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I

Geschichte

der Festungen

Danzig und Weichselmünde

bis zum Jahre 1814

in YerMndiiDg mit der Kriegsgeschichte

der freien Stadt Danzig

von

5

Generalmajor z. D.

Ritter des eisernen Kreuzes I. u. II. Kl. und des rothen Adlerordens IL Kl. mit Eichenlaub, Mitglied des Gelehrten-Ausscliusses vom germanischen Natlonal-Museum zu Nürnberg.

Zweiter Theil

von 1734 bis 1814,

Die Bclagerangon Danzigs

von 1734, 1807 und 1813.

V

Mit 6 Skizzen und Plänen, wovon 4 in Lichtdruck.

Breslau.

Verlag von Wilhelm Koebner.

(Inhaber : M. ft H. Marcus.)

1893.

^ 6f^j^. /z

HARVARH f^Oü.Fnp LIBRARY JUN 201904

HOHE.NZOLLERN r(.)LL' i: i lUN •' ' T O'- A. C/. C )v.'i i'wr.

Inhalts -Verzeiehniss.

Seite

III. Danzig uRter polnischer Sobutzherrsohaft (Fortsetzung).

G. Die Belagerung Danzigs 1734.

Quellen. Yeranlassang der Belagerung. Vorbereitungen der Stadt.

Die Bussen vor Danzig bis zur Ankunft des Grafen Münnich 1

1. Ankunft des Grafen Münnich. Einscbliessung der Stadt. Bau einer Kontravallation 13

2. Bombardement der Stadt. Vorbereitungen zum Empfang

der Franzosen 26

3. Sturm auf den Hagelsberg 30

4. Ankunft der französischen Flotte. Landung. Gefecht vom

27. Mai 34

5. Ankunft der russischen Verstärkungen und der Sachsen . 40

6. Ankunft der russischen Flotte 45

7. Förmlicher Angriff gegen Weichselmttnde 45

8. Kapitulation der Franzosen 47

9. Uebergabe von Weichselmünde 50

10. Flucht des Königs Stanislaus. Kapitulation von Danzig 52

11. RttckbUck 57

H. Ende der polnischen Schutzherrschaft 61

IV. Danzig unter preussisoher Herrschaft 1793—1807 64

Die Belagerung Danzigs 1807.

Quellen 67

a. Uebersicht des Standes der Festungswerke Danzigs und Weichsel- münde^s und deren bauliche Beschaffenheit ende des Jahres 1806 69

b. Armirung von Danzig und Weichselmünde vom 1. November 1806 bis zur Einscbliessung am 11. März 1807.

1. Die fortifikatorische Armirung 75

I. gegen den gewaltsamen Angriff 78

JJ. gegen den förmlicjien An^ff ,,.,,,., 92

IV

Seite

2. Die artilleristische Armirung 110

c. Die Besatzung 113

d. Kriegslage 119

e. Das Belagerungskorps 121

Die Belagerung.

f. Von der Einschliessang bis zur Eröffnung der 1. Parallele vom

H. März bis 1. April 127

g. Von Eröffnung der 1. Parallele bis zur Vollendung der 3. Parallele vom 1. April bis 1. Mai 145

h. Von der Beendigung der 3. Parallele bis zur Kapitulation . 169

Rückblick 211

Vergleich mit der Belagerung von 1734 217

V. Danzig als Freistaat 1807—1814 222

A. Die Befestigungsbauten von 1811 und 1812 230

B. Zustand der Werke am Ende des Jahres 1812 233

Die Blockade und Belagerung Danzigs 1813 237

1. Die Besatzung Danzigs und das Blockadekoqis .... 239

2. Quellen für die Belagerung und Vertheidigung Danzigs . 243

3. Die Blockade und die Vertheidigung Danzigs von Mitte Januar bis 1. Mai 253

Angriff der Russen am 5. März 266

4. Die Blockade und die Vertheidigung Danzigs vom 1. Mai

bis zum Waffenstillstände 289

Der Ausfall vom 9. Juni 299

5. Der Waffenstillstand 308

6. Die Belagerung und Vertheidigung Danzigs Vom Waffen- stillstände bis zur Kapitulation 336

a. Der Belagerer 336

b. Die Besatzung 344

c. Die Belagerung.

1. Einleitung der Belagerung vom 24. August bis

17, September 348

Das Gefecht vom 29. August 350

Die Einnahme von Langfuhr am 2. September 355

2. Der Scheinangriff vom 17. September bis 10. Oktober 374 Die Erstürmung der Schotteuhäuser 384

3. Die Beschiessung vom 10. Oktober bis 2. November 392

4. Der förmliche Angriff vom 2. bis 29. November . 419

d. Die Kapitulation 460

e. Rückfall an Preussen 472

C. Rückblick 476

1. Die Vertheidigung 478

2. Der Angriff 492

3. Bemerkungen zum Apercu 496

4. Schlussbetrachtung 504

Seite

Anhang.

I. Aus der Korrespondenz des Grafen Dohna mit dem Megor

V. Hake 509

II. Schreiben des Herzogs von Würtemberg an den Obersten

V. Schulmann und Oberstlientenaut t. Pnllet .... 511

III. Nachweisung der Batterien vom 23. Oktober .... 613

IV. Auszug aus dem Tagebuch des Majors Liebe . . . . 515 V. Verzeichniss der Batterien bei eingetretener Kapitulation 523

VI. Procfes-verbal du Oonseil de defense 528

m

.1 t.

r

\ IIL Danzig unter der Schatzherrschaft Polens.

2) (Fortsetzung).

G. Die Belagerung von Danzig i. J. 1734').

Tafel I.

Wiederum war es eine Königswahl, welche zu einer Be- lagerung Danzigs fährte. König August II von Polen war am 1. Februar ITr.rj gestorben. Trotz der Begünstigung der Ost- mächte, namentlich Russlands, welche den Kurfürsten August

') Die sehr zahlreichen Quellen ttber diese Belagerang hat Hoburg in seiner Darstellung derselben (Nene Prenss. Provinzialblätter 3. Folge Bd. 2. Königsberg 1858 S. 84 und in einein Nachtrage dazu Bd. 8. 1861 S. 78) zu- sammengestellt. Ich greife dayon nur die wichtigsten heraus. An handschriftlichen Quellen sind vorhanden:

1. Danziger Rathschlüsse vom 9. Februar 1733 bis 17. December 1734. Sie enthalten alles, was auf die Vertheidigung der Stadt Bezug hat, den Schriftwechsel mit verschiedenen auswärtigen Regierungen und deren Ge- sandten, sowie mit den Befehlshabern der Belagerungstruppen.

2. Becess von den russischen Troubles vom 17. Febr. 1734 bis 22. Hai 1736. Es ist ein amtliches, auf Befehl der Stadt geführtes Tagebuch in Bezug auf die Belagerung und was damit in Verbindung steht.

3. Bemerkungen von drei im Dienst dei Stadt angestellten frans(toi8chen Officieren ttber die äussern Werke der Stadt und deren Vertheidigung vom 16. bis 23. Februar 1734; ein in Weichselmünde geführtes Jumal über die dortigen Ereignisse vom 6. Februar bis 16. Aug. 1734; Untersuchungsacten Aber den M%jor Trinckins etc.

Vorstehende Äctenstücke befinden sich im Archiv der Stadt Danzig nebst einigen Piecen unter der Rubrik Militaria.

4. Handschriftliche Bemerkungen zu Accurate Nachricht von der rnssischr

tal er, Geschichte der Festungen Danzig und Weicbselmttnde. II. l

von Sachsen zum Nachfolger ausersehn hatten, ging am 12. Sep- tember die Walil Stanislaus Leszynski's unter dem Einfluss des Primas von Polen, Theodor Potocki, Erzbischofs von Gnesen,

sächsischen Belagerung der Stadt Danzig." Danziger Stadtbibliothek XV. 40. 9. Es sind hierin die Ausgaben angeführt, welche der Stadt durch die Belagerung erwuchsen.

5. Nachricht von einigen bei der Münde und voniehmlich bei der Er- oberung der Sommerschanze von den Bussen vorgefallenen Begebenheiten 1784. Von Karl Friedrich Runger. Ms. boruss. Fol. 280 der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Eine Vertheidigungsschrift des Verf., eines Danziger Of ficiers, Über sein Verhalten bei der Eroberung der Sommerschanze. In dem- selben Vol. finden sich noch einige Notizen über die Belagerung und eine Angabe der Stärke des russischen Belagerungskorps.

6. Zwei Briefe des Feldmarschalls Grafen Müunich an den König Friedr. Wilhelm I von Preussen vom 26. März (5. Apr.) und vom 20. Juni (1. Juli) 1734, sowie ein Plan von Danzig und zwei Pläne von Weichselmünde mit den von den Russen ausgeführten Belagerungsarbeiten. Diese Pläne sind wahrscheinlich vpm Lieutenant von Reinhard von Platen Dragonern, wie Ho- burg dos weiteren ausführt. Briefe w^ie Pläne befinden sich im Königl. ge- heimen Staatsarchiv zu Berlin. Erstere sind in dem Nachtrage des Major Hoburg über die Belagerung in Band 8. der Neuen Preuss. Provinzialblätter 3. Folge abgedruckt.

Von Druckschriften sind folgende die wichtigsten:

1. Accurate Nachricht von der russisch-sächsischen Belagerung und Bom- bardirung von Danzig. Nebst Anhang. Von unparteiischer Feder entworfen. Köln 1736.

2. Kurzer Auszug alter und neuer polnisch-preussischer Kriegsgeschichte. Als ein anderer Theil der accuraten Nachricht. Von unparteiischer Feder entworfen. Köln 1738.

3. Ordentliches Tagesregister von den Unternehmungen derer Russen und Sachsen bei der Belagerung der Stadt Danzig. Von luipartciischer Feder entworfen. Köln 1737. Beigegeben sind: Inquisitionsakten, die Entfernung einer hohen Person (König Stanislaus) betreifend.

4. Thomische Begebenheiten, welche zu gleicher Zeit der Danziger Be- lagerung 1733 und 1734 sich merkwürdigst zugetragen. Von unparteiischer Feder entworfen. Köln 1737.

5. Elbingische Begebenheiten, desgleichen. Köln 1738. Nebst Plan von Elbing.

Diese 5 Nummern, nebst „Anhang des kurzen Auszugs alter und neuer polnisch-preussischer Kriegsgeschichten, von unparteiischer Feder gesammelt. Köln 1740", bilden ein Werk, dessen Verf. Sejler und Schultz sind. Eine zweite Auflage von 1741 ist in 2 Bänden. 4^ Von allen diesen Ist das „ordentliche Tagesregister '^ die bei weitem wichtigste Quelle und macht theil-

3

und des französischen Gesandten Marquis de Monti durch. Doch schon waren die Russen unter dem General von Lascy im An- marsch, um die Wahl des Kurfürsten von Sachsen zu erzwingen.

weise durchaus den Eindruck eines amtlichen Berichts. Es ist dabei mit einem guten Plan versehen.

Von andern Drucksachen ist nur noch zu erwähnen:

6. Das vollständige Jurnal was vor, in und nach der Belagerung der Stadt Danzig wie auch in den russischen Tranch^en merkwürdiges vor- gegangen ist. Entworfen von Friedlieb Warmund 1735. Es enthält neben manchen Unrichtigkeiten auch vieles Brauchbare. Hat einen Plan.

7. Journal historique de la campagne de Dautzik. Par M*, alors officier dans le r^giment de Blaisois. Amsterdam & Paris 1761.

8. von Manstein. Beitrag zur Geschichte Eusslands von 1727 bis 1744. Narh der französischen Handschrift übersetzt. Leipzig 1771. Manstein trat erst 1736 in russische Dienste, war also nicht Augenzeuge. Seine QueUe ist die „accurate Nachricht'' und das „ordentliche Tagesregister.'' Er zeichnet sich neben einigen IrrthÜmern durch eine lichtvolle Darstellung aus.

9. Massuet. Histoire de la guerre präsente. Amsterdam 1736.

10. Kurtze geographische Nachricht von der Stadt Danzig und ihrem District nebst dienlichen Anleitungen die Topographische Delineation der Dantziger Gegend in eynem beigefügten Landkärtchen zu erläutern mit einem Anbange von der Danziger Belagerung. Nürnberg 1734.

11. Die entlarvte Partheylichkeit der sogenannten unpartheiischen Nach- richt von der Belagerung der Stadt Danzig in kleinen Anmerkungen gezeigt von einem wirklich Unparthey Ischen. Frankfurt a. M. 1735.

Hierzu kommen die verschiedenen Lebensbeschreibungen von Sta- nislans Leszyuski, des Grafen Münnich u. a. m.

Von neueren Darstellungen ist nur die vom Major Hoburg von Werth, da er das Archiv der Stadt Danzig benutzt hat. Sie zeichnet sich weder durch VoUständigkeit. die er behauptet angestrebt zu haben, noch durch Klarheit aus. Es fehlt ihm selbst an dem nöthigen Verständniss und namentlich an kritischem Sinn. Seinem Plan liegt zwar der des „ordentlichen Tagesregisters** zugrunde, doch hat er die Belagerungsarbeiten gerade nicht zum Vortheil besseren Verständnisses abgeändert. Ganz unbegreiflich ist es, dass er für den Plan den Danziger Maasstab (Kulmisches Maas) gewählt hat, während das Tagesregister ausserdem auch das rheinländische Maas hat. Die Reduc- tion des Danziger Maasses wird dadurch so erschwert, dass die Buthe 15 Fuss hat, so dass das Verhältniss der rheinl. Buthe zur Danziger nahezu wie 11 : 9 (genauer 1100 : 906) ist, während 12 Danziger Fusse 11 rheinländischen Füssen entsprechen.

Die vom Hauptmann Fritz Honig 1S86 herausgegebene Geschichte der Festung Weichselmünde von einem Ungenannten enthält zwar auch eine Darstellung der Belagerung, die Danzig mit umfasst, doch hat der Verf. das

Stanislaus sah sich genöthigt, am 22. September Warschau za verlassen und kam am 2. Oktober unvermuthet in Danzig au in der Absicht, hier vorläufig seine Residenz aufzuschlagen. Bei ihm befanden sich der französische Gesandte, der Primas und mehrere polnische Magnaten, wie der Kronschatzmeister von Polen Ossolinski, der Graf von Poniatowski, der Fürst Czar- toryski, der Graf Dönhoff, der Bischoff von Plock, der Woiewode von Marienburg u. a. m. ^). Die Stadt war sich ihrer schwie- rigen Lage völlig bewusst, zögerte aber keinen Augenblick, ihre Existenz für den König, den sie anerkannt hatte, einzu- setzen, obgleich am 5. Oktober unter dem Druck der russischen Armee der Kurfürst von Sachsen als August III zum Könige von Polen erwählt wurde. Stanislaus wurde mit allen üblichen Ehrenbezeugungen aufgenommen. In der Nacht vom 23. zum 24. Oktober langte von dem städtischen Agenten in Warschau die Nachricht an, dass 36000 Russen auf dem Wege nach Dan- zig wären. Wenn sich dies auch nicht bestätigte, so säumte die Stadt doch nicht länger, die Armirung der Werke eintreten zu lassen. Sie hoffte übrigens auf einen kräftigen Beistand Ludwigs XV von Frankreich, dem Schwiegersohn Stanislaus Leszynski's.

Die Theile der Befestigung, welche bloss aus einem Erd- wall bestanden, wie die Niederfront der Stadt, der Bischofs- und Hagelsberg mit ihren Anschlusslinien, die Ost- und West- schanze von Weichselmttnde, die Holm- und andere ausserhalb gelegenen Schanzen wurden mit einer starken Palisadirung ver- sehn. Die Spitze des hohen Kavalier- oder Dreckberges in dem

Danz. Archiv nicht benutzt. Ausserdem gebort die Abfassung einer Zeit an (1825), wo es mit der Kritik der Thatsachen nicht genau genommen wurde, so dass selbst die benutzten Quellen vielfach entstellt werden und der Phan- tasie ein grosser Spielrauui gelassen ist. Die Irrthttmer sind so zahlreich, dass von deren Berichtigung hat Abstand genommen werden müssen. Dage- gen wird die allgemeine Auffassung des Ganges der Belageiiiug von selten des Verfassers in den diesseitigen Schlussbemerkungen (Rilckblick) besonders besprochen werden.

') Eiu vollständiges Verzeichniss der polnischen Begleiter des Königs findet sich im „ordentl. Tagesregist^^r'' S. 629 gelegentlich ihrer Anerkennung König August's III. v. 29. Juni 1734.

Bastion St. Jakob wurde abgetragen, um schwere Geschütze (laraaf placiren zu können. Merkwürdigerweise nahm man sich aber an den Vorgängen der Jahre 1655 und 1656 kein Beispiel, indem kein einziges provisorisches Werk auf den wichtigen Punkten der nächsten Umgebung, wie dem Stolzenberg, Ziganken- berg, Wunderberg pp., erbaut wurde. Selbst die Judenschanze in der Nähe der heutigen Jesuiterschanze, welche im Besitz des Feindes eine Beschiessung der Stadt und der Speicherinsel ge- stattete, blieb unvollendet liegen. Erst nach vollzogener Ein- schliessung durch die Russen wurden die Grandschanze auf dem Looseberge bei Schidlitz (Nr. 9) und eine Schanze am Gans- kruge (f) serbaut *). Am Danziger Haupt, dessen Befestigung sich im schwedischen Kriege so wichtig erwiesen hatte und dessen Besitz zum Schutz der Nehrung nothwendig war, ge- schah nichts. Von der Bedeutung der Nehrung scheint man überhaupt keine Vorstellung gehabt zu haben. Namentlich hatte man die Planirung der Reduten zur Verbindung des Holms mit Weichselmtindc im Lauf der Belagerung zu beklagen. Sie war, wie wir gesehen haben. 1701 und 1705 erfolgt. Der sehr gelinde Winter, der durchweg herrschte, hätte vor allem den Bau eines Werkes am grossen Holländer begünstigt, das der General Percewal so sehr empfohlen hatte. Wenn man nicht die übrigen bedeutenden Anstrengungen, welche die Stadt machte, berücksichtigte, müsste man glauben, dass sie sich in der Hoffnung wiegte, es würde überhaupt nicht zum äussersten kommen. Aber die Waffenvorräthe wurden vermehrt, Pulver angekauft ^), die nöthigen Summen für die Verproviantirung aus- geworfen'). Das Holz, welches ausserhalb der Wälle lagerte,

^) Ausserdem wurden zwei Batterien am linken Weichselufer, die eine am Stanguetengrabeu (e'), die eiudere bei Milchpeter (d') gegenüber der Laak- schanze angelegt, um den Feind fem von der Weichsel zu halten (Ordn.-Rec. V. Mitte März. Hoburg. Geschichte der Festungswerke Danzig's S. 115). Un- begreiflicherweise legte man bei Ohra eioe Verschanzung (II Taf . I. 2) an, ohne die anliegenden Berge hineinzuziehen.

') Wenn Hobnrg nur von 60 Centnern spricht, so mnss das wohl ein Irrthum sein, die Stadt müsste denn einen grossen Bestand gehabt haben. Weichselmünde hatte bei der Uebergabe allein 415 Zentner Pulver.

^ £s wurden dafür später 100 Last Boggen angekauft, die als ein

wurde in die Stadt geschafft und die Besatzung zunächst auf 3000 Mann verstärkt. Auch wurden 18000 Sandsäcke und 1800 spanische Reiter angefertigt. Nach Annäherung der Russen wurde das Lege- und Jakobsthor geschlossen und jedes mit einer Bttrgerkompagnie besetzt. Die Kompagnie am Legethor hatte ausserdem die Steinschleuse zu bewachen. Die Söldner besetzten den Bischofs- und Hagelsberg, so wie die andern Aussenwerke.

Der König überliess der Stadt einige tausend Mann seiner stehenden polnischen Truppen (Kron-Garde) aus Dragonern und Infanterie bestehend und der französische Gesandte errichtete auf seine Kosten ein Dragoner-Regiment. Erstere traten förm- lich in den Dienst der Stadt über und schwuren dem Rath. Ferner schickte der französische Gesandte in Stockholm, Graf Casteja. 130 Freiwillige, grösstentheils Offleiere, die er mit Be- willigung der schwedischen Regierung angeworben hatte. Sie langten am 8. Januar 1734 in Weichselmfinde an. Unter ihnen befand sich der Baron von Stackeiberg, von dem noch mehr- fach die Rede sein wird. Ausserdem wurden noch einige andre renomirte fremdländische Officiere in Dienst genommen, wie ein Oberst Harang und der Major Salamon Ennebergh ^). Auf Empfehlung des französischen Gesandten wurde noch der schwe- dische Oberstlieutenant Palmstinick und zwei französische Ar- tillerieofflciere, ein Oberstlieutenant und ein Kapitain eugagirt. Drei französische Ingenieurofficiere waren per Post übersendet worden und gingen dem städtischen Ingenieur, Hauptmann Charpentier, eifrig zur Hand.

Kommandant der Garnison war seit 1731 der Generalmajor Johann Wilhelm von Viettinghoff, Kommandant von Weichsel- münde der Hauptmann Patzer, der 9 Officiere und 400 Mann

Vorrath dienen sollten. Für den eigenen Unterhalt hatten die Bewohner selbst zu sorgen.

») Wir erfahren durch Rathschl. vom 2. Octbr. 1733 (Hoburg S. 89) ge- legentlich eines Avancementsvorschlages noch die Anwesenheit von folgenden Officieren: Oberst von Troschke, Oberst von Bothmer und von der Groben; die Oberstlieutenants von Diepenbrock, von Puttkamerj von Lehssen und Grämlich; die Majors von Rauter und Schultz. Der Oberst erhielt 6000, der Oberstlieut^nant 3000 und d^r Major 1800 Gulden Gehalt.

unter sich hatte. Den Bischofs- und Hagelsberg befetiligte der Oberstlieutenant Palmstruck.

Die städtische Miliz war in 4 Regimenter zu je 12 Kom- pagnien getheilt. Dazu trat ein Regiment aus den Vorstädten. Während der Belagerung wurden zum täglichen Dienst 8, später 9 Kompagnien herangezogen. Jeder Einwohner musste sich mit einem guten Gewehr, Degen und Patronentasche, 3 Pfund Pulver und 6 Pfund Kugeln versehen. Auch das Landgebiet war mili- tairisch organisirt und besetzte nach Beginn der Einschli essung die Vorstadt Kneipab *).

Ausserdem erliess der Rath eine Aufforderung an die jungen Leute, unter Waffen zu treten. Es wurden daraus mehrere besondere Korps, das der Handlungsdiener und das der Gesellen gebildet. Es wurden ferner am 24. Febr. 1734 freiwillige Schützen engagirt^), die ein Handgeld von 5 Thalern, eine ge- zogene Büchse und eine Pistole erhielten. Sie wurden Frei- schützen, im Volksmunde auch Schnapphähne genannt und

') lieber die Stärke der Landmiliz liegen für das Jahr 1734 keine Nach- richten vor. I. J. 1704 konnte dm Dauziger Landgebiet 1589 Mann stellen und zwar der Werder 711, Nehrung nnd Scharpau 558, die Höhe 220 und das Bauamt (der Theil des Werders an der Boswieke) 100 Mann. Hoburg S. 92. ') Hoburg berechnet S. 95 znmtheil nach amtlichen Nachrichten die Stärke der Besatzungstmppen wie folgt:

Die von der Stadt gehaltene Garnison 8000 Mann.

5 Bürger-Regimenter gegen 7800

Handlungsdiener in 3 Komp 540

Die Gesellen der verschiedenen Gewerke 1279

Die Fleischer, welche zu Pferde dienten, mit Einschlnss

von 63 Meistern 176

Freischützen 700

Polnische Truppen 2150

Schweden gegen 200

Franzosen 2400

7!

in Summa 23,245 Mann.

Die Fleischer wurden, da sie beritten waren, zum Patrouillendienst, die Barbiere, die bei den Gewerken nicht eingerechnet sind (gegen 50), in den Lazarethen verwendet. Die Zahl der Gesellen und Fleischer ist amtlich fest- gestellt (Notiz vom Februar 1734). Die Angabe der accurateu Nachricht von 1200 Gesellen ist daher wohl ein Schreibfehler. Um sich gegenseitig zu erkennen, trugen die Besatzungstruppen einen Strohwisch am Hut.

9

zum Vorpostendienst sowie zu Streifzfigen benutzt. Was sie au Beute gewannen, sollte ihr Eigenthnm sein.

An Artillerie besass die Stadt 347 Kanonen, von denen sich 130 in den Aussenwerken , die ttbrigen auf der Stadtuni - Wallung befanden^). Weichselmftnde hatte ausserden seine be- sondere Artillerie'). Die Bedienung wurde auf 123 Artilleristen

Die Stärke der Soldtrappen von 8000 Mann ist nach der accuraten Nach- richt angegeben, da sich officielle Daten nicht vorfanden. Man wird sie auf die Hälfte, vielleicht noch auf weniger reduciren können, da ihr Sold monat- lich 80000 fl. betrog.

*) Hobarg S. 94. Er giebt jedoch seine Quelle nicht an. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Geschütze von Weichselmünde in der Zahl von 817 mit enthalten sind, da die Zahl ziemlich genau deijenigen von 1807 entspricht, wo im Ganzen 349 Geschütze, allerdings incl. der Wurfgeschütze, vorhanden waren. Näheres über die Kaliber ist nicht bekannt. Nach erfolgter Ein- schliessung worden rechts vom Olivaer Thor 4— 12 pfundige and 16 pfundige Kanonen aufgestellt und der Bischofsberg mit 4-30 pfüudigen Mörsern verstärkt.

*) Bei der Uebergabe des Forts Weichselmünde am 24. Juni waren vorhanden :

5 metallene 4-Pfdr.

3

»

3

8

4

eiserne

12

9

2

»

9

9

17

9

6

9

16

^ 9

6

9

2

0

4

9

2

9

3

9

Summa 103 Kanonen. Ferner 2 metallene 48 pfundige Mörser 3 Handmörser 8 Doppelhaken 50 Feuerröhre 200 Bomben. An Kugeln: 2052— 12 pfundige, 18— 9pfde., 3429— 6pfde., 1028-5 pfde.,

212— 4pfde., 480— 3 pfde. An Kartätschen; 227— 12 pfundige, 235— 9pfde., 203— 6pfde., 340— öpfde.,

254— 4 pfde., 44-3 pfde. An Kartuschen: 24— 12 pfundige, 25— 9 pfde., 137— 6 pfde., 101— öpfde.,

189— 4 pfde., 100-3 pfde. Ausserdem noch Kartuschen in 4 Fässern. An Pulver waren noch 451 V< Ctr. oder 1130 Pack vorbanden. Ferner

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und 30 Handlanger vermehrt nnd 80 geeignete Infanteristen zur Aushilfe gegeben. Die Stadt besass ausserdem seit 1710 eine Kompagnie Bürgerkauoniere von 300 Mann mit einem Rathsherm als Befehlshaber.

Die gesammte Militairmacht der Stadt stand unter dem Kriegsrath, dessen Zusammensetzung und Befugnisse wir be- reits aus der Befestigungsgeschichte kennen-^).

Die Ausfuhr von Lebensmitteln und Furage wurde ver- boten. Der Mannschaft wurde ausser ihrem Solde täglich für 2 Groschen Brod bewilligt. Die Geldmittel zur regelmässigen Bezahlung der Besatzung wurden durch Anleihen aufgebracht. Ausserdem erstattete der König der Stadt 30000 Thaler zurück, die er 1707 als Darlehn erhalten hatte. Die Bitte der Stadt um einen Vorschuss von 70000 Gulden wurde vom Könige je- doch abschläglich beschieden.

Zur Verständigung der Stadt mit Weichselmündc wurden Raketen verwendet. Als Beobachtungsposten diente der Kirch- thurm von St. Marien, wo permanent ein Offleier kommandirt war, der am Fuss des Thurms eine reitende Ordonanz zur Dis- position hatte.

Die Belagerung von Danzig i. J. 1734 durch die Russen hat dadurch einen eigenthttmlichen Reiz, dass sie uns den Standpunkt, welchen die russische Armee zu dieser Zeit im

an Blei 160 Ctr. oder 875 Pack in grossen Stücken, an Schwefel nnd Salpeter 14 Vs Ctr., an metallenen Handgranaten 99. Ausserdem einiger Vorrath an Waffen nnd Feuerwerkskörpern, sowie Materialien für das Laboratoriam. Accnrate Nachr. Anhang S. 309.

Die Ausrüstung entspricht ziemlich genau der von 1697, wo die West- schanze 19, die Ostschanze 87 Geschütze incl. 5 Mörser hatte.

Nach dem Ordn.-Rec. vom 20. und Rathschl. vom 29. März 1734 (Ho- burg S. 129) erhielt der Kriegsrath das Recht, dass alle von ihm beschlossenen auf die Vertheidignng bezüglichen Massregeln ohne weitere Anfrage sofort zur Ausführung gelangen konnten. Seine eigenthümliche Zusammensetzung aus allen Ordnungen mit einem der Bürgermeister als Präsidenten, entsprach jedoch wenig dem Bedürfniss einer einheitlichen Leitung, Der Oberbefehls- haber spielte darin nur eine untergeordnete RoUe, der Ingenieur wurde nur ausnahmsweise hinzugezogen und vou ^iuem Artillerieofficier des Platzes ist Überhaupt keine Rede.

*) Oben 1, 404 Note 1,

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Belagerungskriege einnahm, recht klar zur Auschauung bringt. Für das 17. Jahrhundert wird derselbe durch die Belagerung von Smolensk 1632 illustrirt, wo eine Armee von über 100000 Mann sich vergebens beinahe 8 Monate abmühte, die nur. durch Mauern befestigte Stadt, welche durch den Polen Stenzel Woyedwodzki vertheidigt wurde, einzunehmen und so dem Könige Wladislaw die Zeit gewährte, zum Entsatz heranzu- kommen. Ueber ihre Belagerung von Riga 1656, der der Czar persönlich beiwohnte, drückt sich der schwedische Bericht *) wie folgt aus: Ihr Angriff war ohne Ordnung und Plan, die Ap- prochen wurden ungeschickt geleitet, die Batterien confusement placirt, jeder Befehlshaber machte seinen Angriff, wie ihm gut schien. Die Kanonen spielten bald auf die Thürme, bald auf die Wälle, bald gegen die Stadt und thaten grossen Schaden an Kirchen und Häusern, aber wenig an den Vertheidigungs- werken. Auf das Gerücht, dass der König (von Schweden) zum Entsatz anrückte, zogen sie am 6. Oktober 1656 nach 6wöchentlicher Belagerung mit einem Verlust von 14000 Mann wieder ab, wie Carlson hinzufügt, „den Eindruck einer grossen aber noch barbarischen, vom Geiste der Civilisation nicht durch- drungenen Macht hinterlassend." Auch die Belagerung von 1734 war keine normale Die russischen Kräfte waren an- fänglich nicht ausreichend, um eine förmliche Belagerung zu führen. Ein Bombardement liess erwarten, auf den Geist der Bürgerschaft zu wirken. Es scheint in Petersburg beschlossen worden zu sein, bevor sich Lascy gegen die Stadt in Bewegung setzte. Den Maasstab einer wissenschaftlichen Kritik kann man bei den unzulänglichen Nachrichten nicht gut anlegen. Es kamen manche abnorme Sachen vor : Blockade, Beschiessung, gewaltsamer Angriff ohne Vorbereitung durch Artillerie und Sappen, dann wieder alle Merkmale einer förmlichen Belage- rung, ohne dass es jedoch dazu kam, gehen nebeneinander her. Soviel ergiebt sich aber, dass der neue Kommandirende, Feld- marschall Graf Münnich, wusste, was er wollte, und eine ausser- ordentliche Thätigkeit entwickelte. Ein andrer Punkt ist es, der unser Interesse erregt. Ganz überraschend sind die Ver-

*) Carlson, Gesch. von Schweden. S. 171.

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änderungen, welche seit dem 17. Jahrhundert mit dem russi- schen Fussvolk vorgegangen sind. Es entwickelte im Lauf der Belagerung alle die Eigenschaften, die ihm in der späteren glorreichsten Zeit eigenthümlich sind. Die Artillerie wird von Manstein als vorzüglich bezeichnet.

Nachdem der Kurfürst von Sachsen am 17. Januar 1734 zum Könige gekrönt worden war, ohne dass dieses Ereigniss Dänzig in seinem Vorsatze, den von ihm anerkannten König Stanislaus zu schützen, wankend gemacht hätte, brach der russische General Lascy mit etwa 12000 Mann^) am 25. Ja- nuar von Thorn auf und rückte am 5. Februar in der Gegend von Dirschau in das Danziger Gebiet. Am 16. verlegte er sein Hauptquartier nach Weslinke und beschied zum 22. alle Schulzen des Werders dahin, um das Erforderliche wegen der Lieferungen mit ihnen zu vereinbaren. Zigankendorf wurde am 20. mit einer starken Abtheilung russischer Truppen besetzt, die bis Langfuhr streiften. An demselben Tage erliess der General an Danzig die Aufforderung, den König Stanislaus zu entfernen und August III anzuerkennen. Als dies ohne Erfolg blieb*), wurde in der Nacht vom 24. zum 26. die Radaune von den Russen abgeleitet und dadurch die grosse Mühle, welche die Bedürfnisse der Stadt an Mehl allein bestritt, ausser Thätigkeit gesetzt. Man musste sich seitdem mit Handmtthleu und einem Gange der Mühle an der Steinschleuse behelfen. Auch wurde eine Wassermühle im Bauamte und eine im Bürger- wald — der Theil des Werders zunächst der Stadt zu Mehlmühlen eingerichtet (Hoburg S. 96.) Kurz nach der Ab- leitung der Radaune stachen die Russen auch den Tempelhof er Teich aus, worauf das Wasser mit solcher Gewalt auf Neu- garten stürzte, dass es die Fische bis dahin mitschwemmte, die

*) Accnrate Nachricht. Tagesregister. Nach dem weniger zuverlässigen gVoUständigen Jurnal^ bestand die russische Armee aus 10 Begimeuteru zu Fnss und 6 zu Pferde, nebst 1500 Kosacken, im ganzen 16000 Mann. Die Avantgarde führte der Generallieutnant v. Sagraiski, die Arrieregarde der Generalmcgor v. Biron.

*) Die Stadt wendete sich unterm 23. Febr. in einem Schreiben direct an die niss. Kaiserin Anna und legte ihre Handlungsweise demüthig mit der Bitte dar^ die Truppen zurückziehn zu wollen.

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mit Händen aufgegriffen wurden *). Als Erwiderung setzte die Stadt den Werder mittelst der Steinschleuse unter Wasser. Am 28. hob der Hauptmann von Schmeling, welcher die kleine Kalkschauze ^) besetzt hielt, mit 150 Mann eine russische Bäckerei bei Schellmühl auf*).

Am 8. März bezog das russische Gros bei Praust und mit den Vortruppen bei St. Albrecht ein Lager, das mit einer Ver- schanzung umgeben wurde. Am 9. begann man die Anfertigung von Faschinen. Demgegenüber legten die Danziger bei Ohra auf dem rechten Radauneufer eine Verschanzung an, die mit einer Besatzung von 400 Mann und 8 Kanonen versehen wurde. Die nahe an das linke Eadauneufer tretenden Berge wurden nicht besetzt, dagegen da, wo der Weg von Kowal nach Danzig die Radaune überschreitet, an den Schottenhäusern (h), eine Reserve von 200 Mann aufgestellt. 100 Mann wurden ferner in der Nähe der Jesuiterkirche in Schottland aufgestellt. Das Kommando in Ohra führte der Oberstlieutenant Mazeppa.

Der General Lascy unternahm merkwürdigerweise nichts gegen diesen stark gefährdeten Posten. Seine Unthätigkeit lässt sich nur dadurch erklären, dass er von den polnischen Insurgenten sehr in Anspruch genommen wurde. Fast sämmt- liche Magnaten und der grösste Theil des polnischen niederen Adels hielten es mit Stanislaus. Lascy hatte schon auf seinem Wege von Thorn nach Danzig Kämpfe mit den Insurgenten zu bestehen gehabt. Noch am 1 7. Februar musste der General 3000 Mann detachiren, um den Grafen Tarlo, Woiewodon von Lublin, zurückzuwerfen. Am 25. Februar schwärmten die

^) Accurate Nachricht. S. 22.

*) Dass die kleine Kalkschanze, die hier gemeint ist, auch Kanonen ent- hielt, geht ans dem „kurzen Auszug" S. 423 hervor. Hoburg erwähnt sie mit keinem Wort, obgleich sie durch ihre Lage sehr wichtig war und „die accurate Nachricht'' S. 74 ausdrücklich sagt, dass sie den Feinden viel Schaden gethan hat.

^) Hobnrg S. 124. Es geht daraus hervor, dass die Stadt bis auf die Nehrung auf allen Seiten eingeschlossen war. Ein Versuch, sich des Holms zu bemächtigen, schlag fehl. Uebrigens kann die Einschliessung nur durch Kosacken bewerkstelligt worden sein, da die Armee, wie wir sehen werden, bei Praust zusammengehalten wurde. Es wird von täglichen Gefechten mit den Kosacken berichtet.

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Polen um Praust und legten den Kosacken einen Hinterhalt, der diesen 100 Mann kostete. Am 12. März, griff der Woie- wode von Kiew, Potocki, das russische Lager mit 10000 Mann an und am 15. hatte der Hauptmann von Lascy, ein Sohn des Generals, ein hartnäckiges Gefecht mit den Insurgenten zu bestehen*). Es ist auffallend, dass die Stadt die Lage der Russen nicht besser benutzte. Ein Versuch durch einen Aus- fall von 250 Manu mit 2 Kanonen unter dem Major Trinckius ein russisches Detachement in Gr. Plönendorf, eine Meile ober- halb Danzigs an der Weichsel, am 10. März zu vertreiben, scheiterte an der Unentschlossenheit des Majors, welcher des- halb zur Rechenschaft gezogen wurde.

L Einschliessnng der Stadt, Ban einer KontraTallationsUnie.

Mit der Ankunft des direkt von Petersburg kommenden Feldmarschalls, Grafen von Münnich, der am 16.^) unter einer preussischen Eskorte im Lager eintraf, trat eine grössere Thätigkeit ein'). Nachdem er am 17. von Praust aus den Rath der Stadt aufgefordert hatte, eine Deputation an ihn zu schicken, um ihr die Antwort der Kaiserin auf das Gesuch vom 17. Februar mitzutheilen , darauf jedoch nicht sofort

*) VoUständiges Jumal. Das Jurnal hat bider keine Paginirong.

') Das ordentliche Tagesregister verlegt die Ankauft des Grafen Münnich auf den 9. März, was auch Manustein acceptirt hat. Indessen datirt das Manifest, welches er zwei Tage nach seiner Ankunft an die Stadt erliess, vuiu 7/18 März (Accurate Nachricht. Anhang S. 286). .

*) Bernhard Christoph von Münnich ist am 9. Mai 1683 zu Neuenhiutorf im Oldenburgschen geboren und bildete sich während des spanischen Erbfolge- kriege« unterm Prinzen Eugen zu einem tüchtigen Tmppenführer aus. Nach dem Kriege trat er in den Dienst Kßnig August's II. von Polen und wurde 1717 zum Generalmigor befördert. 1721 in russische Dienste übergetreten, wurde er wegen seiner ausserordentlichen Leistungen 1728 in den Grafenstand er- hoben und 1732 zum Generalfeldmarschall ernannt. Die ihm feindliche Partei am Hofe, welche seinen Einfluss auf die Kaiserin Anna fürchtete, entfernte ihn durch das Kommando gegen Danzig vom Hofe. In Bezug auf sein ferneres Schicksal verweise ich auf Halem, Lebensbeschreibung des kais. russ. Generalf eldm. , Grafen t. M. 1803. Friedrich d. G. nennt ihn den Prinzen Eugen des Nordens und die Kaiserin Katharina zählt ihn, wenn auch nicht zn den SOhneu, so doch zu den Vätern Busslands. Er hat das Alter von 81 Jahren erreicht.

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Antwort erhielt, erliess er am 18. ein Manifest an die Stadt, worin er sie aufforderte, die Schlüssel der Thore binnen 24 Stunden zu Übersenden und sich ihrem rechtmässigen Könige zu unterwerfen, widrigenfalls er von keiner Kapitulation mehr hören und die Stadt nach Kriegsusance angreifen werde. Die Stadt erwiderte, von der dem Könige Stanislaus gelobten Treue nicht abgehen zu können.

Der Graf Hess hierauf in der Nacht vom 18. zum 19. März den Zigankenberg (Nr. 1) befestigen und warf in der folgenden Nacht das Danziger Kommando mit erheblichem Ver- lust aus Ohra, indem er es von den Bergen her in Flanken und Rücken angreifen Hess, während eine starke Abtheilung in der Front vorging. Der Oberstlieutenant Mazeppa schlug sich mit Verlust von 4 Kanonen nach Danzig durch. Auf russischer Seite war der Verlust bedeutend *). Die eroberten Danziger Kanonen Hess Münnich mit 2 9-Pftindern in der Schanze auf dem Zigankenberg aufpflanzen. Am 21. abends eröffneten sie das Feuer*). Die Höhen von Ohra Hess der Graf verechanzen (Nr. 3). In der Nacht zum 24. grifif er mit 2000 Mann die Redute, welche die Danziger auf dem Looseberge bei SchidHtz auf werfen Hessen , an. Die noch nicht vollendete Redute (Grandschanze Nr. 9) war mit einem Lieutenant und 40 Mann besetzt, welche 100 Arbeiter, die die Schanze vollenden sollten, zu schützen hatten. Die Schanze wurde nach */4 stündigem Gefecht genommen, wobei die Danziger 30, die Angreifer 24 Mann verloren').

In derselben Nacht war das Danziger Haupt von einigen hundert Dragonern und Kosacken unter dem Major R othe in Besitz genommen worden. Der Kömmandant, Haupt- mann Hube recht, welcher die Instruktion hatte, vor über- legenen Kräften den Rückzug anzutreten, hielt sich so wörtlich daran, dass er das Fort ohne Gefecht räumte, wodurch die

») Hoburg S. 128.

^) Es werden auch 15- und 18 pfundige Haubitzen genannt, womit die Stadt beschossen wurde. Vollstd. Jurnal und ordtl. Tagesregister. ») Hoburg S. 130.

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Nehrung geöffnet und die Verbindung zwischen Danzig und Weichselmtinde bedroht wurde*).

Nachdem die Verschanzung bei Ohra genügend vorge- schritten war, verlegte der Graf Münnich am 26. sein Haupt- quartier in diesen Ort.

Das energische Vorgehen Münnichs verfehlte seinen Ein- druck in der Stadt nicht. Ein grosser Theil der Bürgerschaft war dafür, sich unter den Schutz des Königs von Preussen zu stellen, doch gelang es der Beredsamkeit des preussischen Ge- sandten und der polnischen Kommission^), welche im Namen des Königs mit der Stadt verhandelte, sie davon zurück zu bringen. Sie schilderten die Mittel der Russen zur Belagerung für unzureichend, besonders, da die preussische Regierung ver- sprochen habe, den russischen Belagerungspark nicht durch Preussen marschiren zu lassen und wiesen auf die Gefahr hin, die Freiheit der Stadt einzubüssen, wenn sie sich unter den Schutz des Königs von Preussen stellte. Ausserdem betheuerte der französische Gesandte die nahe bevorstehende Ankunft der französischen Hilfe, sowie dass Ludwig XV allen Schaden er- setzen werde.

Ende März Hess der Graf Münnich auf der Höhe vor dem Olivaer Thor die Jerusalemer Schanze^) (Nr. 7) aufwerfen und pussirte von hier aus mit Approchen in die Ebene vor dem Olivaer Thor vor. Am 28. Hess er von der Nehrung her einen Angriff auf die Sommerschanze am Einfluss der Bot- mannslake in die Weichsel ausführen. Die Russen fanden je- doch in dem Kommandanten der Schanze, einem Hauptmann Lealand. einen wachsamen Gegner, der sie mit einem heftigen Feuer empfing. Auch die anderen Holmschanzen beschossen die Russen und ein Prahmen brachte von Weichselmünde eine üntersttttÄung von 20 Mann und Munition, woran Mangel ein-

^) Ebenda.

') Die Kommission bestand aus dem Bischof von Plock, dem Woiewoden von Marienburg, Przebendowski, und dem Ünterkanzler von Littauen, Fürsten Czartorysky.

") Die Jerusalemer Scbanze hat wie das gleichnamige Bastion des Hagels- berges ihren Namen von einer Kapelle Jerusalem vor dem Olivaer Thore. Siehe Taf. I unter q.

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getreten war, so dass die Rassen zatn Aufgeben des Angriffs gezwungen wurden. Die Stadt Hess infolgedessen einen mit Kanonen bewaffneten Prahmen zum Schutz des Holms her- richten, der an der Sommerschanze stationirt wurde.

Die Russen entwickelten im Schanzenbau eine ausser- ordentliche Thätigkeit, gingen von Ohra aus die Höhen ftber Schottland entlang mit Approchen gegen den Bischofsberg vor ^), breiteten sich vom Zigankenberge aus mit Verschanzungen gegen Schidlitz aus, verbanden die Jerusalemer Schanze durch Laufgräben mit dem Zigankenberge und setzten sich bei Aller- engelii fest, das sie ebenfalls durch Laufgräben mit den Ar- beiten vor dem Olivaer Thor verbanden. Hiergegen machte in der Nacht 29. /30. der Hauptmann von Schmeling einen Ausfall*) aus dem Olivaer Thor mit 200 Mann. Er musste sich jedoch nach anfänglichem Erfolge mit einem Verlust von 9 Mann wieder zurückziehn.

Wenn der Graf Münnicli aber geglaubt hatte, mit den Laufgräben vor dem Olivaer Thor sich der Weichsel zu nähern, seinen linken Flügel daran anzulehnen und die Verbindung der Stadt mit Weichselmünde auf dem linken Ufer aufzuheben, so hatte er sich geirrt. Die Laufgräben wurden vom Holzraum ') aus flankirt, von der kleinen Ealkschanze im Rücken beschossen und vom hohen Kavalierberge im Jakobsbastion eingesehn und beschossen. Trotzdem wurde mit äusserster Hartnäckigkeit hier

*) Wenn Hoburg S. 130 behauptet, die Russen hätten sich in dieser Zeit (Ende März) auch auf dem Stulzenberge verschanzt, so ist das ein Irrthnin.

*) Das Faktum wird von mehreren Seiten bestätigt, den Hauptmann von Schmeling nennt aber aUein Hoburg S. 182. Das vollständige Jnrnal fuhrt unterm 28. einen Ausfall mit 500 Mann gegen die Zigankenberger Schanze an, der zu einem heftigen Gefecht führte. Es wäre möglich, selbst wahrscheinlich, dass er startgehabt hat, er wird aber in andern Quellen- schriften nicht bestätigt. Ein Ausfall mit 130 Mann am 29. gegen den Jnden- kirchhof Nr. 5, dessen Zaun, hinter welchem sich die Russen verbargen, nieder- geworfen wurde, ergiebt sich aus dem Recesse vom 29. und 30. März. (Hoburg S. 138.) Auch wird mehrseitig berichtet, dass Schottland in dieser Zeit (Ende Man) von Danzig aus iu Brand gesteckt wurde, weU die Russen die Häuser von Ohra aus durchbrachen, um eine gedeckte Kommunication herzustellen.

^) Der Holzraum (x) ist das heutige bastionirte Werk Holsraum zwischen dem Bastion am Rhäm und der Weichsel, südlich der ehemaligen Kalkschanze. Siehe oben 1, 441 seine Befestigung mit einer Batterie.

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fortgearbeitet*), indem man sich der vollen Sappe bediente. Um den Zweck der Sperrung des Wegs auf dem linken Weichselufer dennoch zu erreichen, Hess der Graf Mttnnich in April, der Nacht zum 1. April eine Redute (Nr. 12) am mittleren Legan unterhalb Schellraühl an der Striess von 700 Arbeitern und 200 Mann Bedeckung auf werfen*). Der Bau wurde von den Danzigern nicht gleich bemerkt. Am nächsten Tage richteten aber die zunächst gelegenen Schanzen, die Kalk-, Jungfern- und Gevatterschanze, sowie der bewaffnete Prahmen ihr Feuer dahin. Die Kedute war indessen mit 250 Mann und 4 Kanonen besetzt worden und wehrte sich so erfolgreich, dass der Prahmen mit dem Verlust von 2 Verwundeten sich zurück- ziehen musste. Dagegen wurden am 5. zwei Kanonen der Schanze demontirt.

Während die Russen sich auf diese Weise auf dem linken Ufer der Weichsel festsetzten, erhielt der Oberst von Leslie, welcher auf der Nehrung kommandirte, den Befehl, auch das rechte Weichselufer in seine Gewalt zu bringen. Er hielt Weich selmttn de auf dieser Seite eingeschlossen und liess einen Theil seiner Truppen bei Heu bu de ein Lager (Nr. 18) auf- schlagen, von wo aus er mehrere Batterien vorschob (Nr. 20), die am 4. April das Feuer eröffneten. Gleichzeitig setzten sich die Russen auch bei Rttckfort auf dem linken Ufer der Weichsel (Nr. 19) fest ') und sperrten dadurch den Steindamm, den Zugang zum Werder. Zwei Prahme vermittelten die Verbindung beider Flussnfer. Am 5. befahl der Graf Münnich dem russischen Gen.-Quartiermeister von Stoffel, einen Posten an der Boot- mannslake zu etabliren, um die Kommunikation der Stadt mit Weichselmttnde auch hier zu verlegen. Es wurde daselbst eine Rednte (Nr. 16) angelegt. Schon den Tag vorher war die Winterschanze, welche nur eine geringe Besatzung hatte, von den Russen ohne Gefecht besetzt worden, so dass sie im

*) Als nach Ankunft der Sachsen ihnen dieser Theil der ContravaUation zufiel, haben sie die Stellung bald aufgegeben und sich weiter rückwärts etablirt (Vollständiges Jumal).

•) Ordentl. Tagesregister S. 5863. . ..

') Ebenda S. 564. Ein Ort Rückfort ist nicht vorhanden, wohl aber ein Rttckforter Krug.

Köhler, Goacbiclita der Festungen Danzig und Weichselmiinde. II. 2

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wesentlichen in den Besitz des untern Holms kamen. Weichsel- mtinde war schon früher zur XJebergabe aufgefordert worden. Der Graf Münnich wiederholte jetzt die Aufforderung mit der Drohung, den Kommandanten im Weigerungsfall als Rebell zu behandeln, liess aber zugleich „die Recompense von einigen Tausenden" durchblicken, wenn er das Fort sogleich übergeben würde ^). Patzer verbat sich dergleichen Anträge. Alle obige Arbeiten hatten nur den Zweck, die Stadt vollständig einzu- schliessen und sind daher als Kontravallation aufzufassen.

Wahrscheinlich durch den französischen Gesandten veran- lasst, hatte der König Stanislaus den von ihm zum Obersten und Generaladjutanten ernannten Baron von Stackeiberg mit Einwilligung des Danziger Raths unter dem Vorwande nach Weichselmünde geschickt, Vorbereitungen zum Empfang und zur Unterbringung der Franzosen zu treffen. Offenbar han- delte es sich jedoch darum, einen Einfluss auf die Vertheidigungs- massregeln zu gewinnen. Der Rath machte indessen den Haupt- mann Patzer allein dafür verantwortlich und befahl ihm, nur von der Stadt Befehle anzunehmen^).

Da die Einwirkung der Batterien bei Milchpeter und am Stangnetengraben gegen die russische Attacke von Heubude nur schwach war, liess die Stadt eine Redute am Ganskruge (f) anlegen'). Ein Ausfall von hier aus am 6. April gegen die Rückforter Schanze wurde von dem dort kommandirenden Major Lambsdorf nachdrücklich zurückgewiesen. Zur Rückeroberung der Winterschanze und Zerstörung der russischen Redute an der Bootmannslake wurde kein Versuch gemacht.

Dem Hagelsberge gegenüber war von den Russen fleissig fortgearbeitet worden. Am 4. nahmen sie einen altern Posten daselbst, wahrscheinlich die Reste der ehemaligen Schanze Vice- Admiral in Besitz*) und bauten sie zu einer Redute (Nr. 6)

*) Rec. vom 7. April. Hobnrg S. 135. •) Rec. vom 1. und 2. April. Ebenda.

*) Nach Hoburg S. 136 wurde die Schanze auf Anweisung des Majors Ennabergh erbaut und mit 50 Mann und 3 Kanonen besetzt.

*) Ordentliches Tagesregister S. 5G4. Mit Unrecht verlegt Hoburg den

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aus, welche durch eine Kommunikation von 400 Schritt Länge mit der Zigankenschanze verbunden wurde. Die ßedute wurde nach dem sächsischen General Rutowski, der sich mit dem Obersten Rexin am 27. März im russischen Hauptquartier ein- gefunden hatte, benannt. Am 6. April traf sächsischerseits auch der geheime Kriegsrath Uhle ein, um die nöthigen An- ordnungen für den Unterhalt der sächsischen Truppen zu trefifen, deren Ankunft bevorstand.

Die Russen hatten mit dem Mangel an Artillerie zu kämpfen, da vorläufig nur die Feldartiilerie zur Disposition stand. Die Ankunft eines Belagerungsparks war zwar in Aus- sicht gestellt, aber noch im weiten Felde, da Preussen den Durchmarsch durch sein Gebiet verweigerte. Es wollte nur für den Fall darauf eingehn, dass beiden Theilen der Durch- zug gestattet würde. Der Graf MUnnich nahm es auf sich, die Einwilligung der Kaiserin hierzu herbeizuführen und bat unterm 25. März (5. April) den König von Preussen, dem Ueberbringer des Schreibens, Oberstlieutenaut Ritter, die Ein- willigung, die Artillerie passiren zu lassen, zu übergeben *), was auch erfolgt zu sein scheint.

Der Graf Münnich hatte unterm 30. März ein Kommando von 500 Dragonern und 400 Mann Infanterie nach Elbing ge- schickt, um die Stadt und ein daselbst stehendes polnisches Regiment für den König August in Pflicht zu nehmen. Dem Kommando war der Major Schurz von der Artillerie beigegeben ^), um zu ermitteln, was daselbst an Geschütz vorhanden sei und diese event. nach Ohra zu senden. Am 9. April kamen in der Tliat 9 Elbinger Geschütze, 18- und 24-Pfünder mit Munition, im russischen Lager an und wurden sogleich nach dem Ziganken-

Bau dieser Redate S. 133 noch in den März, obgleich er auch darüber keine andre Quelle hat, als das ord. Tageregister, nach welchem die Besitznahme des Postens am 4. April stattfand.

») Der betr. Brief ist in den Neuen Preuss. Provinzialblättem 3. Folge Bd. 8 S. 74 abgedruckt.

') Der M^jor St^.hurz wird im vollständigen Jamal genannt und da- selbst auch die Zahl der Geschiltze angegeben.

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benre geschickt, um die Sudt mit gifihendeii Engehi zu If-

An deiDKflben Tage hob man an der Bednte Ton Sobt^^K- niabl ein Betranehement von 130 Schritt längs der Weichsel an« i'Xr 13;. da« noch dnrch eine kleine Rednte gedeckt ward -

An den Lanfgräben gegen die Anssenwerke war ohnt- Unterbrechnng weiter gearbeitet worden, was bei den nahm Entfernungen und dem lebhaften Feuer von den Werken dtr Stallt nicht ohne Verlnste abging. Am 11. zahlten die Ra»eTi allein 10 Todte und 40 Verwundete. Die Ankunft einer s^chwc- di)^:hen Brigantine am 12. mit Gewehren. Pulver und 40 Mann gab der Stadt einige Erleichterung').

Am 13. fassten die Russen Meubude gegenüber auf dem linken Weichselnfer festen Fuss (24) und etablirten hier zwei Prahmen sowohl zur Verbindung mit dem rechten Ufer als um feindlichen Fahrzeugen die Passage der Weichsel zu verlegren. In der Nacht zum 14. erreichten die Küssen von Ohra ans mit den Approchen die alte Jndenschanze und erbauten tags darauf daselbst eine Kedute (Nr. 5) *j. In der Zigankenschanze wurden zwei Geschütze demontirt 'j.

Am 14. besichtigte der Graf Münnich die Arbeiten bei Heubnde und auf dem Holm. Auf letzterem hatte er schon früher die Anlegung von zwei Reduten angeordnet, wahrschein- lich um die Sommerschanze zu isoliren*). Er begab sich so-

') Nach dem vollständigen Jurnal verursachten die glühenden Kugeln in der Stadt viel Schaden.

*j Ordentl. Tagesreg. S. 566. Hobnrg glaubt mit Unrei-ht darin da.s weiter unterhalb gelegene Retranchement (No. 26) zu erkennen, das jedoch erat vom 18. Mai angelegt wurde.

•) Jurnal auH der Münde. Hoburg S. 136. Der Oberst von Leslie be- zeichnete sie in einer Meldung vom 12. irrtbümlich als französische Fregatte. Ord. Tagesreg. S. 567. Das Jurnal muss darüber offenbar besser unter- richtet «ein. Auch muss die Brigantine die russischen Werke glücklich passirt haben, da sie spftter oberhalb derselben auftritt.

*) Die Schanze wird auch Jesuiterschanze genannt, weil das Jesuiter- kolleginm in der Nftlie lag.

*) Ordentl. Tagesreg. S. 568.

•) Da« ordentl. Tagesreg. sagt darüber S. 567 „(auch besuchte der Ge- neral) die beyden Redouten, welche zwinchtm dem Kanal (der Laake) und der

1-C

0,

)

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dann vor Weichselmiiade und befahl, in dem nahe gelegenen Walde Faschinen zu fertigen, uin die ausgeführten Reduten und Batterien mehr zu schützen. Die Laake Hess er an zwei Stellen für den Verkehr abschliessen. Am folgenden Tage (15.) begab er sich sodann nach dem Danziger Haupt, um einen geeigneten Ort zur AusschiflFung der über Pillau erwarteten Artillerie aus-

, findig zu machen. Zum Empfang schickte er den Lieutenant

j Junger nach Pillau.

j Von der Judenschanze aus nach dem Stolzenberg hin um-

zog man den Bischofsberg mit einer Eontravallationslinie, die bei ihrer Nähe von den feindliclien Werken grösstentheils mit der vollen Sappe ausgeführt werden musste, so dass viel Zeit zu ihrer Aushebung erforderlich war ^). Am 18. wurde die Sappe auf 90 Schritt fortgeführt^). Gleichzeitig waren die Kommu- nikationen vom Zigankenberg nach der Rutowski-Bedute und nach der Grandschanze beendet worden. Letztere wurde am 19. zu einer ßedute umgebaut und mit Geschützen armirt*). Auch die Kommunikation der Redute Nr. 12 nach Schellmühl wurde beendet und das Retranchement längs der Weichsel da- selbst verlängert. Es hatte den Zweck, die Schiflffahrt auf der Weichsel zu hindern.

Von Putzig langten am 18. 2—10 pfundige Kanonen an. Die Russen schössen am 19. April 210 Kanonenschüsse, wäh- rend die Stadt allein an Bomben 122, theils gegen den Zigan- kenberg, theils gegen die Schellmühlredute (Nr. 12) warf*). In Schottland war gegen die Stadt ein Abschnitt angelegt

Weichäel mitten unter den feindlichen Werken angelegt waren und fand die- ^selben in gntem Stande. '^ Nach der „accuraten Nachricht' waren sie aus Holz gebaut und durch Laufgräben verbunden, Jedoch alles über sich, weil der Boden purer Morast und Sumpf war.^

^) Man langte erst am 14. Mai auf dem Stolzenberge an. Ordentliches Tagesregister.

*) Ordentl. Tagesreg. S. 569.

^) Sie war dadurch besonders wichtig, dass man von hier die Verlän- gerung des langen Marktes aufnehmen und diesen beschiessen konnte. Accu- rate Nachr. S. 30.

*) Ordentl. Tagesreg. S. 570. Am 14. waren 128 und am 18. 184 Bom- ben allein gegen die Zigaoken^chauze geworfen worden. Ebenda 568, am 17. im ganzen 230.

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worden, den man am 19. mit zwei Kanonen besetzte. Die Kon- travallation gegen den Bischofsberg rückte an diesem Tage um 60, am 20. um 50 Schritt vor. Die Linie Zigankenberg-Grand- schanze wurde am 19. um 74 Scliritt quer durch Schidlitz ver- längert. Die Laufgräben vor dem Olivaerthor, welche durch die Triangel-Redute (Nr. 28) verstärkt worden waren, wurden am 20. um 84 Schritt verlängert.

Am 21. wurde bei Schidlitz eine neue Batterie (Nr. 11) angelegt und der Laufgraben an der Grandschanze mit 3 Tra- versen versehen. In der folgenden Nacht wurde an der Ru- towski-Redute eine Batterie für zwei Mörser erbaut. Gleich- zeitig wurde auf dem rechten Weichselufer, wahrscheinlich zwischen der Winter- und Sommerschanze, eine neue Redute erbaut.

Die Verbindung der Stadt mit Weichselmünde, welche auf die Weichsel beschränkt war. blieb trotz aller Chicane der Russen noch offen. Fast täglich gingen kleine Holzschuten hin und zurück. Am 24. kamen 4 dergleichen glücklich durch, obgleich 61 Kanonen- und 4611 Musketenschüsse darauf ge- schehen waren. Die Russen beschossen die Stadt an diesem und den folgenden Tagen nur aus 6 Kanonen.

Der Graf Münnich hatte gleich nach seiner Ankunft den Antrag gestellt, dass ihm Verstärkungen zugeschickt würden. Unzweifelhaft muss dies Erfolg gehabt haben, doch haben wir nur ganz vage Nachrichten darüber: So berichtet die accurate Nachricht S. 42 und 74, dass fortwährend der russischen Armee Verstärkungen zugingen, und nach dem „ord. Tagesreg." S. 567 traf am 10. April im Hauptquartier die Nachricht ein, dass der General Lubras von der Kaiserin den Befehl erhalten habe, mit den Truppen von Warschau zur Armee vor Danzig zu stossen ^). lieber die eigentliche Stärke der Armee herrscht für den Monat April völlige Dunkelheit*). Jedenfalls war sie

*) Nach Maustein S. 120 hätte der General Lnbras so lange mit seinem Abmarsch gezi)gert, bis der Graf Münnich Ihn habe in Arrest stecken lassen.

*) Eine genauere Nachricht über die Stärke der russischen Armee ist erst am Schluss der Belagerang vorhanden, wo sie 33,342 Mann betrug (Ho- bur^ S. 214 nach ein^r handschriftlicheu Nachricht). Rechnet mau von dieser

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unzureichend, was sich um so drückender fühlbar machte, als die Polen sich wieder zu regen begannen. Der Graf Männich hatte Anfang des Monats den General Sagraiski und den Gen.-Maj. Biron mit 2000 Dragonern und 1000 Kosacken nach der mittlem Weichsel senden müssen, wo sich der Kastellan von Czersk und der Woiewode von Lublin, Graf Tarlo, jeder mit einigen 1000 Mann eingefunden hatten *). Die Truppen des Kastellans waren zwar am 5. in der Gegend von Seh wetz zer- sprengt worden, bald darauf erschien aber der Woiewode von Lublin in der Gegend von Tuchel und Konitz, um von Westen her gegen Danzig vorzudringen. Der Graf Müunich sah sich genöthigt, am 17. den General von Lascy mit Grenadieren und einiger Infanterie zur Verstärkung des Generals Sagraisky ab- zuschicken. Die Vereinigung erfolgte bei Behrendt. Es waren jetzt 2300 Mann reguläre Truppen und 600 Kosacken beisammen. Mit diesen geringen Kräften zeistreute Lascy das gegen 8000 Mann starke polnische Korps am 20. bei Wyszerzin süd- westlich Neustadt an der pommerschen Grenze völlig. Lascy war schon am 25. wieder in Olira zurück. Sagraisky blieb noch einige Zeit abkommandirt.. Ebenso wurde der Oberst Boy in Elbing festgehalten, da sich polnische Truppen im Bisthum Ermeland zeigten. Noch am 26. trafen von ihm Ge- fangene vom Korps des Grafen Schlieben im russischen Haupt- quartier ein.

Inzwischen bereitete man alles zur Aufnahme der erwar- teten Artillerie vor. Die Kommunikationen wurden erweitert, die Kontravallation fortgeführt, die seit dem 21. im Bau be- gritfeuen Batterien wurden beendet und neue angefangen. Am

Summe die uotorischen Verstärkungen ab, welche der Armee im Mai und Juni zugingen, nämlich 7300 Mann von Warschau und 2500 Mann, welche mit der Flotte ankamen, so bleiben für den April eijiige 20000 Mann. Das gVoUstd. Jurnal" erzählt zwar, dass im Mai ausserdem noch 9000 M. Ver- stärkung in Aussicht gestellt wurden, aber nicht, dass sie angekommen wäreu. Wahrscheinlich sind die Sachsen damit gemeint.

*) ('rdentl. Tagesreg. S. 557. Um dieselbe Zeit operirte der Woiwode Ton Kiew mit 12000 Mann gegen Krakau, das er iu der Nacht vom 3. zum 4. Apiil überfiel, aber vom sächsischen General von Löweudal zurückgewiesen wurde.

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24. wurde die Kontravallation bei Schidlitz um 113, die des Bischofsberges um 40 Schritt verlängert, am 26. die letztere um 60, die bei aller Engeln um 107 Schritt.

Seit dem 25. wurde die Stadt wieder mit 9 Kanonen be- schossen. Die Unterbrechung der Kommunikation mit Weichsel- münde durch Geschützfeuer wollte nicht gelingen. Am 24. kamen 4 Fischerkähne, am 25. eine Schaluppe, am 26. zwei Boote und eine Brigantine*) durch. Dagegen wurde am 29. von zwei Booten, die von Weichselmüude zurückkehrten, eins in den Grund geschossen. Von den 13 Mann Besatzung wur- den 5 getödtet, zwei gefährlich verwundet, die übrigen gefangen.

Am 26. wurde eine Batterie zu drei Mörsern bei Aller Engeln (Nr. 10) und am 27. eine solche zu 3 Kanonen (Nr. 11) rechts der Rutowskiredute, sowie eine zweite Mörserbatterie zu 2 Möi*s6rn links der Redute angefangen. Links der Redute von Schellmühl, also wahrscheinlich auf dem linken Ufer der Striess, wurde eine Batterie zu 8 Kanonen erbaut.

Man erwartete auch die sächsische Artillerie. Am 26. wurde ihr, da die Gegend immer noch unsicher war, ein starkes Kommando entgegengeschickt. Am 28. traf die Nachricht ein *), dass die russischen Geschütze von Riga und Reval endlich am Danziger Haupt bei Käsmark eingetroffen waren. Der Graf Münnich Hess nunmehr die Stadt unter Androhung des Bom-

') In den Relationen ist mehrfach von einer Fregatte, die sogar als französische bezeichnet wird, die Kede, welche auf der Weichsel ober- und unterhalb der Stadt Danzig sich durch Geschützfeuer den Belagerern sehr lästig machte. Es ist wohl darunter die am 12. April angekommene schwedische Brigantine zu verstehen, welche auch hier gemeint sein mag.

') Ordentl. Tagesreg. S. 574. Hobnrg lässt (S. 134) den russ. Belagenings- park am 28. schon vor Danzig eintreffen und begeht femer den groben Irr- thum, die vom „vollständigen JumaP genauer angegebene Artillerie, welche später die russ. Flotte mitbrachte, auf diese erste Seudung zu beziehen. Die Zahl der Geschütze der letztem ist nicht bekannt. Einen ungefähren Anhalt giebt dasselbe Jurnal, indem es sagt, dass am 12. Juni, al^ am Tage der Ankunft der russischen Flotte, 7 Kanonenbatterieu mit 29 Kanonen und 6 Morserbatterien in Thätigkeit gegen die Stadt waren. Auch das ordentliche Tagesregister giebt für diese Zeit eine ähnliche Notiz, nur dass es nicht 6 Mörserbatterien, sondern 6 Mörser erwähnt. Pen ei^ntlichen Bela^erongs- park brachte erst die Flotte im Juni.

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bardemente von neuem zur Uebergabe auflfordern. Die fremden Kaufleute liess er anweisen, die Stadt zu verlassen, was ihnen jedoch vom Magistrat nicht gestattet wurde.

In Danzig hatte man die Ankunft des russischen Belage- rnngsparks am Haupt ebenfalls am 28. durch zwei Fleischer- gesellen erfahren, die von Bohnsack kamen und daselbst die Requisition von 1200 Pferden für den Transport der Geschütze erfahren hatten ^). Am 29. meldete auch der Kommandant von Weichselmünde ihre Ankunft am Hatipt *). Die Stadt liess sich dadurch indessen nicht schrecken und verweigerte die Ueber- gabe. Vergebens waren auch die Bemühungen des preussischen Etatsraths von Brand'), der am 20. April mit neuen Instruk- tionen im russischen Hauptquartier eingetroffen war. Nach den von ihm mitgebrachten Vermittelungsvorschlägen sollte die Stadt den König Stanislaus und seinen Anhang entfernen, eine feierliche Deputation an die Kaiserin Anna und an König August III schicken, um Abbitte zu leisten, und eine zu be- stimmende Geldsumme als Entschädigung zahlen. Am 5. Mai, nachdem das Bombardement eröffnet worden, wandte sich die Stadt an den Herrn von Brand wegen Vermittelung eines Waffen- stillstandes. Der Graf Münnich liess sich jedoch auf nichts ein, forderte vorab unbedingte Unterwerfung, Einräumung eines Stadtthors innerhalb 24 Stunden und Uebergabe von Weichsel- münde.

Am 28. (29 ?) erfolgte aus der Stadt ein grösserer Ausfall gegen die Judenschanze (Nr. 5). Das Gefecht dauerte andert- halb Stunden. Die Russen erlitten bedeutende Verluste, doch trieben die herbeieilenden Reserven den Ausfall wieder zurück*).

') Accurate Nachricht S. 53.

«) Rec. vom 29. April. Hoburg S. 137.

^) Rec. vom 24. iind 28. April.

*) Ord. Tagesreg. S. 576. Karzer Auszug S. 411. Nach letzterem hatte der Ausfall^ der mit 200 Mann und ÖO Arbeitern geschah, den Zweck, die Werke der Rnssen zu zerstören. Der Punkt war in der That wegen des be- vorstehenden Bombardements sehr günstig gelegen, Hoburg erwähnt diesen Aasfall gar nicl^t,

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2. Das Bombardement und die Anstalten zxun Empfang der

Franzosen.

Inzwischen traf am 29. die sächsische Artillerie ein *), so- dass am 30. Abends S Uhr die ersten Bomben in die Stadt ge- worfen werden konnten, von denen eine den Rathliausthnrni traf. In den folgenden Tagen langte nach und nach die rus- Mai. sische Artillerie an. Von ihr wurden am 1. Mai ebenfalls abends 8 Uhr die ersten Bomben geworfen. Die gegen Weichsel- münde bestimmte Artillerie scheint von einer russischen Fre- gatte direkt dahin gebracht worden zu sein, denn das „vollst. JurnaP giebt an, dass am 3. Mai daselbst 4 Mörser und 9 Ka- nonen, 600 Bomben, 24 Tonnen Pulver und 150 Kanoniere aus- geschiflft worden sind. Gegen die Stadt waren am 3. Mai erst 5 Mörser und 9 Kanonen in Thätigkeit.

Da die Nachricht eingetroffen war*), dass einige französi- sche Fregatten und ein Linienschiff bei Kopenhagen angekommen waren, verfügte sich der Graf Münnich am 3. Mai nach Heu- bude, um Vorsorge zu treffen, die Franzosen am Marsch nach Danzig zu hindern. Zu dem Zweck ordnete er auch ein Retranchement zwischen Neu -Schottland und Schellmühl an (Nr. 25)^), und liess die Approchen von Schellmühl zur Redute Nr. 12 an der Weichsel zur Vertheidigung gegen einen von Weichselmünde kommenden Gegner einrichten (N. 14), Nächstdem

^) Die Mähr, dass zwei sächsische Mörser zur Post über Berlin als an- gebliches Gepäck des Herzogs vou Weissenf eis trausportirt worden seien, die selbst vom Geu. von Maustein wiederholt wird, hat nicht den geringsten Grad von Wahrscheinlichkeit für sich, .abgesehen von dem bedeutenden Ge- wicht der Mörser selbst, ist auch das noch grössere der zugehörigen Munition inbetracht zu ziehen. Das „vollst. JumaP erwähnt nicht« davon und sagt, dass ausser zwei Mörsern auch 12 schwere 18- und 24pfÜQdige Kanonen an- gelangt sind. Das ord. Tagesreg. S. 576 behauptet, es wären nur 2 Bomben mitgekommen, indessen sind am ersten Abend aliein 6 geworfen worden (Accu- rate Nachricht. Anhang S. 318, Bombentabelle).

•) Die erste Nachricht brachte eine schwedische Yacht, welche Pulver und Flinten aus Frankreich brachte. Accurate Nachricht S. 44.

') Ordentl. Tagesreg. S. 577. Hoburg bezieht dieses Retranchement nicht auf die Franzosen, die über Brösen hierher hätten gelangen können, sondern auf die Stadt, fasst es also nicht als Circumvallation, sondern als Coutra- vallatiou auf!

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liess er gegenftber der Winterschanze auf dem linken Weichselufer eine Batterie von 3 schweren Kanonen (Nr. 17) erbauen, um die Sommerschanze, die unter diesen Umständen von be- sonderer Wichtigkeit wurde, zu beschiessen. Die Batterie wurde schon am 4. nachmittags mit den ersten drei von Käs- mark angekommenen Kanonen armirt *). Der Graf Münnich be- gab sich zur Eröffnung des Feuers persönlich dahin. Das Feuer wurde 7 Uhr abends eröffnet, und schon nach dem 9. Schuss war der mit Kanonen bewaffnete Prahmen, welcher an der Schanze lag, so beschädigt, dass er nur mit Mühe nach Weichselmüude entkam. In der Schanze kommandirte zur Zeit ein Hauptmann Fischer, da Lealand am 2. Mai erkrankt war. Er wurde vom Grafen Münnich mit der Bemerkung zur Uebergabe aufgefordert, dass ihm Ehre genug widerfahren sei, durch schwere Geschütze beschossen worden zu sein. Auf seine ablehnende Antwort wurde das Feuer fortgesetzt und dauerte den 6. hindurch, so dass bei der nahen Entfernung die Palisadirung sehr litt. Es fehlte der Besatzung an dem nöthigen Ausbesserungsmaterial, das man in Weichselmtinde vergeblich requirirte. Im übrigen litt die Schanze weder Mangel an Lebensmitteln noch an Muni- tion. Sie war mit 130 Mann und 3 eisernen Kanonen, sowie einem kleinen Mörser besetzt. Zum Angriff der Schanze, der am 6. abends 10 Uhr erfolgen sollte , war der Oberst Leslie mit 450 Mann, worunter 100 Grenadiere mit je 4 Handgranaten aus- gerüstet und 50 Kosacken, kommandirt. Er stellte 50 Grena- diere an der Weichsel auf, um einer etwaigen Unterstützung der Schanze von Weichselmünde aus entgegenzutreten, be- stimmte 150 Mann in 3 Abtheilungen zum Angriff der aus- springenden Winkel der Redute und liess ebensoviel mit Beilen versehene Mann zum Fällen der Palisaden folgen. Die Kosacken, welche ohne Pferde waren, hatten von der Kontreskarpe aus die Brustwehrkrone unter Feuer zu halten. Die obigen Mann- schaften überschritten am grossen Holländer in grösster Stille die Laake. Ihnen folgte der Rest als Reserve. Ausserdem blieb die übrige Mannschaft im Lager unter Gewehr. Die Be- satzung war gerade mit Ausladen der endlich von Weichsel-

») Ebenda 8. 578,

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münde eingetroffenen requirirten Gegenstände beschäftigt, haupt- sächlich Sandsäcke und spanische Reiter, die auf zwei Booten angekommen waren, und wurde durch den Angriff völlig über- rascht. Die Russen erstiegen ohne Verlust die Brustwehr, so dass erst im Innern der Schanze ein heftiger Kampf begann. Der Hauptmann Fischer entzog sich dem heimlich und fuhr gleich zu anfang nach Weichselmünde ab. Das Auffliegen eines Pulvermagazins veimehrte die Verwirrung. Auch der 2. Officier, ein Lieutenant Runger, fuhr mit einiger Mannschaft auf den Booten ab. Der Rest der Besatzung wurde theils gctödtet, theils gefangen. Die Russen hatten nur 29 Verwundete^).

Weichselmünde war bereits durch einen mit Reduten ver- sehenen Laufgraben (Nr. 29), vor dem ein Verhau angebracht war, von der Nehrung her eingeschlossen. Die Russen ver- banden diese Kontravallationslinie jetzt mit der Sommerschanze (Nr. 30). Eine Beschiessung der Schanze, von Weichselmünde und der Herrenschanze her, blieb ohne Erfolg. Einen Versuch, die Schanze wiederzunehroen, haben die Danziger nicht gemacht. Er würde auch in dem sumpfigen Terrain und bei den ange- legten Verschanzungen der Russen auf dem Holm seine Schwie- rigkeit gehabt haben. Die Verbindung der Stadt mit Weichsel- münde zu Lande war jetzt völlig abgeschnitten. Auch hatte der Kommandant des letztern nicht das Vertrauen der Bürger- schaft, welche deshalb schon am 30. April seinen Ersatz durch einen andern Offizier beantragt hatte. Der Rath war jedoch nicht darauf eingegangen. Den Hauptmann Fischer Hess er aber seines üblen Verhaltens wegen verhaften*).

Der Verlust der Sommerschanze wurde in der Stadt tief empfunden. Das Bombardement hatte inzwischen an Aus- dehnung gewonnen. Seit dem 3. Mai fielen täglich über 100 Bomben in die Stadt. Nur während der Verhandlungen mit dem preussischen Staatsrath von Brand war es etwas gemässigt worden. Der König Stanislaus hatte sich sogleich nach Lang- garten zurückgezogen, auch die reichern Bürger folgten dahin ^).

») Ordentl. Tagesreg. S. 580.

») Rec. vom 7. und 25. Mai. Hoburg S. 189.

') Wahr^cbeinlicl) veranlasst 4urch die Aohäufuttg der Bewohner iu

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Der bürgerliche Verkehr hörte in der Stadt allmählich auf, die am meisten ausgesetzten Häuser wurden verlassen, die Ver- kaufsläden geschlossen, es zog sich alles in die Eellerräume zurück. Auch die Verhandlungen der städtischen Obrigkeit fanden in den untern Oewölben des Rathhauses statt, bis sie schliesslich ebenfalls nach Langgarten verlegt wurden. Doch hatte es seine Schwierigkeit, eine Versammlung zusammenzu- bringen. Der französische Gesandte wurde nunmehr an sein Versprechen erinnert, den Schaden zu ersetzen. Er zeigte sich zwar gereizt darüber, deponirte aber 30000 Dukaten*).

Das Feuer von den Werken wurde inzwischen fortgesetzt und Vorkehrungen getroffen, entstehende Feuersbrtinste sogleich zu löschen.

Die Arbeiten in den russischen Laufgräben waren indessen ununterbrochen fortgegangen. Die Kontravallation gegen den Bischofsberg war vom 1. bis 3. Mai um 250 Schritt nach dem Stolzenberg hin fortgeschritten. Noch am 7, arbeitete man daran. Die Circumvallation bei Neuschottland, wovon täglich gegen 200 Schritt ausgehoben wurden, kam bis zum 8. bis Langfuhr zustande. Auch auf der Seite vor dem Olivaer Thor wuinie rüstig gearbeitet. Am letztern Punkt wurde am 6. ein neues Boyau von 130 Schritt Länge angesetzt und am 7. um 100 Schritt weitei^eführt. Wie es scheint, beabsichtigte man von Schidlitz aus dais Neugarten-Thor durch Laufgräben zu umschliessen, um Ausfälle aus demselben zu verhindern. Am 4. näherte man sich demselben um 90 Schritt, am 7. um 64 Schritt.

Die Batterien waren fertiggestellt, aber mit der Ankunft der Geschütze ging es sehr langsam. Am 7. kamen erst wiederum zwei Mörser an, die sogleich in die Batterien ein- geführt wurden. Die Circumvallation bei Neu-Schottland wurde um 300 Schritt verlängert*). Auch armirte man an diesem

Langgarten and in der Niederstadt Hess der Graf Münnicb, der stets sehr gat über die Verhältnisse in Danzig unterrichtet war, einen gewaltsamen An- griff aof die Vorstadt Kneipab machen, der jedoch abgeschlagen wurde. Accurate Nachricht S. 58.

^) Becess vom 30. April und 5. Mai.

') Ordentliches Tagearegister S. 581. Es ist hier ausdrttcklich ausge-

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Tage die neue Batterie rechts der Rutowski-Redute mit den 3 schwersten Kanonen der Zigankenschanze *),

3. Der Sturm auf den Eagelsberg.

Am 7., wo der Graf Mtinnich, der der Erstürmung der Sommerschanze beigewohnt hatte, wieder nach Ohra zurück- gekehrt war und hier über die Bestimmung neu angekommener Geschütze disponirt hatte, langte eine durch Herrn v. Gallowin überbrachte Depesche von der Kaiserin an, die dem Grafen befahl, einen gewaltsamen Angriff auf den Hagelsberg zu ver- suchen *).

Um mit der nöthigen Vorsicht zuwerke zu gehen, be- willigte der Feldmarschall der Stadt einen 48 stündigen Watfen- stillstand^) bis zum 9. Mai mittags, um Zeit zu gewinnen, die Beschaffenheit der Werke sorgfältig zu rekognosciren. Er that dies am 8. mit den Generalen Lascy und Biron. Der officielle Bericht sagt über das Resultat dieser Rekognoscirung : „Der Hagelsberg ist in seiner rechten Flanke gegen das Oli- vische Thor eskarpiret und nicht anzukommen. Die Tete ist ein reguläres Hornwerk mit einem Ravelin und Kontreskarpe*), welche den Hauptwall und das Ravelin bis an die Brustwehr deckt, stark verpalisadiert, mit einer starken Artillerie bespickt und die Brustwehren mit Sturmbalken überall belegt, und weil man bis dato keine schwere Artillerie noch genügsame Mannschaft gehabt, die Attake bis auf die lyontreskarpe zu führen und Bresche zu legen, die Festungswerke ganz unbeschädigt in vollem Defensionsstande, und wie man sagt, unterminirt, so dass da dem Hagelsberge von diesen beiden Seiten nicht anzukommen.

sprochen, dass das Retranchement von Neu-Schottland gegen die Franzosen bestimmt war.

») Ebenda.

*) Ebenda S. 582. GaHowin hatte die Entfernung von Petersburg in 7 Tagen zurückgelegt.

*) Eec. vom 7. Mai. Hobnrg S. 190. Die russischen Berichte erwähnen von diesem Wa£fenstillsiande nichts, sagen indessen, dass den 8. zu Ehren des Krönungsfestes der Armee Ruhe gegeben wurde.

*) Ordentl. Tagesregister S. 586. Unter Kontrescanie ist in dem Bericht gedeckter Weg zu verstehen.

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denselben in der linken Flanke von der Seite der Schidlitz zu attakiren. Es stossen allda an dem Hagelsberge die Aussen- vverke, welche die Kommunikation mit dem Bischofsberge machen. Das nächste Werk so an den Hagelsberg anhänget, hat keinen bedeckten Weg, sondern einen trocknen Graben, und die darin gesetzte Palisaden *) und das natürliche Terrain machen die Kontreskarpe. Der Wall ist von Erde und nicht revetirt und die Berme mit einer dicken lebendigen Hecke besetzt; der trockene Graben ist aus unsern in der Schidlitz geführten Approchen ganz enfilirt^) und kommandirt, und war daher von den Feinden, sowohl als ein auf dem Neben-Saillant gelegenes Bonett (vor Bastion Neubaur)^) schon einige Tage abandonirt. Es wurde demnach resolvirt, die Attake auf dieses Werk (das Ravelin Neubaur Notzkenberg) zu führen und von da aus den Hagelsberg in der (linken) Flanke zu stüiTOen'*.

Der Graf Münnich befehligte zur Leitung des Sturms, welcher am 9. abends stattfinden sollte, den General lieutenant Knäs Beratinski und den Generalmajor von Biron mit 8000 Mann. Die Truppen sollten sich um 7 Uhr abends hinter dem Zigankenberge sammeln, daselbst das Gepäck ablegen und nach Eintheilung in 3 Kolonnen und Eintritt der Dunkelheit den Laufgraben nach Schidlitz bis zur Mörserbatterie (Nr. 10) hinabsteigen, hier durch Abräumung der Brustwehr drei be- queme Passagen herstellen, sich sodann ordnen und mit einem Zwischenraum von 30 bis 40 Schritten zwischen den Kolonnen in gleicher Höhe und langsamen Schritts, um nicht auseinander zu kommen, antreten. An der Spitze jeder Kolonne sollten sich 200 Grenadiere, jeder mit 4 Granaten und 800 Musketiere, jeder mit 24 Patronen versehen, befinden. Die übrige Mann- schaft sollte zum Tragen der Faschinen, Stunnleitem, Beile,

^) Die Palisaden standen demnach am Fuss der Kontreskarpe.

*) nämlich die Gräben vor den rechten Facen des Bastions und Bavelins Neabaur. Letzterer war vom Looseberg ans auch durch Geschützfener zu be- streichen.

*) Das Bastion Neubaur wird in den gleichzeitigen Berichten „an dem Kessel beim Majoren -Thor" bezeichnet, woraus später Bastion Kessel geworden ist. Der Name Neubaur wurde nur fttr das Ravelin beibehalten.

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Spaten etc. verwendet resp. als Reserve bestimmt werden. Jeder Kolonne waren 3 Ingenieurofficiere zugetheilt. An den Palisaden angekommen, sollten die Faschinen niedergelegt und die Palisaden weggeräumt werden. Käme eine Kolonne früher damit zustande als die andere, so könnten zwei Kolonnen durch dieselbe Lücke gehn, die dann erweitert werden sollte. Nach dem üeberschreiten des Grabens sollten die Leitern an den Wall gelegt und derselbe ei-stiegen werden, wobei die Dornhecke der Berme auszureissen wäre.

1500 Mann waren ausserdem zu drei ScheinangrilBen gegen den Bischofsberg und gegen die Front des Hagelsbergs be- stimmt.

Die Disposition für die Sturmkolonne wurde richtig aus- geführt. Eine heftige Beschiessung des Hagelsberges vom Mittag des 9. ab diente zur Vorbereitung des Sturms, um die Palisaden zu zei-stören und den Wall ersteiglich zu machen. Die Ko- lonnen traten um 10 Uhr abends an. Die Besatzung hatte die Annäherung frühzeitig genug entdeckt ^), um zum Empfang der Kolonnen bereit zu sein. Geschütz- und Gewehrfeuer empfingen die vorgehenden Bussen, die indessen gegen Mitternacht an dem am weitesten vorspringenden Ravelin Neubaur anlangten, die Palisaden niederlegten, den Graben trotz des verheerenden Feuei-s von den anliegenden Bastionen überschritten, auf Leitern die Eskarpe erstiegen, die Hecke auf der Berme wegräumten und nach grossen Verlusten, welche die auf sie herabrollenden Sturra- balken in den Reihen rissen, das mit sieben Kanonen besetzte Ravelin erstiegen. Aber sämmtliche Stabsofflciere, die Ingenieure und die meisten Offleiere waren gefallen*), so dass die 3 Ko- lonnen auf dem beschränkten Raum untereinander kamen und jede Leitung aufhörte. Sie hätten von dem Ravelin auf einer schmalen Rampe wieder in den Graben steigen und den Haupt- wall erklimmen müssen. Ein heftiges Gewehrfeuer von der

^) Der Scheinangriif gegen den Hagelsberg war etwas zu früh erfolgt und daranf von aHen Werken Leuchtkugeln geworfen worden. Officieller Bericht.

') Es muss dies schon beim Anmarsch geschehen sein, da sonst alle 3 Kolonnen unmr»glich auf das kleine Ravelin hätten dlrigirt werden können.

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gegenüberliegenden Kurtine decimirte die in Verwirrung ge- rathene Masse, die trotzdem aushielt, aber auch nicht vorwärts kam.

Die gegenüberstehenden Danziger hatten bald ihre Munition verschossen, doch die Sturmglocken hatten die gesammto Mann- schaft zusammengerufen, neue Munition wurde herbeigeschafft, die ermüdete Mannschaft abgelöst. Der Kampf im Feuergefecht dauerte drei Stunden fort. Die noch übrig gebliebenen Russen wurden bei Anbruch des Tages vom Grafen Münnich zurück- berufen, da sie alle Offensivkraft verloren hatten. Aber es hatte seine Schwierigkeit, die Leute zurückzubringen. Sie wollten lieber sterben als den Platz verlassen. Der General Lascy, welcher wie die übrigen Generäle sich im vordersten Lauf- graben aufhielt, musste voreilen und persönlich eingreifen, um sie in Bewegung zu setzen. Bei dem Rückzuge über das Feld erlitten sie noch durch das Kartätschfeuer der anliegenden Werke grosse Verluste. 120 Offleiere und 4000 Todte und Verwundete blieben liegen. Die Zahl der Todten, welche die Danziger am folgenden Tage im „russischen Grabe", wie es noch heut genannt wird, beerdigten, beti'ug 692. Die Belagerten hatten 42 Todte und 50 Verwundete.

Die Danziger haben es nicht verstanden, den Sieg zu be- nutzen. Die Niedergeschlagenheit war im russischen Lager der- artig, dass sie bei einem gut geleiteten Ausfall grosse Vor- tlieile hätten erreichen können. Um sich nicht grossen Ver- lusten bei einem frontalen Angriff der gut bewahrten Höhen auszusetzen, hätte man wenigstens einen Angriff im Rücken der Belagerer von Weichselmünde machen können Der Schrecken war hier ebenso gross wie vor der Stadt. Wahrscheinlich hätte man das scliwache Belagerungskorps mit Leichtigkeit überwältigt und Weichselmünde befreit. Die Erinnerung an das Jahr 1577 hätte die grossen Vortheile, in denen man sich einem Einschliessungskorps von Weichselmünde gegenüber befand, ins Licht stellen müssen. Aber der Moment ging ungenutzt vorüber. Die Danziger überliessen sich ausschliesslich der Freude und dachten nur daran, einen neuen Sturm abzuschlagen. Der Rath bewarb sich selbst um einen neuen Waffenstillstand.

Köbler, Gesdilobte der Festungen Danzig und Welchselmüudo. II. 3

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1 Anbmft einer französischen Flotte.

Es bandelte sich zunächst darum, die Todten zu begraben und die Gefangenen auszuwechseln. Doch war es dem Ratli auch darum zu tbun, Zeit zu gewinnen, weil die Ankunft der Franzosen nahe bevorstand. Der Graf Münnich gestattete zwar die Begrabung der Todten und willigte endlich auch in die Aus- wechslung der Gefangenen, die am 14. stattfand*), liess sich aber sonst auf nichts ein. Mit der grössten Energie suchte er die erhaltene Schlappe zu verwischen. Er hatte sofort die ausserhalb stehenden Detachements eingezogen % sowie nach Warschau zur Beschleunigung der Ankunft der verheisseuen Truppen geschickt, und als er die Ankunft der Franzosen, welche am 10. auf der Danziger Rhede anlangten, erfuhr, befahl er, alle Dörfer am Strande einzuäschern, um ihnen eine Unterkunft zu benehmen. Er liess Seile über die Weichsel spannen, um die Kommunika- tion mit der Stadt völlig abzuschneiden. Die Sommei^chanze wurde durch eine Brücke über die Laake mit dem russischen Retranchement verbunden und umgebaut. Der Eingang, der bisher nach der Seite von Weichselmünde lag, wurde auf die entgegengesetzte Seite verlegt. Das Retranchement selbst wurde verstärkt, am Strande mit zwei hohen, starken Reduten (Nr. 31) versehen, auch eine Kommunikation von Heubude mit dem Re- tranchement durch dMi zwischenliegenden Sumpf hergestellt. Dabei ruhte man gegen die Stadt nicht. Am 14. erreichte die gegen den Bischofsberg ausgehobene Kontravallation in ihrem allmählichen Vorschreiten gegen Schidlitz zum Anschluss an die- jenige des Hagelsberges die Höhe des Stolzenberges*), wo- durch man sich eines vortheilhaften Postens bemächtigte.

Die Franzosen, welche am 11. gelandet waren*) und in

') Der Austaasch fand bei der Kapelle Jerusalem (q) statt. Die Stadt übergab 45 Gefangene, die mit neuer Kleidung, Geld und Brot versehen waren. Die gefangenen städtischen Soldaten wurden dagegen in einem elenden Zu- stande ttberliefert.

') Der General Sagraiski traf mit seinen Dragoner -Regimentern und Kosacken bereits am 10. ein.

■) Ordentl. Tagesreg. S. 589.

*) Hoburg lässt S. 194 die Franzosen erst am 12. auf der Rhede ein- treffen, obgleich er ein Schreiben des Grafen Münnich von diesem Tage an-

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Weichselmünde Unterkunft suchten, fanden hier nur den Raum zwischen dem äussern und innern Graben disponibel und zogen es vor, auf der Westerplatte ein Lager aufzuschlagen. Sie be- standen aus den beiden Regimentern Perigord und Blaisois, zu- sammen gegen 1500 Mann stark, unter dem Befehl des Generals de la Motte Perouse. Ein drittes Regiment, de la Marche, wurde noch erwartet. Da der General bei seiner Schwäche es aufgab, nach Danzig durchzudringen, zog er es vor, nach Kopenhagen zurückzufahren, um das dritte Regiment zu er- warten und sich reichlicher mit Lebensmitteln zu versehen. Er schiflFte sich dalier am 14. wieder ein ^).

Der Unwille darüber in Danzig war gross, da man die nähern Umstände nicht kannte. Das Bombardement hatte die Bürger nach und nach doch mürbe gemacht, häufige Feuers- brünste Hessen sie nicht zur Ruhe kommen und der Preis der Lebensmittel wai* um das sechsfache gestiegen. Auch kamen die aus ihrem Besitzthum vertriebenen Bewohner der Nehrung zu tausenden vor dem Langgartener Thor an und baten um Lebensmittel und Obdach. Dabei war die Kommunikation mit Weichselmünde nun wirklich abgeschnitten. Ein Prahmen der Stadt kam am 12. nur bis zur Winterschanze und ein anderer wurde am folgenden Tage schon bei Schellmühl zurückgewiesen. Ein Ausfall am 16. mit 200 bis 300 Mann gegen den neuen russischen Posten bei Stolzenberg blieb ohne Erfolg.

Der Graf Münnich hatte sich am 15. nach der Nehrung begehen, um die Arbeiten zu besichtigen, und fand sie genü- gend vorgeschritten, um gegen jeden Angritf gesichert zu sein ^). Bei Heubude war eine Sperrung der Weichsel beabsichtigt, zu welchem Zweck alle Säcke auf dem Werder eingezogen worden waren. Er verordnete die Anlage einer neuen Redute auf dem linken Weichselufer der Winterschanze gegenüber (Nr. 27), welche den 18. begonnen wurde. Einige Tage darauf wurde

führt, wonach er auf eine Vorstellung der Stadt, mit den Zerstörungen der Dörfer auf der Nebmng einzuhalten, dies von der Bedingung abhängig macht, das.s sich die Franzosen wieder einschiffen.

'-) Ordentl. Tagesreg. S 589. Hoburg lässt ihn S. 194 am 16. wieder abgehn, wobei er sich auf einen Ordn.-Rec. vom 13. (!) beruft.

*) Es war also auch hier eine Koutravanationslinie geschaffen.

3*

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ein Retranchement von hier nach dem neuen Graben am Sasper- see gezogen und mit einer zweiten Redute (Nr. 26) verstärkt^), so dass der Raum zwischen der Weichsel und dem Saspersee gegen Weichselmünde hin gesperrt war. In Schidlitz und Aller Engeln schritten die Arbeiten weiter vor. Die Einwohner von Stolzenberg wurden am 18. angewiesen, ihre Häuser zu ver- lassen. Die Russen legten hier eine Batterie (Sandbatterie) von 4 Kanonen (Nr. 21) sowie noch 2 Reduten an. Eine Kom- munikation mit der Attacke von Schidlitz wurde vorläufig durch spanische Reiter hergestellt, ein neuer Ausfall der Danziger am 3. Juli mit einem Verlust von 8 Todten zurückgeschlagen *). Der Graf Münnich erliess unter diesen Umständen eine neue Aufforderung an die Stadt. Der Rath nahm die Gelegen- heit wahr, einen Waffenstillstand zu beantragen, weil, wie er sagte, die Ordnungen, deren Zustimmung er bedurfte, bei dem fortdauernden Bombardement nicht zusammen zu bringen wären. Die Unterhandlungen darüber gingen mehrere Tage fort, bis es dem Herrn von Brand, welcher seit dem 18. wieder im russischen Hauptquartier verweilte, gelang, einen 48 stündigen Waffenstillstand vom 22. bis zum 24. herbeizuführen. Er be- gab sich mit dem Herrn von Grumbkow, der mit ihm angekommen war, nach Danzig und theilte dem Rathe mit, dass sie nur ge- kommen wären, um der Stadt günstige Kapitulationsbedingungen zu verschaffen und machte auf die nachtheiligen Folgen eines längern Widerstandes aufmerksam. Die Aufhebung des Ver- botes inbetreff der Passage der russischen Artillerie habe preussischerseits schliesslich stattfinden müssen, um nicht Feind- seligkeiten herbeizuführen. Auch sei den Polen gleiche Frei- heit bewilligt worden, jedenfalls habe die Stadt gegen 4 Wochen

^) Ordentl. Tagesreg. S. 592. Das Retranchement wird ganz richtig Circumvallation genannt. Hobarg bezieht diese Arbeiten nur auf Redute 27.

») Ord. Tagesreg. S. 589. Hoburg hat die Bedeutung der Festsetzung der Rassen auf dem Stolzenberge, und dass die russische Kontravallation da- mit geschlossen wurde, gar nicht erkannt und erwähnt S. 196 nur ganz neben- bei einige Ausfölle gegen den Stolzenberg. Auch von der Batterie, welche die Sandbatterie genannt wurde, wohl weil sie dem Bastion Sandgrube gegen- über lag, weiss er nichts. Das Datum des zweiten Ausfalles giebt der „kurze Auszug" an. Die Russen sollen dabei 100 Todte gehabt haben.

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Aufschub dadurch gewonnen. Die Danziger konnten sich jedoch nicht entschliessen, den König Stanislaus fortzuschicken. Die Bürgerschaft stand durch Bestechungen und Versprechungen aller Art zu sehr unter dem Einäuss des französischen Gesandten. Die preussischen Abgeordneten hatten auch eine Audienz beim Könige Stanislaus, dem sie ganz unverblümt vorhielten, dass er die Stadt nicht in seinem, sondern in französischem Interesse ruinire, da seine Sache doch hoffnungslos verloren sei. Sie riethen ihm, die Stadt zu verlassen. Die preussischen Beamten verliessen endlich die Stadt, ohne zu einem Resultat gekommen zu sein, und das Bombardement begann am Abend des 24. von neuem ^).

Der General de la Motte war am 19. in Kopenhagen ein- getroffen, wo er das Regiment de la Marche mit 3 Schiffen vorfand. Die 3 Regimenter zählten zusammen 2400 Mann. Der französische Gesandte am dänischen Hof, Graf Plelo, be- trieb sehr eifrig die Rückkehr der Truppen nach Danzig und schloss sich ihnen persönlich an. Sie langten am 23. nach- mittags auf der Rhode von Danzig an und bezogen trotz des Waffenstillstandes ein Zeltlager auf der Westerplatte, das sie stark verschanzten.

Der Graf Münnich hatte nicht sobald Nachricht von der Ankunft der Franzosen erhalten, als er einen Expressen an den Herzog von Weissenfeis schickte , der am 24. in Schöneck, einen Tagemarsch von Danzig, eingetroffen war und daselbst den 25. einen Ruhetag halten wollte, damit er schleunigst her- beieilte. Der General Knäs Urussow, welcher bis dahin in dem für die Sachsen bestimmten Langfuhr mit 3 Dragoner-Regi- mentern lag, wurde noch am 24. nach Heubude gesendet.

Am 25. war ein kleines Fahrzeug mit Depeschen des fran- zösischen Gesandten de Monti^) glücklich nach Weichselmünde gelangt *) und brachte für den General de la Motte den Befehl,

*) Hoburg S. 195.

*) Die Stftdt war durch Raketen vou der Ankunft der Franzosen be- nachrichtigt worden.

') Ein Fischer schwamm dem Fahnseuge voraus und hieb das ausge- spannte Seil durch. Er erhielt dafür vom Könige einige Dukaten. Accorate Nachricht S. 73.

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am 27. die Russen vor Weichselmlinde anzugreifen und sich nach Danzig durchzuschlagen. Von der Stadt aus würden ihm Truppen entgegenkommen.

In der That erhielt der Graf Mönnich an diesem Tage schon um 8 Uhr morgens die Nachricht, dass die Franzosen durch Weichselmünde debuchiren. Der Graf war noch am 26. auf der Nehrung gewesen und konnte über einen Angriff des Feindes völlig beruhigt sein. Er sendete den Befehl an Urussow, mit seinen 3 Regimentern nach dem Lager bei Weichselmünde zu marschiren und gab dem Generaladjutanten Stoffel den Auftrag, die russischen Reduten an der Laake und das Lager bei Heu- bude gegen einen Anfall der Danziger Garnison zu sichern.

Die Franzosen waren um 7 Uhr durch Weichselmünde gerückt und sendeten eine Abtheilung von 250 Mann, 'worunter die 100 Schweden der Besatzung, zu einem Scheinangriff gegen den rechten russischen Flügel voraus. Ihnen folgte das Re- giment P6rigord als Avantgarde, das Regiment Blaisois als Gros, und das de la Marche als Arrieregarde.

Die Franzosen hatten das Terrain und die feindlichen Ver- schanzungen nicht rekognoscirt. Sie ttberliessen sich der Füh- rung des Obersten von Stackeiberg, der das vor den nissischen Verschanzungen liegende sumpfige Terrain als passirbar be- zeichnete. Dies war jedoch infolge eines Naclitregens durch- aus nicht der Fall. Der Sumpf, welcher sich nach dem Plane von Puffendorf vom Jahre 1656 als eine zusammenhängende Fläche darstellt, bestand zur Zeit der Belagerung von 1734 aus zwei von Norden parallel mit einander laufenden Sumpfstrecken, die an das Glacis von Weichselmünde an dessen Südweststrecke herantraten und hier mit einander verbunden waren. Doch führten an dieser Stelle Brücken hinüber. Die Franzosen ge- langten mit Hilfe derselben in den Raum zwischen beiden Sümpfen und gingen direkt auf das Retranchement los.

Hinter dem linken Flügel desselben am Ende des west- lichen Sumpfes hatten das Twersche und Permsche Dragoner- Regiment zu 5 Eskdr. und das Bielowsche Infanterie-Regiment zu 2 Bataillonen Stellung genommen. Zwischen den beiden Sümpfen stand das Welikoluksche und Smolenskische Infanterie- Regiment, hinter dem rechten Fliigel das Tobolsche und Peters-

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burgische Dragoner- Regiment, jenes 5, dieses 2 Eskdr. stark, am Strande das Olonitsche Dragoner - Regiment zu 5 Eskdr. und 120 Kosacken ').

Da die Franzosen infolge der Sümpfe sich nicht ausbreiten konnten, waren sie dem umfassenden Artilleriefeuer der Russen ausgesetzt. Trotzdem drangen sie mit grosser Todesverachtung vor, stiessen nun aber vor der russischen Verschanzung auf einen dichten Verhau. Ein Wegräumen desselben erwies sich im feindlichen Feuer unmöglich, sie überstiegen ihn daher, wo- bei sie indessen in Unordnung geriethen. Sie waren bisher nur von Geschützen beschossen worden. Die Infanterie und die abgesessenen Dragoner hielten ihr Feuer an sich. Die Fran- zosen machten unter den gegebenen Umständen von ihrem Feuer gar keinen Gebrauch. Nur die Kanonen von Weichselmünde blieben in Thätigkeit. Als nun aber auf 15 Schritt Enfernung von den Schanzen das Massenfeuer der russischen Infanterie begann, war kein Halten mehr. Die Franzosen stürzten den- selben Weg, den sie gekommen, unaufhaltsam zurück. Die Regimenter Blaisois und de la Marche. welche hinter Perigord folgten, wurden mit fortgerissen. Dem Feuer der Russen aus- gesetzt, war der Verlust auf der Flucht grösser als b.eim Vor- marsch. Derselbe wird auf 300 bis 500 Mann angegeben. 160 Todte blieben auf dem Platze, unter ihnen der Graf Plelo. Er soll von einem französischen Offizier auf dem Rückzuge todtgeschossen worden sein, dem er im Gefecht Feigheit vor- geworfen hatte *). Die Russen verloren 1 Offlz. 7 Gemeine todt, die Obersten von Leslie und Gripanow, 1 Lieutenant und 12 Gemeine verwundet.

700 Mann der Danziger Garnison, welche die Russen im Rücken angreifen sollten und zu dem Zweck in der Nacht zum

') Ordeutl. Tagesreg. Plan desselben. Uebereinstiramend damit der Be- richt des Lieutenants v. Reinhard vom Regiment Platen Dragoner im König!, geheimen Staatsarchiv. Hoburg, neue preuss. Provinzial-Blätter. 3. Folge. Bd. 8, S. 73.

^ Eine andre Version, dass Graf Plelo mit 15 Wunden bedeckt gewesen sei, widerlegt das „vollst. Jumal^, das sie bringt, am Schluss selbst. Trotz- dem hat sie Hoburg aufgenommen. Ein Handgemenge hat aber gar nicht stattgehabt.

^

27. uacli dem Holm übergeschifit worden waren, fanden in dem aufgeweichten Terrain so viele Schwierigkeiten, dass sie nicht vorwärts kamen. Eine Unzahl Gräben veisperrte ausserdem den Weg, so dass sie nicht zum Aufmarsch gelangten. Dabei wurden sie von den russischen Schanzen unaufhörlich beschossen. Es genügte die Annäherung des Generals Urussow, der gegen sie geschickt wurde, um sie zur Umkehr zu bestimmen.

5. Anlraxift der Sachsen und der mssischen Verstärkungen.

Der misslungene Angriff vom 27. war um so entscheidender für den weiteren Verlauf der Dinge, als am 25. und 26. die Sachsen und schon vorher die von Warschau erwarteten rus- sischen Verstärkungen unter Gen. Lubrasch angelangt waren. Die Stärke der Sachsen unter dem Herzoge Johann Adolf von Sachsen- Weissenf eis wird auf 8 Bataillone, 20 Eskadr., gegen 8000 Mann, angegeben ^), so dass man die alliirte Armee Ende Mai auf 40000 Mann veranschlagen kann. Die russische Infanterie war auf 27 Weichselkähneu befördert worden, wäh- rend die Kavallerie den Landweg einschlug. Ausserdem stand die Ankunft einer russischen Flotte bevor, die auch eine Ver- stärkung an Geschützen mit sich führen sollte. Der Graf Mün- lüch sendete daher den Flügeladjutanten Jakaschkin nach Pillau, um die nöthigeu Vorbereitungen zur Ausschiffung derselben zu treffen, und Hess den Weg von Käsmark nach Ohra ausbessern.

Der Herzog von Weissenfeis nahm sein Hauptquartier in Langfuhr und erhielt mit seinen Truppen die Fortführung des Angriffs gegen das Olivaer Thor und den Hagelsberg, sowie die Besetzung des linken Weichselufers zur Aufgabe. Die Russen sollten den Angriff gegen den Bischofsberg und von

^) Nach dem voUätändigen Jamal waren es 10 BataiUone, 21 Eskadrons. Dasselbe giebt die Stärke der Russen anf 6000 au, von denen 2000 nach Weichselmünde gesendet wurden, lässt dann, wie bereits bemerkt, am 29. die Nachricht eintreffen, dass noch weitere 9000 anlangen würden. Die Ankunft der erstem setzt es auf den 18., während das ordentl. Tagesreg. sich nicht genau darüber ausspricht. Ueber einen zweiten Transport spricht sich letzteres zwar nicht aus, sagt aber untenn 15. Juni (S. 610), dass der Herzog von Weissenfeis gelegentlich seiner Anwesenheit in Ohra die rass. Regimenter be- sichtigt hätte, welche unlängst von Warschau angekommen wären.

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Heabude gegen die Stadt weiterführen nnd das rechte Weichsel- ufer besetzen. In der Nacht zum 29. lösten 900 sächsische Musketiere die Bussen in den zugewiesenen Rayons ab.

Die Arbeiten auf den 4 Attacken, wie man sie nannte, gegen das Olivaerthor, gegen den Hagelsberg, den Bischofsberg und von Heubnde') waren inzwischen unausgesetzt fortgetzt worden und das Bombardement unaufhörlich im Werke. Es waren 7 Batterien mit 28 Kanonen und 2 Kessel mit 2 sächsischen und 4 russischen schweren Mörsern in Thätigkeit'). Die Attacke auf dem rechten Weichselufer war dein Ganskruge gegenüber ende Mai so weit vorgeschritten, dass man hoffen durfte, von hier ans Langgarten nnd die Speicher beschiessen zu können. Zu gleichem Zweck wurde von Schottland aus eine Batterie gegen die Mottlau vorgeschoben und daselbst eine Redute erbaut. Die Geschütze (8 eiserne Kanonen) sollen aus Elbing gekommen sein und wurden von Sachsen bedient'). Die Entfernung war jedoch immer noch über 2000 Schritt. Die Bewerfung von Langgarten mit Mörsern hatte mau aufgeben müssen, weil die Bulben bei der grossen Entfernung alle in der Luft krepirten *).

') Die Änkanf t der rassischen Verstärkungen und der Sachsen, sowie die iu naher Aussicht stehende Ankunft des rassischen Beiagerangstrains aus PUIau drängten dazu, zum förmlichen Angriff überzugehen; doch scheint ein von Petersburg eingegangener Befehl, die Stadt nicht länger zu schonen, den Grafen Münnich bestimmt zu haben, das Bombardement vorzuziehen. Ord. Tagesreg. S. 600. Da indessen Mangel an Munition eintrat, wurden seit an- fang Juni die Arbeiten auf allen Attacken mehr vorgetrieben, „um'', wie sich da« ordentl. Tagesreg S. 606 ausdrückt, „nach Ankunft einiger Kanonen und Mörser, welche die rassische Flotte zu Pillau ausgeladen, den Belagerten zu Wasser und zu Lande desto nachdrücklicher zuzusetzen.'' Es war also auch hier das Bombardement, was man vor Augen hatte. Man woUte die Batterien nur näher an die Stadt bringen.

>) Ord. Tagesreg. S. 606. Etwas später (12. Juni) giebt das vollständige Jurnal, wie bereits angeführt, ziemlich dieselbe Zahl an, statt der 6 Mörser aber 6 Mörserbatterien.

*) Ordentl. Tagesreg. S. 603. Die Batterie ist auf dem Plan desselben nicht eingezeichnet.

'*) Vollständiges Jnraal unterm 19. Mai. Der Graf Münnich plante in dieser Zeit ein stärkeres Bombardement gegen die Niederstadt und erliess eine neue Anfforderang an die in Danzig befindlichen fremden Kaufleute und Faktors, die Stadt zu verlassen und ihre Effekten zu retten. Ordentliches Tajgesreg. S. 600,

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Die Sachsen arbeiteten vornehmlich au Verstärkung der Circumvallation von der Weichsel ^) bis Neu- Schottland und ver- längerten dieselbe bis zum Dorfe Striess. Die sehr ausge- setzten Laufgräben vor dem Olivaer Thor wurden bis auf 12 Fuss vertieft.

Eine grosse Sorge beschäftigte die Führer der alliirten Armee, nämlich die Herstellung einer Brücke über die Weichsel zur Verbindung der durch diesen Strom getrennten Heeresabthei- lungen. Die Notliwendigkeit davon war vsclion längst anerkannt worden, hatte aber bei den geringen Kräften, über die der Graf Münnich bisher verfügte, hinausgeschoben werden müssen. Das Unternehmen blieb auch jetzt sehr schwierig. Wo man die Brücke oberhalb Weichselmünde auch hinlegen mochte, sie befand sich stets unterm feindlichen Feuer, indem die Entfernung von der Herrn- schanze bis Weichselmünde nur 3000 Schritt betrug. Da die Herrn-, Vorder- und kleine Kalkschanze jedoch nur mit kleinen Kalibern ausgerüstet waren, entschloss man sich, die Brücke der Winterschanze gegenüber anzulegen und ging sofort an die Arbeit*). Die Boote dazu waren bald herangeschafft, indem man 24 dergleichen am Seestrande bis Koliepken hin auftrieb. Die Schwierigkeit lag in den Zugängen, da auf beiden Seiten der Weichsel sich ausgedehnte Sumpfstrecken ausbreiteten, über welche Dämme geführt werden mussten. Man arbeitete den ganzen Monat Juni daran und als man endlich damit fertig war, erlaubte die Uebergabe von Weichselmünde, die Brücke in der Nähe des Forts zu erbauen, wozu man alsbald überging. Das Retranchement gegenüber der Winterschanze war mit einer Batterie (Nr. 32) von 4 Kanonen zum Schutz des Baues ver- sehn worden^).

Der Herzog von Weissenfcls entwickelte eine ausserordent- liche Thätigkeit. Am Tage rekognoscirte er die Umgegend zu Pferde, in der Nacht war er bis 12 Uhr in den Laufgräben zu finden. Am 31. \vurde die Herstellung eines Retranchements

*) Gegenüber der Winterschaiize wurde am 29. die neue Redute fertig- gestellt und das Epaulement daneben verlängert. «) Ordentl. Tagesreg. 8. 602. ») Ebenda S. 603. 31. Mai.

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zwischen dem Saspersee und dem Strand (N. 33) beschlossen und alsbald in Angriff genommen. Alle disponiblen nicht auf Arbeit oder Wache befindlichen Mannschaften, selbst die der Kavallerie, wurden zur Anfertigung von Faschinen und Schanzkörben ver- wendet.

Zuweilen gelang es einem Danziger Schiff, nach Weichsel- münde durchzudringen. Auch zu Lande gelang es einzelnen Per- sonen, die Stadt zu erreichen, so zur grossen Freude des Königs Stanislaus dem General Steinpflicht.

Die Franzosen waren durch den Echec vom 27. Mai völlig eingeschüchtert. Sie lagerten auf der Westerplatte und ver- schanzten sich hier. Eine Aufforderung des Marquis de Monti, auf der Weichsel Danzig zu erreichen, blieb völlig unberück- sichtigt. Der General de la Motte dachte nur noch an die Einschiffung, wozu der Mangel an allen Bedürfnissen und die grosse Zahl von Verwundeten, zu deren Wartung nicht mehr wie alles fehlte, allerdings aufforderten. Er stellte dies am 3. Juni dem Könige Stanislaus in einem Schreiben vor, das in einem von 1 Offizier und 30 Mann besetzten Boote glücklich nach Danzig durchdrang. Er forderte darin den König auf, die Stadt zu verlassen und auf den französischen Schiffen nach Frankreich zurückzukehren. Der Marquis antwortete im Namen des Königs, dass sich der General mit seinen Truppen nach Danzig zu begeben habe und drohte mit starker Strafe, wenn er sich ohne Erlaubniss entfernen würde').

Inzwischen arbeiteten die Russen und Sachsen immer noch an den Attacken von Heubude, gegen den Bischofs- und Ha- gelsberg und gegen das Olivaer Thor. Die Russen bemächtigten sich eines vortheilhaften Postens in der Nähe des Bischofs-

') Hoburg (S. 199), dem ich das in der Voraussetznng entnehme, dass er eine archivalische Quelle benutzt hat, scheint damit eine Mittheilung der ^accuraten Nachricht'' kombiuirt zu haben, wonach die mehrerwähntc Dan- ziger Schute^ welche am 29. Mai, obgleich stark beschossen, noch einmal Weichselmünde erreicht und auf dem Rückwege 1 Ingenieurofficier und 30 franz. Artilleristen mitgeführt hat. Accurate Nachricht S. 86. Noch in der Nacht vom 11. zum 12. Juli kam ein kleines Schiff von Danzig nach Weichsel- münde durch, während andre am 7. und 10. Juli hatten umkehren müssen. Ordeutl. Tagesreg. S. 607,

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berges. Die Kontravallation gegen den Bischofsberg war in den Tagen vom 25. bis zum 31 . Mai um 600 Schritt nach Norden ver- längert worden, sodass der Anschluss an die gegen den Hagelsberg erreicht war*). Da die Russen sich am Kloster der barmher- zigen Bruder festzusetzen suchten, steckten es die Danziger in Brand. Die Mottlauische Gasse, welche dahin führte, war schon vorher abgebrannt worden. Die Sachsen näherten sich Juni, mit ihren Laufgräben dem Hagelsberge. Am 7. Juni langte die russische Flotte in Pillau an und brachte auf 4 Transport- schiffen gegen 30 ganze Karthaunen und 15 Mörser grossen Kalibers mit *), die sofort nach Käsmark weiterbefördert wurden. Die Flotte selbst hielt sich in Pillau nicht auf und machte Jagd auf die französischen Schiffe, welche die Rhede von Dan- zig unter Zurttcklassung einer Fregatte, welche im Hafen Schutz suchte, verlassen hatten. Am 6. Juni langte ein in Stockholm auf Kosten Danzigs erbauter und ausgerüsteter Hucker in Weichselmünde an, der durch seine flache Bauart ein Befahren der Weichsel gestattete. Er war mit 8 Geschützen ausgerüstet und mit einer soliden Schanzbekleidung versehn, so dass man hoffte, sich durch ihn in den Besitz der Sommerschanze und des Holms zu setzen*). Wie es scheint, armirten die Danziger zur Begünstigung des Augriffs auch die Herrnschanze stärker, wenigstens wurde von dieser und der kleinen Kalkschanze das sächsische Lager bei Langfuhr stark beschossen, so dass es in der Nacht vom 11. zum 12. weiter zurück verlegt werden musste. Eine Beschiessuug der Sommerschanze durch den Hucker am 12. blieb ohne Erfolg, da er zu weit abblieb und bald wieder zurückging. Die Russen schlössen infolge dessen die Weichsel mit Ketten und starken Bäumen, so dass die Verbindung mit Weichselmünde völlig aufgehoben war.

>) Ordeutl. Tagesreg. S. 603.

«) Nachdem vollständigen Jamal waren es 20-24 pfändige, 20-18 pfdg. broncene Kanonen, 2— 360pfdg., 12-200pfdg., l0-6pfdg. broncene Mörser, 10,615— 24 pfdg., 9706— 18 pfdg. Kugeln, 500— 24 pfdg., 509— 18 pfdg. Kar- tätschen, 1000- 360 pfundige, 3600— 200 pfundige Bomben, 100 Karkaaseu, 10,865— 6 pfdg. Granaten, 10,000— 3 pfdg. Handgranaten, 3496 Ctr. Pulver.

») Hoburg S. 199,

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Anbinft der rnsflisolien Flotte.

An demselben Tage langte die russische Flotte^) auf der Danziger Rliede au. Die russische Generalität begab sich am 13. auf das Admiralschilf und wurde vom Admiral Gordon mit den üblichen 17 Kanonenschüssen feierlich empfangen. Die französische Fregatte erleichterte ihre Ladung und ging die Weichsel höher hinauf.

Die Beschiessung des französischen Lagers durch die Flotte, welche geplant war, musste am 14. wegen hoher See unter- bleiben. In der Nacht zum 15. wurden die Franzosen jedoch durch zwei Bombenwürfe allaimirt und hielten dies für ein ver- abredetes Zeichen zu einem allgemeinen Angriff. Sie blieben daher die ganze Nacht unter Waffen. Kaum hatten sie sich bei Anbruch des Tages zur Euhe begeben, als ein furchtbares Beschiessetf seitens der Flotte, woran auch die Sachsen mit 4 Kanonen vom Betranchement (Nr. 33) theilnahmen, begann, das den ganzen Tag über anhielt. Die Franzosen benutzten die Geschütze des üuckers, um sie auf den Dünen zu placiren und legten in der Nacht zum 16. einige Vei-schanzungen längs des Strandes an, sowie ein geschlossenes Werk an der Nord- seite der Westerplatte. Am 16. wurde das Bombardement der Flotte fortgesetzt, am Nachmittage ging die Flotte jedoch wieder unter Segel, wahrscheinlich infolge einer Nachricht über die Annäherung der französischen Schiffe, die sich jedoch nicht bestätigte. 500 Bomben und 800 Kanonenkugeln waren ins Lager gefallen, ohne jedoch einen wesentlichen Schaden zu thun.

7. Der fönnliolie Angriff anf Weiohsehnünde.

Inzwischen war der Transport der Geschütze von Käs- mark in vollem Gange ^). Schon am 13. hatte die Stadt da-

^) Die Flotte bestand aus 14 Linienschiifen, 8 Fregatten, 2 Bombardier- Oalioten und 1 Brander. Das vollst Jumal giebt die Namen der einzelnen Schiffe an.

*) Hobnrg sagt merkwürdigerweise S. 200, die Geschütze seien am 14. von der Flotte ausgeladen worden.

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ranter zu leiden. Das Bombardement, welches seit ende Mai *) wegen Mangel an Munition nur SL»hr schwach gewesen war und seit dem S.Juni fast ganz geschwiegen hatte, belebte sich wieder. Am 15. flog ein Pulvermagazin in der Nähe des Bastions Elisabeth, wo sich das Laboratorium befand, in die Luft und verbreitete nicht geringen Schrecken, doch wurde der Ausbreitung des Feuers gesteuert*). Jedoch niclit gegen die Stadt sollte der Hauptstoss ausgeführt werden. Um die Gegen- wart der Flotte völlig auszunutzen, erschien es am zweck- mässigsten, die Hauptkräfte auf Weichselmünde zu kon- centriren. Es wurde daher der förmliche Angriff gegen dasselbe auf beiden Seiten der Weichsel beschlossen und mit Ausnahme des Bombardements die weitern Massregeln gegen die Stadt ganz fallen gelassen'). Die Sachsen erhielten am 16. zum Angriff der Westschanze^ eine Ver- stärkung von 1300 Russen*). Der Graf Mtinnich begab sich am 17. bis auf weiteres nach Heubude, um die Vorbereitungen zu beendigen und in der Nähe der Arbeiten zu sein. Die Dämme zur beabsichtigten Brücke waren zu dieser Zeit ziem- lich beendigt, das Retranchement der Sachsen zwischen dem Saspersee und dem Strande, welches schon am 9. aus dem rohen herausgearbeitet war, war in der Nacht vom 15. zum 16. völlig zu Stande gekommen^).

') Nach der BombentabeUe im Anhange der acciiraten Nachricht war das Bombardement vom 6. bis 20. Mai am stärksten. Es fielen täglich 100 bis 150 Bomben in die Stadt, vorherrschend in der Nacht. Am 9. Mai wurden 79 am Tage und 135 in der Nacht in die Stadt geworfen.

*) An demselben Tage abends 9 Uhr flog auch in Weichselmünde infolge des Bombardements der Flotte ein Magazin mit 50 bis 60 Handgranaten in die Luft, ohne jedoch Schaden zu thun.

') Wir erfahren das durch eine ganz beilänfige Bemerkung im „ordent- lichen Tagesregister " S. 623, wonach die Trancheearbeiten vor der Stadt, welche während der Belagerung von Weichselmtinde aufgehört hatten, in der Nacht vom 27. zum 28. wieder aufgenommen wurden. Vgl. auch „accurate Nachricht'' S. 123.

*) Ord. Tagesr. S. 611. Wie es scheint, waren diese eben von Warschau eingetroffen und sind wohl dieselben, die der Herzog von Weissenfeis in Ohra besichtigt hatte.

*) Ebenda.

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Am 17. abends 10 Uhr wurde von ihnen in der Ent- fernung von nur 200 Schritt eine Parallele gegen die West- schanze mit 1000 Mann Arbeitern ausgehoben *). Obgleich die Arbeit entdeckt wurde, zählte man nur 6 Verwundete. Die Kommunikation der Parallele nach rückwärts wurde den folgen- den Tag hergestellt.

Am 18. abends wurde auch die Parallele gegen Weichselmünde auf dem rechten Weichselufer in der Nähe vom Glacis eröffnet. Die Franzosen, welche einen Ausfall dagegen versuchten, wurden zurückgewiesen. Die Sachsen nahmen in dieser Nacht Besitz vom Ballastkruge (Nr. 35), den die Franzosen vergeblich in Brand zu stecken suchten.

Nachdem die russische Flotte am 19. zurückgekehrt war, forderte der Graf Münnich die Franzosen zum Niederlegen der Waflfen auf. Die Lage derselben war völlig unhaltbar geworden. Auf eine öde Sandscholle verpflanzt, von allen Seiten eng ein- geschlossen und beschossen, waren auch die letzten Ressourcen zu ihrer Unterhaltung ausgegangen. Der General de la Motte bat am 20. um Einstellung der Feindseligkeiten, um zwei Ofliciere an den König Stanislaus zu schicken. Der Graf Münnich hatte nichts dagegen und bewilligte einen dreitägigen Waffenstillstand zu dem Zweck, behielt sich aber die Fort- führung der Belagerungsarbeiten während desselben vor. Weichselmünde wurde in den Waffenstillstand eingeschlossen*).

8. Eapitnlation der Franzosen.

Am 21. wurde vor dem Könige Stanislaus in Gegenwart des französischen Gesandten mit den abgeordneten Officieren über die zu nehmenden Massregeln lebhaft dcbattirt. Der Marquis drang darauf, dass der Versuch gemacht würde, nach Danzig zu kommen, und obgleich die beiden Ofßciere das Zweck- lose dieses Unternehmens beredt darstellten, blieb er dabei und machte den General de la Motte für alle Folgen verantwort-

*) Ebenda S. 612. *) Ebenda.

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lieh. Der König hatte nichts als Thränen*). Nach Rückkehr der Officiere verhandelte der General de la Motte am 23. durch 3 an den Grafen Münnich gesendete Officiere wegen einer Kapitulation, die am folgenden Tage zustande kam. Die Franzosen sollten mit allen militairischen Ehren aus dem Lager ziehen, kompagnieweise an den Bord der russischen Flotte ge- bracht werden, wo ihnen die Waffen bis zu ihrer Entlassung abgenommen werden sollten. Der Ort, wo diese geschehen sollte, war in der Kapitulation nicht ausgesprochen, der Graf Münnich verwies sie in dieser Beziehung an den Admiral. Sie hofften nach Kopenhagen übergeführt zu werden und von hier auf französischen Schiffen nach Frankreich zurückzukehren. Ihre Einschiffung erfolgte am 27. Juni *). Sie waren noch von einer Stärke von 150 Offlcicren, 102 Unterofflcieren und 1684 Ge- meinen, Während des Waffenstillstandes vom 19. bis 22. waren die Angriffsarbeiten der Russen gegen Weichselmünde und der Sachsen gegen die Westschanze ununterbrochen weiter geführt worden. Letztere hatten die Parallele bis an den Ballastkrug verlängert und daselbst eine Redute erbaut. Auch nach rechts hin war die Parallele verlängert und mit einer Redute ver- sehen worden. Ebenso wurden die Approchen nach rückwärts ausgebaut. Der Ballastkrug wurde nach Abtragung des oberen Stockwerks zu einem Blockhaus (Kaponiero in den Berichten genannt) umgeformt und eine Batterie zu 8 Kanonen eirichtet *). Auf bitten des Hauptmanns Patzer, der noch keine Antwort von der Stadt hatte, wurde der Waffenstillstand um 48 Stunden verlängert. Die Sachsen benutzten sofort die Gelegenheit, mit einem Boyau von 400 Schritt Länge vom rechten Flügel der Parallele bis zur Weichsel vorzugehen. In gleicher Weise

») Hoburg S. 202.

*) Anstatt nach Kopenhagen wurden sie nach Kronstadt Ubergeschifft, weil, wie ein Manifest der Kaiserin Anna vom 5. Juli erklärte, die f raneösische Flotte ohne Kriegserklftmng am 30. Mai eine russische Fregatte und 3 andre Schiffe genommen hatte. Bevor dieselben niclit ziirückgeliefert würden, sollten die Franzosen als Gefangene betrachtet werden. Sie wurden von Kronstadt nach Livland Übergeführt, von wo sie erst am 5. December nach Zurücker- stattung der Fregatte durch französische Transportschiffe abgeholt wurden.

3) Ordentl. Ti\gesrüg. S. 612.

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hatten sich die Russen gegen Weicbselmünde verhalten und sich auf dem Glacis festgesetzt.

Der Oberst von Stackeiberg hatte sich nach der Kapitulation der Franzosen mit der Bitte an den Grafen Munnich gewendet, für sich und die in Weichselmünde befind- lichen Schweden gleich den Franzosen freien Abzug und die nöthigen Pässe zur Ueberfahrt nach Schweden zu erhalten. Es wurde ohne weiteres gewährt.

In der Stadt und in Weichselmtinde war indessen die Lage verzweifelt geworden. In der Stadt war namentlich das Geld ausgegangen, nm die Garnison zu bezahlen. ' Diese nahm monatlich 80000 Gulden in Anspruch. Der in Schweden er- baute Hucker hatte allein 40000 Gulden gekostet. Der Eath wandte sich an den französischen Gesandten, der aber auch von allen Mitteln entblösst war. Er hatte monatlich 16000 Dukaten für Wachgelder und zur Unterstützung der im Dienst befindlichen jungen Mannschaft der Gewerke ausgegeben. Schliesslich übernahm er jedoch die Kosten für den Hucker. Dazu hatte sich die Stellung des Raths zur Gemeinde sehr übel gestaltet. Die grosse Menge war durch französisches Geld für die Fortsetzung der Vertheidigung gewonnen worden, während der Rath und alle einsichtigen Bürger den Frieden herbeiwünschten. Es herrschte daher das grösste Misstrauen zwischen Rath und den Bürgern, derartig, dass letztere durch eine besondere Bürgerwache von 10 Mann die Aus- und Ein- gehenden am Langgartenthor (der Graf Münnich befand sich zu Heubude) beobachten Hessen. Dabei wurden, wie schon im ganzen Verlauf der Belagerung, vom französischen Gesandten die wunderbarsten Gerüchte verbreitet und von der Menge geglaubt. Die Besorgnisse wegen Weichselmünde, mit dem man die Verbindung verloren hatte, steigerte die Spannung. Als dann ein Offizier der dortigen Garnison mit den beiden franzö- sischen Offizieren, welche an den König Stanislaus abgesendet waren, anlangte und den Zustand dort in den schwärzesten Farben malte, wurde die Niedergeschlagenheit allgemein. Er^) erzählte, wie der Hauptmann Patzer weder die Achtung

*) Es war der Danziger Fähnrich GaUentin, dem noch ein schwedischer Comet beigegeben war.

KölUer, Ge^ichiclite der Fodtuugen Danzig und Weichsolmündc. II. 4

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der Franzosen noch der eigenen Garnison besitze. Die geringen Vorräthe mttssten mit den Franzosen getheilt werden, obgleich diese die Besatzung in keiner Weise unterstützten und nur von ihrem Abzüge sprächen. Die Disciplin wäre gänzlich untergraben *).

9. Uebergabe von Weiohaelxnfinde.

Die Garnison von Weichselmttnde war 412 Mann stark gewesen, von denen jedoch täglich eine Anzahl desertirten. Die Besatzung der Werke erforderte täglich 270 Mann, so dass die Leute nicht mehr aus den Kleidern herauskamen. Die Missstimmung der Garnison steigerte sich bei der Nachricht von den Unterhandlungen der Franzosen wegen einer Kapi- tulation und ging in offenen Aufruhr über. Die Mannschaft weigerte sich, ohne die Franzosen noch Dienste zu thuu. Und als dann deren Kapitulation abgeschlossen war und auch die noch gegen 50 Mann starken Schweden Reisepässe erhielten*), gingen die Soldaten zur offenen Widersetzlichkeit über, be- gingen Ausschreitungen aller Art, warfen die Gewehre weg und insultirten die Offleiere. Der Hauptmann Patzer ging da- her auf den Vorschlag des Oberstlieutenants v. Rechenberg, den der Herzog von Weissenfeis an ihn geschickt hatte, ein und sendete den 23. den Hauptmann Harmens und 2 Offiziere an den Grafen Münnich. Patzer selbst begab sich zum Herzog von Weissenfeis. Die Kapitulation wurde noch am 24. ab- geschlossen. Die Besatzung erhielt freien Abzug mit allen kriegerischen Ehren und unter Mitführung von 2 Kanonen. Sie huldigte dem Könige August III und wurde in die Heimath entlassen. Nach Danzig durfte sie natürlich nicht, der Stadt

») Hoburg S. 204 flf.

>) Gralath erzählt HI 445, dass der livländische Woiewode Morstyn nach der Eapitalation von Weichselmünde einen Danziger Kathsherm im Vorzimmer des Königs Stanisians in Gegenwart anderer Polen gefragt habe, was die Garnison der Münde veranlasst hätte, so plötzlich zu kapituliren. Der Raths- herr antwortete ganz gelassen : laboravit morbo gallico, worauf der Woiewode lächelnd erwiderte: Proh dolor! nos omues eodem laboramus.

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sollte selbst keine Abschrift der Kapitulation gesendet werden *). Weichselmfinde erhielt eine sächsische Besatzung ^).

Die Uebergabe von Weichselmünde brachte die Danziger Burgerschaft endlich zur Vernunft, sie war einem Friedens- schluss nicht länger abgeneigt. Der Eath nahm daher keinen Anstand, auch gegen den Wunsch des Königs Stanislaus die Vermittelung des preussischen Staatsraths von Brand und des sächsischen Ministers von Btilow zu einem Stägigen Waffen- stillstand in Anspruch zu nehmen. Der Beschluss wurde am 24. gefasst und sofort ausgeführt und schon am 25. gingen vom Grafen Münnich, der sich noch in Heubude befand, die Pässe für die Deputirten ein, die mit der Führung der Unterhand- lungen beauftragt wurden und die sich am 27. in Ohra ein- finden sollten. Den Waffenstillstand bewilligte er jedoch nicht. Der Graf gab als Grund dafür an, dass die Danziger den zu- letzt bewilligten Waffenstillstand gemissbraucht hätten, indem sie während desselben fortgearbeitet und selbst geschossen hätten. Auch seien die französischen Truppen in dieser Zeit gelandet. Das Schiessen sollte nur während der Zeit, wo die Abgeordneten sich in Ohra befänden, eingestellt werden. In der Nacht zum 28. wurden selbst die Arbeiten auf allen Attacken gegen die Stadt wieder aufgenommen*), und

') Hobnrg S. 204 ff. Der Hauptmann Patzer starb 1748 als Komman- dant von Weichselmünde. Es scheint demnach, dass ihn wenigstens in den Augen des Raths kein Vorwurf traf. Nach Familiennachrichten soU er so- gar vom Bath den geheimen Befehl erhalten haben, zu kapituliren. Nach einer andern Version hatten die Ordnungen bereits den Hauptmann Lealand zum Kommandanten ernannt, waren aber nicht in der Lage, den Beschluss nach Weichselmttnde zu kommuniciren. Gallentin und der schwedische Komet hatten dem Grafen Münnich ihr Ehrenwort geben müssen, nichts aus der Stadt mitzunehmen, was sie nicht vorzuzeigen bereit wären. Die Thatsach^, dass Patzer später noch Kommandant war, widerlegt diese Version liin- reichend.

') Die Bussen hatten nach Abschluss der Kapitulation das Thor von Weicfaselmünde besetzt, räumten es aber noch denselben Abend den Sachsen ein.

*) Ord. Tagesreg. S. 623. Accurate Nachricht S. 123. Danach hätten die Bässen nach der Flucht des Königs Stanislaus „von der Heubude jenseits der Weichsel einen neuen Graben gezogen und Batterien bis nach dem Block- haas zu aufgeworfen, um Langgarten zu beschiessen".

&^

das iBombardement war seit dem 24. heftiger als je*). Am 27. flog auf dem Hagelsberge ein Pulvermagazin in die Luft.

Der Rath von Danzig wählte aus seiner Mitte Johann Wahl und Gottfried Ferber zu Abgeordneten und gab ihnen eine besondere Instruktion, wonach sie ausser der Wahrung aller Rechte und Freiheiten der Stadt auch den freien Abzug der in Danzig befindlichen hohen Personen und der polnischen Regimenter fordern sollten. Der Graf Münnich bestand dage- gen auf Auslieferung der hohen Personen und wollte nur einen Waffenstillstand, den die Abgeordneten von neuem forderten, bewilligen, wenn ihm die Ausseuwerke oder eins der äussern Thore eingeräumt würde.

Auf Bitten des Herzogs von Sachsen -Weissenf eis , an den die Stadt noch in der Nacht einen Tambur geschickt und das Gesuch um einen Stägigen Waffenstillstand mit der Erklärung wiederholt hatte, dass sie Seine Majestät König August III als rechtmässigen König anerkenne, bewilligte der Graf Münnich am 28. einen 3tägigen Waffenstillstand unter der Bedingung, dass mit den Arbeiten fortgefahren würde. Der Waffenstill- stand wurde indess sofort wieder aufgehoben, als der Graf in Erfahrung brachte, dass die Stadt den General v. Vietinghof angewiesen habe, die Wachen dahin zu instruiren, dass sie, wenn die Russen mit der Arbeit fortfahren sollten, einen Unter- officier mit Tambur an sie schickten, um sie aufzufordern, mit der Arbeit einzuhalten, widrigenfalls Feuer gegeben werden sollte^). Das Bombardement wurde daher wieder aufge- nommen *).

10. Flucht des Zönlgs Stanislaas und Zapitulation von Danzig. Da trat ein Ereigniss ein, welches die unglückliche Lage

') Es wurden am 24. am Tage 68, in der Nacht 200 Bomben in die Stadt geworfen. Bombentafel.

') Ebenda S. 624, wo die Anweisung des Kaths wörtlich wiedergegeben ist.

®) Ebenda. Darauf bezieht sich wohl auch die Stelle der „accuraten Nachricht" S. 123, wonach um 3 Uhr morgens die Bomben wieder angestiegen kamen und zwar von sonderlicher Grösse .... So kanonirten und bom- bardirten die Bussen auch von der Heubude nach den englischen und hol- ländischen Schiffen, welche sich in der Mottlau befanden.

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der Stadt noch verschärfte. In der Nacht vom 27. zum 28. war der König Stanislaus entflohen*). Der Rath erhielt die KenntniKs davon erst am 28. nachmittags 4 Uhr und machte am 29. Mittheilung davon an den Herzog von Weissenfeis und an den Grafen Miinnich. Letzterer erhielt die Nachricht zu- erst vom Herzoge und liess sogleich alle Wege auf einige Meilen Entfernung jedoch ohne Erfolg absuchen, das Bom- bardement aber steigern, obgleich in dem Schreiben des Raths an ihn dieser seine Schuldlosigkeit an der Flucht betheuerte, dem Briefe auch ein Attest des Marquis de Mouti beilegte, worin dieser auf Ehre und Gewissen erklärte, dass die Stadt ohne alle Betheiligung an der Flucht des Königs sei.

Der Grund für eine längere Verzögerung der Uebergabe der Stadt war mit der Flucht des Königs hinfällig geworden. Die Stadt räumte daher am 30. den Sachsen das Neugarten- Thor ein^}, worauf die Feindseligkeiten eingestellt wurden.

*) Stanislaus war nach einem Plan des Marquis de Monti durch die lunndation geflohn, indem er in der Kleidung eines Bauern an der linken Flanke des Bastions Roggen den Wall überstieg und mit seinem Begleiter, dem General Steenflicht, geleitet von einem Officier der Garnison auf zwei kleineu Booten über den Stadtgraben und den Vorgraben fuhr. Der Posten auf der Flanke liess die drei Personen mit Rücksicht auf den Officier passiren. Jenseit des Grabens wurden sie jedoch von einem Unterofficier angehalten, der aber dadurch beschwichtigt wurde, dass der Officier kein Hehl daraus machte, dass es der König sei, den der Unterofficier dann auch erkannte und passiren liess. Weder vom Posten noch vom Unterofficier sind Meldungen von dem Vorfall an ihre Vorgesetzten abgestattet worden.

Bei der Inuudation angekommen, entliess der König den Officier der Garnison und bestieg mit dem General Steenflicht ein bereit gehaltenes, von 2 Frei- schützen besetztes Boot. Erst am 2. Juli gelangte der König bei Käsmark über die Weichsel und erreichte am 3. Marien werder, von wo er am 10. in Königsberg ankam. Von dort ist er erst im Mai 1736 nach Frankreich ab- gereist. (Extract i.us den Inquisitionsakten im Anhange des ord. Tagesregisters S. 651. Relation d'un voyage de Daotzick h Marienwerder. Hist. de Stanislaus par D. 0. S. 144. Hoburg S. 210).

') Hoburg S. 211. Die gedruckten Quellen erwähnen nichts von Ein- ränmnng des Nengarten-Thors am 30. Juni. Da jedoch der Graf Münnich in einem Schreiben an den Rath von diesem Tage (abgedr. im ordentl. Tages- register S. 631) ausdrücklich erklärt, dass er die Abgeordneten der Stadt pur dann empfanden werde, wenn den Sachsen ein Thor eingeräumt würde.

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Abends 6 Uhr fiel der letzte Schuss*). Die Abgeordneten be- gaben sich am folgenden Tage ins russische Hauptquartier, wo nach längern Verhandlungen erst am 7. Juli die Kapitulation zu Stande kam und in 21 Haupt- und einem Separatartikel ab- geschlossen wurde. Sie wurde am 8. von beiden Seiten unter- schrieben. Die Hauptpunkte derselben sind folgende:

Die Stadt erkannte August III als rechtmässigen König von Polen an, wogegen dieser ihre Rechte und Privilegien bestätigen sollte.

Die Sommer- und Winterschanze sollten nach Abzug der polnischen Truppen, welche zu Kriegsgefangenen erklärt wur- den*), sogleich eingeräumt werden, Weichselmunde jedoch erst nach Ankunft des Königs.

Gleichzeitig sollte das Olivaer Thor den sächsischen Truppen zur Besetzung mit 200 Mann übergeben werden, bis König August die Besetzung desselben durch städtische Truppen wieder gestatten würde.

Die Stadt sollte binnen einem Jahre in 3 Terminen zahlen: eine Million Thaler an Russland und eine andre Million für den Fall, dass die Untersuchung ihre Mitschuld bei der Flucht des Königs Stanislaus darthun würde. 30000 Dukaten sollten an die russische Generalität, die Artillerie- und das Ingenieurkorps ausgezahlt werden, weil die Stadt gegen den Kriegsgebrauch das Geläute der Glocken beibehalten habe (es war erst am 4. Mai eingestellt worden).

und da femer das Bombardement wirklich am Abend aufhörte, mnss die Ein- räomuDg des Thors jedenfalls vorangegangen sein. Hoburg giebt seine Quelle nicht au.

') Der Graf Münuich hatte alles vorbereitet, dass die Stadt in 48 Stunden so viele Bomben und Kugeln erhalten sollte, wie während der ganzen Be- lagerung. Bloss „auf der Heubude ^ befanden sich in den neuen Batterien 400 Stück 500 pfundige Bomben, „so aber Gott sei Dank'' nicht abgeschossen wurden. Accnrate Nachricht S. 125. Am 29., wo die Nachricht von der Flncht des Königs eintraf, wurden am Tage 122, in der folgenden Nacht 126 Bomben in die Stadt geworfen und am 30. bis 6 Uhr abends 127. (Bomben tafel.)

^ Sie bestanden noch aus 600 Dragonern und 1200 Mann Infanterie (Krongarde), 400 Mann des Primas und einigen hundert Mann Ozartoryski's, Ord.-Tagesreg. 8. 633.

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Zar Abbitte bei der russischen Kaiserin soll die Stadt eine Deputation aus der Mitte aller drei Ordnungen nach Peters- burg schicken ^).

Nicht aufgenommen im Friedensvertrag war die Zahlung von 80000 Gulden, welche die Stadt an den König August zu zahlen sich verstehen musste.

Den 7. schon war das Wasser der Radaune von den Russen wieder in die Stadt geleitet worden. Am 9. um 5 Uhr nachmittags marschirten die beiden polnischen Regimenter, Krongarde und Dragoner, 1200 Mann Infanterie und 600 Pferde, sowie die Leibgarden des Primas und des Fürsten Czartoryski, crstere 400 Mann stark, mit klingendem Spiel aus dem Peters- hagener Thor und streckten das Gewehr. Gleich darauf be- setzten die Sachsen das Olivaer Thor. Die städtischen Soldaten zogen sich nach dem neuen Werke (Steenboks- Brille) zui^ück. Die Posten wurden durch spanische Reiter getrennt. Am 10. Juli wurde August III in der Stadt als König von Polen proklamirt, und am 11. in allen Kirchen Gottesdienst abge- halten, dem auch der Herzog von Weissenfeis und Feldmarschall Graf Münnich in der Pfarrkirche zu St. Marien beiwohnten.

Der Primas und die polnischen Magnaten waren schon während der Friedensunterhandlungen ins russische Haupt- quartier übergeführt worden. Die Magnaten erkannten den König August III an und wurden entlassen. Der Primas, der sich nicht dazu verstehn konnte, wurde in Haft genommen. Der französische Gesandte, welcher aus seiner Mitwirkung bei der Flucht des Königs kein Hehl machte, wurde ebenfalls fest- gesetzt.

*) Das über die Heise geführte Jiimal befindet sich in der Stadtbibiiothek von Dauzig (XV. F. 61) und ist vom Dr. Löschin in seinen »Beiträgen zur Geschichte der Stadt Danzig^ 1. Heft Danzig 1837 mitgetheilt. Die Deputation hatte einen Aufenthalt von 8 Monaten in Petersburg und hatte trotzdem von den 16000 Gulden, die ihr zur Bestreitung der Beisekosteu bewilligt waren, nur 6000 ausgegeben. Die 10000 ^vurden ihr zum Geschenk gemacht, da es ihr gelungen war, die Zahlung der zweiten Million für die Flucht des Königs Stanislaus von der Stadt abzuwenden. Die Deputation bestand aus den Baths- herm Wahl und Ehler, den Schoppen Reyger und Bonhorst und aus der 'i. Ordnung den Herrp Martens, Schendel mit dem Sekretair Jantssen.

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Die Sommer- und Winterschanze wurden am 13. geräumt. Gleichzeitig verliesseu die Russen die Nehrung und bezogen ein Lager bei Wonneberg.

König August kam am 19. Juli in Oliva an, besichtigte am 21. Weichselmünde und die russischen AngriflFsarbeitcn und nahm am 22. eine Parade über die vereinigte Armee ab. Nach Danzig ist der König nicht gekommen, empfing aber am 25. in Oliva eine Deputation des Danziger Raths. Nachdem am 27. das Olivaer Thor den Danzigern wieder eingeräumt worden war, reiste der König am 31. nach Sachsen ab. Die Huldigung erfolgte am 2. August. Den König vertrat der Bischof von Krakau, Fürst Lipsky. Der Graf Münnich trat am 10. August seine Rückreise nach Petersburg an, die Armee folgte am 19. und in den folgenden Tagen. Bis zur Berichtigung aller Summen blieb ein russisches und sächsisches Exekutions- Kom- mando, das russische unter dem Oberst Uexcüll, zurück. Erst nach Ablösung aller Geldverpflichtungen wurde Weichselmünde am 22. Mai 1736 der Stadt zurückgegeben.

Die Ausgaben der Stadt während des Krieges V^i'^^^l^w^t eine handschriftliche Notiz zur „accuraten Nachricht" (Stadt- bibliothek XV 9—40) auf 1,086,912 Gulden 11 gr.

Die Abfindungen infolge des Friedenstractats beliefen sich auf 4,885,327 Gulden 10 gr.

Der Sold der ständigen Garnison kam auf 260,046 Gulden 20 gr. 3 Pfennige, der der neu angeworbenen Truppen auf 359,010 Gulden 6 Pfennige zu stehen, wobei die Frei- schützen und die Bürgerwache nicht eingerechnet sind.

Die Belagerung hatte seit Ankunft des General Lascy 145, seit der Eröffnung des Bombardements 62 Tage gedauert. Es wurden 4430 Bomben in die Stadt geworfen, ohne die nach den Aussenwerken mitzurechnen. Es wurden dadurch 1800 Häuser zum Theil bedeutend beschädigt und 1500 Einwohner getödtet oder verwundet.

Die Russen verloren während der Belagerung gegen 200 Officiere und über 8000 Mann ').

*) Hoburg S. 212-214.

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11. Bückblick.

Es war keine geringe Aufgabe, die der Graf Miinnicli bei seiner Ankunft am 16. März übernahm, mit 12000 Mann, die sich im Lauf des April nur sehr allmählich auf 20000 Mann verstärkten, die Stadt Danzig mit ihren weitläuftigen Befesti- gungsanlagen zur Uebergabe zu zwingen. Sein Vorgänger, der General Lascy, hatte sich 5 Wochen lang den Kopf zerbrochen, wie das anzufangen sei, ohne zu einem andern Eesultat zu ge- langen, als das Land auf dem linken Ufer der Weichel im Um- kreise von Danzig durch Streifparteien zu beunruhigen und auszufuragiren. Der Graf Mlinnich fasste den grossartigen Plan, Danzig von allen Seiten eng einzuschliessen und die auf diese Weise verzettelten Truppen durch eine Kontravallations- linie zu schützen. Es müssen natürlich von selten der Ver- theidigung grosse Fehler begangen worden sein, um das zu er- möglichen. Dazu gehört, dass Danzig das Haupt (die Haupt- schanze) veiTiachlässigt hatte, von dessen Behauptung der Besitz der Nehrung abhängig war, dass es ferner den Holm nach der Nehrung hin nicht durch eine Schanze am grossen Holländer gesichert hatte. Im Besitz der Nehrung wäre Danzig vor Mangel geschützt worden und nur durch die Behauptung des Holms war die Verbindung mit Weichselmünde aufrecht zu er- halten. Dass sich die Russen trotz ihrer Schwäche in so grosser Nähe festsetzen konnten, zeigt, dass der Besatzung alle Fähig- keit zur Offensive abging. Die 5 Regimenter Bärgerwehr waren gesetzlich nur zur Besetzung der Stadtbefestigung ver- pflichtet, die Handwerksgesellen und Freischützen (Schnapphähne) waren in geschlossenen Massen nicht zu verwenden. Es blieb also nur ein Theil der Söldner, so weit sie bei Besetzung der Aussenwerke zu entbehren waren, und die polnische Kron- garde. Letztere ist jedoch bei jeder Gelegenheit davon gelaufen, so bei dem Ausfall gegen Plönendorf am 10. März, in dem Ge- fecht bei Ohra am 19. März und bei dem Ausfall zu gunsten der Franzosen am 9. Juni. Ein grösserer Ausfall von einigen tausend Mann war daher von vornherein ausgeschlossen. Es fehlte ausserdem jede Einheit des Kommandos. Jedermann weiss jetzt, dass in einer belagerten Festung nur ein Wille

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herrschen darf. Hier bildete aber die oberste Behörde ein Kollegium, der Senat, von welchem wiederum ein andres Kollegium, der Kriegsrath, aus allen Ordnungen zusammen- gesetzt, abhängig war und in welchem der Kommandant als Mitglied nur eine untergeordnete Stellung einnahm. Der ganze Einfluss der Stellung des Kommandanten beschränkte sich darauf, auf nothwendige Massregeln aufmerksam zu machen. Eine Verantwortlichkeit trug er nur in bezug auf die Disciplin der Soldtruppen und auch nur auf die der Stadt. Weichselmünde hatte seinen eignen Kommandanten.

Diese Thatsachen vermindern jedoch nicht das Verdienst des Grafen Münnich, darauf seinen Plan gebaut zu haben. Der Blockade durch die Kontravallation schloss sich das Bombarde- ment an, das ebenfalls auf die eigenthiimlichen Verhältnisse der Stadt berechnet war und auf die niedern Volksklassen wirken sollte.

Einen förmlichen Angriff auf die Stadt hat der Graf von Münnich nicht ausgeführt. Wenn in den gleichzeitigen Relationen über die Belagerung von Attacken vor dem Olivaer Thor, gegen den Hagels- und Bischofsberg, sowie von Heubude gesprochen wird, so bezieht sich das nur auf das Bombardement. Es liegt nicht das geringste Anzeichen vor, dass eine Bresche- legung auf einer dieser Fronten beabsichtigt gewesen wäre. Wenn der Graf einen förmlichen Angriif beabsichtigt hätte, so hätte er sich für eine dieser 4 Attacken als Hauptattacke ent- scheiden müssen, die andern wären dann Scheinattacken ge- wesen. Davon ist jedoch nicht die Rede. Die gedeckten An- näherungen an das Olivaer- und Neugartener Thor hatten nur den Zweck, die Ausfälle zu erschweren-« Der Sturm auf den Hagelsberg war ganz unvorbereitet und unabhängig vom Angriffs- plan des Grafen. Er wurde auf besondern Befehl der Kaiserin unternommen.

Seit dem Bekanntwerden der Annäherung einer fran- zösischen B^lotte mit Entsatztruppen erfolgten von seiten des Grafen von Münnich Defensiv-Massregeln, um sich einem Vor- dringen derselben gegen die Stadt zu widersetzen. Die Lan- dung selbst konnte nicht verhindert werden. Es wurde eine Kontravallationslinie gegen Weichselmünde «luf der Seite der

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Nehrung ausgeführt, die vom Strande ausging und sich nach Eroberung der Sommerschanze am 6. Mai an diese anschloss. Sie bildete zugleich für Danzig eine Circumvallation und wurde auf dem linken Weichselufer über Schellmlihl und Neu-Schottland auf Striess weiter geführt. Eine Verän- derung des Angriffsplans liegt darin nicht. Die Offensive auf Danzig wurde fortgesetzt, beschränkte sich aber auf ein Bombar- dement und einige dasselbe begünstigende Bauten im Terrain, Laufgräben behufs gedeckter Kommunikationen, neue Batterie- anlagen pp. Eine Aenderung darin trat erst ein, als die An- kunft der russischen Flotte auf der Danziger Rhede die Idee nahe legte, sie zu einem gemeinschaftlichen Angriff auf Weichselmände auszunutzen. Dieses wurde nunmehr zu beiden Seiten der Weichsel förmlich angegriffen und damit die Haupt- thätigkeit hierher verlegt. Das Bombardement gegen Danzig wurde jedoch fortgesetzt.

Es ist für die Beurtheilung der Angriffsarbeiten der Russen sehr wichtig, diesen Ideengang des Grafen von Münnich richtig aufzufassen. Die Darstellung der Belagerung in der „Geschichte der Festung Weichselmünde" zeichnet sich dadurch sehr vor- theilhaft vor der von Hoburg aus, dass der ungenannte Ver- fasser die allgemeinen Verhältnisse nie aus den Augen verliert, doch ist es ihm nicht gelungen, den Faden aufzufinden, der die einzelnen Momente der Angriffsweise des Grafen von Münnich verbindet. Er fasst die Kontravallationslinie gegen Danzig als Parallele auf ^), und hält sie für den Ausgangspunkt eines förmlichen Angriffs % während Münnich nie etwas Anderes be-

^) Der Verfasser hat «ganz übersehen, dass seine yermeintliche ParaUele nur stückweise durch die Sappe hergestellt worden ist, so dass zu der des Bischof sberges aUein 26 Tage (vom 18. April bis 14. Mai) gebraucht wurden. Eine erste Parallele des fömlichen Ang;rifPs pflegt man dagegen in einer Nacht anfzawerfen. Verf. scheint die Blockade und das Bombardement gar nicht als besondere Angriffsformen zu betrachten.

*) Ebenda S. 40 : „Bischofs- und Hagelsberg wurden mit einer ParaUele umzogen." S. 43: „Vom Bischofsberge an bis Aller Engeln wurden die Ar- beiten vorwärts getrieben. '^

S. 58 : „Belagerer und Belagerte waren nach 70 Tagen offener Tranchee (Ende Mai) sowohl über die Zweckmässigkeit des Ausgeführten als über die ^iothwendigkeit des i;oc]| Auszufül^reiiden, um beiderseits 4&s gesteckt^ Ziel

eo

absichtigt bat, als die Blockade und ein Bombardement der Stadt; er findet ferner in den Defensivmassregeln gegen die französische Flotte eine Veränderung des ganzen Plans, indem er schon zu dieser Zeit (anfang Mai) das Hauptziel des Grafen auf Weichselmünde gerichtet annimmt^); im Widerspruch damit legt er dem Grafen seit dem 1. Juni die Absicht unter, einen vierten Angriff auf Danzig (auf die Niederstadt) geplant zu haben*), während dieser Angriff von Heubude aus von vorn- herein im Gange war und nichts anderes als ein Bombardement beabsichtigt hat; ja er lässt diesen Angriff auf dem linken Ufer der Weichsel bis zum Kneipab vorschreiten und spricht von Batterien, welche dem Blockhause (polnisclien Haken) gegen- über, am Ausfluss der Laake, angelegt worden seien*), wovon nirgends die Rede ist. Die Veränderung im Plane der Bela- gerungsarbeiten mit dem Hauptziel auf Weichselmttnde tritt erst mit der Ankunft der russischen Flotte ein und führt zum förmlichen Angriff von Weichselmünde auf beiden Seiten der Weichsel*).

zu erreichen, in grosser Verlegenheit . . . Die Trancheearheit brachte die Be- lagerer in ein Labyrinth, aus welchem drei Attacken gegen Bischofsberg, llagelsberg uud Olivaer Thor unmöglich führen konnten.'* Ferner S. (>0, siehe unter Note 5. Danach wäre der Graf v. Münnich gan^s planlos vorgegangen.

^) Ebenda S. 47 : „Im Monat Mai änderte sich der Gang der Belagerung . . von jetzt an wurde das Hauptaugenmerk auf Weichselmünde gerichtet.*

*) Ebenda 59 : „Er (Münnich) fasste den 1. Juni den Entschhiss, noch einen vierten, ganz abgesonderten Angriff gegen die niedere Seite der Stadt zu eröffnen, um durch Verbrennen der Speicher und der Schiffe auf der Mott- lau Nachgiebigkeit zu erzwingen." . . . Den 24. Juni war alles bereit. Offen- bar entnimmt das Vf. aus der „accuraten Nachricht'^ S. 123 und 125, wonach diese Massregeln jedoch erst nach der Flucht des Königs Stanislaus am 28. Juni beabsichtigt wurden, aber nicht auf dem linken Ufer der Weichsel, son- dern auf dem rechten, von wo aus die Niederstadt und selbst die Mottlau noch dui'ch Geschosse zu erreichen waren. Das durchwässerte tief liegende Terrain macht ausserdem einen Angriff von dieser Seite ganz unmöglich, der auch mit der Weichsel im Rücken ein abenteuerliches Unternehmen ge- wesen wäre.

^) Ebenda (Im Anschluss). „Diese Tranchecattacke kam auf dem linken Ufer der Weichsel bis zum Kneipab völlig zu Stande ; auf dem rechten wurden Batterien am Blockhaus gegenüber, am Ausfluss der Laake, gebaut.

*) Der Verfasser drückt sich hierüber S. 60 etwas unbestimmt aus, hx-

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Bei so verschiedenen Auffassungen ist es erklärlich, dass die Erfahrungen der Belagerung von 1734 ohne Einfluss auf die Massnahmen des Vertheidigers und Angreifers in den Jahren 1807 und 1813 geblieben sind. Von Seiten des Vertheidigers ist 1807 nicht einmal die Schanze am grossen Holländer, deren Mangel 1734 so schwer gebttsst wurde, erbaut worden. Die Franzosen führten hier später das Fort Napoleon (gegenwärtig Kronprinz) auf. Der General Graf Kaikreuth fand, als er die Guverneur- stelle von Danzig übernahm, keine Relation der Belagerung von 1734 im Festungsarchiv vor, die ihn über die Wechselbeziehungen der verschiedenen Terrainabschnitte der Umgegend von Danzig hätte Orientiren können. Er erzählt das selbst.

H. Das Ende der polnischen Schutzherrschaft.

Die Zeit von 1734 bis zur ersten Tlieilung Polens 1772 bietet für unsern Gegenstand wenig Interesse. Die Zumuthung Fermor's 1758 an Danzig. eine russische Besatzung aufzunehmen^), wurde durch geschickte Unterhandlungen der an ihn gesendeten Kathsherrn Gralath und Weickhmann und durch einige Geld- spenden glücklich abgewendet. Die Stadt ermannte sich selbst, späteren Anforderungen Trotz zu bieten, nahm den Generalmajor Eggers mit 12000 fl. jährlichen Gehalts in Dienst und verstärkte die Garnison. Dabei verstand sie es auch, die Geldforderungen des Königs von Polen, August's III, auf ein Minimum zurück- zuführen*). Der Hubertsburger Frieden gab der Stadt einige Jahre Ruhe. Seit 1765 begannen dann die Misshelligkeiten mit

dem er sagt: „Die Trancheearbeiten gegeu die hohe Seite und das Olivaer Thor büeben (nach dem Eintreffen der nissischen Flotte), obgleich neue an- gerangen waren (der förmliche Angriff auf Weichselmtinde), nicht zurück; doch scheint die Ansicht, durchaus über die Berge den Eingang in die Festung suchen zu müssen, durch die Erfahrung herichtigt worden zu sein ; man war jetzt wohl nur bemüht, hier das Erreichte zu sichern und durch Werfen von Kugeln und Bomben Danzig moralisch zu erschüttern. Dennoch blieh dieser Schauplatz so lebhaft wie früher.''

1) liöschin 2, 218.

') Ebenda 2, 266.

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Preussen wegen der flüchtigen Kantonisten, die 1770 zur preus- sischen Besetzung des Werders durch den General von Ingers- leben führten ^).

Die Festungsbauten bescliränkten sich in dieser Zeit aufs äusserste, da die für das „Wallgebäude" bestimmten Einkünfte nach der Belagerung von 1734 zur Deckung der Kriegskontri- butionen herangezogen werden mussten. Erst unterm 24. März 1746 beantragte der Rath, das Scharwerksgeld wieder dem Wallgebäude zuzuwenden ^). Die ständige Garnison wurde 1750 auf 800 Mann Fussvolk herabgesetzt '). I. J. 1757 wurden von den Ordnungen 4000 fl. bewilligt, um eine gemauerte Poteme in der Kurtine Salvator-Mittel zu erbauen. Eine gleiche wurde 1761 in der Kurtine Schütz -Jerusalem auf dem Hagelsberge herge- stellt*). In diese Zeit fällt auch die Befestigung des Holz- raums zwischen dem Bastion am Rhära und der Weichsel^), unter Leitung des Generalmajors Eggers, wahrscheinlich auch die Erbauung der Möwenschanze, eines Erdwerks am rechten Weichselufer am Strande von Weichselmünde. Es wurde durch Anschlusslinien mit diesem verbunden.

Zur Regulirung der Inundation im Bauamt wurde 1758 die Rückforter Schleuse ausgebaut und mit einer Redute versehen*). In den Jahren 1767 und 1768 mussten die gänz- lich zerfallenen Batardeaus beim Ausfluss der Mottlau aus der Stadt durch neue ersetzt werden').

Eine traurige Epoche begann mit der ersten Theilung Polens 1772. Die Eifersucht der Mächte hatte es verhindert, dass Danzig nicht mit Pommerellen an Preussen fiel, wie es der Wunsch Friedrichs des Grossen gewesen war. Der Besitz

>) Ebenda 2, 32.

>) Hobarg. Geschichte der Festungswerke S. 115.

') Ebenda.

*) Ebenda S. 116.

") y. Duisburg. Versuch einer historisch -topographischen Beschreibung der freien Stadt Danzig. Danzig 1809 S. 369. Dieser Holzranm hiess zum Unterschied von dem Jungstädtischen der Pockenhftuser.

•) Hoburg S. 115.

^ Ebenda S. 116. Ordnungs-Recess vom 22. April und 1. Juni 1767 und 8. Februar 1768.

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Pommerellens brachte aber, da die geistlichen Güter in der Umgegend von Danzig St. Albrecht, Schottland, Stolzenberg und Schidlitz damit in preussische Hände fielen und der König auch auf den Holm Ansprüche erhob und ihn besetzen Hess ^), das preussische Gebiet auf 3 Seiten bis auf Gewehrschussweite an die Wälle Danzigs heran, so dass dieses fortdauernd ausgesetzt war, fiberfallen zu werden. An einem Vorwande dazu würde es nicht gefehlt haben, da der Pöbel sich vielfach in Aus- schreitungen gegen Preussen erging. Der Handel Danzigs wurde durch die Besetzung von Neufahnvasser und der Westerplatte, die preussischerseits als zu Oliva gehörig betrachtet wurden, nahezu vernichtet. Preussen erhob jetzt den Zoll von den aus- und einlaufenden Schiffen und da Danzig das Recht dazu nicht anerkannte, erhob es den Zoll am Blockhause (polnischen Haken) noch einmal, so dass die fremden Schüfe den Hafen mieden. Friedrich II forderte aber auch den bisherigen Privilegien Danzigs zuwider die freie Schifffahrt und den freien Handel für seine Unterthanen auf der Weichsel und erhob bei Fordon von allen aus Polen kommenden Waren einen hohen Zoll, und als Danzig Repressalien nahm und am Blockhaus (des polnischen Hakens) ebenfalls einen Zoll erhob, liess Friedrich die Stadt 1783 durch den General von Egloffstein blockiren. Durch Vermittlung Russlands wurde die Blockade 1784 aufgehoben und ein Vergleich geschlossen, der die Stadt jedoch nicht befriedigen konnte, so dass die Spannung fort- dauerte. Bei der zweiten Theilung Polens 1793 wurde Danzig zu Preussen geschlagen. Der Rath und alle einsichtigen Bürger erkannten darin das einzige Mittel für die Stadt, wieder zum Wohlstande zu gelangen und gaben sich in ihr Schicksal, der Pöbel blieb jedoch aufsätzig, so dass es bei der Besetzung der Anssenwerke am 28. März zu blutigen Händeln kam, woran sich auch der gemeine Mann der Besatzung eigenmächtig be- theiligte. Die Besetzung der Stadt konnte erst am 4. April 1793 erfolgen. Am 7. Mai fand die Huldigung statt.

') Die Besetzaug des Holms fand am 22. August 1783 statt Damus. Die Stadt Danzig gegenüber der Politik Friedrichs des Grossen und Friedrich Wilhelms n S. 110. (Zeitschr. des westpr. Gesch.-Ver. Heft XX 1887.)

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lY. Danzig unter prenssischer Herrschaft 1793

bis 1807.

Danzig hatte mit seiner Einverleibung in Preussen alle Freiheiten zurückerhalten, welche die preassischen Gesetze zu- liessen, und erholte sich von Jahr zu Jahr. Die Festungswerke mit allen ihren Beständen waren an den Staat übergegangen. Aber so dringend nothwendig eine gründliche Wiederherstellung der Befestigungswerke gewesen wäre, da die lange Vernach- lässigung derselben ihren Verfall herbeizuführen drohte, so ge- schah preussischerseits zunächst nichts. Der geringe etats- massige Reparaturfonds reichte kaum aus, um die zur Festung gehörigen Gebäude, Brücken und Schleussen nothwendig imstande zu erhalten. Es wurde selbst die Frage angeregt, ob die Stadt- befestigung nicht überhaupt zu rasiren sei. Nur auf die Hafen- befestigung legte man Werth und es wurden dafür i. J. 1803 infolge Verwickelungen mit England ziemlich bedeutende Summen ausgeworfen. Es wurde damals beschlossen, die Enveloppe von Weichselmünde die frühere Ostschanze wieder herzustellen und Neufahrwasser mit einem Gürtel von Erdbefestigungen zu umgeben, sowie die Befestigung der Westerplatte zu vervoll- ständigen. Der Neubau der Enveloppe war bis zum Ausbruch des Krieges von 1806 zu zwei Dritteln beendet und nur der obere Anschluss des Forts an die Weichsel lag noch offen. Von Neufahrwasser war nur das Hauptwerk auf dem Dünenzuge zwischen dem Saspersee und dem Strande vollendet. Es be- stand aus einem tenaillirten Werke, welches den schmalen Zu-

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grang nach Neufahrwasser deckte, und aus zwei dasselbe flau- kirenden Reduten. Auf der Westerplatte befanden sich vier ge- schlossene Eeduten I bis IV, die schon 1788 1790 angelegt worden waren.

köbler, (beschichte der Gestängen Danzlg and Weichselmände. II. 8

A. Die Belagerung yod Danzig 1807.

a. Uebersieht des Standes der Festungswerke

Danzig's und Weiehselmünde's und deren bauliche

Beschaffenheit am Ende des Jahres 1806.

Es wird zweckmässig sein, an dieser Stelle eine Rekapitu- lation fiber den Standpunkt und den baulichen Zustand der Befestigungen Danzigs Ende 1806 eintreten zu lassen, um im Verein mit dem Plan II Taf. II ein Gesammtbild derselben, so- wie eine Ergänzung des geschichtlichen Theils, zu geben. Ich benutze hierzu die meisterhafte Darstellung des Generals V. Brese, der als Augenzeuge spricht*): Der Hauptwall von Dauzig mit seinen 19 Bastionen^), von denen 14 auf der Süd-, Ost- und Nordseite der Festung, einen grossen Halbkreis bildend, der Niederung und der Weichsel zugewendet, die übrigen 5 aber auf der Westseite der Festung in einer geraden Front unterhalb des Bischofs- und Hagelsberges belegen sind, ist ringsum mit einem durchschnittlich 15 Ruthen breiten und sehr tiefen Wassergraben umgeben, der die nöthige Sicherheit gegen einen gewaltsamen Angriflf gewährt. Auf der ganzen Niederungsseite erhebt sich das Profil des Hauptwalles zu keiner bedeutenden Höhe; derselbe ist jedoch Tangs seiner Es- carpe mit einer schmalen Faussebraye umgeben, und am Fuss der den Hauptgraben umschliessenden Enveloppe befindet sich noch ein breiter Vorgraben. Das vorliegende Niederungs- terrain kann auf der ganzen Fläche zwischen dem Deiche des

*) Die AnniruDg der Befestigungen Danzigs während des Winters 1806—1807 im Archiv für die Officiere der kgl. Preuss. Artill. u. Ingen. Korps. IL Bd. S. 20 ff.

*) Das kleine Bastion Katz ist hierbei nicht eingerechnet.

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linken Weichselufers und dem westlichen hohen Thalrande unter Wasser gesetzt werden, sobald die die Niederung durch- fliessende Mottlau mittelst der zu dem Behufe vorhandenen Schleusenwerke aufgestaut wird. -- Diese Bewässerung steht mit dem Hauptgraben der Festung in unmittelbarer Verbindung und vermehrt dessen Tiefe um die Höhe der Aufstauung. Unter solchen Verhältnissen ist auch ein regelmässiger Angriff gegen diese Seite der Festung nicht denkbar, da selbst in dem Falle, dass einem belagernden Feinde die theilweise Ablassung der Inundation mittelst Durchstechung des Weichseldammes gelingen sollte, das Niederungs- Terrain doch zu vielfach mit tiefen Gräben durchschnitten ist und dann auch zu durchwässert sein würde, als dass es zum Approchiren mit einigem Erfolge sollte benutzt werden können. Die westliche, dem nahe vorliegenden Höhenrande zugewendete und daher dem wahrscheinlichen An- griffe mehr ausgesetzte Front des Hauptwalles ist in ihren 5 Bastionen und den zwischenliegenden Curtinen nach einem in der That imposanten Profil aufgeführt, hinsichtlich der inneren Deckung der Linien musterhaft konstruirt und dabei in den Kavalieren hoch genug herauf genommen , um die nahe vor- liegenden Abhänge der Höhen und den innern Raum des sich darüber hinziehenden Retranchements vollständig übersehen zu können. Nach einem gleich hohen Profile sind auch noch die dieser Front sich rechts und links anschliessenden und zum Theil schon der Niederungsseite angehörenden beiden Polygone erbaut worden, welche daher gewissermasscn die zurückgenom- menen Flügel der westlichen Front bilden und zur wirksameren Verthcidigung der beiden Eckbastione wesentlich beitragen. Die Escarpe dieser 7 Polygone ist mit einem niedrigen, den Wasser- spiegel des breiten Grabens durchschnittlich um 12 Fuss über- ragenden Revetement versehen, welches vor den Kurtineu und den zurückgezogenen Flanken der Bastione die Foim frei- stehender krenelirter Mauern erhalten hat *). Die Kontres-

^) Das handschriftliche Werk PaUets sagt nach der skizzirten Geschichte der Belagerung von Danzig lvS07 S. 2 darüber Folgendes: „Vorlängs der Eur- tine ist eine gemauerte Faussebraye 4 Fuss stark, 9—10 Fuss hoch, am Fuss des Walles, mit Gewehrscharten versehen. Die Flanken sind etwa 3 Buthen lang und werden von der Fs^ussebra^e gebildet. Hinter ihnen ist unter dei^

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carpe ist sehr hoch, aber nur iu Erde aufgesetzt, ein bedeckter Weg nicht vorhanden. Das vor der westlichen Front des Hauptwalles belegene Retranchement krönt mit seinen beiden Haupttheilen die Höhen des Bischofs- und Hagelsberges, schliesst sich links unterhalb des Bischofsberges durch die Linien des Petershagencr Thores dem Hauptwallo an, überschreitet mit der Befestigung des Neugarten Thores das tief einge- schnittene Thal zwischen beiden Höhen, und schliesst sich rechts unterhalb des Hagelsberges durch die Befestigungen des Olivaer Thores und des Holzraumes dem linken Ufer der Weichsel an. Dies ausgedehnte Retranchement bildet eine zusammenhängende, thcils bastionirte, theils tenaillirte Linie, welche nur mit Erd- böschungen versehen, und zwar auf den genannten beiden Höhen bei trocknen Gräben mit einem Relief von 60 bis 70 Fuss über der Grabensohle, dagegen in den Thälern und Niederungen bei nassen Gräben mit minder bedeutenden und zum Theil selbst nur niedrigen Profilen ausgeführt ist. Die Befestigungen des Bischofs- und Hagelsberges bilden vermöge ihrer dominirenden Lage und der Gestaltung ihrer Werke zwei selbstständige Punkte im Retranchement, dessen ganze Situation gegen die vor- und nebenliegenden Höhenzüge hinsichtlich der inneren gegenseitigen Deckung der Linien jedoch zu ungünstig ist, als dass die scharfsinnigste Wahl der Richtungen und die Vervielfältigung der den Raum ohnedies sehr beengenden Seiten- und Rückenwehren diesem Zwecke überall ganz vollständig hätte entsprechen können, vielmehr sind einige Wall-Linien, namentlich auf der Strecke vom Hagelsberge bis zur Weichsel, dem Enfilade- und Rückenfeuer nicht ganz zu entziehen gewesen, was im Jahre 1807 auch selbst bei den Hauptwerken des Hagelsberges, als der Angriff mit umfassender Front gegen das Retranchement vorging, sehr fühlbar wurde. Diesen Mängeln ist späterhin durch Vervollständigung des Defilements, zum

Kavalieren ein Gewölbe befindlich, aus welchem die Kanonen 3 bis 4 Ruthen breit ä ciel onvert an- die Flanke heran gebracht werden müssen, so oft eui Schoss geschehen soll. Ans diesem Bilde des Hauptwalls ergiebt sich, dass die Grabenbestreichong nicht von Bedeutung sein kann, da sie nur auf so kurze Flanken zu erhalten steht. Vom obem Wall ist der Graben kaum zu sehen^ geschweige denn zu bestreichen,'

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Thcil auch durch Anlage neuer Aussenwerke noch möglichst abgeholfen worden. In der Kehle des Bischofsberges, welche damals aus unregelmässigen, aber grösstentheils sehr steilen Abstürzen des hohen Lehmberges bestand, lag auf einem Vor- sprunge die sogenannte Schwedenschanze, eine Erdlünette von gutem Profil, welche den ganzen inneren Baum der vorliegen- den Befestigung des Bischofsberges rein übersah und das ßeduit desselben bildete. Auf der Stelle dieses Werkes liegt jetzt die grosse Defensions-Kaserne des Bischofsberges. Der Hagelsberg besass zu jener Zeit noch kein Reduit, war aber schon in ähnlicher Art wie jetzt durch zwei Wall-Linien, welche resp. gegen die Niederung des Neugarten- und Olivaer- Thores Front machten, der dahinterliegenden Eontrescarpe des Hauptwallgrabens angeschlossen, so dass die beiden hochliegen- den Bastione Jerusalem und Schütz gewissermassen ein mit der Hauptwall-Enceinte verbundenes für sich bestehendes Horn- werk bildeten.

Dicht vor der Befestigung des Holzraumes und hait am linken Weichselufer lag die alte Kalkschanze (von der im Jahre 1807 nur noch einige Linien der Wassergräben sichtbar waren) und noch weiter stromabwärts die kleine Kalk- schanze, eine unbedeutende Fleschc, die zu jener Zeit eben- falls bis auf wenige Reste der Brustwehrmassen eingeebnet war.

Auf der Holminsel, welche nahe unterhalb Dauzig durch eine starke Krümmung der Weichsel und durch einen auf der Sehne dieser Krümmung angelegten Schifffahrts - Kanal , die Schutenlake (auch Bootmannslake genannt), gebildet wird, hatten sich in früheren Zeiten niemals permanente Befestigungen befunden, indem die Lage dieser Insel durch die sie umgeben- den tiefen Gewässer hinreichend gesichert schien, und auch in den älteren Vertheidigungen der Festung hier nur nach Mass- gabe des Bedürfnisses provisorische Verschanzungen und ein- zelne Batterien zur Bestreichung des umliegenden Terrains oder zur Flankirung der auf den jenseitigen Ufern vorhandenen Werke angelegt worden waren.

Zur Verbindung der Holminsel mit Weichselmünde lagen ehemals zwischen der untern Spitze dieser Insel und der Münde auf dem rechten Weichselufer unweit des Schutendammes einige

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Beduten, welche während der Belagerung im Jahre 1734 noch zur Vertheidigung benutzt *), späterhin aber, ihrer fortiflkatori- schen Wichtigkeit ungeachtet, eingeebnet und mit Häusern be- baut worden waren, so dass um das Jahr 1806 sich kaum noch einige Spuren davon vorfanden.

Die Befestigung von Weichselmttnde, auf dem rechten Weichselufer belegen, bestand damals wie jetzt aus einem sehr kleinen viereckigen bastionirten Fort von kaum 40 Ruthen Polygonseite, jedoch mit hohem Revetcment und breitem Wasser- graben versehen. Ausserhalb dieses sturmfreien Werkes und rings um dasselbe befand sich eine theils bastionirte, theils tenaillirte Enveloppe nur in Erde konstruirt, welche zwischen sich und dem Fort eine gegen aussen gedeckte Esplanade von durchschnittlich 30 Ruthen Breite umfasste.

Dem Fort Weichselmünde gegenüber lag hart am linken Stromufer ein Brückenkopf, und westlich vor diesem der Flecken Neufahrwasser mit seinen Verschanzungen, welche theils in einzelnen geschlossenen Reduten, theils in Strandbatterien und oflfenen Lünetten bestand. Die Lage von Neufahrwasser erleichtert seine Vertheidigung ungemein, indem dasselbe östlich und nördlich von der Weichsel und der See, auf der Südwest- seite aber durch ein undurchwatbares Bruchland, den sogenannten Saspersee, gegen feindliche Angriffe gedeckt wird, so dass eigent- lich nur zwei schmale Zugänge bestehen, nämlich der eine südlich auf dem schmalen Damm des linken Weichselufers, der andere westlich längs des sich vom Dorfe Broesen heranziehen- den flachen Dünenzuges. Beide Zugänge sind durch Verschan- zangen abgesperrt.

Ueber den derzeitigen baulichen Zustand der Werke lässt sich der General wie folgt aus:

Die Kreten und Ränder der Brustwehren und Wallgänge waren in der Länge der Zeit und infolge der Benutzungsart der Wallgräsereien verfallen und abgeinindet, so dass die Feuer- linien in ihrer richtigen Höhe nicht mehr vorhanden und die

^) Hierin irrt sich Brese, da diese Beduteu schon 170d abgetragen worden sind. Ich habe die SteUe stehen gelassen, nm zu zeigen, wie selbst er über die Belagerung von 1734 nicht orientirt war. Kh.

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Faussebraie-Brustwehren auf den Niederlingsfronten nur noch an einer wenig regelmässigen Erderhöhung zu erkennen waren. Nur die westliche hohe Front des Hauptwalles bot bei ihrem gut erhaltenen Profil, ihrer Mauerbekleidiing und ihrem tief eingeschnittenen breiten Wassergraben einen mehr beruhigenden Anblick dar, wogegen wiederum die Werke des vorliegenden ßetranchements fast durchgängig in einer ganz ungenügenden Verfassung sich befanden. Die Böschungen haben hier, be- sonders auf dem Hagelsberge, der Höhe des Profils und des leichten Sandbodens wegen eine sehr flache Anlage erhalten, so dass infolge des überdies eingetretenen Verfalles der Graben und der Wall an den meisten Stellen ganz bequem passirt werden konnte.

Die Glaciskrete und der bedeckte Weg waren fast ver- schwunden, und auf den Linien vom Olivaerthore bis zur Weich- sel hatte früherhin ein zusammenhängender bedeckter Weg nie- mals bestanden.

Zu Weichselmünde und Neufahrwasser war zwar infolge des dortigen Baubetriebes ein nicht unbedeutendes Utensilement und auch ein für den Zweck der Armirung theilweise anwendbarer Materialienvorrath vorhanden; in den Depots von Danzig fehlte es dagegen an allen Werkzeugen zu umfassenderen Arbeiten, und nicht eine Palisade, nicht ein Stamm Bauholz, nicht eine Faschine befand sich im Besitz der Fortifikation ; alles musste erst herbeigeschafft werden. Rechnet man diesen Mängeln noch hinzu, dass zu Ende des Oktober - Monats 1806 von den zu Danzig vorhandenen, für den Kriegsgebrauch noch geeigneten 293 Geschützen ^) sich noch keines auf dem Wall befand, dass noch keine Munition gefertigt war, dass es selbst an Bettungs- hölzern und. an Munitionsbehältnissen in den Werken gänzlich fehlte, und dass ferner die Besatzung dieses ausgedehnten Platzes damals nur aus 2900 Mann Infanterie, 100 Mann Ar- tillerie und 16 Mann Kavallerie bestand, und endlich der Masse zu befriedigender kostspieliger Bedürfnisse gegenüber die kö-

*) Das ist ein Irrthum von Brese. In der Arrairuugstabeüe im Anhange giebt er selbst die Zahl anf 349 au. Rechnet man davon die Armirung von Weichselmttude und l^eufahrwasser ab, so bloib^n für Danzig 261. E^h,

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niglicheu Kassen zu Danzig kaum eine Summe von 5000 Rthlrn. aufbringen konnten, so lässt sich nicht in Abrede stellen, dass die Festung sich in einer in der That höchst bedenklichen Lage befand, bei welcher es in den damaligen Verhältnissen, bei dem Mangel aller Vorbereitung und Erfahrung und bei der täglich zunehmenden allgemeinen Bestürzung, mindestens sehr zweifelhaft werden mochte, welches Mittel zuerst zu ergreifen und welche Richtung überhaupt bei allen noch zu treffenden Vertheidigungsvorkehrungen einzuschlagen war, um zunächst nur dem Vei-suche eines gewaltsamen Angriffs, der bei einem in reissendem Siegeslaufe vordringenden unternehmenden Feinde schon nach wenigen Wochen zu befürchten stand, mit Erfolg entgegentreten zu können.

b. Armirung von Danzig

und Weiehselmünde vom 1. November 1806 bis zur

Einsehliessung am 11. März 1807.

1. Die forüfikatorlsche Armirung.

Am 1. November 1806, 16 Tage nach dem Verlust der Schlachten bei Jena und Auerstädt, wurde der Platz-Ingenieur seitens des Guvernements beauftragt, Danzig, Weichselmlinde und Neufahrwasser in Vertheidigungsstand zu setzen.

Ein im Voraus bearbeiteter Plan für die fortifikatorische Kriegs-Armirung der ganzen Festung, welche nunmehr ohne Weiteres zur Anleitung hätte dienen können, war nicht vor- handen, und es mussten daher sogleich die nöthigen Berathungen unter Vorsitz des Guverneurs gepflogen werden, um die über diesen Gegenstand abgegebenen Gutachten prüfen und ein über- einstimmendes Zusammenwirken der verschiedenen Lokalbehörden herbeiführen zu können. Man einigte sich alsbald darüber, dass zuvörderst der Hauptwall gegen einen gewaltsamen An- griff sichergestellt werden müsse, dass sodann mit der Instand- setzung und Palisadiiamg des Retranchements des ßischofs- und Hagelsberges und der dazu gehörigen Verbindungslinien vom Petei'shagener Thore bis zur Weichsel vorzugehen, dass endlich, wenn der Feind dazu noch Zeit lassen sollte, die Verstärkung 4ieser ausgedehnten Aussen-Enceinte durch Herstellung und

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Armirung des bedeckten Weges zu bewirken sei. Auf die von dem Platz-Ingenieur vorgeschlagene Anlage von 9 deta- chirten blockhausartigen Posten auf den Höhen einige hundert Schritte vorwärts des ßetranchements und von zwei grösseren derartigen Werken auf den bis gegen 800 und 1000 Schritt vor dem Bischofs- und Hagelsberge belegenen dominirendsten Terrainpunkten glaubte man ihres anzuer- kennenden Nutzens ungeachtet, vor der Hand sich nicht einlassen zu dürfen, da die oben erwähnten die Armirung der Haupt- werke betreflfenden Arbeiten, welche jedenfalls vorweg beseitigt werden mussten, schon einen so ansehnlichen Kraft- und Zeit- aufwand in Anspruch nehmen würden, dass man deren voll- ständige Ausführung bis zur Ankunft des Feindes kaum zu- stande zu bringen hofifen konnte.

Die Ausführung der Arbeiten wurde im allgemeinen so angeordnet, dass die dringendsten Sicherheits Vorkehrungen gegen den gewaltsamen Angriff den Vorzug erhielten, und dass sodann mit den zur mehreren Verstärkung der Werke dienenden Ar- beiten nur nach und nach in dem Masse vorgeschritten werden sollte, als die früher begonnenen sich ihrer Vollendung naheten oder doch mit den dabei irgend anwendbaren Kräften in Betrieb gesetzt waren, damit man nicht besorgen durfte, die Festung bei noch geöffneten Werken und aufgewühltem Terrain vom Feinde überrascht zu sehen. Um die ganze Arbeit mit einer ihrem enormen Umfange entsprechenden Kraft angreifen zu können, wurden unverzüglich bei der damals noch bestehenden Dienstpflichtigkeit der Unterthanen 4000 Civilarbeiter, 300 Wa- gen mit Gespann und 500 Zimmerleute requirirt. Ausserdem sollte die Garnison so viel an Arbeitern gesteilen, als sich bei dem nothwendigen Wacht- und Felddienst erübrigen liess, und zugleich wurde der Platz-Ingenieur auf seinen Antrag von dem Guvernement autorisirt, das zur Armirung erforderliche Holz gegen Ertheilung von Quittungen wegzunehmen, wo es sich dem Bedürfnisse entsprechend vorfand. Letztere Massregel war um so nothwendiger, als es der Festung an allem Material gebrach, fürerst auch keine Geldmittel vorhanden waren, um kostbare Holzankäufe zu bestreiten, und bei dem gesunkenen Vertrauen sich anfangs Niemand zur vorschussweisen Lieferung

Verstehen wollte. Als bald nachher die Kassen in zahlungs- fähigen Zustand gesetzt wurden, fanden sieh viele Unternehmer, die durch Lieferung zugerichteter Hölzer dem rascheren Fort- gange der Armirung sehr zu Hilfe kamen. So hart jene Massregel der Wegnahme der Hölzer auch scheinen mochte, so war sie unter den obwaltenden Umständen doch unerlässlich, da ohne sie die ganze Palisadirung als Hauptsicherung der Werke ins Stocken gerathen wäre und späterhin die Folgen des Zeitverlustes wohl schwerlich durch einen vorübergehenden Mangel an Geldmitteln einen hinreichenden Rechtfertigungsgrund gefunden haben würden. Ueberdies hatte der Verbrauch der der Kaufmannschaft gehörigen Balkenhölzer, welche in unge- heuren Vorräthen auf den Wassergräben der Festung lagen, den wesentlichen Nutzen, dass die Gräben von dieser fast durchgängigen Ueberbrückung befreit und bei ihrer Breite und Tiefe wiedeioim als das vorzüglichste Schutzmittel des Haupt- walles in Wirksamkeit treten konnten.

Am 2. November begann bereits die Armirungsarbeit und wurde von diesem Tage ab mit zunehmender Kraft und in folgerechter Ordnung ununterbrochen fortgesetzt, so dass der Winterwitterung ungeachtet mit Ausgang des Monats Decem- ber 1806 schon die nöthigsten Sicherungsvorkehrungen getroffen waren und die zu Anfang November noch wehrlose Festung der feindlichen Annäherung nun ohne Besorgniss entgegensehen konnte. Die ganze fortifikatorische Armirung, um deren nähere Erörterung es sich hier nur handelt, umfasste nach- stehende Arbeiten*):

^) Die folgende Darstellung der Armirung ist aus den während der Vertheidigong i. J. 1807 bei dem Gnvernement zu Danzig gesammelten und späterhin zum Generalstabs- Archiv abgegebenen Original-Berichten und Tages- Bapporten entnommen worden. Da der Verfasser (Brese) selbst Augen- zeuge der Armirung und Vertheidigung war, so konnte er (besonders in Be- ziehung auf die Armirung) aus der Erinnerung manches ergänzen, was jene an Ort und Stelle erstatteten Berichte wegen vorausgesetzter Bekanntschaft mit der Lokalität nur sehr kurz berührt oder auch ganz unerwähnt gelassen haben. Von Höpfner theilt diesen Aufsatz ebenfalls seinem ganzen Umfange nach mit. Eh.

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1. Hinsichtlich der Sicherstellung gegen den gewalt- samen Angriff.

1. Die schleunige Instandsetzung der Zugbrücken, wo sich dieselbe noch nöthig zeigte; die Ergänzung der Thorverschi lisse und der Gatterthore auf den Brücken und die Reparatur der Schleusenwerke.

Alle diese Arbeiten, bei denen man eine angemessene An- zahl Handwerker und Handarbeiter in Thätigkeit setzte, waren in kurzer Zeit beseitigt und dadurch der eigentliche Stadthaupt- wall, vermöge des ihn rings umgebenden tiefen Wassergrabens als gesichert gegen einen Handstreich anzusehen, so lange nicht etwa harter Frost die Gräben gangbar machte und so einen Ueberfall von der Niederungsseite her gegen den dort nicht revetirten niedrigen Erdwall besorgen liess. Eine versuchs- weise Schliessung der Schleusen fand am 26. November statt, und da sich schon nach 3 Tagen das Niederungsterrain zwischen dem Hühenrande und dem Weichseldamm auf mehrere hundert Schritte vor den Festungswerken ganz mit Wasser bedeckt zeigte, so konnte bei der Sicherheit eines so raschen Erfolges die eigentliche Schliessung und Verdammung der Schleusen bis zur wirklich erfolgenden Annäherung des Feindes und womöglich bis nach dem Abgange des Hochwassers ausgesetzt bleiben. Die Verdammung hinter den geschlossenen Portalen oder zwischen den Versatzhölzern wurde späterhin durch Einwerfung von Sandsäcken bewirkt, welche sich im nassen Zustande unter Wasser so ineinander fügen, dass sie dicht schliessen, bei wieder erfolgender Aufräumung der Verdammung aber ohne grosse Schwierigkeit mittelst Haken einzeln herausgehoben werden können. Diese Verdammungen geschahen zuerst bei der Stein- und Pockenhäuser, dann bei der Kneipaber und Rück- fort er Schleuse *). Die Zugvorrichtungen der Festungsbrücken

^) Die Schliessung der Steinschleuse setzt das Terrain zwischen der Mottlan und dem Steindamm unter V^asser, lässt jedoch den Festungsgräben die erforderliche Wassertiefe, die durch Batardeaus am Ausfluss der Mottlau aus der Festung erhalten wird. Zur Ueberschwemmung der Niederung zwischen dem Mottlaudamm und den Ortschaften Altschottland, Stadtgebiet und Ohra dienen 3 Schleusen der Mottlau. Die Pocken- (Poggen)häuser-

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Waren in der fiblichen alten Art vorhanden und bestanden in freistehenden hölzernen Portalen mit darüber liegenden Wipp- bäumen. Sie waren im ganzen in gebrauchsfähigem Zustande erhalten worden, und nur die Werdersche Brücke in der Vor- stadt Kneipab vor dem Langgarten Thore musste, um die Sicherstellung des Zuganges von dieser Seite zu verwehren, mit einem neu einzurichtenden Aufzuge versehen werden.

2. Die Abstechung der verfallenen inneren Brustwehr- böschungen des Hauptwalles, in Verbindung mit der Wieder- herstellung der Brustwehrkrete in der richtigen Höhe und mit der Bildung des Banketts, wodurch die Walllinien durchgängig wiederum besetzungsfällig eingerichtet wurden.

Diese sonst mit raschem Erfolge zu beseitigenden Arbeiten nahmen zu Danzig bedeutende Kräfte in Anspruch, da die Reguli- rnug der Brustwehren bei ihrem versackten Zustande fast überall mit Aufhöhungen bis zur richtigen Höhe der Feuerlinie und mit Bonnetirungen, und wo letztere nicht ausreichten, mit der An- lage von Seiten- und Rttckenwehren in Verbindung gebracht werden musste.

Auf eine regelrechte Formirung der Böschungen war aller- dings der Beschleunigung und der Winterwitterung wegen nicht zu rechnen; vielmehr konnte die Herstellung der Brust- wehren und der Bankette mehrentheils nur durch satz weises Feststampfen und Anschlagen des gefronien Bodens bewirkt werden. Zur Bekleidung der Traversen bediente man sich der Schanzkörbe oder der Faschinen.

3. Die soeben unter Nr. 2 erwähnte Arbeit wurde auch bei dem ganzen äusseren Eetranchement des Bischofs- und Hagelsberges und bei den zwischen und neben liegenden Linien in gang gesetzt, und da die allmählich zunehmende Anzahl der Civilarbeiter und die eintreffenden Verstärkungen der Besatzung eine hinreichend rasche Betreibung dieser Arbeiten gestatteten.

Schleuse dient zur Bewässerung der Gräben der Olivaerfront und des Holz- raums. Die Kneipaber Schleuse verhindert den Abfluss der Inundation in den Stangnetengraben und die Weichsel, indem sie den Hauptentwässerungs- graben des Werders sperrt. Die Rttckf orter Schleuse staut die obere Boss- wicke. Die Inundation verbreitet sich bis über eine Meile von den Werken. Kh.

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so dass ihre baldige und rechtzeitige Beendigung sich über- sehen liess, auch überdies noch eine grosse Anzahl Arbeiter verfügbar blieb, so wurde gleichzeitig, zumal der Hauptwall von Danzig als bereits gesichert gegen den gewaltsamen An- griff angesehen werden konnte:

4. Ohne Verzug mit der Palisadirung des äusseren Re- tranchements vorgegangen, was um so dringender schien, als diese Aussen - Enceinte ohne Revetcment und mit trocknen Gräben dem ersten Angriflf ausgesetzt liegt und ihre Behaup- tung bei der dominirenden Lage des Bischofs- und Hagelsberges für eine dauernde Vertheidigung der Festung unerlässlich zu erachten ist. Auf dem ganzen Umzüge des Hauptwalles dieses Retranchements vom Petershagener Thor bis zur Weichsel wurde die Palisadirung auf allen Bauposten gleichzeitig be- gonnen, und zwar erhielt die Palisadirung bei den Werken mit trocknen Gräben, also auf dem Bischofs- und Hagelsberge und auf dem Tractus zunächst unterhalb des Hagelsberges bis zum Olivaer Thore, ihre Stellung auf der Grabensohle, längs des Fusses der Escai-pe und nur etwa 3 bis 4 Fuss von dieser entfernt; bei den Werken mit nassen Gräben, links des Petershagener- und zu beiden Seiten des Neugartenthores, auf der tiefliegenden Berme der Escarpe und bei den Linien vom Olivaerthore bis zur W^eichsel, welche ebenfalls nasse Gräben haben und damals auf der Berme der Escarpe mit einer ziemlich dichten lebendigen Hecke versehen waren, vorlängs des Fusses der Kontrescarpe, hart am Wasserspiegel des Grabens. Die Palisaden waren 11 bis 12 Fuss lang, wurden 4 Fuss tief eingegraben und behielten 7 bis 8 Fuss Höhe über der Erde. Sie bestanden aus 10- bis 12zölligen Rundhölzern, oder auch aus gespaltenen Halbhölzern, wenn die Stämme über 12 Zoll Stärke hatten. Im letzteren Falle wurde die flache Seite der Palisaden der Escarpe zugewendet. Eine Verriegelung fand nicht statt. Das Setzen der Palisaden geschah mit etwa 2 Zoll Zwischenraum und nicht nach der Schnur, sondern aus freier Hand in möglichst gerader Richtung nach bezeichneten Alignements. Auch ist ein schnurgerechtes Setzen bei nicht ganz regelmässig zugespitzten Rundhölzern oder bei gespaltenen Palisaden der oft windschiefen Flächen

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wegen mit Erfolg nicht anwendbar. Um die Arbeit mehr zu beschleunigen, wurden die Gräben für die Palisadenlinien gleich im Zusammenhange vor ganzen Fronten ausgehoben, was hier dicht am Fusse der sehr hohen äusseren Wallböschungen nur während des Winters bei gefrorenem Boden zulässig war, da zu andrer Zeit leicht ein Nachsinken des Wallfusses hätte be- sorgt werden können.

Im Allgemeinen ist hier noch zu erwähnen, dass Sturm- pfähle (fraises) bei Armirung der Danziger Werke nach der übereinstimmenden Ansicht der leitenden Ingenieure nirgends zur Anwendung gekommen sind, einestheils, weil die zu Pali- sadirungen erforderlichen stärkeren Hölzer überall zur Hand waren, anderntheils aber weil Sturmpfähle, längs der oberen Grabenränder verlegt, gegen aussen in der Regel minder gedeckt sind, als tiefstehende Palisadirungen, weil sie dem Ricochet- nnd Enfilirschuss zu viel Fläche bieten und mithin auch bei einem förmlichen Angriff und der damit verbundenen dauernden Beschiessung der Werke zu vielfachen Zerstörungen ausgesetzt sind, während dann ihre tägliche Herstellung, sowohl des grösseren Aufraumes als ihrer Höhenlage wegen, ungleich beschwerlicher ist als bei der Palisade auf der Graben- sohle.

5. Ausserhalb vorlängs der vorgedachten Palisadirung, und zwar zwischen derselben und dem Fusse der Kontreskarpe, oder wo die Palisade auf der Berme stand, auf dem Abhänge der Berme bis zum Wasserspiegel, wurde, je nachdem der Raum es gestattete, eine 9 bis 12 Fuss breite Verpfählung von dicht neben einander eingetriebenen und oben scharf zu- gespitzten Pfählen geschlagen. Diese Pfähle hatten etwa die Starke der Faschinenpfähle und 2*/« bis 3 Fuss Länge. Sieben bis acht Stück wurden auf einen Quadratfuss, mithin etwa 1000 auf eine Quadratruthe gerechnet. Nach geschehener Eintreibung ragten sie in dicht wechselnder ungleicher Höhe 15 bis 18 Zoll über dem Erdboden hervor. Aus angestellten Versuchen ergab sich, dass eine solche Verpfählung ohne be- sondere Vorkehrung durch Truppen nicht zu überschreiten, dass ein Herausziehen mit der Hand wegen des durch die vielen

Köüler, QeBcMühte der Festangen Danzig and Weicliselmünde. II. 6

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Pfähle sehr gedichteten Bodens unthunlich *) und ein Weghauen derselben mit den Handbeilen überaus zeitraubend war.

Auch das Einschlagen feindlicher Hohlgeschosse in die Verpfählungen hat sich späterhin für den Zweck dieses Hinder- nissmittels wenig nachtheilig gezeigt, da bei einer Breite von 12 Fuss, stellenweiser Zerstörung ungeachtet, immer noch ein hinreichender Theil stehen blieb, um die Linie geschlossen halten und selbst einzelne Lücken in der hinterstehenden Palisadirung gegen den Versuch feindlichen Eindringens decken zu können.

6. Um die Hindernissmittel gegen einen gewaltsamen An- griff noch zugleich auf eine dem Feinde imponirende gefahr- drohende Weise zu versuchen, wurden diejenigen Theile des äusseren Retranchements , welche keinen nassen Graben vor sich haben, nämlich die Linien rechts am Petershagenerthore, der Hauptwall des Bischofs- und Hagelsberges, die Walllinien, welche sich zwischen beiden gegen das Neugartenthor, und die, welche sich rechts des Hagelsberges bis zum Olivaerthore herunterziehen, dicht unter der Krete der äusseren hohen Wall- böschungen mit einer dreifachen Reihe runder Sturmbalken von mindestens 1 Fuss Stärke und 18 bis 24 Puss Länge ver- sehen. Diese Rundhölzer hingen in horizontaler Richtung je drei dicht unter einander. Die sie haltenden Taue waren über die Krone der Brustwehr hinweggezogen und am Fusse der inneren Brustwehrböschungeu an drei nahe bei einander ein- getriebenen 4 Fuss langen Pfählen mit gut geschürzten Schleifen befestigt. Jeder der drei Balken bei?ass sein eigenes Tau, so dass jeder einzeln (der unterste zuei-st) losgelassen werden konnte. Zu dem Behufe hatte man an der inneren Brustwehrböschung unter den hier befestigten Tauen drei Bretter angebracht und mit den Nummern L IL IIL bezeichnet, woraus sich die Reihenfolge ergab, in der die drei Sturmbalken mittelst Durchhauung der Taue nach einander in den Graben hinabzustürzen waren. Um das Tau werk vor rascher Fäulniss zu bewahren, wurde dasselbe durch untergesetzte Pfählchen an der äusseren und inneren Brustwehrkrete schwebend über der Brustwehrkrone erhalten *).

*) Das bat sieb jedocb nicht bestätiget. Kh. ») Vergl. n Taf . III Fig. 4.

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Man machte den Versuch, eine solche Balkenkoppel durch Axthiebe zu lösen, um deren Wirkung zu beobachten. Die Gewalt, mit welcher die schweren Rundhölzer, nachdem sie auf den hohen Böschungsflächen eine beschleunigte Bewegung ge- wonnen hatten, bis zur Grabensohle hinunterstürzten, war ausser- ordentlich. Das eine derselben schlug gegen die Palisadenlinie im Graben und bog etwa 20 Stück dieser starken 4 Fuss im Lehmboden stehenden und fest eingestampften Palisaden der- gestalt aus ihrer Richtung, dass sämmtliche Spitzen fast um 2 Fuss aus dem Loth hingen. Es lässt sich hieraus abnehmen, welche furchtbare Wirkung solche Balken auf Tnippenmassen äussern würden, die sich stürmend auf dem Talus der Werke oder im Graben befönden. Der Holzaufwand, den die Behän- gung des hohen Retranchements mit Sturmbalken erforderte, war, wie sich aus einem nur oberflächlichen Ueberschlage des Materials entnehmen lässt, sehr bedeutend, und es konnte diese Massregel neben den übrigen Armirungsarbeiten auch nur zur Ausführung kommen, da die bei dem ausgedehnten Holz- handel der Stadt Danzig damals dort aufgehäuften grossen Holzvorräthe eine fast unbeschränkte Verwendung gestatteten. Wäre irgend Mangel an Material gewesen, dergestalt, dass es zur Frage kommen konnte, ob die Palisadirung oder die Behängung mit Sturmbalken den Vorzug verdienen, so musste die letztere unbedenklich nachstehen, da die Palisadirung ein unter allen Umständen zuverlässiges Hindernissmittel ist, bei den Sturmbalken aber die gehoifte Wirkung ausschliesslich von dem richtigen Moment des Loslassens, mithin von sehr vielen Zufälligkeiten abhängig bleibt. Uebrigens war die Hinauf- scbafFnng der schweren Balken auf die hohen Wälle und deren Befestigung an dem oberen Rande der äusseren Böschungen bei Schnee- und Frostwetter eine sehr beschwerliche und selbst gefährliche Arbeit, die sich späterhin während der Vertheidigung bei den Werken des Hagelsberges häufig wiederholte, da die am Tage durch feindliche Geschützkugeln losgerissenen und in den Graben hinabgerollten Balken zur Nachtzeit immer wieder heranfgeschafft und befestigt werden mussten. Indessen war auch diese Arbeit für die Dauer nicht mehr durchzuführen, und man musste sie namentlich bei den beiden Bastionsfacen der

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angegriffenen Front Jerusalem -Schütz, wo täglich die Mehr- zahl der Sturmbalken heruntergeschossen wurde, zuletzt ganz aufgeben.

Der Ingenieur-Major Bousmard sagte in seinen amtlichen Gutachten vom 20. April 1807 über die Anwendung der Sturm- balken: „Je crois ce moyen excellent tont le temps, qu'on ne s'en sera peu ou point seiTi. C'est T^pee de Damokl^s, tou- jours suspendue sur la tete de notre temeraire assaillant. laquelle l'empeche de se livrer k Tappetit de la victoire. Cette ep6e, une foi tombee, le reste des convives n'a plus d'inqui6tude et se livrera a la plus dfevorante voracitfe. Je m'explique. Des jeunes gens ou tetes chaudes, qui leur ressemblent, croiront ne pouvoir faire assez tot partir nos enormes rouleaux. A peine Tennemi sera dans le chemin couvert, qu'il le croiront dans le foss6, et sur le champ la liache jouera sur No. 1., et sans inter- ruption sur No. 2. et 3. Si No. 1. fait bon effet, il faut se garder de faire partir les deux autres. L'ennemi effraye les craindra d^avantage suspendus que descendus et aura raison. Quand il les verra tous tombes, il les möprisera, s'ils ne lui ont pas fait de mal, et s'ils en ont fait, il s'en vengera n'en craignant plus rien. II ne faut donc les lächer, qu'ä propos, ä quelque intervalle les uns des autres, et garder le plus longteraps possible le dernier (No. 3) comme l'ancre de raiseri- corde".

Die Sturmbalken waren verschieden eingerichtet, theils so, dass sie längs des äusseren Talus unmittelbar hinter die Pali- sade fielen und diese dann allerdings beschädigten, theils so, dass sie mittelst Unterlagen, welche zwischen der äusseren Wallböschung und der Spitze der Palisadenlinie in steil ab- fallender Richtung angebracht waren, über die Palisaden hin- weggeleitet wurden und demnach jenseits derselben in den Graben stürzten. Den letzteren wurde der Vorzug eingeräumt. Ein einziger derselben, sagte Bousmard, wird durch seinen niederschmetternden Fall einen Schrecken erregen, geeignet, den Kühnsten zurückzuscheuchen , während die anderen, hinter die Palisadirung fallend, diese zerstören und so dem stürmenden Feinde Gelegenheit gegeben werde, von den entstandenen Oeff- nungen Vortheil zu ziehen.

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Während man nun zur Siclicrung der Aussenenceinte von Dauzig gegen den gewaltsamen Augriff mit den vorerwähnten Massregeln eifrig beschäftigt war, trat ein scharfer Frost ein, welcher die Gewässer sogleich mit Eis belegte. Wie weit es möglich sein würde, bei dem vielleicht noch strengeren Froste neben den fortzusetzenden übrigen Armiruugsarbeiten die sämmt- liehen nassen Gräben durch Eisung offen zu halten, darüber mangelte alle Erfahrung, und andererseits bestand das ganze Vertheidigungsvermögen des Erdwalles auf den ausgedehnten NiederuDgsfronten fast ausschliesslich in den breiten und tiefen Wassergräben. Da der Feind zu jener Zeit schon die Weichsel bei Warschau fiberschritten hatte und von dort aus seine Richtung auf Königsberg nahm, so konnte bei dessen weiterem Vordringen der Versuch, sich der Festung Danzig unter Be- nutzung der Eisdecken der Weichsel und der Gräben von der Ost- und Südseite her zu bemächtigen, wohl mit einiger Wahr- sckeinlichkeit besorgt werden.

Um daher die Sicherstellung des eigentlichen Hauptkörpers der Festung nicht aus den Augen zu verlieren, kam man zu dem Entscliluss:

7. Nunmehr auch den Hauptwall der Stadtbefestigung, so- weit er nicht mit einer Mauerbekleiduug versehen war, mithin auf sämmtlicheu Niederungsfronten von der Steinschleuse bis zum Bastion Jakob mit einer 8 Fuss hohen Palisadirung und einer davorgesetzten Verpfählung zu umgeben. Die Palisade erhielt ihre Stellung am Fusse der Eskarpe im inneren Räume der alten Faussebraie, und die 12 Fuss breite Verpfählung zu- nächst vor der Palisadirung und auf der Krone der verfallenen, nicht mehr besetzungsfähigen Brustwehr der Faussebraie. Ausser diesen Linien des Hauptwalles erhielten auch die Ra- veline vor dem Jakobs- und vor dem Legethor, sowie der Waffenplatz vor dem Langgarten-Thor mit dem die Thorpassage umfassenden Theile des bedeckten Weges und endlich auch die Enveloppe, welche dem Umzüge der Kontreskarpe des Haupt- giabens rechts vom Legethore bis zu den Linien des Peters- hagenerthores folgt, eine starke Palisadirung. Gleichzeitig wurden

8. Alle Anstalten getroffen, welche zu einer fortgesetzten

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Aufeisung und Offenhaltung der Gräben erforderlich waren. Man schaffte zu dem Behufe 48 Boot« ffir die in ebenso viele Sta- tionen getheilte Wassergräben an und vei*sah diese Boote ihres eigentlichen Gebrauches und der besseren Ausdauer wegen ausser- halb mit einem Beschlag von Eisenblech. Nachdem die Eisfläche des Hauptgrabens längs der Mitte desselben 30 Fuss breit und die der Vorgräben 18 Fuss breit einmal geöffnet worden, wurden jedem der 48 Boote 4 Mann zugetheilt und diese in der Art angewendet, dass 2 Mann längs der Eisränder gehend das Boot in schräger Richtung an Tauen langsam fortzogen, während die beiden anderen Leute im Boote das neu ansetzende Eis durch schaukelnde Bewegung des Bootes zerbrachen und die Eis- Stückchen mittelst leichter käscherartiger Schaufeln auf die Eisränder warfen. Da die Kälte sich auch späterhin nicht sehr anhaltend und strenge zeigte, so gelang es durch diese imganzen geringen Mittel vollkommen, die Wassergräben den Winter hin- durch offen zu erhalten. *

9. Durch die unter Nr. 7 und 8 erwähnten Arbeiten wurden die verfügbaren Arbeitskräfte vielfach vertheilt, so dass die inzwischen fortgesetzte Palisadirung des äusseren Retranchements nicht mehr so raschen Fortgang nehmen konnte, als anfangs, wo sie mit ungetheilten Kräften betrieben wurde. Indessen brachte man sie, der kurzen Tage und der immer rauher werdenden Winterwitterung ungeachtet, doch in einigen Wochen zustande und schritt nun ungesäumt zur Palisadirung der Raveline und Kontregarden des Bischofsberges und der Raveline des Hagelsberges, wobei die Palisadenlinien ebenso wie bei dem Hauptwalle längs des Fusses der Eskarpe gesetzt und mittelst einer ausserhalb derselben angebrachten 12 Fuss breiten Verpfählung gegen unmittelbaren Andrang gesichert wurden. Bei den Ravelinen führte man an den Schulterpunkten die Pa- lisadirung bis zur Sohle des Hauptgrabens hinunter und zog sie dann im Graben längs der Kehlböschung der Raveline, so dass diese Werke durch eine Palisadirung rings umschlossen waren. Quer über den Hauptgraben wurden von den Kurtinen- Poternen nach den Kehlen der Raveline offene Koffer angelegt, und diese innerhalb zu beiden Seiten mit einer Palisadirung ver- sehen, welche die Verbindung sicherte i|nd von der Eskarpeu-

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Palisade vor der Kurtino bis zur Kehlpalisade der Raveline und zu den in den Reversböschungen daselbst angebrachten Treppen sich erstreckte. Die Anfertigung dieser zum Theil sehr hohen Treppen erfolgte in der Regel in der Art, dass die Treppenstufen in gehöriger Breite in den Boden eingeschnitten, die vertikalen Seiten der Stufen mit dicht angelegten, durch vorgeschlagene Pfähle festgehaltenen 2 zölligen Brettern be- kleidet, die horizontalen Flächen aber gut abgeebnet und fest- gestampft wurden. Die Brettbekleidung der Stufen hindert bei frequenter Passage die baldige Abtretung dei-selben, und die ganze Arbeit ist so einfach und leicht begreiflich, dass sie durch gewöhnliche Arbeiter bei einiger Anleitung mit raschem Erfolge verrichtet werden kann.

Innerhalb des Retranchements errichtete man zum noth- dürftigen Schutze der Wachtmanuschaften gegen die rauhe Witterung hölzerne mit Brettern gedeckte Piketbuden in Form von Schleppschuppen, auch wurde eine Anzahl von Ab- tritten angelegt, um die allgemeine Verunreinigung der Werke zu verhüten.

10. Um die Befestigung des Holzraumes, mit welcher der rechte Flügel des Retranchements sich der Weichsel an- schliesst, in der rechten Flanke und Kehle gegen einen Coup de main mehr zu sichern, wurde die Palisadirung dieser Be- festigung noch stromaufwärts längs des linken Weichselufers in gebrochenen Linien auf 450 Schritt Länge fortgesetzt, mit Brustpalisaden, Gewehrscharten und einem Banket versehen, und am äussersten Ende rechts durch eine vorgi-eifende, die ganze Uferlinie ausserhalb der Palisadirung flankirende Erd- flesche geschlossen, welche man vor den Facen und in der Kehle palisadirte und mit einer Verpfählung rings umgab.

11. Es blieb noch erforderlich, vor dem Langgartenthore, wo sich der Weichseldamm auf einem schmalen, zwischen dem Stromufer und der Inundation belegenen Terrainstreifen den Befestigungslinien anschliesst, einige Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, und zwar

a. die in dem Damme etwa ^U Meile vor dem Thore be- legene Rückforter Schleuse, welche den Hauptabzugsgraben der NiedeiTing schliesst und jetzt wegen Aufstauung der Mottlau

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und zur Haltuug der die Niederung bedeckenden Inuudation verdämmt war, gegen einen Handstreich des Feindes sicher zu stellen, und

b. den Punkt am Ganskruge, wo die aus der Nehrung nach dem Langgartenthore führende Landstrasse die Weichsel über- schreitet, mit einer der defensiven Deckung dieses Uebergangs- punktes entsprechenden Befestigung zu versehen. Zu dem Behufe wurde auf einem günstigen Punkte noch 300 Schritt jenseits der Rtickforter Schleuse eine Schanze zu 4 Geschützen und 100 Mann in Form einer abgestumpften Flesche angelegt, dergestalt, dass die mittere Hauptlinie des Werkes quer über den Damm lag und denselben aufwärts wirksam bestreichen konnte. Der Bau dieser Schanze erforderte viel Zeit und Arbeit, da der Damm nicht durchstochen, überhaupt ein Graben nicht ausgehoben werden durfte, mithin das ganze Profil, wel- ches den Damm noch um mehrere Fuss überragen musste, nur mittelst des bis auf 800 Schritt Entfernung heranzuschaffenden und bei der tiefen Lage des Terrains mühsam abzuschälenden Bodens aufzuschütten war. Dabei wurde dies Werk ringsum palisadirt und seiner entfernten und üeberfällen ausgesetzten Lage wegen mit einem bombenfesten Blockhause zur Unterkunft der Besatzung versehen.

Vor dem Ganskruge längs des Weichselufers warf mau eine sich selbst flankireude Verschanzungsliuie auf und schloss dieselbe in der Richtung stromaufwärts dem Weichseldamm an, auf welchen hier einige hundert Schritt diesseits der Rückforter Schleuse noch ein kleiner Abschnittsposten und zur Unterstützung des letzteren seitwärts desselben nahe am Weichselufer ein redutenartig geschlossenes Werk, seinem Umfange nach auf 3 Geschütze und 50 Mann berechnet, angelegt wurde. Da am Stromufer viel vorräthiges Balkenholz der Arbeit im Wege lag, dessen Hinwegschaffung Versäumniss veranlasst haben würde, so liess der Platz-Ingenieur die innere Brustwehrböschung dieser Verschanzungen grösstentheils von Balkenholz aufsetzen*).

Endlich benutzte man noch den durch die Vorstadt Kneipab und durch den Weichseldamm führenden Niederungskanal,

^) Das Werk wnrcle danach die Balkenschauze genannt. El).

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in welchem sich die Kneipaber Schleuse befindet, um hier we- nige hundert Schritte vor dem Langgarten Thore eine dritte Vertheidigungslinie gegen das längs des Stromes gangbare Terrain zu bilden. Es wurde zu dem Behuf e auf dem linken der Festung zugewendeten Kanalufer eine Brustwehr aufge- worfen, welcher der vorliegende Kanal zum Graben diente und die über den letzteren führende Werdersche Brücke mit einem Aufzuge und einem Gatterthore versehen. Zwei kleine Lünetten jenseits der Brücke deckten den Uebergang und sicherten zugleich die verdammte Kneipaber Schleuse gegen unmittelbare feindliche Annäherung.

12. Während zu Danzig die eben erwähnten Arbeiten in vollem Betriebe waren, verwendete man zu Weichselmünde alle beizubringenden Kräfte, um die infolge des unterbrochenen Friedensbaues noch geöffnet gebliebene Enveloppe des Forts unter Benutzung des vorräthigen Materials so gut als möglich zum Schluss zu bringen. Man suchte dies in der Art zu be- wirken, dass die roh aufgeschütteten, jedoch für die Bildung eines Walles noch unzulänglichen Erdmassen aus der projek- tirten Linie des Enveloppenwalles etwas mehr zurück gegen die südliche Fronte des revetirten Forts und hier in die Form eines vom Walle des Forts aus rein zu bestreichenden palisa- dirten bedeckten Weges gebracht wurde. Das Glacis dieses be- deckten Weges dehnte sich bis gegen den vorliegenden alten £nveloppengi*aben aus, längs dessen Eskarpe noch eine niedrige, ebenfalls palisadirte Brustwehr aufgeworfen und links dem Pro- file des fertigen Enveloppenwalles, rechts dem Weichselufer angeschlossen wurde. Eine kleine Lünette auf der Kontres- karpe des nassen Grabens diente als Brückenkopf. Auch die sogenannte Möwen schanze, eine flache Dünen- und Strand- batterie, welche sich von der Nordfront des Forts Weichsel - münde bis gegen die östliche Mole der Weichselmündung er- streckt, erhielt in ihrer ganzen Ausdehnung und in der Kehle längs des rechten Weichselufers eine Palisadirung. Auf der Seite von Neufahrwasser wurden die vier Reduten der Wester- platte palisadirt, desgleichen die beiden Reduten Nr. 5 und 6 nebst dem vorliegenden tenaillirten Werke.

Letztere 3 Werke verband man unter sich durch flankirte

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Palisadenlinien und schloss die ganze Position links dem Sas- persee, rechts dem tiefen Fahrwasser au. Hart am Weichsel- ufer, dem oberen Anschluss des Forts Weichselmünde gegen- über, an der Stelle, wo ein den Saspersee mit der Weichsel verbindender Kanal einmündet und der Landweg von Danzig (der sogenannte neue Weg) nach Neufahrwasser diesen Kanal passirt, wurde eine geräumige Schanze angelegt und diese mit der vorerwähnten Redute Nr. 6 durch eine Palisadirung in Verbindung gebracht, so dass die Hafenstadt Neufahrwasser ringsum mit Bcfestigungslinien umschlossen war. Etwa 200 Schritte vor der Kanalbrücke etablirte man auf dem neuen Wege noch einen kleinen Posten, welcher den Uebergang über die Kanalbrücke sicherte.

Alle hier vorstehend unter I, 1 bis 12 aufgeführten Ar- beiten hatten, wie schon erwähnt, hauptsächlich nur den Zweck, die Danziger Befestigung unter allen Witterungskonjunkturen gegen einen bald zu erwartenden gewaltsamen Angriff des Feindes sicher zu stellen, und so umfassend diese Armirnng auch war, so sehr es anfangs an allen Mitteln, mit Ausnahme des Holzes, dazu gebrach, und so mannigfache Behinderungen dabei die zunehmende Kürze der Tage, sowie Frost und Schnee in den Weg legten, so gelang es doch, alle dahin gehörigen Arbeiten in den beiden Monaten November und Dezem- ber so weit zu fördern, dass das Wesentlichere als geschehen zu betrachten war und nunmehr auf eine weitere Vervollstän- digung der Werke, namentlich derjenigen, welche mit Wahr- scheinlichkeit dem regelmässigen Angriff ausgesetzt waren, Be- dacht genommen werden konnte.

Die Kommunikation zwischen Danzig und Weichselmünde hielt man im ganzen für nicht gefährdet, da die Holminsel und die Nehrung von starken Truppenabtheilungen besetzt gehalten wurden und die Behauptung dieser mit tiefen Gewässern um- schlossenen Terraintheile keinem Bedenken zu unterliegen schien, üeberdies war der Besitz der Nehrung, von welchem die mili- tärische Verbindung zwischen Königsberg und Danzig abhing,

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für die Operationen des verbündeten Heeres von hoher Wichtig- keit, und man mochte daher wohl auf eine Unterstiitznng seitens des letzteren für den Fall gerechnet haben, dass es sich um eine ernstliche Bedrohung der Nehrung handeln sollte. Auch konnte die Anwesenheit vieler Kriegsfahrzeuge befreundeter Seemächte, welche die Nehrung strandwärts deckten und den militairischen Uebergangspunkt bei Pillau sicher stellten, einer solchen unterstützenden Diversion zugunsten der Festung nur förderlich sein, und es scheint unter allen diesen Verhältnissen wenigstens erklärlich, wenn mau sich zu Danzig in Beziehung auf jene Verbindungen keinen zu lebhaften Besorgnissen hingab und demnach die Errichtung von Vertheidigungswerken auf der Nehrung und auf dem Holm vielleicht minder dringend erach- tete, als die unausgesetzte Betreibung der noch bei weitem nicht vollendeten Arrairungsarbeiten an den Hauptwerken von Danzig selbst. Welche Umstände oder Voraussetzungen aber auch Veranlassung gewesen sein mögen, dass man die Anlage oder Herstellung einiger starker Reduten auf der Holminsel und auf dem Terrain zwischen dieser und Weichselmünde ent- weder wirklich nicht zustande bringen konnte oder für nicht erforderlich hielt, so hat das Unterbleiben dieser Massregel, wie sich späterhin zeigte, auf die Dauer der Vertheidigung doch sehr nachtheilig eingewirkt, da die Nehrung, der Schuten- damm und der Holm nacheinander durch glücklich ausgeführte Ueberfälle in Feindes Hände geriethen und infolgedessen der Verlust der Festung wahrscheinlich früher herbeigeführt wurde, als dies bei dem noch unberührt gebliebenen Zustande des Hauptwalles und bei offen gehaltener Verbindung mit der See, wegen der dann zulässigen Ergänzung der erschöpften Streit- mittel der Festung der Fall gewesen sein würde.

Da zu anfang Januar des Jahres 1807 die feindlichen Bewegungen sich immer noch nicht gegen Danzig richteten und man noch einige Wochen Zeit zu gewinnen hoffen konnte, so wurde in der Vervollständigung der Armirung unausgesetzt fortgeschritten und nunmehr auf die Ausfühning derjenigen Massregeln Bedacht genommen, welche

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IL die Erlangung der Vertheidigungsfähigkeit gegen den förmlichen Angriff zum Zwecke hatten. Hierhin war zu rechnen:

1) die Herstellung und Verstärkung des bedeckten Weges vor den Linien des äusseren Rctranchements;

2) die Vermehrung, Verbesserung oder Sicherstellung der Kommunikationen sowohl zwischen den einzelnen Werken, als zwischen den vor einander liegenden Enceinten ;

3) die Beschaffung von Unterkunftsräumen für Truppen und Munition in den dem förmlichen Angriff ausgesetzten Werken ;

4) die Anlage vorgeschobener Werke.

Hinsichtlich des Details dieser wichtigen Arbeiten findet sich Folgendes anzuführen:

1. üeber die Herstellung und Verstärkung des bedeckten Weges vor den Linien des äusseren Rctranchements.

Diese umfassende Arbeit erforderte über zwei volle Monate an Zeit und war mit allen dazu gehörigen Einrichtungen noch nicht ganz vollendet, als der Feind zu ^nfang März vor der Festung erschien. Indessen hatte man doch die Glacisbrust- wehr ringsum zum Schluss gebracht und in gewöhnlicher x\rt auf dem Banket mit einer Palisade versehen, und es konnte diese Herstellung des bedeckten Weges um so mehr als die wichtigste und bemerkenswertheste Arbeit der ganzen Armirung angesehen werden, als sie unstreitig die Grundlage zu der nachherigen erfolgreichen Vertheidigung bildete, welche sowohl durch die Originalität der dazu getroffenen Einrichtungen als durch umsichtige Benutzung dieser letzteren dem Fortschreiten des regelmässigen Angriffs so unerwartete und schwer zu be- seitigende Hindernisse in den Weg legte.

Es wurde zuvörderst in Erwägung gezogen, welche Theile des ganzen Retrancheraents vorzugsweise, und je nachdem die- selben dem Angriffe mehr oder weniger ausgesetzt wären, mit einem vollständigen bedeckten Wege zu versehen sein würden, welche Frage hier bei der Ungewissheit über die noch ver- fügbare Zeit um so erheblicher schien, als der ausserordent- liche Umfang der beabsichtigten Arbeit bei der Schwierigkeit

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des Defilements und bei dem geringen Vorschub, den die kaum noch sichtbaren Reste des ehemaligen Glacis gewähren konnten, jedenfalls Besorgnisse erregen und wenigstens auf den Versuch jeder irgend zulässigen Beschränkung hinleiten musste.

Indessen waren die Ansichten der Sachverständigen über den wahrscheinlichen Angriffspunkt sehr verschieden; die Er- fahrung aus früheren Zeiten sprach für den Hagelsberg; es wurden aber auch sehr triftige Gründe, theils aus der Terrain- gestaltung, theils aus der Beschaffenheit der Werke, entwickelt, welche einen Angriff gegen den linken Flügel des Bischofs- berges oder gegen die schwach profilirten und mangelhaft ge- deckten Linien rechts und links des Olivaer Thores wahr- scheinlich genug erscheinen Hessen, so dass man diese Fronten keineswegs ausser Acht lassen konnte, zumal die ausschliess- liche Verstärkung eines Theiles des Retranchements, z. B. des Hagelsberges, den feindlichen Angriff um so eher auf einen der anderen Pun'kte hingewiesen haben würde. Unter diesen Umständen, und um die Vertheidigungsfähigkeit der verschie- denen einem Angriff überhaupt zugänglichen Fronten des Re- tranchements in einem gewissen Gleichgewicht zu erhalten, blieb nichts übrig, als sich zur Anlage des bedeckten Weges sowohl vor dem Bischofs- und Hagelsberge, als vor den Linien rechts unterhalb des Hagelsberges bis zur Weichsel zu ent- schliessen und ohne Verzug Hand ans Werk zu legen.

Es würde hier zu weit führen, alle Gründe und Ansichten aufzuzählen und zu beleuchten, welche den eben erwähnten Entschlnss zur Reife brachten, und es sei nur vergönnt, noch anzuführen, dass die nächstfolgenden und späteren Begeben- heiten die Richtigkeit der genommenen Massregeln bestätigt haben, denn wenngleich die Franzosen wirklich damals das auf einem Abhänge des Zigankenberges belegene Bastion Jerusalem des Hagelsberges zum eigentlichen Angriffspunkt wählten, so lässt sich aus der diesfälligen Darstellung ihres Chef- In- genieurs, des Generals Kirgener, doch entnehmen, dass ur- spi*ünglich die Absicht vorgewaltet hat, die Werke rechts unter- halb des Hagelsberges anzugreifen, weshalb gleich nach der Ein- schliessung die Posten von Alier-Engel, der Ziegelei und der kleinen Kalkschanze genommen wurden, und dass man diese

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Absicht nur aufgegeben zu haben scheint, weil die Kalkschan^e von der Besatzung ohne Verzug wieder erobert und verstärkt hergestellt, hierdurch aber einem gegen das Olivaer Thor ge- richteten feindlichen Angriff die sichere Anlehnung des linken Flügels genommen wurde. (Man vergleiche Kirgener Pr6cis du siege de Danzig Seite 40 und 41.)

Im Jahre 1813 endlich ist der regelmässige Angriif gegen den Bischofsberg geführt worden. Der bedeckte Weg wurde demnach vor folgenden Werken hergestellt:

a) vor den Linien des Petershagener Thores, rechts bis an den Eehlpunkt des Bastion Salvator;

b) vor den beiden Polygonen des Bischofsberges Salvator- Mittel und Mittel-Scharfenort ;

c) rechts unterhalb des Bischofsberges, vor dem Ravelin Vigilance und vor dem Saillant Hans Mantel;

d) vor dem Neugarten-Thore und vor der linken Face des Bastions Kessel;

e) vor den beiden Polygonen des Hagelsberges Kessel- Notzenberg und Schütz- Jerusalem ;

f) vor den tenaillirten Linien von Bastion Jerusalem bis zum Olivaer Thore;

g) vor den Werken vom Olivaer Thore bis zur Weichsel, nämlich vor dem Stiftswinkel und vor der Befestigung des Holzraumes, wo früher ein bedeckter Weg gar nicht bestanden hatte und also jetzt mit dem vorlie- genden Glacis erst vollständig formirt werden musste.

üeber das Specielle der Anordnung und Ausführung findet sich Folgendes zu bemerken:

Vor mehreren Linien des Retranchements konnte ein be-

deckter Weg wegen der Ueberhöhung des nahe vor oder an- liegenden Terrains und wegen der darausfolgenden Unmöglichkeit einer gehörigen Seiten- und Rückendeckung gar nicht zur An- wendung kommen, wie z. B. vor den beiden Anschlussbranchen des Bischofsberges, vor beiden Facen des Bastions Sandgrube und vor der rechten Face des Stiftswinkels.

Noch mehrere Linien fanden sich, die zwar ebenfalls der Enfilade nicht ganz entzogen oder selbst durch Traversen nicht genügend gedeckt werden konnten, die aber doch als frontal-

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geschlitzte Kommunikationen zwischen vorhandenen Werken längs der Kontreskarpe nicht füglich zu entbehren waren. Bei diesen half man sich in der Art, dass zur Vermeidung einer Besetzung dei*selben durch Truppen das Banket ganz foH- gelassen und dicht unterhalb der 7 Fuss hohen inneren Glacis- böschung die Palisade gesetzt wurde. Nur in den von solchen Linien gebildeten Saillants brachte man auf 2 bis 3 Ruthen Länge von der Spitze Bankets an, soweit nämlich die hier aufgestellte Mannschaft durch die wechselseitige Deckung der zusammenstossenden Linien einen noch hinreichend gesicherten Standpunkt erhielt.

Bei der Höhe der Kontreskarpe vor den Bastionen des Bischofs- und des Hagelsberges konnte der bedeckte Weg ohne Nachtheil um 1 bis 2 Fuss eingeschnitten werden, wodurch man an Deckung gewann und den nöthigen Boden zur Schfittung des Glacis und Herstellung der Glaciskrete in einer angemessenen, dem Defilement möglichst entsprechenden Höhe gleich auf der Stelle erhielt, so dass die Arbeit mehrentheils durch Spatenwurf geleistet und der Karrentransport nur selten erforderlich wurde, üeberall konnte allerdings nicht eine vollkommene Rasante oder auch nur ein stetiger Abfall des Glacis zustande gebracht werden, da es hierzu an Zeit und Mitteln fehlte, und es war dies namentlich auch vor der Spitze des Bastions Jerusalem der Fall, wo das Glacis bei der stark gehobenen Krete nur eine kapirte brustwehrartige Form erhalten konnte. Späterhin war dies bei der Anlage des Kuronnements ein den feindlichen Sapear allerdings sehr begünstigender Umstand. Vor den Werken rechts des Olivaer Thores bis zur Weichsel lag die Kontreskarpe des Wassergrabens so niedrig, dass hier das Ein- schneiden eines gedeckten Weges nicht zulässig gewesen wäre.

üeberdies erforderten die links seitwärts auf Kernschuss- weite gelegenen Höhen eine zum Theil sehr bedeutende Hebung des Glacis, wodurch der Bedarf an Schüttungsboden , welcher hier nur mittelst Wagen aus der Ferne herangeschafft werden konnte, ausserordentlich vermehrt wurde. Der möglichst ge- häuften Arbeitskräfte ungeachtet währte daher die Glacis-For- mation auf diesem Posten am längsten und kam mit der auf dem Banket der Glacis-Brustwehr stehenden Palisadirung erst

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am lö. März mit dem Beginn der feindlichen Blockade zunl Schluss. üeberhaupt unterlag hier die Tracirung und Profili- rung des bedeckten Weges wegen der schon erwähnten un- günstigen Terraingestaltung grossen Schwierigkeiten, welche jedoch der diesen Bau leitende, späterhin bei der Vertheidigung am 5. Mai 1807 gebliebene Ingenieur - Major Bousmard voll- ständig zu beseitigen wusste, dergestalt, dass zur inneren Deckung des bedeckten Weges auch nicht eine Traverse erforderlich wurde. Dies erlangte man dadurch, dass die in die Höhen alignirenden Linien nicht parallel mit der Kontreskarpe gelegt, sondern mit der rechten Schulter so weit vorgenommen wurden, dass ihre Verlängerung in die hohen Werke des Hagelsbcrges traf, wobei man zwar die gewöhnliche regelmässige Trace der Waflfenplätze und Saillants nicht ganz beibehalten, dagegen eine vollkommene innere Deckung derselben herbeiführen konnte. Nur auf der langen Linie vor der rechten Face des Stiftswinkels hätte dies Mittel nicht ausgereicht, weshalb man sich hier zur Anlage einer 44 Ruthen langen unterirdischen Kontreskarpen- Gallerie cntschloss, um zwischen dem bedeckten Wege des Oli- vaer Thores und dem der Holzraumwerke eine ungestörte, des nassen Grabens wegen auf andere Weise nicht leicht herzu- stellende Verbindung erhalten zu können.

Diese Gallerie bestand aus Rahmen von Kreuzholz, im Lichten 4 Fuss breit, 6 Fuss hoch, die von Mitte zu Mitte 3V2 Fuss weitgesetzt, zu beiden Seiten mit zweizölligen Bohlen oben mit vierzölligen Bohlen belegt und hiernächst ganz mit Boden überschüttet wurden, so dass die Stärke der Erddecke über der Gallerie 4 bis 5 Fuss betragen mochte. Die Fugen der Bohlendecke wurden mit Schaalbrettern belegt und die lothrcchte Stellung und gegenseitige Spannung der Rahmen durch zwischengekeilte Bohlenenden festgehalten.

Das ganze äussere Retranchement der Festung war nun zwar durch die schon unter I. erwähnten Massregeln gegen einen gewalt- samen Angriif ziemlich gesichert zu erachten, dennoch aber der feindliche Versuch, sich desselben bei seiner Ausdehnung und Lage durch einen Handstreich zu bemächtigen, immer noch sehr zu besorgen. Besonders aber war ein Ueberfall zur Nachtzeit zu betlirchten, da die Besatzung zu jener Zeit bei ihrer Unzu-

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länglichkeit, bei dem Mangel an Erfahrung im Festungskriege und bei der ünzuverlässigkeit der vielen Ausländer die geeig- neten Mittel zu einem gegen Ueberrumpeluug sichernden Vor- postendienst, oder zu der bis dahin üblichen Art, den bedeckten Weg als äusserstes Festungswerk stehenden Fusses mit blanker Wafte zu vertheidigen, nicht in hinreichendem Masse darbieten könnte.

Diese Umstände brachten den Platz-Ingenieur auf den Ge- danken, dem bedeckten Wege eine mehr selbstständige Ein- richtung zu geben und es dem Feinde unmöglich zu machen, sich desselben und der Kontreskarpe im Wege des gewaltsamen Angriffs zu bemächtigen. Es wurden zu dem Behufe Block- häuser angelegt, welche in den eingehenden Waffenplätzen ihre Stellen erhielten, dergestalt, dass sie vermöge ihrer Einsenkung bis zur Schartensohle durch die vorliegende Glacisbrustwehr gegen direktes Geschützfeuer von Aussen ganz gedeckt waren, durch ihr eigenes flach streichendes Gewehrfeuer aber die an- liegenden langen Linien des bedeckten Weges rein und sehr wirksam bestreichen konnten^). Die Kehle der Blockhäuser wurde durch Tambur - Palisaden mit den hinterliegenden im Graben befindlichen Palisadirungen in Verbindung gebracht und dadurch gegen Ueberfall sicher gestellt. Diese Blockhäuser bildeten demnach die sturmfreien Reduits des bedeckten Weges, in deren Feuer der Feind verweilen musste, so oft er versuchte, in den bedeckten Weg hinabzusteigen, um sich dort festzusetzen oder um die Kontreskarpe zu überschreiten. Die Erfahrung bestätigte die von ihrer Einwirkung gehegten Erwartungen voll- kommen, so wie auch die gewählte Konstruktion derselben sich in jeder Beziehung bewährte. Die Bombenbalkendecke zeigte sich hinreichend widerstandsfähig gegen den Bombenschlag und der Pulverdampf im inneren Räume verzog sich so schnell, dass die Besatzung selbst bei dem lebhaftesten Gewehrfeuer dadurch nicht belästigt wurde ^).

») Vergl. n Taf ; III Fig. 2.

') Während des gewaltsameu Angriifs auf den gedeckten Weg in der Nacht vom 9. zum 10. Mai verschoss die 50 Mann starke Besatzung des Blockhauses rechts des Bavelins Hagel üher 60 Patronen in Zeit von zwei

Köhler, aeschichte der Festungen Danzig und Weichselmüude. II. 7

Q8

Es wurden angelegt:

a) Vor der Front des Bischofsberges in den 4 Waffen- plätzen der eingehenden Winkel des bedeckten Weges rechts und links der beiden Raveline 4 Blockhäuser von 80 bis 90 Fuss Länge.

b) Rechts unterhalb des Bischofsberges vor dem Saillant Hans Mantel ein flescheuförmiges Blockhaus. Ein bedeckter Vertheidigungsraum war hier nothwendig, da die an dieser Stelle belegene kleine Kontregarde mit offenen Brustwehrlinien von den nahe vorliegenden Höhen völlig eingesehen war.

c) Vor den Werken des Hagelsberges im bedeckten Wege 6 Blockhäuser von 40 bis 60 Fuss Länge, und zwar eins der- selben in dem Waffenplatze vor der linken Face des Bastions Kessel, zwei in den Waffenplätzen zu beiden Seiten des Ravelins Kessel, zwei in dem Waffenplatze links und eins in dem Waffen- platze rechts des Ravelins Hagel.

d) Rechts unterhalb des Hagelsberges vor der Walllinie bis zum Olivaer Thore zwei Blockhäuser in den beiden Waffen - platzen der eingehenden Winkel.

e) Vor der Befestigung des Holzraumes in zwei Waffen- plätzen des bedeckten Weges, und zwar vor dem sogenannten Triangel, und in der Nähe des Anschlusses an die Weichsel zwei grössere fleschen förmige Blockhäuser.

Der bedeckte Weg wurde im iibrigen, da der Angriffs- punkt aus den oben erwähnten Gründen mit Gewissheit nicht vorherzusehen war, auf dem ganzen Umzüge des Retranchements in der gewöhnlichen Art unmittelbar hinter der Glacisbnistwehr mit einer Palisadirung versehen. Die Palisaden bestanden aus Halbholz, nämlich aus einmal durch die Säge getrennten 10- bis 12 zölligen Rundhölzern. Sie waren einschliesslich der Spitze 9 Fuss lang, ragten 5^2 Fuss über dem Banket her- vor, wurden IV2 Fuss unter der Spitze auf der nach Innen ge- wendeten flachen Seite verriegelt und auf den Spitzen wie in den Zwischenräumen auf der Riegellatte (zur Verhinderung des

Stunden und dennoch sammelte sich der Piilverdampf \m innern Raum nicht in dem Masse an^ dass die ThHtigkeit der Besatzung dadurch nur einen Augenblick gehemmt worden wäre.

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Auftretens und üebersteigens) rait starken und scharfen eiser- nen Nägeln besetzt. Die sonst gewöhnlichen Erdtraversen des bedeckten Weges Hess man weg, theils weil man wie erwähnt nicht beabsichtigen konnte, denselben mit Truppen- massen unmittelbar zu vertheidigen , theils weil die mittelbare Vertheidigung und Behauptung vermöge des Feuers aus den Blockhäusern durch jene Erdtraversen offenbar behindert oder ganz unthunlich geworden wäre. Die Zweckmässigkeit dieser Weglassung wird durch den französischen General Kirgener selbst gewissermassen bestätigt, wenn er in seinem Werke über die Belagerung von Danzig Pag. 27 sagt: on a fait un d6bouch6 blinde pour entrer dans le chemin couvert, qui n'ayant point de traverses, n'offrait aucun moyen de se defiler.

Ausser der Herstellung oder Neuanlage des bedeckten Weges vor dem äusseren Retranchement unternahm man auch die Instandsetzung eines Theiles des bedeckten Weges vor dem Hauptwalle selbst und zwar vor den Bastionen Jacob, Fuchs und Luchs. Es geschah dies in der Besorgniss, dass der Feind die Werke unterhalb des Hagelsberges angreifen und nach deren Wegnahme seine Approchen gegen das Bastion Jacob richten könnte. Demgemäss wurde

a) die Glacisbrustwehr vor den genannten Bastionen, so wie der Wall der kleinen Fleschen in den eingehenden Winkeln hergestellt und palisadirt;

b) die kleine Ltinette vor der Spitze des Bastions Jacob (der sogenannte Jacobs halbe Mond) retablirt und

c) links neben dem Ravelin vor dem Jacobsthore zur Deckung der Ravelingrabenbrlicke ein palisadirter Waffenplatz angelegt.

2. üeber die Vermehrung, Verbesserung oder Sicherstellung, der Kommunikationen sowohl in den einzelnen Werken, als zwischen den voreinanderliegenden Enceinten.

Um die Verbindung zwischen den Haupttheilen des äusseren Eetranchements und der hinterliegenden hohen Front des Haupt- walles zu vervollständigen und auf näherem Wege als durch die beiden Hauptthore des letzteren nach dem Hagels- und Bischofsberge gelangen zu können, wurden durch die Fausse- braiemauer der Kurtine Elisabeth heilige Leichnam, unweit

7*

löo

der Flanken, zwei Pforten gebrochen und vor denselben quer über den Hauptgraben zwei Prahinfahrten und in ähnlicher Art hinter dem Bischofsberge, rechts links des kleinen Hauptwall- bastions Katz drei solcher Prahm-Kommunikationen eingerichtet. Die Prahme wurden durch die übersetzende Mannschaft selbst fortbewegt und zwar an Tauen, welche quer über den Graben gespannt auf beiden Ufem befestigt waren und an einem Längen- bord der Prahme in Rollen liefen. Um demnächst die weitere direkte Verbindung von der Kontreskarpe des Hauptgrabons nach dem Hagelsberge sicher zu stellen, palisadirte man die beiden Anschlusslinien, welche von den Bastionen Jerusalem und Schütz bis zum Hauptgraben herunter führen, und in ähn- licher Absicht schloss man auch den rechten Flügel des Bischofs- berges, welcher mit dem kleinen Bastion Vigilance endet, durch eine starke Palisadirung dem Hauptgraben vor Bastion Karren an, während der linke Flügel des Bischofsberges durch die Walllinie am Petershagener Thore mit den Hauptwerken bereits in Verbindung stand. Ausserdem wurden die dem Hauptwall zugewendeten hochliegenden Kehlen des Bischofs- und Hagels- berges mit einer Palisadirung umschlossen, so dass nach allen diesen Vorkehrungen beide dominirenden Hauptwerke des äusse- ren Retrauchements als selbstständige, auch in ihrer Verbindung mit dem Hauptwall gesicherte Befestigungen zu betrachten waren, von denen aus die Vertheidigung und Behauptung des ganzen Retrauchements immer noch erfolgen konnte, selbst wenn es dem Feinde gelungen wäre, sich durch Ueberfall in Besitz einzelner Theile desselben, z. E. der Werke am Olivaer oder Neugarten thore zu setzen. Ferner wurden zur Unter- haltung militairischer Verbindungen am Ganskruge zwei Fähren zur Ueberfahrt nach der Nehrung und hinter dem rech- ten Flügel der Holzraumbefestigung vier Fähren zur Kommunikation mit dem Holm in Gang gesetzt. In dem äusseren Retranchement fehlte es an Poternen und gesicherten Verbindungen mit den Werken der Kontreskarpe. Um diesem Mangel abzuhelfen, wurde

a) auf dem Bischofsberge:

Vor der zum Graben führenden gemauerten Poterne der Kurtine Salvator - Mittel* eine in die Grabensohle eingesenkte

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100 Fuss lange bedeckte hölzerne Kommiuiikationsgallerie bis zur Kehle des Eavelins Mittel, sodann in dem Kurtineuwall Mittel- Scharfenort eine zum Graben führende 96 Fuss lange, 7 Fuss breite, 7 Fuss hohe Poterne in Holz durch den Mineur augefertigt uud ausserhalb vor dieser Poterne quer durch den Graben eine unterirdische 100 Fuss lange Verbindungsgallerie nach der Kehle des ßavelins Scharfenort angelegt, diese letzte Gallerie aber zu Tage gearbeitet und demnächst überschüttet.

b) Auf dem Hagelsberge

wurde die Verbindung über den Graben nach den Ravelinen durch die schon oben beschriebenen offenen, zu beiden Seiten palisadirten Koffres gebildet. Massive Poternen waren vor- handen.

c) In der tenaillirten Befestigung, rechts unterhalb des Hagelsberges, wurden in den beiden Rentrants zwei gallerieartige Poternen 72 Fuss lang, 4 Fuss breit, 6 Fuss hoch, durch den Wall getrieben und ausserhalb vor diesen Poternen zwei be- deckte und krenelirte hölzerne Gallerien quer durch den Graben angelegt, die Kontreskarpe hinaufgeführt und mit den im be- deckten Wege hier errichteten Blockhäusern in unmittelbare Verbindung gebracht.

d) In der linken Anschlusslinie der Holzraumbefestigung wurde eine 40 Fuss lange Poterne, 7 Fuss breit und ebenso hoch, in Holz zu Tage gearbeitet und überschüttet und ausser- halb vor dieser Poterne zur unmittelbaren Kommunikation mit dem vorliegenden Blockhause und Waffenplatz eine schwim- mende Brücke über den Wassergraben angebracht, welche so eingerichtet war, dass, wenn man sie auf der Seite der Kon- treskarpe loshakte, sie durch den Strom des Grabens sogleich an die Eskarpe geschwenkt wurde und hier angelehnt liegen blieb. Vom Halbbastion Triangel gelangte man durch eine Prahmüberfahrt nach dem Holzraum.

Nächst allen vorerwähnten Vorrichtungen wurde es noch erforderlich, mehrere dem Enfilade- oder Rückenfeuer ausge- setzten Walllinien und Wallkommunikationen durch Traversen und Parados zu decken, wie z. E. die rechte Face des Stifts- winkels rechts des Olivaer Thores, die rechte Face des Halb- bastions Triangel, die rechten Hälften der kleinen Holzraum-

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bastione, die Faceu der Bastione Schütz und Jerusalem des Hagelsberges, die hohen Flauken derselben und späterhin nach dem Beginn des Enfiladefeuers vom Stolzenberge her noch das ganze innere Plateau des Hagelsberges, zu welchem Zwecke daselbst in der Eile drei grosse 9 bis 10 Fuss hohe Traversen errichtet werden mussten.

3. Die Beschaffung von Unterkunftsräuraen für Truppen und Munition in den dem förmlichen Angriff ausgesetzten Werken.

Durch die im bedeckten Wege des äusseren Rctranchements errichteten Blockhäuser, sowie durch die Vermehrung der Po- ternen und durch die Anlage bedeckter Kommunikationen war schon einigermassen für Unterkunft von Mannschaften, beson- ders in den Aussenwerken des Retranchements Sorge getragen worden. Innerhalb des Hauptwalles des Retranchements fehlte es aber ebenfalls ganz und gar an bombensicheren Räu- men, und man hatte fürerst nur, wie schon oben erwähnt worden (I. 9.), hölzerne Wachtbuden errichtet, um den Truppen, bei denen infolge des angestrengten Dienstes und der rauhen Jahres- zeit die Krankheitsfälle auf eine beunruhigende Weise zunah- men, wenigstens ein Obdach gegen die Witterung zu geben. Nunmehr wurde auch der Bau bombenfester mit Kochvorrich- tungen versehener Baracken begonnen, in welchen die Truppen der Wallbesatzung ein auch gegen Hohlgeschosse geschütztes Unterkommen finden konnten, was um so nothwendiger schien, als während der Vertheidigung noch auf bedeutenden Abgang zu rechnen war und dann die Besatzung, wie sich vorausselien Hess, nicht mehr stark genug bleiben würde, um eine regel- mässige Ablösung der Wallwache eintreten lassen zu können.

Dergleichen bombenfeste Blockgebäude, bis auf die Feue- rungsanlagen ganz in Holz konstruirt, mit 12 zölligen Balken gedeckt und darüber 4 bis 5 Fuss hoch mit Erde beschüttet *), wurden an folgenden Stellen errichtet:

a) auf dem Bischofsberge hinter beiden Kurtinen, an den Wallgang angelehnt, zwei Baracken von resp. 16 und 18 Ruthen Länge und 12 Fuss Tiefe;

») Vergl. II Taf. III Fig. 3.

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b) unweit des Neugarten-Thores im Bastion Sandgrube^) zwei Baracken und zwar eine grössere innerhalb des Abschnittes an der Wallgangsböschung, eine kleinere ausserhalb des Ab- schnittes im Hofe des Saillants freistehend von resp. 13 und 6 Ruthen Länge;

c) auf dem Hagelsberge im Innern des Bastions Kessel eine Baracke, freistehend, von 8 Ruthen Länge, und hinter der Kur- tiue Schütz-Jerusalem an die Reversböschung des Wallganges angelehnt drei Baracken von resp. 8, 6 und 10 Ruthen Länge. Ausserdem wiude

d) das alte Wachthaus auf dem Holzraum, welches massive Umfassungswände hatte, mit einer Balken- und Erddecke belegt.

Diese neuen bombensicheren Localien konnten, für jeden Kopf 18 Quadratfuss Raum gerechnet, etwa 720 Mann auf- nehmen. In den oben gedachten 16 Blockhäusern des bedeckten Weges fanden nach der getroffenen Disposition zur Besetzung derselben etwa 750 Mann Unterkommen, so dass, wenn ausser- dem noch auf Gallerien und Poternen gerücksichtigt wird, inner- halb des ganzen Retranchements ein bombensicherer Raum für mindestens 1600 Mann vorhanden war, d. h. für zwei Dritt- theile der wirklich zur täglichen Besetzung des Retranchements bestimmten Mannschaf t, da diese, exclusive einer in den Quartieren verbleibenden Bereitschaft von 1200 Mann, 2300 Mann betrug.

In Beziehung auf den oben erwähnten Barackenbau könnte noch in Frage gestellt werden, ob es nicht den Vorzug ver- dient haben möchte, statt der an die Kurtinenwallgänge ge- lehnten Baracken, welche ausschliesslich den Zweck der bomben- sicheren Unterkunft eines Theiles der Wallbesetzung haben konnte freistehende vertheidigungsfähige Blockgebäude in den Kehlen des Bischofs- und Hagelsberges etwa an den Stellen zu errichten, wo sich jetzt die permanenten Reduits dieser Werke befinden? Im rein fortifikatorischen Sinne möchte man geneigt sein, diese Frage ohne weiteres zu bejahen, und zwar im vorliegenden Falle um so mehr, als dergleichen Reduitposten

*) Nach der skizzirten Geschichte S. 25 wurde vor Hansmantel der sog. Hut gänzlich haugardirt, weil der vorliegende Stolzv^nberg das Werk einsah. Kh.

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bei der grossen Ausdelmung des äusseren Retranchements zu Danzig der Vertheidigung desselben mehr Sicherheit und Hal- tung und eben daher auch mehr Befähigung beigelegt haben würden, die Behauptung des angegriffenen Thciles bis auf das äusserste fortsetzen und jedenfalls den Sturm abwarten zu können, ohne wegen der Folgen und namentlich wegen Deckung des Rückzuges der Besatzung in die liinterliegende Haupt- befestigung zu bedenkliche Zweifel hegen zu dürfen, welche letzteren nicht selten zur voreiligen Räumung angegriffener Aussenwerke Veranlassung gegeben haben. Wenn anderer- seits aber erwogen wird, ob mit Rücksicht auf die Lage der damaligen Verhältnisse und auf die ungewisse Dauer der ver- fügbaren Zeit die Unternehmungen eines solchen Reduitbaues auch rathsam und zulässig gewesen wären, so dürfte diese Frage bestimmt verneint werden müssen, da selbst die wirklich aus- geführten sehr einfachen Baracken erst nach Beginn der Feind- seligkeiten belegbar hergestellt werden konnten die zu mehr- seitigen Rcduits zusammenzustellenden grossen Blockhäuser aber unstreitig eine weit complicirtere Konstruktion, dabei noch be- sondere Vorrichtungen wegen ihrer Verbindung mit den hinter- liegenden Werken und ausserdem so bedeutende Aufraums- arbeiten erfordert haben würden, dass ihre rechtzeitige Voll- endung gar nicht abzusehen gewesen wäre. Auf diese Weise hätte es sich dann ereignen können, dass die Besatzung, selbst für die letzte und wichtigste Periode der Vertheidigung sowohl ohne bombensicheres Unterkommen, als ohne Reduit geblieben wäre, wobei besonders der Mangel des crsteren wegen zu nam- haften Verlustes an der schon sehr geschwächten Besatzung auf die Dauer und Energie des Widerstandes leicht sehr nach- theilig hätte einwirken können.

Bei dem grossen Flächen räum der Stadt Danzig selbst glaubte man auf Einrichtungen znr gesicherten Unterkunft von Mannschaften und Lebensmitteln im Innern derselben nicht weiter Bedacht nehmen zu dürfen, da vorausgesetzt wurde, dass ein grossser Theil der Stadt, namentlich die Speicherinsel und Langgarten, durch Bombardement nicht zu erreichen sein würden, was im Verlaufe der damaligen Vertheidigung sich auch bestätigte.

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Zur bombensicheren Unterbringung der Munition benutzte man mehrere auf der Niederungsseite des Hauptwalles ausser dem feindlichen Geschützbereich belegene alte Pulver-Magazine und einige der geräumigeren Gewölbe in den Bastionen der hohen westlichen Front des Hauptwalles, und es wurden dem- gemäss 5 vorhandene gemauerte Friedenspulvermagazine durch Aufbringung von Balken- und Erddecken zu bombenfesten Kriegsmagazinen und das grosse Suterrain unter Bastion Wieben von 120 Fuss Länge und 9 Fuss Breite, nebst 2 an- liegenden kleinen Gewölben durch Einbauung von Repositorien zu Haupt-Munitions-Depots eingerichtet.

Um aber einen grossen Theil der fertigen Munition gleich in den Werken gehörig vertheilt und sicher untergebracht bei der Hand zu haben, errichtete man innerhalb des Retranchements und im Umzüge des Hauptwalles 62 kleine Munitionsbehältnisse, jedes durchschnittlich 12 Fuss laug, 6 Fuss breit und 6 Fuss unter den Rahmen hoch, und ausserdem noch 7 etwas geräu- migere Behältnisse. Die Anlage dieser Verbrauchs - Magazine erfolgte mehrentheils in der Rückseite hoher Wallgänge, oder unter Traversen und WuUprofilen, insofern deren Lage eine angemessene Sicherung der Eingänge zuliess. Sie wurden zu Tage gearbeitet und nach einer möglichst einfachen Konstruk- tion angefertigt, indem man sich hölzerner Rahmen von 9 Zoll Stärke bediente, welche von 4 zu 4 Fuss gesetzt, auf den ver- tikalen Seiten mit 6 zölligen Halbhölzern hinterlegt, oben nach der Länge des Raumes mit 9 bis lOzölligen Balken bedeckt, hierauf rings mit Boden umschüttet und über den Balken- decken mit einer mindestens 5 Fuss hohen Erddecke versehen wurden. Der Fussboden erhielt eine Dielung und der Ein- gang einen doppelten Thürverschluss. Im ganzen hat die ge- wählte Konstruktion genügt ; wenigstens ist während der ganzen Dauer der Belagerung keines dieser Pulverbehältnisse durch feindliche Projectile zerstört oder aufgesprengt worden.

4. Die Anlage neuer Aussen- und detaschirter Werke.

Zu diesen Anlagen sind folgende zu rechnen:

a) Die Schanze an der Rückf orter Schleuse mit ihrem Blockhanse, die Verschanzungen am Ganskruge vorlängs des Weichseldammes und an der Wer der sehen Brücke, welcher

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Werke scliou weiter oben wegen ihrer Beziehung zu den Inun- dations-Au lagen ausführlich gedacht worden, und welche hier der vollständigen Uebersicht wegen nur nochmals ei'wähut werden.

b) Das Retranchement längs des Stolzenberger Grundes vor der Front Salvator-Mittel des Bischofsberges.

Dies Werk bestand eigentlich nur in einer Brustwehr, welche der vorhandenen Terraingestaltung folgend mit ein- und ausgehenden Winkeln hart an dem diesseitigen dominirenden Rande des steil und tief eingeschnittenen Stolzenberger Grundes gebildet wurde, um diesen vom Bischofsberge her nirgends be- strichenen und mithin der Festung sehr nachtheiligen Grund ganz in der Nähe übersehen und wirksam vertheidigen zu können. Auf dem linken Flügel schloss sich dies Retranchement dem bedeckten Wege vor Bastion Salvator an, auf dem rechten Flügel wurde dasselbe durch eine in Holz construirte krenelirte 28 Ruthen lange Gallerie, welche man bis zur Schartensohle einsenkte und mit einer Balken- und Erddecke versah, mit dem bedeckten Wege vor der linken Face des Bastions Mittel in Verbindung gebracht und zugleich durch diese Gallerie die sonst durch kein Terrain-Hinderniss geschützte rechte Schulter dieses vorgeschobenen Retranchements sowohl gegen Einsicht als gegen gewaltsamen Angriff möglichst sichergestellt. Die Gallerie gewährte überdies einen zweckmässigen Untcrkunfts- rauni für einen Theil dei* Besatzung. Zur niederen Bestrei- chung des unteren Einganges des Stolzenberger Grundes wurde auch die vor dem Legenthore im Bereich der Inundation bele- gene und für einen gewaltsamen Angriff unzugängliche B arm- herz ige-Brüder- Schanze besetzungsfähig hergestellt.

c) Die detaschirte Lünette dicht vor dem Olivaer Thore. - Da dieses Thor gegen das äussere Terrain sehr exponirt

liegt, dasselbe damals nur durch einen kleinen, mittelst einer palisadirten Erdflesche verstärkten Waffenplatz gedeckt und gleich wohl seiner Lage nach für die Offensivbewegung der Besatzung vor- zugsweise bestimmt war, so schien es nöthig, den äusseren Zu- gang zum Thore noch durch eine Lünette zu sichern, welche so weit vorgeschoben wurde, dass die vor- und zurückgehenden Truppen sich hinter der Kehle derselben ohne Behinderung

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durchziehen, und dass ihre Faceii von den anliegenden Befes- tigungslinien noch hinreichend ilankirt werden konnten. Man begann dies Werk erst in der Nacht vom 3. zum 4. April, nach- dem der Feind die Traucheen vor dem Hagelsberge schon er- öffnet hatte, so dass es unter dem feindlichen Feuer vollendet werden musste. Es erhielt einen nur etwa 6 Fuss tiefen trocknen Graben, welcher längs der Kontreskarpe mit einem dichten Verhau versehen wurde. Der Anschluss an die hinter- liegende Glaciskrete erfolgte ebenfalls auf beiden Flügeln der Lünette durch einen mit den Stammenden eingegrabenen Ver- hau. — Die innere Deckung des Werkes und namentlich der rechten Face gegen die links anliegenden Höhen war schwierig und konnte nur durch starke Bonnetirung und durch Zuhälfe- uahme von Traversen bewirkt werden.

d) Die kleine Kalkschanze am linken Weichselufer, ungefähr 700 Schritt vor der Befestigung des Holzraumes.

Dies Werk wurde auf der Stelle einer alten völlig einge- ebneten Redute angelegt, von welcher nur noch ein schmaler und nicht hinreichend tiefer Wassergraben vorhanden war. Es sollte zur Verstärkung und Flankirung des rechten An- schlusses des äusseren Retranchcments zwischen dem Olivaer Thore und der Weichsel dienen, und zugleich dem Feinde die Festsetzung an der Weichsel und sein Vorgehen gegen das Oli- vaer Thor erschweren. Um diesen Posten vom Holm und vom Holzraum aus einsehen und beheiTschen zu können, wurde er in den Grenzen der alten Gräben nur in Form einer offenen Flesche hergestellt und mit 50 Mann besetzt. Die Palisa- dirung war noch nicht zustande gebracht, als der Feind in der Nacht vom 2. zum 3. April sich des Werkes bemächtigte und es sogleich zu einer geschlossenen Redute umzufonnen begann. Am 3. April morgens wurde dasselbe wieder genommen, an demselben Tage und in der folgenden Nacht die Palisadirung geschlossen und rückwärts eine gedeckte Kommunikation mit dem Holzraum zustande gebracht. Demnächst beschäftigte man sich mit der Erhöhung und Verstärkung des Profils dieses Werkes, da es täglich dem Geschützfeuer der umliegenden Bat- terien ausgesetzt war.

e) Die sogenannte Blockbausscbauze auf einer schmalen

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Landzunge an der Einmündung der Mottlau in die Weichsel, der oberen Holnispitze und der Einmündung der Scliutenlake gegenüber. Sie wurde auf der Stelle eines baufälligen, zu- vor zu demolirenden alten Blockhauses, welches zur Zeit der preussischeu Besitznahme von Danzig im Jahre 1793 schon vor- handen war, errichtet und erhielt daher den Namen Blockhaus- schanze. Der Mangel an Raum und an Boden machte es noth- wendig, den 12 Fnss starken, durchschnittlich 13 bis 14 Fuss hohen Wall des Werkes innerhalb und ausserhalb mit einer senkrechten Holzbekleidung zu verseilen, die Bankete und Geschützbänke aber durch solide, aus Balkenholz gezimmerte und mit 3 zölligen Bohlen belegte Rüstungen zu bilden. Die Wallbekleidungen sowohl, als Rüstungen waren in sich Iiin- reichend stark verankert, um dem Erddruck und der Erschüt- terung des Geschtttzfeuei-s zu widerstehen. - Die der Festung zugewendete Seite der Schanze bestand nur in einer 3 zöl- ligen Bohlenwand, um nöthigenfalls von den hinterliegenden Fronten aus geöffnet werden zu können. Im Inneren der- selben befand sich eine bombenfeste Baracke und ein Munitions- behältniss. Im ganzen wurde diese Schanze so sorgfältig und regelmässig erbaut, dass sie hinsichtlich ihrer Konstruktion einem im tiefsten Frieden und bei günstiger Jahreszeit errich- teten Werke völlig gleich erachtet werden konnte; indessen war, wie ei-wähnt, der Mangel an Erdreich und die weite Heranschaffung des Materials dem Bau sehr hinderlich, und es lag hierin auch die Veranlassung, dass derselbe erst gegen den Schluss der Vertheidigung ganz beendet wurde. Von der Blockhausschanze rückwärts nach Strohdeich warf man späterhin längs der Mott- lau eine trancheeartige Verbindungslinie auf, um nach dem Ver- lust des Holmes gedeckt von der Festung nach diesem Posten gelangen zu können.

f) Die kleine Verschanzung an der rothcn Brücke vor dem Legethore links neben der Barmhcrzigen-Brüderschanze. Dies Werk diente als Aussenpostcn des oben genannten Thores und zur Bestreichung des durch das überschwemmte Niederungs- terrain nach Alt-Schottland führenden Dammes.

g) Ein detaschirtes Werk auf der Jesuiterhöhe, 900 Schritt vor der Front Salvator-Mittel des Bischofsber^es, etwa

lOÖ

auf derselben Stelle, wo die Franzosen während der Verthei- dignng im Jahre 1813 eine Verschanzung angelegt hatten. Dasselbe bestand in einer bastionsförmigen Lünette, ihrem um- fange nach auf 200 Mann und 4 Geschütze berechnet, welche, wenn die Zeit es noch erlaubt hätte^ mit einem Blockhause im Innern versehen worden wäre.

Am 8. März begann mau diese Arbeit und die Brustwehr fing bereits an, sich zu bilden, als der Feind am 10. März nach- mittags alle Truppen der Besatzung, welche sich auf dieser Seite der Festung noch ausserhalb der Werke befanden, bis an das <31acis zurückwarf und auch die Arbeiter von der begonnenen Schanze vertrieb. Er wurde zwar sogleich wieder delogirt, da indessen diese Angriffe in den nachfolgenden Tagen sich wieder- holten und keine Hoffnung vorhanden war, das Werk seiner weit vorgeschobenen Lage entsprechend noch in einen hinreichend wehrhaften Stand setzen zu können, so wurde die Arbeit an demselben aufgegeben. Ebenso wurde, wie wohl man sich gegen einen regelmässigen Angriff viele Vortheile davon ver- sprechen konnte, die Anlage eines vorgeschobenen selbststandigen Werkes auf den Zigankenbergen gar nicht begonnen; denn die Ai-mirung der Hauptwerke nahm alle nur aufzubringenden Kräfte fortgesetzt dergestalt in Anspruch, dass es nicht mög- lich war. sich noch mit der Schöpfung weit detaschirter Aussen- post^n einzulassen, die keinenfalls mehr ganz vollendet oder auch nur insoweit haltbar gemacht werden konnten, um nicht alsbald mit Tiiippen und Geschütz ein Opfer des Feindes zu werden.

h) Die Deckungslinien und Batterien auf der Holminsel. Diese bestanden eigentlich nur in einem zusammenhängenden, trancheeaitigen Aufwurfe, welcher dem ümriss der Holminsel, und zwar den Dämmen sowohl längs des Weichselufers als längs der Sdintenlake, folgte , um diese üferlinie gegen das feindliche Feuer gedeckt besetzen und beobachten zu können. Dabei wurden die Reste einiger alten Schanzen benutzt, um darauf Batterien zur Bestreichung der Dämme des gegenüber- liegenden linken Weichselufers *) und zur Flankirung der Ealk-

*) Nach fler skizzirten Oeftchichte S. 62 wurde gegenüber Schellmühl

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schanze anzulegen. Bei diesen im ganzen nicht unbedeu- tenden Erdarbeiten hatte man. wie oben erwähnt, hauptsächlich nur den Zweck der Deckung der aufgestellten Mannschaften und Geschütze vor Augen, während besondere Sicherungsmass- regeln gegen einen gewaltsamen Angriff nicht zur Anwendung kamen.

2. Die artUleristische Armirting.

Ueber die artilleristische Armirung erfahren wir durch Brese^) die Aufstellung der Geschütze gegen den gewaltsamen Angriff, welche für die Stadt mit ihren Aussenwerken ohne Weichselmünde 249 Geschütze in Anspruch nahm, wovon auf das Retranchement 151, auf die Stadtumwallung 93, auf die Block- hausschanze 2, die Schanze vor der Rückforter Schleuse 3 Ge- schütze kamen. Zur Disposition gegen den förmlichen Angriff blieben nur 12 Geschütze. In Weichselmünde und Neufahr- wasser waren 68 aufgestellt. Dazu trat die Ausfallbatterie.

Dem Kaliber und der Gattung nach zerfielen die 349 Ge- schütze ohne die Ausfallbatterie in

46— 3 pfundige, 120— 6 pfundige, 122— 12 pfundige, 15 20pfündige Kanonen *),

eine Schanze für 4 Kanonen und weiter abwärts eine zweite aufgeworfen, um den Weg von Laushof zu bestreichen.

*) Archiv S. 74. Beilage I. Die skizzirte Geschichte (Plümicke) S. 46 stimmt in der Gesammtzahl der Geschütze darin überein, weicht aber in der Vertheilung davon ab. Da anzunehmen ist, dass deren Angabe dem PnUet- sehen Manuskript entnommen ist, so mag obige Berechnung dem Armirungs- plan angehören, die Pnlletsche Angabe dagegen der spätem Verwendung ent- sprechen, da die Reserve darin zur Aufstellung gelangt ist. Die Aufstellung war danach folgende: Auf dem Hauptwalle der Stadtbefestigung befanden sich in allen 80 Stück, auf dem Retranchement vom Petershagener Thor bis incl. Holzraum 141, in der Rückforter Schanze 5, am Ganskruge 8, im Block- haus 5, au der Werderschen Brücke 2, an der rothen Brücke 2, in der barm- herzigen Brüderschanze 3 und auf dem Holm 15. In Wefchselmünde und Neufahrwasser 88 Geschütze.

*) Es sind dieselben Kaliber, welche die Stadt nach dem schwedischen Kriege 1626—1629 eingeführt hatte und die wir oben Bd. I S. 478 haben ent- stehen sehen. Die Uebereiustimmung in der Zahl mit den Geschützen, mit welchen die Stadt 1734 ausgerüstet war, .scheint zu ergeben, dass ein Zu- wachs seitdem nicht eingetreten war. Sie waren mit der Stadt 1793 an Prenssen übergegangen und von diesem nicht vermehrt worden.

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9 7 pfundige, 11 lOpfündige Haubitzen, 15 SOpftindige, 11 öOpfiindige Mörser.

Die Aufstellung war ganz den bekannten Grundsätzen ent- sprechend, wonach die 3- und 6 pfundigen Kanonen als Flanken- geschütze, die 12 pfundigen Kanonen und, wo das Terrain es erforderte, Haubitzen zur Bestreichung des Vorterrains auf den Facen oder ausspringenden Winkeln, die Mörser zur Beleuch- tung des Vorterrains auf den Kurtinen oder in den Spitzen der Bastione aufgestellt waren. Auch ist eine Bevorzugung des Bischofs- und Hagelsberges oder gar, dass dieselben von vorn- herein gegen den förmlichen Angriff bewaffnet waren, nicht zu erkennen. Um so auffallender ist die geringe Zalil der Reserve- geschütze, die gegen den förmlichen Angriff disponibel gehalten wurden, was aber noch mehr ist, sie gelangten gar nicht zu dieser Verwendung, weil das sich bald herausstellende Bedürfniss, die Weichsel in ihrem untern Lauf zu beherrschen, und später die Besorgniss, den Holm zu verlieren, dahin führten, dass sie sämmtlich wenigstens der Zahl nach dahin detachirt wurden. Diese Reserve von 12 Geschützen gegen den förmlichen Angriff bestand aus 5 12pftindigen und 4 20pfündigen Kanonen, 2 10 pfundigen Haubitzen und einem Flankengeschtitz.

Die sehr schwerfälligen 20 pfundigen Kanonen wurden zum gi'üssten Theil auf der hohen Front (Bastion Gertrud, Wieben, KaiTcn, Elisabeth und Jakob) vei-wendet, wo sie den ganzen Verlauf der Belagerung stehen bleiben und dabei das Terrain vor dem Petershagener und Olivaer Thor bestreichen konnten. Vermöge des tief eingeschnittenen Schidlitzthals konnten sie auch gegen einen förmlichen Angriff auf den Bischofs- oder Hagelsberg hinwirken. Auf dem Retranchement selbst sind nur 2 zur Verwendung gelangt'). Auffallend erscheint, dass die schwache Olivaer Front nur mit 20, der Anschluss zwischen dem Bischofs- und Hagelsberg, der ziemlich dieselbe Ausdeh-

') Wenigstens bei der AnfsteUnng gegen den gewaltsamen Angriff. Da jedoch 5— 20pfündige Kanonen im Lauf der Belagenmg auf der Angriffs- front demontin worden sind (Brese Archiv Bd. 11. S. 62 Note), so müssen gegen den förmlichen Angriff noch mindestens 3 aus der Reserve auf den Hr.gelsberg geschafft worden sein.

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nung hat, dagegen mit 45 Geschützen besetzt worden sind. Das Verhältniss findet seine Erklärung jedoch darin, dass der Anschhiss wegen der zahlreichen ausspringenden Winkel seines tenaillirten Tracees eine grössere Zahl von Flankengeschützen erforderlich machte (23 gegen 9) und eine grössere Zahl von Wurfgeschützen zur Beleuchtung der vorliegenden Schluchten bedurfte (7 gegen 2).

Aus allem geht hervor, dass die Ausrüstung des Platzes mit Geschützen eine zu geringe war. Noch viel grösser war indessen die Kargheit in der Ausrüstung der Festung mit Pulver.

Nach dem Originalbericht des Artillerie-Offiziers vom Platze, Majors von Oppen, vom 12. März 1S04 *) befanden sich:

ctr. Pfd.

1. Im Haupt-Depot (in den Gewölben des Bastions

Wieben) zu Munition verarbeitet 1091—35

2. In den Pulvermagazinen auf der Niederungs- seite der Festung in losem Pulver in FäSvSern 618—55

3. In den Verbrauchs-Pulvermagazinen der Werke in Kartuschen, Bomben, Granaten, Leucht- kugeln etc 393—77

und an losem Pulver in Fässern ..... 8—55

4. An Gewehr- und Karabinerpatronen 808272 304—37 Ausserdem an Pulver, theils von Privatleuten angekauft, theils aus Pillau erhalten^) ... 142

In Summa zu Danzig 2558—39. Den Befestigungen von Weichselmünde und Neu- fahrwasser waren zugetheilt worden 345

Summa des ganzen Bestandes

bei erfolgender Einschliessung 2903—39.

*) V. Brese S. 96. 96. Das Pulver aus Pillau pp. ist erst am 6. April angelangt, daher das „ausserdem". Es geht daraus hervor, dass der Graf Kalkrenth sich sogleich nach seiner Ankunft den Pnlverrapport vorlegen Hess.

•) Die von Pillau erhaltenen 125 Ctr. Pulver waren infolge Requisition des Guvemements um Vennehrung der Bestände von 500 Ctm. übersendet worden. Auf weitere 300 Ctr. gab der Kr>nig unterm 26. April eine wieder- holte Anweisung an das 1. Departement des OberkriegskoUegiums , wie es

Nach der skizzirten Geschichte der Belagerung sind nach der Berennung noch 600 Centner Pulver von Danziger Kauf- leuten aufgekauft worden, die jedoch nur zur Füllung von Bomben etc. zu verwenden waren*).

Als Haupt-Laboratorium wurden die Gewölbe des Bastions Elisabeth, speciell der in der Erdschüttung desselben gelegene alte Eandelersthurm benutzt.

G. Die Besatzung.

Der Guverneur Graf Kaikreuth, welcher am 11. März, dem Tage Ae% Berennung, in Dauzig eintraf, war bereits ein 70er. Aus der Schule Friedrichs des Grossen hervorgegangen, hatte er sich in den Revolutionskriegen vielfach ausgezeichnet, war ein gewandter Taktiker und verstand es, seine Untergebenen zu inspiriren. Auch mit dem Festungskriege war er vertraut. Dabei war er ein wissenschaftlich gebildeter, vor allem aber ein humaner Mann, der das Vertrauen der Bürgerschaft in hohem Grade genoss und sie zu grosser Opferwilligkeit fort- riss. Er soll nach Boyen (Erinnerungen 1, 264) ungern nach Danzig gegangen sein. Boyen schildert ihn als eingefleischten Egoisten und wirft ihm den Verlust der Schlacht von Auer-

schdnt anf Drängen des Guyenieurs (Belagerung von Danzig 1807. Aas den Originalpapieren pp. Posen und Leipzig 1809 S. 183). Graf Kalk- renth drückt sich hierüber in einem Schreiben vom 6. Mai an den Major Y. Oppen (S. 184) wie folgt aus: „Ew. pp. wissen, dass wir nur 500 Ctr. Pnlver gefordert haben, davon sind 125 Ctr. bereits hier, fKX) wahrscheinlich schon in Nenfahrwasser, wenn wir aber auch diese hereinbekommen, das doch wohl zwischen hier und 8 Tagen geschehen muss, so würden diese doch nnr auf 4 Tage reichen. Wie kömmt es, dass nicht gleich mehr gefordert worden? and wäre deshalb etwas versehn, so wäre es noch Zeit, eiligst die benöthigte Quantität nachzufordern". Am folgenden Tage ging jedoch der Holm verloren und diese 300 Ctr. sind nicht nach Danzig gelangt. 200 da- Yon gfingen mit dem Dauntless verloren. Wie aus dem Schreiben des Grafen Kalkreath hervorgeht, trifft das Guvernement die Schuld, nicht mehr und nicht frühzeitig genug gefordert zu haben. Vorzugsweise wird dadurch je- doch das 1. Departement kompromittirt. Von den Zeitgenossen wurde die Entlassung des Guvemeurs von Königsbnrg v. Rüchel nach dem Kriege mit der verspäteten Sendung der 300 Ctr. in Verbindung gebracht.

*) Höpfner bringt diese 345 Ctr. irrthümlich von dem Bestände an Pulver in Danzig in Abzug und erwähnt auch die 600 nachträglich von den Kaufleuten beschafften Centner nicht

Kdhler, Geschicbte der Festangen Danzig und Weichsel mUnde. IL 8

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stedt vor (Erinnerungen 1, 197). Gneisenan urtheilt noch i-flck- sichtsloser über ihn; der Prinz August von Preussen, der 1806 in Thüringen unter ihm stand, beschuldigt ihn auf dem Rück- zuge nach der Schlacht von Auerstedt sein Koit)s verlassen zu haben. Kriegsgeschichtliche Einzelheiten I 2. Heft.

Der ihn während der Armirungszeit der Festung vertretende Viceguverneur v. Maust ein besass keine der geselligen Eigen- schaften Kaikreuths und hatte sich den Hass seiner Untergebenen und der Bürgerschaft durch seine Pedanterie und Strenge im höchsten Grade zugezogen. Er ist von den Zeitgenossen hart ver- urtheilt worden. Namentlich machte man ihm den Vorwurf, 2000 bis 3000 Mann der Besatzung in unnützen Gefechten in der Umgegend verloren zu haben ^), die zur Ausführung der Armirungsarbeiten höchst nothwendig in der Festung gewesen wären und späterhin bei der Vertheidigung vortreffliche Dienste geleistet hätten.

Kommandant war der General von Hamberger, kein Jüngling mehr, aber, wie sich der Verfasser der „Preussen in Danzig" ausdrückt, an Geisteskräften ein Jüngling von uner- müdlicher Thätigkeit und Umsicht.

Der Ingenieur vom Platz, v. PuMet. war zwar noch Lieutenant, aber nach dem Zeugniss eines kompetenten Augen- zeugen „vielleicht einzig geeignet, eine Befestigung wie die von

*) Dieser Vorwurf ist nnr zum Theil begründet und der Verlust von 2000 bis 3000 Mann übertrieben. Es war dem General von Manstein gelungen, die pohlischen Insurgenten , welche seit December 1806 Westpreusseu beun- ruhigten, in Zaum zu halten, dagegen überstieg es seine Kräfte Dirschau be- haupten zu wollen, nachdem der General Menard mit den Badenern und der Nordlegion, zusammen gegen 5000 Mann, von Stettin kommend, am 18. Febr. bei Stargardt eingetroffen war und sich mit den Polen vereinigt hatte. Man- stein beauftragte am 20. den Major Both, mit 600 Mann und zwei leichten Geschützen (!) Dirschau zu besetzen und so in Vertheidigungszustand zu setzen, dass er es 24 Stunden halten könne, wo er durch den Major Wostrowski der mit 800 Mann Fussvolk, 300 Reitern und 4 Geschützen bei Mühlbauz im Danziger Werder stand, entsetzt werden würde. Der General Menard Hess Dirschau am 28. angreifen und verlegte dem Major Wostrowski den Weg. Die Stadt wurde nach hartnäckigem Widerstand erstürmt. Nur 277 Mann der Besatzung entkamen nach Danzig. Ebenso fehlerhaft war es vom General Manstein, dass er auf der Danziger Nehrung nicht einige Schanzen aufwerfen Hess, da die zur Vertheidigung der Nehrung aufgestellte Mann- schaft vr)]lig unzureichend dazu war.

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jDanzig zu fiberselin und gegen einen hartnäckigen Angriff so lange zu erhalten, wie es geschah." Ihm zur Seite stand der Major Bousmard, ausgezeichnet durch seine Geschicklichkeit als Ingenieur und seine theoretischen Kenntnisse, wie durch seinen Charakter. Er war nach Auflösung der Ingenieuraka- demie, wo er Lehrer gewesen war, nach Danzig gegangen, um sich nützlich zu machen, und übernahm hier die schwierigsten Bauausführungen, sowohl während der Armirung wie später bei der Vertheidigang. Er bewies sich dem Lieutenant Pullet gegenüber so ohne allen Egoismus, dass er, wie der Verfasser des „belagerten Danzig" erzählt, bei versammeltem Kriegsrath den Lieutenant Pullet bei der Hand fassend ausrief: „Ich sehe, dass Sie das gute wollen, wie ich es ebenfalls aufrichtig will, ich werde daher Ihr Adjutant sein, das soll uns künftig zur Eichtschnur dienen." Als Ingenieur -Brigadier war der Major Euhfuss kommandirt. Ende April traf noch der Ingenieur-General Laurens vom Ingenieur-Departement des Oberkriegskollegiums ein, den sich der Graf Kaikreuth bei seinem Abgange von Memel speciell vom Könige ausgebeten hatte. Seine Wirksamkeit ist nicht über die Beiwohnung des Kriegsraths hinausgegangen. Der Artillerieofficier vom Platz, Major von Oppen, wurde während der ganzen Belagerung vom Guverneur infolge der guten Dienste der Artillerie auf Händen getragen. Er hatte vortreffliche Stützen an den Hauptleuten von Fiebig, der jedoch gleich in den ersten Tagen nach der Einschliessung schwer ver- wundet wurde und starb, von Holtzendorf, Kommandeur der Ausfallbatterie und später der Artillerie des Hagelsberges, von Studnitz, anfangs Kommandeur der Artillerie des Hagelberges, später des Bischofsberges, und Wilke, Kommandeur der Artillerie der Olivaer Front. Von den Kommandeuren der Infanterie wird vor allem der Major v. H o r n vom Regiment Courbiere gerühmt. Er war Kommandant des Hagelsberges ^) und von einer rast- losen Thätigkeit. Seiner Wachtsamkeit ist zum grossen Theil

^) So wird Hörn für gewöhnlich hezeichnet. Kommandant des Hagels- berges war jedoch während der Belagemng von Danzig der General v. Harn- berger. Hom war Stabsoffizier du joar auf demselben nnd wechselte in dieser Fanktion mit dem Kapitain v. Natzmer. Skizzirte Geschichte S. 181 and das ^belagerte Danzig'' S. 34.

8*

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die Erhaltang des Hagelsberges zuzuschreiben. Er revidirte in der Nacht mehrentheils jede Schildwache und jeden wichtigen Posten wiederholentlich und das in einer Zeit von 8 Wochen, wo niemand mehr aus den Kleidern gekommen ist. Höchst thätig waren ferner der Major von Brauchitsch, Kommandant des Bischofsberges, Major von Kamptz am Olivaer Thor und von Wostrowski auf dem Holzraura.

Als Kommandant von Weichselmttnde fungirte der Oberst von Schaper, in Neufahrwasser der Oberst Schuler von Senden. Auf den erstem war die Bürgerechaft von Danzig nicht gut zu sprechen. Die Geschichte weiss sonst nichts von ihm zu erzählen.

Die Stärke der Garnison, welche bei Eröffnung des Feld- zuges im Oktober 1806 aus einem Infanterie-Regiment, einigen dritten Musketierbataillonen und 5 Invalidenkompagnien, zu- sammen aus 2900 Mann Infanterie, 100 Mann Artillerie und 16 Reitern bestand 0, hatte am 12. März 1807 die Höhe von 12 273 M. Inf. mit 296 Offz., 1613 M. Kav. mit 40 OflFz., 1380 M. Art. mit 23 Offz., und 21 M. vom Ingenieurkorps mit 11 Offz., zusammen 15287 mit 370 Offz. erreicht. Sie war aus den verschiedensten Elementen, zum Theil sehr unzuverlässigen, zu- sammengesetzt. Zu letztern gehörten namentlich die Polen, welche in dem zur Zeit insurgirten Südpreussen ausgehoben worden waren ^).

^) Nach Höpfner S. 377 setzte sich die Garnison aus folgenden Truppen- theilen zusammen:

a. an Infanterie.

das neuformirte Grenadier-BataiHon Schmeling 746 Mann

Grenadier-BataiUon Rrauchitseh 725

Infanterie-Regiment Hamherger 1247 .

Courbiere 1195 ,

» » » Diericke 1344 ,

die 3. Musketierbataillone von Courbiere, Diericke, Kaikreuth,

Besser, Treskow, Kaufberg und Kropf 4635

Reste der Füsclierbataillone Pelet und Rühle 429

das Fttselierbataillon Rembow 518

die Jägerkompagnie Werner 141 ,,

die Füselierdepots von Rembow, Wackenitz, Bergen, Stutterheim,

Bülow, 8chachtmeier, Greifenberg 279

das Reservebataillon Man st ein 269

117

Davon befanden »ich in der Stadt 216 Oflfz. 8265 M. Inf., 1459 M. Kav., 12Q0 M. Artillerie und 19 M. des Ingenieurkorps;

das Krockowsche Freikorps 700 Manu

die 2. westpreussische Invalideiikompaguie (die übrigeu wareu

aufgelöst worden) 45

zusammen 12273 Mauu

b. an KavaUerie.

Das 1. Bataillon von Königin Dragoner, 329 Manu

die Reste des Regiments Rouquette Dragoner, 380

ein Kommando von König von Baiern Dragoner, 60

Depot des Regiments Reitzeustein Kürassiere 141

9 n a BaUiodz Kürassiere 54

8 Reserve-Schwadronen und Detachements verschiedener Regi- menter 549

die Krockowsche reitende Jäger-Schwadron 100 ,

zusammen 1613 Manu

c. an ArtiUerie.

Feldartillerie unter Major von Oppen 432 Mann

FestnngsartiUeiie unter Major Arent 109

provisorische Artillerie aus Rauzionirten 572

Hülfsmannschaft, zusammengestellt ans den Füselierdepots von

Hinrichs, Knorr, Borel, Oswald und Kloch 267

zusammen 1380 Mann d. an Ingenieuren: 11 Offiziere, 21 Mann Dazu kamen ende März und aufang April zwei pommersche

und ein neumärkisches Reserve-Bataillon 1582 Mann

drei Bataillone russische Infanterie 3736

drei PoUcs Kosacken 1063

in Summa 21 668 Mann.

Eine andere Stärkenachweisung der Besatzung theilt von Duisburg S. 313 mit, ohne jedoch seine Quelle zu nennen. Da er in Danzig anwesend war, mag er sie sich damals verschafft haben. Sie trägt kein Datum und weicht im einzelnen ab, stimmt jedoch in der Totalsumme im wesentlichen überein. Ich habe daraus die Stärke der drei Reserve-Bataillone und der Russen entnommen. Höpfner erwähnt auffallenderweise von dem ueumärkischen Re- serve-Bataillon, das zuletzt eintraf, nichts, ausser einmal ganz beiläufig, wo er von zwei Kompagnien des Bataillons spricht.

Der früher im BlÜcherschen Husaren-Regiment gestandene, als Ritt- meister verabschiedete Graf Krockow auf Gr.-Pnist in Hinterpommern war unterm 27. December auf sein Ansuchen als Kommandeur eines Freikorps bestätigt worden, das er durch Unterstützung der pommerschen Stände auf- zubringen versprach. Das Nähere über ihn bei Höpfner S. 341 und Friccius.

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als Besatzang des Holms 2 Offz., 269 M. Inf. und einige Ar- tilleristen (fttr die Bataillons-Eanonen). In Weichselmfinde 8 Officiere, 309 Mann Infanterie, 60 Artilleris- ten und 1 Mineur, zusammen 12 Offleiere 370 Mann. In Neufahrwasser 46 Officiere, 2222 Kombattanten, wovon etwa

120 Mann Artillerie, 1 Mineur und 2 rtd. 3-Pfdr. Auf der Nehrung unter dem General Ronquette 1448 Kombat- tanten, worunter 54 Kürassiere von Balliodz nebst einer halben reitenden Batterie Stieler*). Die Besatzung hätte allenfalls genftgt, wenn es sich bloss um die Besatzung der Stadt mit ihren Aussenwerken und von Weichselmttnde und Neufahrwasser gehandelt hätte. Durch den Hinzutritt des Holms und der Nehrung wurde sie jedoch ungenügend. Die nächste Folge war die zu schwache Be- setzung dieser beiden Terrainabschnitte und deren Wegnahme durch den Feind. Es wurde dahin abgegeben, nicht was er- forderlich gewesen wäre, sondern was man nach der regle- mentsmässigen Besetzung der Stadt etc. glaubte entbehren zu können. Aber auch nach der Wegnahme der Nehrung und nach der Verstärkung durch 3 Reserve-Bataillone und die Russen, die leider erst nach dem Verlust der Nehrung ein- trafen, trat eine sehr schnelle Abnutzung der Besatzung durch die Furcht eines gewaltsamen AngriiFs von selten des Belagerers ein, welche durch die Möglichkeit des Gelingens desselben, so- weit das Retranchement in Betracht kam, hauptsächlich aber durch allerhand Gerüchte genährt wurde. Infolgedessen trat die vom Ingenieur des Platzes ausgearbeitete Disposition der Besetzung der Werke, wonach etwa die Hälfte der Garnison einen Tag um den andern eine völlige Ruhe genossen hätte'),

^) Höpfner giebt S. 379 auch die Trnppentheile dieser einzelnen Kate- gorien an. Bei Duisburg finden sich dieselben für Neufahrwasser und Weichsel- mttnde auch für die spätere Periode.

*) Pittmicke theilt in der skizzirten Geschichte der Belagerung S. 42 nach dem handschriftlichen Werke Pnllets über die Vertbeidigung von Danzig die Zahlen der Disposition in Bezug auf die Stadt und deren Aussenwerke mit (siehe auch Höpfner S. 380). Danach hätte eine Besatzung von 8300 Mann für die Stadt genügt, um der Hälfte derselben einen Tag um den andern Völlige Ruhe zu ^eben, indem nur ein Sechstel zv\x immittelbaren Besetzung

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nicht ein, souderu die gesammte Garuisou war jede Nacht auf * den Beinen, und die Kleider wurden seit dem Tage der Be- rennung nicht abgelegt. Dazu kamen die massenhafte Desertion und die Verluste durch Krankheit und Gefechte, infolge des offensiven Charakters, den die Vertheidigung seit dem Ein- treffen des Guverneurs, Grafen Kaikreuth, annahm.

An Lebensmitteln hat es während der ganzen Dauer der Belagerung nicht gefehlt^), und ist deren Preis bei den guten Anordnungen des Guverneurs auch nicht zu sehr in die Höhe getrieben worden. Ftir*Aerzte war ausreichend gesorgt und an Lokalen für die Lazarethe und deren Ausrüstung konnte es in einer Stadt von dem Umfange wie Danzig und dem Geiste seiner Bevölkerung, soweit diese hier in Betracht kommt ^), nicht fehlen.

d. Die Kriegslage.

Der Zeitgewinn von vollen zwei Monaten, welchen die Ar- mirungsarbeiten von Danzig erhielten, war den Bussen zu danken. Gegen sie hatte sich Napoleon zunächst wenden müssen, und dazu waren alle seine disponiblen Kräfte erforderlich ge- wesen. Leider hatte ein unmotivirter Rückzug Bennigsens die grosse Barriere der Weichsel in französische Hände gegeben. Sein Sieg von Pultusk am 26. December hatte darin nichts ändern können, er hatte nur die Bedeutung eines glücklichen Rückzugsgefechts. Napoleon breitete sich auf dem rechten Weichselufer bis zum frischen Haflf aus und verlegte seine der Ruhe bedürftige Armee in die Winterquartiere, die Passarge, die Alle und den Amuleff bis zur Narew vor der Front. In der Regelung dieser Winterquartiere, die anfang Januar 1807 eintrat, drückt sich zuerst seine Absicht auf Danzig aus ^). Sie

der Werke als Wache erforderlich geweseu wäre, ein auder Sechstel als Piket für die Dauer der Dunkellieit diente und ein drittes Sedistel sich an- gekleidet im Quartier hefaud.

*) Den nähern Nachweis giebt Höpfuer S. 381.

•) Danzig hatte zur Zeit 44,511 Einwohner, wovon 43,267 Lutheraner, 485 Anabaptisten und 786 Juden. Nibuatnias S. 20.

*) Befehl an den General Victor vom 4. Januar 1807. M. Dumas T. XVni S. 300 : . . . vous agirez ensemble devant Dantzick pour f ormer le blocus de

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sollten die Belagerung von Danzig und Graudenz, der alleinigen Bollwerke der Weichsel, decken. Vor Einnahme des ersteren war eine Fortsetzung der Operationen nicht möglich. Später wurde ein neu zu errichtendes Armeekorps, das 10. unter, dem Marschall Lefebvre, zu dem Zweck errichtet, Danzig zu blockiren *).

Wenn dennoch zwei neue Monate vorüber gingen, bevor an die Ausffihrung der Belagerung gegangen werden konnte, so lag dies in dem erneuerten Vorgehu Bennigsens, diesmal auf preussischem Boden, wodurch die Bildung des Belagerungs- korps, das, soweit es bereits vorhanden war, zur Bekämpfung der Russen herangezogen wurde und bis Osterode vorging, verzögert wurde. Erst am 17. Februar, 9 Tage nach der Schlacht bei Pr.-Eilau, erhielt Lefebvre*) den Befehl, über Thorn zurückzugehn, die im Anmarsch begriffenen Sachsen und Badener an sich zu ziehen und auf Danzig zu marschiren. Napoleon empfahl ihm, sich sogleich der Nehrung zu bemächtigen und bei Dirschau eine Brücke zu schlagen.

Es war nicht das erste Mal, dass Danzig als befestigter Platz in die strategischen Kombinationen eines grossen Krieges gezogen wurde.

In dem schwedisch-polnischen Erbfolgekriege des 17. Jahr- hunderts hatte es für Polen dieselbe Wichtigkeit gehabt, wie jetzt für Preussea. Gustav Adolf hatte jedoch nicht die Mittel besessen, sich des grossen starken Platzes zu bemächtigen. Karl Gustav hatte es jedoch veratanden, die Stadt zu paralisiren,

cette place . . . Le roar^chal Bernadotte qui se troiiyera sous pea h Elbing, coavrira tos denx si6ges.

0 Befehl an Lefebvre vom 23. Januar. M. Dumas S. 330.

*) Der Befehl an den General Chasseloup, alle Mittel zur Belagerung von Danzig vorzubereiten, ist schon v. 13 Febr. von Eilau aus. (M. Dumas S. 418.) Es heisst darin: „mon Intention est de pousser vigoureusement le sifege de Dantzick .... Donnez fegalement Tordre au gfenferal de Tartillerie de pr^parer tous les moyens en materiel et en personnel pour pousser vigou- reusement le 8i6ge de Dantzick, mon intention 6tant de placer mon ann6e de maniöre ä prot6ger le si6ge de cctte place qu'il est instant de prendre avant tout". Der Befehl, auch aus Schlesien Geschütze heranzuziehen, ist erst vom 11. März (Dumas S. 537^.

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indem er sich 1656 des Danziger Hauptes bemächtigte und es mit einer weitläuftigen Befestigung umgab, worin er eine starke Besatzung unterhielt. Der Besitz der Nehrung, der damit gegeben war, und die fortwährende Bedrohung der Ver- bindung Danzigs mit der See hatte dieses damals matt gelegt ^). Für Napoleon hatte Danzig mit seiner grossen Garnison die Bedeutung, dass es seine Verbindungen bedrohte. Er musste sich desselben bemächtigen, bevor er an die Fortsetzung seiner Operationen denken konnte. Das ist leider von den AUiirten nicht frühzeitig genug erkannt worden. Für sie wäre es vor allem darauf angekommen, das Danziger Haupt, das durch die Einverleibung des Danziger Gebiets in den preussischen Staat eine grössere Bedeutung erhalten hatte, weil es sich noch um die Äufrechterhaltung der Verbindung mit Königsberg handelte, wieder zu befestigen. Mit Truppen allein war weder die Ver- bindung mit Königsberg noch die mit der See aufrecht zu er- halten, weil der Gegner immer eine grössere Zahl dagegen aufstellen konnte.

Der Marschall Lefebvre traf am 25. Februar, zwei Tage nach der Erstürmung, in Dirschau ein. Er liess in den ersten Tagen des März den grossen Werder besetzen und dehnte sich am 6. bis in den Danziger Werder aus. Am 9. verlegte er sein Hauptquartier nach Rosenberg. Am 10. erschienen die ersten Franzosen vor der Stadt.

Der Kommandant Hamberger der Viceguverneur von Manstein hatte am 24. Februar ein Bein gebrochen liess die Vorstädte bis auf die reglementsmässige Entfernung von 800 Schritt von den Werken abbrennen und am 11. den Damm bei Quadendorf, beschützt durch 7 Kompagnien, durchstechen, um die schon vorher bewirkte Anstauung der Mottlau mittelst der Steinschleuse zu vervollständigen. An demselben Tage traf der Guverneur Graf Kaikreuth ein.

e. Das Belagerungskorps.

Das zur Belagerung von Danzig bestimmte 10. Korps unter

*) Auch Gustav Adolf war im Besitz des Danziger Hauptes und hatte es befestigt. Bei seineu geringen Kräften hatte dasselbe jedoch mehr einen defensiven Zweck^ sicherte ihm aber stets deu Zutritt zur Nehrung.

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dem Marschall Lefebvre erreichte erst gegen Ende der Be- lagerung seine volle Stärke von:

20740 Mann Infanterie, 2506 Kavallerie, 2917 Artaierie,

zusammen 26163 Mann ohne die Genietruppen, welche nach Kirgener 11 Kompagnien, nach M. Dumas 90 Mineurs, 86 Sappeurs stark waren 0-

1980 Mann 2148

432

416

937

415

n n

n ff

*) Die Zusammensetzimg des frz. 10. Armeecorps nach dem Eintreffen der frz. Trappen war nach HOpfner S. 382 folgende:

1. Division Michand 12. leichtes Infanterie-Regiment 2 Bat.

1. Nordlegion 3

Sächsisches Grenadier-Bataillon 1

1 BataiUon des Infanterie-Regiments Prinz Anton . . 1

Infanterie-Regiment y. Sänger 2 ,

1 BataiUon des Infanterie-Regiments Bevilaqua. . . 1

10 Bat. 2. Division Erbprinz von Baden

19. Linien-Infanterie-Regiment 2 Bat.

Badisches Leibregiment 2

Regiment des Erbprinzen 2 ,

Regiment des Markgrafen Lndwig 2

Regiment Harrandt 2

Jäger zu Fuss ,.

10 Bat. 3. Division Gielgud 1 BataiUon des 2. leichten Infanterie-Regiments . . 1 Bat.

44. Linien-Regiment 2

Regiment von Paris 2

2. leichtes polnisches Regiment 1 ,

3'» s g 2„

8 Bat. 4. Division Gardanne

2. Bataillon 2. leichten Infanterie-Regiments ... 1 Bat.

Sächsisches Grenadier-Bataillon 1 ,

1 Bataillon Regiments Pr. Maximilian 1

2. BataiUon Regiments Pr. Anton 1

1 Bataillon 2. polnischen Infanterie-Regiments ... 1

4. polnisches Infanterie-Regiment 2

6328 Mann

1352 Mann 796 , 660 695 570 60

4133 Manu

1010 Mann 950 967 374 946

n

n n

4247 Mann

774 Mann 353 , 499 , 482 646 1275

7 Bat. 3974 Mann

123

Um die Mitte März war es gegen 1 2 000 Manu stark ^). Es fehlte namentlich der grössere Theil der französischen Regi- menter. Der Marschall beklagte sich über die schlechte Be- schaffenheit einzelner Trappen.

Dazu das frz. 72. Linien-Infanterie-Regiment, das sehr

spät eintraf 2 Bat. 2058 Mann

37 Bat. 20740 Mann Kayallerie-Division des General Polenz 19. Chassear-Begiment 4 Esk. 303 Mann

23. n » 4 512

Badiscbe Husaren 1 136

Dragoner 2 288

Sächsische Kürassiere 3 588

g Cbeyauxlegers 1 156

2. polnisches Eayallerie-Begiment 3 215 ,

Polnische KayaUerie der Edellente (Towarczys) . . . 2 121

20 Esk. 2506 Manu Artillerie 1. Kompagnie 5. Fnss-Regimeuts 8. und 14. Kompagnie 6. Fuss-Begiments

5. Kompagnie des 5. Begiments reitender Artillerie 12. Kompagnie der Handwerks-Artillerie

Dazu sächsische, badische und polnische Artillerie

in Summa 2917 Mann Genietruppen

3. und 8. Minenr-Kompagnie

1. Kompagnie des 2. Sappeur-Bataillons

2., 3., 4., 5., 6. und 8. Kompagnie des 4. Sappeur-BataiUons

6. und 9. Kompagnie des 5. Sappeur-Bataillons.

*) In einem Schreiben des Kaisers an Lefebvre v. 16. März schätzt er das Korps auf 20000 Mann. In einem Parolbefehl des Grafen Kaikreuth y. 28. März heisst es: „der Feind giebt sich selbst auf 18000 Mann an, soyiel seme Excellenz wissen, sind es 11 bis 12000 Mann^ Die Dislokations- liste bei Duisburg giebt das Korps auf 14180 Mann, woyon 1600 Mann Kavallerie; Matth. Dumas giebt es S. 138 nur auf 9000 Mann an und sagt S. 144, dass es während der ganzen Belagerung nicht stärker als 16000 Mann gewesen sei. Die Angabe bei Duisburg scheint das richtige zu treffen, wenigstens für den 24. März. Höpfner veranschlagt S. 385 die Stärke der Franzosen zu dieser Zeit viel zu hoch auf 18000 Mann. Nach Grolman 9, 69 war die Stärke c^nfang April 16740 Mann,

124

Der Kaiser antwortete ihm, dass sie immer noch besser als die wären, die er vor sich hätte. Die Nordlegion war aus den Deserteuren der preussischen Armee hervorgegangen, die Desertion derselben blieb auch unterm französischen Adler sehr stark.

Der Marschall Lefebvre war ein geborener Elsasser, befand sich schon vor Ausbruch der Revolution in der franzö- sischen Armee und gelangte bereits 1797 zum Kommando der Maas- und Sambre-Armee. Er war 1804 Marschall und kommandirte bei Jena die Infanterie der Garde. Im Jahre 1807 zählte er 52 Jahre.

Als sein Chef des Generalstabes fungirte der Divisions- general Drouet. Die Artillerie kommandirte der Divisions- general Lariboisiere, unter ihm die Brigade-Generale An- thouard und Lamartiniere. An Ingenieurofficieren theilte Napoleon dem Marschall das beste zu, was er hatte, seinen eignen Chef des Ingenieurcorps, den Divisionsgeneral Chasseloup-Laubat, der jedoch erst am 19. April eintraf. Bis dahin leitete die Angriffsarbeiten der Brigade - General Kirgener, von dem Napoleon in einem Schreiben vom 16. März an den Marschall sagt: officier de g6nie propre ä tout^). Er gab ihm ferner seinen eigenen Adjutanten, den Genieobersten Lacoste, als Kommandeur der Hauptattacke. In der letzten Zeit wohnte der General Bertrand, ebenfalls Adjutant des Kaisei-s und vom Ingenieurkorps, der Belagerung bei, nachdem er schon vorher, wie Savary, ein anderer Adjutant, häufiger vom Kaiser zum Belagerungskorps geschickt worden war.

Den Belagerungspark hatte der Major Guillaumin unter sich. Als Tranchcemajore fungirten die Bataillons-Chefs Sabatier und Rogniat, die Attacke an der unteren Weichsel (linkes Ufer) dirigirte der Bat.-Chef Boissonnet von der kaiserlichen Garde, die Arbeiten auf dem Holm der Bat.-Chef Lesecq. Von den Ingenieur-Hauptleuten führte Blanc bis zum 19. April die Hauptattacke, CoUet die Attacke auf dem Stolzeuberg.

Die Transporte der Belagerungsartillerie waren noch weit im Rückstände. Zur Sicherung der Kommunikationslinien für

*) M. Dumas S. öö4.

125

dieselben organisirte der Kaiser auf den Strassen von Stettin nach Danzig und für den Wasserweg von Küstrin nach Brom- berg und weiter den Netzekanal fort eigne Etappen-Kom- mandos*). Die Transporte auf der Weichsel hatten das von Preussen besetzte Graudenz zu passiren. Doch ist es durch- weg gelungen, sie des Nachts ohne Verlust bei der Festung vorbeizufahren.

Zur Verbindung des Belagerungskorps mit der Armee wurden üebergänge über die Weichsel und Nogat bei Dirschau und Marienburg hergestellt.

Das 10. Korps hatte am 12. März folgende Stellung inne:

Die Vorpostenkette, welche sich von Schellmtthl und Neu- Schottland über die Höhen westlich Zigankcnberg durch Tempel- burg nach Altdorf und Altschottland fortzog, wurde gebildet von:

Bat. der Nordlegion in Langfuhr, Badener im Bivuak bei Dreilinden, Wonneberg,

Polen y, n n Schönfeld,

" T^ > in Ohra und Stadtgebiet.

Franzosen j

Ein polnisches Bataillon stand auf der S&dostseite der Festung in Quadendorf und Plönendorf. Von der Kavallerie standen die polnischen Lanciers in Langfuhr und an der See, die badische Kavallerie in Pietzkendorf, Polen bei Wonneberg, die sächsichen Chevauxlegers in St. Albrecht und Praust.

Dahinter kantonirten das 23. Chasseur-Regiment in Schüd- delkau, das 19. in Borgfeld, die sächsischen Kürassiere in Gisch- kau.

Die badensche Infanterie kantonirte in Pietzkendorf, Müg- gau, Nenkau, Schfiddelkau und Wonneberg;

die polnische Infanterie in Schönfeld, Zankenczin und Kowal;

die sächsische Infanterie in St. Albrecht, Matschkau, Borg- feld, Jenkau, Tiefensee, Kemlade und Praust*).

^) Damas. Befehle vom 16. und 18. März S. 552 und 562. >) H5pfner S. 385. Matth. Dumas S. 132. Nibuatnias S. 33. Duisbar^ Anhang. Nach letzterem war die Dislokation am 24. März wie folg;t:

m

Das Hauptquartier des Marschalls Lefebvre befand sich in Praust, der Hauptpark der Artillerie inLangenau an der grossen Strasse nach Dirschau.

Die Hauptmacht hielt daher die Höhen besetzt und hatte

Infanterie General Menard. Gen. Pacihnd polniflche Legion.

4. Bat 850 M.]Ungrahr

3. iiöO Innd Neu-

2. 200 , I schott-

9

1.

General Klosmann Badener. 2.Bat.Mkg.Loai8 260 M.^

land.

1. 2. l. 2. 1. 2.

Jäger

n

n . 250

Harrandt . 800 ^

ff . 300

Erbgrherz. 300

9 300

Leibrgnit. 300

300 ,

90 «

General Gielgad Polen.

o

2. Bat. Rgmt. 3

1. 9

2. . „2 1. Dombr.

2. 9 9 1

1.

660 H.)

650 ,

700 ,

[700 ,

650 ,

650 , J

o

CD *

S OD

o:

0

General Polenz Sachsen.

2.Bat.PrinzAntoii 3ö0 M.

a^ OD

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Nehmng.

!• w 9 n 350 2. Rgmt. Sänger 300

1' » 9 9 *^ 9

1-9 9 Bevi-

laqua .... 300 1. Prinz Maxim. 300

1. j, Grend. SQss-

milch .... 300

General Schramm Franzosen.

2. Bat. Chasseur-

Regiment 2 800 M. Nehrnug.

1. Bat. Chassear-

Regiment . . 800M. Stadtgebiet.

Graf Poninski Polen.

2. Bat. Regiment 4700 M. Nehning. 1. , , 4700 M. Werder.

Samma 12580 M.

Kavallerie General Sokolnicki. Polen. 1 Esk. Woyw. Gnesen 200 Pf. \ander 1 Mlawa 150

1 Towarczys. . . 100

2 Masnren .... 200

Badener.

Dragoner 50

Hasaren 50

Gen. Kruschinsky. Polen. 2E8k.Narado8ti8 ... 200 Pf.lWonne- 1 , M. Moraschewski 100 » jbcrg.

/ See !

} Lang- fuhr

\ Pietz- j kendorf .

Sachsen. 4 Esk. Leibkürass. 200 Pf. 1

Polenz Drag. 100 , Franzosen. ChassearsNo. 19 250 ,

Pranst.

auf der Nehrung u. d.Werder.

Summa 1600 Pf.

12?

zn beiden Seiten Detachements gegen das linke Weichselufer vorgeschoben. Das rechte Weichselufer blieb noch der Be- satzung von Danzig, die somit die Verbindung zur See und über Pillau nach Königsberg offen hatte.

f. Von der Einsehliessung der Festung

bis zur Eröffnung der 1. Parallele.

11. März bis 1. April.

Die Einnahme obiger Stellung war im Laufe des 11. März erfolgt. Noch am Abend wurden die drei Schanzen zwischen Neufahrwasser und dem Saspersee, die zur Zeit nur von drei Kompagnien des Regiments Kropf besetzt waren, angegriffen. Der Feind wurde mit einem Verlust von 8 bis 10 Mann zu- rückgewiesen. Der Guverneur, welcher überzeugt war, dass Nenfahrwasser zunächst das Hauptaugenmerk des Belagerers sein werde, sendete am 12. zwei Kompagnien des Bats. von Treskow und das ganze Krockowsche Freikorps dahin *). Ausser-

^) Die folgenden Details Bind ans den Berichten des GiiYernenrs an den König in: Belagerung von Danzig i. J. 1807, Posen und Leipzig 1809 entnommen. Dieses wichtige Werk, welches in den bisherigen DarsteUnngen der Belagerung fast gänzlich tibersehen worden ist, enthält auch die übrige Korrespondenz des Grafen von Kaikreuth, worin ein ungemein reiches Material niedergelegt ist. Höpfner hat sich in seiner Darstellung der Belagerung (der Krieg von 1806 und 1807, 3. Band, Berlin 1851) fast aus- schliesslich an das officielle Jumal der Vertheidigung von Danzig i. J. 1807 und an das handschriftliche Werk des Ingenieurs vom Platz, PuUet, über die Vertheidigung von Danzig 1807 gehalten, das bereits vom Beg^eruugsrath Flfimicke in seiner „Skizzirten Geschichte der Belagerung von Danzig 1807 '', Berlin 1817, benutzt worden ist. Da sich das Jumal und das handschrift- liche Werk Pullets nur auf die Ingenieurarbeiten beschränkt, Höpfner sich im übrigen begnügt hat, die „Skizzirte Geschichte", welche sich auffallender- weise auch mit der Korrespondenz Kaikreuths nicht bef asst hat, zu benutzen, 80 ist ihm manches entgangen, was der Erwähnung werth ist. Auch die Parolebefehle Kaikreuths (Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges Jahrgänge 1848 und 1844) bieten manches Interessante. Die

1^6

dem detachirte er an diesem Tage das Res. -Bat. v. Manstein mit 2 Geschützen nach der Holminsel, die bisher unbesetzt ge- blieben war. Im übrigen hatte er bei seiner Ankunft die Vor-

officiellen Akten Über die Veriheidigung tob Danzig 1807 liegen in diesen Werken und indem, wasBrese darüber veröif entlieht hat (seiner Armirang im 11. Bande des Archivs schliesst sich S. 60 S. noch der Kampf nm das Blockhaus im gedeckten Wege an, der ausserdem noch von ihm in seinen Vorlesungen „über das Entstehu und das Wesen der neueren Befestigungs- methode'' behandelt worden ist), ziemlich vollständig vor. Von geringerer Bedeutung, doch von grossem Interesse durch die Unmittelbarkeit der An- schauung sind die Berichte zweier Augenzeugen, weJche in den Broschüren: „Die Prenssen in Danzig* und das „Belagerte Danzig, ein Nachtrag zu der Schrift die Preussen in Danzig'^, beide Berlin nnd Leipzig 1808, erschienen sind. Als der Verfasser der erstem wird ebenfalls Brese genannt, der der andern ist jedenfalls Pullet. Von lokalem Interesse ist femer für die Be- lagerung von 1807 die „Geschichte der Belagerungen und Blokaden Dauzigs von der frühesten bis auf die gegenwärtige Zeif von Gottl. von Duis- burg, Danzig 1808. Unbedeutender, doch immerhin lesenswerth, sind die Schriften: „Belagerang und Einnahme von Danzig'^ 1807, Leipzig 1808 und „Danzig während der Belagerang i. J. 1807, in Briefen von einem Augen- zeugen', Hamburg 1808.

Dieses reiche Qnellenmaterial wird französischerseits vervollständigt durch das: „Pr^cis du si^e de Dantzick'' des Generals Kirgener, Paris 1807. Kirgener war bis zum Eintreffen Chasseloups, des commandant en chef du gtoie, Vertreter desselben nnd dann (seit dem 19. April) Direktor der Angriffsarbeiten. Er beschränkt sich indessen nur auf die Ingenieur- arbeiten. Pullet macht ihm in seinem handschriftlichen Werke zum Vorwurf, dass er in seinem Plan der Angriffsarbeiten Werke aufgeführt hat, die erst nach der Uebcrgabe des Platzes in Erwartung der Ankunft Napoleons erbant worden sind. Höpfner giebt dieselben nach den Vorlagen Pullets auf Plan XXnb. in punktirten Linien an. Im diesseitigen Plan der Belagerung (II Taf. H) sind die Laufgräben zwar nach Kirgener eingetragen, aber die nachträglich ausgeführten sind punktirt. Vervollständigt wird das Werk von Kirgener durch Nibuatnias (St. Aubin): Si^ de Dantzick en 1807 r6dig6 sur le Journal da siöge de Mr. le mar^chal duc de Dantzick. Paris 1818 Endlich hat Matth. Dumas die Belagerang in seinem „Pr^cis des ^v^nements militaires'', Tome XVIII. Paris 1826, gegen seine Gewohnheit mit grosser Umständlichkeit behandelt. Es ist jedoch nur eine Wiedergabe von Nibuat- nias. Eine sehr interessante Zugabe giebt ein Bericht des Obersten im Ing.-Korps Blanc im Juniheft des Spectateur miiitaire v. J. 1841 über einige Unternehmungen während der Belagerung von Danzig 1807 (deutsch

129

trappen der Besatzung noch im Besitz der Weichsel und der Dörfer Zigankendorf und Stolzenberg gefunden. Sie wurden am 12. zwar vor dem Bisehofsberg und dem Olivaerthor an- gegriffen und in die wirksame Kanonenschussweite zurückge- drängt, doch behielt der Feind nur die auf der Jesuiterhöhe im Bau begriffene Schanze besetzt, die vom Guvemeur aufge- geben wurde, weil ihre Vollendung zu viel Blut gekostet haben würde. Der Hauptgrund lag wohl darin, dass die Schanze ohne die Besetzung von Schottland nicht zu halten war, dieses aber in Asche lag.

Der Belagerer leitete an diesem Tage die Badanne ab, wodurch die grosse Mühle in Unthätigkeit gesetzt wurde. Glücklicherweise war der Fall vorgesehn, indem die Stein- schleuse zu 4 Mehlgängen eingerichtet war, die nunmehr in Thätigkeit gesetzt wurden. Ausserdem etablirte man 4 Ross- mühlen, so dass der tägliche Bedarf an Mehl fjlr die Stadt und Garnison gedeckt wurde.

Der Graf Kaikreuth regelte den Vorpostendienst, nament- lich inbetreff der Kavallerie, der noch nicht gehörig organisirt war. Bei Aller Engeln wurde die grosse Feldwache der Ka- vallerie aufgestellt und die ehemalige Kalkschanze sowie die kleine Kalkschanze nebst Ziegelei mit Infanterie besetzt, da der Feind sich von Schellmühl aus bis auf das linke Weichsel- ufer ausgebreitet hatte. Das Kommando über die Vorposten erhielt der Kommandeur von Rouquette Dragoner, Oberst von Massenbach.

In der Nacht zum 13. wurden die Schanzen von Neufahr- wasser von neuem allarmirt, so dass der Guvemeur am 13. noch eine Komp. von Kropf und eine von Treskow dahin schickte

im Archiv für Art. und Ing. Officiere Band 13 S. 147 ff.). Blanc wohnte der Belagemng als Hauptmann und Kommandant der Hauptattacke hei. Dazu ist neuerdings das vom Herrn v. d. Wengen herausgegebene Tagebuch des Hauptmanns t. Grolman „ttber den Feldzug des Erbgrossherzogs Karl von Baden 1806 und 1807, Freiburg i. B. 1887 '^ getreten, das manchen neuen Aufschluss gewährt.

Köhler, Oeschichte der Festungen Danzig and Weicbselmünde. 11. 9

130

und zwischen den Schanzen Nr. 5 und 6 noch eine anlegen liess. Zwei Grenad. - Kompagnien des Bats. von Schmeling wurden am grossen Holländer als eine allgemeine Reserve auf- gestellt. Von der reitenden Batterie Holzendorf, deren Orga- nisation beendet war, kamen 2 Geschütze am Olivaerthor auf Piket.

Ein neuer Angriff auf Neufahrwasser am 13., von welchem die Aufmerksamkeit durch lebhafte Scharmützel bei Stolzen- berg seitens des Belagerers abgeleitet werden sollte, blieb ohne Erfolg. Der Hauptmann Graf Dohna, welcher die Feldwache bei Aller Engeln kommandirte, erhielt die nachgesuchte Er- laubniss, dem Feinde in die Flanke zu gehn. Durch Pikets vom Major von Wostrowski unterstützt, brachte er dem Feinde einige Verluste bei. Preussischerseits wurden 3 Mann leicht verwundet und 2 Pferde todtgeschossen. Schon hier zeigte sich das Leiden der Garnison, das sich immer mehr Steiger te^ die Desertion, indem bei diesen Scharmützeln 3 Schützen von Courbiere und 2 Mann von Kropf aus der Schanze von Neu- fahrwasser, sowie 2 Kavalleristen der Feldwache verschwanden.

In der Stadt herrschte der beste Geist. Die Kaufmann« Schaft schoss für die in Friedenszeiten hier garnisonirenden Regimenter 9000 Thaler Unterstützung für die Wittwen zu- sammen, von denen 4000 Thaler den Lazarethen zugute kamen. Die Zahl der Kranken belief sich am 13. auf 734 Mann.

Ein lediger Bording (Weichselkahn), welcher am 14. nach Neufahrwasser wollte, blieb beim 2. Legan auf einer Sandbank sitzen. Sogleich waren gegen 50 Mann des Feindes zur Stelle und besetzten ihn. Der Major von Krockow eilte indessen von Neufahrwasser herbei. Gleichzeitig wurde vom Holm mit Kar- tätschen dagegen geschossen, so dass der Gegner mit Hinter- lassung von 5 Todten davon eilte. Infolge dieser Vorgänge wurde auf dem Holm zur Bestreichung der Weichsel und des Weges nach Schellmühl eine Schanze für 4 Geschütze angelegt und bald auch eine zweite weiter unterhalb begonnen..

Die Franzosen arbeiteten auf der Jesuiterhöhe an der Vollendung der Schanze, was ihnen am Tage zwar gelegt wurde, doch war es in der Nacht nicht zu hindern. Ausser dieser

131

Schanze Nr. 1 wurden noch andere Nr. 2, 3, 4 und 5 als einfe Alt Kontravallation aufgeworfen, ohne dass man es in der Festung sogleich bemerkt hätte ^).

Die täglichen Scharmützel mit dem Feinde nahmen die Kräfte der Garnison derartig in Anspruch, dass es nicht möglich war, gleichzeitig die nothwendigen Erdarbeiten pp. zu bestreiten. Der Graf Kaikreuth wandte sich daher direkt an den General von Bennigsen mit der Bitte, ihm eine Verstärkung an Infan- terie zu senden. Wegen Ueberlassung einiger Pulks Kosacken hatte er sich schon vor seiner Abreise an den General gewendet.

Die Zahl der täglichen Deserteure belief sich im Durch- schnitt auf 6 Mann.

Am 15. herrschte wegen hässlichen Wetters auf beiden Seiten Ruhe.

Dagegen brach der Belagerer am 16. mit 3000 bis 4000 Mann gegen Stolzenberg und Neugarten vor und warf die Vor- truppen des Belagerten bis an die Palisaden des Bischofsberges und des Neugarten-Thors zurück. Auch bei Zigankendorf und Neufahrwasser wurde gefochten. Von der Stadt aus verstärkt, gingen die Vorposten zwar wieder gegen Stolzenberg vor, wur- den aber von den feindlichen Sutiens von neuem geworfen. So dauerte das Gefecht den ganzen Tag fort und gab den Ingenieuroffizieren des Belagerers Gelegenheit, das Terrain und die Werke zu rekognosciren. Der Verlust der Belagerten belief sich auf 6 Todte und gegen 20 Verwundete. Zigankendorf blieb einige Tage von beiden Seiten unbesetzt, bis sich die Be- lagerten wieder hineinlegten. Aus dem westlichen Theil von Stolzenberg wurden die Franzosen erst am 18. vertrieben.

Der Mangel an Furage machte sich bereits sehr geltend, namentlich fehlte Stroh. Der Guverneur sendete daher am 17. über 200 unbrauchbare Pferde mit den vorhandenen Ge- fangeneU; Arrestanten und 100 Eanzionirten nach Pillau. An diesem Tage trafen die ersten Kosacken ein. Der Best folgte in den nächsten Tagen. Ein Pulk wurde nach Neufahrwasser, ein

*) Der Gavernear berichtet erst unterm 25. von der Entdeckung, dass der Feind bei Wonneberg an einer Schanze arbeitet (S. 64). Es ist die Schanze Nr. 2 gemeint.

9*

13^

zweiter nach Danzig verlegt, ein dritter dem Gen. von Rou- quette zur Disposition gestellt, der ihn jedoch nach Weichsel- münde schickte.

Die Desertion nahm bedenkliche Dimensionen an. In der Nacht zum 16. waren 11 Mann entwichen, in der folgenden gingen allein von den 80 Mann der Besatzung der Rtickforter Schanze l Unteroffz. und 21 Gem., vorherrschend Polen, davon.

Ein starker Frost machte das Eis der Inundation tragfähig, doch trat am 18. wieder Tauwetter ein.

Nach einer Meldung des Majors von Kamptz vom Korps Rouquette an den Guverneur hatte sich der Feind am 16. am Eukukskruge ^) gesammelt und daselbst Kähne und Schlitten zusammengeführt. Der Guverneur machte daher am 17. den Gen. Rouquette darauf aufmerksam und stellte ihm die beiden Grenad.-Komp. von Schmeling am grossen Holländer zur Dis- position.

Am 18. entspann sich gegen Abend bei Neufahrwasser ein kleines Gefecht wegen eines Schiffes, das hereingebracht werden sollte. Das Schiff musste wieder umkehren, doch verlor der Gegner dabei 5 Todte und Verwundete. Preussischerseits hatte man einen Todten und einen Verwundeten.

Die beiden Batterien auf dem Holm zu je 4 Geschützen wurden in der Nacht zum 19. armirt. Die Weichsel wurde oberhalb und unterhalb von Danzig durch Schwimmbäume ab- gesperrt. Am 20. wurde die Balkenschanze*) und das neue Retranchement am Ganskruge angefangen und hinter der Ver- schanzung bei letzterem 4 Geschütze aufgestellt, um den Holm war, wie wir gesehen haben, rings herum eine Tranchee zur Verbindung der Battericanlagen und Aufstellung von Schützen zur Bestreichung der Weichsel und der Bootraannslake in An- griff genommen worden. Sie wurde am heutigen Tage vollendet. Von einem selbständigen geschlossenen Werke auf dem Holm ist jedoch keine Rede.

Gegen Mittag des 20. traf wie ein Donnerschlag aus hei- terem Himmel die Meldung vom General von Rouquette ein.

») Siehe üebersichtsplan Tafel XI. =0 Vergl. oben S. 84.

133

dass der Feind beim Dauziger Haupt übergesetzt sei und das Korps gesprengt habe. Er sei im Bäckzuge auf Danzig be- griffen und bitte dringend um Hilfe.

Der General von Rouquette hatte seine schwierige Aufgabe bei den geringen Kräften, über die er verfügte, dadurch zu lösen gesucht, dass er nur die wichtigsten Punkte besetzt hielt, um sie desto nachdrücklicher vertheidigeu zu können. Als solche sah er an: das Danziger Haupt, Schönbaum, Kukuks- krng und Stutthof '). Die beiden letztern hielt er weniger gefährdet, so dass er seine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die ersteren verwendete.

Am Danziger Haupt wurde eine Komp. Diericke unter dem Hanptm. von Lagerström und an der in der Nähe befindlichen Sied- lersfähre 30 Mann, bei Schönbaum 2 Komp. Diericke aufgestellt. Der Weichselarm nach Danzig hin war zwischen Heubude und dem Danziger Haupt von einer Komp. Courbiere und einer Komp. des 6renad.-Bats. Schmeling besetzt, der Elbinger Arm zwischen Schönbaum und Stntthof mit 4 V2 Komp. und 29 Kürassieren ^). Als Reserve für letztere standen bei Pasewark eine halbe Komp. Courbiere nebst 7 Kürassieren und für das Danziger Haupt bei Nickelswalde 1 Komp. Courbiere, eine halbe reitende Batterie und 7 Kürassiere. 14 Kürassiere standen als Brief- relais zwischen Danzig und Pillau.

Es lassen sich gegen diese Besetzung noch mancherlei andre Einwendungen erheben, das drückt sich aber ganz be-

') HOpfner S. 394. Höpfuer hat diese nnd die nachfolgenden Details der Eroberung der Nehrung durch die Franzosen, den Untersuchnngsakten entnommen, in denen die Aussagen sämmtlicher Officiere niedergelegt sind, die unter dem General von Rouquette gestanden haben. Die Untersuchung fand nach dem Tilsiter Frieden durch eine speciell zu dem Zweck kom- mandirte Kommission statt. lieber die Lage der Ortschaften siehe Taf. XI.

') Höpfner S. 394. Davon stand in Prenzlaff eine Komp. Diericke, in Freyenhuben eine Komp. Füseliere, in Stengen Vs Komp. Courbiere nebst 22 Riirass. mit Posten längs der Schadlaake, in Stutthoff 2 Comp, von Courbiere nebst 7 Kürassieren. Das ganze Detachement Rouquette bestand wie bereits bemerkt aus 1430 Mann Inf., 54 Kür. Balliodz und */i rtd. Batt. Mit Aus- nahme der Komp. des Füselier-Bat. Rembow, welche sehr tüchtig war, be- stand die übrige Infanterie theils ans Halbinvaliden, theils aus Rekruten, grösstentheils Polen.

134

stimmt aus, dass ohne Befestigungsanlagen mit dieser verzet- telten Aufstellung der kleinen Macht nichts anzufangen war.

Da der Feind oberhalb des Danziger Haupts in der Weichsel ungesehn vom Veitheidiger eine beliebige Anzahl von Kähnen versammeln konnte, so war hier der gefährdetste Punkt, der durchaus befestigt werden musste. Schon seine vorspringende Lage forderte dazu auf Eine Landung vom frischen Haff her war nicht zu fürchten, da sich hier nur sehr kleine Kähne dem Strande der Nehrung nähern können.

Die Verantwortlichkeit für die Katastrophe, welche das Rouquettesche Korps ereilte, trifft, wie die Verhältnisse bei seiner Ankunft nun einmal lagen, ausschliesslich den Grafen Kaikreuth. Wie sein Bericht vom 9. März aus Pillau an den König bei seiner Reise nach Danzig beweist, war er völlig von der Noth wendigkeit durchdrungen, die Nehrung zu behaupten. „Wird die Nehrung erst vom Feinde besetzt", schreibt er, „so ist gar keine Hoffnung mehr, Verstärkungen nach Danzig zu bringen^)." Er hätte noch hinzufügen können, dann ist auch die Verbindung von Weichselmünde nach Danzig verloren. Dadurch dass er feiner bei seiner Weiterreise nach Danzig sich über die Situation des Detachemeiits von Rouquette genau orientiren konnte, eine Befestigung aber nicht befahl, nahm er die Verant- wortlichkeit für diese Unterlassung auf sich. Er hat nach dem Avertissement, das er durch den Major vom Kamptz über die Vorkehrungen des Feindes zum üebergang erhielt, sich nicht einmal bewogen gefunden, eine geeignete Truppenzahl der Dan- ziger Besatzung bereit zu stellen, um im Nothfall Hilfe zu bringen.

Rouquette hatte erst seit dem 8. März, nachdem der Dan- ziger Werder vom Gegner besetzt worden war, obige Aufstel- lung genommen. Die Besatzung des Haupts durch den Hauptm. V. Lagerström war am Tage des Ueberf alles folgende: Eine

') Die Belagerung von Danzig i. J. 1807. S. 7. So schreibt er auch am 17. März an den Major v. Kamptz (ebenda S. 33), dass die Erhaltung der Kommunikation auf der Nehrung mit das wichtigste der Defension von Dan- zig sei, und in einem Schreiben an den Major Stemenfels vom 22. (ebenda S. 62) erklärt er ausdrücklich, „dass die Nehrung gegen Uebermacht nicht zu halten war''.

135

Feldwache von 1 Offz. und 33 Mann hielt die Spitze des Haupts besetzt. 1500 Schritt dahinter stand der Hauptm. selbst mit 40 Mann. Der Ort war ihm genau vorgeschrieben, am Gehöft des Wirths Boschke, 500 Schritt vom vorliegenden Damm, der an der Sehne des vorspringenden Bogens hinlief. Ein Piket von 15 Mann, zu dem noch ebensoviel Mann von der andern Komp. des Bat. Diericke stossen sollten, hielt die Verbindung mit der vorgeschobenen Feldwache und diente zur Aufnahme derselben.

Erst nachdem das Eistreiben auf der Weichsel am 19. auf- hörte, war der Marschall Lefebvre imstande, den wiederholten Weisungen Napoleons, sich der Nehrung zu bemächtigen, nach- zukommen. Alle Vorbereitungen dazu waren getroffen. Zu dem Unternehmen war der General von Schramm mit angeblich 2000 Mann und 6 Geschützen bestimmt. Er hatte die nöthlge Zahl Kähne auf Schlitten zu beiden Seiten des Haupts an der rothen Bude bei Fürstenwerder und bei Siedlersfähre hinter dem Weichseldamm zusammenfahren lassen. Die Kähne sollten auf ein verabredetes Zeichen gleichzeitig über den Weichsel- damm getragen und in den Fluss gelassen werden. Der Ge- neral von Schramm theilte sein Detachement in 3 Theile*) unter den Obersten Vogel, Brayer und Montmarie. Der An- griff sollte, das Haupt umfassend, gleichzeitig von allen 3 Theilen ausgeführt werden, indem die mittlere Abtheilung an der Spitze, die beiden andern östlich und westlich davon landeten. Nach Besitznahme des Haupts sollte die mittlere Abtheilung gegen Nickelswalde vordringen, die beiden andern längs der Weichsel

^) Nach dem Bericht Kalkrenths hestand das Schrammsche Detachement aus einem Bat. vom 2. Chasseurregmt, 2 Bat. Sachsen und 2 Bat. Polen nebst einer Eskadron Chasseurs zu Pferde. Höpfuer giebt (S. 409) 2 Bat. Fran- zosen und noch 1 Eskdr. polnischer Ulanen an. Zieht man die oben mit- getheilte Dislocationsliste vom 24. März zurathe, wonach an diesem Tage sich nur ein BataiUon Sachsen, eins Franzosen und ein drittes Polen auf der Nehrung befanden (zusammen 1800 M., ausser der Kayallerie), so ist an- zunehmen, dass der General Schramm auch das Bat. v. 2. Chasseur-Regiment, welches ausserdem unter seinen Befehlen stand, herangezogen haben wird, so dass er 2600 Mann stark an Inf. war. Polnische KayaUerie stand nicht in der Nähe.

136

zu beiden Seiten vorgehn. Gleichzeitig sollte der Oberst Tho- loz6 mit 50 GLasseurs und einer Kanone auf den jenseitigen Damm des nach Danzig gehenden Weichselarmes abwärts mar- schiren, um die nach Danzig zurückgehenden Preussen zu be- schiessen ^). Der Gen. von Schramm hielt sich bei der linken Abtheilnng (Obst. Montmarie) auf, welche bei Siedlers Fähre fibergehn sollte.

Die Disposition wurde pünktlich ausgeführt. Das Geräusch des Eis treibenden Stroms verhinderte die frühzeitige Entdeckung der Unternehmung^), erst die Schüsse der landenden Franzosen allarmirten die Vorposten. Der Lieutenant von Lavergne vom 2. Ghasseur - Regiment landete zuerst und überrumpelte die Feldwache. Er fiel zwar, aber die Landung der mittleren Abtheilung unter dem Obersten Brayer war dadurch gesichert. Der Hauptmann von Lagerström hatte kaum die Zeit, der Feld- wache zu Hilfe zu eilen, als er schon von der linken Seite her von überlegenen Kräften angefallen wurde. Gleich anfangs ver- wundet, zog er sich mit grossem Verlust nach der Westecke des Dammes, welcher das Haupt abschliesst, zurück, wo ein Theil des Detachements von der Siedlers Fähre unter dem Lieu- tenant von Barner zu ihm stiess. Der Versuch, den Damm in seiner ganzen Breite zu besetzen, wurde durch den bei Fürsten- werder übergesetzten Feind verhindert. Gleichzeitig in der

>) M. Dnmas S. 134.

*) Wie vortheilhaft hätten die Kosacken verwendet werden können, die der Gen. Bonqoette tags zuvor nach Weichselmünde entlassen hatte, nm die Verbindung der Feldwache nach rückwärts zu unterhalten und die Weichsel zu beobachten! Der Graf Kaikreuth gab am 22. März in Danzig folgenden für seine Art charakteristischen Parolebefehl aus : „Wenn ein Junker 8 Tage Soldat ist, 30 weiss er, dass die Vorposten eine Stunde vor Tage unterm Ge- wehr, die Feldwachen aufgesessen und die Pikets parat sein müssen, bis die PatrouiUen zurück sind, und man sehn kann, dass kein Feind anrückt. Da- mit solches geschehe, müssen die Herrn Stabsofüciere um diese Zeit in grösster Thädgkeit sein. Wenn S. Exe. mm nach diesem ganz einfachen Grundsatz des Dienstes den Vorfall auf der Nehrung beurtheilen, wo der Posten bei Schönbaum, ohne einen Schuss zu thun, genommen, alle Quartiere hinterwärts ebenso überfaUen, so können Sie sich nur innigst betrüben, dass aller Feld- dienst aus der Armee heraus ist und man es als Hauptsache hält, dass Vor* posten sich bloss mit Präsentiren abgeben müssen*'.

137

Front von der mittlem Abtheilang des Feindes angegriffen, zog er sich wiederum nördlich ab, wurde nun aber von der von Siedlers Fähre vordringenden Abtheiluug angefallen, von allen Seiten umringt, durch 3 Schüsse abermals verwundet und mit dem Rest seiner Kompagnie gefangen.

Der Major von Sternenfels war inzwischen mit den beiden andern Komp. Diericke von Schönbaum herbeigeeilt, fand aber den Damm bereits von den Franzosen besetzt und die Komp. Lagerström verschwunden. Nach einem vergeblichen Versuch, den Feind zurückzuwerfen, trat er den Rückzug nach Nickels- walde an. Ihm schloss sich unterwegs die 4. Komp. des Bats., welche von Prenzlaff herbeigeeilt war, und der Hauptmann Ro- chella mit einigen 50 Fiiselieren von Freyhuben an. Letzterer hatte den Rest seiner Füseliere unter dem Lieut. von Löbel am Kttkukskruge mit dem Auftrage zurückgelassen, im Noth- fall sich auf den Major von Kamptz nach Stutthoff zurückzu- ziehen.

Bei dem Rückzüge nach Nickelswalde löste sich das Bat. Diericke infolge zahlreicher Ueberläufer fast auf. Ein Feld- webel der Komp. aus Prenzlaff ging in voller Ordnung mit 40 Mann zum Feinde über und schoss auf seine alten Waffenge- fährten.

In Nickelswalde fand der Major Stemenfels den General von Roaquette vor dem Ort aufmarschirt. Auch war hier be- reits ein Theil der Schmelingschen Grenadfere, die vom Obersten Montmarie aus Einlage vertrieben worden waren, angelangt. Der General hatte Sogleich vom Vorgefallenen Meldung an den Gavemeur gemacht und um Unterstützung gebeten. Der Lieu- tenant von Stieler warf einige Granaten auf den Feind, da der Tag bereits eingetreten war. Nach den Verlusten im Gefecht und durch Ueberläufer bestand die ganze versammelte Macht nur noch aus 600 Mann. Der Gen. beschloss daher, sich ohne Verzug nach Danzig zurüekzuziohn, um nicht abgeschnitten zu werden, und den Major von Kamptz seinem Schicksal zu über- lassen. Er setzte den Major davon in Kenntniss und befahl ihm die einzelnen Posten zu versammeln und nach Pillau aus- zuweichen.

Per Rückzug erfolgte in ;swei Kolonnen, die eine auf den

138

Dünen gedeckt durch Schützen und durch Artillerie, die andre am Strande. Die Franzosen, die sich selbst erst sammeln mussten, folgten nur langsam.

Gegen SV« Uhr konnte sich der General bei Neufehr vor dem Münder Walde von neuem aufstellen, indem er in Kompag- nien und Zügen auseinander gezogen den ganzen Raum zwischen der Weichsel und dem Strande ausfüllte. Die Abtheilungen aus Krakau und Neufehr hatten sich ihm angeschlossen, so dass er gegen 700 Mann Infanterie, 4 reitende Geschütze und einige Kavalleristen stark war.

Hier traf ein Schreiben des Grafen Kaikreuth ein, wonach der General sofort den Feind angreifen, ihn aus der Nehrung werfen und die Verbindung mit Pillan wieder herstellen sollte. Er werde zu diesem Zweck durch einen Pulk Kosacken ver- stärkt werden. Rouquette antwortete, er werde sich bemühen, dem Befehl nachzukommen, doch bedürfe er, um den Feind zurückzuwerfen, anderer Hilfe als Kosacken.

Die Franzosen machten zunächst keine Anstalten zum An- griff, da sie vorläufig nur ein Geschütz hatten und dem Oberst Vogel die Zeit gelassen werden musste, sich nach Pillau hin zu sichern. Sie legten eine Verschanzung auf der Düne an.

Gegen 4 Uhr nachmittags traf ein Pulk Kosacken unter dem Obersten Malachow von Danzig her ein. Mit Mühe gelang es dem Oberst, sie zu einem Angriff gegen etwa 60 feindliche Reiter zu bewegen, welche am Strande hielten. Der General V. Rouquette musste sich selbst an die Spitze stellen. Da die Franzosen Kehrt machten, wuchs den Kosacken der Muth. aber auf den ersten feindlichen Kanonenschuss stutzten sie und machten sich davon, obgleich sie durch die Batterie Stieler und durch Schützen unterstützt wurden. Der General nahm die preussischen Offiziere zusammen und sprach ihnen seine Absicht aus, den Feind mit der Infanterie anzugreifen. Diese waren für ihre Person gern bereit zu folgen, machten jedoch darauf aufmerksam, dass die Polen bestimmt zum Feinde übei*gehn würden. Der General sah sich daher genöthigt, den weiteren Rückzug anzutreten. Die Grenadiere und die Artillerie wurden gegen 5 Uhr nach der Fähre am Ganskruge, die übrige In- fanterie nach Weichselmünde dirigirt.

139

Als die Artillerie bereits über die Weichsel gesetzt war, traf eiu neuer Befehl des Guverneurs ein, die Franzosen zurückzuwerfen, zu welchem Zweck der General durch das Krockowsche Freikorps unterstüzt werden sollte. Der Befehl blieb ohne weitere Folgen. Das 800 Mann starke Krockowsche ITreikorps ging zwar gegen 7 Uhr abends mit den beiden an- dern Kosackenpulks von Weichselmünde aus vor, musste jedoch bald wieder umkehren. Die Infanterie des Generals von Ron- quette ging, nachdem die Besatzung von Weichselmünde auf 300 Mann gebracht worden war, am folgenden Tage nach Danzig zurück.

Der Marschall Lefebvre schickte sofort den General Eirgener nach der Nehrung, um die nöthigen Schanzen zur Festhaltnng derselben gegen Danzig, Weichselmünde undPillau anfwerfen zu lassen').

Der Major von Kamptz hatte die verschiedenen Posten des linken Flügels glücklich an sich gezogen und führte sie, 350 Mann Infanterie und 42 Kürassiere stark, nach Pillau, wo in den nächsten Tagen die russische Verstärkung unter dem Fürsten Tscherbatow eintraf, die nunmehr den Weg auf der Nehrung versperrt fand. Die Vorbereitungen zu ihrem Trans- port auf der See nahmen einige Tage in Anspruch. Für alle Fälle wurde Pillau zur Beherrschung des Tiefs nach der Wasserseite zu stark armirt und auf der Nehrungsspitze gegen- über die vorhandene alte Verschanzung hergestellt und mit Mannschaft und Geschütz besetzt*).

0 Matth. Damas S. 138.

*) Höpfner S. 402. Die uach dem Tilsiter Frieden eingesetzte Unter- sachnngs-Kommission sprach den Gen. v. Bouqnettc von der Anschnldigung der VersäumniBS seiner Pflicht nnd der Unentschlossenheit frei und erklärte, dass die Nehrung bei den geringen und unzuverlässigen Kräften des Generals hätte verloren gehen müssen. Sie wies die aUeinige Schuld zu: 1) dem frü- hem Guvemenr von Danzig (v. Manstein), der es verabsäumt hat, die Ver- thddignngsmittel durch fortifikatorisöhe Anlagen zu verstärken. 2) Dem Oberbefehlshaber der verbündeten Armee (v. Bennigsen). weil er die Wichtig- keit der Nehrung nicht gewürdigt und ein entsprechendes Truppenkorps da- bin detachirt hat. 3) Dem Guv. Grafen Kaikreuth, weil er nicht statt eines Pulks Kosacken den Gen. v. Rouquette durch einige Bataillone Infanterie und eine angemessene Linien-Kavallerie verstärkt hat Das TJrtheil erfolgte auf

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Am 21. wurde Neufahrwasser von neuem angegriffen. Der Graf Krockow und Oberst Popow, Kommandeur des im Ort stehenden Kosackenpulks, erst an demselben Morgen wieder zurück, verfolgten den abgewiesenen Feind bis Langfubr und Oliva. Der Guverneur Graf Kaikreuth hatte auf die Nachricht des Angriffs auf Neufahrwasser sogleich einen Ausfall nach Wonneberg durch die Obersten von Massenbach und Malachow machen lassen. Die Kosacken steckten das Hüttenlager eines badischen Battaillons in Brand und brachten mehr als 100 Gefangene ein. Der Feind soll mehr als 40 Todte gehabt haben.

Bei Zigankendorf wurde die Vorpostenlinie um 500 Schritt mehr vorgeschoben. Infolgedessen entwickelte sich am

22. wiederum ein Gefecht, worin die Belagerten ihre Linie behaupteten und die Franzosen auch dem Bischofsberge gegen- über etwas zurückgingen.

Der Mangel an Furage in Weichselmünde veranlasste den Guverneur, die 100 Reiter des Krockow'schen Freikorps und die beiden Kosackenpulks aus Weichselmünde und Neu- fahrwasser, welche unter dem Obersten Popow vereinigt wurden, nach Danzig zu ziehn. Die Kosacken wurden nach dem Kneipab und nach dem Ganskruge verlegt. Der Oberst Ma- lachow lagerte mit seinem Pulk im Schiessgarten vor dem hohen Thor.

Der General von Schramm verschanzte sich bei Krakau unterhalb Neufahrwasser und Hess daselbst eine Brücke über die Weichsel schlagen^).

den Bericht des Eeferenten Obersten y. Bülow (des spätem Grafen von Denne- witz), der mit der Lokalität vertraut war. Das Referat wird von HOpfuer S. 403 ausführlich mitgetheilt. Höpfner theilt S. 409 in einer Note die Aeusserung von Officieren mit, welche den General v. Kaikreuth näher ge- konnt haben. Danach soll er den General von Rouquette nicht unterstüzt haben, weil derselbe in dem zu seiner Zeit viel besprocheneu Streit Über den Vorzug der Wendung zu Dreien oder zu Vieren bei der Kavallerie sein Gegner gewesen sei. Jedenfalls ist das Benehmen des Grafen aus seinen selbst über die Wichtigkeit der Nehrung ausgesprochenen Ansichten nicht zu erklären, so dass es gerechtfertigt erscheint, es auf persöuliche Motive zurück- zuführen.

^) Schreiben des Guverneurs an den Obersten von BUlow in PiUau vom

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Zur Beherrschung der Weichsel und der Küste liess der Guverneur einige Fahrzeuge herrichten, wovon zwei, das eine zu 4, das andre zu 2 Geschtttzen, bereits an diesem Tage bereit waren.

Den 23., 24. und 25. herrschte bei den Vorposten Ruhe. Die Franzosen arbeiteten an ihrer Kontravallation (Fleschen 1—5) fort. Vier Wurf vom Bischofsberge jagten die feind- lichen Arbeiter an der Redute auf der Jesuiterhöhe am 25. auseinander, so dass die Arbeit nur in der Nacht fortgesetzt werden konnte.

Der Guverneur liess auf den zwei höchsten Thürmen der Stadt Teleskope zur Beobachtung des Feindes aufstellen. In der Nacht wurden die Feldwebel dazu verwendet. An den Annirungsarbeiten wurde angestrengt fortgearbeitet.

Von Pillau lief die Nachricht ein, dass die Verstärkung der Russen am 22., 23. und 24. daselbst eintreffen würde.

Am 26. liess der Guverneur um 6 ühr morgens einen grössern Ausfall machen. Er berichtet darüber unterm 27. an- den König, wie folgt: „Der Ausfall ward früh mit ungefähr 3000 Mann, wovon '/s Kavallerie, in 6 Kolonnen*) unter An- führung des Obersten von Massenbach gemacht, gerieth sehr gut; es wurden sogleich 5 Offiziere 171 Mann gefangen, die Windmühle und das Müllerhaus bei der feindlichen Schanze (Nr. 1) auf dem Judenkirchhofe abgebrannt.

20. April, wonach Höpfner zu berichtigen, der S. 410 sagt, dass die Lage der Brücke nicht genau zu ermitteln wäre. Seine Erkundigungen an Ort und Stelle bestätigen jedoch obige Nachricht des Guvemeurs (Belag, y. 1807 S. 129).

*) Nach Friccins, Gesch. der Befestigungen und Belagerungen Danzigs. Berlin 1854 S. 86 erhielten diese 6 Kolonnen folgende Direktionen : die 1. und 2. debuchirten ans dem Petershagener Thor und gingen, die 1. gegen Stolzenberg, die 2. gegen den Judenberg vor; die 3. und 4. Kolonne, letztere als Reserve, diri- girten sich durch das Neugarten-Thor auf Schidlitz. Die 5. und 6. Kolonne gingen durch das Olivaer Thor vor, erstere nach dem Zigankenberg, letztere gegen Langfuhr. Diese Richtungen sprechen dafür, dass es auf die 5 Schanzen der Kontravallation abgesehen war, wie dies auch französischerseits ausge- sprochen ist. Damit Hesse sich der Bericht Kaikreuths wohl vereinigen. Die 1. Kolonne ist als die Hanptkolonne anzusehen, deren Spitze nach dem Bericht bis gegen Wonneberg vorgegangen ist. Sie wurde vom Oberstlieutenant V. Schmeling geftUirt.

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Die Tete der Hauptkolonne war bis gegen Wonneberg vorgegangen und zog sich zu rechter Zeit zurUck. Auf dem Rttckzuge hielten sich einige Infanteriekolonnen etwas mit zu pünktlichem Manöveriren*) auf, wodurch zuletzt vorm

*) In einem Schreiben des Guverneurs vom 27. an den Major v. Wos- trowski erklärt er sich über das „zu pünktliche Manövriren'' näher, indem er einem Kapitain, wie es scheint von Kykbusch, den Vorwarf macht, dass er en 6chiqnier zurückgegangen ist, während er ohne alle Gefahr en front de baniere zurückgehn konnte. (S. 72.) Der Guverneur sagt hierbei die sehr praktischen Worte „von allen Evolutionen ist der Ausfall die schwerste, weil schnell vor, schnell ausgerückt, ungesäumt doch in Ordnung zurück, das Ele- ment davon sind pp.'' Ich habe absichtlich den Wortlaut des Berichts au den König wiedergegeben, weil Höpfner S. 411, der „skizzirt«n Geschichte^ S. 72 folgend, den Ausfall anders darstellt. Danach sollten die Franzosen aus Stolzenburg geworfen, der Ort jedoch beim Vordringen nicht gehörig ab- gesucht worden sein, so dass eine bedeutende Zahl feindlicher Infanterie sich in den Häusern verstecktet und beim Rückzuge heftig auf die Preussen schoss. üöpfner tritt damit jedoch mit seinen eignen Angaben in Widerspruch, in- dem er S. 391 sagt, dass der Feind am 18. aus dem äussersten Ende von Stolzenberg delogirt wurde und am 22. seine Vorposten noch weiter zurück- genommen hätte (S. 41). Stolzenberg war also gar nicht vom Feinde be- setzt, weder der Bericht an den König noch alle andern gleichzeitigen Nach- richten wissen etwas davon. Auch irrt Höpfner darin, dass er den Berg, auf welchem Schanze 2 lag, den Windmühlenberg nennt. Der Berg, worauf die Windmühle und das MiUlerhaus lag, befand sich nach dem Bericht des Guverneurs auf dem Judenberge. Er findet ferner die Veranlassung zu dem Ausfalle darin, dass die Schanze 2 so weit vollendet war, dass sie armirt werden sollte und die Truppen bei Wonneberg 600 Mann nach der Nehrung detachirt haben sollten und ein Unternehmen auf Neufahrwasser beabsichtigt war, um sich der Landung der Russen zu widersetzen. Von alledem wird in dem Bericht des Guverneurs nichts erwähnt, doch mag die Entdeckung der Arbeit an Schanze 2 die Hauptveranlassung zum Ausfall gewesen sein. Der Guverneur äusserte, als er nach dem Gefecht bei der Börse vorbeiritt, zu einigen befreundeten Kaufleuten: „Meine Herrn, der Feind hatte sich vorgenommen, uns einen grünen Donnerstag zu machen; ich hielt es für ge- rathen ihm zuvorzukommen und ich kann Ihnen sagen, dass alles gut gegangen ist". (Duisburg S. 222.) In derselben Weise spricht sich das Zeitungsbnlletin des Guverneurs vom 27. aus. Der grüne Donnerstag (26.) war nämlich für Danzig ein ominöser Tag, und allerhand Gerüchte waren im Umlauf, darunter möglicherweise auch ein Unternehmen des Feindes auf Fahrwasser. Man darf sich durch die Aeussemngen Kaikreuths hinsichtlich des Erfolges nicht blenden lassen, der ganze Ausfall war ein verfehltes Manöver; nicht eine der fünf Schanzen ist genommen worden.

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Bischofsberge und Neugartenthor ein blutiges Oefecht entstand, so wie hiernächst bei Zigankenberg und Langfuhr. Gegen 12 ühr war alles vorbei und die Vorposten blieben iYi der alten Position, unser Verlust ist : Blessirte 5 Offiziere, 6 Unter- offiziere, 97 Gemeine; Todte 15 Gemeine; Vermisste oder Ge- fangene 2 Offiziere, 2 Unteroffiziere, 1 Tambur, 136 Gemeine. 14 blessirte Pferde und 2 Gefangene von der Kavallerie. Von den Kosacken 1 Offizier, 4 Kosacken und 3 Pferde todt; 1 Unter- offizier, 16 Kosacken und 20 Pferde blessirt, IKosack gefangen.

Die Truppen hielten sich sehr gut, namentlich die Kosacken, welche die meisten Gefangenen einbrachten".

In einem Zeitungsbulletin vom 27. erwähnt" der Gu^erneur noch, dass sich bei dem Ausfall vom 26. besonders ausgezeichnet hätten: Die Fuss Jäger, die Schützen namentlich von Courbiere unterm Lieutenant von Lyncker, der 3 Blessuren erhalten hat, nach der ersten sich verbinden Hess und wieder ins Feuer ging; die Schützen von Schmeling Grenadiere und ein Theil des Regiments von Rouquette unter Anführung des braven Majors von Mutius, ebenso wie der Oberst von Massenbacb, die Kosackenobersten von Popow und von Malachow, der Oberst von Schäfer und Schuler von Senden, der Oberstlieutenant von Schmeling u. a. m.

Der Bericht fährt dann fort: Der Major Graf Krockow hatte den Befehl, während des Ausfalls die Aufmerksamkeit des Feindes von der Seite von Langfuhr auf sich zu ziehn, ging abor längs dem Strande auf Oliva zu, um dort mit Wagen zu furagiren, wurde mit Uebermacht bei Brösen abgeschnitten, das Korps musste sich durchschlagen, wobei Major Graf Krockow nebst noch 1 Offizier und 60 Mann theils blieben, theils gefangen und ein Offizier und mehr denn 30 Mann blessirt wurden ^).

Das Zeitungsbulletin setzt noch hinzu, dass durch die Ver- rätherei eines Knechts, der vorsätzlich umwarf, ein reitendes Kanon vom Krockowschen Korps verloren ging.

>) Nach Matth. Dnmas S. 139 war es eine Eskadron des 19. französischen Chasseor-Begimeuts und ein polnisches Ulanen-Regiment^ welche den Grafen Krockow gefangen nahmen.

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Während des Gefechts kamen die beiden ersten russischen Kompagnien zur See an und zogen noch in der Nacht in Dan- . zig ^n. Mit ihnen der General Laurens.

Am 27. langte wiederum eine Kompagnie Russen an. Die vierte des 1. Bats. wurde durch einen feigen Schiffer auf der See zui*fickgehalten.

Am 28. rückte der Gen. v. Schramm mit seinem Korps bis Heubude vor^). Eine Abtheilung Franzosen drang bis zu den dem Ganskruge gegenüberliegenden Häusern von Kreil vor, wurde aber von übergesetzten preussischen Jägern, Kosacken und russ. Infanterie wieder zurückgetrieben. Die Häuser von Kreil sowie der grosse und kleine Holländer wurden abgebrannt. Leider versäumte man auch das Dorf Weichselmünde abzu- brennen, was sich in der Folge sehr nachtheilig erwies.

In der folgenden Nacht wurde die Balkenschanze an der Weichsel beendet und am Ganskruge fortgebaut.

Am 29. kam der Fürst Tscherbatow mit dem 2. und 3. Bataillon an, mit ihm der Major von Kamptz mit seiner Mann- schaft.

Es wurden zwei neue armirte Schiffe zum Auslaufen bei-eit gestellt. Der Befehl über das kleine Geschwader wurde dem Lootsenkommandeur Husen anvertraut.

Die Bttrgerkompagnien erboten sich, im innern Dienst der Stadt Hilfe zu leisten und Wachen zu stellen, was dankbar angenommen wurde.

Nach Ankunft der russischen Infanterie konnte der Gu- verneur die Besatzungen von Weichselmünde und Neufahr- wasser verstärken. Nach letzterem wurde das Füsilierbataillon Pelet unter dem Obersten Schuler von Senden verlegt, dem zugleich interimistisch die Kommandantenstelle für den Obersten von Winterfeld übertragen wurde.

Am 30. besetzte ein russisches Bataillon den Holm, wäh- rend ein zweites nach Kneipab, dem Ganskrug und der Rück- forter Schleuse verlegt wurde. Das 3. wurde in Langgarten

') Die Schanzen, die hier »ogleich in Angriff genommen werden, sind auf n Taf. in 1 eingetragen.

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untergebracht. Die noch fehlende Komp. des 1. Bats. langtö am 1. April an.

Im übrigen herrschte seit dem 27. (dem Charfreitage) wegen der Osterfeiertage ziemliche Ruhe. Nur die beidersei- tigen Arbeiten wurden eifrig fortgesetzt.

Am 31. März wurde seitens der Franzosen gegen Abend die Schanze an der Rtickforter Schleuse mit einer Haubitze und zwei Kanonen beschossen und am 1. April ein Angriff darauf gemacht. Die russische Besatzung vertheidigte sich hartnäckig, verlor aber 1 Offz. und mehrere Mann; 15 Russen wurden verwundet. Der preussische Artillerieoffizier in der Schanze, Hauptmann v. Fiebig, verlor ein Bein und starb an der Amputation.

Das Eintreffen der Generäle Michaud, Dufour und von d. Velde mit ihren Abtheilungen in den letzten Tagen des März gestattete dem Marschall Lefebvre endlich den Beginn der förmlichen Belagerung^). Vom Belagerungstrain war in- dessen nur ein kleiner Theil eingetroffen, doch sah man der Ankunft weiterer Transporte binnen kurzem entgegen.

g. Von der Eröffnung der 1. Parallele bis zur Vollendung der 3., oder vom 1. April bis 1. Mai.

Am 1. April Hess der Marschall Lefebvre die Vorposten ^P"l- aus Stolzenberg, Schidlitz, Zigankenberg und Aller Engeln zu- rückwerfen. Vom Zigankenberg wurde der Belagerer zweimal zurückgewiesen. Mittags befahl der Graf Kaikreuth jedoch, das Feuer einzustellen, so dass der Belagerer nach grossen Ver- lusten im Besitz des streitigen Terrains blieb. Der Lieutenant von Barnikow I hatte mit einem Kommando des schwarzen Husaren-Regiments in ein Bataillon badenscher Infanterie einge- hauen ^ und 1 Offz. und 40 Mann gefangen genommen. Es

») Matth. Dumas S. 140. Nach ihm wäre, wie bereit» bemerkt, das französische Belagerangskorps bis dahin nnr 9000 Mann stark gewesen?

') Nach Grolman S. 75 waren es 2 Kompagnien des 1. BataiUons vom Regiment Erbgrossherzog, die auf einer Höhe links des Zigankenberges standen. Die badischen Truppen verloren 142 Mann an Todten, Verwundeten und Gefangenen. Drei Officiere wurden schwer, vier leicht verwundet. Der Hauptmann Fein starb an seinen Wunden.

Köbler, Oenchichte der Festangen Danzig and Weichselmände. IL lo

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wurden überhaupt 89 Gefangene gemacht. Das Gefecht hatte 6 Stunden gedauert. Der Belagerte zählte 75 Verwundete.

In der folgenden Nacht wurde vom Belagerer unter Be- günstigung eines lebhaften Angriffs auf Aller Engeln, den der General Puthod durch den Fürsten Radziwill ausführen Hess, die erste Parallele gegen den Hagelsberg eröflfhet, nachdem durch einen desfallsigen Kriegsrath festgestellt worden war, dass der Hauptangriflf gegen diesen geführt werden sollte. Er sollte durch zwei Scheinangriffe, den einen gegen Weichsel- münde durch den General von Schramm, den zweiten gegen den Bischofsberg begünstigt werden. Zwei andere sekundäre Angriffe gegen das Olivaer Thor und die untere Weichsel sollten auf dem linken W^eichselufer geführt werden^). Der General v. Schramm erhielt ausserdem den Befehl, die Verbin- dung von Weichselmüude mit Danzig aufzuheben und den Wasserweg zu sperren.

Die Eröffnung der ersten Parallele bestand zunächst nur in der Krönung des Zigankenberges in der Ausdehnung von 400 Metern. Die Dominirung desselben über den Hagelsberg hatte vorzugsweise die Wahl dieses Angriffspunktes bestimmt, obgleich man zunächst wegen Mangel an Artillerie keinen Vor- theil davon ziehen konnte. Ein weiterer Grund lag wohl darin, dass man beim Angriff auf den Hagelsberg die kantonirenden Truppen vortheilhafter gruppiren konnte, sowohl um gegen Landungen bei Neufahrwasser bereit zu stehen, als eine nähere Verbindung mit den Truppen auf der Nehrung zu erzielen, die nur über die Holminsel, deren Wegnahme die Vorbedingung da- zu war, ermöglicht werden konnte. Eine direkte Verbindung mit der Nehrung östlich von Danzig war wegen der Inundation nicht herzustellen. Durch den Angriff auf den Hagelsberg gab man allerdings die bequemere Verbindung mit den Hauptparks, welche wegen der Weichseltransporte an der Hauptstrasse nach Dir- schau liegen mussten, auf, aber bei einem Angriff auf den Bischofsberg, der eine leichtere Verbindung mit denselben ge- stattet hätte und auch sonst noch Vortheile bot*), hätte man

^) Mattd. Dumas S. 144.

*) Der General Kirgener macht in dieser Beziehung geltend, dass der

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die ffir den Angriff des Hagelsberges sprechenden schwer wie- genden Vortheile aufgeben müssen^). Die Einwirkung des Bischofsberges und der Hohninsel als entferntere Kollatoral- werke auf den Angriff gegen den Hagelsbeig würde heut be- stimmend gegen denselben sprechen, war aber bei dem dama- ligen Zustand der Artillerie ohne Bedeutung. Die Verlegung des Hauptangriffs gegen die Front am Olivaer Thor hätte die vorherige Wegnahme des Holms noth wendig gemacht, was gleich bei Beginn der Belagerung, wo man auf beiden Ufern der Weichsel noch nicht genügend basirt dazu war, ein sehr zweifel- haftes Unternehmen gewesen wäre, worauf sich kein Plan be- gründen Hess. Ausser der Wegnahme der Ealkschanze *) hätte auch die Festsetzung an der Bootmannslake von der Nehrung aus zu den Vorbereitungen gehört. Ein Angriff auf Neufahr- wasser, den der Guverneur mit Recht am meisten fürchtete, hätte nur für den Fall zur Diskussion kommen können, dass man sich entschloss, die dortigen Verschanzungen durch gewalt- samen Angriff zu nehmen. Davor schreckte man jedoch zurück und liess es nur bei Versuchen bewenden % Zu einem förmlichen Angriff fehlten vorläufig die Mittel, die Zeit bis zu deren Ein-

Besitz von Stolzenberg und des Stolzenberger Grandes am Fnss des Glacis g^estattet hätte, die 1. Parallele in grosser Nähe vom Platze zu erbauen. Wegen zu geringer Stärke des Belagerangskorps hätten die Belagerten jedoch nicht daraus vertrieben werden können.

*) Der General Pullet macht in seinem von der skizzirten Geschichte benutzten handschriftlichen Werke noch besonders für den Angriff des Hagels- berges geltend, dass die hinter dem Bischofsberge befindliche Front des Hauptwalles der Stadt bedeutend stärker war als die hinter dem Hagelsherge liegende. Skizz. Gesch. S. 220.

*) Der General Kirgener giebt die Wiedereroberang der kleinen Kalk- schanze durch den Belagerten als Veranlassung an, dass von einem Angriff der Olivaer Front, den er für den vortheilhaf testen hielt, Abstand genommen wurde. Pr6cis S. 41. Die Schanze wurde jedoch erst am 8. zurttckerobeit, nachdem die Parallele gegen den Hagelsberg schon in der Naoht zum 2. er- öffnet worden war!

') Der General Kirgener hielt einen gewaltsamen Angriff auf Neufalm- wasser ohne Vorbereitung durch Artillerie behufs Zerstörung der sehr staiüluNi Palisaden nicht ausführbar.

10*

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treflfen musste aber benutzt werden, da Napoleon unaufhörlich auf Beginn der Arbeiten drang ').

Die Kenntniss der genauen Vertheilung der Truppen des Belagerungskorps in dieser Zeit wäre in allen diesen Beziehungen von Interesse, doch lässt sie sich nicht genau feststellen *). Als die 4 Hauptstationspunkte ergeben sich Langfuhr, Pietzkendorf, Wonneberg und St. Älbrecht. Hier werden daher die 4 Divi- sionsstäbe gewesen sein. Die Divisonen bildeten in sich ihre Reserven. Von jeder Division waren 2 Bataillone zum Detache- ment des General v. Schramm auf der Nehrung abkonimandirt. Wahrscheinlich war auch gegen Neufahrwasser ein gemischtes Kommando aufgestellt. Im Werder stand vor wie nach ein Bataillon Polen.

Der Bau der 1. Parallele war von der Festung nicht be- merkt worden, da die Entfernung zu gross war. Das am Mor- gen des 2. dahin dirigirte Feuer von den Werken blieb ohne Wirkung, so dass der Belagerer am Tage die Arbeit vervoll- ständigen und in der folgenden mit Zickzacks vom rechten Flügel daraus vorgehen konnte. Er bemächtigte sich ausserdem in der Nacht der kleinen Kalkschanze, welche verfallen und planirt wor- den war und nur durch 50 Mann als ein vorgeschobener Posten besetzt war. Von 3 Kompagnien der Nordlegion angegriffen, räumte die Besatzung den Posten ohne Widerstand.

Auf Seiten des Vertheidigers wurde der Bau einer Flesche vor dem Olivaer Thor begonnen.

Der Guverneur Graf Kaikreuth Hess am 3. um 11 Uhr

^) Dieser Umstand und namentlich der Mangel an Artillerie mag auf die Wahl der AngriflFsfront bestimmend gewesen sein, da bei der Beschaffen- heit des Vorterrains vom Hagelsberg die wenigsten Verluste zu erwarten waren. Er erklärt zugleich, dass die 1. Parallele ungewöhnlich weit vom Platz (1000 Schritt) erbaut worden ist.

*) Nach dem Tagebuch von Grolman S. 79 waren die 4 Divisionen des 10. Korps, welche erst ende März gebildet werden konnten, vom linken nach dem rechten Flttgel wie folgt aufgestellt: Michaud. Erbgrossherzog von Baden, der erst am 2. April eintraf, Gielgnd und Gardanne. Bis zum Ein- treffen des Erbgrossherzogs hatte der General Menard die Badener geführt, obgleich er nur Brigadegeneral war, der General v. Klossmann aber General- lieutenant.

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morgens einen Ausfall von 40 Jägern, unterstützt von einem Bataillon Bussen unter dem Oberstlieutenant Dumaschew, auf die Ealkschanze machen, der ausserdem den Zweck hatte, durch ein zweites Detachement die Ziegelei und Aller Engeln, wo sich der Feind eingenistet hatte, zu verbrennen. Der Oberstlieu- tenant ging aus der Sortie des Pockenhäuser Holzraumes vor und wurde durch das Feuer der Batterie auf dem Holm unter- stfitzt. Nach einem kurzen einleitenden Gefecht der Jäger gingen die Russen mit dem Bajonett drauf. Die Besatzung der in- zwischen mit einer Brustwehr in der Kehle versehenen Schanze wartete den Angriff nicht ab, sondern zog sich nach der Zie- gelei und, gefolgt von den Russen, nach Aller Engeln ab. Die Russen liessen sich verleiten, heftig nach Langfuhr und in der Richtung auf Pietzkendorf zu verfolgen, wurden aber bald von herbeieilenden feindlichen Reserven bedrängt und mussten sich zurückziehen, wobei sie vom Schmidt'schen Garten*) her nicht unbedeutenden Verlust erlitten. Das Bataillon v. Brauchitsch, das mit Kosacken und einiger preussischer Kavallerie auf der Chaussee vorgegangen war, hatte sich inzwischen der Aufgabe erledigt. Aller Engeln und die Ziegelei in Brand zu stecken und deckte mit gi'osser Ruhe den Rückzug. Der Feind folgte bis an das Olivaer Thor, wo einige Unordnung entstand und die Russen über die Palisaden kletterten. Die Grenadiere von Brauchitsch retteten jedoch das Thor, indem sie, quer über die Olivaer Chaussee aufgestellt, den Feind mit dem Bajonett empfingen. Sie wichen nicht eher, bis der letzte Mann in Sicherheit war, worauf sie sich in die begonnene Schanze vor dem Thor zu- rückzogen und die Artillerie von den Wällen den Feind bald vertrieb*). Die kleine Kalkschanze wurde behauptet und mit

') Der Schmidtsche Garteu spielt auch bei der Belagerung von 1813 eine Rolle und lag etwas vorwärts von Aller Engeln, aber links von der AUee.

*) Der Verfasser der „Preussen in Danzig", wahrscheinlich Brese, und y. Duisburg geben eine sehr anschauliche Darstellung des Gefechts. Siehe auch den Bericht des (luverneurs S. 80 und 89. Nach Brese waren es nicht Jäger, welche dem Ausfall beigegeben waren, sondern Filseliere, die die Nacht zuvor die Schanze geräumt hatten und freiwillig sich am Ausfalle betheiligteu, doch ist das ein Irrthum.

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200 Mann besetzt. Noch an demselben Tage wurde sie durch einen Aufwurf mit dem Holzraum in Verbindung gesetzt ^).

Es wurden 1 Hauptmann und 25 Gemeine der Nordlegion gefangen. Der Verlust des Belagerten betrug gegen 100 Ver- wundete, hauptsächlich Russen, darunter der Oberstlieutenant Malachow und zwei andere Offiziere.

Von selten der Artillerie des Belagerten wurde ein lang- sames Feuer gegen die Sappenteten unterhalten. Für die Nacht waren auf Bastion Jerusalem, Ravelin Hagel und Bastion Schütz je ein Geschütz bestimmt, abwechselnd einen Kartätschschuss gegen die feindlichen Arbeiten abzugeben*). Entdeckte man aber durch die von Zeit zu Zeit geworfenen Leuchtkugeln grössere Ansammlungen feindlicher Arbeiter, so wurden sie all- seitig lebhaft mit Kartätschen beschossen. Die um 100 Manu verstärkte Besatzung des gedeckten Weges vom Hagelsberg unterhielt die ganze Nacht hindurch Kleingewehrfeuer im hohen Bogen. Der Ingenieur vom Platz etablirte sich nunmehr be- ständig auf dem Hagelsberg. Die Arbeiten auf dem Bischofs- berg leitete der von der aufgelösten Ingenieur-Akademie nach Danzig kommandirte Hauptmann Rohde^).

Im Lauf des 3. langten auf der Rhede die beiden pom- merschen Reservebataillone unter dem Major von Gneisenau an, konnten aber wegen stürmischen Wettei-s nicht ausschiffen.

Von Pillau aus wurde an diesem Tage ein Detachemeut auf der frischen Nehrung gegen Kahlberg vorgesendet, welches

^) Nach dem „belagerten Danzig" war es der lugeuieiireleve Brese, der spätere Chef des lugenienrkorps, welcher deu Aufwurf ausführen Hess.

') Nach der skizzirten Geschichte S. 90 soUtc alle Viertelstunden ein Kartätschschuss erfolgen.

Es wird nicht erwähnt, dass eine Vermehrung der Artillerie des Hagels- berges stattgefunden hat. Auch sagt Grolmann S. 81, dass ihr Feuer ohne Bedeutung war. Später zeigen sich die beiden Facen der Angriffsfront mit je 6 Kanonen bewaffnet, so dass bei dem beengten Raum kein Banket für Infanterie übrig blieb. Die beiden Bastione waren ausserdem mit je 2 Mörsern versehen. Ein Mörser befand sich im Ravel in-Hagel und einer in SaiUant I. Skizzirte Geschichte.

») Höpfner S. 419. Skizzirte Geschichte S. 80. Nach derselben befand sich Pullet bis dahin auf dem Bischofsberge und der General Laurens auf (|em Hagelsberge.

IBl

die hier stehenden französischen Vorposten vertrieb. Der Ge- neral V. Schramm sendete eine Komp. unter dem Hauptmann Mangarnau, unterstützt von einem Bataillon Sachsen, dagegen vor, welcher das Pillauer Detachement wieder zurückwarf.

In der Nacht zum 4. wurde die kleine Kalkschanze aus- gebaut und mit einer Palisadirung versehn. Zu ihrer Verthei- digung wurde auf dem Holm eine Batterie von drei 12-Pfündern angelegt. An der Flesche vor dem Olivaer Thor und den an- deren Armirungsarbeitcn wurde fleissig fortgearbeitet.

Der Belagerer stand von der Wiedereroberung der Kalk- schanze ab und gab damit den beabsichtigten Angi'iif auf die Olivaer Front auf. Er verlängerte dafür die 1. Parallele nach links hin und legte einige Reduten darin an ^). Kirgener recht- fertigt die sonst ungewöhnliche Anlage von Reduten in der Parallele durch die Schwäche des Belagerungskorps. Auf dem rechten Flügel wurde mit Zickzacks weiter vorgegangen. Die Arbeiten schritten wegen Mangel an Mannschaften nur sehr langsam vor. Man war genöthigt, Landvolk zu den Ar- beiten heranzuziehen. Auch die Artillerie hatte auf den schlech- ten Wegen grosse Schwierigkeiten zu überwinden, so dass sich ihre Ankunft verzögerte.

Der Stadt wurde durch Ableitung des Tempelburger See's auch das letzte Trinkwasser entzogen, so dass sie in dieser Be- ziehung auf die schmutzige Mottlau und die Festungsgräben angewiesen war.

Am Abend des 4. marschii-te der Major von Gneisenau mit den beiden pommerschen Reserve-Bataillonen in Danzig ein.

Am 5. erhielt die Festung aus Pillau 125 Ctr. Pulver auf Konto der geforderten 500 Ctr. und 108 Ctr. Heu, woran es sehr fehlte, da die Pferde der Kosacken daran gewöhnt waren.

Die folgenden Tage wurden von beiden Theilen auf Fort- ftihiung der begonnenen Arbeiten verwendet.

In der Nacht zum 9. eröffnete der Belagerer in der Ent- fernung von 600 Schritt eine Parallele gegen den Bischofs- berg. Der linke Flügel derselben wurde bis auf den Abhang

') Matth. Dumas S. 147 und Kirgener. Höpfner lässt, entschieden mit Unrecht, diese Arbeiten schon in der Nacht zum 3. ausführen. (S. 421.)

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des Stolzenbergs nach dem äussern Neugarten geführt, um da- selbst Enfilir- und Reversbatterien gegen den Hagelsberg zu erbauen.

Von Seiten des Vertheidigers wurde in dieser Nacht die Flesche vor dem Olivaer Thor beendigt und nun ungesäumt au die Ausführung eines Projekts gegangen, das schon früher vom General Laurens und dem Major Bousmard in Anregung ge- bracht, vom Ingenieur vom Platz aber bekämpft worden war. Dieser sah sich schliesslich überstimmt. Es handelte sich näm- lich um Anlage eines geschlossenen Werks auf dem sogenann- ten Grantberge, 500 Schritt vor dem Scheunenwinkel, das als Kontreapproche dienen sollte. Das Werk wurde in der Nacht vom 9. zum 10. unter den Augen der feindlichen Schildwachen in Angriff genommen ^) und den ganzen folgenden Tag daran fortgearbeitet, so dass es des Abends mit 250 Grenadieren unter dem Hauptmann von Gerskow vom Bataillon Brauchitsch besetzt werden konnte. In der folgenden Nacht sollten zwei gedeckte Kommunikationslinien nach dem Olivaer Tlior geführt werden. . Um 10 Uhr abends warf sich eine Abtheilung von 500 Mann des Belagerers unter Anführung des Bataillonschefs Ro- gniat, die zwischenliegende Schlucht überschreitend, auf das Werk und nahm es im ersten Anlauf. Nach obei^flächlicher Zerstörung desselben entfernten sich die Franzosen wieder und die Arbeit wurde preussischerseits von neuem aufgenommen. Um ein Uhr wurde die Schanze von den Franzosen wieder genommen und behauptet, obgleich der Major von Kamptz mit 200 Mann vom Olivaer Thor zu Hilfe kam. Der Verlust des Belagerten belief sich auf 80 Mann.

Die Franzosen zerstörten die Arbeit unter dem Feuer von den Wällen und räumten das Werk erst mit Anbruch des Tages, wo es sogleich wieder von den Belagerten besetzt wurde. Die Arbeit wurde wiederum aufgenommen, die Schluchten an der Schanze mit spanischen Reitern geschlossen und die Kom- munikation nach rückwärts hergestellt.

*) Am Morgen des 10. faud man, dass das Werk nicht gut profilirt war, so dass der Guvemeur den General Laurens beauftragte, sicli persönlich davon zu überzeugen. Man half sich so gut es anging. Schreiben des ^uvemeurs an den General S. 103.

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Am 12. begab sich der Ingenieur vom Platz selbst in die Bousmardschanze, wie sie genannt wurde, um den Bau der- selben zu beenden, was nur mit grossem Verlust ausgeführt werden konnte. Doch gelang es, den grössten Theil der Brust- wehr und die Kehle mit Palisaden zu versehen, sowie an der letztern drei Barrieren anzulegen. Gegen Abend tibernahm der Ingenieurlieutenant von Borcke die Leitung der Arbeit. Gegen 11 Uhr abends erfolgte ein neuer heftiger Angriff des Be- lagerers auf die Schanze. Der General Puthod drang an der Spitze eines Battaillons Sachsen und einiger Elitekompagnien unter Leitung des Bataillonschefs Rogniat in der Front und rechten Flanke in die Schanze ein. Der Major Kamptz eilte jedoch mit 200 Mann vom Olivaer Thor zu Hilfe und nahm die Schanze von neuem, wurde aber wieder herausgeworfen. Auf diese Weise wurde das Werk dreimal von den Sachsen genommen ^), bis sie sich schliesslich darin behaupteten. Der Verlust war auf beiden Seiten sehr bedeutend und mag sich preussischerseits auf 200 Todte, Verwundete und Vermisste belaufen haben. Der Lieutenant von Betzdorf vom Regiment Courbiere wurde verwundet, 2 Offiziere wurden gefangen.

Da der Guverneur die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass die Bousmard-Schauze nicht zu behaupten war, beschloss er, sie aufzugeben, jedoch nicht ohne sie zuvor noch einmal ein- genommen zu haben, um sie zu zerstören. Er beauftragte da- mit den Oberstlieutenant von Schmeling.

Am 13. morgens 8 Uhr drang dieser mit seinem Grenadier- bataillon, vorangeschritten von 150 Füselieren von Rembow- und in der rechten Flanke gedeckt von einem russischen Bataillon, gegen die Schanze vor, die zuvor von den Wällen aus heftig beschossen worden war. Die sächsische Besatzung wurde mit Heftigkeit angegriffen und mit einem Verlust von 3 Offizieren und 40 Mann Gefangenen aus dem Werke ge-

^) Hierbei zeichneten sich franzüsischerseits die Obersten Bernard nnd Uartitzch (?), der Hauptmann Schönfeld nnd der Lieutenant von Obemitz ans, ferner der Schütze Kempel und vor aUem der Tambur Zworn, der als Held des Tages bezeichnet wird. Nibuatnias S, 6ß. Der franz. Lieutenant Pemecourt wurde tödtUch verwundet.

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Würfen; die Sieger drangen bis in die zweite Parallele nach. Hierbei zeichneten sich namentlich die Lieutenants von Hohen- dorf, von Karlowitz und von Förster aus. Jetzt eilten aber von allen Seiten Truppen herbei. Der Marschall Lefebvre selbst, begleitet von den Generälen Michaud, Puthod und Dufour, warf die Grenadiere an der Spitze eines Bataillons des 44. Linienregiments aus der Trancheo und Hess es sich nicht nehmen, den Angriff bis in die Schanze fortzusetzen ^), die de- finitiv in die Hände des Belagerers fiel. Der preussische Ver- lust betrug 30 Mann'^). Der Lieutenant Raal genannt von Thülen vom Fiiselierbataillon Rembow wurde tödtlich ver- wundet. Der Verlust des Belagerers war viel bedeutender. Kr hatte 8 Offiziere 68 Mann todt, darunter den Oberst Piriac und den Major Kaiserling, 15 Offiziere 131 Mann verwundet. Der sächsische Hauptmann von Dallwitz starb noch als Ge- fangener in der Wachtbude, wohin man ihn schwer verwundet gebracht hatte. Im Lauf des Tages besetzten die Belagerer das Werk wegen des Feuers von den Wällen nicht, in der Nacht zum 14. aber wurde die Tranchee (2. Parallele) bis zur Bousmardschanze geführt und das Werk umgebaut. Ein anderes Werk (b), das vom Belagerten aufgeworfen und ebenfalls auf- gegeben worden war, wurde vom Belagerer eingeebnet. Viel- leicht um einen neuen Ausfall zu verhindern, unterhielt der- selbe in der Nacht ein lebhaftes Kleingewehrfeuer gegen das Olivaerthor und den Hagelsberg.

Im allgemeinen hatte der Ingenieur vom Platz in betreif

*) Nach Höpfner S. 425, der wiederum der „skizzirten Geschichte* S. 87 folgt, Avurde hierbei die Bousmardschanze von Aller Engeln her dnrch ein feindliches Bataillon umgangen. Kalkreuth, Kirgener und Matth. Dumas erwähnen nichts davon, auch hätten die Russen, die speciell zur Sicherung der rechten Flanke aufgestellt waren, ihren Dienst schlecht versehn. Eine entfernte Bestätigung liegt in der Mittheilung (Belagening und Einnahme der Stadt Danzig 1807. Leipzig 1808 S. 88), dass die Grenadiere von Schmeling sich über die Bussen beklagt haben, dass sie nicht stich gehalten hätten. Nach Grolman S. 83 wären die Russen zuerst davon gelaufen. Auch Nibu- atnias S. 72 spricht davon.

■) Nach dem Rapport der Lazareth-Kommission befanden sich infolge der Gefechte vom 12. und 13. 56 verwundete Preusseu und 8 Russen in den Lazarethen.

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seiner Meinung über die Anlage dieses Werkes Recht behalten. Es war ein verfehltes Unternehmen, dennoch möchte man es in dem Kranze der preussischen Thaten dieser Belagerung nicht missen.

Der Belagerer hatte sich dadurch in seinen Arbeiten wenig stören lassen. Er hatte in der Nacht vom 11. zum 12. den rechten Flügel der 2. Parallele gegen 600 Schritt vom Glacis des Hagelsberges mit der flüchtigen Sappe ausgehoben und hatte sie in den folgenden Nächten nach links hin verlängert ^), wie wir gesehen haben bis zur Bousmardschanze.

Am 12. waren von ihm die Reduten der Kontravallatiou mit Geschützen armirt worden. Die Redute 1 und 4 wurde mit je 2, die Redute 5 mit 3 12-Pfündern bewaffnet. Die Armirung der Reduten 2 und 3 musste noch unterbleiben, weil die Wege zu sehr aufgeweicht waren. Ausserdem wurden im letzten Boyau auf dem rechten Flügel 2 Haubitzen placirt, um das Innere der Stadt zu bewerfen. Zur Beherrschung der Weichsel wurden am linken Ufer derselben Posten bei Legan etablirt und 2 6-Pfünder aufgestellt. Um die Schifffahrt auch in der Nacht zu stören, nistete sich der Hauptmann Tardivelle in einem Hause an der Mündung der Striess ein und hielt sich daselbst trotz des Feuers von 7 Geschützen vom Holm, bis er schliesslich verwundet wurde.

Auf Seiten des Vertheidigers nahm der Kampf um die Bousmardschanze das ausschliessliche Interesse in Anspruch. Seit dem 10. betheiligten sich junge Danziger Kaufleute frei- willig an den Schanzarbeiten. Es wurde ihnen der Bau der Flesche (Kaikreuth nennt sie Kontregarde) vor Bastion Jakob übertragen.

Bei dem Kampfe um die Bousmardschanze am 13. war die Zahl der verlorenen Kugeln, die unter ihnen einschlug, so be- deutend, dass sie die Arbeit einstellen mussten.

Von Weichselmünde wird nur berichtet, dass der Lieutenant von Taubenheim, welcher alle Morgen Patruillen im Münder

') Den Franzosen kam dabei za statten, dass sie infolge der zahlreichen Schluchten, welche die Annäherung erleichterten, keine Laufgräben zur Ver- bindung mit der 1. Parallele bedurften.

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Walde ausführte, am 10. in einen Hinterhalt fiel und getödtet wurde. Ein Mann der Patruille wurde vermisst, 6 Mann kehrten verwundet zurück.

Am Abend des 13. kamen drei englische Kriegsschiffe auf der Rhede an, eins von 18 und zwei von 16 Kanonen. Sie waren zur Deckung der Kauffarteischiffe in der Ostsee bestimmt, nahmen jedoch Aufstellung zur Vertheidigung von Neufahr- wasser. Die eigene Flotille hatte sich auf 6 Fahrzeuge ver- mehrt.

Am 14. verhielten sich beide Theile ruhig. In der folgen- den Nacht vervollständigte der Belagerer seine Arbeiten an der 2. Parallele und baute namentlich an 2 in der Nacht zum 14. begonnene Reduten zur Sicherung derselben auf beiden Flügeln. Auch wurden Batterien in der Parallele erbaut.

Wie aus einem Schreiben des Guverneurs vom 15. an den Obersten Schuler von Senden in Neufahrwasser hervorgeht^), hatten sich die Franzosen in den Häusern des Dorfes Weichsel- münde eingenistet. Der Guverneur befahl ihm und dem Obersten von Schaper in Weichselmünde das Dorf zu zei'stören, zu welchem Zweck die beiden Kompagnien von Treskow, welche infolge der endlichen Ankunft des neumärkischen Reserve- bataillons nach der Stadt beordert waren, noch in Weichsel- mündc zurückbehalten wurden. Auch von (Jer Stadt aus sollten Mannschaften hinausgeschickt werden.

Leider kam das alles zu spät. In der Nacht zum 16. Hess der General Gardanne, welcher seit dem 7. für den erkrankten General von Schramm die Truppen auf der Nehrung komman- dirte, zwei Schanzen No. 9 und 10 (Fig. 1, Tafel III) am Einfluss der Bootmannslake in die Weichsel auf deren rechtem Ufer erbauen ^) und hob damit die Landverbindung zwischen Weichselmünde und Danzig auf. Die Arbeit wurde vom Battaillons-Chef vom Ingenieurcorps Sabatier unter Bedeckung eines Bataillons vom

») S. 113.

') Nibuatniaä S. 71. Die Schanze No. 9 lag auf dem Schuteudainni westlich vou No. 10. Der General Bertrand, A(^'utaiit des Kaisers, hatte be- reits früher auf die Wichtigkeit, die nördliche Landzunge der Holminsel zu befestigen, hingewiesen, aber die beiden Bataillone, die er dazu forderte, waren noch nicht zu entbehren gewesen. Nibnataias S. 63,

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2. leichten Infanterie-Regiment und eines Bataillons vom 2. polnischen Inf anterie - Regiment der Division Gardanne mit grosser Umsicht ausgeführt.

Der russische Major auf dem Holm, von ütken, hatte die Arbeit frühzeitig entdeckt und sie mit Geschütz und Klein- gewehr beschiessen lassen. Er war dann selbst mit 50 Mann über die Laake gesetzt, wurde aber mit lebhaftem Gewehr- feuer empfangen und abgewiesen. Der Guvenieur, welcher die Meldung davon erhielt, erkannt^ sogleich die ganze Wichtig- keit der Situation und sendete den Major von Kamptz, der in der Gegend gut orientirt war, mit dem 2. Bataillon Diericke hinaus. Von Weichselmünde aus sollten die beiden Kompagnien von Treskow, unterstützt vom neumärkischen Reservebataillon, mitwirken. Diese delogirten auch den Feind aus dem Dorfe Weichselmünde und brannten das Dorf nieder. Ein weiterer Erfolg wurde von dieser Seite jedoch nicht erzielt. Der Platz- major von Weichselmünde, von Rahn, fand dabei seinen Tod. Auf der andern Seite war der Major von ütken ohne die An- kunft des Majors von Kamptz abzuwarten mit 2 Kompagnien über die Laake gesetzt. Er wurde, nachdem er die Schanze genommen, von den Reserven der Franzosen wieder hinaus- geworfen und erlitt auf dem engen Schutendamme starke Ver- luste. Als dann der Major von Kamptz, welcher am Gans- kruge über die Weichsel gesetzt war, anlangte, ging er seiner- seits zum Angrifl* der Schanze vor. Das Terrain war sehr durchschnitten und gestattete nur das Vorgehn je einer Kom- pagnie. Dennoch wurde die Schanze genommen, jedoch wieder verloren ^).

Das Gefecht kam zum stehn und wurde sieben Stunden lang fortgeführt, ohne dass es gelang, sich dauernd in den Besitz der Schanze zu setzen. Der Verlust der Garnison war

') Die skizzirte Geschichte S. 89 und nach ihr Höpfner (8, 428) setzen irrthümlich die Unternehmung des englischen Eapitains Chatam am 16. an, als ob er den Angriff auf die Schanze hätte unterstützen wollen. Sie fand jedoch erst am 17. statt, wie Höpfner sie an diesem Tage auch noch einmal wiederholt, die skizzirte Geschichte aber verschweigt, was deutlich den Irrthum erkennen lässt. t. d. Wengen (Grolman) S. 85.

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bedeutend *). Es wurden 82 Verwundete nach den Lazarethen gebracht, worunter 20 Russen. Ein Offizier und 30 Mann wurden getödtet, 1 Offizier 12 Mann verinisst. Das Bataillon Diericke hatte 8 Offiziere (von 12) verwundet, worunter der Führer des Bataillons von Grumbkow und der Hauptmann von Lüptow. Dem Adjutanten, Lieutenant von Lindheim, wurde der Arm zerschossen. Der Hauptmann de la Ohevalerie starb an seinen Wunden ^). Auf französischer Seite zeichneten sich beim Kampf um die Schanze der Bataillons-Chef vom Ingenieur- korps Lesecq und der Sappeurhauptmann Queru aus. Auch der General Schramm, obgleich krank, war herbeigeeilt und wird lobend erwähnt. Die Franzosen verloren 150 Mann^).

Eine an diesem Tage auf der Höhe hinter der Schanze Bousmard aufgesteckte weisse Flagge sollte den General Gar- danue wahrscheinlich avertiren, dass Verstärkungen im Anmarsch waren*). Ihre Uebersendung erwähnt auch Dumas (S. 153), doch scheinen sie nach dem Gefecht wieder zurückgezogen worden zu sein^).

Die Verbindung Danzigs mit Weichselmünde und Neufahr- wasser war jetzt nur noch verstohlencrweise auf der Weichsel offen. Der Graf Kaikreuth war durch das Gefecht so einge- schüchtert, dass er von einem neuen Versuch, die Franzosen zu vertreiben, abstand und es ruhig geschehn Hess, dass die Franzosen nach dem Gefecht eine grössere Redute ^) auf 50 Toisen (140 Schritt) vom rechten Weichselufer erbauten und

') Nach Grolman S. 84 giii^ auch ein Geschütz verloren. Die skizzirte Geschichte sagt S. 89 (Note) sogar, dass die reitende Artillerie hierbei fast gänzUch verloren gegangen sei.

') Bericht des Guvemeurs. Die Preussen in Danzig.

8) Nibuatnias S. 73.

*) Nach dem Tagebuch von Grolman, herausgegeben von v. d. Wengeu, S. 84 fand seitens der Badener ein Scheinangriff mit 50 Schützen auf die kleine Kalkschanze statt.

^) Nach einem Schreiben des Guverneurs an den Obersten von Bülow vom 20. (S. 129) waren die Franzosen auf der Nehrung 3600 Manu stark und standen mit ihrem Gros in Heubude. Das bei Neufeh r angelegte Lager mit Brücke stand leer, sollte aber gegen Pillau hin eine Palisadirung erhalten.

«) Taf. nr Fig. 1 Nr. 10. Nibuatnias S. 73.

15Ö

sie mit dem riickliegenden Barackenlager durch eine auf beiden Seiten mit einer Brustwehr versehenen Kommunikation von 300 Toisen (840 Schritt) Länge verbanden. Durch diese Redute und eine am 17. auf dem linken Weichselufer begonnene (Nr. 6) wurde auch die Verbindung auf der Weichsel so gut wie abge- schnitten.

In der Nacht vom 16. zum 17. krönte der Belagerer auf der Hauptattacke das Plateau, welches sich vor dem rechten Flügel der 2. Parallele befand, mit der flüchtigen Sappe und richtete es zu einem Waffenplatze (Halbparallele) ein. Die Ver- bindung mit der 2. Parallele wurde theilweis durch eine Wtirfel- sappe hergestellt.

Da in den letzten Tagen mehrere Transporte mit Artillerie und Munition eingetroffen waren, begann in dieser Nacht auch die Armirung der fertiggestellten Batterien. Doch verbot der Marschall Lefebvre streng, daraus zu schiessen, bevor nicht sämmtliche Batterien armirt waren ^). Um die Sappenarbeiten gegen das ungeschwächte Artilleriefeuer des Vertheidigers zu schützen, befahl er, Wolfsgräben vor den Parallelen anzulegen, um daraus durch Schützen die Scharten der feindlichen Artillerie zu beschiessen, was auch Erfolg hatte.

Eine englische Korvette (Kapitain Chatam), welche am 17., von 2 Schaluppen gezogen, die Weichsel gegen 5 Uhr abends hinauffuhr, um die Franzosen zu beschiessen, kehrte bald wieder zni*ück ^).

In der Nacht vom 17. zum 18. ging man auch auf der linken Seite der 2. Parallele mit 3 Zickzacks auf der Kapitale des Bastions Jerusalem vor und stellte eine Halbparallele her. Die Entfernung derselben vom gedeckten Wege (Palisadirüng) betrug 60 Toisen (170 Schritt)»).

') Nor 3 Probeschttsse aus Mörsern nach der Stadt gaben einen Vor- gescbmack von dem zn erwartenden Bombardement. Skizzirte Gesch. S. 89.

^ Sie unterhielt nach Grolmann S. 85 von 5\'i Uhr nachmittags bis 9 Uhr abends von der Holmspitze aus ein lebhaftes Feuer, aber ohne allen Erfolg und mit starker eigner Einbusse.

*) Nibuatnias S. 77. M. Diunas S. 156. Höpfher verlegt nach den Be- obachtungen vom Platz (S. 430) die Anlage von 3 Zickzacks auf den 19. und

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Gleichzeitig Hess der General Lariboissiere auf der Attacke auf dem Stolzenberge eine grössere Batterie beginnen, die nur 80 Toisen (215 Schritt) vom Bischofsberge entfernt war.

Am 18. bemerkte man von der Festung aus, dass der Be- lagerer während der Nacht seine Arbeiten gegen Bastion Notz- kenberg fortgesetzt und vor seiner 2. Parallele eine Flesche für Schützen angelegt hatte.

Die Zahl der Kranken und Verwundeten in der Festung belief sich in dieser Zeit auf 1169 Preussen und 375 Russen. Es desertirten täglich 6 bis 10 Mann, vergleichsweise weniger wie vor Ankunft der Kosacken, welche vor dem Retranchement vorgeschoben waren und dort auch vom Feinde geduldet wurden.

Am 19., 20. und 21. trat ein solches Schnee- und Regen- wetter ein, dass die Laufgräben im Wasser standen und die Arbeit des Belagerers sich hauptsächlich auf die Reinigung der- selben beschränkte. Doch wurde in der Nacht zum 21. vor dem rechten Flügel der 2. Parallele noch eine weitere Halb- parallele angelegt*).

Der Major von Gneisenau, welcher durch Kabinetsordre vom 11. zum Kommandanten von Kolberg ernannt worden war, reiste auf einem der armirten Fahrzeuge dahin ab.

Am 22. trat wieder Frost ein. so dass in der Nacht zum 23. aus der rechten Halbparallele mit Zickzacks vorgegangen werden konnte. Da das Feuer des Vertheidigers , begünstigt durch hellen Mondenschein, jedoch sehr heftig war, musste n)an sich der vollen Sappe bedienen, und selbst hierbei stürzten die Sappenkörbe, so wie sie gesetzt waren, wieder nieder*).

Infolge des günstigem Wetters konnten von Seiten des

der Halbparallele vor Jerusalem auf den 20. Die Berichte des Belagerers haben jedoch den Vorzug.

^) Kirgener S. 8. Höpfher verlegt das nach den Beobachtungen vom Platz (skizzirte Gesch. nach der Hdschr. Pullets) erst auf die Nacht vom 22. zum 23., wo die Arbeit erst schärfer hervortreten mochte.

') Die Instruction für das Schiessen der Infanterie aus dem gedeckten Wege vom 19. Apr. (abgedr. im Archiv Bd. US. 100) wurde am 21. aus- gegeben. Parolebefehl von diesem Tage. Die Artillerie sollte mit Pausen schiessen, woraus die Garnison erkennen könne, dass kein feindlicher Angriff geschieht.

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Belagerers auch die Arbeiten an der unteren Weichsel wieder aufgenommen werden. Die Redute Nr. 6, welche vom Batail- lonschef Boissonnet erbaut wurde, wurde nahezu vollendet und in den folgenden Tagen der Damm des nach Neufahrwasser führenden neuen Weges in einer Länge von 600 Schritt ku- ronirt und am Ende mit einer Kupüre versehen. Nach rück- wärts wurde der Damm mit der Redute 6 verbunden *). Auf dem rechten Weichselufer wurde in der Redute Nr. 10 ein hölzernes Blockhaus erbaut und die Redute mit 4 Kanonen bewaffnet. Am 23. wurden mehrere Emplacements für Haubitzen vor- bereitet^. Mit der Sappe konnte man am Tage wiederum nicht arbeiten. Es wurden mehrere Sappeure der Teten erschossen. Ein Boyau, der in der Nacht fehlerhaft tracirt worden war und vom Bastion Kessel aus bestrichen wurde, konnte den gan- zen Tag über nicht betreten werden, obgleich nur ein 12-Pfünder dagegen thätig war.

Die Armirung der Batterien der 1. und 2. Parallele war so weit vorgeschritten, dass das Feuer eröffnet werden konnte Es wurde dazu die Nacht vom 23. zum 24. bestimmt. Den Abend zuvor hielt der Marschall eine Revue der Truppen ab, um sie anzuspornen. In den Batterien standen bereit:

18 24 pfundige i

28 12 / ^*"^^^^^

9, grösstentheils 50 pfundige, Mörser, 8 Haubitzen,

zusammen 63 . Geschütze.

Ausserdem waren sechs 6-Pfünder und drei 3-Pfüüder auf den Flügeln der Parallele zum Schutz gegen Ausfälle aufgestellt').

') M. Dumas S. 157. Höpfner verlegt das S. 432 auf den 33.

') Dnrch Parolebefehl vom 28. wurde die SpeciaUnstrnction, wie die Palisaden und Werke zu vertheidigen sind, ausgegeben (gedr. Archiv Bd. 11 S. 97 als Beilage II des Aufsatzes v. Brese Über die Armirung Danzigs 1807).

*) Nibuatnias S. 80. Nach einem auf der Bibliothek des grossen General- stabs befindlichen Plan, der aus der Bibliothek von Metz stammt und wahr- scheinlich einen Original-Bericht an den Kaiser vom 23. April vorstellt, be- fanden sich zu dieser Zeit in der 1. Parallele 5 Batterien Kanonen, 2 Haubitzen, 2 Mörser, in der 2. Parallele 3 Batterien Kanonen und eine MOrserbatterie, auf dem Kräbenberge 2 Batterien zu 4 Kanonen.

Kdliler, Oesehichte der Festangen Danzig und Welchselmiiiide. II. 11

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Die Wurfgeschütze eröffneten das Feuer um 1 Uhr nachts mit einem Bombardement auf die Stadt. Mit Tagesanbruch gegen 3 Uhr morgens wurden auch die Kanonenbatterien de- maskirt, und es erfolgte durch letztere ein Geschtitzkampf mit dem Gegner, den der Vertheidiger mit der grössten Lebhaftig- keit und mit Erfolg beantwortete ^). Allmählich liess das Feuer des Vertheidigers nach, der seine Geschütze zurückzog und die Scharten blendete^).

Es wurden vom Belagerer in den ersten 13 Stunden (bis mittags 1 Uhr, wo das Feuer nachliess) gegen 1200 Hohlge- schosse in die Stadt geworfen und gegen 600 Passkugeln ver- feuert. Namentlich wurde die Alt- und Rechtstadt hart mit- genommen. Zweimal brach Feuer aus, wurde aber bald gelöscht. Von der Garnison wurden 2 Musketiere und 2 Kosacken unterm Gewehr erschossen, von den Einwohnern mehr. Einige Laza- rethe wurden stark beschädigt, am meisten das des Regiments Hamberger, wo 40 Kranke lagen.

Das Feuer des Belagerers wurde von den Artilleriegeneralen Anthouard und Lamartiniere geleitet. Die Sappen schritten unter Begünstigung desselben in der Nacht um 95 Toisen vor, wodurch man auf beiden Seiten der Festung um 20 Toisen (56 Schritt) näher kam. Ein kleiner Ausfall in der Nacht vom 23. zum 24., der den Belagerten zwei Verwundete kostete, hin- derte die Thätigkeit der Sappeure nur auf kurze Zeit').

In der Nacht vom 24. zum 25. wurde auf dem Stolzen- berge eine zweite Batterie erbaut, und, wie die erste, am Nachmittage des 25. mit 3 24-Pfünden>, später mit 4 ai'mirt.

Auf der Hauptattacke wurde das Feuer gegen die Stadt auch in der Nacht fortgesetzt. Mit den Sappen näherte man sich links bis 35 Toisen (100 *) von den Palisaden und begann

') Es wurdeu 4 franz. Kanoniere getödtet, zwei Kanonen demontirt, ein Mörser und zwei Mörserlaifeten unbrauchbar gemacht. Nibnatnias S. 81.

*) Der General Kirgener schreibt dies der vorzüglichen Wirkung der französischen Artillerie zu, doch war es einfach eine damals geltende Regel. Die Angriff sfront und die Kollateral werke konnten den 6.S französischen Ge- schützen in allem nur 30 gegenüberstellen. Skiz. Gesch. 97.

") Kirgener S. 9. Skizzirte Gesch. S. 91.

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die 3. Parallele. Ein Ausfall störte die Arbeiter auf kurze Zeit. Hierbei wurde der mehrfach erwähnte franz. Sappeur- Sergeant Thomas schwer verwundet.

Am 25. war das Feuer des Belagerers bis 3 ühr nach- mittags sehr lebhaft. Er concentrirte eine Zeit lang das Feuer gegen den Bischofsberg (Vigilance- Scharf enort), der den Bat- terien sehr unbequem war. Vorzugsweise wurden jedoch die Werke des Hagelsberges stark mitgenommen, wenn auch die Zahl der demontirten Geschütze nur unbedeutend war.

uro 2 Uhr nachmittags erfolgte von selten des Marschalls Lefebvre eine Aufforderung zur üebergabe des Platzes, die je- doch vom Guverneur entschieden zurückgewiesen wurde ^).

Um 6 Uhr abends wurde durch den Hauptmann von Stud- nitz ein Pulvermagazin auf dem Stolzenberge in die Luft ge- sprengt, wobei nach Aussage der Gefangenen ein badensischer Oberst und ein Major umgekommen sein sollten').

Es wurden in den letzten 40 Stunden gegen 1000 Schüsse gezählt. Der Vertheidiger erlitt einen Verlust von 40 Mann todt und verwundet.

Für den Belagerer langte ein neuer Transport Artillerie (7 Kanonen) von Warschau an.

In der Nacht vom 25. zum 26. wurden auf der rechten Seite 5 kurze Schläge vorgetrieben, so dass man auch hier an den Bau der 3. Parallele gehen konnte, an der links fortgear- beitet wurde. Der Graf Kaikreuth entschloss sich infolgedessen zu einem grösseren Ausfall. Das Kommando erhielt der Major von Wostrowski mit 300 Grenadieren und 260 Arbeitern. Der Ausfall erfolgte um 9 Uhr abends, führte aber zu keinem Re- sultat, da durch ein Missverständniss alles wieder nach dem gedeckten Wege zurücklief*). 10 Mann wurden verwundet.

Der Vertheidiger verwendete die Nacht zur Herstellung

^) Nibuatnias S. 83 und ond skizzirte Gesch. S. 103 theilen die beider- seitigen Schreiben mit.

*) Nach Nibuatnias S. 87 war es ein Mnnitionsbehältniss für Granaten, deren yerschlossene Kisten dnrch die Verwegenheit des Hauptmanns Lorge und zweier Kanoniere, welche in die brennende Baracke drangen, noch glücklich hinaasgeschafft wurden. Die Aussage der Gefangenen ist jedenfalls ungenau, da Grolman nichts davon erwähnt.

*) In den französischen Berichten wird der Ausfall gar nicht erwähnt,

11*

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der Werke und zur Ergänzung des Materials. Der Belagerer setzte das Bombardement gegen die Stadt lebhaft fort, wodurch an zwei Orten Feuer entstand und eine Arbeitsstelle von Fach- werk im Bastion Elisabeth, in w^elchem sich das Laboratorium be- fand, entzündet wurde. Grlticklicherweise war kein Pulver vor- handen, so dass sich das Feuer nicht weiter verbreitete.

Am 26. war das Feuer auf beiden Seiten wieder sehr leb- haft. Die Franzosen verschossen 1319 Kugeln. Der Hagels- berg litt sehr durch das Feuer vom Stolzenberge , das wieder im vollen Gange war*). Die beiden Batterien bestrichen den innern Raum desselben, die Kurtine und die rechte Face vom Bastion Schütz. Da die 3. Parallele im weiteren Fortschreiten begriffen war und das Feuer von den Werken zu plongirend wurde, entschloss sich der Guvcmeur zu einem neuen Ausfall. Das Kommando erhielt wiederum der Major von Wostrowski mit 300 Musketieren von Besser und 150 Füselieren von Rembow, nebst Arbeitern von allen Infanterie- und Kavallerie-Regimentern. Zur Deckung der linken Flanke folgte das Bataillon Schmeling. Unvorsichtigerweise hatte man das Feuer um 7 Uhr plötzlich ver- stummen lassen, so dass sich der Belagerer zum Empfang des Ausfalls in Bereitschaft setzen konnte. Der Oberst vom In- genieurkorps und Adjutant des Kaisers Lacoste, welcher die Hauptattacke kommandirte, einigte sich mit dem Kommandanten der Trancheewache, General Menard, rechts und links Deta- chements in den Trancheen zu etabliren, die dem Feinde in die Flanken gehen sollten. Es gelang den ausfallenden Truppen, einen Theil der 3. Parallele zu zerstören und 14 Gefangene (12 Badener *) und 2 Franzosen) zu machen. Doch nun stürzte

scheint daher gar nicht bemerkt worden zu sein. Das Mlssverständniss war daraus entsprangen, dass , zurück, zurück" genifen wurde.

*) Schreiben des Guy. von diesem Tage an den Major von Oppen S. 146. Der Guvemeur befiehlt, dass alles auf der Niedenmgsseite befindliche Wurf- geschütz nach dem Bischofsberg gebracht werden solle, auch eine Haubitze vom Holm, um die Batterie auf dem Stolzenberge zum schweigen zu bringen. Von Seiten des Belagerers wurden die Batterien der Reduten Nr. 1 und 2 der Kontravallation angewiesen, das Feuer des Bischofsberges, welches die Batterien auf dem Stolzenberge sehr belästigte, niederzuhalten (Nibuatnias S. 86).

') Nach Grolman verloren die Badener 6 Todte, 21 Verwundete und 13 Gefangene. S. 89.

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sich der Bats.-Clief Koguiat mit der Trancheewache in der Front mit dem Bajonet auf sie, und die Seitendetachements drohten ihnen den Eückzug abzuschneiden. Die Ausfalltruppen erlitten einen Verlust von 10 Offz. und 100 Mann an Todten und Ver- wundeten*). Der Fähnrich von Reizenstein vom 1. pommerschen Reserve-Bataillon starb an seinen Wunden. Auch der Verlust der Franzosen war bedeutend. Der Sergeantmajor Vernon von den Sappeuren erhielt 3 Bajonetstiche und der Sergeant GeoflFroy wurde schwer verwundet.

Die Knrtine der Hagelsberger Front wurde in der folgen- den Nacht mit 3 Traversen versehen, und auch dahinter zum Schutz der Kommunication nach den Baracken wurden 3 Tra- versen aufgeführt. Die Traversen des Bastions Schütz \^nirden erhöht und auf der ganzen Front die Scharten ausgebessert. Da es anfing, an Faschinen und Schanzkörben zu fehlen, wurden in der Stadt Tragkörbe requirirt und selbst Linden- und Easta- nienzweige wurden zur Anfertigung des Baumaterials benutzt.

Am 27. April wurden vom Belagerer 1930 Geschosse gegen die Festung abgegeben. Auch der Vertheidiger regte sich wieder und überraschte die Gegner, die ihn schon abgethan glaubten, mit einem lebhaften Feuer. Es galt von dem zu diesem Zweck neu armirten Bischofsberge aus die Batterien auf dem Stolzen- berge und die dem Bischofsberge sehr unbequemen Geschütze der beiden Reduten 1 und 2 niederzuhalten. Am Nachmittag kam ein zweistündiger Waffenstillstand zum Begraben der Todten zu stände. Der Belagerer benutzte dies, um die Oert- lichkeit in betreif der Anlage einiger beabsichtigter Rikoschett- batterien, deren Nothwendigkeit sich aufdrängte, zu besichtigen und über einen dahin zu dirigirenden Laufgraben schlüssig zu werden*). Ausserdem wurde der linke Flügel der beiden Batterien auf dem Stolzenberge durch einen Laufgraben mit den Ar- beiten gegen den Bischofsberg verbunden und die Halbparallele

*) Nach Nibuatnias S. 89 wäre die ganze ansfaUende Trappe 600 Grenadiere gefangen genommen worden!

') Ebd. S. 90. Die Steile ist allem Anschein nach dnrch den Plan von Kirgener (vgl. oben S. 128 Note) veranlasst, da in Wirklichkeit keine Riko- schettbatt^rie erbaut worden ist.

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zwischen der 2. und 3. Parallele mit Mörsern und Haubitzen, sowie mit drei 12-PfUndem bewaffnet.

An der unteren Weichsel wurde fortgearbeitet *).

In der Nacht zum 28. erfolgte ein Ausfall von 300 Mann gegen die Batterien des Stolzenberges, der jedoch ohne Erfolg blieb '). Eine AUarmirung der feindlichen Arbeiter vor Bastion Schütz durch den Lieutenant v. Trabenfeld mit 20 Mann, der den Verlust von 1 Todten und 3 Verwundeten herbeiführte, störte nur vorfibergehend.

Am 28. arbeitete der Belagerer daran, die 3. Parallele nach rechts hin zu verlängern und die Kommunikation zu erweitem. Einer der Schläge der Halbparallele wurde nach rechts hin bis zu dem Ort verlängert, den man tags zuvor zur Anlage einer Rikoschettbatterie geeignet gefunden hatte'). Der Artillerie- kämpf gegen den Bischofsberg dauerte fort.

Der Kampf um die 3. Parallele wurde auch an diesem Tage fortgesetzt, indem der Guverneur einen neuen Ausfall gegen dieselbe unternehmen Hess. Infolge eines Kriegsrathes wurden dazu 3 Bataillone bestimmt, welche nach einer Dispo- sition des General Laurens gegen die beiden FlUgel und das

^) Nach Nibuatnias S. 91, dem auch M. Dumas folgt (S. 161), Hess der Bato.-Chef vom Ingenieur-Korps Sabatier am 27. mit der Sappe auf dem Scbntendamme arbeiten und bemächtigte sich der Landzunge des Holms, wo früher die Sommerschanze gelegen hatte. Er etablirte sich daselbst, indem er die Landzunge durch eine Kupüre abschnitt und auf der Laake eine Brttcke herstellte. Die Franzosen hätten demnach schon an diesem Tage auf dem Holm festen Fuss gefasst. Die Massregel erscheint höchst ingeniös und wird auch von der skizzirten Geschieh te S. 121 Note bestätigt, jedoch wird sie von Höpfner S. 438 mit Recht bestritten.

') Skizzirte Geschichte S. 105. Der Bericht des Guvemeurs vom 5. Mai erwähnt diesen Ausfall nicht, sagt aber, dass die am 27. vom Belagerer an- gelegte Batterie am 28. zum Schweigen gebracht und eine andere niedriger angelegte Batterie erbaut worden sei. Französischerseits wird der Ausfall ebenfalls nicht erwähnt.

*) Nibuatnias S. 91. Dumas S. 162. Kirgener erwähnt hiervon nichts, die Stelle scheint daher nur durch den gefälschten Plan desselben veranlasst wor- den zu sein. Wie es scheint, arbeitete der Feind selbst am Tage. Die Scharten- Bohlen waren bei dem hohen Belief der Werke des Hagelsberges nicht tief genug geneigt, um das nahe vorliegende Terrain zu bestreichen. (Höpfner g, 439. Skizzirte Gesch. S. 101.)

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Centram der 3. Parallele dirigirt wurden. Die 3 Abtheilungen in der Gesammtstärke von 600 Mann wurden von den Majors Wostrowski, von Eamptz und dem Oberstlieutenant von Schme- ling geführt. Der Ausfall, abends 10 Uhr unternommen, war im ganzen zwar günstig, doch hätte er mehr leisten müssen, wenn mehr Einklang geherrscht hätte. Die Abtheilung des rechten Flügels kam früher als die andern an den Feind und wurde von 2 Kompagnien des französischen 19. Linien-Regiments unter dem Bataillons-Chef vom IngenieurkoiT)s Rogniat zurück- geworfen und bis an die Palisaden des gedeckten Weges ver- folgt. Einige verwegene Sappeure sprangen selbst über die Palisaden weg und wurden gefangen. Die mittlere Abtheilung befand sich zu der Zeit noch mit 100 Arbeitern im gedeckten Wege und Hess sich auf ein stehendes Peuergefecht ein, ohne weiter vorzugehen. Die Abtheihmg des linken Flügels über- raschte dagegen die feindlichen Arbeiter, warf die Tranchee- wache zurück, und der Hauptmann von Hanstein vom Füselier- Regiment Rembow vernagelte 3 Kanonen. Ein Offizier und 48 Mann der Trancheewache wurden gefangen. Der mit den Re- serven herbeieilende General Michaud vertrieb die Abtheilung wieder. Der preussische Verlust betrug 20 Todte, 65 Ver- wundete und 80 Vermisste^). Zwei Offiziere des Regiments Hamberger blieben, der Hauptmann von Hosius desselben Re- günents starb an seinen Wunden. Unter den gefangenen Fran- zosen befand sich ein Ingenieurlieutenant Brenne, ein Korporal und 2 Sappeure. Der Hauptmann Sauveterre und der Lieute- nant Fray vom 19. Infanterie-Regiment fielen.

In der Nacht zum 29. wurde die 3. Parallele nach rechts und links hin verlängert und die Annäherungen dahin beendet.

Am 29. richtete das Feuer des Belagerers an den Basti- onen des Hagelsberges bedeutende Zerstörungen an, weil die Schäden des vorhergehenden Tages nicht hatten ausgebessert

*) Nach Grolmau mnsa der preussische Verlust viel bedeutender ge- wesen sein. Der Erbgrossberzog von Baden will am 29. auf dem Glacis gegen dO Todte gesehen haben. Ohne die Deserteure sind 103 Gefangene eingebracht worden. Die Verlustliste des Belagerers weist 40 Todte, 40 Verwundete und 28 Gefangene auf, darunter von den Badeuem 7 Todte, 5 Verwundete und 18 Vennisste.

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werden können. Die Brustwehren waren grösstentheils abge- kämmt, die Traversen durch die Batterie des Stolzenberges zer- stört, 14 Sturmbalken heruntergeschossen.

Auf Seiten des Belagerers traf ein neuer Artillerie-Trans- port aus Warschau ein.

In der Nacht zum 30. wurde das letzte Blockhaus im ge- deckten Wege links von Kavelin Hagel fertiggestellt.

Von selten des Belagerei*s wurde der flache Bogen vor dem Saillant des Ravelin Hagel begonnen, indem der Sappeur an zwei Punkten aus der 3. Parallele debuchirte ^). Anfäng- lich geschah es jedoch ohne Erfolg'). Die 3. Parallele wurde infolgedessen mit Sandsackscharten versehen und Baukets her- gestellt. Zur Deckung der Batterien auf dem Stolzenberge wurde die Tranchee nach rechts hin verlängert. Die Stadt wurde heftig beschossen und brannte an mehreren Stellen.

Am 30. wurden zwei neue Batterien vom Belagerer angelegt, die eine in der 2. Parallele, die andere etwas weiter vor '), um die Brauchen des gedeckten Weges und die Blockhäuser in den eingehenden Waffenplätzen zu bestreichen.

Um Mittag nach der Parole, als der General Laurens mit den Guvemements- Adjutanten von Plateu und von Arnim in eine der Baracken an der Eurtine des Hagelsberges trat, durchschlug eine feindliche Bombe die Decke. Alle 3 Offleiere wurden von einem losgerissenen Balken niedergeworfen und der General nebst dem Lieutenant von Platen so stark verletzt, dass sie an den Wunden starben.

Der Artilleriekampf war auf der ganzen Front sehr heftig.

Der Hauptmann von Studiiitz setzte der Redute Nr. 1 auf dem Jesuiterberge, die der Stadt sehr schädlich war, hart zu ^).

Die Besatzung des gedeckten Wegs unterhielt ein ununter- brochenes Feuer auf die Belageiiingsarbeiten. In der Nacht

') Eirgener S. 14. Nibaatnias S. 94.

') Skizzirte (lesch. S. 111. Es wurden in den Bastionen Schütz and Jerusalem je 4 Jäger dagegen aufgestellt.

^) Nach Grolman lagen die Batterien auf den äussersten Flügehi der beiden HalbparaUelen.

^) Nach Dumas hat der Belagerte das Feuer von mehr als 20 Geschüts^u darauf concentrirt.

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klärten vom Wall geworfene Feuertöpfe (pots ä feu) das Terrain an den Sappen teten auf, so dass der Fortschritt der Sappe nur äusserst langsam war.

h. Von der Beendigung der 3. Parallele bis zur

Kapitulation des Platzes«

Die Fortschritte der Sappe waren auch am 1. und 2. Mai Mai. äusserst langsam. Der Vertheidiger warf die Körbe durch seine Artillerie um, so wie sie gesetzt waren. Nur vor Bastion Schätz war es nicht zu verhindern, weil die Scharten des Bastions Jerusalem nicht die nöthige Inklination gestatteten.

An der Niederweichsel wurde die Kedute Nr. 6 beendet nnd armirt.

Seit dem 1. Mai richtete der Belagerer das Feuer hauptsäch- lich auf den Hagelsberg, der furchtbar mitgenommen wurde. Der Artillerie des Vertheidigers gelang es endlich, die Redute Nr. 1 auf der Jesuiterhöhe zum Schweigen zu bringen *). Dagegen zeigten sich die späteren Anstrengungen der Artillerie des Ver- theidigers vom Bischofsberge gegen die feindlichen Batterien auf dem Stolzenberge unzureichend^).

In dem Saillant des gedeckten Wegs vor Ravelin Hagel wurde von seiten des Belagerten ein 15 Fuss tiefer Minen- brunnen ausgehoben.

In der Nacht vom 3. und 4. gelang es dem Belagerer end- lich, die beiden Sappenteten des flachen Bogens (demi-cercle) vor dem ausspringenden Winkel des Ravelins Hagel zu vereinigen. Auf der äussersten Linken der 3. Parallele ging er mit der traversirten Sappe gegen den Saillant vor Bastion Jerusalem

') Der Guvemeur richtete am 3. Mai ein uehr verbindlicheB Schreiben an den Major von Oppen wegen der Erfolge der ArtiUerie. S. 166.

*) Schreiben des Gavemeors an den Kommandanten Gen. v. Hamberger ▼. 4. Mai. S. 167. Ein von Dnmas in der Nacht zum 3. erwähnter AusfaU TOB aOOO Mann gegen die 3. ParaUele und gleichzeitig gegen den Stolzenberg (S. 165) wird in den Berichten des Vertheidigers nicht erwähnt. Kirgener sagt nur, dass der Sappeur-Kapitain Boisaubert erschossen worden sei. Nach Nibuatnias S. 97 erfolgte dies bei einem AusfaU von 200 Mann gegen den Stolzenberg, so dass die 2000 Mann bei Dumas nur ein Schreibfehler sind.

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vor. Nach rechts hin warde die 3. Parallele bis in das Thal von Sciudlitz verlängert*).

Das Feuer des Belagerers gegen den Hagelsbei-g war am 3. so heftig gewesen, dass die Besatzung innerhalb 24 Stunden 40 Todte und Verwundete verlor. Vom Civil waren bis jetzt 4 Personen getödtet, 22 verwundet.

Am 4., da der Belagerer aus dem flachen Bogen auf der Kapitale des Ravelins mit der doppelten Sappe vorzugehen ver- suchte, wurde vom Vertheidiger ein lebhaftes Feuer auf die Sappenteten gerichtet, so dass die Arbeit aufhören musste. Die Batterien der 2. Parallele richteten daher ihr Feuer gegen die betreflfenden Geschütze des Vertheidigers und demontirten einige Kanonen und Scharten. Der Vertheidiger bediente sich nunmehr vorherrschend der Mörser, von denen er 4, später 5 auf der Angriffsfront aufstellte und die einzelnen Sappen der Länge nach zu fassen suchte, da ein direktes Bewerfen ohne Resultat blieb, indem die Bomben ins Feld fielen.

In dem Bericht des Guverneurs an den König vom 5. wird der Füselier Schultz vom Bataillon von Kloch mit Auszeichnung erwähnt, welcher den brennenden Zünder einer feindlichen Bombe ausurinirte.

Die Erfolge der Artillerie des Vertheidigers waren auch in den folgenden Tagen ausserordentlich, so dass der Belagerer sich fast ausschliesslich mit Ausbesserung der Schäden beschäf- tigen musste*). Erst in der Nacht zum 7. gelangte er bis auf

*) Dumas S. 165. Nibuatnias S. 98. Kirgener erwähnt hiervon nichts. Wie es scheint, ist diese Angabe, sowie die oben S. 165, 166 ci*wahnten durch den Plan von Kirgener hervorgerufen worden, da auch die skizzirte Ge- schichte darüber schweigt.

') Der Guvemeur war so entzückt von den Erfolgen der Artillerie, dass er am 6. von neuem an den Major von Oppen schrieb: „bin Ew. und der Artillerie unendlich verbunden, dass sie den Feind in seiner Arbeit fest- zuhalten so kräftig wirkt''. Der General Kirgener schreibt die Misserfolge der französischen Artillerie dem Mangel an Munition und dem Umstand zu, dass das Terrain keine Rikoschettbatterien gestattete. Letzteres lässt sich mit einigem Grunde doch nur von der linken Face des Bastions Jerusalem sagen, und auch hier hätte man Mörser in Verlängerung derselben verwenden können. Weit nachtheiliger war, dass mau die ersten 8~ 10 Tage sämmtUche

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6 Toisen (etwas über 15 Schritt) vom ausspringenden Winkel des Ravelins Hagel, während die Sappe vor Bastion Jerusalem täglich nur 2 Rntimi vorschritt.

Die Besatzung erlitt am 5. dnrcli d«ii Tod des Majors Bous- mard einen unersetzlichen Verlust, indem er des Morgens halb 6 Uhr, als er mit dem Platzingenieur die Fortschritte des Bela- gerers während der Nacht rekognoscirte, von einer Gewehr- kugel getroffen wurde und nach wenigen Minuten starb. Am 6. starb auch der General Laurens an seiner am 30. April er- haltenen Wunde.

Die Arbeiten des preussischen Mineurs gingen ihren Weg fort. Er hatte in der Nacht zum 7. bereits die Palisadenlinie um IVs Fuss hinter sich. Ausfällein dieser und der vorherge- henden Nacht waren zwar projektirt worden, unterblieben aber, weil sich die Erschöpfung der Truppen schon in hohem Grade geltend machte.

Diese Nacht (zum 7.) wurde für die Festung, wie sich der Guverneur in seinem Bericht an den König ausdrückte, eine der unglücklichsten. Der Holm fiel in die Hände des Feindes.

Schon gegen 6 Uhr abends war man in der Festung auf die Absichten des Feindes aufmerksam geworden, indem man 15 Wagen mit Kähnen und Brettern von Zigankendorf nach Schellmühl fahren sah. Der Guverneur machte der Besatzung des Holms sofort Anzeige davon und sendete den Fürsten Tscher- batow nach dem Holm, welcher noch vom Major von Utken mit 9 Kompagnien (1050 Mann) besetzt war. Ausserdem befand sich daselbst ein preussisches Artillerie-Kommando unter dem Lieute- nant von Stieler mit 14 Geschützen, wovon eine Haubitze und ein SOpfundiger Mörser. Der Fürst ertheilte ausführliche Befehle für den Fall eines Angriffs und Hess 400 Mann Verstärkung zurück. Obgleich der Guverneur um 9 Uhr noch einmal hinausschickte,

Wurfgeschütze zum Bombardement der Stadt benutzte, was sich als vöUig unnatz erwies. Der tiefere Orund lag aber noch darin^ dass die französischen ArtiUerieoffiziere von den Erfolgen im Felde berauscht, alle guten Grundsätze für den Gebranch der Artillerie im Belageningskriege vergessen hatten und in gedankenloser Weise flüchtig über alles hinweggingen. Es drückt sich dies nicht nur bei Danzig aus, sondern war in der Zeit ganz allgemein. Die spanischen Belagerungen liefern ein reiches Material dafür.

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wurde die Besatzung des Holms und der kleinen Kalkschanze von der Unternehmung des Feindes doch völlig überrascht*).

Der Marschall Lefebvre war zu dem Unternehmen auf den Holm durch den General Chasseloup, welcher seit dem 19. April die Direktion der Belagerungsarbeiten übernommen hatte, gedrängt worden, da man vom Holm aus die Angriifsfront im Rücken fassen konnte. Der Marschall ging um so eher darauf ein, als ihm der Be- sitz des Holms zur Verbindung mit der Nehrung durchaus noth wen- dig war und er die Brücke über die Weichsel bei Legan, die zu diesem Zwecke von der grössten Wichtigkeit war, noch nicht hatte ausführen können, ihm auch der bevorstehende Entsatz- versuch über Neufahrwasser nicht unbekannt sein konnte, da ihm von der Ansammlung der feindlichen Truppen um Pillau gewiss Meldungen zugekommen waren. Er befahl dem General Gardanne, in der Nacht zum 7. von der Nehrung aus die Laake zu überschreiten, und beauftragte seinen Chef des Generalstabs, den Divisionsgeneral Drouet, vom linken Weichselufer aus einen Landungsversuch auf dem Holm zu machen und sich der kleinen Kalkschanze zu bemächtigen.

Nach dem Tagebuche von Grolman S. 93 ^) war der Verlauf folgender: Es wurden zu dem Uebergange 600 Mann auserlesener Truppen bestimmt, nämlich 400 Franzosen vom 44. Linien-, 2. und 12. leichten Regiment, sowie von den beiden B^eldba- taillonen der Pariser Stadtgarde, ferner 100 Badener und 100 polnische Insurrektionstruppen. Ausserdem blieben in Reserve 300 Mann Sachsen und Polen der Nordlegion'), um nach der Eroberung des Holms sich der Kalkschanze zu bemächtigen. Dieses kombinirte Detachement versammelte sich abends unter

*) Der Major von Pogwisch, welcher mit Depeschen vom Könige zurück- kam und den liolm in der Naclit zwischen 12 und 1 Uhr passirte, fand die Bussen noch munter.

*) Ein preussischer oder russischer offizieller Bericht über die Vorgänge auf dem Holm in der Nacht vom 6. zum 7. existirt nicht. Die französischen Berichte sind sehr oberflächlich. Dumas erwähnt nichts von der Wegnahme der Kalkschanze und Kirgener nichts von einem Uebergange der Franzosen vom linken Weichselufer, beide nichts von den Vorgängen an der Laake. Am besten sind noch die Berichte von Nibuatnias S. 101 ff. und Grolman.

') Nach Nibuatnias unter Befehl des Bataillonschefs Romnette.

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Fuhrung des General-Adjutanten Ai.ne und des Bataillonschefs Arnaud (nach Nibuatnias Armand) im Thale von Langfuhr. Zum Uebergange über die Weichsel hatte man keine anderen Hilfsmittel als 6 Pontons (nach Nibuatnias 12), von denen jedes nicht über 30 Mann (nach Nibuatnias 25) fasste, welche auf einem grossen Umwege nach der Weichsel gebracht werden mnssten.

Gegentiber der Schanze, welche die Franzosen am Schuten- damme erbaut hatten, und um deren Besitz am 16. April ge- kämpft worden war, lag die grösste Redute des Holms mit 7 Geschützen an der (untern) Spitze des Holms (die Winter- schanze). Weiter aufwärts befand sich eine zweite grosse Re- dnte (die Jungfernschanze) mit 5 Geschützen. Mit dieser bei- nahe in gleicher Höhe lagen auf dem linken Weichselufer Schellmühl und verschiedene andere Gebäulichkeiten (Legan). Hinter Schellmühl wurden die Pontons abends abgeladen und durch die Striess in die Weichsel geführt. Zuerst setzten 200 (300) Franzosen über den Strom, landeten unbemerkt unterhalb der 2. Redute und schlichen dann gegen die Redute an der (untern) Holmspitze (Winterschanze) vor *). Die Pontons fuhren ebenso unbemerkt zurück, um die Badencr und Polen überzu- setzen. Die Fahrzeuge waren mit den letzteren Truppen bis in die Mitte des Stroms gekommen, als aus der 2. Redute des Holms ein Kartätschenschuss fiel und über sie hinwegging. Auch feuerte ein Wachtposten und tödtete einen Mann. Noch herwärts vom Ufer sprangen die Leute aus den SchilBfen in das hier einige Fuss tiefe Wasser, stürzten sich auf die Schanze und waren innerhalb weniger Minuten in derselben. Im näm- lichen Augenblicke erstürmten die Franzosen die Redute auf der Holmspitze. In der ersten Hitze wurde alles niedergemacht, was man bewaffnet fand; doch retteten die Badener vielen,

*) Nach Nibnatnias S. 102 mit Ausnahme der Pariser Garde, welche unter Ptthrung des Adjutanten Avy des Generals Drouet die 2. Redute (Jongfemschanze) erstürmte. Die DarsteUung bei Grolman ist damit nicht in Einklang zu bringen. Auch widerlegt letztere, indem sie die Winterschanzc noch im Besitz der Besatzung des Hohns bezeichnet, die Behauptung des Nibuatnias, dass die untere Holmspitze seit dem 27. April im Besitz der ¥rauz<>scn gewesen nnd befestigt worden sei.

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welche um Pardon baten, das Leben. Ein Haus im Innern der 2. Redute fand man mit Soldaten angefüllt, welche im Schlafe überrascht wurden. Als man sie befragte, warum sie nicht nach den Schüssen aufgesprungen wären, sagten sie, dass sie schon zu sehr an das Schiessen der Schanze gewöhnt gewesen seien und dadurch sich nicht mehr hätten stören lassen.

Während die letzten 200 (?) Franzosen noch über die Weichsel kamen *), verfolgten die Eroberer den fliehenden Feind, der sich wegen des sumpfigen Bodens im Innern des Holms meistentheils durch die Laufgräben (die Dämme) zu retten suchte und, von Bestürzung übermeistert, sich beinahe ohne Widerstand niederstechen Hess. Die übrigen 3 Rednten wurden nacheinander ebenfalls genommen. Ein kleiner Theil der Russen war so glücklich, vermittelst einer grossen Weichselfähre, die bei der obern Holmspitze an einem Seile ging, zu entkommen. (Es sind die Fähren am Holzraum gemeint.) Trotz des heftigen Gewehr- und Kartätschfeuers aus der Festung (vom Holz- raum) stieg ein badischer Soldat am rechten Weichselufer hin- unter und hieb das Seil der Fähre durch, um die Ueberschiffung preussischer Truppen zu erschweren*).

') Nach Nibnatnias fanden nur 2 Ueberfahrten statt.

*) Anch von anderer Seite werden einieelue Heldenthaten angeführt. Kirgener erwähnt S. 17, dass der Mineur Jacquenot der 8. Kompagnie im feindlichen Gewehrfeuer die Kette au der Fähre durchgefeilt habe. Matthien Dumas rühmt die That eines Chasseurs vom 12. leichten Infanterie-Regiment, welcher, nnter einen feindlichen Haufen verirrt, wahrnahm, dass sich eine Abiheilung seiner Kameraden näherte. Die Russen schrien entgegen, sie sollten nicht schiessen, sie wären Franzosen, er aber rief den Seinen mit Ein- setasung seines Lebens zu, ja zu schiessen, es wären Russen. Die Anekdote wird auch von Danzig ans bis auf den Namen des Chasseurs, Fortnnas, bestätigt (Duisburg 8. 274).

Auch preussischerseits werden Heldenthaten gemeiner Soldaten berichtet. Der Guvemeur Graf KaUcreuth lobt in einem Schreiben an den Major von Wostrowski, der auf dem Holzraum kommandirte, die edle Thai zweier Pommern vom Reserve -Bataillon, über welche der Major berichtet hatte. Das Zeitungs-Bulletin vom 14. erzählt den Vorfall. Ein Russe hatte sich anter einer alten Brücke der Laake versteckt und wurde von den beiden Pommern unter dem feindlichen Gewehrfeuer mit einem Kahn nach dem Unken Weichselufer gerettet. Einige Tage später wird ein anderer Fall offiziell berichtet. Ein Küra.s.«(ier vom Regiment Balliodz, welcher zu der

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Sobald die Insel erobert war, griffen die am linken Ufer in Reserve verbliebenen Sachsen und Polen die Kalkschanze (welche von 150 Mann Diericke unter dem Hauptmann Stach von Glotzheim besetzt war, v. Höpfner) an und bemeisterten sich derselben bald mit nur unbedeutendem Verluste, obwohl die preussische Besatzung durch das Gefecht auf der Insel alert sein musste. Drei Offiziere und 160 (?) Mann wurden gefan- gen und zwei Kanonen (3-Pfünder) erbeutet*).

Im ganzen fielen in die Hände der Sieger 17 (?) Kanonen und Haubitzen, sowie 548 Gefangene, worunter 1 1 Offiziere und 89 Verwundete. Gegen 400 Russen waren auf der Stelle ge- blieben. Die Belagerer hatten insgesammt 9 Todte und 39 Ver- wundete, und zwar zum Theil durch das Feuer der Festung, welches mit Tagesanbruch von der gegenüberliegenden Schanze des Holzraumes und von dem weiter rückwärts gelegenen Bastion Jakob ungemein stark wurde und die Gebäude ober- halb des Holms in Brand steckte.

Von der Nehrung wurde sogleich eine Brücke über die Laake geschlagen, um die Division Gardanne durch den Holm mit dem Belagerungskorps, von welchem sie bisher getrennt war, in Verbindung zu bringen. Ferner wurden in den nächsten Tagen die eroberten Schanzen den Zwecken des Belagerers entsprechend umgebaut.

Das badische Detachement hatte sich sehr ausgezeichnet. Die Unteroffiziere, Schützen und Gemeinen waren beinahe durch- gängig Freiwillige. Die 3 Offiziere Hauptmann Brückner und die Lieutenants Schönfeld und St. Ange wurden vom

ArtUlerie kommandirt war, wurde in demselben Bulletin belobt, weil er nach dem Holm übergesetzt war und 8 von den Franzosen besetzte Häuser in Brand gesteckt hatte, die sich dem Holzraum sehr lästig gemacht hatten. Die Betreffenden wurden durch Parolebefehl vom 9. Mai namentlich gemacht und belobt. Die beiden Pommern hiessen Feierhandt und Maier, der Kürassier Schulz und der Musketier, der ihn übergesetzt hatte, Stein.

') Die Thatsachen werden im allgemeinen von Nibuatnias in derselben Weise vorgetragen, jedoch sehr confus, so dass man den Hergang nicht erkennen kann. Nach seiner Darstellung mUsste man glauben, dass die kleine Kalk- Bchanse auf dem Holm gelegen hätte Als Zeit der 1. Ueberfahrt giebt er ein Uhr des Morgens an.

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Erbgrossherzog mit Rücksicht auf ihre bisherige Bravur aus- gewählt und hatten sich auch hier grosses Lob erworben. Dennoch erhielt infolge von Kabalen im Hauptquartier nur der jüngste jener 3 Offiziere das Kreuz der Ehrenlegion.

Die Franzosen führten sofort von der kleinen Kalkschanze eine Tranchee zur Verbindung mit ihren Laufgräben nach den Bergen, begannen bei Legan den Bau einer Schiffbrücke nach dem Holm, richteten sich auf dem Holm selbst ein und wendeten die vorhand'enen Schanzen nach der Stadt hin. Durch die Ein- wirkung von hier aus auf die Angriffsfront hätte der Besitz des Holms von ungemeiner Wichtigkeit werden können. Glück- licherweise für den Vertheidiger scheint der Belagerer jedoch keine schweren Geschütze, die wegen der Entfernung allein von Wichtigkeit gewesen wären, mehr übrig gehabt zu haben oder doch bei ihrem Transport nach dem Holm auf Schwierigkeiten gestossen zu sein. Denn unterm 10. war, wie aus einem Schreiben des Guverneurs an den Hauptmann Wilke, welcher die Artillerie auf der Olivaer Front kommandirte, hervorgeht, vom Holm aus noch nicht geschossen worden*). Nur die kleine Kalkschanze feuerte und inkommodirte sehr stark. Von hier aus geschah auch am 20. der Schuss, welcher mit einemmale 12 Mann von Diericke hinter der Brustwehr tödtete, oder schwer verwundete *). Nach Dumas soll auch die Schanze Nr. 6, welche am 7. ihr Feuer eröffnete, gegen Danzig gefeuert haben. Wenn ihre Lage zur Angriffsfront auch sehr günstig war, so betrug die Entfer- nung jedoch gegen 3000 Schritt.

Der Guverneur forderte am Morgen des 7. telegraphisch

*) Dass der Feind indessen an zwei Batterien auf dem Holm baate, entdeckte man nach Duisburg S. 279 am 9. Mai von dem Thurme aus.

*) Bulletin an den König. Es wird nicht gesagt hinter welcher Brust- wehr. Die Schanze liegt in der Entfernung von 1000 Schritt ziemlich genau in der Verlängerung der rechten Face von Jerusalem, so dass diese wohl ge- meint ist. Ich mache bei dieser Qelegenheit darauf aufmerksam, dass der Massstab der Pläne von Danzig bei Brese (Archiv 11. Bd.) und HOpfner (Uebersichtsplan des 3. Bandes No. XTII) falsch ist. Beide Pläne haben den- selben Massstab von 1 : 12000, während sie in Wirklichkeit den von 1 : 15000 haben. Die Uebereinstimmung ist merkwürdig, und da sie beide die officiellen i^ellen benutzen , scheint es die gemeinsame Benutzung eines denselben bei- liegenden Plans anzudeuten.

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den Oberst Schuler von Senden auf, 1600 Mann aus Neufahr- wasser und Weichselmünde auf den auf der Rhede liegenden englischen Kriegsschiffen einzuschiffen und den Holm, der mit 1200 Mann besetzt sei, anzugreifen. Der Oberst antwortete indessen, dass ein solches Unternehmen ganz unthunlich sei, da die Schiffe auf beiden Seiten und vom Holm aus beschossen werden würden. Dabei blieb es denn auch *).

Der auf dem Holzraum kommandirende Major von Wostrowski hatte sofort selbständig geeignete Massregeln ergriffen, sich gegen den Holm zu schätzen, indem er hinter der Palisadirung längs der Weichsel eine Erdbrustwehr bis zum Blockhause am polnischen Haken aufwerfen liess und die Linien des Holzraums mit Traversen versah. Er bat den Guverneur nur um zeit- weilige Ueberlassung eines Ingenieurofflciers, der das auch dem Lieutenant Pullet zur Berücksichtigung zuschrieb. Der Haupt- mann Wilke, dessen Artillerie nach der skizzirtcn Geschichte S. 124 einen bedeutenden Zuwachs erhalten hatte, erhielt den Befehl, den Gegner so zu beschäftigen, dass er nicht gegen die Angriflfsfront feuern könnte. Der Guverneur gestattete ihm daher ausnahmsweise mit dem Pulver nicht zu sparen, was sonst nur noch dem Hauptmann von Studnitz in betreff des Stolzenberges gestattet war^).

Die Gewinnung des Holms seheint den Marschall Lefebvre etwas übermüthig gemacht zu haben. Er befahl am 7. die ge- waltsame Wegnahme des gedeckten Wegs und die Ausführung des Kuronnements mit der flüchtigen Sappe. Der Oberst La- coste und Rogniat wurden mit der Ausführung betraut. Chef der zugetheilten Ingenieurbrigade war der Hauptmann Blanc, von Kirgener S. 19 rühmlichst erwähnt. Der Angriff gelang in- .soweit, dass der Angreifer in den gedeckten Weg des Rave- lins Hagel eindrang, einen hier ziemlich vorgeschrittenen Minen- brnnnen zerstörte, wobei 3 Mineure und 9 Handlanger in seine Gewalt fielen, und selbst bis in den Graben drang, um die Palisadirung und die vorliegende Verpfählung niederzulegen.

»j Höpfner S. 367.

*) Auf den fibrigen Fronten durfte nur mit der gewöhnlichen Ladung gefeuert werden. (Die Preussen in Danzig und das belagerte Danzlg.)

Köhler, Gescbiclite der Festangen Danz ig und Welcbselmände. II. 12

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Hiervon hielt ihn jedoch das mörderische Feuer von den Wällen ab, und er musste sich begnligen, nach mehrstündigem Besitz des Glacis ein Euronnement auf dem Saillant des Ravelins zu- stande gebracht zu haben. Wegen Mangel an Mannschaften hatte man dem Euronnement keine grössere Ausdehnung geben können. Von einem Besitz des gedeckten Wegs war, da das Blockhaus im eingehenden Winkel unangetastet blieb, keine Rede.

Der Verlust der Franzosen wird von ihnen selbst auf 100 Mann angegeben. Der Ingenieurkapitain Beaulieu und der Lieu- tenant Bartheiemi wurden schwer verwundet*).

') Wir haben über diese Nacht die Dai-steUung eines an hervorragender SteUe Mitwirkenden, des Hauptmanns Blanc, der sich darüber im Spect. mil. V. 1841 (Uebersetzung im Archiv für Ing. d. Art.-Offiz. 13. Band S. 147) wie folgt anslässt: ^dem Fortgange der doppelten Sappe , welche gegen den aasspringenden Winkel des Ravelins Hagel geführt ward, stellten sich grosse Schwierigkeiten entgegen. Der Feind hatte einen Theil seiner Geschütze in Thätigkeit erhalten und zerstörte durch diese alle Augenblicke die Sappentete; auch wurden jede Nacht oder eine Nacht um die andere AusfäUe gemacht, wodurch unsere Sappeure ausser Gefecht gesetzt oder zur Flucht genöthigt, und die während des Tages mühsam gemachten Arbeiten zerstört wurden. Es war auffallend, dass der Feind jetzt noch, nachdem die Tranchee schon seit 28 Tagen eröffnet war, Geschütze auf dem Walle erhalten hatte. Indessen erklärte sich dies dadurch, dass die linke Face des rechten Flügel- bastions (Jerusalem) der Angriffsfront ihrer Lage nach nicht rikoschettirt werden konnte, weshalb unsere Wirkung gegen seine Artillerie auf Demontir- schüsse und Bombenwürfe beschränkt werden musste. Bomben aber waren im Belagerungsdepot nur wenige vorhanden, und man ging mit denselben um so sparsamer um, als die Angriffsfronten so hoch über den Horizont der hinter- liegenden Stadt liegen, dass man weder ihre Wirkung beurtheilen, noch ihre Flugbahn gehörig einrichten konnte. Demontirschüsse dagegen wurden uusern Artilleristen dadurch erschwert, dass der Feind, um sie zu täuschen und vom fernem Schiessen abzuhalten, seine Schiessscharten sämmtlich mit gefüllten Batteriekörben so aussetzte, als wären sie schon unbrauchbar geworden, in der Nähe aber, geschützt durch die Brustwehr des Walles, seine Geschütze aufstellte, diese von Zeit zu Zeit hinter dem Schanzkorbe in Bereitschaft stellte, diesen plötzUch wegnahm, 2 oder 3 Schuss auf die Sappentete gab und dann die Scharte wieder blendete.

Diesen Schwierigkeiten ungeachtet rückten die Trancheearbeiton vorwärts und man war am 7. bis auf 12 Meter vom ausspriugenden Winkel des Ravelins gekommen, als der Marschall Lefebvre den Befehl gab, die Glacis- krete gewaltsam zu krönen. Erfahrungsmässig gehört dieses Manöver zu

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Am 8. erreichte der Belagerer mit der Sappe den Saillant vor Bastion Jerusalem.

Der Marschall Lefebvre, von Napoleon wiederholentlich zur Beschleunigung des Angriffs gedrängt, hatte sich zur gewalt-

den gefährlichsten des Belagernngskrieges, and, wenn nicht vorher alles Feaer des Feindes gedämpft ist, wovon man hier noch weit entfernt war, verliert man dahei viele Leute. Den Marschall konnte demnach nur folgender wichtiger Beweggrund dazu bestimmen: der Feind war nämlich unterirdisch ans eiueoi llinenschacht , welchen er im gedeckten Wege vor dem gedachten Ravelin abgetäuft hatte, mit einer Gegenmine unter unsere Trancheearbeiten gegangen, unsere Mineure behaupteten sogar, dass er sich schon mit der Ladung seiner Mine beschäftigte. Der Marschall besorgte daher mit Recht, dass eine Ex- plosion dieser Gegenmine bei unsem Soldaten die Furcht erzeugen könnte, alle Theile des Glacis seien unterminirt, und dass dies auf ihre Haltung nach- theilig einwirken könnte.

Die Ausführung der gewaltsamen Krönung kommandirte Oberst Lacoste, Adjutant des Kaisers. Ich stand unter ihm mit dem Hauptmann Beaulieu und dem Lieutenant Barthelemy. Dreihundert auserwählte Leute, jeder mit einem Schanzkorb und einem Spaten versehen, sollten mit einbrechender Nacht aus der doppelten Sappe vorbrechen, welche längs der Kapitallinie des Ravelins Hagel vorgetrieben wurde, und die beiden Seitenäste des gedeckten Wegs schnell mit ihren Schanzkörben einfassen. Man hatte ihnen nur Spaten ge- geben, weil der schon ursprünglich sandige Boden, aus weichem das Glacis bestand, erst vor kurzem aufgeschüttet war, indem der Feind dieses Glacis erst während der ersten Tage der Einschliessung gebildet hatte. Zwei De- tachements, ein jedes 10 Mann stark, sollten sich auf die eingehenden Waffen- plätze werfen, um den Feind aus denselben zu vertreiben, und der Sergeant vom Genie Choppot mit 2 Sappeuren, denen Aexte und Sägen mitgegeben wurden, sollte in den gedeckten Weg dringen, sich gegen die Minenschächte wenden und in dieselben hinabsteigen, um die Mine zu entdecken und ihre Gallerie zu zerstören.

Am 7. Mai bei Einbruch der Nacht brachen die Arbeiter aus der doppelten Sappe vor; sie hatten jedoch noch nicht obige 12 Meter von der Sappen- tete bis zum gedeckten Wege zurückgelegt, als 30 oder 40 von ihnen durch Kartätschschüsse ausser Gefecht gesetzt wurden, welche der Feind von der Spitze des Ravelins und von den beiden Bastionsfacen der Angriffsfront gegen sie abgab. Der Genie-Hauptmann Beaulieu war unter dieser Zahl und erhielt einen Schuss in das Bein. Aus der Festung wurden Feuertöpfe geworfen, welche hinter uns auf das Glacis fielen und uns dem Feinde so deutlich wie am hellen Tage zeigten. Wir blieben die ganze Nacht hindurch diesem Kartätsch- und ausserdem noch einem lebhaften Kleingewehrfeuer ausgesetzt, und nur wenige von uns wurden davon verschont. Wir schützten uns, so gut wir konnten, selbst durch die Körper unserer gefallenen Kameraden. Das

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Samen Wegnahme des Hagelsberges entschlossen. Alle Vor- bereitungen wurden dazu getroffen, das Feuer der Artillerie wurde verdoppelt. Am 9. wurden bereits die Debuchees in den gedeckten Weg hergestellt, und in der Nacht zum 10. wurde der gewaltsame Angriff auf den gedeckten Weg des Bastions Jerusalem und Ravelins Hagel wiederholt, wobei mit grosser Bravur und Beharrlichkeit gegen den eingehenden Waffenplatz zwischen beiden vorgestürmt wurde. Nach zweistündigem ver- geblichen Bemühen musste man die Versuche, das Blockhaus zu nehmen, aufgeben und sich mit bedeutendem Verlust zurück- ziehen. Die Fortsetzung des Kuronnements musste in regelmässiger Weise durch die Sappe *) erfolgen. Von Seiten der Besatzung zeichneten sich in der Nacht zum 10. der Major von Hörn und Lieutenant von Lindheim, welcher letztere leicht verwundet wurde, sowie der Lieutenant von Hauck aus. Auch zwei Musketiere, Friedrich und Zwaszkowitz, wurden öffentlich belobt. Der Verlust

Blutbad war so ^oss, dass der Oberst Lacoste mir znricf : „Denken wir daran, um dergleichen nicht mehr zn unternehmen'^.

Mit Tagesanbruch hatte man sich auf der geringen Ausdehnung gedeckt, welche die übrig bleibenden Arbeiter mit Schanzkörben besetzen konnten. Dessenungeachtet wurde der Lieutenant Barthelemy, welcher gross von Wuchs war und sich einen Augenblick biosgegeben hatte, durch ein Wallgewehr schwer verwundet. Der Sergeant Choppot kam um 10 oder 11 Uhr mit 3 ge- fangenen feindlichen Mineuren an*'.

Die Motivirung des Befehls der gewaltsamen Krönung des bedeckten Wegs, die Blanc in den Fortschritten des feindlichen Mineurs sucht, dürfte wohl nur subjectiv sein, da, wie wir sehen werden, der Angriff in einer der folgenden Nächte wiederholt wurde, nachdem der Minen brnnnen des Ver- theidigers zerstört war. Ein Vordringen bis zu den Palisaden des Grabens Yom Ravelin Hagel erwähnt Blanc nicht. Meine Quelle ist Brese Archiv 11. Bd. S. 63.

^) Eirgener stellt diesen zweiten Angriff S. 21 nur als eine Re- kognoscirung durch 2 Sappeurdetachements gedeckt durch eine Infanterie- abtheilung dar. Höpfner folgt ihm darin. Der bedeutende Verlust auf beiden Seiten spricht dagegen; auch Brese stellt den Angriff als eine Wiederholung des ersten mit einigen Bataillonen dar, und der Guvemeur gratnlirt am 10. dem General von Hamberger und der Besatzung des Hagelsberges in einem besonderen Schreiben ,zu dem neuen Ruhm, den dieselben durch den in voriger Nacht abermals abgeschlagenen Angriff der Palisaden erworben haben '^. Siehe auch Skizzirte Geschichte S. 129.

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betrug 1 Bombardier, 13 Todte und 19 Verwundete. Den Ver- lust des Feindes schätzte der Guvenieur auf 200 bis 300 Mann. 6 Todtc lagen diesseits der Palisaden.

An eine Benutzung der erreichten Vortheile durch einen Ausfall war nicht mehr zu denken, da die Besatzung dazu nicht mehr fähig war.

Dem Angreifer blieb nichts übrig, als zur Mine zu schreiten, um sich des Blockhauses zu bemächtigen, da es durch Geschütze nicht zu fassen war. Zu dem Zweck musste man zunächst durch die Sappe in möglichster Nähe des Blockhauses einLoge- ment bilden. Auch machte man den Versuch, eine Haubitze im Kuronnement vor Bastion Jerusalem zu etabliren, um von hier aus das Blockhaus zu fassen.

Der Marschall sah sich demnach genöthigt, vom Sturm vorläufig abzustehen. Auch das Feuer der Artillerie wurde be- deutend gemässigt. Man ging auf allen 3 Saillants gleich- massig mit der Sappe vor. Die Verlängerung des Kuronne- ments vor der rechten Face des Ravelins wurde jedoch durch Kanonenfeuer verhindert und selbst der fertige Theil zerstört.

Auch am 11. warf der Vertheidiger so viel Bomben, dass mindestens 6 Toisen der Sappentete zerstört wurden. Etwas besser schritt die Sappe vor dem Bastion Jerusalem vor, weil wegen des eigenthümlichen Terrains die Bombenwürfe nicht beobachtet werden konnten^).

Am 12. gelang es trotz aller Schwierigkeiten die beiden Sappen des Kuronnements zu vereinigen^). Ein weiteres Vor-

') Am wirksamsten hiergegen zeigte sich noch ein Mörser im Saillant I unterhalb des Bastions Jerusalem nach dem Olivaer Thore hin. Skizzirte Geschichte S. 130, 131. Die Mörser in Bastion Schütz wurden schlecht be- dient.

^) Der Oberst Blanc erzählt S. 151 des Archivs, wie gefährdet die Her- stellung des Kuronnements fortwährend durch den Umstand war, dass der ge- deckte Weg durch kein Geschoss des Belagerers getroffen werden konnte: gDer Feind schlich sich mit Körben heran, die mit Handgranaten gefüllt waren, die er gegen die Sappen tete schleuderte. Zuweilen suchte er auch mittelst des Sappenbakens den Bollkorb und selbst die Sappeure hinüberzu- ziehen. Eines Tages, als der Capitain OoUet den Dienst hatte, gab es einen hartnäckigen Kampf zwischen den Belagerern und unsem Sappeuren, indem der Feind einen davon gefasst hatte und es viel Mühe kostete, das Hinüber-

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gehen in den gedeckten Weg wurde aber am 13. durch Klein- gewehrfeuer, Bomben und Steinwürfe verhindert. Man war daher zur Ueberdeckung eines grossen Theils der Laufgräben genöthigt*). Der Ingenieur Kapitain Paporet, Adjutant des Generals Bertrand, wurde getödtet.

In der folgenden Nacht gelang es endlich dem Belagerer, auf dem Saillant des eingehenden Waffeuplatzes zu debuchiren und bis 3' an die Palisaden vorzudringen.

Auf Seiten des Vertheidigers liörte man am 13. im Block- hause den feindlichen Mineur arbeiten. Unverzüglich wurden im Innern des Blockhauses zwei Minenschachte von 9' Tiefe angelegt. Tafel HI Figur 2.

Am 13. wurde ferner die Artillerie der Schanze Nr. 1 (Judenschanze) wieder lebendig. Der Hauptmann von Studnitz erhielt den Befehl, dagegen zu feuern.

Auf Seiten des Belagerers kam das Logement für eine Haubitze im ausspringeuden Winkel vor Bastion Jerusalem zu- stande. Sie wäre ausreichend gewesen, das Blockhaus zu zer- stören. Es gingen daher am. 14. um 2 Uhr morgens 30 Mann der Blockhauswache unter dem Lieutenant von Tiedewitz längs des gedeckten Weges gegen den Haubitzstaud vor. jagten die Besatzung heraus und vernagelten die Haubitze. Der Unter- offizier Hennig vom Bataillon Rembow wollte die Haubitze durchaus aus der Sappe ziehen, blieb aber hierbei. Das De- tachement hatte überhaupt 6 Todte und 4 Verwundete. Vom Feinde zählte man 30 Todte auf dem Platz.

ziehn desselben nach der Festung zu verhindern". Die „Skizzirte Geschichte* erwähnt den Vorfall ebenfalls (S. 132). Er fand am 12. nachmittags statt Der Rollkorb wurde wirklich in den gedeckten Weg gezogen. Der Lieute- nant von Tiedewitz befehligte die Mannschaft, welche vom Regiment Diericke war. Auch dass sich der Gegner« um sich der Handgranaten zu erwehren, grosser Granaten bediente, die ihm mehr schadeten als den Vertheidigern im bedeckten Wege, wird von der akizzirteu Geschichte erzählt. Schon aus der obigen Stelle Blanc's geht hervor, dass kein Trancheckavalier vorhanden war. Dumas sagt dies S. 171 ausdrilcklich und zwar, weil das Terrain die An- legung desselben nicht erlaubt habe. Merkwürdigerweise wird er in den Be- richten des Vertheidigers erwähnt, jedoch nur vermuthungsweise (Skizzirte Geschichte S. 120). ^) Brese S. 64.

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Die Judenschanze wurde am 14. wieder zum Schweigen gebracht.

Im Blockhause war aus dem Minenschacht rechts, um dem feindlichen Mineur von der Seite beizukommen, ein Rameau rechts der Kapitale des Blockhauses vorgetrieben worden.

Der Belagerer legte zum bessern Schutz des Haubitz- etablissemeuts ein Crochet am Kuronnement an.

Wir müssen hier die Belagerungsarbeiten auf einen Tag verlassen, um unsere Aufmerksamkeit dem Entsatzversuch zu- zuwenden, der am 15. in Wirksamkeit trat.

Zuvor sei bemerkt, dass die Stadt Danzig während des ganzen Verlaufs der Belagerung sich höchst loyal benahm. Schon am 26. April hatte König Friedrich Wilhelm in dies aus Bartenstein in einem besonderen Kabinetsschreiben aner- kannt, das am 11. Mai in Danzig publicirt wurde (Duisburg Seite 283). Der Inhalt lautete:

„Seine Kgl. Maj. pp. haben aus mehreren Berichten des Gnvernements zu Danzig mit lebhaftem Wohlgefallen ersehen, wie sehr die gute und treue Bürgerschaft daselbst sich beeifert, ihren Patriotismus auf eine thätigo Weise bei jeder Gelegen- heit zu Tage zu legen. Es gereicht dies Allerhöchst Ihnen zur angenehmsten Genugthuung, um so mehr, als sich die gute Burgerschaft, ob sie gleich erst später mit Allerhöchst Ihren Staaten vereinigt worden ist, vor den Einwohnern so vieler altem Städte des Staats so sehr zu ihrem Vortheile ausge- zeichnet. Bei diesen guten Gesinnungen und bei den guten Anordnungen, welche das Guvernement zur Vertheidigung ge- troffen hat, sind Seine Majestät für das Schicksal der dortigen Vestung unbesorgt, und indem sie die gute Bürgerschaft zur Standhaftigkeit in den jetzigen bedrängten Zeiten ermuntern, versichern Sie derselben, dass Sie ihr die jetzt bewiesene Treue und Anhänglichkeit gewiss nicht vergessen werden."

Fr. W.

Namentlich erwies sich die Kaufmannschaft höchst auf- opfernd. Einer Aufforderung des Gnvernements vom 9. Mai zu einer Anleihe von 150000 Thaleni war bereitwillig entgegen- gekommen worden. Am 16. sah sich der Guvemeur von neuem

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in die Nothwendigkeit versetzt, eine Anleihe von 200000 Thalern aufzunehmen.

Mitte April hatte der Fürst Tscherbatow in Danzig ein Schreiben des Höchstkomraandirenden, des General v. Bennigsen, vom 10. erhalten, worin er den nahe bevorstehenden Entsatz von Danzig in Aussicht stellte. Die Freude in Danzig war gross. Um dieselbe Zeit wurde auf der frischen Nehrung ein Detachement unter dem Obersten von Bülow, dem späteren Grafen von Dennewitz. aufgestellt, zunächst nur aus 1 Bataillon, 2 Eskadrons und 2 reitenden 3 pfundigen Kanonen bestehend, welches die Fühlung mit den Franzosen halten und die Weg- nahme der auf der Nehrung Pillau gegenüberliegenden Schanze durch dieselben verhindern sollte. BiUow setzte sich sofort schriftlich mit dem Guverneur von Danzig in Verbindung, der ihm unterm 20. April nähere Auskunft über die Situation der Franzosen auf der Nehrung mittheilte.

Durch den Besitz der Schanze gegenüber Pillau, welche mit 250 Mann und zwei 12-Pftindern besetzt war, die unter das Kommando Bülows gestellt wurden, behielt man den freien Zutritt zur Nehrung. Das frische Haff beherrschte man durch eine kleine Flotille, die am 13. April einen Bording am Aus- gange des Elbinger Hafens versenkt hatte und am 24. einen zweiten hinzufügte, so dass den Franzosen der Zutritt zum Haff gesperrt wurde und einem auf der Nehrung vorgehenden Entsatzheer Lebensmittel zugeführt werden konnten.

Französischerseits standen die Vorposten des Schramm- schen Korps auf der frischen Nehrung bei Kahlberg, das Korps selbst, nach Schätzung des Guverneurs 3600 Mann stark, bei Heubude. Elbing und der grosse Werder war von der Oudinot- schen Grenadierdivision mit dem Hauptquartier in Marienburg besetzt. An Oudinot reihte sich das Lannes'sche Korps. Ein auf der Nehrung vorgehendes Entsatzkorps von Danzig würde sich daher in seiner linken Flanke bedroht gefunden haben.

Ein erfolgreicher Entsatz von Danzig war unter diesen Umständen nur durch eine Offensive der russischen Hauptarmee möglich. Napoleon musste auf das linke Ufer der Weichsel

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zurückgewiesen werden; das war auch die Ansicht Bennigsens. Dazu war aber das Eintreffen von Verstärkungen abzuwarten und ein geordnetes Verpflegungssyistem einzuführen.

Als sich anfangs Mai für Danzig der Zeitpunkt näherte, wo es sich aus eigner Hilfe nicht länger erhalten konnte, waren bei der grossen Armee an Verstärkungen nur die 1. Division unter dem Grossfürsten Konstantin eingetroffen, die andern in Aussicht stehenden Verstärkungen kamen nicht mehr in be- tracht, weil sie zu spät angekommen wären. Eine Offensive mit der ganzen Armee war unter diesen Umständen ohne Aus- sicht auf Erfolg. Der Kaiser Alexander, welcher sich selbst bei der Armee befand, drängte dazu, einen Entschluss zu fassen. Bennigsen willigte schliesslich in einen Entsatz zur See, obgleich er sich auch davon nichts versprach. Aber ge- schehn musste etwas.

Das Kommando des Entsatzkorps, das sich ende April in Königsberg sammelte, wurde dem General Kaminskoi, dem Sohne des Feldmarschalls, übertragen. Er sollte sich anfangs Mai in Pillau zur Einschiffung nach Neufahrwasser bereit halten. Die dazu bestimmten Truppen hatten die Stärke von 5300 Russen, worunter 320 Kosacken und 1300 Preussen, in Summa von 6600 Mann. Der Oberst von Bülow, auf 2500 Mann Infanterie, 280 Pferde und 4 Geschütze gebracht, sollte auf der Nehrung vorgehen.

Ein so geringes Korps war allenfalls imstande, solange die Verbindung Danzigs mit der See noch offen war, der Festung Lebensmittel, Pulver und Verstärkungen zuzuführen. An einen Entsatz derselben war indessen nicht zu denken, und selbst das erstere war nur möglich, wenn die mssische Haupt- armee dafür sorgte, dass dem Belagerungskorps keine Ver- stärkungen zugingen. Wie wollte man das aber verhüten, ohne die ganze Armee zu engagiren? Bennigsen war nicht gewillt, sie auf diese Weise aufs Spiel zu setzen, alles, was er that, war nur Schein, um die Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen ihn erhoben hatten. Als die russische Armee sich bei Heilsberg und Btirgerswalde zusammenzog, fertigte Napoleon, der durch den Marschall Lefebvre von der Ansammlung von Truppen bei Pillau unterrichtet worden war, bereits die

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Befehle aus. wonach die Grenadierdivision Oudinot vorläufig den General Albert mit einem Bataillon nach Fürstenwerder, dem Haupt gegenüber, abschicken sollte, uro daselbst eine Schiffbrücke zu schlagen und einen Brückenkopf anzulegen. Die Dragoner-Brigade Beauraont sollte die Elbinger Weichsel beobachten. Am 12. befahl Napoleon, dass Oudinot nach Danzig aufbreche und der Marschall Victor eben dahin die Division Dupas abrücken lasse, welche zwischen Danzig und Kolberg stand. Die Bewegungen Bennigsens haben Napoleon nicht veranlasst, seine Befehle zurückzunehmen. Auch Hess Bennigsen bereits am 14., wo die letzten Truppen des Expe- ditionskorps erst in Neufahrwasser anlangten, die Armee schon wieder in die alten Quartiere zurückkehren. Das Unter- nehmen war daher bereits an diesem Tage als verfehlt anzu- sehn, bevor das Korps noch mit dem Feinde in Berührung gekommen war.

Die Expedition zur See, zu der man sich entschlossen hatte, war, wenn sie auch nicht die Gefahr einer Katastrophe bot, wie ein Vorgehen auf der Nehrung, jedoch alle den Chicanen ausgesetzt, die zur Zeit der ausschliesslichen Segelschiffe mit dem Transport von Truppen verbunden waren. Die Ein- schiffung war bereits am 8. erfolgt, aber der Wind blieb aus. um die Transportflotte in Bewegung zu setzen. Man ging end- lich am 10. abends und am 11. trotz ungünstigen Windes in See. Die guten Segler waren schon am 11., andere am 12., noch andere am 13. in Neufahrwasser, ein schwedisches Linien- schiff, welches 1300 Mann aufgenommen hatte, langte sogar erst am 14. an. Der Guverneur erhielt am 10. durch Ver- mittlung englischer Kriegsschiffe, von denen sich einige auf der Rhode befanden, das Telegramm von Neufahrwasser, dass die russische Avantgarde unterwegs wäre ^). Er tröstete damit die

^) Eiu BatAÜlou des Archangelgorodschen Musketierregimeuts unter dem Hauptmann Rhebek war schon am 7. von Pillau abgegangen. Die Trans- portflotte für das Gros bestand aus 2 englischen Fregatten von 16 und 24 Kanonen, 1 engl. Brigg von 16 Kanonen, 2 engl. Kuttern von 10 und 8 Ka- nonen. Gleichzeitig laugten auf der Rhede von Danzig 3 englische Kriegs- schiffe flacher Bauart au von je 20 Kanonen und ein schwed. Kutter von 12 Kanonen, so dass mit dem erwähnten schwedischen Linienschiff von 74

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Besatzung und die Einwohner von Danzig hinsichtlich des am 7. erfolgten Verlustes der Holminsel. Der Kommandant von Neufahrwasser, Oberst Schuler von Senden, fasste die Sache schärfer auf, indem er am 9. an den König berichtete, dass nach dem Verlust des Holms die Stärke der Kaminskoischen Truppen unzureichend sei. Zu thun war indessen nichts mehr.

Vielleicht hätte man gut gethan, das Bülowsche Detache- ment noch zur See nachzuschicken. Wenn er noch am 15. in Neufahrwasser eingetroffen wäre, hätte er das Gefecht zu gunsten Kaminskoi's entscheiden können. Aber über sein Ein- greifen von der Nehrung her war man nicht zur Klarheit ge- kommen, so sehr es sich auch aufdrängen musste, dass der Feind die Elbinger Weichsel überschreiten könnte und dann ein Vorgehen Bülows über Stutthof hinaus nicht möglich war.

Schon am 13. langte der Marschall Lannes mit der Division Oudinot bei Danzig an, da Oudinot sich auf Ersuchen Lefebvres schon vor dem Eintreffen des kaiserlichen Befehls in Bewegung gesetzt hatte.

Der General Kaminskoi war auf der englischen Fregatte Falcon am 12. in Neufahrwasser eingetroffen. Es wurde tele- graphisch eine Disposition zum Angriff des Feindes auf den 14. mit dem Guverneur vereinbart. Der Angriff sollte auf dem linken Ufer der Weichsel statthaben, musste aber um 24 Stunden hinaus- geschoben werden, weil noch 1600 Mann (1300 auf dem Linien- schiff und 300 Preussen auf Transportschiffen) fehlten. Sie landeten am Morgen des 14. Da inzwischen die ganze Oudinot- sche Division bei Danzig angekommen war, erschien dem Guverneur ein Angriff auf dem linken Weichselufer nicht mehr angängig. Er schlug telegraphisch einen Angriff auf die Nehr- ung und den Holm vor, den er mit 1000 Mann unterstützen wollte. Kaminskoi ging, wenn auch mit Widerstreben, darauf ein.

In der Nacht zum 15. wurden die Truppen von Neufahr- wasser nach Weichselmünde übergesetzt. Da man verabsäumt hatte, eine Brücke zu schlagen, zu der das Material vorhanden

Kanonen sich 10 Kriegsschiffe auf der Rhede hefaudeu, Per engl. Kapitain Saunde^ hatte das Kommando.

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war, so gab es viel Aufenthalt, und der Angriff konnte nicht um 3 Uhr, sondern erst um 4 Uhr morgens bei hellem Tage stattfinden.

Der Marschall hatte am 12. den General von Schramm durch das Regiment von Paris, 2 Bataillone der Nordlegion und einer Eskadron des 19. Chasseur- Regiments verstärkt und die Division Oudiuot am folgenden Tage über die Berge nach Schellmühl dirigirt. Der General Schramm hatte die Lisiere des Münder Waldes, die 400 bis 500 Schritt von Weichselmünde ablag*), besetzt, verschanzt und verhauen und stand durch die Schanzen 10, 11 mit dem Holm in Verbindung. Zur Beobachtung der Fähre am Ganskruge stand der General Gardanne bei Heubude.

Durch ein wunderbares Verhängniss sahen sich die Re- präsentanten zweier so fern auseinander liegenden Nationen nach 73 Jahren wiederum ziemlich genau in derselben Situation aber mit gewechselten Rollen einander gegenüber gestellt. Wie im Jahre 1734 die Franzosen, waren jetzt die Russen der nach Weichselmttnde verschlagene Theil, ebenso von vornherein un- fähig, ihre Aufgabe zu erfüllen, und dennoch bereit, in der hoffnungslosesten Lage der militairischen Ehre jedes Opfer zu bringen. Auf demselben Terrain wie damals sollte am 15. die Entscheidung erfolgen. Die Russen waren insofern besser daran, als sie eine befreundete Flotte zu ihrer Aufnahme hatten, wenn der Kampf unglücklich ausschlug, während die Franzosen damals auch auf der Seeseite eingeschlossen waren und eine Kapitulation eingehen mussten.

Das eigentliche Angriffsobjekt musste für den Graf Ka- rainskoi der Holm sein, weil nur durch dessen Besitz die Ver- bindung mit Dauzig hergestellt werden konnte. Um jedoch dahin zu gelangen, mussten die Franzosen zunächst aus dem Münder Walde geworfen werden. Der General theilte daher sein Korps in 3 Angriffskolonnen und eine Reserve. Die erste

*) Da der Wald zur Festhaltung des Dünensandes sehr uothwendig war, hatte man seine Abholzung bis auf die Entfernung you 800 Schritt von der Festung noch immer hinausgeschoben.

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Kolonne unter dem General Arseniew *) sollte am Strande vor- dringen, den Wald in der rechten Flanke angreifen, den B^eind aufrollen und auf Heubude vordringen. Eine zweite Kolonne unter dem General Laptiew-) sollte den Wald in der Front angreifen, die an der Waldspitze liegende Redute im Rücken nehmen und Verbindung mit der 1. Kolonne halten.

Eine dritte Kolonne unter dem General Leontiew *) erhielt den Hauptangriff auf dem Holm und sollte links Verbindung mit der 2. Kolonne halten. Um die Bootmanslake überschreiten zu können, folgten ihr auf der Weichsel einige mit langen Brettern beladene Prahmen. Hauptsächlich zu ihrer Unter- stützung war die Reserve unter dem preussischen General von Rembow*) bestimmt, sollte zunächst aber bei Weichsel- münde zurückbleiben.

Als Generalstabsofficier war dem General Kaminskoi der preussische Major von Rauch beigegeben. Ausserdem hatte jede Kolonne und die Reserve einen der Gegend kundigen preussischen Officier als Führer zugetheilt erhalten. Die Gar- nison von Weichselmünde und Neufahrwasser sollte mit einigen 100 Mann einen Ausfall auf dem neuen Wege längs des linken Weichselufers machen und sich der Kupüre bemächtigen^).

Der Holm sollte gleichzeitig von Danzig aus angegriffen werden. Zur Begünstigung des Angriffs sollten die 3 flach-

') Die 1. Kolonne bestand ans dem Novaginskischen Musketier-Regiment, 2 BataiUonen des Tobolskiachen Mnsketier-Kegiments , ans 1 Eskadron pr. Königin Dragoner, 200 Kosacken nnd 4 Kanonen.

') Die 2. Kolonne hatte an ihrer Tete den Lieutenant Schenk mit 60 Schützen der Garnison Weichselmünde und bestand aus 1 Bataillon russischer Schützen kommandirt vom Major Graf Balmen, aus dem 21. Jäger-Regiment und einem Bataillon vom Polotzkischen Musketier-Regunent.

Das preussische Füselierbataillon Schachtmeier sollte die Flanken beider Kolonnen decken und die Verbindung zwischen ihnen halten.

") Die 3. Kolonne bestand aus dem Mobile wschen Musketier-Regiment, aus 2 Bataillonen des Polotzkischen Musketier-Regiments, 120 Kosacken und 4 Kanonen.

*) Die Reserve bestand aus dem Archangelgorodschen Musketier-Regi- ment, 1 Bataillon von Besser und 6 Kanonen.

V. Plotho Tagebuch. . Berlin 1811 S. 263. Die Beilage N. 14 giebt einen Auszug des officiellen russischen Berichts über das Gefecht bei Weichselmünde.

^ Vergl. oben S. 161.

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gehenden englischen Kriegsschiffe mitwirken und namentlich den Uehergang des Feindes über die Weichsel hindern.

Französischerseits standen auf dem rechten Flügel am Strande das 2. leichte Infanterie -Regiment, im Centrum drei sächsische Bataillone, auf dem linken Flügel zwischen dem Walde und der Laake polnische Infanterie *) , bei Heubude das Regi- ment von Paris. Die polnische Reiterei und 4 Kompagnien der Nordlegion hielten die Verbindung zwischen Heubude und dem General Schramm*). Der Marschall Lefebvre hielt hinter den Laufgräben eine Reserve bereit, um sich nach Lage der Dinge aufs Angriffsfeld zu begeben.

Die 1. und 2. Kolonne rückten gleichzeitig gegen die Lisiere des Waldes vor und wurden mit einem lebhaft unter- haltenen Feuer empfangen, was bei dem schwierigen durch Löcher und sumpfige Stellen kupirten Terrain bedeutende Ver- luste herbeiführte.

Nachdem die durch künstliche Mittel verstärkte Lisiere nach hartnäckigem Gefecht genommen war, drang die 1. Ko- lonne bis zum Wege nach Heubude vor ^) und die 2., gefolgt von der 3., welche sich wegen des heftigen feindlichen Feuers vom linken Weichselufer etwas von der Weichsel entfernt hatte, der Disposition gemäss, gegen die Kehle der Redute 11 (b bei Höpf- ner). Da die 3. Kolonne lebhaft in das Gefecht der 2. ver- wickelt worden war, wurden 2 Kompagnien Besser aus der Reserve gegen die Batterie am Schutendamme No. 10 vorgesendet.

0 Höpfuer 483.

*) Nach Nibuatnias S. 123 hätten 4 Kompagnien des 12. leichten Xu- fanterie-Reglnients hinter dem Centnim eine Reserve gebildet nnd eine Kom- pagnie desselben Regiments hätte mit einer Eskadron des 19. Jäger-Regimen t<< zn Pferde am Strande gestanden. Offenbar liegt hier eine Verwechselung mit dem 2. leichten Infanterie-Regiment vor. Das 12. stand nach dem Tage- buch von Grolman auf dem linken Ufer der Weichsel bei Schellmühl. Auf der andern Seite scheint es ein Irrthum von Höpfuer, das ganze 2. leichte Infanterie-Regiment am Strande aufzustellen. Bei der Division Schramm (Gardanne) stand nur ein Bataillon dieses Regiments.

') Es kann damit nur der sogenannte Wiukelweg gemeint sein, der von Henbude an den Strand führt. Nach dem Bulletin des Guverneurs vom 19. (S. 228) ging das Kleingewehrfeuer in dem Walde bei Heubude bis an den Rand der Weichselseite vor.

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Inzwischen war vom linken Ufer der Weichsel das 12. leichte französische Infanterie-Regiment und 200 Sachsen tiber- geschifft *) worden und warfen die 2. Kolonne ^) (zuvor wohl auch die beiden Kompagnien Besser) mit bedeutendem Verlust zurück. Durch das Grenadier-Bataillon des Archangelgorodschen Regi- ments aus der Reserve aufgenommen und von den beiden anderen Kompagnien des Bataillons Besser unterstützt, wurde der Feind seinerseits geworfen und lebhaft verfolgt. Die Ver- schanzung am Ausgange des Waldes fiel hierbei den Russen in die Hände und wurde bis auf 1 Offizier 9 Mann nieder- gemacht und 8 Kanonen erobert. Das Gefecht kam indessen zum stehen*). Vergebens wartete man auf ein Lebenszeichen der Danziger Garnison, während fortdauernde Verstärkungen des Feindes (Division Oudinot) anlangten, an deren Spitze sich der Marschall Lannes in Person gesetzt hatte. Dem General Oudinot wurde ein Pferd unterm Leibe erschossen *).

Da die Munition ausging*) und die Engländer wegen widrigen Windes nicht erschienen, trat der General Kaminskoi den Rückzug nach 6 stündigem Gefecht nach Weichselmünde an, der in der grössten Ordnung ausgeführt wurde. Das preus- sische Bataillon Schachtmeier wurde vorausgeschickt, um die Garnison von Neufahrwasser, für das man fürchtete, zu ver- stärken. Die übrigen Truppen zogen sich allmählich unter die

*) Höpfner lässt das Regiment über die Brücke gehen, die jedoch erst am 16. fertig wurde. Tagebuch des Hauptmanns von Grolman und Nibnatnias.

') Von der 3. Kolonne ist in dem officiellen Bericht nicht weiter die Rede.

*) Nach Nibnatnias trafen um diese Zeit 2 Kompagnien der Pariser Garde von Heubude ein.

*) Die französischen Berichte schreiben dem Eingreifen dieser Truppen den Rückzug Kaminskoi's zu. Nach Grolman S. 99 führten diese Generale nur ein Bataillon heran.

^) Nach Höpfner S. 485 hatten sich die Russen gänzlich verschossen. Er führt diesen wichtigen Umstand erst später ganz beiläufig an und schreibt die Veranlassung zum Rückzuge der Niederlage des linken Flügels zu. Plotho erwähnt nichts davon. Da das Bataillon Schachtmeier zuerst zurückgeschickt wurde und diesem Flügel angehörte, erscheint eine Niederlage des linken Flügels wenig begründet. Nach dem Bulletin des Guvemeurs vom 19. wäre das Feuer sowohl von Kanonen als Kleingewehr schon um 6 Uhr morgens schwächer geworden und Iiätte um ^all Uhr ganz aufgehört.

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Kanonen von Weichselmfinde und in der Nacht nach Nenfahr- wasser zurQck. Das Bataillon Besser blieb zur Verstärkung der Garnison von Weichselmtinde zurück. Der Verlust der Russen betrug 14 Offiziere 422 Mann todt, 41 Offiziere 895 Mann verwundet, der der Preussen 2 Offiziere 42 Mann todt, 4 Offiziere 116 Mann verwundet, zusammen

61 Offiziere 1469 Mann, der vierte Theil des ganzen Korps. Die Franzosen gaben 225 Mann Verlust an und schätzten den der Aliirten auf 2000. Das Gefecht konnte nur gelingen, wenn die anfänglich gegenüberstehenden Truppen zurückgeworfen wurden , bevor neue Kräfte anlangten. Man hielt sich aber zu lange mit Schiessen auf. Freilich ohne Unterstützung von Danzig her wäre man auch so zu keinem Resultat gelangt. Der Gnverneur hatte am Ganskrug die gesammte Reiterei, 2 Bataillone Russen, das Grenadier-Bataillon Schraeling und die reitende Batterie Holtzendorf versammelt und hatte die Absicht, die Weichsel zu passiren, sobald die feindlichen Vorposten dem Ganskrug gegenüber zurückgezogen, d. h. also durch Kaminskoi vertrieben sein würden. Da der üebergang auf einer Fähre stattfinden musste, wäre er dann wohl zu spät gekommen. Der Gnverneur musste den Angriff auf Heubude, durch dessen Wegnahme er sich erst die Verbindung mit Kaminskoi eröffnete, gleichzeitig mit dem Angriff des letzteren auf den Wald ausführen. Frei- lich ohne Brückenkopf war eine solche Operation schwierig und hier liegt der eigentliche Haken. Warum war aber ein Brückenkopf, dessen Nothwendigkeit sich schon am 20. März aufgedrängt haben musste, nicht vorhanden? Merkwürdig ist der Bericht des Guverneurs, er habe nur eine Attacke des Generals Kaminskoi im Walde bemerkt, welche verunglückte und verunglücken musste, und ohne die mögliche Hoffnung eines Entsatzes hätte er wegen Schwäche der Besatzung keinen Ausfall unternehmen können ').

») Höpfner S. 487. In der „Belagerung von Danzig i. J. 1807» ist das Schreiben des Guverneurs an den König vom 25. Mai ohne den mit gesperrten Lettern gedruckten Satz mitgetheilt. Nach der skizzirten Geschichte hatte der Gnverneur denselben Grund, wegen Schwäche der Besatzung die Wieder-

_iöä

Der Oberst von Bülow hatte nichts beitragen können, dem Gefechte Kaininskois eine bessere Wendung zu geben. Er war am 9. auf Polski vorgegangen, musste hier aber bis zum 12. warten, bis das Detaehement versammelt war. An diesem Tage traf erst das Füselierbataillon Bülow ein. Bis zum 14. verpflegt, rückte er am 13. mit dem Gros bis Kahlberg vor, das der Feind geräumt hatte, die Kavallerieposten bis Meile diesseits Bodenwinkel vorgeschoben. So blieb er am 14. stehen, um Lebensmittel zu empfangen, die den Nachmittag aus Pillau eintrafen und Furage auf einen Tag, Brot auf drei Tage brachten. Vom Feinde hörte man, dass er bei Schönbaum an einer Brücke baue und daselbst von bedeutender Stärke stehe. Seine Vortruppen standen bei Steegen. Bis dahin raai-schirte Bülow am 15. und konnte während des Marsches deutlich den Angriff des Generals Kaminskoi verfolgen, aber auch, dass das Gefecht um Mittag zurückging. Er schickte daher mittags das Grenadier-Bataillon Braun mit der Artillerie nach Boden- winkel zurück und echellonirte die Infanterie zwischen Steegen und Stutthof. Die Vorposten der Kavallerie unter dem Ritt- meister von Möllendorf standen vor Pasewark, mit Patruillen über Nikclswalde auf Danzig sowie auf Schönbaum. Von ihnen ging die Meldung ein, dass die Brücke gegen Abend fertig war. Noch war es möglich, dass der General Kaminskoi den andern Tag den Angi'iff eraeuerte. Ohne einen Erfolg dort war ein weiteres Vorgehen ßülows nicht möglich. Da dieser unterblieb, war nichts mehr zu thun.

Die Belagerungsarbeiten waren inzwischen keinen Augenblick unterbrochen worden. Wir haben S. 182 gesehen, dass im Innern des Blockhauses unweit der Spitze zwei Minenschachte angelegt worden waren. Aus dem Schacht rechts wurde ein Rameau, rechts der Kapitale des Blockhauses, vorgetrieben ^). Nach dem

eroberuDg des Holms nicht unteniehmen zu können, wenn ein Entsatz nicht anf das bestimmteste einträte, schon damals angegeben.

^) Das nachfolgende inbezug auf die Ingenienrarbeiten vorherrschend nach Brese.

Kdbler, Geschichte der Festungen Danzig und Welchselmttnde. II. IS

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ungleichen Schalle des Klopfens glaubte man am 15. ^) auf zwei feindliche Qallerien schliessen zu können und setzte den an- gefangenen Gang, der Richtung des stärkeren Schalles folgend, bis auf 20' Länge in stark fallender Neigung fort*). Vor Ort war nun das Näherkommen des feindlichen Mineurs deutlich zu vernehmen. Es wurde daher ein Kamouflet von 90 Pfund Pulver eingesetzt'), noch einige Stunden gelauert und am 16. nachmittags um 3 Uhr, als man die jenseitige Arbeit auf einige Fuss nahe glaubte, Feuer gegeben. Der Dampf stieg aus dem Kuronnement auf, woraus sich schliessen liess, dass die feind- liche Gallerie zwar getroffen und geöffnet worden, zum theil aber auch stehen geblieben war. Nach kurzer Zeit hörte man in der 2. Angiiffsgallerie arbeiten, dann trat Stille ein; man konnte annehmen, dass der feindliche Mineur seine Ladung ein- brachte.

Während man in dem zweiten Miuenschacht des Blockhauses eben beschäftigt war, eine Gallerie aufzuhauen, um dem zweiten Angriffs-Rameau entgegenzugehen, sprang die feindliche Mine*) am Abend desselben Tages um 8V2 Uhr. Sie war mit 400 Pfund geladen. Die Schlittung ihres Trichters erreichte bei- nahe das Blockhaus. Der Waffenplatz mit seiner Palisadirung war bis zur halben Facenlänge ganz zerstört, das Blockhaus selbst in der Spitze stark erschüttert, so dass die Wandbe- kleidung desselben klaffte, die Ständerung und die Decke ver- schoben waren. An dem Schacht im Innern des Blockhauses und an der soeben begonnenen Kontregallerie zeigte sich keine wesentliche Beschädigung, und die Arbeit konnte hier ohne Verzug fortgesetzt werden, um damit in die Nähe des feind- lichen Minentrichters zu gelangen. Aus dem Blockhause und dem anliegenden Palisadentambur feuerte man lebhaft in den vorliegenden zerstörten Waffenplatz, da man einen Angriff ver- muthete, zugleich aber auch die Krönung des nahen Trichters zu verhindern beabsiclitigte.

*) Nach Kirgener wurde der französische Mineur am 15. nberhanpt erst angesetzt, was nach der skizzirt^n Geschichte S. 135 wahrscheinlicli erscheint. «) Fig. 2. Taf. m. •) Fig. 2 a. Taf. IH. *) Fig. 2 b. Taf. in.

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Im Innern des Blockhauses wurden «och in der Nacht, da die Spitze bereits geöffnet war, quer durch dasselbe zwei Pali- sadenabschnitte m und n angelegt, um den unversehrt geblie- benen Theil noch ferner schrittweise vertheidigen und die Kontre- minirung sicherstellen zu können.

Ein heftiges Kartätsch- und Borabenfeuer, welches der Ver- theidiger während der ganzen Nacht, verstärkt noch durch Klein- gewehrfeuer, unterhielt, konnte nicht verhindern, dass der Be- lagerer den Trichter kuronnirte ^) und den Mineur auf der Ka- pitale des Blockhauses ansetzte, indem er den Theil des Ku- ronnements vor dem eingehenden Waffenplatz und in der Mitte vor der linken Face des Bastions Jerusalem mit der doppelten bedeckten Sappe ausführte. Am letztern Punkt durchschnitt er die Glaciskrete und die Palisadirung und schritt in der Länge einer Ruthe im gedeckten Wege vor. Er schob dabei statt des Rollkorbes die durch Ausgrabung gewonnene Erde im hohen Hänfen gegen den Grabenrand hin.

Durch das fortwährende Geschützfeuer des Belagerers waren

^) Blanc giebt hiervon folgende Schilderung: „Ich übernahm an diesem Tage (16. abends) den Dienst und fand bei meiner Ankunft in der 2. Parallele den Hauptmann Lebrun, welcher die Miuenarbeit geleitet hatte, vor, um die Wirkung der MinenzHndnng, die soeben statt^^efunden , abzuwarten. Die Explosion erfolgte und bei dem Anblick mehrerer Uolzstücke, welche iu die Lnft geschlendert wurden, zweifelte Lebrun nicht an der Auf Sprengung des Blockhauses und ging ab, um die Nachricht davon in das Hauptquartier zu bringen.

Ich warf mich sogleich mit den Officieren meiner Brigade und den im Dienst befindlichen Sappeuren in den Minentrichter, jedoch waren wir er- staunt, als wir die Erde von der Seite des Blockhauses abschälten, dieses vöUig unversehrt zu finden. Wir wurden noch mehr überrascht, als wir aus den Scharten des nun frei gewordenen Blockhauses und aus den Spalten, welche zwischen den durch die Minenwirkung aus ihrer Lage gebrachten Wandhölzern klafften, Gewehrschüsse erhielten. Einige Sappeure wurden verwundet, der Qeniecapitain Migneron wurde getödtet, und wir mussten für den Augenblick den Minentrichter räumen. Eine Stunde später kamen wir jedoch mit Bohlen zurück, welche die Sappeure so trugen, dass sie den Körper dadurch deckten und dann gegen die Schiessscharten und Spalten des Blockhauses lehnten. Mit Anbruch des Tages war der Minentrichter gekrönt, jedoch von dem gegenüberliegenden Bastion eingesehen und wir mussten uns desshalb tiefer graben. Archiv 13. Bd. S. 150.

13*

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die Brustwehren der Angriffsfront völlig durchwtthlt und die ehemalige Gestalt der äussern Böschung vernichtet, so dass man auf seiten des Vertheidigers anfing wegen der Er- steigbarkeit des Hagelsberges besorgt zu werden. Der In- genieur vom Platz benutzte die finstere, nebliche Nacht, um sich von der Praktikabilität der äussern Böschung zu überzeugen, fand aber, dass gerade die ausserordentliche Verwüstung der Plackage und namentlich die auf der Mitte der Böschung ent- standenen vielen Bombentrichter, die Ersteigung der 70' hohen Bastione Schütz und Jerusalem sehr beschwerlich und unterm Feuer fast unmöglich machten^).

Da die ungemeine Höhe des Bastions Jerusalem gegen den vorliegenden gedeckten Weg, sowie die nachtheilige Stellung der senkrecht auf die Kurtine stehenden Flanke des Bastions Schütz die Arbeiten des Belagerers nicht gehörig mit Geschützen be- schiessen Hess, auch das Bombenfeuer keine hinreichende Wir- kung gestattete, so genehmigte der Guverneur die vom Platzinge- nieur eingereichte Disposition zu einem Ausfall, obgleich bei der allgemein eingetretenen Abspannung die Abneigung gegen dergleichen Unternehmungen bereits sehr entschieden hervor- trat. Am 17. um 5 Uhr nachmittags begann ein durch 6 Mörser aus den Bastionen Jerusalem und Schütz, dem Ravelin Hagel und dem Saillant 1 unterhalb des Hagelsbergcs verstärktes Bombardement gegen das Kuronuement, um den Ausfall vor- zubereiten. Von 5V« Uhr an unterhielten 100 Jäger, welche längs der ganzen Front des Hagelsberges vertheilt waren, ein wohlgezieltes Feuer gegen die feindlichen Arbeiten. Von 6 Uhr ab richtete sich das Bombardement gegen die 3. Parallele, um deren Besatzung zu vertreiben. Um 10 Uhr abends erfolgte der Ausfall. Drei Abtheilungen Infanterie, jede aus 1 Officier, 20 Mann und 30 Arbeitern mit Handgranaten versehen, gingen gleichzeitig vor. Die erste unter dem Lieutenant von Lehwald vom Regiment Diericke brach aus dem Wafi'enplatz rechts des Bastions Jerusalem gegen den wieder hergestellten Haubitzstand vor, vernagelte das Geschütz und demolirte die Brustwehr mit der Scharte. Die zweite unter dem Lieutenant von Tiedewitz

') Höpfner S. 491. 492.

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zog sich aus dem Palisadentambur hinter dem angegriflfenen Blockhause rechts heraus, vertrieb die feindlichen Sappeure aus dem bedeckten Wege vor Bastion Jerusalem und zerstörte das dortige Debuchement. Die dritte Abtheilung unter dem Lieu- tenant von Losch ging links des Blockhauses gegen den ku- ronnirten Minentrichter vor, nahm ihn, verfehlte aber ihren Zweck, da der sie führende Officier in der Finsterniss in den feindlichen Minenbrunnen stürzte und das Genick brach, die Truppen aber über das Bestreben, den Officier zu retten, die Zeit verloren und bald zurückgeworfen wurden. Man zählte in Summa 8 Todte und 14 Verwundete. Der Hauptmann von Kamecke, der den Ausfall vom Walle aus überwachte, wurde erschossen .

Lizwischen war die Minenarbeit im Blockhause seit dem 26. abends fleissig fortgesetzt, und es war aus dem Schachte links mit einem engen, nur mit Bohlenstücken ausgekleideten Rameau etwa 20 Fuss weit vorgegangen worden. Man wendete sich aus diesem ßameau mit einem 6 ' langen Gange rechts, so dass man sich gerade unter den Kuronnement des feindlichen Trichters befand^), lud mit 100 Pfund und zündete abends 11 Uhr, etwa eine Stunde nach dem Ausfalle. Das Kuronnement und der feindliche Minengang wurden grösstentheils zerstört. Am Morgen sah man indessen den Feind an einem neuen Logement inner- halb des WaiTenplatzes arbeiten, auch hatten die Sappeure am 18. des Morgens dem Blockhause sich so weit genähert, dass sie mittelst Haken die lockere Wandbekleidung in der Spitze los- rissen und die schon vorhandene Oeffnung erweiterten. Das Buchsenfeuer von 6 hinter dem innern Palisadenabschnitt des Blockhauses aufgestellten Jägern vertrieb jedoch die Sappeure und nöthigte sie, die Arbeit einzustellen und die Sappenspitze zu blenden. Da man den feindlichen Mineur wiederum arbeiten hörte, so wurden im Blockhause mehr rückwärts hinter dem zweiten Palisadenabschnitte zwei neue Schachte abgeteuft, um von hier aus den Minenkrieg nach Bedürfniss fortsetzen zu können.

Auch in dem Blockhause links des Ravelins Hagel teufte

») Fig. 2 c. Taf. IH.

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man einen Brunnen ab. Auf der Kurtine wurde eine Scharte für einen 3-Pfünder eingeschnitten, um die Spitze der bedeckten Sappe gegen den eingehenden Waffenplatz direkt beschiesscn zu können.

Der Belagerer war bemüht, mit der bedeckten Sappe vor der linken B'ace des Bastions Jerusalem wieder in den gedeckten Weg zu dringen, was, da der Zweig desselben ohne Traversen und daher dem Feuer des Blockhauses ausgesetzt war, seine grossen Schwierigkeiten hatte.

Der Guverneur sagt in einem Bericht an den König *), dass die Infanterie sichtbar schmilzt, theils durch den täglichen Ver- lust, theils durch Desertion zum Feinde. In den 8 Tagen vom 11. bis 18. seien 77 Todte und 149 Verwundete, wovon immer die Hälfte als todt angesehen werden kann, 9 Vermisste und 63 Deserteurs, worunter die Ordonanz des Kommandanten, die mit Wohlthaten überhäuft worden ist, zu registriren gewesen. Von den 24 Mann Wache in der barmherzigen Brüderschanze komplottirten in der Nacht zum 20. 16 Mann von den Bataillonen Oswald und Bülow. lauter Polen, die zum Feinde übergehen wollten, sie waren schon im Kahne auf dem Wasser, hatten aber Gegenwind, so dass ein treuer Schütze und ein Unterofficier Zeit gewannen, einen niederzuschiesscn und die andern zu arretiren. Mit mehr Glück desertirten die Nacht zuvor 1 Unterofficier und 17 Mann vom Regiment Hamberger.

In der Nacht vom 18. zum 19. gelang es dem Feinde, um Mitternacht Brennmaterialien, gegen die Spitze des Blockhauses zu werfen und dasselbe in Brand zu stecken*). Wasser zum Löschen war nicht zur Hand, und die Flammen griffen bei der Lebendigkeit des Luftzuges im Innern rasch um sich. Nachdem man aus dem brennenden Blockhause vergeblich auf die schüren- den Sappeurs gefeuert hatte, ging ein Theil der Wachtmann- schaft von ihrem Officier ^) geführt hinaus, vertrieb die Sap-

») Die Belag, v. Danzig 1807 S. 232.

*) Hierbei wurde der Lieutenant Tholoz^, Sohn des am 20. März am Danziger Haupt gebliebeneu franzöjjischen Oberst Tholoz6, erschossen.

') Wahrscheinlich war es der Lieutenant v. Rieben von den Jägeru, welchen der Guverneur in dem Bericht vom 20. belobt. Siehe auch Skizzirte Geschichte S. 157. »

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peure und versuchte durch Aufwerfen von Erde die Flammen zu dämpfeu, was aber bei der Nähe des Feindes nicht gelingen konnte, zumal der Brand die Wände und das Bombengebälk in dem vordem Theil des Blockhauses schon durchweg erfasst hatte. Um 2 Uhr musste dasselbe verlassen werden und gegen Tagesanbruch stürzte es ganz zusammen. Noch während des Brandes errichtete man dicht hinter dem Blockhause einen starken Palisadenabschnitt, der durch einen Erdaufwurf gegen das brennende Blockhaus abgeschlossen wurde ^). Dadurch wurde der Tambur des Waffenplatzes wieder geschlossen, letz- terer noch ferner behauptet und die niedere Flankirung des bedeckten Wegs erhalten.

Der Belagerer liess in der Nacht eine Rekognoscirung in den Graben ausführen, um die Hindernisse in demselben, die sich einem Sturm entgegensetzen könnten, zu untersuchen. Es gelang dem Sappeur -Korporal Gaucia, mit 3 Sappeuren und 6 Mann Infanterie in den Graben des Bavelins zu dringen; die Palisaden erwiesen sich jedoch zu stark, um umgehauen zu werden. Ein Versuch, sie durch Pechfaschiuen zu verbrennen, hatte auch keinen Erfolg, da sie nur theilweise verkohlten. Auch ein späterer Versuch, sie durch Pulverfässer, die man da- gegen rollte und anzündete, umzuwerfen, führte zu nichts, sie wurden nur aus ihrer Lage gebracht, da sie ohne Schwellen eingesetzt waren*).

Das Logement im bedeckten Wege vor Bastion Jerusalem ei-weiterte der Feind und begann am 19. mit einem bedeckten Gange die Kontreskarpe herabzusteigen, nachdem er sich durch Einschneiden in den oberen Rand derselben eine etwas flachere Descente gebildet hatte. Die Arbeit rückte unter dein Gewehr- feuer vom Tambur und von 3 Flankengeschtttzen des Bastious Schätz nur sehr langsam vor, und die feindlichen Sappeure blieben mehr mit Herstellung der Schäden beschäftigt, als dass sie vorwärts kamen. Die steile 27 ' hohe Kontreskarpe nöthigte auch hier den Feind, sich der Mine zu bedienen und dadurch Zeit zu verlieren.

») Fig. 2 op. Taf. III. *) Blanc. Archiv S. 153,

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An diesem Tage (19.) endigte der letzte Versuch des Ge- nerals Kaminskoi, etwas zur Erleichterung der Besatzung bei- zutragen, auf eine höchst missliche Weise. Er hatte am 16. wegen völliger Erschöpfung der Truppen geruht und am 17. mit Tagesanbruch eine erfolglose Rekognoscirung auf Saspe gemacht. Ueberall war er auf einen überlegenen Feind ge- stossen, der nur durch mehrere hundert Schritte lange Deflleen zu erreichen war. Dabei wurde er unaufhörlich telegraphisch vom Guverneur bestürmt, einen Angriff auf den Holm zu machen. Um etwas zu thun, wurde das am flachsten gehende englische Kriegsschiff, der „Dauntless" von zweiundzwanzig 24 pfundigen Karonaden mit 200 Centner Pulver beladen und bereit gehalten, um bei günstigem Winde die Weichsel auf- wärts zu gehn, die Brücke bei Legan. welche am 16. beendet worden war, zu durchbrechen und die Festung mit Munition zu versorgen. Am 19. Hess der General Kaminskoi einen Kriegsrath zusammentreten, dem alle Generale und Stabsofficiere seines Korps, der Kommandant von Neufahrwasser und der englische Kapitain beiwohnten. Der Kriegsrath entschied sich dahin, dass der Holm von der Wasserseitc nicht zu nehmen sei. Der Graf Kaikreuth, dem dies Resultat mitgetheilt wurde, erwiderte, dass er ohne eine Verstärkung von 2000 Mann und möglichst viel Pulver „die bisherige brillante Vertheidigung von Danzig" aufgeben müsse.

Die Fortschritte des Belagerers, die in dieser Zeit in Neufahrwasser bekannt wurden, veranlassten den General Kaminskoi, noch an demselben Tage einen zweiten Kriegsrath zu berufen, in welchem er darauf antrug, dass bei dem in- zwischen eingetretenen günstigen Winde der Dauntless unver- züglich in die Stadt zu kommen suchen müsse, um wenigstens Pulver hineinzubringen. Der das Schiff kommandirende Kapitain Chattam stellte vor, dass bei der Wendung, welche die Weichsel am Holm mache, der günstige Wind verloren gehn würde; aber der Graf Kaminskoi ging auf keine Entgegnung ein und liess in der Hitze das Wort Poltronnerie fallen, das allen weiteren Ver- handlungen ein Ende setzte. Das Schiff ging um 4 Uhr nach- mittags unter Segel, nachdem es noch mit 100 Ctrn. englisches Pulver (ausser den eingenommenen 200) und 500 Scheffel Hafer

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beladen worden war. Als Besatzung diente 1 Offizier nnd 40 Jäger des Krockowschen Freikorps. Ein Adjutant des Fürsten Tscherbatow und der preussische Hauptmann Braun, der vom Könige zurückgekommen war, schiiften sich mit ein. Als das Schiff der Weichselbiegung folgend den günstigen Wind immer mehr verlor und es der feindlichen Artillerie gelang, das Tauwerk auf der rechten Seite abzuschiessen , wodurch sich alle Segel plötzlich links wendeten, gerieth das Schiff un- weit des rechten Ufers auf den Grund und konnte nicht wieder flott gemacht werden. Nach kurzem tapfern Widerstände er- gab es sich der herbeieilenden französischen Infanterie^). Die Franzosen schafften sofort das Pulver ans Land , damit das Schiff nicht von Weichselmünde aus in die Luft gesprengt wurde. Der Rumpf wurde in den Strom versenkt und das schmale Fahrwasser damit gefüllt.

Damit war die letzte Hoffnung eines Entsatzes verloren. Da der Guverneur einen Sturm befürchtete, so ersuchte er für diesen Fall , der durch Fanale angezeigt werden- würde, von Neufahrwasser über Saspe vorzugehen, um eine Diversion zu machen. Der Fall trat jedoch nicht mehr ein, und Ka- minskoi musste sich begnügen, einen ruhigen Zuschauer ab- zugeben.

Schon früher war der Oberst von Bülow ausser Thätigkeit gesetzt worden. Die Brücke bei Schönbaum war nicht sobald geschlagen, als die französische Dragoner-Brigade Beaumont und das Grenadierbataillon des Generals Albert sofort über die Weichsel gingen und den Oberst Bülow, der, wie wir ge-

*) Der Hauptmann Braun wurde mit gefangen, und da der Marschall Lefebvre dem Grafen Kalkrenth einige Privatbriefe, die sich auf dem Schiffe gefunden hatten, zuschickte, glaubte dieser bestimmt, dass auch königliche Depeschen in den Besitz der Franzosen gelangt wären, die dem Feinde die ganze ungünstige Lage der Festung verratheu könnten. Er beschuldigte den Hauptmann Braun, diese vermeintlichen Depeschen nicht vernichtet zu haben. Wie sich jedoch später herausgestellt hat, war der Hauptmann Braun keines- wegs Träger von Depeschen, hatte auch von dem Postbeatel mit Privatbriefen keine Kenntniss gehabt. Die Beschuldigung, die noch Höpfner dem Hauptmann Braun macht, ist also ohne Grund. Friccius, der sie ebenfalls anführt, hätte m vermeiden können (Siehe Miüt. Wochenblatt. Beiheft 1853 S. 24).

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sehen haben, mit seiner Infanterie zwischen Steegen und Stutt- hof echelonnirt war, anfielen. Bülow wurde mit grossem Ver- lust zurückgeworfen und bis Polski verfolgt. Nur 3 Tage hatte Napoleon unterm 14. dem General Beaumont zur Ab- fertigung Bülows gegeben, dann sollte er wieder zurück sein. Bülow setzte noch in der Nacht zum 17. den Rückzug fort. Der General Albert ging zur Besetzung der Brücke, Beaumont nach Marienburg zurück.

Der Verlust Bülows wird französischerseits auf 1100 Mann und 4 Geschütze angegeben. Preussische Angaben sind da- rüber nicht vorhanden, doch können nur 3 Geschütze verloren gegangen sein.

Kehren wir nach Danzig zurück, so waren am 20. gegen Mittag die Belagerungsarbeiten mit dem förmlichen Graben- tibergang bis gegen den Fuss der Eskarpe vorgerückt, und der Feind begann hier die Palisadenlinic zu durchbrechen 0- Um

*] Kirgener S. 30. Höpfner verlegt die Durchbrechnug der Palisaden irrtbümlich auf den 21. Der Oberst Blanc erzählt diese Episode wie folgt: , ludessen schickte der Kaiser, dein die Belagerung sich zu lauge hinzog, wieder- holt seine Adjutauteu zum Marschall Lefebvre und schrieb ihm alle Tage, es wäre Zeit Danzig mit Sturm zu nehmen. Der MarschaU würdigte mich eines Tages der Ehre, mich ui der Tranchee über meine Meinung zu fragen. Ich antwortete ihm, dass man sich zum Sturm erst dann entschliessen könne, wenn zuvor die Palisaden weggeräumt sein würden. Der Marschall theilte diese Meinung und drückte sich sehr stark gegen diejenigen aus, welche nach seiner Meinung dem Kaiser schrieben, dass die Birne zum abschütteln reif sei. Zwei Tage später am 20. Mai morgens löste ich bei der Graben- descente den diese Sappeurbrigade kommandireuden Ingenieurofficier ab, der mir sagte, dass er versucht habe, die Palisaden abhauen zu lassen, dass die Sappeure es aber nicht zu wege gebracht hätten, und zeigte mir zwei, die dabei getödtet worden wären. Dabei ist zu bemerken, dass nicht bloss die spitze Verpfählung den Zugang zu den Palisaden erschwerte, sondern dass auch der Feind sie durch Geschütze deckte, welche auf der rechten Seite des linken Flügelbastions (Schütz) aufgestellt wareu, sowie durch Infanterie die Ruinen des Blockhauses (den Tambur) besetzt hielt und die Palisaden unmittelbar vor der Mündung der Gewehre im Rücken beschoss.

Ich wusste nicht, was ich machen sollte, als um 8 Uhr morgens General Bertrand, Adjutant des Kaisers, in der Descente erschien und mir sagte, er habe den Kaiser sehr niiss vergnügt verlassen, weil noch immer kein Sturm erfolge, und er hoffe, ich werde Mittel finden, die Palisaden als das einzige Hindemissmittel gegen denselben zu beseitigen. Nach einigem Nachdenken

203

4 Uhr nachmittags wurde deshalb ein Ausfall unternommen und zwar gleichzeitig von zwei Abtheilungen. Die eine 100 Mann stark unter dem Lieutenant von Massow, wovon 50 Mann Arbeiter unter dem Fähnrich von Schack ging durch den Pali- sadentambur hinter dem zerstörten Blockhause gerade gegen die Descente, die zweite, 80 Mann stark unter dem Lieutenant

antwortete ich ihm, dass ich ein Mittel versuchen wolle, es sei aber so zweifelhaft, dass ich es ihm jetzt nicht sagen wolle, weil er es für unaus- führbar halten dürfte. Wenn es gelänge, würde ich ihm davon sogleich Meldung machen.

Ich kehrte in das Kuronnement des gedeckten Wegs zurück, nahm mir 8 Sappeure mit einem Sergeanten, die einige Spaten und Hacken mitnehmen mussten, und ss^gte ihnen: wir wollen in den Graben niedersteigen, die feind- lichen Kanoniere können uns nicht sehen, der Pnlverdampf nimmt ihnen bei ihrem uuaulliörlichen Schiessen die Aussicht. Die Leute im Tambur am Blockhause sind eingeschlafen; und die Schildwache hat sich gewiss in eine Ecke gedrückt, um den Gewehrkugeln nicht ausgesetzt zu sein. Bei diesen Worten sagte ein Soldat vom 12. Infanterie-Regiment, Franz Vall6, der mich hörte, zu mir: Glauben Sie Capitain, dass es nur unter den Sappeuren brave Leute giebt ? Wohlan denn, sagte ich ihm, nimm 3 oder 4 gute Leute von eurem Regiment mit und seid mit dabei. Seine Wahl war bald getroffen, und diese 13 Manu stiegen mit mir, einer nach dem andern, in den Graben, indem sie sich schon in der Descente der Länge nach auf die Erde legten und sich so herabgleiten Hessen, um nicht gesehen zu werden. Als wir an die auf der Grabeusohle eingesetzten Pfählchen kamen, riss ich einen davon aus, der ohne Schwierigkeit folgte, und so wurde der Weg bis zu den Palisaden bald frei. Ich liess nun meine Mannschaft sich rechts und links von mir an die Palisaden drücken, machte es ihnen begreiflich, dass die GeschUtzkugeln , deren Geräusch wir hörten, uns nicht treffen könnten, weil die Verlängerung der äussern Palisadenlinie ausserhalb der Flankeuscharten fiel, und wies sie au, eiueu Graben längs den Palisaden auszuheben und demnächst die Palisaden eine nach der andern mit der Hacke zu fassen und in den Graben zu stürzen, wobei sie aber auf- gefangen werden müssten, um kein Geräusch zu machen.

Die Leute machten sich mit Eifer an die Arbeit und kamen über mein Erwarten glücklich damit zustande. Dieser Versuch wäre aber nicht geglückt, weun die Palisaden unter sich oben durch eine Latte verbunden gewesen wären. Um ein Uhr mittags waren die Palisaden der zu erstürmenden Bastionsface auf eine solche Länge niedergelegt, dass 2 Sturmkolonnen in der Front durchgehen konnten, und erst jetzt bemerkte uns eine Schildwache am Blockhause und rief die Wache ins Gewehr. Es ward ein Ausfall ge- macht, während unsre Arbeiter die Kontrescarpe wieder zu en'eichen suchten, wobei zwei verwundet wurden. Ich schrieb sogleich an den General Bertrand, dass der $turm erfolgen könne''. Archiv 13. ^d. S. 152 f{.

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von Roggenbiike, aus dem Waflfenplatz rechts des Bastioiis Jerusalem, beide Abtheilungen mit Handgrauat€n *) versehen, vor. Der Feind wurde aus dem ganzen Kuronnement des Glacis bis zur 3. Parallele zurückgeworfen, hiernächst die Descente und das Logement, zu deren Schutz im gedeckten Wege sowie der Haubitzstand demolirt, die Haubitze, welclie niemals zum Schuss gekommen ist, vernagelt und rückwärts von der Bettung ge- worfen und eine grosse Anzahl von Schanzkörben, Faschinen und Arbeitsutensilien erbeutet und zurückgebracht. Die Zwecke des Ausfalls waren vollkommen erreicht. Der Verlust auf Seiten des Belagerten belief sich auf 70 Todte und Verwun- dete. Der Lieutenant Roggenbuke und der Fähnrich Schack blieben. Französischerseits wurden der Oberst. Lafosse vom 44. Linieuregimeut und der Bataillonschef Oudet, welche die Reserven herbeiführten, schwer verwundet, der Hauptmann Porcher und der Lieutenant Brule von den Sappeuren wurden getödtet.

In der Nacht begann der Feind seine Arbeiten an dem Epaulement des Grabenüberganges von neuem, wobei er sich, um schneller vorwärts zu kommen, fast nur der Faschinen bediente. Es gelang ihm, die Descente zu beendigen und den Grabenübergang bis dicht an die Palisaden am Fuss des Bastions Jerusalem zu fähren.

Am 21. nachmittags 3 ühr schlichen einige Jäger der Be- satzung längs der Palisadirung bis an die neue Descente und steckten sie in Brand. Das Feuer wurde zwar gedämpft, aber

^) Die Handgranaten waren dem Belagerer sehr unbequem, da er ihnen nichts entgegenzusetzen hatte. „Ich versnchte", erzählt der Oberst Blanc, ^den Handgranaten mit grt^ssern Hanbitzgranaten zu antworten; es fand sich jedoch nur ein Sappeur, der dazn stark nnd geschickt genug war und doch brachte er die angezündete Granate nicht einmal ganz über die Brustwehr imserer Sappe, so dass sie beim Zerplatzen uns ebenso gefährlich wurde als dem Feinde". Der Vertheidiger wusste die Vortheile, die er von den Hand- granaten hatte, wohl zu schätzen. „Der ünterofficier Stöhr vom Regiment Dierecke", sagt der Parolebefehl vom 14. Mai, „hat das Vorurtheil, welches die Handgranate gänzlich aus der Mode gebracht, durchbrochen und sie mit grossem Nutzen wieder eingeführt**. Durch Parolebefehl vom 21. Mai werden 5 Musketiere, welche Handgranaten geworfen hatten, es handelt sich um den Ausfall vom 20. belobt.

205

nochmals angezündet, wobei der ganze Faschinenbau vollständig niederbrannte. Der Belagerer unterhielt während dieser Zeit ein heftiges Bombardement gegen die Werke, wobei es sich ereignete, dass drei öOpfündige und zwei 25pfQndige Bomben in den engen Raum der niederen Flanke von Bastion Schütz fielen, wo sich ausser der Bedienung der Geschütze noch der Ingenieur vom Platz und ein Artillerieoffizier befanden. Sämmt- liche Anwesenden warfen sich auf die Erde und blieben un- beschädigt, obgleich 4 Bomben krepirten, die 5. jedoch nur den Zünder ausstiess.

Da der Angriff nunmehr so weit gediehen war, dass man jeden Augenblick einen allgemeinen Sturm auf die Werke des Hagelsberges erwarten konnte, so wurde noch in der Nacht dicht hinter der Eskarpenpalisadirung der Eurtine und der beiden Flanken eine dreifache Linie von spanischen Reitern dergestalt in einander gesetzt, dass ein Vordringen des Feindes in die unbestrichenen Räume der äusseren Eurtinenwinkel und ein Ersteigen des Walles an diesen Stellen nicht leicht zu be- sorgen stand.

Da man bemerkt hatte, dass der Belagerer zwei Gallerien aus dem Kuronnement vorgetrieben hatte, die eine unterm Ravelin Hagel fort bis nahe zur Appareille in der Kehle des Werks, die andre unter dem Tambur links jenes Ravelins hin- weg bis zur Kehle des dortigen eingehenden Waffenplatzes, so wurden vom Vertheidiger Quetschminen vorbereitet, die- für den Fall des Sturms gezündet werden sollten, damit der Feind nicht vermöge der Gallerien sich von der Kehle aus in den Besitz des Ravelins und des Waffenplatzes setzte.

Der Feind schritt gleichzeitig zur Wiederherstellung der Schulterwehr seines Grabenüberganges, die er diesmal zur Ver- meidung eines abermaligen Brandes aus Sandsäcken aufsetzte, und erreichte mit dieser Arbeit am 22. Mai abends wiederum den Fuss der Eskarpe, wo er die Oeffnung in der Palisaden- linie noch zu erweitern im Begriff stand, als gegen 3 Uhr moi^ens von seiten des Marschalls Lefebvre der Befehl einging, die Arbeit einzustellen.

Im Laufe des 21. war der Marschall Mortier mit der Divi- sion Dupas eingetroffen, und der Marschall Lefebvre hatte alles

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zum Sturm vorbereitet *), der unfehlbar eingetreten wäre, wenn die wegen der Kapitulation eingeleiteten Verhandlungen zu keinem Resultat geführt hätten.

Der Ueberbringer der Privatbriefe, welche auf dem Daunt-

*) Blanc fährt iu der Schilderung der letzten Stadien der Belagerang wie folgt fort, wobei sein Qedächtniss ihn jedoch um einen Tag trügt, indem die folgenden Ereignisse auf den 21. fallen : „Die Zeit znm Stnrm ward auf den Abend bei einbrechender Nacht festgestellt, und um 5 Uhr abends erhielt ich meine Instruktion als Befehlshaber der Ingenieure bei diesem Sturm. Die Truppen waren in den Laufgräben versammelt, ich lud die Officiere der Voltigeure, welche die Spitze der Sturmcolonue bilden sollten, ein, mit mir zur Grabendescente zu kommen, um ihnen den Weg zu zeigen, den sie nehmen mu<sten, nm den steilen und hohen Abhang der linken Bastionsface zn ersteigen und um gleichzeitig die Wirkung der runden Lang> hölzer (Stnrmbalken) zu vermeiden, welche längs der obem Brustwehr lagen und durch Taue dort gehalten wurden, die nur durchzuhauen waren, nm die Angriffskolonnen durch ihren Niedersturz zu zerschmettern. Dieselbe Er- klärung gab ich auch den Unterofficieren, als der Soldat Vall6, der sich beim Heransnehmen der Palisaden so gut benommen hatte, mir sagte: Oapitain! ich bemerke, dass diese Sturmbalken die Kameraden beunruhigen, gebt mir ein Beil, und ich lasse sie in den Graben hinabrollen! Er bekam das Beil, wobei ich ihm empfahl, nicht früher, als ich es ihm sagen würde, abzugeben, indem ich besorgte, der Feind könne durch sein frühes Abgehn eher alsesnöthig wäre, von nnserm Vorhaben unterrichtet werden. Kaum aber hatte ich meine Stelle verlassen, als Vall6 sich in den Graben stttrzte. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Wir sahen ihn längs der Brustwehr des Bastions hin laufen und die Taue mit dem Beile entzweihauen, worauf die Balken mit Krachen in den Graben niederrollten. Vall6 kam gleichzeitig an, und ich reichte ihm die Hand, um ihn in die Grabendescente zu ziehen, als er eine ans dem ein- gehenden Waffenplatzo abgeschossene Gewehrkugel in den Unterleib erhielt.

Einige Augenblicke später hOrte man ein starkes Gewehrfeuer auf unserm linken Flügel. Es Hess sich vermuthen, dass dies ein falscher Angriff der Polen gegen die niedere Weichselfront sein werde, und ich sagte dem General Pttthod, der den Sturm auf das Bastion ausführen sollte, dass ohne Zweifel dieses Gewehrfeuer die Besatzung unter die Waffen rufen werde, weshalb ich glaubte, dass man noch vor Einbruch der Nacht zum Sturm schreiten müsse. Der General theilte diese Meinung und war im Begriff, den Befehl znm Sturm zu geben, als er nochmals seine Instruction durchlas und darin die Nachschrift fand, den Sturm nicht eher zn unternehmen, als bis der Marschall ihm den Befehl dazu durch einen A^'utanten übersenden werde. '^ (Archiv 13. Band S. 154.) Die Tollkühnheit des Valle war auch von den Vertheidigem bemerkt worden und wird ohne den Namen zn nennen im „belagerten Danzig'' S. 31 berichtet.

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less gefunden worden, Oberst Lacoste, Adjutant des Kaisers, wurde vom Grafen Kaikreuth zu Tische zurückbehalten (21.). Er äusserte beim Abschiede, dass er zwar nicht den geringsten weitern Auftrag erhalten habe, dass er sich aber glücklich schätzen würde, das Werkzeug zum guten zu sein.

Da nur noch 325 Centner Pulver vorhanden waren und die nicht ganz verschossen werden durften, ohne zu unter- handeln, so erwiderte der Guverneur in scherzendem Ton, der Oberst möge am nächsten Mittwoch (28.) wieder bei ihm speisen, so sollte weiter davon die Rede sein. So lange reichte aber noch das Pulver, und war dann kein Entsatz eingetroffen, so hätte sich die Garnison auf Diskretion ergeben müssen. Die Infanterie der Garnison war durch 11 Wochen lange Anstren- gungen auf */» ihrer frühern Stärke gekommen und ausser- ordentlich erschöpft, auch fingen die Lebensmittel an auszu- gehen.

Der Marschall Lefebvre schickte noch denselben Abend 9 Uhr den Oberst Lacoste mit seinem Chef des Qeneralstabs Drouet nach Danzig zurück, um den Guverneur zu bewegen, sich bestimmt zu erklären, ob er beabsichtigte, wenn bis zum 27. kein Entsatz käme, die Festung zu übergeben. Der Guver- neur antwortete, dass das allerdings seine Absicht sei, aber nur auf die Bedingungen der Kapitulation von Mainz, welche die Garnison von Danzig wegen ihrer brillanten Vertheidigung verdiene und ebenso gut verlangen könne, als sie ehemals dem Marschall Bouflers vom Prinzen Eugen bewilligt wurden.

Um Mitternacht kam der Oberst Lacoste noch einmal zu- rück und theilte dem Guverneur mit, dass der Marschall auf eigne Hand keine solche Kapitulation eingehen könne, sich aber Instnictionen erbitten werde. Vorläufig wolle er das Schiessen einstellen lassen und überliesse es dem Guverneur, dasselbe zu thun. Dieser ging darauf ein, und so wurden in der Nacht zum 22. die Feindseligkeiten eingestellt^).

Am 23. lief die Antwort Napoleons ein, wonach er dem Marschall die erbetene Autorisation gab, die Kapitulation nach seinem Ermessen abzuschliessen. Infolgedessen erschien mit-

^) HQpfner S. 517. Belagerung von Danzig S. 240.

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tags 1 ühr der General Drouet mit dem Sohue des Marschalls Lefebvre, um die Kapitulation abzuschliessen. Doch konnte man sich nicht einigen *). Der Guverneur schreibt über den Stand der Unterhandlungen am 24. an den Major von Brauchitsch, Kommandant des Bischofsberges: „Mit den Franzosen bin ich noch nicht einig, bis 12 Ulir mittags haben die Abgesandten wieder hier sein wollen, um mir Bescheid zu bringen, ob der Marschall Lefebvre mein Ultimatum von dieser Nacht 1 Uhr annimmt, denn die Kapitulation von Mainz, nämlich der ehren- volle Abmarsch mit Gewehren, die Kavallerie zu Pferde bis nach Preussen, ist schon festgesetzt^), dass also die Truppen in Ansehung des Ruhms völlig gesichert sind, nur besteht man auf die frühere Uebergabe des Olivaer und Neugartenthoi-s und des Hagelsberges, die um der Sache näher zu kommen und auch als ziemlich gleichgültig vom Dienstag nachmittag auf Mittwoch nachmittag zurückrückt, und Marsehall Lefebvre verlangt sie schon auf morgen. Ueber diese einzige Basis sind wir also nur noch uneins. Auch ist die Kapitulation erst entworfen, nichts discutirt noch geschlossen , deren Beendigung nach den Herrn Deputirten aber wohl keine Schwierigkeiten finden wird" '). Noch am 25. morgens telegraphirte der Guverneur nach Neu-

^) Während der Anwesenheit der französischen Abgeordneten schrieb der Major von Hom im Auftrage des Officiercorps an den Cliiverneur: „Die schändlichen Bedingungen, welche der Feind von uns verlangt, haben das ganze Corps der Ofüciere und mich, die wir den Hagelsberg zu vertheidigen die Ehre haben, bewogen £w. Exe. ganz unterthänigst zu bitten, uns bei einer Fahne den heiligsten Eid leisten zu lassen, dass wir uns lieber unter dem Schutz des Hagelsberges begraben lassen, als eine dem preussischen Officier ehren widrige Kapitulation eingehen zu wollen".

Hagelsberg den 23. Mai 1807. gez. von Hörn.

Das scheint Eindruck gemacht zu haben. Die Verhandlungen wurden zwar momentan abgebrochen, aber noch spät abends franzOsischerseits wieder angeknüpft, worauf der Guverneur um 1 Uhr sein Ultimatum stellte. Es handelte sich nur noch um den Tag der Uebergabe des Hagelsberges und zweier Thore, die der Marschall schon zum 26. (Montag) verlangte, Kaikreuth aber erst Mittwoch bewilligen wollte.

') HOpfner irrt daher S. 521, dass der Marschall noch am 24. den freien Abzug nicht habe zugestehen wollen.

*) Die Belagerung von Danzig. S. 236.

r

fahr Wasser: „Unterhandlungen von gestern Abend spät franzo- sischerseits wieder angeknüpft, sind aber noch nicht einig." Inbetreflf der beiden Forts Neufahrwasser und Weichselmünde hatte der Guverneur erklärt, dass er sich zu nichts verpflichten könne, indessen schon am 23. nachmittags 4 Uhi den beiden Kommandanten telegraphisch zu erkennen gegeben, dass er mög- licherweise pro forma den Befehl zur Uebergabe scliicken könnte. Er hatte für diesen Fall ihnen die Antwort darauf freigestellt. Die beiden Kommandanten hatten sich höhern Orts Verhaltungs- befehle erbeten *). Der General Kaminskoi war nicht im Zweifel, was zu thun, und traf alle Vorbereitungen zur Einschiffung. Weichselmünde war an sich vertheidigungsfähig, hatte aber eine zu geringe Besatzung (622 Mann), während der Kommandant 1500 Mann für nothwendig erachtete. Durch die Thätigkeit des Ingenieurlieutenants Jachnik waren die Werke in gutem Stande, doch glaubte der Kommandant bei der geringen Besat- zung sich höchstens 14 Tage halten zu können.

Am 25. meldete der Guverneur die abgeschlossene Kapi- tulation dem Könige.

Als am 25. gegen Abend das Telegramm in Neufahrwasser eintraf: „ohne Pulver, das mir nicht verschafft worden, Kapi- tulation abgeschlossen, wenn nicht bis morgen Mittag Entsatz kommt. Wo nicht, marschire ich Mittwoch mit Ober- und üntergewehr nebst 2 Geschützen über die Nehrung nach Pillau. Die Garnison darf ein Jahr nicht dienen," begann der General Kaminskoi sofort die Einschiffung seiner Truppen. Die beiden Kommandanten waren nicht dazu zu bewegen, gleiches zu thun.

Sie wollten die Befehle des Königs abwarten. Diese trafen am 26. Mai mittags 11 Uhr ein. Beide Garnisonen sollten sich einschiffen. Der Oberst Schuler von Senden hatte alles dazu vorbereitet und bemühte sich, nur durch Unterhandlungen mit den verstärkten französischen Truppen Zeit zu gewinnen, um

*) Es war dies auf die telegraphische Nachricht des Ouvemeurs vom 22. geschehen^ wonach er nach Nenfahrwasser mittheilte, dass, wenn his Mittwoch (28.) kein Entsatz anlange, er kapituliren werde. Der Guvemenr hatte gleich- zeitig darum ersncht, an Se. Majestät eiligst zu melden, dass er nur die Antwort Napoleons abwarte, um seine Bedingungen zu stellen.

Köhler, Geschiclite der Festaogidn Danzig und WeichselmUiide. II. 14

auch noch die metallenen Geschütze einschiffen zo lassen, als um 5 Uhr nachmittags die Nachricht eintraf, „dass die Gemeinen der Garnison Weichselmünde zum Feinde übergegangen seien". Er zog daher die Posten ein, nahm die Officiere und wenige treu gebliebene Unterofficiere und Gemeine von Weichselmünde an sich und schiffte sich unter dem Schutze einer englischen Fregatte ein. Die Franzosen drängten zwar hart nach, wurden jedoch von den Kartätschen der Fregatte zurückgewiesen, so dass die Abfahrt erfolgen konnte und die Truppen am 27. morgens noch gleichzeitig mit denen Eaminskoi's in Pillau an- langten.

Am Mittag des 26. wurde der Hagelsberg, das Olivaer, Jakobs- und Neugarten-Thor den Franzosen übergeben, am 27. morgens 9 Uhr rückte die Garnison von Danzig^) mit Waffen und Gepäck, fliegenden Fahnen, klingendem Spiele, brennenden Lunten und 2 bespannten Geschützen nach der Nehrung ab, begleitet vom General Jarry und dem Obersten Nivet, um alle Kollisionen mit den französischen Truppen auf der Nehrung zu vermeiden.

Schon in den letzten Tagen war die Desertion zu hunderten erfolgt, im Moment des Abmarsches warfen tausende ihre Gewehre und Patronentaschen weg und liefen fort. Manche Kompagnien behielten 5—6 Mann. „Wir wollen uns nicht wer weiss wohin schleppen lassen . . ." riefen sie*).

Gleich nach dem Abmarsch der preussischen Besatzung hielt der Marschall Lefebvre an der Spitze eines Theiles des 10. Korps seinen Einzug in Danzig. Der Marschall Lannes und General Oudinot lehnten es ab, daran Theil zu nehmen. Die Divisionen

') Ihre Stärke war:

60 Officiere 1222 Mann 1144 Pferde der Kavallerie 217 8467 der preussischen Infanterie

33 , 1034 der Russen

25 1424 , der Artillerie

9 301 131 der nicht equipirten Kavallerie

zus. 335 Officiere 12448 Manu 1275 Pferde.

Nach Duisburg S. 307 war das abrückende Korps nur noch 7000 Mann stark, wahrscheinlich nach Abrechnung der Deserteure.

') Belagerung und Einnahme von Danzig 1807. Leipzig 1808.

m

Oudinot und Dupas marscliirten am 28. ab. Der Marschall Lefebvre wurde zwei Tage nach dem Einzüge zum Herzog von Danzig ernannt und kehrte nach dem Hauptquartier Napoleons zurück. Dieser traf am 31. in Oliva ein und besichtigte am 1. Juni die Belagerungsarbeiten, Weichselmünde und Neu- fahrwasser. Am 2. kehrte er über Marienburg nach Finken- stein zurück. Zum Guverneur von Danzig wurde der General- Adjutant Napoleons Rapp, zum Kommandanten der General Ar- mand und bald darauf der General Menard ernannt. Das 10. Armeekorps wurde nach Abgabe der Garnison von Danzig, die aus dem 44. Linien-Regiment und den Badenern bestehen sollte, aufgelöst, indem die Truppen andern Armeekorps zugewiesen wurden.

Duisburg berechnet die Zahl der TVährend der Belagerung von der Garnison gebliebenen Officiere auf 22. Sechzig waren verwundet worden. An Einwohnern waren 20 getödtet, 44 ver- wundet worden. Von den Geschützen wurden nach „das belagerte Danzig" S. 25, 26 demontirt. Nach Brese (Archiv S. 62) waren es 5— 20Pfünder, 16— 12Pfünder, 3— 6Ptünder, 1-30 pfundiger Mörser und 1 10 pfundige Haubitze.

Ich kann nicht umhin, im Anschluss an die Darstellung der Belagerung die Bemerkungen folgen zu lassen, welche Brese seiner Abhandlung über die Armirung Dauzigs und der Ueber- sicht der Belagerung beigegeben hatM. Er sagt:

„Wenn man nun auf die oben dargestellte Ausführung der fortifikatorischen Armirung der Befestigungen von Danzig zu- rückblickt und das Resultat dieser umfassenden Arbeit nach dem soeben vorgetragenen Verlauf des Angriffes und der Ver- theidigung unpartheiisch zu würdigen sich bemüht, so dürfte zunächst wohl zugegeben werden, dass die höchst schwierige Aufgabe, einen Waffenplatz des Umfanges wie Danzig, bei un- erwarteter Verlegung des Kriegsschauplatzes in seine Nähe und bei fast unhaltbarem, von allen Mitteln entblösstem Zu- stande — in 4 Wintermonaten in eine völlig kriegsfertige Ver- fassung zu setzen, auf eine dem Zweck möglichst entsprechende

*) Archiv für die Officiere des ArtiUerie- und Ingenieur-Korps. Bd. 1 1 S. 70 ff.

61ä

Weise gelöst worden ist. wenigstens so weit, als die obwal- tenden Umstände dies irgend gestatteten ; denn ein kriegsgefibter, mit hinreichenden Angriflfskräften versehener Feind brachte 78 Tage (vom 10. März bis zum 26. Mai 1807) vor der Festung zu und bedurfte 55 Tage offener Tranchee, bevor er in Besitz des Platzes, und 15 Tage dieser Zeit, bevor er durch den be- deckten Weg und trocknen Graben bis zur Eskarpe eines nicht revetirten, nur mit provisorischen Hindernissmitteln versehenen Retranchementswalles gelangen konnte. Diese Hinderniss- mittel und namentlich die starken, gut bestrichenen Palisaden- linien hatten sich im ganzen trefflich bewährt, denn wiewohl die von der feindlichen Artillerie mehrere Wochen hindurch ge- schlagenen Bastionsfacen Schütz und Jerusalem das Bild einer Bresche darboten und fast alle Sturmbalken heruntergeschossen waren, so hielt die Palisadirung der Eskarpe, die Zersplitterung einzelner Hölzer abgerechnet, sich doch in dicht geschlossenen Linien, und auch die Verpfählungen blieben vieler darin ein- geschlagener Hohlgeschosse ungeachtet immer noch ein schwer zu überschreitendes Hindernis«. Kriegener in seinem Pr6cis du si6ge de Danzig (pag. 29) misst den Entschluss, vom gewalt- samen Angriff abzustehen und alle Details der förmlichen Be- lagerung durchzumachen, hauptsächlich der Beschaffenheit und Stellung der Palisadirungen bei, da bei der Tiefe der Gräben auf die Zerstörung durch Geschütz nicht viel zu rechnen war und bei der Unthunlichkeit des Abhauens so starker Palisaden am Ende nichts übrig blieb, als sie auszugraben.

Hiernächst aber muss besonders den Blockhäusern im be- deckten Wege der wesenthchste Antheil an der Verzögerung des Angriffs zuerkannt werden, da es nur der geschickten und sinnreichen Anwendung derselben zugeschrieben werden darf, wenn alle Versuche des Feindes, sich durch gewaltsamen An- griff in Besitz des bedeckten Weges zu setzen, scheiterten und derselbe genöthigt wurde, den langsamen förmlichen Weg des Euronnirens und Minirens einzuschlagen.

Camot selbst gedenkt in seinem Werke über Vertheidigung der Festungen (pag. 77) der Danziger Blockhäuser in diesem Sinne, indem er als ein auffallendes Beispiel unerwarteter Ver- zögerungen eines Angriffs anführt, dass ein einziges kleines

213

Blockhaus, die Wegnahme des bedeckten Weges um 15 Tage aufzuhalten, im stände gewesen ist.

Es kann übrigens nicht entgelien, dass die ganze Dauer der Belagerung noch um einige Wochen verlängert und viel- leicht selbst ein glücklicher Ausgang herbeigeführt worden wäre, wenn man die Verbindung der Festung mit Weichsel- münde, von wo aus ihr nur die nöthige Unterstützung an Mann- schaften und Streitmitteln zugehen konnte, frei zu erhalten vermocht hätte, und es knüpft sich hieran nochmals die schon oben berührte Frage, warum nicht rechtzeitig auf die Anlage einiger geschlossener Werke auf der Holminsel und am Schuten- damme Bedacht genommen worden, zumal von den zu Danzig ausgeführten Arbeiten die eine oder die andere, wie z. E. die ausgedehnte Palisadirung und Verpfählung des mit einem tiefen Wassergraben umgebenen Hauptwalles der Stadtbefestigung vielleicht ganz hätte unterlassen und die darauf verwendete Zeit und Kraft zu der so wichtigen Deckung der eben er- wähnten Verbindung benutzt werden können. Hierauf lässt sich zunächst erwidern, dass bei dem Beginn der Armirung mit Gewissheit nicht vorher zu sehen war, ob die Winterwitte- rung, die in der Regel dort sehr strenge ist, eine ununter- brochene Offenhaltung der Eisdecke der Wassergräben wirklich gestatten, ob ferner die Anstauung der Gräben unter allen Umständen gesichert bleiben und ob die Verstärkung der Be- satzung alsbald in dem Umfange eintreffen würde, um allen- falls einige der unternommenen Arbeiten zu gunsten der noch ausserhalb der Hauptbefestigung anzulegenden Werke unter- lassen zu können. Sodann tritt aber in Erwägung, dass die Sicherstellung des Haupttheiles der Festung, nämlich der Stadt- befestigung mit ihrem Retranchement, doch unstreitig vorzugs- weise ins Auge gefasst werden musste, dass aber, wie das Vorstehende erweiset, die Zeit bis zum Erscheinen des Feindes in der That nicht ausreichte, um alles, was hierzu nothwendig war, zu Stande zu bringen; dass namentlich die bombensicheren Baracken des Hagelsberges, die Blockhäuser links des Ravelins Hagel und im bedeckten Wege vor dem Holzraum, sowie mehrere der benannten, theils neu angelegten, theils neu reta- blirten Aussenwerke zu anfang Mai noch unvollendet oder

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sogar eben erst begonnen waren and mithin unter den Augen des Feindes und unter dessen Feuer, so weit als thunlich, noch zu beendigen blieben, woraus sich zugleich mit aller Wahr- scheinlichkeit ergeben dürfte, dass es wohl In der That an Zeit gebrach, um mit den durch die Gegenwart eines thätigen Feindes an sich schon sehr beschränkten Arbeitskräften auf noch aus- gedehntere Befestigungsanlagen, als für den dringendsten Bedarf der Armirung der Hauptwerke gerade erforderlich waren, ein- gehen zu können, wie dies auch schon weiter oben in Be- ziehung auf die projectirten vorgeschobenen Posten des Bischofs- und Hagelsberges erwähnt worden ist. 1

Wollte man daher aus dem Verluste des Holms und dos Schutendammes und aus den allerdings beklagenswerthen Folgen dieser unerwaiteten Begebenheiten Veranlassung nehmen, die Militairbehördon zu Danzig einer wesentlichen Unterlassung zu zeihen, so dürfte ein solcher Vorwurf bei unparteiischer Er- wägung aller Verhältnisse vor dem Urtheile eines gerechten und billigen Richters nicht bestehen, mindestens das im ganzen unleugbare Verdienst der Ingenieure, bei der Armirung von Danzig unter erschwerenden Umständen, etwas ausserordent- liches geleistet und hinsichtlich der Ausdauer und Umsicht in der Durchführung der ganzen umfassenden Massregel ein seltenes und nachahmungswerthes Beispiel aufgestellt zu haben, in keiner Art auflieben oder nur schmälern können. Für die angewandte Befestigungskunst, und zwar für einen ihrer wichtigsten Ab- schnitte, wird diese Armirung stets ein sehr lehrreiches Ereig- niss bleiben*).

*) Die nachfolgenden ßemerkungen sind geschrieben, bevor ich die Aeussernng Gneisenan's über die Vertheidigung Danzigs 1807 kannte. Wenn ich dieselbe auch ihrem ganzen Umfange nach nicht billigen kann und darin selbst eine gewisse Gereiztheit herauserkennen möchte, die durch irgend welche Umstände hervorgerufen sein mag, so bleibt das Urtheil eines solchen Mannes immerhin von Wichtigkeit, um hier übergangen zn werden. Er sagt in einem Schreiben vom 19. November 1829 an Stein (Pertz 6, 776): „Ein würdiges Grab für Hörn dürfte der Danziger Hagelsberg sein. Horn's Ver- theidigung desselben ist der einzige Glanzpunkt der Belagening dieser Stadt. Die Blockhäuser im gedeckten Wege ausgenommen, waren fast alle Ingenieur-Anordnungen entweder ganz ungenügend oder unzweckmässig oder überflüssig und die Auwendung der Truppen seitens Ks^lkreutb's ungeschickt

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Brese stellt sicli in diesen Bemerkungen ausschliesslich auf den Standpunkt des Ingenieurs vom Platz und seiner Gehilfen. Wenn er auch einen Augenblick die Militairbehördcn zu Danzig hineinzieht, so geht er doch sogleich wieder auf die Ingenieure zuräck, wo es sich darum handelt, sie von den Unterlassungs- sünden, die bei der Armirung begangen worden sind, freizu- sprechen, ja es hat fast den Anschein, als ob die Rechtfertigung derselben die Veranlassung zu seiner Arbeit über die Armi- rung von Danzig gewesen ist. Das ist nicht der Standpunkt, von dem aus die Dinge angesehen sein wollen. Die Leistungen der Ingenieure sind ja ausserordentlich gewesen, aber der Um- stand, dass der Holm bei der Ankunft des Guverneurs am 11. März, wo der Belagerer seine Einschliessung vollzog, gar nicht einmal besetzt war, deutet darauf hin, dass die all- gemeinen Verhältnisse, soweit sie über das Glacis der Stadt- befestigimg mit ihren Aussen werken hinausgingen, gar nicht in betracht gezogen worden sind^). Niemand hätte die Fran- zosen am 11. März verhindern können, sich des Holms zu be- mächtigen, und wenn die Untei-suchungs-Kommission nach dem

und matt. Er selbst hatte sich in 4en letzten 14 Tagen nicht mehr auf den Wällen des Hageis- nnd Bischofsberges sehen lassen, sondern war in dem gewölbten Thorweg des Stadtwalles geblieben, während Hörn auf dem Hagels- berg nicht von der Stelle wich. Der unglückliche Ausgang dieser Ver- theidjgung hat Hom*s Verdienstlichkeit hierbei nicht in ihr volles Licht treten lassen, ebensowenig wie das des Majors Bousmard, der. als Pullet's Bathgeber, vermuthlich diesem die Idee eingegeben hatte, Blockhäuser im gedeckten Wege anzulegen, da dieser Vorschlag in des letztem Werk „sur la defense des places fortes'' bereits enthalten war und hier zum ersten male, seitdem aber von den Franzosen öfters, ausgeführt wurde. Diese beiden Umstände, Horn's Vertheidigung des Hagelsberges und die beiden Blockhäuser als verständige Mittel dazu, haben die Ehre der Vertheidigung von Danzig gerettet, soweit dies möglich ist. Bis zur dritten Parallele kann ich als Augenzeuge davon sprechen.

*) Wie kleinlich erscheinen die Massregeln des Vertheidigers inbetreff des Verhältnisses von Weichselmünde zu Danzig in Vergleich mit dem Aus- spruch des Verfa-ssers der „Geschichte von Weichselmünde", dass in beiden Festungen eine nicht zu berechnende Masse von Kraft liege, die einzeln un- nütz sich aufzehrt, in gemeinsamer Wirkung aber Erfolge hervorbringen kann, welche unsere Zeit nicht kennt, vielleicht nicht einmal für möglich bält^ (Herausg^abe von Honig, S. 24.)

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Kriege das frühere Guvernement zu Danzig beschuldigte, es verabsäurot zu haben, durch fortifikatorische Anlagen auf der Nehrung die Vertheidigungsraittel zu ergänzen^), um wie viel mehr trifft dieser Vorwurf das Guvernement (General von Man- stein) inbetreif der Unterlassung von Befestigungsanlagen zur Verbindung der Stadt mit Weichselmiinde und auf dem Holm! Wenn die Initiative zu diesen Befestigungsanlagen auch zunächst dem Guverneur persönlich zukam, und ich betone dies aus- drücklich, weil der Platzingenieur mit den Details der forti- fikatorischen Armirung zu sehr in Anspruch genommen war, so gehört der letztere doch immerhin zum Guvernement und ist dessen erster Rathgeber. Er hatte ausserdem am 1. No- vember 1806 den Auftrag von demselben erhalten, nicht bloss Danzig, sondern auch Weichselmünde und Neufahrwasser in Vertheidigungszustand zu setzen^, und dazu gehört denn doch wohl die Sicherung der Verbindung mit denselben. Brese giebt uns eine Andeutung über die Ansichten, wie sie zur Zeit herrschend gewesen sein mögen, indem er sagt'), dass die Behauptung des Holms und der Nehrung keinen Bedenken unterlegen habe, weil diese Terrainabschnitte mit tiefen Ge- wässern umgeben gewesen seien!

Was von Armirungsarbeiten in Danzig zu unterlassen ge- wesen wäre, und ob nicht durch eine frühzeitige Beantragung eine Erhöhung des Dienststandes des Ingenieurpersonals und eine Ergänzung der sonstigen Mittel unter Darlegung des (hän- genden Bedürfnisses der erwähnten Befestigungsanlagen noch von Einfluss gewesen wären, lasse ich hier unerörtert. Die Schwächen des damaligen Guvernements sind ja nach allen Richtungen zu Tage getreten, wie es sogar erst dem Grafen Kaikreuth anheimgefallen ist, einen Antrag wegen Vermehrung der Pulver vorräthe zu stellen.

Es ist gewiss bezeichnend, dass der Ingenieur vom Platz über die Nothwendigkeit einer Ausdehnung der Befestigungen des Bischofs- und namentlich des Hagelsberges auf das Vor-

») Höpfner S. 403.

«) Brese. Archiv Band 11 S. 27,

») Ebenda S. 41,

217

terrain sich vollkommen klar war, aber, vom Stolzenberg ab- gesehen, mit Recht davon Abstand nahm, weil die Kräfte und Mittel dazu nicht vorhanden waren, dass aber von einer An- erkennung über die Nothwendigkeit der Ausdehnung der Be- festigung auf den Holm und den Sehutendamm, die weit wichtiger und unerlässlich war, sich kaum eine Spur vorfindet ^). Es beweist das zur genüge, dass daran gar nicht gedacht worden ist, und dass alles, was nachträglich darüber gesagt worden ist, nur Vertuschungen sind. Selbst die alten Schanzen des Holms waren nicht instand gesetzt worden.

Unter allen Umständen bietet die Armirung und die Be- lagerung von Danzig im Jahre 1807 den Kombinationen und der Belehrung ein so reiches Feld, wie kaum eine zweite

^) Der trancbeeartige, zusammenhängende Aufwurf längs der Weichsel und Laake kann als eine Befestigung des Holms nicht angesehen werden. Er war nur zur Beobachtung geeignet.

In dem „belagerten Danzig*^ heisst es zwar S. 14, dass zur Verbindung zwischen Weichselmünde und der Holmspit>ze eine Kedute zu 3 bis 400 Mann mit 4 bis 6 Kanonen in Arbeit genommen worden wäre, es aber bei der ge- ringen Population von Weichselmünde und Neufahrwasser an Menschenhänden gefehlt hätte, und es in diesen Orten selbst unendlich yiel zu thun gab, dass auch die unerwartet schnelle ZurÜckdräugung unserer Truppen von der Neh- rung die zweckmässige völlige Instandsetzung des Werks verhindert hätte. Diese Bemerkungen werden inbezug auf eine Stelle in den „Preussen in Danzig'^ S. 6 gemacht, wo es heisst „vernachlässigt aber war und blieb die (Befestigung) des Schutendamms, welche die Kommunikation zwischen Weichselmünde und Danzig erhalten hätte''. In einem anonymen Werke ist eine solche Bemerkung wie in dem „belagerten Danzig'' leicht hingeworfen, iu officiellen Kundgebungen findet sich darüber nichts. Brese führt in seiner Armirung (Archiv Bd. 11) alle Arbeiten ausführlich an und erwähnt selbst S. 59 die angefangene Befestigung auf der Jesuiterhöhe, aber mit keinem Wort eine angefangene Befestigung am Schutendamm, wozu er durch seine Bemerkung in „die Preussen in Danzig'^ und die Entgegnung Pullets im „belagerten Danzig'^ speciell Veranlassung gehabt hätte. Auch sagt er S. 23 des Archivs ausdrücklich, dass die alten Beduten, die sich früher zur Ver- bindung der Holmspitze mit Weichselmünde daselbst befunden hätten, ein- geebnet und mit Häusern bebaut gewesen wären, und S. 60 „dass, wenn nur 2 bis 3 der alten Schanzen des Holms als geschlossene Beduten mit starker Palisadirung hergestellt worden wären, . . . man die Mittel gewonnen haben würde, den feindUchen Angriff in der Nacht vom 6. und 7. Mai zurückzu- weisen". Danach muss man wohl den Beginn des im „belagerten Danzig" «rwälmten Werks stark in Zweifel i^ieh^n,

218

Unternelimung des modernen Belagerungskrieges. Ein grosses Interesse hat von jeher der Kampf um den bedeckten Weg erweckt. Er steht völlig einzig da. Wenn man in erster Linie auch dem Blockhause des eingehenden Waflfenplatzes den Preis zuerkennen muss, weil es im Verein mit der Palisadirung die Grundlage des Kampfes bildete, so haben doch auch alle Waffengattungen daran theilgenoramen, das Fussvolk durch kleine Ausfalle und durch das Feuergefecht, die Artillerie durch Zerstörung des Kuronnements , die Pioniere durch den Minen- krieg, die Ingenieure durch die Anordnung der Ausfälle etc.

Dass die Artillerie des Platzes in diesem Stadium der Ver- theidigung noch so Bedeutendes leisten konnte, fällt allerdings der fehlerhaften Verwendung der Artillerie des Angreifers zur Last. Wie schon in der ersten Periode des Angriffs*), hat sie auch hier die grössten Fehler begangen. Das Blockhaus konnte zerstört sein, bevor die Sappe aus der 3. Parallele hervorbrach, da der gedeckte Weg vor der rechten Face des Ravelins Hagel ins Feld schlug und rikoschettirt werden konnte. Auch die Flanken der Angriffsfront konnten mindestens durch Wurf- batterien unschädlich gemacht werden. Aber man zog es vor, diese zu einem erfolglosen Bombardement der Stadt zu ver- wenden. Man vernachlässigte selbst, Kontrebatterieu gegen die Flanken zu etabliren, so dass diese bis zum letzten Moment in Thätigkeit geblieben sind. Um die Kontrebatteiien gegen Ausfälle zu schützen, wären Trancheekavaliere erforderlich ge- wesen, um den gedeckten Weg zu beherrschen.

Das Verhalten des Grafen Kaikreuth ist nicht fehlerfrei. Dass er an dem Verlust der Nehrung und des Holms seineu Antheil hat, ist bereits ei'wähnt worden. Die Ueberlegenheit in der Stärke bei Beginn der Belagerung hat er nicht aus- genutzt. Die frühe Aufgebung der Jesuiterschanze ^ ist daher nicht gerechtfertigt und der Ausfall vom 26. März ist ohne Resultat verlaufen, weil über die Truppen schlecht dis-

») Vergl. oben S. 170 Note 2.

*) Die Schanze lag auf der Jesiüterhöhe , wurde vom Vertheidiger je- doch Judeuschanze genannt, wie 1813 die Battcrieq Friaul auf der Jesuit^r* böhe.

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ponirt war. Er hätte mindestens die Jesuiterschanze wieder einbringen müssen, die unter den Kanonen des Bischofsberges lag. Aber der ganze Ausfall gleicht mehr einer Allarmirung des Feindes, als einem AngrilF der feindlichen Kontravallation, was er allein doch nur bezwecken konnte.

Bei dem Entsatzversuch des Generals Kaminskoi am 15. Mai rechnete derselbe auf eine wirksame Unterstützung des Guver- neurs, Grafen Kaikreuth, während dieser, der am Gansknige bereit stand, auf den Erfolg Kaminskoi's wartete, um die Weichsel zu überschreiten, und, da er diesen Erfolg für un- möglich hielt, nichts that. Wie aus den Untersuchungsakten nach dem Kriege hervorgeht, wurde die Disposition zu dem Gefecht vom Guverneur so ausgelegt, dass der Ausfall ans Danzig die Weichsel überschreiten sollte, nachdem der Münder Wald genommen war *), während die Disposition des Generals Kaminskoi besagt, dass der Ausfall zu eben der Zeit nach dem Holm erfolgen soll, wenn er von Weichselmünde her angegriffen wird*). Bei so entgegengesetzten Ansichten verlief der Ent- satz ohne Resultat. Wenn das auch von vornherein abzusehen war, so bot der Versuch immerhin die Jetzte Möglichkeit des Entsatzes, und nur ein gleichzeitiges Einsetzen aller Kräfte hätte einen Erfolg geben können. Als Berthier in der ver- zweifelten Lage Bonaparte's vor der Schlacht von Abukir diesen hinsichtlich der Angriffs-Disposition fragte, welchen Truppen- theil er zur Reserve bestimmte, antwortete er: „Sie denken wohl, ich bin Moreau**.

Die Belagerung Danzigs von 1807 hat viel Gemeinsames mit der von 1734. Der Graf von Münnich wie der Marschall Lefeb vre begannen die Belagerungen unter gleichen Verhältnissen, in derselben Jahreszeit mit unzureichenden Kräften und ohne Artillerie. Sie sahen sich infolgedessen veranlasst, eine Kontra- vallation in grosser Nähe von der Festung aufzuwerfen, um deren Ausdehnung möglichst zu verkürzen. Sie wurde durch einzelne Reduton hergestellt, die 1734 durch Laufgräben ver- banden wurden. Die Aufmerksamkeit beider Feldherren war

») Höpfner S. 487. >) Ebenda S. 483,

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von vornherein auf die Nehrang gerichtet, and es gelang ihnen, sich in den Besitz derselben zu setzen, wodurch die Verbindung von WeichselmUnde mit der Stadt auf dem Landwege auf- gehoben wurde. Um dies auch auf dem Wasserwege zu er- reichen, setzten sie sich an der Bootmanslaake und auf dem linken Weichselufer fest und bemächtigten sich bald der Holm- insel. Von Seiten der Russen geschah dies nur zum Theil, weil die Holminsel im Jahre 1734 befestigt war, 1807 aber nicht. Daher gelang es den Russen auch nicht, sich der kleinen Ealkschanze zu bemächtigen, die ihnen im ganzen Verlauf der Belagerung viel zu schaffen machte. Die Operationen beider Belagerungen stimmen auch darin überein, dass beide Belagerer durch ein Bombardement auf die Stadt einzuwirken suchten. Mfinnich ist dazu gezwungen gewesen, weil er nicht geniigende Kräfte zum förmlichen Angiiff hatte, und als diese ende Mai vorhanden waren, Munitionsmangel eintrat. Erst Mitte Juni nach dem Eintreffen der russischen Flotte konnte er dazu schreiten, verlegte ihn aber nach Weichselmftnde, um die Flotte auszunutzen. Lefebvre verband dagegen das Bombardement mit dem förmlichen Angriff, aber zum grossen Nachtheil des letztern. Im übrigen ist das Bombardement in beiden Fällen ohne Einfluss auf die Gewinnung des Platzes gewesen.

Die beiden Belagerungen gleichen sich auch darin, dass beide Feldherren von ihren Herrschern angetrieben wurden, die Belagerung rasch zu Ende zu fähren. Während Mttnnich jedoch durch die unverständige Einwirkung von oben gelähmt wurde der Stuim auf den Hagelsberg war die Folge davon war die Einwirkung Napoleons eine fördernde. Sie zwang den Marschall Lefebvre^ zum förmlichen Angriff tiberzugehen und diesen mit grosser Energie zu führen. Die Einwirkung Napo- leon's zeigte sich auch darin sehr wirksam, dass er gegen den Entsatzversuch Kaminskoi's so viel Kräfte zur Verfügung de« Marschalls Lefebvre stellte, dass der Erfolg nicht zweifelhaft bleiben konnte. Auf der andern Seite erhielt Münnich die sehr wirksame Unterstützung der Flotte, die er auch sehr vortheil- haft zu verwerthen verstand.

Was die Vertheidigung betrifft, so ist im Grunde jeder Vergleich massig. Nur das Gemeinsame besteht, dass die

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Bfirgerschaft von Danzig die strenge Blockade and das Bom- bardement mit seinen entsetzlichen Leiden mit grosser Hingebang ertrug, und dass bei beiden Belagerungen der Entsatz von der See herkam und scheiterte. Aber was die Thätigkeit der Be- satzung anbetrifft, so fehlt jeder Anhaltspunkt eines Vergleichs, weil, wie ich oben näher ausgeführt habe, im Jahre 1734 ein Kommandant mit voller Machtbefugniss gar nicht existirte und die Besatzung, obgleich der Zahl nach stark genug, zu keiner Offensivoperation befähigt war.

V. Danzig als Freistaat 1807-1814.

Napoleon legte der Stadt nach der Besitznahme im Jahre 1807 eine Kontribution von 20 Millionen Franken auf und be- fahl die sofortige Wiederherstellung der Festungswerke auf Kosten der Stadt. Dafür erhob er sie im Tilsiter Frieden mit einem Gebiete von 2 Lieues im Umkreise zu einem Freistaate unter dem Schutze der Könige vomPreussen und Sachsen und unter Garantirung ihrer alten Verfassung. Es war das keines- wegs ein Akt des Wohlwollens gegen die Stadt, sondern nur eine andere Form der Unterthänigkeit unter Frankreich und schlimmer wie diese, da sie einen französischen Guverneur erhielt, der sich alles erlauben konnte. Als solcher war dem Marschall Lefebvre, der für seine Person 400000 Franken von der Stadt erpresst hatte, der General Rapp ') gefolgt. Hauptsächlich auf

^) Rapp, der so eng mit dem Schicksal der Stadt verknüpft ist, war zu dieser Zeit 35 Jahr alt, Divisionsgeneral und Adjutant des Kaisers, dem er sich, wie es scheint, unentbehrlich zu machen wusste. In der Schlacht war es Rapp, den der Kaiser von seinen Adjutanten vorzugsweise verwendete, wo irgend das Gefecht schwankte. Der Kaiser sagte dann, indem er auf die Gegend hinwies, wo er seine Gegenwart wfinschte, ganz einfach: „Rapp, voir nn peu" oder nach beendigter Schlacht: „Rapp, poursuis-les un peu.'' Rapp war der einzige von den Adjutanten Napoleon^s, der in den Toilerien wohnte. Napoleon hat wiederholentlich zu seiner Umgebung geäussert, dass es schwer sei, mehr gesunden Menschenverstand und Klugheit zu besitzen als Rapp. Unerschrocken in der Gefahr, verwegen auf dem Schlachtfelde und von unbeugsamer Energie, hatte er auch die Gabe, sich bei den Soldaten populär zu machen. Er verstand es, auf ihren Geist zu wirken. Daneben

^2ä

dessen Betrieb und im Verein mit Soult, der noch in Elbing stand, geschah es, dass der Tilsiter Traktat auf die willkür- lichste Weise gedeutet wurde, indem die zwei Lieues bei der Grenzregulirung zu zwei deutschen Meilen erweitert wurden, was im Elbinger Vertrage vom 6. December 1807 vom preussi- schen Generalkommissarius auch unterschrieben worden ist. Die preussische Regierung protestirte allerdings dagegen, doch musste sie schliesslich nachgeben. Danzig musste für diese Gebietserweiterung 4 Millionen Franken zahlen, ßapp bedang sich dabei noch eine Million für sich aus, legte der Stadt aber Stillschweigen darüber auf, und da dies ohne Mitwissenschaft des französischen Intendanten Chopin nicht gut durchzuführen war, musste dieser mit 200000 Franks von der Stadt mundtodt gemacht werden^). Die Einführung der alten Verfassung von 4 Burgermeistern, 12 Schoppen und den Hundert-Männern war natürlich bedeutungslos geworden, da der französische Guverneur der eigentliche Gewaltige war. Auf seine Veranlassung wurde

war er ein grosser Finanzmann, wo es auf seinen Säckel ankam. Sein Cha- rakter war ohne Tiefe. Er war leidenschaftlich nnd unbeständig, ein- schmeichelnd und abstossend, je nach seiner Laune, und der Gewaltherrschaft sehr ergeben. Dagegen war er selbst dem Kaiser gegenüber freimuthig. Seine Prachtliebe ist den Danzigem theuer zu stehen gekommen. Sie warfen ihm auch vor, sehr abhängig von seiner Umgebung gewesen zu sein. Nament- lich scheint der den Danzigem yerhasste General d' H^ricourt grossen Ein- fldss auf ihn gehabt zu haben.

Bapp ist 1773 von deutschen Eltern in Kolmar geboren. Seine Kennt- niss der deutschen Sprache hat Napoleon wohl vorzugsweise bestimmt, ihn zum Guverneur von Danzig zu ernennen. Ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt, bewog ihn seine Leidenschaft für den Soldatenstand, im Alter von 15 Jahren bei den Chausseurs zu Pferde einzutreten. Seine militairische Laufbahn war glänzend. . Den Feldzug in Egypten machte er als Adjutant des Generals Desaix mit und erwarb sich auf dem Schlachtfelde den Rang als Chef d^escadron. Noch während des Feldzugs wurde er Oberst. Nach dem Tode Desaix's in der Schlacht von Marengo machte Napoleon ihn zu seinem A^utanten und verwendete ihn 1802 auch als Diplomat in der Schweiz. Die Schlacht bei Austerlitz brachte ihm den Bang als Divisionskommandeur ein, der Feldzng von 1809 die Ernennung zum Grafen. Im Feldzuge von 1812, wo er sich wiederholentlich auszeichnete, erhielt er seine 22. Wunde. Er starb 1821 im Alter von 49 Jahren in hohen Stellungen bei Ludwig XVIII.

') Das Folgende ist aus Blech, Geschichte der 7jährigen Leiden Danzigs von 1807—1814, Danzig 1815, entnommen.

^u

am 24. Augast 1807 eine Zwangsanleibe ausgeschrieben, und als die Bürgei*scbaft die Zablung verweigerte, wurden die 24 reichsten Bürger verhaftet. Es wurden damit 3V» Millionen Fran- ken aufgebracht. Sie reichten bei weitem nicht aus. Im März

1808 wurde schon die fünfte, im Oktober die siebente Zwangs- anleihe aufgelegt. Beschwerden der Stadt und selbst eine Ge- sandschaft nach Paris und zum General-Intendanten Daru nach Berlin blieben ohne Erfolg. Die Schuldenlast der Stadt war Ende 1808 schon auf 30 Millionen Franken gestiegen. Im Jahre

1809 zur Theilnahme an dem Feldzug gegen Oesterreich abbe- rufen, legte Bapp der Stadt nahe, welchen vortheilhaften Ein- druck es auf den Kaiser machen niüsste, wenn er als Zeugniss für die gute Gesinnung der Stadt einen Ehrensäbel von ihr vorzeigen könnte. Die Stadt gab dafür 8000 Thaler aus und veranstaltete ein grosses Abschiedsfest. Er machte Hoffnung, dass er den Kaiser bestimmen werde, die Kriegskontribution zu ermässigen. Doch kam er 1810 ohne solche Erleichterung der Stadt zurück, drang ihr vielmehr den Ankauf der Pali- saden, die er als sein Eigen thum betrachtete, weit über ihren Werth mit 250000 Franken auf. Schon vorher hatte er die so- genannten königlichen Gebäude, die durch die Kapitulation an Frankreich gefallen waren, an die Stadt für 510000 Franken verkauft, was jedoch nicht hinderte, dass er sie fortbenutzte und bei der Armirung gegen Russland viele andere, darunter 36 Speicher, hinzunahm. Kaperbriefe, die er an zwei Franzosen ausgegeben hatte, brachten den Hafen von Danzig in Verruf. Doch eröffnete er sich auch hieraus eine Einnahmequelle, indem

1810 zahlreiche Schiffe, angeblich mit Ballast beladen, in der That aber mit Kolonial waaren, gegen eine Abgabe von 7V» Procent an den Guverneur, in den Hafen einlaufen durften. Das sehr bedeutende Einkommen, welches die Stadt von der grossen Mühle hatte, ging ihr verloren, weil die Mühle für die Besatzung in Beschlag genommen wurde. Alles das geschah in Friedenszeiten gegen alles Recht. Der drohende Ausbruch des Krieges mit Russland legte der Stadt noch ganz andere Lasten auf. Schon am 6. April 1811 erliess Napoleon den Be- fehl, dass die Stadt nicht nur auf ein Jahr die Verproviantirung für 16000 Mann und 1000 Pferde beschaffen, sondern auch die

fortlaufende Verpflegung der halben Garnison, die sich 1811 auf 23000 Mann steigerte, übernehmen solle. Eapp und ein französischer Kaufmann übernahmen die Lieferung und liqui- dirten allein für die Monate April, Mai und Juni 1811 425000 Franken. Die Stadt erklärte sich unfähig zu diesen Leistungen und überliess dem Guverneur, Zwangsmassregeln eintreten zu lassen. Aber die Mittheilung desselben, dass er unterm 11. April die Ermächtigung erhalten habe, den Belagerungszustand zu erklären und die demnächstige Arretirung von 4 Regierungsnüt- gliedern *) und Belegung der übrigen Mitglieder der Ordnungen mit Einquartirung ^), sowie die Drohung, die ganze Garnison zur Execution bei dei* Bürgerschaft einquartieren zu lassen, machten die Stadt gefügig.

Alle möglichen Steuern und Zwangsanleihen waren jedoch nicht imstande, die Summen zu bestreiten, die fällig wurden. Schon im Anfange des Jahres 1812 war die Stadt mit einer Million im Rückstande. Es kam so weit, dass die Kirchen ihrer goldenen und silbernen Gefässe beraubt und den Lehrern und Geistlichen das Gehalt verkürzt werden musste. Dazu traten nun die Durclimärsche nach Russland. Man veranschlagt die Truppenzahl, welche Danzig passirt hat, auf 80000 Mann, die verpflegt werden mussten. Napoleon bewilligte dafür monat- lich 500000 Franken, die jedoch bei weitem nicht ausreichten. Bei seiner Durchreise durch Danzig 1812 eiwiderte er der De- putation, die die Beschwerden der Stadt anbrachte: „Ich be- zahle Alles, das wird sich finden." Rapp nahm er mit sich^).

^) Das GnvernemeDt hatte 4 Begierlingsmitglieder, zwei Senatoreu, einen Schoppen und den Sprecher der 3. Ordnung direkt aufgefordert, einer Kommission beizutreten, die unter dem Vorsitz des Generals Bachelu berathen sollte, wie das geforderte Geld beizutreiben sei. Da sie sich weigerten, der Kommission beizutreten, weil sie sich nicht gegen ihre Mitbürger gebrauchen lassen wollten, wurden sie verhaftet und sollten nach Hamburg zum Mar- schall Davoust deportirt werden. Blech 1, 289.

') Jeder Senator erhielt 12, jeder Schöppe 8, jeder Hundertmann 4 Mann, denen täglich ein Frühstück, vollständiges Mittag- und Abendessen, eine Flasche Wein und Vt Thaler gegeben werden musste. Blech 1, 289.

') Napoleon hielt sich vom 7. bis 11. Juni in Danzig auf. Bapp folgte am 23. , erhielt aber unterwegs in Braunsberg den Befehl zurückzukehren, weU die Engländer mit einer Landung drohten. Auf weiteren Befehl reiste

Köhler, Geschichte der Festungen Danzig und Weichselmilnde. II. 16

£26

Danzig erhielt bei Ausbrach des Krieges von 1812 eine ausserordentliche Bedeutung. Schon der Feldzug von 1807 hatte die Wichtigkeit erkennen lassen, die Danzig durch seine Lage hat. Der Ausgang des Krieges hatte von seinem Besitz abge- hangen. Napoleon hatte daher, sobald sich die Verhältnisse mit Russland zu trüben begannen, i. J. 1811 den Befehl ertheilt, die Stadt in einer Weise zu befestigen, die ihrer günstigen Lage entsprach. Er emannte zu dem Zweck eine Kommission, be- stehend aus den Brigade-Generalen im Ingenieur-Korps Haxo und Chamberlhac und dem Ingenieur des Platzes, Oberst Bicke- mont^). Der Danziger Deputation gegenüber äusserte er sich: „Ich werde Ihre Stadt besetzt behalten, sie enthält die Mün- dung der Weichsel und bildet den Markt Polens^)". In diesen Eigenschaften hatte schon Gustav Adolf die Bedeutung Danzigs aufgefasst und seinen Besitz angestrebt. Mit einer zahlreichen Besatzung versehen, beherrscht Danzig die untere Weichsel und zwingt die angreifende Armee, sich in seinen Besitz zu setzen, bevor sie weitere Schritte thun kann. Für den Fall eines Bückzugs, wie desjenigen der Franzosen 1812, ist es mit seinen weitläuftigen Werken einschliesslich Weichselmünde und Neu- fahrwasser geeignet, eine ganze Armee aufzunehmen und dem Gegner Halt zu gebieten. Der Zustand der französischen Armee und die Jahreszeit haben das damals verhindert. Danzig bietet ausserdem einen vorzüglichen Depotplatz, da es als Handels- emporium und als volkreiche Stadt ^) viele Hilfsquellen bietet. Als solches hat es sich bei dem Vormarsch der französischen Armee 1812 vorzüglich bewährt*).

er dann am 3. August wieder zur grossen Armee nacb, drei Wochen später erschien eine englische Flotte von Kriegsschiffen auf der Danziger Bhede und bombardirte ohne Erfolg Weichselmünde.

') d'Artois. Relation de la defense de Danzig en 1813. Paris 1820.

«) Blech 1, 274.

") Danzig hatte 1813 30000 Einwohner. Ebenda. d'Artois giebt S. 3 irrthUmlich 40000 an. Die Zahl der Einwohner war seit 1807 bedeutend zurückgegangen.

*) Blech giebt uns 1,248 ff. ein lebensvolles Bild davon: „Das Gewühl in der Stadt wurde immer grösser. Viele tausend arbeitende Hände waren geschäftig, jeder Handwerker in voller Arbeit, jeder Arbeitsmann in voller Bewegung, die Strassen voll gehender und kommender belasteter Wagen ....

^-T

Der von der Kommission dem Kaiser vorgelegte Plan der Befestigung Danzigs wurde von ihm im ganzen Umfange ge- nehmigt. Die Stadt wurde durch dessen Ausführung zum be-

Wohin man sah, wurde gearbeitet. Das alte Zeughans in der WoUweber- gasse war eine grosse Gewerkstätte, hier hämmerten und pochten Tag und Nacht Schmiede, Zimmerleute und andere Holzarbeiter hauptsächlich Laffeten und andere Dinge, eben das geschah auf dem Wallplatz am Lege-Thor, wo grosse Schuppen zu Schmieden errichtet wurden, eben dies im Schiessgarten. Die zahllose Menge des gefertigten wurde dann auf dem freien Platze am Lege-Thor und im Schiessgarten aufgestellt Ansserdem, mussten noch die Schmiede eine Menge Spaten und andere Geräthe, die Zimmerleute Karren, Schaufeln u. s. w. liefern. Die Kirche von S. Oatharinen musste zu Stell- macherarbeiten eingeräumt werden. Sie wurde ganz aufgeräumt und zu einer Werkstätte für Schmiede eingerichtet. Bald bedeckte sich der Kirch- hof und die benachbarten Strassen mit einer unzähligen Menge von Trans- portwagen. Zu ihrem Vorgespann war eine Menge requirirter Ochsen be- stimmt, welche in eignen dazu erbauten Ställen im Kneipab gehalten und von einem ordentlich mit Officieren militairisch eingerichteten Korps von Ochsentreiberu bedient wurden. Diese holten dann von Zeit zu Zeit die

Wagen ab Wandte sich der Blick auf die Schiffs werfte, so war

auch hier alles in lebendiger Bewegung, um Pontons zu bauen. Auch an diesen Fahrzeugen wurden viele hundert gefertigt und zu jedem ein eigner Wagen I der das Boot und zugleich alles dazu nüthige, Dielen zu Brücken, Anker, Ruder, Schaufeln n. s. w., trug. So, sehr nett gearbeitet, wurden sie bis zam künftigen Gebrauch, besonders vor dem Lege-Thor, längst der Mottlau bis Klein-Bürgerwald auf ihren Wagen mit allem Zubehör aufge- stellt Indess arbeiteten stiller aber in grosser Menge manche andere Ge- werke. Der schöne Saal im russischen Hause, den wir im vorgehenden glanz- voU zu den Bällen hergerichtet sahen, war zu einer Kleiderfabrik umge- ändert; wo sich ehedem lustig die Füsse bewegten, arbeiteten jetzt emsig fleissige Hände. Der ganze Saal war mit Arbeitenden dieser Klasse besetzt ; eine Menge Meister schnitten zu und eine noch grossere Menge Gesellen and Barschen verfertigten Tag und Nacht alle Arten von Soldatenkleidem. Anf gleiche Weise waren alle Schuster, Sattler u. s. w. aufgeboten und für sie Plätze ansgemittelt, oder sie arbeiteten in ihren Wohnungen. Alles ver- fertigte wnrde in ein grosses Magazin abgeliefert, und dazu hatte sich die Dreifaltigkeits- oder Graumönchenkirche hingeben müssen; von hier aus wurden die allenthalben requirirten oder auch herbeigeführten Tücher, Zeuge u. 8. w., die in ungeheuren Massen dort lagen, abgeholt und hierhin 'das verfertigte wieder abgeliefert. Späterhin, als die Wagenarbeiten in S. Oa- tharinen ihr Ende erreicht hatten, wurde diese Kirche zu einem gleichen Magazin gebraucht. Noch auf einer andern Seite gerieth alles in emsige Thätigkeit £ine grosse Menge des requirirten Getreides wurde nach der grossen Mühle und den Mühlen ringsumher gefahren und von dort wieder

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deutendsten Waffenplatz des Nordens erhoben, aber diese Aus- flihrang erforderte eine ganze Reihe von Jahren. Obgleich

abgeholt, mehreres Mehl kam schon ans der Feme aus andern Vorräthen. Eine grosse Bäckerei mit 10 Oefen war am Sack, nnweit des englischen Dammes angelegt. Schon waren viele Feldbäcker verschrieben nnd Tag und Nacht worden hier Zwiebäcke verfertigt, die in Fässer verpackt, in mehreren Speichern für die Zuknnft aufbewahrt wurden, so welchem Zweck auch die Bötticher nicht genug Hände schaffen konnten, 60000 Fässer zu liefern. Neben der Bäckerei wurde i. J. 1812 noch eine Schlächterei eingerichtet. Endlich hatten die Maurer und alle Bauhandwerker unaufhörlich zu thun. Schon bestehende Gebäude wie die Kirchen und die Speicher mnssten zn Werkstätten, Verwahrungsplätzen n. s. w. eingerichtet werden; ganz neue Gebäude erhoben sich, z. B. jene Bäckerei, das Beduit auf dem Hagelsberge, das massive und einfach schöne Pulvermagazin auf dem Langgartener Wall, die mit vielem Aufwände von Kunst und Festigkeit errichtete Stückgiesserei im Stadthofe, wenigstens 6 Rossmühlen u. a. m. Doch gehörten zu diesen Zu- rüstungen noch mancherlei andere Dinge. Ausser der ungefragten Besitz- nahme von vielen Speichern und Kirchen und andern öffentlichen Grebäuden zum Gelass für die Bedürfnisse der Armee, gehört hierher die Ankunft von einer Menge Pulver, Geschütz, Geld u. s. w. Lange Reihen von Wagen, von Ck>lberg und Stettin kommend, .... zogen meistens über die Wälle, lun unter dieselben abgeladen zu werden; zu gleicher Zeit kam Ge- schütz an und wurde noch mehreres in Jachten und Oderkähnen verladen; hunderte von Wagen mit Ammunition kamen nnd gingen; eine unzählige Menge Geräthschaften aller Art langte an, ins Depot gelegt zu werden. Femer wurde eine Anzahl von Aerzten, Chirurgen, Apothekern für die blei- benden Hospitäler requirirt, indem alle bei der Armee befindlichen mit dieser wegziehen mnssten. Endlich gehörte zu diesen Zurüstungen die Requisition alles Getreides, hauptsächlich aber auch anderer für die Armee brauchbarer Dinge, wie gewöhnlich für einen selbst bestimmten niedrigen Preis, der auch nicht bezahlt wurde. Zehntausend Last Weizen und Roggen wurden zur Ablieferung an die kaiserlichen Magazine ohne weiteres abgefordert und da- bei nicht einmal die Vorstellung entgegengenommen, dass darunter sich vieles fremde nur hier niedergelegte Eigenthum befinde. Man nahm, was man fand, und rühmte sich dabei wunder wie gerecht man dabei verfahren habe. Damit aber ja nicht von diesen und mehreren nöthigen Waaren zu- viel versteckt wurde, mnssten die Speicher mit Wachen besetzt und alle Vor- räthe nachgesehen werden. Galt die Vorstellung der beraubten Kaufleute nicht, so galt die Vorstellung der Regierung ebensowenig, dass doch un- möglich alles genommen werden könne, dass doch ja auch die Einwohner der Stadt zu ihren Bedürfnissen etwas behalten müssten. Doch meinte mau, hier etwas thun zu müssen, und gab aOOLast frei; eine fast lächerliche Be- willigung, da bei dem jährlichen Bedarf der Stadt von ungefähr 6000 Lasten, sie so nur für 5 Wochen erhielt und dann aus den kaiserlichen Magazinen

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daher in den Jahren 1811 nnd 1812 fleissig gearbeitet^) und 7 bis 8 Millionen darauf verwendet worden waren, befand sich die Festung im Anfange des Jahres 1813, wo sie in Thätigkeit trat, noch in einem unförmlichen Zustande. Ein Theil der pro- jektirten Werke war noch gar nicht angefangen, andere noch nicht vollendet, die Ausbesserung der alten Befestigung war

kaufen soüte; eine freche Finanzoperation, worauf diese wie viele andere Unternehmungen hinausliefen. Ebenso wie dem Getreide, ging es später dem

Wein, Branntwein, Tabak u. s. w Die Depots von 48 Begimentem

wurden nach Danzig verlegt, d. h. die Unnützen, die Kranken, die Bekruteu hatten hier ihren Standort .... Dann wurde die Stadt verurtheilt, im Rücken der grossen Armee für dieselbe Lazarethe für ungeftthr 8000 Mann zu halten. Das gehörte zu dem Schrecklichsten, was hier gegen Becht und Eigentlium ausgeübt wurde. Zum Gelasse waren bestimmt und mussten be- stimmt werden das Kloster zu Oiiva, das ganze Gymnasiumsgebäude, das Lfcent, das Dominikanerkloster, das Jesuiterkloster zu Schottland, mehrere soge- nannte Ambulancen, und diese Gebäude mussten nicht allein eingerichtet, sondern mit aUen Utensilien, Bettgestellen, Betten und allem Geräthe versehen werden, welche beim Mangel aller Schonung oft verbraucht, immer von neuem au- geschafft werden mussten, wobei es an tausendfachen Unterschleifen nicht fehlte .... Im Mai 1812 erschien eine Aufforderung an das Publikum, an die Unglücklichen im Lazarethe Hemden, Laken, Mützen, Handtücher u. dgl. von ihrem Vorrathe aus Milde und Wohl thätigkeit zu liefern; aber nicht genug, dass eine solche Bitte im Grunde nur ein anders eingekleideter Befehl war: sondern in demselben Augenblicke ernannte das Guvemement 245 Per- sonen, die 4000 Hemden und ebensoviel Bettlaken u. dgl. innerhalb drei Tagen liefern sollten. Vergebens waren bei diesen und tausend andern For- derungen Weigerungen; sie konnten allenfalls ein paar Tage die Sache ver- zögern, bisweilen etwas mildem, aber sie aufheben nie''.

d^Artois, der die Leistungsf ähigkeit Danzigs als Depot aus eigner Erfah- rung kannte, sagt darüber S. 3: „Cette ville eu effet, qui comptait plus de 40000 ämes (?), est le d§p6t de presque toutes les denr6es de la Pologne : eile offre, par les seuls secours de sa population, de sa Industrie et de son commerce ma- ritime, des ressources immenses en tout genre pon une arm^e nombreuse. On peut facilement y faire confectionner tout se qui est n^cessaire ä Tarme- ment, ä Thabillement et ä T^quipement des troupes. Ses vastes approvi- sionnements de bois et ses chantiers de construction permettent de se pro- corer promptement des transports, des barques, des canonni^res, des ^quipages de pont. Ses arsenanx et ses magazins, augment^s et approvi8ionn6s par les soins du gouvemement fran^is, 6taient remplis de munitions de guerre et d'ane artillerie formidable de si^e et de campagne.

') Nach Blech 1, 247 waren 8000 Arbeiter ans den preussischen Ge- bieten dabei beschäftigt

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noch gar nicht in Angriff genommen worden*). Der Platz hätte einem gewaltsamen Angriff nicht widerstehen können. Da aber die Russen bei ihrer Ankunft vor der Stadt im Januar 1813, wo auch der Zustand der Besatzung, die zugefrorenen Gräben und die eisbedeckte Inundation zu einem gewaltsamen Angriff aufgefordert hätten , davon abstanden , so gewann die Befestigung nach einigen Monaten durch unerhörte Anstrengung des Ingenieurkorps und der Besatzung eine Stärke, die nicht bloss einem gewaltsamen, sondern auch einem förmlichen An- griff gewachsen war.

Die Befestigung von Danzig und Weichselmünde hat da- mals die Gestalt angenommen, die sie noch Jahrzehnte be- halten hat.

A. Die Befestigungsbauten der Jahre 1811 und 1812.

Die in den Jahren 1811 und 1812 in Danzig ausgeführten Arbeiten an der Befestigung haben sich vorherrschend mit der Verstärkung des Bischofs- und Hagelsberges und mit dem Neu- bau der Befestigung der Holminsel befasst. Die alte Befesti- gung des Bischofsberges, wie sie aus dem 17. Jahrhundert überkommen war, bestand aus einer Anhäufung von Werken in- und nebeneinander, die eine gegenseitige Vertheidigung nur in einem beschränkten Masse zuliessen und wiegen geringem Relief und unbedeutenden Gräben nicht gegen einen gewaltsamen An- griff schützten, da sie nur in Erde ausgeführt waren. Bei der Belagerung von 1807 waren sie nur durch die Blockhäuser in den eingehenden Winkeln des gedeckten Weges und durch eine starke Palisadirung sturmfrei hergestellt worden. Es war hier eine ganz neue Anordnung der Werke erforderlich, indem mehrere Theile ausgeschieden, andere hinzugefügt und dem Terrain an- gepasst werden mussten. Man erreichte das durch Erweiterung des Ravelins Mittel - Scharf euort und durch Hereinziehung des Stolzenberges in die Befestigung durch Erbauung der Lünette

») d'Artois S. 29.

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Cafarelli (jetzt Knesebek) auf diesem Berge. Die Beherr- schung des Stolzenbcrger Grundes wurde durch Anlage der Lünette Leclerc (Htinerbein) sichergestellt. Ein äusserer ge- deckter Weg sicherte die Verbindung der Limetten mit der Hauptenceinte des Berges, der ausserdem auf der rechten Seite isolirt und durch Erweiterung der alten Schwedenschanze mit einem Reduit versehen wurde. Das letztere Werk wurde mit Gräben und einem gedeckten Wege versehen.

Der Hagelsberg erhielt durch Erbauung eines gemauerten Reduits von mehreren Stockwerken und einer bombensicheren Eindeckung eine wesentliche Verstärkung. Das Gebäude wurde durch eine bedeckte Kommunikation mit dem Hauptgraben der Stadtbefestigung verbunden und durch Retrancheraents zur Seite derselben abgeschlossen. Vor der Spitze des -linken Halbbas- tions wurde eine Lünette, Senarmont (Borstell), angelegt und das Ravelin Hagel mit Holz revetirt. Alle diese Werke waren zu Anfang des Jahres 1813 noch unvollendet. Dies gilt auch von der Befestigung der Holm ins el, die im grossartigsten Style angelegt wurde. Der Entwurf dazu macht den französischen Ingenieuren alle Ehre. Während die bisherigen Versuche, die Insel zu befestigen, sich auf die Umfassung derselben be- schränkten, erkannte die französische Kommission die Nothwen- digkeit, die Insel mit der Stadtbefestigung sowohl als mit Weichselmünde in die engste Beziehung zu setzen. Es wurden daher an der Weichsel zu beiden Seiten der Abzweigung der Laake Brückenköpfe erbaut und dem linken, auf der Holminsel gelegenen, eine Ausdehnung gegeben, dass er zu einem ver- schanzten Lager dienen konnte. Dasselbe wurde von mehreren grossen Lünetten umschlossen, die sich links an die Weichsel und rechts au die Laake lehnten^). Ein Reduit in Gestalt eines Kronwerks diente als zweiter Brückenkopf*). Die Ver-

^) Die Lünette des zur Nehrung führenden Brückenkopfs rechts der Laake erhielt den Namen Yalongue (heut Dohna); die sich auf dem linken Ufer der Laake anschliessende Lünette hiess Tholoz6 (heut Oppen); die übrigen der Beihenfolge nach hiessen Thenlli^ (Hake), Sorbier (Thümen), (vorbineau (Wobeser) und Meunier (Hirschfeld). Zwischen den Lünetten Sor- bier und Meunier war das come du Holm eingeschoben.

') Gegenwärtig Prinz von Hessen Homburg genannt.

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bindung mit Weichselmünde wurde durch das Fort Napoleon (jetzt Kronprinz) gesichert, das in Gestalt einer viereckigen bastionirten Redute zu beiden Seiten der Laake in der Nähe der Ausmfindung derselben in die Weichsel, also an der Stelle erbaut wurde, die bereits vom General Perceval 1649 für ein grösseres Werk ausersehen war. Der auf dem rechten Ufer der Laake gelegene Theil bildet einen Brückenkopf zur Neh- rung und hat eine selbständige dreieckige Form '). Eine dop- pelte Kaponiere verband das Fort vorwärts mit Weichselmünde und rückwärts mit dem verschanzten Lager. Erstere wurde durch die Redute d'Hautpoul (jetzt Hamberger), letztere durch die Redute St. Hilaire (jetzt Laurens ) geschützt. Der grösste Theil dieser Werke war zu Anfang des Jahres 1813 noch ohne gedeckten Weg, ohne Verbindungen und ohne ge- deckte ünterkunftsräume, sowie ohne Pulvermagazine.

Um sich eine Verbindung mit dem Werder offen zu halten, wurde die zum Schutz der Rückforter Schleuse vorhandene Schanze zu einem Fort erweitert, das den Namen Lacoste (jetzt Kaikreuth) erhielt. Es war 1813 bis auf die ünter- kunftsräume beendet. Die Vorstadt Kneipab wurde mit einer Umfassung versehen, welche die Gestalt eines Kronwerks er- hielt, das mit einem Ravelin und zu beiden Seiten mit Lünetten versehen werden sollte. Doch nur die rechte Lünette war anfang 1813 nahezu beendet, das Ravelin und die linke Lünette noch nicht angefangen. Das Kronwerk erhielt den Namen Desaix (heut Prinz Karl von Mecklenburg) *). Die Ausführung der Arbeiten in den Jahren 1811 und 1812 leitete der Ingenieur vom Platz, Oberst Richemont*).

*) Der auf dem linken Ufer der Laake gelegene Theil existirt heut nicht mehr.

») Das Vorstehende nach d'Artois S. 29 If.

') Der General Campredon, Chef des Ingeuieurkorps von Danzig 1813, sagt von ihm in seinem „Rapport sur Jes travaux du Gönie" vom 3. Decem- ber 1813: Ms. le colonel de Richemont, directeur des fortifications, a d^ve- lopp6 des talcns tres distingu6s, des qualit^s pr^cieuses, et nn z^Ie infatigable, qui lui ont concili^ Testime et Tattachement de tonte la garnison- Charge,

233

B. Zustand der Werke am Ende des Jahres 1812.

Der Divisions- General und Kommandeur des Ingenieur- koi*ps in Danzig 1813, Campredon, lässt sich in seinem Rapport über die Arbeiten des Ingenieurkorps während der Vertheidi- gung der Stadt 1813 über die Beschaffenheit der Werke, wie er sie bei seiner Ankunft in Danzig mitte Januar vorfand, *) wie folgt aus:

„Der Theil der Umfassung der Stadtbefestigung, welcher den Bergen zugewendet ist (die sogenannte hohe Front), war in ziemlich gutem Zustande, aber der Rest des Umzuges, soweit er von der Inundation und der Weichsel umgeben war, befand sich in einem äusserst schwachen Zustande. Die Brustwehren und Faussebraien innerhalb dieser Ausdehnung waren formlos und leicht zugänglich, hatten nur eine einzige Reihe alter Pali- saden, die an vielen Orten schadhaft waren und das alleinige Hinderniss gegen einen gewaltsamen Angriff bildeten, da die Gräben gefroren waren und ein gedeckter Weg auf diesen 14 Fronten nicht vorhanden war. Von den Redans in den einge- henden Waffenplätzen waren kaum noch Spuren erkennbar, die bei einem hohen Stande der Inundation gänzlich verschwanden. Das Fort Desaix, welches das Langgartenthor deckt, war in brauchbarem Stande, obgleich das Ravelin noch fehlte. Der grosse und kleine Brttckenkopf auf der Hol min sei war ziemlich weit vorgeschritten, bedurfte aber noch bedeutender Arbeiten zur Herstellung gedeckter Räume und Pulvermagazine, von denen noch kein einziges vorhanden war. Von den 7 vorge- schobeneu Lflnetten des grossen Brückenkopfs waren 3 ziemlich beendet, die andern zum Theil nur tracirt.

Das gemauerte Reduit des Hagelsberges war ziemlich

k Dantzig, de la direction des travaux du genie depuis plus de trois ans, on peut dire, quMl est en quelqne sorte le cr^ateur des ouvrages, qui ont port6 üb un si haut degr6 la force de cette place, laqueUe se trouvait hon d*6tat de defense au commencement du blocus, ces ouvrages n^ayaut pu encore §tre achev^s.

^) Auriol; defense de Dantzig eu 1813. Journal du siege, Journal per- sonnel du g^n^ral de division de Campredon commandant le g^nie du X. Corps. Paris 1886. 8. 273 ff.

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fertig, dagegen das Ravclin (Hagel) noch sehr zurück. Der gedeckte Weg, die Blockhäuser und die gedeckten Verbindun- gen mit den Aussenwerken waren noch sehr unvollkommen, so dass das Fort gegen einen Handstreich nicht gesichert war.

Die Front des Olivaer Thors war äusserst schwach, namentlich befanden sich die Brustwehren und der gedeckte Weg in sehr schlechter Beschaffenheit. Dasselbe war der Fall mit der Front am Neugartener Thor, welche den Bischofs- berg mit dem Hagelsberg verbindet. Hier trat noch die schlechte Disposition der Werke hinzu, so dass man wegen eines gewalt- samen Angriffs sehr besorgt sein musste.

Die Wälle des Bischofsberges hatten im allgemeinen bereits die projektirte Form erhalten, aber die Palisadirungen waren noch sehr unvollständig, fast alle Blockhäuser des ge- deckten Weges und die Kommunikationen nach den Aussen- werken fehlten noch ; der gedeckte Weg war noch sehr unvoll- kommen und der äussere gedeckte Weg kaum begonnen. Das ganze Vorterrain war mit Häusern angefüllt, unter denen sich einzelne bedeutende Gebäude befanden. Man konnte das Fort kaum gegen einen gewaltsamen Angriff gesichert erachten.

Die Festung Wcichselmünde und ihre bedeutenden Neben- werke (das Fort Montebello, das Retranchement von Neufahr- wasser und der Westerplatte) waren bisher gänzlich vernach- lässigt worden. Die ganze Anlage war im äussersten Grade schwach. Mit Ausnahme des Fort carre, welches dem Ganzen als Reduit dient, war alles übrige einem Handstreich ausgesetzt.

Das Fort Napoleon und die Redute d'Hautpoul, die im Verein mit dem Holm die Verbindung mit Danzig schützten, waren noch nicht vollendet, es existirten noch keine bomben- sicheren Räume, sondern nur einige provisorische Baracken.

Das Fort Lacoste war ziemlich vorgeschritten, doch fehl- ten auch hier bombensicher eingedeckte Räume und Block- häuser.

Noch sei erwähnt, dass der sogenannte Holzraum, welcher in Verlängerung der Olivaer Front an der Weichsel lag, äusserst dürftig befestigt war, so dass man die Befestigung der Olivaer Front schon früher davon isolirt hatte, indem man vom Bastion am Rahm ein Retranchement nach dem Bastion Jakob geführt

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hatte, das hier in einer Lünette endigte*). Der gegenüberlie- gende, neugeschaffene Brückenkopf auf dem Holm diente durch die Flankirung der Olivaer Front, die er gestattete, wesentlich zur Verstärkung dieses Theils."

Von einer artilleristischen Armirung hatte bisher keine Rede sein können, da die Werke noch nicht vollendet waren.

Bisher hatte die ganze Arbeitskraft auf die Befestigung verwendet werden müssen. Wie in den Vorwerken befand sich auch im ganzen Platz kein bombensicher eingedeckter Raum. Kasernen waren nicht vorhanden. Zwar waren die alten Kloster- gebäude belegt worden, aber sie langten bei weitem nicht aus, so dass ein grosser Teil der Besatzung bei den Bürgern ein- quartiert war. Hospitäler waren nur in geringer Zahl vor- handen und schlecht eingerichtet. Die anderweitig zu diesem Zweck eingeräumten Gebäude hatten zu enge Räume. Die Ma- gazine waren grösstentheils geleert, da sie zur Verpflegung bei den Durchmärschen nach Russland ihre Vorräthe hatten her- geben müssen. Es wurden selbst Lebensmittel von Danzig der grossen Armee nachgeführt. Mehltransporte sind bis nach Moskau gegangen. Dasselbe gilt von der Munition, von der ebenfalls ganze Transporte zur Armee abgingen. Auch der Belagerungstrain für Riga war in Danzig ausgerüstet worden. Allerdings waren dafür Nachschübe aus den Oderfestungen er- folgt. Die Furage fehlte fast gänzlich. Getreide war zwar ausreichend, Hafer dagegen gar nicht vorhanden. An Fleisch trat bald Mangel ein. Schon 10 Tage nach Eintritt der Blockade, am 2. Februar, musste die Mundportion auf 4 Loth Fleisch und die Ration auf 4 Pfund Heu und ebensoviel Stroh herabgesetzt werden. Andere Lebensmittel, sowie Salz und Medikamente für die Lazarethe fehlten fast gänzlich.

^) Ausserdem wurde hart an der Weichsel die Lünette Tardiveüe (Zieten) vorgelegt.

I i—i 1^1 1^1 1

Die BelageroDg Danzigs im Jahre 1813.

1. Die Besatzung.

Als Besatzung hatte bisher die 33. Division, bestehend aus dem 5., 6. und 7. neapolitanischen Regiment, gedient, von denen jedoch die Elitekompagnien zum König Murat detachirt waren. Ausserdem waren zwei Bataillone der 30. Division vorhanden, sowie einige Sappeur- und Artillerie-Kompagnien*). Schon seit Ende December 1812 waren zahlreiche einzelne Mannschaften eingetroffen, die theils verwundet oder krank und mit erfrornen Gliedern behaftet waren. Es wurden daraus provisorische Re- gimenter gebildet, die nach Eintreffen der Trümmer der 34. Di- vision dieser zugetheilt wurden*).

Rapp hatte am 3. December 1812 in Smorgani von Napo- leon den Befehl erhalten, sich nach Wilna zu begeben, sich dort 4 Tage aufzuhalten und alles aufzubieten, die Armee zu sam- meln, und sich dann nach Danzig zu begeben, um die Funktion als Guvemeur zu tibernehmen*). Er langte am 18. December unerkannt mit erfromer Nase in Danzig an*). Die Wasser- gräben und die Inundation waren mehrere Fuss stark mit Eis bedeckt, der Schnee lagerte mannshoch in den Werken. Der Guvemeur gab zunächst kein Lebenszeichen von sich, nicht einmal eine Aufforderung an die Bewohner, sich mit Lebens- mitteln zu versehen, erfolgte. Erst am 31. December erklärte er die Festung in den Belagerungszustand und sich als den

») d'Artois S. 38.

^ Ebenda.

") Auriol S. 43. M^moires de Kapp.

*) Blech 1, 302.

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alleinigen Befehlshaber^). In einem Schreiben vom 4. Januar 1813 an den Majorgeneral meldet er*), dass er nur 3000 Mann im Dienst habe, da 4 Kompagnien zum Transport von Kriegs- gefangenen und eine Kompagnie nach Dirschau abkommandirt seien. Er bittet, dass er die 4 Bataillone der Brigade Gault von der 30. Division, deren Ankunft aus Deutschland bevor- stand, nicht nach Königsberg, wie befohlen, schicken, sondern zurückbehalten dürfe*). Am 13. Januar, wo es viel zu spät war, erliess Rapp an die Landbewohner den Befehl, ihr Vieh nach Danzig zu treiben*).

Napoleon hatte am 5. December 1812 in Smorgani die Armee verlassen und das Kommando derselben an den König von Neapel übergeben. Erst von diesem ging am 9. der Befehl an Macdonald, der mit dem 10. Korps noch vor Riga stand, ab, den Rückzug anzutreten. Murat hoffte sich mit diesem noch intakten Korps und mit Hilfe Schwarzenbergs hinter dem Memelfluss halten zu können. Die Kapitulation Yorks vereitelte

>) Ebenda 306.

«) Auriol S. 44.

*) Die 80. Divison, Heudelet, aus Ersatzmannschaften bestehend, war aus Deutschland nacli Danzig herangezogen, aber nach ihrem Eintreffen nach Königsberg dirigirt worden, wo sie dem 10. Korps (Macdonald) ziigetheilt wurde, das nach dem Abfall Yorks nur noch aus der 7. Division (Gran^jean) bestand. Sie nahm zur Aufnahme Macdonalds am 81. December in Wehlau Stellung (Auriol 13). Der General Gault, Kommandeur der 3. Brigade dieser Division, meldete unterm 20. December an Rapp, dass von den 6 Bataillonen seiner Brigade zwei von dem kommandirenden General des 11. Korps in Spandau zurückgehalten worden seien und die übrigen vier am 3. oder 4. Ja- nuar in Danzig eintreffen würden. Für seine Person hoffe er am 1. Januar daselbst zu sein. (Auriol 45.) Die Brigade Gault war demnach noch zurück. Wir finden den General erst am 16. Januar in Danzig, wo ihn Rapp mit vier Bataillonen nach der Nehrung entsendete, um die Russen daraus zu ver- treiben (d'Artois S. 15). Die beiden noch fehlenden Bataillone der Brigade sind unzweifelhaft diejenigen, welche am 20. Januar aus Spandau in Danzig eintrafen (Blech 2, 6). Zwei aus Magdeburg waren am 8. in Danzig einge- troffen. Die Zweifel bei Friccius sind damit erledigt. Siehe auch d'Artois S. 16, wonach der General Gault den beiden Bataillonen am 20. bis Koliebken entgegenging. Mit ihnen kamen die vier Kompagnien Neapolitaner zurück, welche Kriegsgefangene transportirt hatten.

♦) Blech 2, 13.

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das. Unaufhaltsam ging der Rückzug weiter. Auch die zu- gefrorene Weichsel setzte der Verfolgung der Russen keine Schranken. Am 12. Januar 1813 hatte Macdonald Elbing Jannar. räumen müssen. Er hatte den Befehl erhalten, sein Korps (ans der 7. und 30. Division bestehend), das zur Besetzung von Danzig bestimmt war, an Rapp abzugeben und für seine Person zum Hauptquartier zu stossen. Der Chef des Ingenieurkorps des 10. Armeekorps, Campredon, wurde zum Kommandeur der Ingenieure in Danzig bestimmt und traf am 12. daselbst ein *), wo er den General Haxo ablöste *). Am 13. wurde die Arrieregarde des 10. Armeekorps, vom General Bachelu geführt, bei Stüblau von den Russen angegriffen. Bachelu zog sich in der folgenden Nacht nach Rosenberg zurück, wo am 14. ein heftiges Gefecht stattfand '). In Danzig hörte man den Kanonen- donner und sah den Rauch des von den Kosacken in Brand geschossenen Dorfes. Die Einwohner hofften auf ihre Erlösung, sollten jedoch bitter enttäuscht werden.

Obgleich es dringend nothwendig gewesen wäre, Praust und einen Theil des Werders in Besitz zu behalten, um der Stadt Trinkwasser, Lebensmittel und Furage zuzuführen, sahen sich die Franzosen doch gezwungen, das Terrain nach und nach aufzugeben.

Am 16. traf die 34. Division in Danzig ein *), welche eben- falls zur Besatzung bestimmt war. Es waren nur Trümmer der Division Loison, später Marchand, die vom Brigadegeneral Franceschi geführt wurden. Am 21. besetzten die Russen Oliva, Mattern und Brentau. Damit war die vollständige Ein- schliessung hergestellt. Drei Kompagnien Artillerie, welche nur einen Tagemarsch hinter den am 20. angelangten beiden Ba- taillonen der Brigade Gault marschirten, mussten wieder nach Stettin umkehren ^). Die Unordnung in der Stadt war anfäng-

«) Auriol s. 50. «) Blech.

^ Näheres über dieses Gefecht im Beiheft des Mil. Wochenblatts zum Jahre 1887 S. 114.

*) V. Düring S. 7. *) d'Artois S. 16.

Kollier» Q^escMchte der Festungen Danzig und Weldiselmände. II. 16

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lieh grenzenlos, doch gelang es den Bemflhungen Rapp's, die

Zucht herzustellen. Am 20. Januar war alles in Ordnung ^). Die Besatzung von Danzig bestand jetzt aus der

7. Division, Grandjean. Brigade Bachelu: 13. baierischos, 1. westfälisches, 10. polnisches Regiment. Brigade Fürst Radziwil, 5. und 11. polnisches Regiment. In Summa 332 Offiziere 6613 Mann stark.

30. Division, Heudelet. Ersatztruppen von 18 verschiedenen Regimentern, die in 3 Brigaden, Breissan, Husson und Gault, getheilt waren. In Summa 360 Offiziere 9881 Mann. Die Division war mit 2 Brigaden nur bis Wehlau gekommen und hier in den allgemeinen Rückzug verwickelt worden, ohne ein Gefecht be- standen zu haben. Die 3. Brigade, Gault, erhielt am 16. Januar bei Neufehr die Feuertaufe.

33. Division, Detres (d' Estrees), bestand nur aus der Brigade

Graf Pepe mit dem 5., 6. und 7. neapolitanischen Regiment. Sie war 96 Offiziere 3033 Mann stark.

34. Division, Brigade -General Franceschi, unter ihm der

Generalmajor Devillier. Sie bestand aus den Regi- mentern Frankfurt und dem 4., 5. und 6. Rhein- bunds-Regiment ^). Dazu traten vier provisorische

^) Dttring S. 22. Der General Rapp giebt in seinen Memoiren S. 209 folgende Schilderung der Besatzung: La garnison se coraposait d'nn ramal confus de soldats de tontes armes et de toutes nations: il y ayait des Fran- gais, des AHemands, des Polonais, des Africains, des Espagnois, des Hoilandais, des Italiens. La plüpart, epuises, malades, s'^taient jetto k Dantsick faute de pouToir continuer leur route: ils s'titaient flatt^s d'y trouver qaelqne son- lagement; roais d^pourvn de medicaments, de viande, de l^imes, sans spi- rituaux, sans fonrages, j'etais oblige de renyoyer ceux qui n'^taient pas absolu- ment incapables d'^vacuer la place. N^anmoins il m'eu resta eucore plus de trente-cinq mille, qui ne foumissaient pas au delä, de huit a dix mille combattants: eucore ^taieut-ils presque tous des recrues qui n'avaient ni exp^rience ni discipliue. Cette circoutance k la y6rit6 m^inqui^tais peu; je connaissais nos soldats; je savais que, ponr bien faire, ils n'ont besoin quo de Fexemple; j^6tais r^solu de ne pas m'6pargner''.

') Das 4. Regiment war ans Mannschaften der sächsischen Herzog- thttmer, das 5. aus Lippe und Anhalt, das 6. ans Schwarzburg, Waldeck und Reuss zusammengesetzt.

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französische Inf anterie - Regimenter, alles in alleni 199 Offiziere 2316 Mann stark '), Die Reiterei, Generalmajor Cavaignac, war aus 2 provisorischen Dragoner-Regimentern, den Resten von 8 Dragoner- Regimentern und einem provisorischen Regiment, das Kürassiere, Chasseure, Husaren, Dragoner und pol- nische Ulanen enthielt, zusammengesetzt. In Summa 72 Offiziere 1730 Mann stark. Die Artillerie kommandirte der Brigade-General Lepin. Sie

war 99 Offiziere 2255 Mann stark. Das Genie betrug der Zahl nach: 159 Offiziere 941 Mann. Die Marinetruppen unter dem Contre-Admiral Dumanoir zählten 47 Offiziere 690 Mann. Mit Hinzurechnung einiger Administrationszweige betrug die Gesammtstärke 35934 Mann, wovon 5919 Mann zur Zeit (Januar) in Lazarethen lagen. Von den übrigen Truppen waren nur 9 bis 10000 dienstfähig.

Die Zahl der Geschütze betrug bei der üebergabe der- selben au die Russen noch 536 Stück.

Commandant superieur war der Brigade-General v. Bazan- court, ('hef des Generalstabs der Brigade -General d'Hericourt, Ingenieuroffizier vom Platz der Oberst Richemont^.

2. ftnellen.

Es ist eine auffallende Erscheinung, dass die so interessante Belagerung Danzigs im Jahre 1813 so wenig bekannt ist und in den Streitschriften der Gegenwart über den Festungskrieg so gut wie gar nicht erwähnt wird, obgleich sie über wichtige Punkte, die augenblicklich die militairische Welt beschäftigen, Aufschluss zu geben imstande ist. Das Studium der Belagerung

*) Die Division war erst im November 1812 unter Loisou aas Königs- berg ausgerückt und ist nicht ttber Wilna hinausgekommen, wo sie von den Trum mein der grossen Armee erreicht und mit fortgerissen wurde, so das's sie schon in Eowno von diesen nicht zu unterscheiden war. Daher die Schwäche der Division. Das 5. und 6. Regiment, welche in Kowuo zarttckgeblieben waren, deckten den weitern Rückzug, v. Dilring S. 3.

^ Die genauere Nachweisnng befindet sich im Anhange zu d'Artois und hieraus entnommen bei Auriol.

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ist allerdings ausserordentlich erschwert. Abgesehen von der langen Dauer, die Blockade eingerechnet von einem ganzen Jahr, die abstossend wirkt, sind es vorherrschend die Quellen, die vom Studium abhalten. Sie bilden an sich eine ganze Bi- bliothek, sind aber so zerstreut, dass sie selbst in grossen Mi- litair-Bibliotheken nicht vereinigt gefunden werden. Sodann hat sich in den Hauptschriften eine so erbitterte Polemik er- hoben, dass es einer eingehenden Kritik bedarf, um die weit auseinandergehenden Ansichten auf einen gesunden Boden zu- rückzuführen. Diese Kritik ist bisher ausgeblieben. In Nach- stehendem soll der Versuch gemacht werden, aus dem zahlreichen Quellenmaterial die Blockade und Belagerung möglichst getreu zur Darstellung zu bringen. Es ist zu diesem Zweck erforder- lich, zunächst eine Uebersicht über die Quellen zu gewinnen, da auch die scheinbar unbedeutendsten nicht zu entbehren sind. Das trotz der grossen Ereignisse auf den andern Kriegs- theatern der Belagerung von Danzig zugewendete Interesse der Zeitgenossen wurde zunächst durch eine kleine Schrift befrie- digt, welche auf Veranlassung einer Anzahl von Officieren der 30. Division (Heudelet) von einem Herrn v. M. herausge- geben wurde, der zwar nicht Augenzeuge gewesen war, wie das aper^u des Herzogs von Würtemberg S. 296 behauptet, aber, weil er der Feder gewachsen, von jenen Officieren ge- wählt und mit dem erforderlichen Material versehen worden war. Die Schrift erschien 1814 zu Paris unter dem Titel: Le si6ge de Dantzig en 1813 par M. de M******. Da sie keinen Plan hat und nur den Antheil der 30. Division schüdert, ist sie gegenwärtig fast verschollen, aber sehr mit Unrecht, weil sie im Anhange einen Anszug aus dem vom Chef des Generalstabs der Division geführten Tagebuch enthält, von dem nur zu be- dauern ist, dass es nur ein Auszug ist. Jedoch sind alle Ge- fechtstage der Division unverkürzt aufgenommen, wie sie seiner Zeit dem Guvernement eingereicht worden sind. Das Tage- buch ist frei von allen Phrasen zur Verherrlichung der grossen Armee, wie sie der französischen kriegsgeschichtlichen Litera- tur jener Zeit eigenthümlich sind, und in so präciser Fassung geschrieben, dass die Berichte als Muster dienen können. Sie sind durch ihre Zuverlässigkeit daher geeignet, zur Kritik der

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grösseren Werke, welche die Belagerung später dargestellt haben, zu dienen, und um so werthvoller, als diese Werke die Kritik in hohem Masse herausfordern. Es werden dadurch manche dunkle Punkte aufgeklärt.

Im folgenden Jahr kam das Werk eines Danziger Patrioten heraus, der die ganze Zeit der französischen Gewaltherrschaft erlebt hatte nnd sie beschreibt, wobei er auf das Jahr 1813 ganz besonderen Nachdruck gelegt hat. Es ist das bereits er- w^ähnte Werk des Diakonus an der Kirche von St. Marien und Professors der Geschichte am Danziger Gymnasium, Blech: Geschichte der siebenjährigen Leiden Danzigs von 1807—1814. 2 Theile. Danzig 1815. Er beschäftigt sich vorherrschend mit der Innern Geschichte der Stadt, giebt aber auch über die mi- litairischen Dinge vielfach Aufschlüsse und ist sehr zuverlässig.

Im Jahr 1817 erschien die „skizzirte Geschichte der russisch-preussischen Blockade und Belagerung von Danzig im Jahre 1813 nebst Vertheidigung dieses Platzes," ein stümperhaftes Werk, das nur dadurch Werth erhält, dass es in der 3. Abtheilung S. 100—146 einen Originalbericht aus dem herzoglichen Hauptquartier enthält, der sich durch grosse Ge- sichtspunkte und Motivirung des Ganges der Belagerung aus- zeichnet und auf den leitenden Ingenieur als Verfasser hin- weist *). Befremdend ist nur, dass in der Chronologie mehrfache Verstösse gerade bei Hauptaktionen vorkommen. Ausserdem ent- hält die skizzirtc Gescliichte einen Abriss der Militair-Laufbahn des Herzogs Alexander von Würtemberg und das Tagebuch des Majors Bauer vom 1. westfälischen Infanterie-Regiment, das besonders für das Gefecht vom 2. September von Wichtigkeit ist. Das Beiheft zum Militair -Wochenblatt von 1887 S. 112 ff. enthält auch Briefe des Majors Bauer an seinen Bruder aus dieser Zeit.

In demselben Jahr 1817 erschien ferner Plotho's Ge- schichte des Krieges in Deutschland und Frankreich in

*) Wie ich nachträglich aus den Akten des Kriegs-Archivs des grossen Generalstabs ersehe, enthält diese Abtheilung ganze Sätze aus dem Tage- buche der Ingenieur-Arbeiten des Obersten von Pullet mit einigen Zusätzen, die der Beachtung werth sind. Der Herausgeber der skizzirten Geschichte ist auch hier der Begierungsrath PliUnicke.

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den Jahren 1813 und 1814, welche im Anhange des 1. und 2. Bandes eine üebersicht der Blockade und Belagerung von Danzig giebt, die einige nicht unwichtige Details enthält, im übrigen aber ohne Werth ist.

Ebenfalls vom Jahr 1817 ist das Tagebuch über die Be- lagerung der Stadt Danzig vom Jahr 1813 von dem Schaum- burgisch -Lippischen Hauptmann von Düring. Der Verfasser war vermöge seiner Anstellung beim Generalstabe, wodurch er Gelegenheit hatte, die Berichte der Truppentheile einzusehen, so- wie als Augenzeuge vieler Gefechte in der Lage, zuverlässige Nachrichten zu geben, die er durch seine persönlichen Ver- bindungen vervollständigte. Er liefert daher eine durchaus selbständige Arbeit und ist durch Mittheilung der franzö- sischen Verluste, die er den Eingaben entnehmen konnte, von Wichtigkeit.

Alle diese Werke haben indessen einen mehr oder weniger beschränkten Gesichtskreis und geben von dem innern Zusammen- hange der Operationen keine richtige Vorstellung, dienen jedoch zur Kontrolle der grössern Werke. Es gehörte die Müsse der folgenden Friedeusjahre und die unbeschränkte Benutzung des urkundlichen Materials dazu, um Werke zu schaffen, welche den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen konnten, und diese werden durch d'Artois (Relation de la defense de Danzig en 1813. Paris 1820) und den Herzog Alexander v. Würtem- berg (Apercu des Operations des troupes alliees devant Danzig en 1813 par un officier russe, Frankfurt & Leipzig 1820), je- doch mit einiger Einschränkung geboten.

Der spätere Divisions-Kommandeur im Ingenieurkorps von Artois hat die Vcrtheidigung Danzigs als Ingenieurlieuteuant mitgemacht und war schon bei dem Ausbau der Werke seit 1811 thätig, so dass er vorzüglich geeignet war, die Geschichte ^er Vertheidigung Danzigs zu schreiben. Er hat dazu die Be- richte und Tagebücher des Generalstabes, der Artillerie und des Ingenieurkorps benutzt und hat auch werthvolle Mitthei- lungen aus der Privatkorrespondeuz ßapps erhalten. Sein Werk ist denn auch als Grundlage für die Geschichte der Blockade, Belagerung und Vcrtheidigung Danzigs zu betrachten und bildet eine Zierde der französischen Militairliteratur aus der Zeit Na-

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poleons I. Er hat jedoch auch die Fehler der Schriftsteller jener Zeit, namentlich die Tendenz der Verhenlichung der grossen Armee, er verschweigt manches und verringert die Ver- luste, welche ihm die Berichte der Truppentheile ergaben. Auch zeigt er wenig Beruf zur Darstellung taktischer Verhältnisse. Dazu tritt der Mangel an Eenntniss über die Stärke und die Operationen des Gegners, 4er ihn zu vielfachen Irrthtimern ver- leitet. Hierin wird er durch das Werk des russischen Officiers ergänzt, der wie bemerkt kein anderer ist als der Herzog Alexander von Wi'irtemberg, Kommandeur des Belagerungskorps, selbst. Selbstredend standen diesem alle Rapporte, Tagebücher und Korrespondenzen zu geböte. Aber man kann nicht sagen, dass er diese Quellen in vorurtheilsfreier Weise benutzt hätte. Der englische Bevollmächtigte im Hauptquartier des Herzogs, der Artillerieoberst Campbell, sagte von ihm im vertrautern Kreise, „dass er den Ton der Wahrheit, ohne erbittert zu werden, nicht hören könne," und das drückt sich in seinem Werke höchst charakteristisch aus. Das Werk des Herrn von Artois mag ihn bei dieser Gemüthsstimmung aufs äusserste gereizt haben, so dass er sich zu den grössteu Ungerechtigkeiten gegen diesen Schriftsteller hinreissen lässt. Manche seiner Ausstellungen sind jedoch begründet. Nicht minder ergeht sich der Herzog in einer Reihe von Bemängelungen der oberen Leitung der Ver- tlieidigung und hat kein Wort der Anerkennung für Rapp, sucht im Gegentheil dessen Leistungen bei jeder Gelegenheit herab- zuziehen *), die eignen dagegen hervorzuheben. In dieser Be- ziehung verfehlt er nicht, Aeusserungen der Literatur, wenn sie ihm günstig sind, anzubringen.

') Zn seinen ungerechtfertigten Behanptnngen gehört unter anderem, dass der Herzog erklärt, die französische Besatzung habe aus lauter kriegs- erfahrnen Mannschaften bestanden, die 20jährige Feldzüge hinter sich hatten, während er grösstentheils nur schlecht bewaffiiete Bauern zur Verfügung gehabt hätte. Wie wir gesehen haben, bestand nur die Division Grandjean aus Truppen, die bereits den Feldzng von 1812 mitgemacht hatten, aber auch aus Neufor- mationen gebildet war. Der übrige Theil der Besatzung bestand mit Aus- nahme von Versprengten, die sich in Danzig eingefunden hatten, aus unaus- gebiideten Ersatztruppen. Von einer Ueberlegcnheit in der Zahl, die der Herzog behauptet, kann gar keine Rede sein, da der grösste Theil der Be- satzung in den ersten Monaten im Lazareth lag oder sonst dienstunfähig

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Im übrigen ist das Werk des Herzogs von der grössten Wichtigkeit und geeignet, den üblen Eindruck seiner Polemik gegen den Gegner zu verwischen, da es ein genügendes Mate- rial liefert, ein selbständiges Urtheil über die Belagerung zu gewinnen. Auch seine Ungenauigkeiten und Lücken der Dar- stellung sind durch kritische Untersuchungen unter Heranzie- hung anderer Quellen zu berichtigen resp. auszufüllen. Was aber seine Leitung betrifft, so hat sich der Herzog seiner Aufgabe, den General Rapp unschädlich zu machen und die Belagerung zu einem günstigen Ende zu führen, durchaus gewachsen ge- zeigt ').

An russischen Quellen für die Belagerung ist ausser dem Werke des Herzogs noch ein auf Befehl des Chefs der Ingenieure von der Ingenieur- Abtheilung des Kriegsnünisteriums 1842 heraus- gegebenes Jurnal für das Ingenieurkorps vorhanden, das im Archiv für das preussische Artillerie- und Ingenieurkorps Band 20 S. 84 ff. in deutscher Uebersetzung abgedruckt ist. Es schliesst mit der Wegnahme der Schottenhäuser in der Nacht vom 10. zum 11. Oktober und giebt von der Belagerung nur noch die Eintheilung des Belagerungskorps für die Trancheen. Wesent- lich Neues ist darin nicht enthalten, auch ist es kein Jurnal, sondern eine Sammlung von Nachrichten, die sich zufällig dar- boten.

Von grossem Interesse sind dagegen die Briefe eines preussischen Landwehrofficiers aus der Zeit vom Ausgange des Waffenstillstandes bis zum Ende der Belagerung. Der Ver- fasser wird nicht genannt, gehörte aber einer der ersten Fa- milien Ostpreussens an und seheint nach einzelnen Andeutungen Adjutant beim Bataillon Hülsen*) gewesen zu sein. Die Briefe

war, 80 dass nur 7000 bis 8000 Mann verwendet werden kounteu. Wenn die Besatzung im Sommer bis auf 1500Ö und 16000 Dienstfähige stieg, so war das Belagcrungskorps bis dahin auf 40000 angewachsen.

*) Das Urtheil des englischen Bevollmächtigten über die Leitung der Operationen der Belagerung seitens des Herzogs ist im höchsten Grade par- teiisch, wenn er behauptet: „dass kein Platz besser vertheidigt und keiner schlechter angegriffen worden sei, als Danzig*^.

') Wie ich nachträglich aus einer Vorschlagsliste zu Auszeichnungen (Kriegs- Archiv des grossen Qeueralstabs F. 15) ersehe, war ein Herr von

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sind vom Generallieutenaiit z. D. von Wittich der Allgenieinen Militairzeitung tiberlassen worden und von dieser im Jahrgang 1880 S. 178 ff. veröffentlicht. Unter dem frischen Eindruck der Ereignisse geschrieben, bilden sie einen interessanten Bei- trag zur Kenntniss der allgemeinen Verhältnisse und einzelner Situationen.

Auch die französische Literatur über die Belagerung Danzigs 1813 ist nachträglich noch durch Werke von Augenzeugen be- reichert worden, zunächst durch ßapp selbst, indem dessen Familie im Jahre 1823 die „M6moires du general Bapp, aide-de- camp de Napoleon, ecrits par lui-meme" herausgab. Es ist ein merkwürdiger Irrthum, der sehr verbreitet ist, dass der General nicht der Verfasser sein kann, weil er keine Schulbildung gehabt habe. Doch auch das Leben ist eine Schule, namentlich wenn es sich unter Verhältnissen wie das seine bewegt hat. Ein anderer hätte sich unmöglich so in die Verhältnisse hinein- denken können, um ein ähnliches Werk zu schreiben. Dieses bezieht sich zwar auf die ganze Dienstzeit Rapps, behandelt das Jahr 1813 jedoch weitläuftiger, um, wie der General in der Vorrede bemerkt, die Namen der Tapferu, die unter seinem Ober- befehl gestanden, aber durch den Lauf der Verhältnisse von allen Belohnungen ausgeschlossen worden sind, der Nachwelt zu erhalten. Dieser Gesichtspunkt hat ihn überhaupt zu seinen Aufzeichnungen veranlasst. Man darf daher in dem Werk, das an sich nur eine Skizze vorstellt, keine neuen Aufschlüsse erwarten. Aber seine ganze Auffassung ist sehr anziehend. Auch geht er näher auf die Motive seiner Handlungen ein.

Im Jahre 1841 erschien eine Broschüre von P. Himly: „Ca- pitulation de Danzig, avec observations critiques par de Riche- mont," welche unter dem Verwände, Plotho zu berichtigen, die Leitung der Ingenieurarbeiten bei der Vertheidigung Danzigs 1813 für den Obersten von Richemont in Anspruch nimmt und den General von Campredon davon ausschliesst. Die Schrift hätte besser unterbleiben können. Die Verdienste Richemont's als Baudirektor in den Jahren 1811 und 1812 und bei der

Brederlow Adjudaut des betreffeudeu Landwehr-Bataillons. Aas den Briefen sind obige Aeusseruugeu des Obersten Campbell eutuommen.

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Vertlieidigung 1813 sind von keiner Seite bestritten worden, aber als Dirigent der Vertheidigungsarbeitcn wird er officiell nirgends genannt.

Von grossem Wertli sind dagegen die von Charles Auriol i. J. 1888 herausgegebenen Dokumente des Generallieutenants von Campredon *). Das Werk hat vor dem Artois' den Vorzug voraus, dass es ein wirkliches Tagebuch giebt, während Artois die Form einer fortlaufenden Erzählung gewählt hat und da- durch das Verständniss erschwert. Auch das aper^u des Her- zogs von Würtemberg hat die Form des Tagebuchs verschmäht, die für Darstellungen des Festungskrieges unerlässlich ist. Man kann sagen, dass eine befriedigende Darstellung der Blockade und Belagerung Danzigs erst durch die Schriften Campredons er- möglicht ist. Von grossem Interesse ist auch der Schlussbericht, den Campredon nach der Kapitulation über die Ingenieurarbeiten dem Kaiser einreichte, und den Auriol im Anhange mittheilt.

Ausser obigen Quellenschriften existiren noch eiuige Be- arbeitungen nach denselben, die sich jedoch auf eine Kritik der Thatsachen in betreff der abweichenden Berichte nicht ein- lassen oder doch einen sehr parteiischen Standpunkt einnehmen. Die österreichische militairische Zeitschrift bringt im 3. Bande des Jahrgangs 1825 eine Geschichte der Belagerung Danzigs 1813 vom Hauptmann Wohlgemuth, die jedoch nur das Werk von d' Artois und das apergu des Herzogs von Würtemberg be- nutzt und durchaus parteiisch für letzteren ist. Der General Auditeur Friccius widmet in seinem Werke „Geschichte der Be- festigungen und Belagerungen Danzigs mit besonderer Berück- sichtigung der ostproussischen Landwehr. Berlin 1854" der Be- lagerung von 1813 eine besondere Aufmerksamkeit, verwirft aber die Werke von d' Artois und dem Herzoge von Würtem- berg als Parteischriften und bemüht sich, aus den übrigen Quellen eine Schilderung der Belagerung zusammenzustellen, die von einem gänzlichen Mangel historischer Methode zeigt. Das Buch be- hält jedoch dadurch einigen Werth, dass er bestrebt gewesen

*) Defense de Dautzig en 1813, Jouraal de siege, Journal personnel et notes du gfen^ral de division de Campredon connnandant le genie du corps, leltres diverse?, auuot^s et publi^s par Charles Auriol Paris 188S.

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ist, Nacbricbten vou noch lebenden Augenzeugen einzuziehen und zu verwerthen *). Eine dritte Darstelhmg der Belagerung Danzigs 1813 hat Charles Auriol mit Bezug auf seine VeröfFent- licbung der Dokumente Campredons in der Eevue historique von 1889 gegeben, die jedoch ganz den französischen Standpunkt vertritt und von dem Werke des Herzogs von Wiirtemberg keine Notiz nimmt. Das apergu scheint überhaupt in Frankreich unbekannt geblieben zu sein.

Die Quellenwerke werden vervollständigt durch die werth- vollen Aktenstücke, welche das Kriegs-Archiv des grossen Ge- neralstabes enthält, die mir durch die Güte des Chefs des Ge- neralstabs der Armee, Herrn General der Kavallerie, Grafen von Schliefen, zur Einsicht vorgelegen haben, wofür ich an dieser Stelle meinen innigsten Dank ausspreche. Sie enthalten die Berichte des Obersten von Pullet, des Grafen Dohna, zum Theil auch des Herzogs von Würtemberg an den König Frie- drich Wilhelm III. die Tagebücher des Obersten von Pullet über die Ingenieur-Arbeiten und die des Majors Liebe, Komman- deurs der preussischen Artillerie, über die Operationen dieser Waffe, sowie das Tagebuch des Majors von Hake; ferner die Tagebücher der einzelnen preussischen Truppentheile, die an der Belagerung theilgenommen haben. Nebenher gehen einzelne Be- richte an das Militair-Guvernement des Landes von der Weichsel zur russischen Grenze in Königsberg, Privatbriefe des Grafen Dohna an den General-Adjutanten v. d. Knesebeck, die Briefjur-

*) Wie ich nachträglich aas den Akten des Kriegs-Archivs ersehe, hat Friccius das Tagebuch des M.ijors von Hake zur Grundlage seiner Geschichte der Belagerung Danzigs genommen. Auch was er sonst neues zu erzählen weiss, scheint er den Mittheilungen des Majors, spätem Obersten von Hake zu verdanken zu haben, da Keiner wie dieser mit den Innern Verhältnissen des Hauptquartiers vertraut war. Der Major von Hake war ursprünglich als Ersatz für den vom Herzog von Würtemberg ins Hauptquartier gezogenen 3Iajor von Liebhaber zum Grafen Dohna als Generalstabs-Officier kommau- dirt worden. Später wurde er für den Major von Liebhaber, der sich im Hauptquartier nicht heimisch fühlte, vom Herzog an dessen Stelle komman- dirt und erwarb sich des&en Vertrauen. Sein Tagebuch beschäftigt sich nur mit den preussischen Truppen, und da Friccius sich diese vorzugsweise zum Gegenstande genommen hat, war ihm das Tagebuch von grossem Werth, doch kann C9 nicht als Grundlage für die Geschichte der Belagerung dienen.

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naie des Hauptquartiers, soweit sie vom Major von Hake ge- führt worden sind, eine Korrespondenz desselben mit dem Grafen Dolina, Korrespondenzen des letztern mit dem Hauptquartier, nebst andern Mittheilungen untergeordneter Art. Bei diesem reichen Material war es nothweudig, sich bei Ausnutzung des- selben möglichst zu beschränken, um nicht zu Unförmlichkeiten in der Darstellung verleitet zu werden. Es kam darauf an, mit Hilfe dieses Materials den Thatbestand festzustellen, insoweit die widersprechenden Nachrichten der russischen und franzö- sischen Berichte dies erforderlich machten, und die Ver- schleierung des Thatsächlichen , wie sie sich auch bei sonst treuen Darstellungen militairischer Ereignisse einschleichen, auf- zudecken. Soviel dies durch Kandbemerkungen zu erreichen war, ist Gebrauch davon gemacht worden. Nur in einzelnen Fällen war es erforderlich, die preussischen Berichte als Grund- lage der Darstellung zu benutzen.

Pläne.

Das Werk von d'Artois ist mit einem vorzüglichen Plane im Massstabe von 6 cm = 1000 m (1 : 16655) versehen, der offenbar dem officielleu Plan abgenommen ist. Auriol giebt eine Reduction davon, hat jedoch Massstab und Nordlinie weg- gelassen. Der Plan des aperqu ist ganz unzureichend, in sehr kleinem Massstabe und ohne Sorgfalt ausgeführt, so dass Be- zeichnungen im Text nicht auf dem Plane und solche im Plane nicht im Text aufzufinden sind. Die skizzirte Geschichte giebt ihrem Charakter gemäss nur eine Planskizze, auf der jedoch die Angriffsarbeiten nach russischen Quellen ziemlich richtig eingetragen sind^). Der Plan der österreichischen Zeitschrift ist ganz brauchbar. Der Plan bei Friccius im Massstabe von 1 : 45000 ist zwar sehr schön, giebt aber nur die Eintragung des Blockadekorps und einiger Batterien. Die übrigen Werke sind ohne Pläne.

*) Die Planskizze stimmt mit derjeuigeu überein, welche der Major Liebe seinem Tagebuch beigefügt hat. Sorgf«ältiger sind die Skizzen, welche der Oberst von PuUct seinen Berichten an den König hinzugefügt hat imd die in dem diesseitigen Plane berücksichtigt sind.

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3. Die Blockade und Armirxmg Danzigs von ICitte Januar

bis 1. Mai 1813. Die Besatzung von Danzig befand sich nach der Ein- schliessung in der eigenthümlichen Lage, die Armirung der weitläuftigen Festungswerke ausführen zu müssen, die sonst der Eiuschliessung vorausgeht, also gleichzeitig im Innern des Platzes rastlos zu arbeiten und gegen aussen sich bereit zu halten, denselben gegen den Versuch eines gewaltsamen Angriffs, wozu die Beschaffenheit der Werke und die zugefrorenen Gewässer in hohem Grade aufforderten, zu schützen. Dabei war der dienstfähige Theil der Besatzung in völlig unzureichender Stärke und. von vornherein dem Mangel einer auskömmlichen Nahrung ausgesetzt. Es herrschte ausserdem eine Kälte von 18 bis 20 Grad, die anfang Februar auf 26 Grad stieg. Um sich die Möglichkeit offen zu halten, die Umgegend auszufuragiren, Hess der Guverneur die Vorstädte nicht niederbrennen, sondern dehnte sich im Gegentheil noch über dieselben hinaus aus, wo- durch seine Kräfte noch mehr zereplittert wurden. Er behielt Brösen, Saspe, Neu-Schottland, Striess, Langfuhr, Heiligenbrunn, Schidlitz, Stolzenberg, Schottland, Stadtgebiet und Ohra besetzt. Auf dem Werder wurden die dem Fort Lacoste zunächst gelegenen Häuser besetzt, ebenso die in der Inundation gelegenen Inseln. Auf der Nehrung behielt er Heubude und Neufehr inne und schob die Vorposten bis in die Nähe von Bohnsak vor. Es wurden tägliche Furagirungen im Werder und über die Vorposten hinaus nach Pitzkendorf und Schönfeld gemacht. Die Beute wurde zwar immer geringer, aber man hoffte auf die bessere Jahreszeit und behielt die Position besetzt.

Werfen wir einen Blick auf die Russen. Der Graf Platow hatte mit einem 6000 bis 7000 Mann starken Kosackenheere am 12. Januar bei Marienburg die Nogat überschritten und, wie wir gesehen haben, die Franzosen allmählich auf Danzig zurückgedrängt. Am 21. war die Eiuschliessung vollständig und die Besatzung von jeder Kommunikation nach aussen ab- geschnitten. Platow befand sich für seine Person noch am 24. vor Danzig und bemühte sich, da er mit den Kosacken nicht stürmen konnte, auf alle mögliche Weise, namentlich durch Proklamationen, auf den Senat der Stadt, dann auf die Polen

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und zuletzt auch auf die Deutschen einzuwirken, das Joch der jammervollen Franzosen, die nur noch Schattenbilder seien, abzuschütteln. Er bot den Ueberläufern Schätze an, doch alle diese Versuche, die auch später fortgesetzt wurden, blieben ohne Erfolg. Rapp verstand es, den Hieb zu pariren. Er Hess die Proklamationen, die ihm abgeliefert wurden, drucken und vertheilen und versprach jedem eine Belohnung, der ihm neue mitthcilte. Anfang Februar langte auch russisches Fussvolk an*), und das Kosackenkorps wurde aufgelöst, ein Theil dem Blockadekorps überwiesen, der andere Theil unter Czerniczew, Dörnberg und Tettenborn der Armee Wittgensteins zugetheilt, um die von ihm zur Blockade von Danzig abgegebenen Truppen zu ersetzen. Wittgenstein war nämlich am 14. Januar in Elbing eingetroffen und hatte hier den Befehl erhalten, das Blockadekorps zu formiren. Er bestimmte dazu das Armee- korps von Steinheil und den grössern Theil vom Korps von Berg, sowie einige Regimenter der andern Abtheilungen *). Da der General von Steinheil nach Fiuland, dessen Guverneur er war, zurückbeordert wurde, erhielt der Vertheidiger von Riga, Generallieutenant Löwis, das Kommando des Blockadekorps. Bei den geringen Kräften, über die er verfügte, konnte er sich nur auf eine Beobachtung von Danzig einlassen, auch scheint sein Auftrag darüber nicht hinausgegangen zu sein. Dagegen ist es unverständlich, warum Wittgenstein, der auf höhern Befehl bis zum 2. Februar unthätig in Elbing verweilte und dann in Stargardt bis zum 13. Februar anhalten musstc, nicht den Be-

*) Nach Dilring S. 26 zeigte sich russische Infanterie znerst am 3. Februar.

*) Nach dem aper^u S. IL hat Wittgenstein die 6., 21. and 25. In- fanterie-Division, zusammen noch nicht 9000 Mann, ferner 6 Eskdr. Husaren, 8 Eskdr. Dragoner, 4 Eskdr. Ulanen, 8 Regimenter Kosacken und Tataren, sowie 7 Kompagnien Feld- Artillerie, in Summa 18500 Mann an das ßlockade- korps abgegeben. Die Berechnung scheint jedoch nicht zutreffend, da das Jurnal die Stärke des Blockadekorps um die Mitte Februar, nachdem Ver- stärkungen von Pillau eingetroffen waren, auf nur 10902 Mann angiebt, eine Zahl, die als officiell zu betrachten ist. Die 0 Eskdrs. Husaren, 1 Regiment Kosacken und 2 Kompagnien Artillerie, welche inzwischen zur grossen Armee abmarschirt waren, kOnneu höchstens lOüO Manu stark gewesen sein.

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fehl erhielt, Danzig zu stttrmeii, da dessen Zustand im russischen Hauptquartier bekannt sein musste.

Der General Löwis nahm folgende Aufstellung ein. Der Generalmajor Wiljaminow besetzte mit seiner Reiterei *) die Linie Oliva, Brentau, Nenkau, Scliiddelkau und Kowal, wo sich die Truppen des Bergschen Armeekorps unter dem Generalmajor Alexejew anschlössen. Hinter der Reiterei stand das Fuss- volk, das in zwei Abtheilungen formirt war. Die linke Ab- theilung ^) hielt Gluckau, Byssowe, Mattern und Freudenthal, die rechte ^) unter dem Oberstlieutenant Kusmin die Ortschaften Kalpin, Ottomin und Nastimpol besetzt. Die zugehörige Ar- tillerie*) war auf den Flügeln vertheilt. Die Reserve unter Kommando des Generalmajors Tschernisch^) stand in Zuckau.

Von den Bergschen Truppen waren die Dörfer St. Albrecht und Praust unter dem Oberst Jachontow mit 2 Regimentern zu Fuss und einem Kosackenregiment ^) mit zwei Geschützen der reitenden Batterie Nr. 1 besetzt. Die Reiterei unter dem Obersten Lotschilin I besetzte die Linie Neuenhuben, Quaden- dorf ^). Auf der Nehrung befanden sich 2 Sotnien Kosacken in Bohnsak und ein Bataillon**) mit 2 Geschützen der reitenden Batterie Nr. 23 in Wordel.

Hinter der Reiterei im Werder befand sich wiederum das Fussvolk in 2 Abtheilungen, die erste ^) in Müggenhall, Schönau

^) Das Isnmsche Hasaren-, Perekopsche Tataren-Begiment und die Eo- sai-ken-Begimenter Grekow II und Sutscbilin.

*) Sie bestand aus dem B. und 4. kombinirten Infanterie-Regiment.

') Das 2. Jäger-, 1. See- und Petrowskiscbe Infanterie-Regiment.

*) Die leichte Batterie N. 26 und eine halbe reitende Batterie N. 3 auf dem linken, die leichte Batterie N. 40, 2 Geschütze der reitenden Batterie N. 5 und 4 der reitenden N. 24 auf dem rechten Flttgel.

') Sie bestand ans dem Kasanschen Dragoner -Regiment, dem Woro- newskischen Infanterie-Regiment und der schweren Batterie N. 21.

*) Das Jachontowsche Volontair- und 24. Jäger-Regiment, nebst dem Kosacken-Regiment Kutainikow.

^ Sie bestand aus dem Kosacken-Regiment Lotschilin, dem kurländischen Volontair- und einem Kalmücken-Regiment.

^ vom 5. kombinirten Jäger-Regiment.

") Aus dem 3. Jäger- und dem littauischen Infanterie -Regiment mit 4 Geschützen der schweren Batterie N. 5 bestehend.

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und Trutenau, die zweite *) in Hochzeit. Die Reserve^) unter dem Oberst Erkeln lag in den Dörfern Wozlaw, Eeichenherg, Weselinken, Klein- und Gross-Zünder.

Das Hauptquartier des Generals Löwis befand sich in Piaust, das des Generals Alexejew in Gross-Zünder, das des Generals Weljaminow ist nicht bekannt^).

Nachdem der General Rapp die Besatzung organisirt und die der Ordnung ganz entwöhnten Truppen einigermassen dis- ciplinirt hatte, musste es ihm darauf ankommen, sie an das Gefecht zu gewöhnen. Er bediente sich dazu zunächst der Division Grandjean, der einzigen, die im Feuer gewesen war, und von der er sich einen Erfolg versprechen konnte*). Er stellte dem General die Aufgabe, das vom Feinde besetzte Dorf Brentau zu rekognosciren. Wie wir gesehen haben, befand sich hier nur Reiterei. Es war sehr leicht, sie zurück- zuwerfen, aber d'Artois'^) entwirft davon ein förmliches Schlachtengemälde, obgleich er eingesteht, dass man es nur mit 300 bis 400 Baschkiren (es waren die Perekopschen Tataren) zu thun hatte, denen man 3 Gefangene abnahm. Eine Re- kognoscirung, die der General Husson an demselben Tage, den

*) Ans dem Tinginskischcn lufanterie-Regiinent bestehend.

*) Sie bestand ans dem 5. (?) Bataillon des 5. Jäger-Regiments, dem 2. Bataillon des 1. kombiuirten Jäger - Regiments nnd aus 2 Eskadrons des M {tauschen und Kasanschen Dragoner-Regiments mit 12 Geschützen der rei- tenden Batterie N. 23.

') Die vorstehende Dislokation befand sich in den nach der Kapitniation von Danzig mit Beschlag belegten Papieren der französischen Ingenieur- officiere und ist dem russischen Jurnal für das Ingen ienrkorps einverleibt worden. Archiv für die Officiere der ArtiHerie und des Ingenieurkorps Bd. 20 S. 84, 85. Einzelne Ungenauigkeiten mögen sich in der Zusammensetzung des Blockadekorps finden, im allgemeinen ist sie jedoch richtig und dadurch von Werth, dass russische Nachrichten aus dieser Zeit fehlen. Das russische Jurnal giebt bei Mittheilung derselben keinen Kommentar dazu, hält sie also für richtig.

*) Der General Rapp verband mit dem Ausfall noch die Absicht, den Russen, welche aussprengen Hessen, dass sie es auf einen gewaltsamen An- griff abgesehn hätten und zu dem Zweck im Werder eine grosse Anzahl Leitern auftreiben lie-sseu, zu zeigen, dass die Besatzung noch bei Kräften sei. M^moires de Rapp S. 216.

*) Relation S. 52.

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29. Januar, gegen Pitzkendorf, Miggau und Wonneberg aus- führte, traf nur auf Kosacken mit 2 Geschützen, die zurück- wichen*^).

Ernstliclier war ein Ausfall am 4. Februar. Augenschein- Februar, lieh wollte der Guverneur die Neapolitaner im Gefecht beob- achten, um zu sehen, was er an ihnen habe. Er gab dem General Detres den Auftrag, Striess wiederzunehmen, das von den Russen mit 2 Bataillonen besetzt worden war^. Detres ging um 9 Uhr morgens mit 4 Bataillonen 4 Eskadrons und 3 Geschützen aus Langfuhr gegen das Dorf vor, Hess den Oberst Farine mit der Reiterei in der Ebene Aufstellung nehmen und sendete den Oberst Degennaro mit einem Bataillon des 7. Regiments und 150 Voltigeuren des 6., nebst einer Eskadron des polnischen Ulanen -Regiments gegen Brentau vor. Die Russen zogen ihre Vorposten ein und gingen darauf zum An- griff über. Der Oberst Graf Dolon fiel mit den Isumschen Husaren und Perekopschen Tataren über die Tirailleure her, die sich zuweit vom Bataillon entfernt hatten und nieder- gemacht wurden. Der Major Lukwenew folgte mit einem Bataillon des 4. kombinirten Infanterie-Regiments. Obgleich der Oberst Farine zu Hilfe eilte und den Oberst Degennaro entsetzte, glaubte D6trfes, der anscheinend keine Fortschritte gegen Striess gemacht hatte, den Rückzug antreten zu müssen ^). Er wurde vom Major Bauer aufgenommen (Beiheft zum Militär- Wochenblatt 1887 8. 120). Das Dorf blieb von einem Bataillon Neapolitanern besetzt, das um 3 Uhr nachmittags von den Russen vertrieben wurde.

Das russische Jurnal schätzt den Verlust der Neapolitaner auf 400 Mann*).

>) Ebenda S. 53.

') Die Besetzung von Striess rassischerseits wird in den rassischen Be- richten nicht erwähnt. Nach dem „Apercu'' ist der General D^trös sogar aus Striess zumAngriff der Russen vorgebrochen. Das ist jedoch ein Irrthuni, denn das russische Belagernngs - Jurnal (Archiv S. 86) lässt ihn aus Lang- fahr ausfallen.

*) d'Artois 55.

«) Archiv S. 86. Nach Blech 2, 26 bestand der Verlust aus 100 Todten and 25 Gefangenen.

Köhler, Oeachicbte der Featungen Danzig und Weichselmiinde. il. 17

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Die Übrigen Vorposten-Kommandeure waren von dem Vor- haben der Neapolitaner benachrichtigt worden und hatten den Auftrag erhalten, den Gegner scharf zu beobachten. Sei es aus Missverständniss oder einem andern Grund, begnügte sich der Oberst von Heeringen, der mit rheinbündlerischen Truppen in Stolzenberg und Schidlitz stand, nicht damit, sondern ging auf Wonneberg vor, vertrieb hier die Kosacken, gelangte beim weitem Vorgehen jedoch in ein wenig übersichtliches Gelände und wurde von allen Seiten angefallen. Die überraschten Truppen hatten nicht die Zeit, Karr6 zu formiren und wurden entweder niedergemetzelt oder gefangen. Nur der Frankfurter Major Horadam, der sich durchschlug, entkam. Der Verlust betrug nach d' Artois 22 Offiziere 243 Mann ^).

Der Guverneur konnte das reiche Dorf Langfuhr nicht im Besitze der Russen lassen und unternahm am 6. einen wohl vorbereiteten Angriff darauf. Er bestimmte den General Grandjean mit 8 Bataillonen, 4 Geschützen und einigen Es- kadrons zum Angiiff des Dorfes, während der General Bachelu mit 4 Bataillonen und zwei Geschützen Pitzkendorf und der General Husson mit 2 Bataillonen 2 Geschützen Neu- Schottland angreifen sollte. Der General Cavaignac sollte mit der Reiterei über Schellmühl eine Umgehung ausführen*). Es hätte der Aufbietung so bedeutender Kräfte nicht bedurft. Die Russen hatten die Stellung von Langfuhr und Striess mit 500 Mann Fussvolk und 250 Reitern besetzt und räumten die Dörfer, die sie mit ihren geringen Kräften auf die Dauer doch nicht hätten behaupten können. Ein weiteres Vordringen der Franzosen über Striess hinaus wurde jedoch zurückgewiesen*). Mühlenhof blieb von den Russen besetzt, deren Vorposten sich bis Konradshamraer ausdehnten. Die Franzosen richteten Lang- ftihr zur Vertheidigung ein und krenelirten namentlich die am

^) Relation S. 56. Nach Blech 2, 26 betrug er 22 Officiere 340 Mann an Gefangenen und 60 Todte. Nach Düriug S. 27 war das Detachement überhaupt nur 256 Mann stark. Bauer giebt den Verlust auf 2ö0 Mann an.

») d 'Artois S. 56.

') Archiv S. 86. Von einem Angriff, den die Russen darauf noch gegen Langfuhr gemacht haben sollen, und der vom herbeieilenden General Husson zurückgewiesen wurde (d 'Artois 57), wissen die nissischen Berichte nichts.

diesseitigen Ausgange gelegenen beiden Häuser, um bei einem Angriff der Russen der in Aller Engeln stehenden Reserve Zeit zu geben, heranzukommen^).

Rapp stand von weitern Unternehmungen ab. Der Zustand der Besatzung war durch den um sich greifenden Typhus sehr bedenklich geworden. Im Januar waren täglich 50 Mann ge- storben, im Februar steigerte sich das infolge der ansteckenden Krankheit, der grossen Strapazen und der geringen Nahrung auf täglich 130 Mann. Die Zahl der Kranken betrug ende Februar 15000. Hauptsächlich litten die Nationalfranzosen und Neapolitaner, deren rege Phantasie sie schwieriger als die andern Nationen die Anstrenguugeu und die Beunruhigung Über die Zukunft ertragen liess^). Aber auch die nicht von der Krankheit angegriffenen Mannschaften schleppten sich aus Schwäche und Traurigkeit nur mühsam hin. Die Portion wurde Mitte Februar auf 4 Unzen frisches Fleisch auf 2 Tage und in der Zwischenzeit auf eine gleiche Menge Pökelfleisch ausser dem Brod herabgesetzt ^). Der Guverneur sann auf Mittel, den Major gen6ral von diesem Zustande zu benachrichtigen und entschloss sich schliesslich, ein kleines Schiff auszurüsten, das nach Stralsund, wo sich noch eine französische Besatzung be- fand, fahren sollte. Der Herzog von Ahremberg, Ordonnanz- Offizier des Kaisers, und der Hauptmann Chichowski vom 5. polnischen Infanterie - Regiment übernahmen es, die Botschaft auszurichten. Rapp bat namentlich Pökelfleisch, Salz und Medikamente auf dem Wasserwege, bevor die Engländer auf der Danziger Rhede erschienen, zu übersenden. Das Boot wurde jedoch 25 Lieues von Danzig entfernt von einem heftigen

') Campredon 64. Wie der Major Bauer unterm 7. März an seinen Bruder schreibt (Beiheft d. M. W. Bl. zu 1887 S. 121) habe er, der seit dem 3. März die Vorposten bei Langfuhr kommandirte, auf eigenen Antrieb die beiden Häuser zu Blockhäusern einrichten lassen.

*) Dissertation snr le typhus contagieux, qui a r6gn6 6pidemiquement ä Dantzick pendant le blocus et le si^ge de cette place en 1813, pr^nt^e ä la Facult^ de M6decine de Paris par J. B. Tort, docteur en M6decine, em- ploj6 & Dantzick. Paris 1817 p. 15. d'Artois S. 61.

*) d'Artois, Relation S. 63.

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Sturm erfasst und musste umkehren, um eine bessere Jahres- zeit abzuwarten *).

Inzwischen waren die Armirungsarbeiten seit Mitte Januar mit aller Kraft gefördert worden ^. Die Werke mussten vom Schnee befreit und das Eis der Gräben aufgehauen wei-den. Es lag darin eine ungeheure Arbeit, die bei 20 Grad Kälte ausge- führt werden musste. Mau stellte in dem Eise der Gräben eine Lttnette von 8 bis 10 Meter Breite her und thürrate die daraus gewonnenen Eisschollen diesseits derselben auf, um daraus einen unübersteiglichen Wall zu bilden. Bei der grossen Kälte bildete sich aber immer von neuem eine Eisdecke, trotzdem fort- während Kähne das Wasser in Bewegung setzten. Schwieriger noch war die Arbeit auf der Weichsel. Hier begann man an der Mündung und stellte einen Kanal von 16 bis 17 Meter Breite her, der in der Mitte des Flusses bis zum Fort Lacoste (gegen 10000 Meter Entfernung) ausgeführt wurde. Es wurden Eisstücke von 6 bis 7 Meter im Quadrat mittelst einer beson- ders dazu konstruirten Axt ausgehauen und abgestossen, dass sie dem Meere zuflössen. Der Frost steigerte sich aber so, dass trotz der schnellen Strömung des Flusses der ganze Kanal in einer einzigen Nacht wieder zufror und die Arbeit von neuem begonnen werden musste. Es waren täglich 1200 Mann der Besatzung dazu angestellt, die Tag und Nacht daran arbeiteten. Dies wiederholte sich noch ein zweites Mal, so dass der Kanal dreimal aufgeeist werden musste^).

Am Ein- und Ausfluss der Mottlau wurde eine starke Barri- kade errichtet und davor ein Graben ausgehauen. Davor wurde eine doppelte Reihe spanischer Reiter aufgestellt. Ebenso wurde beim Einfluss der Radaune in die Festung verfahren*).

Am schwierigsten war die Aufstellung der Palisaden. Die Löcher dafür mussten mit der Axt aufgehauen werden, nach- dem die Erde zuvor durch aufgelegtes und angezündetes Holz erwärmt worden war. Diese Arbeit wurde an allen Aussen-

^) Ebenda S. 64. >) Ebenda S. 41. >) Ebenda S. 42. *) Ebenda S. 43. Campredon, Aiiriol S. 62.

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werken ausgeführt aud auch die Kehlen derselben ^ selbst am Fort Desaix, wurden mit Palisaden geschlossen. Thore, Barri- eren und Poternen wurden angelegt und die Verbindungen der Werke gesichert '). In den Kurtinen der Faussebraien derjenigen Fronten, welche der Inundation zugewendet waren, wurde ein Tambur von Palisaden erbaut *). Auf dem Hagels- und Bischofs- berge wurden ausserdem die alten Blockhäuser in den eingehen- den Winkeln des gedeckten Weges ausgebessert resp. neue konstruirt und in den gedeckten Wegen eine zweite Reihe Pali- saden aufgestellt. Alles das wurde in den Monaten Januar und Februar ausgeführt*).

Grosse Thätigkeit herrschte auch bei der Artillerie. Ende Januar waren bereits 500 Geschütze aufgestellt. Es wurden LaiTeten reparirt, die Handfeuerwaffen instandgesetzt, Munition angefertigt^).

Mehrere Gebäude wurden zu Lazarethen eingerichtet, Medi- kamente angekauft und, was sonst zur Ausrüstung gehörte, be- schafft. Sehr zu statten kamen dabei die 13 Millionen Franken, welche die Kontributionen in Kurland eingebracht hatten. Es waren dabei 10 Millionen in Münze, die andern 3 Millionen in Papierrubeln und Anweisungen. Für den Bedarf war das wenig, wenn man berücksichtigt, dass die Truppen seit mehreren Mo- naten ohne Sold waren und zahlreiche Civilarbeiter angestellt werden mussten, ganz abgesehen von den Ankäufen an Lebens- mitteln, Furage und Medikamenten.

Seit der Mitte des Febmar wurde die Temperatur auffal- lend günstiger. Anhaltende Regen bedeckten die Eisdecken mit Wasser. Am 24. Februar begann das Eis sich zu spalten und auf der W^eichsel sich in Bewegung zu setzen. Der Fluss konnte nicht mehr überschritten werden. In der Nacht vom 26. zum 27. begann der Eisgang, zugleich aber auch eine Stopfung des Eises an der Biegung der W^eichsel beim Holm. Die Mottlau wurde dadurch so aufgestaut, dass sie die Speicher-

^) Ebenda.

*) CampredoD, Auriol.

3) d\4rtois Relation S. 43.

*) Ebenda S. 44.

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insel und Langgarten überschwemmte. Bald ergoss sich auch die Weichsel über beide Ufer und brach an mehreren Orten die Dämme. Die Vorstadt Kneipab und die ganze Gegend bis auf 1 Vs Lieues aufwärts wurden unter Wasser gesetzt. Mehrere Posten auf der Nehrung und im Werder, die in der Nacht davon überrascht worden waren, wurden abgeschnitten und kamen grösstentheils um *). Die Besatzungen auf dem Holm und vom Fort Napoleon konnten erst nach 36 Stunden gerettet werden*). Die in den Kellern der Niederstadt aufbewahrton Lebensmittel der Einwohner gingen grösstentheils verloren. Der Preis der Le- bensmittel erreichte eine unerschwingliche Höhe *). Das Wasser drang in die Werke, schwemmte die Palisaden weg, beschädigte Schleusen und Brücken, zerstörte sie zum Theil. Das Fort Napoleon wurde durch eine Fluth, die sich bei Heubude Bahn gebrochen hatte, stark beschädigt, die Pulverbestände wurden verdorben. Die Rückfortor Schleuse wurde ganz zerstört und fortgerissen, der Damm daselbst in einer Ausdehnung von 40 bis 43 Meter durchbrochen, so dass sich die Weichsel in den Werder ergoss. Seit 1775 hatte man solchen Eisgang nicht erlebt. Das grösste Unglück sollte aber noch folgen. Der grosse Batardeau am Bastion Braunross wurde weggeschwemmt und der gegenüberliegende am Bastion Mottlau stark beschädigt, durch enorme Anstrengungen jedoch noch gerettet. Es stand in Aussicht, dass die Ueberschwemmung durch die Festungs- gräben in die Weichsel abfliessen würde, wodurch der schwächste Theil der Umfassung der Stadt blossgelegt worden wäre*).

Am 27. Februar wurde die Radaune bei Praust von den Russen abgeleitet und der Stadt dadurch das Wasser entzogen. Es mussten mehrere Rossmühlen erbaut werden, um das Getreide für die Besatzung zu mahlen % Am übelsten stand es mit der Feuersgefahr, die aus dem Mangel an Wasser entsprang. Man

*) d'Artois, Relation S. 65.

») Blech S. 2, 37.

') Ebenda S. 2, 38.

*) d'Artois, Relation S. 67.

») Ebenda S. 70.

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half sich schliesslich, indem man aus der Mottlau längs der langen Brücke Pumpen anlegte*).

Die Russen hatten sich seit dem 6. Februar ruhig ver- halten. Gegen mitte des Monats erhielten sie nicht unerheb- liche Verstärkungen, die anscheinend von Pillau kamen, das am 8. Februar kapitulirt hatte. Ein um den 20. gefangener russi- scher Officier sagte aus, dass er erst vor 5 Tagen vor Danzig angekommen und mit einer Kolonne von 6 Regimentern Infan- terie und 2 Kosacken -Regimentern marschirt sei. Ein Vergleich der obigen Truppendislocirung mit der nachfolgenden vom 17. Februar zeigt, dass eine Vermehrung des Blockadekorps um 9 Infanterie- und Jägerregimenter, 3 Kosacken- und 2 Ulanen-Regimenter stattgefunden hat. Dagegen war das Isumsche Husaren-Regiment einige Tage nach dem Gefecht vom 6. Fe- bruar zur grossen Armee abmarschirt. (Apercu S. 22.) Auch das Infanterie- Regiment Tinginsk fehlt, das nach Küstrin be- ordert war. Der neuen Dislocirung liegt eine veränderte Ein- theilung des Korps zugrunde, die jedenfalls infolge der Ver- stärkung erforderlich wurde. Das Blockadekorps zerfiel danach in 4 Abtheilungen und 2 Reserven. Vom linken Flügel abge- rechnet, hatte die 1. Abtheilung unter dem Generalmajor Wiljaminow, in der Stärke von 970 Reitern und 2600 Mann Fussvolk '), den Raum vom Strande bei Konradshammer bis zum Miggaubach zu decken. Ihre Vorposten standen in Glettkau, Miihlhof, Pelonken, Silberhammer, Brentau, Zigankendorf , Miggau.

Die 2. Abtheilung, 540 Reiter und 872 Mann Fussvolk stark ^, war vom Generalmajor Kulnew befehligt und besetzte den Raum vom Miggaubach bis Schönfeld. Sie hatte Posten

*) Blech 2, 35. Lange Brücke ist der Weg auf dem BoUwerk längs deä linken Mottlannfers von der Koggenbrücke zum Fischmarkt.

*) Die 1. Abtheilung bestand aus den Kosacken-Regimentem Grekow I, Grekow V, Grekow XVII, aus dem Perekopschen Tataren-Begiment, dem 1., 2., 3. und 4. kombinirten Infanterie-Regiment, aus 6 Geschützen der reiten- den Batterie N. 3 und ans der leichten Batterie N. 10.

') Die 2. Abtheilung bestand ans den Kosacken-Regimentem Tschemo- snbow Vin und Jagodin, den Petrowschen- und Woroneschkischen Inf anterie- Begimentem, aus dem 1. und 2. See-Regiment, 6 Geschützen der reitenden Batterie N. 3.

264

auf den Höhen von Schidlitz, Wonneberg, Zankencziu und Schönfeld.

Die 3. Abtheilung, 732 Keiter und 1918 Mann Fussvolk stark*), war vom Oberst Turtschaminow befehligt und be- setzte den Raum zwischen Schönfeld und der alten Radaune bei Krampitz mit Vorposten bei Matschkau, St. Albrecht und Nobel.

Die 4. Abtheilung, 620 Reiter und 1100 Mann Fussvolk stark*), war vom Generalmajor Grob unzow befehligt und be- setzte den Raum zwischen der alten Radaune am Eramskruge bis zur Weichsel. Posten waren auf allen nach Danzig führen- den Wegen vorgeschoben. Zu dieser Abtheilung gehörte noch der Oberst Rosen, der mit 500 Mann ') in Bohnsak und Wördel auf der Nehrung stand und Posten nach Neufehr vorgeschoben hatte.

Die 1. Reserve stand in und bei Uhlkau, südwestlich von Rosenberg, und war 975 Mann stark ^). Befehlshaber war der Generalmajor Rachmanow. Die 2. Reserve w^urde vom General- major Tschernisch befehligt, war 550 Mann stark*) und stand in Neustadt*).

Die 4 Abtheilungen zählten, ausser der Reserve und dem

*) Die 3. Abthcilung bestand aus den Kosacken-Regimentern Sutschilin, Cliaritonow, dem Volontair - Regiment Jaisontow, aus 4 Eskadrons des pol- nischen Ulanen-Regiments, den Infanterie-Regimentern Tnia und Nowaginsk, dem 3. Jäger-Regiment, aus 6 Geschützen der reitenden Batterie N. 19 und der leichten Batterie N. 40.

*) Die 4. Abtheilung bestand aus dem Kosacken- Regiment Ilowaisky IX, dem Tataren -Regiment Simpheropol, dem Brianskischen Infanterie- Regiment, dem 44. Jäger-Regiment und aus 6 Geschützen der reitenden Bat- terie N. 19.

^) Der Oberst Rosen hatte das kombinirte Dragoner -Regiment und das littauische Infauterie-Regimeut nebst 2 Sotnien Kosacken (200 M.) unter sich.

*) Die 1. Reserve bestand aus dem Nisowschen und Newaschen Infan- terie-Regiment, aus der leichten Batterie N. 11 und der schweren Batterie N. 6.

^) Bestehend aus dem Kasanschen Dragoner- und Tamburgi sehen Ulanen- Regiment.

') Das Vorstehende ist dem russischen Belagerungsjurnal entnommen. Archiv S. 86. 87. Siehe auch Apercu (Herzog v. Würtemberg) S. 22, das jedoch die Stärke nicht mittheilt.

265

Detachement auf der Nehrung, 2862 Reiter uud6490 Mann Fassvolk, 24 reitende, 24 leichte und 12 schwere Geschütze. Die (ie- sammtsumme, incl. der Reserven und des Obersten Rosen, betrug 10902 Mann*).

Blech, der sich mehrfach auch in militairischer Beziehung gut unterrichtet zeigt, sagt, dass der General Wiljaminow in Oliva, Kulnew in Schiddelkau, Rachmanow (für Turtschaminow) in Praust, Gorbonizow (Grobunzow) in Wozlaw Quartier hatten. Das Hauptquartier befand sich nach wie vor in Praust. Er fügt noch hinzu, dass die Magazine sich in Dirschau und Neu- stadt befanden und kleinere für die tägliche Ausgabe in Oliva, Sukau und Praust vorhanden waren. In Mewe war ein grosses Lazareth etablirt. Ambulanzen befanden sich in Oliva und Rusowtschin nördlich von Langenau*).

Die Franzosen mussten die russischen Verstärkungen sehr bald empfinden, indem seit dem 25. Februar das Furagiren über die Vorposten hinaus nicht länger angängig war^). Ihr Ver- such, sich am 15. Februar des Dorfes Quadendorf im Werder zu bemächtigen, misslang. Ein zweiter Versuch am 22. Februar wurde ebenfalls zurückgewiesen*). Man bemerkte in den rus- sischen Lagern vielfache Bewegungen, neue Posten wurden vor- geschoben, andere eingeschaltet. Gegeu Langfuhr fanden Zu- sammenziehungen statt. Der General Rapp traf daher Vor- März, bereitungen, einem Angriff zu begegnen. Er Hess am 3. März den Posten von Langfuhr verstärken-^) und stellte am Olivaer Thor eine grössere Reserve auf ^).

') Die Siiiumirung ist jedoch uicht genau. Die Totalsuinme würde 1 1 387 Manu betragen.

*) Blech 2, 17.

*) Campredon. Auriol S. 66.

*) Apercu S. 23.

^) Tagebuch des Majors Bauer bei Plümicke (skizzirte Gesch.) S. 190, wonach der Major, welcher den erkrankten Regimentskommandeur v. Pless- mann vertrat, mit dem 1. westfälisclien Infauterie-Kegimeut, in der Stärke von noch 280 3Ianu, am 3. März die Vorposten von Langfuhr, Striess und Neuschottland besetzte und die daselbst befindlichen Franzosen, bestehend aus einem Hauptmann, 2 Lieutenants und 70 Mann, zugetheilt erhielt. VgL auch das Schreiben des Majors vom 4. März.

•) d'Artois S. 74. Derselbe theilt S. 73 in einer Note die Auf-

266

Angriff der Bussen am 6. Harz.

Am 5. März 4Vs Uhr morgens, also bei völliger Dunkelheit, drangen die Bussen auf allen Punkten auf die französischen Vorposten ein und warfen sie aus Striess, Neu-Schottland, vom Zigankenberg, aus Schidlitz, Stolzenberg, Ohra und Stadtgebiet in Unordnung*) zurück. Die Vorposten bei Langfuhr, die in der Nacht vom 4. zum 5. von den 70 Franzosen gebildet wurden, die sich beim Detachement des Majors Bauer befanden und in Striess und auf dem Wege nach Jäschkenthal standen, waren von dem Angriff so bestürzt, dass sie, ohne einen Schuss abgegeben zu haben, der die Westfalen im Dorf hätte aufmerksam machen können, p61e-mele mit den Russen in Langfuhr anlangten. Die Besatzung des Dorfes wurde daher noch in den Häusern über-

stellung der Vorposten fraiizösiächerseits mit, die für das Gefecht Tom 5. März von Wichtigkeit ist.

Fussvolk. Offlzlere. Soldaten.

Ohra, Stadtgebiet und Altschottland ......... 40 534

Bischofsberg 3 159

Stolzenberg 3 99

Schidlitz 3 100

Zigankenberg 4 130

Hagelsberg 8 198

Holzraum 22 405

Langfuhr und Neu-Schottland 11 190

Zu AUer Engeln, Kabrun und Schellmühl als Beserve . . 8 310

Fort Desaix 5 68

Lacoste 3 94

Holm 5 121

Fort Napoleon 5 114

Weichselmünde '33 832

Neufahrwasser 53 1138

Kavallerie. Officlere. Soldaten.

Stolzenberg 1 40

Stadtgebiet 1 40

Summa 208 4572

Total 4780.

') d'Artois sagt natürlich S. 74: Nos postes aYanc6s furent oblige de battre en retraite , ils se repliercnt cepcndaut avec ordre et sangf roid, en faisaut uu feu vigoureux. Der Bericht des Majors Bauer bezeugt für Langfnhr das Gegentheil, und es wird an den andern Punkten auch nicht viel anders gewesen sein, da die Stellungen sämmtlich genommen wurden.

267

rascht und musste sich zum Theil aus den Fenstern retten. Be- günstigt durch die krenelirten Häuser am südlichen Ausgang des Dorfes, gelang es dem Major Bauer sie wieder zu sammeln. Er warf die Russen, an der Spitze der Grenadier-Kompagnie des Hauptmanns von Skraid, mit dem Bajonet wieder aus dem Dorfe heraus, liess den Hauptmann am äussersten Ausgang des Dorfs mit den Befehl zurück, sich bis auf den letzten Mann zu halten, und begab sich zurück, um mit den andem Kompag- nien die übrigen Ausgänge des Dorfes zu besetzen. Die Vol- tigeur-Kompagnie liess er hinter dem Dorfe in Reserve. Die Russen waren inzwischen wieder zum AngriflF übergegangen, so dass die Lage des Majors sehr bedenklich wurde. Doch hielt er sich bis zum anbrechenden Tage, wo die Reserve von Aller Engeln sich endlich einstellte'). Der Major Bauer dirigirte sie hinter dem Dorfe hinweg, um den Russen den Weg nach Jäschkenthal zu verlegen, während er in der Front zum Angriff vorging. Die Russen zogen sich, sobald sie die Reserve be- merkten, theils nach Jäschkenthal, theils nach Striess zurück. Der Oberstlieutcnant Clamont ruckte sehr langsam und, wie sich der Major Bauer ausdrückt, en debandade an, so dass die Russen ohne grosse Verluste davonkamen*). In den Strassen des Dorfes blieben von ihnen 16 Todte und 20 Verwundete liegen. Die zwei Kompagnien des Regiments, welche Neu- Schottland besetzt hielten, hatten sich auf das polnische Ba- taillon zurückgezogen, das ihnen als Reserve diente, und kamen erst später zum Regiment zurück.

Inzwischen hatte der Guverneur die Besatzung von Danzig alarmirt und sendete das 7. neapolitanische Regiment, 1 Bataillon Franzosen und 1 Bataillon Polen mit 6 Geschützen unter dem General Heudelet zur Unterstützung des Generals Breissan, welcher die Vorposten auf dieser Seite kommandirte, vor. Neu-Schott-

*) Sie bestand uach d'Artois aus 2 Bataillonen des 21. und 28. Re- giments leichter Infanterie unter dem Bataillonschef Clamont. Bauer nennt ihn Clement, Campredon Clamou, Rapp Claumont. Bauer wird von Kapp Blaer genannt (Memoires S. 219).

*) Vgl. damit die memoires S. 219, wonach 800 Bussen hätten in den Staub beissen müssen!

268

laud und Striess wurden wiedergewonnen und die Russen in den Wald von Oliva zuiückgeworfen *).

Am hartnäckigsten war das Gefecht in Ühra. wo die Russen sehr bedeutende Kräfte entwickelten. Der Bataillons- chef Boulan, der hier kommandirte, machte an der Spitze meh- rerer Grenadierkompagnien drei Vorstösse gegen die in das Dorf gedrungenen Russen, musste aber schliesslich ihrer Uebermacht weichen und selbst Schottland aufgeben. Auch die von den Generalen Grand jean und Franceschi herbeigeführten Reserven und das Feuer von zwei Regimentsgeschiitzen konnten keinen Um- schwung der Verhältnisse herbeiführen. Eine von Stolzenberg kommende russische Kolonne drohte, dem General Franceschi in die Flanke zu fallen. Der Guverneur schickte daher das in Reserve gehaltene 6. neapolitanische Infanterie-Regiment auf den Judenberg. Der Divisions-Komniandeur Detr^s setzte sich selbst an die Spitze des Regiments und nahm das Plateau des Berges in einem Anlauf. Mit einem Bataillon des 4. franzö- sischen leichten Regiments in Reserve behaupteten sich die Ne- apolitaner hier bis zum Abend. Aber aus Schottland und Stadt- gebiet waren die Russen nicht zu vertreiben. Ebenso behaupteten sie sich in Stolzenberg, Schidlitz und auf dem Zigankenberg. Da entsandte der General Rapp um 3 Uhr nachmittags den General Bachelu mit 4 Bataillonen, 150 Pferden und der pol- nischen reitenden Batterie aus dem Neugartener Thor. Die

*) d'Artoid S. 76. Bericht des Majors Bauer. Nach demselben (PUlmicke S. 192) war der General Rapp selbst zur Stelle, was die m^moires de Rapp S. 219 auch bestätigen. Den Angiiif auf Striess führte der Major auf Befehl des Generals Breissan um 2 Uhr nachmittags aus, wie das Gefecht Überhaupt noch den ganzen Tag fortdauerte. Der Major Bauer wird in dem Bericht ausge- zeichnet und erhielt nach dem Gefecht vom General Rapp zum Beweise seiner Zufriedenheit noch ein zweites franz('>sisches Bataillon von 2ö0 3fann zugetheilt mit dem Kommando über den französischen Stabsof ficier , was ganz ungewöhnlich war. Er hütete sich aber, Franzosen künftig wieder auf Vorposten zu schicken. Ausführlicher noch ist das Schreiben des Majors au seinen Bnider vom 7. Mäiz (Beiheft z. Mil.-W.-Bl. von 1887 S. 120 if.). In einem Bericht au Berthier, der im westfälischen Moniteur vom 11. Juli ab- gedruckt ist (Beiheft S. 121), nennt Rapp den Bataillouschef Bauer einen ofii- cier tres-distingu^, der bereits in Spanien und bei dem Rückzuge des 10. Korps (Macdouald) aus Russlaud sich ausgezeichnet hätte.

269

Rossen wurden aus Schidlitz vertrieben und dabei mehrere hundert Gefangene gemacht. Darauf erstürmte der General den Zigankenberg, von wo sich die Russen in Unordnung auf Pitz- kendorf zurückzogen. Auch Stolzenberg wurde geräumt. Die Russen zogen sich nach Wonneberg ab, wobei ihnen eine Haubitze abgenommen wurde. Der General Bachelu liess ein Bataillon und 4 Geschütze unter dem Oberst Kamienski zur Beobachtung von Pitzkendorf und das 13. baierische Re- giment mit 4 Geschützen gegen Wonneberg zurück und wandte sich mit dem Rest seiner Truppen nach den Höhen bei Ohra *). Gleichzeitig gingen die französischen Truppen in Schottland vor und warfen die Russen heraus, wobei ihnen der General Ba- chelu den Rückzug abschnitt und viele Gefangene machte.

Auch auf den entfernteren Punkten fanden Gefechte statt, da die Russen von allen Seiten zum Angriff vorgegangen waren. Sie hatten nach dem Eisgange das von den Franzosen ver- lassene Heubude besetzt und warfen von hier aus die franzö- sischen Truppen, welche der General Rapp einige Tage vorher am Strande aufgestellt hatte, unter die Kanonen von Weichsel- münde zurück. Im Werder wurde ein vom Fort Lacoste vor- geschobener Posten im Hause Heinrichsdorf überfallen und ein Officier und 30 Mann zu Gefangenen gemacht. Auf der Seite von Neufahrwasser vertrieben die Russen die französischen Posten aus Brösen und Saspe. Andere Posten vom 7. Regi- ment der Neapolitaner hielten so lange stand, bis sie vom Major de la Nougarede, der mit 2 Bataillonen aus dem Re- tranchement von Neufahrwasser ausfiel, entsetzt wurden. Auch Brösen wurde wieder eingenommen. Saspe blieb jedoch von

*) Der AusfaU des Generals Bacheln wird von d'Artois S. 77, Blech 2y 49, Kapp (m^moires 2^) und Oampredon (Auriol S. 69) ziemlich Überein- stimmend erzählt. Der letztere ist am präcisesten, indem er sagt: „le g^- n6ral Bachelu se porte avec une colonne de 4000 hommes snr la hauteur de Zigankenberg (wozu er vorher nothweudig Schidlitz eingenommen haben mnsste, vgl. die m6moires de Kapp) et de lä, rabattant son mouvement sur Ohra, il fait environ 3 ä 4 cents prisonniers k Pennemi et lui enlöve une piöce de ca- non dans Schidlitz". Die übrigen Details giebt d'Artois. Die Angabe Blechs ist dadurch wichtig, dass sie die französischen Berichte bestätigt.

270

den Russen besetzt^). Am Abend waren mit Ausnahme von Heinrichsdorf und Saspe alle Punkte wieder eingenommen, welche die Franzosen vor dem Gefecht inne hatten. Die Verluste waren auf beiden Seiten sehr bedeutend. Von 15 Offtcieren des französischen 29. Linien-Infanterie-Regiments in Ohra wurden allein 13 getödtet oder verwundet. Im ganzen betrug der französische Verlust 62 Officire, 604 Unterofficiere und Ge- meine. Der Brigade-General Devilliers, der Oberst von Egloff- stein und der Major Horadam wurden verwundet. Den Verlust der Russen übertreibt d'Artois, dem ich im allgemeinen gefolgt bin *). Die Russen selbst geben ihn auf 6 Officien«, 840 Mann an Todten und Verwundeten und 170 an Gefangenen an, über- treiben aber ihrerseits den der Franzosen*).

Es ist bemerkenswerth , dass der General Campredon*) sagt, es seien auf selten der Franzosen an diesem Tage 24 be- spannte Geschütze in Thätigkeit gewesen, namentlich habe Bachelu mit der Artillerie den Russen beim Rückzuge aus Ohra grossen Schaden zugefügt. Er erwähnt hierbei speciell den Chef d'escadron Farjon und den Hauptmann Faury, die mit ihren Batterien sich ausgezeichnet haben.

Ueber die Motive, die den General Löwis geleitet haben, den Angriff vom 5. zu unternehmen , gehen die Ansichten sehr

') Nach Düring S. 40 fiel es erst am 19. März, wo die Russen die Nea- politaner daraus vertrieben) in russische Hände.

•) d'Artois giebt Seite 80 den Verlust der Russen an Todten, Ver- wundeten lud Gefangenen auf 2093 Mann und ein Geschütz au. Rapp spricht in seinen Memoiren S. 223 selbst von 2000 Mann und ausserdem von 11 bis 1200 Gefangenen. Er hält diesen Tag für den glänzendsten der ganzen Be- lagerung.

^ Apercu S. 24. Das russische Belagerungsjumal (Archiv S. 87) ist hier ganz unzuverlässig. Es spricht von Gefechten am 5., 6. und 7. März und setzt die Verluste der Franzosen mit ungeheuren Zahlen an, doch mögen hier Schreibfehler mit untergelaufen sein. Der Herzog von Würtemberg hat sich nur insoweit davon beeinflussen lassen, dass er (Apercju S. 23) den An- griif auf den 6. März setzt , also die Mittelzahl herausgreift. Blech stimmt jedoch mit den französischen Quellen inbetreff des ö. überein. Das Schreiben des Majors Bauer an seinen Bruder v. 7. (Beiheft S. 72) lässt darüber keinen Zweifel

*) Auriol S. 69.

271

auseinander. Der Herzog von Würtemberg sagt *) , dass der General die Stellung der Franzosen ausserhalb der Stadt habe einschränken wollen. d'Artois behauptet *), dass er den Durch- marsch eines Truppenkorps, welches zur Blockade von Stettin bestimmt war, habe benutzen wollen, um den Versuch zu machen, sich des Bischofs- und Hagelsberges durch üeber- raschung zu bemächtigen oder wenigstens die Franzosen in den Platz zu werfen. Blech führt ^) aus, er habe die Besatzung durch seinen AngriflF veranlassen wollen, aus der Stadt zu rücken, um den Danzigern Veranlassung zu geben, die Thore hinter ihr zu schliessen und sich der Franzosen zu entledigen. Nnr der erste Grund, der des Herzogs von Würtemberg, lässt sich halten. Es war nach den Verstärkungen, die der General Löwis erhalten hatte, eine Ehrensache für ihn, die Franzosen sich nicht so ausbreiten zu lassen und ihnen die Hilfsmittel zu entziehen, welche die besetzten Ortschaften boten*).

In der Abschätzung der gegenseitigen Stärke gingen die Ansichten ebenso sehr auseinander. d'Artois veranschlagt die Russen zu dieser Zeit nach der Aussage der Gefangenen auf 21 300 Mann ^), während sie, wie wir gesehen haben, kaum halb so stark waren. Von Seiten der Russen wird die Besatzung nach Aussage der Spione auf 30000 Mann angegeben, doch glaubt der Herzog, diese Zahl infolge ihrer Verluste im Gefecht und der Epidemie auf 25000 herabsetzen zu müssen, von denen einige tausend in den Lazarethen lagen ^). Jedenfalls hält er sie den Russen gegenüber für selir überlegen und macht dem General Rapp den Vorwurf, die Belagerer, welche ein immenses

*) Apercu S. 23.

*} Relation S. 80.

') Blech 2, 46. Auch Kapp war der Meinung, dass der General Löwis die Wirkung seiner ausgestreuten Proklamationen überschätzt und geglaubt habe, dass die nicht der französischen Nationalität angehörigen Theile der Besatzung und die Einwohner mit den Franzosen auf gespanntem Fnss ge- standen, ja sich bekämpft hätten. M6moires 219.

*) Wahrscheinlich hat der Umstand, dass die lufanterie-Begimenter Tula und Nowoginsk in den nächsten Tagen zur grossen Armee abmarschiren sollten, auf dei} Entschluss des Generals eingewirkt.

*) Relation S. 81.

") Apercu S. 27.

272

Terrain besetzen mussten und bei dem Hochwasser ohne Ver- bindung unter einander waren, nicht vernichtet zu haben. Dass die Besatzung zu dieser Zeit nicht mehr als 10000 Dienst- fähige hatte, also gewiss nicht stärker war als die Russen, kann man wohl als nachgewiesen ansehen.

Von grösserem Interesse sind die Lehren, welche das Ge- fecht vom 5. März in taktischer Beziehung bietet.

Partielle Gefechte lassen sich sowohl vom Belagerer als vom Belagerten nicht gut ausführen, weil der Angreifer, wenn er an einem Punkt Erfolg hat, ihn nicht ausbeuten kann, da er auf beiden Seiten bedroht ist und, ist es der Belagerer, in das Geschtitzfeuer des Platzes kommt, ist es der Belagerte, sich der Unterstützung des Feuers der Wälle begiebt. Es müssen daher immer allgemeine Engagements ins Auge gefasst werden, die unter Umständen erfolgen, wie sie der Feldkrieg nicht bietet.

Die Fronten sind im Verhältniss zur Truppenzahl selir aus- gedehnt, und das Breuer von den Wällen legt mancherlei Rück- sichten auf. Von seiner überlegenen Reiterei wird der Belagerer selten Vortheil ziehen können. Er wird seinen Angriff auf die feindlichen Vorposten dahin zu verlegen haben, wo er von den Kanonen der Festung nichts zu befürchten hat, und der Ver- theidiger dahin, wo er vom Feuer derselben am besten unter- stützt wird. Die Disposition des Generals Löwis vom 5. März trägt diesen Forderungen Rechnung. Die Hauptangriffe auf Ohra und Langfuhr hatten vom Feuer der Wälle nichts zu leiden. Auf den übrigen Punkten gewährte die Dunkelheit die erforderliche Sicherheit gegen das Feuer dei* Wälle. Es wird daraus auch erklärlich, dass die Angriffe gleichzeitig erfolgten und der Angriff auf Langfuhr nicht um einige Stunden voraus- ging, um die feindlichen Kräfte dahin zu locken. Man muss dem russischen General indessen den Vorwurf machen, dass er in seinem Centrum, etwa bei Wonneberg, keine Reserve aufge- stellt hatte. Das Eingreifen Bachelu's würde dann nicht mög- lich gewesen und die Leitung des Gefechts, die gänzlich ver- misst wird, wesentlich erleichtert worden sein. Auf der andern Seite erfolgte der Ausfall des Generals Bachelu da, wo er von der Artillerie des Platzes vorzüglich unterstützt wurde, und war auch insofern gut angesetzt, als ein Vorstoss gegen Ohra, wo

a7ä

sich die zahlreichsten Kräfte der Russen befanden, nur von den Höhen aus Erfolg haben konnte, zu dem Zweck der Feind aber zuvor aus Stolzenberg vertrieben werden musste, was nur nach vorangegangener Besitznahme des Zigankenberges möglich war. Bevor der General Bapp den Ausfall Bachelu's anordnete, hatte er sich persönlich überzeugt, dass auf dem gefährdetsten, weit entferntesten Punkt, Langfuhr, keine Gefahr mehr vorhan- den war.

Wenige Tage nach dem Gefecht, am 9. März, trafen die Landwehren von Petersburg und Nischninowgorod vor Danzig ein*) und ersetzten die Verluste. Obgleich 11 Druschinen an der Zahl, ist ihre Stärke nicht höher als 2000 Mann anzu- schlagen. Der General Adadurow, der sie gebracht hatte, über- nahm für den erkrankten General Kulnew dessen Truppenabthei- lung*). Vom Blockadekorps gingen dagegen die Infanterie-Regi- menter Tula und Nowoginsk, wie erwähnt, zur grossen Armee ab'), wie schon Mitte Februar ein Kosacken-Regiment und zwei Artil- lerie-Kompagnien*). Den 12. März langte eine englische Fregatte und eine Korvette auf der Danziger Rhede an, infolgedessen der General Löwis sein Hauptquartier dauernd nach Koliebken verlegte, um leichtere Verbindung mit den Engländern zu haben*). Für die Besatzung von Danzig war die Blockade zur See ein harter Schlag. Noch kurz zuvor hatte ein kleines dänisches Fahrzeug die Mündung der Weichsel erreicht und der Besatzung Salz zugeführt'^), woran grosser Mangel war. Man

*) Russisches Jamal, Archiv S. 90.

«) Apercu S. 25.

') Russ. Jnrnal. Archiv S. 90. Das Blockadekorps erreichte dadurch die Stärke von 13 bis 14000 Mann und seine beabsichtigte Zusammensetzung aus der 6., 21. und 25. Infanterie-Division, die in Summa nur gegen 9000 Mann stark waren, da sie seit dem Feldzage von 1812 noch keine Ersatzmann- schaften erhalten hatten. An Reiterei waren 12 Eskadrons. an Artillerie 7 Batterien vorhanden, dazu traten die Eosacken und Tataren.

*) Apercu S. 22. Die schwere Batterie Nr. 5 und die reitende Nr. 3 können damit nicht gemeint sein, da sie nach dem russischen Jamal erst am 24. Man abgingen.

") Ebenda S. 25.

•) d'Artois S. 87.

Köhler, Geschichte der Festimgeii Danzig and Weiohselmilnde. II. 18

274

erfuhr vom Kapitain, der am 4. März Kopenhagen verlassen hatte, dass die Russen am 28. Februar noch nicht in Berlin eingetroffen waren, und dass die in Frankreich neu organisirten Streitkräfte bereits den Rhein überschritten. Die Besatzung gab sich der Illusion hin, dass sie bald entsetzt werden würde. Die Verlegung des russischen Hauptquartiers nach Koliebken zeigt, dass der Befehlshaber des Blockadekorps auf alle Offensiv- operationen verzichtet hatte. Dennoch war die Besatzung unter dem Eindruck des Gefechts vom 5. März eifrig bemüht, die vorgeschobenen Stellungen zu befestigen, was bisher wegen der dringenderen Arbeiten im Platze nicht hatte stattfinden können. In Stadtgebiet wurde ein in der breiten Dorfstrasse gelegenes Haus (A) am Ausgange des Thals von Schönfeld, in welchem die so- genannten Schottenhäuser liegen, krenelirt und durch eine Pali- sadirung mit einem zweiten Hause (B) verbunden, das auf der andern Seite der Radaune lag und in seinen drei Stockwerken ebenfalls krenelirt wurde. Es bildete gleichsam einen Thurm, der die Palisadirung , womit die Schottenhäuser versehen wurden, flankirte und die Radaune in ihrem obern Lauf be- strich*). Auch innerhalb des Dorfes wurden vortheilhaft ge- legene Häuser zur Vertheidigung eingerichtet, um einem ereten Angriff zu widerstehen und der Reserve Zeit zu geben, heran- zukommen.

In ähnlicher Weise wurden die bereits krenelirten Häuser (b c) am südlichen Ausgange von Langfuhr zur Vertheidigung eingerichtet und mit starken Palisaden umschlossen. Der Aus- gang des Thals von Jäschkenthal wurde mit Palisaden gesperrt. Ebenso wurde Neu-Schottland verbarrikadirt. Die vorgescho- benen Posten der Feldwachen wurden mit Schützengräben versehen, die von den Posten selbst hergestellt wurden^).

Das Dorf Stolzenberg, das früher das ganze Plateau des Berges bis an das Glacis des Bisehofsberges bedeckt hatte,

') Ebenda S. 82. Campredon, Generalbcricht. Auriol S. 283.

') Ebenda S. 83. Die Feldwachen schützten sich ausserdem darch Erd- anf würfe gegen UeberfäUe der Kosacken. Da sie an bestimmten Punkten lagen, gewannen diese „Posten*' allmählich an Festigkeit.

275

reichte immer noch bis 300 Meter an die Werke des Bischofs- berges heran. Es wurde jetzt bis auf 600 Meter von den Werken abgebrochen und dabei die Kirche und das Kapuziner- kloster demolirt, in welchen sich die Russen am 5. März fest- gesetzt hatten. Der westliche Ausgang des Dorfes wurde befestigt*). Im Bürgerwalde (Werder) wurden die zunächst gelegenen Meiereien und Häuser, die als Inseln aus der Inun- dation ragten, befestigt, um sich die Vorräthe derselben zu sichern. Um den Feind aus einigen entfernteren Inseln zu ver- treiben, wurde eine kleine Flotille für 400 Mann erbaut ^). Ein eingefallener Frost, der die Inundation mit einer Eisdecke von 2*/« Zoll Stärke bedeckte, verhinderte eine Zeit lang die Ver- wendung derselben.

Der General Kapp hatte unterm 8. März, also nur wenige Tage nach dem Anfall der Russen vom 5. März, eine neue Dislokation der Truppen angeordnet, die zur Auffassung der Situation und als Disposition für die Vertheidigung von Wichtig- keit ist. Da sie auch für die spätere Zeit inkraft blieb, lasse ich sie unten ^ in ihrem ganzen Umfange folgen, weil ein Aus- zug daraus unmöglich ist.

Inzwischen nahm der Typhus immer grössere Proportionen an.

1) Ebenda S. 84.

«) d^Artois S. 84.

^ Die Dislokation gehört zu den bei der Uebernahme von Danzig vor- gefundenen Dokumenten und wird weder von Artois noch von Campredon mitgetbeilt. Archiv S. 88. 7. Division. Das 13. baierische und 1. westfälische Regiment besetzen den Ziganken- berg, Heiiigenbruun, Langfuhr, Neu-Schottland, Scheiimühl, die Fabrik Kabrun, AUer Engeln und das Hans Otto Schmidts (Schmidts Garten Taf. VI. x). Der Divisionsgeneral Gran^jean übernimmt die angemessene Besetzung dieser Orte. Der Posten von Striess wird in der Nacht nach Langfuhr zurückgezogen. Die Übrigen Regimenter bleiben in Reserve und werden zum innern Dienst der Festung herangezogen. Bei entstehendem Ailarm sammelt sich das IL pol- nische Regiment am Olivaer Thor und die Brigade Radziwil vor dem Fort Hagelsberg mit dem linken Flügel an (Au88en-)Neugart«n. 30. Division.

Die 30. Division besetzt Schottland, das Stadtgebiet und Ohra mit 500 Mann Infanterie. Der General Heudelet bleibt in der Stellung, die er gegen-

276

Eines seiner Opfer war der General Franceschi, einer der hervorragendsten Taktiker der französischen Armee. Auch die

wärtig isne hat; seine Ablösung kann erst in zwei Wochen geschehen. Die Division besetzt ferner Schidlitz und Stolzenberg mit 200 Mann. Bei ent- stehendem Allarm begiebt sich der Divisionskommandear nach diesen Orten. Die SO. Division besetzt femer das Fort Weichselmitnde mit 700 Mann diemvt- fähiger Infanterie. Du'e Ablösung wird in der Folge befohlen werden. Die 30. Division schickt morgen 200 Mann nach Heubude zur Ablösung des dortigen Postens. Die Ablösung dieses Postens wird in Zukunft alle 10 Tage erfolgen. Das Fort Napoleon wird morgen von der 30. Division an die 33. Division und das Fort Lacoste an die 34. Division übergeben. Die 30. Di- vision nimmt, soviel es ihre Stärke erlaubt, an dem Innern Dienst der Gar- nison theil, besetzt das Thor von Neugarten und Petershagen und das Fort auf dem Bischofsberge. Bei entstehendem Allarm sammelt sie sich am hohen Thor, so dass der rechte Flügel vor diesem Thor zu stehen kommt.

33. Division.

Die 33. Division besetzt Neufahrwasser mit dem 7. Neapolitanischen Begiment, welches morgen dahin abgeht und das 5. (neap.) Regiment daselbst ablöst. Die fernere Ablösung wird in der Folge befohlen werden. Zwei Kompagnien des 6. (neap.) Regiments, welche sich ebenfalls dort befinden, werden von zwei andern desselben Regiments abgelöst. Die 33. Division be- setzt morgen das Fort Napoleon mit 80 Mann, welche alle 10 Tage abgelöst werden. Sie besetzt femer wie früher den Holzraum. Die übrigen Truppen dieser Division werden zum Innern Dienst der Festung mit herangezogen. Bei entstehendem Allarm sammelt sie sich auf dem Platz vor dem Theater (Dominikplatz).

34. Division.

Die 34. Division besetzt heute das Fort Lacoste mit 80 Mann. Sie besetzt ferner den Holm und das Fort Desaix, dessen Garnison alle 24 Stunden abgelöst wird. Bei entstehendem Allarm sammelt sich die Division auf dem Langenmarkte.

Die Abtheilung des 2. Dragoner-Regiments, welche jetzt in Neufahr- wasser steht, kehrt morgen in die Festung zurück; in Neufahrwasser bleibt nur das 1. Dragoner-Regiment, welches wie früher Bröseu und Saspe besetzt. Die Posten von Langfuhr, Schidlilz und Stadtgebiet werden vom 2. Dra- goner-Regiment und vom polnischen Ulanen-Regiment besetzt. Das 1. Dra- goner-Regiment steht unter dem Befehle des Kommandanten von Neufahr- wasser. Die übrigen KavaUerie-Abtheilungen stehen unter den Komman- danten der Posten, denen sie zugetheilt sind. Bei entstehendem Allarm sammelt sich die KavaUerie, welche in der Festung steht, auf dem Platze vor dem Theater Dominikplatz.

Die Seetruppen und Arbeits-Bataillone sammeln sich bei entstehendem AUarm auf dem Langenmarkte.

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Noth in der Stadt steigerte sich von Tag zu Tag. Die Furage für die Pferde ging zu Ende, das Stroh langte nicht mehr für die Lazarethe aus. Auch an frischem Fleisch mangelte es, ob- gleich den Einwohnern alles Vieh weggenommen war. Es musste etwas geschehen, um dem Maugel abzuhelfen.

Der General Rapp hatte nichts verabsäumt, um auf den Geist der Truppen einzuwirken, wozu ihm der glückliche Aus- gang des Gefechts vom 5. März sehr zustatten kam. Er zeigte sich oft unter ihnen, besonders unter den Polen, die sich an diesem Tage hervorgethan hatten. Er erschien dabei in der polnischen Mütze (viereckig und roth) und später in einer völlig polnischen Kleidung ^). Es war nichts geeigneter die polnischen Regimenter zu enthusiasmiren. Die günstigen Nachrichten aus Deutschland wurden übertrieben, um die Hoffnung der Truppen auf baldigen Entsatz zu beleben. Der General glaubte es unter diesen Umständen wagen zu dürfen, einen grösseren Ausfall zu unternehmen, der ihm den Werder erschliessen sollte, wo er noch bedeutende Vorräthe zu finden hoffte. Er glaubte, mit Hilfe der Flotille dauernd daselbst Fuss fassen zu können. Der 24. März wurde zur Ausführung bestimmt. Der General Heudelet sollte über Ohra einen Verstoss auf die Schweinsköpfe und Matschkau machen und eine Abtheilung auf Quadendorf ent- senden. Im Verein mit der Flotille sollte an der Mottlau eine Schanze errichtet werden. Zum Schutz der Unternehmungen sollten von den übrigen Truppen Ausfälle gemacht werden, die sich jedoch darauf beschränken sollten, den Gegner festzuhalten. Zu dem Zweck erhielt der General Devflliers bei der 34. Di- vision den Befehl, im Angesicht der feindlichen Stellungen von Wonneberg und Pitzkendorf die gegenüberliegenden Höhen zu besetzen. Ihm zur rechten sollte das 11. polnische Regiment, zur linken der General Husson mit seiner Brigade und der kaiserlichen Garde ^) Stellung nehmen. Bei Langfuhr komman-

Ebendort sammelt sich die Garde und bleibt in Reserve. Aus der Dislokation ergiebt sich, dass Heubude und Saspe wieder im Besitz der Festung waren. ») Blech 2, 51. ') Es sind darunter gegen 400 Mann der Garde zu verstehen, die beim

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dirte der General Breissan. Er, wie der Kommandant von Neufahrwasser, sollten einen Scheinangriff ausführen, ohne sich jedoch auszusetzen *).

Die Truppen des Generals Heudelet sammelten sich am Petershagener Thor. Die Avantgarde führte der General Bachelu, der um 6V2 Uhr morgens mit dem 5. polnischen In- fanterie-Regiment, der Reiterei des Generals Cavaignac und einer leichten Batterie aus Ohra vorbrach. Eine Abtheilung von 150 Russen, auf die er zunächst traf, wurde über den Haufen gerannt und von der Reiterei grösstentheils gefangen. An den Drei Schweinsköpfen angelangt, wendete sich der General von der Hauptstrasse ab, über Matschkau auf Borgfeld, das von 500 Russen besetzt war. Das Dorf wurde in der Front von einem Bataillon des 5. polnischen Infanterie-Regiments an- gegriffen und von einem zweiten Bataillon umgangen. Die Be- satzung räumte den Ort, wurde aber von der Reiterei angefallen und gänzlich zerstreut. Die Verfolgung ging bis zum Dorfe Praust. Die Besatzung der Dörfer Drei Schweinsköpfe und St. Albrecht zog sich infolge der Umgehung des Generals Bachelu zurück, so dass die Hauptkolonne unter dem General Gault, welche auf der Hauptstrasse vorging, keinen Widerstand fand. In St. Albrecht wurde ein Lazareth genommen und eine Anzahl Gefangener gemacht. Von hier aus wurde das 13. baierische Infanterie- Regiment, das im Verein mit 60 Westfalen nur noch ein Bataillon unter dem Major Seiferditz fonniren konnte ^), auf dem Damme der alten Radaune gegen die Mottlau vorgesendet, um mit der Flotille in Verbindung zu treten, die mit 18 Fahrzeugen und 200 Mann Besatzung Danzig um 6 Uhr morgens, geführt vom Artilleriekapitain Gautier, verlassen hatte. Die Flotille war durch 300 Russen, welche sich in den Häusern

Bttckzuge ans Russland als Kranke in Danzig zurückgeblieben waren und jetzt zum Theil wieder Dienst thun konnten.

^) Le siege de Dantzig en 1813 par M. de M**^ giebt S. 106 eine aus- führliche Disposition zu diesem Ausfall nach dem Tagebuch der Div. Heudelet.

*) Schreiben des Majors Bauer vom 27. März. Beiheft S. 124. Ausser diesen 60 Mann hatte das westfälische Regiment noch 30 Mann auf Vor- posten, welche mit jenen zur Zeit die dienstfähige Mannschaft des Regiments bildeten. Der Major Bauer wohnte daher der Expedition nicht bei.

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am Kramskruge eingenistet hatten, aufgehalten worden. Bei Annäherung der Baiern stieg die Besatzung ans Land, und beide gemeinschaftlich warfen die Russen auf das rechte Ufer der Mottlau zurück. Letztere zogen sich auf Quadeudorf zurück. Die Sapeure durchschnitten den Radaune-Damm, um die Verbindung mit St. Albrecht aufzuheben, und arbeiteten jenseits der Brücke am Kramskruge an einer Schanze, die als Brückenkopf gegen den Werder für künftige Furagirungen seitens der Flotille dienen sollte. Sie wurden jedoch durch Annäherung einer starken Kolonne aus Quadendorf darin gestört. Die Baiern traten den Rückzug an, und die Flotille entfernte sich nach dem Abbrennen der Brücke, um 1000 Meter weiter unterhalb im Mottlaudamm zwei Kupüren herzustellen und durch eine Palisadirung zu ver- binden. Die anliegenden Häuser wurden krenelirt. Die Be- festigung des Punktes wurde in den folgenden Tagen fort- gesetzt '). ,

Der General Heudelet trat gegen Abend mit der inzwischen gesammelten Beute den Rückzug nach Danzig an.

Kleine Gefechte hatten auch au den übrigen Punkten der Einschliessung stattgehabt. Bei Striess fand sich auch der General Löwis ein und unterhielt mit dem General Breissau, der hier kommandirte, eine Kanonade. Der General Husson drang bis Wonneberg vor, ohne einen erheblichen Widerstand anzutreffen. Es zeigte sich an diesem Tage so recht, wie ver- kehrt es von Seiten des Generals Löwis gewesen war, das Hauptquartier nach Koliebkeu zu legen, von wo eine Leitung seiner langgedehnten Linie im Fall eines Ausfalls nicht mög- lich war. Vom General Rapp war es ein Fehler, für einen so weit aussehenden Plan nur einen Tag angesetzt zu haben. Hätte er die Truppen am Abend bei Matschkau versammelt und hier bivouakiren lassen, um am andern Morgen die Fu- ragimng fortsetzen zu können, so wäre das Resultat ein anderes gewesen. Er hätte es selbst wagen können, zum Angriff über- zugehen und die ganze Stellung des Blockadekorps aufzurollen. Er befand sich hierzu am günstigsten Punkte, da er diese Stellung am wichtigsten Punkte durchstossen hatte.

') Campredon. Auriol S. 71. d'Artois S. 93. Siehe Taf. VI p und q.

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Der Verlust der Franzosen belief sich an diesem Tage auf 81 Todte, Verwundete und Gefangene*). Unter den letzteren befand sich der Artillerie-Hauptmann Faucy, der den Eosacken in die Hände fiel. An Russen wurden 6 Offiziere 350 Mann gefangen eingebracht, darunter befanden sich Milizen (von den Druschinen), die noch nicht eingekleidet waren, Greise und ganz junge Leute. Der General Miliaminow und die Majors Läpp, Girkowitz und Lukaweniew wurden verwundet.

Der Erfolg der Furagirung entsprach nicht den gehegten Erwartungen. Man erfuhr nicht einmal von den Gefangenen die Stärke des Blockadekorps, da diese bei den unaufhörlichen Ablösungen schwer festzustellen war; auch Nachrichten aus Deutschland konnten ausser dem, was vom Hauptquartier da- rüber verbreitet wurde, nicht in Erfahrung gebracht werden. Der Schulze von Traust, welcher auf Befehl des Guvenieurs nach Danzig mitgenommen wurde, wusste so wenig wie die anderen und wurde am folgenden Tage wieder entlassen. An Beute führte man nur gegen 100 Stück Vieh davon. Der Gu- verneur sah sich unter diesen Umständen gezwungen, eine Kommission zu ernennen, welche alles zu untersuchen hatte, was in der Stadt zur Nahrung von Menschen und Pferden dienen könne*). Als Vorstand wurde der Divisions-General Heudelet ernannt. Die Kommission nahm ein Verzeichniss aller betreffenden Gegenstände auf, vei-siegelte die Keller der Wein- händler, nachdem der erforderliche Bedarf gegen Bons ent- nommen war, suchte die Häuser nach dem vorhandenen Vieh ab, das den Besitzern jedoch vorläufig bleiben sollte. Wie sich herausstellte, war der Bestand nur gering, so dass die Kommission dem Guverneur den Vorschlag machte, den Truppen Pferde- fleisch zu verabreichen. Die Besitzer von Pferden wurden an- gewiesen, diese auf Erfordern an die Pferdeschlächtereien ab- zuliefern. Auch die bei den Truppen entbehrlichen Pferde

*) D 'Artois S. 94. Nach DQriDg verloren die Franzosen an Todten und Verwundeten 3 Officiere 217 Mann.

*) Nach Blech 2, 71 fand die Ernennung dieser commission extraordinaire d'apprivisonnements de siege am 7. April statt, nach Campredou (Auriol S. 74) am 17,

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wurden designirt. Auf die Lazarethe wurde besondere Sorg- falt vei-wendet. Als Ersatz der Butter, die sehr selten geworden war, wurden die Gallerte aus den Knochen des geschlachteten Viehs ausgezogen und verwendet '). Die Kommission legte auf alle Medicamente und auf die Leinewand, die sich zu Verband- zeugen eignete, Beschlag. Sie kontroUirte selbst die Verwaltung der verschiedenen Zweige. Ohne Härte gegen die Einwohner konnte all das nicht abgehen. Der General Hendelet hiess nicht anders als der Teufel.

Der Typhus nahm im Monat März immer grössere Pro- portionen an. In der 2. Hälfte des Monats starben täglich 200 Mann*). Die Lazarethe waren überfüllt. Die Zahl der bettlägerigen Kranken (gegen 18000) überstieg alle Mittel, die auf deren Pflege verwendet werden konnten. Auch die Rein- lichkeit liess unter diesen Umständen zu wünschen übrig. Die Epidemie verbreitete sich selbst nach Neufahrwasser und Weichselmünde, die bisher verschont geblieben waren. Auch die hohem Klassen der Einwohner Danzigs blieben nicht ver- schont *). Nach dem Bericht von Tort blieben die der Artillerie und dem Genie zugetheilteu Truppen, durch die Ressurcen, welche diese Waffen hatten, am meisten von der Krankheit verschont. Die Generale Lepin und Campredon, die sie kora- mandirten, verwendeten eine ausserordentliche Sorgfalt auf die Gesundheit ihrer Leute. Anfang April erreichte die Epidemie ihren Höhepunkt. Während im März 4000 Mann gestorben waren, reducirte sich die Zahl im Monat April auf 3000, im Mai auf 2000. Am 6. April wurde der brave General Gault nach neunstündigen, unerhörten Leiden liingerafft*).

*) Campredon. Aurioi S. 75. d'Artois S. 97.

*) Das westfälische Regiment, das beim Einmarsch in Danzig noch 46 Offiziere und 888 3fann stark gewesen war, hatte nach dem Tagebuch des Majors Bauer am ö. März nur noch 280 Mann, am 8. infolge des Ver- lustes am 5. März nur 117, am 15. nur 85. Es starben davon täglich 5 bis 6 Mann. Nach dem Gefecht vom 24. wurde es mit den Baiem zu einem Bataillon formirt, das abwechselnd vom Major Bauer und den baierischen Stabsofficiereu Bollk und Seiferdiz kommandirt wurde. Plümicke S. 193.

*) d 'Artois S. 98. Nach Blech 2, 23 starben schon im Februar wöchent- lich 200 bis 300 aller Stände.

*) d'Artois S. 101.

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Die Russen verhielten sich seit dem 24. März ziemlich ruhig und begnügten sich mit Aufliebung einzelner Vorposten und dem Ueberfall von Feldwachen. Sie befestigten ihre Stellungen. Bei Matschkau wurde eine Redute und bei Wonne- berg ein Retranchement angelegt*). Einige Veränderungen waren in den Truppentheilen eingetreten. Am 24. März marschirte auf Befehl des Generals Grafen Wittgenstein die schwere Batterie Nr. 5 und die reitende Nr. 3 nach Berlin ab. Am 29. folgte das Kosacken-Regiment Jlowaiski X. Dagegen langte am 26. die 9. Kompagnie der Petersburger Landwehr in der Stärke von 248 Mann aus Jurburg an und wurde dem Woroneschkischen Regiment zugewiesen. Am 11. April stiess die Reserve - Escadron des Jamburgischen Ulanen -Regiments zum Blockadekorps. Uebrigens litten auch die Russen Mangel. Am 25. März wurden 3 Batterien (die schwere Nr. 6 , die reitende Nr. 1 und die leichte Nr. 11) nach Dirschau geschickt, um auf dem grossen Werder (Nogatwerder, wie er von deu Russen genannt wui*de), Unterkommen und Nahrung zu finden ^). April. Vom Zustand in Danzig war man genügend unterrichtet.

Der Oberst Eigner, welcher wegen einiger Unterhandlungen nach der Stadt geschickt worden wai', kam am 17. April von dort zurück und erzählte, dass von der 33000 Mann starken Besatzung schon 17000 gestorben seien'). Das ist nun zwar übertrieben, aber 10000 Mann kann man für diese Zeit bestimmt annehmen und ebensoviele mögen noch in den Lazarethen gelegen haben, so dass die Zahl der Dienstfähigen etwa 11000 betrug. Wahrscheinlich ist es dieser Offleier, auf den sich das Schreiben des Generals Rapp an den General Löwis vom 16. April bezieht*), dass er vom 17. April ab keine Parla- mentäre mehr annehme und den Vorposten den Befehl er- theilt habe, auf jeden zu schiessen, der sich annähere. Schon

>) Ebenda.

*) Russisches Jumal. Archiv S. 90.

3) Ebenda.

*) d'Artois S. 111. Er hatte die Vorposten, während seine Ankunft dem Vorposten-Kommandeur gemeldet wurde, verführen woUen, zu desertiren. Es waren Westfalen.

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am 7. April hatte er jedem seiner Leute eine Belohnung ver- heissen, der ihm einen Menschen zuführe, welcher ihn zur De- sertion habe verleiten wollen *). Der General Rapp konnte jedoch die Verbreitung lügenhafter Nachrichten seitens der Bussen nicht hindern, die an der damals stattgehabten lieber- gäbe von Thom und dem zwischen Preussen und Russland ge- schlosseneu Bündniss einen Anhalt fanden, aber weit übertrieben wurden. Den Danzigern gab die Versiegelung des preussischen Postbureaus am 14. April eine Bestätigung des Bündnisses^).

Rapp verstand es, die entsetzlichen Zustände, welche in Danzig infolge des Typhus und des Mangels herrschten, und welche die Truppen zu demoralisiren drohten, durch Betäubung derselben zu überwinden. Er begünstigte die Lust und das Vergnügen, wozu ihm die Faschingszeit Gelegenheit gab. Zu Ostern (18. April) rückte er mit 7000 Mann aus und hielt zwischen Neu-Schottland und Oliva, auf dem heutigen grossen Exercierplatze, eine Parade im Angesicht der russischen Vor- posten ab. Was man auch dagegen gesagt hat, er hat seinen Zweck, den Geist der Truppen zu heben, damit erreicht. Den Plackereien der Kosacken suchte er durch gelegentliche AUar- mirungen der feindlichen Läger zu begegnen. Eine grössere Unternehmung dieser Art fand am 15. April statt.

Die russische Linie war an den hervorragendsten Punkten mit Feuer- und Rauchsignalen versehen. Rapp beschloss, durch einen Ausfall eines derselben anzuzünden und dadurch die ganze feindliche Linie zu aUarmiren. Das 5. und 10. polnische In- fanterie-Regiment erhielten Befehl, das Dorf Brentau anzu- greifen.

Die Kommandeure derselben, Szembeck und Potocki, rückten um Mitternacht^) aus Langfuhr aus und gelangten, ohne be- merkt zu werden, auf die Anhöhe, welche das Brentauer Thal

^) Der Tagesbefehl ist vollständig im russischen Jumal (Archiv S. 91) abgedruckt und gehört wahrscheinlich zu den mit Beschlag belegten Do- kumenten. Siehe auch d^Artois.

«) Blech 2, 65.

') Campredon (Auriol S. 73). d'Artois S. 103. M6moires de Rapp S. 299. Da der Ausfall um Mittemacht erfolgte, sagt ersterer den 14., letzterer den 15. In den russischen Berichten wird dieser Ausfall gar nicht

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von der Ebene trennt. Die Vorposten, die hier standen, wurden verjagt. Potoöki griff darauf das Dorf Brentau an und be- mächtigte sich desselben. Gegen 40 Mann, die mehrere befestigte Häuser besetzt hatten, wurden nach einander überwältigt. Man fand ein Lazareth für 300 Mann, in welchem die vorgefundeneu Waffen zerschlagen und einige Equipagewagen zertrümmert wurden. Der Bataillonschef Szembeck zündete das Allarmsignal auf der Höhe an, worauf alle übrigen Signale antworteten und die russische Armee in die Waffen trat, auch den ganzen folgenden Tag darin verblieb. Szembeck drang darauf bis in die Nähe von Oliva vor und warf einige Granaten aus einer mitgeführten Haubitze hinein. Der Rückzug nach Langfuhr wurde ungestört ausgeführt. Man hatte nur den Verlust eines Mannes zu beklagen, der bei Ei'stürmung der befestigten Häuser in Brentau gefallen war^).

Am 23. April langte der Herzog Alexander von Württemberg, Onkel des russischen Kaisers, aus dem grossen Hauptquartier vor Danzig an, um das Kommando über das Blockadekorps zu übeniehmen. Wie er dem General Löwis schon vorher mitgetheilt hatte, lehnte er jede Verantwortlich- keit ab, bevor er sich nicht genau über die Lage orientirt und alles persönlich besichtigt hatte. Es war in der That hohe Zeit, dass die Führung in andere Hände überging, da sich ein gewisser Schlendrian im russischen Hauptquartier eingeschlichen hatte. Trotz der Erfahrungen vom 24. März befand sich das- selbe immer noch in Koliebken, wo der Kommandirende völlig ausserstande war. einen Einfluss bei eintretenden Wechselfällen

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auszuüben, der Dienst bei der grossen Entfernung des rechten Flügels überhaupt sehr erschwert war. Solange die Weichsel gefroren war, bedurfte es keiner besonderen Verbindung mit dem auf der Nehrung detachirten Korps. Es wurde aber auch nach Eintritt des Tauwetters keine hergestellt. Man begnügte

erwähnt, dagegen werden andere angeführt, so vom Jurnal (Archiv S. 91) am 21. und 22. und im Apercu S. 27 zwischen dem 12. und 24. April.

*) Die französischen Berichte verherrlichen ausserdem die- Thaten des mar^chal-des-logis Devill, welcher mit einem Dutzend Husaren die russischen Vorposten bis zum Strande hin in Unruhe versetzte. Den Russen ist das ganz entgangen, kein Bericht erzählt etwas davon.

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sich mit einer Fähre, und obgleich der Oberst Rosen dadurch ganz auf sich angewiesen war, erhielt er nicht einmal die er- forderliche Artillerie, um ihn einigermassen selbständig zu machen ^). Dabei waren drei Batterien wegen Mangels an Furage nach dem giossen Werder zurückgeschickt, die ebensogut auf der Nehrung hätten verpflegt werden können. Auch wäre es erforderlich gewesen, zur Sicherung seiner ausgesetzten Lage ihn in den Stand zu setzen, sich eine verschanzte Stellung vor- zubereiten, wozu seine Mannschaft bei dem ausgedehnten Vor- postendienst nicht ausreichte. Es musste einleuchten, von welcher Wichtigkeit für den Feind eine Abfuragirung der Nehrung war; trotzdem war nichts geschehen, das Vieh und die Lebensmittel zu entfernen. Unglücklicherweise hatte sich der Herzog die Besichtigung der Nehrung bis zuletzt vorbe- halten und war eben im Begriff, dahin abzugehen*), als Bapp ihm zuvorkam.

Es ist auffallend, dass Bapp bei seinem grossen Mangel an Lebensmitteln die Abfuragirung der Nehrung bisher unter- lassen hatte. Er hat allem Anschein nach selbst Heubude wieder geräumt. Das russische Jurnal erzählt von einem Ver- such, den die Belagerten am 11. April gemacht hätten, am Qanskruge eine Brücke über die Weichsel zu erbauen, was vom Obersten Rosen verhindert wurde ^). Die Ankunft des Herzogs von Würtemberg, die schon am 24. in Danzig bekannt war*), musste den General Rapp dazu drängen, nicht länger zu säumen, da mit Bestimmtheit vorauszusetzen war, dass dem Herzog die Mittel bewilligt worden wären, die Belagerung schleunigst in Angriff zu nehmen. Rapp bestimmte den 27. zur Ausführung

*) Wie gross das Bedürfniss nach Artillerie vorhanden war, ergiebt sich daraiLs, dass der Oberst sich einige Geschütze aus Holz anfertigen Hess, welche die Franzosen vorfanden. Blech.

«) Apergu S. 40.

') Archiv S. 90. Die französischen Quellen erwähnen nichts von dem Versuche, aber in dem Umstände, dass die Franzosen am 27. April nicht am Qanskruge über die Weichsel gingen, was sie gewiss gethan hätten, wenn sie im Besitz von Heubude gewesen wären, liegt auch eine gewisse Bestätigung der Angabe des russischen Jumals.

*) Oampredon. Auriol S. 75.

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und übertrug dieselbe dem General Bachelu. Um die Russen zu täuschen, Hess er die Nachricht verbreiten, dass ein grosser Ausfall gegen Oliva im Werke sei.

Der General Bachelu erhielt 1200 Mann Fussvolk und 350 Reiter unter Kommando des Obersten Farine zugetheilt, dazu eine polnische und eine französische Batterie. Ausserdem wurde von Weichselmtinde ein Detachement Fussvolk längs dem Strande vorgesendet. Der Guverneur folgte mit seinem Stabe und zwei Bataillonen Fussvolk in einiger Entfeniung. Der Ausfall erfolgte bei Anbruch des Tages vom Holm aus*). Jeder Soldat war auf 4 Tage mit Brot versehen. In Heubude wurde ein russisches Piket angetroffen und gänzlich vernichtet*). Der Oberst Rosen war 877 Mann stark, wovon 503 Mann Fussvolk und 374 Reiter, wie bemerkt ohne Artillerie*). Er hatte an der schmälsten Stelle der Nehrung, bei Neufehr, Auf- stellung genommen, wich aber bei der feindlichen Ueberlegen- heit und durch das Detachement von Weichselmünde in der rechten Flanke bedroht bald zurück und stellte sich bei Wordel auf. Nach kurzem Gefecht ging er auf Pasewark zurück. Hier hielt er den Feind so lange auf, bis das Proviant -Magazin, das in diesem Dorfe vorhanden war, geräumt und das Vieh weggetrieben war. Er zog sich dann nach Junkeracker zurück, wo er abends 9 Uhr eintraf, ohne vom Feind verfolgt zu werden*).

Der General Rapp, welcher bis Wordel gefolgt war, kehrte auf die Meldung Bachelu's von Pasewark aus, dass der Feind bis Vogelsang auf der frischen Nehrung geflohen sei^), über Heubude, wo er die Weichsel passirte, zurück, um die Russen, welche oberhalb des Forts Lacoste den Weichseldamm besetzt

") d^Artois S. 114. Campredon S. 75. Blech sagt irrthümlich, der üeber- gang über die Weichsel wäre um Mittemacht am Ganskruge geschehen. (2, 78.)

•) Blech 2,78.

') Die Stärke wird im Apert^u S. 40 auf dcus genaueste nachgewiesen, um der Uebertreibung d'Artois' entgegenzutreten, der S. 114 die Stärke Rosens auf 2600 Mann Fussvolk, 600 Dragoner, 300 Kosacken und mehrere Geschütze angiebt. Die m^moires de Rapp sprechen sogar von 5000 (S. 233).

♦) Jumal. Archiv S. 92.

*) d'Artois S. 115. Woher konnte Bachelu dies so schnell erfahren haben?

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hielten, zu vertreiben und dadurch die Weichsel für die Trans- porte der Beute frei zu machen. Drei Schaluppen unter Füh- rung des Kontreadmirals Dumanoir unterstützten den Guverneur hierbei*), der nicht unterliess, einen Theil des Werders ab- zufuragiren.

Der russische Verlust betrug nach dem Jurnal 8 Offiziere 100 Mann. Auch Campredon giebt 100 Mann an. d'Artois macht daraus jedoch 9 Offiziere 260 Mann. Französischerseits waren 2 Offiziere 7 Mann todt und 4 Offiziere 33 Mann ver- wundet*).

Der Herzog von Würtemberg, welcher sein Quartier vor- läufig hinter dem Zentrum der Armee in Klein-Leesen genommen hatte, erhielt erst 36 Stunden nach dem erfolgten Angiilf der Franzosen die Meldung davon, weil die beiden Offiziere, welche der Oberst Rosen an ihn abgesendet hatte, die Fähre bereits im Besitz der Franzosen fanden und der eine von ihnen getödtet, der andere gefangen genommen wurde. Die dritte Meldung aus seinem Nachtquartier hatte grosse Umwege zu machen*). Der Herzog sendete sogleich die zu seiner Sicherheit kom- mandirten beiden Regimenter und 6 reitende Geschütze unter dem Obersten Peuker nach Gross -Plönendorf, um das linke Weichselufer zu vertheidigen *).

Der General Bachelu blieb 4 Tage auf der Nehrung, um dieselbe gründlich abzufuragiren. Die Beute war sehr be- deutend: 500 Stück Hornvieh, 400 Stuck Kleinvieh, 600 Ctr. Heu, 400 Ctr. Stroh und 2300 Decalitres Hafer. Das Vieh wurde auf dem Landwege nach Danzig getrieben, die Furage auf der Weichsel*) transportirt.

Während der Expedition des Generals Bachelu waren die Vorposten verdoppelt und der General Husson bei Langfuhr und Neu-Schottland bereit gestellt worden, doch verhielten sich die Russen ruhig. Der Oberst Rosen nahm nach dem Abzüge der Franzosen seine alten Stellungen wieder ein.

') Ebenda S. 116.

«) Ebenda S. 117.

») Aper<ju S. 46.

*) Jurnal. Archiv S. 92.

») d'Artois S. 117.

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Rapp verfehlte nicht, die Resultate der Expedition der Besatzung von Danzig im Sinne Napoleonscher Bulletins mit- ztttheilcn, um daraus Kapital zur Hebung des Geistes derselben zu schlagen *). Er ist darin in seinem Recht. Wenn aber die französischen Berichterstatter d'Artois und Campredon dieselbe Tonart anschlagen und das Gefecht vom 27. als etwas ausser- ordentliches hinstellen ^), so tragen sie weder zum Verständniss

*) Das russische JnrDai giebt (Archiv S. 115) folgenden Tagesbefehl Bapps vom 1. Mai wieder: Der Ausfall, den ein kleiner Theil der Garnison am 27. April anf der Nehrung unternahm, ist vom glänzendsten Erfolge gewesen. Der Feind wurde fünfmal mit dem Bajonet geworfen und auf 8 und 9 Meilen verfolgt; wir verwundeten und tödteten ihm viele Menschen, unter den ersteren zwei Stabsofficiere. Gegen 300 Mann, unter denen 9 Officiere, fielen uns als Gefangene in die Hände, einen Theil derselben bildeten die Grenadier- Kompagnien des littauiscben Regiments. Wir brachten für 8 Monate Lebens- mittel und Furage in die Festung. Unsere Truppen blieben vier Tage auf dem vom Feinde eroberten Terrain, und der Feind wagte nicht, etwas gegen sie zu unternehmen. Der General en chef befahl gestern, den 30., dem Ge- neral Bachelu, der diese glänzende Expediton führte, in die Festung zurück- zukehren. Wir waren erstaunt zu sehen, dass uns auch nicht ein Mann bei unserm Rückzug in die Festung folgte. Wir haben nur den Verlust von 13 Verwundeten und 3 Getüdteten zu beklagen. Der General en chef be- zeugt den Truppen aller Nationen, die diese Expedition begleiteten, seine volle Zufriedenheit. Besonders angenehm ist es ihm zu sehen, dass die Ver- bündeten auf Versuche des Feindes, sie zum Abfall zu bewegen, so brav mit Kanonenkugeln und mit dem Bsgonete zu auworten verstehen. Das ist die wahre Rache eines tapfem, beleidigten Kriegers. Die Einwohner Danzigs, welche seit vier Monaten Zeugen der tapfern Ausdauer der Garnison ge- wesen sind, gewinnen jetzt mehr als jemals die Ueberzeugung, dass die Truppen Napoleons unüberwindlich sind.

*) d'Artois geht S. 115 so weit zu sagen, dass die russische Artillerie gar nicht die Zeit gehabt hätte, einen Schuss zu thun, so ungestüm sei der Angriff der Franzosen gewesen, wo er wissen konnte, dass die Russen ohne Artillerie waren. Aehnlich Campredon S. 76. Darin mag letzterer aber recht haben, wenn er S. 77 sagt: „Cettc brillante sortie, qui ent lieu dans un temps ou les roaladies contagieuses commeugaient ä disparaitre, releva beaucoup Tesprit de la gamison et Ini inspira uue confiance et une fermite qui ne se dementit pas un instant pendant le reste de la defense". Der Einfluss des Ausfalls war namentlich dadurch so bedeutend, dass der Besatzung auf einige Zeit Lebensmittel zugeführt wurden, die vor allem den Kranken zu- gute kamen. Düring sagt S. 46 indessen, dass die Gamison gar nichts da- von gehabt hätte, weil die Beute ausschliesslich den Generälen, Kommissären und ihren guten Freunden zu Nutz gekommen wäre.

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der Begebenheiten noch zur Glorie ihrer Nation bei. Die Leis- tungen der Besatzung und die glorreiche Führung der Ver- tlieidigung durch ßapp bedürfen solcher Ueberschwenglichkeiten nicht.

1 Die Blockade vom 1. Hai bis znm Waffensüllotande.

Der Angriff.

Der Kaiser Alexander hatte in seinem Onkel den richtigen Mai. Mann gefunden, der der Stelle gewachsen war, die er zu be- kleiden hatte. Von reicher Kriegserfahrung, verband der Her- zog damit ein seltenes Wissen, das sich auch auf die für den Belagerungskrieg besonders wichtigen Zweige der Artillerie und des Ingenieurwesens erstreckte. Namentlich aber hatte er einen unbeugsamen Charakter und eine starke Willenskraft. Er war von dem Generallieutenant Borosdin I begleitet und übernahm am 1- Mai das Kommando *). Zum Chef des Generalstabs wählte er den General - Major Wiljaminow *), der wieder zur Armee zurückgekehrt war. Der Herzog fand das Blockadekorps in einer Stärke von 13000 Mann vor*), die völlig unzureichend war, die weite Strecke von Brösen am Strande bis Quadendorf, in der Nähe der obern Weichsel, zu decken, viel weniger noch Truppen nach der Nehrung zu entsenden. Er hatte indessen bei seiner Abreise sowohl vom Kaiser Alexander als von Friedrich Wilhelm III die Zusicherung baldiger Verstärkungen erhalten. Er nahm nach dem unglücklichen Ausgange des Ge- fechts vom 27. April die Gelegenheit wahr, um von neuem darum zu bitten. In der That ging am 6. Mai ein Schreiben Hardenbergs aus Dresden an das Militair - Guvernement von Königsberg ab, wonach die ostpreussische Landwehr nach Danzig abrücken solle. Wenige Tage darauf traf auch ein Schreiben des Königs an das Guvernement ein, das die Angelegenheit dringend machte. Die 1. Division der ostpreussischen Landwehr

*) Apertju S. 307.

*) Friccius S. 171. Friccius ist im Irrthum, dass auch der Fürst De- meter WoU^onski mit dem Herzog gekommen ist.

') Apercu S. 37. Im Anhange desselben befindet sich die Tabelle der Stärke der einzelnen Regimenter.

Köhler, Gescliiehte der Festongeii Danzig und WeichselmOnde. IL 19

29ö_

unter ihrem Inspekteur, dem Grafen Ludwig von Dohna, erhielt Befehl, sich marschbereit zu halten. So sehr sich die Eussen dagegen gesträubt hatten*), preussische Truppen an der Be- lagerung von Danzig theilnehmen zu lassen^), das Bedürfniss dazu lag vor und siegte über das in russischen Kreisen längst gepflegte Verlangen nach der Weichsel und Danzig.

Der erate Befehl des Herzogs betraf die Abführung des Viehes, Getreides und aller Lebensmittel, welche sich in der Entfernung von IVa Meilen von Danzig befanden, nach rück- wärts. Er Hess die Massregel durch besonders dazu komman- dirte Officiere überwachen. Die zurückbleibenden Bewohner durften nur für drei Tage Lebensmittel behalten^). Am 3. Mai wurde die Errichtung von 3 Fuhrparkskolonnen befohlen. Jede Kolonne bestand aus 160 Gespannen zu 4 Pferden*). Als Kommandeure derselben wurden OfBciere gesetzt, auf deren Eifer Verlass war. Die Massregel wurde durch die völlig ausge- sogene Gegend von Danzig hervorgerufen ; die Kolonnen sollten Lebensmittel und Furage aus Ostpreussen und Pommern holen. Das Hauptmagazin wurde in Dirschau eingerichtet, kleinere in Kalpin, Oliva und St. Albrecht ^). Am 2. Mai befahl der Herzog, auf der Nehrung bei Neufehr eine Verschanzung auf- zttwerfen, und schickte einen preussischen Offleier zu dem Zweck dahin. Sie sollte aus mehreren unter sich gebrochenen Linien mit Batterien gebildet werden, die von der Weichsel bis zum Strande gingen. Davor sollten Reduten zur Bestreichung der Front und Verhaue angelegt werden^). Zwei Weichselkähue wurden bewaffnet und zum Schutz des linken Flügels bestimmt. Nach Ankunft der russischen Flotte wurden auch drei Schaluppen

>) Friccius S. 174.

•) Schreiben Kutusows an Wittgenstein vom Februar, worin es heisst: „Zur Belagerung Danzigs dürfen preussische Truppen nicht verwendet werden'' Danilewski I. Friccius S. 174.

•) Apergu S. 36.

*) Jumal. Archiv S. 116.

») Apercu S. 38.

•5 Jumal. Archiv S. 116.

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auf der See zum Schutz des rechten Flügels kommandirt *). 2ur Verbindung mit der Nehrung wurden am rothen Kruge und an der Siedlersfälire je 2 Fähren, die auch für Kavallerie geeignet waren, hergestellt. Auf jedem Ufer befand sich eine;. Der Herzog richtete ferner sein Augenmerk auf bessere Organisation der Lazarethe und Ambulanzen und suchte alles hervor, um dem Typhus zu steuern, der sich auch in der russischen Armee verbreitete. Alle kleinen Detachements bei der Bagage und in den Depots wurden zu ihren Truppentheilen zurückgeschickt und die Verwaltungsbeamten bei den Magazinen scharf kon- trollirt. Die nach dem grossen Werder zurückgeschickten Bat- terien wurden wieder herangezogen, und für den Ersatz der Munition wurde gesorgt. Als Depot für dieselbe wurde Graudenz bestimmt, aber auch für weitern Nachschub aus ßussland ge- sorgt.

Die beim Blockadekorps befindlichen Milizen (Landwehren) waren durchweg schlecht bewaffnet; ein Theil hatte noch Piken, ein anderer schlechte Gewehre von verschiedenem Kaliber. Es wurde dafür gesorgt, dass bei den Bataillonen ein gleiches Ka- liber vorhanden war und die Reparaturen durch geschickte Büchsenmacher ausgeführt wurden. Es wurden ferner die strengsten Verordnungen erlassen, dass die Bauern des Werders sich nicht nach der Stadt durchschlichen und Lebensmittel da- hin führten. Die Einwohner von Plönendorf, Nassenhuben, Hochzeit, Eeichenberg wurden über die Weichsel zurückge- sendet. Alle Kähne und Fahrzeuge dieser Dörfer wurden mit Beschlag belegt^.

Nach und nach trafen auch Verstärkungen ein. Schon am L Mai langte der Generalmajor Welikopolski mit einem Theil der Petersburger und Nowgoroder Landwehr in der Stärke von 290fficieren und 599 Untere fficieren und Gemeinen an. Er wurde vorwärts Schiddelkau in ein Bivuac gelegt und zur allgemeinen Reserve bestimmt. Zu ihm stiess die schwere Batterie No. 6, und die nach Gross-Plönendorf entsendete halbe reitende Bat-

*) Apercu S. 47.

') Das Vorstehende nach dem Apercu S. 43 ff. und dem Jamal. Archiv S. 116.

^9ä

ierie nebst dem 1. und 2. Seeregiment, ferner das Kosacken- Eegiment Grekow I*). Das Kommando darüber erhielt der Generalmajor Welikopolski. Die Stärke der Reserve war nicht über 2800 Mann anzuschlagen. Eine noch kleinere Reserve wui^e zwischen Praust und Rostau aufgestellt. Das Hauptquartier wurde nach Schiddelkau und nach dem Eintreffen weiterer Ver- stärkungen nach Sulmin verlegt*).

Die Aufstellung der Reserven hing mit der neuen Disloka- tion der Truppen zusammen, die der Herzog anordnete. Der Oberst Falk vom Jamburgschen Ulanen -Regiment erhielt das Kommando über ein Detachement von 2600 Mann'), von dem er die Vorposten vom Strande über Saspe und Mühlenhof bis Brentau zu stellen hatte. Das Kommando ging später auf den General Kulibakin über.

Der Oberst Treskin vom Regiment Asow hatte mit einem Detachement von 1300 Mann aller Waffen das Plateau zwischen Pitzkendorf und Miggau zu besetzen; der Oberst Peyker vom 2. See-Regiment mit 1500 Mann die Stellung von Wonneberg. Der General Tschernisch hatte mit 1300 Mann das Kommando über die Vorposten vorwärts Schönfeld und Matschkau; 1200 Mann unter dem General Adadurow besetzten mit dem Haupt- quartier in Wozlaw den Raum bis zur AVeichsel längs der Inun- dation. Der Oberst Rosen, welcher zur 21. Division gehörte, die demnächst zur grossen Armee abmarschiren sollte, wurde vom Oberst Ekeln vom 74. Jägerregiment abgelöst, der auf 2200 Mann verstärkt wurde. Die kleine Reserve zwischen Praust und Rostau, aus 2 Bataillonen und 200 Kosacken, zu- sammen 700 Mann, bestehend, kommandirte der Major Afro- simow. Auf der Höhe zwischen Striess und Pelonken wurde am 16. Mai eine starke Redute erbaut und mit 6 Geschützen armirt. Die Central-Reserve war für den ganzen Raum vom Strande bis St. Albrecht bestimmt*).

*) Apercu S. 48. Jamal. Archiv S. 92.

") Apercu S. 49.

') Das Detachement wurde später dnrch 3 Bataillone verstärkt (Aperga S. 61), welche am Ausgange des Thals von Brentau für den FaU eines feind- lichen Angriffs eine Reserve bildeten.

*) AperQU S. 52.

293

Auf einen Parlanicntair, den der Herzog am 6. Mi^i nach Danzig schicken wollte, um die Uebernahme des Kommando's dem General Rapp anzuzeigen, wurde von den französischen Vor- posten geschossen, so dass der Herzog sich veranlasst sah, am 8. einen Tagesbefehl zu erlassen, damit eine derartige Praxis nicht auch bei den diesseitigen Vorposten einreisse. Zur Ver- breitung von Proklamationen an die Besatzung liess der Her- zog durch Kosacken in der Nacht Piken innerhalb der feind- lichen Vorposten aufstellen, woran die Proklamationen befestigt waren. Auch unterhielt er eine Zahl von Spionen in der Stadt.

Um die Schwäche des Blockadekorps zu verbergen und den Feind in Athem zu erhalten, liess der Herzog tägliche Anfälle der feindlichen Vorposten durch einige hundert Mann Fussvolk und ebensoviel Kosacken ausführen, während die Truppen in den Lägern völlige Ruhe genossen^). Der Monat Mai verging da- her fast ohne bemerkenswerthe Ereignisse*).

Am 11. Mai stiessen die Reserve-Bataillone der 6., 21. und 25, Division, sowie 2 Eskadrons Dragoner in der Stärke von 187 Oberc^cieren, 706 ünterofficieren und 5119 Gemeinen zum Blockadekorps und wurden vorläufig der allgemeinen Reserve bei Schiddelkau zugetheilt, ebenso das 7. Baschkiren-Regiment, (las am 30. Mai anlangte').

Das Orenburgische Attaman-Regiment, welches gleichzeitig mit den Baschkiren ankam *), wurde dem Detachement bei Wonne- berg zugetheilt und aus einigen Bataillonen der 5. und 14. In- fanterie-Division, welche mit dem Schmidtschen-Korps anlangten, ein besonderes Detachement gebildet, das die Verbindung der Generale Adadurow und Tschernisch herstellen sollte. Am 26. Mai langten aus Pillau auf der Weichsel zwei Kanonenboote an, die dem Detachement in Neufehr unterstellt wurden*).

>) Ebenda S. 54.

*) Campredon. Auriol S. 80.

') Junial. Archiv S. 117.

*) Die beiden Regimenter zählten 980 Mann, waren aber durch den weiten Marsch sehr erschöpft. Sie ersetzten jedoch zwei Eosacken-Regimenter, welche zur Beschleunigung der Transporte aus Ostpreussen und Pommern abkommandirt waren. Apercu S. 57.

*) Jumal. Archiv S. 117.

294

Ende Mai und anfang Juni stiess die 1. Division ost- preussischer Landwehr unter dem Major Graf zu Dohna mit 9 Bataillonen *), 6 Eskadrons, in Summe 6022 Mann stark, zum Blockade-Korps. Davon wurden 7 Bataillone als ReseiTe für Pitzkendorf vorwärts Nenkau aufgestellt und 2 Bataillone, eine Eskadron dem Detachement des Generals Tschernisch zwischen Schönfeld, Matschkau und St. Albrecht zugetheilt ^. Fünf Es^ kädrons Reiterei stiessen zur allgemeinen Reserve bei Sclüd- delkau.

Am 7. Juni langten 3200 Rekruten der 21. Division an und marschirten mit der Division den folgenden Tag zur grossen Armee ab. Die Division war ausser den Rekruten 9 höhere, 72 Sub- altem-Officiere, 141 ünterofficiere, 72 Spielleute und 2695 Ge- meine stark; deren Stellung bei Pitzkendorf, Nenkau und Miggau nahmen jetzt die 7 preussischen Landwehr-Bataillone ein, ver- stärkt durch die russischen Regimenter Asow und Nizow der 6. Division^.

Am 8. Juni trafen 20 russische Kanonenboote und 8 Traus- portschiffe mit Munition auf der Danziger Rhede ein*).

Am demselben Tage langte das Tulasche Puss-Kosacken-Re- giment an und wurde dem General Tschernisch zugetheilt. Da- gegen wurde das Woroneschkische Infanterie-Regiment dem Ge- neral entzogen und als besonderes Detachement unter dem Obersten Naunow bei Rostau aufgestellt*).

') Die Division bestand aus 2 Brigaden, der 4. und ö., eine jede ans Ö Bataillonen und einem Kavallerie-Regiment gebildet. Ein Bataillon war jedoch in der Gegend von Graudeuz zur Bewachung der polnischen Grenze zurückgeblieben. Die zur Division gehörige Batterie langte erst w^ährend des Waffenstillstandes an. Friccius 193. Die Bataillone trafen einzeln ein, No. 19 schon am 30. Mai, No. 17 am 31., No. 18 sogar erst am 11. Juni, die Reiterabtheiiungen am 3. und 7. Juni. Kriegs-Archiv F. 9.

*) Jumal und Apercu S. 56. Von den 7 Bataillonen wurde jedoch eins (No. 17, Oelrichs) schon am 4. Juni nach der Nehrung abkommandirt. Kriegs- Archiv F. 9.

^) Apercu S. 57. Das russische Jumal führt diesen Umstand nicht au, hat im Gegentheil die 21. Division bereits am 14. Mai abmarschiren lassen.

*) Ebenda. Nach dem Jumal befanden sich darauf 10 Mörser, 144 Ka- nonen und 2278 Mann. Archiv S. 117.

») Jumal. Archiv S. 117.

295

Der Umstand, dass die preussische Landwehr zwei Regi- menter russischer Infanterie zugewiesen erhielt, während 2 Ba- taillone Preussen, die mindestens ebenso stark waren, zum Ge- neral Tschernisch kommandirt wurden, ist wohl darauf zurück- zuführen, dass die Landwehr noch nicht im Feuer gewesen war. Eigen thümlich war aber das Verhältniss, dass der Graf zu Dohna Major war, die Kommandeure der russischen Regi- menter dagegen Obersten. Es ist nicht ausgesprochen, dass das Detachement von einem höhern russischen Officier kommandirt wurde. Wir erfahren im Gegentheil aus der Relation der Schlacht am 9. Juni, dass der Oberst Treskin vom Asowschen Infan- terie-Regiment, welcher das Detachement von Pitzkendorf schon vorher kommandirtc, noch an diesem Tage das Kommando inne hatte, während der Graf Dohna den Rang eines Divisions-Kom- mandeurs faktisch besass. Wie Friccius S. 199 behauptet, haben diese Verhältnisse von vornherein zu einer Entfremdung zwischen dem Herzoge und dem Grafen Dohna geführt, da letzterer das preussische Interesse in jeder Beziehung vertrat. Er ist zwar bald zum Oberstlieutenant befördert worden *), was in Preussen als ein ausserordentlicher Fall angesehen wurde, inbezug auf die erwähnten Verhältnisse jedoch ohne Belang war. Wie wir sehen werden, kamen diese Sachen erst später zum Austrage.

Die Vertheidigung.

Auf die Besatzung übte die bessere Jahreszeit im Verein mit dem Nachlassen der Epidemie einen sehr guten Einfluss aus. Die Zahl der Dienstfähigen mehrte sich von Tag zu Tage, und auch der Geist der Mannschaft hob sich mit dem Wieder- aufleben der Natur. Die Vegetation sprosste üppig empor. Die zahlreichen Wiesen rings um die Stadt und die Wälle be- deckten sich mit einem grünen Teppich und ei*setzten den Mangel an Furage. Ein Theil der Pferde wurde auf die Weide ge- schickt, namentlich die, welche als Schlachtvieh verwendet werden sollten, was für die Mannschaft wiederum von Vortheil war. Für die übrigen Pferde ersparte mau dadurch seit ende Mai auf zwei Monate die Furage, so dass die Vorräthe an Ge-

*) Nach Friccius am 9. August.

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treide in dieser Zeit unberülul blieben. Bis dahin waren die Pferde statt des Hafers mit Roggeumehl, dem ein Drittel Kleie beigemischt war, in Form von Kuchen gefüttert worden. Die Ration betrug 7 Pfund, wozu 2 Pfund Eoggenmehl kamen. Stroh wurde nur für die Lazarethe verwendet. Die tägliche Portion für die Mannschaft betrug 2 Unzen Pferdefleisch und 1 Unze Pökelfleisch, für die Kranken in den Lazaretlien ein halbes Pfund Rind- oder Hammelfleisch. Die Beute, welche durch häufige Excursionen in den Werder eingebracht wurde, kam nur den Lazarethen zu gute*).

Immer noch starben im Mai 60 bis 70 Mann täglich. Die Lazarethe waren mit 8000 Mann angefüllt. Bis zum 1. Mai hatte die Besatzung 10000 Mann verloren*). Die Zahl der Dienstfähigen belief sich auf 12000.

Inzwischen war die Zeit herangekommen, wo die 13 Mil- lionen des Kurländer Raubes zu Ende gingen. Geld war aber zur Besoldung der Besatzung und zur Ablöhnuug der zahlreichen Ar- beiter, welche die Fortiflkation und die Artillerie zu Armirungs- zwecken beschäftigte, nicht zu entbehren. Der General Rapp schätzte die Summe von 3 Millionen B^anks für erforderlich, um für die Zukunft sichergestellt zu sein, und ernanute eine Kommission (11. Mai), bestehend aus dem Divisious-Kommandeur Heudelet als Präses, dem Kommandeur der Artillerie, General Lepin, dem ersten Kommandanten General Bazancourt und ei- nigen höhern Verwaltungsbeamten, um die Summe zu beschaffen. Er ertheilte ihr die weitgehendste Vollmacht, sowohl über die Art der Erhebung als über die Mittel der Ausführung'). Die Form, in der sich Heudelet der Sache entledigte, spottet aller Beschreibung *). Es gelang, durch Gewaltmassregeln 2 Millionen

^) Campredon (Auriol S. 80) erwähnt solcher Excuräiouen durch die Flotille unterm 7. und 17. Mai unter dem ArtiUerie- Hauptmann Andrieux. Auch in Apercu S. 56 werden sie angedeutet.

«) d^Artois S. 122. Auriol S. 82.

") d'Artois.

*) Blech 2, 98. Heudelet liess 28 der angesehensten Bürger in ihren Quartieren aufgreifen und zu sich füliren. Hier eröffnete er ihnen in Gegen- wart der ganzen Kommission, dass er 8 Millionen hahen müsse, die jedoch nur als Anlehen aufzufassen seien, dass er die Herren in Haft behalten werde,

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aufzutreiben. Dazu kam die Denunciation eines gewissen Re- dai, der als russischer Spion verhaftet war und am Tage seiner beabsichtigten Hinrichtung vorgab, wichtige Enthüllungen machen zu wollen. Die Hinrichtung wurde suspendirt und der Mann vernommen. Er sagte aus, dass am 22. Mai eine Revolution ausbrechen sollte, die zum Zweck habe, die Stadt den Russen zu überliefern. Er gab alle Einzelheiten darüber an und be- zeichnete den Senior des Schöppengerichts , Pegelau, als den Anstifter. Der Guverneur Hess Pegelau verhaften und vor ein Kriegsgericht stellen, das jedoch seine völlige Schuldlosigkeit erkannte und ihn wieder freigab *). Redai wurde am 16. Mai gehangen.

Der gute Stand der Saaten gab den Belagerten Veran- juni. lassung, seit Ende Mai tägliche Furagirungen über die Linie der feindlichen Vorposten hinaus vorzunehmen, welche auf Seiten der Russen wiederum Angriffe in einem grössern Umfange wie bisher hervorriefen, um die Belagerten mehr einzuschränken. Es fanden täglich Gefechte statt, die von den Berichterstattern je nach ihrem Standpunkte und ihrer Auffassung verschieden dargestellt werden, so dass selbst die Tage nicht übereinstimmen. So giebt d'Artois den 31. Mai, 3. und 8. Juni^), der Herzog von Würtemberg den 30. Mai, 2. und 6. Juni ') an. Das russi- sische Jurnal nennt dagegen den 26., 27. und 31. Mai und er- wähnt von den G-efechten zu anfang Juni bis auf den grössern Ausfall am 9. gar keine*). Selbst Campredon weicht von d'Artois ab*). Die Resultate der einzelnen Gefechte kommen darin überein, dass die Belagerten aus ihren Stellungen zurück-

wenn sie Schwierigkeiten machen würden. Die Bürger erklärten, es sei wohl möglich, dass sich in der Stadt noch 3 Millionen befänden, dass sie aber nicht die Hände dazu bieten würden, die betreifenden Bürger bekannt wer- den zu lassen. Sie wurden darauf verhaftet und während ihrer Abwesenheit ihre Bücher eingesehen und versiegelt.

») Ebenda 2, 93.

') Relation S. 145. Damit stimmt auch Düriug S. 145 überein.

*) Apercu S. 55.

*) Archiv S. 117. 118. Am meisten Gewicht legt das Jurnal auf den Ausfall gegen den General Andadurow vom 27. Mai, der anderweitig gar nicht erwähnt wird.

») Auriol S. 83.

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geworfen werden, die Belagerer sich aber unter dem Feuer der Festung nicht zu behaupten vermögen und in ihre alte Stellung zurückgehen *). Der Belagerte befand sich bei diesen Gefechten entschieden im Nachtheil, weil der Guverneur sich genöthigt sah, die Truppen in steter Bereitschaft zu halten. Die Reiterei hielt stets die Hälfte ihrer Pferde gesattelt, die Artillerie 25 Geschütze mit ihren Munitionswagen bespannt. Das Fort La- coste erhielt eine stärkere Besatzung, und am Ganskruge wurde ein neuer Posten angelegt. Die Vedetten der Reiterei wurden verdoppelt.

Der Herzog von Würtemberg war immer noch tiberzeugt, dass die Besatzung stärker sei als er, und suchte den Feind über seine Schwäche zu täuschen, indem er in der Nacht auf den Höhen grosse Feuer unterhielt und am Tage Bewegungen ausflihren Hess. In der That schätzten die Belagerten, denen einzelne Verstärkungen nicht entgangen waren, das Blockade- korps auf 30000 Mann. Damit seine Truppen dadurch nicht entmuthigt würden, liess der Guverneur verbreiten, diese Ver- stärkungen kämen nicht aus Russland, sondern es seien die Flüchtlinge aus Sachsen, wo Napoleon bedeutende Siege er- fochten hätte und in Dresden eingerückt sei *). Dunkle Ge- rüchte über die Schlacht von Lützen waren wirklich bereits an- gelangt. Indessen hielt Rapp es doch für angezeigt, seine Stellungen zu befestigen. Der westliche Ausgang von Stolzen- berg wurde mit einem kleinen Werk versehen. Auch im Innern des Dorfes wurden einige Häuser krenelirt. ein Haus (K) süd- lich des Dorfes, an einem kleinen Teich gelegen, das ebenfalls befestigt war, wurde der Dragonerposten genannt, weil er gewöhn- lich mit Dragonern besetzt wurde. Ausserdem liess er vor dem Zigankenberg drei kleine Redans (N. 0. P.) zum Schutze des Dorfes Zigankendorf erbauen. Die Redans wurden später er- weitert und erhielten die Namen Batterie Kirgener, Lünette

') Am vollständigsten werden diese Gefechte nach dem Tagebuch der Division Heudelet, im Anhange zu „Le siege de Dant^ig par M. de M****'' 8. 111. 112 gegeben. Danach hätten dergleichen am 3. 5. 6. 7. und 8. Juni stattgefunden.

*) Danziger Zeitung No. 64. Apercu S. 66.

299

Istrien nnd Batterie Caulaincourt *). Diese Arbeiten wurden am 2. und 3. Juni ausgeführt. Dann wurde links der Allee auf dem Krähenberge in der Höhe von Aller Engeln eine Batterie angelegt, welche die Gegend von Schelhntihl und Neu-Schott- land, sowie den Ausgang von Langfuhr bestrich. Sie wurde später Batterie Montbrun genannt. Das Haus Kabrun (eine Aschbude), das schon im April befestigt worden war, sowie ein Gewächshaus jenseits Aller Engeln, das im Schmidt'schen Garten links der grossen Allee lag, erhielten Werke vorgelegt*).

Im Archiv des russischen Ministeriums findet sich ein Tages- befehl des Generals Rapp vom 8. Jnni hinsichtlich des Vor- postendienstes, der von Interesse ist®). Es heisst darin: „Von diesem Tage an übernimmt für jede 24 Stunden ein Bri- gade-General du jour die Vorposten. Unter seinem Befehl stehen alle Vorposten von Neu-Schottland bis Ohra. Sein Aufent- halt ist in Schidlitz ; die Ablösung der Vorposten geschieht alle 24 Stunden und zwar um Mittag. Der Brigade-General du jour trifft bei einem feindlichen Angriff die ersten nöthigen Anord- nungen und disponirt über eine Reserve von 8000 Manu, die ihm auf Verlangen gestellt werden wird. Ebenso stehen die Pikets unter seinem Befehl, die jedesmal ausrücken, wenn bei den Vorposten Gewehrfeuer gehört wird. Bei vorkommenden Ereignissen meldet der General du jour unverzüglich dem Ge- neral en chef und dem Festungs-Kommandanten. Die einzelnen Befehlshaber reichen ilim und dem Hauptquartier jeden morgen um 9 Uhr ihre Rapporte ein. Der General du jour inspicirt alle Vorposten und reicht dem General en chef bei der Ablösung derselben einen schriftlichen Rapport ein".

Der Ausfall vom 9. Juni.

Das wichtigste Gefecht fand am 9. Juni statt. Die un- aufhörlichen Anfälle des Feindes, welche eine stete Bereitschaft erforderten und die Truppen durch fast tägliche Alarmirungen ermüdeten, hatten die Geduld des Guverneurs erschöpft*). Er

>) d'Artoifl S. 148.

') Campredon. Auriol S. 83.

*) Archiv S. 119. Schon Friccius theilt ihn S. 178 mit.

*) M6moires de Bapp S. 237.

300

entschloss sich am 9. Juni einen allgemeinen Ausfall zu unter- nehmen und damit eine grosse Furagirung zu verbinden. Der General Lepin hatte dazu 40 bespannte Geschütze fertigge- stellt und Kapp setzte seine Hoffnung darauf, dem Feinde da- mit möglichst grosfcie Verluste beizubringen, um ihn von weitern Belästigungen abzuhalten.

Die Stärke der französischen Ausfalltruppen wird auf höchstens 10000 Mann anzuschlagen sein'). Der Herzog von Würtemberg berechnet im Apercu S. 69 die Stärke des Blockade- korps auf 16400 Mann*). Davon würden nach Abzug der Laza- rethkranken und der Truppen auf der Nehrung und im Werder, die nicht am Gefecht theilnahmen, noch mindestens 6000 Manu abgehen, so dass die Stärke auf beiden Seiten im allgemeinen gleich war. Auf selten der Russen kommandirte der General- major Kulibakin bei Brentau und bis zum Strande, der Oberst Treskin bei Pitzkendorf und Miggau, der Oberst Peyker bei Wonneberg, der General Tscher nisch bei Schönfeld und Matsch- kau, der Generalmajor Adadurow auf dem Werder, der Oberst Ekelen auf der Nehrung. Die allgemeine Reserve befand sich bei Schiddelkau, eine kleinere zwischen Praust und Rostau, da- von abgesondert das Infanterie-Regiment Woronesch bei Rostau.

Der General Rapp beabsichtigte anscheinend bei Schönfeld und Matschkau die feindliche Stellung zu durchstossen und von hier aus aufzurollen. Da der Durchbruch jedoch nicht gelang, voll- zog sich der Angriff in Echelons von Brigaden vom linken Flügel.

^) Eechuet man die Zahl der Gestorbeneu und der seit dem 15. Januar in Gefechten Umgekommenen auf 18000 Manu und die der Lazarethkranken auf 7000 Mann, so bleiben von der ursprünglich 35000 Manu starken Besat- zung noch 15000 dienstfähige, von denen 5000 als Besatzung in Danzig mit seinen Ausseuwerken , auf dem Holm in Weichselmünde und in dem retrau- chirten Lager von der Westerplatte und Neufahrwasser zurückgelassen werden mussten, so dass 10000 Mann zum Ausfall disponibel blieben.

^) Der Herzog von Würtemberg berechnet im Apercu S. 69 die Ver- stärkungen, welche das Blockadekorps seit seiner Ankunft erhalten hatte, nach Abrechnung der 21. Division auf 3800 Mann. Mit dieser Berechnung, woraus sich die Stärke der Armee von 16400 Manu ergiebt, stimmt auch übereiu, dass der Ausweis der Stärke des Blockadekorps ende August bei Wieder- eröffnung der Feindseligkeiten über 39000 Mann betrug (s. Anhang zum Apercu), von denen im Lauf des Juni gegen 15000 Landwehren und gegen 5206 Be-

301

Er theilte seine Armee in einen rechten und linken Flügel. Zwischen beiden bildete die 34. Division unter dem General Devilliers in einer Aufstellung bei Dreilinden gewissermassen das Centrum und scheint speciell den Zweck gehabt zu haben, die Arbeiter zu decken, welche vorwärts Zigankendorf das Ge- treide abmähen sollten. Zu dem Zweck waren eine grosse Menge Wagen mitgeführt worden. Den rechten Flügel bildete die Division Grandjean mit dem 13. bairischen, 1. westfälischen und den 5. 10. und 11. polnischen Regiment nebst 4 Geschützen. Der General hatte die Plateaus von Zigankenberg und Lang- fuhr zu besetzen, sich aber darauf zu beschränken den Feind zu beobachten. Den linken Flügel bildete der General Heu- delet mit der 30. und 33. Division, 4 Eskadrons unter dem General-Major Cavaignac und 34 Geschützen, hauptsächlich 12Pfündem und Haubitzen. Er war zum AngriflF bestimmt'). Die Truppen benutzten bei ihrem Vormarsch das Terrain so umsichtig, dass der Anmarsch von den russischen Vorposten nicht bemerkt wurde und der Alarmschuss im feindlichen Lager erst gegen 11 Uhr abgegeben wurde, als die französische Ar- tillerie bereits in Position war. Das Hauen des Getreides wurde sofort begonnen. Um diese Zeit erhielt der General Rapp durch einen jüdischen Spion die officielle Mittheilung von den Siegen bei Gross -Görschen und Bautzen und theilte sie den Truppen sogleich mit, so dass ein tausendstimmiges vive l'empereur!

kruten eingetroffen waren. Zur grossen Armee waren nur einige Kosacken- regimenter und eine Eskadron Dragoner abgegangen. Im übrigen sind meh- rere Regimenter an diesem Tage gar nicht ins Gefecht gekommen und in ihrem Lager geblieben (Apercu S. 24).

^) Das Tagebuch der Division Heudelet (Anhang zu ,le si^ge de Dautzig 1813") giebt S. 114 den officieUen Bericht des Divisionskommandeurs über das Gefecht vom 9. Juni. Nach demselben hätten auf Seiten der AUiirten 3000 Mann Infanterie auf dem rechten Flügel, 4000 im Centrum vorwärts Wonneberg und 2000 auf dem linken Flügel bei Pitzkendorf gestanden. Die Heiterei schätzt das Tagebuch auf 1500 Mann, die Artillerie auf 15 Ge- schütze, wovon 4 —. 12Pfünder. Er fügt hinzu, dass dies das dreifache der französischen Elräfte gewesen sei! Diese Angabe wäre mit der übrigen nur dann zu vereinigen, wenn sich das dreifache auf die Beiterei bezöge. Andre Angaben über die Stärke liegen nicht vor.

2U den Russen hinüberschallte *). Der General Tscheinisch, welcher schnell in die Waffen treten liess, vertheidigte seine Stellung zwischen Schönfeld und Ohra so hartnäckig, dass der General Husson, der ihm gegenüber stand, kein Terrain ge- winnen konnte *). Auch ein zweiter Verstoss, den die Franzosen von Ohra her unternahmen, hatte keinen Erfolg '). Der General Heudelet liess daher die Brigade Breissan zum Angriff von Wonneberg vorgehen und behielt die Neapolitaner (33. Division) in Reserve. Der Herzog von Würtemberg hatte jedoch die Re- serve von Schiddelkau nach Wonneberg herangezogen und stellte sie auf den Höhen vor dem Dorfe auf, so dass das Gefecht hier zum Stehen kam*). Ebensowenig war der General Devilliers, welcher darauf gegen Miggau vorging, im stände, den rechten Flügel des Detachements vom Obersten Treskin zu verdrängen, obgleich sich der General Rapp mit einer Verstärkung an Ar- tillerie persönlich dahin begab. Darauf wurde auch Pitzkendorf, wahrscheinlich vom General Grandjean, angegriffen. Nach dem russischen Jurnal (Archiv S. 118) fand dies 3 Uhr nachmittags statt und führte zum heftigsten Gefeclit des Tages, Nach d'Artois S. 151 und Rapp (memoires S. 239) ging der Angriff des rechten französischen Flügels von den Russen aus. Vgl. auch den Bericht der Division Heudelet S. 116. Die Furagirung musste hier eingestellt werden^), da sich eine heftige Kanonade engagirt hatte ^).

Der Herzog hatte an den General Kulibakiu den Befehl gesendet, die feindlichen Vorposten bei Striess zurückzuwerfen

^) d'Artois S. 150. Memoires de Rapp S. 238.

•) Apergu S. 68.

') Jurnal. Archiv S. 118. Die in6moires de Kapp g^eben irrthümlich an y der Angriff auf Ohra sei russischerseits gemacht worden. Es fand dies erst zuletzt statt, wobei das preuss. Landwehrbataillon No. 10 (von Bolschwing), unterstützt durch die TiraiUeure des Bat. No. 9 (von Hülsen) und die 5. Ka- vallerie-Abtheilung (von Brünneck), sich auszeichneten (Kriegs- Archiv F. 9).

*) Ein Vordringen der Franzosen Über Wonneberg hinaus, wie d'Artois behauptet, hat ebensowenig wie bei Schönfeld und Pitzkendorf stattgefunden.

*) d'Artois S. 151.

^) Das russische Jurnal hebt es (Archiv S. 118) als bemerkenswerth hervor, dass sich 4 Geschütze der reitenden Batterie No. 19 gegen 15 fran- zösische hielten.

ao3

und nach umständen die Pikets aufzuheben *). Der General sendete den Major Lantjew mit 200 Jägern*) über Brentau vor, der, das Thal umgehend, ein Piket von 40 Mann gefangen nahm.

Während des Gefechtes borabardirte die russische Flotte die Westerplatte, um die Aufmerksamkeit abzulenken.

Auf allen Seiten zum Stehen gebracht, sah sich der General Rapp genöthigt, das Gefecht gegen 6 Uhr abzubrechen und den Rückzug anzutreten, wobei er bis unter die Kanonen der Festung verfolgt wurde.

Die preussischen Landwehrbataillone, die an diesem Tage zuerst ins Feuer kamen, hatten sich sowohl im Detachement Tschernisch, wie bei Miggau vortrefflich geschlagen. Drei Ba- taillone, welche bei der Verfolgung in Schidlitz eindrangen, konnten nur durch wiederholte Befehle wieder herausgezogen werden'*). Nach Plotho (1, 234) haben sich die Bataillone von Bolschwing und von Hülsen, sowie die Eskadron von Wobeser ausgezeichnet. Vgl. oben S. 302 Note 3.

Der Verlust der Russen belief sich an Todten und Verwun- deten auf 10 Officiere 257 Mann, der der Preussen auf 45 Mann. Allgemein bedauert wurde der Tod des Obersten Uschakow. Die

*) Apercu S. 60. Nach dem Kriegs- Archiv des grossen Generalstabs warde während des Gefechts das prettss. Landwehr - Bat. No. 19 nach Silberhammer entsendet, kehrte aber am folgenden Tage ins Lager von Nenkau zurück.

*) Jumal. Archiv S. 118. Nach demselben waren es nur 100 Mann vom 3. Jäger -Regiment. Das Apercu nennt den Major Lappa und giebt 200 Mann an.

') Der Herzog sagt darüber (Apercu S. 59): „Trois bataillons de la milice prussienne qui venaient d'arriver et qui n'avaient jamais vu le feu, se distinguerent beaucoup dans cette affaire et t^moignaient tant d'ardeur, qu'ils p6netrerent jusqae dans le vallon de Schidlitz, et qu'il fallut les ordres les plns pr6cis pour les engager ä retirer dans la ligne.'' Die drei Bataillone Nr. 14, 15 und 16 der 4. Brigade (Graf Eulenburg), welche erst am 7. und 8. eingetroffen waren und im Bivuak bei Nenkau lagen, hatten noch keine Patronen und geschärfte Steine, hielten aber auf der Höhe von Pitzken- dorf, wohin sie dirigirt wurden, von einer russischen Batterie unterstützt, das feindliche Kanonenfeuer ruhig aus. Das zur Brigade gehörige Bataillon Nr. 7 kam an diesem Tage erst an und wurde auf seine von Praust aus da- rüber gemachte Meldung nach Matschkau gewiesen, wo es als Reserve des Generals Tschernisch stehen blieb. Kriegsarchiv F. 9.

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Franzosen geben ihren Verlust selbst auf 400 Mann an ^), docli ist er entschieden grösser gewesen, da sie durch die Verfolgung sehr gelitten haben. Der Herzog von Wnrtembei*g hatt« sich mit Ruhm bedeckt. „Er fand sich überall vor. wo der Feind die grössten Anstrengungen machte, und wusste durch seine weisen Massregeln den Sieg auf die Seite der Russen zu wen- den" *). Der Bericht von Blech ') bestätigt im wesentlichen die nissischen Berichte*), denen ich gefolgt bin. Aus den franzö- sischen Berichten ist, mit Ausnahme des Tagebuchs der Division Heudelet, nur die Schlachtordnung verwendbar. Sie nehmen natürlich den Erfolg ihrerseits in Anspruch. Der General Campredon, welcher dem Gefecht im Gefolge des Generals Rapp beiwohnte, stellt sich für sein taktisches Urtheil ein schlechtes Zeugniss aus, wenn er sagt"'): „notre feu fait gi-ande ravage dans les masses ennemis. On voit partout la confusion dans ses rangs et plusieurs pieces sont demontees. II est oblige d'abandonner son camp de Pitzkendorf. II ne peut contenir les nouvelles recrues qu'en pla^ant un rang de Cosaques derriere elles." Von den Gefechten bei Schönfeld, Wonneberg und Miggau weiss er nichts mitzutheilen. Blech erzählt über die Rückkehr der Besatzung ®) : „Der Abend schied die Kämpfenden von einander, die Garnison zog in die Stadt und musste ge- stehen, die Feinde hätten wie die Mauern gestanden . . . . Fast ein jeder hatte von den erschossenen Pferden etwas für sich erbeutet, und diese abgehackten und abgerissenen Stücke brachten sie, mehrere in Säcken, viele auf ihren Bajoneten, wie Siegeszeichen in die Stadt." In seinem Bericht an den Major- gfeneral zeichnet der General Rapp den Major Bellancourt und

') d'Artois S. 152. Nach Düriiig 55 sind es 19 Officiere, 637 Maun geweseo. Nach d 'Artois hätten die Preussen allein 1300 Mann verloren, obgleich officiell feststeht, dass sie während der ganzen Belagerung nnr 459 Manu verloren haben (Verlustliste im Anhange des Apercu). Vgl. auch Apercu S. 6.3,

') V. Stengel in seinem Werk über die russischen Milizen 2, 13. Apercu S. 68.

») Blech 2, 124.

*) AperQU S. 58 ff. und Jurnal (Archiv S. 118).

^) Auriol S. 84.

«) Blech 2, 126.

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3öä

den Bataillonskommandeur Duprat aus, welche verwundet Wor- den sind, den General Cavaignac, dem ein Pferd unter dem Leibe erschossen wurde, die Generäle Husson und Breissan; die Majors Schneider*), Gleize, Treny und Dauger; den General Devillier, den Oberst von Egloffstein, den Major Horadam und den Oberstlieutenant Hoppe. Vom General Lepin sagt er : Dieser ausgezeichnete Officier hat selbst Anerkennung beim Feinde ge- funden; vom General Campredon und Oberst Eichemont, dass sie ihn bei allen Ausfällen begleitet hätten und durch ihre In- telligenz und Erfahrung bei mehreren Gelegenheiten von grossem Nutzen gewesen sind. Noch wird der sächsische Artillerie- Hauptmann Preuthin ^) und der Sergeant Vignaux erwähnt, die sich durch ihre Unerschrockenheit ausgezeichnet und, obgleich zweimal verwundet, das Schlaclitfeld nicht verlassen hätten*).

Noch am Abend des 9. trafen die Officiere aus den beiden grossen Hauptquartieren, welche den Abschluss des Poischwitzer Waffenstillstandes vom 4. Juni verkündigen sollten, ein. Sie waren am 5. abgereist. Russischerseits war es der Oberst von Wolzogen *), f ranzösischerseits der Hauptmann Planat, Adjutant des Generals Drouet. Letzterer versuchte es jedoch vergebens, noch in der Nacht in den Platz zu gelangen, da der Befehl Rapp's, alle Verbindung nach aussen zu verhindern, mit grosser Strenge beobachtet wurde. Erst am folgenden Tage nachmit- tags 3 Uhr erhielt der Guverneur ein Schreiben des Hauptmanns Planat, das seine Ankunft im russischen Hauptquartier anzeigte. Der Waffenstillstand wurde noch an demselben Tage den Truppen bekannt gemacht'*).

Unzweifelhaft wird der General Bapp infolgedessen und bei den geringen Resultaten des Ausfalls ^) bedauert haben, ihn

*) Den Major Schneider erwähnt auch Blech 2, 113. Schneider war 1815 Chef des Generalstahs der Rheinarmee unter Rapp.

') Der Hauptmann Preuthin wird von d'Artois als Kommandeur der sächsischen Batterie von 6 Geschützen bezeichnet, welche das Gefecht auf dem linken Flügel eröffnete.

") d'Artois S. 152.

*) Apergu S. 75.

*) d'Artois S. 154.

^) Es waren nur wenige Wagen unreifen Getreides in die Stadt ge- bracht, einige Wagen vom Belagerer abgeschnitten worden. Blech.

Köhler, GheschicUte der Festungen Oanzig and Welcliselmtlnde. IL 80

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unternommen zu haben, aber ihm einen Vorwurf zu machen, wie es geschehen ist, dass er ihn ausgeführt hat, ist nicht zu rechtfertigen, da die Chancen, Vortheile davon zu haben, sich mit jedem Tage verringerten und schon wenige Tage nach dem 9. die Landwehren von Jaroslaw, Tula und Kaluga in der Stärke von 12320 Mann aller Grade beim Blockadekorps ein- trafen^). Auch musste etwas geschehen, um dem unleidlichen Zustande, in welchen das System des Herzogs von Wtirtemberg die Besatzung versetzt hatte, ein Ende zu machen.

Fortsetzung der Ärmirung.

Seit dem Monat März wurden die Armirungsarbeiten durch gutes Wetter begünstigt und mit verdoppeltem Eifer fortgesetzt. Der Platz erhielt von Tag zu Tage einen höhern Grad von Stärke, so dass ende Mai alle Arbeiten auf den Bergen und diejenigen, welche durch die Beschädigungen der Ueberschwem- mungen im Februar erforderlich geworden waren, als beendigt angesehen werden können. Der Platz war mit einem Wort zu dieser Zeit in einem respektablen Zustande^.

Im speciellen^) waren auf dem Bischofsberge die ver- schiedenen Blockhäuser, welche die Flankirung bewerkstelligen sollten und bisher nicht vorhanden waren, sowie diejenigen in den einspringenden Winkeln des gedeckten Weges beendet. Ihr Inneres bot gleichzeitig der Besatzung zahlreiche und ge- sunde Wohnungen. Einige davon, wie die Grabenkaponferen vor dem Bastion Salvator und im Graben des äusseren gedeckten Weges, waren selbst für Geschütze eingerichtet. Die Gräben waren ausserdem mit zwei Reihen Palisaden versehen. Ein Pulver- magazin, das nach allen Seiten geblendet war, wurde beendet. Geräumige Rampen in der Kontreskarpe erleichterten die Aus- fälle und den Transport der Geschütze nach dem gedeckten

») Jumal. Archiv S. 120.

•) Campredon (Auriol S. 81).

*) Die folgenden Nachrichten sind dem Bericht entnommen, welchen der Hauptmann Planat bei seiner Rtlckkehr ins Hauptquartier dem Major-g^n6ral Berthier überbrachte (d'Artois S. 164 fif.). Einzelne Zusätze sind ans dem Be- richte Cr.mpredon^s vom 3. Dezember (Auriol S. 278 fF.).

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Wege. In diesem waren eine doppelte Palisadenreihe nnd in den ausspringenden Winkeln Tamburs aus Palisaden hergerichtet und boten eine völlige Sicherheit gegen den gewaltsamen An- griff. Eine bedeckte Batterie am äusseren gedeckten Wege be- strich den Stolzenberger Grund und flankirte den Angriff auf die Lünetten Leclerc und Cafarelli. Das Vorterrain war voll- ständig planirt und alle Häuser entfernt.

Auf dem Hagelsberge war die hölzerne Bekleidung des Ravelins Hagel, eine enorme Arbeit wegen des hohen Profils dieses Werkes, glücklich zustande gekommen. Unter der Kontreskarpe von der Lünette S6narmont war eine Haupt- gallerie mit mehreren Anfängen von Nebengallerien angebracht, um im Falle eines Angriffs den Minenkrieg zu erleichtern. Die Palisaden und Tamburs resp. Blockhäuser im gedeckten Wege waren beendet. An das gemauerte Reduit und die gedeckte Verbindung desselben mit der Stadtenceinte war die letzte Hand gelegt worden.

Die Front Neugarten war verstärkt, die am Olivaer Thore verbessert worden.

Auf dem Holm und am Fort Napoleon waren die grossen Beschädigungen, welche die üeberschwemmung im Februar an- gerichtet hatte, ausgebessert. Die gedeckten Wege, welche an diesen Werken noch gefehlt hatten, waren hergestellt, und man war noch dabei, Traversen und Rtickenwehren anzubringen und Pulvermagazine und gedeckte Unterkunftsräume darin zu er- bauen. Namentlich wurde das Fort Napoleon reichlich mit Blockhäusern ausgestattet, so dass sowohl die Besatzung als sämmtliche Vorräthe sicher untergebracht werden konnten^).

Die Redute d'Hautpoul wurde verstärkt und ihre Ver- bindung mit Weichselmttnde und mit dem Fort Napoleon durch Palisaden gedeckt.

Die detachirten Reduten von Neufahrwasser und der Westerplatte wurden völlig in stand gesetzt, die Kontres- karpe des Forts Mo ntebello wurde mit Sturmpfählen versehen und der hinter dem Fort führende Weg verbarrikadirt, so dass

*) Campredon. Anriol S. 280.

«0*

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das Fort vollständig selbständig war. Selbstredend erhielt es auch hinreichende bedeckte Räume im Innern.

In Weichselmünde waren bedeutende Arbeiten ausge- führt worden. Das Fort carre wurde instandgesetzt; die Gräben der Ostschanze wurden zum Theil rektificirt, um sie vollkommen bestreichen zu können., vorzugsweise wurden aber die Kase- matten theils bewohnbar gemacht, theils zu Magazinen herge- richtet, was für Weichselmünde von grosser Wichtigkeit gegen ein Bombardement von der See war.

An den Forts Lacoste und Desaix nebst der Lünette Colbert wurden mehrere Verbesserungen angebracht, namentlich wurden sie reichlich mit bedeckten Räumen versehen.

Die Stadtbefestigung war in gutem Stande. Das grosse Pulvermagazin in der Niederstadt, das 114000 Kilogramm fassen konnte, war nahezu beendet. Der Weg dahin und hinter den Bastionen der Niederstadt hinweg, welcher bei Regenwetter un- passirbar war, wurde erhöht. Die Tamburs in den eingehenden Waflfenplätzen des äussern gedeckten Wegs längs der Inundation waren beendet.

Die Lazarethe und Rossmühlen waren in gutem Stande und alle Arbeiten, welche zur Erleichterung des innern Dienstes er- forderlich waren, vollendet.

Die Wälle waren reichlich mit Geschützen versehen, die Munition war gefertigt und überall genügender Vorrath vorhan- den \). An den Strandbatterien waren Oe-fen für glühende Ku- geln erbaut worden.

6. Der Waffenstillstand vom 10. Tnni bis zum 21. Augast.

Der Hauptmann Planat überbrachte dem General Rapp einen Brief Napoleon's und ein Schreiben des Majorgenerals Berthier. Als Anerkennung seiner Verdienste erhielt der General das Grosskreuz des Ordens der Rennion und die Patente für 10 Officiere und 100 Ritter der Ehrenlegion zur Vertheilung nach seinem Gutachten an die Mannschaft. Er wurde ermäch-

*) In einem Schreiben an Berthier vom 17. Juni drückt Bapp die Be- sorgniss ans, dass das Pulver nicht ausreichen werde , was sich jedoch nicht bestätigt hat.

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tigt, Officiere bis zum Grade eines Hauptmanns zu befördern, und aufgefordert, Vorscliläge für höhere Stellungen einzu- reichen. Die Besatzung wurde zu einem eignen Armeekorps, dem 10., erhoben und Eapp zum Chef desselben ernannt. Er hatte bisher nur den Earig eines Divisions-Kommandeurs und wurde dadurch zum kommandirenden General erhoben. Der Kaiser drückte ihm die Hoifnung aus, dass es zum Frieden kommen werde, sollte dies jedoch nicht erfolgen, so würde er ihn entsetzen. Zu seiner Orientirung schickte er ihm den Moniteur seit dem 1. Januar. Noch machte er ihn darauf auf- merksam, dass das freundschaftliche Verhältniss zu Dänemark fortbestehe und der Baron Alquicr noch Gesandter daselbst sei *), Nach dem Poischwitzer Vertrage sollte das Terrain inner- halb einer lieue von der Enceinte des Platzes neutral sein. Ferner sollte der Platz alle 5 Tage je nach der Stärke der Besatzung durch das Blockadekorps mit Lebensmitteln und Furage versehen werden. In beiden Beziehungen stellte der General Rapp Forderungen, die für den Gegner ganz unan- nehmbar waren ^). Er gab die Stärke der Besatzung auf 30000 Mann und 6000 Pferde an, was, wie der Herzog von Würtemberg durch seine Kundschafter wusste, viel zu hoch ge- griffen war^). Die Grenze des neutralen Terrains wollte er nicht von der Enceinte, sondern von den Aussenwerken bemessen haben. Aber noch ein anderer Punkt wirkte sehr erschwerend auf die Abwickehmg des Geschäftsganges. Rapp sprach den Wunsch aus, die Lebensmittel und Furage durch Unternehmer selbst zu beschaffen. Der Herzog ging sehr gern darauf ein,

*) Den Brief theilt Campredou mit. Aiiriol S. 88. Er ist vom 5. Juni datirt.

-) Die bezügliche Korrespondenz zwischen dem Herzog und dem General Rapp ist im Apergu 8. 78—91 mitgetheilt.

') Nachträglich ist die effektive Stärke durch d'Artois S. 161 bekannt geworden. Sie betrug

20578 Officiere, Unterofficiere und Gemeine, 404 Militair-Beamte, 811 Gefangene in Summa 21793 Köpfe und 2302 Pferde, wobei jedoch diejenigen des Ge- neralstabs nicht inbegriffen waren, für welche 713 Rationen, und zwar 352 in natura und 861 in Geld, gefordert wurden.

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da er die Schwierigkeiten voraussah, welche die Auftreibung der Proviantirung in dem ausgesogenen Lande bereiten würde. Er instruirte danach die Verwaltungsbehörden in Ostpreussen und Pommern. Da zog Kapp den Antrag wiederum zurück*) und setzte den Herzog dadurch in grosse Verlegenheit, da er neue Instruktionen erlassen musste und eine bedeutende Ver- zögerung der ersten Lieferungen eintrat, die ihm bei seiner Gewissenhaftigkeit sehr unangenehm war, aber auch viel Re- klamationen seitens der Franzosen zur Folge hatte, da sie ihm die Verzögerung als Böswilligkeit auslegten.

Die von beiden Seiten eingesetzte Kommission zur Ausein- andersetzung obiger Verhältnisse, welche französischei'seits aus dem Kommandeur der Artillerie, General Lepin, und dem Ingenieur vom Platz, Oberst ßichemont, russischerseits aus dem General Gerebzow und dem Major von Pullet bestand, einigt« sich am 16. Juni zu einem Uobereinkommen, das aus 13 Artikeln bestand.

Ueber den eingangs erwähnten zweiten Punkt kam man zu keiner definitiven Einigung, da indessen eine Zahl angenommen werden musste, kam man insoweit überein, dass die Lieferungen vorläufig für 17000 Mann und 1800 Pferde stattfinden sollten, von jeder Seite aber zwei Officiere sich zu der Kommission be- geben sollten, welche die Ausführung des Waffenstillstandsver- trages zu überwachen hatten, um die Kopfzahl festzustellen, üeber die Grenzen des Festungsrayons war der Herzog geneigt, auf den Vorschlag des Generals Rapp einzugehen, dass alles im statu quo bleiben sollte. Da dies jedoch dem Poischwitzer Ver- trage nicht entsprach, war auch in dieser Beziehung ein Ein- verständniss der von den Kronen ernannten Kommission er- forderlich*). Ueber den dritten Punkt sprach das Uebereinkomnien

') Als Grund für diese Zurückziehung glaubt das Aperen S. 103 Note annehmen zu müssen, dass der General Rapp bei näherer Ueberlegung zu der Einsicht gelangt ist, dass er bei der Ueberwachung der Lieferungen durch den Herzog schwerlich darauf rechnen konnte, auf diesem Wege mehr zu er- halten, als ihm zukam, und dnss die Lieferungen durch Unternehmer bedeutende Kosten verursachen würden.

') Eine Entscheidung der Kommission über die Ausführung des Poisch- witzer Vertrages ist nie erfolgt (d'Artois S. 178), so dass es scheint, als

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im 9. Artikel noch: die vom General Eapp gewünschte Art der BeschaflFung der ProViantirung aus, dass es den kommandirenden Generälen überlassen sei, wie dieselbe erfolgen solle. Erst darauf hat ßapp seinen Wunsch fallen gelassen*). Der Ar- tikel 9, den d'Artois in seiner Mittheilung des Uebereinkommens vom 16. ausgelassen hat, liefert den Beweis für den im Apercu angegebenen Wunsch des Generals Eapp, die Proviantirung durch Unternehmer selbst zu beschaffen, der in den Berichten d'Artois' und Campredon's mit Stillschweigen übergangen wird*). Es liegt auf der Hand, dass dies nur geschehen ist, um die Schuld der Verzögerung der Lieferungen auf den Herzog abzuwälzen, während Rapp allein die Veranlassung dazu war'). Die erste Lieferung erfolgte am 18^).

Der Herzog von Würtemberg hatte geltend gemacht, dass während des Waffenstillstandes alle Arbeiten unterbleiben müssten und weder neue Werke angefangen noch angefangene fortgesetzt werden dürften^), womit der General Rapp sich einverstanden erklärte.

Die Officiere. welche aus dem kaiserlichen Hauptquartier entsendet worden waren, um den blockirten Festungen den Waffenstillstand zu verkünden, hatten den Auftrag, bei ihrer

ob Bapp sich darein erg;eben hat, das Uebereiukoinmen vom 16. in Bezug auf die Kopfstarke anzunehmen, und dass Officiere überhaupt nicht abgesendet worden sind.

») Apercu S. 99.

0 Das Uebereinkommeu vom 16. wird vollständig nur im Apergu S. 92ff. abgedruckt. d^Artois und nach ihm Aurioi lassen verschiedene Artikel und namentlich Nr. 9 aus. Der betreffende 9. Artikel lautet : ],La proposition de laisser a la garuison la facult6 de traiter directemeut k Dauzig pour une partie des fouruitnres pouvant faciliter les Operations du ravitaillement en r^servant aux assiegeans le droit de verificatiou et de prendre toutes les mesures de suret^, eile est soumise ä Tacceptation des deux g^n^raux en chef.''

^) Das hielt den General Rapp jedoch nicht ab, unaufhörliche Rekla- mationen in dieser Angelegenheit an den Herzog zu richten. Er berichtete selbst im Geheimen am 1. Juli durch denselben jüdischen Spion, welcher die Nachricht von den Siegen von Gi'.-Görschen und Bautzen überbracht hatte, an den Major-g6n6ral, dass der Feind nicht die Hälfte der Lebensmittel liefere, zu denen er verpflichtet sei. d'Artois S. 178.

*) Apercu S. 101, nach d'Artois S. 177 erst den 19.

4 Ebenda S. 87.

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Rfickkanft über den Stand der Dinge in den betreifenden Festungen, sowie über deren Proviantirung. Artillerie und Mu- nition zu berichten. Sie sollten von den Artillerie- und In- genieurofficieren der Plätze einen genauen Bericht über das, was sich zugetragen hatte, mitbringen, sich aber auch aus eigner Anschauung von allem überzeugen, st) dass sie dem Kaiser dar- über berichten könnten. Unter dem Vorwande, sich auszu- ruhen, sollten sie 7 bis 8 Tage in der Festung verweilen '). Der Hauptmann Planat reiste infolgedessen erst am 18. ab*). Unter den Papieren, die er mitnahm, ist besondei-s der Bericht Rapp's vom 17. an den Kaiser von Interesse, den Campredon mit- theilt'). Er besteht aus zwei Schreiben, von denen das erste mehr persönlichen Charakters ist. Ich gebe sie wegen ihrer Wichtigkeit im Original wieder.

Le comte Eapp ä TEmpereur. Sire,

M. Planat rendra compte k V. M. des chicaues que m'a faites le duc de Wurtemberg: elles etaient faciles k prevoir. Ces Messieurs sont de mauvaise humeur de n'avoir jamais pu rfeussir contre nous. Cependant, Sire, je dois dire ä V. M. que, si Parmistice durait longtems, notre position serait plus fächeuse que pendant les hostilit6s et surtout pour les habitans. Car avant les hostilites, je trouvais toujours moyen de faire entrer quelque chose dans la place, soit par la force des armes, soit par adresse; maintemant rien n'arrive et Vennemi nous bloque plus s6rieusement que jamais, puisqu'il n'a autre chose ä faire et voulait meme empecher nos pecheurs de sortir tandis qu'il n'a pu y reussir dans l'etat de guerre. J'ai donne l'ordre de faire tirer sur les flottes russes et anglaises, si elles inquietent encore la peche.

II serait bien important que V. M. put avoir la facilite

*) Die Instruktion für diese Officiere wird von Aiiriol S. 87 mitgetheilt.

") Campredon. Auriol S. 96. Die Angabe Rapp's im Schreiben v. 14. an den Herzog, dass er die 1. Lieferung abwarten sollte, ist nur ein Vorwand, um seinen langem Aufenthalt zu rechtfertigen. Thats«ächlich ist er früher abgereist.

») Ebenda S. 92.

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d'envoyer tous les cinq joiirs, uii officier qui retournerait au quartier geiieral aprfes avoir re§u mes depeches.

Je joins ä cette lettre la copie du traite passe entre le duc de Wurtemberg et moi au sujet des articles de Tarmistice dont l'execntion a souflFert, ici, beaucoup de difficultes.

Je suis avec le plus profond respect

Sire de Votre Majeste Imperiale et Royale, le plus obeissant et le plus fidele sujet,

Dantzig, le 17 juin 1813. Signe: Rapp.

Le general comte Rapp ä TEmpereur. Sire. 17 juin 1813.

M. Planat m'a remis la lettre dont Votre Majeste m'a honore, c'est un des plus beaux jours de ma vie que celui j'ai re^u, apres cinq mois de blocus et sacliant la ligne de vos Operations ä ISOlieues de Dantzig, des nouvelles aussi satis- faisantes de Votre Majeste:

Je n'ai jamais eu d'inquietude, je m'en reposais sur le genie et sur cette force d'äme dont Votre Majeste a donne des preu- ves si eclatantes et j'etais certain qu'elle reparerait bientot tous les desastres de Tlüver pass6.

L'ennemi a souvent cherche ä nous persuader de mauvaises nouvelles et surtout relativement ä 1' Antriebe, mais je savais k quoi m'en tenir et les reponses que je lui ai faites en diflffe- rentes occasions prouveront k Votre Majeste que nous ne croyons pas facilement aux contes de M. Kotzebue. Votre Majeste lira avec interet les rapports que j'ais Thonneur de lui adresser, aussi qu'au Major-general des affaires qui ont eu lieu dans les environs de Dantzig et eile remarquera sans doute que Tenne- mi n'a jamais pu me faire abandonner les positions que j'occu- pais au commencement du blocus, positions dans lesquelles M. Planat nous a trouves.

Si les affreuses maladies, espece d'epidemie, qui ont regn6 ici et qui m'ont souvent arrache des larmes de sang, n'avaient pas cause taut de ravages parmi mes troupes, il y avait un moment ou j'aurais pu aller ä Königsberg et revenir par Thorn, car Fesprit de cette garnison monte ä un tel point que Ton peut regarder chaque soldat corame un brave distingu6.

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A Tafifaire du 5. niars, j'ai battu, avec 5000 horames, 20C00 Eusses, parmi lesquels il n'y avait pas an Iiomme de milice et je leur ai enleve du canon et fait beaucoup de pri- sonuiers. J'avais alors 18000 malades, taut aux höpitaux qu'aux infirnieries et a la chambre, le reste gardait la ville et les forts exterieurs.

L'aflfaire du 24. inars a eu lieu avec 4000 hommes contre 8O0O Russes. Ce u'est enfm que depuis le 17. avril que la sante de nos soldats s'est amelioree. II a fallu, pour obtenir ce rfeultat, beaucoup de patience, beaucoup de soius et mal- heureusement, ici comme partout ailleurs, on n'a pas ete secon- de par nos administrations

Pendant raou absence ä Tarmee les magasins ont ete lais- ses dans Tetat de denüment le plus absolu. On avait con- sonime en grande partie la viande salee au milieu de Pabon- dance. Les magazins ä fourage contenaient k mon arrivee une douzaine de quintaux et, k l'exception du pain, ancun Service n'etait assur6; les höpitaux, autrefois bien tenus, 6taient dans un etat affreux. J'avais instruit Ms. le comte Daru de cet etat de choses, j'avais meme envoyö k cet eflfet le general Lepin ä Königsberg; mais on nie fit dire qu'il n'y avait aucune apparence que je fusse assiege, ni bloque

Enfin apr^s le d6bäcle ä Königsberg, on n'a plus pense ä Pillau, ni k Dantzig et on a envoye l'ordonnateur . . . avec des ordonnances pour 2400000 francs afiu d'approvisionner ma place, au lieu de faire vider, pendant le sejour k Königsberg, les immenses magazins de cette ville et surtout ceux d'Elbing qu'il 6tait facile d'evacuer et qui contenaient des vins, eau-de-vie, rhum, riz, farines, medicamens et tant d'autres objets precieux, qui sont tombes entre les mains des Cosaques. J'ai vu depuis des personnes qui voulaient se charger de ses evacuations, mais on a perdu le temps k marchander avec eux et, pour une difference peut-etre de 50000 francs on a laiss6 perdre des sommes immenses.

Malheureusement le major-göneral etait malade. Son Al- tesse est la seule personne qui n'avait pas perdu la tete dans cette retraite et qui a rendu les plus grands Services k Votre Ma-

815

jeste. Je repftte ce que j'ai entendu dire par tous les mili- taires.

Tout ce que j'ai Thonneur de dire ä Votre Majeste sur Tadministration est exacte, je ne veux faire de tort, ni de mal a personne, mais je dois la v6rite ä Votre Majeste, puisque le sacces de ses Operations en depend.

J'ai distribue les d6corations d'officiers et de Chevaliers que Votre Majeste a accord6es au 10. corps. Cette faveur a produit un grand effet, les recompenses se sont donuees avec la plus scrupuleuse equite. Ne serait-ce pas trop demander ä Votre Majeste d'accorder encore le meme nombre, tant en croix d'officiers qu'en legionnaires et dix croix d'officiers ou Chevaliers de la Beunion? II y a encore bien militaires k r^compenser et, quoique j'aye eu en general a me plaiudre de l'administration, je dois dire que quelques-uns d'entr'eux meritent des recom- penses, et particulierement les officiers de sante, dont le zele et le devouement ont le plus puissamment contribu^ a sauver le reste de la garnisou. Au reste je ne distribuerais les nou- velles decoratious que j'ai demandees k Votre Majeste qu'au cas la paix me paraitrait assuree et, dans le cas coutraire, je reserverais ces recompenses pour en faire part aux braves qui se distingueraient le plus. Car, ainsi que Votre Majeste Ta pense, il serait bien avantageux au bien de son Service, dans une garnisou composee de tant de nations difFerentes, que celui qu'elle a honore de sa confiance füt autorise ä recompenser des hommes animes d'un tel esprit de bravour et devouement. Ce serait le moyen de doubler mes forces.

J'ai continue ä faire suivre les plans de Votre Majeste,

depuis le moment ou il a ete possible de reprendre les travaux.

, Votre Majeste trouverait la place dans un bei etat de defense.

J'ai fort ä me louer du general de Campredon et du colonel

de Eichemont, dont les talens egalent l'experience.

J'ai eu pendant la saison de glaces, des momens bien in- quietans, Tennemi ayant souvent menace de chercher k penetrer dans Dantzig; le froid a dure si longtems cette annee que le cöte faible de la place nous a fait passer bieu des nuits, dont les fatigues ont augmente le. nombre de nos malades.

Tous nos efforts pour rompre la glace ne produisant pas

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grand resultat, ce n'etait qu'avec beaucoup d'hommes qu'on pouvait arreter Fennemi. Les habitans 6taient si persuades que les Russes tcuteraient alors uii assaut qu'une grande partie d'entre eux ont abandoniife la place et quittaient en masse les quartiers menac^s, qni sont restes tous inhabites jusqu'au priutems.

Les soldats des 30., 33. et 34. divisions soiiffroient tant du froid que j'avais peine ä rassembler 1000 honimes de ces trois divisions. La division du general Grandjean faisait seule tout mon espoir parce qu'elle soutenait mieux le froid et que ses homroes etaient bicn plus formes.

Votre Majeste trouvera ici une belle artillerie bien attelee, une cavalerie bien montee et meprisant souverainement les Cosaques. II a fallu bien des soins et des sorties aussi heu- reuses que Celles que nous avons faites pour conserver cette cavalerie et cette artillerie dans un si bon etat et avec un pareil esprit.

J'ai etabli depuis deux mois une commissiou d'approvision- nement de dix-luiit personnes pris parrai les chefs de toutes les armes dans tous les Services, k la tete de laquelle j'ai place le gfeneral Heudelet. Cette commission nous a rendu de grands Services et je me serais fort bien trouve de l'avoir etablie plus tot. Mais j'ais tarde ä prendre ce parti sachant conibien cela contrarierait les chefs de Tadministration. J'ai ici 386 hommes de la garde imperiale qui etaient presque tous geles; 200 sont parfaitement retablis. La majeure partie est de la vieille garde et fournira de beaux pelotons. J'en ai un soin particulier et je les regarde comme une excellente reserve.

Le raajor-general rae parle dans une de ses lettres de conserver Dantzig jusqu'au mois de mai prochain en cas d'övene- . mens inattendus. II ne faut pas compter sur une defense aussi longue. II faudrait nous renforcer de 15000 hommes et avoir pour un mois de vivres de plus. Sans un secours d'hommes, la place ne serait plus tenable Thiver prochain, car la garnison est compose aujourd'hui de 21000 hommes et il n'y en a que 12000 de disponibles. Je perds encore au delä de 1100 hom- mes chaque mois.

Un emprunt force que j'ai leve sur le commerce d^ Dant-

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zig nous a ete d^un grand secours; cet empriint est flx6 ä 3 millions dont 1700000 fr. seulement sont rentrfes. Sans ce moyen, le pay erneut de la solde 6tait arret6 et si Votre Majeste ne nous assure de nouveaux fonds, nous nous retrouverons dans le meme embarras avant un mois.

Lcs d6penses ont et6 cependant reduites autant qu'une 6conomie bien entendue Ta permis. Par exeraple, on ne paye que la solde, deduction faite des masses, et, quant aux diff^rents Services, on prend les matieres par requisition payable au d6blocus. On ne paye donc que la main-d'oeuvre.

Je dois beaucoup d'^Ioges au g^neral Bazancourt, eomman- dant de la Legion d'honneur, auquel j'ai confl6 le commande- meut sup6rieur de la place. Cet officier g6n6ral a commande en mon absence pendant les sorties avec une activitfe remar- quable. Votre Majeste connait cet officier genßral trfes dis- tingtt6 dont je ne puis dire assez bien.

Je suis etc. etc. Rapp.

In dem Schreiben an Berthier von demselben Datum *) führt Rapp einzelne Punkte hinsichtlich des Mangels einer ausreichen- den Besatzung und Verproviantirung, sowie an Geld näher aus. Inbezug auf die Besatzung sagt er, dass der gegenwärtige Stand von 20578 Mann am Ende des Waffenstillstandes infolge der Krankheiten auf 19000 gesunken sein werde, von denen mindestens 2000 in den Lazarethen liegen werden*); im Mai näch- sten Jahres ®) würden unter der Annahme, dass der Winter die Anzahl der Kranken nicht vermehre und nur 1000 Mann monat- lich sterben, weitere 8000 Mann abgegangen sein, ohne die Verluste in den Gefechten zu berücksichtigen. Mit 11000 Mann,

^) Mitgetheilt von Campredon (Auriol S. 104). d'Artois giebt das Schreiben S. 168 im Auszuge wieder, scheint aber das Koncept benutzt zu haben, das in einzelnen Punkten ausführlicher ist und vieneicbt infolge von Sehreibfeblem einzelne Zahlen anders hat.

') Es starben im Monat Juni immer noch 30 bis 40 Mann täglich. d'Artois S. 168.

') Es bezieht sich das auf die Forderung Berthiers, den Platz bis zum 1. Mai zu halten. Thiers ist ofifenbar im Irrthuui, wenn er behauptet, der Kaiser habe Bapp befohlen, Danzig erst auf ein Schreiben von seiner Hand zu übergeben. Auriol S. 102.

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die dann noch bleiben würden, wovon noch gegen 3000 Laza- rethkranke abzurechnen wären, Hessen sich die weitläiiftigen Werke Danzigs aber nicht vertheidigen. Ueber den Oktober hinaus könne er für nichts einstehen. Die Vertreibung eines Theils der Bewohner, wie sie der Kaiser verlange, würde darin nichts ändern. Der Kaiser habe vor zwei Jahren der Stadt jßOOOOO Centner Getreide durch Requisition genommen und nur 20000 Centner gelassen, wovon sich diese bisher unterhalten habe*). Hinsichtlich des mangehiden Geldes bemerkt Rapp, dass die monatlichen Ausgaben sich auf 900000 Franken be- laufen, die Zwangsanleihe aber bisher nur 1700000 Franken eingetragen habe, was die Ausgaben nur noch auf 2 Monate decken würde.

Sehr merkwürdig sind die auseinandergehenden Ansichten über den Einfluss des Waifenstillstandes auf die Dauer der Vertheidigung. Rapp hält ihn in seinen beiden Schreiben für nachtheilig, weil er durcli denselben an Mannschaften ge- schwächt werde ^). Der Herzog von Würtemberg sieht ihn für die Russen für sehr nachtheilig, für den Vertheidiger sehr vor- theilhaft an, weil er nach Eintreffen der Verstärkungen, die er erwartete, und die im Laufe des Juni auch eintrafen, den Feind aus Langfuhr und Olira hätte vertreiben und den förmlichen Angriff um einen Monat früher hätte beginnen können*). Ich komme noch darauf zurück.

Die Bewohner Danzigs befanden sich durch den Waffen- stillstand in die Lage versetzt, zusehen zu müssen, dass die Besatzung Nahrungsmittel erhielt, während sie leer ausgingen. Wie wir gesehen haben, macht Rapp in seinem Schreiben an den Kaiser vom 17. darauf aufmerksam, dass ein längerer Waffenstillstand für die Bewohner höchst verderblich werden müsse. Die Russen verdoppelten ihre Wachsamkeit, dass nichts in die Stadt gelangte. Die Theurung, die schon vorher gross gewesen war, nahm in schreckenerregender Weise zu. Das Pfund Butter kostete ende Juli 2 Thaler, das Pfund Kaffee

») Vgl. oben S. 228 Note.

') Infolge der Krankheiten. Er hätte anch hinzufügen können an Geld.

») Apercju S. 76.

3^

4 Thaler, das Pfund Brod 2 Ggr., die Kanne Milch 6 Ggr. *). Unter diesen Umständen war der Wucher, den die höheren fran- zösischen Officiere mit den Lebensmitteln, die ihnen durch den Raub zugefallen waren, trieben, noch eine wahre Wohlthat, wenigstens für die Wohlhabenderen. Sie verkauften den ScheflFel Roggen, der den Kaufleuten vorher ohne Entschädigung abge- nommen worden war, für 7 Thaler, den geraubten Hammel für 50 Thaler, die Kuh für 200 bis 250 Thaler«). Dabei wurden die Massregeln zur Eintreibung der Zwangsanleihe fortgesetzt. Die Zahl der Verhafteten mehrte sich täglich*), und ihre Be- handlung wurde immer unmenschlicher, Rapp selbst immer ab- stossender. Eine Deputation der Regierung, welche am 21. Juli in dringenden Angelegenheiten an ihn gesendet war, Hess er nicht vor, und als sie zum dritten Mal erschien, wies er sie schroff zurück*).

Im übrigen verlief der Monat Juni und der Anfang Juli sehr Juli, ruhig ^). Der General Rapp verlegte fast die ganze Besatzung auf die Dörfer, um sie dem Leichengenich zu entziehen ®). Die Heuernte nahm ausserdem die Mannschaft in Anspruch, Aber

») Blech 2, 139 und 2, 160. Nach Dttring kostete ein Pfund schlechtes Rindfleisch um diese Zeit 20 gute Groschen bis einen Thaler, das Pfund Butter 4 Thaler, ein Danzigcr Scheffel Roggen 16 Thaler, ein Pfund Pferdefleisch 9 gute Groschen, eine kleine Zwiebel 4 gute Groschen, 20 Kar- toffeln einen halben Thaler, ein Pfund Salz einen Thaler.

»j Ebenda S. 167.

8) Ebenda S. 153.

*) Ebenda S. 139. Es ist etwas sehr Schönes um die Humanität im Kriege, aber sie kann sich nur da ergehen, wo der Dienst nicht daniuter leidet. Denn der Krieg an sich ist unvereinbar mit der Humanität, ist viel- mehr der Gegensatz dazu. Rapp hatte den Befehl, Danzig zu halten. Das Geld musste beschafft werden, um das zu erm(1glichen. Die Zwangsanleihe w^ar nothwendig. Die Ausführung überliess er der dazu ernannten Kom- mission. Aber es ist natürlich, dass der Guvemeur von diesem Augenblick ab die gemüthliche Seite seines Charakters, die ihm allgemein zuerkannt wurde, nicht mehr zeigen konnte und der Bürgerschaft gegenüber ein schroffes Wesen annahm. Man hat ihm das als Stdz ausgelegt, auch ist er davon nicht freizusprechen, er gerirte sich als suverainer Fürst, aber in diesem FaU ist es nicht Stolz.

*) d'Artois S. 178. Apercu S. 104.

•) Blech 2, 141.

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auch das grüne Getreide wurde gehauen und den Besitzern ent- zogen ^). Man konnte seine Reife nicht abwarten, da die Feind- seligkeiten jeden Augenblick wieder beginnen konnten. Das grösste Misstrauen herrschte auf beiden Seiten. Da der Herzog es nicht in der Hand hatte, die Lieferungen regelmässig zu stellen, weil dies von den Civilbeliörden abhing und mit den grössten Schwierigkeiten verbunden war, legte man ihm das als Böswilligkeit aus. Rapp sendete am ersten Juli einen Spion an Berthier ab mit chiffrirter Depesche, worin er sich bitter über die mangelhafte Ausführung der Bedingungen des Waffen- stillstandes seitens der Russen beklagte und aussprach, dass bis- her nur die Hälfte der fälligen Lebensmittel abgeliefert wor- den sei^).

Der Herzog Alexander benutzte die Ruhetage, um die russischen Milizen zu orgauisiren ^). Aus den 15 Druschinen der Petersburger Landwehr wurden 7 Bataillone gemacht*), deren Kommando wegen Erkrankung des Senators Bibikow, der sie befehligte, später auf den General Adadurow überging. Diese Landwehren, wie auch die preussischen, wurden regel- mässig einen Tag um den andern gedrillt. Ein Theil derselben, die schlecht bewaffnet waren, wurden der Artillerie überwiesen und am Belagerungsgeschütz eingeübt, wo sie später die besten Dienste leisteten'').

Im Lauf des Juni kamen 5119 Rekruten der 6. und 25. Division an, die sogleich eingestellt wurden. Ebenfalls noch im Juni trafen die angesagten Verstärkungen ein : 2 Eskadrous des Kasan'schen Dragoner-Regiments, zusammen 180 Mann stark,

>) d'Artois S. 180.

*) d 'Artois S. 178. Es war ein russischer Jude Moses Meusel aus Wilna, der als Doppelspion diente und die Depesche zuvor dem Herzog vorlegte, der sie entziifem liess und wieder zurückgab. AperQU S. 104.

») Aperiju S. 106.

*) Friccius sagt iiTthtinilich ö, weil er die Errata nicht gelesen hat.

^) Apercu S. 107. Ueberhaupt stellt der Herzog den Landwehren das beste Zeugniss ans. Er sagt: En g6n6ral, Ics milices tant russes qne prus- siennes rivaliserent par la suite avec les meilleurs troupes de ligne, quoique composees enti^rement de paysans, dont la plus grande partie n^avait jamais vu le feu.

J2i^ __

nebst 60 Dragonern fttr die Reserve-Eskadrons und eine halbe Kompagnie Reserve- Artillerie, dann die Landwehren von Jaroslaw, Tula und Kaluga nebst Verstärkungen der Petersburger und Nowgoroder Landwehr, zusammen gegen 15000 Mann stark 0. Die erstem waren vom Fürsten Demeter Wolkonski heran- geführt worden, der mit ihnen die Höhen von Nenkau ein- nahm *). Die Truppen , die hier gestanden hatten , wurden nach dem Thal von Brentau und vorwärts Oliva verlegt. Hierauf konn- ten die Kosacken- Regimenter Grekow I und Ilowaiski IX nebst einer Dragoner-Eskadron von Pleskow, die auf der Neh- rung gestanden hatte, zur grossen Armee gesendet werden.

Der Vorpostendienst wurde auch während des Waffenstill- standes mit grosser Strenge gehandhabt. Auf dem Werder verhinderten kleine bewaffnete Kähne, dass keine Lebensmittel nach der Stadt gebracht werden konnten, auf der Weichsel dienten die bewaffneten Fahrzeuge, welche den linken Flügel der Verschanzung deckten, zu gleichem Zweck. Ebenso wurde der Strand scharf bewacht') und den Fischern nicht gestattet, sich davon zu entfernen. Doch hat es Rapp, indem er sich auf den Waffeustillstandsvertrag bezog, durchgesetzt, dass bis auf eine Lieue von der Küste gefischt werden durfte*). Der Herzog verwendete viel Sorgfalt auf die Parkkolonnen und Ambulanzen. Er Hess sie wegen Mangel an Pferden zum Theil mit Pferden der Regimenter bespannen, um die Verpflegung der Armee zu sichern^). Die Lazarethe wurden in guten Stand gesetzt, da die Epidemie immer noch nicht erloschen war.

Auf ein Gesuch des Guverneurs fand am 3. Juli eine Zu-

') Davon kamen nach dem Jnrnal (Archiv S. 120) auf die Landwehr von Jaroslaw, Tula und Kaluga 12320 Mann. Nach Blech 2, 122 sind diese Landwehren um die Mitte Juni angekommen.

*) Nach dem Jamal (Archiv S. 120) stiessen auch die Linien-Infanterie- Begimenter Nizow und Koporsk zum Fürsten Wolkonski.

') Die russische Flotille war im Juni ausser zahlreichen Transportschiffen und 6 Kanonenhooten 19 grössere und kleinere Fahrzeuge stark. Nach dem Jamal soll allerdings am 18. Juni die russische Flotte mit der Belagerungs- artUlerie eingetroffen sein, doch ist das offenbar ein Schreibfehler fttr 18. JuU, wo auch Blech deren Ankunft konstatirt.

*) d'Artois S. 177.

*) Apercu S. 108.

Köhler, Geschicbte der Festangen Danzlg und Weichselmttnde. II. 91

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sammenkanft der beiden Eommandirenden beiStriess statt. Sie dauerte gegen 10 Minuten, ohne dass man vom Pferde stieg. Der General Rapp war mit seinem ganzen Stabe in Oala er- schienen, der Herzog hatte gar keine Rücksichten genommen. Man schied sehr kalt voneinander.

In der Nacht zum 13. Juli langte ein Kuriier aus dem russischen Hauptquartier in Reichenbach an und brachte den Befehl des Oberet Kommandirenden Barklay de Tolli vom 6. Juli, dass die Lieferungen an die Garnison zu suspendiren seien, weil die Franzosen durch einen Ueberfall der Freikorps von Lützow und von Colomb den Waffenstillstand gebrochen hätten. Feindseligkeiten seien jedoch zu vermeiden^).

« Der Herzog machte sogleich an den General Rapp Mit- theilung hiervon und fttgte noch hinzu, dass alle übrigen Be- dingungen des Waffenstillstandes dadurch nicht berührt würden. Auch der Grund der Massregel war angegeben*). Unglück- licherweise war jedoch der Offizier, welcher wegen seiner Eenntniss der französischen Sprache für gewöhnlich zu diesen Sendungen benutzt wurde, nicht zur Stelle und kam erst gegen Abend zurück. Er machte sich jedoch sofort auf den Weg, wurde aber am Olivaer Thor nicht eingelassen, so dass das Schreiben erst am 14. gegen Mittag in die Hände von Rapp gelangte. Durch einen Schreibfehler war das Datum des

^) Der Befehl lautet (Apercu S. 123): „Qu'attendn les ^v^nemens, qni avaient eu lien au corps des volontaires de Lützow et de Colomb, sur lesquels les FrauQais venaient de faire une attaque k rimproviste, tandis que ees demiers se rendaient tranquillement d'apres les stipulations de rarmistice, con^u eutre les puissances bellig^rantes, au lieu de leur destination, et dans nn moment, la tr^ve ne pouvait leur inspirer ancune d^fiance, et ou par cons^uent ils ne se tenaient point sur leurs gardes, sa M. Tempereur er- donnait k S. A. de cesser toutes les livraisons de vivres pour la gamison de Danzig, et toute autre communication avec les assi^g^s, jusqu'4 ce que cette affaire fnt entiement r^gl^e et jusqu'ä nouvelle ordre, et qu^en cas, que le gouvemeur de la place demandait la permission pour le quartier-gfn^ral de rarm6e fran^aise, cette permissiou devait lui etre refus^e en ^vitant toutefois de recommencer les hostilit^s,

N. 388 Le g^n^ral Barklay de ToUy.

Beichenbach le 24 juin 1813 (a. St.).

*) Das Schreiben findet sich im Apercu S. 112, bei d'Artois S. 182 und Oampredon (Auriol S. 108).

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Schreibens nicht korrekt, indem es hiess Vis juillet k 1 henre da matin. Es wäre ein leichtes ffir Eapp gewesen zu erkennen, dass nicht der 12. gemeint sein konnte, da der 1. Juli a. St. zu jener Zeit dem 13. a. St. entspricht, auch nicht der geringste Grand für den Herzog vorlag, die Mittheilung absichtlich um 2 Tage zu verzögern. Aber die Geduld Rapp's war zu Ende. Das Misstrauen, was er von vornherein gegen den Herzog hatte, sah in diesem Falle nur eine neue Chikane. Er antwortete daher noch an demselben Tage in einem gereizten Tone, be- klagte sich über Verzögerung der Lieferungen, sowie über die Verspätung des Schreibens, das die gänzliche Sistirung der Lieferungen ankttndigt, und erkennt darin einen Bruch des VSTaflFenstillstandes ; er werde sich in Bereitschaft setzen, die Feindseligkeiten wieder zu beginnen, und frage nur an, ob die 6 Tage, welche nach dem Waffenstillstandsvertrage von der Aafkttndigung ab inne gehalten werden sollen, vom 12. um 1 Uhr morgens oder vom 14. mittags zu rechnen seien. Im Übrigen verlange er noch die rückständigen Lebensmittel ^) und mache den Herzog für den Bruch des Waffenstillstandes ver- antwortlich.

Der Herzog übersendete darauf unterm 15. die Abschrift des Befehls von Barklay*), begleitet von einer längeren Aus- einandersetzung über das Datum und die Verspätung seiner

^) Das Schreiben wird mitgetheilt von d'Artois S. 183, Campredon (Anriol S. 109) nnd im Anszuge vom Apergu S. 117.

*) d'Artois übergeht das mit Stillschweigen und sagt, dass dem Schrei- ben des Herzogs vom 16. eine Konferenz vorausging , die der Herzog bean- tragt habe, und die zwischen den Generallieutenants Borozdin und Heudelet stattgefunden haben soll. Weder der Herzog (im Apercu) noch Campredon wissen etwas davon, auch wäre die Zeit vom 14. zum 15. zu kurz dazu ge- wesen. Was der Herzog in dem Schreiben vom 15. über Aeusserungen Boroz- din^s und Grebezow's mittheilt, bezieht sich auf frühere Konferenzen, aber vielleicht hat d'Artois daraus auf eine Konferenz am 14. oder 15. geschlossen. Wie d'Artois den Thatbestand zu verdunkeln sucht, geht unter anderm da- raus hervor, dass er S. 202 behauptet, der Herzog habe den Qrund der Aufhebung der Lieferungen überhaupt nicht angegeben. Er sieht diese Auf- hebung nur als eine Caprice des Herzogs au. Er sagt S. 184: Chacun tronvait la d6claration du duc de W., de ne plus foumir des vivres, Texplication de la conduite tortueuse et embarass^e qu'il avait tenue jusqu'alors, pour se sous- traire, autant qu'il etait en son pouvoir, & Tobligation de ravitaiUer la place*.

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Mittheilnng darüber; er machte darauf aufmerksam, dass nicht er, sondern der Guverneur die Verantwortung eines Bruchs des Waffenstillstandes tragen werde, da der General Barklay ihm ausdrücklich jede Feindseligkeit verbiete. Sollte der Guverneur dennoch die Feindseligkeiten wieder eröffnen, so werde er seine braven Russen bereit finden, ihr Blut für die Sache der Fürsten und Völker zu vergiessen '). In einem Antwortschreiben von demselben Tage zeigt Rapp an, dass er am 20. die E'eindselig- keiten wieder eröffnen werde, und setzt hinzu, dass die Phrase über die Sache aller Fürsten und Völker von einem Fürsten eigenthümlich klinge, der da weiss, dass der Kaiser Alexander 5 Jahre im Bündniss mit Napoleon gewesen sei, um den Des- potismus einer Seemacht zu brechen, welche den Kontinent in Kontribution zu setzen suche, und dass sein erhabener Bruder der König von Würtemberg seit langer Zeit eine der sichersten Stützen derselben Sache ist*).

Der Herzog war erstaunt über die Sprache, die sich der General erlaubte, da es ihm aber darauf ankam, es nicht zum äussei'sten kommen zu lassen, führte er in einer Erwiderung vom 17.') noch einmal alle Gründe auf und wies darauf hin, wie wunderbar es sich ausnehmen würde, wenn sie beide sich als Macht gegen Macht gerirten und die alleinigen wären, welche sich bekämpften, da der Waffenstillstand bis zum 6. August währte.

Der General Rapp erörterte in einer Erwiderung noch ein- mal die Gründe, die ihn nöthigten, den Kriegszustand wieder aufzunehmen, schlug jedoch als ein Auskunftsmittel vor, von Feindseligkeiten abzustehen, wenn ihm der Herzog bis zum 20.

») Apercu S. 121. d^Artois S. 186.

•) Apercu S. 126. d'Artois S. 188.

') Apercu S. 128. d'Artois S. 189. Um dem General Rapp anzudeuten, wie wenig die Bemerkung inbetreff des Königs von Würtemberg am Orte wäre, scbloss der Herzog das Schreiben mit der Wendung, dass ein russischer kommandirender General sich keineswegs geringer achte als ein König des Rheinbundes, und dass es vom Belieben des Kaiserg von Russland abhänge, ihn (den Herzog) zu dieser Würde zu erheben, dass der Herzog aber die kleine Bedingung daran knüpfen würde, nicht auf Kosten einer anderen Macht dazu zu gelangen.

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die ihm noch zuständigen Lebensmittel liefere^). Der Herzog lehnte das ab, weil er durch den Befehl des Oberkommando's gebunden sei.

Der Herzog bereitete sich daher auf die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten vor, untersagte jedoch seinen Truppen jeden Angriif. Selbst die Arbeiten sollten nur in dem Falle wieder aufgenommen werden, wenn der Feind damit vorgehe.

Der General Kapp verdoppelte die Vorposten und liess am 16. abends die Arbeiten wieder beginnen^). Die Russen folgten darin am 18. Der Herzog liess auf der ganzen Front von der Radaune bis zum Grunde von Divelkau eine Reihe leichter Werke auf werfen, zunächst zu keinem andern Zweck, als dem Feinde zu zeigen, dass seine Massregeln die Russen zwängen, ein Gleiches zu thun^). Zu einer Kontravallation sind diese Werke erst später erwachsen. Sie wurden in drei Tagen (18. bis 20.), allerdings mit Aufbietung bedeutender Kräfte, vollendet. Ausserdem liess der Herzog die Verschanzung von Neufehr, die noch nicht fertig war, beenden und armirte sie mit 8 Geschützen.

Am 20. verkündeten 6 Schüsse von jedem der Aussenwerke französischerseits den Wiederbeginn der Feindseligkeiten, doch kam es zu keinem Gefecht*); die wenigen scharfen Schüsse,

*) Apercu S. 130. d'Artois S. 190. Wenn der General Rapp in den vorhei^eheuden Schreiben Phrasen gebraucht, welche dem Herzoge als unge- hörig erscheinen mussten, so lässt sich zu seiner Entschuldigung anf^ren, dass er in seiner Eigenschaft als Vertreter Napoleon^s und der französischen Armee sich nichts vergeben wollte, aber es ist unverständlich, wie wenig scharf er die Lage des Herzogs auffasste, wenn er wie im vorliegenden Fall Forderungen aufstellt, die der Herzog nach den Befehlen, die er vom Ober- kommando hatte, nicht erftUlen konnte. Der Herzog hatte den bestimmten Befehl, mit allen Lieferungen einzuhalten, und Rapp hatte diesen Befehl in Händen. Alle Versprechungen, die der Herzog vorher gemacht hatte, und worauf sich Kapp in dem Schreiben beruft, waren mit dem Befehl Barklay's gegenstandslos geworden.

') Campredon-Auriol S. 144.

») Apercu S. 137.

*, d'Artois behauptet S. 200, dass die Russen um 10 Uhr abends Con- grevische Raketen gegen die Werke haben steigen lassen, die jedoch nur bis auf das Glacis der Aussenwerke gelangt wären, und dass einige Scharmützel

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die am 21. und 22. fielen, gingen nur von den Franzosen aus, die Russen haben nach dem Zeugniss Campredon's nicht ge- schossen*). Die Franzosen begannen am Abend des 20. die Werke auf der Jesuiterhöhe*). Die Russen feierten am 25. Juli den Sieg Wellington's bei Vittoria durch Artilleriesalven. Rapp that dasselbe, weil, wie er bekannt machen liess, dies nur ein Sieg der Franzosen sein könne').

Am 22. traf von Barklay de Tolli der Befehl ein, die Lieferungen wieder zu beginnen*). Der Herzog machte sogleich dem General Rapp Anzeige davon*), doch langte die Mittheilung erst am 23. nachmittags 3 Uhr an. Rapp sandte sogleich den General Heudelet in das russische Hauptquartier, um das Nähere zu verabreden. Der General Borozdin, den der Herzog damit beauftragte, kam mit Heudelet fiberein, dass die Liefe- rungen am folgenden Tage, spätestens am 25. morgens, wieder beginnen sollten^. Doch war es dem Herzog unmöglich, dem nachzukommen. Es gelang ihm nur dadurch, dass er es den

stattgeftinden hätten. Die Aufgabe Campredon's, dass die Russen sich rohig verhalten hätten, würde allein schon genügen» dies zu widerlegen. Der Herzog von Würtemburg weiss aber ausserdem noch, dass Congrevische Raketen zu dieser Zeit noch gar nicht angekommen waren, und dass die ersten in der Nacht vom 16. zum 17. August verwendet wurden. Apercu S. 138.

») Auriol S. 114.

*) Ebenda.

•) Blech.

*) Apercu S. 139.

^) d^Artois S. 201. d'Artois erzählt, dass der General Borozdin, der Heudelet empfangen habe, ihm gesagt hätte, dass der Herzog es allerdings auf eine Mittheiluug vom Oberkommando, dass die Fortsetzung der Liefeniugen in Aussicht stände, es auf sich genommen habe, ohne den Befehl abzuwarten, die rückständigen Lieferungen zu leisten, um während der Friedensunter- handln ngeu, die in Prag eröffnet waren, jede Feindseligkeit zu vermeiden. Der Herzog findet im Apergu S. 139 diese Darstellung mit Recht rein lächer- lich, da dem Hauptmann d 'Artois, als er das schrieb bekannt sein konnte, dass zur selben Zeit auch die übrigen blockirten Festungen wieder mit Lebens- mitteln versehen wurden, d 'Artois scheint mit dieser Darstellung seine Auf- fassung über den Herzog, die wir oben kennen gelernt haben, rechtfertigen zu woUen, und giebt durch diese nachgewnesene Erfindung seiner Glaub- würdigkeit eine starke Erschütterung.

•) Campredon, Auriol S, X14,

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eignen Truppen abbrach, am 26. die erste Lieferung zu verab- folgen. Die Lebensmittel mussten in dem ausgesogenen Lande den Bewohnern, die mit dem grössten Unwillen den Franzosen etwas zukommen liessen, abgenommen werden. Der Verrath an dem Lützow'schen Freikorps hatte das Land aufgeregt. Ausserdem waren keine Pferde vorhanden oder gingen unter- wegs zu gründe ^). Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es dem Herzoge, seinen Verpflichtungen möglichst nachzukommen, und es ist eine Unwahrheit, wenn d'Artois S. 203 behauptet, es wären nur zwei Drittel der fälligen Lebensmittel eingeliefert worden. Auch die rückständigen Quantitäten wurden nach und nach abgeliefert und würden vollständig dazu gelangt sein, wenn der Waflfenstillstand nicht vor der Ernte abgelaufen wäre.

Am 2. August brachte ein russischer Offizier aus dem August. Hauptquartier die Verlängerung des Waffenstillstandes über den 6. hinaus mindestens bis zum 10., also mit Einschluss der 6 Tage Aufkündigung bis zum 16. Er überbrachte auch fran- zösische Depeschen, darunter die Ernennung des Generals Bachelu zum Divisions-Kommandeur, wodurch die 34. Division auf ihn überging. Farine und d'Hericourt wurden zu Brigade- Kommandeuren ernannt, Heudelet zum grandofficier der Ehren- legion, Detres zum Kitter der eisernen Krone und die Generale Lepin, Husson und Breissan zu Kommandeuren der Ehren- legion *).

In den Lägern herrschte wieder Ruhe, die Arbeiten waren auf beiden Seiten eingestellt worden*). Am 27. Juni traf die Batterie Sommer bei der ostpreussischen Landwehr ein, die bisher ohne Artillerie gewesen war. Die Mobilmachung der Batterie hatte viel Zeit in Anspruch genommen, da es an allem fehlte. Sie erschien in einer Stärke von 2 Offizieren, 12 Unter- offizieren und 116 Mann mit 8 Geschützen*). Die Batterie wurde nach Schiddelkau verlegt, in dessen Nähe sich zu dieser Zeit auch die Landwehr befand und zwar die 4. Brigade (Kom-

») Apercu S. 140.

*) Campredon. Auriol S. 115.

») d'Artois S. 204. Apercu S. 144.

*) Apercu S. 142.

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mandeur Major Graf Eulenburg) im Lager bei Schönfeld, die 5. Brigade (EommaDdeur v. Hindenburg-Bcnneckendorf) zwischen Zankenczin und Miggau. Von der Kavallerie stand die 4. Ab* theilung (Regiment von 3 Eskadrons) unter dem Major von Kn- rowski bei Schönfeld, die 5. Abtheilung unter dem Major von Briinneck bei Zankenczin. Der Major Graf Dohna lag in Schönfeld. Im Juli wurde die Division vom Guverneur des Landes zwischen Weichsel und der russischen Grenze, General von Zastrow, besichtigt. Der General spricht in seinem Bericht vom 15. Juli an den König sich mit grosser Anerkennung über die Truppe aus; er sagt: sie habe alle seine Erwartungen Über- treffen, doch fehlen noch tuchene Hosen und Mäntel. Ueber das Offlzierkorps ist er des Lobes voll, bedauert jedoch, dass der Rang des Grafen Dohna seiner Stellung nicht entspreche und er den russischen Offizieren, mit denen er im Gefecht zu- sammentreffe, in dieser Beziehung nachstehe. Er bittet um Avancement für denselben. (Kriegs- Archiv F. 8).

Anfang August traf auch der letzte Rest der russischen Flotte ein. Sie war jetzt 83 Kanonenboote, 6 Galeoten, 2 Fre- gatten und 2 KoiTetten stark. Kommandeur war der Kontre- admiral Greigh *). Die Belagerungsgeschütze folgten erst später auf Transportschiffen aus England im Lauf des August und September.

Der Herzog von Würtemberg hatte sich durch häufige Besuche der Lazarethe den Typhus zugezogen und musste am 31. Juli das Kommando an den Fürsten Wolkonski abtreten^). Auf eine Mittheilung davon an den General Rapp erwiderte

^) Ebenda S. 144. Am 11. August traf noch das Tataren-BegimeDt von Teptei*sk in der Stärke von 600 Pferden ein, auch gegen 200 Kosackeu aus den Depots.

') Die Krankheit des Herzogs hatte schon seit aufang Juli ange- halten. Der General von Zastrow hatte ihn bereits in vollem Delirium an- getroffen und nur am 11. Gelegenheit gefunden, ihn zu sprechen. Der Ge- neral sagt in seinem Bericht an den König, dass er sich von der Würde, der Festigkeit und dem hohen Interesse überzeugt habe, mit welchem Se. Königliche Hoheit das Kommando führe. Er fügt hinzu, dass er hierbei auch den Oberstlieutenant v. Pnllet über die bevorstehende Belagerang gesprochen habe, der alles für die Zukunft vorbereitet habe. (Kriegs-Archiv.)

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dieser am 5. August, indem er ihn durch seinen Chef des Stabes d'Hericourt beglückwünschte, dass der Herzog alles gethan habe, was in seinen Kräften stand, um die Lieferungen auf dem Laufenden zu erhalten. Der General d'H6ricourt über- reichte gleichzeitig den Stand der Lieferungen *).

Der General Rapp hatte ende Juli ans den überzähligen Offizieren und Unteroffizieren das Regiment „König von Rom" errichtet. Er schrieb am 4. August dem Major general darüber: „Das Regiment besteht aus 2 Bataillonen in der Stärke von 675 Mann. Jedes Bataillon wird durch einen erfahrenen Obersten kommandirt und besteht aus 4 Kompagnien, welche durch ßataillonskommandeure befehligt werden. An die Spitze des Regiments habe ich den General Bazancourt gestellt, dessen lan^e und gute Dienste dem Kaiser bekannt sind. Das Regi- ment soll eine Reserve bilden und im Fall eines Angriffs an den wichtigsten Punkt verwendet werden*).

Am 17. August traf ein Kurier aus dem grossen Haupt- quartier ein, welcher die Aufkündigung des Waffenstillstandes überbrachte. Der Fürst von Wolkonski machte am folgenden Tage dem General Rapp davon Anzeige, und es wurde verein- bart, die Feindseligkeiten am 24. zu beginnen*).

Der General Rapp hatte sich doch entschliessen müssen, dem Befehl Napoleon's nachzukommen und die Einwohner Danzig's, welche keine Lebensmittel nachweisen konnten, aus- zuweisen. Er dehnte die Massregel auf alle diejenigen aus, welche keine Steuern zahlten und nicht bei der Zwangsanleihe betheiligt waren*). Die Massregel wurde mit aller der Härte ausgeführt, die irgend möglich war, denn es gab kein ander Mittel. Das Dekret ist vom Tage nach Aufkündigung des Waffenstillstandes (19. August). Es ergiebt sich daraus, dass Rapp mit der entsetzlichen Massregel gezögert hatte, bis alle Aussicht auf den Frieden geschwunden war. Ausgenommen

») Apercu S. 142. *) Oampredon. Anriol S. 115. ^ Aper^a S.. 144. Oampredon (Auriol S. 117).

*) Das betreffende Dekret wird von Oampredon (Auriol S. 118) mit- getheilt.

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waren die Arbeiter, welche bei der Artillerie und Fortifikation beschäftigt waren. Sie arbeiteten seit Juli ohne Lohn, nur um das schlechte Brod, das man ihnen verabfolgte, und hatten sich darein ergeben *). Die Zahl der Ausgewiesenen wird auf 6000 jeglichen Alters und Geschlechts geschätzt *). Die Russen waren dadurch in die peinlichste Lage versetzt, aber der Kommandirende konnte nur nach den Kriegsgesetzen handeln, wonach sie zurück- zuweisen waren, was streng durchgeführt wurde*).

») d'Artois S. 172. Blech 2, 157.

*) Blech. Apercu S. 153.

') Einer der elementarsten Grundsätze der Kriegfühning ist, dass man nicht gewähren lassen darf, was dem Gegner Vorteil bringt. Auf der andern Seite ist es nicht gerechtfertigt, seinen Willen auch da durchsetzen zu wollen, wo man den Gegner nicht zwingen kann, sich diesem Willen zu beugen, wie es hier der Fall ist. Der Angreifer hat kein Mittel zur Hand, den Gegner zur Wiederaufnahme der Ausgewiesenen zu veranlassen. Auf eigne Verant- wortung darf er sie aber nicht passireu lassen. Will er human handeln, so kann er die Entscheidimg seiner Regierung überlassen, die ihm jedoch wenig dankbar dafür sein wird, da sie nicht gegen ihr Interesse handeln kann. Die Verantwortung, eine grausame Handlung begangen zu haben, fällt ausschliess- lich dem Vertheidiger zur Last, da er die Initiative dazu ergriffen hat, wenn er nach den Kriegsgesetzeu auch dazu berechtigt ist. Wie sich die Sache vor Dauzig gestaltete, ist Grausen erregend. Die Unglücklichen waren von vornherein ohne Lebensmittel, wurden von den Vorposten der Russen zurück- gewiesen und von der Besatzung nicht wieder aufgenommen, so dass sie faktisch dem Hnngertode preisgegeben waren, dem auch eine grosse Zahl erlegen ist. Die kräftigeren Naturen haben sich durch die Mittel, welche die günstige Jahreszeit bot, erhalten können. Als dann aber der Frost ein- trat, war auch für sie keine Rettung, so dass sich Rapp schliesslich ihrer angenommen hat, was nur anzuerkennen ist. Da ihre Zahl sehr geschwunden war, hätte eine fernere Zurückweisung seitens der Russen wohl unterbleiben können. Eine besondere Episode bietet das Schicksal der Waisenkinder. Sie waren, 148 Köpfe stark, in der Zahl derjenigen begriffen, die ausgewiesen werden mussten, weil sie die Stadt nicht länger ernähren konnte. Ihr Vor- stand Gehrt Hess es sich nicht nehmen, mit ihnen zu ziehen und ihr Schicksal zu theileu, das nur der Hungertod sein konnte. Seinen Bemühungen ist es schliesslich nach 14 Tagen gelungen, den Befehl des Herzogs zu erwirken, dass die Vorposten sie passireu Hessen. Vebrigens hätte es Gehrt aUein nicht durchgesetzt, den Herzog zu bestimmen. Das Verdienst kommt dem General- lieutenant Löwis zu. Nachdem er sich wiederholentlich für die Waisen ver- gebens verwendet hatte, ergriff er die Gelegenheit, wo der Herzog ihn infolge des Todes eines Sohnes sein Beileid bezeugte, und erwiderte: , Geben Sie

331

Fortsetzung der Armirung, Befestigung des

Vorterrains.

Die Armirung gegen den gewaltsamen Angriff war im wesentlichen bei Beginn des Waffenstillstandes beendet. Als die Unterbrechung desselben am 16. Juli die Wiederaufnahme dei* Arbeiten gestattete, konnte der Belagerte seine technischen Truppen auch bei der Befestigung des Vorterrains verwenden. Es handelte sich darum, den Angreifer möglichst weit von den Werken entfernt zu halten, wodurch ein wesentlicher Zeitgewinn er- reicht und die Stadt gegen ein Bombardement gesichert wurde. Ueber die Front, welche der Feind zum Angriff wählen würde, ob den Bischofsberg, den Hagelsberg oder die Olivaer Front, konnte man nichts wissen, musste sich daher für alle Fälle ein- richten. Das entsprach auch der Absicht, die allein massgebend blieb, die bisher innegehabte, ausgedehnte Stellung zu behaup- ten und noch weiter, als es bisher geschehen war, zu ver- stärken*). Wenn man daher auch seit dem 20. Juli*) an die Befestigung der Jesuiterhöhe ging, so hatte man dabei nur die Sicherung der Dörfer Schottland und Stadtgebiet, die im Grunde lagen, im Auge. Die Befestigung der Dörfer selbst, auf die man sich bisher beschränkt hatte, konnte nicht zu ihrer Behauptung genügen. Die Jesuiterhöhe beherrschte ausser- dem alle umliegenden Höhen. Auf der Kuppe derselben, da wo die heutige Jesuiterschanze liegt, wurden zwei Feldwerke er- baut, die mit einander durch einen Laufgraben verbunden wurden und eine Art Homwerk bildeten ^). Das eine hatte zum Zweck, die Radaune, das Dorf Ohra und die anliegenden Höhen zu

mir für den Einen jene 150 Waisen!'' Plümicke bestreitet S. 189 diese An- gaben Blech 's und behauptet, dass Langeron der Wohlthäter gewesen sei, da dieser sich aber nicht beim Blockadekorps befand und Plümicke auch keine Quelle nennt, ist auf seine Behauptung kein Werth zu legen.

^) Die im August unternommenen Arbeiten deuten darauf hin, dass man nicht auf eine förmliche Belagerung, sondern auf eine Fortdauer der Blockade rechnete. Da der Belagerer bis zu dieser Zeit noch über keinen Belagerungs- train gebot, man auch über seine Stärke nicht aufgeklärt war, so ist es be- greiflich, dass man sich dieser Illusion hingeben konnte.

*) Campredon. Auriol S. 114.

^ Siehe Taf. VI unt^r G,

332

bestreichen, das andre diente dem erstem zur Unterstützung, sah das Thal von Schönfeld, wo der Weg von den Schotten- häusern dahin führt, ein und bestrich das Plateau von Stolzen- berg *). Als Feldwerke hatten sie eine geringe Brustwehrstärke und Höhe. Ihre Kehle war durch Palisaden geschlossen. Ihre Her- stellung hat 10 bis 12 Tage erfordert. Sie waren mit 2 starken Batterien besetzt, und man nannte sie infolgedessen batte- ries Frioul. Eine gedeckte Verbindung, für Geschütze brauch- bar, führte vom Petershagener Thor nach den Schanzen. Wenn die Höhe zur Vertheidigung der Dörfer befestigt werden musste, so war die Befestigung der Dörfer nicht minder nothwendig zur Vertheidigung der Höhe. Man begnügte sich daher nicht, am Eingange des Dorfes Stadtgebiet im Anschluss an die Schottenhäuser einen Abschnitt (coupure) hergestellt zu haben ^), der jetzt bis zur Inundation verlängert wurde (C), sondern legte noch einen zweiten Abschnitt (D) in der Höhe der angelegten Schanzen Frioul durch das Dorf Schottland an, der ebenfalls bis zur Inundation reichte und mit Geschützen versehen wurde. Diese Arbeit hat lange Zeit in Anspruch genommen, da Häuser krenelirt, Brustwehren mit Gräben aufgeworfen und Palisaden gesetzt werden mussten. Da, wo der Abschnitt den obern Rand des Berges erreichte, legte man später eine starke Redute an, die „avanc6e de Frioul" (E) genannt wurde und ebenfalls mit Geschützen versehen war').

Merkwürdigerweise versäumte man es, die Befestigung des Berges bis an den Abhang zu den Schottenhäusern fortzusetzen und daselbst ein Werk anzulegen. Es waren hier jedoch ein- zelne feste Posten entstanden, welche die Feldwachen angelegt hatten, um sich gegen Ueberfälle der Kosacken zu sichern*). Als Schanzen kann man sie nicht ansehen, weil sie nicht mit

») d'Artüis S. 197.

•) Vergl. oben S. 332.

^) Der Zeitpunkt, wo die Anlage des II. Abächuitts und der avaucee de Frioul erfolgte, wird seiner Zeit im Tagebuch der Belagemng ange- geben werden. Die Anlage fand erst nach der Besitznahme der Schot- tenhäuser durch die Küssen statt. Des Zusammenhangs wegen musste hier vorgegriffen werden.

*) d'Artois S. 211.

333

Geschütz besetzt waren, wie sie denn auch bei den vielfachen Kämpfen, die um ihren Besitz später geführt wurden, stets im ersten Anlauf genommen wurden. Von Wichtigkeit wurde namentlich die Sternschanze (le poste de l'Etoile) (m) auf dem Plateau zwischen den Schottenhäusern und Reiersgarten und der links rückwärts davon am Rande des Abhanges ge- legene Hauptmannsposten (le poste du capitaine) (h), der zur Unterstützung des erstem diente. Ein Lieutenantsposten (g) befand sich am Nordabhange der Schottenhäuser und ein Sergeantenposten rechts der Batterien FriauP) (H).

Das südlich (jenseits der Schottenhäuser) vorgelegene Dorf Ohra, wie es die französischen Berichte nennen, denn eigentlich ist es Stadtgebiet, wurde zwar besetzt, aber nicht befestigt, doch hatten die Vorposten sich durch den poste du jardin gesichert.

Bei der Befestigung der Jesuiterhöhe hat keineswegs die Rücksicht, die Stadt vor einem Bombardement zu sichern, mit- gespielt. Man war noch wie 1807 der Meinung, dass die Ge- schütze von hier aus nicht zur Speicherinsel reichten*), was sich ja damals bestätigt fand. Aber man kannte nicht die Trag- weite der englischen Geschütze.

Die weit vorspringende Lage von Langfuhr, das der Gu- verneur so lange wie möglich festhalten wollte, führte noch zu andern Anlagen. Die bereits befestigten Punkte Kabrun und Aller Engeln konnten nicht genügen, die Verbindung der Festung mit dem Dorfe sicher zu stellen, doch legte man während der Unterbrechung des Waffenstillstandes eine Art Redute vor dem Hanse Kabrun an, so dass letzteres ein Reduit dazu abgab'). Zwar hatte man zu derselben Zeit durch Anlage einer starken Batterie auf dem Berge links der grossen Allee in der Höhe von Aller Engeln eine vorzügliche Stütze gewonnen *), aber die Basis des ganzen Systems erschien nicht breit genug. Es lag nahe, die Schanzen, welche man noch vor dem Waffenstillstände diesseits Zigankendorf aufgeworfen hatte, und die während der Unterbrechung des Waffenstillstandes verstärkt worden waren,

') Ebenda S. 210.

^ Ebenda.

») d'Artoifl S. 195.

*) Ebenda. Der Berg wird auf älteren Plänen der Krähenberg genannt.

334

mit jener Batterie durch eine angemessene Zahl von Zwischen- werken zu verbinden. Die Schanzen bei Zigankendorf hatten ursprünglich nur den Zweck gehabt, die vorgeschobenen Vor- posten aufzunehmen. Auch die neuen Werke, welche unmittel- bar nach Aufhebung des Waffenstillstandes begonnen wurden, sollten zunächst nur diesem Zwecke dienen und bestanden nur aus Erdaufwürfen. Sie erfüllten aber auch den wichtigen Zweck, die zahlreichen Schluchten, welche zur Allee ausliefen, und die dem Feinde ebensoviele Sammelpunkte abgaben, um die Ver- bindung mit Langfuhr mit dem Olivaer Thor zu gefährden, unter Feuer zu nehmen, und wurden deshalb für Geschütze eingerichtet. Es waren ihrer drei, so dass sich nunmehr von der Batterie Kirgener ab, die den linken Flügel einnahm, sieben Werke er- hoben: Kirgener,Istrien, Caulaincourt, Romoeuf (Q), Grabowski (R), Deroy (S) und Montbrun (T). Mit letzterem Namen wurde die Batterie links der Allee bezeichnet*). Die Werke gewannen später, veranlasst durch das Vorgehen der Russen von Neu- Schottland aus, eine Festigkeit, die urspiünglich nicht beabsich- tigt war, und bildeten ein vollständiges Retranchement, das durch Anlage zweier neuen Werke, der Batterie Fischer (U) an der Allee und der Batterie Gudin (V), bis zur Weichsel fortgeführt wurde. Das letztere Werk, welches an der Altstädtischen Ziegelscheune erbaut wurde, hiess nach derselben auch batterie de la briqueterie.

Das Tracee der einzelnen Werke w^ar nach dem Gelände, das sie einnahmen oder vertheidigen sollten, sehr verschieden. Zum Theil waren es nur Redans. Hinter den Batterien Kir- gener und Montbrun wurde später ein Barackenlager einge- richtet, ersteres für 400 Mann, letzteres für 150 Mann. Alles

^) Ebenda S. 208. Schon am 26. August konnten einzelne dieser Werke mit Geschützen armirt werden, so dass sie an dem Gefecht vom 29. Augast theilnahmen. Es waren folgende: zus.

Kirgener erhielt 2 12Pfünder und eine Haubitze von 6 ZoH 4 Linien, 3 Caulaincourt 2-12 , ,, ,6„4„ 3

Montbrun 4— 8 , 6 4 5

Kabrun 2-- 6 2

Istrien 2 12Pfünder und eine Haubitze von 6 ZoU 4 Linien,

dazu 2 russische Einhörner 5

d'Artois S. 254.

335

das entstand nach und nach. Als die Russen von Langfuhr und Neu-Schottland vorgingen, war nur ein Theil dieser Werke fertig.

Zu den weitern Armirungsarbeiten , die nach Aufhebung des WaflFenstillstandes eintraten, gehörte die vollständige Pla- nirung des Geländes vor dem Bischofsberge. Von dem ehemals grossen Dorfe Stolzenberg blieb nur der westliche Theil stehen. Zwei vortheilhaft gelegene Häuser wurden krenelirt und mit Pali- saden umgeben, eins am Westausgange des Dorfes, das andere (K) sfidlich desselben. Ein drittes derartiges Haus (u) befand sich auf dem Judenkirchhofe, ein viertes (t) am obern Ausgange von Weinberg ^). Vor dem Neugarter Thor wurden die Häuser bis zum Looseberge und tief in Schidlitz hinein demolirt und zwischen der Ltinette Cafarelli und dem Bastion Sandgrube eine kleine Lttnette Delsons (L), die heutige Kftmmelschanze, er- baut, um das Neugarter Thor zu bestreichen.

Auch vor dem Retranchement Neufahrwasser und dem Port Lacoste wurden die Häuser, welche die Annäherung des Feindes begünstigten, abgetragen. Der Wald der Nehrung gegenüber Weichselmünde wurde bis auf 600 Meter von Glacis gefällt*).

Die Weichsel wurde unterhalb der Westerplatte verbarri- kadirt, damit kein feindliches Schiff einlaufen konnte.

Der innere Dienst in der Stadt wurde geregelt, wobei das auf 3 Bataillone verstärkte Regiment Roi de Rome vortreff- liche Dienste leistete. Es hatte die Magazine für Lebensmittel und andere Vorräthe zu bewachen und wurde dabei von einem ans Beamten gebildeten Bataillon unterstüzt. Die Lebensmittel waren auf der Speicherinsel in den grossartigen Magazinen dieses Stadtheils und zwar in dem nördlichen Theil derselben, der durch seine Entfernung dem Bombardement am wenigsten ausgesetzt war, untergebracht. Die Insel erhielt einen beson- deren Kommandeur. Der Guverneur Hess durch ein Arrete be- kannt machen, dass jedes Individuum, welches daselbst beim Versuch zu stehlen ertappt würde, der Todesstrafe verfiel').

^) Weinberg heisst die Gruppe yon Häusern in der Schlacht südlich des Stolzenberger Grundes. «) d'Artols S. 212. ^ d'Artois S. 214.

836

6. Sie Belagerung Sansig'e vom 21. Angut bis

29. November.

Bevor ich den Lauf der Begebenheiten wieder auftiehrae, ist es erforderlich, einen Bück auf den Zustand beider Gegner bei Beginn der Feindseligkeiten nach dem Watl'enstiilstande zu werfen.

a. Der Belagerer.

Nach dem Abmarsch der 21. Division bestand das Blockade- korps, wie oben bemerkt, aus der 6. und 25. Division. Eine jede derselben bestand aus 4 Linien- und 2 Jäger-Regimentern *) in der Stärke von je 4800 Kombattanten, von denen der grösste Theil jedoch Rekruten waren. Den Rest des Korps bildeten Milizen. Die Regimenter hatten 2 Bataillone mit Ausnahme des 3. Jägerregiments, welches drei hatte.

An Milizen befanden sich im Korps diejenigen von St. Petersburg, Nowgorod, Tula, Jaroslaw und Kaluga*).

Die Feldartillerie bestand aus 3 leichten Batterien (No 10, 11. und 40), einer schweren (No. 6) und einer reitenden (No. 19). Dazu kam eine halbe reitende der Miliz von Tula und eine halbe reitende der Reserve^). Eine russische leichte Batterie bestand aus 8 6 pfundigen Kanonen und 4 Haubitzen, die schwere nur aus 12 Pf lindern.

An Reiterei hatte das Blockadekorps 2 Linien-Regimenter, die Dragoner von Kasan (6 Eskadrons) und die Ulanen von Jamburg (4 Eskadrons). Dazu kamen 3 Reserve - Eskadrons : Moskau, Kargopol und Ingermannland *).

An Kosackenregimenter waren vorhanden : Das von Grekow V.

*) Zar 6. Division gehörten die Linienregimenter Asow, Nizow, Bransk nnd ein kombinirtes Regiment (Swodnj); das Jflgerregiment No. 3 und ein Bataillon von No. 34 und eins von No. 18,

zur 25. Division : die Linienregimenter No. t und 2 der Marine, die von Woronesch nnd Koporsk, sowie die Jägerregimenter No. 31 und 47. ') Die Stärke der Milizen betrug:

601 Offiziere, 1490 Unteroffiziere, 14941 Gemeine. s) Die Stätke der Feldartillerie betrug:

36 Offiziere, 103 Unteroffiziere, 1140 Gemeine. *) Die Stärke der Linienreiterei betrag:

41 Offiziere, 83 Unteroffiziere, 924 Gemeine.

33?

Grekow XVII, Charitonow, Sutschilin II, Tschcrnosubow und das des Attaman von Ohrenburg; an Tataren: die Regimenter von Teptersk, Perekop und Sinferopol, dazu ein Baschkiren- Regiment. Die Regimenter waren durchschnittlich 260—280 Mann stark.

Noch waren vorhanden ein Regiment Reiterei der Miliz von Tula in der Stärke von 260 Mann; die Freiwilligen des Korps von Schmidt gegen 100 Mann und 30 Mann der Frei- willigen von Naroth, welche zu Ordonnanzdiensten benutzt wurden *).

Die preussische Landwehr bestand aus 9 Bataillonen, 6 Es- kadrons und einer Batterie*).

Die Gesammtstärke des Blockadekorps belief sich auf nahe- zu 40000 Mann.

Für den Dienst war das Blockadekorps in 5 Detachements getheilt :

1. Auf der Nehrung der Oberst Ekeln mit 1 Regiment Kosacken, 3 Eskdr. Dragonern, 2 Druschinen und 1 preu- ssischen Landwehrbat., 4 Haubitzen und 8 6 Pf lindern.

2. Der General Dedulin besetzte die Inundation von der Radaune bis zur Weichsel mit 1 Regiment Kosacken und den Volon tairs von Schmidt, 2 Regimentern Miliz und

*) Die leichte Reiterei betrag:

142 Offiziere, 200 Unteroffiziere, 4064 Gemeine.

') Die Stärke der preussischen Landwehr betrug: an Fasavolk: 159 Offiziere, 127 Unteroffiziere 5123 Gemeine; an Reiterei: 31 Offiziere, 59 Unteroffiziere, 404 Gemeine; an Artillerie: 2 Offiziere, 21 Unteroffiziere, 116 Gemeine.

Das FuBSVolk war in 2 Brigaden zu je 5 Bataillonen getheilt, von denen jedoch das Bataillon No. 13 (von Rautter) in Graudenz abkommandirt war. Ein anderes Bataillon (No. 17. Oelrichs) befand sich auf der Nehrung. Die 4. Brigade bestand aus den Bataillonen : No. 9 (von Hülsen), No. 10 (von Bolschwing), No. 18 (Graf Dohna Reichertswalde), No. 19 (von Bequignolles) ; die 5. Brigade aus den BataiUonen No. 7 (von Aschenbach), No. 14 (von Meyer), No. 15 (von Spiess), No. 16 (von Brockhausen). Die 4. Kavallerie- Abtheilnng zählte die Eskadrons: von Below, von Kotze, von Hejking I.; die 5. die Eskadrons: Schach von Wittenau, Schimmelpfennig von der Oye und von Wobeser. (von Hake, Tagebuch. Kriegs- Archiv E. 202. Friccius 194.)

Köhler, Geschichte der Festungen Danzig und Weichselmtlnde. II. 82

338

1 Linienbataillon. Letzteres mit einigen Kosackeu stand in Rostau, um die Verbindung mit dem nächsten Korps zu unterhalten.

3. Der Generallieutenant Löwis besetzte den Raum von der Radaune bis vorwärts Tempelburg mit 3 Linien- Regimentern, 3 Druschinen, 6 Bataillonen Preussen, einem Regiment Kosacken und 6 Eskadrons Preussen, dazu 6 schwere und 8 reitende Geschütze. Den rechten Flügel des Detachements führte der General Tschernisch. Er stand hinter Reiers Garten*).

4. Der Oberst Treskin stand auf den Höhen von Miggau und Pitzkendorf mit 2 Regimentern Kosacken, der Rei- terei der Miliz von Tula und 2 Eskadrons Dragoner,

2 Linienregimentern, 1 Jägerbataillon und 4 Druschinen.

5. Der General Kulibakin (später Turtschaminow) im Thal von Brentau und in der Gegend von Striess und Mühlenhof mit 6 Bataillonen Linien - Inf anterie und Jägern, 2 Druschinen und einem preussischen Bataillon nebst 8 Geschützen.

Zu letzterem Detachement gehörte eine Abtheilung von 3 Ba- taillonen, einem Kosackenregiment und 2 Geschützen, die anfangs vom Adjutanten des Herzogs, Oberst Petersen, später vom Major Girkowitz kommandirt wurde. Sie stand in Brösen.

Eine Reserve war bei Wonneberg, eine zweite zwischen Pelonken und Mühlenhof aufgestellt. Erstere kommandirte der General Kulniew, später der General Jurlow. Sie bestand aus 2 Eskadrons Tataren, 3 Eskadrons Dragoner, 2 Druschinen, und 1 Bataillon Preussen, mit 8 leichten und 10 reitenden Ge- schützen.

Die zweite Reserve kommandirte der General Rochmanow. Sie bestand aus einem Tatarenregiment, 3 Eskadrons Ulanen und 4 Bataillonen Milizen, nebst 4 leichten und 4 reitenden Geschützen der Miliz von Tula. 6 Geschütze davon wurden später zum General Dedulin kommandirt. Zu ihr gehörten die Detachements

*) Keiers Garten liegt südlich des von Scbönfeld kommenden Bachs bei seiner Ausmttndnng in die Radaune und spielt während der Belagerung eine wichtige Rolle. Er wird auch als Wäldchen von Ohra bezeichnet

339

!SUr Bewachung der Kttste und der Magazine von Glettkaa und Koliebken in d^r Stärke von 3 Eskadrons Eosacken und einigen kleinern Abtheilungen. «

Die Linie, welche vom Blockadekorps eingenommen wurde, ist im allgemeinen durch die am 18. und 19. Juli ausgeführten Erdaufwürfe gegeben (siehe Taf. VI). Sie sollten zu einer Kon- travallation ausgearbeitet werden, nachdem Langfuhr in Besitz genommen war, und gingen daher vorläufig nur von der Eadaune am Niederfelde von Ohra bis auf die Höhen gegenüber Divel- kau. Nach der Eroberung von Langfuhr am 2. September, das sogleich befestigt wurde, wurde die Linie durch Erbauung von 3 Eeduten auf der Höhe gegenüber Königsthal vervollständigt und durch Wegnahme von Schellmühl, Reiershof und Kabrun am 17. September abgeschlossen, worauf auch der Ausbau des rechten Flügels der Kontravallation erfolgte *). Sie lag im Durchschnitt 2400 Meter von den feindlichen Werken ab und bildet in dieser Beziehung einen merkwürdigen Gegensatz zu der Kontravallation, die der Feldmarschall von Münnich 1734 ausführen liess, die wegen der geringen Stärke des Blockade- korps nur wenige hundert Meter vom Platze ablag. Auch bildete diese einen Laufgraben, während die Kontravallation von 1813 aus einer Anzahl von Reduten bestand, die ziemlich weit von einander entfernt waren.

Die Redute des rechten Flügels war schon am 9. April erbaut worden ^) und befand sich auf der Höhe zwischen Matsch* kau und dem Ohraer Niederfelde, 500 Meter vom Ausgange von Ohra in der Verlängerung der grossen Strasse von Ohra Stadtgebiet, die sie bestreichen sollte. Etwa 500 Schritt links davon befand sich eine zweite Redute zur Bestreichung des Plateau's und des kleinen Gehölzes von Ohra südlich des von Schönfeld kommenden Bachs. Die 3. Redute, auf einer Höhe zwischen Schönfeld und Reiersgarten gelegen, bestrich das Plateau zwischen den Schottenhäusern und Reiersgarten, sowie den Grund westlich der Schottenhäuser. Die 4. Redute lag zwischen Schönfeld und Wonneberg auf einem stark ausge-

») Apercu S. 163 ff.

^ d'Artois S. 194. Campredon (Auriol S. 122).

22«

340

sprochenen Berge, den die Franzosen wegen seiner Gestalt den grossen Zuckerhut, die Alliirten den Kosackenberg nannten. Sie bestrich die durch die ßchottenhäuser führende Strasse. Zwei andere Reduten lagen vorwärts Wonneberg gegen 1400 Meter vom Ausgange des Dorfes Stolzenberg. Jenseits des Schidlitzer Grundes in der Nähe von Tempelburg lag eine Redute in der Verlängerung der Hauptstrasse von Schidlitz. Mehr links gegen- über Dreilinden befanden sich 2 Reduten gegen 1000 Meter von Zigankendorf und weiterhin 2 andere auf der Höhe gegen- über Divelkau *). Zwischen diesen und Langfuhr wurden dann die oben angeführten 3 Reduten aufgeführt.

Als Landungsplatz für die Geschütze war Koliebken aus- ersehen worden. Der erste Transport des Belagerungsparks und der Munition traf am 9. September von England ein. Zum Ausschiffen der schweren Geschütze musste ein Damm von 240 Meter Länge vom Strande in die See aufgeworfen werden, der von den hochgehenden Wellen dieser Jahreszeit mehrfach weggeschwemmt wurde. Die Ausschiffung leitete der englische Major Macdonald*). Wege und Brücken waren schon während des Waflfenstillstandes hergestellt worden. Die vorhandenen Brücken waren völlig unbrauchbar.

Beim Blockadekorps befand sich noch bei Wiederausbruch der Feindseligkeiten nicht eine Kompagnie Pioniere oder Sappeure

^) Die wörtliche Üebereinstiromnng in der Lage der einzelneu Rednten der Kontra vaHation bei Caropredon und d'Artois beweist, dass diese Angaben dem officieUen Jamal der Vertheidigung entnommen sind. Der Plan bei d 'Artois stimmt nicht mit dem Text ttberein, indem die Rednten No. 1 und 4 verschoben sind und die Redute des rechten Flügels mit No. 2 bezeichnet ist. Im Aper(ju sind die 11 Rednten mit u'" t'" s'" r'" q"' p'" o'" n'" m"' 1'" k'" und die 3 sich daran anschliessenden auf der Höhe von Königsthal mit yiu j/^i jj/// |)ezeichnet. Zur Erleichterung des Aufsuchens beim Vergleich beider Werke habe ich auf Plan Taf. VI die Bezeichnung beider SchriftsteUer eingetragen und habe daran auch bei den späteren Bauausführungen festge- halten.

') An englischen Offizieren waren ausserdem noch kommandirt: der Oberst Campbell und die Hauptleute Macleod und Montaigne. Mit den 0)n- grevischen Raketen war ein Kommando von 70 englischen Artilleristen unter Kommando des Lieutenants Gilbert gekommen. Apercu S. 277.

341

und ausser der Feldartillerie nicht eine Artillerie-Kompagnie *). Wie wir gesehen haben, wurden die schlecht bewaffneten unter den Milizen durch Officiere der Feldartillerie am Geschütz aus- gebildet und haben vortreffliche Dienste geleistet. Der Komman- deur der russischen Artillerie, Oberst Schulmann, hat sich um ihre Ausbildung grosse Verdienste erworben. Als Officiere wurden diejenigen aus den Milizen, welche früher in der Artillerie ge- dient hatten, eingestellt. Als später die russische Flotte infolge der schlechten Jahreszeit die Danziger Rhede verlassen musste, beliielt der Herzog von Würtemberg eine Anzahl Marine-Officiere und Matrosen zur Bedienung der Geschütze zurück.

An Ingenieur - Offizieren waren ausser dem preussischen Oberstlieutenant von Pullet nur zwei russische vorhanden. Kurz vor Beginn der eigentlichen Belagerung trafen noch 11 nissische und 5 preussische Ingenieur-Offiziere ein.

Zum Landtransport der Geschütze und der Munition, sowie der Lebensmittel, welche seit dem Monat September ebenfalls zur See ankamen, mussten bei der schlechten Beschaffenheit der Landpferde Regimentspferde genommen werden. Es wurden zu dem Zweck ein Baschkiren- und ein Kosackenregiment komraandirt. Die Landtransporte nahmen trotzdem viel Zeit in Anspruch und wurden vor Mitte Oktober nicht beendigt*), der Transport der Faschinen und Schanzkörbe, welche in Freudenthal zwischen Mattern und Oliva gefertigt wurden.

^) Erst am 1. Oktober traf eine Artillerie- imd eine Pontonier-Kom- pagnie ein, welche letztere ebenfalls in den Batterien Dienste that (Apercu S. 251). Noch später fand sich eine halbe preussische Pontonier-Kompagnie ein. Am 23. October waren prenssischerseits vorhanden: 3 ArtUlerie- Kom- pagnien in der Stärke von 202 Mann, 1 Kommando von 153 Mann, 1 Hand- werksdetachement von 24 Mann und 29 Handwerkern, eine Reserve von 74 Manu und 208 Hilfsmannschaften der Infanterie. (Kriegs-Archiv.)

') Nach einem Brief in die Heimath des anonymen Landwehrofficiers (Al)gem. Mil. -Zeitung, Jahrg. 1880 S. 180), Zankenczin den 29. September, an welchem Tage die Ausladung der Geschütze in KoUebken beendet wurde, waren zu dieser Zeit bereits 80 Geschütze im Park (bei Schiddelkau) aufge- stellt. Der Verfasser sagt, ohne die Engländer könnten wir gar nichts ma- chen, die alles zur Belagerung bis auf Bleifedem und Aexten, Leitern, Schau- feln, Pulver, Affutagen, Siehlen, sogar die Schubkarren zum Transport der Jiunitioii in den Trancheen geliefert hab^i;.

342

dauerte noch länger, so dass die Belagerung nicht vor ende Oktober begonnen werden konnte.

Nach dem Apercu S. 161 sind aus England 100 24pffindige und 20 12pfündige Kanonen, 28 Haubitzen und 66 Mörser eingetroffen. Doch stimmt das nicht mit einem im Belagerungs- Jumal (Archiv S. 122) aufgenommenen Verzeichniss aus dem russischen Staatsarchiv überein, wonach es 59 24 pfundige, 40 12pffindige Kanonen, 14 Haubitzen und 40 Mörser waren. Nach demselben stellte Preussen ausserdem noch 23 Geschütze, und an russischen waren 16 , ferner von der russischen Marine 4 1 pudige Einhörner, 4 —'SS pfundige Karonaden und 2 Stein- mörser vorhanden, in Summa 202 Geschütze, wovon 99 Wurf- geschütze ^). An Kugeln, Granaten und Bomben zählt dieses Verzeichniss 203176, an Pulver 24300 Pud auf.

Der Herzog von Würtemberg hatte sich von vornherein für den Angriff des Bischofsberges entschieden und hatte darin im Hauptquartier auch keinen Widerspruch gefunden. Die Front am Olivaer Thor, die früher als die schwächste befunden worden war, hatte durch die Befestigung des Holms, von wo aus sie flankirt wurde, eine solche Stärke erhalten, dass ihr Angriff unmöglich war. Auch der Hagelsberg hatte so an Stärke gewonnen, dass sein Angriff ausser Frage stand. Das gemauerte Reduit desselben hätte ausserdem einen zweiten An- griff erforderlich gemacht. Der Angriff des Bischofsberges ge- währte den grossen Vortheil, dass die Speicherinsel, welche ganz ungeschützt dalag, von den Höhen über Schottland und Stadtgebiet in Brand geschossen werden konnte'). Der

^) Jedoch auch dieses Verzeichniss ist nnr annähernd richtig. Nach einem Bericht des kommandirenden prcussischen ArtiHerie-Officiers, Major Liehe, vom 23. Oktoher an den Piinzen August, Chef der prcussischen Ar- tillerie, waren an englischen Geschützen vorhanden: 50 24 pfundige, 10 12 pf findige eiserne Kanonen; 4 10 ''ge und 8 6"ge metallene Hau- hitzen, 2 13"ge, 16 10"ge, 10 8 "ge eiserne und 12 5V«"ge metallene Mörser. Dazu kommen an prcussischen Geschützen 12 24pfÜndige, 18— 12 pfundige metallene Kanonen, 5 metallene 10 pfundige Hauhitzen, 10—10 pftlndige eiserne, 2 desgl. Steinmörser und 8 —50 pfundige metallene Mörser, demuach 90 Kanonen, 17 Hauhitzen, 60 Mörser, in Summa 167 Geschütze. Russische Geschütze waren zur Zeit noch nicht vorhanden (Kriegs-Archiv F. 9).

•) Aperen 256. Wenn der Herzog von Würtemherg die Motive für deli

343

Herzog war durch seine Agenten in der Stadt genau orientirt, dass sich neben andern Vorräthen hier die Lebensmittel be- fanden. Die Entfernung lag noch ausserhalb der Schussweite, da der General ßapp die Lebensmittel am nördlichen Theil der lusel untergebracht hatte, aber er hatte es versäumt, diesen Theil zu isoliren, so dass sich der Brand dahin fortpflanzen konnte. Auch waren, wie der Oberstlieutenant von Pullet wissen konnte, einzelne Geschosse im Jahre 1807 bis nach den Matten- buden gelangt. Der Besitz jener Höhen, der allerdings zunächst erkämpft werden musste, erleichterte ausserdem sehr wesentlich die Eröffnung der Tranchee auf dem Stolzenberger Plateau.

Wenn der Verfasser des Apergu geltend macht (S. 255), dass das Terrain zwischen dem Schidlitzer Grunde und den Schottenhäusern mit Schhichten erfüllt ist, welche die An- näherung erleichtern, so kann er das nur auf die Schluchten von Altdorf beziehen, die jedoch auch den Nachtheil haben, den Angriff auf den Bischofsberg sehr einzuengen.

Bei dem Entschluss, den Bischofsberg anzugreifen, konnte die Lage der Depots schon anfang September, wo die Trans- porte begannen, bestimmt werden. Der Geschützpark sollte nach Schiddelkau, das grosse Pulvermagazin hinter Nenkau und das Materialien -Depot in der Gegend von Matschkau zu liegen kommen. Diese Festsetzung bereits um die Mitte September ^) beweist am schlagendsten, dass die Ansicht d'Artois' und Campredon's, der Herzog habe anfänglich die Absicht gehabt,

Angriff des Bischof sberges auf die Leichtigkeit eines Bombardements von den Höhen über Schottland zurückführt, so lässt sich dagegen nichts einwenden, da er ursprünglich die Absicht hatte, sich der „batteries de FriouP auf gewalt- samen Wege zu bemächtigen, es entspricht aber nicht der Wirklichkeit, wenn er in seinem Haisonneraent die Hoben der Schottenhäuser hineinzieht, da er sich ihrer, wie wir sehen werden, nur bemächtigt hat, um den Sturm auf die batterics de Frioul vorzubereiten, nicht aber um ein Bombardement auf die Speicherinsel zu er^^ffnen. Diese Absicht trat erst später hinzu.

^) Als der Kommandeur der preussischen Artillerie, Major Liebe, am 14. Oktober beim Belagerungskorps eintraf, fand er den Artilleriepark, die Pulvermagazine und die Artillerie - Werkstätte bereits grösstentheils einge- richtet. Sein Stellvertreter der Hauptmann Pittscher hatte das mit vieler Umsicht besorgt. Auch fernerhin fiel der preussischen Artillerie dieser wich- tige Dienstzweig anbeim, wie sie auch den Transport der Munition nach den Batterien zu besorgen hatte. (Bericht des Major Liebe. Krie^Archiv F. 9.)

das Olivaer Thor und die anliegende Front anzugreifen, und sei nur durch die Schwierigkeiten, auf die er stiess, davon zurück- gekommen, durchaus verfehlt ist. Der Herzog musste, bevor er an die Wegnahme der Höhen an den Schottenhäusem ging, noth- wendig den linken Flttgel seiner Kontravallationslinie bis Schell- mtthl ausdehnen und sich hier solide etabliren, was zu dem obigen Irrthum der französischen Ingenieure Veranlassung ge- geben hat. Ueber Eabrun hinaus ist er gegen das Olivaer Thor nicht vorgegangen, aber er hat den Umstand, dass der Transport der Geschütze und Materialien nach den entfernt gelegenen Depots so lange andauerte, trefflich benutzt, um durch ein lebhaftes und wohl unterhaltenes Feuer die Auf- merksamkeit des Belagerten von Ohra abzuziehen, was ihm so vollständig gelungen ist, dass die Belagerten von der Fest- setzung daselbst und von dem Angriff auf den Bischofsberg vollständig überrascht wurden.

Im übrigen befolgte der Herzog nach Wiederaufnahme der Feindseligkeiten dasselbe System, welches ihm vor dem Waffenstillstände so gute Früchte getragen hatte, den Gegner unaufhörlich zu beunruhigen. Täglich wurden 4 Kompagnien Fussvolk, 3 Eskadrons Kosackeu und 2 Geschütze kommandirt, Anfälle auf die feindlichen Vorposten zu machen ^). Vorzüglich wurden die Angriffe auf Ohra gemacht, anfänglich um die Auf- merksamkeit des Feindes von Langfuhr abzuziehen, das er in Be- sitz nehmen wollte, später um ihn an diese Angriffe zu gewöhnen und so den Hauptangriff auf den Bischofsberg vorzubereiten, indem er seine Aufmerksamkeit von hier ableitete.

b. Die Besatzung. Die Besatzung hatte zur Zeit des Wiederbeginns der Feind- seligkeiten durch das allmähliche Erlöschen der Epidemie und die Ruhe und reichlichere Nahrung während des Waffenstill- standes, den höchsten Stand an Zalil der Dienstfähigen und den kräftigsten Gesundheitszustand erreicht. Die Mannschaft hatte sich akklimatisirt und hatte an Kriegserfahrung gewonnen. Sie stellte jetzt 12 bis 15000 Kombattanten, während sie zwei Monate früher nur 7 bis 8000 aufbringen konnte'). Am

») Apercu S. 184.

>) Campredon sagt in seinem Tagebnehe nuter dem 24. Angnst (Anriol

345

16. Augast war die letzte russische Lieferung eingetroffen. Es hatte nichts erspart werden können, da die Russen hinter ihren Verpflichtungen zurückgeblieben waren. Man hatte selbst während des Waffenstillstandes die eignen Vorräthe angreifen müssen. Dennoch war der Maugel nicht so gross, als d'Artois glauben machen will. Nur das Fleisch ging allmählich aus ^). An Getreide war dagegen kein Mangel. Nach einer Berechnung der Lebensmittel am Ende des Waffenstillstandes zählte man noch 6 Millionen Portionen Getreide, Mehl, Zwieback, den Bedarf an Getreide für den Branntwein eingesqhlossen, von dem ausserdem noch für 42 Tage vorhanden war. Das entsprach einem Vorrath auf 6 Monate, da täglich 25000 Portionen er- forderlich w^aren. Mit dem Pökelfleisch abwechselnd mit massigen Portionen Pferdefleisch, glaubte man noch 4 Monate auskommen zu können, ebenso lange mit Salz. Die übrigen Bedürfnisse waren allerdings nur in geringem Masse vorhanden *). Nach einer Aufnahme vom 14. Oktober war bei einer täg- lichen Ausgabe von 31000 Portionen von 24 Unzen Brod noch an Getreide, Grütze, Branntwein, Salz ein Vorrath für 132 Tage vorhanden, aber für die noch vorhandene geringe Anzahl von Pferden nur noch auf 88 Tage Furage *). Eine grosse Hilfe

S. 120): „Lor8 de la cessatiou des hostilit6s la gamison 6tait daus Tetat le plus florissant. Elle avait consid^rablement dimma6 en nombre par les mala- dies terribles qui ' ravaient desolee depuis son entr6e k Dantzig jusqu'ä la fin d'Avril, mais ce qui restait se trouvait compos^ d'hommes aguerris et acclimatis^s et eile pouvait mettre environ 12 ou 15 iniUe baionnettes en ligne. Denx mois auparavant on ponvait k peine reunir 1 k S mille com* battans. Le repos que lui doima rarmistice mit fin k toiites les maladies et donna le temps de faire une ample r6colte de fourages sur la grande ^tendue de terrain dont on avait conserv6 la possessiou depais le commence- ment dn blocus.''

^) d'Artois S. 387. „On en 6tait r^dait aux derni^res extr6mit6s, snr- tout par rapport k la viande dont on manquait totalement/ Die Znnabme der Kombattanten lässt sich namentlich im Tagebuch des Majors Bauer ver- folgen. Am 15. März war das Kegiment Westfalen nur noch 85 Mann stark und musste am 24. April mit den Baiern in ein Bataillon vereinigt werden. Am 9. Juni fochten die Westfalen schon wieder abg6Son4ert, und ani 29. August waren sie bereits 280 Mann stark. PlUmi^^e.

») Blech 2, 192.

>) Ebenda S. 258,

846

war der Fischfang. Der General Campreäon erzählt, dass er nur von Pferdefleisch und Fisch gelebt habe*). Die Ueber- schwemmung der Weichsel zu anfang September brachte einen reichlichen Fischvorrath. Der Kommandant Bazancourt konnte noch am 10. Oktober ein Diner von 50 Gedecken geben. Das Bombardement hat das alles zerstört.

Der Geist der Besatzung war ein vorzüglicher. Alle Nationen wetteiferten mit einander, und selbst die ersten Nach- richten von den französischen Niederlagen brachten darin keine Veränderung her.vor. Erst als die Gerüchte von der Schlacht bei Leipzig nach Danzig gelangten, begann die Desertion, zu- erst bei den Thüringern, später auch bei den andern. Am 24. November musste der Major Bauer den Guverneur bitten, ihn nicht mehr auf Vorposten zu schicken, was dieser auch bewilligte. „Wir hatten erst jetzf", sagt der Major in seinem Tagebuch, „sichere Nachrichten, wie es in nnserm Vaterlande aussah" ■).

In der Stadt sah es traurig aus. Blech bezeichnet die Zeit des Wiederausbruchs der Feindseligkeiten *) „als den Gipfel des Elends, wo der Mensch nichts mehr fürchtete, aber auch nichts mehr hoffte." Die Preise der Lebensmittel steigerten sich von Tag zu Tage. Ende August wurde das Pfund Rind- fleisch zu einem Thaler, das Pfund Butter zu 5 Thalern, der Scheffel Roggen zu 20 Thalern, ein schlechtes ^oldatenbrod zw einem Thaler 6 Ggr. bezahlt*). Bald hörte der Verkauf aber überhaupt auf. Ende September schlössen die Bäcker*), am 4. Oktober die Fleischer^) ihre Läden. Selbst Pferdefleisch war nicht mehr zu haben. Um sich Salz zu verschaffen, wurde es aus den leeren Heringstonnen ausgelaugt. Die leere Tonne wurde mit 8 Thalern bezahlt. In Neufahrwasser wurde das ehemalige königlich preussische Salzmagaziu in dieser W^eise von der Besatzung ausgenutzt, indem die Soldaten die Salz-

0 Auriol S. 157.

«) Plttraicke S. 198.

3) Blech 2, 201.

*) Ebenda 193.

*) Campredon (Auriol S. 255).

•) Bbendft.

347

kruste von den Dielen schabten^). Immer neue Ausweisungen erfolgten. Die Stadt sank auf 16000 Bewohner herab. Dabei starben täglich 50 bis 60, was man, da die Epidemie aufgehört hatte, dem Hunger zuschrieb. Zwei Weiber kamen in Verdacht, Menschenfleisch verkauft zu haben. Dabei gingen die Requi- sitionen an Holz, Hemden, wollenen Decken u. s. w. fort und wurden mit der grössten Härte eingetrieben. Da die 3 Mil- lionen der Zwangsanleihe noch nicht voll waren, wurden immer neue Kreise hineingezogen. Dazu traten bald die Schrecken des Bombardements, das den Bewohnern selbst den Aufenthalt in ihren Wohnungen verleidete und in die Keller trieb. Doch war das noch nicht das schrecklichste. Die Mannschaften der Besatzung benutzten jeden Brand, um zu stehlen, indem sie vorgaben, retten zu wollen, und da man ihnen das nachsah, fielen sie auch ohne Brandgefahr in die Häuser und nahmen, was sich vorfand^).

In der Eintheilung der Besatzung änderte sich nichts, als dass infolge von Todesfällen Personenwechsel eintraten. Der General Devilliers fibergab nach Beförderung des Generals Bachelu zum Divisions- Kommandeur die 34, Division, die er seit dem Tode des Generals Franceschi geführt hatte, an diesen und erhielt das Kommando der Brigade Bachelu's. Die Truppen waren nach Wiedereröffnung der Feindseligkeiten in folgender Weise vertheilt*). Die 30. Division (Heudelet) besetzte Ohra, die Schottenhäuser, die verschiedenen Posten auf dem Plateau des Stolzenberges und Schidlitz*). Die Vorposten waren 200 Toisen vorgeschoben.

Die 7. Division (Grandjean) hatte Zigankendorf und das Plateau dahinter, die Höhen des Königsthals, die Dörfer Lang- fuhr, Striess, Neu-Schottland und Schellraühl besetzt und unter-

>) Blech 2, 193 Note.

«) Blech a. a. 0.

») d'Artois S. 199. Campredou (Auriol S. 121).

*) Nach dem Tagehuch der Division Heudelet S. 117 war Ohra, Stadt- gebiet und Schottland dauernd von einem Major und 600 Mann, Stolzenberg und Schidlitz von einem Bataillonschef und 200 Mann besetzt. Ausserdem steUte die Division noch die Besatzungen von Heubude (103 Mann), Fort Napoleon (82 Mann) und Weichs^lmünde (387 Manp) in Summa 572 Mann.

348

hielt die Verbindung mit Neufahrwasser. Die beiden andern Divisionen waren in den Werken der Stadt, des Holms und der unteren Weichsel vertheilt. Im Werder waren die Posten auf den Mottlaudämmen so weit vorgeschoben, dass der Bürger- wald im Besitz der Besatzung blieb.

Der General Rapp war entschlossen, den Besitz der Vor- städte so lange als möglich zu behaupten. Die denkwürdigen Kämpfe, die sich daran knüpften, sind taktisch von grossem Interesse und werden im ganzen Umfange zur Darstellung kommen.

c. Die Blockade.

Die Zeit von Wiedereröffnung der Feindseligkeiten bis zur Kapitulation des Platzes zerfällt in vier ziemlich gleichlange Perioden:

1. Vom 24. August bis 17. September, dem Schluss der Kontravallation durch ihre Ausdehnung bis zur Weichsel.

2. Vom 17. September bis 10. Oktober ScheinangriflF auf die Olivaer Front.

3. Vom 10. Oktober bis 3. November, Bombardement.

4. Vom 3. November bis zur Kapitulation des Platzes am 29. November. Förmliche Belagerung.

Die lange Dauer des Scheinangriifs und des Bombardements sind dui-ch den Umstand hervorgerufen worden, dass die Bereit- stellung des Materials für den förmlichen Angriif sehr viel Zeit erforderte. Dagegen ist der förmliche Angriff durch die Erfolge des Bombardements sehr bedeutend abgekürzt worden.

I. Einleitung der Beiagerung vom 24. August bie 17. September.

Am 24. August mittags erfolgte auf jeder Seite eine An- zahl Kanonenschüsse zum Zeichen, dass der Kriegszustand ein- getreten sei; der Belagerte feuerte von jedem Aussenwerk 6 ^), der Belagerer bei jedem der 5 Detachements 4 Kanonenschüsse *) ab. Wenige Tage zuvor war von letzterem der Schidlitzer Bach abgeleitet worden, welcher den Graben vor dem Neugarter Thor bewässerte^).

») d' Artois S. 219.

») AperQu S. 180.

') Ebenda, d 'Artois S, 192,

340

Der Belagerte vollendete in den folgenden Nächten die August, während der Unterbrechung der Waffenruhe begonnenen Werke und armirte sie in der Nacht zum 26. Es waren die „batteries de Frioul" auf der Jesuiterhöhe, die Eedute vor dem Hause Kabrun, die grosse Batterie links der Allee (Montbrun) bei Aller Engeln und die 3 Lünetten vor dem Zigankenberg. An dem Abschnitt Ohra-Stadtgebiet und den Schottenhäusern wurde emsig fortgearbeitet ^).

Der Herzog von Wtirtemberg war wieder hergestellt und liess die bekannten Anfälle auf die feindlichen Vorposten be- ginnen. In der Nacht zum 25. wurde das französische Piket, das sich Brösen gegenüber befand, aufgehoben *), in der folgen- den Nacht Schidlitz alarmirt und von liier aus das Neugarter Thor mit Congrevischen Raketen beschossen. Auch Langfnhr hatte durch die Raketen zu leiden*). Zur Unterstützung der Angriffe auf Ohra wurde in der folgenden Nacht die Redute Nr. 2 der Kontravallation armirt*). Am 28. morgens erfolgte ein Anfall auf Ohra. Die Vorposten des Belagerten wurden aus dem Wäldchen von Reiersgarten und aus dem Dorfe Ohra-Niederfeld vertrieben. Erst an dem Abschnitt Stadt- gebiet A wurde den Nachsetzenden Halt geboten. Preussischer- seits waren nur die Tirailleurs vom Bataillon Nr. 18 und die Eskadron Heyking zur Stelle. Da der Zweck erreicht war, befahl der Graf Dohna, welcher anwesend war, den Rückzug. Die Franzosen besetzten das Wäldchen wieder, doch wurden ihre Vedetten eingeschränkt, um nicht wie bisher Einsicht in das Lager von Schönfeld zu haben. Das Gefecht zog sich von morgens 10 bis mittags 4 Uhr hin*). Es war ein Vorspiel des folgenden Tages.

^) Campredon. Auriol S. 130.

•) AperQU 8. 187.

') Campredon. Auriol S. 130.

*) Ebenda 131, womit auch Blech 2,194 übereinstimmt. Wie derMiyor von Hake in seinem Tagebuche (Kriegs -Archiv E. 202) mittheilt, wurde die Schanze 1 mit einem Kanon, die Schanze 3 mit einer Haubitze der Batterie Sommer besetzt.

') Dohna, Bericht an den König vom 7. September. Kriegs- Archiv F. 8. Campredon, Auriol S. 131. d'Artois S. 223. Nach dem Apercu wäre es nur das gewohnliche, täglich kommandirte Detachement gewesen, welches den

350

Das Gefecht vom 29. August.

Bevor der Herzog sich au Langfuhr machte, dessen Besitz sein nächstes Objekt sein musste, um die Kontravallation, die bisher nur bis Divelkau ging, auf dem linken Flügel zum Ab- schluss zu bringen, glaubte er, sich zunächst der anliegenden Höhen bemächtigen zu müssen, um sich eine günstige Gefechts- lage zu vei'schaffen, denn es war vorauszusehen, dass der Kampf um Langfuhr ein hartnäckiger sein werde. Er beauftragte da- her den Oberst Treskin, sich in der Nacht zum 29. in den Besitz des Waldes von Jäschkenthal und des Johannisberges zu setzen, welcher letzteie nalio an Langfuhr herantritt. Der General Eulibakin sollte ihn dabei von Striess aus unterstützen. Der Oberst Treskin bestimmte 4 Bataillone zum Angriff und Hess eine Reserve von 2 Bataillonen und einem Kosackenregi- ment folgen. Offenbar hat er auch einige Geschütze mitgeführt, die später auch genannt werden. Der Angriff gelang ohne Schwierigkeiten, da die Höhen in der Nacht nur durch Vor- posten besetzt waren. Gleiches war bei Striess der Fall, wo der General Kulibakin mit 3 Bataillonen einrückte und von hier aus 2 Jägerkompagnien auf Langfuhr schickte, die bis in die Mitte des Dorfes, da wo der Weg nach Jäschkenthal abführt, vordrangen^). Hier wurden sie jedoch vom Hauptmann Enita des 11. polnischen Regiments zurückgeworfen. Inzwischen hatte der General Fürst Radziwil die Reserven von Kabrun und Aller

Ausfall ausgeführt hätte. Da der Herzog aher die Absicht damit verknüpfte, die Aufmerksamkeit des Feindes von Langfuhr abzulenken, gegen das er demnächst vorgehen wollte, ist es wahrscheinlich, dass das Detachemeut ver- stärkt worden ist. Die Russen erlitten einen Verlust von 7 Todten und 11 Verwundeten (Apercu S. 187), die Preussen 1 Todten und 4 Verwundete. Nach d'Artois (225) wären allein 30 Todte aufgefunden worden. Den eignen Verlust setzt er auf 6 Todte und 1 Offizier, 2 Mann Verwundete an. Die 2 Mann sind offenbar ein Schreibfehler. Das Tagebuch der Division Heudelet giebt 6 Todte, 1 Offizier und 22 Mann Verwundete an. Nach demselben wurden die Franzosen vom M^or Legros kommandirt. (S. 118.) Die Russen giebt das Tagebuch 1600 Mann stark an.

') AperQU S. 189. In den französischen Berichten herrscht die Auffas- sung, die Russen hätten es auf Langfuhr abgesehen gehabt. Daher lässt d'Artois S. 225 diese bis an die Blockhäuser am südlichen Ausgange des Dorfes vorrücken, aber vergebliche Anstrengungen machen, sich derselben zu bemächtigen!

351

Engeln vorgeführt und ging gegen 7 Uhr morgens zum Angriff der Höhen über, konnte aber gegen die vortlieilhafte Position des Gegners, der jetzt mit 2 Geschützen versehen war, keine Fortschritte machen. Zu dieser Zeit traf der General Rapp ein und sendete den Bataillonschef Szembek mit den Yoltigeuren des 11. Regiments gegen das grosse Belvedere (d) in die rechte Flanke des Feindes. Es gelang diesem auch, sich dieses Punktes zu bemächtigten, doch wurde er von anrückenden Verstärkungen der Russen wieder zurückgetrieben. Der Rest des Detachements vom Obei-st Treskin hatte sich auf den Höhen von Pitzkendorf und Divelkau entwickelt.

Der General Rapp zog das 10. polnische Regiment unter dem Oberst Kamienski zur Unterstüzung des 11. nach Lang- fuhr heran, befahl ihm jedoch, sich vorläufig ruhig zu verhalten und auf das Zeichen zum Angriff zu warten. Er begab sich in Person nach dem Zigankenberg, wohin er den grössten Theil der Besatzung von Danzig dirigirt hatte. Der General Lepin stellte hier 32 Geschütze^) in zwei grossen Batterien auf und begann eine lebhafte Kanonade gegen die auf den Höhen von Pitzkendorf stehenden Russen. Der Rest der Division Grand- jean hielt sich rechts der Batterien in den anliegenden Gründen versteckt, zur Linken der Batterien stellte sich die 34. Division und die Reiterei auf. Zur Rechten gegen Langfuhr hin nahm die 33. Division Stellung. Die 30. Division (Heudelet) besetzte die Stellung Schidlitz, Stolzenberg, Ohra.

Nach einer längern Kanonade sendete der General Rapp den Bataillonschef Czembek mit einem Bataillon des 11. pol- nischen. Regiments, gefolgt von einem zweiten unter dem Major Krazin, gegen Divelkau vor und bestimmte das 13. baierische und 1. westfälische Regiment als Reserve. Gleichzeitig ging der General Farine mit dem 1. Treffen der Reiterei, aus 250 Husaren, reitenden Jägern und Ulanen bestehend, gegen Pitz- kendorf vor^). Die 4 Erdaufwürfe, welche von den Russen

^) Nach Campredon S. 132 sind es 84 gewesen.

*) d ' Artois S. 229. L'aper^u bemerkt S. 196, dass Czembek die Schlucht von DiveUcan unter dem Feuer der rassischen ArtiUerie mit grosser Bravur überschritt und sich des Dorfes bemächtigte. Auch sonst lässt dasselbe den Trappen des Gegners alle Gerechtigkeit widerfahren und erwähnt beiläufigi

^52

auf den Höhen vorwärts Pitzkendorf und Divelkau hergestellt worden waren, wurden von ihnen geräumt^).

Noch war aber der Johannisberg von den Russen besetzt, von wo aus sich 5 Geschütze sehr unbequem machten. Der General Rapp entnahm daher der rechten Flfigelbatterie auf dem Zigankenberge 5 Geschütze und stellte sie auf den Höhen südlich von Königsthal auf, von wo sie das Thal und die Ab- hänge des Johannisberges unter Feuer nahmen, die auch als- bald von den russischen Truppen geräumt wurden. Der Gu- verneur Hess darauf ein Bataillon des 11. polnischen Regiments zum Angriif der Höhen vorgehen und die 33. Division zur Unterstützung folgen. Das war für den Obersten Kamienski das Zeichen, auch seinerseits von Langfuhr aus anzugreifen. Die beiden Kolonnen kamen gleichzeitig auf der Höhe an, die von den Russen nach hartnäckigem Widerstände geräumt wurde*).

Das Wetter war den ganzen Tag über regnerisch. Die französischen Berichte nehmen daraus die Veranlassung, dass der General Rapp seine Vortheile nicht weiter verfolgte, son- dern gegen Abend den Rückzug anbefahl. In Wahrheit wurde dieser jedoch durch das Vorgehen von 3 Bataillonen, 4 Eska- drons und 4 Geschützen unter dem Fürsten Wolkowski von Wonneberg her ^) herbeigeführt, welche die linke Flanke Rapp's

dass die gegen Miggau und Pitzkendorf vorgesendeten Truppen mit grossem Mnth und in guter Ordnung vorgingen, bis sie von Wonneberg in ihrer linken Flanke bedroht wurden. Es scheint dies die 34. Division und die Keiterei des Generals Cavaignac gewesen zu sein.

*) Apergu S. 191. d'Artois gesteht S. 229 zwar ein, dass sie noch nicht mit Artillerie besetzt waren, schildert sie aber als geschlossene Werke, in denen ein grosses Blutbad angerichtet wurde. Es sind die Bedans 9, 10, 11, 12 (n'", m"', 1"', k"0 gemeint.

') d'Artois S. 331. L'aper^u verschweigt diesen Angriff, doch erwähnt der Verfasser desselben S. 196 beiläufig, dass der Oberst Kamienski bei dem Angriff auf das Thal von Jäschkendorf viel Muth und Eifer gezeigt hat. Nach Campredon haben die Bussen die Stellung von selbst geräumt.

") AperQU S. 192. Bericht Dohna's an den König vom 7. September Kr.-Arch. F. 8. Es waren die Bat. 10, 18 und 19 der Brigade Hindenburg Beneckendorf und die Kavallerie* Abtheilung des Majors von Brünneck. Nur die Tirailleure sind ins Gefecht gekommen, wurden aber vortrefflich durch die Hauptleute Boerdanz, Miroschewski und Pröck geführt. Der Herzog spricht in seinem Bericht an den Kaiser Alexander mit ausserordentlicher

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bedrohten und die Ricbtung auf Dreilindeu innehielten. Der darauf folgende Rückzug der Besatzung wurde durch die nach- setzenden Russen sehr belielligt. Der Oberst Kamienski musste einem neuen Angriff der Russen weichen und zog sich nach Langfuhr zurück. Der Johannisberg und Jäschkenthal blieben in den Händen der Russen. Auch Striess wurde vom General Kulibakin behauptet^).

Der Herzog hatte, um die Aufmerksamkeit des Feindes abzuziehen, auch nächtliche Angriffe auf Schidlitz und Ohra an- geordnet. Bei Schidlitz kam es bei Tagesanbruch zu einem leichten Gefecht. Von grösserer Ausdehnung war das von Ohra, wo der General Tschernisch das Kommando hatte. Wie am Tage zuvor warfen die Russen den Gegner aus dem kleinen Gehölz und dem südlichen Ausgang von Ohra, wurden aber an dem Abschnitt in der Höhe der Schottenhäuser aufgehalten und von den anrückenden feindlichen Reserven wieder zurückgetrieben *). Das wiederholte sich. Doch behauptete sich der General Tschernisch schliesslich an dem Abschnitt, räumte aber gegen Abend das Dorf wieder, da sein Zweck, die Aufmerksamkeit des Feindes hierher zu lenken, erfüllt war ^). Wie das Apercu S. 193 bemerkt, hätte es zunächst nicht im Interesse der Russen gelegen, das Dorf Ohra bis zu jenem Abschnitt im Besitz zu

AnerkeDnung von den 3 Bataillonen und theilt eine Abschrift davon dem Könige mit, worin er den Grafen Dohna und Pullet zu Obersten vorschlägt (Kriegs-Archiv F. 8).

*) Nach den französischen Berichten sind die Russen dreimal in Lang- fuhr eingedrungen, aber stets mit grossen Verlusten zurückgeworfen worden. Campredon, Anriol S. 132.

-) Nach d'Artois S. 234 ist hierbei eine russische Abtheiluug, welche durch die Gärten längs der Inundation vorging, abgeschnitten und grössten- theils niedergemacht worden? Das Tagebuch der Division Heudelet weiss nichts davon. Nach demselben kommandirte an diesem Tage der Major Schneider die französischen Vorposten, der General Husson die Reserve. S. 119.

") Preussischerseits fochten hier die Tirailleurs der BataiUone No. 7 und 16 unter dem Major von Brockhusen. Sie drangen auf die Höhe vor, die Russen im Dorfe. Die Franzosen räumten die Sternschanze, hielten sich aber im Hauptmannsposten. Beim Rückzuge drang der Feind übereilt vor und gerieth in ein Kreuzfeuer, das ihm erhebliche Verluste zuzog. (Dohna, Bericht an den König.)

Köhler, Geschichte der Fostangen Danzig und Weicbselmünde. II. 83

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behalten, weil sie dadurch den Gegner veranlasst hätten, die wichtige Hohe an den Schottenhäusern zu befestigen, was ihre spätere Besitznahme sehr erschwert liätte. Durch die täglichen Harzelirungen erreichten sie, dass der Gegner diesem Theil nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die er verdiente.

Die französischen Bericlite schreiben dem Belagerten den Sieg des Tages zu, weil er sich im Besitz von Langfuhr be- hauptete. Mit mehr Recht fiel er den Russen zu, weil sie ihre Absicht erreicht hatten. Der Verlust war auf beiden Seiten sehr bedeutend. Nach dem Apercu S. 195 betrug er auf seiten der Russen 10 Officiere 136 Mann todt, 32 Officiere 550 Mann ver- wundet und 70 Mann gefangen. d'Artois giebt S. 234 die Zahl der gefangenen Russen auf 2 Officiere 180 Mann an und schätzt den Verlust derselben an Todten und Verwundeten un- endlich höher als den eignen, den er für Ohra auf 1 Haupt- mann und 5 Mann todt, 5 Officiere 27 Mann verwundet und bei Langfuhr und Pitzkendorf auf 341 Mann todt und verwundet angiebt*). Nach Blech (2,198) waren es jedoch 1000 und das russische Jurnal giebt sogar 1500 bis 1600 Mann an. Jeden- falls durfte sich der General Rapp nicht noch einmal solchen Verlusten aussetzen. Er machte daher keinen Versuch mehr, die Russen vom Johannisberg zu vertreiben, und beschränkte sich auf die Defensive. In der Nacht zum 31. Hess er auf den dem Johannisberg gegenüberliegenden Höhen des Königsthals Brustwehren für Artillerie aufwerfen und am folgenden Tage Rampen in die dahinter liegende Schlucht herstellen^). Am September. 1. September wurde die Stellung Kabrun-Schellmühl bis zum Legan befestigt, um für den Fall, dass sich der Gegner des Dorfes Langfuhr bemächtigte, die Verbindung mit Neufahr- wasser auf dem linken Weicliselufer noch zu behaupten. In der folgenden Nacht (zum 2.) wurde zu dem Zweck an zwei Werken zwischen Kabrun und der Weichsel gearbeitet*).

*) d'Artois 234. Nach Düring S. 72 betrug der Verlust der Franzosen gegen 500 Manu, worunter 57 Officiere. Das 10. polnische Begiment verlor allein 23 Officiere. Das Tagebuch der Division Heudelet S. 120 sagt inbezng auf Ohra 1 Hauptmann und 7 Mann todt, 4 Officiere, 54 Mann verwundet.

') Campredon. Auriol S. 133.

') Ebenda S. 134. Sie sind jedoch nicht mehr zustande gekommen.

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Die Einnahme von Langfuhr am 2. September;

Der Herzog Alexander bereitete sich mit äusserster Vor- sicht zum Angriff auf Langfuhr vor. Er Hess den Belagerten jede Nacht durch kleinere Detachements beunruhigen, so dass dieser sich daran gewöhnte, am Tage in der Ruhe nicht gestört zu werden, der Herzog aber diesmal gerade am Tage angreifen wollte*). Die Posten auf dem grossen und kleinen Belvedere des Johannisberges wurden mit einer Brustwehr umgeben, als ob der Herzog sich fürchtete, angegriffen zu werden*). Die Verbindung des Dorfes Langfuhr mit Danzig wurde fast aufge- hoben, indem sie durch Kanonen bestrichen wurde. Die Flotte erhielt Befehl, die Westerplatte zu bombardiren, um die Auf- merksamkeit des Feindes auf sich zu ziehen. Der 2. September war zum Angriff von Langfuhr bestimmt. Schon am 1. Sep- tember entfalteten sich 60 Kanonenboote der Westerplatte gegenüber, wie es scheint, um sich einzuschiessen^). Am 2. um 9 Va Uhr morgens rückten sie von neuem in Schlachtlinie an. Man zählte 2 Korvetten und 40 Kanonenboote. 27 andere standen bereit, die ersteren abzulösen*). Der Admiral Greigh hatte in der Nacht die einzunehmende Linie durch Flaggen bezeichnen lassen. Der auf der Westerplatte stationirte französische Fre- gatten-Kapitain Eoutheau Hess sie am Morgen trotz der Nähe der feindlichen Flotte entfernen, was wenigstens bei dreien ge- langt). Um IOV2 Uhr wurde das Feuer eröffnet. Die Strand- batterien erwiderten es lebhaft. Das ganze Resultat war, dass ein Pulvermagazin der Westerplatte in die Luft gesprengt wurde, wobei zwei Mann umkamen und mehrere verwundet wurden. Dagegen wurden 4 Kanonenboote beschädigt. Nach mehrstündiger Kanonade ging die Flotte zurück, kam aber nachmittags wieder^) und beschoss auch Weichselmünde. Das Feuer wurde 3 Stunden fortgesetzt, doch ohne allen

») Apercu S. 198.

») d^Artois S. 237. Campredon. Düring S. 78.

^ Campredon.

*) d'Artois S. 238.

*) Ebenda.

^) Nach dein Aperen S. 206 \\m 3 Uhr, nach d'Artois um 5 Uhr.

23*

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Erfolg. Dieser Scheinaugriff war noch mit einem anderen verbunden, den der General Löwis auf Ohra um 1 Uhr mittags ausführen sollte. Der General Tschernisch, welcher die Truppen führte, warf den Gegner aus dem kleinen Gehölz bei Reiei-s- garten, bemächtigte sich des Dorfes Ohra-Niederfeld bis zum Abschnitt an den Schottenhäusern und behauptete diese Punkte auch. Dagegen blieben die Sternschanze und die Hauptmanns- schanze im Besitz des Belagerten, der dadurch das Plateau zwischen den Schottenhäusern und Reiersgarten beherrschte^).

In seinem Angriff auf Langfuhr verstand es der Herzog, den Gegner vollständig zu überraschen. Nach seiner Disposition sollte der Angriff in 3 Kolonnen ausgeführt werden.

Die 1. Kolonne befehligte der Oberst Fürst Bolotuk, ein Tatar, der jedoch das volle Vertrauen des Herzogs besass. Die Kolonne bestand aus 2 Tataren-Regimentern, 200 Kosacken und 2 Bataillonen Fussvolk, Jäger und Linie, welche beim Anmarsch zum Gefechtsfelde auf den Kruppen der Tatarenpferde trans- portirt wurden. Sie waren besonders dazu eingeübt worden. Das Rendez-vous der Kolonne war links der Stellung von Pitz- kendorf um 4 Uhr nachmittags. Von hier sollte sie mit Schnelligkeit das Thal von Diwelkau entlang marschiren, an dessen AusmUndung das Fussvolk absitzen lassen und sich rechts wenden, um Aller Engeln und die Batterie Montbrun, sowie den Weg nach Danzig zu beobachten und jeden Versuch eines Vor- marsches gegen Langfuhr zu verhindern. Das Jägerbataillon sollte Langfuhr von Süden her angreifen, das Linienbataillon zwischen

>) d'Artois S. 244. Es wird dies auch durch spätere Ereignisse be- stätigt. Der russische Bericht (aperen S, $?06) ist dagegen nicht genau, wenn er angiebt, dass die Abschnitte in Ohra und Stadtgebiet von den Russen genommen und zerstört worden und die Höhen jenseits von Reiersgarten im Besitz der Russen geblieben seien. Der Abschnitt im Stadtgebiet wurde nicht genommen und zerstört, sondern nur das Dorf Ohra-Niederfeld, das keinen Abschnitt hatte. Solange ferner die Sternschanze (poste de TEtoile) im Be- sitz des Belagerten blieb, kann vom Besitz der Höhen jenseits Reiersgarten nur in beschränktem Masse die Rede sein, denn diese Schanze, welche den Russen später noch viel zu schaifen gemacht hat, lag mitten auf diesen Höhen. Vgl. auch den Bericht des Tagebuchs der Div. Hendelet S. 121.

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Eönigsthal und Langfuhr Stellung nehmen, um das Jägerbataillon nötliigenfalls zu unterstützen^).

Die 2. Kolonne wurde vom General Kulibakin kommandirt und bestand aus 6 Bataillonen, einigen Kosacken und 4 Hau- bitzen. Sie liatte ihren Sammelplatz in Brentau und sollte von Jäschkenthal aus um 5 Uhr Langfuhr angreifen. Sie hatte durch je ein Bataillon mit der 1. und 3. Kolonne Fühlung zu nehmen.

Die 3. Kolonne kommandirte der Oberst Turtschaminow. Sie sollte um 4 Uhr vorwärts Polanken stehen und Neu-Schott- land und Schellmühl nehmen. Die Kolonne bestand aus einem Regiment Kosacken, 4 Eskadrons Ulanen, 2 Eskadrons Dra- gonern, 5 Bataillonen Fussvolk und 8 reitenden Geschützen. Nach der Einnahme von Neu -Schottland sollte der Oberst 200 Ko- sacken, 4 Eskadrons, eiu Jägerbataillon und 4 Geschütze gegen Schellmühl und Kabruu schicken, um den Feind abzuhalten, Verstärkungen nach Langfuhr zu senden. Der übrige Theil der Kolonne sollte links von Neu-Schottland Stellung nehmen, um den Gegner, der etwa von Danzig gegen Langfuhr vorrücken sollte, anzugreifen.

Der Oberst Treskin sollte von Pitzkendorf zwei Bataillone gegen Zigankendorf vorsenden, die hier bis zur Nacht bleiben sollten. Dem Detachement waren 200 Kosacken beigegeben. Mit dem Rest seiner Truppen sollte der Oberst bei Dreilinden eine Aufnahmestellung nehmen.

Der Oberst Peyker, der vorwärts Wonneberg stand, sollte gegen Schidlitz und Stolzenberg demonstriren, sobald Langfuhr angegriffen würde.

Der Oberst Petersen sollte mit seinem bei Brösen stehen- den Detachement das Retranchement von Neufahrwasser be- obachten und mit dem Oberst Turtschaminow Verbindung halten.

Die bei Polanken lagernde Reserve sollte sich vorwärts des Waldes von Mühlhof aufstellen, um erforderlichenfalls den Angriff auf Langfuhr und Neu-Schottland zu unterstützen.

800 Milizen mit Spaten und Beilen sollten bei Brentau

») L'aper$u S. 201.

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stehen, um nach Besitznahme von Langfuhr das Dorf zu ver- schanzen ^).

Die Disposition wurde auf allen Punkten mit grösster Präcision ausgeführt*). Der Oberst Turtschaminow hatte von Klein-Hammer aus ein Bataillon gegen Langfuhr abgezweigt, das gleichzeitig mit der 2. Kolonne eintraf, so dass das Dorf von allen Seiten von Süden durch die 1. Kolonne um- geben war. Die Besatzung desselben war vollkommen über- rascht worden und wurde, insoweit sie sich nicht in die beiden Blockhäuser rettete, niedergemacht oder gefangen genommen.

Der Oberst Turtschaminow warf den Feind auf Neu- Schottland und sendete das bezeichnete Detachement nach Schellmühl, welches sich des Orts bemächtigte und ihn in Brand steckte. Der Versuch, sich auch des Hauses Kabrun zu be- mächtigen, das wie Langfuhr von Baiern und Westfalen besetzt war, schlug jedoch fehl, da die Redute mit 2 Geschützen aus- gerüstet war. Der Oberst hatte inzwischen vorwärts Neu- Schottland Stellung genommen*).

Die Besatzung der beiden Blockhäuser in Langfuhr ver- theidigte sich mit ausserordentlicher Tapferkeit.

Der General Rapp befand sich beim Diner, als der Ba- taillonschef Czembek die Nachricht brachte, dass zahlreiche feindliche Reiterei ein Hurrah auf Aller Engeln mache*). Er Hess sogleich Generalmarsch schlagen und begab sich hinaus. Nachdem die Truppen vor dem Olivaer Thor angekommen waren,

*) Ebenda S. 206. Nach dem Bericht Dohua's an den König vom 7. Sep- tember befanden sich darunter auch 400 Mann preussischer Landwehr unter dem Hauptmann v. Grävenitz vom Bataillon Nr. 10.

*) Der Hauptmann v. Düring sagt S. 79 darüber: Gegen 4 Uhr Nach- mittags überfiel der Feind förmlich die Posten Striess, Langfuhr, Neu-Schott- land und Schellmühl. Selten wohl wurde ein so ausgedehnter Ueberfall mit mehr Genauigkeit ausgeführt. Alle genannten Posten wurden zu gleicher Zeit angegriffen und zurückgeworfen. L'aper(;u S. 214.

^) In dem Bericht des Herzogs an den Kaiser heisst es: Das preussische Bataillon v. Spiess (Nr. 15), welches dem Oberst Turtschaminow zugetheilt war, hat sich sehr ausgezeichnet. (Kriegs-Arch. F. 8.) Das Bataillon befand sich seit dem 19. August in Oliva (Tagebuch F. 9).

*) Es ist der Ausdruck Campredon's, der sich bei dem Diner befand, Auriol S. 135.

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formirte er zwei Kolonneu und schickte die eine nach Schell- niühl, die andere gegen Langfuhr. Die Russen wurden aus Schellmfthl vertrieben und das Feuer gelöscht^). Der Angriff auf Langfulir gelang jedoch nicht. Nur die Spitze, es waren Neapolitaner, gelangte bis zum Dorf, der Rest der Kolonne wurde von der russischen Reiterei zurückgeworfen. Die Be- satzung der Blockhäuser machte bei der Ankunft der Neapoli- taner einen Ausfall, und beide gemeinsam drängten die Gegner ins Dorf zurück. Doch erhielten diese bald Verstärkungen. Die Neapolitaner wurden abgesciniitten und, soweit sie sich nicht in die Blockhäuser retteten, grösstentheils niedergehauen ^). Da die Nacht eingetreten Avar und der General Grandjean die Metdung machte, dass die Blockhäuser sich im Besitz des Feindes befänden, wurde der Angriff nicht wiederholt. Der (Teneral zog die Geschütze aus Kabrun und Aller Engeln zurück, weil sie zu ausgesetzt schienen, und entliess die Truppen in ihre Quartiere. Schellmühl, das Haus und die Redute Kabrun, Aller Engeln und die Batterie Montbrun blieben in den Händen des Vertheidigers. Aber der Bau der beiden angefangenen Schanzen zwischen Kabrun und der Weichsel musste unter diesen Umständen unterbleiben.

Die Besatzung der beiden Blockhäuser in Langfuhr sah sich daher auf sich angewiesen, hielt sich aber wacker. Der Major Bauer, welcher sich zufällig nach Langfuhr begeben, hatte sich beim Anmarsch der Russen nur mit Mühe in das östliche Blockhaus gerettet, wo der baierische Hauptmann Fahrbek kommandirte. Die Russen hatten bei ihrer Ankunft die Blockhäuser von allen Seiten umgeben, konnten aber bei aller Anstrengung nichts ausrichten. Auch ihre Versuche, die Palisadining durch Pechkränze anzustecken, gelang nicht. Sie mussten es mit ihrem Leben bezahlen. Der Major Bauer stellt ihnen das glänzendste Zeugniss ihrer Tapferkeit aus. Sie steckten darauf die zunächst gelegenen Häuser an, aber der Wind war

*) Campredon, Auriol S. 137. Der Verfasser des Apercu behauptet, dass die Russen bei einbrechender Nacht nach Neu-Schottland zurückgegangen wären und ein Piket zurückgelassen hätten. Schellmühl blieb jedoch im Be- sitz der Franzosen.

«) d'Artois S. 243.

360

ihnen nicht günstig. Doch fasste das Dach Feuer und wurde nur mit grosser Anstrengung gelöscht, da kein Wasser vorhan- den war. In der folgenden Nacht hielten sich die Russen ruhig, aber am andern Morgen brachten sie Geschütze vor, zu- erst gegen das westliche Blockhaus. Der westfälische Lieute- nant Tettenborn, der hier kommandirte, sah die Unmöglichkeit ein, sich länger zu halten, gleich die erste Granate zündete er schickte einen Hornisten hinaus, um die Kapitulation an- zubieten, die auch angenommen wurde. Als die Besatzung aber ohne Waffen heraustrat, schössen die Russen auf sie. Ein Tlieil lief davon und entkam. Der Rest wurde aufs schreck- lichste behandelt, namentlich die Offleiere. Darauf wurde auch das östliche Blockhaus beschossen. Es blieb nichts iibrig, als dasselbe zu räumen^). Die Besatzung suchte sich nach dem Hause Kabrun durchzuschlagen, wurde aber von feindlichen Dragonern angefallen und grösstentheils niedergesäbelt. Nur ein Theil der Braven rettete sich dahin, wobei sie anfänglich für Feinde gehalten und beschossen wurden. Unter ihnen be- fand sich der Major Bauer. Der General Rapp bereitete den Entkommenen eine glänzende Aufnahme^).

*) Die Angabe d'Artois' S. 247, dass hierbei der Adjutant Rapp's Mar- nier mit einigen Mann thätig gewesen sei, findet in den Mittheilungen des Majors Bauer keine Bestätigung. Auch Canipredon erwähnt nichts davon. Dagegen giebt Auriol den Bericht Marnier's.

^) Ich kann es mir nicht versagen, den Bericht des Mt^ors Bauer aas seinem Tagebuche (Plüuiicke S. 193 ff.), der noch zahlreiche Details enthält, hier folgen zu lassen: „Den 2. September gegen 4 Uhr nachmittags wurden die Dörfer Striess und Laugfuhr, nach erfolgter Ablösung der Polen, mit einer solchen SchneUigkeit und Uebermacht überfallen, dass die bairische und west- fälische Besatzung dieser Dörfer sich in die beiden Blockhäuser werfen musste. Ich befand mich in dem Augenblick mit mehreren Ofiicieren an den äusserst^n Vorposten von Striess, um mich zu überzeugen, ob die Meldungen von dem Unterofficier in Striess begründet seien, dass sich russische Cavallerie nach Neu-Schottland zu sehen Hesse. Mit der grüssten Anstrengung erreichte ich aber kaum die Blockhäuser wieder und kam mit den Russen fast zu- gleich dort an. Ich flüchtete in das am Eingänge links stehende, wo Capt. Fahrbeck von den Baiern das Commando hatte. Kaum hatteu wir die Thüreu verrammelt, so waren auch die Bussen schon an den Palisaden, um solche auszubrechen und zu ersteigen. Nie hatte ich eine Truppe mit mehrerer ßravour und Ausdauer fechten sehen. Ihr Verlust war sehr gross und vey-

361

Auch der französische Posten in Heubude auf der Nehrung

mehrte sich von Miuute za Miuate, indem wir beinahe mit dem Bajonett dnrch die Sehiessscbarten sie au den Palisaden erreichen konnten, und also auch kein Schusa verloren ging. Demuugeachtet yersnchten sie es auf den Leichnamen ihrer Kameraden die Palisaden zu erstürmen. Mittlerweile hatte die Danziger Garnison eineu Ausfall gemacht. Ein neapolitanisches Eegiment kam auch bis zu den Blockhäusern; wir machten einen Ausfall und, vereint mit ihnen, drängten wir die Bussen im Dorfe zurück, wurden aber durch neuankomniende aufs neue von der Festung abgeschnitten und mussten uns wieder in die Blockhäuser werfen. Hier machte der Feind mehrere Gefangene, besonders Neapolitaner, die zuweit vorgegangen waren und sich mit dem Re- giment nicht wieder vereinigen konnten. Die neu Angekommenen versuchten es aufs neue, die Palisaden zu ersteigen, mussten aber ebenfalls mit be- deutendem Verlust davon abstehen. Das kreuzende Feuer dieser beiden Häuser kostete dem Feinde viel Leute ; die ganze Strasse war damit bedeckt, besonders aber vor den Palisaden. So kam unter beständigem Feuer der Abend heran und mit ihm einige Kühe. Meine Leute hatten so scbuell gefeuert, dass sie das Gewehr nicht mehr laden konnten und erst abkühlen mussten. Die Garnison hatte nochmals einen Ausfall gemacht, ward aber wiederum von den Russen zurückgedrängt, und somit auch uns alle Hoffnung eines Entsatzes benommen. Da die Bussen endlich sahen, dass sie auf diese Art nicht Herr der Blockhäuser würden, zündeten sie die benachbarten Häuser an und brannten einen grossen Theil des Dorfes Langfuhr ab. Zu imserm Glück webte der Wind entgegengesetzt, und unserer Aufmerksamkeit hatten wir es zu verdanken, dass wir nicht mitverbrannten. An jedem Fenster und auf dem Boden hatten wir Soldaten aufgestellt, die au den abgebrannten Stellen mit dem Seitengewehr abkratzen mussten, und hierdurch bloss retteten wir das schon an mehreren Stelleu angebrannte Haus. Die Hitze im Hause selbst war durch den Brand der benachbarten Häuser so gross, dass ich die Be- serve-Patronen aus den Stuben auf den Gang setzen lassen umsste. Mehnuals nahte sich der Feind mit Pechkränzen, um sie aufs Haus oder an die Pali- saden zu werfen, musste aber jedesmal seine Kühnheit mit dem Leben be- zahlen. Den übrigen Theil der Nacht war es ziemlich ruhig, und meine Leute konnten sich etwas ausruhen, litten aber aufs schrecklichste in dieser Hitze an Durst. Ich hatte mehrere Verwundete. Die Bohlen, womit die Fenster zugeschlagen waren, waren so düime, dass jede Kugel durchschlug. Mit dem Tage, wo wir vergeblich auf Succurs aus der Stadt hofften, wurde unsere Lage noch schrecklicher, denn wir wurden mit Artillerie beschossen. An das nns gegenüberliegende Haus kam die Beihe zuerst, und nachdem mehrere Kugeln durch dasselbe geschlagen waren, schickte der Lieutenant v. Tetten- born von den Westphäiingem einen Hornisten heraus, um zu capituliren. Die (Kapitulation wurde ihm zugesichert, wenn sie die Gewehre im Hause Hessen. Kaum waren sie aber ohne Gewehre aus dem Hause, als der Feind f^nch von allen Seiten Feuer auf sie gab. Ein Theil davon lief der Festung

362

wurde in der Nacht zum 3. vom Bataillon No. 17 (Oelrichs) au-

zu und rettete sich ; die übrigen wurden theiis niedergemacht, tbeils gefangen. Die Lieutenants von Tetteuborn und Otto, ingleichen ein aide-Major Stöpler von den Westpfalen, wurden als Gefangene aufs schrecklichste misshaudelt. Dies alles geschah unter unsem Augen, ohne die geringste Hilfe leisten zu können; und kaum war es geschehen, als auch wir beschossen wurden. Sieben Kanonenkugeln und 3 Haubitzen (Granaten), die durch unser Haus flogen, richteten eine gi'osse Verwüstung in den vollgepfropften Stuben an Ich be- fand mich auf der obem Etage und Oapit. Fahrbeck in der untersten. Jetzt kam ein Sergeant von meinen Voltigeuren und meldete mir, dass schon durch die erste Haubitze das Haus in Brand gesteckt sei und das ganze Dach schon brenne. Ich überzeugte mich selbst davon, und da ich es wirklich so fand, beratschlagt« ich mit dem Oapitain, dass wir versuchen wollten, uns durch- zuschlagen, indem doch an keine Rettung weiter zu denken war. Das aber wurde uns sehr schwer gemacht. Die Thttr in den Palisaden war so schmal, dass nur ein Mann durch konnte; auch selbst die vielen Todteu vor dem Hause hinderten unser Herauskommen. Wir hatten ungefähr 600 Schritt bis zu einer unserer Verschanzungen (Haus Kabrun), die ebenfalls von Baiem und Westpfalen besetzt waren. Kaum aber waren wir aus dem Hanse, als wir auch schon von allen Seiten beschossen wurden. Die russischen Dragoner, die hinter den Häusern versteckt gestanden hatten, waren in einem Augen- blick zwischen uns und hauten einen Theil von uns nieder. Die Besatzung der Verschanzung, sowie die Artillerie auf den Wällen, die in der Meinung standen, dass die Russen einen Sturm auf die Verschanznngen machen wollten, feuerten fleissig unter uns und tödteten so Freund als Feind bis endlich ein Grenadier von meinem Regiment mich erkannte und den komraaudirenden Capitain v. Stirnberg darauf aufmerksam machte, wo denn dieser das Feuer der Schanze einstellen liess. So kam ich glücklich, nachdem ich von allen Seiten mit grossem und kleinem Geschütz von Freund und Feind beschossen worden war, ohne die kleinste Blessur, nur ganz entkräftet und ermattet, bei der Verschanzung an. Diese beiden Tage hatten dem Rogiinent 4 gefangene und 3 blessirte Offiziere, 76 Unteroffiziere und Geraeine, theils todt, theils bles- sirt, theils gefangen, gekostet. Sechs Blessirte brachte ich noch mit. Der An- blick war der schrecklichste für mich, die armen Blessirten im Blockhause, die so treu mit uns ausgehalten hatten^ in den Flammen zurücklassen zn müssen.

Dass General Rapp uns ganz unserm Schicksal überlassen hatte, lag daran, dass der Divisions- General Granc^ean ihm die Meldung gemacht hatte, die Blockhäuser wären abgebrannt und die Besatzung darin von den Russen niedergemacht. Man hatte allgemein geglaubt, dass bei dem grossen Brande auch diese beiden Häuser mit niedergebrannt und die Recognaissance, die man geschickt hatte, hatte die Russen, die todt vor den Häusern lagen, für Baiem und Westpfalen gehalten, weil sie die nämlichen Mäntel hatten, wie wir. Um in etwas dies wieder gut zu machen, befahl er mir, alle blessirten Baiern

363 gegriflfen. Der Hauptmann Carre, der hier konamandirte, wusste

und Westpfalcn iu seiu Haus zu schicken. Er üess das Gartenhaus hinter dem Guyerueineutsgebäude (der General Kapp wohnte iu dem heutigen Gu- vernementsgebäude in Langgarten. Anm. d. Vf.) für sie zurecht machen, gab ihnen alle ärztliche Hilfe und Pflege, die nur möglich war, und behielt sie so lauge dort bis sie wieder in ihre Compagnien eintreten konnten. Er ver- sicherte mir mehrmals, das.s ich dies als einen kleinen Beweis ansehen möchte, wie gern er das wieder gut machen wollte, was ohne seinen Fehler geschehen sei. Die ganze gesunde Besatzung der beiden Blockhäuser wurde vom Com- mandanten und von mehreren Obersten der Festung zum Essen geladen. '^ Ausführlicher noch ist das Schreiben des Majors Bauer an seinen Bruder vom 4. September (Beiheft z. M.-W. 1887 S. 126).

Der General Campredon beschreibt das Gefecht vom 2. September sehr anschaulich vom französischen Standpunkte , so dass ich dessen Bericht, da er auch speciell auf das Verhalten der Besatzung in den Blockhäusern eingeht (Auriol S. 135), hier folgeu lasse: ,,J'etais ä diuer chez le Gouverneur quand le chef de bataillon Szembeck vint annoncer la nouvelie que Tennemi faisait un hourra consid^rable de ca Valerie vers Aller-Engeln sur les all6es d'Oliva. Vers ö henres du soir, Tennemi se porte par un mouvememt tr^ rapide k Tentr^e de Langfuhr, k la gorge de Touvrage de Kabrun et Scheilmühl. Une ttombreuse cavalerie couvre la piaine et conronne les hauteurs en avant du camp retrauche du Zigankenberg et s'avance jusqu'au pied de notre batterie ä gauche de Tallte. Bientöt Tattaque devient g6n6rale et on fait uu feu tres vif sur tonte la ligne depuis Scheilmühl jusqu'ä Ohra. L'artillerie, placke dans Touvrage de Kabrun, Tempecha d'etre pris. L'ennemi, apr^s avoir atta- qne en vein les raaisons cr^nel^cs de Laugfuhr, mit le feu aux maisons les plus voisines, esp6rant quMl se communiquerait ä ces demieres, mais ces braves troupes qui y 6taient reuferm^es tinrent ferme quoique la chaleur y füt ex- cessive et que le feu eüt d^jä pris k la toiture. Quelques instans apr^s, le feu se manifeste egalement ä Scheilmühl, au Zigankenberg et ä la tete du village d'Ohra. Des que nos troupes furent r6unies, on forma deux colonnes, dont Tune se porta sur Scheilmühl et Tautre sur Langfuhr. La premiere reprit Scheilmühl, 6teignit Tincendie et fit main basse sur 400 incendiaires. La seconde, dirig^e sur Langfuhr, ne put commencer son mouvement que lorsque le jour §tait sur son d^clin, et trouva des forces si consid6rables taut dans la vallee de Köuigsthai qu'ä la tete de Neu-Schottland , qu'elle ne put s'avaucer jusqu'aux maisons cr^nelees pour d^gager les troupes qui y ^toient renferm^es. Dans cette attaque, un d§tachement de Napolitaius, qui 6tait parvenu jusqu'aux portes des maisons crenel^es, fut coup6 par une Charge de cavalerie, de la coloune dont il faisait partie, et n'eut d'autres moyens pour se sauver que de s'enfertner avec les troupes qu'il venait d61ivrer. Plnsienrs rapports assuraut que les maisons cr^nel^es ne tiraient plus et que la gamison en avait ^t^ massacree, on ne fit pas de nouvelles tentatives et les troupes se tinrent toute la nuit sous les armes en ^vant de TAUer-Engel,

364

sich jedoch den sehr überlegenen Kräften des Feindes zu ent- ziehen *) und gelangte glücklich nach dem Huhn^).

Die Demonstrationen des Obersten Peyker von Wonneberg aus gegen Schidlitz und Stoltenberg wurden nach anfänglichem Erfolge von den Kanonen des Bischofsberges zurückgewiesen. Der Oberst setzte seine Angriffe jedoch in der folgenden Nacht fort und beschoss die Stadt mit Congrevischen Raketen^).

Zigankendorf wurde, nachdem es um 10 Uhr abends von den Küssen geräumt war, wieder von den Franzosen besetzt.

afiii d'etre a portee de seconrir l'ouvraj^e de Kabrun, eii cas d'une nouveUe attaqiic .... Le leiidemiu vers 8 heiires du luatiu, ou tut tres etonnc de vüir reveuir les Bavarais, les Westphalieiis et les Napolitaiiis reufermes daus les niaiduns creneles. (-es braves avaieut defendu leurs postes tant qui'Is avaicut eu des munitions et etaient parveun a faire leur retraite cn se fai- saut jour i\ la baionuette, apres avoir perdu le tiers de leur moude."'

Nach d'Artüis S. 244 ist bei Aller Engeln nur eine Reserve zurückge- blieben ..puur soutenir Kabnm dont ou jug:ea conveuable, vu la proximit6 de rennenn, de retirer rartillerie.'' Von letzterem erwähnt Tampredou nichts. Auch bei Aller Engeln fand dies statt, jedoch nur während der Nacht.

Die Abweichung des französischen von dem russischen Bericht inbetreff Schellniührs ist sehr auffallend. Ich gebe dem französischen den Vorzug, da SchellniiUil bis zum 17. im Besitz der Franzosen blieb und Kapp einen grossen Werth auf seine Behauptung legte, um die Verbindung mit Weichselmünde auf dem linken Weichsel uf er zu sichern, die auf dem rechten Ufer sehr unbequem war. Auch wird in dem ofliziellen Bericht Rapp's (d'Artois Ö. 249) der Haupt- mann Ostrowski, Kommandeur der polnischen reitenden Batterie, besonders aus- gezeichnet, dessen Verhalten wesentlich dazu beitrug, den Rückzug der Russen aus Schellmühl zu bewirken. Ferner sagt das Aper<,'u S. 240, dass SchellmUhl am 17. von dem General Turtschaminow den Franzosen abgenommen worden sei. Die Zuverlässigkeit des Apercu wird dadurch, sowie durch die irrigen Angaben über Ohra an demselben Tage, nicht wenig beeinträchtigt.

^) Campredon, Auriol S. 130. d'Artois S. 255. Tagebuch des Bataillons No. 17 und des Majors von Hake. Kriegsarchiv.

'^) von Düring S. 83. Es erbcheint das sehr wahrscheinlich, da die Weichsel bereits sehr hoch ging, doch sprechen die französischen Berichter- statter (d'Artois S. 256 und Campredon S. 140) nur von den Schwierigkeiten, welche der Uebergang über die AVeichsel auf der Fähre bot. Es wurde in- folgedessen ein Brückenkopf am Ganskrug geplant, aber die Ueberschwem- roung, welche einige Tage darauf stattfand, verhinderte seine Ausfühnmg. Es ist auffallend, dass man nicht vorher daran gedacht hattQ.

«) Apercu S. 221.

365

Es hatte hier den ganzen Tag über ein lebhaftes Gewehrfeuer mit den Lunetten vor dem Zigankenberge geherrscht.

Ein Ausfall der Besatzung von Neufahrwasser gegen Schell- inuhl wurde vom Obersten Petersen zurückgewiesen ^).

Der Belagerte liob noch in der Nacht zum 3. auf der Allee bei Aller Engeln einen Abschnitt (Kupi'ire) aus, der mit einigen Geschützen besetzt wurde und später die Batterie Fischer hiess. Die Batterie Montbrun hatte während des Gefechts lebhaft ge- feuert.

Von Seiten der Russen wurden in der Nacht zum 3. bei Neu-Schottland zwei Reduten (c'" und d'") erbaut und durch einen Laufgraben verbunden, auch zwei Batterien e'", f " abgesteckt. Zugleich wurde Langfuhr verbarrikadirt und ein Laufgraben von hier nach Neu-Schottland ausgehoben. Die Arbeit war- trotz eines lebhaften Feuers vom Holm und der Batterie Montbrun so gefördert worden, dass sie am andern Morgen Deckung gewährte^).

Die Russen verloren am 2. September alles in allem ge- rechnet 6 Officiere. 102 Mann todt und 9 Officiere, 388 Mann verwundet. Sie nahmen in Langfuhr allein 9 Officiere, 250 Mann gefangen, ohne die in Ohra zu rechnen ^). Der Verlust der Franzosen wird von d'Artois*) 2 Officiere, 80 Mann todt, 102

*) Ebenda S. 213. Der Oberst Petersen hatte sich, um die Bewegung des Obersten Tnrtscbaminow nach Nen-Schottland zu beg^ünstigen , mit dem prenssischen LandwehrbataiUon , einigen Kosacken nnd 2 Geschützen nach Lanenthal begeben. Der Rest seines Detachement^ blieb bei Brösen zor Be- obachtung des Retranchements zurück. Das preussische LandwehrbataiUon war wahrscheinlich das von Hülsen (Nr. 9), welches am 1. September mit Tagesan- bruch nach Koliebken abmarschirt war.

*) Ebenda S. 221. Tagebuch des OberstUentenants v. Pullet. Kriegs- Archiv F. 9. Hiemach führte der General v. Borosdin das Kommando der ganzen Expedition, und Pullet war ihm dabei attachirt. Inbezng auf die ausgeführten Arbeiten fügt Pullet noch hinzu, dass der Schrötter^sche Garten und Klein-Hammer zur Postenvertheidigung eingerichtet und eine zweite Tranchee- Verbindung von Kloinhammer nach Langfuhr geführt wurde. Auch wurden die beiden Blockhäuser am Eingange von Langfuhr wieder verthei- digungsfähig hergestellt. In Langfuhr wurden dreifache Kupüren quer durch die Strasse gelegt.

*) Ebenda S. 214.

*) d'Artois S. 248. d'Artois muss über diese Angaben selbst beschämt gewesen sein, denn er giebt sie nicht im Text, sondern in einer Note.

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verwundet und 50 Mann (?) gefangen, angegeben. Von anderer Seite wird er auf 1000 Mann geschätzt^).

Die Obersten Turtschaminow, Fürst Bolotuk und Treskin, welclie sich ausgezeichnet hatten, avancirten einige Zeit darauf zu Generalen. Besondere hervorgehoben werden die Leistungen der Generale Borozdin, Kulibakin und Gerebzow^).

Der General Rapp konnte nicht daran denken, die Russen aus der am 2. gewonnenen und in der folgenden Nacht be- festigten Stellung vertreiben zu wollen. Er hatte alle Veran- lassung, das Blut seiner Mannschaft zu schonen. Seine Mass- regeln beschränkten sich daher auf die strengste Defensive. Die Ingenieurarbeiten wurden mit dem grössten Eifer fortge- setzt. Es blieb hier noch viel zu thun. Die Steinschleuse und die daran liegende Mühle mussten geblendet werden, die Front am Neugarter Thor, an der bisher noch gar nichts gethan war, korrigirt, der Abschnitt von Ohra-Stadtgebiet vollendet, das Zigankenberger Retranchement, wie man die Lünetten von Bat- terie Kirgener bis Batterie Montbrun nannte, ausgebaut werden. Die Batterie Fischer an der Allee, die dazu geschlagen wurde, war eben erst angefangen. Alle diese Werke waren in Arbeit genommen. Noch hoffte man die Verbindung mit Weichselmünde auf dem linken Weichselufer behaupten zu können. Ein Haus zwischen Schellmühl und Neufahrwasser (a) wurde zu einem Blockhaus hergerichtet und links vom Fort Montebello (Wester- schanze) am Abzugsgraben des Sasper-Sees ein kleines Werk, die Lünette Cr6tin (z), erbaut'). In der Nacht vom 4. zum 5. war Schellmühl vorübergehend von Kosacken eingenommen worden. Der General Rapp kommandirte daher einige Fahrzeuge, die in der Höhe von Schellmühl ankerten und derartige Versuche für die Zukunft verhindern sollten. Das bedeutendste von ihnen, war das Schiflf „la Nymphe de la Vistule*).

Sehr störend wurden diese Arbeiten von einer neuen Ueber-

») Blech 2, 211. *). Apercu S. 213.

") d^Artois S. 253. Die Lünette wurde erst am 27. September be* gönnen. Apergu.

*) Ebenda S. 256.

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schwemmung der Weichsel unterbrochen. Schon seit dem 2. September war sie im Steigen begriflfeu. Sie stieg am 4. um 3 Fuss 7 Zoll und brach bei Neufehr durch einen von den Russen früher hergestellten Durchstich des Dammes in den Werder. Am 5. stieg sie auf 5' 4" über den gewöhnlichen Wasserstand, am 6. auf 6 Fuss 11 Zoll, am 7. auf 7 Fuss 8 Zoll und be- hielt diese Höhe auch am 8., 9. und 10. bei*). Erst am 11. fing sie wieder an zu fallen. Der Schaden, den sie verursachte, war ausserordentlich. Das Wasser stürzte mit grosser Gewalt durch die Festungsgräben und überfluthete den Batardeau am Bastion Braunross, der erst zur Hälfte fertig war*). Er wurde am 5. weggeschwemmt, ebenso der Batardeau der ßoswike. Der Batardeau am Bastion Mottlau war im höchsten Grade bedroht und konnte nur durch die grössten Anstrengungen erhalten werden.

Die Faussebraie mehrerer Bastione der Niederstadt wurde fortgespült ^) und die Schleusenthüren am Kneipab wegge- schwemmt. Die Mottlau war zum Strom von reissender Schnellig- keit geworden, so dass sie mehrere Stadttheile überschwemmte und Holzvorräthe und Gebäude fortriss. Die Langgartenbrücke (am Milchkannenthurm) wurde dadurch so beschädigt, dass sie jeden Augenblick einzustürzen drohte und es nur gelang, sie durch grosse Lasten, die man darauf brachte, zu erhalten. Für den zum Fort Lacoste führenden Weichseldamm war die grösste Gefahr vorhanden. Man eiTcichte es, durch vorgelegte Bretter- gerüste, welche die Wellen brachen, ihn zu schützen. Vor dem Batardeau am Bastion Mottlau wurden Erde, Mist und Blätter geworfen und dadurch die durchgesickerten Löcher verstopft. Der Holm war mehrere Tage überschwemmt, wodurch an den Werken viel Schaden angerichtet und grosse Quantitäten Pulver verdorben wurden*). Die Ueberschwemmung wurde auch die Veranlassung, dass der Bau eines Brückenkopfes gegenüber dem Ganskinge, der soeben begonnen war, nicht fortgesetzt

*) Campredon. Auriol S. 141—145.

«) d'Artois.

') d^Artoia S. 265.

^) Ebenda S. 263. Campredon.

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werden konnte, was sich später sehr fühlbar machte, da die Vorstädte Kneipab und Langgarten von hier aus bombardirt wurden.

Der Herzog von Würtemberg hatte am 3. und 4. die Westerplatte und Weichselmünde durch die Flotte von neuem bombardiren lassen, jedoch ohne sonderlichen Erfolg. Die Jahreszeit war bereits zu ungünstig für Operationen der Flotte, da heftige Winde die Schiffe in schaukelnde Bewegung setzten und ein Zielen unmöglich machten*). Gleichzeitig wurden zu Lande die täglichen Beunruhigungen der Belagerten durch kleine kommandirte Detachements fortgesetzt"). Die Arbeiten bei Langfuhr und Neu-Schottland nahmen täglich an Umfang zu. Die Laufgräben wurden in der Nacht zum 6. nach beiden Seiten verlängert und lehnten sich rechts an den südlich von Königsthal gelegenen Höhenzug, links an ein östlich Neu- Schottland gelegenes Vorwerk. Die begonnenen Reduten von Neu-Schottland und 2 Batterien wurden vorläufig mit Feld- geschützen (4 r2Pfündern und 4 Haubitzen) armirt, da die Stürme die Ausschiffung der englischen Geschütze sehr be- hinderten *). Am 7. wurde eine neue Batterie (g'") links des Blockhauses von Langfuhr begonnen*). An demselben Tage

*) Apercu S. 223. Nach dem Tagebach des Oberstlientenants von Pnllet (Kriegs-Archiv F. 9) lag die Schuld aber auch danm, dass der rechte Flügel der Schiffslinie 2500 Schritt, der linke noch mehr von den Schanzen entfernt war und nur das Centrum etwas näher lag. Pnllet hatte sich persönlich ans Land begeben und fand die Schanzen nicht im mindesten beschädigt, ob- gleich 130 Geschütze, von denen ISpfilndige das geringste Kaliber waren, 6 Stunden lang dagegen thätig gewesen waren. Die beabsichtigte Landung musste unterbleiben.

') Am 4. fand bei Schidlitz ein Gefecht statt, wobei das preuss. Land- wehr-Bataillon No. 18 als Sutien einer russischen Abtheilung diente und einen Todten und mehrere Verwundete verlor, von Hake Tagebuch. Das Tage- buch der Division Heudelet gicbt S. 123 eine ausführliche Schildening des Gefechts. In der Nacht machte der Belagerte einen Ausfall gegen die Ar- beiten bei Langfuhr, wobei das preuss. Landwehr-Bataillon No. 10, welches am 3. nach Langfuhr kommandirt worden war, einige Verwundete verlor. Beide Gefechte werden in dem Bericht Dohna's an den König vom 7. erwähnt.

») Ebenda.

*) Ebenda. Pnllet Tagebuch.

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abends alarmirte der Oberst Turtschaminow das Haus Kabrun ^), September nachdem er einige Granaten hineingeworfen hatte, zog sich aber, weil er von der Batterie Montbrun heftig beschossen wurde, wieder zurück. Der im Hause kommandirende französische Offizier hatte die Instruktion, dasselbe bei dringender Gefahr anzu- stecken und zu verlassen, zu welchem Zweck das Haus mit brennbaren Stoffen angefüllt war. Der Offizier that dies vor- eilig und zog ab. Als er seinen Irrthum erkannt hatte, schoss er sich eine Kugel vor den Kopf. Die Schanze wurde wieder vom Belagerten besetzt*).

In der Nacht zum 8. wurde seitens dos Belagerers der Bau dreier Reduten am Nordrande des Thals von Diwelkau begonnen, welche die Kontravallation von Langfuhr schlössen'). Die Batterie (g'") am Blockhause bei Langfuhr wurde in der Nacht zum 9. mit 2 Feld-12 Pfündern armirt. Erst am 14. konnten die Feldgeschütze obiger Batterien durch englische Belagerungsgeschütze ausgetauscht werden, und zwar erhielten die 4 zuerst erbauten Batterien in Summa 4 24Pfünder, 2 12Pfünder und 2 Haubitzen*).

') Ebenda.

•) d'Artois S. 258. Campredon. Auriol S. 144.

«) Apercu S. 229. Im zugehörigeu Plan sind die Batterien mit h"', i'" nnd y"' eingetragen, h"' jedoch irrthümHch auf dem kleinen Belvedere (f) des Johannisberges. Sie lag auf dem grossen Belvedere. Nach Campredon S. 147 lag die eine dieser Reduten auf dem grossen Belvedere, die zweite zwischen diesem und Pitzkendorf , die dritte etwas rechts von diesem Dorfe (von Danzig aus gesehen), d'Artois sagt irrthttmlich (S. 267) etwas links. Campredon stimmt vollständig mit dem aper^u Überein, wenn unter h''' die Batterie auf dem grossen Belvedere verstanden wird.

*) Ebenda S. 222. Dagegen behaupten die französischen Berichter- .statter, dass die Batterien mit je drei Oeschtltzen ausgerüstet waren, was mit dem russischen Belagerungsjumal übereinstimmen würde, wonach die bei Nen-Schottland gelegenen Batterien am 14. mit 12 Belagerungsgeschützen versehen wurden. Archiv S. 122. Im übrigen weichen die Beobachtungen der französischen Ingenieure in der Zeit nicht unwesentlich von den Angaben des Apergu ab. Nach ihnen sind in der Nacht vom 7. zum 8. zwei neue Batterien hinter dem Laufgraben von Neu-Schottland zum Vorwerk und eine No. 26 auf dem Abhänge der Höhe, an welche sich der rechte Flügel der Tranchee lehnte, erbaut worden (Campredon, Auriol S. 144). Nach dem Tagebuch von Pnllet wurde der Bau der Batterie No. 26 am 9. begonnen. Die Annirung mit 3 Geschützen fand am 11. statt. Das aperen hat von

Köhler, G«9cbicbte der Festungen Danzig und Weichselmüude. II. 24

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Die französischen Ingenieure wurden durch die Anlagen der Eussen in nicht geringe Verlegenheit gesetzt. Sic glaubten anfänglich mit Recht, dass es sich nur um den Ausbau der Koutravallation handele, aber die bald folgende Ausdehnung der Werke liess doch kaum einen Zweifel, dass sie die Er- öffnung der Tranchee und den Bau der 1. Parallele bedeuteten, obgleich sehr gewichtige Gründe dagegen sprachen. Auf der andern Seite waren die russischen Werke mit solcher Sorgfalt ausgeführt, die Batterien bekleidet und sogar palisadirt, dass die Ansicht sich festsetzte, es sei wirklich die 1. Parallele. Nur der General Lepin war nicht zu überzeugen und hielt es für unmöglich, dass der Feind hier vorgehen wolle *). Unter diesen Umständen schien es geboten, das Ketranchement von Ziganken- berg bis zur Weichsel fortzusetzen. Am 10. wurde die Alt- städtische Ziegelei zu einem geschlossenen Werk ausgebaut und die folgenden Tage mit Eifer zu Ende geführt^). Gleich- zeitig wurde eine alte Schanze auf dem Holm gegenüber Schell- mühl zu einer Batterie ausgebaut, welche ihrer Lage nach vorzüglich geeignet war, die vorrückenden Küssen in Flanke und Rücken zu fassen. Sie wurde Batterie LiMot (Y) genannt.

Der 12., 13., 14. und 15. wurden von seiten des Belagerers dazu verwendet, in der gewonnenen Position, wo es erforder- lich war, aufs beste nachzuhelfen und. was durch den unauf- hörlichen Granat- und Kugelregen zerstört wurde, auszubessern. (Pullet, Tagebuch der Ingenieurarbeiten. Kriegsarchiv F. 9.)

Die Ueberschwemmung hatte auf die Russen keinen andern Einfluss ausgeübt, als dass die Vorposten des Generals Dedulin nach Rostau, Trutenau, Gross-Zünder und vorwärts Käsmark zurückgezogen werden mussten*).

Für den 16. bereitete der Herzog von Würtemberg den letzten Versuch vor, von der Flotte Nutzen zu ziehen. Die

dieser Batterie keine Notiz genommen. Eine Batterie v *** von 6 Geschtltzeu, die in der Uebersicht der Batterien aufgenommen ist, ist im Plan nicbt zu finden.

*) Vergl. Bericht desselben, auszüglich bei Anriol S. 146.

•) d'Artois S. 260. Dies Werk erhielt den Namen batterie de Qudin oder de la briqucterie. Campredon.

») Apercu S. 225.

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erfahrensten Seeleute waren der Ansicht, dass die Batterien auf der Westerplatte zu deinontiren wären, und dass nur die ungünstige Witterung den Erfolg , bisher beeinträchtigt hätte. Der Herzog ging um so lieber darauf ein, als die Jahreszeit die Flotte zwang, die Rhede von Danzig zu verlassen und es den dänischen Schiffen gelingen könnte, in die Weichsel ein- zulaufen. Er wusste, dass 10 dänische, mit Lebensmitteln be- ladene Schiffe in Kopenhagen dazu bereit lagen. Es musste ihm also darauf ankommen, in den Besitz der Weichselmündung zu gelangen. Er Hess daher 3 Bataillone mit 150 Mann Arbeitern einschiffen, um auf der Westerplatte zu landen, sobald die Flotte die Batterien demontirt hatte. Vier andere Bataillone ') wurden bei Brösen aufgestellt, um sich der 3 westlichen Reduten des Retranchements von Neufahrwasser zu bemächtigen, wenn die Flotte Erfolg hätte. Das Detachement auf der Nehrung sollte gegen Weichselmtinde demonstriren und der General Löwis das Dorf Stadtgebiet angreifen.

Um 6 Uhr morgens erschienen 83 Schaluppen, jede mit 3 schweren Kanonen bewaffnet, und einige Kanonenboote, unter- stützt von 2 russischen und 2 englischen Fregatten, bis auf 400 Toisen vor der Westerplatte und begannen ein heftiges Feuer gegen die Landbatterien, das bis 6 Uhr abends währte*). Die See, die schon vorher unruhig war, wurde es während des Gefechts noch mehr, so dass die Geschütze nicht trafen. Eine Landung konnte daher nicht unternommen werden. Eine Schaluppe wurde in die Luft gesprengt und drei andere be-

0 Daiiinter das preussische Landwehrbataillon Hülsen, bei welchem der Verfasser der Briefe stand, welche in der allgemeinen Militär-Zeitnng abge- dmekt sind.

') Nach dem Tagebuch des Oberstlieutenauts von Pullet war die Flotte in zwei Divisionen zu je 60 Kanonen getheilt. Nach d^Artois S. 269 lösten sich diese alle 3 Stunden ab. Die Zahl der verschossenen Kugeln wird von ihm auf 20000 angegeben. Die vier vorhergehenden Bombardements hatten zusammen nur 15000 Kugeln verfeuert. Nach einer Berechnung, die ange- stellt worden ist, imd deren Resultat d'Artois mittheilt, würden die 5 Bombarde- ments einen Kostenaufwand von 1 470000 Francs verursacht haben, ohne die Be- schädigung an den Schiffen zu rechnen. Die Besatzung des Retranchements be- stand nach Dttring nur ans 3 schwachen BataiUonen, gegen 1100 Mann stark {ß. 86). Die Zahl der französischen Geschütze wird von Pullet auf 12 angegeben.

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schädigt. Die Flotte verlor 1 Offizier, 78 Mann todt und 192 verwundet. Der Kapitain und 3 Matrosen von der in die Luft gesprengten Schaluppe wurden gerettet *). Der Verlust der Franzosen wird auf 2 Mann todt und 2 verwundet angegeben *). Der Herzog hatte wiederum den Oberstlieutenant von Pullet zum Admiral Greigh gesendet, um dem Bombardement beizu- wohnen und den Zeitpunkt zu bestimmen, wo die Landung auf der Westerplatte und der Sturm auf der Landseite auf Neu- fahrwasser stattfinden könnten. Nach den vergeblichen An- strengungen beauftragte der Admiral den Oberstlieutenant von Pullet Sr. Königlichen Hoheit zu sagen, dass er schlechtenlings verzweifle, die feindlichen Geschtitze zum Schweigen zu bringen, und dass, wenn er das Gefecht fortsetzen solle, die Schaluppen eine nach der andern in die Luft gehen würden. Um sich seines Auftrages im ganzen Umfange aus eigner Ueberzeugung zu entledigen, begab sich Pullet in Begleitung eines Adjutanten des Herzogs in die Linie der Schaluppen, bestieg zuerst die rechts des noch schwimmenden Wracks gelegene, sodann die links davon befindliche und fand nach angestellter Untersuchung 1., dass die Einrichtung der Schaluppen und ihre schwankende Bewegung die Artilleristen behindern, ein gezieltes Feuer ab- zugeben, 2., dass die Schaluppen zu niedrig gegen das Vorland lägen dergestalt, dass die Schüsse nur die Brustwehr im Kamm berühren, mithin es unmöglich sei, mit solchen die feindlichen Geschütze in den Schanzen zu demontiren, 3., blieb hierbei die Bravur dieser braven Seesoldaten zu bewundern, weil sie so zu sagen auf einem schwimmenden Tisch, worauf Geschütze stehen, im Kartätschschuss von feststehenden Batterien mit hoher Ausdauer und Unerschrockenheit fochten').

") Apercu S. 235. Jumal, Archiv S. 122. Nach d'Artois bestand die Besatzung einer Schaluppe aus 30 Mann. Nach dem Tagebach von Pullet hatte die in die Luft gesprengte 3 Kanonen und 46 Mann.

«) d'Artois S. 271. Drei KttstenlafPeten wurden beschädigt, gegen 100 Palisaden zerbrochen und der grösste Theil der Häuser von Nenfahrwasser vernichtet. Oberster Befehlshaber der Forts an der unteren Weichsel war der Oberst Rousselot, Kommandeur der Artillerie daselbst der Major Fran<jois, von Seiten des Genies der Bataillouschef im Ingenieurkorps Golt.

*) Tagebuch des Oberstlicntenants von Pullet. Kriegs- Archiv F. 9.

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Das Gefecht wurde daher eingestellt. Es war die letzte Aktion der Flotte. Sie verliess am 2. und 3. Oktober die ßhede von Danzig, die bei dem stürmischen Wetter keine Sicherheit mehr bot. Drei Kanonenboote wurden noch durch einen Windstoss gegen die Kfiste getrieben und erlitten be- deutende Beschädigungen, so dass sie nur mit Mühe wieder flott gemacht werden konnten. Eine englische Fregatte und eine Korvette, sowie eine russische Fregatte blieben bei Putzig zurück, um den Wachtdienst an der Küste zu übernehmen und die Mündung der Weichsel zu beobachten^).

Der Angriff auf Ohra, der für den 16. befohlen war, hatte zum Resultat gehabt, dass die Sternschanze, deren schwache Besatzung bei Annäherung des Generals Löwis davon lief, in die Hände der Russen fiel. Erst bei eingetretener Finsterniss, nachdem eine Verstärkung von 200 Mann eingetroflfen war, gingen die Franzosen zum Angriff der Schanze vor, die jedoch im Besitz der Russen blieb. Die Truppen des Lagers von Wonneberg waren infolge des Gefechtes alarmirt worden und hatten sich vor dem Dorfe aufgestellt, ohne jedoch engagirt zu werden*). Am folgenden Tage gegen Abend wurde die Stern- schanze von der Judenschanze ^ stark beschossen und darauf an- gegriffen. Die Schanze wurde genommen, aber von den Russen im Hurrah wiedergenommen. Das Gefecht endigte gegen 11 Uhr abends mit dem Verlust der Sternschanze für die Russen. Es lag nicht in der Absicht des Herzogs, die Sternschanze, wenn es mit Opfern verbunden sein sollte, besetzt zu behalten. Sie sollte in diesem Falle demolirt werden, wozu auch 1 Unter- Offizier, 20 Mann koramandirt waren. Doch war das nur theil- weise erfolgt. Sie wurde jetzt von den Franzosen bedeutend verstärkt*).

») Apercu 279.

*) vou Hake, Tagebuch und das der Division üeudelet.

') Ueber die Judenschauze siehe iinteu S. 38ö, 3. Da der Posten des St:rgeanteu ohne Artillerie war, sind hier wohl die batteries de Frioul ge- meint.

*) Tagebuch der Division Heudelet 126 und des Hi^ors von Hake (Kriegs- Archiv F. 9).

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Am 16. hatten auch die Batterien bei Pitzkendorf Nr. 21 (y'") und 22 (i'") das Feuer eröffnet*), anscheinend auch die Batterie am grossen Belvedere (d [Nr. 23, h'"]).

2. Der Soheliiaiigrifr von 17. Septenber bis zun 10. Oktober.

Die Zeit vom 17. September bis zum 10. Oktober hat keinen ausgesprochenen Charakter. Russischerseits gelangt man am 17. September durch Wegnahme von Eabrun (Aschbude), Gross- und Klein-Schellmfihl *) zu einer sicheren Anlehnung des linken Flügels an die Weichsel und vollendet damit die Kontra- vallation, welche bis zur oberen Radaune hin ausgebaut wurde. Der beabsichtigte förmliche Angriff gegen den Bischofsberg liegt aber noch weit im Felde, da die Ausschiffung des Materials bei Koliebken sehr langsam von statten geht und der Land- transport desselben nach den Depotplätzen wegen Mangels an Fuhren und der schlechten vom Lande gestellten Pferde grosse Schwierigkeiten bietet.

Auf Seiten des Vertheidigers befestigt sich unter diesen Umständen die Ansicht, dass der Belagerer die Olivaer Front anzugreifen beabsichtige, so dass man sich ein- bildet, die guten Dispositionen, die man getroffen hat, sind es, welche den Feind auf so grosse Entfernungen zurückhalten und ihn zwingen, zu einem Bombardement zu greifen'), wunderbar

^) Der Major Liebe sagt in seinem Bericht vom 23. Oktober (Kriegs- Archiv F. 9): „Am 16. fingen die mit preussischeu Artilleristen besetzten Batterien bei Pietzkendorf an zu feuern", und nihrt in der Nachweisung der an diesem Tage thätigen Batterien die eine mit 7, die andere mit 5— 24Pfttndem bewaffnet au. Nach Campredon war die Batterie 23 (d) schon am 14., die Batterie 21 und 22 am 15. demaskirt worden. Nach dem aperen S. 239 sind die Batterien 23 und 21 in der Nacht vom 16. zum 17. mit je 2— ^24PfÜndem armirt worden, dagegen die Batterie 22, sowie die des kleineu Belvedere (f), die einige Tage später das Feuer eröffnete (nach dem Tagebucbe des Bataillons 18, das am 17. September das Bataillon 10 in Königsthai ab- gelöst hatte, am 19.), ohne Geschütze geblieben. Das apergu zeigt sich auch hier unzuverlässig. Nach Campredon hatte die Batterie 23 6 Scharten.

*) Klein-Schellroühl wird auch Böttchers Haus und Beierahof genannt.

') Der General Campredon spricht sich in seinem Tagebuche unterm 8. Oktober (Auriol S. 160) wie folgt darüber aus: L'ennemi retenn par nos dispositions ä une tr^ grande distance de la place et oblig^ par cons^quent ^ un d^veloppement de trapch^e beaucoup plu^ consid6rabie pour pouvoir

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genug, da von einem Bombardement auf diesen Entfernungen nichts zu erwarten war. Was später in dieser Beziehung von hier aus geschah, war nur ein Nothbehelf, um die Zeit nicht unbenutzt verstreichen zu lassen, und vorzüglich um den Feind zu täuschen '). Damit soll das Verfahren des Angreifers jedoch nicht gebilligt werden. Die Täuschung wäre auch aufrecht er- halten worden, wenn in Verbindung mit den Arbeiten in der Ebene ein Angriff auf den Zigankenberg verbunden worden wäre *), dessen Werke (die Reduten Kirgener und Istrien) einem

eubrasser les froiits, objets de 8es attaques, voyant sa marcbc retard^e depiüs plus d'uu mois (!) , parait d^termin^ ä joindre le bombardement ä la marcbe progressive de ses attaques". Dieser gewiegte Ingenieur-General ist demnach vollkommen überzeugt, dass der Angieifer den förmlichen Angriff gegen die OHvaer Front beabsicbtigt, und dass die Dispositionen des Vertbeidigers ihn gezwungen hätten, den Angi'iff auf so bedeutenden Entfernungen zu eröffnen und, um umfassen zu können, sich so bedeutend auszudehnen (von Pitzkendorf bis zur Weichsel). Was die angeblich vom Vertheidiger veranlasste Verzö- gerung der Arbeiten um einen Monat betrifft, so geht daraus hervor, dass C. keine Ahnung davon hat, welche Schwierigkeiten der Herzog nach allen Richtungen zu überwinden hatte.

*) Dass diese Täuschung wirklich beabsichtigt und nicht, wie die fran- zösischen Schriftsteller angeben, der Angriff gegen die Olivaer Front anfäng- lich geplant war, geht aus der skizzirten Geschichte des Plümicke S. 109 hervor, die, wie ich gezeigt habe, in dieser 3. Abtheilung dem Hauptquartier des Herzogs entstammt. Positiver dafür spricht noch die Thatsache, dass der Geschützpark zum Angriff des Bischofsberges bereits seit Mitte September, wo def erste preussische Geschütztransport anlangte, eingerichtet und zu sei- nem Schutz das Lager bei Zankeuczin durch ein Dragoner -Regiment und zwei preussische Landwehrbataillone (No. 18 und No. 9) verstärkt wurde.

') Dass man sich im Hauptquartier gegen die Wichtigkeit der Werke auf dem Zigankenberge bei einem Angriff auf den Bischofsberg nicht verschloss, beweist die starke Bewaffnung der Batterien 21, 22, 23 und f, mit denen in der Folge der Zigankenberg beschossen wurde. Es sind aber Entfernungen von 2000 bis 3200 Schritt. Wie hier drückt sich im ganzen Verlauf der Belagerung die verkehrte Ansicht der Oberleitung aus, dass man mit dem Beschiessen Dinge erreichen könne, die sonst nur der Sappe und der blanken Waffe zufaUen, und dass man, wie dies sowohl als die grossen Entfernungen beweisen, auf denen man schoss, von der Wirkung der Artillerie keine Vor- stellung hatte. Der Major Liebe sagt in einem Schreiben an die General- Inspektion der ArtiUerie vom 9. Januar 1814 (Kriegs- Archiv F. 12): Die Leitung der Belagerungsarbeiteu im Ganzen darf ich nicht berühren, weil jed^ finde Laufjo^raben und jedes Kanon von Sr. K^\. Hoheit angeordnet

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Angriff auf den Bischofsberg sehr hinderlich werden mussten. Es war das um so mehr geboten, als am 7. September der positive Befehl des Kaisers Alexander eingetroffen war, zum förmlichen Angriff zu schreiten ^).

warde, wiewohl ich überzeugt zu sein glaube, daüs HOchstdieselbe äicli nur mit der Leitung de» Ganzen beschäftigte uud jene Details deu Ingenieurs, dem russischen Obersten Manfredi und dem prensäischcu Obersten von PuHet überlassen und ihre Vorschläge vertrauensvoll genehmigt hat. Wie es scheint, besitzen letztere vom Belagerungskriege ganz eigenthümliche Ansichten, welche wenig Nachahmung finden werden. Gewiss ist, dass die Kräfte der Menschen und Pferde schon vor der eigentlichen Belagerung dadurch erschöpft wurden, dass man viele Arbeiten auf zu grosse Entfernungen von der Festung unter- nahm.

') Dieser Befehl des Kaisers Alexander wird nur im Tagebuch des Ma- jors von Hake und hier auch nur ganz beiläufig erwähnt (Kriegs - Archiv F. 9 und Friccius, der irrthünilich den ö. September sagt). £s erscheint da- her geboten, sich noch nach andern Beweisen dafür umzusehen, uud die liegen in den Korrespondenzen des Knegs- Archivs vor. Der stellvertretende Komman- deur der prenssischen Artillerie, Hauptmann Pittscher, der Major Liebe traf erst am 14. Oktober ein wendete sich am 20. September mit 16 An- fragen an den Director des Geniewesens, Oberstlieutenant von Pullet, darunter die: „Ist es Sr. Kgl. Hoheit dem Herzog Alexander von Würtemberg auch vorgestellt worden, wie gefährlich es ist, im Monat Oktober eine förmliche Belagerung anzufangen, uud weiche Mittel anzuwenden sind, um das Geschütz aus den Parallelen zu bringen, wenn die Witterung so schlecht werden sollte, die Belagerung aufzuheben^. Pullet antwortet brm. darauf: „Der Herzog hat den Befehl zu belagern, ob im Monat Oktober oder November muss uns gleich- gültig sein, sobald wir nur zum Sappiren kommen'^.

Ein weiterer Beweis liegt in einem geharnischten Schreiben des Herzogs an das Civil - Guvernemement des Laudes zwischen der Oder und Weichsel vom 14. Oktober (Kriegs- Archiv F. lö) wegen Nachlässigkeiten in Gestellung der requirirten Wagen. Es hcisst darin: „Mir ist der Befehl zur Belagerung worden" .

Als dann, nachdem sich der Beginn der förmlichen Belagerung immer weiter hinausgeschoben hatte, der Herzog ende Oktober ernstliche Anstalten traf, damit vorzugehen, und sich im Offiziercorps der Alliirteu ernste Bedenken dagegen erhoben, machte sich der Graf Dohna, wie er schreibt aus Pflicht- gefühl gegen seinen Monarchen, zum Dolmetscher der öffentlichen Meinung und begab sich am 28. Oktober zum Herzoge, um ihm Vorstellungen zu machen, dass es unmöglich sei in dieser Jahreszeit die Belagerung mit Aus- sicht auf Erfolg zu unternehmen, die Armee überhaupt zu schwach dazu sei, antwortete ihm der Herzog: „Dass der bestimmte Befehl Sr. Majestät de^ Kf^isers ihn zur Eröffnung der Belagerung nöthige; sollte es so stark frierei^

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Nach diesen allgemeinen Bemerkungen können wir wiederum September. zum Tagebuch zurückkehren.

Am 17. um 5 Ulir abends wird die „Nymphe de la Vis- tule** von 4 russischen Geschützen, welche vor Neu-Schottland aufgefahren waren, beschossen und durch einen Treffer in die Pulverkammer in die Luft gesprengt *). Der Herzog hatte dem General Turtschaminow den Befehl ertheilt, das Haus Kabrun gegen Abend anzugreifen, was dieser mit gutem Erfolge aus- führte. Das Haus fiel nach lebhaftem Widerstände in seine Gewalt^). Mit leichter Muhe bemächtigte er sich darauf der beiden Schellmühl. Die Besatzungen zogen sich theils nach dem Abschnitt bei Aller Engeln, theils nach dem befestigten Posten am 2. Legan an der Weichsel zurück ^). Inzwischen hatte der Herzog 1500 Milizen des Landesaufgebots von St. Peters- burg unter dem Obersten Alalikin herangezogen, welche bei eintretender Dunkelheit die Schanzarbeit begannen und die Palisadirung der Kehle der Schanze von Kabrun durch Erde bedeckten, sowie gedeckte Verbindungen obiger Oertlichkeiten unter einander und mit den rückwärtigen Werken herstellten^).

dass nicht mehr gegraben werden könne, welches in wenigen Tagen zu er- warten sei, so mttsste die Arbeit mit Sandsäcken oder Schncesäcken fortge- setzt werden, welches der Oberst von Pullet auszuführen übernommen habe; die Truppen würden zwai' durch Krankheiten aufgerieben werden, anch hätten Se. Kgl. Hoheit dies angezeigt und erwarteten eine Verstärkung von 6000 Mann. Auch die Erschöpfung des Landes und den Ruin der Stadt könne 8e. Kgl. Hoheit nicht berücksichtigen, und wenn aUe Versuche vergebens wären , so würden sie ihre Truppen und das Geschütz wieder in die erste Parallele zorückzieheu und diese als Kontravallationslinie betrachten''. (Be- richt Dohna's an den König vom 29. Oktober. Kriegs-Archiv F. 19.)

*) AperQU 239. Danach hatte die Nymphe 10 Kanonen, womit sie auf das wirksamste die SteHung Klein - Schellmühl - Kabrun flankirte. Die Zeit ö Uhr, welche für die folgenden Ereignisse von Wichtigkeit ist, wird von Campredon (Auriol 149) und dem Tagebuch des Majors von Hake ttberein- .stimmend augegeben. Oflfenbar stand die Batterie in Beziehung zu dem An- griff des Obersten Turtschaminow. Nach Dttring 87 bestand die Besatzung der Nymphe aus 23 Mann, d'Artois giebt ihr S. 278 nur 13 Mann, weil der Kapitaiu mit der übrigen Mannschaft am Lande gewesen sei.

») Apercu 240.

') Campredon 149.

*) Apercu 240.

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September. In der Nacht wurde der Bau einer Batterie von 2 24 Pfundern (b'", 28) zwischen Schellmühl und Neu-Schottland mit der Front gegen Fort Napoleon begonnen, welche ausser Bekämpfung dieses Forts noch den Zweck hatte, die Weichsel abwärts zu be- streichen'). Die Arbeit schritt trotz der Bekämpfung von 30 Kanonen und 30 Mörsern von den Batterien Montbrun, Gra- bowski, vom Hagelsberge und vom Holm *) so vor, dass am andern Morgen ein Angriff des Belagerten abgeschlagen werden konnte ').

Am 18. wurde an der Allee vor Langfuhr in der Höhe von Kabrun ein Durchstich (Abschnitt) hergestellt, der mit 150 Mann besetzt wurde. Die Verbindung von Neu-Schottland mit Klein- Schellmühl wurde beendet*), und alle begonnenen Arbeiten wuixlen eifrig fortgesetzt. Nach Carapredon wurden von den Küssen zwei Haubitzen auf der Höhe des Galgenberges, welcher die Batterie Montbrun überhöht, aufgestellt, stellten jedoch ihr Feuer bald ein, weil sie vom Holm aus flankirt wurden*).

Am 19. wurde das befestigte Haus am 2. Legan, da es sehr ausgesetzt war und nicht mehr genügte, die Verbindung mit Neufahrwasser aufrecht zu erhalten, geräumt und verbrannt^). Der Belagerte arbeitete mit erhöhter Thätigkeit an Vollendung der Batterien Gudin und Liedot, der Belagerer an Fortsetzung des Batteriebaues und der Erweiterung der Tranchee. Preussischer- seits wurde in der folgenden Nacht ein Flesche mit Laufgräben am Ohraer Wäldchen aufgeworfen').

Am 20. In der Nacht zum 20. wurde seitwärts, hart vor Schellmühl, eine geschlossene und palisadirte Batterie (b", 29) zu 5 24Pfündern in Arbeit genommen*) und der Durchstich

*) Tagebuch PuUet's. Kriegs-Archiv F. 9.

2) d'Artois 278.

«) Campredou 149. Blech 2, 328.

*) Apercu 241.

*) Auriol 150.

^ Ebenda. Der Posten bestand aus einer daselbst gelegenen Scheune, die roit Palisaden umgeben war.

^) Tagebuch des Majors von Hake. Kriegs-Archiv F. 9.

^ Tagebuch des Oberstlieutenants von Pullet, Kriegs-Archiv F. 9. Das

Apercu lässt bereits in der Nacht zum 18. den Bau aller 4 Batterien, die

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an der x\llee bis zu den Bergen nnd links bis zu dem Hause September. Kabrun verlängert, so dass eine Art zweiter Parallele entstand. Ferner wurde die gedeckte Verbindung nach der neuen Batterie hergestellt und die vom Hause Kabrun nach Schellmühl be- endet ^).

Am Tage beschossen die Batterien am Belvedere und bei Pitzkendorf die Batterien des Zigankenberges. Auch eine Batterie auf dem Johannisberge (f ), die bei dieser Gelegenheit zuerst erwähnt wird, nimmt Theil daran ^).

Am 21. Die Batterie bei Schellmühl wird beendet. Das Feuer der betreflfenden Batterien gegen das ßetranchement Zigankenberg wird fortgesetzt. Der Belagerte versieht die Batterie Fischer an der Allee mit Flanken^).

Am 22. Fortsetzung der Arbeiten und der Beschiessung des Zigankenberger Ketranchcments. Die Batterie (a" 27) bei Klein-Schellmühl wird begonnen. Sie ist, wie b", für 5 24 Pfänder bestimmt. Während letztere gegen die obere Weichsel und den Holm bestimmt ist, soll a" die Ebene nach der Ziegel- scheune und Aller Engeln bestreichen^). Der Belagerte beginnt auf dem Holm eine neue Batterie, die nach der in der Nähe befindlichen Mühle die Batterie du Moulin genannt wird^).

Am 23. In der Nacht zum 23. erfolgt seitens der Russen wieder eine Alarmirung von Ohra und der Sternschanze, jedoch ohne Erfolg. Der Angriff wird am folgenden Nachmittage

später in der Linie Kabrau-Schellmühl augelegt wurden, beginnen. Wie aus Anhang I hervorgeht, suchte der Herzog als Grundsatz festzuhalten, dass der Batteriebau gleichzeitig mit dem Bau der Tranchee, also in der ersten Nacht, erfolgte, und da dies nicht ausführbar war, sucht er es in seiner Dar- stellung der Belagemngsarbeiteu als wirklich ausgeführt hinzustellen, um jeden Vorwurf, der aus der Nichtbefolgnng des damals geltenden Grundsatzes erhoben werden könnte, von sich abzuweisen. Dies Verfahren ist zur Beur- theilung des aperen höchst charakteristisch.

*) Campredon 150.

*) Ebenda. Nach dem Tagebuch des preussischen Landwehr-Bataillons No. 18, welches seit dem 17. das BataiUon No. 10 in Langfuhr abgelöst hatte, hat die Batterie schon am 19. das Feuer eröffnet.

») Ebenda.

*) Punet. Tagebuch.

*; Campredon 151.

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September, ebenso fruchtlos wiederholt^). Fortsetzung der Arbeiten Gudin- Fischer und der Batterie Klein-Schellmühl *).

Am 24. In der Nacht zum 24. wird die Batterie Klein- Schellmühl beendet. Von selten des Belagerten werden die Bäume der Allee bei Aller Engeln gefällt. Fortsetzung der Arbeiten^).

Am 25. In der Nacht zum 25. werden die Batterien bei Gross- und Klein-Schellmühl mit 12 24Pfündern und 2 Hau- bitzen armirt*). Von seiten des Belagerten wird die Batterie Liedot bewaffnet. Am Tage Eröffnung des Feuers. Die Werke des Retranchements Zigankenberg werden auf 18 Fuss Brust- wehrstärke gebracht %

Am 26. Wegen Ausbesserung der Batterien schweigt das Feuer. Hinter den Batterien Kirgener und Montbrun werden Baracken für das Retranchement erbaut^).

Am 27. Liinette Cretin am Fort Montebello begonnen. Am Tage beginnt ein heftiger (jesehützkampf, der 5 Stunden währt, und woran auch die Werke von Neu-Schottland theil- nehmen, die durch 4 Mörser und 4 Haubitzen vorstärkt worden sind^). Die Bomben erreichen das Bastion St. Jakob.

220 preussische Artilleristen kamen mit 16 Mörsern und 5 Haubitzen aus Graudenz an ®). Es ist der letzte der preussi- schen Transporte.

Am 28. Die Batterie Delzons wird beendet, ebenso die Hohlräume des Retranchements Zigankenberg. Die Batterien Gudin und Fischer werden mit Palisaden verstärkt^). Auf Seiten des Angreifers wird an dem Ausbau der Werke der

^) Tagebuch des Majors Hake (Kriegä- Archiv) und diejenige der Division Heudelet 126.

2) Camprcdou 152. d'Artois 285. Apercu 246.

3) Campredou 152. d'Artois 282.

*) Aper<;ii 247. Campredou 152. d'Artois 282.

») d'Artois 281.

ö) Campredon 153.

') Apercu 247.

») Ebenda.

^) Campredou 154.

381

Kontravallation gearbeitet, die bisher nur aus Aufwürfen be- standen ').

Am 29. wird die Ausschiffung der Geschütze bei Koliebken beendet. Die Russen vernieliren die Zahl ihrer Barken auf der Inundation. Der Kapitain-Lieutenant Kaarulow der Marine er- hält den Befehl darüber 2).

Am 30. zeigt sich der Belagerte mit 4 bewaffneten Fahr- zeugen auf der Inundation, wird aber vertrieben'*). Gleiches behauptet d'Artois zu gunsten der Franzosen*).

Der Herzog verlegt am 1. Oktober sein Hauptquartier Oktober. nach Pelonken.

Der Stand der Besatzung ohne Beamte betrug am 1. Ok- tober nur noch 19 (XK) Mann*').

In der Nacht fand der erste Frost statt. Nach dem AperQu 251 soll an diesem Tage eine heftige Beschiessung stattgefunden haben ®).

Am 2. Oktober fallen nur w-enige Schüsse gegen die Ar- beiter. Nur die Beschiessung des ßctranchements von Ziganken- berg durch die Batterien vom Belvedere, Pitzkendorf und Johannis- berg wird fortgesetzt.

Eine Kompagnie Festungs-Artillerie kommt aus Riga an, auch eine Pontonier-Kompagnie ').

Ein Kabinetsschreiben langt an mit 19 eisernen Kreuzen und dem Avancement der Majors Graf Dohna und Pullet zu Oberstlieutenants *).

*) Apercu 250. Campretion (157) bemerkt noch unter dem 3. Oktober, class er die nenen Arbeiten des Angreifer» vom Zigankenberg und den Höhen von Schidlitz aus rekognuscirt habe, am 6. gemeinschaftlich mit Rapp die vor dem Bischofsberg.

*) Ebenda. Nach Campredon S. 154 steUte der Belagerer an diesem Tage eine Kommunikation von Striesshof nach Lauenthal her.

') Ebenda 251.

*) d'Artois 285.

*) Campredon 156. Nach Düring 95 war die Besatzung nur noch 17000 Mann stark, also halb so stark wie im Januar.

•) Das ist jedenfalls ein Irrthum. Nach den französischen Berichten ist seit dem 27. und bis in den Oktober hinein nur wenig geschossen worden.

^) Apcrqu 251.

") Tagebuch des Majors von Hake. Der Major, bisher Generalstabsofficier beim Grafen Dohna, wird zum Herzoge kommandirt.

382

Oktober. PuIlet drückt sich über die Thätigkeit des Belageren in

dieser Zeit, wie folgt, aus '). „Vom 1. bis 9. Oktober sind ausser einer geschlossenen Batterie im Garten von Aschbude (Kabrun) ^), um die Stadt zu haubitziren, fortwährend die Vorbereitungen zur Eröffnung der Parallele (gegen den Bischofsberg) mit aller Anstrengung betrieben, auch die durch das feindliche Geschütz häufig in den Palisadirungen und Scharten ruinirten Batterien in gehörigem Zustande gehalten und endlich eine völlig durch boyeaux gedeckte Kommunikation von Neu -Schottland nach Reiershof gefertigt worden". Wie Carapredon unterm 2. Oktober berichtet'), war auch der Belagerte hauptsächlich mit Arbeiten beschäftigt und, wie seine Arbeiten zur Ver- stärkung des Retranchements und der Batterien Gudin und Fischer sowie derjenigen auf dem Holm (Liedot und du Moulin) beweisen, immer in dem Glauben befangen, dass die Olivaer Front angegriffen werden würde.

Am 4. Oktober erscheinen bei Ohra auf der Mottlau 12 bewaffnete Fahrzeuge der Russen, wovon 5 mit Kanonen aus- gerüstet sind.

Am 6. Oktober führen die Russen eine Tranchee gegen den Zigankenberg aus, daran schliesst sich der Bau einer Re- dute Nr. 16 (k")*) an dem Wege zwischen Dreilinden und Pitzken- dorf. Die Batterien Kirgener, Istrien und Caulincourt be- schiessen diese Arbeiten.

*) Tagebuch Pullets über die Ingenieur- Arbeiten. Kriegs- Archiv F. 9.

•) Der Bau der Batterie wurde vom Belagerten zuerst am 5. Oktober entdeckt. Campredon 158. d'Artois 293. Diese übereinstimmenden Nach- richten setzen die Unzuverlässigkeit des aper^u, die sich auch inbezug auf die Batterien von Schellmühl ausdrückt, deren Bau es schon in der Nacht vom 17. zum 18. September beginnen lässt, in das richtige Licht. Nach dem- selben ist der Bau der Batterie schon am 26. beendet worden, so dass sie schon an der Beschiessung vom 27. theilgenommen hat.

') Campredon 156.

*) Ebenda 159. d'Artois (S. 293) lässt sogar eine Verbindung dieser Arbeiten über den Galgenberg nach den Laufgräben vor Laogfuhr herstellen. Nach dem aper^u erfolgte der Ausbau dieser Redate (No. 16), welche schon während des Waifenstil Island es flüchtig aufgeworfen worden sein soll, erst am 26. Oktober, was auch Düring (S. 211) zu bestätigen scheint.

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Am 7. Oktober. Die Beschiessung des Retranchements Oktober. Zigankenberg hält noch immer an.

Am 8. eröffnet die Batterie Asciibude, welche mit 4 Mörsern ausgerüstet ist, wozu später noch 2 8zöllige Haubitzen kamen, das Feuer ^).

Am 9. um 10 Uhr morgens wird aus allen Batterien des Belagerers sehr lebhaft geschossen. Das Feuer dauert jedoch nur eine Stunde. Der General Rapp lässt infolgedessen die in der Altstadt befindlichen Militair- Etablissements räumen, namentlich das Pulvermagazin im alten Thorgebäude des Bastions St. Jakob, das Lazareth im Pockenhaus, die Be- kleidungs-Niederlagen in den Kirchen u. s. w. Die Vorräthe werden theils nach der Speicherinsel theils nach der Vorstadt gebracht. Die Kasernen im Holzraum werden geräumt*).

Der Frost lässt wieder nach, und es tritt Regenwetter ein ').

Am 10. machen die Belagerten auf Booten einen Ausfall gegen Plönendorf, bemächtigen sich daselbst einer Windmühle, die sie zerlegen und nach der Stadt führen.

Um 7 Uhr abends beginnt ein heftiges Bombardement gegen die Altstadt, um die Aufmerksamkeit der Besatzung ab- zuziehen, da der Herzog einen Angriff auf die Schottenhäuser beabsichtigt. Es hat auch den Erfolg, dass um 8Va Uhr im Dominikaner - Kloster Feuer ausbricht. Das Klostergebäude diente als Lazareth für 150 kriegsgefangene Russen, von denen 25 verbrannten. Glücklicherweise gelang es der Besatzung, ein weiteres Umsichgreifen des Feuers zu verhindern. Die Ein- wohner verhielten sich dabei sehr indolent*).

>) Nach dem Bericht des Majors Liebe (Kriegs-Archiv F. No. 9) ist die Batterie zuuächst nur mit 2 SzöUigen Haubitzen ansgerttstet und beginnt erst am 10. das Feuer, was jedoch ein Irrthum sein mag, da Campredon 160 und d'Artois 294 übereinstimmen, dass die Batterie am 8. das Fener eröff- net hat.

*) d*Artois 294. Campredon. von Düring 98, der auch noch das hei- lige Leichnams-Hospital erwähnt, das geräumt wurde.

*) Campredon 161.

<) Ebenda 162. d'Artois 296. Blech 2, 2.38.

384

Die Erstürmung der Scliottenhäuser Hohen am

10. Oktober.

Die Quellen über das Gefecht vom 10. Oktober sind sehr zahlreich, darunter viele von Augenzeugen. Zuverlässig sind jedoch nur die Originalberichte. Alle späteren Darstellungen, selbst von Augenzeugen, unterliegen den Einflüssen mensch- lisclier Schwäche. So ist die Darstellung im Apercu gerade- zu gefälscht, weil sie die ausgegebene Disposition falsch wieder- giebt, um danach den Thatbestand zu verdunkeln.

Sie erwähnt mit keinem Wort, dass die Kolonne des Majors Julius unter dem Befehle des Grafen Dohna stand, und weist ihr in der Disposition den Auftrag zu, sich der beiden Schanzen rechts der Scliottenhäuser *) zu bemächtigen, während sie nach der ursprünglichen Disposition die Special-Reserve für die 1. Kolonne bildete und erst in Thätigkeit trat, als der Ausfall der Besatzung in 2 Kolonnen stattfand*). Die Ein- nahme der beiden Schanzen fiel der 1. Kolonne zu und wurde vom Major. von Me3'er mit dem 14. Landwehr-Bataillon prompt ausgeführt. Ich halte mich daher in Folgendem strikte an den Bericht des Grafen Dohna vom 12. Oktober an den König*).

.... Die 1. Kolonne bestand aus dem russischen Bataillon Grenkowitz, 200 Arbeitern, dem 16., 9. und 14. Bataillon preu- ssischer Landwehr, der 1. russischen Druschine der Petersburger Landwehr und annoch 50 Arbeitern. Zu dieser Kolonne ge- hörten 4 Wagen mit Brettern und 4 Wagen mit Sturmleitern, Brecheisen und andern zum Sturm nöthigen Dingen. Die 2. Kolonne bestand aus 2 Bataillonen des Regiments Briansk, 2 Eskadrons des Kasan'schen Dragoner-Regiments, einer Eskadron von der 5. Landwehr-Abtheilung und einer russischen Batterie

^) Es sind die Stern- und die Hauptraanns-Schanze gemeint.

*) In der Eingabe des Herzogs über Anszeicknnngen für das Gefecht V. 10. heisst es beim Major JuUus: „Führt« die 2. Kolonne und rückte mit selbiger vor, als der Feind mit 2 Kolonnen einen AusfaU machte''. Das ist ganz übereinstimmend mit dem Bericht des Grafen Dohna an den König, aber im vollen Gegensatz zur Darstellung im Apergu.

") Kriegs-Archiv F. 8. Ganz übereinstimmend damit ist der Bericht der 4. Land weh rbrigade und namentlich dadurch wichtig, dass er die Dispo- sition des Herzogs wörtlich wiedergiebt. Kr.-Arch. F. 9. S. 7 ff.

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von Grebel. Diese 2. Kolonne stand unmittelbar unter dem Befehle des russischen Majors Julius, beide Kolonnen aber an- mittelbar unter mir, da mir die Expedition übertragen war. Die 3. Kolonne, welche die Reserve bildete, bestand aus 3 Es- kadrons von der 4. Kavallerie-Abthoilung der Landwehr, einer Eskadron der 5. Abtheilung, 4 Eskadrons des Kasan'schen Dra- goner-Regiments, 1 Bataillon preussischer Landwehr, 1 Bataillon Druschinen. 1 Bataillon vom 4. Jägerregiment, einer 6 pfundigen Batterie Sommer, 1 6 pfundigen russischen Batterie, 2 Ba- taillonen Druschinen und 1 Bataillon vom 1. See-Regiment. Diese Kolonne stand unter dem russischen General Kulibakin.

Man hatte die Absicht, auf der Höhe zwischen den Schotten- häusem und Ohra einen Laufgraben anzulegen, und es kam da- her bei dieser Expedition darauf an, sich eines Blockhauses von sehr erheblicher Stärke*) (es ist ein altes sehr massives Gebäude), ferner einer Schanze^) auf der Höhe links von den SchottenhäuseiTi , die unter dem Kartätschfeuer der Juden- schanze ') lag, einer Batterie von 3 Kanonen, die refusirt in der Vorstadt stand,, und zweier Reduten rechts von den Schotten- häusern zwischen da und Ohra zu bemächtigen. Zu diesem Zweck sollte die 1. Kolonne so verdeckt als möglich an die Schottenhäuser herangehen. Der russische Major Grenkowitz sollte mit seinem Bataillon (die Spitze haben und) dergestalt vorrficken, dass er das Blockhaus umging, die Radaune passirte

>) Plan Taf. VI. B.

*) Die Lientenantsschanze.

') unter Jadenschanze kann hier mir die Jesniterschanze gemeint sein. Zwar kommt in andern Berichten neben der Jesniterschanze, wie die „batteries Frionl" genannt werden, auch die Judenschanze vor, aber als Bezeichnung für den Posten des Sergeanten (vgl. oben S. 333). Dieser Posten hat jedoch nie Geschütz enthalten. Das eigenthümliche Tracee der batteries Frioul, in dem sie sich ans zwei Lünetten darstellten, hat den Belagerer dazn verleitet, eine Juden- und eine Jesniterschanze anzunehmen, und da die Truppen vorzngs weise von der ersteren belästigt wurden, deren linke Face dahin schlug, so hielt man dafür, dass sie abgesondert anf dem Judenberge lag. Pullet hat in den Skizzen, die er seinen Berichten an den König beilegte, die Jnden- scbanze wirklich auf den Judenberg eingetragen, und erst in der Skizze seines letzten Berichts vom 23. Novbr. wird der Posten des Sergeanten als Jnden- schanze bezeichnet.

Köhler, Geschichte der Festangen Danzig und Weichselmünde. II. 26

386

und sich mit der Front gegen Danzig, an die üeberscliwemmnng und an die Kadaune lehnte, wobei er sich eines Dammes in seiner rechten Flanke zu bemächtigen hatte, welcher zu einem feindlichen Posten in der Niederung führt. Der Major von Hülsen sollte mit 2 Kompagnien des 9. Bataillons die beiden Schanzen rechts der Schottenhäuser nehmen und mit 2 Kompag- nien das Blockhaus von seiner Seite einschliessen. Der Major von Brockhusen sollte mit dem 16. Bataillon links bei den Schottenhäusern vorbeigehen, mit einem Theil seines Bataillons die Radaune auf Brettern passiren und sich dem Major Gren- kowitz anschliessen, um die Bewegungen des Feindes zu beob- achten. Mit dem andern Theil seines Bataillons sollte er links auf die Höhe gehen und die dort liegende Schanze nehmen und mit dem 3. Theil des Bataillons das Blockhaus beobachten. Das 14. Bataillon unter dem Major von Meyer sollte als 1. Reserve dicht bei den Schottenhäusern stehen bleiben. Die 1. Peters- burger Druschine sollte anfangs als Reserve hinten aufgestellt werden.

Die 2. Kolonne unter Major Julius sollte en reserve rechts unter der Batterie am Kosackenberge stehen bleiben und die eigentliche Reserve unter dem General von Kolubakin ihre Po- sition zwischen dem Kosackenberge und Wonneberg einnehmen.

Eine halbe Stunde nach Eintritt der Dunkelheit wurde ein falscher Angriflf auf der Seite von Langfuhr und Pitzkendorf gemacht^). Eine Stunde nach dem Finsterwerden wurden die 2 ersten Kolonnen, wie es befohlen war, vor Schönfeld ver- sammelt und zu ihrem Zweck formirt. Die 1. Kolonne ging links um den Kosackenberg durch Thäler bis an die Schotten- häuser. Die 2. Kolonne ging rechts von dem Berge weg und setzte sich unweit dem Eingang des Hauptthaies. Man setzte sich in aller Stille in Marsch. Als die 1. Kolonne dicht vor den Schottenhäusern ankam, erhielt sie auf 40 Schritt ein sehr

*) Der Oberst Tnrtschaminow, der ihn auf der Seite von Langfuhr führte, während der Oberst Treskin von Pitzkendorf gegen Zigankendorf vorging, entledigte sich seines Auftrags mit vieler Umsicht. Auf der ganzen Front von der Weichsel bis zu den Bergen wurde ein lebhaftes Tirailleur-Feuer unterhalten und sämmtliche Kanonen-Batterien waren gegen die Werke des Vertheidigers in Thätigkeit gesetzt.

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heftiges Feuer aus den Häuseni und einigen Retranchements. Der Feind, der von unserer Absicht durch irgend eine Ver- räthei-ei unterrichtet war, hatte sich völlig vorbereitet und empfing uns mit allen Vortlieilen, die auf seiner Seite benutzt werden konnten. Wir fanden auf diesem Fleck, wo sonst eine Wache von 8 Mann, sowohl tags wie nachts gewesen war, mehr als ein Bataillon und hinter diesem war alles noch stark be- setzt. Das russische Bataillon stockte, das 16. preussische Landwehr-Bataillon, welches unmittelbar folgte, nahm mit dem Bajonett die Höhen und Retranchements links von den Schotten- häusern. Die alte Disposition konnte nunmehr nicht mehr be- folgt werden, da die an der Tete befindlichen Arbeiter zer- sprengt waren, so dass es an den nöthigen Hilfsmitteln fehlte, die Radaune zu überschreiten und die Palisaden abzuhauen. Ich richtete daher den Angriff den nunmehr obwaltenden Verhält- nissen nach ein, schickte unter dem Befehl des Brigadiers Grafen Eulenburg sogleich das 16. und 9. Bataillon theils in gerader Richtung, das Blockhaus rechts lassend, vorwärts, theils links auf die Höhe. Das 14. Bataillon wurde rechts dicht an den Schottenhäusern vorbei geschickt, um an stelle des 9. die beiden Reduten zu nehmen. Das rechte Ufer der Radaune war zu stark besetzt, und es war daher unmöglich, Brücken über die.Ra- daune zu schlagen. Man beschränkte sich also darauf, bis an die Radaune vorzudringen, um den Feind vom linken Ufer zu be- schiessen. Hierbei that das russische Bataillon Grenkowitz sich besonders heiTor. Die Majore Brockhusen und Hülsen ver- trieben den Feind von den Höhen links, und ersterer nahm die dort befindliche Schanze. Die 1. Druschine Petersburg wurde ebenfalls nach dieser Seite herangezogen. Das linke Ufer der Radaune war vom Feinde gereinigt. Der Major von Meyer nahm die beiden Schanzen rechts mit vieler Entschlossenheit. Bei allen diesen Bewegungen war das Blockhaus sehr im Wege, zugleich war das Geschtitzfeuer sowohl von der Judenschanze als von einer an der üeberschwemmung liegenden Batterie und der Batterie in Ohra sehr heftig. Ich schickte dem Major Ju- lius nunmehr den Befehl, mit Ausnahme der Batterie heranzu- rücken, und liess den Oapitain von Gayette avertiren, dass er die Schanzarbeiten beginnen könne. Der Major Julius stellte sich

25*

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dicht bei den Schottenhäusern auf und schickte Kayallerie und Schützendetachements zur Deckung der linken Flanke vor. Um 12 Uhr wurde die Trancheo eröffnet. Um sich des Blockhauses zu bemächtigen, wurden zwei Haubitzen der Batterie Sommer unter Bedeckung einer Eskadron der 5. Kavallerie-Abtheilung und 2 Haubitzen der Batterie v. Grebel herangezogen, jedoch konnten sie nichts effektuiren, indem das Blockhaus zu massiv war und etwas verdeckt stand, so dass die Ecke des Hauses nicht gefasst werden konnte".

So standen die Sachen, als gegen ein ühr^) der franzö- sische Ausfall erfolgte. Wir müssen uns daher jetzt den fran- zösischen Quellen zuwenden, von denen das Tagebuch der Di- vision Heudelet die zuverlässigste ist.

Der General Rapp hatte ziemlich spät die üeberzeugung gewonnen, dass die Angriffe von Ijangfuhr und Pitzkendorf her nur zum Scheine waren. Er nahm darauf, was er in der Stadt zur Hand hatte es mochten gegen 2000 Mann sein zu- sammen und sendete sie unter dem General Husson gegen Ohra vor.

Der General disponirte über seine Truppen in folgender Weise. Der Major Dauger ersteigt mit dem Elitebataillon der 7. Balbbrigade auf dem planirten Wege am Jesuiterkollegium die Höhe, wirft den daselbst befindlichen Feind zurück und verjagt ihn aus den Posten des Sergeanten und des Lieutenants. In 2. Linie folgen ihm zu seiner Unterstützung 400 Polen als Flankendeckung, und um ihn nöthigenfalls aufzunehmen. Der Bataillonschef Charton debuchirt an der Spitze von 300 Mann der 6. Halbbrigade aus der Barriere der Kupttre von Stadt- gebiet und wendet sich gegen den Hauptmannsposten und darauf gegen die Sternschanze, welche vom Feinde besetzt sind. Vierzig Mann nehmen in den Schluchten, welche zu den Reduten Friaul und den Blockhäusern am Judenkirchhof und in Weinberg

^) üeber die Zeit, wo der Ausfall sich wirksam zeigte, gehen die Nach- richten sehr auseinander. D^Artois sagt um 11 Uhr abends, das Tagebuch der Division Heudelet uin Mittemacht, Brederlow (Allgem. Mil.-Zeitung 1880 S. 188) 1 Uhr, womit auch Canipredon S. 163 übereinstimmt, die Berichte einzelner Truppentheile (Kriegs-Arch. F. 9) 2 Uhr, der Bericht Dohna's sogar 3 Uhr morgens.

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führeil, Aufstellung zu deren Schutz. Die 300 Manu der 8. Halbbrigade dienen vorwärts des Petershagener Thores als Reserve. Die Kupfire und die Blockhäuser am Stadtgebiet bleiben vom Major Legros besetzt^).

Der Major Dauger und der Bataillonschef Chartou führten ihre Aufträge prompt und zu gleicher Zeit aus und be- mächtigten sich der genannten Posten und der Schottenhäuser. Die Arbeiten am Laufgraben waren seit 9 Uhr jedoch so weit vorgeschritten, dass sie nur momentan unterbrochen wurden. Die Geschütze der Reduten Friaul und der Kupüre waren die ganze Zeit über in Thätigkeit geblieben und hatten ihr Feuer gegen die feindlichen Reserven gerichtet. Wie es scheint, hatte sich der Major Dauger jedoch mit der Wiedergewinnung des Plateaus begnügt und der Bataillonschef Charten war nach der Besitznahme der Sternschanze gegen das Hölzchen von Ohra vorgegangen. Der Graf Dohna, unterstützt von 2 Bataillonen der Reserve, welche der Oberst Bagajewski herbeiführte, be- nutzte das, um sich wieder in den Besitz der Schottenhäuser zu setzen ^). Die Arbeiten an den Laufgräben konnten wieder aufgenommen werden, obgleich sie vom Hauptmanusposten und der Sternschanze beschossen wurden. Die leitenden Ingenieur- officiere halfen sich, indem sie Traversen auf warfen und auf dem rechten Flügel einen Haken bildeten, der gegen 300 Schritt

0 Tagebuch der Division Heudelet S. 129.

*) Die russischen Berichte (das Jurnal im Archiv nnd bei Plotho) sagen irrthamlich , dass der Hauptmannsposten und die Stemschanze noch in der Nacht wiedergenommen wurden, und das apercju geht sogar (S. 274) so weit zu behaupten, dass das Plateau der Stcrnschauze fortwährend im Besitz des Majors Julius geblieben sei. Der preussische Landwehrofficier von Brederlow, welcher dem Gefechte beiwohnte, sagt in einem Briefe vom 17. Oktober (Allgem. Milit.-Zeitung von 1880 S. 188) darüber, dass die Franzosen, nachdem sie den Grafen Dohna aus den Schotteuhäusem vertrieben, sich an den Häusern (von Ohra) fortgescb liehen und „von dort ans uns genöthigt hätten, alles zu verlassen**. Sie wären dann bis ins Ohraer Wäldchen vorgedrungen, was Dohna benutzt habe, um von neuem anzugreifen. „Wir behaupteten", fährt er fort, „den Berg rechts der Schottenhäuser, die vordem Häuser bis ans Block- haus (B) und konnten in derselben Nacht und tags darauf im feindlichen Feuer die Tranchee anlegen, die seit 2 Tagen (und Nächten) zwei Reduten (Nr. 33 und 34, oder e" und f") hat"» Das stimmt mit den französischen Berichten überein.

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von den feindlicheii I^osten ablag*), möglichist dagegen ge- schätzt.

Das Gefecht dauerte die ganze Nacht hindurch. Der Ge- neral Rapp musste sich überzeugen, dass er bei der hartnäckigen Ausdauer des Feindes eine Auffrischung seiner im Gefecht be- findlichen Truppen werde eintreten lassen oder die vorgescho- bene Position werde aufgeben müssen. Da er die Mittel zu ersterem nicht mehr besass, zog er um 9 Uhr morgens (S. 11) die Truppen des Generals Husson in die Stadt zurück und über- liess den Vorpostenkommandeur seinem Schicksale.

Der Verlust war auf selten der AUiirten sehr bedeutend. Er belief sich auf 3 Officiere, 80 Mann todt und 6 Officiere, 362 Mann verwundet^). Auf französischer Seite giebt Dttring S. 109 den Verlust auf 5 Officiere, 123 an Todten, Verwundeten und Gefangenen an. Nach dem Tagebuch der Division Heudelet S. 131 betrug er allein für die Division, der die Truppen aller- dings fast ausschliesslich angehörten, 5 Officiere, 15 Mann todt, 8 Officiere, 114 Mann verwundet. Man kann diese Zahlen als officiell betrachten und danach die blossen Schätzungen beur- theilen. Das apergu und Blech geben den Verlust der Fran- zosen auf 700, das russische Jurnal und Plotho sogar auf 1000 Mann an.

Die Russen hatten den Tod des Obersten Bagajewski zu beklagen, der allgemein bedauert wurde. Preussischerseits blieb der Graf Kayserlingk. Der Hauptmann von Podewils wurde scliwer verwundet und starb bald darauf. Von französischen Officieren wurden der Generallieutenant Campredon und der General Husson leicht verwundet.

In den russischen Berichten werden rühmend erwähnt der

*) Die Arbeit an der Traucliee wird vom d'Aitois (S. 299) und Cauipredou (S. 163) bestätigt. „Campredon erklärt ausdrücklieb, dass die Posten von 9 bis 1 Ubr im Besitz der Russen gewesen sind und au der Tranchee fort^je- arbeitet worden ist.

*) Damit stimmt aucb das russische Jamal im Archiv überein und setzt ausdrücklich hinzu, dass der preusaische Verlust darin einbegriflfeu ist. Plotho lässt diese Zahlen jedoch nur für die Russen gelten und giebt den Verlust der 3 preussischen Landwehrbataillone, die am Gefecht theilnahraen, auf }0 Officiere, 236 Mann an.

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Graf Dohna, Pullet, die Majors Julius, Grenkowitz und Bötticher, sowie der Hauptmann von Korf, Chef der reitenden Batterie No. 19, in den französischen: Husson und Legros.

Gegen die nördliche Front wurde das Geschlitzfeuer die ganze Nacht hindurch unterhalten, nur die Raketen und etwas später die Mörser stellten das Feuer früher ein. Gegen Schidlitz und Stolzenberg waren Scheinangriffe gemacht worden.

Nach dem Abzüge des Generals Husson gelang es den Alli- irten leicht, die Franzosen aus den vorgeschobenen Posten zu vertreiben. Schon um 10 Uhr morgens wurden die Sternschanze und der Hauptmannsposten geräumt ^). Am längsten hielten sich die Franzosen in Ohra, das schliesslich von den Russen ver- brannt wurde, allerdings zu ihrem Nachtheil, da die Franzosen dadurch von der Eupüre aus, die sie behaupteten, freies Schuss- feld erhielten. Der Verlust der Franzosen wird an diesem Tage (dem 11.) nach dem Tagebuche der Division Heudelet auf 10 Todte und 56 Verwundete angegeben.

Die Franzosen rühmen sich, dass der einfache Aufwurf des „poste de l'etoile'^ die Russen 44 Tage lang (28. August bis 10. Oktober) aufgehalten habe. Was hätten die Russen mit dem Boden machen sollen, den sie mit soviel Blut getränkt hätten? Sie hätten unnöthig die Aufmerksamkeit der Franzosen auf den Punkt gelenkt und die Ueberraschung aufgegeben, die ihnen am 10. Oktober so vortheilhaft war, dass sie vier Stunden Zeit gewannen, um sich einzugraben, bevor Rapp den retour offensif ausführte. Die Zeit für den Angriff am 10. Oktober war dadurch genau bestimmt, dass sie erst dann die erforder- liche Anzahl von Geschützen und Material bereit hatten, um die Jcsuiterschanze pp. bekämpfen zu können. Ihre früheren Angriffe auf den Posten hatten nur den Zweck geliabt, den Be-

^) Tagebuch der Division Heudelet. Uebereiustimmend damit das Tage- buch vom Major v. Hake. Kriegs- Archiv F. 9. Nach Campredon trifft das iinr bei der Stenisehanze zu, der Hauptmannsposten soll sich bis zum Abend gehalten haben. D'Artois lässt beide bis zum Abend im Besitz der Franzosen, was von dem Tagebuch Pnllet's über die Ingenieur- Arbeiten (Kriegs-Archiv d. Gr. Gen.-St.) bestätigt wird. Hiernach hätte der Augriff der Russen erst nachmittags 4 Uhr begonnen und zwar von Ohra aus. Von den beiden Posten erwähnt Fallet aUerdmgs nichts, die daher schon früher geräumt sein können.

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lagerten mürbe zu machen oder in einigen Fällen die Aufmerk- samkeit desselben von andern Punkten abzulenken, wie am 29. August und 16. September.

3. Die BeschlessuRfl Danzlg's.

Wie aus den preussischen Quellen liervorgeht, hatte der Herzog, indem er sich der Höhen der Schottenhäuser bemäch- tigte, keineswegs die Absicht, wie er es nachträglich infolge des glücklichen Ausgangs behauptet *), die Stadt von hier ans zu bombardiren. Es kam ihm vielmehr darauf an, sich eine Position zu schaffen, die mit Anlehnung an die Inundation für das Belagerungskorps auf dem rechten Flügel eine ähnliche Lage herbeiführte, wie sie durch die Stellung von Gross- uud Klein-Schellmühl mit der Anlehnung an die Weichsel der linke Flügel besass*). Die Position an den Schottenhäusern gewährte dabei noch den Vortlieil, bei dem projektirten Angriff auf den Bischofsberg den rechten Flügel desselben, der sonst ganz in der Luft geschwebt liätte, zu schützen und die Jesuitei-schanze zu bekämpfen *), welche eine Flaukirung des Angriffs ausgeübt hätte. Es schien dies um soniehr gerechtfertigt, als die Mittel zum Angriff des Bischofsberges noch nicht bereit waren. Aber täuschte sich der Herzog hierin nicht? Die Ausschiffung der Artillerie war seit dem 29. September beendet, die sehr an- sehnliche preussische Artillerie stand zu dieser Zeit bereits im Park, die Munition für dieselbe war gefertigt*). Wenn man bedenkt, dass der Marschall Lefebvre 1807 die 1. Parallele er- öffnen Hess, ohne dass seine Artillerie überhaupt angelangt war, und dass die Laufgräben bis zur 3. Parallele vorpnssirt wurden,

>) Apercu 280.

•) So steUt es wenigstens PulJet dar, Tagebuch der lugenieurarbeiteu. Kriegs- Archiv F. 9. Offenbar ist das jedoch eine später gebildete Ansieht. Den wahren Hergang werden wir weiter unten kennen lenien.

') Tagebuch des Majors Liebe. Ebenda.

*) Schreiben des Majors Liebe an die General-Inspektion der ArtiUerie vom 2. Januar 1814. Kriegs- Archiv No. 12: „Warum die Belagerung nicht schon mitte September begonnen, ist mir unbekannt. Die Artillerie war schon am 14. Oktober auf 24 Tage mit Munition versehen. Vielleicht fehlte 99 fui Faschinen und Schanzkörben''.

393

ohne dass von der Artillerie auch nur ein Schuss gethan wur- den wäre, so kann man die Bedenklichkeiten des Herzogs nicht theilen. Die Gründe, die er angiebt, den Angriff des Bischofs- berges so lange liinaus geschoben zu haben, sind nicht stich- haltig. Zunächst hielt er sich nicht für stark genug und hatte 6000 Mann Hilfstruppen verlangt; dann sollen die Faschinen und Schanzkörbe gefehlt haben; in einem Schreiben vom 9. Ok- tober an den König giebt er an, dass er aus Mangel an Ar- tilleristen, die erst aus der Landwehr gebildet werden müssten, nichts Grosses beginnen könne 0. Was die Stärke betrifft, so giebt er sie in einem Schreiben vom 23. Oktober incl. der Kranken auf 32000 Mann an, wovon jedoch 3500 Mann auf Kommando in Pommern und im Herzogthum Warschau waren, um die nöthigen Bedürfnisse beizutreiben*). Warum ist es, kann man fragen, mit dieser Mannschaft, die durch Krankheiten sich noch bedeutend vermindert hatte, später gegangen, nach- dem sich die Schwierigkeiten durch die schlechte Jahreszeit noch bedeutend vermehrt hatten? Inbetreff der andern Punkte kann doch nur eigne Verschuldung vorliegen, da der Waffen- stillstand Zeit genug geboten hatte, Faschinen und Schanzkörbe anzufertigen und Artilleristen auszubilden.

Was hinderte nun vollends den Herzog, am 10. Oktober statt der Schottenhäuscr die Jesuiterschanze anzugreifen*)? Die Verhältnisse lagen so günstig wie möglich für ein Gelingen dieses Angriffs. Die beiden Lünetten derselben bestanden zu dieser Zeit aus einfachen Feldwerken, die nicht sturmfrei waren. Die üeberraschung wäre ebenso gross gewesen wie beim An- griff der Schottenhäuser und hätte, bevor der Gegenstoss er- folgte, mehrere Stunden Zeit gegeben, sich einzugraben. Der Jesuiterberg wäre dadurch zu einer starken Position geworden, die Rapp schwerlich hätte bewältigen können, da er alle Ver- anlassung hatte, mit seinen Kräften haushälterisch umzugehen. Der Herzog hätte sich ein Beispiel an Müunich nehmen sollen,

*) Kriegs- Archiv F. 15.

*) Ebenda.

') So lag es in seiner Absicht. Wie ans Anhang I hervorgeht, hat der Major von Hake auf Veranlassung des Grafen Dohna den Herzog um- gestimmt. Siehe die folgende Note.

394

der 1734 die Danziger Besatzung von Schottland und Stadtge- biet im Rücken angriff. Am 10. Oktober 1813 wäre die 600 Mann starke Besatzung der Kuptire A mit den Vorposten wahr- scheinlich abgeschnitten worden, jedenfalls nicht imstande ge- wesen, angriffsweise vorzugehen. Sie hätte sich bis zur Ankunft der Verstärkungen überhaupt nicht halten können. Bei einem ungünstigen Ausfall des Angriffs wäre der Rückzug in keinem Fall gefährdet gewesen.

Wie die Verhältnisse nach Erstürmung der Schottenhäuser nun einmal lagen, wäre nichts anderes übrig geblieben, bevor man zu den Angriftsarbeiten gegen den Bischofsberg schritt, als sich der Jesuiterschanze und der Lünetten Istrien und Kirgener des Zigankenberges gewaltsam zu bemächtigen, bevor sie noch stärker befestigt wurdön. Das war die Ansicht Pullet's und des Kommandeurs der russischen Artillerie, Schul- mann. Dazu war der Herzog jedoch nicht zu bewegen ') und fand in dem Bombardement der Speicherinsel einen Ausweg, den er mit grossem Eifer ergriff. Der Zeitpunkt, wo er den Entschluss fasste, ist genau festzustellen. Es war gegen Abend des 15. Oktober^). Der Herzog hatte durch seine Agenten in der Stadt erfahren, dass der Guverneur die Lebensmittel auf der Speicherinsel untergebracht habe. Ein Bombardement hätte

*) Der Herzog war auf die Vorstellungen des Majors von Hake, statt des Angriffs auf die Jesuiterschanze sich der Stellung an den SchottenhäuscrD zu bemächtigen, eingegangen, um hier Batterien zu erbauen und den Angriff auf die Jesuiterschanze wirksam vorzubereiten. Da fasste er am 15. den Entschluss, die Speicherinsel zu bombardiren, und mit der gewaltsamen Weg- nahme der Jesuiterschanze war es zu Ende. Vergl. die folgende Note.

*) Der Major Liebe war am 15. Oktober mit den Vorbereitungen zur Armirung der beiden in der Tranchee auf den Höhen der Schottenhäuser er- bauten Batterien, welche bestimmt waren, die Juden- und Jesuiterserschanze zu beschiessen und zu bewerfen, beschäftigt. ,, Inzwischen", erzählt der Major in seinem Bericht vom 23. Oktober, Kriegs- Archiv F. 9 „schickte gegen Abend der Herzog den Befehl, die auf der Speicherinsel befindlichen Speicher sollten durch die preussische Artillerie mit 6 50 pftlndigen Mörsern in Brand ge- steckt werden, weil sich in denselben die Lebensmittel für die Garnison be- fänden. Hierauf schlug ich vor, dass dieser Zweck durch glühende Kugeln und Haubitzgrauaten, mit den bestimmten Bomben gemeinschaftlich gebraucht, sicherer und geschwinder erreicht werden würde. Se. Kgl. Hoheit genehmigte meinen Vorschlag und überliess mir die Ausführung".

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daher von den grössten Folgen sein können. Die grosse Ent- fernung der Insel Hess das Projekt jedocli als sehr problematisch erscheinen. Die Lebensmittel waren ausserdem im nördlichen Theil der Insel untergebracht, der ganz ausserhalb der Trag- weite der damaligen Geschütze lag, was der Herzog nicht ge- wusst zu haben scheint. Pullet und Schulmann legten daher auch gar kein Gewicht auf das Bombardement, und da der Herzog ihren Vorträgen kein Gehör lieh, wendeten sie sich am 17. Oktober schriftlich an ihn, um sich als Leiter der Bela- gerungsarbeiten jeder spätem Verantwortung zu entziehen. Sie legten die Nothwendigkeit dar, sich der Jesuiter- und Ziganken- berger Schanzen auf gewaltsamem Wege zu bemächtigen. Der Herzog antwortete ihnen am folgenden Tage schriftlich ziemlich schroff, dass es bei seiner Instruktion sein Bewenden haben müsse*). Es scheint selbst, dass er sich Pullet gegenüber in den nächsten Tagen in gereizter Stimmung befand, denn er beauftragte den eben aus Russland angekommenen Ingenieuroberst Manfredi zur Weiterführung der Ingenieurarbeiten. Diese bestanden in dem Vorpussiren der Sappe aus dem Thale der Schottenhäuser gegen die Jesuiterschanzc. Der Vertheidiger blieb jedoch in dieser Zeit nicht unthätig und schob sowolil von der Jesuiterschanze als vom Zigankenberg Werke vor, die den Herzog in nicht ge- ringe Verlegenheit setzten, weil er sich gezwungen sah, nun doch zum gewaltsamen Angriif zu schreiten, um zu verhindern, dass diese Werke (die avancee Frioul und die avancee Kirgener, wie sie von den Franzosen genannt wurden) nicht eine Festig- keit erreichten, die ihren Angriif zu sehr erschwerte. Die Nacht vom 1. zum 2. November wurde zur Ausführung be- stimmt. Beide Werke wurden erstürmt, mussten aber infolge eines Gegenangriffs wieder geräumt werden. Doch gelang es, am folgenden Tage wenigstens die avancee Kirgener ohne grossen Widerstand wieder einzunehmen. Gleichzeitig wurde das Dorf Stolzenberg genommen und die 1. Parallele gegen den Bi- schofsberg eröffnet. Aber die Lünetten des Jesuiter- und Zigankenbergs befanden sich drohend vor den beiden Flanken der Parallele. Die Aufgebung der avancee Kirgener und des

*) Kriegs-Arcbiv F. 15. Siehe AuhaDg II.

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Dorfes Stulzeiiberg von selten des Belagerten war die Folge eines grossen Brandes, der in der Nacht vom 1. zum 2, No- vember die Lebensmittel der Besatzung vernichtete und den Guverneur und die Besatzung aufs tiefste alterirte*). Das Feuer, durch das Bombardement erzeugt, war nur dadurch an den Aufbewahrungsort der Lebensmittel gelangt, dass es sich dahin verbreitet hatte. Geschosse hatten die Gegend nicht er- reicht. Es war daher ein ganz zufälliges Ereigniss, auf das der Herzog keinen Grund hatte stolz zu sein, das er aber nicht verfehlte, als einen grossartigen Erfolg seiner Leitung aufzu- bauschen.

Zu den Details übergehend, so sind die Ereignisse des 11. Oktober bereits oben im Anschluss an das Gefecht zum 10. berichtet worden. Wenn Pullet im Tagebuch der Ingenieur- arbeiten (Kr.-Arch. F. 9) sagt, dass um IV U abends die ganze Position, deren Eroberung am 10. intentionirt war, sich in „unsern" Händen befand, so bezieht sich das nur auf den Ge- winn der beiden Schanzen etoile und capitaine, auf den Besitz von Ohra und der Hohen der Schottenhäuser, auf denen noch in der Nacht vom 10. und 11. die Tranchee eröffnet worden war*). Die 1. Kupüre und das Blockhaus B blieb noch in den Händen des Feindes^).

^) d^Artuis sagt S. 856 darüber: ^un d^couragemenc geueial semblait avoir frapp6 les d^fcnseurs de Dantzig, absorbes daiis les id^es les plus penibles ^.

') Seiiicu Gruudsätzeii getreu, den Batteriebau gleichzeitig luit der Tran- chee in der ersten Nacht ausführen zu lassen und dies auch, unabhängig davon, ob es wirklich geschehen ist, in der Darstellung zum Ausdruck zu bringen, lässt der Herzog im aper^u (S. 280) den Bau der 4 Batterien auf der Höhe der Schottenhäuser schon in der Nacht vom 10. zum 11. beginnen. Wie wir gesehen haben, behauptet er auch, dass die beiden Schanzen des Etoile und capitaine vom Major Julius genommen und die ganze Nacht über behauptet worden sind, und S. 280, dass aUe 4 Batterien gegen die Speicher- insel bestimmt waren.

^) Was die Eäumnng der 1. Kupüre und des Blockhauses B durch die Franzosen betrifft, so gehen die Nachrichten darüber sehr ans einander, und es bleibt nichts übrig, als die französischen Nachrichten, die alle Wahrschein- lichkeit für sich haben, als richtig anzuerkennen, wonach sie erst am Bl Ok- tober aufgegeben worden sind. Nach dem Tagebuch der 4. ostpreussischen

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Der 12. In der Nacht zum 12. wird die Tranchee nach Oktober, beiden Seiten verlängert und mit dem Bau von zwei Batterien zu 5 resp. 7 Geschützen begonnen ^).

Die Besatzung der Kupüre 1 hatte viel zu leiden, da sie eingesehen wurde. Namentlich sind die Artilleristen und ihre Pferde, die immer angeschirrt bleiben mussten, sehr ausgesetzt gewesen.

Der General Kapp besichtigte im Lauf des Tages in Be- gleitung des Generals Campredon den Jesuiterberg, um die Punkte zu ermitteln, wo Befestigungen anzubringen waren. Es wurde beschlossen, in der Höhe der Jesuiterkirche einen Ab- schnitt (D) durch das Dorf Schottland zu legen, der bis zur Inundation ging und da, wo er sich rechts an die Höhe lehnte, eine Lunette (E) auf der Kante des Berges als Stiitzpunkt er- halten sollte. Die Lünette sollte durch einen Verhau am Ab- hänge mit dem Abschnitt verbunden werden^).

Von Seiten des Belagerers unterhielten die Batterien von Kabrun, Neu-Schottland und Schellmlihl seit Mittag ein massiges Feuer ').

Das Wetter ist regnerisch, aber warm*).

Den 13. Die beim Batteriebau beschäftigten Arbeiter wer- den von der Jesuiterschanze beschossen und müssen am Tage die Arbeit einstellen. Um 2 Uhr nachmittags beginnt der Be- lagerte die Arbeit am neuen Abschnitt in Schottland. Die Häuser des Dorfs werden, soweit sie maskiren, niedergerissen. Die beiden Häuser an der Inundation werden zu Blockhäusern

Brigade (Kriegs- Archiv F. 9) ist es schon in der Nacht vom 16. zum 17. Oktober erfolgt, nach dem apergu am 22. Oktober.

>) Mit Ausnahme des aper^u stimmen darin die übrigen QueUen überein. Es sind die Batterien des linken Flügels No. 33, 34 (e", f" des apergu). Schon ihre Lage deutet an, dass sie nicht gegen die Speicherinsel bestimmt sein konnten, sondern, wie Liebe ausdrücklich ausspricht, gegen die Jesuiter- schanze.

«) Campredon 165. d'Artois beschreibt S. 307, 308 den Abschnitt von Alt-Schottland (die 2. Kupüre) näher. Die Gebäude des Jesuiter-Koilegiums und die Kirche wurden zur Vertheidigung eingerichtet und bildeten einen änsserst wichtigen Stützpunkt der Stellung.

•) Apercu.

*) Campredim.

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Oktober, umgescliaffen. Gleichzeitig wird die Lünette E, vom aper^u v " genannt, in Angriif genommen. Sie erhält den Namen avancee Frioul ').

Um 9 Uhr abends machen die Russen einen kurzen Ver- stoss und erheben ein furchtbares Geschrei, so dass der General Rapp sich veranlasst sieht. Generalmarsch schlagen zu lassen. Doch konnte er schon um 10 Uhr die Truppen wieder entlassen, da sich die Russen wieder zurückzogen^).

Das Wetter war sehr schön.

Den 14, Foitsetzung der beiderseitigen Arbeiten. Das Wetter ist sehr schlecht. Erst um 10 Uhr morgens hört der Regen auf.

Den 15. Fortsetzung der Arbeiten. Die von Preussen er- bauten beiden Batterien (3!^. 34) werden beendet*). Da die baldige Räumung der Kuptire 1 zu befürchten stand, werden französischerseits die Arbeiten an Kuptire 2 beschleunigt. Es wird auch am Tage daran gearbeitet*).

Aus Russland langen 300 Sappeure und Pionieie mit 7 Offi- cieren an*^).

Es tritt Kälte ein.

Den 16. In der Nacht zum 16. werden die beiden Bat- terien Nr. 33. 34 armirt ^) und an einem flankirenden Vorsprung

*) Ebenda. d'Artois.

*) Ebenda 166, 167. Nach dem Tagebuch des Majors von Hake (Kriegs- Archiv 202 E.) sind es im Gegentheil die Franzosen gewesen, welche von der Radaune her einen Angriif anf die Tranchee gemacht haben, aber zurückge- schlagen wurden. Dafür spricht auch, dass die Besatzung der SteHnng der Bussen am folgenden Tage bedeutend verstärkt wurde. Am Ohraer Wäld- chen werden 2 russische BataiUone aufgesteUt und das ostpreuss. Landwehr- BataiHon No. 19 dem General Naumief, welcher die Trancheewache befehligt«, als Reserve beigegeben. Ausserdem wurden am Kosackeuberge 2 halbe Ba- taillone und ein Kosackenregiment, sowie im Wonneberger Thal 2 Eskadrons aufgestellt.

■) Tagebuch des Majors Liebe. Kriegs-Archiv.

*) Campredon 167.

'') Apergu 282.

^ Wie es scheint, haben diese Batterien am 16. das Feuer gegen die Jesuiterschanze eröffnet, wie es nach Campredon S. 169 und Düring S. 102 wahrscheinlich ist. Auch nach dem Tagebuch des Majors Hake ist das Fener am 16. eröflFnet worden, doch äussert er sich nicht über das Ziel.

des Abhanges zum Dorfe Stadtgebiet, gegen 100 Meter rückwärts Oktober, der Tranchee, eine Batterie (No. 31 oder c") erbaut, wozu 100 Preussen kommandirt waren. Die Batterie war für eine 10 zöl- lige und 2 8 zöllige Haubitzen bestimmt. Ausserdem wurden in der Mitte der Tranchee Bettungen für 5 10 zöllige Mörser gelegt ^). Auch scheint die Batterie Nr. 32 (d ") in dieser Nacht erbaut worden zu sein, welche von den preussischen Quellen nicht erwähnt wird, weil sie von Russen bedient wurde ^). Die Batterien 31 und 32 werden am 17. armirt, Nr. 32 schiesst auch.

Die Brustwehren der Lünetten Friaul, welche ursprünglich nur 9 Fuss stark waren, werden durch Ansetzen zweier Reihen Sappenkörbe nach innen auf die Stärke von 15 Fuss gebracht').

In diesen Tagen war auch von den Russen an einer Ku- püre durch das Dorf Stadtgebiet bis zur Inundation gearbeitet . worden. Nach dem apergu 283 ging sie von der Batterie c" (31) aus und wurde am 17. beendet, was auch von Pullet be- stätigt wird*).

Die täglichen Kommandirungen von 200 Mann wurden russischerseits fortgesetzt. Ein solches Detachement dringt am 17. in Schidlitz ein und zerstört 2 Barrieren'^).

Das Wetter ist an diesem Tage regnerisch und windig.

Am Morgen des 18. wurde das Feuer gegen die Stadt er- öffnet ^). Da jedoch kein Brand entstand, verstärkte man gegen

^) Mfgor Liebe, PuUet, von Hake, übereinstimmend mit d^Artois und Campredon. Das aper^u ist für diese Zeit ganz unzuverlässig. Nach ihm sind die beiden Batterien e", f " schon in der Nacht zum 14. und die Batte- rien c" und d" in der Nacht zum 15. armirt worden, die Batterien hätten demnach schon am 15. und 16. das Feuer eröffnet.

*) d'Artois 315. Campredon 169. Apercu 282 lässt sie schon am 15. das Feuer eröffnen, was ein Irrthum ist.

') Campredon 170. d'Artois.

*) PuHet. Tagebuch: „Vom 12. bis 17. wurde daran gearbeitet, sich in der neuen Position auf den Höhen bei den Schottenhäusem quer durch Stadt- gebiet (bei den Franzosen wird dieser Theil schon zu Ohra gerechnet) bis an die Inundation so festzusetzen, dass es dem Feinde nicht mehr gelingen konnte, auch mit dem härtesten Andränge uns wieder zu delogiren". Siehe Taf. VI.

*) Apercu 283.

®) Nach dem Tagebuch des Majors Liebe wirkten gegen die Stadt 5 24

400

Oktober. Abend die Ladungen und vermehrte die Erhöhungen^). Das Bombardement war mit Werfen von 400 Raketen begleitet, von denen jedoch keine die Stadt erreichte*).

An dem Bombardement vom 18. haben auch die Batterien von Neu-Schottland, Kabrun und Schellmühl theilgenommen. Ihre Gescliosse beunruliigten den nördlichen Stadttheil, die der Ohraer Batterien den südlichen. Die Langgasse bildet die Grenze zwischen beiden Wirkungssphären. Haubitzen und Mörser erreichten die Speicherinsel nicht, die glühenden Kugeln der mit 4 24Pfündern versehenen Batterie 32 hatten dagegen eine Schussweite von 2600 und 2800 Meter. Einige erreichten selbst die Kirche von Langgarten (3300 Meter). Sie zünden an 7 bis 8 Orten, allein in der Langgasse dreimal, doch wird das Feuer noch immer bald gelöscht. Um Mittag hören die Congrevischen Raketen, etwas später auch die Mörser zu feuern auf. Die Kanonen massigen das Feuer.

Die Arbeiten am Abschnitt in Schottland und in der avancee Frioul, obgleich von der Batterie 31 heftig beschossen, werden Tag und Nacht fortgesetzt. Das Feuer vom Bischofs- berge und der Jesuiterschanze wird sehr lebhaft unterhalten. Auch die Bastione Gertrud und Maidloch der Stadtbefestigung nehmen an der Beschiessung der Batterien des Gegnei-s theil. In einer der Batterien werden 2 Scharten demontirt').

Pfander, 1 10"ge und 4 8"ge Haubitzen und 6 10"ge Mttrser. Es scheint demnach, dass die Batterien e'' (33) und f" (34) gegen die batteries Frioul (Jesuiterschanze) schössen.

^) Der Major Liebe sagt darüber: Bei diesen starken Ladungen wur- den den Artilleristen durch den ans der Mündung kommenden Feuerstrom die Mäntel verbrannt. Die Mortier-Bettungen wurden durch 6 8 Wurf zermalmt, ohnerachtet sie aus lauter aneinander gelegten 8 ''gen starken Rippen be- standen Gegen die Haubitzlaffeten war der Rückstoss so gro.s8,

dass die Splintbolzenküpfc absprangen Und dennoch erreichte man

nichts, weil die Entfernungen zu gross waren. Kriegs-Archiv F. 12 S. 7.

*) Liebe sagt darüber ebenda: „Viele krepirten in der Luft und einige stiegen fast kerzengerade in die Höhe, statt sich vom Standpunkte zu entfernen. Eine jede Rakete soll 3 Guineen kosten. Weiter als 1500 Schritt mag keine gegangen sein, auch hielten viele nicht genau Linie, sondern flogen beinahe ganz seitwärts". Ueber die Zahl 400 kommen Pullet und Liebe überein, während die Franzosen 15 bis 1600 gezählt haben wollen.

•) Apergu 283.

ioi _

Am 19. wird das Bombardement in der Nacht und am Oktobet. Tage heftig fortgesetzt^). Auf dem langen Markt werden mehrere Menschen getödtet. Die Batterien von Ohra haben von einer auf der Mottlau schwimmenden Batterie zu leiden. Der Herzog zeigte den grössten Eifer für das Bombardement. Bei Eröffnung des Feuers am 17. war er persönlich zugegen. An diesem Tage (19.) befahl er abends 6 Uhr alles aufzubieten, um ein günstiges Resultat zu erreichen. Um 7 Uhr brannte es an 12 bis 16 Orten, so dass ein Löschen nicht mehr möglich war*)- In der Nacht brannte die Speicherinsel in ihrem süd- lichen Theil bis zur Kuhbrücke nieder. Das Feuer hatte ein bedeutendes Stroh- und Getreide-Magazin erfasst, und ein be- beträchtlicher Vorrath von Talg und Oel war ein Raub der Flammen geworden^). 18, nach d'Artois 22 zu Kasernen ein- gerichtete Speicher verbrannten. Rapp Hess Generalmarsch schlagen und bot die ganze Garnison zum Löschen auf. Der Schaden traf vorzugsweise die Kaufleute, welche einen Verlust von 9 Millionen Frcs. erlitten haben sollen. Vom Belagerer sollen an diesem Tage 7000 bis 8000 Schuss gefallen sein*).

Gegen 10 Uhr entstand auf dem Buttermarkt ein neues Feuer. Drei Häuser brannten nieder, wobei der Senator Eggert, welcher die Löschanstalten der Stadt unter sich hatte, durch

*) Nach d'Artois 316 waren auf selten des Belagerers in Thätigkeit: auf der Höhe der Schottenhäuser 5 Mörser, 5 Haubitzen von 6" 4'", 10 24 Pfunder; bei Kabrun 2 Mörser ; bei ScheUmühl 7 24PfUnder; in den Batterien bei Langfuhr einige Feldgeschütze; auf dem Johannisberge 3 24 Pfünder und 2 Haubitzen, ebensoviel in Pitzkendorf. Zum Vergleich mögen die Angaben des Majors Liebe iv seinem Bericht vom 23. dienen. Auf der Höhe der Schotten- häuser in der Batterie No. 31, 1 10"ge, 2--8"ge Haubitzen, in No. 32 4 24 pfundige Kanonen, in No. 33 3 12 pfundige Kanonen und 2 8"ge Haubitzen, in No. 34 1 1 2 pfundiges und 6 24 pfundige Kanonen, in der Tranchee zwischen den Batterien 5 10 "ge Mörser in 2 Batterien.

Bei Kabrun 2 8"ge Haubitzen, bei ScheUmühl 8— 24 pfundige Kano- nen, bei Reihershof 5 24 pfundige Kanonen, bei Kabruu 2 8"ge Hau- bitzen, auf dem Johannisberge 6 24 pfundige Kanonen, bei Pitzkendorf 10 24 pfundige Kanonen.

*) Tagebuch des Majors Liebe. Kriegs-Archiv.

•) Tagebuch des Oberstlieutenants PuUet. Kriegs-Archiv. . ") d'Artois 317.

Köhler, Geschichte der Festungen Danzig und Weichselmünde. II. 8d

402

Oktober, einen Bombensplitter verwundet wurde. Eine glühende Kugel ging bis ins Guvernementsgebäude in Langgarten ^).

Der 20. Das Feuer auf der Speicherinsel liess gegen Mitternacht nach. Das Bombardement wird lebhaft fortgesetzt *). Am Wallhofe ^) wird mittags eine Holzniederlage in Brand ge- setzt, von der aus das Feuer sich verbreitet und das kleine Zeughaus in Gefahr setzt. Auch das Bastion Wieben wird be- droht, in dessen Poternen si<'h 200 Centner Pulver befinden. Es gelingt dem General Lepin, der seine Artilleristen aufge- boten hat, das Bastion zu isoliren und alle Löcher zu ver- stopfen. Der Belagerer beschiesst hartnäckig die Brandstätte. Neue Feuer in der Vorstadt werden rechtzeitig entdeckt und gelöscht, aber es brennt seit 30 Stunden.

Der Belagerer lässt in der Nacht eine neue Batterie Nr. 35 zwischen den Thälern von Schönfeld und Wonneberg für 2 24Pfünder erbauen und sie durch einen Laufgraben mit den Batterien bei Ohra verbinden. Es sind 1000 Arbeiter dabei beschäftigt*). Die Batterie hat den Zweck, den Bischofsberg zu beschäftigen und die Jesuiterschanze zu beschiessen.

Das Wetter ist schön und ohne Wind.

Der 21. Das Bombardement wird Tag und Nacht fortge- setzt. Am Morgen stehen mehrere Häuser am Vorstädtischen Graben in Brand. Das Feuer verbreitet sich nach dem Poggen- pfuhl und bedroht die Petrikirche, in der sich 1700 Centner Getreide befinden. Eine Bombe entzündet eine Niederlage von Theer im Theerhofe. Der Guverneur kommandirt ein comite de defense unter Vorsitz des Generals Grandjean, zu dem auch einige Rathsleute der Stadt zugezogen werden. Es soll die

*) Campredon 173.

") Nach dem Tagebuch des Majors Liebe wird ein dritter Glühofen er- baut, am 23. ein 4. und 5.

•) Wallhof ist die heutige Fortifikation.

*) Apergu 284. Tagebuch des Majors von Hake. Kriegs-Archiv. Vom Belagerten wird die Batterie am 21. bemerkt. Campredon 175. d'Artoia 325. J)as aper^u bezeichnet die Batterie irrtlnunlich mit g", die erst später er- baut worden ist. von Hake, Tagebuch. Nach dem Tagebuch des Majors Liebe ist die Batterie in der Nacht vom 21. zum 22. erbaut und in der Nacht vom 24. zum 25. armirt worden.

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geeigneten Massregeln berathen, um der Feuersgefalir zu be- Oktober, gegnen. Dasselbe beschliesst am folgenden Tage eine Feuer- wehr (corps de pompiers) von Soldaten zu errichten, deren Kommando dem Ingenieur -Hauptmann Rep6caud anvertraut wird ^).

Auf der Mottlau erscheinen zwei schwimmende Batterien, welche die Batterien von Ohra sehr belästigen ^. Die Batterie 35 wird beendigt und armirt. Die Batterien bei Kabrun und Schellmühl etc. sind immer noch in Thätigkeit und bewahren nach dem apergu eine ausgesprochene Ueberlegenheit über die des Belagerten auf dem Holm und im ßetranchement^).

Der 22. Zum Schutz gegen die schwimmenden Batterien des Belagerten auf der Mottlau wird der rechte Fitigel der Batterie c" (No. 31) mit einer Schulterwehr versehen und der von hier aus am 17. begonnene Abschnitt bis zur Inundation fortgesetzt *).

Das Feuer im Poggenpfuhl in der Nähe der Petrikirche und mehrere neue Ausbrüche auf der Speicherinsel werden ge- löscht. Das Bombardement wird ormässigt. Das Wetter ist schön aber kalt^).

Der 23. Der Angreifer erbaut auf dem äussersten rechten Flügel seines Abschnitts im Dorfe Ohra eine Batterie h", die mit 2 12Pfündern und 2 Haubitzen armirt wird®). Das Bom-

») Campredon 175. d'Artois 324—326.

') Apergu 284. Nach dem Tagebuch des Majors von Hake wird eine französische Batterie der Innudation vernichtet? Nach dem aper<;u sind die Batterien durch russische Schiffe und durch das Feuer der Batterie 31 (c'') verjagt worden. Diese schwimmenden Batterien, von denen 3 angefertigt worden, waren eine jede mit 2—4 Pfündem und 2 Haubitzen armirt. Letz^ tere hatten besondere Laffeten, die eine Erhöhung von Grad gestatteten. d'Artois 309 Note 1.

») AperQu 285.

*) Apercu 285. Die Pikets , welche der Belagerte noch im oberen Theil von Stadtgebiet stehen hatte, wurden am 22. von 200 Jägern bis an die letzten Häuser des Dorfes zurückgetrieben.

*) Campredon 175.

*) Aperijrt 285. Nach von Hake, Tagebuch, Kr. -Archiv, ist die Batterie erst am 26./27. erbaut worden, nach dem Tagebuch des Majors Liebe wird sie am 30. mit 2 englischen eisernen 12 Pf (Indern und zwei schweren prenssischen

26*

404

Oktober, bardement wird fortgesetzt. Die Zahl der bisher geworfenen Bomben beläuft sich auf mehr als 10000 *)• In dem ara 6. Ok- tober bei Zigankendorf aufgeworfenen Laufgraben wird am Morgen des 23. der Bau einer Batterie (No. 24) vom Vertheidiger entdeckt, und aus der während des Waffenstillstandes erbauten Redute bei Tempelburg (No. 8 bei d'Artois) fällt der erste Schass gegen die Barriere von Schidlitz^).

Von selten des Vertheidigei-s wird die avancee Frioul durch Palisaden geschlossen, und auch der Abschnitt in Schottland (II Coupure) ist so weit fortgeschritten, dass die Nachtarbeit einge- stellt werden kann. In der Stadt ist die Feuerwehr in der Organisation begriffen. Die Stadt wird in 12 Bezirke getheilt.

Das Wetter wie am vorigen Tage *).

Der 24. Das Bombardement wird fortgesetzt, doch sind seit dem 22. keine neuen Feuersbrünste zu verzeichnen *). Das Feuer im Poggenpfuhl und am Vorstädtischen Graben brennt zwar noch, doch ist für die Petrikirche nichts mehr zu fürchten. Gegen Mittag wird das Feuer gegen den Langenmarkt concen- trirt, wo um diese Zeit die Befehlsausgabe erfolgte, doch war

10 pfundigen Haubitzen armirt. Nach ihm sind wegen des schwierigen sumpfigen Bodens 8 Tage auf deren Bau verwendet worden. Das aper<^n ver- wechselt die Batterie mit einfachen Geschützemplacements, die um diese Zeit auf dem rechten Flügel hergestellt wurden und zwar nach Liebe eins zu 2 Ein- hörnern und ein anderes für 2 GPfünder und 1 Einhorn. Sie hatten vorzugs- weise die Beschiessnng von Schottland zum Zweck. Die Batterie soUte da- gegen die schwimmenden Batterien des Feindes abhalten und das Dorf Stadt- gebiet gegen Angriffe sichern. Von der Festung ans ist die Batterie erst am 28. bemerkt worden. D'Artois hat ihre Lage nicht feststeUen können, er verlegt sie irrthümlich auf den Damm der Radaune, Campredon sagt S. 180 richtiger auf den Damm am Dorfe Ohra.

') Campredon 175.

*) Ebenda. Es ist auffallend, dass beide Punkte vom aperen mit Stillschweigen übergangen werden. An der Thatsache ist nicht zu zweifeln, da die Batterie bei d'Artois No. 24 benannt auch in der akizzirten Geschichte, die hauptsächlich russische Quellen benutzt, erwähnt wird. Für die Beschiessnng von Schidlitz spricht, dass, wie wir sehen werden, in den folgenden Tagen Vorkehrungen zum Schutz desselben getroffen werden. Auch das Tagebuch der Division Heudelet (S. 133) spricht davon.

«) Ebenda.

*) d'Artois 327.

406

die Parole an diesem Tage abbestellt. Der General Campredon Oktober, besichtigt mit dem Obersten Ricbemont infolge der Beschiessuwg von Schidlitz die dortige Gegend, um den Platz für eine Redute zum Schutz des Eingangs dieses Dorfes zu ermitteln. Sie ent- scheiden sich für den Punkt, wo bisher ein Posten, genannt le poste du Chef de Bataillon (im Plane bei M.), zwischen der Batterie Kirgener und Schidlitz lag').

Das Wetter ist regnerisch, aber weniger kalt.

Der 25. In der ganzen Nacht zum 25. fällt heftiger Regen, so dass das Bombardement schweigt. Gegen 11 Uhr morgens beginnt es mit grosser Heftigkeit wieder. Da der Regen um 2 Uhr nachmittags wieder stärker wird und die ganze folgende Nacht anhält, wird es nur schwach genährt. Die Arbeiten wer- den aber trotz des Regens fortgesetzt*). Der Belagerer ver- längert die Tranchee links nach Wonneberg hin und erbaut am Ende derselben die Batterie 36 (g")*)- l^ie Batterie wird am 27. armirt. (Tagebuch des Majors Liebe).

Der 26. Der Belagerer erweitert und verstärkt in der Nacht zum 26. die bereits früher aufgeworfene Redute K" (bei d'Artois No. 16) und versieht sie mit Palisaden. Sie wurde am 27. beendet und mit 5— 24Pfündern gegen die Lünette Istrien armirt*). Das Bombardement bleibt wegen des schlechten Wetters unbedeutend, doch fallen immer noch in 24 Stunden 250 Bomben und 500 andere Geschosse ^). Die Russen benutzen

») Campredon 176, d'Artois 325.

*) Campredon 177.

^) V. Hake, Tagebnch und Liebe. d'Artois 325. Dass links der Schotten- häuser-Batterien in der Bichtung auf Wouneberg zwei Batterien in dieser Zeit erbaut wurden und nicht bloss eine, wie das Aper<;u behauptet, bezeugt auch der Bericht Dohna's an den König vom 29. Okt, (Kr.-Arch. F. 8 S. 17).

*) Apercju 286. Der Vf. nennt sie Redute von Dreilinden, DUring S. 111 und Liebe von Zigankenberg. Die Geschütze scheinen zum Theil von der Batterie auf dem Johanuisberge entnommen zu sein, denn der Major Liebe sagt in seinem Tagebuche, dass am 27. von der Bednte auf dem Johanuis- berge 4 24Pfünder nach einer mehr vorwärts gelegenen Bedute gebracht worden sind. Nach d'Artois S. 340 hatte die Bedutc 16 übrigena nur 4 Scharten, ebenso nach der skizzirten Geschichte.

*) D'Artois 326.

406

Oktober, die Zeit zur Ausbesserung ihrer Batterien, die durch das eigne Feuer gelitten haben. Gegen 4 Uhr nachmittags wird das Feuer wieder lebhafter. Der Belagerer vertieft den Laufgraben bei Zigankendorf und legt darin eine zweite Batterie No. 25 an \).

Von Seiten des Vertheidigers wird das Werk beim Posten des Bataillonschefs oder, wie d' Artois ihn nennt, poste du comman- dant, in der Nacht zum 26. in Angriff genommen und erhält den Namen avanc6e de Kirgencr, im Plane M (u")- Wegen des schlechten Wetters schreitet die Arbeit jedoch nur langsam fort und muss um 2 Uhr nachts ganz eingestellt werden. Die Baracken des Retranchements Zigankenberg sind nahezu voll- endet. Auf dem Bischofs- und Hagelsberge werden die Truppen in bedeckten Räumen untergebracht^).

Der 27. In der Nacht zum 27. erbaut der Belagerer eine Redute für 4 Mörser (i", bei d'Artois Redute No. 15) vorwärts Wonneberg und verbindet sie mittelst Laufgräben mit der Batterie g" (No. 36)'). Eine vom Belagerer gegen Schidlitz vor- gesendete Partei hob daselbst eine französische Feldwache auf*). Das Dorf Stadtgebiet und die Arbeiten in Schottland werden von ihm stark beschossen, namentlich leidet das Gebäude des Jesuiterkollegiums. Ein Civilarbeitcr wird getödtet und eine Frau schwer verwundet. Auch Feuer entsteht im Dorf, wird jedoch bald gelöscht.

*) D'Artois 340. Anch diese Batterie ist wie die No. 24 im Plane der ßkizzirten Geschichte (unter 8 und 9) eingezeichnet. Es kann daher kein Zweifel sein, dass die Angaben der französischen Ingenieure richtig sind und das Apercu hier eine Lücke hat.

*) Campredon 177.

') Apergu 286, d'Artois 341. Campredon sagt darüber S. 177: .Dans la nuit, Teunemi a commence une redoute ä 50 toises de notre postc ie plas avanc6, k ganche de Stolzenberg. II a bcaucoup avanc^ son ouvrage peudant la nuit. De Tautre cöt^ du redau, derriöre cette redoute, il a travaill6 k une tranch^e et une batterie pour soutenir cette redonte cu avant". Diese Batterie, im Plane der skizzirten Geschichte unter No. 6 aufgenommen und nach Liebe mit 4--24Pfündern armirt, wird vom aper^u ebeufaUs nicht er- wähnt.

*) Apercu 286. Auch Campredon hat das Seite 178 angedeutet, indem er erwähnt, dass die 2. Batterie von Schidlitz (soll wohl heissen 2. Barriere) angegriffen worden sei, der Feind sich aber nach dem Verbrennen von 2 liäusem wieder zurückgezogen habe.

407

Von Seiten des Vevtlieidigers wird die Arbeit an der avanc6e Oktober. Kirgeuer beschleunigt und auch am Tage fortgesetzt. Der Bischofsberg schiesst die ganze Nacht hindurch und auch die Batterien Kirgener und Istrien sind gegen die in Bau be- griffenen Batterien des Gegners in Thätigkeit.

Das Wetter ist schön, aber kalt ').

Der 28. Die Redute oder Mörserbatterie i " (No. 15) wird in der Nacht zum 28. beendet und eine neue Redute 1 ", in der Nähe von Schidlitz, sowie zwei neue Batterien n'" und m'" auf der Krete des Ravins von Dreilinden, wie sich das Apercu ausdrückt, werden begonnen^). In der Nacht um 1 Uhr unternimmt der Belagerer einen Angriff auf Schidlitz und zu beiden Seiten des Dorfes, wird jedoch zurückgeschlagen, setzt sich aber rechts des Dorfes fest»). Die Batterien No. 15 (i"), No. 16 (K") und No. 25 werden in der Nacht armirt und eröffnen am 28. das Feuer ; i " gegen die Batterien Friaul, K " und No. 25 gegen die Lünetten Istrien und Kirgener, wobei es sich ereignet, dass eine Kugel die Mündung eines 12-Pfünders in der Batterie Kirgener trifft und das Metall eindrückt. Das geladene Geschütz feuert in- folgedessen von selbst ab, und die Kugel stellt den Schaden wieder her. Die Batterien an den Schottenhäuseni beschiessen vorzugsweise die Lünetten Friaul und den Abschnitt von Schott- land. Nur einige Schuss werden nach der Stadt abgegeben. Die Lünetten Friaul werden hart mitgenommen und müssen ausgebessert werden. An der avancee Kirgener ist die Arbeit durch den Angriff unterbrochen worden. Auch an dem Abschnitt

') Campredon 178.

•) L'aper^u 287. Nach d'Artois 340 sind in dieser Nacht die Batterien 13 und 14 vorwärts Tempelhof zn beiden Seiten desselben begonnen worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie mit den Batterien m''' und u''' identisch sind nud das aperi^n sich in der Lage geirrt hat, denn von n'" und m'" kann man nicht nach dem Zigankenberg schiessen.

') Campredon 179 und sehr ausführlich im Tagebuch der Division Heudelet S. 133. Das Apercu erwähnt von diesem Angriff nichts, offenbar hängt damit jedoch der Bau der Kedute 1" zusammen. Die Bedute wird in den französischen Berichten erst später erwähnt und von d'Artois unter No. 19 genannt.

_ 408

Oktober, von Stadtgebiet hat die Arbeit auf einige Zeit eingestellt werden müssen. In der avancee Kirgener werden am 28. vier Manu verwundet. Die schwimmenden Batterien des Vertheidigere sind noch immer in Thätigkeit *)• Drei an den Guvemeur ab- gesendete Parlamentaire werden von diesem nicht angenommen.

Es ist Frost eingetreten, sonst ist das Wetter schön.

Der 29. In der Nacht zum 29. wird ein Laufgi-aben p" von der Batterie i'' (No. 15) in den Altdorfer Grund herab- geftthrt und erhält hier die Richtung auf die Batterien Friaul. Da, wo er die Krete des Plateaus erreicht, wird ein Redan 9" an- gelegt und damit Fuss auf dem Plateau gefasst*).

Der Angriflf auf Schidlitz von Seiten des Belagerers wird in der Nacht wiederholt. Ein Theil des Dorfes bleibt in seinem Besitz %

Auf Seiten des Belagerten können die Arbeiten an den Batterien Friaul und an der avancee Kirgener wegen Mangels an Arbeitern nicht fortgesetzt werden. Es war beabsichtigt gewesen, die gemauerten Reduits der Reduten Friaul durch Traversen zu maskiren, weil sie jetzt im Rücken beschossen wurden. Campredon notirt in seinem Tagebuch, dass die neue Batterie auf dem Damm bei Ohra die erste Coupure und die Gebäude des Jesuiterkollegiums beschiesst. Die Coupure war also noch im Besitz des Belagerten, ein Sappeur wird darin getödtet. In Bezug auf das Vorgehen des Belagerers gegen Schidlitz wird beschlossen, ein Werk links von Stolzenberg zu errichten (von der Stadt aus gesehen).

^) Ebeuda.

«) D'Artois 342. Campredon 180.

») Apercu 287. D'Artois stellt dies S. 340 in Abrede. Nach ihm ist der Angriff ebenfalls abgeschlagen worden. Campredon spricht sich nicht darüber aus, sehr ausführlich dagegen das Tagebuch der Division Hendelet Danach hat der Bataillonschef Carre und der Hauptmann Leclerc aUc Angriffe zurückgeschlagen. Am Morgen hat Carr6 jedoch die Besatzungen der Posten vorwärts Stolzenberg eingezogen und sie weiter rückwärts am Blockhaus von Stolzenberg in der Nähe des gelben Hauses aufgestellt. S. 134. In dem Gefecht dieser Nacht spielt der Posten gen. Pichon vorwärts Schidlitz eine Bolle, der nur in dem Tagebuch erwähnt wird. Er war am 13. mit der Parrie^re von Schidlitz durch einen gedeckten Weg verbunden worden.

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Das Wetter ist schlecht: Regen und abwechselnd Schnee '). Oktober.

Der 30. Der Belagerer geht aus dem in der vorigen Nacht erbauten Redan in Zickzacks gegen die Batterien Friaul vor^). Auf dem linken Flügel stellt er eine Kommunikation zur Re- dute K" (No. 16) her. Infolge eines neuen Angriffs auf Schid- litz wird ein Theil des Dorfs vom Belagerer in Besitz genommen, und der Bau der avancee Kirgener wird eingestellt, doch bleibt die Stelle noch vom Belagerten besetzt').

Die 3 Reduten auf dem Jesuiterberge (avanc6e und die Batterien Friaul) werden stark beschossen, wogegen das Bom- bardement gegen die Stadt nur schwach fortgesetzt wird. Wegen der dringenden Gefahr wird jedoch die Arbeit an der avancee Friaul und an dem Abschnitt in Schottland auch bei Tage fort- gesetzt. Es werden mehrere Arbeiter, daininter auch Civilisten, getödtet. Das beabsichtigte Werk links von Stolzenberg wird in Angriff genommen. Campredon notirt, dass der Feind einen Erdaufwurf gegenüber dem kleinen Posten am Eingange von Stolzenberg herstellt. Es ist die Redute 1" (No. 19) gemeint.

Der Tag ist schön und nur massig kalt*).

Der 31. In der Nacht zum 31. hat sich der Belagerer mit den vom Redan vorgetriebenen Zickzacks den Batterien Friaul bis auf 500 Schritt genähert und erbaut 3 Mörserbatterien r", s" nnd t". Zugleich wird der Laufgraben p" erweitert, um die Mörser darin fortschaffen zu können. Es sind 2400 Milizen und gegen 100 Sappeure und Pioniere dabei angestellt^). Am 31. Hess der Herzog die beiden Posten bei Stolzenberg angreifen und stellte die Vorposten näher gegen den Bischofsberg auf. Die Posten wurden genommen und eingeebnet®).

*) Campredon 180.

•) DArtois 342.

») D'Artois 341. Düring 115.

*) Campredon 180-182.

*) Apercu 288. D'Artois bat für diese Batterien in seinem Plan die Bezeichnung No. 41 und 42. „Hinsichtlich des Laufgrabens p" sei daran erinnert, dass sich der Geschützpark bei Schiddelkan befand, die Geschütze daher über Wonneberg transportirt wurden.

*) Ebenda. Unter diesen beiden Posten ist das krenelirte nnd mit Palisaden umgebene Haus am Eingange von Stolzenberg und das die Nacht

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Oktober. Fraiizösischerseits wird erwogen, ob es nicht angezeigt

wäre, mit Feldgeschützen, unterstülzt von einiger Infanterie, von Stolzenberg aus vorzugehen und die vom Redan aus vorgetrie- benen Laufgräben im Rücken zu fassen. Man steht jedoch da- von ab, um nicht ein grösseres Gefecht heraufzubeschwören *). Die avaucee Frioul wird mit 3 kleinen Mörsern vei-sehen *). Da die Sappen des Belagerers die erste Kupürc zu uberflügelu drohen, sieht man sich endlich veranlasst, diese zu räumen und die Truppen hinter den Abschnitt von Schottland zurückzuziehen, obgleich dieser noch nicht vollständig beendet ist*).

Ein Schiff von 200 Tonneu Ladung von Talg, Sirup und Leinöl, das von Riga kam und nach Stettin wollte, verirrt« sich in den Hafen von Neufahrwasser der Schiffer soll be- trunken gewesen sein und wurde vom Schiffskapitain Du- moutier mit Beschlag belegt*).

Das Feuer gegen die Speicherinsel wird wieder verstärkt ^).

Es tritt Frost ein und fällt Schnee.

Um diese Zeit erbaut der Belagerte am Krahnthor eine Brücke, weil die Brücken am Kuh- und grünen Thor infolge des Bombardements zu sehr ausgesetzt sind^). Auch beginnt in dieser Zeit infolge der Nachrichten über die Schlacht bei Leipzig die Desertion bei der Besatzung um sich zu greifen').

zuvor in Angriff genommene Werk links (südlich) vom Dorfe zu verstehen. Die französischen Berichterstatter schweigen darüber mit Ausnahme desjenigen von M****, le siege de Danzig en 1813 S. 134, Tagebuch der Division Heudelet, wonach es jedoch schon am 28. geschehen ist.

») Campredon 182, d'Artois 344.

') Campredon 182. D'Artois 344 (S. 346) sagt zwei, lässt aber, was Cam- predon nicht erwähnt, die Kurtiue zwischen den beiden Batterien Friaul mit 4 kleinen Mörsern bewaffnen.

') Campredon 182, d'Artois 344. Die Angabe des aper^u S. 285, dass die erste Coupnre schon am 22. geräumt worden ist, kann daher nicht richtig sein.

*) Apercu 289. d'Artois 349. Campredon notirt das S. 181 schon zum 30., womit auch Düring übereinstimmt (S. 113;. Beide stellen das Ereigniss wesentlich anders dar als das apergu und machen daraus eine Helden that des p. Dumoutier.

*) Aper<;u 289.

«) Düring 117.

') Ebenda 112.

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Der 1. November. In der Nacht zum 1. November werden November, die Batterien m'" und n"' aniiirt, die letztere mit 2 Mörsern, die erstere mit 2 Haubitzen und 4 24Pftindern. Die Redute 1 " wird beendet *).

Das Feuer gegen die Speicherinsel wird in der Nacht von allen Batterien, die Einsicht darauf haben, aufgenommen*). Die Sappen des Belagerers nähern sich den Batterien von Friaul bis auf 400 Schritt. Er treibt ausserdem Rekognoscirungen gegen die befestigten Posten auf dem Plateau des Stolzenberges vor, wird jedoch zurückgewiesen'**). Von Seiten des Belagerten werden die Batterien von Friaul ausgebessert und Masken (Traversen) vor den gemauerten Reduits derselben, welche dem direkten feindlichen Schuss ausgesetzt sind, angelegt*). Das Feuer der kleinen Mörser in der avancee Frioul zog das des Belagerers auf sich, so dass diese sowohl als die Batterien Fiiaul binnen kurzem zum schweigen gebracht wurden. Man erwartete in- folgedessen in der nächsten Nacht einen Angriff und stellte in Weingarten eine Reserve auf^).

Das Bombardement gegen die Speicherinsel wurde auch am Tage mit grosser Heftigkeit fortgesetzt und von der Fes- tung ebenso erwidert*'). Gegen 6 Uhr abends fiel eine Bombe in einen mit Hanf gefüllten Speicher in der Nähe der grünen Brücke, welcher in weniger als 10 Minuten in Flammen stand ^). Auch in der Nähe des Theerhofs brach Feuer aus. Der Ge- neral Camprcdon befand sich gei'ade beim Guverneur als die Meldung eintraf. Bei seiner Ankunft an der Feuerstätte gegen 7 Uhr fand er das Feuer bereits in erschrecklicher Ausdehnung. Ein heftiger Südostwind trieb es sodann in weniger als zwei

») Apercu 287. Vgl. S. 407 Note 2, wonach unter w'" und n'" die Batterien bei Tempelburg (13 und 14) gemeint sein mögen.

«) Ebenda 289.

3) Campredon 182.

*) Ebenda 183. Die Ausführung hat der lugenieurhauptmann Dieudonne.

*) Ebenda.

^) Nach d^Artois 365 hat die Artillerie des Platzes am 1. November und während der Nacht 4000 Schuss gethan. Für gewöhnlich geschahen in dieser Zeit täglich 1600 Schuss und selbst während des spätem Geschütz- kampfes am 17. November nur 3500 Schuss.

') Dttring 117.

412

Stunden in der Riclitung auf die Magazine fort, so dass eine Löschung ganz unmöglich war. Es gelang nur, einige Speicher zu räumen und die 6 Rossmtthlen zu retten. Gegen Mitternacht war die ganze Speicherinsel in Brand oder doch unrettbar be- droht. Der grössere Theil der Soldaten und die untern Volks- klassen raubten nur noch. Zahlreiche Kammerbestände an Be- kleidungsstücken, die wichtigsten Lazarethe, die Kasernen und der grösste Theil der noch vorhandenen Lebensmittel war ein Raub der Flammen geworden. Wunder barer weise wurde der in der Nähe befindliche Milchkannenthurm, der voll Munition war, verschont ^).

Der 2. November. Die Brandstätte wurde die ganze Nacht hindurch vom 1. zum 2. November vom Belagerer beschossen, aber die Bestürzung, die sich der ganzen Besatzung bemächtigt hatte, nur in beschränktem Masse ausgebeutet. Es erfolgten zwar um 10 Uhr abends Angriffe, aber mit so geringen Kräften, dass kein Erfolg erzielt wurde. Der Verfasser des apergu (also der Herzog selbst) sucht das damit zu begründen, dass die Zahl der Linientruppen nur 4000 Mann betragen habe, wovon noch der grösste Theil Rekruten gewesen wäre. Die Milizen seien aber zu schlecht bewaffnet gewesen, um sie zu einem Sturm auf die feindlichen Werke zu benutzen*). Der Herzog habe

>) Campredou 183. 184, d'Artois 353 ff., Blech 2, 262 ff., Düring 117 ff. Nacb d'Artois 366 wurden zwei Drittel der Muudvorräthe veruichtet und zwar 24299 Ctr. Getreide, 108 Ctr. Mehl, 53 Ctr. Reis, 228 Ctr. Salz und 404 880 Portionen Zwieback. Es blieb an Getreide kaum ein Vorrath für zwei Monate. Auch Blech schätzt (12268) den Mundvorralh auf zwei Drittel des Bestandes : 800 Last Getreide, 18000 Säcke Reis, Zwieback auf 14 Tage, ein ganzer Bording mit Salz. Der Werth der verbrannten Gebäude wurde mindestens auf zwei Millionen Thaler angeschlagen, ebenso hoch belief sich der Werth der der Bürgerschaft gehörigen Waaren.

^) Apergu 294. Es ist unverständlich, wie der Herzog auf die Zahl von 4000 Mann Linientrnppen kommt, da seine Stärkenach Weisung (Tableau II) gegen 9000 Linien truppen aufweist, die Rekruten sich auch seit Monaten vor Danzig befanden, also vollkommen kriegsbrauchbar sein konnten. Au Milizen, die ostpreussische Landwehr mit eingerechnet, waren gegen 20000 vorhanden, und wenn auch der 3. Theil davon bei den Russen mit Piken bewaifoet war, so hat das in der Nacht wenig zu sagen. Dabei führt der Herzog wieder- holeutlich an, dass die Milizen sich wie Veteranen geschlagen haben, und be* nutzte die preussische Landwehr vorzugsweise beim Sturm von Werken.

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daher nur die Absicht gehabt, den Feind die Nacht hindurch unter Waffen zu halten, ihn auf diese Weise zu entkräften und die Unordnung zu vermehren ').

^) Hiernach könnte es scheinen, als oh die in der Nacht vom 1. zum 2. Novemher ausgeführten Angriife durch die Feuershninst hervorgenifen worden wären. Das ist aher durchaus nicht der Fall. Die Angriffe waren vorher disponirt und hätten stattgefunden, auch wenn keine Feuershninst ausgehrochen wäre. Auch ist es eine untergeschobene Meinung, welche das aper<;a S. 294 ausspricht, dass der Angriff auf avanc^e Frionl gegen den Willen des Herzogs stattgefunden hätte, indem er damit nur eine Demon- stration beabsichtigt habe, um den Angriff auf avanc6e Kirgener und auf Stolzenberg zu begünstigen. Da mehrseitig bezeugt wird, dass den Truppen Arbeiter beigegeben waren, uro das Werk mit den rückwärtigen Laufgräben zu verbinden, kann nur ein ernstlicher AngrifiF beabsichtigt worden sein. Das Tagebuch des Majors von Hake (Kr. -Archiv) sagt darüber: „der am 80. Oktober beabsichtigte Angriff auf die kleine Schanze (avanc^e Frioul) unter dem Qeneral Tschemisch wurde heut ausgeführt. Man nahm die Schanze ...."' Ebenso deutlich ist der Bericht des Grafen Dohna vom 2. November an den König (Kr.-Archiv F. 19): „Euer Kgl. Majestät melde ich unterthänigst, dass gestern Abend ein Angriff auf die Verschanzungen des Feindes in Alt-Schottland, Stolzenberg und der Strasse von Schidlitz ge- macht wurde. Der General Tschernisch kommandirte auf dem rechten Flügel und Se. Kgl. Hoheit der Herzog hatte mir befohlen, ihm das 15. Preussische Landwehrbataillon von Spiess als Reserve zuzutheilen; der Oberst Peikert kom- mandirte das Centrum, und ihm war auf höhern Befehl das 18. Landwehrbataillon Graf Dohna zugetheilt. Der General Treskin kommandirte den linken Flügel, und ihm waren die Bataillone No. 10 von Bohlschwing und No. 14 von

Meyer zugetheilt Anfänglich war der Erfolg glänzend, nachdem aber

der Feind seine Verstärkungen herangezogen, mussten die errungenen Vor- theile aufgegeben werden. Die Angriffe geschahen ohne Zusammenhang und wurden nicht unterstützt''.

Vgl. auch die Briefe des Herrn von Brederlow vom 4. November und den vorher ohne Datum. AUgem. Milit.-Zeitung 1880.

Bezeichnend ist auch, was der Graf Dohna in seinem Bericht vom 2. November an den KOnig hinzufügt : „wahrscheinlich wird heut der Angriff erneuert werden, da es die Absicht Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs ist, auf der Höhe von Stolzenberg und der Jesuiterschanze die 1. Parallele zu eröffnen*'. Es mnsste sich jedem militairisch Gebildeten aufdrängen, dass ohne den Besitz der Jesuiterschanze die 1. Parallele gegen den Bischofsberg nicht eröffnet werden konnte. Auch scheint die Absicht vorgelegen zu haben, sich ihrer in der folgenden Nacht zu bemächtigen, denn der Major Liebe schreibt in seinem Tagebuche unterm 2. November : „die Juden- und Jesuiter- schanze wurden heftig beschossen, weil man in der folgenden Nacht stürmen

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Die Vorgänge der Nacht werden wie folgt erzählt. Um 10 Uhr abends erfolgte auf allen Punkten ein Zurückdrängen der Vorposten des Belagerten. Darauf wurden Altschottland und der Jesuiterberg, Schidlitz und die Höhen zu beiden Seiten desselben angegriflfeu. Die Belagerer schienen entschlossen, sagt Dtiring S. 118, diese Posten, es koste, was es wolle, zu nehmen und zu behaupten. Trotz unausgesetzter Kartätschschüsse vom Bischofsberge setzten sie sich in den Besitz der Flesche (avancee) von Friaul. Die Besatzung bestand nach d'Artois (S. 357) aus 50 Mann unter dem Hauptmann Maugin. Er wurde gleich zu anfang erschossen. Auch der Lieutenant Boery vom Ingenieur- korps, der das Kommando übernahm, erhielt zwei Schusswunden. Die anstürmenden Russen (vom preussischen Land weh rbataillon unterstützt) drangen in den Graben und rissen die Palisaden aus. Die Ersteigung der Brustwehr machte keine Schw^ierig- keiten, da die vordere Böschung durch mehrtägiges Beschiessen leicht zugänglich war. Die Lünette wurde sofort durch einen Laufgraben mit den rückwärtigen Trancheen verbunden. Der Guverneur, davon unterrichtet, schickte dem General Husson, welcher die Reserve der 30. Division kommandirte, den Befehl das Werk wiederzunehmen, damit sich der Feind nicht der Batterien Friaul bemächtigte. Der Angriif fiel einem Bataillon des 5. polni-

wollte, der Sturm unterblieb jedoch.^ Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass auch am 1. Norember die Absicht vorhanden war, nicht bloss das avancee, sondern auch die batteiies de Frioul zu nehmen, und dass dies nur an der Ausführung gescheitert ist, weshalb das aper<;u den Hangel an Erfolg zu verschleiern sucht. Der Graf Dohna, der in dieser Nacht nur Zuschauer war, macht denn auch in einem Schreiben vom 2. November, das er gelegentlich des Berichts an den König dem General v. d. Knesebeck zn- sendete, seinem Herzen Luft, indem er sagt: ,dass die herrschende Unord- nung mit jedem Tage zunimmt. Bei dem Gefecht der verwichenen Nacht war der General Tschemisch, der General Sosnin und der Oberst Pullet an- getrunken und die beiden erstem dermassen, dass sie die schrecklichsten Un- ordnungen veranlassten. Die Trnppen waren brav, aber ohne Leitung

Jeden Abend sehen wir hier die schrecklichsten Fenersbrünste in der Stadt und den Vorstädten, die Gegend wird durch nnregelmässige Fouragimngen und Plünderungen verheert, und während der Zeit giebt der Herzog jeden Abend Bälle und Concerte". Von solchem Balle waren obige 3 Herren ge- kommen, wie Brederlow mittheilt, der überhaupt in der Darstellung dieser Nacht köstlich ist.

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sehen Infanterie-Regiments unter dem Major Treny und der Frei- kompagnie des Hauptmanns Chambure zu ^). Nachdem das Feuer vom Bischofsberge 5 Minuten verstummt war, warfen sich die Polen von Altschottland her in die Kehle des Werkes, während Chambure, gedeckt durch den Hohlweg, der vom Wein- berg aufsteigt, es rechts umging. Die Besatzung wurde nach den französischen Berichten bis auf 20 Mann und einen Officier, die gefangen fortgeführt wurden, niedergemetzelt. Dasselbe behaupten die russischen Berichte bei der Einnahme des Werks. Die Franzosen planirten den von den Russen aufgeworfenen Laufgraben.

Inzwischen waren die Russen in Alt -Schottland bis zur 2. Kupüre vorgedrungen und unterhielten hier zwei Stunden hin- durch ein lebhaftes Kleingewehrfeuer gegen die Besatzung der- selben, wobei sie gegen den gedeckt stehenden Feind bedeutend im Nachtheil waren und erhebliche Verluste erlitten, bis sie schliesslich wieder abzogen. Der General Heudelet konnte gegen 1 Uhr die Reserve wieder nach der Stadt entlassen.

Um dieselbe Zeit entbrannte das Gefecht um Stolzenberg und die avancee Kirgener. Die Russen trafen hier bei ihrem Vorgehen auf keine anderen Kräfte als die gewöhnliche Vor- postenaufstellung mit ihren Repli's. Schidlitz und Stolzenberg waren von den Vorposten der 30., die avanc6e, von denen der 7. Division besetzt. Eine gemeinschaftliche Reserve war nicht vorhanden. Der General Treskin liess die avancee durch die beiden preussischen Landwehrbataillone , die ihm zugetheilt waren, angreifen, während der Oberst Peyker das Landwehr- bataillon als Reserve in Wonneberg zurückliess und mit den Russen angriff. „Beide Unternehmungen", sagt Pullet in seinem

*) Die Freicompagnie wird hier zam ersten Male erwähnt. Sie war im Oktober vom Gnvemeur wahrscheinlich nach dem Vorbilde der Danziger Frei- kompagnien in der Belagerung von 1734 errichtet worden und hatte den Zweck, den Belagerer in steter Unruhe zu erhalten, was bei dem geringen Stande der Besatzung durch Linientruppen nicht zu erreichen war. Die Mannschaft war ausser der Muskete mit Säbeln und Pistolen bewaffnet und bestand aus 70 Manu ausgesuchter Leute. Ihre Leistungen werden von den franz(tsischen Berichterstattern übertrieben, vom Herzoge zu gering angeschlagen.

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November. Jnrnal, „hatten einen überaus glücklichen Erfolg, so dass unser Verlust an Todten und Verwundeten bei dieser ersten Weg- nahme nur 20 Mann betrug.** Wenn Pullet dann aber fortfährt: „Viermal wurden in der nämlichen Zeit diese Redute wechsel- seitig erobert und verloren, dem ungeachtet wurden an solcher über 800 Schritt Umwandlungsarbeitcn gegen die feindliche Seite vollbracht**, so kann sich diese Angabe, soweit sie den Kampf betrifft, wohl nur auf das Gefecht am folgenden Morgen beziehen ; wie hätte sonst die bedeutende Arbeit von 800 Schritt Umwandlungsarbeiten ausgeführt werden können! Diese be- standen in der Herstellung eines Laufgrabens zur Verbindung der avanc6e u" (20) mit der Redute K" (16). Die schwache Besatzung von Stolzenberg hatte sich beim Angriff des Obersten Peyker in Ordnung auf die Lünette Cafarelli zurückgezogen. Wenn das Tagebuch Pullet's sagt: „Der Angriff auf Stolzen- berg hatte sich bis 3 Uhr gegen Morgen verspätet**, so wider- spricht das seiner ersten Angabe, dass Stolzenberg gleichzeitig mit der avancee genommen wurde, und kann sich daher wohl nur auf die Arbeiter beziehen, die erst um 3 Uhr anlangten. „Um die verspätete Zeit nachzuholen**, sagt das Tagebuch weiter, „begab sich der Direktor des Geniewesens (d. i. Pullet) mit seinen beiden Adjutanten, dem preussischen Lieutenant Brese und dem russischen Lieutenant Schmiedeknecht, dahin und theilte die Arbeit unter Benannte ein. Man brachte es so weit, dass um halb 6 Uhr morgens ein Logement für 150 Mann 600 Schritt vom bedeckten Wege des äussersten feind- Werkes mit Kommunikationen nach dem Grunde herunter mit völliger Deckungshöhe von 4 Fuss breit eingeschnitten war- Dieser Einschnitt formirte zugleich mit 200 Schritt Front den förmlichen linken Flügel der 1. Parallele unge- achtet des die ganze Arbeitszeit durch anhaltenden heftigen Kartätschfeuers. Die Nähe, in der man uns wahrscheinlich nicht vermuthete, und der Umstand, dass man den sanften Hügel, worauf die nachmalige Batterie angeordnet werden sollte, dicht vor der Front behielt, scheinen die Ursache gewesen zu sein, dass wir keinen einzigen Todten oder Blessirten hatten."* Am 2. um 10 Uhr morgens waren beide Positionen, um welche, be^sonders bei der auf der linken Seite, so heftig ge-

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stritten worden war, durch die Uebermacht des Feindes be- wältigt und verloren *).

Der General Heudelet hatte auf die Nachricht, dass Stolzen- berg habe geräumt werden müssen, den Major Garr6 beauf- tragt, nur 300 Mann auf dem Bischofsberge zurückzulassen, andere 100 Mann am Neugarter Thor aufzustellen und mit dem Rest der 1. Halbbrigade sich zur Rückeroberung von Stolzen- berg bereit zu stellen. Der General Rapp befahl jedoch, dass bei der Dunkelheit der Nacht und bei der Unkenntniss über die Stärke des Feindes der Angriff auf den folgenden Morgen verschoben werden sollte. Der Kommandeur der 7. Division, General Grandjean, sollte seinerseits die disponibeln Kräfte zur Rückeroberung der avanc6e stellen. Der General bestimmte zur Führung derselben den Brigadegeneral Devilliers, während die Truppen der 30. Division vom General Breissan geführt wurden.

Bevor der General Devilliers, dessen Truppen einen weitem Weg zurückzulegen hatten, noch heran war, griff der General Breissan die Stellung der Russen in Stolzenberg an, warf sie aus dem Laufgraben, den sie in der Nacht aufgeworfen hatten, heraus, ebenso aus den übrigen Posten von Stolzenberg, so dass das ganze Plateau wieder in den Händen der Franzosen war. Der General wurde hierbei am Kopfe schwer verwundet, so dass er einige Wochen darauf starb*).

') lieber das Gefecht selbst lässt sich das Tagebach Pdlet^s nicht aas. Dass es bis IG Uhr morgens daaerte, erwähnt auch der Graf Dohna in seinem Bericht vom 2. November an den König. Den Stnrm auf die avanc^e Frionl verlegt Pullet in dem Tagebuch auf die Nacht vom 28. zum 29. Oktober, wie es auch in die skizzirte Geschichte übergegangen ist. Offenbar liegt hier eine Absicht vor. Er trennt auf diese Weise die Thätigkeit des Obersten Manfredi, der zu dieser Zeit die Leitung der Arbeiten hatte, von der seinigen und erhielt von diesem Tage ab, wie er sich im Tagebuch ansdrttckt, die Leitung der Attacke unter dem Oberbefehl Sr. Königlichen Hoheit aus- schliesslich.

*) Diesen Thatsachen gegenüber, die das Tagebuch der Division Heu- delet und d*Artois, sowie das Tagebuch des Minors von Hake mittheilen, leugnet das aperen S. 298, dass am 2. November ein Gefecht bei Stolzenberg stattgefunden habe, und behauptet, die aufgeworfenen Laufgräben seien aus Missverständniss von den russischen Trappen verlassen worden, so dass sie

Köhler, Oeschichte d^rFestangenDanzig und Weicbselmtinde. 11. 87

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Der Angriff des Generals Devilliers erfolgte etwas später. Die avanc6e Kirgener fiel nach tapferem Widerstände wieder in die Hände der Franzosen und wurde von ihnen gegen wieder- holte Angriffe behauptet. Dabei fiel der preussische Major von Bohlschwing, als er eben sein Landwehrbataillon (Nr. 10) zum Angriff vorführte. Der Bruder des Lieutenants Brese, noch Portepefähnrich, wurde von einer Kanonenkugel todtlich ge- troffen. Das 10. Bataillon wurde vom Hauptmann v. Graeve- nitz mit vieler Umsicht und Tapferkeit weiter geführt, so dass ihn der Graf Dohna in seinem Bericht vom 2. November zum eisernen Kreuze vorschlug. Die aufgeworfenenLaufgräben wurden von den Franzosen zu beiden Seiten von Schidlitz wieder ein- geebnet. Der Hauptmann Dieudonn6 war mit französischen Pionieren und 400 Spaniern den ganzen Tag (2. November) da- mit beschäftigt.

Der Verlust war in dieser Nacht auf beiden Seiten sehr bedeutend. Der der Verbündeten wird vom Apercu (S. 299) auf 2 Offiziere und 320 Mann an Todten und Verwundeten und auf 25 Gefangene angegeben. Der der Franzosen bestand aus 153 Mann, worunter 11 Offiziere. Die Angabe (nach Düring S. 119) ei-scheint jedoch zu gering, da das Tagebuch der Division Heudelet den Verlust der Division allein auf 30 Mann an Todten und 147 Mann an Verwundeten angiebt. (de M*** si6ge de Dantzig en 1813 S. 138).

An die vergangene Nacht knüpfte sich eine weitere Span- nung des Verhältnisses zwischen dem Herzoge und dem Grafen Dohna, da dieser sich am folgenden Morgen zum Herzoge begab, um dagegen zu demonstrircn, dass preussische Landwehrbataillone

eine Stunde darauf von den Franzosen besetzt worden sind. Das aperen lässt sogar den General Breissan die avanc6e Kirgener angreifen und dabei seine tödtliche Wunde erbalten! Breissan gehörte zur Division Heudelet, Devilliers zur 7. Division Gran^jean. Vgl. ausserdem das Tagebuch des preussischen Landwehrbataillons No. 18 (Kr.-Archiv F. 9 S. 39), das dem General Peikert zugetheilt war, wonach das 2. russische See-Begiment in der Nacht vom 1. zum 2. November einen bedeutenden Verlust erlitt und aus ! Stolzenberg zurückgedrängt wurde. Das 18. Bataillon musste das See-Regi-

ment unterstützen, wobei der Pr.-Lientenant Haberlandt mit den Tirailleuren der 1. Kompagnie eine feindliche Redute auf dem Stolzenberg einnahm.

^419

unter russische Generäle gestellt würden, die sich der Truppe nicht verständlich machen könnten und daher unnöthige Ver- luste herbeiführten. Er verlangte, dass die preussischen Truppen als selbständige Division unter seiner Führung formirt würden. Die nächsten Tage brachten noch weitere Anträge des Grafen, die den Herzog schliesslich veranlassten, ihn auf den Dienst- weg zu verweisen, wonach er seine Anträge an den General Wiliarainow zu richten habe. Aufs äusserste fühlte sich Dohna aber verletzt, als der Herzog ihm durch den Major von Hake das Ansinnen zumuthete. seine Berichte an den König durch ihn gehen zu lassen. Dohna koncentrirte seine ganze Wuth auf den armen Major, dass er solche Aufträge übernehmen könne, und hat ihm das für die ganze Folgezeit nachgetragen. Trotz aller Verdienste und der wiederholten warmen Empfehlungen von Seiten des Herzogs an den König, hat der Major nicht das eiserne Kreuz bekommen. Es gehört nicht in unsere Aufgabe, näher auf diese Verhältnisse einzugehen. Unzweifelhaft befand sich der Graf im Recht, seine Truppe zu vertreten, doch wird man die Form, in der es geschah, nicht billigen können.

4. Der formliche AngrilT vom 3. bio 29. November.

Die 26 Tage der förmlichen Belagerung Danzigs bei vor- gerückter Jahreszeit in dieser nordischen Gegend erfolgten unter so eigenthümlichen Verhältnissen, dass die Belagerung nicht als Muster aufgestellt werden kann, was nicht ausschliesst, dass sie im höchsten Grade lehrreich ist. Der Vertheidiger war durch die Vernichtung des grössten Theils seiner Lebens- mittel infolge des Bombardements bereits auf das äusserste gebracht, aber auch der Dienststand der Besatzung, bei der Ausdehnung der Werke an und für sich schon unzureichend, verringerte sich gegen Ende der Belagerung durch die Vor- kommnisse in Deutschland, welche zu zahlreichen Desertionen der deutschen Elemente und der Mannschaft der von Napoleon annektirten Landschaften führten^), in dem Masse, dass er in

>) Der General Hnsson meldete am 21. November dem Gnvemeur, dass die Mannscliaften des 45. Regiments der 9. Halbbrigade (von der Küste der Nordsee und Hamburg) haufenweise desertiiten. d'Artois 410.

87*

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keiner Weise mehr aasreichte. Schliesslich verweigerte der noch bleibende Rest derselben eine Verwendung nach aussen. Der Vertheidiger war ausserdem durch den Mangel an Pferden in die Lage versetzt, seine Armirungsarbeiten, nach dem die Angrif^front sich ausgesprochen hatte, nicht in dem Umfange eintreten lassen zu können, welchen die Lage mit sich brachte. Der Bischofsberg konnte nicht mit der erforderlichen Anzahl von schweren Geschützen versehen werden, und die Schanzen vor dem Zigankenberg, welche durch ihre flankirende Lage den grössten Einfluss hätten aus&ben müssen, waren nur dürftig mit Geschützen ausgerüstet.

Auch der Angreifer verfügte nicht über eine ausreichende Mannschaft, um die ausgedehnten Arbeiten bewältigen zu können, welche der förmliche Angriff erforderlich machte. Die Auf- rechterhaltung der Blockade auf den nicht angegriffenen Fronten erheischte bei dem Umfange der Befestigungen Danzigs eine grosse Anzahl von Trappen, deren Stärke ausserdem durch Krankheiten, namentlich durch die Dyssenterie, nicht unbe- deutend verringert wurde'). In den Trancheen des Angriffs konnten noch keine 8000 Mann verwendet werden, von denen täglich 2000 Mann auf Arbeit kamen. Hierauf ist es wohl zurückzuführen, dass der Herzog zum Bau der 1. Parallele schritt, bevor er sich der einengenden Werke auf dem Ziganken- berge und der Jesuiterhöhe bemächtigt hatte, was nur durch einen gewaltsamen Angriff hätte geschehen können. Anstatt die Angriffsfront zu umfassen, wurde er infolgedessen selbst umfasst und verhindert, mit der Sappe vorzugehen. Wenn es ihm dann auch gelang, begünstigt durch eine überwältigende Geschützzahl, auf dem rechten Flügel vorzuschreiten, was übrigens nur durch den schwachen Dienststand des Belagerten, welcher Ausfälle verbot, möglich wurde, so ist er nach Bäumung der Werke der Jesuiterhöhe und von Schottland von Seiten der Gegner nicht über die ersteren vorgegangen, so dass er am Tage der Kapitulation immer noch 600 und mit seiner 1. Pa-

^) Das Bataillon Nr. 19 der ostpreiissischeu Landwehr musste wegen der zahlreichen Kranken am 27. Oktober nach Graudenz geschickt werden. Y. Hake. Tagebuch. Es wnrde durch das Bat. Nr. 13 (v. Rantter) ersetzt.

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rallele auf dem Plateau von Stolzenberg 700 Meter von den Werken des Bischofsberges entfernt war. Das Geschutzfeuer, auf das er allein vertraute, kann nur den vorbereitenden Akt aus- fähren und muss durch den Stoss ergänzt werden. Wenn dies schon im Feldkriege selbst bei den gegenwärtigen Waffen der Fall ist, um so vielmehr im Festungskriege, wo der Gegner hinter Deckungen steht und die Schäden, welche das Geschütz anrichtet, in der Nacht wieder beseitigen kann. Mit dem Ver- fahren, das der Herzog einschlug, hätte er noch recht lange vor Danzig zubringen können, bevor es gefallen wäre. Wie sehr er seine Lage, die durch den Eintritt der strengen Jahres- zeit noch verschlimmert wurde, erkannte, geht aus den täg- lichen Aufforderungen, die er seit dem 22. November unter den verschiedensten Vorwänden an Rapp richtete, in Unterhandlungen zu treten, und aus der gUnstigen Kapitulation hervor. Aus den Ausführungen im aperen liesse sich das freilich nicht er- kennen*). Erst am 25. ging der General Rapp darauf ein, nachdem ihm am 24. die Kommandeure der nicht französischen Truppentheile der Danziger Besatzung erklärt hatten, dass sie nicht länger im Stande wären, ihre Truppen zu beherrschen. Schon vor dieser Erklärung hatte Rapp dies, wie aus seiner Anrede an den Kriegsrath vom 23. hervorgeht *), erkannt. Diese Anrede, welche zum Zweck hatte, dem Kriegsrath die Nothwen- digkeit, mit dem Gegner zu paktiren, darzulegen, stellt die Ver- weigerung des Gehorsams dieser Truppentheile als die Haupt- veranlassung, an die üebergabe zu denken, hin. Der Mangel an Lebensmitteln, wovon noch auf 48 Tage vorhanden waren, folgt erst in zweiter Linie. Von einem Antheil, den der An- greifer durch die Zertrümmerung der Werke des Bischofsberges auf den Entschluss, in Unterhandlungen zu treten, ausgeübt hat, ist mit keinem Worte die Rede.

*) Plümicke (Sklzzirte Geschichte S. 180) giebt eine Anzahl von Gründen, anscheinend ans offizieller Qnelle an, die den Herzog znr Kapitulation yom 29. NoTember bestimmt haben sollen. Sie sind alle nur untergeordneter Art, die eigentlichen Grttnde werden verschwiegen, der Verfasser des apergn de- mentirt sie auch, ob mit Fug und Recht erscheint zweifelhaft.

*) Diese Rede vom 23. November giebt eine so prftcise Darstellung des Znstandes der Besatzung zur Zeit der Kapitulation, dass ich sie im An- hange (Nr. VI) aufgenommen habe.

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Wenden wir uns nach diesem Ueberblick zu den Details. Der Herzog von Wttrtemberg theilte für den Traucheedienst die Trappen in 6 Brigaden zu je 3 Bataillonen ^). Sie standen unter Befehl des Generallieutenants Löwis, der die Generalmajors Ada- durow und Naumow unter sich hatte. Das Lager der nicht im Dienst befindlichen lag vorwärts Wonneberg. Hinter den Trancheen bildeten das Tataren-Regiment Sympheropol und die Kosacken von Orenburg unter dem Befehl des Prinzen Balatnk eine Chaine. In Wonneberg lagen 200 Milizen, die als Kranken- träger dienten. Hinter Wonueberg stand eine Reserve von 3 Bataillonen, 10 Eskadrons und 2 Batterien *) unter dem General- major Jurlow und zum Schutz des rechten Flügels ein beson- deres Detachement, das jedoch noch unter Befehl des Ge- nerals Löwis stand, von 4 Bataillonen unter dem Generalmajor Tschernisch').

') Die 6 Brigaden waren wie folgt zusammengesetzt:

1. Brigade Oberat Stalipiu:

2 BataiUone des Kegiments Xoporski,

1 Bataillon der Miliz yon St. Petersburg.

2. Brigade, Oberst Peyker:

2 Bataillone des 2. Seeregiments,

1 Bataillon , Regiments Woronesch.

3. Brigade, Oberst Afrosimow:

2 Bataillone des 31. Jägerregiments^

1 Bataillon der Miliz von Jaroslaw.

4. Brigade, Oberst Graf Dobna: (v. Beneckendorf-Hiudenburg)

3 ostpreussische Landwehr-Bataillone.

5. Brigade, Major Julius:

2 BataiUone des Regiments Bransk,

1 Bataillon 3. Jägerregiments.

6. Brigade, Der preussische Major Oldenburg? (Graf Eulenbui^),

3 ostpreussische Landwehrbatailloue.

In Summa 18 BataiUone, von deneu 10 der Linie angehörten, in der Stärke von 7800 Mann, worunter 3800 Milizen.

*) Die Reserve war aus folgenden Triippentheilen zusammengesetzt:

2 Bataillone der Miliz von St. Petersburg,

1 Bataillon ostpreussischer Landwehr,

4 Eskadrons des Dragonerregimeuts Kasan,

6 ostpreussischer Landwehr-Kavallerie,

2 Batterien.

•) Das Detachement, welches das Dorf Ohra und die Schottenhäuser zu besetzen hatte, bestand au9

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Die Stellungen rechts und links der Trancheen bis zum Strande waren in der bisherigen Weise besetzt*).

Das Hauptquartier, das während des Waffenstillstandes nach Jenkau verlegt worden war und sich seit Ausgang desselben in Polanken befand, wurde seit anfang' Oktober nach Zankenczin verlegt ^).

Die Direktion der Arbeiten hatte der preussische Oberst von Pullet. Als seine Adjutanten fungirten die Ingenieurlieu- tenants Brese und Schmiedeknecht.

Die Leitung der Trancheearbeiten hatte der Oberstlieutenant von den Sappeuron, Danilow. Trancheemajor war der Haupt- mann Doering. Als Officiere du jour dienten die Hauptleute Streckenbach, Ewriemoch und der preussische Ingenieurhaupt- mann von Gayette.

Die Ingenieur- und Sappeurofficiere wurden in 5 Brigaden getheilt, deren Chefs die Hauptleute Sawitsch, Datzky, Olderok, Solowjew und Radeke waren'). Jedem waren 3 bis 5 Lieu- tenants zugetheilt.

Der Ingenieuroberst Manfredi mit 2 Adjutanten und der Hauptmann Kool*) befanden sich im Hauptquartier.

Die Sappeure und Pioniere lagerten vorwärts Schönfeld.

Kommandeur der russischen Artillerie war der Oberst

2 Bataillonen des 1. Seeregiments, 1 Bataillon des 18. Jägerregiments,

1 Bataillon der Miliz von St. Petersburg und

2 Geschützen.

^) Das vorstehende nach dem Apercu S. 3 13 ff. Das rassische Bela- gerungsjnmal (Archiv S. 124) giebt eine andere Eintheilung der Truppen, die wahrscheinlich davon herrührt, dass von Zeit zu Zeit Ablösungen ein- traten.

*) So behauptet das aper^u S. 319, während der Major Hake, der dem Hauptquartier seit dem 2. Oktober angehörte, in seinem Tagebuche ausdrück- lich anführt, es sei am 1. Oktober nach Polanken verlegt worden, wie auch das Datum der verschiedenen Briefe des Herzogs bezeugt.

') Die 2. Brigade befand sich zu Langfuhr.

*) Kool war Holländer und stand vor dem Feldznge von 1812 in Danzig, wo er bei den Bauten beschäftigt war. Er wurde während des Feldzugs zu den mobilen Truppen versetzt und desertirte zu den Küssen, denen er detail- Hrte Pläne namentlich über die Befestigung des Bischofsberges zuführte. Näheres bei d'Artois 374 Note 2.

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I I I _

Schulmann. Ihm waren der preussische Major Liebe und der Hauptmann Pitscher zugetheilt ^). Wie bereits oben angeführt worden ist, befand sich der grosse Geschützpai^k vorwärts Schiddelkau, das Pulver in einer Tenainmulde hinter Nenkau ; ein kleineres Pulvermagazin für den täglichen Verbrauch war bei Wonneberg, der Materialienpark des Ingenieurkorps bei Matsch- kau, ein kleinerer bei Miggan, die Ambulanzen und das ärzt- liche Personal in Wonneberg*).

Die Belagerten waren zur Zeit wie folgt vertheilt: Die 30. Division (Heudelet) vom Neugartener Thor bis zum Bastion Ochs, den Bischofsberg, Schottland und Jesuiterhöhe inbegriffen ^. Die 34. Division (Bachelu) von Bastion Ochs bis zur Mündung der Mottlau in die Weichsel.

Das 11. polnische und 1. westfälische Regiment von der Mündung der Mottlau bis zum Bastion Jacob.

Das 10. polnische und 13. baierische Regiment von der Lünette Tardivelle vor dem Holzraum bis zum Neugarter Thor, Hagelsberg und Holm eingerechnet.

Das 5. polnische Regiment hatte das Retranchement Zi- gankenberg besetzt.

^) Aperen S. 319, 320. >) Ebenda S. 318, 319.

*) Im Speciellen war die Division Heudelet uach dem Tagebuch derselben S. 140, 141 uach Aufgebung der Beduten Friaul seit dem 23. wie folgt aufgestellt:

1 Officier und 25 Mann in der Lünette Lasalc, 1 , 25 « , Delzons. Zwischen diesen äussersten Posten befand sich eine von 6 Officieren kommandirte Linie von Posten in der Stärke von 200 Mann, 150 Toisen vom Bischofsberg vorgeschoben.

1 Offider 30 Mann am Petershagener Thor 1 9 30 9 , Neugarter Thor

1 a 25 im Bastion Yigilance

1 « 26 , Sandgrube

3 Officiere 120 als Posten im Innern des Bischofsberges

2 , 40 . in der Lflnette Cafarelli 2 40 Ledere

2 50 , im Lager des Betranchements Holm

3 a 100 Fort Napoleon 15 200 . in Weichseimünde,

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Im Fort Desaix befanden sich 300, im Fort Lacoste 120 unberittene Reiter und Dragoner; in den Kasernen der Stadt das 6. und 7. neapolitanische Regiment. Die Reserve war aus der kaiserlichen Garde, der Marine und den dabei angestellten Arbeitern, den Mineuren und Sappeuren (in Langgarten) zusam- mengesetzt. Sie lagen sämmtlich in der Stadt. In Weichsel- munde und Neufahrwasser befanden sich das 29. Regiment, zur 34. Division gehörig, Dragoner und eine Kompagnie pol- nischer Sappeure.

Die Stärke der Besatzung geht aus dem Schreiben heiTor, welches der General Rapp dem Hauptmann Marnier an den Kaiser Napoleon mitgab, um ihn nach dem grossen Brande vom 1. November von seiner trostlosen Lage zu unterrichten. Da- nach bestand das zehnte Armeekorps noch aus 17597 Mann, wovon 4097 krank waren und 600 aus Gendarmen, Intendantur- beamten und unbewaffneten Arbeitern bestanden, so dass nur 12900 Kombattanten übrig blieben. Nach den Waffen ver- theilten sich diese wie folgt: 1600 Mann bei der Artillerie, 320 beim Ingenieurkorps, 250 Mann Garde, 480 bei der Marine, 950 Reiter (unberitten), 9300 Mann Fussvolk. Letzteres bestand aus 3500 Franzosen, 3300 Polen, 1300 Neapolitanern und 1200 Deutschen ^).

üeber den Zustand der Besatzung sagt der General Cam- predon in seinem Tagebuche unterm 3. November: „Die Lage der Besatzung wurde in dieser Zeit äusserst misslich. Die ausserordentlichen Beschwerden , die Krankheiten , welche wieder begonnen, hatten die Mannschaft so geschwächt, dass sie kaum noch zu der gewöhnlichen Besatzung der Wälle aus- reichte'). Dennoch fiel keiner derselben in die Hände des Feindes.

») d'Artoia S. 381.

') Rapp war eutBchlossen, Weichselmünde aufzugeben und dessen Be- satzung nach Danzig zu ziehen , wenn die Mannschaft daselbst nicht mehr ausreichte. Er hatte zu dem Zweck seit dem 15. September die Werke von Weichselmünde und Neufahrwasser unterminiren lassen, um sie in die Luft zu sprengen, wenn der Fall eintrat. Düring 129. d'Artois 421. Kichemont, der die Unterminirung ebenfalls erzählt, behauptet, er habe das ohne Wissen 4es Quvem^urs ausführen lassen, um gelegentlich der Unterhandlungen beim

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„Am beunruhigendsten war, dass ein Theil der Besatzung aufsätzig wurde. Die Deutschen, von dem Unglück unserer Armee bei Leipzig unterrichtet und von ihren Fürsten abbe- rufen*), verweigerten den äussern Dienst und Hessen jeden Augenblick einen Aufstand befürchten trotz ihrer Offleiere, welche die Gesetze der Ehre mit der Treue, die sie ihren Fürsten schuldeten, zu vereinigen wussten, und deren Verhalten bis zum letzten Augenblick des höchsten Lobes voll war. Die Bayern, deren Tapferkeit und Diensteifer unübertroffen dasteht, zeigten stets eine Gesinnung, die sie den Franzosen theuer machten. Die .braven Polen, zahlreicher als die Deutschen, haben sich während der ganzen Dauer der Belagerung durch ihre Tapferkeit und bewundernswerthe Hingebung ausgezeichnet, obgleich sie vom Feinde durch Proklamationen bearbeitet wur- den, uns zu verlassen. Die Franzosen, denen man unter diesen Umständen die schwierigsten Posten geben musste, waren von diesem harten Dienst vollkommen ausgemergelt und erlitten jeden Tag viel Verluste.

„Der Hunger fing an unleidlich zu werden. Der Soldat erhielt seit 8 Monaten nur eine geringe Portion von getrock-

Abachloss der Kapitulation auf deu Herzog vou Würtemberg zu wirken. Himly, capitulation de Danzig. Paris 1841 S. 26. Wohin doch der Ehrgeiz führen kann!

>) Da» ist ein offenbarer Irrthum von Campredon. Von keinem Fürsten ist die BUckbemfong der Tmppen eingetroffen. d'Artois erzählt S. 411, dass der Kommandeur des baierischen Regiments, Oberst Graf Butlar, am 11. November vor Rapp erschien und ein Schreiben vorzeigte, das er vom Ilorzog von Würtem- berg erhalten hatte, wonach dieser dem Obersten das Bündniss seines Königs mit den Alliirten mittheilte und auf sein Ehrenwort versicherte, dass er den Be- fehl habe, die Baiern als Rebellen zu behandeln, wenn sie künftig noch in den Reihen der französischen Armee kämpfen würden. Da der Oberst keinen direkten Befehl von seinem Könige hatte, glaubte er den General Rapp, der übrigens vom Herzoge auch direkt davon benachrichtigt worden war, nicht ver- lassen zu dürfen. Da aber andererseits das Bündniss Baiems mit deu Alliirten nicht zu bezweifeln sei, erklärte er, dass er die Waffen gegen diese Mächte nicht länger führen könne. Der General entband ihn vom äussern Dienst Vgl. auch Dttring S. 132. Die Westfahlen hatten noch am 22. die Batterie Fischer besetzt, als sie von den Russen angegriffen wurde. Wie wir gesehen haben, bat der Major Bauer erst am 24. den General Rapp darum, das Re- giment vom äussern Dienst zu entbinden, was der General sofort bewillig.

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netem Pferdefleisch (denn es wurden nur die Pferde an die Schläcliterei abgeliefert, welche dienstunfähig waren). Die un- reinsten Thiere, wenn sie nur geniessbar waren, wurden ver- schlungen. Das Pökelfleisch war ausgegangen, ebenso das trockene Gemüse. Der Branntwein und das Salz waren nahe daran zu schwinden. Der Augenblick kam immer näher, wo nur noch Getreide vorhanden war, das aber nur mit grossen Schwierigkeiten gemahlen werden konnte, da die Mühlen grösstentheils durch das Bombardement zerstört waren und auch der Best dem gleichen Schicksal entgegenging. Mit einem Wort, es schien unmöglich, die Kräfte der durch die Strapazen erschöpften Mannschaft noch länger aufrecht zu erhalten.

„Dazu kam, dass seit 5 Monaten kein Sold mehr bezahlt worden war, was unter den fremden Truppen eine grosse Un- zufriedenheit erzeugte.

„Aber mitten unter diesen traurigen Verhältnissen, welche der beginnende Frost noch steigerte*), weil er den gewalt- samen Angriff des Feindes in Aussicht stellte, zeigte die Be- satzung immer noch eine unerschütterliche Festigkeit, und na- mentlich entwickelten die französischen Truppen in den täglichen Gefechten, die immer blutiger wurden, einen heroischen Muth*)."

Der Eingang des Schreibens Rapp's an Napoleon, das er dem Hauptmann Marnier mitgab, lautete: Unsere Lage, Sire, ist die

^) Mau ging dem nicht uuyorbereitet eutgegea. Seit dem Oktober wurde daran gearbeitet, die 14 Fronten der Inundation mit einer 2. Palisadenreihe anf der Faussebraie zu versehen. Der grösste Theil der Palisaden bestand aus runden Stammhölzern, von denen die der ansspringenden Winkel eine Stärke von 65 bis 70 Centimetem hatten. An den am meisten bedrohten Punkten wurde selbst eine dritte Beihe und anf der Berme zum Theil eine vierte gesetzt. Ausserdem wurde für jeden eingehenden Waffenplatz ein so- genannter Bording beschafft, ein Fahrzeug von 23 Meter Länge und 3 Meter und dariiber Breite. Die Wände desselben waren mit je 11 Scharten ver- sehen, einige hatten auf dem Verdeck noch eine Brustwehr aus Strauchwerk von 2 Meter Höhe. Im Innern waren sie für den Winter eingerichtet und mit Oefen, Feldbetten, Tischen und Bänken versehen. Ihre Bestimmung war als Blockhaus für den Waffenplatz zu dienen. Kähne stellten die Verbindung zwischen den Bordings her und dienten auch als Eisbrecher, um die gefronien Gräben mit einer offenen Eünette zu versehen. d*Artois S. 347.

*) Oampredon, Auriol S. 189, 190.

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traurigste; wenn Sie es nicht ermöglichen, uns zu entsetzen, bleibt der Besatzung, welche sich durch lange und erfolgreiche Kämpfe unsterblich gemacht hat, nur noch die Aussicht, eine glorreiche Vertheidigung durch die Gefangenschaft zu be- endigen ^).

Es war unter diesen Verhältnissen, dass der Herzog von Wtirtemberg die erste Parallele eröffnen Hess.

Obgleich der Herzog im allgemeinen sehr gut fiber die Lage der Dinge in Danzig unterrichtet war, konnte er doch nicht Kenntniss von den Zuständen haben, wie sie aus obigen Mit- theilungen hervorgehen. Es ist ihm dalier nicht hoch genug anzurechnen, dass er trotz der vorgerückten Jahreszeit, welche eine baldige Einstellung der Belagerungsarbeiten in Aussicht stellte, zur förmlichen Belagerung schritt. Seine ganze Um- gebung, mit Ausnahme des Obersten von Pullet, stellte ihm die Unmöglichkeit vor, einen Platz wie Danzig durch Gewalt zu nehmen, und hielt die Blockade für ausreichend. Letzteres hätte, wie die Verhältnisse in Danzig lagen, in Wirklichkeit allerdings zu demselben Resultat geführt, aber niemand im russischen Lager konnte wissen, dass die Lebensmittel f&r die Besatzung nur noch bis zum 1. Januar reichen wfirden. Es zeugt von der grossen Energie des Herzogs, die sich auch überall sonst zeigte, dass er sich von den Hindernissen, die sich der förmlichen Belagerung entgegenstellten, nicht abschrecken Hess *).

Ich nehme hier das Tagebuch wieder auf. November. 3- November. In der Nacht zum 3. wiederholte der Be-

lagerer die Angriffe der vorhergehenden Nacht auf die Höhen zu beiden Seiten des Dorfes Schidütz, die augenblicklich ver-

'} d'Artois S. 381.

') Schon der alleinige Umstand, wie es mög^lich sein werde, die aussei^ ordentlich schweren englischen Geschütze hei dem aufgeweichten herbstlichen Boden in die Batterien zu schaffen, da keine Pferde dazn vorhanden waren, hätte von dem Gedanken einer Belagerung abschrecken kOnnen. Der Herzog Hess die Armirang der Batterien durch die Pferde der Baschkiren ausführen. Es waren drei Nächte dazu erforderlich, und es ging ziemlich laut dabei her. Campredon hat es in seinem Tagebuche notirt, dass man daraus auf die Ar- mirung der Batterien schloss.

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loren gegangen waren, ohne erheblichen Widerstand zu finden. November. Der Belagerte war nicht mehr im stände, die erforderlichen Kräfte auf die Behauptung der Stellung zu verwenden, doch blieb er noch im Besitz der avanc6e Kirgener. Der Oberst von Pullet, der die Arbeiten stets persönlich leitete, Hess so- gleich die Redute a' (18) in Angriff nehmen *), welche den linken Flügel der in der folgenden Nacht zu erbauenden 1. Parallele gegen die Reduten Kirgener und Istrien decken sollte*). Gleich- zeitig mit dieser Redute wurde noch eine dritte (p') an der Stelle erbaut, wo der rechte Flügel der Parallele zu liegen kommen sollte^).

Das Dorf Schidlitz wurde etwa in der Mitte seiner Länge von einer Kupüre durchbrochen und auf diese Weise ein Ab- schnitt hergestellt. Zu diesen Arbeiten waren 2200 Mann an- gestellt worden. Der Bau der beiden Reduten wurde, be- günstigt durch einen Nebel, der bis Mittag anhielt, auch am 3. fortgesetzt, so dass sie gegen Abend bis auf die Palisadirungen fertig wurden. Die Batterien an den Schottenhäusern erhielten den Befehl, das Feuer zu verdoppeln, um die Aufmerksamkeit des Feindes abzulenken*).

Auf Seiten des Belagerten fasste man die Arbeiten der Nacht als Eröffnung der 1. Parallele auf, und der General Httsson erhielt den Befehl, einen Ausfall darauf zu machen. Er rückte bei Tagesanbruch bis an die Werke heran, fand aber so überlegene Kräfte gegen sich, dass er von einem An- griff abstand^). Die französischen Ingenieure waren durch die

') Apercu 306. Der Verfasser sagt irrthttmlich a' und V.

*) Die Rednte 18 wnrde anch die Batterie Brese, die Redute 19 die Batterie Eool genannt.

') Der Pnnkt p' (39 bei d ^Artois) ist so gewählt, dass er den ftnssersten Punkt nach Süden bildete, wo noch eine Batterieanlage möglich war, da von da ab das Terrain nach Altdorf abf äUt and die Aussicht auf die feindlichen Werke nimmt.

*) Apergu 323.

^ d'Artois 371. Campredon 187. Der Verfasser des aper^u macht S. 325 d'Artois den Vorwurf, dass er einen Angriff durch Husson gegen den Bau der 1. Parallele ausführen lässt, der gar nicht stattgefunden habe. Das ist jedoch ein Irrthum. D'Artois wie der General Campredon erwähnen diesen Ausfall am 3., wo nach ihrer Ansicht die 1. ParaUele eröffnet wurde; der

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November. Bauten des Belagerers für die Reduten aaf der Jesuiterhöhe besorgt, weil sie von dort im Kücken gefasst werden konnten. Sie bemühten sich daher, auf dem Judenberg eine Stelle aus- findig zu machen, die sich zur Anlage eines Werkes eignete. Die Schwierigkeit lag jedoch darin, dass der Feind einmal im Besitz der Batterien von Frioul die Verbindung des Juden- bergs bedrohte. Auch würde das Werk, wenn es etwas nützen sollte, viel Zeit in Anspruch genommen haben. Man begnügte sich daher, den Bau der Traversen, welche die Reduits der Batterien Friaul schützen sollten und bereits in Arbeit waren, zu beschleunigen. Dasselbe fand an dem Abschnitt in Schott- land statt, der noch nicht vollkommen beendigt war. Auch der Verhau vom Jesuiter-Kollegium nach der Avanc6e Frioul war noch unvollendet. Die Brustwehren der Lfiuetten Cafarelli und Leclerc wurden verstärkt').

Die Kälte hatte nachgelassen.

4. In der Nacht zum 4. wurde die 1. Parallele in der Weise vervollständigt, dass die Reduten a' (18) und p' (39) durch eine Tranchee verbunden wurden. Es waren dabei 2000 Arbeiter thätig, die durch 3 Bataillone gedeckt wurden. Als Reser\'e waren einige ostpreussische Landwehrbataillone weiter rückwärts aufgestellt *). Die Arbeit scheint vom Gegner

Verfasser des aper^u spricht aber vom 4., wo die ParaUele in Wirklichkeit erst ausgeführt wurde, wenigstens nach der Darstellnng des apergu. Es handelt sich dabei nur nm ein Wortspiel, denn die Tranchee gegen den Bischofsberg ist jedenfalls schon in dieser Nacht vom 2. zum 3. eröffnet worden, wie der Verfasser des Apercu S. 421 auch anerkennt, wenn auch nicht in ihrer ganzen Ausdehnung. Den Ausfall bestätigt auch der Land- wehrofficier des Bataillons HiUsen v. Brederlow aus eigner Anschauung und das Tagebuch der Division Heudelet, das den Verlust des Generals Husson auf einen Hauptmann (Milcent), 2 Officiere und 20 Mann Verwundete und 3 Todte angiebt.

*) Campredon 187. d*Artois 373.

*) Apercu 323, 324. Pullet spricht sich in dem Tagebuch der Ingenieur* arbeiten (Kr.-Arch. F. 9) wie folgt über die Arbeiten aus: ^Vom 3. zum 4. und zum 6. war die Arbeit auf dem linken Flügel der 1. Parallele dahin gediehen, dass solcher nicht nur durch 3 hintereinander liegende Batterien, wovon die 3. und letzte mit Palisaden geschlossen, kräftig unterstützt, sondern auch die 1. Parallele vollkommen zur Hälfte angefertigt und mit der Position auf den Schottenhäuser Hohen verbunden war, ohne dass der Feind diese Arbeit

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gar nicht bemerkt worden zu sein, da die Arbeiter und Be- November, deckungstruppen nicht einen Mann verloren. Campredon be- merkt in seinem Tagebuch, der Feind rückt nicht über seine Position hinaus und beschäftigt sich mit den Verbindungen nach hinten^). Er setzte voraus, dass die 1. Parallele bereits fertig war.

Der linke Flügel der ersten Parallele war etwas zurück- gezogen, um von den Reduten des Retranchements Ziganken- berg nicht enfilirt zu werden *). Nach den russischen Berichten lag die 1. Parallele 650 Schritt vom Bischofsberge ab, nach den französischen 700 Meter von den ausspringenden Winkeln der Lünetten Cafarelli und Ledere und 900 Meter von den Werken des Forts. Das Terrain spricht für die französische Angabe *).

Von Seiten des Belagerten räumte man in der Nacht zum 4. das Dorf Schidlitz und die Häusergruppen in den anliegenden Mulden, brannte sie aber aus. Nur ein Haus in der nach Zigankendorf führenden Schlucht wurde erhalten und binnen 24 Stunden zu einem Blockhaus umgeformt. Der Bau der avancee Kirgener wurde sistirt, doch blieb der Posten noch be- setzt*). Mit aller Anstrengung wurde dagegen an der Ar- mirung des Bischofsberges gearbeitet. Die französischen Inge- nieure waren durch die Eröffnung der 1. Parallele, die keinen Zweifel mehr liess, dass es sich um einen förmlichen Angriff des Bischofsberges handele, völlig überrascht worden und hatten bisher nichts zu seiner Armirung gethan. Der Stillstand im

für das zn nehmen scheint, was sie wirklich ist.'' Es ist jedoch zu bemerken, dass die Batterie b' (Nr. 17) erst in der Nacht zum 6. erbaut worden ist.

^) Campredon 190.

*) Um bei der Ausdrucks weise des aper^u zu bleiben, wonach die 1. ParaUele zwischen den beiden Beduten 18 (a') und 39 (p') geführt wurde, bildete die ParaUele nicht eine direkte Verbindung zwischen beiden Beduten, sondern ging von Bedute 18 im weiten Bogen durch das Dorf Stolzenberg und mehrfach en cremaill6re zur Bedute p' (39) hin. Die Bedate 17 (b') existirte noch nicht.

') Der Msgor Liebe ist auch damit nicht zufrieden, sondern behauptet, er hätte die Erhöhung der Geschütze für 1200 Schritt und mehr nehmen müssen. Tagebuch. Kr.-Archiv F. 9.

*) Campredon 190. d'Artois.

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November. Vorgehn bei Langfuhr, die heftige Beschiessang der Werke auf der Jesaiterhöhe und in letzter Zeit die Anlage mehrerer Bat- terien in der Gegend von Schidlitz, sowie die Oefechte daselbst und bei Stolzenberg hätten darauf führen sollen. Aber erst am 3. erkannten sie die Gefahr*).

Es wurden nunmehr alle Punkte der Umfassung und der Aussenwerke, die Einsicht auf den Angriff hatten, stärker be- waffnet. Es wurden die Punkte bestimmt, wo Leuchtpfannen aufzustellen waren. In den Kehlen der Reduten Eirgener and Istrien wurden Flanken angesetzt, um eine grössere Front nach dem Angriffsfeld hin zu gewinnen^). Der Abschnitt vor Schottland und die Werke auf der Jesuiterhöhe wurden, soweit es noch erforderlich war, palisadirt. Auf dem Bischofsberge wird auf eine gesicherte Unterkunft der Truppen Bedacht genommen. Traversen gegen den Rikoschetschuss werden erbaut und das Ingenieurpersonal bedeutend erhöht. Bisher waren der chef de bataillon Michaud vom Ingenieurkorps und der Hauptmann Dieudonnö mit den Lieutenants d'Artois und Lapasque (von den Mineuren) mit der Ausführung der Arbeiten betraut ge- wesen. Sie werden durch zwei Hauptlente und 3 Lieutenants verstärkt. Ebenso wird das Personal und Material der Ar- tillerie*) vermehrt. Der Stand wird auf 350 Artilleristen und

^) D^ ce moment, sagt der Bericht tlber die Ingenieorarbeiten (Anriol S. 288), nons pümes juger avec assez de probabilit6 (!) les projets de Tassi^- geant, qui jusqa^alors ayaient paru douteux, und nacbdem er dies näher aus- einandergesetzt bat, fährt er fort: Nons dümes croire^ös lors qne Tassi^-geant, qni, pendant dcnx mois d'attaqne, avait 6t6 tenne k une si grande distance, roalgr6 nn trös grand d^veloppement de tranch^e, sontenn par le feu, ne vonlait pas se contenter de brftler la ville par ses bombes, ses obus et ses bonlets rongcs dont il a lanc6 nne tr^ grande qnantit^, et que son projet 6tait de diriger nne attaqne r^uli^re yers le fort de Bischofeberg.

*) Die Verstärkung der Armimng des Zigankenbergs besduränkte sich jedoch nnr anf 2 Stücke in Lttnette Istrien. d^Artois 372.

*) Die Zahl und die Gattungen der Geschütze anf dem ßischofsbeige mit den Anschlusslinien an das Nengarter und Petershagenerthor bestanden aus: 18— 24Pfündem, 21— 12Pfündem, 13— SPfündem, 17— GPföndem, 1— 4Pfünder, 7— SPfündem,

4 Haubitzen zu 6 Zoll 4 Linien, 5 zu 24 (Pfund?)

9 Mörser zu 10, 13 zu 6 Zoll,

433

500 Aushilfemannschaften anderer Waffen gebracht. Zum Kom- November, mandeur der Artillerie wird der Kommandant Farjau ernannt mit dem Hauptmann Aumont als Adjutant. Kommandant des Forts ist der Oberst Cabrio*). Das Wetter ist schön.

Am 5. In der Nacht zum 5. wurden die Beduten a' (18) 1" (19) und p' (38) mit Palisaden versehen und armirt, die beiden ersteren mit je 4, die letztere mit 6 24 Pfändern. Die avanc^e Kirgener wurde mit dem Bajonett genommen und sogleich mit der Bedute k" (16) durch eine Tranchee ver- bunden ^. Die in der Nacht vom 1. zum 2. ausgeführte Tranchee, welche den gleichen Zweck hatte, war, wie wir gesehen haben, vom Belagerten wieder eingeebnet worden. Die avanc^e wurde vom Belagerer zu einer Redute ausgebaut und erhielt den Namen Wilhelmsschanze. Sie wurde nach rechts mit der 1. Parallele verbunden. Doch scheint sie wegen der üeberhöhung durch die Batterie Kirgener nicht mit Geschützen versehen worden zu sein. Der Major Liebe erhielt vom Herzog den Befehl, die Stein- schleuse zu beschiessen ').

Der Hauptmann Chambure schiffte sich in der Nacht zum 5. mit der Freikompagnie in Neufahrwasser ein und landete hinter dem Retranchement von Neufehr auf der Nehrung. Er fiberfiel das Hauptquartier des Obersten Ekeln in Bohnsack. Ein Schuppen, worin sich die Pferde des Obersten und zwei Schmieden befanden, wurde verbrannt. Inzwischen hatten sich die Russen seiner zwei Fahrzeuge bemächtigt, so dass er bei seiner Rück-

in Samma 77 Kanonen, 31 Warfgeschtttze = 108.

d'Artois 368.

0 Campredon.

*) Apercu 326. Nach d'Artois 375 nnd Campredon 193 war die Be- satzung instrnirt im FaH des Angriffs keinen ernstlichen Widerstand entgegen- zusetzen, was in soweit begründet erscheint,, dass französischerseits kein Versuch gemacht wurde, sie wieder zu nehmen. Sie muss sich also haben ttberraschen lassen, da sie niedergemacht wurde. Zu halten war sie nicht länger, da die Beduten 18 und 19 nur 600 Schritt davon ablagen und die russischen Schützen sich auf halbe Gewehrschussweite davon eingegraben hatten, um jeden aufs Kom zu nehmen, der den Kopf vorstreckte. Nach d'Artois 373 wurde die Redute 16 auch mit den Batterien 24 und 26 durch eine Tranchee verbunden.

") Tagebuch des M^jor Liebe.

Köhler, Geschichte der Festangen Danzlg and Weiohselmünde. II. 28

43^

Noyember. kehr sich nicht wieder einschiffen konnte. Es gelang ihm jedoch sich nach Weichselmttnde durcliznschlagen^).

Im übrigen wurden die Armirungsarbeiten auf dem Bischofs- berge in Schottland und in den Reduteu fortgesetzt. Campredon bemerkt, dass das Feuer auf dem Bischofsberge schlecht dirigirt worden sei, wofür auch die geringen Verluste der Russen sprechen. Sie konnten am Tage an ihren Zickzacks zur Verbindung nach rückwärts fortarbeiten und eine Arriere-Parallele erbauen*). Der Tag war schön.

Am 6. Der Belagerer erbaut in der Nacht zum 6. die Batterie b' (No. 17) gegen das Neugar ter Thor und das Ketranchement ') und pflanzt von der Nehrung aus gegenüber dem Ganskruge 8 Haubitzen und eine Anzahl Con- grevischer Raketen unter dem Schutz von 2 Bataillonen und einigen Kosacken auf, um Langgarten, namentlich das Guver- nementsgebäude und die Pulvermühle auf dem englischen Damm,

') Aperga 327. d'Artois 376 und Campredon 194 machen von seinen Erfolgen viel Aufhebens. Er soll Kanonen vernagelt und 300 Kann getödtet haben. Die preussischen Berichte wissen davon nichts. Tagebuch des preussi- schen Landwehr-BataiUons Nr. 17 (Oelrichs), das speciell von dem UeberfaU betroffen wurde. Kr.-Arch. F. 9.

*) Tagebücher des Majors v. Hake und Pullet's. Letzterer spricht sich ttber den Zweck der Arriere-Parallele dahin aus: sich zwischen beiden Pa- rallelen zu schlagen, falls der Feind einen Ausfall auf die 1. Parallele wagen sollte. Der Oberstlieutenant Pullet glaubte hierdurch mehr im Vortheil zu bleiben, als wenn man sich mit ungeübten Truppen zwischen der 1. Parallele und der Festung schlagen müsse.

^ Campredon 194: ;,Nnit du 5. au 6. L^ennemi commence une batterie sur le mamelon auquel aboutit la gauche de sa parallele. Cette batterie, ainsi que les deux en arriere sur les mamelons qui couronneut Schidlitz, paraissent dirig^es sur le front de Neugarten et les derriöres du camp re- tranch6 du Zigankenberg." Es geht daraus hervor, dass die Batterie b' (17) bei Eröffnung der 1. Parallele noch nicht vorhanden war und letztere daher nicht von ihr ausgegangen sein kann, obgleich sie infolge des grossen Bogens, den die Parallele von Batterie Brese aus nach vorwärts beschrieb, auf dem linken Flügel derselben lag, d. h. jetzt daselbst erbaut wurde. Wir haben hier wiederum ein Beispiel der summarischen Darstellungsweise des Verfassers vom aper^u. Das Tagebuch des Major Liebe damit übereinstimmend erwähnt noch, dass die nissischen Pioniere den Scharten eine falsche Direktion gegeben haben.

435 _

zu beschiessen. Eine Holzniederlagc ging infolgedessen in Flammen auf*).

Von selten des Belagerten werden die Armirungsarbeiten fortgesetzt und zwischen den Reduten Istrien und Kirgener Batterieanlagen erbaut ^). Von ihrer Armirung und Verwendung erfährt man jedoch nichts.

Das Wetter ist regnerisch, die Temperatur gelinde.

Gegen Abend erschien ein Parlamentair des Herzogs von Würtemberg bei den Vorposten an der grossen Allee und gab ein Schreiben desselben an den General Bapp ab. Es lautet:

General !

Ich habe vor einigen Tagen einen Parlamentair mit Trom- peter an Euer Excellenz abgeschickt. Die Vorposten haben sie sich annähern lassen und dann auf sie geschossen. Ich bin nicht wenig über diese Verletzung de^ Völkerrechts be- troffen gewesen, wiederhole jedoch den Versuch, um Sie über die Kriegslage aufzuklären, wonach Sie nicht die geringste Aussicht haben entsetzt zu werden. Ich gehe auf Details nicht ein, da sie Ihnen nur schmerzlich sein würden, gebe Ihnen aber mein Ehrenwort, dass die grosse französische Armee auf dem Rßckzuge nach dem Rhein begriffen ist und Dresden sowie Er- furt geräumt hat. In dem Augenblick, wo ich schreibe, hat sie wahrscheinlich den Rhein schon überschritten. Im übrigen bin ich bereit, ihnen die Zeitungen, welche darüber Nachricht geben, zu übersenden. Es scheint mir danach an der Zeit zu sein, dass Euer Excellenz Ihre Lage und die der Besatzung in reifliche üeberlegung ziehen, da es dazu bald nicht mehr Zeit sein möchte, und dass Sie Sich bemühen, Ihrer Regierung ein Truppenkorps zu erhalten, was sich durch ein beiderseitiges ehrenvolles und vortheilhaftes üebereinkommen erreichen Hesse. Ich bin im Besitz aller Mittel Sie zu zwingen, nicht länger einen Platz zu vertheidigen, der ohne Aussicht ist, entsetzt oder mit Lebensmitteln versehen zu werden. Mögen Sie bedenken,

>) Apercu 331. Campredon 195, d'Artois 377. ') Campredon 196.

jtg*

436

dass ich keine andern Beweggrunde habe, als der Stadt das Elend zu ersparen, unter dem sie seit so langer Zeit leidet.

Mit ausgezeichneter Hocliachtung

gez.: Alexander von Wflrtemberg General en chef.

Der General Rapp antwortete sofort wie folgt: Monseigneur!

Ich beeile mich das Schreiben zu beantworten, womit Eure Konigl. Hoheit mich am heutigen Tage beehrt haben. Der Par- lamentair, der vor kurzem an mich abgesendet worden ist, würde angenommen worden sein, wenn nicht in demselben Augenblick und in naher Entfernung davon der Versuch gemacht worden wäre, Proklamationen an meine Truppen auszutheilen und wenn Ihre Batterien nicht das Feuer fortgesetzt hätten. Auch ist erst auf ihn geschossen worden, nachdem er wiederholentlich darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass man ihn zwingen werde, sich zu entfernen.

Eure Königl. Hoheit benachrichtigen mich von den traurigen Ereignissen der französischen Armee und geben Ihr Ehrenwort für deren Wahrheit ab. Danach ist es mir nicht gestattet, daran zu zweifeln. Ich erlaube mir jedoch Sie darauf aufmerk- sam zu machen, dass das Glück unbeständig ist und die Erfolge im Kriege sich jeden Tag ändern können, so dass Ihre allge- mein gehaltenen Zusicherungen mich nicht abhalten können auf irgend eine Unterstützung, sei es durch Waffengewalt oder durch Unterhandlungen zu hoffen, und dass ich noch mit allem versehen bin, um mich auf längere Zeit zu vertheidigen. Ich kann nicht darauf denken in Unterhandlungen zu treten, ohne die Pflichten, die mir auferlegt sind, zu verletzen. Eure Königl. Hoheit versichern, dass Sie im Besitz aller Mittel sind mich zu zwingen, die Vertheidigung des Platzes, der mir anvertraut ist, aufzugeben. Das ist von Ihrem Standpunkte aus ganz richtig, aber Sie kennen nicht die Mittel, die mir zu geböte stehen und erst nach dieser Kenntniss würden Sie die Ihrigen, mich zu zwingen, abmessen können.

Ich bitte Sie überzeugt zu sein, dass ich auf Ilire Achtung grosses Gewicht lege, dass ich aber, um sie zu verdienen, in der Vertheidigung wie bisher fortfahren muss, auch wenn dies

437

nicht schon durch die Pflichten gegen meinen Suverain geboten November. wäre.

Die Zeitungen werde ich mit Dank annehmen, wenn Sie die Gewogenheit haben wollten, auch die französischen denen der alliirteu Mächte beizulegen.

Im übrigen versichere ich Eurer Königl. Hoheit, dass die Leiden der Bewohner Danzigs mich ebenfalls im hohen Grade bekümmei*n, dass ich sie aber nicht verschuldet habe.

Was Euer Königl. Hoheit auch über mich beschliessen werden, so bitte ich Sie überzeugt zu sein, dass dies meine Ge- fühle gegen Sie nicht alteriren werde.

gez.: Graf Kapp.

Ein Adjutant des Generals gab am 7. das Antwortschreiben bei den Vorposten in Langfuhr ab *).

Am 7. In der Nacht zum 7. macht die Freikompagnie des Kapitain Chambure eine Laudung zwischen Brösen und Konrads- hammer, wird aber von den Kosacken zurückgetrieben*).

Auf beiden Seiten werden die Arbeiten in der Nacht fort- gesetzt. Am Morgen eröffnen die beiden Batterien 18 (a') und 19 (1'') das Feuer. Der Belagerte macht infolgedessen das Neugartener Thor, das beschossen wird, zu^).

Die Bescliiessung der Steinschleuse wird fortgesetzt, jedoch ohne allen Erfolg. Es gelingt auch nicht, die dabei befindliche Mühle in Brand zu stecken, obgleich eine Belohnung darauf gesetzt ist*)

Das Wetter ist feucht und kalt-^).

Am 8. Die Batterien 18 und 19 werden palisadirt % Die Batterie 17 (b'), auch Schmiedeknecht genannt, eröffnet am

*) Die beiden Schreiben werden von Campredon mitgetheilt. Anriol S. 195 ff.

*) Aper<ju 339. d'Artois macht (378) aus dieser Expedition Chambure's eine grosse Heldenthat, lässt das mssische Barackenlager verbrennen, 8 Russen tödten, 30 Mann verwunden und mehrere Kosackenpferde erbeuten.

») Campredon 197.

*) Tagebuch des Major Liebe. Kr.-Arch. F. 9.

*) Campredon.

•) Apercu 337. Die erste Parallele ist bis zu diesem Tage voHständig hergestellt. ^On s'occupa jusqu'au 28. October (8. November) ä consolider tous nos ouvrages.''

438

November. Morgen das Feuer'). Auf seilen des Belagerten wird die rechts gelegene Batterie Frioul mit fougasses k bombes vei^ehen^. Der Bischofsberg unterhält ein lebhaftes Feuer auf die feind- lichen Arbeiten, dagegen thnn die Batterien Eirgener und Is- trien, wie Gampredon bemerkt, nicht ihre Schuldigkeit. Sie scheinen ihren Vortheil, die 1. Parallele zu enfiliren und zum Theil im Rttcken zu fassen, nicht zu verstehen.

Der Tag ist schön und nur massig kalt').

Am 9. Das Bombardement der Batterien an den Schotten- häusern dauert fort. Der Belagerer vereinigt in der Nacht zum 9. seine Attacke gegen die Jesuiterschanze (batteries de Frioul) mit den Batterien r" s" t" durch einen Laufgraben mit der 1. Parallele bei p' und verlängert ihn bis zu den Schotten- häusern*). Die Linie, welche nunmehr den rechten Flügel der

J) Gampredon 201.

*) Die fougasses & bombes bestanden uacb d'Artois in einem Kasten, der mit 4— 10"gen Bomben und 6 Pfund Pulver geladen war.

') Gampredon.

^) Beriebt PuUets an den König vom 9. November nebst Skiasze sagt: In Verfolg meines Berichts vom 5. b. melde Ew. KönigL Majestät ich unter- tbänigst, dass das Stück der 1. Parallele aa in gestriger Nacbt unter meiner persönlichen Leitung, nachdem es die vorige Nacbt missglückt war, 100 Schritt vom Feinde (von der Judenschanze) ab, gefertigt worden ist, ohne dass wir sonderlich vom Feinde gestört worden w&ren. Sämmtlicbe Parallelen sind so breit, dass zwei Wagen darin vorbeifahren können. Um halb 12 Uhr in der Nacht begab ich mich, nachdem ich die auszuführenden Arbeiten drei kaiserlichen Ingenieur-Officieren übergeben hatte, nach der Schanze Ziganken- dorf gegenüber (Wilhelmsschanze), um die dortigen Arbeiten zu revidiren. Eine Kanonenkugel riss mir hier meinen 2. Adjutanten, den kaiserlichen Lieutenant Schmiedeknecbt, von der Seite .... In der nämlichen Schanze ist der Unterofficier Brese geblieben. Bei meiner Bückkehr nach dem rechten Flügel fand ich die Tranchee in so gutem Fortgange, dass ich die Arbeiter nm 4 Ubr entlassen konnte." Diese 3Iclduug steht im Widerspruche mit dem Tagebuche PuUets (siehe oben S. 430 Note 2), wird aber von d'Artois (S. 375) und Gampredon (202) bestätigt. Das Tagebuch führt in der Nacht vom 8. zum 9. nur den Tod des Lieutenants Schmiedeknecht au. Der Irrthum des Tagebuchs ist auch in die „Skizzirte Geschichte'' (129) übergegangen, wonach der Hauptmann v. Gayette den Anschluss der 1. Parallele an die Schotten- häuser in der Nacht vom 4. zum ö. ausgeführt hat. Noch auffallender als der Irrthum des Tagebuchs ist, dass das Apercu die wichtige Nachricht der Verlängerung der ersten Parallele mit Stillschweigen übergeht.

439

1. Parallele bildet, geht etwa hundert Meter bei der Juden- schanze (poste du sergent) vorbei. Sie kommt damit der Jesuiterschanze sehr nahe, namentlich der avanc6e. Die 1. Pa- rallele erhält dadurch eine Ausdehnung von 2300 Schritt, wird aber von der avanc6e Frioul zum Theil enfllirt*), doch schützt das Terrain dagegen. Auch ist die avanc^e ohne Geschütz, weil man die Haubitze zurückgezogen hat, die das feindliche Feuer zu sehr auf sich zog. Der Oberst Ekeln erschien in dieser Nacht wiederum dem Ganskruge gegenüber und beschoss Langgarten. Er hat das im Lauf der Belagerung noch mehr- fach wiederholt*). Am 9. reiste der Hauptmann Marnier mit Depeschen des Generals Rapp zur See zu Napoleon ab^). Der General schreibt: „Unsere Lage ist die betrübendste und wenn Euer Majestät Armeen Sie nicht instand setzen, die Belagerung baldigst aufzuheben, so bleibt der Besatzung, welche sich durch lange und unaufhörliche Erfolge unsterblich gemacht hat, nur die Aussicht, die glorreiche Vertheidigung durch die Gefangen- schaft abzuschliessen.^

Wir erfahren aus den Depeschen noch, dass die Armee zur Zeit 17597 Mann zählte und zwar:

in den Lazarethen 1182

Kranke

im Revier . . . 2915 j

Gensdarmerie, Intendantur, Beamte pp. ,600

Kombattanten 12,900.

. Die Vertheilung auf die einzelnen Waffen und Nationali- täten siehe d'Artois 381.

Ueber das Verhältniss des Herzogs zu Rapp schreibt Pullet in dem Bericht vom 9. an den König: „Die Verheerung in Danzig soll schrecklich sein. Sie hat die Vorräthe des Guverneurs so mitgenommen, dass er sich seit 3 Tagen wider seine sonstige Art sehr umgänglich beweist, indem er wieder Parlamentaire annimmt und vom Herzoge das Anerbieten, ihm authentische Nachrichten über den gegenwärtigen Zustand in Deutschland mitzutheilen, angenommen hat." Vgl. S. 436.

') Campredon 202. *) Apercu 340.

•) Campredon 202. d'Artois 381. Letzterer theilt im Anhange VI, S. 479 auch den Bericht der abenteuerlichen Reise des Kapitains mit.

440

November. Der Herzog hatte am 8. ein neues Schreiben (datirt Po-

lanken 7.) an Bapp bei den Vorposten abgeben lassen, worin er gelegentlich der Uebersenduug einiger Zeitungen seine Vor- stellungen wiederholt und am Schluss die Bitte hinzufügt, dass der General die bairischen Truppen entlassen möge. Er ver- pflichtet sich, sie nicht zurückzuhalten und zu verwenden, sondern nach Hause zu schicken.

Er stellt in Aussicht, diese Bitte auch bald auf die Sachsen und Polen auszudehnen, da der Friede mit dem Könige von Sachsen in einigen Tagen abgeschlossen sein wird. Der General Rapp antwortete darauf am 9. und bemerkt unter anderem : „Die Aufgabe der Besatzung ist ganz unabhängig von den Begeben- heiten, sie hat sich bis auf den letzten Mann zu vertheidigen und ich habe eine viel zu hohe Idee von der Charakterstärke Euer Königl. Hoheit, um daran zu zweifeln, dass ich mit dieser Auf- fassung eine höhere Stufe in Ihrer Achtung erwerben werde. Wenn Sie Sich auf das Elend und die Leiden der Bewohner Danzigs beziehen, so nehme ich als Mensch und das wissen alle den grössten Antheil daran, als Soldat aber ist es die letzte Bttcksicht, die ich zu nehmen habe. Wenn Sie die Ueber- zeugung haben, dass ich nicht mehr entsetzt werden kann und nur noch auf wenige Wochen Lebensmittel habe, so ist kein Grund vorhanden, warum Sie das Bombardement nicht einstellen. Was den Abfall Baiems betrifft, den Sie mir mittheilen, so hat das für mich keinen officiellen Charakter, da für mich nur .der Befehl des Kaisers massgebend sein kann. Ich kann daher die Baiern ohne Befehl des Kaisers nicht entlassen. Da Sie auf diesen Punkt einen so grossen Werth legen, so gestatten Sie, dass ich einen Offleier an meinen Suverain sende, dessen Rück- kehr volle Klarheit in die Situation bringen würde" *).

Am 10. In der Nacht zum 10. beginnt auf Seiten der AUiirten der Batteriebau in der 1. Parallele*). Die dispo-

*) Campredou nnd anderwärts.

*) Ich folge in Nachstehendem den Angaben des aperen S. 341 und, was die Zwecke der einzelneu Batterien betrifft, S. 368 desselben, gebe im Anhange V aber das Tagebuch des Major Liebe fär diese Zeit, worin die Armirungs- arl^eiten der 1. Parallele von einem andern Gesichtspunkte aus dargestellt

441

niblen Kräfte erlaubten nur successiv damit vorzugehen. Es wird mit den Batterien des linken Flügels begonnen und werden deren 4 in Angriff genommen. Der Verfasser des apergu be- zeichnet sie mit r, m', n', o'; T soll mit 4 24 Pffindern be- waffnet werden und die Lttnette Cafarelli beschiessen, m', mit 4 24 Pffittdern bewaffnet, ist gegen die Kontregarde Scharfen- ort bestimmt, n' soll 12 Mörser erhalten und damit die Bas- tione Mittel und Scharfenort bewerfen, o ' mit 4 12 Pfändern und 2 Haubitzen bewaffnet, ist gegen Lfinette Leclerc und Bas- stion Mittel bestimmt^).

Nach dem Tagebuch des Major Liebe werden bei Schell- rnühl 4— 13'^ge grosse metaUene russische Mörser aufgestellt, um mit 200 pfundigen Bomben die Wohnung Rapp's in Langgarten zu beunruhigen. Die Veranlassung lag wohl mehr darin, dass der Rest von Lebensmitteln der Besatzung nach dem grossen Brande in Langgarten untergebracht war.

Der Ausbau der Wilhelmsschanze wird vom Belagerer be- endet und die Schanze mit Palisaden versehen. Das linke Werk von Batterie Friaul erhält in dieser Nacht ebenfalls fougasses k bombes. Die Armirungsarbeiten des Bischofsberges werden fortgesetzt. Der Batteriebau in der 1. Parallele scheint vom Belagerer nicht wahrgenommen worden zu sein.

In der Nacht war Regen gefallen, der Tag war schön und mild.

An diesem Tage langte ein drittes Schreiben des Herzogs an Rapp an, worin er sagt, dass seine Kenntnisse, wonach die Besatzung nur noch auf 25 Tage mit Lebensmitteln versehen sei, vom Hauptmann Marnier herrühre, dessen Schiff von einem englischen Hooker aufgebracht worden sei ^. Femer theilt der

werden und reich an artilleristischen Details sind, deren Anfzählnng für das allgemeine Tagebnch sich nicht eignen wtlrde.

') Das aperen bringt noch auf derselben Seite die Notiz, dass die Franzosen Alt-Schottland nnd die Gebäude bis znm Petershagener Thor angesteckt hätten. Wenn dies der FaU gewesen wäre, hätten sie das Dorf auch räumen müssen, was indessen erst am 22. erfolgt ist. Dagegen ist von seiten der Bussen wiederholentlich der Versuch gemacht worden, das Dorf niederzubrennen, ohne dass es gelangen wäre. Der Major Liebe sucht die Ursache davon darin, dass die Zimmer leer gewesen wären.

') Wie der Verfasser des aper^u S. 340 eingesteht, h^be der Herzog

442

Herzog den soeben eingetroflfenen Befehl des Kaisers Alexander mit, wonach die Besatzung, wenn sie sich nicht sofort ergiebt, nur noch auf eine capitulation k discretion zu rechnen habe. Es wird dann davon abhängen, ob bei der Uebergabe noch auf 25 Tage Lebensmittel vorhanden sein werden oder nicht. Im letztern Fall soll die Besatzung als Rebellen betrachtet und nach Russland abgeführt werden. Die Sendung eines Officiers an Napoleon wird abgelehnt. Alle ferneren Parlamentaire mit Ausnahme desjenigen, welcher die Antwort auf das vorliegende Schreiben bringt, werden abgewiesen werden, wenn sie nicht mit weisser Flagge erscheinen.

Die Antwort des Generals Rapp geht am folgenden Tage ein und lautet: Wenn Ew. Königl. Hoheit die üeberzeugung gewonnen haben, dass die Besatzung nur noch auf 25 Tage Lebensmittel hat, so beruht das auf Nachrichten, welche weit entfernt davon sind, genau zu sein und ich weiss nicht, wie die Gefangennahme des Hauptmanns Marnier damit in Beziehung stehen soll. Die uebergabe des Platzes, welcher mir anvertraut ist, liegt noch so fern, dass an Unterhandlungen nicht gedacht werden kann. Seiner Zeit wird sich mein Parlamentair ein- stellen. Wenn Ew. Kgl. Hoheit bemerken, dass Sie keinen ohne weisse Flagge mehr empfangen werden, so mögen Sie bedenken, dass meine Mannschaft nie einwilligen wird, Demüthigungen hinzunehmen und ich im äussersten Fall noch mehr wie einen Gegenstand zu bieten haben werde, der Ew. Kgl. Hoheit bewegen könnte, als Kompensation zu dienen. Zum Schluss erlaube ich mir Ew. Kgl. Hoheit mein Bedauern auszusprechen, dass Sie mir nicht gestattet haben, einen Offizier an den Kaiser Napoleon zu schicken, da die Anwesenheit des Kaisers in Paris kein Hinderniss in dieser Beziehung abgeben kann. Dieses Mittel würde für die Verbündeten ohne Nach- theil sein, wäre vielmehr das einzige, welches die Angelegen- heiten Danzigs zum Abschluss bringen könnte. Wenn es mög- lich wäre, sich hierüber zu einigen, würde ich einen Offizier

sieh hier der List bcdicut. Der Hauptmann Marnier ist glücklich dnrchge^ kommen. Der Verfasser kommt S. 383 nqch einmal darauf zurück,

443

nach Langfuhr »enden, um die Nützlichkeit dieser Massregel November, für beide Theile noch weiter auseinander zu setzen *).

gez.: Rapp.

Am 11. In der Nacht zum 11. wird hinter der 1. Parallele südlich p' eine Brustwehr zur Deckung für Reiterei erbaut*). Langgarten wird von neuem vom jenseitigen Weichselufer aus be- schossen, doch ohne Erfolg. Dagegen brennt es auf dem Theer-. hofe^).

In der ersten Parallele legt die preussische Artillerie Bettungen zu 5 Batterien k 6 Mörsern, zwischen je 2 Mörsern werden Traversen erbaut, um sich gegen die Zigankenschanze zu sichern und für jede Batterie eine Pulverkammer. In der Nacht (10. zum 11.) findet die Armirung der Batterien mit 11 lOpfündigen eisernen preussischen Mörsern und 10 8 "gen eisernen englischen, 3 50 pfundigen preussischen metallenen und 6 lOpfündigen preussischen eisernen Mörsern statt*).

Am 11. morgens um 3 Uhr machten die Franzosen einen Ausfall auf die 1. Parallele, wurden aber mit einem Verlust von 7 Todten zurückgeschlagen. Der Verlust preussischerseits betrug 3 Todte und 15 leicht Verwundete*).

Am 12. Das Bombardement und der Batteriebau werden

^) Beide Briefe bei Campredon. Im Auszuge bei d^Artois S. 395 uud im aperen S. 339.

*) Apercu 342. Der Verfasser führt noch an, dass in dieser Nacht die arriere Parallele erbaut worden sei, doch ist das wahrscheinlich eine Ver- wechslung mit dem Bau der arriere Parallele hinter dem rechten Flügel, den das Tagebuch Pullets in der folgenden Nacht erwähnt.

^) Dies wird auch vom Major Liebe bestätigt, der jedoch die Gegend der Steinschleuse bezeichnet.

^) Tagebuch des Major Liebe. Kr. -Archiv. Neben und zwischen den Mörsern wird eine Batterie zu 4 und 2 zu 5 Kanonen erbaut.

^) Tagebuch der Ingenieurarbeiten und Bericht Pullet's an den König vom 9., ferner Tagebuch der 4. Ostpreussischen Landwehr-Brigade (Kr.-Arch. F. 9), der das Bataillon Nr. 13 (v. Rautter), welches vom Ausfall betroffen wurde, angehörte. Obgleich die Thatsache von d^Artois, Campredon S. 208 und durch das Tagebuch der Division Heudelet S. 139 bestätigt wird, leugnet sie das Aper<;u ab. Es ist wiederum Chambure, der den Ausfall vollführte, dessen Erfolg, wenn davon überhaupt die Rede sein kann, auf die lächer- lichste Weise übertrieben wird, d 'Artois verlegt S. 378 den Ausfall irrthüm- licherweise auf die Nacht vom 11. zum 12. und giebt dadurch dem Verfasser des Apercu S. 333 eine Handhabe das Faktum zu bestreiten,

444

NoTember. vom Belagerer eifrig fortgesetzt und die Arriere-Parallele hinter dem rechten Flügel der 1. Parallele erbaut*). Nach Dttring S. 133 haben die Belagerten an diesem Tage den Ganskrug und das Dorf Steindamm geräumt und niedergebrannt. Der General Campredon benrtheilt die Batterieanlagen der 1. Parallele wie folgt: eine Batterie an der Dorfstrasse von Stolzenberg ist gegen den ausspringenden Winkel der Lnnette Cafarelli gerichtet, eine andere weiter sfidlich scheint zum Bikoschettiren der rechten Face derselben bestimmt zu sein. Dazwischen liegen einige grössere Bauten, wahrscheinlich für Mörser. Einige Scharten sind gegen das Blockhaus am Teich (K, la maison jaune) gerichtet*).

Der Tag ist schön, aber kalt

Am 13. In der Nacht zum 13. erfolgen seitens des Be- lagerten Rekognoscirungen nach Heubude. Sie werden von Campredon wie vom Verfasser des aperqu erwähnt. Der Be- lagerer beginnt in dieser Nacht den Bau zweier neuen Batterien. Die Batterie g' ist für 6 Mörser bestimmt und soll in Verein mit p', die bereits vorhanden ist, das Bastion Salvator be- schiessen. Die andere Batterie r', mit 4 Haubitzen armirt, ist gegen Lfinette Ledere bestimmt.

Hinter der Arriere-Parallele werden Zickzacks zur gedeckten Annäherung der Geschütze bei der Armirung an- gelegt »).

Dem General Campredon erscheint am Morgen des 13. das ganze Plateau in seiner Breitenausdehnung mit Batterien er-

') Tagebuch der Ingenieurarbeitcu.

*) Campredon S. 210. Die Angaben sind zur Beurtheiluug der Angaben alliirterseits von Interesse.

') Aperen 342. Nach dem Tagebuch der Ingenienrarbeiten hatte PuUet den Hauptmann Kool, der mit den Linien des Bischofsberges vertraut war, zum Abstecken der Batterien zur Disposition gestellt Nach Liebe wurde ihm seitens der Artillerie der Lieutenant Kode zugetheilt. Die Angaben Liebe's weichen nicht unerheblich von denen des aperqu ab (siehe Anhang V), sowohl in Bezug auf Zeit der Erbauung, Zahl der Geschütze und Zweck der Batterien. Wie der Major Liebe anführt, wurden die 5 Mörserbatterien in einer Nacht begonnen, während das apergu sie nach und nach ausführen lässt. Als Kontrolle könnten allenfalls die Beobachtungen Campredons dienen, doch sind sie nicht eingehend genug, um als Richtschnur j^u dienen,

445 _

füllt, zum Theil fttr Kanonen, zum Theil für Mörser, die wegen November, des Flaukenfeuers vom Zigankenberge en cremailli^re erbaut sind oder im Rücken Traversen haben *). Die Beschiessung der Stadt wird fortgesetzt.

Von Seiten der Artillerie wird endlich eine Haubitze nach avancee Frioul gebracht, um die nnvortheilhaft angelegten Laufgräben zu enflliren. Nach den französischen Berichten soll ihre Wirkung ausserordentlich gewesen sein'). Das Tagebuch der Ingenieurarbeiten von Pullet erwähnt nichts davon.

Der Herzog von Würtemberg sendet an diesem Tage einen 4. Brief an den General Rapp, worin er ersucht, einen General nach Langfuhr zu senden, was der General Rapp zusagt.

Am 14. In der Nacht zum 14. werden zu den 7 Batterien der 1. Parallele noch zwei neue u' und v' hinzugefügt, u' wird für 6 Mörser, v' für 4 24-Pfünder eingerichtet. Beide sind gegen Bastion Salvator bestimmt*).

Der Belagerte setzt seine Armirungsarbeiiten fort. Die Verstärkung der Brustwehren der Batterie Istrien und Caulain- court wird beendet, die von Cafarelli und Leclerc ist noch in der Arbeit, ebenso die Ausbesserung der Batterien und der avancee Frioul. Die in letzterer aufgestellte Haubitze fährt fort günstig zu wirken.

Der General Heudelet und der Oberst Richemont begeben sich auf Befehl des General Rapp nach Langfuhr und haben mit dem Herzog von Würtemberg eine zweistündige Konferenz.

Das Wetter ist gelinde, aber nebelig*).

Am 15. In der Nacht zum 15. werden von selten des Belagerers die Batterien w' und x' in Angriff genommen. Die Batterie w ' ist gegen das Ravelin Mittel-Scharfenort, x ' gegen Bastion Mittel bestimmt, erstere wird für 4 24 Pf linder,

^) Campredon 210.

') d'Artois 376. Campredon 210.

') Apercu 343. An diesem Tage wird vom Verfasser auch des Baues von Traversen gedacht. Nach Liebe werden in dieser Nacht drei Batterien für Kanonen und Haubitzen erbaut.

*) Campredon 211.

446 _

November, letztere für 6 Mörser eingerichtet. Die Batterien u' und v' werden beendigt*).

Der General Campredon macht von der Festung aus folgende Wahrnehmungen: Es sind im ganzen 28 Scharten sichtbar, obgleich sie noch nicht vollständig demaskirt sind. Auch sind noch keine Geschütze in den Batterien zu bemi^rken. Man unterscheidet zahlreiche, hohe Traversen, um sich nach beiden Seiten gegen Enfilade zu sichern. Von den andern Batterien wird lebhaft geschossen ^).

Die avanc6e Frioul wird mit fougasses ä bombes versehen. Gegen 2 ühr nachmittags wird der 2. Ingenieur vom Platz Richaud von einer Kanonenkugel getödtet, als er in den batteries de Frioul eben das Banket bestieg.

Das Wetter ist schön und gelinde.

Am 16. Die Batterie w' und x', sowie die Traversen werden beendet und die Armirung sämmüicher Batterien wird fortgesetzt •). Hinter der Parallele werden 3 Verbrauchs-Pulver- magazine erbaut. Der preussische Hauptmann v. Glasow wird in der Tranchee von einem Granatsplitter getödtet.

Das Feuer der Batterien Kirgener und Istrien ist sehr heftig, verursacht jedoch wenig Schaden (?)^). Der General

*) Apercu 344.

*) Campredon 212. Nach dem aperga S. SOG hat die Armirang der Batterien schon am 14. begonnen, was auch vom Migor Liebe bestätigt wird. Der General Campredon mnss sich hier also irren.

') Apercu 3Ö0. Die Schwierigkeiten der Armirong^waren ausserordent- lich. Die schweren eisernen 24Pfünder, grösstenteils englische Defensions- geschütze, erforderten 40 bis 50 Kosacken- oder Baschkirenpferde zu ihrem Transport in die Parallele (S. 358). Die Pferde, welche nie Geschirre auf dem Leibe gehabt hatten und nicht aus Ziehen gewöhnt waren, konnten nur mit grossem Geräusch zum Ziehen angetrieben werden. Dabei war der Boden aufgeweicht, so dass mehrere 24PfÜnder stecken blieben, die nur durch Mann- schaften wieder flott gemacht werden konnten. Um nicht dem feindlichen Feuer ausgesetzt zu werden, wurden sie während des Tages mit Faschinen bedeckt. Die Armirung hat unter diesen Umständen 3 Tage in Anspruch genommen. Vgl. Anhang, Tagebuch des Majors Liebe.

*) Apercu 350. Der Verfasser behauptet S. 343, dass die ArtiUerie während der ganzen Belagerung nur 40 Todte und 60 Verwundete verloren habe und dass die Batterien des Zigankenbergs kein einziges Geschütz de- montirt hätten. Siehe jedoch Anhang V, Tagebuch des Majors Liebe.

447

Campredon notirt in seinem Tagebuclie, dass nach dem Geräusch November. zu ui-theilen, was man in der Festung höre, die Batterien ar- mirt werden müssen. Trotzdem hat man auf diesen ent- scheidenden Akt keinen Ausfall unternommen.

Die Freikompagnie des Chambure machte in der Nacht einen Ausfall auf die Batterie Kabrun ^).

Nach dem aperQU S. 350 sollen die Batterien an den Schottenhäusem in dieser Nacht durch 5 Mörser verstärkt ^^orden sein, welche dahinter in den Kommunikationen aufgestellt worden sind. Der Major Liebe erwähnt diese 5 Mörser jedoch schon in seinem Bericht vom 23. Oktober an die General -In- spektion der Artillerie.

Die Belagerer geben nachmittags 3 Uhr eine Salve von 50 Schuss zur Feier der üebergabe von Stettin.

Das Wetter ist schön, aber kalt.

Am 17. In der Nacht zum 17. wird die Armirung sämmt- lieber Batterien beendet und am Morgen um 9 Uhr das Feuer daraus eröffnet*). Nach dem apergu 8. 352 waren 42 Kanonen, 48 Mörser und 6 Haubitzen der 1. Parallele in Thätigkeit, womit d^Artois ziemlich genau fibereinstimmt ^). Ausserdem setzten die Batterien von Schellmuhl, Kabrun, die gegen den Zigankenberg gerichteten Batterien, sowie diejenigen der Schottenhäuser ihr Feuer fort, so dass 131 Geschütze in Thätigkeit waren*). Am meisten hatten die Lunetten Cafarelli

') Campredon 212. D'Artois 379. Die französischen Berichterstatter machen daraus wiederum eine grosse Heldenthat. Nach Campredon hat die Kompagnie die Besatzung niedergemetzelt, nach d^Artois, der sich am aus- führlichsten dartiher äussert, hat er 70—80 Mann getödtet und selbst nur einen Verlust von 2 Todten und 5 Verwundeten gehabt. Der Vf. des aper^ spricht mit Recht S. 345 der Sache alle Bedeutung ab und beruft sich auf Düring, welcher constatirt, dass die Kompagnie grosse Verluste gehabt hat. Wie das apergu S. 349 anführt, belaufen sich die Verluste der Russen durch die ^reicompagnie in allen ihren Expeditionen nur auf 8 Todte und 7 Ver- wundete. Die preussischen Verluste sind oben angegeben.

*) Apercu S. 350. Pullet sagt im Tagebuch irrtbümlich bei Tages- anbruch. Siebe Campredon 213, dWrtois 402. Major Liebe.

^) D'Artois sagt S. 402 Note 2 : 41 Mörser, 42 Kanonen, 10 Haubitzen.

^) Die Zahl 131 giebt Pullet in seinem Bericht an den König vom 19. und in seinem Tagebuch an.

_ 44B

November. Und Leclerc, sowie die avancfee Frioul zn leiden. Letztere hatte sich in den letzten Tagen dem rechten Fittgel der ersten Parallele sehr lästig gemacht, daher concentrirten die 10 ''gen Mörser der Batterien an den Schottenhäasem nnd die b^Wgeu aas s", V\ u" ihrFeuer dagegen. Sie mnsste infolge dessen zurück- gezogen werden. Eine Bombe entz&ndete einen der Minen- kasten (fongasses) der linken Batterie Frioul. Das Feuer theilte sich auch dem andeiii Kasten der Batterie mit. Die Batterien selbst wurden zu unförmlichen Haufen zusammen- geschossen ^).

Trotz des Feuers wurden die Arbeiten fortgesetzt.

Die Traversen der rechten Facen der Lünetten CafareUi und des Bastions Mittel werden beendet^). Die Posten am maison jaune und von Weinberg müssen eingezogen werden'). Die krenelirten Häuser der Judenschanze (du sergent) und des Judenkirchhofes werden in Brand geschossen^). Dagegen sind die 3 Flankenbatterien (17, 18, 19) gegen den Zigankenberg ohne alle Wirkung, weil sie zu tief standen und zu weit ent- fernt waren. Die Batterien der 1. Parallele erlitten dadurch und weil sie zu gedrängt waren, grosse Verluste*).

Der Tag ist schön, aber kalt.

Am 18. Das Feuer in der Nacht zum 18. wird fortgesetzt. Die Zahl der SV«" gen Mörser vor den Werken der Jesuiter- schanze wird auf 12 erhöht und eine Station (f) für Raketen erbaut. Apercu 363.

In der Lünette Leclerc wird ein Verbrauchspulvermagazin in die Luft gesprengt und die Minenkasten des rechten Werks

') ,11 est impossible" , sagt d'Artois S. 403, ,de donner nne id6e de la prodigieuse quantit^ de projectiles qu^Is lancörent snr nos ouvrages. Le fen ronlant de lenr artiUeiie produisait an fracas comparable k celui da tonnöre. C'6tait k tel point, qne, pendant cette joum^e, quoiqne nous ripostämes par 3400 conps de canons, notre fen semblait Steint comparativement k celoi des tranch^es. Les bombes de rennemi ^clataient presque toutes en Tair, et n'en 6taient qae plus dangereuses. Le terrain fkit iabour6 et sillomi^ en tons sens et le palissadement fortement endommag6 snr plnsieurs points.

*) Campredon 213.

») D'AitoiB 408.

*) Apergn 362.

•) Tagebuch des M^'or Liebe. Kr.-Archiv F. 9.

44Ö

der Jesuiterschanze (batteries de Fripul) werden ebenfalls ent- November, zündet ^).

In der Nacht (17. zum 18.) wurde ein 400 Schritt langer Einschnitt a b mit Zickzacks rückwärts nach der flüchtigen Sappe 200 Schritt von der Jesuiterschanze angefertigt, um den Truppen ein Logement zu geben, aus welchem sie aus grosser Nähe über die Jesuiterschanze herfallen können^).

Auf Seiten des Belagerten gelang es auf dem Bischofs- berge immer noch die Schäden in der Nacht auszubessern, namentlich die Palisaden zu ersetzen ; bei den Werken auf der Jesuiterhöhe war das nicht mehr möglich. Es wurden 3000 Schuss aus dem Platz gethan^), das Feuer war daher noch wenig gedämpft.

Die Obersten Treskin und Turtschaminow erhalten vom Herzoge den Befehl, in ihrem Bereich den Gegner zu beun- ruhigen. Gegen 7 Uhr abends erscheint an der Allee von Lang- fuhr ein russischer Parlamentair mit einem Schreiben an den General Rapp, wird aber vom General du jour abgewiesen, weil es nachts ist. Er versichert, den andern Tag wieder kommen zu wollen, ist aber nicht erschienen. Französischer- seits wird dies als List angesehen, um auszukundschaften.

Das Wetter ist gut, selbst milde.

Am 19. Das Tagebuch der Ingenieurarbeiten (Pullet) be- richtet : „In der Nacht zum 19. sind die Jesuiterschanzen (durch

') Campredon 214.

*) Wörtlich nach dem Tagebuch der Ingenieurarbeiten Kr.-Arch. Pnllet fügt hinzu: „wir haben dabei nur 8 Blessirte und Todte gehabt." L^aper^u sagt dazu in einer Anmerkung zu S. 362: „Par cea travaux qui furent exe- cnt^B avec 1500 travailleurs la droite des redoutes Frioul se trouva enti- örement toum6e et par ce moyen on fut dispens^ de les empörter de vive force; ce qui aurait occasionn^ aux assi6gements une perte de 400 k 500 bommes & moins*. Der Vf. irrt sich hieriUi da die Judenschanze in dieser Nacht noch yom Feinde besetzt war und Niemand voraussetzen konnte, dass sie und die Jesuiterschanze freiwillig geräumt werden würde. Im Gegentheil geht aus den Worten PuUets hervor, dass man von der Nothwendigkeit überzeugt war, sie mit Sturm zu nehmen. „Was nothwendig geschehen muss" , sagt PuUet noch in seinem Bericht vom 19. Novbr.

') Campredon 214. D*Artois.

Kdüler, 068chich(e der Festungen Danzig und Weicbselmttnde. II. 29

450

einen 700 Schritt langen Tranchee-Einschnitt nach der flüch- tigen Sappe als Verbindung zwischen dem linken Flügel der 1. Parallele und dem in der verwichenen Nacht gemachten Einschnitt vor gedachter Schanze) gleichsam mit dem Spaten umgangen worden. Die Judenschanze wurde bei dieser Ge- legenheit, da man sie verlassen fand, mit in die Linie gezogen. Man hat ferner daran gearbeitet, das Logement nach der flüchtigen Sappe gegen die Jesuiterschanze zu vervollständigen und Gelegenheit genommen, mittelst eines Crochets (e) vorzugehen, um darin 3 Piecen zu placiren, vermöge welcher der Wein- grund (die Ortschaft Weinberg) mit Kartätschen bestrichen werden könnte, wenn etwa der Feind nach Hinwegnahme der Jesuiterschanze versuchte, diesen Grund heraufzukommen.

Ebenso ist eine zweite Batterie (b) angelegt, um denjenigen zu begegnen, welche durch den Stolzenberger Grund herauf- kommen könnten" ^).

Das Feuer des Belageres wird Tag und Nacht unterhalten, das des Vertheidigers zeigt sich geschwächt.

Eine vor Pitzkendorf in der Nacht vorher aufgeworfene Batterie gegen den Zigankenberg wird mit einer 10-pfündigen preussischen Haubitze und 3 10 pfundigen preussischen Mör- sern bewaffnet*).

') Das Tagebuch wirft hier anscheinend zwei Nächte zusammen, wie aus dem Bericht PuUets an den König vom 23. November (Kr.-Arch. F. 19) her- vorgeht. Es heisst hier: „Dass, nachdem das Logement am 19. vervollständigt, noch das braun angelegte in der Nacht vom 19. zum 20. nach der flüchtigen Sappe gefertigt worden (wobei wir die Judenschanze verlassen fanden), um mittelst eines Crochets vorzugehen, um . . . ." (das folgende wie im Tage- bnche). Das in der beigefügten Skizze braun angelegte ist eben das Loge- ment, so dass also das Crochet erst in der folgenden Nacht angefertigt worden ist. Das stimmt mit dem, was Campredon S. 215 sagt, überein : ^Les Kusses courounent la cr§te du ravin qui s^pare leurs tranch^es des batteries de Frioul et qui passe k 40 toises environ de Tavanc^ et ä 50 ou 60 de Frioul. A la pointe du jour (19.), on apergoit leur nouveau travail, une es- p^ce de demi-place d'armes en avant de leur parallele avec boyau de commnni- cation en arri^re." Hier ist von dem crochet und der Batterie noch keine Bede. Damit übereinstimmend ist auch d 'Artois S. 406. Von der nächtlichen Arbeit vom 17. zum 18. erwähnen beide nichts, die Eäumung des Postens du sergent (Judenschanze) setzen beide auf den 19.

') Tagebut^h des Msgor Liebe. Es kann den Behauptungen des Apergu

451

Ein durch den Obei'st Turtschaminow in der Nacht unter- November, nommener Angriff auf die ßedute Gudin kann nur als eine Alarmirung angesehen*) werden. Campredon (215) und d'Artois (406) fassen ihn als gewaltsamen Angriff auf, der zurückge- schlagen wurde. d'Artois spricht sogar von zurückgelassenen Leitern.

Das Wetter ist beständig.

Am 20. Vom Belagerer wird eine seit einigen Tagen be- gonnene Station für Raketen (f ) beendet *). Beim Dorfe Brösen werden 2 24 pfundige Kanonen placirt, um Langgarten zu beschiessen und den General Rapp zu beunruhigen'). Nach Campredon erbaut der Belagerer eine Batterie für 2(?) Piecen hinter dem Posten des Sergeanten ^). Die hart mitgenommenen Batterien a' und b' werden in dieser Nacht ausgebessert^) und das Feuer der Batterien ermässigt, indem jeder 12 Pfünder nur 30, der 24 Pfänder 48, jedes Wurfgeschütz 12 Wurf auf 24 Stunden erhält, ausser den 12 öVs^gen Mörsern. Bis dahin hatte jedes Kanon 50 Schuss, jedes Wurfgeschütz 48 Wurf, jedes Rikoschettgeschütz auf 2 Tage 96 Schuss. Die Jesniter- kirche wird von 2 7 pfundigen preussischen Haubitzen, 2 8 " gen Mörsern und einigen 24 Pfündern heftig beschossen ^.

Das Reduit der rechtsgelegenen Batterie Frioul wird, nach-

gegentlber nichts beweiskräftiger für die £inwirkangen der ArtiUerie des Zigankenberges auf die 1. ParaUele sein, als der Bau dieser Batterie, dessen Noth wendigkeit nach Eröffnung des Feuers sofort erkannt wurde. Der Major erwfthnt unterm 24., dass seit Eröffnung des Feuers der Verlust durchschnitt- lich tagtäglich 40 Todte betragen habe.

>) Apercu 364.

') Ebenda.

') Tagebuch des Mcgor Liebe.

^) Es ist damit die im Tagebuch des Oberstl. Pullet oben näher be- zeichnete Batterie von H Scharten im Crochet gemeint. Das Apercu, welches sie mit e bezeichneti läast sie irrthümlich schon in der Nacht vom 17. zum 18. erbauen, setzt in dieser Nacht auch die Verbindung der Judenschanze durch einen Laufgraben mit p' an, obgleich die Schanze erst am 19. vom Gegner geräumt worden ist.

^) Apercu 365.

*) Tagebuch des Migors Liebe.

462

dem die vorgelegene Traverse abgekämmt ist, in Bresche ge- legt. Man sncht diese durch Sandsäcke auszufallen.

Um 4V2 ühr nachmittags fand ein Angriff des Obei-sten Treskin auf die Batterie Fischer bei Aller Engeln statt. Die Batterie war von Westfalen besetzt, welche den Angriff ab- schlugen. Von den Russen blieben 2 Todte und 1 Verwun- deter liegen. *)

Am 21. In der Nacht zum 21. sind die gemachten Ar- beiten (siehe oben S. 450) vervollkommnet und die beiden Batterien beendigt worden*). Nach Campredon ist die Halbparallele erst in dieser Nacht nach beiden Seiten, rechts bis zu den Schotten- hänsem, links bis zum alten Posten des Sergeanten verlängert worden, so dass sie sich bis auf 80 und 100 Meter der Schlucht Weinberg nähert. Von hier führt der Belagerer einen Lauf- graben zur Batterie (p') aus, um die Verbindung mit der 1. Parallele herzustellen^). Nach der Beobachtung Carapredon's sind von selten des Belagerers 140 Geschütze in Thätigkeit und zwar 70— 24Pfünder, 30— 12Pfünder, 40 Mörser und Haubitzen*). Er hat am Morgen zwei neue Scharten der

') Campredon 216. v. Düriug 134. Das Apercu nimmt den Umstand, dass die Batterie mit Westfalen besetzt war, als Veranlassung za der Be- hauptung, dass die fremden Tmppen bis auf den letzten Tag im äussern Dienst verwendet worden sind. Wie wir indessen gesehen haben, wurden die Westfalen am 24. vom äussern Dienst entbunden. Das Apercu verlegt diesen Angriff S. 367 in die Nacht vom 22. zum 23. und lässt ihn durch 100 Jäger ausführen.

') Tagebuch der Ingeuienrarbeiten und Bericht Pullet's an den König vom 23. November. Kr.-Archiv.

') Campredon 217. Es kann daher nur ein Irrthum sein, wenn das Apercu den Laufgraben von e nach p' bereits in der Nacht 17/18 ausführen lässt. Campredon drückt sich 217 hierüber wie folgt aus: De (gegenüber Weinberg) iis dirigent un boyau allant aboutir ä Textr^it^ droite de leur batteries de six pi^es (p' vom aper^u genannt], la plus rapprochte des batteries Frioul. De mani^re que la batterie que Ton avait d^couverte la veUle (e), se trouve enclav6e dans cette nouvelle tranch^e.

*) Campredon 217. Die Zahlen sind natürlich nicht richtig, die Mit- theilung ist jedoch dadurch von Interesse, dass sie zeigt, wie von der Festung ans beobachtet wurde. Nach dem Tagebuche von Pullet haben aus der 1. Parallele 131 Geschütze gefeuert, excl. der übrigen.

453

Batterie am Ausgange von Stolzenberg entdeckt. Der Posten bei Weinberg muss aufgegeben werden.

Der Guverneur versammelte an diesem Tage den Kriegs- rath, um auf die gefährliche Lage der Werke auf der Jesuiter- höhe aufmerksam zu machen. Die Besatzung konnte bei der Nähe der feindlichen Tranchee leicht aufgehoben werden, namentlich da die Reserve, welche sich für gewöhnlich in Wein- berg befand und füglich nicht weiter entfernt aufgestellt werden konnte, einem gleichzeitigen Angriff ausgesetzt war. Der Kriegs- rath beschloss, die Besatzung zurückzuziehen und Schottland zu räumen, da seine Besetzung keinen Sinn mehr gehabt hätte. Die Räumung erfolgte abends 8 ühr ^). Schottland wurde ver- brannt, wozu alles vorbereitet war. Den grössten Einftuss auf den Entschluss der Räumung übte die Unzuverlässigkeit der fremdländischen Truppentheile aus, die ausserhalb der Festung nicht mehr verwendet werden konnten^).

Das Wetter war mild, aber nebelig.

Am 22. Der Belagerer besetzt die 3 Werke auf der Jesuiterhöhe noch während der Nacht*) und verbindet die Batterien Frioul durch eine Tranchee mit dem Posten des Sergeanten, welcher erweitert und zu einer Redute umgeformt wird. Es wird darin die Batterie g zu 3 Geschützen ange- legt*) und zwischen ihr und der Batterie Frioul noch zwei andere 1 und m, erstere für 6 24Pfünder und 2 12-Pfünder, m für 6 24-Pf ünder erbaut. Ausserdem wurden in der Bat-

>) Campredon 222, d'Artois 413. Apercu 365 führt die Bänmang vou Schottland zum zweiten male an, irrt sich aber um einen Tag, indem er sie in die Nacht vom 20. znm 21. setzt, üeberhaupt ist das Apercu seit dem 11. hinsichtlich der Chronologie nicht in Ordnung.

«) d'Artois 410.

') Nach dem Tagebuch der Ingenieurarbeiten bemerkte der russische Ingenieurhauptmann Sawitsch, welcher an den Arbeiten der Judenschanze be- schäftigt war, eine ungewöhnliche StiUe in der Jesuiterschanze, liess sie rekognosciren und fand sie verlassen.

*) Der Verfasser des Apercu lässt diese Batterie S. 365 in der Nacht vom 20. zum 21. nach Besetzung der Batterien Frioul beginnen. Nach dem Tagebnehe des Major Liebe ist der Bau dieser, wie der folgenden Batterien erst in der Nacht zum 24. begonnen worden, was mit den Beobachtungen Campredon's (S. 228) übereinstimmen wtlrde.

454

November, terie Frioul die Batterien i und k tracirt, erstere fttr 6 Mörser, letztere f llr 2—24 Pflinder. Die Batterien sollten das Peters- hagener Thor und Bastion Gertrud beschiessen, während g, 1 und ni gegen Bastion Salvator des Bischofsberges bestimmt waren ^). Die avanc6e Frioul wurde durch einen Laufgraben mit der Halbparallele verbunden.

Die Beobachtungen Campredons') aber diese Batterie- anlagen konnten nur ungenau sein, da sie am Morgen noch nicht genügend vorgeschritten waren, so dass ich sie fiber- gehe.

Der Belagerte behielt ausserhalb des Bischofsberges nur noch den Posten im krenelirten Hause des Judenkirchhofes besetzt und hatte einige Mann längs der Erete des Stolzen- berger Grundes und in Stolzenberg aufgestellt. Die Artillerie des Bischofsberges war nicht frühzeitig genug von der Bäumung der Werke auf der Jesuiterhöhe benachrichtigt worden, so dass sie die Nacht über nicht gegen die Arbeiten des Feindes schoss^). Am Morgen wurde jedoch ein lebhaftes Feuer da- gegen eröflnet, so dass an diesem Tage aus der Festung 4000 Schuss fielen^). Namentlich nahmen Bastion Salvator mit 2— 24 Pfändern, das Bastion Mittel, die Lünette Leclerc und die Batterien des Legethors daran Theil.

Das Petershagener Thor wurde mit den aus den Reduten geräumten 6 Geschützen armirt.

Das Wetter war gelinde, es fiel ein wenig Regen.

Gegen Mittag langt ein Parlamentair des Herzogs an Rapp an, der einen Brief, begleitet von. einem Kasten gehackten Bleies, überbringt. Das Blei ist von den Aerzten aus den Wunden der von der Freikompagnic blessirten Leute gezogen

») AperQu 366. *) Campredon 221.

') Ebenda. Nach d^Artois 413 wurden jedoch 10 kleine Mörser im ge- deckten Wege aufgestellt. Nach Campredon, der sie erst am Morgen erwähnt, hatten sie 6 Vi Zoll Kaliber. Campredon erwähnt auch noch 2 6Pfünder aus dem Blockhanse zur linken.

*) Eine ehrenvolle Leistung, da die Beschiessnng dnrch sämmtliche Batterien des Belagerers fortdauerte. Sie kommt nur nocb einmal^ am 1. No- vember, vor,

456

worden. Der Herzog erklärt in dem Schreiben, dass er den November. Hauptmann Chambure, wenn er seiner habhaft würde, im An- gesicht der Stadt aufhängen lassen würde. Dasselbe Schicksal würden auch die Soldaten haben, bei welchen gehacktes Blei gefunden würde. Eapp antwortete mit einem nichtssagenden Schreiben, worin er für die Ehrenhaftigkeit des Hauptmann Chambure eintrat, der ein ganz verrückter Mensch war und später zu den Russen desertirt ist. Er übersendete abgeplattete Bleikugeln, die von den Aerzten namentlich in der Kopfwunde des Generals Breissan gefunden worden waren, woi'über er längst Mittheilung hätte machen wollen. Dergleichen Ab- plattungen waren beim Anschlagen afi den harten Schädel jedoch nichts auifälliges ^),

Am 23. In der Nacht zum 23. erschienen einige armirte Fahrzeuge auf der Mottlau und beschossen die russischen Ar- beiter, konnten aber den Bau der Batterien i und k nicht hindern, der noch in der Nacht beendet wurde. Russische Fahrzeuge zwangen die französischen zum Rückzüge^). Die Beschiessung aus sämmtlichen Batterien des Belagerers wurde fortgesetzt, namentlich wurden die Lünetten Kirgener und Istrien heftig beschossen^). Das Feuer des Bischofsberges wurde schwächer*). Die Aussenposten der Besatzung, welche bisher noch den Raum zwischen der Lünette Cafarelli und dem Retranchement Zigankenberg besetzt hielten, werden zurück- gezogen ^).

Nach der Räumung der Werke der Jesuiterhöhe wurde die Sicherung der Verbindung der Lünette Lasalle und der avancee Legethor mit dem Platz erforderlich. Der Belagerte

») AperQu 348.

') Ebenda 366. Die französischen Berichte (Campredon 223, d^Artois 416) erwähnen bei dieser Gelegenheit dreier Batterien, welche die Bussen zar Bekämpfung jener Fahrzeuge seit einigen Tagen errichtet hätten, die eine auf dem Ohraer Niederfeld, eine zweite auf dem Radaune-, eine dritte auf dem Mottlaudamm. Die Batterien sind schon altem Ursprungs. L^aper^u erwähnt nur die eine bei h".

«) Campredon 223.

*) Apergu 366.

^) Ebenda 367. Nach d'Artois 422 blieben einige Häuser im abge- brannten Tbeil vom Dorfe Stolzenberg bis zum 24. besetzt.

456^

November, führte daher vom Ravelin vor dem Legethor einen Laufgraben, dessen Erde nach den Höhen hin geworfen wurde, nach der avanc6e und setzte ihn von hier aus durch einen Zickzack zur rechten bis in die Nähe von Lasalle, an dem Punkte, wo die Einschiffung erfolgte, fort*).

Der Herzog von Wfirtemberg sendete durch einen Parla- mentair einen Brief an den General Rapp, worin er die Ueber- gabe von Modlin mittheilt und ihn ersucht, einen General mit Vollmacht zum unterhandeln nach Langfuhr zu senden*).

Das Wetter ist milde, es regnet ein wenig.

Am 24. In der Nacht zum 24. werden die Batterien o gegen Bastion Maidloch und p gegen Bastion Salvator und Gertrud be- gonnen. Erstere soll 4--24Pfünder und 4 Mörser, letztere 4 Haubitzen erhalten. Die Batterie o liegt hart an der Krete des Berges zwischen den Batterien und der avancee Pi-ioul und ist mit letzterer durch einen Laufgraben verbunden, der längs der Krete des Berges hinläuft ^), Eine andere gedeckte Verbindung zu ihr war von der Jesuiterkirche her, von der ein gedeckter Gang zu den Batterien Frioul führte*). Die Batterie p liegt in der Nähe der Radaune.

Das Feuer des Belagerers ist sehr lebhaft. Die Lünetten Kirgener und Istrien werden hart mitgenommen und müssen fortwährend ausbessern, die Lünette Leclerc ist ganz zum Schweigen gebracht. Das Bastion Salvator feuert nur noch sehr schwach. Die zahlreichen Bomben, welche geworfen werden, thun auf dem Bischofsberge im allgemeinen wenig Schaden, dagegen werden die Blendungen des gedeckten Weges stark beschädigt*).

Der General Rapp benachrichtigt den Herzog, dass der General Heudelet und der Oberst Richemont sich den folgen- den Tag nach Langfuhr begeben werden. Um 3 Uhr nach- mittags trifft ein neues Schreiben des Herzogs ein, welches die

») Campredau 223. •) Campredon 224. «) Apergu 368. *) Campredon 224. *) Ebenda. Apercu.

457

Uebergabe von Erfurt und den Sieg des Fürsten Wrede bei November. Hanau über Napoleon anzeigt^).

Das Wetter wie den Tag zuvor.

In diese Zeit fällt die Bitte der fremdherrlichen Offiziere, nicht mehr ausserhalb der Festung verwendet zu werden^). Selbst die polnischen Offiziere schliessen sich dem an^). Die wenigen Truppen, die noch disponibel blieben, Franzosen und Neapolitaner, mussten bald den Beschwerden des Dienstes unter- liegen. Alle Mittel des Widerstandes waren erschöpft. Lebens- mittel waren nur noch für den December vorhanden. Diese Verhaltnisse, und nicht die Fortschritte des Belagerers, der noch 600 Meter von den Werken entfernt war, drängten zur Entscheidung*). Merkwürdigerweise suchte der Herzog diese nicht im Vorpussiren der Sappen^), sondern durch Anhäufung von Batterien und durch Anknüpfung von Unterhandlungen herbeizuführen, was sehr unzuverlässig war.

Das Wetter wie die Tage zuvor.

Am 25. Das Feuer wird fortgesetzt. Es sind auf seiten des Belagerers 150 Geschütze in Thätigkeit. die von Langfuhr nicht inbegriffen ^). Nach dem Apercu 370 sind alle Geschütze

») Campredon 224.

«) Plümicke 198. d'Artois 424. Nach d'Artois 412 hat der Kommau- dear des bairischen Regiments schon am 11. November dämm gebeten. Aber erst die Nachricht von der Schlacht von Hanau scheint den Ausschlag ge- geben zu haben.

») d'Artois 412, 413.

*) Campredon 225.

^) Plotho behauptet 2, 537, 538 mit Unrecht, dass die Beiagerungs- arbeiten soweit vorgerückt waren, dass bald zum Sturm geschritten werden konnte.

®) d'Artois 417. L'apercju 370 Note. Ueber den Zustand, in welchem sich der Bischofsberg befand, drücken sich mehrere Augenzeugen aus. v. Düring sagt S. 136 : (Der Bischofsberg) „ward auch nachher so äusserst mitgenommen befanden, dass sich darin alles drunter und drüber befand. Haubitzen lagen umgekehrt in die Scharten geworfen durch Bomben, welche, indem sie ihre Bettnngen durchschlagen hatten, unter ihnen krepirt waren. Sogar hatten die feindlichen ArtUieristen , wie man gehört, nicht mehr dahin gebracht werden können, die Geschütze zu bedienen. Die holländischen sollen noch am längsten ausgehalten haben. Nachdem aber endlich auch diese sich nicht mehr zum Dienste auf dem Bisobofsberge hergaben wollen, so ist derselbe nach

458

November, des Biscliofsberges zum Schweigen gebracht. Diejenigen von den Bastionen Gertinid und Maidloch erwidern, von den Batte- rien 0 und p beschossen, nur noch schwach. Nach Campredon S. 229 feuert der Belagerte nur noch des Nachts. Von der Inundation und den LUnetten Kirgener und Istrien wird der Belagerer jedoch nocli mit Erfolg bekämpft 0-

An diesem Tage schlug der Belagerte eine Brücke über den Stadtgraben am Fuss der verdeckten Kommunikation nach dem Bischofsberge*).

Der Posten von Brösen bemächtigte sich eines Blockhauses vor dem Rotranchement Neufahrwasser.

Am 26. Das Feuer des Belagerers ist so heftig, dass die Arbeiten in der Festung eingestellt werden müssen. Die In- genieuroffiziere waren selbst verhindert, nach den Werken zu gelangen, um die Arbeiter mit Anweisungen zu versehen*). Viele Palisaden waren zerschossen, konnten jedoch in der Nacht noch ersetzt werden, auch wurde das Feuer des Platzes in der Nacht noch lebhaft unterhalten. Neue Werke wurden von der Festung aus nicht bemerkt*), jedoch täuschte man sich darin insofern, als der Belagerte den Bau der Batterien t und a begann, die jede für 4 24Pfünder bestimmt waren und das Petershagener Thor, sowie die Redute Lasalle beschiessen sollten *).

Das Wetter war sehr nebelig.

Der Herzog antwortete auf das Schreiben Rapp's, dass er die Herren um 11 Uhr in Langfuhr erwarten werde.

Die Instruktionen, welche der General Heudelet und der

26 Tagen o£fener Trancbee einem Batteriefeuer ans 131 Geschützen, nnd schliesslich einem Batteriefener von 7 Tagen ans 150 Geschützen, die Ant- wort schuldig geblieben.'' Aebnlich drückt sich Blech nnd M***^ aus, ebenso d'Artois 417.

») Campredon 229.

«) Ebenda.

») d'Artois 418.

*) Campredon 229.

^) Apercu 376. Auch ein Laufgraben zur Verbindung dieser Batterien wurde hergestellt, lieber die Bewaffnung dieser Batterien gehen die Nach- richten sehr auseinander, und es ist überhaupt fraglich, ob sie noch zustande gekommen sind, Campredon (S. 229) weiss nichts davon. V^l. Anhang; lY.

459

Oberst Richemont erhielten, waren am 23. durch den Kriegs- November, rath, den Rapp nach dem Reglement um sich versammelte, festgestellt worden.

Der General Rapp hatte darin den Zustand der Besatzung dargelegt und die Vorschläge des Herzogs von Würtemberg, in Unterhandlungen zu treten, sowie die Aussichten, die sich nach den bisherigen Konferenzen für ein Uebereinkommen entnehmen liessen, mitgetheilt. Er glaubte als Resultat auf einen Vertrag rechnen zu dürfen, welcher der Besatzung den Platz so lange sicherte, als die noch vorhandenen Lebensmittel ausreichten. Der Kriegsrath hatte nach eingehender Prüfung einstimmig sein Einvernehmen erklärt, dass auf dieser Grundlage unter- handelt würde, vorausgesetzt, dass der Platz innerhalb dieser Zeit nicht entsetzt oder mit Lebensmitteln versehen werden, oder dass der Kaiser Napoleon darüber nicht in andrer Weise verfügen würde*).

Am 27. Die begonnenen Arbeiten des Belagerers wurden noch in der Nacht zum 27. fertiggestellt, so dass die Batterien t und u am 27. noch feuern konnten (?) ^). Das Feuer sämmtlicher Batterien war an diesem Tage so lebhaft wie je ^). Auf Seiten des Belagerten notirt der General Campredon in seinem Tage- buch dieselben Arbeiten und dasselbe Feuer, wie den Tag zuvor *).

Der General Heudelet und der Oberst Richemont unter- handelten mit dem Herzog von Würtemberg bis zur Dunkelheit und kamen fast über alle Punkte des bedingungsweisen Ver- trages der üebergabe des Platzes überein.

Das Feuer wurde abends auf beiden Seiten eingestellt*).

Am Abend schneit es.

Am 28. um 1 ühr nachmittags fanden sich die Generäle

^) Campredon 229.

*) Wird andrerseits nicht bestätigt. Dagegen wird in der Nacht zum 27. noch eine Batterie von Haubitzen und Mörsern auf dem änssersten rechten Flügel erbaut (Liebe. Kr.-Arch.).

«) L'aperQU 376.

*) Campredon 237.

^) Ebenda S38, Danach fand es um 8 Uhr, nach dem Apercu 376 um 9 Uhr statt.

460

Borosdyn und Wilyaminow, die Obersten von Pullet und Man- fredi in Danzig ein, um die Redaction des Vertrages mit dem General Heudelet und dem Obersten Richemont endgültig fest- zustellen. Die Verhandlungen dauerten bis 10 Uhr abends, gelangten aber, die Einwilligung des Herzogs vorbehaltend, zum Abschluss.

Am 29. erfolgte die Fortsetzung der Verhandlungen beim General Rapp und endigte mit der Unterzeichnung der Bevoll- mächtigten. Die Auswechselung der beiderseitigen Ratifikationen geschah am 30. Unmittelbar darauf wurde den Russen das Retranchement Zigankenberg, das Retranchement Neufahrwasser, die Westerplatte, die Möweuschanze und das Fort Montebello (Westschanze) übergeben *).

d. Die Kapitulation^).

Artikel I. Die Truppen, welche die Besatzung von Danzig, den Forts und zugehörigen Werken bilden, werden den 1. Januar 1814 (20. Dec. 1813 a. St.) morgens 10 Uhr mit Waffen und Bagage durch das Olivaer Thor aus der Stadt ziehen und werden die Waffen an der Batterie Aller Gottes Engeln niederlegen, wenn die Besatzung nicht bis zu jener Zeit durch ein dem Belage- rungskorps an Stärke gleichkommendes Korps entsetzt wird, oder wenn nicht ein durch die kriegführenden Mächte abge- schlossener Vertrag bis zu jener Zeit über das Loos der Stadt Danzig entscheiden sollte. Die Herren Offiziere behalten ihre Degen. Aus besonderer Achtung für die tapfere Vertheidigung und das ausgezeichnete Benehmen der Besatzung werden das Peloton der Kaisergarde und ein Bataillon von 600 Manu ihre Waffen behalten; sie werden zwei 6 pfundige Kanonen nebst den zugehörigen Munitionswagen mit sich führen. 25 Reiter werden ebenfalls ihre Pferde und Waffen behalten.

*) Campredon 239. Dazu das Fort Lacoste, welches jedoch erst am 1. De- ceraber übergeben wurde.

*) Der französische Text nach dem Original befindet sich bei d'Artois 436—443, Campredon (Auriol) 239-247, im aper^u 877—382; deutsch bei Blech und Friccius 301 ff.

461

Artikel II. Die Forts von Weichselmünde, der Holm und die zwischen ihnen liegenden WKJi:e , sowie die Schlüssel des äussersten Olivaer Thors werden der alliirten Armee den 24. (12.) December in der Frühe übergeben werden.

Artikel III. Sogleich nach Unterzeichnung der gegenwärtigen Kapitu- lation wird das Fort Lacoste, das Fort von Neufahrwasser mit seinen Nebenwerken und das linke Ufer der Weichsel bis zur Höhe der Redute Gudin und von diesem letzteren Werke an die ganze Linie der Schanzen, die sich auf dem Zigankenberge finden, sowie auch die Mövenschanze in ihrem gegenwärtigen Zustande ohne irgend eine Beschädigung dem Belagerungskorps übergeben werden, die Brücke, welche gegenwärtig den Brückenkopf von Fahrwasser mit dem Fort Weichselmünde verbindet, soll weiter abwärts an der Mündung der Weichsel zwischen Fahrwasser und der Möwenschanze geschlagen werden.

Artikel IV. Die Besatzung von Danzig ist kriegsgefangen und wird nach Frankreich abgeführt werden. Der Herr Guverneur, Graf Kapp, macht sich in aller Form verbindlich, dass weder die Offiziere noch die Soldaten gegen irgend eine gegen Frank- reich kriegführende Macht bis zu ihrer völligen Auswechselung Dienst thun sollen. Es wird ein genaues, namentliches Ver- zeichniss der sämmtlichen Herren Generäle, Offiziere, sowie von allen Unteroffizieren und Soldaten ohne irgend eine Ausnahme, welche die Besatzung von Danzig bilden, doppelt ausgefertigt werden. Jeder der Herren Generäle und Offiziere wird das Versprechen abgeben und schriftlich ausstellen, sowie sein Ehrenwort geben, weder gegen Russland noch dessen Verbündete bis zur völligen Auswechselung zu dienen. Es wird ebenfalls ein genaues Verzeichniss der dienstthuenden Mannschaft, sowie der Kranken und Verwundeten angefertigt.

Artikel V. Der Herr Guverneur, Graf Rapp, macht sich verbindlich, die Auswechselung der Individuen, welche die Besatzung von Danzig bilden, Grad für Grad, gegen eine gleiche Anzahl der

462

den verbfindeten Mächten gehörigen Kriegsgefangenen soviel als möglich zu beschleunigen. Wenn aber gegen alle Er- wartung diese Auswechsehing aus Mangel /^n russischen, öster- reichischen, preussischen oder anderen gegen Frankreich ver- bfindeten Höfen angehörigen Kriegsgefangenen nicht statthaben könnte, oder wenn jene Höfe ein Hinderniss machten, so wären alsdann nach Verlauf eines Jahres und eines Tages vom 1. Ja- nuar (n. St.) 1814 die Individuen, welche die Besatzung von Danzig ausmachen, der förmlichen, im 4. Artikel der gegen- wärtigen Kapitulation eingegangenen Verbindlichkeit entledigt und können von neuem durch ihre Regierung zum Dienste ver- wendet werden.

Artikel VI.

Es soll den polnischen und andern Truppen, welche zur Besatzung von Danzig gehören, völlig freistehen, der französi- schen Armee zu folgen und sie sollen in diesem Fall ebenso behandelt werden, ausgenommen jene, deren Fürsten mit den gegen Seine Majestät den Kaiser Napoleon verbfindeten Mächten sich vereinigt hätten, welche alsdann den Weg nach ihren Staaten oder den Armeen ihrer Ffirsten einschlagen werden, und welche sie gleich nach Unterzeichnung der gegenwärtigen Kapitulation durch abzuschickende Offiziere oder Kuriere einzuholen haben. Die polnischen Herren Offiziere und andere werden jeder schriftlich ihr Ehrenwort geben, nicht eher gegen die verbfindeten Mächte, als bis zu ihrer vollständigen Aus- wechselung Dienste zu thun, gemäss der im 5. Artikel gegebenen Erläuterung.

Artikel VII.

Alle Kriegsgefangenen, welcher Nation sie auch angehören mögen, der gegen Frankreich Krieg ffihrenden Mächte, welche sich gegenwärtig in Danzig befinden, werden ohne Auswechselung in Freiheit gesetzt und den 24. December (a. St.) morgens durch das Petershagener Thor zu den russischen Vorposten gesendet werden.

Artikel VIII.

Die Kranken und Verwundeten der Besatzung werden auf dieselbe Weise und mit der nämlichen Pflege behandelt werden, wie jene der verbfindeten Mächte, sie werden nach ihrer völligen

463

Wiederherstellung unter den nämlichen Bedingungen, wie die übrige Besatzung nach Frankreich geschickt werden; ein Kriegskommissair und Aerzte werden zurückbleiben, um diese Kranken zu pflegen und ihren Transport nachzusuchen.

Artikel IX.

Sobald eine gewisse Anzahl Individuen, welche den ver- bündeten Mächten angehören, gegen eine gleiche Anzahl der Danziger Besatzung ausgewechselt sein wird, so können sich diese letzteren als ganz frei von der im 4. Artikel der gegen- wärtigen Kapitulation förmlich eingegangenen Verbindlichkeit ansehen.

Artikel X.

Die Truppen der Besatzung von Danzig (ausgenommen jene, welche durch Artikel 6 Befehle von ihren Fürsten erhalten werden) werden etappenweise in 4 Kolonnen in Zwischenräumen von zwei Tagen eine von der andern nach beiliegender Marsch- rute bis an die französischen Vorposten geleitet werden. Die Lieferungen für die Besatzung von Danzig werden während des Marsches nach beiliegendem Verzeichniss gemacht werden. Die erste Kolonne wird sich am 2. Januar 1814 (n. St.) in Marsch setzen, die zweite am 4. u. s. f.

Artikel XI. Allen nicht Waffen führenden Franzosen, die nicht im Militairdienst sind, steht es frei, den Truppen zu folgen, sie können aber nicht auf die für die Soldaten bestimmten Stationen Anspruch machen, im übrigen können sie über das Eigenthum verfügen, welches als ihnen angehörig anerkannt ist.

Artikel XII. Den 24. December (n. St.) werden dem durch das Belage- rungskorps ernannten Kommissar alle Kanonen, Mörser etc., Waffen, Munition, Pläne, Zeichnungen, Bauanschläge, die Militairkassen, alle Magazine, von welcher Art sie sein mögen, die Pontons, alle Gegenstände, welche der Fortiflkation, der Marine, zur Artillerie und zum Fuhrwesen gehören, ohne irgend eine Ausnahme übergeben werden, es wird ein doppeltes Ver- zeichniss angefertigt, welches dem Chef des Generalstabes der verbündeten Armee zugestellt werden wird.

464

Artikel XIH. Die Herren Generäle, Offiziere vom Generalstabe und andere, werden ihre Pferde, welche ihnen durch das franzosische Reglement bestimmt sind, beibehalten und werden danach während des Marsches ihre Furage erhalten.

Artikel XIV.

Alle auf den Vorspaim bezüglichen Details, es sei für

Kranke oder Verwundete, für die Korps und Offiziere, werden

durch die resp. beiden Chefs des Generalstabes geordnet

werden.

Artikel XV.

Es bleibt dem Senat von Danzig vorbehalten, bei Seiner Majestät dem Kaiser Napoleon alle seine Rechte auf Zurfick- erstattung der Schulden, die zwischen beiden Theilen etwa vor- handen sein sollten, geltend zu machen und Seine Excellenz der Herr General-Guverneur verpflichtet sich, allen denjenigen, welche derartige Schuldforderungen haben, Scheine ausstellen zu lassen, welche die Gültigkeit ihrer Forderungen anerkennen, unter keinem Vorwande aber dürfen Geiseln für diese Schuld- forderungen zurückbehalten werden.

Artikel XVI. Alle Feindseligkeiten, von welcher Art sie sein mögen, hören vom Tage der Unterzeichnung des gegenwärtigen Ver- trages von beiden Seiten auf.

Artikel XVH. Ein jeder Artikel, welcher einigen Zweifel hinterlassen könnte, soll stets zugunsten der Besatzung ausgelegt werden.

Artikel XVIII. Es sollen vier genaue Abschriften dieser gegenwärtigen Kapitulation gemacht werden, wovon zwei in russischer und zwei in französischer Sprache, die in doppelter Ausfertigung den beiden Generalen en chef übergeben werden.

Artikel XIX. Nach Unterzeichnung dieser offiziellen Akte steht es dem General- Guvenieur, Grafen Rapp, frei, einen Kurier an seine

465

Begierung abznscbicken. Er wird bis za den französischen Vorposten durch einen rassischen Offizier begleitet werden." (geschehen und abgeschlossen zu Langfuhr den 29. (17. a. St.) November 1813. Unterzeichnet: Der Divisionsgeneral Graf Heudelet.

Der General von H6ricourt. Der Oberst Richemont. Der Generallieutenant, Ritter Borozdyn. Der Generalmajor Welyamminow, als Chef des

Generalstabes. Der Oberst vom Ingenieurkorps, Manfredi. Der Oberst vom Ingenieurkorps, Pullet. Gesehen und bewilligt: Der Graf Rapp.

Der General der Kavallerie Alexander von Würtemberg, General en chef der alliirten Truppen vor Danzig.

Als der Hauptdepotplatz während des grossen Krieges von 1812 barg Danzig unermessliche Vorräthe an Waffen und Beklei- dungsgegenständen aller Art. Da die Kapitulation die Möglichkeit eines Friedensschlusses oder einer Versorgung des Platzes mit Le- bensmitteln in Betracht gezogen hatte, konnte die Uebernahrae der Bestände erst nach dem Ausrücken der Besatzung stattfinden, aber es ist selbstverständlich, dass die Bestände zur Festung gehörten und mit ihr in die Hände des Siegers fielen, wie es Artikel XII der Kapitulation ausdrücklich aussprach. Wie es auch bei Dresden der Fall gewesen war, kehrten sich die Franzosen jedoch nicht daran und zerstörten den grössten Theil der Be- stände nicht bloss an Waffen, sondern auch an Bekleidungs- gegenständen und andern Vorräthen, die zum Theil verkauft wurden. Dieser Bruch der Kapitulation blieb dem Herzoge von Würtemberg bei seinen Verbindungen in der Stadt nicht ver- borgen, er wurde am 1 3. December selbst vom russischen Konsul in Elbing davon benachrichtigt ^), aber er konnte nichts dagegen thun, ohne seine Agenten in der Stadt oder angesehene Bürger blosszustellen, auch war zu befürchten, dass die Franzosen in

^) Apercu 429. Köhler, Oeschichte der Festungon Danzig und Weichselmilude. ll. 80

466

diesem Fall die Vernichtung auf sämmtlicbe Vorräthe aus- dehnen würden^). Aber er hat nach üebergabe des Platzes durch zahlreiche Zeugen, namentlich durch die Handwerker, welche bei dem Geschäft der Zerstörung thätig gewesen sind, die Thatsachen feststellen lassen. Danach sind mehr als 120000 Gewehre, 40000 Bajonette, 8000 Säbel etc. zerbrochen worden. Kanonen und Munition wurden in die Weichsel ge- worfen*). Dass die Franzosen ihr Unrecht einsahen, geht daraus hervor, dass die Vernichtung der Gegenstände in der Nacht ausgeführt wurde. Auch ist es eine Unwahrheit, wenn d'Artois S. 602 behauptet, sie sei noch vor Abschluss der Kapitulation in der Zeit der Unterhandlungen erfolgt^).

Nach dem Zeugenverhör ist bis gegen Ende des December damit fortgefahren worden*).

Der Stadt widerfuhr die Freude, dass auf Antrag Rapp's, der jedoch dabei nur sich im Auge hatte, das Wasser der Radaune wieder in den Platz geleitet wurde ^). Auch bewilligte der Herzog auf Antrag des Senats einen Markt vor dem Olivaer Thor«).

Am 12. rückten die Baiern, am 13. die Truppen des Rheinbundes in ihre Heimath ab. Die Westfalen und Polen mussten noch bleiben. Die Krüppel und Verstümmelten wurdeu am 23. und an den folgenden Tagen auf Wagen, welche der Herzog stellte, abgeschickt. Wegen Mangel an Fahrzeugen mussten 5 Transporte gebildet werden. Die gefangenen Russen, 800 bis 900 Mann, wurden am 18. ausgeliefert. So standen die Sachen, als am 24. ein Schreiben des Herzogs, datirt vom

>) Ebenda 431.

*) Ebenda 434. Der Verfasser führt die wichtigsten Zeugen an.

") Die Berufung auf das Zeugniss von Düring mindert das noch keines- wegs, da er besser unterrichtet sein musste. üeberhaupt entwickelt d 'Artois bei dieser Gelegenheit ganz eigenthümliclie Ansichten. Er sagt S. 504 : ^quel droit avaient donc les Russes sur les magasins avant qu'ils en fussent les maitres? aucun", und ebenda: „Je chercbe envin un article qui empfiche les assi6g6s de toucher k leurs magasins d^aucune espöce apr^s la signature du traitfe".

*) Aperfju 439.

*) Campredon 248. Der Antrag ist vom 7. December.

*) Aper<ju 446.

46?

23. 11 Uhr abends, einging, wonach die verbündeten Suveraine die Kapitulation bis auf den Punkt, welcher die Rückkehr der Besatzung nach Frankreich aussprach, genehmigt haben. Die Besatzung sollte statt dessen nach Russland abgeführt werden, auch sollte den Polen nicht freigestellt werden, nach Frankreich zu gehen, sie sollten in ihre Heimath geschickt werden. In demselben Schreiben fügte der Herzog hinzu, dass er die ein- geräumten Werke wieder verlassen werde mit Ausnahme von Neufahrwasser, das erst übergeben werden sollte, wenn die Westfalen nach ihrer Heimath entlassen worden wären ^).

Der General Rapp antwortete noch an demselben Tage:*)

Monseigneur !

Ich habe mit Eurer Königlichen Hoheit eine Kapitulation abgeschlossen. Am heutigen Tage erhalte ich von Ihnen die Anzeige, dass der Kaiser Alexander, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, befiehlt, dass die Besatzung von Danzig kriegsgefangen nach Russland abgeführt werden solle, anstatt nach Frankreich. Das 10. Armeekorps überlässt es Europa, der Geschichte und der Nachwelt, über einen so fremdartigen Bruch der Verträge zu urtheilen, gegen welchen ich in aller Form protestire ^).

^) Das Verfahren hatte in der Kapitulation von Dresden einen Präcedenz- fall, indem der Fürst Schwarzenberg die vom F. M. L. Weiden bewilligte Bückkehr der Besatzung nach Frankreich ebenfalls nicht genehmigte, obgleich der General Gouvion St. Cyr schon bis Altenburg gekommen war. Auch mit der Garnison von Thom hatte sich ähnliches ereignet.

*) Campredon 252 ff.

^) In ähnlichen Tiraden ergeht sich d'Artois S. 510. Am weitesten geht darin der Oberst, spätere General Richemont. Der General war 1841, als er sich darüber ausliess (Himly S. 28), offenbar krank. Das Schreiben, welches er von Frankfurt a. M. aus am 16. December 1813 an den Fürsten Wolkonski nicht an den Kaiser, wie er sagt sendete und das uns seit- dem durch Auriol (S. 252) bekannt gemacht worden ist, enthält nichts von dem, was er 1841 behauptet geschrieben zu haben. Das Schreiben des Herzogs von Würtemberg an Bapp vom 10. November (nicht 15, wie er sagt) ist von ihm ganz falsch aufgefasst worden. Der darin abschriftlich mitgetheilte Erlass des Kaisers i^t eine Instruktion für den Herzog, aber keine Vollmacht. In der alliirten Armee wurde es als selbstverständlich angesehen, dass die verbündeten Monarchen die Kapitulation zu bestätigen hatten. Der Graf Dohna bittet unter dem 30. November den General von Knesebeck, die An- nahme der Kapitulation bei den Monarchen zu befürworten. Fanten.

80*

468

Infolge dieser geheiligten Grundsätze habe ich die Ehre, Eurer Königlichen Hoheit anzuzeigen, dass ich mich strikte an den Wortlaut einer Kapitulation halten werde, die ich nicht als vernichtet ansehen kann, weil sie gebrochen worden ist, dass ich sie vielmehr pünktlich ausführen werde und bereit bin, heute den Truppen Eurer Hoheit die Forts Weichselmünde, Napol6on und den Holm zu übergeben, ebenso alle Magazine und dass ich am 1. Januar aus dem Platze abziehen werde.

Die üebermacht und der Missbrauch der Gewalt können uns nach Russland, nach Sibirien schleppen, tiberall hin, wo man will; wir werden dulden, selbst sterben, wenn es noth- wendig ist, als Opfer unseres Vertrauens auf einen feierlichen Vertrag. Napoleon und Frankreich sind mächtig genug, um uns früher oder später zu rächen.

Unter diesen Umständen steht es mir nicht zu, mit Euer Königlichen Hoheit über ein Einvernehmen zu unterhandeln, sondern mich ausschliesslich an die Kapitulation vom 29. No- vember zu halten, die man, wie gesagt, verletzen, aber nicht ver- nichten kann, gez.: Graf Rapp.

Der Adjutant Rapp's, welcher diesen Brief überbrachte, kehrte um 10 Uhr abends mit einem Briefe des Herzogs zurück, worin dieser erklärte, alle Verhältnisse auf den Fuss zurück- zuführen, wie sie vorher gewesen sind. Die verbündeten Truppen verliessen die besetzten Werke. Rapp antwortete darauf. Der Herzog Hess durch den Adjutanten, welcher um 5 Uhr zurück- kam, sagen, er würde morgen antworten. Wie der Adjutant mittheilte, scheine der Herzog geneigt auf ein neues Ueberein- kommen einzugehen. Der Oberst Manfredi überbrachte am 26. die Antwort, worin sich der Herzog in diesem Sinne aus- sprach und zu diesem Zwecke ersuchte, einen General zu ihm zu schicken. Rapp ging darauf ein und schickte am 27. die Generäle Campredon und Bachelu zum Herzog, die eine zwei- stündige Konferenz mit ihm hatten. Um 11 abends kamen die 4 bekannten Bevollmächtigten zum General Rapp und brachten das Ultimatum des Herzogs, wonach er die Feind- seligkeiten am 29. mittags wieder eröffnen werde, wenn die Kapitulation, die er mitsendete, bis dahin nicht unterzeichnet wäre.

469

Der General Rapp versammelte am 28. December den Kriegsrath. Man einigte sich bei dem gänzlichen Mangel an Lebensmitteln ^) einstimmig, das Ultimatum des Herzogs anzu- nehmen. Um 10 Uhr abends begaben sich die Generäle Cam- predon und Bachelu nach Pelonken, dem Hauptquartier des Herzogs, um noch einige Abänderungen zu erlangen, auf die derselbe auch einging. Am Morgen des folgenden Tages wurde der Vertrag unterzeichnet.

Danach sollte die Besatzung am 2. Januar 1814 10 Uhr morgens mit allen militairischen Ehren aus dem Olivaer Thor ausmarschiren und die Waffen auf dem Glacis strecken. Die Besatzung bleibt bis zu ihrer gänzlichen Auswechselung kriegs- gefangen und wird nach Russland abgeführt, jedoch nicht in entfernte Gegenden. Den Tag nach der Unterzeichnung der Kapitulation um 11 Uhr morgens wurden Weichselmünde, der Hohn und die Zwischenwerke, sowie die 3 Thore, das Olivaer, Neugartener und Petershagener Thor, übergeben. An dem- selben Tage sollen die Deutscheu, die sich noch in Danzig be- finden, nach ihrer Heimath abrücken, am 31. die Kriegs- gefangenen, darunter 400 Spanier. Die Polen sollen 24 Stunden vor dem Auszuge der Besatzung durch das Petershagener Thor abziehen und unter dem Versprechen, nicht gegen Russland oder seine Verbündeten zu dienen, nach ihrer Heimath abgehen. Der Abmarsch der Franzosen und Neapolitaner, erstere noch 6500, letztere 1600 Mann stark, von denen 1500 Mann krank in Danzig zurückblieben, sollte in 4 Kolonnen in der Zeitfolge von je 2 Tagemärschen von einander erfolgen, die erste Kolonne am 3. Januar abmarschiren. Die Nichtkombattanten, soweit sie dem Militair angehören, bleiben bei demselben und geniessen die gleichen Vortheile wie dieses. Denjenigen, welche nicht dem Militair angehören, ist freigestellt, in Danzig zu bleiben. Wenn sie den Truppen folgen, haben sie keinen Anspruch auf die Kompetenzen derselben. Die übrigen Artikel blieben in der Fassung der 1. Kapitulation^).

*) Seit dem 18. December hatte sogar die Liefening von Pferdefleisch aufgehört, das nur noch den Lazarethen verabreicht wurde. Campredon 250.

*) Das Vorstehende nach Campredon, der auch den Worthut der 2. Ka- pitulation giebt (S. 265).

470

Dem Wunsche Rapp's, nach Kiew abgeführt zu werden, wurde nachgegeben. Die Mannschaft ist bald nach ihrer An- kunft daselbst ausgewechselt worden. Die Neai)olitaner wurden schon von Thorn aus nach Hause gesendet.

Der Ausmarsch aus Danzig am 2. Januar erfolgte ohne alle Störung. Der Herzog hatte 16000 Mann des Belagerungs- korps Aufstellung nehmen lassen, worunter auch die ostpreussi- sche Landwehr, die jedoch angeblich wegen ihrer schlichten Tracht ins 2. Treflen gestellt wurde. Den vorbeidcfilirendeu Truppen, Rapp an der Spitze, wurden die militairischen Ehren erwiesen und nach Niederlegung der Waffen wurden sie in Kauton- nements verlegt. An Ehrenzeichen wurden 3 Adler und 5 Fahnen tibergeben. Den Baiern waren ihre zwei Fahnen überlassen worden *).

Der Herzog hielt darauf seinen Einzug in Danzig, wo er freudig empfangen wurde. Die ostpreussische Landwehr war dabei durch die beiden Bataillone Nr. 9 und 10, weil sie noch am besten bekleidet waren, vertreten*). Die Truppen zogen durch das Neugartener Thor wieder ab, um der Stadt die Zeit zu geben, die Ordnung wieder herzustellen. Nur der Herzog blieb mit den nöthigen Wachmannschaften in der Stadt. Das Neugartener Thor wurde von Preussen besetzt. Nach einigen Tagen erhielt die Stadt eine russische Besatzung').

In der Festung und den Aussenwerken wurden 536 Kanonen, Mörser und Haubitzen, 30000 Gewehre, 6000 Paar Pistolen, 5000 Säbel, 342 Pfund Pulver und 265000 Kugeln u. s. w., sowie Montirungsstticke für 27000 Mann, jedoch unvollständig, vorgefunden.

Der Belagerte hatte, wie Blech versichert, nach sorg- fältig geführten Tabellen*), in der Zeit vom 29. August bis 27. November 95552 Schuss gethan und zwar von deu äusseren Schanzen 27000, vom Hagelsberge 12000, vom Bischofsberge 30000, wozu 430000 Pfund Pulver verbraucht worden waren.

») AperQu 462. «) Friccius 321. ') Ebenda. *) Blech 2, 288.

471

Vom Belagerer waren 80000 Scliuss gefallen. Der Verlust des Be- lagerten ergiebt sich aus der von d'Artois im Anhange mit- getheilten Tabelle. Danach waren von der Ende Januar 1813 vorhandenen, 35934 Mann starken Besatzung am Tage der Kapitulation vom 29. November noch übrig 8859 Franzosen iiicl. der Mannschaft der anektirten Länder, 3626 Polen, 2371 Deutsche und Spanier, 1676 Neapolitaner, in Summa 16532 Mann, wovon 1206 in Lazarethen lagen. Der Verlust betrug daher 19402 Mann, wovon 15736 in den Lazarethen gestorben, 1996 geblieben und 1017 desertirt waren. 643 waren gefangen worden. Nur die Nationalfranzosen wurden in die russische Gefangenschaft in der Stärke von 5200 Manu abgeführt.

Der Verlust der Russen wird nach dem apergu Tabelle III des Anhanges wie folgt angegeben : an Todten 2 Stabsofficiere, 40 Subaltern und 61 Unterofficiere, 8 Spielleute und 1177 Gemeine; an Verwundeten 1 General, 18 Stabs-, 110 Subaltern- und 177 Unterofficiere, 54 Spielleute, 2742 Gemeine; an Ge- fangenen 9 Subaltern- und 20 Unterofficiere, 3 Spielleute, 475 Gemeine ^). Der preussische Verlust betrug nach derselben Ta- belle 459. Die Zahl der in den Lazarethen Gestorbenen mag etwa das dreifache betragen haben ^).

Danzig war eine auf Jahrzehende zugrunde gerichtete Stadt. Sie hatte in den Jahren 1807 bis 1813 40 Millionen Gulden für die Franzosen aufbringen müssen, eine Summe, die weit darüber hinausgeht, was andere Städte haben leisten müssen'). Das gesammte Privateigenthum war ausserdem so gut wie ver-

*) Der Verlust der zur grossen Armee abgegebenen Truppentheile ist dabei nicht eingerechnet. Er betrag nach derselben Tabelle im ganzen 277 Mann und 55 Gefangene.

•) Na<!h einem Rapport des Grafen Dohna vom 1. December 1813 wird die Stärke des preussischen Korps (Friccius S. 311) auf 152 Officiere, 365 Unterofficiere, öl Spielleute und 3880 Gemeine angegeben, während sie, wie wir oben S. 337 gesehen haben, am 24. August sich auf 192 Officiere, 207 Unterofficiere, 128 Spielleute und 5515 Gemeine belief. Der Abgang an Ge- meinen betrug daher 1635 Mann.

^ Blech giebt im Anhange seines 2. Bandes einen genauen Ausweis darüber.

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nichtet, das unbewegliche zerstört, der Handel zugrunde ge- richtet^). 112 Gebäude und das Dominikanerkloster, sowie 197 Speicher lagen in Asche, 1115 Häuser waren durch das Bombarde- ment mehr oder weniger zerfallen. Von den Einwohnern waren 60 getödtet, etwa ebensoviele verwundet, 90 aus Mangel an Nahrung gestorben, 5592 infolge ansteckender Krankheiten erlegen^).

e. Bttckfall an Preussen.

Die Rückkehr Danzigs unter die preussische Herrschaft vollzog sich nicht in so einfacher Weise, wie die bestehenden Verträge') es erwarten Hessen.

Der König Friedrich Wilhelm III hatte infolge des Ver- trages von Reichenbach im Einverständniss mit dem Kaiser Alexander bestimmt, dass Danzig eine preussische Besatzung erhalten solle, und kommandirte als solche die Bataillone der ostpreussischen Landwehr und das 5. Kavallerie - Regiment, welche sich vor Danzig befanden. Zum Guverneur ernannte er den General von Massenbach und zum Kommandanten den Grafen Ludwig von Dohna. Der König theilte dies dem Herzog von Würtemberg mit dem ausdrücklichen Vermerk mit, dass die getroffenen Anordnungen im Einverständniss mit dem Kaiser Alexander erfolgt seien. Das betreffende Schreiben langte in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar 1814 beim Heraog von Würtemberg an. Einen direkten Befehl vom Kaiser hatte der Herzog nicht erhalten und dieses sowohl, als das bestimmte Auftreten der Herzogs den preussischen Befehlshabern gegen- über weist darauf hin, dass der Herzog andere Weisungen vom Hauptquartier empfangen hat, die allerdings schon altern ür-

*) Blech S. 313.

») Ebenda 289.

8) Der Vertrag von Breslau— Kai isch vom 26./27. Februar 1813 ga- rantirte Preussen im künftigen Frieden die volle Macht von 1806 und sicherte ihm die damaligen Besitzungen, namentlich Altpreussen und ein Territorium zu, das dies geographisch und militairisch mit Schlesien verbände. In dem am 27. Juni zu Reichenbach zwischen Russland, Oesterreich und Preussen geschlossenen Bunde wird für letzteres der Wiederbesitz von Danzig aus- drücklich ausgemacht. Vgl. Panten, Danzigs Bückkehr unter preussische Herrschaft. Zeitschrift des west{)reus8ischen Geschichtsvereins, Heft Xm^ S. 99,

473

Sprungs gewesen sein mögen. Die Rücksichtslosigkeit, die er den Anordnungen des Königs von Preussen gegenüber bewies, findet nur darin eine Erklärung.

Die Absichten Kusslands auf Ostproussen und Danzig hatten sich schon frühzeitig ausgedrückt. Wie wir oben gesehen haben, hatte es Pet«r der Grosse bereits auf Danzig abgesehen. Im 7 jäh- rigen Kriege wurde kein Geheimniss daraus gemacht. Die Provinz Ostpreussen musste der Kaiserin von Bussland huldigen. Seit dem Jahre 1812, wo sich Alexander in dem Vertrage mit Schweden zu Abo am 30. August die Provinz Preussen garan- tiren Hess, bildete die Erwerbung desselben und Danzigs einen Theil des russischen Programms*).

Als der Oberst Graf Dohna sich nach dem Einzüge in Danzig beim Herzog als Kommandant von Danzig meldete der General von Massenbach traf erst am 4. Januar ein bedeutete ihm der Herzog, dass das Schicksal von Danzig mit dem Polens in Verbindung stehe, darüber aber noch nichts ent- schieden sei. Er könne also von den Anordnungen des Königs von Preussen keine Notiz nehmen und habe den Fürsten Wol- konsky zum Guverneur und den Generalmajor Rachmanow zum Kommandanten eiiiannt. Die Stadt werde eine russische Be- satzung erhalten. Dohna war ausser sich und fand darin eine Beleidigung seines Königs. Es kam zu einem heftigen Wort- wechsel, worin der Herzog den Grafen mit Arrest bedrohte*).

Nach der Ankunft Massenbachs trat eine gewisse Milderung des Verhältnisses ein, indem der Herzog erklärte, ohne dessen Mitwissen keine Einrichtungen in der Stadt zu trefien, aber von dem Schreiben des Königs könne er vor Eintreffen der Befehle seines Kaisers keine Notiz nehmen. Massenbach und

*) Vgl. Fanten S. 98fr., der das desweitern ausführt.

*) Der Bruder des Grafen Ludwig, der frühere Minister und damalige Präsident der einberufenen Landstände, Alexander, schrieb am 6. Januar 1814 an Schön: „Ludwig läuft Gefahr, sich ein Gallenfieber mit dem unsinnigen Herzog an den Hals zu ärgern. Täglich hat mein Bruder mündlich und schriftlich gewaltige Aufzüge mit ihm; mein Bruder hat zuerst dem Herzoge erklärt, dass er nicht mit gewaffneter Hand gegen Allürte agiren kOnne, dass er aber durchaus weiter keine Befehle you ihm annehme.^ Scbön's Papiere m 6, 178. Fanten S, J08.

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Dohna suchten ihre Stellung zu behaupten und erliessen Befehle an den Senat von Danzig, die sich mit denen des russischen Guverneurs kreuzten. Doch gab Massenbach insoweit nach, dass er sich auf die Angelegenheiten der preussischen Truppen besclnänken wolle. Er stattete am 7. Januar dem Könige einen Bericht über die Verhältnisse ab. Ein Erfolg war davon kaum zu erwarten, da der König unerschütterlich im Vertrauen zum Kaiser Alexander war und am wenigsten ihn reizen wollte. Der Graf Dohna und seine nähern Freunde, der Graf Euleu- burg, Brünneck, Brockhausen und Hülsen mochten das wohl fühlen und entschlossen sich, aus ihrer Mitte einen mit dem Be- richt Massenbachs an den König nach Basel, wo sich das grosse Hauptquartier befand, zu senden *), um durch mündliche Vor- stellungen über die Lage der Dinge Aufschluss zu geben. Die Wahl fiel auf Brünneck, den Kommandeur des 5. Landwehr- Kavallerie-Regiments. Dieser fand in der That keinen günstigen Empfang. Der König beschuldigte den Grafen Dohna und seine Freunde der Unverträglichkeit und des unbegründeten Verdachts. Ausserdem hatte der Herzog den General Gerebzow ins Haupt- quartier gesendet, um den preussischen Einflüssen entgegen- zuwirken. Glücklicherweise fand Brünneck in den Generalad- jutanten des Königs, dem General von Knesebeck und Oberst von Thiele, eifrige und einflussreichc Anwälte, denen es gelang, den Befehl des Kaisers an den Herzog von Würtemberg aus- zuwirken, Danzig an Preussen zu übergeben. Der russische Oberst von Bötticher, Adjutant des Herzogs von Würtemberg, welcher die Meldung von der 2. Kapitulation Danzigs ins Haupt- quartier überbracht hatte, reiste, wie es scheint, am 17. mit diesem Befehle des Kaisers nach Danzig ab und erhielt vom Könige Friedrich Wilhelm III einige vom 15. datirte Depeschen, unter anderm die Ernennung des Grafen Dohna und des Obersten

*) Der Graf Dohna nahm die Gelegenheit wahr, dass der Herzog zur Aufklärung von Reihungen mit den ('ivilbehörden dem Könige ein Memoire zu übersenden beabsichtigte, wozu er den Major v. Hake ausersebeu hatte, um dem Herzog vorzustellen, dass ein Mann wie der Major von Brünneck als ürossgrimdbesitzer mehr geeignet sein dürfte, dem Könige die erforderlichen Erläuterungen zum Memoire zu geben und erlangte die Einwilligung^ d.^sa BrtUmeck der Ueberbringer sein sollte, v. Hake,

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Pullet zu Generalmajors, sowie zahlreiche Ordensverleihungen an das Belagerungskorps, mit auf den Weg. Brfinneck folgte in der Nacht vom 20. zum 21. und überholte den Oberst von Bötticher am 28. in Berlin, von dem er die preussischen De- peschen übernahm und die freudige Nachricht überbringen konnte, dass Danzig preussisch bleiben sollte. Bötticher langte erst am 1. Februar in Danzig an. Am 2. Februar erhielt Massen- bach und am 3. der Senat der Sjtadt vom Herzoge die Mitthei- lung, dass er den Befehl erhalten habe, Danzig an Preussen zu übergeben. Er Hess, als er am 9. abreiste, Danzig nach dem ürtheile der preussischen Ingenieur- und Artillerieofficiere in völlig wehrlosem Zustande zurück, indem er 85 Feldgeschütze *) als russisches Eigenthum erklärte und damit die Festung ihrer Flankengeschütze beraubte, auch die Gewehrmunition, 5 Mil- lionen Patronen, auf 150 Wagen entzog. Ausserdem führte er 30000 Gewehre und fast sämmtliche Bekleidungsgegenstände mit sich. Den grossen Festungsplan erklärte er ebenfalls als russisches Eigenthum, liess jedoch zu, dass er kopirt wurde. Es. scheint, dass er immer noch die Hoffnung hatte, der Kaiser werde sich anders besinnen, wie es auch in preussischen Kreisen befürchtet wurde ^).

Dem Oberst Grafen von Dohna ist es nicht vergönnt ge- wesen, die Rückkehr des Majors Brünneck zu erleben. Er war schon am 19. Januar, erst 37 Jahr alt, der heimtückischen Krankheit erlegen, die der Stadt so viele Opfer abverlangt hat.

Die feierliche Wiedervereinigung Danzigs mit Preussen fand am 19. Februar 1814 unter Leitung des Chefpräsidenten des Marienwerderer Ober-Landesgerichts Oelrichs statt.

Der Senat hatte schon am 4. Februar im Namen und Auf- trage der Stadt ein Schreiben an den König gerichtet, worin

^) Nach einem Schreiben des Major Liebe an die General-Inspektion der Artillerie vom 26. April 1814 waren es 87, darunter auch 12Pfilnder. Es gelang jedoch dem Major Liebe , von 37 Geschützen nachzuweisen , dass sie preussischen Ursprungs waren, so dass nur 50 den Bussen blieben. Kr. -Archiv Nr. 12, S, 143.

*) Schreiben eines hervorragenden, in die Verhältnisse eingeweihten Mannes vom 11. Februar 1814 an den General v. Knesebeck und den Oberst V. TWele. Panten S. 106^

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er dem Gefühle lauten Jubels, inniger Freude, reinster Dankbar- keit für die Wiedervereinigung mit Preussen Ausdruck gab . . . und um die bis 1807 genossene Huld und Gnade bat*).

C. Rückblick.

Die Belagerung Danzigs im Jahre 1813, wenn wir damit die gesammten Operationen gegen dasselbe bezeichnen, hat manchen Zug mit der Belagerung von Sebastopol geraein ; grösser jedoch sind die Verschiedenheiten, die daraus entsprangen, dass Sebastopol der Preis war, um den die gesammten Kräfte der mächtigsten Staaten Europa^s rangen, während Danzig 1813 ein für die grosse Entscheidung gleichgültiges Objekt bildete, dessen Bewältigung Milizen übertragen werden konnte. Völlig isolirt und von der Aussenwelt abgeschnitten, war die Be- satzung, welche Danzig dem Imperator erhalten sollte, nur durch die Zuvei'sicht auf das Genie desselben geistig und moralisch getragen. Da die Rettung durch ihn ausblieb, konnte der Ausgang des Kampfes nur in dem allmählichen Versiegen der Kräfte liegen, dem die Besatzung entgegenging, ohne Antheil an der Entscheidung zu nehmen, welche die Kuhc Europas herbeiführen sollte. Bei der Belagerung von Sebasto- pol handelte es sich dagegen um das Abmessen der Kräfte beider Gegner im offenen Kampfe, von dessen Ausgang der Besitz der Festung und damit, wie die Verhältnisse lagen, die Entscheidung über den ganzen Krieg abhing. Deshalb ist die Vertheidigung von Danzig aber nicht minder rühmlich als diejenige Sebastopols und das Verhalten der Besatzung durch die Leiden der Epidemie und des Hungers höher anzuschlagen, zumal da bei Sebastopol die Verbindung mit der Aussenwelt nie unterbrochen war.

Der Vertheidiger von Danzig ist dem Vorwurf aus- gesetzt, das Leben so vieler Menschen unnütz aufs Spiel gesetzt zu haben, nachdem jede Aussicht geschwunden war, dem eignen Vaterlande damit noch irgend einen Dienst zu erweisen, wie das seit der Schlacht von Leipzig der Fall

^) Das Vorstehende nach Fanten a. a. 0. und die Handschriften de9 nachmaligen Generals von Hake im Kriegs- Archiv,

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war. Aber wie Rapp auf die desfallsigen Vorstellungen des Herzogs Alexander erwiderte, hat der Soldat danach nicht zu fragen. Wer kann das bestreiten, ohne die Pflichten ausser Acht zu lassen, die dem Soldaten das heiligste sein müssen? Das Weltgericht mag anders darüber entscheiden. Es ist der Konflikt, in welchen der Krieg überhaupt mit den Gesetzen der Moral tritt. Mit demselben Recht könnte man Napoleon verurtheilen, 1814 den Krieg fortgesetzt, wenigstens die Friedens- unterhandlungen abgebrochen zu haben.

Noch eine andre Frage kommt hier zur Sprache. Waren die deutschen Officiere im Recht, den Aufforderungen des Herzogs von Wfirtemberg, den französischen Dienst zu verlassen, nach- dem ihre Suveraine von Napoleon abgefallen waren, nicht Folge zu leisten? Sie bestanden darauf, die Befehle derselben abzu- warten, die jedoch nicht eintrafen. Auch das ist militairisch. Wer trägt hier die Schuld? Rapp dispensirte sie vom äussern Dienst und kam so ihren Wünschen entgegen. Einfacher war die Lage der westfälischen Officiere, die den Guverneur baten, sie vom Dienst zu entbinden. Einen Befehl des Suverains hatten sie nicht zu erwarten.

An Fragen, zu welchen die Belagerung Danzigs im Jahre 1813 Veranlassung giebt, drängen sich noch zwei auf: erstens, war es französischerseits nicht angezeigt, die ITestung Danzig zu räumen und ihre Werke und WafFenvorräthe zu zerstören, um die zahlreiche Besatzung für die Feldarmee dis- ponibel zu machen? zweitens, ist den Russen ein Vorwurf zu machen, dass sie Danzig, welches noch nicht armirt, zum Theil sogar offen war, nicht sogleich gestürmt haben?

Die erstere Frage soll auf dem Ruckzuge im Hauptquartier Königsberg wirklich diskutirt worden sein^). Napoleon hätte nie seine Einwilligung dazu gegeben. Er legte den grössten Werth auf Danzig. Der Moniteur vom 26. Januar (No. 27) 1813 erklärte: „Danzig est anjourd'hui une place inexpugnable; plus de 30000 hommes de braves troupes y sont röunies, de bons G6neraux les commandent, et le gouverneur de la ville est le general Rapp, brave et intrepide Soldat; bon nombre d'officiers

») M. de M**», le siöge de Dantzig en 1813 S. 3.

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de g6nie et d'artillerie s'y trouvcnt; la place est approvisionn6e de tout pour deux ans" (?).• Wenn die Bussen zu dieser Zeit auch Danzig und Thorn bereits eingeschlossen hatten, so traute er ihnen jedoch nicht zu, dass sie vor Eroberung dieser Plätze weiter vordringen würden. Er hoflfte, sie mit seiner neu ge- schaffenen Armee noch an diesen Punkten anzutreffen. Dass sie auch die Oder fiberschreiten und deren Festungen hinter sich lassen würden, lag ausser aller Berechnung. Auch war zu der Zeit, wo das . 10. Eoi^ps , welches die Besatzung von Danzig bilden sollte, auf seinem RQckzuge daselbst eintraf (mitte Januar), ein Entkommen desselben kaum noch möglich, da es von den Russen hart gedrängt wurde. Die Frage erledigt sich daher von selbst.

Die 2. Frage ist, wenn man sich die Lage der Dinge ver- gegenwärtigt, ebenso bestimmt zu vei-neinen. Bis anfang Fe- bruar war Danzig nur durch Kosacken eingeschlossen und auch seitdem war das Blockadekorps so schwach, dass es nur zur Beobachtung der Festung ausreichte. Es hätte daher zum Zweck des Sturms eine Detachirung des Wittgensteinschen Korps, das bis zum 13. Februar in der Gegend von Stargardt verweilte, eintreten mftssen , die nur vom Oberkommando aus- gehen konnte, das zu energischen Schritten jedoch keine Nei- gung hatte. Am allerwenigsten wollte man sich einem Echec aussetzen, der bei dem Stande der Verhandlungen mit Prenssen sehr hinderlich werden konnte. Die neuern Grundsätze würden den gewaltsamen Angriff unter allen Umständen gefordert haben.

1. Sie Vertheldignng.

Der Herzog von Würtemberg macht Rapp den Vorwurf), dass er seine üoberlegenheit nicht benutzt habe, das Blockade- korps zu sprengen. Diese vermeintliche üeberlegenheit war aber keineswegs vorhanden. Es ist gewiss nicht übertrieben, wenn Rapp in seinem Bericht vom 17. Juni sagt*), dass er bei dem Anfall des Generals Löwis am 5. März, wo er gewiss alle dis-

^) AperQU S. 28. Der Herzog stellt das als sehr leicht dar und fügt hinzu: mais la garnison ne snt pas en profiter. ») Auriol S. 98.

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poniblen Kräfte heranzog, nur über 5000 Mann verfligen konnte, wenn man berücksichtigt, dass die Besatzung zu dieser Zeit 18000 Kranke hatte und 7000 Mann bereits gestorben waren. Auch nahm die Besetzung der weitläuftigen Werke einen Theil der Besatzung in Anspruch. Noch mehr irrt der Herzog, wenn er sagt ^). dass die Besatzung aus lauter Elitetruppen bestanden habe, die 20 Feldzüge hinter sich hatten. Wie wir oben ge- sehen haben, bestand der grösste Theil der Besatzung aus Re- kruten. Rapp hatte alle Ursache, seine Truppen zu schonen, und machte nur im äussersten Nothfalle von Ausfällen Gebrauch, um Lebensmittel und Furage beizutreiben*).

Im Widerspruch mit seiner obigen Behauptung macht der Herzog dem General Rapp den Vorwurf*), den Mangel an Mann- schaft, der am Ende der Belagerung eintrat, durch seine grossen Ausfälle vom 9. Juni und 29. August verschuldet zu haben, die vollkommen unnütz gewesen seien.

Der Ausfall vom 9. Juni war dadurch veranlasst, dass Rapp das junge Getreide hauen lassen wollte, bevor sich der Feind desselben bemächtigte. Wenn er schon dadurch hinlänglich motivirt wird, so kam noch hinzu, dass der General durch die täglichen Gefechte, welche der Herzog seit ende Mai eintreten Hess, die Besatzung infolge der fortwährenden Bereitschaft, in der sie sich halten musste, vollständig mürbe gemacht hatte*), so dass etwas geschehen musste. Das Gefecht wurde nur da- durch unnütz, dass am folgenden Tage der Waffenstillstand be- kannt wurde. Der Verlust war allerdings bedeutend; Döring beziffert ihn auf 19 Officiere, 637 Mann an Todten und Ver- wundeten, die französischen Berichte geben nur 400 Mann zu.

Das Gefecht vom 29. August eröffnete die Reihe von

») Apercu S. VÜI. 70. 81. 236. 310.

') Happ spricht sich in seinen Memoiren selbst darilber aus. £r sagt S. 214: „Ce n^etait plus qvL'k la pointe de Tepee que nous ponvions obtenir des snhsistances ; mais quel que füt le d^vouement des troupes: la prndence ne permettait pas de les conduire ä Tennemi, consum^es quelles 6taient par les maladies et la misöre. II faUut se r6äigner ä son 6toiIe, et attendre patiem- ment que la douce influeuce de la belle saison vint r6parer leurs forces."

■) Apercu S. 411.

*) Eapp. Mfemoires S. 237. v. Düring.

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Offensivschlftgen, womit der Herzog von Wfirtemberg sich des Bodens bemächtigte, den er zur Belagerung bedurfte. Da er sich bisher jeder grossem Operation enthalten hatte, ist es natfirlich, dass Kapp sich überzeugen wollte, ob sein Gegner die nöthigen Kräfte hätte und die erforderliche Energie besass, seine Absicht durchzusetzen. Aber auch ohne dies konnte Bapp das bisher besetzte Terrain nicht verlassen, ohne den Versuch zu machen, sich darin zu behaupten. Sein Widerstand ist daher vollkommen gerechfertigt. Dass er nicht unnütz war, be- weist die Vorsicht, die der Herzog in seinen folgenden Opera- tionen beobachtete und der Verlust an Zeit, den er sich dadurch zuzog. Auf der andern Seite hatte das Qefecht zur Folge, dass Eapp von jetzt ab sehr sparsam mit dem Blut seiner Truppen umging. Ein Grund zum Vorwurf für Rapp lag in diesem Ge- fecht daher nicht. Sein Verlust an diesem Tage betrug gegen 400 Mann an Todten und Verwundeten.

Der Herzog konnte sehr gut wissen, dass der Mangel an Truppen, an welchem die Besatzung zuletzt litt, nicht von diesen Gefechten hergekommen ist, sondern von der Desertion und der angeblichen Weigerung der nicht französischen Truppen, den äussern Dienst noch länger zu versehen, doch bestreitet er auch das ^) und behauptet, dass die Zahl der Deserteure seit Ende August nur 400 betragen habe und dass die fremden Truppen bis auf den letzten Tag im Dienst geblieben seien. Es ist fiberflüssig, auf die Argumente näher einzugehen, die er an- führt, es genügt auf die Rede hinzuweisen, die Rapp im Eri^- rathe hielt, um über die Uebergabe zu beschliesen, worin er den Abfall der fremden Truppen als den vorzüglichsten Grund für die Nothwendigkeit der Uebergabe angiebt").

Die Unzufriedenheit, die sich schliesslich des nicht franzö- sischen Theils der Besatzung bemächtigte und zu dessen angeb- licher Weigerung fühi-te, noch länger vor dem Feinde verwendet zu werden, war durch die Ereignisse in Deutschland, nament- lich seit der Schlacht von Leipzig, hervorgerufen worden, deren Kenntniss der Herzog von Würtemberg ihnen zukommen Hess.

0 Aperyn S. 416.

') Campredon. Anriol S. 233. Anhang VI.

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Bis dahin hatten sich diese Truppen selbst nach dem Zeugniäs der Franzosen vorzüglich geführt und standen diesen in keiner Weise nach. Es hatte sich selbst eine Waffenbrüderschaft mit ihnen gebildet. Dass dies so war, ist lediglich dem eigenthttm- lichen Talent Eapp's, mit den Truppen umzugehn, zu verdanken gewesen.

Hierin liegt eins der Hauptverdienste, die sich Bapp um die Vertheidigung der Festung erworben hat^). Ganz persön- lich ist ihm auch die Besetzung des ausgedehnten Terrains am Danzig zuzuschreiben. Er spricht sich in seinen Memoiren darüber aus, dass es ihm leid gethan habe, die Vorstädte nieder- zubrennen. Es ist indessen kaum anzunehmen, dass er erwartet habe, der Feind werde ihn in deren Besitz lassen. Beim noth- wendigen Abzüge wäre immer noch Zeit gewesen, sie einzu- äschern. Nachdem er jedoch den Anfall des Generals Löwis am 5. März zurückgeschlagen hatte, scheint seine Absicht, sich dauernd in deren Besitz zu erhalten, gereift zu sein, denn er Hess die Ortschaften nunmehr befestigen *). Wie nach und nach auch das anliegende Terrain befestigt worden ist, habe ich oben nachgewiesen, hier dürfte jedoch der Ort sein, ein Ge- sammtbild davon zu geben und das Terrain um Danzig im Ganzen zu würdigen, wobei auch Weichselmfinde und Neufahr- wasser heranzuziehen sein wird.

Danzig ist im Osten durch die Weichsel, im Norden und Süden durch ausgedehnte, unzugängliche Niederungen geschützt, die nur im Norden zwischen Langfuhr und dem Olivaer Thor zunächst der grossen Allee gangbares Terrain bieten. Im

^) V. Düring, Tagebuch S. 37: „Es herrschte in jedem Korps bis zum letzten Soldaten herab ein Wetteifer, jeden anderen an Mnth und Beharrlich- keit zu ttbertrefifen. Doch woher entstand das? allein durch das Beispiel, durch den unerschütterlichen, sich immer gleich und fest bleibenden Sinn des Guyemeurs! Alle, die unter Rapp dienten, werden einmüthig sich nie einen besseren, tapferem und gerechteren Chef wünschen können; er zog keine Truppe aus Vorliebe der andern vor, die Tapfersten waren ihm die liebsten, er war freundlich gegen den gemeinen Soldaten".

') Die Einrichtung der beiden Häuser am Eingange von Langfnhr zu Blockhäusern ist, wie aus dem Tagebuche des Minors Bauer hervorgeht, aus dessen eigner Initiative entsprungen und fällt vor diese Zeit.

Köhler, Qeacülchte der Festungen Danzig and Weichselmünde. II. 31

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Westen der Stadt erhebt sich ein Plateau von wenig über 70 Meter oder 200 Fuss Höhe, das schroff zur Stadt abfällt and durch die Schlucht von Schidlitz in zwei Theile getheilt wird. Es werden dadurch zwei Abschnitte gebildet, von denen der nördliche in der Schlucht, die von Zigankendorf nach Aller Engeln ausläuft, seine Begrenzung findet. Der südliche Abschnitt wird durch die Schlucht an den Schottenhäusern begrenzt. Was jenseits dieser Grenzen nach Norden und Süden vorliegt, ist nur von nebensächlicher Bedeutung für die Belagerung von Danzig, wenigstens bei den damaligen glatten Geschützen. Im Jahre 1813 kam es jedoch für die Einschliessung inbetracht, solange Rapp Langfuhr besetzt hielt, und solange er im Süden mit den Vorposten über die Schottenhäuser hinaus griff. Die Eontravallation der Alliirteu stützte sich daher im Norden auf die tief eingeschnittene Schlucht, welche über Dreilinden und Diwelkau nach dem südlichen Theil von Langfuhr abfällt, und im Süden auf den von Schönfeld durch Reiersgarten in den Radaunekanal fliessenden Bach, der in einem tiefen Einschnitt liegt. Von Schönfeld über Wonneberg nach Dreilinden lief die Eontravallation durch ein wenig accentuirtes Gelände, das nur durch den obern Theil der Schidlitzer Schlucht bei Tempelburg unterbrochen war*).

Der Bischofs- und Hagelsberg bilden gleichsam die Vorgebirge der beiden Abschnitte nach der Stadt hin und sehen dieselbe vollständig ein. Sie waren daher in der Zeit, wo die Artillerie durch Ausbildung der Hohlgeschosse sich wesentlich vervollkommnet hatte, Mitte des 17. Jahrhunderts, in die Be- festigung der Stadt gezogen worden. Rapp befestigte auch den Krähenberg und die Jesuiterhöhe, zwei andere nördlich und südlich gelegene Vorgebirge der beiden Abschnitte, und versah sie mit starken Batterien. Die beiden Abschnitte enthielten noch andre, taktisch wichtige Höhen, der nördliche den Zigankenberg, der südliche den Stolzenberg, welche schon in den früheren Bela- gerungen eine wichtige Rolle gespielt hatten. Sie sind beide von

^) Die KontravaUation war nur darch einzelne Reduten und Lttnetten gebildet, die nicht durch Laufgräben verbunden waren.

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gleicher Höhe und dominii en den Hagelsberg, so dass sie diesem sehr gefährlich sind. Der Stolzenberg war bei der Vervollständigang der Befestigung Danzig's durch die Franzosen durch die Lünette Cafarelli gekrönt und der Befestigung des Bischofsberges ein- verleibt worden. Der Zigankenberg wurde von Rapp mit drei Lttnetten versehen, welche die Umgegend in günstigster Weise bestrichen. Der Berg bildete nach Westen hin einen ange- messenen Abschluss des nördlichen Abschnittes. Für den Sttd- abschnitt fehlte ein solcher. Die bedeutende Ausdehnung des Plateaus vom westlichen Ausgange des Dorfes Stolzenberg bis zn den Schottenhäusern fand nur in dem befestigten Dorfe Stolzenberg und den Lünetten Friaul auf der Jesuiterhöhe Stütz- punkte für die Vertheidigung. Man begnügte sich, zwischen beiden einige Blockhäuser (den Dragonerposten, auch das gelbe Haus oder das Haus am Teiche genannt, den Posten am Juden- kirchhofe und den in der Ortschaft Weinberg) anzulegen, im übrigen aber es den Vorposten zu tiberlassen, sich durch Erd- aufwürfe gegen die Anfälle der Kosacken zu schätzen. Sie er- wuchsen mit der Zeit zu wirklichen Schanzen, so der Posten des Sergeanten und der Posten des Lieutenants. Für Schidlitz war wenig zu fürchten, solange die zu beiden Seiten des Dorfes liegenden Anhöhen im Besitz des Belagerten blieben. Das Dorf wurde an seinem Westausgange durch eine Barriere und weiter rückwärts durch eine Kupüre nur so weit befestigt, dass es gegen Parteien geschützt war. Auch hier hatten die Vorposten sich selbst die nöthige Sicherheit zu beiden Seiten zu verschaflfen gesucht. Es entstand so der Posten des Kommandanten, in dem sich der Vorpostenkommandeur aufhielt und der Posten Pichon, westlich des Dorfes, der mit der Barriere desselben durch einen gedeckten Weg verbunden wurde.

Das Plateau jenseits des Südabschnitts zwischen den Schotten- häusern und Reiersgarten wurde ebenfalls von den Vorposten durch Schanzen gesichert. Es entstand so die sogenannte Stern- schanze (le poste de TEtoile) und der Posten des Eapitains. Das sonst unbefestigte Dorf Ohra wurde mit dem poste du jardin, der obigen als Flankendeckung diente, versehen.

Am Fuss des südlichen Abschnitts nach Norden hin lagen längs des Radaunekanals die Vorstädte Alt Schottland und

81*

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Stadtgebiet*), durch welche und durch Ohra die alte Heer- strasse nach Dirschau führte. Es war von der grössten Wich- tigkeit, sich so lange als möglich im Besitz dieser Ortschaften zu halten, weil sie zum Schutz der anliegenden Höhen dienten. die eine Einsicht in die Stadt gestatteten. Sie wurden daher mit einer doppelten Kuptire versehen, zu deren Herstellung die Oertlichkeiten sehr gut geeignet waren. Die Kupüren wurden bis zur Inundation geführt, die bis an die Gärten der Vorstädte herantrat.

Mit der Besatzung von Langfuhr ging Rapp über die Grenzen des nördlichen Abschnitts hinaus. Langfuhr gehörte nicht zu den Ortschaften, die eingeäschert werden mussten, da es ganz ausserhalb der Schussweite von der Festung lag. Aber Rapp hielt seine Besatzung zur Behauptung der freien Passage auf der Weichsel und längs des linken Weichselufers nach Nen- fahrwasser für nothwendig, da der Besitz von Neu-Schottland und Schellmühl hierzu nicht genügte. Aber auch Langfuhr war schwer zu vertheidigen. Am Fuss des Johannisberges und der weitern Höhen, die sich nach Oliva hin erstrecken, gelegen. war es nicht in der glücklichen Lage, wie Alt-Schottland und Stadtgebiet von diesen Höhen aus beschützt zu werden, weil diese bewaldet waren und nur mit Aufbietung bedeutender Kräfte hätten gehalten werden können. Rapp hatte daher nichts als eine Vorpostenkette daselbst und ein Piket im Jäschken- thal, so dass deren Zurückwerfung ganz im Belieben des Gegners stand. Das sehr langgestreckte Dorf hätte auch nur von be- deutenden Kräften gehalten werden können. Seine .Befestigung beschränkte sich darauf, dass die Ausgänge verbarrikadirt waren und am Eingange des Dorfs zwei Häuser krenelirt und mit Palisaden umschlossen waren. Die Anlage von Kupüren im Dorfe selbst würde keinen Sinn gehabt haben, da sie von den Bergen aus flankirt wurden. Die breite Strasse konnte nicht

*) Das Dorf Stadtgebiet gehörte wie Ohra zu Danzig, während Alt- Rcbottlaud dem Bischof von Kujovien zn eigen war. In den französischen Berichten über die Belagerung wird derjenige Theil zwischen der 1. im<l 2. Knpüre mit Stadtgebiet bezeichnet. Nach der Generalstabskarte beginnt letzteres erst an den Schottenhäusern. Zu den Vorstädten wird auch noch St. Albrecht gezählt.

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als Abschnitt eingerichtet werden, weil man dadurch seine Rück- zugslinie aufgegeben hätte. Die Besatzung des Dorfs war ausserdem ausgesetzt, von vornherein von Danzig abgeschnitten zu w^erden, weil die am Eingange desselben auslaufende Schlucht eine gedeckte Annäherung des Feindes gestattete.

Wenn der Belagerer dennoch die Franzosen über 6 Monate im Besitze des Dorfes liess, so lag das in seiner Schwäche und (Uirin, dass er sich anfang März eine scharfe Lection daselbst geholt hatte. Das Dorf war am 5. März zwar von den Russen genommen worden, doch wurden sie iu den folgenden Tagen wieder herausgeworfen. Zur Behauptung des Dorfes richtete Rapp zwischen demselben und der Stadt mehrere Aufnahme- stellungen ein (Kabrnn, Schmidt'scher Garten, Aller Engeln) und liess auch auf der Weichsel mehrere Kanonenboote ankern. Aber es half ihm alles nichts, er musste Langfuhr aufgeben, sobald der Gegner nach dem Waffenstillstände Ernst zeigte, sich seiner zu bemächtigen.

Die Tage vom 29. August und 2. September haben ihm allein einen Verlust von 800 Mann an Todten und Verwundeten eingebracht.

Die Verbindung Dauzigs mit Neufahrwasser am linken Weichselufer und auf der Weichsel selbst hat auch 1734 und 1807 nicht aufrecht erhalten werden können. Nur ein Brücken- kopf am 3. Legan hätte das möglich gemacht^).

Die Befestigung der Mündung der Weichsel ist für Danzig von der grössten Wichtigkeit, da, wenn sich der Feind daselbst festsetzt, die Stadt vom Meere ausgeschlossen ist. Ebenso nothwendig ist die Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen Danzig und der Münde mit ihren Befestigungen. Eine Unter- bindung derselben kommt dem Verlust der Münde nahezu gleich. Die Franzosen hatten durch ihre eigenthümliche Holmbefestigung, namentlich durch den Bau des Forts Napoleon und dessen An-

*) Die Sicherung der Schiiffahrt auf der Weichsel hatte schon früh die Aufmerksamkeit anf sich gezogen. Wie wir gesehen haben, hatte der General- major von Houwald, Kommandeur der Danziger Truppen, schon 1638 die Stadt veranlasst, die alte Kalkschanze zu erbauen. Doch hatte er den rich- tigen Ort verfehlt. Die Schanze wurde nach seinem Austritt- aus dem Dienst der Stadt wieder eingeebnet,

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hang, die Redute d'Haupoult, die Land Verbindung auf dem rechten Weichselufer sichergestellt, was bis dahin vergeblich angestrebt worden war. Die SchifiFfahrt auf der Weichsel ist auch ihnen nicht gelungen zu sichern, daher die Anstrengungen Rapp's nach dieser Richtung, die ihre volle Berechtigung hatten, denn der Besitz der Weichselmündung wird erst werthvoU, wenn die einlaufenden Schiffe ungehindert bis Danzig gelangen können. 1813 kam das allerdings weniger inbetracht, da feind- liche Flotten die Mündung blockirten. Aber sie konnten das in der ungünstigen Jahreszeit nicht fortsetzen, wo dann der Weg den befreundeten dänischen Schiffen offen blieb *). Unter allen Um- ständen ist die Vervielfältigung der Kommunikationen zwischen Danzig und der Münde von Wichtigkeit.

Mit Recht macht daher der Verfasser des Apergu dem Ge- neral Rapp den Vorwurf, gegenüber dem Ganskruge keinen Brückenkopf angelegt zu haben. Der Vorwurf trifft allerdings mehr den Kaiser Napoleon, denn der Brückenkopf hätte in dem Bauplan aufgenommen werden müssen, den der Kaiser 1811 bestätigte. Denn noch andre Gründe wiesen darauf hin. So ist z. B. dem Vertheidiger der Besitz der Nehrung, wenigstens des westlichen Theils derselben bis Ncufehr, wo mit Leichtigkeit eine Barriere geschaffen werden kann, dringend nothwendig. Wie der Danziger Rath dem General Percewal auf dessen Verwun- derung, am grossen Holländer das von ihm empfohlene Werk nicht erbaut zu haben, erwiderte, dass, wenn der Feind sich in Besitz desselben setzte, es ihm nicht wieder abgenommen werden könnte, so verhält es sich auch mit dem B^rt Napoleon, das au derselben Stelle erbaut ist. Seine Eroberung würde einem sich im Besitz der Nehrung befindlichen Feind wenig Mühe machen. Ferner würde ein im Jahre 1807 vorhandener Brückenkopf gegenüber dem Ganskruge dem Angriff der Russen am 15. Mai wahrscheinlich eine andre Wendung gegeben haben, da die Besat- zung von Danzig hätte eingreifen können. Aehnlich beim Angriff

*) Das war die Rücksicht, die den Herzog von Würtemberg bewog, den Versuch zu machen, sich der Westerplatte und Neufahrwasser zu bemächtigen, indem er sie durch die Flotte beschiessen Hess und 3Iannschaften bereit hielt l^u stürmen, wenn die Beschiessung von Erfolg war.

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der Franzosen 1734. Dazu kommt, dass die Stadt von dort aus bombardirt werden kann, wenn der Raum daselbst dem Feinde überlassen wird. Es ist dies bei allen 3 neuern Be- lagerungen Dauzigs geschehen. Auch hat sich Rapp gegen die Vortheile eines solchen Brückenkopfes nicht verschlossen und hat den Bau desselben beginnen lassen ; der Austritt der Weichsel verhinderte jedoch die Fortsetzung der Arbeit, und später war die Besatzung anderweitig zu sehr in Anspruch genommen*).

Was die Festung Weichselmünde betriflfl, so hat es seine ursprüngliche Bedeutung, die Mündung der Weichsel zu schützen, verloren, da die Landanspielungen im 17. Jahrhundert den.Lauf des Stroms verändert haben und die Mündung gegenwärtig weit entfernt davon liegt. Immerhin bildet es das Reduit der Befestigungen von Neufahi-wasser und der Westerplatte und dient ihnen als Briickenkopf nach der Nehrung. Auch sichert es die Verbindung jener Befestigungen mit Danzig, wenn diese auf dem linken Weichselufer verloren gegangen ist. Bei dieser Vielseitigkeit Weichselmttnde's giebt es in Ver- bindung mit der Holmbefestigung und der Nehrung für den Fall, dass der Vertheidiger die See durch eine Flotte beherrscht, Veranlassung zu den mannigfaltigsten Kombinationen, doch ist es eine Ueberschätzung, wenn der ungenannte Verfasser der Geschichte von Weichselmünde sagt: „In beiden Festungen, Danzig und Weicliselmünde , liegt eine nicht zu berechnende Masse von Kraft, die einzeln unnütz sich aufzehrt, in gemein- samer Wirkung aber Erfolge hervorbringen kann, welche unsere Zeit nicht kennt, vielleicht nicht einmal für möglich hält***).

Besitzt der Angreifer dagegen die Herrschaft über die See, wie es 1813 der Fall war, so verliert Weichselmfinde an Bedeutung. Der Herzog von Würtemberg hat sich um dasselbe nicht gekümmert, ihm kam es nur auf die Westerplatte und Neufahrwasser an, um die Mündung der Weichsel in seine Hand

^) Der Verfasser des Apergn bestreitet, dass der Bau des Brückenkopfs in Angriff genommen worden ist. y. Düring bestätigt jedoch die Angabe d'Artois' S. 83.

*) Ausgabe von Fritz Honig, Berlin 1886 S. 24 nach einer Handschrift des gössen Generalstabs,

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zu bekommen, und als ihm das nicht gelang, haben ihm auch diese Befestigangen wenig Sorge gemacht. Er hat sie nur be- obachten lassen, und damit war Rapp die Gelegenheit entzogen, sein militairisches Genie auch hier zu erproben. Als er anfing, Mangel an Mannschaften zu leiden, war er nahe daran, Weichsel- mttnde aufzugeben, und hatte bereits alles zu seiner Zerstörung vorbereitet. Jedenfalls muss mit Danzig auch Weichselmiinde fallen, wie es 1807 und 1813 der Fall war. 1734 fiel Weichsel- m&nde zuerst und König Stanislaus gab Danzig auf und floh, doch liegt darin kein Beweis, dass die Stadt sich nicht noch weiter hätte halten können, sie hatte jedoch keine Veran- lassung dazu.

Dem Verfasser der Geschichte von Weichselmünde schwebten die Ereignisse von 1577 vor, wo die Nehrung vom Gegner nicht besetzt und die Verbindung von Danzig mit Weichsel- mftnde nicht behindert war.

Kehren wir nach diesen allgemeinen Betrachtungen zu der Vertheidigung von Danzig zurück, so ei'wies sich die Be- satzung der Vorstädte als ungemein vortheilhaf t , da sie eine Menge Hilfsmittel boten und während des mehrmonatlichen Waffenstillstandes fast die ganze Besatzung aufnahmen, die sich dadurch von den Folgen der Epidemie erholen konnte. Sie ge- währte ferner den Vortheil, innerhalb der besetzten Linien das neue Getreide ernten, auch von den befestigten, entfernteren Punkten Furagirungen und Ueberfälle ausführen zu können. Auch schützten die erbauten Werke nachher die Stadt noch längere Zeit vor dem Bombardement. Welcher Unterschied gegen 1807, wo Kaikreuth die im Bau begriffene Judenschanze, welche die Stadt unmittelbar bedrohte, aufgab, weil er die Verluste fürchtete, die bei dem voraussichtlichen Kampf um die- selbe erfolgen würden!

Der Verfasser des AperQU, weit davon entfernt, eine Aner- kennung des Gegners auszusprechen, sucht die Vortheile, welche dieser von der vorgeschobenen Stellung zog, abzuschwächen, und wendet sich S. 406 namentlich gegen die von d'Artois her- vorgehobene Thatsache, die auch anderweitig bestätigt wird, dass von den entferntem, befestigten Punkten mit Leichtigkeit JTura^irungen vorgetrieben worden seien. Er behauptet, ein

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entfernter Punkt sei nur Langfuhr gewesen, die übrigen hätten alle unter dem Kanonenschuss der Festung gelegen. Von Lang- fulir aber sei nie eine Furagirung ausgegangen und an den übrigen Punkten seien Versuche dieser Art zurückgeschlagen worden. Er behauptet ferner, die Befestigung des Ziganken- bergs sei ganz unnütz gewesen, und die darauf verwendete Ar- beit hätte anderwärts vortheilhafter verwerthet werden können. Namentlich hätte der Vertheidiger den grossen Fehler began- gen, die Höhen der Schottenhäuser nicht mit einem grössern Werk vei-sehen zu haben. Er habe nicht erkannt, dass von dort aus die Speicherinsel, wo die Magazine untergebracht waren, zu erreichen sei. Der Vertheidiger sei nur deshalb so lange im Besitz der Punkte im Vorterrain gewesen, als das Blockadekorps wegen seiner Schwäche unfähig war, ihn daraus zu vertreiben. Sobald der Herzog es dagegen an der Zeit ge- funden habe, sich in den Besitz eines jener Punkte zu setzen, sei das auch erfolgt.

In allen diesen Punkten stehen sich die Ansichten schroff gegenüber, aber vollkommen im Recht ist der Herzog, wenn er den General Rapp und seine Ingenieure bespöttelt, dass sie die bei Langfuhr und Neu-Schottland nach deren Eroberung ausge- führten Arbeiten der Russen als eine in Ernst gemeinte Attacke gegen die Olivaer Front angesehen und sich infolgedessen auf bedeutende Arbeiten vor dieser Front ^) und auf dem Holm eingelassen hätten. Auriol bemüht sich vergebens, die franzö- sischen Ingenieure in dieser Beziehung in Schutz zu nehmen^), indem er behauptet, die nach dem Waffenstillstände ausge- führten Arbeiten hätten ebensowohl einen Angriff auf die Olivaer Front, wie auf den Hagels- und Bischofsberg im Auge

*) Der Verfasser des Apercu scheint der Ansicht zu sein, dass das ganze Retranchement Zigankenberg infolgedessen erbaut worden sei. Das ist jedoch ein Irrthum. Der Zigankenberg und der Krähenberg sind schon vor dem Waifenstillstande befestigt worden, und die 3 Lünetten zwischen beiden wur- den den Ta^ nach Eröifnung der Feindseligkeiten begonnen, als Langfuhr noch im Besitz des Belagerten war. Nur die Linie von Aller Engeln bis zur Weichsel wurde infolge der Scheinattacke erbaut, wie auch die beiden Batterien auf dem Holm.

2) Auriol S. 129, 146,

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gehabt. Sowohl d'Artois wie Campredon wissen davon nichts, sondern geben nur locale Gründe für diese Arbeiten an und sprechen, nachdem die russischen Arbeiten bei Langfuhr und Neu-Schottland sich mehr entwickelt hatten, die üeberzeugung aus, dass der Belagerer im Ernst den Angriff auf die Olivaer Front beabsichtigt hätte*). Sie schrieben den plötzlichen Wechsel, der nach Erstürmung der Schottenhäuser erfolgte, dem Umstände zu, dass sie (die Russen) sich nach einem Monate angestrengter Arbeiten überzeugt hätten, sich in eine Sackgasse begeben zu haben, und nun die Sache wieder in die richtigen Wege leiten wollten*). Dass diese Ansicht eine falsche ist, geht einfach daraus hervor, dass die Absicht, den Bischofs- berg anzugreifen, schon im Sommer feststand und die Vorbe- reitungen dazu getroffen wurden, sobald die englischen Ge- schütze eintrafen. Der Belagerte hätte schon an den Trans- porten, die seit ende September von Koliebken nach Miggau etc. gingen, und wie aus dem Tagebuch Campredon's hervorgeht, von ihm bemerkt wurden, schliessen können, worum es sich handelte. Aber selbst der Nachdruck, den die Alliirten beim Sturm auf die Schottenhäuser entwickelten und der Bau der Batterien daselbst hat die französischen Ingenieure nicht be- lehrt. Sie hatten nur die Wirkung, dass die Reduten von Friaul verstärkt und die 2. Kupüre erbaut wurde. Die Armi- rung des Bischofsberges gegen den förmlichen Angriff unter- blieb und wurde erst nach Eröffnung der 1. Parallele ausge- führt. Die avanc6e Kirgener wurde erst in Angriff genommen, als es zu spät war, und konnte nicht melir beendigt werden. Der Verfasser des Apercu wendet sich sodann gegen die Unvorsichtigkeit des Vertheidigers, sämmtliche Vorräthe auf der Speicherinsel angehäuft zu haben, anstatt sie, wie es 1807 geschehen sei, in der Stadt zu vertheilen. Er sagt S. 399, dass dieser Umstand allein die Veranlassung zum Bombardement

') Nnr der General Lepin sträubte sich dagegen, dass der Belagerer sich entschliessen könnte, & entreprendre des cheminemens dans an terrain bas et niar^cageux, il anrait k essuyer les fenx multiples d'ouvrages qui le plongeaient, le debordaient meme, et le prenaient ä dos. (Rapport de Tar- tillerie. Auriol S. 146.)

«) Auriol 3. 161,

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gewesen sei. Solche Behauptungen sind nachträglicli leicht auf- zustellen. Die Beschiessung der Altstadt von Kabrun pp. aus beweist hinlänglich, dass das Bombardement, w^enn auch nicht von der Höhe der Schottenhäuser, lange vorher geplant war, bevor die Vorräthe nach der Speicherinsel geschaift wurden, denn dies fand erst, zum Theil wenigstens, infolge der Be- schiessung der Altstadt statt. Auch hat der Belagerer keinen Anstand genommen, die Stadt zu beschiessen, so dass er den Protest des englischen Militair-Bevollmächtigen hervorrief. Wenn er so genau über den Ort, wo sich die Vorräthe befanden, unter- richtet war, wie er angiebt, so wäre es nicht zu entschuldigen, dass er den südlichen Theil der Speicherinsel, der das Privateigen- thura der Kaufleute enthielt, in Brand geschossen hat, wie dies am 20. Oktober geschah.

Im übrigen befanden sich die Vorräthe der Besatzung ausser- halb der Schussweite der Batterien und des Belagerers, und nur dadurch, dass sich infolge heftigen Windes das Feuer dahin verbreitete, sind sie ein Kaub der Flammen geworden. Den Vertheidiger trifft nur der Vorwurf, die Magazine nicht isolirt zu haben.

Auch die Vorwürfe, welche der Verfasser des Apergu S. 412 dem Vertheidiger macht, sind nicht gerechtfertigt. Er greift eine Bemerkung d'Artois' (S. 493) auf, wonach der Vertheidiger, nachdem der Belagerer sich in der 1. Parallele vollständig etablirt hat und seine Batterien das üebcrgewicht über die des Belagerten erlangt haben, sich darauf zu beschränken habe, den Naheangriff durch kleine Ausfälle zu bekämpfen, um die Arbeiten des Angreifers zu zerstören, und sucht zu beweisen, dass Rapp nicht entfernt nach diesem Grundsatz, den auch er als richtig anerkenne, gehandelt habe. Dagegen ist zunächst zu bemerken, dass der Herzog dem Vertheidiger gar nicht Gelegenheit geboten hat, den Grundsatz zur Anwendung zu bringen, weil er noch am Tage der Kapitulation über 600 Schritt vom Bischofsberg entfernt war, jene kleinen Ausfälle aber erst in nächster Nähe höchstens bis zur 3. Parallele (etwa 150 Schritt) stattfinden dürfen, wenn sie überhaupt von Erfolg sein sollen. Statt dessen wirft er Rapp vor, den Bau der 1. Parallele und die Armirung derselben nicht durcfe Ausfälle gestört zu haben. „Haben die

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Vertheidiger", ruft er aus, „auch nur eine einzige Faschine ausgerissen oder ein^n einzigen Schanzkorb in den zahlreichen Werken, welche die Russen um Danzig herum erbaut haben, umgeworfen?" Man begreift es min. warum der Verfasser des AperQU die Zerstörung der von den Russen nach Erobening der avanceen Friaul und Kirgener erbauten Kommunikationen nach rückwärts und das in derselben Nacht vom 1. zum 2. November aufgeworfene Rctranchement für 150 Mann (S. 297) verschweigt. Den General, der letzteres leitete und dabei scliwer verwundet wurde, lässt er statt dessen den Angriff auf avancee Kirgener ausführen. Den Ausfall des Generals Husson am Morgen des 3. gegen den Bau der 1. Parallele leugnet er, obgleich er in allen Berichten und auch in dem Tagebuch der Division Hen- delet S. 138 erwähnt wird. Letzteres giebt auch den Verlust an. Gegen die Armirung der 1. Parallele^ ist allerdings kein Aus- fall gemacht worden, obgleich das Geräusch davon in der Stadl vernommen wurde, aber zu dieser Zeit (Nacht vom 16. zum 17. November) war der Geist der nicht französischen Truppentheile schon zu bedenklich unruhig, um an solche Unternehmungen denken zu können.

2. Der Angriff.

Auf die unfähige Leitung des Generals Löwis ist bereits oben hingewiesen worden. Wenn die Schwäche des Blockade- korps auch manches entschuldigt, so sind die Fehler, die er be- ging, doch zu auffallend. Dass die Nehrung bei Neufehr, wo sie sich am engsten zusammenzieht, nicht befestigt, der Oberst Rosen selbst nicht mit Artillerie versehen wurde, während zwei schwere Batterien nach dem grossen Werder zurückgeschickt wurden, damit sie sich daselbst verpflegten, dass auch in den Stellungen vor Danzig die Hilfsmittel der Befestigung nicht herangezogen und die in den Dörfern um Danzig vorhandenen Vorräthe an Lebensmitteln und Furage nicht zurückgeschickt wurden, dass forner der General Löwis das Hauptquartier nach Koliebken verlegte und die Verhältnisse vor Danzig ihrem Schlendrian überliess, was denn auch dazu führte, dass der Ausfall vom 24. März nach St. Albrecht gelingen konnte, ohne dass irgend etwas geschah, die Verbindung des Gegners mit

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Danzig aufzuheben, alles das sind Fehler, dio nicht zu ent- schuldigen sind. Mit der Uebernahme des Kommandos durch den Herzog tritt ein belebendes Element ein, das sich nach allen Richtungen hin Geltung verschafft. Man darf den Her- zog nicht nacli seinem Buch beurtheilen. Sein ehrgeiziger, leicht gereizter Charakter hat ihn darin zu Urtheilen hingerissen, die nicht immer das richtige Mass halten. Von seinen Massregeln, auf die ich in obiger Darstellung (S. 288) verweise, erwies sich vornehmlich die Harzelierung des Gegners durch tägliche kleine Detachements so wirksam, dass sie den Gegner zur Verzweiflung brachten und Rapp zu dem Ausfall vom 9. Juni veranlassten, der ihm schwere Verluste beibrachte. In dem daraus entsprin- genden Gefecht hatte der Herzog Gelegenheit, seine hohe Be- gabung als Feldherr zu zeigen. Auch seine Charaktereigen- schaften, die zähe Natur, mit der er alle Schwierigkeiten über- wand und die Widersetzlichkeit, die in der Armee gegen eine förmliche Belagerung herrschte, in ihre Grenzen zurückwies, haben wesentlich zu seinem schliesslichen Erfolg geführt. Aber einen tiefern Einblick in das Wesen der Artillerie und des Festungskrieges muss ihm abgesprochen werden. Die damalige Artillerie, wie er es thut, auf 3000 Schritt und mehr zu ver- wenden, war Munitionsverschwendung. Er hat die Batterien Schellmühl und Kabrun trotz ihrer grossen Entfernung von der Stadt, bis zuletzt in Thätigkeit erhalten und von den Höhen von Pitzkendorf und dem grossen Belvedere den Zigankenberg bekämpfen wollen; er hat selbst 2 24 Pfänder nach Brösen gesendet, um von hier aus den General Rapp in seiner Wohnung zu beunruhigen; er hat die Steinschleuse in der Nacht be- schiessen lassen, obgleich er bei dem kleinen Ziel und der weiten Entfernung selbst am Tage auf keinen Erfolg rechnen konnte. Er rühmt sich des Angriffs auf die Schottenhäuser und der von hier aus erkämpften Erfolge, indem er es so darstellt, als ob die Festsetzung daselbst das Bombardement bezweckt habe, während ihm die Idee des Bombardements erst gekommen ist, als die Batterien das Feuer gegen die Jesuiterschanze, wo- zu sie bestimmt waren, eröffnen wollten. Dass das Bombar- dement Erfolg hatte, war nicht sein Verdienst. Es lag ausser- halb aller Berechnung, dass die Speicher im nördlichen Theil

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der lüsel, welche die Lebensmittel enthielten, von diesseitigen Geschossen erreicht werden konnten. Trotzdem glaubte er, sie durch Wurffeuer erreichen zu können, und musste sich erst vom Major Liebe belehren lassen, dass glühende Kugeln aus Kanonen vorzuziehen seien. Das Bombardement hat ihn dann von den be- absichtigten Angriffen auf den Zigankenberg und die Jesaiter- schanze abgezogen, die dem Angriff auf den Bischofsberg voraus- gehen mussten. Sein Angriff auf die Schanzen des Zigankenbergs, ausschliesslich durch Artillerie, ist gänzlich verunglückt. Er hatte die günstigste Zeit dazu während des Scheinangriffs gegen die Olivaer Front vorüber gehen lassen und war seit Etablirung an den Schottenhäusern ausserstande , mit der Sappe gegen jene Schanzen vorgehen zu können. Der Verfasser des Apercu ist femer der Ansicht, das Feuer der Artillerie habe den Bi- schofsberg völlig unhaltbar gemacht, so dass Rapp infolgedessen auf die Kapitulation eingegangen sei. Der Vertheidiger hat jedoch, wie der Major Liebe bezeugt, das Feuer in der Nacht bis zuletzt fortgesetzt, und der Zustand der Werke des Bischofs- berges hat gar keinen Einfluss auf Rapp ausgeübt. Wie sehr sich der Herzog hierin täuschte, geht aus dem Bericht PuUet's an den König vom 23. November hervor. Er sagt darin: „Im Allgemeinen wird der Feind nunmehr auf dem Bischofsberge nicht nur in ein kreuzendes Feuer gesetzt, sondern es dürfte sich leichtlich ergeben statt über den Stolzenberger Grund zur 3. Parallele zu gehen, man mittelst der abgelassenen Radaune mit Vortheil gegen das Petershagener Thor ungleich leichter als gegen den Bischofsberg selbst wird vorschreiten können. Es kommt hierbei bloss darauf an, dass das Feuer unsers rechten Flügels sich so wirksam zeigt, als das des linken" (Kr.-Archiv F. 19). Pullet sah in den bisherigen Erfolgen nur eine Staffel vorwärts, von der aus der eigentliche Angriff erst erfolgen sollte.

Nicht minder unklar oder, wie es scheint, abhängig von seiner Umgebung, zeigte sich der Herzog inbezug auf die Lü- netten Friaul. Seine technischen Rathgeber, Pullet und Schul- mann, drangen darauf, sich ihrer gewaltsam zu bemächtigen, gleichzeitig mit dem Angriff auf die Schottenhäuser. Der Her- zog war auch anfänglich dafür gewonnen worden, aber andere

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Einflüsse ^) brachten ihn wieder davon zurück, so dass der Ver- theidiger Zeit gewann, die Werke zu verstärken und durch An- lage neuer (avauc6e Frioul und 2. Kupüre) zu vermehren. Der Herzog suchte sich nunmehr der Werke durch die Sappe zu bemächtigten, aber die hierbei angestellten Leiter (Pullet war nicht darunter) kamen nicht damit zustande. Da die Zeit drängte, den Angriff gegen den Bischofsberg zu beginnen, indem das Material dazu seit dem 25. Oktober bereit stand, der Besitz der Werke auf der Jesuiterhöhe vor Eröffnung der 1. Parallele aber durchaus nothwendig erschien, gab der Herzog nach, dass gleichzeitig mit der Festsetzung auf dem Plateau Stolzenberg ein Angi'iff auf die avancee Friaul und auf die avanc6e Kirgener gemacht werden sollte^). Die Nacht vom 1. zum 2. November wurde dazu ausersehen. Obgleich die Angriffe auf die beiden avanc6es gelangen, mussten sie wieder aufgegeben werden, und auch die Festsetzung auf dem Plateau Stolzenberg scheiterte. Durch einen wunderbaren Zufall war in derselben Nacht die Speicherinsel infolge des Bombardements in Flammen aufge- gangen, und die daselbst aufgestapelten Vorräthe au Lebens- mitteln pp. waren verbrannt. Die Wirkung dieser Verluste auf die Besatzung und deren Führer war geradezu lähmend. Die avanc6e Kirgener und das Plateau Stolzenberg wurden in der folgenden Nacht ohne hartnäckigen Widerstand zu finden, von den Russen besetzt, und es war ein grosser Fehler vom Herzog, dass er in dieser Nacht nicht auch die avanc6e Frioul angreifen Hess, die

^) Wie es der Schriftwechsel zwischen dem Grafen Dohua nnd dem Msgor v. Hake (Anhang I) heweist, ist es der Major v. Hake auf Veranlassung Dohna's gewesen, welcher den Herzog vom Angriff der Jesuiterschanze am 10. Oktoher hat abstehen lassen.

>) Der Herzog bestreitet das und behauptet (Apercu S. 294) der Sturm sei gegen seinen ausdrücklichen Befehl erfolgt, doch wird dem in dem Bericht des Grafen Dobna vom 2. November an den König, in dem russischen Be- richt der skizzirteu Geschichte und in den Briefen des preussischen Land- wehrofficiers in der Allgem. Militair-Zeitung widersprochen. Bei dem Miss- trauen, welches die Angaben des Apercu erwecken, muss man sich auf ihre Seite stellen. Der Herzog hatte Grund, den Befehl zu leugnen, damit er geltend machen konnte, er habe die baldige Bänmung dieser Werke voraus- gesehen.

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unzweifelhaft gefallen wäre *). Die erste Parallele konnte in der Nacht vom 3. zum 4. November, soweit sie zu Batterie- anlagen geeignet war, beendet werden.

Nachdem aber am 17. das Feuer der Batterien der 1. Pa- rallele eröffnet war und am 22. die Lünetten Friaul besetzt wurden, stockte der Sappenangriff von neuem. Der Herzog glaubte, alles mit einem Artillerieangriff machen zu können. Es ist gar nicht abzusehen, wohin das schliesslich geführt hätte, da die bald darauf eintretende Kälte ein Sappiren unmöglich gemacht hatte, wenn nicht der Abfall der Truppen nicht fran- zösischer Nationalität den General Rapp gezwungen hätte, den immer dringender werdenden Aufforderungen des Herzogs nach- zugeben und eine Kapitulation abzuschliessen. Dass dies der alleinige Grund zum Abschlüsse derselben war, ergiebt sich ausser den Aussagen Rapp's in dem desfalls abgehaltenen Kriegs- rath daraus, dass Lebensmittel noch bis zum 1. Januar vor- handen waren und bis dahin sich noch Chancen, wie z. ß. ein- tretende Kälte, ergeben konnten, die Belagerung aufzuheben. Jedenfalls hat die Demolirung der Werke des Bischofsberges durch die russische Artillerie, wie das Apercu glauben machen will, keinen Einfluss auf den Entschluss des Generals Rapp and des Kriegsraths ausgeübt*).

3. Bemerkungen zum Apergn des Operations des tronpes alliies

devant Danzig en 1813.

Das AperQu des Herzogs von Würtemberg giebt noch zur Auf- werfung anderer Fragen Veranlassung, zunächst zu der, welche

^) Die Zagheit, die der Herzog hier bewies, hat die AngrifFsarbeiten auf nahezu 3 Wochen verzögert, denn das Vorschreiten der Sappen war ganz vom Besitz der Werke auf der Jesuiter-Hühe abhängig, da in der Front der 1. Parallele wegen des Feuers vom Zigaukenberge mit der Sappe nicht vor- gegangen werden konnte. Pullet unternahm es schliesslich, persönlich die Lünetten Friaul mit der Sappe zu umgehen, und führte das in 3 Tagen (19., 20. und 21. November) aus, so dass der Vertheidiger die Werke der Jesuiter- höhe am 22. freiwillig räumte.

•) Der Verfasser des Apercu behauptet (S. 352, 398) , dass die Artillerie des Bischofsberges völlig zum Schweigen gebracht worden und die Demolirung der Werke desselben vollständig gewesen sei. Dem widersprechen jedoch d'Artois wie Campredon und die preussischen Berichte. Die Zeugnisse, welche

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auch bei Eintheilung des Stoffs zur Darstellung der Belagerung zur Sprache kommt: wo endigt die Blockade, wo beginnt die Belagerung von Danzig im Jahre 1813?

D'Artois geht S. 454 ziemlich cavalierement darüber hin- weg, indem er sagt, die Blockade habe 8 Monate, die Belagerung 4 Monate gedauert. Er rechnet also die 2V2 monatliche Zeit des Waffenstillstandes zur Blockade und den Monat December, der in voller Ruhe verlief, zur Belagerung. Der Beginn der letzera würde demnach der Monat September sein. Der Ver- fasser des AperQu weist diese Rechnung mit Entrüstung zurück. Er sieht den Tag der Eröffnung der 1. Parallele gegen den Bischofsberg, den er am 3. November annimmt, als Beginn der Belagerung au, so dass diese bis zur Kapitulation am 29. No- vember 26 Tage gedauert hat. Auf die Blockade fallen dem- nach 6 Monate 29 Tage (vom 22. Januar bis 3. November nach Abrechnung des Waffenstillstandes). Aber auch diese Rechnung ist nicht zutreffend. Der Scheinangriff gegen die Olivaer Front gehört offenbar mit zur Belagerung und doch wohl auch die Zeit der Vorbereitungen dazu, die mit dem Wiederbeginn der Feindseligkeiten am 24. August ihren Anfang nehmen. Denn dass die Blockade während dieser Zeit unterhalten werden musste, theilt sie mit der Periode offener Tranchee. Ausser- dem irrt der Verfasser des Apergu darin, dass er die Eröffnung der 1. Parallele gegen den Bischofsberg auf den 3. November setzt, während sie am 2. stattfand, wie sie auch die Franzosen und an einer Stelle selbst der Herzog annehmen.

das apenjn dagegen S. 370, 372, B73 anführt, sind ohne Belang. Den Ver- fasser der defense de Danzig 1813, Herrn v. M***, führt das Apercu dabei als zur Besatzung gehörig auf, was nicht der Fall ist. Die Behauptung des AperQu (S. 374 und 415), dass die fremdländischen Truppen der Besatzung bis auf den letzten Tag im Dienst verwendet worden sind, so dass er die Stärke der Besatzung am Tage der Kapitulation noch auf 17043 Mann an- giebt, ist bei den mehrfachen Zeugnissen, die dagegen sprechen, ganz uner- klärlich. Nach Campredon S. 203 war die Besatzung am 9. November noch 12900 Kombattanten, 4097 Kranke und 600 Beamte stark, wovon 8000 Fran- zosen. Die Angabe d'Artois' (S. 454), dass sie 19392 Mann verloren habe und nach dem Abfall der fremdländischen Truppen nur noch 6000 bis 7000 Kombattanten stark gewesen sei, ist daher durchaus wahrscheinlich.

Köhler, Oescüichte der Festungen Danzig and Weichselmünde. IL 32

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Ein anderer Punkt betrifft die Frage, ob der Waffenstill- stand dem Belagerer oder dem Belagerten nachtheilig gewesen sei? Der Verfasser des Apercu behauptet S. 418 das ei-stere mit grosser Entschiedenheit, indem er geltend macht, dass die Besatzung während des WaffenstiUstandes mit Lebensmitteln versehen worden ist, also ihre Vorräthe nicht hat angreifen brauchen. Er berücksichtigt dabei nicht, dass die Besatzung während der 2Vs Monate an Zahl nicht unbedeutend abgenommen hat, da die Epidemie noch keineswegs erloschen war, und dass sie auch ihre Vorräthe hat angreifen müssen, da, wie der Ver- fasser des Apercu S. 140 selbst zugiebt, die Lieferungen nicht vollständig gemacht werden konnten. Wenn der Verfasser noch^ ferner geltend macht, dass der Waffenstillstand dem Belagerer die kostbarste Zeit genommen habe, die er infolge seiner ge- wonnenen Ucberlegenheit hätte benutzen können, den Belagerten aus den Vorstädten zu vertreiben, so will das bei der That- sache, dass der Belagerungstrain erst im September eintraf und die Ausschiffung der Geschütze bis zum 29. dieses Monats dauerte, die Bereitstellung bis zur Belagerung des Bischofs- berges aber erst am 25. Oktober beendet war, nichts bedeuten, da die Belagerung doch nicht früher, wie geschehen, hätte be- ginnen können. Der Waffenstillstand war daher dem Belagerten unbedingt nachtheilig, während man das beim Belagerer nicht sagen kann, um so weniger, als die unglücklichen Einwohner Danzigs keine Zufuhren erhielten und einem traurigen Schick- sal entgegengingen. Dass dies nicht ohne Nachtheil für die Besatzung war, geht einfach daraus hervor, dass Rapp die- jenigen, welche ihren Unterhalt nicht nachweisen konnten, aus Danzig vertrieb, der Herzog sie aber nicht passiren Hess, in ihnen also eine Last für die Besatzung erblickte.

Bis zu welchem Grade die Missgunst des Herzogs gegen Rapp ging, zeigt seine Behauptung im Apergu S. 421, dass Danzig 1813 von allen wichtigen Plätzen der erste gewesen sei, welcher trotz seiner zahlreichen Besatzung kapitulirt habe. Nun ist bekanntlich Thorn, Spandau, Stettin, Dresden, Erfurt vor Danzig gefallen, Magdeburg und Hamburg waren noch gar nicht eingeschlossen, und was es mit der zahlreichen Besatzung für eine Bewandniss hat, die für die ausgedehnten Werke nie

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ausreichend war, haben wir gesehen. Welcher Grad der 6e- reitztheit liegt daher nicht in der Behauptung!

Auf das grosse Interesse, das die taktischen Vorfälle vor Danzig darbieten, habe ich schon oben hingewiesen. Der Ver- fasser des AperQu macht S. 28 dem General Rapp den Vor- wurf, dass er von dem grossen Vortheil, den er vor dem Waffenstillstand gegenüber dem schwachen Blockadekorps hatte, nicht verstanden habe, Nutzen zu ziehen. Er geht hierbei von der Voraussetzung aus, dass er doppelt so stark gewesen sei und lauter Elitetruppen gehabt habe. Beides habe ich bereits oben als Irrthura nachgewiesen. Der Verfasser ist aber auch (S. 71) der Ansicht, dass der Vertheidiger selbst bei geringerer Stärke gegen das Blockadekorps im Vortheil sei, weil er in Masse auf einen schwachen Punkt des Gegners fallen kann, der durch die Nothwendigkeit ein ausgedehntes Terrain beob- achten zu müssen, zerstreut und durch tausend Hindemisse in sich getrennt sei, so dass ein einzelnes Detachement vernichtet werden kann, bevor ihm Verstärkungen zugekommen sind. Der Verfasser des Apercu hat hier die Nehrung im Auge, die aller- dings sehr ausgesetzt war, deren Besatzung bei dem Ueberfall, den sie erlitt, aber auch nichts gethan hatte, um sich dagegen zu schützen. Nachdem sie sich gegen Ueberfällo gesichert hatte, ist vom Vertheidiger kein derartiger Versuch mehr gemacht worden. Er wusste zu gut, dass bei einem starken Ausfall dahin seine Stellungen im Vorterrain von Danzig im höchsten Grade gefährdet waren.

Der Verfasser des Apergu glaubt einen Irrthum berichtigen zu müssen, worin nach seiner Ansicht Viele befangen wären, dass nämlich das Blockadekorps im Vortheile sei. Er geht selbst so weit, zu behaupten, dass, wenn der Vertheidiger gleich stark oder stärker ist, als das Blockadekorps, dem Kommandeur desselben nichts übrig bleibt, als sein Korps an einem vor- theilhaften Punkt zu koncentriren und die Beobachtung des Platzes einer schwachen Vorpostenlinie zu tiberweisen, die zahlreiche Patruillen auszusenden hat. Kleine Detachements seien ausserdem täglich gegen den Feind auszuschicken, um ihn zu beunruhigen und die Besatzung des Platzes fortwährend im Alarmzustand zu halten.

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Der Verfasser des Apercu schlägt somit dasselbe System vor, das Kaiser Friedrich II im Jahre 1247 vor Parma*) und schon vorher die Kreuzfahrer vor Antiochien 1098*) beob- achteten, wovon indessen die neuere Kriegsgeschichte kein Beispiel aufzuweisen hat*). Er beruft sich S. 391 auf die „Grundsätze der Strategie" (III 165) des Erzherzogs Karl, wonach das Blockadekorps unter Umständen um das sechsfache stärker sein muss, als der Belagerte, während die Kriegs- geschichte lehrt und seine eigene Erfahrung vor Danzig es bestätigt, dass eine schwächere Armee imstande ist, eine stärkere einzuschliessen, [schon deshalb, weil der Vertheidiger immer nur einen Theil seiner Kräfte zum Ausfall verwenden kann. Nur muss sich der Blockirende dem Kanonenfeuer der Wälle zu entziehen verstehen. Je weiter das Blockadekorps von den Wällen absteht, desto günstiger wird seine Lage, da es bei seiner koncentrischen Stellung seine Flankenangriffe gegen den excentrisch vorgehenden Gegner, ohne vom Feuer belästigt zu werden, ausführen kann und alle Aussicht hat, ihn von der Festung abzuschneiden. Es genügt daher für das Blockadekorps nicht, sich ausserhalb der Schussweite von den Wällen aufzustellen, es muss, um sich der vortheilhaftesten Ge- fechtsführung, der Defensiv-Offensive, zu bedienen, noch darüber hinaus stehen. Dem Belagerten ist dagegen die Defensiv- Offensive versagt, wenn er nicht im Terrain eine Flügelanlehnung findet, wie dies vor Danzig der Fall war, wo sich seine Aufstellung ausserhalb der Festung links an die Inundation und rechts an die Weichsel anschloss. Er ist dadurch imstande, auf den Flügeln offensiv vorzugehn und in der Mitte sich defensiv zu verhalten. Grössere Resultate können immerhin daraus nicht hervorgehen, weil seine Offensive auf den Flügeln nicht über einen gewissen

^) Köhler, Entwickelang des Kriegswesens and der Kriegführang in der Bitterzeit I, 382.

«) Ebenda HI, 3, 150.

') Annähernd kann jedoch das Verhalten des Generals Ton Lascy 1734 vor Danzig den Ansichten des Herzogs von Würtemberg entsprechend ge- deutet werden, der seine kleine Armee darch Verschanzungen bei Praust nnd St. Albrecht sicherte und die Einschliessung von Danzig durch Kosacken voll- ziehen Hess.

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Punkt hinausgeben darf und er unter allen Umständen au die Festung gebunden ist. Dieser Nacbtbeil wird dadurcb so er- heblich, dass er selbst nach einem siegreichen Gefecht bei ein- tretender Nacht gezwungen ist, seine Vortheile aufzugeben und zurückzugehen.

Betrachten wir nach diesen Gesichtspimkten die grössern Gefechte vor Danzig am 5. und 24. März, am 9. Juni und 29. August.

Am 5. März fand der Angriff zwar vonseiten des Blockade- korps statt, aber der Vertheidiger ging zur Offensive über, die damit zu einem Ausfall wurde. Der General Löwis hatte mit Ausgabe der Disposition seine Einwirkung auf das Gefecht ans der Hand gegeben und liess seine Truppen gewähren, ohne von seiner koncentrischen Stellung, die zum Theil auch verloren gegangen war, Vortheile zu ziehen. Er bildete nicht einmal eine Reserve. Rapp begnügte sich zunächst, den Gegner durch fortwährende kleine Offensivstösse hinzuhalten, bis er es an der Zeit fand, mit der Reserve, die er dem General Bachelu anvertraut hatte, einzugreifen. Dieser versicherte sich zunächst des Zigankenberges , um einen Stützpunkt für seine rechte Flanke gegen Pitzkendorf hin zu haben, und liess dann den in der Front befindlichen Gegner von dorther über Schidlitz und Stolzenberg bis Ohra hin aufrollen, wo er noch Gelegenheit fand, den aus Schottland und Stadtgebiet vertriebenen Gegner abzufangen und ihm bedeutende Verluste beizubringen. Rapp nennt diesen Tag mit Recht einen der schönsten der ganzen Be- lagerung ^).

Das Gefecht bewegte sich, nachdem der Tag angebrochen war, zum grossen Vortheil des Vertheidigers, innerhalb der Schussweite der Festung. Von beiden Seiten umfasst, konnte der Vertheidiger sich indessen nicht der Defensiv-Offensive bedienen, sondern setzte seine Kräfte successive ein, bis er den Feind so weit mürbe gemacht hatte, dass er seine Reserve ein- setzen konnte. Das erfolgte in höchst genialer VS'eise. Er wurde hierbei wesentlich dadurch begünstigt, dass der Gegner es verabsäumt hatte, sich eine Reserve zu bilden.

^) H6inoire8 S. 223.

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Wie in diesem Gefecht, trag auch in dem vom 24. März die kopflose Führung rnssischerseits die Schuld an dem an- günstigen Ausgange. Der Angriffspunkt wurde auf französi- scher Seite durch den Zweck des Ausfalls, den Danziger Werder abzufuragiren, bestimmt.

Die Stellung des Blockadekorps wurde an der empfind- lichsten Stelle durchbrochen, aber der Ausfall stiess, indem er seine Flankenanlehnung an der Inundation beim weitern Vor- gehn verlor, auf neue Kräfte, die umfassend auf ihn einwirkten, so dass er ohne andern Erfolg, als die Beute einer massigen Anzahl Rindviehes, in die Festung zurückkehren musste. Ein Versuch rnssischerseits, auf die Verbindung der ausfallenden Truppen mit der Festung zu wirken, war unterblieben.

Der Ausfall vom 9. Juni gab dem Herzoge von Würtem- berg, der seit dem 1. Mai das Kommando übernommen hatte, Gelegenheit, das Vertrauen seiner Trappe zu erwerben. Das Gefecht, das sich daraus entspann, ist geeignet, die schwebende Frage, ob der Belagerte oder der Belagerer bei gi'össeren Aus- fällen im Vortheil sei, zugunsten des letzteren zu lösen. Der Ausfall geschah unter den günstigsten Verhältnissen. Die aus- fallende Trappe konnte sich verdeckt ausserhalb der Werke sammeln und in völliger Entwickelung auf den Gegner fallen, der vollkommen überrascht wurde. Dennoch war das Resultat ein für den Belagerten ungünstiges. Die Schuld lag zum Theil in der mangelhaften Anordnung. Die Absicht, das junge Ge- treide zu hauen und nach der Stadt abzuführen, gab dem Gefecht von vornherein einen defensiven Charakter, indem die Truppe mehr zur Deckung des Vorhabens diente, als ihre Aufgabe darin suchte, dem Gegner durch eine entschiedene Offensive empfindliche Verluste beizubringen, wie es Rapp beabsichtigte, um sich von den seit Ende Mai unausgesetzten Alarmirangen ein für alle Mal zu befreien 0. Er hatte daher den General

^) Diese beiden Absichten des AnsfaHs spricht d'Artois S. 148 ausdrück- lich ans, und Rapp bestätigt sie in seinen Memoiren. Trotzdem behauptet der Verfasser des Apergu S. 61, dass der AusfaU ganz nnmotiyirt war und legt ihm andere Beweggründe unter, um diese wieder zu bestreiten. Die Absicht dabei ist nicht zu verkennen.

503

Heudelct, welcher den linken Flügel komniandirte, dui'cli die Reserve (33. Division) und die sehr zahlreiche Artillerie ver* stärkt, ihm auch die Reiterei zagetheilt. Heudelet glaubte jedoch, dass es darauf ankäme, den Gegner auf sich zu ziehen, anstatt den General Husson so zu verstärken, dass er den rechten Flügel des Blockadekorps überwältigen konnte, um dann dieses aufzurollen. Der Herzog hütete sich jedoch, sich in den Schussbereich der Wälle zu begeben, und verhielt sich bei Wonneberg, wohin er seine Reserve vornahm, defensiv, zog auch den rechten Flügel unter General Tschernisch nach Schönfeld heran, benutzte dagegen seinen linken Flügel, der dem Feuer der Wälle nicht ausgesetzt war, um den General Grandjean, der sich vom Zigankenberg bis Langfuhr ausdehnte, und dem die strengste Defensive anbefohlen war, anzugreifen. Obgleich sich Rapp mit 4 Geschützen selbst dahin begab, gelang es ihm nicht, Erfolge zu erreichen. Der Abend kam heran und zwang den Belagerten, den Rückzug anzutreten, der nach den russi- schen Berichten in Unordnung erfolgte. Seine Verluste waren grösser als die des Gegners.

Gleich überzeugend von dem Vortheil, den das Blockade- korps über den Vertheidiger hat, wenn er sich zu einem grossen Ausfall verleiten lässt, ist das Gefecht vom 29. August. Der Herzog von Würtemberg fühlte sich nach der Wiedereröfl&iung der Feindseligkeiten stark genug, seine Eontravallation auf dem linken Flügel bis zur Weichsel zu verlängern, was jedoch ohne Gewaltmassregeln nicht zu erreichen war, da der Gegner aus Langfuhr, Neu-Schottland und Schellmühl vertrieben werden musste. Er ging dabei mit äusserster Vorsicht zuwerke und suchte seit dem 24. August den Gegner durch Scheinangriffe auf Schidlitz, Stolzenberg und Ohra zu täuschen. Auch am 29. August hatte er nur die Absicht, sich zunächt in den Besitz der Höhen zu setzen, die Langfuhr beherrschten. Der General Rapp, der nichts anders denken konnte, als dass es sich um Langfuhr handele, hatte die Besatzung von Danzig alarmirt und führte den grossem Theil derselben auf die Höhen des Zigankenberges. Er ging dann gegen Mittag zum Angriff auf Pitzkendorf und den Johannisberg vor. Das Gefecht dauerte bis gegen Abend. Bei der grössern Gewandtheit der

504

Franzosen verlief es auch im allgemeinen g&nstig für die- selben, bis eine Abtheilang des Blockadekorps in der Starke von 3 preussischen Bataillonen, 4 Eskadrons nnd 4 Geschützen von Wonneberg ans Über Tempelburg in die linke Flanke des Feindes vorging nnd ihn zum RUckznge zwang. Die Pointe liegt anch hier in der günstigen Stellung des Blockadekorps, die eine Umfassung des Gegners gestattete. Inwiefern die Di- vision Heudelet imstande gewesen wäre, den Vorstoss aus Wonne- berg zu verhindern, wie es in ihrer Aufgabe gelegen hätte, muss dahin gestellt werden. Die Division scheint vollständig durch einen Angriff des Generals Tschernisch auf Ohra in An- spruch genommen worden zu sein. Die in Schidlitz aufgestellten Truppen dieser Division waren zu schwach, die Umgehung zu hindern.

1. SohlnsBbetraohtting.

Die strategische Bedeutung einer Festung ist ein sehr relativer Begriff. Man ist wohl imstande, die strategischen Vor- und Nachtheile einer Festung im allgemeinen aufzuführen, so- wie man damit aber an eine bestimmte Kriegslage herantritt, ergeben sich so viele „wenn und aber^, dass mit den aufge- stellten allgemeinen Gesichtspunkten nichts anzufangen ist.

Danzig ist bei seinen reichen Hilfsmitteln als Depotplatz von grosser Bedeutung und hat sich als solcher bewährt; es liegt an der Mündung eines grossen Stromes und beherrscht da- mit die Handelsverhältnisse des ganzen Stromgebietes, verbindet die Vortheile der Lage an der Strombarriere mit den maritimen Yortheilen eines Hafens, kann dabei von der See ans nicht bombardirt werden. Es bildet den Sperrpunkt einer Eisenbahn und hat eine durch die Natur ausserordentlich begünstigte Lage. Aber diese Vortheile können aufgewogen werden durch einen überlegenen und geschickten Gegner, der die Terrainverhältuisse zu benutzen versteht, durch die Jahreszeit, welche den Strom und die Gräben mit Eis bedeckt, durch eintretenden Mangel verschiedenster Art, durch eine schlecht disciplinirte Besatzung und durch tausend Zufälligkeiten. Nur der konkrete Fall kann über die strategische Bedeutung der Festung entscheiden. Ist Danzig nicht durch eine Flotte geschützt, so sinkt sein Werth nm ein bedeutendes herab, besitzt es keine starke Besatzung,

505

so kann es die grossen Vortheile, welche ihm die Weichsel, die Inundation und Weichselmimde pp. gewähren, nicht ausnutzen, die Verbindung mit letzteren und die SchiflFfahrt auf der Weichsel nicht aufrecht erhalten, und muss dem Feinde von vornherein grosse Vortheile einräumen. Eine grosse Besatzung schwächt aber wiederum die Feldarmee. Ist die Besatzung zu gering, und gelingt es nicht, den Platz zu entsetzen, so dass sich der Gegner in den Besitz desselben setzt, so ist der Verlust un- übersehbar.

Der Fall von Danzig 1807 brachte Napoleon unberechenbare Vortheile, nicht bloss fiir die augenblickliche Kriegslage, sondern namentlich für den Feldzug von 1812, wo es sein Hauptdepot- platz war und den Schutz seiner Verbindungen gegen England übernahm.

Wie gross wären erst die Vortheile gewesen, wenn bei dem Rückzuge aus Russland nicht der Winter den Weichsel- strom mit Eis bedeckt hätte! Napoleon hätte statt der Elbe die Weichsel halten und seine Neuformationen dahin führen können. Eine Koalition der Mächte wäre unmöglich geworden, und das isolirte Russland wäre gern auf den Frieden einge- gangen, wenn es Napoleon gefallen hätte, ihn diesen zu ge- währen.

Danzig muss in einem Defensivkriege mit Russland den Pivotpunkt abgeben und muss, wenn es in Gefahr kommt, zeit- gerecht eine starke Besatzung erhalten: Die deutsche Flotte aber muss das Uebergewicht in der Ostsee behaupten können, was auch ganz abgesehen von Danzig in jeder Beziehung ge- boten ist.

Es lassen sich Verhältnisse denken, wie in jenem grossen

*

supponirten Kriege mit zwei Fronten, dass die Hauptkräfte Deutschlands in Frankreich beschäftigt sind und einer verhält- nissmässig kleinen Armee die Behauptung des Ostens zufällt. An eine Behauptung Ostpreussens würde in diesem Falle nicht zu denken sein. Man wird sich begnügen müssen, Königsborg und Pillau festzuhalten. Die Absicht die Weichsel direkt zu vertheidigen, würde zur Zersplitterung führen. Dagegen ist alles Land westlich der Weichsel vom Delta derselben aus zu schützen. Im Besitz der Nehrung und des grossen oder Ma-

606

rienburger Werders mit Brttckenköpfen von Marienburg und Dirschau *), auf der einen Seite von Königsberg und Pillau, auf der andern Seite von Danzig und Weichselmftnde mit Neufahr- wasser und der Westerplatte geschützt, kann der Feind an ein Ueberschreiten der Weichsel nicht denken, er müsste sich denn theilen und sich damit der Gefahr aussetzen, einzeln geschlagen zu werden. Wollte er es mit der ganzen Armee thun, so wurde er seine Verbindungen preisgeben. Eine Armee von 50000 Mann und eine angemessene Anzahl Landwehren in den festen Plätzen wäre imstande, einen Bewegungskrieg unter den güns- tigsten Bedingungen zu führen, vorausgesetzt, dass wir die See behen-schen.

Der Bewegungskrieg, der für die Defensive die einzige Rettung ist, lässt sich nicht ohne weiteres iraprovisiren, er be- darf eines vorbereiteten Kriegstheaters.

^) Zur Sicherung der innem Verbindung wäre auch ein Brückenkopf am Danziger Haupt erforderlich.

Anhang.

I.

Eriegs-ArohiTT des grossen Oeneralstabes F. 14 8. 61.

Schönfeld, den 8. Oktober 1813.

Graf Dohna an den Major von Hake.

(Eigenhändig.)

Ich schlage dem Herzoge vor, die Operation (Angriff auf die Jesuiterschanze) zu theilen und am ersten Tage nur die Schüttenhäuser und einen Theil von Schottland nehmen zu lassen. Dann müsste eine Batterie rechts von den Schottenhäusern er- baut und dadurch am folgenden Tage die Judenschanze stark beworfen worden. Dann könnten die Schanzen auf dem Juden- berge in der Nacht der grossen Expedition zu gleicher Zeit infolge einer Kanonade genommen werden.

Dadurch würde die grosse Expedition (auf die Juden- und Jesuiterschanze) ebenso gut glücken und noch weniger entdeckt werden.

Meine Gründe werden Sie aus dem Briefe an den Herzog ersehen, unterstützen Sie sie nach Möglichkeit.

Der erste Plan (auf die Jesuiterschanze) wird wahrschein- lich viel Menschen kosten und dennoch nicht glücken.

Schönfeld, den 8. Oktober 1813.

Graf Dohna an den Major von Hake.

(Eigenhändig.) Ew. Hochwohlgeboren haben heut als ein treuer Beschützer der Wahrheit und ein Vertheidiger der guten Sache gehandelt, die uns allen so wichtig ist. Ich wünschte, Ihnen meinen Dank

510

in Worten dafür aasdrficken zu können, fühlte mich aber dazu nicht fähig. Ihr eignes Bewusstsein, das Gate befördert zu haben, wird Sie am reichsten belohnen. Der Herzog beweiset durch diese Nachgiebigkeit und Abänderung eines Lieblings- Plans eine Feldhemi- Eigenschaft, die nicht alle grossen Herren besitzen.

S. 65. Anmerkung. Die preussische Landwehr war zum Sturm

auf die Judensclianzen, geschlossener, fester Werke bestimmt. Ich entgegnete den Behauptungen russischer Officiere, bewies mit Gründen die nicht erkannte Schwierigkeit, reussirte und rettete dadurch viele Hunderte der ünsern, welche die Kar- tätschen von den feindlichen Werken dem Vaterlande geraubt hätten.

Hierauf bezieht sich der Dank im vorseitigen Schreiben.

V. Hake.

IL

Erwidenmg des Herzogs Alezander von Wftrtemberg an den

Obersten von Schnlmann nnd Oberstlientenant v. Pullet. Zrlegs-

Arohiv des grossen Oeneralstabs F. 16. 8. 102.

Ew. Hochwohlgeboren Eingabe vom gestrigen Tage habe Ich erhalten and erwidere:

1. In Betreff der Wegnahme der Ziganken- und Juden- schanze beziehe ich mich auf unsere mündliche Verab- redung, und bleibt es bei der von mir schriftlich er- theilten Instruktion.

2. In Betreff Verstärkung meiner Infanterie von Ostpreussen darf ich nicht rechnen, indem das Königl. Gouvernement Mir heut per Estafette den Abgang von 2000 Mann zur (grossen) Armee und überhaupt die Bestimmung Sr. Majestät des Königs über die Ersatzmannschaften mitgetheilt hat.

3. Ist es zufolge wiederholter Erklärung durchaus nicht möglich, Parallele und Batterien in einer und derselben Nacht zu fertigen, so mnss Ich es freilich geschehen lassen nnd meine Vortheile aufopfern, die sich in ver- schiedenen Rücksichten sehr bewähren würden, kann aber die Behauptung nicht unterdrücken, dass nach meiner Ansicht es möglich ist, wenn von den Ingenieuren und Artilleristen das Ihre geschieht.

4. Die Kavallerie, d. i. Theile derselben bewillige ich gern zur Heranschaffung von Faschinen und Piketpfählen in die Depots, um das Ganze zu fördern, wie ich durch die Kugeltransporte von derselben schon bewiesen habe,

512

zur Wegebesserung, Anfertigung von Faschinen und Piketpfäblen darf sie hingegen nicht gebraucht werden, da sie dies zu lange von ihrem eigentlichen Dienst ent- feinen wfirde und zu diesem Behuf die Landleute in Thätigkeit gesetzt werden m&ssen.

Polanken, den 6./18. Oktober 1813.

gez.: Alexander.

Punkt 1, auf den es hier ankommt, spricht sich nicht näher über die vom Herzoge schriftlich ertheilte Instruktion aus. Der Zusammenhang mag folgender gewesen sein. Wie die auf S. 509 enthaltene Korrespondenz des Grafen Dohua mit dem Major von Hake ergiebt, war die gewaltsame Wegnahme der Jesuiterschanze (batteries de Frioul) durch den Sturm auf die Schottenhäuser keineswegs aufgegeben, sondern letzterer sollte nur die Einleitung dazu sein. Indem der Herzog sich aber am 15. zum Bombardement entschloss (vgl. oben S. 394 Note 2) und die gewaltsame Wegnahme der Jesuiterschanze wahrscheinlich infolge der Benachrichtigung, dass er auf eine Verstärkung an Infanterie aus Ostprenssen nicht rechnen dürfe (Punkt 2 obigen Schreibens), fallen Hess, so kann sich die am 16. erlassene schriftliche Instruktion nur auf den Angriff mit der Sappe in Verbindung mit dem Bombardement bezogen haben. Da damit der bisherige Plan der Operationen vollständig umgeworfen wurde, protestirten Schulmann und Pullet am 17. dagegen, wodurch obige Replik des Herzogs vom 18. erfolgte. Damit stimmt auch im wesentlichen die Darstellung der skiz- zirten Geschichte S. 120, 121 überein.

in.

Naohweisung der Batterien, welche am 23. Oktober In Th&tig-

keit waren. Beilage zn dem Bericht des Majcrs Liebe an die

Oeneral-Inspelction der Artillerie von demselben Datum.

Eriegs-Archiv F. 9 0<

2 24 pfundigen Kanonen bei Scliellmühl

6-24 , r, n n

5 24 j, j, Beiebershof 2— S'^gen Haubitzen bei Aschbnde

6 24 pfundigen Kanonen auf dem Johannisberge 7-24 . , 1 3-24 , . /

12 Kanone [6 24 Kanonen 4-24 ,

12"gen Haubitzen

8 ,

10 Haubitze

8 j, Haubitzen

3 10 Mörsern 2-10

6 pfundigen Kanonen Einhorn

2 Einhörner

28 (b"0 Batterie zu

29 (b'O , , 27 (a")

30 (z-) 23 (h'") 22 (i'") ,

21 (y")

34 (f") ,

32 (d") ,

33 (e")

bei Pitzkendorf

31 (c")

1 1

1

1

4

3 2

Acht Batterien

auf

der Höhe der

Sebottenhäuser.

Wir erfahren durch diese Nachweisung die Bewaffnung dieser Batterien, ferner dass diejenigen von Langfuhr und Neu- Schottland nicht mehr in Thätigkeit und die Batterien No. 24,

') Um die Lage der Batterie zu erkennen, sind die in den Plänen von d'Artois und des Apergn vorhandenen Bezeichnungen hinzugefügt

Köhler, Geschichte der Festungen Danzig and Weichselmünde. H. 88

614

25, 35, 36 noch nicht vorhanden waren. Der Bau von Nr. 35 war zwar begonnen, die Batterie wurde jedoch erst am 24. Ok- tober bewaffnet. Die Batterie auf dem Johannisberge scheint die vom grossen Belvedere zu sein. Es waren demnach in Thätigkeit:

39 24 pfundige, 4 12pfflndige, 2 6pfQndige Kanonen, 1 10"ge, 6— 8"ge Haubitzen und 3 Einhörner, 6 10"ge Mörser*).

') Von prenssischen Artilleristen bedient, waren

10 24pfttndige Kanonen, 1 10"ge Haubitjce, 2 8"ge Hau- bitzen nnd 5 10 "ge Mörser.

IV.

Auszug

aus dem Tagebuch des Majors Liebe, Zommandeurs der

preussisohen Artillerie. Monat November 1813.

i-Arohiv F. 9.

1. Novbr.

2. Novbr.

3. 4. Novbr. 5. Novbr.

Gross-Feuer in der Stadt. In der folgenden Nacht stürmen die Bussen einige Schanzen in Schottland und zünden die Häuser bis zur Jesuiterkirche an. 12 russische Wagehälse drangen in die Jesuiter- schanze ein und kehrten, ohne einen Mann verloren zu haben, in die Parallele zurück.

Juden- und Jesuiterschanze heftig beschossen, weil man sie in der folgenden Nacht stürmen wollte. Der Sturm unterblieb jedoch. Dagegen Schidlitz und Stolzenberg überfallen, kostete 800 Mann.

In dieser Nacht die Hälfte der 1. Parallele in der Entfernung von 1200 bis 1500 Schritt gegen den Bischofsberg erbaut. Die Ingenieure geben die Entfernung nur zu 800 Schritt an, doch mussten wir für die obige Entfernung Aufsatz und Eleva- tion nehmen.

Erweiterung der 1. Parallele.

Es wird beabsichtigt, die Steinschleuse zu zer- stören, und wurde zu dem Zweck das Wurfgeschütz auf dem rechten Flügel reichlich mit Munition ver- sehen. Zu dem Zweck wurden die Mörser auf die Höhe gebracht. Das Feuer blieb jedoch ohne Er-

88*

616

folg, weil das Schiessen auf Befehl in der Nacht erfolgte.

Eine, bei Schidlitz auf dem linken Flügel ge- legene Batterie (Brese) mit 1 12Pfünder und 3 englischen eisernen 24 pfundigen Kanonen armirt, um den Zigankenberg zu beschiessen. Die russischen Pioniere geben den Scharten falsche Direktion.

6. Novbr. In der Nacht zum 7. eine links von Schidlitz ge-

legene Schanze (avancee Kirgener) zerstört.

7. Novbr. Die Beschiessung der Steinschleuse in der Nacht

ohne allen Erfolg fortgesetzt. Auch gelingt es nicht, die anliegende Mühle in Brand zu stecken, obgleich eine Belohnung darauf gesetzt war. 8. 12. Nov. Das Bombardement fortgesetzt. In der 1. Pa- rallele legt die preussische Artillerie Bettungen zu 5 Batterien ä» 6 Mörser. Zwischen je 2 Mörsern Traversen erbaut, um sich gegen den Zigankenberg zu schützen. Für jede Batterie eine Pulverkammer.

In der Nacht vom 11. zum 12. Armirung der Batterien mit 11 10 "gen eisernen englischen und 10 8 "gen dto. Mörsern, 3 50 pfundigen me- tallenen und 6 10 pfundigen eisernen preussischen Mörsern.

In der Stadt am 11. heftiger Brand an der Steiu- schleuse (Theerhof).

In der Gegend von Schellmühl 4 13 "ge rus- sische Mörser (2 davon in Batterie Aschbude) placirt, um mit 200 pfundigen Bomben die Wohnung Rapp's in Langgarten zu beunruhigen. Neben und zwischen den Mörsern der I. Parallele eine Batterie zu 4 und 2 zu 5 Kanonen erbaut. 12. 13. Nov. Die Batterien mit Bettungen versehen. Das Holz

musste auf 1500 Schritt aus dem Zwischendepot her- angetragen werden.

Den 13. durch den russischen Ingenieur- Haupt- mann Kool und den preussischen Lieutenant Rode folgende Batterien abgesteckt: 1. eine Batterie von 2 Haubitzen und 4 Kanonen,

617

erstere zum Kikoschettiren der rechten Face der Kontregarde Scharfenort, letztere zum De- montiren der linken Face desselben:

2. zu 6 Haubitzen zum Bewerfen aller Werke des Bischofsberges. Beide Batterien werden ausser- halb der Parallele erbaut, weil innerhalb kleine Wasserquellen ;

3. zu 4 Kanonen zum Demontiren der linken Face von Bastion Scharfenort.

In der Nacht vom 13. zum 14. werden die Batterien durch preussische Artilleristen bis auf die Bettungen fertiggestellt. Auf dem linken Flügel der Parallele werden 10 24 pfundige und 2 12 pfundige Ka- nonen in die Batterien geschafft, wobei 2 24 Pfän- der in dem weichen Boden versinken und stehen bleiben müssen. Sie werden mit Faschinen bedeckt.

In der Stadt heftige Brände.

14. Novbr. Major Liebe ermittelt die nöthigen Wege für die

weitere Armirung und veranlasst Durchstiche durch die Laufgräben.

In der Nacht zum 15. Armirung mit 6 24pfün- digen und 8 12 pfundigen Kanonen, 1 8 "gen englischen und 3 10 pfundigen preussischen Hau- bitzen und 4 Einhörnern. Die 6 24 Pfänder kommen in die Batterien des linken Flügels gegen den Zigankenberg.

15. Novbr. In der Nacht zum 16. 4 24 Pfänder und 2

12 Pfünder, welche versunken waren, durch 150 Mann in die Batterien geschafft.

16. Novbr. Fortsetzung der Armirung. Das Legen der Bet-

tungen bei Tage ausgeführt. Die bereits zur Stelle befindlichen Geschütze standen dahinter. Viel Pferde erschossen. Die Munition durch Mannschaften trans- portirt. Man hatte an diesem Tage für jedes Kanon 50 Schuss, für jedes Wurfgeschütz 48 Wurf, für jedes Rikoschettgeschütz 96 Schuss auf 2 Tage.

Zum Bewerfen der Juden- und Jesuiterschanze 12 5V«"ge Mörser in der Parallele aufgestellt.

518

17. Novbr.

18. Novbr.

19. Novbr

Eröffnung des Feuers um 9 Uhr vormittags. Die^ Batterien erlitten, da sie so zusammengedrängt waren, grosse Verluste.

Die 3 Flankenbatterien gegen den Zigankenberg wai'en ohne alle Wirkung, weil sie zu tief standen und zu weit entfernt waren.

Durch eine 10 pfundige Granate wird ein Pulver- magazin in der Lünette Leclerc in die Luft gesprengt, ebenso die Fladderminen der Jesniterschanze. Bas- tion Scharf enort wird hart mitgenommen.

Das Flankenfeuer vom Zigankenberge und dem Hagelsberge, von der Jesuiterschanze und den schwimmenden Batterien bringt namentlich den russischen Artilleristen viel Verluste bei.

Von den Zigankenschauzcn schössen 4 Kanonen und 2 Haubitzen; von der Juden- und Jesuiter- schanze 4 Kanonen und 1 Haubitze; von den schwimmenden Batterien 3 Kanonen und 2 Hau- bitzen. In Summa 11 Kanonen und 5 Haubitzen.

Die Verluste wurden noch dadurch vermehrt, dass die Brustwehr der Parallele zu schwach war, so dass die Schüsse durchgingen.

Vor Pietzkendorf wurde eine in der Nacht vor- her aufgeworfene Batterie gegen den Zigankenbei-g mit einer 10 pfundigen preussischen Haubitze und 3 10 pfundigen preussischen Mörsern bewaffnet. Obgleich die Batterie grösstentheils mit russischen Landwehrleuten bedient wurde, schössen sie recht gut. Auch 1807 habe ich in Danzig *) dieselbe Er- fahrung gemacht, obgleich die GeschQtze durch Kavalleristen und Trainkuechte besetzt waren und zu drei Geschützen nur ein Unterofficier abgetheilt war. Zu den 22 preussischen Geschützen war nur 1 Hauptmann du jour, 2 Officiere als Komman- deure und per 4 Geschütze oder eine Batterie 1

0 liebe kommandirte 1807 als Lieutenant die ArtiUerie der Front am Neugarter Thor. Höpfner,

519

20. Novbr.

21. Novbr.

Unterofficier, per Kanone 2 Artilleristen, per Wurf- geschütz ein Bombardier und 2 Kanoniere vorhanden. Das übrige war Landwehr, aber es ging.

Das Feuer wurde ermässigt, jeder 12 Pfänder erhielt nur 30, der 24Pfünder 48, jedes Wurfge- schütz 12 Wurf während 24 Stunden, ausgenommen die 12 5V8"gen Mörser.

Die Jesuiterkirche wurde am 20. mit 2 7 pfun- digen preussischen Haubitzen, 2 8 " gen Mörsern und einigen 24Pfündern beschossen, um den Feind daraus zu vertreiben. Zwei 24Pfünder wurden nach Brösen gesendet, um von dort aus den General Bapp in Langgarten zu beunruhigen.

In der Nacht zum 21. wurde der Judenschanze (poste du sergent) um 200 Schritt näher gerückt. Diese Parallele hatte ganz nahe vor sich ein langes 20 Fuss tiefes Defilee. Es scheint, dass dies Defllee schon an und für sich hätte zur Parallele dienen können, und wenn man sich den Schanzen nähern wollte, so musste die Parallele vor dem Defilee geführt werden.

Major Liebe und Hauptmann Sommer gingen mit einer 7 pfundigen Haubitze in Schottland bis 250 Schritt an die Kirche heran, um den Feind daraus zu vertreiben. Sie fanden die Artilleristen der Je- suiterschanze (der Major nennt sie Judenschanze) auf dem diesseitigen Abhänge, um sich dem auf die Schanze gerichteten Feuer zu entziehen, und vertrieben sie durch einige Schuss, beschossen auch die Kirche durch die Fenster hindurch, mussten dann aber doch zurück, da Tirailleure gegen sie vor- gingen.

In der Nacht wurde die Räumung der Jesuiter- und Judenschanze durch 7 Deserteure bekannt.

Aus den rückwärts liegenden Reduten No. 5 und 6 (die Bezeichnung ist aus dem Uebersichtsplan, der auch der skizzirten Geschichte beigegeben ist, entnommen. Im Apercu sind die Reduten mit g" (36) und i " (15) bezeichnet) beschoss man in einer

520

Entfernung von 1500 Schritt die Jndenschanze (soll heissen Jesaiterschanze) mit 24 pf findigen Kanonen, ungeachtet unsere Belagerungsarbeiten sich schon der Schanze um 3 bis 400 Schritt genähert hatten. Einige Engeln, die zu kurz gingen, tödteten mehrere preussische Landwehrmftnner, welche die vordem Laufgräben besetzt hatten.

22. Novbr. Das Feuer von beiden Seiten fortgesetzt. In

Langgarten brennt es. In der Jesuiterschanze werden die Bombenkasten ausgegraben. Die Je- suiterkirche ist ebenfalls verlassen worden.

23. Novbr. Das Feuer wie am 22. Gegen Abend werden vom

Hauptmann Kool und Lieutenant Rode folgende Bat- terien abgesteckt:

a) zu 2 Haubitzen zum Rikoschettiren der rechten Face von Leclerc;

b) zu 6 Kanonen zum Demontiren der linken Face von Mittel;

c) zu 6 Mörsern gegen Bastion Salvator und die Stadtbefestigung;

d) zu 2 Haubitzen und 4 Kanonen gegen die barm- herzige Brüderschanze (Lasalle) und rothe Brücke ;

e) zu 4 Mörsern gegen die Bastione Gertrud und Maidloch ;

f) zu 4 Haubitzen.

24. Novbr. Der Bau der Batterien musste vorläufig wegen

Mangel an Arbeitern unterbleiben. Das Feuer vom Hagelsberge und Zigankenberge thut vielen Schaden. Seitdem die Parallele begonnen, beträgt der Ver- lust an Todten durchschnittlich 40 Mann täglich. In der Nacht zum 25. werden die 3 ersten Bat- terien erbaut. Von den 3 letzten, welche von Preussen erbaut werden sollen, konnte nur die Bat- terie zu 2 Haubitzen und 4 Kanonen erbaut werden, weil 600 russische Landwehrleute sich verirrten.

25. Novbr. Das Feuer fortgesetzt. In den 3 russischen

Batterien werden die Bettungen gestreckt. Für die

521

26. Novbr.

27. Novbr.

preussisclien Batterien bleiben die Arbeiter wieder- um aus. Es wird 12 Stunden auf sie gewartet.

Das Feuer von den schwimmenden Batterien aus 8 Geschützen ist immer noch sehr lästig. Gegen Abend werden die 3 russischen Batterien armirt.

Es machen sich namentlich zwei Uebelstände geltend :

1. dass die 1. Parallele auf beiden Flügeln in Flanke und Rücken beschossen wird;

2. dass es an einem Schanzkorb- und Faschinen- depot fehlt und beide vom Anfertigungspunkt herangeschaflft werden mussten. Bei der schlechten Beschaffenheit der Pferde konnte ein 4 spänniger Wagen nur 3 Faschinen und 2 Schanzkörbe laden. Die Schanzkörbo waren sehr gross gemacht, so dass 4 bis 5 einen Kasten bildeten.

Befehl, Tag und Nacht sehr lebhaft zu schiessen.

In der Nacht zum 27. bauten preussische Artille- risten mit russischen Landwehrleuten eine Batterie von Haubitzen und Mörsern auf dem rechten Flügel der 1. Parallele. Trotz lebhaften Feuers wurde nur ein Mann verwundet.

Von beiden Seiten das lebhafteste Feuer. Der Hagelsberg war unsererseits unbelästigt geblieben, unerachtet er uns sehi' beschwerlich fiel. Seit mehreren Tagen starker Regen, am 27. ein halber Fuss tiefer Schnee. Der Transport der Munition geschah auf beiden Seiten mit Karren zu einem Pferde.

Um 8 Uhr abends erfolgt der Befehl, das Feuer einzustellen. Der Verlust der preussischen Artil- lerie incl. Handlanger betrug während der ganzen Belagerung 8 Todte, 11 Verwundete.

Es ist schliesslich die Eintracht rühmlichst zu erwähnen, welche während der ganzen Belagerung vorzüglich zwischen den russischen und preussischen Artilleristen herrschte,

522

Da ich vermöge meines Standpunktes nicht mit zu den Beschlüssen gezogen worden bin, kann ich nur über den Erfolg und nicht über die Ursache urtheilen.

Schiddelkau, den 5. December 1813.

Liebe.

V.

Verzeichniss der Batterien, wie solche bei eingetretener Kapitulation

7or Danzig plaoirt gewesen sind.

Eriegs-Arohiv F. 9.

' Jetzige ^»^ : Bezeichnung der Batterien.

es

Zahl und Gattung der Geschütze.

Bestimmung der Batterien.

1 2

3 4

10

11 12

13 14

15 16 17

Schellmtihl

Beichcrshof Aschbude

5 , Johauulsberg

6 ,' Ziganken berg

7 bei Schidlitz

8 ; Pietzkendorf

9 dto.

gegen Ziganken berg

bei Bröseu bei Miggau

links 2 Einschnitte

Higgaa Rodute Kool

Brese

Sclmiiedeknecht

1 5 2

O

2 2 2 o 3 2 1 2 1 l 2

engl. eis. 24-Pfünder

russ. 13"ge Möi*ser engl. eis. 24-Pf linder engl. met. 8"ge Haub. russ. 13"ge Mörser engl eis. 24-Pfünder

r>

eis. lOpfünd. Mörser j>g met. lOpfd. Haubitze) | , 10 Mörser ) engl. eis. 24-Pfünder

4 kleine Einhörner

[5 engl. eis. 24-Pfünder

2 , 12- ,

2 preuss. met. 12-Pfünder

i(l engl. eis. 24-Pf linder

2 preuss. met. 12-Pfünder 1 » » 24-

4 preuss. met. 24-PfUncler

Gegen die Stadt.

Gegen Zigankeuberg durch preussische Artilleristen besetzt.

Gegen die Stadt mit glühenden Kugeln.

Rikoschettiren die Zigankenberger Schanzen.

) Dcmontiren die Zigankenberger Schan- \ zen.

I Gegen die Zigankenschanzen und \ Schidlitz.

Gegen die Zigankenschanzen und Schidlitz.

Gegen die Zigankenschanzen und Neugarter Thor.

524

Jetzige

Bezeichnung

der Batterieu.

Zahl und Gattung der Geschütze.

Bestimmung der Batterieu.

19 20 21,

22

23

24 i;

25 |i

26 ,

27

28

29

30 31

32

33

34 35 :

36 37

38

0.

N.

M. L.

K.

I.

H. G. F.

E. D.

0. B.

2 engl. eis. 24-Pninder

2 preuss. met. 24-Pfünder 4 preuss. met. 12-Pfünder

3 engl. eis. 8"ge Mörser '^3 preuss. met. 50 pfundige

Mörser 6 engl. eis. 8''ge Mörser

2 engl. met. 8''ge Uaub.

4 kleine Einhörner

6 preuss. eis. lOpfOndige

Mörser j3 engl. eis. 24-Pfander (2 preuss. met 12-Pfttnder

3 engl. eis. 24-Pfttnder

I 2 preuss. met. 12-Pfünder

(1 engl. eis. 8"ger Mörser (5 engl. eis. 10"ge Mörser

2 preuss. lOpftind. Haub.

4 russ. met. 12-Pfünder Raketenbatterie 2 engl. met. 8''ge Haub. 6 engl. eis. 24-Pfünder

2 engl. met. 8"ge Haub. 2 engl. eis. 24-Pfünder 4 engl. eis. 10"ge Mörser 4 grosse Einhörner 2 engl. met. 8''ge Haub.

1 » , 10"ge ^2 engl. eis. 12-Pfünder

2 preuss. met. lOpftindig. Haubitzen.

•'!

Dcmontirbatterie gegen Cafarelli,

gegen Scharfenort,

gegen Cafarelli und Kontreganie Scharf enort,

gegen Scharfenort und BareliD, ) gegen Cafarelli, Scharfenort, Lä- nette Ledere, Ravelin und Sal- vator,

(

i gegen Leclerc u. Bast. Mittel.

gegen die Blockhäuser, Rikoschettbatt^rie gegen Scharfeuort und Cafarelli,

gegen Salvator und Mittel,

gegen Salvator und Ravelin, gegen Kontregarde Salvator und Ravelin,

gegen B. Demontirbatterie der linken Face von Bastion Mittel,

gegen das Blockhaus links von Sal- vator, gegen die barmherz. Brüderscbauze, gegen die rothe Brücke,

gegen Bastion Gertrud und Maidloch,

gegen Bastion Salvator,

Wasserbatterie gegen die schwim- menden Batterien.

SchüddelkaU; 5. Dezember 1813.

Liebe,

525

Vorstehende Liste giebt Gelegenheit, einige Differenzen auf- zuklären, die sich in den Quellen bei einzelnen Batterien vor- finden. Wir haben bereits im Lauf der Darstellung gesehen, dass das Apercu weder in der Zahl der Batterien, noch in der Bewaffnung derselben zuverlässig ist, und dass es namentlich in der Zeit des Baues der Batterien absichtliche Fälschungen vorgenommen hat. Diesen Punkt habe ich bereits oben kritisch erörtert und auch die Batterien erwähnt, die es verschwiegen hat. Es sind nach d'Artois die Batterien No. 8, 13, 14, 15, 24, 25, 35.

In Bezug auf die Bewaffnung der Batterien haben wir noch ein andres Verzeichniss auf dem Plan der skizzirten Geschichte (Plümicke), und da dasselbe wie der Plan officiellen Ursprungs ist, sind wir in der Lage, zum Vergleich drei Verzeichnisse, die mehr oder weniger authentisch sind, zu benutzen. Der Ver- gleich wird jedoch dadurch ausserordentlich erschwert, dass das AperQU sich für die Bezeichnung der Batterien anderer Buch- staben bedient, «als die beiden andern Verzeichnisse, die we- nigstens in der Bezeichnung der Batterien der 1 . Parallele über- einstimmen und, wie es seheint, sich der zur Zeit fiblichen Be- zeichnung bedienen. Ich habe den Versuch gemacht, die korres- pondirenden Buchstaben zu ermitteln, und habe sie auf Taf. VI des 2. Bandes eingetragen, wobei die oberhalb der Parallele stehenden die des obigen Verzeichnisses und der skizzirten Geschichte, die unterhalb stehenden die des Aperi^u sind. Wesentlich abweichend ist nur Batterie g (G), welche der Batterie o' des Apergu entspricht. Während letztere mit 4 24 Pfandern und 3 Haubitzen an- gesetzt ist, hat g nur 2 Haubitzen und G 3 Kanonen. Wahr- scheinlich sind bei g die Kanonen und bei G die 2 Haubitzen irrthämlich ausgelassen. Anders ist das Verhältniss bei den korrespondirenden Batterien p' des Apergu, welche mit 6 Ka- nonen und c (G), welche mit 2 Haubitzen und 4 Kanonen be- waffnet sind. Die Lage der Batterie und die Bezeichnung als Rikoschettbatterie sprechen dafür, dass die letztere Bewaffnung die richtige ist. Die übrigen Abweichungen sind unbedeutend. Wenn im Apercu die Batterie w' mit 4 Kanonen, die korres- pondirenden Batterien der skizzirten Geschichte f dagegen mit 3 und F mit nur 2 Kanonen bewaffnet sind, so ist zu berück-

526

sichtigen, dass in dem obigen Verzeichniss des Majors Liebe die Zahl der Geschütze am 30. November aufgenommen, im Apercu dagegen die ursprüngliche Zahl augegeben ist. Im Apercu ist ferner die Batterie n' mit 12 Mörsern angesetzt, dem die Bat- terien m (M) und 1 (L) mit je 6 Mörsern entsprechen.

Bei den zweiten Batterien, welche nach Räumung der Je- suiterschanze erbaut sind, entsprechen die Batterien des Apergu g, 1, m, i, k, p, e den Batterien der skizzirten Geschichte p, q, r, s, t, tt, X und stimmen in der Zahl und Gattung der Ge- schütze ttberein. Ferner scheint o des Apergu der Batterie j- der skizzirten Geschichte zu entsprechen, hat jedoch 4 24 pfun- dige Kanonen und 4 Mörser; Batterie y dagegen 2 Haubitzen und 4 Mörser. Das richtige mag 4 Haubitzen (Einhörner) und 4 Möi-ser sein, wie die laufende Nummer 36 des obigen Ver- zeichnisses hat. Die Batterien des Apercu u, v, t mit je 4 Kanonen sind weder im Verzeichniss der skizzirten Geschichte noch im obigen des Majors Liebe vertreten, ebenso wenig im Tagebuch des letztern, und daher wohl zu streichen. Der Mangel der üebereinstimmung des obigen Verzeichnisses vom Major Liebe mit den Verzeichnissen des Apercu und der skizzirten Geschichte ist, wie bereits angeführt, wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die beiden letztern die ursprünglich beabsichtigte Zahl von Geschützen aufgenommen haben, während ersteres nur die Zahl angiebt, soweit sie bei Abschluss der Kapitulation vorhanden war, indem mehrere Batterien wegen Mangel an Arbeitern noch nicht beendigt waren. So fehlt in dem Verzeichniss die Batterie von 6 Mörsern, obgleich sie im Tagebuch des Majors aufgeführt ist. Die Verzeichnisse des Apergu und der skizzirten Geschichte haben die Batterie dagegen aufgenommen. Sie gehörte zu den Batterien des linken Flügels jener 6 im Tagebuch des Majors aufge- führten, welche preussischerseits erbaut werden sollten*), aber zum Theil unvollendet blieben.

Am wenigsten in Üebereinstimmung zu bringen sind die zur Bekämpfung der Zigankenberger Schanzen bestimmten Bat-

^) Wie die in obigem Verzeichniss eingetragenen Nummern 1 6, welche den im Tagebuch des Majors Liebe angeführten Buchstaben a bis f entsprechen, andeuten, indem sie unten mit 1 beginnen, hatten die Preussen die Batterien a, b, c des Tagebuchs, also die des rechten Flügels, zu erbauen.

527

terien. Allen Quellen gemeinsam sind nur die Batterie Zigan- kenberg (mit der laufenden Nummer 6 obigen Verzeichnisses), wie die Redute k " des Apergu (No. 7 der skizzirten Geschichte, No. 16 bei d'Artois) genannt wird und die Batterien Schmiede- knecht, Brese und Kool. Die Batterien 8 und 9 der skizzirten Geschichte (No. 24, 25 bei d'Artois) fehlen sowohl im Apergu, wie in unserm Verzeichniss. Dagegen ist in letzterem die Bat- terie mit der laufenden Nummer 10 aufgeführt, welche in ihrer Bewaffnung mit 1 Haubitze und 3 Mörsern der Bewaffnung der Batterien 8 (24) und 9 (25) mit je 2 Haubitzen ziemlich nahe kommt und sonst mit keiner Batterie in Einklang zu bringen ist. In der Zeit ihrer Erbauung geht sie allerdings mit den Angaben der französischen Quellen über die Erbauung der Batterien No. 24 und 25 völlig auseinander. Ganz unvereinbar mit allen sonstigen Angaben sind die Batterien m"' und n'" des Apercu, können aber fflglich nichts anderes vorstellen als die Batterien No. 13 und 14 bei d'Artois. Ebenso sind die Geschützeinschnitte bei Miggau und die Redute von Miggau (No. 12, 13, 14 unsers Verzeich- nisses) nicht anders zu verstehen als in ihrer Uebereinstimmung mit No. 13 und 14 bei d'Artois. Die Redute bei Schidlitz mit der laufenden Nummer 7 unsers Verzeichnisses korrespondirt mit No. 10 der skizzirten Geschichte und mit No. 8 bei d'Artois sowohl in der Lage als in der Bewaffnung. Das Apercu hat zwar die Redute eingezeichnet, leugnet aber ihre Bewaffnung mit Artillerie.

VI.

Proces-verbal

du

Conseil de defense.

Cejourd'hui, vingt-trois novembre mil huit cent treize, Son Excellence Monsieur le Gouverneur G6n6ral a assemble un conseil de defense compos6 de: Messieurs

Le g^n^ral de division, baron Grandjean, commandant la 7me division;

Le g^n^ral de division, comte Heudclet, commandant la 30ine division;

Le gen^ral de division du g^nie de Campredon, commandant en chef celui du corps d'armöe;

Le general de division, baron Bachelu, commandant la 34 me division;

Le lieutenant g^n^ral Detr^s, commandant la 33. division;

Le contre-admiral Dumanoir, commandant la marine;

Le general de brigade Cavaignac, commandant la cavalerie;

Le general de brigade Bazancourt, commandant sup6rieur de la place;

Le g6n6ral de brigade Lepin, commandant Tartillerie du 10™® Corps;

Le g6n6ral de brigade, prince Radziwil;

Le g6n6ral de brigade d'H6ricourt, chef d'6tat-major g6n6ral ;

Le colonel du gfenie de Ricliemont, directeur des fortifications ;

Le colonel d'artillerie Cliapelle, clief d'6tat-major de cette arme:

68<>

Le sotts-inspecteur anx revües Reybaud, faisant foiiction d'inspecteur du 10™® corps;

Le eommissaire-ordoBnatear Barthomeaf, faisant fonctioa d'ordonnateur en chef.

Lecture faite des lettres patentes de Monsienr le Gouvernenr G6neral et du chapitre 4 du d6cret imperial du 24 D^cembre 1811, Son Excellence a dit: „Messieurs,

„Depuis le commencement du blocus, la garnison de Dantzig a donn6 les preuves les plus signal^s de son d^voueraeBt; e)le a SU, par sa bravoure, par sa r^signation aux fatigues et aux privations, par le bon esprit qui Tanime et qiri, de tant de troupes diverses, n^a fait longtems qu'une seule famille, eile a SU, dis*je, eommander l'admiration des armöes ennemies. 6tonner les habitans au milieu desquels le sort des armes Ta placke, et se couvi'ir de gloire par des faits innambrables de valeur. C^est ä ce bon esprit, k la bonne volonte de chacun, qne Ton a du la cohstrnction et le perfectionnement de taut de travaux n^eessaires k la defense de la place et contre lesquels viennent encore 6chouer les efforts de l'ennemi; cette exactitude dans k Service , qui a dejou6 tant de f ois ses entreprises ; ces r^sultats heureux d'exp6ditions , qui ont servi aux ravitaillement de la place et prolongö ses ressonrces. Mais des circonstances inat- tendues ont chang6 ces dispositions dans une partie de k garnison, et d6jä la d^fection de plusienrs auxiliaires qui en fönt partie, fait craindre de plus grandes pertes dont on doit peut*6tre prövoir les eflfets.

„La d^sertion nombreuse, les murmures dans les travavx et dans le Service, les propos tenus par les soldats, par les offlciers meme des troupes allemandes, tout concourt h faire nattre Fopinion que, bien loin de se confier k ces troupes, fl faut d^somais les surveiller autant que Pennemi exterieur.

„Les Polonais, qui forment une portion nombreuse de la garnison, sont dans une position teile que des 6v6nemens d^jk annoncös hautement k ces troupes ainsi qu'ä moi, et qui peuvent arriver d'un jour k Tautre, nous priveraient absolument de leur secours et mettraient la garnison tout k fait hoi*s d'6tat de d^fendre la place.

Köhler, Oescbiuhte der Festangen Oanzig und VVeicbselmttnde. II. 84

530

^Dans cette 6tat de choses, les Francis eux-m§mes ne peuvent se d^fendre d'une inqui6tude qui, en en ajoutant les peines morales anx fatigues physiques, d^truit jusqu'ä Tartifice de nos forces. Les plas mod6r6s pensent qu^ä chaque instant un abandon peut les mettre ä la merci de Tennemi; les autres plus exag6r6s ench^rissent encore sur ces sinistres idees.

^Qaant aux Bavarois, anx Westphaliens et anx corps de la Conf 6d6ration, les chef s de ces troupes qui allaient aux avant-postes OQt manifeste le d^ir qu'elles n'y fussent plus enyoy6es, et d^ lors, on ne doit plus compter sur elles ponr la defense de la place. Mais une circonstauce plus alarmante ou du moins plus penible i mettre au jour, c'est que des fractions de corps frangais partagent le mauvais esprit des alli^s : les bataillons des 45"®, 54™® et 94™® rögimens sont en grande partie compos6s de sujets r6unis en demier lieu k la France; chaque jour, la d6sertion augmente; les soldats de ces corps ne vont aux travaux que par force, montrent la plus mauvaise volonte dans le Service et professent les memes principes que les ^trangers en mati^re de d6fection. II n'est donc plus permis de se reposer avec s6curit6 que sur une faible portion de la garnison; on peut encore espörer quelques eiforts, mais non pas des prodiges.

„L'incendie qui a consum^ la majeure partie de nos maga* sins a r^duit nos approvisionnemens en grains k une consom- mation de quarante-liuit jours; mais il fant observer que nous n^avons aucun approvisionnement en farines, que les moyens de mouture que nous employons sont tr^s pr^caires et insuffisans, ce qui oblige ä des vanations continuelles dans la fixation de la ration.

„Les autres denr^es sont loin d'etre dans la m&me Pro- portion que les grains : il ne reste donc, dans la place qu^en- viron sept cents chevaux, sur lesquels il faut en conseiTer trois Cents k Fartillerie pour le transport de ses munitions sur les vastes fronts que nous avons k döfendre, cinquante au g^nie pour les transports de la f ortification , et trois cents k Vad- ministration pour le transport des grains et pour les moutures qui ne peuvent se faire, en grande partie, que par le moyen des moulins k manage; d'oü il suit qu^il ne resterait pour la consommation qu'une cinquantaine de chevaux, k moins de dto-

63j

organiser et an^antir des Services indispensables et sur lesquels repose la defense. II faudrait donc suppiger au d6faut de vi- ande par une augmentiou de grnau, ce qai diminuerait d'autant les ressources en pain.

„II ne reste d'eau-de-vie que pour qaarante-deox jours.

„Je ne parlerai pas de la possibilit6 de prolonger ces ressources par des rMactions daus la composition de la ratiou : on sait trop k combien de murmures Celles qui ont 6t6 operSes ont donn6 liea et quelles ont et6 le pr^texte d^une d6sertion nom- brease. H n^y a d'ailleurs dans les magasins aucan des alimens que Ton rassemble pour les tems de si^e afin de varier la nourriture du soldat; les malades mSmes ne peuvent gtre mieux trait6s que les hommes en sant6, par suite du d^nuement absolu des alimens qu^on leur accorde ordinairement.

„Vous (^onnaissez, Messieurs, le fächeux 6tat de nos höpi- taux : le plus considerable a 6t6 ruing par le bombardement, et rincendie de trois autres a achev6 de d6truire le peu de ressources qui nous restaient.

„La solde a et6 acquitt^e anssi longtems qu'il a 6t6 possible; cependant; il est du cinq mois i, la troupe et quatre aux officiers. Je sais tout ce qu'ils souffrent de cette p6nurie pair la chert6 excessive de toutes choses ; mais cette privation, quel- que sensible qu'elle soit, est la moindre de toutes les con- sid6rations; eile n^en est une pour nous que par räpport aux 6trangers.

„L'artillerie et la fortiflcation sont, en gfenöral, en bon 6tat, les deux armes n'ont rien n6glig6 de ce qüe les moyens mis ä leur disposition ont permis. Je n'enum^rerai pas les travaux que nous avons ex6cut6s ou perfectionn^s depuis le blocus : le Journal du si^ge et ceux du g6nie les fönt connaitre : ils sont immenses. La construction et les r6parations de ces ouvrages ont tellement fatign6 les soldats, que ce n'est qu^avec les plus grandes peines que Ton parvient ä faire ex6cuter ceux que la marche de l'ennemi rend indispensables; et cela se con^oit fa- cilement, si Ton r6fl6chit que les troupes faisant le Service mon- tent et decendent continnellement, et que dans Tintervalle elles sont command6es pour les travaux.

„Le moment des glaces approche, et Ton ne peüt se dissi-

84*

582

muler qa'alors la n^cessitö des travanx les plus darspar lear natnre et par le tems de lenr ex^cntion, leur coutinaitä et lear imraensitä, ne soit en disproportion totale avec le nombre et la force de nos soldats. Si Ton ajoute ä. cet 6tat de choses la n6cessit6 de garder cet immense d^veloppement de fronts inon- d^s qui, JQsqa'ä ce jour, n'a exig6 que la survelliance de quel- ques factionnaires, on ne Toit quMnsnffisance et malhear.

„Depuis pr6s de trois mois, j^ai repouss^ constammeat toutes les aommations de Tennemi. Je le devais. Anjourd^hni, messieux, loin de nous Tid^e de rien faire qui soit indigne de nos devoirs et des int^röts de sa Majestä; oiais quelques-uns d'entre vous m'oirt fait consid6rer de plus pr^s, d^une part, toat ce que notre Situation a d'effrayant, et de Fautre, Favautage qu^il y aurait d'affermir les Polonais et de les rassurer, eB leur donnant la certitude positive que nous ne les abandonnerons pas comrae on le leur a insiuu6; enfln que Tenuemi, qui nous croit eucore dans une Situation beaucoup moins critique, parait dispos^ ä faire un traite conditionnel. Je vous prie dexaminer s'il eonvient de faire ce traitö, dans la snpposition que Ton pvisse obtenir de conseiTer la place jusqu'ä F^poque ou nous savoDs que nos vivres nous mineront, et si notre honneur ou les intir§ts de Sa Majest^ n'en souffriront pas.

J'ai besoin de votre avis sur cette question important.^

Druckfehler.

Text.

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oben:

französisch für prenssisch.

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flüchtige.

n

21

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12

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9

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7)

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13

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1807.

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Künette.

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273

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6

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9

weil.

n

280

Jt

7

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Williaminoff.

9

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4

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nenen Styls.

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10

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Belagerung.

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352

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Wolkonski.

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402

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13

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408

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10

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oben:

q".

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fehlt daß Wort „an".

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anten

: neuen Styls.

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13

9

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Rationen.

n

524

9

13

9

»

(laufende Nr. 31): für B. muss es heissen: Bikoschettbatterie gegen die rechte Face von Leclerc.

0

532

»

6

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k für ä.

Noten.

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von

nnten

II. Band.

jt

133

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7

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Steegen.

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158

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1

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No. 1 1 für No. 10.

0

378 391

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3 2

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9

oben :

1 E 202 für F. 9.

»

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2

9

9

Es geht daraus hervor statt „es scheint da- raus hervorzugehen".

440

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3

■1

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1 IV statt V.

446

1

JJ 9

9

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449

9

7

9

oben:

assi6geans.

Bemerkung: Die Ueberschrift von Taf. II des 1. Bandes ist insofern nicht ganz zutreffend, als in der Befestigung der Rechtstadi Bauten anf- genommen sind , die erst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts aus- geführt wurden, wie das Fischer- und äussere Hausthor.

Auf Taf. XII muss es unten links für Taf. X und XI heissen: Taf. Xm und 2. Band Taf. I.

JiUBhdnMlMf fc !!■ ■■!■»•> <MIIiHb. Trcbalta in Beklw.

Yerzeiclmiss Her Karteo il Pläne ies E Banles.

Taf. I. Plan der Belagerung von Danzig 1734 nebst Weichselmünde. Taf. n. Plan zur Belagerung von Danzig 1807. Taf. III. Fig. 1. Angriff der unteren Weichsel 1807.

Die zu Danzig in den Wintermonaten 1806/7 ans^e- ftthrten Arinirungsarbeiten. 2. Blockhaus im gedeckten Wege. 8. Bombensichere Baracke. 4. Sturmbalkeu. Taf. IV. Plan zur Belagerung Danzigs 1807.

Fig. 1. Profile der linken Face des Bastions Jerusalem nach A. B. y, 2. Profil der rechten Face des Ravclins Hagel. 3. Grabendesceute. Taf. V. Plan zur Belagerung Danzigs im Monat Mai 1807. Taf. VI. Plan zur Blockade und Behigerung Danzigs 1813.

* »M«

t