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GESCHICHTE DER JUDEN

IN

BRANDENBURG a. h.

NACH GEDRUCKTEN UND UNGEDRUCKTEN QUELLEN DARGESTELLT UND MIT URKUNDLICHEN BEILAGEN

HERAUSGEGEBEN

VON

Dr. A. ACKERMANN, ^

SUBVENTIONIERT VON DER ZUNZ-STIFTUNOf.

BERLIN.

VERLAG VON LOUIS LAMM. 1906.

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GESCHICHTE DER JUDÄN

IN

BRANDENBURG a. h.

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NACH GEDRUCKTEN UND UNGEDRUCKTEN QUELLEN DARGESTELLT UND MIT URKUNDLICHEN BEILAGEN

HERAUSGEGEBEN

VON

Dr. A. ACKERMANN,

RABBINER.

SUBVENTIONIERT VON UER ZL'NZ-STIFTUNO,

BERLIN.

VERLAG VON LOUIS LAMM. 1906.

Uruck von H. Itzkuwski, Berlin, Uips-hU. ».

Herrn (iEheimen Kommerzienrat

LOUIS GUMPEKT

Vorsitzenden des Repräsentantenkollegiums

VEREHRUNGSVOLL

geu^idmet.

2093a 1 .'S

Vorwort.

Das vorliegende Buch enthält wissenschaftliche Klein- arbeit. Trotzdem hoffe ich, dass es als winziger Baustein zu dem grossen, der Zukunft angehörenden Werke einer wissen- schaftlichen Geschichte der deutschen Juden der Beachtung würdig befunden werde. Es verdankt sein Entstehen einer Anregung des Herrn Geh. Kommerzienrat Gumpert hier. Bei den Gemeindeakten (Conv. 35) befindet sich unter dem Titel „Nachrichten über die Judengemeinde zu Brandenburg" eine handschriftliche Chronik, die von dem früheren Gemeindevorsteher Itzig Gerson verfasst und am 21. März 1866, dem Tage seines Ausscheidens aus dem Amte, der Synagogengemeinde gewidmet wurde, mit dem Wunsche, „dass es meinen Amtsnachfolgern niemals an Stoff fehle, die Fortentwickelung und Ver- grösserung unserer Gemeinde in diesen Nachrichten nach- zutragen." Gerson, der sich mit einem ungeheuren Fleisse den Gemeindeangelegenheiten widmete, sich durch seine ge- wissenhafte, peinlich genaue Führung der Akten und durch seinen lebendigen Eifer für die Interessen der Gemeinde und des Gesamtjudentums unleugbare Verdienste erwarb, behandelt in jener Chronik nach einer kurzen, allge- meinen Einleitung über die Lage der preussischen Juden im 18. Jahrhundert, in fünf Abschnitten die Geschichte des Synagogengrundstückes, des Friedhofes, des Grundstückes in der Lindenstrasse, der milden Stiftungen und der Gemeinde- organisation. Als Quellen standen ihm hierfür lediglich die Gemeindeakten zur Verfügung, aus denen er die einzelnen

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Daten auszog. Auf historische Vollständigkeit und Genauig- keit konnte und wollte seine Darstellung keinen Anspruch machen. Als nun Herr Geh. Kommerzienrat Gumpert mir vor etwa drei Jahren den Vorschlag machte, Gersons ..Nachrichten" bis auf die Gegenwart fortzuführen, schien mir diese Arbeit nur dann einen Sinn zu haben, wenn die immerhin lückenhaften Notizen Gersons ergänzt und in einen grösseren, erweiterten Rahmen eingefügt würden.

Ich suchte also möglichst Alles zu eruieren, was über Juden in der Stadt Brandenburg an geschichtlichen Nachrichten er- halten war; zu meiner Freude ergab sich eine so grosse Aus- beute, dass die ursprünglich geplante Gemeindechronik sich zu einer „Geschichte der Juden in Brandenburg a. H." auswuchs. Dabei stellte sich die unumgängliche Notw^endigkeit heraus, die mittelalterlichen Zeiten, für die der Riedel'sche „Codex diplomaticus Brandenburgensis" die Hauptquelle bildet, in stetem Zusammenhang mit der Geschichte der Ju- den in der Mark zu behandeln, deren selbständige Dar- stellung erst möglich sein wird, wenn die der Einzelgemeinden, besonders Frankfurt a. O., Landsberg a. W., Prenz- lau, Kottbus in Spezialdarstellungen vorliegen werden. Namentlich den grossen Hostienschändungsprozess des Jahres 1510, der zum grossen Teil in der vStadt Brandenburg spielte, glaubte ich ausführlicher behandeln zu müssen, zumal die von Felix Priebatsch in seiner Arbeit „Die Hohenzollern und die Städte der Mark im 15. Jahrh." zum erstenmal ge- gebene neue Auffassung über die politische Bedeut- ung jener furchtbaren Tragödie noch nicht an der Hand der über den Prozess vorliegenden historischen Berichte nach- geprüft war. Diese Nachprüfung versuchte ich zu liefern, wobei sich als Gesichtspunkt meiner Darstellung von selbst die Frage der Schuld der angeklagten Juden ergab. Wenn diese „Frage" auch für jeden Kenner der Geschichte keine Frage war, so dürfte doch der Versuch, sie auf historischem Wege zur Entscheidung zu bringen, nicht ohne wissenschaft- liches Interesse sein.

- Vit -

lieber die im dritten Teil behandelte Entstehung der Gemeinde sas^t Gerson, „dass weder in den vorgefundenen Gemeinde-Skripturen, noch auch in der Registratur des hie- sigen Magistrats über die Einwanderung Einzelner oder über das Entstehen der hiesigen Judengemeinde Nachrichten auf- zulinden sind." Während das Archiv der S3'nagogengemeinde allerdings nichts hierüber enthält, das älteste Aktenstück stammt erst aus dem Jahre 1747 so hat doch eine genaue Durchsicht des jetzt wohlgeordneten Stadtarchives, nament- lich der altstädtischen Ratsprotokolle vom Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, eine Reihe von wichtigen Nachrichten ergeben, die im Zusammenhang mit Spezial- akten des Kgl. Geheimen Staatsarchivs in Berhn die Dar- stellung der Anfänge unserer Gemeinde in einem besonderen Teile ermöglichten und noch besonders dadurch interessant waren, dass sie sich alle um eine einzige Persönlichkeit, den Gründer der Gemeinde, gruppieren. Dass auch hier, ebenso wie in dem die weitere Entwicklung der Gemeinde behan- delnden Teile auf die allgemeine Lage der Juden unter den preussischen Königen manch' bezeichnender Lichtstrahl hin- fällt, ist selbstverständlich. Besonders dürfte die unter Friedrichs des Grossen Regierungszeit fallende Geschichte des Syn- agogenbaues keinen uninteressanten Beitrag zur Kulturge- schichte jener Zeit bilden. Für die im letzten Teile gegebene, bis in die Gegenwart reichende Chronik der Synagogen- gemeinde standen mir neben Gerson's Notizen, die ich stets einer Nachprüfung unterzog, vor Allem die von Gerson selbst zum ersten Male geordneten, später von dem Vorsteher Sally Oppenheim revidierten und sorgfältig fortgeführten reichhaltigen Akten des Gemeindearchivs zur Verfügung. Hie und da wurden auch die Polizei-Akten des Magistrats zur Vergleichung herangezogen.

Die wichtigsten Urkunden, auf denen meine Dar- stellung fusst, gebe ich in einem Anhang wörtlich wieder.

Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle herzlichen Dank auszusprechen der städtischen Ver-

- Viit -

waltung für die Liberalität, mit der mir die uneingeschränkte Benutzung des Stadtarchivs gestattet wurde, dem kgl. Geheimen Staatsarchiv in Berlin, sowie dem Stadt- archiv in Zerbst für gütige Ueberlassung von Archivalien, dem hiesigen historischen Verein iür die Erlaubnis zur Benutzung seiner Bibliothek, vor allem aber Herrn Stadi- archivar Prof. Dr. Tschirch, der den Fortgang meiner Arbeit mit grossem Interesse verfolgt und mich aus dem reichen Schatze seines Wissens und seiner Erfahrung durch viele sachdienliche Winke bereitwilligst unterstützt hat.

Brandenburg a. H.. 2. Oktober 1905.

Der Verfasser.

Inhalt.

' Seile

Torwort V— VIII

I. Die ältesten Zeiten. XIV. und XV. Jahrhundert 1

II. Der HustieuBcIiändungsprozess und seine Folgen. 1510 . 31

III. Die Anfänge der Gemeinde. David Samuel. 1671—1728 . 64

lY. Die Entwickelung der Gemeinde und ihrer Institutionen.

1729—1855 89

V. Die Synagogengenieinde. 1865 1905,

1. Gemeindeverwaltung 125

2. Beamte 141

3. Synagoge 144

4. Religion38chule 150

5. Friedhof. 156

6. Vereine und Stiftungen.

A. Chewra Gemiluss Chassodim 159

B. Frauenverein 160

C. Verein „Gesellschaft der Freunde." 161

D. Verein für jüdische Geschichte und Literatur. . . 161

E. Stiftungen 162

7. Verhältnis zur jüdischen Gesamtheit 164

Urkundliche Beilagen 181

Register 220

Bericiitigungen und Nachtrag 224

I.

Die ältesten Zeiten.

XIV. und XV. Jahrhundert.

Ueber die Einwanderung der Juden in die Mark Bran- denburg und ihre Verbreitung daselbst während des frühen Mittelalters sind uns keinerlei Nachrichten erhalten. Dass in der rauhen wendisclien Urzeit Juden in der Mark wohnten, ist nicht anzunehmen. Um so zweifelloser dürfte es sein, dass ihr Erscheinen in der Mark mit den Kulturbestrebungen Albrechts des Bären zusammenhängt. Unter den fremden Kolonisten, mit denen dieser eifrige Fürst um die Mitte des zwölften Jahrhunderts die Mark besiedelte, befanden sich gewiss auch Juden, die mau ja damals als geschäftliche Zwischenhändler in deutschen Landen bereits zu schätzen wusste. Ihre erste Erwähnung geht in der Mark bei den mittelalterlichen Chronisten auf das Jahr 1247 zurück. In diesem Jahre, so berichten sie, sei zu Beelitz in der Mark das „Wunderblut" erschienen. Die Juden hätten sich durch eine Dienstmagd eine Hostie beschafft, sie durchstochen und, als sie Blut von sich gab, erschrocken der Magd um Geld zurückgegeben. Dann hätten sich mit der Hostie allerlei Wunder ereignet, wie wir sie aus anderen mittelalterlichen Hostiengeschichten genugsam kennen (s. weiter den Prozess in der Mark 1510). Die Juden seien schliesslich gefangen und auf einem nahen Berg, der noch den Namen „Judenberg" führe, verbrannt worden. Alsbald sei Beelitz zum Wallfahrts- ort avanciert, und der Bischof Ricberus oder Rutgerus zu Brandenburg habe noch im selben Jahre das Wunderblut „kon- firmiret" und allen, die dasselbe am Tag nach Mariae Himmel- fahrt besuchen würden, einen Ablass von vierzig Busstagen zugesagt').

') Die Geschichte wird übereinstimmend erzählt von Sebaldiis: Breviarium historicum S. 016 und von Angehis: Annales Marchiae Bran- denburgensis S. 101. Vgl. auch Schneider: Chronik der Stadt Beelitz

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i)ie Juden waren im 13. Jahrhundert gerade in der Mittel- und Altmark ziemlich verbreitet und offenbar auch nicht unbegütert. Ihre soziale Stellung war, wenn wir die Zeitverhältnisse in Betracht ziehen, keine schlechte, gewiss eine viel freundlichere als unter den ersten preussischen Königen im 18. Jahrhundert. Schon die erste und älteste Judenorduung in der ]\Iark, die von den Markgrafen Otto und (Jonrad am 4. April 1297 für die Juden in Stendal erlassene, gibt uns klar zu erkennen, dass den Juden das Bürgerrecht und die Gleichheit mit anderen Untertanen ein- geräumt war. Die Magistrate erhalten die Befugnis, selbst den Juden Schutzbriefe zu erteilen; schon zehnjährige Knaben können solche bekommen. Die Juden sollen „sich des gemeinsamen Rechtes freuen", sollen „wie Bürger ge- halten werden". Dabei ist interessant, dass die Markgrafen die Juden dem Schutze der Stadt vor den Misshandlungen empfehlen mussten, die häufig von den markgräflichen Dienern selbst ausgingen („Si judeis per nostros advocates aut officiales violenter fierit aliqualis, quod tamen non credimus"). Dass allerdings diese Schutzmassregeln nicht völlig selbstlosen Beweggründen, sondern mehr finanzpolitischen Erwägungen entsprangen, zeigt die Bestimmung, kein Jude dürfe in der Stadt wohnen, der nicht 10 Mark zu eigen be- sitze, und hiervon müsse er dem Markgrafen jährlich ein Lot („unum lotonem") in zwei Terminen entrichten, nämlich am Fest der hl. Salbung und an dem des hl. Martin-).

S. 8flf. König: Annalen der Juden in der Mark Brandenburg S. 16 gibt al8 Jahr 124 3 an, nach ihm auch Bresslau in der Hebräischen Biblio- graphie, 1872 S. 10. „Solche Erdichtungen brachten der dama- ligen Geistlichkeit recht was ein und also machten die Pfaffen zu Zeh den ik jenen es bald nach und gaben 1249 eben solch Histörchen von ihrem Wunderblute vor" (Lentz: Diplomatiscbe Stiftshistorie von Brandenburg, Halle 1750 S. 30). Auch in der Stadt Brandenburg war 1430 ein solches Bluthistörchen im Schwange, dessen Urheber ein Jude gewesen sein soll und das viel Volks nach der Marienkirche zog, Lentz a. a. 0. S. 60.

*) Riedel: Codex diplomaticus Brandenburgensis A (Erster Haupt-

Diese Slendiiler .Jn(len(ii(lniin<,' hatte jedoch nur lo- kale Bedeulunfj;. Eine sorgfälti},'(!re und iimfasHendere gesetz- geberische Berücksichtigung fanden die Juden der Mark erst unter den Markgrafen aus dem Hause der Witteisbacher. Indessen zeigen verschiedene Einzelverordnungen der aska- nischen Markgrafen, dass auch unter diesen Fürsten bereits die Lage der Juden nicht nur in Stendal, sondern auch in anderen märkischen Städten eine günstige war''). Zu diesen gehörte auch die Stadt Brandenburg, wie die ältesten Nachrichten, die uns über Juden in dieser Stadt vorliegen, klar beweisen. Brandenburg, das dem Fürstenhaus wie dem ganzen Lande den Namen gegeben, beherbergte sicherlich bereits im L3. Jahrhundert Juden in seinen Mauern (vgl. weiter S. 9). Ihre erste urkundliche Erwähnung datiert allerdings erst aus dem Jahre 1313, wo ein Jude Jakob in dem Schöffenbuch der Neustadt Brandenburg') vorkommt. Derselbe empfing aus der Erbschaft des Böttchers Conrad für ein Pfand die Summe von 1 Talenten und einem Solidus nebst Zinsen''). Der gleiche Codex erwähnt einige Jahre später (1316) einen Juden Heinrich, der seinem Bruder 23 Talente aus seinen verfügbaren Gütern gab*^).

teil) XV S. 44, s. auch Zimmermaüu: Versuch einer historischen Ent- wicitelung der märkischen Städteverfassung, Berlin 1837, I, S. 327.

•'') Markgraf Hermann verordnet 1307, dass die Juden in Spandau erat dann Vieh schlachten und Fleisch verkaufen dürfen, wenn sie ein eigenes Haus besitzen. (Fischbach: Diplomatische Geschichte der Stadt und Festung Spandau S. 104), die Markgräfin Agnes und Herzog Rudolf von Sachsen erlassen 1319 eine Zinsordnung für die Spandauer Juden, Riedel a. a. 0. A XI S. 26.

^) Altstadt Brandenburg, auf dem nördlichen, Neustadt Bran- denburg, auf dem südlichen Havelufer gelegen, hatten bis zum Jahre 1715 völlig getrennte Verwaltung. Ueber die vielfachen Kämpfe und Reibereien zwischen den beiden Städten vgl. Näheres bei Schillmann: Geschichte der Stadt Brandenburg a. II.

') Schöft'enbuch der Neustadt Brandenburg fol. 12, (Stadtarchiv Codex N 1), vgl. Sello: Brandenburger Stadtrechtsquellen in „Märkische Forschungen" Band 18, S. 36 Nr. 81.

«) Schöftenbuch fol. 18, Sello: a. a. 0. S. 36 Nr. 85. Die Witwe

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Neben diesen zerstreuten Nachrichten aber besitzen wir aus dem Jahre 1315 eine Urkunde, in welcher Markgraf Johann die zwischen den Fleischern und den Juden in der Neustadt Brandenburg entstandenen Streitigkeiten schlichtet, sowie das Viehschlnchten und den Fleischverkauf der Juden genau festsetzt. Gewisse Einzelheiten dieser Urkunde lassen deutlich auf ziemlich stabile jüdische Verhältnisse schliessen, die sich erst nach längerem Aufenthalt herausgebildet haben können. In der Uebersetzung des jüngeren Ileft'ter'schen Kopialbuches lautet die Urkunde") folgendermassen:

„Zum ewigen Gedenken der Sache. Nicht unbedächtig sind die geschäftigen Weisen in sofern bedacht gewesen, auf den menschlichen Nutzen, dass, was durch den Lauf der Zeit aus dem Gedächtni?s der Menschen entschwinden würde, doch durch Hülfe der Schrift ein ewiges Ange- denken erhalte, da zufolge des Wechsels der Zeiten die Handlungen und Bestimmungen des Menschen zu wech- seln pflegen. Das ist der Grund, warum wir, Johann von Gottes Gnaden, Markgraf von Brandenburg und von der Lausitz, aus Verlangen, auf den Nutzen unserer Unterthanen zu sehen und bedacht zu sein auf ihren Vortheil und den Streitigkeiten Thür und Thor zu ver- schliessen, welche in unserer Stadt Brandenburg, von welcher wir unseren besonderen Titel erhalten haben, in Zukunft zwischen den Fleischern unserer genann- ten Stadt und den Juden daselbst entstehen könnten, auf solche Weise, wie unten bemerkt ist, geglaubt haben, eine Bestimmung treffen zu müssen, wie es dann zwischen ihnen von Alters her gehalten worden ist. Zuerst also setzen wir fest, dass kein fremder Jude

dieses Juden Heinrich sclieint sjiäter einen Christen, Thidericus Witte, geheiratet zu haben, der im Jahre 1328 seinem Stiefsohn Henz, dem Sohne des Juden Heinrich, Talente für die aus Liegenschaften im Dorfe Stenow bestehende Erbschaft seines Vaters gutschrieb, Schöffenbuch fol. 21, Selb S. 41 Nr. 130.

') Das Original im Wortlaut bei Riedel: Cod. dipl. A IX, S. 11.

sich herausnehmen soll, daselbst zu schlachten, wofern er nicht zuvor daselbst Bürger geworden und als solcher in die Stadtgemeinde aufgenommen worden ist. Sodann setzen wir fest, dass kein Jude zur Sommerszeit, wenn das Fleisch nicht eingesalzon werden kann, mehr schlachten soll, als er für sich und seine Familie und für seine Küche brauchen dürfte und wird konsumieren können. Was aber von dem, was er etwa geschlachtet, für ihn nicht passend sein dürfte, nämlich was für Juden nicht gehört und sich nicht für sie ziemt, zufolge ihres Gebrauches zu essen, das kann er in Vierteln, aber nicht stückweise verkaufen. Zur Herbst- und Winterszeit aber, wenn das Fleisch einge- salzen und aufbewahrt werden kann, soll er dennoch nichts zum Verkaufe schlachten, sondern nur für sich und seine Familie soviel, als er bestimmt hat aufzuessen, und überdies soll er durchaus nichts schlachten, und was dann für ihn nicht gehörig sein dürfte, das soll er nicht in kleinen Stücken, auch nicht in Vierteln, sondern nur durchaus ganz verkaufen können. Ausserdem setzen wir fest, dass keiner der vorgenannten Juden Ziegen- böcke, Ziegen oder Stiere, welche zu deutsch Farren heissen, oder kleine Kälber oder sonst etwas anderes, was er selbst nicht essen darf^), schlachten soll. Ausser- dem heissen wir, dass wenn einige von den vorgenannten Juden auf dem Rathhause oder über dem Hause der Gewandschneider unserer genannten Stadt bei den Schlächtern daselbst einschlacbten oder kaufen wollten, dieselben Schlächter denselben Juden das, was sie für sich kaufen, ebenso billig lassen sollen, als auch einem jeden Christen. Dies vorbemerkt, alles und jedes desselben, befehlen wir bei Vermeidung unserer

*') Dies triftt höchstens auf die „kleinen" (weniger als acht Tage alten) Kälber zu. Die übrigen hier genannten Tiere wurden wohl in Brandenburg überhaupt nicht geschlachtet, woraus die irrige Meinung entstand, sie seien den Juden verboten.

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Ungnade und Ungunst allen Juden und Fleischern der genannten Stadt sowohl den gegenwärtigen als den künftig lebenden zur genauen Beobachtung und AvoUen gegen die Uebertreter derselben mit harter Strafe ver- fahren. Und damit solche unsere Anordnung, die bis daher lobenswerth beobachtet worden, durch keine bös- willige Hinterlist aufgehoben oder in irgend einem Punkte übertreten werde, haben wir befohlen, gegenwärtige Ur- kunde darüber auszufertigen und mit unserem wahren und gewöhnlichen anhängenden Siegel fest bekräftigt auszustellen auf ewige Zeiten. Als Zeuge sind hiezu geladen gewesen die erlauchte Frau Anna, Herzogin von Breslau, unsere erlauchte Mutter, Heinrich der Edle, Graf von Lüchow, Busso Gruvelhut und Slatiko, Truchsess unseres Hofes, Christian von Gerhards- dorf, Bernhard von Bertensieben, Heinrich von Krako, Baske von Lossow, Bussow von Milow, Hennig von Vorland, unsere Ritter, nebst mehreren anderen glaub- haften Leuten. Geschehen und gegeben zu Eberswalde in unserer Gegenwart im Jahre d. H. 1315, am Tage des gottheiligen Apostels Jacobi, durch Hermann von Luchow^, unseren Hofkaplan."

Was zunächst den materiellen Inhalt dieser Verordnung betrifft, so sehen wir, dass die Juden der Neustadt Branden- burg gezwungen waren, den Ueberfluss an Fleisch, der sich ihnen aus der Notwendigkeit, selbst zu schlachten, ergab, durch Verkauf zu verringern. Nun hatte aber die Fleischerzunft, die Zunft der „Knochenhauer", wie sie in den Urkunden heissen, das Monopol des Fleischverkaufs, und so kam es ge- wiss oft genug zu unliebsamen Streitigkeiten zwischen den Fleischern und den Juden. Diese durch genaue Festsetzungen zu schlichten, war die Absicht des IMarkgrafen. Dabei ist offensichtlich sein Bestreben, beiden Parteien gerecht zu wer- den, die Fleischer vor schadenbringender Konkurrenz zu schützen, den Juden aber auch die Verlegenheiten, in die sie durch Beobachtung ihres Religionsgesetzes gerieten, zu er-

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leichtern. Vor allem miisste einer überllii.ssif^en Vorschärfunf^ des K(»nllikts vorgebeii},'t werden, daher die strenge Satzung, dass kein „fremder Judo" schlachten solle. Der Verkauf der Tiere, die sich nach der Schlachtung als religionsgesetzlich verboten erwiesen, musste den Juden gestattet sein. Die.ser Verkauf durfte jedoch nicht in einzelnen Stücken geschehen, das hätte die Fleischer zu sehr beeinträchtigt; das Tier muss ganz verkauft werden. Nur in der heissen Jahreszeit durfte der Jude das Fleisch wenigstens in Vierteln verkaufen'').

Kennzeichnet diese Verordnung das schützende Entgegen- kommen, welches der Fürst den Juden bewies, so werfen, wie gesagt, gewisse Einzelheiten der Urkunde noch ein be- sonders deutliches Licht auf die erstaunlich günstige Stellung der Juden. Die Worte „wie es zwischen ihnen von Alters her gehalten worden ist" beweisen, dass Juden in der Neu- stadt-Brandenburg schon im dreizehnten Jahrhundert wohnten und sogar ihre festen Institutionen hatten. Dass sie Bürger werden können, ja ihre Aufnahme in die Stadtgemeinde an- gängig, wird in dieser 1315 erlassenen Urkunde als ganz selbstverständlich vorausgesetzt. Dabei erscheinen sie in ihren religiösen Gepflogenheiten mit den christlichen Bürgern durch- aus verwachsen und schlachteten ihr Vieh in einzelnen Fällen bei christlichen Fleischern. Diesen wird ja in der Urkunde jede unterschiedliche geschäftliche Behandlung der Juden aus- drücklich verboten; die Zwangslage, in der die Juden sich befanden, war gewiss von einzelneu Fleischern durch Erhöh- ung der Preise ausgenutzt worden.

Wie überall in deutschen Landen war der Hauptnahrungs- zweig der mittelalterlichen Juden auch in Brandenburg das Geldgeschäft. Juden waren im Mittelalter nicht nur die

*) Aehnliche Verordnungen über das Viehschlacbten und den Fleisch- verkauf der Juden erliessen Markgraf Hermann für die Juden zu Spandau 1307 (s. oben Note 3), der Graf von Lindow für Neu-Ruppin 1323 (Riedel A IV S. 287) der Berliner Magistrat für Berlin 1443 (Berliner Urkunden- buch S. 81), Markgraf Ludwig der Aeltere für Havelberg 1344 (Riedel A I, S. 64).

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Bankiers der Fürsten, .sie bildeten auch für den Kaufmann und den Handwerker ein unentbehrliches Verniittlungsglied des Geschällsverkehrs. Selbst dem kirchlichen Verbot des Zinsnehmens unterworfen, sah der christliche Kaufmann in dem diesem Verbole nicht unterworfenen Juden eine wohl- tuende Stutze seines Kredits. Der Jude wiederum, dein die feste Geschlossenheit der Zünfte die Ausübung des Handwerks verwehrte, fühlte sich zur Fristung seiner Existenz auf das Geldgeschäft augewiesen, und es ist wahrlich nicht zu ver- wundern, dass er sich ihm um so lieber zuwandte, als es ihm reichen Gewinn und frühen Wohlstand brachte. In diesem Wohlstand aber besassen die Juden auch die Garantie eines gewissen Schutzes, den ihnen Fürsten und Städte angedeihen Hessen. Ihm verdankten sie das beschränkte Bürgerrecht, das sie z. B. in der Mark genossen, ihm das Wohlwollen der ]\Iarkgrafen, ihm allerdings auch in Zeiten des Unbcstandes

und Vann waren die mittelalterlichen Zeiten beständig?

die Qualen und Schrecken der Plünderung und Vertreibung.

In Brandenburg lag bereits im 14. Jahrhundert unter den askanischen ^Markgrafen das Geldgeschäft in den Händen der Juden, sowohl das Darleihegescliäft nach seinen verschie- denen Formen, namentlich gegen Faustpfand, als auch das Wechselgeschäft, der Umtausch von Geldmünzen fremder Sorten (in den Urkunden „]\Iünzziser" genannt) gegen solche Brandenburger Währung. In dem Münzvertrag, welchen die Städte Brandenburg und Berlin im August 1322 ab- schlössen"^), wird ausdrücklich auf die Juden Bezug genommen. Niemand soll „nie silver utgeven", er sei Christ oder Jude, d. h. niemand soll Silbermünzen ausgeben, die, obwohl an sich vollwichtig, durch einen Nichtberechtigten geprägt sind").

'") Riedel A IX, S. 20.

") Schillmann: Geschichte der Stadt Brandenburg a. H. S. 2öO hat hier noch die falsche AufFassansr „ungemünztes Silber ausgeben". Wie Sello (Märkische Forschungen, Band 17 S. 68) nachweist, ist ,,nie silver" nichts anderes als das in der Urkunde von 1319 (Berliner Urkundenbuch S. 36) erwähnte ,,novos denarios aut argentum facere", d. h. Silbermünzen,

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Die .Tiidon sollen sich mit ihren Zinsf^eHchäftcn begnügen'), sie Süllen Jlaudelögüwiihr übun''j, wie dies jeder biedere Mann tun müsse, und endlich: Sie sollen kein ungemünztes Silber kaufen"). Wie ausgebreitet das Geldgeschäft der Branden- burger Juden im 11. Jahrhundert gewesen sein mus^ ersehen

die wohl au sich vollwertig iiiul vollgewichtig, deren rhigiing aber durch einen dazu nicht berechtigten erfolgt ist, wodurch der Miinzherr um den Gewinn hei der Prägung und dem Umtausch gebracht wurde. (Dasselbe Verbot findet sich auch im Sacliseii.spic^^cl II, '.^ti § I und im Schwaben- spiegel cap. i58f) § § 4 und n).

'-) Auch hier hat Schillmann a. a. 0. S. 2öl die aus dem Berliner Urkundenbuch S. 40 übernommene falsche Uebersetzung der Worte „si scolen sich eres wukercs began" „sie sollen ihren Wucher lassen." In Wirklichkeit bet^ass das Wort „Wucher" in Mittelalter keineswegs die gehässige Bedeutung, die es heute hat. Es bedeutete einfach „Zinsen", lateinisch usura, vgl. Fidicin: Historisch-Diplomatische Beiträge I, S. 152: „wukcr is, wat ein man uphevct mer, wen he utlcch, it si kleine oder grot," „Wucher ist, was Jemand mehr aufnimmt, wenn er ausleiht, es sei wenig oder viel". Diese Definition des Begrift'es Wucher im Schöffenrecht sagt klar, dass darunter Zinsen überhaupt verstanden wurden. Der P'ehler jener Uebersetzung steckt in der Verwechslung des niederdeutschen „began" mit „begeven"; began heisst: begnügen (s. Lübben: Mittel- niederdeutsches Wörterbuch) und der Sinn der Worte ist: Die Juden sollen sich mit ihren Zinsgeschäften begnügen, d. h. sie sollen keinen anderen Handel treiben, vgl. Sello in Märkische Forschungen, Band 17, S. h9t

") „Gewaren den luden, also ein islich bedcive minsche nmt dun". Schillmann a. a. 0. wieder falsch: „Sie sollen den Leuten den wahren Wert geben", (Xach Klöden: Diplomatische Geschichte des Markgrafen Waldemar II, S. 436). Manche ältere Kechtsbücher nämlich (z. B. das Berliner Schöffenrecht, der Sachsenspiegel) entbinden den Juden von der Pflicht, seinen Gewährsmann, d. h den Verkäufer zu nennen, wenn ge- stohlenes Gut bei ihm gefunden wird. Hiervon will der Münzvertrag von 1322 nichts wissen, er verlangt vom Juden, er solle „gewaren den luden" d. h. „den Leuten Gewähr leisten". Vgl. Sello a. a, 0. S. 59.

'*) Faulhaber: Ueber Handel und Gewerbe der beiden Städte Brandenburg im 14. und 15. Jahrhundert (32 33. Jahresbericht des Historischen Vereins zu Brandenburg a. IL), S. 30 meint, durch ein solches Verbot, sollte der Falschmünzerei gesteuert werden. Sello: Märkische Forsch. Bd. 17, S. 68 aber findet es mit Recht auftallend, dass den christlichen Kaufleuten („kopman") in dem Münzvertrag der Kauf

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wir aus der Tatsache, dass sogar die Bischöfe des Bran- denburger Bistums, sowie das Domkapitel sich ihre Dienste sicherten. Im Jahre 1317 beklagt sich der Bischof Johan- nes von Tuchen, dass sein Vorgänger, Friedrich von Plane, die Einkünfte des Bistums durch „Jüdische Zin- sen" sehr geschwächt habe. Ausser Stande, die Gläubiger des Bistums aus den vorhandenen Beständen zufrieden zu stellen, sieht er sich gezwungen, die Dörfer Wysera''') und Tykow"') um hundert Mark brandenburgischen Silbers an das Kapitel zu verkaufen „pro centum marcis per nos in Judea solvendis" '■). In gleicherweise verkauft im Jahre 1336 das Domkapitel den Hof Görne nebst zwei Seen um 180 Mark Silber an die Altstadt-Brandenburg zur Tilgung einer bei den Juden kontrahierten Schuld '"*).

Die oben mitgeteilte Ordnung des Viehschlachtens und Fleischverkaufs zeigt uns die Juden in Brandenburg bereits um 1315 in der Ausübung ihres Religionsgesetzes. Auch ihre gottesdienstliche Beligionsübung müssen sie in jener Zeit

ungcmünzten Silbers gestattet blieb, und knüpft darum an ein anderes Ver- bot der Urkunde an, welches lautet: „sich des müntmeisterswissele (Stempel) unterwinden". Der Münzmeister allein besass das Recht, nicht nur neue Münzen zu schlagen, sondern auch 12 neue gegen 16 alte einzutauschen, um aus dem Gewinn die Prägungskosten zu decken. Dieser Umtausch mag vielfach zur Schädigung des Münzmeisters auch von Privatpersonen vorgenommen worden sein; das aus dem Einschmelzen der alten Münzen gewonnene Silber wurde dann wohl in der Regel von den handel- treibenden Juden aufgekauft und zum vollen Werte an die des Silbers bedürftigen Münzstätten weiter verkauft. Um nun jenem Um- tauschverbote einen besonderen Nachdruck zu geben, musste den Juden als geschäftlichen Zwischenhändlern der Ankauf ungemünzten Silbers ver- boten werden, während für die christlichen Grosskaufleute ein solches Verbot überflüssig war.

'*) Das heutige Weseram.

'") Das heutige Tieckow.

'■) Gerckeii: Stiftshistorie von Brandenburg S. 143 und 527.

'*■) Urkunde der Altstadt Brandenburg, vgl. Dullo: Beiträge zur Kommunalgeschichte der Stadt Brandenburg, S. 51, Riedel A VIII, S. 248, Schillmann: Geschichte der Stadt Brandenburg a. IL, S. 269.

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zu festen Institutionen gestaltet haben, und ihre Familienzahl muss nicht unbeträditlich gewesen sein. Wenigstens besasseu die Juden in Brandenburg 1322 schon eine Synagoge. Die Urkunde, aus welcher dies ersichtlich, ist nicht nur kultur- historisch interessant wegen der eigentümlichen Steuer, von der sie spricht, sondern gibt uns auch zwischen den Zeilen Näheres über die Brandenburger Juden joner Zeit kund'''). Das Wachstum der jüdischen Familienzahl ist das erste, was aus dieser Urkunde hervorgeht. Durch dieses Wachstum fühlte sich der Pfarrer Christianus beschwert. Solange die Häuser der Stadt von Christen bewohnt waren, genoss der Geistliche von den Bewohnern Stol- und Pfarrgebühren. Utlenbar war aber eine grössere Anzahl von Häusern in den Besitz von Juden übergegangen-"), was für den Pfarrer eine Verminderung seiner Gefälle bedeutete. Hierfür hielt ersieh nun durch eine Steuer schadlos, zu der er die Juden auf- fordern liess und die sie ihm „für seine Opfer und Gerech- tigkeiten" mit jährlich dreissig Solidi Brandenburger Währung in zwei Raten zu zahlen versprachen, an Weihnachten und an Ostern. Die Juden hatten als ihre Vertreter die angesehen-

'") „27. Februar 1322. Noverint universi presens publicum instru- mentum visuri seu auilituri, quod ex universitate sive sjnagoge Judeorum nove civitatis Brandenburgensis potiores in honorabilis viri domini Christiani, plebani civitatis eiusdem testium subscriptorum et mei, notarii publici infra scripti presentia constituti ac requisiti, quantum eidem do- mino Christiane annuatim pro oblationibns suis ac iustitiis dare vellent, responderunt triginta solidos Brandenburgenses monete, videlicet XV solidos in nativitate domini et XV in festo pasce benevole velle dare et eosdem XXX solidos apud suos bursanios sive thesaurios annis sin- gulis. Actum in Synagoge Judeorum nove civitatis Branden- burgensis presentibus domino Nieolao Ruschendom, Johanne de Ze- denick, sacerdotibus ac Thiderico Beltiz diacono et pluribus aliis fide dignis testibus." Riedel, A IK S. 19, Original im älteren Stifts-Kopialbuche. -'^) Dass die Juden der Mark in jener Zeit Häuser erwerben durften, zeigt u. A. die oben Note 3 erwähnte Verordnung des Markgrafen Hermann für die Juden in Spandau. Auch das neumärkische Judenprivileg Ludwigs des Aelteren (1844) lässt dieses Recht der Juden klar erkennen, siehe weiter S. 17.

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sten und vermögendsten (potiores) zur Vollziehung dieses Ver- trages abgesandt. Diese Vollziehung geschah in der Syn- agoge der Neustadt-Brandenburg, olVenbar um der Ab- machung einen kräftigeren Nachdruck und für die Juden eine höhere Ver|)llichtungskraft zu geben. Es mag ein eigentüm- liches Bild gewesen sein, als der Pfarrer, umgeben von seinen Amtsgenossen, den Priestern und dem würdigen Diaconus, die Juden in der Synagoge zu der meri<würdigen Steuer ver- ptlichtete.

Der Pfarrer war aber wohl der Einzige, der die An- wesenheit der Juden unliebsam empfand; die Stadt in ilirer Gesamtheit muss gefühlt haben, wie die Juden für das Ge- deihen der Stadt, des Handwerks und des Handels, geradezu unentbehrlich waren. Erregte doch der Besitz der Juden den Neid der Schwesterstadt auf dem nördlichen Havelufer. In der Altstadt werden Juden zum ersten Male 1321 erwähnt, in einer Urkunde, in der sich die Altstädter und die Neu- städter gegenseitig Freizügigkeit gewährten-'). „Wäre ein Mann, der aus einer Stadt in die andere ziehen wollte, dort zu wohnen, der soll das nach seinem Belieben tun können, nur unter der Bedingung, dass er zuvor erst das leiste, was er zu leisten schuldig, er sei Jude oder Christ." Die Zahl der Juden in der Altstadt muss jedoch sehr gering gewesen sein. Denn als nach der Schlacht bei ]\Iühldorf (1322) Lud- wig von Baiern seinen habsburgischen Gegner Friedrich von Oesterreich geschlagen und gefangen genommen hatte und die seit des Markgrafen Waldemar Tode von dem habsburgisch gesinnten Herzog Rudolf von Sachsen verwaltete Mark an Ludwig den Baiern fiel, da hatte die Altsladt-Braudouburg nichts Eiligeres zu tun, als sich an den neuen Herrn mit der Bitte zu wenden, ihr die Aufnahme von Juden zu ge- statten. Kaiser Ludwig, dem offenbar viel daran lag, diese alte Stadt, die ja den Namen seines neuen Besitzes trug, unter seinen Anhängern zu wissen und in den gewiss von

") Vgl. Dullo a. a. 0. S. 51.

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ihm vorausgesehenen schweren Käni|)ren in ihr einen Stiit-/,- piinkt zu haben, ging bereitwillig auf die KrlüUung des ihm vorgetrageneu Wunsches ein. Und so tut er denn in einer aus Bamberg vom 31. Mai 1323 datierten Urkunde „allen Gläubigen Christi", sowohl den jetzt als den künftig le- benden kund, „dass wir auf das Ersuchen und Bitten unserer lieben Bürger der Altstadt-Brandenburg und der Bewohner derselben ihnen gnädig verliehen haben, schenken und ver- willigen, dass sie in ihrer Stadt zum Nutz und Frommen derselben Altstadt zwei oder drei Juden haben können, welche unter ihrem steten und immerwährenden Schutze sein und wohnen, welche weder wir noch unsere Erben und Nach- folger oder unsere Fürsten oder Beamten in Zukunft nicht können noch wollen heranziehen zur Entrichtung oder Leistung einer Abgabe, Schätzung und Steuer, von welcher Art sie auch sei und keine Beschwerung machen'-).

Zu den Unterzeichnern dieser Urkunde gehört auch Graf Berthold von Henneberg, derselbe, der 1324 als Vor- mund mit des Kaisers Sohn, dem jungen Markgrafen Lud- wig, in der Mark erschien und seinem Mündel unter den wirren, gefahrdrohenden Verhältnissen die Wege zu ebnen strebte. In den schweren Kämpfen, die dem jungen Herr- scher während des nächsten Jahrzehnts beschieden waren, stand die Neustadt Brandenburg in Treue auf seiner Seite. Dafür verlieh er ihr am 9. Juni 1335 das Recht, weitere fünf Juden zu halten'-'^). INIan sieht, wie der Besitz von Juden als Vorzug betrachtet wurde und die beiden Schwester- städte in edlem Wetteifer die Zahl ihrer Juden zu vermehren strebten. Auch spricht alles dafür, dass sich die Juden unter der Herrschaft des Markgrafen Ludwig, des Aelteren, verhält- nismässig wohl fühlten. Die persönlichen Beschränkungen, denen sie, wie die mittelalterlichen Juden überhaupt, unter- worfen waren, wurden von ihnen kaum tief empfunden. Die

") Riedel A IX S. 20. -") Riedel A IX S. 33.

- in

Engherzigkeit des Mittelalters hatte ja auch Teile der christ- liclien Bevölkerung in exzeptionelle Lagen gedrängt, z. B. galten viele Beschäftigungen, wie die der Leineweber, der Schäfer, der Pfeifer, der Bartscherer, als „unehrlich" und ihren Kindern war der Eintritt in die Ilandwerkszünfte ver- wehrt-'). Die Juden der Mark aber wurden von Ludwig in einer Weise beschützt und bevorzugt, dass wir seine llegierungs- zeit, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, als eine milde bezeichnen müssen. Wir wissen von ihm, dass er den Juden in Ilavelberg-''); in Perleberg-''), in Pritzwalk'-") ihre Rechte bestätigte, dass er die gesamte Judenschaft eines Teils der Altniark und der Priegnitz seiner besonderen Iluld ver- sicherte und ihren Gerichtsstand regelte-^). Vor allen Dingen aber hat er in dem Privilegium vom 9. September 1344 zum ersten Male Anordnungen von grösserer, umfassenderer Trag- weite getroffen-''). Dieses Privileg erstreckte sich auf alle Juden in der „terra trans Oderara", der eigentlichen Neumark. Ludwig nennt in ihm die Juden „weise und kluge Leute", „meine lieben Kammerknechte", und trifft Bestimmungen, die fast alle Kechtsgebiete umfassen und überall die Juden zu fördern und ihre Stellung zu einer erträglichen zu machen geeignet sind. Ihre Rechtsfähigkeit wird erweitert, indem sie

2^) Vgl. Voigt: Geschichte des brandenbnrgisch-preussischen Staates, S. 105.

^-'•) Riedel A I, S. 64.

") Riedel A I, S. 148.

2') Riedel A II, S. 27.

2«) Riedel A I, S. 62.

^'j Riedel A XXIV, S. 36. In einer tiefeindringenden Abhandlung bat der scharfsinnige Sello (Berliner Zeitschrift „der Bär" Jahrg. 1879, S. 21 if.) die Quellen dieses Privilegiums, das hundert Jahre später von Kurfürst Friedrich I. erneuert wurde, kritisch untersucht und den ver- stümmelten Text gereinigt. Ihm danken wir auch den Nachweis des Jahres 1344 als desjenigen, in welchem das Privileg erlassen wurde, während noch Riedel eine gleichlautende Urkunde, die er auf Grund der Unterschrift „anno predicto" in das Jahr 1341 setzen musste, als das Ori- ginal und die von 1344 als die Wiederholung ansah.

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zum sog. „iuramentum ])iirgatoriiim" zugelassen werden, d.h. zu dem Eide, durch den sie sich vor einem klägerischen Anspruch schützen können, das Kecht des Ilausbesitzes wird als selb.stver.ständlich vorausgesetzt. Die lieschränkungen im Pfandrecht, die andere mittelalterliche Privilegien und Ptechts- bücher aufrechthalten''"), sind aufgehoben, z. B. wird das vom Berliner Stadtrecht verbotene IM'andnchmen bei Nacht im neumärkischen I'rivileg erlaubt. Den Juden wird freie Aus- fuhr von Korn und Pferden gestattet, wenn sie dieselben für eine Schuld haben annehmen müssen. Bezüglich des Gerichts- standes werden sie den christlichen ^Mitbürgern völlig gleich- gestellt, indem ihnen durch die ]>estimmung, dass kein Dorf- richter gegen sie verfahren dürfe, sobald sie in einer Stadt ansässig seien, das sog. „Privilegium de non evocando" ver- liehen wird.

Wenn nun auch die Vergünstigungen dieses Privilegs zunächst nur den Juden in der Neumark zugute kamen, dem Teil des Landes, der am treuesten zu dem ihm vom Kaiser bestellten Herrn hielt, so dürfen wir daraus gleich- wohl auch im Allgemeinen auf die wohlwollende Gesinnung Ludwigs gegen die Juden schliessen. Sei es nun, dass auch die Juden der Stadt Brandenburg Zeichen dieses Wohlwollens erfuhren, sei es, dass sie aus reinem Solidaritätsgefühl sich dem Markgrafen für seine den neumärkischen Juden erwiesene Milde dankbar zeigen wollten genug, als die Neumärker kurz nach Krlass des Privilegiums den Markgrafen mit einer ausserordentlichen Beisteuer zu unterstützen gedachten, da schlössen sich ihnen neben einigen anderen Städten der Mark auch die Juden von Brandenburg an, so dass die ausserordent- liche Summe von 600 Gulden (ca. 6000 M.) zusammenkam. Man sieht, der Markgraf genoss die Früchte seines den Juden freundlichen Verhaltens. Und so versicherte er auch seiner- seits den beitragenden Städten am 23. Oct. 1345, dass er von

^'') 2. B. Das Berliner Stadtrecht (vgl. Fidicin: Diplomatische Bei- träge zur Geschichte der Stadt Berlin, S. 150).

2

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ihnen im nächsten Jahre eine aussergewöhnliche Abgabe nicht einfordern wolle.") Mau würde jedoch fehlgehen, wollte man irgend einen humanen Untergrund in diesem Verhalten Lud- wigs gegen die Juden linden. Es war lediglich seine poli- tische Klugheit, die ihn bestimmte. Den Juden gegenüber galteu im Mittelalter nur Üpportunitätsrücksichteu. Ihre ge- schäftliche Intelligenz auszunützen, ihre brauchbare Stellung als pekuniäre Zwischenhändler zu sichern dazu allein schützen die Fürsten Juden und suchen ihre Lage erträglicher zu machen. Ludwig brauchte nur die Politik seines Vaters zu befolgen, der es verstanden hatte, von den Juden im ganzen Reich die Zahlung des sogenannten „güldenen Opferpfennigs" in die Kaiserliche Kasse durchzusetzen. Gerade Ludwig, der Aeltere, hat durch einen Zusatz in einer seiner Verfügungen gezeigt, dass seine Milde gegenüber den Juden nicht nur nicht selbstlos, sondern zur gegebenen Zeit auch der gegenteiligen Behandlung zu weichen bereit war. Wenn er am 26. Nov. 1349 dem Rate der Stadt Spandau betiehlt, die Juden vor ungerechten Angrift'en zu schützen, dann setzt er, seine innerste Seele offenbarend, hinzu: „Bis wir für gut halten, diese Weisung zu widerrufen-^-)!" Zunächst allerdings scheint er die Juden auch weiter geschützt zu haben, denn schon wenige Tage darauf dankt er von Königsberg aus den Städten der Neumark, dass sie die Juden so wohl verteidigt hätten''*). Demnach muss man die Juden angegriffen haben. Um welche Art von Angriffen es sich hiebei handelt, das dürfte nicht zweifelhaft sein, wenn man bedenkt, dass wir von dem Jahre 1349 reden. Das war ja jenes furchtbare Jahr, in welchem

") Riedel (' I, S. 25. Die betreffende Urkunde, von welcher nur ein Fragment in mehreren Copiarien erhalten ist, erwähnt allerdings im Text die Juden nicht. Da aber zwei jener Quellen, die von Riedel nicht benutzt wurden, die Ueberschrift haben: „Ista forma data est Judeis in advocacia", so wird Sello („der Bär" 1879, S. 23) das Richtige treffen, wenn er annimmt, dass auch in dem verlorenen Originale nur von Juden die Rede war.

^-) Riedel A XI, S. 309. „Quousque id ipsum duximus revocare".

«^) Riedel A XXIY, S. 48.

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der entsetzliche Wahn durch die deutschen Gaue schritt, die Juden hätten durch lirunnenvergiftung die Pest ins Land ge- bracht. In allen Teilen Deutschlands zeitigte dieser Wahn die grausamsten Judenverfolgungen. Der Sturm scheint auch an den Juden der Mark nicht spurlos vorübergegangen zu sein. Das alte Memorbuch von Metz wie das von Deutz fuhren als Marterstätten aus der Zeit des „schwarzen Todes" auch pi;2 nrT3 und Jiisjnjsia pia auf"). Der norddeutsche (Chronist Heinrich v. Herford hat gewiss auch märkische Städte im Sinn, wenn er mit Worten tiefsten Abscheu's von den Ver- brennungen und barbarischen Misshandlungen erzählt, denen die Juden in jenem Jahre zum Opfer Helen'). Dass aber der Wahn, die Juden hätteu die Pest verschuldet, auch in der Mark grassierte, erfahren wir aus einer Urkunde des Jahres 1349, in welcher der Rat von P erleb er g im Verein mit den Zunftmeistern daselbst den Juden Schutz verheisst und dabei ausdrücklich gegen jenen Wahn eine Art von Ver- wahrung einlegt-"^). Zudem war gerade damals die Mark auch infolge der politischen Wirren in einem erregten Zu- stand, der Gewalttätigkeiten jeder Art begünstigte. Es war die Zeit des „falschen Waldemar", jenes geheimnisvollen Prätendenten, der mehrere Jahre hindurch gegen Ludwig den Aelteren und dessen Nachfolger um seine Anerkennung kämpfte.

*^) Vgl. Salfeld: Das Martyrologium des Nürnberger Memorbuches (Band III der „Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland") S. 78 und 86. Interessant ist die an der ersten Stelle sich findende Schreibung j"n23'Ti3, die an die mittelalterlichen Formen „Brennaburg" etc. anklingt, s. Salfeld a. a. 0. S. 27U Note.

'**) Henricus de Hervordia: Liber de rebus raemorabilioribus, ed. Potthast, Göttingen 1859, S. 280. „In quibusdam locis per alios combure- bantur, in quibusdam trucidabantur vel etiam ut porci saevissime bar- bariceque mactabantur." Auch das von Pomarius: Chronik der Sachsen und Niedersachsen S. 384 tt'. bezeugte Auftreten der Geissler scharen in Brandenburg deutet, wie überall, auf Judenverfolgungen hin.

*^) Riedel A III S. 381 . . . si manifestum fuerit a veridicis ho- minibus et probatum, quod lud ei dicti forent causa mortis Chris- tian itatis et fuissent et adhuc üerent, quod absit . . . ".

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Die Juden der Mark sassen zwischen zwei Feuern. Wenn sie der einen Partei ihre Unterstützung liehen, waren sie der Wut der anderen preispiegeben, sobald diese in dem vielfach wechselnden Glück die Oberhand gewonnen. So mag die einzige positiv bezeugte Gewalttat gegen märkische Juden in jener Zeit, die an den Juden in Königsberg (Neumark) ver- übte, nicht ausschliesslich durch jene allgemeine, aus dem „schwarzen Tod" hervorgegangene judenfeindliche Stimmung, sondern auch durch die politischen Zustände mitver.schnldet sein. Damit würde sich auch der aufl'allend rasche Gesin- nungswechsel Ludwigs des Aelteren erklären, der, abgesehen von dem oben erwähnten Privilegium, noch im Jahre 135Ü gerade der Neumark die Aufnahme von Juden gestattet und diesen selbst Schutz gewährt hatte •^') und schon im Jahre darauf die Juden in Königsberg verbrennen und ihre Güter für sich konfiszieren liess"^''). Dass aber auch sonst, abgesehen von diesem einen Falle, Ausschreitungen gegen die Juden der Mark vorgekommen sind, das ersehen Avir aus sjjäteren markgräflichen Kundgebungen, wo die Fürsten, milder gesinnt, auf die stattgehabten Judenverfolgungen mit Bedauern hinweisen. So versichert Ludwig der Acltere schon 1351 der Stadt Stendal: „AI geschichte, die vor dieser tyd mit den Joden geschehen sin, die scolen altumale dot sin und scolen vorbat mer uugevordert und ungericht blieven •''■'), und Ludwig der Römer befiehlt 1352, die zuziehenden Juden auf- zunehmen, „um des gebrcchens willen, das im Lande gewesen um gelt seit der zeit als die Juden verderbt sind.'"') Auch

"') Die Urkunde ist abgedruckt beiKlöden: Diplomatische Geschichte des Markgrafen Waldeuiar, Band 3, Anhang No. 51.

"") Riedel A XIX, S. 223. Der Markgräfliche Vogt Johannes von Wedel bekennt sich als Vollstrecker dieses furchtbaren Befehls. Vgl. auch Kehrberg: Geschichte von Königsberg N.-M. S. 241.

*») Riedel A XV, S. 14U. Dieselben Veraicherungen wiederholt Markgraf Otto, Ludwigs des Römers Mitregent, im Jahre 1360 (Riedel a. a. 0. S. 162).

*•) Vgl. Freyberg: Geschichte des Herzogs Ludwig von Branden- burg, S. 152.

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Berlin erliiclt von Ludwig' dem K'önier 1352 eine ähnliche Versiclierung: „jiU <j;(>.scliichto <\\ j;es(;hien sind . . . .-in den Jodeo, die scoleu ut unsen lierteu besloten sin, nnd scolen si so lyf hebben, als oft it nyo geschyen wero" "j.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Juden der Stadt Brandenburg von jenem „Verderben" verschont geblieben sind. Wenn Salfeld (a. a. 0. S. 217) richtig vermutet, dass der unter den Verfulgungsorteii dos Nürnberger Memorbuclies (ebenda S. (59) aufgeführte Name p~i2:ir2 sich auf die Stadt Brandenburg bezieht, ^veil an allen andern Stellen stets der Ausdruck p-ii3jnji2 py\^ oder pi?: nri"; gebraucht ist, so haben wir hier einen direkten Beleg dafür, dass auch in der Stadt Brandenbui'g Märtyrer in jenen Schreckensjahren geblutet haben. Das fragmentarische Martyrologium, welches Wibel übersetzt hat, erwähnt sogar neben anderen Städten ausdrück- lich auch Brandenburg'-). Jedenfalls aber müssen die Juden im Laufe der nächsten Jahrzehnte, wie überhaupt in der j\Iark''), auch in Brandenburg wieder festeren Fuss gefasst haben. Fühlte sich doch Bischof Dietrich von Schulen- burg, als er 1372 dem Pfarrherru der Neustadt Brandenburg gestattete, eine von ihm geweihte Hostie in feierlicher Pro- zession in der Stadt umherzutragen, zu dem Zusatz veranlasst, „die Juden sollten während der Prozession in iUren Häusern eingeschlossen bleiben, damit nicht bei der gläubigen Menge durch Verspottung der Feinde un- seres gekreuzigten Herrn Tumult entstünde.")" Auch der Nachfolger des Bischofs Dietrich, Heinrich Bodendick,

*') Riedel B VI, S. 87.

**) Fortgesetzte Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen, 1740, S. 17.

*^) Z. B. hat Markgraf Otto, als er 1372 die „Mark über der Oder" für eine Schuldforderung dem Herrn von Wedeil verpfändete, „allein un- sere Juden" davon ausgenommen. Der einträglichen Judensteuern wollte er nicht verlustig gehen. Riedel A XY, S. 147.

*') Riedel A VIII, S. 29S. . . . ne in populo tideli scandalum aliquod ex illusione inimicorum domini nostri crucifixi generetur". Die Worte „ex illusione inimicorum" fasst Gercken: Stiftshistorie von

00 _

erliess im Jahre 1400 eine die Juden betreffende Verordnung, deren EiuzellieKen uns erkennen lassen, dass der Verkehr der Juden mit den Christen in jener Zeit hier ein ziemlich intimer gewesen sein muss. Diese enge Gemeinschaft war dem Bischof ein Dorn im Auge. Er verfügt, dass ein Ciirist, sei er Pfarrer oder Laie, mit Juden nicht zusammen wohnen, bei Unglücksfällen keinen Juden rufen, kein Heilmittel von ihm entnehmen, mit den Juden nicht trinken, schmausen oder baden solle, auch sollten Juden keine christlichen Knechte halten dürfen. Zuwiderhandelnde werden mit der Exkom- munikation bedroht^"').

Trotz dieser Verfügung aber, die die vorurteilsvolle In- toleranz des Mittelalters in ihrer vollen Echtheit atmet, hat man nicht aufgehört, Juden an die Stadt zu fesseln. Schon 1116 wieder haben die Katsherren der Altstadt und der Neu- stadt mit einer Jüdin Namens Jorde und mit ihren beiden Söhnen ]\Ieyer und Jacob eine Abmachung getroffen, des Inhalts, dass sie alle Jahr auf Sanct Wallburgistag Jeder als Zins und Abgabe zwei Mark sowie drei Schock böhmische Groschen zahlen sollen. ,,Dat scholen sy also holden und hcven alle dy wile, dat sy in der nien Stadt Brandenborg wonen"'"). Diese Art Judenzins ist im INIittelalter gang und gäbe ge-

Brandenburg S. 174 als {renitivus subjectivus und übersetzt: „Üaniit die Juden keine Gelegenheit hätten, darüber zu spotten". Richtiger sind sie wohl als genitivus objectivus zu fassen. Der Bischof fürchtete den Tumult, der entstehen könnte, wenn die Juden als die P'einde etc. ver- spottet würden. Vgl. Iloltze in Heft 21 der Schriften des Vereins für die Geschichte der Stadt Berlin S. 31. Siehe auch Potsdamisclie Quint- Essenz Nr. 36.

") Riedel A VIII, S. 384, Gercken: Stiftshistorie S. 649. „Man- damus, quod nuUus eorum, qui in sancto ordine aut laicus, cum Judeis habitet aut aliquem eorum in infirinitatibus suis vocet aut medicinam ab eis recipiat aut secum bibant aut nianducant aut balneantur aut man- cipia christiana habeant. Si quis contra fecerit, excomniunicetur". In demselben Jahre, in welchem er diese Verfügung erliess, wurde Bischof Heinrich von einer Epidemie hinweggerafft.

*«) Stadtbuch der Neustadt Brandenburg (Stadtarchiv Codex N 2) fol. 64 b. Vgl. Sello in Märkische Forschungen, Band 18, S. 67,

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wesen. Wenn alter auf denselben Seite de« Stadtliuches be- richtet wird, die Katslierren hätten mit „Mey^er Joden" ab- gemacht, dass er der Stadt einen „rodeliken hengest" halten, denselben im städtischen Stall unterbringen und dazu jährlich sieben Wispel Hafer liefern solle, „dar men den hengest mcde fudcren möge" so dürfte diese Form des Judenzinses wohl ein Unicum bilden.'") Vielleicht hat dieser Jude ]\Ieyer mit Pferden gehandelt, so dass es nahe lag, ihm gerade diese Steuer aufzulegen. Wahrscheinlich ist er auch identisch mit dem Juden Meyer, welchen Markgraf Johann'^) in einer vom 12. Juni 1430 datierten Urkunde in seinen besonderen Schutz und Schirm nahm.'-')

Die ersten llohenzollern scheinen überhaupt die ehr- liche Absicht gehegt zu haben, die Lage der Juden in der Mark erträglicher zu gestalten. So hat Friedrich I. das von Ludwig dem Aelteren im Jahre 1344 den Juden der Neu- mark erteilte Privilegium (s. oben S. 16 f.) im Jahre 1420'^'^)

*') Es scheint sich hier um einen anderen Juden zu handeln als in der ersten Abniachun«;;, denn der Name ist hier „Meyger" geschrieben, dort aber „Meyer". König: Annalen der Juden in der Mark Branden- burg, S. 33 betont das Vorkommen des „deutschen" Namens Meier bei den Juden. Meier, TKD, „der Leuchtende" ist aber ein urjüdischer Name. '•*) Sohn Friedrichs I. Ei führte während seines Vaters vielfacher Abvvesenlieit die Regierung in der Mark. Vgl. Schillmann a. a 0. S. 412. Uebrigens nennt Schillmann S. 414 irrtümlich Friedrich als den Mark- grafen, der den Juden Meier in seinen Schutz genommen habe, siehe nächste Note.

*') Riedel A IX, S. 182: „Wir Johanns von gots gnaden, marggrave zu Brandburg und Burg- grave zu Nuremberg, bekennen öffentlichen mit diessem brife für aller- menniglich, das wir meyer Juden wonhafftig zu Brandburg in uns( rn schütz und schirm gnomen haben und in von gebung diecz brifs ein gancz iar schirslkommende gleich ander unser Juden ver- teidigen, beschützen, und beschirmen sulleu und wollen, auch das man im in vnsern landen gleich andern vnsern Juden über all die, zu den er zuspreche hat, rechtes helfen sol ongeverd".

*o) Schillmann a. a. 0. S. 413 falsch 1426. Vgl. die eingehende Untersuchung Sello's über die chronologischen und inhaltlichen Beziehungen der einzelnen Urkunden im „Bär" Jahrg. 1879, S. 24 und 25.

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auf die Juden der ganzen Mark Brandenburg ausgedehnt^'), und Friedrich II, der Eiserne, hat 1 MO die Verfügung seines Valers ausdrücivlich auch für seine Person besUitigt'-'). Ja, er hat in die ihm vorgelegte ältere Urkunde einen Zusatz eingefügt, aus dem sogar ein leiser Ton des Mitgefühls heraus- zuklingen scheint: „Darüber haben wir gnediglichen angesehen, das sie uns alezeit willig und uutertenig sein, und auch ir swacheit und armut, das unser Judischeit fast neder- fellig worden ist." Die ^Schwachheit und Armut" der märkischen Juden scheint allerdings Friedrich dem Zweiten nicht lange das Herz beschwert zu haben. Denn bereits im Jahre 14 IG entschloss er sich zu einem Schritte, der wie ein Hohn auf das von ihm erlassene Judenprivilegium erscheint. Am 17. Dezember dieses Jahres, einem Sonnabend, erging plötzlich der Befehl, alle Juden der ]\Iark gefangen zu setzen, dann zu vertreiben und ihrer Güter zu be- rauben. Was den Kurfürsten zu dieser grausamen Mass- regel, die mit jenem Privilegium in so schreiendem Wider- spruche steht, veranlasst hat, ist nicht leicht klar zu stellen, wie überhauiH direkte Nachrichten über diese Judenver- folgung nicht auf uns gekommen sind'''). Aus den späteren Verhandlungen, die der Kurfürst mit der Stadt Stendal führte, als diese sich der von ihm geforderten Wiederaufnahme der Juden hartnäckig widersetzte, ist zu ersehen, dass der Kurfürst seine Massregel durch ein Gebot des deutschen Kaisers und des Papstes motiviert hatte'^'). In der Tat war bereits drei Jahre vorher, 1443, ein Befehl Kaiser Friedrichs III. an den Kurfürsten ergangen, die Juden des Erzstifts Magdeburg zu verfolgen, „ir leib und gut anzu- greifen", weil sie dem Kaiser „seine Gerechtigkeit" vorenthalten

»') Riedel C I, S. 177. •2) Riedel C I, S. 240.

") Graetz: Geschichte der Juden weiss denn auch über diese Ver- folgung: nichts zu berichten.

") Riedel A XVI, S, 252—254.

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liätten "). ]\Iöglicher\veise handelte es sich wirklich im Jahre 1 1 K) um einen iilinlichen Befehl, der ja dann nur den Nei- f^ungen des Kaisers entsprechen würde. Des Kurfürsten eigene Anschauung scheint sich allerdings aus gewissen Gründen, von denen später die Rede sein wird, dem Ik'fehi seines kaiserlichen Herrn leicht angepasst zu haben, denn in einem anderen Schreiben rechtfertigt er die Vertj-eibung dem Steu- daler Rat gegenüber mit folgenden Worten: „herkomen ist, dass sie (die Regierung) Joden eyn und auss in ire Lande und Stete zyen und widder weggetriben hat lassen'")."

Diese Judenverfolgung vom Jahre 1446 ist nun für die Stadt Brandenburg im liesonderen deshalb von Bedeutung, weil von hier aus unerhört für jene Zeit ein scharfer Protest gegen sie erging. Auf dem bischöflichen Stuhle des Bistums Brandenburg sass damals Stefan Bodeker, ein ge- lehrter und vorurteilsfreier Mann. Ja, er scheint seine Vor- urteilslosigkeit gerade aus seiner Gelehrsamkeit geschöpft zu haben. Er war im jüdischen Schrifttum bewandert, verfasste ein hebräisches Lexikon, erwarb um 33 Gulden eine prächtige hebräische Bibel'") und ein Exemplar des hebräischen Wörterbuches „Machbereth" des Menachem ben Saruk '^), über- setzte einige Stücke aus dem Talmud, gab eine vergleichende Schrift über die christliche und jüdische Religion heraus, so- wie einen Kommentar zum Dekalog •'^). Offenbar hat er das Judentum nach seiner geistigen Bedeutung zu erkennen und daher aus seinen Quellen zu würdigen gesucht. Aus dieser Würdigung floss dem Gelehrten jene edle Toleranz, die zu

") Riedel B IV, S. 287.

"">) Riedel A XVI, S. 297.

") Dieselbe liegt jetzt in der königlichen Bibliothek zu Berlin (cod. or. fol. 5—7).

*") Gleichfalls in der Berliner königl. Bibliothek (cod. or. fol. 120).

") ^ gl- Näheres über ihn und seine Schriften bei Heydler (Pro- gramm der Brandenburger Ritterakademie 1886), Valentin Rose im Ka- talog der lateinischen Handschriften der königlichen Bibliothek zu Berlin, Band II, Schönfelder im Historischen Jahrbuche der Görres-Gesellschaft, Jahrg. XXIII, Heft 3, S. 669 ff.

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allen Zeiten mit ^vahrer und ehrlicher Wissenschaft Hand in Hand ginj:. In seinem „Commeutariiis ad decalofjum% praecep- tum III, ('aji. III, berichtet er über die erwähnte Vertolgimg mit den Worten: „A. D. 1446 Sabbatho IV tempornm quo cantatur veni et ostende, oranes Judaei in Marchia Brandonburg- ensi capti sunt, omnibus bonis suis spoliati sunt et iucar- cerati" und kommt dann Cap. 24 auf die Massregel des Kurfürsten mit schwerem Tadel zurück. Er sagt: „Schlecht handeln die Fürsten, welche die Juden aus Habgier, ohne Verhör, ohne jede gerechte Ursache ihrer Güter berauben, sie misshandeln oder ins Gefängnis werfen, und selbst, wenn die ihnen entrissenen Güter durch Zinsnehmen erworben waren, sind die Fürsten zum vollen Ersatz verpflichtet." '^"j

Wie man sieht, hat der kluge Kirchenfürst die innersten Beweggründe dieser Judenverfolgung wohl durchschaut. Von einem kaiserlichen oder päpstlichen Befehl scheint er nichts gewusst zu haben; vielmehr stand ihm der rein finanz- politische Charakter der grausamen Massregel durchaus fest. In der Tat gebt man wohl nicht fehl, wenn man dieselbe als eine erste Frucht jenes hartnäckigen Kampfes auffasst, den die Ilohenzollern von der Mitte des 15. Jahrhunderts an um die Judeneinkünfte mit den Städten der Mark führten und aus dem später noch eine so furchtbare Ernte für die märkischen Ju- den reifen sollte. Eine Vertreibung der Juden erschien den Ratgebern des Kurfürsten als das einfachste Mittel, um den Städten die Judenzinsen zu entziehen. Später, bei der Wieder- aufnahme, musste dann nur darauf Bedacht genommen wer- den, die bisher an die Städte gezahlten Schutzgelder in die

*") ,.Male ergo faeiunt principes, qiii .ludeos ex ciipiditate inauditos

et sine iiista causa rebus suis spoliant et trucidant seu ad carcerem

ponunt, et si bona, quibus sie spoliantur, sunt acquisita per usuram,

principes tenentur ad restitutionem".

Der Coraraentarius ad Decalogum liegt handschriftlich in der königlichen

Bibliothek zu Berlin. Die Quelle für Bodekers Trotest bildet Gereken:

Stiftshistorie von Brandenburg, S. 233.

/.' /

Kasse des Landesherrn überzuleiten. So nur erklärt sich der bereits erwähnte hartnäckige Widerstand, den z. B. Stendal der Wiederaufnahme der Juden entgegensetzte. Die finanzi- ellen Nachteile ihrer V'ertreibung muss der Kurfürst bald empfunden haben. Gerade die langwierigen und mit grossem Nachdruck betriebenen Verhandlungen mit Stendal, die er schliesslich nur durch eine Konzession zu dem von ihm ge- wünschten Ziele führen konnte'''), beweisen, wie sehr es ihm am Herzen lag, die Juden wieder in der Maik zu wissen. Uober die tieferen Gründe der Wiederaufnahme ist uns zu- fällig ein interessantes Zeugnis aufbewahrt aus der Regierungs- zeit des Kurfürsten Albrecht Achilles. Auf dem „Herren- tage" des Jahres 1180 richteten die „prelaten und heren", d. h. die Geistlichen und der Adel, an den Kurfürsten die dringende Bitte, die Juden zu vertreiben*^-). Markgraf Jo- hann, der in Abwesenheit des kurfürstlichen Vaters die ]\Iark verwaltete, weigerte sich, unter Berufung auf die Privilegien, die sein Vater den Juden erteilt habe •'•*). In die bei Riedel abgedruckte Urkunde findet sich nun ein Passus eingefügt, von dem Riedel sagt, dass er im Original durchstrichen sei. Dieser Passus lautet: „ist sein gn. underricht das bei marg- graf Friedrichs sei. Zeiten den Juden wucher ettliche Zeit verboten was und in denselbigen die mannschaft und andere serer durch die Christen besweret wurden, dann durch die Juden, wurden sie wieder zugelassen mit irem handel. Duncket s. gnaden sollicher ursach halben nachdem sie von Pabst, keyser, konigen und andern fursten gelitten wer- den ..." Also während der Abwesenheit der Juden, wo das Geld-

*') Vgl. Die ausführUche Darstelhing des ganzen Konflikts bei Landsberger: Geschichte der Juden in Stendal (Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, Jahrg. 188'?), S. 84 ff.

*-') Riedel C II, S. 246 f. . . . . den landen zu gut die Juden darausz lassen zu ziehen und nicht zu halten, die seinen gnaden und ge- meynen Lande schedlich sein".

^^) Riedel C II, S. 246 f. „der Juden halben, die sind von meinem gnedigen Herrn drey Jare aufgenommen und nach alter Gewohnheit ge- freyet".

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geschäft in den Iliindeu von Christen lag, hatten diese ihren Schuldem weit härter zugesetzt, als es je durch die Juden geschehen war. Nun wird es begreif- lich, weshalb der Fürst schon wenige Jahre nach der Ver- treibung der Juden ihre Wiederaufnahme mit so grossem Eifer verlangte. Die Triebfeder dieses Eifers war nicht nur das eigenste linauzielle Interesse des Laudesherrn, sondern auch der Wunsch nach Aufrechterhaltung eines geordneten Geld- verkehrs und eines erträglichen Kredits'^')

^*) Wenn jener Passus (liiichstriclien ist, so beweist dies, dass er wuh! mspiiinglicb als Begründung für die Ablehnung des von dem Herren- tage gestellten Antrages beabsichtigt war, nachher at)er aus irgend welchen Gründen nicht in die Antwort aufgenommen winde. Bei Räumer: Codex dipl. continuatus II, S. 4S fehlt denn auch jener Passus, lloltze: Geschichte des Kanunergerichta in Brandenburg-Preussen, S. 32 meint, man habe in Regierungskreisen diese „unglaubliche Behauptung" deshalb fallen lassen, weil sie den tatsächlichen Verhältnissen nicht ent- sprochen habe. In Wirklichkeit dürften Gnindo diiilomatischer oder auch religiöser Natur die Unterdrückung jenes Passus veranlasst haben. An der objektiven Wahrheit des in ihm geltend gemachten Momentes zu zweifeln, liegt durchaus keine Ursache vor. Weshalb sollte die Behauptung, dass die Christen ihre Schuldner noch schlimmer bedrückt hätten als die Juden, „unglaublich" sein? Diese Behauptung steht durchaus nicht ver- einzelt da. Auch Kurfürst AI brecht Achilles selbst klagt einmal, dass sogar der Wucher der christlichen Geistlichen ärger als der der Juden sei, vgl. Priebatsch: Die politische Korrespondenz des Kur- fürsten Albrecht Achilles, I, S. 320. Dabei war dci selbe Albrecht Achilles 80 sehr in den mittelalterlichen Voriuteilen gegen die Juden befangen, dass er ihnen sogar eine Art staatsrechtlicher Gültigkeit zuerkannte. Gab er doch 14()2 seinen Abgesandten an die Judenschaft im Reiche die Instruktion: „Denn so ein jeder Römischer König oder Kayser gekrönet wird, mag er den Juden allenthalben im rieh all ir gut nehmen, darczu ir leben und sie tötten bis auf eine anzal, die lutzel (klein) sein soll". Auch die Gesandtschaft, die er 1468 an den König von Böhmen schickte, wurde von ihm darüber aufgeklärt, „so ein romischer Konig wird erkoren oder so er zu keiserlich würde kompt und gekrönt wird, mag er die Juden all brennen nach altem herkommen oder gnad beweysen". (Vgl. Spiess: Archivische Nebenarbeiten und Nachrichten, Halle 1783, I, S. 127 f.). Wenn ein so gesinnter Fürst die Juden gegen die Christen ausspielt, darf sein Urteil sicherlich als un- befangen bezeichnet werden.

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Ausser in Stendal scheint man denn auch nirgends der Wiederaufnahme der Juden Sciiwierigkeiteu bereitet zu iiaben. Auch in der Stadt Brandenburg iinden wir sie bald wieder. In einer vom 10. Oktober 1452 datierten Urkunde, deren Original sich im Brandenburger Stadtarchiv befindet, fordert der Kanzler Friedrich Sesselmann vom llate der Altstadt Bezahlung für mühevolle Dienste, die er der Stadt „umb ewer Juden willen" geleistet habe''"'). Um welche Art von Diensten es sich hierbei handelte, ist leider nicht mehr festzustelhm. 1459 zitiert Kurfürst Friedrich den Juden Abraham der Altstadt Brandenburg in einer Appellationssache vor sein Ge- richt in das Schloss nach Küstrin""). 1472 schreibt der Hat der Neustadt an den Rat zu Zerbst, er möchte den Zerbster Bürger Ilans Granseye veranlassen, das bei dem Juden Moses zu Brandenburg versetzte Pfand einzulösen, sonst dürfe der Jude das Pfand vei'kaufen""). Zehn Jahre später erlässt der Rat der Neustadt wieder au den zu Zerbst gegen den- selben Juden Moses eine Art Steckbrief, weil er Falsch- münzerei getrieben und das gefälschte Geld durch ..einen jungen Juden" habe ausgeben lassen. Der Verbrecher habe sich nach Zerbst gewendet und sei bekleidet mit einem grauen Rock, einer weissen Hose, einem weissen Mantel und einer weissen „kagel" (Kragen, Kaputze), in der rot und grün vernäht war''"^). Zerbst möge auf ihn fahnden. In der Tat wurde der Verbrecher in Zerbst ergritten*^^). 1492 wird vor Richter und Schöffen der Neustadt dem Diet- rich von Zerbst der Verkauf des bei dem Juden Abraham versetzten Pfandes gestundet'"), und 1494 lässt der Jude

««) Riedel A IX, S. 177.

«") Riedel A IX, S. 194.

^'') Briefe aus dem Stadtarchiv zu Zerbst, bei Faulhaber: lieber Handel und Gewerbe der beiden Städte Brandenburg im 14. und 15. Jahrhundert S. 43 Nr. 15.

**) Als Beitrag zu unserer Kenntnis der von den mittelalterlichen Juden getragenen Kleidung dürfte dieser Steckbrief nicht ohne Interesse sein.

«") Faulhaber a. a. 0., S. 46, Nr. 21 und 22.

'») Ibidem S. 54 Nr. lü.

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Simon das von demselben Dietrich bei ihm versetzte Pfand dreimal aufbieten"'). Wir sehen, dass sich die Zahl der Brundeubiirger Juden in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- hunderts vermehrt hatte. Im Jahre 14i^»0 finden wir denn auch zum ersten Male eine Judenstrasse erwähnt, deren Vorhandensein auf eine verhältnismässig grosse Zahl jüdischer Familien schliessen lässt"-). Durch die jüngst erfolgte Auf- findung eines fragmentarischen Ratsprotokollbuches der Alt- stadt Brandenburg aus den Jahren 1490—1497 sind wir in die glückliche Lage gekommen, auch das Vorhandensein eines besonderen jüdischen Friedhofes in jener Zeit konstatieren zu können. Das Protokollbuch enthält den Entwurf einer Abmachung zwischen dem Rat der Altstadt und den Juden in Bezug auf den „kiffer' "'), den ihnen der Rat überlassen, „ore doden to grave", d. h. „ihre Toten zu begraben'". Ausserdem erwähnt das Protokollbuch als Geldverleiher die Juden Abraham (s. oben), Nathan, Akina (auch Akima), wohl Akiva"^).

Das ausgehende 15. Jahrhundert sah somit die Juden Brandenburgs in einer günstigen Lage. Die Ernte war wie- der einmal reif. Sie fand bald ihre Schnitter.

") Ibidem S. 65 Nr. 15.

") Drittes Stadtbuch der Neustadt (Stadtarchiv Codex N 3 fol. Vlb), 3. Faulbaber a. a. 0. S. 53 No. 7.

'") Kifler, auch kiewer, kewer, das hebräische 12-, ist der in der Mark und den angrenzenden Landesteilen gebräuchliche Name für den Judenkirchhof gewesen. Vgl. Güdemann: Zur Geschichte der Juden in Magdeburg, S. 6, Kiinig a. a. 0., S. 29.

''*) Vgl. über diesen Ackina weiter unter Nr. II. Das Protokollbuch wird demnächst vom Stadtarehivar Prof Tschirch entziffert und heraus- gegeben werden.

II. Der Hostiensehändungsprozess

und seine Folgen.

1510.

Das sechzehnte Jahrhundert, das Jahrhundert der De- formation und des Humanismus, brachte über die Juden der Mark und insbesondere über die der Stadt Brandenburg ein furchtbares Schicksal, die schwere Verfolgung des Jahres 1510. Seitdem die Juden nach der Vertreibung von 1440 wieder aufgenommen waren, blieben sie das Kampfobjekt zwischen dem Kurfürsten und den Städten, denen sich die den Juden verschuldeten Ritterschaften und die Geistlichen anschlössen. Wir erwähnten bereits das von den „prelaten und heren" im Jahre 1480 gestellte Verlangen nach einer Vertreibung der Juden und seine Zurückweisung durch den Markgrafen Johann (oben S. 27). Schon im folgenden Jahre verlangte die alt- märkische Ritterschaft von Johann den Erlass besonderer Wuchergesetze gegen die Juden und wiederholte die Forder- ung, sie zu vertreiben'). Aber Johann, der 148G Kurfürst wurde, blieb in dem Kampfe um die Juden, aus denen die kurfürstliche Kasse immer höhere Einnahmen zog, Sieger. Umso tiefer nistete sich der Hass gegen die Juden bei den Städtern ein. Zähneknirschend vernahmen sie von den Judeuaustreibungen in den Nachbarprovinzen. 1492 wurden die Juden aus Mecklenburg, 1493 aus dem Erzbistum Magdeburg verjagt. Nur sie, die märkischen Städte, muss- ten ihre Juden, von denen sie keinerlei Vorteile genossen, immer noch in ihren Mauern dulden. Auch Joachim I., der im Jahre 1499 den kurfürstlichen Thron bestieg, schien ent- schlossen, nicht nachzugeben. Ja, er dachte so wenig daran, den jedenfalls auch an ihn ergangenen Bitten um Vertreibung

') Raumer: Cod. dipl. continuatus II, S. 61. „Die Juden nicht zu halten weil alle durch iren wucher jemerlich verdorben würden",

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der Juden Folge zu leisten, dass er sogar im Juhre 1509 einer ganzen Anzahl von Juden nebst Weibern, Kindern, Schächtern und Gesinde in mehreren märkischen Städten lur drei Jahre Aufnahme gegen Zins gewährte'-).

Neben der speziellen Aufnahme einzelner Juden ging aber in diesem Privilegium auch eine Verfügung allge- meiner Natur einher: „Wir haben auch unserer gemeinen Judischheit vergunt und nachgelassen, das Sy einen Raby die benante Zeith über haben mögen. Derselbe soll Macht haben über Sy nach jüdischer Gewohnheit, was sie selbs unter einander zu thun zu richten, doch uns an unserer obrigkeit unscliedlich, und gebieten iimen hiemit be- velhend demselben Raby in solchen Sachen gehorsam zu sein, und welcher darüber in Ungehorsam und seinen ban fallen, auch darin über 30 Tage liegen und verharren wurd, der- selbig soll alsdann gegen uns Leyb und Gut verruckt und verfallen haben." Man sieht, Kurfürst Joachim war so wenig gesonnen, gegenüber den Zumutungen der Städte und Ritter- schaften sich gefügig zu zeigen, dass er nicht nur einzelne Juden aufnahm, sondern sogar die innere Konsolidierung der jüdischen Gemeinden zu fördern und zu befestigen suchte. So erscheint dieses Privilegium vom Jahre 1509 als eine förmliche Herausforderung der anderen Partei, die denn auch mit einem gewaltsamen Gegenschlag nicht lange zögerte. Als diesen Gegenschlag hat man den llostienschän- dungsprozess vom Jahre 1510 zu betrachten. Man geht durchaus fehl, wenn man den Kurfürsten Joachim I. als einen Judenfeind hinstellt, weil unter seiner Regierung diese furchtbare Verfolgung stattfand. Eine der wenigen jüdischen Quellen, die über dieselbe vorhanden sind, belegt den Kur- fürsten mit demselben Namen, den liaman im Buche Esther trägt {hli27] l^fn, ITü')^). Aber dem jüdischen Chronisten war

2) Raumer a. a. 0. II, S. 236 f.

^) Siebe Ozar tob, hebr. Beilage zu Berliner-HoH'manns Magazin für die Wissenschaft des Judentums 1890, S. 43. rr'iya uid'? yi nJB'a

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eben nur die entsetzliche Gegenwart mit all ihren Schrecken bekannt geworden, für die er nur denjenigen verantwortlich machen konnte, der als oberster Herr an der Spitze des Staates stand. Was hinter den Kulissen der Diplomatie vor- gegangen war, blieb dem jüdischen (Jhronisten verborgen, sonst hätte er den Kurfürsten als denjenigen erkennen müs- sen, der sich gewissermassen in der Verfolgung von 1510 auch selbst als einen Verfolgten ansehen konnte. In unserer Dar- stellung werden all die Momente, die zu dieser Auffassung zwingen und den Prozess als eine Anzettelung der Städte, des Adels und der Geistlichkeit erweisen, zutage treten. Diese Momente sind denn auch für die hie und da berührte Frage der Schuld oder Unschuld der Juden von entscheidender Be- deutung^).

...tf'o »n'2n DJ? ]"^ pSvtau n 'jnn oyi ]"& v>:a "i 'is oy »tatio n»y3 Dien 'n"n SN'mp» 1QB') lan'an uoo nnwi ;n: m ;ocit ni laSc laSo ....n'? ja'^t -i "am« Kmn'? 3"3 Kinc nani icj; nyatr nn« üv Syi h"n i:.o;' B-cn: rrn «Sc ni3: "in« 'jnjon im um« \v\ Dien non T3 lam« inpSi lau'« ir"?)? i':D:nni iSSunn liDjnan siiti'i vx" '' po Sn;in isn "nivn nnjsni S'nnnß* iptr nS'Sy noua nwn Snjn Dtym onsS yi 2n 2"' iDitfJi n'o ly dot yun oai ü\pii ncn n^B-np vS Tion T'3 msn nn« 'j dv nD^ennoi mi«'? nS'DKO i:N»xin iob» iiar,' «lum Ausser dieser zeitgeuössischen Aufzeichnung, die a. a. 0. von Jacob Wagner veröffentlicht wurde und von der Hand eines der gefänglich eingezogenen Juden herrührt, kommt nur noch der Bericht des Rabbi Josel von Rosheim in Betracht. Er sagt in seinen Memoiren (Revue des ötudes juives XVI, S, 88): ibib'i pn«o riinoa msn nepri t\:v imwi n"2V:n p'SiyB i'ya n 'B'in nncD m»B: n"S. Zu der ungewöhnlichen Schreibung des Namens Berlin p'Siye sei nebenbei bemerkt, dass dieselbe der von dem Chronisten Johannes Bissei (17. Jh.) aufgestellten Etymologie entspricht. Dieser meint nämlich, die Stadt müsse wegen ihrer Schönheit ihren Namen von einer Perle haben und heisse gleichsam Perlein. So gewinnt zufällig diese hebräische Notiz Josel's zugleich auch einen ge- wissen sprachgeschichtlichen Wert. Vgl. Sello: Zur Geschichte Berlins im Mittelalter (Märkische Forschungen, Bd. XVII, S. 7).

*) Wir geben das Bild des Prozesses selbst nur in grossen Um- rissen. Nur da, wo er nach der Stadt Brandenburg hinüberspielt, glauben wir, unserem Thema entsprechend, ausführlicher sein zu müssen. Die Ilauptquelle für den Prozess ist Angelus: Annales Marchiae Branden- burgensis S. 269 277, der seinerseits aus einer im Jahre 1511 zu Frank-

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Am 6. Februar 1510 war in der Kirche zu Knoblauch, einem im Havelland gelegeneu und zur Diözese des Bischofs von Brandenburg gehörigen Dorfe, ein Einbruch verübt wor- den. Es fehlten eine kupferne vergoldete Monstranz und zwei geweihte Hostien in einem Messingbüchschen. Nach einem Berichte war das Büchschen von Gold. Bereits am 15. Fe- bruar fand mau .Stücke der vermissten Monstranz an der

fürt a. 0. bei Johann Hanau gedruckten und mit vielen Holzschnitten ver- sehenen anonymen Schrift geschöpft hat: „Dietzs ist der wahrhaft'tig Sumarius der gerichts hendel unnd process der gehalten ist worden uff manchfaldig Indicia, aussag, und bekentnus eines Pawl From gnant der das hochwirdig Sacrament samt einer monstrantzien etc. aus der kirchen zu Knoblocb gestohlen. Und auch des begangen hendell der Juden die in thetliche hennde an das aller heiligst hochwirdigst Sacrament und vil unschuldige christliche Kinder torstiglich geleget und im Zehnde Jahr zu Berleinn gerechtfertigt sein worden". Ausser einigen kurzen zeitgenössischen Notizen in der Chronik des En- gelbert Wusterwitz (Riedel D Seite 83 ff.) und in den Exzerpten, welche der Pfarrer Dionysius aus verschiedenen Chroniken angefertigt hat (ibid. Seite 302) kommt noch in Betracht der Bericht des Abtes Johannes von Trittenheim (Annales Hirsaugienses, St. Gallen 1690, Band II, Seite 660 663), der deshalb von Interesse ist, weil sein Schreiber am Hofe des Kurfürsten verkehrte und sicherlich aus authentischen Nachrichten geschöpft hat. (Siehe Zimmermann: Geschichte der Mark Brandenburg unter Joachim I. und II., Seite 22). Im "Wesentlichen stimmt jedoch Trittenheim's Referat mit den übrigen zeitgenössischen Berichten überein und bietet zur Klarstellung der Vorgänge wenig Material. (Vgl. „Sabbath- stunden", Beilage zur „Jüdischen Presse" 1886 Nummer 34). Eine aus- führliche Darstellung des gesamten Strafverfahrens auf Grund der Quellen (nur Trittenheim ist nicht benützt) gab im Jahre 1884 PViedrich Holtze in den Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 21, wobei er den Zweck verfolgte, nachzuweisen, dass in dem Strafverfahren bereits die im Jahre 1607 erlassene Bambergische „peinliche Halsgerichtsordnung" zur Anwendung gekommen sei. (Siehe auch Holtze: „Die Bambergensis in der Mark", Forschungen zur brandenburgischen und preussischen Ge- schichte III). Dem gegenüber hat Georg Sello in den Forschungen zur brandenburgisch-preussischen Geschichte IV, Seite 121 236 auf wesent- liche Verschiedenheiten hingewiesen, welche das Strafverfahren im Gegen- satz zur Bambergensis aufweist.

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Stadtmauer von Born an, und bald lonkt(3 sich der Verdacht, den Diebstahl verübt zu hal)en, auf einen liernauer liürger, den Kesselflicker Paul Fromm, der unweit des Fundortes wohnte und einen schlechten Kul" genoss. Ausserdem hatte man mehrere am Tatoi-t gefundene Gegenstände, einen Löt- kolben und ein Messer, als Fromms Eigentum erkannt und Fromm selbst war aus I^ernau geflohen. Am 2. Juni kehrte er (aus welchem (Jruiido, ist nicht ersichtlich, die Quellen geben Gewissensbisse als CJrund an) nach Bernau zurück und wurde am folgenden Tage verhaftet. Er war ohne wei- teres geständig. Gefragt, was er mit den beiden Hostien an- gefangen liabe, erwiderte er, er habe sie verzehrt. Da es sich um einen Kirchenraub handelte, benachrichtigte das Ber- nauer Stadtgericht den zuständigen geistlichen Oberherrn, den Bischof llieronymus von Brandenburg, und dieser sandte zur weiteren Untersuchung den Stiftshauptmann Heinrich V. Betzschitz nach Bernau. Mit dem Eingreifen des geist- lichen Inquirenten nahm die Aussage Fromms plötzlich ein anderes Gesicht an. Die Folter tat ihre Dienste. Das Ge- ständnis Fromms, die Hostien verzehrt zu haben, genügte Herrn v. Betzschitz nicht. All die Mirakel, von denen sonst mittelalterliche Hostienschändungen begleitet waren, mussten doch auch hier eingetreten sein! Und so bekennt Fromm, als er die eine Hostie in den Mund gesteckt habe, sei es plötzlich ganz dunkel um ihn geworden und er habe sich eine Stunde lang nicht von der Stelle bewegen können. Man weiss, wie sehr die Geistlichkeit zur Erhöhung ihres Prestiges solcher Wundererscheinungen bedurfte. Dieselben werden denn auch von den Quellen gewissenhaft berichtet; nament- lich Trittenheim erzählt sie mit emphatischer Gläubigkeit. Nicht minder aber lag der Geistlichkeit eine Verdächtigung der Juden am Herzen. Der Diebstahl Fromms kam ihr ge- legen genug, um aus ihm eine Anklage gegen die Juden her- zuleiten und so den Kurfürsten, der die Juden aus freien Stücken nicht hatte vertreiben wollen, ja ihnen sogar unter günstigen Bedingungen die Privilegien vermehrt hatte, zum

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Einschreiteo gegen die Juden zu zwingen. Und dies gelang denn auch. Fromm bekannte, nur die eine der beiden Hostien ver- zehrt, die andere aber um nenn märiiische Groschen an den Juden Salonio zu Spandau verkauft zu haben. Der Kur- fürst liess Salomo und Fromm nach Berlin bringen und beide konfrontieren. Joachim I. war ein strenggläubiger Fürst und ein religiöser Eiferer. Bekannt ist sein Widerstand gegen die Reformation '). Die linanzpolitischen Rücksichten, aus denen er die Juden geschützt hatte, traten für ihn mit dem Augen- blick in den Hintergrund, wo es sich um ein religiöses Delikt handelte. Und so liess er der Untersuchung freien Lauf. Unter der Folter sagte Salomo aus, er habe die Hostie auf einen Tisch gelegt, in sie mit ^lessern gestochen usw., sie sei dann von selbst in drei Teile auseinandergesprungen, deren Ränder blutig gewesen seien. Den einen Teil habe er zu essen versucht; es sei ihm aber nicht gelungen. Um ihn zu vernichten, habe er ihn in einen Teig hineingeknetet und den unter allerlei Wunderzeichen gebackenen „Matzkuchen" in der Synagoge zu Spandau aufgehängt. Das zweite Hostien- stück habe er durch einen gewissen Salomon Heller an den Juden Markus nach Stendal, das dritte an den Juden Jakob nach Brandenburg durch dessen Sohn Smol ge- schickt.

Hier in Brandenburg waren von Joachim I. Jacob imd Sloman privilegiert worden. Von der Erlaubnis des Kur- fürsten, sich einen Rabbi zu halten, haben die Juden in Brandenburg oft'enbar alsbald Gebrauch gemacht, und zwar ist es der eben im Jahre 1509 privilegierte Sloman, in den jüdischen Quellen Rabbi Salomon ben Jacob genannt, dessen religiöser Führung sie sich anvertrauten. Sicherlich war er durch Gelehrsamkeit und Frömmigkeit ausgezeichnet. Wir wissen allerdings nicht mehr von diesem ersten Rab-

*) Er war unter anderem als Gegner Luthers auf dem Wormser und Augsburger Reichstag tätig, siehe Zimmermann : Geschichte der Mark Brandenburg unter Joachim I und U., Seite 37 ff.

bin er der StadI Rr.'indonburfj;, als dass er zu den Un- glücklicIiL'H ^a'liöj'lo, (li(i in dor Verfolgung den Jahre« 1510 als Opfer und Märtyrer geblutet liab(!n. Kein Hesponaum, keine Ila.skania nennt seinen Namen. Nur jene blutgetränkten lilälter, die in ^\^in Synagogen das Oedäditnis der jüdischen ^lärtyrer aufbewahren, die sogenannten ^lemorbüeher wissen von ihm zu erzählen '% und auch hier ist er nur durch den auszeichnenden Titel (ebenso wie Kabbi Josef von Osterburg) als Ivabbiner kenntlich. Das Geständnis des Salomo von Spandau hatte zunächst nur den Jakob von Brandenburg ver- dächtigt. Die Ilineiuziehung des Rabbi Sloman ist nach ihren Ursachen und nach ihrer zeitlichen Rubrizierung nicht klar zu ermitteln. Angelus (a. a. 0. S. 271) erzählt, der Kurfürst habe den von Salomo verdächtigten Jakob nebst dessen Sohn Smol, den angeblichen Ueborbringer des Ilostienstückes, „und Sloman ihren Rabbi" von Brandenburg holen lassen. Dem- nach wäre die Verhaftung Slomaus verfügt worden, obwohl eine ausdrückliche Verdächtigung nicht vorlag, offenbar ledig- lich auf Grund seiner Eigenschaft als Rabbi, dessen Mit- wisserschaft man als selbstverständlich annahm. Mittlerweile allerdings hatte man es in Brandenburg verstanden, auch Sloman als verdächtig zu brandmarken. Während nämlich das Hauptinquisitorium gegen Fromm und Salomo in Berlin stattfand, hat man, sobald die Kunde von der Verdächtigung Jakobs nach Brandenburg gelangt war und noch vor Ein- treffen des Verhaftbefehles in Brandenburg selbst ein Nebenin- quisitorium in Szene gesetzt, und alles deutet darauf hin, dass der Bischof Hieronymus hierbei die treibende Kraft war. Die „peinliche Befragung", d. h. die Folterung Jakobs, fand „in Gegenwart und auf vermahnen vieler redlicher Personen, so wohl Weltlichen als Geistlichen" (Angelus) statt. Die

') Das Memorbuch von Münden (Löwenstein in der Zeitschrift für Geschichte der Juden in Deutschland I, S. 196) und der DToaip der „alten Schul*' in Posen (Da\id Kaufmann in Berliner - Hoffmann's Magazin für die Wissenschaft des Judentums 1891, S. 49, Anmerkung 1), s. auch 2unz: Die synagogale Poesie, S. 64.

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Anwesenheit der Geistlichen kann nur dann einen Sinn haben, wenn der Bischof seine Hand im Spiele hatte. Der Branden- burger Inquirent, der Bürgermeister B ellin, machte seine Sache ausgezeichnet. Er erzielte einen Tatbestand, der die in Berlin und Bernau erzielten Resultate bei Weitem übertraf und den Umfang des Prozesses wie die Zahl der Beteiligten ausserordentlich erweiterte. Jakob gestand zunächst zu, das Hostienstück von Salomo durch seinen Sohn Smol empfangen zu haben. Dann trat er mit der Versicherung auf, er habe mit Rabbi Sloman „etliche Zeit in Unwille gestanden", d. h. in Feindschaft gelebt. „Trotzdem" habe er sich verpflichtet gefühlt, den Rabbi von der Zusendung des Hostienstückes in Kenntnis zu setzen, als hätte der Rabbi nur darauf gewartet, einmal die ]\Iöglichkeit zur Misshandlung einer Hostie zu be- kommen. In der Tat sei denn auch diese Misshandlung als- bald vorgenommen worden. In seinem, des Jakob, Hause hätten sie das Hostienstück auf einen groben Tisch gelegt, er und Sloman hätten mit Messern hineingestochen, ebenso seine beiden Söhne Nathan und Smol sowie der alte Isaak, die gleichfalls zugegen gewesen seien. Das aus der Hostie fliessende Blut hätten sie vergebens abzuwaschen versucht. Sloman habe daher einen blutbefleckten Spahn aus dem Tische herausgehauen. So war durch die Aussage Jakobs auch Slo- man aufs höchste verdächtigt, und wir sehen somit in den Prozess gerade die beiden Brandenburger Juden ver- wickelt, die kaum ein halbes Jahr zuvor von dem Kurfürsten privilegiert wurden! Auch der von Salomo angegebene Markus von Stendal gehört zu den Privilegierten. Und dieses Moment, das auf die im Hintergrund wirkenden Kräfte besonders deut- lich hinweist, spielt auch weiterhin seine Rolle. Um noch eine grössere Anzahl von Juden hineinziehen zu können, musste eine imaginäre Gelegenheit konstruiert werden, bei der eine Misshandlung der Hostie im grossen Styl möglich war, und da bot sich ein willkommenes Vorbild in dem 18 Jahre zuvor stattgehabten Sternberger Hostienschändungsprozess. Dort war es eine Hochzeitsfeier, bei der die Juden die Schänd-

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uDg in grosser Zahl vollbracht haben sollten"). Auf dieses Vorbild grifl' man in Brandonbtirg zurüci<. Jakob sagte also weiter aus, er habe das verspottete Hostienstück zusammen mit dem abgehauenen Spahne dem Rabbi Sloman übergeben, dieser habe es nach Osterburg gebracht und es dort dem Rabbi Josef und dem Juden Meyer übergeben, die es bis zum Freitag nach Pfingsten aufbewahrt hätten. An diesem Tage habe Meyers Sohn Isaak seine Hochzeit gefeiert*"), und bei dieser festlichen Gelegenheit hätten an der Misshandlung des llostienstückes zu Osterburg nicht weniger als 24 Juden teilgenommmen; von diesen, die in den Quellen mit Namen und Wohnort aufgezählt werden, gehörten wiederum neun zu den Privilegierten von 1509^). Durch die Aussage Jakob's war also der Kreis der Beschuldigten ausserordentlich aus- gedehnt worden. Rabbi Sloman hat sicherlich unter der Folter die Aussage Jakobs bestätigt. „Was muss dieser Rabbiner von Brandenburg, als ihn Kurfürst Joachim nach Berlin bringen Hess, gefoltert worden sein, dass er es über sich brachte, vierundzwanzig ahnungslose unschuldige Glau- bensbrüder in das Verderben hineinzuziehen und ihre Namen als die Mitschuldigen nachzusprechen, wie man es ihm vor- gesprochen oder, wie wir heute sagen, suggeriert hatte. Denn wohl müssen wir zu seiner Ehre annehmen, dass er freudig den Tod würde gelitten haben, ehe er den Mord einer dieser Seelen auf sein Gewissen geladen hätte, aber man liess ihn nicht sterben, sondern man peinigte und marterte ihn, dass es die menschliche Dulderkraft überstieg: und der sittliche

') Vgl. hierüber Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Jahrg. 12, S. 213 und 269, Donath: Ge- schichte der Juden in Mecklenburg, S. 40 ff., die Märtyrer bei Lowenstein: Zeitschrift für Geschichte der Juden in Deutschland, I, S. 194.

") „Hochzeit und Beilager" (Angelus), „Wirtschaft und Kost" (Druckschrift von 1611).

^) Josef von Werben, Mendel von Nauen, Jakob und David von Gardelegen, SmoU von Perleberg, Mosch von Kyritz, Benedictus voq Stendal, Mosch von Pritzwalk, Mosch von Lenzen.

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Wille unter fausend Qualen zusammenbrach." Diese herr- lichen Worte, die David Kaufmann dem Gedächtnis Kabbi Slomans •widmet'"), basieren auf der Annahme, dass Slnmans Aussage es war, durch die jene 24 in den Prozess hineinj^e- zogen wurden. OfTenbar stützt sich Kaufmann hierbei auf die Iloltzesche Darstellung (a. a. 0. S. 26), wo diese Auflassung gegeben ist. Ein genaueres Eingehen auf die Quellen zeigt aber das Irrtümliche dieser Auflassung. Angelus legt die ganze Aussage Jakob in den Mund und berichtet von einer Vernehmung Slomans überhaupt nichts. Die Druckschrift von 1511 wiederum erzählt das Ueberbringen der Hostie nach Osterburg und ihre Misshandlung auf der Hoclizeit als ein- fache Begebenheit, ohne den Bericht einem der Inquisiten in den Mund zu legen. Zum mindesten ist also Holtzes Annahme, die 24 seien durch Slomans Aussage in den Prozess ver- wickelt worden, aus den Quellen nicht zu erweisen. Auflällig bleibt, dass Trittenheim, dessen Darstellung auch hierin den Ruf besonderer Authentizität, den sie geniesst, nicht recht- fertigt, Kabbi Sloman völlig unerwähnt lässt. Nach ihm hat Jakob das Hostienstück an Meyer nach Osterburg ,.überschickl" (transmisit).

In der Aussage Jakobs muss der Passus, der von seiner Verfeindung mit Rabbi Sloman spricht, entschieden auf- fallen. Hält man dieser Feindschaft den ganzen Charakter dieses Jakob, wie er sich in drastischer Klarheit aus den Quellen ergibt, sowie sein Verhalten während des Prozesses gegenüber, so will es scheinen, als wäre die Feindschaft mit Rabbi Sloman verständlich und auch in ihren Ursachen un- zweideutig zu erklären. Ja, es schimmert durch diese „Feind- schaft" fast ein Schein von Slomans rabbinischer und seel- sorgerischer Wirksamkeit hindurch. Jakob, ein xMensch von feigem Wesen und grosser Durchtriebenheit, unterhielt seit langem Beziehungen zu christlichen Kreisen. Wie weit diese

") Berliner-Hoffmanns Magazin für die Wissenschaft des Juden, tums, Jahrg. 1891, S. 60 f.

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Beziehungen gingen, erhellt aus der Tafsache, dass er auf den Märklen die besten Fische aufkaufte und als „Almosen" den Klöstern zu Brandenburg, Berlin und Cottbus schenkte"), lloltze'-) trilVt wohl das richtige, wenn er vermutet, Jakob habe sich gerade durch Unterstützung des Cottbuser Klosters bei dem Bischof Ilieronymus, der vor seiner Investitur zum Bischof Pfarrherr zu Cottbus war, in besondere Gunst setzen wollen. Jakob mied denn auch den i)ersönlichen Verkehr mit Christen nicht und setzte sich sogar über die religiösen Speise- verboto hinwog. Dass Rabbi Sloman dieses Treiben Jakobs ni<'ht gerne sah, ist begreiflich. I\rag er es ausdrücklich ge- rügt haben oder nicht jedenfalls erscheint die zwischen den beiden herrschende Feindschaft erklärlich, zumal Jakob, wie er selber gesteht, die Absicht, sich taufen zu lassen, schon längst mit sich trug, wohl auch ausdrücklich kund- gegeben hatte. Nur sein „Gebrechen" (er war also wohl ver- krüppelt) und seine „Nahrung" hatten ihn bis jetzt von der Ausführung dieser Absicht zurückgehalten. Jetzt, wo das Un- heil über ihn hereinbrach, suchte sieb Jakob durch den Hin- weis auf seine Christenfreundlichkeit zu retten und führte eine lleihe phantastischer Komödien auf, um sich sein Schicksal zu erleichtern. Als er eine Nacht im Gefängnis zu Branden- burg zugebracht hatte, liess er den Bürgermeister Bellin rufen und erzählte ihm, er habe während der Nacht auf jeder Seite des Kerkerfensters vier schöne Jungfrauen gesehen und eine neunte, die mitten im Fenster gestanden, viel schöner als die anderen gewesen sei und die er, da sie mit Sternen gekrönt war, für Maria gehalten habe. Man möge ihm doch zum christlichen Glauben und zur Taufe verhelfen. Bellin liess den sonderbaren Träumer nicht darüber im Zweifel, dass er kein Wort von dieser Geschichte glaube und wies ihn

") Berichtet von der Druckschrift (1611): „Es hat auch derselbig Jacob Jud in die Gravenn Klöster zu Brandenburg, Berlin und Cotbus vil almusen, als die pesten visch auff den merkten gekaufft und in di^ Closter gegeben".

>2) a. a. 0. S. 34.

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mit Nachdruck auf den Verdacht hin, wegen dessen er ver- haftet sei, und den er mit solchen Flausen nicht von sich ab- wälzen könne. Die „peinliche Befragung" Jakobs ging denn auch ohne weiteres vor sich mit dem oben erwähnten Re- sultat. Jakob aber setzte seine Versuche, sich seine Lage zu erleichtern, unermüdlich fort. Auf seinem Transport nach Berlin verstand er es durch seine köri>erliche Gewandheit, sich zweimal unter den Augen der Wächter seiner Hand- fesseln zu entledigen, um eine von ihm gesehene erneute [Marienerscheinung glaubhaft zu machen'^). Schliesslich er-

") Angelas S. 271. Desselbigen Tages gegen den Abend hat der Raht zu Brandenburg Jacob Juden mit eysern Ketten vnnd andern banden am Halse auch an Beinen und Händen und mit einem guten Daumenstock daran sonderlich zwey Schlösser gewesen wol ver- waren lassen vnd ihn auff einen Wagen nach Berlin geschickt. Vnter- wegen als sie mit jm in einen langen Wasserfurt bey dem Dorfte Rossaw kommen hat der Jude den Knecht so neben ihn geritten

zu sich geruffen vnd gesaget das die edle Mutter Gottes Maria bey jhm wäre die hatte jhm den Daumenstock abgenommen. Wie nu die Knechte gesehen das des Jueden Hände frey vnd ledig gewesen

sind sie hart darüber erschrocken fürnemlich weil sie die Schlösser vnnd den Stock geschlossen gefunden.

Der Jude hat angezeiget das Maria die Mutter Gottes für ihm stünde ob sie dieselbe nicht sehen. Dessgleichen hat er auch den Pfarrherrn von Rossaw der in einem anderen Wagen ohngefehr hart hinter ihm gefahren zu mehrmalen gefraget ob er nicht die schöne Jungfrau in dem furth sehe dahin gehen. Sie haben aber alle gesagt, dass sie nichts sehen.

Der Stadtdiener aber hat den Daumenstock wiederumb auffge- schlossen vnd denselben Jakob Juden mit sonderlichem fleiss wieder angeleget vnd auffs härteste angezogen auch die Schlösser eigent- lich und wol zugedruckt und geschlossen.

Bald hernach als sie vor das Dorf Tremmen kommen seyen zu der wüsten Kapell auff dem Berge daselbst gelegen hat Jakob Jude den Dienern abermals angesaget vnd mit seinen Händen beweissliche anzeigunge gethan dass er von Marien der reinen Jvngfrawn abermals vom Stocke vnd von den Schlössern erlediget sey dessen der Diener noch mehr erschrocken in betrachtung wie fleissig er jm den Daumenstock widerumb angeleget vnd hat doch denselbigen Stock und Schlösser ge- pchlossen vnuorsehret vnd wolverwaret gefunden. Der Jude hat jm

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reichte er auch sein Ziel; er wurde getauft und genoss mit einem anderen der verdächtigten Juden, Josef von See- hausen"), der gleichfalls das Christentum annahm, die Ver- günstigung, nicht durch Feuer, sondern durch das Schwert hingerichtet zu werden. Aus der Stadt Brandenburg waren also in den Prozess fünf Juden hineingezogen: Rabbi Sloman, Jakob'') mit seineu beiden Söhnen Smol'") und Nathan'') und der alte Isaak'**).

Wenden wir nun unseren Blick wieder dem Gesamtbilde des Prozesses zu, so ergibt sich die hinterlistige Art seiner Anzettelung mit besonderer Deutlichkeit aus der Tatsache, dass neben der Beschuldigung der IlostienschUndung auch die des rituellen Mordes, der Schlachtung von Christenkindern und ähnlichem auftauchte. Man suchte förmlich nach neuen Opfern, und da die Zahl derselben aus der Hostienanklage nicht vermehrt werden konnte, so musste man seine Zuflucht dazu nehmen, Verbrechen zu ersinnen, um überhaupt Verbrecher strafen zu können'^). Eine grosse Anzahl neuer Opfer, zum Teil auch aus Berlin, wurde so in den Prozess hineingezogen und den alten wurde neben dem Geständ- nis der Hostienschäudung auch das des Kindermordes erpresst. Zwei dieser Mordtaten sollten in Brandenburg geschehen sein, die eine zu Ostern 1509, wo Jakob mit seineu Söhnen Smol

je mehr und mehr von der H. Jungfrawen gesaget auch angezeiget wie sie itzunder vor jm gehe zu der Cappelen vnd in der Cappelen, welche aber der Diener nicht hat sehen können.

'*) Auch er gehörte zu den Privilegierten von 1609; seine Ver- dächtigung erfolgte in Stendal, wohin Salomo von Spandau die dritte Hostienpartikel geschickt haben sollte.

^^) Sein Name ist in den Memorbüchern natürlich nicht genannt.

1*) In den Memorbüchern: »iSn apy ja SniöB'.

") nSn apj?» p jnj.

'*) noS» p n'pTn.

") Mit Recht erinnert Holtze (S. 29) daran, dass sicherlich ein Teil des Volkes nicht abergläubisch genug war, um es für möglich zu halten, dass der dritte Teil einer kleinen Hostie von etwa 30 Personen zerhauen oder zerstochen werden könne, ohne sich in Atome aufzulösen.

und Nathan und einem gewissen ^licliel Monalt einer Bäu- erin ilir Kind um 24 Groschen abgekauft und grausam getötet hätten; an der anderen, die zu Kemiuiscere 1509 geschehen, sei auch Rabbi Sloman beteiligt gewesen. Die Anzahl der Verdächtigten stieg so auf 51. Im ganzen gehörten 21 von ihnen zu den Privilegierten des Jahres 1509. Holtze (S. 33) stellt folgende Berechnung auf: Während sämtliche Privi- legierten zusammen 270 Gulden Zins zu zahlen hallen, betrug der Anteil der nun in den Prozess verwickelten 21 nicht weniger als 238 Gulden, fast acht Neuntel der Gesamt- summe. Gerade die Reichsten also hatte man sich ausge- sucht. Sie, die mit ihrem Besitztum für den Kurfürsten eine ergiebige Finanzquelle werden sollten, sie mussten nun unter den Augen desselben Kurfürsten mit anderen ihrer Glaubens- brüder den Scheiterhaufen besteigen. Dass somit ein ursäch- licher Zusammenhang zwischen dem Privilegium von 1509 und der gegen die Juden erhobeneu Anklage besteht, dürfte ohne weiteres klar sein, lloltze selbst hat allerdings diesen Schluss nicht gezogen. Während er die Beschuldigung des Kindermordes als zu unrecht erhoben erklärt, lässt er (S. 43) in Bezug auf die Iloslienschänduug durchblicken, dass die Juden von einer feindseligen Stimmung gegen die Christen erfüllt waren und hält es für „wahrscheinlich und in ge- wissem Sinne verzeihlich'', dass sie ihren liass an den für jeden Christen heiligen Hostien ausliessen. Man darf diese Darstellung als vorurteilsvoll und eines objektiven His- torikers unwürdig erklären. Wenn lloltze selbst darauf hin- weist, dass fast die Hälfte der Verdäclitigten zu den Privile- gierten von 1509 gehörte, und dass es noch dazu die Reichsten von ihnen waren, so musste ihm der Schluss auf einen in- neren Zusammenhang von Privilegium und Anklage, und da- mit auch der Schluss auf die objektive Unschuld der Juden naheliegen, umsomehr, als er es auffallend findet, dass alle Verdächtigten aus den westlichen Landesteilen, der Alt- mark, der Priegnitz und der Mittelmark stammten, kein ein- ziger aus der Uckermark oder Neumark. Auch hier ist der

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Rückschluss auf das l*iivilegium, das sich nur auf Juden aus den westlichen Laudesteileu bezog, ohne weiteres gegeben. Es ist das Verdienst von Felix Friebatsch, zum erstenmal diesen Konnex hergestellt und den Judenprozess von 1510 als einen politischen Akt gekennzeichnet zu haben, dessen Spitze sich gegen den Landesherrn richtete''^"). Als lieweis für die jeder tatsächlichen (Jrundlage entbehrende Er- hebung der Anklage kann vor allen Dingen auch die ausser- ordentliche, fast krampfhafte Schnelligkeit gelten, mit der der ganze Prozess geführt wurde. Am 9. Juni griff Herr V. Betzschitz in die Untersuchung ein, am 13. legte Jakob in Brandenburg sein Geständnis ab und am 4. Juli wurde die Voruntersuchung geschlossen. In dieser kurzen Zeit wurden gegen 100-') Juden verhört, umständliche Lokaltermine und Konfrontationen abgehalten und 42 konforme Geständnisse erzielt, die 42 Todesurteile möglich machten (Fromm einge- schlossen). Wenn man die grossen Distanzen, die umständ- lichen Transporte aus entfernt liegenden Landesteilen in Betracht zieht, wenn man bedenkt, dass sicherlich kein Ein- ziger der Beschuldigten von vornherein und freiwillig bekannte, sondern der mittelalterlichen Justiz entsprechend bei jedem ein dreimaliges Verhör, zuerst „gütlich", dann „peinlich", dann wieder gütlich notwendig war, dann muss mau staunen über die unerhörte Fülle von Resultaten, die in dieser kurzen Zeit erzielt wurde--). Die wenigen Tage bis zur Exeku- tion des Urteils wurden zu dem formellen Verfahren vor

2°) Felix Priebatscb: Die Hohenzollern und die Städte der Mark im 15. Jahrhundert, S. 189.

*') Ausser jenen 51 Verdächtigten waren etwa 4U nach Berlin ge- bracht worden; die Druckschrift von 1510 berichtet, dass, nachdem 41 Juden bestraft waren, noch gegen 60 Juden in Berlin gefangen sässen, deren Unschuld sich ergeben hätte. Diejenigen der 61, die nicht bestraft wurden, haben entweder die Folter nicht überstanden oder sich durch Flucht gerettet.

--) Vgl. hierzu näheres bei Sello in „Forschungen zur branden- burgischen und preussischen Geschichte", IV, S. 133 f. Priebatscb lässt (a. a. 0.) bereits am 13. Februar die Nachricht, dass Juden in den Prozess

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dem Berliner Schöffengericht benützt. Auch hier macht sich Avieder eine auffallende Hast bemerkbar. Bereits nach dem Termin vom 11. Juli muss der Scharfrichter jene um- ständlichen VorbereituujU'en zur Hinrichtung getroffen haben, die von den (Quellen mit grauenhafter Deutlichkeit erzählt werden-'). So nur war es möglich, dass die Verurteilten am 19. Juli direkt von der Gerichtsstätte zum Richtplatz geführt werden konnten. Es war ein fürcliterliches Schauspiel, das Berlin an diesem Tage in seinen Mauern sah. Zuerst auf dem „Neuen Markt" die unter besonderen Zurüstungen inszenierte Komödie des Richterspruches 1 Dann der Zug der verurteilten Juden durch die Strassen der Stadt bis zum Orte der Hinrichtung, der übrigens nicht, wie man allgemein an- nimmt, gleichfalls der neue Markt war, sondern die Stelle, wo die heutige Weberstrasse mit der Fraukfurterstrasse zu- sammenstösst. Auf diesem Zuge las Rabbi Sloman den Un- glücklichen die Sterbegebete vor und alle stimmten festen Mutes ein: „Hat der eine Rabbi unter ihnen gelesen, wie sonst ein christlicher Prediger eine Oration lese dazu denn

verwickelt seien, an den Kurfürsten gelangen. Dies ist ein Irrtum. Wie sich aus unserer Darstellung ergibt, tauchen erst mit dem 9. Juni jüdische Namen im Prozess auf, aber sicherlich wurden die Vorbereitungen zur Verdächtigung der Juden im Geheimen mit grossem Eifer betrieben; der entdeckte Diebstahl lud förmlich dazu ein.

") „Es hat aber zuvor der Scharfrichter mit seinen helö'er derer aus eigener bewegnuss unerfordert viel dazu kommen. einen wun- derlichen bau zu ihrer straff hinter dem Rabenstein zugerichtet dergestalt und also: Paul Frohmen hat er allein an eine Seule mit Halsseisen vnd banden angebunden und die Seule mit viel gutem Holtz reiss vnd Pech vmbelegt den Juden aber hat er ein Taber- nackel dreyer Manu hoch als starcke Rösten obereinander gebawet Vnd derer jeglichen mit vielem Holtze stro vnd pech etc. beleget vnnd auf eine jede Rösten in die lenge vnd breite starcke Bäume gezogen daran er die Juden ein theil auff die vntersten die andern auff den mittelsten vnnd also förder die vbrigen auff die dritte Rösten also bey den Hälsen mit eysern banden angeschmiedet also dass einer hat in die höhe und der ander vor sich nider sehen müssen". (Angelus S. 276).

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die anderen in ihrer Jüdischen Sprachen alle mit lauter Stimme geantwortet: Amen. Und da sie dasselbe vollendet, haben sie alle zugleich mit lauter Stimme, wunderlichem Geschrey und seltzamen Geberden je mehr und mehr gesungen, biss sie zu der städt des peinlichen Gerichtes geführet und gekom- men seien." Hier beendete die mitleidige Flamme rasch und sicher die (Qualen der Hejammernswerten.

Gegenüber den mannigfachen vorurteiJsvollen Darstell- ungen, welche der Prozess in einigen Geschichtswerken er- fahren hat-'-'), wirken die folgenden Worte, in denen llufrat L. Sc.hneider, der bekannte Vorleser Kaiser Wilhelms 1., jene Vorgänge würdigt, wahrhaft erfrischend-'):

„Man kann sich eines Schauders nicht erwehren, wenn man die Beschreibung dieser Prozedur in den schlichten Wor- ten des alten (Chronisten Angelus liest: Dieser fürchterliche Hohn weitläufiger Formalitäten den unglücklichen, von der Folter zur Verzweiflung getriebenen Juden gegenüber; diese fanatische Gier nach dem Blute andersglaubender, anders- denkender, denen man die unglaublichsten, abenteuerlichsten Dinge aufbürdete und sich dazu berechtigt glaubte, nur weil sie keine Christen waren. Gott seiDank, diese Zeiten sind vorüber, lange vorüber, und wahrlich, nicht eben so vieler Jahre wird es bedürfen, um auch die letzten Schlacken ungerechter Vorurteile abzustreifen-"'). Wie urteilen wir heute über das, was die Juden vor 363 Jahren an körperlichen Qualen erdulden mussten, und wie werden unsere Nachkommen über das urteilen, was sie in späterer Zeit an Vorwürfen, Zurücksetzungen und Anschuldigungen

2* ■' ) Das Tollste hierin leistet die total antisemitische Schrift vou Wykiug: Die Juden Berlins. Aber auch Holtze ist, wie wir sahen, nicht ganz vorurteilslos.

2*) Schriften des Vereins für die Geschichte der Stadt Berlin, Heft 8, S. 19.

2') Diese Worte sind im Jahre 1873 geschrieben. Hätte der edle Schreiber die ersten Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts erlebt, wie bitter hätte er sich in seinen Erwartungen getäuscht gesehen!

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geistig ertrugenV Aber sie haben auch Worte des Trostes, derHoftnung und des guten Willens gehört und diese Worte sind, zur Ehre wahrhaft christlicher Gesinnung, Wahr- heit geworden/'

Die gegen den Landesherrn gerichtete Opposition hätte jedoch mit der blossen Hinrichtung der verurteilten Juden nur ein halbes Ziel erreicht. Wie wir sahen, galt es ursprüng- lich, die Vertreibung aller Juden aus der Mark durchzu- setzen, und auf dieses Endziel sehen wir denn auch die Untersuchung hinarbeiten. Was sonst kann es bedeuten, wenn den Angeklagten unter der Eolter nicht nur das Geständnis ihrer eigenen ^lissetaten erpresst wird, sondern auch die all- gemeine Versicherung, dass alle Juden der JNIark unterein- ander Gelder zusammenzuschiessen pflegten, um Christenkinder zu kaufen, deren Blut sie zu allerlei abergläubischen Zwecken dringend benötigten? Dieser unmittelbare Grund zur Aus- weisung wurde dann noch dahin erweitert, es solle verhütet werden, dass etwa die verschont gebliebenen Juden die Hin- richtung ihrer Brüder auf irgend eine Weise rächten-*^). So wurde allen Juden der Aufenthalt in der ]\Iark verboten, die aus dem Gefängnis entlassenen-") etwa 60 mussten einen fürchterlichen Schwur leisten, die sogenannte Urfehde oder Urphreyde (= Urfriede)-^). Den Inhalt dieses Schwures bildete das Versprechen, das Land zu meiden, andere vor dem Zuzug zu warnen und die erlittene Gefängnishaft nicht zu rächen. Für den Fall des Zuwiderhandelns wünscht sich der Jude, „dass mir die fünf Bücher ]\Ioses nymmer müssen zu hilfe kommen . . . und dass das Schwefel und Pech auf

-*) Nur Trittenheim erwähnt diesen Grund: „Ne . .. necem illorum, qui ))ro demeritis juste fuerunt combnsti, aliquo modo iniuste vindicarent".

^') Nicht alle Vertriebenen, wie König: Annalen, S. 62 annimmt. Der Anfang des Schwures lautet ausdrücklich, der Jude schwöre all denen, „die Rath und That dazu gegeben, dass ich in Gefängniss gekommen."

'^^) Der Schwur ist bei Gercken: Codex diplomaticus branden- burgensia, V, S. 129 abgedruckt. Eine Abschrift bewahrt das Branden- burger Stadtarchiv in dem Simon Rother'schen Kopialbuche aus der Mitte des lü. Jahrhunderts.

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meinem hals müsse gerinnen, dass auch über Sodom und Go- morrlia gerinnet und dass die Erde überfalle und mich ver- schlinge, als sie that Datan und Abiram, und meyn Erde nimmer komme zu meiner Erde und mein Gruss nimmer mehr komme zu andern Gruss .... das helfe mir der Gott, der Mo.vsy erschienen in eynem brennenden Pusch, der doch blieb unverbrinnen, und ich schwere dass bey der Seele, die ich auf den jüngsten Tag vor Gericht bringen muss durch Gott Abraham Isaak und Jakob."

Die Vertreibung der Juden kam natürlich ihren Schuld- nern sehr zu statten. Sie waren auf die einfachste Weise ihrer Schulden ledig und gewannen ihre Häuser, auf welche die Juden für ihre Forderungen Pfandrechte erworben hatten, ohne weiteres wieder. Solche Verschreibungen waren in der ]\Iark in den vorhergehenden Jahren ausserordentlich im Schwange gewesen und Hessen eine gewisse Entwertung des Grundbesitzes befürchten. Gerade die Stadt Brandenburg scheint darin eine Rolle gespielt zu haben, denn noch am 30. November 1508 hatte der Kurfürst dem Kat der Alt- und der Neustadt Brandenburg in einer Verfügung untersagt, künftig die Verschreibung von Geldern auf Häuser der Stadt zuzu- lassen'-^). Die Juden sind hiebei allerdings nicht ausdrück- lich genannt, wozu ja auch eine Veranlassung nicht vorlag. Durch die Judenausweisung aber wurden viele der verschul- deten Immobilien von selbst wieder frei, und in der Aussicht hierauf musste für die Städte ein Ansporn mehr zur Beschul- digung und Verdächtigung der Juden liegen. Wie sehr dieses Moment mitspielte, zeigt die Tatsache, dass auch ausser- märkische Juden in den Prozess und seine Folgen hinein- gezogen wurden, und hier ist es wieder Brandenburg, das die Führung inne hatte. In Braunschweig wohnte ein Jude Ackyn (auch Akiva genannt). Von ihm hatte der Graf Jakob von Ruppin eine grössere Geldsumme geborgt und die

") Riedel A IX, S. 258 f. Es ergingen gleichlautende Verordnungen auch an die übrigen märkischen Städte.

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Herren Hans Retzow und Ambrosius Storbeck, jener Bürgermeister der Altstadt, dieser der Neustadt Brandenburg hatten sich für den Grafen verbürgt. Schuldner wie Bürgen scheinen jedoch in Erfüllung ihrer Ptlichten säumig gewesen zu sein, weshalb der Rat der Stadt Braunschweig am 19. Feb- ruar 1500 den der Stadt Brandenburg bittet, die Bürgen zur Zahlung ihrer Schuld an den Braunschweiger Juden anzu- halten^"'). Auch diesen unbequemen Gläubiger, der von Braun- schweig aus auf Bezahlung seiner Darlehen bestand, wusste man jetzt mit anderen Braunschweiger Juden unschädlich zu machen. Der Weg hierzu war einfach genug. Man brauchte nur die Untersuchung der Hostienschändung entsprechend zu dirigieren. In der Tat berichtet Angelus, Meyer in Oster- burg habe die Hostienpartikel nebst dem in Brandenburg ab- gehauenen Spahn nach der Misshandlung eine Zeitlang ver- graben, dann aber ausgegraben und „dieselbe mit einem anderen Juden weiter nach Brauuschweig den Juden zuge- schickt"^'). Sicherlich haben die Brandenburger Inquirenten bei der Erzielung dieses Bekenntnisses ihre Hand im Spiele gehabt. Der Erfolg blieb denn auch nicht aus. Der Kurfürst veranlasste den Rat zu Braunschw^eig, gegen die dortigen Ju- den vorzugehen. Akiva mit seinen Söhnen und 15 anderen Juden wurden gefänglich eingezogen und mussten am 25. Sep- tember 1510 nach geschworener Urfehde die Stadt verlassen"-). Der Kurfürst war also nach alledem nichts anderes, als der Vollstrecker der Strafen für die von den Städten angezettelten Beschuldigungen, ein willenloses Werkzeug in den Händen derjenigen, deren Forderungen er so lange Widerstand ge-

»«) Riedel A IX, S. 261. ich halte diesen Akyn für identisch mit dem in dem fragmentarischen Protokollbuch der Altstadt Brandenburg (s. oben S. 30) erwähnten Ackina. Er wohnte vermutlich um 1497 noch in Brandenburg, woraus es sich erklären würde, dass gerade die Bürger- meister der beiden Städte Brandenburg sich verbürgten.

"') Die Druckschrift von 1511 berichtet dasselbe Geständnis auch von den Stendaler Juden.

") Die Aktenstücke siehe bei Holtze, S. 7üf.

leistet und die er durch das Privilegium von 1500 zum äiis- sersten gereizt hatte. Priebatsch '') dürfte denn auch nicht fehlgehen, wenn er das Entgegenkommen, welches der Kur- fürst selbst späterhin, im .Jahre 1532, den Juden zu Schwerin und Meseritz beweist, indem er ihnen den Handel in der Mark und den Besuch märkischer Jahrmärkte gestattet"), dar- auf zurückführt, dass sich dorthin die vertriebenen märkischen Juden gewandt hätten und der Kurfürst seine Gunst ihnen wieder zuwenden wollte.

Es hat sich gezeigt, dass die Stadt Brandenburg im IMittelpunkt der Vorgänge von 1510 stand. Sie ist es denn auch, die bis auf den heutigen Tag zwei Erinnerungs- zeichen an jene Vorgänge in ihren Mauern aufzu- weisen hat. Das eine sind einige Messer, mit denen die Juden im Jahre 1510 die Hostie durchstochen haben sollen. Diese Messer werden heute noch im Dom aufbewahrt und den Besuchern des alten Bauwerkes gezeigt. Ursprünglich wurde auch der Tisch, auf dem die Misshandlung der Hostie vor sich gegangen sei, im Dom aufbewahrt, sowie der Kuchen, in den Salomo von Spandau die eine Partikel verbacken haben sollte''^'), und eine bildnerische Darstellung der Hostienschänd- ung war im Chor an einem Spinde angebracht '•'). Der Bischof Hieronymus, der die Gegenstände zum ewigen Gedächtnis im Dom auf- und ausstellen liess, hatte vorher schon für die- selben das Interesse der grossen Menge wachzurufen versucht. Er liess sie in feierlicher Prozession nach Berlin tragen und dort in seiner Kapelle aufstellen. Er fand aber in Berlin damit keinen Anklang, weshalb er sie nach Brandenburg zurückbringen liess •^'). Das zweite Erinnerungszeichen ist der

") a. H. 0. S. 190.

^*) Riedel B VI, S. 385. Vgl. auch: Historische Monatsblätter fiir die Provinz Posen, III, S. 166.

^') Berichtet von Angelas und von Wusterwitz (Riedel D, S. 83).

"") Eine genaue Beschreibung dieser Bilder gibt Garcaeus: Suc- cessiones familiarum, S. 342 f., wahrscheinlich sind sie nach den Holz- schnitten der Druckschrift von 1611 hergestellt worden, s. Holtze S. 44 f.

*■) Hier wurden sie im August 1674 auch vom grossen Kur-

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Käme einer Strasse. Die IIostienschändimK war im Hanse des Jnden Jakob vor sich gegangen, das in der Altstadt lag. Am Orte der Tat liess nun der Rat der Altstadt oftenbar auf der Stelle des eingerissenen Judenhauses eine Kapelle errichten zur Entsühnung für den geschehenen Frevel. Der Bischof Hieronymus bestätigte die Anlegung der Kaj)elle''^) und dotierte dieselbe mit Einnahmen, welche die Pfründe eines Altaristen bildeten. Die Stiftung war jedoch unbedeutend und nicht von langer Dauer. Bereits im Jahre 1541 wurde die Stelle des Altaristen nicht mehr besetzt und die Kapelle

fürsten besichtigt, vgl. Kessel: Das Tagebuch Dietrich Sigisraunds von Buch, Bd. I, S. 18 und die neue Ausgabe dieses Tagebuchs von Dr. F. Hirsch (Berlin 1904), S. 16.

»«) Riedel AVIir, S. 476f.— Iloltze (S. 46) findet es auffallend, dass über sechs Jahre zur Stiftung dieses Erinnerungszeichens gehört hätten. Die Urkunde ist nämlich vom Mittwoch, den 6. November 1616 datiert. Holtze erklärt deshalb die Jahreszahl für einen Schreibfehler des Notars. Es müsse 1510 heissen, zumal, wie II. berechnet, in diesem Jahre, nicht aber 1616, der 6. Nov. auf Mittwoch fiel. Diese Kombination wird durch einen im Zerbster Stadtarchiv (Abt. II N. 211) liegenden Brief zum mindesten insoweit erschüttert, als sich aus ihm ergibt, dass 1510 die Kapelle noch nicht gebaut war. Der Brief lautet:

„Unsre fruntliche dynste thuvoren erssamen wisen besundern günstigen guten frunde als wy dan eine Nie kerke hew by vns up der stede dar die vngelövigen vorstockten bosshaftigen jüden dath hochwerdige sacrament mutwillich vnd nach oren gefallen vorhandelt vnd gemartert: tho bowen vnd up thoruchten angefangen Di wi ahne fremde lüde almissen nicht füll- brungen konen, hebben wy dorwegen briwesteiger die vnse mitbe- swaru huessboscther bürger syn die sulliche almissen thu biddende vorordnet vnd uthgeferdiget, fruntlich biddende willen die sulige ume gods willen: vnd vnser varbade mit dem besten fordern vnd by juw sulche almissen thu biddende vorgunen vnd thustadenn das werdt Juw der almechtiger godt vngetwifelt wol belonen, vnd wy willen sulches ume juwe ersamkeit mit vnsen fruntlichen dynsten gerne vordynen, dat dinstags in der octan assumption virginis anno etc. vndecimo vnde vnsen decret. Burgemester vnd Rathmanen der Oldenstat Brandenborch". liier also betont im Jahre 1511 der Rat der Altstadt, dass er den an- gefangenen Bau der Kapelle nicht vollenden könne, weil es an Geld fehle, und bittet Zerbst um einen Beitrag. Die Urkunde bei Riedel aber

aufgelöst'^). Das alte Bauwerk ist verschwunden. Die heu- tige Kapellenstrasse trägt, wie Schilimann'") wohl richtig vermutet, seinen Namen.

Wir haben in unserer Darstellung besonderen Nachdruck auf die Momente gelegt, ans denen sich der Prozess als eine künstliche politische Veranstaltung erweisen lässt. Damit ist, wie gesagt, von selbst der »Schluss auf die Unschuld der Juden gegeben. Diese Unschuld hat sich denn in der Tat etwa 30 Jahre später herausgestellt. Joachim I. Avar 1584 gestorben. Sein Sohn Joachim II. hatte den kur- fürstli(^hen Thron bestiegen und der Reformation, gegen die sein Vater sich ablehnend verhielt, die brandenburgischen Lande geöffnet. Eine bedeutsame Etappe auf dem Wege zu diesem Ziele bildete jene im Frühling des Jahres 1539 zu Frankfurt am Main stattgehabte Versammlung, auf der die protestantischen Stände des deutschen Reiches, unter Führung des Kurfürsten von Sachsen und des Landgrafen Philipp von Hessen, sowie auf Vermittlung der Kurfürsten von der Pfalz und von Brandenburg mit dem deutschen Kaiser Karl V. jenes Abkommen trafen, welches unter dem Namen des „Frank- furter Anstandes" bekannt ist. Neben den grossen Fragen

setzt den Bau der Kapelle als vollendet voraus („prope eaudem capellana de novo extructam"). Ein anderer, weit drastischerer Fehler der Urkunde wirft allerdings ein bedenkliches Licht auf die Aufmerksamkeit des No- tars! Er schreibt: „In loco, quo perfidissimi Judei Teyle s.icramentum corporis domini nostri variis aflfecerunt contumeliis". Auf Grund dieser Stelle zählt Heffter im Namensregister zu Riedels Codex diplomaticus unter den Brandenburger Juden auch eine Familie Teyle auf. Nun hat aber ein Jude dieses Namens an der Hostienschändung nicht teilgenommen. Der P'ehler entstand einfach aus der dem Notar gewordenen Mitteilung, die Kapelle sei an der Stelle errichtet, an der die Juden Teile der Hostie geschändet hätten. Der Notar hielt „Teile" für den Namen der schändenden Juden und konstruierte demgemäss seinen Satz. In einer Nachbemerkung der Redaktion des „Brandenburger Anzeiger" (1892 No. 37) zu dem Be- richt über einen den Prozess von 1510 behandelnden Vortrag des Herrn jSeh. Koramerzienrat Gumpert ist der Jude Teyle gleichfalls noch zu finden.

»») Riedel A IX, S. 283.

<") Schillmann; a. a. 0. S. 522.

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der Zeit waren es am-h die Angelegenheiten der Juden, die damals das Interesse der Fürsten lebhaft bewegten (vgl. z. B. Lenz: Briefwechsel Landgraf Thiliiips von Hessen mit Bulzer L S. r)5 f\'.) Auch auf dem Frankfurter Tag kamen diese Angelegenheiten zur Sprache. Der Kurfürst von Sachsen hatte vor, die Juden aus seinem Lande zu verweisen; Joachim IL scheint ihn in diesem Vorhaben bestärkt und als Beweis für die Schädlichkeit und Gefährlichkeit der Juden die Ereignisse des Jahres 1510 betont zu haben. Da trat in Frankfurt kein geringerer als Philipp Melanchthon auf und wies glaubhaft nach, dass die Juden in der ^Mark 1510 unschuldig den Feuertod erlitten haben. Paul Fromm habe in der Beichte seinem Pfarrer eingestanden, die Juden fälschlich bezichtigt zu haben. Der Pfarrer habe alsbald seinem Vor- gesetzten, dem Bischof Hieronymus, Mitteilung gemacht, um den Justizmord zu verhüten. Kraft seines Amtes jedoch habe der Bischof dem Pfarrer Schweigen geboten. Der betreuende Pfarrer sei, wie Melanchthon hervorhebt, noch am Leben „und ist wahrhaftig bei Wuttemburg." Als Zeugen für die Wahrheit seiner Behauptung brachte Melanchthon bei: Martin Butzer, den grossen Judenfeind, Batt von Dunzenheim und St. Böckel, zwei Strassburger Edelleute, die als Dele- gierte Strassburgs an dem „Frankfurter Tage" teilnahmen. Die drei hätten sich mit ihm von der Wahrheit des Vorge- brachten überzeugt. Es darf nicht Wunder nehmen, dass bisher keine Darstellung des Prozesses auf diese Tatsache der späteren Restituierung der verurteilten Juden eingegangen ist. Denn es ist lediglich eine jüdische Quelle, die diese Vorgänge berichtet. Eabbi Josel von Rosheim, jener merkwürdige ]Mann, der im Zeitalter der Reformation als ein Anwalt seiner verfolgten und geschmähten Glaubensbrüder eine literarische und praktische Tätigkeit ohne Gleichen ent- faltete, sich furchtlos den Fürsten und Edelleuten gegen- überstellte, ja bis in die Nähe des kaiserlichen Thrones kam, er hat sich auch auf dem „Frankfurter Tag" eingefunden und trat dort gegen Butzers und Luthers judenfeindliche Angriffe

auf"). In den Memoiren, die er hinterlassen, erzahlt er nun mit einfachen Worten, wie auf dieser Fürstenvcrsammliinf; in der oben geschilderten Weise die Unschuld der märkischen Juden an den Tag kam'-'). Auch in der im Strassburger Stadt- archiv belindlichen Trostschrift, die Josel nach den Angriffen Hutzers an seine Brüder richtete, weist er auf die wunder- bare Entdeckung hin'-'). Man wird leicht dazu neigen, gegen diese Nachricht, da sie aus jüdischer Quelle stammt, miss- Irauisch zu sein. Indessen muss man bedenken, dass alle tatsächlichen historischen Angaben, die Josel in seinen Me- moiren macht, sich durchweg als zuverlässig erweisen, wenn man sie an der Hand anderer zeitgenössischer Quellen nach- ]>rüft"). \\'enn gerade über die von Josel berichtete Ent- deckung der Unschuld der märkischen Juden anderweitige Zeugnisse sich nicht auffinden lassen, so ist dies wohl be- dauerlich, darf uns aber nicht wundern, denn die über den „Frank furter Tag" vorhandenen Berichte^') erstrecken sich ledig- lich auf die rein politischen Verhandlungen; die jüdischen Dinge lagen völlig ausserhalb ihres Bereiches und bildeten in Frankfurt wohl auch nur eine Episode. Es gibt aber einen indirekten Beweis für die Wahrheit des von Josel Erzählten. Dieser Beweis liegt in dem späteren Verhalten Joa- chims II. gegen die Juden. Er begünstigte sie auf jede

«') Vgl. L. Feiichenfeld: Rabbi Josel von Rosheim, S. 126, Bresslau in der Zeitschrift für Geschichte der Juden in Deutschland, V, S. 317.

*») Vgl. den Wortlaut in „Revue des etudes juives" XVI, S. 92f., siehe auch ebenda S. 99 und Bresslau: a. a. 0. S. 316. Lehmann hat in seinem Roman „Rabbi Joselmann von Rosheim" auch diese Episode erzählend ausgeschmückt; er nennt den Pfarrer, dem Fromm seine Lüge eingestand, Eusebius Niger, aus Genthin gebürtig, und lässt ihn selbst in Frankfurt vor den Fürsten das Geständnis Fromms ausführlich erzählen.

") Das Aktenstück s. bei Feilchenfeld a. a. 0. S. 180 ft'.

**) S. Bresslau a. a. 0.

**) Vgl. Winckelmann: Politische Korrespondenz der Stadt Strass- burg im Zeitalter der Reformation, II, S. 539 ff. und Nuntiaturberichte aus Deutschland, Erste Abt., I, 2,

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Weise, derart, dass in den vierziger Jahren nicht nur der Rat von Berlin^ sondern auch Luther den schädlichen Ein- tluss beklagte, den die Juden auf den Kurfürsten ausübten"^). Gestalten, wie ]\nchael Juda, jene von dem Schimmer des Volkstümlichen umkleidete Persönlichkeit, die bei Joachim II. in hohen (Jnaden stand'") und der bekannte jüdische Münz- meister Lippold, der das unbegrenzte Vertrauen seines fürst- lichen Herrn genoss und nach dessen Tode ein so grauenhaftes Ende fand, beweisen deutlich genug die geradezu freundliche Stellung Joachims II. zu den Juden, die besonders klar auch aus den von Kohut verrilfentlichten Verhandlungen hervorgeht, welche der Kurfürst mit dem Rat von Frankfurt a. 0. über die Aufnahme von Juden in diese Stadt führte ^'^). Die Wahr- scheinlichkeit, dass die auf dem Frankfurter Tag ans Licht gekommene Unschuld der märkischen Juden wirklich, wie Josel erzählt, einen tiefen Eindruck auf den Kurfürsten machte, dass der Sohn, in dem Bestreben, den entsetzlichen Irrtum des Vaters wieder gut zu machen, den Glaubensbrüdern der schuldlos Gemordeten seine volle Gunst zuwandte, ist ohne weiteres zuzugeben. So würde sich die Judenfreundlichkeit Joachims IL auf einfache und ungezwungene Weise erklären; die Annahme blosser finanzpolitischer Gründe vermöchte hiezu kaum auszureichen. Josel erzählt ausdrücklich, dass er als- bald nach der aufsehenerregenden Entdeckung bei dem Kur- fürsten für seine Brüder die Erlaubnis erlangt habe, in seinem Lande „zu handeln und zu wandeln, das uns nun 30 jar verpoten und versperret gewesen"^"). In der Tat datiert die energische Unterstützung, die der Kurfürst den Juden angedeihen liess, vom Beginne des vierten Jahrzehnts an.

««) Vgl. Bresslau a. a. 0. S. 318, Note 1.

*') Vgl. über ihn Geiger: Zeitschrift für Geschichte der Juden in Deutschland, II, S. 340 f.

*") Kohiit: Geschichte der deutschen Juden, S. 540f. nach einem im Besitze des Vereins für jüdische Geschichte und Literatur in Frank- furt a. 0. betindlichen Manuscript.

") Feilchenfeld a. a. 0. S. 18L

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Kurz, das Zeugnis Josels erarheint vollauf gpniigpnd, um als Ergebnis unserer Darstellung festzuhalten: Die märkische Tragfidie des Jahres 1510 hat mit einem Justizmord geendigt, dessen Schuld auf den Brandenburger Bischof llieronymus, den „Spiritus rector" des ganzen Pro- zesses, zurückfällt''''').

Wir sahen, wie bereits unter Joachim 11. wieder Juden in die IMark Aufnahme fanden. Dass sie auch in der Stadt Brandenburg um die Mitte des 16. Jahrhunderts aufs Neue zu linden waren, dafür ist uns ein, allerdings indirektes, Zeugnis erhalten, das zugleich ein drastisches Licht auf die krasse Feindseligkeit wirft, mit der man ihnen auf christ- licher Seite auch jetzt wieder gegenüberstand. Um 1560 amtierte in Brandenburg der Bürgermeister Simon Rother. Er legte ein Kopialbuch brandenburgischer Urkunden an, das im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Für seine Sammlung ver- fasste Kother auch eine Uebersetzung der oben (S. 15) er- wähnten Urkunde, durch die Ludwig der Baier 1323 der Altstadt die Aufnahme von Juden gestattete. Als er diese

*'») Der Kuriosität halber magerwähnt sein, dass man dem Doctor Pomeranus Bugenhagen, dem bedeutendsten Vertreter der deutschen Kirchenreformation neben Luther und Melanchthon, nachgesagt hat, er stamme von einem der Berliner Märtyrer des Jahres 1510 ab. Der nieder- deutsche Chronist Johan Oldecop erzählt, er habe in Wittenberg sagen hören, die Verbrennung der märkischen Juden habe in Spandau statt- gefunden und der dortige Bürgermeister Hening Bugenhagen habe den unmündigen Sohn eines der Verbrannten adoptiert und taufen lassen. Der Getaufte sei ein grosser Gelehrter geworden, und Luther habe von ihm Hebräisch gelernt („die Chronik des Johann Oldecop", ed. Euling, Tübingen 1891, S. 33f.). Herr Dr. Brann-Bresslau, dem ich diesen Hinweis verdanke, nimmt sicherlich mit Recht an, dass die Sache ein leeres Gerede ist, das von katholischer Seite ausging, um Bugenhagen zu diskreditieren. Bugenhagen war in Wo 11 in in Pommern 1485 geboren, wäre also 1610 bereits 25 Jahre alt gewesen. Sein Vater war Ratsherr in Wollin. Keiner seiner Biographen (Bellermann, Vogt, Zitzlaffj erwähnt auch nur andeutungsweise eine eventuelle jüdische Abstammung.

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Uebersetzung in sein Kopialburh eintrug, schickte ihr Rother einleitend die Versicherung voran, er habe die Urkunde ,.umb des wyllen wie folgend verdeutscht, das man darauss sehen möge, das die altten umb die Juden gebetten, da wir zu diesem 1558 Jare über sehen wollten, sie wehe- ren all an die Bäume gehangen "

Die in diesen Worten zum Ausdruck kommende Volks- stinimung sollte schon wenige Jahre später ihre den Juden abholden Wünsche in gründlicher Weise erfüllt sehen. Bald nachdem Joachim II. in Köpenick eines plötzlichen Todes gestorben war, erhob sich das Gerücht, der Kurfürst sei von seinem jüdischen Münzmeister und Finanzminister Lippold vergiftet worden. Lippold, ob seines hässlichen, habgierigen Charakters und seiner bedenklichen linanziellen Machinationen bei Juden und Christen gleich unbeliebt, wurde auf Befehl des Kurfürsten Johann Georg gefangen gesetzt, mit Hülfe der Folter seines Verbrechens überführt und am 23. Januar 1573 gerädert und gevierteilt''"). Alle seine märkischen Glaubens-

*") Die Geschichte und das Schicksal dieses unglücklichen Mannes verdiente eine Monographie. Fest steht seine über alle Massen grosse Habsucht. Wie aus den jetzt erst von Stölzel: Urkundliches Material aus dem Brandenburger Schöppenstuhl Bd. I, S. 662 ff. veröffentlichten Urkunden hervorgeht, war Lippold sogar nicht davor zurückgeschreckt, nach dem Tode seines Bruders Jacob sich das Vermögen der unmündigen "Waisen, für die er als Mitvormund bestellt war, hinterlistiger Weise an- zueignen. Nachdem er gefangen gesetzt war, 1671, klagen Jacobs Witwe und der vom Beth Din in Gnesen neubestellte Vormund Heinrich von Stendal beim Brandenburger Schöppenstuhl auf Herausgabe des Vermögens. Ob Lippold allerdings des Fürstenmordes schuldig war, dürfte gerade deshalb zweifelhaft sein, weil die Volksstimmung bei dieser Bezichtigung sicherlich ein ausschlaggebender Faktor gewesen ist. Bekanntlich ist kein Geringerer als Moses Mendelssohn in seiner Einleitung zu Manasse ben Israels „Rettung der Juden" für Lippold's Unschuld mit überzeugenden Worten eingetreten. Zum mindesten darf es als unverständlich bezeichnet werden wenn die mi ttolalterliche Justiz selbst als Beweis für Lippold's Schuld herangezogen wird. Brachte es doch im Jahre 1876 ein deutscher Schriftsteller fertig, einen Aufsatz über den Prozess Lippold mit den Worten zu schliessen: „Erst späteren Schriftstellern blieb es vorbehalten,

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brüder aber wurden „auf ewige Zeiten" aus dem Lande ver- wiesen. Die Verbannung, die übrigens mit voller liigorosität wohl nie ganz aiirrecht erhalten wurde"''), währte in der Theorie ungefähr hundert Jahre.

einen Recbtsspnich, gejjen den, als er gefällt wurde, niemand etwas einzuwenden hatte, für einen ungerechten zu erklurenl" („Der liär", Jahrg. 1875, S. 1U8).

*') Im Jahre 1650 erneuert Kurfürst Friedrich Wilhelm den Juden das Recht, Jahrmärkte in den Städten zu besuchen (Mylius : Corpus con- stitutionum Marchicarum V, &, TJ'i), und lüTU werden schon wieder Klagen über Vermehrung der Juden laut (a. a. 0. V, 1, b'22}.

III.

Die Anfänge der Gemeinde,

David Samuel.

1671 1728.

Das Jahr 1G71 ist l'ür die Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg von einschneidender Bedeutung. In diesem Jahre nahm Friedrich Wilhelm, der ..grosse Kurfürst", indem Bestreben, die schwach bevölkerte Mark durch vermögende Zuzügler zu stärken und zu heben, fünfzig Judenfamilien, die der „letzten Vertreibung aus Wien" zum Opfer gefallen waren, in die Mark auf). Es ist fast unbeschreiblich, welche Fülle von Folgen weittragendster Art sich an jene Wiener Vertreibung für die Geschichte der deutschen Juden knüpften'"). Man hat oft darauf hingewiesen, wie in der sturmbewegten jüdischen Geschichte jedes schmerzvolle Ereignis den Keim einer neuen, schöneren Entwickelung in sich trug. Diese Wahrheit gilt namentlich von vielen jener Judenaustreibungen, welche die Geschichte in so grosser Zahl aufweist. Als vor- bildlich hiefür kann schon das Beispiel der vier suranischen Gelehrten aus dem zehnten Jahrhundert bezeichnet werden. Zum Zwecke einer Geldsammlung für die bedrängten baby- lonischen Hochschulen ausgesandt, von einem maurisch-spa- nischen Admiral gefangen genommen und als Sklaven verkauft, wurde jeder Einzelne von ihnen an einem anderen Orte der Urheber 'einerneuen wissenschaftlichen Blüte-). So hatte spä- ter das furchtbare Schicksal der Juden in Spanien, die 1492 in

*) Ueber die einzelnen Stadien der Aufnahme vgl. Kaufmann: Die letzte Vertreibung aus Wien und Niederösterreich und ihre Opfer, S. 207 ff.

'») „Dieser österreichische Einschlag im geschichtlichen Leben der deutschen Judenheit erforderte einmal ein Buch für sich selber" (D. Kauf- mann im Magazin für die Wissenschaft des Judentums, 1890, S. 87).

2) Siehe Berliner: Migdal Chananel S. Y ff .

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das Elend hinausgejagt wurden, die Wirkung des Sturmwindes, der die Samenkörner in fernes Erdreich hinwegträgt und sie dorten um so herrlicher aufgehen lässt. In Italien, der Türkei waren es spanische Exulanten, die das Feld der jüdischen Lehre mit den fruchtbarsten Anpflanzungen bebauten. Auch die Wiener Gemeinde barg in ihrer Mitte eine Fülle von Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, und als der grausame Be- fehl der Machthaber die Unglücklichen erbarmungslos von den altgeliebten Stätten hinwegriss, da zog auch die Gelehr- samkeit, das tiefe Wissen, die aufrichtige P^römmigkeit mit hinweg, um an neuen Stätten, auf neuem, fruchtbarem Boden neue herrliche Früchte zu zeitigen.

Für die Juden in der Mark Brandenburg bedeutete die Aufnahme der Wiener den Beginn einer neuen Zeit. Ver- dankt doch dieser Aufnahme eine ganze Reihe märkischer Gemeinden erst ihre Entstehung, so vor allen Dingen Berlin, wo die „Oesterreicher" bald in den Mittelpunkt des aufblü- henden Gemeindelebens traten'^), dann Potsdam, dessen erster jüdischer Bewohner einer der österreichischen Exulanten war^), Frankfurt a. 0., Landsberg, die zwar vorübergehend auch vor 1671 Juden in ihren Mauern hatten, aber als Gemein- den erst von diesem Jahre an in Betracht kommen. Das Privilegium vom 21. Mai 1671') verhiess den Neuaufgenom- menen energischen Schutz, regelte auch ihre religiösen Ver- hältnisse, indem es ihnen die Anstellung von Schächtern und Schulmeistern, die Abhaltung gemeinschaftlicher Gottesdienste in ihren Häusern nicht in besonderen Synagogen ge- stattete, sie von dem lästigen Leibzoll befreite und alle Bürgermeister und Magistrate anwies, die Juden nicht anders wie die übrigen kurfürstlichen Untertanen zu behandeln. Ob- wohl der Form nach nur auf zwanzig Jahre erteilt, be- deutete dieses Privilegium doch das Signal zu einem allge-

') Siehe Geiger: Geschichte der Juden in Berlin, Band I und IL *) Siehe Kaelter: Geschichte der jüdischen Gemeinde zu Potsdam, S. 10.

*) Vgl. Mylius: Corpus constitutionum Marchicarum V, S. 121 f.

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meinen Zuzug von Juden. Zu den Oesterreichern gesellten sich auch Juden anderer Städte, die in der Mark ihre Nahr- ung suchten, und so gestalteten sich die Gemeinden der Mark allmählich zu grösseren Gebilden.

Ueber den Zuzug von Juden in die Stadt Brandenburg ist aus den gedruckten historischen Darstellungen so gut wie nichts zu entnehmen. König veröffentlicht nach Spezifi- kationen des königlichen geheimen Staatsarchivs einige Judenlisteu, die aber erst für das Jahr 1700 einen jüdischen Einwohner in Brandenburg aufweisen'^). Die früheren Listen aus den Jahren 1688 und 1692') enthalten Brandenburg überhaupt nicht. Andererseits findet sich in der von Geiger'') ver- öffentlichten Spezial-Analyse, in welcher das Kammergericht 1684 die verschiedenen Klassen von unvergleiteten", (d. h. nicht mit Schutzbriefen versehenen) Juden aufzählt, als auff Brandenburgk privilegiret " der Jude Jütel Sussmann'-*). Demnach war zu vermuten, dass sich bereits in den ersten Jahren nach der Aufnahme auch in Brandenburg Juden niedergelassen hatten. Diese Vermutung hat sich denn auch bestätigt. Das kgl. geh. Staatsarchiv in Berlin bewahrt über Juden in der Stadt Brandenburg ein Konvolut von Urkunden, welche nicht nur über diese ersten Judenniederlassungen in Brandenburg, sondern auch über die ersten Anfänge der Gemeinde Licht verbreiten und glück- licherweise gerade bis an diejenigen Jahre heranreichen, aus denen die frühesten Urkunden und Nachrichten des Archivs der Synagogengemeinde Brandenburg stammen^*'). So wird durch jene Urkunden des Staatsarchivs in der Geschichte der Gemeinde eine Lücke von etwa sechzig Jahren ausgefüllt, die

*) König: Annalen der Juden in der Mark Brandenburg, S. 127.

') Ibidem S. 105 und 119.

") Geschichte der Juden in Berlin, Bd. II, S. 13.

*) Vgl. über ihn folgende Seite.

1°) Kgl. geh. Staatsarchiv Repositorium 21 Nr. 207 B 1. Die aus diesem Konvolut stammenden Nachrichten bezeichnen wir im I'olgenden der Kürze halber mit: St.-A.

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umso fühlbarer gewesen wäre, als einzelne zerstreute Notizen in den Ratsprotokolleu des Stadtarchivs auf jüdische Persön- lichkeiten aus jener Zeit hinweisen. Wir sind somit in der Lage, in grossen Zügen ein Bild von dem Entstehen der Ge- meinde und ihren ersten führenden Männern zu entwerfen.

Zunächst ist es so gut wie sicher, dass auch in Branden- burg einige der österreichischen Exulanten sich niedergelassen haben. Der oben erwähnte Jütel Sussmann gehört zu ihnen. Wir haben in ihm ohne Zweifel denjenigen Jütel (oder Jüdel) Sussmann zu erblicken, der mit seiner Frau Rebekka aus Eisenstadt auswanderte"). Er liess sich in Brandenburg nieder und trieb Handelsgeschäfte. Aus irgend einem Grunde wurde er im Frühling des Jahres 1674 verhaftet. Seine Frau Kebekka wandte sich an den Kurfürsten mit der Bitte, ihren Mann gegen 20 Taler Kaution aus der Haft zu entlassen. Der Kurfürst verfügt in der Tat beim Rate der Stadt die Ent- lassung (17. April) und gibt bereits am 29. April dem Rate die fernere Weisung, dem Jüdel Sussmann nicht zu ver- w^ehren, „in und ausserhalb der Stadt Handel und Wandel zu treiben"'-). Auf die Dauer scheinen aber diese Handelsge- schäfte nicht sehr einträglich gewesen zu sein, denn Sussmann begab sich bald darauf nach Berlin, wo er, wie viele Andere, ein besseres Fortkommen erwartete. Lange war hier seines Bleibens nicht. Der Kampf gegen die Unvergleiteten, der bereits im Jahre 1672 begann'*), führte am 4. November 1675 zu einer Verfügung an Abraham Isaac und Jüdel Sussmann, sich nach Brandenburg, wo sie vergleitet seien, zurückzu- begeben"). Berlin besass jedoch eine unwiderstehliche An- ziehungskraft. Denn 1685 finden wir, wie bereits erwähnt, Sussmann wiederum auf der Liste der Unvergleiteten, die sich dahin, wo sie vergleitet seien, zu begeben haben'-').

") D. EaufmanD: Die letzte Vertreibung, S. 216. Leider ist bei Kaufmann die Quelle für diese Nachricht nicht ersichtlich. '«) St.-A.

") Geiger: a. a. 0., II, S. 10. ") St.-A. '•) Geiger II, S. 13.

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Die neuen österreichischen Ankömmlinge wurden in den märkischen Städten nicht mit besonderer Freu(h^ bej^rUsst. Wir werden sj>äter noch von den Klagen zu reden haben, die gegen sie erhoben wurden. Zunächst sei berichtet, dass in der Stadt ]irandenburg im Jahre 1073 der Unwille über die Aufnahme der Juden in bedenkliche Tätlichkeiten ausartete. Wenn sich die Juden auf der Strasse blicken Hessen, wurden sie beschimpft und mit Steinen beworfen, oft genug da- durch auch verwundet, nächtlicherweile schlug man ihren Wohnungen die Türen und Fenster ein. Besonders scheinen die Jahrmärkte, auf denen die Juden, wie die übrigen Kauf- leute, ihrem Handel nachgingen, zu Beschimpfungen der Juden geführt zu haben, wobei sich die sogenannten „Krahmdiener" in erster Linie hervortaten. Einmal kam es auf einem Jahr- markt zu einer tumultuarischen Szene, bei der ein Jude seiner ganzen Habe beraubt wurde. Die Zustände wurden immer unerträglicher, und so wandten sich die Brandenburger Juden in ihrer Not an zwei angesehene Berliner Glaubensbrüder, Jeremias Jakob und Abraham Ries, dass sie beim Kur- fürsten um Rat und Beistand bitten sollten. In einem ge- harnischten Dekret vom 11. Juni 1073 führt denn auch der Kurfürst dem Rate der Stadt Brandenburg alle an den Juden verübten Frevel zu Gemüte, weist auf die den Juden erteilten Schutzbriefe und Privilegien hin und fordert den Rat auf, die Täter energisch zur Rechenschaft zu ziehen und den Juden gebührenden Schutz zu leisten'-). Aus der Tatsache, dass gerade Abraham Ries und Jeremias Jakob ihre Stimme für die Juden erhoben, darf ohne Weiteres geschlossen werden, dass diese zu den österreichischen Exulanten gehörten. Denn bald darauf, am 19. September 1073, machten sich die Bei- den im Verein mit Benjamin Frankel wiederum zu Für- sprechern ihrer Brüder und zwar ausdrücklich der vom Kur- fürsten in das Land aufgenommenen Oesterreicher'"). Sie

'«) St.-A., siehe Beilage I.

") Vgl. Geiger II, S. 9. Aus unserer Urkunde (Beilage I) ist auch ersichtlich, dass Jeremias Jakob und Abraham Ries den Titel „Vorsteher"

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vertraten also offenbar die Interessen der Oesterreicher und wurden deshalb auch von ihren engeren Landsgenossen, die sich in Brandenburg niedergelassen hatten, um Hülfe an- gefleht").

Die energischen Vorschriften des kurfürstlichen Dekrets verschafften den Juden sicherlich einigermassen Schutz und Ruhe. Aber die Bemühungen, die unbequemen Konkurrenten wieder los zu werden, hörten nicht auf und führten im Jahre darauf, 1674, zu einer Art Koalition der Kaufleute in den vier märkischen Städten Brandenburg, Berlin, Frank- furt und Rathenow. Sie reichten gemeinsam ihre Bitt- schriften ein, in denen sie dem Kurfürsten ihre Beschwerden vortrugen und auf Wegschaffung der Juden drangen'"). Speziell die Bittschrift der „Kauff- und Handelssleute der Neuen Stadt Brandenburg" klagt in beweglichen Worten, „dass sich allhier die Juden häuffen, die mit allem, was zu erdenken, handeln, Lauffen und fahren, in- und ausserhalb der Jahrmärkte her- umbhausiren und Kauffen an sich allerhandt Leicht- und ge- führten. König (a. a. 0. S. 98) nennt zwölf Berliner Juden, die eine Bittschrift einreichten, fälschlich „Aelteste". In Wirklichkeit sind es lediglich die vergleiteten Juden. Geigers Vermutung, dass zwei derselben, eben Jeremias Jakob und Abraham Ries, eine Art Vorsteheramt ausgeübt haben, wird durch unsere Urkunde bestätigt.

'") Ein bei dem Konvolut befindlicher kurzer Auszug des kur- fürstlichen Dekrets spricht auffallenderweise von dem Befehl an den Magistrat Brandenburg, „den daselbst vergleiteten und in Schutz ge- nommenen Juden Jeremias Jakob und Abraham Ries wider allen Frevel und Muhtwillen gebürend Schutz zu leisten und nicht zu gestatten, dass sie oder die ihrigen einigerley weise an ihr ehr, leib und guter beleidiget werden, auch dem jüngst spoliirten Juden zu dem seinigen volliglich zu verhelfen." Aus diesem Wortlaut scheint hervorzugehen, dass Jeremias Jakob und Abraham Ries in Brandenburg wohnten. Es ist aber sicherlich nur die ungenaue Ausdrucksweise des Kanzlisten, die diesen Irrtum veranlasst. Die Beiden sind zweifellos die, wie wir sehen, auch sonst bekannten Berliner Vorsteher. Abraham Ries war sogar einer der Wiener Abgesandten, die mit dem brandenburgischen Residenten in Wien, Andreas Neumann, über die Aufnahme Verhandlungen pflogen. Vgl. Geiger I, S. 4.

") Geiger I, S. 8, König S. 99 f.

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stöhlen Guth, verfahren die Zölle, verkautTen das an sich gebrachte Zinn, KupHor, Messung, Graven und Klockenguth wider Ew. churf. Durchl. Edikte und ernstl. Verbotte ausser Landes, erschöpfen Land und Leute mit stetiger Betrigerey und lauflen uns auf allen Märkten und Städten vor, so dass wir kaum das fuhrlohn auf den Märkten einlösen und nun- mehro weder uns und anderen helflen können." Des Weiteren versichert die Bittschrift, „wenn diese Leute ferner also im Lande geduldet und ihnen solche Handlung verstattet werden sollte, müssen wir vom Credit gentzlich abkommen und nebst unseren Nachbarn verarmen und verderben." Hieran schliesst sich dann das dringende Ersuchen, der Kurfürst möge nicht dulden, „dass diese Stadt und Bürgerschafft von so nichts würdigen Leuten vollends ruiuiret werde. Sonst ist unser gäntzlicher Untergang vor der Thür, sie aber werden im Gegentheil in grosses auffnehmen kommen, welches Ew. chf. Dl. nicht billichen werden, zumahlen wir bei den Langwieri- gen Kriegswesen mit Guth und Bluth getreulich auss- gehalten-")." Aehnlich lauten auch die Bittschriften der an- deren Städte. Die wörtliche Uebereinstimmung ganzer Par- tien beweist, dass vorher genaue Verhandlungen zwischen den Innungen gepflogen wurden, in denen man den Wortlaut der Bittschriften besprach. All diese Klagen, die den Makel des Konkurrenzneides deutlich an der Stirn tragen und deshalb für das objektive Verhalten der Juden nichts bedeuten, wur- den vom Kurfürsten einfach mit Stillschweigen über- gangen, was um so bemerkenswerter ist, als die Geheimräte in ihrer Meinungsäusserung sich durchaus auf die Seite der Städte stellten. Sie sind der Ansicht, „dass die Juden denen Innungen, Gewercken, auch Kaufleuten und Handelsleuten nicht allein sehr nachtheilig sind, sondern auch weit grössere Freyheiten als die Christen haben" -'). Trotzdem blieb es beim Alten. An den Privilegien der Juden wurde nichts ge-

2«) Kgl, geh. Staatsarchiv, Rep. 21 N. 207 B 2, s. auch Geiger II, S. 15.

^') Geiger a. a. 0.

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ändert, der Kurfürst erwies sich auch jetzt wieder als Be- schützer der aufgenommenen Juden. In Jirandenburg scheint man jedoch auch sj)iiterhiu den Juden wenig Wohlwollen ent- gegengebracht zu haben. Eine Verfügung vom 23. Mai 1685 spricht von einer Klage der Juden der Churmark wider die Bürger der Alt- und Neustadt Brandenburg und fordert die Magistrate beider Städte auf, sich binnen acht Tagen über diese Klage zu äussern-'-). Leider ist nicht zu ersehen, um was es sich hiebei handelte.

Nach dem Tode des grossen Kurfürsten (1G88) begann eine genauere gesetzliche Fixierung der jüdischen Verhältnisse. Kurfürst Friedrich III., der nachmalige erste König von Preussen, Hess unmittelbar nach seinem Kegierungsantritt durch eine besondere Judenkommission alle Geleitsbriefe der in der Mark wohnenden Juden prüfen und erneuerte sie gegen ein gemeinsam zu zahlendes Schutzgeld von 20000 Talern, das schon im Jahre darauf auf 16000 Taler ermässigt wurde. Das letzte Jahrzehnt des siebzehnten Jahrhunderts war ebenso wie das erste des achtzehnten wieder von dem Kampfe gegen die Unvergleiteten erfüllt, der nach und nach eine F'ülle ver- schiedener gesetzlicher Bestimmungen zeitigte-'). Das Ein- strömen fremder Juden in die Mark nahm immer mehr über- hand. Auch in Brandenburg setzten sich einige fest. Die Stadt mit ihrem regen Handel übte auf die Nahrung suchen- den Juden offenbar eine gewisse Anziehungskraft aus. So richtete im März 1698 ein Jude Marcus Guthmann an den Kat der Altstadt die Bitte, ihm die Niederlassung zu gestatten und ihn in Schutz zu nehmen. Er komme aus Amsterdam, wo er Faktor des verstorbenen Königs Johann von Polen gewesen sei. In der Ratssitzung, in welcher das Ge- such zur Sprache kam, wurde unter Anderem geltend gemacht, man solle den Juden gegen ein bestimmtes Schutzgeld auf- nehmen, denn „es wäre besser, öffentliche Juden in der Stadt

22) St.-A.

28) Geiger I, S. 13 ff.

l'\

zu haben als heimliche", sicherlich eine Anspielung auf iin- vergloitoto Juden, die sich in Brandenburg restgesetzt hatten, llebrigens machte ein besonders eifriger Katsherr den Vor- schlag, dem Juden die NiedcM-lassuDg unter der Bedingung zu gestatten, dass er verspreche, „alle Woche in eine luther- ische Predigt zu gehen!" Schliesslich wurde der Jude auf später vertröstet; er machte aber bereits nach zwei Tagen dem Rate das Anerbieten, ihm „einen Becher von einer Mark Silber a 16 Thlr." zu schenken, wenn man ihn in Schutz nehme -^).

Um die Zeit, als die Verhandlungen mit diesem Bitt- steller erfolglos verliefen, lebte in Brandenburg bereits der Mann, den wir als den Gründer der jüdischen Gemeinde be- zeichnen dürfen, über den bisher in der Oeffentlichkeit nichts bekannt war, dessen Bild vielmehr jetzt zum ersten Male aus den vergilbten Blättern heraus der späten Nachwelt entgegen- tritt. Sein Name ist David Samuel. Im August des Jahres 1696 erscheint er in der Neustadt Brandenburg, als ein Flüchtling, der sich vor den Unruhen des Krieges „aus Frankenland wegbegeben" und hier in der Mark eine Zufluchts- stätte sucht. In dem benachbarten Rathenow wohnte bereits ein Vetter von ihm, IMarcus David, der dort vergleitet war, und als David Samuel den Rat um Aufnahme ersucht, bringt er diesen Vetter als „seinen Beystand" mit. David Samuel wird an den Kurfürsten gewiesen-^), und von diesem erhält er am 6. Dezember die Erlaubnis, sich „den Winter über" in der Stadt aufzuhalten und sich „nachgehends wiederumb nacher Frankenland zu begeben." Aber selbst für diese be- schränkte Zeit beherbergte man ihn nicht ohne Entgelt. Er muss sich bei der Ilausvogtei anmelden und das Schutzgeld für die Zeit seines Aufenthalts entrichten-''). David Samuel fasste in Brandenburg festen Fuss und verstand es, binnen weniger Monate das Wohlwollen der städtischen Behörden

") Stadtarchiv: Altstädtische Ratsprotokolle vom 6. u. 7. März 1698. ") Ibidem. Altst. Ratsprot. vom 17. August 1696, 2«) St.-A.

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und der Bürrcer zu erringen. Als er daher mit dem Plane umging, beim Kurfürsten um Erteilung eines Schutzbriefes vorstellig zu werden, fand er den Magistrat der Neustadt ohne Weiteres bereit, sein Gesuch zu unterstützen und ihm zu bestätigen, dass von keiner Seite gegen ihn und seinen Wandel irgend welche Klagen erhoben worden seien-'). Dieses vom 10. Sept. 1697 datierte Attest legte David Samuel im Januar 1698 seinem Gesuch an den Kurfürsten bei und be- tont selbst, dass der Magi.strat es gerne sähe, wenn er in der Stadt bliebe, „zumahleu niemand von der gantzen Bürgerschaft über mich Klage führen, sondern mich alle gerne leyden Können und mögen"-'^). Das so befürwortete Gesuch hatte denn auch prompten Erfolg. Nach kaum vierzehn Tagen, am 5. J'ebruar 1698, wird bereits der kurfürstliche Schutzbrief für David Samuel ausgefertigt-^). In seinen Handelsgeschäften muss David Samuel bald prosperiert haben. Bereits 1700 erscheint er als Besitzer eines eigenen Hauses. Als in diesem Jahre der Kurfürst von d-en Städten Spezifikationen darüber verlangte, „was vor Juden sich in dero Churf. Eanden befinden, welche vergleitet und unvergleitet sind, was die- selben besitzen und womit sie handeln", berichtet der Rat der Neustadt Brandenburg, dass „in dieser Stadt nur ein ver- gleiteter Jude, nahmens David Samuel, sich aufhalte und sein eigen Haus, welches auf 300 Thlr. etwa in Anschlag gebracht werden kann, besitze, davon aber noch über 100 Thlr. schuldig sei, überdem aber wenig im Vermögen habe, also dass seine gantze Haabseligkeit, nach Abzug dessen, was er schuldig, über 400Thlr. insgesambt nicht angeschlagen werden kann, und bestehet seine Handthierung in Felle, Haare, so er durch ein paar Knaben auf dem Lande sammeln lasset, und der- gleichen geringer Schachereye"''*^).

2') Beilage II.

") Beilage III.

") St.-A.

•°) St.-A. Rep. 21 Nr. 203.

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Das Erste, wofür David Samuel bald nach seiner Nieder- umg Sorge trug, war die Schaffung eines gemein- samen Gottesdienstes. Besondere Synagogen zu halten, war verboten. David Samuel richtete also ein Zimmer seines eigenen Hauses als gemeinschaftlichen Betraum ein, und wir finden noch nach zwanzig Jahren die „Cammer im Hause David Samuels" erwähnt, in welcher der Gottesdienst statt- finde"). Das Haus lag „zwischen den Städten", in dem Teil der Hauptstrasse, der von der Havel bis zur heutigen Wollen- weberstrasse zieht und früher „Venedig" hiess '-'). Die sicher nicht unbeträchtlichen Kosten, welche die Einrichtung und Unterhaltung des Bethauses erforderte, bestritt David Samuel während mehrerer Jahrzehnte ganz allein'*'). Dass er dabei auch das Amt eines Vorstehers ausübte und den Gottesdienst selbst leitete und beaufsichtigte, ist selbstverständlich"). Die uneigennützige Opferwilligkeit dieses merkwürdigen Mannes ging aber noch weiter. Er war es auch, der auf seine Kosten einen „Schulmeister" hielt''^) und diesen den übrigen jüdischen Einwohnern als Schächter zur Verfügung stellte. Dieser Schulmeister fungierte auch beim Gottesdienst als Vorbeter'^'^).

In besonders interessantem Lichte erscheint David Sa- muel durch seine Bemühungen, den moralischen Stand der jungen Gemeinde auf einwandsfreier Höhe zu erhalten. Die jüdischen Zuzügler mehrten sich. David Samuel aber hatte ein wachsames Auge auf jeden, der sich in Brandenburg nieder- lassen wollte. Er zog seine Erkundigungen ein, und sobald diese ungünstig ausfielen, suchte er die Niederlassung des Betreffenden mit allen Mitteln zu hintertreiben. Er wollte

3') Siehe Beilage VII, Nr. 1.

'■) „David Samuel, der Jude zwischen den beiden Städten" wird er in dem altst. Ratsprotokoll vom 23. März 1703 genannt. 8») Beilage VII, Nr. 1. »♦) Ibidem Nr. 4. ") Ibidem Nr. 7. »«) Ibidem Nr. 8,

IC)

keine moralisch anrüchigen Existenzen in der Gemeinde haben. So berichtet er im März 170:5 dem Kate der Altstadt, „dass zwei Juden sich hier setzen wollen, welche beyde im Lande verdächtig und der eine seiner Braut entlauflen, deren Mit- gäbe mitgenommen und sich in Ziesar gesetzet, habe 5 6 Knechte gehalten und dadurch den König und den Zoll be- trogen." Der andere habe in der Hausvogtei gesessen wegen Schulden. Der eine Jude heisse Marcus Meyer, der andere Marcus Jacob. David Samuel will gegen die Niederlassung der Beiden beim König Protest erheben und bittet deshalb den Magistrat um ein Attest, „dass Se. kgl. ]\Iaj. ihn mit dergleichen bösen Leuthen nicht möchte belegen, sondern das kgl. Privilegium auch auf die Altstadt extendiret werde, er wolle sich niederlassen und Schutzgeld geben" ^"). Der Magistrat leistete seiner Bitte Folge und stellte ihm ein Attest aus, in welchem ihm wiederholt seine tadellose Führung be- stätigt und zugleich berichtet wird, dass er „insonderheit an- fangs viele Verdriesslichkeiten von seinen Nachbarn und an- deren" ausstehen musste. Der Magistrat macht ausserdem gegen die Niederlassung der beiden Juden noch einige Gründe lokaler Natur geltend, die ein bezeichnendes Licht auf die Ge- sinnung des Magistrats und auf die Zustände innerhalb der Stadt werfen-*'^). In seinem Gesuch an den König kommt David Samuel noch ausführlicher auf die bedenkliche moralische Qualität des Einen der beiden Juden zurück. Er fürchtet, durch denselben mit blamiert zu werden und bittet, nicht zu gestatten, „dass dieser fameuse Älensch mit seiner leichtfer- tigen Rotte zu meinem grössten Unglück und Kränkung meines Ehrlichen nahmens sich allhier niederlassen möge, und ich alsdann würde mit entgelten müssen, was sie verschuldet" '^). Eventuell erbiete er sich, dafür zu sorgen, dass ein „redlicher Mann" sich in der Altstadt niederlasse. Es scheint, dass

»') Allst. Ratsprotokoll vom 23. März 1703. «8) St.-A. Siehe Beilage IV. ») St.-A. Siehe Beilage V,

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David Samuels Bemühungen P^rfolg hatten. Die Namen der beiden Juden sind weiterhin nicht mehr zu linden'").

Weniger glücklich war David Samuel in einer anderen, ähnlichen Sache, bei der es sich nicht darum handelte, die Niederlassung eines Juden zu verhindern, sondern einen be- reits ansässigen aus der Stadt zu entfernen. Mit diesem Manne, dessen Name Israel Jacob Joseph, führte David Samuel mehrere Jahi'e hindurch einen förmlichen Kampf. Er liess sich um das Jahr 1702 in Brandenburg nieder. Einen Schutzbrief besass er nicht, sondern berief sich auf die „son- derbare Spezialgnade", durch die seinem Vater Jacob Joseph in Berlin das Schutzpatent dahin erweitert wurde, dass ihm und allen seinen Kindern gestattet sein solle, sich in allen Städten der Churmark niederzulassen. Sicherlich haben wir in ihm einen Sohn jenes österreichischen Exulanten Jakob Joseph zu erblicken, von dessen besonderem Schutzpateut König") berichtet. Israel Jacob Joseph liess sich in Branden- burg mancherlei zu schulden kommen. Seine Handelsgeschäfte waren oft anrüchiger Art, er stand erwiesenermassen mit Dieben in Verbindung und übte allerlei „lose Händel". David Samuel hat ihn sicherlich zur Rede gestellt und zum Guten ermahnt. Aber vergeblich. Israel verklagte ihn beim König und verbitterte dem durch Krankheit geschwächten David Samuel das Leben, wo und wie er nur konnte. Jacob Joseph, Israels Vater, griff selbst in den Streit ein und erreichte durch ein Gesuch, dass der König den Magistrat der Neustadt Bran- denburg anwies, „Jacob Josephs Sohn Israel als einen ver- gleiteten Juden in der Stadt wohnen zu lassen"^'-). Im Januar

*°) Marcus Mejer, der eine von ihnen, hatte einige Monate später in Ziesar mehr Glück. Durch Schutzbrief vom 18. Sept. 1703 wurde er „auf Ziesar vergleitet". St.-A. Rep. 21 Nr. 213 Z a.

*') A. a. 0. S. 133, siehe auch Geiger II, S. 37 und Kaufmann: Die letzte Vertreibung, S. 216. König gibt als Datum des Patents den 4. Juni 1704 an. Nach einer Urkunde unseres Konvoluts ist die Jahres- zahl in 1700 zu berichtigen. Jacob Joseph war übrigens einer der Armenvorsteher in Berlin.

*2) St-A. Rep. 21 Nr. 206.

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des Jahres 1710 erreichte der Kampf seinen Höhei)iinkt. David Samuel griü' zu dem letzten Mitte], Er richtete ein Gesuch an den König, brachte in eindringlichen Worten seine Klagen vor und drängte auf Ausweisung seines Gegners^^). In einer Beilage führte er auf Grund eines amtlich beglau- bigten Verzeichnisses alle von seinem Gegner bereits ver- büssten Strafen auf. Der König verlangte vom Magistrat Bericht über die Sache. Der IMagistrat stellte sich auf David Samuels Seite, bestätigte, dass Israel keinen Schutzbrief habe, dass viel Rühmliches von ihm nicht zu melden sei und er deshalb angewiesen werden möge, ,. seine Nahrung anderweitig zu suchen." Darauf erging denn der königliche Befehl, den Beklagten aus dem Lande zu schaffen. Israel wehrte sich energisch, und schliesslich bedurfte es in der Tat nur eines nachdrücklichen Hinweises auf die seinem Vater für seine Kinder erteilte Konzession ^^), um den Gegner aus dem Felde zu schlagen. Der König verfügte, dass Israel in Branden- burg bleiben dürfe, sobald er sein Schutzgeld zahle'"').

In der kleinen Gemeinde, für deren Gottesdienst und sonstige religiöse Bedürfnisse David Samuel Sorge trug, stellten sich allmählich Misshelligkeiten heraus. Die gottes- dienstlichen Zusammenkünfte wurden nicht regelmässig be- sucht, sodass bei der kleinen Zahl von ^Mitgliedern wohl oft aus Mangel an der erforderlichen Zehnzahl von Betern der gemeinsame Gottesdienst unmöglich wurde. In den Gottes- diensten selbst machte sich bei der Vollziehung religiöser Funktionen unliebsame Eifersucht geltend; Spenden, die man gelobt hatte, waren nicht beizutreiben, die Unterstützung der durchreisenden Armen wurde vernachlässigt, hie und da Hessen Einzelne sich zum Schächten des Viehes unter Umgehung des von David Samuel gestellten Beamten einen fremden Schächter holen, zur Besoldung des an den hohen Festtagen benötigten

") St.-A. Siehe Beilage VI.

*•) Die Konzession war dem Vater am 31. Dez. 1707 vom König nochmals ausdrücklich bestätigt worden. St.-A. Rep. 21 Nr. 2U3a. ") St.-A.

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Ililfsvorbeters weigerten sich Manche beizutragen und Aehn- liches mehr. Wir gehen wohl nicht lehl, wenn wir die Seele dieser Opposition in Israel Jacob Joseph vermuten. David Samuel besass nicht die genügende Autorität, um all diesen Uebelständen zu steuern und geordnete Verhältnisse herbeizu- führen. Es blieb ihm nichts übrig, als sich an die vorgesetzte Behörde zu wenden. Das war für alle religiösen Streitig- keiten der Rabbiner zu Berlin, dessen Amt um jene Zeit (1717) R. Michel Chassid verwaltete. Gerade dieser be- sass jedoch, so lange sein Vorgänger Aaron Benjamin Wolff lebte, nur die Jurisdiktion über die Juden der Re- sidenz, während die Mark dem Spruche des seit 1714 in Frankfurt a. 0. lebenden Benjamin Wolff unterstand^''). An ihn scheint sich David Samuel gewendet zu haben, und zwar mit Erfolg. Wolff begab sich persönlich nach Brandenburg zur Inspektion der Gemeindeangelegen- heiten. Er überzeugte sich von den herrschenden Miss- ständen, vernahm die einzelnen Mitglieder und Hess einen Jeden seine Einwände vorbringen. Dann traf er über die einzelnen Punkte genaue Anordnungen und spezifizierte dieselben in einem Berichte an den Rat der Stadt, den er auf Grund seines königlichen Privilegiums bat, auf genaue Ausführung der An- ordnungen zu achten. David Samuel, der schon vermöge seines lebendigen Interesses und seiner Jahrzehnte hindurch geübten Opferwilligkeit eine gewisse führende Stellung in der Gemeinde einnahm, wurde durch die Verfügung des Rabbiners in dieser Stellung befestigt und vor böswilliger Belästigung durch Strafandrohungen gegen die „Verbrecher" geschützt. Der Gottesdienst in seinem Hause wurde als offizieller Gemeinde- gottesdienst anerkannt. Wer am Sabbat diesem Gottes- dienst fern blieb, hatte einen Spezies-Dukaten Strafe

") Vgl. König, S. 261, Landshuth: üv »ra« nnSin, S. 7 f. Die un- gewöhnliche Namensform Arnd Benjamin Wolff, die Landshuth von König übernommen hat, beruht sicherlich, obwohl sie tatsächlich auch in Ur- kunden handschriftlich zu finden, auf einem Schreibfehler. Unsere Urkunde (Beilage VII) zeigt die klare Unterschrift Aaron B. W.

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zu erlegen, von dem ein Drittel den Armen, zwei Drittel dem König zufielen. Zur Bestreitung der Armen- unterstützung machte der Rabbi unter den Mitgliedern eine Umlage je nach dem Vermögensstand. Die Armenbüchse, welche die Beträge aufnahm, sollte jeden Monat ein Anderer zu sich nehmen, den Schlüssel zu ihr aber wieder ein An- derer. Bei Strafe wurde verboten, durch einen fremden Schächter das Vieh schlachten zu lassen. Die Einkünfte dieses Amtes sollten vielmehr dem von David Samuel bestellten Beamten zur Verbesserung seiner Lage zufallen. Auch für den beim Aufrufen zur Thora erteilten Segen {'(^2V^ "c) hat Jeder nach seinem Belieben „dem Schulmeister etwas zu geben" und zur Besoldung eines Hilfsvorbeters für die hohen Feste nach seinen Verhältnissen beizutragen.^")

Von lauger Dauer scheint aber diese Neuordnung der religiösen und Gemeindeverhältnisse nicht gewesen zu sein. Die Ungefügigkeit der Mitglieder machte sich bald wieder geltend. Die führende Stellung, welche dem David Samuel durch die Autorität des Rabbiners ausdrücklich eingeräumt war, wurde von den Mitgliedern nicht anerkannt, und wenn wir auch von positiven IMisshelligkeiten nichts mehr hören, so zeigt doch eine im Jahre 1720 neu getroffene Massregel, dass eine gründliche, unter königlicher Bestätigung geschaffene Ordnung der Verhältnisse für dringend notwendig erachtet wurde. Brandenburg stand offenbar mit seinen zerfahrenen Gemeindezuständen nicht allein; ähnliche Klagen kamen auch aus anderen Städten der Mittel- und Uckermark. Des- halb benutzten fünfzehn jüdische Männer, die „vornehm- sten und reichsten Schutzjuden", ihre Anwesenheit in Frank- furt a. 0. während der Margarethenmesse, um am 16. Juli 1720 im Hause des Rabbiners Aaron Benjamin Wolft" unter dessen Vorsitz eine Versammlung abzuhalten, in welcher man zur Ordnung der Verhältnisse die auf drei Jahre geltende Wahl von fünf Parnassim oder Landältesten beschloss. Es

*') Siehe den Wortlaut des interessanten Aktenstückes Beilage MI.

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wurden gewählt: Markus Magnus und Bendix Fürst in Berlin, David Samuel in Brandenburg', Marcus Samuel in Strassburg und Israel Marcus in Biesenthal^'*). Am 21. August berichtet die Judenschaft der Mittel- und Ucker- mark über die vollzogene Wahl an die Regierung und bittet, die Wahl „durch königlichen Beschluss zu konfirmieren'' und die gewählten Aeltesten zu autorisieren, „dass mit einmahl die bisher unter uns gewesenen Unordnungen wieder in guter Ordnung gebracht werden mögen'"''). Die Regierung selbst war um jene Zeit auch ihrerseits mit einer gründlichen Unter- suchung des gesamten „Judenwesens" in der Mark beschäf- tigt. Infolge einer am 3. April 1720 ergangenen königlichen Verordnung waren in allen Gemeinden durch geheime Räte ge- naue Erhebungen angestellt worden. Man hatte die einzelnen Gemeindemitglieder selbst vorgeladen und vernommen, offen- bar um einen möglichst tiefen Einblick in die Auflassung zu gewinnen, welche bei den Juden selbst über ihre Verhältnisse vorwaltete. Man scheute selbst vor dem überaus umständ- lichen Geschäft nicht zurück, die von der Regierung vorge- schriebenen vierundvierzig feststehenden Fragen jedem Mitgliede der Gemeinde einzeln vorzulegen. Das Endresultat dieser Erhebungen war die Konstatierung der Tatsache, dass das Judenwesen in der Mark sich „in grosser Confusion" be- finde. Der Regierung war es darum sehr willkommen, dass die Juden ihr durch jene Frankfurter Versammlung selbst in die Hände gearbeitet hatten. Sie erklärte durch ein Edikt vom 17. Oktober die Bestellung von Aeltesten „und anderen Vorstehern" für durchaus notwendig und bestätigte ausdrück- lich die im Einverständnis mit dem Rabbiner vollzogene Wahl jener fünf Landältesten. Als ihre Aufgabe wurde be- zeichnet: „Haben auf Ordnung zu achten, des Königs Inter- esse zu wahren, Spezifikation von Zahl, Zustand und Vermögen der Juden zu fertigen und beim Minister abzuliefern, die Ab-

") St.-A. Rep. 21 Nr. 206. «) Ibidem.

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fiihrung der Gelder zu kontrollieren, die Niederlassung fremder Juden bei 100 Dukaten Strafe zu verhindern, die Anlagen mit Zuziehung des Kabbiners zu machen"^'").

üie Wahl David Samuels für den havelländischen Bezirk lässt auf das grosse Ansehen schliesseu, das dieser Mann sich zu erringen verstanden hatte. Dass er zu den „reichsten Schutzjuden" gehörte, bestätigt uns seine eigene Angabe, er besitze ein Vermögen von 4000 Tal ern mit „llaab und üuth'", worunter zwei Häuser, das eine im Werte von 700, das andere im Werte von 300 Talern. Im Verlaufe von zwanzig Jahren hatte David Samuel also sein Vermögen ver- zehnfacht und zu seinem ersten Hause noch ein zweites, wertvolleres hinzuerworben, und während er 1700 mit „Fellen und Haaren'', handelte er 1720 mit „allerhand Ellen- Wahre, Silber und Goldt'''^'). Zufällig sind wir auch in der Lage, die Abgrenzung des Bezirks, für welchen sein Vorsteheramt Geltung hatte, genau zu kennen. Er ergreift bei einer spä- teren Vernehmung der Brandenburger Juden (s. weiter S. 85) das Wort, und zwar in seiner Eigenschaft „als Aeltester der Judenschaft allhier wie zu Beelitz, Pottsdam, Brietzen, Spandow, Rathenow, Nauen, Ziesar, Pritzerbe und Friesack"^-).

Ueberaus willkommene Aufschlüsse über die Gemeinde- verhältnisse in Brandenburg gibt uns das ausführliche Akten- stück, in welchem die Antworten der Brandenburger Juden auf die 44 Fragen niedergelegt sind ^^'). Die Vernehmung fand am 25. und 2(j. April 1720 vor dem Geheimen Bat Schöne- beck statt. Fünf mit Schutzbriefen versehene Juden wurden befragt: David Samuel, Israel Jacob, Juda Michel^^),

^) Ibidem.

") Siehe Beilage VIII, Frage 9, 10 und 11.

") S. Beilage IX.

•') St.-A. Rep. 21 Nr. 203 a, s. Beilage VIII.

•*) Juda Michel war der Schwiegersohn David Samuels und hatte 1712 auf ein vom Magistrat befürwortetes Gesuch seines Schwiegervaters den Scbutzbrief erhalten. St.-A.

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Ezechiel IsraeT^'^) und Simsou Jacob'"). Besonders klar lässt sich aus ihren Antworten der Antagonismus herauslesen, der gegen David Samuel bestand. Auf die Frage: „Ob die Juden unter sich Vorsteher haben?" ist als Antwort David

") Ezechiel Israel war ein Verwandter dea Berliner Oberälteateu Marcus MagniiB (Geiger II, S. H8ft'.). Im Jahre 1710 wurde diesem ge- atattet, sieben Schutzbriefe für Verwandte ausfertigen zu lasaen. Unter ihnen war der dea Ezechiel Israel für Brandenburg. St.-A.

") Simson Jacob wohnte in der Altstadt. Im altst. RataprotokoU vom 1. November 1703 wird berichtet, dass ihm, dem „bei H. Nörtzach sich aufhaltenden Juden das Künigl. Allerguäd. Edict wegen dea Jüden- gebetha Alenu leschabbeach, und vermöge deaaen aie die darin speci- ücirte Formalia hinkünfltig auslassen sollen, von Wort zu Wort vorgelesen, und ihm ein Exemplar davon eingehändiget worden". Es handelt sich hiebei um das auf die Anzeige eines gewissen Franz Wentzel erfolgte Edikt vom 28. August 1703, nach welchem den Juden verboten wurde, in dem Gebete nacS u'Sv die Worte '?«'? cSSenoi pni 'janS n^inntrra cntr J^'tpv kS auszusprechen, weil man in ihnen eine Lästerung der christlichen Lehre vermutete. Vgl. König S. 140 ff., Auerbach: Geschichte der Juden in Halberstadt, S. 166 ff. In einzelnen Städten wurden sogar Aufseher angestellt, die in der Synagoge darauf zu achten hatten, dass jene Stelle ausgelassen würde, vgl. Jolowicz: Geschichte der Juden in Königsberg i. Pr., S. 100. Noch einige andere Nachrichten von allgemeinem Interesse knüpfen sich an den Namen dieses Simson Jacob. So belehrt uns ein in den altst. Rathsprotokollen vom 14. Januar 1716 sich findender Bericht über die Art, wie die Judensteuern beigetrieben wurden. In Brandenburg war ein „von der Judenschaft aus Berlin zur Einhohlung der bey denen im Lande wohnenden Juden annoch ausstehenden Contirmationsgelder ab- gefertigter Bote" erschienen, um von Simson Jacob einen Restbetrag von 14 Th. 12 Gr. einzuziehen. Der Magistrat Hess Simson Jacob vorladen. Der Jude protestierte; er sei zu hoch eingeschätzt, die andern zahlten viel weniger Er müsse, ehe er zahle, seine Sache nochmals den mit der Einschätzung betrauten Aeltesteu vortragen. Der Magistrat aber gibt hierzu erst dann seine Einwilligung, nachdem Simson Jacob „ein Pfandt von Juden Kleidern auf 14 Th. 12 gr. versiegelt" deponiert hatte. 1740 richtete Simson Jacob ein Gesuch an den König, ihm die Nieder- lassung in Berlin zu gestatten, „weil der grosse Gott mich und meine Frau in iinserm Alter mit vielen, schweren Krankheiten heimsuchet, die uns wenig oder gar nicht vom Bette kommen lassen und es uns dann in Brandenburg an benöthigter Ptlege und Handreichung fehlet, zumahl wir auch keine Kinder oder andere Angehörige haben", in Berlin könnten sie

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Samuels registriert: „Er solte es wohl seyu, aber sie wollten ihn nicht dafür respektireu." Die anderen vier, merkwürdigerweise sogar David Samuel's Schwiegersohn, ant- worten schlankweg: ,,Nein!'' Man sieht, wie wenig die Anordnungen des vorgesetzten Rabbiners beachtet wurden. Dabei können sie die Autorität des Rabbiners nicht ableugnen, sondern antworten auf die Frage, wie weit diese Autorität sich erstrecke: ,,In allen Ceremonien und Gottesdienst" bzw. „der König habe ihm Recht gegeben zu richten bis auf Criminalsachen." Ja, sie müssen der Wahrheit gemäss sogar zugeben, dass der Rabbiner zuweilen Geldstrafen über sie verhängt habe, und wie das reumütige Geständnis ertappter Schulknaben hört es sich an, wenn sie auf die weitere Frage, in welchen Fällen solche Strafen verhängt worden seien, ant- worten: „Wenn wir nicht gehorsam waren", bzw. „wenn man nicht recht gethan", während aus der betreffenden Ant- wort David Samuels das ganze gekränkte Ehrgefühl eines mit Undank belohnten Menschen hervorzutönen scheint. Er sagt: „Ueber ihre Aufsätze,'" d. h. wegen ihrer Aufsässig- keit! Der Beamte, den sich die kleine Gemeinde zur Voll- ziehung der religiösen Funktionen hielt, und den David Samuel lange Jahre allein besoldet hatte, wurde 1720 bereits aus gemeinsamen Mitteln besoldet. Er bezog ein Bargehalt von dre issig Talern jährlich und genoss ausserdem ,,freyen Unterhalt au Essen und Trinken". Er war auf halbjährige Kündigung angestellt und bedurfte deshalb auch keines Schulz- briefes ^'). In der Tat scheint man die Person des Beamten oft gewechselt zu haben. 1721 ist sein Name Latzarus Hirsch^^), 1723 heisst er Levin'^-'). Ausserdem hielten sich

„eher als hier Medicos consultiren und gute Medicin bekommen". Das Gesuch wird abgelehnt, „weilen die in Berlin festgesetzte Zahl derer Ein Hundert und zwanzig Juden-Familien complet ist". St.-Rep. 21 Nr. 207 b 2.

»') S. Beilage YlII, Fragen 22—27.

") S. Beilage IX.

") Laut Bericht des Kriegsdomänenrat Reinhard (St.-A. Rep. 21

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Ezechiel Israel und licnjamin David, David Samuela Sohn, auf ihre eigene Kosten einen „gelehrten Juden, um sie in etwas in ihrem Talmud zu unterrichten*^")."

Im Jahre 1721 fand auf Grund eines kgl. Reskripts nochmals eine Vernehmung, wiederum durch den Geh, Rat Schönebeck, statt, bezog sich aber nur auf die „publiquen Bedienten^' und auf die Abgaben, Religiöse Beamte sollten nur mit spezieller königlicher Konzession geduldet werden. Auf die Frage, „Avas vor Bediente an Abkähler, Schulmeister p. p. sie allhier annoch nöthig hätten", erklärte David Samuel als Vorsteher, die Gemeinde sei versorgt, nur einen Toten- gräber würden sie wohl bald, wenn die Gemeinde wachse, nötig haben, während sie bis jetzt das Bestatten der Toten selbst bewerkstelligten. Von Interesse ist die Aufstellung der Beiträge, die von den Einzelnen zu der grossen Juden- steuer von 20000 Talern'^') geleistet wurden. David Samuel und sein Schwiegersohn Juda Michel zahlten je 6 Th,, Ezechiel Israel 4 Th., Simson Jacob 3 r und Israel Jacob 1 r.

In der Stadt selbst waren die Juden trotz dieser drücken- den staatlichen Abgaben von den Steuern keineswegs befreit, Sie zahlten wie alle anderen „Bürger" ihre „onera realia et personal ia" ''■-'), Gleichwohl wurden in gewissen Zwischen- räumen immer wieder Klagen der christlichen Kaufleute über die unbequeme Konkurrenz der Juden laut. Eine solche Klage erhob z. B. im Juli 1722 die „Krahmergilde" beim Magistrat. Sie führte „über die allzusehr wachsende Anzahl der Juden" Beschwerde und beantragte, den Juden nur bestimmte Artikel

Nr. 203a). Der Beamte führte den Namen „Koller" oder auch „Ab- kähler" (s. Beilage IX), beides „Schächter" bedeutend, von „kehlen, ab- kehlen," d. h. die Kehle abschneiden. Wie ich höre, gebrauchen die russischen Juden heute noch für „schachten" den Ausdruck „kehlen".

«") St.-A. Rep. 21 Nr. 203 a.

") Am 23. Mai 1720 hatte sich nämlich eine Deputation aller märkischen Juden erboten, anstatt der alljährlich zu leistenden 3000 lieber in sieben Jahren 20000 Taler aufzubringen. Der König nahm dieses Anerbieten am 28. Mai an. St.-A. Rep. 21 Nr. 203.

") S. Beilage IX,

S6

zum Handelsbetrieb zu überlassen. Besonders scheint ihnen David Samuel mit seiner geschäftlichen Rührigkeit im Wege gestanden zu haben. Der Magistrat beschloss, eine städtische Kommission einzusetzen, die alle seit 1713 in Brandenburg angekommenen Juden „vorlbrdern", sich ihre Privilegien zeigen lassen und feststellen soll, „wie viele sich gemehret". Die „Krahmergilde" aber soll ihre „gravamina durch klare Beweise belegen und genau angeben, was für wahren sie den Juden zu lassen iutentioniret, in specie die gegen David Sa- muel geführte Beschwerde genau zu examiniren, jedoch die Juden mit ihrer Nothdurfft darüber zu hören'" ''•').

Die Anzahl der vergleiteten Juden nahm in Branden- burg nur sehr langsam zu. 1722 kam zu den fünf erwähnten noch David Samuels Sohn Benjamin, der in diesem Jahre heiratete und auf den David Samuel sein Privilegium über- tragen Hess. In dem betreffenden Gesuch nennt sich David Samuel einen „alten Schutzjuden", der „schwach und öfters kränkelnd" sei. Die letzte Nachricht, welche ich über ihn auffinden konnte, stammt aus dem Jahre 1727. Eine könig- liche Verordnung dieses Jahres gestattet ihm und den übrigen Landältesten, die abzuführenden Gelder, wie sie durch Ke- partition bestimmt sind, von säumigen Schuldnern durch Exekution beizutreiben '^'). Benjamin David starb bereits nach kurzer Ehe im Jahre 1728. Ob der greise Vater den Schmerz, am Grabe des Sohnes zu weinen, noch erleben musste, wissen wir nicht. Wenn auch das Geschlecht dieses Gründers der Gemeinde in der männlichen Linie ^■') mit seinem

**) Stadtarchiv: Resolutionsprotokolle der Gesamtstadt, Codex G 8, S. 676 f.

") St.-A. Rep. 21 Nr. 203. Marcus Magnus und Bendix Fürst aus Berlin hatten ein entsprechendes Gesuch an den König gerichtet.

•') Auf Grund der in St.-A. befindlichen Urkunden und ihrer Er- gänzung durch das Sterberegister der Gemeinde ist mir der Nachweis gelungen, dass von David Samuel in der weiblichen Linie die Familie Jolenberg abstammt. Aus der Ehe von Juda Michels Tochter Golde mit Michael Abraham (1740) gingen zwei Söhne hervor, Joel Michael und Abraham Michael; beide nannten sich nach 1812 Jolenberg. Von Joel

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Sohne ausstarb, so blieb dennoch das weitere Schicksal der Gemeinde insofern mit ihm verknüpft, als die Witwe seines Sohnes im Jahre 1729 den ]\Iann heiratete, der während der nächsten Jahrzehnte an die Spitze der Gemeinde trat und in- nerhalb der märkischen Judenschaft eine nicht minder her- vorragende Stellung errang, als sie David Samuel besessen Selig Salomon.

Michaels Sohn Simon stammt der jetzige StaiUverordnete in Charlotten- burg, Leopold Jolenberg. Abraham Michael Jolenberj^ starb 1818 als „Ge- lehrter" eines plötzlichen Todes, 3. über ihn weiter.

IV.

Die Entwiekelung der Gemeinde

und ihrer Institutionen.

1729-1855.

I\rit dem Beginne der dreissiger Jahre nahm die Ge- meinde an Mitgliederzabi zu, und zwar verdankte sie ihr Wachstum der auch sonst bezeugten eigentümlichen Oeptlogen- heit König Friedrich Wilhelms I., Judenprivilegieu zu verschenken. So erhielt 1731 ein ausgedienter Soldat für treu geleistete Kriegsdienste ein solches Privilegium als Ge- schenk'). Er verkaufte es an den Juden Levin Abraham zu Brandenburg. Ebenso „verhandelte" Herr von der Groe- ben, Lieutenant im Kronprinzenregiment, eines der vier Judenprivilegien, die ihm der König „zum Bau eines Hauses auf der Friedrichstadt in Gnaden gespendet'', im Jahre 1735 an den Brandenburger Juden Simon Levin'^). Aus dem- selben Jahre stammt auch das dem Isaac Lazarus ver- liehene Privilegium, welches der König dem Commissarius Salamon „für gelieferte Rekruten gratis ertheilt hatte und worauf dem Regiment Geld zur Werbung avanciret worden"^). Zu besonderer Bedeutung aber kam unter den Brandenburger Juden der bereits erwähnte Selig Salomon, der Stammvater der P^'amilie Sellow. Er war Geldverleiher und Armee- lieferant und stand mit den höchsten Herrschaften in Geschäfts- verbindung. In mannigfacher Beziehung interessant ist die Geschichte eines Gesuches, das er um 1735 an den König richtete, „es möge ihm gestattet werden, sich in der Neustadt

') St.-A. Das Gesuch, in welchem der Petent einen besonderen Trumpf mit dem Anerbieten ausspielt, „zwei grosse Leute anhero zu schaffen", weil er sicher die bekannte militärische Liebhaberei Friedrich Wilhelms L zu schätzen wusste, siehe Beilage X.

2) St.-A.

*) Dieser Isaac Lazarus ist der Urahn der heute noch in der Ge- meinde lebenden Familie Lazarus,

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Brandenl)urg mit einem Hause possessionirt zu machen." Als Grund für seine Bitte macht er geltend: „Als Ew. kgl. Ma- jestät General-]\Iajor, des Herrn Graf Truchsess v. Waldbourg Exzellenz, sich meiner Dienste in verschiedenen Angelegen- heiten zum Besten seiner Regiraentskavallerie zeither bedienen, und mir einige Gelder anvertrauen wollen, so haben sich die negotia daran zu accroichiren geschienen, dass ich nicht pos- sessioniret wäre." Der Magistrat, um seine ]\Ieinung befragt, berichtet, es hätten zwar früher zwei Juden hier Häuser er- worben, welche sie noch jetzt besässen, aber seit 1719, wo den Juden der Erwerb von Häusern verboten wurde, habe keiner mehr ein Haus kaufen können. Im Uebrigen macht der Kat, die gute Gelegenheit benützend, darauf aufmerksam, „dass hiesigen Orts sich noch verschiedene wüste Stellen befinden, wovon ein geraumer Platz nahe bei des Supplikanten Wohnung belegen, und sind wir dahin angewiesen, dass solche wüste Stellen auferbauet werden möchten." Selig Salomon aber antwortet auf diesen Wink voll Entrüstung, man könne ihm nicht zumuten, „hinter der Mauer" zu wohnen, da er „viel Verkehrung mit Officiers und Soldaten habe"; er macht geltend: „So ich nach des dasigen ]\Iagistrats Relation hinter der Mauer angewiesen werden sollte, wozu ich mich aber nicht entschliessen kann, so würde es geschehen, dass ich die Lieferung an das wohllöbl. Truchsess'sche Regiment nicht thun könnte, ja kein Officier und sonst jemand wird mich da- selbst suchen, infolglich werde ich dadurch ruiniret." Gleich- wohl wurde das Gesuch abgelehnt'). Ob ein erneutes Gesuch, in welchem Selig Salomon sich zur Zahlung von 20 Talern an die Rekrutenkasse erbot, mehr Erfolg hatte, ist aus un- serem Konvolut nicht zu ersehen; Salomon muss aber jeden- falls späterhin dennoch ein Haus erworben haben, denn sein Sohn Salomon Selig, der spätere Vorsteher Sellow, erhielt am 7. Juni 1791 eine königl. Konzession, das von seinem Vater ererbte Haus erb- und eigentümlich zu besitzen.-') Selig Sa-

*) St.-A.

») Stadtarchiv: Acta a J I Nr. 25.

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lomon trat nicht nur als Vorsteher an die ,Sj)itze der Oe- nieinde; er f^ewaun auch innerhalb der märliischeu Judensciiaft steigenden Eintluss^ so dass ihre Vertreter ihn einmütig zum Kas sierer ,, aller praestandorum^', d. h. aller von der Juden- schaft der Mark aufzubringenden Gelder wählte. Hier in Brandenburg kamen deshalb auch die Kabbineu und Aeltesten zur Repartierung der vSteuern zusammen, oder, wie es in der Sprache der Zeit heisst, „zur Verl'ertigung der jüdischen An- lagen"^). Als im Jahre 1737 Selig Salomons Frau, die ein- stige Schwiegertochter David Samuels, die Uebertragung ihres Privilegiums auf ihren Gatten betrieb, stellten ihm die übrigen r.andällesten, Bendix Fürst an der Spitze, ein schmeichelhaftes Zeugnis aus, das denn auch die Uebertragung des Privilegiums zur Folge hatte'). Selig Salomon, dessen Name in den älte- sten Gemeindeakten stets obenan zu finden (er schrieb sich l*"2 yhv'), starb 1790 in hohem Alter'').

Die frühesten Gemeinde-Einrichtungen galten, neben dem Gottesdienst, der Sorge für die Toten. Der erste Begräb- nisplatz „vor dem St. Annenthor'"-') ist bereits um 1720 festes Eigentum der Gemeinde. Es war ein kleiner Fleck hinter dem heutigen neustädtischen Schützenhause. Bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts standen dort noch einige später abhanden gekommene Leichensteine, und der Platz führte lange Zeit den Namen „alter Judenkirchhof". Späterhin wurde er durch die Bemühungen von Moses Pintus iu einen Hügel verwandelt und mit einer lebenden Hecke umgeben. Leider konnte nicht verhindert werden, dass die Stelle allmählich zum Schlupf- winkel für allerlei Gesindel wurde, weshalb man die Planier- ung für ein geringeres Uebel hielt und auf Anregung der

«) Siehe Geiger I, S. 46 und II, S. 119.

') St.-A. Siehe Beilage XI.

*) Die Gemeinde bewahrt heute noch ein von ihm und seiner Frau im Jahre 1760 gestiftetes, in prachtvoller Goldstickerei ausgeführtes Po- rauches, das jetzt als Trauhimmel (Chuppa) benutzt wird. Seine Grab- schrift sagt von ihm: n:non ;'n2ai djid ai ;ot n'n.

») Siehe Beilage YIU, Frage 29.

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neustädtischen Schützengilde hin im Jahre 1901 auch aus- führte. Zugleich wurde der l^latz durch das Katasteramt mit Grenzsteinen versehen. Das \\'achstum der Gemeinde machte im Jahre 1747 die Erwerbung eines neuen, grösseren Begräb- nisplatzes notwendig. Es war Isaac Lazarus, der im Namen der Gemeinde und mit ausdrücklicher Zustimmung des Ma- gistrats von dem Forstmeister Feska die Hälfte eines gleich- falls vor dem St. Annenthor gelegenen Ackerstückes für hundert Taler „zur Aptirung eines Kirchhoffes" für die Ge- meinde kaufte'"). Es ist dies der heute noch als Begräbnis- stätte dienende, später erweiterte") Platz neben der städtischen Gasanstalt in der Schützenstrasse. Der älteste Grabstein vom Jahre 1756 (Reihe II, Nr. 22), ist der des Nathan David (s. weiter). Im Jahre 1737 stellte sich das Bedüi'fnis heraus, für die bei Krankheits- und Sterbefällen zu verrichtenden Dienste einen verheirateten Gemeindediener anzustellen, einen „beweibten Bedienten", wie der Ausdruck der Zeit lautete. Seiner Frau bedurfte man zur Beaufsichtigung des rituellen Bades, das also damals bereits eingerichtet war, sowie zu den rituellen Waschungen weiblicher Leichen, Ceremonieu, welche „sich unsere Weiber zu verrichten Abscheu tragen". In einem beweglichen Schreiben an den König wird die Er- laubnis zur Anstellung eines solchen Beamten nachgesucht und besonders um das Recht gebeten, „wenn uns dergleichen Bedienter nicht ferner anständig, ein anderer an dessen Stelle angenommen werden möge'"'-). Das Gesuch ist unterzeichnet: „Jacob Michel, Nathan David, Selig Salomon, Simsou Jacob und übrige privilegirte Juden zu Brandenburg." Der Magistrat wird aufgefordert, sich zu äussern. ,,ob es dessen bedürftig, auch über die vorgeschlagene Persohn dortiger Judenschaft'').'" Genaueres erfahren wir nicht. In den nächsten Jahren aber müssen sich

'■) Das vom 4. September 1747 datierte Verkaufsdokument, das älteste Aktenstück des Gemeindearchivs, befindet sich in Convolut 22. ") Siehe weiter Teil V, Nr. 5. '-) St.-A. Siehe Beilage XII. •") St.-A.

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nach uralter jüdischer Sitte einzelne Männer aus der Gemeinde zu einem Verein zusammengetan haben, der seinen Mitgliedern die Ausübung von Liebespllichten an Kranken und Toten vor- schrieb. Denn die früheste Nachricht über einen solchen Verein, aus dem Jahre 1767 stammend, erzählt ausdrücklich von ..neuen Statuten", die für den Verein Bikkur cholim geschaffen seien. Die Einkünfte des Vereins bestanden aus dem Ertrag der in der Synagoge aufgestellten Sammel-Büchse (XD2 jr;:), aus den am Montag und Donnerstag nach der Thoravorlesung in der Synagoge veranstalteten Sammlungen sowie aus den Geldern, welche bei Todesfällen an die Vereinskasse zu zahlen waren (für ein Kind 8 Groschen, für einen Erwachsenen 2 Reichs- taler). An der Spitze des Vereins standen zwei auf je drei Jahre gewählte Vorsteher, deren einer lange Jahre hindurch, bis zu seinem 1798 erfolgten Tode Lazarus Isaac, Sohn des Isaac Lazarus, gewesen ist. Abgesehen von der geschäft- lichen Leitung des Vereins war es Pflicht der Vorsteher, sich in Krankheitsfällen, sei es bei Einheimischen oder bei Durch- reisenden, in geeigneter Weise um die Pflege des Kranken zu bemühen. Fremde, die erkrankten, mussten aus der Vereins- kasse versorgt werden. Wenn sich zur Krankenwache bei Fremden ein Mitglied der Gemeinde nicht bereit finden liesa, sollte irgend einer aus der Vereinskasse mit 4 Groschen für die Wache bezahlt werden. Dagegen waren die Mitglieder des Vereins, sechs an der Zahl, bei Einheimischen zur Krankenwache verpflichtet und wurden durch das Los dazu bestimmt. Der Kasseubestand belief sich in diesem Jahre der Neugründung, 1767 •^), auf 15 Taler und 22 Silbergroschen. Alle diese Festsetzungen wurden unter ausdrücklicher Zu- stimmung der ganzen Gemeinde entworfen, deren elf

") In einem von der Hand des Moses Pintus herrührenden deutschen Auszug (Gemeindeakten, Conv. 13) ist die Jahreszahl sowohl in dem Statut als auf der ersten Seite des Kassabuches falsch gelesen und daher 1766 als Jahr der Neugründung bezeichnet. Dass T'Dpn gelesen werden muss, ist aus der ausgeschriebenen Jahreszahl n'oSpn ersichtlich, die das Jahr angibt, bis zu welchem die auf drei Jahre gewählten Vorsteher amtieren sollen.

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Mitglieder das betreffende Schriftstück unterschrieben. Eine wortgetreue Kopie des (nicht erhalteneu) Originals hat der damals fungierende Gemeindebeamte. Rabbi Chajim (Jakob Heiuemann)''^) auf das erste Blatt des Chewrabuches "') ein- getragen'').

Werfen wir hier gleich einen Blick auf die weitere Entwickelung des Vereins. Bereits im Jahre 1770 erbaute er aus eigenen Mitteln auf dem Friedhofe ein Leichenhaus mit einem Kostenaufwand von 331 Talern und 19 Sgr'*). 1782 war infolge einer Epidemie eine starke Abnahme des Ver- eins zu beklagen, weshalb man, um einer völligen Auflösung vorzubeugen, in einer Versammlung beschloss, dass alle Ge- meindemitglieder je nach ihrem Vermögensstand zu Gunsten der Vereinskasse „Pletteu schreiben", d. h. bestimmte Bei- träge zahlen sollten. Ein undatiertes, vermutlich aus dem Jahre 1780 stammendes, neues Statut gibt über die Pflichten der Vereinsmitglieder bei der Totenbestattung Aufschluss: Alle Verrichtungen sollen nach Vorschrift, in würdiger Weise vorgenommen werden. Nur Vereinsmitglieder dürfen die Waschung und Bestattung der Leichen vollziehen. Speziell das Einlegen der Leichen in die Gräber soll durch die ältesten Mitglieder in Verbindung mit den unverheirateten geschehen, die dadurch in das fromme Tun eingeführt werden. Zur Anfertigung des Grabes und des Sarges ''■') bestimmt der Vorstand nur Mitglieder, auch setzt er die Grabstelle fest und erhebt von fremden Leichen Grabgelder, die der Vereins- kasse zufliessen. Es waren besonders die Leichen aus den kleinen Gemeinden der benachbarten Orte, Ziesar, Görz.ke,

'*) Siehe über ihn weiter.

'*) Wir bezeichnen dieses Buch im folgenden stets als „altes Chewrabuch."

") Siehe Beilage XIII.

'*) Eine spezifizierte „Ilauptrechnung" über die Baukosten ist im alten Chewrabuche S. 24 und 26 aufgestellt.

") S. hierüber weiter Teil V, Nr. 6.

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l'laue'"'), lurdie solche Grabgelder gezahlt werden mussten^'^j. Endlich waren die Älilglieder bei einem Tal er Strafe ver- l)tlichtet, sich allsabbatlich eine Stunde vor dem Minchagebet zu einem religiösen Vortrag einzufinden, der beiden ein- zelnen Mitgliedern je G Monate lang abwechselnd stattfand und für den der IJeamte ein Honorar von G Talern jährlich bezog. Der Verein, der jetzt den Namen cSin '\)p2 hz* mzn cnon mS'CJT führt, sucht in dem neuen Statut namentlich aucii seine Unabhängigkeit gegenüber der Gemeinde zu wahren-'). Nach Lazarus Isaac's Tode ging das Amt des Vorstehers im Jahre 1798 auf Pintus Ezechiel-'-) über, der es bereits 1801 an Simon Nathan Samuelsohn abtrat, um selbst das des Rendanten zu übernehmen. Um das Jahr 1816 stand Lew in Simon und etwa von 1820 an Moses Pintus an der Spitze des Vereins, dessen Verhältnisse aus dem mit peinlicher Genauigkeit in jüdisch-deutscher Sprache bis zum Jahre 1829 geführten Kassabuch ersichtlich sind--^).

Eine besonders bedeutsame Rolle spielt in der Gemeinde die Geschichte der Synagoge und des Synagogengruudstückes. Die merkwürdigen Umwege, auf denen die Schaffung und Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Betraumes erfolgte, werfen ein bezeichnendes Licht auf den Zwiespalt, in den unsere Vorfahren dui'ch das Verbot, Häuser zu besitzen und Synagogen zu halten, hineingedrängt wurden. Bald nach David Samuels Tode, um das Jahr 1729, muss bereits auf dem Grundstück in der grossen Münzenstrasse Nr. 718 ein

^"a) Pritzerbe, wo um 1710 bereits 7 jüdische Familien wohnten, hatte einen eigenen Friedhof. Salomon Wolf in Pritzerbe bittet 1738 um die Erlaubnis, einen Totengräber anzustellen. St.-A. Rep. 21 Nr. 211 p.

2*) Eine Aufstellung im alten Chewrabuch gibt für die Jahre 1767 bis 1826 eine Gesamtsumme von 874,9 Talern als Erlös von Grabgeldern für fremde Leichen an.

-') Siehe Beilage XIV.

2-j Urahn der Familie Pintus.

^') lieber die Neubegründung der Chewra im Jahre 1864 s. weiter Teil V, Nr. 6 a.

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Zimmer als Betraum der Gemeinde gedient haben -^). Um nun ihren wachsenden Bedürfnissen zu genügen und sich eine Art von ßesitzrecht an dem Grundstück zu verschallen, lieh die Gemeinde im Jahre 1736 den Daniel Voigt'scben Eheleuten ein Kapital von 275 Talern zu 6 l^rozent Zinsen zum Ankauf des auf dem Grundstück befindlichen Hauses, das für die Summe als Ilvjtolhek eingesetzt wurde-'). Sicherlich war mit den Voigt'schen Eheleuten die Vereinbarung getroffen worden, dass die Gemeinde, wenn auch nicht fnktische, so doch no- minelle Besitzerin des Grundstückes werden sollte. Es hat aber schliesslich fast hundert Jahre gedauert, bis die Ge- meinde den rechtlichen Besitztitel auf das Haus definitiv er- hielt. Die einzelnen, überaus wcchselreichen, nnmentlich durch den Synagogenbau sich komplizierenden Phasen dieses langwierigen Kaufgeschäftes werden im Folgenden noch be- rührt werden. Zwanzig Jahre nach dem Abschlusö jenes Scheinkaufes machte sich das Bedürfnis nach einer Erweite- rung des Betraumes fühlbar. Vermutlich hatten die Voigt'schen Eheleute bisher in dem Hause gewohnt; jetzt aber, am 7.

^*) Dies ergibt sich aus dem im Jahre 177 9 von den Aeltesten erhobenen Einwand, dass die Gemeinde in Bezug auf ihren in jenem Hause betindlichen Betraum seit fünfzig Jahren durch ein altes Recht geschützt worden sei. Siehe Beilage XV.

"j Die betreffende Eintragung im Hypotheken - ProtokoUbuche hat folgenden Wortlaut:

Actum den 12. Juni 1736.

Daniel Voigt und dessen Ehefrau Catharine Sophie Keyen beide in Person berichten, dass die hiesige Judenschaft ihnen zur Erkaufung Martin Keyen Hause zweihundert fünf und Siebenzig Thaler haaren Geldes vorgeschossen, Sie auch solche wirklich empfangen und zur Er- kaufung des Hauses verwendet, Sie wollten sich dannenhero Beide für einen und einen für Beide hiemit verschrieben haben, solche Gelder ä 6 Procent zu verzinsen, und nach drei Monat vorher geschehener Loskündigung wieder abzutragen, auch ihnen ihr in der Münzenstrasse belegenes Wohn- haus dieses Darlehens halber zur wirkl. Hypothek eingesetzet haben, weshalb auch dessen Ehefrau ihren weiblichen Gerechtigkeiten eidlich renuDciiret, und haben beide Theile dieses Protocoll eigenhändig unter- schrieben.

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Mai 1756, schloss die Gemeinde mit Daniel Voigt einen Ver- trag des Inhalts, dasH er sein Wohnhaus nebst vollem Zubehör der Gemeinde zur uneingeschränkten Benutz- ung für die Dauer von sechzig Jahren überliess, wofür die Gemeiude die Summe von 270 Talern zahlte. Nach wiederum zwanzig Jahren aber war das Haus so baufällig geworden, dass seine weitere Benutzung unmöglich war, und schliesslich musste der Magistrat selbst der Judenschaft den Neubau des „publiken Judenhauses" bei Vermeidung der Execution auferlegen, weil dasselbe „ruinös" geworden (1774)^'''). Am 7. Mai 1775 richtete deshalb die Gemeinde an die Regierung das Ersuchen, ihr den käuflichen Erwerb des Voigt'schen Hauses und die Erbauung einer Synagoge auf dem Grundstück zu gestatten. Dieses Gesuch hatte zunächst den einen, un- angenehmen Erfolg, dass die Regierung auf den Hausbesitz der Brandenburger Juden aufmerksam wurde. In dem Ge- neraljudenreglement vom Jahre 1750 hatte Friedrich der Grosse, der die ausbeutende Judenpolitik seiner Ahnen fort- setzte und verstärkte, den Juden den Besitz von Häusern ver- boten; auf Uebertretung dieses Verbots stand eine Strafe von 50 Dukaten. In der Deklaration jenes Reglements vom Jahre 1703 war das Verbot des Ilausbesitzes dahin erweitert worden, dass es den Juden auch untersagt sein sollte „Häuser pfand- weise an sich zu bringen, indem sie für die Zinsen eines darauf gegebeneu Anlehens das Haus besitzen." Im Ueber- tretungsfalle wurde der Verlust der hergegebenen Gelder ver- fügt-"). Wie man sieht, war dies genau das Delikt der Brandenburger Juden. Die Regierung erteilte also zunächst dem Hof- und Kammer-Fiskal Knack Anweisung, die Branden- burger Judenschaft ,. wegen des widerrechtlichen Besitzes des Voigt'schen Brauhauses nach Vorschrift derer §§18 und 28 des General- Juden-Reglements von 1750 und Unserer Decla-

2") Dullo: Beiträge zur Kommunalgeschichte der Stadt Branden- burg, S. 111.

-') Vgl. Mylius: Novum corpus constitutionum Marchicarum, Teil 111, S. 239.

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ration derselben vom 4. Juli 1763 bey unserer Cburmärkischen Cammer iu Anspruch zu nehmen." Allzu ernst scheint es der Regierung mit diesem ,. Anspruch' nicht gewesen zu sein. Denn sie erteilte zugleich die Erlaubnis zum Neubau der Synagoge und benutzte ihren fiskalischen Anspruch nur dazu, um die Bedingungen für jene Erlaubnis zu verschärfen. Diese Bedingungen waren folgende:

1) Sollten die Juden das Haus aus eigenen Mitteln zwei Etagen hoch, mit massiver Front aufbauen.

2) Sollten sie auf die zum Hause gehörige „Brauge- rechtigkeif- verzichten und die gleichfalls zum Hause gehörige Wiese, Hauskavel genannt, an den Magistrat abtreten.

3) Sollten sie für dreihundert Taler Porzellan aus den königlichen Fabriken entnehmen und ausser Landes schaffen.

4) Sollten sie die gebräuchlichen ,. Chargen- und Stempel- Gelder" entrichten.

Diese Bedingungen waren zu hart, um ohne weiteres erfüllt zu werden. Es vergingen volle vier Jahre, bis eine entgültige Entscheidung in der Sache erfolgte. Inzwischen hatte die Gemeinde Schritte getan, um von dem „tiskalischen Anspruch" befreit zu werden, und diese Befreiung erfolgte denn auch durch ein „Rescriptum clementissimum" am 1. Juli 1779. Indessen die Gemeinde hatte sich geirrt, wenn sie glaubte, nun auch der lästigen Bedingungen ledig zu sein. Die Regierung griff jetzt erst recht auf diese Bedingungen zu- rück und verlangte von der Judenschaft eine ausdrückliche Erklärung darüber, wie sie sich zu denselben stelle. Die Aeltesten sollten mit der ganzen Gemeinde Rücksprache nehmen und dann Bericht erstatten. Und so erscheinen am 20. August 1779 die Aeltesten Selig Salomon und Lazarus Isaac vor dem Syndikus Hugo und berichten im Namen der Gemeinde, dass dieselbe sich nicht für verbunden halte, die ihr im Jahre 1775 auferlegten Bedingungen zu erfüllen. Denn diese Bedingungen seien nur in dem fiskalischen Anspruch ■wegen des widerrechtlichen Hausbesitzes begründet gewesen.

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Nachdem sie jedoch von diesem Anspruch ausdrücklich „absolviret" worden, sei die ganze Sache in ein anderes Stadium getreten. Sie könnten nunmehr mit weiteren Be- dingungen nicht „oneriret" worden, sondern hätten sich das Recht erstritten, das Haus, welches seit fünfzig Jahren zur Synagoge gedient habe, auch weiterhin zu diesem Zwecke zu benutzen. Um jedoch den königlichen Befehlen, soweit es die Verhältnisse der (Jenieindo gestatteten, nachzukommen, erklärten sie sich zu Folgendem bereit:

1) Das Haus mit ihren Mitteln zwei Etagen hoch mit massiver P'ront zu erbauen, im Frühjahr 1780 mit dem Bau zu beginnen und denselben binnen Jahr und Tag zu beendigen. Mehr könnten sie bei den vielen Lasten, die auf ihnen ruhten, nicht leisten, auch sei es ihnen unmöglich, mit dem Bau früher zu beginnen, da sie si«;h die erforderlichen Gelder erst leihen müssten.

2) Der zum Hause gehörigen Wiese sich zum Besten der hiesigen Armenkasse zu entschlagen, auch auf die Braugerechtigkeit, über die die Kriegs- und Domänenkammer nach Belieben vei-fügen möge, zu verzichten.

Hiermit aber war das Entgegenkommen der Gemeinde erschöpft. Die beiden letzten Bedingungen wurden zurück- gewiesen, mit besonderer Schärfe die der Porzellanabnahme. Diese „lästige Bedingung" könne nach den ergangenen Re- scripten nur für eine neue Konzession auferlegt werden, sie aber seien bei einem alten Rechte schon seit fünfzig Jahren geschützt worden. Dieser Rechtsanspruch vertrete die Stelle einer Konzession, die sie deshalb besonders nachzu- suchen nicht genötigt seien. Aus denselben Gründen könne ihnen auch die Erstattung der übrigen Abgaben nicht zuge- mutet werden. Es müsse der Regierung genügen, dass sie überhaupt den Bau aus eigenen Mitteln leisten wollen, ohne „königliche Bauhilfsgelder" zu verlangen, und da sie noch dazu der Hauskavel und des Braurechtes sich begeben, so wäre dies das Aeusserste, was sie tun könnten. ]\Iehr dürfe man ohne Ungerechtigkeit nicht von ihnen verlangen. Sie

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protestierten gegen alle anderen „lästigen condiciones", be- sonders in Bezug auf das Porzellan und die Stempelgelder. Wenn man ihnen Schwierigkeiten bereite und sie von diesen Bedingungen nicht befreie, so sollten auch ihre Versprech- ungen nicht gelten, sondern wollten sie wieder freie Hand haben. Um all diesen Darlegungen noch besonderen Nach- druck zu geben, wurde das betrelTende Protokoll, nachdem es zuerst nur von Selig Salomon und Lazarus Isaac unterschrieben war, am gleichen Tage auch von den drei anderen Aeltesten, Samuel Nathan, Abraham Scholim und Joseph Levin, seinem vollen Inhalt nach bestätigt-'^).

Man weiss, mit welchem Eifer Friedrich der Grosse die Förderung der von ihm übernommenen Gotzkowsky'schen Porzellanmauufaktur betrieb. Wenn er aus diesem Eifer her- aus in erster Linie die Juden dazu benutzen wollte, um den Ruf seines Fabrikats auch in ausserpreussischen Ländern be- kannt zu machen und ihnen deshalb in einer vom 2L März 1769 datierten Kabinetsordre für jede nachgesuchte Konzes- sion die Ausserlande.sschaft'ung eines bestimmten Quantums Porzellans auferlegte -'■'), so fügte er nur den von seinen Vor- gängern geschaffenen mannigfachen Judensteuern eine neue und besonders drückende hinzu. Man muss sich gegenwärtig halten, welch' eine ungeheure Summe .'500 Taler für eine Ge- meinde von 15 Mitgliedern bedeutete, noch dazu in einer Zeit, in der der bevorstehende Neubau der Synagoge weit höhere Lasten erfordern würde, um den energischen Widerstand der Brandenburger Juden und die kühne Sprache, in der sie dem-

2*) Den Wortlaut des Protokolls siehe Beilage XV.

") Siehe den Wortlaut dieser Verfügung und Näheres über die unangenehmen Folgen der Porzellanabnahnie bei Kaeller: Geschichte der jüdischen Gemeinde zu Potsdam, S. 22flf. Es verdient übrigens hervor- gehoben zu werden, dass der König gerade das Gegenteil von dem er- reichte, was er beabsichtigt hatte, da das exportierte Porzellan im Auslande allmählich unter dem Namen „Judenporzellan" in Verruf geriet. Vgl. David Fi-iedländer: Aktenstücke die Reform der jüdischen Kolonien in den preussischen Staaten betreffend, Berlin 1793, S. 68 ff.

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selben Ausdruck gaben, vollauf /,u würdi^'en. Allein das Generaldirektorium war vom König angewiesen worden, mit aller Strenge auf die Erfüllung dieser Bedingung zu achten und beti'ieb denn auch die Entnahme des Porzellans seitens der Juden mit einer Kücksichtslosigkeit, die in einzelnen Fällen, wie bei den Juden in Potsdam, die Entwickelung der Gemeinden auf das Nachteiligste beeinllusKte'"'). Und so scheiterte auch der Widerstand der Brandenburger Juden an dem eisernen Willen des Königs. Am 20. August 1779 hatte sich die Gemeinde verpflichtet, den Neubau im Frühjahr 1780 zu beginnen. Aber das Frühjahr sowohl als der Sommer des Jahres 1780 war vergangen und die Gemeinde machte keine Anstalten zum Jiau. Die königliche Konzession war ihr nicht erteilt worden, offenbar drängte aber der Magistrat energisch auf Inangriffnahme des Neubaues, der wohl auch wegen der fortschreitenden Baufälligkeit des Hauses nicht länger verschoben werden konnte. In dieser Zwangslage gab die Gemeinde schliesslich nach. Aber siehe da, mit einem einfachen Versprechen, das Porzellan fortzuschaffen, begnügte sich die Kegierung nicht. Sie wollte sicher gehen und verlangte eine Art Bürgschaft in Form einer beim Ma- gistrat niederzulegenden „Blanco-Obligation" über 150 Taler. In einem vom 31. Oktober 1780 datierten Protokoll verpflichtet sich die Gemeinde bei Verlust dieser Obligation, binnen Jahresfrist, vom 10. Juli 1780 an gerechnet, für 300 Taler „hiesiges, achtes Porzellan" aus dem Lande zu schaffen. Erst zu Anfang November des Jahres 1781 ver- mochte die Gemeinde den Nachweis zu erbringen, dass sie ihr Versprechen erfüllt habe, und so erhielt sie unter dem 6. No- vember 1781 die königliche Konzession „zum eigenthümlichen Besitz des von ihr acquirirten ehemaligen Voigt'schen Hauses und zum Gebrauch desselben zur Synagoge und Wohnung ihrer publiquen Bedienten." Am selben Tage erging auch an die Chargenkasse und an die Stempelkammer der Befehl,

Vgl. Kaelter a. a. 0.

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von der Judeiit^diall z.u Braiuieiibiiig wegen der erteilten Kon- zession 33 Taler 8 Silbergroschen Chargen- und Stempelgelder zti erheben-").

Bereits im Frühjahr 1780 miiss die Gemeinde zu der Einsicht gekommen !?ein. dass ihr Widerstand nutzlos sein würde. Denn schon am 13. Ijar 5540 (18. ]\Iai 1780) nahm sie von der Chewra Kadischa eine Anleihe von 150 Talern zu dem ausdrücklich angegebenen Zweck, das Porzellan davon zu zahlen^'). Die Chewra scheint aber auf der Vereinbarung eines gewissen L'ückzahlungsmodus bestanden zu haben, wes- halb durch einen Gemeindebcschluss vier Tage vor Auszahl- ung des Geldes, am 9. Ijar, dieser Modus festgestellt wurde, der ein bezeichnendes Licht auf die ernstliche Verlegenheit der Gemeinde wirft. Aus kleinen Beiträgen der Einzelnen sollte binnen zwei Jahren die ganze Schuld abgetragen sein, und zwar nach folgender Anordnung: Jeder, der am Sabbat oder Festtag zur Thora gerufen wurde, hatte für jeden Auf- ruf 6 Pfennig zu zahlen, an Werktagen die Hälfte; Fremde zahlten den do])pelten Betrag. Ferner zahlte Jeder für jedes Pfund Fleisch, das er ei stand, (Rind- oder Kalbfleisch), 2 Pfennig, selbst dann, wenn er in seinem eigenen Hause oder bei einem NichtJuden hatte schlachten lassen. Auch für Fleisch, das nach ausw^ärts verschickt, oder von auswärts ein- geführt wurde, waren 2 Pfennig pro Pfund zu zahlen, ausser- dem für Hühner und Tauben je 3, für Gänse und Puten je 6, für Rinderzungen gleichfalls je 6 Pfennig. Wer schliesslich aus solchen Beiträgen die auf seinen Anteil entfallende Summe nicht erreichte, musste sie durch baren Zuschuss ergänzen,

*') Die betreffenden Schriftstücke siehe Beilage XVI XIX.

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.S":n p'pa pKoi y"^ cn Bei den Gemeindeakten (Conv. 29) befindliche Quittung des Beamten Jacob Heinemann über den Empfang von 150 Talern zur Bezahlung des Porzellans. Auch das Kassabuch der Chewra weist unter obigem Datum die Auszahlung der 150 Taler nach ]^yS'S^ye w.

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andererseits wurden etwa über diesen Anteil hinaufgehende Betriif^e nicht zurückgezahlt, sondern gehörten der fJemeinde. Jedes Vierteljahr hatte der (Jenieindc-Vorsteher dem Vorstand der Chewra die auf diese Weise eingehenden Gelder gegen Quittung zu übergeben, bis die ganze Schuld würde abgetragen sein. Dieser Gemeindebeschluss wurde in einem hebräischen Schriftstück niedergelegt und von den Aeltesten unterschrie- ben''). Am 12. Tischri 5541 (11. Oktober 1780), also kurz bevor die Gemeinde sich zur Ausserlandesschaflfung des Por- zellans verpllichteto, entlieh sie wiederum von der Chewra auch die restierenden 150 Taler ^'). Zur Bestreitung der Syn- agogenbaukosten aber nahm die Gemeinde am 26. März 1782 von dem Bäckermeister Johann Christoph Parey eine Anleihe von sechshundert Talern zu 4 Prozent Zinsen auf. Die betreffende Schuldverschreibung ist von den fünfzehn Gemeinde- mitgliedern vor dem Syndikus Mugo unterschrieben worden. Die Kückzahlung war ursprünglich in sechs Jahresraten zu 100 Talern vereinbart, verzögerte sich jedoch um die doppelte Zeit, bis zum Jahre 1794. Die mit so vielen Schwierigkeiten errungene königliche Konzession zum ,,eigenthümlichen Besitz" des Hauses hatte jedoch keineswegs die Wirkung, dass die Gemeinde nun auch in der Tat die rechtliche Eigentümerin des Hauses geworden wäre, bezog sich vielmehr offenbar nur auf das Recht, die Synagoge zu bauen und zu erhalten. Die grosse Unklarheit des Besitzverhältnisses führte in den fol- genden Jahrzehnten zu vielen Weitläufigkeiten, von denen später noch die Rede sein wird.

8») Vgl. Beilage XX.

^*) Hierüber tindet sich nur im Kassabuche der Chewra ein Ver- merk. Es scheint, dass die Gemeinde noch im Jahre 1816 mit 100 Talern jm^Rückstande war. Als am 16. April dieses Jahres die Kassen- verhältnisse der Chewra geordnet wurden, bestimmte man zur Beitreibung dieser 100 Taler, dass nach dem Tode eines Geraeindemitgliedes vor der Beerdigung von den Hinterbliebenen die Hälfte seines Jahresbeitrags ia die Chewrakasse zu zahlen sei (Eintragung im alten Chewrabuche).

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Ans den Zustän<leii innerhalb der (Jemeinde um die Wende des achl/.elmten Jahrhunderts ist nur Weniges zu be- richten. Der Hauch des Wolilwollens, der unter der Regie- rung Friedrich Wilhelms II. den Juden der ]\Iark manche Er- leichterungen brachte und sich selbst auf die Eröfinung neuer Erwerbszweige für die Juden erstreckte, wehte auch nach der Stadt Brandenburg. Einer ihrer jüdischen Einwohner, Ezech- iel Berend. erhielt im Jahre 1795 vom König ein soge- nanntes „General-Schlitz- und llandlungs]»rivilegium" für sich und seine Kinder. Er wurde durch dasselbe ,, allen christ- lichen Bankiers"gleichgestellt und von allen Beschränkungen, denen seine Glaubeusbrüder unterworfen waren, befreit '•'). Diese königliche Gnade wird mit den Worten begründet: „In An- betracht derselbe im allgemeinen Kuf eines betriebsamen, ehrlichen Mannes steht, ein beträchtliches Vermögen besitzt^^) und seinen Kindern eine gute Erziehung gibt^''"). Die Zahl der Gemeindemitglieder wuchs nur sehr langsam. Für das Jahr 1^01 gibt Bratring ''^) unter 10280 Einwohnern der Stadt einundzwanzig Judenfamilien mit 104 Seelen an. Etwas geringere Ziffern weisen die staatlichen Listen ^^) auf; nach ihnen betrug die Familienzahl für die Jahre 1802—1809 nur je 15 16. Diese Listen führen nur die mit Schutzbriefen versehenen Juden auf. Als im Jahre 1813 das bekannte

'*) Siehe Aehnlicbes bei Jolowicz: Geschichte der Juden in Königs- berg in Pr. S. 106, vgl. auch Rönne und Simon: Die früheren und jetzigen bürgerlichen Verhältnisse der Juden in Preussen, S. 214 Note 1 und Mj- lius: Novum Corpus constitutionura Marchicarum Band VI, S. 13.

**) Ezechiel Berend war der reichste Jude Brandenburgs. Aus einem bei den Genieindeakten betindlichen Schriftstück, welches von der im Jahre 1828 erfolgten prozentualen Verteilung des aufgelösten Fonds der churraärkischen Landjudenschaftskasse an die Beteiligten resp. deren Erben handelt, ist zu ersehen, dass Ezechiel Berend mit dem höchsten Einkommen von 1900 Talern abgeschätzt war.

»') St.-A. Rep. 21 Nr. 207 b 2 a.

**') Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg, Berlin 1806, S. 73.

"') „Listen von den in den Provinz-Städten der Kurmark vorhandenen Judenfamilien", St.-A. Rep. 104. IV C 64.

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Judenedikt Friedrich WilheliiiH III. die politische CJleich- steilung der jüdiachen Uutertanen des preussischen Staates aussprach, Avaren es in I3ran<ienburg 1 8 Familien, die durch dasselbe ihr Staatsbürgerrecht erhielten und zwar:

1. Joseph Ezechiel.

2. ]\Ioses Pintus.

3. Hirsch Pintus.

4. ]\Iichael Jolenberg.

5. Simon Jolenberg.

6. Abraham Lazarus Bertram.

7. Itzig Hirsch Lazarus.

8. Witwe Isaac.

9. Süssel Loow.

10. David Leow.

11. Simon Nathan Samuelsohn.

12. Salomon Sellow.

13. Lewin Simon.

14. Joseph Meyer.

15. Michael Samuelsohn.

16. Abraham Isaak Brandy.

17. Itzig Wolf.

18. Moses Meyering.

Die schweren kriegerischen Ereignisse, welche in den ersten anderthalb Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die Welt erschütterten und den preussischen Staat aus tiefster politi- scher Erniedrigung zu glorreicher Selbstbefreiung erhoben, gingen auch an den Juden Brandenburgs nicht spur- los vorüber. Bereits im Jahre 1809 wurde die schwache Gemeinde zur Zahlung einer Kriegskontribution herangezogen, die sie in Höhe von 200 Talern als Anleihe aufnahm^"). Zum aktiven Kriegsdienst waren die Juden in diesem Jahre noch nicht zugelassen. Als aber die gewaltige patriotische Erhe- bung der Jahre 1813 und 1814 die gesamte streitbare Jugend

*") Notiz in Gersons „Nachrichten".

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Preussens zum Kampfe gegen das Joch des korsischen Er- oberers aufrief, da konnten die durch das Edikt von 1812 mit Staatsbürgerrechten versehenen Juden nicht nur durch Geld, sondern au<>h durch die kostbarere Blutsteuer dem Vaterlande dienen. Mit welcher Begeisterung und mit welch hingebungs- vollem Eifer dies geschah, dafür vermag gerade die Geschichte der Gemeinde Brandenburg ein glänzendes Beispiel zu bieten. Es ist bekannt und schon oft betont worden, wie die im Uebermass eingehenden Reklamationen zeigten, dass zum Ein- tritt in die Landwehr im Allgemeinen in Breussen damals wenig Lust vorhand<Mi war. Auch hier in Brandenburg war der Eifer im Allgemeinen nicht sehr gross. Nur die jüdi- schen Waffenfähigen der Stadt machten eine rühmliche Aus- nahme. Denn aus den 15 selbständigen jüdischen Eamilien, die damals zur Gemeinde gehörten, eilten nicht weniger als neun Kämpfer zu den preussischen Eahnen. Ihre Namen und Daten seien hier zu ewigem Gedächtnis verzeichnet:

1. Louis Ludolph, gest. 12. Jan. 1836.

2. Itzig Lewin Isaak, gest. 19. April 1840,

3. Süssel Leow, gest. 7. Sept. 1845.

Er hatte im Kriege ein Bein verloren und ging auf einem Stelzfuss.

4. Itzig Bernstein, gest. 17. Sept. 1851. Er stand bei den „schwarzen Husaren."

5. David Leow, gest. 9. Okt. 1851.

Er zeichnete sich im Kriege besonders aus und erhielt die am 24. Dez. 1843 gestiftete Denkmünze.

6. Itzig Wolf, gest. 14. April 1852.

7. Joseph Ezechiel, gest. 12. Januar 1855.

8. Lewin Simon, gestorben 24. November 1866.

Er wurde während des Feldzuges Unteroffizier und er- hielt die Kriegsdenkmüuze vom 17. März 1863.

9. Joel Nathanson, (Vater des jetzigen Vorstehers Nathan Nathanson.)

Er war Tambourmajor beim 24. Regiment und machte an der Spitze desselben 1815 den Einzug in Paris mit.

10!)

Für das vielberufono Kuj)itel „Juden als Soldaten", das iu den letzten Jahren infolge der antisemitischen Jiezichtigungen so mannigfache Erörterungen erfuhr, vermag diese Liste Brandenburger Freiheitskämpfer eine überaus willkommene Bereicherung /u bieten.")

In ihrem jtatriotischen Eifer beteiligten sich die Juden Brandenburgs nach errungenem Siege auch an den in der Stadt veranstalteten Sammlungen zu Gunsten der verwundeten Krieger'-).

Nachdem durch das Judenedikt von 1812 das für die Juden geltende Verbot des Ilausbesitzes aufgehoben war, konnte an eine gründliche und delinitive Regelung der in Bezug auf das Synagogengrundstück in der grossen Münzen Strasse bestehenden Besitzverhältnisse gedacht werden. Die sechzigjährige Frist, für die im Jahre 175G die Nutzung des Daniel Voigfschen Hauses erworben worden, war im Jahre 1816 abgelaufen. Um nun das faktisch im Besitz der Gemeinde befindliche Grundstück auch juridisch für sie sicher zu stellen, schloss die Gemeinde am 10. Sep- tember 1819 durch ihren damaligen Vorsteher Jacob Aron Jacobi mit Daniel Friedrich Voigt, dem Sohne des inzwischen verstorbenen Daniel Vogt, eine notarielle Punktation, durch w^elche Voigt das Grundstück an die Gemeinde für 325 Taler verkaufte. Die seinem Vater im Jahre 1736 von der Ge- meinde geliehenen 275 Taler wurden auf den Kaufpreis ver- rechnet, 25 Taler erlegte die Gemeinde sofort, die restieren- den 25 sollten nach der entgültigen Regulierung des Besitztitels gezahlt werden. Durch den bald darauf erfolgenden Tod des Daniel Friedrich Voigt trat eine erneute Komplikation des immer noch nicht erledigten Kaufgeschäfts ein. Es wurde ein neuer Kaufvertrag mit Voigt's Erbin, seiner Stieftochter

<') Vgl. Jüdische Presse, Jahrg. 1892, S. 135. Die Priege und Erhaltung der Gräher dieser auf dem Brandenburger Friedhof ruhenden Freiheitskämpfer hat die Gemeinde als eine Ehrenpflicht auf ihren Etat übernommen,

*^) „Brandenburgischer Anzeiger" vom 22. Juli 1816.

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Dorothee Sophie Straube, notwendig. In demselben erkannten am 27. jNIärz 1822 die Vurt>tehei' Abiabam Lazarus Bertram und Salomon Sei low die Punktation vom Jahre 1819 auch für ihre Person als rechtsverbindlich an und erkaufen unter Tragung sämtlicher Kosten das Haus von der Voigt'schen Erbin. Das Gericht schien jedoch die beiden Vorsteher nicht für befugt zu halten, im Namen der Gemeinde ein Rechts- geschäft abzuschliessen. Deshalb wurden sämtliche Mit- glieder der Gemeinde aufgefordert, einzeln ihre Zustim- mung zu den Abmachungen des Jahres 1819 und 1822 zu erteilen. Erst am 2U. P^ebruar 1824 war dies von allen Mitgliedern geschehen. Nun war nur noch eine Frage zu erledigen: Wer eigentlich rechtlicher Eigentümer der zu dem Grundstück gehörigen Wiese (Hauskavel) sei. Das Gericht hatte darauf hingewiesen, dass in der kgl. Konzession vom 6. November 1781 die Erlaubnis zum Besitz des Hauses nur unter der Bedingung erteilt war, dass die Gemeinde auf die Braugerechtigkeit und auf die Wiese (irrtümlicher Weise in der Konzession „Canalwiese" genannt) Verzicht leiste und schien auf der Nachsuchung einer besonderen Konzession zum Besitz der Wiese bestanden zu haben. Hiergegen erhob der Vorstand jedoch Einspruch mit dem interessanten Hinweis, es seien seit 1781 in der staatsbürgerlichen Stellung der Ju- den so durchgreifende Veränderungen eingetreten, dass sich kein vernünftiger Grund absehen lasse, warum die Regie- rung ihre Konzession zum Erwerb des Hauses nicht auch auf die sog. „Pertinenzien'' ausdehnen sollte. Da der Vorbesitzer Voigt die Hauskavel bisher benutzt habe, so sei dieselbe mit dem Hause zugleich Eigentum der Gemeinde geworden. In- dessen wolle die Gemeinde die Wiese an einen besitzfähigen Privatmann verkaufen. Damit war auch diese Frage erledigt, und es stand der formellen Berichtigung des Besitztitels nichts mehr im Wege. Dieselbe erfolgte endlich am 5. Januar 1825. Hier mag gleich darauf hingewiesen werden, dass die Ge- meinde im Laufe der folgenden Jahrzehnte noch zweimal durch die das Synagogengrundstück betreffenden wirren Besitz-

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Verhältnisse in Schwierigkeilen geriet. In dem einen Fall handelte es sich um die eben erwähnte Wiesle. In Wirklich- keit war sie laut Erklärung der Aeltesten vom 20. August 1779 an den Älagislrat zugunsten der städtischen Armenkasse abgetre- ten worden (s. oben S. 101). Voigt, der juridische Besitzer des Synagogengrundstücks, fungierte als Pächter der Wieso und hatte auch bis 1820 die Pacht (2 Taler 15 Gr.) i)ünktlich bezahlt. Ein rechtsgültiger Akt über die Abtretung der Wiese war jedoch nicht vollzogen worden, weshalb das „Pertinenzstück" der StammbesitzuDg auch weiterhin rechtlich zugehörte. Auf (jlrun«! dieser Sachlage hatte die Gemeinde, wie sie ver- sprochen, die Wiese im Jahre 1824 pro forma an ein Ge- meindemitglied, den erwähnten Vorsteher Jacobi, für 50 Taler verkauft, welcher sie sogleich an den Brennereibesitzer Schultze für 150 Taler weiterverkaufte und den Mehrerlös von 100 Talern der Gemeinde überliess. Nach 10 Jahren nun, am 28. April 1834, mahnte plötzlich der Magistrat die Gemeinde um schleunige Einzahlung der aus den Jahren 1821, 1822 und 1825 bis 1832 rückständigen Pachtsummen a 2 Taler 15 Gr. Demgegenüber machte die Gemeinde geltend, dass sie erst seit 1822, wo sie das Haus von der Voigt'schen Erbin kaufte, Besitzerin der Wiese sei. Vorher habe die Gemeinde Aveder eine Wiese noch ein Haus besessen, denn von der Konzession des Jahres 1781 habe sie tatsächlich keinen Ge- brauch gemacht. Auf diesen Einwand antwortete der Ma- gistrat zunächst mit Androhung der Klage, w^enn die Pacht- summen nicht binnen drei Tagen bezahlt seien, ging aber, als diese Drohung erfolglos blieb, in einem erneuten Schreiben auf den sachlichen Einw^aud der Gemeinde näher ein: Eigen- tümerin der Wiese sei die Stadt. Von der Konzession des Jahres 1781 habe die Gemeinde wohl Gebrauch gemacht, denn in dem mit der Voigt'schen Erbin abgeschlossenen Kaufkontrakt habe sie ausdrücklich anerkannt, dass die Ueb er- gäbe des Hauses schon vor 60 Jahren erfolgt sei: Wenn nicht binnen 14 Tagen eine genügende Erklärung von Seiten der Gemeinde erfolge, werde mit der Klage vorgegangen.

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Fast zwei Monate verstrichen. Die Gemeinde hatte gar nicht geantwortet. Da beschloss der Magistrat die Klage, die sich nicht nur auf die Pachtsummen, sondern, du die Wiese ver- kauft worden, auch auf den Kaufpreis von 150 T. einschliess- lich Verzugszinsen erstrecken werde. Die Stadtverordneten- Versammlung, der die Augelegenheit vorlag, schien jedoch milder gesinnt und forderte die Gemeinde zu Vorschlägen auf, die eine gütliche Regulierung der Sache ermöglichen sollten. Die Gemeinde bat, die Sache auf sich beruhen zu lassen, in- dem sie geltend machte, dass sie ja während der vielen Jahr- zehnte von den „Armengeldsrechten", die aus der Verpachtung der Wiese entstanden, keinerlei Vorteil gehabt hätte, „da sie ja für ihre Armen stets selbst sorgten." Die Stadtver- ordneten-Versammlung schlug sodann eine Entschädigung von 75 T. vor und stellte zugleich die Bedingung, dass die Ge- meinde auch weiterhin für ihre Armen selbst sorge. Schliess- lich erfolgte die Einigung auf 50 Taler, welche die Gemeinde am 14. April 1835 an die städtische Armenkasse zahlte. Die zweite Schwierigkeit ergab sich für die Gemeinde aus dem Verluste der Schuldverschreibung vom Jahre 1730. Als die von der Gemeinde dem Daniel Friedrich Voigt geliehenen 275 Taler bei Gelegenheit des Kaufgeschäfts in den Jahren 1819 und 1822 durch Kompensation getilgt waren, wurde zu- gleich vom Käufer die Löschung des betreffenden Vermerks im Ilypothekengrundbuch in Aussicht gestellt. Diese Löschung konnte jedoch nicht erfolgen, weil das sogen, „documentum ex quo" nicht beigebracht werden konnte. Erst im Jahre 1863, als der Magistrat auf Löschung des Postens drang, schritt der damalige Vorsteher Gerson zur definitiven Regelung dieser Angelegenheit. Da die Schuldverschreibung durchaus nicht aufzufinden war sie war sicherlich seit Menschengedenken abhanden gekommen so stellte der Vorstand den formellen Antrag auf „Mortification" der auf den Namen der hiesigen Judenschaft lautenden gerichtlichen Obligation des Daniel Voigt vom 12. Juni 173G und erbot sich, falls das öffentliche Aufgebot des Dokuments erfolglos bliebe, zur formellen

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Ableistung des erforderlichen Eides. Das Aufgebot hatte natürlich keinen Erfolg, und so leisteten am 20. Mai itzig (lerson, Hirsch C rumer und Moritz Ilildesbeimer (letzterer in Vertretung des abwesenden Hirsch Pintus) den Eid, „dass er (der Schwörende) dieses Instrument weder selbst besitze, noch wisse, wo es bclindlich sei, auch dass er selbiges nicht gefährlicher Weise abhanden gebracht habe." So erfolgte endlich die beantragte Löschung durch ein Dekret vom 20. September 1864.

Zu den Gemeindeinstitutionen, welche in dem bis 1855 reichenden Zeitraum neu geschaffen wurden, gehört auch das rituelle Frauenbad (Mikwah). Bereits um das Jahr 1810 war innerhalb der Gemeinde der Wunsch nach dem Besitze eiues solchen laut geworden. Aber die mannigfachen mit der Anlage eines solchen Bades verknüpften Schwierigkeiten verzögerten die Verwirklichung des Planes um mehrere Jahre. Erst um das Jahr 1819 geschah durch die Initiative des be- reits erwähnten Mitvorstehers Jacobi der erste Schritt, indem derselbe im Auftrage der Gemeindemitglieder das Neuberg'sche Haus in der Lindenstrasse (Nr. 770) käutlich erwarb. Das Kaufgeld von 550 Talern wurde aus der Bikkur - Cholim- Kasse geliehen und für diese hypothekarisch eingetragen. Jacobi selbst erhielt von den Gemeindemitgliederu schrift- lichen Auftrag und unbeschränkte Vollmacht zur Erbauung und Einrichtung eines rituellen Bades in dem neuerworbenen Hause. Die Kosten beliefen sich auf 700 Taler, die als Anleihe aufgenommen und allmählich aus Gemeindemitteln ge- tilgt wurden. Die Einrichtung des Bades muss jedoch sehr primitiv gewesen sein. Wie aus einem die Jahre 1833 1839 umfassenden, von Kantor Guttmann geführten Kassabuch er- sichtlich ist, waren alle paar Monate „Reparaturen im Bade- hause" notwendig. Lange Jahre behalf mau sich mit solchen kleinen Reparaturen. Erst 1860 entschloss man sich auf mehrfache dringende Vorstellungen einer Anzahl Gemeinde- mitglieder ^^) zu einem gründlichen Umbau, dessen Zustande-

♦*) Daa Gesuch, vom 26. August 1860, ist unterschrieben von B.

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kommen in erster Linie dem energischen Auftreten und der Opferwilligkeit von Moses und Benni Pintus zu danken war. Zu den Kosten (300 Taler) steuerte Benni Pintus „aus Pietät für seine dahingeschiedene fromme Gattin zu deren Andenken" allein 100 Taler bei. weitere 20 Taler wurden durch Sammlung innerhalb der Gemeinde aufgebracht, der Rest von IbO Talern fiel der Gemeindekasse zur Last. Der Umbau war am 31. October 1860 vollendet und wurde als „sehr praktisch'" bezeichnet. Die immer mehr abnehmende Frequenz des Badehauses veranlasste im Jahre 1883 den Ge- meinde-Vorstand, den Verkauf des Grundstücks in der Linden- strasse zu beantragen. Der Verkauf erfolgte im November dieses Jahres um den Preis von 6500 Mk. Seitdem ist die Gemeinde ohne Mikwah").

Was die Leitung der religiösen Angelegenheiten innerhalb der Gemeinde betritft, so treten zwei Männer schon durch die überaus lange Dauer ihrer amtlichen Wirksam- keit besonders bemerkenswert hervor. Der erste von ihnen, zugleich der erste Beamte, dessen Spuren in den Gemeinde- acten nachweisbar sind, war der schon erwähnte Jacob Heine manu. Er hatte bereits im Jahre 1767 seine Stel- lung inne. Die in diesem Jahre aufgestellten neuen Statuten

Pintus, S. Loewen, S. Schönfeldt, Moritz Hildesheimer, S. Hildesheiiner, E. Nauen, Heymann Pintus, Joel Nathanson.

**) Die Aufhebung des Bades muss vom religiösen Standpunkt als ein unerlaubter Schritt bezeichnet werden. Die Unterhaltung einer Mikwah gehört zu den notwendigen religiösen Gemeinde-Institutionen so gut wie die Unterhaltung einer Synagoge, einer Schule und der Schechita. So wenig die abnehmende Frequenz bei diesen Einrichtungen eine völlige Aufhebung zu rechtfertigen vermöchte, so wenig ist dies bei der Mikwah der Fall. Durch Aufhebung einer religiösen Einrichtung boykottiert die Gemeinde gleichsam sich selbst für gesetzestreue Mitglieder. Schon die Rücksicht auf ihre Beamten, die sie doch als religiöse Beamte er- wählt, hätte die Gemeinde davon zurückhalten müssen, eine dem Juden- tum so wesentliche Institution, von der im Laufe der Jahrhunderte eine unermessliche Weihe auf das jüdische Haus übergegangen, einfach auf- zuheben.

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der Chewra Bikkur Chol im (vgl. S. 95) sind von ihm mit jONJl yuf C'^n n unterzeichnet. Für das hohe Verti-auen, welches er innerhalb der Gemeinde genoss, ist ein V^ermerk im allen Chewrabuche charakteristisch. Als Lazarus Isaac, der erste Vorsteher der Chowi'a. ifii Jahre 1798 gestorben war, übergab sein Sohn Abraham der spätere Vorsteher Abraham Lazarus Bertram ^■'^) den Betrag der Kasse an die Chewra im l^eisein Jacob Heinemanns und fügt hinzu, dass ihm sein Vater diesen Modus vor seinem Tode ausdrücklich befohlen habe. Der Titel, den Heinemann in diesem Ver- merk trägt ''221m ''jninn beweist, dass er auch Rabbinats- fuuktionen in der Gemeinde ausgeübt hat. Heinemann starb im Einhundertzweiten Lebensjahre am 21. September 181G'''*). Er stand länger als ein halbes Jahrhundert

**) Mit Recht hebt Gerson in seinen „Nachrichten" hervor, wie wenig die Juden bei der Annahme der Geschlechtsnamen auf die Be- zeichnung der P'amilienzugehörigkeit Gewicht legten und führt als be- sonders drastisches Beispiel die folgenden Daten aus der Geschichte der Familie Lazarus an: Der im Jahre 17 70 verstorbene Isaac Lazarus hinterliess sieben Söhne, von denen 1812 noch sechs lebten; von dem bereits gestorbenen existierten zwei Söhne. Nun nahmen von den sechs Brüdern an

Der erste den Familiennamen Isaac, zweite Sussmann,

dritte Brandis,

vierte Eibthal,

fünfte Lazarus,

sechste Brandy,

einer der Enkel nannte sich Bertram, der andere Lazarus.

**a) Die von fünf Söhnen Heinemann's unterzeichnete Todes- anzeige im „Brandenburger Anzeiger" (Jahrg. 1816, S. 316) hat folgenden Wortlaut :

Am 21. v. M. starb unser würdiger Vater, der Kantor bei der hiesigen Synagoge, Jakob Heinemann, in einem Alter von Einhundert Einem Jahre und Einem Monat. So sanft, wie sein Leben, war sein Hinscheiden. Durch seine Kenntnisse, noch mehr aber durch seinen religiösen Sinn, welchen er in allen seinen Handlungen aus- drückte, erwarb er sich die Achtung und Liebe der hiesigen Wohllöblichen jüdischen Gemeinde, denn mehr als 70 Jahre war er ein treuer Diener

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im Dienste der Gemeinde"). Seit 1799, wo Heinemann sicher- lich infolge seines hohen Alters bereits seine Amtsfunktionen nicht mehr ausüben konnte, tinden wir Benjamin Philipp^') als Schächter und Vorbeter. An seine Stelle trat im April 1813 Simon Guttmann, dessen Amtsdauer sich über 48 Jahre erstreckte. Guttmann, geboren in Graetz, amtierte vorher in Strassburg (Uckermark) und soll einer Familientradition zu- folge in jungen Jahren eine Stellung in Kopenhagen bekleidet haben. Hier in Brandenburg verwuchs er im Laufe der Jahrzehnte auf das Innigste mit der Gemeinde und schuf sich eine Stellung, in der er der tatsächliche Führer der Gemeinde wurde und sie vermöge seiner allgemeinen Bildung auch nach

seiner Religion, und fünfzig und einige Jahre lebte er hier und erfüllte die Pflichten seines Amtes mit der grössten Gewissenhaftigkeit. Sanft ruhe seine Asche! Seine Seele ruhe im Schatten des Allmächtigen!

Indem wir dieses unsern fVeunden und Bekannten anzeigen, fühlen wir uns verptlichtet, allen Mitgliedern der hiesigen Gemeinde, unseren ge- ehrten Glaubensbrüdern, den gerührtesten Dank öft'entlich abzustatten für das viele Gute, das sie ihm, unserem nunmehr in Gott ruhenden Vater, erzeigt haben, für die Liebe, die sie zu ihm hegten, für ihr Bestreben, ihm sein hohes Alter erträglich zu machen, für die Anhänglichkeit, die sie noch nach seinem Tode gegen ihn offenbarten.

Gott, der jede gute Handlung belohnet, wird gewiss jeden dieser Edlen noch in seinem hohen Alter den süssen Lohn dafür emptinden lassen. Brandenburg, den 4. Oktober 1816.

Salomon

Joseph

Noel

Gerson

Julius

**) Das Stadtarchiv (Acta al J Nr. 26) bewahrt den vom 14. Juli 1791 datierten Trauschein, welchen ,,der publique Bediente bei der Juden- schaft zu Brandenburg Heinemann Jacob erhielt zur Verheiratung seiner Tochter Ester mit dem Juden Jacob Simon aus dem Lüneburg'schen". *') Dieser deutsche Name des Beamten ist aus der ,, Liste von den in den Provinz-Städten der Kurmark vorhandenen Judenfamilien" ersichtlich (St.-A. Rep. 104 IV C 64). In den Gemeindeakten (altes Chewrabuch) unterschreibt er im Jahre 1802 ein Versammlungsprotokoll ^^'\2 po»J3

1ÖM31 Y"^-

Heinemann.

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aussen hin würdig repräsentierte. Was den Umfang seiner Wirksamkeit betrifft, so versah er das Amt des Vorbeters und Schächters; er selbst unterschreibt sich in den verschie- denen Listen, die er führte, stets: „Cantor der jüdischen Clomeinde". Jedoch hat er auch Trauungsfiinktionen aus- geübt, nicht nur in der Stadt selbst, sondern auch in den umliegenden Orten""). Für das Vorbeteramt scheint er be- sonders hervorragend (|ualiliziert gewesen zu sein; er besass eine wunderbare Singstimme und war auch in der profanen J\Iusikliteratur bewandert. Sein Gehalt belief sich anfangs auf 200, später, seit 1834 auf 220 Taler. Was er der Gemeinde war und welche Verehrung er genoss, ist am besten aus dem Nachruf zu ersehen, welcher ihm nach seinem am 3. November 1855 erfolgten Tode vom Gemeindevorstand gewidmet und in zwei Brandenburger Blättern, der Vossischen Zeitung in Berlin und der Philippson'schen Zeitung des Juden- tums veröffentlicht wurde. Derselbe lautete:

Nachruf. Am 3. d. M. verstarb in den Armen der Seinen der Kantor der hiesigen israelitischen Gemeinde, Herr Simon Guttmann, im 65. Lebensjahre und im 43. Jahre seiner, mit seltener Berufstreue der Gemeinde gewidmeten Amts- thätigkeit. Seine letzte Amtsverrichtung war der Segensspruch für unsern erhabenen König, an dessen letztverflossenem hohen Geburtstage. Das Schlusswort seines Gebets: „So sei Sein heiliger Wille!" ging bald darauf an ihm selbst in Er- füllung. — Der Dahingeschiedene, geliebt und geachtet von Allen, die ihn kannten, war den Aelteren in der Gemeinde: Bruder; den Jüngeren: väterlicher Freund; den Bedrängten: Helfer; in seinem Familienkreise w^ar Jeder heimisch; Er stand Allen nahe und theilte Freud und Leid mit jedem

**) Diese Mitteilung und manches andere über Guttmann verdanke ich seiner in Berlin lebenden Tochter, Frau Rahel Brühl, in deren Be- sitz sich auch das prachtvolle, in Oel gemalte Original des beigegebenen f aksimilebildes befindet.

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Einzelnen in der Oemeinde. Unser Schmerz um den Verlust des Dahingeschiedenen ist gross, und wenn auch die Zeit diesen mindert, das Andenken an den Verklärten, der Jedem als Muster galt, wird der Gemeinde unvergesslich bleiben.

Brandenburg, am 5. November 1855.

Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde.

Dem in diesem Nachruf zum Ausdruck kommenden Ge- fühl der Dankbarkeit entsprach es auch, dass die Gemeinde- Verwaltung der Witwe Guttmann's auf Lebensdauer eine Pension von 100 Talern aussetzte. Ein Vorschlag des Vorstandes, in der Synagoge zu Ehren des verewigten Be- amten eine Gedenktafel mit entsprechender Inschrift anzu- bringen, ist nicht zur Ausführung gekommen. Dagegen pflanzt eine von den Kindern Guttmann's gegründete Jahrzeits- stiftung sein Andenken auch weiter in der Gemeinde fort^^). Was den Religionsunterricht betrifft, so war derselbe bekanntlich vor Erlass des Judengesetzes vom 23. Juli 1847 keiner behördlichen Regelung unterworfen, vielmehr war es jedem Familienvater überlassen, wo und wie er seine Kinder in der Religion und im Hebräischen unterweisen lassen wollte.

") Guttmann's Grabstein trägt folgende schöne Inschrift:

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Daher erklärt es sich, dass die Gemeinde als solche einen Religionslehrer nicht angestellt hatte. Es lebten aber in der Gemeinde zwei Männer, die vermöge ihres Wissens zur re- ligiösen Unterweisung der Jugend befähigt waren und deren Dienste denn auch für den Unterricht der Kinder von den Gemeindemitgliedern in Anspruch genommen wurden. Es war dies in der älteren Zeit, bis zum Jahre 181^, Abraham Michael Jolenberg, im Sterberegister als „Gelehrter" auf- geführt später, bis 1851, Michael Samuelsohn, im Munde der noch lebenden älteren Generation als „Reb Michel" be- zeichnet. Vor Jolenberg's Tode, 1818, ist in den Registern als sein Gewerbe „Handelsmann" angegeben. Vom Jahre 1821 an lindet sich hinter seinem Namen das Prädikat „Lehrer". Auch sein Bruder Simon Nathan Samuelsohn muss einen gewissen Grad von Gelehrsamkeit besessen liaben; denn auch er tritt neben Michael, zwar nicht als Lehrer, aber als fungiernder P)eamter bei Trauungen auf. Nach Michael Samuelsohn's Tode (185'i) schritt die Gemeinde alsbald zur Anstellung eines Lehrers; auf Guttmann's Empfehlung wurde Elkan Cohn aus Berlin als Prediger, Religionslehrer und Mitvorbeter angestellt. In einem erhaltenen Schriftstück wer- den „die Pflichten des Herrn Gohn" in 10 Paragraphen nieder- gelegt. Danach hatte er die Kinder in 13 wöchentlichen Stunden zu unterrichten, und zwar „1. Erlernung der hebrä- ischen Sprache. 2. Uebersetzung der hebräischen Sprache. 3. Jüdische Geschichte mittelst Uebersetzung des alten Testa- ments. 4. Ritus und Religion". Bei Casualien hatte er „im Sinne des alten Ritus" zu amtieren, jeden vierten Sonn- abend, wie auch an den Festtagen, in der Synagoge „in streng jüdischem Sinne" zu predigen. Besonders charak- teristisch für das immer mehr erwachende Bedürfnis nach religiöser Belehrung ist §7 des Schriftstückes, welcher lautet: „Wie es sich Herr Cohn demnach angelegen sein lassen soll, die Kinder religiös zu erziehen, so ist es auch wünschens- wert, dass die Erwachsenen von seiner Funktion als Re- ligionslehrer der Gemeinde sonstige geistige Genüsse haben,

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möge dies in ErkläriiDg der c'p^.c oder soustigen Vorträgen geschehen." Cohn, der ein Gehalt von 130 Talern bezog, blieb nur ein Jahr in Brandenburg. Er ging von hier aus nach Amerika.

Ueber den allgemeinen Kulturzustand und das reli- giöse Leben innerhalb der Gemeinde ist wenig zu be- richten. Ihre Mitglieder gehörten fast durchweg dem Kauf- mannsstande an, unter ihnen ein Oberlotterieeinnehmer (Itzig Hirsch Lazarus). Das Gewerbe, wenn man will sogar das Kunstgewerbe, war durch einen Petschierstecher^*') ver- treten, der Gelehrtenstand durch einen Arzt, Dr. Carl Meyer, gestorben 1829. Das religiöse Leben war das einer altjüdi- schen Gemeinde, die alle religiösen Institutionen mit Eifer aufrecht erhielt und mitten unter den nie verlöschenden An- feindungen, denen die jüdische Bekennerschaft ausgesetzt war, still und ruhig ihre religiösen Aufgaben erfüllte. Still und ruhig bis auf eine Ausnahme! Man weiss, wie unge- zwungen unsere Ahnen sich in ihren Synagogen bewegten, wie sie an der heiligen Stätte des Gotteshauses sich oft genug zu lebhaften, leidenschaftlichen Diskussionen hinreissen Hessen und dabei ihre Temperamente in keiner Weise zügelten. Das mag uns heute eigentümlich anmuten und wir mögen uns darüber entrüsten. Aber vor allem müssen wir doch wohl suchen, diese Erscheinung zu verstehen. Sie findet ihre natürliche Erklärung in der Geschichte und gehört zu dem Kreise jener ausserordentlichen Erscheinungen, die als Ueber- reste mittelalterlicher Entwickelung bei unserem Stamme bis in die neueste Zeit hineinragen und erst allmählich voll- kommen verschwinden werden. Dem Juden war seine Syn- agoge mehr, weit mehr als ein blosses Bethaus. Sie war seine Heimat, ja seine einzig wahre Heimat. Draussen in den

*") Joseph Meyer, gestorben 1829. Seine Grabschrift nennt ihn n"e i'KO n"fi Abkürzung für cmn «nire Siegelstecher, Medailleur. Vgl. die Abhandlung von Albert Wolf: Etwas über jüdische Kunst und ältere jüdische Künstler (Mitteilungen zur jüdischen Volkskunde, herausgeg. von M. Gruiiwald, neue Reihe, 1. Jahrg. Heft 1, S. 19flF.)

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Cantor Simon Guttniann,

amtierte von 1H13 1855.

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Städten und Dörfern, auf Markt und Strassen empfing ihn die Lieblosif^koit eines unerbittlichen Vorurteils mit seinen Zurücksetzungen, seinen Öchmäliungon, seiner Kälte, 'l'eil- nahme, Mitgefühl, Wohlwollen und Liebe wehte ihm nur an der gemeinsamen Stätte des rjebetes entgegen, wo er. um- geben von seinen Glaubensbrüdern, zu Gott flehte und wo alle Freuden und Leiden seines Familienlebens in mitfühlen- den Herzen lebendigen Wiederhall weckton. Das Gottes- haus war unseren Ahnen eine Art gemeinschaftlicher Wohnung und ihre ungezwungene Haltung in demselben ist nichts als eine natürliche Reaktion jenes künstlichen Still- haltens, zu dem sie ausserhalb des Gotteshauses durch die vorurteilsvolle Gewalt einer grausamen Mitwelt gezwungen waren. So wird die viel verspottete „Judenschule" zu einem Begriff voll tragischen Inhalts, dessen wahrlich nicht wir uns zu schämen brauchen. All dies aber sei vorangeschickt, um ein rechtes Verständnis dafür zu ermöglichen, dass z. B. hier in Brandenburg am 4. September 1821 der Vorsteher S. Seile w dem Polizeidirektorium Anzeige erstattet, das in der Synagoge angeheftete polizeiliche Mandat zur Erhaltung der Ruhe w^ährend des Gottesdienstes sei „von Frevlern" ab- gerissen worden, und um eine anderweitige solche Verord- nung bittet, „in welcher Ruhestören, unsittliches Betragen, oder Vorsingen des Cantors mit einer namhaften Strafe be- legt werden." Der Ruf nach der Polizei ertönte etwa zwanzig Jahre später, 1843, noch einmal, fand aber von Seiten des Oberbürgermeisters Ziegler eine interessante Zurückweisung in einem Schreiben, das fast ein Kulturmoment genannt zu werden verdient und deshalb in seinem Wortlaut mitgeteilt sei:

Wenn die Vorsteher der hiesigen Judenschaft darauf angetragen haben, mittelst polizeilicher Aufsicht die Ordnung im Tempel beim Gottesdienst zu überwachen, so müssen wir bedauern, dass Thatsachen haben vor- kommen können, die einen solchen Antrag nöthig ge- macht haben.

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Der hiesigen Judenschaft können wir im All- gemeinen das Zeugniss einer sittlichen Führung nicht versagen, und wir hoffen deshalb, dass sie es als Ehrenpunkt ansehen werde, ihre Religion und ins- besondere ihre Religionsübungen nicht zum Gegenstand des öffentlichen Aergernisses und Spottes zu machen. Eine Religionsgesellschaft, die nicht einmal im Stande ist, die innere Ruhe während des Ciotfesdienstes zu er- halten, die sogar ihre Streitigkeiten in das Bethaus überträgt, die an der der Gottesverehrung geweihten Stätte die Leidenschaften und gehässigen Anfeindungen nicht zu unterdrücken vermag, muss von Grund aus sich innerlich aufbauen.

Dazu wird aber vor allem nöthig sein, dass jedes Mitglied bei sich selbst anfängt, aller Eitelkeit und Bevorzugung, aber auch allem Gelüste nach wohlerwor- benen und auf hergebrachten Gewohnheiten beruhenden Gerechtsamen anderer Mitglieder entsagt. Bevor wir daher auf den Antrag polizeilicher Hilfe eingeben, ver- anlassen wir das Vorsteher-Amt der Judenschaft, zu- vörderst die Gemeinde zusammenzurufen, alle obwaltenden Streitigkeiten auszugleichen oder uns die entstandenen Differenzpunkte anzuzeigen. Wir hoffen zuversichtlich, dass die Gemeinde sich gütlich einigen, dann aber auch dem von ihr selbst erwählten Vorsteher die schuldige Folge leisten werde.

Sollte ein einzelnes Mitglied dem Vorsteher den Ge- horsam versagen, so werden wir sofort zur Untersuchung und Bestrafung solcher Renitenz schreiten. Brandenburg, den 31. October 1843.

Der Magistrat, gez. Ziegler.

An die hiesige Judenschaft zu Händen der Vorsteher Herrn Pintus, Leow und Simon.

V.

Die Synagogengemeinde.

1855—1905.

1. Gemeindeverwaltung;.

Ehe wir über die auf Grund des Gesetzes vom 23. Juli 1847 erfolgte Neukonstituierung der Gemeinde als „Syn- agogengeraeinde" berichten, sei ein kurzer Blick auf die vor dieser Zeit bestehende Organisation geworfen. Bis 184 7 hatten die Judengemeinden in Preusseu vom Staate aus nur die Rechte erlaubter Gesellschaften; ihre Existenz beruhte auf den Bestimmungen, welche das allgemeine Landrecht über Genossenschaften enthielt. So wenig das Individuum ge- zwungen werden konnte, sich einer Gemeinde anzuschliessen, konnte diese selbst gezwungen werden, ein bestimmtes Indi- viduum als Mitglied aufzunehmen. Nur zwei Dinge durften dem Individuum nicht verweigert werden: der Besuch der Synagoge und eine Begräbnisstätte. Im Uebrigen stand es jeder Gemeinde frei, ihre Organisation, was Verwaltung, Mitgliedsbeiträge u. s. w. betraf, nach Gutdünken auszuge- stalten, sobald die Ortsbehörde ihre Bestätigung gab. Die erste Nachricht über eine organisatorische Massregel der Ge- meinde Brandenburg datiert vom Jahre 1809. In diesem Jahre wurde zur Bestreitung der Gemeindebedürfnisse die erste Umlage auf die Mitglieder nach ihrem Vermögensstande gemacht, durch Gemeindebeschluss vom 25. Juli festgesetzt und vom Magistrat am 5. September bestätigt. Die Steuer führte den hebräischen Namen Gilgul; die einzelne Quote, „Plette" genannt, wurde so vielmal erhoben, als der Bedarf erforderte. Das Aktenstück, welches diesen Gemeindebeschluss enthielt, ist leider verloren gegangen'). Eine genaue Fixie-

^) Ea war bereits im Jahre 1879 bei der von dem Vorsteher Oppenheim vorgenommenen Aktenrevision nicht mehr zu finden, während

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rung der Gemeindebedürfnisse wurde zum ersten Male am 1. Juni 1817 vorgenommen und zwar beliefen sieb dieselben auf 'JGA '/2 Taler. Gleichzeitig wurden einige statutarische Bestimmungen aufgestellt, durch den Magistrat der Regierung eingereicht und mit einigen Abänderungen am 17. Mai 1819 bestätigt. Ueber den Inhalt dieser Statuten sind wir be- dauerlicher Weise, da auch dieses Aktenstück verloren ging, nicht unterrichtet, sie bildeten aber für die nächsten Jahr- zehnte die Grundlage für die Leitung des Gemeindewesens. Nur einmal, soweit ich sehe, erfuhren sie eine Abänderung. Am 9. Dezember 1837 wurde vom Vorstand der Beschluss gefasst, „dass jeder von ausserhalb neu hinzukommende Bürger hiesiger Stadt, wenn er Mitglied der jüdischen Gemeinde werden will, die ersten drei Jahre unter dem Namen Ehren- mitglied aufgeführt werden soll und während dieser drei Jahre einen doppelten Beitrag zahlen soll, welcher von den zeitigen 2 Vorstehern, 1 Rendanten und 2 Stellvertretern fest- gesetzt wird." Am 23. Oktober 1839 wurde dieser Beschluss in einer Gemeindeversammlung bestätigt und hinzugefügt, dass der Unterschied zwischen wirklichen Mitgliedern und Ehren- mitgliedern nur darin bestehe, dass Letztere bei allgemeinen Beschlüssen keine Stimme haben. Erst nach Ablauf der 3 Jahre, wenn sie ihre Verbindlichkeiten erfüllt haben, sollten sie in die Rechte aller übrigen Mitglieder eintreten. Nach Erlass des Judengesetzes von 1847 regte sich in der Gemeinde das Verlangen nach neuen, wohlgeordneten Statuten, lange Verhandlungen wurden geptlogen, bis endlich am 6. Januar 1850 ein Regulativ zum Abschluss kam, dessen llauptbestim- mungen lauteten:

1. Die das Statut vereinbarenden Interessenten be- trachten sich gegenseitig als gleichberechtigte Mitglieder unter

ea in dem von Gereon 1866 angelegten Verzeichnis noch aufgeführt war. Sein Inhalt ist aber von Gerson in seine „Nachrichten" aufgenommen worden. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder war in diesem Akten- stück für 1809 auf 14 angegeben; dazu kamen 6 ledige, aber für eigene Rechnung handeltreibende Personen.

- 12t

Vorbehalt bestimmter Sitze in der Synagoge für einzelne be- rechtigte Mitglieder.

2. Die nicht sitzberechtigten Mitglieder, zeitige wie auch künftige, haben für einen Sitz in der Synagoge einen Taler Miethe pro Anno „zur Genosseuschaftskasse" zu zahlen, während die berechtigten j\litglieder nur T'/o Sgr. „tixen (Ja- non" zu entrichten haben.

3. Jedes neu hinzutretende Mitglied hat zur Erlangung der Mitgliedschaft ein Eiukaufsgeld zur allgemeinen Kasse zu erlegen.

4. Der Gemeindebedarf wird durch Schätzung nach dem Einkommen aufgebracht-).

Man rauss jedoch mit diesem Regulativ nicht zufrieden gewesen sein, denn bereits am 21. Februar 1852 kamen neue, eingehendere, von einer neungliedrigen Kommission entworfene „Statuten für die Judenschaft zu Brandenburg" durch Unter- schrift sämtlicher Mitglieder zur Annahme. In sechs Ab- schnitten handeln sie von dem Zweck der Gemeinde („Kul- tus und religiöse Pflichten nach mosaischem Ritus ausüben zu können"), den Mitgliedern (nur wer auf seinen Antrag in die „Gemeinde-Controlle" eingetragen ist, gilt als Mitglied, alle anderen gehören zur Kategorie der Nichtmitglieder),^) der Verwaltung und Vertretung (fünf durch einfache Majorität und öftentliche Stimmabgabe auf drei Jahre ge- wählte Vorstandsmitglieder, ein Vorsteher, ein Schriftführer,

'■^) lieber dieses Regulativ enthalten die Gemeindeakten selbst nichts; nur Gerson in seinen „Nachrichten" erzählt davon.

^) Als Kuriosnm sei erwähnt, dass zur Zeit der Annahme dieses Statuts zwei Mitglieder ohne Stimmrecht gegen Zahlung von 6 Talern pro Jahr aufgenommen waren, lediglich deshalb, weil ihnen behufs Er- langung des Bürgerrechts vom Magistrat aufgegeben war, für den Eintritt eines Sterbefalles das Recht auf eine Begräbnisstätte nachzuweisen. Die Gemeinde hatte sich verpflichtet, die Leichen dieser beiden Mitglieder ev. auf dem jüdischen Friedhof zu beerdigen Die Beiden führten deshalb den Namen „Kirchhofsmitgliederl" Das Statut streicht diesen Namen und setzt dafür „Mitglieder der Gemeinde ohne Namen und ohne Anteil am Gemeindevermögen".

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ein Synagogenvorsteher, ein Gemeinderendant, ein Rendant der „Kirchhufsgesellschaft"), den Beiträgen (alljährliche Abschätzung durch den Gesamtvorstand und drei beitragende Gemeindemitglieder), den Beamten (sind durch absolute Stimmenmehrheit der Gemeiudemitglieder zu wählen) und dem Ausscheiden aus der Gemeinde.

Alle diese Versuche, die Gemeindeverwaltung in eine straffere Organisation zusammenzufassen, wurden schliesslich überflüssig durch die mit Beginn des Jahres IS.ji anhebenden Vorarbeiten zur Konstituierung der Gemeinde auf Grund des Gesetzes von 1847. Nach genauen Erhebungen entwarf der Magistrat einen „Plan zur Bildung von Synagogen- gemeinden in der Stadt Brandenburg westhavellän- dischen Kreises". Dieser Plan umfassle als zum Syn- agogeubezirk gehörig ausser der Stadt Brandenburg 86 Orte der Kreise Westhavellaud und Zauch-Belzig. Zur Zeit wohnten aber Juden nur iu

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Der am 21. März an die Regierung eingereichte Plan wurde von dieser am 25. April bestätigt und zugleich wurde dem Magistrat aufgegeben, die Bildung der Synagogen- gemeinde den Beteiligten bekannt zu machen und sie zur Konstituierung der Gemeindekorporationen durch Wahl der Re- präsentanten und Vorstandsmitglieder aufzufordern. Die Prä- sentation des gewählten Vorstandes erwartete die Regierung binnen 6 Wochen. Aber erst nach 8 Monaten konnte dieselbe erfolgen. Am 23. Dezember wurde der erste Vorstand

129

L. Simon, J. Gerson, M. Aron von der Kegierung be- stätigt. Die Uebernahme der Verwaltungsgeschäfte stiess jedoch auf ungeahnte Schwierigkeiten, die sich im Laufe der nächsten Monate zu einem förmlichen Konflilct auswuchsen. Der bisher amtierende Vorstand nämlich, M. Pintus und H. Leow. verweigerte die Herausgabe der Kassen, der Bücher, der Dokumente u. s. w. Die Gründe dieser Weigerung klärten sich erst später, im Laufe der Verhandlungen, auf. Zunächst scheint der alte Vorstand die Kompetenz des neuen be- stritten zu haben, weil er nicht von Seiten des Magistrats offiziell eingeführt sei. Es geht dies aus einem Gesuch an die Regierung hervor, in welchem Vorstaud und Repräsentanten bitten, dass der Magistrat zur Einführung der neuen Gemeinde- vertretung angewiesen werden möge (30. März 1855). Auf den Bescheid der Regierung, dass es einer solchen Einführung nicht bedürfe, der Vorstand sich vielmehr ohne Weiteres den ihm obliegenden Geschäften zu unterziehen habe, verlangte der Vorstand vom Magistrat eine formelle Mitteilung über die Bestätigung der gewählten Gemeindevertreter. Nachdem diese eingegangen, konstituierte sich am Freitag, den 11. Mai 1855 sowohl der Vorstand J. Gerson wurde erster Vorsitzender als auch die Repräsentantenversammlung, die ihren Vorsitz L. Gumpert übertrug. Nun erging auf den 13. Mai eine Einladung an den alten Vorstand, um dem neuen und einer Deputation der Repräsentanten die baaren Bestände, Bücher, Rechnungen, Effekten etc. zu übergeben und darüber Decharge entgegenzunehmen, Pintus leistete dieser Einladung keine Folge, Leow, der erschienen war, erklärte sich nicht für be- fugt, die Gemeindekasse zu übergeben, er w^olle erst den Magistrat anfragen, ob diese Uebergabe schon geschehen dürfe. Die Schriftstücke, Bücher, etc. seien in Pintus' Besitz. Zu einer neuen Konferenz am 16, Mai erschien auch Pintus und erklärte im Verein mit Leow, sie wollten die Kasse u, s, w. dem neuen Vorstand nur provisorisch übergeben, unter der Bedingung, dass der neue Vorstand auch „die Verpflicht- ungen der alten Gemeinde erfüllt". Erst wenn das neu zu

9

180

entwerfende Statut die Erfüllung dieser Verpflichtungen ge- währleiste, könne die Uebergabe eine definitive werden. Der Vorstand, dem diese Bedingung unannehmbar schien, war in einer schlimmen Lage. Es blieb ihm nur die Beschwerde an die Regierung, zu der auch die Repräsentanten drängten. Er klagt, das Verhalten des alten Vorstandes mache jede Ge- schäftsführung unmöglich; derselbe sei der Meinung, er sei solange der rechtmässige Verwalter des Gemeinde-Vermögens, bis das neue Statut in rechtsverbindliche Kraft getreten sei. Die Regierung möge Anordnung treffen, dass der bisherige Vorstand ungesäumt seine Geschäftsführung ordnungsmässig in die Hand des neuen lege. Die Regierung überwies die Sache dem Magistrat zur Vermittelung. An ihn wendet sich der Vorstand mit der Bitte um Beschleunigung, die Eage sei ab- norm dadurch, dass der alte Vorstand sein Regiment fest- hält, denn „wo zweierlei Factoren regiren wollen, existirt faktisch gar keine Verwaltung" (13. Juni). Zu der Unmög- lichkeit, die Gemeindegeschäfte zu führen, kam noch eine neue Kalamität durch ein Schreiben des Königlichen Kreis- gerichts, in welchem die Synagogengemeinde erst dann als gehörig konstituiert und der Vorstand als gesetzmässig bestellt erachtet wird, wenn dieRegierung die genehmigten Statuten mitgeteilt habe {'22. Juni). Diese Autfassung beruhte zwar auf einem Irrtum, wie die Regierung am 5. Augui^t auf eine Anfrage des Vorstandes entschied, denn die Gemeinde sei durch die blosse Bestätigung des Vorstandes bereits konsti- tuiert. Aber einstweilen musste die durch die Weigerung des alten Vorstandes verschuldete Verzögerung des Statuten- entwurfes dem Schreiben des Kreisgerichts gegenüber als eine doppelte Unannehmlichkeit empfunden werden. Zur Schlichtung des Gemeindezwistes fand am 29. Juni Termin vor dem Magistratssekretär Körner statt. Der Vorstand prä- zisiert seine Forderungen in fünf Punkten, von denen aber der alte Vorstand nur die Herausgabe der Gemeinde-Kassen- rechnungen, der Abgaben-Rolle nebst Hebungsliste und des Etats über Einnahmen und Ausgaben guthiess. Dagegen wurde

- lai -

die Herausgabe der Konzessionen, Hypotheken, Dokumente, Kaufbriefe etc. erst für die Zeit in Aussicht gestellt, zu der das neue Statut genehmigt sein würde. Auch die Kassen der Stiftungen wurden zurückgehalten; Pintus, der an die Ge- meinde eine Forderung von 300 Talern hatte 'j, kündigte das Kapital auf 3 Monate und erklärte, die 395 Taler betragenden Papiere der Kassen als Faustpfand zu behalten. Da aber nicht nur der Entwurf des Statuts, sondern vor Allem auch die Aufstellung des Etats ohne die zurückgehaltenen Schriftstücke unmöglich war, so drängte der Vorstand beim Magistrat wie- derholt auf Entscheidung. Oberbürgermeister Brand gab den Wunsch zu erkennen, es möchte versucht werden, die ob- waltenden Differenzen auf dem Wege gütlicher Einigung zu beseitigen und schlug zu diesem Zwecke eine gemeinsame ausserordentliche Konferenz des Vorstandes und der Reprä- sentanten mit Pintus und Leow vor. Diese Konferenz fand am 6. Juli statt, sie brachte endlich volle Klarheit über die Tendenzen, die der alte Vorstand mit seiner Weigerung ver- folgte, und sie brachte auch die Einigung. Der Verlauf der Konferenz aber, der fast ein dramatischer genannt werden darf, verdient eine genauere Beschreibung. Vorstand und Repräsentanten, beide in ihrer Vollzahl erschienen, sind zunächst unter sich. Der Vorsitzende erklärt einleitend: „Des Herrn M. Pintus Verlangen geht dahin, dass, weil er be- fürchte, es würde künftig in unserer Gemeinde eine sogenannte Reform Eingang finden und der Gottes- dienst der Art eingerichtet werden, dass es ihm und seinen Anhängern in moralischer Beziehung nicht mehr möglich sein würde, das Gotteshaus zu be- treten, wir jetzt, vor Emanirung der Statuten durch Beschluss feststellen sollen, dass in diesem Falle das gegenwärtige Vermögen der hiesigen jüdischen Gemeinde den Anhängern des alten Ritus verbleiben

*) Die Gemeinde hatte diese Summe 1842 zum Ausbau der Syn- agoge als Anleihe aufgenommen und Pintus hatte sie an den Gläubiger aus seiner eigenen Tasche zurückgezahlt.

132

solle. Wenn diesem Verlangen gewillfahrt werde, so ist Herr Pintus bereit, Alles, was er vom Gemeinde-Vermögen noch bewahrt, sofort herauszugeben.'' Nach längerer Debatte gibt die Versammlung folgende, einmütig zum Beschluss er- hobene Erklärung ab:

„Unser Wirken und Wollen soll unserem und dem Sinne unserer Wähler entsprechend dahin gehen, den in der hiesigen Gemeinde bisher obgewalteten religiösen Sinn, auf Grundlage des mosaischen Glaubens nach dem alten, hier bisher gebräuchlichen Ritus zu erhalten und zu befestigen, indem wir erkennen, dass nur durch Festhalten dieses Sinnes es möglich sey, den Frieden und die Liebe in un- serer Gemeinde zu erhalten, eine Aufgabe, die zu erfüllen wir als unsere Pflicht halten. Dieses unser Bekenntuiss und Gelöbniss sind wir bereit, dem Herrn Pintus gegenüber, sobald dieser in unserer Mitte erscheint, feierlich zu erkennen zu geben, nicht aber können und werden wir zu einer Verbriefung darüber uns verstehen, indem eine solche zwar für uns mo- ralisch, nicht aber für unsere Nachfolger rechts- verbindlich seyn würde."

Darauf erscheint Pintus. Er präzisiert sein Verlangen dahin: In das Statut soll die Aufnahme des Passus erfolgen, dass das Vermögen der Gemeinde den Anhängern des alten Ritus verbleibe. Pintus entfernt sich wieder, und die Ver- sammlung beschliesst einmütig, sein Verlangen „in keinem Falle und um deshalb nicht zuzugestehen, weil dadurch dem Zwiespalt, der vermieden werden solle, Thür und Thor geöffnet werde." Dieser Beschluss wird Pintus alsbald bekannt gegeben und ihm zugleich das obige Gelöbnis vorgelesen. Darauf modifiziert Pintus seinen Antrag dahin, er wolle sich begnügen, wenn ihm und „seinen Committenten" eine Verbriefung über jenen Passus gegeben werde. Aber auch diesen Autrag lehnte die V^ersammlung unter Hinweis auf ihre bereits ausgesprochene Gesinnung und ihre Anhäng-

133

lichkeit an den althergebrachten Ritus ab^ worauf Pintus mit den Worten: ,.Eine solche Versicherung genügt mir nicht!'' sich entfernt. Der sj)äten Stunde wegen es war offenbar Mittagszeit wird die Verhandlung abgebrochen und am selben Tngo abends 9 Uhr fortgesetzt. Es kommt nunmehr folgender Beschiuss zustande: ,,Wir sind gesonnen, auf Grund unserer inneren Ueberzeugung bestrebt zu seyn, das Vermögen unserer Gemeinde zu erhalten, nach den bereits ausgesprochenen Grundsätzen und im Sinne unserer kundgegebenen religiösen Ueberzeugung." Der Vorstand wird beauftragt, auf Grund dieser Erklärung mit Pintus weiter zu verhandeln und dem Repräsentantenkollegium von dem Resultat Nachricht zu geben. Bereits am folgenden Tage wurde die Erklärung vom Vor- stand Pintus ..ans Herz gelegt'', und zwar mit dem Erfolge, dass dieser endlich nachgab und Folgendes deponiert: „Ich acceptiere diese P^rklärung und erkläre mich mit dem Sinne derselben einverstanden, halte das mir gemachte Gelöbniss für mich genügend und bin auf Grund desselben erbötig, nunmehr unsere Angelegenheit in freundlicher Art zu ordnen und die innehabenden Gegenstände, Dokumente und Vermögens- bücher an den zeitigen Vorstand auszuantworten. Demnächst aber erbitte ich mir eine Abschrift von dieser Verhandlung zu meiner Legitimation für künftige Fälle." Die Uebergabe der Bücher etc. fand am 31. Juli statt, wobei der Vorstand noch einmal ausdrücklich versicherte, er werde bestrebt sein, die Geschäfte so zu führen, dass auch die alten Mitglieder sich mit der neuen Verwaltung zu befreunden Ursache haben und bekommen werden. Damit war der leidige Zwiespalt ausgeglichen. Wenn wir ihm ein kritisches Wort widmen dürfen, so muss zugestanden werden, dass die zugrunde liegen- den religiösen Momente sicherlich ihre Berechtigung hatten, umso mehr, als die unsinnige, auf blinder Nachahmung fremder Gebräuche fussenden Reformgelüste damals im Zuge der Zeit lagen und wahrscheinlich auch hier in der Gemeinde ihre Anhänger hatten. Man mag vielleicht das rücksichtslose Ver- halten des alten Vorstandes verurteilen; aber in Anbetracht

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der idealen Momente, die ihm zugrunde lagen, muss man dem unbeugsamen Eifer jener Alten zustimmen, die der Gemeinde das heilige Kecht einer jüdischen, religionsgesetzlich unan- fechtbaren Führung retten und bewahren wollten. Anderer- seits muss man der neuen Verwaltung zugestehen, dass sie durchaus korrekt verfuhr, es an Loyalität und Entgegenkommen nicht fehlen Hess und ihre Versprechungen auch vollauf ge- halten hat.

Jetzt endlich konnte das bedeutsame Geschäft des Statutenentwurfs mit Eifer betrieben werden. Unter Zu- grundelegung des von der Regierung als Muster empfohlenen Statuts der Gemeinde Frankfurt a. 0. arbeitete die zu diesem Zwecke gewählte Kommission im Verein mit dem Vorstand einen Entwurf aus. der am 27. Dezember 1855 der Regierung eingereicht wurde. Die Regierung verlangte zunächst eine ausführliche IMotivierimg der zu dem Frankfurter Statut ge- machten Zusätze und Abänderungen. Nachdem diese Moti- vierung am 25. Februar 1850 erstattet war. verlangte die Regierung nach mehrmonatlicher Prüfungsfrist eine Abänderung des auf die Gemeindesteuern sich beziehenden Paragraphen. In dem ersten Entwurf war nämlich für die Steuerveranlagung ein Modus vorgesehen^ der nach der Einteilung der Mitglieder in drei Klassen auch die Beiträge in drei Klassen (mit elf Abstufungen) einteilte und die Einschätzung in eine dieser Klassen der Repräsentantenversammlung überliess. Dieser Modus war nach Ansicht der Regierung zu ungenau und liess der Willkür zu grossen Spielraum. Deshalb wurde in erneuten Beratungen die Beitragepflicht der JVIitglieder nach folgendem Schema festgesetzt: Es sollten veranlagt werden Einkommen von

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Einkommen von über 4000 Talern wurden von je 1000 Talern mit 10 Portionen mehr veranlagt. Der wirk- liche Betrag der Portionen wurde alljährlich dem durch den Etat ermittelten Bedürfnisse entsprechend vom Vorstand fest- gesetzt. Das so abgeänderte Statut wurde sodann am 29. Mai 1857 von der Regierung bestätigt. Die Gemeinde wird nach ihm verwaltet durch einen Vorstand von drei und durch eine Repräsentantenversammlung von neun Mitgliedern. Ein rechtsgiltiger Gemeindebeschluss muss sowohl von der Repräsentantenversammlung als vom Vorstande gutgeheissen sein. Zur Verwaltung des Kassenwesens wählt die Repräsen- tantenversammlung mit Zustimmung des Vorstandes einen Rendanten.

Dieses erste Statut erfuhr bereits im Jahre 1872 eine gründliche Revision, deren wesentlichste und eingreifendste Aenderungen die Wahl der Repräsentanten und den Steuermodus betrafen. Ueber die Wahl der Repräsentanten enthielt das erste Statut in seinem § 18 nur die gelegentliche Notiz^ dass dieselbe alle drei Jahre stattfinde. Das revidierte Statut sagt in seinem § 19 deutlich: „Die Repräsentanten werden auf sechs Jahre ge\vählt", bestimmte die im Mai 1873 erstmalig ausscheidende Zahl der Mitglieder und fügte hinzu: Jedesmal nach drei Jahren scheidet die ältere Hälfte

aus. Auch der eigentliche Wahlmodus vor dem Wahl-Kom- missar wurde erst im revidierten Statut genau fixiert. Die Wahl geschieht durch öft'entliche Stimmabgabe^). Die er- neute Abänderung des Steuermodus war durch die Tatsache bedingt, dass nach dem ersten Statut ..die Besteuerung aus nicht zu ermittelnden Gründen" nur bis zu einem Einkommen von 500 Talern eine progressive war, von da an aber regres- siv. Bei einem Steuersatz von 2 Talern z. B. zahlte der In- haber eines Einkommens von 500 Talern vier Prozent, der eines solchen von 4000 Talern zwei Prozent. Das revidierte Statut führt die Progression regelmässig durch „von der Vor- aussetzung ausgehend," wie der Vorstand in seiner Motivier- ung sagt, „dass die Steuer den reichen Mann weniger drückt als den Armen und Unbemittelten. " Nach genauen Vergleich-

*) Der Vorstand hatte in seinem Revisionsentwurf geheime Wahl vorgeschlagen und diesem Vorschlage eine Motivierung gegeben, die um ihrer drastischen Form und ihres zeitgeschichtlichen Untergrundes willen hier mitgeteilt sei: „Es ist als leitendes Prinzip an Stelle der Drei- klassenwahl mit öffentlicher Abstimmung die geheime, direkte Wahl an- genommen und zwar aus all den schon vielfältig im Abgeordnetenhause ventilirten Gründen, die denn auch bei Konstituirung des Reichs- tags adoptirt wurden. Wir beziehen uns bei dieser wesentlichen Ab- änderung auf das Urteil Sr. Durchlaucht des Herrn Reichskanzlers Fürst v. Bismarck, welcher bei Gelegenheit des konstituirenden Reichstags das Dreiklassenwahlsystem mit Recht als das schlechteste bezeichnete. Die dritte und zweite Wählerklasse repräsentirt jede für sich fast immer eine viel grössere Steuerkraft als die erste, ganz abgesehen davon, ob die Wähler einer niedrigen Klasse nicht denselben Eifer, Kenntnisse und Einsicht haben als die Wähler der ersten Klasse. Wenn z. B. ein Mit- glied durch Erbschaft, Gewinn oder sonstige Zufälligkeiten in den Besitz eines Vermögens kommt, so ist damit doch nicht festgestellt, dass derselbe klüger wird, ebenso umgekehrt ". Trotz dieser Deduktionen blieb dem Vorschlag einer geheimen Wahl die behördliche Zustimmung versagt, weil sich „dieser Wahlmodus wohl für politische Wahlen eigne, jedoch keineswegs für die Wahlen der Vertreter von kommunalen oder re- ligiösen Körperschaften, innerhalb deren wesentlich andere Interessen zu vertreten und zu berücksichtigen sind" (Bescheid der Regierung vom 20. April 1872).

137

ungen mit den Prozentsätzen der Kommiinalsteuern kam das folgende neue Schema zustande:

100 Taler

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11

90

11

Ueber 4000 Taler mit 4 Prozent. Das revidierte Statut erhielt regierungsseitig die Genehmigung am 17. Oktober 1872, Im Laufe der nächsten Jahre wurden bei der neuen Steuer- skala wiederum Lücken empfunden, da gewisse Einkommens- sätze nicht vertreten waren. Dies führte im Jahre 1879 zu erneuten Beratungen über eine nochmalige Abänderung der Skala. Es war nicht leicht, dieselbe so zu konstruieren, dass die von der Regierung verlangte genaue arithmetische Pro- gression erreicht wurde. Drei verschiedene Vorlagen erfuhren Abweisung. Schliesslich wurde am 29. Oktober 1879 die folgende Skala genehmigt, die in der Festlegung eines Steuer- maximums bei Einkommen von 12000 Mk. ein Novum enthielt:

138

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12000 Mk. ist das Maximum der Besteuerung.

Diese Skala ist jetzt noch gültig, doch wird eine Ver- einfachung des ganzen Modus in der Weise beabsichtigt, dass wie in den meisten anderen Gemeinden die Beiträge in Form eines Zuschlages zur Staatssteuer erhoben werden und das Maximum fortfalle.

Eine letzte, die Synagogenplätze betreffende Ab- änderung des Statuts wurde im Jahre 1883 vorgenommen. Näheres darüber unter No. 3, Synagoge.

Pas Wachstum der Gemeinde ist aus folgender Ta-

139

belle der Mitgliederzahl und der Etatssummen '^) er- sichtlich:

Jabr Mitglieder Etat

1856

53

900 Ta

1857

48

900

1858

53

700

1859

52

950

1860

52

900

1861

58

900

1862

62

900

1863

71

950

1864

66

1025

1865

66

950

1866

72

1000

1867

70

1000

1868

71

1000

1869

64

1060

1870

65

1015

1871

53

920

1872

63

900

1873

63

1300

1874

67

3600.—

1875

72

3750.—

1876

75

3900.—

1877

75

4569.—

1878

76

4400.—

1879

75

4400—

1880

73

4400.—

1881

72

4200.—

1882

72

4000.—

1883

73

4800.-

1881

81

5571.-

1885

70

5214.50

1886

71

5098.—

1887

72

5000

188S

71

4600.—

1889

81

4806.65

1890

80

4737.25

1891

83

4745.—

Mark

*) Die Zahlen stellen die in jedem einzelnen Jahre durch Steuern aufzubringenden Bedarfs summen dar.

140 Jahr Mitglieder Etat

1892

78

4805.—

1893

70

4835.25

1894

77

4667.25

1895

81

4457.—

1896

72

4667.75

1897

71

4867.—

1898

68

4573.25

1899

65

4652. -

1900

69

5100.—

1901

67

5530.75

1902

68

6217.—

1903

57

5903.25

1904

64

6062.—

1905

69

6442.—

Eine liiste der Vorstandsmitglieder und Repräsentanten resp. deren Stellvertreter von 1855 bis 1905 geben wir in Beilage XXI. Von Lebenden gehört Geh. Kommerzienrat L. Gumpert dem Repräsentantenkollegium seit seinem fünf- zigjährigen Bestehen und zwar von 1855 bis 1869 sowie seit 1876 als Vorsitzender an, während Sally Oppenheim von 1870 bis 1904, also 34 Jahre, das Amt des ersten Vor- sitzenden des Gemeinde-Vorstandes mit grosser Umsicht und klugem Verwaltungssinn geführt hat. Die Rendantur liegt seit 1887 in den bewährten Händen von S. Salinger. Die älteren Gemeindeschulden, welche im Jahre 1872 die Höhe von 1650 Talern erreicht hatten (zwei Hypotheken auf das Gemeindehaus von 800 bezw. 550 Talern und ein Darlehen aus der Brautaussteuerkasse von 300 Talern) sind durch einen von Sally Oppenheim ausgearbeiteten Schuldentilgungs- plan seit dem Jahre 1885 absorbiert, die neuen, aus dem Synagogenbau 1883 (s. No. 3) erwachsenen Schulden seit 1893.

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2. Beamte.

A. Rabbiner.

1859-1872 Dr. Philipp Kaphael.

Vüilier in Labes, wurde aus 56 Bewerbern, unter denen auch Dr. Jolowicz-Königsberg war, ge- wählt. In ihrem Bestäti«;ungsschreiben bemerkte die Regierung, dass K. das ihm vom Vorstand beigelegte Prädikat „Prediger" nicht führen dürfe, da dieser Titel nur christlichen Geistlichen zukomme. Dr. Raphael starb am 1. August 1872 eines plötzlichen Todes. Dr. Apolant-Berlin hielt ihm die Trauerrede, Die Witwe erhielt eine einmaliii;e Pension in Höhe von 300 Talern').

') Aus der Amtszeit Dr. Raphael's ist bei den Gemeindeakten (Conv. 38) ein Brief meines verewigten Lehrers Dr. J. Hildesheimer h""!} erhalten, der, aus dem Jahre 1870 stammend, ein gewisses historisches Interesse beanspruchen und zugleich einen Beitrag zu dem Charakterbilde des Unvergesslichen bieten dürfte. Ich benütze gerne die Gelegenheit, den Brief der Oettentlichkeit zu übergeben. Der Vorsteher B. Pintus hatte an Dr. Hildesheimer die Bitte gerichtet, den damals amtierenden Schächter Lachmann einer Prüfung zu unterziehen. Darauf ging folgendes Schreiben ein:

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Herrn B. Pintus Wohlgeb.

Brandenburg.

Berlin 17. Schewat 6630. Ihr sehr Gesch. habe ich erhalten, es gereicht mir immer zur Freude, einem wackeren Gesinnungsgenossen Rechenschaft über meine Ent- schliessungen in öffentichen religiösen Angelegenheiten geben zu können, deshalb sage ich Ihnen auch besten Dank für die mir gebotene Ge- legenheit.

Dass ich Herrn Lachmann zu meinem eigenen Leidwesen (denn ich schlage so achtbaren Männern ungern etwas ab, dessen Er- füllung faktisch in meiner Macht liegt) zurückweisen musste, hat seinen sehr wichtigen prinzipiellen Grund. Soll meine, soll unsere Angele-

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1872—1876 Dr. Nathan Ehrenfeld,

jetzt Oberrabbiuer in Prag. 1876—1888 Dr. Philipp Kroner,

vorher Landrabbiner in Ostfriesland-Osnabrück,

jetzt Religionsschuldirigent in Berlin. 1888—1892 Dr. Isaak Koaenberg,

jetzt Rabbiner in Thorn. 1898—1894 Dr. Immanuel Plato,

jetzt Klausrabbiner in Hamburg. Seit 1. Mai 1895 Dr. Aron Ackermann.

B. Lehrer, Schächter und Vorbetep.

1855 1858 Simon Herrmann.

1858 interimistisch L. Loewenthal.

1858 1877 Nathan Lachmann,

Schächter und Vorbeter. 1877 1878 interimifltisch Schächter Lichtenstein.

genheit hier reüssieren, was, wie Sie wissen, nicht nur für Berlin, sondern für ganz Deutschland eine nicht gleichgültige Frage, so muas sie sich, ausser ihrer inneren Abrechnung mit sich selbst, die natürlich in erster Linie steht und nur die P'aktoren Pflicht und Wahrheit kennt, vor allem die öffentliche Meinung für sich gewinnen, und mit aller- grösster Vorsicht auch jeden Schein der Illoyalität von sich fern halten. Unverstand und noch viel mehr Böswilligkeit, hervorgehend aus schmutzi- gen Motiven mancher Art, ist nun immer auf der Lauer, uns einen Fall nachweisen zu können, dass wir Unfrieden säen, npiSno anfachen etc. etc. Daher ist es dringend nothwendig, dass ich zur Abwendung solcher Niedertracht mir unter anderem zur Prüfung eines cmtr (wie dies schon öfter geschehen) die Beibringung eines schriftlichen Gesuches des Vorstandes der Gemeinde erbitte. Allerdings war dies bis jetzt nur in Orten, wo kein Rabbiner fungiert. In Orten, wo dies der Fall ist, könnte es selbst bei Erfüllung dieser Form jenem Rabb. gegenüber als Provokation erscheinen. Aber ich würde mich hierüber hinweg- setzen, muss aber bei meiner ganzen Theilnahme für gesinnungsver- wandte Minoritäten dennoch im Interesse der Sache diesen Modus auf- recht halten.

Hochachtungsvoll

Dr. J. Hildesheimer, Rabbiner.

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1878—1890 Juliua Markuse,

Schachtel' und Voibeter.

1890—1893 Ziegelroth,

Schächter und Vorbeter.

1893 interimistisch Lehrer B. Ziegelruth. 189B interimistisch Lewiusohn.

1894 interimistisch Grünspahn.

Seit 1. April 1891 Bernhard Löwinsohn, Schächter und Vorbeter.

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3. Synag-oge.

Das unter so vielen Schwierigkeiten erbaute erste Gotteshaus reichte auf etwa 50 Jahre für die Bedürfnisse der Gemeinde aus. Die erste grössere Bauveränderuug, ein die Vermehrung der Plätze bezweckender Anbau, wurde im Jahre 1^38 vorgenommen, mit einem Kostenaufwand von 365 Talern"*), ein grösserer Umbau, der zugleich eine Verlegung der Sitz- plätze zur Folge hatte, im Jahre 1846. Durch Aufhebung der bis dahin in der Mitte der Synagoge befindlichen Bima und erneuten Umbau wurde im Jahre 1859, um dem dringen- den Bedürfnis der im Wachsen begriffenen Gemeinde abzu- helfen, eine Anzahl neuer Sitzplätze gewonnen; 1862 erfolgte die Einführung der Gasbeleuchtung, 1874 die Erbauung einer massiven Wand nach dem Nachbargrundstück. Alle Reparaturen und kleineren Renovationen vermochten schliess- lich die Baufälligkeit des etwa hundert Jahre alten Gottes- hauses nicht aufzuhalten. Zu Beginn des Jahres 1882 fühlte man sich gezwungen, den Bau auf seine Beschaffenheit von Sachverständigen untersuchen zu lassen. Das Gutachten lau- tete, der Bau sei als „ruinenhaft" zu bezeichnen und seine fernere Benutzung „nicht gefahrlos". Ein Ausbau, der viel- leicht auf eine kurze Dauer hätte Abhilfe schaffen können, wurde nicht empfohlen, und so trat man dem Plane eines völligen Neubaues näher. Nach längeren Verhandlungen, die sich besonders um den Erwerb eines anderen Grundstückes drehten, wurde am 24. März beschlossen, den Neubau der Synagoge auf der Stelle der alten auszuführen. Am Sab- bat, den 29. April, fand der Abschieds-Gottesdienst statt. Als Interimssynagoge diente zunächst das Zimmer der Religions-

*) Nach einem von der Hand des Moses Pintus herrührenden Ver- merk im Synagogenbuch, das an derselben Stelle auch eine Grundiiss- zeichuung der Sitze enthält.

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3. Synagogfe.

Das unter so vielen Schwierigkeiten erbaute erste Gotteshaus reichte auf etwa 50 Jahre fQr die Bedürfnisse der <i aus. Die ers' -re Bauveränderung, ein die

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ein grösberer Lmbau, der zugleich eine Verlegung der Sitz- jdätze zur Folge hatte, im Jahre 1846. Durch Aufhebung der bis dahin in der Mitte der Svnagoge befindlichen Biraa und erneuten Umbau wurde im Jahre 1859, um dem dringen- i' irfuis der im Wachsen begriffenen Gemeinde abzu-

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die Einführung der Gasbeleuchtung, 1874 die Erbauung einer massiven Wand nach dem Nachbargrundstück. Alle Reparaturen '"■' 'neien Renovationen vermochten schliess- lich die Bau. de.s etwa hundert Jahre alten Gottes- hauses nicht aufzuhalten. Zu Beginn des Jahres 1882 fühlte man siel, den Bau auf seine Beschaffenheit von Sachvers; .. rauchen zu lassen. Das Gutachten lau- tete, der Bau sei als ., ruinenhaft" zu bezeichnen und seine fernere Benutzung „nicht gefahrlos". Ein Ausbau, der viol- leicht auf eine kurze Dauer hätte Abhilfe schaffen können, wurde nicht empfohlen, und so trat man dem Plane eines völligen Neubaues näher. Nach längeren Verhandlungen, die sich besonders um den Erwerb eines anderen Grundstückes drehten, wurde am 24. Mäi-z beschlossen, den Neubau der Synagoge auf der Stelle der alten auszuführen. Am Sab- >-at, den 29. April, fand der Abschieds-Gottesdienst statt. Als i ; ' rimssynagoge diente zunächst das Zimmer der Religions-

*) Nach einem von der Hand des Moses Pintua herrührenden Ver- Oiierk im Synagogenbuch, das au derselben Stelle auch eine Grundriss- zeicboung der Sitze enthält.

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schule, 8])äter ein Saal der „Ressource" in der Steinstrasse; an den hohen Fesitagen fand der Oemeindegottesdienst im Saale des „Schweizergartens" statt. Mit dem Entwurf von Zeichnungen zum Neubau waren beauftragt worden: Knoblaucli und Wex in lierlin. die Zimmermeister Leue und llamj)ke in Brandenburg, ausserdem Julius Nathanson, ein Sohn des damaligen Vorstehers IMntus Nathanson. jetzt Stadtbau- inspektor in Breslau. Zur Ausführung bestimmt wurde der Entwurf von Knoblauch und Wex mit den wesentlichen Ab- änderungen, welche Julius Nathanson an demselben vorge- nommen hatte. Der Bau wurde dem Zimmermeister, jetzigen Stadtrat llampke für den Preis von 20000 Mark übertragen, stellte sich aber schliesslich auf rund 30000 Mark. Am 12. Juni begann der Abbruch der alten Synagoge, am 4. Juli fand die Grundsteinlegung, entgegen einem Beschlüsse der Kepräsentanten ohne alle Feierlichkeit statt. In die Kuppel vermauerte man eine Blechkapsel, welche eine kurze Geschichte der Gemeinde und ausserdem an Druckschriften enthielt: ein Gemeinde Statut, Rohling' s Talmud j ude ", „Antisemi- ten und Gymnasiallehrer", „Die Verurteilung der anti- semitischen Bewegung durch dieWahlmänner Berlins", „Die gesellschaftliche Stellung der Juden" von Kolk- maun und die Rede des Predigers Kalthoff in Berlin. Der Bau nahm etwas über ein Jahr in Anspruch. Die feierliche Ein- weihung des neuen Gotteshauses fand am 26. September 1883 unter Beteiligung der städtischen Behörden statt. Dr. Kroner hielt die Festrede, in der er das Gotteshaus als eine Stätte zeichnete, von der Gotteserkenntnis, Menschlichkeit und Friede ausgehen soll. Die Synagoge, ein Backsteiubau in romanischen Formen mit einer Kuppel in maurischem Stil, umfasst 100 Männer- und 70 Frauenplätze. Leider stellte sich bald ein grosser Mangel heraus: die starke Feuchtigkeit der Wände. Sie hatte zur Folge, dass die für die Ein- weihung beschleunigten Wandmalereien bald wieder zerstört wurden, sodass man schon nach drei Jahren zu einer gänz- lichen Entfernung der j\Ialereien schreiten und die Wände in

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ihrem einfachen, kahlen Wandputz belassen musste. In diesem unschönen, halbfertigen Zustande blieb die Synagoge lange Jahre. Die mehrfach beschlossene Ausführung der Malereien musste immer wieder verschoben werden, da immer noch Feuchtigkeit durch die Wände drang. Erst zwanzig Jahre nach der Erbauung, im Sommer des Jahres 1903, konnten die Malerarbeiten definitiv ausgeführt werden. Verbunden damit wurde eine gründliche Autfrischung und Verschönerung des gesamten inneren Baues. Der Opferwilligkeit einzelner Ge- meindemitglieder dankte die Synagoge bei dieser Gelegenheit die Installierung einer vollständigen Gasglühlichteinrichtung (J. Vandsburger), die Belegung des Vorderraumes mit roten Teppichen (H. Liebenthal) und die Spende eines neuen kostbaren Vorhanges (nrnc) (Il.Conitzer). Nach zweimonatlicher Dauer der Renovierungsarbeiten fand am 4. September 1903 in Verbindung mit dem Freitagabendgottesdienst die Einweihung der in hellem Lichterglanz erstrahlenden Synagoge statt. Der Verfasser dieser Arbeit hielt die Festrede über den Text Deut. 23, 15 l^•^p y:nf: ,Tm „Dein Lager soll heilig sein."

Ein besonderes Wort verdient die Verteilung der Synagogenplätze, deren Einzelheiten, eine kleine Geschichte für sich, in der Gemeinde eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Bereits in dem ersten Betraum, welchen die Gemeinde auf ihrem Grundstück in der grossen Münzenstrasse besass, hatten sich einzelne Mitglieder ihre Plätze „für ewige Zeiten" durch Kaufkontrakte gesichert. Es ist bei den Gemeinde- akten (Conv. 47) ein solches, im talmudischen Idiom gehal- tenes Verkaufsdokument erhalten, durch welches sich Selig Salomon im Jahre 17 4U vier Plätze von der Gemeinde er- warb. Ein zweites Dokument betrifft einen von Ezechiel P intus 1773 abgeschlossenen Plätzekauf. Aehnliche Käufe sind sicherlich von den meisten Mitgliedern bewirkt worden. Die so erworbenen Synagogensitze wurden als Eigentum der Inhaber betrachtet und gingen oft durch Kauf in an- dere Hände über, wurden auch an milde Stiftungen verschenkt, zu deren Gunsten man sie vermietete und bildeten bei Nach-

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lassregiilierungen die Objekte langwieriger gerichtlicher Ver- handlungeu. Im Laufe der Jahrzehnte tauchten aber, da die meisten Kaul'kontrakte verloren gegangen waren, vielfache Zweifel in Bezug auf die Besitzrechte auf und führten wohl auch zu Misshelligkeiten in der Gemeinde, namentlich wenn durch Umbauten Veränderungen in der lokalen Anlage der Plätze eingetreten waren. Deshalb schritt man im Jahre 18.'i7 zu einer gründlichen Regelung dieser Angelegenheit und be- schloss, sämtliche Besitzer eigener Synagogenstände genau zu ermitteln, wobei man als Norm festhielt, dass jeder Sitz, der seit mehr als dreissig Jahren von demselben Inhaber bezw. dessen Erben benützt worden war, als Eigeutumssitz bezeich- net und dem Inhaber oder dessen Rechtsnachfolger seitens der Gemeinde als sein Eigentum zuerkannt werde. Erst im Jahi'o 1840 war dieses gewiss nicht einfache Ermittelungs- geschäft beendet. Man liess besondere Formulare drucken mit der Aufschrift: „Besitz Titel über den Synagogen i-Mtz Nr in der Synagoge", füllte dieselben mit den ent- sprechenden Angaben auf den Namen der Inhaber aus und bewahrte sie bei den Gemeindeakten auf. Diese vom Vor- stand unterschriebeneu „Besitztitel" sicherten den Inhabern für den Fall von Bau Veränderungen „einen eben so guten Sitz" zu, wahrten aber der Gemeinde das Recht der „unzubehindernden Bauausführung und Anweisung des neuen Sitzes". Im Ganzen waren so im Jahre 1842 dreissig Eigentumssitze ermittelt. Es wurde ein besonderes Buch für sie angelegt, in welches man späterhin alle weiteren Besitzveränderungen eintrug. Im ersten Gemeindestatut 82) hat man die bereits in dem Regulativ von 1850 enthaltene Bestimmung (s. oben S. 127), dass jeder Inhaber eines Eigentumssitzes 7^2 Sgr., alle an- deren Sitzinhaber je 1 Taler zu den baulichen Unterhaltungs- kosten zu zahlen haben, beibehalten und hinzugefügt, im Falle eines Umbaues oder einer vollständigen Verlegung der Plätze würden die Inhaber von Eigentumssitzen nach den gesetzlichen Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts abgefunden wer- den. Die Benutzung der der Gemeinde gehörigen Plätze aber

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sollte der Disposition des Vorstandes überlassen bleiben. Diese Bestimmung wurde bereits im revidierten .Statut von 1872 dahin abgeändert, dass die Benutzung der der Gemeinde gehörigen Plätze nach derAnciennität der Mitglied- schaft rangieren solle. Bei Gelegenheit des Synagogenbaues im Jahre 1883 aber erfolgte wieder eine neue Ausgestaltung des Paragraphen von den Synagogenständen. Zunächst hatte man die alten Privilegien der Eigeutumsstellen dadurch be- seitigt, dass man nach den Bestimmungen des Statuts alle Inhaber mit einer Summe von 100 Mark für jeden Platz ab- fand; andererseits schuf man die Möglichkeit einer neuen Erwerbung von Plätzen in der neuen Synagoge. Die zur Disposition des Vorstandes bleibenden Plätze aber werden alljährlich vermietet gegen ein ]\lindestgebot von sieben Maik, und erst die dann noch übrigbleibenden Plätze nach der An- ciennität für den Preis von sechs Mark pro Jahr verteilt. Unbemittelten kann der Preis auf drei Mark ermässigt werden. Was den Gottesdienst selbst betrifft, so war die Ab- sicht der Gemeinde, ihn durch Einführung der deutschen Predigt zu heben und zu verschönern, bereis im Jahre 1853 bei der Anstellung des Predigers Cohn verwirklicht worden (s. oben S. 119). Als kurz vor Guttmann's Tode in der Person Simon Herrmann's lediglich ein Lehrer, Vorbeter und Schächter engagiert wurde, fiel für die nächsten Jahre die religiöse Belehrung aus dem Gottesdienst fort. Das Bedürfnis nach ihr regte sich aber bald wieder. Ja, es muss sogar sehr dringend gewesen sein; denn um ihm wenigstens einigermassen entgegenzukommen, benutzte der Vorstand die im Jahre 1857 erfolgte Berufung des Rabbiners Dr. Tobias Cohn nach Potsdam '^), um mit diesem alsbald Verhandlungen wegen „zeitweiser Erbauungsvorträge'" in der Synagoge anzuknüpfen. Zu einem positiven Resultat haben diese Verhandlungen jedoch nicht geführt, und so wurde im Jahre 1858, als Herrmann wegen andauernder Krankheit

•) Vgl. Kaelter: Geschichte der jüdiachen Gemeinde zuPotsdam, S. 64.

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aus dem Amte schied, zum ersten Male die Anstellung zweier Beamten beschlossen, deren einer die Funktionen des „Geist- lichen" lind I^ehrers, während der zweite das Vorbeter- und Schächteramt übernehmen sollte. Dr. Raphael, der erste Rab- biner der Gemeinde, übernahm die Verpflichtung, bei der iicaiirsicliiigung des Gottesdienstes die in der Gemeinde be- stehenden Ritualien zu respektieren und sowohl an Sabbaten wie an Festtagen und bei besonderen Gelegenheiten Predigten in deutscher Sprache zu halten. Seitdem ist die Predigt ein Bestandteil des Gemeindegottesdienstes geblieben. Dieser selbst wie überhaupt alle die Synagoge betreffenden Dinge erfuhren zum ersten Male eine genaue Regelung durch die nach langen Beratungen am 21. März 1860 angenommene Synagogen-Ordnung. Als Ritus des Gottesdienstes wurde der bis dahin übliche alte festgehalten. Erst mit der neuen Synagogen-Ordnung vom Jahre 1883 erfuhr der alte Ritus durch Einschränkung der Piutim eine wesentliche Abänderung.

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4. Relisfionsschtilc.

Die Schaffung eines geordneten religiösen Jugendunter- richts war eine der ersten Aufgaben der neuiconstituierten Gemeinde. Bereits im Oktober 1855, nach dem Amtsantritt llerrmauns, ging man an die Einrichtung einer Keligions- schule. Ueber die Kosten ihrer Unterhaltung kam es zu einem Konflikt zwischen dem Vorstand und der Repräsentanten- Versammlung. Während der erstere für Erhebung eines Schulgeldes von allen die Schule besuchenden Kindern ein- trat, waren die Repräsentanten der ^leinung, die Religions- schule gehöre zu denjenigen Gemeindeinstitutionen, die von den Mitgliedern auf Grund ihrer ^Mitgliedschaft je nach Bedarf in Anspruch genommen werden dürfen. Die Sache wurde schliesslich der Regierung vorgelegt, und auf ihr Eingreifen einigten sich die beiden Körperschaften durch einen Kom- promiss, der die Erhebung des Schulgeldes von der Höhe des dem Religionslehrer zu zahlenden Gehaltes abhängig machte und dieselbe erst mit der Ueberschreitung des Gehaltes von 400 Talern eintreten liess. Die Kosten für Heizung und Be- leuchtung des im Gemeindehause neugeschaffenen Schullokals allerdings wurden durch Umlagen auf die Eltern der die Schule besuchenden Kinder aufgebracht. P^ndgültig geregelt wurde diese Frage erst durch das revidierte Statut, nach welchem nur von den Kindern, deren Eltern nicht zur Synagogen- gemeinde gehören, ein Schulgeld (20 Sgr. monatlich, jetzt 24 Mark jährlich) erhoben, der Mehrbetrag der Unterhaltungs- kosten aber auf den Gemeinde-Etat übernommen werden soll. Zur Erledigung aller die Schule betreffenden Fragen schuf man bereits Oktober 1855 eine sogen. Schul- oder Unterrichtskommission. Dieselbe beriet und entwarf im Einverständnis mit dem Religionslehrer den Lektionsplan, be- stimmte die Unterrichtszeit, beaufsichtigte den Unterricht selbst und bildete gleichsam das geschäftliche Vermittlungsglied

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zwischen den Eltern und dem Lehrer. Bei dem Mangel jeder staatlichen Aufsicht war das Wirken einer solchen Kornmis- sion innerhalb der (Jemeinde eine Notwendigkeit und eine Wohltat. Denn wenn ihr auch irgend welche exekutive Ge- Avalt nicht zustand, so konnte sie doch durch ihr Eingreifen hie und <hi auf widerstrebende Elemente in der Gemeinde einen gewissen offiziellen Einfluss ausüben, der dem Lehrer als Gemeindebeamten versagt geblieben wäre. Namentlich während der Amtszeit Dr. Raphael's, in den 60er Jahren, entwickelte die Schulkommission eine überaus rege Tätigkeit, von der die anscheinend ziemlich lückenlos erhaltenen Spezial- akten ((*onv. 21) ein deutliches Bild geben. Sie besprach in regelmässigen Sitzungen alle die Schule angehenden Fragen. Zur Hebung der Schule schuf sie Zensuren und Versäumnis- register, ordnete öffentliche Prüfungen an und inspizierte den Unterricht selbst. Die Inspektion fand im Jahre 1860 z. B. allwöchentlich statt. Abwechselnd hatten sog. Deputierte der Kommission dem Unterricht beizuwohnen und dabei ihr Augenmerk zu richten „auf den Schulbesuch der Kinder, die Unterrichtsmethode des Lehrers, die Fortschritte der Schüler in den Lehrgegenständen, das Benehmen derselben ihrem Lehrer gegenüber, ob sie mit Neigung und Aufmerksamkeit der Lehrmethode folgen oder nicht, sodann auf die Mängel der Disziplin und auf dasjenige, was der Einrichtung des Schullokals und dessen Komfortabilität abgeht.'* Was spe- ziell den letzteren Punkt betrifft, so schien er zunächst am dringendsten die Aufmerksamkeit der Kommission zu erfor- dern. Der Unterrichtsraum war in den ersten Jahren mehr als primitiv. „Das in Rede stehende Schullokal,** schreibt Dr. Raphael am 2. Febr. 1860 an den Vorstand, ,,kann ich gar nicht in die Kategorie der Schullokale, sondern in die Klasse der sogenannten Ch eider setzen, da in demselben weder ein Katheder, noch eine Wandtafel, noch die erforder- lichen Schulbänke und Tische sich befinden. Auch jene Chei- der der Vorzeit hatten einen langen Tisch mit Stühlen, wo die Schüler der einen Reihe mit ihren Gesichtern den Schülern

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der anderen Reihe zugewendet sassen und so, ohne von dem .,Rebbe'' übersehen werden zu können, ihren Unarten sich ungestört hingeben konnten. Uabei aber waltet noch der Uebelstand ob, dass dieses Schullokal, wenn ich es so nennen darf, ohne Aufsicht und ohne Verschluss ist, so dass das- selbe in Abwesenheit des Lehrers und der Schüler dem Uebermute eines jeden Strassenjungen preis- gegeben ist. Und so habe ich denn nicht selten die Schulsachen in einer abschreckenden Weise be- schmutzt vorgefunden. Dass diese Beschatfenheit des Schulzimmers den Kindern die Lust und Liebe zu meinem Unterricht, die schon ohnehin durch den Besuch der anderen Schule geschwächt ist, gänzlich benimmt, ist wohl selbstver- ständlich.'' So weit die offenbar sehr beschränkten Räum- lichkeiten des Gemeindehauses es zuliessen, wurde diesen Uebelständen alsbald abgeholfen. Gleichwohl blieb das Schul- lokal immer noch primitiv genug. Erst mit dem im Jahre 1877 erfolgten Neubau des Gemeindehauses (Vorderhaus des Synagogengrundstückes) und der Anschaffung ordnungsmässiger Schulbänke wurde der Zustand des Unterrichtsraumes ein einiger- massen würdiger und ansprechender"*). Interessant ist es, dass die Frage des Unterrichtserfolges von Anfang an im Vor- dergrund der Schulverhältnisse stand. Klagen über die geringen Fortschritte der Schüler wurden schon in den ersten Jahren nach Gründung der Schule laut. Natürlich trafen diese Klagen in erster Linie den Lehrer, während in Wirklichkeit die mangelhaften Erfolge in den äusseren Verhältnissen des jüdischen Religions- unterrichts begründet waren und sind. Ein behördlicher Zwang, die Kinder zum Unterricht zu schicken, bestand nicht; anderer- seits besass die Schul Verwaltung keinerlei Mittel, einen regel- mässigen Schulbesuch zu erzielen. Es gab immer Eltern, die den Religionsunterricht als eine „quantite n«'»gligeable" betrachteten und deren Gleichgültigkeit auf natürliche Weise auch den

'") Die Schwierigkeit einer ausreichenden Heizung bildet allerdings einen uebelstand, dessen völlige Beseitigung trotz mannigfacher Versuche ^is beute noch nicht gelungen ist.

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'•') Die Schwierigkeit einer ausreichenden Heizung bildet allerdings einen Uebelstand, dessen völlige Beseitigung trotz mannigfacher Versuche bis heute noch nicht gelungen ist.

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Eifer und damit die Fortschritte der Kinder hemmend beein- flusste. Dazu kommt, dass im Oegensatz zu jedem anderen Lehrgegenstand der in der jüdischen Religion notwendig durch das Haus eine gewisse Unterstützung erfuhren muss, wenn von einem „Erfolge" überhaupt die Kede sein soll. Das, was in der Schule gelehrt wird, erscheint als völlig wertlos, wenn ihm nicht das Leben im Elternhause einen seelischen Unter- grund bietet, ja es kann und muss in der Kindesseele einen verderblichen Zwiespalt herbeiführen, solange das Haus ge- radezu einen Gegensatz zur Schule bildet, indem es das in der Schule als heilig gelehrte, durch die Praxis entheiligt. Bereits Dr. Raphael hatte gegen den Vorwurf des mangel- haften Unterrichtserfolges anzukämpfen. „Wenn ich als Leh- rer," so schreibt er am 24. Juni 1864 an den Vorstand, ..ganz un])arteiisch die Frage beantworten soll, wer an der Vernach- lässigung der Schule schuld sei, so muss ich sagen, dass weder die Schulkommission, noch der Vorstand noch der Lehrer den Verfall der Schule herbeigeführt hat, sondern die Eltern der Kinder ausschliesslich und allein tragen die Schuld an der Vernachlässigung derselben. Wenn die Eltern ihren Kindern in den Realien und fremden Spra- chen so viele Privatstunden geben lassen, dass sie keine freie Stunde mehr haben, um die Religionsschule zu besuchen, so muss selbstverständlich die Schule in Verfall geraten, wenn auch die tüchtigsten Lehrer an derselben wirken und die besten Schulmänner die Angelegenheiten derselben leiten. Was Wunder, dass die hiesige Religionsschule durch ihre Leistungen kein befriedigendes Resultat erzielen kann, da kaum ein Drittel der sie besuchenden Schüler bei dem Unterricht zugegen ist!" Wie sehr die Schulkommission be- strebt war, diesen Schäden abzuhelfen, zeigt z. B. der fol- gende Aufruf, den Benni P intus als Vorsitzender der Kom- mission erliess:

„Schickt Eure Kinder zur jüdischen Stunde! Mit diesem Zuruf tritt die Unterrichts-Kommission an die Eltern heran; nur wenn dies geschieht, kann unsere Thätig-

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keit von Nutzen 8ein. Sollen unsere Kinder in Ehren dastehen, so reichen Kenntnisse allein nicht hin, wenn diese nicht von einer sittlichen, religiösen Bildung getragen werden. Unsere Religion ist vor allen dazu angethan, die höchste sittliche Bildung her beizulüliren, denn aus ihr schöpfen alle anderen Völker ihre Grundlehren. Zum Verständnis derselben müssen unsere Kinder aber auch elementare Vorkenntnisse haben und deshalb fleissig zur Schule geschickt werden, und zwar schon vom 6. Jahre ab. Wir werden unablässig bemüht sein, die Einrichtungen der Schule zu verbessern, allen billi- gen Wünschen gerecht zu werden; wir verlangen aber auch, dass derselben seitens der Poltern und Kinder die Achtung und Aufmerksamkeit zu Theil werde, die anderen Schulen zugewendet wird und welche die Landesgesetze vorschreiben." Mit dem Amtsantritt Dr. Ehrenfeld"s tauchten zum ersten Male Versuche auf, dem Keligionsunterrichte durch Angliederung an die städtischen Unterrichtsanstalten eine offizielle Grundlage zu geben und dadurch das Interesse der Eltern wie den Eifer der Schüler selbst zu heben. Man begnügte sich zunächst mit der Bitte an den Magistrat, zu veranlassen, „dass den Schülern und Schülerinnen unserer Religion bei den zu verabreichenden Zensuren in den der Stadt unterstellten Schulen der Vermerk „Religion" ebenfalls ausgefüllt werden möge, wozu unser Religionslehrer die nöthigen Angaben rechtzeitig machen wird" (15. Febr. 1873). Der Magistrat war geneigt, dieser Bitte zu willfahren und hatte bereits eine entsprechende Mitteilung an den Vorstand gelangen lassen da erhoben die Schulrektoren im Ver- ein mit den Anstaltslehrern Einspruch dagegen, dass Lehrer einer fremden Schule ihre Zensuren in die Zeugnisse der Schüler eintrügen. Der Plan war gescheitert. Er wurde, in erweiterter Form, aufs Neue aufgenommen von Dr. Rosen- berg im Jahre 1889. In einem längeren Schreiben an den Magistrat legte Dr. Rosenberg die Schäden dar. die dorn jü- dischen Religionsunterricht aus seinem völlig inofüziellen

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Charakter erwüchsen. Er führte Klaj;c' darüber, „dass nich sowohl Eltern wie Kinder daran gewöhnen, den Jteligions- unterricht als etwas Nebensächliches zu betrachten, da sich die öffentliche Schulverwaltung nicht um denselben kümmert, und Fleiss und Betragen der Kinder in der Keligionsschule keinen Einfluss auf die in den städtischen Schulen erteilten Zeugnisse ausüben." Dr. Rosenberg's Gesuch ging dahin, „die Leiter der von den Kindern jüdischer Konfession be- suchten Schulen anzuweisen, sowohl über den regelmässigen Besuch des Religionsunterrichts bei den ihre Schulen be- suchenden jüdischen Schülern zu wachen, als auch von Zeit zu Zeit Bericht über Betragen und Fleiss derselben einzu- fordern und demgemäss zu zensieren." Der Magistrat verhielt sich auch jetzt wieder ablehnend. Und so ist die Keligions- schule eine private Anstalt der Synagogengemeinde geblieben. Sie wird zur Zeit von 34 Schülern besucht, die in fünf Abteil- ungen vom Verfasser dieser Arbeit unterrichtet werden^'). Unter- richtsfächersind: IIebräischlesen,Uobersetzen derGebete, biblische und nachbiblische Geschichte, Bibellesen, Religionslehre. In den Händen der Schüler befinden sich folgende Lehrbücher: Hebräische Lese-Fibel von Horwitz. Rödelheimer Gebetbuch, Wiesen: Hauptgebetstücke für das ganze Jahr, Müller: Ein Buch für unsere Kinder, Kroner: Geschichte der Juden von Esra bis zur Jetztzeit, Auerbach: Kleine Schul- und Hausbibel. Alljährlich vor dem Pessach- fest findet in der Synagoge eine öffentliche Prüfung statt.

") Den ersten Leseunterricht erteilt Kantor Lüwinsohn.

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5. Friedhof.

Zur Verf^rösseriins des im Jahre 1821 mit einem festen Zaun umhegten Begräbnisplatzes erwarb Lewin Simon 1840 ein nebenanliegendes Ackerstück, das aber erst 1857 rechtlich in den Besitz der Gemeinde überging, zusammen mit dem gleichfalls formell dem Lewin Simon gehörigen Grundstück in der Lindenstrasse'-). Das neuerworbene Stück Land war elf Jahre hindurch, von 1849 bis 1860, an die 4. Escadron des hier garnisonierenden Kürassierregiments als Keit-Uebungsplatz verpachtet. Erst als man 1860 die Errichtung einer festen ]Mauer um den Friedhof beschloss, wurde der neue Teil in den Friedhofsrayon mit einbezogen. Unter den mannig- fachen organisatorischen Aufgaben, welche der neukonstituierten Gemeinde bald nach 1855 erwuchsen, war nicht die leichteste die Instandsetzung des bis dahin offenbar sehr vernachlässigten Friedhofes und die Schaffung einer Begräbnisordnung. Auch hier, wie überall, ist die überaus geschickte und unermüdlich schaffende Hand J. Gersons auf Schritt und Tritt wahrzu- nehmen. Er legte ein genaues, bis auf das Jahr 1756 zurück- reichendes Leichenregister an, eine Arbeit, die bei dem verwitterten Zustand der Grabsteine äusserst mühevoll war und teilweise nur erledigt werden konnte durch Zuhilfenahme der lebendigen Tradition von Seiten älterer Gemeindemit- glieder. Die Grabsteine wurden nach Reihe und Nummer ge- ordnet und zugleich wurde möglichst die Identifizierung der auf den alten Grabsteinen nur hebräisch benannten Toten nach ihren deutschen Namen vorgenommen. Auch die Lagerstätten bekannter Personen aus der Gemeinde, deren Gräber ohne Denksteine geblieben, wurden ermittelt, die Räume genau be- stimmt, auf denen ohne Gefährdung alter Gräber neue ange-

'^) Simon hatte dasselbe von Jacobi, dem ursprünglichen Käufer, erworben, s. oben S. 113.

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legt werden konnten und ein genaues Inventarienverzeichnis aller zum Friedhof gehörigen Geräte u. 8. w. aufgestellt. Das sorgfällig geführte Buch, in welches auch noch heute fort- laufend alle Todesfälle eingezeichnet werden, betitelte Oerson nuTOl ICD und setzte an seine Sjjitze das Motto: npni* msa mo n^T) "[im c^n „Auf dem Pfade der Gerechtigkeit ist Leben und auf gebahntem Wege ist kein Tod." (Spr. Sal. 12, 28). Hand in Hand mit dieser im Oktober 18G0 vollen- deten Arbeit gingen die ersten \'orbereitungeu zur Schattung einer Begräbnisordnung. Auf Grund eines alten Herkommens })flegte man bis jetzt sämtliche zur Bestattung eines Toten not- wendigen Vorbereitungen erst nach Ankunft des Leichenzuges auf dem Friedhofe zu vollziehen: Das Auswerfen der Gruft, das Nähen der Sterbekleider, die rituelle Leichenwaschung, das Anfertigen der Totenlade, die zudem nicht als ein Ganzes hergestellt wurde, sondern deren Bretter man erst um den in Laken zu Grabe gebrachton Leichnam lose einfügte. Diese Gepflogenheit war nicht nur unpraktisch und zeitraubend, son- dern hatte vor allem die unangenehme Folge, dass man Anders- gläubige an der Pforte des Friedhofes zurückweisen zu müssen glaubte und sich dadurch dem Spott und der Missdeutung aussetzte. Eine Anzahl älterer Gemeindemitglieder aber hing an dieser Bestattungssitte mit merkwürdiger Zähigkeit, und es bedurfte langer Kämpfe und Debatten, bis ihr Widerstand überwunden und in dem neuen, am 15. Oktober 1862 ange- nommenen „Regulativ über das Beerdigungswesen" eine wür- digere und praktischeie Bestattungsart festgelegt war'''). Das Beerdigungswesen selbst unterstand nach diesem Regulativ einer sechsgliedrigen Kommission, deren Vorsteher den Namen „Begräbnissvorsteher" führte, die sich aber bereits im Jahre 1864, wo das Beerdigungswesen an die neugegründete Chewra überging, (s. weiter S. 159) vollständig auflöste. Die in dem Regulativ festgesetzten Bestimmungen blieben auch für die

'*) Man hatte jedoch ausnahmsweise die alte Bestattungaart den- jenigen Mitgliedern, welche sie für sich auf Grund letztwilliger Verfügung wünschten, auch für später noch zugestanden.

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Chewra massgebend. Erst im Jahre 1894 schritt man zu einer bei den neuen Zeitverhältnissen notwendig gewordenen Abänderung des Beerdigiingstarifes. Was die äussere Be- schaflenheit des Friedhofes betriflt, so waren in der Umzäunung häufige Reparaturen notwendig. Das im Jahre 1770 errich- tete L eichenhaus wurde im Jahre 1860 vollständig ausgebaut, erreichte aber in den nächsten Jahrzehnten einen solchen Grad der Baufälligkeit, dass man 1895 auf Anregung von L. Helft die Errichtung einer würdigen, komfortablen, allen Beerdigungs- zwecken dienenden Leichenhalle beschloss. Zu den ca. 6000 Mk. betragenden Baukosten wurden 1500 Mk. aus frei- willigen Spenden von Angehörigen hier bestatteter Toten auf- gebracht. Die Namen der Spender sollen auf einer in der Halle anzubringenden Votivtafel verewigt werden. Der von Hampke nach Plänen J. Nathansons ausgeführte einfach schöne Backsteinbau enthält einen Aufenthaltsraum für die Wächter, einen Raum für die Vornahme der Leichenwaschungen und eine würdig ausgestattete, durch grosse Schiebetüren zu ver- schliessende Halle für die Abhaltung der Trauerfeierlichkeiten.

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(>. Vereine und Stiftunj»-en.

A. Chewra Gemiluss chassodim.

(Jüdischer Woliltätif^keils- und Heerdigungsverein.)

Unter diesem Namen konstituierte sich am 2.0. Ajiril 1804 aufs Neue jener den verdienstvollsten Liebeswerken gewidmete Verein, dessen frühere Geschichte wir oben (S. 1)6 f.) beschrie- ben haben. Kr hatte sich in den vorhergehenden Jahrzehnten so gut wie aufgelöst, wenn auch seine Kasse unter dem Namen Bikkur-(^holimkasse von den Gemeindevorstehern weiter ver- waltet wurde. Die von B. Pintus, S. Schönfeld und M. Hildesheim er entworfenen Statuten bezeichnen als Zweck des Vereins:

1. Den ki'anken Vereins-Mitgliedern und deren Ange- hörigen menschenfreundliche Sorgfalt zu widmen, auf Ver- langen oder wenn das Bedürfnis es erfordert, unentgeltliche ärztliche Hilfe, Arzeneien und Krankenwachen, sowie auch in besonderen Fällen bare Unterstützungen zu gewähren.

2. Die ordnungsmässige Bestattung verstorbener Ge- nossen und deren Angehörigen zu besorgen und hierbei die Obliegenheiten nach dem Ritus unserer Religion zu verrichten.

Bereits am 15. Mai 1864 schloss der Verein mit dem Gemeindevorstand einen Vertrag des Inhalts, dass die Funk- tionen der bisherigen Beerdigungskommission auf den Verein übergehen, dieser fortan die Beerdigung aller im Branden- burger Synagogenbezirk verstorbenen Glaubensgenossen (die der Nichtmitglieder zu einem erhöhten Tarife) übernimmt und dass alle zum Leichenwesen gehörenden Älobilien Eigentum des Vereins werden. Der Verein, welcher tätige, d. h. an den Zwecken des Vereins sich beteiligende und nichttätige, d. h. nur zahlende Mitglieder aufnimmt, wird von zwei Vor- stehern verwaltet, die auf je drei Jahre gewählt werden, und denen in besonderen Fällen ein fünfgliedriger Ausschuss zur

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Seite steht. Bei seiner Begründung zählte der Verein 41 ]\Iitglieder, zeitweise war das Interesse für ihn geringer ge- worden, hat sich aber erfreulicherweise in den letzten Jahren wieder gehoben. An der Spitze des Vereins standen

B. Pintus 1«G4— 1870

Sally Oppenheim 1870—1882 J. Friedländer 1882—1883

Ph. Pintus 1883—1886

A. Mannheimer 1886—1889

Max Loewenthal 1889—1892

H. Crohn 1892—1902

L. Helft seit 1902.

Die Mit gliederzahl beträgt zur Zeit 38, das Vereinsver- mögen beläuft sich laut Rechnungsabschluss vom 11. April 1905 auf 10400 Mark.

B. Frauenverein.

Wie so vieles in der Geschichte der Gemeinde knüpft sich auch die erste Begründung eines die Frauen der Gemeinde umfassenden Wohltätigkeitsvereins an den Namen Pintus. Frau Moses Pintus war es, die durch regelmässige Geld- sammlungen unter den Frauen eine „Frauenkasse für verschämte Arme" schuf, aus deren Mitteln sicherlich manche stille Not, die sich nicht an's Licht hervordrängte, in echt jüdischer Weise gelindert werden konnte. Aus der früheren Wirksamkeit des Vereins liess sich nichts Genaueres ermitteln. Ein im Laufe der Jahrzehnte entstandenes Kapital von etwa 1000 Mark be- fand sich lange Jahre im Besitz der Familie Pintus, zuletzt hatte es Philipp Pintus in Verwahrung. Im Jahre 1890 wurde durch die Initiative von P. Nathanson, L. Helft und S. Salinger der Verein aufs Neue begründet und ihm jenes Kapital als Eigentum zugewendet. Zweck des Vereins war die Unterstützung im hiesigen Synagogenbezirk wohnen- der, ausnahmsweise auch armer durchreisender Frauen. Das

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Seite steht. Bei «einer BegHliuiung zählte der Verein 41 Mitglieder, zeitweise war da.s Interesse flir ihn geringer ge- worden, hat sich aber ' •■ herweise in den letzten Jahren

wieder gehoben. An - /»^ des Vereins standen

B. Pintus 1864—1870

.Sally Oppenheim 1870—1882 J. Friedländer 1882—1883

Ph. Pintus 1883—1886

A. Mannheimer 1886—1889

Max Loeweuthal " '" '

H. Crohn

L. Helft seit 11^02.

Die Mifgiiedej-zahl beträgt zur Zeit 38, das Vereinsver- mögen belauft sich laut Rechuungsabschluss vom 11. April 1905 auf 10400 Mark.

fi. Frauen verein

Wie so vieles in der C>> ' ' <!»■ ^ iHuiciink- knüpft sich auch die erste Begründung <- Frauen der Gemeinde

umfassenden Wohltätigkeitsvereins an den Namen Pintus. Frau MoseH Pintus war es, die durch regelmässige Geld- sammlungen unter den Frauen eine „Frauenkasse für verschämte Arme" schuf, aus deren Mitteln sicherlich manche stille Not, die sich nicht an's Licht hervordrängte, in echt jüdischer Weise gelindert >•-•'"•; konnte. Aus der früheren Wirksamkeit des Vereins 1^ nicht« Genaueres ermitteln. Ein im Laufe

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Fehlen einer ötralfen OrganiHation liess jefloch den Verein seit 1899 an Wirksamkeit verlieren, und da die Beiträge längere Zeit nicht mehr erhoben waren, ging das Veroinsver- mögon in die Verwaltung dos (jlemeindevorslandes über. Bald aber regte sich in der Gemeinde doch wieder das Bewusst- sein, welche segensreiche Tätigkeit ein solcher Verein zu ent- falten vermag, der die fühlenden Herzen der jüdischen Frauen zu Werken der Liebe ans|tornt. Und so kam, namentlich durch die Bemühungen von .1. Friedländer, im April 1904 eine neue OrganivSation zu Stande. An die Spitze des Ver- eins treten nach ihr drei, von der Generalversammlung der Frauen alle drei Jahre neu zu wählende Vorstandsdamen zur Zeit Frau Ad. Schwabe, Frau II. Liebenthal, Frau Rabbiner Dr. Ackermann während die Kasse von einem Keudanten z. Zt. Ph. Pintus verwaltet wird. Alljähr- lich lindet in einer Generalversammlung Rechnungslegung über die gewährten Unterstützungen statt.

C. Verein „Gesellschaft der Freunde".

Der Wunsch nach einem geselligen Zusammenschluss der Gemeinde führte im Jahre 1888 zur Gründung dieses Vereins, um dessen Zustandekommen sich namentlich 11. Boas und A. Nathanson verdient machten. Die der Pflege ge- mütvoller Geselligkeit dienenden Veranstaltungen des Vereins bildeten etwa zwölf Jahre hindurch einen willkommenen Mittelpunkt freundschaftlicher Annäherung für die Mitglieder der Gemeinde und ihre Familien. Seitdem der „Verein für jüdische Geschichte und Literatur" neben seinem speziellen Programm auch geselliger Zusammenkunft dient, hat der Verein „Gesellschaft der Freunde" seine Wirksamkeit einge- stellt, ohne jedoch formell aufgelöst zu sein.

D. Verein füp jüdische Geschichte und Literatup.

Als zu Beginn der neunziger Jahre in Deutschland jene von Dr. Gustav Karpeles inaugurierte Bewegung anhob, welche darauf ausging, durch Gründung von Literaturvereinen

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die Kenntnis der jüdischen Geschichte zu verbreiten und das Interesse für die einzigartige Bedeutung des jüdischen Schrift- tums zu befestigen, eine Bewegung, die stetig zunahm und bis jetzt bereits zweihundert N'ereiue hervorgebracht hat da regte sich auch in der Gemeinde Brandenburg der Wunsch, in ihrer Mitte eine solche Quelle geistiger Förderung zu be- sitzen. Der Verfasser dieser Arbeit berief auf den 2. De- zember 1896 eine Versammlung aller Gemeindemitglieder und fand mit seinem Vorschlag zur Gründung eines „Vereins für jüdische Geschichte und Literatur" allseitige begeisterte Zu- stimmung. Fast alle Mitglieder der Gemeinde traten bei und halfen durch Zeichnung von Geldspenden über die ersten finanziellen Schwierigkeiten des Vereins hinweg. Den ersten Vortrag hielt wenige >\'ochen darauf Dr. Karpeles-Berlin über das Thema: „Was haben die Juden für die Kultur der Mensch- heit geleistet?" Der Verein, der im Winter 1901/02 sein fünfjähriges Stiftungsfest in erhebender, die ganze Gemeinde umfassender Feier beging, veranstaltet jeden Winter sieben bis acht Vortragsabende, an denen durch meist von auswärts berufene Redner Themata aus dem weiten Gebiete der jü- dischen Geschichte und Literatur in gemeinverständlicher Form behandelt werden. Diese Vortragsabende, zu denen stets auch Gäste willkommen sind, werden von den Vereinsmitgliedern und ihren Angehörigen mit überaus regem Eifer besucht und bilden in dem Leben der Gemeinde ein wirksames Element geistigen Fortschritts, von dem ein immer reicherer Segen für die Gesamtheit wie für den Einzelnen ausströmen möge. An der Spitze des Vereins stand bis 1899 Dr. med. A. Sittner; seitdem wird der Verein vom Verfasser dieser Arbeit geleitet.

E. Stiftungren.

a) Die Stiftung Talmud Thora, von Moses Pintus 1823 im Verein mit anderen Gemeindemitgliedern begründet, hat laut einer Eintragung in den Gemeindeakten den Zweck: „Armen Schülern und solchen bedürftigen Personen jüdischen Glau- bens, welche sich dem Studium der jüdischen Theologie zu-

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gewendet haben, Unterstützungen zu gewähren." Ueber die Wirksamkeit dieser Stiftung liess sich nichts Genaues ermit- teln. Seit einigen Jahren wird ein Teil der Zinsen dem „Verein für jüdische Geschichte und Literatur" zugewiesen.

b) Die Stiftung Ifachnasath Kalla, ebenfalls von Moses Pintus, 1832, begründet zu dem Zweck, „dass dar- aus an Töchter armer jüdischer Einwohner des Orts eine Bei- steuer zur Mitgift verabreicht werde. '^ Aus Mitteln dieser Stiftung hat die Gemeinde, wie Notizen in den Akten ergeben, in einzelnen Fällen die altjüdische LiebespÜicht der Aus- stattung armer Bräute ausgeübt").

c) Die Stiftung Ner tamid. Der Ursprung dieser Stift- ung war nicht festzustellen. Ihr Zweck war: „Das Andenken verstorbener Personen bei der Wiederkehr des Sterbetages derselben der Gemeinde durch ein Gebet in Erinnerung zu bringen und für dieselben ein immerwährend brennendes Licht zu unterhalten.'" Seit 1855 bereits wird die Stiftung nicht mehr als eine besondere Kasse verwaltet.

d) Die Gumpert-Stiftung. Von Geh. Kommerzienrat Gumpert anlässlich seines siebzigsten Geburtstages am 9. Mai 1893 begründet. Die angesammelten Zinsen sollen einem bedürftigen und würdigen Manne aus der Gemeinde an seinem siebzigsten Geburtstage ausgezahlt werden.

'^) Die Stiftung besass früher noch 1866 ^vier kupferne Tischplatten nebst Gestellen dazu, drei kupferne Becken und eine kupferne halbe Metze". Diese Gegenstände rührten ans einem Vermächtnis des Salomon Wolff her und wurden nach einer Bestimmung des Testators gegen ein der Stiftung zu entrichtendes Leihgeld zum Backen der Mazzot benutzt.

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7. Verhältnis zur jüdischen Gesamtheit.

Wir sahen, dass die Gemeinde numerisch nie sehr be- deutend war, und wir dürfen es uns nicht verhehlen, dass auch von einer tieferen geistigen, besonders jüdisch-literari- schen Regsamkeit nur wenig in ihr wahrzunehmen ist. Wie die Mark Brandenburg überhaupt literarisch zu keiner Zeit stark hervortrat, so sind auch ihre jüdischen Gemeinden, wenn wir von Berlin und Frankfurt a. 0. absehen, lür die Entwickelung des Judentums und für die Fliege seiner Lehre ein wenig fruchtbarer Boden gewesen. Gleichwohl dürfen wir mit Genugtuung feststellen, dass in der Gemeinde Bran- denburg der Sinn für die Gesamtinteressen des Judentums, für seine Ehre und seine Anerkennung stets lebendig war und sich in einer Reihe von Fällen betätigt hat.

In erster Linie waren es die in die fünfziger Jahre fallenden Kämpfe um die staatliche und bürgerliche Gleich- berechtigung der Juden,die auch in Brandenburg ihren Wieder- hall fanden. Nach langen, stürmischen Verhandlungen war die Frucht des unvergesslicheu Jahres 1848 in Form cimr Verfassung herangereift. Klar und ohne für Missdeutungen Raum zu lassen, besagte Artikel 12 der am 31. Januar 1850 erlassenen Urkunde: ,,Der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse," Aber siehe da, die Reaktion, die in ihrem bis auf den heutigen Tag die gleichen Gesinn- ungen vertretenden Organ, der ,, Kreuzzeitung'', schon seit Be- ginn des Jahres 1849 einen eibitterten Kampf gegen die Juden inauguriert hatte, setzte es mit ihren freiheitswidrigen Wühlereien durch, dass jener Artikel 12 der Verfassung in der Praxis einfach ausser Acht gelassen wurde. Schon am 9. Oktober 1851 erging z. B. ein Erlass des Justizministeri- ums des Inhalts, dass einem Juden kein Amt mehr anver- traut werden düi-fe, „bei dessen Verwaltung er in die Lage

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kommen konnte, christliche Eide abzunehmen." Alle diese Gegenströmungen verdichteten sich schliesslich im Jahre 1856 zu dem von dem Abgeordneten Wagen er (Neu-Stettin) an das Abgeordnetenhaus gerichteten Antrag, die Worte „der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse" zu streichen, da diese Worte „den religionslosen Staat instituieren und da- her in der Verfassungs-Urkunde einer christlichen Monarchie nicht länger geduldet werden dürfen/' Kaum hatten die po- litischen Blätter die Kunde von diesem Antrag gebracht, so erhob sich in den jüdischen Gemeinden Preussens ein Sturm der Entrüstung und des Widerspruches. Es ist das Verdienst Ur. Ludwig Philipps on's, Rabbiner in Magdeburg, diesen Sturm organisiert und ihn zu einem Ansturm gestallet zu haben, der schliesslich den Antrag Wagener hinwegfegte''). Von der Ueberzeugung durchdrungen, dass die Sache der Ju- den mit der der allgemeinen Gewissensfreiheit identisch, veranlasste Philippson 264 jüdische Gemeinden Preussens, in

'*) Philippaoa hatte übrigens in den Tagesblättern folgende „Oef- f entliche Aulforderung" ergehen lassen: .,So viel ich weiss, ist das „Neue Testament" die Grundlage des ChristeDthuras. Ein ,, christlicher Staat" heisst demnach nichts anderes, als der die Lehren und Grundsätze des „Neuen Testaments" in sich aufgenommen und in allen seinen Ge- setzen, Einrichtungen, Anstalten zur Verwirklichung bringt. Ich fordere daher den Abgeordneten Herrn Wagener hiermit öffentlich auf, aus den Schriften des „Neuen Testaments" nachzuweisen, dass der „christliche Staat" den Bekennern des Judenthums die bürger- lichen und staatsbürgerlichen Rechte, welche in einer zu Recht bestehenden und beschworenen Verfassung verbrieft sind, entziehen müsse". Als nach Verlauf von 14 Tagen keine Antwort erfolgte, gab Philippson, wiederum öflentlich, selbst die Antwort: „Auf dem Grunde des Neuen Testaments ist der Staat des Ab- geordneten Wagener kein christlicher, sondern ein unchrist- licher, nicht religionslos, vielmehr religionswidrig I" Erat jetzt veröffentlichte Wagener eine kurze Erklärung, in der er es als ebenso unpassend wie überflüssig erklärt, sich „über einen Antrag, der dem Landtage zur Beschlussfassung vorliege, in einen Zeitungskrieg mit dem Rabbiner der jüdischen Gemeinde zu Magdeburg einzulassen".

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Petitionen an das Abgeordnetenhaus gegen den Antrag Wa- gener zu protestieren. Unter diesen Gemeinden war auch die zu Brandenburg. Ihre Petition hatte folgenden Wortlaut:

An Ein hohes Ilaus der Abgeordneten zu Berlin.

Gegcn-Darstellung des Vorstandes und der Repräsentanten der Synagogen- gemeinde zu Brandenburg den Antrag des Abgeordneten Wagener betreffend.

Der Abgeordnete Wagener (Neustettin) hat bei dem hohen Hause den Antrag gestellt: die Worte „der Ge- nuss der bürgerlichen wie der staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse" aus dem Ai-tikel 12 der Verfassungs-Urkunde zu streichen. Welches auch das Schicksal dieses Antrages bei den gesetzgeberischen Instanzen seyn wird wir hoffen und glauben, es wird dieses ablehnend ausfallen so halten wir es doch für eine heilige Pflicht, für uns und im Namen der von uns vertretenen Gemeinde gegen den oben angeführten Antrag unsere Stimme zu erheben und Ein hohes Haus der Abgeordneten ehrfurchtsvoll zu bitten: Diesem Antrag, gegen die Bekenner des mosaischen Glaubens gerichtet, nicht die gewünschte Folge zu geben. Mit Ehrerbietung verharren wir Eines Hohen Hauses der Abgeordneten

gehorsamste Der Vorstand und die Repräsentanten der Synagogengemeinde Brandenburg, 22. Januar 1856.

L. Simon M. Simon

J. Gerson Manheimer

]\I. Aren Loewen

J. Nathanson

L. Gumpert

List

Schönfeld

Nauen

Sternberg.

lf)7

Als der Vorstand den Wortlaut dieser Petition im Feb- ruar an Dr. Philippson sandte, um zu dessen Huch „Der Kampf der preussischen Juden für die Sache der Gewissens- freilieit" verwendet zu worden, begleitete Gerson diese Ueber- sendung mit den Worten: „Wir benützen diese Gelegenheit, Ihnen unseren Dank zu erkennen zu geben für Ihren in der Angelegenheit des Kampfes unserer Glaubensgenossen für die Sache der Gewissensfreiheit abermals an den Tag gelegten Kampfesmut, den Wunsch aussprechend, dass dieser Kampf zum Siege führe." Und er hat zum Siege geführt. Die Ma- jorität des Abgeordnetenhauses beschloss am 6. März 1856, über den Antrag Wagener zur Tagesordnung überzugehen. Seitdem ist und bleibt jede um des religiösen Bekenntnisses willen erfolgende Beschränkung der bürgerlichen und staats- bürgerlichen Rechte in Preussen gleichbedeutend mit einer Verletzung der Verfassung

Drei Jahre später beteiligte sich Brandenburg an einer wiederum von Philippson inszenierten Massenpetition von 2iö preussischen Synagogengemeinden, um die Abstellung einiger in dem Judengesetz von 1847 begründeter Mängel zu erzielen"'). Am 15. Februar 1859 wurde der folgende Beschluss gefasst:

„Der unterzeichnete Vorstand beschliesst: In Erwägung, dass die Verhältnisse der Juden im preussischen Staate einer Ordnung bedürfen, um mit der garantierten Staatsverfassung in Einklang zu kommen, der Antrag hierauf und das Ver- langen hiernach aber von den Betheiligten selbst ausgehen muss, der Aufforderung des Herrn Dr. L. Philippson nachzu- kommen und diesen zu autorisieren, die von ihm nach dem Inhalte seines Leitartikels vom 1. Februar c. entworfene oder erst noch anzufertigende Vorstellung an das ressortierende Ministerium auch im Namen des hiesigen Vorstandes zu unter- zeichnen."

Zu den unwürdigsten und beklagenswertesten Ueber- resten mittelalterlicher Vorurteile, welche auch nach der ge-

") Vgl. Allgemeine Zeitung des Judentums, 1859 Nr. 12,

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setzlichen Regelung der jüdischen Verhältnisse noch ungehindert in Kraft waren, gehörte der sogenannte „Judeuoid". Die Form dieses demütigenden Aktes näher zu beschreiben, würde hier zu weit führen'"). Es genüge, dass der Parteieneid unter Assistenz des Rabbiners in der Synagoge geleistet werden musste, dass der Schwörende sich zu dem Schwurakte durch Waschen der Hände und durch Anlegung des Gebetmantels und der Gebetriemen vorbereiten und eine durch Selbstverwünsch- ungen hässlich erweiterte Schwurformel sprechen musste. Dieser aus den finstersten Zeiten des Mittelalters überkom- mene Judeneid war bereits in sämtlichen deutschen Staaten aufgehoben. Nur in Preussen bestand er ungeschwächt fort. Ein im Jahre 1850 von der Berliner jüdischen Gemeinde im Verein mit fast 400 anderen })reussischen Gemeinden an den Justizminister gerichtetes Gesuch um Aufhebung dieser un- würdigen Institution blieb nicht nur ohne Berücksichtigung, sondern auch ohne Antwort. Erst im Jahre 1860 raffte man sich zu einer erneuten Aktion auf, die wiederum von Berlin ausging, dem Ministerium in eindringlicher Darlegung das Widersinnige des „Judeneides" auseinandersetzte, auf Besei- tigung der betreffenden Gesetzesvorschriften drang und als Eidesformel auch für die Bekenner des jüdischen Glaubens die Worte: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden . . . .""*) vorschlug. Auch die Gemeinde Bran- denburg trat der neuen Petition an das Ministerium bei. Einen positiven Erfolg hatte sie ebensowenig wie die erste. Der „Judeneid" blieb auch während der sechziger Jahre in alter Kraft bestehen. Die vielen Unzuträglich keiten, welche

") Vgl. Näheres bei Frankel: Die Eidesleistung: der Juden in the- ologischer und historischer Beziehung, Breslau 1840, Zunz : Die Vorschrift über die Eidesleistung der Juden, Berlin 1869.

^*') Die ursprünglich vom Vorstand der jüdischen Gemeinde Berlin vorgeschlagene Formel: „Ich schwöre bei Gott, dem Einigen und Ewigen" wurde auf dringende Vorstellung einiger Gerichtsassessoren, an deren Spitze Makower stand, zu Gunsten der obigen Formel zurück- gezogen.

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er mit sich brachte, führten gerade in Brandenburg im Laufe der nächsten Jahre zu mehrfachen erregten Diskussionen zwischen dem Gericht und dem Vorstand der Gemeinde. Das Gericht vertrat den Stand|)unkt, der Jiideneid sei ein „kultii- ellerAkt" und hielt die IJeschall'ung der Schwurzeugen für eine Pflicht der Synagogengemeinde. Zu dem wenig ehren- vollen Zeugenamt aber Hessen sich nur sehr schwer Mitglie- der der Gemeinde bereit tinden. Der Vorstand gab sich in durchaus loyaler Weise alle erdenkliche Mühe, Schwurzeugen herbeizuschaffen, es gelang ihm aber nur, einen einzigen Herrn dazu zu bewegen. Das Gericht drang auf Stellung des zweiten Zeugen und machte die Gemeinde für die aus dem Fehlen des Zeugen etwa entstehenden höheren Kosten ver- antwortlich, berief sich einmal sogar auf Artikel 12 der Ver- fassung und meinte naiver Weise: „Will die jüdische Kelig- ionsgesellschaft den Artikel 12 in ihrem Interesse für Ausübung ihrer Religion handhaben, so hat sie auch für die durch ihre Religion bedingte Erfüllung der staatsbürger- lichen Pflicht ihrer Mitglieder Sorge zu tragen," als wäre der „Judeneid" wirklich nur „durch die jüdische Religion bedingt!" Der Vorstand erldärte demgegenüber den Judeneid trotz seiner sogenannten religiösen Form lediglich für einen „moralischen Akt" und hielt sich nur zur Stellung des Geistlichen, nicht aber zu der der Zeugen für verpflichtet, die vielmehr, wie das Gesetz besagte, von den Parteien „mitzubringen" seien. Diese ganze, über fast drei Jahre sich erstreckende Diskussion wurde vom Vorstande wiederholt dazu benützt, über den „Judeneid" im Allgemeinen selbst den Behörden gegenüber ungescheut seine Meinung auszusprechen, um dadurch auch seinerseits die aller Orten aufflammende Gegenbewegung ^^) zu unterstützen und zur Abschaffung der Verachtungsworten In- stitution beizutragen. So schliosst er z. B. am 5. August 1864 sein an das Kreisgericht abgesandtes Schreiben mit den Worten ;

'") Vgl. z. B. die Petition Dr. Jolowicz' in seiner Geschichte der Juden in Königsberg i. Pr. S. 175 ff.-

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„Unsere Replik, welche zu machen wir uns ge- statteten, sollte den Zweck haben, den erleuchteten Mit<:;liedern des Gerichts bei dieser Gelegenheit den Wunsch der Glaubensgenossen, deren Organ zu seyn wir die Ehre haben, bezüglich der qu. Eidesformen zu er- kennen zu geben, in der festen Ueberzeugung, dass die verehrten Herren Richter bei sich ereignender Ge- legenheit Ihre jMeinuug hierüber in übereinstimmender Weise mit den dem hiesigen Gerichtsbezirk angehören- den Glaubensgenossen am geeigneten Ort werden zu erkennen geben, um dazu beizutragen, dass die auf Exklusivität und beschränkter Religionsansicht basirte Eidesnorm, wie es in anderen Staaten schon geschehen ist, endlich beseitigt werde."

Ja sogar der Regierung gegenüber wagte der Vorstand ähnliche Worte. Eine an den Justizminister Grafen zur Lippe gerichtete Eingabe vom 15. Dezember 1865, in der er um Erhöhung der Zeugengebühren bat, lässt der Vorstand folgen- dermassen ausklingen:

„Wir wissen sehr wohl, dass Ew. Excellenz der Ansicht huldigen, dass die in unserem Staate noch be- stehende Eidesnorm der Juden nicht mehr zeitgemäss ist. Würde durch Ew. Excellenz erneutes Bemühen es gelingen, dieses Ueberbleibsel alter Gesetzgebung zu beseitigen, so würden Ew. Excellenz neben dem Dank der Juden im preussischen Staate den Ruhm geniessen, zu der Zahl der Wohlthäter gerechnet zu werden, welche zur Beseitigung der Ausnahmestellung der vaterländischen Is- raeliten mitgekämpft haben. Möge Ew. Excellenz geruhen, unser spezielles wie auch nicht minder das von uns vorgetragene generelle Gesuch gnädig aufzunehmen und sich bewogen fühlen, diesem Folge zu geben."

Das „spezielle Gesuch", die Erhöhung der Zeugenge- bühren von 5 auf 10 Silbergroschen, wurde vom Minister ge-

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nehmigt. Was aber das „generelle Gesuch" betraf, so wurde dem Vorstand am 8. Februar 1866 von selten des Kammer- gerichts der Bescheid, dass von Sr. Excellenz dem Herrn Justizminister „etwas Weiteres nicht verfügt worden ist." Erst durch das Gesetz vom 6. Juli 1869 wurde der „Judeneid" beseitigt-").

Endlich ist noch eine von Berlin ausgehende Petition zu nennen, der sich die Gemeinde Brandenburg in ihrem Eifer für die gemeinsamen jüdischen Interessen anschloss: Die Petition, welche im Jahre 1858 über den Fall ]\Iortara an den damaligen Prinzregenten, späteren König von Preussen, abgesandt wurde. Jene unerhörte Gewalttat, durch die der sechsjährige Sohn des Juden Mortara in Bologna auf Veran- lassung des Bischofs geraubt und nach Rom gebracht wurde, um in der katholischen Religion erzogen zu werden, hatte fast das gesamte Europa zu einem einzigen grossen Protest ent- flammt. In ihrer Petition nun trugen die preussischen Ge- meinden dem Prinzregenten die Bitte vor „auf diplomatischem Wege bei dem Römischen Hofe darauf hinwirken zu lassen, dass der Familie Mortara zu Bologna ihr entführtes Kind wiedergegeben werde und nicht durch die Vorenthaltung des- selben ein Exempel statuirt bleibe, welches für die gesamte nichtkatholische Bevölkerung des Römischen Staates die ver- derblichsten Folgen herbeiführen könnte." Die Antwort des Prinzregenten betonte wohl die für Preussen geltenden „Grund- sätze einer vollen und aufrichtigen Gewissensfrei- heit", lehnte aber den „Versuch einer direkten Einwirkung auf die Regierung eines fremden Staates, um dort die Grund- sätze zur Geltung zu bringen, welche im eigenen Lande mass- gebend sind" aus prinzipiellen Bedenken ab. Bekanntlich wurde das Kind den Eltern von der römischen Kurie vor- enthalten. Die ]\Iutter war wahnsinnig geworden.

^*') Keineswegs aber kann man diese Beseitigung einen „Erfolg" der Petition von 1860 nennen, wie dies Herzberg: Geschichte der Juden in Bromberg, S. 78 tut.

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Es fehlt aber auch nicht au s(»lchen Fällen, in denen von Brandenburg die Initiative für die Förderung allge- mein-jüdischer Angelegenheiten ausging. Wir weisen zunächst auf zwei dieser Fälle hin, die in den lokalen Ver- hältnissen begründet waren. Der eine betrifl't die jüdischen Soldaten, der andere die jüdischen Gefangenen.

Brandenburg besass seit Jahrzehnten eine Garnison mitt- lerer Grösse, die sechste Division, bestehend aus drei Regi- mentern. Die Militärverwaltung hatte wohl im Allgemeinen die Gepflogenheit, die Soldaten jüdischer Konfession zu den jüdischen Festtagen vom Dienste zu dispensieren. Im Jahre 1861 aber trat ein ausserordentlicher Fall ein, der den Gemeindevorstand zum Eingreifen veranlasste. Ein Kürassier jüdischer Konfession war zu einer dreitägigen Arreststrafe verurteilt w^orden, deren letzter Tag auf das Versöhnungsfest fiel. Der Vorstand, dem dies gemeldet wurde, richtete an den Divisionskommandeur, Generalleutenant von Kortz- fleisch, das Ersuchen, den Verurteilten während der Feier des Versöhnungsfestes aus der Haft zu entlassen. Das Gesuch wurde nicht genehmigt. ]\Iag sein, dass die bestehenden Vorschriften eine Genehmigung verboten. Aber der Komman- deur belegte den völlig unschuldigen Soldaten infolge der Bitte des Vorstandes mit einer Gefängnisstrafe von vier- zehn Tagen. Der Vorstand, emi)ört über diese Massregel, teilte dem Kommandeur mit, dass seine Bitte keineswegs durch den Soldaten selbst veranlasst, sondern der eigenen In- tention entsprungen war." Der Vorstand betrachte sich durch die dem Soldaten ohne Untersuchung zudiktierte Strafe mo- ralisch selbst getroffen und halte es für eine Ehrensache, „diese moralische Strafe von sich abzuwälzen." Der Kom- mandeur antwortete dem Vorstand mit dem Hinweis darauf, dass eine Beschwerde über die Bestrafung eines Soldaten nur diesem selbst, nicht aber einem Dritten zustehe. Aus diesem Vorfall nun nahm der Vorstand Veranlassung, ein an Feld- marschall Freiherr von Wränge 1, den Höchstkommandieren- den der märkischen Truppen, zu richtendes Schreiben zu

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eutwerfen, in welchem nicht nur aul' den speziellen Branden- burger Fall hingewiesen, sondern die prinzipielle Seite der Sache mit Nachdruck betont wurde. Es heisst in diesem Schreiben:

„Wir wagen es sowohl lür uns als auch im Namen aller unter dem Szepter Sr. Majetät unseres Königs lebenden Unlerthanen Israel itisciien Glaubens, an Ew. Excellenz die lütte zu richten, nicht allein im Bereiche Ihres Kommandos den Befehl zu ertheilen, dass den Soldaten jüdischer Konfession der dienstliche Urlaub zur Beiwohnung der Gottesdienstfeier in der Synagoge an den jüdischen Festen von den betreffenden Chefs in hu- maner Weise zugestanden werde, sondern auch gnädigst zu vermitteln, dass diese gesetzlich bestehende Anord- nung überhaupt bei der Armee beobachtet werde. Um das sittliche Gefühl des Menschen zu erhalten und zu stärken, bedarf er zeitweise der geistigen An- regung und der Erbauung. Der Soldat jüdischen Glau- bens bedarf solcher Anregung um so mehr, als er seines Glaubens wegen von seinen christlichen Kameraden so manches Gehässige zu erdulden hat. Es ist dieser Ka- lamität von den Einzelneu aber um so nutzloser ent- gegen zu treten, als der Impuls dazu häufig von den Vorgesetzten gegeben oder angedeutet wird.

Dem naturmässigen Gesetze, das die ^Minderheit zum Dulden verpflichtet, unterwirft sich stillschweigend der jüdische Soldat und nur deshalb verfolgt derselbe nur in seltenen Fällen den ihm so gut wie jedem anderen Soldaten freistehenden Weg der Beschwerdeführung über etwa erlittene Ehrenkränkung oder wegen Beschränkung seines Rechtes, um nicht der Gefahr noch grösserer Verhöhnung sich auszusetzen. Ew. Excellenz wollen die hier gemachte, auf Thatsachen beruhende Schilderung uns gütigst verzeihen. Wir aber wollen der Ueber- zeugung vertrauen, dass Ew. Excellenz unser ehrer- bietiges Gesuch wohlwollend aufnehmen und ihm Folge

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geben werden, was Tausende von Unterthanen Sr. ^la- jestät des Königs gewiss dankend erkennen werden und was unbezweifelt dazu mit beitragen wird, den z. Zt. noch vorhandenen, von uns geschilderten Uebelstand, der naturmässigen Entwickelung folgend, zu beseitigen, wie so vieles andere Gehässige schon verschwunden ist."

Dieses Schreiben ist allerdings, einer Notiz Gerson's zufolge, nicht abgesandt worden. Aber auch als Entwurf ist es bezeichnend genug für den jüdischen Gemeinsinn, der in der Gemeinde und ihrer Verwaltung lebendig war. Auch für die jüdischen Gefangenen und ihre religiöse Versorgung trat der Gemeindevorstand tatkräftig ein. Die Brandenburger Strafanstalt, seit 1820 bestehend und in früheren Jahren auch für Frauen bestimmt, war nachweislich bereits um 1830 mit jüdischen Gefangenen belegt und diese genossen damals schon die Vergünstigung, am Pessachfeste mit ritueller Kost ver- sehen zu werden. In dem von Guttmann geführten Kassen- buch aus den Jahren 1834—1839 bilden die aus Gemeinde- mitteln bewilligten Gelder „für die Züchtlinge" einen Posten, der alljährlich im Frühling wiederkehrt. Die Ostertage allein galten auch als Feiertage, an denen die Gefangenen von der Arbeit dispensiert waren; für ihre Seelsorge aber waren keine Bestimmungen getroffen, sie mussten sowohl dem christlichen Gottesdienst als dem christlichen Religionsunterricht bei- wohnen. Die Schaffung einer jüdischen Seelsorge für die jü- dischen Gefangenen bildete einen der Punkte, auf die sich die oben (S. 167) erwähnte Philippson'sche Beschwerdeschrift be- zog-'). Diese Beschwerdeschrift ging im März 1859 ab. Der Gemeindevorstand hatte aber bereits im Dezember 1857 bei der Anstellung Dr. Raphael's aus eigener Initiative die seelsorgerische Behandlung der jüdischen Gefangenen in den Kreis seiner Tätigkeit gezogen. Der mit Dr. Raphael verein- barte Anstellungskontrakt enthält in seinem § 3 ausdrücklich den Passus: „Dr. Raphael erklärt sich bereit, seine seel-

»ij AUg. Zeitung des Judentums, 1869 Nr. 12, S. 172.

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sorgerischü Wirksainkoit uiil" die in dar hiesigen Königl. Straf- und lieaserungHunstult detinierten Oefiingeneu jüdischen He- kenntuisses auszudehnen und, so viel sein Berul' es ihm gestattet, mindestens aber doch in jedem Monat ein Mal diese durch geistlichon Zuspruch zu erhautjn und zu belehren. Die zu diesem Geschäfte erforderliche Erlaubnis zu er- wirken, ist Sache des Vorstandes." Der Kontrakt ist vollzogen am 30. Dezember 1858. Damals also bestand be- reits die bestimmte Absicht, die jüdische Seelsorge durch ge- eignete Schritte in die Wege zu leiten. Das darauf hin im Februar 1859 bei dem Strafanstaltsdirektor Schmidt einge- reichte Gesuch des Vorstandes fand Zustimmung, und die Regierung gestattete Dr. Raphael, „den Sträflingen mosaischen Glaubens einmal in jedem Monat des Sonntags Nachmittags mit einer halben Stunde für die Männer und ebenso lange für die Weiber Unterricht in der Religion und Sittenlehre zu er- theilen", bestand aber ausdrücklich darauf, dass die jüdischen Gefangenen auch an den gottesdienstlichen Versammlungen der christlichen teilnehmen. Gegen die letztere Bedingung er- hob der Vorstand Einspruch, nachdem auch aus der Mitte der Gemeinde (B. Pintus) ernstliche Bedenken laut geworden waren, und der Minister verfügte denn, die Strafanstaltsdirek- tion solle geeignete Vorschläge machen wegen künftiger Re- gelung des Gottesdienstes der jüdischen Gefangenen. So wurde Dr. Raphael gegen eine staatliche Remuneration von dreissig Talern jährlich zur Abhaltung einer wöchentlichen Unterrichtsstunde verpflichtet und zugleich verfügt, dass die jüdischen Gefangenen jeden Freitag Abend und Sonnabend zu gemeinschaftlicher Andacht zusammenkommen. Der Vorstand hatte sein Ziel erreicht; er sprach am 8. August 1859 dem Direktor Schmidt „für die humane und theilnahmsvoUe Hand- lungsweise" seinen Dank aus und gab der Hoffnung Ausdruck, „dass die für unsere Strafe verbüssenden Glaubensgenossen angeordnete abgesonderte geistliche Pflege zum Nutzen der Anstalt und zum Frommen der Büssenden gereichen werde"--).

^^) Nachdem die Strafanstalt Rawitsch als Zentrale für die jü-

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Endlich war es die Gemeinde Brandenburg, die im Jahre 1892 die Anregung zu einer möglichst gedeihlichen Lösung einer hociibedeutsamen internen jüdischen Frage gab. der Frage des Religionsunterrichts. Seitdem auf der ersten Leipziger Synode vom Jahre 1869 die Notwendigkeit erkannt war, dahin zu wirken, dass an den für alle Konfessionen ge- meinsamen höheren Schulen auch für die jüdischen Schüler ein höherer Religionsunterricht erteilt werde, hatten die Be- strebungen zur Verwirklichung dieses Anspruches nie völlig geruht. Die inneren und äusseren Mängel des in den l*rivat- schulen erteilten Religionsunterrichts traten immer schärfer hervor, und das Fehlen jedes behördlichen Zwanges wurde von vielen Eltern dazu benutzt, ihre Kinder gänzlich ohne religiöse Unterweisung aufwachsen zu lassen. Wir haben bereits gesehen (oben S. 154 f.), wie man hier in Brandenburg ohne Erfolg eine Angliederung des Religions- unterrichts an die hölieren Schulen herbeizuführen vorsuchte. Um nun diese für die Zukunft des Judentums so bedeutsame Frage zur Entscheidung zu bringen, stellte die Gemeinde Brandenburg beim deutscli-israelitischen Gemeindel)und den Autrag: „Der Ausschuss des D.-I.G.-B. wolle Schritte tun, dass von Seiten aller jüdischen Gemeinden Preussens die Regierung angegangen werde, den jüdischen Religionsunter- richt an höheren Schulen obligatorisch zu erklären." Dieser Antrag wurde auf dem sechsten Ciemeindetag, am 27. März 1892, zur Diskussion gestellt. Dr. Rosenberg begi'ündete ihn ausführlich. Nach längerer Debatte, in der Mako wer und Kristeller ihre abweichende Meinung kundgaben, er- klärte der Gemeindetag die Einführung des jüdischen Religions- unterrichts als Unterrichtsgegenstand in den Lehrplan der öffentlichen Schulen für eine unerlässliche Forderung der

dischcii Gefangenen aus den östlichen Landesteilen bestimmt war, erhielt die Strafanstalt Brandenburg keine jüdischen Gefangenen mehr. Erst seit der im Jahre 1897 eifolgten Aufhebung der Zentralisation wurde sie wieder mit solchen belegt. Der Verfasser dieser Arbeit ist seit 1899 als , jüdischer Strafanstaltsgeistlichcr im Nebenamt" etatmässig angestellt.

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bürgerlichen Gleichberechtigung. Seiner allgemeinen, für den ganzen Staat einheitlich geltenden Erfüllung harrt dieaer Anspruch, wie so mancher andere, bekanntlich auch heute noch. Ein einziges Mal hatte die Gemeinde Veranlassung, auch in die antisemitische Bewegung einzugreifen. Im Jahre 1877 stand im Reichstagswahlkreis Brandenburg-West- havelland der Berliner Stadtgerichtsrat Willmanns zur en- geren Wahl. Dass er von der konservativen Partei auf den Schild erhoben wurde, verdankte Willmanns in erster Linie seiner zu Anfang des Jahres 1876 erschienenen Broschüre „Die goldene Internationale". Diese total antisemitische Schrift gehörte dem Kreise jener „literarischen'" Erzeugnisse an, welche bald nach dem „grossen Krach" von 1873 gegen den „jüdischen Kapitalismus" als das angebliche Fundament des Gründungsschwindels zu Felde zogen. Willmauns hatte die kurz zuvor erschienene Schrift Rohling's „Der Talmud- jude" kritiklos ausgeschrieben, obwohl Rohling bereits damals von Bloch als Fälscher gebrandmarkt war-'') und hatte durch masslose Ausfälle gegen Juden und Judentum einen unlös- baren Zwiespalt zwischen christlichen und jüdischen Bürgern zu begründen versucht'^). Willmanns benützte nun seine Schmähschrift als Mittel zur Wahlagitation und Hess viele Hunderte von Exemplaren in Brandenburg gratis verteilen. Da trat die Brandenburger Judenschaft auf den Plan und ver- anlasste eine energische Zurückw^eisung der Willmanns'schen Verleumdungen. In einem längeren, „Einer für Viele" unter- schriebenen Aufsatz des „Brandenburger Anzeiger" vom 24. Januar 1877 wurde Willmanns' „goldene Internationale" als ein „blechernes Machwerk", Willmanns selbst als Ge- sinnungsgenosse des Fälschers Rohling gekennzeichnet-^).

2") Bloch: Professor Rohlings Fälschungen auf talmudischem Gebiet, Posen 1876.

**) Vgl. Auerbach: Das Judentum und seine Bekenner in Preussen und in den anderen deutschen Bundesstaaten, S. 6 ff.

-') Willmanns unterlag denn auch in der Stichwahl dem liberalen Stadtrat Hausmann. Die Brandenbui'ger Vorgänge wurden damals in der

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Gerade um jene Zeit war hier in Brandenburg ein Jude zum Königlichen Kommerzienrat der einzige in der damals 30000 Einwohner zählenden Stadt ernannt worden. An diese Tatsache knüpft der Aufsatz die Versicherung, es hätten bei diesem Anlass Christen verschiedenen Glaubens und Standes eine Teilnahme bekundet, dass edle Christen sagen würden :

„In Brandenburg herrscht noch bei den „Christen ungeheuchelte Religiosität, dort stei- ,,gert sich die menschliche Gesittung bis zur ,. lichten Höhe aufrichtiger Brüderlichkeit!"

Der gesunde Sinn der Brandenburger Bürgerschaft, wie er in diesen Worten gekennzeichnet ist, blieb denn auch den auf die niedrigsten menschlichen Instinkte berechneten, hass- und neiderfüllten und darum unchristlichen Treibereien des Antisemitismus fern. Das schöne, harmonische Verhältnis, das zwischen Juden und Christen hier in der Stadt seit vielen Jahrzehnten traditionell gewesen und in der einträchtigen Ar- beit für die gemeinsame menschliche Wohlfahrt den frucl)t- barsten Boden für seine Entfaltung fand, es blieb in seiner Blüte bestehen und wurde selbst in jenen trüben Zeiten nicht gestört, wo der wahnerfüllte Judenhass an anderen Orten des neuen Deutschen Reiches Orgien von wahrhaft mittelalterlicher Verblendung feierte. Wie die Juden Brandenburgs schon in den Freiheitskriegen, als kaum der erste Ring von der Kette mittelalterlicher Vorurteile gefallen war, ihre Liebe zum hei- matlichen Boden mit ihrem Blute besiegelten, so fühlten sie sich zu allen Zeiten als Söhne des Vaterlandes, denen auch die niederbeugendsten Erfahrungen nicht die Treue zu den gemeinsamen vaterländischen Idealen aus den Herzen zu reissen vermochten. Wie tief diese Ueberzeugung in der Mitte der

jüdischen Oefifentlichkeit viel besprochen. Die „AUg. Zeitung des Juden- tums" (1877, Nr. 7) fällte das Urteil : „Die Brandenburger Glaubensgenossen haben sich tapfer ihrer Haut gewehrt und sich damit ein Verdienst auch für die Gesamtheit erworben".

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Brandenburger Rürgerschaft wurzelte, zeigt die Tatsache, daas das Vertrauen der Bürgerschaft ohne Bedenken auch jüdische Bürger zur Mitarbeit an der fortsciireitenden Kntwicitelung der Stadt in die Körperschaften der städtisciien \'erwaltung berief. Aus früheren Jahrzehnten sind hier die Namen Moses Pintus, Sie gmund Gramer, Ile} mann Pintus und nament- lich Pintus Nathanson zu nennen, der in den verschieden- sten Zweigen der Stadtverwaltung eine überaus gedeihliche Tätigkeit entfaltete und dessen Andenken bei seinem jüngst erfolgten Tode in einem rühmenden Nachrufe geehrt wurde. Gegenwärtig zählt die Stadtverordnetenversammlung in Geh. Kommerzienrat Gumpert, Justizrat Kirschner und S. Sa- linger jüdische Mitglieder, die ihre Kräfte freudig in den Dienst der Gesamtheit stellen. Ganz besonders die Verdienste Gumperts wurden von Seiten der Stadt durch das höchste Zeichen städtischer Anerkennung dankbar gewürdigt, indem sie ihn anlässlich seines achtzigsten Geburtstages, am 4. Mai 1903, zu ihrem Ehrenbürger ernannte.

Mit diesem Ausblick auf das schöne Bild des Friedens sei unsere geschichtliche Darstellung beschlossen. Es war ein wechselreiches Bild, das sie uns bot. Sie zeigte uns, wie die verhängnisvollen Schwankungen in den Schicksalen der deutschen Juden sich auch in der Geschichte der Juden Bran- denburgs wiederspiegelu und führte uns über die finsteren Zeiten der Verfolgung und Ausbeutung zu dem Lichte der Gegenwart hin, wo die fortschreitende Humanität all die hem- menden Schranken niederwarf, die eine verblendete Vorzeit gegen unsere Ahnen errichtet hatte und wir trotz aller zeit- weiligen Rückschritte mit unausrottbarer Zuversicht an der frohen Hoffnung festhalten dürfen, dass einst auch dem viel- gelästerten Juden volles Recht und volle Freiheit wird zuteil werden. Und so möge die Synagogengemeinde Brandenburg immerdar ein würdiges Glied in der Reihe der Gemeinden sein, die die Pflege unserer jüdisch-religiösen Ideale auf ihre Fahne geschrieben haben; möge in den Herzen ihrer ]\[it- glieder immer tiefer Wurzel schlagen die Treue zum angestamm-

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ten Glauben, von dem eine so unermessliche Fülle des Segens auf die ganze Menschheit ausgegangen; möge endlich ein un- zerreissbares Band des Friedens die jüdische und die christliche Bevölkerung der Stadt umschlingen, auf dass zur Wahrheit werde das Wort, welches der grosse Dichter der Mensch- lichkeit dem Juden Nathan in den Mund legt:

„Es eifre Jeder seiner unbestochnen.

Von Vorurteilen freien Liebe nach!"

Hrfunblid^e Beilagen.

I.

(Sönigt. (Mh etaat§ard)iü 3kp. 21 9Jr. 207 Bl).

^ricbiicf) IPilt)elm ^Il^urfiirft de. ^iobc, getreuen, aus bem cingiofrf)!offencii Suv^Miccito Ijabt iljv mit nietjrcrent ju erfolgen, was cjeftalt bk Dorftoljei* ber J^i^^-'iif'ij^^f*/ Jeremias Jacob un6 Abraham Ries ficfj K'fdjtrercn, baf bie bafclbft tüonenben 3uben unb bero l\inber uiib ^efinbe oljne Ijeffticjo irortIicf)e Bofdjinipf= utiij unb €eibcsacfal7r auf ber ^affc nid]t (.ylj^n börfon, in bem fie mit Steinen aeirorffen unb baburd) öfters renrunbet, iJjre ttjüren unb fenfterlaben burd}ftod)en unb ^erl^auljen un'irben unb nms bercjleidien ^rerel mel)r ift, luesirecjen ftc Unfern (jnäbiaften rdiuij im^loriret unb besl^alb untertt^äniaft Derorbnuucj c3obeten. ^leidj uiie irir nun biefc procedurcn mit fonberoni mißfallen rer» notnmen, alfo befel)Ien mir eud) c^näbicjft, bie 3ii^*-''if*^]^^ft t)infiiro bei unferem cnnäbiafton 5d]utjbricfe unb iljnen ertljeiltcn pririlcgieu befferen fd]u^ 5U leiften, iriber biqenicjen, tueld)c ftc mit IPorten ober merfon, in ober auferl^alb ber jahrmärchte beleibi^jen obct befd)impfcn, «jebürenbe Inquisition an^uftellen, bie tl^citer u. fon« berlidj bie l\ral)mbiener, über wdd}c fie allfonberlidj Befd^iuer fütjrcn, ba^ fie üon itjnen bie größte Beleibicjung unb Befdjimpf« uuc} leiben muffen, fd)leunicj unb ernftlid^ 5U beftraffen, audj bem im jüngften ülTarft fpolürten 2)^bcn fdjleunic^ft ju bem feinic^en 5U rertjelfen, bamit irir nidjt tribricuenfalls iriber eud} u^ecjeu negirter Justiz 5U rerfaljren reranlaft werben, tüonad^ . .

Po^bam, b. \ \. 3wni \675.

Tln beu ^al)t 5U Branbenbura. ©omni^.

II.

(.Hönigt. iM}. Biaat^axdiw ^Hcp. 21 ii?r. 2()7 Bl). Demnad) uns Burcjermeiftern uub Katl} biefer Heuen Stabt Branbenburg Pormeifer biefes, David Samuel, ein^w^^./- lüeldjer

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diif rr. i£l]urf. Piird)l. vjndbiafton Concession fidi einige ^i\t altjior uulTL^ot^alton : rori^cftcllot, uioldior ^jcftalt ^v bor imtcr^ tt}ä)ii(jftcii ^<Sul\'l•f^d]t lebte, 6a^ 3^?'^ auf fein imtertbäniaftcs bitten, ferner alljier 5U bleiben ron Seiner (£tjiufür)tl. Purd)l. allergiuibi(3ft n:>erbe rerftattet irerben, mit angefügten anfudjen ^Ijm ttteoien feines defilierten IPanbels unb ba(? irieber feiner feitl^'bro cjetriebenen 5>erfet?runa albier feine IxUujten eincsefoninien, fonbern ^£r nad) rorl^ebr erlanater vjnäbiOiften Concession aU Ijier ivol ireiter 5U leyben ftünbe, ein Attestat 511 ertbeilen. Ilnb Uns benn nidit iinil^enb, ba'^ über enrel^nten Juben bie 5»-'it über, fo (£r Ijier aeii^efen, einic3e Z^efd^UHTben cjefüljret werben, mir and} UMeber benfelben nidjts ju flachen. So Ijaben irir itjni bcr lDaIjrI)eit 5U fteuer biefes gejeuanis unter unfereni 3"fi*-'i3»^J 5" erlljeilen nidit rerfaaen fönnen.

Signatum, Neu-Stadt Brandenburg, ben \0. Sept. \6^~.

Ludwig Clapius.

III.

(«önigl. r^cli. 3taatC'ard)ui Mc\). 21 Tiv. 207 B 1 1. Durdjlaudjtioifter, cjrofnuidjtiafter Ctjurfürft, cjnäbiijfter f)err,

3dj fage (£a>, dtjurfürftl. Durdil. untertljänigften Danf, ba^ Sie oljnlängft meine nottjburft gnäbigft ertrogen unb mir concediret, ba'^ ^d} mid) in bero Iceuftabt Brandenburg Ijabe aufljalten fönnen, rran aber gnäbigfter ^£tjurfürft unb i7err 3<i? burdj meine unter bero Ijotjen Sdju^ befinblidie ^reunbe anlas befommen, ferner ju biefclben in tieffter Hntorttjänigfcit meine ^ufludit ju neljmen unb gefonnen midj bafelbft nieberjula^en unb el)rlid] 5U emel^ren, ^umal^len beiliegenbcs Attestatum in copia Kläljrlidj ttxnfen ipirbt, iric idj mid) jeber ^eit rertjalten, ja roie ba"^ ber ZHagiftrat felbft gerne feljen, ba^ 3<^ albort bleiben mödjtc, 5umaljlen niemanb ron bcr ganljen Bürger fdjaft über mid) Klage führen, fonbern midi alle gern leyben l\önncn unb mögen.

2X1^ gelanget an (£it>. €l?urf. Durdil. mein unterttjänigftes bitten, Sie geruhen mir biefe IjoFje gnabe 5U erireifen unb mid?

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gleid) cinbcrn 3ii5on 6cvo Ijoljcn rrfdeclion ^301110(5011 511 \a^cn, mid} auf bio ICou=5tabt Brandenburg i^näbioift ju uori^Ioitcu uiib mit boro !}oljon Sd^uhbriofo in c^iuibou ju rorfel^oii. 3'-^? ivorbo nionuiljlou oniuiiicjolii, luidj bor uiitortljäinafton aobüljr iiad) ju rorljaltoii, ba*^ aud) fornorI)iii bic ^oriiiafto Klacjc über midf iiid^t ciiifommon fol, gctröfte mid) cjiuibigiftcr lErtjöruiicj unb uorbloibo

(£ir>. d]iirfüiftl. Purd^l. UiitortI)äiiic\ftor Berlin, den 2\ Jan. David Samuel roii

\(i98. Neu-Stadt Brandenburg.

IV.

(.sjöiüiiL (^icr). etantvarditu r){cp. 'Jl Nr. 207 B 1)

Pcmnad) Un^ Bürcjer irteiftcrn unb "S-aii} biofor iTeue Stabt 23ranbonburij DoruxMfor biofos David Samuel, l^icficjor Sd}\ü} 3ubo borid)tot, luold^or c^oftalt fidj aud] in F^ioficjor altor Stabt oinicjo 3^i^*-'" niobor 5U la^cn cjofonnon unb bo^ifalb von 5r. liönigl. iHajoftät unfcrem allergnäbtgften £)crrn einen 5d)u^= brief ju erljaltcn fid) bemütjoten mit anc^efnc^tom anfud]on it^n einiges C!;05euanu5 feines Ijiofigen Devt^altens unb ob es benen Stäbten Branbonburc^ mol^r 3ii^*-'" 5^ baiton, bienlid) fcy 5U er= tbeilcn. So traben iinr bo|5on billicjen fudjen Statt cjebcn unb Ijiermit atteftiren luollen, baf} anfanas Bemolbter David Samuel (5eit feines l^ierfoYns fidj frieblid) ftille unb berc!,eftalt rer Italien, ba'^ iv\v über iljn feine Jilaq.c füljren fönnen. ^11 bie iroil or aber in fonbevl^eit anfancjs riolo rerbrioflidifoiton non feinen Hadjbaven unb anberen ausftel^on mü|5on, unb awd} ol^nobom notorisch, ba'^ riele rion ber Bürgerfd^afft, infonberljeit bor jonicjen fo einen I^anbel treiben bie 3^^^^" '■''■^^^ Beyforge, ba^ fie iljnen in iljror Haljrung abtracj tljun irerben nidit o,erne leiben, unb fidj bannentjoro an il)nen auf allorijanb ipoife reiben, fo ift leidet 5U eradjten, ba'^ wenn boren meljr als biofor, fid? alljier nieberla]5en ir>olItcn, fie fid) unter einanbor folbft ruiniron unb Überbein 5U ferneren lilacjen tor BürJsorfdjafft infonborljeit ber liräl^mer unb Kauffleute anlal^ vjobon bürfften. IDie aud) oljne-

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belli bcv 3ta6t 511 )'d]lcd)tcn riuljon cjcbcYon tDÜröc. IPaim biofc £eutc fid) Ijicr uormcljron infoubcitjcit über foldjc 3ubon \\d} ciri' niftdn iDollton, 6io nidjt allein von Übeln e^erüdjt, fonbern audj einen red)tniä|5iv}en i7anbel unb (ÖeauTbc sn treiben nidjt be= mittelt )inb, nnb bal^ero fid) ju Ijiefiejer 23ür^3erfd]afft cjro^en 3d]aben bnrd) allerijanb lofc (Sriffc iljrc Hal^runej ju fudjen iDürbc »jenötl^ic^et finben.

SigDaluui lleuftabt öranbenburc^ ben 23. Marl. ^705.

(L. S.) H. Heinss.

V.

(Mönigl. Wcfi. 5tantöordnu 3lcp. 21 5ir. -Jn? BD

2tüerbnrdjldud)tic3fter (Sro^nuidjti^fter "Könie^ 2lllere^näbicjfter I)err

€s finb nunniel)ro 7 '^c[[}v oerflo^^en, ba \d} in 5r. Königl. lllajeftät Henftabt Branbenburcj perniöc3e erljaltenen allere^näbi^^ften Privilegü ah Sd^nfejnbe niidj niebcrgela^en unb mid) von ber ^eit an bercjeftalt reblid} nnb el)rlid) rerl^alten, foba^ ber I)iefic3c JlTac^iftrat uerniöcje beYl'd^hiffes sub lit. A mir be^tjalb ein rnl]n^ lidjes 5enc3ni(5 ertl^eilet. XPann id) nnn in ^£rfaI)ruiK3 gcbradjt, ba^ ein Jnbe Marcus ux'Id^er ein ausKinber ift unb eines armen Sd^ulmeifters üod^ter (jet^eyratl^et fo bey 'Eu"'. König). Majestät i^au^ Dog,t c3eir»efen unb 23ranbeirein cjebrennct, fid) unterftanben umb ein Privilegium an^utjalten in ber alten Stabt 23ranbenburc3 als Sdju^ 3nbe fid] nieber5ulaigen, als bin idj cje^ nötljicjet, ^ir>. Ixöniejl. iHajeftät allerunterttjänicjft uor^uftellen, tpic ball

0 biefcr ilTann r»on feinen JHitteln, babero er mit allcr= l}anb Betrügereyen unü\3el)en unb mid] 5uo,Ieid] mit blamiren u?irb.

2) 3ft er annodj 7 bis 800 Ül^lr. fdjulbicj, fo er burdj fein cjefüljrtes lieberlidjes £eben cjemadjt unb nimmer felbigc ab* füljren fönnen tpirb.

5) 3f^ '^^ *-''" rerbad}ticjer iTTeufd), lueldjer vor än\q>m 3atjrm ttH\3en falfdier ^TTünje aus ^eipjig entlauffen, bif auf bicfe Stunbe audj baljin nidjt ir>ieber fommen barff.

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^) J3oftol)ot foinc cjan^o Familie aus lauter bcrcjloid^cn liobcrlidjcu unb überall iljrcr boaancjoucu ^oicijttorticjfcitoii lucvjou bcfanbtcu Pcrfoncn, iueld)o fid) i^o inscjofambt ju (5i»-''i*-'f^'^ ipicbor (£ir». l\önic\l. illajoftät Ipljos Dorbotl) aufl^altcu, fein 5djul}c^cI5 nod? üfcibjoU ontrid)ton, niemals aud) ju €iu. "Köuic^l. ZHüj. revenucn 6as cjeriiujfto contribuiret. IDeldies aud) nad)- cjel^ents ber Magistrat 6cr 2Utfta6t Brandenburg uadj c^euauer cincjejocjcner Had^rid)! woljl eruio^jen, uiib laut üerfd]lo0eneu BcYfd^lufes <^iv. 1\ön\q,{. iHaj. pfli<^?tmä^ic3 üorc^cftellet unb il)r crtl)eiltcs attestat revociret. lllfo crfudje (£ip. Kai. IWa'}. aller^ untcrtl^äniaft, bey fo *5eftalten Sadjen nid^t 5U aeftatten, ba'^ biefer fameuse ilTcnfd) mit feiner leidjtferticjen Kotte 5U meinem ^jrö^ten Unglücf unb liräncfunoi meines t£t)rlid)en nal)mens fid) alliier nieberla^en möoie, unb id^ aisbann iinirbe mit entcjelten mütjen, t»as fie uerfdjulbet, fonbern iljn uöllicj abjuipeifen. Solte aber (£ix>. Könicjl. ÜTTaj. allero,näbic3ft geftatten, in biefer alten Stabt Branbenburc^ einen Sd)u^ 3"^*^" 5^i f»-'^»-'", fo bitte allerbemüttjiaft, meinen Ixinbern, bereu idj bereits cjro^c enradjfenc unb jum f)anbel a,efd)icft feyn, I)abe, ein Privilegium, be^l^alb aller t3näbiaft 5u ertl^eilen XDo nidjt, fo erbütjte midj alleruntertl^änigft, einen reblidjen ilTann alliier 5U uerfdjaffen uu'ldjer alle ael^öricje praestanda praestiren follc. IDofür erfterbe

(£iü. 'Hön\o>\. majeftdt

^lleruntcrtfjäniafter Hcuftabt Branbenburg David Samuel

bcn 22. Mart. \r05. 5d}u^ 3ubc altjicr.

VI.

(Äöni(]f. «cfi. itaat^arcfiin >}i\'p. 21 3lv. -201 B 1]. itllerburdjlaudjtigfter ^rofnuidjttgfter Könicj,

^ller ^näbigfter l7err. p-

(£s Ijält fid} altjier 3f'^^^'^^ 3^^ob 3of*^vf} «-^^if» ^'^^ feinem

Porgeben nadj ein 3d}ul} 3^^^^' f^Y" »^i^l« i>^tt aber feinen

5d}u^ Brief, fonbern bebient fidi feines Daters, "^acob 2>'^ic\-'\}s

fo in Berlin irol^net, unbt entrid^tet (£iü. liönigl. IHaj. meber

_ ISS ~

al)n 3cbuliO,clM, nodi al)n Accisc ll^^t J^oW nidjt einen bollor; riuii ift Mofoni Jii^^^'" fold]Cf fd)on ins ad}tc 3al)v Dor frcy liin^sCv,vinaon, wobei *£r foiiio ^clviisjoit mit Bctnaorcy i'^'^t allcr= IjaiiM '{Loiditfcrtiafoitoii, iric i^cY^acsC A. lolnot, 5iiaoln\id)t, IVc^- I]alb ^£r bann öitcif. mit (J^cfänanit) bcftrafct, aud) nodj nculid) trccjcn eines i3ctrnc!,5 oie^iid^tioiet iroiben. Unbt 6a idj fd)on \7> ~S^^^^ allljier aeirol^net, ein eicsen i^au^ imb I^off mir an-- aefdjaffet, mein 5dnit>ejel6t Jäljrl. aebe, 6er Accise 6ds il)ric^c entridjtc, 6en ^'^ll ^'"^^' ineine IPal^reii erKvje, 6ie Biirejcrlidic onera alMraae, un6 midi fo ernebre, 6a|5 nieman6t über midj 5U fkujen urfad]c I)att, in i3etrad]t unfer ^lagistrath mid) trecken meines u"'oljl Derljaltens ein rütjml. »jcjeuejnu^ beylocjct, fo tocrbe 6ennod} ron obenrel^nten 3u6en, ireilen er ann^, 6a^ id? ein franfcr un6 fd^unidjer 21Tann bin, fel)r rerfolget un6t fälfdilidj, xvk er nodi neulid^ bey ^u\ Ixönial. iUaj. vjetl^an, rerflacjet, n->o6urdi er mir mein €eben, 6a idi feine lo^e I7än6el nidjt billigen umII, nod] fann, riele 3*'^I?i'^' rerfürl>et. IIn6t 6a al]^ ein 5d-}\\i} 3u6c, ^\\\ Ixönic^l. illaj. intereffe beför6ern Ijelfen

mu^, 6iefer obv5c6. 3^^^*-' ^^^''^'^" ^^^ ^'^^ -^^^'^ ^'' ^*-''^^ *-'^" ^^"^^^ beYtrao,et, audi nidits nii^c ift. Unern^oo^en (£r nur mit i3ctrug un6t €eiditfertiafoiten umbcjel^et iin6 fid) ^ar nid)t eljrlid) 511 er« nel]ren c^e6en{'et, ZU'^ (jelaiujet an i£m. l\öni(äl. UlTaj. mein alleruntertl>iniejftes Sudjen un6 Bitten, Sie cjerutjen aller(5nä6ii3ft, an 6en Ijief>iaen Magistralh Peror6nunc3en eraoljen 5U laffcn, 6a^ er 6en 3ii6en J^rcid 2>^\cob J'^^eWicn nidit lancier in 6cr Statt 6uI6en, fon6ern iljn fofort jum Ctjor ljinau(? ipei^^en un6 Dcrjao;en folle, ^rfterbe

2Uleruntcrtf}äni9fter David Samuel S*u^ 3u6c 6afelbft.

r(cufta6t Bran6cnbura 6cn 20. "^an. ir\0.

-189

VII.

iMöiüill. i^'id). itnntöardiiL) i\k\). "il 'Jiv. 'J'iT Bl)

Itad^bcni idj in Brandenb. cjofomniou iui6 riolc unorbontl. Sadjcn ijcfdjcljoii, bic acaoii llnfove Jübifd^c Ceremonien Uuiffoti, alfo Ijabo id) fic alle baiübor roriiojunicn luib einen jeben feine (£i)nrenbunoi abgel^ört. 2i{\o Ijabe idj uovacfe^ter 2vabbi permötjc Sr. Ixönivjl. illaj. von preu|)en allero^näbio^ft Piivile^y fo eine (Dr6nnnc3 unter Sic fie foUen unntev nad) unfrer ^£erenionien rcr= Ijalten.

\] Scynb alle J"^^'" i" Brandenb. fdjulbig 5U aetjen in ^. Davicd Sainucls feinem I^aufe, il^ren ö^ottesbienft <ju tl}un in ber Kanunev, u^eld^e er ba^u aeoieben l^at, iinb nid)t ju erbenfon, rr»ie fic fidj eine anbere Sd]ule mad^en irollen; trcil €r nun bie Sd)ule etl. 20 ^al)v bey fidi ael}alten, unb alle benötl^icste Xlntoften aec^eben, unb von Keinem nid}t5 baju Derlaiicjet; ir>eld)cr ftdj aber entljalten unrb, unb am l^eyl. Sonnabenb in unfere ^ufammenfunft per force nidjt geljen uiollen, ireldjes nadj uib fercn (jefe^en eine aro^e Sünbe ift, vov jeben Sonnabenb als (£r foldjes tl)ut einen Species Ducaten Straffe 5U erleben fd}ulbii5 feyn folltc, baüon 5U->cy ^Ijeil 3t)ro Könial. illaj. unb ein ill>'il bcnen Firmen 5ufallen foll, laut mein Privilegium.

2) Daaeoien Ijat fid^ f). Davied Samuel rerobligiret ba'^ (Er feinem iltenfdjen nid)t rerbietl^en unll, Seine Sd^ule ober bem Durd]o,anc3 burdj fein l7au5 5U reru-iel^ren, wie er bas mödjte tljun, will €r \0 K C Straffe o,eben, 5uh'Y ^^t?'-'^^ 3^?^'<^ Ixöni^L IVia}. unb ein tlljeil an bie Firmen.

5) IPenn ^an! ober Streitioifeit möd^te in ber Sdjule ror= gctjen, fo foll bie Sad}c nid^t burdj ^0'>'lW^*■'" o^efd^lid^tet uu'rben, fonbern ber Befl. muf; einen förperl. (Eybt fdiu)el)ren o^ecjen bem Kläger, unb ber Kläger mufj ein '^ybt Calumnia tljun, ba^ i£r iljm nidjt ja^in^c umb fonft ein <£ybt ju tl^un, ipcldje^ id) aus €rfaI>ruiK3 unb ..jeiriffen llrfadien tljue, umnn fidi foldies 5U trafen foltc, unb mir u^rb beridjtet luerben, ir»erbe id) foldjes nad} be» finbcn ju ftraffcn tüiffen.

- 190

1^) lücoicn Dcrfauffung bor Ceremonien 511 bio jcl^cn ©c> botbo, iric manier imtor 6011 juboii i)'t, bie alle Sonnabcnb unb ^oyortaac foll l). David bov bio joljou Csobotl^o ftol^on, unb an= ruffoii nad) foiiion ^»'fallon, bodi foin juncje ror oinon oljrlidjon Zluiim aiijuniffcn aber bio anboni Ceremonien iric es tjicrbcy Cso[ct)lid}t unb wk gobräudilid} ift, I^at l). David gciinlliget, foll rorfaufft tt^orbo]!, unb bas (Solb in bor ^nncn i3üd)fo gotl^an iperben, irio unter uns bor ©obraudj ift, fonborn uhis gouiolb wirb bleibt I7. David ju, aber iDeldjer ein von biefcr Ceremo- nien faufft, unb nid)t bas ®olb abgibt in bor 2lrmen öüdjfe innorl^alb \4 ilago, fonborn goniabnot unrb, fo ftoljot l}. David frey felben nidjt niel^r ju laffon il^non ums 5U rortauffon.

5) IDegen bio ^rmen bor 3^'^^" wc\d}Q l^oruniroifou 2Ub mofon fud)on unb unforo Ceremonien mitbringen, biefolbe mit (£ffon unb Crinfon 5U perfol^on, aiid} auf ber Keife einen 5^1?^= Pfennig mit ju geben, Ijabe \d} nad) il^ren Xlmbftänbon ordoniret imb dislribution unter iljnon gemadjt, irie riol ein jeber barju geben folle, fo tjabe erfannt, ba^ V}. David Samuel fd}ulbig in bic Firmen Biidjfc 5U legen \'\ pillette, Sein Sd^o^iegcr Sol^n \0 pillette, Simsen in ber alten Stabt 6 pilete unb Israel ^ Billefe unb fo riol pillete als ein jeber geben foll, fo riele ^rofdjon muf; ein jeber in ber Firmen Büd}fe legen, bamit bio 2lrmen erl^alton u-'erbon.

6) I)io obongon'.olbote l^üdifo foll iUonatb uxnfo einer umbs anber 5U fidi nel^mon, einer bio i3üd)fe unb ein anbor bio Sdjlüffol, unb alfo IDodjfel weife, XPami audj biefc (Drbnung unter iljnen nid)t gotjalton u^irb, foll bor Dorbrerfjer einen Species Doucaten 5ur Straffe erlogen une oben No, 1 gemolbct ift.

7) IPas anlanget bcn Sd^ulmeifter, Ijat I7. David fid? per= obligiret, baf^ er ron dato lueiter einen Sdiulmoiftor auf feine Unfoften Ijalton iinll, bor bas Sdjädjton jugloid} mit rorfeljon folto, nadj unfern Ceremonien unb baljero bofotjle \d} Sie bcy Straffe bes €anbts nadj unfern ©efo^, bas Keiner ron Sie fid) nidjt untorfteljon foll boy frembben Sdjädjton 5U laffen ober fid} bar^u einen anborn Idolen lafjon, fonborn l). David fein Sdjulmeifter foll biefes r»orrid}ten, unb Sie feynb fdiulbig bemfelben bapor ju

- 191 -

«eben wk folc^d, roii ein aroi^ Dicl^ a. ein Klein Vkl} \ g. €inon €nc\lifd)on l}nty\ \ g. (Eine ©an]^ 6 /* i£in t^uljn ober (£ntc 5 ^ UHMUi biefo:? nidit aofd)iobct, foll bor Dorbrodiov in bel- oben gcnielbeten Straffe verfallen feyn.

8) 21udj ift ein jeber fd^ulbioi ber ba antjeruffen u>irb bey bie \0 ©ebotl) 511 lefen, beni Sd^nhneifter nad) feinen belieben etwas ror bem 5eeaen j^u cjeben, umnn €r aber bas nid)t tl^ut, fo barf \[}u\ ber Sdjuhneifter ferner feinen Seecjen nuid^en, baniit feine 5treitic3feiten foninien,

9) XPajin bie Ijol^en ^eyer Cag,e ane\el^ni, baf; mir maiuiiij mal}\ einen Cantor nötljicj Ijaben, fo niiij^en Sie nadj i)ro[jor= tion ber Piilette be5aljlen.

\0) XUenn einer einen I)iener ober eine iUaab [)at unb bie ^cit rerfloffen bei)} €r auso>ebient I)at fo foII fid) Keiner nnter= fteljen el^er 5U niiettjen ober ju bingen bis (£r ein J^a\:}r ans ber Stabt ift geuH'fen, wie an rielen 0rtl)en unter uns ber C^ebraud? ift, unb nun* bairieber Ijanbelt foll 10 K C Straffe geben, bie ge= melbete 0rbnung in allen puncten foll geljaiten irerben ol^ne bie oben genielbete Straffe belege Sie audj mit bcn grofjen ^lud? Mosis baf? Sie bauneber nid)t I^anbeln unb follen in allen friebl. unb fdjiebl. leben unb bitte €. (£. Katl^ ba|5 fie über biefe puncta tjalten irollen, uxnlen fcld]es auf Sr. fönigl. ilTaj. allergbft. mein Privilegium unter itjnen aufridjten muffen.

(öefdjel^en rteu=Stabt Branbenb. ben 8. Juni \T\7. (L. S.) Aaron Benjamin Wolff

Juden-Rabbi

VIII.

(Hönigl. 0cl). Staat§ari)iii d\c]). 21 i)iv. -JuiJa.) 2tuf Sr. Königl. lUajeftät unterm 5. Apr. \720 emanirten unb am 22ten bito eingelaufenen Perorbnung I^at bie Ijieftge Jubenfdjafft auff bie aufgegebene fragen am 25ten unb 26ten ejusdem folgenbergeftalt profitiret.

\. IDieriele in einer jeben ber <£üd} anrertrautcn Stäbten fidj

192

jclio bor roralcitotoii "U'^'-'^i Familien bofiiibon, irio ein 3o6oi- boij'io, iinb i)t jobcs 3ii5on rdniUbricff abfdjrifftlid} bcy 511 Kvsoii.

(2)b ntd)t bcv Jiibcn in foldjer Stdbt juricl irol^ron?

^ünffe al5

1. David Samuel

2. Juda Michel

3. Ezechiel Israel

4. Israül Jacob Joseph

5. Sirason Jacob.

3t}rcr Drcy UH'l^reii übrig genug, ipico'otjl feiner nötljig.

(Dbcv ob ol^ne Praejudiz 5cr (£tjriftlidion (Einu-iot^ner mcljr 3^'^'-'^^ barin Dcrglcitot irerben tonnen?

0bne praejudiz ber ^briften iufoiiborl^oit bor Ixduffloutlje feine luel^r, u-'otjl aber unMiiger.

0b nidjt insbefonbere ju einer gciriffon 2iv\i) I^anblung ein 3^'^*-' iii>5*^?t^' ausorfoljen unb bor Stabt juni boften ba= ringefe^et uierben? . . . ^\x- tnatjlen foldies juulcilen bie Bürger gewünfdjet . . .

2tlll)ior bat bie Bürgerfdjafft fold^es nod} niematjlen rer= langet.

o.

0b ber in bor Stabt n^oljnenbe 3ube ein IDoib unb Ixinber Ijabe unb miepiel lünber?

1. David Samuel ein IPeib unb 5 Kinbcr.

2. Juda Michel ein IPeib unb ein liinbt

3. Ezech. Israel ein IPeib u. fein Kinbt.

4. Israel Jacob Joseph ein IPeib unb fein l\inbt.

5. Simson Jacob ein IPeib unb fein l(inbt.

193

0)b er aud} uerljcvratt^cte Kiiibcr Ijabc iinb wo fio

0b feine Ixinber mit bem Pater ober einen befonberen ^anbcl fütjren?

8. Ob bas rerl^eurall^ete Kinbf and) bis I^ierljer fein Sd^ul^ijelbt ridjtig abaefüt)rct I^abe? u. nneüiele? X)ie Quiltuncjen Dor= 5eigen ju laffen.

9.

®b berinberStabtrrotjnenbe 3ube auten Dermö^^ens unb beniitteft?

\0. IDorinnen fein f)dnbel unb IDanbel beftetje?

1. David Samuel 2 Cödjter fo alliier luoljnen.

2. Juda Michel Hein.

3. Ezech. Israöl cessat.

4. Israel Jacob Joseph cess.

5. Simson Jacob cessat.

\. J^cbwcbcv befonbors.

2. cessat.

3. cessat.

4. cessat.

5. cessat.

\. Seine \:}abii q^caihm 8^l}akv

8 ®r. 2. 3. 4. et 5. cessant.

\, 4000 titjir. mit V}aabc unb ®utl), n)orunter 5ir»o f)äufer. 2. 400 Ct)Ir. otjne bas £)aus. 5. 400 ^l)Ir.

4. 200 Ct)Ir.

5. 200 tElilr.

\. in allerljanbt €t?Ien IPaljrc,

Silber unb (Solbt. 2. in Kratjm II)al7re. 5. in Kratjm u. etilen IPatjre.

4. net)re fidj mit Sd)lad}ten unb treibe »r»enig f^anbel.

5. in alten Kleybern, alten Kupffer unb u^as itjm ror= feljme.

■^ 104 -

u.

0b er oiii eigen V}au^ tjabe unb was es xvcrÜ} \i\?

\2. IDieuiele er (Sefiiibe Ijabe, unb ob ireldje barunter rer= Ijeyr^tljet?

13. IDieriel er Sdjufegelb ackc, unbt ob er im Staube fey, foldjes ridjtig abjufütjren.

(Dbzt u.->ier»iel er 5d)u<3 ®elbt fd]ulbi*j unb maruni er nid}t 5U jeber ^eit es rid}tig ab^ gefül^ret?

^u tpem er fein Sd}ü^q,e\bi abfüljren miiffe?

\. ^\vc\ l)äuffer, als eines von 70U d)lr. unb bas anbere ron 500 Cf^lr. fte.^en unter rori^.'^eni Dermögen.

2. ^00 ^[}\v'

5. <{. 5. Hein.

\. f)abe \ lUa^b \ l\ncd)t \ 3uncjeu, aber feinen rier= Ijeyratt^et.

2. €ine lUao^b \ 3unvjen, feine rerl^eyratl^et.

3. (Eine illac^b \ luiedit, feine rerE^eyratl^et.

'{. Seiner grauen Sdjmefter,

fonft nicfjts. 5. (Eine llTaoib, fonft gar fein

®efinbe.

\. 8 Cijlr. 8 (Sr. gebe foId)es

gern. 2. 8 Ctjir. 5ahle er jäl^rlid?

richtig ab. 5. 8 ' Ctjir. 8 ©r. jaljle er

ridjtig. i\. 8 Ö}Ir. jatjle er gern. 5. 8 ^tjlr. 5aljle er miliig.

\. 2. 3. ^. 5. rUdjts.

\. ilnben^.^offKatbLonicer 2. 3. ^. 5. 2in I7. Lonicer.

Wj

\6. (Db er u^cacn feiner f^cyratt? ben (ßolbt (5ül6eii be^al^lt Ijabe uni» an iixMi?

17. 0b er and} bas Seintge 5um monte pietatis u^egen bec 3n6ifct}eu Ixinber unb l7od}5eiten alljäljrlicf) ridjtic^ beyc^etrageii I)abe unb an n?en er esge^aljlet?

\8. (Db ber 3übe aud} bcnt Sd}u^ Brieff cjemäf fidj auf= fütjre unb lüorinnen er bar= ttiieber Ijanbele?

19. (Db audf ber 3"^^ feinem Sdjufe Brieff juiüiebcr beein= trtädjticjetiDorbcn unboon ipem?

20. IDie foldjen Querelen burd? Billigfeit abjuljelfen?

2. Sein Sd^iriegerpater l^abe es an bcn Kabbi gc^atjlt.

3. Sein Sd7iDiec3errator l^abe es beni Kabbi ge-^at)let.

^. ^n bcn Kabbi, et)e er per=

trauet u?orben. 5. 2tn bm Kabbi, etje er üer=

trauet roorben.

\. 2tn Ixinber (Selber cjiebc er alle 5 3<^^*^ ö ^Ijlr. in bor ^rajiffurtl^er Sommer IHeffe an bcn 2tolteften, ronf^odjjoit d5elber u">i|5e er nidit.

2. 3^' ^'*-' Ixinber Ö5elber gebe er alle 5 3<^^'-" <^" ^<^" Dorfteljer.

5. l^abc es nod? nidit nöttjig geljabt.

'id, 5, ^ahi feine Kinber.

\. 3<^' J*-'^^t bemfelben gemäj^. 2. 5. ^. 5. 3a.

\, 2. 5. ^. 5. Hein.

cessat.

- i9Ö -

2\. (Db bic (£t?riftou in bicfor ober jener Stabt iinbcr bic jnbon i'^e[d]irerbe fül^ron, ir>o-- viinicn es beftolje u. luie es ab= 5ul)elfen?

22.

VOas bie 3"^*-'^' "* Stabten vov Bebiente Ijalten, foldies bey jober Stabt tjenau aw^u- jeiaen?

23.

0b btefe Bebiente Sd}u^ Brieffe in J)ünben traben? ober oier fte angenommen?

Beym Magistrat finb jumr nod} feine Befd^irerben gefübret, uneuiol}! befannt, ba^ bie Kauffleutl^o lieber folgen, ba'^ fein 3ube alljier mere.

\ . l)aW wod} einen Scfjnlmeifter

über fein (Sefinbe, 2. Sie l^aben nur einen 5d)ul--

meifter. 5. Sie traben einen Sd)ulniei)ter

jufannnen. '{. Sie traben einen Sdjulnieifter

insgefambt. 5. Hiemanb als ben Sdjul»

meifter.

\. Der Sd}ulmeifter braudje feinen Sd^n^brieff.

2. Den Sdiulmeifter trotten fie insgefambt angenommen u. weil er nid)t l^anbele, braudje er feinen Sd}ufebrieff.

3. IDerbe insgefambt ange-- nommen unb braudje feinen Sdju^brieff.

<^. Braudje feinen Sdju^brieff. 5. Braudje feinen Sdju^brieff,

benn feine ^eit fcy alle tjalbc

3atjr um.

197

0b

Ijaboiil

fio

VOcxb

unb Kinbcr

ctiras

(Db fie ctiras 511111 Sdju^ &i\bt bcYtra^jcti, micüicl unS an ircii fic es 5aIjlon?

26.

(Db fic u\d}{ aiidj öffcntlid? ober unter bcv f)ani) lianMuiuj treiben ?

\. l)abc bcn 5d)iiIinoi[tor nid^t befraget, fey aus pol)lcn unb mcd)te luoljl eine ^rau traben.

2. Per Sd}uImeiftor babe l)ier nu'ber IPeib iiodj "Kinb.

3. Soll IDeib unb Kinber in PoI^Ien t)aben.

^. l^iec l)abe er feine ^rau. 5. 2ill)ier nidjt.

\. Zlein, ber Sdjulnieifter bient ror C^elbt unb Brob.

2. Hein, ber Sd^ulmeifter braudje es nid}t.

3. ^. 5. Hein.

\. Hein.

2. Der 5d)uliueifter bürfte es n\d}t tl^un.

3. ^. 5. Hein.

XPas bencn ^u il^rein Unter^ Ijalt pon bell ^Sii^»-'" ^^ ^^ii^= gemadjet n^orben?

\. Der 5d)uliiieifter befoinme alle 3al)r 30 Cl)lr. unb frcyen Unterijalt an (£ffen unb ^rinfen.

2. Z^äl^rlidj 30 Ctjir. nebft efien unb trinfen.

3. 3<^^^?i'I'^? '^ü Cl)lr. nebft freye lioft.

i\. 50 Cljlr. unb fr eye l\oft. 5, 30 Ctjlr. unb freye Koft.

198

28. XDk es umb bcn (Öottcfbionft an jcbcin (Drtl)c ftol^' imb wo bk in jobor Stabt iroljiionbcn 3ui>cn bc^I^ilb jufamntcn fontniouT

29.

Ob in jober Stabt, iro 3»^<^"

irotjnon, Sie einen (Drtlj ^nv

Bcvjrabunci, il^ror ilobton l]abcti

unb n-iol^in fio folbicjc bringen?

50.

(Db über bas gen:>öljnlid}c Sdju^ (Selbt, fo 5U unferer Casse t^eijeben iritbt, bie Juben dudj bem Magistrat etwas fteurcn müfen unb irieriel? 5\.

Unter ireld^er Jurisdiction bie 3uben in civil foa?o!)l als criminal Saiden in bercn Stäbten fteljcn?

52. IDann gemeine Einlagen unb collecten gefdjel^on, iDeld)er geftalt bie 3uben in bin Stäbten baju ge5ogen werben unb ir»er aisbann bie 2tus= fdjreibung tljue?

\. Bey if?m in feinem ^aufe. 2. 5. <{. 5. Bei David.

\. 2UI)ier rorm St. Annen

Ct?or. 2. 5. ^. 5. Dorm St. Annen

Ct?or.

\. 2. 5. ^. 5. Hein.

\. 2. Unterm Kat.

5. ^. 5. Unterm Magistrat.

\. €r trage bürgerlid^e onera

unb madje ber Katl^ bie

CEintljeilung. 2. €r müfe geben, tDas ein

Bürger, rom Katl^ collec-

tiret. 5. €r müf e bürgerlid^e onera

mit tragen. ^. (£r müfe bürgerlidje onera

beytragen. 5. IDas anbere Bürger geben,

müf e €r aiid} geben, nnbt

fdjreibc ber Katl^ aus.

199

33.

(Db in 6on Stäbton, wo riolc Familien uiol^non, 6ic 3ubon unter fid) folbftcn Vov= ftcl^cr l^abcn?

(Dbcr ob fic unter alKjomcincn Dorftoljcrn [tollen unb luor bicfo fcycn?

35.

rDien:>eit bcs Rabbi autho- rität über bie '^ubcn in Stäbtcn ftrf) erftrecfe?"

56. (Db n\d}i bey beni Kabbi jumeilcn geniiffe ©elbtftrafen erleget irerbcu?

\. (£r [olte es iroljl feyn, aber Sie u?olten iljn nid]t bafür respectiren.

2. Icein.

5. f)ier l^etten fie feinen Vox- ftel^er.

'^. 5. Hein.

Unter beni Rabbi ju ^^rancf= fmtl) Aaron Wultt Ben- jamin.

7>. ^. 5. Unterm Rabbi 5U

\. '^n allen itjren Ceremonien unb ^ottesbienft.

2. in Ceremonien u. (5otte5-- bienft.

3. in 3ii^n<^*-'" Ceremonien fd^lid^te er.

'{. ^r fdilid)te, wenn Streitic^= feiten unter tl)nen nxiren.

5. Per Kenia l]abe il^ni UTadjt cjec^eben, Sie ^u rid)ten bis auff criminal Sad]en.

\- 3a.

2. 3^, *-'i* aber l]abe nod) nidjts tjetjeben.

5. €r tjabe nod? nidjts cje» geben, anbere unirben irot^l 5un->eilen unib o3elbt geftraff et.

4'. i£r fey nod) nid]t geftraffet.

5. Pas rcil^e er nidjt.

200

ö^.

Jn u?cld]cn fällen folcfjcs

2. in 3üöi[(i?cn ceremonien.

3. IPciui fie md}\ cjcljorfain ivavai.

^. XDcnn man nidjt rcdjt cjc=

tban. 5. XDit nidjt rccfjt tljuc.

0b bariibcr Kci}nuncj 130= Ijaltcn ixioibcn iinb von wem?

59. (Db 5r. fönic3l. Majestät ba5 it]ng,e baron jcbcs nial^l ricfjticj bcfommen?

XPic pielc ^infcii poni f}uu^ bort bio 3^*^*-'^i i" ^^" Stäbtcn 511 ucl^mcn pflocken?

VOk CS mit bcm ^ctb^oll, ipcim fio ausreifen, öcljaltcn ipcrbc?

\. 2. ö. '^. Das lui^e er nidjt. 5. Das irifc er nidjt, bcnn

er fjabe nod^ nie Straffe

gegeben.

\. 2. 5. \. 5. Nescit.

\. l7abe ir»eniw3 ju rerletjnen,

neljme irotjl 8, \Obis \2pr. 2. €r rerlel^ne fein (5elbt. 5. <£r Ijabe nodj fein (Selbt

pcrleljnt, ^. i^abc fein (Öelbt 5U rer=

Iet)nen. 5. (£r l^abe nod7 nie luas per=

lel^net, Ijabe nicht üiel ©clbt.

\. Scy ein Sdjut^ 3"^*^ ""^ gebe feinen Ceibjoll.'

2. (Bebe nidjts als Sdjutjjube.

3. (£r friege einen ^rey (5<?ttel. ^. Dürffc feinen €eib5oIl geben. 5. Daron fey er ipcgen bes

Sdjufebriefes^frey.

201

^2. (Db ihre Kncdjtc aurfj frcy in 6cn (?)ölIon passirel lucrbcn?

XOas Dicfc por 23i'tuci^ als= bann 511 produciren pflegen, fo6a|5 fein Unterfctjleif bcibcy 511 befoi\3enT

0)b 5ie 3^^*-'" in ben Stäbtcn and) irevjen bes Silber= Ijanbels dwas entrid^ten, vok- vkU unb an iren?

\. 2. einer passire frey.

5. Per ^^rey (r>ettel niad^e iljn

unb feinen Kned^t frey. ^. (£r l^ibe feinen Kned^t. 5. €in l{nedjt passire frey.

\. <£r reife tjemeinic^lid) allein, uxMni er aber jemanb fd]icPe, fo neijnte er rom (OoII Zlmbt einen ^c\tQ\,

2. (Sebe it^ni bcn J)o\\ ^5etteI mit.

5. l7abe nod) feinen r>er|d]i>.'fet, unb wenn er jemanb r>er= fd)icte, ejebe er il^m ben (5^11= jettel mit.

^. i£r tjabe feinen Kned^t.

5. €r t}abe nod? feinen au5=

(£r Ijabe feinen Silberl^anbel. i)ier fey fein Silberl^anbel. treibe feinen 5ilberl)anbel. tjabe feinen 5ilberl]anbel. d^ibt Ijicr nidjts 5U l^anbeln.

Unb it>eil alljier fidj feine unrergleitete 3«^*-'" befinben, fo cessiren bic eventualiter annectirten 8. articcl.

Ul^rfunblidj unter Unferem bes Magistrats 3"fi'^9»^I- ^chcn Branbenbcj., bcn 27 ten April \7?0,

202

IX.

(fiönigl. CsSd). <Btaa[^atd)iv 9U'p. 21 gjr. 207 B 1)

Actum Brandenburg ben ^ tcn Septbr. \72\.

Ex Subslitulione bcs V}. ©et^. Hatfj Schönebecks, ift

biirdj bon Directorem fjdnfon, ^. Bür^jerniciftcr Finken ii.

H.Syndicum Giesiken bcnen tjicftgcn 5 3ubcn, HatjmentUdj David

Samuel, Israel Jacob, Juda Michel, Ezechiel Israel unb Sim-

son Jacob, bas fönigl. Rescript pom 50 tcn 2>^\\\ c. a. publi-

ciret unb barauf von iljncn pcrnomnicn tDorbcn, was vov 3i--

bicntc, an 2ibfä[}Uv, Sdiulnieifter p- P- -i»-' alliier annod^ nöUji^

Ijältcn. Darauf David Samuel als ^cltcftcr ber 3ii^<^"f<^^ft

fo tt)otjl alljicr, als 5U Bcclit5, pottftani, Briefen, Spanbom,

Kall^enotti, Hauen, ^K\av, prii^erbc unb ^ri^facf beridjtct, ba^

Sie all}iov i£incn Sdiul ilTciftor oljnc VOc'xb, Latzarum Hirsch

at. 25 l^ättcn, xvc{d)cx bas 2lbfäl}lcr^2lnibt suijlcid? boftcUctc ober

fdjddjtc. (£inon Cobtcn=©räbcr I]ätton Sie bistjero uidit cncbraudjet,

trcil Sic es felbft beftellet, möd^ten aber mit ber ^eit iran iljrc

Familien Sid] rerftärften, u^ol €inen nöticj Ijaben; gebraudjeten

aber i^o feinen Bebienten. Beireibte Knedjtc unb Bebientc tjätten

Sie i^o nidjt. ITenn Sie aber foldjc befoninien ober bereu bc=

nött)i(5t feyn folten, Sie foId]c niclben unb unb jur erleauna bcs

Sd)u^=(5elbes unb entljaltung alles l7anbels ant^alton it^olten.

IDas fonft itjre praestaliones betrdffe, fo liefen fte ftdj alle mal)l

quitungen c^ebcn, unb n^ärcn i^o nid^ts fdjulbicj. ^u benen

Collectes aber, meldte 5um Beljuff ber 3ii^*^"f<^^fft aemadjet

rrürben, hätte itjr 2tlter Rabbi bie (£intljeilung gcmadjt unb ex.

gr. 5U benen 20000 Kttjlr. fo Ic^t ausgebradjt u)cr6en, David

Samuel 6 ^tijlr, Juda Michel 6 Ktblr, Ezechiel Israel ^ Kttjlr.

Simson Jacob 5 r unb Israel Jacob \ r geben müfen, iromit

audj ber Bcrlinifd:e ®ber=Zteltcfte unb lanbt=Zteltefter ju Biefen=

i[)a\ einig geirefen, tt-»as anbere Collectes fo unter iljnen gemadjt

rrerben mül^en, bcträffe, fo tjätte 3^^ Kabbiner besiegen unter

3tjnen jtoar eine gemife eintljeilung gemadjt, vide Anlage sub

203 -

sig. O'). IDcil €r aber cor ciniacn IDod^oti rcrftorbcn, fo unirbc 6cr ilouc nad} ttjrcn jo^icjcn 5uftan6t, nioll eine anbcre cintljcihmo; madjon, Ijior in bor Stabt trikjcu Sic q,U\d} bcncn i3ürc3crn alle Onera realia et Personalia, iric Sic immer ITaljmen traben möd^ten.

X.

(Mönirtl. (^k'f). atnat!onvd)iu 91cp. 'Jl 9tr. 'ioT Hl) 2tIIerburd]laud]tie3ftcr ©roj^mädjtiafter König ^Ilcrgnäbigfter König; unb f)crr p. p.

<£tr>. Königl. iTTajeftät bitte alleruntertl]änigift bie t)ot)e be= fonberc C^nabe für mid) 511 I]aben, unb mir für meine bisl^er Creu geleiftete Krieges Dienfte ein ^i^ibcn Privilegium au^ ber Stabt Branbenburg allergnäbigft ju conferiren, unb basfelbe allljier in Blanco ausfertigen lal|«n, bamit berjenige, an tueldjem id) es t/iernegft überladen u^erbe, gleidj anbern Sdju^ l^nbcn im Sanbc feinen l7anbel unb IPanbel unget)inbert Creiben bürfte, für nieldjc ^ol)e Königl. ©nabe idj mein Künftiges l^anb^C^elb fallen lallen, unb bafür £ebens €ang Cveu unb el^rlid) bienen, aud^ nod) 2 grofc fieutljc aus meinem Pater 'iaixbc anbcro beforgen iptll,

erfterbcnb

(£ti>. Königl. iHajcftät allerunterttjänigfter

Nicolaus Baitsch r>on ben Unrangirten. Potsbam b. 9 ten Ztpril \73\.

XI.

(.tönigf. C^ci}. @tnnt^5ard)iii 9lcp. 21 9?r. 207 B 1) Demnach der Schutz Jude zu Brandenburg Seelig Sa- lomon fidj bcy uns älteften unb Assessores ber alt: IHittel^ unb Ucfermarf aud) priegni^ifd^en 3^i^*-'"f<^^fft*^"' gejiemenb gemelbet unb Büttlidj angcfud^et, iDir mödjen itjm jur Steuer ber IPatjr* Ijeit ein beglaubtes attest, nemlidj, ob uns (\, nodj n?if enb fey,

1) ift bicä Stellage VJI.

20i

ivk or bcs rcrftorbcncn Sdju^ 3"^*-'" Benjamin Daviedts IPittirc

ror oiniacn 3<^^i*^'" öol^cyrattjct, audj, 5a^ bisljor foiji quantum

511 allou Könicjl. C^abcn aol^orfaiuft cricaot, un6 (2, ob uns nodj

crinnoilid] foy, ^a]^ or fii) bcy roifortio,iincj 601* abo,ofor6crten

CabcIIc 9ot}orfamft bcy uns cjoniclbct, er audj in bor üborcjoboncn

^abollo bor \00 accordirlen 3"^'f'^*-'" ^«.^nnlion mit inforirot

n^orbon, mib (5, une er fidj bistjoro cjeoion lluinnic^lid^ auffc3e=

füljrot, 511 ortt^oilcn; IPann nun mir feinem Bittlii)en 5ud)cn

nid)t ontaocjon foyn fönnon, alfo Ijabon trir dltofton unb assessores

bo|5on Sudion in vjuton Bcbad^t cjo^oaen, unb attestiren, ba^ bor=

folbo Uermöcjo bic Borlinifd) dlloroinäbici,ft privilegirte r>on anno

\7\,^ altoo iljm eine IDittme 5U tjevratt^en ju ^olai^on, bamaljl

bo6 5d]ut}: 2>^ibcn Benjamin Davids IDittme cjeljovratl^et, unb

von bamabl an alle Ixöni«.}!. (Sabon pi"omptc ontridjtot, audj f\d}

gegen ZHänniglid} fo aufo,ofül?rot, baf bic (£l)urmärfifd}e 3ii^*''"'

fd}aft Bomogon urorbon, boinfolbon 5U einen Cassirer aller liönigl.

(Sabon 5U Boftollen, aud) mie 5r. Ixönicjl. iHajft. boro 3"^^"=

fdjafton in allen Dero Provintzien unb lanben bic 5d)u^: unb

Hecruton: Selber ert}öI)ot, fo ift auf unfer alloruntortl^äniaftcs

2lnfud]on uns \00 3ii^if<ä]*'' i'amilion in bor alt: ilüttel: Ucfor=

marf unb Priognitj r>on 5r. Ixönigl. lViiy\. allorgnäbigft accof

dirt n?orbcn, mie fid} bic Designation ad acta nodj finbon mirb,

mie üiol jobe Provintz Sdiutj: 3uben annoljmon, unb mio riel

Sd]ufe: unb Kecruton (Öelber jobe Prooin^ ju erlogen Ijat, unb

l^abon mir auff liönigl. allorgnäbigften Bofol)l in anno \729,

bon 25. ^ebr. bic begoljrto Cabolle boy bor dljurmärfifdjon Krieges^

unb Domainen: Kammer üborreid}on mü^on, a^oruntor biefer

Seelig Salomon als Sd]u^: 3*^'^*-' luit angegeben morbon. IPann

nun feine brey angefudjte puncta fid} über all in IDatjrboit fo

befinbon : als ijaben mir gobadjten Seelig Salomon fold)os auff

öogoljren jur Steuer bor ITatjrljeit unb mit unforor (Eigcnt^cinbigon

Unterfdjrifft unb bcbrucftes Siegel altestiren mollen. So gf=

fdjoijen Berlin ben 2\. ^ebr. \757.

Benbif ^ürft crmcljltcr

:tltefter bor alt iHittoI unb

Uc!er lUaxt aud) Prigni^

unb Consorten.

- 'i05 -

XII.

(Äöninl. <^>i'l)- 3toatcnnd)ii) :)iop. L^l 9cr. '207 Hl) 2UIev6urcl]Iaud)ti(w3[tcr (^roljniädjttcjftcr "Köiiia ^UKTanabij^ftcr

(£u\ 'Köuii.31. iUajcft. Ijaboii uns fäinMlid)cii in i3ran6on= lnu\3 luoljnonbcn Jii^*'''^ unter Dero alloiaiuibicjfton 5djut| auf unb angenommen, aud} uns babcy allercjnäbic^ft erlaubet, unferen 3ü6ifd]en (ßottesbienft, Ceremonien unb Rittibus frey 5U erer= ciren, luofür um m aller lieffter Devotion alleruntertljänigften Danf abftatten. IDaim unb in allen Stäbten in (Europa c^e« bräud]!id}, umnn einiae d5emeinbe ron ellid^en 3uben, tt>eldjc in Stäbten inol^nen, baf> fie rennöae Ju^ifd]^'^ Ceremonien einen Beu->eibten Bebienten, u->eidjen fie ror loljn an= unb abfetsen fönnen, Ijaben müfjen, bamit ber iUaini bie Bebienunc3 bey ber ©cmeinbe rerrid]ten, aud] bey rorfallenben Ixranfl^oiten unb Sterbens fallen (uH'ldie ber 2tllerl)ödjfte üerl^üten wolle), feinen Dienft rerrid^ten fömie, be^en ^rau aber uns audj Ijödjft nötljic3, inbem uMr biefelbe bey unferen grauen bey il^ren Keinig^ uneben iii bas I'^abt fiil]ren müfjen, aud} bei rorfallenben l{ranf= I^eiten unb ^obtesfällen /: u">eld)e (Sott (^loid^falls rerl^üten irolle:/ permöge benen (Befe^en unb jübifdien Ceremonien, ipeldjes fid? unfere IDeiber ju uerridjten 2Ibfd)eu tragen, biefelbe aber foldjes Dor €ot)n Derrid}ten müf en, aud} foldjes in t^iefigen liönigl. lanben, aliro fid) eine (Semeinbe finbet, aus angefüt)rten Motiven 5uge=> lafen feyn foll, fo l^offen u^ir bergleid^en (Snabe ebenfalls tl^eib I^afftig 5U irerben. Da ifir nun, u?ie gebad)t, einen bergleid^en BeaH'ibten Bebienten l]öd}ft bebürfftig: 7l\s gelanget an (£ir. Königl. inajft. unfer alleruntertljdnigftes Bitten, Sie uiollen aller= gnäbigft gerul^en, aus angefül)rten Umbftänben uns allergndbigft ju erlauben unb frey 5U geben, bal| tt^ir einen Beireibten Bc= bicnten nadj unfern (Befallen unb ju obangefüljrten Bcbuff in bicfer unb anber 3übifd)en Bebienung r>or €oI)n bey ber (5e» meinbe gebraudjen bürffen unb bem Magistrat 5U Branbenburg allergnäbigft mit ju geben, ba^ ein fold^cr Bebienter uns erlaubet

206

(eyn follc, unb ipenii uns bercjleidjcn 23c6icntcr nidjt ferner an- ftänbig, auff unfcr Ztnfudjen irieber fortgefdjaffet, unb ein anber an be^en Stelle ein bevcjleidien Beireibter Bebienter ancjcnoninien UH'rben möcne. IPir getröften uns in unfern allerunterltjäniijften Sudjen allercjnäbi^fter ^rljöruiK} uub crfterben (£u>. Königl. 211aj.

alleruntertfjänicjfte Kned]te Jacob Michel, Nathan David, Selig Salomon, Simson Jacob unb übrii^c piivilegirte "j^wbcn ju Branbenburg. Berlin, Januarii 1737.

XIII.

(Genieindeakten, altes Chewrabuch).

ijiat:*"' Dtrn cVin lyi hv Jii33j?iii*i3 p"p no tt'ina i^y^v^ mpn

.p'cS i"Dpn p'-D "mS mm ""h'^i "nn pi'pn m nshp "d Sy cnsj "Jii' 7]U>v: j^sia

DnV3i npi33 mpcS 'j":,! cn^jh c^a^ino o-nnsn p nns |.ti lyvy •'j3o p

S-ii D-N3:n □^a-'ino '':s 3:'>i'oS Scj C'nmsn p nnx es "Vi^'hvz m:nn p ,t,t cs3 idSo o^Sin -,ip^3 Sr ncipa r:ny S: S-in nSinS jn^S □""ss:,! lin" "ix "i*: mvo mii»>''S unSnpo nns sv^:: nh] rh''h2 im« ■noi^'S

.nSin ims ■not:''? nM'ir "o nnsS d'':d n .^Sb3 mn DCt^'a D^3ipi-n c^bin ■np^a'? iTian t:*nno ni^p n'j?^3i3 D"'n"'^'inö msnm orac "nm .^tk'? -n,!! ,cmn« "nm h'y\:: T'in .pyoB' mm mSmj n^y: vvi /faSn iv mwii'o irnSnps rh'n ma rh'bn mmt^ csn Dil« nano saS 'rar ah) S":n i^S mot^'S r"?)? Smjmi' nn« ds31 omra mici^' no pt^Kna mm D^Sm nip^s'? norn .moti'bo mao mmr mm yn22 -jS^S nD''j:n er h2 'wjn nno ^:tr3i «o^Sin iip^DS rm "«103 jnaa snn üh\if mi: S2 Syi c^Sin mp^a n^iaS .mnn ns^p nn« mva msjS ^Jt^ "jn^n pi D'b)!: n:?:?^ in^*: a^ina n'7\n p po na mn^ cw )yhv

- 207 -

.D^jo n": £2"-i V'ü pnsii

'^"v: mx -,nnD p |nj Sj? ^nx2 siOMo '\s-i'7") ro |"'D pn^\s pnj:^ j3 pyoi^ p"p3 |«x:i ]*'U' c^^n oinnn c.Tn2wS* p S^iu: jmari:-i3

pTü p •'•s'i n^y'js* jnj inina p omc Sd^o 'jx^n" imn3 p Skv 3"3 Sxpm^ ppn ':xr mno p nj;3 izv^i^' 'pn

XIV.

(Gemeindeakten, altes Chewrabuch).

.c^TDn mS-'OJi D'^Sin nip^3 mnnn p ni:pn msn li^ya ntrj?J n^nit''' sSi pj? icd^ cim xim N3n sSti' ms: h^ hv n^non rnS^a:! D^S'.n iip^a '^ij'

wv unr xSti» mxnS ran ':"jn .nann D^n^^inm nan 1122 ^dS ms^^v'? S2n pi rh'hn ]r'22 ncn nmn p mnan |n non ''2ii: S:ii^ i:''r2 iojj S":,! |c";« Syi "]in2 Dnwu'2 D^2ipjn D"TyjNn |*in yi::'? \sk'i m::' ]^n n2pn -jin |e nnsi .■n2n2K' D^:p:n |o in« n^an 2"'^'inn n2pn "[ins nan nnm ni2nn ü''h)T -jTivn 'eSi jwn 'c'7 '?:n mnan rj?t:oi na'jnn'? ^2 amn2n 2" 2 ..T.Tti» ^0 HM^ n^i:a nrx mu*j?S c,Trv2 it^M p in« 122^ D\s23n nn« DW yn) ,Tn^ir nr« '7^ iipc': 'K2:n 2^^ina i2pi pns m«^j;Si Jüir^i nn« ij; n2pS i«' pnx2 i2n im^K nwv^ Sis^ m2nn |o crx'»^

.D\^2jn p xifvn m2n ^irjx |o inxi D^N2jn p nnx mn a^^ino lapn mpai

.Dön m32 ^071 pr^n ii: pin im«'? ^öSpn -jino 1^^12:2 X2 nnxtr mnts ^nS2 mpa r^y X3''i nSv^ kSt nS-'Sn cx2T D,Trv2 ii^rn "oS nn2p mvo S":.! m2nn rSy cti*r ^n S:'? d^nt p2tt*i DW n: 1212 i2n'7 pxt^i ,T2nn ■]W3 cr»:^ irnSnp ''»o in» D',t^ psi

203

•rni3n "ti'jK uni« '"'^■""'inöii' irr3 n«'j?: cSi: njj: ,Tnn nwSm nzt:* n\'3 mti'^o Sti* nn:in rti^Ki mw ma'?'? yi!:?^'': T.y^u'n 'ri's -f^'h mS:2i nit:^ "»vn Sj; -Soj nTi Sx« ,t.t nSnn-n nn:o cmp nv»' 's in:K'3 n:^ hv nnaS.n irii'i njp* "cS ^^':n .Ti:r;,i -k*:«« "'.hk Si'x S-ii |ai

XV.

(ß^cmcinbcattcn, Gonoolut 29). Actum Brandenburg den 20. August 1779.

ITadj6em p. Rescriptum clementissimum rom \. '^uWc. pou (£. l^odjlöbl. (£ijurniärf. Krieges u. Domainen-Cammer unter i3eYfiK3ung ber Sentenz rcnnöcje ireldjer bie I^iefioie 3"^^'"'- fd}aft ron 6cm fiscalifcfjeni 2lnfprudi, ivcq,a\ bcs 5ur Synagogue ciik3crid}tcten rormaligcn Poi»jt'fd]en f^aufcs absolviret irorben, l\'fol)Ien ift, nunmcl^ro berfclbcu €rflärung ad Rescriptum di- rectoriale rom 20. Mai 1775 nnb camerale uom 8. Juni ejd. a. ju crfovbern, fo finb vorläufig öie ZlcUeften ber 3u^^"f<i?^ft angetDiefen tnorben, mit ber ganjen ©emcinbe barüber Kürffpr^cl^e ju l^altcn unb I^ienädjft bem Injurato ein Genüge 5U leiften.

(£5 erfdjeinen Ijierauf bic beyben 2ll!cften Seelig Salomon unb Lazarus Isaac unb gaben ju rernel^men, wie bie ©emeinbe nicfjt bafür Ijalte, ba^ fte je50 nodj jur (Erfüllung ber itjnen in bem Rescripte non \775 auferlegten Bebingungen, um bas Kedjt ju crtjalten, bas Voigt'fdje f^aus ^ur Synagogue ju ge-- braudjen, rerbunben fey; benn bamals I^ätte ber Effect biefcr Bebingungen bie Befreiung ron bem fiscalifdien 2infprudje feyn follen, je50 aber fcy bie Sad}e burdj bie gefdjel^ene Absolution ron bemfelben in eine gan5 anbere Sage gefommen, tpestjalb biefelbc glaube, ba^ fie nunmeljro n?citer mit feinen Bebingungen oneriret werben fönnten, fonbern bas Hed)t crftritten Ijätten, bas qu. i^aus ferner 5ur Synagogue 5U beljalten, fon?ie foldjes aixd} feit 50 3^^i^cn ba5U gebient Ijabe.

209

Um iiiboffon b'o "Könicjl. 23ofctjlc in fo ferne 5U erfüllen, als 6er ,?>ii[tan6 6er (<^eniein6e fold^es erlaube, fo uiollen fie

ad 1. 6er ano,e50>;seHen Rescriple gebadetes l)au5 aus il^ren iHitteln 2 Eta^^en Ijodj unb Mc fronte massiv erbauen, mit biefeni i?au itn ^^rüljjal^re \78() anfangen, unb fold]en binnen jaljr unb ^ag enbigen. Die (ßemeine fönne bey bm vukn •iiaften, bic fic brürften, nid)t nieljr tl)un, and) nid}t el^er ben Bau ins IPerf "rid]ten, u->eil fie ben ba^ju erforberlidien (<5elb ^lufuurnb nid)t felbft aufbringen fönnte, fonbern foldieu erft r»on aiibern aufnel^nien niüf^te.

atl 2. XPollte fie fid] ber ^u biefeni f)aufe geljorigen V}aus dauol unb l^rau=(5ered)tigfeit unb 5UHir ber erften jum I^eften ber l^iefigen binnen C'asse gänjlid) begeben, uiitljin ber Ijodjlöbl. danuner übeila)5en, über bie letzte nadj (gefallen 5U disponiren.

ad 3. Könnte il^nen aber nid}t angenuitl^et irerben, für 100 rtl)lr. Porcelain j^u neljnien. l\ad} ben ergangen Rescripten u>äre nur benenjonigen eine foldje läftige 3ebingung auferleget, u^eld^e eine neue Concession gefud]et, biefes fey aber l]ier ber ^all nid]t, uxnl fie p. Judicaluin bey einem alten Kedjte, mcld)es fie fdjon feit 50 3<-^t?^'»-'ii exerciret, gefd^üt^et a">orben unb rertrete biefer Kedjts=Hnfpaid) bie Stelle einer Concession fo, ba]} fie gar nid)t nötig tjatten, bergleid^en uieiter ju fudien.

ad 4. Ixönnte iljnen aus eben ben (Srünben nidit ange= mutet irerben einige Chargen ober Stempel Jura 5U erlegen.

Da fid) nun bie ©emcinc gefallen laffen u-'ollen cra->el)nter= ma|?en ol^ne Ixönigl. Baubilfs ©eiber ju rierlangcn, neu aufju^ bauen, unb fid} ber (laoeblPiefe unb Brau^(j5ered]tigfeit 5U be= geben, fo unire biefes bas äuflerfte, u\is fie tl]un, unb man ol^ne Ungered^tigfeit ron il^r rerlangen fönnte, fie protestirten bat^er ipiebev alle anbere läftige Condiliones befonbers in pcto bes Porcellains unb ber Chargen unb Stempel Jurium, mit Bitte, ron biefer iljrer i£rflärung an bie l^od^Iöbl. klammer 5U referi- ren, u">oran fte aber nidit gebunben feyn, fonbern frey^ ^änbe I^aben n-ioÜten, ipenn man il^nen Sdiuiierigfeiten madie fie ron bm Bebingungen ad 5 unb ^ 5U dispensiren.

14

^itö

Sic rorfpredjou übrigens and} iicdj bio übrige 5 Ztcitoftcn Abraham Scholem, Samuel Nalhan unb Joseph Levi 511 sislircn um bicfoii iljron Dortrag bcYSurfhd?^»-'" ^>"^ I)abcn fte biofcs Protocoll iiad) gcfd]ctjcncr Dorlofuiig cigont^iinbig iintcr=

fdjriebon.

etc. Hugo

Sehg Salomon.

Latzarus Isaac

Wxv <£nbcs Untcrfdjriebcncn Jloltcftcii ber ^ubcnfdjaft cjc^ nctjmigcn alles basjenige, tücjs bie Znit^ilelteften uu'gcn (£rbau= ung bes ber (Senieinbe jur Synagogue gela|5eiien l^aufes ad Protocollum rom Ijeutigen dalo rorgclrageu unb rerbinben uns, basjenigc 5U erfüllen, n?05U fie fidj ücrbinblidj gemadjt, Branben-- burg b. 20. 2lug. \779.

Samuel Nathan

Abraham Scholim

Joseph Levin

XVI.

(öcineinbeaftcu (Souu. 29). gricbrid) etc.

2tus €urcm Beridjt rom 7. bicfes tjabcn VOk erfel^cn, bas bie 3i'^»-'Tif<^^ifft 511 Branbenburg bei bcm bortigcn ilTagiftratlj eine banco obligatzion ron \50 i^. iregen bes für bie perlangte Conssion ben Voigt'fdjen f)aufes 5U einer 3^i^*-'"f<^"¥^' au^er* lanbes 5U bringcnben Por^eletjens gridjllid] niebergeleget I]at.

31?r Ijabt nun genantle jubenfd^afft befanbt mad^en ju lajlen, ba^ bas officium fisci Ijeute aufgeruffen n^orben barauf ju adjten bas jur pcrrallener ^eut bie ausbringung bes Por^i= leljcns nad} gcipiefcn locrbe.

Berlin d. 21 Novbr. 1780

Domin Camer An den Richter.

211

XVII

(©cmctnbcaftcii (lono. i.^'.»). ^rtobvid) etc. Unfern p. p- ^i*-' 3ubcnfd)aft 511 Branbcnbur^ Ijat iDogen acquisition bes Voiii;l'fdjen i^aufos bafclbft 511 einer 3u^*-'nfd)ule 6ie Derbin6lid]feit auf fidj, biinie 3^^i**-'5\f^*'ft ^''oni 10. J^ly b. 3- <i" c^ered^net für 300 Htl^. I^ieficjeä ädjtes Por5elIain aus 6eni £anbe ju fdjaffen unb nad} niet^rern 3nl)alt bes abfd}riftlid) anliecjenben protofoUs roni 50. Dori^en illonats i"»erfprod)en foldjes bey Perluft ber bey beni illagiftrat ju i3ranbenbur»j gc= rid)tUd) niebercjeleijten banco Obligation von \50 Cl?. 5U be= ipirfen. IDir befel^Ien €ud? nun Ijienüt allerijnäbic^ft barauf 5U vigiliren, ba^ fotl^anc Derpflid)tuntj genücjet merbe, unb jur rer-- fallenen ^eit 5U beridjten:

ob bic 500 CIj. ädjtes Por^ellain bei unferer ^abrife gc= nomnien unb au|]er Sanbes rerfauft irorben. Sinb etc. Berlin ben 2\ November 1780. 2tn ben J)of Fiscal Knak.

XVIII. (©emeinbcaftcit, ffonu. 29).

Die tjiefic^c 3"^^'"f<i?'-^f^ ^<^t fi<i? t>erniö9e rattjbäuslidje Protocoli pon b. 20. Aug. 1779 engagiret, il^r bafiges Bet= tjauf 2 Etagen l)od} bie Frontte massiv otjnc Bau ^reuljeuts-- gelber 5U erbauen unb tt)eld]e5 u^ol^l 5U bemerften in anno 1780 an5uf an cjen unb ju beenbigen.

Diefer Conditzion I^aben Sie aber nid^t cjenütjet, einen ipoI}l (£blen majistrath lüürbt bal^er l^ierburd? aufc^egeben cje- nantten 3^^^<^Tifd]afft mit nadjbrucf bal^in an 5U I^alten 3^^^*^" Engagement in bepoljrftel^enben 2>'^\:}xc oljne Pel)Ibar 5U ge« nüi^en, fie über bie Arangements bes Baues, tueldjc in I)orle= 9uno; bes grunbt unb aufrif es, bes acortes mit ben Bau ovrieres befor^jung ber 170!^ unb Stein materjalen cjeiröljnlid) beftel^en Provisione ad ProtocoUum ju pernötjmen, unb foldjes bemnädjft

_ 212

ein 5U fdji<Jcn, audj Mcfes b. \5. Märlz 5U tüicborljolcn, anbey 3l?ncn 511 aloidi boY^ommcnbcs Canuiicr rescripl von bcn 21 et 29 huius ivc'^m Exportazion bcs Portzelenes gcljöria 511 Pu-

bliciren.

Potsdam d. 29. Novbr. 1780.

XIX.

(®emctnbfaftou (Sottu. 2i)). Iiad^bcm bcY Seiner liönialidjcn ZHajoftät üoji Preiifjon p. p. Xlnforni alloranäbiafton l^orron bk '^Si\b<:n\du\^i 511 Branbonburo; allcnuitortlyiuiaft acbotcn I^at, ba|5 il?r erlaubet n\n-ben inödjte, bas von bcm Sd)uniadier Voigt erfauffte, in ber il'iüiifeen= Strafe bafelbft bele^jene V}aus eiaentt^iunlid) 5U bcfitjen unb foldies jur SyiuiCsOeiie unb XPol^nuna iljrer i)ubli(iuen i3ebienten 5U Csebraud;ien, iiödiftaebadite Seine l\önialidie ilTajeftät cuid) fotljanen (ßefudi, bey ben ron bero (£{]urniärfifdien Canmier foldierl^alb einberiditeten llinbjtänben, unb ba aebad^te 3ii^*>'" fd)aft fidj erfläret I^at, bas quaest. l^auj), nnidies ben ^infturt} ^ebroljet, aus il^ren iluileln jux-y Etagen I^odi unb bie Eronte massiv 5U erbauen, fidi and] ber ^n biefeni l)aufe ael]öric3en Canal-lDiefe unb Brau=(Sered)lie^feit aän^lidi ju beaeben, in ©naben deferiret Ijaben: 7X\s unrb ber ~Sii^*-'")^'i?*-^fft 511 Bran- denburg bie erforberlid^e Concession juni eicscntljünilidjen Befi^ bes von il)r acquirirten el)enuiligen Voigl'fdien I^aufes, unb juni (ßebraudj besfelben 5ur Synagoge unb XPoljmma il^ver publiquen-Bebienten, unter oberu-ieljuter ron iljr eintjcc^ancjcncn i3ebina,una, I]ierniit erteilet. XPornadi bie i£ljurnuififd)e Ixannner nebft beni Commissario Loci unb bajujeni Magistrat fidj aller^ untertl^äniijft 5U adjten Ijaben.

Signatum Berlin, ben 6 ten Novembr. 1781. i(uf Seiner Könioilidjen XHajeftät allergnäbic>ften Special-Befeljl. Schulenburg v. Gaudi.

•J13

XX.

(Geineindeakten, Conv. 29).

B"i D'-rnm ns?3S Dnp r'JO ':'"3n:3 piMi )2h^* n"3 n^3 Sy ]nNT'Dr,pn min3 tan o^it'am nso |S3 cSin nip^ai Kii'^np Kiano irnSn n«: cwo ny nrno xi^'np aizrh h"in -d d'?:^''^ D"n ums c'r""in^T .mw: nsr,':n nM'' |c:.s inrs 'ry p:: no m^2 irit'j? ns: citt'ci .r-n r^pir: c-ji:> "jiy .S"jn 3in poiSrn'? P)2:h opf: nM^ nxi w^a nti'cnji .'^"jn mj?D majS n^'b^ Sinm 'd^u'd nti't:' d>'q hj jn^ a'"") nziy rr'DS nh)!^u^ "e i^mt in^t:' irri my: c: fjsi ,ö"^'i r3if> |m 'rinn p Scd |n^ misi 'j:^'^*c ^jit» nia^': Sd p h:y) \i'22) mci Titi^ niJ'3o ni |c:s Sy iri'n p |n«nD -iti'D nipti> )f^)iv 'JcS n:j '7::iS is wn -[inn tsniy es iS-ek 'ü^k'q D^^inD cyo 'r: |s:S s^am nr« cip."^:^ it^'D njp'^' ix in« mps'? mSt^'S |nd r\fi'h^* Hin n'rijj-inn pi /■to^'?i '^'c'h h^ p -a^ii'c ^j?i* h":r\ pxncn |n^S '::r pK''?nü 'ü^u'c nu'ii* nns ^d p psn iTiCI ntViS im niiisn 'p 'ü^i^'d nn« jnsncn dsd h)z2 \sjn3 ir:^3 ::mn ti'n^cm ,'a^?i'2 iT^'ti* ncj 7X h"in 2)n -[dS p^'? r^nt:^ na )h^ lanyS y^jio xS i:W' '\na ^'^yaa p'-ii' no pxncn es djös ,id-iv m^öj ny '''Jaiio myan nsii'n p'''? n^-^no ^y3"i ^21 ,Snpn rnro'? ixti'v iS'rn myai i.wn icc^ iznya irr nSy^ myan xt^'^np xi2m \S3J croc mn p^'pn^ c'rij'': |xncno \s3jn n^^ina n:t:' h":n h2 hv) h":n 2)n pai'ri^'n m^aj ny Jiro^np uj aya p 21 p n;ri^ irT no-nna liann ny*?! ^■]pin'?T h'^n hi hv i2iyn p cnn 1^2 ir^a nit'y: nyaix ]Wü'\ er jTirnrn no nit^yj n^iy:^ noi S"in S: c'-pSi nifx'? u-aa

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214

XXI.

Verzeichnis der Vorsteher und Repräsentanten resp. deren Stellvertreter seit 1855.

(Aufgestellt vom Vorsteher Sally Oppenheim.)

1855—1857 Vorsteher*): L. Simon, J. Gerson, M. Aron.

Stellvertreter: Hirsch Pintus, H. Leow, L. Lazarus. Repräsentanten*): M. Simon, M. Manheimer, J. Loewen, J. Nathanson, L. Gumpert, J. List, S. Schönfeld, E. Nauen, J. Sternberg. Stellvertreter: M. Moritz, J. Rosenbaum, S. Nathanson.

1858 Vorsteher: L. Simon, J. Gerson, M. Aron bis 6. VI.,

seitdem L. Lazarus.

Stellvertreter: Cramer, H. Leow, L. Lazarus.

Repräsentanten: M. Simon, Steinhardt, S. Loewen, J. Nathan- son, L. Gumpert, J. List, S. Schönfeld, H. Pintus, E. Nauen.

Stellvertreter: M. Moritz, J. Rosenbaum, S. Nathanson.

1859 Vorsteher: J. Gerson, L. Lazarus, Cramer. Stell verti-eter: H. Leow.

Repräsentanten: M. Simon, Steinhardt, ö. Loewen, J. Nathan- son, L. Gumpert, J. List, S. Schönfeld, IL Pintus, E. Nauen.

Stellvertreter: M. Moritz, J. Rosenbaum, S. Nathanson.

1860 Vorsteher: Cramer, J. Gerson, L. Lazarus. Stellvertreter: H. Leow.

Repräsentanten: L. Gumpert, M. Simon, M. Behrendt, S. Loewen, J. Nathanson, J. List, S. Schönfeld, II. Pintus, E. Nauen.

Stellvertreter: M. Moritz, J. Rosenbaum, S. Nathanson.

1861—1863 Vorsteher: H. S. Cramer, J. Gerson, Hirsch Pintus. Stellvertreter: E. Nauen, M. Hildesheimer. Repräsentanten: L. Gumpert, Heym. Pintus, L. Schönfeld,

M. Behrend, S. Loewen, A. Bock, P. Nathanson,

S. Hildesheimer, J. List. Stellvertreter: E. Moritz, J. Sternberg, M. Manheimer.

*) Die gesperrt gedruckten Namen bezeichnen die jeweiligen Vor- sitzenden.

215

1864 Vorsteher: L. Lazarus, J. Gersoii, 1 Urach l'iutua. Stellvertreter: E. Naiien, Benny Piutus. Repräsentanten: L. Gunipcrt, L. Simon, lleym. Pintus,

S. Schonfehl, M. Behrendt, A. Bock, 1'. Nathan.son, S. Ilihleshciiuer, J. List. Stellvertreter: E. Moritz, J. Sternherg, M. Manheimer.

1865 Vorsteher: J. Gerson, E. Nauen, L. Lazarus. Stellvertreter: Benny Pintus.

Repräsentanten: L. Gumpert, L. Simon, Ileym. Pintus, S. Schönfehl, M. Behrendt, A. Bock, P. Nathanson, S. llildesheimer, J. List.

Stellvertreter: E. Moritz, J. Sternberg, M. Manheimer,

1866 Vorsteher: L. Lazarus, E. Nauen, Benny Pintus. Stellvertreter: J. Nathanson.

Repräsentanten: L. Gumpert, L. Simon, Ileym. Pintus, S. Schönfeld, M. Behrendt, A. Bock, P. Nathanson, S. llildesheimer, J. List.

Stellvertreter: E. Moritz, J. Sternberg, M. Manheimer.

1867 Vorsteher: Benny Pintus, L. Lazarus, P. Nathanson. Stellvertreter: E. Nauen, M. llildesheimer. Repräsentanten: L. Gumpert, J. Sternberg, Heym. Pintus,

S. Schönfeld, M. Behrendt, G. Loewenthal, E. Simon, S. Hildesheimer, J. List. Stellvertreter: Sally Oppenheim, S. Loewen, S. Gramer.

1868—1869 Vorsteher: L. Lazarus, B. Pintus, P. Nathanson. Stellvertreter: E. Nauen, M. Hildesheimer. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Simon, Heym. Pintus,

S. Schönfeld, M. Behrendt, G. Loewenthal, E. Simon,

J. Nathanson, J. List. Stellvertreter: Sally Oppenheim, M. Gramer, J. Sternberg.

1870 Vorsteher: B. Pintus u. P. Nathanson bis 1. IX., M. Behrendt,

vom 26. X.: Sally Oppenheim, A. Fabian.

Stellvertreter: PI Nauen, M. Hildesheimer bis 1. IX., vom 2fi. X.: J. Salinger, H. Leow.

Repräsentanten: E. Simon, L. Gumpert, J.List, J. Nathan- son, G. Loewenthal, M. Joel, H. Herzberg, H. Pintus, Loewenstein.

Stellvertreter: M, Gramer, J. Sternberg, Sally Oppenheim.

IM (5

1S71 1872 Vorsteher: Sally Opj)C'nheim, M. Behrendt, A. Fabian. Stellvertreter: J. Salinger, H. Leow. Repräsentanten: E.Simon, L. Gumpert, J. List, J. Nathansun,

G. Loewenthal, M. Joel, H. Herzberg, II. Pintus,

J. Friedländer. Stellvertreter: C. Sternberg, Siegfr. Oppenheim. M. C'ramer. 1873 Vorsteher: Sally Oiipenheim, M. Behrendt, Siegm. Cranner.

Stellvertreter: A. Fabian, J, Frank. Repräsentanten: H. Ilerzberg, M. Joel, J. Friedländer,

P. Natlianson, S. Schöufeld, L. Gumpert, M. Boas,

G. Loewentiial, J. Salinger. Stellvertreter: J. Zutrauen, N. Nathanson, Siegfr. Oppenheim. 1874-18/5 Vorsteher: Sally Oppenheim, M. Behrendt, S. Tränier. Stellvertreter: A. Fabian, J. Frank. Repräsentanten: II. Ilerzberg, M. Joel, J. Friedlämler,

P. Nathanson, S. Schünfeld, L. Gumpert, M Boas,

G. Loewenthal, J. Salinger. Stellvertreter: J. Zutrauen, N. Nathanson, Siegfr. Oppenheim.

1876 Vorsteher: Sally Oppenheim, S. Gramer, P. Nathanson. Stellvertreter: J. Frank, A. Fabian.

Repräsentanten: L. Gumpert, M. Boas, G. Loewenthal, J. Salinger, S. Schünfeld, J. Zutrauen, J. Friedländer, J. List, H. Ilerzburg.

Stellvertreter: Siegfr. Oppenheim, N. Nathanson, S. Simon.

1877 Vorsteher: Sally Oppenheim, S. ( 'ramer, P. Nathanson. Stellvertreter: J. Frank, A. Fabian.

Repräsentanten: L. Gumpert, S. Schönfeld, J. List, M. Boa.s, G. Loewenthal, N. Nathanson, H. Herzberg, J. Zutrauen, J. Friedländer.

Stellvertreter: Siegfried Oppenheim, S. Simon.

1878 Vorsteher: Sally Oppenheim, S. Gramer, P. Nathanson. Stellvertreter: J. Frank, A. Fabian.

Repräsentanten: L. Gumpert, S. Schönfeld, J. List,

M. Boas, G. Loewenthal, N. Nathanson, II. Herzberg, J. Zutrauen, J. Friedländer.

Stellvertreter: Siegfr. Oppenheim, S. Simon.

1879 1882 Vorsteher: Sally Oppenheim, S. Gramer, P. Nathanson. Stellvertreter: J. Frank, A. Fabian. Repräsentanten: L. Gumpert, H. Herzberg, J. Zutrauen,

J. Friedländer, G. Loewenthal, N. Nathanson, E. Simon,

S. Schönfeld, J. List. Stellvertreter: Siegfr. Oppenheim, Julius Frank, S. Salinger.

- 217

1883 Vorsteher: Sally OpiKjnlieini, S. ( ranier, P. Nathanson. Stellvertreter: L. Helft, A. Fabian.

Repräsentanten: L. Gumpert, H. Ilerzbcrg, J. Friediänder, G. Loewentbal, N. Natbanson, E. Simon, S. Scboiifcbl, S. Salinger, M. Frank.

Stellvertreter: llecbtaanw. Kirsfbner, Julius Frank, Sicgfr. Oppenbeiui.

1884 Vorsteher: Sally Oppenheim, bis 1. IV.: S. Cranier,

P. Natbanson, ab 1. IV.: A. Fabian. Stellvertreter: L. Helft, A. Fabian. Repräsentanten: L. Gumpert, H. Herzberg, J. Friedländer,

G. Loewentbal, N. Natbanson, E. Simon, S. Schönfeld,

S. Salinger. Stellvertreter: Rechtsanw. Kirschner, Julius Frank, Siegfr.

Oppenheim. 1S85 1886 Vorsteher: Sally Oppenheim, P. Natbanson, M. Boas. Stellvertreter: M. Gramer, B. Lazarus. Repräsentanten: L. Gumpert, IL Herzberg, J. P'riedländer,

G. Loewentbal, S. Schönfeld, S. Salinger, L. Helft,

H. Meyer, Julius Frank. Stellvertreter: Max Loewentbal, Siegfr. Oppenheim, M.

Sinasohn. 1887 Vorsteher: Sally Oppenheim, P. Natbanson, M. Boas

bis 19. VI., B. Lazarus. Stellvertreter: B. Lazarus. Repräsentanten: L. Gumpert, IL Ilerzberg, J. Friedländer,

G. Loewentbal, S. SchönfeUl, S. Salinger, L. Helft,

H. Meyer, Julius Frank. Stellvertreter: Max Loewentbal, Siegfr. Oppenheim, M.

Sinasohn. 1888-1889 Vorsteher: Sally Oppenheim, H. Herzberg, B. Lazarus. Stellvertreter: A. Schwabe, H. Liebentbai. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Schönfeld, G. Loewentbal,

J. Friedländer, S. Salinger, L. Helft, H. Meyer,

M. Sinasohn, N. Natbanson. Stellvertreter: M. Loewentbal, Siegfr. Oppenheim, Flatow. 1890 Vorsteher: Sally Oppenheim, H. Herzberg bis 1. IV.,

B. Lazarus, A. Schwabe ab 1. IV. Stellvertreter: A. Schwabe bis 1. IV., H. Liebenthal. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, M. Loewentbal,

L. Helft, H. Meyer, Siegfr. Oppenheim, J. Friedländer,

G. Loewentbal, M. Sinasohn bis L IV., II. Adler ab 25. "VII. Stellvertr. : R.-A. Kirschner, Jul. Loewentbal, N. Warschauer.

218

1891—1892 Vorsteher: Sally Oppenheim, A. Schwabe, N. Nathanson. Stellvertreter: L. Crohn, G. Warachauer, Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinper, H. Liebenthal,

G. Loewenthal, J. Friedländer, II. Adler, L. Helft,

H. Meyer, Siegfr. Oppenheim. Stellvertreter: M. Löwenthal, N. Warschauer, Jul. Löwenthal. 1893—1896 Vorsteher: Sally Oppenheim, A. Schwabe, N. Nathanson. Stellvertreter: L. Crohn, G. Warschauer. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, H. Liebenthal,

L. Helft, G. Loewenthal, J. Friedländer, H. Adler,

Siegfr. Oppenheim, N. Warschauer. Stellvertreter: M. Loewenthal, Jul. Loewenthal, H. Crohn. 1897-1899 Vorsteher: Sally Oppenheim, A. Schwabe, N. Nathanson. Stellvertreter: G. Warschauer, H. Grünberg. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, H. Liebenthal,

L. Helft, G. Loewenthal, J. Friedländer, N. Warschauer,

Is. Loewenthal, Siegfr. Oppenheim. Stellvertreter: M. Loewenthal, H. Crohn, M. Beständig. 190U Vorsteher: Sally Oppenheim, A. Schwabe, N. Nathanson.

Stellvertreter: H. Grünberg, H. Boas. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, H. Liebenthal,

L. Helft, N. Warschauer, J. Friedländer, G. Loewenthal,

Siegfr. Oppenheim, Is. Loewenthal. Stellvertreter: M. Loewenthal, H. Crohn, M. Beständig.

1901 Vorsteher: Sally Oppenheim, A. Schwabe, N. Nathanson. Stellvertreter: H. Grünberg, H. Boas bis 26. VII. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, H. Liebenthal,

L. Helft, G. Loewenthal, J. Friedländer, N. Warschauer, Siegfr. Oppenheim, Is. Loewenthal. Stellvertreter: H. Crohn, M. Beständig.

1902 Vorsteher: Sally Oppenheim, A. Schwabe, N. Nathanson. Stellvertreter: H. Grünberg.

Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, H. Liebenthal, L. Helft, G. Loewenthal, J. Friedländer, N. Warschauer, Siegfr. Oppenheim, Is. Loewenthal.

Stellvertreter: M. Beständig.

1903 Vorsteher: Sally Oppenheim, A. Schwabe, N. Nathanson. Stellvertreter: Rechtsanw. Meyer, H. Conitzer. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, H. Liebenthal,

L. Helft, G. Löwenthal, J. Friedländer, N. Warschauer, P. Epstein, S. Spandau. Stellvertreter; Ph. Pintus, G. Loewenheim, Is. Loewenthal.

219

1904 Vorsteher: Sally Oppenheim bis 17. III., A. Schwabe,

N. NathansoD. Stellvertreter: Rechtsanw. Meyer, II. Conitzer. Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salinger, H. Liebcnthal,

L. Helft, G. Loewenthal, J. Friedländer, N. Warschauer,

P. Epstein, S. Spandau. Stellvertreter: Ph. Pintus, G. Loewenheim, Is. Loewenthal.

1905 Vorsteher: Ad. Schwabe, H. Conitzer, N. Nathanson. Stellvertreter: Rechtsanw. Meyer.

Repräsentanten: L. Gumpert, S. Salingcr, II. Licbenthal, L. Helft, G. Loewenthal, Is. Loewenthal, N. Warschauer, P. Epstein, S. Spandau.

Stellvertreter: Ph. Pintus, G. Loewenheim,

Register.

(U eb er Teil I— IV.j

in Brandenburg in Braunschweig

/ aron Benjamin Wolff, Rabbiner in Frankfurt a. 0. 79. 80.

Abraham, Jude in Brandenburg (1469) 29.

Abraham Isaac, Jude in Branden- burg (167Ö) 68.

Abraham Ries 69.

Abraham Scholim 102.

Akina, Jude (1497) 30.

Akiva, Jude (1500) 52.

Akyn 51.

Albrecht Achilles, Kurfürst 27.

Albrecht der Bär, Markgraf 3.

Altmark 4. Kl 46.

Amsterdam 72.

Angelus 49. 62.

Askanische Markgrafen 5.

Famberg 16.

Batt von Dunzenheim 56.

Beelitz 3. 82.

Beilin, Bürgermeister (1510) 40. 4B.

Bendix Fürst 81. 93.

Benjamin David 86. 86.

Benjamin Frankel 69.

Berend, Ezechiel 106.

Berlin 21. 39. 40. 48. 44. 46. 48.

53. 66. 68. 70. 77. 79. 81. Bernau 87. 40.

Bernstein, Itzig, Freiheitskämpfer

108. Bertram, Abraham Lazarus 107.

HO. 115. V. Betzschitz, Heinrich 37. 47. Bicsenthal 81. Bikkur cholim-Verein 95 f. Bittschrift der Neustadt Br. um Weg-

schaifung der Juden (1674) 70 f. St. Bückel 56.

Brandy, Abraham Isaak 107. Bratring 106. Braunschweig 51. 52. Brietzen (Treuenbrietzen) 82. Butzer, Martin 56.

( hajim, Gemeindebeamter (Jakob

Heineniann) 96. Chewra 97.

Christianus, Pfarrer in Br. (1322) 13. Cohn, Elkan, Gemeindebeamter 1 19. Cottbus 43. Craraer, Hirsch 113.

Favid Samuel 78 ff. 97.

Dietrich von Schulenburg, Bischof

von Brandenburg 21. Dietrich, Bürger in Zerbst 29. Domkapitel 12.

Izechiel, Joseph, Freiheitskämpfer 108.

'2-2\

JEzechiel Israel 83. 86. Eiaenstailt (57.

Feska, Forstmeister 94. Fleischer und Juden, Urkunde

über ihre Streitigkeiten 6tf. Frankfurt a. M. 65. Frankfurt a. 0. 68. 66. 70. 79. 80. Frauenbad, rituelles ll:{f. Freibeitskänipfcr aus Br. 108. Friedhof in Br. (14'.»0) '60. Friedrich HI. deutscher Kaiser 24. Friedrich 1., Kurfürst 23. Friedrich II., Kurfür.'it 24. 29. Friedlich HI., KurUnst 72. Friedrich von Flaue, Bischof von

Br. 12. Friedrich Sessehnann, Kanzler 29. Friedrich Wilhelm, der grosse

Kurfürst 6.'). 72. Friedrich Wilhelm I., König von

Preussen 91. Friedrich, der Grosse 99. 102. Friedrich Wilhelm IL, König von

Preussen 106. Friedrich Wilhelm III., König von

Preussen 107. Friesack 82.

Geiger 67.

Geldgeschäft der Juden in Br. (14. Jh.) 9.

Gerson, Itzig 112. 113.

Görne, Hof bei Br. 12.

Görzke 90.

Graetz 116.

v. d. Groeben, Lieutenant 91.

Guttmann, Simon, Gemeindebe- amter 116 f.

Hans Granseye, Bürger inZerbst29. Hauskavel, Konflikt über sie mit

der Stadt 110 f. Havelberg 16.

Ileinemann, Jakob, Gemeinde- beamter 114 f.

Heinrich, Jude in Br. (l:U6) 6.

Heinrich Bodendick, Bischof von Br. 21.

Heinrich von Herford 19.

v. Henneberg, Berthold 16.

Hieronymus, Bischof von Br. 37. 39. 63. 54 6-i, 69.

Hildesheimer, Moritz 113.

Hohenzollern 23. 26.

Holtze 42. 43. 46.

Hugo, Syndicus 100.

Jacob, Jude in Br. (1316) 6.

Jacob, Jude in Br. (1416) 22.

Jacob, Jude in Br. (1610) 39 ff.

Jacob Joseph 77.

Jacob Michel 94.

Jacobi, Jakob Aron 109. 113.

Jeremias Jakob 69.

Joachim L, Kurfürst 33. 34. 38.

41. 65. Joachim IL, Kurfürst 56 ff. Johann, Markgraf (1315) 6. Johann, Markgraf (USO) 23. 27. 33. Johann Georg, Kurfürst 60. Johann, König von Polen (1698) 72. Johannes von Tuchen, Bischof

von Br. 12. Jolenberg, Abraham Michael 119. Jolenberg, Michael 107. Jolenberg, Simon 107. Jorde, Jüdin in Br. (1416) 22. Josel von Rosheim 66. Joseph, Rabbiner in Osterburg

(1610) 39. 41. Joseph von Seehausen 46.

107. Joseph Lewin 102. Isaak, Jude in Br. (1610) 46. Isaak, Jude in Osterburg 41. Isaak, W^itwe 107.

'»:>

Isaak, Itzig Lewin, Freiheits- kämpfer lu8.

Isaak Lazarus 91. 94.

Itzig Hirsch Lazarus 107. 12U.

Israel Jacob Joseph 77 ff. 82. 86.

Israel Marcus öl.

Italien 66.

Jütel Sussmann 67 f.

Juda Michel 82. 85.

Judenberg bei Beelitz 3.

Juden Bürger in Br. (1316) 9.

Judenprivilegien werden ver- schenkt 91.

Judenstrasse in Br. (1490) 30.

Judenverfolgung von 1446 24 ff.

Judenzins 22.

Eapellenstrasse 55.

Karl V., Deutscher Kaiser 56.

Kaufmann, David 42.

Knack, Hof- und Kammerfiskal 99.

Knoblauch, Dorf 36.

König 67. 77.

Königsberg (Neumark) 18. 20.

Kohut 58.

Kopenhagen 116.

Krahmdiener 69.

Kriegskontribution (1809) lo7.

Küstrln 29.

Landälteste 80 f. Landsberg (Warthe) 66. Latzarus Hirsch, Gemeindebeamter

(1721) 84. Lazarus Isaac 95. 97. 100. 116. Leow, David, Freiheitskämpfer 107. Leow, Süssel, Freiheitskämpfer 107. Levin, Gemeindebeamter (1723) 84. Levin Abraham 91. Lewin Simon 97. Lippold 68. 60. Ludolph, Louis, Freiheitskämpfer

108.

Ludwig der Baier, deutscher

Kaiser 14. 59. Ludwig der Aeltere, Markgraf 15 ff. Ludwig der Römer, Markgraf 20 f. Luther 58.

Magdeburg 24. 83.

Marcus von Stendal (1510) 88. 40.

Marcus David 73.

Marcus Guthmann 72.

Marcus Jakob 76.

Marcus Magnus, Oberlandältester

in Berlin 81. Marcus Meyer 76. Marcus Samuel 81. Mecklenburg 33. Melanchthon, Philipp 56. Menachem ben Saruk 25. Meseritz 63.

Meyer, Jude in Br. (1416) 22 ff. Meyer, Jude in Osterburg (1610)

41. 52. Meyer, Carl, Dr. 120. Meyer, Joseph 107. Meyering, Moses 107. Michael Juda 68. Michel Chassid,RabbinerinBerlin79. MichelMonalt, Jude zuBr. (1610)46. Misshandlungen der Juden in Br.

(1673) 69. Mittelmark 46. 80. Moses, Jude in Br. (1492) 29. Münzvertrag zwischen Berlin und

Br. (1322) lOff.

Kathan, Jude in Br. (1497) 30. Nathan, Jude in Br. (1610) 40. 45. Nathan David 94. Nathanson, Joel, Freiheitskämpfer

108. Nauen 82.

Neumark 16 ff. 20. 23. 46. Nürnberger Memorbuch 21.

223

Opferpfennig, güldener 18.

Oaterburg 41 f.

Otto und Conrad, Markgrafen 4.

Paul Fromm 37. 89. 60.

Perleberg 16. 19.

Petschierstecher 120.

Pfandrecht 17.

Philipp, Benjamin, Gemeindebe- amter 116.

Philipp, Landgraf von Hessen 66.

Pintus, Benni 114.

Pintus Ezechiel 97.

Pintiis, Hirsch 107. 113.

Pintus, Moses 97. 107. 114.

Plaue 97.

Porzellanabnahme 100 tf.

Potsdam 66. 82. 102.

Priebatsch, Felix 47. 63.

Priegnitz 16. 46.

Pritzerbe 82.

Pritzwalk 16.

Privilegium de non evocando 17.

Privilegium Ludwigs des Aelteren 16.

Rathenow 70. 73. 82.

Ratsprotokollbuch der Altstadt (1490—97) 30.

Rebekka, Frau des Jütel Suss- mann 68.

Retzow, Hans, Bürgermeister 62.

Ricberus, Bischof in Br. 3.

Riedel 27.

Rother, Simon, Bürgermeister 69.

V. Ruppin, Jakob 61.

Salfeld 21.

Salomo, Jude in Spandau 38 ff. 63. Salomon Heller, Jude in Stendal 38. Samuel Nathan 102. Samuelsohn, Michael 107. 119. Samuelsohn, Simon Nathan 97. 107. 119.

Schillmann 66.

Schneider, L., Hofrat 49.

Schonebeck, Geheimrat 82. 86.

Schuldverschreibung von 1736, ihre Mortification 112.

Schwarzer Tod in Br. 19 f.

Schwerin (Warthe) 63.

Selig Salomon 87. 91. 93f. lUO.

Sellow, Salomon 91. 107. HO. 121.

Simon, Jude in Br. (1494) 30.

Simon Levin (1736) 91.

Simon, Lewin, Freiheitskämpfer 108.

Simson Jacob 83. 94.

Sloman, Rabbiner in Br. (1610) 38 ft'.

Smol, Jude in Br. (1610) 38 ff. 46.

Spandau 18. 38. 82.

Spanien 66.

Stefan Bodeker, Bischof in Br. 26.

Stendal 20. 24. 27. 29. 38.

Stendaler Judenordnung (1247) 4.

Sternberg 40.

Steuer der Br. Juden an den Pfarrer (1322) 13.

Storbeck, Ambrosius, Bürger- meister 62.

Strassburg (Elsass) 81.

Strassburg (Uckermark) 116.

Synagoge in Neustadt Br.(1322) 13,

Synagogenbau 97 ff.

Synagogengrundstück 109 ff.

Trittenheim 42. Türkei 66. Tykow 12.

Uckermark 46. 80. Urfehde 60.

Voigt, Daniel 98.

Voigt, Daniel Friedrich 109.

V. Waldbourg, General -Major 92. Waldemar, Markgraf 14.

•JJ4

Waldemar, der „falsche" 19.

Wibel 21.

^Vien 6ü.

Witteisbacher Markgrafen 5.

Wolf, Itzig, Freiheitskämpfer 108.

Wunderhlut zu Beelitz 3. Wysera (Weseram) 12.

Zerbst 29.

Ziegler, Oberbürgermeister 121.

Ziesar 76. 82. 9G.

Berichtlginigeii.

S. 39, Note, muss es statt Münden heissen: Minden.

S. 92, Note 5, muss es heissen: Acta al J Nr. 25.

S. 106, Text, letzte Zeile, muss es statt 1813 heissen: 1812.

S. 134, Zeile 18 von oben muss es statt 1850 heissen: 18^6.

Nachtrag-.

Die von mir auf Seite 52 Note 30 ausgesprochene Vermutung, dass der Uraunschweiger Akyn (Akiva) um 14'.)7 in Brandenburg gewoliut habe, ist nach einer fieundiichen Mitteilung des Herrn Landrabbiner Dr. I f- Braunschweig eine irrige. Der Braunschweiger Akiva stammte aus Helmstedt. Der in den märkischen Hostienschändungsprozess verwickelte Marcus von Stendal war ein Sohn und Bencdictus von Stendal ein Schwager Akivas. Beide zogen, wie Braunschweiger Ratsakten er- weisen, um 1506 infolge eines Prozesses mit dem Rate von Braunschweig nach Stendal zu ihrem Verderben!

Von demselben Verfasser erschienen;

Zoholo wciiiiiiuli. Sologesänge für den jüdischen Gottesdienst, liciim m.i^.

Das hermeuenlische Eleiiieut der biblisclieii Acceiituation. Ein Bei- trag zur Geschichte der hebräischen Siirache. Berlin 1893.

Der syuHgUi^iilu UeHniii? in seiner hiHtonscheii Liuwiclielung. Mit Rücksicht auf die Bedeutung des Judentums für die musikalische Kunst überhaupt dargestellt. Trier 1894.

Der Väter Sciiulü. (Pseudonym Arnold Mann). Erzählung aus der Gegen- wart. Berlin 1898.

Liebet eure Feinde I (Pseudonym Arnold Mann). Eine apologetische Erzählung. Frankfurt a. M. 19UÜ.

Hamattil*. Eine Sammlung von Predigten zeitgenössischer Kanzelredner. Berlin 1900.

Vogelfrei 1 Ein Blick auf das erste Jahr des zwanzigsten Jahrhunderts. Brandenburg a. II. 1901.

Judenlum und Christentum. Leipzig 1903.

In meinem Verlag sind bisher folg^ende Werke erschienen :

1. Frankfiirtor, Dr. S:Uomon. Mose ben Maiimmis Mischna-Kommentar zum Traktat Kethuboth. (Abschnitt I u. II). Arabischer Urtext auf Grund von 2 Handschriften zum ersten Male herausgeg. mit verbesserter bebr. Übersetzung des Jacob ihn Abbasi, Einleitung, deutscher Ueber- setzung, nebst kritischen und erl. Anmerkungen. 1903. 2,

2. Fraiikfartcr, Dr. Moritz, Dasselbe, Abschnitt III, IV und V. 1903. 2,— ;^. Frendmann, Dr. G., VI, VII. VIII. 1905. 2,— 4. Foiiorrlng, Dr. IX b. Schluss i. Vorher. 2, f). HnnoTor, Dr. S., Das Festgesetz der Samaritaner nach Ibrählm iba

Jaki'ib. (Edition u. dtach. Übers, sein. Komment, z. Levit. 23). 1904. 2,60

6. Rothschild, Dr. LooD', Die Judengemeinden in Mainz, Speier und Worms vom Jahre 1340— 1438. 1904.

7. Roseiiwasspr, Dr. E.. Der K-xikal. Stoff der Königsbücher unter IJ' rücksichtigiing der Varianten, alphab. dargest. ca. ■>,—

8. Nathan, Dr. N. M., Ein anonymes Wörterbuch zur Miäna und Jad hachazaka. 1905. 2,50

9. Schreier, Dr. Bernh., Saadja Al-fajjümi's, arabische Psalmenüber- setzung und Kommentar (Psalm 26 150). 1904. 2,50

10. Berliner Prof. A., Zur Lehr und zur Wehr. Über und gegen die kirchl. Orgel im jüd. Gottesdienste. 1904. ,60

11. HoiTmnnn, Dr. D., Die wichtigsten Instanzen gegen die Graf- Wellhauscnsche Hypothese. Heft I. 1904. :^,—

12. Kaaiz, Dr. S., Das Wesen des jüdischen Religionsunterrichts, i. i. —.76

13. Die israelitische Synagogengemeinde (Adass Jisroel) zu Berlin. Ein Rückblick. 1904. —,60

14. Bosenzweig, Dr. A., Kohelets Welt- und Lebensanschauung ; Schmini- Azereth-Predigt 5664. 1903. —,50

15. Schireriner, Arthnr, Der gute Ton im Hause Hillels, Lustspif'l für Chanuka-, Purim-, Litcraturvereins- und Ilochzeitzfestlichkeiten. 190ö. ,60

16. Back, Dr. Leo, Das Wesen des Judentums. 1905. 2,

17. Gitelgohn, Dr. S., Civilgesetze der Karäer von Samuel al-Magrebi.

1905. 2,—

18. Pinkas, Dr. Felix, Studien zur Wirtschaftsstellung der Juden. 19)5. 1,—

19. Moses Hess, Gesammelte jüd. Schriften, herausgeg. von Dr. Theodor Zlocisti. 1905. 3,50

20. Marens Ahron, Barsilai, Wurzelwörterbuch. 1905. 10,

21. Kalischer, Hirsch, Drischath Zion oder Zions Wiederherstellung. Deutsch von Dr. Poper. 1905. 2,50

22. Ackermann, Dr. A., Geschichte der Juden in Brandenburg. 4,

23. Biherfeld, Dr. E., Die Pharmakologie des Tobias Hakoker Rofeh.

(im Druck) 1,50

24. Auerbach, Dr. M., Wörterbuch zur Mechilta d. R. Ismael (Buchst, k) nebst Einleitg. ca. 2.50

Louis Lamm

VerlagTSbuchhandlungf BERLLN C. 2, Neue Friedrichstr. 61-63.

A 000 048 573 0

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