröda = ahd. riuzu roz ruzum, die wurzel budh novisse bubödha. im litth. raudoti flere rauda fletus erscheint der zum goth. AU stimmende diphthong.

Die Untersuchungen dieses capitels haben das ergebnis, dasz der ablaut in unsrer spräche dem wesen und der natur des vocalismus am treusten bleibt und eine gewaltige regel aus ihm entfaltet, die in den urverwandten sprachen bedeutsame Vorzeichen ankündigen; dasz zwar die deutschen laute den lateinischen zunächst treten, aber die griechische spräche vor allen andern in vorneigung zum ablaut mit der unsrigen grosze gemeinschaft zeigt.

Wenn häufig in deutscher spräche einzelne nomina im ablauts- verhältnis stehn, ohne dasz verba dazwischen walten; so bin ich nicht gemeint, immer den bestand einer wirklichen verbalform aus der formel zu folgern und zu behaupten, die spräche ist so von dem ablaut durchdrungen, dasz, könnte man sagen, einzelne Wörter von selbst in ihn rinnen, zum beispiel das ahd. ahsa axis, ahsala axilla und uochasa ascella sind sich unmittelbar verwandt, doch gab es vielleicht nie ein verbum ahsan uohs, so genau dies gebildet wäre wie wahsan wuohs. nicht anders steht dem goth. asts, ahd. ast ra- mus das altn. ost arteria aspera, ags. ost nodus, squama, alts. ost nodus in ligno* zur seite, ohne dasz man berechtigt würde schon ein astan uost aufzustellen.

Diese herschaft der ablaute wird sich noch viel weiter ausge-862 dehnt zeigen, ihr gesetz waltet zwar wesentlich mitten in den wur- zeln, allein es äuszert auch merkwürdigen, der beobachtung bisher entgangnen einflusz auf die flexionen und wortableitungen. Im all- gemeinen sei hier blosz angekündigt, dasz wie die kurzen vocale basis der aufsteigenden ablaute sind, auch in der verbalen flexion kurzer vocal den indicativ, in der nominalen das masculinum, langer hin- gegen dort den conjunctiv, hier das femininum behersche.

Welcher Zusammenhang zwischen ablaut und einem andern bil- dungsmittel der spräche, das er zu begleiten pflegt, obwalte, soll das nächste capitel ins rechte licht setzen.

* im gedieht von der Soester fehde (1445—1447) s. 591. 648. 671. 700 die redensart 'hoggen op einen oest ' (: Soest) , auf einen knoten im holz hauen, d. h. Schwierigkeiten finden, in einem lied auf die Hildesheimer stiftsfehde (1519) s. 194 'hau wen up den quast', mit derselben bedeutung.

XXXIIT. DIE REDUPLICATION.

863 Wie der einfache vocal durch vortritt eines andern guniert oder diphthongiert wird und wie dann die wurzel ablautet haben wir gesehn; dem sprachgenius steht aber noch eine aushülfe zu ge- bot : er läszt den anlaut der wurzel selbst vortreten und sich doppeln, das wort wird gleichsam erst schwächer und zur hälfte angeschla- gen, um dann nochmals desto voller und vernehmlicher zu erschallen.

Am nachdrücklichsten wirkt diese Verdoppelung, wenn nicht das halbe, sondern ganze wort sich selbst vorangeht, z, b. im ahd. sösö (goth. svasve), dohdoh, lat. quamquam u. s. w. unsere spräche liebt es, nach dem grundsatz der ersten und zweiten reihe des ablauts, dem Alaut einen I oder ülaut vorher zu schicken, sei es in losen oder zusammengefügten Wörtern, z. b. blicken blacken Helbl. 3,317; timpen tampen Tit. 190; enplipfes und enplapfes Helbl. 3, 364; wi- gen wagen; gugen gagen; glunken glanken; singsang; Wirrwarr; noch mehrere sind gramm. 1, 562 gesammelt, aus welchen allen man einen schlusz für den höheren rang des A ziehen könnte, insofern die laute der vorangestellten Wörter oder silben nur eine zweite, schwächere potenz zu enthalten scheinen.

Solche volle Wiederholungen sind jedoch zu lebhaft, um anders als sparsam in der rede verwandt zu werden, und ungeeignet einen wohlthätigen hebel der flexion, der allenthalben auftreten musz, zu

864 begründen, die spräche ist ihrem innersten wesen nach haushältig und zieht was sie mit geringen mittein erreichen kann jederzeit gröszerem aufwand vor.

Angemessener in diesem sinn scheinen demnach substantiva ge- bildet, welchen es genügt einen theil der wurzel vorauszusenden, ein merkwürdiges altes beispiel ergibt das ahd. wlwint turbo (Graff 1, 624), das ich in goth. vaivinds übertrage, und gerade denselben be- grif drückt auch gr. AatAat/', von der wurzel Xa^ßavco slaßov Xa- ßov(iai aus, das wort wird durch die doppelung intensiver und er- reicht die Vorstellung des stürmenden Wirbelwinds; auch ^ai^ia^ von

REDUPLICATION 599

fxaifjiac) (laifiaööco enthält sie*, ahd. fifaltra flfaltara, nocli heute in Oberdeutschland feifalter pfeifalter, ags. fifealde, verderbt in fiflFalde, nnl. vijfwouter scheint minder dem lat. papilio, prov. papalho par- palho, lomb. parpalia, it. farfalla nachgeahmt, als das urverwandte, vortrefflich erfundne wort, weil der Schmetterling seine flügel faltet und entfaltet und wie ein zeit auf und zusammenschlägt; vielleicht wurde dieser name des zelts eher von dem thier entnommen, als um- gekehrt, nicht zu übersehn, dasz unsere spräche auch alle Schmetter- linge einfach falter zwiefalter tagfalter nachtfalter nennt, wahrschein- lich gehört zu papilio noch das gr. i^ma^ng tjTilnlos Schmetterling, alp und fieber, dessen Ursache man dem geisterhaften thier beilegte (mythol. s. 1107). das altn. fidrildi, schwed. fjäi'il weicht aus in die Vorstellung eines staubgefiederten vögleins.

Im latein zeigen sich mehr solcher wollautenden namen, zumal für thiere, und es kann dabei onomatopoeie mitwalten, das zirpende heimchen (ahd. heimili, muhheimo) heiszt cicäda, wie xEtti^ zu stehn scheint für TETQi't; der klappernde storch ciconia, der rufende gauch cucülus, gr. KüKxv^, skr. kökila, poln. kukawka, serb. kukavatz ku- kavitza; deutsche Volkslieder des 16 jh. haben gutzgauch, gleichsam den gugetzenden vogel. noch heute sagen wir für gans gigak, für schnattern gigaken (Schiller schrieb gagaken). der glühwurm heiszt 865 lat. cicindela, worin candela steckt. Aber noch auszer thiernamen reduplicieren andere schall und bewegung ausdrückende Wörter; in der Schweiz ist gigampfe Schaukel und gigampfen schaukeln, be- kannter sind die lat. susurrus, cincinnus, tintinnum und tintinnio.

Aber die griechische spräche entfaltet auch in diesen beziehungen eine solche fülle, dasz ich beispiele nur anrühren kann und auf an- dere arbeiten verweisen musz**. die adjectiva öaidakos, kunstfertig, TiaiTcalog steil führen auf participia daLÖalosig naiTcaXoBig , also auf die verba daiddlla) nuiTiälla, in welchen aber die Verdoppelung durch das ganze verbum reicht, wie im lat. susurro, titillo, titubo. gr. niQTiEQog lat. perperus mögen sich berühren mit atopg)Vßa lat. pur- pura, vielleicht mit der neugriechischen UvQTtrjQOVVa (mythol. s. 561). Eeduplication scheint ferner das lat. memor, memoro, memoria, wozu ags. mimor meomor gemimor und irisches meamhair memoria bedeut- sam stimmen; gehört dahin fii^so^ai, Mi^ag und der göttliche Mimi unsers alterthums (mythol. s. 352), so gliche dieser wie im begrif auch in der namensbildung dem gr. ziaiöalog.

Man darf erwarten, dasz ebenwol im sanskrit eine fülle solcher bildungen vorhanden ist, z. b. vivadha bedeutet weg und zugleich pferd (vgl. oben s. 858); viväha nuptiae, vivähja gener; tittiri rerQi^ oder TSTQKcov, litth. teterwa; pippala ficus religiosa u. a. m.

* Zeus hiesz /xaißüxxrjq (oben s. 76), der Wirbelwind, wie Ziu und Phol turbo (mythol. 184. 262. 599); Wuotans wildes beer fährt zur zeit der herbststürme im monat MaifiaxiijQiwv.

** Heinebach de graecae linguae reduplicatione praeter perfectum Gis- sae 1847 sammelt reichlich und prüfend.

600 REDUPLICATION

Eeduplication im eigentliclien verstand ist vorhanden, wenn sie, gegenüber der einfachen gestalt des praesens, das praeteritum aus- drückt, wie der ablaut gegen den vocal des praesens absticht, hebt die Wiederholung des wurzelanlauts den begrif der Vergangenheit heraus.

Unter den deutschen sprachen gibt fast nur die gothische redu- plicationen kund ; in allen übrigen sind sie verwischt und verwandelt.

866 Durchgehends hat die gothische reduplicationssilbe den diph- thongischen laut AI, über den man sich nicht durch das lat. und griech. E [skr. A, I, U] an derselben stelle irren lasse*, was die consonanz betrift, so kann kein zweifei obwalten, wenn die wurzel mit einfacher anlautet, von mehrfacher consonanz geht nur der erste buchstab in die reduplication, d. h. von HL SL BL FL J)L BN PR FR GR nur H S B F ]D B P F G; doch haften die festeren Verbin- dungen SP SK ST und HV, letztere fast noth wendig, weil dafür in der Schrift das unauflösbare zeichen 0 dient.

Wichtig ist nun das Verhältnis der reduplicier enden verba zu den ablautenden : reduplicieren können nur solche gothische wurzeln, deren vocal einem ablaut des praet. entspricht; kein reduplicierendes goth. verbum hat den vocal des praesens der ablautenden.

Hiernach ergeben sich vorerst fünf reduplicierende conjugationen, den fünf ablautenden parallel.

I. halda haihald haihaldum haldans. valda vaivald vaivaldum valdans. gastalda gastaistald gastaistaldum gastaldans. salta saisalt saisaldum saltans. faljja faifal^ faifalj)um falj)ans. usalj)a (senesco) usaial|) usaialj)um usal|)ans. pragga paipragg paipraggum praggans. blanda baibland baiblandum blandans.

n. faha faifah faifahum fahan. haha haihah haihahum hahans. mutzumaszen vielleicht ara aiar aiarum arans, neben dem schwachen arja arida. langes E des pluralablauts hat sl6pa saizl6p saizl6pum slßpans und vermutlich auch bl6sa baibl6s baibl6sum blösans.

III. hvöpa hvaihvöp hvaihvöpum hvopans. blöta baiblöt bai- blötum blötans.

IV. afaika afaiaik afaiaikum afaikans. laika lailaik lailaikum laikans. gaplaiha gaj)aij)laih gapaijjlaihum gaj)laihans. skaida skai- skaid skaiskaidum skaidans. haita haihait haihaitum haitans. maita maimait maimaitum maitans. fraisa faifrais faifraisum fraisans.

V. hlaupa haihlaup haihlaupum hlaupans. auka aiauk aiau-

867 kum aukans. flauta (superbio) faiflaut faiflautum flautans. stauta staistaut staistautum stautans. wahrscheinlich auch bauta (tundo) baibaut baibautum bautans.

Das einzige slöpan und bl6san befremdet, sie tragen den plural- ablaut slipa slap slßpum, blisa blas blßsum zur schau, obwol kein reduplicierendes verbum auf U, I, ü mit den pluralablauten der ersten vierten fünften reihe gebildet erscheint, vielleicht ist dem sl6pan ahd. släfan analog, dasz goth. fahan und hahan ahd. fähan und hähan lauten.

* von Aufrecht bestritten, zeitschr. 1, 475.

REDUPLICATION 601

Es sind aber auszerdem noch drei^ reihen anzusetzen, welchen eigen ist, der reduplication den ablaut 0 zu gesellen.

VI. fleka faiflök faiflokum flekans. teka taitök taitökum tßkans. r6da rairö|) rairodum r6dans. gr6ta gaigröt gaigrotum grßtans. l6ta lailot lailötum letans. bedenklich scheint das aus der unsichern les- art saisvor Marc. 6, 19 gefolgerte svßran insidiari, und durch keine analogie gestützt, denn ags. servian, ahd, sarön würde allenfalls auf sarvan saisarv nach I führen, vgl. goth. sarva machinae.

VII. laia lailö lailöum laians. saia saisö saisöum saians. vaia vaivö vaivöum vaians. zu vermuten auch faia (^s^cpo^ai) faifö fai- föum faians und maia (meto) maimö maimöum maians.

VIII. baua baibö baiboum bauans. bnaua baibnö baibnöum bnauans, welche beide noch des belegs fürs praet. ermangeln, baua baibau nach V ist so wenig annehmbar, als saia saisai gilt; auch scheinen VII und VIII gerade vocalisch ausgehende wurzeln zu ent- halten, deren AI und AU des aufschlusses bedarf und dem in IV und V ungleich ist. hauan haihö fehlt bei ülfilas durchaus, er ver- deutscht ÖsQBLv durch bliggvan oder slahan.

Von den übrigen deutschen sprachen gewährt, wie schon s. 661 gesagt wurde, die ags. unverkennbare Überreste der reduplication, doch nur in vier Wörtern, die ich in Andr. und Elene aufgewiesen habe: läce leolc leolcon läcen; hätan höht hehton häten; Igete leort leorton Iseten; rsede reord reordon rseden und ebenso ondrsede ondreord ondreordon ondraeden. wer sieht nicht in leolc höht reord zusam- mendrängungen von Iseläc hsehät rseröd = goth. lailaik haihait rai- röd? entstellter ist leort, vielleicht nach analogie von reord? aus! Iselot leolt, welche letzte form angemessen schiene; immer sind es noch die wurzelhaften anlaute L H R, die mitten im praet. auftau- chen, man dürfte andre mehr rathen, für feallan ein altes feofell, für heävan heoho, für sävan (serere) seoso, für mävan (metere) meomo, für grsetan geort = geogret, doch die Verengung kann verschiednen weg eingeschlagen haben.

Im ahd. bietet sich bei Kero (ed. Hattemer p. 57) dar piheialt, das noch nahe liegt an piheihalt = goth. bihaihald; warum sollte die ältere spräche nicht auch heiheiz, leiläz, meimeiz = haihait, lailot maimait besessen haben? jenes wichtige fifaltara läszt ein ahd. fifalt feifalt = goth. faifal|) vermuten, das keronische heialt ist schätz- bar auch darum, weil es ahd. EI an der stelle des goth. AI zeigt, und uns des echten diphthongs nochmals versichert.

Weitere spur hat die altn. spräche, sie bildet von röa remigare ein praet. reri, von soa serere seri, wo die ags. spräche rövan reov, sävan seov bietet, man weisz nicht, wie die Gothen rudern ausdrück- ten, röan oder raian? das praet, unbedenklich rairö, welches im altn. reri übrig ist; seri aber steht für sesi seso = goth. saiso, und selbst das lat. sero scheint aus seso entsprungen, folglich reduplicative form. Aber nun musz auch altn. groa virere praet. greri, ags. grövan greov ein goth. groan gaigrö sein, während nüa neri dem goth. bnaua baibnö,

602 REDÜPLICATION

allein snüa sneri dem blosz ablautenden snivan snau gegenüber liegt, gnüa fricare praet. gneri scheint gleichviel mit nüa*. ans snivan snau könnte sich redupliciei-endes snauan saisnö entfaltet haben?**

869 Nun fragt es sich vor allem : was ist aus den goth. reduplicie- renden Wörtern geworden, seit ihre eigenthümliche form erlosch?

Statt des ags. hebt leolc leort reord stellt sich bald het Ißc Ui r6d ein, statt des ahd. heialt hialt (vielleicht erst hialt, wie flfaltara?) und helt, und in allen übrigen Wörtern herscht, ohne spur des redu- plicierenden consonants, ein diphthongischer, wie es scheint, zusam- mengedrängter vocallaut, ags. EO oder E, ahd. lA IE oder E: ags. heold = haihald, veold = vaivald, feng = faifah, sceod = skai- skaid, hleop = haihlaup, sl6p = saisl6p, l6t = lailöt, grßt = gai- gröt; ebenso ahd. hialt wialt fiang sciad hliaf sliaf plias liaz, oder auch: healt wealt oder helt w6lt fßng. Also scheint der schlusz ge- stattet: wie l6c auf leolc lailaik, h6lt hialt auf heialt heihalt haihald zurückführen, setzt auch in allen übrigen die verengte form eine immer weitere und ursprünglich reduplicierende voraus.

Einigemal bietet Notker, der sonst liez hielt hieng scied u. s. w. mit IE schreibt, lü, nemlich howen hiu hiuven und loufen liuf liufen; wirkte hier das U des diphth. OU in haihlaup haihlaupum nach? oder das 0 im vermuteten haih6 haihöum? Tatian gewährt hio Hof und von ruofan riof, von wuofan wiof, neben liez hielt, während bei Otfried liaz hialt zu liaf riaf wiaf stimmen; wissen möchte ich, ob dieser von howan gleichfalls hia bildete? Noch mhd. dauern solche unterschiede: hiu Nib. 2221, 3 hiuwen Nib. 2215, 1 und liuf Nib. 877, 3 in C, liufen Er. 2447, neben hiew Wh. 392, 16 hiewen und

870 lief liefen bei den meisten***, und von ruofen finde ich blosz rief riefen; kaum noch darf man zu bouwen und nouwen ein starkes biu und niu erwarten.

Aus gleichem gründe steht den altn. falla feil, halda helt, blanda blött, ganga göck, hanga hock, sveipa sv6p, heita het, leika l6k, grata gr6t, lata let, bläsa bl6s entgegen hlaup hliop, ausa ios, höggva hio, bua bio, und bl6s neben ios bestätigt mir den angenommnen unter- schied zwischen goth. baiblßs und baibö = altn. bio, haihlaup = altn. hliop, ahd. liuf, obschon gaigröt lailöt altn. gret l6t lauten, ahd. liaf und liuf, mhd. lief und liuf schwanken.

* die gewohnheit dieser praeterita seri sneri gneri reri scheint auch unorganisches freri congelavit für fraus und sleri percussit für slo herbei- geführt zu haben, sleri steht fornm. sog. 10, 394 und der pl. slöro 10, 403. ** Völuspä bietet strophe 6. 9. 27. 29 in Rasks ausgäbe die wieder- kehrenden Zeilen:

I)ä gengengo regln öU ä rökstola ginnheilög god ok um Joat gettuz, was mich gramm, 1, 916 an reduplication denken liesz, obschon eher ge- gango zu erwarten wäre; wahrscheinlich aber ist gengengo bloszer Schreib- fehler (Munchs ausg. s. 185) und gengo zu lesen.

*** hiu liuf könnten schwäbisch scheinen, hie (hiew) lief bairisch; nhd. hieb lief.

REDÜPLICATION 603

Noch etwas anders verhalten sich die ags. feallan feoll, veallan veoU, healdan heold, hleäpan hleop, vepan veop, rövan reov, heävan heov, blävan bleov, sävan seov, mävan meov zu spannan spenn, blan- dan blend, fangan feng, hfitan het, läcan Ißc, slgepan sl6p, grsetan gr6t, Iffitan l6t, ondrsedan ondred. hatten aber lec Ißt rßd früher leolc leort reord, so scheint ihr vocal unabhängig von dem des praesens.

Im nhd. hat sich überall IE eingesetzt, nicht blosz in hielt gieng fieng hieng (unhochdeutsch ist ging fing hing) hiesz schlief rieth, son- dern auch in hieb und lief.

Man könnte darauf verfallen, dasz diese ahd. lA, mhd. nhd. IE der praeterita nicht aus zusammendrängung älterer reduplication ent- springen, vielmehr einen eignen ablaut bilden; gerade fand die theo- rie s. 849 eine lücke, die sich hier zu füllen schiene, dem A und 6 zur Seite stehn sollte A und E, und wie 0 aus IIA gienge E her- vor aus lA, nach analogie des goth, fera hör = ahd. fiara hiar. ahd. fallan fial, haltan hialt, salzan sialz wären also nicht vergleichbar dem goth, haldan haihald, saltan saisalt, sondern entsprossen aus reinem ablaut, so gut wie stantan stuont, waskan wuosk? Diese ansieht hätte allen schein, wenn blosz A, lA erschiene, schwindet aber vor dem bedenken, dasz auch ahd, ^EI, lA; 0, lA; A, lA gelten, deren lA unmöglich ablaut von EI 0 A sein kann, und noch mehr davor, dasz die historischen, auf Verengung zielenden Übergänge, wie sie heialt, hellt leolc leort reord an hand geben, für nichts geachtet werden müsten. Es bleibt also dabei, dies lA ist aus dem zusammendruck der reduplicationssübe entsprungen.*

Ohne die gothische reduplication würde freilich niemand geahnt haben, dasz ein so wirksamer hebel der verbalflexion auch in der 871 deutschen spräche walte und die IE unsrer heutigen praeterita nur aus ihm zu deuten seien. ,

Es fällt auf, dasz er den slavischen und Ktthauischen conjugationen gänzlich abgeht, zwar redupliciert auch kein keltisches praeteritum [doch Zeusz 495. 496], merkwürdig aber ist, dasz zuweilen aus irischen in- transitiven transitiva mit reduplication geleitet werden, z, b. freagh ich antworte, fiafraigh ich mache antworten, frage; reagh ich walte, riaraigh ich theile aus ; claidh ich grabe, ceachlaidh ich zerstöre ; mair ich lebe, meamhair ich mache bleiben, erinnere mich** (vgl, me- mor s, 865) ; dieser zug hängt offenbar zusammen mit der zeugung deutscher transitiva aus dem ablaut intransitiver (s, 850). Überhaupt aber scheint die reduplication dem neuen sprachgeist immer weniger zuzusagen, wie uns die gothische, den Eomanen die lateinische redu- plication erloschen ist, zeigt sich die lateinische und gothische selbst schon als eine in abnähme und aussterben begriffne form, und erst

* auch Bopp stimmt zu, vgl. gramm. s. 833. es sei erinnert an das ahd. priestar, ags. preost aus presbyter, ahd. fliedima mhd. flieme aus phle- botomum (gramm. 1, 188).

** Leo in Haupts zeitschr. 3, 531.

604 REDUPLICATION

aus dem griechischen und sanskrit vermögen wir ihre durchgreifende macht zu erkennen. Selbst die Neugriechen haben sich der redupli- cation und damit des alten praeteritums entäuszert.

Die lateinische zählt nur noch einige zwanzig verba, während die gothische, wäre uns ihr umfang vollständig bekannt, mehr als doppelt so viel besitzen würde.

Aber der im gothischen einförmige reduplicationsvocal hat im latein günstige manigfaltigkeit. doch niemals lautet er A, sondern schwaches E erscheint, wenn die wurzel A oder selbst schon E führt;

872 pario peperi, fallo fefelli, pedo pepedi, pendo pependi, pendeo pe- pendi, tendo tetendi, cano cecini, auf mano führt memini, cado cecidi, pago pango pepigi, tango tetigi. I, 0 und U bleiben, wo sie in der wurzel sind: scindo sciscidi (nachher blosz scidi, in der alten gestalt dem goth. skaiskaid ähnlich), disco didici f. didisci, posco po- posci, spondeo spopondi f. spospondi, tondeo totondi, mordeo momordi, curro cucurri, pungo pupugi. nur pello bekommt pepnli, nicht pepelli und statt cucurri galt, nach Gellius, auch cecurri. aus tuli latum f. tlatum ist ein verlornes tello tetuli oder toUo tutuli zu schlieszen ? vgl. tollo sustuli. caedo hat cecidi. für E und 0 mögen ältere A gegol- ten haben, z, b. für peperi ein papari, für momordi ein mamardi. do dedi und sto steti sind keine reduplicationen, wie das nächste capitel darthun soll.

Von groszer ausdehnung ist die griechische reduplication, da sie nicht nur jedes praeteritum act. med. und pass. bilden hilft, sondern auch in alle modos reicht bis in die participien, welche lat. und go- thisch nie reduplicieren, und wie die goth. spräche überhaupt kein praet, imperat. oder infinit, auszudrücken vermag, ist auch dafür von keiner reduplicationsform die rede; dem latein stehn wenigstens die praet. inf pepulisse cucurisse u. s. w. zu diensten. Nur der latei- nische vocalwechsel in der reduplicationssilbe gebricht der griech. con- jugation, welche, wie die gothische AI, für consonantisch anlautende verba durchgehends E verwendet und diesem die media oder tenuis des Stamms vortreten läszt; lautet er auf aspirata an, so wird ent- sprechende tenuis wiederholt, um der härte zweier aspiraten auszu- weichen (s. 361). Dagegen hat die griech. spräche, namentlich für die starken verba, im geleite der reduplication häufig ablaut: Ttsfinco Tchnoy.q)tt^ nsQ^ca TimoQd-a, dsgaca dsöog^a (warum nicht (iUtko ^s^okTta"^), yhoD ysyovcc, ^evco ^s^ova, TQEq)C3 zstQocpa, d'duca rsQ'rjna, d^dllcj ted^fjla, kEiTttü Kilonta, Tistd'co nsTtoi^'a, nur bei cpivyco nicpBvya, aevQ'io ici'KEvQ'a nicht, wo aber mit Sicherheit auf ein älteres nstpovya näxovd^a darf geschlossen werden, auch für tvitta rarvita auf ein älteres tstovTCa.

873 Im sanskrit gilt reduplication beinahe in griechischer allgemein- heit, dazu lateinischer Wechsel des vocals in der reduplicationssilbe, ablaut aber nur in den unsrer vierten und fünften conjugation entspre- chenden reihen: bhid == lat. findere fidere, goth. beitan, praet. bibheda pl. bibhidima; bhudsch == goth. biugan, praet. bubhö-

REDUPLICATION 605

dscha pl. budhudschima; rud = ahd. riozan, praet. ruröda pl. ruru- dima ; tup = rvntBLv^ praet. tutöpa pl. tutupima. Hngegen die unsrer ersten und zweiten conj. vergleichbaren lauten nicht ab; bandh ligare, praet. babandha pl, babandhima; mard mordere, mamarda mamardima; tan tendere, tatana tatanima; svad dormire, su^vapa suävapima; tap urere, tatapa tatapima; sad sedere, sasada sasadima. es gilt aber auch tatana, tatapa, sasada unserm pluralablaut zweiter conj. ähnlich, wie wenn griech. nsno^cpa ysyova A enthielten, das in der wurzel zu O, im praefix zu E geschwächt wurde ? doch gleicht dem O unser U in bundum, munum.

Es sind aber wichtigere Schlüsse aus diesen vergleichungen zu entnehmen.

Am meisten überraschen musz, dasz die fremde, urverwandte reduplication sich weder im laut noch in einzelnen wurzeln der gothischen anschlieszt, wol aber unsern fünf ablauten : gr. ^s^ova, lat. memini ist goth, man, gr. xsxXoTca, das ich mutmaszen darf, goth. hlaf, skr. sasada goth. sat, gr. dsdocxa goth. taih, skr. bibheda goth. bait, skr. ruröda ahd. röz = goth. raut. Was ist natürlicher als die annähme, dasz einmal in früherer zeit für man hlaf sat taih raut eine goth. reduplicierte foi'm galt?, deren vordem vocal ich nicht zu be- stimmen wage (nur AI wird er nicht gewesen sein), wofür ich hier versuchsweise I setzen will: miman, hihlaf, sisat, titaih, riraut?* die Vordersilbe wäre abgefallen, wie wir sie ausnahmsweise dem gr. otÖa und skr. v6da mangeln sehn, welches letztere vollständig viv6da lau- ten sollte. Nicht anders entgeht sie aber auch vielen lateinischen praeteritis und ein lambo lelibi, facio fefäci (vgl. osk. fefakust), 874 faveo fefävi, paveo pepävi (wozu das subst. cicäda stimmt), dico dedoeci (wie coepi auf cecoepi weist), duco didauci wären im hinter- grund der spräche zu erwarten; haben diese lat. praeterita ihpe redu- plicationssilbe abgelegt, wie lange zeit kann sie den gothischen schon entzogen gewesen sein.

Allein der reduplicationstrieb war darum nicht in ihr verschwun- den, sondern bedacht sich einen neuen weg zu suchen. Näher zuge- sehn (s. 866) so tragen unsere red uplicier enden goth. wurzeln gerade den vocal der fünf ablautenden an sich : halda scheint aus einem hilda bald, faha aus faiha fah, blöta aus blata blöt, haita aus heita hait, flauta aus fliuta flaut zu sprieszen. Da nun den ablaut, wie wir fan- den, ursprünglich reduplication geleitete, so kann man sagen, dasz die gothischen redui^licationen einer zweiten potenz angehören, und ihnen alte reduplicationen erster potenz vorangegangen sind.

Beide arten der reduplication entfernen sich darin von einander, dasz die alte auf wurzeln mit kurzem vocal, die neue auf wurzeln mit langem beruht, dort walten A I U, hier positionslange Wurzelsilben oder diphthonge. beide streben allmählich nach einsilbigkeit, doch die

* längst hat Bopps Scharfsinn (vgl. gramm. s. 843. 848. 850) diese redu- plicationen vorausgesehn, nur dasz er maiman haihlaf saisat taitauh rairaut ansetzen würde.

606 REDUPLTCATION

erste art wirft die reduplicationssilbe fort, die zweite sucht redupli- cations und Wurzelsilbe zusammen in eine zu drängen, dort bleibt dem verkürzten praet. alle manigfaltigkeit des ablauts, hier entspringt einförmiger diphtbong. man begreift den grund des Unterschieds; die kurze silbe konnte leicht aphaeresis erfahren; die lange widerstand und gab sich nur zur Verschmelzung her.

Die lat. griech. skr. reduplication richtet das aus was unser ab- laut, d. h. zeugt aus dem praes. ein praet., die goth. reduplication hingegen setzt das praet, wieder zurück als praesens, und bildet mit nochmaliger reduplication ein neues praeteritum. da aber das deutsche ablautspraet. in der regel lange silbe hat, nemlich in erster conj. durch Position, in dritter, vierter, fünfter durch natürliche vocallänge, so steht auch dem neugesetzten praesens diese länge zu, und man wird begreiflich finden, warum zur reduplicationssilbe der diphthong

875 AI verwendet wird, was einen gegensatz macht zu den kurzen vocalen der alten reduplication an gleicher stelle, zugleich entfernt sich aller Zweifel, den man über die natur dieses AI hegen könnte.

Die einzige zweite goth, conjugation hat in ihrem praet. sg. kurzen vocal und scheint ihn auch in die neue reduplication hinüber zu nehmen, wenigstens nach dem goth. faifah und haihah, doch die neigung zur länge zeigt sich wiederum im ahd. fähan und hähan, wie im goth. slßpan selbst, das mit pluralablaut gebildet wurde.

Mit demselben £ scheint aber auch die sechste gothische redupl. conjugation aufzutreten und eines neuen ablauts im 0 fähig gewor- den zu sein, dem sich in den übrigen dialecten nichts verwandt findet, lailöt rairöd haben ahd, ein praet, liaz riat, wie haihait oder saislßp ahd, hiaz sliaf lauten.

In den vocalauslautigen wurzeln der siebenten und achten conj, darf man dem AI und wahre und ursprüngliche natur eines diphthongs abstreiten, bauan z. b. entfaltet wie der gen. maujös von mavi, wo die Wurzel mag keinem^ zweifei unterliegt, kann also der Wurzel bag angehören, folglich das 0 in baibö entsprungen sein wie in stojan stauida. nicht andei's urtheile ich über die andern verba dieser beiden conjugationen, von denen ich näher zu handeln weiterer gelegenheit aufspare.

Zwischen beiden reduplicationen, der alten und neuen, für einzelne Wörter berührung und Übergang nachzuweisen ist schwerer als es scheinen sollte, goth. flauta TiSQTtEQWo^ai, faiflaut entspricht dem ahd. flözu fliaz, das ich aus flaozlihho elate (Graflf 3, 753) folgern darf, dies flözan geht nun hervor aus dem ablautenden fliuzu flöz, welchem kein entsprechendes goth. fliuta flaut aufzuweisen ist*, dem

876 altn, reduplicierenden snüa sneri, welches etwa im goth. saisnau ge- lautet haben könnte, musz das goth, snivan snau voraus gegangen sein.

* mit beiden kann das ffoth. flodus, ahd. fluot, ags. flod wenigstens nicht unmittelbar zusammenhängen, ich möchte es fl-6dus (für flutödus) nehmen und mit dem -odus in mannisködus vergleichen.

REDUPLICATION 607

altn. taka tök lautet ab, goth. tekan taitök aber redupliciert; dies wort enthält aucb eine berühmte ausnähme von der lautverschiebung, die ich s. 421 nicht hätte unbeigebracht lassen sollen: kein zweifei, dasz lat. tetigi und gr. maycov hinzu gehören und auch in der reduplication eintreffen, selbst den vocal des Imperativischen rr} darf man zum 0 in tök und taitök halten, die altn. ablautende form nehme ich für älter, die goth. reduplicierende für jünger und erst aus der ablautenden gebildet, fast wie tetigi und taitök verhalten sich sciscidi und skaiskaid, die form mit langem vocal musz auch hier jünger sein als die mit kurzem; scindo scidi geht wie findo fidi, und ihr N gleicht dem in tango und contingi, welches im praet. con- tigi die reduplication fahren läszt.

Jene keltische eigenheit, die reduplication für transitiva zu ge- brauchen, wie unsere spräche den ablaut, verbürgt uns den frühen und naturgemäszen Ursprung der gothischen reduplication ; um so viel älter sein musz die den ablaut begleitende.

Ob der ablaut selbst etwas der flexion unwesentliches sei? ob tatapa und babandha auf gleicher Knie stehe mit bibhßda und ruröda ? ist eine frage, die so weit hinter die äuszerste grenze deutscher spräche zurückweicht, dasz ich billig nicht darauf einzugehn habe.

XXXIV. SCHWACHE YERBA.

877 Die grammatik empfindet ein bedtirfnis überall von der grund- lage jüngere zuthat, von dem ursprünglichen abgeleitetes, von dem inneren äuszeres zu unterscheiden, wie mancherlei man auch mit diesen Vorstellungen verbinde; es scheint zulässig und förderlich sie durch den namen des starken und schwachen auszuzeichnen, das starke soll gleichsam den typus angeben, das schwache die mittel, welche ihn, wenn er sich abnützt, ergänzen und erweitern, nach unaufhaltbarem vorschritt nimmt in der spräche das starke element ab, das schwache zu.

Man darf schon von den vocalen A I U die starken laute, E und 0 die schwachen heiszen. in der flexionslehre tritt aber der gegensatz noch lebhafter vor, und in der deutschen conjugation wie declination scheint es unerläszlich eine schwache form der starken an Seite zu stellen.

Das starke verbum beruht auf ablaut und reduplication, welche, wie wir sahen, eng in einander gewoben sind, der ablaut gieng mitten in der wurzel selbst vor und die reduplication trat an ihre spitze. Alle schwachen verba werden durch drei characteristische vocale abgeleitet und bilden ihr praeteritum nur durch den hinten zutretenden, mit jenen vocalen sich verschmelzenden eines hilfworts,

878 welches seiner natur nach nothwendig ein starkes gewesen sein musz. Während also die starken verba unabgeleitet und ablautend sind, er- scheinen die schwachen abgeleitet und unablautend.

Die folgende Untersuchung hat sich zuerst auf die beschaffenheit jener vocale, dann auf die auxiliaren consonanten zu richten.

In den drei vocallauten offenbart sich wieder eine bedeutsame Übereinkunft zwischen deutscher und lateinischer spräche, gerade wie die gothische ableitung der schwachen form durch ^I, 0, AI, die ahd. durch I, 0, ^, geschieht die lateinische durch I, A, E. cap. XXXII lehrte aber, dasz lat. A dem goth. 0 entspricht und lat. E aus OE

SCHWACHE VERBA 609

AE hervorgieng, ^also goth. AI sich zur seite hat. Gleich dem I und A stehn A und 0, EI und AI im ablauts Verhältnis.

Wie treffend ist die gleichung gothischer, althochdeutscher und lateinischer wortgestalten:

goth. vasja vasida. fiskö fisköda. haba habaida ahd. weriu werita. fiscöm fiscöta. hap6m hap6ta lat. vestio vestivi. pisco piscävi. habeo habui ich habe mir gestattet für piscari das ungebräuchlich gewordne piscare aufzustellen, goth. haba steht für habaia, lat. habui für habevi, wie delßvi zeigt, die ahd. formen halten das kennzeichen der ablei- tung am treusten fest ; es wäre überflüssig auch die der übrigen und jüngeren sprachen anzuführen, in welchen das characteristische der vocale schwindet oder zusammenfällt.

Doch eine lücke ist schon in der ältesten deutschen und latei- nischen conjugation vorhanden, die man sich erfüllt denken könnte, wie mit dem ablaut AI, sollten auch mit dem ablaut AU verba ab- geleitet sein, deren praesens goth. -a für -aua, das praet. aber -auda flectieren würde, im latein hätte das praes. -oo, das praet. -övi zu lauten, weil auch hier der Verengung des AI in eine des AU in 0 ähnlich eingetreten sein dürfte.

In dieser Vermutung bestärkt mich die griechische spräche, ^deren drei schwache conjugationen auf den characteristischen lauten A E 0879 beruhen, von welchen das letzte, nämlich o Verengung des ov scheint, mithin jenem AU entspräche, ti^dco tetlßrjxa steht für TStiuccyicc. cpiXko 7tEq)iXrjjca vergleicht sich dem lat. habeo habui. XQ^^^co x£- XQVöcoxa würde einem lat. -oo -ovi zur seite stehn. Hier mangeln also die mit I abgeleiteten verba ; es wäre unpassend das E in q>ilsG} aus I zu deuten, da das H in qptAijöco jtBq)ikr]i<a deutlich auf die dem lat. £ in delövi entsprechende länge weist.

Unsere ableitungen mit I sind grösztentheils transitiva,^die aus den praeteritis starker verba entspringen, wogegen die mit 0 und AI abgeleiteten in der regel verba intransitiver und neutraler bedeutung umfassen. Das latein hat aber oft transitiva auf are : domare domui, goth. tamjan tamida; nominare nominavi, goth. namnjan namnida.

So verhält es sich mit den ableitungsvocalen ; ich schreite fort zu den consonanten des praeteritums.

Wie vom ablaut des sg. praet. gewöhnlich zu einem andern des dual, undpl. übergegangen wird, welcher sich hernach im ganzen conj. behauptet

nam

namt

n6mu

n6muts

nömum

n6muj)

nam

n6mum

n6mjau nßmeis nßmi

nßmeiva n6meits

nßmeina nßmeij) nßmeina

so musz die gesamte schwache conjugation, weil ihr, wie vorhin ge- sagt wurde, ein starkes verbum hilfe leistet, denselben typus an sich tragen; ihr wird angehängt im gothischen:

-da -des -da

-dedu -deduts

-dedum -deduj) -d6dun

-dedjau -dedeis -d6di

-dedeiva -dedeits

-dedeima -dedeij) -dedeina

Griiuni, gescMchte der deutschen spräche. 39

610

SCHWACHE VERBA

was ich nun auf die drei conjugationen anwenden will:

880

ind. vasida

vasides

vasida

vasidedu

vasideduts

vasidedum conj. vasidedjau vasidedeiva

vasidedu|) vasidedeis vasidedeits

vasidedun vasidedi

vasidedeima ind. fiskoda

vasidedei]) fisködes

vasidedeina fiskoda

fisködedu

fisködeduts

fisködedum

conj. fiskodedjau

fisködedeiva

fisköd^duj) fisködedeis fisködedeits

fisködedun fisködedi

fisködedeima ind. habaida

fisködedei]) habaides

fisködedeina habaida

habaidedu

habaideduts

habaidedum conj. habaidedjau habaidedeiva

habaideduj) habaidedeis habaidedeits

habaidedun habaidedi

habaidedeiraa Ahd. aber erlischt die lautet blosz:

habaidedeij) habaidedeina. erweiterung des pl. und conj. und das suffix

-ta -tös

-ta

-ti

-tls -ti

-tum -tut

-tun

-tim

-tlt -tm

folglich :

werita weritös

werita

weritl

weritls weriti

weritum weritut

weritun

weritlm

weritlt weritln

fiscöta fiscötös

fiscöta

fiscöti

fiscötls fiscöti

fiscötum fiscötut

fiscötun

fiscötim

fiscötit fiscötin

hapeta hapßtös hap6tum hapetut

hap6t hap6t

a un

hap6ti hapßtim

hapßtls hap6ti hapetlt hapetin

Im goth. und ahd. paradigma sind alle personen durch eigne endun- gen genau geschieden (falls ich im ahd. conj. die erste und dritte person richtig -ti und -ti bestimmt habe), mit einziger ausnähme von 1 und 111 sg. ind., deren -da und ahd. -ta zusammenfällt, wie auch in der ganzen starken conjugation nam cepi und nam cepit, bad petii und bad petiit, bait momordi und bait momordit zusammen fallen, nicht anders stimmen ags. verede und verede, fiscöde und fiscöde überein.

Nur die altn. spräche, obschon sie in starker form beide perso- nen auf gleichen fusz setzt und wie die goth. für beide nam bad beit gebraucht, verleiht nach Eask s. 270 in schwacher conj. der I praet. sg. -da, der III aber -di, unterscheidet folglich I varda von III vardi, 881 1 fiskada von III fiskadi. heutzutage empfangen jedoch beide perso- nen einförmiges -di. Offenbar gebührt dem indicativ überall kein -i, sondern nur dem conjunctiv, und wenn es sich aus dem conj. in die III ind. eindrängte, so kann man blosz sagen, dasz die I ind. das or- ganische -a besser wahrte; zuletzt nahm auch sie -i an. ein alter

SCHWACHE VERBA 611

und echtei- unterschied zwischen -a und -i in beiden personen scheint unbegründet*.

Die gestalt dieses auxiliars musz aber nun näher erwogen wer- den, kein zweifei, dasz in ihm unser heutiges verbum "^thun enthal- ten ist**, aber wie es ehmals noch vor eintritt der lautverschiebung beschaffen war. da die schwache verbalbildung lange vor dem wandel der stummen consonanten sich zugetragen hat, so begreift man, warum sie ihm widerstand; ihre Überbleibsel im goth. ags. und altn. lauten wie in den urverwandten auf D, die hochdeutschen daher auf T an.

Nun gehn aber die begriffe des thuns und gebens in einander 882 über, dedisset wird durch ahd. täti verdeutscht (Graff 5, 290), den Angelsachsen hiesz dön gode: reddere deo; god däghvamllce us d6d üre neäde: deus quotidie nobis suppeditat necessaria. noch heute sagt der Niedersachse: do mi dat bok ins: reiche, gib mir das buch einmal, einem thun bedeutet was einem geben : machen dasz er habe.

Thun ist also unmittelbar und buchstäblich das lateinische dare, do das dat, welches sein praeteritum, dem anschein nach, reduplicie- rend bildet:

dedi dedisti

dedit

dedimus dedistis

dederunt

doch die composita nehmen I für E an:

addidi addidisti

addidit

addidimus addidistis

addiderunt

ebenso wenn die reduplication ins praesens vorzurücken und für do ein dedo zeugend den begrif zu verstärken scheint:

dedidi dedidisti dedidit

dedidimus dedidistis dediderunt. Hier aber öfnet für unsere sprachen den Vermutungen sich ein weites feld. Wir würden sicher gehn, hätte sich in der goth. spräche jenes einfache verbum gesondert erhalten ; doch gerade diesmal ist von ihr für den begrif des thuns ein lautverschobnes taujan gebildet worden,

* was auch durch die jüngere Verwendung eines unsuffigierten auxiliars bestätigt wird (gramm. 4, 94).

** Munch will in dem tavidö feci auf der inschriffc des goldnen horns eine ältere gothische form für tavida finden und den ausgang -da der dritten person beimessen, zu geschweigen, dasz auf dem denkmal keine dritte per- son vorkommt, und der mundart, in welcher es abgefaszt ist, für beide per- sonen -do (oder gar -do, denn das 0 in horna hat dieselbe rune) zustehn könnte ; so erblicke ich auch bei vergleichung der urverwandten sprachen keinen grund, um der ersten person tavidö, der dritten tavida zuzusprechen, im sanskrit heiszt die erste person tatäna tetendi, die dritte wiederum ta- täna tetendit (Bopp s. 846) und diese Übereinkunft beweist mehr als die abweichung des lat. tetendi von tetendit oder des gr. ykyova von y^yove, selbst im latein und gr. walten hier nur kürzen, keine längen, sogar das altn. -a und -i würde nicht für und -a streiten, tavidö oder tavidö mag aber wol bemerkt werden als dialectische abweichung, wie sie bei einem volkstamm der kimbrischen halbinsel vorkam, welchem man das hörn und die Inschrift beizulegen hat. mir fällt ein. dasz auch in einer glosse zum bairischen Rudlieb II, 226 zugilprechoto (lorifregi) steht für zugilprechota.

39*

612 SCHWACHE YEEBA

auf welches ich hernach zurücklenken will, gleich wol musz sie früher ein praeteritum in alter gestalt besessen haben, und aus dem fi in d6ds facinus und jenen suffixen dedum deduj) dedun darf ich folgern, dasz es lautete:

dada dast dada

dedum deduj) dedun,

nemlich !fi ist pluralablaut zweiter conjugation und führt auf ein A des sg., also dada, dieses aber auf ein praesens dida. weil nun die theorie (s. 873) begehrt, vor allen ablautenden praeteritis eine redu- plication zu ergänzen, würde, wie von nima niman, von giba gigaf, sich von dida ein didada ergeben und jenem lat. dedidi von dedo aufs haar gleichen.

Die altn, spräche stimmt darin zur gothischen, dasz sie das ge- 883 trennt stehende verbum nirgends aufzuweisen hat; desto öfter tritt es in der ahd. alts. ags, und fries, auf, doch genügt hier die angäbe aus dem ahd, und ags,

ahd, t6ta täti tSta

tätum tätut tätun

ags. dide didest dide

didon didon didon,

sichtbar entspricht tätum dem goth. dedum, wogegen tßta mehr zum ags, dide neigt, meine annähme eines goth. dada, wie sie der ablaut rechtfertigte, wird aber durch das skr. dadäu = dedi (Bopps vgl. gramm, s, 864) mächtig unterstützt.

Zumal wichtig ist mir die ahd, II praet, täti, weil sie genau mit allen starken formen nämi päti käpi u, s, w, überein trift, also vom schwachen ausgang -tos absteht, steckt in der ahd. schwachen fle- xion das suffix tßta, warum empfängt die II nicht -ti, sondern -tös? sicher nur deshalb, weil zur zeit des Ursprungs schwacher form die starken praeterita noch gar nicht auf -i ausgiengen ; aus dem -tös folgt also, dasz auch nämi käpi päti damals andern ausgang hatten, nem- lich einen dem goth. -t entsprechenden, die goth. starke 'flexion zeigt uns in dieser person die formen namt gaft und hast (s. 362), nach solchem hast habe ich dast == didast == dedisti anzusetzen gewagt, von dast aber wird es nicht schwer halten, das goth, suffix -des ab- zuleiten; dem goth, ans trabs, ansts gratia, bansts horreum entspre- chen die altn, Wörter äs äst und bäs, von hladan entspringt das ahd. hlas onus, altn. hlass, goth. runs cursus steht für runsts. kann ablei- tendes T ausfallen, um so viel eher das der flexion, wir sahen ags. is für ist eintreten (s, 266); warum sollte nicht die häufige Verwen- dung eines auxiliaren anhangs -dast in -des gewandelt haben? aus -des aber war der Übergang in ahd. -tös bald gefunden und es kommt sogar -des und -tas wirklich vor (gramm, 1, 869), Notker schreibt -tost, was dem mhd. -test nahe steht, unser heutiges deutsch ist instinctmäszig für die II praet. und praes. starker wie schwacher form zum ST zurückgekehrt, welches der lat. II praet, sg. unauslöschlich eingeprägt war.

SCHWACHE VERBA 613

Nicht geringerer bedeutung scheint der vocalische ausgang der 884 formen dada teta und dide so wie der suffixe -da -ta; denn waren dast und täti starker flexion gemäsz, so musz es auch -a gewesen sein, man darf ahnen, dasz im höheren alterthum unserer spräche, dessen zeit unermittelt bleiben mag, nicht blosz das schwache praet. auf -da, sondern auch das starke auf -a ausgegangen sein werde: es folgt nothwendig aus der gestalt des im schwachen praet. haften- den und einverleibten starken, während die losen starken praeterita des vocalischen ausgangs sich entledigten, blieb ihm die auf anderm fusz stehende schwache form getreu, nam gaf bad und alle übrigen müssen also einmal gelautet haben nama gaba bada, vielmehr, weü ihnen auch vornen die reduplication entgieng, ninama gigaba bibada, womit die deutschen verbalgestalten den lat. memini cecini, gr. (isfiova yeyova, skr. babandha tatäna um ein gutes näher rücken, alle deutschen und schon die gothischen praeterita stellen sich ver- stümmelt dar und fordern im anlaut wie auslaut ergänzung.

Zu so weitgreifendem rückgang in die geschichte unserer spräche ermächtigte -da -d6s -da; wir wollen seinen eignen stamm noch ge- nauer prüfen.

Der ablaut dödum leitete auf dada, dada auf didada und ein praesens dida, dessen endung vorläufig dahin gestellt bleiben mag; diesem dida didada zunächst lag das lat. dedo dedidi. gewis aber ist die kürzung -da aus dada und ahd. -ta aus tata, -tum aus tätum von hohem alter; auch das lat. do erscheint aus dedo gekürzt, folglich verhält sich dedi zu dedidi, wie lego zu lelegi oder favi zu fefavi. dedo ist keine erweiterung aus do, umgekehrt do abstumpfung aus dedo; dedo enthält so wenig reduplication als bibo, vielmehr lauten die stamme DID BIB und erst in dedidi geht reduplication zu, wie sie in bebidi zugehn würde, wenn eine solche form gälte, ein beweis liegt auch in deditum bibitum, die wieder keine reduplication ein- schlieszen, deren das lat. supinum unfähig ist. Eeduplication steckt weder im goth. dada noch ahd. tfjta, denn wie vermöchte dada in dedum abzulauten, wäre das vordere da bloszes praefix und unwurzel- 885 haft? ahd. tfe'ta ist Schwächung von tata, ohne welches wieder kein tätum möglich erschiene ; im goth. suffix ergrif die abstumpfung blosz den sg. -da, nicht den pl. -dödum, im ahd. fortschreitend auch den pl. -tum für tätum, folglich den ganzen conjunctiv. Wie sollte das lat. dedi reduplication sein und von welchem stamm? gesetzt, leitete sich dare von DA, wie flare von FLA, so entspränge ein reduplicie- rendes dedavi, wie flo flavi f. feflavi bildet; niemand wird doch dedi aus dedai für dedavi erklären.

Aber noch sind andere, höchst merkwürdige gestalten dieses Worts zu betrachten.

Vorhin führte die theorie zu einem goth. praesens dida; in der that aber lautete es ahd. tuom, mhd. tuon, alts. döm, was auch ein goth. döm ahnen läszt. dies tuom, döm steht nun parallel dem goth. im, altn. em, ags. eom, ahd. pim, mhd. nhd. bin, lat. sum. beides

614 SCHWACHE VERBA

sind Überreste uralter, im goth. und lat. verbum sonst allentbalben erloschner flexion, wie sie in den andern urverwandten sprachen desto deutlicher auftritt, tuom lautet skr. dadämi, zend. dadhami, gr. dldofii, litth. dümi, sl. damj; im und pim aber skr. asmi, zend. ahmi, gr. d^i, litth. emsi, sl. jesmj; wie konnte Bopp in seinem paradigma s. 638 das ahd. tuom unangeführt lassen? [er hat es s. 630.] es trift mit dem litth. dümi fast noch im klang zusammen, wie goth. döm aus didöm (analog dem -da aus dada) unmittelbar gr. dldco^i erreichen würde, in -ämi -ofii -öm -uom stimmt der lange vocallaut, denn gr. ß hat hier die stelle des gewöhnlichen H (in Lörrjßi xL^yi^l und vielen andern), was kann aber deutlicher meinen ansatz einer wurzel DID oder DAD erweisen, als ÖidapLi und dadämi, die, ohne alle redupli- cation, gebildet sind*, wie skr. vahämi, zend. vazämi, lat. veho, goth. viga von der wurzel VAH? demnach steht ahd. tuom, in welchem 886 aus der wurzel nichts als das einzige T haftet, für tb'tuom, tituom und verhält sich zu einer gangbaren praesensform titu ungefähr wie gr. dsUvvfcL zu ösixvvco oder wie gr. Öidco^i zum lat. do = dedo, oder wie litth. dümi zu düdu.

Auch das part. praet. dieses worts zeichnet sich aus; es lautet ahd. kitän (ketuan K. 25* wird bei Hattemer 47 in ketaan berichtigt) mhd. getan, nhd. gethan, alts. aber giduan, ags. gedön, engl, done, fries. d6n und schon dieser Wechsel ist seltsam, ich bin noch un- sicher, wie die abgestumpfte und verengte form zu deuten sei. nach dem ahd. tätum sollte tötan, wie von tratum trfe'tan gebildet ^wer- den; mir aber fällt bei, ob nicht das ahd. A gegenüber dem ags. 0 er- klärung finde in dem unterschied zwischen ahd. tratum und goth, trödum (s. 848)? vielleicht darf auch dön sich vergleichen dem lat. döno und dönum?

An die anomalie von thun reiht unmittelbar die von stehn und gehn ; auch bei diesen Wörtern scheint neben der gewöhnlichen flexion eine alte auf M (griech. Ml) nach zu zucken, jenem tuom tuos tuot gleicht ein ahd. stäm stäs stät oder auch stßm steis steit, und gerade so schwanken gäm gas gät und g6m geis geit; die regelmäszige form aber lautet stantu stentis stentit, gangu gengis gengit.

Offenbar verhält sich, wie tuom zu litth. dumi gr. didco^i, auch stäm oder stßm zu litth. stowmi; auf die gr. form werde ich hernach zu reden kommen, das latein bietet sto steti, wie do dedi. war nun dedi unreduplicativ, so musz es auch steti sein, und nicht, wie man annimmt, entsprungen aus stesti; vielmehr verkündigt es eine wurzel STAT, parallel dem DAD, der wurzel von dedi. diese wurzel wird denn auch durch das lautverschobne goth. st6|) pl. stöpum bestätigt, welches ablaut von stapan erscheint, und nach der oben gefundnen regel ein volleres reduplicierendes stistöj) voraussetzt; die praesens- formen sind jedoch durch nasales N in standan standa erweitert

* Swao) und ö^ömxa (== 6iS(öa(a und SsdiScuxa) tilgen öi-, wie lat. do und dedi de-.

SCHWACHE VERBA 615

worden, gleich diesem goth. standa st6{) verhalten sich die ags. stende stöd stödon und altn. stend. stöd stödu; ahd. aber begann das N auch ins praet. vorzurücken und stuant stuantum, stuont stuontum, 887 neben dem noch vorbrechenden stuat stuatum, stuot stuotum zu er- zeugen, das praesens standa, stantu verhält sich aber zu jenem alter- thümlichen ahd. stäm oder stem, wie sich tetu oder titu = dedo ver- halten würde zu tuom == didca/ui. Das ahd. part. praet. lautet kistan- tan, das ags. standen, das altn, aber stadinn, und noch merkwürdiger das got. stöjians 1 Cor. 4, 11 (wo ungasto^anai instabiles), welches zum lat. Status auch darin stimmt, dasz aus ihm ein neues verbum gast6])anan (Rom. 14, 4) abgeleitet wird, wie aus statüs statuere, nur dasz diese beiden kurzes A empfangen, welches man dem part. von sisto im gegensatz zu dem von sto einräumt. Vielleicht schüeszt uns dies den Wechsel kurzer und langer vocale auf im ahd. stäti constans, stätan statuere (mhd. stsete und stseten) und ags. stede stabilis (oder wäre dies stßde?) neben stadol basis ahd. stadal. noch seltsamer scheint kurzes U oder 0 ;in den gewis verwandten ahd. kastudita statuit, fundavit, kastudnös fundas, ags. stod und studu postis, altn, stod fulcrum, stydja studdi fulcire, wobei auch altn. stedi fulcrum, incus und ahd. stuzzan fulcire nicht zu übersehn wäre, in welchem letztern T weiter zu Z wird, wie schon goth. J) in D == ahd. T aus- gewichen war. Diese wurzel durchläuft beinahe die ganze abstufung der linguallaute und der vocale. um die vocale zu einigen, läge es sogar nahe an ein goth. stuj)an staj) stöjsum (wie trudan trad trö- dum) zu denken, aus welchem erst der neue ablaut staj)an stöj) stöj)um gesprossen wärej diesem stuj)an entspräche dann aber auch ahd. stödan stat stätum, woher stat locus und stäti stabilis flössen, in studan hätte das U gehaftet, den langen vocal des goth. stöp zeigen endlich ahd. urstuodall resurrectio und einstuodali purus, urstuodali perspicax (Graff 6, 654). Alle diese formen aber bestätigen die an- nähme einer lingualisch ausgehenden wurzel STAT.

Weiter, setzt standa st6J> ein sistöj) voraus, so fordert auch sto steti ein älteres sisteti, aus welchem füglich die nebenform sisto, und zugleich das gr. LöTrjfii zend. histämi, skr. tiätämi aufgeklärt wird. 888 die reduplication ist aus dem praet. ins praesens zurückgedrungen und L6trj(ii histämi finden sich nicht ganz auf gleicher linie mit öida^i dadhämi, weil in diesen die wurzel DID DAD enthalten, dort aber STAT verhüllt ist, für löttj/iii sollte man ötdtGi^t, für histämi statämi oder stathämi gewarten, die skr. gestalt scheint versetztes stitämi statämi. histämi und l'atrj^i tauschen S mit H nach dem bekannten gesetz (s. 299); hier aber zeigt sich einleuchtend H als der spätere und verderbte laut, denn histämi kann nur aus sistämi entsprungen sein, das lat. sisto bildet ein praet, stiti (exsisto exstiti, resisto restiti) wie sto steti (consto constiti, exsto exstiti, resto restiti), so dasz exsisto und exsto resisto und resto, bei ungleicher bedeutung, ein gleiches praet. bilden, analog scheinen dedo und do, doch jenes be- kommt dedidi, dieses dedi und die Zusammensetzungen addo addidi,

616 SCHWACHE VERBA

abdo abdidi u. s. w., mit dedo gibt es keine; dedo ist, wie dedidi zeigt, unreduplicativ, sisto reduplicativ.

Wiederum läuft dem aM. tuom und stäm st6m ein gäm g6m parallel, woneben sich die nasale form gangu giang, fast wie stantu stuant einstellt; dem gotb. praesens gagga findet sich zur seite kein gaigagg, sondern gaggida, aber auch dies erscheint nur ausnahms- weise und das übliche praet. lautet iddja iddj6s iddja, pl. iddjedura iddjeduj) iddjedun ganz nach analogie des schwachen -da -des -da, dedum deduj) d6dun, nur mit durchgängiger einschaltung eines I. dies goth. iddja hat in allen übrigen deutschen sprachen seines gleichen blosz in dem ags. eode pl. eodon, was noch im altengl. yode fort- dauerte, endlich aber einem andern hilfswort erlegen ist.

Jedermann sieht, dasz iddja und eode eines Stamms sind mit dem skr. emi, gr. d^i und litth. eimi, deren praesens wieder jene auch in gäm und gßm waltende Mlform zur schau trägt, das lat. eo und sl. idu ist ohne sie, [auch idem, poln. id^], letzteres zeigt aber inlautendes D, wie es dem linguallaut von iddja und eode zu begegnen scheint, der litth. inf. eiti und sl. iti stimmen und vergleichen sich dem itum des lat. supinums, [peritus der durchgegangen, erfahren hat] viel- leicht dem gr. verbaladjectiv Itog ixBog, wofür auch itrjtog krjT^og 889 vorkommen (Buttm. s. 554); streift das ans goth. iddja? dessen praesens unsicher zu rathen ist. starkformiges ida könnte wie gagga gaggida schwaches ididia empfangen, woraus mit versetztem laut iddja erwuchs, denn organisch wird das mitten in -da eingeschaltete I nicht sein, natürlicher scheint mir aber die annähme einer reduplicierten form, wie aus gr. sdco ein praet. s'd}]da = lat. edi (für ededi?*) erwuchs, mag aus lög) = lat. eo ein Ydrjda oder etwas dergleichen entspringen, was sich nachher in ya, jon. fj'Ca verengte; denn ich kann Buttmann und seinen nachfolgern nicht zugeben, dasz dies jja für das imperfectum ■ijsiv stehe: es ist deutliches perfectum. an solches ^a reicht nun iddja ziemlich nahe und zeigt, schon mit seinem unverschobnen D, zurück in höchstes alterthum. sein -a und -6dum sind dem -da und -dedum blosz analog, wie es ein idada idßdum sein würden dem vermuteten didada didedum. gleich dem -da hätte auch -a in iddja den auslautenden vocal der flexion bewahrt.

Hat für diese drei uralten und mit einander schritt haltenden verba meine aufstellung der wurzeln DID STAj) und ID grund, so kommen sie fast gebieterisch zu statten der nothwendigkeit des ge- setzes consonantisch auslautiger stamme, und DA STA I als solche gelten zu lassen ist falscher schein, vocalisch auslautendes ansehn hat ahd. tuom, litth. dümi nicht minder als skr. emi, gr. ft^/, litth. eimi und doch erkannten wir in tuom tituom; wie 6mi zu ergänzen sei entscheide ich nicht.

* und hier sähen wir endlich den grund, warum goth. itan das praet. §t, altn. eta ät und noch mhd. ezzen zuweilen äz büden; in den vocalan- laut konnte sich ein nachgefühl der alten reduplication (goth. itat = et) werfen, nicht wenn die wurzel consonantisch anlautete.

SCHWACHE VERBA 617

Selbst den romanischen sprachen ist die eingefleischte analogie nicht ganz erloschen, dare und stare bilden das ital. praet. detti oder diedi pl. dettero; stetti pl. stettero, ganz wie lat. dedi und steti, und neuer beweis dafür, dasz in diesem nicht reduplication obwalte, 890 welche der romanische sprachgeist überhaupt von sich ausgeschlossen hält. An den platz von ire ist aber ein seltsames andare getreten, dessen praet. wiederum andetti oder andiedi, pl. andettero lautet, wie im span. früher andido pl. andidieron, andodieron (Diez 2, 149); prov, anei ani^ron, wie dei = dedi, estei = steti. hierbei könnte nun leicht einflusz des goth. iddja oder auch blosz analoge anwendung des Suf- fixes diedi = dedit walten, dann schiene aber auch schon dem span. praesens ando auxiliares do und dare verwachsen, aufzuhellen bleibt nur das vorausgehende an oder vielleicht and, wobei zunächst ans lat. vadere zu denken ist, wie sich im praes. beide formen verthei- len: it. vo, vai, va, andiamo andata vanno; prov. vauc, vas, va pl. anam anatz van. and für vand könnte sich zu vad und vo wie standa zu stoj) und sto verhalten; möglicherweise kann bei anar das bas- kische noa eo in betrficht kommen, auch die abweichung des franz. aller fällt auf, dessen abkunft aus ambulare unwahrscheinlich ist.

Im roman. estar berühren sich esse stare und exstare existere, wie gr. d^l und el^l einander nahe treten*.

Ich musz noch einmal auf den begrif des thuns kommen, ihn 891 drückt die altn. spräche durch gera aus (schwed. göra, dän. giöre), was dem ahd. karawan parare, mhd. gerwen, nhd, gerben, in dem eingeschränkten sinn von parare corium entspricht, geradeso hat das goth. taujan tavida den allgemeinen sinn von agere, facere, das ags. tävian, ahd. zouwan zouwita den engeren von parare. das ahd. machen alts. macön, ags. macian bedeutet facere, struere und ent- geht der goth. wie altn. spräche ; noch heute unterscheiden wir machen facere von thun agere. allen unsern sprachen eigen ist goth. vaurk- jan, ahd. wurchan, ags. vyrcean, altn. yrkja operari.

Ist aber goth. taujan der wurzel nach verwandt mit ahd. tuon, ags. dön? [über diphth. 14] und wird in tavida tavidedum die eigne

* es ist anziehend noch andere seltsame ausdrücke der alten spräche für den begrif des gehens zu bemerken. [Bopp gramm. § 515.] Ulfilas ge- braucht auszer snivan vnäysiv, (pd'dveiv (vgl. altn. snüa vertere) einmal auch Marc. 2, 23 skevjan für 666v noielv. mit diesem skevja eins sein musz das ags. ford scio proficiscor, welches auszer Csedm. 67, 20 wieder nicht vorkommt; aber es mag darin auch die noch unenthüllte wurzel des goth. sköhs calceus, altn. skör, ahd. scuoh, ags. sceo stecken, schuh ist das, worauf man geht, wie calceus von calcare terram , oder das poln. chodaki pl. bastschuhe von chodzic gehen stammt, [eilen von il solea? gramm. I 4, 97.] Die goth. spräche hat kein dem alts. giwitan giwet, ags gevitan gevät entsprechendes gaveitan, gavait für proficisci ; einige ahd. mundarten, namentlich T. zeigen jedoch arwizan arweiz discedere (Graff 1, 1116) und auch das Hild. lied hat gihueit discessit. zwischen diesem veitan vitan ire und vitan scire musz Zusammenhang obwalten; ohne zweifei gehört dazu auch das ags. viton uton und mnl. weten, welche sich mit Infinitiven verbin- den und ein imperativisches eamus, agamus ausdrücken (gramm. 4, 89. 90. 944).

eis SCHWACHE VERBA

Wurzel suffigiert? in diesem fall mtiste angenommen werden, dasz aus jenem dida dada dedum ein schwaches dadvjan dadvida ent- sprossen, allmählich aber in daujan davida (wie mir bauan nur aus bagvan erklärbar scheint) geschwächt, endlich, als die lautverschie- bung begann, zu taujan tavida geworden sei, das sich ahd. weiter in zouwan schob, im eingewachsnen -da -dedum, so wie im subst. deds und dßdja haftete das alte unverschobne D, während der anlaut T annahm und auf gleiche weise verhalten sich ahd, Z und T in zowita. ähnliche mischung verschobner und unverschobner form zeigt die spräche in dags = dies, neben dem vermutlichen goth. Tius und erweislichen ags, Tiv, ahd. Zio = deus.

Wir sahen goth. -da für -dada neben -dedum, aber ahd. -ta für -tata, -tum für -tätum eintreten, also das wesen der schwachen form auf bloszem T beruhen, noch weiter geht nicht selten die mnl. mund- art, indem sie sich make für makede, leve für levede, dienese für dienedese, makese für makedese u. a. m. gestattet, vgl. Huyd. op St. 1, 116, 117. hier ist sogar das characteristische D ausgefallen.

XXXV. YERSCHOBNES PRAETERITUM.

W^ir sahen vocale durch ablaut, consonanten durch Verschiebung 892 gewandelt; warum sollte der sprachgeist nicht auch versuchen ganze formen vor oder zurück zu schieben, ihnen dadurch andern sinn zu verleihen und nebenformen daraus hervorgehn zu lassen? solche Über- gänge werden vorzugsweise für die tempora zu erwarten sein.

Es verdient schon aufmerksamkeit , dasz einzelne verba dem praesens bedeutung des futurums beilegen, so drückt das ags. beo bis bid gewöhnlich ero, das gr. el^l bei den Attikern ibo aus. zu beo fügt sich das sl. budu ero.

Nächst dem trägt es sich zu, dasz ablaute des pl. praet. ind., welchen, wie wir wissen, die des gesamten praet. conj. gleich sind, rückwärts steigen und den sg. praet. ind. einnehmen, so gilt uns nhd. neben dem frischeren ward ein abstracteres wurde mit schein- bar schwacher form; das mhd. gan, vergan ist ganz verdrängt durch ein aus dem alten pl. gunnen oder dem conj. günnen stammendes gönnt, mit dem praet. gönnte, und in den sg. der meisten praet. vierter conj. ist heute der pl. ablaut gedrungen, für mhd. sneit reit streit greif reiz sagen wir schnitt ritt stritt grif risz und mitunter hört man sogar stürbe erwürbe f, starb erwarb. Ein weit älteres beispiel des in den ind. gerückten conjunctivs werde ich im verfolg 893 bei dem worte viljan behandeln. Die gesamte ahd. mhd. alts. und ags. spräche haben in ihre II praet. ind. die conjunctive flexion mit dem pluralablaut des ind. eingelassen (s. 487. 651. 661), so dasz ahd. punti ligasti, käpi dedisti formell dem goth. bundeis ligaveris, gßbeis dederis entspricht, und auf diese weise durchgängig.

Viel öfter geschieht aber, dasz das praeteritum wieder den sinn des praesens empfängt und in unsrer spräche konnte dies desto rein- licher bewirkt werden, seit die schwache form eingeführt war, mit- telst welcher nun augenblicklich ein neues praeteritum sich schaffen liesz.

Solche praeteritopraesentia entspringen hauptsächlich für die

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VERSCHOBNES PRAETERITÜM

ältesten einfachsten abstractionen und erlangen in der spräche sehr bald auxiliare Verwendung, so dasz sie allenthalben wiederkehren und der rede durch ihren unter praesensformen gemengten ablaut klang und manigfaltigkeit bereiten. Nicht minder günstig mischen sich die aus ihnen gezeugten schwachen praeterita mit den übrigen starken oder schwachen, da sie von letztern durch die abwesenheit des hier undenkbaren ableitungsvocals sichtbar abstechen.

Meistentheils erlischt das zum grund liegende alte praesens, einigemal aber dauert es neben dem praeteritopraesens fort, welchem jedoch eine verschiedne, abstractere bedeutung zuzustehn pflegt.

Jedes verbum dieser anomalie unterscheidet also praesens und praeteritum der bedeutung nach, verleiht aber beiden die flexion des praeteritums, und zwar dem praesens die des starken, dem praeteri- tum die des schwachen, im pl. indic. haben demnach beide tempora den ausgang -um -ut -un.

Es kann nicht von ungefähr sein, dasz das gesetz sich in alle fünf reihen des ablauts erstreckt, niemals aber begegnet es in den reduplicationsreihen, d. h. nie zeigt eine unsrer reduplicationen sich ins praesens zurückgeschoben, also nie wird aus einem reduplicieren- den praet. ein schwaches zweiter potenz gebildet, wieder, dünkt 894 mich, ein beweis für das jüngere alter der deutschen reduplicationen gegenüber den ablauten, d. h. den alten reduplicationen.

Diese schöne anomalie erblicken wir in fortschreitender abnähme, die gothische, nur unvollständig überschaubare spräche bietet bei weitem die meisten fälle, unser heutiger sprachstand die wenigsten dar. da gleichwol in den zwischen beiden liegenden dialecten noch solcher verba einzelne auftauchen, die den Gothen abgehen, so darf geschlossen werden, dasz diesem manche, nunmehr verschollene, zu geböte standen. Im gothischen erscheinen folgende dreizehn: I kann kant kann kun|)a kun|)6s kunj)a

kunnum kunnuj) kunnun kun|)6dum kunj)6duj) kun|)6dun J)arf J)arft parf J)aurfta J)aurftes J)aurfta

|)aurbum |)aurbu]) |)aurbun paurftödum |)aurft6du]3 |)aurft6dun dars darst dars daursta daurstös daursta

daursum daursuj) daursun daurstedum daursteduj) daurstedun

skulda skuldes skulda

skuldedum skuldöduj) skuldßdun munda mundedum mahta mahtödum" nauhta nauhtedum öhta öhtedum mösta möstedum

skal

skalt

skal

skulum man

skuluj) mant

skulun man

munum

munuj)

munun

mag

mäht

mag

magum nah

maguj) naht

magun nah

nauhum 6g

nauhuj) öht

nauhun ög

ögum möt

ögUj)

möst

ögun möt

mötum

mötuj)

mötun

mundes

munda

mundeduj) mahtös

mundedun mahta

maht6du|) nauhtes

mahtedun nauhta

nauhteduj) öhtes

nauhtedun öhta

öhteduj) möstßs

öhtedun mösta

mösteduj)

möstedun

VERSCHOBNES PRAETERITÜM

621

äih

äiht

äih

aihum vait

aihup vaist

aihun vait

vitum lais

vituj) laist

vitun lais

lisum däug dugum

lisuj)

däuht

duguj)

lisun däug dugun

aihtös

aihta

aihtedup

aihtedun

viss6s

vissa

visseduj)

vissedun

listes

lista

listedu])

listedun

daühtes

daühta

daüMedub

daühtedun

IV äih äiht äih aihta

aihtedum

vissa

viss6dum

lista

listedum

daühta

daühtedum daühtedup daü Hier bleibt nun einiges über vocale und consonanten zu erörtern. 895 in I III IV und V scheinen alle ablaute regelrecht, izwischen äi und ai, äu und habe ich nach meiner theorie unterschieden, die buch- staben bei Ulfilas erbringen keinen beweis dafür, in III kann die anomalie keinen vocalwechsel, nur einförmiges ö zeigen, das ist in Ordnung. Desto auffallender sind die plurallaute der zweiten con- jugation, sowie der danach sich richtenden schwachen praeterita. warum heiszt es nicht skelum wie von stilan st6lum, m6gum wie von ligan l6gum, mßnum wie von niman n6mum? ja, was verursacht, dasz selbst magum von skulum munum abweicht, und gar nicht von neuem ablautet, sondern den vocal des sg, festhält? fehlerhaft sein kann er nicht, da auch die ahd. formen von der gewöhnlichen regel sich entfernen; das verhalten so uralter verba musz einer freiheit der ablaute zugeschrieben werden, die ihrer eigentlichen, sich erst niedersetzenden Ordnung vorausgieng. sehen wir doch überhaupt die zweite conjugation sich in zwei arten spalten, je nachdem schon I oder noch das alte U waltet; die goth. spräche schützt das letztere vor liquiden im part. praes. stulans baurans numans, während sie vor mutis I setzt, es sei denn schon im praesens U enthalten, wie in tru- dan trudans. skal und man ziehen es selbst in den pl. praet., die muta in mag magum hat A vor sich, zu den vocalen in skulum munum magum stimmen auszer skulda munda mahta auch die ur- alten substantiva skula skuldö muns gamunds und mahts; ohne zweifei sind sie vollkommen organisch.

Niemals zeigt eine goth. anomalie zweiter conj. noch 0, doch mag hier gleich gesagt werden, dasz vom alts. farman sperno far- manst farman ein pl. farmuonun möglich scheint, nach dem praet. farmuonstun Hei. 161, 7, wofür 81, 14 fälschlich farmunste steht, wo auch die andere hs. farmönsta d. i. farmuonsta gewähi't. dieser Wechsel von munan mönum vergliche sich wieder dem funa fön (s. 847) und nun glaube ich auch ein andres bisher räthselhaftes vocalver- hältnis anschlieszen zu können, binah oportet, ganah sufficit zeugen auszer binaühts und ganaüha auch ein adj. ganöhs, wovon weiter ganöhjan erwächst; gerade so erscheint ahd. neben .ginuht abundantia 89G das adj. ginuogi sufficiens ; dieser Wechsel zwischen ü und 0 nöthigt also wieder ein naühan nah nöhum anzusetzen; welches völlig zu trudan trad trödum gefüg ist.

Bei den consonanten ist die abstufung des schwachen -da -dedum ins äuge zu fassen, nach L und N bleibt es unverändert in skulda

622

VERSCHOBNES PRAETERITUM

munda; nach N für NN hingegen wird es -J)a -J)6dum : kunpa, ohne zweifei auch in dem bei Ulfilas nicht vorkommenden ann unnum un{)a; ich habe den grund dieses merkwürdigen, wahrscheinlich für alle goth. NJ) wichtigen wechseis noch nicht entdeckt. Nach H und S, desgleichen wenn wurzelhafte gutturalis oder lingualis selbst in H oder S gewandelt wird, geht es über in -ta -tedura : aihum alhta, nauhum nauhta, magum mahta, dugum dauhta, lisum lista, daursum daursta, mötum mösta, ja für vi tum vista tritt sogar die assimilation vissa ein, folglich ist mösta vissa mahta zurückzuleiten auf mötda vitda magda. Dies -ta für -da darf nicht als lautverschiebung an- gesehn werden, sondern als festgehaltnes urverwandtes T, wie es z. b. in mactus (neben mox s. 281) und nox noctis waltet, wegen SS für ST vgl. oben s. 363.

Die ahd. spräche hat solcher verba eilf:

897

I an

anst

an

onda

ondös

onda

unnum

unnust

unnun

ondum

ondut

ondum

chan

chanst

chan

chonda

chondös

chonda

chunnum chunnut

chunnun

chondum

chondut

chondun

darf

darft

darf

durfta

durftös

durfta

durfum

durfut

durfun

durftum

durftut

durftun

tar

tarst

tar

torsta

torstös

torsta

turrum

turrut

turrun

torstum

torstut

torstun

II scal

scalt

scal

scolta

scoltös

scolta

sculum

sculut

sculun

scoltum

scoltut

scoltun

mac

mäht

mac

mahta

mahtös

mahta

makum

makut

makun

mahtum

mahtut

mahtun

nah

naht?

nah?

ginohta ?

ginohtos ?

ginohta ?

nuhum?

nuhut?

nuhun?

ginohtum ?

ginohtut?

ginohtun?

II muoz

muost

muoz

muosa

muosös

muosa

muozum

muozut

muozun

muosum

muosut

muosun

:v eh?

6ht?

eh?

ehta?

ehtös?

ehta?

eikum

eikut

eikun

ehtum?

ehtut?

eh tun?

weiz

weist

weiz

wissa

wissös

wissa

wizzum

wizzut

wizzun

wissum

wissut

wissun

V touc

töht

touc

tohta

tohtös

tohta

tukum

tukut

tukun

tohtum

tohtut

tohtun.

Dem goth. man, 6g, lais entspricht also kein ahd. man, uok, leis mehr, und zwei andere nah und eh scheinen im aussterben begriffen, da von jenem nichts übrig ist, als pinah oportet und ginah sufficit, von eh blosz der pl. eigum eigut eigun im gebrauch; die nomina gimund, list, eht, vielleicht auch naht bezeugen das frühere vollstän- dige dasein der anomalie. pikan bigan, coepi nahm ich anstand bei- zufügen, weil das oft erscheinende praet. pikonda pikunsta dem chonda und onda abgesehn sein könnte, das regelmäszige praes. pikinnu und praet. pikan aber unbeeinträchtigt walten; erwiesen sein würde die anomalie, sobald sich ein pikanst coepisti für pikunni aufzeigen liesze. Sonst stimmt fast alles zu den goth. Verhältnissen, in den ano-

VERSCHOBNES PRAETERITUM 623

roalien zweiter conj. sind sculum, makum, wahrscheinlich auch nuhum wie goth. skulum, magum, nauhum. neben magum gewähren aber einzelne denkmäler mugum und dann im praet. mohta. nur das EI des pl. ind. eigum und aller conjunctivformen weicht von dem kur- zen I ab, das man hier erwarten sollte, wird aber durch das ags. ägon und altn. eigu bestätigt ; entweder ist also meine Unterscheidung des goth. äih und aihum, väih vaihum, gatäih gataihum, läihv laihvum, päi J)aihum, J)räih J)raihum falsch, oder blosz in eigum Verwirrung eingetreten, und für letzteres redet die richtige Scheidung der ahd. zeh zihum, l6h lihum. doch könnte man sagen, das AI des sg. äih sei in den plural gedrungen gleich dem A des sg. mag in magum, und dann wäre auch goth. äihum oder äigum zu schreiben. Was die consonanten der schwachen form angeht, so entsprechen onda und chonda nach der lautverschiebung dem goth. kunpa, ferner scolta898 dem goth. skuldar und ganz genau durfta torsta* mahta töhta dem goth. J)aurfta daursta mahta dauhta, wodurch zugleich bestätigt wird, dasz hier das goth. T nicht das gewöhnliche, der Verschiebung in ahd. Z unterliegende sein könne. Anstatt muosa zeigt sich auch muosta, gleich dem goth. mösta; ST und S haben hier dasselbe recht; und letzteres sahen wir s. 360 eben so in visus und l'öog für vistus ioTog. nicht anders schwanken wissa und wfJsta, wo goth. vissa gilt; nach kurzem vocal pflegt SS, nach langem einfaches S aus der er- weichung zu entspringen, die II praes. zeigt muost und weist und es braucht kaum gesagt zu werden, dasz das S in solchen ST ganz vom Z in muoz muozum, weiz wizum absteht und gleich dem RS in tarst torsta durch die Verbindung mit T haftete, wie schön und empfindbar war in der ahd. ausspräche muozum debemus und muo- sum debuimus, wizzum scimus und wissum scivimus gesondert; aber wie verhüllt liegt im ahd, muosa und wissa, im goth. mösta und vissa das der schwachen flexion wesentliche -da!

Es würde ermüden, wollte ich diese anomalie durch alle unsere sprachen ausführen, mir genügt anzugeben, was die übrigen dabei eignes zeigen und was sie zulängst bewahren, ann dauert ags. und altn. fort und bildet das richtige praet. ags. ude, altn. unni, wie cann kann cude kunni. gan und vergan erhielten sich über die mhd. zeit hinaus, bis zu Burkard Waldis, und wichen endlich dem regelmäszigen gönnt, vergönnt, das aus dem alten pl. gebildet wurde, für goth. gadars gadaursum gadaursta, ahd. tar turrum torsta, mhd. tar tür- ren torste steht ags. dear durron dorste, mnl. dar dorren dorste; das altn. J)ora, schwed. töras hat andern anlaut, einfaches R (nicht RR == RS) und regelmäszige flexion. man dauert im ags. geman (oder gemon) gemunon so wie im altn. man munum fort. ags. beneah und geneah habe ich zuElene s. 152 aufgewiesen, das praet. lautete benohte899 genohte; wahrscheinlich ist das altn. regelmäszig flectierte consequi.

* als torsta entsprang, muste noch das praes. tars tursum lauten, das allmählich zu tar turrum wurde; im praet. war S durch folgendes T gebunden.

624 VERSCHOBNES PRAETERITUM

impetrare verwandt, mag mahta heiszt altn. pl. megum, praet. mätti, in welcher form gleichen schritt hält knä possum, pl. knegum, praet. knätti, unterschieden von kann novi pl. kunnum, praet. kunni. zu knä gehören die der anomalie nicht unterworfnen ahd. chnähan ehnäta, ags. cnävan cneov part. cnaven, beide noscere ausdrückend, die zwei anomalien dritter conj. goth. 6g und möt gebrechen der altn. Sprache, doch läszt sich aus dem verhalten der regelmäszigen öga ogadi metuere und otta ottadi terrere ein verlornes altes 6 ött 6, pl. öum oder ögum ahnen, goth. aih aihta besteht im alts. ßh 6gun 6hta, ags. äh ägon ähte, fries. ach ägon ächte, altn.^ä ätt ä pl. eigum, praet. ätti, inf. eiga, über Wandlung des EI in A gramm. I, 458. mnd. entfaltete sich ein regelmäszig schwaches egen habere, decere, merere, dessen III praes. eget und praet. egede lautet, dem goth. daug, ahd. mhd. touc zur seite steht noch alts. dög, mnl. doch, ags. deäh zur seite ; nhd. beginnt für taug , das noch Opitz , Chr. Weise, der Simplicissimus haben, fehlerhaftes taugt, praet. taugte; schon das altn. duga, dän. due hat schwache form. Statt der goth. drei- zehn, ahd. eilf anomalien hat die mhd. spräche nur neun, die nhd. sechs behalten.

Hervorzuheben ist noch, dasz in die ags. II praet., welche ahd. wie goth. immer auf -t ausgeht, der conjunctivische vocal und ab- laut vorzudringen beginnt, wie er im regelmäszigen starken praet. herscht. neben väst novisti, ähst habes (EI. 725), meaht potes, dearst audes reiszt schon äge dürre dugo cunne unne ein.

Unmittelbar an die eben erörterte anomalie schlieszt sich noch eine einzelne mit der besonderheit, dasz das verlorne alte praesens ind. zwar auch aus dem praet., aber ganz conjunctiver gestalt ersetzt wird, d. h. überall waltet der pluralablaut. im praesens gilt also nur conjunctivflexion, wie sie einem starken praet. gebührt, während 900 das schwache praet. noch beide modos, ind. und conj. auf die ge- wöhnliche weise scheidet.

Dem goth. praes. viljau vileis vili, pl. vileima vilei]) vileina, welches sowol volo als velim ausdrückt, steht im praet. vilda vildßs vilda pl. vildedum vildeduj) vildödun für volui und vildödjau vildedeis vildedi u. s. w. für vellem oder voluerim zur seite. alle diese ab- laute mit I weisen zurück auf einen stamm veila vail vilum.

Ahd. findet manigfalte mischung der formen nach modus und tempus statt, die zuletzt Übergänge in den ablaut erster oder zweiter* conjugation herbei führte ; man kann an diesem verbum die eigenheit fast aller einzelnen denkmäler prüfen, ich habe sie bereits gramm. 1, 884 angegeben und erklärt, wozu auch GraflPl, 817 820 verglichen werden mag. in der III sg. wili = goth. vili behauptete sich das praet. conj. am längsten, doch daneben drängte wfe'116 mit praesens- flexion vor, die den ganzen plural einnahm, weil nun solches wolle

* auf wilan wal führt nemlich das abgeleitete transitive welian wellan eligere, goth. valjan.

VERSCHOBNES PRAETERITUM 625

w6ll6m wollet gegenüber willu dem conjunctiv su6ll6 suöll6m sufe'll6t mit dem part. praet. suoUan gegenüber suillu glich, so gelangte man leicht bei einem verbum, dessen praesens und praeteritumsbegrif über- all schwankte, auf den infin. woUan und auf wolle woll6m wolta statt und neben wöllan wölta, die dem goth. viljan vilda näher lagen, jünger müssen die Oformen sein, wenn bereits das sie begrün- dende LL aus LI hervorgieng; doch hat auch die ags. spräche im praet. volde entfaltet, die altn. aber vildi behauptet, mhd. herscht wolte, mnl. wilde neben woude.

Nicht enthalten kann ich mich aus einer ags. Urkunde des neun- ten jh. (bei Kemble 2, 121) die merkwürdige formel auszuheben: ic Alfred Vilio and ville', wo nachdrucksvoll beide tempora verbunden stehn. sie läszt sich in ein ahd. 'willu inti will' oder ein lat. 'volo velimque' übertragen.

Es ist wahrscheinlich, dasz das goth. adverb vaila bene unmittel- 901 bar zu viljan gehört und den im verbum selbst nicht mehr auftauchen- den ablaut vail zeigt. Vorstellungen des willigen, gefälligen, guten liegen einander nah, wie wir noch heute 'gern und gut' zu verknüpfen pflegen, ahd. wfe'la steht aber nicht für wela weila, sondern ist mit dem pluralen I gebildet, was wieder durch die nebenform wola be- stätigt wird, nicht anders vertreten sich die substantiva wölo und wolo opulentia.

Nun aber musz die hauptfrage dieser Untersuchung aufgewor- fen werden: was war grund und anlasz aller bisher besprochnen anomalien? ohne zweifei ein aus dem begrif solcher Wörter von selbst fliezsender Übergang der bedeutung des praeteritums in die des praesens; und ich darf noch weiter gehend aufstellen: die ab- stracte Vorstellung des praesens führt jedesmal zurück auf eine sinn- liche des praeteritums. Hier wird uns ein lichter blick in das geheimnis der spräche gestattet, und glückt es mir nicht alle for- men aufzulösen, so soll doch die nothwendigkeit des Verfahrens ein- leuchten.

kann novi setzt ein kinnan gignere voraus, dessen NN so unur- sprünglich sein musz wie das in rinnan und brinnan (s. 853), so dasz die ältere form kina kan gewesen sein musz, welche auch kuni genus yBvog und ahd. chind proles bestätigt.* im gr. yBvvdcs dieselbe ge- mination und ebenso im ahd. chunni. kann drückt demnach aus was lat. genui und vielleicht auch ursprünglich gr. yeyova, das aber in den sinn von natus sum auswich, wogegen yiyvioöxca yivciöKa) und lat, nosco = gnosco den von kunnan empfangen, man dürfte sagen, kinnan geht durch ablaut, gigno durch ableitung in den begrif des

* kuni vermag sogar auf kuna kan konum (wie funa fan fonum s. 847) zu leiten und damit würde kons ahd. chuoni audax erklärbar, über welches ich neulich bei Haupt 6, 543 anders gerathen hatte, kuna kan konum darf aber, meiner ansieht nach, auszer und neben dem oben s. 847 gemutmaszten qina qan qenum gelten.

Glimm, geschickto der deatsclien spracke. 40

626 VERSCHOBNES PRAETERITÜM

erkennens über, zeugen und erkennen sind vielfach in einander grei- fende Vorstellungen*.

902 goth. J)arf bedeutet egeo, was wir heute durch ich darbe oder bedarf ausdrücken, gerade nun wie aus lat. ago egeo scheint mir auch aus einem verlornen goth. pairba, das gleichfalls agere facere operari bedeutet haben musz, J)arf abzuleiten, wohnt diesen Wörtern zumal der sinn des opferns bei (mythol. s. 27) so mag parf auszu- legen sein: ich habe dargebracht, d. h. bin jetzt ohne opfergegen- stände und warte auf neue [sl. treba opfer und noth] ; es war priester- licher ausdruck**. ahd. wird das kirchliche azymus mit dörp, ags. mit peorf übertragen, das war noch das heidnische wort für opfer- bar; der bedächtigere ülfilas meidet ein ihm wahrscheinlich zu gebot stehendes pairbs zu brauchen und verdeutscht getreuer durch un- beistjöj)s. leicht ist meine s. 809 vorgetragne deutung des dakischen Dorpaneus falsch und Thaurbaneis Dorfuni ein priestername, denn die slavische und finnische spräche, wie ich schon s. 328 ausführte, be- zeugen diesen merkwürdigen Zusammenhang der begriffe opus sacrifi- cium und necessitas. sogar das lat. ""opus est' kommt meiner er- klärung unseres 'darf' zu statten***.

gadars audeo vergleicht sich zunächst dem gr. ^aQöäa (daggsco = ahd. tar turrum) und das adj. fd'agövg == Q'Qaövg ist das litth. drasus audax [skr. dihrh, dhar§ andere Bopp gloss. 186*]; man sehe auch s. 195. das zum grund liegende dairsa musz einen sinnlichen begrif enthalten, den ich noch nicht bestimmt kenne, die Vorstellung des begehrens, wie sie im lat. aveo liegt, das wol mit audeo ausus sum (für avisus ? nach gaudeo gavisus) nah verwandt sein wird, ist mir nicht sinnlich genug, gadars müste sagen: ich habe gefochten, ge- kämpft, das mhd. wägen audere (denn ahd. wäkön fehlt) stammt von wigen und bedeutet etwas wie commovere.

903 skal debeo setzt skila voraus, aber der begrif, welchen ich die- sen Wörtern beilege, wird überraschen, skila musz heiszen ich tödte oder verwunde, skal ich habe getödtet, verwundet und bin zu wergeld verpflichtet, von skila ist übrig das goth. skilja lanio schlächter, tödter 1 Cor. 10, 25, ich denke das ahd. scfe'lmo pestis (wie hSlm von hilu) [oben s. 236] und sc6lmlc morticinus, vielleicht auch altn. skilja discriminare, intelligere, wenn man die bedeutung dilaniare discindere diffindere unterlegen darf. Aber nun wird alles bedenken schwinden, warum bei ülfilas dulgs debitum, ags. dolg ahd. tolc hingegen vulnus, altn. dölgr hostis aussagen; wunden waren dem alterthum gleich dem todschlag hauptgegenstand der composition.f jetzt erläutern beide

* cognoscere uxorem Genes. 4, 1. 17. 25, sin wip erkennen. Diut. 3, 55.

^ ** und bestärkt dieser nicht in dem was ich s. 819 sage?

*** dso) Seofiai binde und öio) ösoßai mangle, bedarf, bitte dürfen nicht

von einander gesondert werden, ol ösöfievoi sind die bittenden und äel heiszt

oft was x^T]. auch goth. binda für bida mag verwandt sein mit bidja peto.

t v^. s. 325. 653 und meine vorrede zu Rösslers rechtsdenkm. aus

Böhmen und Mähren. Prag 1845.

YERSCHOBNES PRAETERITUM 627

ausdrücke sculd nnd dulgs einander auf das bündigste. Wie lange zeit mochte schon verstrichen sein, seit den Gothen diese kriegerischen Wörter in die bedeutung jeder andern schuld tibergegangen waren und das verbum skal die abstraction unserer anomalie angenommen hatte? ' Luc. 7, 41 erscheinen sogar dulgis skula unmittelbar zusammen. Ich kann aber noch andere zeugen aufrufen, das lett. waina ist wiederum beides wunde und schuld, wainigs der schuldige, assinswainiges der auf dem blutschuld haftet, das litth. wainas aber bedeutet blosz krieg, wie das poln. woina, böhm. wogna, altsl. voi, wozu man unsere Dul- gibini bellatores halte. Buchstäblich nah tritt das litth. skelu = skal, skel^ti = skulan, skola = skulds, preusz. skellänts schuldig, skallisna debitum, daneben aber litth. skeliu findo, skyl^ fissura, skaldau findo, lett. skaldiht Andere; dies skeliu begegnet jenem goth. skila und aus dem begrif des spaltens, hauens, tödtens gieng die Vorstellung wunde und schuld hervor.*

man ol^ccl voixlt,03 ko'yit,o^aL verlangt ein altes mina cogito und 904 sagt also aus : ich habe mich bedacht, erinnert, es musz früher miman gelautet haben, und entspricht den buchstaben wie dem begriffe nach völlig dem gr. ^s^ova, lat. memini litth. menu und atmenu, primenu. im abgeleiteten ufarmunnön und im ahd. minnön sehn wir unorgani- sches NN, wie in kunnan und brinnan entfaltet, gerade wie aus litth. menu minn^jau und minnimas.

mag övpafiat löxvco drückte wahrscheinlich aus, was kann: ich habe gezeugt, ich vermag, vigeo, polleo [anders Ebel bei Kuhn 6, 238]. magn magan potentia. magus nalg, rmvov, mavi == magvi xogaötov, Tiagd'svog sind die erzeugten kinder. ihm im hintergrunde liegen wird migan, welches sich berühren könnte mit meiha maih migum (s. 857) und mit gr. ^iyvv^i in der homerischen bedeutung. Aus den urverwandten sprachen gehört hierher lat. magnus fortis, mactus poUens und vielleicht mox = valde ; litth. macis macnis vis, macnus potens, macnorus vir fortis, pamacziju auxilior, polleo, moku possum, intelligo, mokinnu doceo; sl. mogu possum, nemoschtsch infirmitas, pomoschtsch' auxilium, moschtschi die helfenden, kräftigen reliquien (s. 148); ir. mac (gen. mic) filius, macaomh juvenis. wahrscheinlich ist auch pLiyag hierher zu nehmen, dessen G sich wie das in fiiyvv^L und lat. magnus (neben litth. macnus) verhält und uns des Übergangs von mag in mikils versichert, vgl. skr. maha und gr. fiei^MV goth. maiza für mahiza majiza? lat. major, einer so uralten wurzel musz noch manches andre zufallen.

* schelten (ahd. sceltan scalt scultun) heiszt jemanden seiner schuld zeihen, sie ihm vorwerfen, die 'sceltsere bceser geltsere' Iw. 7162 (vgl. anm. zu Iw. s. 349. 544 und RA. s. 613. 953) waren also ursprünglich solche die einen des todschlags ziehen, und da die blutrache erblich war, so erklärt sich daraus Nib. 936 'dem man itewizen sei, daz sine mäge ieman mortlich hänt erslagen'. zu scheltern brauchte man aber spielleute, was wieder licht werfen kann auf das wesen der heidnischen spielleute, vgl. s. 820. hier werden Wörter und brauche wichtig für das älteste recht.

40*

628 VERSCHOBNES PRAETERITÜM

nah nur übrig in ganah ccQxel und binah e^BOti oder ösl (den gr. satz ndvra e^sötlp, aA^' ov nävta 6v^cp£QBt 1 Cor. 10, 23 ver- deutscht Ulf. schön: all binah, akei ni all daug). die bedeutung von nah musz also der von mag nicht sehr weit abgelegen haben, doch wage ich nicht die des zum gründe liegenden naihan anzugeben.

905 auf jeden fall gehört dazu nahts, lat, nox, litth. naktis, sl. noschtsch', die vermögende, genügende, ruhige? (mythol. s. 698).*

6g metuo geht zurück auf aga tremo, von welchem auch agjan tremefacere terrere und agis tremor, metus übrig sind. 6g heiszt also eigentlich : ich habe geschaudert, gezittert, ayimvog altn. segir kann den schauer, aber auch die zitternde bewegung der flut ausdrücken, skr. edsch tremere (Bopps gloss. p. 59).

m6t, gam6t ist xoQta, capio, aus itogico leitet sich ebenso XQt] ab, gamötjan bedeutet anavtäv vnairccv, aber welcher sinnliche be- grif wurzelt darin ? was hiesz mata, dessen praet. möt ausdrückt : ich fasse, finde räum? noch bleibt es mir dunkel.

aih e%(o, xsÄtrj^ai, von eigan schaffen, arbeiten: ich habe ge- scheit, errungen, erworben; obwol man sinnlicheren begrif [weiden, treiben] haben möchte, dasz xtdo^at yAatrj^aL unmittelbar mit xtüvco xtava exTOva zu verknüpfen und ursprünglich auf kriegsbeute, spo- lium, unser hrßorauba zu ziehen, nach dieser analogie aber auch eiga aih zu fassen sei, soll hier als bloszer einfall mitgetheilt werden, den sonst nichts stützt, es wäre ein gegenstück zu skal von skilan, doch anders gewendet, xtsgag ist habe, eigenthum, tot xvEQsa todtenehre,

vait gleich dem gr. olda bedeutet novi und fordert veitan videre, das noch in den Zusammensetzungen inveitan und fraveitan fortlebt; eigentlich sagt es aus : ich habe gesehn, das lat. scio ist unser saihva.

lais wiederum oiöa, von einem verlornen leisa, dem ich die be- deutung calco, calce et pede premo beilege, lais heiszt also genau was wir noch heute ausdrücken : ich habe es an (oder mit) den füszen abgetreten = ich weisz es längst, von dieser sinnlichen Vorstellung ist übrig: ahd. leisa vestigium, leisanön imitai-i d. i. einem nachtreten, auf der spur folgen**, foraleiso anteambulo, praevius, goth. laists LX^'og, ahd. laist, ags. Iseste calopodium, goth. laistjan sequi, perse-

906 qui, vestigium premere, ahd. leistan, ags. Isestan, ahd. lisö (goth. leisaba?) sensim, pedetentim. hingegen herscht abstracte Vorstellung im goth, laisjan docere, ahd. Ißran, goth. lists, ahd. list ars, scientia, goth. lubjaleisei (pccQ^axEia. Mit unrecht haben die Altenburger und Schulze laists von leisan gesondert und schon letzterm wort die ab- stracte bedeutung beigelegt.

* umgekehrt den Griechen SeiSla vv^ axoria, rcaga xo Ssivöv. Lo- beck rhem. p. 254.

*' vgl. gr. fii&oöog, eigentlich nachgang, folge, dann aber forschung.

VERSCHOBNES PRAETERITUM 629

daug prosum, valeo* lenkt zurück auf diuga oder diuha, welchem man wieder den sinnlichen begrif des zeugens zutrauen könnte, wozu dauhtar (s. 266. 269), wie zu kann kind, zu mag magus und mavi stimmen, im sanskrit ist eine wurzel duh mulgere, emuigere, der Bopps gloss. 173 lat. duco und goth. tiuha vergleicht; wäre duhitil das gesäugte kind und daug 'ich habe gesogen, bin aufgesäugt, er- starkt , so hätte sich in daug und dauhtar der laut nicht verschoben, vgl, ahd. dühan premere (GraiF 5, 117).

Mich dünkt, was in diesen Wahrnehmungen sicher ist, müsse auch dem ungewissen und gewagten wege bahnen, nothwendig aber scheint es einer so bedeutenden richtung, wie die ganze anomalie des zurück- geschobnen praeteritums ist, analogie des Verfahrens für form und begrif beizumessen. In bezug auf die form habe ich noch etwas wichtiges nachzuholen.

Die Infinitive des sinnlichen begriffs kinnan J)airban dairsan skilan minan migan naihan agan matan eigan veitan leisan diugan sind in der spräche, mit ausnähme von veitan, nicht mehr vorhanden und nur noch aus dem praet. wie aus andern Wortbildungen zu folgern.

Dagegen werden für die abstraction Infinitive und participia 907 praes. jederzeit im pluralablaut gezeugt und man darf die participia den seltneren inf. mit beweisen lassen, die glossare haben belege für den inf. nicht achtsam genug hervorgehoben: kunnan Marc. 4, 11. Joh. 14, 5; paurban; gadaursan II Cor. 10, 2. Philipp. 1, 14; skulan; gamunan Luc. 1, 72; magan; ögan; aigan; vitan Marc. 7, 24; lisan; dugan; und mit dem conjunctivischen I viljan.** die participia kun- nands J)aurbands gadaursands skulands munands magands ögands aigands vitands dugands haben kein bedenken, aber lisands mit der bedeutung sciens wäre merkwürdig, weil es mit lisands legens colligens zusammenstiesze. vielleicht darf man aus dem pl. lisum scivimus den neuen stamm lisa las herleiten, etwa wie aus meiha maig migum ein neues miga mag spross? auffallend ist unagands ICor. 16, 10. Philipp, 1, 14 für unögands (ögands Marc. 5, 33. Luc. 8, 25. 18, 2); dies agands wäre demnach Überrest jenes sinnlichen agan und sollte die sinnliche bedeutung tremens haben.

Wie im goth. sind im ahd. die inf. chunnan durfan turi'an sculan (und scolan) makan eikan wizzan tukan gerecht und danach die part. chunnanti u. s. w. anzusetzen, sculanti und scolanti, tukanti und tokanti (der beleg togantßm probis bei Grafi" 5, 371 lehrt, dasz 5, 369 tugan zu schreiben war, nicht tügan). über das EI in eikan äuszerte ich mich vorhin (s. 899),

* bei Ulf. erscheint lediglich III sg., eben so in den ahd. quellen nur III sg. und pl., weshalb sich Grafi" 4, 369 einbildet, I und II seien unstatt- haft; das wäre als wollte man, weil auch im Iwein keine I und II auf- taucht, sie der ganzen mhd. spräche ableugnen, Walth. 55, 3U steht aber tilgest valeas, und Beov. 1047 dohte valueris.

** die glossare hätten überall diese Infinitive ansetzen, nicht daneben ein minan agan und leisan aufstellen sollen.

630 VERSCHOBNES PRAETERITUM

Haben diese Infinitive den ablaut des praet., so wäre der gedanke natürlich, dasz auch das characteristische ü der flexion des praet. in sie eingienge, und z. b, ein inf. vitum neben jenem veitan stünde, wie lat. scivisse neben scire; praesensbedeutung könnte dem vitun ver- bleiben, wie dem lat. esse oder unserm sein, welchen beiden, ihrer form nach, eigenheit des praesens zusteht, wirklich zeigt die altn. spräche die inf. skulu und munu = meminisse, obschon die übrigen kunna unna J)urfa mega knega vita eiga vilja lauten. Noch vor- theilhafter wäre ein solcher inf. praet. für die nicht anomalen, star-

908 ken wie schwachen verba, um giban dare von gäbun dedisse, teihan dicere von taihun dixisse, salbön ungere von salbodedun unxisse zu unterscheiden; nur käme die gestalt allzusehr mit der III pl. übereiti, wie uns nhd. geben dant und geben dare zusammen fallen.

Nicht genug, dasz mehrere dieser anomalen verba heute ausge- storben sind, bei andern haben auch die abstracten begriffe ge- wechselt; zu den verschobnen formen gesellen sich Verschiebungen der bedeutung, diese verba sind die abstractesten der spräche, ihre auxiliare Vorstellung musz oft in einander übergehn. kann ist uns nicht mehr novi sondern possum, darf nicht mehr egeo sondern licet, soll zwar noch debeo, aber auch volo, mag nicht mehr possum sondern volo lubet, musz nicht mehr capio sondern debeo. in bedarf und vermag dauert aber der alte sinn von darf und mag. der Engländer umschreibt sein futurum erster person durch I shall, we shall, zweiter und dritter person aber durch thou wilt, he will, je will, they will (gramm. 4, 182 184); es ist höflich, dasz der redende von sich sollen, von andern wollen gebraucht. Noch heute ist diese Um- schreibung in Deutschland verschieden nach der gegend: am Rhein sagt man: Ich will kommen, in Berlin 'ich werde kommen.'

Die eigenheit der anomalie bewährt sich auch in richtungen der Syntax, von ihnen abhängig ist z. b. eine gothische ausdrucksweise des passivums (gramm. 4, 58. 59) oder die construction des reinen Infinitivs (4, 92) oder die ellipse des Infinitivs (4, 132), des auxiliaren haben bei Umschreibung des inf. praet. (4, 174). dahin darf man ferner das praefix ge- vor Infinitiven nach können und mögen rech- nen (2, 847), die fügung des part. praet. nach sollen, wollen, taugen (4, 128), endlich die ihrer eignen part. praet. (4, 167. 168). Die abweichende form dieser anomalen verba gestattet und bedingt zu- gleich auszerordentliche constructionen.

Begegnen sich in solchen auxiliaren, die gelenke der rede her- gebenden Wörtern urverwandte sprachen, was könnte ein stärkeres Zeugnis ihres hohen alterthums sein? am allernächsten tritt die

909 griechische in ihrem yiyova fisfiova oida t%co d^agösco unserm kann man vait äih dars, und für mag 6g daug dürfen wenigstens ange- schlagen werden (ilyvvfjiL coxsavog Q'vyätrjQ, von dreizehn in der spräche waltenden wurzeln sind fünf entschieden gemeinschaftlich, dasz skr. v6da in form und praesensbedeutung dem vait gleichstehe, ist schon oft angeführt worden; skr. dj:§ ist d'aQQSlv gadaursan. aus

VERSCHOBNES PRAETERITUM 631

depi latein gleichen gigno memini video und volo (sogar mit dem vocal Wechsel in volo velim), die slavische zunge entspricht in mogu dem mag, in vidjeti videre vjedjeti cognoscere dem vitan, in veljeti, (Mikl. p. 9) serb, voljeti, poln. wolec, böhm. woliti dem goth. viljan, lat. velle; trjeba (s. 328) läszt sich zu J)arba halten, zumal merk- würdig sind die litth. einstimmungen ; zinau ist goth. kann, moku mag, skelu skal, menu man, drystu dars, weizdmi video und weliti viljan. hier stimmen sieben Wörter, vielleicht berührt sich auch litth. lett. turru habeo teneo mit darf, am fernsten liegt uns aber hier die keltische spräche.

Nicht wenige lat. und griechische praeterita, auszer den ange- führten, überkommen praesensbedeutung, novi hat den sinn von scio und berührt sich sogar, weil es für gnovi steht, buchstäblich mit kann; coepi heiszt, wie unser began, incipio; odi ich hasse ; perii ich bin verloren, was pereo. gr. oAcola bei Homer noch perii, bei den At- tikern pereo; oX'iGi'aa ich bin dahin (gegangen), perii; ts^fjjicc stupeo, von einer wurzel, die mit Q'mo^aL nahverwandt gewesen sein wird, so dasz der begrif entsprang: ich habe angeschaut, angestaunt, das will sagen : staune, verwundere mich, vgl. &ä(ißog Stupor und d^avfia miraculum, von mirari. avcoya jubeo moneo impello will ich einmal mit aväya II. 14, 168 für avsaya aperui von ävoiya aperio zu- sammenstellen und an die zwiefache bedeutung unseres luka, claudo und vello traho (s. 664) erinnern, ^v^og avcays kann heiszen voluptas trahit, animus jubet, es hat mich angezogen, gelockt und locken ge- hört zu lukan ekxsGd^aL. «^g)ißsßtjKa tueor, eigentlich circumivi. xBxXrjf.ica ich heisze, bin genannt worden, nsna^ai, wie Hsxrrj^aL, ich besitze, habe erworben, jiäfia = xtijfia, für die sinnliche bedeu- tung halte ich aber pasco, da 87Ctt6dfJ.rjv ausdrückt sowol ich asz als ich warb und auch vs^ico v8(io^ai beides pasco und possideo;9io dem Ttdo^at und pasco verwandt ist das goth. födja, ahd. fuotiu (Graff 3, 378). Auch hier läszt die spräche ins nomadenleben zurück- schauen, ob der besitz auf die herde oder auf kriegsbeute zu leiten sei, verschlägt nichts.

Man darf nach allem, was vorgebracht ist, schlieszen, dasz än- derungen der grammatischen form immer innerlich durch den begrif angeregt werden; die Vorstellung kann aber auch wechseln, ohne dasz sich die form ändert, in unserm ich heisze ist gelegen sowol ich werde genannt als ich bin genannt worden und gr. dxova bedeutet oft nicht ich höre sondern habe gehört = ich weisz. Die lat. Um- schreibung des passiven praeteritums ist in der roman. spräche durch die bank ins praesens geschoben, ,d. h. franz. je suis'aimö drückt nicht mehr aus amatus sum, welchem es wörtlich entspricht, sondern amor, denn amor konnte auf andere art nicht übertragen werden, und nun muste für den begrif amatus sum j'ai 6t6 aimd gesetzt werden, gerade so bezeichnet das goth. bindada vincior, gabundans im vinctus sum, ahd. aber kipuntan pim vincior, kipuntan was vinctus sum, bis wir zuletzt heute, mit pedantischer häufung der hilfswörter, das praes.

632 VERSCHOBNES PRAETERITUM

durch ich werde gebunden, das praet. durch ich bin gebunden wor- den wiedergeben.

Wie sticht dies unbeholfne schieben der form ab gegen das beholfne durch bloszen ablaut. denn wenn auch, wie wir sahen, die urverwandten sprachen in manchen Wörtern sowol schoben als die sinnliche bedeutung zur abstracten werden lieszen, hat sich doch, gleich dem ablaut, diese ganze vortheilhafte anomalie nirgend so voll- kommen entfaltet wie bei uns.

XXXVI. DIE VOCALE DER DECLINATION.

Icli gehe auf ein ganz anderes feld über, um an neuem, noch 911 unversuchtem beispiel die gewalt des ablauts darzulegen.

Schon s. 274 wurde gesagt, dasz die trilogie A I U, auf deren grundlage alle ablaute beruhen, auch die flexion meistere; es ent- springen nach ihr jedesmal drei declinationen des nomens, sowol des substantivischen als adjectivischen-

Unter den drei kurzen vocalen ist A der edelste, unentbehrlichste und allgemeinste, er waltet gleichsam von selbst, und begleitet, auch wo er ungeschrieben bleibt, die consonanz; man kann sagen, obschon unsichtbar wird er hörbar. Wie die älteste schrift ganz ohne vocale war, die der leser den gesetzten consonanten hinzufügte, läszt auch das Sanskrit jedes nach consonanten in und auslautende A unbe- zeichnet, während dem bestimmteren I und U bereits zeichen ver- liehen sind: A folgt den consonanten an sich mit. Diesem gesetz angemessen ist noch, dasz in der gothischen wortableitung zwischen muta und liquida das A gewöhnlich nicht geschrieben wird, I und IJ aber in gleicher läge ausgedrückt erscheinen; es heiszt agl (aglaitei) tagl stikl fugls tagr akrs figgrs bagms apn, wahrscheinlich auch magn vis, vagns currus, hingegen ubils mikils ragin faginö hakuls hvoftuli fairguni. In solchen fällen pflegt nun die ahd. spräche auch das A zu schreiben, dessen nothwendigkeit zugleich aus der von ihm ge- wirkten brechung des lund U erhellt: akaleizi zakal st6chalfokalzahar912 achar finkar makan wakan, wie michil rekin hachul.

Dies hier nur beiläufig, um daraus folgern zu können, dasz auch in der flexion, obgleich sie andern gesetzen unterliegt als die ab- leitung, der vocal A häufig ausgefallen sein mag und darum, wie in der flexion zu ergänzen ist, wogegen I und U länger dauern. Es ist also der theorie geboten, und Bopps glänzende forschungen haben davon vielfachen beweis geführt, themata mit A denen mit I und U zur Seite zu stellen.

Mein augenmerk ist nun der Wechsel des vocallauts in unsrer

634

DECLINATIONSVOCALE

declination, d. h. was sich in jeder reihe auf der grundlage des A I ü entfaltet.

Im Substantiv laufen den drei männlichen declinationen drei weibliche dergestalt parallel, dasz die zweite und dritte, organischer- weise, für beide, geschlechter ganz zusammenrinnen, in der ersten aber zwischen den geschlechtern zwar analogie, doch bestimmte Ver- schiedenheit obwaltet.

Ein paradigma der vollen und ursprünglichen flexion soll vor- angehen, dann das der wirklichen folgen.

pl.

dagas

gastis

sunus

giba

dedis

handus

dagis

gastais

sunaus

gibös

dedais

handaus

dagi

gastai

sunau

gibö

dedai

handau

dagan

gastin

sunun

giba

dedin

handun

dagßs

gastein

sunius

gibös

dedeis

handius

dage

gastije

sunive

gibö

dedije

handive

dagam

gastim

sunum

giböm

dedim

handum

dagans

gastins

sunnns

gibös

dedins

handuns

wirklich bestehende

goth. flexion lautet aber:

dags

gasts

sunus

giba

dej)S

handus

dagis

gastis

sunaus

gibös

dedais

handaus

daga

gasta

sunau

gibai

dedai

handau

dag

gast

sunu

giba

ded

handu

dagös

gasteis

sunjus

gibös

dedeis

handjus

dage

gaste

sunivö

gibö

dede

handive

dagam

gastim

sunum

giböm

dedim

handum

dagans

gastins

sununs

gibös

dedins

handuns

sg-

pl.

913 Was nun an dem früheren vocalstand allmählich geändert wurde und zu gründe gieng, musz die analogie der ablaute ermitteln; sie hat theoretisch die alte, verdunkelte bahn der declinationen herzustellen.

Vorerst leuchtet ein, dasz die plurale besser erhalten sind und das vocalverhältnis reiner gewahren lassen, wie gastim sunum, gastins sununs zu dagam dagans stehn, fordert auch sunus ein gastis dagas.

Dann aber kann nicht bezweifelt werden, dasz die dritte decli- nation in beiden geschlechtern, die zweite im weiblichen unversehrt geblieben ist, anders ausgedrückt, dasz die reihen ü und I in ihrem ablaut fast ungestört schalten, gerade wie es in vierter und fünfter reihe der conjugation zu bemerken war.

Offenbar ist in der dritten declination nur eine und zwar ganz geringe änderung des reinen ablauts eingetreten, der nom. pl. sunjus und handjus musz aus älterem diphthongischem sunius handius her- vorgegangen sein, weil diesem das EI der zweiten declination gleich läuft, consonantierungen des im diphthong anlautenden I sind auch sonst aufzuweisen, gerade so musz im persönlichen pronomen jus für ius stehn (wie EI in veis bezeugt) und nhd. je entsprang aus mhd. ie. die parallele handaus handau: dedais dedai begehrt auch im masc. ein gastais gastai = sunaus sunau, wofür sich späterhin gastis gasta aus erster decl. einschlich.

DECLINATIONSVOCALE 635

Es überrascht den unvorbereiteten, in den flexionen sunus su- naus sunius ganz die ablaute gutum gaut giutan, in den flexionen gastis gastais gast-eis die ablaute bitum bait beitan zu gewahren, ist aber der kurze vocal in -is -us grundlage der daraus entfalteten -ai -au und endlich -ei -iu, so wird man auch den laut und ablaut vierter und fünfter conj. auf dieselbe weise zu fassen haben, wie schön scheint es, dasz die vocale der flexion ihren Wechsel nach dem ablaut der wurzel ordnen.

Nur der gen. pl. hinterläszt noch einen zweifei. wenn sich su- nive handiv6 zu sunius handius verhalten wie J)ivi zu 'J)ius, tri vis zu 914 triu, knivus zu kniu; darf man auch im gen. pl. von gasteis spur des EI erwarten, und ich habe auf ein älteres gastijö dßdije für gaste döde gerathen, wieder auf analogie der pronominalformen eis ijos und ija gestützt, in beiden formen -iv6 und -ij6 erscheint das auslautende E unabhängig von den diphthongen IU und EI, da wir es ebenso im gen. pl. dag6 erbKcken.

Alle flexionen der ersten declination sind aus ursprünglichem A, wie die der zweiten und dritten aus I und ü hervorgegangen.

In der conjugation ergab sich, dasz A drei ablautsreihen zeugte, wie sie in der ersten, zweiten und dritten conjugation erscheinen, dieser vocal ist gleichsam zu mächtig, als dasz er immer nur einen weg, wie I und ü einschlüge, er versucht sich nach mehrfacher richtung. doch darf man die erste conj. als aus Wörtern bestehend erkennen, die einer Jüngern, nicht der ursprünglichen formation an- gehören.

Nun weist sich aus, dasz in der ersten männlichen declination neben dem A die flexionen I E, in der ersten weiblichen lediglich 0 zeigen, in dieser weiblichen verhalten sich die vocale gerade so wie im ablaut der dritten conjugation. man sieht in der flexion von giba nur -a und -6 wechseln, wie in der wurzel fara för; der ein- förmige pl. gibös gibö giböm gibös gleicht dem einförmigen för forum, während dedais dödeis dßdim, handaus handius handum lebhaft wech- seln wie graip greipa gripum, gaut giuta gutum. aber im sg; muste schon deshalb gibös gibö vermutet werden, weil diese beiden casus parallel stehn mit dßdais dedai, handaus handau; in den goth. dat. sg. gibai ist also -ai aus dem dedai zweiter decl. eingedrungen, wie in den männlichen dat. gasta das -a aus dem daga der ersten, zum überflusz findet der theoretische dat. gibö bestätigung im ahd. göbö bei Notker.

Schwerer wird es sein sich über die flexionsvocale der ersten männlichen declination zu verständigen. I im gen. sg. -is halte ich für organisch und nehme das oben s. 646 geäuszerte jetzt zurück, denn wäre der gen. dagas echt, so unterschiede er sich vom nom, 915 dagas gar nicht, da es doch scheint, dasz der nom. dagas übertrete in den gen. dagis wie nam in nima und analog dem gastis gastais, sunus sunaus, wie in gripum graip, gutum gaut. auch darum scheint das I in dagis gerecht, weil der sprachgenius sonst gar kein I in

636 DECLINATIONSVOCALE

dieser decl, verwendet hätte, wie er doch in nima nam n6mum die ganze lautleiter auf und ab steigt, dasz ahd, -is im sg. keinen Um- laut anregt, kann nicht eingeworfen werden, da zur zeit des be- ginnenden Umlauts -is bereits in -es geschwächt war; aus gleichem grund hat der ahd. nom. sg. käst und tat keinen umlaut, obschon gastis dßdis im hintergrund lag.

Noch mehr auffallen wird das gemutmaszte dagi für daga im dat. sg., aber daga wäre unanalog dem gastai sunau, welche dem gen. gleichen ablaut haben; ferner stehn die dat. pl. gastim sunum ab von gastai sunau, folglich musz auch dagam abstehn von dagi. das -i wird endlich bestätigt durch die altn. flexion -i in degi fiski hrafni iötni u. s. w., sogar zeigt sich ausnahmsweise in degi umlaut, ein zeichen des echten I.

Auch im nom. pl. habe ich dag6s an die stelle von dagös ein- zuführen gewagt, da der zweiten ablautsreihe, die sich in der ersten männlichen declination abspiegelt, E zusagt und mit diesem E ein passender gegensatz zur ersten weiblichen decl. entspringt, wollte man 0 aus der neugefundnen unterart der zweiten conj. rechtferti- gen, so müste im gen. und dat. sg. U statt I walten, für unmög- lich halte ich nach dieser unterart auch goth. oder vorgothische mascu- lina mit dem nom. -as, gen. -us, nom. pl. -ös nicht; wie aber die verba mit der wurzel I überwiegen, werden auch die masc, mit dem gen. -is überwogen haben und für sie begehrt die theorie den pl. -6s. Dies £ finde ich endlich durch das ahd. A in takä bestätigt, welches umgekehrt in den weiblichen pl. geba für göbö eindringt.

Auf die flexionsconsonanten ist es mir hier nicht abgesehn, leicht aber wird sich das dem acc. sg. beigelegte N vertheidigen lassen, schon aus dem NS des pl,, aber auch aus der adjectivischen flexion 916 und der urverwandten, wie sollte dem acc. masc. erster und zwei- ter decl. der vocal A und I entgehn, da ihm die dritte U läszt? den vocal musz aber N für M geleitet haben; ein flexionsloser acc. sg. masc. wäre eben so unursprünglich, als es die vocallose I und III sg. praet. nam graip gaut ist.

Aus allen diesen Wahrnehmungen ergibt sich, dasz die vocale der flexionen unsrer declination mit den ablauten der conjugation zu- sammentreffen, die zweite und dritte decl. beider geschlechter mit dem ablaut der vierten und fünften conjugation; in die zweite und dritte theilen sich masc. und fem. der ersten declination, die ablaute der ersten conj. scheinen in der declination undargesteUt, was deren schon aus andrer Ursache entnommne (s. 853. 854) abkunft aus ver- bis zweiter conjugation bestätigt.

Eine so wunderbare Übereinkunft kann aber kein spiel des Zu- falls sein, sondern bezeugt, wie unsere spräche innerlich von dem gesetz der ablaute durchdrungen ist, und dasz ich recht gethan habe, die declinationen nach den conjugationen, d. h. beide nach dem typus des vocalismus A I ü zu ordnen.

Doch allein die gothischen flexionen waren noch so durchsichtig,

DECLINATIONSVOCALE 637

dasz sie das Verhältnis zu erschauen und zu entwickeln gestatteten, weshalb ich auch die übrigen jüngeren sprachen hier fast unberück- sichtigt lasse, aus deren flexion blosz einzelne bestätigungen der go- thischen oder selbst einer älteren vorhergegangnen geschöpft wer- den können. In der altn. flexion, die sonst manche Vollkommenheit besitzt, ist die quantität der vocale allzuwenig erkennbar, um sich sichere Schlüsse zu erlauben; aus dem gegensatz der gen. sg. dags und magar sonar giafar tannar (= goth. dagis magaus sunaus gibös tunpaus) folgre ich indessen, dasz dies altn, -ar immer -är mit langem vocal anzusetzen ist, der sich einförmig aus den goth. längen bildete und den Übergang des S in R herbeiführte, da nach dem kurzen vocal in dagis S haftete. Anführ enswerth scheint mir noch aus der ags. declination, dasz substantiva auf -u den gen. uYid dat. sg. gleich- förmig auf -a bilden, es heiszt sunu filius, suna filii, suna filio, sunu filium und eben so im fem. band manus, handa manus, handa917 manui, band manum, obschon hier dem nom. und acc. das -u ent- gangen ist. diese gen. und dat. scheiden sich günstig von den subst. erster decL, welche im masc. den gen. -es, dat. -e bekommen, ohne zweifei war es eigentlich -ä, dem goth. -aus -au entsprechend, und vielleicht entsprungen aus -eä. suneäs handeäs wandelten sich all- mählich in sunäs handäs, dann suna handä, endlich suna handa. da Gaedm. 233, 15 steht 'on sumera', darf man auch vintra = goth. vintrau vermuten und sumera bestätigt das vermutete goth. sumrus.

In bezug auf die goth. flexion habe ich noch zweierlei anzu- erkennen.

Zur ersten declination beider geschlechter sind auch alle mit I abgeleiteten substantiva zu zählen, deren I vor den flexionsvocal tre- tend sich dem lautgesetz nach in J wandelt, beim masc. sind also die formen harjis harja harjös harj6 harjam harjans ebenso der Aflexion zugehörig wie dagis daga dagös dag6 dagam dagans. wenn aber im acc. sg. hari die ableitung in den auslaut rückt, wird sie nur schein- bar zur flexion, und auch dieser casus müste, wie dag in dagan, in harjan ergänzt werden, der nom. sg. sollte haris, nicht harjis lau- ten und sich dadurch vom gen. unterscheiden. Feminina gleicher ableitung z. b. halja, banja, brakja, sunja flectieren haljös haljai halja pl. haljös haljö haljom haljös, ganz wie giba; nur langsilbige pflegen im nom. sg. das A abzustreifen und wieder das ableitende I vorzu- schieben: bandi, kunpi, verschieden vom acc. bandja kunpja. dahin gehören auch mavi und pivi, weil sie aus magvi pigvi erwachsen.

Eine andere bemerkung geht das neutrum an, das nur zwei declinationen zeigt, die erste und dritte, d. h. Wörter mit der A und U flexion; nichts aber was der zweiten männlichen und weiblichen entspräche, also keine I flexion. wahrscheinlich war diese früher den- noch vorhanden und nur ausgestorben, wie auch die neutrale U flexion im aussterben begrifien, auf wenige Wörter eingeschränkt und für den pluralis nicht mehr ganz erkennbar ist. Man darf die neutrale flexion überhaupt so kennzeichnen, dasz sie ihre gen. und dat. der 918

638 DECLINATIONSVOCALE

männliclien, ihre nom. und acc. der weiblichen flexion gemäsz bildet. In der ersten decl. treten wiederum zahlreiche ableitungen mit I ein, welches im nom. und acc. sg., wie im acc. sg. masc. und zuweilen nom. sg. fem. auslautend wird, dies T hüte man sich für das eigen- thtimliche I zweiter decl. zu halten, denn wie das masc. haris in har- jas, der acc. hari in harjan, harjam, musz auch der nom. und acc. neutr. vaurd in vaurdam, folglich kuni in kunjam vervollständigt werden.

Kürzer sein kann ich nach betrachtung unsrer substantivdecli- nation über die adjectivische. denn die characteristische Verschieden- heit der deutschen adjectivflexion von der substantivischen, was die abweichung der flexionsconsonanten beider angeht, so merkwürdig sie ist, will ich hier wieder nicht besprechen ; es liegt mir daran, nach der grundlage der vocale A I U auch in der adjectivflexion zu forschen.

Und da stellen sich, wie eben beim neutrum, die erste und dritte declination unzweifelhaft, schwieriger die zweite heraus.

Im sg. erster männlicher decl. blinds blindis blindamma blindana geben die vocale keinen anstosz, indem sie zu dags dagis daga stim- men, und der acc. blindana die vermutete vollere form dagan bestärkt, auch das fem. blinda blindaizös blindai blinda verträgt sich im nom. und acc. mit giba, im dat. blindai mit gibai, und im genitivischen ausgang -6s auch mit gibös; die einschaltung von aiz kann aber, wie beim dat. masc. die von amm auf gründen beruhen, die den vocalis- mus der eigentlichen flexion nichts angehn. allein im pl. fügt sich nur der acc. blindans blindös zu dagans und gibos, allenfalls auch das auslautende -6 und -6 der gen. blindaizö blindaizö zu dagö gibö, während das ai im nom. masc. und dat. aller geschlechter, mit der Substantivflexion unvereinbar scheint. Nun möchte ich dies AI wieder, gleich dem in gibai, für eingedrungen aus der zweiten declination halten, und wie dagßs auch blindes als organische form des nom. pl. masc. aufstellen ; doch ^zu AI fügt sich auch das ahd. E, denn gothi- 919schem !fi würde ahd. A gerecht sein; dazu ist das bedenkliche AI der dative pL, vielleicht das AI in aiz6aiz6 ebenfalls durch ahd. E vertreten. AI und 0 des masc. und fem. stehn sich fast zur seite wie die cha- racteristischen vocale der dritten und zweiten schwachen conjugation (habaida salböda). ich werde auf dieses AI zurückkommen (s. 922).

Der dritten decl. folgen adj. wie hardus, tulgus, filus, faihus, qairrus, seipus, J)aursus u. a. m. und ihre eigenheit zeigt sich darin, dasz sie den nom. sg. beider geschlechter gleichsetzen, gerade wie sunus und handus zusammentreffen, auszer dem nom. müsten aber auch die übrigen casus dem U und dessen ablauten huldigen; man darf höchstens einen gen. filaus nach dem üblich gebliebnen adv. folgern, der sich zu blindis wie sunaus, handaus zu dagis verhielte, andere flexionen sind aber nicht aufzubringen und schwer zu rathen, es scheint dasz der sprachgeist sich hier frühe schon vergrif und, wie es bei adj. zweiter decl. geschieht, alle formen in die erste decl., mit zugefügter lableitung, wandte, denn man stöszt von J)aursus auf den acc sg. fem. J)aursja, acc. masc. paursjana, wo beidemal paursu,

DECLINATIONSVOCALE 639

oder von hnasqus auf den dat. pl. hnasqjaim, wo hnasqum zu er- warten gewesen wäre.

Nicht geringere mühe kostet es, wenn spuren der zweiten decli- nation erkannt werden sollen, auch hier ist, wie für hardus gleich- heit der flexionen beider geschlechter anzunehmen, und einzelne stellen des goth. textes führen darauf hin: friaj)va sels ist, Caritas benigna est, iQYiöTBVBxaL 1 Cor. 13, 4; usJ)r6J)eins ist bruks, gagudei ist bruks, yvi^vaata sötij' acps^i^og, rj ob svösßsia cxpEL^og iöti 1 Tim. 4, 8; gar6hsns bruks vas, institutum utile fuit Skeir. 43, 11; laiseins skeirs visandei, doctrina clara existens; fravaurhts vas navis, dficcQria vsxgd Eom. 7, 8. diese stellen gewähren die weiblichen nom. s6ls bruks skeirs und navis, deren form zugleich männlich ist, und zwar unterdrücken die drei ersten beispiele das I ganz wie die weiblichen subst. dej)s ansts u. s. w., in navis aber scheint auch der charac- teristische vocal geborgen und für das neutr. veüqov wäre gleich- 920 falls navi, wie im neutr. dritter decl. filu hardu nothwendig. aber neben solchem navi scheint ein neutr. s6l bruk analaugn für s6li bruki analaugni zulässig, war nun schon für die substantiva gefahr da, sich mit den lableitungen erster decl. zu mischen, so ist bei den adj. diese mischung entschieden erfolgt, indem alle obliquen casus dorthin ausweichen, z. b. von s6ls kommen die flexionen sßljamma seljai, als wäre der nom. s6lis = s6ljas und nicht sels = s6lis. Die obliquen casus zweiter und dritter decl. sinken also auf dem uns zu- gänglichen stand der gothischen spräche mit den lableitungen erster decl. zusammen, d. h. die ableitung hat sich mit dem thema der flexion gemengt.

Im ahd. und den übrigen dialecten hat, wie man erwarten kann, diese einmal eingeschlagne abirrung noch weiter umgegriflFen, so dasz von dem organischen unterschied der drei adjectivdeclinationen nicht mehr die rede ist, sondern practisch zwei angesetzt werden können, die gewöhnliche dem goth. blinds entsprechende und eine andre mit dem character I, welchem jedoch die flexion der ersten decl. nach- folgt und wovon die ursprüngliche zweite declination sehr verschieden gelautet haben musz. Bei solcher mengung der formen ist es schwer, wo nicht unmöglich für einzelne adjectiva zu entscheiden, welcher der drei declinationen sie ursprünglich gehörten.

In der gothischen spräche kommt hier ein andres mittel zu statten, die offenbar nach dem unterschied der drei declinationen entsprungne adverbialform auf BA, welcher das thema A I U ganz in folge jener flexion vortritt (s. 458). von blinds wird also das adverb bHndaba, von sels s6liba, von hardus harduba lauten, und wirklich sehn wir nach diesem grundsatz eine menge adjectiva erster declination gebildet; es heiszt frödaba veihaba gerßdaba bal{)aba raihtaba baitraba ubilaba gabigaba und aus dem abgeleiteten gabauris = gabaurjas folgt richtig gabaurjaba Marc. 6, 20, aus sunis = sunjas sunjaba 1 Thess. 2, 13. hingegen führt analaugns nach zweiter decl. auf das adv. analaugniba Joh. 7, 20. 26, unanasiuns invisibilis auf unanasiuniba, usstiurs auf 921

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usstiuriba, andaugs auf audaugiba Joh. 16, 25. 10, 24 ; weil indessen diese adj. im obliquen casus nach erster decl. übertreten, und ihre nominative unsicher anzusetzen sind, so liesze sich denken, dasz das oblique -ja ein unorganisches -jaba statt -iba in einzelnen fällen her- beigeführt habe, adverbia dritter declination bilden sich regelmäszig ; harduba agluba glaggvuba manvuba; doch weil hardus paursus im obliquen casus gleichfalls -ja annehmen, wäre auch für die adv. ver- irrung möglich.

Den übrigen sprachen ist diese schöne adverbialbildung erloschen ; ahd. sehn wir einförmiges -o an die stelle der goth. manigfaltigkeit getreten und mhd. folgt dem adverbialen -e für die abgeleiteten adj, sogar ein günstiger rückumlaut mit, der sich nun auch auf die ur- sprünglichen zweiter und dritter decl. erstrecken musz, d. h. den adj. süeze herte steht ein adv. suoze harte zur seite, statt des goth. sutiba harduba.

Endlich läszt auch die comparation ihren maszstab an diese ad- jectiva legen, doch nicht ganz einstimmig und sicher, von adj. erster decl. wie fröds raihts svinps findet sich frodoza raihtoza svinj)6za gesteigert, also wäre frödösts raihtösts svinj)6sts zu erwarten, und 1 Cor. 15, 19 wird armöstai pauperrimi gefunden, aus adj. zweiter decl. wie az6ds spßds sutis ergibt sich az6tiza spßdiza sutiza, folglich az6tists spedists sutists und in der dritten sollte harduza hardusts compariert werden, wofür ich keinen beleg kenne, umgekehrt steigern sich offenbare adj. erster decl. z. b. faus und manags mit I faviza managiza managists, worin sich Verwirrung zeigt, übrigens erhebt sich 0 aus dem A nach dem ablaut dritter conj. und es könnte auch in zweiter decl. AI, in dritter AU gemutmaszt werden, ein älteres sutaiza und hardauza. in der that erscheint Eph. 4, 9 ein Superlativ undaraists infimus, dem ein comp, undaraiza entsprechen musz, und wofür man nothwendig einen positiv undaris, nach zweiter decl., an- zusetzen hat. Die ahd. Steigerung unterscheidet 0 und I, im einzelnen 922 richtiger als die gothische, z. b. es heiszt managöro managöst, wo- gegen das jenem undaraiza undaraists entsprechende untaröro untaröst entschieden in die Oform fällt.

Es ist zeit diese erwägung der deutschen declinationavocale zu schlieszen, um noch einige blicke auf die urverwandten sprachen zu richten.

Am ersten zieht mich hier die lat. flexion an, wegen ihrer groszen einstimmung mit der unsrigen. Auch im latein ergeben sich drei declinationen nach dem thema A I U und zumal entscheidend wird die analogie, dasz die flexion mit I und ü wieder beiden geschlechtern gemein ist, die flexion A aber einen unterschied der geschlechter nöthig macht, oft stimmen selbst einzelne Wörter, nach den declina- tionen, so wenig befremden kann, dasz sie zuweilen andern überwiesen werden. Man halte ventus zu vinds, aqua zu ahva, follis zu balgs, nox zu nahts, currus zu sunus, manus zu handus; es musz doch tiefen grund haben, dasz follis und nox einer decl. angehören wie balgs

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und nahts (ich sehe hier von einigen anomalien ab, die nahts treffen), currus und manus einer decl. wie sunus und handus, ventus und aqua hingegen zwei declinationen fordern, wie vinds und ahva. Was die einzelnen flexionen angeht, so stimmt das -i in venti zu dem in vin- dis, das u in ventus ventum scheint aber aus currus currum einge- drungen und läszt ein älteres ventas ventam ahnen, welches letztere zugleich das gemutmaszte goth. vindan = vindam bestärkt, im gen. pl. gleicht die erweiterung ventorum gegenüber aquarum der goth. adjectivflexion blindaiz6 und blindaizo; darf man daraus ein früheres vindaiz6 und ahvaizo folgern, an deren platz vinde und ahvo trat? auch das -i des nom. pl. venti stimmt zum adjectivischen in boni, wie sich aquae und bonae begegnen, während vindös und blindai ab- stehn, aber ahvos und blindos gleich sind, das kurze -a des weib- lichen nom. sg. entspricht dem goth. in ahva und bestätigt den pa- rallelen vocal in ventas für ventus; aber das AE im gen. dat. sg. aquae (wofür altlat. AI galt, aquai) erreicht blosz den goth. dat. ahvai und scheint^ gleich diesem AI aus der Iform eingedrungen, weshalb das ^ goth. 0 in ahvos organischer ist. für goth. 0 darf man sonst 923 lat. A erwarten (fiskon piscäri) , welches auch im abl. aqua, gen. pl. aquärum und acc. pl. aquäs eintritt, da doch der nom. pl. AE behält, um dem gen. sg. gleichzustehn. der acc. sg. aquam ist ein zeuge für das vermutete ahvan = ahvam. das A in aquärum entspricht aber dem 0 in ahvö, folglich darf man auch dem parallelen bonärum, coe- cärum ein älteres goth. gödözö blindözö für gödaizö blindaizo an die Seite geben, ich weisz nicht, ob aus bonorum coecorum ein männlicher gen. pl. göd6z6 blind6z6 zu schlieszen ist? im hintergrund der lat. pl. -IS darf man aber -obus und -abus erwarten, ventobus und aqua- bus, nach den gen. -orum und -arum und nach analogie von -ibus und -ubus ; den beweis führt duobus duabus, ambobus ambabus und die kürzung queis f. quibus. Die lat. Ideclination für beide geschlech- ter liegt vor äugen: pater flectiert wie mater, und die dative patri matri, patribus matribus sind entscheidend; zuweilen haftet noch das I im nom. sg. wie in sentis sitis. Ebenso deutlich erscheint die gleich- heit beider geschlechter in currus sensus quercus domus, mit dem gen. sg. -US, dat. -ui, ähnlich dem goth. -aus, -au; die pluralcasus haben -us -uum -ubus -us, wie die der dritten -es -ium -ibus -es. Endlich entsprechen die lat. adjectiva bonus bona dem goth. gods göda nach dem substantivischen unterschied von ventus und aqua; für beide geschlechter aber gilt fortis fortis, dulcis dulcis, wie im goth. s6ls s6ls, sutis sutis und das neutr. forte dulce stimmt zu dem vermuteten suti, vielleicht auch s6li (oder s6l?), lat. adjectiva der Udeclination mangeln, waren aber früher gewis vorhanden.

Ohne mühe ergibt sich nun auch die analogie der griechischen formen, bei denen ich zumal angeben will, worin sie sich vor dem latein auszeichnen, die substantiva kvicog und (.lovöa entsprechen in der flexion den lat. lupus und aqua, goth. vulfs und ahva, Avxog weist also auf ein älteres /Lvjcag, doch musz das O frühe schon die stelle

Grimm, gescliichte der deatdches spracke. 41

642 DECLINATIONSVOCALE

von A vertreten haben, weil durch es auch das -ov des gen. bedingt erscheint, diesem gen. -ov, wie dem lat. -i, mangelt das auslautende

924 S, welches in den übrigen declinationen haftet, aber auch dem goth. dagis vulfis zusteht; dagegen hat es die gr. spräche dem gen. fem. ^ovörjg, wie die goth. dem ahvös bewahrt, wo es das lat. aquae gleichfalls entbehrt, der gr. gen. masc. stimmt zum lateinischen, der gen. fem. zum gothischen. ahd. sehen wir das S dem gen. masc. Wolfes erhalten, dem gen. fem. ahö entzogen. Den kurzen vocal des weiblichen nom. sg. wahren aber nur die wenigsten gr. Wörter, meistentheils dringt II aus dem gen. auch in den nom. vor: ti[ii] •Ao^rj xco^rj, qualitativ entspricht es dem goth. 0. Das jota sub- scriptum der dat. sg. -co -a -rj gleicht dem lat. -ae für -ai und macht glauben, dasz auch im masc. -o aus -oi erwuchs. Die acc. -ov -av -rjv begegnen dem lat. -um -am und zeugen für goth. -an statt -am. Im nom. pl. gleichen -ot, und -ai dem lat. -i -ae, das S der goth. dagös vulfös ahvös entbehrend, wie es die goth. männlichen adj. gödai, nicht die fem. gödös entbehren. Dem gen. pl. mangelt die Unter- scheidung beider geschlechter, wie sie im goth. -6 und -ö, im lat. -orum -arum an den tag tritt, das -oig und -aig der dat. pl. wird nicht vom lat. -is -is, aber vom altlat. -obus. -abus erreicht; ähn- licher ist das goth. -aim der adjective, als das geschlechtscheidende -am und -6m der Substantive.

In der gr. dritten decl. sind die überbleibsei sowol der I als üflexion aufzusuchen, aber für beide geschlechter gleichförmig, das I tragen Wörter wie ö(pig noXtg %ccQig mit dem acc, sg. ocpiv tioXlv XÜqlv, gleich jenem veralteten goth. gastin d6din, zur schau; die übrigen casus erfahren vielfache einmischung andrer demente, ü zeigen l%%vg ßörgvg vav^ mit dem acc. li^vv ßoxQvv vavv, es ver- schlägt nichts, dasz die entsprechenden lat. piscis na vis zum I, das goth. fisks sogar zum A gehören, seinen flexionen nach gehört Ix^'vg zu currus und sunus.

Die gr. adj. stimmen darin ganz zu den lateinischen, dasz ihre flexion der substantivischen völlig gleich ist, während bei uns die subst. von der adjectivischen eigenthümlich absteht. TtovrjQog noviqQa trennen die geschlechter wie malus mala, ubils ubila, wogegen sie

925 zusammenfallen in lÖgig lÖQig, wie in dulcis dulcis und sutis sutis; wenn :n;oAt;g und nXaxvg yXvxvg ein fem, TtolXrj TiXavEia ykvaua bil- den, so sind das spätere ab weichungen vom Organismus, der auch für's fem. nolvg ylvKvg begehrt, wie goth. filus. auch gilt das zu- sammengesetzte adaxQvg für beide geschlechter, die neutra YÖQt tioXv ykvycv sind wie lat. forte dulce und goth. navi (vshqov) filu. diese spuren des U im adj. hat die gr. spräche vor der lat. voraus, wo- gegen die lat. substantiva auf ü fester stehen als die griechischen.

Auffallender noch als die lat. und gr. nähern sich die litthaui- schen flexionsvocale den gothischen und hier offenbart sich eine der unmittelbarsten Verwandtschaften beider sprachen. Aber hier geht selbst die volle pracht des A auf und wilkas = Ivxog vulfs steht

DECLINATIONSVOCALE 643

noch mit seinem dat. pl. wilkams dem awis = oCg ovis mit dem dat. pl. awims und dem sunns = goth. sunus mit dem dat. pl, sunums entgegen, diesen dat. pl. wilkams awims sunums gleichen unmittel- bar die goth. vulfam avim (wenn ich richtig vermute) und sunum, was kann einleuchtender sein! Feminina auf-a machen den dat. pl. -6ms, ranka ranköms wie giba giböm, der gen. sg. bekommt -6s ranka rankös, galwa galw6s wie goth. giba gibös; der dat. rankai galwai läszt wenigstens keinen zweifei über das hohe alter des goth. gibai, wofür mir ein noch älteres gibö wahrscheinlich ist ; sogar in den ab- weichungen von der theorie waltet demnach ähnlichkeit. der gen. sg. masc. wilko entfernt sich von dagis, wie Ivxov und lupi, während rank6s wie (.lovörjg und gibös abstehn von aquae. Nicht zu über- sehn, dasz den litth. wilkas und ranka auch ableitungen zur seite stehn, die ihr I vor die flexion einschalten: sweczias, gen. sweczio, dat. pl. swecziams; wyniczia, gen. wynicziös, dat. pl. wynicziom, und wiederum werfen einige fem. im nom. sg. das -a weg: marti wie goth. mavi. diese abgeleiteten formen unterscheiden sich hier kenn- bar von der wahren Iflexion in awis, gen. awi6s, dat. pl. awims, dan- tis, gen. danti6s dat. pl. dantims, ganz wie sich der theorie nach goth. harjas dat. pl. harjam von gastis dat. pl. gastim scheiden müste. In der Ufiexion begegnen sunus gen. sunaus, dat. sunui, acc. sunu, nom. pl. sunus, gen. sunü, dat. sunums, acc. sunüs überraschend der 926 goth. flexion, nur dasz die goth. Verhältnisse noch reiner erscheinen, da sich z. b. der litth. nom. sg. und pl. mengen, die geschieden sein sollten, wie der nom. sg. awis vom nom. pl. awys (goth. aus aveis). Die litth. adjectivdeclination stimmt beinahe, doch nicht ganz zu der substantivischen und hat annäherungen an die deutsche weise, zumal im dat. sg., der von wilkas wilkui, von geras aber geram lautet, welches geram dem goth. gödamma gleicht; ich beabsichtige aber hi^r keine erörterung der flexionsconsonanz. naujas novus schaltet I ein, wie goth. niujis f. niujas. der I und Uflexion fallen die adj. didis magnus, platus latus, saldus dulcis zu, welche jedoch keine gleich- lautenden fem. bilden, sondern diesen didi, plati, saldi verleihen, ge- wis unorganisch.

Über die slavische flexion beschränke ich mich auf eine einzige bemerkung. wie die goth. spräche oft das A der flexion unausge- drückt läszt, pflegen sl. nominative auch das I und ü nicht zu setzen, sondern an deren stelle ein bloszes ' uiid " zu verwenden, nach ihrem allgemeinen schon s. 283 entfalteten lautgesetz. ogn' entspricht also dem skr. agnis, lat. ignis, litth. ugnis, goth. auhns (für auhnis pl. auhneis), aber s"in" dem goth. litth. sunus, tr'n" dem goth. |)aurnus. Man begreift, da lat. -us auch für die -asform eindrang, dasz ebenso sl. " zugleich das ursprüngliche a zu vertreten hat, z. b. in vl"k" litth. wilkas, pl"k" litth. pulkas, prach" litth. parakas; darum ist auslautendes ' weit seltner.

41'

XXXVII. DER INSTRUMENTALIS.

927 Unsere spräche vermag, gleich der griechischen, nicht mehr als vier casus, denn die spuren des vocativs und Instrumentalis sind sehr beschränkt, und nur im sg., ja fast nur in einer einzigen declination wahrnehmbar, dem pl. wie dem femininum überhaupt entzogen, auch der lat. unterschied zwischen dativ und ablativ schwindet im pl. und haftet blosz im sg., nicht einmal durch alle declinationen. Den gegen- satz hierzu bildet die casusfüUe der litthauischen, slavischen und die noch gröszere der finnischen spräche.

Mit dem reichthum der conjugation hält also die declination nicht gleichen schritt, sonst müste der vollen entfaltung griech. ver- balformen auch eine der nominalen zur seite stehn. die romanischen sprachen, noch lebendiger conjugation mächtig, gehn der declination beinahe ganz verlustig.

Den lat. dativ und ablativ pflegt die romanische spräche einfach so zu umschreiben, dasz sie für jenen die praeposition a (lat. ad), für diesen aber de verwendet, da nun de zugleich den genitiv um- schreibt, so werden gen. und abl. durch dasselbe mittel ersetzt, im begrif des dativs liegt näherung und Zuneigung, in dem des ablativs entfernung, welchen unterschied auch unsere praepositionen zu und

928 von ausdrücken; den genitiv aber umschreibt unsere lässige volk- sprache sogar mit beiden praepositionen: er ist vater von dem kind oder zu dem kind sagt sie statt vater des kindes. hieraus folgt, dasz ablativ und genitiv, oder instrumental und genitiv, dem begrif und der gestalt nach einander sehr nahe liegen.

Es ist unscheinbar, gleichwol bedeutsam in der geschichte unsrer sprachen, dasz die gothische, sonst formgewaltigere, in der entfaltung des instr, hinter der ahd. zurückbleibt.

Der goth. Instrumentalis ist nirgend am nomen, blosz noch am männlichen und neutralen pronomen zu spüren, und seinen character bildet der vocal fi. erinnern wir uns aus s. 844, dasz die Verdich- tung £ auf diphthongisches lA zurückleitet, so kann nicht befrem-

INSTRUMENTALIS 645

den, warum an der stelle dieser ^ ahd. lU und verengt fj eintrete, da ahd. lA und öfter tauschen, im sanskrit und zend werden aber die instrumentale durch das dem goth. E entsprechende A be- zeichnet (Bopp vgl. gr. s. 187 189).

Die persönlichen ungeschlechtigen pronomina zeugen keinen In- strumentalis, nur die demonstrativen und interrogativen.

In gleicher reihe stehen J)6, hv6 und svö und beide erstere ent- sprechen dem ahd. diu, huiu, alts. thiu, huiu. unverbunden findet sich goth. J)6 blosz in J)6 haldis eo magis Sk. 4, 3 = ahd. diu halt (Graff 5, 29), häufig aber in den praepositionalverknüpfungen bij)e und duj)6 = ahd. pidiu, zidiu, welchen sich noch andre von Graff 5, 31—35 belegte gesellen, eben so oft erscheinen die ahd. formein; diu mezzu, diu dingu u. a. m. (Graff 5, 29). mhd. dauern bediu, zediu fort, nhd. zuckt der instr. nur noch in desto == ahd. des diu, mhd. deste,

Hv6, dem zendischen khä entsprechend, kommt unverbunden vor II Cor. 11, 21 = ahd. huiu, später wiu und hiu (Graff 4, 1186) und praepositional in duhvß = ahd. zihuiu zihiu ziu (Graff a. a. o.), desgleichen anhuiu pihuiu fonahuiu (Graff 4, 1184); endlich in den adjectiven hvßlauds und hvöleiks, wofür kein ahd. huiulih, sondern huelih (Graff 4, 1207) auftritt, alts. huilic, mhd. nhd. welch.

Stutzig macht sv6, an dessen pronominaler abkunft und instru- 929 mentaler bedeutung im allgemeinen nicht zu zweifeln ist: es drückt aus cog, hat aber neben sich ein sva ovtcj, und beide verbunden svasve entsprechen dem lat, sicut. ahd. verflieszen beide partikeln in so, ags. in svä, wie die Zusammensetzungen sösö und sväsvä lehren. Auch entfernt sich sv6 darin von hv6, dasz den Verbindungen hv6- lauds und hvßleiks parallel kein sv6lauds svöleiks, vielmehr svalauds svaleiks gebildet werden, ahd. lautet letzteres söllh und bald ver- kürzt sollh sulih, nhd. solch, ags. svelc svilc. Bei der demonstrati- ven bedeutung dieses svalauds und svaleiks hatte ich seine wurzel in dem pronominalstamm sa so, skr. sa gesucht (gramm. 3, 43), Bopp hingegen (vgl. gramm. s. 189. 487. 589) findet sie im urstamm des ungeschlechtigen pronomens dritter person sva, aus welchem das V häufig schwindet (oben s. 262), leicht aber vereinigen sich beide an- nahmen in der Wahrnehmung, dasz auf höherem standpunct auch sa so aus sva svö entspringe und mit jenem pron. dritter person genau verwandt sei*, lauds in hv6lauds und svalauds hält Bopp s. 588. 589 zum skr. vant und lat. -lens in opulentus virulentus.

Die demonstrativ^ natur des sva ergibt sich nicht nur aus dem gegensatz zwischen svalauds und hvßlauds, svaleiks und hvßleiks, die dem lat. tantus quantus, talis qualis entsprechen; sondern auch aus der bildung eines ganz analogen ags. J)^lic, altn. pvlllkr, welche wie-

* ich erkühne mich nicht, so nahe es läge, das demonstrative T oder TH in tad und J)ata mit dem linguallaut des pronomens zweiter person zu vergleichen.

646 INSTRUMENTALIS

derum talis ausdrücken und denen goth. {)6leiks, folglicli auch J)6- lauks entsprechen würde, es war aber überflüssig sie einzuführen, da schon svaleiks und svalauds vorhanden waren, und blosz die ags. spräche hat diesen einflusz, denn die altn., welcher J)vilikr eigen ist, entbehrt dafür eines mit sva zusammengesetzten pronomens.

930 Auszer J)6 hv6 und sv6 sva erscheinen nun auch die gothischen formen J)6h hv6h und svah, zu deren deutung ich einen abrisz der formen für den pronominalbegrif hie haec hoc, weil sie auch in den instrumental greifen, einschalten musz.

Die goth. spräche, einstimmig mit der lateinischen, drückt diese Verstärkung der demonstration durch ein suffix H aus, welches dem lat. C genau entspricht, so erwachsen aus sa so pata die gramm. 3, 27 näher aufgeführten sah söh J)atuh. angenommen, dasz das vollständige suffix ÜH lautete, zeigen es nur die mit A, S oder M auslautenden casus und A schwindet, also bei J)ata pamma pana pis |)iz6s ])ans J)6s J)aim wird angehängt J)atuh ]3ammuh J)anuh J)izuh pizözuh J)anzuh |)6zuh J)aimuh, wogegen die langen vocale der flexion haften und das U verzehren, bei so J)izai J)ö pai J)ize J)izö demnach söh {)izaih pöh f)aih pizßh J)iz6h, und hierher fällt auch die suffixion des instrumentalen J)6, welche p6h lautet, dasz der nom. sg. masc. nicht suh, sondern nur sah heiszen kann, ist leicht einzusehn.

Die geschichte dieser form in den übrigen deutschen sprachen zu verfolgen fällt aber schwer, ich halte mich zuerst an den noch zum goth. panuh stimmenden altn. acc. sg. masc. J)enna, der im schwed. denna den ganzen sg. erfüllt, ebenso nähert sich der altn. nom. sg. neutr. J)etta dem goth. J)atuh und steht zum einfachen J)at, wie {)atuh zu pata. diesem J)etta entspricht schwed. detta, dän. dette, alts. thit thltt thet, fries. thit, mnl. dit ditte, nnl. dit, ahd. diz (mit dem harten Z, wie in scaz) und dizi, mhd. diz und ditze, bei dich- tem, die sich der nd. mundart nähern, z. b. im gr. Rud., bei Her- bort, im passional und in Urkunden auch noch dit; nhd. endlich dies oder dieses, doch hört man unterm volk noch ditz. Sehr auffallend weicht von allem ab das ags. J)is, welches sich auch im nordenglischen dialect, wie im heutigen engl, this findet und einen durchgreifenden unterschied der ags. und engl, mundart von jeder übrigen nieder- deutschen und nordischen hergibt. Der vocalauslaut der formen |)etta detta dizi ditze, und selbst noch die ausspräche des Z, lassen den

931 abfall des -h ahnen, folglich ein dem goth. patuh nahe kommendes neutrum erwarten. Andere casus zeigen aber, nach dem Wechsel zwischen H und S (s. 299. 305), suffigiertes -s, wobei vorzüglich der nom. sg. fem. alts. thius und ags. J)eos, der ags. acc. sg. fem. J)äs und nom. acc. pl. aller geschlechter J)äs, sowie der alts. instr. sg. thius, ags. J)eos in betracht kommen, weil hinter dem -s kein flexions- vocal folgt, offenbar ist aus dem alts. nom. thiu die suffigierte form thius und aus dem instr. thiu suffigiertes thius hervorgegangen, die sich verhalten wie goth. J)6 und J)6h, es heiszt Hei. 62, 24. 142, 4 mid thius, 147, 18. 161, 29 mid thius folcu, 119, 8 after thius.

INSTRUMENTALIS 647

warum nun hat der ags. nom. sg. fem. J)eos und nicht seos? wie doch gothischem söh entspräche? im ags. J)äs erscheint suffigiertes pä, was dem goth. J)6h d. i. suffigiertem entspricht. Hiermit sind aber die organischen formen zu ende, denn der sprachgeist musz sich geteuscht und dies auslautende -s für wurzelhaft genommen haben, weil er ihm für die übrigen casus die gewöhnlichen flexionen nach- schickt, da es doch als suffix noth wendig auslauten und die flexion vor sich haben sollte, so beurtheile man die ahd. d6s6r dSses dfe'semu desan u. s. w., blosz im neutr. diz und dizi mangelt der falsche stamm, genauer zugesehn, gewähren die frühesten ahd. denkmäler noch einige spuren des organischen zustandes, ich meine den nom. acc. pl. neutr. deisu, der aus ags. J)äs mahnend aus deis d. i. dei-s entsprungen ist, und vom gewöhnlichen disiu disu seine flexion entlehnt, ganz analog wird im Isidor der acc. sg. fem. dheasa statt des gewöhnlichen d6sa getroffen, sichtbar ist deasa suffigiertes dea, und sollte blosz deas wie ags. J)äs lauten, fügt aber nochmals die unorganische flexion bei, so dasz hier das -a des weiblichen acc. zweimal ausgedrückt steht, in de-a und deas-a. der ahd. instr. lautet disu, disiu, ein älteres diusiu oder noch besser dius wäre mögHch, einem solchen instr. diusu = alts. thius, ags. J)eos gleicht aufs haar das altn. J)visa, wo- für aber bald das scheinbar regelrechte pessu einreiszt. J)visa J)eos thius entsprechen alle dem goth. p6h. der wechselnde vocal in peos |)äs deisu deasa diusu pvisa, der wechselnde consonant in J)enna J)etta 932 J)essu J)visa entscheidet schnurstracks wider die annähme eines stam mes J)Ss oder dis.

Allein unsrer spräche stand für dieselbe demonstrative Vorstellung ehmals auch noch ein andrer einfacher pronominalstamm zu gebot, dessen wurzel HI lautete und, wie es scheint, im goth. his hija hita, his hizös his, himma hizai himma, hina hija hita declinierte, gleich dem persönlichen pronomen is si ita, nui' den nom. sg. f. setze ich abweichend an. es ist jedoch auszer himma und hita nur aus hina- dag (neben himmadaga) der acc. sg. masc. hina zu entnehmen, und aus der partikel her neben hidr6 (analog dem J)ar und J)a|)r6) ein instr. he zu folgern, die ahd. adverbia hiutu, hiuru und hlnaht (für hianaht), mhd. hiute hiure hinaht und hinte, nhd. heute heuer und heint (s. 432) kündigen uns ebenso den instr. hiu und acc. f. hia an, aus der partikel hiar = goth. her (s. 844) neben dem instr. hiu = goth. he entnehme ich willkommne Bestätigung der Identität des instrumentalen lA lU = £. Das ags. heodäg bezeugt den instr. heo, dessen diphthong zu dem in peos stimmt, wichtiger ist, dasz die ags. und fries. spräche ihrem geschlechtigen pron. dritter person überall den anlaut H verleihen, d. h. für goth. is si ita he heo hit verwenden, was den Zusammenhang der persönlichen und demonstra- tiven pron. ins licht setzt, von mir aber hier nicht weiter ausgeführt werden soll.

Dies goth. his hija gleicht aber, nach dem Wechsel zwischen H und SZ (s, 385) dem litth. szis szi, mit welchem wiederum szendiSn

648 INSTRUMENTALIS

oder sz^ dien^ heute und szymet heuer (von metas jähr) gebildet werden; es gleicht noch mehr dem stamm des lat. hie haec, dessen H hier (wie in habere und haban) mit der deutschen spirans zu- sammentrift, da sie gewöhnlich dem lat. C entspricht, ich sagte dem stamm, denn man gewahrt leicht, dasz mit der einfachen reinen ge- stalt dieses pronomens allerwärts eine suffigierte gemischt wird, das Suffix ist aber C, wie bei sa so pata H, und schon diese analogie reizt zu genauerer betrachtung der lat. formen. 933 Fast alle lat. pronomina mengen ihre flexionen; jenen einfachen

stamm mag man aus der analogie von is und quis rathen. ich vermute :

his

hea

hid

pl. hi

hae

hea

hujus

hujus

hujus

horum

harum

horum

hui

hui

hui

hibus

hibus

hibus

hum

ham

hid

hos

has

hea

ho

ha

ho

his

his

his

hea folgt dem ea und ist umgesetztes AE, welches kein organischer nom. sg. f. sein kann, quae wird also wieder aus quea herrühren; durch diese änderung werden auch nom. sg. und pl. f. geschieden, wie sich nom. pl. f. und neutr. sondern, welche ursprünglich nicht zusammengefallen sein können, hum und ham ergeben sich aus hunc und hanc, vgl. tum tunc, num nunc mit tam nam. durch ho er- klärt sich hodie, bei welchem kein hoc die anzunehmen ist. der meiste zweifei bleibt hängen auf hid, welches zwar dem id quid folgt ; doch hoc folgt leichter aus hod, welchem quod zur Seite träte.

Das saffix scheint die bedeutung nicht zu ändern, höchstens zu .stärken; die volle gestalt wäre [vgl. Haupt 7, 450]

sg. hie heac hoc pl. hie haec heae

hujusce hujusce hujusce horunc harunc horunc

huic huic huic hibusce hibusce hibusce

hunc hanc hoc hosce hasce heac

hoc hac hoc hisce hisce hisce

wie sich im goth. nach -s uh statt h anhieng, so hier ce statt c in hosce hasce hisce; lat. que entspi'icht dem goth. uh. heac für haec ist gleich nothwendig wie hea ; hie steht für hisc oder hisce, hoc für hodce, assimiliert hocce, vielleicht wie ecce für idce? die doppelform hoc und hocce kann dann hicce haecce huncce herbeigeführt haben, hibusce und horunc harunc kommen vor. huic hunc hanc hoc haben die einfache form verdrängt, umgedreht trugen die einfachen hi hae den sieg davon, dem nom. sg. neutr. schiene hocce anpassender als hoc, welches günstig dem abl. verbliebe. 934 Nach dieser abschweifung kehre ich zum deutschen instrumental

zurück, die goth. J)6 und J)6h, bij)6 und bij)6h, hv6 und hv6h, duhvö und duhvßh werden, ihrem sinne nach, so unmerklich oder gar nicht verschieden gewesen sein, wie die lat. hoc und hocce, his und hisce. bij)6h scheint gern zu stehn, wenn unmittelbar pan folgt Luc. 4, 42. 5, 4. 7, 12. Joh. 12, 13. und so verbinden sich auch uhpan, selbst

INSTRUMENTALIS 649

in die engere assimilation ujppan, was weiter auszuführen nicht hier- her gehört, svah Joh. 15, 9. 17, 18 drückt aus was sonst ein- faches sva.

Seltsam jedoch erscheint dies instrumentale suffix -ßh einigemal dativischen ausgängen angehängt und von hvazuh hvammßh, von hvarjizuh hvarjammßh, von ainshun ainumm6hun (Rom. 12, 17) ge- bildet, wo man hvammuh hvarjammuh ainummahun erwartet, offen- bar sind dies abirrungen der Schreiber oder der ausspräche selbst, keine wahrhafte instrumentalform, so findet sich auch hvanöh für hvanuh (analog dem J)anuh) geschrieben, nach dem öftern unorganischen Wechsel der laute IJ und ö. man könnte^ sich begnügen zu sagen, dasz sich in solchen fällen A in i] oder 0 verlängere (wie in sva sv6, sa so); dabei würde aber der einflusz des U in uh, oder auch des bloszen H auf die vorstehenden vocale nicht angeschlagen.

Bisher haben wir gesehn, dasz der gothische instrumental auf wenige pronomina und die damit gebildeten partikeln eingeschränkt ist; der ahd. hat ein weiteres feld, und doch ein enges im vergleich zu einigen andern urverwandten sprachen, in der regel läszt er sich noch am sg. männlicher und neutraler nomina erster declination aus- drücken; also nicht am fem. überhaupt, nicht im pl. und nicht an männlichen und neutralen Wörtern der andern declinationen.

Dieser ahd. instr. endigt nun auf ti, welchem man nothwendig länge ertheilen musz, da es aus verdichtet ist (wie lühhan claudere aus liuhhan, üf aus iuf = goth. iup) und gothischem E = lA ent- spricht, auch haben die pronominalinstr. diu huiu hiu behalten und noch einzelne substantiva zeigen es in den ältesten denkmälern, z. b. Diut. 1, 271^ ex ruinis fona falliu und im Hild. billiu, wo der dat. falla, billa lauten würde, allmählich aber mag sich dies U wie andere längen in den flexionen gekürzt haben. Mit der zweiten hälfte 935 des neunten jh, erlischt der regelmäszige instr. und schon N. bedient sich seiner nicht mehr, er hat ihn nur noch in den partikeln ziu bediu zediu mittiu und mit allo, so erhält er zieh durch die mhd. zeit in bediu zediu zwiu, wogegen es schon mit alle betalle heiszt. Ahd. des diu wurde schon bei Notker des te, bei Willeram des de, mhd. deste, nhd. desto, welches uns der letzte Überrest ^es instr. geblieben ist.

Hauptursache der untergehenden form war, dasz die praepositio- nen, welche der blosze instr. entbehrlich machte, allmählich neben ihm ausgedrückt wurden, wenn es im Hild. lied noch heiszt "^sperü wer- pan', so steht schon daneben "^mit g6rü infähan und "^bretön mit sinü billiu , statt des schöneren gerü infähan, breton sinü billiu, oder in der vindemia basileensis 'mid aldü waiffü rip' statt aldü waifa rlp. Isid. VIII*, 3'' '"slnes mundes gheistü standit al iro meghin', spiritu oris ejus omnis virtus eorum; XVIII^, 1 '"quhad heilegü gheistü', sprach in oder mit heiligem geist; T. 47, 2 aber schon "^quid mit wortü' ; T. 44, 12 "^choufit mit scazzü'; T. 196 'giwätitan mit wizü giwäti', statt giwätiu, dem subst. wird die instr. form erlassen, weil sie das

650 INSTRUMENTALIS

adj. ausdrückt, der dativ würde bei der praep. eben so deutlich sein, wie er es auch im pl. oder bei femin, ist. Die angezog- nen beispiele lassen aber nicht zweifeln, dasz der ahd. instrumen- tal sich auf männliche und neutrale substantiva und adjectiva er- streckte.

Gleiches gilt vom altsächsischen, das in den pronominalen thiu thius huiu (oder hui, wenn so für hiu deutlich zu lesen) tethiu bethiu fanthiu u, s. w, wahrenden subst. und adj. hingegen zeigen verengtes Uz. b. ""mid durthü (lolio) obars6u Hei. 77, 23; 'farcopös mid thinü cussu 147, 19.

Der ags, instr. schwankt zwischen den lauten -6 und -y, nicht blosz im pronomen, sondern auch subst. und adj., wie diese vocale sonst in andern Wörtern einander vertreten (gramm. 1, 366), weshalb sich solches E nur unsicher dem goth. £ gleichstellen läszt. denn gewöhnlich entspricht dem goth. ^ ags. M (gramm. 1, 360), zuwei- 036 len jedoch E (1, 361); um so weniger darf man kurzes -e ansetzen, einigemal erscheinen beide formen -6 und -f unmittelbar neben- einander,

Auszer den pronominalen J)© oder J)y, J)ys oder J)eos, und hvä- dre (ahd, diu huedarü), bieten zumal die gedichte viel beispiele für subst. und adj., ohne und mit praeposition. ich lasse in den belegen das verbum weg: bilde modß exon. 138, 23; Ißgene sveorde El. 756; f;fren6 sveorde Csedm. 18, 17. 95, 8; ealdß möcß Csedm. 209, 5; mägene micle Csedm, 216, 15; J)y sldß Csedm. 173, 10; odr6 side (alts. odar sidü) Beov. 5337. 6197. Andr. 706. 808. 1675. 1700; braute ceole Andr. 273; micle mägenj)rymm6 El. 734; cordr6 micle (agmine magno) Andr. 1205; cordre ne lytle (copiä non parva) exon. 36, 19; J)ine feor6 Andr. 284; \)j fyrste Beov. 5142; |)y J)riddan däge El. 185. 485; geald yfel yfele (rependit malum malo) El. 493; bei comparativen : lytle ser (paulo prius) El. 663; ]>e sei and |)y fäst- licor El. 795; p6 glädra (eo laetior) El. 955; micle leofre (multo gratius) Beov. 5298. mit praeposition: mid ealle (ahd. mit allü) exon. 60, 28; mit bearhtme El. 864; mid dysige El. 706; mid |)y folce Andr. 1643; mid l^f vsege Andr. 1594; mid J)y bille Csedm. 177, 17 = ahd. mit diu billiu; mid J)yslice J)reäte exon. 32, 23. Von den dativflexionen sind also die instrumentalen abweichend, die dative würden lauten: blidum möde, legenum sveorde u, s. w. Nicht selten wird aber auch statt der instrumentalen form des adjectivs die schwache gebraucht, z. b. deoran sveorde Beov. 1116; biteran strsele Beov. 3489; blödigan gär6 Beov. 4876 für deore bitere bl6dig6, ja nach vorangehendem instriimentalem artikel : mid J)y ealdan lige exon. 94, 28; in solchen fällen mag gestattet sein, dem subst. die dativ- flexion sveorde strsele gäre lige zu verleihen*.

* zu comparativen fügt die ags. spräche den dativ, nichtden instr., wiedas beigesetzte adj. entscheidet, man sa^t: cenra vildum eofore, audacioraprofero, nicht cenra vilde eofore. ebenso heiszt es ahd. hluttror leohte, nicht leohtu.

INSTRUMENTALIS 651

Die altn. spräche steht hier bedeutend von der ahd. alts. und 937 ags. ab: sie kennt die dem goth. J)6 hve, ahd. diu huiu entsprechenden formen pvi hvi, braucht sie aber eingeschränkt nur für das neutrum, nicht mehr für das masc. und ausgedehnt zugleich für den dativ. an- ders ausgedrückt, das neutrum hat im sg. die dem masc. gleiche da- tivgestalt J)eim hveim eingebüszt und insgemein an dessen stelle den instr. gesetzt, was den character VI betrift, so erklärt er sich aus ÜI d. i. umgestelltem lU, der auslaut wurde aber nach der regel ver- längert. Eine andere schranke des altn. ist die, dasz er sich über jene pronomina hinaus nur auf adj., gar nicht mehr auf subst. er- streckt, welche gerade umgedreht ihre dativform auch für den instru- mentalbegrif gelten lassen, die adjectivischen neutra besitzen blosz den instr. auch für den dativ, die masculina blosz den dativ auch für den instr. dieser adjectivische instr. des neutr. geht aber nicht auf -VI sondern auf -u aus, welches wiederum früher und Verdichtung des ursprünglichen TU gewesen sein musz ; ich wage aber nicht dem -u die länge zu ertheilen, weil schon häufig -o steht, auf diesem wege allein kommen pvi und hvi mit den adj. instrumentalen gödu blindu u. s. w. unter einen hut. Darin ist die altn. syntax im vor- theil, dasz sie ihre durch das neutrale adj. hervorgehobnen instru- mentale meistens noch ohne praeposition construiert und ihr ""höggva hvössu sverdi' ist so deutlich wie das ahd. '"houwan huassü suertu und besser als das nhd. 'mit scharfem Schwerte hauen . aber ahd. "^langü g6rü werfan müste altn. ausgedrückt werden laungum geiri'. Ssem. 66^ heiszt es 'aurgo baki vera', allein "^leika lausum hala', weil bak neutrum, hali masc.

Schweden und Dänen bleibt vom instr. nichts übrig, als die Par- tikeln ty und hvi, dän. ti (einige schreiben thi) und hvi. den (star- ken) adj. ist längst alle flexion erloschen, in den partikeln laufen aber 938 die bedeutungen so und warum zusammen mit denen von denn und wie.

Die griechische spräche weisz von gar keinem instr. oder abl., die lat. scheidet dat. und abl. nur im sg. nicht mehr im pl.,- doch im sg. auch für feminina. die litthauische sondert dativ, instrum. und localis überall in pron. subst. und adj., im sg. wie pl. und in beiden geschlechtern. auch die Slaven sondern, und entrathen der praepo- sition.

Um solches mangels oder solcher schranke willen steht unsre spräche wieder näher der gr. und lat., ferner der sl. und litth., die an eine noch gröszere finnische casusfülle grenzen, aber den ahd. und ags. dialect sehn wir mehr dem latein, den goth. mehr dem griechischen angeschlossen : der nordische hält eine mitte zwischen dem ags. und gothischen.

dasz der Gotha nur den dat. setzen kann versteht sich, die lat. spräche stellt aber richtig zu comparativen den abl. nicht den dat., denn der dat. veranlaszt Zweideutigkeit, z. b. ein goth. liuböza mis kann ausdrücken carior mihi und carior me.

XXXVIII. SCHWACHE NOMINA.

939 Als ich vor langen jähren einen ins äuge fallenden unterschied

deutscher conjugation wie declination zum erstenmal benannte, schweb- ten mir noch nicht alle gründe vor, welche die wähl desselben aus- drucks für beide fälle rechtfertigen und rathsam erscheinen lassen, aber es ist in der natur unsrer spräche tief enthalten, dasz sie einer ursprünglichen und innern form der flexion im verfolg der zeit noch eine andere, äuszerliche hinzufüge, die jene vertreten und ersetzen helfe (s. 877). Wie zu dem ablautenden praet. ein mit consonanten gebildetes sich gesellte haben wir wahrgenommen; nicht anders kommt zu der alten declination eine neue, durch einschaltung von N erzeugte, beidemal wird die alte einfache aber mächtige flexion stark, die jün- gere, auf äuszerem hebel beruhende schwach heiszen dürfen, beide- mal kann zuletzt das kennzeichen schwacher form dort bloszes D oder T, hier bloszes N sein, und wenn sogar jenes D in der mnl. mund- art ausfiel (s. 891), erblicken wir in allen unsern sprachen beim nom. sg. jedes geschlechts, in fries. und altn. aber für sämtliche casus das N schwacher declination wegfallend ; dann ist von der schwachen form nichts mehr übrig als der durch das unterdrückte D und N bedingt gewesene auslautende vocal. die verkürzte gestalt des nom. sg. schwacher decl. gegenüber dem vollständigen pl. hat unverkennbare

940analogie zum gothischen sg. schwacher praet. gegenüber dem pl. Noch entscheidender tritt aber diese analogie darin hervor, dasz im hintergrund der schwachen flexion jedesmal eine starke liegt, und wie das angehängte -da auf das starke praet. dada zurückgeht, ebenso dem eingeschalteten N ursprünglich die starken flexionen beigefügt wurden. Das in der schwachen conjugation enthaltne verbum thun' hatten auch, wie nachgewiesen wurde, die urverwandten sprachen, und es wird sich nachher ausweisen, dasz ihnen das charakteristische N unsrer schwachen declination ebensowenig gebrach ; allein die deut- sche spräche, ihrer ganzen art und weise nach, entfaltete aus beiden ein durchgreifendes gesetz, und eben diese gemeinschaftliche anwendung

SCHWACHE NOMINA 653

beider formen ist es, welche der für beide eingeführten gleichmäszigen benennung das siege! aufdrückt.

Das Verhältnis starker und schwacher declination läuft nun auf zwei eng verflochtne grundsätze hinaus, der erste ist, dasz die starke Substantiven und adjectiven eine zwar ähnliche, aber wesentlich abweichende form angedeihen läszt, die schwache hingegen beide unter einer und derselben form vereint, der andere, dasz substantiva einer von beiden formen, entweder der starken oder schwachen überwiesen, adjectiva beider zugleich fähig sind, substantiva, ihrem begrif zufolge, bestimmten gegenständen zugetheilt müssen ein festeres element an sich tragen als adjectiva, die eine allgemeinere, mehrern gegenständen gebührende eigenschaft ausdrücken, wie jedes einzelne adjectiv steiger- bar erscheint und aus seinem positiv einen comparativ und Superlativ entwickelt, hat unsere spräche seine beweglichkeit noch dadurch er- höht, dasz sie zugleich fast auf allen diesen stufen auch den unter- schied starker und schwacher flexion gelten läszt. diese manigfalten, der Syntax und dem woUaut förderlichen adjectivgestalten bilden ein unterscheidendes merkmal deutscher spräche gegenüber den meisten urverwandten. Nur ausnahmsweise wird einzelnen unsrer adjective starke oder schwache form entzogen und nur ausnahmsweise sind substantiva gleichfalls beider formen theilhaft.

Aus dem gesagten folgt, dasz die schwache flexion der nomina941 noch weit dynamischer sei als die der verba. man könnte sich denken, dasz im verbum beide formen, starke und schwache nebeneinander und mit verschiedner anwendung walteten ; gewissermaszen hat auch jene das praet. verschiebende anomalie beide zusammen aufgestellt, in der regel aber steht dem verbum wie dem substantivum nur die eine oder die andere flexion zu gebot, uns es ist abweichung vom Organismus, dasz ahd. neben prähta prähtun auch ein pranc prungun vorkommt, dasz wir heute neben boU und wob auch bellte und webte uns gestatten oder umgekehrt die Volkssprache für jagte und kaufte ein jug und kief zu brauchen wagt, denn hier hat eine form die andre verdrängt, ohne dasz beide zugleich in verschiedenem sinn an- gewendet würden; so sind allenthalben eine menge substantiva aus der starken declination in die schwache oder aus der schwachen in die starke übergetreten, wenigstens bezeugen solche Übergänge die möglichkeit einer gleichzeitigen anwendung beider flexionen auch für das verbum und substantivum.

Um nun auf das wesen der schwachen nominalfiexion selbst einzugehn, so ist vor allem wahrzunehmen, dasz sie hauptsächlich von der Aform gilt, wonach auch ihr vocalismus ganz beschaffen sein musz.

Im masc. herschen kurze, im fem. lange vocale, das neutrum wird aus masc. und fem. zusammengesetzt, so dasz sein gen. und dat. jenem, nom. und acc. diesem folgen, spur des Instrumentalis nirgend, auf das paradigma der subst. mag gleich das der adj, folgen :

654

SCHWACHE NOMINA

942

sg-

hana

tuggö

hairtö

hanins

tuggöns

hairtins

hanin

tuggön

hairtin

hanan

tuggön

hairtö

pl.

hanans

tuggöns

hairtöna

hanane

tuggönö

hairtane

hanam

tuggöm

hairtam

hanans

tuggöns

hairtöna

sg.

blinda

blindö

blindö

blindins

blindöns

blindins

blindin

blindön

blindin

blindan

blindön

blindö

pl.

blindans

blindöns

blindöna

blindanö

blindönö

blindanö

blindam

blindöm

blindam

blindans

blindöns

blindöna

Der schöne vocalwechsel erklärt sich leicht; alle männlichen flexionen erscheinen der zweiten conj. gemäsz; in den weiblichen waltet ganz der schwere ablaut der dritten des sg. und pl. tuggö tuggöns wie för forum, die neutralflexion bietet durch mischung beider günstigste Verschiedenheit, mit der starken flexion begegnet sich die schwache allein im acc. pl, masc. blindans und dat. pl, aller geschlechter des subst., da hanam tuggöm hairtam lauten wie dagam giböm vaurdam, doch die adj, dat. pl. blindam blindöm blindam stehn ab von blindaim blindaim blindaim,

Nun fragt es sich aber auch nach den vocalen der schwachen flexion für wörter der I und üform? offenbar gehört jener an der häufige diphthong EI, welcher durchaus nur in weiblichen Wörtern, dem 0 der Aform parallel erscheint; man sollte AI erwarten, da sich in schwacher conjugation 0 und AI zur Seite stehn und beide 0 und AI (nicht EI) ablaute der dritten und vierten reihe sind, dies EI haben eine menge schwacher subst., die sich aus adjec- tiven oder andern subst, herleiten: managei manageins managein managein pl. manageins manageinö ^manageim manageins, ganz wie tuggö, nur dasz überall EI an des 0 stelle tritt. Von adjectischen Wörtern aber empfangen dasselbe EI höchst auffallend drei classen, deren masculina und neutra der Aform huldigen, nemlich die weiblichen Superlative auf UM, alle und jede weiblichen compa- rative und alle weiblichen participia praesentis: frumei, hleidumei; blindözei maizei; gibandei salböndei, das Verhältnis wird am an- schaulichsten werden, wenn ich die männliche und neutrale form hinzustelle :

943

sg-

fruma

frumei

frumö

frumins

frumeins

frumins

frumin

frumein

frumin

fruman

frumein

frumö

SCHWACHE NOMINA 655

pl.

frumans

frumeins

frumöna

fruman6

frumeinö

frumane

frumam

frumeim

frumam

frumans

frumeins

frumöna

was ist der grund dieses merkwürdigen Unterschieds in den formen der drei geschlechter ? icli zweifle nicht, dasz hier das fem. dem ursprünglichen character I allein treu geblieben ist, während masculina und neutra, wie wir auch bei der starken flexion häufig wahrnahmen, zum A übergiengen. darum stehn den weiblichen schwachen subst. auf -ei keine männlichen zur seite, sondern nur auf -a oder -ja, wie zu frumei und gibandei das masc. fruma, gibanda lautet. Da die Iflexion masc. und fem. völlig gleichsetzt, so darf man vermuten, dasz früher auch das adjectivische masc. frumei maizei blindözei hatte, ja ich erwehre mich des Schlusses nicht, dasz ursprünglich allen positi- ven der adj. zweiter declination eine für masc. und fem. gleichlautige schwache form auf -ei zustand, also vom starken s6ls s6ls ein schwa- ches selei s6lei gebildet wurde, eine spur scheint wirklich noch Eph. 6, 16 eine hs. zu gewähren, die statt des neueren 'jois uns6ljins' der andern das alte '{)is unsßleins' gibt, im gen. pl. fem. würde ich -eine dem -einö vorgezogen haben, stände nicht ausdrücklich manageinö Luc. 2, 31, gödeinö, hazeinö Philipp. 4, 8.

Nach diesem aufschlusz über I wäre auch den adjectiven mit ü ihre schwache form leicht zu weissagen, sie hätte dem EI paralleles lU, oder dem vermuteten AI entsprechendes zu zeigen, dem starken hardus hardus zur seite sollte ein schwaches hardiu hardiu gen. hardiuns? oder lieber hardau hardau, gen. hardauns zustehn. Eph. 3, 10 bietet für 'so managfalpö handugei' eine hs. dar 'so filufaihu handugei', von filufaihus TtoXvnoi'Kilog. filufaihiu oder filufai- hau wäre annehmbarer, hierher gehören endlich zwei schwache sub- stantiva, die ich früher falsch aufgefaszt habe: alabalstraun Luc. 7, 37 acc. von alabalstrau, und byssaun Luc. 16, 19, dativ von byssau, deren geschlecht ich unbestimmt lassen will, es sind zwei fremde, 914 wahrscheinlich den Gothen längst aufgenommne Wörter, alä^aötgog und ßvööog, wie das dem ersten eingeschaltete L bestätigt, zugleich würde damit das vermutete hardau wahrscheinlich, doch mag die Sprache, wie sie vom starken hardus J)aursus den acc. masc. hardjana paursjana bildet, längst auch ein schwaches hardja hardjö, paursja J)aursj6 nach der Aform vorziehen.

Genug von den vocalen der goth. schwachen flexion; wichtiger ist es auf das kennzeichen N zu achten, welches wir blosz dem nom. sg. und dat. pl. aller geschlechter mangeln sehn, es heiszt hana tuggö hairtö, blinda blindö blindö, managei frumei gibandei, und ebenso im dat. pl. hanam tuggöm hairtam blindam blindom blindam manageim frumeim gibandeim, ohne N. doch scheint es ausnahmsweise im dat. pl. einiger masc. und neutra zurückgeblieben, von aba maritus wird nicht abam sondern abnam, von vatö aqua, namö nomen nicht vatam namam, sondern vatnam namnam gebildet, wobei freilich auch der

656 SCHWACHE NOMINA

vorstehende vocal schwindet, denn es sollte heiszen abanam vatanam namanam, da aber zugleich die gen. pl. gekürzt werden und abn6 für aban6, vatn6 namnß f. vatan6 namanö, ja im nom. acc. pl. neutr. vatna namna f. vatöna namöna; so hat man allen fug aus dem ge- kürzten gen. pl. auhsne boum den dat. pl. auhsnam zu folgern, wäh- rend der sg. auhsa auhsins, der nom, acc. pl. auhsans behält, starke singulare abns auhsns oder vatn namn anzusetzen wäre unstatthaft. Lassen diese dative pl. abnam auhsnam vatnam namnam ein älteres abanam auhsanam vatanam namanam ahnen, warum soll man nicht weiter gehn und auch den nom. sg. mit dem character N in einklang zu stellen suchen? die folgenden formen dürften leicht noch gewagter erscheinen als die s. 912 für die starke declination vorgeschlagnen: 945 sg. hanans tuggöns hairtön

haninis tuggönos hairtinis

hanini tuggönö hairtini

hananan tuggöna hairtön

pl. hanan6s tuggönos hairtöna

hananß tuggöne hairtanß

hananam tuggönöm hairtanam

hananans tuggönos hairtöna

und desgleichen im schwachen adj.; auf ähnliche weise würden sich auch die feminina auf EI gestalten und ein nom. sg. manageins fru- meins einem pl. manageineis frumeineis entgegenzusetzen sein. Solche formen hätte die wirkliche flexion nur im gen. pl. aller geschlechter und nom. acc. pl. neutr. bewahrt, angenommen aber, der vocal der penultiraa sei im gen. dat. sg. masc. neutr. durch einen rückgrif der ultima bestimmt worden und haninis für hananis entsprungen; so gewinnen wir aus dem I des dat. hanin = hanini willkommne be- stätigung des s. 915 gemutmaszten dagi für daga. vocalischen aus- gang des dat. sg. forderte schon das -s des gen. sg. die dreisilbigen hairtöna hananß tuggönö hairtanß begehren aber nothwendig auch drei Silben für alle übrigen flexionen, mit ausnähme des nom. sg., dessen zweisilbigkeit der einsilbigkeit von dags neben den zwei silben dagis dage dagam parallel steht, eine noch ältere gestalt hananas tuggönas hairtonan (?) würde auch der nom. sg. zeigen dürfen.

Damit ich mich nicht versteige, die wirklichen gekürzten formen lassen sich zwar aus den volleren begreifen, aber diese liegen ganz auszer dem bereich der geschichte unsrer spräche und es musz, seit die abstumpfung statt fand, bereits undenkbare zeit verstrichen sein. Dessen werden wir zumal durch einige pronominalformen vom höchsten alter versichert, offenbar nemlich ist mit seinen beiden vo- calen das ehrwürdige sa so dem hana tuggö, noch klarer dem blinda 946blindö analog*, und im interrogativum hvas hvö hat sich sogar das

* geht diese analogie so weit, dasz man aus sa so, dessen übrige casus untergegangen sind, einen gen. sins und sons, wie blindins und blindöns folgern dürfte? man erwäge was nachher über das ags. heo neben manegeo gesagt

SCHWACHE NOMINA 657

mäniiliclie kennzeichen erhalten, welches mit seinem gen. hvis dem vermuteten dagas dagis zu statten kommt, hvas läszt also auch auf ein älteres sas schlieszen. aber schon im skr. sa sä, zend. hä, gr. 6 t) steht dem fem. ein vocalisch auslautendes masc. zur seite, während das lat. fragwort quis quae zu hvas hvö stimmt, das gr. relativum ög rj' gleichfalls -s behauptet, auch ist der bedeutung nach das skr. sa sa pronomen dritter person, kein demonstrativum wie das goth. sa so, gr. o ?;.

Bevor ich mir weitex'e Schlüsse erlaube, musz die schwache form der übrigen deutschen sprachen erwogen werden.

Ahd. ist der reine vocal A ganz aus der schwachen decl. ge- schwunden und durch 0 ersetzt worden, es heiszt hano hanon für goth. hana hanan und im pl. hanon hanonö hanom hanon für goth. hanans hananß hanam hanans. denn nur hanonö hanom kann man den gen. dat. pl. nach^der theorie ansetzen, wenn sich schon all- mählich aus dem fem. 0 eindrängte und hanonö hanom entsprang, mehrere denkmäler geben dem acc. sg. und nom. acc. pl. masc. -un für -on, doch ist -on besser, weil dem -o des nom. sg. entsprechend und dem goth. -an näher, gen. und dat. sg. haben I gehegt. Notker decliniert: hano hanen hauen hauen, pl. hanen hanön hanön hauen; das -0 im nom. sg. hielt stand, wie noch mhd. in den eigennamen Otto Hesso Boppo Omo, nhd in Otto Hugo (s. 840). der lange vocal des gen. pl. -önö wirkt spät nach, nicht nur in Notkers -ön, sondern auch im abgestumpften -o, wie es Grieshabers predigten zeigen: der hailigo sanctorum 1, 54. 55. der töto 6warto gebain 1, 52. 152. fiumf joch ohso 1, 44. der behalteno servatorum 1, 49. der rehto justorum 1, 154. weck der guoto werche via bonorum operum 1, 164.947 166, welches letzte beispiel lehrt, dasz das -o der starken gen. pl. längst in -e geschwächt war. Schwache feminina wahren den goth. vocal nur im gen.^dat. pl. zunköno zunköm = tuggönö^tuggöm, aber der nom. sg. hat A zunkä, alle übrigen casus haben Ü für 0: zun- kün. zunkä für tuggö möchte ich fassen wie ahd. takä für goth. dagös, nach dem schwanken des pluralablauts zweiter conj. ; wie ahd. trätum für goth. trödum eintrat, scheint mir auch takä für dagös, zunkä für tuggö gesetzt, die alten glossae cassell. lassen nicht umsonst schwache feminina auf -6 statt ausgehn, sie schreiben F, 15. 16 zweimal marhe d. i. marhß für jumenta (= jumentum) equa, statt des gewöhnlichen merihä gen. merihün und, wodurch man der quan- tität sicher wird, E, 15 altee articulata*. so gut in ahd. flexionen

werden wird, und dasz die altn. spräche äuszerlich 'sä inn' häuft (gramm. 4, 379. 431), folglich könnte schon in sa so ein suffix N gelegen haben.

* articulata musz ein romanischer ausdruck statt des lat. articulus sein, alte = altä membrum, articulus, ein sonst unerhörtes wort, verständigt uns endlich über das mhd. altvü, mnd. aldefil hermaphroditus, der mehr als ein glied hat, welcher ausdruck in mhd. eigennamen scheint (Marchwart Altfil MB. 2, 344 a. 1180. Marquart Altvil MB. 7, 450 um 1190) und im Ssp. 1, 4, ich nehme dazu das allgäuische altelos bei Schmeller 1, 52, welsche aelod

ärimm, geBchichte der deutsclieii spräche. 42

658 SCHWACHE NOMINA

goth. Ö haftet, nicht zu ÜO wird, kann hier auch E stehn geblieben, nicht zu A geworden sein, diesem !E werden wir auch bei den Angel^^ Sachsen begegnen, alhnählich schwächt sich aber der laut des ahd. weiblichen nom., sei er oder -6 gewesen, in kurzes -a, und Notker schreibt entschieden zunga, behält jedoch das unorganische, oblique -ün. Schwache neutra bilden auch ahd. ihren nom. und acc. der weiblichen, ihren gen. und dat. der männlichen form gemäsz: herzä herzin herzin herzä, pl. herzün herzonö herzom herzün (im gen. dat. pl. hernach herzonö herzom). Überall sind in der ahd. form die goth, -s des gen. sg. und nom. acc. pl. gewichen, so dasz in hanin

948 goth. hanins und hanin, in zunkün goth. tuggöns und tuggon zusam- menfallen, auch der acc. sg. hanon zunkün nicht mehr vom acc. pl. wie goth. hanan von hanans, tuggon von tuggöns geschieden werden kann. Beim adj. verhält sich alles ebenso.

Den goth. weiblichen subst. auf -ei entsprechen ahd. auf -i, zahlreich erscheinend, aber ihrer flexion nach einen doppelten ausweg nehmend, entweder führen sie das schwache N auch in den nom. sg. (was meiner Vermutung eines älteren goth. managein und noch älteren manageins für managei zu statten kommt) und lassen alle casus gleichlauten : manakin manakin manakln manakin ; oder streifen umgedreht überall das N ab und bilden ein scheinbar starkes manakl manaki manaki manakl. den ^oth. comparativen maizei blindözei entspricht aber kein ahd. ausgang auf -1, vielmehr sind alle feminina, wie schon die goth. masc. und neutra, jetzt auch der Aform zuge- than und lauten mörä plintörä. Die participia praes. hingegen haben die ursprünglich schwache form ktJpanti ktjpanti köpanti = goth. gibandei gibandei gibandei, wofür hernach gibanda gibandei gibandö gilt, als scheinbar starke mit abgeworfner flexion für alle geschlechter gesetzt, weshalb vielleicht richtiger köpanti kSpanti kepanti zu schrei- ben wäre;* aber sie fügen auch die starke flexion hinzu: köpanter kepantiu köpantaz und bilden die gewöhnliche schwache ktjpanto kfe'pantä köpantä. die schwache flexion ist also hier zweimal, nach der Iform organisch, nach der Aform unorganisch angewandt.

Mhd. sind alle schwachen flexionsvocale verdünnt zu E, doch besteht die gleichheit der substantivischen und adjectivischen. noch immer tauchen einzelne feminina wie menigin vinsterln auf, obwol menege vinstere vorhersehen.

Nhd. ist vielfache Verderbnis eingerissen, beim masc. die ge- ringste, denn subst. wie äffe böte bube hase knabe ochse waise halten

949 noch die mhd. regel, welcher auch alle schwachen männlichen adj. ohne ausnähme folgen, dagegen haben sich viele subst. verändert; indem sie 1) den gen. -ens für -en bilden; böge brate brunne daume

membrum, selbst lat. artus und gr. uq&qov (mit R == L) mögen verwandt sein, das letzte fügt sich der lautverschiebung = goth. ald, ahd. alt.

* nicht zu übersehn das I im acc. masc. farlihantian praestolantem Diut. 1, 266a.

SCHWACHE NOMINA 659

gaume glaube, aus welchem gen. gleichwol noch kein nom. -en zu folgern ist, da nach alter gewohnheit der nom. sg. richtiger ohne -n bleibt, obschon ihn einige Schriftsteller auf -en bilden, so gut es goth. heiszt hana hanins, kann auch nhd. gesagt werden da,ume dau- mens. 2) einige Wörter weichen ganz in die starke decl. aus; hahn hahns, mond monds statt des mhd. hane hauen, mäne mänen; ein- zelnen genügt es den nom, acc. sg. stark zu setzen, alles übrige geht schwach : mensch menschen, fürst fürsten, narr narren, wieder andere schwanken im gen.: schmerz Schmerzes schmerzens; greif greifes und greifen; greis greises und greisen. Die Verwirrung steigt dadurch, dasz einzelnen starken Wörtern, deren -e aus -u entsprang, schwache flexion ertheilt wurde: friede friedens, schatte Schattens = goth. fripus fripaus, skadus skadaus; diesen darf noch weniger im nom. Sg. -en gegeben werden, umgekehrt müste rabe den nom sg. raben = ahd. hraban gen. hrabanes behalten und statt des gen. raben vielmehr rabens. Noch mehr aus ihrer fuge gerathen sind die feminina, für welche nhd. der grundsatz durchgreift, dasz alle subst. den sg. stark, d. h. unveränderHch auf -e, den pl. schwach, d. h. auf -en bilden, wir flectieren den sg. zunge zunge zunge zunge statt des mhd, zunge Zungen zungen zungen, den pl. noch wie mhd,; hingegen zwar den sg, gäbe gäbe gäbe gäbe wie mhd,, aber den pl. gaben gaben gaben gaben, statt des mhd. gäbe gäben gäben gäbe, in den gen. pl. star- ker fem. erster decl. war schon ahd. die schwache form köponö ein- gedrungen statt des goth. gibö und nicht anders lautet der mhd. gen. pl. -en für -e ; zuletzt ergrif sie nhd. den ganzen pl. Zwischen subst. und adj. ist der einklang gestört, da subst. alle casus auf -e, schwache adj. aber den gen. und dat. sg. auf -en, nom. und acc. auf -e bilden, im letzten casus weicht also die nhd. von der mhd, declination, ahd. hiesz es dia plintün coecam, mhd. die blinden, nhd. die blinde. Die wenigen schwachen neutra sind nhd, fast ganz verschwunden wie 950 untereinander abgeirrt: herz herzens, ohr ohrs, äuge auges; die adj. haben ihre form behauptet, menge helle schwere u. s. w. sind im sg. nach starker weise ganz unveränderlich.

Auf ähnliche, doch verschiedne weise wurde mnl. die schwache flexion beeinträchtigt, nemlich alle subst. entziehen dem acc. sg. sein -n und machen ihn dem nom, gleich, man könnte sagen: masc. und fem. werden wie neutra behandelt, dagegen lassen alle adj. jedem obliquen casus des sg. sein -en, und entziehen es dem nom. acc. pl.

Nnl. fallen im subst. starke und schwache decl. zusammen, d. h. was nhd. blosz für das fem. durchgesetzt ist, dasz der sg. starke, der pl. schwache form annimmt, gilt hier für alle geschlechter, ebenso macht das adj. keinen unterschied zwischen starker und schwacher declination, weicht aber vom subst. ab, indem es für den gen. dat. acc, sg. masc. -en behauptet.

Anziehender ist die betrachtung der ags. schwachen flexion, in welcher A vorherseht und nichts erscheint, was dem goth. und ahd. I des gen. dat. sg. masc. neutr. gleichkäme, der nom. sg. masc, hana,

42*

660 SCHWACHE NOMINA

acc. hanan stimmt ganz zur goth. form, und der nom, acc. pl. hanan weicht vom goth. hanans nur durch den mangel des -s ab. dagegen empfängt auch gen. dat. sg. hanan hanan statt des goth, hanins hanin und der gen. pl. hanena statt des goth. hananö*; für -ena begegnet einigemal -ona: vserlogona foedifragorum Csedm. 145, 22; fullvona baptizatorum Csedm. 117, 9. der dat. pl. hat hanum, was sich zu dagum verhält wie goth. hanam zu dagam. Das -e des nom. sg. fem. und neutr. in tunge eäge = goth. tuggö augö mahnt an jenes ahd. alte und marhe der gl. cass. (s. 947); ich bin fast sicher dasz es lang war, so dasz tungß auch für den gen. pl. tungöna begehrte, wie neben tuggö tuggönö. wahrscheinlich drang nun -ßna auch in den 51 männlichen gen. pl. hanßna vor, gerade wie ahd. hanönö nach zunkönö eingeführt wurde, der frühste ags. gen. pl. masc. wäre wol hanana? doch die übrigen -an der weiblichen flexion auf -6n zurückzuführen scheint gefährlich, die adjectivische schwache declination hält mit der substantivischen, wie im goth. ahd. mhd., völlig gleichen schritt. Beov. 3908^ (in einer der ersten ausg. mangelnden zeile) liest man ""pa s6lestane' felicissimi oder felicissimos, für s6lestan, ist dies spur eines vocals nach dem -n? zur bestätigung des s. 945 vermuteten goth. -anßs? Beachtenswerth ist endlich die Verschiedenheit des ags. de- monstrativums se und seo von blinda und blinde, da doch goth. sa so mit blinda blindö stimmen ; das wird sich nur aus mengung des demonstrativen und persönlichen pronomens erklären, denn offenbar ist seo das ahd. siu = goth. si, wofür ags. heo gilt, seo und heo berühren sich aber nach dem Wechsel zwischen S und H. wie dem allem sei, dies EO in seo, heo musz zusammenhängen mit der ags. scheinbar starken flexion menegeo für das goth. managei, ahd. manakl, welches menegeo überall im sg. unverändert bleibt und dem obliquen casus niemals N verleiht ; bald aber reiszt dafür bloszes -o ein : menigo multitudo, sedelo nobilitas, braedo latitudo = ahd. maniki, edili, preiti. lassen sich diese ags. seo heo menegeo dem ahd. siu und plintiu ver- gleichen?** Das ags. part. praes. lautet stax-k für alle geschlechter gifende gifende gifende und schwach se gifenda, seo gifende, J)ät gifende.

In der nordanglischen, friesischen und nordischen mundart be- gegnet nun jene schon s. 665. 680 und 754 angezeigte apocope des schwachen N für alle casus mit einziger ausnähme des gen. pl., dessen dreisilbige und langvocalische gestalt dazu beitrug das N zu hegen.

Das fries. masc. zeigt durchgehends -a, auszer dem gen. pl. -ena 952 und dat. pl. -um : bona bona hona bona, dem ags. hana hanan hanan hanan nah kommend, auch hier geben fem. und neutr. dem nom. sg. -6 tunge, äg6, dem gen. dat. acc. fem. möchte ich tungä tungä tungä beilegen; das neutr. fordert den gen. dat. äga äga, acc. ag6. die schwachen adj., so viel ich sehe, fügen sich zu den subst.

* merkwürdig cod. exon. 323, 13 violane divitiarum, was Thorpe un- richtig für einen eigennamen nimmt, alts. welono.

** man sehe oben s. 945 die anmerkung über goth. sa so = ags. se seo.

SCHWACHE NOMINA 661

Das altn. masc. hat den sg. hani hana hana hana, was beinahe die goth. vocale hana hanins hanin hanan wechselt; ohne zweifei ist dies keinen umla.ut wirkende -i unorganisch, das -a der andern casus gleicht dem ags. -an und fries. -a. Ich will, eh ich zum pl, gelange, auch erst den sg. der beiden andern geschlechter erwägen, dem nom. sg. fem. und neutr. wird man beimessen dürfen, wie es zum ahd. stimmt und der quantität des goth. angemessen ist. nicht an- ders traue ich dem gen. dat. acc. fem. ursprüngliches zu, so dasz tüngä tüngü ganz dem ahd. zunkä zunkün entspräche; an der qualität des U ist kein zweifei, weil davon umlaut des A abhängt: ammä ömmü, harpä hörpü. dem neutrum würde ich beilegen : hiartä hiarta hiarta hiartä, nemlich gen. und dat. nach männlicher weise. Aufmerksamkeit fordert aber der männliche und weibliche nom. pl. hanar und timgur, ist das einmischung der starken form? so liesze sich hanar allerdings fassen wie dagar fiskar, nicht aber tüngur, weil die erste starke decl. giafar darbietet und auch goth. dagös wie gibös. Eichtiger wird also das -r in hanar tüngur für einen Überrest der ältesten schwachen form gelten und dem goth. -s in hanan s tuggöns gleichstehn, also das s. 945 gemutmaszte ältere hananßs tuggönös bestätigen, der Um- gestaltungen folge könnte gewesen sein : aus hananas entsprang hanans, dann hanäs, hanar, endlich hanar; aus tüngönös tüngöns, tüngös, tüngur, endlich tüngur. In der ahd. und ags. flexion wurde der character N festgehalten und die hinter ihm stehende flexion aufgehoben, in der altn. aber N syncopiert, das folgende S behauptet und allmählich in E gewandelt, ausnahmsweise haftet auch noch N, nemlich im pl. einiger masculina z. b. gumnar gotnar von gumi goti, zumal in den gen. pl. gumna gotna und bragna skatna oxna von bragi skati oxi, deren 953 nom. pl. bragar skatar oxar lautet; die analogie zum goth. gen. pl. abne (s. 944) ist unverkennbar, regelmässig aber bleibt dieses N sogar in allen weiblichen und neutralen gen. pl. tüngna =: goth. tuggöno, harpna = ahd. harfönö, hiartna = goth. hairtanß und kein zweifei kann walten, dasz auch der nom. pl. tüngur hiörtu hervor- gieng aus tüngnur hiörtnu. Die schwachen adj. stimmen im sg. voll- kommen zu den schwachen Substantiven, weichen aber im pl. ab, welcher ohne ausnähme für alle casus jedes geschlechts den einförmigen ausgang -u, das heiszt den der obliquen weiblichen casus des sg. empfängt. Das demonstrativum = goth. sa so entfernt sich vom nom. sg. -i -a der nomina und bezeugt deren unorganischen verhalt, wahrscheinlich hat im masc. blosz der auslaut die Verlänge- rung nach sich gezogen und stehn für sa so, wie tüngu für tüngö, so dasz auch hani auf ein ursprüngliches hana zurück weist.

In der flexion der comparative und part. praes. hat die altn. spräche den goth. Organismus gewahrt, d. h. masc. und neutr. haben die gewöhnliche schwache form des positivs, masc. blindari meiri gfe'- fandi, neutr. blindara meira göfanda. feminina hingegen blindari meiri göfandi unveränderlich durch alle casus und ohne zweifei war dies -i ursprünglich -1, vom -i der masc. ganz verschieden.

662 SCHWACHE NOMINA

Die vorgenommne Zergliederung der schwachen formen in den verschiednen dialecten unsrer spräche lehrt nun, dasz das kennzeichen N dem gebrauch, nicht seinem Ursprung nach dem nom. sg. und dat. pl. abgehe, im dat. pl. wich es dem zu nahen folgenden M, im nom. sg. pflegen auch die urverwandten sprachen häufig den consonant zu tilgen, den die obliquen casus entfalten, es wird den blick erweitern, wenn wir vor allem die analogie des N auch in ihnen aufsuchen und zugleich andere consonanten an seiner stelle finden.

Im slavischen sind es vorerst einzelne neutra, deren obhquer casus ein solches N darbietet: imja nomen gen. imene, pl. imena, poln. imi§ gen. imienia, pl. imiona, böhm. gme gen. gmene. sjemja

954 semen, poln. siemie, böhm. semö. plemja soboles poln. plemi^, böhm. pleme. vrjemja tempus, böhm. wlreme. brjemja onus, poln. brzemie, böhm. bi-em^. v'imja über, poln. wymie, böhm. weme wyme. russ. temja sinciput poln. ciemi^ gen. ciemienia, böhm. teme tymie. im böhmischen ist allmählich auch im nom. N üblich geworden und für gm^ wird lieber gmeno, für seme weme lieber semeno wemeno ge- setzt, offenbar entspricht nun imja imene (oben s. 153) dem goth. namö namins auch im genus, während ahd. namo namin, ags. nama naman männlich sind, das altn. nafn nafns aber starke form zeigt, nicht anders gleicht sjemja dem ahd. sämo sämin, welches wort goth. und altn. gebricht und durch fraiv^ friof oder frio vertreten wird; ich dachte an das wort s. 493 beim namen der Semnonen. Statt ramo humerus scheint gleichfalls ramja gen. ramene gegolten zu haben, die poln. form lautet rami^, die böhmische rame oder lieber rameno; nach s. 327 entspricht goth. arms, ahd. aram, avozu sich kein N gesellte, man müste denn die eigennamen Armin Irmin Irmino (vgl. s. 825) anschlagen, wobei nicht zu übersehn ist, dasz den Slo- venen rame in der Zusammensetzung verstärkt, wie unser irman, ramenvelik bedeutet sehr grosz, wie irmanpöraht sehr glänzend, irman würde sich zu ramja verhalten wie altn. nafn zu imja.

Es gibt aber auch slavische masculina, die das N dem nom. sg. wie dem obliquen casus lassen: koren' radix, poln. korzen, böhm. ko5fen ; plamen' flamma, poln. plamen, böhm. plamen ; lesen' auctumnus, poln. jesien, böhm. gesen; iatsch'men' hordeum, poln. j^czmien, böhm. geSmen; pr'sten' annulus, poln. pierscien, böhm. prsten u. a. m., ein- zelne zeigen den nom. ohne N: kam"i lapis neben kamen', poln, kamien, böhm. kamen und plam"i neben plamen'. Neutra, die den begrif junger geburt ausdrücken, schalten T ein : djetja naidlov gen. djetjate, poln. dzieci^ gen. dzieci^cia, böhm. djte gen. djtete; shrjebja Ttcokog gen. shrjebjate, poln. zrebi§ gen. zrebi^cia; russ. telja vitulus, poln. ciel^ gen. ciel^cia ; serb. prase praseta porcellus, poln. prosi^ prosi^cia. hierzu darf man das ahd. junkidi foetus, pullus, kinözidi par boum,

955 kinfe'stidi, besser kinistidi pullus (Haupt 3, 464) halten. S entfaltet sich in nebo coelum gen. nebese, slovo verbum slovese, kolo rota kolese, tschoudo miraculum tschoudese. diesem S identisch ist das dem ahd. pl. vieler wörter für junge thiere u. s. w. zugehende R :

SCHWACHE NOMINA 663

lamp lempir, chalp chelpir, huon huonir, loup loupir, welchen ein goth. lamb lambiza, kalb kalbiza, hön höniza entsprechen würde, wo- für aber lamba gilt, es erhellt aber, dasz S und T dasselbe ausrich- ten was N.

Gleich lehrreich werden litthauische nomina auf -u, deren oblique casus N einschalten, akmü lapis hat den gen. akmenio (oder akmens), pl. akmenys und ist jenes sl, kani"i, kamen', skr. a^man (Bopps gloss. 23b) und mit R statt N ahd. hamar malleus, d. i. steinwaffe ; im altn. hamar hat sich neben malleus noch die bedeutung saxum, rupes be- wahrt (vgl. oben s. 610). wandü aqua, gen. wandenio oder wandens, lett. uhdens, skr. uda, sl. voda, ohne N, altn. vatn gen. vatns (wie nafn), schwed. vatten, goth. schwachformig vatö vatins (wie namö namins, wonach auch goth. hämo saxum möglich wäre), ahd. aber wazar (mit R wie in hamar) ags. väter und gr. vöag vÖaTog. piemü gen. piemenio oder piemens hirtenknabe, diminut. piemenatis, und piemene hirtenmädchen, gr. tiol^tJv TtoLfievog hirte, Tioi^vr] herde; scheint das noi- pie- zu ticov pecu faihu gehörig, so wäre ein goth. faihma faihmins möglich, wobei mir das alts. fehmia femia Hei. 9, 22 alts. fsemne, fries. fämne wieder einfällt, die ich s. 652 unter ganz andern gesichtspunct faszte, es könnte dem litth. piemen^ entsprechen und im hirtenstand entsprungen sein, stomü stomenio stomens statura vergleiche ich dem goth. stöma stömins vnootaöig. szarmü gen. szarmens ist das ahd. harrao harmin ^vyal^. lemü lemens baum- stamm, vielleicht altn. limi frons arborum. aszmü aszmens das lat. acumen, vgl. goth. ahma ahmins Spiritus, szü canis gen. szunnio oder szunnies szuns ist unser hunds und schon s. 38 besprochen, menü oder mienü entspricht dem goth. m6na mönins ahd. mäno mänin, entfaltet aber im gen. nicht mienenio sondern mit S mienesio, wozu auch der nom. mienesis vorkommt, der dem lat. mensis und sl. 956 mjesjatz', skr. mäs luna und mäsa mensis gleicht, das gr. fii^v ^tjvog bleibt wie das deutsche wort ohne S.

In der lat. spräche sind zahlreiche bildungen auf -men gen. -minis neutral, haben also das N auch im nom. sg. wie die böhmischen Wörter, dem namö imja entspricht nomen, dem sämo sjemja sßmen, und auf gleicher reihe stehn carmen germen fragmen gramen stamen stramen tegmen omen limen inguen numen rumen gluten u. a. m. männlich nur oscen, tibicen, flämen, vielleicht sanguen f. sanguis, aber andere masc. werfen das N im nom. weg: turbo turbinis, cardo, ordo, margo, sermo sermonis, carbo carbonis, zumal aber homo hominis und nemo neminis.* homo ist vollkommen das goth. guma gumins, ahd. komo komin, und dem pl. homines gumans vergleicht sich der litth. pl. zmones vom sg. zmogus; altpreusz. lautet der sg. smunents, acc. pl. smunentinans. das lett, zilweks gehört aber zum sl. tschlovjek". Eine menge lat. feminina haben N im gen. ratio rationis = goth. raj)j6

* semo semonis soll entspringen aus semihomo. die verschiedne quan- tität hindert einen Wechsel zwischen H und S anzunehmen^

664 SCHWACHE NOMINA

raj)jöns. Alles was unser n schwachen Substantiven entspricht musz demnach in der dritten declination gesucht werden.

Ebenso auch in der dritten griechischen, a^^cov ax^ovog. daif.i€3V dal^ovog. Etxoiv slnövog. ccrjdoav arjöovog. x^hdav %£h- dovog. Xifiriv kifisvog. r}'(iG>v TJfiovog. Xbl^cSv Xsi^wvog. fi^v /ur;- vog, nicht (irjvivog, wie dem goth. mßna menins gemäsz wäre, xvcn- avvog gleicht dem litth. szü szunnies. ^^cov %ü^ov6g ist das lat. humus, zu welchem homo, wie zu ')(^^(6v x^ovLog, der irdische ge- hört; das goth. guma homo scheint aber verwandt mit goma pala- tum (nach dem ab laut guma gam gömun, wie funa fan fönun), weil erde gleich dem himmel als gähnend gedacht wird*; vgl. sl. zemja zemlja, litth. ziem^. Neutra schalten im obliquen casus T ein, wie jene sl. benennungen junger thiere : ccQfia aQfiarog, öro^a örö^arog, 957ödfia öö^aTog, öcofia öä/iiaTog, öafia öto^ccTog, xli^a y.U^arog, ^eXl ^Ehrog, 7i()äy}ia ngayfiavog, tccy^ia räyfiatog**, selbst einzelne, die dem nom. sg. R verleihen: vdajQ = ahd^ wazar, ags. väter, gen. vdatog, (pQmQ (pQiOLxog, dUsaQ deUarog, ov&ag ovd^atog, ahd. ütar, nhd. euter. (pQBOff kann mit brunna brunnins für bruna brunins verwandt sein, ovg cotog, jon. oijag ovarog gleicht dem goth. auso ausins, litth. ausis ausiös, lat. auris, sl, oucho gen. ouchese, poln. böhm. ucho, serb. uvo gen. uva und uveta, was zu cor 6g stimmt; TEQag tSQcctog, xaQig xägtrog. Dasz dem T ganz die function des N überwiesen ist, lehrt augenscheinlich ovofia ovö^atog neben namö namins und imja imene; Bopp im glossar p. 193^ bemerkt, dasz das gr. Suffix -^at insgemein dem skr. -man entspreche, was sich nach der skr. lautlehre leicht erklärt, da N in einer reihe mit dentalem T steht.

Im Sanskrit entsprechen neutra auf -an den lat. auf -en : näman gen. nämanas = nomen nominis, karman opus, factum gen. karmanas = lat. Carmen carminis, von der wurzel kri facere, ahd. garawan parare, wie Tioirj^a von noda, weil das dichten ein schaffen und wirken ist; mit unrecht hat man Carmen für casmen genommen, neutra auf -i entfalten N erst im genitiv: akäi ak^nas oculus, gr. ooöi, wovon noch der dual, oööe übrig, asthi asthnas os ossis, gr. oövbov, sl. kost', väri aqua, gen. värinas. das masc. räjä rex zeugt den gen. räinas, wozu man rägnl regina vergleiche, einigemal schaltet nur der gen. pl. N ein, z. b. nada flumen, nadas fluminis, aber nadänam flu- minum, ganz wie das ags. däg mitunter den gen. pl. dagena bildet und alle ahd. starken feminina den schwachen gen. pl. annehmen.

Es hat sich gezeigt, dasz in den urverwandten sprachen auszer dem N und an dessen stelle auch T und S aus dem nom., der ihrer oft entbehrt, erwachsen. Derselbe trieb waltet, wenn dem nom. sg. R

* rote fioi ^dvoi svQsta %^vlv. D. 4, 182. 8, 150. akX avtov yata ßiXaiva itäaL xcivoi. II. 17, 417.

** alfia a'lßaroc: scheint das ahd. nhd. seim nectar, der aus blut und honig bereitet wurde (mythol. s. 294. 436. 856). in sanguis hat sich N erst vor G entwickelt.

SCHWACHE NOMINA 665

mangelt, das die obliquen casus mit sich führen; beispiele lieferten 958 s. 266. 267 die zendischen pata mäta brata dughdha, selbst das skr. duhitä, das litth. mote sessü dukte, das sl. mati und d"schtschi, deren oblique casus von dem R zeugen (s. 268). Etwas ähnliches ist noch das im serbischen nom. schwindende und vocalisierte L: soko falco, kotao lebes, orao aquila, gen. sokola kotla orla, wo die übrigen sl. dialecte das L schon dem nom. geben.

Wie nun TSR und L in allen diesen fällen nicht zur flexion gehören, sondern bildungsmittel sind, welche sich zwischen wurzel und flexion schieben und nur ausnahmsweise, wenn die flexion ab- fällt, in den auslaut treten; so musz ein gleiches von dem N gelten und die ganze grundlage der vorhergehenden erörterungen des deut- schen N dadurch bestätigt werden, je stumpfer die eigentliche flexion ward und erlosch, desto mehr gewann dies N, ja nach seinem dahin- schwinden sogar der von ihm herbeigeführte vocal den schein einer wirklichen flexion. zumal merkwürdig ist, wenn sich für einzelne substantiva starke und schwache form vereinen und jeder gewisse casus zufallen, wie im goth. fön funins funin fön und umgekehrt in manna maus mann mannan. Beachtung fordert auch der gramm. 4, 585 berührte, nicht erschöpfte unterschied starker und schwacher form für einzelne substantiva. wenn lat. pavus pavi und pavo pa- vonis neben einander gelten, so begegnet auch goth. gards gardis und garda gardins, goth. auhsus auhsaus und auhsa auhsins, oder vom altn. mannsnamen Ön wird Yngl. saga cap. 29, 30 als gleichbedeu- tend auch Ani angegeben, auszer ahd. johhalm lorum findet sich johhalma und in Zusammensetzungen nimmt ahd. mhd. tac gern die schwache form -tago an; häufig erscheint aber für tagö der gen. pl. tagano, mhd. tagen MS. 1, 92* mnl. daghen Rein. 3153. 3154, und wie schon gesagt wurde ags. dagena. Von starken masc. werden häufig schwache feminina moviert (gramm. 3, 333), aber auch schwache masc. abgeleitet, z. b. aus fogul der mannsnarae Fogalo Fogilin, oder aus fatar pater fatirio patruus.

Um so leichter müssen solche Substantivbildungen ergehn, als 959 sich in unsrer spräche von frühauf ein dynamischer unterschied star- ker und schwacher form für jedwedes adjectiv festsetzte und innig mit der syntax vermählte, aus dem adjectivischen begrif aber viel- fache Übertritte in den substantivischen stattfinden. Man wird er- warten, dasz auch in den urverwandten sprachen einzelne adjectiva auftauchen, deren nom. sg. das N fehlt, deren oblique casus es ent- falten, so bildet das skr. adj. sarma felix den gen. sarmanas, dat. sarmani, acc. sarmanam oder das gr. ^eXag tdkas den gen. yckXavog Ta'Aavog, wie schon der weibliche nom. sg. (xelawa tdXsiva, der neu- trale ^slav rdlav gewährt, allein daneben, was die hauptsache ist, erscheint keine des N überall entrathende form, welche man die starke nennen könnte; diese doppelgestalt des adjectivs musz für ein ent- scheidendes merkmal unsrer spräche genommen werden.

Und hier, dünkt mich, wird unsere syntax aufschlüsse über die

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666 SCHWACHE NOMINA

flexion herbeiführen. Die regel der anwendung beider gestalten des adjectivs lautet ihrem hauptgrundsatz nach dahin, dasz schwache form durch den bestimmten artikel bedingt sei, starke hingegen walte, wo dieser nicht eintrete (gramm. 4, 526. 557). wir sagen blinder blinde blindes, aber der blinde die blinde das blinde; im gen. blin- des blinder blindes, aber des blinden der blinden des blinden, und so unterschied schon der Grothe zwischen bKnds blinda blindata und sa blinda so blindö pata blindö, gen. blindis blindaizös blindis und j)is blindins J)iz6s blindons ])is blindins durch alle casus hindurch. Da nun der artikel selbst in einem frühem sprachstand, wie ihn z. b. das latein noch kund thut, ganz abgieng, und sich erst allmäh- lich aus den lebendigen demonstrativen, gleichsam als abstraction der demonstration entfaltete ; so leuchtet ein, dasz die alte spräche über- haupt zu keiner doppelgestalt des adjectivs geführt wurde und ihrer nicht bedurfte. Vielmehr musz die schwache form durch denselben trieb entsprungen sein, der auch hernach den artikel aufbrachte : um 960 es kurz zu sagen, sie scheint nichts als suffigiertes und einverwachsnes demonstrativum, zu welchem hernach noch ein andres als äuszerlicher artikel gefügt wurde.

Bekanntlich . sind unsrer spräche , wie fast allen andern , zwei verwandte, dem grad nach verschiedne demonstrativa zuständig, der die das = goth. sa so |)ata, welches dem lat. iste ista istud, und jener jene jenes = goth. jains jaina jainata, welches dem lat. ille ilia illud in der bedeutung entspricht, aus dem ersten hat die deutsche spräche, in groszer einstimmung mit der griechischen, den äuszerlich vortretenden artikel sa so ^ata, u rj to entnommen, währen die ro- manischen töchter der lateinischen spräche ihn durch abkürzung des ille illa gewannen. Dem deutschen vorstehenden artikel musz jedoch die schwache adjectivform lange vorausgegangen sein, welche ich aus einem suffix des gelinderen demonstrativums jener jene jenes herleite, stumpfte sich lat. ille illa in romanisches le la ab, welches zwar ge- trennt steht, doch mit praepositionen verschmilzt (al del dal); um wie viel mehr konnte sich das dem adj. selbst verwachsende suffix eines fast vocalisch beginnenden pronomens kürzen? allem anschein nach ist das J in jains unursprünglich, wie ahd. en6r neben g6n6r, das altn, inn neben hinn und noch entschiedner das irische an, slav. on ona, litth. ans ana (vgl. oben s. 369) bezeugen, blinda blindö blindö leitete nach den vorausgehenden Untersuchungen (s. 945) zurück auf blindans blindons blindön, der gen. blindins blindons blindins auf blindinis blindönös blindinis; wie nahe treten diese formen einem angefügten demonstrativ, aus dessen stamm es vorzüglich dem Nlaute galt, und wobei die vocalverhältnisse nicht genau angeschlagen wer- den können. Dasz blinda blindö blindö an sich schon ausdrückte was das nachherige sa blinda so blindö J)ata blindö, folgere ich aus drei von verschiedenen enden her zusammentreffenden gründen:

1) Wir sehn oft in der spräche das zuerst innerlich ausgedrückte hernach' äuszerlich wiederholt, dem schwachen praet. war das verbum

SCHWACHE NOMINA 667

thun einverleibt, die jüngere spräche bedient sich eines auxiliaren thuns zur allgemeinen Umschreibung des verbalbegrifs (gramm. 4, 94). 961 die alte verbalflexion bezeichnet an sich schon die personen, welche später im pronomen von auszen zugefügt werden. Schon den Gothen vertritt jains zuweilen den artikel; 'in jainamma daga' unterscheidet sich wenig von '"in J)amma daga' und nicht immer häuft Ulfilas die im gr. text gehäuften pronomina, wenn er es auch thun darf (gramm. 4, 446. 447). die mnl. spräche braucht auszer die die dat auch ghene ghene ghßnt als wirklichen artikel, was dem franz. le la aus ille illa und dem altn. inn in it gleicht, welches letztere pronomen zwar nur vor adjectiva, nicht vor substantiva gestellt wird, was auf solche weise fühlbar vorgesetzt erscheint, kann sich also in der schwachen adjectivflexion heimlich befinden.

2) steckt in bHnda =- blindans das N von jains, so musz auch im altn. blindi das N von inn stecken, und nicht anders in goth. hana, altn. hani. die altn. spräche, zu Suffixen geneigt, versucht aber, als sich das gefühl für den gehalt der schwachen form geschwächt oder verloren hatte, nochmals allen, starken wie schwachen, Substan- tiven dasselbe pronomen anzuhängen, und dagrinn fatit haninn augat drückt wiederum aus : der tag, das fasz, der hahn, das äuge (gramm. 4, 375). nur ist das junge suffix ungeschickter als das alte, denn dieses tritt zwischen wurzel und flexion, jenes setzt sich hinten an die flexion und nimmt sie in die mitte, im goth. hanins folgt das S erst nach dem N, im altn. dagsins steht das S in der mitte und wird hinten nochmals, also zweimal gesetzt. Man begreift aber, dasz das altn, «uffix nicht zu adjectiven trat, weil in deren schwacher form, durch den gegensatz der starken, die Vorstellung der bestimmt- heit noch zu fühlbar war; später fügten es Schweden und Dänen auch an adj. (gramm. 4, 380).

3) die Syntax lehrt, dasz alle comparative, namentlich die mit UM gebildeten, sodann alle participia praes., wenn sie adjectivisch gefaszt werden, organischer weise nur der schwachen form folgen (gramm. 4, 519 521), also auch ohne vorstehenden artikel. zugleich gewahrten wir vorhin (s. 943), dasz gerade diese Wörter im fem. EI 962 zeigen, dies EI ursprünglich eben wol dem masc. und neutr. zuge- standen haben werde, in solchem EI, oder richtiger in dem ableiten- den I, was den Wörtern unsrer zweiten decl. zum gründe liegt, musz wieder etwas pronominales enthalten sein, und am adj. den begrif der bestimmtheit hervorheben, welchen späterhin das suffix N, oder der auswendige artikel hervorhoben. Nun darf ich gewicht darauf legen, dasz auch im latein und griech. alle comparative und part. praes. der Ideclination gehören, wähi-end positive und part. praet. meistens der Adeclination folgen, genau wie bei uns. Und bestätigt nicht die gleichheit des masc. und fem. melior und melior, coecior coecior (wie fortis fortis und s6ls s6ls) die gemutmaszte von blindözei blindözei, frumei frumei statt des Jüngern blindoza blindözei, fruma frumei? die masc. und neutra wichen, wahrscheinlich schon sehr früh,

668 SCHWACHE NOMINA

in die Aform aus, wie es die meisten positive oder endlich alle der adj. auf I thaten. die goth. weiblichen comparative maizei major, juhizei junior begegnen dem zendischen fem. ma^jehi und skr. javijasi (Bopps vgl. gr. s. 418).

Das IQN griechischer comparative habe ich schon gramm. 3, 650. 657 unsrer schwachen form, hoffentlich mit recht, verglichen; wie nah steht (lEit^wv fi£it,ovog dem goth. maiza maizins, wofür ein älteres maizei maizeins angenommen werden musz, in welchem auch das I enthalten ist. ^üt,av scheint sein I beim wandel des F in Z eingebüszt zu haben; doch eine menge andrer comp, wie rjdiav su- tiza, xakXtcov ß^Xricov lassen es gewahren.

Diese einstimmung der griech. und lat. comparative zu den deut- schen nicht allein in dem auftauchenden kennzeichen N, sondern auch im I, das noch den deutschen femininen eigen blieb, ist gewis be- deutsam, und wird noch durch die abwesenheit der starken form für unsere comparative erhöht.

Doch wir stehn nicht einmal mit unsrer doppelgestalt der posi- tive allein in der geschichte der sprachen, denn sie begegnet auch in der litthauischen und slavischen, deren Urverwandtschaft in so 963 vielen andern fällen hervortritt; nur dasz hier nirgend unser kenn- zeichen N, vielmehr das vocalische I waltet, und der Zusammenhang mit dem einverleibten pronomen noch unverkennbarer wird.

Die Litthauer besitzen ein pronomen der dritten person jis ji (gen. jo jös, dat. jam jei u. s. w.), welches dem lat. is ea und goth. is si, ags. he heo entspricht und jedem adj. angehängt werden kann, um dessen bedeutung bestimmt oder emphatisch und demonstrativ zu machen, geras gera steht wie das goth. göds göda, gerasis geroji aber wie das goth. sa göda so gödö. didis ist grosz, didisis der grosze, grazus schön, grazusis der schöne, ebenso verhalten sich die obliquen casus, gero ist goth. gödis, gerojo |)is gödins, geram go- damma, geramjam pamma gödin. Man sieht, dasz das pronomen zu der flexion, nicht zwischen wort und flexion tritt, und es gleicht in diesem stück dem altn. suffix -inn, nicht dem deutschen N, welches seine stelle zwischen wort und flexion fand.

Den Slaven war ein dem lat. is ea id, goth. is si ita, litth. jis ji identisches pronomen eigen, dessen nom. in jedem numerus ver- loren gegangen ist und durch on ona ono (goth. jains jaina jainata) ersetzt wird, die obliquen casus haben sich aber davon erhalten und lauten im gen. sg. masc. iego, dat. iemu, acc. i, den fehlenden nom. lehrt uns das die adjectiva bestimmt machende suffix. dem starken oder unbestimmten adj. svjat" sanctus, gen. svjata, dat. svjatu, acc. svjat" steht nemlich das schwache oder bestimmte svjaf'i, gen. svja- tago, dat. svjatomu, acc. svjaf'i gegenüber, und der anhang der pronominalformen liegt klar vor äugen*. Wie im litth. gerasis lautet

* meine in der vorrede zu Vuks serb. gramm. aufgestellte vernmtung, dasz die obliquen casus der slav. schwachen und starken adjectivform mit einander tauschen müsten, habe ich längst fahren lassen.

SCHWACHE NOMINA 669

aber das pronominalsuffix aus und nimmt die flexion in seine mitte, denn in svjaf'i ist " das element der flexion. Zur deutschen schwa- chen flexion veiha veihö veihö = svjaf'i svjataja syjatoe fügt sich 964 aber vollkommen, dasz auch alle sl. comparative, gleich den deut- schen, nur dieser schwachen flexion fähig sind. Doch dem slav. und litth. schwachen adj, entspricht keine Substantivflexion, während die deutschen schwachen adj, formen auch beim Substantiv erscheinen.

Aus der ganzen in diesem capitel gepflogenen Untersuchung geht hervor, dasz es zwei pronominalelemente von gleich hohem alter sind, die dem nomen eingeschaltet oder angehängt werden.

AUe urverwandten sprachen zeigen ein dem nom. sg. bald ge- lassenes bald entzogenes N in allen obliquen fällen, welches aus dem nachgewiesnen pronomen goth. jains, litth. ans, sl. on, ir. an abstammt, da sich homo hominis und guma gumins, Carmen carminis und kar- man karmanas, szarmü szarmens und harmo harmin, siemi^ siemie- nia und semen seminis, sämo samin, aber auch ^bl^cov fi£lt,ovog und maiza maizins decken; so darf an dem gleichen grund der substan- tivischen und adjectivischen flexion nicht gezweifelt werden. Aber erst unsere spräche hat das gesetz durchgeführt, dasz allen adjectiven die doppelgestalt, und den schwachen der bestimmte begrif zustehe.

Pronominales I scheint in die lat. comparative und participia praesentis eingedrungen, ist aber in unsrer spräche nur am fem. zu gewahren, die lat. melior melior melius, carior carior carius u. s. w. zeigen es vor der flexion, wie das goth. maizei gen. maizeins, frumei frumeins. in der litth. und sl. form tritt aber das Ipronomen hinter die flexion, wie im Jüngern nord. suffix das inn in it hinter die sub- stantivflexion. gleich der deutschen spräche haben die litth. und sl. die regel der bestimmten bedeutung aus der form entfaltet, in den gesteigerten graden liegt von natur etwas bestimmtes; schwer zu sagen fällt, inwiefern das I der comparative mit dem unsere zweite declination überhaupt bildenden I zusammenhänge oder nicht?

Vom unbestimmten den bestimmten begrif des adjectivs zu unter- 965 scheiden sagte dem fortschreitenden sprachgeist zu, gleichviel ob er es durch eigne schwache form oder, wie in den romanischen sprachen, durch vorangestellten artikel erreichte, unsere spräche häufte sogar beide mittel.

XXXIX. DER DUALIS.

966 Es ist eine schöne in den neueren sprachen entbehrte eigen- schaft der älteren, die sinnlich wahrnehmbare zweiheit durch beson- dere formen auszudrücken, auf die vollkommenste weise geschieht es, wenn sie zugleich am nomen und verbum hervortreten, wie in der griechischen spräche ; höchst lebendig mahlt das ööös cpauva 8i- VEiöd'rjV IL 17, 679. ra öi ot ööös Xa^nEö&rjv II. 15, 607. 19, 365.

Für unsre Sprachgeschichte hat es nun groszen werth, dasz auszer dem Sanskrit und griechischen auch das litthauische und altslavische dieser beiden dualgestalten allenthalben mächtig erscheint, während sie bereits im altdeutschen aussterben, im latein beinahe, im kelti- schen völlig erloschen sind, allein auch die griech. duale beginnen schon sich mit pluralen zu mischen und ihnen allmählich zu weichen; im neuen testa,ment fand Ulfilas gar kein Vorbild mehr* für seine goth. duale, die desto echter im goth. hafteten, die heutigen slavi- schen dialecte, mit einziger ausnähme des slovenischen , haben dem dual entsagt und nur einzelne Überreste davon behalten; in der lit- thauischen mundart dauert er, in der lettischen und preuszischen hat er aufgehört. Bei uns steht unter den Schriftsprachen der verbal- dualis blosz der gothischen zu gebot; den nominalen besitzt sie, gleich

967 allen übrigen, weder im subst. noch adj., blosz im persönlichen pro- nomen; einzelne volksmundarten bewahren merkwürdige spur von beiden.

Ich will zuerst den verbalen dualis, dann den nominalen be- handeln.

Dasz die goth. spräche dem dualis praet. im starken verbum den ablaut des pluralis, im schwachen das DfiD des pluralis verleihe, ist schon s. 879 gesagt worden.

Die gothische dualflexion selbst erstreckt sich überall nur auf die erste und zweite person und ist für die dritte nicht mehr vor- handen, welche sich des plurals bedienen musz. dem gr. activum

* im griech. N. T. kein dualis, vgl. Winers gramm. aufl. 3. p. 150,

DUALIS 671

fehlt hingegen die erste person des dualis, da doch dem passivum alle drei personen zustehn.

Die goth. zweite person des dualis endigt ohne ausnähme auf TS : gibats gebuts gibaits gßbeits, nasjats nasideduts nasjaits nasidö- deits, salböts salbödßduts salböts salbodßdeits. in dem T erkennt man leicht einen durch den engen verband mit S der Verschiebung ent- zognen laut.

Den character der ersten person läszt undeutlich der indicativ, deutlich der conjunctiv erkennen : ein VA des dl, steht dem MA des pl. zur Seite: gibaiva gßbeiva, gibaima göbeima; nasjaiva nasidßdeiya, nasjaima nasidedeima. Im indicativ aber geht das praes. dl. auf OS, praet. auf ü aus: gibös gßbu, nasjös nasidßdu. weist nun das -am der prima pl. praes. auf ein älteres -ams, -amas, gibam auf gibams gibamas, so scheint auch^das duale -ös zurückftihrbar auf -aus und -avas. die Verdichtung ÖS gleicht dem als guna des U ebenfalls aus AU hervorgegangnen skr. 0 (s. 860). Nicht anders wird für das goth. -u des dl., -um des pl. praet. ein früheres -uvs und -ums gefordert werden dürfen.

Den ausgang S zeigen auch die skr. duale, nicht plurale: bha- rävas bharämas == goth. bairös bairam ; bharathas bharatha == bairats bairij). die lat. pl. haben S in beiden personen: ferimus fertis. der sl. und litth. aber zeigt den vocalischen auslaut der goth. conjunctive, sl. in erster person -va, in zweiter und dritter -ta; litth. in erster -wa, in zweiter -ta, die dritte mangelt und wird wie im goth. durch den pl. vertreten, zum sl. -ta -ta stimmt gr. -rov -tov. offenbar 968 gereicht sl. neseva, litth. sukawa dem vermuteten goth. gibavas für gibös zur bestätigung; neseta sukata fügt sich zu gibats, das früher auch einmal gibatas gelautet haben kann*.

Belege für die goth. duale des praet. schöpfen wir zumal aus den anomalen verbis, deren praet. bedeutung des praes. gewonnen hat; Christus sagt Marc. 10, 38. 39 zu Jacobus und Johannes: hva vileits? sie antworten: fragif ugkis ei ains af taihsvön peinai jah ains af hleidumein peinai sitaiva. ip lösus qaj), ni vituts hvis bid- jats, magutsu driggkan stikl? i|) eis q6J)un : magu. statt vileima 10, 35 sollte aber stehn vileiva. Joh. 10, 30 heiszt es: ik jah atta nieins ain siju, Joh. 17, 22 vit ains siju, wo der text mit pluralformen hat rj^iBig ev l6f.isv. ia^av ist lat. sumus, goth. sijum, litth. esme, aber siju entspricht dem litth. eswa, steht also für sijuvs oder sijuvus, isijuvus, skr. asvas.

* das altsl. verbam subst. bildet den dualis iesva iesta iesta pl. iesm'i ieste sut', fut. budeva budeta budeta, pl. budem budete budut. das slov. praes. hat den dl. sva sta sta, pl. smo ste so; fut. dl. bodeva bodeta bo- deta, pl. bodemo bodete bodejo (oder zusammengezogen dl. bova bota bota, pl. bomo böte bojo). altpolnisch stand ein dl. iesteswa iestesta iestesta dem pl. iestesmy iestescie sa und im fut. ein dl. b^dziewa b^dzieta b^dzieta dem

{)!. b^dziemy b^dziecie b^d^ zur seite, heute sind aber die dualformen er- oschen. ähnliches gilt vom altböhmischen.

672 DUALIS

Der alid. und mhd. Schriftsprache scheinen diese dualformen völlig zu entgehn und schon in der alten Übersetzung von Matth. 20, 22 liest man: ni wizut huaz ir bitit, magut ir trincan den khelih? quätun imo : magumös; alles im pl. ausgedrückt. Die glossae cass. H, 18 haben pergite sindos. wäre pergamus und der dual gemeint, so böte sindos ganz die erste person dar, nach gothischer weise, sindöts für die zweite person zu ändern wäre gewagt, aber wenn diese in ahd. spräche bestand, konnte sie nicht anders lauten. Wir finden nemlich noch heute allgemein in bairischer und Ostreich. Volksprache statt der zweiten person des pluralis, welcher kein -s

969 gebührt, die formen gebts bringts gehts saufts habts thuts seids könnts soUts u. s. w. sowol im ind. als imperativ verwendet, in solchem gebts sehe ich gerade zu das goth. gibats, und wie in diesem das TS keiner lautverschiebung unterlag, dauert es bis auf heute, nur hat, was wir hernach durch die analogie des pronomens bestätigt sehn werden, die behauptete dualform sich an die stelle der pluralen ge- setzt; es befremdet, dasz bei dem steirischen Ottocar, welcher das dualpronomen noch kennt, keine spur dieser zweiten person auf -ts erscheint, aber auch keine der übrigen deutschen sprachen weisz davon das geringste, nirgend zeigt sich in der volksprache etwas der ersten person des goth. dualis (gibos g6bu, siju v6su) entsprechendes.

Länger zu verweilen haben wir bei dem nominalen und prono- minalen dualis.

Im skr. gewähren nom. acc. und voc. dl. die endung -äu, im vßdadialect häufig : vrkäu oder vrkä duo lupi, bhruväu duae pal- pebrae, näväu duae riaves gegenüber den nom. pl, vrkas bhruvas nävas. nicht anders bildet das adj. durmanäs = gr. dv6^EVi](^ den dl. durmanasäu, pl. durmanasas. feminina auf und neutra auf -am geben dem dl. -6 : dharä terrae, dharß duae terrae; dänam donum, danß duö dona. auf gleiche weise dväu duo, dv6 duae, dv6 duo; ubhäu ambo, ubh6 ambae, ubh6 ambo und tau t6 t6 = gr. ta td reo.

Dem skr. -äu entspricht gr. -co : Ivjcw vaco vrjöco, dem skr. -6 der feminina gr. -a : %(ÖQa n^cc, die neutra behalten -a : dcoQG) oiQoßdrco. ebenso: xaAaj xalä xaXco und ta rd ra. dvo) (und all- mählich ovo) d^cpco gelten für alle geschlechter.

Die sl. duale verleihen dem masc. -a, dem fem. -je, dem neutr. -a : vl"ka kvnti) (pl. vl"tschi Ivxoi); rutschje xstge; slova duo verba. ebenso die adjectiva. dva dvje dva duo duae duo; oba obje oba ambo ambae ambo.

Litth. dl. masc. -u, fem. -i : wilku lv>ica, ranki ^jctpc, geru xaXa, geri xccXd. du duo, dwi duae; abbu ambo, abbi ambae. tu tw, tie td.

Im latein haftet die letzte spur des dualis an den Wörtern duo

970 und ambo, welche ihrem begrif nach keinen pl. ertragen; doch ist fürs fem. und alle obliquen casus die pluralflexion eingedrungen: duae ambae u. s. w.

Bei den Gothen musz die nominale dualform noch länger aus-

DUALIS 673

gerottet gewesen sein, da in den entsprechenden Wörtern alle drei geschlechter auf sie verzichten: tvai tvös tva, bai bös ba ist rein plurale flexion, und ebenso im artikel J)ai J)6s J)ö (für |)a).

Wie wenn im neutrum ahd. zuei, alts. tu6, ags. tvä ein Überrest dualer flexion steckte? denn die plurale würde ahd. zuiu, ags. tu for- dern, es kommt dazu, dasz auch im neutralen artikel ahd. dei neben diu erscheint und ags. sogar nur J)ft für alle geschlechter, da nach maszgabe der adj. die pluralflexion J)e J)a pe fordern würde, auf die- sem wege liesze sich selbst das nhd. zwei für alle geschlechter rechtfertigen, dem ags. tvä tvä für fem. und neutr. entspricht auch für ambae ambo, während die masculina tv6gen und bögen bekommen. Endlich entfernen sich auch die genitive ahd. zueio, ags. tv6ga und b6ga von der erst später einreiszenden pluralform zueiero ags. tvßgra bßgra; ja in diesem casus sticht auffallend das goth. tvaddje und baddje ab von der adjectivischen pluralflexion iz6 J)iz6 blindaiz6. ich habe bei andrer gelegenheit ausgeführt, dasz diese genitive zueio tv6ga b6ga gleichstehn würden den substantivischen eio und goth. addj6 ovorum. Solches alles weiter zu verfolgen gehört aber in die lehre vom adjectivischen Z oder R, welches Substantiven mangelt; hier reichte hin glaublich gemacht zu haben, dasz das EI in dei zuei zueio irgend etwas verrathe von erloschner dualform.

Nun bleiben noch die vielgestaltigen duale des persönlichen pro- nomens darzulegen, welche zu allerlängst fortdauern.

Im skr. stehn sich dl. und pl. erster und zweiter person so ge- genüber : dl.

nom. gen. dat.

äväm pl. vajam ävajös asmäkam ävabhjäm asmabhjam

dl. juväm juvajös juvabhjäm

pl. jüiam jusmäkam juimabhjam

acc.

äväm asmän

juväm

ju^män

allein es gelten auch gekürzte formen für den dl. erster person näu, 971 für den pl. nas; für den dl. zweiter person väm, für den pl. vas, durch alle casus.

Die gr. spräche stellt dem nom. acc. dl. vm\ gen. dat. vcö'Cv den pl. '^^£lg r^^äg, ij^äv ^^tp, in zweiter person aber öqpojf öqpcalV dem v^Eig v^iag, v^cöv v^lv zur seite.

Der altsl. dl. erster person hat im nom. acc. na, fem. nje, im gen. najo, dat. nama; zweiter person nom. acc. va vje, gen. vajo, dat. vama. das na nje, va vje folgt ganz der analogie von dva dvje. der pl. erster person lautet nom. m"i, gen. nas, dat. nam, acc. n"i, zweiter person aber nom. v"i, gen. vas, dat. vam, acc. v"i, Irrthümlich legt Dobrowsky inst. 491 va und vje der ersten person bei, da doch najo na, wie vajo va fordert, auch begegnen sich näu vaC und na, so wie vam 6q)co'C und va.

Die lat. plurale nos und vos gleichen den skr. kürzungen nas und vas, wie den sl. gen. nas vas.

Slovenisch lautet in erster person der dl. nom. ma m6, gen naju, dat. nama, acc. naju; der pl. nom. mi mö, gen. nas, dat. nam, acc.

Grinini, geschiclite der dentsehen spräche. 43

674 DUALIS

nas. in zweiter der dl. nom. va v^, gen. vaju, dat. vama, acc. vaju; der pl. nom. vi vö, gen. vas, dat. vam, acc. vas. merkwürdig ist das M in ma me, welches zu dem in mi stimmt, statt ma wird aber häufig midva, fem. medve gefunden, welches sichtbar aus dem pl. mi mx6 und dem zahlwort dva dvd zusammengefügt ist; ebenso für va v6 vidva vedve*.

Altpolnische denkmäler zeigen wenigstens noch aus der dualform naiu waiu = altsl. najo vajo. altböhmische nagu wagu.

Der litth. dl. erster person muddu fem. mudwi und zweiter per- son judu judwi scheint mit der zweizahl du und dwi zusammenge-

972 setzt, gen. mumü und muma dwejü, jumü und juma dwejü. dat. mum dwiem, jum dwiem. der pl. lautet mes, musü, mums, mus, und zweiter person jus, jusü, jums, jus. in dritter person hat der dl. judu jidwi, gen. jü, dat. jem jom ; der pl, nom. jie jos gen. jü, dat. jems joms.

Diesen litthauischen formen schlieszt sich zunächst die gothi- sche an:

dl. nom. vit pl. veis dl. jut pl. jus

gen. ugkara unsara igqara izvara

dat. ugkis unsis igqis izvis

unbelegt ist der einzige nom. dl. zweiter person, aber jut folgt aus dem pl. jus und der analogie des litth. judu.

Die ahd. duale müssen blosz gerathen werden: nom. wiz pl. wir dl. iz pl. Ir

gen. unchar unsar inchar iuwar

dat. unch uns inch iu

acc. unchih unsih inchih iuwih

da sich nichts als 0. III. 22, 32 unker zweio darbietet und daraus nur unsicher auf 'die östlichen dialecte geschlossen werden darf. 0. IV. 31, 11. 12 selbst, wo man wiz erwartet hätte, steht der pl. wir; nicht anders setzt die alte Verdeutschung von Matth. 20, 22 ir kein Iz. die accusative unchih und inchih nach analogie der plurale bleiben sehr ungewis, zumal auch die ags. form unausgemacht er- scheint.

Ebenso wenig lassen rein mhd. quellen, wie oft dazu anlasz wäre, duale blicken**, nicht einmal Stricker, Helbling und Suchenwirt, ge- schweige Wolfram und Lichtenstein, aber einzelne strenger landschaft-

973 liehe denkmäler und Urkunden aus Baiern oder Ostreich gewähren den duaüs der zweiten, nie der ersten person. der nom. lautet ez, der

* man unterscheidet auch duale dritter person nom. ona fem. one neutr. ona, gen. oneh, dat. oneroa von den pluralen oni one oni, gen. oneh, dat. onem. ** Wackernagel Walth. von Klingen 9b wagt es zweimal ine für iu zu se- tzen, und doch geht iuch voraus und folgt ir unmittelbar. Nib. 250, 1 ist für iuch beide kein it=iz beide zulässig, da iz nur dem nom. zustehn könnte, nicht dem acc. in Rudolfs weltchron. cod. guelferb 86'' liest man: David sprach ez müst sein, mich sant her der vater mein, daz ich enck (den beiden brüdern) zezzen praecht; doch dies enk rührt sicher vom bairischen abschreiber her.

DUALIS . 675

gen. enclier, der dat. acc. euch und wiederum das possessivum encher. gewöhnlich gilt auch ir und ewer ewch daneben und einigemal zeigt die dualform entschieden duale bedeutung, oft aber weicht sie schon in plurale aus. von den dichtem kommen zumal Ottokar und der Teichner in betracht. beispiele aus jenem findet man cap. 450. 451, in der letzten stelle werden ir und ew, ez und enkch untereinander angewandt, der Teichner läszt in einem gedieht (Ls. 1, 638) den engel zu Joachim sagen: du solt k6ren haim zu diner wirtin, da sult ez ain kint gewinnen, d. i. ihr beide, du und Anna; doch auf der Seite vorher hiesz es: Joachim, nu g6 hin wider, von üch sol komen ain kindalln, wo enk an der rechten stelle gewesen wäre, anderwärts (cod. vind. 3010, 56*) sagt er zu den frauen: wenn man schawet in enckhern muet, als ir redt von unser tat, ich verst6n, man fund nicht drät under euch allen ein frawn volkomen. Ein andrer dichter des 14 jh. (cod. vind. 2269, 4**): es frawen solt dy äugen ab im zuckchen; 9* davon sol es enk nit wesen zorn. Die von Keller her- ausgegebne Verdeutschung der gesta Rom. in lebendige prosa des 14 jh. gewährt mehrere belege: s. 60 pei dem aide, den ez mir gesworn habt; s. 106 ez seit (ihr seid) siben maister, ewr jeglicher mag mich wol fristen; s. 156 sagt der kaiser zu seinen dienern: ich wil reiten die gemainen sträz, und weit ez dem steig nach reiten, daz tut ez. zumal merkwürdig stehn s. 54 plural und dualformen verbunden : ir ritter beleibt ez hie! Urkunden des j. 1314 in MB. 1, 234. 235: davon wil ich und gebewt enk; davon wellen und gepieten enk allen, daz ir. In einem briefe Martin Pullers vom j. 1443 heiszt es am schlusz: wer aber, dasz öz all auf ein tag nicht komen möcht, so komt dennoch als ös ktirzlichist mögt. Ein nachtheil war, dasz im nom. ez der dualis zweiter person und der sg. neutr. dritter zusam- menfiel, während goth. jut von ita, wahrscheinlich auch noch ahd. Iz von iz oder ez geschieden wäre.

Den festen grund dieser dualformen bewährt aber ihre allgemeine 974 fortdauer unter dem volk in Ostreich und Baiern * bis auf heute ganz für den begrif des pl., dessen formen sie verdrängen, der nom. lau- tet: es ÖS esz isz, aber auch ez und besonders zu merken ist die von Schmeller (mundarten Baierns s. 187) aus einigen landstrichen an- geführte form tez und tlz, bei Höfer dös und döz, gen. überall enker enka, dat. acc. enk, zuweilen enksz. in Ostreich hört man auch wei- cheres enger und eng, im Eipeldauer jahrg. 1815 heft 2 s. 62 heiszt es zum beispiel : freszts nur zue aus engern kesseln ös wackern män- ner, laszts eng enger fleisch nur schmecken, vorign jähr warts ös selber in der sosz, bisz eng wieder draus garbetet habts. man sieht hier, vom verbalen -ts ist das ös unabhängig, wie auch beide ver- schiednen Ursprung haben, da freszts goth. fraftats, ös goth. jut lau- tet, und ich kann Schmeller nicht beipflichten, der sie s. 190. 313

* schon in Jac. Frevs gartengesellschaft 1556 cap. 43. 56 wird das bai- rische es und enk als cnaracteristisch hervorgehoben.

43*

676 DUALIS

gleich stellt, wenigstens waren sie es anfönglich nicht, spricht das Volk wirklich: dents wölltsz (den ihr wollt) dasztsz künntsz (dasz ihr könnt); so scheint das vergröberung aus: dens wöllts, daszs künnts. in gebts = goth. gibats darf man freilich, wie in allen verbalflexionen, ein suffigiertes pronomen wittern, aber es musz abweichen von ös = jut, wie auch ein ahd. kfe'pats neben iz gemutmaszt werden darf*.

In Niederhessen bei Cassel gilt ein oder da für ihr, z. b. da kenger (ihr kinder) da lite (ihr leute), was da sagt (was ihr sagt), verschieden von dem unbetonten de des artikels (de kenger die kin- der). ich vergleiche es jenem östr. dös, döz, bair. tisz, das wol auch besser disz zu schreiben wäre, und sehe darin eine alte dualform, der 975 wir hernach im altn. J)it begegnen werden, da stände dann für das, däsz ? weder aus hochd. ir noch nd. gi läszt sich dies da herleiten.

Wir schreiten fort zu den niederdeutschen, besser und voller be- wahrten dualformen. Die alts. lauten:

nom. wit

gen. unker

dat. unk

acc. unk wit wird durch Hei. 4, 24. 5, 2. 167, 16; git durch 4, 14. 17. 34, 22. 109, 18 dargethan. wärun wit nu atsamna 5, 2 gilt von Zacharias und Elisabeth; so sculun git firiho barn halon te incun handun 34, 22 von Andreas und Petrus. Gleich entschieden sind die ags. duale

nom. vit pl. ve

gen. uncer user

dat. unc us

acc. uncic? usic

nur die acc. verursachen bedenken.

iuwih) feststehn, so glaube ich ist das Caedm. 174, 19 vorkommende incit verlesen für incic, denn im acc. kann kaum it stehen, oder liesze sich für incit das bairische enksz anschlagen, und auch ahd. unchiz inchiz vermuten? nach der analogie von incic incit richtet sich dann uncic uncit.

In den friesischen gesetzen bietet sich keine gelegenheit zum dualis, der in der alten spräche sicher vorhanden war, da er noch heute, wie sich nachher zeigen wird, fortdauert.

Weder die mnd. noch mnl. Schriftsprache verrathen eine spur desselben; wie verhalten sich die heutigen mundarten? unter den west- fälischen bietet sich im herzogthum Westfalen und der grafschaft Mark der dual zweiter person, nemlich für den nom. gätt oder iät, entspre-

>1. wi

dl.

git

pl- gi

user

inker

iuwer

US

ink

iu

US

ink

iu

:. 5, 2.

167,

16; git

durch 4, 14

dl. git

pl. ge

incer

eover

ine

eov

incic?

eovic

da usic

und eovic (ahd. unsih

* die schwäbische und schweizerische volksprache hat keine duale, auch nicht die der sette comuni. Stald. dial. s. 103. 104. Schmeller über die sette comuni s. 670. 671. [doch bei Pergine. 116. 117".]

DUALIS 677

chend dem alts. git, dessen i in gebrochen erscheint; der gen. lau- tet inker, dat. und acc. ink. ich zweifle nicht am Vorhandensein die- ser formen auch noch in andern gegenden.

Westfriesische und ostfriesische duale kennen weder Halbertsma 976 noch Ehrentraut s. .21; desto reichhaltiger sind die nordfriesischen, auf dem festlande waltet die nordfriesische spräche am reinsten in dem Risummoor, in den gemeinden Eisum, Lindholm, Niebüll und Detzbüll; doch ist merkwürdig, dasz die beiden letzen örter, welche Risum und Lindholm gerade gegenüber liegen und kaum eine viertel- meile davon entfernt sind, den dualis gar nicht kennen, zu Risum und Lindholm unterscheiden die sogenannten Ostermoringer dl. und pl. folgendermaszen :

dl. wat pl. we dl. jat pl. i

unker üser Junker jaringe

unk üs junk jam

unk üs JTink jam

allein noch genauere formen gelten auf der Insel Silt*, nemlich auszer den beiden ersten personen auch für die dritte:

I wat pl. II at pl. i III jat pl. ja unk üs junk ju jam jam

obgleich mir die Verschiedenheit von at und jat, wie das zusammen- fallende jam des dl. und pl. einiges bedenken macht, doch sahen wir vorhin (s. 971) auch die slovenische und litth. spräche duale dritter person für drei oder zwei geschlechter bilden, und dasz zumal obli- que casus des dl. und pl. einander begegnen ist sehr begreiflich.

Aber die hauptsache bleibt der in Nordfriesland noch fortge- füblte abstand des duals vom plural. "^wat san hier man alliene' wird einer sagen, der sich selbander befindet, der zwei lämmer oder rin- der treibende hirt ruft ihnen zu 'wan jat gonge, ik wal junk noch stiöre' wollt ihr gehn, ich will euch wol lenken, ein knabe sagte zu seinen beiden apfelbäumen: "^jat drege so fole aple, ik wal junk insen skudde, dat jats falle läite , ihr tragt so viel äpfel, ich will euch ein- mal schütteln, dasz ihr sie fallen laszt. es liegt in solchen dualen etwas kindliches und lebendiges.

Die altn. duale und plurale stehn so gegeneinander:

dl. vit pl. ver dl. it, J)it pl. er, J)er 977

ockar vär yckar ydar

ockr oss yckr ydr

ockr oss yckr ydr

statt vit it pflegt man zu schreiben vid id oder nach Rasks lehre vid

id, beides ist schlecht und der analogie des goth. ags. vit entgegen;

auch haben vit und it gute handschriften. aber für yckar yckr sollte

gesetzt werden ickar ickr = goth. igqara igqis. die nebenform J)it

* J. P. Hansens leselust in nordfriesischer sj)rache. zweite ausg. Son- derburg 1833 vorrede XV. XVI.

pl. vear

dl. tit

dl. tear

vär

tikkara

tiara

osun

tikkun

tiun

OS

tikkur

tiur

678 DUALIS

mahnt ans bair. dös, niederhess. da, wenn schon letzteres auch aus dem pluralen J)er ableitbar wäre.

Die färöischen formen sind : dl. Vit okkara okkun okkur

hier ist das T in der zweiten person aus dem nom. auch in die obli- quen casus eingetreten.

Aus norwegischer volksmundart gibt Hallager vorr. s. XII blosz die obliquen casus in erster person aakons aakon, in zweiter dokkers und dekan an; ohne zweifei gelten auch die nominative.

In einzelnen schwedischen landschaften werden noch spuren der dualform sein, Ihre unter wi führt wit aus Westbotnien an, Almqvists spräklära s, 252, 261 vid und vir, id und ir aus Dalarne, der form nach offenbar unterschiedne duale und plurale; s. 286 aus lemtland da und däken oder ecken = it, yckr. Säves abhandlung des goth- ländischen dialects in Molbechs tidsskrift bd. 4 gedenkt s. 235 kei- ner duale.

Schon gramm. 4, 294 und oben s. 654 wurde angemerkt, dasz die ags. und altn. spräche beim dualis nur einen eigennamen aus- drücken und den des redenden oder angeredeten als bekannt voraus- setzen, vit Scilling heiszt ich und Schilling; uncer Grendles mein und Grendels; säto vit Völundr, saszen ich und V. so könnte oben 978s. 973 bei Teichner gesagt sein: ez Anna, du und Anna, doch weisz ich keinen beleg; aber nordfries. steht bei Hansen s. 161 wat en Kornelis für ich und K., s. 175 wat en Ellen, ich und Ellen, s. 173 jat en Booi, s. 174 jat en Ellen, nur dasz der ags. und altn. aus- druck durch weglassung des und schöner und gedrängter wird.

Ihrem begrif nach berühren sich mit dem dualis die pronomina weder und jeder, das goth. hvaj)ar, ahd. huSdar, mhd, wßder == lat. uter, gr. tcotbqos f. xotsqos erfragt einen von zweien, das ahd. nihugdar mhd. enwSder, l^t. neuter leugnet beide, ahd. eogahufe'dar, mhd. ie weder, nhd. jeder, lat. uterque gesteht beide zu.

Da unserm adjectiv und, auszer dem persönlichen, dem übrigen pronomen die dualform mangelt, so verdient hier erwogen zu werden, dasz unsere syntax mit zwei subjecten verschiednes geschlechts das adj. im pl. neutr. verbindet (gramm. 4, 279)^ wenn nun ba framaldra vßsun Luc. 1, 7 ä^cpÖTBQOi ngoßsßijxores i^6av überträgt, so könnte dafür in älterem griechisch gestanden haben a^cpa TtQoßsßrjyiözB yn^v. mag der mhd. unterschied zwischen beide und beidiu, zwischen zwöne zwo zwei noch so willkommen sein, die gr. ccfiqpw und övco lassen auch eine uralte deutsche, auf alle geschlechter gehende dualform ahnen.

Hält man die nominale und verbale flexion der duale zu einan- der, so können sie offenbar nicht auf dieselbe weise genommen wer- den, das T in vit jut scheint aus dem anlaut der zweizahl zu ent-

DUALIS 679

springen, wie das litth. judu nachweist; vi- und ju- bekennen aber den stamm der plurale veis und jus. ist gibös aus gibavas, so mag das -vas freilich mit veis und vit sich berühren, doch das -ts in gibats kann mit dem lingualanlaut der zweizahl wieder nichts gemein haben.

Allein das skr. -ävas im verbum läszt sich, wie mir scheint, dem -äu, gr. -Ol im nomen vergleichen, zumal der gr. vocal dieselbe Ver- engung darbietet, die wir in gibös gewahrten. Bopp s. 237 sieht in äu eine Verstärkung des pluralen -äs und deutet u aus vocalisiertem s.

Auch äväm und vajam gehören zu vit veis, wie juväm und jüjam 979 zu jut jus, wiewol die skr. duale keine zweizahl anhängen.

Dobrowsky s. 491 gerieth auf falsche fährte, als er das va des pronomens zweiter person der ersten beilegte, weil im verbum die erste person -va endige, denn dasz va vas vam den pronomen zweiter person eigen sind lehrt die analogie des lat. vos, wahrscheinlich aber fehlt dem sl. va und lat. vos im anlaut die silbe ju, d. h. sie stehn für juva juvos, wodurch sie dem skr. juväm, goth. jut näher rückten.

Der beiden personen des dl. im obliquen casus zuständige kehl- laut scheint ursprünglich nur dem acc. gebührend (vgl. mih dih sih unsih iuwih), hernach in den gen. und dat. vorgedrungen, so wie ich das -s von unsis izvis ugkis unsis für dativisch nehme und dem mis ^us sis vergleiche, in unsis wäre das S zweimal, im ags. uncic incic, wenn diese formen richtig sind, das C zweimal ausgedrückt.

Wol zu beachten ist die Übereinkunft der litth. und goth. judu jut, insgemein aber das lange behaj-ren der pronominalduale in den entlegensten volksmundarten, nachdem ihnen die Schriftsprache schon früh entsagt hat.

Der keltischen spräche gebricht zwar alle dualform, aber einige ihi'er zweige, zumal der welsche und armorische, pflegen bei gliedern des leibs, die als zwei gedacht werden müssen, jedesmal dem pluralis die zweizahl vorzusetzen: ann daou lagad die zwei äugen, ann diou skouarn die zwei obren, auch wenn kein nachdruck auf der zahl liegt. [Zeusz s. 302.]

Die finnische spräche enträth des dualis überall, die lappische besitzt ihn nicht im nomen, aber im pronomen und verbum. der uns fern liegenden grönländischen, die an flexionen überflieszt, ist er allenthalben, im nomen und verbum zuständig, welches ich darum bemerke, weil sein allgemeines kennzeichen K an jenes K unsrer obliquen casus des pronomens gemahnt: uanga ich, bildet den dl. uaguk, pl. uagut, iblit du, den dl. illiptik, pl. illipse. ebenso nuna land, dl. nunäk, pl. nunät; iglo haus, dl. igluk, pl. iglut.

XL. RECHT UND LINK.

980 Für die geschichte der spräche stehn noch reiche ergebnisse bevor, wenn sie allmählich, auszer den lauten, ableitungen und fiexio- nen, über die ganze fülle sinnlicher Vorstellungen den wortvorrath aller urverwandten sprachen befragen und erforschen wird. Dann musz sich auf manigfalter stufe darthun, wo die einzelnen sprachen einan- der suchen oder fliehen und eine viel gröszere Sicherheit des ver- gleichens entspringen als sie bisher gewonnen werden konnte, ich erlese mir hier beispielsweise einen begrif, dessen ausgemacht sinnlicher Ur- sprung auf das natürlichste den übertritt in die abstraction anbietet.

Die Vorstellung des rechten und linken geht von der gestalt des menschen und von deren Verhältnis zu dem ihn umgebenden räum aus. den ersten gegensatz bieten die beiden bände dar: was zur starken, schwertführenden band liegt heiszt das rechte, was zur andern das linke.

Am himmel gibt auf und niedergang der sonne den osten und Westen an, die von Süden und norden d. i. mittag und nacht durch- schnitten sind, soll auf diese richtungen der begrif des rechten und linken angewandt werden, so musz man einen festen standpunct nehmen.

Das alterthum fand ihn in der kehrung gegen osten. wie der

981 tag mit dem morgen beginnt, wendet der vom schlaf erwachende mensch sein antlitz gegen die sonne und betet: was hinter ihm liegt ist Westen, was zu seiner rechten süden, was zu seiner linken norden, diese Stellung ist dem uraufenthalt der menschheit angemessen und darum drückt das hebr. jamin zugleich recht und südlich, smaul smol link und nördlich aus. nicht anders bedeutet das skr. daki^ina auszer dexter auch meridionalis (Bopps gloss. 162^). merkwürdig begegnet man derselben Vorstellung wieder bei den keltischen Völkern, den Iren und Galen bezeichnet deas dexter und australis, tuaidh sinister und septentrionalis ; den Welschen deheuol recht und südlich, chwith link und nördlich, cledd the left und north.

RECHT UND LINK 681

Hierbei ist nun weiter zu beachten, dasz das alterthum die Woh- nung der götter nach norden setzte, in dieser hiramelsgegend lag der indische götterberg Meru wie das römische domicilium Jovis (Ser- vius zu Aen. 2, 693). zufolge Varro war die 'deorum sedes' aus- drücklich im norden, die gegend über den Boreas hinaus dachten sich die Griechen als eine selige und als die heimat gottgeliebter menschen, auch unsern vorfahren müssen die götter im norden ge- wohnt haben*, denn man betete gen norden gewandt (horfa, Tita i nordr, 982 mythol. s, 30), aus welchem grund nachher die gen osten schauenden Christen einen nördlichen sitz des teufeis annahmen (mythol. s. 293)**.

Die göttliche seite des himmels galt aber nothwendig für die heilvolle, günstige, blitz und donner, vögelflug und thierangang auf der seite der götter war ein zeichen ihrer gnade, auf der entgegen- stehenden ihres zorns. denn blitze, vögel und thiere wurden von den göttern entsandt. Hieraus folgt also, dasz dem hohen alterthum die linke seite als die heilbringende erscheinen muste. sehr merkwürdig ist des Plinius meidung 28, 2 : in adorando dexteram ad osculum refe- rimus totumque coi'pus circumagimus, quod in laevum fecisse Galli re- ligiosius credunt. diebetenden Gallier kehrten sich links, d.h. nordwärts.

Ebenso schaute der römische augur gegen osten und bestimmte die rechte seite gegen Süden, die linke gegen norden: augur, deos precatus regiones ab Oriente ad occasum determinavit ; dextras ad meridiem partes, laevas ad septentrionem esse dixit. Livius 1, 18; und Juba bei Plutarch quaest. roman. 78 den römischen brauch er- läuternd: trorg TiQOS rag avaroXas aTtoßkenovöLV Iv äQLötSQCc yivBtUi xo ßÖQBLov, o drj Tou xoöfiov di^iov BViOL tLxtevTat y,a\ xa&vjieQtSQOV. Festus s. V. sinistrae aves sinistrumque est sinistimum auspicium i. quod sinat fieri. . . . sinistra meliora auspicia quam dextera esse exi- stimantur. Servius ad Aen. 2, 693: sinistras partes septentrionales

* erklärt sich daraus, dasz im altbairischen recht die grenze eines noch uneingefriedigten hofs gegen mittag morgen und abend durch beilwurf, gegen mitternacht aber durch schattenfall bestimmt wurde ? si autem cur- tis adhuc cinctus non fuerit, jactet securem saiga valentem contra meri- diem, orientem atque occidentem; a septentrione vero ut umbra pertingit, amplius non ponat sepem. [schweiz. schattenhalb.] nach den andern drei himmelsseiten durfte der erwerber das bell auswerfen und so weit es fuhr sich aneignen; nach norden hin entschied aber der schattenfall (von sei- nem hause oder bäume her? vgl. RA. s. 105 'als der schemm sich er- strecket'), es musz für frevelhaft gegolten haben gegen die heilige seite zu werfen. In langobardischen Urkunden bei Fumagalli findet sich die grenze da mane, da meridie, da sera ausgedrückt, die nordseite aber be- nannt 'a nulla ora', gleichsam war sie unbegrenzt. Vielleicht heiszt den Jütländern in diesem sinn der norden schwarz: 'swott nuoren', die unbe- grenzte dunkle seite, vgl. Peter Foersom ora sandinger of danske land- skabsord hos den jydske almue i Ribeegnen. Kiöbenh. 1820 s. 11. 12. 24. Auch der Este scheut die nordseite (abergl. 43).

** Vorauer hs. 94, 16 von Lucifer: chot, wolti sizzin nordin: die dem teufel absagenden musten sich nordwärts kehren, in einer predigt bei Leyser 135, 34 heiszt 'zu den genädin oder ungenädin' ad austrum und ad aquilonem.

682 RECHT UND LINK

esse disciplina augurum consensit, et ideo ex ipsa parte significantiora esse fulmina, quoniam altiora et viciniora domicilio Jovis. Günstiger vogelangang war der von der linken seite: sinistra monet cornix. Virg, ecl. 9, 15; non temer e est, quod corvus cantat mihi nunc ab 9831aeva manu. Plaut. Aulul. IV. 3, 1. impetritum, inauguratum 'st: quovis admittunt aves. picus et cornix est ab laeva, corvus porro ab dextera. Plaut. Asin. II. 1, 12.

Cicero aber nimmt des Unterschieds wahr zwischen römischem und griechischem brauch, de divinatione 2, 39 : quae autem est inter augures conveniens et conjuncta constantia? ad nostri augurii con- suetudinem dixit Ennius,

quum tonuit laevum bene tempestate serena. at homericus Ulixes aqud Achillem querens de ferocitate Trojanorum, nescio quid, hoc modo nuntiat:

prospera luppiter bis dextris fulgoribus edit. ita nobis sinistra videntur, Grajis et barbaris dextra meliora. quam- quam haud ignoro, quae bona sint sinistra nos dicere, etiam si dex- tra sint.

Die gemeinte stelle ist aus II. 9, 236

Zsvg ÖS ag)i Kqoviötjq ivSsS,ia orjßaxa, (paivwv

aorgäniEi.

wie es auch IL 2, 353 heiszt:

aaxQänxojv incöe^^, ivalGt/ia ai^/iara (paivwv. vgl. 8&i,iov zJibi tsgag Eurip. Phoen. 1189 und magfiog i% tüv ds- |io5r. der ös^iog OQVtg weissagt heil Od. 15, 160. 525, hingegen der aptörfpog oQVtg unheil. Od. 20, 242. Didymus ap. schol. Ari- stoph. av. 704: ri öitti] kol sl' n rotovtov oqveov öe^lo. Jigög spco- tccg cpaivitm. sya ^sv, dt ylBvxiTcns, dsBir} ökrrj. den Griechen waren folglich die ßoQSia auch ös^lcc, den Römern aber die septen- trionalia sinistra.

Wie nun die umdrehung erklären? mir scheint es die Griechen und alle andern mit ihnen hierin übereinstimmenden Völker, in der Wanderung gegen westen begriffen, musten sich gewöhnen den blick nach abend statt nach morgen zu richten, und der heilbringende norden trat für sie zur rechten seite, während er früher zur linken gestanden hatte*, ihre alten hofnungen lagen ihnen jetzt im rücken

* man pflegt den unterschied zwischen Griechen und Römern anders aufzufassen. Entweder läszt man den gr. vogelechauer gegen mitternacht, den römischen gegen mittag blicken, so dasz jenem die glücklichen vögel rechts von osten, die unglücklichen links von westen fliegen, diesem aber die glücklichen links von osten, die unglücklichen rechts von westen. aber das schauen des röm. augurs gegen morgen erhellt aus Livius und Plu- tarch, welchem gemäsz, da sich beiden Völkern rechts und links umdreht, der griechische gen abend gerichtet sein musz, wie sich auch sonst aus der Identität zwischen recht und nördlich ergibt. IL 12, 239. 240 geht freilich der rechte flug nach osten, der linke nach westen; das scheint aber von norden ostwärts, von Süden westwärts. Oder man nimmt an, der Grieche habe nach sich, der Römer nach den göttern gerechnet, für die rechts sei,

RECHT UND LINK 683

und sie strebten vorwärts gegen westen. Die früher angezognen 984 Römer und bis ans äuszerste ende des welttheils gelangten Kelten hatten den alten brauch entweder beibehalten oder im neuen, festen Wohnsitz wieder angenommen.

Lege man aus wie man wolle, worauf es mir ankommt ist, dasz gleich den Griechen auch die barbaren die rechte seite für die glück- hafte hielten; an welche Völker Cicero dabei dachte ist uns freilich verborgen. Unser einheimisches alterthum gewährt folgende Zeug- nisse, bei Burcard von Worms (um 1025) heiszt es p. 19S'^: credi- disti quod quidam credere solent, dum iter aliquod faciunt, si corni- cula ex sinistra eorum in dexteram (das homerische ml de^id) illis cantaverit, inde se sperant habere prosperum iter. bei Petrus ble- sensis ep. 65 (f um 1200): de jocundo gloriantur hospitio, si a sinistra in dextram avis sancti Martini volaverit. dies ist weder keltisch 985 noch römisch, sondern deutsch und uralter thiersage gemäsz. dem Tibert begegnet l'oisel saint Martin, assez si le hucha ä destre, et li oisiax vint ä senestre. Ren. 10473, er wollte ihn rechts locken, aber das vöglein flog links in übler Vorbedeutung, dasselbe wird Reinaert 1051 1054 erzählt, und musz tief in der fabel gegründet sein, auch im Cid heiszt es gleich eingangs:

a la exida de Vivar ovieron la corneja diestra, e entrando a Burgos ovieron la siniestra,

das erste Vorzeichen war günstig, das andere unheilvoll. Olaf Trygg- vason beachtete, ob die krähe auf ihrem rechten oder linken fusz stand, und weissagte sich daraus gutes oder böses. Auch Hartlieb (mythol. s. 1083) erklärt das fliegen zur rechten hand für glücklich, das zur linken für unglücklich, der adler müsse dem reisenden taschenhalb fliegen, d. i. wieder zur rechten, vgl. ecbasis 335 von einem hirten: capsidile suo gestabat in inguine dextro; 'in die taschen mähen' sagt man in Baiern, wenn der immer von der rechten zur linken mähende mäher sich umkehrt und in entgegengesetzter richtung zurück mäht (Schm. 1, 459).* Der gemeine mann in Baiern und der Schweiz denkt sich Süden voran, norden hinten (Schm. 2, 704. Stald. dial. 234); der Oberpfälzer setzt zur betheurung stral, blitz immer noch 'hintane'! (Schm. 2, 217), womit ausgedrückt wird, dasz der blitz-

•was für die menschen links, saszen nun die götter im norden, so wäre ihnen der westen rechts, der osten links gewesen (womit Varro bei Festus s. V. sinistrae aves stimmt) und die menschen hätten den standpunct von Süden gegen norden zu nehmen, vgl. Niebuhrs röm. gesch. 2, 701. 702. Hermanns gottesd. alt. s. 185. 0. Müllers Etrusker 2, 128. 129. diesen bei- den deutungen gemäsz wären die östlichen vögel die heilbringenden, nach meiner die nördlichen. Merkwürdig ist, dasz gleich den Griechen und Ger- manen auch die Aegypter den standpunct von osten aus_ nahmen: Aiyvn- Tcoi yaQ oi'oyxfxi^ xa fjisv kiSa tov xöoyiov ngöacanov slvcct, ra Sh TiQog ßo^QÜv öe^iä, öh rcgbq vorov agiaxegä. Plut. de Eside 32.

* auch auf der insel Gothland gilt eine benennung der rechten seite nach dem mähen: hafdum, den högra sidan, der man vid slätter hugger in medlian; den motsatta kallas äutränningi (iitrenningi). Almqvists. 427''.

6g4 RECHT UND LINK

stral von hintenher, also von nordwärts fahren solle, das heilige, günstige zeichen, wie jenes öe^lov z/tog tegag. dies norden im. hin- tergrund würde ganz zur griechischen ansieht stimmen, dasz westen rechts, osten links gedacht werden müsse*.

986 Aus dem slavischen und litthauischen Volksglauben läszt sich

gewis manches zur bestätigung anführen, was ich nur nicht kenne. Wenn bei den Liefländern das geschlachtete opferthier auf die linke Seite fiel, war es zeichen des zorns der götter und bedeutete unheil. So viel von anwendung der Vorstellung recht und link auf die himmelsgegenden ; ich will nun die manigfachen ausdrücke unsrer sprachen erwägen, in denen für das rechte herscht unter allen ur- verwandten Völkern grosze einstimmung, für das linke desto gröszere Verschiedenheit, überall aber ist der trieb wahrzunehmen, compara- tive und Superlative formen zu entfalten, wieder als positive zu setzen und von neuem zu steigern.

Skr. dakäa, dak^ina, gr. dshog, ÖB^itSQog, lat. dexter, dexterior, dextimus, sl. des'n", serb. desni, litth. deszinis (aus deszin^ zu fol- gern), ir. gal. deas, welsch de und dehevol, armor. dehou. ein goth. taihsvs zu entnehmen aus 'in taihsvai' Marc. 16, 5. Col. 3, 2, vom weiblichen nom. taihsva; gewöhnlich schwach masc. taihsva, ahd. ze- sawo, mhd. zfisewe zfe'swe und zfe'sme (ahd. zesamo, goth. taihsuma?), doch auch starkformig '"diu zeswiu hant' frauend. 487, 16. "^min zSswiu haut' das. 27, 17. ags. nur ein einzigmal 'on teso' Ctedm. 232, 4. wiederum stark und zu nehmen wie bearo bearves, scado scadves. Gewöhnlich steht für die rechte band das blosze adj. gr. Ö£|ta, ds^i- tsga, lat. dextera, litth. deszinS, ir. gal. deas, goth. taihsvö gen. -6ns, ahd. z6sawä, mhd. zSsewe. welsch sagt man deheulaw (von llaw, ir. lamh manus). in der alts. nl. fries. und nord. mundart ist dies wort nicht zu spüren, wie es auch nhd. ausstarb, doch musz es die fränkische besessen haben, denn aus ihr scheint das franz. toise, mlat, tesia übrig, was ein masz wie dextrus ausdrückt**, der it. spräche verbleibt destro und destra, der span. diestro diestra, das altfranz. destres destre ist erloschen gleich dem sl. des'n", nur des-

987nitza boshija bleibt den Russen für gottes band. Da de^iog dexter deas zugleich fein, gewandt*** ausdrücken, so könnte ungewis blei- ben, ob sie von der Vorstellung des sinnlichen rechten oder diese von jenen abzuleiten seien? mir scheint immer noch taihsvö der wurzel teihan nuntiare angehörig, weil sie weist und zeigt; ist das S ein- geschaltet wie in veihs vicus, wie in fuhs neben foha? oder super- lativischer art, wie dexter = decister ? welchem oben s. 593 tiJstar aus Tßstarbant verglichen wurde, genau musz aber taihsvö geschrie-

* heiszt es in einer predigt bei Griesh. 2, 116. 117: ze den gerehton absiton i. ad austrum, ze der linggon absiton i. ad aquilonem, so scheint das unklare, gelehrte deutung.

** über tesia und dextrus nachzusehn Guörards prolegomena zu den cartulaires de France tom. 1. p. CLXXIII. *** behend, was aus dem adv. be hende, bei der band, entsprungen ist.

RECHT UND LINK 685

ben werden mit al nach dem pl. praet. taihum, wie das fe" der übri- gen sprachen zeigt.

Der übliche alts. und ags. ausdruck für die rechte hand und Seite ist sulthora und svidre, d. h. fortior, citior, der stärkere, ge- schwindere, raschere, sollte man auch suiftora gesagt haben? vgl. s. 594.

Die alts. psalmen 59, 7. 62, 9. 72, 24 und Wiggerts brachst. 90, 19 bieten forthora, vorthere = dextera, die vordere, vorangehende (ganz im gegensatz zu jenem bairischen vornen für süd und hinten für nord, wenn man darin links und rechts sehen darf), hierzu stimmt vordere hand in Ssp. 1, 18. 2, 12. 15. Gosl. stat. 78, 30 und das friesische ferre hond = prior, potior, dextera (Richthof. 734^).

Altn. hoegri hönd, hendi hinni hoegri Saem. P, schwed. högra banden, dän. höire haanden, von hcegr dexter, commodus, behaglich, welchen ein ahd. huogi, ags. hege entsprechen würde, ebenso altn. hcergrameginn ad dextrum latus.

Mhd. diu bezzer hant MSH. 3, 225* manus potior = dextera, wie man nhd. zu kindern sagen hört: gib die schöne hand*. ost- fries. de säum hann. Ehrentraut 1, 100. schwed. vackra banden, die wackere, rechte hand. Almqvist s. 335. 468. Den Letten heiszt die rechte hand die gute, labba rohka, gegenüber der linken kreisa, den 988 Esten die rechte häkässi, gute hand.

Dagegen findet sich mhd. fast noch niemals diu rehte für diu zeswe, sondern rßht drückt nur rectus, justus aus, wie das ahd. rfiht** girght, goth. raihts, garaihts. wann und woher ist, fragt es sich, reht für dexter in unsere mundart eingedrungen? wahrscheinlich damals als auch im franz. droit d. i. directus, rectus das alte destre verdrängte, zuerst liest man rehtinhalp im Athis B*, 115, rehthalp Engelh. 3071 (wo aber leicht zeswenhalp zu ändern wäre) und ge- loben mit der rehten hant im Renner 12098, auch myst. 123, 5 steht der linken hant die gerehte gegenüber und Griesh. 2, 116. 117 ze der gerehton u. linggon abslton; den rehten dümen Swsp. s. 171. diesen romanischen einflusz spürte die mnl. spräche früher; beiMaerl. 1, 202 liest man die rechter hant, 1, 158 die rechter borst, I, 265. 270 dat rechtre oge, 2, 341 ter rechter siden; ja 1, 351 die rechtre justus, immer in comparativischer gestalt (gl. zu Ssp. 2, 36), statt welcher allmählich die positivische eingeführt wurde, um die gleiche zeit begann auch im engl, right das ags. svidre zu ersetzen.

Gerade so wich den Slaven das alte desni vor dem neuen prawy, das eigentlich justus bedeutete, die rechte hand hiesz nun poln. prawica, böhm. prawice, russ. pravaja ruka und daher walach. pravila. nur den Serben dauert desni und desnitza, den Slovenen ist desna

* in Gothland ruft man den kindern zu: guUhandi! die goldhand d. i. die rechte. Almqvist 426*».

** bi rehtemen 0. 1. 1, 52 weist auf ein superlativisches rghtemo, goth. raihtuma.

686 RECHT UND LINK

desniza üblicher als praviza, Südslaven hängen also dem alten aus- druck an, wie Italiener dem destro destra, Spanier dem diestro diestra*.

Unter den ausdrücken unsrer spräche für link ist der älteste das goth. hleiduma und die linke hand oder seite (fßra) heiszt hlei- dumei. ein ahd. hlitumo hlitamo ist unerhört, doch ich ahne zu- 989 sammenhang mit dem ahd. hlitä, mhd. lite, bair. leite, clivus, ab- hang, weil das abschüssige zugleich das krumme ist und dem auf- rechten, geraden entgegen steht, es musz ein hleinan hlain hlinura recubare gegeben haben, wovon goth. hlains collis und ahd. hlinön recumbere, gr. xUvslv, lat. reclinare, der recumbens und rechnans ist gegensatz vom aufrechten, und wir gelangen immer zur Vorstellung des obliquen und gekrümmten, die sich mit der des linken berührt, vielleicht darf das bair. hinterleitig in betracht kommen, das von einem nach norden oder im mittagsschatten eines waldes liegenden feldstück gilt (Schm. 2, 520). da auch das altn. hlid latus montis, devexitas bedeutet und D behauptet, so mag ich das schwed. lätta sinistra manus, gothländische löta (Molbechs bist, tidsskr. 4, 215. Almqvist s. 438) nicht vergleichen, deren T sich vielmehr zum bair. Schweiz, letz perversus obliquus (Schm. 2, 530. Stald. 2, 167. Tobl 296) halten läszt, welches schon im ahd. lezi l6zi leizi (Graff 2, 316) erscheint. Nah aber dem hleiduma liegen ir. gal. clith, welsches cledd link, armor. kleiz und klei.

Ungleich ausgebreiteter ist das ahd. alts. winistar und von der hand gebraucht winisträ, ags. vinstra, fem. vinstre, fries. winistere, altn. vinstri, schwed. vänster, dän. venster. dieser ausdruck herscht noch mhd. vor; winister Anno 821. winster Karajans denkm. 36, 10. En. 5212. Maria 163, 16. 194, 38. 208, 31. Er. 6704. Iw. 599. Parz. 9, 25. 295, 24. 304, 21. MS. 1, 157^ Diut. 1, 228. Wigal. 2545. 6257 (var.). Helmbr. 61. 628. und im Bari., nicht bei Walther, Conrad noch im Renner, s. 306 nahm ich unmittelbare berührung zwischen winistar und lat. sinister, durch bloszen Wechsel des V und S an, auf jeden fall tragen beide die auch in ägiörsgog vorbrechende Superlativ- und comparativbildung ST und R zur schau. Da nun altn. vaenn pulcher, vsenstr pulcherrimus mit vinstri gemeinschaft haben können, wobei auch das superlativische alts. wänamo oder wanamo (s. 653)? pulchre, wänami claritas, splendor anzuschlagen wäre ; so ergäbe sich Verwandtschaft mit dem skr. väma, das zugleich sinister und pulcher bedeutet, letzteres in Zusammensetzung mit wör- 990tern, die ein glied des leibs ausdrücken (Bopps gloss. p. 316*). M erschiene in N geschwächt, die bedeutung aber wäre der schönen hand, welche wir vorhin für die rechte geltend machten.

Lenkä laeva, sinistra (manus) bieten schon sehr alte ahd. glos- sen dar (Graff 2, 231), doch lange zeit überwog winisträ. mit der

* für dexter haben die Finnen oikia, die Esten öige, die Lappen in Norwegen olgish, in Schweden älkes.

RECHT UND LINK 687

leugern viuste Lanz. 1928, zer linken hant Iw. 599, beidemal in den Varianten, linkin vuozis Athis E, 56. ze der lingen slton Griesh. 1, 11. linggon 2, 117. zer linggen hant Walth. 83, 32. zer lenken hant Karl i2^. Suchenw. 29, 31, wo nicht in diesen beiden tenken zu setzen, den linken fuoz Trist. 7046, linker bant 10943, lingen siten Troj. 12817 und ferner Wigal. 6257. 6557. MS. 2, 235*. Renn. 6313. 12431. 23335. 24398. Livl. ehr. 7614. 7874. myst. 123, 5; lingibant vocab. opt. 128. glinggen arm Hätzl. 195, 86. einzelne dichter, z. b. Wirnt, brauchen beide, winster und link. nhd. hat link alle andern ausdrücke besiegt, wenn man in urk. rechtere band, linkere schulter liest und auf dem linkeren fusz, so scheint das niederdeutsch. Das mnl. slink möchte ich der brabantischen mundart aneignen: Lanc. 3511. 3514. 20877. Rose 3824. 7326. Jezus 38. 197. 198. doctr. 1, 860, doch begegnet es auch bei Maerl. 2, 341 ter rechter en ter slinker siden und 1, 102 metter slinke (: minke); slinke mouwe belg. mus. 7, 447. nnl. ist slink neben luchter zuge- lassen, zu diesem slink gehört slenken sich einkrümmen, zusammen- ziehen, S aber ist bloszer vorsatz, wie slikken lecken und andern mehr. N vor K scheint nasale erweiterung der wurzel, so dasz sich link zum gr. laiog, lat. laevus halten liesze, worauf ich zurückkom- men werde; nur musz auch litth. lenkin flecto linkus flexibilis er- wogen werden, weil das biegen ein krümmen ist.

Tenk gehört der bairischen, östreichischen mundart, doch ent- hält sich seiner Wolfram, allein Nithart MSH. 3, 213*. 225*. 282*, Stricker, Helbling 7, 1042, Hebnbr. 87, Albrecht im Tit. 5941, Apollonius, Wolkenst. s. 254, auch Ruprecht von Freisingen, das Ofner stadtbuch § 341 und die gesta Romanor. ed. Keller s. 7. 8. 70. 80. 81 gewähren es, Iw. 599 wird es in einer lesart eingeschwärzt. Schm. 1, 384 schreibt denk und führt denkisch für linkisch an, das 991 auch bei Wolkenst. s. 157 steht, ohne zweifei nah verwandt ist das it. stanco (mano stanca) und zanco, sowie das walach. steng = link; in den sette comuni heiszt es schenke hand = tenke. stanco be- deutet sonst schwach und matt, aber alle diese Wörter sind unroma- nisch, wahrscheinlich darf man denk und lenk gleichsetzen, wie dingaa und lingua, dacrima und lacrima (s. 353, 354) und dann müssen die it. formen aus den deutschen aufgenommen und entstellt sein.

Lörz ist ebenwol bairisch, aber auch weiter im mittlem Deutsch- land gekannt als tenk. Wolfram Wh. 46, 8 zer züswen und zer lerzen (ihfjrzen); Athis A*, 120 zuo der lerzin siten; Herbort 9080 mit der Itirzen hant, 13584 um die IfJrzen; Frib. Trist. 6698 die zöswen und die Ife'rzen (: herzen); Amgb. 15^ der zöswen und der lörzen (: kurzen); Tit. 3646 zer Ife'rzen hende; 5950 in arm sin den ISrzen; Ottoc. 27^' zer zfe'swen und zer Ife'rzen. ich vermute auch mit ü statt I lurz, und der alte druck hat Tit. 3646 zer lürtzen hende; nach Schm. 2, 490 soll man in Würzburg lurz für link sagen. Nun gilt aber auch mit beiderlei vocal, RK für RZ. lirk oder ItJrk : mit der lirken viuste Lanz. 1928 diu lirke sinistra manus Martina 73*^.

688 RECHT UND LINK

Frauenlob 54, 11; zuo den Ife'rken 410, 16. Conrad MS. 2, 199^ reimt Iure : burc, Schmiede 82. 1696 zer zöswen und zer lürken : wür- ken (auszerdem finde iclis nicht in seinen gedichten), Ottocar 191^ an zeswen und Iferken : wfe'rken. Wie sind diese der ahd. und allen übrigen deutschen sprachen wildfremden lörz und lurz [in Karlmeinet], Ife'rc und Iure zu fassen? es gibt ein verbum lerken balbutire in Diemers ausg. det Vorauer hs. 34, 12, lirket halbutit bei Frauen- lob 134, 12, und gerade so steht Hätzl. 101, 60 nun ich mit miner Zungen lerz : hSrz (für lörze : hörze). was heiszt ebenda 72, 233 den muot erltJrzen? aufheitern? fragm. 31*^ scheint äne lürzen : gekürzen wiederum ohne zaudern, stottern, im kolocz. cod. 185, 1048 aber lurzten schmeichelten, lurken lurggen lorggen für stottern, stammeln kennt auch Stalder 2, 186 und mit der Vorstellung des linken un-

992 geschickten läszt sich die des stotterns leicht verbinden, kaum ist lerz aus letz obliquus, noch weniger lerk aus link entsprungen, ob- wol sie höher aufwärts der wurzel laevus zufallen könnten.

Wir nähern uns dem wieder mit L anlautenden ausdruck der niederdeutschen spräche, es müste sich aus denkmälern des Über- gangs der ags. in die altengl. ermitteln, wann vinstra gewichen und left oder lift an dessen stelle getreten sei. kein ags. werk zeigt eine spur dieses worts, aber es musz schon im 13 jh. allgemein durch- gedrungen sein, weil es um dieselbe zeit die niederländischen Sprach- denkmäler kennen, mir sind nur etwas spätere belege zur band: a lifte hälfe aus Chaucers rose 163 und on thi left half aus Plough- man 887. die heutige form ist left. die heutige westfriesische volk- sprache stellt die lofterhöan der rjuchterhoan entgegen (lapekoer 18, 51), die ostfriesische de läft haun der säum haun (Ehrentrauts arch. p, 100). andere schreiben lefter hond. Der gewöhnliche mnl. aus- druck ist luchter, comparativisch mit CHT für FT wie in cracht hacht lucht f. craft haft luft: ter luchter siden Eeinaert 1054. ter luchter haut Esop p. 316 und oft bei Maerl. 2, 21. 3, 171 luchtre ore 3, 207. Floris 981. Fergüt 1084. 3601. Haupt 1, 103. nnl. luchter neben link, in Oberyssel lochterhand. mnd. lochter: to der lochteren haut. Keineke 948. Goslar, bergges. 21. lochteren siden Bruns rom. ged. 138, man schrieb auch luchter z. b. Kantzow s. 55. 63. in der heutigen niederdeutschen mundart hat link oder lunk das lucht oder luchter fast verdrängt*. Dies left lift luft lucht könnte dem alts. l6f, fries. M (Richth. 165, 5) debilis, infirmus verwandt scheinen, falls sich ein ablautendes lifan lef lifun (liban l6f libun) neben biliban annehmen liesze, aus dessen pluralis lift weiter geleitet wäre; auch lat. obliquus und liquis mögen zu linquo gehören.

Doch es ist zeit das gr. Aaio'g, lat. laevus selbst ins äuge zu fassen, ihm gleicht ahd. l6o l6wes (Graff 2, 295) malum, perversitas?

993 wofür man goth. laiv laivis rathen könnte; Schm. 2, 406 hat ein oberpfälzisches lei leiw malus infirmus aeger. entschiedner entspricht

up der lichten oder luchten = linken. Lappenbergs Eibkarte s. 15.

RECHT UND LINK 689

das sl. Ijev" sinister, böhm. poln. lewy, sl. Ijevitza sinistra manus, poln. lewica, böhm. lewice. wahrscheinlicli sind link und left blosze erweiterungen dieser wurzel.

I^xaLÖg und scaevus sind inlautend ganz ähnlicb. dem Xatos lae- vus, scaevola bezeichnet einen linkhändigen, wiederum entspricht das sl. schoui sinister (Mikl, p. 108), schouitza manus sinistra, die neueren sl. sprachen haben es aufgegeben, doch besteht slov. shevi, poshevi schräg, das nhd. schief, nd. scheef, nnl. scheef, in hochd. mundarten scheib scheb ist obliquus, varus, mangelt aber der alten spräche; man darf damit nicht vermengen das mhd. schiech timidus, fugax, nhd. scheu, doch verwandt scheint altn. skackr obliquus pravus und bair. schiegk varus (Schm. 3, 320). aber dem ö-aaiog und önohog scaevus schoui vergleicht sich das skr. savja sinister (Bopps gloss. 371).

Aus demselben savja leitet Bopp, mich dünkt gezwungen, sowol sinister sinistimus als auch aQiötEQog, indem jenes für sivister, dieses für öafLörsQog gesetzt sei. mehr schein hat doch die vorhin vorge- tragne Verwandtschaft zwischen sinister und winistar oder, will man sie nicht, zwischen sinister und goth. sinista JiQBOßvtSQog d. h. prior, princeps.* ccQLöTSQog läszt sich einfach als nochmalige comparation von KQLötog ansehn, wie aus den Superlativen fruma auhuma miduma ein neuer superl. frumists auhumists midumists entsprang, ist nun aQLöTog unser ahd. ßristo goth. airista primus, so wäre freilich in ccQiörBQog die Vorstellung prior, potior zu suchen, welche sich für den begrif des rechten bei den Griechen, des linken bei den Römern eignet, wie nun, wenn die Griechen das früher auf die rechte hand angewandte wort nachher, als sich ihre ansieht umdrehte, von der linken gelten lieszen? ihnen war im verlauf der zeit die rechte po- tior geworden; doch der alte ausdruck blieb bestehn. die Deutschen hingegen benannten die rechte die vordere. Hat aber der zusammen- 994 hang zwischen väma winistar und vsenstr pulcherrimus grund, so wäre die nach der indischen, also urdeutschen ansieht passende Vor- stellung wiederum, nachdem sich der deutsche standpunct verkehrt hatte, untreffend geworden, dennoch haften geblieben, man fuhr auf deutsch fort, den unverstandnen namen der schönen hand für die linke zu gebrauchen, nachdem ihr der Vorzug entrissen war. Dies Verhältnis der worte winistar und aQtötEQog scheint mir die oben zur grundlage genommne entwicklung nicht wenig zu rechtfertigen, auch darf die Verwandtschaft von ägiörog und ßristo unter dem kurzen vocal des gr. worts nicht leiden ; in ccqlöxov prandium dauert die länge.

Auf ähnliche weise musz evävvfios für link gefaszt werden, die linke seite war boni ominis nach der alten später aufgegebnen an- sieht, schon Herodot 7, 109 £| svcavv^ov xstQog, und in der Schlacht hiesz der linke flügel evdvv^ov aegag. so bedeutet im N. T. sv(6- vv^og den gegensatz von ds^Log.

* aus der Zigeunersprache führt Pott 1, 208. 2, 479 ein seltsames styn- gonester für link an.

Grimm, gescUchte der deutschen spräche. 44

690 RECHT UND LINK

Bei den Grieclien findet man auch die linke hand ausgedrückt, durch rj £TSQa, die andere, der rechten entgegengesetzte, schlechte, die späteren verwenden Q^drsQog in solchem sinn, z. b. bei Procop b. goth. 1, 6 steht etiI d^atega dem sv dshotg gegenüber, die rechte ist die erste, vordere hand, die linke die andere, nachfolgende, in den deutschen gestis Eoman. ed. Keller s. 137 bedeutet "^ andre hant' gleichfalls die linke, ebenso Ssp. 1, 63: "^enen senewolden schilt in der anderen hant.'

Die Litthauer stellen der deszin^ entgegen die kair^, linke (Szir- wid schreibt kayre poln. lewica, kayras poln. lewy). ich zweifle, ob sich dazu unser quer obliquus, transversus (ahd. duerah, ags. pveor, goth. J)vairhs) halten läszt, wofür litth. skersas, lett. schkehrs gilt; möglich wäre auch unser krumm, ahd. chrump, lat. curvus und sl. kriv" obliquus verwandt, sehr gewagt vergleicht Bopp (malay. spr. s. 148) zu kair^ das skr. kara hand. den Finnen ist kurakäsi die 995 linke hand, den Esten kurra, kurri, d. h. die schlechte, schlimme, ebenso den Lappen kärro, kuro, das scheint dem kairS näher zu lie- gen, in unserm alten recht heiszt bei persönlichen Verhältnissen der unfreiere stand die erger hant, manus deterior, was ich aber für linke nicht gebraucht finde.

Noch gewähren die keltischen sprachen einen merkwürdigen aus- druck: ir. ciotan, ciotog manus sinistra, gal. ciotach, welsch chwith, chwithig. davon ist das dänische keite manus sinistra, keithaand, was die alte gemeinschaft keltischer spräche mit germanischem boden bezeugt, und in den nordöstlichen (eigentlich schwedischen) dialecten nicht erscheint, aber die Norweger sagen kjeiva, kjeivhändt, die Juten kave, kavhaand, die Schonen kaja. auch in Vestgötland kjäva sini- stra manus und auf der insel Gothland gilt kajtu sinistra, kajthaun- det linkhandig, Almqvist s. 268. 320. 432.*

Schwierig ist das an die stelle des alten senestre getretne franz. gauche, welches allen übrigen roman. sprachen, auch der graubünd- nerischen und wallonischen gebricht ; doch geht Roquefort viel zu weit, wenn er 2, 538 meint, es sei erst gegen den schlusz des 17 jh. auf- gekommen, denn schon Rabelais 1, 6, als er des Gargantua geburt beschreibt, sagt: print son chemin ä gauche et sortit par l'oreille senestre. im roman de Geoflfroi de Mayence aus dem begin des 16 jh. lese ich ch, 17 pied gauche. das wort war sicher schon im 15 jh. gangbar, aber wie entsprang es? gauchir declinare, sich zur Seite wenden, links drehen scheint das altfranz. guenchir (Garins 1, 16. 155), guenche guanche ist tour, detour, und beide Wörter ent- stammen dann dem mhd. wenken, wank, gauche ist also seitwärts gedreht, gewendet, d. h. link, die blume souci = solsequium hiesz prov. flor dal gauch (altd. wäld, 1, 125). an das gr. yavöog ist kein gedanke.

* auf der insel Silt heiszt der hauptort Keitiim; hängt dieser name mit keit link zusammen?

RECHT UND LINK 691

Endlich das span. izquierdo rührt her aus dem baskischen izquerra, 9 ezquerra (escu ezquerra manus sinistra), zurdo, denke ich, ist das- selbe, nur mehr entstellt.*

Wir sehn dasz die meisten sprachen die alten echten ausdrücke für den begrif des rechten und linken allmählich fahren lassen und andere, oft bei fremden nachbarn entlehnte dafür einsetzen, man kann nicht sicher sagen entlehnte ; denn solche Wörter mögen gleich- sam auf dem boden kleben, unter dem volke fortdauern und sich dann auch eingang in die Schriftsprache suchen.

* die dichter und das volk entnehmen benennungen der rechten und linken band oder seite von dem, was sie faszt oder an ihr getragen wird. Aeschylus nennt die rechte hand öoQinaXxoq, speerschwingende; wenn aber das welsche cledd, cleddeu nicht blosz link und norden, sondern auch schwert ausdrückt, ist das vom hängen des schwerts an der linken seite zu verstehn. falkenhand, sperberhand bezeichneten unserm alterthum bald die rechte bald die linke (s. 44. 45V säuphandi und braudhandi auf Goth- land ist die rechte und linke, weil jene das trinkglas, diese das brot beim frühstück greift (Almqvist s. 417. 428). Zu dem pflüger steht das linke pferd und rad nahe, das rechte fern, darum heiszt m Schonen framans recht, temans link (Almqvist s. 266 274), in LoUand framands oder til- mands, framandet tilmandet (^Molbechs dial. lex. s. 134V der Seeländer ge- braucht fiermer und närmer (lerner und näher), der Gothländer fiärare und nämare (Almqvist s. 422. 444), der Jütländer frahaands und tilhaands in gleichem sinn, nicht anders bedeutet den niedersächsischen fuhrleuten tor hand die linke, van der hand die rechte seite (brem. wb. 2, 577) und ich vermute einen irthum, wenn Schmid im schwäb. wb. s. 259 zu der hand, zuderhändig für rechts, von der hand, vonderhändig für links ausgibt, wie auch das holstein. wb. 2, 97 vanjerhand für linker hand, tojerhand für rechter hand nimmt. Unter handpferd vor dem wagen versteht man das zur rechten hand des sattelpferdes ziehende, wie im mittealter dextrarius, franz. destrier das zur rechten hand geführte war, qui per dexteram duci- tur. Dem galischen pflüger heiszt die linke seite der furche ban weisz, die rechte dearg roth, denn dearg röthen bedeutet pflügen, das land roth aufreiszen. [gal. banaiche, exterior duorum equorum arantium. alban. Ija- ros, ich mache bunt und ich pflüge.]

44*

XLL MILCH UND FLEISCH.

997 Im zweiten und dritten capitel ist eine darstellung der sprach- lichen auf die nothwendigste speise des hirtenlebens bezug habenden Verhältnisse unterblieben, damit sie ausführlicher könnte nachgeholt werden, denn vorzugsweise scheint sie über die Urverwandtschaft der eingewanderten Völker licht zu verbreiten geeignet. Was der hirt zur nahrung bedarf lehren die homerischen verse Od. 4, 87

ev&a fxhv ovre ava§ iniösv^g ovrs xi noifxriv xvQOv xal XQSiwv, ovöh yXvxsQoXo ycclaxzog,

und noch Tacitus sagt von den Germanen: cibi simplices, agrestia poma, recens fera aut lac concretum.

Auffallend stimmt bei allen Deutschen und Slaven die benennung der milch zusammen: goth. miluks, ahd. miluh, mhd. milch', ags. meoloc meolc, engl, milk, fries. melok, altn. miölk, schwed. mjölk, dän. melk, und den Lappen mag ihr melke milke aus Scandinavien zugegangen sein , da alle übrigen finnischen sprachen andre Wörter zeigen, alts, mljeko, russ, moloko, poln. böhm. slov. mleko, sei*b. mlijeko, wendisch mloko (den Lüneb. Wenden melauka). durchgehends in beiden sprachen herscht anlautendes M; nach der lautverschiebung würde aber goth. K in miluks statt des sl. K in mljeko G begehren.

998 Dies G bestätigt sich sobald wir in die wurzel eindringen: milch ist das gemolkne, aus dem euter gedrückte, gezogne, nach dem ahd. milchu malch darf ein goth. milka malk vermutet werden und ihm entsprechen sl. ml"zu inf. mr'sti, litth. melzu milszti, lat. mulgeo und mulceo, beide mit dem praet. mulsi und der bedeutung palpo, leni manu tracto, endlich gr. a^islyco. mulgere scheint aber gerechter als mulcere, wie gr. a^kXyca und sl. Z in ml" zu, das aus G, nicht aus K deutbar wird (s. 382), bestätigen. Miklosich s. 50 will mljeko nicht einmal unmittelbar von ml"zu abgeleitet wissen; ich mutmasze dasz es für mljekto steht und K durch das folgende T entsprang, wie im lat. lectus, gr. Acxrog von lego Kiya; in den deutschen Wör- tern musz nie T gefolgt sein, weil sonst miluhts milhts entsprungen wäre.

MILCH 693

Aber das gr. a^sXyca hat, nacli dem Wechsel s, 318, die neben- form aiibQyco und o^oQyvvfiL, immer mit den bedeutungen des aus- drückens und abstreichens. dies R scheint sogar älter als L, da es auch dem skr, mridsch abstergere, mulcere eigen ist (Bopps gl. 269^), von welchem sich jedoch kein ausdruck für den begrif der milch her- leitet, so wenig als von dem litth. milszti.

Im sanskrit heiszt die milch dugdha (Bopps gloss.' 108^ 172*), hindost, düdh, zigeun. tchud (Pott 2, 296); den Persern bedeutet dogh buttermilch. dugdha scheint zu stehn für dukta, von der wurzel duh extrahere, emuigere (Bopp 173*), welches sich dem lat. ducere, goth. tiuhan, ahd. ziohan vergleichen läszt (s. 906), also ist dugdha gerade entsprungen wie miluks aus milkan.

Schwieriger sind die griechischen und lateinischen ausdrücke. yäka, wie der gen. ydlaKtog ylccKzog lehrt, fordert die volle gestalt ydkaTiT, K schwand wie in yvvtj yvvcciicog, ÜCT schwand wie im voc. ava von ava^ avaxtog. statt yäXa braucht aber Homer auch yXcc- yog II. 2, 471. 16, 643, ohne lingualis und darum wieder mit media, nicht tenuis. das lat. lac musz ebenfalls nach dem gen. lactis in lact vervollständigt werden, was sich auch aus dem it. latte, port. leite, franz. lait (früher laict) ergibt.

Wie nun lact und ycckaxz zu nehmen? in lac lactis scheinen 999 die consonanten freilich gestellt wie im sl. mljeko = mljekto, dem- nach wäre lac von mulgeo abzuleiten und aus malg mlag male mlac entsprungen? aber die lat. spräche entäuszert sich sonst nie eines anlautenden M, und noch weniger will es gelingen yäXa und yläyog auf aiiElya zurückzuführen; yldyog aus filäyog, ydXaxt aus fidlaur (oben s. 326) hat sonst keine analogien für sich.

Bopp schlägt ganz andern weg ein und deutet (gloss. 108^) nach dem Wechsel zwischen L und D (s. 354. 355) lact aus skr. dugdha dukta, ydlaxt aber aus einer Zusammensetzung, deren erster theil Überrest des uralten skr. vacca (oben s. 32) enthielte, die no- maden nannten ihre milch yd-Xa%t^ kuhmilch, weü sie sie vorzugs- weise aus der kuh molken, allmählich wurde das verkürzte und un- verstandne ydla auf jede andre milch angewandt.*

Diese scharfsinnige worterklärung spricht um so mehr an, als sie, wie wir hernach sehn werden, der bildung des ausdrucks ßov- TVQOV begegnet; was sie aber entschieden rechtfertigt ist das Ver- hältnis der keltischen ausdrücke.

Neben welschem Uaeth gilt nämlich blith (und in Zusammen- setzungen flith, z. b. cynflith erste milch), neben irischem lacht zu- gleich bleacht bliocht, oder nach galischer Schreibung bliochd. die armorische form löaz mahnt ans provenz. lach, spanische leche.

Nun könnten (wie ich s. 326. 332. 380 glaubte) diese BL wieder

* 'A(pQo6lTrjq yaAa, dgvl&iov ydXa ward so zulässig wie InnoßovxöXog und 'iTtnot, ßovxoleovxo II. 20, 221.

694 MILCH

hervorgegangen scheinen aus ML nach der in keltischer zunge* ein- tretenden berührung zwischen B und M (s. 368. 373) vgl. bean mnä

1000 (s. 370). bleacht würde bei vorstehendem possessivum ar eclipsis erleiden; ar mbleacht (sprich mleacht) unsere milch. Da aber die eclipse jederzeit den laut mildert, so musz hier bleacht der ursprüng- liche, folglich darf zwar mleacht aus bleacht, nicht aber bleacht aus mleacht entsprungen sein. Und aus welchem grund hätte die spräche neben bleacht auch noch lacht entwickelt? ja sie besitzt sogar ein unserm milch und dem sl. mljeko entsprechendes meilg, das noth- wendig von bleacht verschieden ist und dessen Verwandtschaft mit milch ganz unmöglich macht.**

Jene keltische doppelform erklärt sich treflich durch die annähme, dasz lacht und Uaeth, gleich dem lateinischen lac, blosz milch, bleacht und blith hingegen, wie das gr. yaka, eigentlich kuhmilch ausdrücken, allmählich aber den allgemeinen begrif annahmen, bleacht entsprang also aus boleacht, von bo vacca, und das ir. bo bhleacht, milchkuh ist ein pleonasmus, der erst möglich wurde, nachdem sich das B in bleacht verdunkelt hatte, nicht anders wäre ein gr. ßoog yalcc.

Zu beachten ist auch die abweichung der geschlechter, während alle deutschen Wörter weiblich, sind die slavischen, lateinischen, grie- chischen stets neutral, und ebenso das skr. dugdha. unter den ro- manischen folgt das spanische leche, unter den keltischen das ir. bleacht dem deutschen genus. it. latte', franz. lait, welsches llaeth und blith sind männlich, d. h. behaupten die uisprüngliche neutral- form, welche für diese sprachen überhaupt in der männlichen auf- geht, als erzeugnis betrachtet ist lac wie ovum granum u. s. w. besser neutral; unsere spräche wandelte aber butyrum in ein weib- liches butter, wie sie ihre meisten baumfrüchte eichel büchel schiebe birne kirsche pflaume weiblich setzt (gramm. 3, 377. 563).

1001 Die Untersuchung ergibt, dasz, so lange in der wurzel mridsch

R waltete, mithin auch im gr. cc^SQyco, nur die allgemeine bedeutung des drückens galt, und erst dann auf das melken angewandt wurde, als R in L übergieng, d^Uya, mulgeo mulceo, melzu, ml"zu. allen auswandernden Völkern musz schon, vor ihrer trennung, dies L ge- mein gewesen sein, das subst. milch bildeten aber nur die Deutschen und Slaven aus dem verbum, den Iren steht meilg ohne verbum zu. die meisten übrigen blieben dem skr. dugdha getreu, nur dasz sie sämtlich dessen D in L wandelten, während das lat, ducere, goth. tiuhan den linguallaut festhielt, aber ihm die im skr. duh enthaltne

* auch skr. brü loqui ist zend. mrü, gr. ßQaövq ergibt sich aus ßgadvq == skr. mrid und das böhm. mrawenec wird entstellt in brawenec (Nem- nich s. y. formica), vgl. oben s. 327 und auch 'ÄQßögvxoi f. 'AqiiÖqlxoi (s.564). ** diesen keltischen sprachen stehn noch andere ausdrücke für die milch zu gebot: ir. at und geat, welche vielleicht dasselbe sind; ir. gal. ceo; ir. leim oder luim; ir. segh; ir. arg; ir. gal. bainne; ir. finn, fionn. die letzten (arg, bainne und fionn) bedeuten eigentlich weisz, die weisze, wie auch die Schweden hvit für milch sagen.

MILCH. BUTTER . 695

bedeutung des melkens entzog, in ydla und ykccyog bewahrte die Zusammensetzung das alte kuh, in bleacht bo kuh.

Die Litthauer haben für milch pienas, die Letten peens, wozu das skr. ph6na spuma (Bopp 236''), sl. pjena spuma, ahd. feim, ags. fäm, engl, foam, vielleicht das lat. spuma von spuere selbst stimmen, deren S blosz vorgeschoben scheint, sicher gehören dazu das finn. piimä lac coagulatum und est. piim lac, denn die begriffe lac, flos lactis, milchschaum vertreten einander.

Vielleicht darf man goth. daddjan, ahd. tähan lactare zum skr. duh und dugdha nehmen, als unverschobne formen, während sich tiuhan ziohan (vgl. T. 145, 13) verschob, dies mahnt auch ans gleich unverschobne goth. dauhtar skr. duhitä (s. 266. 269), welches ent- weder das säugende kind (s. 906) oder die melkende tochter be- zeichnen kann, auf solche weise liesze sich mulier (it. mogliere, sp. muger) an mulgere knüpfen und sogar fßmea fsemne feima, die s. 652 und 955 anders gedeutet wurden, an fem, fäm milch, mulier und femina wären melkerinnen, wie ags. hläford und hlsefdige (s. 663) auf die vertheilung des brots im haus gehn, diese sind unter acker- bauenden aufgekommen, jene unter hirten.

Wie feim den sich auf der Oberfläche des wassers und der milch ansetzenden schäum, nach Schmeller 1, 531 waldfaim den schäum beim kochen der mölke bezeichnen, und ahd. feim zugleich repur- gium ausdrückt (Graff 3, 519); liegt auch in unserm rahm flos lactis 1002 (bei Hans Sachs milraum, bei Helbling 1, 1055 milchrüm) eigentlich das mhd. räm, ansatz von schmutz (Schm. 3, 81). schmant oder schmand ist in vielen deutschen gegenden verbreitet und aus dem böhm. smant und smetana, poln. smietana, walach. smentana. das schweizerische nidel (Stald. 2, 236) weisz ich nicht abzuleiten; sollte es mit nudel, der mehlspeise (Schm. 2, 682) verwandt sein? man sehe hernach battudo für käse und mehl. Von hohem alter scheint das in Mederdeutschland gültige sahne, nnl. zaan, bei Kilian säen, welches für schäum auf der milch und dem hier gebraucht wird; schon Frisch 2, 149'' leitet davon richtig das Schweiz, und bair. senn, senner, sender milchknecht, käseknecht, und sennin, sendin, Sennerin milchmagd (Stald. 2, 371. Schm. 3, 253). ein mögliches ahd. sännio sennio und sännia sennia für melker, melkerin würde jener deutung von fömea fsemne aus f6m fäm zu statten kommen, sennweide bezeichnet bergweide oder alpe für melkvieh.

Für butter und käse haben unsre vorfahren schon in früher zeit den heimischen namen entsagt und von den Eomanen die mit der vollkommneren bereitung erlernten ausdrücke angenommen, unter den alphirten aber, scheint es, haften noch echtdeutsche,

BovTVQOv, lat. butyrum sichtbar von /3oi}s und rvQog gebildet, besagt also kuhkäse, wie ydla kuhmilch. Plinius 28, 9 : e lacte fit et butyrum, barbararum gentium lautissimus cibus, et qui divites a plebe discernat. plurimum e bubtilo, et inde nomen; dasz das wort skythisch sei behauptet er nirgend, it. butiro, burro, franz. beurre

696 BUTTER

(wie verre f. vitrum). ein ahd. butera ist nicht vor dem 11 jh. aufzuweisen, doch mag es früher, wie schon bei den Angelsachsen, üblich gewesen sein, bei Alfric sagt der schafhirte: cyse and bute- ran ic dö, caseum et butyrum facio, woraus ein weiblicher nom. butere zu schlieszen ist. ebenso fries. butere, gen. butera. nnl. boter, engl, butter. die Scandinaven haben das wort nicht angenommen. 1003 Bei den Alemannen der Schweiz, des Oberrheins und Elsasses*,

nicht aber ostwärts des Schwarzwalds bei den übrigen Schwaben, noch den Baiern und Tirolern lebt bis auf heute fort "^ der anke' oder "^ancche'; die Deutschen am Monte Rosa sagen "^anccho' (Schotts. 263). doch enthalten sich des wortes einzelne gegenden der Schweiz, nament- lich Appenzell, wo man weder butter noch anke, sondern schmalz hört (Tobler s. 85*). kein mhd. dichter braucht den ausdruck, der vocab. optimus p. 22 hat putirum anke und ein hofrodel für Ein- siedeln (weisth. 1, 159) das masc. ancke. in den erhaltnen Schriften Notkers, dem es nicht entgehn würde, ist kein anlasz dazu, aber die gl. flor. Diut. 2, 233* haben butirum anco. es reicht in ältere zeit hinauf, nicht nur geben die keronischen glossen bei Goldast das fem. ankä butyrum und ankana mulctralia (Frisch 1, 29^) sondern schon die alte glosse des 8 jh. Diut. 1, 525*: piduingit anchünsmßro, ex- primit butyrum, vgl. ancsmSro axungia bei Graff 6, 833. Dies ahd. ancho oder anchä setzt ein verbum anchöu voraus, welchem sowol das lat. ungere als skr. andsch ungere, oblinere (Bopps gloss. 5*) entspricht, vgl. andschna coUyrium und ätja butyrum liquidum (Bopp 28^). die Italiener verwenden unto und unguento für schmalz oder butter. walach. untul butyrum.

Geradeso bezeichnet den Slaven maslo unguentum und butyrum, russ. böhm. maslo, poln. masio, von der wurzel mazati = skr. masdsch ungere, immergere, welches mir keine metathese von andsch (wie Pott 1, 235 dafür hält), sondern das ahd. mestan saginare, alere zu sein scheint.

Ahd. smfe'ro unguentum, adeps, arvina sahen wir vorhin mit dem gen. anchün verbunden, ancsmBro und chuosmfe'ro bedeuten butyrum, smSrohleip axungia (Graff 4, 1111). ein goth. smairv stände zu 1004rathen, Ulfilas gewährt nur smairj)r mot'rjs (ahd.smgrdar?) ags. smeru, nhd. schmeer. altn. ist smiör, schwed. dän. smör das gangbare wort für butyrum geblieben, wurzel goth. smairvan? ungere, illinere.**

Altn. skaka massa butyri recentis ex acetabulo, von skaka qua- tere, agitare, butter stoszen.

Litth. sw^stas, lett. sweests butyrum, von mir unbekannter wurzel.

Ir. und gal. im, gen. ime butyrum, welsch ymenyn , wozu man ir. imileadaim ungere und iomainim umrühren, umdrehen halte.

* in der Schweiz, dem Oberelsasz und Breisgau ist anke süsze butter, im Unterelsasz geschmolzne, schmalz, ankedroster bodensatz der geschmolz- nen. droster == ahd. trestir faex, quisquiliae.

** man vgl. noch ahd. spint, ags. spind adeps; ahd. unsliht arvina, se- vum; alts. hrusel, ags. hrysel arvina, abdomen, bair. rösel (Schm. 3, 135).

BUTTER. KÄSE. MOLKE 697

Wie zu deuten das span. manteca buttei-, ma.ntequilla ausgelassene butter, mantequera butterfasz? [Diez 510] das bask. burra stammt aus franz. beurre.

leb schreite fort zu höchst merkwürdigen lappischen und finnischen ausdrücken, die noch mit scandinavischen und unsrigen zusammen- hängen, zugleich den Übergang aus dem begrif der butter in den des käses verdeutlichen.

Finnen und Esten heiszt die butter voi, Lappen wuoi, Ungern vaj. das finn. woileipä panis butyro illitus gleicht jenem ahd. smö- rohleip. woi aber scheint wir das ags. hvseg serum. lactis (bei Ohler 379 liquor casei), engl, whay whey, nnl. wei mölke, buttermilch [Ver- wys 13, 61] ostfries. wei, dietmars. hei, bei Neocorus 1, 138 dat hoie (heie) edder waddeke.

Die Lappen nennen den käse wuosta, das sich offenbar von wuoi ableitet; minder deutlich ist das finn. juusto, est. juust, doch sicher dasselbe wort, wie nun die Lappen ihr milke von den Scandinaven überkamen, scheinen sie umgekehrt diesen genauere käsebereitung gewiesen zu haben und daher rührt das altn. ostr, schwed. dän. ost, gothländ. ust, nordschleswigische und jütische vost. hängt vielleicht mit ostr das altn. ister adeps (oben s. 199) zusammen? ich würde mich nicht wundern, auch auf ein altniederländisches weist oder ags. ioo5 hvsest für käse zu stoszen. Die Dietmarsen kneten gepreszte milch unter butter und nennen das käsebutter (Neoc. 1, 138).

Frühe und fast allgemeine Verbreitung erlangte das lat. caseus: lac concretum et formis pressum, et ipsa casei pressi forma. Varro 5, 108: hoc primum debuit pastoribus caseus, e coacto lacte ut coaxeus dictus, vgl. 6, 43. für unreines S spricht auch das ital. cacio und cacivola, die Spanier haben queso. ital. aber auch von der forma, in welche der käse gedrückt wurde, formaggio [sicil. forma], prov. formatge, franz. fromage. ahd. chäsi Graff 4, 500, pilidi chäses formellas casei Diut. 1, 508% alts. käsi kiesi, ags. c6se cyse, engl, cheese, fries. kise tzise. walach. kasch caseus, auch irisch cais, ga- lisch caise, welsch caws, kaum erst nach engl, cheese.

TvQog war wol nicht ursprünglich auf den begrif des festen, gepreszten käses eingeschränkt, wie schon ßovtvgov lehrt, läszt sich dazu halten poln. twarog, böhm. twaroh, nhd. quark (wie man querk für twerc sagte) weicher frischer käse? das T ist lang und schon deshalb bertihrung mit serum unwahrscheinlich, denn niemals findet sich övQog, da doch wo T und S tauschen jenes stets das ältere ist. auch unterscheiden die Neugriechen von tvgi käse T^i'^og mölke. Der frische käse oder quark hiesz den Griechen tgoq^aUg, tgocpdhov von rgicpsiv ydla, die milch gerinnen lassen*, yäla ^gi'^ai Od. 9, 246. tvgbv tgstpeiv Theoer. 25, 106.

Bei der käsebereitung sondern sich die dünnen flüssigen und dicken zähen theile. jene heiszen ahd. chäsiwazzar käsewasser Graff 1,

* sonst auch a^l^eiv yäXa, woher a'/,ioxov yäXa geronnene milch.

698 KÄSE. MOLKE

1129, nhd. mölke, gr. OQog oqqos neugr. T^iQog, lat. serum, it. siero, sp. suero, finn. hera (H für S), Schweiz, sirme sirmund sirte sirbele (Stald. 2, 375), mlat. seracium. andere mlat. Wörter dafür sind tenucla (Graff 1, 1129 und Ducange 6, 543) von tenuis (tenue lac?) und balducta, balbuca (Ducange 1, 549 mit dem dunkeln gegen- satz trema); noch auf der vorarlbergischen weide sagt man baiüt (Tobler 457).

1006 Darf zu serum und r^igog das skr. sara salz und geronnene milch, pers. schir milch, osset. achsir gehalten werden ?* Näher liegt das sl. s"ir" caseus, poln. ser, böhm. syr seyr, sloven. serb. sir, sor- bisch ssydr, lüneb. wend. saroo, lett. seers, litth. suris, est, seir seer, welche sämtlich käse, nicht mölke ausdrücken, aber die mölke heiszt poln. serwatka, böhm. syrowatka, sloven. sirotka, welche deutlich zu ser syr sir gehören, wenn schon beide Wörter mit altsl. sourov" hu- midus crudus, poln. surowy, böhm. syrowy verwandt sein mögen, litth. suris aber könnte gemahnen an surus salsus. abweichend sind litth. iszrugos, lett. suhkalas. Almqvist 259"* führt aus Dalarne an stjyr (spr. schiyr) für saure, dicke milch.

Zeigte nun das sorbische ssydr inlautende erweiterung des syr, so möchte ich auch das Schweiz, ziger heranziehen, worunter man heute die feste, nicht die dünne masse aus der geronnenen milch versteht, doch hat Graff 5, 631 ziger seracium und den weiblichen acc. die cigeren butyrum. Bonerius 15, 23 stellt als eszbare speise zusammen "^br 6t, ziger und ksese guot', wornach ziger etwas geringeres als käse zu sein scheint zigerlinge in urk. bei Zell weger n^ 65, 234. 289 (s. 346) sind eine art käse. Bergmann unterscheidet für den Bregenzerwald dünnen trinkbaren sieger von dickem eszbarem zieger und will unstatthaft ziger aus d'siger deuten, die romanische spräche in Graubünden sagt tschigrun tschegrun und auch in die an- grenzende Lombardei ist das wort gedrungen, Monte im vocabol. di Como erklärt zigra : ricotta impastata con sale e pepe, und zincarlinn : formaggio fresco di vacca, d' infima qualitä, impastato con sale e pepe. vielleicht musz bei ziger das lappische zhiuoggar (schwed. läpp, tjuog- gar) frustum casei excisum erwogen werden, frischer mit labe be- sprengter milchkäse heiszt zhiuuko.

1007 Dem ziger pflegt in der Schweiz entgegenzustehn der oder die schotte, denn in beiden Wörtern schwankt das geschlecht, schon Graff 6, 425 hat ahd. scotto battudo, was bedeutet battudo? man schlägt danach verge- bens die neue ausg. von Ducange auf, doch gewährt eine stelle s. v, tenu- claVel batuto lactis'. es ist also geschlagne milch, und slekimelo battudo (Graff 2, 713) geschlagner teig. wie battudo von batuere wird scotto [vgl. it. scotta, excocta. Diez 434] stammen von scuttan scottan, alts.

* auch unser lab coagulum bedeutet salz (Schm. 2, 407), wodurch man die milch gerinnen macht, sonst finde ich für coagulum im vocab. opt. 22» renna oder keslupp, ahd. chesiluppa (Graff 2, 77) und noch nhd. renne, böhm. klag, litth. eble.

KÄSE. MOLKE 699

scuddian quatere quassare und geschüttelte geschlagne gestoszne ge- butterte milch aussagen. Nach Stalder 2, 473 ist schotte der dünne, ziger der dicke "milchniederschlag, schotte also was in Vorai'lberg siger oder schottagsig heiszt (von sigen, niederfallen). Tobler s. 457 läszt aber die schotta aus ziger und mölke bestehn, da sie doch eben selbst mölke scheint, im Pinzgau heiszt 'schotten was beim nochmaligen sieden des käsewassers gewonnen wird und das im kessel zurück- bleibende Wasser jutten . Matth. Kochs reise nach Salzburg s. 303. wieder anders Schmeller 3, 416 aus dem Tiroler gebrauch: schotte sei quark aus süszer mölke, topfe aus saurer, im Zillerthal unter- scheide man "^auffer schotten' aufsteigenden süszen von ' bodenschotten' zu boden fallendem saurem, schottig werden bezeichnet serescere, was in andern theilen Deutschlands hottig werden, hottein. die grau- bündnerische form von schotte lautet scotgia scotchia, die italienische scotta. in der Crusca wird definiert: ricotta, fior di siero rappreso al fuoco, scotta aber: siero non rappreso, che avanza alla ricotta. ricotta ist also geronnenes, scotta ungeronnenes serum. Monti s. v. scotta sagt : latte o siero, da cui si e cavata la ricotta. ricotta stammt aus lat. recocta, scotta nicht aus excocta, sondern aus deutschem schotta. übrigens läszt auch H. Sachs III. 3, "^schotten trinken' und 1, 483^ verbindet er Vasser, milch und schotten .

Was in der Schweiz ziger, heiszt in Tirol, Baiern, Ostreich topfe (Höfer 3, 231), vermutlich ahd. topfo, d. i. zusammen laufende ge- rinnende milch, wie der kreisel trochus topf genannt wird (Graff 5, 385) und der töpfer dreht, nach Schm. 1, 451 ist topfen quark. 1008 Wolkensteiner s. 181: unversait ist dir mein dicker schotten von meiner röten gais. 'sim, topfen hab ich selber gnuoc' altn. doppa bulla, umbeUa,

Altn. ist misa, ostmisa serum, was wieder aus dem läpp, missu entnommen scheint, und noch in einzelnen schwedischen landschaften fortlebt, in Jemtland mäss (Almqv. 292); in Angermanland messan, skum af ostblandning (Almqv. 304), in Helsingland mossu messu missu (399^). den Osseten heiszt misin buttermilch.

Der schwedische ausdruck für serum lautet vassla, in Vestgötland wird vattle (Almqv. 336^), in Norwegen vasle varsle, in Dänmark valle (assimiliert für vasle) gesagt, dazu nehme ich das niedersächs. waddik wattke, osnabr. wakke, liefländ. waddak (brem. wb. 5, 161). [wodeke. Mone quellen 299*.] es scheint darin weniger jenes hvseg und wei, als der begrif von wat nasz, altn. votr udus, vos udor gelegen, vgl. water wasser, doch auch finn. vahto spuma.

In den keltischen sprachen gilt für serum gal. meog, ir. meidhg, welsch maidd. man wird an das finn. maito lac erinnert.

Den Walachen ist brinza, den Polen bryndza, den Böhmen brynza Schmierkäse, den Walachen urda käsebutter, den Serben urda geron- nene milch, den Böhmen urda dicke schafmolke, den Ungarn orda topfe; wäre dies urda = uzda zu juusto und ostr (s. 1004) ge- hörig ?

700 FLEISCH

Leider sind uns skythische, thrakische, getische Benennungen der milch, butter und des käses untiberliefert, sogar die gothischen der butter und des käses gehn ab; in der Übersetzung des alten testa- ments wären sie enthalten gewesen, vielleicht sagte Ulfilas für butter agkö oder smairv, schwerlich schon für käse k6si, eher skudja*, duppa

1009 oder usts, uzdo; möglich aber auch sind ganz andere Wörter, man darf annehmen, dasz die früheren ahd. ausdrücke, seit einführung des Wortes chäsi, auf geringere käsearten angewandt wurden, wie die Litthauer, nachdem kiezas unter ihnen gangbar war, suris auf einen bestimmten salzkäse einschränkten.

Ich gelange zu den benennungen des fleisches und eigentlich blosz des eszbaren, thierischen, welches die meisten sprachen von dem menschlichen unterscheiden; doch begreift es sich, dasz die aus- drücke für beide in einander übergehn und auch der todte leichnam dabei in betracht gezogen werden musz.

Das älteste wort unsrer spräche für eszbares fleisch sehen wir wieder dem sl. und skr. begegnen, goth. mimz in der einzigen stelle 1 Cor. 8, 13 für %Q8ag, weil alle übrigen nur ödg^ boten; altsl. mjaso, russ. mjaso, böhm. maso, serb. meso, poln. mi^so, litth. miesa, lett. meesa, preusz. mensa mensas. die poln. und preusz. nasalform stimmt zum anusvara des skr. mänsa (Bopp s. 262*) und das N reicht ans goth. M. schon oben s. 337 überraschte mich die gleich- heit der form mit lat. mensa, goth. mos, ahd. mias, ir. mias (s. 844), jetzt wag ich auch die analogie der begriffe aufzuweisen: sollte nicht mensa ursprünglich der fleischtisch, opfertisch gewesen sein? wie mimz und mos in der wortgestalt mögen die genera abgewichen haben, mjaso ist neutrum, mensa fem.

Bopp will zu mänsa unser ahd. muos, alts. mos cibus nehmen, das gerade nicht von fleischspeise, sondern von puls und pulmentum (nhd. gemüse) gilt, doch rechnet Ssp. 1, 24 meste swin der mös- dele. in meiner abh. über diphth. s. 45 hatte ich hingegen das ahd. qhuec mardaro caro viva für mastaro und den altsuevischen namen Masdras verglichen, die vielleicht näher stehn zu mastan saginare,

1010 welches selbst höher hinauf mit mänsa verwandt sein könnte, aber auch gr. ^aöd-og ^aözög ^a^os und ahd. manzo über (Graff 2, 818) kommen in betracht, zumal für lat. mamma in heutigen deutschen volksmundarten mams, mems gesagt wird, was ganz an jenes goth. mimz- reicht, fleisch kann leicht von der fleischigen brüst gelten, wie von dirnen, die ihre brüst entblöszen gesagt wird, dasz sie ihr fleisch auslegen, nun steht gerade Col. 1, 22 goth. mammö für öccq^.

Der übliche goth. ausdruck für öaQ^ und öä^a ist aber leik,

* was gar verwandt sein könnte mit dem dunkeln skaud in skaudaraip luccg, altn. bedeutet skaud retrimentum, wozu unser schote siliqua, hülse die man wegwirft zu gehören scheint, der gelwe schote in Reinbots Georg 4594 bezeichnet eine pflanze, die noch heute gelber schote heiszt fNemnich s. v. lotus corniculatus), engl, butterjags, westgötländ. gjöksmör (kukuksbutter), von der buttergelben färbe des krauts. Bon. 81, 38 schotter dan ein swin.

FLEISCH 701

ahd. l]h, ags. llc, altn. lik, die uns nie das gr. nQeag bezeichnen, aber Pinnen verwenden ihr liha, Esten ihr lihha vom menschlichen und thierischen fleisch, mit leik ' vergleicht sich das skr. d6ha corpus caro cadaver (Bopp p. 176''), wogegen mein früheres bedenken (s. 354) mir nun schwindet.

Ahd. lip, alts. ags. altn. lif bedeuten vita, nicht corpus, doch wird dem altn. lif auch der sinn von abdomen, uterus beigelegt, mhd, aber ist lip, nhd. leib corpus, wie wir leib und leben verbinden, mnl. finde ich lif für beide begriffe gebraucht z. b. Karel 1, 1691. 2, 88; nnl. lif corpus, engl, life nur vita, schwed. lif, dän. liv aber vita und corpus, alvus.

Ahd. potah corpus cadaver, ags. bodig, engl, body, gal. bodhaig.

Mhd. äs cadaver morticinum fundgr. II. 27, 31. Wh. 222, 13. Karl 52b, andere belege bei Ben. 1, 64, nhd. aas. nnl. aas. schwed. as, dän. aadsel neben aas esca, altn. ata esca. die wurzel ist itan ahd. 6zan, wie esca für edca etca steht von edere (s. 352. 358); es gibt mehr Übergänge aus dem T in S, so scheint mats cibus verwandt mit mos, ahd. muos pulmentum, und aus gr. ßXfjtov ward dakisches ßXrjg (s. 204).

Bedeutsam stimmt skr. kravja caro (Bopp p. 88) zu gr. ngsag f. XQdßag, zu goth. hraiv, ahd. hr6o, mhd. r6, ags. hrsev, altn. hrse und zum lat. caro carnis wie corpus, die sich zu jenen verhalten wie cornix corvus zu hraban; auch ir. gilt carna für fleisch; da ferner das blutende fleisch und blut einander nahe liegen, vergleichen sich lat. cruor, litth. kraujas, sl. kr"v', poln. böhm. krew, ir. cru, welsch 1011 crau, welche alle blut ausdrücken, in diesem wort treffen also sämt- liche urverwandte sprachen zusammen nur mit abweichender form und bedeutung: wer sollte im mlat. re und franz. corps oder chair die- selbe Wurzel vermuten?

Das ahd. fleisc, alts. fl6sc, ags. flsesc, engl, flesh, nl. vl6sch, fries. fläsc scheint ursprünglich fettes fleisch zu bedeuten, wie man aus fleisc caro, arvina bei Graff 3, 775 und dem altn. flesk, schwed. fläsk, dän. flesk lardum ersieht, wofür ahd. speh nhd. speck gilt, die Deutschen müssen also gern fettes fleisch genossen haben, aber schon den ags. dichtem war flseschoma gleichbedeutend mit lichoma. der- selben Wurzel ist das sl. pl"t' öccq^, in den freising, denkm. pulti, russ. plot', sloven. polt fleisch und haut, böhm. polt, poln. poiec Speckseite, litth. paltis Speckseite, lett. paltas blutwurst. unser aus- lautendes -sc scheint zu nehmen wie in altn. beiskr dän. besk mor- dax acerbus von bita.

Da der nord. spräche, wie wir sehen, flesk lardum ist, so drückt sie 6(XQ^ und XQsag durch andere Wörter aus,

öa'ßl durch altn. hold, schwed. hüll, dän. huld,- holdgroinn heiszt Saem. 271* ins fleisch gewachsen, ags. ist hold cadaver Matth. 24, 28. es begegnet dem ir. colan body, flesh, gal. colann body.

^Q£ag durch altn. kiöt, schwed. kött, dän. köd kiöd; die Nieder- länder setzen kuit für den fleischigen theil des beins, die wade, wie

702 FLEISCH

man plattd. sagt: he het küt in de bene, fleisch in den beinen, starke waden. küten heiszt den bauch aufschneiden, ausweiden, schlachten, kütelbank fleischbank, engl, gut f. einge weide, im hochd. ist nichts ähnliches, vgl. ir, cua eszbares fleisch, unverwandt aber ist lat. cutis, altn, hüd.

Z!dQ^ selbst scheint schwerer deutung. die Aeoler sagten für öccQwg GVQxeg, für öaQ^l ovQKSOi (Ahrens s. 78). man braucht kein digamma Gpdg^ f. GÜQi, zu hülfe zu rufen. Benfey 1, 423 hat, dünkt mich, trefi'end auf das skr. asridsch und asra sanguis (Bopp 25^. 26*^) gewiesen, litth. ist srawju ich blute, lett. assins sanguis, und wir 10.12 empfangen dadurch bestätigung des skr. kravja caro und litth. kraujas sanguis. den Lazen heiszt das blut dischir, *

Das sl. tjelo, böhm. telo, slov. telö, serb. tijelo, poln. ciaio be- deutet öajjua und (SuQ^, leib und leichnam.

Gleichen sinn hat das litth. kunas, ir. gal. cun.

Ir. und gal. ist feol, feoil eszbares fleisch und fett, fuil blut; welsch cig das thierische, cnawd das menschliche fleisch, jenem cun und kunas ähnlich, ir, und gal. auch bruith thierisches eszbares fleisch.

altsl. troup" cadaver TCxaiia, poln. trup, böhm. traup, slov. truplo.

Den Lappen ist eszbares geschlachtetes fleisch piärgo, biergo, ungeschlachtetes ädtje, oaadzhie, menschliche haut (schwed. hüll) aber asse, iltje, like.

Während also skr, deha und mänsa, goth. leik und mimz, gr. öaßl und %p£o:g, altn. hold und kiöt, sl. tjelo und mjaso, ir. feol und cun unterschieden sind, fallen in unserm fleisch und im lat. caro beide begrifl^e zusammen.

Wichtiges aber ergibt sich aus allen diesen benennungen der milch und des fleisches für die durchdringende nahe oder ferne Ver- wandtschaft der europäischen Völker.

Führten beide hauptnamen der milch zurück auf sanskritwurzeln, so verbürgt zugleich die einstimmige abweichung aller eui-opäischen sprachen in zwei consonanten von dem sanskrit das feste, eigenthüm- liche band unter ihnen, milch wie lac zeigen L, aber in milch ent- sprang aus es E, in lac aus D. unmittelbar berühren sich phena und pjena, feim und piimä.

Auf die namen der einfachen stoffe des fleisches und der milch konnte die römische herschaft nicht einwirken, aber für die bereitung der milch verbreitete sie ihr selbst erst von den Griechen erborgtes butyrum und ihr caseus über einen groszen theil von Europa, nur 1013 nicht nach dem Norden, der das einheimische smiör festhaltend von den lappischen nomaden ost und misa empfieng. läpp, wuoi greift über in ags. hvseg, nl, wei, und läpp, zhiuoggar scheint sogar bis ans Schweiz, ziger zu reichen; uralt sein musz die Übereinkunft des Ann. hera mit lat. serum und sl. ser, sir.

* nach der s. 721 angezognen stelle tranken die Geten sogar pferde- blut mit milch vermischt.

HIRTEN 703

Mögen die Kelten auch cais aus caseus entlehnt haben, ihr im butter und meog serum stehn höchst eigenthümlich, wie sie für die einfache milch eine fülle von Wörtern bewahren.

Über dem gr. rvQog schwebt ein dunkel, das vielleicht durch die thrakischen und goth. benennungen wäre erhellt worden.

Wie wunderbar stimmen mänsa mimz mjaso miesa, d6ha leik liha und kravja hraiv xQsag caro zusammen, fleisc und kiöt bestimmen aber einen gegensatz zwischen den übrigen Deutschen und Scandina- ven, und während fleisc dem sl. plot, begegnet hold dem keltischen colan. es mag eine zeit gegeben haben, wo alle Deutschen ein dem goth. mimz entsprechendes wort besaszen, wofür sich allmählich die bestimmteren ausdrücke fleisc und kiöt als allgemeine benennung ein- führten.

Zur sonderung der Alemannen von den Baiern tragen zumal anke, ziger, schotte und topfe bei. mit Langobarden oder Burgun- den scheinen schotte und ziger auch ins obere Italien vorgedrungen.

Fragt es sich endlich nach den namen der nomaden selbst, so müssen sie alle auf herde und weide bezug haben.

Der hairdeis führt die hairda (sl. tschrjeda), wie der nOL^rjv die noifivf], von näv faihu pecu (s. 28). Tioifi/jV ist litth. piemü (oben s. 955). ahd. hirti, litth. kerdzus. von ahd. chortar ags. corder leitet sich chortari pastor (oben s. 706), wozu man stelle das mhd. "^das vihe chßren Maria 158, 37. von haltan custodire heiszt der hirt ahd. haltari, die hirtin haltarä, noch heute in Ostreich und Salz- burg halter, halterin, vgl. das eddische geitr halda Ssem. 163*. altn. gseta custodire, gaetir custos, hesta ga^ta Ssem. 266^; ahd. warten, fihuwart custos pecoris, alts. chuward custos equorum. altn. völlrl014 Campus, pratum, schwed. vall solum herbidum, valla, i vall pascere, vallhjon custos. ahd. weida pascuum, weidari pastor. gr. vofiog weide, vo^svg hirt. lat. pascere und pastor, sl. pasti und pasf'ir', pastva pascuum, poln. pasc und pasterz, vgl. föstra alere nutrire, föstri nutritor. gr. ßoöKSLV, ßotrJQ ßcorcaQ ßcoTtjg ßovrfjg und skr. pa^u, lat. pecu.

Von ohso wird gebildet ahd. ohsinari, von ovis lat. opilio, von vervex berbix berbicarius berger, von böhm. krawa krawa^, vom litth. kiaulS kiauliszus ; zu suln sus unmittelbar gehörig scheint ahd. suein subulcus, ags. svän subulcus und bubulcus, altn. sveinn puer, famulus. gr. ainoXog f. alyonoXog, bei Homer aber cilnokog alycav von jioXico, ßovKolog und iunoßovyiokog von %oXsa, beide verba bedeuten ich treibe.

Für unser südliches hirtenleben kommen zwei ausdrücke in be- tracht, sennalp in der Schweiz, in Tirol, Baiern und Steier, schweigalp in Ostreich, Schwaben bis in die Schweiz, dort sind sennhütten, senner und Sennerinnen, hier schweigen, Schweiger und schweigerinnen.* sennen heiszt käse bereiten (Schm, 3, 253), wie ich vorhin (s. 1002)

vgl. für die Donaugegend Jägers Ulm s. 604 606.

704 HIRTEN

vermutete, die milch abrahmen und gerinnen machen. Schott redet auch bei den Deutschen auf Monte rosa von sennhütten und Senne- rinnen, ohne uns bestimmt zu sagen, dasz unter ihnen dieser name gelte ; sein glossar versäumt schotte und ziger oder was dort dafür gesagt wird anzugeben, s. 98 meldet er, dasz im deutschen Wallis, in Tirol und Steier nur frauen, in Niederwallis, der Schweiz und Oberwallis aber männer die alpenwirtschaft besorgen, vgl. Schm. 3, 253. Sueiga ist schon in ahd. glossen armentum, vaccaritia und sueigari armentarius (Graff 6, 862), das denkmal von der Schwaben- ehe verbindet 'swaner und swaige' und vorher 'chüriche und chuzal' ; Schm. 3, 531 erklärt schwaig durch Viehhof, N. ps. 50, 21 sagt: chalber, nals föne dero sueigo genomeniu. das wort erscheint aber in keiner andern unsrer sprachen.

1015 Auf den salzburgischen alpen heiszen die sennhütten kaser (Matth. Koch s. 302), Schm. 2, 335 schreibt käser^ ahd. zi den chasarum ad cameram pastoralem (Graff 4, 525), der sg. lautete wahrscheinlich chasara. mlat. fromageria locus ubi casei fiunt vel asservantur. davon wird der alpknecht käser, die sennerin käserin (span. quesara) genannt, der käser aber auch melcher, und diese von der milch und käse- bereitung entnommnen ausdrücke bestätigen meine deutung des senners und der sennerin.

Von der alp selbst führt der Schweiger, senner oder käser zugleich den namen alpei-, alber, wie auf den steirischen alpen planiniz, von planina alp oder bergweide serb. bergwald, poln. plonina. die senne- rin oder schweigerin ist gleichviel mit der alperin oder almerin. auch heiszt in Baiern der alpweideplatz leger, hochleger und niederleger (hochalpe und niederalpe) und davon der käse legerkäs MB. 2, 83 (a. 1443) vgl. Schm. 2, 453.

Die Engländer mit einem wort, das ich nirgends erklärt finde, nennen kuhweide und milcherei dairy. ich will eine Vermutung wagen : den Angelsachsen war dägrlm diluculum, aurora, wie eefenrim crepus- culum, für dägrlm hat die ags. chronik das erweichte däirim und daraus könnte leicht dairy geworden sein, das also die zeit des tag- anbruchs, wo gemolken wird, bezeichnet, ein solcher ausdruck aus dem hirtenleben war das homerische warbg ccfiolya bald für des morgens, bald des abends dämmerung. aus dem galischen airidh wird dairy nicht entsprungen sein, Macleod gibt die erklärung : hillpasture or summerresidence for herdsmen and cattle, unser Sommerfrische (s. 19).

Alle diese ausdruckesweisen athmen einfache sitte eines hohen alterthums, wo frau und tochter des hirten wie dienende mägde (vgl. s. 71) die herde molken, butter und käse bereiteten, wo milch butter und käse die weisze speise (in Schweden hvit mat), fleisch die rothe war. gewis unter nomaden zuerst entsprang das durch die ganze volkspoesie ziehende gleichnis von milch und blut, und der monats- name Thrimilci (s. 80. 92. HO. 798). den Lappen ist geronnene und

1016 zer stückte milch eine art münze (Klemm 3, 21), wie die haut des viehs, der pelz des wilds das älteste geld war.

HIRTEN 705

Der hirfc zeigt uns das einfache vorbild des fürsten, des Jioifirjv laäv, und sein haselstab* erscheint wieder im zepter der könige.

Den gegensatz der tirolischen senner und heimer, die rückfahrt von der alm, den stolz das unflätigste hemd nach hause zu bringen, die durch alle theile Deutschlands verbreitete sitte des kiltgangs oder gasselgehns hat Steub in seinem schon s. 23 angezognen buch lebendig geschildert, man vgl. Tobler s. 421^. manches davon soll in meinem werk über die deutsche sitte in helleres licht gesetzt werden.

* hafa i hendi heslikylfo. Ssem- 136^. das Mülhauser stadtrecht sagt von dem hirten, der das nothgeschrei einer frau vernimmt: di herte sal och volge mit siner kulin unde mit sime crummin stabe, unde saldaz vi laze ste.

Griinra, geschichte der deutschen spräche. 45

XLIT. S C H L U S S.

1017 Unsere spräche verleugnet weder ihren Ursprung aus Asien, noch den räum, der ihr in Europa angewiesen wurde, die Deutschen fanden ihre stelle in der mitte von Römern und Kelten gegen süden und Westen, von Lappen, Pinnen, Litthauern und Slaven gegen nor- den und Osten, aus diesem osten her geschah der einzug und noch lange zeit hielten die hintersten Germanen ferne strecken besetzt, welche nachher von Slaven, zuletzt von Ungern und Türken zuge- deckt wurden, die alte deutsche spräche vermittelt sich also durch Thrakien auch mit der griechischen und ohne dies Verhältnis würden wol manche ihrer eigenheiten unaufgeklärt bleiben.

Die Stellung der europäischen sprachen gegeneinander musz aber weit länger als unsre geschichte hinauf reicht bestanden haben, da sie nicht blosz auf äuszerlich von den nachbarn erborgte Wörter, son- dern auf innere seit undenklicher zeit waltende gemeinschaft oder abneigung gegründet ist. man langt nicht aus damit diese von nach- weisbarem angrenzen oder fernliegen abhängig zu machen, vielmehr können auch ältei-e in der geschichte verschollene Verhältnisse wirk- sam gewesen sein, wie z. b. lieszen sich einzelne eigenheiten der zen- dischen lautregel, die im griechischen und welschen sich wiederholen,

1018 anders fassen? uralte berührung musz gewaltet haben, doch niemand kann sagen zu welcher zeit und an welchem ort.

Sprachliche Verwandtschaft zeigt sich in den einfachen lauten, bildungen, flexionen, fügungen und dem wortvorrath.

Den vocalismus des sanskrit hat allein die gothische spräche urlauter bewahrt, aus der trilogie A I ü entsprieszt die der decli- nationen, und die zwiefache der diphthonge, deren Verdichtung längen herbeiführt (s. 843).

Nur im sanskrit konnte guna, nur im deutschen konnte ablaut durchdringen, jenes als reines lautgesetz, dieser als dynamische, die wurzeln des verbums wie die flexionen des nomens beherschende regel. was sich in den übrigen urverwandten sprachen dem guna

SCHLÜSS 707

und ablaut vergleichen läszt sind nichts als bruchstticke und an- näherungen.

Vocalbrechungen haben eine gewisse analogie zu den diphthongen, die sich auch darin^erzeigt, dasz aus beiden Verengungen hervorgehn. ähnlich dem E und 0 entspringen E und 0, mit dem unterschied jedoch, dasz jene, gleich den diphthongen, länge bewirken, E und 0, gleich den brechungen, kurz bleiben, die gebrochnen vocale sind also nur pseudodiphthongischer natur und gehn durch äuszern anlasz, die diph- thonge unsers ablauts quellen aus innerm trieb hervor.

Den brechungen zur seite hat unsere spräche im verlauf der zeit auch umlaute entfaltet, die äuszerlich hervorgerufen zuletzt dyna- mischen schein gewinnen, wie in den nhd. pluralen und conjunctiven.

Solcher bewegung der vocale gegenüber waltet auch die der con- sonanten und man kann sagen, dasz ähnlich dem deutschen vocalismus der keltische consonantismus dynamisch ward (s. 368. 391). von der keltischen consonantregel erscheint unsere spräche gleichsam nur an- geweht (s. 377).

Dafür haben die deutschen consonanten eine innere, den übrigen urverwandten sprachen fast unerhörte Umwälzung erfahren, dasz die gothische, niederdeutsche und nordische auf gleichem fusz stehende lautverschiebung kein ohnmächtiger trieb war geht hervor aus ihrem wiederholen bei den hochdeutschen stammen, der ganze kreis aller 1019 stummen consonanten muste durchlaufen werden.

Was die übrigen consonanterscheinungen betrift, so ist unsere spräche gleich dem sanskrit, latein, den Slaven, Litthauern und Iren dem. S, die zendische, griechische, welsche, finnische dem H zugethan (s. 299. 300), wonach sich der gr. Hermes zusammenstellt mit Sar- mana*. Dagegen lieben es die Slaven kehllaute in zischer zu wandeln, ihrem Z in az entspricht wieder das zendische azem, skr. aham (s. 257. 260), wie zend. vazämi skr. vahämi, lat. veho, goth. wiga lautet; sl. zlato ist goth. gulj), sl. zima lat. hiems, gr. ;^£i^a)t', bereza ahd. pi- richa; litth. SZ hat goth. H zur seite (s. 385). ein solches Z = H scheint auch beiGetenund anderwärts (s. 712) aufzutauchen, später treten Zischlaute unter Schweden, Friesen, Engländern vor (s. 387. 388). dem litth. szü und aszwa begegnet selbst skr. hvä, a^va, zend. ^pä a^pä, sl. p's" psa, während die übrigen den reinen kehllaut halten (s. 38. 40). R aus S entstehn läszt die deutsche allmählich gleich der lat. spräche (s. 314). fragendes K haben skr. zend., latein, litth. sl. und lautverschobnes H die deutsche spräche, P die griech. osk.

* dasz die Griechen für v).fj früher sagten ovXt] == lat. sylva (s. 303) [Lachmann Lucr. p. 395] erhellt aus dem ort SxanxTjavXrj in Ihrakien, wo Thukydides im bann den ersten pelop. krieg schrieb, mansche sein leben von Marcellinus, auch bei Herod. 6, 46 zu lesen ix SxanzTjavXrjc, nicht HxanzTJq vXrjc. Steph. byz. hdii^xanttj ^Itj. der name mahnt mich an unsere deutsche sage von dem scheftewalt (cod. pal. 361, 91c), walt aber, alts. wald, ags. veald erhebt gröszeren anspruch auf Verwandtschaft mit saltus und aXaoq (nach dem Wechsel zwischen V und S), als alts. ags. holt, ahd. holz,

45*

708 SCHLUSS

welsche (s. 346) und gleiche lautneigung wiederholt sich noch in an- dern Wörtern.

Die aspiration ist im skr. griech. deutschen und keltischen mächtig entfaltet (s. 344. 359. 380. 390), bei Kelten und einigen West- deutschen auch aspiration der mediae (s. 345). hingegen sind die

1020 Litthauer ohne aspirata (s. 344. 380), die Slaven ohne PH TH (s. 344), die Römer ohne CH TH und ihr F musz beide mit ver- treten.

Das gr. digamma gleich dem lat. V, welschen GW und irischen F (s. 296. 297), aber auch deutsche muudarten lassen ihr V in W, GW und G übertreten, wie digamma schwand, schwanden uns V vor VL YR (vgl. altn, s. 297), H vor HL HR und in der mitte von Zu- sammensetzungen (s. 298. 544) oder den Romanen deutsches H im anlaut ; unser H selbst ist fast nur erweichtes CH. lat. gieng H her- vor aus älterem F (s. 348).

Während die lappische, finnische, estnische, ungrische spräche kein genus unterscheiden, sind im sanskrit, zend, griech., lat., deut- schen und slav. drei geschlechter entfaltet, im litthauischen, ro- manischen, keltischen gebricht das neutrum und ist wahrscheinlich aus- gestorben, wie im dänischen masc. und fem. zusammengeronnen sind.

In der deutschen lateinischen griechischen und keltischen decli- nation gelten nur wenig, im sanskrit, slavischen und litthauischen aber viel casus (s. 927).

Die vollendeteste verbalflexion erscheint im sanskrit und griechi- schen, grosze Vorzüge hat auch die lateinische, litthauische und sla- vische ; die deutsche, keltische und romanische stehen nach, doch ist der gothischen noch reduplication mit dem sanskrit, griech. und lat. gemein, welche Litthauern, Slaven und Kelten abgeht, äuszerlich aber erscheint die goth, reduplication, und was ihr in den übrigen deut- schen sprachen entspricht, als jüngere, der schon eine ältere, zu den gr. und lat. Wörtern stimmende musz vorausgegangen sein (s. 874).

In sämtlichen urverwandten sprachen treffen zusammen cardi- nalia (s. 239), persönliche pronomina (s. 257), verbum substantivum (s. 265) und verwandtschaftswöx'ter (s. 266) ; auszerdem eine anzahl einzelner Wörter, wie sol (s. 301), nox (s. 276), cor (s. 329), vulpes (s. 332), pecu (s. 28), canis (s. 38), uomen (s. 153), vermis (s. 383), öaxQV (s. 403), dexter (s. 986).

1021 Oft aber entfernen vom sanskrit die europäischen sprachen sich darin, dasz sie einen buchstab der wurzel verwandeln, und namentlich pflegt in ihnen L statt des skr. R oder D aufzutreten: skr. sürjas lat. sol; skr. sara lat. sal gr. «Ag goth. salt; skr. dirghas sl. dl"g" litth. ilgas ; skr. d6ha goth. leik ; skr. dßvr lat. levir ; skr. dughda lat. lac. doch in einzelnen sprachen haftet die alte lingualis, z. b. das litth. adj. surus salsus bewahrt sein R, und darum scheint gr. dai]Q alterthtimlicher als lat. levir. nicht anders verhalten sich dingua tuggö zunkä und lingua, ddnQV tagr zahar zu lacrima, sidabras zu silapar, ahd. päd agr. bäd altn. bad zu ßalaveiov balneum. zumal belehrend

SCHLÜSS 709

ist, wenn beide formen mit verschiedner bedeutung neben einander auftreten, z. b. vargs = skr. vrka und vulfs = lat. vulpes (neben lupus = Xvxog == wilkas) s. 347.

Cap. XIII XVII sind eine menge Wörter ausgehoben worden, die in den urverwandten sprachen zusammen stimmen, und man weisz wie vielfach sich auch ihre praepositionen und conjunctionen begegnen.

Grosz ist der einklang griechischer- zur deutschen spräche, wobei ich besonders die gr. vorneigung zum ablaut (s. 861), die gr. und goth. reduplication, und die noch nicht genug ins licht gesetzte gleichheit des infinitivischen ausgangs aufN [gramm. 1, 1066] anschlage, wichtig scheint die begegnung von oida und vait, sxf'^ '^''^^ aih, &aoö8co und gadars, fiE}iova und man, yeyova und kann, obschon mit abweichendem sinn, q)vc} undvisa (s. 430), didoa^i und tuom (s. 887), lOtijfii und stäm (s. 888), ]}« und iddja (s. 889), a^slyco und milka, vb^co und nima, xQi%a und J)ragja, x^etixco und hlifa, nUnca und flihtu. man erwäge ferner 6 17 t6 und sa so J)ata, fitrjv und möna (s. 352), daxQv und tagr, yovv und kniu, odovg und tunj)us, d^svuQ und ahd. tenar, agsag und hraiv, ^yjQ und dius, vielleicht auch q)7]Q und biari (s. 844), 6vg und sü, ö'Cg und aus, x^"^ ^^^ gans, vQVtg und arn ags. earn altn, örn, ticüv und faihu, x^^Q^S und gris, sxlvog igil, icvcov und hunds, OQtpavog und arbja*, özorog öma und skadus, {^vga und 1022 daurö, yvvtj und qinö, ÖQvg und triu, dsvdgov und timbr (s. 336), xdka^og halm, etog und aj)n, vv^ und nahts, x^jrog und hof, äxövr] und hein (s. 434), &vy.ög und toum, nolv und filu, fisl^cov und maiza, ^syag und mikils, noiziXog und faihs, ;K'*'^<^g und halts, varms und d^eQfiog (s. 799). Nicht zu übersehn auch, wenn ein wort zwar in andern urverwandten sprachen gleichfalls vorhanden, in der gr. und deutschen durch besonderheit der form oder des sinns sich auszeich- net. Invog drückt wie goth. auhns, ahd. ovan, schwed. ugn furnus aus, ist aber das skr. agnis, lat. ignis, sl. ogn', litth. ugnis, P in In- vog verhält sich wie in mriog equus. vöcdq lautet auf R aus wie das ahd. wazar, ags. väter, welsche dwr, während goth. vatö, sl. voda ohne R sind, wiederum stimmt nvQ zu ahd. fiur, ags. altn. f^r, die Gothen haben funa. Bei so entscheidender Übereinkunft darf man doch glauben, dasz unsere vorfahren im höheren alterthum den Griechen örtlich näher standen, als nachher, und hier musz Thrakien in betracht kommen, welches im norden Griechenlands unmittelbar an den von Thessalien und Boeotien ausgegangnen aeolischen dialect stiesz (s. 629). darum zeigt das aeol. TiiövQsg niövQSg (wahrscheinlich auch nitOQbg) für reööa^Eg (s. 242) den zum osk. petora, welschen pedwar, goth. fidvör stimmenden labialanlaut. mahnt aber der makedonische yoQ- malog (s. 105) an den sl. srpen und an unsern herbist (s. 798), so hat man guten fug auch einen thrakischen monatsnamen dieser art

* denn der erbe ist orbus, waise, wie auch heres dem gr. xVQ^'i sl. sir", litth. sirrata entspricht, skr. arbha proles. Bopp 19».

710 SCHLUSS

vorauszusetzen, da die monatsnamen sich gern verrücken und in süd- lichem land schon den juli geerntet werden kann, liesze vielleicht der welsche gorphenhof, dessen deutung s. 103. 376 anders versucht wurde, mit jenem yognialog und srpen, die in unsern august fallen, sich verknüpfen.

Mit dem latein haben wir die s. 287 ff. geschilderte lauterkeit der vocale gemein, dann im ganzen die enthaltsamkeit beim abstufen der mutae (s. 358. 362). auch stimmt der allmählich eintretende wandel des S in R (s. 310. 314), welcher Griechen Slaven Litthauern Kelten wenig zusagt. In der fiexion scheint von gewicht die analogie

1023 der lat. vocallaute schwacher verba (s. 878) und noch mehr beim nomen (s. 922). nicht minder gleicht sich das ß der comparative (s. 315) und IM UM der Superlative, auszer dem persönlichen pro- nomen begegnet is ea id dem is si ita und hie haec hoc (s. 933) dem goth. his hija, hodie dem hiatu. habere ist haban, scire saih- van (s. 348), videre vitan, velle viljan, noscere gnoscere ahd. chnä- han ags. cnävan und novi coepi empfangen praesensbedeutung, doch tritt das verschieben nicht so deutlich hervor wie im deutschen und griechischen. Viel einzelne Wörter treffen mit unsern zusammen: ver- tere vairj)an, molere malan, arare arjan, augere aukan, lucere liuhan, monere manön, silere silan, tacere ^ahan, serere saian, mulgere mel- chan, tendere |)anjan, vehere vigan (s. 586); vir vair, homo hominis, guma gumins, femina faemne, hostis gasts, orbus arbja, equus aihvus, pecu faihu, caper häfer, aper öbar eofor, pullus fula, porcus farah, Ovis aus, canis hunds, hoedus galt, anser f. hanser gans, piscis fisks, vermis vaurms, aes ais, semen sämo, cornu hörn, granum kaum, ovum addi? ahd. ei, mel milij), mensa m6s, armus arms, ansa axis = amsa humerus, corpus hraiv mhd. rö, dens tunj)us, coxa hahsa (s. 681), pellis fiU, cutis hüd, genu kniu, vultus vlits, vestis vasti, monile ahd. manili (vgl. menele Gosl. stat. 104, 36. 105, 10), hortus gard«, mare marei, aqua ahva, aequor oceanus altn. oegir ags. 6gor, calamus halm, ventus vinds, nomen namo, coecus haihs, communis gamains, angustus aggvus, paucus faus, longus laggs, vivus qius, tenuis dunni, medius midja, viridis gehört zu aurts vaurts, apricus ahd. äpar äparo (Graff 1, 99) mhd. seber Parz. 120, 5. sollte laetus f. daetus stehn und dem altn. teitr ahd. zeiz entsprechen? doch ist der inlaut un- verschoben. Unter den monatsnamen habe ich Julius dem jiuleis gleichgesetzt.

Die slavischen und deutschen lautverhältnisse scheinen einander groszentheils zu widerstreben, bei den Slaven hat die aspiration ge- ringen, der Zischlaut desto gröszern umfang; goth. Z entfaltete sich aus R, ahd. Z aus TH, sl. Z hingegen aus G, wie das zendische aus

1024 H. auch in der stelle, welche sie dem L und R neben der muta anweisen, weichen deutsche und sl. spräche ab (s. 325. 331). doch theilt das hochd. und sl. organ miteinander die neigung zu J (s. 306). Bedeutsamer erscheint in der flexion die doppelform sl. adjective (s. 693) als ein anklang zur deutschen weise. In vielen einzelnen

SCHLÜSS 711

Wörtern herscht auszerordentliche älmlichkeit : mogu mag, lu'njeti mu- nan, veljeti viljan, vidjeti videre vitan, brati bairan, drati iairan, kusiti kiusan, djeliti dailjan, vlasti valdan, nuditi naujjjan, grepsti graban, doiti daddjan, znati chnähan, imu nima, lizati laigön, T'gati liugan, liobiti ahd. liupan, plakati fißkan, r"idati, ahd. riozan, mazati ahd. mestan, mljeti malan, peku peschtschi aM. pacban altn. baka, plja- sati poln, plasac goth. plinsjan, postiti fastan, slouti ahd. hlosen, stati standan, sjejati saian, vielleicht ist auch pasti und padati dem ahd. fallan (s. 839) gleich, mit Übergang des D in L, wobei besonders litth. pulti zu erwägen, substantiva: shena qinö, s"in". sunus, svekr' svaihra (s. 304), gost gasts, skot skat, govjado bos böhm. howado pecus unser kuh (s. 32), svinja svein, os'l" asilus, jesh' litth. ezys ahd. igil skr. äkhu, or'l" ara, lebed' alpiz, m"isch' miis, zvjer' dius, noga vgl. ahd. nakal und anchala (s. 340), ramo arms, pjast' füst, pr'si poln. piers böhm. prs vielleicht goth. brusts, rebro rippi, tschrjevo hrif (s. 383), oko augö, oucho ausö, mljeko miluks, mjaso mimz, pl"t' ahd. fleisc, jaitze ahd. ei, drjevo triu, dub" timbr, tr'n" J)aurnus, bereza piricha, zrno kaum, louk" lauk, smok"v' smakka, iabl"ko apfal, sjemja sämo, kam"i hamar (s. 955), more marei, voda vatö, zlato gul{), srebro silubr, st'klo stikls (s. 823), kotl" katils, shoupel" svibls (vgl. sulphur), sol" salt, med" mel vgl. miödr mulsum, chljeb" hlaifs, snjeg" snaivs, imja namö, noschtsch nahts, slama halm, metsch mekeis, dolina dalei, dv'r' daurö, igo juk, l'st' lists, sljed" altn. slod, kolo ags. hveohl engl, wheel altn. hvel schwed. hjul (die Verwandt- schaft mit jul s. 302 zweifelhaft), shr"n"v" qairnus, trud pruts (s.336), monisto mani altn. men, liod" goth. lau{)s ahd. Hut, pl"k" volk ags. folc, dl"g" goth. dulgs, f'isuschtscha goth. pusundi (s. 253). adjectiva: on" jains, ion" juggs, nov" niujis, s"it" satur, tzjel" hails, nag" 1025 naqaJ)S„ pF'n" fulls, Ijot' liuts ahd. lioz, shiv" qius, mnog" manags, dobr" tapfar. Diese beispiele weisen entschieden und gewis uralten Zusammenhang zwischen Deutschen und Slaven und gestatten die s. 322 vermutete gleichheit des volksnamens Sueven und Slaven. stimmen sl. jar und Ijeto zu unserm jähr und lenz (s. 73), so kann auch die Übereinkunft zwischen listopad gruden und unserm laubrisi und hart- monat nicht befremden. Gewicht in die wagschale legen darf vorzüg- lich das eintreffen von ausdrücken aus dem hirtenleben und ackerbau, wie mljeko, mjaso und ploug" (s. 56) mit miluks mimz und ahd. pfluoc, aber auch von zlato und srebro mit gulj) (vgl. finn. kulta) und silubr. beide Völker, als unter ihnen die edeln metalle gangbar wurden, müssen in nahem verkehr gestanden haben; dem erz und eisen geben sie abweichende namen, das ist merkwürdig und läszt nicht zweifeln, dasz ihnen diese in andrer zeit zukamen, goth. ais stimmt schon zum skr. ajas und eisarn scheint blosz daraus abge- leitet, nähert sich aber der keltischen benennung. das s. 9 unange- führte sl. mjed' aes bezeichnet im poln. miedz, böhm. mM kupfer oder messing. ich finde auch ein welsches pres für engl, brass. Litthauische und sl. zunge stehn zu einander noch näher als eine

712 SCHLUSS

von beiden zur deutschen, und vieles, worin sie dieser begegnen, ist ihnen gemeinscbaftlich ; doch hat auch jede ihre eignen beziehungen mit unsrer spräche, leider kennen wir den gehalt der litth. nicht so vollständig und nicht aus so alten quellen wie den der slavischen; beinahe sinkt das litthauische herab zur volksmundart : desto gewal- tiger erscheint seine anläge. Unverkennbare Verwandtschaft zeigen die litth. dechnationsvocale mit den deutschen und griechischen (s. 925) und die doppelform des adj. (s. 963) mit der unsrigen. die einstimmung litth. verba zu unsrer anomalie wurde s. 909 angegeben. Gleich den sl. Wörtern kommen überein waldyti valdan, imti niman, laizyti laigön, malti malan, klausyti hlosßn, stoweti standan, gelbeti hilpan, pulti fallan, raudoti riozan; zyne qinö, sunus sunus, asilas

1026 asilus, err^lis ara, zwSris dius, akis augö, ausis ausö, miesa mimz, kraujas hraiv (s. 1010), lapas laufs, mares marei, stiklas stikls, ka- tilas katils, medus milij), snegas snaivs, naktis nahts, durrys daurö, girna qairnus, obolys apfal, jungas juk, tukstantis J)usundi ; ans jains, jaunas juggs, naujas niujis, lengwas leihts, gyws qius, sotus sads. delna ist das sl. dlan' und ir. dearna, folglich ahd. tenar gr. xtevag. diena das sl. d'n' lat. dies goth. dags. Andere aber sind unslavisch, doch in geringerer zahl: zmogus guma, aszwa aihvus, pMas fötus, ratas ahd. rad, wardas ahd. wort, menü mßna, kwetys hvaiteis; drysti gadaursan; antras anj)ar (s. 341). Werth hat für bestimmung der alten heimat der Langobarden im nordosten, dasz zwei dunkle aus- drücke ihres gesetzes durch litthauische ei'hellt werden: treno durch trainys (s. 697. 800) und modula medela (s. 696), wozu man auch madili assis, laucmedili fulmen d. i. donnerkeil (Graff 2, 707) und altn. meidr arbor nehme, durch litth. medis arbor lignum, folglich holzbret. warum sollte nicht das oft angeführte getische XQOvördvr] wie litth. kregzde zugleich gothisches und langobardisches wort ge- wesen sein? zu laubrisi und hartmonat fügen sich wiederum die litth. lapkristis und grodinnis (s. 99).

Wol eignen sich beiden sprachen, der sl. und litth., Wörter, die uns gebrechen oder zu gebrechen scheinen, bei näherer forschung aber in veränderter gestalt vortreten, das lat. ros, sl. rosa, litth. rasa, hat undeutsches aussehn, nimmt man hinzu griech. ÖQOöog, so bietet sich die goth. Wurzel driusan cadere dar und das ahd. trör, ags. dryre, altn. dreyri humor, cruor, der thau ist das fallende, stilla, gutta, humor. sl. mjesjatz und lat. mensis, litth. menü gen. menesio sind nur anders abgeleitet als men6J)S mänöt, gehören aber zu m6na und [ir]i>, wogegen luna und louna blosz lat. und sl. scheinen, im ir.

1027 luan sich wiederfinden*, sl. nebo, skr. nabhas, erkennen die wurzel

* luna entspringt aus lucina (und Lucina ist wie Luna mondgöttin) ähnlich dem lumen = lucimen = altn. liomi lux aus der wurzel liuhan. doch musz das wert auch für die erscheinungen des mondlichts gegolten haben, vgl, niuwilune neomenia (Graff 2, 222) und unser heutiges laune scheint von Veränderlichkeit der mondphasen abzuleiten. Berthold s. 302: wan der mäne so gar unstsete ist, in so maniger lüne; Karl 77^: verfluocliet

SCHLÜSS 713

unseres nibul altn. nifl, lat. nubes nebula, gr. vkcpoq vicpBXr], sl. nebo bildet den gen, nebese, entspricht also dem littb. d^besis (wie dewyni = newyni s. 244). sl. oba, litth. abbu, lat. ambo, gr. a^cpco schei- nen im goth. bai und bajöps den anlautenden vocal einzubüszen.

Selbständig zeigt sich das litthauische , wenn es kein zu zlato und gulj) stimmendes wort hat, sondern auksas = lat. aurum f. ausum, weder mljeko noch miluks sondern p^nas = skr. ph6na und so in viel andern fällen, doch neben auksas besteht sidabras = si- lubr und srebro. n

Die wortreichen und ausgebildeten keltischen sprachen stehn uns Deutschen dennoch ferner als die slavische und litthauische; unver- kennbar haben sie gröszere neigung zum latein. allein es folgt schon aus ihrer Urverwandtschaft, dasz sie auch vielfach mit dem deutschen und slavischen zusammentreffen, jener gleichen benennung des goldes und Silbers bei Deutschen und Slaven steht bedeutsam entgegen das zu aurum und argentum gefüge or und airgjod, aur und arian, wäh- rend sich Griechen und Litthauer gerade in beide wortstämme thei- len, uQyvQog. ccQyvQLOv zu argentum, auksas zu aurum, sidabras zu Silber stimmen, und %QVOog sich kaum von zlato und gold trennen lassen wird. Die Kelten müssen also gleichzeitig mit den Eömern diese edlen metalle gekannt und genutzt haben, jaran und haiarn nähern sich aber stark dem nord, iarn und engl, iron, die doch aus eisarn hervorgegangen scheinen, ir. umha gehört wol zu welschem efydd.

Ich gebe beispiele von andern der keltischen und deutschen zunge gemeinsamen Wörtern, ir. mac goth. magus, ir. fear welsch gwyr goth. vair lat. vir, ir. each goth. aihvus lat. equus, ir. gabhar welsch gafr lat. capra caper ags, häfer altn. hafr, ir. apa welsch 1028 epa ags. apa ahd. affo, ir. cu welsch ci lat. canis goth. hunds, ir. muc welsch moch nhd. mucke, welsch erydd eryr goth. ara (ir. iolar fiolar), ir. seabhac welsch hebog ahd. hapuh (s. 797), ir. iasg welsch pysg goth. fisks (s. 380), welsch baran ags. vrenna engl, wren, ir. croidhe (welsch calon) hairto, ir. corp lat. corpus goth. hraiv, ir. dead welsch dant lat. dens goth. tunpus, ir. dearna ahd. tenar, welsch aelod ahd. altä gr. kq^qov (s. 946), ir. lamh welsch llaw goth. löfa altn. löfi (vgl. glöfi ags. glöfa chirotheca), ir. darach (vgl. quercus f. duercus?) welsch dar deru derwen armor. derf, gr. Öqvs sl. drjevo goth. triu, ir. droighean welsch draen sl. tr'n" goth. J)aurnus, ir. ubhal welsch afal ahd. apfal litth, obolys sl. jabl"ko, ir. muir welsch mör lat. mare goth. marei, ir. dear deur welsch dagr goth. tagr, welsch haul goth. sauil (s. 301), ir. salan welsch halen lat. sal goth. salt, ir. nochd welsch nocht goth. nahts, ir. dja welsch dyw lat. dies goth. dags, ir. samhra ahd. sumar (s. 798), ir. aodh ahd, eit ags. ad, ir. righ goth, reiks lat. rex, ir. baoth goth. bau|)S, ir. caoc caec lat.

81 diu lüne, in der du würde geboren; Albr. Tit. 1261: unheil mit siner lüne; Jeroschin (nach Frisch 2, 628*): in des brächmondes lüne.

714 SCHLÜSS

coecus goth. haihs, ir. nuadh welsch newydd goth, niujis, ir. sean welsch hen goth. sins sinista lat. senior, ir. saith lat. satur goth. sads, ir. nochd welsch noeth lat. nudus goth. naqaps, ir. cead lat. centum goth. hund (s. 250). keltische verba stimmen selten und gerade das zeugt von der geringeren berührung: ir. cluinsin ahd. hlos6n, welsch gwyllysu wollen, ir. araim welsch aradu goth. arjan lat. arare.

Viele Wörter begegnen lateinischen, die unsrer spräche fremd sind : ir. beith welsch bedwen betula, ir. brac welsch braich brachium, ir. laeth welsch llith lac, ir. luan welsch Uan luna (vgl. s. 1026), ir. coileach welsch ceiliog gallus (vgl. litth. gaidys, lett. galis), ir. mil welsch mel lat. mel, ir. und welsch tir terra und andre in menge.

Mythologische bezüge, wie die vom welschen Gwydion auf Wo- dan, vom ir. bealtein auf Phol, vielleicht von nerth virtus auf Ner- thus bleiben aber von gewicht.

Ein vorhin behauptetes näheres Verhältnis der keltischen zur 1029 lateinischen spräche geht mehr auf den wortvorrath als die flexion, da die lat. flexion der slavischen, litthauischen und deutschen offen- bar mehr zugewandt ist als der keltischen, die durch ihre consonanz- verstufung ein eigenthümliches ansehn gewinnt.

Nicht zu tibersehn ist auch, dasz in einzelnen wortgeschlechtern die keltische spräche von der lat. ab, auf seite der übrigen tritt, wie in den angeführten apa ubhal darach droighean seabhac u. a. m.

Gar nicht in den kreis unsrer urverwandten sprachen gehört die finnische und was ihr zufällt, obgleich sie schon sehr frühe in Europa eingewohnt gewesen sein und neben jenen ihr lager aufge- schlagen haben musz. ihre lautverhältnisse und flexionen sind ganz abweichend gestaltet; das eine genüge, dasz sie gar keine geschlech- ter unterscheidet, aber weit gröszere casusfülle als selbst die slavische und litthauische aufstellt. Dagegen berühren sich einzelne finnische nomina, selten verba, wahrscheinlich seit undenklicher zeit mit deut- schen und urverwandten, finnische zumal mit gothischen, lappische mit nordischen.

äiti, sisar, tytär sind bereits s. 267. 271 angegeben, dem goth. maj)a begegnet finn. mato, dem marei meri, dem mulda multa, dem paida paita, dem leik liha, dem hvaj)ö vahto, dem namo nimi, dem gulj) kulta, dem ahana akana, dem goth. vatö sl. voda dän. vand finn. vesi gen. veden, ungr. viz und nach dieser analogie dürfen wir zum goth. handus ahd. hant, die durch alle deutschen sprachen gehn, aber allen urverwandten fremd sind, das finn. käsi gen. käden, läpp, kät, wotjak. ki, tscheremiss. kid, ungr. köz halten [vgl. Lindstr. 24. 25. lex sal. s. XL], finn. muurainen stimmt zum welschen myrionen, armor. merionen, altn. maur, schwed. myra, mnl. miere, sl. mravii, gr. fivQfii^^, finnisches repo gen. revon zum altn. refr, schwed. räf, finn. moukari malleus zum dän. mukker, nnl. moker, finn. airo re- mus zum altn. är, finn. pelto zum alts. folda, finn. ansas trabs zum goth. ans, finn. tapa mos gen. tavan zum alts. thau, ahd. dau (s. 232), finn. nikuli merges zum schwed. nek, dän. neg (s. 758), finn. neiti

SCHLUSS 715

filia zum ir. naoidhe kind und sl. neti, goth. nij)j6, lat. neptis (s. 271), finn. hanhi gleicht dem lat. anser (s. 304. 402. 478), finn. hera dem 1030 lat. serum (s. 1005), finn. hartio scapula dem ahd. harti, finn. napa dem ahd. napalo, finn. tarvet wurde s. 328 (vgl. 909) der goth. Wur- zel paurban überwiesen, finn. manaan ist lat. moneo, ahd. man6n. finn. arpi gen. arven cicatrix, est. arm, altn. ör, schwed. ärr, dän. ar und mit vortretendem N ahd. narwa (nicht närwa) Graff 2, 1097, mhd. narwe Herb. 13683 nhd. narbe, mnd. nare Ssp. 1, 63. 68. Der Gotha unterscheidet zwischen aurts herba (wovon aurtja yscoQ- yog, aurtigards x^jrog) und vaurts ^t^a, dem Pinnen' ist yrti yyrti (dem Lappen urtes) herba, juuri radix, diese Verwandtschaft wurde schon s. 329 berührt, ich will hier einiges näher ausführen, ein ahd. orz herba darf gefolgei't werden aus orzön excolere anpflanzen (Graff 1, 477), gewöhnlich aber steht würz für herba, olus, wurzä und wur- zalä für radix; auch ein ags. ort ergibt sich nach ortgeard hortus, engl, ortyard orchard neben veortgeard engl, wortyard, doch veort, vyrt engl, wort ist herba und zuweilen (Csedm. 247, 19) radix, wel- chen begrif sonst vyrtrüma oder rot engl, root ausdrückt, das altn. urt (auch jurt), schwed. dän. urt ist überall nur herba, urtagardr hortus, verschieden von rot radix, schwed. rot, dän. rod*. Bedeut- sam kommt endlich die finn. und läpp, conjunction ja (und) mit der goth. und ahd. jah überein.

Unsere deutsche spräche schlieszt sich demnach, und das ist aller meiner forschungen ergebnis, leiblich zunächst an die slavische und litthauische, in etwas fernerm abstand an die griechische und latei- nische an, doch so dasz sie mit jeder derselben in einzelnen trieben zusammenhängt, noch weiter ab liegt ihr die keltische, obwol sich auch hier die Verwandtschaft kund gibt, viel entlegner und eigent- lich unverwandt sind die finnischen sprachen.

Durchdringende kennzeichen, wodurch wir uns von allen andern 1031 Völkern unterscheiden, gibt es vier : den ablaut, die lautverschiebung, das schwache verbum und das schwache nomen. den laut haben wir zweimal verschoben, den ablaut zum waltenden gesetz der star- ken conjugation erhoben, die schwache declination auf Substantive wie adjective angewandt.

Eigenheiten, woran man die gothische spräche auf der stelle er- kennt, sind das DD in addi baddjß tvaddje daddjan vaddjus iddja (s. 351), das ZD in Azdiggs gazds razda huzd (s. 313), das GM in bagms, das ZN in razn, das ZV in izvis ubizva, das ZG in azgö, das J)L J)R in J)laihan pliuhan J)rafstjan (s. 350). merkwürdige spur des ZD in bairischer und tirolischer mundart: uscht f. ahd. ort = goth. uzd (Schm. 1, 112), in Tirol oscht. im Chiemgau ist meschder was sonst merder holzschlägel (Schm. 2, 614); das bestärkt die verwandt-

* röt ist = lat. radix, zu aurts und urt, vaurts und würz aber halte ich das lat. viridis von virere (welsch gwyrd), wie auch vom sl. zeleny viridis sich zelina herba virens (grünigkeit) , vom litth. zalias viridis zole herba, gramen ableitet.

716 SCHLUSS

Schaft der Gothen und Hochdeutschen, vgl. auch dulps und tuld (s. 92), noch mehr die goth. ahd. conjunction jah. goth. ist brusts ahd. prust gegenüber dem ags. breost, altn. briost.

Die goth. spräche zeigt aber manche ihr unter den deutschen allein zuständige Wörter, an deren stelle die übrigen andere aus- drücke verwenden, so stimmt das goth. mili|) zwar zu gr. ^eIl fis- Atrog, lat. mel mellis (f. meltis?), ir. mil, welschem mel (vgl. ags. milisc mulsus, d. i. mellis habens saporem) und dem D andrer ur- verwandter sprachen (s. 355). allein ahd. gilt honac mhd. honec alts. honig hanig ags. fries. hunig engl, honey altn. hunäng; aus welcher wurzel her rührt dies seltsame wort? ich habe ans litth. kunas leib gedacht, weil wir (s. 1011) sahen, dasz die Vorstellungen leib, blut und seim (at^ua) verflieszen, mythisch aber nectar aus blut bereitet wird, es mag ein verschoUnes hun gegeben haben, aus dem honac hunäng geleitet wurde, wie honig ist auch das allen übrigen deutschen sprachen gemeine verbum fallen, das ich zu sl. pasti hielt (s. 355), den Grothen abgängig.

Andere eigenthümlich gothische wörter manvjan u. s. w. hebt 1032 meine vorrede zu Schulze hervor, unter den Wortbildungen machen sich zumal die nomina auf -ubni und adverbia auf -ba bemerklich, unter den partikeln ei dasz, uf unter, and durch.

Wenn gleich der gothische und deutsche wortvorrath insgemein gröszere Übereinkunft mit dem latein als dem griechischen zeigt; er- scheint doch in einzelnen ztigen der goth. flexion mehr annäherung an das griechische, wie in sasö J)ata 6 tj x6 , im ü^i (beide aus ismi lö^l abkommend), iddja j^a, vait ol8a, den Superlativen -ists und -töTOg,

Die entfaltung des R aus S, der fast gänzliche Untergang des dualis (s. 489), hingegen das stärkere vortreten des dem lat. ablativ ähnlichen Instrumentalis (s, 488. 938) stellt den hochdeutschen stamm näher zum latein.

Begreiflicherweise ist den Gothen auch oft fremd geblieben, was den übrigen Deutschen mit Slaven und Litthauern gemein war, z. b. fleisc pr't' (s. 1011) und smSrza s"mr't' litth. smertis, denn das ahd. wort musz ursprünglich den begrif der todespein enthalten haben, die sich allmählich milderte in den des heftigen Schmerzes; zu den Altnorden drang der ausdruck nicht, doch haben die Schweden und Dänen smärta smerte vielleicht von uns aufgenommen, aber schon ags. galt das starke verbum smeortan dolere wie ahd. smörzan. Da- für stimmt der Gothe mit dem Slaven in mimz plinsjan dulgs und anderm mehr. Aber wie ganz ahd. klingen viele goth. wörter, z. b. atisks ezisc (mhd. ezesch esch, Swsp. s. 168. 171), aglaitei akaleizl, eisarn Isarn, gadiliggs katilinc, liuhaj) lioht (altn. lios) arvjö daiQmv ahd. arawun u. s. w.

Bairisch und schwäbisch müssen wir allmählich fester unter- scheiden lernen, so vieles sie gemein haben, jenes bairische oscht uscht wird in Schwaben nur ort lauten, bair. hie lief, Schwab, hiu

SCHLUSS 717

liuf wurde s. 869 gemutmaszt, auch Grriesli. 1, 15 bestätigt liuf. bairisch ist ertag und sunwend sunbend, schwäbisch zistag sungicht (s. 508. 853); bairisch gßrhabe vormUnd (Rupr. von Freis. 44), schwä- bisch pfleger oder sicherbote (Swsp. 52). das prohibitive min für ni (gramm. 3, 742) scheint alamannisch und findet sich schon in der alten glosse (Diut. 1, 495^), auch das et für als nach comparativen 1033 (Griesh. vorrede 2, VI) verdient aufmerksamkeit. dagegen haften in der bairischen Volkssprache dualformen, keine in der schwäbischen, sollte nicht ahd. pia bairisch, pini schwäbisch sein? auch mhd. sagt Wolfram bie, der Glicheser und Rudolf bine bin (tiicht bine bin), woher das nhd. biene rührt. Grieshabers prediger 1, 15. 2, 122. 123 hat den pl. bina apes. andere ausdrücke lehrte die milchbereitung, anke und ziger sind schwäbisch, schweizerisch, topfe bairisch. Schmel- 1er sollte die unbefugte aufnähme schwäbischer ausdrücke in sein bairisches Wörterbuch dadurch gut machen, dasz er den unterschied beider mundarten einmal ausführte.

Die fränkische spräche glänzt durch ihr CH statt des H der übrigen (s. 543). der niederländischen mangelt TH und für hochd. FT bietet sie CHT (s. 349). sie scheint einige fränkisch-batavische bestandtheile in sich aufgenommen zu haben, in denen sie sich von dem altsächsischen entfernt, das ihr sonst fast zum gründe liegt.

Die reiche angelsächsische spräche bietet noch manches mit der gothischen, was im hochdeutsch ausgestorben ist, namentlich das se seo J)ät = sa so |3ata, eode = iddja*, bycgan = bugjan, gedafan = gadaban, doch stimmt sie auch oft zur ahd., z. b. in dide == tiJta (s. 883), welches der goth. und altn. spräche fehlt, manches andere theilt sie mit der altn., z. b, das schon angeführte breost = briost, äled = eldr, söt fuligo, grid pax (s. 757). eigenthümlich ags. ist J)is, engl, this (s. 930).

Des ags. grundlage bleibt gleichwol das alts. und heban heofon, geban geofon (s. 655) sind für diesen sprachstamm characteristisch; ags. veordig vurdig praedium agellus, engl, worth, altn. urd saxetum entspricht noch der word des Ssp. 1, 34. 2, 48; ags. spearc scin- tilla, engl, spark, mnd. spark Ssp. 2, 51 nnl. sparkel. auch die Ver- schiebung des R (s, 330) gehört dahin. VL und VR haben beide 1034 mit den Gothen gemein, ahd. und altn. gilt bloszes L und R, z. b. alts. wriso lautet ahd. riso.

Das ags. cläd, fries. kläth, altn. klaedi gebricht der goth. ahd. und alts. spräche; erst mhd. wird kleit üblich.

Man musz darauf bedacht sein von der niedersächsischen volks- mundart die westfälische sorgsam zu scheiden; nur letzteres hat z. b. die Überbleibsel des duals in pronomen.

In der ausgibig und ungestört erhaltnen altn. spräche sind be-

* ich habe bedacht, ob nicht in der bekannten stelle des Hildebrand- liedes 'her aet östar hina' ein altthüringisches praet. für iddja oder eode stecken könne? wenigstens .sollte aeta geschrieben sein.

718 SCHLÜSS

greiflich viele berührungen mit der gothischen gesichert worden, die unsrer hochdeutschen verloren giengen, ohne dasz dadurch der wesent- lich hochdeutschere character des gothischen beeinträchtigt wird. Eigenthümlich ist im altn. der abgang des is si ita, ahd. er siu gz (s. 756) und der praepositionen bi du J)airh (s. 756) so wie in Zu- sammensetzungen der Partikeln ga- bi- und us- (s. 664. 755). über- haupt die neigung zum suffix, wodurch mit dynamischer Wirkung eine bestimmte form des nomens, auszer der schwachen, und ein passivum entsprungen ist (s. 754), da wo goth. und ahd. spräche den artikel dem nomen und das reflexive pronomen dem verbum vor- ausstellen oder getrennt verbinden, die schwache nominalflexion ist durch den wegfall ihres nothwendigen N (s. 952. 953) verdunkelt worden, wie er auch sonst diesem idiom zusagt (s. 338). solchen an- gehängten artikel darf man eine zweite potenz der schwachen form, die auch auf einverleibung desselben pronomens beruht (s. 960), nennen.

Sonst fügt sich in lauten und Wörtern die nordische spräche ungemein zur gothischen, z. b. im ü des troda = trudan, ahd. tre- tan (s. 848).

Wie das hochdeutsche dem slavischen einflusz war das nordische dem lappischen und finnischen, das westnordische zugleich dem kel- tischen ausgesetzt, repo drang ins altn. refr, schwed. räf, dän. räv vor, alle übrigen Deutschen behielten fauhs oder fauho. beim nie- derländischen miere (s. 1029) weisz man nicht, ob es auf welsches myrionen oder finn. muurainen zurückgehe, engl, blieb emmet, ags. 1035ämette, ahd. ameizä, mhd ameize; sagte der Gothe amaito? finn. moukari verlor sich bis ins nnl. moker. aber läpp, wuosta, finn. juusto verbreitete sich allgemein im norden, läpp, wuoi, finn. voi vielleicht ins ags. hvasg, niederl. wei, wenn dieser Zusammenhang der richtige ist. keltische gemeinschaft bezeugen altn. triona (s. 380) hold (s. 1011) und dän. keit (s. 995); doch die Übereinkunft des kel- tischen clith cledd mit gothischem hleidumei (s. 989) kann nicht räumlich verstanden werden, sie musz uralt sein.

Alle deutschen sprachen, wie weit auch ihre äste und zweige von einander getrieben haben, fallen sichtbar demselben stamm zu und bekennen eine mütterliche diota (piuda), nach der sie genannt sind; je höher man zurücksteigt, desto ähnlicher werden sich Gothen, Hochdeutsche, Niederdeutsche, Scandinaven, und alle sind gleiches Ursprungs.

KEGISTEK.

A 633.

A zu E 195.

AzuI,U werdend 192.195.

A zu 0 196. 197. 200.

aas 701.

seber, mhd. 710.

ablaut 584 S. 538. 636.

accipiter 35. 281.

Acinaces 85. 131. 152.

acker 43.

ackerbau 14 f. 38 S. 132.

Actumerus 403.

adjectivflexion 638.665 ff.

aes 7.

Aestier 122. 499 ft". 503.

äffe 284.

afres, inalb. 384.

ags. dialecte 462.

ags. spräche 453 f. 459 ff.

717. ahd. spräche 340 f. -aib, -alba 477. aise, frz. 247. A I U 200 ff. alah, ahd. 224. Alanen 156. 160. 331 f. Alamannen 346. 347 f

448 f. 589. Alces 84. vgl. 224. Aliorunen 517. aiphabet 191. 240. altar 81 f.

altn. spräche 523 ff'. 718. alts. spräche 449 ff. altvil 657. Amalae 313. Amazonen 517. ambactus 93 f. vgl. 118.

374 f. 380. Ambronen 443 f. amme 189. Ammius 519. amsa, goth. 236. Anartes 139. andare, it. 238. 335. 617. andere band 690. Angeln 345. 419 f. 356.

438. 446 f. 458. Angelsachsen 446. 457 ff'.

Anglia 458.

Angrarii 437 f. 450.

Angrivarii 430. 438. ' anke 696.

Anses 312 f. j Ansivarii 542. 543. I antahtoda, antsibunta,

alts. 173 f. 175. ! antlitz 289.

Aorsi 140. 156. 159.

apfel 285.

aran 39.

aratrum 39.

arbeit 39.

arena 244.

aries 24.

arm 229.

Armalausi 349.

Armenien 572.

Arminius 427.

art 39.

Artemis 154.

artikel 666.

artikelsuffix 667.

arx 224.

Asaland 534.

Asciburgium 534.

Askr 572.

aspiratae 242. 276 f. 293.

assimil. der voc. ahd. 203.

-astes, fränk. 378.

Astingi 314. vgl. 333.

atta, goth. 189.

Attila 332.

Attuarii 401. 409 ff.

audire 247.

augenleuchten 89 f.

aurora 9.

aurum 7.

Austravia 499.

avena 47. 49.

Avionen 330 f.

äz, mhd. praet. 616.

az§ts, goth. 247.

B

B und W 301. Baduhenna 406. Baiern 350 f. 352. 355 f. vgl. 485.

Grimm, geschiclite der deutschen spräche.

bair. dual 672. 674 f. bair. mundart 715. bair. .und schwäb. 716 f. Bajuvarii 542. Balthae 313. 540. -bant 412 f. 477. Barden 475. 479. hart 231. vgl. 246. Bastarnen 321 ff. 556. Bataven 400. 403. 405 f. batav. namen 408. Batten 403. battudo 698. Batua, Betuwe 405. beide 286.

belgische Thüringe417ff'. Behsar 301. 316. bellagines 317. Bergio 522. Berhtacultus 355. bernstein 499 f. Bessi 138. 150. 194. 313. betze 27. beudus 377. biber 285. 294. biene, bie 717. ßikki 27. 327. bin 219. 302. bindan 295. Bingen 346. birke 286.

bfruum,biruwis,ahd.219. bis, imper. 301 f. vgl.

339. blau 279. Bleda 332. bilde 289. blinder Hesse 393 f. vgl.

541. ^

bluteid 96 f. bock 25. 30. bohne 285. 294. Bojen 116. Boirebistes 140. Borkum 413. 473. Bornholm 486. Borthari 371. Bortrini 371. Brabant 412. brache 43 f. 46

720

REGISTER

brain, engl. 280. bronze 7. 8. Bructerer 371 f. 470. bruder 185 ff. 294. brüderschaffc 92 f. 96 f. brunne 279. Bucinobantes 412. Burgunden 474 ff. 485 ff. bürg, beiden 489 f. bürg, spräche 490. Buri 495 f. Buridava 496. bursa 95. busy, engl. 256 f. Butones 493. 495. butter 695 f. 702.

C

caesaries 9.

Caesia silva 338.

Canninefaten 407 f.

caper 25. 29. 285.

capillati 314.

Carini 485. 486.

carmula, ahd. 229.

caro, lat. 701.

caseus 697.

Cassel 403.

CH, fränk. 379f.384.385.

387. 390. 555. Chamaven 370 f. Chariovalda 408. Charudes 440 f. Chasuarii 409. 433 f. Chatten 345. 348. 393 ff.

400 f. 427. Chattuarii401. 409f.542. Chauken 466 ff. chempho 442 f. Cherusken 355. 426 ff. 434.

439. cherusk. fürstenstamm

428. Chochilaich 411. 468. chrenechruda 387 f. chreodiba, ahd. 161. chunna, malb. 384 f. cimbricum scutum 442. coecus 713. coelum 473. cogito 281. comparation 667 f. consonantismus, , ahd. 256. 297 f. 304. , dän. 299. , fränk. 377 f.

goth. 254 f. 299. , griech. 252 ff.

kelt 259 ff.

cons., lat. 252.

, litth. 270 f.

, mhd. 258. 298.

—, nhd. 298.

, Notkers 256 f. vgl.

297 f. , roman. 271 f. , slav. 268 f. , Wolframs 257 f. corpus 701. 713. Costoboci 139. cruor 701. curia 280. custos 280. Cvenas 517.

D

D und L 248 f. D und S 247. Dacia 509. Dacus 509. dadsidas, fränk. 381. Dahae 156 f. 159, 571. dairy, engl. 704. Daken 124 f. 134 ff". 157.

306. 496. 508. 564. dakische namen 1 4 1 ff . vgl.

194. 223. 305. 559 f. damf, ahd. 162. Danchwolf 379. Dänen 134. 136. 425**.

508 ff. Dani 508. darben 230. 626. darf 626. datisca 148. dauhtar 695. Daukionen 508. -dava, dak. Ortsnamen 141.

561. Davus 133. deba. malb. gl. 161. decaden 172 ff. vgl, 178. Decebalus 135, 561. declination 634 ff. 653 ff. , griech. 641 f. , lat. 640 f. , litth. 642 f demonstrativpronomen

646. dens 713.

depandorn, ahd. 162. -deus, fränk. 377. 378. Deutsche 117 ff". 158. 542.

548 ff. deutsche Wörter bei den

Römern 118. dexter 684, dialecte 474 ff". 578 ff".

Diar 510. dies 288. digamma 207 ff. Diobessi 313. Dioscorides 141 f. dis, goth. 295. Dispargum 378. Dithmarschen 439. 445. Diuppaneus 561. do, lat. 613, dolmetsch 228. dorf 285. dormire 229. dorn 229.

Dorpaneus 561. 626, Dortmund 433. 436. Drenthe 412. driesch 44. Dromichaetes 140. dructis, lex sal. 380. du, goth. 295. duahs 670 ff. , altn. 677. , bair. 675. , hess.? 676. , mhd.? 674. , niederl. 676 f, , östr. 675. dulcis 227. dulgs, goth. 626. Dulgubini 433. Dülmen 456. dult 51 f. 553. düster 236. 245.

E

E, Ursprung 193 ff. 196.

200. 203. easy, engl. 247. eher 25 f. 41. edda 220. 528 ff. eddo, erdo, ahd. 220. 247. Edica 326 ff. -eh, goth. anomal 649. El, goth. 586. eilf 171 f. eisenkraut 88, Eitelweif 395. Electeo 375. Engern 437 f. Engriones 404. equus 21. 244. erbe 39. 709. erbse 46. essich 300. Esten 122. 501. Eudoses 346, 513. Externsteine 457. Eygotaland 514.

REGISTER

721

F

F und H 244 f.

F und TH 245 f.

fahl 228.

fahs 287.

Fairguneis 84 f. 245.

Falen 438 f.

falke 211. 553.

falkenarten 36 f.

falkenjagd 31 ff. 129.569.

fallen 582.

fsemne, femina 695.

feim 695.

feld 43.

femea 695.

ferkel 26.

ferrum 7. 8 f.

feste 51. 77.

fifaltra 599.

filum 295.

Finnen 121 f.

finnische spräche 6. 29. 179. 189. 226. 229. 241. 292. 527. 714.

fitter, malb. 385.

flahs 278.

flaz, ahd. 279.

fleisch 700 ff.

foederati 315. Fosi 543. fragen 278. 287. fragwörter 242 f. framea 359 f. 362. francisca 361 f. Franciscani 361. Franken 358 ff. 370. 374 ff. vgl. 390. 399. 540. 547. 577. fränk. spräche 374 ff. 381 .

382. 387. frastisibja, goth. 91. frauennamen 14. freude 17. friche, franz. 44. Friesen 412.464 ff. 470 f. fries. spräche 472 f. frijon 278. Frisiabones 466. Fulda 399. fulluht, ags. 460. Funafengr 532. funus 284. furche 41. Fuse 399. 430. fuszspur 97.

G

Gallier 115 f. Gambrivii 367.

gandr, altn. 282.

Gangleri 530.

gans 334.

Gärdene 511.

-gast 378.

gauche, frz. 690.

Gaudae 140. 307. 309. 312, vgl. 377. 555.

-gaudus 377.

Gaut 538 f.

Gautar 312. 514.

Gautigoth 309.

Gavain 211.

Geatas 312. vgl. 377.

gebären der thiere 18.

Gebeleizis 131.

Gedrosia 572.

gehn 616. 617.

Geismar 402.

Gelduba 368.

Gene , Geno 276 f.

Genovefa 378. 379.

Genserich 334.

Gepiden 324 f.

Germanen 374. 545 ff.

gerste 46.

Geten 118. 119. 120. 123 ff. 127 ff. 138 ff. 155 ff. 194. 305 f. 308 f. 555 ff. 563 ff. 568. Getenu.Gothengleichbe- deutend 128. 323. 501. 565. getischenamenl40 f. vgl.

194. 306. getraide 44 f. getraidenamen 46. GG, goth. 238. glesum 499. Glomm 522. Godar 533. Godheimr 533. Göd{)iod 507. 508. gold 8. vgl. 229. 282. Götaland 514. Gothenl26ff. 153. 305 ff. 335 f. 501 f 507. 556 f. 566. goth. spräche 200 ff. 319 f.

338. 340 f. 578. 71-5. goth. hexameter 318. Gothi 125. 308. Gothinen 126. 134. 502 f. gothisches spiel inByzanz

316 f. Gothones 125. 157. 308. götter 85 ff. Goz, ahd. 309. 538. -goz 539,

graben 286. grand, nhd. 48. gras 465.

Greuthungi 314. 543. Gudila 128.

Gugerni 367 f. vgl. 491. Gundioch 489. Gungingi. Guningi 478. Gustaf 491. Gulm 309. 541. Gujjans 313. Guttonen 501 f. gutturale gezischt 272 f.

H

H, anlautend 214. , deutsches 209.

, finn. 213.

, fränk. 380.

, ir. 206.

H in der lautverschie- bung 303.

H und F 244 f

H und S 209 ff". 707.

haar und hart 397. 570.

haber 47.

habicht 32 f. 35.

Hadolava, loha 447. 448.

halec 229.

halter, hirt 703.

Hamalant 370.

hammer 280.

hamster 236.

band 714.

handmüle 47 f.

hano 281.

Harier 159. 496.

Harlunge 330.

härm 129.

hartmänot 69. 75.

haruc, ahd. 82.

Harudes 440.

Hassii 401.

Hattuarü 401. 409 f.

haupt des besiegten ab- geschlagen 99 f. 102. 164. 442.

Headobeardan 479.

Heissi, Hese 432.

heisze pflugschar 42.

heiter 281. 290.

Heliand 449 ff'.

hemera, ahd. 212.

Herbede 409.

herbst 53. 553.

Hercules 245.

heres, lat. 709.

heri, lat. 310.

Hermes 87.

46*

722

REGISTER

Herminonen 577. 580. Hermunduren 414 ff. 421. Heruler 329 f. vgl. 416. herz 231. 280. Hessen 393 ff. 401 ff. vgl.

542. hetja 401. Hetvare 410. 542. hi,pronominalstamm647. hie haec hoc 648. hiems 52. Hilleviones 522. himmels einfall 322. hircus 29. 233. hirse 45.

hirten 12 f. 21. 78. 703. hirundo 143. Hleidra 511. hleiduma, goth. 686. Hoc 468. -hoc, -höh 468. Hochdeutsche 307. 337 ff. hochd. spr. 307. 582. hof 83. 281. Holmryge 328. Holtsaten 439. 440 f. honig 716.

hören 247. 281. vgl. 303. hornung 59. 64. hovar, ahd. 286. Hredgotan 312. Hugas 468 f. hund 26 f. Hund 395.

hundert 174 S. vgl. 178. hungersnoth 11. Hunnen 331 f. huntari 343 f. hure 280. Hygeläc 410 f. 468.

I

I mit U wechselnd 192 f.

Ibor 476.

Iduming 349.

ledunc 350.

iddja, goth. 616. vgl. 717.

infinitiv 709.

Ingaevonen438 456.575ff.

Instrumentalis 341. 644 ff,

, ags. 650.

, ahd. 649.

, altn. 651.

invidia 303.

iuvit, ags. 303.

inwitte, ahd. 303.

lornandes 310. 313. 317.

331. 476 565. Iring 314. 415.

Irmino 375 ff. 381. 382.

Iscaevonen 575 ff.

ist 185.

Ister 139.

jah, und 715.

Jahrszeiten 52 f.

jains 666.

jecur 244.

jener 666.

jer, russ. 197 f. 206. 207.

jiuleis, goth. 57 f. 66. 75 f.

vgl. 211. 317. Julius 55. 75 f. vgl. 211. jus izvara izvis goth. 219. Juten 511 ff. Juthungi 349 f. 512.

K K fragend 242 f. K gequetscht 272 f. K und P wechselnd 243 f. kalb 23. kalt 229. kann 625 f. Karl 230. käse 697. 702. kaser 704. kät, mhd. 354. Katzenellenbogen 394. keite, dän. 690. Kelten 16. 82. 111.115 ff".

159. 503. keltisch 29. 198. 200. 603.

713 ff. keltisch u. deutsch 713. keltisch u. lat. 714. Kenemare 407. kiesel 244.

Kimbern 440 ff. 577. Kinnin 407 f. kiöt, altn. 701. kirche 223. vgl. 300. kleid 717. knote 280. 289. komoni, sl. 21. könige pflügend 42. körn 47 f. vgl. 229. Kotinen 502. Kotys 146. Koz, ahd. 377. kräutemamen 583. kuh 23. Kvenland 517.

L

L unstät 227 ff. L vocalisiert 224 f. L und D 248 f. L und N 239. L und R 223 f.

lac, lat. 228. 693. lachen 281. laden 281, 290. Ladoga 228. 325. laetus 338. laevus 688 f. lais, goth. 628. laist, ahd. 628. lamm 24. lang 228. Langobarden 345. 350.

474 ff. 478 ff. 485. langob. spr. 479 f. 484 f. Laon 370. lappisch 226. lat. spräche 200 ff. lat. und ahd. 341. lat. und deutsch 710. laumaent 65. laune 712. laut 281.

lautabstufung2ol ff. 309. lauter 296. lautverschiebung 275 ft".

305. 306. 337 f. 377.

379. 480. 562. vgl. 292. , anlautend 277 ff. , ausnahmen 293 ff'. 297.

303. , in- u. ausl. 284 ff. , etrusk. 292. , zögernd 339. , zwischen finn.u.ungr.

spr. 292. laz, höriger 288. 338. leber 244. left, engl. 688. leik, goth. 253. 701. Leire 511. Lemovii 498. lenz 53.

lerk, lirk 687 f. lerz 687. letz, bair. 686. Liberi 314. 540. lidus, litus 338. 377. liechen, mhd. 462. lingua 248 f. linke band 686 f. linke seite heilbringend

681. liquidae 217 ff. 290. lis, lat. 224. Litthauer 118 f. litthauische spräche 196.

200 ff. 239. 326. 711 f. litth. u. deutsch 715. Huf, mhd. 602. LL, welsch 215.

REGISTER

723

Lochiin 522.

locus 287.

löffel 285.

Logi 533.

loenelin 290.

longus 228.

lucht, luchter, nd, 688.

lucus 43.

luna 712.

lupus 233. vgl. 243.

Lygier 344. 492 f. 557.

M

M und N 234 ff. 238. , altn. 237. , lat. 237. msecheninc 303. Maden 402. 405. mag 627. magnus 627. Mähren 353. mal 287.

malberg. glosse 383 ff. malia, malb. 384. mallobergus 389. vgl. 394. Mannheimr 533, Mannus und seine söhne

571 f. Marciana silva 348. vgl.

515. mardoro, ahd. 700. margarita 162. margi-, altn. 524. Marklo 437.

Markomannen 350 ff . 355. marpahis 481. Marsaci 430. Marsen 430 ff'. Massa^eten 155 ff. materies 289. matte 404 f. Mattiaci 404 f. Mattium 402. 404 f. Matyketen 156. mediae 241. medisch 159. Medofulli 457. Medway 457. mel, lat. 716. mensa 236. 700. mensis 247. 712. merda 231. metalle 6 ff. meth 249. 290. metiri 288. milch 692 ff. mimz, goth. 236. 700. mispel 234 f. mist 213.

modula, medela 483.712. mohn 287. mölke 698. monate 53 ff'. 553 f. monatsnamen,'

ags. 56 ff.

ahd. 58 f.

alban. 74.

altn. 66.

bask. 74.

fries. 64.

ind. 79. 54.

kelt. 72 f.

lat. 55 f.

litth. läpp. usw. 70 f.

mhd. 60 f.

niederd. 62.

niederl. 63. 65.

roman. 61.

scandin. 65.

slav. 67 ff.

Ungar. 74. Mongolen 153. mors 231. mucke 713. Mugilonen 495. müle 48. mulier 695. Münster 456. munter 235. muspilli 289. 483. mutae 240 ff. 276 ff'. 290. , ahd. 257. 277. , finn. 241. lat. 241. 244. , litth. 241. , sl. 248. mutter 185 ff". 296. myrkr, altn. 230.

N

N 234 ff. 655 ff. 662. nackt 714. Nahanarvali 497. naht 622. name 107. namengebung 108. Narisci 352. Nassau 404 f. nasz 235. 405. nebel 713. neid 303 f. Nemeter 346 f. Nerigon 521. nesthocker 17. Neustria 370, 539. nex 287. Niederdeutsche 423 ff.

niederd. spräche 449 ff.

579. 582. niuklahs 17. nisse 281. 288. norden götterwohnung

681. Nordleudi 439. Nordmannen 505. nornen 497. Northalbingi 439. Norweden 521. Norwegen 521 f. nubes 713. nudus 286.

0

0,ursprung 1 93ff. 1 96.203.

Obst 286.

Obstzucht 16.

ochse 22.

Odinn 534 f. 538.

odium 288.

Odoaker 326 f.

Oegir 532.

olbente, mhd. 29. 286.

orchard, engl. 715.

Osi 457. 496.

Osnabrück 456.

6st 597.

Ostarliudi 437,

Ostfalen 437 f.

Ostgothen 310 f.

ostr, altn. 697.

Ostrogothae 312.

Ostthüringe 416.

Otfried 382.

Ovid 137. vgl. 189.

Ovis 24. 47.

P fragend 242 f.

P undK wechselnd 243 f

P und T 245.

pascere 703.

Passau 406.

pastor 703.

pax 278.

pedere 278.

penna 278.

personalpron. 673.

Peucini 323. 578.

pferd 21 ff". 30.

pflüg 40 ff. 48.

Ph, anlaut in hochd. Wör- tern 299 ff.

PH und CH wechselnd 244 f.

PH und TH 245.

Phol 87.

724

REGISTER

Pii 567. Pipin 378. Plectrudis 378. 380. podor, mallb. 384. polnische spr. 235. Polygamie 13. 131 f. rotrimpos 86. vgl. 23ü. praeteritopraesentia

619 ff. pranger 300. Priantae 140. priester 88. 567. 568. pronom. pers. 179 ff. vgl.

184 1. Pytheas 117.

Q abfallend im anlaut 52. qino, goth 287 f. QU = ZW 269. Quaden 353 ff.

R

R, 241. anlautend 215.

R, ags., engl. 231.

R aus S 218 f. 221 ff. 227.

vgl. 280. 339. 350. R unstät 229 ff". 233. R verschwindend 220. rahm 695. ratio 289. raudus 8. Raumaricae 312. Rawlinson 158. 554. re, mhd. 701. recht und link 680 ff. rechte hand 684 f. 691. rechts heilbringend 682 f. reduplication 598 ff. Reidgotaland 514 f. Reidgotar 312. reliquien 103 ff". Reudigni 498. 515. 539. rind 22 f. Ripuarii 368. 542. risen, mhd. 462. roggen 45. root. engl. 715. ros, lat. 712. rotte, mhd. 143. vgl. 170. Roxolanen 519 f. Rugier 328 f. 498. runen 110 f. Russen 520. RZ, poln. 223.

S 214. 217. 221. 241. S und D 247.

S und H 209 ff. 707. S und TH 247 f. sa, so, goth. 656 f. Sacael56.157.158.159.424 Sachsen 159. 424 ff". 434 ff".

446 ff. 458. sächs. Schwert 425. Ssegeätas 312. sahne 695. saihvan 244. 287. Salier 369 f. 374. 543. salz 210. 713. Samogetenll9.131. 1561". Sarmaten 120 f. 141. 159.

vgl. 212. 227. Sarmizegethusa 141. sarpere, lat. 212. Sarus 519.

Sattagyden 158. 309. sau 26.

Sauromaten 153. Saxnot 425. saxum 424. scal 626.

Scandinavien 505 ff. Scania 505. Scanzia 505. Schädel trinkgef asz 1 00 ff.

105. schebne, mhd. 164. schelten 627. Schild 154.

schlachten (thiere) 18. Schmachtriemen 107. schmeer 69 R. schmerz 716. schöpf 390. schöps 24. schote 700. schotte 698 f. Schrift 109 ff. schuh 617. Schwaben 226. 345. 348.

355. 394. s. Sueven. Schwab, und bair. 716 f. schwach und stark in

demselben worte 665. schwache nomina 652 ff.

657 (ahd,). 658 (nhd.).

659 (ags.). 661 (altn.).

in and. sprachen 662 ff. schwache verba 607 ff. schwarz 289. Schweden 515 ff". Schweiger 703. Schwein 25. Schweiz 488 f. schwertcultus 354 f. 426.

542.

Schwester 185 ff. vgl. 255.

scire 244. 287.

Scoringa 476.

scotta, ital. 699. 703.

Sedusier 346.

Segest 378. 428.

selb 228.

Semana silva 344 ff.

Semnonen 344 f.

sennen 703 f.

senner 695.

Serbi 120.

seruni, lat. 698. 702.

seusius 377.

shamrock 211.

Sibeche_27. 327.

Sicambria 365 f.

Sif, altn. 149.

Sigambern 363 ff.369.374.

378. 396. 577. Sigipedes 324 f. 367. Silber 8. vgl. 224. Silingi 495. Sirmien 120. sirus 164.

sisesang, ahd. 164. Sithonen 140. 308. 517 f. skäldskaparmäl 530. Skiren 325 ff. Skythen 84. 85. 87. 90.

95. 98. 103. 118. 153 f.

157. 160 l 331. Skythien 152 ff. skythisch 162ff". 177.223.

244. slavan, goth. 225. Siaven 119 f. 133. 226. slav.unddeutsch711.715. slink, nl. 687. Slovenen 226. söhn 188. sol, lat. 211. soldurii 93. 95. 155 f. soll 626.

solmonad 64 f. 77. sommer 52. vgl. 221. somnus 212. vgl. 225. sonesti, fränk. 383. sonorpahir 483. Sperber 37. sperUng 37. spiration 206 ff", sporkel 64. 60. 63. spott der Völker über

einander 542. spuma 278. sron 267.

ST zu SS, S 255 f. stammhelden 539.

REGISTER

725

stammsage 572. stanco, ital. 687. stehn 614 f. Steier 327.

Stephanus Byzant. 566. sterben von thieren 19. stier 22.

stierhaut 90 f. 95. stoppeln 48. Sturmaren 443. Stutenmilch 501. Suardones 329 f. suavis 212. 227. Sueci 512. Sueven 226. 342 f. 345 f.

395 f. 347. 350. 352.

353. 355. 393. Sueven = Slaven 71 1.226. Suiones 516. suneeta, malb. 383. 384. sunufatarung 455. Suovenen 227. 342. Susat 366. sva, sve 645. svade, ags. 227. Svi{)iod 507. 518. swigen 225.

T

T für TH 308. 338. T zeigend 242 f. tachtich, mnl. 173. tag 288. talpa 303. Tamasiten 519. Tanculfus 379. Tanfana 84. 162. 432. tapfer 285. Tarabosti 568. tasche 683. Tatian 382. tatte, vater 189. taurus 22.

tausend 1 76 fl 78. vgl.385. Tectosagen 117. 160.353.

503, tekan, goth. 607. telpan, ahd. 303. Temerinda 163. 195. tempel 82 f templum 162. Tencterer 371 f. tenk 687. tenne 284. tepere 161. vgl. 236. Testerbant 412. Tetraxiten 311. 332. 544. Teutonen 4i4 f 499. 513.

548 f.

teutsch oder deutsch?

549. texaga. malb. 386. TH, fränk. 380. TH und F 245 f. TS und S 247 f. Thaiphali 135. 306. 313f.

vgl. 318. 439. Thervingi 314. 415. thier 20. piuda 85. 548. Thogarma 572. Thoringi 417. Thraker 123 ff. 136. 569. Thrakien 709. Israeli, altn. 283. 287. |)ramstei, goth. 236. 453. Throvendas 522. Thrud 136. Thule 521. thun 611. 613 f thür 245. Thurilinge 416. Thüringe 415 ff. 447..

539. Thusnelda 209. 427. Thyrsageten 156. tiuphadus 177. tocMer 185 ff. 695. tod 284. todesmut 89. todtenbäume 3. 349. toise, frz. 684. Tolistoboji 503. topfe 699. torf 229. 282. torg, schwed. 230. Totüa 189 f. Toxaris 152. 154. träge 296. trahere 284. 288. Trausi 433. treu 296. Triballer 135. Triboken 346 f trilogie in der spräche

191. 206. 240. trilogien der götter 84. trinkhörner 570. Tschuden 153. Tubanten 411 f. tubrugi, langob. 482. tuerc, ahd. 291. 297. Tungern 546 f. tuom, ahd. 284. Turcilingi 325 f. 416. Turpinus 381. Twente 412. Tyrageten 156.

ü

Ü für U 195. 198. Ubier 368. Umlaut 193. 199. Uppsviar 516. Usipetes 373 f 407. Usipi 373.

V

V 206 fl". 214. vairi)a, goth. 290. 302. Vaf^rudnir 529. Vandalen 332 f vandal. namen 334 f Vangionen 346 f. Vanir 533.

vargs, ^oth. 230. 233. Vseringjar 316. Varini 419 f. 421. vater 185 ff. 189. 296. Vaterland 549. Vedergeätas 312. 514. Veneti 333.

verbum substant. 340 f verschobenes praeteri-

tum 619 ff". Victohali, Victovali 497. Vidivarii 500 f. Vidsides lied 311 f. 328.

330. 332. 356. 415. 500

515. 522. vieh 20 ff. Vindelici 333. Vindili 476. 577. vintrus 52. vgl. 381. viss, goth. 255. Vithones 501. Vitländer 501. vivus 280. vocale der declination

633 ff. 654. vocale 191 ff. 585 ff. 633 ft". , ags. 459 f. 586, , ahd. 203. 585 f. , alts. 449. 585. , deutsche 204. , finn. 204. , fränk. 375 ff. , getische 194. , goth. 193. 200 ff. 319.

585 ff. , griech. 196. 203.592 ff. , irische 1 98 f. , lat. 195. 200 fl". 595 f , litth. 196. 200 ft'. , sl. 197 f. 204. , welsche 199. volborn 554. Volk 229.

726

REGISTER

volksnamen 108. 155. vordere band 685. vrastmunt, ralid. 91. vul{)us, goth. 290. vulpes 233. 709.

W

W, deutsches 209. W und B 301. wagen 43. waizen 45. walapauz 483. wald 707. waldwachs 463. wannoweho 36. warac, ahd. 230. Warasci 352. warm 284. 554. Warnen 419. 446. Waske 9. wattke 699. weg 43.

weide 12. 20. 289. 703. weiden 289. 703. weif 27. Weifen 395. welsche vocale 199. werden 218. 302. Werini 420 f.

axövri 281. 304.

axvkoq 303.

ä^ehyo) 693.

^'Avagxoi 306.

aQiaxsQoq 689.

'Aanaaiaxai 158.

ßaQSiov 23.

Barsivoi 406.

BovodxreQOL 371.

ßovxvQOv 695.

yäXa 693.

yXwoaa 231.

öafiQ 248. 282. 708.

Jkol 157.

Aäpq 132 f. 313.

öiäxovog 94.

6l6(Ofii 614.

JToi 133 f. 157. 313.510.

ÖQÖaoQ 222. 712.

ApvvoL 495.

6?/Mi, eiiiL 617. 616.

^^aßTiacog 163.

btaZgoq 97 f.

sxo 595.

^eä 46.

tiQiv 121.

Werra 340. 398. vgl.

421. wesan, ahd. 301. Wesegothae 310. Weser 340. 457. Westen 310. Westfalah 32. Westfalen 437 f. Wetterau 514. whay, engl. 697. widder 24. wilde Sahsen 435. will 284. 624 f. wind 303 f.

Winden 120. 133. 226. Winiler 333. 476. Winkel 235. winster 686. winter 52. vgl. 381. winzer 300. Wirnt 301. Wisbaden 373. 404. Witwenverbrennung 98. Wlachen 226. wolf 233. Wolfdanch 379. word, Ssp. 717. worth, engl. 717. wren, engl. 713.

Ztw/ioi 495. ijXiog 211. S-ämsiv 161. S^VTjaxeiv 284. &Qa^ 136. vgl. 284. 'lyyQttoreg 404. 438. Uga^ 96. lt,(o 222. "nnoq 244. i'ffo? 253. 255. "oTTjfii 615. xXalsiv 281. xoyiösq 281. Kögaxoi 84. 224. Köxvg 146. xQ^ag 701. Kwyaiovov 139. XaZkaxp 598. kaiög 688 f. Xvxog 233. Macäircg 163. fjiaxaiQcc 303. [iLyvvfii 627. fiVQnriS. 229. [ivg 222. ovofitt 304.

Wuotan 535. würz 231. 232. 715.

X Y

X, fränk. 380. 390. yrias, fränk. 381. Yuetschi 158.

Z

Z, ahd. 277. 293.

, armor. 277.

, goth. 217. 219 f. 319.

zahlen 167 ff. vgl. 118 f.

243. zahngeld 108 f. Zalmoxis 86. 130 f. 136.

152. 155. 163. 536. zange 372. Zeitalter 1 ff. zeter 355.

ziege 25. zier 287. ziger 698. zimber 235. zins 300.

Ziuwari355. vgl. 426. 542. ZU = QU 269. zwei 673. zwölf 171 f.

OvxQOßVQog 403. uQ(pavög 709. dcpO-aXfiög 90. ö^gvg 304. o'xAoe 229. neß7tät,£if 167. nXeiaxoL 567 f. noliög 228. nvQoq 45. adg^ 702. Sißivol 120. 495. oiyäv 225. aZxoq 45. axaioq 689. SxanxjjavXr/ 707. Sovßäxxoi 403. Taßni 161. 162. XQix^iv 287. 291. TvQuyytxai 156. TV()oe 697. V, ausspräche 196. vXtj 707. ■6q 41. ydft> 593. ^vcM 301 f. / = lat. f 244.

Druck von Hundertstund & Tries in Leipzig.

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BINDIlte SECT. JUL 2 - 1960

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