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Setfaffer unb Sßerleger l^el^alten fld^ bad Hled^t ber Ueberfe^ung

in frembe Qpxa^en t}ox.

2[lS id^ bie borliegeube ©d^rift auiSjuarbciten Begann, war c^ nur meine Slbfid^t, eine fritifd^e ©arjleffung beiJ Seben« ber grau be la 3Wot^e=®u9on ju liefern, ttja§ mid^ jebod^ fofort in ben großen Stampf jtoifd^en Soffuet unb genelon, alfo in allgemeinere SBer^ältniffe l^inein^ fül^rte. ®abei [teilten fid^ nun toon üornl^erein bie erl^eblic^jien ©^toierigfeiten ^erau^, namentlid^ in bem fd^roffen ©egenfa^ ber Sluffaffung unb ©arfiellung berfelben ©reigniffe, ber jn^ifc^en ber ©el6ftbiogra))l^ie ber grau t). ®u^on unb ben ©dbriften genelon*« einerfeitS unb ben ©dbriften 5pi^elij3eauE*S unb Soffuef^ anbrerfeiti^ borlag. 3"^ unbefangenen unb correcten Seurtl^eilung biefe^ ®egen- fafee^ unb gur fritifd^en ©id^tung be^ gunftd^ji borliegenben SKateriate mu^te id^ bal^er nod^ Leiter gelten, mußte bie jur Sluf Rettung jene^ S^l^eitö ber fatl^olifd^en Äird^engefd^id^te überl^au})t bienlic^en Ouellen ermitteln unb ausbeuten, fo toeit fie nur aufzutreiben n^aren.

hierbei becfte fid^ mir nun aUmdl^lid^ ber eigentliche l^iftorifd^e 3ufammenl^ang auf, in n^eld^en ba^ 2tbm ber grau b. ®u^on unb genelon'^ gel^örte. Qd^ fal^ })löfelic^ bor meinem überrafc^ten Sluge eine berfunfene unb fafi bergeffene geijlige 2Belt erfc^einen, beren miffenfd^aftlid^e ©arfiellung nunmel^r meine 3lufgabe toarb.

®ie (Ermittelung ber l^ierju erforberlid^en Siteratur loftete freiließ biele SWül^e. ©ine große Stnjal^l bon Sibliot^elen ©eutfd^lanb« unb beg Sluölanbe^ mußte be^falliJ burd^fud^t toerben. S)oc^ ru^te ic^ nic^t, biÄ ba^ ©anje im gefd^loffenen Suf^tumenl^ange bor mir jlanb* alle sur Siteratur ber quietiftifc^en aW^ftif gehörigen ©c^riften, n^eld^e ic^ fo glüct'Uc^ Wdx in Originalausgaben ju ermitteln, l^abe ic^ auc^

IV

na6) biefen (nic^t nac^ Ucbcrfe|ungen) bmu^t. 2lu^ benfclben l^abe id^ möglid^ft \>kU 2lu§jüge tnitget^eilt, md;t nur um meine Serid^t? erftattung ju begrünben, fonbem auä) um bie fo feiten gett)orbene Siteratur einigermaßen gu erfe|en. S)abei ifl bie Drt^ogra^)l^ie ber QueHenfci^riften (jeboc^ nic^t in flrengfier ßonfcquenj) im Slffgemeinen {an^ begüglic^ ber 2lccentuirung) uni^erÄnbert betbel^alten toorben,

3)er Umftanb, baß biefe einjl fo reid^e unb blül^enbe Siteratur ber quietiftifteen 3K^ftiI burc^ bie Snqmfition, bie Sifc^öfe unb bie Sefuiten faft\ug ber SBelt gefd^afft ifl, mad^t e8 erllärlid^, baß einerfeitö bie Äunbe bon ber ©efd^id^te unb Sebeutung, toel^e bie- felbe in ber fat^olifqien Äird^e gel^abt f}at, gerabeju erlof^en ift, unb baß anbrerfeitö ba§ SSerfiftnbniß beS aBefeniS biefer aR^flil pd^ ganj t)erbunfelt ^at.

3n Ie|terer Sejiel^ung ^at fid^ feit geraumer Qdt bie irrige SReinung feftgefefet, baß ber (romanifd^e) Duieti^muiJ mit bem (gried^ifd^en) ipef^d^aömu^ ibentifd^ fei. Seibe aber pnb grunb^ berfd^iebene ^^änomene.*) 3n erfterer Sejiel^ung iji ju bead^ten, baß ftd^ bie neuere ©efd^id^tSfd^reibung faft nur mit bem fieben ber grau t). ©u^on unb aud^ mit biefem nur fel^r oberfläd^lid^ befd^äftigt ^at. 5)ie t)oIIfiänbigfte Bearbeitung ber Seben^gcfc^ic^te biefer 3)ame unb ber jn^ifd^en Soffuet unb genelon borgefommenen Gontrotoerfe ^at JRfidgaber unter bem Xitd: „®er Üuieti«mu§ in granfreid^" in ber 5Cübinger t^eologifd^en üuartalfc^rift (1856, ©. 241 ff. u. 593 ff.) geliefert. ®iefe Slrbeit ifl inbeffen barum ungenügenb, toeil ber SBerf.

*) SR^fttfdJc ®rfdjeiniinöen, toeld^e mit bem DuietiSmuS beg 17. gal^rl^uttbet« \>te06)tn toerben tonnen, finben fid^ aUerbingd aud^ in ber älteren gried^ifii^en ^irci^e ^ox ; aber bie äßur^el beiS ^ef^d^aSmug l^aben toir nid^t in biefen, f onbern in ber orientatifd^en ^orfteUung i)on bem SSerl^dltnif; @otteiS }ur 98eU 5u er^ !ennen. 2)er Orientalidmud leugnete, ba^ bie SBelt, ba^ ber 3Renfd^ ftd^ mit ©Ott unmittelbar berül^ren fi^nnte; aber bie SR^fti! tooUte boc^ innere Stnnal^erung an ©Ott. 2)al^er reben fd^on ^feubo - ^ion^fiuiS, SCreo^jagita, 3RaTcmu^ u. SC. bon einem ^eUbunfel, einem tounberbaren £i(^te, in toelc^ed S^erjenige eintrete, bet )ur inneren ^nn&l^erung an ®ott gelange, ^ernad^ begann man Don biefem Sid^te in bem @inne 5u teben, ba^ ed eben bad Drgan fei, burd^ toeld^e^ fid^ ®ott mit ber SBelt berül^re; unb f^)&ter begannen bie SKönd^e auf bem Serge Sltl^oiS über Wtxüü unb SBege nad^a^rtnnen, toie ber SRenfd^ in ben »eft^^ biefe« 05tt(id^en £id^ted fommen fönnte. 2)iefeS ift bie SBur^el bed ^efi^d^admud.

in ermangelung be^ nötJ^igm ÜucHcnmateriatö eine lüirllid^ fritifd^e Searbcitung bcö xf)m borliegenben ©toffe^ gar nid^t liefern fonnte. SIU bag Sefte, toa^ bi^iftx gur ®ef(^i*te be« iQuieti^mu^ geliefert toar, mu6 bie barauf bejüglic^e Slbl^anblung be^ S^übinger 5ßrofeffor« a^x. eb. SBeifemann (fie^e unten©. 500) geril^mt lüerben. Seiber ifl biefelbe aber ttjenig bead^tet lüorben.

S)ag Sn^alt^ijerjeid^nife ber ^jorliegenben ©c^rift jeigt ei^, bafe cg ein gute« ©tüd ber Äird^engefd^id^te ift, meiere« l^ier jum erjien 9ÄaIe im Qxi^ammmf)anQt bargefiellt toirb unb an^ ttjelc^em bie ©egentoart allerlei lernen fann. ©onnen^ell tritt au« ber Oefc^id^te be« Ouieti^mu« bie X^atfad^e l^ert)or, ba§ biefelbe SReligiofität toon ber l^ierard^ifc^en älutorität ber fat^olifc^en Äirc^e, t)on ben 33ifd^öfen, t>on ber ^^quifition unb Don bem Sßap^t über ein Sa^rl^unbert l^inau« fanctionirt, ge!|)Pegt unb Vertreten Sorben ift, bie l^ernac^ ton iffx t>erflud^t unb gertreten lüurbe. ®ie ^ierard^ie, bie Snquifition, bie angeblid^ infaHibele 3lutorität ber fat^olifd^en flird^e l^at fid^ felbfl in« SKngefi^t gef^Iagen. Ignbem fie^biefe« t^at, beging fie gugleid^ ben fd^merften grebel an ^cmn, n)eld^e bor^er wn if)x gefegnet, beren SBorläufer bon i^r feiig unb l^eilig gefprod^en lüaren. SWolino«, grau t). ®u^on, ber eble Sacombe unb Stnbere finb mit falter ®rau= famleit geo^jfert Sorben, tt)eil ber ©igeniüiffe be« ©elbfi^errfd^er« auf bem franjöfifd^en Jlönig«tl^ron unb ber ®igennu| einzelner ^ierard^en tjerlangte. Ueber^au^t treten l^ier in bem gel^eimen 2;reiben ber ^ierard^ie, in ber fd)lt)eigfamen 2lbgefd^Ioffen^eit ber Älöfier ®inge l^erbor, bie jum Fimmel hinauf fd^reien.

S)ie aber, lüel^e gegenwärtig angeblid^ um i^rer fird^Iid^en 5pfKd^t unb um be« ©eiuiffen« mitten bem Äaifer ni^t geben motten, loa« be« Äaifer« ift, bie mögen feigen, ma« 2lffe« ber ®i)i«co^at einft um feine« 9lu|en« mitten o^ne atte ®ett)iffen«befd^merbe bem öierje^nten 2ubmig gegeben ^at!

3n4alt^)ier$ttM.

k

6€ite

§* Sie @tttfte$ttng unb Stt^Bilbung bet (luietiftif^ett

aR9fti( in Cpanien tod^tenb bed 16« 3a$t$ttttbectt« 1— 42

^ie aR^fti! bed 3RitteIaUet$. $eirud loon Elcantara.

Dfuna. 2Jetefa öon 3^fw3* S)ie tjerepanifd^c jlloftertefomt. 3o^<^nned Dom ^reu^e. £uiiS be Seott

gol^ann bon Slöila. 2ui8 bc ®ranaba. ®^egot Sot)e3. (El^atalter bed f))anifcl^en Duietii^mud.

§« 2. Srtatt) t>. Cale^ unb Sftau ^* S^atttal * « « . 43— 58

IDet Drben jur ^eimfud^ung bet 1^. äRaria. §« 9. Xitöbtettung be^ dttietUntud in bet fat^olif^en

Jlft^e um bie SRitte bed 17. ^ai^^unbetM . . 58—110

2)ie alte 9R^fti! (Sacob ^lt)are) be $a}, m))l^ond Htobri^ fiueg, 3ol^, 3o^t>^ ©urin, (Eonftantin be »arbanfon, 3«>' l^anneg »ona, ^etru« a SRatte .S)ei, 3«>5Änne8 a 3«fw SRaria). iDie quietiftif djen 3R^ftif er : 3ol^anne8 ^aU coni. SÄalabaL ©t ©amfon« Senebilt ©anfelb. Fr^re Laurent. Serni^reÄ ^ Souöign^. ^tan ^aps tift be gHentJ?. ^lifabetl^ »aiUoxi. Tlavxa öon ber BRenfd^tDetbung. 2)ie „gute Slrmette", 3ol^anna SRaria öon ©ambr^. Sictor ®eUn in Xrier. Sllls gemeinet (S^ffaxatUx bet quietiftif^en SR^fiü. §. SRi^ael be aRolittod in «om 110—135

2)et Guida spirituale unb beffen 3nl^alt. a)et 3efttit Segneti, bet etfte Segnet bed Duieti^mud.

vin

Seite

§. 4. !pietto SWattee «pettucci, »if^of i>. 3efl . . . 135—144 IDie ©d^rift: La contemplazione mistica acqulstata. Oeffenttid^e S(ner!ennung bed Quietidmuil burd^ bie cömifd^e Snquifition.

Bnrrif« Ulrfdjttiff : 1IIä0 €thm Jrer iFrÄ« tr. (0itijott

itt bw Wmtft StnU ♦♦♦♦♦♦♦ us-iso

§• 1* iDttö 3u8ettble6crt bet Sftrtu ti. ©ut^ott . . 145—153

©cburt ju HRontargiS. ©rjiel^ung bc8 ÄinbeS in 5^röftern unb im äUerlidjicn ©aufc. @rfte religiöfe (Snts h>i(felung bed JlinbeiS.

§* 2. »a$ geben in bet &^t . . . , . \ . . . 153—173 Äranfl^eit unb Unglüdf in bcr ®l^e. %o\> ber HRutter. aWannigfad^c quictiftifd^srrftgiiJte Slnregung. Stufcnts l^alt 5U $arid unb auf bem Sanbe. @rfte Serül^rung mit SacomBe. 3Jl6re ©ronger. Slttmäl^Iid^e SluSbils bung bc8 DuictiSmuS in Srau ö. @u^on. ©celenfämMe berfelben. ©l^ebunb mit bem 3efu8!inb. %ob bc8 §errn to. ©u^on.

§♦ 8* ©ie etftett Salute be« »ittttenftattbe« , * . 174—177

gortbaucmbc Ääm^)fe im §auS unb in ber @eele. ^roteftantifd^e ^ntoanblung ber festeren. §« fjftau ^. ®tt9on entfci^neft {{<$ nacil ®ettf u(etBtt>

fiebettt , . . 177—180

Iriffer HftfdrniH: €thm nnb Hirfem Irn: Stau

V. ($Mpn iB SÄffflijra Mair £fti>franlirMt^ isi— 242

§. 1 ©te ©iicefe ©enf unb bet »if^of ©'«tattt^on . 181—184 §. ©ie 9teu(at$onf{ttnen$dttfet in ^tantrei^ uttb bie

©felnng bet gftau ö» ®u))Ott au benfelben * . 184—193

§. 8. UeBetffeberuttö ber gftau t>. ®. in bie »ioeefe ©enf. 193—195

i 4. afctttt 0* ®. im »eufatJoKKttttenJattfe ®ejc . . 195—200

beginn il^red S3er!el^rd mit bem ä3arnabitent)ater Sa- combe. 3ntriguen unb ajerbred^en in bem Sfleulatljos Ii{innenl^aufe 5u ©es. §♦ 6; afttttt ö. ®u9on unb 2ttconi6e au S^onon . * 209 214 a)a8 Urfulinerinnenflofter ju ^l^onon. 2)ie erften SSerbäd^tigungen ber ^^rau b. ©u^on. §« 6. negitttt bet 0($tiff{iel[etif4ien S^dtiftleit bet fftan

ö- ®tt^>ott 214—218

Slbfaffung ber 6d^rift: Les torrens. ^l^antaftifd^e @r»

SBerceffl üBer.

IX

Seite

§• 7. tteBetpeberüttg bet gtau t>r tSuyon na$ SCutltt 218—224

a)4c aRfttqutfe i). ^runai?. Sacombe ftcl^t ftdj »an SSerbad^tiguttöen Bebro^t. ßacombc tjeranla^t grau ö. ®u^0n a^uritt ju ücrlaffen.

§. 8. etfclge bet gttttt t>» ©tti^ott git ©tetioble . . . 224—227

9»affenl^after SCnl^ang ber grau b. ©u^on bafelBft. a^Bfaffuttg il^rer erftcn ©ontmentare jur 1^. «Sdjrift. §ers ausgäbe bcr ©d^tift Moyen court.

§. 9. gfttttt ö* ©w^ojt 3tt SWatfeitte «nb SSetcelTi . . . 227—242

SSergeblid^e SBetnül^ungcn bcr grau ö. ®u^on, in ber ^ih ccfc ®enf ein 2)omicil ju getüinnen. 2lnfeinbungen )u SRarfeitte. SBebenflid^e Sleifeabentcuer jur ©ee unb in ben 2llj)en. Begegnung ntit Sacombe gu SBercetti. 2)er 83ifd^of ö. SSerceßi tritt grau b. @u^on an feine 2)iöcefe feffeln. Sacombe h)irb in baS ©arnabitcnllofter iu ^ari^ öerfe^t grau ö. ©u^on reift mit Sacombe nadj ?Pari§ ab.

HFierln: ^ftft^nili: Ikix^lii^e Supirk unlr ÜFer-

feffrattTKiliri! in Mnkxti^ «nir ju tom . 243—282

§. L Sie fat^olif^e Stit^t %tmftti^^ pt Seit Sub*

n)tg§ XIV 243—269

2)ie Qefuiten, bic Kongregation öon ©t. ©uH)ice unb bie ganfeniften. a3offuet, ©obetsbeSsHRaraiS unb genelon. Sublioig XIV. unb Qnnojenj XL S)er ©aUicaniSmuS ber "fatl^olifd^en Äird^e gran!reid^8« Slufl^ebung be8 ®bi!te§ bon ^RanteS. 2)ie 3Karquife b. 3Jlonte8J)an unb grau k). 2Raintenon. 2)a8 2)amenftift gu ©t. ©^r.

§• 8. ©ie »etutt^eilung be« SWi^ael be SWoIlttoß . . 260-272

2)ie SRotiüe unb ba§ S3erfa]|ren ber Sefuüen. 2)ie SBerljiaftung be« 3JloIinog Slllgemeine 3Ka^nal^men ber gnquifttion gegen ben Üuieti^mug in Stauen. S)ie SSoSs l^eiten ber Snquifition. Deffentlid^er 2l!t ber SSerurtl^ei-- lung beS 2Rorino8. ^ob beff elben.

§• 8* ©ie tion bet tottiifdpen 3n<|uifltlott t>ettttt:^eirtett 68 ^o))o{{tionen bet i^uietiftifil^en SRpfUf unb bie Set« tttt^eltttttö spettttcciö 272—282

2)ie ©elbftöerpi^nung ber fird^lid&cn SCutorität. ßügen ber Qnquifition.

Iß&m itt ^en la^xtn 1686— 1696 . . 283-377

§« Set ^atet SacomBe su 9atU uttb beffett Setpaftuttg* 283—299

^ie ^üde bed 8ama(iieiu@u))ertord be la SRotl^e. Sntriguen gegen ßacomBe. 3)et SanbfdSriftenfalfdJer. SRad^inationen be (a SRotl^e'd gegen bie ©d^toefter unb gegen Äacombe. 83erl^aftung Sacombe'«. §« &k etfte (Sinfetfetung Ut 9tau ^. (9u9on . . 299—305 ÄlerilaCe 93err&umbung berfelben. Deffentlid^e »er^ urtl^eilung il^rer ©d^riften burd^ ben Sifd^of öon ®enf. SJerbäd^tigung ber grau D. (Su^on bei bem Äönig. Slb^ fül^rung berfelben in baiS ^(ofter äRariä^ipeimfucl^ung.

§« Sie Sude bet etsBif^ofTid^en ^nqui^tion au ^atU. ®nbn<$e fBefteiung bet 9tau ti* Ou^on aud bet ÄIoftetBaft .• . . 305—322

§« gftau ti. 0u9ott uittet bem 0$tt(^e bet 9tatt o. 9Ka{n>

tetiott ; . 322—324

§* Keue 8Setbä4lt{dttngett bet Sftau ii* Su^on fBtu#

bet Srtatt t»« Staintettott mit i^t 324 331

2)er »iWof t>. ©l^artre« im 2)amenfttft ju ©t. ®i?r

'; gegen bie grau t). ®tt^on. genelon für biefelbe.

grau t>. SRaintenon giel^t geiftUd^e Slutoritäten ju Statine.

Sleue Sntriguen gegen grau t». ®u^on 2)ie t&ift\tU

^afie (Sc^toefter 9lDfa au $ari9.

§. 6. Vx^tB «ttftteten bed fBif#of9 »offuet in «a^en

bet 9tau t>. ®tt90tt unb bed JQuiefUmud « . . 331—341 2)er §eraog t>, ©^ebreufe. ©onferena öoffuet'g mit

Srau t). ®u^on. 2)er ©egenfa^ beiber. grau b.

©u^on bertangt Unterfud^ung il^red SBanbeliS. §« 7. Sftau ^. aSaitttenon fu$t bie quieti{Kf#e 9tage aut

<Etlebi(|ttnd iu Btittgen 341 349

Stau b. 3Raintenon bie etflärte ©egnerin ber Srau ^.

®ut)on, »rief ber Srau b. Ou^on an bie »ifd^öfe bon

aWeauj unb ©l^alonS unb an ben 3lbb6 ^ronfon. 83or«

bereitung ber ©onferenaen bon 3ff^. §« a V»frn#e$ auftreten bed ®tBif4of9 «atla^ ^on

Vati« 349—350

§. ». Sie Bif^oftic^ett eonfetenaen 3ff9 «... 350—351 §« 10. Sufent^aU bet 9tau Ou^on im 9Ratiettf(oftet

au 9Keau^ ffttut JBetbä^tigungen betfelBen . 352— 366L §« 11* Sie fBet$ei(iottttd be« StaBif^ofd Sfettelon an ben fBet-

^anblungen au Sff^ unb bie 84 Vttifel 90tt 31f9 . 356— 36(K

XI

eeite

§* 12. fBoffuet'9 to$e Stif^anblung bet gftau ii. Oiti^on im

Mlefttt 3tt 9Keatt)r 360 364

§« IS. Sntlptonifation bed <Sfts6{f#of^ Sfenelon d. Cram(ta9 364—865

§. 14. Boffuef 9 amtn^e Snetfennitng bet atet^tdtduBigfeit ttttb 9Kota[{tdt bet Sftau n. ®tt)|ott. S^aug bet

testeten nott 9Keait]c 366 368

§. 15. fBoffuet tetfdSt mit ^tntlon unb (eiDttlt bed^aU

bie a^ettnalige Set^aftuttg bet 9t^au n. ®u9on . 368--377

in ^tt kal^oliföftn fiirdre 378-448

§. 1. Set Stampf bet Bif^ofe Soffuet unb Sf^neron am

*ofe BU *atW ! . . . . 378—386

genelon'S Sinologie ber grau ö. ®u^on. Soffuet brängt auf öffentUd^e ^erurti^eiCung betfelben. S)er @t)s Bif(i$of 9loaiUeiS unb beffen %J)toloQtn (tUigen bad ^Ranva fcri))t ber äRasinten ber ^eiligen.

§. 2. 9ene(on'd Sc^tift: ,,9ud(egung bet ÜRajtfmen bet

ffeitiflen übet ba« innere 8e6en" 386—396

§. 8. eitetdrif^et £am)rf Soffuef« mit 9ene(on . . . 396—410 Soffuet'd 9Rac^inationen bei bem Jtönig. 2)er ^önig erflärt ftd^ gegen 55enelon. Sojfuet'iJ ©d^rift: Instruc- tion Bur les ^tats d'oraison. Soffuet'd Sntriguen gegen genelon. genelon legt Berufung an ben ^a^)ft ein. (Eonferengen ber 93if(i^öfe t)on ^axii, (S^ffalm^ unb SReaus über generon'8 ^^aRajimen". ©c^riftentoedjfel 8offuet'« unb genelon'i^.

§. 4. fBoffuet'd Sta^inationen in 9lom unb (ei 9^m 0. 9Kaintenon. SBfu^tung bet 9xau t^. ©uyon in bie IBafHSe. Zob bed ^atetd Saeombe. 9etnetet 0($tiftennie$fel fBoffuef« unb gfenelon'^. 410—427

§. 5. »ie »etuttjeirung bet „a»tt;rfmen bet «eiligen'' . 427—435 S5te ©timmen ber (SarbinWe fmb get^eilt. 25er ^a^)ft fud^t bie Serurtljeitung abjutoenben. fiubtotg XIV. fors bert bicfelbe gebieterifc^. aSermittelungSöorfci^läge ber (Sarbinäle. 2)ro]^cnbe« 2luftreten Subtoig'3 XIV. gegen ben $a^ft. ©nblid^e Serurtl^eilung bei» IBud^eiS.

§. 6. »offuefd eteSung sum tttt^eir be« ^ap^t^ unb

genelon'd »ibettuf 436—441

§. 1. entlaffung bet %tm ^. Quyon m^ bet fBafKKe.

Xob betreiben 441—443

xn

(Seite

§. 8. Sad (Stlii^tn bet (fttUtiftif^en Vtf^l in hu

fat^olif^en Mix^t 443—448

S'leiljfenfolQe bev ürd^Iid^en Slnatl^emen gegen ben Üule^ tiSmuS. (Sleid^jeittgc ürd^üd^e 2l^)[)robation ber ©d^riften eine« quietiftijd^cn 3R^fti!er8. Se^te 3utfwn0en bc8 Cluies tiSmuS in St^l^i^«» ■— Slntonio Slrbiors Libro de los desengaüos Mysticos unb Mystica fundamental. ^l^e« a^eauc'd ©efd^id^te bed ÜuietiiSntuiS.

SiehttAtt ^bfr^nüi: Wu Si^riffra unlr Celjwtt irer

flM V. ($ttIJ0tt . . 449—489

§. 1. ©le ©Stiften bet ^tm ö. ®U90tt 449—453

§. 2. Sie it^u bet Stau o. @u9on iion bet Sollfommen-

^elt be$ ^tijin^en geSettS 453-480

§. 3. ©ie Siegel bet ^ottgtegation ber As80Gi6s ä renfance

de Jesus 480—482

§ 4. Sie SteEttttg bed Duiettörnud (bet 9tau t). iSu^on)

)unt ^at^oCiaidmud unb junt t^toteftanttörnu^ . . 483—489

tvant^tiifäfm üxtä^e 490—521

§• 1. SDie pietiftif^eit itnb m^fHf^en 0e)iatat{onen im

Sttfange beö a^tjejnteit Stt^tjunbettfi 490 506

SababiSmuS unb ^ieti^mu«. SBil^erm ©c^ortingl^uig.

©e^aratiftif^e 3JJ^ftiI. 2)ie Snf^irirten. SHe 3Jlar= bürget S3ibeL 2)ic ^)]^ilabelj)]^ifc§en ©cmeinben. ?ßro: teftantifdje Duietiften. ^oiret. ^erftcegen. S)ie SBerleburger a3ibei;

§. 2. ©et e^etiariet ©Jatte^ ^ecfot ®f.®eotöe be SRatfa^ 506—512 ^ie quietiftifd^e .3Ä^ftiI im Sßitgenfteiner Sanb. - Sßeitete jBerbteitung berfelben in 2)eutfc§lanb.

§. 8. ©a^ Snbe bed duietidmuB in ©eutf^Ianb unb bet

«^wei§ 512—521

§err b. greifd^bein alS ©rogmciftet beS DtbenS ber grau b. ®u^on in $i?rmont. S)ie ©elte ber duietiften in ^eutf(i^(anb unb ber ©(i^toei). S)utoit ^u Saufanne.

grau bon Ärilbener. -- S)ie SBilbenf^Judjfer ©reueL ^ie legten Slefte bed Üuieii^mud in ber ©egentoart

©rfter %mm.

§. 1.

Sie @ntfteipttnd unb Stu^Birbung bet (^uietiftif^en SR^ftif in S^^anien

koa^tenb bed fec^d^e^ttfen Sa^t^unbettS*

3)ic fatl^oKfd^e Äird^c grünbet il^re älutorttät auf ba§ 2)ogma, ba^ Gl^riftuS, ef)e er 3um«§immcl entrüdt warb, eine ^icrard^ic gcorbnct unb in beten $anb alle feine ©nabengüter ntebergelegt l^aBe, foba^ btefe nun 3ur Sereitung unb ©penbung aUer ®aben be§ feiles gßttlid^e SSottmad^t unb (Seroalt befi^e. Snbem fxä) ballet bie fatl^olifd^e Ätrd^e al§ eine ntittlerifd^e 5Kad^t aufgetid^tet l^at, roeld^e 3h)ifd^en ben ©laubigen unb ©Ott ftel^t, unb roeld^e forbert, ba^ ba§ Sluge beS ©laubenS unmittelbar unb junäd^ft (nid^t auf ©Ott, fonbern) auf fie felbft gerid^tet fei, unb toeld^e lel^tt, ba^ ber ßl^rift oon ben §eilgfd^ä^en ©otteS nur baS ge« roinnen lönne, roa§ eben fie il^m gebe, fo ift baburd^ ©Ott für ba§ latJ^os^ lifd^e ©laubenSBerou^tfein fo jenfeitig geroorben, ba^ ftd§ ber ßl^rift einer unmittelbaren ©emeinfd^aft mit ©Ott nid^t getröften lann.

S)as arme SKenfd^enl^ers bebarf aber gerabe barum be§ 3^rofte3 ber Steltgion, ioeil ftd^ baju angelegt fül^It, ©Ott felbft 5U l^abenunbmit ©Ott in perfönlid^em SBcrlel^r ju leben. ®in femer, jenfeitiger ©ott, ber burd^ eine anbere, frembe §anb feine ©aben fpenbet, ift unb bleibt il^m immer ein frember ©ott, auf ben nimmer feine ooHe ßuoerftd^t fe^en, in toeld^em nimmer ioal^re 9lul^e unb toal^ren Stieben "^ahen lann.

®arum l^at aud^ ber ßrlöfer ben ©einen ben S^roft gegeben (3ol§. 3, 27), ba^ fie il^n toirllid^ Ijaben, unb in ^f)m leben follen, toie bte Siebe m^ bem SBeinftod! il^r Seben ^^t (Sol^. 15, 1) unb barum fonnte ber 2lpofteI freubig belennen (©al. 2, 20) „id^ lebe, bod^ nid^t id^, fonbern ßl^riftuS lebt in mir."

^tifipt, 3Ri?fti«. 1

2

^nbem bälget ba§ (Soan^elium ixbtxaU, wo geprebtgt unb geglaubt wirb, in ben ^crjcn ntd^t nur ba§ Verlangen unb btc Hoffnung perfön- lid^cr (Semetnfd^aft unb eines perfönlid^en inneren Sefi|e§ ®otte§ in ßl^rifto xoaä) ruft, fonbem aud^ bie feligfte Sefriebigung biefeg SSerlangenö getoäl^rt, fo begreift fid^, ba^ auf fat^olifd^^fird^Kci^em (Sebiet bas gläubige §erj, toenn bie Äraft unb SBal^rl^eit be§ SoangeliumS voitt- Ixä) empfunben l^at, bie il^m feitenS ber Äird^e bereiteten l^ierard^ifd^en Hemmungen unb ©d^ranlen ju üBertoinben unb 3U unmittelbarer ©emein- fd^aft mit ®ott, 3U ©Ott felbft l^inan 3U Iommen.tr ad^tet, inbem eS ba- burd^ allein fein tjotteö unb fidleres ©enügen fmbet.

3n ber reformatorifd^enl.Setoegung beö fed^^sel^nten Sal^rl^unbertS fteKte fid^ biefe 5C§atfad^e in ber SBeife bar, bafe ba§ Verlangen nad§ perfönlid^er ©emeinfd^aft mit ©ott in ßl^rifto in ben SSer^ei^ungen beä SoangeliumS, in bem ©lauben an bie üon ßl^rifto bereitete unb t)on ©ott jebem ©laubenben gefd^enfte ©ered^tigleit feinen ba§ ganje eoangelifd^e ©laubengbettju^tfein bel^errfd^enben 3Kittelpunft erl^ielt. SDie perfönlid^e ©rgreifung ©otteä hjar l^ier hjefentlid^ perfi5nlid^'freie Slneignung be§ von ©Ott in ßl^rifto bereiteten objectioen §eile§.

^ber aud^ bie SDl^ftil be§ 3)ttttelalter§ berul^te auf jenem unab« tüeisbaren 2)range beö eoangelifd^ * angeregten ^erjenS. 3lud^ fie toottte ben SBeg innerlid^er Sinigung ber gläubigen SOleufd^enfeele mit ber ^Perfon ©l^rifti, mit ©ott burd^ bie Siebe, treidle in aUe SBal^rl^eit unb ©ered^tigfeit fül)re, aufbedEen, toobei fie fid^ jene ®inigung in i^rer i^öd^ften SSoHenbung al§ eine SSermäl^Iung unb Serfd^meljung ber ©eele mit Kl^riftuS, al§ eine ©rgie^ung beS ©eifteS ©otteS in bie gläubige ©eele badete, toeld^e ju einer üoHftänbigen ©rgie^ung biefer in bie feiigen 3^iefen ber ©ottl^eit fü^re. S)od^ hjar ber ©ebanfe ber SRed^tfertigung beS gefallenen 3Renfd^en burd^ gläubige älneignung ber t)erbienten ©ered^« tigfeit ß^rifti ber fatl^olifd^en SKpi'tif im 3lllgemeinen fremb ; feine ©teile nal^m ber ©ebanfe ber 9lad^folge Qefu, ber Siad^bilbung beS Sebenä unb Seibens 3efu ein.

9Rit ber Slnerlennung jener ©runbtl^atfadfe ber Offenbarung ©otteS in ßl^rifto, ba^ burd^ biefelbe perfönltd^e SebenSgemeinfd^aft beS 3Kenfd^en mit ©Ott l^ergefteHt, ba^ burd^ fie ß^riftuS ber lebenbige SBefi^ beS ßl^riften werben foll, toar aber bereits bie SBal^rl^eit anS Sid^t gesogen, ba^ baS Sleid^ ©otteS nid^t mit äu^erlid^er ©eberbe lomme, ba^ es Dielmel^r intoenbig in ben gläubigen, t)on bem ©eifte ©otteS erneuerten, erfüllten unb be^errfd^ten ©eelen feinen Seftanb l^abe, ba^ alfo ©otteS SHeid^ nid^t äußere ^nftitution, nid^t l^ierard^ifd^e Drbnung, nid^t J^ierard^i^ ^d§es SWad^tgebiet, fonbern ©emeinfd^aft ber burd^ ben ©eift ©otteS toieber«

3

geborenen SKenf d^enfeelen, unb ba^ ba§ unftd^tBare Sleid^ ©otteS unb bie jtd^t* Bare fitrd^e ntd^t einerlei, ba^ bief e t)ielmel^r nur ber 2Beg ju jenem fei.

3)iefer ©egenfa^ ber SWpftil jum latl^olifd^en 2)ogma t)on ber Äird^e h)urbe oon ben SSertretem ber erfteren oft überfeinen, oft aber a\xi^ ©er« f^roiegen, ebenfo toie ber ®egenfa^, ben bie ^IKpftif auf einem anberen ?PunIte ber Seigre, jum lird^Iid^en 3)ogma oon ber d^riftlid^en SSoHIommen« l^eit barfteffte.

S)a3 bem Äatl^oIiciSmuS eignenbe 3)ogma oon bem Unterfd^iebe einer niebercn, nur bem ©efe^e entfpred^enben, unb einer l^ö^eren, auf ber Scfolgung ber eoangelifd^en Slatl^fd^Iöge berul^enben Sottlommenl^eit lüurbe nemlid^ in bie Stnfd^auungStoeife ber SJl^ftif fo inereinge3ogen unb mit berfelben vermittelt, ba^ biefe baS gefammte fird^Iid^e Seben, aud^ bie in ber Sefolgung ber DrbenSregel fxäj barftellenbe ^rommigleit afö eien ber nieberen ©tufe d^riftKd^er 9teIigiofität angel^örenb anfal^, toäl^renb fie bie eigentli(]^e SBofflommenl^eit d^riftlid^en SebenS als ettoaS rein ^nnex'- lid^eS, nur im §erjen, im ßentrum ber ^ßerfönlid^Ieit jur ©eftaltung ÄommenbeS betrad^tete,

Slud^ bie SJfpftil, biefe burd^ unb burd; fubjectitriftifd^e ©eifteSrid^tung, umfd^Io^. tiefe, meit auöeinanbergel^enbe ©egenfä^e, t)or allem bem ber fpeculatitjen unb ber practifd^en SW^ftif. ^oä) lommt ^ier nur bie Ie|tere in Setrad^t, beren aHgemeinfte unb toefentltd^fte ©runbjüge überaß, too fie Vertretung fanb, erlennbar l^ertjortreten.

SnSgemein galt in ben Greifen ber practifd^en SWpftiler ber fird^Iid^e ©tanbpunft> auf toeld^em man bie t)on ber Äird^e geforberte grömmigleit im äußeren Seben betl^ätigte, al3 ber niebere ©tanbpunft ber SKebitation (unb be§ biScurfioen ©rfennenö), bie ben SKenfd^en tool^I beffert, aber nid^t mit ©Ott vereinigt, Wogegen bie SSoKenbung be§ d^rift« lid^eh SebenS, bie feiige SSereinigung mit ©Ott fd&on l^ier auf Srben auf bem ©tanbpunite ber ßontemplation (ober ber intuitiven Srlennt« ttife) gefunben warb. 35ie le^tere betreffenb gingen alle SWtiftiler von bem ©ebanlen an^, bajj ber STOenfd^ nur burd^ bie Siebe ju ©ott jur maleren ®rlenntni^ ©otte§ gelangen lönne, ba^ er fid^ bal^er vor Slllem burd^ ben 2lffelt beä 2Biffen§ mit ©ott ju einigen l^abe, unb ba^ e3 ii^m l^ierburd^ möglid^ merbe, 3U einem fold^en inneren perfönlid^en ©rieben, ©rfal^ren unb 6rf äffen beS ©öttlid^en 5U gelangen, ba^ er fd^Iie^Iid^ in ooUfommenfter Bereinigung mit ©ott lebe unb fid^ innerlid^ fd^on l^ier auf ©rben beffelben Sid^teS erfreue, wie bie ©eligen im §immel.

hiermit mar nun allerbingS bem religiöfen Seben unb ©riennen von ber SDl^ftil eine ganj anbere ©pl^äre jugeloiefen afö von ber Äird^e, inbem biefelbe ganj unb auäfd^Iie^Iid^ in ba§ innere ber Seele verlegt ivar.

1*

2)ie äußere Sel^vttabttion ber Aird^e mu^te für bie m^ftifd^e Snfd^auung alle tpirfltd^c Sebeutung ©etlietcn; nur bic ©d^rtft, toeld^c naci^ ber Seigre ber Äird^e ©ottcS SBort toar, formte für fie in Setrad^t lomnten, aber bod^ aud^ {te nur nebenbei. S)enn bie eigentlid^e Stätte ber S3etl^tigung unb Offenbarung bed ©eifteS @otteS, unb bdrum aud^ ber eigentlid^e DueK ber @r!enntni^ ©otted n)ar unb blieb für ben äJl^ftüer bal^ eigene Snnere. 2)al^er finben toir, ba^ biefclben aHerbingS angelegentUd^ft bie Autorität ber l^eiligen ©d^rift anrufen, fxä) mit il^r red^tfertigen, aber bod^ nur fo, ba| fte nebenl^er bie aus bem eigenen S^ncm getoonnenen ainfd^auungen als aud^ in ber l^eiligen ©d^rift begrünbet nad^toeifen, waS ganj geiDöl^nlid^ burd^ bie n>il[{ürlid^fte aEegorifd^e 5Deutung gefd^iel^t.

5Rur barum aber lann nad^ ber Seigre ber SKpftifer bie ©eele burd^ bie Siebe }u einer fold^en Einigung mit ®ott fommen, in meldte jene ju einer DffenbarungSftätte bcS ©eifteS ©otteS toirb, toeil bie Siebe baS §erg reinigt. a)iefe Steinigung beffelben erfolgt junäd^ft burd^ ÜRorti^ ficirung ber ©innenluft unb ber ©elbftfud^t, fobann burd^ eine ©elaffem l^eit ber ©eele, in toeld^er bicfe alle Seiben unb Slnfed^tung als ein 9Rit« Seiben mit ßl^riftuS, als ßl^rifti Seiben in toittiger 9lad^f olge 3efu ertragt ; unb enblid^ in burd^auS paffioer, toiHenlofer ©rgebung in ©otteS SBiHen, wobei fie jebe Hoffnung auf :^ol^n fallen lä^t. 3)enn allein bie »on aller Hoffnung freie Siebe ift bie oottlommen felbftlofe Siebe.

Snbcm nun fo aus ber Steinigung ber ©eelc beren ©rleud^tung er* toäd^ft, ooHenbet ftd^ biefelbc fd^Iie^Iid^ in einer (in bem apex mentis beginnenben) ©inigung ber ©eele mit ©Ott, in toeld^er biefe jur loir!« lid^en SBergottung gelangt.

S)a]^er ift bie Sefd^auung eine contemplatio (ober vis dilectionis) purgativa, illuminativa unb unitiva. ^^^r unmittelbarer ä[uSbrud( ift bie oratio mentalis, bie @rl^ebung beS ^erjenS ju ©Ott, burd^ meldte ftd^ biefeS, ol^ne Sorte gu gebraud^en, in bie S^iefe unb Unenblid^feit ©otteS 5ur feligften Stulpe oerfenit, toäl^renb bie in SBorten ftd^ .barftel« lenbe precatio ber nieberen ©tufe ber ÜRebitation angel^ört, in meld^cr fid^ baS rul^elos oon einen äußeren fird^Iid^en 3lft gum anberen unb oon einem 2lfte ber Sleflejion jum anberen fortgel^enbe Seben ber nid^t auf bem ßentrum ber eigenen ©eele, .fonbem auf äußeren fremben ©tü|en berul^enben grSmmigfeit barftettt.*)

*) Ueber bie mittelalterlid^e äJl^fti! überl^au^t Dergleic^e man baS gtünbCid^ gearbeitete SGßer! bon SB. ? reg er, „®efd^idjte ber S^eutfdjen 3R^ftir im 3Ritters alter, nad^ ben Duetten bargeftettt." a;]^eir I. ©efdjid^te ber a)eutfdjen 3R^fli! bi« gum Xobe beS aReiper« (gtf^arbt. Seijjgig 1874. 3lu|erbem S. «Roatf, bie djriftl. 3R\}ftit nadj il^rem geWid^tliclJett enttoitflungSgang, 2 öbe., ÄöntgSb. 1863.

_ 5

SSerglid^en mit ber @d^oIaftiI ber Jlird^e nxtren ed l^auptfäci^Kd^ brei ©ebanfen, tpeld^e bie SRpftit betonte unb in etgentl^ümlid^er äBeife geltenb ntad^te, inbem fte lehrte 1. ba^ bad religtdfe Se^en ein xoe^etdlxd) inner« lic^eS, im ßcntrum ber ©eele vox ]xä) ge^enbeS fei; 2. ba^ ber BeJ^err« fd^enbe 9BitteIpunft beffelben ber ytomt S^fw ©l^rifti fei; unb 3. ba^ bic ÜRajjeftät unb ^errlid^Ieit Gl^rifti atö bed aDeinigen ©rlöferd ber @eele ftd^ in biefer in ber ®eftalt bcS eifrigften ©trebenS nad^ ©leid^förmigleit mit ^^m im Se6en unb Seiben barftetten muffe.

S)er ®eban!e, ba^ baS £e(en beg (Sl^riftenmenfd^en in bem äSertrauen auf ßl^rifti oerbiente ©ered^tigfeit feinen SebenSnert) l^aben muffe, mar ber SDlpftif beS SJlittelalterS fremb. 35iefelbe tou^te ben ßrlöfer im SBSefentlid^en nur als toirf fameS SBorbilb auf jufaffen. 3m tieferen 3DlitteIaIter toar es namentlid^ ber ©ebanle t)on ber freien ©elbfterniebrigung ßl^rifti, beffen t)orbiIbKd^e S3ebeutung l^eroorgel^oben toarb. hierauf beruhte baS mpftifd^e 33ogma t)on ber „3lrmut", ol^ne meldte eS feine SJolIIommenl^eit geben lönne. ©elbftoerftänblid^ n)urbe baneben baS gottergebene unb in üottfommenfter Siebe ertragene Seiben ßl^rifti als ber §8l^epunlt ber ©elbftüerleugnung beS $errn, als baS toirifamfte üJlotio ber 9lad^foIgc beffelben unb barum aud^ als baS SSorbilb ber eigentlid^en SSoQfommen« ^eit beS d^riftlid^en SebenS veri^errlid^t.

SlIS bie claffifd^e SRepräfentantin ber praltifd^en SWpftil beä SWittel« alters, infofem fid^ biefelbe als bie SSorftufe 3ur quietiftifd^en SWpftil beS fed^S3el§nten unb ftebjei^nten 3fal^rl^unbertS barfteHt, fann bie einft fo l^od^ gefeierte Slngela oon goligni (f 1309) angefel^en werben.*) ajicfelbe tritt mit SBegeifterung für bie SBal^rl^eit ein, ba^ Gl^riftuS für alle ©ünben ber SBett genug getl^an l^abe ; allein überfd^ottet toirb bief eS Selenntni^ ber Sßal^rl^eit von bem uneoangelifd^en ©ebanlen, ba^ bie leibenbe Slad^folge ^t^n, bie 3^^eilnal^me an feinen Seiben ^ bie 3lad^- bilbung beffelben bie unerlä^Iid^e Sebingung ber 2lnetgnung beS SBer« bienftes ß^rifti f ei. **) 3^re ^cilslel^re berul^t auf bem ©ebanlen ber 5Rad^«

*) 3§re SBiogropl^ie finbet fidj in bem Acta Sanctorum gum 4. Sanuar. 3(u(erbem erfd^ien biefelbe mit il^ren @4riften (ateinifd^ 1601 ^u (Ed(n (fd^on bor« l^er gu^ariS), itarienifd^ 1680 ju »enebtg. ^oiret ebirte fte 1696 ju SCnttoerpen

unter bem %XUI „La theologie de la croix.**

♦♦) ©0 berichtet Slngela ö. goligni j. ». über eine JBiflon, in toeld^er pc bie trdfirid^ften Eröffnungen beS @r(öferS über feine für il^re ©ünben geleiftete ©enugs tl^uung em))fangen l^aben toxU, loeld^e jieboci^ mit ben äBorten fd^Ue^en: „3d^ l^abe fo t)oU!ommen bie Dualen für alle ©ünben, toeld^e 2)eine arme ©eele in ber ©ötte l^&tte trogen muffen, auSgeftanben, ba^ Xu üon biefer dual befreit bift, too a)u nur bei SeibeS 2tf>^n eineöenoffin meiner Seiben bill" K.

6

folge Sefu in [einer 2lrmut, in feiner ©miebrigung (SBerad^tung) unb in feinem Seiben.*)

3)ie 6ebeutenbfte unb einflu^reid^fte 9la(i^foIgerin 2lngela*g oon ?joIigni voax Äatl^ar ina von ©enua (f 1 510), jene ferapl^ifti^e Srfd^einung, bie mit bem Sluge il^rer ©eele unabläfftg bem ©ol^n ber öerrlid^feit gugettjanbt, burd^ t)ottftänbige Sernid^tigung il^rer finnlid^en unb geifligcn Sftatürlid^Ieit unb ©igenl^eit 5ur ooUfommenen SSereinigung mit ®ott, mit ß^riftuS ju gelangen trad^tete. **)

S)a^ biefe SKpftif ber SBeg 5ur toal^ren aSottfommenl^eit beS d^riftlid^cn SebenS fei, toav ein ©ebanle, ber 3U Slnfang beS fed^S* jel^nten ^al^rl^unbertS in ber Äird^e ganj allgemein unb ganj ungel^inbert auSgefprod^en toarb. !RamentIid^ glaul^te man fid^ in ben ^löftem ©panienä unb ^tolienä in bem 2^rofte biefeS ®ebanlen§ ganj fidler unb forgenloS toiegen gu fönnen, alä urplö^lid^ bie gctoaltige §anb beö frommen 2luguftiner§ ßu aSJittenberg an bie 2^^ore ber römifd^en Äird^c pod^te, bafe ber ganje ftolge Sau in feinen (Srunboeften erbebte.

2Bie mit bem ^luge beä SBinbeS üerbreitcte fid^ bie Äunbe oon Sutl^erg S^l^efen, l^emad^ von ben ©d^riften, bie berfelbe fd^rieb, rafd^ burd& aUe Sanbe l^in, unb maS man ba fagen l^örte von ©otteg freier @nabe in ßi^rifto, t)on ber oolllommenen ©ül^nung ber ©ünbe aller SBelt burd^ ßl^rifti S3lut unb überl^aupt oon ber §errlid^feit be§ 5Ramen§ ßl^rifti, ber MeS in 3lttem fei, von bem ©lauBen, ber bie ©ered^tigleit au^ ©otteS §anb alfo empfange, ba^ er feines SSerbienfteä eigner SBerfe bebürfe, von ber ©emeinfd^aft ber ^eiligen, bie. ettoaä otel ^errlid^ereS fei, als beS SPapfteg SReid^, oon bem Stulpen ber ^eiligen im untoanbelbaren fjrieben ©otte§ fd^on l^ier auf ®rben, unb t)on bem SReid^e ©otteS, baS ber l^ei^ Uge ©eift burd^ ben ©lauben an ©ötteS SEBort in ben $erjen ber ©laubigen aufrid^te, baS l^eimelte mand^eg ^erj mie längftoergeffene ^unbe au§ ux- alter SSäter Seit an, von ber bie ftolje 2^l^eoIogie ber Äird^e nid^tS mel^r wiffe. 2lber toie ein föftlid^eS Äleinob erfd^ien je|t Unjäligen, bie von bem ©eifte, toeld^er oon Leiter ^erne l^er bie SBaffer raufd^en mad^te, berül^rt toaren unb bod^ ben 2lbfaII t>on ber Äird^e als einen ^reoel oerabfd^euten, ber jur 3Scrbammni^ fül^re, bie alte SKpftil, bie mit il^rer Seigre t>on ber toefentlid^en Snnerlid^feit beS Sleid^eS ©otteS unb mit i^rer ernften ^intoei^ fung auf bie Slutorität ber l^eiligen ©d^rift, bie t)on ber ©d^olaftil t>ergeffene unb in ber lird^Iid^en Semegung ber 3^ü üielfad^ mit iotiftem Ungeftüm ]^ert)orge3ogene SDSal^rl^eit in il^rer t)oIl[en Sauterleit ju oerlünben fd^ien.

*) SSfiC. baS Se&en ber Slngela von goligni in Xerfteegen'S „ScBenSbes fci^reibungen l^eiftger ©celen". Stop, VIII.

**) SSgl. aJerfteegen, SebenSbefd^rcibungen l^eil. ©eelen, Äa}). II.

7

©al^cr begann gerabc jur Süi bcr SHcformation bcr Ätrd^c in bcn filöftcm Spaniens ein %ani mnex ÄuItuS ber SKpftil, bcr ßontcmplation in bem ©inne l^cimifd^ ju werben, ba^ man t)on jtoeicn SDBegcn gunt cnjigcn SeBen fprad^, einem äußeren, unter bem man bie fird^Iid^e fjrömmigs feit t)erftanb, unb einem inneren 2Beg, ben ®ott ber ©eele in il^r felbft bereite, um fie burd^ ßl^riftum jur toal^ren SSofflommenl^eit ju ftil^ren; unb biefer neue ÄuÜuS ber praltifd^en ÜJlpftil, biefe neue Seigre von bem ,,innercn SBege", in toeld^er man in einer ber fird^Iid^en S^l^eologic ganj fremben Sffieife betonte, ba^ eben ßl^riftuä, unb 6r aHein ber „SBeg" fei, toaren bie SQäurseln unb Slnfänge, au^ benen in ber latl^oKfd^en ßird^e ber Duietigmug erlt)ud^3.

2)iefelben pnb alfo in Spanien ju fud^en. $ier fd^rieb ber aScetifd^» ftrcnge, glaubenseifrige 3Jlinorit 5ßetruS t)on Sllcantara (+ 1562) cttoa umS Qal^r 1545 einen S^ractat de oratione et meditatione*), ber (ba fx6) bie eigentlid^en Segrünber ber qutetiftifd^en SKpftif, S^l^erefta a Sefu, Söi^ann vom Äreu3e unb ?5ran3 von ©aleS auf il^n berufen,) ate bie erfte Urfunbe beS in feiner @eftaltung begriffenen DuietiSmuS an^ gefeiten werben fann.

S)er aSerfaffer filiert in biefer ©d^rift auQ, ba^ ba§ §auptmittel gur ©rreid^ung unb Setl^ätigung majorer grömmigfeit baS ©ebet fei, ba^ aber baffelbe atö ein auf tiefinncrlid^fter ©ammlung unb ©elbftconcentrirung berul^enbeS ^ergenSgebet (als oratio mentalis, oratio recoUectionis) geübt werben muffe, in meld^em nid^t baS refleltirenbe 2)enfen, fonbern üielmel^r ber Slffelt beS SBitlenS gur SluStoirlung lomme. 2)al^er muffe baS ©ebet Dor Slllem barin beftel^en, ba^ ber SKenfd^ mit ßrtöbtung feines ®igens iDtSenS fid^ ©Ott gum Opfer l^ingebe, fid^ ber ^ül^rung, überl^aupt bem äßtSen ©otteS gang überlaffe unb.ba^.er felbft gar nid^tS moUe. 2)arum

*) S)ie ncucfte SluSgabe beS ^ractactS finbet fid^ in Migne's Opera Sancto- ram Teresiae, Petri de Alcantara, Joannis a Cruce etc. Paris, 1845. @ine

beutfd^e IXeberf. beffelben erfd^ien unter bem ^itel ),lDeS 1^. ^etruS t>on SClcam tara goIbeneS Süd^Iein über baS innere (3^hti ober bie I6etrad^tung," gu SKünfter 1840. Unter ben gal^lreid^en SBiograpl^ieen beS ?. \>. Sl. ift li^ieHei^t bie urfprünglid^ italienifd^ erfd^ienene @d^rift beS DratorianerS ^. aitard^efe

gu 9lom : Vie de S. Pierre d' Alcantara, Reformatear et Fondateur de quelques provinces de Becoliets ou Beligieux Dechaussez de Tordre de S. Fran^ois en

Espagne (Lyon, 1670) bie braud^barfte. SSgl. au^erbem bie Acta Sanctomm ber »ottanbiften (Dctobr. Tom. VIII, p. 623—809 unb SödCrer'S ^bljanblung: „^etruS i). Sllcantara, ^l^erefia bon 9lbi(a unb Sol^anneS i>om j^reuje. ©in Säei^ trag gur @efd^id^te ber mdnd^if d^ ? cCerüalen ©ontrareformation Spaniens im 16. Sal^rljunbert" in a)eritfdJ'S unb Siubelbad^'S 3eitfdjrift für bie lut^er. 2:i^eor., 1864, @. 37 ff.

8

bflrfe ber SSetenbe ani) t)on ©Ott gar nid^tS l^offen, leinen 2o^n, leine foforttge @rl§öntng beS @e6etg ; in36efonbere bürf e er nid^t einen fofortigen ©efd^mad bfer ©otteSgemeinfd^aft ober eine fü^e ©mpfinbung feiner SSer« einigung mit ©Ott l^aben tooQen. SSielmel^r muffe er in ©Ott rul^en «nb muffe in biefem ^erjenSgeBete anl^alten, Bis fxif bie ©eele 3U ©Ott erl^oBen unb oon bem ©nabentl^oue ©ottes erquidft fül^Ie. S)iefen ®naben= ftrom ^aBe bann bie Seele fo lange al3 möglid^ üBer fid^ ergießen 3U laffen, bamit fie beS BleiBenben ©egenS red^t oott werbe. SlCeS biScurfioc S)enfen, alleS Sleflectiren muffe in biefer Slnbad^t gan3 aufl^ören, bamit bie ©eele burd^ ben Slffeft beS SBillenS in il^r eigenes innere concentrirt unb l^ier in baS Silb ©otteS fo oertieft unb oerfenit toerbe, ba^ fie jule^t felBft nid^t miffe, oB fie ber Setenbe fei ober nid^t. 5ßetruS erfennt eS alfo an, ba^ ber ßl^rift ntd^t aUejeit unb nid^t unaBIäffig auf ben §öl§en ber Kontemplation ju ftel^en oermöge, ba^ barum ein jeittoeiligeä 3urüdEgel^en 3ur 3Kebitation für il^n Sebürfni^ fei unb h)itt alfo, baft Kontemplation unb SKebitation miteinanber aBmed^feln. 3lBer baS SBefen eines maleren ©otteSleBenS finbet er bod^ nur in einer SBefd^auung unb in einem toortlofen ^erjenSgeBet, in toeld^em fid^ bie ©eele miffenloS bem SBiffen ©otteS üBerlä^t, um fo in bie toal^re 3lu§e eingel^en 3U fönnen.

S)iefeIBen ©ebanlen maren qKerbingS fd^on oon einer Äatl^arina Don ©enua (f 1510) in bem ®iaIog üBer „bie reine SieBe 3U ©Ott", ja fogar fd^on oon ber STngela oon ^oligni (f 1309), oon iexn gransiScaner §einrid^ §art)iuS ju Äöln (auS §arpl^ in SraBant geBürtig, f 1478 als ©uarbian 3U SKed^eln) u. 31. auSgefprod^en toorben; fauler unb ©ufo ber SKinnefänger unter ben beutfd^en SW^ftüem l^atten gan3 äl^nlid^e Slnfd^auungen bargelegt, unb ein Seml^arb oon ßlairoauE, unb gar ein 3^1§omaS a ÄempiS toürben gegen biefelBen ganj getoi^ leine ©infprad^e erl^oBen l^aBen. Slffein baS Qntereffe, mit meld^em Petrus oon Sllcantara oon bem §er3enSgeBet unb oon bem ©eBet ber ©ammlung als oon einer 9tul§e beS religiöfen SeBenS fprad^, 3U ber eigentlid^ jeber ßl^rift l^inftreBen, 3U beren ©rreid^ung il§m bie SluSüBung ber iird^lid^en grömmigleit nur als SSorBereitung unb 3SorauSfe$ung bienen muffe, (toar bod^ ein gan3 neues, inbem es auf eine m9ftifd^c ©runbanfd^auung l^intoieS, toeld^e in ber Kontemplation nid^t altioe, fonbem toefentlid^ P^fpoe, eingegoffene Kontemplation fal^; unb biefe neue Sluffaffung beS inneren §er3enSgeBetcS als beS toefentlid^en SluS^ brudeS einer paffioen, oon ©Ott ber ©eele felBft eingegoffenen Kontern* plation gemamt baburd^ eine allgemeinere Sebeutung, ba^ 5ßetruS oon Sllcantara als ©eneraloBerer ber DrbenSprooinj Kftremabura im Qal^re

9

1554 mit päpftlid^cr ©cncl^miguna eine neue ^Jranjiäcanercongtegotion ftreng« fter D6fen)anj ftiftcte, inneren ja^Ireid^en Älöftern er bicfelbe burd^^norb« nung eines breiftünbigen ©cigenSgebeteS für jeben 3!ag l^eimifd^ ma6)te.

@(i^on bamals l^atte aber in Spanien ein anbereS Slnbad^tSbud^ 33er« breitung gefunben, loeld^eg bie eben beginnenbe ©nttoid^elung ber SJl^ftit junt OuietiSrnltä nod^ beftintmter erlennen lä^t, @g toax biefeS baä fogcnanntc Abecedarium tertium beS SKinoriten ^ranjiScuS von Dfuna*). S)er britte %f)txl beffelben entl^ält eine Selel^rung über baS SBefen beS ®ebetä ber ©ammlung. 3w)ei (Sebanlen jinb eS, toeld^e l^ierbei befonberS betont toerben unb toeld^e bem Sud^e eine befonbere 33ebeutung geben: 1. 2)a§ innere ©ebetäleben be§ ß^riften ift toefentlid^ eine SÖBirfung beS im gläubigen fersen lebenben ßl^riftuS**), unb 2. bic ©eele vexmt fxä), inbem ßl^riftuS fid^ fo in il^r betl^ätigt, in paffiofter Stulpe* S)enn bie gläubige ©eele l^at ftd^, toenn pe 5ur SSottlommenl^eit beS ©laubenS gelangt ift, ®ott gegenüber atteä eignen SßSiffenS entäußert, fo ba^ fte im ununterbrod^enen ©efül^Ie ber ©egentoart ©otteS fid^ fd^Ied^tl^in nur Don ©ötteä ©eifte erregen unX) beftimmen läjst***). SDaä fo geftaltcte 2thta ber ©eele ift unerfättlid^e Siebe ju ©Ott f).

Salb foHte eS fxä) jeigen, ba^ mit biefen ©ä^en ber ©ebanfe einer ganj eigenartigen, oon ber lird^Iid^en Sleligiöfität toefentlid^ oerfd^iebenen ^ömmigfeit inS Seben gerufen toar. ^aft glcid^jeitig mit ^ßetruS oon Sllcantara unb Sran3 oon Dfuna erl^ob fid^ nämlid^ in ber fpanifd^en Äird^e eine Sleligiofe, toeld^e bie in ben ©d^riften berfelben gerftreuten Äeime eines innerlid^en, auf paffit)er Kontemplation berul^enben ober 3U il^r l^inftrebenben ©ebelSlebenS mit einer ©tärfe unb ^Jreubigleit in jtd^

*) Xtt Xitel beS Sud^eS lautet: Abecedario espiiitual compuesto por el padre Fray Francisco de Osuna, VI partes, 1538—1554. 4°. Sgl. SöillenS,

„3ur ®efd^. ber fpanifdben 3R^ftiI in ipilgenfelb'S Scitfdjr, für toiffenfdjaftlidje XJ^eologie", Sa^rg. 1862, ©. -125.

**) Dfuna fagt im Abeced. III, 46: Theologia mistica quiere decir escon- dida, porque en el secreto escondimiento del corazon la ensena el buen maestro Jesus, queparasi solo quiso reservar este magisterio, del quäl diö a los doctos meoos parte j faculdad para ensenar a otros quo

de cualquier otra ciencia (l^ier ftellt fldj alfo bie SR^fttf jum l^ierardjifd^cn ^rin« jip in ben beftimmteften ©egenfa^!).

***) ®S l^ei^t, ba^ toiv delante del Dios debiamos estar tan quietos y compuestos de dentro y de fuera como los pages, qne estan delante de su senoT snspensos en el y muy attentos para lo que manda, (alfo ber (Gläubige

la^t ftdj toillcnloS öon ®ott beftimmen, toie ber 2)iener öon feinem §erm).

-|-) Lo que o^as desean los justos, mientras viven, es amar a Dios. Esto desean, esto buscan,. por esto suspiran y trabajan, y jamas piensan averlo al- ' canzado, sin que mas la deseasen etc.

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aufnal^m, bä^ fic in tl^r gum frcicften unb auSgeprägtcftcn perfönlid^en ßebcn, jtoar oft in tounberlid^cr ccftatifd^er unb oijtonärcr, aber aud^ in impofont etl^aBener unb l^intei^enb lieBIid^er @eftalt eth>ud^fen. @S voox bicfcS bie gcfcicrtfte §cilige ber fpanifd^cn Rix^t, bic fromme ßatmclitcrin 2^crcfa be 3efu§ (lat. Theresia a Jesu*).

älug einem altabeligen ©efd^led^te (de Cepeda) am 28. ^äv) 1515 ju 9[t)ila in älltcaftilien geboren n)ar Xerefa t)on ber 3Rutter frül^jeitig an religiöfe Hebungen getoöl^nt, bie balb il^res i^erjenS ganje fjrcube hjurben. 21I§ pe, faum jtoölf ^Q!f)xt alt, bie liebe 3Jlutter oerlor, toarf jte fid^ t>or einem 3RabonnenbiIbe nieber, bie gnabenbringenbe S^ngfrau anrufenb, ba^ nunmel^r fie il^re 3Jlutter fein möd^te. 3!)od^ gettjann jte fd^on einige ^df)xt fpäter, namenüiä) alg il^r bie bamals in (Spanien überaß curfirenben SRitterromane in bie §anb gefommen h>aren, eine auffattenbe Steigung ju ben SBerlodungen unb S^'^P^^wungen ber SBäelt, toeäl^alb ber beforgte SSater fie bem 5ßenfionat beS SluguftinerHofterä Maria graciosa }ur ©rjiel^ung übergab. 2)er @influ^ ber neuen Umgebung, in bie fie fid^ nun oerfe^t fal^, unb eine fd^toere Äranfl^eit, t)on ber fic befallen toarb, änberten aud^ atebalbil^re ©timmungraieber; fietoarb emft, in fid^ geleiert, unb trat fogar (gegen ben SSäiffen il^reS SBaterS) l^eimlid^ in baS Äarmeliterinnenflofter be la ®ncamacion 3U 2lt)ila ein. ©ine neue, gefal^rbrol^enbe @rlran!ung t)eranla^te e3 aKerbingS, ba^ fie auS •bemfelben auf ben SBunfd^ il^reS SBaterS in bie tJ^milie 3urüdEgebrad^t hjurbe. ^f)x Seben fd^ien l^ier [rafd^ 3U ®nbe gelten 3U rooHen. ®ineS 2iageS l^iclt man fie, bie im ©tarrframpf regungslos bamieberlag, bereits für tobt, unb fd^on toaren Vorbereitungen ju il^rem Seid^enbegängni^ getroffen; bod^ lebte fie roieber auf, unb fobalb eS nur il^r .nod^ immer überaus Iläglid^er 3#ö"i> erlaubte, forgte fie bafür, ba^ fte in einem Seinentud^ 3U ben 3ionnen be la ®ncarnacion 3urüdfgetra0en toarb.

$ier hjurbe fte nun balb nad^l^er mit bem geiftlid^en Sllpl^abet beS Sran3iScanerS Dfuna befannt, in roeld^eS fie fid^ t)ertiefte, unb toeld^eS il^r bie erfte Stnregung 3ur Hebung im toortlofen §erjenSgebet gab. 3)od^ ©ergingen oiele, t)iele Saläre, ol^ne ba^ baS „geifilid^e Sltpl^abet" unb bie nad^ Slnleitung bef[elben angeftefften Hebungen irgenb etttjaS an il^rer

*) 3^r neuejier ^auptbtograpl^ ber ^c\mi SBanbermore in ben 9(nts toerpcner Acta SS. Tom. VII. Octobr. p. 109—790. SCußerbem finb )u öer« gleiten bie S)eutf d^en Bearbeitungen Don @aIluS @d^b)ab (^ul^bad^, 1881, 6 S3be.) unb fiubb)ig ©laruS (Seben unb äBer!e ber 1^. ^1^., SiegenSb. 1855^ 3 S9be.). foifoie bie Slbl^anbl^ng bonäBillenS „S^x ©efd^. ber ft)anifd^en SRl^fti!, 3;erefa be gefuS" (in ©irgenfelb'S Seitfdjr. 1862, @. 113— lÄ)) unb bie oben an-^ gefül^rte Slbl^anblung gödEUr'S.

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BiSl^erigen religiösen £eben§fül^rung änberte. @nblid^ Ue^ fte biefe leiteten fogar ganj fallen.

S)a gefci^al^ eS, ba^ il^r SSater [tarb unb jtc aus 5ßictöt gegen beffen Änbenlen yxä) ber gül^rung beS SScici^ttoaterä beffelben, eineä bcr SW^ftil ergebenen Dominicaners (SJincentiuS SBoreniuS) übergab. SDiefer ermal^ntc jte nun, ftd^ bem ^crjenSgebet toieber 3ujun)cnben, erteilte i|ir l^ierju bie nötige Einleitung unb alSbalb begann fid^ nun in ber @eele ber ^ome boS iDunberbare religiöfe £eben 5U geftalten, baS fte l^emad^ lln}ä(igen als eine Don ®ott in ber Äird^e aufgerid^tete Sendete l^at erfci^einen laffcn. 3n il^rcn ©ebetSanbad^tcn fül^Ite fte fid^ balb ju ©cftafen erl^oben, ju benen fid^ bie ungetoöl^nlid^ften SSifionen gefeilten. 2lm ©t. ?PeterStage 1559 glaubte fte plö^Iid^ ben ^eilanb neben ftd^ ftel^en ju feigen, unb biefe ßl^riftuSDifibn begleitete fte DoIIe jttjei Saläre. SBBar baS äUeS t)on ©Ott? aOBar eS SCäufd^ung? fragte, fte fid^ felbft. 5ßetruS t)on Sllcantara, ber ju Slnfang beS S^i^reS 1560 in Slngelegenl^eiten feines DrbenS nad^ 3[t)ila lam, lernte fie l^ier fennen, l^örte cm, toaS fte über il^re ©ebetStoeife unb il^re inneren (griebniffe mitteilte, unb begrüßte fie als eine t)on ®ott mit ganj befonberer ©nabe l^eimgefud^te ©eele. S^erefa nal^m il^n nun alsbalb 3U il^rem S3eid^tt)ater an. SSon i^m geleitet uttb burd^ ein t)on ben ^ranjiScaner Sego (unter bem Sitcl „Subida del monte Sion") ©erfaßtes Slnbad^tSbud^ neu angeregt lebte fid^ nun S^erefa mel^r unb mel^r in bie m^ftifd^e ßontemplation ein.*)

SSon ba an erfd^ien bal^er il^r ganjeS religiöfeSSeben als bie üoHftänbigfte aSerlörperung ber quietiftifd^en SWpftif. ^n vifionären @rfd^einungen begegnete il^r ber Söfe leibl^aftig, tüaS in il^r ben ©ebanlen erioedte, ba^ fie nid^t nur für il^re eigenen großen ©ünben, fonbern aud^ für bie ©ünben Slnberer leiben unb ©Ott genugt^uen muffe. S^^lÄä) fül^lte fie pd^ je^t innerlid^ getrieben, in baS Seben ber Äird^e umgeftaltenb ein3ugreifen, unb 5U biefem Sel^ufe oor 2lttem ein neues Älofter il^reS DrbenS, in toeld^em bie alte DrbenSregel il^rer tJoUen ©trenge nad^ l^ersufteCen fei, 3U begrünben. 6ine neue 6l^riftuS=a8ifton fd^ien il§r ben göttlid^en ©egen ju il^rem SSor«

*) 2(ntonio SCrbol bcrid^tet in ber @d^rift Mystica fundamental de Christo senor nuestro Don 1723 (1761) im SBorttJort: Los primeros libros, que nuestra Santa Madre Teresa tuvo como maestros y guias en el camino de la oracion en BUS primeros anos, fueron la tercera parte del Abecedario del R. P. F. Francisco deOssana, y el libro intitulado: Subida del Monte Sion, compuesto por nn religioso Lego de la mismo orden. £n el primero aprendio el modo de tener la oraciofi, que la Santa Hämo de quietud, y en el segnndo el modo de tener la oracion de union del alma con Dios San Pedro de Alcantara fue confessor de la Santa.

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^aitn jujuftd^ern, (bad mi) t)on $etrud t)on SCIcantora gebiStgt tDarb), Uttb baS neue Äloftcr, na<i^ ©t. S^f^P^ genannt, trat aud^ mxilxä) mit ©enel^migung beS ^apfteg, ber bie Stiftung ber älutotität . ber larmclitifd^cn DrbcnSoBctcn cntjog tinb unmittelbar bem SBifd^of unter« ftcttte, im ^crBfte 1562 inä Seben. a;erefa 30g im SKärj 1563 felbft in il^r ©t. S^fepl^sKofter ein, in meld^em jte auf ©runblage ber älteren ©a^ungcn beS ÄarmeliterorbenS (ber fogen» Regula Hugonis, bie bem« felben ben ßi^ardfter eines eigentlid^en SettelorbcnS gegeben) für il^re neue ©tiftung eine beftimmte ßonftitution entwarf: Slfö öu^ereS 2lb3eid^en ber l^ergefteEten fhrengen SRegel toarb ftatt beS @ebraud^e3 ber ©d^ul^e ber ber ©anbalen eingefül^rt, toeäl^alb bie Slonnen ber SJerejianif^en Sleform fid^ bie „unbefd^ul^ten Äarmeliterinnen" nannten.

§ünf ^df)xt fpäter begann Slerefa jur ®rric^tung von Älöftem mit ii^rer Siegel aui) an anberen Drten Dorsugel^en, maS SSeranlaffung gab, ba^ fie auf SSefe^I eines apoftolifd^en ÄommiffarS 1571 als 5ßriorin in baS Älofter be la ®ncamacion 3U 3lt)Ua 3urü(!!el^rte unb ani) i^ier (tro^ aSer Slbneigung ber 9lonnen) il^re Siegel 3ur @infül^rung brad^te.

Äur3 nad^l^er mürbe fie mit einem jungen (Seiftli^en belannt, in iöeld^em fie bie überrafd^enbfte Uebereinftimmung feiner religiöfen Sin« fd^auungen mit il^rem eigenen S^i^c^ erfannte, unb ben fie ba^er fofort als 33cid^tt)ater für fid^ unb il^re 5Ronnen feftl^ielt. ®ä toar biefeä Qu an be la 6ru3, mit bem fie fortan ben innigften 3luStaufd^ aller inneren ©riebniffe unterl^ielt, ber aud^ atöbalb il^r treuefter §elfer in ber gort« fül^rung ber toeiteren Sluäbel^nung ber Sleform (namcntlid^ burd^ Srrid^tung männlid^er Älöfter mit ber Siegel S^erefa'S) toarb, Sine SBtfxon, von ber fie fid^ bamalS plö^Iid^ umleud^tet f al^, mad^te auf fie einen f 0 mäd^tigen (SinbrudC, ba^ fie biefeS 93or!ommni^ T)on ba an als ben S3oben il^reS gansen inneren SebenS betrad^tetc. SBäl^renb fte nemlid^ eines 2iageS aus 3ol^annS ^anb bie ßommunion empfing, glaubte fie eine ßrfd^einung beS SrWferS in l^immlifd^er §errlid^leit 3U fe§en, ber mit 3)arreid^ung ber redeten $anb, in tpeld^em fte nod^ ben J(reu3eSnageI fal^, 3U il^r fprad^ : „SBetrad^te biefen SRagel als ein S^^^ i>c^/ ba^ id^ 2)id^ von je^t an }u meinem ©emal^I nel^me. SWeine @^re foll fortan bie S)einige, unb Seine bie meinige fein. SBon ba an betrad^tete fie fid^ als bie „SBer« mäl^Ite beS $erm"*

Sängft l^atte fid^ ber 9luf il^rer ©eiligfeit toeit^in burd^ gan3 ©panien Derbreitet, toeSl^alb bie S3ett)unberte t)on ben angefe^enften ^ird^enmännern aufgefud^t h^arb. 3lber aud^ bie Slbneigung, ber $a^ ber (Karmeliter unb ßarmeliterinnen alter, lajer Dbfert)anj gegen bie neue, ftrenge ßongrega-

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Hon l^otte enblid^ eine ^öl^e erreid^t, toelc^e mit bem Igal^re 1576 einen ©turnt gegen 3^erefa l^erauf fül^tte, bor bie ganje @d^opfung betfelben mit 93emi<i^tung bebtol^te. Xext^a tourbe 5ur Selbfteinfperrung in eind i^rer Älöfter verurteilt, il^re geiftlid^en Serater foroie bie nad^ il^rer Siegel lebenben 9tonnen h)urben mit ben unertröglid^ften SSe^ationen gema^regelt, unb noc^ fd^tocbte ein bei ber S^Quifition gegen aierefa (ber man il^r Diftonärei 28efen )ur ^e^erei maä)te,) eingeleiteter $roce^, afö enblid^ ba§ $iaf)x 1579 berfelben n)ieber 9lul^e brad^te. S>er fiönig griff per« fönlid^ in bie gegen fxe gerid^tete älgitation ein, ber $roce^ tt>urbe nieber« gefd^lagen unb bie Verfolgung l^örte auf. 3m folgenben $iai)ve, 1580, crlannte ber 5ßapft burd^ ein SSreoe bie oon 3Ierefa geftifteten Älöfter (17 92onnem unb etma eben fo oiele 3}lönd^§{t5fter) ald eine oon bem Drben gemifferma^en abgelöfte felbftftänbige Kongregation ber unbefd^ul^ten Sar« meliter an, an bereu @pi|e ein befonberer ^rooingial gefteUt toarb.

Xro| aller SBiberioärtigteiten unb 9iötl^e unb tro| il^rer faft un« unterbrod^en anbauemben förperlid^en Seiben l^atte bal^er ^erefa il^en ©ebanlen einer Drben§reform in einer jmanjigjläi^rigen äBirIfamleit jur SSertoirllid^ung gebrad^t; unb am @nbe il^red SebenS lonnte fie ba^et auf t^üd^te beffelben jurüd^fel^en, toeld^e il^r nad^ il^rem im 3<^^^c ^^^^ erfolgten 2!obe nid^t allein ben ^eiligenfd^ein, fonbem aud^ ben 3^itel eines Doctor ecclesiae, ja fogar (burd^ einen Sefd^lu^ ber ßorteS oon 1814) bie SSSürbe einer Patronin ©panienS (neben ©. 3^8^) eintrugen.

. S)ie erfte ©efammtauSgabe ber (im präd^tigften ßaftilianifd^ gefd^riebe« nen) ©d^riften Siercfa'S meldte biefelbe teils auf Sefel^l il^rcr Oberen, teils auf ben SDSunfd^ unb im S^tereffc il^rer 5Ronnen ©erfaßte , tourbe oon ^ap.SuiS be Seon (©alamanfa 1588) offiziell oeranftaltet. 3>leue äluS« gaben beS fpanifd^en S^ejteS erfd^ienen (ju Sleapel 1594 unb 1604, gu 3Kabrib 1597, 1611, 1615, 1622, 1630 Anveres), 1793; au^erbem lateinifd^e, italienifd^e unb beutfd^e Ueberfe^ungen.

Su ben auf Sefel^l il^rer Oberen gefd^riebencn ©d^riften gel^ört oor ÄHcm il^re Slutobiograpl^ie, bie fie unter bem 3^itel Libro de las miseri- cordias del Senor biS }um 3^^^^ ^^^^ filierte. 2)aran fd^lie^en ftd^ unmittelbar il^r Libro de las fandaciones (unter bem Xitel „3)aS ä3ud^ oon ben Äloftcrgrünbungen " 1868 in beutfd^er Ueberfe^ung oon ber ®räfin Qba ^aJ^n^^al^n l^erauSgegeben) unb il^r Libro de las relaciones (»erid^te an il^re Scid^toäter, ebenfalls oon Sba $al^n*§al^n überfe^t). 3)ie übrigen ©d^riften filieren bie Slitel; Camino de perfecion, escrito para sus monjas a ruego dellas (SBeg 3ur SSoIlIommen|eit für il^re Sflonnen, auf beren Verlangen gefd^rieben) ; Conceptos del amor de Dios sobre alguoas palabras de los cantares del Salomon (@ebanlen

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über bic Siebe ©otteS, auf ®runb einiger SBorte be§ ^ol^en SiebeS); Ecclamaciones o meditaciones del alma a an Dios (Setrad^tungen ober ®ebet^rufe ber Seele )U ®Ott), De las siete moradas del alma o

castillo interior G,SBott ben jteben SBol^nungen ber ©eele" ober „©eelen*

bürg") unb Siete meditaciones sobre el Pater noster acomodadas k los

dias de la semana. ^^a^VL lommen nod^ einige Heinere ©d^riften, inS« befonbere i^re lieblid^en 3)i(i^tungen (Coplas, Glosas, Canciones). Ueber biefelben ogl. „©torl, beS l^eiligen ^[ol^anneS oom Ärcu3 unb ber l^eiligen %^txe[xa von SefuS fämmtli^e ®ebid;fe überfe^t (SKünfter, 1854),

Unter allen biefen ©d^riften i[t ba§ S3ud^ oon Castillo interior bie? jenige, toorin 2^erefa il^re SK^ftif am oottftänbigften unb überjtd^tlid^ften bargelegt l^at. $ier toirb bie ©eele mit einer 95urg auS S)iamant ober l^ettem Ärpftaff oergliji^en, bie oiele ©emäd^er umfd^Iie^t unb an toeld^er ®ott feine Suft l^aben toiff. 3^ SKittelpunft ber S3urg ift aber bie oor« nel^mfte SBSol^nung, in toeld^er 3n)if(i^en ®ott unb ber ©eele gel^eime Singe auSgetaufd^t toerben (I. 1, 2 u. 3,). 2)er SBSeg, auf weld^em ber 5Dlenfd^ 3U biefer 95urg unb in beren ®emäd^er gelangt, ift baä @^iet, burd^ toeld^eS bie ©eele in fid^ ge^t. (L 2, 5)

®ie SBol^nungen biefer SBurg , loeld^e bie ©eele burd^toanbem mu^, um mit ®ott oofflommen ®inS werben 3U fönnen, finb 1. bie ber ©elbft* erlenntni^; 2. bie beS ÄampfeS; 3. bie ber ®ottc§furd^t, meldte über alle Slnfed^tungen ben ©ieg baoon trägt, in toeld^er SBo^nung baS nod^ natürlid^fe unb mül^fam betriebene ®ebet ber ©ammlung beginnt; 4. bie ber Slul^e (mit bem @eiet ber Stulpe); 5. bie ber ^Bereinigung mit ®ott unb 6. bie ber ©ntjüdfung.

3^erefa gel^t oon bem ®ebanlen auS, ba^ ber SKenfd^ burd^ bie ©ünbe oon ®ott entfernt, unter bie ^errfd^aft ber felbftifd^en ßreatür« lid^Ieit gelned^tet unb fid^ felbft entfrembet ift. SDiefeö ift baS ©lenb, unter toeld^em ber SWenfd^ inS 3)afein tritt. 3)al^er ift bie erfte Sebingung ber SBieberoereinigung ' ber ©eele mit ®ott beren Befreiung oon ber Greatur, oon ber ©elbftfud^t, Camino de perf. Vin. 1), loeld^e Befreiung ber ©eele bie malere ©elbftüberlaffung an ®ott unb an ben göttlid^en SBitlen ermöglid^t (Camino de perf. XII. 2). ^at fid^ bie ©eele oon allem ßrfd^ajfenen an^ Siebe ju ®ott ausgeleert, fo füHt ®ott bie ©eele mit feinem ®otteäleben auS.*)

®iefe Bereinigung ber ©eele mit ®ott gel^t oor fid^ burd^ bie Siebe im SBitten beS SWenfd^en. SDie Siebe ift loie ein 5Pfeil, ben ber aOBitt'

*) Las moradas, YII, II, 6: Es muy cierto, quo en vaciandonos de todo lo que es criatara, y desasiendonos della por amor de Dios, el mesino Seuor la ha de henchir de si.

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entfenbet. äBenn ber leitete feine ganje ^raft jufarmnenfa^t, ftd^ oon aüm irbifd^en S)ingen (oämad^t unb ftd^ ol^ne Slüd^alt ®ott 3ur SSer^ fügung ftcttt, fo mu^ er not^cnbig ®ott treffen, fo ba^ er jtd^ in ®ott, toeld^er bie Siebe ift, l^inein t>erfe$t unb Don ba mit bem Segen ®otted 3urücffel^rt (Conceptos del amor VI. 9).

3)en erften ©d^ritt auf bem SBege jur SSoHIommen^eit t^ut bie ©eelc burd^ bie innere Sammlung (recogimiento), in weld^er ber ßl^rift, int anbäd^tigen §inblid auf ßl^rifti ©ül^nopfer unb auf bie eigene ©ünb* l^aftigfeit, emftlid^ft fid^ bemüht, fid^ Don allen jerftreuenben ©inbrüdfen ber ätu^entoelt frei gu mad^en. 3)ie ©eele er(;e6t fid^ ba auS bem ^od^e, njeld^eg bie 2)inge ber SBelt il^r auferlegen unb rid^tet fid^ auf toie einer, ber in eine fefte S3urg eingetreten ift unb barum ben %Äni nid^t fürd^tet. ©ie jiel^t bie ©inne t)on alten äußeren 2)ingen ab, fo ba^ fie bicfe gar nid^t mel^r fie^t. Dal^er l^aBen biejenigen, rocld^e biefen 2Beg ge^en, tocnn fie beten, faft immer bie Slugen gefd^Ioffen (Cam. de perfec. XXVin. 4.)

3n bem ©ebete ber ©ammlung (oracion de recogimiento) l^at man bie SRcbitation ebenforaenig ju unterlaffen afö bie 2il^ätigleit beä 33erftanbeö. SJiefer irrt jebod^ jieHoS uml^er. 2)al^er tm^ ber SBitte fid^ um fo fefter in ber Stulpe (Sotteg Bel^aupten, in tocld^cr er oon ber Siebe @otte3 fein neue§ Sid^t ju empfangen l^at. 2)iefe§ lä^t il^n 3unäd^ft bie Orö^e ber ®nabe ericnnen, beren er gewürbigt ift, meSl^alb er fid^ oor Sßlem 3ur SJanffagung getrieben fül^It.

3luf biefer ©tufe empfinbet bie ©eele oft eine ®rtoeiter.ung il^reä SBSefenS, fo ba^ fie fid^ 3um Sienfte ©otteS freier unb gefd^idfter fül^lt als frül^er. ®benfo entfd^toinbet bie Ined^tifd^e gurd^t oor ber §ötte. ®ie Sluäübung atter 3^ugcnben wirb ber ©eele leidster; biefelbe a^nt bereits il^re einftige SSoIIenbung in ®ott unb fül^It ein 3Serfangen 3U ©ottcS ei^re ju leiben (Moradas, IV, III. 7—8).

SSebingung beS ferneren ^ortfd^rittä ber ©eele ift, ba^ biefe jtd^ felbft bcmül^t, im ©ienfte beS ^errn unb in ber ©elbfterfenntni^ toeiter fort3ufd^reiten (Moradas V. III. 1). SCI^ut bie ©eele biefeä, fo toirb fie bur^ ©Ott attmäl^lig in ben ©tanb ber Slul^e (quietud) erl^oben. SDiefer äuftanb ift einer inneren unb äußeren Dl^nmad^t äl^nlid^, ber Äörper oer* mag ftd^ nid^t 3U regen unb bie ©eefe empfinbet il§r feligfteä ©enügen. Me i^re Äräfte rul^en. SDod^ ift biefeS lein tobteS ©d^meigen, fonbem ein ©id^oerfd^Iie^en berfelben in fid^ felbft.*) SDaS SRebtn ift ber ©eele befd^toerlid^, unb über bem Seien eines Unfer SSaterS oergel^t wo^l eine ©tunbe. 3n biefem 3uftanbe ftetten ftd^ oft X^ränen ein, weld^e fe^r

*) Camino de perfecion XXIX, 3: Esto no es sileücio de las potencias, sino encerramiento dellas en si mismas.

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fü^ fmb. 5JRatt glaubt ntd^t in ber SBcU ju fein unb möd^tc ni^tä feigen unb l^ören ate ®ott. 3«^ SScrrtd^tung tocltlid^er ©cfd^äfte ift bcr 5Wenfd^ in bicfcm S^ftanbc unfäl^ig. ®cnn tocnn fold^c SDinge an il^n l^erantrctcn, fo erfd^cini er toie rerbu^t (como embobado ä vezes). S)ie ©eele gleid^t in jenem S^ftanbe einem ©äuglinge, ber an feiner SKutter ©ruft liegt, bie il^m , ol^ne ba^ er begel^renb bie Sippen bamad^ rid^tet, bie 3KiId^ in ben 3Runb träufeln läfet. SDenn ber SBitte liebt l§ier ül^ne 3utl^un beS SSerftanbeS; unb ber §err toiff, ba^ er ol^ne babei JU beulen, inne toerbc, hjie er bei il^m ift, ba^ er nur bie 351x16), bie er il^m in ben 3Kunb gie^t, genieße unb il^re ©ü^igleit fd^meäe unb fid^ biefeS ©enuffeS freue. ®r barf aber nid^t begreifen tooHen, hjie er fie geniest, nod^ lüorin ba§, xoa^ er geniest, beftel^t; melmel^r mu^ er be^ jüglid^ beffen, toaS il^n betrifft, in tjoller ©orglofigleit fein (Camino de perfec. XXXI. 2—8).

35a§ ©ebet in biefem ©tanbe (oracion de quietud) ift ein übematür^ lid^eS (cosa sobrenatural) d^ariSmatifd^eSScben berSeele. Äeine3Inftrengung, bie ber SKenfd^ anhjenbet, fann il^n 3U biefem ©ebcte bringen; benn beftel^t in einer göttlid^en SSerfe^ung ber ©eele in ben ^J^eben ober mh mel^r in einem ©id^einfinben ber ©cgentoart be§ §errn in ber ©eele, wobei alle ©eeleniräfte in ©otteS ©eift rul^en.*)

®er ©tanb ber 9lul^e ooffenbet ftd^ ju bem ber ^Bereinigung (mit ©Ott), ein ebenfalls d^ariSmatifd^er ©eelenjuftanbr in toeld^em 5lt)ar nod^ bie ^ßl^antafte unb ba§ SrinnerungSoermögen t)on ben Sinroirlungen ber 2lu^enlt)elt abl^ängig finb unb erregt merben lönnen, aber ber SBer^ ftanb mit bem SBJiffen t)on bem ©eifte ©otteS gan3 abforbirt ift, fo ba^ fid^ alle l^öl^cren ©eeleniräfte eines fü^en ©d^IummerS in ©Ott erfreuen, unb bie ©eele felbft oott überfd^loenglid^en griebenS ift.**) XlebrigenS empfängt bie ©eele l^ier il^re 5Ral^rung nid^t mcl^r fo, oon ©Ott, toic im ©tanbe ber Stulpe; benn ba finbet fein S)arreid^en unb ^innel^men bcr 9lal^rung mel^r ftatt, fonbern bie ©eele finbet bereits 2lffeS in ftd^,

*) Camino de perfecion XXXI, 1 : No la (nämlid^ bie oracion de quietud) podemos adquirir nosotros por diligencias que hagamos, porque es un ponerse el alma en paz, ö ponerla el Senor con su presencia, por mejor dezir, como hizo al justo Simeon, porque todas las potencias se sossiegan.

**) 3n ben Conceptos del amor de Dios IV, 8 ruft S^erefa bcgeiftcrt

il^ren 9lonnen .gu: Sabed, que es el major que en la vida se pnede gustar, aunque se Junten todos los deleytes y gustos del mundo. Veese (n&mtid^ e alma) criada e mejorada, sin saber quando lo m*ereci6. Ensenada a grandes verdades, sin ver el maestro, que la ensenö; fortalecida en las virtudes, rega- lada de quien tambien lo sabe y puede hazer, no sabe a que lo comparar sino al regalo de a madre, que ama mucho al hijo, y le cria y regala!

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•t^l^ne 5U TOtffcn, hjie fic ber. §ert baju gcttad^t l^at (Camino de perfec XXXI, 9).

3)tc SJBirfungcn biefeS (Eintritts bcr ©eele in bic SJcrcmigung finb junäd^ft ein SBcrgeffcn il^rcr felbft, inbem fic, nur bcm ©ebanfen an bic ^örberung bcr (Sl^rc ©ottcS I§ingcgc6en, fid^ t)orIomntt, olä fei fic gar itid^t ntcl^r auf bcr SBcIt, alg fei fic ein 5Rid^tä; fobann baS brcnncnbc, aBcr befcligenbc Verlangen nad^ ©otlcs SEBiffen unb ju ®ottc§ ßl^re Seiben 3u ertragen, bamit nur ju größerer SSerl^crrlid^ung ©ottcä bcr SBillc bcffcIBcn an il^ncn 3ur SSoKjicI^ung lommc, unb baburd§ toontöglid^ eine ©eele gerettet ft)crbe; unb enblid§ ein fo gänjlid^eä ©rlöfd^cn affeä SScrlangeng nad^ 2^roft unb (Srquidfung, ba^ bic ©eelc ®ott felbft baS SScrlangcn länger ju leben al§ baS föftlid^ftc Dpfer barbringt, bds fic übcrl^aupt barjubringcn vermag.*)

3uh)eilen wirb bic ©eelc im ©tanbc bcr ^Bereinigung gur @nt^ 3ütfung (arrobamiento) l^ingcriffen. 2)iefelbe ift ein nid^t bIo§ über- natürlid^er, fonbern aud^ ccftatifd^cr 3wftanb, in tücld^cm atte ©innem tl^ätigleit unb äffe freie Ißrperlid^c S3eh)egung aufijört, inbem in il^mallc ©eclenlräfte von iem ©eifte ©otteä abforbirt unb bcraufd^t ftnb. Stuf bic in ber JRegel eine l^albe ©tunbe lang anbauernbe ®ntjüdfung, in lücld^cm bcr ©eele bic tpunbcrbarften ©d^auungen (Sl^rifti unb ber S^rini^ tat 3U 2;i^eil toerben, folgt meiftenS ein mcl^rftünbigcr ©eelenfd^Iaf, in roeldjcm nid^t nur ber 3Bitte gan^ unb gar in ©ott aufgegangen ift, fonbern aud^ ©cbäd^tni^, 3Scrftanb unb SinbilbungSlraft im fü^eften Sftaufd^c Derl^arrcn.

®§ giebt nod^ eine anbere 2ßeifc ber ßntjüdfung, ber ©ciftegflug (vuelo del espiritu), bic bcm Sföefen nad^ jcber anberen (Sntjüdfung einerlei, bcren ©mpfinbung aber eine cigentl^ümlid^e ift. SRit bcr ©d^ncHiglcit eines ©efd^offcS, it)eld^e§ au§ einem Seuergeroc^r entfcnbet toirb, erl^cbt fid^ bic ©eele im ^lugc 3U l^immlifd^cn ©efid^ten; unb au§ ber fo merf« lid^cn Scroegung, wcld^c biefer ^lug im Innern l^croorruft, ift ju crfcl^en, ba^ i^ier feine S^äufd^ung vorliegt. ®§ ift biefcS ein feligeg, aber im Semu^tfein bcr ©ünbl^aftigleit aud^ fd^mcrjIid^eS ©efü^I bcr Dottlommcn* ften 3Sereinigung mit bcm (Sriöfer, ein ©cfül^l von einer ©täric, ba^ bie ©eele oft glaubt, fic muffe fid^ j|e|t t)on il^rem Seibe fd^eiben unb in baä geuer bc.r Steinigung eingeben. 3)abei fü^It fid^ aber ber Seib fo

*) Qn bem Moradas I, 4 unterfd^eibct Xerefa im ©tanbe ber SSercinigung %mi ©tufen, nämlid^ bie ber SSevlobung unb bie ber Sermäl^Iung, ol^ne jebod^ felbft biefet Unterfd^eibung befonberc SBebeutung beijulegcn.

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ätl^etifd^ leidet, ba^ er jumeilen bem ^(uge be3 @eifteS }u folgen uni^ jtd^ Dom Soben ber ßrbc frei ju erl^ebcn vermag,*)

äluS biefem Slaufd^e exroa^t bie @eele faft immer in einem 2^l^ränen« Babe. SP pc wieber 3U fxä) gefommen, fo l^at fie t)on il^rer ©rregung. einen großen ®eu)inn; benn fte ad^tet bann affeS grbifd^e im SJergleid^- 3U bem, toaS fie gefd^aut, für SRid^tS. ®S ift il^r, als ob il^r ber $err' etwas Don bem Sanbe gejeigt ^ahe, in roeld^eS fie einft eingel^en foff.**).

S(uf biefen l^öd^ften $öl^en ber Kontemplation l^at bie @eele nad^ >er 2lnjid^t SKand^er ben ©ebanlen an bie 3Renfd§l^eit unb an bie Seiben. Sl^rifti fallen ju laffcn. S)iefe SWeinung ift jebod^ irrig. SBer il^r folgt, wirb in bie t)oIlfommene ^Bereinigung mit ®ott nid^t eingeben. 3)enn wer von ßl^riftuS abiäffet, t)crliert ben einigen gü^rer unb lann ben redeten SBeg nid^t ge^en. S)arum !ann bie Seele ben Umgang mit 2)em,. in meld^em bie ©ottl^eit unb bie SKenfd^l^eit vereinigt ftnb, nie ah bred^em***)

2)enn ber eigentlid^c 3^^*^ S" hjeld^em ®ott ben ©eelen feine au^crorbentlid^en ®naben mitt^eilt, ift nid^t ber, ba^ fid^ bie ©eelen. biefer ®aben freuen, fonbem ba^ fie jur SRad^al^mung bcS SebenS S^f« tüd^tig n)erben foUen, toaS namentlid^ aud^ baburd^ gefd^el^en foS, bafk bie Seele bem §erm in immer größere Seiben nad^folgtf)

*) Ucber biefen audj fonft öorfommenfcen ©ebanfen ber m^ftifdjen ®le? botton beS SeibeS ögL ©örreS, bie d^riftlid^e 3R#if, St. U, ©. 520.

**) ^gl< Libro de las misericordias ^a^. 10 22; Libro de las relaciones (passim); Moradas VI, 4, 5 u. 10.

♦**) SIerefa f^ric^t fic^ l^ierüber öfters, namenllidj in ben Moradas VI, 7 auS :

Esto es una cosa, que escrivi largo en otra parte, que aunque me han contra- dicho, 7 dicho, que no lo entiendo, porqae son caminos por donde lleva nuestro ^Senor, j qae, quando ya han passado de los principios, es mejor tratar en cosaa de la Divinidad y hair de las corporeas: a mi no me haran confessar^ que es buen Camino. Tambien les parecera a alganas almas, que na pueden peusar en la Passion, pues menos podran en la sacratissima Virgen» ni en la vida de los Santos, que tan gran provecho y aliento nos da su memoria*. Yo no puedo entender en que piensan, apartado de todo lo corporeo; porque para espiritus Angelicos es estar siempre abrasados en amor; que no para los, que Tivimos en cuerpo mortaL No puedo creer, que se entienden, y ansi haran dano a si y a los otros. Alomenos yo les asseguro, que no entien a estas dos moradas postreras. Porque si pierden la guia, que es el buen Jesus,

no acertaran el camino. ~ ^erefa fd^lie^t bie nod^ Leiter fortgefül^rte 9ef))re(^ung ber t>on i^x ^urüdtgetoiefenen äReinung mit ben Sorten Yo os digo, hijas, que lo tengo por peligroso camino.

•(•) Moradas VII, IV, 3: Bien sera, hermanas, deziros, que es el fin, para que haze el Senor tan grandes mercedes en este mundo, aunque en los efifetos dellas lo avreys entendido, si advertistes en ello, quiero os lo tomar a dezir

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SltterbingS begebt bic ©cele, aud^ tucnn fie 5ur l^öd^ftcn ©tufc ber SSoHfommcnl^cit gelangt x\t, immer nod^ ©ünben, aber feine S^obfünben (inbem jie vox einem fold^em ^alle von ®ott betoal^rt wirb), fonbem nur crlä^Iid^e ©ünben, 2lber nie lann bie ©eele roiffen, ob fie nid^t nod^ mit ber ©d^ulb irgenb eine 3;obfünbe belaben x% an bie fie nid^t benft; unb eben barum fül^It fid^ aud^ bie jur Sereinigung mit (Sott gelangte. ©eele forttoäl^renb beunruhigt. *)

3ur 3SoII!ommenl^eit, meldte ber ß^rift l^ier auf ®rben erreid^en lann, gel^ört übrigens nid^t, ba^ berfelbe unabläffig auf ben §öl^en: ber ßontemplation toeile, biefeS ift überl^aupt nid^t möglid^, SRur jeit* Toeilig t)ermag fid^ bie Seele 3ur ßontemplation ju etl^eben, auä ber fie? aber immer mit neuem ©egen jur 3Jlebitation l^erabfteigt. SKartl^a unb» 3roaria muffen bal^er im geförberten religiöfen Seben beifammen feim (Moradas, VII, IV, 1. 9).

SJiefe finb bie mefentlid^ften ©ebanfen, von benen baö religiöfe 2eben ber frommen Drbenäfrau getragen war. ^^xe Seigre von ber ftufenmä^igen (SnttoidEelung beS inneren religiöfen Zeben^ fällt alfo 3Us fammen mit ii^rer Sluffaffung ber oerfd^iebenen ©tufen be§ ©ebeteS, unb ixvax be§ §erjenSgebeteg,

SSergegenmärtigen toir un3, toaS gegen ba§ 6nbe beS fiebjel^nten Sa^tl^unbertS in ber latl^olifd^en fiird^e al§ „DuietiSmuS" be.^eid^net unb reprobirt mürbe, fo ift unfd^toer ein3ufel^en, ba^ bereits 2^ercfa von Sefuä ebenfo mie fie in il^rem Seben bie quietiftifd^e SKpfti! in voller perfönlid^er SEBirllid^feit barftellte, fo aud^ in ii^ren ©d^riften bie toefent^» lid^ften ©runbgebanlen berfelben vertreten l^at. ^ le^terer Sejiel^unj ift entfd^eibenb, mag fid^ in ben ©d^riften berfelben über ben ©tanb ber ,,9lu^e" unb über baS „@ebet ber Stulpe" ausgeführt t)orfinbet. 3wm rid^tigen SBerftänbni^ biefer SluSfü^rungen finb jebod^ nod^ bie religiöfen ©efid^tSpunfte l^eroorjul^eben, von benen SJerefa l^ierbei geleitet Ipurbe unb in benen fid^ bie eigentlid^en religiöfen Sntereffen berfelben funbgeben.

aqui, porqae no piense alguna, que es para solo regalar estas almas (que seria gran yerro). Que no nos puede sn Magestad hazerle mayor, qae darnos vida, que sea imitando a la, que vivio su Hijo tan amado; y ansi tengo yo por cierto> qne son estas mercedes para fortalecer nuestra flaqueza, para padecer por su amor. Siempre hemos visto que los que mas cercanos anduvieron con Christa nnestro Senor, fueron los de mayores trabajos.

'*') Moradas VII, IV, 1 : Tampoco penseys , que estas almas de^^an de- hazer muchas imperfeciones y aun pecados. De advertencia no; que las deve el Senor a estas tales dar muy particular ayuda para esto. Digo pecados veniales» que de los mortales, que ellas entiendan, estan libres, aunque no seguras, qu& tiendran aignnos, que no entienden, que no les sera pequeno tormento.

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Smet ©ebanlen finb e§, bic ba§ gefamtntc tcligiöfc SeiDU^tfem S^ercfa'ä bel^crtj'ci^en unb ben $Ral§men beffelBen Bilben, nätnltd^ 1. ber ©cbanle, ba^ bic 5RcIigtofität überl^aupt in ber ßonfomtirung be§ menfd^« lid^en SBxttcnS mit bcm SBiUen ©otte§ Bcftel^t*), unb 2. ber eoangcKfd^e ©laube, bafe ßl^riftuS ber auSf d^Iiefelid^e ®runb QÜeS ^eileS ift**), 2)urd^h)eg tritt bal^er in ben Sd^riften S^erefa'ä eine foteriologifd^c Se? tonung. be§ 5Ramen§ 3fefu ßl^rifti l^erDor, r>ox weld^er ba§ latJ^oUfd^sfird^* lid^e 2)ogma t)on bem SKittlertl^um ber ^eiligen »ottftänbig erlifd^i Slur ganj nebenbei tl^ut fie berfelben ®rh)äl^ung, unb nur in bem ©inne, ba^ fie in ben ^eiligen ermunternbe 3SorbiIber be§ d^riftlid^en Söanbefö l^in* ftelft. Slber burd^roeg erfd^eint aud§ il^re SSerlünbigung be§ 9lamen§ S^fu €l^rifti unter bem ©d^atten be§ ©ebanfenS, hdß ßl^riftuS ber §err ift, insofern bie ßonformirung be§ menfd^Iid^en SöiUenS mit ©einem SBitten ttnb bie ßonformirung be§ menfd^Iid^en 2eben^ mit ©einem Seben unb mit ©einen Seiben bie Sebingung atteS §eile§ ift. Sie atter^ tröftlid^fte Sotfd^aft be§ ®t)angelium§^ ba^ ßl^riftuä burd^ fein Seiben unb ©terben für alle SSelt bie ©ered^tigleit, bie t)or ©ott gilt, crtoorbcn l^abe, h)ar für 2^l^erefa nid^t üorl^anben. ©ie lannte nur ien ©ebanlen ber Siad^bilbung be§ SebenS S^fu, ber 5Rad^foIge Qefu, ol^ne ben felfenfeften S^roft ,^u feigen, ben (Sl^rifti Seben ben ©laubigen bietet. S)ie eüangelifd^e SBal^rl^eit, ba^ ber 5!Kenfd^ mit ß^rifto @in§ werben tttufe, nm t)oIKommen hjerben ju lönnen, in fein ©egentl^eil Derlel^renb, forbert fie bal^er, ba^ bie ©eele jur SSoHIommenl^eit l^inftrebe, um 3ur Bereinigung mit ßl^riftuS unb mit ©Ott gelangen 3U lönnen***); unb

*) Moradas II, 1: f agt 3Jerefa fo beftimmt al§ mi50(id^: Toda la pretension

de quien comien^a oracion (y no se os olvide esto, qne importa mucho,) ha de ser trabajar y determinarse y dispoaerse ccTn quantas diligencias pneda hazer s, conformar su voluntad con la de Dios; y, como dire despues, estad muy ciertas, que en esto consiste toda la mayor perfecion, que se puede alcan^ar en el camino espiritual. Quien mas perfectamente taviere esto, mas recibira del Senor, y mas adelante esta en este Camino. No penseys, que ay aqui mas algarabias ni cosas no sabidas ni entendidas, que en esto consiste todo nnestro bien.

**) ®in l^errUdJcg 93e!enntni^ legt ^erefa j. 93. in ben Meditaciones sobr«

«1 Pater noster ("Quinta peticion para el viernes) ab*. ElHijo de Dios fne hecho nuestro Redentor y redencion de nuesiros pecados con su sangre. El es el, que nos libro del poderio de Satanas (a quien estavamos sujetos) y nos preparo el reyno de hijos de Dios, y nos hizo reyno suyo; y en el tenemos redencion, quiero dezir: perdon de nuestros pecados, y elprecio, que se dio por el rescate 4ello8. ***) Moradas V, 3: Que pensays, hijos, que es su voluntad? que seamos <lel todo perfectas, para ser unas con el y con el Padre, coino su Majestad lo pidi6 ;

- mitbiefen SBorten J)räaiftrt 2)erefa i^ren SBegriff beS ©l^rifkentl^umS bottft&nbig.

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barum forbertc fic, ba^ bic ©cele mit t)tcl 9Rül^c unb 3lotf) an fxHf arbeite, um fid^ ju reinigen unb [xtS) mit ®ott 3U vereinigen.

2^erefa fa^t bereits bie ßontemplation auf il^ren l^öi^eren ©tufcn ganj beftimmt aU fupranatureleS Seben auf, unb bringt bie göttlid^c SBirIfamleit mit ber coniemplirenben ©eele ju biefer felbft in eine fold^e Sejiel^ung, ba^ biefe jum „9lid^tä" (NuUa) mirb. 3)aS Sffiefen ber „3lul^e" toirb t)on il^r ganj ebenfo aufgefaßt, toie fpäterl^in $. S. aud^ von 3ÄoIino§ gefd^a^.

2)er quietiftifd^e ©ebanle, ba^ bie ßontemplation eine Steinigung ber ©eele 6eft)irle unb eine SEBirIfamleit beS ©eifteS ®otte§ in berfelben einfd^Iie^e, moburd^ bie ©eele, fattS fie nid^t von ©Ott toieber abfalle, gegen baä'Sege^en von S^obfünben gefd^ü^t toerbe, jo ba^ fie nur nod^ lä^Iid^e ©ünben begel^e, tüirb ebenfattS fd^on von S^erefa vertreten.

ßbenfo ift il§r bie quietiftifd^e Säetrad^tung be§ ßeibeng, als eines 3KitteI§, burd^ toeld^eS bie ©eele ©Ott @l^re unb ©enugt^uung ju geben "ffobt, burd^auS eigen.

hiermit toar bie ber quietiftifd^en SJl^ftif eigentpmlid^e ©leid^fteHung beS von ber conlemplirenben ©eele ^ier auf Erben ju tragenben SleinigungSs IcibenS mit ber Steinigung terfelben im 5ßurgatorium bereits ooUftänbig vorbereitet, unb eS toar ber ©ebanfe gered^tfertigt, ba^ ber ß^rift burd^ bie ßontemplation eine Steinigung unb SBoIlIommenl^eit anftreben muffe, Jveld^e il§n fd^on l^ier auf ®rben ben oollenbeten ©eligen im §immel gleid^ftette, toeld^e il^n alfo beS S3ebürfnif[eS unb ber Siotl^roenbigleit einer Steinigung feiner ©eele nad^ bem 2^obe im ^urgatorium überl^ebe.

2lud^ ber ©ebanfe, ba^ eS l^eilf am fei momöglid^ aüe SCage bie ©ommunion ju empfangen, ift ber frommen DrbenSfrau nid^t fremb*).

SBirb alfo S^erefa in ber fatl^olifd^en Äird^e als Doctor ecclesiae beseid^net, fo fann biefeS nur ben ©inn l^aben, ba^ fie als bie l^eiligs gefprod^ene SRulter ber fpäterl^in in ber ^erfon beS 3JloIinoS jur Äe^erei geftempelten quietiftifd^en SKpftif anerlannt toirb.

2)aburd^ aber ging atterbingS ein toirflid^er ©egen von i^r auS. Ueberatt, tvol^tn i^re 9Bir!famIeit reid^te, rief fie eine innerlid^e, ben üllerl^eiligften Slamen 3efu ß^rifti in ein gan3 neues Sid^t fteEenbe fjrömmigfeit tvad^, bie allerbingS vielfad^ in bijarrer ©eftalt l^ervorlrat, bie in il^rer ganzen ©runbrid^tung an einem ©runbf eitler litt, bie a6er bod^ beffer, getviffenl^after, lebenbiger, evangelifd^er unb l^eilfamer mar,

*) SSgl. g. SB. toaS ^lerefa in ben Siete meditaciones sobre el Pater noster

jur tJierten öitte \aQt, ivo fie bie (£ommunion alS baS „täglid^e 33rot" beS ©^rifteir l&etrad^tet.

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<xfö ber geift^ unb gctotffenlofc äu^erlid^e SEBcrIbtcnft, bct btc t)ul8are SRcHgtofttät in ber latl^olifd^cn Äird^c d^araftifirte*).

2)cr ©inftu^, bcn bic cblc 3)ame in Qpamm junäd^ft inxi) xf)xe ^crfönlid^c SBirffamfctt, f)exnaä} burd^ il^rc ©d^riftcn auf unjäl^Kgc für inncrcä geben empfänglid^e (Semütl^cr ausübte, toar aber ein um fo be« beutenbeter, al8 fie mit i^tet religiöfen Slid^tung in Spanien nid^t attein ftanb, fonbern ftd^ burd^ bie eifrigfte SEBirlfamfeit gleid^geftnnter unb ^od^* angefel^ener Äitd^enmänner unterftü^t fal^.

Unter ben^elben ift cor Slllen ber eifrigfte 3Kitarbeiter 3)erefa'S in il^rer Drbenöreform, ber „erfte S3arfti^ers6armeliter" Juan de la Cruz (Johannes a cruce) ' ju nennen.

So Joannes uomÄreuje hjar alä ©ol^n eines uerarmten caftilifd^en ©belmannS ©onjalen uon ?)epe^, ber fid^ mit ©eibenhjeberei ernährte, im Saläre 1542 .ju §onti6eroS (gontiveroS), einem jhjifd^en ©egoma unb ©alamanla gelegenen ^ledfen geboren. SSon feiner frommen SKutter Jiatl^arina, geb. Slloares, tveld^e uon bürgerlid^er älblunft toar, mit großer ©orgfalt erjogen, beurlunbete berÄnabe frül^jeitig einen tiefemften ©inn für rcligiöfe 35inge, neben roetd^em fid^ balb eine befonbere SReigung jur SIScefe erlennbar mad^te. SDer 38ater l^atte i^n für ben $anbtoerler6eruf beftimmt ; aber ber fortlüäl^renb in fid^ gefeierte, an bie SSBegc gum $im« melreid^ benlenbe Änabe jeigte fid^ l^ierju ungefd^iit. SereithJiHigft ging bagegen ber 5h)ölfjäl^rige ^ol^ann be ?)epe^ auf gureben eines frommen (SbelmannS als Sllmofenfammler unb Äird^enroärter in ein ^ofpital ber ,,unbefledften ©mpfängni^" juSWebina, toeld^em er ad^t S^l^rc lang ange« l^örte, anfangs nur in SBerfen bienenber Siebe ftd^ übenb, l^emad^ aber auf bem neu errid^teten Sefuitencotteg ju SWebina mit ©tubien be-- fd^äftigt.

S)a traf eS fxi), ba^ mcl^rere 'Äarmeliter nad^ 5IRebtna famen unb bafelbft ein neues Älofter ftifteten. ©ofort (1563) lie^ er fii) in baffelbc oufnel^men unb fül^rte feitbem ben DrbenSnamen Juan a S. Matthia. a)od^ crtoirfte er fid^ oon ben Oberen bie ©riaubnife ganj nad^ ber urfprüng«

*) JDaS eigentrid^e 3Bcfen ber Sieltgiöfität unb beS religiöfen SebenS Xcrefa'S f))rid^t fidj natürlidj am Ilarftcn in il^rcn ®cbetcn auS, j. 8. in bem fc^önen ^er^enSergu^, bem fte in Libro de las fondaciones ^ap. V mittl^eilt: „^ttt toie gan) anberS ftnb bod^ S)eine ©ebanlen alS unfere @eban!en! SBon einer @ccU, bie feft entfc^loffen ift nur a)i(^ ju lieben unb bie il^ren gangen SBitten in ^eine ^änbe niebergelegt l^at, begel^rft ^u nid^tS anbereS, a(S ba^ fte gel^ord^e, eifrig S)ir ju bienen ftrebe unb nur 3)eine ®l^re )u förbern h)ünfdje. @ie htau^Sfi fid(f leine SBege gu fuc^en unb gu to&l^Ien, benn S)u tl^uft eS für fie, unb il^r äBiUe folgt bem S)einigen, ko&l^renb 3)u, o $err, 6orge trägft, fte il^rer größeren S3oK« lommenl^eit jugufül^ren!"

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lid^cn ftrcngcn DrbcnSregcI leben ju bürfen, toeS^alB er bem glctfd^genujfe ganj entfagte unb fid^ in an^altenbem ^Jaften unb ©d^lücigcn übte, eine Scbengtocife , rocld^e er aud& in ©alamanca fortführte, rool^in er in Scrüdffid^tigung feiner ungetoö^nlid^en ®aben 1565 3ur gortfeftung feiner ©tubien gefd^idft toorb.

Sinige Solare fpöter pnben wir il^n nad^ Seenbigung feiner tl^eolo* gifd^en ©tubien in 51Kebina toieber, too er ein für fein gangeS fpätereä ßeben entfd^eibenbeS S^föntmentreffen mit 2^erefa a Qefu l^atte.

6ben bamals tourbe er 3unt ?ßriefter gehjeil^t. SEBäl^renb ber erften SKeffe bie er las, betete er ju ©Ott um SBerleil^ung ber ®nabe, ba^ er t)or ferneren 2lobfünben belüal^rt bleibe unb für feine big« l^crigen 3!obfünben fd^on l^ier auf ®rben oolllommen ©enug« tl^uung leiften möge, unb bie ©d^ouer ber Stnbad^t, t)on benen er fid^ aföbalb überhjältigt fül^lte, waren il^m ein SeroeiS bafür, ba^ ®ott fein ®^het erl^ört l^abe*).

5Kit SIerefa vereinigte fid^ Söl^crnn ju bem Sntfd^Iuffe, bie SReform beS ßarmeliterorbenS in ber SBeife 3U ertoeitem, ba^ aud^ reformirte SDlönd^SlIöfter gegrünbet toerben follten. 3)a8 erfte berortige 3Dl6nd^8« Softer trat im §erbft 1568 ju ©uroelo (einem jroifd^en Sloila unb 5Kebina bei ßampo gelegenen 3)örfd§en) in§ 2eben. S^^" ^^.^öß i>öS Älofter ein elenbeä. Keines §auS, mit brei ©enoffen: aber mit glül^enber Scgeifterung gab fid^ ^ol^ann, bem baS 2lmt eines ©ubpriorS übertragen toar, unb ber fid^ oon je^t an Juan de la Cruz nannte, bem ftrengften Seben nad^ ber reformirten DrbenSregel ^in, bie er il^rer gan3en Si^ea« lität nad^ in fid^ t)erh)irIUd^en toottte. ®r tooHte ie|t bie SBofffommen^eit eines ßl^riftenlebenS ju il^rer ooUften SJertoirllid^ung bringen, 3U meld^em 3toedfe er bie l^ärtefte SlScefe an fid^ ausübte. (Sr geißelte fx6) unb legte ein aus Slo^^aaren unb SKeerfd^ilf 3ufammengehjebteS (Silicium an, mit einer Rette, beren eifeme ©pi|en an jebem SRinge il^m fortroäl^renb baS gleifd^ üerhjunben mußten.

Snbeffen tooHte bie Älofterftiftung in i^rer ungünftigen Sage nid^t gebeil^en, toeS^alb man biefelbe im Suni 1570 Don 3)un)eIo nad^ bem benad^barten SWancera oerlegte, too ber bortige ©runbl^err 3U biefem 3mcdfe eine neu erbaute Äird^e l^ergab. 5!Rit großem ßifer war S^l^cmn

*) S)er SSerfaffer beS Dibajo del venerable yaron Frey Joan de la Graz, toeld^eS ber 1635 in ^Barcelona erf d^ienenen SluSgabe ber äBerfe beffelben borauS« gefdjicit ift, fagt bejüglicij biefeS SSorlommniffeS : Dios le concediö una pureza infantil, restituyendole a la inocencia deunninodedosanos, 7 confirmandole

en gracia como a los apostoles. 9lfo autSf l^iermit ioar gol^anneS bom ^reuje i&ereitS ber SSorg&nger ber ^rau bon ^u^on!

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ie|t, h)0 bic 3^^^ bcr DrbcnSmitglicbcr rafd^ ftd^ meierte, afö SloDxjcn* ttteiftcr tl^ätig; aber bic größte SBirIfatnfctt begann bcrfelbe au§3uübctt^ afö 2:crcfa xf)n im 9Rai 1572 3U fid^ berief, inbcm fte i^m boS Seid^t« t)atcramt in bem eben t)on il^r. reformirten Älofter del EncamacioD ju 2lt)ila übertrug. S^l^ann bejog l^ier ein neben bem großen, pröd^tigen Älofter ftel^enbeS ärmlid^eS §äu§d^en. ®r t)erlel§rte mit S^erefa unb ben anberen ^Rönnen nur burd^ baS ©prad^gitter; aber tief lebte er fid^ l^ier mit berfelben in bie ©ebanlentDelt ber quietiftifd^en SDlpftil ein, bie nun. beibe in il^rer Älofterfamilie al§ ben alleinigen 3Q3eg 3ur toal^ren SSoH* lommenl^eit l^eimifd^ ju mad^en fud^ten. §ier mar eS aud^, too 3o|önn unb 3^erefa, burd^ ba§ ©prad^gitter l^in über bie ©el^eimniffe ber 3^ri* nität rebenb , . in einer ®cftafe einft gleid^jeitig vom gupoben bis 3ur SDcdEe be§ Si^^^«^ emporgel^oben fein foffen/

3)ie DrbenSreform l^atte in3toifd^en il^ren erfreulid^en S^rtgang, inbem biefelbe in jebem ^a^xe eine Slnjal^l neuer Älöfter getoann, afö ber ®rimm ber nid^t reformirten SWajorität beä Drbenö im ^af)xe 1575 über Qol^ann bie fd^merften 2!rübfale brad^te. .2lm 4. 3)ecember biefeä Qal^reS mürbe er ju Sloila mit S^ftimmung be§ päpftlid^en 5RunliuS oerl^aftet unb in baä ßarmeliterllofter lajer DbferDanj 3U %oUio abgefül^rt, too. er nid^t nur bie i^m reid^Ud^ juerlannten ©eijsell^iebe, bie feinen Äorper 3erf[eifd^ten, fonbern aud^ bie S^ortur ber ©inlerferung in ein £od^ ol^ne Suft unb Sid^t unb ber rol^eften Sel^anblung, bie er feiteni feiner Reiniger erful^r, 3U ertragen l^atte.

Xerefa unb bie anberen 5lonnen ju 2lt)ila l^dtten mit Seftürjung gel^ört, ba^ ber treuere SSater plö^lid^ mit (Setoalt ii^nen entriffen fei, ol^ne ba^ fie erfal^ren fonnten, tool^in man i^n gebrad^t unb h)a§ man mit i^m oorl^abe. ©ie bot fofort affeS 5!RögIid^e auf, um ben t^erel^rtcn ©otteSmann au§ ben §änben feiner 3)ränger ju befreien, aber umfonft; biä enblid^ bem aSerfoIgten gelang, burd^ bie glud^t mit Ueber^ h)inbung ber größten ©d^toierigfeiten, bei benen il^m bie munt^erbarftc göttlid^e §ülfe ju ^^l^eil getoorben fein foll, fid^ felbft in greil^ett ju fe^en. 3Jlit freubigem ©taunen fallen i^n bie Slonnen in bem barfüßigen ßarmeliterinnenflofter ju SCoIebo am frül^en 3Korgen eineä Slugufttageä 1576, aU fie gerabe 3ur 3lnbad^t ocrfammelt toaren, in il^r 3iintner ein^ treten. ®ine -geitlang hjarb er ^ier nod^ »erborgen gel^alten unb bann tjon 3Ut)erläffiger ^Begleitung auS bem 3Rad^tbereid^ feiner Verfolger fort^ gebrad^t.

©einer DrbenSgemeinfd^aft toiebergegeben, begann nun S^^cmn in berfelben mit neuem Eifer 3U ioirfen unb 3ugleid^ aud^ feine fd^on frül^er angefangene fd^riftfteHerifd^e 2)l^ätigfeit fort3ufe^en. 2)en 3Binter von

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1578 6i§ 1579 (h)0 Äönig 5ß^iKpp bcr SScrfoIgung bcr tcfotmitlen Aar» meltter ein @nbe mad^te) perbrad^ie er als $tiot bed ^[oftetä ßafoario in einer ber untoirtl^ftd^ften (Segenben 2tnbulaften8 , von . n)0 auS er 3U* gleid^ baS. Slmt eineä Seid^t)aterS in bem benad^barten Sflonnenllofter ju SSeag ausübte. SSon ba an toar bad äußere £eben bed ^Jlannei ein {^l^r betoegteS. ^m Sluftrage be3 ®eneralt)icar§ übernal^m er bie @rrid^tung unb Leitung eines DrbenSl^aufed unb SoQegiumg für @tubenten in ber bamaligen UniüerfitätSftabt Slnbalujtenä , Sanjo , h>o er fid^ }h)ei. Saläre als Slector beS neues SnftituteS auffielt, ^ernad^ lebte er ettoa mer Saläre lang als 5ßrior ju ©ranaba, roo er bie Slrauerbotfd^aft t)on bem Ableben ber 3Hutter S^erefa erl^icilt.

SBieberl^oIt tourbe er t)on ben ^romn3iaIcapiteIn ber Kongregation mit SBürben unb ßl^ren bebad^t. Wlan ernannte i^n jum britten, l^emad^ 3um jtoeiten DrbenSbefinitor, man übertrug il^m baS 3lmt eines ^ßrooins jialoicarS für bie ^jJroDinj iünbulafien, unb eS gelang il^m in jebem 3ö^re bie ©rrid^tung. neuer reformirter 2Jlönd§SfIöfter ju t)eranlaffen, J)abei l^atte er aber aud^ inneri^alb feiner DrbenSgemeinfd^aft forttoäl^renb 3U fämpfcn unb ju bulben. groeimal mu^te er fid^ gefallen laffen, ba^ er auf baS $riorat 3U ©ranaba jurütfoerfe^t tourbe.

SWit bem Sa^re 1588 fd^ienen enblidb alle Sebrängniffe, unter benen Soi^ann bisl^er 3U leiben gel^abt, il^r Snbe erreid^t 3U Traben. 3)urd^ ein päpftlid^eS S5ret)e t)om 10. ^uni 1587 mar ber Kongregation ber bar- busigen Karmeliter eine neue SBerfaffung gegeben, infolge beffen im Suni 1588 3U 5iJlabrib baS erfte ©eneralcapitel berfelben gel^alten marb. 3)em neugelüäl^Itcn (Seneraimcar inurben l^ier fed^S Släti^e beigegeben, berenerfter Sol^ann mar. 3wgleid^ tourbe bemfelben baS 5ßriorat 3U ©egoma 3uertl^eUt.

Sql^ann 30g nun nad^ ©egoma über, hjo er bis 3um 3<^l^re 1591 lebte, älud^ in biefer S^it gelang eS il^m, eine beträd^tlid^e S^^l ^^^^ SKönd^S- unb $Ronnen!löfter 3U errid^ten; attein eine tiefe SBerftimmung« bie bamals unter ben SRonncn ber Kongregation toegen ber burd^ bie neue SSerfaffung für fte l^erbeigefül^rten Seeinträd^tigungen 5ßla^ griff, fül^rte JU ©treitigleiten , infolge beren S^^önn auf einem ©eneralcapitel JU 3Rabrib am 1. S^ni 1591 nid^t nur feiner ©tettung als DrbenSratl^ entl^oben, fonbem aud^ Deranla^t mürbe, bie auf il^n gefallene SBal^l 3um $rot)in3ial beS DrbenS für 9leufpanien ab3ulel^nen. QSol^ann fal^ ein, ba& er in ber DrbenSregierung leinen Slaum.mel^r l^atte, jum größten Sammer ber Sionnen, bie in il^m il^ren Sefd^ü^er erfannten; bal^er legte er je^t aud^ baS $ßriorat 3U ©egoma nieber unb jog fid^ in baS einfam auf ben $öl^en ber ©ierra SWorena im nßrblid^en Slnbalufien gelegene Älofter Penuela jurüdf.

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S>ie SSerl^ältniffe in Spanten haaren il^m grünbßd^ verleitet. 3)a^er badete er boran, in (Semä^l^eit eines t)on ben Oberen bed DrbenS gefajs« ten Sefd^IuffeS mit jtoölf 5Ulönd^cn eine 3Jlifpon na(i^ 3Rejifo 3U über« nel^men, um aud^ l^ier für bie ßongregotion Soben gu getoinnen* ätiein eine il^n befattenbe Äranll^eit nötl^igte il^n aUiaü, berortige ^ßrojecte fallen ju laffen unb an bie SBieberl^erftettung fetner ©efunbl^eit ju benlen. S)a in Pefiaela nur fel^r fd^toer unb nur in ungenügenbfter äBeife ärjtltd^e ^ülfe JU l^aben toar, fo tourbe er nad^ einem anberen ÄJofter ber 60m gregation, ju Ubeba gebrad^t. Slud^ l^ier wartete feiner mel ^erjelcib feiteng ber Oberen; mürbe il^m bod^ fogar unerlaubter Umgang mit 5Ronnen jur Saft gelegt! Slber aud^ t>\d treue, l^ingebenbe Siebe toarb il^m 3u 3^l^eil, namentlid^ als ftd^ jeigte, ba^ baS Seiben feinem Seben ein 6nbe mad^cn toerbe. Slfe ber SKorgen beS 14. 3)ecember 1591 auf« bämmerte, toar ber le^te fd^toere Äampf bereits angebrod^en. Slber feine ©eele toar nid^t fem t)on bcm einigen 2^rofte im Seben unb im Sterben. 21IS il^n ber 5ßrooinjial Slnton a ^e^n^, ber an bem Sterbelager ftanb, mit §inn)eifung auf ben reid^en Sol^n ju trßften fud&te, ber feiner marte, antwortete er: „®to. ©I^rmürben hJoHen mid^ bod^ nid^t l^ieron erinnern, fonbem t)ielmel^r an meine ©ünben, für bie id^ feine anbere ©emtg* tl^uung l^abe, als baS 33Iut unb bie tl^eueren SSerbienfte S^f« ß^rifti." 5Rod^ an bemfelben 3^age ging bie fromme ©eele in bie etoige $errlid^« leit l^inüber.

Ueber 3<>^önneS* äußere ©rfd^einung berid^tet eine SRonne, bie il^m im Seben nal^e geftanben l^atte: „S)er feiige SBater, Sruber Sol^onn vom Areuge, mar t)on @eftalt Hein unb gar Deräd^tlid^ anjufd^auen in feinem groben unb ärmlid^cn ^abit; aud^ toar er ol^ne irgenbtoeld^en jener natür« lid^en SSorjüge, toeld^e bie Slugen ber 3Renfd^en auf ftd^ giej^en. älber tro^bem ftral^lte ettoaS (Söttlid^eS t>on il^m auS, ba^ bie ©emütl^er l^im ri^, il^n ju ad^ten unb ju eieren. @al^ man il^n an, fo erlannte man in il^m eine SWajeftät, bie über baS irbifd^ 3Dlenfd^lid^e erl^aben toar unb bie offenbar t)on einer ?ßerfon jeugte, in toeld^er (Sott mit ber ^He feiner $ulb mol^nte."

©ein inneres Seben betreffenb, fteHen il^n unS feine ©d^riften als bie feelenoottfte unb lieblid&fte Srfd^einung unter ben Vertretern ber fpa* nifd^en SKpftil bar. ®r erfd^eint unter benfelben etwa toie ©ufo unter ben beutfd^en SW^ftilem. SDlit 2lerefa a ^e^u, ol^ne meldte er Diel« leidet nid^t getoorben toäre, toaS er getoorben ift, bie aber felbft nur burd^ il^ren SluStaufd^ mit bem ©eelenfreunbe auf il^re $öl^e lommen fonnte, ftanb er in munberbarer innerer ©eifteS* unb ©eelenoermanbt« fd^aft. 33eibe finb in feiten oorfommenber SBBeife ©inen SBeg gegangen

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mtb fmb ju ©inem Sirfc gepilgert; aber in SBBetfen ber ©elBftcntfagung itnb ©elbftpeinigung , um 'bcS ^immelrcid^eS toillcn, ift 3^ercfa von Sodann, ber au^er einem 3^obtenfopf unb einem Äruyiftj nid^ts l^atte, toaS er fein nennen fonnte, nod^ ttbertroffen toorben. ®ie überfd^raeng« Kd^ftc SefuSliebc, bie baS $erj toottte bred^cn mad^en, toar beiben gemein^ fam; ebenfo bie begeifterte SSertretung ber quietiftifd^en fjorm ber fjröm« ntigleit, toeld^e fd^on l^ier auf (grben jur eroigen SSoHfommenl^eit gelangen toill, unb ber poetifd^e ©d^immer, ber ben Sleu^erungen berfelben ange« l^oud^t ift. 3(ber 3ta)ei 9)inge finb ed, burd^ roeld^e fid^ ^^l^ann von Serefa unterf d^eibet , nämlid^ 1. bie größere %ixUe, Steife unb Älarl^eit ber (Sebanfenentroidflung) toeld^e bie ©d^riften Sol^ann'S auSjeid&net*), unb 2. bie fd^örfere ^eroorl^ebung ber unoergleid^Iid^en 3(utorität bed ©d^riftroorteS, inbem ber 2^rabitionSgIaube ebenfo rote ber ^eiligen« iult t)on 3»ol^ann 3h)ar nie belämpft, aber aud^ f aft niemals angejogen toirb. 3)ie roirtlid^e Duette ber Srlenntni^ ift il^m bie l^eilige ©d^rift, unb ber Slnler attcS §eiIeS ift il^m ßl^riftuS, ben er faft im 5Blorgen« lid^t be§ @t)angelium§ fielet.

35ie ©d§riften Sol^ann'S fmb fämmtfid^ auS feinem SSerlel^r mit feiner Umgebung l^crt)orgegangen unb toaren sunäd^ft nur für biefe be« ftimmt, in ber fte l^anbfd^riftlid^ 3irlulirten. Site ber eigentKd^e Äern feiner literarifd^en 5ßrobucttonen fann feine ^aropf^rafe beä $ol^cnUebeS:

Cantico espiritual entre el alma y Cristo so esposo angefel^en toerben.

3>ic SluSicgung leibet an bemfelben 2lnt]^ropomorpl^i§mu8 , ber unS in atten mpftifd^cn Interpretationen biefeS biblifd^en Sud^eS entgegentritt; aber mad^t fid^ in il^r ein SRaufd^en beS ©eifteS üemel^mlid^, ber ba« SBSort Sol^anneS* toie eine ©timme auS ber ©toigfeit ertönen lä^t. SSiel« leidet nod^ fd^roungootter ate biefe ©d^rift ift fein größerer 3!ractat Noche escura delP alma gefd^rieben, roorin Sol^ann oon ber breifad^en 9lad^t rebet, burd^ toeld^e ber ^enfd^ 3U gelten l^at, um jur SSottlommenl^eit 3U gelangen, namlid^ con ber SBad^t ber ©innlid^Ieit, bie er ju belämpfen, t)on ber 9iad^t beS nadftcn OlaubenS, in roeld^cr er atte natürlid^en Siegungen unb ßrfenntniffe auS3uIöfd^en; unb t)on ber britten Siad^t, in roeld^cr er fid^ jur tjottlommnen Bereinigung mit (Sott 3U erl^eben l^at. 3)ie umfaffenbfte ©d^rift go^nn'S, in roeld^er feine SK^ftif am Horften bargelegt ift, ift jebod^ feine Subida del moDte Carmen (Sefteigung be§ SergeS Äarmel). Sieben berfelben finb nod^ 3U nennen: Llamadeamor viva (lebenbige SiebeSflamme), Avisos y sententias espiritnales (geiftlid^e Slatfd^Ioge unb ©prüd^e), Instrucciones para ser

*) SöÄIcr« Urtbetr (Seitfd^r. für bie gefammte lutl^. %^tt>l u. Äird^e, 1866, ©. 20: ,,3o]&ann öom Äreu^e ift ber bunlelfle unter ber fpanifd^en 3R^ftifern" t>er1iel^e id^ nid^t.

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perfecto religiöse (Äntoeifungen, um ein Dottfomntcner ^Röni) ju fein) ; rooju noäj bie ebenfo fd^iuungcotten olä finnigen Coplas, canciones y romance» fommen *).

2)iefe ©d^riften jeid^nen ftd^ ni$t burd^ bie geinl^eit ber Sptad^e auS, toeld^e ben SBerfen S^erefa'S eigen, unterfd^eiben fid^ aber ju il^tem SSotteil von ben leiteten burd^ bie 2iefe unb ©tärle ber (SebanlenentroidEelung.

Sie ßarbinäle Sorreä unb SDeti l^aben über Qol^ann'S ©d^riften vot ber ßongregotion beS Sflituä ju SRom amtlid^ bejeugt: „®x fd^rieb Stid^er^ befrud^tet burd^ l^immlifd^e (Selel^rf am!eit , in fo erl^abener unb tounber« barer ©d^reibart, ba^ Sitte bafür Italien, eine fold^e SBiffenfd^aft fei von ©Ott geoffenbaret, nid^t burd^ menfd^Iid^e§ Talent ertoorben" **). Se* trad^ten toxx bal^er bie Sl^eologie Sol^ann'ä näl^er!

SJerfelbe bejeid^net feine SWpftil alä eine SBiffenfd^aft burd^ bie Siebe, inbem bie Siebe ju ©ott bie Se^rmeifterin, ber Duett berfelben ift***). ©ie ift ßontemplation, gel^t aber au^ t)on ber SKebitation, toeld^e bie notl^tüenbige 3Sorau§fe^ung jener, bie SSorftufe jur aSottfommenl^cit iftf)*

*) Unter ben Älteren Siogra^^l^ieen Sol^anneg ift aUein bie Vida de S. Jüan de la Cruz en 7 libros bon P. Geronimo de S. Jose braud^bar. 2)ie ettt)a8 f^)äter erfd^ienene Historia de la vida y virdudes del venerable P. Fray Juan de la Cruz, primer Religioso de la Reformacion de los Descalzos de N. Seiiora del Carmen compuesta por el P. F. Jose de Jesu Maria (1625) (eibet an öielen d^ronologifd^en Srrtpmern unb an einer galfifilation beS l^iftorifd^en Serid^te^ (namentli^ burdj Slnl^äufung bef SBunber), toelc^e fid^ bal^er' erflärt, bafe gcrabe jur Qeit ber Slbfafjung biefer ©c^rift bie <SeIigy^red^Hn0 S^l^annS betrieben tDurbe. 3u berücfftd^tiöen ift aud^ bie vita 3o]^anne§, toeld^e fxd) in ber Chronica

generalis Ordinis B. M. V, de monte Carmelo borfinbet. SlUe anberen biogra^

J)l^ifd^en 2)arftettungen pnb tocrtl^IoS. SReuerbingS . l^at % Sed^ner (^tior ber 33enebi!tinerabtei ©d^e^ern) eine erbaulid^ gu lefenbe !Biogra:|)]^ie geliefert: „2then beS 1^. Sol^ann bom Äreuj, SRegengb. 1858. - 3ol^ann§ 2ßer!e erfd^ienen im fj)amfd^en Originaltext juerft gu Sllcala 1581, ju3Kabrib 1630 unb gu SBarcelona 1635 ; in italienif d^er Ueberf . (ö. ^. 3Äarco bi <^an granceSco) ju SSenebig 1747 unb lateinifd^ ju ©öln 1639 unb 1710; beutfd^ in ber „©ammlung ber borjüg^ Ud^ften m^ftifc^cn ©d^riften aller fatl^olif^en SSölf er" öon Sec^ner (SRegcnSb. 1858).

**) S5gL bie (Einleitung gU bem Obras del venerable y mistico Doctor Fr« Juan de la Cruz. En Madrid 1630.

***) S^^ann ö. Äreuge befinirt (in bem Cantico espiritual, Cancion 19) feine

Seigre als teologia mistica, que es eiencia secreta de Dios, que llaman los espirituales Contemplacion, la quäl es muy sabrosa, porque es eiencia por amor, el quäl es el maestro della.

f) Sabida II, 14: La differencia que ay es la que ay entre yr obrando y gozar de la obra hecha; o la que ay enire yr recibiendo y aprovechandose ya de lo recibido ; o la que ay entre el trabajo de yr caminando, y el descanso que ay en el termino, que es tambien como estar guisando la comida, o estar comiendola, o gustandola ya guisada.

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91I§ DueUe feiner Seigre ' benu^t 3^]^ann auSfd^Iielltd^ bie l^eilige ©d^rift, nie bie 2^rabition. SHerbingä t)erfid^ett et auf ba§ SSeftimmtefte y>a^ er fid^ ber Stutorität ber Äird^e ol^ne aSorbeJ^oIt ^interroerfe unb ba| er Don ber Seigre berfelben in Slid^tS a6n)eid§en n)oIle; allein tf^ai^ää^liäj fielet er t)on ber Srabition ^arii ah, nur einzelne Seigrer ber Äirci^e an« jiel^enb, itnb l^ält fid^ auäfd^Iie^Iid^ anbaS SBort ber l^eiligen ©d^rift*).

Sn toeld^cr SQSeife unb in hjeld^em ©innc er biefeS getl^an, erfel^en ioir 3unttd^ft au^ feiner ©d^rift, ,,2)aä 2luffteigen jum Serge Äarmel/' Don roeld^er ber Serf affer (IL, 28) fagt, ba^ er fte gefd^rieben l^aBe, „um bie ©eele burd^ alle il^re nalürlid^en unb übematürlid^en ©rfaffungen ol^ne 2^rug unb ^inberni^ in reinem ©lauben jur Einigung mit @ott ju fül^ren.".

3)er 35erfaffer bcjcid^net I)ier ben Uebergong ber ©eele t)on ber SWebitation 3ur ßontemplation unb jur Einigung mit ®ott als „Slad^t," toobet er, üon bem ©ebanlen auägel^enb, ba^ Einigung ber ©eele mit ©Ott nur burd^ Steinigung berfelben möglid^ fei**)/ eine „3fiad^t ber ©inne" unb. eine „SRad^t be§ ©eifteS" unterfd^eibet. 3«^ Bereinigung mit ®ott filieren 3toei SBege, namlid^ ber SBBeg atixvtx SBelämpfung unb Unterbrüdfung ber ©innlid^Ieit, unb ber SBeg paffit)cr Eingabe an ®otte§ Seitung. SBor aillem aber mu^ bie ©eele üon il^rer ©igenl^eit unb ©elbftfud^t „auS^ geleert," fi^ mu^ 3ur „äCbtöbtung beS ©eltifteS" in il^rem fämmtlid^en Segel^ren gefül^rt toerben, inbem biefeä ©elüft fie lau unb matt mad^t (I., 2 ff.). Um nun 3ur Uebertoinbung beS ©elüfteS 3U gelangen, l^at bie ©eele 3h)ei Siegeln 3U beobad^ten (I., 13): 1. bie ©eele trage eine gleid^mä^ige ©orge unb Steigung, ßl^riftum in allen Singen nad^« jual^men, unb fid^ feinem Seben gleid^förmig ju mad^en unb fid^ in allen ©ttidfen nad^ feinem SBorbilbe fo 3U t)er]^alten, al§ trenn fie ßl^riftuS felbft toäre***). 2. Um biefeS tl^un 3U fönnen verleugne fte jebe Suft, bie fid^

*) aSgl. toa« Sol^ann im ^tolog jur ©d^rift Subida fagt: No me fiare ni de experiencia, ni de ciencia, porque lo uno e lo otro paede faltar y enganar, eino de la Divina Escritura, por la quäl si nos guiamos, no podemos errar, pues el, que en ella habla, es el Espiritu Santjo. No obstante, que me ayodar^ de las dos cosas, de ciencia y experiencia que digo. Y si yo en algo errare, por no entenderlo bien, no es mi intencion apar- tarme del Santo sentido y doctrina de la santa Madre Iglesia Catolica. ^ad

ift ^aed, ta>ad er über ClueUe unb Autorität feiner Seigre fagt.

**) Subida, II, 5 ; No puede a^er perfecta transformacion sino ay perfecta pureza.

***) Subida, I, 13*. Lo primero, trayga un ordinario cuydado y afecto de imitar a Christo en todas las cosas, conformandose con su vida, la quäl deve considerar para saberla imitar y averse en todas las cosas, como se haviera el.

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bcn ©innen barbictet , wenn fte nid^t tein auf bie Sl^re unb SBer^err* lid^ung @otte^ abjielt, nnb ^alte ftd^ frei havon au^ Siebe )u Sl^riftug^ ber an biefem Seben aud^ leine anbete Suft unb lein anbereiS 93ege^ren l^atte, ate ben äSiUen feines SSatetS 3U tl^un, ben er feine @peife nannte.

Um bie t)ier natürlid^en 3lffelte ber 6eele, bie fjreube, bie ^offnung^ bie %vix^i unb ben ©dornet) abjutöbten (mortificar y apazigaar), ma% es fid^ biefelbe 3ur Siegel mad^en, immer ba3 Unangenei^mere bem äln^ genehmen, baS Unfd^mad^afte bem Sd^madf^afteren, baS äSerbrie^Iid^e bem Xröftlid^en, ba3 @eringere unb 9Serad(^tetere bem ^ö^eren unb Ro\U bareren, baS 9lid^t8begeren bem Segeren t)or3U3iel^en.

^iefe @ntblö^ung unb äluSleerung (desnudez) ber @eele t)on bem @elüfte ift bie erfte äSorbebingung il^red @ingel^enS in bie* Stulpe burd^ bie Sereinigung mit ®ott. Unter berfelben ift nid^t bie allgemeine ©egentoart ®otteS in ben ©efd^öpfen, fonbern eine ©inigung unb Umgeftaltung ber Seele burd^ bie Siebe 3U tierftel^en, toeld^e aldbann 3U @tanbe !ommt^ toenn bie Seele 3ur SiebeSäl^nlid^Ieit gelangt. 2)iefe tritt bann ein, wenn bie beiben SEBitten, nemlid^ ber menfd^Ii^e unb ber göttlid^e, fid^ in 6inS geftalten unb fein SBiberftreben jenes gegen biefen mel^r ftattfinbet. 3Benn bal^er bie @eele gän3lid^ oon ftd^ abtl^ut, toaS bem göttlid^en SBiUen 3un)iber iff, fo geftaltet fie fid^ nun in ®ott burd^ bie Siebe. bem tt)ag abget^an toerben mn^, gel^ört aber nid^t bloS toad bem Sllte nad^ bem äBiUen ®otte3 miberftrebt , fonbern aud^ ber natürlid^e, gott^ mibrige $abitu3 ber ©eele*).

*) Subida, II, 5: Para entender, quäl sea eäla union, es de saber, que Dios en qualquiera alma, aunqae sea en la del major pecador del mundo, mora y assiste substancialmente. No hablamos desta persencia substancial de Dios, que siempre ay en todas las criaturas, sino de la union y transformacion del alma con Dios por amor, que solo se haze, quando yiene a aver semejan^a de amor; y por tanto esta se llamara union de semejan^a, asi como aquella union essencial o sustancial y aquella natural esta sobrenatural. La quäl es, quando las dos voluntades, convenie a saber, la del alma y la de Dios, estan en uno conformes, no aviendo en la una cosa, que repugne a la otra. Asi quando el alma quitare de si totalmente lo que repugua y no conforma con la voluntad divina, quedara transformada en Dios por amor. Esto no solo se eutiende lo que repugna segun el acto, sino tambien segun el babito; de manera que no solo los actos voluntarios de imperfecion le han de faltar, mas tambien los habitos. Y porque toda criatura y todas las acciones y habilidades della no Uegan a lo que es Dios, por esso se ha de desnudar el alma de toda criatura, acciones y habilidades suyas; con- Tiene a saber, de su entender, gustar y sentir, para que echando todo lo que es dissimil y desconforme a Dios venga a recebir semejan^a de Dios HO quedando en ella cosa, que no sea voluntad de Dijos y assi se transforme en eU

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2)ie Suiettxiun% ,)u biefet @inigung ber @eele mit @ott ift bälget nid^t bag begreif en, nid^t bag Soften, mäjt bad Smpftnben, nid^t baS $l^antafiten ü6er @otte3 3Befen, fonbem nur aSein bie Steinl^eit unb bie Siebe, b. 1^. bie DoQIommene Eingabe unb gänjUc^e @ntblö^ung für ©Ott (iL 6).

S)ie ©eele mu^ jtd^ nid^t nur von aUen ©efd^öpfen, fonbem aud^ t)0n äCHem, tpad beg ®eifte3 ift, frei mad^en unb entäußern unb mu^ an^ mit i^ren brei ©eifteSoermögen in bie aSernid^tigung eingel^en (II. 7). @ie J^at bem ©innlid^en unb bem ©eiftigen abjufterben, unb 3h)ar nad^ bem Seifpiel ß^rifti. 3)aS ©rftere betreffenb, fo ift eS geloi^, bafe 6^riftuä bem ©iimlid^en abftarb., geiftlid^er SBeife in feinem Seben, natürlid^er SBeife in feinem .Sobe. 3)a§ S^eite betreff enb, fo ift gemijs, bafe ßl^riftuS in feinem S^obe aud^ t)erlaffen unb toie oernid^tigt in ber ©eele toar, inbem il^n ber SSater ol^ne Sroft in innerer SJrodEenl^eit lie^. 3)iefe3 ujor bie größte fül^Ibare SSerlaffenl^eit, bie er in feinem Seben gel^abt, unb barum loirlte er bomals baö größte SBerf. 2)arauS foll ber ©eifteä^ menfd^ baS ©el^eimni^ beS S^^oreS unb beS 9Q3ege§ ßl^ifti bel^ufs ber Einigung mit ®ott erlennen unb fott einfel^en, ba§ in bem SKa^e, atö er fid^ für ©Ott nad^ ben 3toei ©eiten mel^r oernid^tigt, er auä) mel^r mit ©Ott fid^ vereinige unb ein um fo größeres 3Berf tl^ue*). 3ft ber SKenfd^ fonjeit gefommen, ba^ er ju einem mirllid^en 5Rid^tS oor ©Ott geworben ift, toaö burd^ bie tieffte 35emut gefd^iel^t, fo ift aud^ bie ßinigung ber ©eele mit ©Ott bereits ooHbrad^t. 35iefe ift ber l^öd^fte ©tanb ber ©eele, ben biefe l^ier auf (Srben überl^aupt erreid^en fann. 2)erfelbe befte^t alfo nid^t in geiftlid^en ©rgö^ungen, ©enüffen unb ©e» fül^Ien, fonbem in einem lebenbigen ÄreujeStobe, finnlid^ unb geiftig, innerlid^ unb äu^erlid^ **).

2)ie SSernid^tigung ber ©eifteäMfte erfolgt 3unäd^ft im ®rfenntni^s t) ermögen fo, ba^ an ber ©teile beS natürlid^en S^teKectS ber einfädle reine ©laube tritt, toeld^er alle« natürlid^e Sid^t ber ©eele erlöfd^en

*) Subids, II, 5: Porque el amor es obrar en despojarse 7 desnudarse por Dios de todo lo que no es el,

**) Subida, II, 7: Para que entienda el buen espiritual el mysterio de la paerta 7 de! Camino Christo para unirse con Dios, 7 sepa que quando mas se aniquilare por Dios segun estas dos partes sensitiva 7 espiritual, tanto mas se uiie a Dios, 7 tanto ma7or obra haze;.7 quando viniere a quedar resuelto en nada, que sera en la suma humildad, quedara hecha la union entre el alma 7 Dios, que es el ma7or 7 mas alto estado, a que en esta vida se pnede llegar« No consiste pues en recreaciones , ni gustos, ni sentimientos espirituales sino en unaviva muerte de cruz sensitiva 7 espiritual, interior 7 ezterior..

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mad^t*), ^icrburd^ wirb ber 50lcnfd^ in ben ©tonb gefegt t)Ott bcr SRebitatton jUx ßontemplatton überjugel^en. Unb .3roar f)at ber fTOcttfd^ bann an brei SJingcn 3U cricnnen, ba^ er bic $Kebitation ju Dcriaffen l^at: 1. toenn er toal^rnimmt, ba^ er an bcm 5Kebttiren leine ^eube mcl^r l^at ; 2. tüenn er fielet, ba^ il^m iDiberftrebt, feinen geiftigcn Slidf auf ein3elne Befonberc 3)inge, äu^erlid^e ober innerlid^e, §u rid^ten; unb 3. toenn er in fid^ ba§ Verlangen erfährt, in liebenber 2lufmerl* famleit fid^ allein auf @ott l^in ju rid^ten, ol^ne gefonberte SWeflejioncn, in innerer SRul^e unb ©tille, ol^ne Slfte unb Hebungen ber ©eelcnfräfte, ol^ne biScurfiüeS 2)enfen (II. 13).

^ai ftd^ bie ©eelc ber formen unb Silber be§ reflectirenben 2)en!enS entäu^eri, fo toirb fid^ biefelBe in bent reinen unb einfad^en Sid^te feigen unb lüirb fid^ in biefe§ in bem ©tanbe ber SBoKfomntenl^eit umBilben

(transformandose en ella en estado de perfecion). 3)enn biefe§ Sid^t ift immer Bereit fid^ ber ©cele mitjutl^eilen; nur toegen ber gefd^öpflid^en fjormen unb füllen, in njeld^e bie (Seele auf bem ©tanbpunfte ber 3Jlebitation eingefüllt ift, lann fie fid^ in biefelbe nid^t eingießen, ©obalb bal^er in ber t)on Siebe erfaßten ©eele baö 3flatürlid^e bal^in ift, gie^t fid^ ba§ ©öttlid^e fogleid^ in übernatürlid^er SBeife ein, ba (Sott leine Seere unerfüttt lä^t (II. 15).

3)ie (Kontemplation ift $ftid^t für bie ©cele nid^t nur menn il§r ein befonberer Sluff d^tüung ju (Sott- oerlie^en ioirb , fonbern aud^ ba, too fie oon bem §errn 3U jener einfad;en, allgemeinen, liebeoollen 3tid^tung auf il^n erioirlt ioirb. Qn biefem ©tanbe mn^ bie ©eele bafür forgen, ba^ fie ben SSerftanb rul^en lajfe, in il^re 33etrad^tung feine frembartigen fjor^ men, Silber unb gefonberten ®r!enntniffe einmenge, fei benn gan3 leife, mit ber Slnmut ber Siebe. Slu^er biefer S^i* wxu^ fid^ bagegen bie ©eele ber guten ®r inn er un gen unb Setrad^tungenbebienen, befonberS ber Setrad^tung beö SebenS, Seibenä unb ©terbenS Sefu Gl^rifti, um bie eignen $anblungen unb ba§ eigne Seben bem feinigen gleid^förmig 3U mad^en (II. 32), fo ba^ (Kontemplation unb SKebitation miteinanber absumed^feln l^aben.

3n ber Kontemplation toirb bie ©eele, ioeld^e burd^ bie SSernid^tigung von allem ßreatürlid^en unb oon ftd^ felbft frei geworben ift, unmittelbar

*) Subida II, 3: Para el alma esta eccessiva luz, que se le da de fe es escara tiniebla, porque lo mas priua y vence a lo menos; assi como la laz del 80I priva otras qualesquiera luzes, demanera, que no parezcan laces quando ella luze, y vence nuestra potencia yisiva.

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von ®ott geleitet, ber fte burd^ ftd^ feI6jl von einet @iufe pix anbem ju lieben fud^t*).

IXtn aber in bet Scntentplation fottfd^reiten 3U tonnen, mu^ bie ©eele bonad^ ttad^ten, ba^ fie baä ©ebäd^tni^ oon feinem ganjen gnl^alt ausleere, bamit fid^ baffelbe burd^ bie Hoffnung mit (Sott einigen lönne. 3Ran l^offt ba3, toaS man nid^t beft^t ; unb je Weniger man oon anberen 3)ingen beft^t, befto mel^r gä^igleit l^at man, baS ©el^offte 3U l^offen unb befto t)ottfommener ift bemgemä^ bie Hoffnung. Um bal^er in »oBIommner unb reiner Hoffnung auf ®ott leben ju lönnen, foll fid^ bie ©eele, wenn in il^r beftimmt unterfd^eibbare ©rfenntniffe, formen unb Silber Dorfommen, fid^ fofort burd^ (Entleerung t)on benfelben mit bem 3lffect ber Siebe (Sott jutoenben. ©ie foII auf biefe 2)inge il^re ©ebanfen nid^t weiter rid^ten als bie ^flid^t gebietet; unb babei foK fte ol^ne Steigung unb o§ne ©efd^madf an benfelben tl^un, bamit fie nid^t in ber ©eele eine berfelben l^inberlid^e Sffiirfung jurüdflaffe (III. 14). S)ie einjige SSorfteffnng, toeld^e bie ©eele al§ Mittel jur SSoKenbung ber Kontemplation in il^rer ©rinnerung feftjul^alten l^at, ift bie ber l^eiligen 9Jlenfd^l^eit 3efu.

S)er SBille be§ 9Jlenfd^en unb bie ©eele überl^aupt mu^ aber nid^t nur t)on ben bisl^er erroäl^nten, fonbern aud^ nod^ oon oielen anberen SDingen frei unb leer gemad^t toerben. 3lud^ bie grcube an moralifd^en unb geiftlid^en ©ütern, an au^erorbentlid^en ®nabengaben lann ber ©eele ein §inbemi^ ber auäfd^lie^lid^en ^reube an ®ott unb fomit ein ^inber« ni^ ber SSollfommenl^eit toerben (III. 30).

2)affelbe gilt aud^ oon ben lird^lid^en Slnbad^tSübungen, t)on bem ®ebraud^e ber Silber unb ber ÄultuSorte. SlUerbingS mögen Slnfänger an benfelben eine finnlid^e Suft unb greube l^aberi; aber bie, loeld^e toeiter oorangefd^ritten finb, muffen fid^ aud^ oon biefem SBolgefallen frei mad^en, toeld^eS für ben geiftlid^en 3Kenfd^en nur ein $inbemi^ ber inneren ©ammlung ift. S)erfelbe bebient jtd^ 5h)ar ber Silber unb ®otteSl^äufer; aber nur oorübergel^enb. ©ein ®eift rul^t fofort in ®ott unb oergi^t alles ©innlid^e (III. 38).

Sur Erläuterung biefer ©ä^e bienen bie SluSftil^rungen, ioeld^e Sol^ann in ber ©d^rift Noche escura giebt, auS ber mir golgenbeS ^erauSl^eben:

*) Cantico espiritnal, Cant. 85: Es cosa conveoiente, qae pnes el alma ya lo, ha dexado todo 7 passado por todos los medios, subiendose sobre todo a Dios, que el mismo Dios sea la guia y el medio para si mismo; y aviendose el alma ya subido en soledad de todo sobre todo, ya todo no le aprovecha ni sirve para mas subir sino el mismo Yerbo Esposo.

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Sn ber 3^t bet SlroÄcn^eit (sequedades), hjcld^c bic ©cclc crfäl^rt, inbctn jtc in bie 5Rad^t bes ©inneS cingettetcn unb von bem SBcgc beS ©inneg l^intoeg auf ben beg ®eifteg, t)on ber 3J2ebitatton jur Kontempla- tion gefül^tt ift, leibet ber geiftlid^e SKenfd^ gro^e 5Pein, nid^t eigentlid^ burd^ bie SJrodcni^eit, bie er in fid^ erfäl^rt, als oiclmel^r burd^ bie ^rd^t, auf biefem SBege Derloren ju gelten. @r meint oerloren 3U gelten, meil er an guten S)ingen feine ©tü^e unb feine 2uft mel^r finbet. ®r fud^t bal^er in frül^erer SBeife bie ©eelenfräfte an irgenb einen ©egenftanb beS Slad^benfenS ju 6efd^äftigen, inbem er, menn er Don eigner X^ätigfeit nid^tS toal^mimmt, in SBirfUd^feit nid^ts 3U tl^un toäl^nt. 3)abei aber gel^t bie frtil^ere 9lul§e ber ©eele oerloren, unb menn ein fold^er SKenfd^ Jlientanben finbet, ber il^n oerfte^t, fo gel^t eS mit il§m rüdtmärtS. 2)aS redete 93erl^alten eines fold^en SWenfd^en ift baS, ba^ er ftd^ umS SRad^- benfen unb 3Kebitiren gar feine 3Rüf)e giebt, unb mit ©ebulb in einer rul^igen, liebeatl^menben Slid^tung auf (Sott bel^arrt (I. 10). S)enn je mel^r man auf bemSBege ber Sefd^auung irgenb eine ©tü^e feiner Steigung unb ®rfenntni^ ju l^aben begel^rt, befto mel^r mirb man verlieren*).

Sel^arrt nun bie ©eele auf bem SBege ber Sefd^auung, fo oerfe^t fie bod^ ©Ott nid^t fofort aus ber Sroienl^eit ber ©inneSnad^t in bie ®inigung ber Siebe, fonbem eS Derflie^t gemöl^nlid^ eine lange S^xi, eS DerfKe^en Qa^re, in meldten bie ©eele, bie an^ bem ©taube ber Slnfänger l^erauSgetreten ift, fid^ in bem ber SBad^fenben übt. 2)a jebod^ bie Steinigung ber ©eele nod^ nid^t ooHfommen ift, -— benn eS fel^lt bie ^auptfad^e, nämlid^ bie Säuterung bcS (SeifteS neben ber beS ©inneS, fo fel^It es il^r niemals an S^rodfenl^eiten, ginfterniffen, Sebrängniffen, bie mand^malnod^ toeit größer ftnb als bie frül^eren (ü. 1).

®ben meil baS ®oIb beS ©eifteS bei biefem in SBad^Stl^um S5e* griffenen nod^ nid^t gereinigt ift, barum ift aud^ il^r Umgang mit ©ott nod^ fel^r nieberer Slrt. ©ie benfen ftd^ ©ott toie Äinber, reben oon il^m toie Äinber unb l^abcn ®inftd^t unb ©mpfinbung mie Äinber (ü. 3).

Sluf bie ©tufe ber eigentlid^en SSoffenbung gelangt bie ©eele inbem pe eine SluSftrömung ©otteS empfängt, burd^ ioeld^e fte oon il^ren natür« lid^en unb geiftlid^en Unoottfommenl^eiten gereinigt toirb. 3)iefeS ift bie eingegoffene Sefd^auung, in toeld^er ©ott in gel^eimer SQSeife bie

*)Noche escara, I, 10: Qnando el alma esta en paz yocio interior, qual- qaiera operacion 7 afecion o cuydadosa advertencia, que ella quiera tener, entonces la distraere e inquietara, y hazerlaha^ sentir seqaedad y vacio de] sentido. Porqae quaoto mas pretendiere tener algun arrimo de afecto y noticia, tanto mas sentira la falta, la qaal no paede ya ser suplida por aquella via.

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©ccle unterttd^tct unb über bie SBottlommcnl^cit ber SieBe ieU^xi unb bie ©cclc nid^tS tl^ut, als ba^ ftc licBcatl^mcnb ganj int Slufmcrlen auf ©ott aufgellt. ®iefc ItcBrci(i^e SBeiSl^eit ®ottcS Bereitet bie ©cele burd^ Slctnigung unb Srleud^tung für bie eigentlid^e Bereinigung mit ®ott Dor*).

3)a nun aber baS Sid^t unb bie SBeiSl^eit biefer Sefd^auung fcl^r Ilar unb rein, bie ©eele bagegen, in bie fie einbringt, finfter unb unrein ift, fo erllärt eS fid^ barauä, ba^ baS Slufncl^men berfelBen für fie mit großer ?Pein t)erBunben ift, gleid^roie bie Slugen, menn fie burd^ fd^Iimme ^eud^tigf eit franf unb unrein geworben ftnb , burd^ ba§ ©inbringen. beS Haren Sid^teS ?Pein erleiben. Unb biefe $ein ift für bie ©eele, toenn fie t)on bem göttUd^en Sid^te toirllid^ burd^brungen tüirb, megen il^rer Um lauterfeit eine unermefelid^e ^ßein, ®S fd^eint bann ber ©eele, (Sott fei gegen jte unb fie fei gegen (Sott, ©ie fommt fid^ ioie t)on ®ott oer^ fto^en Dor (ü. 5).

S)ie „lieBreid^e SBeiSl^eit" ertoedft biefeS nur in ber Unreinl^eit ber mcnfd^Iid^en ©eele Begrünbete Seiben, um biefe ju reinigen unb l^ernad^ mit ftd^ 3U t)ereinigcn. hieraus erl^eHt, ba^ aud^ bie Seiben ber ©eele im gegfeuer nur barum möglid^ jtnb, toeil bie im gegfeuer leibenbe ©eele nod^ unrein ift. S)affelBe toürbe, toenn bie ©eele leine bie Bereinigung mit ®ott l^inbernbe ©d^ulb mel^r aB3uBü^en l^ätte, berfelBen aud^ leine Dual Bereiten fönnen, ba eBen bie Unreinigfeitcn ber ©eele ber ©toff finb, burd^ toeld^en ba§ ^euer bort genäl^rt h)irb. 3ft biefer Befeitigt, fo Brennt aud^ lein geuer mel^r. SDal^er l^at aud^ l^ienieben baS SRei« nigungSleiben ber ©eele ein ®nbe, h)enn bie UnooUIommen* l^eiten befeitigt finb (IL 10).

2)ie ©eele l^at in biefem ©tanbe aBer aud^ nod^ ein Seiben anbrer •Slrt ju ertragen, nämlid^ ba§ Seiben ber SieBe, ber SieBeSfel^nfud^t, loeld^e il^r cingegoffen mirb. 2)iefe§ SieBeSleiben l^at fd^on ettoaS t)on ber doU^ fommenen Singung mit ®ott an fid^ (n. 10). 3)ie ©eele glauBt jtd^ fd^on jum S3eft^ il^reS ®otteS in feiiger SieBe l^ingejogen, fül^lt fid^ aBer bod^ in i^rer Unlauterleit nod^ oon il^m getrennt, unb entBrennt bal^er in

*) Noche escura, 11) 5: Este noche escura es una influencia de Dios en el alma, que 1a pnrga de sns ignorancias e imperfeciones habituales natu- rales 7 espirituales , que llaman los contemplativos contemplacion infusa o mistica teologia, en que de secreto ensena Dios el alma y la instruye en peifecion de amor, sin ella hazer nada mas que atender amorosamente a Dios, oyrle y recebir su luz, sin entender, como es esta contemplacion infusa. Por qnanto e sabiduria de Dios amorosa, la quäl haze particulares efetos el alma; porque la dispone purgandola e illuminandola para la union con Dios,

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eBenfo fd^nterjßd^er als glfll^enber @el^nfud^t naä) xf)m, ol^ne ba^ fte in jtd^ bie tröftlidjc (Setoi^l^cit f)(d, jur Scfricbigung il^rct ©cJ^nfud^t 3U gc« langen.

S)iefc Scfricbigung iuirb il^r jjebod^ ju %^Äl, fobalb il^re SRcintgung t)ottcnbct i[t, inbem bann bic ©cele jur t)ottcn SBercintgung mit ®ott unb baburd^ 5um ®cnu^ t)oIKontmcncr unb innerer Stulpe crl^obcn wirb *).

S)en t)erfd^iebnen ©tufen ber ®ntn)i(Hung ber jur SSofffornmenl^cit l^inftrebenben ©eele entfprcd^enb ift aud^ bie ©ebetSroeife auf benfelben eine tjerfd^iebne. SDer ©tufe ber 9Kebitation entfprid^t baS münblid^c (gebet §8l^er fd^on ate biefeS fielet baS Betrad^tenbe ®ebet. SWan t)errid^tet baffelBe, toenn bie S^nge fd^toeigt, aber ni^t ber SBerflanb ober bie (SinbilbungSlraft, bie Dielmel^r aldbann baS eine ober baS anbere ®Iau6enggel^eimni^ betrad^tet, jtd^ barüber ®eban!en mad^t, ©d^lüffe ^tel^t u. f. to. SDaS ©ebet auf ber l^öd^ften ©tufe ift aber ba§ ber inneren ©ammlung, beS ©tittfd^roeigenS, ber 3lul^e, too aud^ SBerftanb unb Sin« bilbungöfraft gönjlid^ ntl^en, unb bie ©eele in Dottfter 5Paffit)ität empfängt, toaS il^r oon Dben l^er mitgetl^eilt toirb, maS ®ott in il^r rebet.

Sol^ann erörtert l^ierbei (in bem „Römern beS ®eifte§" ®efpräd^ b.) bie t)on oicien Vertretern ber SK^ftif aufgeftettte Sel^auptung, ba^ bie ©eele fid^ jur ^Bereinigung mit ®ott am toirifamften vorbereite, toenn fie im ®ebtte an 3flid^tä, toeber an ®ute3 nod^ an SöfeS, ben!e. hierüber erllört fid^ berfelbe fo: „3)a^ bie ©eele an Siid^tS benle, fann l^öd^ftenS nur für eine gan3 lurje 3^^*/ ^^ fie fid^ j|ebcS eignen 3Serftänbniffeä unb SBillenS begiebt, geforbert ioerben. 2)a l^at bie ©eele toirflid^ Siid^tS; benn fte l^at bann StffeS oerlaffen, felbft ®ott, unb fent^ nid^t einmal ®otte§ SEBitten, fonbern märtet il^n eben ah unb lä^t il^n geioä^ren unb lä^t ®ott in fid^ toirfen toie in einem reinen, Haren ©piegel, au§ bem fonft lein anbereS S5ilb l^eroorftral^lt. 5Rod^ ift fie aber nid^t an biefem $unlte angelangt, afö ®ott fte in Seft^ nimmt, fie umgeftaltet unb mit fid^ oereinigt." 6reatürlid^e S)inge, aud^ fogenannte ß^ariSmen, geift« lid^e Srquidungen ber ©eele (beibemSlnblidCoon^eiligenbilbern, bei ber^l^eil« ttal^me an gotteöbienftlid^en Sßten) bürfen bie Stulpe ber ©eele nid^t ftören.

ytehm biefer aScetifd^^altiDen SKetl^obe ber ©eelenpflege giebt aberaud^ nod^ einen l^öl^er l^inauffül^renben SEBeg ber paffioenSontem- plation. 2)ie Säuterung ber ©innlid^feit auf biefem SCBege ift für Seben, ber in ben ©tanb ber Selel^rung eingetreten ift, barum notl^«

*) hierüber fjjrid^t pd^ gol^ann inSöefonbere in ber Keinen, fd^önen Äbl^anbs Inn^ „Don ben 2)ömem be« ®eiftc8" aus, bie jucrft SWarco bi @, granceSco in feiner italienifd^en Ueberfe^ung ber äBerle 3ol|^anneS mitgetl^eilt l^at»

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tocnbiß; n>cil bemfclbcn bie Softer bcS ^Icifd^cS nod^ oIS gciftlid^ct ©tolj, 3otn ic. anJ^aften, 2)ic 3lad^t (nox sensitiva), toeld^c l^ict^ burd^ über baS ©innenleben beS itJlenfd^en !ommt, tx)trb l^<m))tfäd^nd^ baxan erfannt, ba^ ber @eele jebeg äßol^Igefallen an einer (Sreatur obgel^t, ba^ jte ftd^ über il^re Si^reue Qe%m (Sott ©orge maSft unb bo^ jte mit il^rem biäl^eriöen biäcurjtoen unb rationellen S)en!en in geiftlid^en 35ingen nid^t red^t fortjulomnten toei^. SDaS Sc^terc fann aber bie ©cclc nid^t bclümmern, ba fie auf bicfcm ©tanbpunitc in »öHig gelaffenet ^in« gäbe an ®ott lebt. SDurd^ bie paffiDe (Sontemplation, in tpeld&cr bie ©ecle lebt, gelangt biefelbe t)ielmel^r jur t)öttigen ©rtöbtung il^rer felbfti« fd^en unb finnlid^en ®igenl^eit, 3ur redeten Käd^ftenliebe, unb baburd^ ju berjenigen ^eil^eit, h)eld^e bie SSorbebingung ber üöKigen ^Bereinigung mit ®ott ift.

35ie l^ierauf folgenbe ©eifteSnad^t l^at ben S^edE, bie ©cele Don ben nod^ an xf)x verbliebenen, geringeren Untjottlommenl^eitcn ju reinigen; attein weil eS fid^ l§ier um bie Säuterung ber ©eele jur toirflid^en SBott« lommenl^eit l^anbelt, fo finb aud^ bie ©d^merjen, toeld^e fie in biefem Steinigunggproce^ erleibet, furd^tbar. @ine SDemütigun^ folgt auf bie anbere, bie S^röftungen beä ©laubenä, ber Siebe unb ber Hoffnung finb nur Dorübergel^enb unb baä ®ebet ift ol^ne @rquidung. älber gerabe biefe Siebeäangft ift eö, toeld^e bie ©eele ju il^rer üöttigen Steinigung unb JU il^rer maleren SBottlommenl^eit bringt.

®er Eintritt ber ©eele in ben ©tanb ber SBoHenbung toirb in wal^r- l^aft l^inrei^enber SBeife in ber Dbe „O Llama de amor viva'^ ge« fd^ilbert.

2)iefe3 n>aren bie ©ebanfen, weld^e Soi^ann com Äreuje, mit Sierefa im regften 3SerIel^r, t)or Slffem in be» jal^lreid^en Älöftern ber neuen DrbenScongregation l^eimifd^ mad^te. 2lber aud^ au^er^alb berfclben brad^en fid^ biefelben um fo mel^r Sal^n, alä faft alle gefeierten Äird^en« männer ©panienä bamalS bie quietiftifd^e SDlpftif alg bie eigentlid^e SBoH* lommenl^eit d^riftlid^en 3)enlen§ unb Seben§ Derl^errlid^ten unb ju Si^erefa unb Qfö^öwn in Sejiel^ung traten, ®g mar biefeä nid^t nur ber fromme, geleierte unb tounberbar begabte SouiS 5Ponfe be Seon, afö 2luguftiner:j mönd^ Fray Luis de Leon*) genannt, ber al§ 5ßrofeffor ju ©alamanfa iregen einer (ber 5ßarapl^rafe beS Qol^ann t)om Äreuje mei* t)or3ujiel^enben) ©rllärung beS $ol^enliebeS in ixt Äerler ber S^^quifition lam, aber freigefprod^en im ^a^xt 1578 in fein Älofter jurüdffel^rte, in

*) Sgl. über il^n Sßilfcn«, Fray Luis de Leon, eine Siograpl^ie au8 ber (SJefd^. ber fpanif^cn Snquifition unb Äirdje. $alle 1866; unb SfteufdJ, £ui8 be £eon unb bie fpanifd^e Snquifition, ^onttf 187S.

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»eld^ctn er eine ofjtjicEc SluSgaBc bcr SQäerIc SJcrcfa'S ocranftaltctc, au^crbem aber aud^ eine änjal^l ber trefflid^ften ©d^riften (über Sudler beS Sttten 3:efta* mentS, aud^ über ben ©alaterbrief, über bie Sebeutung ber9iatnen61^riftt,aud^ ^Prebigten unb SJid^tungen t)on clafjtfd^er SSottenbung lieferte*) unb als ®eneralx)icar ber äuguftiner ßaftilienS, 64 3al§re alt, am 23. 9lugu[t 1591 ftarb, fonbem aud^ „ber 2lpofteI SlnbalufienS/' baS „geiftlid^e Dralel Spaniens" ^uan be Sloila, ber als eifriger Seter unb Sßrebiger angeftaunt bie Äansel immer nur mit bem SEBunfd^e betrat, mit feiner ^Prebigt ©ine ©eele 3U retten, ber aber mit feiner bejaubemben ©prad^e DoU liebesinniger ©tärfe ber ©ebanfen immer 3!aufenbe l^inri^ unb ber nad^ t)ieljäl^rigen lörperlid^en Seiben auf feinem ©terbelager ©Ott nur um SRel^rung beS ©d^merjeS, aber aud^ um 9Rel^rung ber ©ebulb anrief, unb nad^ feinem Slbleben t)on 2^erefa afö einer il^rer treueften ^Jteunbe be^ toeint marb. S)er Sifd^of t)on ©euitta, granjiSco be ©oto, l^atte bie Selanntfd^aft 2^erefa'S mit ^uan be 3lt)ila t)ermittelt. 2lber aud^ mit bem angefel^cnften bamaligen äinroalt ber 5IR9ftiI, mit bem Dominicaner* prot)in3iaI Luis de Granada, (f 1588, 84 Qal^r alt)**) ber baS il^m angebotene 6rj6iStum Sraga auSgefd^Iagen l^atte, loeil er in feiner Älofter- 3eKe ju Siffabon leben unb beten mottte, unb beffen Slnbad^tSbud^ Guia de pecadores (^ül^rer ber ©ünber) faft in atte ©prad^en ©uropaS über* fe^t toarb, ftanb SCerefa in SSerlel^r.

älKerbingS lann bie ÜR^fti! ©ranaba'S nid^t gerabeju mit ber Sel^r* hjeife ber oorl&er ©enannten ibentifijirt ioerben, ©ranaba bemegt fid^ in feinen 5Prebigten inSgemein auf ber erftcn ©tufe ber SKpftif, meSl^alb feine SBerfe als SBorfd^uIe für baS ©tubium ber ©d^riften Xerefa'S, 3uan*S be la 6ru3 unb Sloila'S benu^t toerben lönnen. 2lber 3U Seiten ex- l^ebt fid^ bod^ aud^ er auf bie §öl§embesDuietiSmuS, auf benen jene bie l^öd^fte SSoIIfommenl^eit d^riftlid^er ^ömmigleit ftd^ geftalten fa^en; unb au^erbem ift ber faft eoangelifd^e (Srunbjug, ber bie quietiftifd^e üft^ftil ©panienS im 16. Qlal^rl^unbert d^aralterifirt, aud^ feiner Sleligiofttät in befonberer ©tärfe eigen. Dft rebet er baoon, ba^ jebe Seigre, meldte baS ooHIommene unb auSfd^Iie^Iid^e äSertrauen auf Sl^rifti S3Iut abfd^loäd^e, ein ^eoel gegen bie 2lpofteIIel^re fei; unb (Snabe, Su^e, ©lauben fwb bie brei ©runbfäulen ber SBal^rl^eit, auf meldte ber getoaltige ^Prebiger immer toieber 3urüd({ommt, um feine Seigre auf biefelben 3U bauen.

*) 2)aS Belanntefte (auä) in bcutf djet Ueberf. verbreitete) SBerl beS 2luguftinerS ift übrigens feine ©d^rift: La perfecta casada (bie öolllommene ©auSfrau.)

**) Mnnoz, Vida dal maestro Luis de Granada, 1788. ^ie äBer!e ©ranabaS (Oracion y meditacion, Memorial de la yida cristiana, Simbolo de la fe, Medita-

-"•-nes, Sermones,) jlnb ju SWttbrib 1850 in 3 SBbe. neu l^erauSgegeben.

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Suis t)on ©ranaba h)ar alfo tuol^I t)on ber quietiftifd^en ÜR^fttl Spaniens ctregt, toar aBcr bod^ fein Duiettft. Sltö ein ©tetn erfter ®rö^e, oI§ ein iual^ret $ero8 ber quietiftifd^cn 3K9ftiI leud^tete bagegen ber $ater ©regor ßopeg, von h)eld^em man fpäter rül^mte, ba^ fein ganjeä SeBen ein ununterBrod^eneS inneres ©eBet unb ein einsiger, unterBrod^en fortlaufenber SKft beS nadften (SlauBenS, ber gänjlid^en ©elBftentäu^crung unb ber reinften ßieBe geh)efen fei, toeSl^alB er gar nid^t mel^r in SGBorten geBetet l^aBe, aBer iuie ein ©erapl^ burd^ baS SeBen l^ingegangen unb in bie ©toigleit ^inüBergefd^h)eBt fei.*)

©regor Sopej**), 1542 geBoren, jog 1562 als Saie nad^ 5!Ke^Io l^inüBer, um in ben SBäilbniffen beS ßanbeS als ©infiebler „in ber ©egen- wart ©otteS" 3U leBen. ^n feiner neuen Heimat t)crfd^mäl§te er eS ber Slufforberung jum ©intritt in ben geiftlid^en ©tanb ju folgen, toeil il^m bie äußeren, lird^Iid^en UeBungen in feinem inneren Umgang mit ©Ott l^inbcrlid^ iraren. 2)a man il^n bal^er toeber jur Seid^te gelten, nod^ ben 9lofenfran3 geBraud^en fal^, fo fel^Ite cS nid^t an SBerbäd^tigungen ; h)ie= berl^olt lourbe er ber Äe^erei angeüagt. 3)iefe Slnflagen mußten aBer bod^ t)or bem §eiKgenf d^ein , in meld^em Sopej bem SSoHe erfd^ien, Balb ©erftummen. S)aS ganje d^riftlid^e SKejifo fal^ in il^m einen 3)iener ®otteS, beffen gleid^en auf (Srben nod^ nid^t getoefen fei; unb Unsäl^lige, bcnen eS mit Smft barum ju t§un h)ar, jur d^riftlid^en SSottlommenl^eit ju gelangen unb fid^ baburd^ baS etoige SeBen ju fidlem, pilgerten ju il^m, um fid^ t)on il^m üBer bie SBege jur ©eligleit Belel^ren ju laffen.

Sopej fteHte in feiner SeBenSfül^rung baS DoIIenbete Sbeal bcS quie* tiftifd^en SDlpftiferS bar. ®r ujanbelte burd^ baS irbifd^e SeBen, toie ®iner, ber Don ben Sanben bef[eIBen Bereits t)öllig aBgelöft ift. 3lxe l^at man oon il^m erfahren lönnen, wer fein Sßater geroefen unb Wo er (in ©pa«

*) ©0 berid^tet über il^n Suan galconi in feinem toeiter unten in §. 3 angebogenen Briefe öom 23. 3ult 1628. 3lud^ t)on aÄoHnoS (Gnida spirituale V, 133—135) toirb Sopej als ein auf ben ©tanb ber l^öd^ften S[5oa!ommenl^eit l^inangefommener ©l^riftenmenfd^ öerl^errlid^t.

**) 2)aS Seben beS ©regor Slopt^ tourbe junäd^ft öon bem frül^eren Pfarrer an ber §auj)tfirci^e gu ^Kejifo, granjiSfuS Sofa, ber naci) SRieberlegung feineS %mM fxeben Saläre lang mit 2op^ (in ©an ge) jufammenlebte, bearbeitet. S)aS !0ianufcript beffelben ift l^ernad^ öon einem anberen SSerel^rer beS Sopej, ^o^^an-- neS a. ©t. 3acob, mit Sufä^erx 5U aWabrib 1658 beröffentlidSit loorben. @ine franabftf^e Ueber^e^ung biejer ©d^rift ebirte Slrnolb b'2lnbirr^ ju ^ariS 1673 unb (in feinen Oeuvres diverses) 1675. ©ine neue SluSgabe biefer Ueberfe^ung üeranftaltete aSoiret unter bem ^itel Le Saint Solitaire des Indes (2lmfterbam, 1717), tt)orauS Xerfteegen in feinen „SebenSbefdJreibungen l^eiUger ©eelen" (». I, ©. 3—112) tm beutfdje Söearbeitung l^erfteKte.

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tmn) geBoten fei. @r lannte leine anbete ^eimat alg ben $immel, unb leinen anbeten SSatet als ®ott. 3)atunt gab et alles l^in, lebte in voU- lonnnenftet Ätmut, balb l^iet^ balb bott, um fid^ bcm SSctfel^t mit Sln^ beten ju entjiel^en, in tiefftet ©infamfeit, nut batnad^ ttad^tenb, ba^ et ununtetbtoii^en in bet ©egcntoatt ©otteS lebe, fid^ immet Döttiget motti* fi|tte, Sl^tifto iuxä) 9la(i^bilbung feines SebenS unb SeibenS nad^folge, bem äßillen ©otteS fid^ tüd^altSloS übetlaffe unb babutd^ in feinet @eele JU ®otte§ 6^te ein »oUiommeneS Dpfet batbtinge. Unabläffig bem ®e- ban!en an ®ott etgeben, fptad^ et btei Salute lang lein anbeteS ®ebct, als ,,S)ein SEBille gefd^el^e, lüie im §immel, alfo auä) auf (Stben, 3lmen! SefuSl" 3)aS einjige SSud^, was et bei fid^ fü^tte, in bem et täglid^ las, toat bie l^eilige ©d^tift, unb bet einzige 3tame, auf ben fid^ fein SBetttauen gtünbete, iuat bet 3tame ßl^tifti. 3)et ®laube an bie $eili« gen iuat in il^m ganj etlofd^en. 6t felbft bejcid^nete fein innetcS Sebcn als eine „immettoäl^tenbc 3^l^at bet Siebe ®otteS unb beS 9läd^ften", bie allein ju einet fo oolllommenen, übet jcbeS S3ebütfni| einet Setmittlung unb übet jebe ©d^tanfe l^inauSgcl^obenen SScteinigung mit ©ott füllte, n>ie baS Sid^t fid^ mit bet Suft Deteinige. £id^t unb Suft träten tool^l jtoei ganj öetfd^iebene ®inge; abet ii^te SSeteinigung fei bod^ fo unmit= telbat, ba^* nut ®ott fie ju untetfd^eiben oetmöge. ©o fei cS aud^ mit bet SBeteinigung bet ©eele mit ®ott. SllS ben einigen SBeg abet, bet JU biefet SBoKfommenl^eit füllte, heiannie et ßl^tiftum, meS^alb et, mie fein Siogtapl^ fagt, baS Seben, Seiben unb ©tetben Sefu Gl^tifti unab* läffigim ®ebet bem etoigen SBatet^batjubtingen pflegte, balb füt alle SDSelt, balb füt einjeln^ ©eelen. SJatum meinte et, ba^, toic bie 5!Jlagnetnabel ganj Don felbft nad^ 9iotben l^in fäl^e, fo aud^ bie com ©eifte ©otteS etmedfte ©eele ganj tjon felbft auf ßl^tiftum getid^tet fei, bei bem fie attein Stulpe finbe.

Sopej l^at ßl^tifto bie ßl^te gegeben, obgleid^ et 6t)tifti SSetbienft unb ©eted^tigleit nid^t lannte. ®t ift jut t)ollfommenen SRul^e bet SKpftif, abet bod^ nid^t jut feiigen Stulpe beS @t)angeliumS gelangt, ©ein Seben ging in unabläffiget innetet Sltbeit unb 3loH), in peinlid^et ©elbftmotti-- pjitung, ©elbftettöbtung unb ©elbftaufopfetung bal^in; unb bod^ ftta^lte etwas t)on bem l^eHen Sid^te beS ®x)angeliumS um baS ftomme Seben, meld^eS am 20. Quli 1596 nad^bem Sopej 33 Salute in bet ©infam- feit gelebt f)atie etlofd^.

Untet ben SSielen, meldte fid^ an Sopej als an il^tcn 5!Meiftet an-- fd^loffen, um t)on il^m jum ^immelteid^ gefül^tt ju tüetben, ftnb inSbe^: fonbete jtoei ju nennen: fein Siogtapl^ ^tanciScuS Sofa, bem Sopej DOt älllem bie Seilte anS ^etj legte: „SSSillft in ®ott lieben fönnen, fo

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mu^t bu bi^ von bir fcIBft entblößen unb mu^t allen Sittgcn btefct SBcIt abftcrbctt", unb ber junge ßbelmann gerbinanb Don ßorbua aus 5DleytIo, ber, laum 20 ^af)xe alt, oon bem ©inbrudc bct ^erfönlid^* ieit beS Sopej überiDältigt, freubigen §erjcnS SltteS l^ingab, toaS er l^atte, um ß^rifti ^iad^folger 3U werben, in unabläffigent Umgang mit ®ott, im ©ebct, im Seiben unb im Sterben, unb ber nad^ langen lörperlid^cn Seiben laum tjierunbjiüanäig ^al^re alt, fein jule^t in tiefer (Sinfamleit unb ©tiHe x)erbrad^te§ Seben mit ben SEBorten enbete: „SefuS fei mit mir! 3d^ übergebe mid^ in S)eine $änbe unb befel^Ie 3)ir meine ©eele."

es erl^eHt ^ierauä, ba^ ber quietiftifd^en SKpfti! in auägcprägtefter SBeife bie Senbenj eintool^nte, ben Flamen Sefu ß^rifti als ben einen Flamen gu t)erl§errKd^en, in bem allein $eil unb etoigeS Seben ju finben ift unb infofern lannte fie ben einigen 2^roft beS SuangeliumS im Seben unb im ©terben; aber bie firaft biefeS SrofteS tourbe von xf)x bod^ oer« lannt. ©ie brang atterbingS barauf, ba^ ber ©ebanle an bie SKenfd^« l^eit Sl^rifti unb an baS t)on Sl^riftuS l^ier auf @rben ermorbene SSerbienft aud^ auf ber l^öd^ften §öl^e ber Bereinigung ber ©eele mit ®ott feftge* l^alten merbe; aber nod^ mel^r brang fie barauf, ba^ ber (Sl^rift fid^ in ber 5Rad^foIge 3lefu,,übe, bamit er fid^ burd^ biefe baS emige Seben »er^ biene. ©ie fd^toelgte jtoar im feligen ©efül^l toefentlid^er Bereinigung mit ©Ott: aber fie ^atte bod^il^re d;aralteriftifd^e Seigre oon ber „Sl^rä* nengnabe", toeld^e in ben 5Dlenfd^en baö fd^mer^lid^e ©efül^I ber 2^rennung von ©Ott immer toieber erregen müjfe, meil i^r bie eoangelifd^e Seigre oon ben ^rieben ©otteS t)erl^üllt tüar. ©ie toieä im ©egenfa| jur ge« leierten ©d^olaftif auf baS gefd^riebene SBort ©otteä afö ben eigentlid^en ßanon ber Offenbarung ^in; aber SSifionen, ®cftafen unb neue Dffen^ barungen galten il^r bod^ ate mefentlid^e 5KitteI, burd^ meldte ©Ott bie ©eele erleud^te unb jum ©lauben fü^re

®er fpanifd^e DuietiSmuS toar alfo lein eoangelifd^er ^ßroteftantiSs mn^ ; er mollte ©ielmel^r gut latl^olif d^ fein. Slber bod^ mußten ftd^ 3Siele aUmctl^Iid^ beS ©egenfa^eS beffelben 3um latl^olifd^en ^ird^entl^um , bed ©egenfa^eS ber quietiftifd^^mpftifd^en grömmigleit, meldte il^r SSertrauen nur auf baS, toaS ber ©eift ©otteS in ber SCiefe ber eigenen ©eele ge« ftalte, unb ber lird^Iid^en ^ömmigleit, toeld^e in ber 2^l^eilnal^me an ben äußeren ©otteSbienften unb an ben ©acramenten ber Sird^e il^ren 3^roft fanb, beh)u^t merben, Unb Wo biefer ©egenfa^ erfannt unb auägefpro* d^en warb, ba mußten not^toenbig 2lu§fd^eibungen aus ber Äird^e erfolgen, in benen eS ju einer ©eltenbilbung lam, bie bann fofort ber ©egenftanb l^ierard^ifd^er Verfolgung raarb. S)erartige ®rfd^einungen traten in ©panien mit bem erften 2luftau(^en ber quietiftifd^en SRid^tung aud^ toirllid^ l^erpor.

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35tc SSejeid^nung, unter hjeld^er bic Slnl^ängcr bicfcr, bie qutetiftifd^c 50l9ftil im ©egcnfa^ jum l\xä)lxä)en ©ogmo ocrtrctcnbcn ©epatation ju^ fammcngcfa^t tüurben, war Alombrados (®rfeud^tctc).

3)icfe ©cparation crl^ob jtd^ (ju ßorbooa unb an anbeten Dtten) fd^on fo frül^e unb in einer für bie Äird^e fo bebenllid^en SBeife, ba^ fogar ein Sö^aj So^ola wä^renb feiner ©tubiengeit ju Sllcala unb ©ala- manfa (1527, 1528) wegen feiner Steigung jur mpftifd^en 2il^eoIogie ber Äe^erei t)erbäd^tig unb in Unterfud^ung gejogen werben lonnte.

SDie Qrrlel^ren; weld^e bie ^nquifttion ben SöomBraboS fd^ulb gab, toaren l^auptfäd^Iid^ folgenbe: Die ürd^Iid^en ©ebete finb toertl^IoS, inbem überl^aupt baS SBortgebet bem 9Kenfd^en nid^tS nü^en lann. 3)ie SBer- einigung ber ©eele mit ©Ott ift nur burd^ h)ortIofeS ^erjenSgebet ju er- reid^en. 2)urd^ baS le^tere toirb bie ©eele 'über ben ©tanb beS ©lau^ benä l^od^ l^inauS gel^oben, inbem fie fd^on l^ienieben in ber mefentlid^en 35ereinigung mit ®ott baä SBefen ®otte§ unb bie ©el^eimniffe ber %xu nität 3U fd^auen t)ermag. 3^^ biefer SoHfommenl^eit ift fein SRüdffd^ritt unb lein ^ortfd^ritt ber ©eele möglid^, inbem burd^ bie ©nabe alle SBer- mögen berfelben aufgel^oben werben, Qm ®eiete mu^ bie ©eele fid^ t)on atten bilblid^en SSorftellungen fern l^alten, fie barf überl^aupt leine Silber ber ^eiligen jc. anfe^en, barf bie ^eiligen nid^t um il^re gürbitte an- rufen, aud^ nid^t an bie 3Kenfd^l^eit Qefu bcnfen. Sft bie ©eele jur SBoIIIommenl^eit gelangt, fo ift für fie ber ©ebraud^ ber ©acramente unb bie Serrid^tung guter SBerle unnöt^ig. Sigentlid^e ©ünbe lann ein 3SoIlIomme= ner gar nid^t tl^un. 3)enn ba bie ©eele be§ SBofffommenen fid^ in ©otteä SBefen ergoffen l^at unb ba bie in biefer unio mystica lebenbe ©eele ganj burd^gcttet ift, fo toirb biefelbe, aud^ toenn jte eine §anblung tl^ut, bie äu^er^ lid^ angefel^en eine lafterl^afte §anblung ift, baburd^ bod^ nid^t befledft.*)

3m Qfal^re 1575 glaubte bie ^nquifition bie Äe^erei ber SKombraboS ausgerottet 3U l^aben; allein im ^al^re 1623 trat fie in ber 2)iöcefe ©eoiCa aufS 5Reue l^eroor, oon wo biefelbe jebod^ nad^ fjranlreid^ jer^ fprengt tourbe. §ier fanb bie ©efte an bem ^Pfarrer oon ©t. ©eorge be SRope in ber $ßicarbie, bem 2lbb6 ©u6rin, einen gü^rer, meSl^alb fie feitbem gemöl^nlid^ bie ©efte ber Guerinets genannt tourben. ©leid^- 3eitig mad^ten fid^ aber aud^ im füblid^en granlreid^ feparatiftifd^e Äreife (lUamin^s) bemerllid^, meldte eine ber Seigre ber SllombrabaS im SSäefent« lid^en ganj gleid^e Seigre t)ertraten.

*) S)ie 50 ©ä^e, in toeld^e bic 3«qutfition bie Srrlel^ren, toeld^e mon ben Sllombrabod gurSaft legte, gufammenfa^te, finben ftd^ abgebrudSt bei Malvasia,

Catalogus omnium haeresium et conciliorum , Rom. 1661, Centaria XVI, p. 269—274.

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3)ie fpanifd^e SJl^ftit beg 16. 3^l§rl^unbettS lä^t unS ben DuietiSmug ' auf bcr ctftcn ©tufc feiner ©nttoidflung erlennen; auf feiner jweiten 6tufe tritt unS berfelbe gegen ben SKnfang beg ad^tjel^nten gal^rl^unbertg in ber (bantalg tl^eilS 3U Baooj^en, tl^eilg }u ^ranlreid^ gel^örigen) ^iö^ cefe ®enf entgegen, ft)o h>ir bie quietiftifd^e SWpfti! unter ®inn)irlung ber ©Triften ber 3^l§erefia t)on SefuS in 3n)ei l^ert)orragenben ^Perfönlid^feiten, nemlid^ in bem 33if^of ber 2)iöcefe, ^anß von ©ateS unb in ber ©eelen« freunbin beffelBen, %xavi t)on ßl^antal, gan3 felbftftänbig ertoad^fen feigen.

%xani, (Sraf t)on ©aleS*), am 21. Sluguft 1576 auf bem ©d^Ioffc ber ®rafen t)on ©aleS (brei SBäegftunben uon Slnnecp in ©a* »o^cn entfernt) geboren, l^atte fid^ als junger Äleriler burd^ baS ©efd^idt, mit bem er bie SluSrottung beS $roteftanti§muS in ben an bem ©übufer beg ©enfer ©eeiS gelegenen Sanbe ßj^ablais betrieben unb betoerlfteUigt, (man rül^mte il^m 72,000 Sefel^rungen nad^!) frül^jeitig einen 5Ramen oerfd^afft, unb toar infolge beffen 1599 ßoabjutor beS S3ifd^ofS t)on ®enf unb 1602 beffen 5Rad^f olger getoorben. Sr l^atte oon ben ©d^riften ber S^l^crefia oon $je\n^ gel^ört, l^atte fie, ba bie mpftifd^e Sl^eologie feinem SiatureH entfprad^, tl^eiltoeife aud^ gelefen unb l^atte fid^ in bie auS ben» fetten gewonnenen ©ebanlen mit ber ©enialität feines ©eifteS, mit ber Xiefe feines ©emütl^S unb mit bem SReid^tl^um feiner lei^t erregbaren ^^antafte aSmäi^Iid^ fo l^ineingelebt, ba^ er fd^lie^Iid^ als ein !lafftfd^er Slepräfentant ber quietiftifd^en SWpftil baftanb. SEBaS il^n aber in biefe rcligiöfe Stnfd^auung gebrad^t unb an biefelbe gefeffelt l^atte, baS loar bod^ nid&t unmittelbar ber in ben ©d^riften ber Sl^erefia liegenbe ^owber, fonbem oielmel^r fein SSerl^ältni^ ju einer S)ame, mit meld^er berfelbe im Saläre 1604 in ben Iebenbigften©eeIenoerfel^r trat, ber pd^ bis ju feinem (am 28. SDecember 1622 ju S^on erfolgenben) 3^obe unterbrod^en fortfe^te.**)

S)ie nod& fel^r jugenblid^e S3aronin Q^^^^w^ gran^oife oon

*) SSgl. bie Vie de Saint Fran^ois de Sales eveque et prince de Geneve par M. ]e core de Saint Sulpice (nad^ ber Biographie generale T. 18, p. 491 l^eifft ber SSerf.. Hamon), Paris 1856, 2 93änbe; unb Oeuvres completes de St. Fran9ois de Sales, 1821, 15 93be. (mit Esprit de St. Fran^ois de Sales alS Slnl^ang). «Reuefte SluSgabe ber SBerfe «ßariS unb S^on, 1830—1834, 5 SBänbe.

**) SSßl. § ergo 0 'S ^Ibljfonblung „granj öon©aleS unb grau bon ©l^antal. ®in »eitrag jur latl^olifc^en 3W^fti«" in ber „3)eutfd^en Seitfd^rift für d^riftTid^c äßiffenfd^aft unb d^rijilid^eS £eben'', 1856.

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ei^antal*) (geb. 1572), ^od^ter be§ ^rdftbenten be§ ^orlamenlS Don Sutgunb, %xemiot, unb Sd^toefler be§ bamaltgen ßrjbifd^ofS Don Sour^ ge§, roax eben burd^ ein i^rem 3Raxm auf ber S^gb jugefto^eneS Unglücf SBitttoe geworben, al§ ^ott) t)on @Q(eS in 2)ijon auf fte aufmerffom unb mit i^r befonnt warb. 3)ie trouembe 2)ame fd^Io^ i^m, )u bem fte als }u einem 3Ranne ®ote§ l^inauffal^, alsbalb t^ von ben tiefften ©d^merjen jerriffeneö §erj auf. ®er Sifci^of füllte fici^ non ber religiös tief erregten $PerfönIid^Ieit ber jungen S)amc tounberbar berührt, erllorte ftd^ bereit il^re @eelenfül^rung }u übernehmen unb trat alsbalb mit i^r in einen inneren Serlel^r, in einen inneren, feelifd^en SebenSjufammens l^ang, toie er l^äuftg in quietiftifd^en Greifen Dorfam unb überhaupt nur l^ier in feiner @igenartigleit möglid^ toar.

§rau Don Sl^antal toar getoiSt, in einen geiftlid^en Drben ein3Utreten, tro^bem, ba^ fte Äinber l^attc, bie ber ^fliege unb ßrjiel^ung beburften. Sns fte für bie le^tere in genügenber SBeife Sorge getragen 5U ^aben glaubte, trat ber 2luSfül^rung il^reS Sntfd^IujfeS ein neues ^inbemi^ in ber Bewerbung eines ßaüalierS um il^re §anb entgegen, inbem atte SSer^ manbten fie bringenb aufforberten, biefe Semerbung nid^t abjulel^nen. ©ie aber nal^m ein glül^enbeS 6ifen, brannte fid^ mittelft beffelben ben Flamen SefuS auf bie SBruft, lie^ fid^ il^r langes, fd^öneS §aar abfd^neiben, legte ein l^äreneS ^emb an unb ergab ftd^ ber ftrengften SlScefe, bod^ litt eS ber Sifd^of nid^t, ba^ fie in einen ber beftef;enben Drben eintrat, inbem er auf ben ©ebanlen gelommcn mar, bie aScetifd^e unb religiöfe Segeifterung ber 2)ame jur ®rrid^tung einer neuen ßongrcgation ju vex- menben, auf meldten ®eban!cn biefelbe freubigen $er3enS einging. 3u ©unften il^rer Äinber tjersid^tete fie auf il^r SSermögen, nur ein ©e^ ringcS fid^ Dorbel^altenb, toaS fte für bie beabfid^tigte DrbenSftiftung ücrtoenben mottte, fd^ritt bann über ben Seib il^reS jüngften ©o^ncS, ber bie SKutter nid^t t)on ftd^ laffen toottte unb fid^ beSl^alb in bie Sil^üre gelegt l^atte, l^inmeg jum §aufe l^inauS unb begab fid^ (1610) t)on 3)ijon nad^ 3lnneq, mo burd^ ben Sifd^of bie ®rrid^tung beS neuen DrbenS bereits t)oIlftänbig vorbereitet toar. 25erfelbe foHte ber Drben ber ^eimfud^ung

*) SSgl. übet il^r Seben unb Sßitfcn: H. Maupas du Tour (S3ifdJof unb

®raf JU ^\i^)f Vie de la Mere Jeanne Fran^oise Fremiot (Madame de Chantal), fondatrice de l'ordre de la Visitation de Ste. Marie; ^ariS 1646 in 4^.

1653 in (2)eutfd^ nad^ ber öierten franjöfifd^en Sluflage öon Sö'^tt'^«^^

SWe^er ebirt, Sujern 1731 in 4P), Marsollier, Vie de la bienheureuse mere de Chantal, ^ariS, 1779, 2 Voll, in 120; unb bie neuefte ©io0ra}3l^ie: Histoire de Sainte Cbantal et des origines de la Visitation parM. abbe Em. Bougaud; 2m6. edit. Paris, 1863, 2 Voll in S\

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ober „3Stfttantinncn=Drbcn" l^ci^cn, inbcm bic ©d^njcftcrn mi) bent SSot« Bilbe ber ^cimfud^ung (visitatio) ©lifoBctl^'S huxä) 3Raxxa (Suc. 1, 39) bcn 35cfud^ Slrmer unb Äranfer fid^ jur SebcnSaufgabc tnad^cn fotttcn. 3)tc Stiftung * folltc fo iücntg als möglid^ Ilöftcrlid^cS ©eprägc l^aScn ; notnctttlid^ fotttcn bie ©d^weftern burd^ lein feierlid^eS (ScIüBbe, oud^ nid^t an Slaufur gebunben fein. 3lud^ follte jebeä cinjelne Älofter bc3 DrbenS ben Sifd^of ber S)iöcefe aU feinen Oberen anerlennen. Qin biefem ©inne tourbe ber Drben t)on ber $eimfud^«ng 50lariä am 10, Suni 1610 ju Slnnec^ begrünbet, beffen ©inrid^tung jebod^ infofern fel^r balb abgeönbert warb, als %xaxn von ©aleö ftd^ in ^olge eines päpftRd^en SreoeS, weld^eS 1618 bie ßongregation beftätigte, t)eranla^t fal^, in feiner ©tiftung (bic nad^ il^m aud^ ber Drben ber ©aleflanerinnen genannt toarb), feicrlid^eS ®elübbe, 6Iaufur unb DrbenStrad^t einjufüJ^ren, ben Sefud^ ber äirmen unb Äranlen auSjufd^Iie^en unb bafür ben ©d^tüeftern bie Ausübung weiblid^er Srjiel^ung jur ^flid^t ju mad^en. SRafd^ blül^te nun bie neue ©tiftung auf, bie fid^ balb über gan3 ^ranlreid^ verbreitete. SiS jum 3;obe beS Sifd^ofs waren bereits 13 §äufer beS DrbenS entftanben; bis 3U bem im ^af)xe 1641 erfolgenben 3^obe ber ^rau t)on. ßl^antal (bie eine Seit lang von $ariS auS ben ganjen Drben leitete), famen nod^ 87 l^insu. Sn biefe Drben§gemeinf(^aft toar §rau von 6§antal fo eingetreten, ba^ fie l^inter ftd^ bie SSrüdEe abgebrochen l^atte. ©ie l^atte fid^ loSgefagt Don il^ren Sertoanbten unb Don il^ren Äinbern, fie l^atte il^r ^ob unb ®ut l^ingcgeben, fie l^atte allen ^reuben unb 2lnnel^mlid^feiten, von benen il^r geben umgeben mar, entfagt unb lebte nun in älrmut unb ftrengfter SlScefe. S)er eigentlid^e 5Rert) il^reS SebenS Wav aber bie Autorität beS Sifd^ofS %tani, ber toieberum burd^ bie ©igentl^ümlid^feit, in toeld^er fid^ bie geiftlid^en 2lnliegen unb Sebürfniffe ber a)ame funb gaben, fid^ t)cr« anlaßt fal^, fid^ mel^r nod^ als bisl^er in bie feiner eigenen religiöfen SRid^tung fo fel^r entfpred^enben ©d^riften ber Sll^erefa be S^fwS ju t)er« tiefen, unb im ©inne berfelben feiner geiftlid^en S^od^ter mit Selel^rung unb Slatl^ beijuftel^en. 3luf biefem SBege lam in beiben ^ßerfönlid^Ieiten bie quietiftifd^e SK^ftil 3U immer beftimmterer ©eftaltung unb fd^ärferer äluSprägung.

3n ber ©eele ber %xau oon ßi^antal begann biefer 5ßroce^ fo, ba^ biefclbc mit fid^ unb baburd^ mit ber Slutorität il^rer Äird^e in gänjlid^en 3erfall geriet)^, ©ie l^atte allerbingS baS ®ebot beS §erm, ba^ man oud^ 3Sater unb 50lutter nid^t mel^r lieben folle, als 3^w ^^ ©inne i^rer ftird^e erfüllt, inbem fte nid^t nur alle oerhJanbtfd^aftlid^enSejiel^ungen, fonbern aud^ il^re Äinber x)erlaffen l^atte. S)afür l^atte fie fid& in bet 5ßerfon beS oon il^r mit bem unbebingteften SSertrouen cerel^rten Sifdjöf«

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)u 9tnnec9 bet Atrd^e t)erIo(t; aber ber ®eban!e an bie oerlaffenen Äinbet lic^ fic hoä) nid^t jut Slul^c lommen, unb il^re Sejicl^ung ju bcm Sifd^of toofftc tl^r mitunter gonj bcbenllid^ erfd^einen. ©ic Begann an bem ganjen SBefen ber fatj^olifd^-lird^lid^en fjrömmigleit, fte begann felbft an ber Slutorität unb Se^re il^rer Äird^e irre ju werben, unb barob er^ bebte il^r ^erj.

Snbem nun ^au uon Gl^antal "bem Sifd^of il^re innere 3totf) unb 3erriffenl^eit brieflich oorftettte (jebod^ ol^ne ben ®runb berfelben anju^ geben), feigen toir in ber 2lntn)ort bie erften gan3 affgemeinen 3ögc ber quietiftifd^en Slufd^auungStoeife l^ert)ortreten. ®r giebt il^r ben SRatl^, bie SBerfud^ung gan3 3U ignoriren, jtd^ gegen fte gan3 gleid^gültig 3U oerl^alten, jtd^ t)or ©Ott nieber3un)erfcn unb t)or feinen ^^en liegen ju bleiben, fid^ babei inwenbig red^t t)erfd^Iojfen 3U l^alten, unb toenn ber gcinb burd& ben Sntellect in il^re ©eele l^ineinbringen tooffe, bann burd^ ba§ 3^l^or beg SBillenS il^m entgegen3Utreten, il^m tüd^tige ©daläge ju t)erfe|en unb il^n mit bem 3lffect ber ©eele (votre partie affective) oon fid^ 3U werfen, 2lud^ möge fie fid^ 3U 3^it^« ^ttoa 50 ober 60 ©eifeell^iebe applijiren, mag i^rer ©eele fel^r gut tl^un toerbe. $ernad^ fd^reibt er il^r faft für jebe 2)age§ftunbe geroiffe Slnbad^tSübungen oor, aud^ fleißiges gaften, unb ermal^nt fie il^rer Eigenliebe abjufterben. 2l6er bie ä^i^^if^I ^^'^ Slnfed^^ tungen ber 2)ame toieberl^olen fid^ ; fie fül^lt fld^ bei aU^n ßntfd^lie^ungen, bie fie f äffen miff, toie burd^ einen ^aun gel^emmt unb fommt fid^ mie affer il^rer frül^ercn 2^ugenben beraubt oor. 2)a l^ält il^r ber Sifd^of (18. ?5ebruar 1605) oor, ba^ fte il^ren SEBiffen nid^t bürfe erlal^men laffen, aud^ menn fte beffen Dl^nmad^t füllte, ba^ ber URangel be§ ©efül^Iä ber (SotteSgemeinfd^aft nod^ nid^t ein SetoeiS beä 9JlangeI§ ber ©otteS- meinfd^aft felbft fei, ba^ il^re 3^ßif^I ^^^ ©d^merjen baS Äreuj wären, weld^eS nad^ ©otteS SBiffen für fte ein 5iJlitteI beS §eiIeS werben foffe unb ba^ fte il^ren SJluti^ immer oon bleuem anfeuern muffe, um baS Söcrl il^reS $eileS am Äreu3e ju oollbringen*). 2lber je eifriger fid^ ^rau oon 6l^anta( nad^ bem Statine beg Sifd^ofS bemüht, um fo toeniger lann fie mit il^rem Semül^en 3um S^eU lommen, um fo weniger genügt fie fid^, um fo toeiter fielet fte fid^ pon ©Ott getrennt, um fo ftörler leieren il^re 3^cifel unb ©d§mer3en 3urüdf. ©ie 3U bem ©inen, wag notl^ tl^ut, jufül^ren, oermag ber Sifd^of nid^t; benn biefeS ©ine lennt er nid^t. ®r lennt leine gegebene, leine von ©Ott bereitete unb gefd^enlte ©ered^tigfeit, bie mit ©lauben 3U ergreifen ift, fo ba^ bann

*) Roidissez vötre courage k fair Toeuvre de votre salut sur la croix,

ruft grana ber S)ame ^u!

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alle 3toÜ) ein Snbc l^at ; et lennt nur eine (Sctcd^tigleit, bic bcr SKenfdJ ^ä) felbft bereiten, toeld^e er felbft etftreben tnüffe. Dod^ bleibt et nid^t babei ftel^en, ba^ biefe ©ered^tigfeit burd^ bie SSerrid^tung befttmmter SG3er!e ju ertoerben fei, fonbem er forbert, toaS aud^ %xavi t)on Gl^antal von fx6) forbert, ba^ biefe (Sered^tigfeit an ber eigenen ©eele jutoege gebrad^t, bo^ bie ©eele gottäl^nlid^ gemad^t werbe. Ueber bie ^Jrage aber, tote biefeS betoerlfteHigt toerben lönne unb muffe, fielet jtd^ bcr Sifd^of gegenüber ben ernften S^^if^I« wnb ©inhjenbungen ber tief erregten, unb an x^xex (Sered^tigfeit mit gurd^t unb gittern arbeitenben 2)ame in ber größten 3lot\). ®x giebt il^r (13. September 1605) ben rounberlid^en 2^roft, ba^ in i^retn §erjen bie (Seburt ber SKaria vox ftd^ gel^e, ba^. fic l^iermit alfo bie roal^rl^aftige SWutterliebe 3U S^fw^ ^^Tcex ©eele trage unb l^ierburd^ (Sott tool^lgefällig merbe.

©0 gel^t il^r,9Kül^cn unb kämpfen ga^re lang fort; immer ©on 9leuem ringt fie mit S^^if^I^ ^^b Slnfed^tungen, unter benen aber fd^Iie^lid^ in il^rer ©eele ebenfo toie in "ber beS 93ifd^ofd bie entfd^ei« benbe SJBenbung erfolgt.

3in brünftiger Siebe unb ©e^nfud^t nad^ (Sott fortwäl^renb mit fid^ fclbft befd^äftigt unb in fid^ gefeiert, toar %xan oon Sl^antal attmäl^lid^ in eine ©clbftoerfenfung gefommen, in toeld^er fie pd^ in ®ott oerfenft fal^, in ber fie barum fo rul^te, ba^ alles 2)enlen in il^r erlofd^en, atteS SQBoHen erftorben ju fein fd^ien unb \>a^ 35eten nur ein toortlofeä Sltl^men ber Siebe in ber unmittelbaren ©egentoart (SotteS toar. ^n biefer inneren Haltung fud^te fie nun ber Sifd^of ju befeftigen, inbem er i^r am 16. Sanuar 1610 (fur3 oor il^rer Ueberftebelung nad^ älnneqi fd^rieb: „3l^re SIrt ju beten ift gut. Sleiben fie nur bei ®ott mit fanfter unb ftiffer ©pannung beS ©eifteS unb in fanftem ßinfd^lummem in ben 2lrmen ber aSorfel^ung, in rul^iger ®rgebung (aquiescement) in feinen l^eiligen StBillen; benn ba§ 3llleS ift il^m angenel^m. §üten ©ie fid^ oor jjeber Slnftrcngung beS 2)enIt)ermögenS, ba eS il^nen fd^abet, felbft im (äebet, unb arbeiten ©ie mit ben Stffecten um il^ren geliebten ©egenftanb l^erum fo fanft fie ttur fönnen. (SS lann nid^t anberS fein, als ba^ baS SDenloermögen bis« toeilen Slnläufe nimmt ; jebod^ fotoic man beffen inne toirb, mu| man 3U ben einfad^en SSillenSaften jurüdEfel^ren. SQBenn man fid& in bie ®egen« toart ©otteS gefteUt l^at, fo bleibt man immer barin. 3Jlan fielet nid^t auf il^n, nod^ fprid^t man oon il^m; man bleibt ganj einfad^ ba, tool^in man oon ©ott gefegt ift, toie eine ©tatue in i^rer 3lif^e. SBJenn 3U biefem einfad^en Sleiben oor ©Ott ftd^ bie (gmpfinbung gefeilt, ba| toir il^m angel^ören, unb ba^ er unfer Sllleä ift, fo foHen toir ©ott für feine ©Ute banlen. aSSenn eine ©tatue in il^rer 3iifd^e reben lönnte unb

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ittött würbe fte fragen: Sffiarum Bift S)u ba? fo würbe jte antttjortcn? 833eil ber Silbl^auer mii) ha^xn geftefft l^at. SJBarum Beroegft S)u ^i^ nid^t? aBeil er toitt, ba^ id^ unbetoegliti^ bleibe. SBoju bienft 2)u l^ier? aßaS l^aft 5Du für $Ru^en bat)on, ba^ 2)u fo bift? 9iid^t um meines 5Ru^en§ mitten bin id^ l^ier, fonbern um ben SOäiHen meines 3Ret= fterS ju bienen unb ju gel^ord^en. 2lber 3)u fiel^ft il^n bod^ nid^t! 5Rein, toürbe fie fagen, aber er fielet mid^ unb f)ai ®ef allen baran, ba^ id^ ba fei, Wölfin er mid^ geftellt l^at, 3l6er l^ätteft 3!)u nid^t gern bie Äraft, 3)id^ ju betoegen unb näl^er jui^m l^injutreten ju fönnen? 9lein, es fei benn, ba^ er befel^Ie. §aft 3)u benn gar feine Söünfd^e? 3lein, benn id^ bin ba, tDO^in mid^ mein 3Jleifter geftellt l^at; fein be- liehen ift bie einjige Sefriebigung meines SBefenS."

S)iefer ©eelenjuftanb ber frommen 2)ame, in toeld^em biefelbe nun entfd^ieben bie SBege ber quietiftifd^en SKpftif betreten* l^atle, mar jebod^ geraume Seit l^inburd^ nid^t ol^ne ©d^manfungen, in benen eS il^r oft Dorlam, als fottte fie SlHeS, mäs fie für i^re ©eele gewonnen, für immer toieber verlieren, lüeS^alb fie bann il^r $erj von unfäglid^em ©d^merje jcrriffen fül^lte. ^n einer fold^en 3cit gänjlid^er ®ürre unb innerer SSer- laffenl^eit fd^reibt fte il^ren ©eelenfü^rer: „^d^ lann nid^t uml^in, 3[l^nen 3U fd^reiben. Sd^ fel^e, bajs id^ jeben SlugenblidE toanle in ber Slngft meines §erjenS, bie burd^ meine SKi^geftalt hervorgerufen toirb. ©ie ift fo gro^, ba^ id^ mid^ in biefem 2lbgrunb beS (SIenbS fctft vexliexe, 3)ie (Segenmart meines (SotteS, bie mir fonft unbefd^reiblid^e Sefriebigung getoäl^rte, mad^t mid^ am ganzen Seibe gittern unb uor ^urd^t ©d^auer cm))flnben. 6s lommt mir vox, als ob jenes göttlid^e Sluge, hJeld^eS id^ mit affer Unterwerfung beS ^erjenS anbete, mid^ ganj unb gar burd^« bol^re, unb äffe meine SBerle, meine ©ebanlen, meine SBorte mit ©nt- rüftung anfd^aue. 3d^ fürd^te ©ott ju mi^f äffen. D wie fel^r fd^eint feine ^ülfe fid^ oon mir entfernt ju l^aben. 3^ ^^^be beStoegen biefe $Rad^t in großer 2iraurigleit jugebrad^t unb unabläffig gerufen: SKein ©Ott, mein ©Ott, toarum tjerläffeft S)u mid^! Ungead^tet biefer SSer^ laffenl^eit l^abe id^, jebod^ ol^ne (Smpfinbung, gefagt: ^a, §err, tl^ue maS 5Dir gefäfft; id^ toiff eS. SSernid^te mid^, id^ bin eS jufrieben. S^^^^^^ mid^, id^ toiff eS. Steige aus, l^aue ab, oerbrenne 3lffeS nad^ ©einem SBelieben; id^ gel^öre ganj 3)ir an. ©Ott l^at mid^ geleiert, ba^ er ben ©lauben nid^t l^od^fd^ä^t, \üenn man burd^ bie ©inne unb bie ©m* pfinbung bieSrfal^rungbaoon mad^t. 3)arum toill id^ inmeinen SBibermärtigleiten feinen 2^roft. S^ l^offe auf ©ott ungead^tet meines unenblid^en ßlenbeS."

5Der le^te Srief, h>eld^en %xa\x von Gl^antal an %xani t)on ©aleS

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fd^ricB (22. Sunt 1622) lä^t ^toei fel^t tDcfenllici^e ©cbanlen crfemtcn, in beneit fid^ ber 6l^ara!ter il^reS Quiettätnuä barfteHt.*) ©ie fprid^t t)on ber ©tn^eit il^rcr Seele mit ®ott unb be3eid^net biefelbc afö eine in ber l^öd^flen unb feinften ©pi^e ber ©eele ftattfinbenbc fel^r einfädle ©inj^eit (tr^s simple unit6), in toeld^er fid^ bie©eele fel^r fd^toer ju be* fonberen 2l!ten ber ßinigung mit ®ott erl^ebe. Qn biefer ganj einfad^en ©inl^eit mit (Sott tl^ue bie ©eele nid^ts SlnbereS, alg ba^ fte im tiefften ©runbe il^rer felbft einen faft unmerflid^en SBunfd^ bilbe, ba^ ®ott mit il^r unb mit aüen Greaturen mad^e toaS er motte. Slm liebften totirbe bie ©eele in biefer ganj einfad^en, in leinen befonberen Slft überge^enben ©inl^eit mit ©ott bleiben unb gan5 in fid^ felbft baä Pater l^erfagen für atte SEBelt unb für fid^ felbft, ol^ne jebod^ ben Slii von ®ott objumcnben ober barauf 3U feigen, toarum unb für toen fte bete, ©obann ift fie mit ber %xaQt befd^öftigt, ob biefe einfädle ©inl^eit ber ©eele mit ®ott genügt, um ®ott ©enugtl^uung ju leiften (pour satisfaire k Dieu . ober ob baju befonbere 3lfte ber 2lnbad^t unb tJtömmigleit erforberlid^ toären. ®enn bie Seiftung einer in ber 5Rad^folge 3efu für bie eignen ©ünbcn unb für bie ©ünben Slnberer ®olt 3U getoä^renben ®enugtl^uung galt il^r ate ber näd^fte 3^^^ ^^^ 9^^W^ Sleligiofität.

5Kaupa§, ber (ältere) Siograpl^ ber grau »on ßl^antal, erjält oon i^r (111. 4), bafe fie ftqben Qa^re ber geiüöl^nlid^en 5fRebitatibn ergeben geroefen, l^ernad^ t)on ®ott jur ßontemplation erl^oben toorben fei. Dft ^abe man fie in SSerjüdungen unb @cftafen gefe^en, unb il^r gan3eS ©treben fei bal^in gerid^tet gemefen, in uöttiger SSernid^tigung unb SSer- geffenl^eit i^rer felbft i^rem am Äreu3e gan3 entblößten Srlöfer nad^3U' folgen, mit il^m bie bittere 2^obegangft bei Äaloarienbergg ju burd^leben unb feine unauSfpred^lid^e SSerlaffen^eit am Äreu3e mitjutragen. Qfl^re Siebe fei ol^ne atte g^reube, o^ne atte Hoffnung unb Sele^rung unb ol^ne atteg SSegel^ren cineä ®enuffeg ber Siebe getoefen. ©ie l^abe ®ott auf „®nabe unb Ungnabe" geliebt, \)abt axii) in atterlei ®efal^r beä SebenS Don ®ott nid^t ©d^u|, fonbern nur ba§ ©ine begel^rt, baß ©otteS SBitte an il^r gefd^el^e unb ®ott an ü)x oerl^errlid^t toerbe.

3n biefen ©ebanlen ber grau von ßl^antal erfennen toir ben SBiber- fd^ein be§ göttlid^en Sid^teg, toeld^eg fie in ber t)on i^r mit ber gan3en Snbrunft- il^reg fersen oerel^rten unb betounberten ©eele be§ S3ifd^of§ t)on ®enf leud^ten fal^. 35al^er begegnen h)ir ganj benfelben ®ebanlen aud^ bei biefem, nur baß wir fte l^ier toeit mel^r burd^bad^t unb im 3«'

*) Serjog a. a. D. ©. 223.

50 fornmenl^ange erfaßt, holtet auif DoSftonbiger enttotdfelt fmben. Sie

©d^tift Trait6 de Famoar de Dieu t)Ott 1616*) ift cS, in tocld^er ber S3ifd^of aOe feine auf bie quietiftifd^e t^ömtnigleit 6e3ügli(i^en Slnfd^auungen jufammen^angenb batlegt. SSetgltd^en mit einer anbeten, ebenfalls l^ietl^et

gel^Ötigen Sd^tift, lotrodaction k la vie devote (getDÖ^nlid^ Philothea

genannt, weil jte an eine 2)atne Philoth6e, b. ^, an %xa\i t)on ßl^antal, gerid^tet ift), toeld^e ad^t ^af)xe ftül^et etfd^ienen h>at, betoeift bet Trait6 ben gottfd^titt, toeld^en bet SBcrfaffet wöl^tenb bicfet Salute in bet quie- tipifdjen SKpftif gemad^t l^attc.

gtanj t)on ©aleö gel^t in feinet ©ebanlenentmidflung bat)on auS, bafe untet atten Äräften bet menfd^Iid^en ©eele bet SBiffe bie obetfte, bet bte anbetn bel^ettfd^enbc ift, ba^ abct bie Siebe bcm SBiUen feinen 6l^ata!tet gicbt. 3)atum toitt bie Siebe ©otteä getabe butd^ ben SDäittcn bcS 9Renfd^en il^tc $ettfd^aft übet bie ©eele ausüben, inbem bet Siebe ju ®ott als bet DoHfommenften Siebe bie ©uptentatie übet äffe ©eelenftäftc fo toefentlid^ jugel^ött, ba^, toenn fte biefe §ettfd^aft nid^t ausübt, fie notl^= rocnbig in bet ©eele etftetben ntu^**). S)ie Steigung ©Ott ju lieben, tool^nt ballet bem 3Menfd^en t)on 9iatut ein***). 3)enn bie ©d^önl^eit ®otteS ift fo gro^, bafe toenn bet SSetftanb beS SKenfd^en ftd^ auf baS göttlid^e SQBefen l^intid^tet unb biefeS in feinen einjelnen SSofffommenl^eiten bcttad^tet, baS $etj uniüiffftitlid^ ftd^ 3U ©ott l^inge3ogen unb jut Siebe JU ©Ott angetegt fü^It (Trait6 I. 15, V. 1). gnbeffen beft|t bod^ ber gefaffene 9Renf(^ bie natütlid^e gä^igleit, ©ott mit toitflid^et Siebe ju umfaffen, nid^t. 3)iefe gäl^igfeit lann betfelbe nut butd^ bie ©nabenl^ülfe ©otteS etlangenf). 35iefelbe etfolgt fo, ba^ bet 3Kenfd^, oon bet juDot^

♦) Satcinifd^ erfd^ien bie ©d^rift unter bem ^itcl: Philothea s. Introductio

ad vitam devotam Libellus aureus pro siDgulis hoininum statibus a. D. Matthia M artin ez lat. conscriptus, Editio III. Col. Agrip. 1654 u. ÖftetS;

2)eutfc^ untet bem 2:itel: „Philothea ober 3^ länger je lieber, b. i. Slntoeifung jum onbäd^tigen Seben, ju attgemeinem Sfiu^en auS bem grangöfifd^en inS 2)eutfd^e t>on S^leuem überfe^t. Sljd^affenburg 1771. 8°. unb ^ßj^ilotl^ea ober 3[n= (eitung ju einem gottfeligen 2tben t)om l^eiligen granj t)on ©aleS, 3lm überfe^t öon 3. ©. 3. 2)ommerque; 1853.

*♦) Traite de Tamour I, 6: La volonte gouverne toutes les autres facultez de l'esprit humain; mais eile est gouvernee par son amour, qui la rend teile qu'il est. Or entre tous les amours celuy de Dieu tient le scepter, e a telle- ment l'authorite de Commander inseparablement unie et propre a sa nature, que s'il n'est le maistre, incontinent il cesse d'estre et pepit.

***) Trait6 I, 16: La saincte inclination d'aimer Di«u sur toutes choses nous

est demeur^e (nämlidj nad^ bem ©ünbenfaHe).

f) Traite I, 17: Nous n'avons pas naturellement le pouvoir d'aimer Dieu "^outes les choses.

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lommcttbcn ®nabe angeregt unb ertoeÄt, beten SlBftci^ten unb SEBitlungen mit feinem freien SCBitten unterftü^t, t)on einer ©tufe ber Siebe jur anberen gehoben toirb, bi3 er bal^in lommt, iofß i^m ®ott ben ©lauben eingießt, ber ben SBiKen t)ol[ftänbig 3U ©Ott l^inneigt unb ben S^teKect beg 3ffienf(l^en bel^errfd^t*). ^ierburd^ toirb eg bem 50lenfd^en möglid^ fid^ toirllid^ in bie (Segenroart ®otteS ju üerfe^en unb in berfelben ju (Sott äu beten**).

§at nun ber SKenfd^ ben ©lauten t)on ®ott empfangen, fo pnb eS nic^t mel^r bie SBunber, SBemunftberoeife unb fonftigen ©tü^en ber d^rift« Kd^en Sleligion, an toeld^e fid^ bie 3ut)erfid^t beS ©laubenben l^ält; melmel^r lä^t berfelbe alle jene ©tü^en fallen, inbem er im ©lauben ber SBaJ^r- l^cit be§ 6l§riftentumS unmittelbar getoi^ ift***). 2)ie ©eele erfäl^rt bie tiefe 93efriebigung, n)eld^e il^r burd^ bie ©etoi^^eit beiS ©laubenS }u 2:i^ei( wirb; unb inbem nun ber ^^^teHect fid^ bem ©öttlid^en betrad^tenb ju-

*) Trait^ II, 13: C'est la favear divine, qui nons previent. Qae sinostre esprit ainsi sainctement prevena contribue tant soit peu son con8^.ntement, ah, quel bonheur I Car la mesme inspiration et faveur, qui nous a saisis, meslant son action aver nostre consentement , animant nos foibles moavemens de la force da sien et vivifiant nostre imbecilie Cooperation par la puissance de son Operation, eile nous aydera, conduira et aecompagnera d'amour en amour en amour, jasques a Tacte de la tres-saincte foy, requis pour nostre conversion.

2)en stauben bejeid^net nun gran^ ali einen 3C!t, burd^ toeld^en ©Ott ben äHenfd^en

inf)>irirt (II, 14): Quand Dieo noas donne la foy, 11 entre en nostre ame et parle a nostre esprit, non point par mani^re de disconr, mais par manibre d'inspiration.

**) Introduktion III, 2 giebt granj bicr 3Rittel^an, um fld^ in bie presence

de Dien gu berfe^en*. l) une vive et attentifue apprehension de Dieu, cest ä dire, que Dieu est en tout et par tont, 2) penser, que non seulement Dien est au lieu ou vous estes, mais qu'il est tres-particuli^reinent en vostre coeur et au fond de vostre esprit, lequel il vivifie et anime de sa divine presence, 3) consid^re nostre Sauveur, lequel en son humanite regarde d^s le ciel toutes les personnes du monde, mais particuli^rement les Chrestiens, qui sont ses enfans, et plus specialement ceux, qui sont en pri^re; 4) le quatriesme fa^on consiste a se servir de la simple Imagination, nons representans la Sauveur en son buRianitä sacr^e, comme s*il estoit prbs de nous.

***) Traite, II, 14: A Tarriv^ede la foy Tesprit se despouille de tons dis- cours et argumens, et les soumettant a la foy il la fait asseoir sur iceux, la recognoissant comme reyne et crie avec une grande joye: Vive la foy! Les discours et argumens pieux, les miracles et autres advantages de la religion chrestienne la rendent certes extresmement croyable et cognoissable, mais la Beule foy la rend crene et recogneue, faisant aimer la beaute de sa verit^ et croire la verite de sa beaut^ par la suavit^, qu'elle respand en la yolont^, et la certitnde qu'elle donne a Tentendement«

4*

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tocnbct unb bie SBoHfommcnl^eit unb ©d^ßnl^cit bcffclbcn anfd^aut, toitb bct SEBille mit bem l^öd^ften SBoIgefallcn an biefcr SBottlommenl^cit beS ©öttlid^en erfüllt, fo ba^ in il^m ein brennenbeS Verlangen nad^ ber ©egenroatt beffelbcn erwad^t*). 3wnäci^ft eriüäd^ft bälget auS bem ©lauben, inbem fid^ bie ©eele in il^rem SSeiflangen nad^ ®ott ber Setrad^^ tung feiner SBottfommenl^eit l^ingiebt, bie Siebe**); aber inbem bie Sc- friebigung biefeS 3SerIangen§ für ben, meld^er biefelbe mit @mft unb (Sifer anftrebt, burd^ unjäl^Iige SBerl^ei^ungen ®otte§ gefid^ert ift, fo ertoad^t mit ber Siebe 3ugleid^ aud^ bie Hoffnung.

2l6er biefe mit ber Hoffnung oerbunbne Siebe ift bod^ nid^t bie voU- lommne Siebe. SDenn biefelbe ift jtüar auf ®ott gerid^tet, rid^tet fid^ aber aud^ auf ben 50lenfd^en felbft. ©je liebt ®ott nid^t barum, toeil biefer in fid^ felbft üottlommen gut ift, fonbern um be§ ®uten mitten, ba§ er bem 9Jlenfd^en sugefagt l^at, ba§ ber 3Jlenfd^ t)on il^m erwartet. S)ie l^offenbe Siebe ift alfo toefentlid^ eine intereffirte , nid^t t)on oller ©elbftfud^t freie unb ift bal^er eine unt)ott!ommne Siebe. S)ie t)oIIfommne reine Siebe ift bie, toeld^e ol^ne von ®oit ettoaS für fid^ 3U l^offen unb ju begel^ren, ®ott lebiglid^ um feiner felbft tDiffen liebt***).

9Jlan l^at l^ier jmifd^en einem inneren unb einem äußeren ®ute ®otte§ JU unterfd^eiben. SeneS ift ®ott felbft, beffen ®üte unb SSott^ fommenl^eit r>on feiner SBefenl^eit nid;t ünterfd^ieben werben lonn; biefeS

*) Tratte, II, 16: L'entendement humain estant convenablement appliqae a considerer ce que la foy luy represente de son souverain bien, soudain la volonte coD^oit une extreme complaisance en ce divin object, lequel ponr lors absent fait naistre un dosir trbs-ardent de sa presence.

**) Traite, V, 1.

***) granj t)on ©aleg unterfdjeibet (I, 13) bie Siebe alä Siebe au8 aßol^l- toollen unb als Siebe au8 aSegel^riid^fcit: L'amour de coavoitise est celuy,

par lequel nous aimons quelque cbose pour le profit que nous en pretendons. Tamour de bienveuillance est celuy par lequel nous aimons quelque cbcTse pour le bien d'icelle. Car, feftt er erllärenb l^inju, qu'est ce autre cbose, avoir Tamonr de bien-veuillance envfers une personnne, que de luy vouloir du bien?

hierauf folgt nodj begügli^ ber le|teren eine ah>eite 2)iftinction : Quand l'amour

de bien-veuillance est exerce sans correspondance de la part de la chose aimee, il s'apelle amour de simple bien-veuillance; quand ii est avec mutuelle correspondance, il s'appelle amour d'amitie, S)ie l^offenbe Siebe (Pamour d*esperance) ift nun (II, 17) toefentlid^ amour de convoitise et Interesse, ©ie ift fort bon, quoique imparfait. @ie ift amour de convoitise, mais d'une saincte et bien ordonnee convoitise. IDenn, faßt grang, tüiv lieben Jiöar in

biefer Siebe iwefentlidj un8 felbft, aber nid^t fo, ba^ toir m^ (Sott öorjögen, fonbern fo, ba^ toir bie Siebe ju un8 jur Siebe ju ®ott l^injufügen un\> baj^ jene »on biefer getragen toirb.

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ift ber @el^otfam, ba3 SSertrauen unb bie ^^xe, toeld^e il^tn fettenS bed 9)lenfd^cn ju %e\l tptrb. Qln Ic|terer ^injtd^t Bringt bie fromme ©cele

ramour de bienveillance bar (faisant pour accroitre son honneur toutes

les bonnes oeuvres, que nous pouvous). 3)agegen ift bic reine SieBe bi€ complaisance en Dieu, toeld^e lebiglid^ auf baS, toaS ©Ott an unb für pd^ ift, fid^ rid&tet, beren motif desinteress^ gu bem toaS (Sott Be« füglid^ beS SKenfd^cn Bcfd^loffen, gar leine Sejiel^ung l^at*).

SJicfe reine ißiebe 3U ©Ott lann nur bann bie ©eele füllen, toenn fid^ biefelBe oon bem Stanbpunit ber biScurftoen 33etrad^tung ber einzelnen Söal^r^eiten unb SSoHIommenl^eiten ©otteä, oom ©tanbpunft ber SKebi« tation, auf ben ber intuitiven ßontemplation erl^eBt **), auf toeld^em bic ©eele ju einer inneren lieBcootten ©ammlung (recueillement amou- reux) gelangt, toeld^e bie ©runblage eines ganj neuen l^öl^eren SeBenS bcrfelBen ift.

S)iefe innere ©ammlung ber ©eele fommt immer nur als unmittelBare SSBir!ung beS ©eifteS ©otteä 3U ©tanbe. SlfferbingS ift eS bem SKenfd^en burd^ feinen freien SBiHen möglid^, in fid^ ju gelten unb ftd^ jum ©eBete ju fammeln; attein bie ©ammlung, oon ber l^ier bie Siebe ift, ift eine ganj anbere. Diefe lann ber 3Menfd^ fid^ felBft nid^t Bereiten; benn biefelBe ift lebiglid^ eine ©aBe ©otteS, meld^er fie burd^ feine l^eilige ©nabe ber ©eele getoäl^rt, ioann er will***).

*) Tbeotime, V, 3: L'ame qui est en l'exercice de Tamour de compIaisaDce crie perpetnellement en son sacre silence: „II me suffit, que Dien soit Dieu, que sa bonte soit infinie, que sa perfection soit immense. Que je meure ou que je vive, il Importe peu pour mol, puisque mon eher Bien- aim6 vit eter- nellement d'une yie toute trlomphante". La mort m^me ne peut attrister le coeur, qui sait, que son souverain amour est ^ivant. C'est assez pour Tarne qui aime, que celui qu'elle aime plus que soi meme soit comble de biens ^ter- nels, puisqu'elle vit plus en celui qu'elle aime qu'en celui qu*elle anime ou plutot qu'elle ne vit pas eile meme, mais son Bien-aim^ en eile.

**) iJrang öon ©aleS befd^reiBt ben ©cgenf aft ber SWebitation unb ber ©ontem-

))lation fo: La meditation considere par le menu et comme piece a piece les objets, qui sont propres a nous esmouvoir; mais la contemplation fait une yeue toute simple et ramassee sur Tobject qu'elle aime; et la consideration ainsi unie fait aussi un mouvement plus vif et fort. Cl^arafteriftifd^ ift folgenber äSergleid^: La meditation est semblable a celuy, qui odore Toeillet, la rose, le rosmarin, le tbim, le jasmin, la fleur d'orange, Tun aprbs l'autre distinctement; mais la contemplation est pareille a celuy, qui odore Teau de senteur, composee de toutes ces fleurs.

***) Traite, VI, 7: Le recueillement duqnel j'entends de parier, n'est pas en notre pouvoir de l'avoir quand nous voulons, -— mais Dieu le fait en nous quand il luy piaist par sa trbs-saincte grikse. ^an) Beruft fld^ l^ierBei auf

Sludfül^rungen ber ^eiligen Serefa.

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®ott tl^ut biefcS fo, ba^ er bie Seele in il^rem ttefften SeBenSgrunbc einen filmen (Sefd&mad feines SIBefenS, eine genjiffe ©ntpfinbung feinet l^imntlifd^en Xtöftungen loften itnb fie baran feine unmittelBare ©egenn^art in il^r erfennen lä^t. 2)ie unmittelbare unb notl^toenbige SESitfung l^ietDon ift, ba^ ebenfo toie in einem Äreife liegenber Slabeln, toenn in hexen 5Kitte ein SRagnet gelegt toirb, fxi) fofort il^te ©pi^en nad^ benfelBen feieren, im tiefften ©ninbe ber ©ecle alle Äräfte bctfelben ftd^ nad^ biefer ©egenwatt ©otteS l^inwenben, in einem fo intenpDen ätnfmetfen auf ©otteS ©egentoart; ba^ eigentlid^ gar lein befonbereS Slufmerlen in ber ©eele ftattfinbet. Sitte Äräfte ber ©eele finb aläbann voie einge* fd^Iäfert (comme endormies). ®er fü^e ®mvi^ ber ©egenwart ©otteS nimmt bie ©eele fo fel^r gan3 l^in, ba^ pe biefen ©enu^ gar nid^t merft, ober il^n erft bann toai^mimmt, hjcnn fie in bemfelben geftört ober feiner beraubt mirb (Traite VI. 7--8).

^ier tritt bie ©eele in eine l^eilige Stulpe (sainte quietude (Trait^ VI. 11) ein, toeld^e inbeffen nod^ ©rabunterfd^iebe l^at, inbem fte balb nur in ben SBiffen, balb in atten (in bem SBiffen geeinigten) Äräften ber ©eele oorl^anben, balb fül^Ibar, balb nid^t fül^Ibar ifi 2luf jeber ©tufc ber l^eiligen SRul^e ift aber ba§ Dpfer beS freien SBiffenä (le sacrifice que

nous devons faire a Dieu de nostre franc arbitre) bie toefentlid^ftc

33orauSfe^ung berfclben. 2)iefeS Dpfer bringt bie ©eele lebiglid^ burd^ bie SBBirIfamfeit ber l^eiligen Siebe in il^r, wcld^e fie atteS SBegel^renS unb atter ©elbftfd^ä^ung entäußert unb fte ftd^ fclbft abfterben lä^t, bamit fte für ©Ott mieber auflebe (Trait6 IX. 16).

©0 ift bie ©eele in eine einfädle ßinl^eit (simple uiiit6) mit ©Ott eingetreten, inbem bie Siebe ftd^ affer Äräfte berfclben bemäd^tigt l^at. S)iefe ©inigung ber ©eele mit ©Ott fann unb foff aber nod^ toed^feln, inbem bie Siebe unabläffig gefd&äftig ift, bie ©eele immer inniger unb immer fefter an fid^ ju jiel^en, unb blefe felbft il^r mit il^rer gansen Siebe immer eifriger juftrebt, fo jebod^, ba^ ber ßrfolg biefeS ©trebenS lebiglid^ oon ber Söirifamleit ber ©nabe abl^ängt*). 3n btefem ©tanbe empfängt bie ©eele oon ©Ott unmittelbare Snfpirationen, Worunter äffe erleud^tenben unb fittlid^ erregenbetj unb erl^ebenbcn ßintoirlungen beS ©eifteö ©otteä auf ben'©eift beS SKenfd^en ju t)erftel^en finb**).

*) Traite. VII, 1 : De sorte qu'elle recognoist bien que son nnion et liaison a cette souveraine douceur depend tonte de Toperation divine.

*♦) Jntroduction II, 18 fpridJtStattjbabOtt: Comme il faut recevoir les in- spirations unbfagt: Nous appellons inspirations tous les attraicts, mon- vemeDS, reproches et remors Interieurs, lumi^res et cognoissances, que Dien fait en nous, prevenant nostre coenr en ses benedictions par son soin et amour paternel.

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3)a§ ScBen bcr ©cclc in btcf er (Sintgung mit ®ott ift eine xu^tr>oUt Ergebung in ba§ SBol^Igefallen ©otteS, toeld^e [id^ in bem inneren ©ebete (oraison) ber ©eele entfaltet. S)affeI6e ift nid^t ein mebitirter SSortrag einzelner SCnliegen ber ©eele t)or ©otteS S^l^ron, fonbern ein Sltl^men bcr ©eele in ©Ott, in weld^em bie Seele ftd^ mit ber Siebe unmittelbar bcrtil^rt 'unb bie il^r Dottlommen t)erftänblid^e Serül^rung mit ber etoigen Siebe unmittelbar empfinbet*). 3n ber ofaison mirb bal^er bie ©eele t)on bem Sid&te unb ber Siebe ©otteS ganj burd^flutl^et**).

3n bicfem inneren lebete ermeift fid^ bie reine Siebe, bie für fid^ nid^ts l^offt unb nid^tä begel^rt, bie nid^ts anbereS toiC, als ba^ aud^ an il^r felbft ©otteS SBiUe gefd^el^e, gleid^oiel h)a§ biefer mit il^r t)orl^abe. S)al^er ift ba§ ©ebet ber in bie wal^re SRul^e eingegangenen ©eele nid^t fotool eine Sleu^erung ber Siefignation alä t)ielmel§r eine Setl^ätigung il^rer abfoluten 3nbifferen3, inbem ber ©eele ganj gleid^gültig ift, toaS ©Ott mit il^r tl^ut. ©ie ift bem göttlid^en SSitten gegenüber h)ie ein ^a^§, meines in fid^ einbrüdfen lä^t, toaS 3)erj|enige, ber eS in ber §anb l^at, bem Sffiad^S thtn einprägen iüill (Traite IX. 14). 3[n biefer l^eiligen ©leid^gültigleit (sainte indiff^rence) l^at baS Seben ber in ©Ott rul^enben ©eele feinen eigentlid^en ß^arafter, h>eSl^aIb ftd^ biefe gottergebene ^nbifferenj in allen 35ejiel§ungen be§ SebenS lunb giebt***).

*) 3Äit S3erufutt0 auf bie l^cilige SJerefa bcjeidjnet fjranj biefeS Scten alS oraison de quietude. UeBer baS 3ßefen bcr oraison fpridjt fidj berfclbe (VI, 1)

fo auS: Nous ne prenons pas icy le mot d'oraison pour la seule priere ou demande de quelque bien, respandue devant Dieu par les fideles L'oraison est un entretien et conversation de l'ame avec Dieu. Nous aspi- rons a luy et respirons en luy, et matuellement il inspire en nous et respire

sur nous. 2)er ©egenftanb biejeS ©efjjräd^S ®otte§ mit ber 6eele ift aUein®ott;

car de qui pourroit deviser et s'entretenir Tamour que du bien-aime ? 2)arum

finb'biefeg @ebet unb bie m^ftifd^e Xl^eologte une mesme chose, toeld^e man barum m^ftifd^ nennt, tt)ei( biejer SSerlel^r ber ©eele mit ®ott gh)ifd^cn beiben unmittelbar t)Or fid^ gel^t, par une communication incommunicable a tout autre qu'a ceux qui la fönt.

**) Introduction a la vie devote II, 1 : Oraison met nostre entendement en la clarte et lumiere divine, et expose nostre volonte a la chaleur de Tamour Celeste.

**♦) Traite, IX, 5: L'indifference se doit practiquer es choses qui regardent la vie naturelle, come la sante, la maladie, la beaute, la laideur, la faiblesse, la force; hs choses de la vie civile, pour les honneurs, rangs, richesses; es varietez de la vie spirituUe, comme secheresses, consolations , gousts, ariditez; es actions, bs souffrances, et en'somme en toutes sortes d'evenemens«

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®§ ift affcrbtngS ein S^^^^^ ^^ %xMm\QUxt, tocnn bie ©celc (Sott für SltteS, toaS bie götlKd^e aSotfcl^ung über bcn OJlenfci^cn lotntncn lä^t, banifagcnb pteift. Slbct bie redete ^ömmigfeit giebt ftd^ barin lunb, ba^ ber 3Rcnfd^ Slffcä, was xf)n betrifft, ©ott anl^eimftellt unb ol^ne barauf }u ad^ten, toaS über il^n lommt, jtd^ in feinem ^erjen ber ©üte unb ©ü^igleit ©otteS erfreut, unb nid^t bie SBirlungen ber göttlid^en Siebe, fonbern bie Siebe ®otte§ als fold^e toegen il^rer inneren ^errlid^leit lobpreist*), Sie gleid^gültige ©eele toürbe bie §ötte bem ^iwmel voxikf)en, wenn fie toü^te, ba^ ©ott baran SBol^Igef allen l^ätte unb in ber $öffe von ber ©eele burd^ il^re ©rgebung in feinen SffiiKen üerl^errs lid^t Serben toollte. ©egenüber ben 3lnorbnungen ber göttlid^en $rot?i- benj lann bal^er bie in ber toal^ren SRul^e lebenbe ©eele feine anbrc ©timmung als bie ber Erwartung (attente) l^aben, roeld^e bie ^urd^t unb bie Hoffnung als SRegungen ber ©elbftfud^t auSfd^Iie^t. (Traite IX. 4.)

2)ie aSirfung biefeS in ber l^eiligen SRul^e unb 3nbifferen3 fid^ be= toegenben ©ebetSlebenS ift aber bie, ba^ bie ©eele mel^r unb mcl^r in baS aSefen ©otteS serfd^milst unb einfließt. 3n ber Sntjüdfung fextase) tritt bie ©eele jeitroeilig auS fid^ felbft l^erauS unb lä^t fid^ t)on ©otteS SBefen abforbiren; fd^Iie^lid^ aber gewinnt baS SBol^Igef allen ber ©eele an ber ^errlid^Ieit unb ©d^önl^eit ©otteS eine fold^e ©tärfe, ba^ bie ©eele gerabeju unfäl^ig wirb, i^re eigne SBefenl^eit feftjul^alten unb fid^ bal^er in 3une]^ntenber Qex^^meliun^ berfelben jule^t ganj in ©otteS ©ein unb SBefen tjerliert.**)

*) %vani \>on ©aleS filiert (IX, 15), um baS 9Befen ber „l^eiltgen ®leicl^= gültigfeit" flar ju madjen, red^t gefd^idCt baS 33etfj)iel ber Xod^ter eines SlrjteS an, toeld^e fieberfran!, unb tüol^l toiffenb, ba| ber Spater fie tnnigft liebte, ju einer il^rer greunbinnen faßte: 3^ bin tool^l franf, aber id^ benfe bod^ an feine Heilmittel, bcnn id^ toei^ gar nid^t, toaS ju meiner Q^encfung bicnen lönntc. S)arum über? laffc ic^ 2ltteS bem SBater, ber mici^ l^eilen fann unb iöill. 3«^ ^^^ ^S rul^ig dbi toarten, toaS er tl^un toirb. S)a fd^läft bie^od^ter rul^ig ein. S^J^^W^« ^es fd^Iie^t ber SSater, bie^ranfc, toeil il^r auf feinem anberen SBege ju l^elfen hjar, jur ^ber ^u laffen. ©ie erh>ad^t, unb ber SSater fragt fie, ob fie nid^t einen Slberla^ l^aben toolle. „3Kein SSater," ertoibert fie, „id^ gel^öte 2)ir an; id^ toeife nid^t, h)aS id^ tooUen foll, um ju genefen. @S ift 2)eine ©ad^e, ettoaS ju tooEen unb baS mit mir anzufangen, iraS S)ir gut bünft. 9BaS mi^ betrifft, fo genügt, eS mir, S)id^ bon ganzem ^erjen ju eieren unb ju lieben/' hierauf nimmt ber SBater bcn 2lberlaf; öor; aber bie ^od^ter banft il^m nid^t bafür, fonbern fagt nur ju ioieberl^olten aJlalen: „3Rein SSater liebt mid^ unb id^ bin ganj fein."

**) Traiti, VI, 12 : Ainsi Tarne, laquelle, quoyque amante, demeuroit encore en elle-mesme, sort par cette escoulement sacre et fluidite saincte et se quitte soy-mesme, non sealement pour s'unir au bien-aime, mais pour se meeler toute et 86 detremper avec luy.

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2)ic SffJpftil, njeld^c ^ranj t)on ©aleS tjcrtritt, ift alfo im SBefcnt* Itd^cn gonj btcfelbc, tocld^e bereits in 3^^erefa t)on SefuS (auf bie jtd^ 3rran3 beruft), unb in ^of^anm^ oom Ärcujc il^re Vertreter gcfunbcn l^attc, bie quietiftifd^e 51Jlt)ftiI. 28ie bei biefen fo ift a\x6) bei bem Sifd^of t)on ®enf ber fatJ^oIifd^c ®Iaubc unb bie Eingabe an bie Äird^e bie unerlä^Iid^e SSorauSfe^ung ber auf bem SBege biefer 3K9ftiI 3U er- longenben SSoIIfommenl^eit, roeSl^alb er nad^brürflid^ft forbert, ba^ Qeber,, ber ben 2Beg biefer grömmigleit betreten miff; fid^ l^ierbei einem Seelen« fül^rcr anvertraue.*) Slud^ forbert er, ba^ bie ©eele auf biefem SBegc, um ftd^er jum ^xeU gelangen ju lönnen, fortroä^renb ben gelreujigten ßl^riftuS im Sluge l^abe, unb fleißig ba§ ©acrament be§ SlltarS gebraud^e. aber babei i^at bod^ bie SKpftif beS %xan] von ©aleS unb ber ^au von 6l^antal infofem eine anbre Färbung als bie fpanifd^e ^R^ftif, alg in jener ber 9iame 3[efu 6^rifti nid^t in bem ©traJ^Iengtanj crfd^eint unb nid^t mit ber überfd^toenglid^en Siebe »erJ^errlid^t toirb h)ie in biefer,**) wogegen ^ran^ ber §eiligent)erel^rung einen SEBertl^ unb eine Sebeu« tung für bie mi;ftifd^e SReligiofität juerlennt, meldte fid^ inöbefonbere bei gol^anneä com Sreuje nid^t nad^tüeifen lä^t.***)

Seftimmter aber alg in ber fpanifd^en SKpfti! tritt bei ^Jranj t)on ©aleS ein (Sebanfe l^ert)or, ber ein roefentlid^eä 5Koment ber quietiftifd^en Seigre bilbet, (unb übrigens aud^ ber fpanifd^en SK^ftil nid^t eigentlid^ fremb mar) nemlid^ bie ©leid^ftettung beS t)on ber ©eele l^ier auf @rben JU tragenben Seibenä mit bem Seiben berfelben im $urgatorium. 35er (Scbanfe ift ber, ba^ bie ©eele, toenn fie l^ienteben il^r inneres Seiben in ber 3lad^foIge 3efu mit ber redeten intenfi»en Siebe, mit ber redeten quietiftifd^en Eingabe an ©ott trägt, fo ba^ fie baffelbe Seiben, biefelbe SSerlaffenl^eit erfäl^rt, toeld^e ßl^riftuS am Äreuje erfuhr, unb menn fie gan3 ebenfo toie Gl^riftuS baS Seiben mit üoHIommenfter Srgebung ju

*) 3nSbefonbere in ber Introdnction I, 4 fj)rid^t granj bon ber necessite

d'un conducteur pour entrer et faire progrez ien la devotion.

*'*) SCderbingS fagt %xan^ in ber Introduction III, 14 : Tenez vous tousiours proche de Jesns-Christ crucifie et spirituellement par la meditation, et reelle-

ment par la säincte communion; aUeiu in feiner quietiftif d^en 9Jl^ftif fommt ber 9lame 3efu ©l^rifti nur nebenbei bor.

***) 330l. Introduction ä la vie devote II, 16, toO granj nad^brüdlid^ft

erllärt: qu'il faut honorer et invoqner les Saints. ^nSbefonbere legt er ber ^l^ilotl^ea bie brünftigfte SSerel^rung ber SWaria anS §erj: Honore.5, reverez et respectez d'an amour special la sacree et glorieuse Vierge Marie. Elle est mere de nostre souTerain pere et par consequent nostre grand'mere (!). Recoii- rons donc a eile etc.

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©öttcS ©l^rc trägt, fd^on l^icr auf ©rben 5Ut t)ottfommencn Steinigung gelangen lann unb bälget bet Steinigung jenfeitS be§ itbifd^en SebenS, im 5ßurgatorium nid^t Bebarf. S)al^er lel^rt %tani von (^aleS aud^, ba^ bie ©eelen im ^^Sutgatotium il^t Seiben in freubiget Siebe (amoureusement) ertragen.*)

KußBteitung be^ £luiett§ntu$ in bet fat^oUf^en Sit^t unt bie fKitte

be§ fie^^epnten 3a$c$unbert$«

2)a§ 2Cnfel^en unb bie toeite 3Serbreilung ber von ben SBertreteru bet quietiftifd^en SDtpftil in Spanien unb von %xm?f oon SaleS l^interlaffenen ©d^riften unb ber (Sinjlu^, u)eld^er t)on bem re^ormirten Äarmeliterorben, oon ben Älöftern ber 3Sifitation unb t)on anberen geiftlid^en ©enoffen- fd^aften ausging, in benen biefe 3Kt)fti! afe baö l^eilfamfte 3Jlittel jur ßrreid^ung ber 3SoIIfommenl^eit planmäßig gepflegt unb auggeüBt roarb, betüirften e§, bajs biefc mpftifd^e Sleligiofität h)ä^renb ber erften §älfte beS fiebsel^nten Sai^rl^unbertg unter allen romanifd^en 3SöIfern l^eimifd^ marb. gaft alle religiös angeregten ©emütl^er toenbeten fid^ l^ier berfelben immer entfd^iebener ju; aud^ in anberen DrbenSgefellfd^aften, namentlid^ in ben hjeiblid^en, mürbe 5Dlobe fid^ mit il^r 3U befd^äftigen**) unb l^in unb lieber bilbeten ftd§ aud| befonbere Sruberfd^aften (confreries), bie fid^ bie Pflege be§ Si^^^^ß^ (l'interiore, rinterieur) jum ^voeie mad^ten.

2)ie ^ierard^ie fa^ biefe ganj neue ©rl^ebung be§ religiöfeit (Seifteö in ber Äird^e unb fegnete biefelbe mit ber ganzen ^üUe i^reS ©egenS. S)enn nid^t nur ftattete biefelbe äffe bie sal^Uofen Sd^riften, meldte alä 2lnlt)eifungen jur Hebung ber ©eele in ber quietiftifd^en ßontemplation unb jur ©rreid^ung ber ,;33oHIommenl^eit" erfd^ienen, mit il^rer jeben 3meifel an ber Äird^Iid^Ieit biefer Sel^rtüeife auSfd^Iie^enben äCpprobation aus, fonbern baS Dberl^aupt ber Äird^e tjerliel^ ben 3lutoritäten ber quie^ tiftifd^en ^Jlpftif ben ©tra^englanj ber pd^ften lird^Iid^en §errlid;leit, inbem er fie felig unb fogar l^eiKg fprad^.

*) Traite de Tamour de Dieu IX. 7.

**) S'^^ÄnneS a SefuS 3Karia, Opera T. II. p. 19: Sunt nonnullae religio- sius institutae Coenobitarum congregations , ubi statis boris monacbi orationi mentali, quam vocant, quotidie vacant et opportunis meditationibus ioxta coeno- biticam disciplinam de vitiis extirpandis parandisque virtutibus attentiu scogitaixt, et ad opus yoluntatem iacendunt«

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^ bemfelben ^al^re 1622, in ioeld^em $etru§ t)on 9(Icantara bcatiftjirt toarb, würbe S^crcfo t)on S^fuS }ur öciligcn crl^oben. granj von @ale3 toatb 1665 j^eilig^ unb ^^rau t)on (Sl^antal tourbe felig gcfptöd^cn ; * unb Soi^ann vom Ärcujc tourbc 1675 Bcatifijirt. (Später* l^in (1726) ift auä) er unter bte ^eiligen aufgenommen Sorben, toaS mit betrug t). ällcontara fd^on 1669 gefd^el^en mar.

2Bie es fd^icn, mollte ber (Seift ber SJl^ftil bem ganjen, gewaltigen Äörpcr ber latl^oKfd^en Äird^e eine neue ©eele, eine ganj neue 2lrt reli« giöfen SebenS geben. S)enn mit ber neuen quietiftifd^en SReligiofttät erl^ob jtd^, burd^ biefelbe neu erregt, aud^ bie SWpftif beS üKittelalterS in ber Äird^e, bie ^erjen 3SieIer, bie mit toal^rem ©rnfte nad^ d^riftlid^er SSott- lommenl^eit trad^teten, mit bem fjeuer einer tounberbaren ©otteSliebc ent* jünbenb unb feine ^nfcn felbft in bie ©ebanfenroelt berer l^ineinmerfenb, bie ber alten mie ber neuen SBelt gleid^ fern ftanbcn. Unjäl^Iige be* gannen urplö^lid^ von ber „SoHIommenl^eit" beS d^riftlid^en SebenS ju rcbcn, nid^t nad^ 3Ka^gabe ber latl^olifd^en Seigre x)on ben euangelifd^en ßonfilien unb »on ben überfd^üfftgen 3Serbienften, fonbcrn fo, ba^ fte bie bcftimmtefte ®intoirlung ber SKpftif auf i^re im Uebrigen ber ©d^olaftif angel^örenbe 3lnfd^auung§meife erfennen liefen. 2Beit mel^r nod^ ift biefeS natürlid^ unter ben Vertretern ber ajlpfti! beS üKittelalterS ber gaff.

Unter benfelben finb ju nennen bie brei S^fuitcn Sllpl^onS SRobri^ guej (1526 ju SSaffaboIib geboren unb 1616 ju Beo'xUa geftorben,

35crfaffer ber ©d^rift Exercicio de perfeccion j virtudes christianas,

bie juerft 1608 3U 5Dlabrib, l^ernad^ öfter erfd^ien), Sol^ann Sofepl^ ©urin (1600 3U Sorbeauj geboren unb am 22. Slpril 1665 bafelbft geftorben, SSerf. ber ©d^riften: Dialogues spirituelles, Fondemens de

]a vie spirituelle, Catechisme spirituel de la perfection ch^tienne etc.)

unb Qacob 5llt)are,3 be ^ßaj (1540 ju Solebo geboren, 1620 in 5Pcru geftorben, SSerf. ber ©d^rift De vita spirituali eiasque perfectione.) *) aSBeit ftärfer nodji als bei biefen erfd^eint bie trabitioncffe SKpftil 00m bei'^bem Äölner Äapujiner^CSuarbian ßonftantin be Sarbanfon beeim

flu^t, beffen ©d^rift Verae theologiae mysticae compendium 3Uerft 1623,

l^emad^ öfters, j. 33. 1698 ju Slmfterbam erfd^ien.

3n anfpred^enfter ©eftalt tourbe bie SK^ftil im 17. Sal^rl^unbert »on bem frommen ßarbinal S^l^anneS SBona**) t)ertreten, ber ol^ne eigent^

*) 2irt>are§ be ^aj fül^rt l^ier j. 93. (Lib. III, P. 1. c. 5) bie ©ä^e auS:

Perfectionem non esse positam in consiliis evangelicis unb Fructus perfectionis postremns est transformatio in Deum.

**) 3m gal^re 1609 gu 3Jlonbobi in ^iemont fleboren, trat 8ona als 3üngs ling in ben ©iftcrjienferorben ein, tourbe ©arbinal unb ftarb am 25. Dctober 1574

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lid^er Duictift ju fein, unter ben SBcrttetem bcr trabittoncllen 3Kpftif bcm DuietiämuS tool^I am näd^ften ftanb*). Unter feinen 3Berfen (hDcId^e in lateimfd^er ©prad^c crfd^ienen, aber 6alb aud^ in franjöjtfd^cr, ita^ Uenifd^er, l^ottänbifd^er, beutfd^cr, fpanifd^cr, gried^ifd^er, araBifd^er unb armenifd^er Ueberfe^ung tjerbreitet würben) lommen l^ier namentltd^ feine

Manudactio ad coelum, feine Principia et documerita vitae christianae

unb feine Via compendii ad Deum irt Setrad^t. %a\t lönnen biefelben als eoangelifd^e Slnbad^tSbüd^er gelten, ^enn ber HKittelpunft feiner ©e^ banfen ift 6§rijiu§, auf ben er immerfort l^intoeift, toä^renb er bejüglid^ ber ^eiligen nur lel^rt, ba^ biefelben „naä)^udf)men" finb (Principia, 28). 35od^ ftnbet aud^ er baä SBefen beS Sl^riftentl^umS nur in ber 5lad^al^mung 3[efu.**) ®ic h)irflid^e Slad^folge Sefu fielet er aber lebiglid^ im ©treben nad^ ben l^öd^ften 3i^^^" "^^^ SSoHfommenl^eit. 3)aS Drbengleben ift feine l^öl^ere Stufe d^riftlid^en SebenS, fonbern ift nur ein befonberer SBeg neben bem gehjöl^nlid^en SBege jur SSoHIommenl^eit. 2)a§ ©treben nad& biefer le^teren ift bal^er aßen ß^riflen burd^ bag ©oangelium jur ^flid^t gemad^t.***) S)ag DrbenSleben unterfd^eibet fid^ von bem getoöl^nlid^en ßl^riftenleben nur baburd^, ba^ jeneö feine Slngel^örigen burd^ befonbcre ©elübbe 3um ©treben nad^ ber SSoHfommenl^eit t)erpflid^tet ; fonft burd^ gar nid^tg.

2)en SBBeg jur SBoHfommenl^eit jeigt bie 3JlpftiI, bie tl^eilg eine atim, tl^eilg eine paffioe ift (Via, II, 1). 2)iefelbe mitt ben ßl^riften burd^ bie ßontemplation jur unmittelbaren Bereinigung mit (Sott fül^ren, meldte Bereinigung in ben Gräften ber ©eele ftait finbet (Via V, 1). ^n bem StoedEe mu^ ber ßl^rift ben SEBeg ber ©elbft^ingabe unb beS Äreu3e§ gelten, auf toeld^em il^m ßl^riftuS vorangegangen ift (Princip. 19). @r mu^ fid^ alles eignen SBefenS entäußern unb fid^ bem SBillen (Sotteä als

*) 3um Defteren beruft fid^ 93ona auf bie ©d^riften beS 3<>^flune8 öom Äreuje.

**) Principia, 21 : Homo christianus est, qui Christi fidem et legem profite- tar eiusque vitam et virtates iraitatur.

***) Principia^ 6 filiert SB Ona ben ©ebanfen auS: „Regulas evangelicae per- fectionis non solis religiosis sed omnibus christianis traditas esse" unb fagt: Verissimam quidem est, daplici statu christianorum vitam distingui , mundano et religioso,uterqne tarnen, diverso lieet tramite, ad eundem terminum tendit; et quod attinet ad praxin virtutum , ad mundi contemptum, ad pauper- tatem Spiritus, ad amorem crucis, par utriusque conditio est, hoc solo interce- dente discrimine quod religiös! solennium votorum ac regularum vinculis de- vincti, strictiori iure quam mundani ad perfectionem tenentur. In reliqnis una et eadem vitae ratio ab utrisque requiritur; unum et idem evau- gelium omnibus praedicatum est»

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lebenbigcS Dpfcr barbringen, fo ba^ er, feinet eignen SBiffcnä ^i) gänj? lid^ begebenb, fid^ in reinem unb nadftem ©lauben bem SBitten ®otte8 gänjlit^ überlädt (Principia 19) wnb StHeS, roaS über i^n fommt, ate t)on ©Ott gefanbt l^innimmt, ausgenommen ba§ Söfe, toeld^es baS einjige ttebel ift (Princip. 32—33). SlUe Seiben unb 6d^merjen l^at bal^er ber ß^rift 3U ßl^rifti ®l^rc, b. f). für 6l^riftu§ 3U tragen (Princip. 21).

3m geiftlid^cn Seben finb brei ©tufen ju unterfd^eiben. Sluf ber erften Stufe beginnt ber eben jur Selel^rung gelangte ß^rift fid6 aScetifd^ ju jüd^tigen unb ju üben, um feiner finnlid^en Steigungen §err ju werben; auf ber ^weiten ©tufe fud^t berfelbe burd^ 9Jlebitation über ßl^rifti Seben unb Seigre jur 2iugenb ju gelangen, auf ber britten ©tufe rul^en ©iejenigen a\x§, tüeld^e jur inneren Steinigung gelangt unb ber Bereinigung mit ®ott toertl^ finb (Via VIII, 5). SDiefeä ift bie ©tufc ber ßontemplation , auf ber fid^ bie ©eele mit Slfpirationen*) 3U (Sott emporjufd^toingcn unb in il^n fid^ ju Derfenlen "beginnt. 3e|t lebt bie ©cele bem ^erjenSgebet. 9Son allen bilblid^en SSorftellungen leert fid^ bicfelbe mel^r unb mel^r aus, inbem ber ©laube jum nadften ®lauben wirb, mit toeld^em fie unmittelbar ©Ott felbft, unb nur ©Ott jugetoenbet ift.**) 3w ii^rer SSoIlenbung aber gelangt bie ©eele, inbem ©Ott il^r bie unauSfpred^lid^e ©abe be^ paffioen ©ebetä t)erleil^t, mit beffen Eintritt ©Ott in fold^er SBeife in ber ©eele SBol^nung nimmt, ba^ lein anbereS 33egel§ren unb fein bilblid^eS Senfen, überl^aupt fein anbereS Seben in berfelben mel^r rege ift, alä ba§ Seben ©otteS, t>on toeld^em bie ©eele

*) SBona gicbt über bie Slf^Jirationen in ber Via VI,* 2 genaue SluSfunft:

^iefelben finb brevissimae quaedam orationes, sive mente sola, sive mente simul ac ore conceptae atqne prolatae, quibus debet fidelis anima in quovis loco et tempore assuescere et frequenter incumbere, cor suum et voluntatem ad Deum erigens die ac oocte, domi ac foris , sedens et ambulans , in qiioris negotio, in quavis actione et occupatione. Fiunt quidem in momento et transeunt,

sed iugiter permanet earum fructus; benn fie tragen baju bei, bie ©eele in il^rer Slic^tung gu ©Ott ju betoal^ren. ©ie toerben Aspirationes genannt,

qiiia illis aspiramus ad Deum. 3lucl^ nennt Xttdn fie motus anagogici, i. e. sursum dacentes, quia illis ad superna levamur ac tandem ad beatam cum Deo unionem evehimur; eBenfO orationes jaculatoriae, quia instar jaculornm et sagittarum velocissime transeuntium in cor divinum tanquam in scopum jaciuntur, ut ab eo dona coelestia obtineamus; unb enblid^ affectus, quia sunt affectiones cordis et desiderla.

«

**) Via, III, 3 ; Tanc animae nostrae suprema portio ad Dei receptionem parata erit, cum fuerit prorsus nuda et formis seu imaginibus vacua, in säum semper principium intuens.

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unmittelbar belebt , erleud^tct unb t)erHätt toitb. *) ©o Hingt bie SWpftil Sona'S fd^Iie^Iid^ in bem eigentlid^en DuietiSmuS auS.

'SEBir feigen alfo bie aWpftil in ber erften §älfte be§ jtebjel^nten Sö^r« l^unbertg aQer Drten in ber !at]^oIifd^en Aird^e bem Duietigmug, burd^ ben fie ju neuem Seben ertoedEt toax, suneigen. 3)abei galt jebod^ in Spanien bie quieftifd^e SJlgftif tüie bie SKpftil überl^aupt geraume 3^i^ l^inburd^ afö bie eigentümlid^e Sleligiofttät ber Sl^ereftanifd^en Karmeliter.

SDer einflu^reid^fte Vertreter be§ eigentlid^en DuietiämuS in ber fpanifd^en Kird^e im 3lnfange be§ ftebsel^nten ^al^rl^unbertg mar ber bem

„Drben t)On ber ®nabe" (Ordobeatae Mariae Virginis de mercede) 3U SWabrib angel^örige 3)lönd^ S^l^anneg galconi (geb. 1596 ju ^innana bei (Suabij, geft. am 31. 3Kai 1638). Unter feinen ©d^riften finb inS« befonbere fein Alphabet pour savoir lire eil Jesus Christ, fpanifd^., ita^ lienifd^ unb frangöfifd^) unb fein Srief t)om 23. 3uli 1628 am meiften gelefen morben.

3)er „Srief" erfd^ien 3uerft fpanifd^ im ^a'^xe 1657 ju 9Sabrib gebrudEt, n)urbe aber algbalb aud^ in einer italienifd^en unb in einer franjöftfd^en Ueberfe^ung Derbreitet, in le^terer unter bem 3^itel:

Lettre du serviteur de Dieu, le reverend Pere Jean Fal- coni, de l'ordre de nostre Dame de la Mcrcy, h une de ses filles spirituelles, il luy enseigne le .plus pur et le plus parfait esprit de

rOraison. 2)er SSerfaffer ermal^nt l^ier feine geiftlid^e 3lod^ter, jtd^ r>on Mem mit aller Qnbrunft il^reS ^ersenS burd^ einen einjigen lebl^aften 9ltt il^reS @Iauben3, ber ununterbrod^en burd^ ba3 ganje irbifd^e Seben biö in bie ©migleit l^inein fortbauere unb bal^er nie ju mieberl^olen fei, in bie ®egenh)art ©otteS ju oerfe^en, unb in tieffter SRul^e unb ©titte, innerlid^ h)ie äu^erlid^ in berfelben ju bel^arren. 2)iefe§ fei aber feine

'I') Via IX, 3: Non est hoc loco omittendum, qaod Joannes a Crace in „Fiamma amoris viva*^ scriptum reliquit, praeter aspirationes, de qnibas hacte- nus dissernimas, esse aliam asp ira ton emarcanam,occultam et passiv am, quam Dens in anima mirabiliter prodacit, aspirans illi Spiritnm Sanctum, qai profandissime illam absorbet et amore sui inflammat super omnem gloriam et sensum. In centro enim animae, quaecunque illa sit, latenter moratur Dens, sed cum discrimine. In quibusdam manet velut extraneus in aliena domo, nihil imperans aut efficiens; in aliis libenter babitat quasi in propria domo, regens illam et gubernans. Talis est anima, in qua nullus iam appetitus, nullae ima- gines aut formae creaturarum reperiuntur. Huic enim se intime Deus commu' nicat, hanc amplectitur, in ea quiescit eique se ips^m revelat, eam excitando et ad proportionem notitiae divinitatis ipsi concessae eidem aspirat, illam replens Spiritu Sancto eiusqne gloria et bonitate. Caeterum haec aspiratio passiva ineffabilis est.

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innere SWü^tgfeit; tJtelmel^t l^aBe bie ©eelc nid^tS getingeteö ju tl^un, afe, bcn §ctnt nad^a^menb fid^ felbft mit i§m ju Ireu3igcn, bamit fte fernetl^in nid^t ntel^r in jtd^ feltft fonbern in bem reinften 2Biffen beS §etm lebe.

Um nun jur xodf)tm OotteSanbad^t 3U gelangen, muffe fie jtd^ t)or attem 3Jlebitiren unb SReflectiren über bie 3lrt ber (Segenmart in i^rem inneren lauten. SSiele Seter l^ätten aHerbingS bie (Sehjol^nl^eit, in il^rer Snbad^t immer lieber bie SBorte 3U mieberl^olen: ,,§err bu bift l^ier, id^ glaube, mein ©Ott, ba^ bu l^ier gegenwärtig bift" ; allein barin fpred^e jid^ nid^t ber iüirliid^ einfädle ©laube au§ (ce ne serait pas le croire assez simplement) unb bie Seele gelange bamit nur 3U einer ber ®rö^e &otte^ nid^t entfpred^enben limitirten Slnfd^auung. 2lud^ bürfe fie pd^ nid^t mit ber ^rage befd^äftigen, ob fie fid^ in mirllid^er innerer ©amm« lung befinbe unb ob il^r 33eten baä redete fei. 3)enn nur ju bem S^oedfe l^abe fie fid^ bem (äeheie l^injugeben, bamit ®ott in il^rer ©eele tl^ue, was JU il^rem §ei[e fei. ^eiex ©ebanle, fo gut er aud^ an unb für fid^ fei, unb jebe SRefIejion löttne i^re ©eele nur ftören unb bie SSBirf^ famfcit ®otte§ nur l^inbern,*)

$at fid^ bie ©eele einmal ber §anb beS Slffmäd^tigen toirflid^ über- laffen, fo mujs biefe fid^ felbft ganj oergeffen unb fid^ in ben bunlelen unb narften ©lauben an bie ©ottl^eit l^inabftürjen. ©ie mag fid^ bann tool^I tüie verloren oorfommen; allein inbem fie an fid^ felbft jebe ©tü^e »erloren l^at, ift in il^r ber t)on jeber Seimifd^ung creatürlid^en SBefenS freie ©laube, ber reine ©laube begtünbet, mit toeld^em baS Seben unb bie Siebe ©otteä in i^r 3U ertoad^fen beginnt. ®§ nimmt bann in il^r ba§ Seben be§ ftiUen ©ebeteS unb ber reinen Siebe feinen Slnfang, me^ d^eS bie SSoHenbeten im §imme( fül^ren, beren Seben n'est qu'an acte

Continus de contemplation et d'amour.

fjalconi fd^Iie^t nun mit bem SCBunfd^e, ba^ feine geiftlid^e 2^od^ter alle %a^e, 3Jlonate unb ^af)xt il&reö SebenS l^inburd^ in einem ununter^ brod^enen Sitte ber Kontemplation ^ mit bem einfad^ften ©lauben unb ber

''') Yoila ce que vous avez a imiter, en vous crucifiant voas-meme avec sa divine Majeste, pour ne -vivre plus en vous, mais dans la tres-pore volonte de Notre Seigneur.

**) galfoni jiel^t l^ier einen SluSfprud^ beS^ctruä b'Sllcantara in fran=

^Öfifd^er Ueberfe^ung an: Le bien he ur^ux Pierre d'Alcantara dans le huitieme Avis qu'il donne sur roraison, dit: „que la persoDue qui prie, doit s'oubller et tout ce qu'elle fait, parcequ^ la parfaite Oraison est celle, celui qui prie, ne se soavient pas, qu'il est actuellement en priere. ipicrauf fdl^rt er fort; Perdez donc bien la memoire de vouz-memes; abimez vous dans la foi nue et obscure de I a Divinite etc.

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reinften SicBc bel^arrcn möd^tc. §aBe fie ftd^ einmal burd^ eine Iicbet)oIIe ©elbftoerlaffuttä (amoureux abandon) ganj in bie §anb (Sottcg gegeben, fo braud^e jie nur in berfelben ju bleiben, um jum ^ide beä ©laubenS ju gelangen, nämlid^ jur ©leid^förmigleit mit bem SBillen ©otteS (con- formite au vouloir de Di<?u) ju gelangen. 3)abei §ebt galconi noä) einen ^ßunft l^etüor. 6r Greift barauf l^in, ba^ bie ©eete oft mäl^tenb beg ®ebetä ober anä^ ju anberer ^exi eine fti^e ©mpfinbung feiigen SBefenS l^abe, marnt aber bat)or biefe ßmpfinbung nid^t aU ba§ SBefen ober als ein Äennjeid^en beS SebenS in ©ott anjufel^en. S)enn biefe ©mpfinbung fei eben ©ad^e be§ creatürlid^en ®efül)lg, unb fönne barum in einer ©eele t)orIommen, toeld^e nod^ ganj t)on ber ©igenliebe bel^errfd^t unb t)on ©Ott ferne fei,

3)en frud^tbarften Soben fanb inbeffen bie quietiftifd^e SKpftif in ^ranlreid^. §ier l^attcn bie Äartl^äufer ju 5Pari§ im S^l^^^ 1597 bie (urfprünglid^ in italienifd^er ©prad^e erfd^ienene) 35iograpI)ie ber l^eil. ^a- tl^arina oon ©enua in einer franjöfifd^en Bearbeitung ueröffentlid^t unb burd^ ganj ^anlreid^ l^in t)erbreitet 3)a§ 33ud^ toar balb ju einem re? ligiöfen SSoIISbud^ geworben. SBäl^renb be§ fiebjel^nten Qal^rl^unberlä lüurben jal^lreid^e neue 3luflagen beffelben (1627, 1646, 3:667 k.) nöt^ig. IXnjä^Uge ©emütl^er toaren burd^ ba§ 3Sorbilb ber ^eiligen Stalieni jur inneren m^ftifd^en SReligiofität angeregt unb fud^ten burd^ §er3enögebet unb paffit)e 6ontempIation 3ur inneren Sßereinigung mit ©Ott unb 3U ifjrer SSoIßommenl^eit 3U gelangen, -©ierju fam ber ®inf[u^ ber S^l^erefianifd^en Kongregation, tü.eld^e 1603 bie 5ßi|renäen überfd^ritt unb 1604 3u5Pari§ baä erfte Älofter unbefd^ul^ter ßarmeliterinnen auf fran3öfifd^em S3oben errid^tete. 2llä SSorftel^erin beffelben iüurbe bie eifrigfte Qüngerin ber 1^. 2^l^erefia beftellt, in beren Slrmen bie le^tere entfd^lafen tüar, nämlid^ bie 3ionne älnna ©ar9iaä*), bie fd^on wenige 3al;re fpäter oon 5{5arig au§ in 2^our§ unb anberen ©tobten ^^tanlreid^g ^löfter ber Sül^erefianifd^en fUe^ form einrid^tete unb überatt in benfelben bie quietiftifd^e SKpftil l^eimifd^ mad^te. Unjäl^lige, meldte in biefen Älöftern ein« unb ausgingen, nal^men ben ©amen ber quietiftifd^en Sleligiofität, ber l^ier auö voUen §änben

*) Slnna (^arpiaS toar 1549 in einem altcaftilifd^en gletfen geboren unb ftarb am 7. Suni 1626. S)ie ©elbftbiograj)l^ie biefer gefeierten DrbenSfrau tourbe juerft fpanifd^, bann au^ in fran^öfijd^er unb nieberlänbifc^er ©prad^e, gulc^t 1699 ju Äöln aud^ beutfd^ öerbreitet. 2lu8 ber beutfdjfen Bearbeitung l^at Xerfteegen in ben Sebenöbefci^reibungen l^eiliger ©eelen, S3. II., einen SCu^iiug mitgetl^eilt. SludSf ber P. Xl^oma« SlquinaS bon <Bt Sofepl^ ebirte eine ©d^rift „Heber bie feltenen ^ugenben unb übernatürlid^en ©naben ber SDlutter Slnna" in franjöfifd^er ©prad^e.

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gcftreut toatb, in il^rem ©crjcn auf, unb trugen il^n in anbete Äteife toeiter, in bcnen bes^alb ber ßinPu^ ber fielen qutctifttfd^en ©d^tiftftcHcr, n>eld^e bamalS in ^anlteid^ auftraten unb bag ganje Sanb mit einer in jal^Hofen %em|)Iaren t)ertretenen ganj neuen Literatur über30gen, um fo wirlfamer werben lonnte.

Unter ben literärifd^en Vertretern ber innem ^ömmigleit unb beg innem ©ebets ift cor 2lttem granj SKaIat)aI ju nennen, ber am 17. ©ecember 1627 ju SJlarfeiHe geboren unb fd^on im 9. 5Konat feines Sebend erblinbet, ju üJlarfeiEe lebte unb, 92 S^l^re alt, am 15. ^ai 1719 bafclbft ftarb. SKalacal, ben feine ©rblinbung um fo mel^r ange^ regt l^aben mag, firin inneres Sluge ju befd^äftigen unb ftd^ in ftd^ felbft JU oertiefen, ftettt ftd^ toie in feinen anberen ©d^riften, fo in feinem oiel

gelefenen ^auptloerf: Pratique facile pour 61ever rdme ä la contem-

plation, als claffifd^er Slepräfentant ber quietiftifd^en SKpftil bar. ©ie« felbe toar mit älpprobation ber Soctoren ber Sorbonne juerft 1669 im 3)rudE erfd^ienen, mu^te aber fpäter toieberl^olt neu aufgelegt toerben, fanb ben befonberen Seifatt beS ßarbinal SSona (bem barum eine ber fpäteren ä(uSgaben geioibmet ift), mürbe aud^ auf ben SBunfd^ beS 6ar« binal b*®ftreeS oon bem römifd^en ^riefter Sucio Sabacci inS ^talies nifd^c überfe^t unb trug in biefer ©eftalt jur 38erbreitung beS DuietiS« muS in Stauen mcfentlid^ bei. ©eine übrigen SKanufcripte übergab SKa^ laoal oor feinem 3!obe ben PP. geuiffanten gu ÜRarfeille. 2)icfelben ftnb nie an bie Deffentlid^feit gelommen. 5Bur feine 3)id^tungen finb unter bem Xitel: Poesis spiritaelles, ou Tön apprend ä s^61eyer ä Dien par notre Seigneur J. Ch. par les oeuvres de la nature et par les merveilles de la grace par M. F. M. 1714 3U ämfterbam er- fd^ienen*). Slber nad^bem längft baS Slnatl^ema ber Äird^e, toeld^eS bie quietiftifd^e SK^ftil oernid^tete, aud^ il^n getroffen, erlebte er eS, ba^ feine ©d^riften in fel^r ooUftänbigen 3luS3tigen im 3* 1709 in einem aud^ anbere quietiftifc^en ©d^riften umfaffenben ©ammelmerfe nod^mals ber SBelt mitgetl^eilt mürben**) biefen 3luSjügen ftellt fid^ uns foIgenbeS ©^ftem ber quietiften SR^ftil bar:

*) 2)ie S^fuiten rül^mten nad^ 3RaIat)ars Xobe in ben Memoires de Trevaux %um Saläre 1719 (©. 1391), ba^ Tlalatxd feine 3rrtl^ümer erlannt, bereut unb toiberrufen l^abe unb baf; er in tiefer 3leue über baS burdj feine ©d^riften gc« gebene Slcrgerni^ gcftorben fei. S)ie öorgenannte ©d^rift betoeift bie Untoal^rl^eit biefer Angabe.

**) 3)aS genannte ©ämmeltoerl, mäi lüerdjem l^ier dtirt toirb, erfdjien unter

bem^ite(:La pratique de la vraye theologie mystique, contenue dana quelques Traites de Fran^ois Malaval, de Monsieur de Berni^res et de Sainte Ther^se retouches ou abreges. A Liege, chez Henri Steiner, 1709. 3n ^tppt, Vitien, 5

?IRöIat)aI fagt (©. 215), ba§ bie ©cclcn, tocld^c jut Sottcnbung gelangen; von ber meditation gemeiniglid^ 3unäd^ft 3Ut oraison d'affection, von btefer jur contemplation ordioaire (acdve, habitude acqaise) unb fd^Iie^Itd^ 3ur contemplation infose erl^oBen n)erben. 3)ie Srl^ebung t)on ber @tufe ber contemplation acqnise 3U ber ber contemplation infase

erfolgt jebod^ burd^ bie SBirlung beS ©etfteS ®otte§ fo unnterllid^, ba^ bte ©eelen, benen biefe görberung 3U %f)exl n)irb, von bcrfelben nidjt ttotl^toenbig ein Setou^lfetn l^aben muffen. 3m UeBrigen gel^t biefe (SnU toitflung beä geiftltd^en SebenS ber ©eele non ber 9Kebitatton 3U ben l^fö^eren ©tufen wie auS einem inneren Äetme nöffig frei unb mit relativer Slotl^toenbigfeit auS, toenn mit ber SKebitation bie 5!Kortificas tion t)erbunben ift, ol^ne meldte bie erftere feine fjrud^t bringen fann (©. 237).

SBill eine ©eele non ber SKebitation 3ur ßontemplation l^inauf- fteigen, fo mu^ fie (©. 118) oor äffem baS Verlangen l^aben (Sott ju Igoren. ^af)ex ift eS nötl^ig, ba^ jte il^re eigenen ©ebanfen, SBemiinfts fd^lüffe, älffecte unb SBiKenSregungen gan^ 3um ©d^metgen bringt, ba^ jte e3 in il^rem eigenen @runbe gan} ftiQ n)erben lö^t, unb ba^ fie ftd^ ber Seitung erleud^teter ©eelenfül^rer ant)ertraut, toeld^c fie über ®ottc8 SEBort unb SBiffen in§ Älare 3U bringen vermögen, hierbei barf fie je« bod^ nid^t ftel^en bleiben. 3)cnn fte mu^, um )ur äSoUenbung 3U gelan^ gen, bal^in lommen, ba^ fie (outre ces moyens) ®ott felbft reben l^ört, ber fid^ in il^rem S^tneren unmittelbar unenblid^ beutlid^er unb toirffamcr lunbgiebt aU burd^ jebe Selel^rung. 2)ag ift aber nur bann möglid^ (©. 237), h)enn bte ©ee(e in mirüid^e mortifications de ses sens, de ses pa 88 ion8,de son amour propre eingeigt unb an fid^ eine DoKftänbige @ntb(ö^ung unb SBernid^tigung (denuement, an^antissement) oor fid^ gelten löfet, meldte (©. 249) ®ott möglid^ mad^t, fid^ ber ©eele mitjutl^eilcn, unb in il^r ungel^emmt 3U toirfen. 2)enn bie ßontemplation ift nor Slttem (©. 233) ber Inbegriff aller 5Dlortiftcationen.

2)ie Gontemplation ift lein müßiger Suftanb; benn celuy-lä n'es pas oisif, qui se tenant en la presence de Dien garde en silence interieur de ses poissances pour mieux vacquer ä son devoir envers luy (©. 247).

®ie SWebitation über ®ott, beffen SBerle unb Offenbarungen ^aben nur ben 3h)edf, bie ©eele ju ®ott ju erl^eben unb in i^r bie Siebe 3U ®ott ju ent3ünben. 3ft biefeS ge[d^el^en, fo l^at bie ©eele einfad^ bei

bemfelben flnben fid^ bie l^ierl^er gel^drigen ©d^riften \>ov: Abrege du trait^

de Fr. Malaval sur la contemplation (@. 118 184) unb Sommaire des entre- tiens betreffenb bie Toralson de contemplation (@. 185 - 290).

a%

®ott ju Beharren. $at man einen S^l^utm mittelft einet Seiter erftiegen, fo jiel^t man bie Seiter nid^t nad^ fid^. 3)al^er l^at ber 5ur Sontempla« tion (Gelangte, bie Seiter ber 3Rebitation fallen ju laffen unb ftd^ in feiiger SRul^e beS erreid^ten 3^^!^^/ nämlid^ ®otteS, ju freuen. $at un3 ein 5BlaIer ba§ l^errlid^fte 93ilb ber ©onne l^ergeftettt, fo toerben h)ir unS bod^ nid^t biefeg ä3ilbe§ bebienen, um ung an ber @onne 3U ertoärmen, fonbern h)ir tperben unS ju biefem 3^^*^ ^^ ©onne felbft julel^ren. 3)ie ©eele beS SKenfd^en mu^ wie ein ©piegel Don reinem Olafe fein, in toeld^em fid^ ®ott 'barftetten lann, mie eS il^m gefällt.*) 2Bie aber ein ©piegelglaS, teenn eS uergolbet ober bemalt toirb, nid^t me^r bie Säl^igfeit l^at, bie ©egenftänbe rein unb beutlid^ barjufteffen, fo oerliert aud^ bie menfd^Iid^e ©eele bie in il^rer Seftimmung liegenbe ^öl^igleit 3ur 3)arfteIIung beS göttfid^en SBiffenS, menn fie fid^ forttoäl^renb mit SRcfleirionen unb Stffectionen füttt (©. 123).

3ft bie ©eele jur ßontemplation erl^oben, fo l^at jte, um in berfelben JU bel^anen, unoerrüdt il^r 2luge auf ben in il^r gegentoärtigen (Sott ju rid^ten, in tieffter innerer ©ammlung unb Slul^e (©. 127). JliemalS aber barf bie ©eele, toenn fie ettoa oorübergel^enb bie ©nabenl^eimfud^ung ber ©ntjütfung unb Scftafe erfäl^rt, jtd^ auf bie ©tufe ber ?IKebitation jurüdtbegeben. (©. 232 : Car Dieu ne leur a pas fait ce graces extra- ordioaires, pour les faire reculer.)

S)er ©laube ber contemplirenben ©eele ift ein liebenber ©laube, iDcSl^alb er mit ber Siebe unb ber frommen 2BerItl^ätig!cit unabtrennbar t)crbunben ift (©. 135 ff). 2lber ber ©egenftanb, auf ben fid^ ber ©taube rid^tet, ift allein ®ott, toie er an unb für ftd^ ift, ber ©ott, ber ba ift, toie er mar unb fein toirb (©. 219 ff.), ol^ne Unterfd^eibung feiner einjelnen ©igenfd^aften, SSoHIommenl^eiten unb DffenbarungStl^ätigfeiten. SDcnn jebe ©injelbeftimmung beS göttlid^en 2Befen§ ftettt eine Slbgren* jung, eine Sefd^ränlung beffelben, nid^t aber bie ßinl^eit beffelben bar. Slid^tet fid^ aber ber ©laube auf ©Ott, intoiefem er überl^aupt ba§ ©ein aDen ©ein§, ober auf baS, h>a§ er in ftd^ felbft (nid^t in ber menfd^= fd^Iid^en Sluffaffung) ift, fo toirb ©olt in feiner inneren ©inl^eit unb ^errlid^Ieit gefd^aut, meldte alle Sinjelunterfd^iebe umfd^liejt; unb bie l^ierauS fid^ ergebenbe ©rlenntni^ ©otteS ift nid^t ©ebanfe unb Segriff, fonbern ©efd^madE unb ©rfal^rung, Sid^t unb Seben (un eentiment rassa- siant, nne lumi^re vivifiante, une conDaissance d'efifet et d'affection, et

*) Nötre ame doit etre commeone glace nette et polie, oüDieu se paisse representer a son gre. Quand une ame se remplit continaelle- ment de discoars et d'affections, eile ne peut recevoir parfaitement cette yive et pure ressemblance, dont Dieu aurait dessein de l'honorer.

5*

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noD pas ime connaissance s^che et scholastique). 2)tefe Stlenntni^ ©otteS, t)on ber @eele unmttteKar gelDonnen, toixi in berfelben }u eth>ad SteeKetn unb SIeibenbem, toeld^eS biefelBe mit bem ganzen Steid^tl^utn beS göttlid^en SBefcnS füttt.*)

SBenn fd^on ballet oud^ bie äluffaffung ®otte§ afö beg äBefenS, tocId^eS „ift, h>ar unb fein wirb", eine beftimmte SJefinitung beffelben ift, fo l^inbert biefclbe bod^ nid^t bie unmittelbare Scrül^rung ber ©eele mit bem SEBefen ®otteS in feiner ©nl^eit unb ®an3l§eit, inbem jener reine, einl^eitlid^e Segriff ©otteS gemifferma^en bem feurigen SBBagen gleid^t, toeld^er (SliaS ju ®ott ^i^auffül^rte. (©. 222: cette conception de Diea se perd et s^absorbe en ane suavit6 de Dieu, qui ne laissant aacun terme dans Pesprit, Inj laisse Tesprit des termes.)

SDarum ift aud^ bie ßontemplation ber ftirjefte SBeg jur ©rfenntni^ unb 9(u3fül^rung aEer ä(bjtd^ten ®otte§ in Sejug auf und, inbem in il^r bie Seele baS t)emänftigfte unb freimiHigfte Dpfer affer il^rer Äräfte ®ott bat^ bringt. S)ann bringen h>ir in berfelben baS Dpfer ber menfd^Iid^en 2Bei8l^eit, um nur mit ®otte8 SBeiSl^eit belleibet ju h>erben, unb bringen baS Dpfer unfereS SBiffenS unb unferer (Erinnerung (souvenir), um nur ®ottc« SBiffen unb ©rinnerung ju l^aben. SSBer bal^er ®ott mit ben Slugen beS ®tauben8 folgt, ber toanbelt nid^t in ^^infterni^ (de sorte que la con- templation est la vraye Schelle de la connaissance de Dien et de soy- meme, qui sont les deox poles de la yie spirituelle).

5Die Kontemplation ift aber nid^t blog ber lürjefte, fonbem aud^ ber fid^erfte SBeg jur ®otte8' unb ©elbfterlenntni^ unb jur 3Sofffommenl^eit. 35enn tücr biefen SDSeg gel^t, ber fud^t nid^tS SlnbereS ote ®ott in ,,reinem ®Iauben", fo ba^ er nid^t au^erorbentlid^e ßinfid^ten, Srienntniffc, 3^röftungen unb ©cjiafen begel^rt, fonbem, toenn il^m ®ott bergleid^en vtxUxf^t, ®ott bod^ l^öl^er fd^ä^t als äffe feine ®nabengaben, toeil in ber aOBertJ^fd^ä^ung ber festeren immer Eigenliebe oorl^anben ift, toäl^renb ber reine ®laube nid^t ol^ne t)off{ommene Selbftoerleugnung beftel^en lann.

SefonberS eingel^enb befd^äftigt fid^ 3JlaIat)aI mit ber ^Jtage nad^ ber SSejiel^ung ber Sontetnplation unb ber in ber Kontemplation lebenben ©eele jur $erfon 3«fu ß^rifti. 3Rit bem ®eban!en, ba^ bie contempK« renben ©eelen boS Slnbenfen an ßl^rifti 3Kenfd^l^eit niemals faffen gu laffen l^aben, erllärt pd^ berfelbe (©, 162—163) in bem ©inne einher«

*) Gette notion meme venant a se perdre dans le contemplatif, s'y trans- forme en quelque chose de reel et de permanent, qui remplit son ame de Tetre de Dieu d^ane mani^re excellente et qui l'embrasse toutes les perfections divi< nes dans Tid^e universelle, dont il Tenrichit.

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ffcanben, ba^ biefes Slnbenlen ein aKgenteinev 911t bet @eele, olfo eine ©ntnbftimmung berfelBen fei, h)elcl^e ben einzelnen, gefonberten äfften 3Utn @tunbe liege. 3n äBal^rl^eit meint aber ^alaoal bod^, ba^ bie @eele in %er SSoÜenbung über jebeS 9[6l^ängig!eitSt)erl6äItni^ von Sl^riftuS l^in« audgefomnten fei. S)al^er erflärt berfelbe auSbrüdlid^ unb beutlid^ genug: „S)a S^riftug ber 3Beg ift, fo lofßi und burd^ il^n gelten (passons par lai) ; n)er aber immer ge^t , gelangt nie ium S\^k, 28er bagegen am 3iele angelangt ift, ber benft nid^t mel^r baran, ft>ie ber 9Beg befd^affen getoefen, gefegt aud^, ba^ er mit SRarmor nnb ^Porpl^^r Bepflaftert toar." S)al^er giebt 3Jl. tool^I aud^ ju (@. 153), ba^ bie SR^fterien beS SebenS unb @terben3 (Sl^rifti bie Kanäle ber ^eilgoermittlung ftnb; aber er Detmal^rt fid^ bod^ bagegen, ba^ fid^ bie Sontemplation mit benfelben ju befaffen l^abe, für toeld^e fie nur afö t)orbereitenbe @tü|en bienen fönnten, ba bie Kontemplation unmittelbar auf ®ott gerid^tet fei. 3lnx vorüber^ gel^enb, toenn bie <SeeIe einer @tü|e bebarf, ober loenn bie lird^Kd^e ober bie DrbenSpflid^t eS gebietet, l^at fid^ bie @eele ben oereinjelten SSe« trad^tungenl^ingugeben*). 9lud^ erlennt ed !DtaIat)al mol^l an, ba^ bie @eele im ©ebet il^re äSesiel^ung ju ßJ^riftuS als bem ^Rittler feftjul^alten ^abe; aber er meint bod^, ba^ ber auf ber @tufe ber SRebitation getoonnene @Iaube an ben Srlöfer bie @eele in il^rer SSejiel^ung ju biefem beh)al^re, aud^ toenn fie fid^ nid^t in befonberen ®IaubenSa!ten mit il^m befd^äf« tigte. er meint fogar. (S. 156), ba^ bie einjelnen lird^Iid^ t)orge* fd^riebenen 9(nbad^tgübungen, toeld^e ftd^ auf Sl^rifti SRittlertl^um belögen, eben barum, toeil fie bie @eele in einem h)il[lürlid^ gemad^ten 2)ienfte ßl^rifti feftl^ielten, nid^t ju ßl^riftuS felbft lommen liefen. SBenn fd^on er bal^er ßl^riftum als ben ®runb unb Url^eber aKeS ^eileS belennt, fo toiU er bod^, ba^ ber (Sontemplirenbe ben ©ebanlen an S^rifti SRenfd^l^eit unb SSerbienft als einen übertounbenen 6tanbpun!t anfeile, ber, fo oft er etma einmal in bie befd^auenbe ©eele l^ineinf äfft , biefelbe fofort nur 3U neuer freubiger 93efd^auung ber @ottl§eit anregen foff. S)od^ loirb aner^ fannt, ba^ jumeilen ber l^eilige (Seift bie ©eele um il^reS fpejieffen ^eite« bebürfniffeS toiffen 5ur Setrad^tung ber Seiben unb 38erbienfte ßl^rifti antreibe unb ba^ ftd^ bann bie @eele biefer Setrad^tung, ba biefelbe bann nid^t auf il^rem (Sigentoiffen berul^e, freubig l^injugeben l^abe.

hierbei mirft fid^ aber nun 5KaIaoaI bie ^f^age auf, toie fid^ ber contemplirenbe ß^rift ju ben lird^Iid^en älnbad^tSübungen )u oerl^alten l^abe,

*) 154: Une ame fidele a sa grace se donne bien garde de rien ajoiiter a la vne de Dieu, si eile n'y est obligee par quelque pressante necessite de se soalager, oa par le devoir de la religion ou de da profession, qui exige quelque oonsideratioD ezpresse et distincte«

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bte bod^ fämmtltd^ auf Sl^rifü Seiben ttnb SSerbtenft l^inioetfen. @r ant- toortet, ba^ biefelben bem ßl^riften nur Slnla^ geben fotten, ftd^ jur Se* ttad^tung beS SRatl^f d^luffes unb SBillenS ©otteS , ber fid^ in bem Seben unb Seiben ßl^tifti funbgegeben f)at, unb 3U neuet Siebe ju (Sott unb ju einem neuen ©ntfd^Iuffe rüdfl^altlofer Eingabe in bcn SffiiHen ®otteS ju erl^eben, in weld^em fein eigener SBitte aufgellen unb auS toeld^em il^m bic ©rlenntnt^ ber göttlid^en ©el^eimniffe afö ein Srfennen ®otte§ felbft aufleud^ten fott. 2)enn ber contemplirenbe ßl^rift !ann nid^t mit fetner eigenen ©rlenntni^ unb mit feiner eigenen Siebe erfenncn unb lieben, fonbern er mitt in ber ßrfenntni^ unb Siebe ®otteS rul^en, toeld^c im lebenbigen (Slauben geeinigt finb.

©d^on geraume 3^^ t)or 3KaIat)aI toaren in granfreid^ gtoei DrbcnS- leute aufgetreten, bie freilid^ nid^t bie Sertil^mtl^eit beffelben erlangten, aber bod^ ebenfo entfd^ieben toie er bie quietiftifd^e SW^ftil t)ertraten, näm^ lid^ ber Äarmeliter ©amfon unb ber Äapujiner ßanfelb.

2)er Sruber Jean de Saint Samson toar als Sol^n beö reid^en ®beImannS Pierre du Moulin am 29. 3)cbr, 1571 in ber erjbifd^öflid^en ©tabt ©enä geboren, ©d^on in ber SBiege oerlor er, infolge einer Slatternf ranll^eit , baS SlugenKd^t, unb laum jel^n ^a^xe alt tourbe er oaters unb mutterlofer SBaife. gmei ga^re fpäter tjerlor berfelbe aud^ ben D^eim, ber fid^ feiner angenommen l^atte, infolge beffen ber Änabe, ber fid^ nun auf fid^ felbft angetoiefen fal^, ottmäl^Iid^ ein fel^r in fid^ geleiertes Seben 3U füi^ren begann, ©päterl^in, fd^on fünfunbjroansig Saläre alt, lam er nad^ 5ßariS 5U einem S3ruber, ber eine löniglid^e Se- amtenftelle beileibete, unb l^ier mürbe er mit ber in ben frommen Grei- fen ber Äöniggftabt bamals l^errfd^enben ^IKpftil belannt. 2)ief innerlid^ biefelbe burd^lebenb fal^ er fid^ balb ber einsigen ©tü^e feiner (Sjiften,^ ju 5ßariS iexanit, inbem fein Sruber unb feine ©^loägerin ftarben. ^inem attmäl^lid^ gereiften (Sebanfen §oIge gebenb trat er .bal^er in baS (nid^t reformirte) ßarmeliterflofter 3U 2)oI in ber Bretagne ein, too er ben Siamen „Frere Jean de S. Samson'' annal^m. 35alb l^atte fid^ ber junge DrbenSbruber ben Sluf eineä ejemplarifd^en, in ber ®nabe ganj befonberä J^od^ftel^enben SReligiofen erloorben, maä SSeranlaffung gab, ba^ berfelbe in ba§ bereits reformirte ßarmeliterfrofter ju SRenneS oerfe|t toarb, TOO man in allerlei SBeife feine geiftlid^e SSottlommenl^eit, beren ®erud^ oor il^m i^ergegangen toar, auf bie 5ßrobe fteffte. 5Kan gab il^m auf, ol^ne aUen 3SerIe§r mit ben Älofterbrübern als Sinfiebler ju leben. aBäl^renb beS ®otteSbienfteS mn^tt er bie Drgel fpielen (toaS er mit großer ®efd^idfKdeieit tl^at). S3alb aber mürbe er als bie geiftlid^e Sendete beS ÄlofterS betounbert, unb feine Oberen oeranla^ten il^n, feine ®ebans

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fen über innere Steltgiofttät burd^ ein Pietät gur Stuf jeid^nung )U bringen.

Unter t)em %itel De la souveraine consömmation de rAmoor biltirte

er böiger feine erfte ©d^rift, toeld^e alsbalb bie ^(pprobation ber ©orbonne erl^ielt. 93on ba an burfte er aud^ bie Jtlofterbrüber über 98efen unb SBege ber 5!Jl9ftif, beS „geiftlid^en", „innerlid^en" unb „Dofflommnen SebenS'' untcrtoeifen, unb fanb l^ierfür im Älofter fold^en Slnflang, baft baffelbe olsbalb aU eine befonbre 3Bo^n[tätte bed (Seiftet ©otteS loeitl^in oerl^errlid^t nxirb. ^Qe ^lofterleute begannen ftd^ je^t ber oraison mentale ju ergeben; 3^^^ ^^^ ©*• ©cimfon biftirle eine ©d^rift nad^ ber anbern, unb balb l^örtc man aud^ tueit unb breit t)on tounberbaren Teilungen, mn erfüllten SBeiffagungen unb non anberen SWerljeid^en ber $ei(igleit beS fo l^od^ begnabigten DrbenSmanng reben. 93on nal^ unb fem n)anberten bal^er je^t ganje ©d^aaren von ^eildbegierigen nad^ SlenneS, h>eld^e fid^ bei ©amfon über „baS S^^nere" Selel^rung l^olten. 3u rül^men ift von x\)m ber au^erorbentlid^e ßifer, mit bem ftd^ berfelbe aller Äranlen, Sflotl^Ieibenben unb ©terbenben onnal^m, unb ba^ er ben= felben in ber geiftlid^en ^ülfleiftung, bie er il^nen geipä^rte, oox Wlem ben SRamen Sefu ß^rifti nal^e ju bringen fud;te. 3)er SKittelpunlt feines eignen religiöfen SebenS lag in bem @eban!en ber S^ad^folge 6l^rifti auf allen Sffiegen be§ Sebeng unb 2eiben§ beffelben. 3)al^er nal^m er aud^ täglid^ bie Kommunion, ällg feine ©terbeftunbe lam (14. ©eptbr. 1636), brüdte er baS ßrucific mit ben äBorten „Christo confixns som crnci^^ an feine Sippen.

SJie jal^Ireid^en ©d^riften ©amfon*S (unter benen feine Theoria de sapieDtia divina baS meifte Sluf feigen mad^ten), toaren bereite ju $arig in }tt)ei äluflagen Deröffentlid^t, als fte 1658 ju StenneS in jmei SSänben (mit einer Siograpl^ie beS SBerfafferS) unter bem Sitel erfd^ienen: Les

Oeuvres spirituelles et mystiques du divin contemplativ F. Jean de S. Samson religienx Carme de la reforme et observance de Rennes en la province de Tonrraine.

3Bir lieben unter ben ©d^riften folgenbe l^ert)or: Le vray esprit

du Carmel, reduit en forme d^exercice pour les ames, qtd tendent ä la perfection chrestienne et religieuse. Le cabinet mystique, adress^ aux ames plus illumin^es. Le miroir et les flamm es de Tamonr divin, disposant Tame k aymer Dien en lay-mesme

(auf Verlangen bes Sifd^ofs t)on SDoI, Slutrine be Sleuol, »erfaßt).

Les contemplations sur les mysterieux effets de l'amour divin. Meditations pour les retraites ou exercices de dix jours. Lettres 9pirituels. Livre onzi^me: de Teffusion de Phomme hors de Dien et de sa refusion en Dien par voyage mystique»

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8nr qnoy sont donnees diverses Luinieres appartenantes ä la vie con- templative.

%Ue biefe ©d^riften finb mit ber 3(pprobation jal^lreid^er fitd^Iid^eräluto^ ritäten, fodäft @ingangg ber ertDctl^nten 3(u§ga(e abgebrud^t finb, auggeftattet.

©amfon fa^t feine SJlpftil, bie er la sapience divine nennt, im fd^rofften ©egenfa^ jur ©d^olaftil auf. 9iur jene Dermag ben SRen« fd^en jum toirllid^en Sid^t unb jur Sffial^rl^eit fül^ren, wäl^renb biefe nur toefenlofe 6d^attenbilber be§ ®n)igen, ober melmel^r gans untoal^re SBorjiettungen geben lann. S)aBei ift 3U bead^ten, ba^ er bie SSereinigung .mit ©Ott mefentlid^ als ®enu^ ®otte§ betrad^tet, intern bie etoige Siebe in bie mit il^r ftd^ oereinigenbe ©eele il^re gan3e ©elig!eit eingießt.

aSie äße quietiftifd^en SK^ftiler, fo fielet aiid^ ©amfon baS eigent^ lid^e $eiligtl^um beS SKenfd^en in bem ©runbe feiner eignen ©eele. ^ biefem l^at fid^ ber SKenfd^ burd^ ben einfad^ften, nadfteften unb liebeooffs ften ®Iauben an (Sott ansufd^lie^en*). 3)iefer ©laube inooloirt inbeffen nid^t baS SSemu^tfein ber ©rmäl^Iung, fonbem bcrul^t auf bem ©e^ banien, ba^ ber ÜJlenfd^, toaS il^m aud^ für bie ®h)ig!eit jugebad^t fein mag, jid^ ®ott in rütfl^altlofer SEBeife ju ergeben l^at**).

35ie ßontemplation umfd^Iiejjt brei ©tufen: r^tat purgatif, illumi- natif et consommant. 2)urd^ bie SBottenbung, toeld^e baS le^te ^iel ber ßontemplation ift, toirb ber 3Renfd^ ganj mie ©ott (deiforme), inbem bie oollenbete ©eele fo in baS SBefen ©otteä eintritt, ba^ fie ©ott in ©Ott felbft befi^t unb eine il^r eignes SBefen oergöttlid^enbe SBanbelung mit

il^r eintritt (Vray esprit du Garmel, III. : Selon cette verit6 les hommes, qui vivent icy bas en l'exercice et en la possession de cet estat, sont en qnelque fa9on Dieu mesme, en eminent degr6 de trans- formation, en laquelle ils sont essentiellement transformez en la mesme sareminente] Deit6. Ainsi nous possederons Dieu en Dieu mesme, et sa gloire essentielle).

SDiefe aSottfommeni^eit mirb bem SKenfd^en nur baburd^ ju 2:i^eil,

*) Vray esprit du Carmel, XUI: C'est une chose etraoge, que les hommes ne s^achent aucunement ce que c'est que leur fond etje culte amoureuse d'celuy. Abrege de da vie de S. Samson, ©. 37, a: Le fond de nostre ame est le lieu de nostre ine£Pable f^licite; ce que Dieu nous mani- feste la, est si merveilleux, que rien n'en tombe sous le sens. 37, b: Le

plus pur et le plus essentiel poinct de nostre amour central consiste a adberer a Dieu par une trbs simple, trbs-nue et trbs amoureuse foy.

**) On ne s^ait qui d'entre nous est reprouve ou predestine. Ce que je s^ay tres- bien, c'est que nous meritons pour nos infidelitez d'estre delaissez de Dieu en nostre vie au poinct de la mort. Neantmoins il faut fermement s'arrester a la bont^ de Dieu en ce poinct si desastreux avec Tancre de foy, de Tesperance et de la charite.

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ba^ ®ott il^n in btefelBe erl^eBt; ®ott etl^eBt il^n aber nur bann bol^tn, n)enn ber 3Jlenfd^ burd^ t)oIßommne @elbftentäu^erung bem 3BiQen ©otted entgcgcnlommt.*).

Um fxi) in ben @tanb beg contemplatioen Sebend ju erJ^eben, l^at bic ©cclc 3n)eierlei ju tl^un, 1) fte mu^ fid^ unabläffig bic SBottfommchs Reiten @otte3 t)ergegenit)ärtigen, unb 2) fte l^at fid^, um i^ten äBiUen jur Siebe 3U ®ott 3U ettoeden, unabläffig in ber SrfüIIung aller ©ebote ®otlcS, in allen 2)ugenben ju üben. 3)abei f)ai bie ©eele auf ber anbem ©eitc ben ©cbanlen ber ©egentoart ©ottcS mit SluSfd^Iu^ aller anbem ©ebanlen fo feftjul^alten, als ob in ber 2Belt nid^tS anbereg al3 ©Ott unb fie felbft t)orl^anben toäre**), unb anbererfeits l^at fie fid^ immer von Sleuem baran ju erinnern, ba^ ©Ott atteS maS er ift, für ben SKenfd^en

unb in bem 5Dlenfd^en ift (Vray esprit du Carmel III.: que Dieu n'a rien qui ne soit k eux et pour eux, et qu'ils sont luy - medme en luy-mcsme).

2)ie erfte SSorbcbingung beS ©elangenS ber ©eele jur SSottfommen« l^eit ift bie ©elbfterlenntni^ unb S)emutl^, ol^ne toeld^e bie ©eele unmög- lid^ jur hoal^ren 9Rortification, jur ©elbftoernid^ttgung, 3um mpftifd^en 2^obe lommen lann. Slber nur bie tüirflid^ oemid^tigten ©eelen jiel^t bie Siebe

©Otteä 3U fid^ l^eran (Vray esprit du Carmel VII.: Dieu tire ä, soy les ames aneanties). 2)al^er mu^ bie ©eele t)or SlHem fid^ felbft gänjs. jid^ entfagen unb mu^ in ber entfagenben Siebe (amour renon^ant) t)oIl? lommen 3U hoerben fud^en, fo ba^ fie nid^ts für ftd^, fonbern affeS für ©Ott unb nur für ©Ott toill, tl^ut unb leibet***), unb baft fte aud^ be3üglid^ beS ©efül^ls ber ©naben ©otteS in il^rer paffioen Siebe ol^ne allen ©igentoitten iftf). SDal^er bebürfen nid^t nur bie ©inneff),

*) Miroir VII: C'e'st chose assuree, que nous ue s^aurions estre tirez et penetrez interieurement des sentimens savoureax et delicieux , que TAmour a coustume de produire en Tarne, si la divine Majeste ne nous tire a soy par son rayon yivifique. Or il ne faitcela, qu' a mesnre de nostre fidelite active, a mourir a nous-mesmes et a nous perdre par Jamals en Dieu.

**) Le miroir, II: De sorte, qu'il faut, que l'ame desire usede Dien yivedans cette pure, fidel e et continuelle pratique, comme s'il n'y avait que Dieu et eile au monde. La veue et le sentiment actuel de cette presence divine la doit toüjours tenir actuellentent attachee de tout son coenr et de toutes ses puissances a Dien.

**♦) Vray esprit du Carmel XI.

-|*) Le miroir III: II n'est pas tant icy questione de cet amour actif, comme du passif, vrayement et entierement renonce pour toüjours, tant a sentir qu'a ne sentir pas les graces et dons de Dien.

*)-*|*) Cabinet mystique I, 9 : La disposition a cela est d'estre si profondement tire an dedans de soy-meme, qn'on soit comme prive de Fusage de ses sens, et comme mort entierement a iceux, se sentant au tant eloigne de leurs objets, que si on en estoit a cent lieues loin.

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fmibrm mUif bie geiflHsen fträfte ber 9Rortift}inmg , unb .jioat fo fel^t, ba^ ftd^ bie 9Rortificatton oud^ auf bie an ftc^ guten ©ebanlen beS Slenfd^en erftteden mn^. 2)ie empfinblid^e ^eube (la sensible volapte), ioelift bie @eele an geiftlid^en Uebungen l^at, mu^ ^tntoeg : aud^ bie an fx^ guten bUblid^en äSorfteüungen, n^eld^e bie (Seele anfangs nod^ befd^äftigen, muffen befeitigt werben, inbem in berfelben lein anbereS Silb rul^en barf al0 ba« be« ©ottmenfd^en 3^"S*). 3lux fo fommt bie ©ccle ®otte3

)U bet jenigen Sntblö^ung (desapropiiation , d^poniliement), n)eld^e e3

ber etoigen Siebe möglid^ ntad^t, fte an fid^ ju }iel^en.

3Jlit ber 5Ulortipcation unjertrennlid^ cerbunbcn ift bie 2^ugenbübung, o^ne toeld^e jene gar nid^t gebadet toerben fann. S)ag abfolute 3)lu|ier ber 2Jugenbübung ift baS Seben ^e^u. ©iefe Slad^folge ^e^n beftcl^t barin, ba^ bie ©eele baS il^m nad^gebilbete Seben ju ©einer 33erl^err= Kd^ung al8 Dpfer ber Siebe barbringt**).

hierbei mifd^t fid^ anfangs immer nod^ bie ®igenliebe beS ÜRenfd^cn ein. Snbem bal^er burd^ bie ^ortification unb bie fte begleitenbe Xugenbübung unb burd^ bie beiben jum ©runbe liegenbe Siebesfel^nfud^t ein tved^felfeitiger Siebesrapport (flux et reflux ber Siebe) jtoifd^en (Sott unb ben SDlenfd^en bereits eingetreten ift, unb bie Einigung ber Seele mit (Sott in ber Siebe begonnen l^at, fo pflegt ftd^ ©Ott um bie SRefte ber (Sigcnliebe in ber ©ecIe ooBftänbig auSjurotten, berfelbcn )u 3^iten gu entjicl^en, fo ba^ in biefcr ftatt beS feiigen ©enuffes bct göttlid^en Siebe ein ©efül^l ber SBerlaffenl^eit, ber S)tirre unb S^rodfenl^ci^ eintritt, burd^ toeld^eS biefe 5U neuer ®rlenntni^ i^reS (SIenbeS unb il^rcr SRid^tigleit gefül^rt werben foH. 38on finftrer Slad^t überfd^attet ift bamt bie ©cele ooll unfäglid^er Dual, inbem fie fid^ oon ®ott oermorfen unb für bie Smigleit ocriaffen glaubt***). Slffein biefc göttlid^e 38erlaffung unb SBerfinfterung ber ©eele ift ber ©eele ebenforoenig fd^äblid^ als i^r

*) Vray esprit du Carmel, IV: On supprime mesme les bonnes esp^ces •t images, oomme nuisibles a la liberte du coeur. Car ]a multitade des images et figur^s fait do gros mors et de grosses montagnes entre Dien et la creature. C*e«t pourquoy üs ne doivent admettre autre Image en lear coeur, qae celle do nustre B. Sauveur, tant Interieure qu'exterieure. L'interieure est sa Divi- nite, ^n Taspect de son amoureux abaissement jusques a nous; rezterieare est son Huiuaaite sacree et en Faspect continuel de toutes ses heroiques Tertus.

'^^) Abrege de la vie du J. de S. Samson p. 16: Nous devons vi vre dans la contiQueDe. veue et sentiment de Tinfiny abysme de Tamour de J.-Christ, leuy rendaus auiour pouramour, douleur pour douleur, pauvretepour pauvrete, vie pour vie, tout pour tout; quoyque de sa part tout soit iniiny, el de nostre rien du tout«

'^'^'*) Cabinet mystique, I, 5; Miroir, II.

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%aU in bet Sctfud^ung, inbcm il^r btcfcr nur SBctontaffung giel&t, au8 ij^tem %alie fxi) in neuer unb brunftigerer Siebe ju ®oft 'ju erl^eBcn*)

3>cr 3Rcnfd^ mu^ ftd^ nur immer ben ©ebanfen gegenwärtig erl^alten, bo^ bic roal^re ^eiligfeit nid^t in einem @mpfinben ober SRi^t^Srnpfinbcn beS ©inftrömenö ®otte§ in bie ©eele, fonbern in ber SluSübung toal^rer Siebe beftel^t, roeld^e berfelben anä) eine freie ©elbftBell^ätigung in ®ott ermöglid^t. 3)enn ®ott Hebt e§, feine ®eliebten jeitnjeilig ju ocriaffen, bamit fle fid^ in ber 9lad^foIge nid^t nur ber S^ugenben, fonbern aud^ ber :i'eiben Sefu üben**).

3!)a^er l^at ber ß^rift alle Seiben, roeld^e über il^n lommen, mit bemfelben 9Rotit) ju tragen, mit toeld^em (S^riftuS feine Seiben trug, bamit er biefem ganj gleid^artig Werbe. (SS ift biefeS ba§ 3Roür> ber Siebe, tooburd^ ber SWenfd^ gottnjol^Igefällig unb felbft jum ®egenftanb ber göttlid^en Siebe n)irb. ©o toirb baS Seiben be§ BJlenfd^en }ur eignen S^eilnal^me unb 5Kittt>ir!ung beffelben an bem ©ül^nleiben G^rifti, nnh biefeS le^tere toirb burd^ ba§ 3KitIeiben be§ SWenfd^en in ber ©eele beffelben jur ©ül^nung il^rer ©tinben toirffam***).

*) Miroir, III: C'est en ce sens, que les chentes humaines sont plus'utiles et fructuenses aux enfants de I*£sprlt, non comme telles, mais comme excell em- inent et totalement eteintes par un vigoureux exercice d'amour.

**) Miroir, II.

***) 6amfon !ommt auf biefen ©ebanfen ganj BcfonberS oft jurüd, g 33. in

ben Soliloques sur la Passion, too er fagt: En quoy donc vous imiteray-je, o mon amour? En tout cela, en tout, par tont, o ma chere vie, si vous me le donnez misericordiensement. Mais specialement je suis resolu de vous imiter, quant a la peine, et quant a la maniere, aveclaquelle vous avez tant souffert; a quoy je tächeray (eS l^anbelt fid^ nämlid^ um öollftänbiöfte Sfiad^Bilbung beS fieibend (El^rifti!) d'ajoüter les mesmes veues et les mesmes motifs, en nn mot: la mesme cause, qui est l'amour en soy-mesme, et vous mesme en vous mesme. Vous estes mon exemplaire et mon remede pour mon infinie redemption; c'est pourquoy je vous desire eternellement envisager et vous sentir dans vostre amour et dans vos souffrances, afin de m'y con'/ormer parfaite-

ment. 2)er 3^«* ber ^'lad^bilbung beS SeibenS 3efu liegt in ber redjtfettigcnben Äraft, loeld^c bie barin fid^ funbgebenbc Siebe \)at äsgl. Contemplation XXIV : De

Sorte, que celuy, qui vous aimera plus veritablement, (Don ber 9lad^a^mung be8

SeibenS ©l^rifti ift bie 5lebe), plus aussi goustera-il ces fruits delicieux. 2lber erft burd^ btefe tRac^bilbung bc§ SeibenS ©l^rifti ju ©l^rifti @]^re unb in (Sörifti ^emeinfc^aft getoinnt ba§ Seiben beS §errn ioirüid^e ©ül^n!raft. SSgl. Contempl.

XXVI: A la verite, mon eher amour, la peine du peche nous est demouree; mais qu'est-ce que de soufirir un peu de temps pour vous, fust-ce tous les tour mens du monde? Helas, il n'en est pas ainsi. S'il ne nousfust reste quel- ques souffrances, ou en serions no'us* et quell« guerison eiusfiions-nous receu de

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2)iefe§ ifl ober nur ber tottflid^ ^,tetnen Siebe'' mogltd^, bie in DoKIommenftet Sleftgnation nur für ben SBillen ®otte§ lebt unb toeld^e ©Ott nid^t um feiner (Soben, fonbem um feiner felbft, um feiner Siebe mitten Kebt*).

3)ie unmittelbare 93etl^ätigung biefer Siebe ift eine unabläffige brünftige ©rl^ebung ber ©eele ju (Sott (aspiration), burd^ toeld^e fid^ biefelbe imme'^ tiefer in bie Siebe ®otte§ einjuleben fud^t. ^enn Tamonr aspiratif est

nnitif (Miroir VII. unb Vray esprit de Carmel XXII).

3)ie Siebe ©otteS unb beS 5IRenfd^en fommt ju il^rem 3^^^^ ^^^ bie ©eele jur oottlommnen SBcreinigimg mit bem SBefcn ©Ott unb baburd^ jur oottlommnen Stulpe gelangt. S)ann toirb bie ©eele oon nid^ts anberem als oon ber emigen Siebe getragen, meSl^alb pe bann über ba§ Scbürfni^ anbermeitiger ©tü|en ber ©pelulatton, beS ©efd^madfS unb ber ©cftafen erl^aben ift. 2)enn atte biefe „^üx^en'^ finb nur Sd^eibc« toänbe jmifd^en ©ott unb ber ©celc**). 3)al^er bebarf bie ©eele aud^ nid^t mel^r beS SBorteS um fid^ im ©ebet ju ©ott ju erl^eben, in bem fie oielmel^r mit il^rer oraison mentale ooffftänbig in ©Ott atl^met unb lebt***).

SDer (Sapujiner Senebilt ßanfelb (aus ßanfclb in ber englifd^en ©raffd^aft ®ffej gebürtig), ^ßrebiger unb SDflagifter ber 9lot)i5en unb nad^s mala ©uarbian im Älofter 3U SRouen fd^rieb im S^i^re 1591 eine Regle

de perfection, contenant un abrege de toute la vie spiritaelle, ioeld^e

alsbalb burd^ jal^treid^e Slbfd^riftcn oerbreitct unb fpäter ol^ne SEBiffcn beS SSerfaffcrS (nad^ einer fel^r fel^lerl^afteti unb unoottftänbtgen ßopic) gcs brudt Soarb. ^n biefer SluSgabe tourbc bie ©d^rift in granfreid^ unb Selgien balb attgemein belannt. $ernad^ oeroottftänbigte ßanfelb feine ©d^rift, inbem er jur (Einleitung beS bel^anbelten ©cgenftanbeS nod^ jmei aibfd^nitte ausarbeitete, fo ba^ baS ©anje nun auS brei 2il^cilen beftonb, non benen ber britte bie urfprünglid^e rögle de perfection entl^ielt. 3)aS oottftänbige SEBerl erfd^ien unter bem Xitel: La R^gle de perfection ou

nostre peche? Gar nostre passion et vostre mort De noas devoit pas estre appliqiiee sans nostre Cooperation; c'eust este contre la raison et contre tonte Sorte de convenance. Or plus nostre Cooperation a vos souffrances est volon- taire et amourease, plus aussi tous est-elle agreable»

*) Soliloque de Tarne blessee du divin amour, I.

**) Le cabinet mystique I, 4: II faut s^avoir, que la creature en cet estat est encore grandement eloignie de sa consommation , tandis qu'elle est capable de recevoir quelque chose en la lumf^re divine, soit pour la simple speculution, soit pour le goust, soit pour l'extase, qui sont choses toutes differentes. Gar sa consommation ne doit ne peut estre que la fin et le succ^s de tous ces moyens mystiques.

*'*"*') Vray esprit du Garmel, Gap. XXIII.

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la volonte de Dieu, contenant trois parties mit einet SBibtnung an ben ßorbinal r>on ^or)o^a, @r3bif(i^of t)on SRoucn im ^a^xe 1608, rourbe aber auf SSeranfialtung bed @eneraT3 bed SapujinerorbenS fd^on im Saläre 1610 )u 6öln aud^ lateinifd^ unter bem 2^itel Deröffentlid^t: Benedicti Angli de Canfeld in Essexia ordinis Capucinomm Regula Per- fectionis, continens breve et lucidum totius vitae spiritualis com- pendium , redactae ad unicum punctum VoluntatiB divinae (277 fol.

in 12^): ^em @an)en finb 5al^Ireid^e ätpprobotionen bed Sud^ed von t^eologifd^en ^acultäten, DrbenSobercn unb ßenforen uorgcbtudft*).

2)ie Sine Stege!, toeld^e Ganfelb für bag Xl^un unb Saffen bed SDlenfd^en aufftefft, ift bie, ba^ berfelbe SlffeS jur SSerl^errlid^ung be« göttlid^en SBiUeng tl^un unb laffen foE. 3)en SBiUen @otteg unterfd^eibet nun Sanfelb als voluntas Dei exterior, meld^er bie vita activa, ald Yoluntas Dei interior, h>eld^er bie vita contemplativa unb alS voluntas essentialis, toeld^er bie vita supereminens entfprid^t. $iemad^ jerfättt baS ganje SEBerl in brei 3!l^eile, toeldje uon brei uerfd^iebenen Stufen beS an ben SBillen ©otted rüdl^altloiS unb auiSfd^lie^Hd^ l^in« gegebenen SebenS barftetten.

2)ie voluntas Dei exterior ift balS divinum beneplacitum, cog- nitum per legem ac rationem unb ift bie 3totm aUex ©ebanfen, SBorte unb SBerfe beS 5IRenfd^en. Unb jtoar mu^ ber 3Renfd^, bamit er jur SSofffonttnen« l^eit gelangen fann, uor SlSem ben äußeren äBiSen ©otted bdrum t^un, toeil berfelbe eben ©otteS SBBiHe ift, (omni alio fine semoto). Sn allem, toaS ber 3Renfd^ in feinem inneren unb in feinem äußeren Seben tl^ut unb leibet, l^at berfelbe ju fpred^en (©. 44): „$err, biefeS tl^ue id^ ober leibe id^, biefeS nel^me id^ ober fliel^e id^, gan) allein um 2)eineil Sefel^IS unb SBoIgefattenS toitten."

hierbei finb in ber ä(u3fül^rung beS göttlid^en 28i0enS fed^g @tufen ju unterfd^eiben (^oL 44), inbem berfelbe actualiter, unice, lubenter, indubitanter, perspicue unb prompte getl^an ioerben mu^. Unter biefen fed^S @tufen beftel^t bie erfte in ber actualis voluntatis divinae recor- datio, toeld^e ftd^ afö animi ad Deum unb intentionis secundum eandem

directio barfteHt unb meldte jebeS SSergeffen bed g5tt(id^en SSiUend au^'

*) Ueber il^n erfd^ien bie @C^rift: La conversion du P^re Benoist de Can- feld par le Sr. de Nantilly, 1608.

**) ©anfclb öeröffentUdJte au^erbem eine ©d^rift: Le chevaUer chrestien, contenant deux parties, jotöte mel^rere Xractate unb ©riefe, ebenfatt« mit Äl)j)robation. 3)ie Rfegie de perfection tourbe f^dter ttodj öfter, j. SB. ^ari« 1666 in n^ unb 1696 in S"" neu aufgelegt, erfd^ien aud^ 1667 )u Siterbo in ita« lienifd^er Ueberfe^ung.

ra

fd^Kc^t. ®iefe intentio beS ©emütl^S ift bic untcrftc ©runblage attcS geiftlid^en Sel&eni unb ber aEererfte Sd^rttt jur SSoQfommenl^eit.

äOIeS ift nun batan gelegen, bo^ biefe innere ätid^tung be§ @emütl^3 auf (SotteS SKJitten feftgel^alten unb ununtetbrod^en fortgefe^t toerbe (gol. 67 ff,), ^icrju l^at ber 3Renfd^ mit S^rfurd^t, Siebe unb ^cmh barfeit fid^ ju t)ergegenit)ärtigen, ba^ er im Slngefid^te ®otte§ lebt unb l^at ftd^ fo frü^ al§ möglid^ in ber Enteignung (expropriatio) feines inneren unb äußeren 2^l^un§ 3U üben, inbem er baffclbe nid^t als fein, fonbem ate ®otteä SBerl aufteilt, ber burd^ feinen SSitten unb feinen ®eift in il^m roirifam ift unb ben menfd^Iid^en ®eift nur als fein SBerl- )eug gebrandet.

^ierburd^ getoinnt ber ?IRenfd^ bie Sefäl^igung, unter atten SEBiber« wärtigleiten unb Seiben, bie er ju tragen l^at, inbem er fie jur ®^re beS göttlid^en SBillenS trägt, unb in ber Sefämpfung feiner Böfen Steigungen in fid^ bie redete mortificatio auszuüben, S^fw«^ nad^jual^men unb beffen IJeiligeS Seiben fo ansujiel^en, ba^ er ßl^rifti Seiben in fid^ felbft er« fä^rt*).

3ft ber 3Jlenfd^ ju biefem S^eU gelangt, bann ftettt fid^ bie SSott^ fommenl^eit, beren er tl^eil^aftig geworben ift, t)or Slffem in feinem Seten bar. Unter ben uerfd^iebenen 3[rten be§ ®ebetg ift bie oratio vocalis bie mangell^aftefte. Ungleid^ l^öl^er ftel^t bie oratio mentalis, namentlid^ toenn fie auf ßl^rifti 5Paffion gerid^tct ift, 5Wod^ reid^eren ©egeit bringt

ber ©eele bie oratio aspirationum brevium ac ferventium precatiun- cularum, ardentiumque suspiriorum s. desideriorum, toeld^e ©eufjer baS

eine 3RaI nur aus bem ^erjen, baS anbre 9Jlal aber aud^ auS bem aJlunbe l^eruorbred^en. SJaS t)ottIommenfte <Sebet ift aber baä, toeld^eä ftd^ ol^ne 9Kebitation unb .o^ne SOäorte gan3 attein auf ®otteS SBitten grünbet unb rietet, meil gan3 auf bie reine Siebe gegrünbet ift**). tiefes @tbüe^ finb jebod^ nur biejenigen Seelen fällig, toeld^e ju einem gan3 einfad^en, pon allen Silbern unb 3SorfteIIungen freien ®lauben ge^ langt ftnb,

Sliemanb wäl^ne, ba^ bie ©eele, fo in ber unmittelbaren ®egenn)art ®ottc8 unb beS ÄreujeS (Sl^rifti im ®ebete bel^arrenb, mü^ig bie 3eit

*) Fol. 79b: Qaandocunque igitur durum aliquid asperumve ageodum seu perferendum occurrit, id ob divinam hanc voluntatem fiat. Sicque Jesum Christum perfecte imitabimur, simulque eius sacra passione induemur, dolores ipsius in nobis renovando.

**) Fol. 92b: Oratio, quae in sola hac Dei voluntate instituitur, per firmam ei adhaesionem abs^ue meditatione aut oratione nocali omninm longe optimum geuus est.

79

tictgcube; benn bfie ©celc Bringt fo ®ott baS angeiteJ^tnlie Dpfcr urib gewinnt bic tcici^fte tJötbcrung il^ter ®rlcnntnife unb il^rct Stcbc.

SDie ctfte Siegel für ein fold^eä Seten ift aber bie, ba^ ber ßj^rift baffelbe mit bem t)oIIen Serou^tfein beginne, nur um beä göttlid^en SEBittenS unb SBol^lgefattenS toitten beten ju hooHen, o\}m jebcn ©ebanlen ber ©etoinnung t)on 2^roft, ©rleud^tung u. bergt, (absque ulla investi- gatione consolationis, illumlDationis etc.).

SSon ber vita activa erl^ebt fxä) bie ©eele gur vita contemplatlva, inbem jte üon bem äußeren jum inneren 2Bitten ©ottcä l^inburd^bringt.

2)te voluntas Dei interior ift (fol. 102) ba§ divinam benepla- citam per perfeetam, manifestam atque experimentalem notitiam inte- riorem cognitum, animainque in vita interiori s. contemplatlva illnstrans.

3ft bie ©eele beS 3Renfd^en auf biefen inneren SBillen (SotteS auSfd^Iie^« Hd^ unb ol^ne 9lü(f^alt gerid^tet, fo ba^ fie ftd^ in il^rer Kontemplation von attem älnberen abgelöft l^at, fo empfängt bie ©eele eine DoIIfommen reine SBirfung be§ göttlid^en SKiUenä, ber fid^ il^r fo mittl^eilt, ba^ fie i^n mel^r unb mel^r in fetner befeligenben 933ir!famleit empftnbet. ^ier« burd^ toirb nid^t allein ber äßille be3 3Jlenfd^en aEmäl^Kd^ )ur DoUea (Sleid^förmigleit mit bem SBillen ©otteS umgebilbet, fonbern bie ©eele fommt fd^Ke^Iid^ aud^ bal^in, ba^ fie il^ren eignen SBiffen ganj verliert unb nur bie Siegung beg göttlid^en SBiUeng in fid^ l^at. 2>urd^ biefe

SSergöttUd^ung beS SSiKend (per deiformem hanc intentionem volan-

tatemque divinam) mirb bann aber bie ©eele felbft jur unmittelbaren Einigung mit bem SBefen @otte3 erl^oben.

2)er innere SBille ©otteS unterfd^eibet fid^ t)on bem äußeren baburd^, ba^ biefer t)on au^en, jener t)on innen l^er fein Sid^t empfängt, biefer burd^ äußere Offenbarung ©otteS unb burd^ bie Seigre ber Äird^e, jener burd^ innere ^nfpiration unb ßrleud^tung mitgetl^eilt, biefer oon Srea* turen, jener in ©Ott felbft erlannt toirb.

älllerbingS ift ber äBille ©otteä an ftd^ fd^ed^tl^in einfad^ unb in allen Säejiel^ungen mit ftd^ ibentifd^; aber für bie menfd^lid^e älnfd^auung jiellt fid^ bod^ ber Unterfd^ieb eines äußeren unb eineä inneren SBitten« ©ottcS bar, unb jtoar fo, ba^ ber menfd^lid^e ©eift, loeld^er ben inneren SBillen ©ottcä nid^t in feiner (Sinl^eit ju erfaffen oermag, in biefem ocr^ fd^iebne ©tufen, nämlid^ bie manifestatio, admiratio, homiliatio, exnltatio unb elevatio unterfd^eiben mu^ (fol. 105 ff.).

3)ie manifestatio beS inneren göttlid^en SBiUenS für ben ©eift beä 3Renfd^en erfolgt au3 ber @r!enntni^ beg äußeren äBiUenS ald äBirlung berfelben. 3ft nämlid^ bie ©eele auSfd^lie^lid^ unb bel^arrlid^ auf bie S3etrad^tung bed äußeren äBiUenS ©otteS gerichtet, ol^ne irgenb etvoaü

80

ÄnbcteS auf jtd^ einwtrfcn ju laffcn, fo fonn c8 Bei einet fold^cn inten- tionis puritas mä)t ausbleiben, bft^ bie ©eele ben inneren SSSttten ©otteS lofte unb ben inneren 3^9 beffelben in fid^ erfal^re. 3)iefe§ ©d^mecfen beS inneren göttliti^en SBittenS betoirlt, ba^ bie Seibenfd^aften in ber ©eele aHmäl^Iid^ abfterben unb ba^ in biefe eine SRul^e einlel^rt, toeld^e ftd^ in einem tiefen ©d^toeigen lunbgiebt.

SluS biefer manifestatio be§ göttlid^en SBiffenS erwäd^ft junäd^ft bie admiratio, bie Offenbarung ber $errlid^!eit beffelben, inSbefonbere gegen^ über ber SSemid^tigung beS menfd^Iid^en SBittenS, toeld^e aber, inbem ftd^ ber göttlid^e SBitte in bie ©eele beS 9Jlenfd^en einfenlt unb mit il^r in ftiffen SJerfel^r tritt, jur humiliatio toirb, bis bie ©eele auf bie l^öl^eren ©tufen l^inanlommt unb voU feiigen Rubels über baS SBefen be'S SBiUenS (SotteS ift.

S8on bem äußeren unb bem inneren SBiffen ©otteS ift bie voluntas Dei essentialis ju unterfd^eiben , tüeld^er auf ©eiten beS 5Kenfd^en bie vita supereminens entfprid^t. SDod^ foff eS Sliemanb toagen biefe l^öd^fte ©tufe ber SBoHfommenl^eit 3U erftreben, tüenn il^n nid^t ber dtaif) eines erleud^teten S3eid^tuaterS ober ©eelenfül^rerS baju ermutl^igt (foL 132).

S)ie voluntas esseotialis (SotteS ift nid^tS, baS mit bem menfd^Iid^en 2BiQenSt)ermögen t)ergKd^en toerben lönnte, fie ift barum aud^ nid^ts, boS ber 5Wenfd^ mit feiner ^affungSfraft ju erreid^en Dermöd^te, fte ift aud^ nidjts t)on bem aBefen ®otteS Unterfd^iebeneS, fonbernfie ift ©ottcS SBefen felbft. SDenn ba biefer SBiffe in ®ott ift , unb ba eS bod^ in ®ott nid^ts geben fann, tüaS nid^t ®ott felbft toäre, fo ift bie voluntas Dei essentialis notl^menbig bie essentia ®otteS felbft (foL 134 ff.).

3ur ßinigung mit bem mefentlid^en SEBillen ®otteS, jum feiigen ©d^auen unb ®enuffe beffelben lann ben SJlenfd^en feine SKebitation unb feine Kontemplation, fein ^ßl^ilofopl^iren unb fein SSeten, überl^aupt fein menfd^lid^eS SWittel erl^eben (fol. 141). §ier giebt eS nur ®in SRittel, meld^eS man als medium absque medinm 3U bejeid^nen l^at, inbem in il^m ®ott SltteS, ber SMenfd^ aber gar nid^tS tl^ut, fonbern fid^ leibentlid^ t)erl^ält. S)iefeS 5iKtttcI ift nid^ts anbereS als baS ununter^ brod^ene Sel^arren ber ©eele in ber SBillenSintention, burd^ toeld^e fie }um contemplatioen Seben gelangt ift. 3[n biefer paffioen SRu^e; ber ©eele ift bann ber 3^9 beS ®eifteS ®otteS toirffam, et sie anima im-

mediate Deo unitur, nullo interposito medio (fol. 142b).

2ln biefem (nur uneigentlid^ fo 3U nennenben) 3Kittel ber ßinigung ber menfdjlid^en ©eele mit bem loefentlid^en SBiffen ®otteS finb jiioci ©eiten ju untetfd^eiben. 2luf ber einen ©eite fteHt fid^ bie SBirffamfeit beffelben; 1, als bie üoUfommenfte ©rfenntni^ ber SRangell^aftigfeit ber

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eignen (Kontemplation (benn eS giebt feine nod^ fo. I^ol^e ©tufc bcr 6on= templation, t>on ber aud nid^t eine nod^ l^öl^ere Stufe berfelBen }u et-- tetd^en roaxe), 2. al§ ein @infttömen bed glül^enbften SSerlangenS ber ©eele in ben ©eift ®ottc8, in toeld^em baffelBe fd^Ke^Iid^ jur Dottforn« ntenften Stulpe fommt^ 3. als DoSIommene @ntblö^ung ber @eele, 4. al§ unuttterbrod^cn fortfd^reitenbe Slnnäl^crung ber ©eele an ®ott unb enblid^ 5. als TOirflid^eS ©d^auen (visio) (äotteS bar (Fol. 145).

SDie Sntblö^ung ber ©eclc ift biejjenige SBirIfamleit beS ©eifteS ©otteS, burd^ toeld^e biefcr bie Seele oon allen creatürlid^cn Silbern unb gormen entblößet (nudam reddit), fo ba^ fte 'fid^ o^ne bie §ülfe Uon Silbern unb %oxmen ber ßontempl&tion 3U ergeben t)ermag (Fol. 15 8.

35ie 2lnnä]^erung ber Seele an (Sott ift ein beftimmter habitus

nnionis inter Deum animamque, ber fid^ allmäl^lid^ fo noilenbet, ba^

©Ott unb bie Seele in einanber leben (Fol. 163b) unb bie Seele fo jum unmittelbaren Sd^auen gelangt.

SKuf ber anberen Seite toirb bie Seele baburd^ jur ©inigung mit bcm toefentlid^en SCBillen ®otteS erhoben, baf; jte inbem pe, unabläfftg unb auSfd^lie^lid^ auf biefen gerid^tet ift, in fid^ felbft alle ©tgenl^eit t)erliert unb jur SSernid^tigung (annihilatio) gelangt (Fol. 168 ff.).

S)ie le^tere wirb unterfd^ieben als actioc unb paffioe Semid^tigung (Fol. 187 ff.). Sene unterfd^eibet fid^ von biefer baburd^, ba^ ber 2Renf(^ ntittelft beS neuen Sid^teS, toeld^eS i^m »erliefen ift, baS, roaS burd^ ben ®eift ®otteS in ber paffioen SSemid^tigung 3U Slid^te gemad^t toirb, lüirllid^ als 5Rid^tS erfennt unb fid^ bemgema^ oerl^ält. 2)al^er ift bie aftioe SSernid^tignng ftärter, bauernber unb oolllommner.

2luS biefer 3n)iefad^en SSemid^tigung gel^t aud^ eine jtoiefad^e Siebe l^eroor: bie annihilatio activa fül^rt nämlid^ Jum amor practicus unb bic annihilato passiva jum amor fruitivus, in beren innerer (Sinl^eit bas ganje geiftlid^e Seben befte^t (Fol. 189b).

3)ie 3luSübung ber altioen Sernid^tigung gefd^iel^t (Fol. 191 ff.), burd^ ben reinen, einfad^en, nadften unb 3uftönblid^en ® lau ben (para, Simplex, nuda atque habitualis fides), meld^er mit ber Sinnenerfenntni^, mit ber Speculation unb mit ber Smpfinbung gar nid^ts 3U tl^un l^at, Dielmel^r von allen biefen 3)ingen entblößt ift; unb 2. burd^ ein jjebeS anbere Erinnern auSfd^lie^enbeS einfad^eS unb reines Slnbenlen an ®ott, toeld^eS auf bem nadEten ®lauben berul^t unb bie Seele mei^r unb mel^r in baS SDScfen ®ottcS l^ineinfül^rt.

3n biefem Slnbenfen an ®ott l^at aber bie Seele unabläffig aud^

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baS Ocbäd^tnife bcr ^Paffton 6l^rifti fcftju^altcn *), unb jtoar fo, ba^ ftdj bie Kontemplation nid^t eitoa abxoei)^elnh Balb auf bie ©ottl^eit, 6alb auf bie SWenfd^l^eit S^fu tid^tet, fonbem fo, bafe pe mit einem unb bem« felben ©d^auen bie Oottl^eit unb bie 5Wenfd^l^eit fielet (fol. 228b).

©§ ift aber . I^ierbei bie ^rage, ob bie ^ßaffion ß^rifti fo toie fic einft ju Swufalem gefd^el^en ift, ober toie flc jtd^ in bem inneren ©d^merjc ber eignen ©eele fül^Ibar mad^t, betrad^tet toerben foll (fol. 234 ff.). ®ag Se|tere ift ratl^famer. 2)enn bie in ber SSoIlIommenl^eit lebcnbe ©eele ift ju einer fold^en Sinigung mit bem (Seifte unb aSäiKen ©ottcS unb mit bem SBefen ©otteS felbft gelangt, ba^ il^re ßeiben mit bem Seiben ßl^rifti geeinigt unb beibe ®ineS unb S)affelbe finb (fof. '234:

Sciendum est, tolerantias nostras cum iis, quae Jesu Christi sunt, esse conianctas, atque unum idemque com passione eias eifectas). 2)al^er l^at bie ©eele bie ^JJaffion ßl^rifti in i^ren eignen ©d^merjen unb Seiben ju betrad^ten, inbem bie (Sottl^eit ß^rifti in il^rem eignen 3«nern gegentoärtig ift. SltterbingS ift bie gelreu3igte 3Jlenfd^l§eit in il^r nid^t oorl^anben; biefe aber fd^aut fie bod^ l^ier toie in einem ©piegel. 3)a^ aber frud^ts bringenber ift, ßl^rifti 5ßaffton in bem Seiben ber eignen ©eele alä ;in bem SSorgange ju 3[erufalem ju befd^auen, erl^ettt aus golgenbem: S)aS toirflid^e Seiben, toeld^eS toir empfangen, getoäl^rt ein mel lebl^aftereä Silb bcS Seibens ßl^rifti, als ein bloS DorgefteHteS Seiben. 3)er g^edE um beffen willen bie ^Paffton ßi^rifti betrad^tet toirb, ift ber, ba^ mx ß^rifto gleid^förmig merben (et ei conformes efficiamus). ©iefer S^eä, toirb erreid^t, toenn mir unfre Seiben in ber ©emetnfd^aft ber 5{5afftott ßl^rifti betrad^ten lernen. Siele oermögen fid^ baS gefd^id^tlid^e 35ilb ber Seiben ß^rifti nur mit 5Wül^e unb nur oorübergel^enb 3U X)ergegens toärtigen; baS ©efül^l ber eignen Seiben l^at aber Jeber, fo lange fie bauern. SBenn mir jum Äreuse ßl^rifti auf ©olgatl^a fKel^en, fo fud^en

♦) ®anf elb berül^rt fol. 219 bie l^ier öorlicgenbc Streitfrage: Non pancis per-

suasum est, banc Passionis praxin et contemplationem solis tironibus, atque in vita activa, non vero in supereminenti versantibas qnadrare, nee iis qui per- fectae contemplationis culmen attigerunt, qui seile, divinitati per perfectam unionem adhaerendum arbitrantur. iBeiter unten !ommt d, (fol. 250b) nod^:;

ma(S auf biefe grage ^u fpred^cn, inbem er fagt: Posteaquam anima bucnsque

pertigerit atque in Passionis praxi stabilita fnerit, suboritur ei dubium circa eiusdem contemplationem, an sciiic. oporteat eam deserere, ut ad illam, quae

solius Dei est, valeat assnrgere. ©. toeift l^ierbei jtoei 3lnftdSften jurüdC, toeld^e

er fo barftedt: Plnrimi qnidem sunt, qui unico intuitu in Passionem coniecto qnamprimum cupiunt ulterius ad divinitatem usque transvolare. Ali! etiam nulla habita Passionis ratione directe (nt sibi videntur) in divinitatem feruntnr per transcendentiam quandam animi.

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tt)it bafcIBft gern 3;roft unb feieren unfctem eignen ©d^metse ben Slücfen, toäl^renb wir, in unferem ©d^merje ba§ Seiben ßl^rifti feigen, unS bcm» fclben mit Snnigfeit fo l^ingeben, ba| wir burd^ ßrgebung in bag Seiben ju ooHIommnet Bereinigung mit ®ott fommen.

2)al^er foll bie ©eele alle 3^rübfale nnb Seiben, bie über fie fommen, nid^t alä il^re eignen fonbem als ßl^rifti Seiben betrad^ten. ©o foII fte bie Äreujigung ßl^rifti als in i^r felbft t)or fid^ gel^enb anfd^auen (con- spiciatur Christas velut in nobis crucifixus!), unb fo fott fid^ unfer Seib, inbem toir jum Äreuje ßl^rifti l^inbringen, in ß^rifti ^Pafjton Der- 3el)ren.

Slllelüege fei überhaupt ber ©ebanfe an ©Ott getragen oon bem ®eban!en an ßl^rifti 5ßaffion, in toeld^er fid^ ber ©lanj ber ©ottl^eit, bet fonft ein un^ugänglid^eS Sid^t ift, in ber unferem ©eifte fa^aren SBeife barftettt (fol. 254b)!

®§ oerbient bead^tet ju toerben, ba^ ßanfelb in feinen ©d^riften burd^auä feinen Quietiften beS 16. ^af)x^vixü>ext^ an3iel^t, unb ba^ biefeg auf bie Unab^ängigfeit unb ©elbftftänbigfeit, in ber fid^ bie quietiftifd^c Slnfd^auungStoeife in il^m entwitfelt l^at, fd^lie^en läfet.

Unter ben übrigen 35ertretem ber quietiftifd^en 3Rpftif beS 17. ^a^r^ i^unbertS begegnen voxx aud^ ®inen oon urfprünglid^ beutfd^em 3lamen unb beutfd^er 2lbfunft, nämlid^ bem Sotl^ringer 9iicolauS §erman, befannt unter bem SRamen Frere Laurent de la Resurrection, ben er bei feinem Eintritt m baS Älofter ber unbefd^ul^ten Karmeliter ju ^ariS angenommen i^at*). UmS ^a^x 1611 in bem lotl^ringifd^en Drte Heri- in6nie (untoeit Süneoille) geboren, l^atte er fid^ anfangs bem ÄriegSJ^anb- toerf beftimmt, mar aber bei bem Singriff ber ©d^toeben auf Stamber^ otHierS oermunbet unb jum ferneren ÄriegSbienft untüd^tig getoorben. 3)iefe SBenbung beS äußeren SebenS toar für ben Jungen Äricgämann jugleid^ ber Slnla^ jur inneren Umfel^r. @r tooHte je^t „unter ber ga^ne ßl^rifti" bienen. 6in oon il^m mit großer ^Pietät oerel^rter Dl^eim,

*) 2)ie Duette ber l^ier über ben S3ruber Laurent mitgetl^cilten SRad^rid^ten ift bie (auf^efel^l beS ^ifd^ofS t>on ^l^alonS, beSnad^l^erigen^arbinal 92oaiUeS öon beffen ©rojbicar de Beaufort berfajte) ©d^rift:* Abrege de la vie de Frere Laurent de la Resurrection, religieax convers des Carmes dechauffez,

toelc^eS gu ^ariS 1691 mit 9l^^)robation erfd^icn. 3n bem ©ammelhjerf Recueil de divers Traitez de theologie mystique, qai entrent dans la celbbre dispute du quietisme bon 1699 finbet ftdSf (©. 337—492) jene« SebenSbirb beS ©armeliterS gugleid^ mit feinen ©d^riften abgebrudft. ^ad^ biefem Slbbruc! toerben l^ier bie ©itate gegeben. ©^)äterl^in, 1710 gu 3(mfterbom tourbe biefe ©d^rift gefonbert unter bem Xitel „Xl^eologie ber ©egentoart ©otte^" l^erau^gegeben.

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toeld^cr bem Drbcn bcr Barfüjsigen SanneKtcr angcl^örte, routbc junäd^ft fein ©eclcnfül^rcr. 2luf bcffcn "äiat^ 30g ex fid^ junäd^ft 3U einem afe ©nfiebler lebenbcn ®belm<mn iuxM, trat aber balb in baS Älofter bet barfüßigen ßatmeliter ju ?Pari§ ein, too er S^^te lang afö Äod^ bientc unb fid^ in bie quietiftif d^c 3K9ftiI immer mcl^r vertiefte. Seit 1650 galt er in 5ßariS als bie 3wi>ß i>c§ ÄlofterS, in toeld^em er Dottc üicrgig Sa^re lang nid^t bloS unter ben Drbengbrübem, fonbern aud^ unter ben Sielen, bie auä ber ©tabt 3U il^m lamen, um Don ii^m bem ,,2SönbeI in ber ©egentoart ®otte§" ju lernen, für (Srtoedfung eines inneren reli- giöfen ©ebetSlebenS toirlte, bis er ad^tjig Qal^re alt, am 12. gebruar 1691 ftarb.

3)ie quictiftifd^e tJ^ömmigfeit erfd^eint in bem Seben beS 35ruber Saurent in «oHenbeter ©eftalt. S)affelbe berul^te auf bem ©ebanfen, baß „bie Hebung ber ©egenmart ©otteS (rexercice de la pr^sence de Dieu)" ber für3efte, ftd^erfte unb leid^tefte SJBeg 3ur d^riftlid^en aSott- fommen^eit, baß fte bie tJ^rm unb baS Seben affer 2^ugenb, unb baß fie bie hjirifamfte ©d^u^iüel^r gegen bie ©ünbe fei (Abregt de la vie ©. 358). ©r ersäl^lt, baß er, nad^bem er t)ier ^aS)xe (im Älofter) mit fid^ gerungen, enblid^ 3U bem ©ntfd^Iuffe l^inburd^ gebrungen fei, fid^ jur ©enugtl^uung für. feine ©ünben (en satisfaction de mes peches) ganj ®ott l^injugeben unb auS Siebe ju ©Ott auf.3lffeS ju üerjid^ten, roaS nid^t ©Ott felbft fei, unb baß er feitbem, Don äff er inneren (Srrcgung ftefreit, in feiner ©eele eine ununterbrod^ene tiefe Stiffe gefül^lt l^abc. <gr erfal^re eS feitbem an fid^, baß feine ©cele il^ren eignen SRittelpunft unb iit il^m eine ©tätte bleibenber Stulpe gefunben l^abe (comme si eile ^tait eu son centre et en un Heu de repos). ©eitbem erfreue er fid^

beS ©efül^IS ber lebenbigen ©egentoart ©otteS (presence de Dieu actuelle) ober melmel^r eines ftummen unb gel^eimen S^i^g^fP^^^^^ feiner ©eele

mit ©Ott (ün entretien maet et secret de Täme avec Dieu). ©id^

auf bie burd^ bie DrbenSregel »orgefd^riebenen religiöfen Uebungen be- fd^ränlenb entl^ält er fid^ im Uebrigen beS ©ebeteS in SBorten gän3Kd^, inbem er nur ber toortlofen oraison lebte unb feine ©eele toiffenloS ©Ott überließ, fid^ felbft als einen ©tein betrad^tenb, in meldten ber göttlid^e Silbner fein eignes S3ilb eingraben foffte*). SDiefeS innere, ftumme ©ebetsleben mar il^m, mie er felbft fagte, gan3 3ur Statur ge^

*) ®r fd^reibt (@. 413) : Mes oraisons ne sont plas qu'une continuation de ce meme exercice. Qaelquesfois je m'y considere comme une pierre devant an -scalptenr, de laquelle il veut faire une statne. Me presentant ainsi devant Dien je le prie de former en mon äme sa parfaite Image,

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woii)en*). 3)iefcS nannte er bcn toal^ren, IcbcnbigenCSIauBen^inlüeld^em w ©Ott crfal^rc, ®ott fd^auc; unb bcn toal^ren, einigen 2^roft feiner ©ecle fonb er eben barin, ba^ er burd^ ben ©lauBen (Sott fd^auen fönnc**).

Sourent ^interlie^ jtoei ©d^riften, Maximes spirituels (in ber ßölner Recueil ©. 383 abgebrudft) unb a5riefe an oerfd^tebene ^Perfön« lid^feiten, toeld^e feinen geiftlid^en Slatl^ i" Slnfprud^ nal^men, auS ben Sauren 1682—1691 (Eörner Recueil ©. 399—438). 5Kit bemfelben unb mit ber Siograpl^ie £aurent*§ würben im Qal^re 1593 mit Slppro« bation beS Sifd^ofg oon 6^aIon§ (oom 17. Jlooember 1693) 3toei anbre ©d^riftcn cbirt, toeld^e ebenfalls ben 3toedE l^atten, bie religiöfen ®ebanlen beä (SarmeliterS 3ur ©arftettung 3U bringen, nämlid^ bie ©d^rift: Les moeurs et entretieiis ***) de Frere Laurent (Kölner Recueil ©, 441 bis 485) unb bie Slbl^anblung: Pratique de Texercice de la pre- sence de Dieu, tiree des lettres du F. Laurent.

Sn biefen ©d^riften finbet fie ein oolIftänbigeS ©^ftem ber quietifti« fd^en ÜJlpftif enth)idfelt, beffen toefentltd^fte ©ebanfen folgenbe finb:

@S giebt brei SQäeifen unb ©tufen ber Einigung ber ©eele mit ©Ott, nämlid^ bie union habituelle, auf ber ©nabenmittl^ eilung ©otteS bcrul^enb ; bie union virtuelle, bie fid^ in beftimmten ^anblungen betl^ätigt, burd^ ioeld^e ber aJlenfd^ mit ©ott in ©nl^eit tritt unb burd^ h)eld^e er mit ©Ott fo lange in ßinl^eit bleibt als biefe §anblung bauert; unb bie Union actuelle, bie SSoHfommenl^eit ber Bereinigung beS 3Kenfd^en mit ©Ott, in tocld^em bie ©eele in lebenSoottfter unb feligfter SBeife ju einem ©otteS' unb Siebesleben erregt totrb, meld^eS in SBal^r^eit nur auS einem einjigenälft beftel^t, fo ba^ biefe union actuellp ben ßl^aralter ooHIoms menfter ßinfad^l^eit gab (Maximes spirituelles, ßölner Recueil, ©. 390).

Stuf biefer britten ©tufe ber ßinigung ber ©eele mit ©ott finbet ein SSerlel^r berfelben in i^rem tiefften ©runbe unb SRittelpunfte mit ©Ott ftatt, mo bie ©eele mit ©ott unmittelbar (coeur ä coeur) fprid^t unb fid^ einer Stulpe in ©ott erfreut, bie oon 3lu^en l^er nur feiten unb nur oorübergel^enb geftört toerben fann (ßbenbaf. ©. 393).

SJiefeS ift baS feiige Seben in ber ©egentoart ©otteS, toeld^eS jtoar anfangs mit allerlei $inbemiffen unb ©törungen ju fämpfen l^at, toeld^eS

*) @.379: Ildi8ait,que^cette adoration estoit passee chez luy comme en nature. **) ©. 427 jagt Saurent (toaS fel^r begeid^nenb ift): Ce qui me console eu

cette vie, ettt que je vois Dieu par la foi; et je le vois d'uae maniere, qui pourrait me faire dire qaelquesfois : Je ne crois plus, mais je vois. I'experi- mente ce que la foi nous enseigne.

***) 2)iefeS finDbieöerid^te übcrUnterrebungen, »eld^e beröroJöicarScau^ fort mit Laurent gel^abt l^at.

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aber bic ©cclc fd^Iie^Ud^ bal^in fül^rt, bafe fic ftd^ oon allen Grcaturcn itincrK(i^ gonj loöreifet unb lern anbcrcS ScBcn in jid^ bulbct alö . baä Sebcn uub bte 3ßirlfamlett ®otte§ (Maximes spirit. ©. 398).

S)affeIBc fprtd^t fid^ qu§ in bcm inneren (SeBet (oraison), roeld^cS nid^t§ anbeteS al§ ba§ Sltl^men ber SieBc ©otteä in ber Seele be§ 51Henfd^en ift (Entretiens ©. 483).

Um aBer 3U biefer SSoIfontmenl^eit ^u gelangen, ift eS nötl^ig, bafe ber SRenfd^ ftd^ jur SOlortifijirung feiner ©innlid^Ieit (mortification des sens) entfd^Iie^e, inbem unmöglid^ ift, ba^ eine ©eele, bie an ber ßreatur nod^ SBol^Igef allen l^at unb in bie SieBe ju il^r t)erftri(ft ift, fid^ ber ®egenn)art ®otte§ t>offIommen 3U freuen vermöge (Maximes spiri- tuelles, ©. 396).

2)iefe3 ift bie erfte SSorBebingung ber SSoIIIommcnl^eit; bie jroeitc' ift bie, ba^ ber SKenfd^ [xä) in bem ©inne ®ott ganj unb gar üBerlä^t unb anl^eimftefft , ba^ er nid^t einmal ju toiffen Begcl^rt, oB ©eligfett ober 33erbammni^ feiner in ßtoigleit wartet. S)enn Begüglid^ be§ Se§^ teren fann bie Slngft toie bie guüerfid^t be§; 3Rcnfd^en immer nid^tig fein, roäl^renb bie ©elBftüBerlaffung an ®ott immer ben fidlem SBcg gel^t (Les

moeurs de F. Laurent, ©. 459).

SDer SKenfd^ foff bal^er fein ganjeS SBertrauen auf ®ott fe^en, unb fid^ aller ©orgen unb alles SSertrauenö auf anbere ®inge, aud^ be§ 3Ser= trauenS auf bie 5Kenge feiner 3lnbad^t§üBungen entäußern, roennfd^on bie leiteten an unb für fid^ red^t l^eilfam finb. 3)iefeIBen finb aBer bod^ nur 5KitteI jur ©rreid^ung beS S^ekB ; l^at bal^er ber SRenf d^ bief 3^^, nämlid^ bie ®egenh)art ®otteg, erreid^t, fo Brandet berfelBe ju ben frühe- ren 3KitteIn nid^t jurüdf^ulel^ren, ba er melme^x nur im Umgang mit ®ott ju Bel^arren unb im SieBeSoerfel^r mit il^m fid^ ju üBen, nid^t aBer toiebcr JU ben SKitteln ju greifen Brandet, bie il^n ju biefem gi^Ic ^dne^ ©treBenS Bereits gefül^rt l^aBen*).

©Benfomentg als auf bie einjelnen SJlittel ber 2lnbad^t fe|t aBer bic in bie ®egenn)art ®otteS unb in ben unmittelBaren SBerlel^r mit ®ott erl^oBene ©eele il^r Vertrauen auf SSifionen, auf ©cftafen ober anbere au^erorbentlid^e SBorlommniffe, bie oft trügerifd^ finb ober bie ©eele

*) Lettres du F. Laurent, @. 406: II est pourtant necessaire, de mettre toute sa confiance en Diea, de se detaire de tous autres soins, meme de quan- tite de devotions particulieres quoique tres boiines, mais dont on se charge souvent mal a propos, puisqu'enfin ces devotions ne sont que des moyens pour arriver a la fin. Ainsi lorsque par cetexercice de la presence de Dieu nous sommes avec celui, qui est notre fin, il nous est inutile de retourner aux moyens; mais nous pouvons continuer avec lui notre commerce d'amour.

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6ei bcn (Saben (Sottcö fcftl^altcn, an bcncn fic ftd^ erfreut, ftatt fie jur utttnittelbaren ©emeinfd^aft mit ®ott fettft ju Bringen*).

hierin erweifen fid^ ber ©laube unb bie Siebe ber oollenbeten ©eele. S^t ©laube bejicl^t eben barin, ba^* fie fid^ ®ott gegenüber auf Slid^tS grünbet unb fid^ ©Ott öl^ne alle ©tü^e überlädt. 3)iefer ©laube ift bas Sid^t unb baä Seben ber ©eele. 25enn nur derjenige fann ®ott erfennen, bem fid^ ®ott unmittelbar ju erfennen giebt; unb biefe^ fann nur fo gefd^el^en, ba^ ®ott baä 33ilb feines SEBefenä in bie ©eele felbft einseid^net, inbem jebe burd^ 9iad^benfen über ®ott (ber im 5Rad^benfen immer fem t)on ber ©eele ift) getoonnene (Srfenntni^ ®otteS nur mangell^aft fein fann**).

3n biefer ©elbftüberlaffung ber ©eele an ®ott, in meld^er biefe auf ftd^ felbft gar nid^t fielet, l^at barum aud^ bie Siebe il^ren eigentlid^en ßl^arafter. 3)iefelbe grünbet fid^ in feiner 933eife auf bie ®nabengaben, toeld^e bie ©eele Don ®ott empfangen l^at. ©o l^errlid^ aud^ bie ®naben finb, meldte ®ott ber ©eele fpenbet, fo finb fie eS bod^ nid^t, um beren toitten bie ©eele ®ott liebt. Können bod^ ol^nel^in biefe ®nabengaben bie ©eele nid^t in biejenige ©inigung mit ®ott bringen, roeld^e ber ein- fädle Srtt beg ®laubenS erreid^t (Leltree du F. L. ©. 437). S)ie Siebe ber in bie lebenbige ©egentoart ®otte3 erl^obenen ©eele ju ®ott ift ol^ne irgenb it)eld^e3 ^ntereffe (amour sans aucun autre interet), iDeSl^alb fid^ iie ©eele aud^ nid^t barum fümmert, ob fie in ber ©toigfeit merbe vex-- bammt ober begnabigt fein (sans se soucier, siU serait damD^ ou sH serait pardonne. Entretien avec le F. L. ©. 470). S)er ioal^re ßl^rift,

ier fid^ gan3 in ben S)ienft ®otte§ geftellt l^at, l^at bal^er ben SBunfd^, ba^ ®ott, toenn es möglid^ märe, nid^t einmal bie in ©einem 2)ienfte getl^anen ^anblungen bemerfen möd^te, um fie lebiglid^ ju ®otteS ©l^re unb ol^ne einige Slüdffid^t auf fid^ felbft tl^un 3U fönnen (afin de les faire unique- ment pour sa gloire et sans aucun retour sur lui meme). 2)aS ift bie

toal^rc „SReinl^eit ber Siebe."

5DaS einsige SSerlangen, meld^eS bie reine Siebe l^aben fann, ift ber

*) Les moeurs du F. Laurent, @. 455: La devotion du F. Laurent n*etait point sujette aux visions et aux autres choses extraordinaires. II etait persnade, que celles memes qui sont v6ritables, sont le plus söuvent des mar- nques de la faiblesse d'une ame, qui s'arrete davantage au don de Dieu qu'a

lai-meme. Entretien avec le F. Laurent @. 471: Que Textase et le

ravissement n'etaient que d'une ame qui s'amusait au don, au Heu de le re- letter et d'aller a Dieu audela de son don.

**) Les moeurs du F. Laurent @. 444: Lui seul est capable de se faire connaitre tel qu'il est. Nous cberchons dans le raisonnement et dans* les Sciences comme dans une mauvaise copie ce que nous neligeons de voir dans an excelient original. Dieu lui-meme se peint au fonds de notre ame.

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9Bunfd^ für (Sott ju leiben. 2)iefe§ Seiben, toenn gan5 jur ®]^re ®otte§ getragen toirb, reinigt bie ©eele unb ift eine ©enugtl^uung füt unfere ©ünben. 2)enn bie Heiligung ber ©eele toirb nid^t baburd^ eneid^t^ ba^ ber 3Jlenfd^ getoiffe SBerle tl^ut, bie er fonft nid^t ju tl^un l^atte, fonbern lebigtid^ baburd^, ba^ ber 3Renfd^ SltteS n)a§ er fonft für fid^ tf)Ut, auSfd^Iie^Iid^ jur ®]^re ®otte§ tl^ut (Entretien, ©. 482). 3»ii>ent bal^er ber in ber reinen Siebe lebenben ©eele il^r irbifd^eS Seiben nie genügt, fo ift für biefelbe ein Sroft, JenfeitS be§ ©rabeS ein gegfeuer JU loiffen, h)o fte 3U ®otte§ SSerl^errlid^ung ju leiben unb ©ott für il^re ©ünben eine ©enugtl^uung ju geben vermag (Abregt de la vie ©. 377).

S)ie SRamen ber jule^t ©enannten tourben balb burd^ einen 9Jlann »erbunlelt, ber um bie 3Witte beg Qal^rl^unbertS unb itod^ lange 3eit nad^l^er alä ber ©tern beS nörblid^en ^anfreid^^ gefeiert loarb, unb ber unbebingt al§ ber erbaulid^fte Vertreter ber quietiftifd^en SW^ftif^ weld^e ^ranlreid^ in biefer S^xi l^ercorbrad^te, angefel^en werben lann, nämlid^ burd^ ben gefeierten Jean de Berni^res - Louvigny, Slfö ©ol^n reid^er, abiiger ®Itern im Saläre 1602 in ber 5Rormanbie geboren, l^otte er fid^ einem toeltlid^en Serufe gemibmet unb toar löniglid^er Stotl^ unb Slentmeifter an bem S^HI^aufe ju 6aen geioorben. S3i§^er nur tocgen feiner au^erorbentlid^cn 3RiIbtl^ätig!eit unter ben Seuten ju Säen belannt^ h)urbe er fpäter (feit Slnfang ber 1640er S^i^i^e) loeitl^in aU J^od^er« leud^teter 5ßrebiger beg „inneren 2Beg§" gefeiert unb tourbe ber SWittel« pun!t ber frommen Äreife im nörblid^en ^anlreid^. Dft lourbe er um geiftUd^en SRat^ mfinblid^ unb fd^riftUd^ angegangen. S)ie legten ^a^xt feines SebenS oerbrad^te er in ftiller S^rüdEgejogen^eit, ÄU^fd^Iie^lid^ bem ©ebete unb ber ^örberung be§ inneren (Behüte in 3lnberen lebenb. ®rft 57 ^a^xt alt ^aud^te er am 3. SDlai 1659 betenb feine ©ecIe a\i§.

3laä) feinem Sobe mürben feine jal^Ireid^en 3Jtanufcriptc gefammelt^ unb unter bem 2^itel oeuvres spirituels in oier Sudlern (bie beiben erften betitelt: Le chretien Interieur ou la coDformite int^rieare, que les Chretiens doivent avoir avec Jesus Christ) l^erauSgegeben. 35aä erfte S3ud^ beS Chretien interieur erfd^ien 1678 bereits in ber jmölften Stuftage. 2)affetbe toar bamatS bereits in 30,000 Sjemptaren »erfauft. *) % 5ßoiret f)ai fpäter jtoanjig SluSgaben beS ÜBerleS jufammengcjäl^tt. Slu^erbem tourbe baSfetbe dud^ in Ueberfe^ungen verbreitet, ©d^on 1666 toar ju Slntmerpen baS erfte S5ud^ baS Chretien iDt^rieur in l^ol* tänbifd^er ©prad^e erfd^ienen, toorauf batb eine beutfd^e unb eine ita*

*) ^aö) 2lugfage be§ S5er(egerS im SBormort.

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Kcnifd^c UeBcrfc|ung (leitete t)on betn ^Prior Slfejanber ßenami ju Succa DCtanftaltct) nad^folgten. *)

SouDtgnp ftnbet bie SSoBIommcnl^eit beS religiöfcn ScbenS in bcr „®Icid^förmig!eit mit S^f^ ßl^rifto mittelft ber mpftifd^en SBer« cinigung mit il^, fonberlid^ in bcr Sie6e ju feiner älrmutl^, SSer ad^« tung unb 3U feinem Seiben, toie aud^ in bem immerlüä^renben ^erjenS* gebet unb ünblid^en SOBanbel in ber ©egenmart ©otteS". ©0 ftellt Serfteegen ©. 59. ben Äern ber Se^re S.'ä rid^tig bar.. 3)a6et ift jebod^ JU Bead^ten, ba^ für ßouüignp ber 3lame 6§rifti eine Sebeutung l^at, bie mir nur bei toenigen Duietiften toieberfinben. ®r fogt (S. 236): „3)aä SBefen be§ ß^riftentl^umS beftel^t barin, fid^ felbft ju verleugnen fein Äreuj auf fid^ ju nel^men unb Qfefu nad^3ufoIgen". SltterbingS fommt aud^ Soumgnp l^ierbei nid^t über ben ©ebanfen ber 5Jlad^bilbung beS Sebeng Qfefu l^inauS; aber d^arafteriftifd^ ift e§, ba^ er (im SBiber* fprud^ mit 3ilalar>al unb Slnberen) ben ®eban!en Dertritt (©. 287)- „2Benn man jur ©rlenntni^Sefu ßl^rifti in ©ott gelangt tft,mu5 man fid^ nid^t berma^en mit ber ©ottl^eit befd^äftigt Italien, ba^ man ba^ gelreujigte Seben ^e^u ßl^rifti t)etgeffe, meld^eg h>ir immerbar in unS auäjus prägen trad^ten muffen, in roeld^em ©tanbe lüir aud^ immer fein mögen." 3m Uebrigen vertritt Souvignp alle ©cbanfen unb Slnfd^auungen, it>eld^e überl^aupt ber quietiftifd^en 50ti)ftil eigentl^ümtid^ finb, ®r rebet vom „blojsen" unb „nadften (^laxibm'' gerabe fo wie bie anbern Quietiften, 3. 35. ©. 383 (too er unter bem 3. SKärj 1653 einem ^eunbe fd^reibt) : „2)u l^aft gar vool baran getl^an, ba^ bu beine ©ebetSübung veränbert l^aft, unb mid^ bünft, ba^ biefe SSeränberung von ber ©nabe ^errül^rt. 2)arum l^alte bid^ in bem Slufmerfen auf bie ©ottl^eit felbft von allen ^Begriffen unb ©ebanfen an bie Sigenfd^aften unb SBottfommenl^eiten ah gefonbert. SJiefeS ift ein 3lufmerfen beS ©laubenS. 3)er ©laube aber ift einfältig unb blo^, Iveld^er, menn er lauter ift, bie SSielfältigfeit au§* fd^Iie^t; unb biefeö ver^inbert nid^t, ba^ beine Seele nid^t fottte eine Sereinigung mit ber unenblid^ vottlommenen ©ott^eit l^aben, obfd^on fie leine unterfd^ieblid^en ©ebanfen von ben göttlid^en SSottfommen^eiten ^at.

*) 3n 2)eutfd^ranb tourbc Souöign^ l^au^jtfäd^Iid^ burd^ einen %\x^^xQ be* fannt, toetd^ißn Xerfteegen aug ben ©d^riften beffelben unter bem ^itel vcröffent* lic^^te: „5)a8 öerborgene geben mit ©l^rifto in ®ott, 2luf eine rcd^t* ®ban0elifdje SBeife entbetfet, unb nad^ feinen toefentUd^en ^igenfd^aftcn unb SBir* düngen öormaU in granjöfifd^er Bpxad^^ bef einrieben öon bem erleud^teten Johann t)on Beruieres Louvigny. ainje^o ani aUm beffen gottfeUgen ©d^riften in teutf ci^er ©})rad^e für^Ud^ jufammcngejogen. granffurt unb Sei^äig. 1728." 9ladjf bicfer beutfd^en Sluggabe berid^te id^ über Souöign^'S Seigre, m^alh bie angegebenen ©itate auf bicfelbe ju bejiel^en finb.

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Unfcr §err fängt an bid^ Icibentlici^er SBeife ju entblößen; laffc tl^n mai)tn, fo wirft bu t)on feiner ®üte unb SKad^t eine gro^e Sarml^erjig« leit empfangen, fo^nn bu bereinft inS Slid^S gebraci^t fein lüirft. 2)iefeS ift baS „reiche 5Bi(i^t8" *), worin (Sott gefunben xoxxi, naci^bem man baS S3ilb aller ßreatur unb aud^ fid^ felbft oerloren l^at."

9iod^ beftimmter fprid^t fid^ £. über baS SEBefen beS ,,nadften ©lau^ Benö" S. 155 au^: „Siäloeilen beraubt (Sott bie ©eele ber Älarl^cit unb beS. ©efd^madeS beS ©laubenS, um fie auf eine tounberbarc SEBeife leiben ju laffen. 9lad^bem er fie in ben (Srgo^ungen unb ^euben biefeö erleud^teten @Iauben§ gefül^rt l^at, fo entbötet er fie unb lä^et fie in bem nad^ten ®Iauben unb in ben l^eiligen 3!)unlell^eiten, toeld^e bid^ter finb alä bie ^inftemi^ SlegpptenS. hierin mu& nun bie ©eele aEcin oon ®ott leben, fie barf an ben (Sreaturen fein Söo^lgcfaHen mel^r l^aben unb mu^ baS Äreuj unb Seiben, loeld^eä über fte fommt, toiffig tragen. 3)a§ SllleS toirb ol^ne Sid^t, ol^ne ©albung unb ©efd^matf, ja fogar in großer Unluft unb bunfler fjinftemi^ getl^an unb gelitten. 2lber ®ott läfet bie ©eele in biefen Äampf nur ju bem ßroetfe ge^ ratl^en, um il^r ben ©ieg ju geben. 2)arum ift nid^ts verloren, loenn man fid^ nur fo oerl^ält, ba^ man jugleid^ leibet unb liebt".

SEBie aEe Duietiften fo l^ebt au(^ Souoignp l^ertjor, ba^ ®ott nirgenbä anberS ju fud^en ift, als „im ®runbe ber eignen ©eele". ®iefeä ift (©. liJ9) „baS innere Kämmerlein, h)0 ber 3Renfd^ ®ott finbet unb in einer munberbaren SEBeife feiner geniest." §ier gelangt ber SKenfc^ (©. 135) jur coHfommenen (Sinl^eit mit ®ott". 2)aS ©injige, toaä bie ©eele ^ierju ju ti^un ^at, ift (©. 111), ba^ fte ftd^ „®ott überlädt, fid^ gegen bie göttlid^en SEBirlungen nur leibentlid^ oerl^ält unb mit (Sin^ falt l^innimmt, roaS ®ott il^r geben toiH." 2)iefe ^ßaffitjität ber ©eele ift aber feine 9Jlüfeigfeit berfelben. S)enn inbem fid^ bie ©eele in biefcr 5Paffit)ität aller S)inge unb fogar il^rer felbft entäußert, mad^t fid^ biefelbe l^ierburd^ be§ (Smpfanges ber übematürlidBen 3Sirfungen ®otteS fällig (©. 133). ®ie unmittelbare SEBirfung biefeS bel^arrlid^en paffit)en SSer^ l^altenS unb biefer ©elbftentäu^erung ber ©eele ift aber ber (Eintritt beö innern ©tillfd^to eigens berfelben (©. 138).

S)ie ©elbftentäu^erung ber ©eele ift ber mpftifd^e 3^ ob berfelben, in loeld^embie ©eele ein breifad^eS 2lbfterben erleiben mn^ (©. 138—139). S)ie erfte Slbtöbtung ift ber 3: ob ber äußeren ©inne, ber fo eintreten mn^, ba^ alle ftnnlid^en ®egenftänbe ber ©eele juioiber unb ju lauter Äreuj toerben. ®enn fo lange bie ©eele nod^ an ben ßrgö^lid^fciten

*) (^n bei )8out>i0nl^ l^äufig t>or!ommenber SluiSbruct.

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bcr ©innc l^ängt, lann ftc fid^ untnögltd^ ju (Sott etl^cben." Der jtoctte %ob ift ,,btc Sßcrnid^tung aller ©eftci^te unb ®mpfinbUd^!eiten ber inneren ©tnne". S)er brttte %oh, burd^ toeld^cn bie ©eclc gelten mu^, ift ber, ba^ bie ©eele felBft bie „Sßirffamleit ber ©eifteS? ftäfte, be§ ©ebäd^tniffeä, be§ SSerftanbeS unb be§ 2BiIlenS abfterben ntad^t." „2)iefe§ ift ba§ Sltterfd^toierigfte. ®§ gel^t ge^ räume 3^i* barauf l^in, el^e bie ©eele nur einfielet, ba^ biefe älbtöbtung nötl^ig fei; unb nod^ mel^r 3ßür ^^^ f^^ jw berfelben gelangt. Unb tocnn nid^t ®ott ber Seele äffe 5Ral^rung unb äffe ©tü^en entzöge, bie fie t)on il^ren eigenen Sid^tern (lumi^res) unb t)on il^ren eignen SBiffenS^ regungen (affections de la volonte) empfängt, fo mürbe fie nimmermehr bamit fertig toerben."

SDiefer breifad^e %oh ift bie SSorbebingung unb ber 3lnfang beS ueuen ScbenS ber ©eele, toeld^eS fid^ in bem inneren ©ebete (oraison) berfelben bet^ätigt. Ueber ba§ SBefen beS inneren ©ebetöIebenS fprid^t fid^ Souüignp am Doffftänbigften in einem auSfül^rlid^en ©enbfd^reibcn Dom 20. Dftober 1654 au§ (©. 174—182):

„3)a§ ®ebet ift eine ©rl^ebung ber ©eele ju ©ott burd^ bie Äraft feines göttlid^en 3wge§, raeld^er, inbem bie ©eelc äffe äußere unb innere ßreatur überfteigt, biefelbe in eine gänjlid^e ©ntblö^ung t)erfe|t, um fie ber unmittelbaren unb t)off!ommenen Bereinigung mit ©Ott fällig 3u mad^en. 2lffer Seiftanb, ben man ber fd^on 3ur ©nabe beS inneren ®ehei§ gelangten ©eele geiüäl^ren fann, befd^ränlt fid^ barauf, ba^ man fie non 3^^* jw 3^it baran erinnert, fte möge fid^ nid^t bei. ©tiüaS auf^ l^alten laffen, ma§ nid^t ©ott felbft fei."

„3)a§ innere ©ebet ift enttoeber ein fold^eS, bag jugleid^ tl^ätig unb Icibenb ift, (inbem balb bie ©eele felbft toirlt, balb ©ott in fid^ mirfen lä^t), ober es ift ein fd^led^tl^in leibenbeS, inbem ju feiner einzigen ©tü|e ben leibentlid^en 3wg ©otteS l^at. ^n biefem ©tanbe nimmt bie ©eele bie göttlid^e SSßirIfamfeit burd^ eine ftifffd^toeigenbe 3uftimmung in il^rem tiefften ©runbe auf unb lä^t fid^ nad^ unb nad^ erl^eben üon ben ©innen 3um ©eift unb ©on bem ©eifte 5U ©ott, ber in bem ©runbe ber ©eele feinen ©i^ l^at."

„^ biefer ganjen Srl^ebung erfäl^rt bie ©eele, bafe fte entblößt loerbcn mu^ von ber 3ii«^i9wng ju ben mal^mel^mbaren ©nabcngaben, Sid^tern unb ©efü^len. SJarum entblößt fte ©Ott mit Unoermögenl^eit, §infterni^, 3)ürre unb Unempfinblid^feit, toaS bie ©eele in üofffommener ©rgebung tragen m\x^. ©ott t)ermel^rt aud^ il^re inncrlid^en ©d^merjen unb lä^t ju, ba^ Smeifel in il^r auftaud^en unb fte in ein 3)unlel fül^ren, too fie gar ntd^t« mel^r t)or fid^ fielet."

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„S)a ift bic ©eclc in ben ©tanb bcr aScrnid^tigung cingc« treten, in bcm ®ott jte auS fid^ felbft unb an^ altem ©efd^affenen l^er^ au§ gejogen l^at, bamit fie in. ®ott allein rool^ne. 3)iefeä SEBol^nen in (Sott unb biefeä SScfeftigtroerben in il^m ift il^r ®ebet."

„3n biefem ©tanbc beS bunleln OlaubenS toirb bcr m^ftifiä^c %oi fortgefe^t; fo jebod^, ba^ ba§ göttlid^e Seben ber ©eele in xf)m feinen Slnfang nimmt. 3)ie ginftemi^ beä (SlaubenS Beginnt affmäl^Iid^ aufju^ l^etten unb bie ©ce(e entbedft, waö ©Ott in ftd^ ift. 3)iefe§ allgemeine ftitte Sid^t etfennt anfangs in ®ott nid^tä Unterf d^ieblid^e§ ; allmäl^Iid^ aber entbeit bie ©eele ben §errn Qfefum ßl^riftum in bem 2l6grunbe ber ©ottl^eit auf eine überfd^toenglid^ l^enlid^e SSBeife, inbem fie il^n fielet, mie man in bem 1^ eilen ©lafe eine§ ©piegels ein fd^öneS Silb fic^t, meld^eS in ber Äammer ift. Sie ©eele erfäl^rt unb fd^mcdt eS aber, bafe nid^t baS »ilb (Sl^rifti, fonbern (S^riftuS fclbft ift. Sorbem l^atte ber SKenfd^ tool^I eine ©rlenntni^ beS §errn S^f« ©i^tifti in ben^Äräf^ ten ber ©eele, t)off ©nabe unb SßJal^rl^eit; je^t aber beginnt 3efu§ baS eigne Seben ber ©eele ju fein."

„2)ie ©eele fann in bem ©tanbe ber SSernid^tigung aud^ münblid^e ©ebete oerrid^ten, fann aud^ nad^ einer geit>iffen Slegelfid^ in ber 2lbs töbtung nod^ mel^r üben; baö 3ltteS tl^ut bann aber ß^riftuS in i^r, ber il^r eigenes Seben getoorben ift.

(Sä gab in ^ranfreid^ Unjä^ige, toeld^e biefe in ber großen 9Renge ber 2lu§gaben unb Ueberfe^ungen, in benen Serniereä' ©d^riften er^ fd^ienen, auSgefprod^enen unb ireit verbreiteten ©ebanfen al§ eine ganj neue ©eftalt beS (Soangeliumä , alg (gntl^üllung beg oon ber ©d^ale ber fird^lid^en Dogmatil oerbedften Äerneg beffelben betüunberten unb priefen. (Sine mäd^tige ßrregung ber ©emittier, ooH tiefen ßrnfteg unb aufrid^tiger ^ömmigfeit ging oon ber ^Perfönlid^feit unb ben ©d^riften Serniereg' aug, ber im nörblid^en ^ranlrcid^ lange 3^i^ l^inburd^ ber bominirenbe SUlittetpunlt aller quietiftifd^^frommen Äreife toar.

Sn benfelben ragte burd^ ©eburt unb perfönlid^en (Sinflu^ oor Slllctt ber eble SKarquig ©afton ^tan SSaptift o. SRentp*) l^eroor. ^m ^af)xe 161*1 auf bem ©d^Ioffe S3eni in ber niebern 5Rormanbie alg ein* 3iger ©ol^n feineg reid^ begüterten 35aterg geboren, tüar SRentp frü^jeitig

*) 2)ag 2ehtn beg 9Rarquig bon 3lent^ ift öon beffen ©eelenfül^rer, bem ?ater ©aint Suriug befd^rieben. 2)iefe »iogra^lj^ic fott in $arig 8—10 Sluf* lagen erlebt baben. ^oiret ebirte biefelbe fobann in 2lmfterbam 1701 unter bem Xitel: Le chretien reel etc , unb Xcrftcegcn beranftaltetc aug il^r einen SluSaug, bcr in ben „Sebengbefd^teibungen l^eiliger ©eelen," 93. I. ©. 7—180 ah gebrutft ift.

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burd^ bas 8ud^ beS %f)oma% a Äcmpiö „SBon bcr SRad^foIge G^tiftt'' auf bcn „innem 28cg" bcr ^ömmiglcit gcfül^tt tootbcn, ouf locld^cm il^n ber ©ebanfe erfaßte, ba^ ßi^riftuS älHeg in Mem unb ba^ er felbft 9itd^tS fei. SSott ba an mit großem ®ifer nad^ ber d^riftlid^en SSott* fommenl^eit ftrebcnb unb (jum großen Scibtoefen beS SaterS) feine ganje äußere Sebengftellung für SRid^tS ad^tenb, lam er inbeffen erft gegen 6nbe be§ S^^^^ä 1644 mit feiner innern reltgiöfen SebenSenttoitflung 3um äbfd^Iu^. 3Rit einer in fein eignes S3lut getaud^ten geber fe^te er bamals (am 3. 33ecbr. 1644) eine ®rllärung auf, toeld^e lautete: ,,3^ fd^enfe SDir meine ^rei^eit, o mein ®ott, unb begel^re oon 2)ir baä 5Wid^t3, tool^in ein 6§rift lommen mu^, bamit er rein ju 2)ir gelangen möge.

®afton Sem Saptifta.

„S)er §err S^fwS ^(nt ftd^ felbft ausgeleert uub t)ernid^tigt bis pm Sob, ja jum %oie am Äreuje, barum l^at il^n aud^ (Sott erl^öl^et. 3)en 3. S)ecbr. 1644 Slmen."

gortan mar fein ganscS inneres Seben t)on bem ©ebanlen ber ©elbftocmid^tigung (aud^ feiner S^ugenben unb feiner ©nabengüter) bel^errfd^t, burd^ hjeld^e er jur ooHfommenen SRad^al^mung beS SebenS unb Seibens ß^rifti unb gu einer fold^en ^Bereinigung mit ®ott gelangen -wollte, ba^ atteS eigene Seben in i^m 3um ©rlöfd^en unb ®otteS SBiHe in feiner ©eele 5ur auSfd^lie^lid^en SBirIfamfeit fomme. 3lm SBeil^nad^tSs fefte 1643 unterjeid^nete er eine @rflärung, burd^ meldte er fein eignes SBBefen ganj tjon fid^ toerfenb pdb „feinem Äönige, bem l^eiligen Äinbe gefu" als ©flaoe ganj 3U eigen gab. 9lur bem ^erjenSgebete ergebenb erllärte er, ba^ er fid^ beS SSerftanbeS unb beS ©ebäd^tniffeS im ®e« bete nid^t ju bebienen loiffe» 9Sie aSe Duietiften ging aud^ er babei burd^ lange anbauembe innere Seiben l^in, in benen er ftd^ l^art am Slbgrunb ber $ölle ftel^enb fal^, jebod^ beS ©ebanlenS fid^ tröften, bafe er barin nur feinem ^eilanb nad^folge unb mie biefer bie Strafe ber ©ünbe trage, ©ein als SRad^folge Qefu getragenes Seiben mar il^m bal^er eine 33ürgfd^aft feiner innern Säuterung unb feiner roerbenben Sereinigung mit ®ott, beffen ®egenmart il^m nimmer auS bem ©innc lam unb beffen gnäbigen äBillen er ftd^ gänjlid^ überlief. S)abei toar 9lent9 unabläfftg bemül^t, nid^t nur bie innere, auf ben 5Ramen S^fu (S^rifti gegrünbete ^ömmigleit überall, Jool^in er lam (auf feinen ®ütem, im Ärcife feiner SBelannten ju Slouen, ju ^PariS 2c.) 3U ertoedfen, fon^ bem aud^ SBereinigungen, benen in ber SQSeife ber erften ß^riftengenteinbe JU 3^wfolem alles gemeinf am fei, inS Seben ju rufen unb baburd^ ben Seift d^riftlid^er ©emeinfd^aft im SSolfe neu 3U ertoedfen. ©0 begrünbete er gtoei ©ocietäten t)on ©d^neibern ju 5ßariS, unb eine ©ocietät Don

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©d^ul^mad^em bafelbft unb eine anbete ju ^ouloufe, beten älngel^ötige jufammenleBten, Sltbeit unb SSetbienft gemeinfam l^atten, unb SKotgenö unb SlBenbeg, fotoie bei bem Seginn einet jeben ©tunbe gemeinfd^aftlid^ Beteten. 3)ie Dpfetroittigfeit, mit toeld^et ftd^ SRent^ ollen Ätanfen^ Sinnen unb Sebtängten ju ßl^tifti ®l^te I;ingab, toat lanbfunbig, @t ftatb am 24. Slptil 1649, nod^ mit feinem legten Seufjet ben 9lamen 3efu befennenb.

ÜRit il^m im lebhaften SSetlel^t l^atte bie SSotfte^etin beS S)ominicanets innenfloftetä ju 5ßatig ©lifabetl^ Saillou obet (wie fie mit il^tem Dtbenänamen ^ie^) ©lifabeti^ com Äinbe Sefuä geftanben. *) 3)ies felBe (am 22. 3«Ii 1613 ju ^ßatiS t)on Begütetten ©Itetn geBoten) toot noä^ ganj jung in baS ^loftet (anfangt ju 3Re^; l^etnad^ 5U ^atiS) ge« gangen, um l^iet ganj ungeftött „in bet ©egentoatt @otte§" leben 3U fönnen. ^^xe Sleligiofität l^atte ballet t)on älnfang an ein quietiftifd^eS ©e- ptäge, fo jebod^, ba^ babei bet ©lauBe an bie ©etedbtigleit Sefu ß^tifti Bei il^t in faft eoangelifd^et Älatl^eit l^etootttat. ©ie Belannte eS offen, ba^ man allen S^toft „in ben Setbienften (Sl^tifti beS ©elteujigten" fud^en muffe. 3m UeBtigen toaten i^te teligiöfen 3lnfd^auungen butd^auS bie bet quietiftifd^en SW^ftif. „^n bet SSetnid^tigung ," fagt fie, „Baut ©Ott ben 2l^ton feinet $ettlid^Ieit auf. 3)utd^ bie 3Setnid^tigung lebt biefet gütige ©Ott in un^ in bet ^ixüe feinet Siebe,- unb butd^ biefelbe mad^t 6t, ba^ mit in Ql^m leben, fo baf{, loenn eine ©eele jut völligen SBetnid^tigung gelangt ift, ©Ott toitflid^ ju il^t fptid^t, toa§ et fonft ju feinem ©ol^ne fagt: „§eute l^aBe id^ 2)id^ gejeugt," ba et betfelBen in il^m ein neues SBefen unb ein neue§ SeBen gieBt.

Sn biefet SSetnid^tigung alles natütlid^cn unb eignen SBefenä bet ©eele fal^ fie bie loefentlid^fte SSebingung bet 3flad^Bilbung beS SebenS ß^tifti ünb einet SSeteinigung mit Qll^m, in loeld^et ßl^tifti SBitte fo 3um SEBiffen beS SDlenfd^en loetbe, ba^ biefet in tul^igftet ^Paffioität gefd^el^en laffe, loaS ß^tiftuS, m.aS ©ott mit i^m ootl^aBe. Qn bie[em ©innc fd^tieb fie an Setniet: „Qd^ ^aBe bie ©eftalt etfannt, in bet meine ©eele ftel^en muffe, bamit fie mit bem SSotl^aben, meldjfeS bet ©ol^n ©ottcS, mein alletliebftet ^eilanb, mit etöffnet l^at, oijllig übeteihftimmt: ba^ et nämlid^ in mit moffe geboten loetben unb bemnad^ butd^ bie SBitffamleit bet ©nabe bet Siebe in mit alle bie ©el^eimniffe obet ©tänbc.

*) 3)ie SebcnSbefd^teibung bet ©lifaBetl^ öom Äinbe S^fuS toutbe öon beten Äloftetfd^toeftetn, ben 2)ominicanetinnen ju ^atiS, 1680 öeröffentlid^t. Rottet btudte biefe 83io0ta^)]^ie 1702 ju Slmftetbam als jtoeiten Xl^eil feines Chr^tien reel ah, unb ^etfteegen t)etanftaltete batauS einen ^luS^ug in feinen „SebenS:: befdJteiBungen j^eiliget ©eelen/' 33. I, ©. 3—144.

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burd^ rocld^c er eben m^ feinet Siebe in ben Slagcn feines ^leifd^eä ge« gongen ift, in mir erneuern hJoHe."

SemiereS antwortete il^r l^ierauf, i^re ©ebanlen beftätigenb: „SJBenn bie Seele ganj oernid^tigt ift, fo ejiftirt in il^r nur nod^ ßl^riftuS; bic ©eele aber ift nid^t mel^r, lebt nid^t mcl^r unb roirlt nid^t mel^r. S)iefe8 ift bie le^te ©tufe ber SBottenbung, ba ß^riftuS in ber ©eele eben bie« fclben ©el^eimnijfe lüirft, bie 6r allein l^ier auf ßrben leibenb, l^anbelnb, wanbelnb unb rebenb gewirlt l^at, unb fo baffelbe seitlid^e Seben, toeld^eS ®r auf ßrben gelebt l^at, erneuert. 3)iefeS ift baS größte SBunber, ba^, ba SefuS in ber Sroigfeit ift, in ben ©d^oo^ beS 93ater§ t)erfunlen, bennod^ ganj von 5Reuem beginnt 3Jlenfd^ ju werben, geboren ju toerben unb 3U leben in ber 3^*, gleid^toie er barin in ben 3^agen feines fterblid^en 2eben§ gelebt l^at."

Slu^er Semiereö war i^r oertrautefter geiftlid^er Seratl^er ber Seid^t? rater be§ Älofter, ber ebenfallä ber quietiftifd^en SKpftif ergebene $atcr ©aint S^^iwS. 3Son il^m liegt ein 33rief an ©Ufabetl^ t)or, auS roel« d^em JU erfel^en ift, in ioeld^em ©inne er beren ©eele leitete. $. SwriuS fd^reibt il^r nämlid^: „©ie l^aben oftmals in Ql^rem ©laubenäbefenntni^ biefe SBorte auSgefprod^en: „®r ift niebergefal^ren jur ^ötte, am britten 3^age mieber auferftanben oon ben S^obten, aufgefal^ren gen §immel." " ©ie muffen ioiffen, meine liebe ©d^toefter, ba^ eS in bem geiftlid^en Seben einen ©tanb giebt, ben man ben ©tanb ber §öffe nennt, unb einen anberen, h)eld^er ber ©tanb beS ^ßarabiefeS genannt toirb. ^ffx S3rief berül^rt biefen erften ©tanb unb ©ie l^aben aud^ etloaS t)on bem gtoeiten erfal^ren. Erinnern ©ie fid^, ba^ ^^x ®ut in Ql^rem 2ob beftel^t, 3l§re 3SollIommenl§eit in Ql^rer 3Semid^tigung. ©terben ©ie barum allen 33egierben ab, felbft ben Segierben ju benjenigen S)ingen, bic S^rer 5Dleinung nad^ S^nen am förberlid^ften finb, unb bringen ©ie ftd§ immermel^r 3um $Rid^tS mit unferem §errn Qefu, von ioeld^em ©anct 5ßaulus fprid^t: „®r l^at fid^ felbft oernid^tigt." " SieHeid^t toxxh Ql^nen biefeS 3U 9lu^ gereid^en; bel^erjigen ©ie nur, ba^ Sinnen nid^tS fo notl^j tüenbig ift al§ QfefuS ßl^riftuS allein, unb ba^ eS allein (Sott ift, in toeld^em ©ie ^f)xt Slu^e unb Ql^re SSoHfommenl^eit finben fönnen." -

3)iefe§ le^te 2Bort il^reS treuen ©eelenfül^rerä betoal^rte ßlifabetl^ in treuem §erjen bis an il^reS SebenS ®nbe, loeld^eS am Ö. 2)ecember 1677 erfolgte.

S)er 3WarquiS Sflentp prieS bie ©lifabetl^ als eine ber erl^abenften ©eelen, toeld^e er lannte; aber l^öl^er nod^ fd^ä^te berfelbe eine DrbenS- frau, bie ebenfalls mit il^m unb mit SemiercS im trauteften SBerlel^r ftonb, nämlid^ bie Urfulinerin „5Waria t)on ber SBenfd^tocrbung,"

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25icfcI6c, il^r cigentlid^cr 3lamt toar 3Raric ©u^art*), h)ar am 18. DftoScr 1599 t)on unbemittelten ©Item 3U %o\xx^ geboren. ^rül^3eittg xoax in il^r eine Brünftige OfefuS-SieBe erroad^t, hjeld^e fie 3ur Snnertid^feit fül^rtc. Ungern trat jte naä) bem SBiffen il^rer ©Itcrn, crft ftebjel^n Qal^re alt in bie ®l^e, au§ bcr jte ftd^ jebod^ fd^on nad^ ßtoei gal^rcn burd^ ben 5Cob i^reS 9Ranne§ Befreit fal^. ©ie hjor frol^, je^t bem 31*8^ ifireS ^erjenS jur @infamleit unb ©titte folgen ju fönnen, Brad^ bal^er allen 33erfel^r aB unb lebte bcr Kontemplation unb bem ®eBet. §ier burd^IeBte fie nun Balb.bie t)erfdficbenen ©tufen ber ^Kpftil, bie 35cr« nid^tigung ber ©inne unb ber ©eifteSfräfte, bie SntBIöfeung, bie SluS^ leerung, fortn)äl^renb im fd^merjltd^^ü^eften 2ieBe§t)erIe]^r mit Sefu fd^toelgenb. Salb fal^ fte fid^ aud^ in il^rer ©eelc ju ©d^auungen erl^oBen, in benen il^r bie (Sel^eimniffe (äotteS offenBar würben. 3n einer biefer SSifionen fd^aute fie bie brei ^Perfonen ber 2^rinität in il^rem SieBeäoerfel^r (communication internes) unb fal§ unb fül^Ite eS, h)ie baS ehjige ;,3Sort" fie umarmte unb jid^ mit iJ^r.alä feiner 53raut fo innig vereinte, ba^ fie ftd^ felBft ganj in (Sott Derlor, unb burd^ biefe ©elBfterlierung in ben l^immlifd^cn ©elieBten ,,gan3 ®r felBft" warb. Slii bie ©teHc il^reS eignen SBiUenä mxxr nun burd^ ben l^eiligen ©eift ber SHJille ©otteä ge? treten. ©eitbem fal^ fie ftd^ ate üon ber Sßelt gan3 aBgelöft an unb 30g bal^er, i[)r einsigeS Äinb ber gürforge ©otteS üBerlaffenb, 1631 in ba§ Urfulinerinnenf (öfter 3U 2!our§ ein, too fie ben Siamen „?Dlaria von ber SKenfd^enmerbung" annal^m.

§ier crful^r nun i^re ©eelc toieber aläBalb bie mäd^tigften Erregungen, in benen fie burd^ SlBgrünbe ber ginfterni^ unb beäSid^tS l^inburd^ging, Bi§ es pd^ in il^rem inneren toieber flärte. „Qd^ fanb mid^," fo Bc- rid^tet fie, „in einem neuen ©tanbe. 2)iefcr ©tanb mar. ein griebe, eine Stulpe, ein 3?id^t-h)otten, unb ein SOBol^nen in bem SBiffen ©otteS."

©inige 3^^^^^ fpäter (1639)- loanbertc fte mit einer nad^ ßonaba Beftimmten 3Jliffion nad^ Slorbamerila aus. SSemicreS, mit bem fte fd^on geraume ^di l^inburd^ im 3ScrIcl^r gcn)efen. Begleitete fie auf ber Steife Big nad^ 2)ieppe.

*) 3)ie SRittl^eilungen über il^r Scbcn l^at il^r (bon il^r bcriaffener) ©ol^n beran(af;t, ber (ebenfalls ber quietiftifd^en äR^fti! ergeben) ald ^enebütiner unter bem Flamen Claude Martin (aud^ aI8 Sreunb ber grau bon ®u^on, aSio« graj)]^ie I. 29, 5. 10) Befannt getoorben ift. a)erfelbe öcröffentUdJte nadj bcr 3Kuttcr %oh bereu 93io0raj)l^ie gu ^ariS 1677 unter bem %xieU La vie de la V. Mere Marie de l'Incarnation. SCud^ ©riefe berfelben tourben JU $ariÄ ebirt. a;erftee0en fkellte barau« in ben SebenSbefdJreibungen l^eiliger ©eelen ». I- einen ^ud)ug l^er.

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3n Sanaba leite jte nun old SSorftel^erin eines neu emiS^teten ftlofterS, toelä^t^ hex ÜRtttelpunIt ber unter ben SStIben begonnenen 3Rtffton wax. 3[u3 ben jal^Iretd^en Slufseid^nungen, bie fte bafelbft maifte, etf^eUt, tote tief jte jtd^ in bie quietiftifc^e STOpftil eingelebt l^atte. ©er Sentralgebonle, ber il^re @ee(e bel^errfd^te, toar ber bed ,,f[eifd^getoorbenen SBorteg/' burd^ beffen Siebe jte [xi) gereinigt, befeligt unb Dcrjel^rt füllte. Dft fal^ jte jtd^ in il^rer SSerjüdung im Slngeftd^te ber $ßlle ftel^en unb tl^re @eele empfanb bie Qual ber SSerbammni^. 3Sar aber bie Qua( »Drüber, fo tröftete jic fxi) bamit ben ©ebanfen an baS „flcifd^getoorbene SBäort" aud^ in bicfem SleinigungSfeuer fcftgel^alten, unb baffelBe in voU-- {omntenfter Siebe unb ©rgebung ertragen ^u l^aben. Oft rebet fte baoon, bo^ fie bereit fei in bie $öttc ju gelten, toenn eS ju größerer Serl^crr« lid^ung ®otte8 gefd^cl^en lönne. Sie Bereinigung mit ®ott, in ber fte lebte, bejeid^net fte als ein fanfteS, lieblid^eS 2ttl^men in ®ott, in welchem fie fid^ oft gcbrungen fül^Ic, in unauSfpred^Iid^er SBcife 3U ®ott ju reben. Ueber irgenb ©ttoaS ju mcbitiren, fei i^r bann unmöglid^. 3Dlaria, meldte t)on SerniereS ate bie S^l^erefia ber neuen SJSelt gepr.iefen toarb, ftarb am 30. Slpril 1672.

Slu^er ben ®enannten unb au^er benen, roeld^e bem öon Semiere« repräfentirten Äreifc angel^örten, lebten aber in granlreid^ unjäl^Iige Slnberc, bie auf biefem ober jenem SEBcge mit ben ®cbanfen ber quieti« ftifd^en SDlpftil t)ertraut getoorben toaren, unb in bcrfelbcn il^ren ^rieben fud^tcn. Unb jtoar fanb fid^ biefc Stid^tung in allen ©tänben unb in allen ©d^id^ten ber ©efeUfd^aft t)or. §od^bcrül^mt toar um bie 3Ritte beS fieb3el^tttcn ^al^rl^unbertS unb in ber näd^ftfolgenben ^exi bie „gute- Srmelle/'*) eine arme 3)icnftmagb, bie am 9. September 1606 in ber Bretagne als S^od^ter eines SauerSmanneS , ®eorg SlilolauS, ge* boren toar, bie ganj allein auf il^rem einfamen ftiHen SBege baS SBefen ber „inneren ^ömmigfeit" gefunben unb biefelbe mit ber ganjen 3^' Brunft il^reS treuen §er3enS beroal^rt unb gepflegt l^atte. „®S mu^ geftorbcn fein, bamit man in ®ott leben fann," fprad^ fie oft. Unablaffig rang fie barnad^ fid^ felbft abjufterben, in ber ®egentoart ®otteS ju

*) 3)iejelbe fonnte Weber Ufen no6) f einreiben ; aber eine Urfulinerin ju SJen* neS, Soanna be la 3'latiöite, bie mit il^r be!annt war, fdjrieb ibre 2Rittl^ei(ungen auf, bie ftd^ aUmäl^Ud^ au einer auSfül^rUd^en ^iograpl^ie t)erboEftdnbigten, toeldjt unter bem Xitel „2)er Xriumj))^ ber göttlid^en 2i^he'* jWeimal ju ^ariS im 3)ruc! erfd^ien, unb l^ernad^ in f orgfältiger Ueberarbeitung öon ^ßoiret 1704 juSlmfter? bom unter bem Xitel „2)ie ©d^ule ber reinen Siebe ©otteS" l^crauSgegeben warb, hieraus beranitaltete Xerfteegen einen 2luS§ug unter bem Xitel: ,,2)aS Seben ber «rmeUo SlifolaS" in ben „ßebenSbefdJreibungen l^eUiger ©eelen/' ö. I.

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leben^ tmb in freubiger SelbftüberlafTung an @0tt; in gebulingem %xa%en oSer ^eimfud^ungen unb Seiben nad^ bem SSorbUbe ^e^u fid^ 3U einet fold^en SSereinigung mit ©Ott 3U erl^eben, bajl fte gan) unb gar ju einem SSJerljeuge ©otteS toürbc. ,,®S lebe 3efu8 unb feine ©d^racrgen/' h>ar ii^t aOSal^Ifprud^. 3118 fte am 24. Dftober 1671 geftorben ioax, tarnte i^v @eelenfül^ret von if)x: „^^ l^abe baiS QHüd gel^abt^ biefe trefflid^e ©eele an bie brei^ig ^al^re ju fennen unb il^r ju bienen; jte toar in SBal^rl^eit ein ©erapl^ auf @rben."

SSiie in ^anfreid^ fo l^atte bie quietiftifd^e üRpftit aber aud^ in Belgien einen überaus frud^tbaren 93oben gefunben. S)od^ tüurbe ber« felbe l^ier in weiteren Äreifen erft infolge ber SBirlfamfeit einer Älofter« frau, ber faft h)ie eine ^eilige oerel^rten 2luguftinerin Sol^anna ÜRaria t)on ßambrp l^eimifd^*).

So^anna toar am 15. Slooember 1581 ju SJouap geboren. 3^r 33ater ^Jitd^el oon Sambrp xoax erfter Statl^ ber ©tabt Siouma^; i^re 9Rutter l^ie^ Suife oon ©u^on. Qfn i^rer frül^cften S^genb ber SBBeft unb il^ren ^euben ergeben, fül^lte fie fid^ burd^ 2^räume unb ©eftd^te aEmäl^nd^ ^um 9lad^ben!en über bie S'iid^tigleit il^red gcmjen S^reibenS angeregt. Salb flagte jte fid^ oott tiefer fReue ber Uebertretung affer ©ebote ©otteS an, brad^ mit il^rer SSergangcnl^eit unb trat im Slooember 1604 in baS äuguftinerinncnllofter (bie Slbtei ^töS genannt) ju 3;ouma9 ein, h)0 pe ben 3lamen de la Präsentation annal^m. §ier, fidji il^rem $eilanb 3U gü^en tocrfenb, lebte fie nur ber innerlid^ften Gontemplation, mobei fid^ oft bei il^r bie tounberbarften SSiftonen einftefften. ^1)x ^ettn ging gan3 gelDöl^nlid^ in 3Ser3üdfung über. S)ann aber trat bei il^r bad troft: lofefte ©efül^I ber SSerlaffung ein, loeld^eä fie t)ier SdS)xe lang folterte. Um fo eifriger rang fie im ©ebet unb um fo ftrenger nal^m fie fid^ in 3ud^t. ©elbft

*) S)ie 9lac§rid^ten über baS Seben ber Qol^anna finb öon bem 93ruber ber» felben, bem ^anonicuS ^ierre bu ^ambr^ ju 9ienais gefammelt. S)iefelben crfdjienen 1659 ju 2lnttoer^)en im 2)rud (beutfd^ t>on ^erfteegen in ben SebcnSs befd^reibungen" 33. 1. ebirt). S^&re Sd^riflen (bie fte il^rer Ueberjeugung nad^ aUe infolge göttlid^er Eingebung berfa^t l^atte) iraren einzeln großen Xi^eilS fdjon toäl^rcnb il^reS SebcnS beröffentlid^t. ®inc ©efammtauggabe berfelben erfd^ien f^äter unter bem ^itel: Les oeuvres spirituelles de Soeur Jeanne Marie de ]a Presentatioii , prcmi^rement Jenne de Cambry, Tournay 1665 (4°). ^iefelbe

umfaßt fed^g Xractate: 1. kleine Uebung bie Siebe ©otteg )u erlangen; 2. SSier ^üd^er t>on ber gei^fti^rung ber Eigenliebe unb ber 3lufbauung ber Siebe @otted (früher gu ^ourna^ 1622 unb 1627, f^äter 1645 gu ^ari« erfd^iencn); 3. bie TO^ftifd(fc gadCel (fdjon 1631 gu 3::ourno^ ebirt); 4. Son ber SSerbcfferung beS ®l^es ft^nbeS (ju SR^ffel öerfa^t); 5. ^rauerKage einer gefangenen ©eele in il^rem fterblidtfen £eibe ; unb 6. Don ber SSortreffUd^feit ber ©infamleit.

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3ta^t^ lag jtc vox ®ott auf bcn Äntccn, fx6) nur toenigc ©tunbcn i\jtm ©d^Iafcn gönncnb. Swglcid^ tjetfogtc jtc ftd^ 2lttcS (angcnel^Tne ©peifen u, bergl.) h)aS irgenbroie il^rcn ©innen trol^Itl^at. ®rft gan3 aHmäl^Rd^ fÜl^Itc jtc jtd^ von bcn iJicBcSarmen beS ®rlöfcr§ n)icbcr umfangen.

3im 3[al§rc 1619 tourbc fie in ein anbercS Älöftcr ju S^ournap, ©ion genannt, T)erfc|t, in roeld^cm fie iebod^ nur 5tt)ei 3[al^re blieb, in« bem il^r 1621 baSälmt einer Sorftel^crin beä in bie größte ©iffolution ge^ ratl^cnen 6ont)ent§ ju 3Jlenain übertragen warb, bcn fie 3ur SHcgcI jurüdf« filieren foHte. Jgol^anna tl^at biefcS mit fold^em ©efd^id, ba^ fie aKmäl^Iid^ als eine t)on (Sott mit gan j bef onberen ®aben auSgerüftetc ©eele t)erel^rt o^urbc. 3)al^er erl^ielt fie oft an^ ber ©tabt unb Umgegenb SSefud^ von allerlei Seuten, toeld^e tjon il^r geiftlid^en Statl^ unb §ülfe Begel^rten.

Qnjtoifd^en vertiefte fid^ J^ol^anna mel^r unb mel^r in il^re (Sontem* |)Iationen ; bie SBcrjüdungcn unb Offenbarungen, tücld^e fie erhielt, tonrben häufiger, unb attmä^id^ fül^Ite fte fid^ ganj in baä SBefen ©ottcä ocrfe^t unb umgebitbct. Sn biefem „ßabinet bcS $arabiefeä" tooffte fie nun ungeftört unb t)on aller SBelt abgelöft rul^en. 2)a3U aber paßten il^re ©cfd^äfte in bem fliofter nid^t. Sluf il^ren SBunfd^ mürbe il^r bal^cr an ber SlnbrcaSfird^e ju jlpffel ein §äu§d^en angebaut, intoeld^eS fie, am .flatl^arinentag 1625 feierlid^ eingefül^rt, fid^ einfd^lie^en lie^. §ier lebte fie nun in faft ununterbrod^enem mpftifd^en ®eiet uiele 3^^^^^/ ^^^ P^ am 19. Suli 1639 ftarb.

2)ie quietiftifd^e SK^ftil ^o^anna'S finben h)ir fd^on in einer il^rer erften ©d^i^if ten, „tjon ber ßß'^ftörung ber (Sigenliebe'' t)oIIftänbig enttoidfelt. Sur ©pmbolifirung ber »erfd^iebenen ©tufen ber ßontemplation gebraud^t fie l^icr baS ©innbilb ber viex Sal^reSjeiten. S^^^d^f^ fprid^t fie von ber angeborenen SSerbcrbtl^eit be§ menfd^Iid^en $er3en§ unb t)on ber erften SSelel^rung ber ©eele, toorin fie il^re natürlid^e Suft barangiebt, unb an« fängt fid^ aufS ©ebet^ju t)erlegen. S)a empfängt bie ©eele oft Heine cmpfinblid^e S^röftungen unb ©ü^igfeiten, ba^ fie oft fid^ fd^on im ?ßaras biefc glaubt, ©ie marb bal^er voü ^ctlnirfd^ung, inbem fie bebcnft, mie fcl^r fie ©Ott beleibigt l^at, unb toonniglid^e 2^l^ränen iDcrbcn il^r 33rot bei 2^ag unb bei 3iad§t. §ernad^ mü^t fie fid^ ah mit Äafteiung il^reS £eibe§, mit SBad^en unb ^Jaften, toobei fie aber, um mit bcn 93u^s Übungen nid^t auf grrmege 3U geratl^en, eines erleud^teten ^l^rerS bebarf.

3luf biefer ©tufe ftel^t fid^ bie ©eele oft nod^ oon il^ren Slffel? ten übertounben unb tro^ aller guten SSorfä^e oom Söfen überhjäl* tigt, weit ber ©runb in il^r nod^ nid^t erneuert ift. S)icfe gän3= lid^e ©rneuerung ber ©eele lann nur burd^ 3h)ei S)inge bewirft werben, nämlid^ burd^ ein t)öIligeS 2lbfterben beS inneren fotool^l alö beS äußeren

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tOtenfd^en unb butci^ ba3 immertoal^renbe ®e6et. 3ft betbeS in ben SRenfd^cn »crcint, bann folgt auf bcn SBintcr bcr gtül^Kttg ber ©celc/ ioo in biefer ein ganj neueiS SeSen aufblüht, ^^bem nantlid^ bie @eele fid^ ©Ott ganj üBcrIaffcn f^at, fo tritt bicfcIBc in eine SBereinigimg mit ®ott ein, nxi)t nur mit il^ren SBillen fonbern mit allen il^ren Kräften, ba^ fie gar nid^t mel^r auf ®rben ju fein glaubt, inbem fie pd^ il^reS natür? lid^en SDäefenS nid^t mel^r erinnert uub aUe 3)inge in ®ott fielet.

S)ie übrigen ©d^riften gol^anna'ö entl^alten bie naivere 3luäfü^rung biefer ©cbanlen. Sin il^ren ©eelenfül^rer fd^reibt fic cinft: „SDlein lieber SSater, biefer ©tanb, ben mir ®ott 3U fd^auen gegeben l^at, ift fo lauter unb ber ®enu^ ®otteS ift in biefem ©tanbe fo ooHfommen, ba^ fd^eint, als fei jtoifd^en ®ott unb ber ©eele lein 5WitteI oorl^anben. ®ie ©cele fielet allba in ®ott feinen l^eiligen SBiffen unb in biefem SBiHen fielet fte Sattes, toaS ®ott oon il^r forbert. Unb au§ biefem l^eiligen unb nad^ten aSBiffen ®otteS entfpringt bie Sluöübung atter 3^ugenben ol^ne Unterfd^eibung , b. 1^. ol^ne ba^ Scrftanb unb ®ebäd^tni^ auf bie roirl« lid^e Sluäübung biefer Sugenben bebad^t finb. 3)a l^at bie ©eele feinen anberen SBiSen mel^r als ben äBiUen ®otteS unb baS SSerlangen ber Erfüllung beffelben in allen ©tüdEen; fie l^at leinen anberen ®ebanlen mel^r als bcn ©ebanlen an ®ott unb für ®ott. 35ie ©eele ift in biefem ®ebanlen fo feft an ®ott unb an ®ottcS ®ered^tigleit gebunben, ba^ ftc, toenn fte i^ren SSater ober il^re SKutter ober anberc Slngel^örigc in bcr ^ötte fäl^e, fie barüber feine 5ßein empfinben fönnte, fonbem fie mürbe fid^ in ber Siebe ®otteS aud^ l^ierbci ber ®ered^tigfeit ®otteS freuen."

S)ie ©d^riften ^ol^anna'S entl^alten übcrl^aupt fel^r SBieleS, maS als %f^tma ber fpäterl^in in eingcl^enbercr SBeife t)on grau oon ©upon ge« lieferten äuSfül^rungen angefel^en toerben fann. ^f)xen SluSruf: Vive la croixl vivent les douleurs! fönnte man einer gan3en SReil^e oon S[uffä|cn ber [enteren als SJlotto beigeben. 2)er ®ebanfe beS m^ftifd^en 3Ser« fel^rS oerfd^iebener ^Perfonen, bie äu^erlid^ ol^ne atte 95erül^rung finb, finbet ftd^ bei il^r bereits angebeutet, inbem fie fagt: „SBenn ber ®eift ©otteS einer ©eele beS Siäd^ften ®ebred^en entbcdft, fo empfinbet bie ©eele eine Siebe 3U bem 9läd^ften unb ein ?IRitsSeiben mit bemfelben, burd^ baS fie ftd^ gcbrungcn fül^It für benfelben ju beten." Sbenfo rebet fie oon einem Slfte, in toeld^em fte, fid^ oon ber $ötte bebrol^t fel^enb, ®ott ganj jum Dpfer bargebrad^t unb fxd^ ©einem SEBitten rüdf« i^altloS überlaffen l^abe. SefonberS d^arafteriftifd^ ift aber, toaS fte über ein am 13. SRärj 1628 für il^ren leibenben unb verfolgten 93ruber ®ott bargebrad^teS Opfer erjäl^It. ©ie fagte nämlid^ ju ®ott im ®ehei: „3Rein ®ott, toie fatmft S)u eS mit anfeilen, ba^ 3)eine Sraut in fold^en

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£eiben ift? unb gab ®ott il^r unb iJ^red Sruberd $er5 ald Dpfet l^tn. S)'arauf Dentalem jte bie Stimme: ;,98enn S)u l^aben toiDft, ba^ id^ Seitted StuberiS $er) annel^men foK, fo mu^ et aud^ mit 2)einem unb mit meinem $er)en gefreujigt toetben, bamit id^ ed jum Sranbopfer für ®ott, meinem SBater mad^e." S^^^^^^^^ erjäl^lt bann, ba^ fte biefed 3U' trieben getoefen fei, bem $erm fein $er3, i^r eignes unb baS il^teS SritberS geopfert unb il^n gebeten l^abe, ftd^ biefed Opfer gefallen 3U laffen. Site fie bann aber nod^ in @orge getoefen fei liegen biefeS Dpferö, l^abe il^r ber $err loeiter gefagt: „S)u leibeft in S)einem Stuber, weil 2)u il^n liebft, unb id^ leibe in SDir unb in il^m, meil id^ S)id^ unb b)ei( id^ il^n liebe f meil il^r aber nod^ in bem fterblid^en unb gebted^- lid&en Seibe feib, fo empfinbet il^r bie ©d^merjen"; toorauf il^r ber $err nod^ gejeigt l^abe, ba^ er in feinen ©efd^opfen ol^ne ©d^merjen leibe.

gn il^tet legten ©d^tift, in bet „mpftifd^en gadfel", fa^t Qol^anno bie ^auptgebanlen il^ret 3Jly\tit nod^mate übetfid^tlid^ 3ufammen« 3nbem fie nömlid^ Hat mad^en toiS, toag fie untet bem „Sabinet bet ©eelen'' t)erfte]^t, fül^tt fie auS, ba^ ®ott füt feine gteunbe »etfd^iebne Äammetn l^aie, ®t l^at beten füt bie Unoottfommnen, füt bie ®efötbetten unb für bie aSoIIfommnen; unb untet ben leiteten l^at ®ott miebet feine t)eTttauten ^eunbe unb Steblinge, mit benen et ftd^ am innigften oet- einigt, gfüt biefe l^at et nod^ eine gans befonbete Äammet.

2)ie älnfönget l^aben natütlid^e ®aben, bie abet nod(f butd^ bie ®nabe fo untetftü^t toetben, bo^ fie jut SKottifijitung il^tet fünf Sudeten ©inne gelangen unb ba^ bie ootl^et bet 28elt jugetoenbete Steigung beS ®emütl^d ftd^ nut auf ®ott tid^tet, bie ©eele beginnt bann übet i§te ©ünben 2eib 3U ttagen unb i^ten äBillen an @ott ^injugeben."

„3icl^t bann ®ott bie ©eele butd^ bie ®nabengaben beS innetlid^en ®ebetg unb bet Sefd^auung, momit immet bie Slbftetbung oetbunben ift, 3U fid^, fo gelangt bie ©eele in bie jmeite Aammet, iro fie fid^ bet ctften abet nod^ unoollfommnen SiebeSoeteinigung mit SefuS etfteut.''

„3n bet btitten Jtammet, meldte ben SSoQIommnen gel^ött, toetben bie übetnatütlid^en @naben, bie geiftlid^en ^tunlenl^eiten, ®nt3üdfungen u. betgl. etfal^ten. S)od^ gel^t eS aud^ l^iet nid^t o^ne ben nod^ fott^ bauetnben ©d^met} bet Hbftetbung ab.''

„2)aS ßabinet abet, in toeld^eS bet Stäutigam bie Staut }ule|t einfül^tt, ift bie ®ott5eit, motin bie ©eele oetfd^lungen ift unb mit ®ott oon aRunb 3U 3Jlunb tebet. 3)a oeteinigt jid^ baS etfd^affene SEBefen bet ©eele mit bem unetfd^affenen 3Befen ®otteS. S)a lä^t ®ott butd^ ein immettoäl^tenbeiS ©d^auen bie ©eele aSe ®e]^eimniffe beg ^immelS feigen."

Xu^et ben ®enannten toat eS namentlid^ bie quietiftifd^e Jtatmelitetin

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6aB(atl^rul^e feiert *). 3nbem ftd^ bann bie @eele ganj unb gar üont ©eifte ®otte$ leiten Iä|t, DJ^ne felbft ettüaS für ftd^ ju n)oIIen, ift ber ÜRenfd^ ju bem .gen)ürben, wad .er urfprünglid^ fein foQte, unb ift 3U einer 33oII!ommen^eit erl^oben, n)eld^e fid^ felbft in feinen ))i^9fif(i^en SeiBeöIeben funb giebt**).

3)ie l^ier genannten literarifd^en Vertreter ber quictiftifd^en SKpftif finb nur ein 3^I;eU ber SStelen, rocld^e in SBort unb ©d^rift baS ^oange« lium ton ber im Snnem ber ©eele burd^ ßontemplation , ©elbftDernid^^ tigung ainb toortlofeS ^erjenSgebet in ber SRad^foIge S^fu erlangenben SSottfommenl^eit ber ©ecIe t)erliinbigten. 3" ^"^^^^ gel^örte aud^ ber fromme Samabit Sacombe an^ Sil^ononin ©aco^en, beffen ©d^rift Ana- lyse de Toraison mentale im Saläre 1686 ju SBercelli mit Slpprobation, l^ernad^ aud| lateinifd^ unter bem 2!itel erfd^ien: Orationis mentalis

analysis deqae variis eiusdem speciebns iadicium ex divini verbi sanctornmque patrum sententiis concionatom ***).

*) @. 235: Felix hie sabbatismus, in quo niilla distractionum molestia, Bulla passionam inordiDatio, nulla coelestium gaudiorum interruptio adstat! Felix maxime hie sabbatismus, in quo pia anima magis passive quam active se

habet 1 3lun folgt ber ®ebanle ber m^ftifd^en @Iet>ation bed Körpers, ben aud^ ®elen bertritt, inbem er fagt: Unde etiam tam fortes attractus et sorsnm actiones toto eo tempore, quo in summo hoc versatur, (licet ad annum, aut alteram per- severaret!) experitur, ut si Deo O. M. placeret pondus corporis alleviare, nee momento unico in terra consistere sibi videretor possibile, quin illico cum spiri- tu usque adeo elevato ipsnm quoque corpus summa coelorum ac super quaevis imaginaria spatia [altitiidinesque coascenderet , ut ei, qai super omn es est, etiam adstare liceret.

**) @. 246: Et hoc quidem non aliunde, quam ex abundanti amicitia Dei, omnes totius compositi humani potentias bene afficiente usque ad ipsum corpus, quod suo sibiqne proportionato modo reficitur.

**♦) gd^ l^abe baS SudJ (bon toeld^cm fd^on ju SBeiJmannS 3^it nur nodj in ©nglatib ein ^^tmsplat aufzutreiben toar) (eiber ntrgenbi^ auffinben fönnen, unb mag nad^ bem, toad ^ofe garten im Sln^ang gu feiner ©(ü^rift „S)ie Ströme" (©tralfunb, 1817) ald „aRagimen ßacombe'«" mittl^eilt, nid^t beridjtni, Joeil biefe Ueberfefeung offenbar über atte @ebül^r frei ift. S)a6 übrigen« 2a« combe aud0et)rägter Quietift toax, toirb f d^on burd^ bie eine ©teile betoief en, toeld^e SSoffuet in feiner Instruction sur les etats d*oraison. Liv. III. (^udgabe Argentina, 1755 @. 68) auiS ber Analyse mittl^eUt. S^folge berfelben untetfd^ieb Sacombe in Rap. L, feiner Sd^rift baiB ©ebet b. 1^. oralson mentale, ald oraison de meditation ou de discours, %, oraison d'affection unb 3, oralson de contem-

plation. gn Bap. 10 fül^rt er aud, ba| toenn ber 6;]^rift au einer 1^51^eren Stufe bed SebeniS gelangt ift, er bie ben boraudgel^enben Stufen eignenbe SSieife bed <9ebet9 unb ber Slnbad^t )u berlaffen l^at: On doit quitter la meditation ou le discoursdans Toraison d'affection; il fautaussi s'abstenir des affeetions, lorsque roraison de silence ou de quietude nous est commandee. Slld ®runb

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3n oDen biefen Sd^riften ftnben loit burd^toeg eine itnb biefette 3bee ber aRpftit enttoidelt. Me fteOen in betfel6en äBeife bie SR^ftil )ur @d^oIaftiI in ©egenfa^, aDe tDoEen butd^ bie ÜR^ftil bie Seele fd^on ^ier auf @tben }ur SSoEIommenl^eit ber Seligen im ißimmel ffil^ren, aDe leisten, ba^ bie SRpftil DergUd^en mit ber Krd^li^en Sleligiofttät unb mit ber fird^Iid^en Ue6ung bed religiöfen Sebend ber füttere unb jtd^rere 98eg jur SoIKommeni^eit fei; aUe Ufyctn, bog bie @eele, um biefen 98eg (rinte-

rieur, via interna, Camino interno, interior, strada interna) ju ge^en,

r>on ber SRebitotion, bie nur eine äu^erlid^e SotteSerlenntni^, nur öu^er^ lic^e Su^übung, nur eine ©egentoart ©otted in ber 3bee unb SSorfteQung tennt unb nur 3ur S^cfferung beS Sebend in feiner Dberfläd^e, nur )ur Teilung einzelner @d^äben^ nur }ur Sefeitigung einjelner ®ebred^en nid^t aber 5ur Teilung ber @eele in ber 3Bur)el il^res SebenS, nid^t jur gönjlid^en @rti)btung beg alten unb jur ®eftaltung eineg ganj neuen SRenfd^en, nid^t jur SSereinigung ber @eele mit @ott fül^rt, }ur 6on« templation fortfd^reiten unb ba^ biefe eine toefentlid^ paffiue Sontempla« tion fein muffe, in n^eld^er bie @eele nur einen einzigen äOt ber $in« gebung unb bed ©laubeniS an (Sott in t)oQ!ommenfter Selbftentäu^erung unb £iebe oerrid^tet, ber in bie @tpigleit l^ineinretd^t unb infolge beffen ®dtt )um audfd^liepd^en Seben ber @eele mirb, meld^ed fid^ in ber oraison passive, mentale, oraison de remise, d'abandonnement, de

qiii6tade betl^ötigt. 8[Qe bie einjelnen 9(Ite beS S)en!end unb %f)\m^, bed ©laubeng unb ber Siebe, bed ®ebetd unb ber 2)anlfagung, auf xodift bie @eele fonft il^r SSertrauen f e^te, f aKen nun l^inmeg. 2)ie @eele toiK gar nid^tS mel^r, ald ba| @otte$ SBiUe cot i^x gefd^el^e, gleid^oiel ob berfelbe biefed ober jened mit i^r oorl^abe; fte ioiD biefed in t)oIKommener reiner Siebe 3U ®ott, fo ba| fte babei an fid^ felbft gar nid^t benft. 3>ie Seele gel^t bal^er burd^ biefe ooQig unintereffirte Siebe, burd^ il^ren oöEig nad^en ®Iauben, bie beibe oon aQer begel^renben Hoffnung gereinigt ftnb, in bie ooEfommenfte Stulpe uub burd^ biefe in i^re SBoEtommenl^eit ein, bie fie in il^rer äBefenS-Sinigung mit Sott gemonnen l^at.

.giebt er an: qae celai qai est a la fin, quitte les moiens; que celui qni est au terme, quitte lechemin; qui celui, qui demeure toujours dans les moiens et -veut tonjours etre dans la Toie, n*arrivera jamais. Sluf ber @tufe ber @ontem))Iation

angefommen l^at bal^er ber Gl^rift bad ®ebet ber Sßebitation unb ber Slffection f offen §u (äffen. 3l\m gel^ören n^t nur bie $falmen, bie $l^mnen unb (iturgp fd^en (^tbttt ber Jtird^e, fonbern aud^ bad ©ebet bed $errn ^ur oraison d*afi*ection {Stop. 4); folgUd^ ftnb biefelben auf ber @tufe ber @ontem))(ation )u unterlaffen.

2)enn aud^ bie oraison dominicale ift enti^rement aspiratif, tooraud Sacombe {$t^* 6) folgert, qu'encore qu'elle semble contenir toute la plenitude de laper- feetiou, eile elb?e ceoz, qui se la rend^nt familiäre, a un ötat plus haut

106 Snie quiettfttf<i^en SR^ftilet gelten babei Don bem ©ebonlen aM,

ba^ @Ott bie abfolute Siebe (L'Amonr essentiel, Le soaverain amour» Tamoroso Padre, rimmensa Amabilitä) ift,*) Uttb ba^ botum bie ^itt«

gäbe an il^n unb bie äSereinigung mit il^nt nur in t)oI[Iommenfter Siebe

(amorosa advertencia, amorosa apprensione, carita disenteressata, amour desinteresse) gefd^el^en lann; in ber jtd^ bie liebenbe @eele mit bem um enblid^ ©eliebten (i'Aim6, TEpoux) t)ermä^It.

2)ie Slcugeftaltung religiöfen SebenS unb religiöfen 33eh)u^tfcinS^ n)elci^e l^ierburd^ begrünbet iDurbe, d^aralterijtrte jtd^ junäd^ft babuvd^, ba^ ber 5Jlame Sefu ßl^rifti unter bem ©d^utte ber fd^olaftifd^en Seigre toieber l^eroorgesogen unb in getoiffer SBeife in bcn SJlittelpunft be§ religiöfen 2)enfenS unb SebenS geftellt marb. ®enn bie quietiftifd^e 6on« templation fottte toefentlid^ Slad^folge ^e% $Rad^bUbung beS SebenS unb SeibenS ^e^u ßl^rifti fein.

hiermit l^ing jufammen, ba^ in ber quietiftifci^en ^römmigfeit baS d^riftlid^e Seben, baS 3leid^ ©otteS als ein toefentlid^ ;innerIid^eS jur ®rs neuerung gelommen hjar, unb jtoar in jwiefad^er ^injtd^t. (SinerfeitÄ nämlid^ mürbe ber ©ebanfe geltenb gemad^t^ ba^ bajfelbe fid^ nid^t in äußerem, lird^Iid^ georbnetem 2^l^un, fonbem ba^ fid^ intoenbig in ber ©eele geftalte; unb fobann tourbe geleiert, baf; bie Sfteinigung unb SSott^ enbung ber ©eele, toennfd^on fie auf il^rer nieberen ©tufe , in il^ren 3[n« fangen von ber §eil§h)irffamleit ber fiird^e abl^ängig unb bebingt fei, bod^ auf ber ©tufe ber pafjtocn ßontemplation lebiglid^ auf ber ©eele felbft, unb auf ber unmittelbaren SEBirIfamfeit ®otteS in il^r berul^e, unb ba^ bie ©eele, inbem fie aUeä innere Seiben in reiner Siebe ju ©otte§ @l^re trage, für bie eigenen ©ünben, h)ie aud^ für bie ©ünben Slnberer fatiöfaltorifd^ ju leiben unb baS Dpfer ßl^rifti (toeld^eS bie Äird^e in il^rer äu^erlid^en Sßeife auf bem Slltare barfteHe), in fid^ felbft t)oIIfommen nad^3ubilben unb 3U DoKIommener Säuterung l^inburd^jubringen t)ermöge, fo iai fie möglid^ermeife einer Steinigung jjenfeitg beS @rabe8 (alfo oud^ ber lird^lid^en ^ülfleiftung) nid^t mel^r bebürfe.

3)ie quietiftifd^e SKpfti! wollte alfo jeigen, toie bie ©eele, burd^ bie ^eilämirlfamleit ber Äird^e auf eine geh^iffe ©tufe erl^oben, t)on ba fid& innerlid^ au§ ber l^ierard^ifd^en ^effel l^eraug unb 3U unmittelbarer, freier ^Bereinigung mit @ott emporl^eben fönne.

S)amit Xoax freilid^ alleg ba<3, morauf bie fatl^olifd^e Jtird^e .ben

*) @8 ift nid^t ridjtig, mnn ^ergog in ber tlJeoL »ealenc^clop&bie ».xn, @. 427 annimmt, ba$ ber Duietidmud ben abfiracten mefenlofen ©ottediegrtff ber neuplatonifd^en Tttfiixt erneuert l^abe.

107

größten SDSertl^ legte, jum großen %f)üL entoertl^et. SBor bcm neuen ©lonje bc§ 3tamtn^ 3efu ßl^rifti mu^te notl^wcnbig bcr öeiligenfd^ein, ben bie ftird^e oerlicl^cn, crblcid^en, roennfd^on er nod^ geglaubt würbe; bie 3(bl^ängig!ett von ber l^ierard^ifd^en ®exoalt mu^te in bemfcKen ^aa^e fd^toinl>en, afö bie ©ccle fid^ in unmittelbaren S^f^^w^^^n^^ng mit (Sott erl^oben unb ftd^ in ber auSfd^lte^Iid^en ©emalt beS äßiSenS ©otteS tou^te ; unb bie Seigre tjon bem SBertl^e ber fird^lid^cn Uebungcn unb t)on ber SSerbienftlid^lcit ber SBcrIe mu^tc umfomel^r in ©d^attcn treten, afö bie quictiftifd^e SW^ftil in i^rer Seigre üon ber rcftgnirenben SRul^e ber ©eele in ©Ott ba§ eigentlid^e Sid^t beS (SoangeliumS fal^.

Stoei Segriffe, meldte bem latl^oKfd^-fird^Iid^en Semu^tfein eigneten, mußten fx6) l^iernad^ t>oIIftänbig änbern, nämlid^ ber Segriff ber SSoü« lommcnl^eit unb ber Segriff ber ©eifti id^ feit. S3eibe Berul^ten auf bem 35ogma oon ben et)angelifd^en ßonfilien. SJiefem 3)ogma toar aber in ber quietiftifd^en SDlpftil aller Soben entjogen; benn biefelbe fprad^ oon einer SSoHfommenl^eit be§ d^riftlid^en Sebenö, bie auf ganj anberen ©runb^ lagen unb Sebingungen als auf ben eoangelifd^en ßonfißen berul^e unb mad^te geltenb, ba^ biefe SoUfommenl^eit t)on jjebem 6§riften, ba^ fie ebenfo von Saien, als von ©eiftlid^en, ebenfo t)on äSeltleuten als oon DrbenSleutcn erreid^t toerben fönnte uni angeftrebt werben fottte.*)

Sei bem mäd^tigen (Sinflu^, ben bie quietiftifd^e SJl^ftil auf biereli^ giöfen älnfd^auungen ber 3^it überl^aupt ausübte, mu^te bal^er bie ,,öffent^ lid^e 3Dleinung" ber Äird^e fid^ bejüglid^ beS SegriffeS ber Sottfommen* l^eit aud^ au^erl^alb ber quietiftifd^cn Äreife aHmäpid^ ju Ungunften beS lird^Iid^en 3!)ogmaS von ben ßonfilien änbern.

Unter biefer SoUIommenl^eit badete ftd& aber bte quietiftifd^e SWpftil nid^tS geringeres als bie SoIIenbung, meldte ber gläubigen ©eele, toenn biefelbe auf bem SBege ber 50lebitation, ber äußeren fird^Iid^en SReligiofttät einl^ergcl^t, erft in bem emigen Seben ju %f)exl wirb. 3)arauf berul^te ber ©ebanfe Don bem einmaligen, leiner 3Bieberl^oIung bebürfttgen 2llte beS ©laubenS, ber ftd^ in ber ©migleit fortfe^te, unb ber ©ebanfe von ber ajlöglid&feit einer bieSfeitigen fatisfaltorif^en Steinigung ber ©eele, toeld^e bie 9iotl^toenbtgIeit einer Steinigung ber ©eele im ?Purgatorium auSfd^Iie^c. 2)iefe Sluffaffung beS SBertl^eS ber ßontemplation unb ber

*) 3ttbcm bal^er bie Seigre ber quictlftifdjen SWi^fti! nid^t (tote bie ©djolafti!) für Äleriler unb DrbenSIeute, fonbcrn für ben ©l^rifken über^aut)t, für baS d^rift- Ud^e gjoH beftimmt toar, fo begreift eS fidj, ba^ bie aterärifd^cn Vertreter ber= felben i^re ©d^riften faft burd^toeg nid^t in lateinifd^er, fonbem in ber SanbeS- j^rad^e (»erfaßten unb l^erauSgaben.

110

Unter bcncn, tocld^e fxäj bet religtSfcn Sctocgung bcr 3^^ anfd^Ioffcn, quictiftifd^e Sudler lafcn, an quicttfttfd^cn (SrbauungSftunbcn unb 2lnbad^t3» Übungen Sl^eil nal^men, waren n)ol§I ntd^t tpcntge, tpeld^e eben nur bie 3Dlobe mitntad^tcn, 3lber int ©anjen unb ©ro^en lag bod^ biefer ®r- ^ebung beS religiöfen ©elftes jener S^i* ^w tiefer, fittlid^er ®rnft jum ©runbe, ber fid^ in einem eifrigen Streben nad^ ©ottäl^nlid^feit aud^ im äußeren geben belunbete. Salier begann bie quietiftifd^e 3RpftiI aud^ auf bic fittlid^en SebenSjuftänbe ber romanifd^en SBSelt in l^eilfamfter 2Beife cin$uU)ir!en.*)

fSli^atl be fRoKttod in 9lom.

6o l^atte fid^ bie quietiftifd^e 5K9ftiI in ber romanifd^en SGBelt ber latl^olifd^en Äird^e geftaliet unb toar ju einem ©emeingut aller ernpercn, frommen ©emütl^er, namentlid^ aud^ in Spanien, unb l^ier befonberS in ben Äloftern geworben. 3lffe eigentlid^en 2lutoritäten biefer Slid^tung ber f^römmigleit, toeld^e baä fed^jel^nte Sal^rl^unbert l^eroorgebrad^t l^atte, ge- hörten ber fpanifd^en Üird^e an; unb bie gefeiertften Stnbad^tSbüd^er biefer SKtiftif, toeld^e tpäl^renb be§ pebjel^nten Sal^rl^unbertS in Stolien unb granfreid^ gelefen tourben, haaren Ueberfe^ungen von Sd^riften, bie t)on fpanifd^en Ätrd^enmännern in fpanifd^er ©prad^e t)eröffentlid^t toaren. SDlan l^ätte ben QuietiSmuS gerabeju bie fpanifd^e 3Ri)\ixt nennen lönnen.

Unter ben SSielen, toeld^e fid^ in biefelbe t)ertieften unb fie afö ben Sffieg gur SBoHIommenl^eit d^riftlid^en SBefenS unb SebenS üerl^errlid^ten, toar aud^ ein junger fpanifd^er Äferifer, ber geleierte unb gebilbete 2)octor ber S^l^eologie 5!Rid&aeI be SKoIinoS, ber, auS einer uornel^men unb .tool^Il^abenben arragonifd^en gamilie gebürtig, unb nid^t gemittt, fid^ an

*) 3ÄanberöIeid^ej.a3. h)a§^ctrucci(f.§5.)in feiner ©d^rift: La contempla- zione mist. acquist. (©. 68 ff.) über ben @influ^ beg Üuieti§mu8 auf baS religiöSs tlttUd^e Seben ber Slnl^änger beffelben mittl^eilt: A dire il vero parmi che basti per dimostrare il valore di questa contemplazione il veder anime que prima cosi conosceano ed esercitavano la mentale orazione, e che viveano rilassatissime di costumi, ed alcune eran macchiate di colpe assai grave , darsi a Dio, cangiar maniera di vivere, applicarsi ad orare, e non gia per un paio d^hore il giorno, ma sette, otte, dieci cotidiane ed anche piü spendere in attaale orazione con lo spirito immerso in Dio, infigarato bcnsi, ma amato xion ardor vivo di carita disinteressata, la quale non cerca gosti, ma vuol dar gusto aU' Amato etc.

111

ein befümmted Aird^enamt ^u feffeln, im ^afyct 1669 ober 1670 ftd^ tx>egen gemiffer ^amilienocr^ältniffe oetanla^t fal^, nad^ 9iom ü5erju< pebeln*) Sine tief innerlid^e, frotmnc ^Pctfönlid^fcit, tnilb unb frciinbltd^ unb ooK leutfeligen SBefeng, unb babei in ber 2^]^eoIogie nid^i bloä in ben ©d^riften ber ÜB^ftifer, fonbcm aud^ in benen ber SSäter ber ftird^e unb in ber @d^oIafiiI too\)l beraanbert, jog er fel^r balb in Storn bie 9lufmer!fam{eit SSieler auf fid^; unb ba er im Seid^tftul^I auf bie wn ber Kird^e Dorgefd^riebenen @ati$factionen toenig 3Sexif) legte, bagegen r>on ben inneren 9(nltegen ber ©eelen Diel fprad^, bejüglid^ bera felbcn t)iel KebeDoIIeS SBerftänbni^ lunb gab unb fid^ atter 3)erer, bie in innerer 3toÜ) maren, in aufrid^tiger Eingabe an fie annal^m^ fo tpar er balb ber gefeiertfte unb gefud^tefte Seid^tuater ber großen ©tabt, in ti>eld^er er ald ber ^(poftel einer bis bal^in nod^ loenig belannten ober bead^teten grömmigleit galt, bie bod^ cigentlid^e grömmigleit fei. Slamcnt« Kd^ in ben oornel^men Äreifen ber geiftlid^en, wie ber weltlid^en ©efeffj^ fd^aft toar 3KoIino8 balb l^od^ angefel^en. 3n jener maren inSbcfonbere bie ßarbinäle ßaffanata , (Sarpegna, ä33olini,., ber Sotfd^after beS franjöfif d^en fiönigSl^ofeS Äarbinal b'@ftr6e8, ein ©d^üler beä eblen unb freijtnnigen Saunoi, fowie bie nad^^erigen ßarbinäle Gollorebi, ßiceri unb ^etrucci, aud^ meistere S^fwiten unb anbere Älertfer feine begeifterten älnl^änger. Unter ber großen 3ö^I berfelben mürbe in SRom ber ßatbinal SBenebilt DbeSd^ald^i fogar al3 ber begeiftertfte be3eid^net, namentlid^ ald ber» felbe (1676) unter bem 3iamen Qf^nosenj XI. ben ©tul^I $Petri beftiegen l^attc unb eine ber ebelften S^^^^^^^f ^^^ benfelben je inne gehabt (er f)ai unter ber Verfolgung ber Qanfeniften unb ber Hugenotten fd^mer gcfeufjt) ÜJlolinoS feineä oertrauteften Umganges mürbigte, ja il^m fogar einen päpftlid^en ^ßalaft gur SEBo^nung übermieS. 3)aS ganje S3er« Italien beg ernften unb frommen 5Papfte§ gegen ben fpanifd^en $Priefter lie^ erfennen, ba^ er in bemfelben ba§ 2ßerl}eug gu einer ooQftönbigen Sleugeftaltung beS ^ömmigfeitölebenS ber Iatl;olif^en Äird^e gefunbcn ju l^aben glaubte.**) ^n ben2lugen beS römifd^en SSolIeS mar l^iermit SKo*

*) ^ttc8 toa§ fid^ auf ben SebenSIauf beS 3KolinoS unb auf beffen literäris fc^ed 2luftreten bejiel^t, ift in botrefflid^er SBeife erft bänifd^, bann beutfc^ in ber 3citf<i^rift für bie l^iftorifd^e ^l^cologie 1854 unb 1855 bon bcm Äo^)cn^agener ^rofeffor ber Xl^eologie ©d^arling unter bem Xitel bargefteöt: ,,3Kicl^ae( bc SßolinoS, ein 93ilb au^ ber ^irc^engefc^ic^te beS fiebgel^nten ^af^n l^unbertS.

♦*) ©ine §ouJ)tqueffe unferer Äunbe bon bem Öefd^ide beS 3RoIino8 unb ber Xn^änger beffetben in Italien, ftnb bie Briefe, toeld^e bamalS ein @ng(änber alS @u^j^lement }u ben äteifeberic^ten beS anglüanifc^en SBifd^ofS (Gilbert Surnet möffentlidSte. 2)ie|elben erft^ienen 1688 unter bem Xitel: Three letters, con-

112

linod ber am meiflen beglaubigte unb emf^fol^Iene Seid^toater unb ©eelen« fül^ret StomS.*)

3)ie 3lrt unb SHäeife aber, in roeld^er berfelbe bie Sei<!^tcnbctt an? fptod^, Dcranla^tc cS, ba^ biefelbcn oft fragen an il^n rid^tctcn, bic fi^ in genttgenber SBctfe münblid^ nid^t fo fd^nett bcanttoottcn liefen. 3)a8, toaS ^xi) 9JloUnoS al§ bie t)on jjcbem cmften ß^riften anjufttebenbe ^oU- lommcnl^eit bcS d^riftlid^cn ScbenS badete, war bod^ in ben Slugen fo SBielcr eine ganj neue Sleligiojttät, übet weld^e bic SKenge notl^roenbig crft nod^ aufgellärt werben ntu^te. 3)al^er befd^lo^ 3KoKnoS eine Sin« toeifung jum Sßanbel in „inwenbiger tJtöntntigfeit" ju fd^reiben, todd^c er inbeffen nid^t ju üeröffentlid^en , fonbern benen, bie tl^n um geiftlid^cn 9latl^ angingen, ju il^rer Selel^rung prioatim mitjutl^eilen beabftd^tigte. ©0 würbe mit bem SKanufcripte aud^ ein SWinifter 5Prot)injiaIiS %, ®io« ranni bi ©anta 9Karia, ein begeifterter SSerel^rer beS SerfafferS belamtt. S)erfelbe erfud^te ben le^tercn toieberl^olt, feine ©d^rift burd^ ben 3)rutf ber Dcffentlid^feit ju tibergeben, jebod^ lange 3^it ^^ergebenS, bis eS il^m gelang, burd^ ben Seid^tüater be§ 9Rolino§ fid^ ben 35cjt$ beS 5IRanufcript8 unb bie ©eftattung jur SSeröffentlid^ung beffelben ju erroirfcn. ©o crfd^icn nun bie ©d^rift im gal^re 1675 ju SRom unter bem 2^itel:

Ouida spirituale, che disinvolge ranima e la conduce per rinterior camino all acquisto della perfetta contemplazione e del ricco tesoro della pace interiore. Del Dottor Michele di Molinos (12^).

SKolinoS l^atte jur Weiteren SluSfül^rung eines 3lbfd§nitteS bicfer

cerning de present State of Italy, written in the year 1687. I. Relating to the a£fair of Molinos and the Qaietists. Being a Supplement to Dr. Burnets Letters. Printed in the year 1688. (120). $ier toirb ©. 52 erjäl^rt: When the Pope, that now reigns, was advanced to the throne (1676) he took most particular notice of him, and made it dsibly apparent, that even in all that exaltation he thonght, id might contribute to raise his character, if he were considered as a friend of Molinos and an encourager of his design. For he lodged him in an apartement of the Palace and put many singular marks of his esteem on him. This made him become still the more conspicaons, when he had the advantage of favour joined to his other qnalities, tho' he neihter seemed to be fond of it, nor lifted up with it. His conversation was much desired, and many priests came not only to form themselves according to his metbod , bnt to dispose all their penetents to follow it. And it grew so much to be in vogue in Rome, thal all the Nuns, except those who had Jesuites to their confessors, began to lay aside their rosaries and other devotions, and to give themselves much to the practice of mental prayer.

*) ^er Herausgeber beS Guida spirltuale gebraud^t im SSorioort begüglic^

beS äJl^oUnoS bieSBorte: continuamente occupato nella consolatione e nel governo delleanimesenzannmero, qua Iddio gli fida. senza ch'egli alcuna ne cerchi.

113

@d^ttft nod^ eine 3((l^anblung über bie ^eilfamleit ber tftglid^en Sotnmu^ nion in fpanifd^er @prad^e gefd^rie6en. @in. Ungenannter bot i^n, eben« faQd biefe älb^anblung, unb jtoar in italienifd^er Uebertragung, 3ur 93er« offentlid^ung gelangen 3U laffen, fanb aber bei äJloIinod lein @el^ör, h)ed« l^b er ftd^ enblid^ entfd^Io^, bie. Stbl^anblung felbftburd^ einen frommen, ber SRpftil ergebenen ©eiftlid^en ind ^talienifd^e übertragen ju (offen unb pe in biefißr ttcbertragung unter bem 2^itel ju üeröffentUd^en:

Breve trattato della cotidiana communione, diviso in tr^ capitoli, cornposto in idloma Spagnuolo dal Dottore Michele de Molinos, sacerdote; e fatto tradurre e mandato ä luce da un altro divoto sacerdote. Qu einer 1678 oon 3<^cob $er$ ju SSenebig Deronftalteten 9lu3gabe iDurben bann beibe Sd^riften jufammen abgebrudt, toad fejtbem regelmäßig gefd^al^ (junäd^ft in neuen 9luf(agen biefer älud« gäbe, 3. 35. SRom, 1681, SSenebig, 1685).*)

3)er Guida spirituale**) umfaßt außer bem SSormort an ben Sefer (rautore ä chi legge) unb bem ^roömium brei 2^l^eile.

3n bem SBortoort toeift 9RoIinog auf ben Unterfd^ieb ber mpftifd^en unb ber f d^olaftifd^en Sl^eologie ^in (non ^ la scienza mistica d'ingegao ma di esperienza; non ^ inventata ma provata; non letta ma ricevuta ;

*) 3lußerbem erfdjienen Ucberfeftungcn Beiber ©d^riften in Dielen anberen ©J)rad^en, g. S. lateinifd^ unter bem %iUl: D. Michaelis deMolinos, sacer- dotis, Manuductio spiritaalis, extricans animam, eamque per viam interio' lem ad acqnirendam contemplationis perfectionem ac dlTitem pacis interioris thesaurum deducens, una cum tractatu eiusdem de quotidiana commu- nione, fideliter et stjlo Mystinorum conformiter in latinam lingaam translata a. M. Aug. Herrn anno Franckio. Lips. 1687; beutfdj unter bem ^itel: ,^ich|ael de Molinos, Theol. Doctoris unb ^rebigerd, ©e.iftHd^er äBeg^

tveifer, bie @eele bon ben finnlicl^en S)ingen abgugiel^en unb burti^ ben inner« ßd^en 9Beg gur t^dUigen SBefd^auung unb inneren 9iul^e px fül^ren" k>on ©ottf rieb «rnolb (3. Sluflage, granffurt, 1712).

**) SRabiHon fagt in feinem Iter italicum T. I., ©. 72, toa« l^ernadj Bfterd be^au^tet toorben ift, baß ber Guida spirituale urft)rüngli(i^ in f)>anifd^er ©^rad^e erfd^ienen, unb baß bie italienifd^e Seröffentlid^ung nur eine Ueberfetung bed Original^ fei, allein mit Unred^t ^mn 1) ift ein (Ssem))(ar einer ft)anifd^en Orginolauggabe bed Guida spirituale (aud bem Saläre 1675) nid^t t)orl^anben» 2) toirb tool^l auf bem Xitel unb im Sßortoort ber Slbl^anblung Don ber t&glid^en Kommunion ttto^^nt, baß biefelbe Don 9)>{oUnod in ft>anifd^er @))rad^e gefd^rieben unb in« StaUenifdJe überfe^ft toorbcn fei, tbagegen bon bem Guida spirituale tvirb biefed nid^t gef agt (toobei aber gu bemerken ift, baß aud^ bie erfte SCuSgabe jener 9(bl^anb(ung eine italienifd^e toar); unb 3) toar bad SRanufcri^t beiS Guida spirituale Don 9)2olinod lebigUd^ für bie ©emeinbe, toetd^e ftd^ in 9tom an ben« felben angefd^offen l^atte, gefd^rieben.

^et)^^, 9lipftif. 8

114

e percio sicurissima ed cfficace, di grande aiutö e copioso fmtto. EUa non entra neli^anima per gli orecchi, n^ per la continua lettione de* libri, mä. per la liberal infusione del Divino Spirito, la coi grazia si communica con deliciosissima intrinsichezza a'semplici e piccioli); unb

crtnnctt batan, ba^ fein S3ud^ nur für diejenigen gefd^ricben ift, weld^e nid^t anberS als bwtd^ innere ©rfa^rung beS §eils 3ur ©rlennlni^ beS- felben lommen roollen.

3n bem ^roöntium fül^rt SKoIinoS au§, ba^ eS jtoei SOSege ju ®ott giebt, nomltd^ ben bet SKebttation ober beS biScurjttjen 3)enfenS (discorso), unb ben be§ reinen ©laubenö (pura fede) ober ber Gontemplation, d^arac« tetiprt bann beibe unb ejpligtrt ben Unterfd^ieb ber (nieberen) erworbenen, aftioen (attiva ed-acquistata) unb ber (l^öl^eren) eingegoffenen, paffroen (infasa e passiva) ßontemplation , toorauf eine Sefpred^ung beS iSegen« fa^eä 3toifd^en bem ©igenwitten beä SWenfd^en unb bem Streben nad^ bem inneren ^rieben folgt.

33on ben brei 2^l^eilen beS Sud^eö felbft l^anbelt ber erfte „oon ben ginftemiffen, ber 2^rodfenl^eit unb ben SJerfud^ungen, mit benen ®ott bic ©celen reinigt, unb von ber inneren Sammlung". Qm smeiten 35ud^c weift SDtoKnoö nad^, ba^ bie ©eele auf bem SBege 3ur SSoHfommenl^eit notl^roenbig einen „geiftlid^en SSater" l^aben muffe unb ba^ fie fid^ bemfelben mit unbebingtem Oel^orf am unterjuorbnen l^abe, toorauf ber tlnterfd^ieb ber inneren unb ber äußeren Su^e befprod^en mirb. ^m britten Sud^c folgt fobann bie SJarftellung unb Seleud^tung bes ©tanbeä ber ©eele in tl^rer SSottfommenl^eit.

„3)u follft toiffen/' fo beginnt ÜJloIinoS ben erften ^l^eil be§ Sud^eö, „ba^ Seine ©eele ber 9KittelpunIt, bie SBol^nung unb baä SReid^ ©otteä ift. SJBiUft 3)u barum, ba^ ber l^öd^fte König auf biefent 3^l^rone Seiner ©eele fid^ nieberlaffe, fo mu^t 3)u fte rein, rul^ig, aller Singe lebig (voto) unb frieblid^ erl^alten, rein oon ©ünben unb (Sebred^en, oon aller gurd^t frei, aller Segierben unb ©ebanlen lebig unb ooll ^iebenS in 2lnfed^tung unb Srangfal. Sein l^auptfäd^lid^eS unb immertpäl^renbeS ©treben mu^ fein, biefen 2^l^ron beine§ §erjenä in Rieben ju fe^en, bamit ber l^öd^fte Äönig auf il^m fid^ nieberlaffe. Siefeä toirft Su erreid^en, toenn Su mittelft innerer ©ammlung in bid^ felbft cingel^ft. Sein gan3er ©d^u| mu^ ba§ (Sebet unb bie liebeoolle ©ammlung (l'amoroso raccoglimento) in ber ©egenmart ®otte§ fein."

9Son biefem ©ebanlen auägel^enb, leiert 2Rolino§, ba^ eS ymex SBcge beS religiöfen SebenS giebt, bie 3Kebitation unb bie Gontcmplation. Sarum giebt eS aud^ jtoei 3lrten geiftlid^en ßebenS, ein äufierlid^eS unb ein inner* lid^eS. Siejenigen, meldte auf bem äußeren 35Begc einl^ergel^en unb ber

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3Jlcbitatton leben, fud^en Don au^cn l^er ®ott ju erfennen unb burc§ äu^ete S3u^üBungen fid^ ©ott ju naiven. Sie fud^en bte ®egenn)art ®otte§ in bet ^et unb in allerlei Bilblid^en SBorfteHungen ber 5pi^antafief unb glauben, ba^ fie ftd^ nur bann ber ©egentoart ©otteS erfreuen lönnten, wenn fte ein roal^rnel^mbareS ©efül^l berfelben l^ätten. 35iefer SDSeg ift tool^I für änfänger gut, fü^rt aber nid^t jur SSoIIfommenl^eit, nid^t jum aSefi^c ©otteS unb gcwäl^rt bem 5Wenfd^en nur ben SRamen beS ©eiftlid^en.*) S)iej[enigen bagegen, roeldjie ben inneren SHJeg toanbeln, ber jur SSoHfommenl^eit unb jur toirllid^en 3Sereinigung mit ©Ott ftil^rt, ^aben fä) mit refignirenber ßrgebung an ©Ott in il^r 3"nereS jurüdfge3ogen, too fie in tjottfommenfter ©elbftentäu^erung mittelft beS reinen, »on aUen Bilblid^en 35orfteffungen loSgemad^ten ©laubcnS t)off inneren IJriebenS unb in tiefer Stulpe in ©otteä ©egenmart leben, 2)iefe burd^ innerlid^e SKorti* fication gereinigten ©eelen fmb, meil fte fid^ felbft -oottlommen über« tounben, jur maleren inneren ^reil^eit gelongt, in meld^er fie il^rer felbft ^err fmb. 2)urd^ il^ren Eintritt in ben ©tanb ber SSoIIIommenl^eit ift il^nen aud^ eine oottfommene ©rfenntni^ ber ©ottl^eit unb SRenfd^l^eit ß^rifti 3u S^l^eil getoorben. SSon aller SBeltliebe fmb fie frei; benn fte freuen fid^ nur il^rer SSerlaffenl^eit.**)

*) III, I : Dae maniere di persone spirituali si ritrovano, interiori ed este- riori. Queste cercano Iddio per di faori, col discorso, coli* imaginazione e con- siderazione; procurano con gran sforzo, per conseguire le yirtü, molte astinenze, macerazione di corpo e mortiücazione dei sensi. Si danno alla rigorosa peni- tenza, yestonsi di cilicci, castigano la carne con discipline, procurano il silentio e portano la presenza di Dio, formandoselo presente nelia loro idea o imagi- nazione, or come pastore, or come medico, or come padre e signore: e tutto ci6 h meditazione. Per questa strada desiderano d'esser grandi ed a forza di Yoluntarie ed esteriori mortificazioni vanno in traccia de' sensibili affetti e fervorosi sentimenti, parendogli, che sol qnando gli hanno, risieda Dio in essi. Questo e Camino esteriore e di principianti; ed ancorche sia buono, non si arrivera per esso alla perfezione, anzi non vi si dara nn passo, come manifesta l'esperienza in molti, che dopo cinquant anni di questo esercizio esteriore ritrovansi voti diDio e pieni di se medisimi, avendo di spiri- tuali il solo nome.

**) III, 2: Vi sono altri veri spirituali, che son passati per i principij del Camino interiore, che conduce alla perfezione ed all' unione con Dio , ed a cui.li chiamö il Signore per sua infinita misericordia da quell' esteriore Ca- mino, in cui prima s'esercitarono. Questi ritirati nell' interno delle loro anime^ con Ycra rassegnazione nelle mani di Dio, con spogliamento e dimenticanza totale, anche di se medesimi, van sempre con sollevato spirito alla presenza del Signore, per mezzo della fede pura senza imagine, forma o figura, ma con gran sicurezza, fondata nella tranquillita e quiete interiore, nel cui infusa raccoglimento tira lo spirito con tanta forza, che ia li dentro raccoglier I'anima,

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9(uf bem etfteren 98ege toiE ber SRenfd^ ®ott btttd^ fein Slad^benlen au^er ftd^ finben, inbem er il^n ou^er ftd^ fud^t. 3ft eS aBer nid^t XJ^or^ l^eit aufier ftd^ }u fud^en, tüad man in ftd^ l^at? (I, 19). 3)ie SSoS^ lommenl^eit beS ÜJlenfd^en mu^ t)or äCSem in ben Siegungen bed 9BiIIenS ju ©tanbe fommen (I, 21). S)enn bie ^eiligleit befielet nid^t barin, ba^ ntaft jtd^ Don ©otted ®igenfd^aften fd^ulgered^te Segriffe mad^t, fonbem barin, bafi man (Sott liebt unb fid^ felbft verleugnet (III, 171).

@S ift eine allgemeine, unb bal^er bie n)id^tigfte Siegel ber mpftifd^en ^l^eologie, ba^ man fid^ erft in ber $ra|i§ berfelben üben mu^, el^e man jur ^l^eorie lommt, unb ba^ man erft felbft il^re 38ir!ungen unb f^üd^te burd^ bie Hebung ber übematürlid^en (Kontemplation erfal^reti unb emppnben mu^, el^e man mit Äenntni^ ber ©ad^e baoon reben lann (III, 177).

2)ad @tubium, toeld^eä nid^t (Sotted @^re jum einsigen Q):oei l^at, ift ber Itirjeftc SBeg jur $ölle, tocgen ber ©itelleit, bie bicfeS ©tubium befeelt (III, 179).

Dbtool^l bie $rebigten geleierter Seute, bie ben l^eiligen @eift nid^t l^aben, aud allerlei ansiel^enben ©efd^id^ten, fd^önen Sefd^reibungen unb augerlefenen ©prüd^en jufammengefe^t jtnb, fo lönnen fte bod^ nid^t mit Siedet ©otteS SDSort, fonbern nur SKenfd^cntoort ober uielmel^r falfd^eS (Solb genannt tperben. ©old^e ^rcbiger pnb ber ßl^riften SSerberber^ als bie fte nur mit SBinb unb ©itelfeit treiben, fo ba^ fie beibe, biefe unb jene, t)on ®ott fem bleiben. 2)a8 finb Seigrer, bie il^re ©d^üler mit bem äBinbe Derberblid^er ©ubtilitäten näl^ren, bie il^nen ©teine ftatt bed 93roted, 93lätter ftatt ber ^d^te unb ftatt gefunber ©peife gefd^madKofe ®rbc mit t)ergiftetem $onig »ermifd^t geben (III, 166—167).

3n bem ©runbe unfereS ^crjenä ift ber ®runb unfercS §eile8 ; ba offenbart ®ott feine äSunber. S)arum trollen toir und in bad 3Reer feiner unenblid^en ®üte oerfenlen unb und barin Derliereti unb ba unbe« weglid^ bleiben (III, 59).*)

il cuore, ii corpo e tutte le corporali forze. 8: Qaeste anime, come che di gia son passate per Tinterior mortificazione e sono State da Dio purgate, da Dio della tribulazione, con infinit! ed horribili tormenti, ordinati tatti dalla sua mano ed a sno modo, son signore di se medesime, perch^ in tutto ei son vinte c negate. Onde vivono con gran riposo e pace interiore. 4: Han conse- guito gia qaeste anime un gran lume e vero conoscimento di Christo nostro Signore, si della divinita oome dell' humanita. »- 5: Qaeste felice e sablimate anime di niana cosa del mondo si rallegrano, faorcbe del disprezzo e del vedersi solo e del vedersi sole e da tutti abbandonate.

*) Cola c'ingolfiamo e ci perdiamo nel mare immenso deir infinita sua bonta, in cui restiamo stabil! ed immobil!.

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2>a| ®ott eine ©eele oon bet SRebitation jut Kontemplation unb inneren SRul^'e erl^ebt, h)itb tm beftimmten Jtennseid^en erlonnt. SDaS etfte ift, ba^ bie ©eelc nid^t ntel^t, ober toenigftenS nid^t ol^ne gro^e 5IRül^e Scttöd^tungen anjuftetten vmaaq, benn bie iWebitation, fagt bie l^eilige 3;i^erefia, n)itt®ott fud^en; f)ai fte aber (Sott gefunben, fo benit jte nid^t ntel^t baran il^n ju Begreifen. 3)ad }n)eite ^ennjeid^en ift, ba^ bie Seele bie Sinfantleit auffud^t unb ©efpräd^e oemieibet. 2)aS britte ift, ba^ ber Seele baS Sefen geiftlid^cr Sudler langtoeilig toirb; baS oierte, ba^ bie ©eele ben feften SSorfa^ f)at, im Oebete anjul^alten ; baS fünfte, bo^ fic tiefe ©d^am über ftd^ felbft, Slbfd^eu oor ber ©ünbe unb ernfte S^r« furd&t T)or (Sott f)cA. (6inl. 1—26).

Ss giebt t)ier 9RitteI, toeld^e jur SSofffommenl^eit unb jum inneren gricben ftil^ren : baS ®ebet, ber ©el^orf am , bie l^äufige Kommunion unb bie innere 5Wortification.*)

2)a3 malere ®ebet l^at ha% innere mpftifd^e ©d^meigen unb bie innere ©ammlung jur SSorauSfe^ung.

®S giebt brei arten beS ©d^loeigenS (silentio): in ben SDSorten, im Segel^ren unb im 3)enten. S)ad erfte ift eine SSoUIommenl^eit; bad 3n)eite ift e$ nod^ mel^r ; aber bag britte ift ba3 ooStommenfte ©d^toeigen. 3m ©d^meigen ber SBorte gctoinnt man bie 2)ugcnb; in bem smeiten ©d^meigen erlangt man bie Stulpe; burd^ ba§ ©d^toeigen ber ©ebanfen lommt man jur inneren ©ammlung. Stid^tä rebenb; nid^ts begel^renb, nid^td bentenb lommt man }um ooUIommenen m^ftif d^en ©d^meigen (perfetto silentio mistico), in meld^em ®ott jur ©eele fprid^t unb fid^ i^r mittl^cilt (I, 128).

S)ie innere ©ammlung (11 raccoglimento interiore) ift ber ®Iaube unb baiS ©d^meigen in ber ®egenmart ®otte3. 3)arum mu^t bu bid^ %mdfyxtn, bid^ in feiner ®egentpart mit einem liebeooden älufmerfen )u fammeln, inbem bu i^n bei bir felbft in bem innerftcn ®runbe beiner Seele ol^ne S3ilb unb ®eftalt unb ol^ne irgenb locld^e S^i^ßKci^^'^w'^Ö wnb Unterfd^eibung ber SSoBIommenl^eit unb Kigenfd^aft burd^ baS attgcmeine ©d^ouen unb @rlennen eines liebeooKen, bunleln ®Iauben3 betrac^teft

(I, 64: mirandolo dentro te medesima nel piü.intimo deV anima tua, Benza forma, specie, modo ö figura, in vista e general notitia di fede amorosa ed oscura, senza veruna distinzione di perfezione ö attributo).

S)a mu^t S)u S)id^ ®ott xüdfjalt^lo^ überlaffen, beine ©inne gan3 oer«

*) II, 56: Qaattro sono le cose piü necessariö per consegaire la perfe- i,i^ne e la pace interiore. La prima h Toratione; la seconda Tobbedienza; la terza la frequente commonione: la quarta la mortificazione iDteriore.

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fd^Ue^en, bamit @r gan} unb gar beiner ^err fei. 2)aruTn mu^ bein ®lauBe rein, unb allgemein, ol^ne Silber, ol^ne biScurftDeS ffienlen, ol^nc SReflejion unb ol^ne Unterfd^eibung beS ßinjelnen fein.*)

2)urd^ einen 3lft biefeS (älaubenS l^at ftd^ bie ©eele in bie ®cgem toart ®otte§ ju erl^eben, unb l^at ben ganjen 3^ag, baä ganje ^q!^x, baS ganje Seben ^inburd^ biefen ©inen 2lft ber ßontetnplation fortjufe^en. 9iid^t aber barf bie ©eele in eine 3Siell^eit oon ©laubenSaften unb toal^r* nel^mbaren ©efül^Ien eingel^en, toeil fie baburd^ bie Sleinl^eit unb ©infad^^ l^eit beS ®Iau6en§ verlieren Mrbe.**)

$ört ber 5Kenfd^ auf ju beten, fo l^at er nur bafür Sorge ju tragen, ba^ bie ©eele an^ il^rer SRid^tung ju ®ott nid^t J^erauSfäHt, fonbern in berfelben aud& unter ben ®efd^äften beS SeBenä unb in ber ©rfüffung ber mannigfad^en SSerufäobliegenl^eiten bel^arrt unb mit gänjlid^er SRefigs nation an ben göttlid^en tJBiUcn l^ingegeben bleibt. 3)ann brandet fie il^ren ©laubenäaft nid^t ju roieberl^olen: mitten im Seben ftel^enb unb t)on beffen mannid^fad^en ^Pflid^tbejiel^ungen in 2^§ätigleit gefegt, bel^arrt fic bann bod^ in ber ©egenmart ®otte3 unb im ®ebet.***)

'*') I, 65: Quivi rinchiuderai i sensi, mettendo in Dio la cura d'ogni tuo bene, con una solitudine e totale dimenticanza di tutte le cose di qnesta vita« Finalmente deve la fede esser pura, senza imagini 6 specie, semplice, senza discorsi, e universale, senza riflessione di cose distinte.

**) Ij 85: Devi andare all* orazione a darti totalmente nelle mani divine, con perfetta rassignazione , facendo nn atto di fede, credendo che stai nella divina presenza, rimanendo poi in quel santo otio, con qiiiete, silentio e riposo; procurando di continaar tatto il giorno, tutto l'anno ed in tutta la vita qael primo atto di contemplazione, per fede ed amore. 86: Non hai d'andare a moltiplicar qaesti atti, ni a ripetere sensibili affetti, percbe impediscono la purita deir atto spirituale e perfetto della volonta. ^erfel&e @eban!e ioie bei gaßoni!

***) Um biefcg Ilar ju mad^en gcbraud^t SWolinoS ein ©Icid^ni^ (I, 111):

Quando una persona incomincia a caminare per portarsi a Koma, tutti 1 passi, che da nel viaggio, spn voluntarii et tutta volta non e necessario, que ad ogni passo manifesti 11 suo desiderio 6 faccia nuovo atto della volonta, dicendo „Yoglio andare a Roma, io vo a Roma/* Imperciocche in virtü di quel primo atto, c'hebbe di yiaggiar verso Roma persövera sempre in esso la volonta, di modo che camina senza dirlo, ancorcbe non camini senza volerlo. Sperimenterai in oltre chiaramente, che questo viaggianle con un sol* atto di volonta e con, un volere camina, parla, sente, vede, discorre, mangia e fa altre divers! operazioni, senza che qaeste gl* interrompano la prima volonta n^ anche Tattual caminare verso Roma. Neil* istessa maniera accade neiranima con- templativa, fatta una volta la determinazione di far la volonta di Dio e di stare alla sua presenza etc.

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2)ie gtocite SSorauSfe^ung bcS fjortfd^rittä bcr ©ccle »on bcr SKcbi« iotion jur ßontcmplation unb ju il^rcr SSottcnbung in ®ott ift bie gel^ot« famc Eingabe an bie lird^lid^e Slutorität eines erleud^teten Seetenfü^rerS. 2)enn nur SQäenigen toirb c8 ju 2^^eil; ba^ (Sott pe (tpie bie f). Sal^a^ riha mn ©iena) unmittelbar leitet. 3»^bem bal^er bie ©elbftfud^t unb bie Selbftöerblenbung ben 3Kenfd^en von 3laiuv ganj unb gar bel^errfd^t, fo ba^ er, foenn er nad^ feinem eignen Urt^eil fid^ l^elfen tpill, nur nad^ SDfngen greift, bie il^m fd^äblid^ finb, fo mu^ baS ©treben beS SKenfd^en nad^ ber SSoUfommenl^eit gerabe3u auf grunbfä|lid^em SKi^trauen gegen fein eignes Urtl^eil berul^en*), b. f). ber SKenfd^ mu^ ftd^ mit unbebing* tem ©el^orfam von feinem ©eclenfül^rer (Padre spirituale) leiten laffen.

(n, 1 ff.)

SBeiterl^in ift als loirlfameS 3)littel gur ©rreid^ung ber 3Sottfommen« l^eit ein möglid^ft l^äufiger, toomöglid^ täglid^er ©ebraud^ ber ßommunion l^erx)or5u]^eben. SJurd^ biefen mirb bie ©eele in ben Sefi^ aller (Snaben beS SoangeliumS unb aller SCugenben gefegt,**) meSl^alb Seid^tpäter il^re

*) II, 88: Sappi, che non darai un passo nella via dello spirito, mentre non prociiri di vincer qiiesto fiero nemico del proprio giadizio; e i'anima, che non conoscera qaesto danno non avra mal rimedio. 89: Tutti siamo infermi della malattia di amore e di giudizio proprio. Siam tutti pieni di noi medesiml* Non sappiamo appetire che le cose a noi nocive, e quel che ci giova, ci dis- piacc e ci attedia. E necessario dunque usare il remedio dell' infermo, che Tuol guarire. Che h il non credere a' nostri guidicij e capricci, m aal pra- dente parere dellp spirituale e esperto medico senza replica e senza scusa.

**) 3" bcr ©d^rift Della cotidiana commnnione fül^rt 3WolinoS junäd^ft auS {^ap, l), ba^ ninn ministro deve impedire la communione al fedele, che la desidera e domanda, mentre non conosca ia coscienza macchiata di peccato mortale, unb l^ebt fobann S^ap. III. bie ©egnungen l^erbor, beren ber ©laus bigc burd^ SSerl^inberung beS Slbenbma^lSgenuffeS beraubt toirb: Primeramente lo priva (nämlid^ ber Seid^tbater) del augumento di gratia e di gloria, che riceve nella communione, il di cui eifetto e inefTabile ex opere operato, benche vi slano peccati yeniali. Lo priva ancora della mortificazione, che in quella fa di tutti i cinque sensi e potenze; mentre dicendo gli occhi, l'odorato, il gusto, il tatto, l'imaginazione , Tintelletto e tutto il suo sapere ed intendere. Che quella hostia e pane, con tutto cio si humilia, mortifica e soggetta, credendo che non e quel ch^egli sente e gusta, roa che in essa si ritröva il suo Dio e Signore. Lo priva, togliendoli la communione , della pnrificazione de 'suoi peccati e mali habiti, e della preseryatione da' futuri, di molti aiuti, che in quella guisa gli si danno per operare ogoi bene e fuggire ogni male; e pure da un solo aiuto puö dipendere Teterna salute o dannatione di un' anima. Lo priva del diminuzione del pnrgatorio, che in ogni communione partecipa. Lo priva degli alti atti di fede, speranza e carita, ch'essercita credendo, quo riceve quel Dio, ch'eglinon vede, n^ sente, sperando in quello, che non ba visto, ed

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^fltd^t Deriennen, tx>enn fte von ber täglt<i^en Sontmunion oud^ 3)ie)emgen abmal^ncn, bic mit feiner SJobfünbc bel^oftet finb.

33ie(e entl^olten fid^ beS 3(benbmal^l3genuf[ed , loeil fte ftd^ nid^t im 33eft|e etiglifd^er Steinl^eit unb ftd^ batum nid^t beffen toütbig glauben; aUein wenn bet ÜRenfd^ nur ben emften äBiUen l^at ®ott gel^orfam 5U fein unb bie ©ünbe ju meiben, fo lann er mit uotter 3w^^f<ä&t gu ©otted ^ifd^e fommen, aud^ toenn er gar feine empfinblid^e Siebe (affet- tuoso e sensibüe amore), ju ®ott in fid^ roal^mimmt (II, 97 103).

S)ie auf bem äu^erlid^en SßJcge ipanbelnben ©eelcn l^aben jtd^ für ben Empfang be§ älbenbma^IS Dorjubereiten , inbem fte beid^ten, in ftd^ gelten unb ftd^ il^r eignes @Ienb unb bie ^errlid^feit ber im Slbenbmal^I i^nen bargereid^ten @nabengabe t)ergegenn)ärtigen. 3)ie innerlid^en unb geift« lid^en @eelen bagegen bereiten fid^ für ben 3(6enbmal^Idgenu^ burd^ ben @ntfd^Iu^ nod^ größerer @elbftt)ernid^ttgung unb xtoi) größeren ^(ei^d in ber Heiligung vox, of)m einer befonberen ©orbereitenben $anblung su bebürfen (imperocch^ la lor vita ^ nna continua e perfetta preparatione; n, 100).

3)a3 SSierte, loaS bie @eele 3ur (Srreid^ung ber SSoQfommenl^eit nßtl^ig l^at, ift bie 9Rortification, barum fann bie Seele nid^t el^er 0U il^rem Si^Ic gelangen, bis fie mit T)oIIfommner SRefignation jtd^ cnt« fd;Ioffen l^at, ganj attein mit (Sott gu leben, fo ba^ fte Segnabigung unb 3Serbammung, Sid^t unb ^nftcrni^ in berfelben SEBeife l^innimmt. S)ie ©cele mu^ bal^er in ftd^ felbft abfterben, bamit fie in (Sott leben fönne; unb je mel^r fte in fid^ felbft erftorbcn fein toirb, um fo me^r toirb fte @ott erfennen. Sßäenn fld^ aber bie ©eele nid^t in ununterbrod^cner ©elbftoerlcugnung unb innerer SWortifijirung übt, fo toirb fie niemals auf bief e ©tuf e f ommen nod^ (Sott in il^rem 3«neren erfennen, toeSl^alb fie bann immer ben SufäQigfeiten ber äBelt unb ben Seiben beS (Semütl^S untertoorfen fein wirb, als ba ftnb baS Urtl^eilen, SKurren, (Erbittert* toerben, fid^ entfd^ulbigen, fid^ üertl^eibigen , jur (Srl^altung ber eignen ®^re unb beS eignen SlufeS, meldte bod^ %e\n\>e ber 33ollfommenl^eit unb beS griebenS finb (Vm, 71).

hierbei mu^ bie ©eele jmei 2lrten beS geiftlid^en SDlärt^rertl^umS burd^fämpfen, burd^ h^eld^e @ott fie reinigt, um fte mit fid^ 3U vereinigen, nemlid^ einerfeits baS bittere SQBaffcr innerlid^er Sebrängni^, Slnfed^tung,

uniendosi con lui pef amore. E Iddio Tistessa bonta, e Yoole per amore communicarsi all' anime per mezzo [del divino e sacramental pane. Si da maggior fortuna nel mundo? Puo esservi maggior felicita? £ si ritrovaranno miuistri, che priviDo Tanima di qaesto bene?

i

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5flot^ unb Dual (nr, 19 ff.), unb anbterfeits bas ^cr einet btennenben, ungebulbigen unb Derfd^mad^tenben £ie6e. Salb fül^It ftd^ bie @eele in biefem geuet bet Siebe fem t)on ®ott unb jammert über bie SlblDefen^ ^eit bed ©eliebten ; balb ift il^r im (Sefül^l ber ©egentoart beffelben ber ®ebanle an il^rc tlnreintgfeit eine Dual, von ber fic tjcrse^tt toirb, auf ba| fie gereinigt toerbe (UI, 54 ff.).*)

3nbeffen ift bie ©eele l^iermit bereits in ben ©tanb ber ßontem« plation eingetreten, in toeld^em btefelbe ben eigentlid^en 3Beg jur SSoDf« fommenl^eit erreid^t l^at. 3)ie ßontemplation ift nemlid^ 3unäd^ft eine crtoorbene altiüe Kontemplation, in toeld^er nod^ ein 3Kith)irfen beö menfd^Iid^en SSäiffenä mit bem (Seifte ®olte§ ftattfinbet; fte fann fid^ aber nod^ 3ur eingegoffenen paffioen (Sontemplation ooffenben.

SBenn nämlid^ bie ©eele bereits an bie innere Sammlung unb an bie ertoorbene Sontemplation geroöl^nt, loenn fie mortifijirt ift unb i^rcn Segel^rungen, ®igenl^citen unb ©ünben ganj absufterben trad^tet, bann pflegt ®ott fte, ol^ne ba| fie eS merlt in eine t)oIlfommene Slul^e 3U jiel^en unb 3U erl^eben, unb fie in il^rem tiefften 3^nern mit 2uft unb geben 3U erfüHen. SCISbann überwältigt fie ber göttlid^e Bräutigam mit einem überaus fü^en, rul^igen ©d^Iaf; unb in biefem paffioen ©tanbe lontmt bie ©eele, ol^ne ba^ eS fie eine älnftrengung loftet, jur ooHen SSereinigung mit bem l^öd^ften ®ute, burd^ toeld^eS fie fo befeligt, gerei« ntgt unb erleud^tet toirb, ba^ ber SBille ®otteS nun für fte SllleS in Slttem ift, fie nid^tS mel^r fürd^tet, unb nid^tS mel^r l^offt (toeil fte felbft nid^tS mel^r will,) unb eS i§r barum ganj gleid^ ift, ob nad^ bem Statins fd^Iufe ®otteS ber Fimmel ober bie §öffe i^rer in ©toigleit toartet.**)

Heber bie %ta^e, ob bie ©eele auf biefer ©tufe bie Setrad^tung bct 5IRenfd^l^eit unb beS SeibenS ßl^rifti feft3U^alten $abe, ober nid^t, finb bie atnftd^ten get^eilt. ***) 3)aS SRid^tige ift aber fJolgenbeS: ß^riftuS ift

*) SRoUnoS nennt bal^cr bie (SontcmJ)lation in biefer ©ejiel^ung contempla- zione purgativa, l^ebt aber babei l^er))or, ba^ ber 9){enfd^ felbft bie burd^ bie« felbe }u betoirlenbe Steinigung feiner @eele nie b)ürbe ^u @tanbe bringen !önnen« ba^ es bal^er ®ott ift, ber fie betoirlt.

*♦) SWoIinoS unterfd^eibct nad^ (III, 140—142) tre gradl deir infusa contemplazione, l:bie satieta(quando ranima si riempie dl Dio, concepisce odio a tutte le cose mondäne); 2, bie ubbriachezza (un mentale eccesso ed eleyazione dell' anima, nata dal* divino amore e dalla sazieta di esso; 3, bie siccnrezza, 11 cai grado discaccia ogni timore. ^ie ®ee(e ift nämUd^ fO in

bie Siebe unb ben SBiUen ^otteS t)erfun{en, ba^ fie, toenn eS @otteS äBiUe tD&re, gernaud^ inbie^dne gelten toürbe (che se sapesse, esservolonta del Altissimo, anderebbe ben Tolentieri alP Inferno I

*♦♦) ERoIinoS berid^tet über ben ©egenfa^ ber «nflc^ten (in, 116): Vi son

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aQetn ber 2Beg, bte äBal^rl^eit unb ba§ Se6en; unb barum !ann leine @eele in bie ®egenh>att @otteg unb }ur SSereinigung mit @ott gelangen, fei benn, ba^ fie }ut)or im Slute ßl^rifti getoafd^en unb mit ben ©d^ä^en feines SeibcnS umlleibet fei. $ictau3 folgt, ba^ in bet ©eele niemals, aud^ nid^t im l^öd^ften Sluffd^toung il^rcr ßontemplation, baS ©c- bäd^tni^ ber ?ßaffion ßl^rifti ganj erlöfd^en barf (che non deve scancellarsi affatto la memoria della passione e morte del Salvatore; ed e anco certo, che per la piü alta elevazione di meote, ä cui sia gionta ranima, non hä, da separare del tutto la santissima humanitä); aber mit nid^ten

folgt barauS, ba^ bie beS biScurfioen 2)en!en§ gan3 enttoöl^nte contemp^ lirenbe ©eele bie SWebitation über baS Seiben ßi^rifti fud^en muffe. Sft bie contempUrenbe ©eele frül^er ber 3Kebitation über ß^rifti SWenfd^' l^eit unb Seiben ergeben getoefen, fo l^at fie ben ©ebanfen an baffelbc aud^ toöl^renb ber Kontemplation in i^rer ©rinnerung, unb berfelbe h)irlt alfo in ber ©eftalt eines einfad^en (SlaubenS in il^r fort, ol^ne ba^ fie fid^ ß^rifti Seiben im ©injelnen t)eigegenh)ärtigt. *)

S)ie SSoIIenbung ber ©eele ift atterbingS auSfd^Ue^Ud^ baS SBerl ©otteS; allein biefelbe tritt bod^ nur bann ein, toenn in bem SKenfd^en biejenigen 35orauSfe^ungen oorl^anben fmb, ol^ne toeld^e (Sott leine ©eele auf bie l^öd^fte ©tufe l^inauffül)rt.

3)ie gewö^nlid^en äußeren WtitUl unb Hebungen ber Slnbad^t lommen jebo^ l^ierbei nid^t in Setrad^t. 2)iefelben fmb allerbingS für 2ln^ängcr l^eilf am um biefe an ©elbftbel^errfd^ung ju getoöl^nen; im ©tanbe ber ßontemplation bagegen fmb fie el^er fd^äblid^ als förberlid^, inbem fie bie SRu^e ber ©eele ftören unb bie©elbftgefälligleit in i^r näl^ren (II, 111 116).

2)a^ bie ©eele bie SQSelt fliel^t, ben eignen SDSünfd^en unb ber Siebe 5ur ßreatur entfagt, ift aUerbingS nötl^ig unb gut; aber eS genügt nid^t 3)ie ©eele mu^ fid^ überl^aupt oon jebem SßJunfd^e unb jebem ©ebanfen, t)on bem SDäoIIen unb SBünfd^en an ftd^ frei mad^en, bamit ®ott bie 2^l^ür gu i^r geöffnet finbe. (I, 133). 3)er 5iKenfd^ mu^ fein ^erj 3U einem toei^en Sßapier mad^en, in toeld^eS ber SBitte (SotteS einjeid^net, maS il^m

due maniere di spirituali tottfimente contrarie. 61i uni dicono, che sempre devonsi meditare e considerare i misterii della passione di Cristo; gli altri in- segnano, che la meditazione de misterii della vita, passione e morte del Salva- tore non h orazione, ne anche memoria di essi, ma doversi sol chiamar' orazione Talta elevazione in Dio, la cui divinita contempla Tanfma in quiete e silenzio.

*) 3ur Erläuterung gebraud^t 3R. (III, 121) folgenbeS ©(eic^ni^: Come

se ad un figliuolo si dicesse, che non deve mai abandonnare il suo padre, non per questo lo vogliono obligare a tener sempre gli occhi fissi in lui,. ma solo a conservarlo sempre nella sua memoria, per attendere a sno luogo e tempo a quel che deve.

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cBcn gefällt. *) 3)cnn il^r 3icl, bie SSerf cnlung in ®ott, bie Döttigc SSet^ cinigung mit ®ott errcid^t bie ©celc nur baburd^, ba|5 fte fid^ felSft oer* nid^tigt.

3)iefe ©elBftDetnid^tigung (annichilazione)berul^t auf jh)ei2)ingen, 3)aä ®rfte ift bie Serad^tung feiner felbft unb aller 3)inge bcr SDäelt, iDeld^e uns bal^in fül^rt, ba^ toir unS t)on unä felbft ausleeren unb unä von aKer ßreatur logmad^en. S)a§ S^^cite ift eine ©l^rfurd^t t)or ®ott, treidle un^ exroedt \f)n ju lieben unb 'ii)m un§ ol^ne alle SRüifid^t auf eignes S^tercffe l^injugeben. SluS biefen jtoei Btüäen ertoäd^ft eine v'öüiQe ©Ieid§förmig!eit ber Seele mit bem göttlid^en SESiHen unb biefe ©leid^förmigfeit fübrt bie ©eele jur 35ernid^tigung il^rer felbft unb 3U ii^rer Umbilbung in ®ott, ol^ne Scftafen unb SScrjüdfungen, bie oft mit 2^äufd^ungen oerbunben fmb (III, 187 188).

®ine ©eele, bie il^r SKad^Stl^um fid^ angelegen fein lä^t, bie mu^ von fteter @r!enntni^ il^rer 3liebrig!eit fortgel^en jur Uebung ber SSer« nid^tigung, tocld^e in (Siel an £ob unb ®^re befte^t (III, 189). 6iner ©cele aber, lüeld^e red^t empfinbet, toie gering unb t)eräd^tlid^ fie ift, bünit eS ganj unmöglid^, ba^ fie ei^ioa^ tjerbienen ober ba^ fie als tugenbl^aft gelobt toerben fottte. (III, 190).

®ie 3Sernid^tigung mu^ ftd^ auf ben 33erftanb, ben SBillen, bie Slffelte unb ®emütl^Sneigungen, auf bie Segierben unb ®eban!en, über* l^aupt auf baS ganje SBefen ber Seele erftredfen, fo bafe fte il^rem SBoIIen unb SBünfd^en, il^rem 3^rad^ten unb Semül^en, i^rem SSomel^men unb Segreifen abgeftorben ift unb bemnad^ loiH, als tooHte fte nid^t, oerftel^t, als »erftänbe fie nid^t, gebeult, als gebadete fie nid^t, ba^ fie fid^ ju gar feiner ©ad^e, felbft nid^t jur SSernid^tigung neigt, fonbem ganj gleid^« gültig 3Serad^tung toie (Sl^re, SBo^tl^aten mie 3wd^tigungen l^innimmt. (Sine fold^e fid^ gänjlid^ abgeftorbene ©eele ift bann ein ®efä^, in meld^em ©Ott, unb jtoar ®ott allein, lebt; eine fold^e ©eele ift ©ergöttlid^t (III, 193—194).**)

Sie SSernid^tigung ber ©eele mu^ aber nod^ weiter gelten. Slud^ bie X^ugenben berfelben aud^ il^r 33efi^ ber eingegoffenen ®nabengaben, aud^ baS Verlangen nad^ einem nod^ reid^eren S3efi^ berfelben ift für bie ©eele ein §inbernife il^rer SSollenbung. ©ie mu^ fid^ aud^ i^rer Saugen* ben als eigner 3Jugenben, an beren S3efi| fie il^r SBol^lgef allen l^at,

*) I, 46: Quello che importa, h preparare il tuo cnore a guisa di una carta bianca, dove la divina sapienza possa formare i caraiteri a suo gusto.

**) O che anima felice h quella, ehe ritroväsi cosi morta ed annichilatal Ella non vive piu in se perebb Iddio vive in lei, gia paö con ogni verita di lei dirsi, che sia deificata.

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jjänjKd^ cntäu^cm, um jtc nur al§ SBirfungcn ©ottcS jtd^ cmjcifcn ju laffcn; unb ani) if)x SScrlangcn nad^ bcn ®nar)cn9aben mu^ t)on aller ©igenfud^t gereinigt toerbcn (III, 24).

©rreid^t bic ©cele biefeS 3^«!/ "^^^ ip i^^ S«^^« lautere ©infad^^ l^eit, benn e^ ift algbann lautere &iebe, n>eil bann ta)ir!lid^ nur ®ott in il^r lebt.

„Seftei^ige S)id^ barum attejeit ber SSerleugnung S)einer felbft unb bel^arre in ber ©titte; bann toirft 3)u fd^Iie^Iid^, obfc^on 2)u nid^t fagft, bai S)u ©Ott liebft, bo^ ber ©otteäliebe voU werben (I, 133)."*)

2)ie SKittel, beren fid^ (Sott bebient, um bie ©eele ju il^rer Sott* lommenl^eit ju bringen, ftnb bie geiftlid^e 2^rodEen^eit (ariditä), burd^ weld^e er alles feine aOSirffamleit l^inbembe 2lufmerfen ber ©eelc auf il^r eignes Sorl^aben beseitigt, unb bie ^infterni^ (tenebre). SBcrbe barum nid^t uerroint ober mutl^IoS, toenn 3)u 3)id^ gleid^fam mitten in finftrer 9iad^t beftnbcft. 33cnn l^ierburd^ reinigt ®ott bie ©eele oon ber finn* lid^en (Smpftnblid^Ieit, toeld^e vom geiftlid^en SBege abfül^rt. S)ir liegt feine anbre ^Pflid^t ob als bie, ba^ 33u nid^ts auS eignem Slntriebe tl^uft unb beine ^reil^eit allen inneren unb äußeren Slbtöbtungen, bie (Sott bir auferlegt, toittig untermirfft. (I, 29—44). S)u toirft oft in bir eine geiftige SJrodfenl^eit, ginftemi^ unb SSerlaffenl^eit unter ben l^eftigften 35erfud^ungen beS geinbeS erfal^ren. 3^1^^* w)irb bein §erj fo beun* rul^igt unb »erbittert fein, ba^ bu oott IXngebuIb unb S^xneQ bift, tool^l ©otteSläfterungen auSfprid^ft unb atterlei unorbentlid^en Süften bid^ preis* gegeben fiel^ft; bu erfd^einft bir als baS t)ern)orfenftc, ju ben Dualen ber $ötte üerurtl^eilte ©efd^öpf. Slttein baS 2lffeS bewirft (Sott in bir lebig* lid^ 3U beiner Erneuerung. SDenn in SBal^rl^eit bift bu bod^ nid^t fo be* fd^affen toie bu bir oorlommft. (Sott l^at biefe fd^merjenSreid^e SSerlaffung über bid^ fommen taffen, um bid^ von bir felbft 3U entblößen unb abju* jiel^en, bamit bu bid^ i^m ganj unb gar ergebeft (III, 28 31). ©e* trieben von 5DlitIcib mit unferem ®Ienb lä^t ©Ott eS ju, ba^ h)ir Don ©ebanfen gegen ben ©lauben, oon Ueppigfeit, 3orn u. f. h). tjerfud^t werben, bamit mir unfer (SIenb felbft erlennen unb bemütl^igen §er3en8 toerben (I, 51). ^\>tm bal^er ©Ott bie aus unfrer ©tinbl^aftigleit mie aus bem ©ünbenleben 2lnbrer l^ertjorgel^enben Slnfed^tungen 3U bem 3wedfc gebrandet, um unS 3U fid^ 3U 3iel^en, unb inbem er gerabe feine ©rmäl^Iten mit befonberen SJrübfalen l^eimfud^t, um fie 3U läutern*), fo lann gefagt

*) hiermit fd^Uefit ber erftc Xl^etl beS »uc^feS.

**) III, 82: Le anime fortanate, che son guidate da Dio per la via segreta dell 'interior camino e della contemplazione purgativa, han da patire sopra

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ioerben, bc^ bie größte 3(nfed^tung barin befielet; feine Xnfed^tung 5U IJoBcn. *)

3)ad fid^erfte Mittel gegen aSe SSerfud^ungen ift fte ju oerad^ten unb ju tl^un, ald 06 man fte gat nid^t fel^e. 3)enn eg giebt nid^tS; n>aS bie SiteKeit beS Teufels mel^r bemütl^igt, als h)enn er fe^en mu^, ta)ie h)enig man fid^ um ba§, ft>aiS er und t>orgauIeIt, lümmert (I, 68).

3)er ©laube 3)erj|enigen, meldte ben inneren SSJeg toonbeln, ift fel^r ücrfd^ieben x>on bem (Slaubcn berer, toeld^e ber SBlcbitation ergeben ftnb, ienn jener ift ein lebenbiger, allgemeiner, t)on feinem Unterfd^ieb wiffenbet @Iaube, unb beiSl^alb ift er fräftiger, tl^ätiger unb erleud^teter. Mer« bingd ift nid^t ju leugnen, ba^ ®ott ber @eele aud^ burd^ bie ^ebitation einiges Sid^t giebt; allein ©erglid^en mit bemjjenigen Sid^te, roeld^eS (Sott einer onbäd^tigen ©ecle mittelft beS einfad^en, allgemeinen ©laubenS ein« gie^t, ift es bod^ fo unbebeutenb h>ie brei S^ropfen äBafferS Derglid^en mit bem Dcean. ®er ®runb l^ieroon ift, weil (Sott in ber 35etrad^tung ber ©eele immer nur 5tüei ober brei SQSal^rl^eiten mittl^eilt; dagegen in ber inneren @infel^r unb in ber Uebung beS lauteren unb allgemeinen (SlaubenS befinbct fid^ bie ©cele mittelft einer bunflen, allgemeinen, etnfad^en unb überfd^iDenglid^en @rfenntni^ in bem meiten unb DoKen SKecre ber SBeigl^eit (SotteS (I, 113).

@benfo ift aud^ bie ^ugenb Übung ber ben innerlid^en SSeg @el^enben eine gan5 anbere als berer, iDeld^e ben äu^erlid^en 2Beg loanbeln. ^e 2e|teren fud^en in einer jufammenl^ängenben Sleil^enfolge einzelner $anbs lungen eine Xugenb nad^ ber anberen auszuüben unb il^re Safter unb il^re Siebe }ur ßreatur auszurotten, ol^ne bamit j|e ju ©tanbe )u fommen (perch^ non possiamo noi far cosa, che non sia imperfezione e miseria); bie le^teren bagcgen, in benen ber ^err lebenbig unb frei h)irft, gelangen ju einer innerlid^en Sefeftigung ber SJugenb, fo ba^ jte, t)on aller fjeffel ber ©elbftfud^t abgelöft, baS ®ute in allen äSejiel^ungen in DoSer ^eil^eit unb gan} t)on felbft tl^un, ol^ne babei jemals an bie ®nabe }u benfen, bie il^nen ®ott getoäl^rt l^at (III, 6—7).

@S erl^eUt, ba^ biefer ©ebanfencpfluS beS äJlolinoS, t>erglid^en mit t)em, toaS fid^ in ben ©d^riften frül^erer Vertreter ber quietifd^en SWpftif,

tutto forti ed horribili tentazioni e tormenti piü atroci che quelli, co' quali si coronarono i Martiri nella primitiya chiesa.

*) I, 63: Finalmente devi sapere, che la maggior tentazione e lo star aenza tentazione; e perciö devi rallegrarti, quando ti assilirä e resistirle con pace, coBtanza e rassegnazione.

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namentlid^ ©panieniB enttDtdelt t)orftnbet, nid^ts etgentlid^ 3le\xe8 ober Sigcntl^ümUd^cS baricgt SKoKnoä Beruft fid^ h)iebetI;oIt auf bie Sfutorität bcr 1^. 2^l^ercfitt, et toeift auf ben gefeierten ©regor ßopej, bent)ottcn* beten 5PraIttIer ber 3R9ftiI l§tn, stellt aber* aud^ anbre ©eifteSüerroanbte, 3. 83. biefjrau t). ßljantal, an, unb lä^t au^erbem oft bie frappanteftc lieber einftimmung mit galconi erfennen. ©ein Guida spirituale ift alfo nid^tS anbereS alg eine S)arfteffung ber in ber latl^olifd^en ßtrd^e fd^on oor xf)m jur 2luSbiIbung gelommenen unb in allen latl^olifd^en Sanbcn bereits wol^I betannten quietiftifd^en 3)lpftii

SKoIinoS fteHt ben Unterfd^ieb oon 9Kebitation unb (Sontemplation gan3 ebenfo bar, unb rebet über ba§ SBefen ber paffltjen ßontemplation ganj ebenfo n)ie eS fd^on im fed^§3el)nten Sal^rl^unbert gefd^el^en mar. ®r erlennt aud^ an, ba^ bie ßontemplation nur burd^ befonbere ©nabenl^ülfc ®otte§ erreid^t toerben lönnte, unb forbert babei nur, ba^ ber einmal auf bie ©tufe ber ßontemplation ©elangte auf biefer, al§ am eigentlid^en Siele aller religiöfen Sebengenttoidflung bel^arre. @r toitt ben 2Beg jur aSott« lommenl^eit 3eigen, unb jeigt il^n, toie bie anberen Sllle eS getl^an, inbetn er lel^rt, bie ©eele muffe burd^ innere ©elbftconcentrirung unb ©amm« lung 3U einer fold^en (Sinfad^^eit il^re§ SBefenS gelangen, ba^ pe ntd^t Steigung 3U biefem ober jenem einseinen ®ute, fonbern nur für baS Sine fd^led^tl^in ©ute, für ©Ott l^abe; bann greife ©Ott oon if)r S3efi^ unb mad^e fie 3U einem Drgan feinet eignen SebenS.

5lud^ ift oon 3Rolino§ ebenfo toenig al§ oon feinen SSorgängern ju fagen, ba^ bie ©ottl^eit, in beren SBefen bie ©eele jur ooHlommnen Slul^c unb 3ur SSoIlenbung, ja 3ur SSergöttüd^ung lommen foll, bie neuplatonifd^e, unterfd^iebSlofe unb eigenfd^aftälofe abftralte ©inl^eit beg ©einä fei. 2)er ©Ott, 3U meld^em SKolinog bie ©eelen l^infül^ren mill, ift unb bleibt ber: SSater S^f" ß^tifti, unb auf bem ©tanbpunfte ber ßontemplation tritt bie ©eele au§ il^rer Sesiel^ung 3U bem ©rlöfer nid^t l^erauS. ©Ott ift abfolut Dio amoroso unb baS ©ottegleben ber ooHenbeten ©eele ift ballet lauteres Siebesleben. 3lur fommen für ben Slft ber paffioen (Sontems plation leine Unterfd^iebe im Dbjectein Setrad^t; bie ßontemplation fd^aut aber in bem SSater toefentUd^ aud^ ben ©ol^n, in ber ©inl^eit ©otteS aud^ bie ©ottl^eit beS ©ol^neS, beffen ©rfd^einung im ^l^ifd^e fid^ nur bem gläubigen 3luge beS auf bem ©tanbpunfte ber SKebitation ©tel^enben afö Sefonberl^eit bar3uftellen oermag. Slber freilid^ irgenbloeld^e Sebenbigleit l^at bie Se^ie^ung ber contemplirenben ©eele jur $erfon unb jum ©r* löfungStoerle El^rifti nid^t.

SWoKnoS meift bie SBertl^fd^ä^ung ber (Scftafen, Siftonen unb Dffen«

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Barungcn jurüdf. §tctbutd^ untcrfd^eibct ftd^ berfelbc aKctbtngS von hex ]^. 3^l^crcjta unb bcn älteren, nid^t aber von bcn fpäteten Dutettften^ toeld^c cBcnfo wie ex bie tool^rc 3tuf)e unb ©tille bct Seele mit bem ©rlDarten von aSijtoncn unb mit ®cftafen nid^t tjereinbar fanben.

Slud^ über bie SKittel 3ur SSoHIommenl^eit ju gelangen, fprid^t ftd^ 3KoIino§ ganj ebenfo tüie feine 3Sorgänger au§, inbem er als fold^e baä ©ebet, ben (Sel^orfom, l^äuftge, wo möglid^ täglid^e Gommunion, (ol^ne bo^ berfelBen bie SSeid^te, bie nur für bie anime esteriori ein SSorbereitungS« mittel 3ur inneren Slul^e ift, immer t)orl^er3ugel^en brandet,) unb innere ®rtöbtung bejeid^net. (Sbenfo ift aud^ beffen 35ringen auf bie SQSal^I eineä ©eelcnfül^rerg , beffen STutorität bie ©eele in il^rem ©treben nod^ SSoIIs fomntenl^eit fid^ mit unbebingtem SSertrauen unb mit unbebingtem ®e*

]§orfam l^ingeben föll, burd^auS nid^ts ©igentl^ümlid&eg.

Snbem bal^er ber Guida spirituale nur auSfprad^, bejüglid^ mand^er 5PunIte mit ganj befonberer Älarl^eit augfprad^, maS in ben $er3en t)ieler Saufenbe als beren 2lllerl^eiligfteä lebte, fo lie^ fid^ bie freubigfte SBegrü^ung beS SSud^eS feitenö ber frommen unb „6tiIIen im Sanbe" unb bie meitefte Verbreitung beffelben von t)ornl^erein erwarten, 3umal ba baS Süd^Iein fo red^t in ber älbfid^t gefd^riebeVt war, benen, toeld^e nid^t nad^ geleiertem ti^eologifd^en SBiffen fonbern nad^ ben $ei[e il^rer ©cele trad^teten, freunblid^e ^anbreid^ung gu tl^xm. ^n bem SBortoort beS Süd^IeinS i)atie ber SSerfaffer erüärt, ba^ baS Sud^ feineSmegä für alle Slrten t)on ^ßerfonen beftimmt fei, fonbern nur für ©iejenigen, toeld^c tl^re finnlid^cn Slffelte px tobten ernftlid^ bemül^t mären, unb bie babei ber ®rmunterung unb ber Unterftü^ung in ber (Entfernung von ^inberniffen bcbürften, toeld^e il^rem SBunfd^e, bie ooHfommne Sefd^auung ju erreid^en, entgegenftünben. „3Jfeine Slbfid^t," fagt 5KolinoS, „ift nid^t gemefen auf eine fpeculatiüe Sßeife t)on ber Kontemplation ju l^anbeln ober eine SSer« t^cibigung berfelben toiber il^re ©egner ju liefern, toie fo t)iele ©elel^rte in auSfüi^rlid^en SEBerlen getl^an l^aben, mit ©rünben unb Setoeifen, bie aus ber 1^. Sd^rift unb ben Äird^enoätern entnommen fmb. Slber bie ©r^ fal^rungen, toeld^e id^ in einer Sleil^e pon ^al^ren fammelte, inbem t)iele ©eelen fid^ meiner Seitung anvertraut, l^aben mid^ von bem ^xx^en unb ber ^Rotl^menbigleit ber Siegeln überzeugt, toeld^e id^ nad^ ber Unter« toeifung ober (toenn id^ fo fagen barf) nad^ ber Eingebung l^abe mit« tl^cilen loollen, beren ®ott mid^ getoürbigt l§at, tl^eils um SJenjenigen 3U l^elfen, meldte nad^ SBoHfommeni^eit barin ftreben, bie geffeln ju bred^en, meldte il^ren Sauf l^emmen (attacamenti, che gFimpedis- cono affatto il corso), tl^eils \xm ©eelforger aufjuflären, unb biefc 3U

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vtxf)xrä>exn, bie @eelen jutüdjul^alten, h)eld^e @ott auf gel^einten 3Begeit %\xm inneren fjrieben unb jur »offfommenen ©cHgfeit ruft."

3^ freilici^, baS fear eS, was beut Süd^Ietn bei allen enxften, fromtncn ©emtitl^em in bcr fatl^olifii^en Äitd^e ben S^gang bereitete, ba^ eS bic „^effcln 3erbred^en" tDoKte, mit benen baS latj^olifd^e 3)ogma ben freien (Sang ber perfMici^en ^ömmigleit l^entmte!

^ierju lam aber nod^ t)iele§ ä(nbere, wa^ not^toenbig bie S3ebeutung unb SBirIfamfeit be§ Süd^Ictn^ erl^öl^en mu^te. Staffelte tüar mit ber Slpprobation fünf angefel^ener latl^olifd^er ©eiftlid^en erfd^ienen, t)on beneix vier 9Ritglieber ber 3>«quifttion (Qualificatores et Consultores sancü Officii) toarcn. 6S toaren biefeö bie (Seiftlid^en: 5Dlartino S^oncj, ©rj« bifd^of t)on SRI^eggio, fJranciSco SKaria, ©eneral beS granjiScanerorbcnS, SominicuS, getoefener ©cneral ber ßarmeliter, bamafe ©eneral unb Slector beS SKiffionSfeminarS ©t. ^ßancratiuS, grancigco 5ßerej, ©eneral beS ÄapujinerorbenS, unb ber 3efuit SDlartin ©Sparja, $rofcf[or ber Il^eologie. 2)iefe fünf SBürbenträger ber Äird^e l^atten in il^rer Approbation bcS ©d^riftd^eng nid^t allein erllärt, ba^ baffelbe „9lid^t8 entl^alte, toaS ber gefunben Seigre unb guten ©itten tüiberftreite/' fortbern l^atten eS oud^ <tls „ein unfd^ä|bare3 Äletnob unb eine Slnweifung ber grömmigleit unb SSoHfommenl^eit" bejeugt, toomit „toegen ber Haren, einbringlid^en unb tJoUIommenen ©arftcHung beS Süd^IcinS nur toenigc anbre ©d^riften per« glid^en toerben fönntcn."

3lBer aud^ oon anbrer ©eite l^er trat bie Slutorität ber Äird^e für baS 33ud^ ein, inbem ber bamalige ©r^btfd^of ©iacomo oon Palermo baffelbe im 3. 1681 in einer eigenS jfür bie 3a]^Ireid^en ^auenllöfter unb Seid^toäter feiner S)iöcefe oeranftalteten SluSgabe neu erfd^einen lie^ unb in einem für biefe SluSgabe gefd^riebenen SSormorte t)om 7. 3Rärj 1681 afö ein unfd^ä^bareS ÄIcinob oerl^errlid^te.*)

*) ^a^ SSoriDort finbet ftd^ abgebrucft in Sluguft igermannd grantfe'd Ueber^

fe^ung bed Guida spiritaale (Manudactio spiritaalis etc.; Lipsiae. 1687). S)er

iSrjBifd^of fagt l^ier, i>on ben @rforberniffen ber Leitung ber 6ee(e jur SSoll^

fommenl^eit rebenb: ludicayimus, non posse efficacius id obtineri quam publi- cato libro, quem saepennmero nostrae instructionis gratia legimus; qaemqae ingenue fatemur multum dedisse luminis tenebris nostrae ignorantiae, et non minorem calorem nostri tepori. Haest est manndactio spiritualis, quam offerimus vestrae considerationi , o animae devotae, qualem eam composuit» dirina assistente gratia, Dominus Dr. Michael Molinos, de cuius admi- rabilibus donis quid sentiam, explicare omitto, ipsius modestiam reveritus, et relinquens eum in exoptato secessu sui nihili, ubi omnia inveniet, et unde in

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Unglci^ tncl^r nod^ als baS SOIeS tarn c8 aBet bcm S5u(]^c ju jlattcn^ ba^ aud^ ba§ DBcrl^aupt bct Rxx^e, ber fromme ?{5ap[t Snnojcnj XI. bem* fcIBen ganj unt)er§oIcn feine freubigfte Snetlennung ju Xf)txl werben Ke^.

®rh)ägen totr bal^er bie toeite SSerBreitung ber quiettftifd^en SKpfti! in ber latl^olifd^en Rxxä^e 3ur S^xi be8 3JloIino§; ertoSgen toir jugleidj biefe fo gctotd^tooHe, energtfd^e Vertretung, beren fid^ baS Sud^ feitenS ber Sfutoritat ber Äird^e ju erfreuen ^^^tte, fo mu^ eS Bei ber üBerauS pral« lifd^en, ber Senbenj unb Seftimmung beS SBud^eS entfpred^enben ©in« rid^tung bejfelBen oofffommen Begreif Kd^ erfd^einen, ba^ ba§ ©d^riftd^en n)ie ein jünbenber ^nle in bie latl^olifd^^fromme SEBett fiel, unb in weniger ate fed^S 3^^^^^ wel^r afö jmanjig 3lu§gaBen in itolienifd^er, fpanifd^er, franjöfifd^er unb latcinifd^er ©prad^e erleBte.

ÜRoIinoS toar urplö^lid^ baS Dracle ber Seit getoorben*). Eine HJlcnge oon 3tnbäd^tigen Begel^rten Bei il^m SHatl^ unb $ülfe im Seid^t« ftul^I unb im §aufe; Äleriler, barunter felBft Prälaten ber Äird^e, felBft Äarbinäle, !amen in großer S^^^l 3U il^m nod^ SRom, um oon il^m ju erfol^ren, wie fie bie il^rer DBI^ut anvertrauten ©eelen 3ur SBoIHommen« l^ctt JU filieren**) l^ätten, unb ©ieUeid^t ift niemals ein (Seiftlid^er, ber

innmnerabiles animas a Domino ipsi missas, non a se quaesitas, beneficia sua confert, Tantnmmodo dicam, multum esse, quod ille debet misericordiae Altis- simi, nee param hoe, quod ego debeo ipsius divinae pietati, qnod haius libri copiam mihi fecerit, at eum inspicerem et tractarem.

*) SScrgl. toaS ber S)ominicianer Guil. Felle in ber ©d^rift Rovina del

Qiiietismo berid^tet, @. 16: Pulchris bis verbis decipiebat pueros, puellas, femi- nas, nobiles, principes, doctas denique ipsos, qui tarnen in peccato obstinati deceptos se esse credere noluerunt. @. 83: En Sanctum Romae, quem ado- rabant Cardinales, Episcopi, Generales ordinnm, Principes, Comites, Nobiles utriusque sexus, mercatores et rustici! @. 75: Potestne dari maior stultitia et stnpiditas in tali doctore, qui fascinabat principes viros et feminas et in amoreni ac admirationem sui rapiebat Romanamsanctamuniversam! @o berid^tet ein leibenfd^aftlidjcr (Segner beS SRolinoS!

**) S)er SScrf. ber Three letters concerning the present State of Italy fdjils

bcrt ben ©inbrutf, ben ha^ ©r^eincn beS SBud^eS mad^te. ©. 20—21 : The book

was no sooner printed, than it was much read and highly esteemed both in Italy and Spain. It was considered as a book writ with much clearness and great simplicity; and this so raised the reputation of the auther, that bis acqnaintance come to the generally much desired. Those who seemed In thei greatest credit in Rome, seemed to yalue themselves upon bis friendship. Letters were writ to him from all places, so that a correspondence was setled between bim and those, who approved of his method in many different places of Europe. Some secular prlests, both at Rome and Naples declared thmemselves openly fort it, and consulted bim as a sort of an orade upon many occasions. But those, who joyned themselves to him with the greatest heartiness and sin-

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nid^t auf bie l^dl^eren @tufen ber ^terard^ie emporge]^o6en voox, in einem fo auägcbcl^nten brieflid^en SScrfel^r gewefcn al§ 3KoIino§.*)

Sic Sefuiten pflegen fid^ in il^ren Sel^rbüd^etn ber SKoral mit ber grage ju bcfd^äftigen: SBie oft unb toann finb totr Derpftid^tet ®ott ju lieben? 35arauf antworten 3. S. a ©oto: man fei ocrpflid^tet, ®ott jeben ©onntag pi lieben; $urtabo: man fei attjjäl^rKd^ toenigftenS ®in« mal t)erpflid^tet, ®ott ju lieben unb ^enriquej meint, genüge, ba^ man, abgefel^en t)on ber 2^obe§ftunbe unb hei bem beginnenben ©ebraud^c ber aSernunft ®ott nur in jjebem fünften 3al^re einmal liebe.**) S)ie quietiftifd^e Söl^fti! Don bem ununterbrod^en fortjufül^renben 3ßt beS ®Iauben8 unb ber Siebe ftanb alfo im greUften ®egenfa^ jur Seigre beS SefuitenorbenS; unb bod^ l^atte SKolinoä groei feiner begeiftertften Slnl^änger ju 9lom, SKartin 6gpar3a unb Slppiani, gerabe in btefem Drben, toeSs mb nid^t auffallen barf , ba^ beffen 2lnl§änger in S^alien ju oielen 2^aufenben jäl^Iten, in beren Greifen allmäl^lid^ bie Hoffnung SRaum ge^ toann, ba^ il^nen oieHeid^t möglid^ fein möd^te, in affer ©tiffe eine SReform be§ religiöfen SebenS in ber ganjen Äird^e l^erbeijufül^ren.***) Slffer Drten bilbeten fid^ Bereinigungen, 6ont)entifeI von ©old^en, tüeld^e nad^ 2Inleitung be§ Guida spirituale 3ur SSofflommenl^eit gelangen loofften ; unb in biefen ßonoentifeln prägte fid^ balb eine SBeife beS religiöfen SebenS an^, weld^e 3U ber oon ber Äird^e oorgefd^riebenen ^orm ber fjrömmigleit in ben augenf äffigften , oft l^anbgreifKd^ften ®egenfa$ trat, ©in Srief be§ ßarbinals ßaraccioli, (Srsbifd^ofS oon 3leapel, über bie in biefer ©tabt fid^ barbietenben religiöfen SebenSerfd^einungen, ben ber« felbe unter bem 30. Suni 1682 an ben 5Papft 3!nno3en3 einfanbte, giebt in biefer Sejiel^ung bie intereffanteften 2luffd^Iüffe. 3)er S3rief lautet:

„^eiliger SSater! SBenn id^ einigen ®runb 3um 2^rofte unb 3um

cerity, were 8ome of the fathers of tbe oratory, in particular three^ of the most eminent of them, who were all advanced at the last promotion of Car- dinais, Coloredi, Ciceri but above all P e t r u c c i , who was accounted bis Timothy. Many of the Cardinais were also observed to court bis acquaintance; and they tbougbt it no small bonour to be reckoned in the uumber of Molinos's friends. Sach were Cassanata, Azolini and Carpegna, bat above all Cardinal d'Estrees.

*) 93ei feiner SSer^aftung im Saläre 1678 fanben fid^ unter feinen papieren über 20,000 »riefe bor!

**) SBgl. ©Ilenborf, bieSWoral unb ^olitif ber 3efuiten, nadj benedjriften ber boraügli^ften tl^eologifdjen Slutoren biefe« Drben«. S)armftabt, 1840, ©. 48 ff.

***) Three letters concerning the state of Italy S. 19: They might have hoped to have introducet a reformation of many abuses without seeming to do it.

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S)anle gegen @ott f)abt, ioetm id^ erfal^re, ba^ mele meiner ^rforge anDettraute ©eelcn fid^ eifrig ber inneren Slnbaii^t unb be3 inneren ^erjenSgefietS, berQueEe aUe§ l^immlifd^en @egen3, befleißigen, fo muß id^ bod^ nid^td befto toeniger i^öd^ft (elümmert fein, toenn xä) einige änbere fid^ unbebad^tfam auf gefäl^rlid^e SBege »erirren fel^e."

,,®eit einiger 3cit ift in Sleapel unb, toie i^ l^öre, auä) an anberen Drten in biefem ^nigreid^e, ein l^äufiger @ebraud^ beS fogenannten paffiuen @ebet§ eingefüi^rt tDorben, baS @inige baS @ebet beS reinen (SlaubenS ober ber Slul^e nennen, ©ie nennen fid^ gelröl^n« lid^ Quietiften, ba fie n)eber ^ebitation nod^ l^örbare @ebete anmenben, fonbern, hjenn fie beten, fid^ in fo großer SRul^c unb fo tiefem ©d^roeigen erhalten, als ob fie ftumm ober tobt loären. ©ie bel^aupten, baß fie ein ooHIommen paffiteä ®eiet üben, ©ie bemül^en fi^ roirllid^ von il^rem Seifte unb il^ren 2lugen Sltteö ju entfernen, toaS jum $Rad^- benlen unb jur Sctrad^tung ©toff geben fann, inbem fie, mic fie fagen, ftd^ felbft oor ©ottcS 2id^t unb bie ßinl^aud^ung l^infteHen, meldte fie t>om §immel erwarten, ol^ne irgenb eine Siegel ober SSorfd^rift ju beobad^ten unb o^ne fid^ burd^ Sefen ober burd^ Setrad^tun« gen über irgenb ©twaä oorjubereiten. Dbgleid^ bie großen Se^rer fold^e Siegeln, namentlid^ Slnfängern in bem geiftlid^en Seben, in ber Stbftd^t t)or3uf dalagen pflegen, baß fie nad^ ber Sleflejion über il^rc eignen Segler, il^re Seibcnfd^aften unb Unoolllommenl^eiten pd^ oon biefen reinigen fönnen, bel^aupten jene bagegen, baß fie fid^ oon felbft jum l^öd^ften ©rabe ber Slnbad^t unb beS &eiet^ ergeben, toeld^eS oon ®otteS @üte {ommt, inbem er giebt, toem er toiE unb mann er miE. @S ift offenbar, baß jte fid^ in biefer (Sinbilbung täufd^en, al§ fönnten fie, ol^ne bie Hebungen be§ retnigenben SebenS burd^gegangen ju fein (sens avoir pass6 par les exercices de la vie purgative), burd^ il^re eignen Seftrebungen fid^ gleid^ ben 9B3eg gur 35efd^auung öffnen, ©ie bebenlen nid^t, baß foh?ol§l bie Steueren als bie Steueren, loeld^e biefen ©egenftanb bel^anbelt l^aben, einl^eHig leieren, baß baS paffioe ®ebet ober baS ®ebet ber Stulpe nur oon ^ßerfonen geübt loerben fann, toeld^e gur oollfommenen (Srtöbtung il^rer Seibenfd^aften gelangt unb in ber älnbad^t fd^on meit fortgefd^ritten finb. 2)urd^ biefe unregelmäßige SKetl^obe bei ber Hebung beS @ei^d unb ber SKnbad^t ift ber S^eufel nun bal^in gelangt, ftd^ in einen Sngel be§ Sid^tS ju »ertoanbeln."

„®S giebt aSiele unter il^nen, toeld^e baS &titt in SBorten oöllig oertoerfen, unb eS l^at fid^ ereignet, baß ©nige, loeld^e pd^ lange 3«.i* ^^ ®theU bes reinen ©laubenS unb ber Slul^e unter Slnleitung ber neuen ©celforgcr geübt, aber fpäter in anbere $önbe gefallen waren, fid^ nid^t

9*

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l^aBctt cntfd&Hc^ctt fönncn, x^xen 1^. SHofenfeanj ju Beten ober aud^ nur baS 3^i^^ ^^^ Äreujeä ju mad^en. ©ic fagen, ba^ jte eS ioebet tl^un {önnen nod^ tooEen, aud^ !etn f)'6xiaxt^ @ebet beriefen, toeti fte in. (Sotteg tKä§e tobt ftnb unb bte äußeren Singe nid^ts nü|en. ®ine %xau, roeld^e in bicfcm SBefen erjogen ift, l^ört nid^t auf ju fagen: 3d^ bin nid^tS, ©Ott ift aillcS, unb id^ befinbe ntid^ in bem Stanbc ber SSer« laffcnl^eit, in toeld^em il^r mid^ fel^t, toeil eS ®ott fo gefällig ift. ©ie toitt nid^t mel^r beid^ten, aber pe toürbe gern jeben Xa^ cont^ munijiren. ©ie gel^ord^t 5Riemanbem unb fprid^t lein l^örbareS Oebet. giebt 2lnbere, toeld^e, h)enn fte fid^ in biefem ©ebete ber Stulpe be« finben unb biefeä ober jenes S3ilb, felbft oon ben ^eiligen ober bem J&erm S^f^^ ßl^riftuS, Dor il^re ©inbilbungSfraft tritt, fi^ beftreben eS 5u oerjagen, inbem fie ben Äopf fd^ütteln. 3)enn biefe Silber, fagenfie, fül^ren t)on (Sott ab. 3)e§l^alb mad^en fie, felbft toenn fie pffentli^ com* ntunijiren, biefe §anblung läd^erlid^ unb anftö^ig; benn fie meinen, ba^ fte bann bie aSorftettung t)on SefuS ßl^riftuS aufgeben muffen, um allein an ©Ott 3U beulen. Qi^re Serblenbung ift fo gro^, bo^ einer berfelben fid^ eines S^ageS barüber l^ermad^te, ein Ärujifij nieberjurei^en, toeil eS ij^n, fagte er, baran t)er]^inbere,.fid^ mit ®ott ju t)ereinigen unb il^n ber tJläl^e ©otteS beraube, ©ie bcfinben^d^ in bem 3[rrtl^um, ba^ fie glauben, ia^\ alle ©ebanlen, meldte in il^nen roäl^renb beS ©d^meigenS unb ber tRul^e beS ©ebeteS entftel^en, ebenfo oiele ©tral^Ien unb ®inflüffe ©on ©Ott ftnb, unb bafe fie toegcn biefeS Sid^teS feinem ©efe^e untertoorfen ftnb."

„3flad^ meiner Slnfunft l^ierfelbft l^at man mir ein SJlanufcript vor- gelegt, toeld^eS vom ©ebete ber Stulpe l^anbelt, um @rlaubni^ jum 2)rud( beffelben 3U ertoirlen. ^ä) fel^e oorauS, ba^ ftd^ t)on allen ©eiten ^ebem vorbereiten, gefäl^rlid^e ©ad^en ju fd^reiben. 3d^ title ®to. $eiligleit mir bie Sluffd^Itijfe unb 5Ka^regeIn mitjutl^eilen, mit .benen id^ für meine tßerfon ben großen Slergemiffen begegnen lann, meldte ftd^ in biefer ©tabt unb in biefem ©tifte befürd^ten laffen."

„©d^Iie^Iid^ lann id^ nid^t unterlaf[en^ @tv. ^eiligleit von bem ©e- Braud^e ber täglid^en (Sommunion ju benad^rid^tigen, roeld^er felbfk unter verl^eiratl^eten Saien l^ier eingeführt toorben ift. Dl^ne fjortfd^ritte in t)em geiftlid^en Seben feigen ju laffen, toie fte müßten, inbem fte ftd^ oft bem l^eiligen 3^ifd^e näl^ern, geben fte nid^t nur leine ©rbauung, fonbem im ©egentl^eil Slnla^ ju vielem Slnfto^e. @h). $eiligfeit werben ftd^ er* innem, maS 2)iefelben in i^rcm allgemeinen 3)ecrete ben Seid^toätem be^ fal^Ien, von beren Seurtl^eilung unb ®ntfd^eibung bie täglid^e ßommunion ber Saien abhängen f oKte : ba^ fie, toenn fie bief elbe erlaubten, vor älllem

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bcjfcn cingcbcnl fein fotttcn, wie man fid^ t)on bcr SBorbctcitung unb bcr SReinl^cit übcracugcn Mnnc, toeld^c bie ©ccle bcS SKcnfd^cn 5um l^eilu gen SDlal^Ic mitbringen muffe; unb beffcnungead^tet lel^rt bie ®tfal^rung leibet ju oft, toie bcr größte 2!l^eil bet Saien täglid^ communicitt, ol^ne auf bie ®tmal^nungen ®h)r. §eiligfeit ju adbtcn. a)e8l^alb fü^Ic id^ mid^ bcnn genötl^igt, meine Älage t)or ©n). §eiligleit als eine über einen offenbaren STOiPraud^ nieberjulegen, gegen ben id^ mir paffenbe 9Ra^* regeln anjutoeifen bitte nebft ^en befonberen Sefel^Ien ®m. §eiligleit als eine Äntoeifung für mid^ bei ber Senfung ber mir anocrtrauten ©eelen. Uebrigenä lüffe id^ bie güfee gtor. §eiligleit.

ßarbinal ßraccioli.

S)iefer Serid^t in meld^em jum erften 3RaIe ber 5Jiame ber „Duietiften" duftritt, toar nid^t bie erfte Äunbgebung gegen bie oon 5!KoIino3 mit unglaublid^em ©rfolg angeregte religiöfe Bewegung. 3)ie Sefuiten unb bie mit il^nen oerbünbeten S)ominiIaner l^atten e3 längft erfonnt, toeld^ ein geinb i^nen in SKoIinoS erioad^fen toar, unb l^atten ba^er längft im ©titten t)or ber neuen Äe^erei beS ;,Quieti§muS" ge« toamt.*) Snblid^ aber fd^ien aud^ eine öffentlid^e SBamung nöt^ig 3U fein, weSl^alb SRom eineä S^agS burd^ baS ©rfd^einen einer ©d^rift überrafd^t mürbe, meldte, jebod^ ol^ne beS 3JloIino8 9iamen ju nennen, eine Selämpfung ber Seigre beffelben unb feines intimen ^eunbeS 5Pe* ttucci enthielt. ®S toar biefeS baS oon bem Qfefuiten 5ßaul ©egneri ebirte 93ud^ : Concordia tra la fatica et la quiete neir Orazione ; Bologna. 1681 (12 0).

3ur rid^tigen Seurtl^eilung ber burd^ biefeS SSorgel^en gegen ben DuietiSmuS l^eroorgerufenen ßontrooerfe unb beS Verlaufes berfelben ift jmeierlei ju bead^ten, nämlid^ ber ßl^aralter unb bie Sebeütung ber gegen ben DuietiSmuS auftretenben ^ßerfönlid^Ieiten unb bie 3trt unb SBcife il^rer ^ßolemif. ßraccioK toar ©rjbifd^of unb ßarbinal, alfo einer ber l^öd^ftftel^enben SBürbenträger ber Äird^e, unb ©egneri mar ber gefeiertfte äScet unb SSufeprebiger Stöli^^^^- Sarfu^, in Sumpen gefüllt, baS

*) Three letters @. 23. Both, the Jesuites and tbe Dominicans began to be alarmed at tbe prögress of quietism: they saw clearly, tbat their trade war in decay, and must decay still more and more, if some stap was not put to tbe prögress of tbis new metbod. In order tQ this, it was necessary to decry the authors of it; and because of all the imputations in the world heresy is that^ which makes the greatest Impression at Rome, Molinos and his followers were given out to be hereticks. It being also necessary to fasten a particular name to every new heresy, they branded this with the name of quietism.

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SBrcmcr unter bcm Sinn unb ein ßrujifij auf bet Sruft, jog ©egneri in Stalten uml^er, t)on bcr Jlotl^toenbigfeit bet SBu^e unb t)on bet $errlic^lcit ber Äird^c prebigenb; unb fo überwältigenb toar bie ©rfd^einung feiner ^Pcrfönlid^Ieit unb bie Maäji feiner Siebe, ba^, h)enn er fid^ einer Stabt näl^erle, baä ©eläutc ber ®Io(fen il^n begrüßte, Slumen il^m auf bcn SBeg geftreut h)urben unb bie 5Dlajfe beS aSoIfeö, mit il^ren 5Kagiftraten an ber ©pi^e, il^n wie im 2^riumpl^ burd^ bie %f)Oxe fül^rte. Dft um« brängte il^n baS begeifterte 3Soß mit fold^em Ungeftüm, ba^ gu feinem ©d^u^e SBad^en aufgeftettt tüerben mußten. SDa^ toar ber 3Rann, ber über unjäl^Kge §erjen gebietenb, bie er fein nennen fonnte, gegen ben DuietiämuS auftrat.*)

Unb jtoar tl^at er baffette, ebcnfo h)ie GaraccioK, mit großer SWä^igung. 35er le^tere l^atte bod^ eigentlid^ nur bie 2luSh)üd^fe bcr quietiftifd^en SKpftif, in benen fid^ eine Serle^ung ber fird^Iid^en SebenS* orbnung lunb gab, gerügt; unb an^ ©egnari l^atte an ber Seigre be§ SWolinoS (unb 5ßctrucci'§, auf ben beffen ?PoIemi! ebenfalls be3ogen toarb,) nur Uebertreibungen ber contemplatiren SKpftif, nid^t aber angeblid^en Äe§c« reien getabelt. ©egneri Dertrat bie ältere contemplatiue SKpftif, toie fie g. 39. in ©panien l^eimifd^ toar, alg fid^ eben in il^r ber QuietiömuS ju ge^ ftalten begann. ®r erlannte bie Sered^tigung ber ßontemptation neben ber TOebitation an; aber er beftritt eg, ba^ ber ßl^rift metl^obifd^ nad^ ber Kontemplation ftreben muffe, inbem biefelbe ein befonbereS ßl^ariöma fei; er beftritt eS, ba^ für ben jur ßontemplation gelangten ßl^riften bie SKebitation ein übertounbener ©tanbpunit fei, auf meldten bie ©eele nid^t 5urüdEfommen bürfe; er beftritt, ba^ nid^t aud^ auf bem SDSege ber SWebitation bie ©eele jur SSoHIommenl^eit fottte gelangen fönnen, unb be* ftritt eS namentlid^, ba^ bie ©eele eben baburd^, ba^ fie fid^ mit ®ott vereinige, aud^ jur 3Sereinigung mit S^riftuS !omme. ®r gab atterbingS 3U, ba^ bie Erfüllung ber äußeren fird^Kd^en $flid^t, bie Xl^eilnal^me am ÄuItuSleben ber ßird^e, ber Empfang ber ©acramente, ber ©ebraud^ bcr Silber nod^ nid^t bie malere ^ömmigleit auömad^e; aber er ©erlangte, ba^ bod^ aud^ für ben jeittüeilig fid^ auf bie l^öd^ften §öl^en ber ßon« templation erl^ebenben ßl^riften ber ©ebraud^ biefer äußeren 50littcl als l^eilfam unb pflid^tgemä^ gelten, unb ba^ berfelbe aud^ für fein intuitives @rfennen ftd^ be3 ©egenS bed bi§curfit)en üRebitirenS über ®ott, über

*) ©onftige 92ad^ri(^ten über Segneri'i^ £e6ett unb ©d^riften (bie le||teren erfd^ienen in 4 S3bn. in 4<> 1712 in SSenebig, erlebten ntel^rere mnt Stuf lagen, finb 1852 aud^ in beutfc^er Ueberfeliung t>on Pfarrer 3Beid!opf neu l^eraudgegeben) f. bei (Scharr ing, „3citWr. für bie biftor. X^eotogie" 1855. ©: 1 ff.

135 ,—

Gl^rifti 5!Rcnfd&l^cit unb ®tI6fung§tocr! nid^t berauben bürfe. ®r erfanntc bctt SQBert§ unb ©cgen bet rein inncrlid^en oratio mentalis QXi\ ober er rügte bie quietiftifd^e ©eringfd^älung ber oratio verbalis unb ber lird^^ lid^en (Scbcte. @r meinte, bafe jebenfaHä bie Sereinigung ber 9Jlebitation unb ber ßontentplation frud^tbringenber fei, ate bie eine ober bie anbere für fid^ attein. ^m t)crgleid^e wol^I, fagte er, bie 9Rebitation unb 6ontentplation mit SKartl^a unb 5Karia ; aber ß^riftuS ^abe an ber 9Jlaria nid^t gelobt, ba^ jte baS Sefte gemäl^It, fonbem ba^ fte ben beften ^l^eil getoäl^lt l^dbe. Senn baS contemplatioe Seben fei aUerbingS Bcffer unb ftel^e l^ö^er als baS aftioe, aber beffer nod^ als jenes fei baS Scben, in toeld^em SKebitation unb ßontemplation, Sefd^aulid^feit unb 2!l^ätigleit Dereinigt mären.

©egneri ein nod^ l^eute in ber fatl^olifd^en Äird^e ^od^angefef;ener gciftlid^er ©d^riftfteller l^atte alfo in feiner ©d^rift t)iel SBerftänbni^ unb äBert^fd^ä^ung beS DuietiSmuS auSgefprod^en, aber er ^atte eS ge« toagt, ber unantaftbaren geiftlic^en Slutoritöt beS ?KolinoS öffenttid^ ent« gegen 3U treten, unb 3)erjenige, ber bis bal^in in ber 5Dleinung gon} StalienS fo l^od^ geftanben, ber Don SBielen mie ein ^eiliger oerel^rte l^arte SlScet unb gemaltige SSoHSrebner mar mit ®inem ©daläge faft einem ©eäd^teten gleid^ geworben. Stnon^me ©rol^briefe, tüeld^e baS ©d^fimmfte bcfürd^ten liefen, tourb^n il^m in 51Wenge inS $auS gefd^idft, unb ft)0 er pd^ öffentlid^ jeigte, begegneten il^m $ol^n unb ©pott. §ajl l^ätte eS il^m baS Seben gefoftet.*)

i. 5. ^ietro ÜRatteo ^ettttcci, Sif^pof tmn 3efl

2)er geiftig bebeutenbfte unter ben ä(nl^ängem beS 3RolinoS in Italien n>ar unftreitig ber bamalige $räpofituS ber Dratorianer $ietro 3Ratteo ^etrucci, ber, 1636 3U 3ejt im ^erjogt^um Urbino t)on abligen Eltern geboren, ftd^ urfprunglid^ bem ©tubium ber SRcd^te ge« toibmet, ftd^ aud^ bie SBürbe eines 3)octorS beiber Sfted^te ertoorbcn, ftd^ bann aber in tiefer Sleue über fein biSl^erigeS leichtfertiges Seben unter ber f^l^rung beS emften 93ifd^ofS ju 3^ft, Sllberan 6ibo, bem ©tubium

*) d'Avrigny, Memoires chronologiqaes ponr servir a Thistoire eocU- siastique 1723, III. p. 322 berichtet: Peu s'en fallut, quMl ni lai (ndmlilJ^ @egneri) en coutät la yie.

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bcr Xl^cologie jugctoenbct fjcAtt unb im fünfunbjtoanjtgften ^a^xt feines 2e6enS in bie Gongregation ber Drotorianer eingetreten hjar.

©einer eignen SlngaBe jufolge mufe fid^ 5ßetrucci fd^on vox ber Sin* lunft beS SKoIinoS in SRom, tiroa im Saläre 1665 ber quietiftifd^en 3Rr)\i\t jugewenbet l^aben.*) ©in ©rief toeld&em berfelBe jtoölf S^i^re fpäter (40. 3<^nuar 1677) an einen (Seiftlid^en (oieHeid^t an feinen Seid^toater) fd^rieB, lä^t erlennen, toie fid^ bie aRpftil in feiner ^erfönfid^feit in ber DoQen @d^önl^eit unb ^larl^eit eines in ©Ott gegrünbeten* unb auf ben ©rlöfer t)ertrauenben religiöfen SeBenS ausgeprägt l^atte.**). ^ßetrucci fd^reiBt l^ier nämlid^ ^olgenbeS:

„®ine ber ©runbregcin, weld^e baju bienen, meine Seele in inne^ rem Rieben ju Betoai^ren, ift biefe: id^ barf feine 3w^ßig«>ig ^cg^ biefem ober jjenem (ante, fonbem nur 3u bem @ute, meld^eS baS l^öd^fte ®vA ift; unb mu^ nur für jene guten S)inge Bereit ftel^en, toeld^e baS l^öd^fte ©Ute mir gieBt unb t)on, mir forbert."

„3d^ barf an nid^tä S^bifd^eS, toeber an bie ©infälte unb baS SSer« langen meines fid^ felBft fud^enben ©eifteS, nod^ an bie fmnlid^e Slu^en^ melt gefeffelt fein."

nyÜ^ finbe, ba^ eS nid^tS gieBt, toaS mir fd^aben lann ol^ne meinen eigenen SBiKen. 2)enn ba bie @ünbe ein toal^reS UeBel ift, bagegen o^ne meinen äSillen nid^ts auf ber 2BeIt mad^en lann, ba^ id^ fünbige, fo lann anä) nid^tS auf ber SDSelt ol^ne meinen SBiHen mir ein UeBel 3U= fügen, burd^ baS id^ eigentlid^ Befd^äbigt toürbe; oielmel^r finbe id&, bofe äffeS, h)enn id^ eS nur red^t Beginne, mir ju größerer SieBe gegen meinen treuen ^eilanb förberlid^ unb Bel^ülflid^ ift."

„Unter ben fotool^l inneren als äußeren 2lnfed^tungen, plagen unb Verfolgungen, bie mir BiSmeilen red^t fd^merjlid^ Begegnen, pflege id^ oft ben Seufzer, loeld^en id^ ^^mn aBgelernt l^aBe, 3U mieberl^olen:

$ab ic^ nur SefuS S)id^, ^aS frag id^ bann um mid^l" „3d^ iönn mol^I fagen, ba^ id^ nie mü^ig Bin, aBer meine 3^l^ätigleit ift immer fo geartet, ba^ id^ mein oorgenommeneS SBerl unterBred^e, hjcnn eS fein mufe. Äann id^ eS nid^t toieber 3ur §anb nel^men, fo la^ ii)

*) 3n feiner ©d^rift „La contemplazione mistica acquistata", bie er 1680 ge^ f^rieben ju l^aben ft^eint, fagt tßetrucci ©. 67: Questae quella ragione, nata da 81 liiDga e non mai interrotta sperienza di quasi quindici anni, la quale mi fa Stare cosi costante nella -verita di qaesta sacra orazione.

**) a)er l^ier im SluSjuge mitgetl^eilte »rief finbet fidj öoaftänbig in ber ©djirift abgebnidtt; „^afkorarconferenj für pi^ere (Seelenleitung in auSerCefenen »riefen beS SarbinalS unb »ifd^ofS Don Sefi, $. m. ^etrucci. 9legenSb. 1837." e. 13 ff.

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mit gTO^er 3ufnebenl^eit bleiben. üJlu^ id^ eiS aber toieber von Dotn anfangen, fo tl^ue id^ e§, jtoar mit eben fo großer Qnfxxeitxi^eit , aber bod^ nie mit fold^er Suft unb Segierbe, ald möchte id^ ed gern ju @nbe Iringen. Senn id^ benfe, toie ein S)ing auSf dalagen foK, bag ftel^t in ©otteS $anb ottein/'

„%emex, toeil id^ er!enne, ba^ mein @ered^th)erben gan} berul^t auf bcr Sarml^erjigleit ©otteS unb auf bem SBerbienfte S^fu ß^rifti, ber um mcincttoittcn SWenfd^ getoorben ift unb gelreu.^igt tourbe, unb auf meiner Se§anlid^Ieit big an bag ®nbe in treuer SSeobad^tung feiner SSorte unb in ber gel^orfamen Befolgung ber ©naben, bereu id^, toie id^ vertraue, burd^ ben l^eiligen @eift tl^eil^aftig getDorben bin, fo fe^e id^ nid^t über ©cbül^r unb au^er ber gel^örigen Drbnung auf bie jtoeiten Urfad^en ober auf bie §ülf8mittel ber ©eligleit mein SBertrauen. S)er (Srunb ^ieroon ift, toeil id^ toiE, Da^ meine Hoffnung ftd^ nid^t auf ettoag SSeränberlid^ed ftü^e^ ba§ mir tDol^l abgelten fann; unb t)on fold^er älrt ift 3(IIed l^icnieben. ©onbem meine Hoffnung foK auf bie untoanbelbare etoige @üte unb (Srbarmung @otte3 unb auf ba§ SSerbienft bed menfd^geh)orbnen Sol^neS ©otteä gcgrünbet fein, in ©emeinfd^aft mit ber feligften Jungfrau unb SKutter ®otteS unb mit allen ®eiftern ber t)ott!ommnen ©ered^ten im §immel, bie burd^ unsertrennlic^e, feiige Bereinigung mit ®ott aud^ fd^on unt)eränberlid& geworben finb.''

„S)ie 2:ugenben felbft liebe id^ fämmtlid^ an fid^; aber in §infid^t barauf, ba^ balb ba0 eine balb baS anbre 3)ugenbtoerl ausgeübt toerben mu|, fte^e id^ gan3 untergeben bem, toaS ®ott oon ©tunbe ju ©tunbc burd^ bie Drbnung unb ®ri)ffnung feines SBjttenS in meinem ©tanbe unb Setufe üon mir forbert. ©benfo wünfd^e id^ nur ©inen §a^ ju l^aben, nämlid^ ben $a^ gegen aKe ©ünben ol^ne äluSnal^me unb gegen mic^ felbft."

„Snblid^ mu^ ic^ nod^ melben, ba^ nebft ber göttlid^en ®nabe bie oomel^mftc Urfad^e ber ©eelenru^e, toeld^e id^ genieße, baS ^infd^auen auf 3cfuS ß^riftuS meinen $errn ift, beffen id^ mid& ol^ne Unterlaß be^ fleißige." *)

@d^on biefe äluSlaffung mad^t eS begreiflid^, ba^ 3RoIinoS unb $e< trucci ftd^ auf baS Sngfte aneinanbcr anfd^Ioffcn. ©d^erstoeife nannte man ben le^teren balb ben Simotl^euS beS SltoIinoS. ^ebenfalls h)ar er unter ber großen Slnja^l ber SBere^rer beffelben SJerjenige, ber baS S33efen

*) 3)affe(be befennt ^etrucä aud^ in feiner ©d^rift „La contempl. mist.

acqnist/^ 341: Jo so, che non passo mal giorno per misericordia dl Dio, ch'io non mi trattenga con Giesü Christo humanato, e comando a chi m' ubbi- disce, che faccia altrettanto.

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ber qutctiftifd^cn SK^ftif in f elBftftanbigftcr SBSeif c burd^bad^t unb iimerltd^ verarbeitet unb erlebt l^atte. ilein anberer ©eiftlid^er in Italien wn^it über bie 5Ratur unb 2^enben3 biefer 3lrt t)on Steltgiofttät fo nad^ atten Seiten l^in Sted^enfd^aft absulegen ate ber gelehrte, oerftänbige, fronnne unb ntilbe ^etrucci, ber jur 3^^*/ ^I^ ber S^fuit ©egneri gegen 5Ko« linoS auftrat, fid& bereits burd^ SSeröffentlid^ung mehrerer ©d^riftcn über bie religiöfe 5Dlebitation unb anbere praltifd^^religiöfe 2tngelegenl^eiten be* lannt gemad^t l^atte. *).

SBon feinen ja^Ireid^en ^eunben veranlagt, entfd^lo^ fid^ bal^er 5ßetrucci, eine STpoIogie ber SKpftil ba§ SKoIinoS auszuarbeiten, roeld^e er mit fird^Iid^er 2lpprobation (aud^ beS ßonfuItorS beS ^eiligen Dfft* ciumS ^an^oiS benigne) im ^a^xe 1681 3U S^P iwt S)rudE erfd^einen lie^. S)aS S3ud^ fül^rt ben ^itel: La contemplazione mistica acquistata, in cui si sciogliono Topposizioni contro a qnesta Orazione. (8eh)ibmet mar baffelbc bem frül^eren SSifd^of ju Qefi, bamaligem ßarbinal« Segaten Sfiberano 6ibo ju 2lt)tgnon. ©d^on im folgenben S^^l^re 1682 lonnte eine 3toeite 3CufIage beS 93ud^e§ (mit neuer lird^lid^er 2(pprobation unb mit einem neuen polemifd^sapologetifd^en 2ln^ang beS SßerfafferS) bei $er^ in SBenebig erf d^ienen. **)

S)er gan3en 2luSfü^rung liegt natürlid^ bie Unterfd^eibung ber SWc« bitation unb ber ßontemplation 3um ®runbe. ^em ift nur auf bie Sefferung beS SKenfd^en gerid^tet; biefe bagegen toiH i^n jur Sinigung mit ©Ott burd^ bie Siebe führen (X. 2). 2)te SKebitation mit il^tem biScurfix)en (Sriennen ift eine Unx)oIIfommenl^eit. ^enn bie aSottfommen« l^eit beS gottebenbilblid^ erfd^affenen SKenfd^en beftel^t in beffen ®ott« äl^nlid^feit. ^n ®ott aber ift ein biScurfit)c§, ©ermitteltes, bilblid^eS ®r« fennen (11 dlscorrere, 11 razioclnare e'l foodarsi ne' fantasml e'l servir- sene, come per necessltä accade nelle medltazlonl figuratlve), nid^t

t)orl^anben. ?5o(g(id^ famx aud^ bie ©eele fo lange nid^t üottfommen unb mirlfid^ gottäl^nlid^ fein, als fie auf bem ©tanbpunit ber 5Dlebitation ftc^t (XL 2).

2)ie ßontemplation ift aber toieber ju unterfd^eiben als erworbene, a!tit)e, natürlid^e, unb als eingegojfene, paffioe unb übernatürlid^e (Sontcm* plation. ^ene fann jebcr ß^rift mit ^tilfe ber im ©oangelium oerl^ei^encn ®nabe ®otteS erreid^en; biefe toirb ben ß^riften nur burd^ aufeerorbent«

*) SnSbefonbere l^atte er eine (Sammlung loon Briefen (153, nad^ ber 3a^l ber giftige, bie ^etruS nadji 3ol^. 21, 11 fing fpätcrl^in 1705 gu ©atte aud^ t>on ©ottfr. älmolb in beutfd^er Ueberfe^ung l^erauSgegeben) t^erdffentUd^t.

**) ^aäf biefer atvetten ^uSgabe beS äBerfeS berichte id^ über baffelbe.

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Kd^e ©nabcnmittJ^cilung tnögltd^. ÜHit Jener ift ber ©efd^mai felige ©ottcSgcmeinfd^ttft nur geittoctlig, mit biefcr immer tjerbunbcn (XI, 2).

3[nbem bie ©celc burd^ bie ßontemplation jur SSercinigung mit ®ott fd^on. I^ier auf Srben lommcn tüiH, fo miff fie burd^ biefelbe ju biefem Sel^ufe junäd^ft 3n)eierlei erreid^en, nämlid^ 1. eine poUIommne ©rlenntni^ beS an fid^ unDorfteHbaren unb unerlennbaren ©ottcä burd^ einen gnteHeft, ber vom fpeculatit)en ©ud^en ®otte§ burd^ bie Siebe ju (Sott jum Se? fi|e ®otte§ *) unb baburd^ jur Stulpe gelommcn unb ber burd^ ©ntfemung aller bilblid^en SSorfteHungen (intelletto denudato) jum unmittelbaren 6r* f äffen ®otte§ fällig geworben ift**); unb 2. eine burd^ bie SSerbienfte ß^rifti unb bie §ülfe ber ®nabe ®otteä ©ermittelte Sleinl^eit ber Seele/ burd^ meldte biefelbe ber SRotl^toenbigfeit einer Steinigung burd^ ba§ gegfeuer überl^oben werbe.***)

®ott bewirft bie ®r^ebung ber ©eele 3ur Gontemptation, inbem er fid^ berfelben in il^rer 9iotl^ burd6 allerlei ^ülffeiftungen annimmt unb il^r feine Siebe 3U erfennen giebt, tooburd^ bie (Seele jum S)anle gegen i^n angeregt wirb. ®ott überl^äuft bann bie ©eele mel^r unb mel^r mit feinen SBol^Itl^aten, raoburd^ biefelbe ju einem immer innigeren SDanfe ertoedft wirb, ^ernad^ lä^t ®ott bie ©eele erfennen, ba^ er i^r nod^ ungleid^ l^ö^ere ©d^ä^e al§ bie bisl^er gefpenbeten, 3ugebad^t l^at, ba^ er

*) VIII. 2: L'orazione di quiete acquistata consiste in qaesto acqiiieta- mento dell' intelletto, 11 quäle conosce, che Dio e inconoscibile e in- figurabile, e che qnesta e la piu pura verita in ordine a Dio. Cosi Tin- telletto acquietato in questa sacra e sapientissima ignoranza oon si mnove piü con movimenti avvertiti, per investigare rinconnoscibile. Quietato Tintelletto all' anima non piu vagante iie divisa nelle sue operazioni altro non rimane da operare fuorche Tamare, amare, amare con tuta la totalita della sua volonta rincomprensibile ed immensa Amabilita, ch'e 11 medesimo Iddio.

**) IX, 3: La contemplazione negativa, di cui qui trattiamo, in che con- siste? Forse nell' intendere Iddio? Nö; anzi richiede che vlvamente in Dio si crede, e senza figurazioni e poMtrv/i coneetti. Se dunque senza affirmazioni, concetti e somiglianze s' ha da credere nella Ineffabile Dlvlnita presente a fine d'amarla: quäl' bisogno habbiamo in questo esercizio di rivolgercl a i fantasmi?

S)ie auf bem ncgatiöen, inneren Sßege ber Siebe unb be8 ©lauben« toanbelnbe ©ecle fud^t nid^t ®ott, h)eir fie il^n innerlich fd^on l^at (IX, 7); unb toeil fie ®ott fd^on l^at, bebarf fte feiner Dbiectiöirung beffelben im »ilbe be« reflectircnben

©ebanlehg (IX, 8: Se l'anima e guidata da Dio per via tutta interna e nega- tiva, onde incentrandosi in se ama Iddio, io non so, perche debba violentarsi tal anima a' imaginäre; discorrere, intendere e figurare. Chi ha dentro di se la fornace del fuoco, non va mendicando fuoridi se le faville, *♦♦) X, 3 : Niuflo puo dire, che sia superbia l'affaticarsi per gingnere a tal purita d'anima con Taiuto della divina grazia per 11 meriti di Giesu crocifisso, che possa volarsi in cielo senza haver bisogno di purgatorio.

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tl^r fogar feindet} tnit feiner unenbltd^en Siebe l^ingeben toiU, voobutd^bie bonlbare Siebe oUtnäl^lid^ }u einer SiebeSglutl^ gefteigett wirb^ in ber bie @eele fid^ f elbft gan) faKen lö^t , um jtd^ ganj unb gar ®ott }u über^ lajfen unb nid^tS afö ©otteS geben in jtd& ju l^aben (VIII. 2).

3n ber ©eele gel^t biefeS fo vor ftd^, ba^ biefelBe bie t)oIIftänbigfte SKortificirung il^rcr inneren toie äußeren ©inne t)ornintmt, ftd^ felbft ah ftirbt unb in einen quaIt)otten Bwftanb ber S)unlel]^eit, S^rodfenl^eit unb SSerlaffenl^eit eintritt, in toeld^ent fie, bem SBorgange il^reö ®rlöferä folgenb, in ftd^ felbft (Sl^rifti Seiben nad^bilbet, inbem fte baffelbe Seiben, biefelbe §BttenquaI erfäl^rt, roeld^e Gl^riftuS am Äreuje ertragen l^at, unb roeld^c fte }u il^rer Steinigung in ber ©inl^eit mit Gl^riftuS eben als Gl^rifti Seiben erträgt, fo ba^ fie nun fagen lann: 3^ ^^^ ^i* Gl^riftuS gelreu jigt.*)

2)ie t)on aller Unrul^e il^rer toed^fclnben| ^l^antafiegebilbe , SSors fteHungen, Erinnerungen unb 33erfud^ungen abgelöftc imb freigeworbenc ©eele lebt nun in ®ott, inbem fie burd^ bie Siebe ju einer fod^en ®ini= gung mit ®ott unb ju einer fold^en SSoHfommenl^cit gelangt ift, ba^ fie aHmäl^Ud^ an ber unerfd^affenen SSoKfommenl^eit, toeld^e ®ott ift, 3^^eil

l^at (XI, I : ch6 Tanima unita piü perfettamente partecipi della increata Perfezzione ch'e Dio). ^^x Sebeu ift baö ®eh^t ber Stulpe, baS ftittc ^erjenSgebet, roeld^eS nid^t als 5ölü^igfeit ber ©eele gebadet toerben barf ; benn bie ©eele übt l^ierbei ganj biefelbe S^ätigleit auS, in h)£ld^er bie ©cligen im §immel leben (III, 2; XII, 3).

2)iefeö innere §erjenögebet , toeld^eS bie ©eele ol^ne SBorte in ber ftiUen . Stulpe , bie fie in ®ott l^at, Denid^tct, ift bie Sleu^erung beä von allen ©tü^en ber @r!enntniB, t>on allem ®efül^l unb allen bilblid^eit SSorftellungen befreiten, reinen, einfad^en, nait^n, bunleln ©lau« benS **) (III. 2: fede non figurante Tlnfigurabile e non conoscente Tln-

*) XII, 5: (L'anime) debbono col fondo del libero arbitrio accettare in unione di Giesu laoguente quelle loro acerbissime pene e languori detti in- fernali per la loro eccessivita, inimginabile chi non ne ha punto di sperienza. II perseverare cosi patendo e patire sperando e Thaver qaella volonta di patire per Christo ed in unione de' snoi sacri dolor! e della sua somma derelizzione nella croce, questo si chiama essentialis et perfectissimus modus imi- tandi passionem Christi 'Domini. E questi trementi patimenti anche in- terni ed anche talvolta esterni volontariamente accettati e <$offerti in unione del Crocifisso 6 come se l'anima ricevesse un rivoletto del mare amaro della passione del Crocifisso in se stessa han tenta efficacia e Tirtü, che ginstamente pno dire un' huomo tale: Christo confizus sum crucri.

**) bcm Slnl^ang )u feinem SßJerlc (Aggiunta, § 7) Befd^rcibt ^ßctruccl ben (S^lauben fo: Fede pnra, fede ignuda, fede semplice ciob atto di fede non ap-

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conoscibile) unb betDon aKer Sol^nfud^t freien, reinen Siebe (amarlo senza gastarlo).

3)iefe8 ift bie SSoKIommenl^eit ber ©eele, in toeld^er ber S^teffect bcrfelbcn burd^ ben bunleln (Slaubcn, ber baS reine SRid^tötoiffen, bie mpftifd^e ginftemi^* ift, mit ®ott, unb ber ©itte burd^ bie reine Siebe mit @ott unmittelbar (senza mezzi) geeinigt loirb (XXL 2).

-3)ie Siebe toirb reine, unintereffirte Siebe genannt, toeit fie bod^ nid^t um ber t)on il^m empfangenen ober nod^ geJ^offWt SQSol^Itl^aten, fonbcm lebiglid^ um feiner felBft toitten Hebt, meil fte 3^" Kebt nid^t toegen ber dou il^m auSgel^enben, fonbem toegen ber il^m cintool^nenben ®üte, toeil er ®ott ift*)

SltterbingS bcbarf bie ©eele too)^! auf ber niebcreft ©tufe ber 3Kes bitation ber ©tilgen il^rcS ©laubenS unb i^rer Siebe; in ber ßontem« pitttton bagegen ift fic oon benfclben frei.

©id^ felbft crlennt ba bie ©eele afö blo^eS 9lid^t3, mal^renb fie in ©Ott attein baS toefcntlid^fte ©ein toeife.**)

Stud^ auf bie 5Kenfd^l^eit (Sl^rifti rid^tet fid^ bie Siebe nid^t fotool^l toegen ber t)on ß^rifti bereiteten ßcilägüter, als oielmel^r barum, meil bet (Seircujigte ©Ott, ber SSoIIIommne, §errlid^e, bie unenblid^e Siebe ifi***)

3»n bem ©tauben, ber an fid^ gan3 bunfel ift, l^at bie ©eele bie Dofffommenfte ©otteSerfenntni^, nämlid^ bie negatioe, von aCen l^emmen^

poggiato a lami particalari e sensibili, ne a sentimenti e dolcezze, ma franca- mente esercitato anche in mezzo delle desolazioni, aridita, tenebre e tentazioni.

*) III, 2: L'amor puro in noi ba da nascere dalla bonta dell oggetto, senz' altra riflessione a nostri commodi ed interessi. L'anima l'ama, perche egli e quel ch'egli h, perch'e Dio. Causa diligendi Deum Dens est.

**) m. 2: Qaesta e la Yerita], ch*esse (namltd^ bie Seelen) son un nuUa e Dio e il sommo Essere. ch'ad esse da l'essere e a tutte le creature.

***) III, 2 : Amano ben si anime tali Thamanita di Giesu Christo ^ la sua amorosissima Passione e l'essersi egli sacramantato per noi e le sue promesse della gloria beata e tutt' i suoi beneficij: ma sovra ogn*altra cosa Tamano, perche egli e Dio. ^al^er fäl^rt $. fort: Qaand'anche non havesse fatto al- cnna delle sovradette cose per esse, nnlladimeno l'amerebbero ugualmente, perch*egli e Dio. 9ludJ finb fid^ bie ©eelen in ber ©ontem« plation beffen betou^t, ba^ fie ^l^rtftum in biefem %aUt immer nod^ ju ta>entg

lieben toürben, perche Tamor finito non ha proporzione con la divina Ama- bilita, ch'e in finita, ^al^er Uebt bie @ee(e tOOl^I ^l^riftum perche per noi e stato crocifisso, aber bor^Ugdtoeife bOd^ barum perche Chi per noi e stato crocifisso e Dio. 3)enn bie Siebe ^u ©Ott i{i ein amor perfetto, ch*ama il bene deir amato Iddio senza riflessione agV interessi dell' anima amante.

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ben e^effeln ber SBotfteSung befreite @r!enntni^ ®otted in feinet ttnenb« Kd^Ieit (XI, 5).

2)ie eitt3elnen Ätäfte ber ©eele ^ören, inbcm fid^ btefelBen t)on aller ©igeni^eit ausgeleert l^aben unb inbem bie @eele in il^rer Steinigung unb Sereinigung mit ®ott jur SRu^e gcfommen ift, nid^t auf, tl^ätig ju fein; es tritt fein (Srftorrcn berfelbcn ein. SBielmel^r erlangen biefe nunmel^r gereinigten Äräfte eine um fo l^öl^ere Sebenbtgfeit, alä burd^ bie SSer= einigung ber Seele mit ®ott baS göttlid^e Sid&t unb Seben um fo reid^er in fie einflrömt (XII. 3).

^ie S^ugenbübung ift im @tanbe ber Kontemplation ebenfalls eine reinere unb freiere als auf ber ©tufe ber SKebitation. 3)enn bie ©eele brandet ftd^ ba nid^t 3U beeifem, ba^ fie bie einjelnen S^ugenben al3 einjelne äßerle ausübe, ba fie ben ^abituS ber 2^ugenb, auS bem bie einzelnen tugenbl^aften Setl^ätigungen oon felbft ^eruorge^en, bereits be« fi^t. Slud^ im Äampfe mit ber SSerfud^ung toirb barum biefe einfädle Sefeftigung ber ©eele in ber reinen ©egentoart ®otteS unb in ber actueHen Siebe 3U ©Ott (questo stabilimento dello spirito nella pura presenza di- vina e nell' attual' amor di Dio) toeit toirifamer fein, als bie SScrrid^tung gefonberter moralifd^cr ^anblungen au^erl^alb berfelben (HL 1).

38on ber Setrad^tung ber SKenfd^l^eit ßl^rifti foH fid^ bie ßontem- plation nie abtrennen; aber nur 2lnfänger l^aben ben S3lidE unabläfftg auf Vie menfd^lid^e ©eite 6§rifti ju rid^ten,*) loäl^renb ber geförberte ©l^rift fid^ in feiner Kontemplation auf bie in ßl^riftuS oertoirflid^te ©inl^eit ber SKenfd^fieit unb ber nid^t oerftellbaren ®ottl^eit rid^tet.

©benfo betrad^tet bie contemplirenbe ©eele bie SQäorte, bie SBunbcr unb bie SWpfterien beS SebenS Gl^rifti nid^t gefonbert unb für pd^, fonbcm in ber ßin^eit feiner göttlid^en ^erfon. 3)aS Sffiort „®ott ift 3Renfd^ geworben" ift für bie Kontemplation ber Inbegriff aller SBorte, SBunber unb SKpfterien ß^rifti, toeSl^alb fid^ bie Kontemplation in jene allgemeine SBal^rl^eit oerfenft unb in-biefer bann aEeS Kinjelne, mit bem fid^ bie SKebitation nad^ unb nad^ befd^äftigt, in feiner inneren Kinl^eit J^at (XII. 7).**)

*) Xn, 3: U mirar Christo come solamente apprensibile a' sensi estemi e coda da persone assai corporee e principianli ; ma il mirarlo secandnm divi- num et supranaturalem modam, non dividendo mai rhumanita sua della di- -vinita non figurata, perche non e figurabile TEsser divino, ma vivamente cre- duta, o questa h maniera egregia di contemplarel

**) UebrigenS mißbilligte, nid^t absolute il pascersi delle parole, miracoli e misterij di Christo, ma il pascersene incessatamente senza andare alla sostanza della stessB sua divina persona bumanata.

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Ue6rigen§ foE eg foiDol^I bejügltd^ biefeS fünftes, ate bejüglid^ beS ®egenfa|e§ ber SRebitation unb ber Kontemplation übetl^aupt oon bem ©rmejfcn beS Scid^toaterö abl^ängcn, ob fid^ ber ©injcinc mit jener )u Bcfd^eiben ober ftd^ biefer 3U befleißigen l^at.*)

®S jeigt ftd^ l^ierin, toaS in ber ©(i^rift 5ßetrucci'8 burd^meg J^erüor« tritt, baß berfelbe mel^r, als irgenb ein anberer SSertreter ber quietiftifd^en 3Rr)\üt biefe mit ber lird^Iid^en älutorität unb mit bem SJogma unb ber 3)iöciplin ber Äird^e in ßinllang ju bringen beftrebt ift. 5ßetrucci fprid^t öom (Slauben nur im ©inne be§ DuietiömuS, bejeid^net il^n aber gern als fede cattolica, bejiei^t il^n auf ba§ 3)ogma oon ber ^rinität unb bemül^t fid^, aud^ ben ©lauben an bie ^aria unb an bie ^eiligen in bem ©inne in ben lat^olifd^en ©otteSglauben mit aufjunel^men, baß er jenen als (Slauben an ben in ben ^eiligen gegenwärtigen unb wirlfamen (Sott auffaßt, ^eilid^ irgenb meldte felbftftänbige Scbeutung legt er ben ^eiligen (beren nur einigemale unb ganj oorüberge^enb gebadet toirb) nid^t bei, fo boß er baS fatl^olifd^e 3)ogma oon ben ^eiligen in ffia^r^ l^eit bod^ nid^t feft^ul^alten vermag. 2)a too ?ßctrucci von einem SKittler* ti^um unb einer Serföl^nung ©otteS mit ben 5Wenfd§en fprid^t, bejiel^t er beibeS auSfd^Iießlid^ auf ß^riftuS.**) 5ßetruccl fprid^t fid^ aud^ fe^r ftarl gegen bie in ben 3Kaffen l^eroortretenben SluSfd^reitungen ber quietiftifd^en SKpftif, gegen bie Entfernung ber (Srucifiye unb Silber, unb gegen bie grunbfä^Kd^e Unterlaffung unb SSerad^tung beS münblid^en ©ebeteS auS. SJie cigentlid^e Slufgabe, toeld^e fid^ 5ßetrucci gefteHt ^atte, bie quietifti^ fd^e ^Jtpfti! beS ^olinoS auQ ber biSl^erigen (oon ber lird^Iid^en Slutorität anerfannten) Sel^rtrabition 3U red^tfertigen unb falfd^e äluffaffungen ber» fclben unb ungereimte ^Jolgerungen, toeld^e auS i^r gejogen mürben, ju ioiberlegen, l^at ber SSerfaffer mit oiel ©elel^rfamfeit unb ©efd^idE glüdflid^ ♦crlebigt. ^etrucci jiel^t 3ur SRed^tfertigung beS 3HoIino3 nid^t nur granj Don ©aleS, ^lol^anneS oomßreuje unb bie l^eilige Sl^erefia an, fonbern recurrirt aud^ auf bie SK^ftil beS ^Mittelalters, bie er bis ju ©ionpfiuS 2lreopagita l^inauf oerfolgt. 3^9^^^^ beurlunbet ?ßetrucci in ber fd^olaftifd^en Siteratur ber Äird^e biefelbe Selefenl^eit mie in ber ber ÜKpftif, meSl^alb feine ©d^rift notl^toenbig auf bie 3^itgc^offen ben @inbrudE einer überaus geleierten, grünblid^en Sled^tfertigung ber Seigre beS SRoIinoS als einer i^ren ©runbgeban!en nad^ in ber ^ird^e 3U allen 3eiten anerfannt geroefenen unb bem $eilsintereffe ber ftird^e burd^auS entfpred^enben Soctrin mad^en mußte.

*) edjflußwort ^etrucci'S.

**) ©ern gebraud^t ^etrucci bie burc^ grang t)on @a(eS in ©ang gebrad^te Sjclamation: viva Jesu!

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5Pdpft Snnojcnj XL juBcItc beider, als er baS mit fo »tcl ©elel^rfant^ !eit unb Älarl^cit unb im ®ciftc ödster fjröntmtgfeit gcfd^ricBcnc S3uc^ ?Pc* trucci'S gefeiten unb gcicfen l^attc. Sbenfo gaB viele Slnberc, \odä)e in bcmfclben ben ©ieg bcn inncrlid^en ^ömmigfcit über bcn outeten txxä)< lid^cn SBcrlbienft freubig begrüßten. 3lnbre frcilid^, roeld^c in ber quie^ tiftifd^cn SW^ftil nur bic baarftc Ackeret ju etlenncn t)cnno(i^tcn, fallen in 5ßetrucci*S 35ud^c bic attcrgro^tc ©efäl^rbung ber !ir(|Ii(i^en 9lcKgiojttät, beS lirci^Iic^cn ÄuItuSlcbcnS unb ber Äird^c fclbft.

2)ic mit jebem S^age suncl^mcnbc unb immer bebenflid^er J^ertjor^ tretenbe Erregung ber ©emütl^cr nötl^igte bol^er enbltd^ bie S^quifttion 8U Slom eine ßommiffion jur Unterfud^ung ber ©d^riften beiber ^jJartl^eien nieber3ufe$en.

S)ie (Sommiffton trat 3ufammen, bic ©d^riften beS 3RoIino3, 5ßc< trucci'S unb ©cgneri'S tourben offi3ieII gelefen unb geprüft, unb faft l^ätte ber SRid^tfprud^ beS l^eiligen DffijiumS bcn le^tercn fd^mer getroffen, inbem man gerabc in ©egneri*S 93ud^c allerlei bebenHid^c ©ct|e roal^r^ ncl^men ju muffen glaubte. S)ie ©d^riften be§ 5WoIinoS unb ^e^ trucci'S tourben tjon ben Si^qwifitoren als bem ®Iauben ber Äird^e unb ber d^riftlid^en 50loral entfpred^enb befunbcn unb ©egneri'S 3luSfteIIungen an benfelben tüurben für grunbloS erflärt

2)ie quietiftifd^e SWpftil toar j|e|t in ber latl^olif d^en Äird^e Don fird^lid^^tid^terlid^cr Slutorität ap probirt. 5ßetrucci iparb alSbaU) Dom 5ßapftc jum Sifd^of von 3lefi ernannt, unb bie SBogen ber religiöfen Setoegung, in ber fid^ ber d^riftlid^sreligiöfe ©inn innerl^alb beS ÄatJ^oIijiSmuS von ben l^emmenben fjeffcln beS ÄatJ^oIijiSmuS frei mad^en toolltc, gingen jc^t mäd^tiger als je ^uüor burd^ äffe latl^olifdjen Sanbc.

3lber ber S^fuitenorben erbebte ob beS ©d^IagcS, ber il§n in ber 5Perfon eines feiner gefeiertften DrbenSleute getroffen ^atte unb befd^lo^ ben geinb, ben er nun erfamtte, fo rafd^ als möglid^ unfd&äblid^ ju mad^cn.

Stoetter %mniü.

^M €tben tiet $tan von (Snpn von ilftn Mml in if^ttt ^tbtt^eMnn^ in W Wiottfe ^mf.

Sad SugenbleBett bet Sftau oon (Su^on.

Unter allen ben jal^Ireid^en ^Perfönlid^Ieiten, toeld^e ftd^ ber quieti« jiifd^en ^ömmigfeit ergaben unb biefelbe tote im Scben, fo aud^ litcrärifd^ »ertraten, giebt eS leine, beren inneres unb äußeres Seben fo Har unb burd^fid^tig vorliegt unb beren SBirffamfcit unb ©efd&itf für bie ©cfd^id^tc biefer SDl^ftil Don fo l^ol^er Sebeutung geworben ift, wie diejenige, mit ber ftd^ unferc S)arfteCung fernerl^in oormiegenb ju befd^aftigen l^at, nämlid^gfrau be U 3Kotl^e-®U9on. Sllle bie eigent^ümlid^en ^erjenS«' unb ©eifteSregungen, bie rätl^fell^aften inneren ®rle6niffe, bie unnennbaren ©eelenfd^mersen unb ©eelenfämpfe unb bie verborgenen, ju einem anfangs nur bunlel geal^nten unb unfid^er ©erfolgten S^eU l^inarbeitenbcn ©trc« bungen ber ©eele, oon benen bamalS Unjäi^Iige, ol^ne ba^ toir eS nad^« weifen fönncn, innerlid^ erfaßt unb auf bie SBäege ber quietiftifd^cn 9Kpftif gefül^rt würben, treten unS im Seben biefer ^am^ im l^effften Sid^te ent^ gegen unb jeigcn, in weld^er SIBeife biefe tounberbare religiöfe ©eifteSrid^s tung im inneren Seben f o SSieler geleimt ^at unb ertoad^f en ift. *)

*) S)ie ioauJ)tqueKe ber SebenSbefd^eibung ber grau öon ®u^on ift beren

©elbftbiO0raJ>l^ie : La vie de Mm«. J. M. de la Mothe-Guyon, ecrite par eile meme. 2)amit ift ju öergleid^en, toaS Phelipeaux in feiner Relation de

Torigine, da progres et de la condamnation du Qnietisme, repandu en France

(1732, 2 sanbe) im erften $Banbe über baS 2thm ber 2)ame mitt^eilt. a)odJ ifl |u bead^ten, ba^ biefe @d^rift in einer gegen grau t)on (ät^on feinbfeligen ^bftd^t gefd^rieben ift unb an arger ©ntfteUung ber ^l^atfad^n leibet, ^nbere SSiogra^l^ieett

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2)fe ^wgenbgefd^id^te bcr ^rau von (Su^on fül^tt VLn§ nad^ SKontargiS^ ' einer nid^t unbebeutenben Sanbftabt bcr ^ßrooinj Orleans. §ier lourbe Seanne maxie SBouDiöre*) am 13. Slprtl 1648 2l6cnbg Dor Dftem geboren.**) ^f)x SSatcr Glaube Souoi^re, §err t)on la 3Rot]^e^3Sergont)itte, toar einem alten, l^od^angefel^enen, reid^en unb einflu^reid^en Slbetegefd^Ied^te entflammt. Seibe ©Item toaren frül^er fd^on anbertoeitig oerl^eirat^et gemefen unb l^atten t)om SBitttoenftanbe auö einanbcr bie $anb gereid^t. 6ine§ fel^r bebeutenben ®runbbefi^e§ unb fe^r reid^Hd^er @in!ünfte jtd^ erfreuenb, lebten bie ©Item in i^rem Surgfi^ ju 5KontargiS mit einer ,^al^Ireid^en 35ienerfd^aft in ber t)ornel^men SBeife beö begüterten, t)on bem Sürgertl^um ftreng abgefd^iebenen Sanbabelä unb bilbeten einen ber 3Jlit« telpunite, um bie jtd^ baS Seben unb bie Qntereffen ber jiemlid^ länb^ lid^en, aber mit Älöftern unb ürd^Iid^en (Sebäuben reid^ auggeftatteten ^Prooinjialftabt bewegten. SBie fo t)iele feiner ©tanbcggcnoffen in jener 3eit h)ar ber SSater ein eifriger Slnl^änger ber latl^olifd^jen Äird^e, roeS- l^alb man ©eiftlid^e unb . Drbengleute in feinem §aufe oft ein- unb au^-- gelten fal^. Slffen Steuerungen, toeld^e bie alte gute Drbnung unb rool^I'- l^ergebrad^te SRed^te bebrol^ten, in feinem ^erjen grünblid^ abj^olb, fal^ er baS oerberblid^fte unb oerabfd^euungSroürbigftc Unheil in bem 2lbfaII »on* ber Äird^e, in ber Äe^erei. SBie bie SKutter mar bal^er aud^ ber SSater überaus eifrig in ber Erfüllung ber ürd^Iid^en 5ßflid^ten. Dft »erliefen beibe fd^on am frül^en 3Rorgen bag ^anS, um eine Söafffal^rt 3U irgenb einem (Snabenorte auszuführen, ober ein Oelübbe ,^u erfüllen. S)er arifto« Iratifd^-fcine S^on, ber im §aufe l^errfd^te, bie tool^Ianftänbige ©itte beS gamilicnlebcnS mad^te bal^er attseit jugleid^ aud& ben SBeil^raud^ ber 3Keffe

bcr grau öon ©u^on, treidle mand^c befonbcrc S^oti^ über bicfelbe liefern, finbcn

ftd{| in ber Preface generale bcr Opuscules spirituels, a Cologne, 1704, ©. 8 63 unb in; bcr SluSßabe ber 9Gßer!c »offuctS, Argentina, 1755, Tom. VIII, Aver- tissement de l'editeur, ©. XV ff. 2)ie toid^tigftcn ©rgänjungcn l^icrju liefern SB au ff et in ben Siogra^l^ieen genelon'S unb SBojfuct'S, bie eigenen SEBerfe S3offuetS (namentlic^f beffcn Relation du quietisme) unb genelonS (inSbes fonberc feine Briefe) unb bie ©iograjjl^ic beS S3if(i^ofS b'Slrantl^on bon ®cnf (öon

le Mas so n bctfa^t).

*) 3n ber Biographie nnivers. anc. et njod. T. XIX, p. 254 loirb bel^auj)tet,

bo^ grau bon ®u^on ben 5Ramcn SKaric nid^t gcl^abt l^abc. 2)a inbcffen 1) biefe Sel^au^tung mit nid^tS bcgrünbet toirb unb ba 2) in bem SSorioort ber opuscules spirituels de Mme. j. M. B. de la Mothe-Guyon öon 1704 ©. 8 auSbrüÄlid^ Sc? merft toirb, ba^ fic ftd^ „dans ses signatures souscrit J. M. B. de la Mothe Guyon,

^ fo l^alten toir bie ^erfömmlid^e 2lngabe ber S'iomcn fefk.

**) grau bon ®u^on bcrid^tct in ber ©clbftbiogra^l^ie (II, 1) über il^ren

©eburtStag mit bem 3ufa4: a ce que disent quelques-uns.

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unb ben SRimbuS ber lird^Itd^cn Uebungcn toal^tnel^mbar« 3luf gwci^t unb ßl^rbarleit fallen bcibe ©l^egatten mit gleid^em (Srnft. ®abei xoax bie Sßuttcr in ' ber ©tabt inSbefonbcre wegen i^rer ganj ungetoöl^nlid^en- SBoptl^ätigfeit l^od^ cerel^rt. Äein Sebrängter flopfte an i^re %J)üxe, ol^ne ba^ fie il^m aufget^an warb. 3wtt)eilen gab fie felbft baä le^te ®olbftüdf l^in, ba§ im §aufe ioar; benn fie freute jtd^, bamit ber gnabenreid^en Jungfrau einen SJienft ju ertoeifen, an ber il^r §erj mit 3nbrunft ^ing. daneben toar freilid^ in bem §aufe anä^ gar mand^e^ von ja^reid^en (Sebred^en 3U feigen, an benen baS gfamilienleben be§ fran3öjtfd^en 3lbel§ bamals litt, S^^Sbefonbere fel^Ite ber 5D?utter bie gäi^igfeit, ju ben Äinbem bie redete ©teffung ju gewinnen unb fie »er? ftänbig ju erjiel^en, burd^auS.

2)ie Heine QSeanne SBlarie mar in ^olge eines ©d^redfenS/ ber bie 3Rutter traf, um mel^r als t)ier SBod^en ju frü^e jur SBelt gefommen,. linb fd^ien bal^er faft lebenSunfäl^ig ju fein, ßaum mar baS Äinb ju einer Stmme gebrad^t, als ber SSater benad^rid^tigt War, ba^ baffelbe tobt fei. §ernad^ mad^ten fid^ an ber Äleinen mieber SebenS3eid^en Wal^r- nel^mbar, WeSl^alb ber SSater fd^leunigft einen ^riefter jur 35ornabme ber 2^aufl^anblung l§erbeirufen lie^. S)er ©eiftlid^e lam, ging aber balb un^ t)errid^teter ©ad^e Wieber l^intoeg, iüeil er baS Äinb für tobt l^ielt. SJiefer Suftanb beS ÄinbeS, in Weld^em baffelbe entWeber im ©terben 3U liegen ober fd^on tobt 3ufein fd^ien,'bauerte mel^rere SBod^en lang an. 3)aber lam es, ba^ il^m bie 2^aufe erft am 24. 5IKai ju 2^l^eil. Werben lonnte* Sine unmittelbar nad^ ber 2^auf^anblung t)orgenommene ärjtlid^e Unter? fud^ung beS ÄinbeS ergab, ba^ am Untieren ®nbe beS SRüdfgrateS fid^ ein ftarleS ©efd^wtir gebilbet l^atte, iüeld^eS faft alle Äräfte beS ÄinbeS t)cr« jel^rte.

©otteS §anb aber fd^ü^te baS jarte, fo fel^r gefäl^rbete Seben, unb bie Heine Spanne 5D?arie toud^S l^eran unb toar balb eine überaus lieb* lid^e ßinbererfd^einung.

aSorübergel^enb pertraute ber 3Sater baS (laum 2V2iäl^rige) Äinb bem Urfulinerinnenconpent 3U 5KontargiS jur Pflege unb (Srjiel§ung an, t)on wa er baffelbe jebod^ balb wieber abl^olen lie^. 3lber bie SKulter l^atte an ber kleinen leiber feine §reube unb Demad^läffigte fie fel^r. 33en ©ienft^' boten unb fid^ felbft überlaffen, brad^te fid^ bal^er 3^<^^J^^ 9Karie nid^t feiten in wirllid^e ßebenSgefai^r. SKel^rere 3Jlale ftürjte fie in einen tiefen, mit $olj angefüllten ÄeHer l^inab. S)abei todr fie fortwäl^renb fd^wäd^« lid^ unb leibenb, oft fogar tjon ben fd^toerften ÄranH;eiten befallen.

9luf ben SEBunfd^ ber mit bem SSater befreunbefen §er3ogin von SWontbafon, würbe bal^er bie Äleine, als fie viex ^a^xe alt getoorben^

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i)cn ganj nal^c gelegenen SenebictinetinnenKofter jur ©rjiel^ung übetgeBen» 3)te ßerjogin l^atte eben bamals bei ben Senebictinerinnen felbft SBo^nung genommen, unb toünfd^te bie Äleine, an ber fte il^r SBo^gef allen l&atte^

. bei fxi) 5U l^aben. Son ber innigften Siebe ber eblen SDame, toeld^e baS Äinb im Älofter forttodl^renb bei ftd^ l^atte, getragen, entmicfelte ftd^ nun baS reid^e Seelenleben beffelben balb in tounberbarer SBeife. SlllerbingS war fte faft fortwäl^renb, unb oft lebenSgefäl^rKc^ frani; aber ber ganj eigenartige, Iräftige SebenSfeim, ber in ber ©cele beä ÄinbeS rul^te, !am fd^on je^t in erlennbarer SBeife jur ©nttoitfelung. 3«§6^fonbere gab ftd& in ber Äleinen bereite baS regfte religiöfe S^tereffe in auffallenbfter SBeife lunb. aJlit inniger §erjenöfreube l^örte fie t)on ©Ott reben unb aus religiöfen Sudlern lefen, unb toar glüdflid^, tocnn fie fid^ wie eine !Ronne fleiben unb jur Äird^e gelten lonnte. S)abei l^atte 3^<^wne 9Jlarie jd^on je^t il^re eigenen ©ebanfen. 2)ie ©rjiel^erin ber im Ätofter jidj befittbenben ^Penftonärinnen l^atte il^r oon ben ©d^redEen ber §öKe gefagt. ©ie aber l^ielt biefeS nur für ein SSorgeben, momit bie (Srjiel^erin il^ren

. ©rmal^nungen unb SBarnungen einen Befonberen Stad^bruJ geben tooHte. ^a träumte fie einft, ba^ fie bie §ötte unb bie Dualen ber Serbammtcn mit eigenen 3lugen fäl^e unb ba^ il^r aud^ ber ?ßla§ ge3eigt mürbe, ber für fie felbft beftimmt fei. ^n furd^tbarer Slngft erh)ad^t, rief ba§ Äinb ju ©Ott, bat um S5arml^erjig!eit unb gelobte ein frommes Seben. 3"- $leid^ t)erlangte aber bie kleine a\xä} nai) ber Seid^te. Ueberrafd^t trug bie (Srjte^erin ber ?ßenfionärinnen fie jum Seid^tftul^l ^in, iüo ber SeidJ^ tiger laut ladete,* als bie Äleine ftd^ beS S^txfä^ am ©lauben anllagte. Sluf bie iJrage beS Seid^tigerS, toaS fie benn auf bem §ergen l^abe, antwortete .fie: bis je^t l^abe fie an ber §ötte ge3toeife[t, toeil fte ber ÜKeinung geiDefen fei, bie Sel^rerin l§abe il^r baS nur fo t)orgerebet, um fie §ur Sefferung 3U bringen; j|e|t aber jttjeifle fie nid^t mel^r baran.

Qfeanne SWarie l^atte aber nun baS tröftlid^c Setoufetfein, gebeid^tet 3u l^aben, fie fül^Itc fid^ gel^oben, als l^abe fie eine bis bal^in ^od^ ilberil^rem Seben ftel^enbe ©tufe, bie ju ©Ott fül^re, erllommen, unb ganj plö^Ud^ toar il^r §er3 nur von bem ®inen ©ebanlen beilegt, bie näd^ftl^öl^ere unb l^öd^fte ©tufe auf bem SBege ju ©Ott 3U erfteigen unb SKärt^rerin 3U toerben. ©ie plauberte biefeS bei bem im Äloftcr lebenben 3Räbd^en, bie, um fid^ 3U beluftigen unb umjufel^en, tote meit bie SKärt^rertuft bei bem fo feltfdm gearteten Äinbe voxf)diim mürbe, il^r alsbaib fagten, ba^ bie begel^rte SRarter il^r alsbalb ju 3!^eil werben foHte. ^xo^oieni ging bieÄIeine barauf ein; benn fie glaubte, ba^ fie, SKartcr ertragenb, ©Ott feigen toürbe. Sie 3Jläbd^en liefen fte alfo jur SSomal^me ber SWarter auf ein ausgebreitetes Xud^ nieberfnieen, toorouf

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hinter tl^t ein getoalttget Babel emporgel^oBen toaxh. Raum aber fjaiie pc biefctt unD bic fd^cinbare (Scfä^rbung il^rcS ScbenS Bcmerft, als fic, oott unnennbarer Slngft tibertüältigt, in größter (Srregung ouSrief: „Slber o^ne ©rlaubni^ meines 3Sater8 barf id^ nid^t ftcrben."

UebrigenS würbe il^r ber fernere 2lufenll^alt im Älofter balb burd^ bie 5Penfionärinnen Derleibet, namentlid^ afö fte infolge einer falfd^en 3lns ttagc eine untjerbiente 3üd^tigung erl^alten ^atte. SDal^er toar fie frol^, al§ fte ber SSater toegen il^rer pufigen Sriranlungen au^ bem Äloftet ttbl^oltc unb roiebcr ju ftd^ nal^m.

S)a§ Äinb Derlebte nun meljrere ^a^xe im elterlid^en §aufe, too im bcffcn für bie Erjiel^ung beffelben fo gut wie gar nid^tS gefd^al^. 35ie SRutter ^atte nun einmal leine Siebe ju ber Äleinen, toeSl^alb fie biefelbe ben SJienftboten überlief, t)on benen fie fid^ felbft überlaffen tourbe. Scanne 5Warie empfanb e3 aber um fo fd^merjlid^er, ba^ il^r baS §erj ber 3Jlutter fremb mar, als fie täglid^ feigen mufete, ba^ ber Heine Sruber bic ganje Siebe ber 5!Kutter befa^. 3lu§ bem Siw^tner unb ber Dbl^ut ber SKutter t)ermiefen, ging ba^er bie kleine auf bie Strafe l^inauö unb begann mit ben Äinbern bürgerlid^er ^Jamilien auS ber 5Kad^barfd^aft ju fpicien. Äaum aber l^atte ber ariftolratifd^^ftolje 3Sater biefen anftö^igen SScrfel^r ber 2^od^ter bemerlt, al§ er biefelbe fie toar bamafe nod^ nid^t t)otte fteben ^al^re alt rafd^en (Sntfd^luffe§ in baS Urfulinerinnen^ Ilofter 3urüdbrad^te.

Sn bem Älofter lebten bamal§ }toei ^albjd^meftern be§ ÄinbeS eine leiblid^e Siod^ter be§ SSaterS unb eine leiblid^e ^^od^ter ber SKutter aus ber frül^eren ®l^e alg ®r3iel^erinnen ber bem Älofter ant)ertrauten jungen 5Käbd^en. Die erftere, eine liebeootle; roo^lunterrid^tete unb fromme 35ame, bie an ber ileinen Sd^raefter il^re gro^e ^reube l^atte, übcmal^m nun im auftrage beä SSaterS bie (Srjiel^ung unb 2lu§bilbung berfelben. Unter ber treuen Dbl^ut ber älteren ©d^toefter, meldte bem ßinbc bie järtlid^fte gürforge jumenbete unb fid^ unabläffig mit i^m bcfd^äftigte, famen nun bie reid^en 3lnlagen ber ^eanne SDlarie rafd^ jur tounberbarften (Entfaltung, SWit regem Sinne nal^m fie eine glitte oon Äenntniffen in fid^ auf, bie il^r (Sebäd^tni^ il^r treu betoal^rte unb an benen fid^ il|r fd^arfer SSerftanb unb il^re fd^toungooffe $^antafie in eigen- tl^ümli^er SBcife iihtt.

UebrigenS he^ann fxä) fd^on bamalä ber aäcetifd^sreligiöfe ©inn beS flinbeö mefjr unb mel^r 5U einer toirflid^en inneren SebehSrid^tung ju enttoidfeln. 2lm ®nbe beS Äloftergartenä befanb fid^ eine bem Äinbe SefuS getoeil^te Äapeffe. SJort nerrid^tete geanne 3Jlaric fel^r oft il^re Slnbad^t, unb eine Seit lang oerftedCte fie jeben SWorgen i^r grül^ftüdE l^inter

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bem l^eiKgen Silbe als ein Dpfer, roeld^eS fic bem ScfuSlinbe barBtad^tc, 3ltterbittg§ mu^tc fie biefe Hebung ber ©elbftentfagung balb fallen laffen, tnbem il^re feltfamen Dpfer bei einer Steinigung ber Sapelle an ben %aQ iamen. Sltlein Iur3 nati^l^er glaubte jte in einem Keinen Unfall, ber fie traf, ol^ne il^r ju fd^aben, ben il^r »on bem ©rlöfer geh)orbencn Sol^n gan3 unjroeifell^aft 3U erfennen.

®ine§ 2;agg fpielten unb tansten bie ^Penfionärinnen be§ ÄlofterS über einer im ©arten befinblid^en mit Srettern 3ugebe(ften Äloafe. Site bie 3Dfläbd^en l^inmeggegangen toaren, mottte 3^^««^ SDiarie ben fpielenben 2^an3 nad^a^men unb fprang auf ben Srettern l^erum. 35iefe aber brad^en ein unb Seanne 5Dlarie fiel in bie moraftige 2^iefe l^inab 3um ©d^redfen ber in einiger ©ntfernung ftel^enben ^enfionärinnen. 2)iefe legieren eilten ju ben bienenben ©d^lpeftern unb forberten fie auf, ber Sßerunglüdften ju l^elfen. Slllein bie bienenben ©d^toeftern gingen nid^t ju bem Sinbe, fonbern in bie Äird^e, um baö ©efd^el^ene ber bafelbft betenbcn ©d^toefter ber 3eanne 3Jlarie mitjut^eilen, unb biefe l^ielt für nötl^ig, vox 2lttem ben ©d^u^ ber Jungfrau 9Karia für ba§ Äinb am Slltare an3urufen, tDorauf fie bann freilid^ in ben ©arten eilte, unb l^ier bie fletne ©d^mefter in ber fotl^igen ©rube iüol^lbel^alten ft^en fa^. 5!Jlit leidster SKül^e auS ber Äloafe l^erauSgefd^afft, prie§ nun bie Äleine baö SBunber ber ©nabe, toeld^eg ba§ S^fuSünb an i^r getl^an.

Qnbeffen toar aud^ biegmal ber 2lufentl^alt be§ ÄinbeS im älterlid^en §aufe nid^t t)on langer 3)auer. 2)ie ©uperiorin eines ©ominicanerinnen^ IlofterS, meldte bamalä bei bem SSater 3U Sefud^ Voax, getoann an ber t)ielDerfpred^enben ®rfd^einung beg ÄinbeS fold^e fjreube, ha^ fie ben SSater bringenb bat, il^r baffelbe 3ur ferneren 3Iu§bilbung ju überlaffen. 35er SSater gab aud^ bem SSerlangen ber il^m befreunbeten 3)ame nad^, unb bie junge ^eanne 3Jlarie manberte abermals in bie 3Wauern eines ÄloftetS. §ier jjebod^ ging eS berfelben Iläglid^. 3)ie Älofterfrauen lagen unter einanber fortbauernb im §aber, bie ©uperiorin l^atte bal^er wenig Seit, fid^ um il^ren Pflegling ju belümmern, t)on (Srjiel^ung toar leine Siebe, unb als baS junge 9Räbd^en eines SCageS t)on .ben SSlattern be- fallen lüarb, wagte leine ber Sleligiofen, [id^ il^m 3U näl^ern. ©ine Saien- fd^mefter brad^te ©peife unb 2^ranf; im Uebrigen lag baS Äinb gan3 t)erlaffen in feinem ^etU.

2)a fanb Spanne 3Karie in il^rem giwtmer ein S3ud& t)or, roaS fie laum je gefeiten, eine SSibel. ©ie nal^m biefelbe jur ^anb, kS in il^r, las vom frül^en 3Jlorgen bis jum fpäten 3Ibenb, unb il^r gutes ©e^ bäd^tni^ fijirte leidet, maS fie gelefen l^atte. ©ie betete je|t inbrünftiger 3ur l^eiligen Jungfrau, unb als fie gcnefen, beid^tete fie l^äufiger, als j|e

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jupor. Slbcr fic fül^Ite fid^ frcmb in bem ^aufe. S^ax naf)m eine im ^filoftcr TDol^ncnbe ©atne jte ju [fid^ auf i^r Siwimcr; allem bie W^Ö^f bie fic im Älofter crl^iclt, war fo fd^ted^t, ba^ fte jufel^enbS abmagerte* 3laä) einem Slufentl^alt von ad^t SDlonaten im Älofter nal^m fie ballet ber SSater toieber ju fid^.

©0 fam fie bem ®nbe i^reS elften Sebengjal^reS nal^e, als ber 3Sater fie beim §eranna^en ber ^aftenjeit 1659 mieber in ba§ Urfulines rinnenllofter brad^te, in toeld^em fie ium ©enuffe ber erften ßommunion öotbereitet werben fottte. §ier fal^ fie fid^ nun von ber innigften, treue« ftcn Siebe ber ©d^iüefter (il^reS 3Sater§ 2iod^ter) umfangen, bie fie an i^x §er3 l^inaufl^ob unb allen ©d^merj Dergeffen mad^te. 2lm Dfterfonntag empfing fie 3um erften SKale ben Seib beS §errn. Um in aller ©tiHe ben ©egen biefer erften ßommunion in fid^ aufnel^men unb red^t tief in il^rem ^erjen bergen ju lönnen, blieb fie nod^ bis ^pngften in bem filofter, U)o il^r inbeffen ber jhjifd^en ben beiben älteren ©d^toeftem be* ftel^enbe ©egenfa^ fel^r ftörenb \oax.

9lod^ ftörenber jebod^ toar für bie SRul^e unb (Snttoidfelung il^reS inneren SebenS bie ©iteKeit ber ^Kutter, meldte bie laum auS bem Älofter jurüdEgelel^rte SCod^ter mit möglid^ftem 5Pu| unb 5ßrunl in bie 2BeIt ein« jufül^ren begann. 3)enn Si^anne 9Jlarie toar für i^r Sllter fie ftanb im zwölften SebenSjal^re fel^r gro^ unb toar von auffaffenbcr ©d^ön« l^eit. aJlit tiefem ©d^merje l^örte fie fogar bie ßltern erjäl^len, ba^ fid^ fd^on Semerber um il^re §anb eingefunben l^ätten, benen jebod^ 3um ®Iüi ber SSater lein ©el^ör gegeben l^abe. 3)aS eben aufblü^enbe 9Räb« d^en lonrtte fid^ in aUeS baS, h)aS an fie l^erantrat, gar nid^t l^inein finben, unb fd^Iojs ftd^ oft S^age lang in il^r ßi^tmer ein, um ungeftört lefen unb beten ju lönnen.

2)amaIS iüar eS, ba^ fie mit ber©d^rift be§ ^ranj t)on ©aleS, „?ßl^iIot]^ea", unb mit ber SebenSbefd^reibung ber ^rau von ßl^antal belannt tourbe. ©ie gemann au§ benfelben bie SS^nung, ba^ eine SBeife innerlid^en SebenS unb SetenS gebe, von ber fie nod^ nid^tS tou^te. ©ie perftanb aber bod^ baS ©elefene nid^t; benn fie meinte, man fönnc nid^t l^eten, ol^ne fid^ SSorfteHungen ju mad^en unb t)iel 3U benfen. ©ie bat bal^er il^rcn SSeid^toater, il^r mit SRatl^ unb Slnmeifung 3U l^elfen;; ber aber mu^te i^r nid^tS ju fagen. 3)a begann fte alle ©elübbe unb frommen Hebungen, bie fie im Seben ber ^au oon ß^antal oerjeid^net fanb, med^anifd^ nad^3ual^men. ©ie lafteite fid^ genau fo toie gfrau oon ß^antal es getl^an, unb als fte in bem 93ud^e laS, ba^ biefelbe, burd^ bie 3Bortc beS ^ol^cnliebeS (8, 6): „©e^e mid^ wie ein ©iegel auf S)ein §er3" angeregt, fid^ mit einem gltil^enben ®ifen ben 3tamen Sefu auf bie S3ruft

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gebrosmt l^abe, nd^m {te ein @tü(f $a)rier, jetd^nete auf baffe(6e mit großen @d^rift)ügen ben Flamen ^e^u, fa^te baS Rapier mit äSänbem ein uttb nä^U eg fid^ mit einer 9lobeI an mer (Snben auf bie Stuft, auf ber fie ed fo lange trug, ate ed l^ielt.

(Sin bemerlengmertl^er äSorgang in bem inneren Seben beg laum mel^r al§ jtDölfjäl^rigen 3Räbd^en3 toar bamalä infofem eingetreten, aU ber 9lame „^rans von ©aleS" bemfelben bie J^öd^fte geiftlid^e Sfuto^ rität getoorben mar. 3)er SQSunfd^, in einen Drben eintreten ju bürfen,. toar fd^on -gereift; ber einjige Drben aber, in toeld^en fie toirlKd^ ein« jutreten pd^ entfd^lie^en fonnte, mar ber ber ^eimfud^ung 51Rariä, meldten grau von ßl^antal geftiftet ^atte. (Sin ^lofter biefeS Drbeng beftanb aud^ in SRontargiS, in meld^eS fie oft 3U gelten pflegte, um il^re ^[nbad^t }u Derrid^ten unb mit ben Äfofterfrauen ju Derfel^ren.

iDer Sßater befanb fid^ bamalS auf Steifen. 2)a^er ging Qeanne aWarie toieberi^olt bie 9Rutter um ©enel^migung i^reS ®ntfd^luffeä an, fid§ bem befd^aulid^en ßeben ju tüei^en. S)iefe jebod^ tooffte bem 3Sater nid^t Dorgreifen unb befallt ber S^od^ter, iebcnfattS bcffen SRüdlel^r in Stulpe abjutüarten. Stafd^ aber entfd^Io^ fid^ bie Heine ©d^mörmerin, um il^r S^A 3U erreid^en, 5U einer Sift 5Die $anbfd^rift ber SRutter nad^al^mcnb, fd^idEte fie ein angeblid^ t)on berfelben auSgeftellteS 3^wgni^, meld^eS il^ren (Eintritt in ben Drben genel^migte, ber Dberin be§ Äloftcrä ju. 3)iefe aber, eine Serroanbte ber 5IKutter, erlannte bie Säufd^ung unb ber 3^^^ berfelben tüurbe nid^t erreicht.

©nblid^ traf ber SSater von feinen Steifen in SKontargiS toicber ein, too berfelbe aber aud^ fofort von einer fd^mcren Äranfl^eit befallen tourbe. 2)a bije SDlutter Don einer Äranf^eit laum ju genefen begonnen l^atte, fo betete fid^ ber 3Sater in einem t)on ber SBol^nung berfelben ganj ab^ gefonberten S^^^^^f toeäl^alb fie ftd^ aud^ nur feiten bei bemfelben feigen lie^. Um fo freier unb freubiger fonnte fid^ ba^er Qeanne 3Karie ber ^PPege unb bem SDienfte be§ geliebten SBaterS toeil^en. 3^ag unb SRad^t toar fie am Settc beö Äranfen; toar fie bod^ fo glüdElid^ eS 3U feigen, mie banfbar i^r ber SSater für i^re treue fiinbeSlicbe toar! SBol^l toiffenb, ba^ jeber 3)ienft, ben fie bem franlen 3Sater ermieS, ein ©otteSbienft fei, toar il^r bal^er eine ganj befonbere greube, i^m aud^ bie niebrigften S)ienfte ertoeifen ju lönnen. Dl^nc bem SSater merlen ju laffen, go^ fie beffen SScien gerabe bann au3, wenn feine SSebiente gugegen mar, tl^eite um fid^ ju lapeien, tl^eils um 3)en ju eieren, ber gefagt ^at (3)lattl^. 20, 28), er fei nid^t gefommen, ba^ er fid^ bienen laffe, fonbem ba^ er biene. gl^r SSernmIcn am Äranlenbette 'b^S geliebten SSaterS »urbe bal^er aUmäl^lid^ ein Sd^melgen in (^otteSminne unb @eltgfeit«

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„SBenn cS xegnttt, fo tootttc id^, ba^ äffe Xxopfen ftd^ in Siebe unb

^teis t)eth)onbeItt möd^ten", fd^reibt fie von biefer 3^'*/ in bcr eS il^t

eine bcfonbere ^enbe war, für il^r inneres religiöfeS Seben bei bet im ^aufe lebenben 83afe DoffeS 38etftänbni^ ju ftnben.

Sad Beben in bet @$e.

©0 »ergingen einige Qa^te, als baS Seben ber Seanne SKarie eine SBenbung na^m, bie für fte unl^eilDofl werben foffte. ©eit einiger 3^i^ §atte fxd^ nämlid^ ein in 5IMontargiS anfäfjtger ©belmann, 3<J^^c3 "^^ ^^ 3Rotl5e5®ui;on, ber ©ol^n eines §errn Oupon, ber einem bei bem Sau beS Äanttte t)on Sriare gemad^ten glüdflid^en (Sefd^äfte feinen 3lbel unb fein immenfeS Vermögen »erbanfte, um il^re §anb beworben. 3)ie junge Spanne 9Karie ^attc jjebod^ toenig SBeranloffung, fid^ ber 2lnnäl^erung beS« felben an fie gu freuen. 3)enn §err von ©upon toar 5U)ar wegen feines Bieberen ßi^aralterS unb feiner 3RiIbtl^ätigfeit affgemein gead^tet, War aber t)offe 22 Saläre älter als fie, toar löperlid^ leibenb unb fel^r jum ^äJ)-- jorn geneigt. ^ieaU Sntereffen toaren il^m fremb, unb von bem, toaS bie ©eele eigentlid^ abelt, War bei il^m nid^t viü 3U feigen. Qeanne 9Jlarie badete ba^er nid^t baran, il^m il^re §anb .3U geben, unb Saläre long tparen aud^ beim 93ater bie Semerbungen il^reS SBerel^rerS ol^nc Erfolg, bis ftd^ enbtid^ bie 3leltern burd^ bie Slüdffid^t auf ben SReid^tl^um bcs SctrerberS, beffen leibenfd^aftlid^e Siebe fie fal^^n, jur ©enel^migung feines SlntrageS beftimmen liefen. ®S gefd^al^ bieS am 28. ^f^nuar 1664, om 2^age oor bem beS l^eiligen ^ranj oon ©aIcS. 2)ie Sleltern festen ben ®l^eIontraIt auf unb liefen benfelben t)on ber 3^od^ter unterjeid^nen, ol^nc il^r jufagen, toaS eS h)äre.

©leid^mol^l freute fid^ Qieanne SKarie, als fie, bie eben erft baS flinf^ je^nte SebenSjal^r gurüdfgelegt l^atte, l^örte, ba^ fie l^eiratl^en toürbe; benn fie glaubte baburd^ bie tJteil^eit 3U erl^alten, bie fie im älterlid^en §aufc Iciber ttid^t l^atte unb l^offte bann ben Saunen unb gärten il^rer 3Rutter nit^t mel^r ausgefegt 3U fein: ©el^r balb aber füllte fie fid^ in il^rem SJrautftanb in bie größte innere SSertoirrung gefegt, tl^eilS wegen i^rer natürlid^en ©d^aml^aftigleit, weld^e fie bisl^er immer oom Umgang mit Ferren 3urüdEge]^alten l^atte, tl^eilS weil ftd^ il^r bcffcreS ©elbftgcfül^l, oiel* leidet aud^ il^re ®itelleit vexU^t fül^lte. 2)enn Wenn fie il^ren Verlobten mit fo mand^em anberen ßaoalier t)erglid^, ber ftd^ um il^re §anb bc= toorben, fo mu^te fie fid^ fagen, ba^ fte gar mand^c gHldtlid^ere SSBal^I

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l^ättc treffen lönnen. i"^^^ Serul^tgung Ke^ jte wäl^renb i^reS Staut* ftanbeS meU SWeffen lefen; in ber ©tabt aber toar über bie glänjcnbe ^Partie, roeld^e baS fd^öne unb liebe ®belfräulein tl^ue, gro^e ^eubc.

3h)ei ober brei 2^age »or il^rer 38erl^eirat§ung fa^ 3eanne aJlarte ^erm t)on ©upon als il^ren Verlobten 3um erften 9Jlale. 3)ie §od^jeit mag mit großem unb lautem Qubel tJoUjogcn fein; aber fd^on in ben erften S^agen ber ®l^e toar bie junge %xan t)om (Sefül^l beS tiefften ©d^merjeS überwältigt. S8or 2lllem quälte fie je^t ber (Sebanfe, bcm ©ntfd^luffe, in ein Älofter ju gelten, untreu geworben ju fein. 3SieIe Scute lamen inS §auS, um ber jungen ®belfrau il^re ©lüdroünfd^e barjubringen, fallen fid^ aber oon biefer mit tl^ränenbem Sluge empfangen, ^a^u fam, ba^ in il^rer neuen §äuäHd^Ieit SlffeS bamad^ angetl^an toar, um fie um glüdflid^ 3U mad^en. 3n bem §aufe beä §erm be la SKotl^esSu^on l^errfd^te ein burd^auS orbinärer 3^on unb ein toeltlid^eS treiben. 35on ber ©d^toiegermutter (bie f el^r reid^ unb fd^on feit fielen Salären SEBitttoe toar) rourbe fie t)on 3lnfang an in rol^efter SEBeife bel^anbelt. 3)er feine, abelige 3^on, meld^er in bem §aufe beS 3SaterS l^errfd^te, galt in bem ©upon'fd^en §aufe als 2lbfurbität; inSbefonbere mar bie feine SebenSfitte, bie forgfältige 3Kanier unb bie gemäl^lte ©prad^e, toeld^e bie junge 2)ame aus bem älterlid^en §aufe mitgebrad^t l^atte, ber tro^ il^reS SlbelS fel^r plebcjifd^en, geijigen unb janffüd^tigen ©d^miegermutter t)on Dornl^erein ein Slergerni^. SRed^t gefliffentlid^ toar ba^er biefelbe barauf aus, bie ©d^toiegertod^ter ju bemütl^igen unb 3U Iränfen. §Perfonen, bie ber ge^ fellfd^aftlid^en ©teffung nad^ toext unter il^r ftanben, mu^te fie auf ©e^ l^ei^ ber ©d^roiegermutter ben SSortritt laffen, toorüber il^r toieberum bie SKutter, bie bur^. anbere Seute baoon l^örte, ben bitterften SSorl^alt tl^at. Äam Semanb 3U Sefud^ inS §auS, fo tou^te bie ©d^toiegermutter nid^tS eiligeres ju tl^un, als über bie ©d^toiegertod^ter 3U Ilagen unb fie lä^er* lid^ ju mad^en. ©elbft mit ber 3)ienerfd^aft fprad^ bie ©d^miegermutter über biefelbe in toegmerfenbfter SEBeife. 2)aS ©d^Ummfte aber toar, ba^ fie mit i^ren boSl^aften ®inflüfterungen bei bem ©ol^ne ©ei^ör fanb unb benfelben gegen bie junge (Sattin auf^ul^e^en mu^te. Slud^ über bie ®Itern mu^te ^rau oon ©upon forttoäl^renb bie fränicnbften 2leu^erungen l^ören, unb nie befud^te biefe baS Däterlid^e §auS, ol^ne ba^ fie bei ber Slüdffel^r bie ärgerlid^ften SEBorte ju l^ören belam. 3luf ber anberen ©eite bellagte fid^ aud^ bie 9Kutter barüber, ba^ fie t)on ber S^od^ter oemad^* läffigt toürbe, tocil biefelbe, mie fie f agte, ju fel^r an i^rem SRanne l^ing. Unglütflid^ermeife er3ä^lte bie 3Wutter ber ©d^miegermutter, toic mel 3Rix^e i^x bie Xdd^ter in ber jtinbl^eit gemad^t l^abe. 2)iefeS mürbe ber leiteten nun in bem ©inne ausgelegt unb angered^net, als ob fie ein

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befonbcrS fci^rocr 3U crjicl^enbcä Äinb gciioefcn xoäxe unb fd^fic^Iid^ nannte man jte eine boSl^afte 5Perfon. ®a3U lüurbe fte von il^rem SDlanne an« gctoiefen, ben ganjcn %a^ ber Sd^lüiegermutter in beren Simmer (Sefeffs fd^aft }u leiften, n)0 bie eigentlid^e ©tätte beg '^©d^mer jeS für fie mar.

3)urd^ ba§ 2ltte3 tpurbe bie junge ^rau innerlid^ fo eingefd^üd^tert unb fo gelnidEt, ba^ fie ol^ne bie ©d^roiegermutter nid^t Dor baS ^au^ ju gelten unb bod^ aud^ nid^t mit berfelben ju reben toagte. (Sing fie aber einmal attein au§, f 0 l^attcn bie Sebienten ben Sefe^I, fie auf ba8 ©enauefte ju beobad^ten ; toäl^renb im $aufc ba§ il^r gur Sebienung bei* gegebene ÜRäbd^en, baS fid^ gegen fie alle Ungebül^r glaubte erlauben 3U fönnen, fie überiüad^en unb äHeä, roaS eS lüal)rnal^m fofort berid^ten mu^te. 3e$t fing bie um il^r SebenSglüdE betrogene an i^r „Srot mit S^l^ränen 3U effen."

Sturer bem §aufe freilid^ begegnete man il^r tjon allen ©eiten mit Steu^erungen ber 3Serel^rung unb 93elüunberung; aud^ bie ©timme t)ers fül^rerifd^er ©d^meid^elci mu^te fie l^ören. 3wm ®IüdE erlannte bie fd^roet ©pprüfte bie ©efal^ren, t)on bencn fie bebrol)t mar. 33enn eS toar 3U Befürd^ten, ba^ fte „bei einem nod^ fo jugenblid^en 2llter unb bei fo un« getoöl^nlid^em Äreu3 fid^ gän3Hd^ in Steu^erlid^f eiten oerlieren unb ben SBeg ber Unorbnung einf dalagen möd^te." ©ie fagte fid^ bal^er, ba^ il^rc erfte unb mefentlid^fte ^Pflid^t fei, il^rem SWanne nie 2lnla^ 3um Slrg:: too^n ju geben. I)al^er mar fie fo ftreng gegen fid^, ba^ fie 3. 33. öftere bie an§ eJ'^eunbfd^aft ober ^öflid^Ieit bargereid^te §anb eines §errn nid^t annal^m. ©obann ioieä fie alle serftreuenbe Seetüre oon fid^ unb nal^m ftd^ ernftlid^ft oor, 35u^e 3U tl^un unb il^r Seben 3U beffern, 3U roeld^em 3roeie fie oor Slllem eine allgemeine Seid^te ablegte, bie forgfältigfte Seid^te, bie fte je getl^an. ©ie befann fid^ auf ben ©egen, ben fie burd^ bie S5efd^äftigung mit bem ©oangelium empfange, Ia§ bal^er nur ernfte erbaulid^e Sudler unb begann ftd^ je^t bem freien, innerlid^en ©ebete be§ §er3en3 pd^ I^in3ugeben.

Slber freilid^ mar ba§ Seben für bie Slrme bod^ red^t fd^toer. ©ie Ke^ SWeffen lefen um fid^ bie ®nabe ber ©rgebung in il^r ©d^idffal ju ertoirlen. SJa fie fa^, ba^ jebe il^rer Sleufeerungen, fte mod^te 3ur ©d^toiegermutter, oft aud^ 3um SKanne fagen, maS fie toollte, i^r nur neues Ungemad^ bereitete, fo lam fie eines 2iag§ (fie toar erft fed^S SKonate t)erl^eirat^et,) auf ben entfe^lid^en ©ebanfen, fid^ bie S^n^e ah jufd^neiben, unb l^atte 3ur SluSfül^rung beS SSorJ^abens fd^on baS 3Keffer ergriffen. MerbingS f^redfte fie 3ule|t bod^ nod^ oor ber oerbred^erifd^en X^or^eit 3urü(i, jebod^ nur \m fxä) alsbalb in eine anbere 3;^or^eit 3U

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Dcrirrcn, inbcm fic lommunijirtc unb STOcffcn lefcn Kc^ in bcr Hoffnung ju ©Ott, ba^ fic ftumm rocrbcn tnöd^te!

3l^r 3Kann liebte fie xoof)l; er war foflor, tüenn fie fxä) leibcnk fül^lte, untröftlid^; allein eine @tü$e l^atte fte an xf)m gar nid^t. 2>a}u fant, ba^ berfelbc fd^on in ben erften 3Ronaten t)on einem bebenflid^en ©ie^t^um befallen tourbe. SBieberl^olt tourbe er von ber ®id^t l^eimges fud^t, an ber er jebeSmal fed^S SBod^en IranI toar. ^ernad^ toar er oft 5IRonate lang an baS S3ett gefeffelt. 3)a tüar eS nun ber treuen ©eele eine toal^re SBonne, ben erlraniten Satten mit ber l^ingebenbften Siebe ju pflegen unb il^m in atterlei Sßeife ju bienen. aber bie ©d^toiegermutter fanb älQeS fd^(ed^t, toa§ fte tl^at; unb ioenn fie einmal ba§ $aug oerUeBr um ^eunbinnen ju fe^en, fo l^örte fie bie l^öl^nifd^e unb freule Scmer^ lung: fie fei ja fo red^t in bem Sllter, too man afe Äranlentoärterin ju leben l^abe ; fie follte fid^ fd^ämen, ba^ fie il^re SBorjüge fo wenig geltenb mad^e. 3Rit ftol3er 3)emutl^ antwortete bie eble ^^au: fie l^abe einen 3Rann unb l^abe bal^er mit bemfelben greub unb Seib getreulid^ }u tl^eilen.

ißeiber toar aud^ ber 5Kutter nid^t gegeben, bie 5ßerle, bie fie in ber Sod^ter l^atte, ju erlennen. 2)iefelbe fal^ eS ungern, ba^ bie 2^od^ter unabidffig bei il^rem 3Kahne mar, unb fd^alt fie barüber. ©ie l^ielt il^r fogar vor, ba^ il^re Äranfenwärterei red^t unoerftänbig fei, inbem man in 3u!unft bag, maS fie je^t aug reiner Siebe tl^ue, als ^Pflid^t oon i^r forbern werbe.

S)ie erfte 3Rieberfunft ber ^au oon ©upon, in ber biefelbe oon einer 2^od^ter entbunben tourbe, toar eine fel^r fd^toere; nad^ berfelbcn toar fte nod^ lange ä^it iranf, baä lieber l^atte bie SRefte il^rer Äräfte fo aufge^ jel^rt, ba^ fie nur mit 5!Jlül;e bann unb wann auS bem S3ette gehoben werben fonnte.

9lad^ il^rer ©enefung erfd^ien inbeffen bie jugenblid^e ^rau toieber in bem ooHften Siebreij weiblid^er ©d^önl^eit; bie eblen, lieblid^en 3^9^ il^reS 2lntIi|eS l^atten je^t fogar ettoaS ©etoeil^teg erl^alten unb mit Se« lounbcrung waren bie Slugen Silier auf fie gerid^tet.

3)a ereignete fid^ plö^Iid^ in il^rem §aufe eine Äataftropl^e, oon ber baffelbe in feinem ganzen öfonomifd^en Seftanbe bebrol^t ju Ircrben fd^ien. ^err oon ©upon oerlor nämlid^ einen großen 2^l^eil feines Vermögens, namentlid^ ein fel^r bebeutenbeS Äapital, toeld^eS bem ^arifer ©tabtl^aufe anoertraut toar; aud^ lourben il^m burd^ eine SBerfügung beä ÄönigS vielerlei ©infiinfte entjogen ober geltirst. $err oon ©ut)on oerlor über bie ©d^redfenSbotfd^aften, ioeld^e i^m jugingen, faft allen §alt unb bie ©d^toiegermutter fud^te ben beSperaten Unmutig, ber fid^ il^rer bemäd^tigt^

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l^ottc, an ber ©d^rticgcttod^tcr auSjuIaffen. ®ie l^iclt i^r t)or, ba^ mit t^rcm ©itttritt in ba§ ^a\x^ alles ®lü(f tjon bpmfclbcn gcroid^en fei* ÄnbeterfcitS fud^te bie 2Ruttet fte gegen il^ren ßl^emann cinjunel^mcn, ber gang allein bie BSjvXo il^reS UnglüdS trage. 5Die Sage ber ^m von ®ur)on foax bal^er eine überaus troftlofe.

Um 3U retten, roaS f\i) nod^ retten lie^, toar $err von ©upon in« jn)if(i^en nad^ ^jJariS gereift, too er jtd^ längere 3cit aufl^iclt. 33ie ©orgc um ben tro^ Slllem geliebten ÜJlann unb ber ©d^merj ber langen S^ren^ nung von il^m, brad^te ^rau von ©upon enblid^ ju bem Sntfd^Iu^, ju bemfelben ju eilen. SlllerbingS fud^te bie ©d^toiegermutter fie an ber äusfül^rung il^reS SSorl^abenS ju l^inbcrn; aber ber 3Sater fagte, fei red^t, ba^ jte ju il^rem 9Ranne gelten toolle, unb fo reifte fie benn nad^ $ariS ab.

$ier traf fie ben ®atten in bem ^PalaiS ber ^amilie »on SongucDitte ; aber ber Stnblii beffelben erfüllte fie mit ©d^redfen, benn ber ©ram l§atte i^n faft t)er3e]^rt. §err Don ®upon fal^ ftd^ au^er ©tanbe, feine 3n= tcreffen, fo tüie eS nötl^ig gemefen toäre, t)erfolgen ju lönnen, ba 5Riemanb bon feiner 2lnn)efen!^eit in $ariS toiffcn burfte; bal^er lebte er in bem ^Palais SonguemKe ganj abgefperrt in einem il^m angetüiefenen Siwimer. Slud^ ^rau von ©u^on mu^te fid^ in bemfelben ad^t S^age lang einge^ fd^loffen l^alten, toeil il^r 3Kann befürd^tete, ba^ burd^ il^r Uml^ergel^en im §aufe feine 2lnh)efenl^eit entbedft toerben lönne. Sod^ geftattete il^r ^err t)on ©u^on enblid^ in ben ©arten be§ 5|JalaiS ju gelten, Wo fie mit ^au von Songuet)iIle befannt mürbe, an ber fie fofort eine fel^r toarme SSerel^rerin gewann. S)iefelbe oeranla^te eS aud^, ba^ %xau von ®upon t)on ba an fid^ freier bewegte. Äaum aber tvax fie l^ier unb ba in ©efeUfd^aft getreten, als fie fal^, ba^ fte überatt ber ©egenftanb ber Setounberung toar, roäl^renb i^r 3Jlann, nod^ immer im SSerftetf lebenb, in feinem ©ram unb Unmutig ftd^ rerjel^rte. ©ie mad^te eS fid^ bal^er jur l^eiligften 5ßflid^t, mit ängftlid^er ©orgfalt 3llleS 5U meiben, toaS i^rem 5Dlanne Slnla^ jum 3lrgtoo]^n geben lönne ; nie fprad; fte mit einem $erm unter vier Slugen, nie fe|te fie ftd^ in bie Äutfd^e eines $errn unb bie bargereid^te §anb nal^m fie nur fd^üd^tern an.

Snjtoifd^en tourbe bie ©timmung il^reS SWanneS immer troftlofer unb aufgeregter, fo ba^ ^au t)on ©upon täglid^ auf neue SRittel fmnen mu^te, um i^n nur einigermaßen ju jerftreuen unb aufsui^eitern. 3^'^ toeilen bro^te er, baS 2lbenbeffen jum genfter l^inauS ju werfen; bann entgegnete fie il^m, baß er il^r baburd^ t)iel Seib tl^un tüerbe, toeil fie gerabe je^t große ©ßluft l^abe; ^utoeilen aber mar ber3Jlann gegen alle äufl^eiterung gerabeju oerfd^loffen. ©ud^te bann bie treue ^an il^n mit

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im järtUd^ftctt SBSortcn ju Bcnil^igcn unb ftol^er 3U ftimmen, fo ertotbcrte er il^r, ba^ fic fid^ naä) §aufc f(5crcn möd^tc unb ftic^ fte t)on fid^. ©ic Bemerfte, ba^ gerabc, roenn jtc lommuntjirt l^atte ober in bcr 5Keffc gc- tocfcn h)at, il^n bie toibrigftcn Saunen befielen unb il^n am längften ie- l^errfd^ten.

Unter bem UeBerma^ t)on Ungema^ unb ©d^mers Brad^ enblid^ bie junge ^rau jufammen; fie fül^lte fid} plö^Iid^ fd^roer erlranft Um in bcm 5ßalai§ Songueoille feine Ungelegenl^eiten ju t)eran[affen, lie^ fte fid^ bal^er in ein anbereS BefreunbeteS §aug Bringen. $iet nal^m bie Rxanh l^eit fofort ben rapibeften SBerlauf. S)a bie äu^erfte ©efal^r eintrat, enU 3ogen il^r bie Slerste nad^ unb nad^ ad^tunboierjig 2^affen Slut ; aber ber von ben 2ler5ten crtoartete ©rfolg ber S3lutent3ic]^ung trat nid^t ein; S^r le^teS ©tünblein fd^ien gefommen 3U fein, ©d^feunigft lie^ man bal^er einen 5ßriefter !ommen, bem fie Beid^tete. 3)iefer, ein el^emaliger vertrauter greunb be§ Sifd^ofS ^ranj t)on ©aleS, t)erftanb, toaS bie Äranle t)on il^rer Hoffnung 3U ©ott fprad^ unb gab il^r ben 2^roft, ba^ fie lüie eine §eilige fterBe. 2lud^ il^r 5Kann ftanb Bei bem ©d§mer3en§s lager. Um Sölitternad^t tourbe il^r bal^er bie l^eilige ßommunion gereid^t,. bie fie unter lautem ©d^Iud^jen ber Umftel^enben mit glül^enber S^tBrunft empfing. Sl^r SDlann, bem eg in biefer ©tunbe 3um Semu^tfein lam, meldten B^a^ er an bem eblen SBeiBe l^atte, toar von unfäglid^em ©d^mer3e gequält unb gelobte an bem S^age be§ l^eiligen ^anj von ©aleg, ba^ fie biefem ^eiligen eigen fein follte; aud^ lie^ er für biefelBe mel^rere SKeffen lefen. ^ni^\^ä)tn mar jebod^ ber ®ngel be§ XobeS an i^x Bereits DorüBergegangen. S^ar l^atte fie nod^ fed^ä 3Jlonate lang an einem fd^Ieid^enben lieber unb einem SeBerflu^ ju leiben; aber affmäfig fül^lte fie fid^ bod^ genefen, lüorauf fie mit il^rem 3Jlanne in bie Heimat 3urüdffe^rte.

$ier aber toieberful^r il^r Balb ein neue§, tiefes Seib, inbem i^r bie SKutter ftarb. 9lad^ einer nur t)ierunb3n)anjigftünbigen Äranf^eit entfd^Iief fie „tüie ein ©ngel." 35ie fromme 2^od^ter fal^ in bem fanften ßnbe ber SDlutter ben So^n, ben ®ott berfelBen für il^re jal^IIofen 3Berfe ber Sarml^er3igfeit fd^on l^ier auf @rben ^abe geBen tooHen. 35a& bie SKutter in i^rem 2^eftamente ben Sruber il^r gegenüber Betjorjugt l^atte, Berül^rte fie nid^t ; Iciber aber mu^te fie aud^ l^ierüber in il^rem eigenen §aufe mieber bie Bitterften SSoriüürfe pren. ^rau von (Supon ertrug jebod^ biefelBen, toie pe alle il^re Seiben trug, ©ie tröftete fid^ il^reS ©otteS unb rang mit immer größerem gleite nad^ il^reS §er3enS Heiligung. SWit größter ©orgfalt iioad^te fie über bie gel^eimen Siegungen il^reS $er3enS, Befämpfte ällleS tvaS barin gegen ©otteS ©eift vox fid^ 3U gelten f(^ien, gab Diele

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Xlmofen, ging ju bcn älrmcn in il^re SBol^nungcn, crquicitc bic Äranlen, r>evxx^iete täglid^ im $aufc jtocimal il^rc Slnbad^t unb war fleißig in bct ^ird^e, too ftc immer lange t)or bem SlHerl^eiligften Iniete , \\ij 3U fteter änBctung bcffelben meil^enb.

®ben bamals trat aber nun in ber religiöfen (Snttoicfelung ber jungen tJrau eine für baS ganje fpätere Seben berfelben cntfd^eibenbe SOSen- bung ein.

3m Swii 1668 lam nämlid^ ein ^ransislanerbruber nad^ SKontargiS unb Befud^te ^erm tjon Souoiere, ber gcrabe fd^roer erlranft gu Sette lag. grau t)on ©upon toar furj t)orl^er jum sroeitenmale (von einem Knaben) entbunben toorben unb lag ebenfalls no(^ leibenb 5U Sette. ©ie toar bamals ad^tse^n Saläre alt. Um il^re ©efunb^eit ju fd^onen, foUte il^r nid^t mitgetl^eilt toerben, wie frani ber SSater fei; attein eine ge« fd^toä^ige ^ßerfon plauberte eS bod^ bei il^r au8. S8on großer Slngft er* füHt ftanb fte fofort auf unb eilte an baS Säger beS geliebten SBaterS. 3)iefe Uebereilung 30g il^r jebod^ eine gefäl^rlid^e Äranf^eit ju. Snjtoifd^en fam ber iüiebergenefene 3Sater ju ber nod^ immer franI barnieberliegenben Sod^ter, bei bem fid^ biefelbe, über ba§ SBieberfel^en beä tl^euren SSaterS ^od^erfreut, unter Slnberm aud^ barüber au^^if^xaä), mie gern fie ®ott fo red^t oon ganjem ^erjen lieben möd^te, unb mie tief fie fd^merje, ba^ bie§ bod^ nid^t ber %aU fei. S)a ersäl^Ite xf)x ber SSater oon bem from« men DrbenSbruber, toeld^en er fennen gelernt l^abe unb äußerte ben SBunfd^, ba^ aud^ bie 2^od^ter bie Selanntfd^aft beffelben fud^en möd^te. t^au von ©upon l^atte jtoar anfangs il^re Sebenlen, ba fie, um gegen bie Siegeln ber ftrengften ©ittlid^feit nid^t .ju uerfto^en, eS fid^ jum ©runbfa^e gemad^t l^atte, DrbenSbrüber nid^t ju befud^en. 3)a i^r inbe^ ber näterlid^e SBille ein ®ebot toar, fo ging fte, Don il^rer ÄranI* l^eit faum genefen, in S3egleitung einer SSermanbten 3U bem ©eiftlid^en.

2)er granjislaner toar beftürjt, als er bie junge 3!)flme auf feinem äitnmer erfd^einen fa^. ©erfelbe l^atte in fünfjäl^riger ©infamfeit gelebt unb l^ieft fid^ grunbfä|lid^ von allem 35erfel^r mit grauen fern, unb ur^^ plö^Iid^ ftanb nun bie tounberbare, fd^öne, ad^tjel^njäl^rige grau vor bem ftrengen 2l§ceten. 3)erfelbe näherte ftd^ il^r, blieb aber ftumm. grau t)on ©u^on tonnte nid^t, toie fie fid^ bieS ©d^toeigen 3U beuten l^atte, begann aber, fid^ barüber auS3ufpred^en, toaS fie 3U il^m fül^re, er3ä]^Ite i§m von ber 3Rül^e, bie fte fid^ gäbe. Sott 3U pnben unb nad^ ®otteS SBol^Igefallen 3U toanbeln unb Ilagte über bie ©d^toierigfeiten, mit benen fte im ©ebete ju fämpfen l^abe. 3)er gransisfaner, ber bie SSege ber quietiftifd^en SKpftif ging, l^örte fte an, lie^ fte auSreben, unb ertoiberte i^r: „©näbige grau, ©ie fud^en brausen, toaS fie in fid^felbft

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l^aben. @en)öl^nen @ie fid^, ®ott in tl^rem ^erjen )u fud^en,

unb ©ic toctben il^n barin finben." 3Rit bicfcn SBortcn entließ

er fic.

grau öon (äupon ging t)on bcm gfronsiäfancr l^intocg, aber toar il^r, als ob ein 5PfeiI fie mitten inS ^erj getroffen l^abe; fie fül^Ite in bemfelben eine tiefe unb bod^ unauSfpred^Iiti^ fü^e SEBunbe, oon ber fie roünfd^te, bafe fie nie gel^eilt toerben möd^te. 33enn bie SBorte be3 DrbenöbruberS brad^ten baä in il^r ^crj, toaS fie feit fo oielen 3^1^^^ gefud^t, ober oielmel^r, fie liefen fte baS entbcdfen, toaS in bem ^erjcn toar, beffen fie fid^ aber nie gefreut, toeil fte nid^t lannte. „D §crr ! " fo fd^reibt fie fpäter*), „3)u toarft in meinem §erjen unb forberteft t)on mir nid^tg, alg ba^ id^ in mein ^i^i^^^^^ jurüdfge^en foKte, um mid^ beine ©egentoart fül^Ien ju laffen. D bu unenblid^e ©üte, ©u warft fo nal^e, unb id^ lief l^in unb l^cr, 2)id^ ju fudjen ol^ne 3)id^ au finben. SRein Seben h)ar elenb, unb mein ®IüdE lag in mir felbft. 3d^ war arm mitten im SReid^tl^um, unb ftarb beinal^e oor ^ßunger an einem gebedtten 3^ifd^e unb bei einem nie enbenben (Saftmal^I. D 2)u unoergänglid^e ©d;önl^eit! äßarum l^abe id^ S>id^ fo fpät er!annt! äld^, id^ fud^te S)id^, ft)o 2)u nid^t warft, unb fud^te 3)id^ nid^t ba too S)u warft. 2)ie ©d^ulb lag baran, bo^ id^ bie SBorte in 3)einem @t)angelium (Suc. 7, 21) nid^t üerftanb: 2)aS 3Heid^ ©otteö ift nid^t l^ier ober ba, baä 9leid^ ©otteS ift inwenbig in ®ud^. 3)a§ fül^Ite id^ algbalb fel^r tool^I; benn oon nun an toarft 2)u mein Äönig, unb mein $erj iourbe 3)ein Äönigreid^, worin 2)u unumfd^ränlt gcboteft unb 3)eincm SBiHen ooII= fül^rtcft." ^n il^rer ©eele empfanb fie jje^t eine ©albung, bie-toie ein wo^ltl^ätiger SSalfam in Sinem älugenblid^e aKe il^re äBunben l^eilte, unb fid^ fogar über ifire ©inne fo mäd^tig ergo^, ba^ fie beinal^e wcber ben SWunb nod^ bie 2lugen öffnen fonnte. 3n unauMpted^Iid^er SBonne Der« brad^te fte f d^IafloS bie auf bief en 2^ag il^reS 2^Un^ folgenbe 5Rad^t.

3Sor Slttem aber mu^te fte ben frommen Drbenämann ioieberfel^en. ©ie ging ju il^m unb ersäufte il^m, fie tüiffe gar nid^t toaS er il^r ange^ t^an l^abe, benn fte füi^Ie ftd^ gänjlid^ oeränbert. ©ie wiffe j|e|t, ba^ ©Ott in il^rem ^erjen iool^ne, benn feit er ju il^r gerebet, fei i^r eine (Srfal^rung ber ©egentoart ©otteS in il^rem 3«tterften ju 2;i^eil geworben, nid^t burd^ ©ebanlen ober burd^ Slnftrengungen beg ©eifted, fonbern ald etwas, baS fie in befeligenber SOBeife toefenl^aft in fid^ beft^e. ©ie bot bal^er ben granjisf aner , bie gül^rung il^reS religiöfen SebenS ju über- nel^men.

*) »iogra^^ie, VIII, 7.

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^icrju tttod^tc . fid^ bcrfclbc anfangs niii^t cntfd^Iie^cn, bcnn grunb« Säißi) tootttc er ftd^ auf bic g^iftfid^c ^Jül^rung t)on ffiamcn nid^t ein« lajfcn, unb au^etbcm fd^icncn tl^m bic Sugcnb unb ©ci^önl^cit ber je^t ncunjcl^njläl^riflen grau T)on ©u^on für xf)n felSft bcbenllid^ ju fein. 3^- bcffcn auf baS iüiebcrl^oltc Sitten berfcI6en entfpraci^ er bod^ il^tent SDäunfd^; unb Don ba an begann ftd^ baS h)unberBare innere, religiöfe Seben ber nod^ fo jungen fjrau in ganj eigentl^ümlid^er "SBeife 5U ge« ftaltcn.

^Praltifd^ betl^ätigte fid^ baffelbe in einem gerabeju unftittbaren S)urfte nad^ Seiben, toeSl^alb fie bie raffinirtefte SlScefe an fx6) auSjuüben be« gann. S^ägUd^ peinigte fie fid^ mit (Seideln, an benen eiferne ©tad^eln angcbrad^t toaren, fo ba^ il^r ba§ Slut üom Seibe flo^; fte legte fid^ einen §aargürtel unb eiferne ©tad^eln an, 3)er erftere fd^ien il^r aber nur ein Spiel ber ©igenliebe ju fein, ©ie jerri^ bal^er il^re §aut mit 3)ifteln, S)omen unb Steffeln bergeftalt, ba^ bie im fjleifd^e ftedfen bleibertben ©tad^eln fie toeber beim Si^en nod^ beim Siegen gur Slul^e fommen liefen; in bie ©d^ul^e legte fie ©teind^en. Dft nal^m fie SJBermutl^ in ben fUlunb unb tl^at ßoloquinten in il^re ©peife, um fid^ Seibfd^merjen unb anbere Sefd^toerben ju Derurfad^en. 2ltte§ h)a§ il^rem ©efd^madf unb il^rem 9Ragen toiberftrebte, nal^m fie eben barum grunbfä|Iid^ in ftd; auf, felbft ben SluStourf anberer SKenfd^en unb ben ©iter »^ranfer. 3^r ©treben TOor^ il^re ©inne fo ju betoältigen, bajj biefe gerabe bag annel^men mußten wogegen fie fid^ fträubten, bamit in il^nen jeber §ang unb jeber SEBiber« toiBe ausgetilgt mürbe, hierin fal^ fie bie unerlä^Iid^e SSorbebingung einer Dottlommencn SSerfenfung unb SSernid^tigung ber ©eele in (Sott.

3n bem ©treben ju biefem Sx^le fül^Ite fie fid^ inSbefonbere burd^ ben tiefen ©inbrudf, ben fie am SKagbalenentage beS ^af)xe^ 1668 burd^ eine t)on il^rem Seid^toater in ber 5KagbaIenenftrd^e gel^altene ^Prebigt getoann, mäd^tig geförbert. Sluf bie %xa%e be§ Seid^toaterS, Wie fie (Sott liebe, antwortete fie : mel^r als ber f eurigfte Siebl^aber feine (Seliebte liebe, unb biefe SSergleid^ung fei nod^ nid^t einmal rid^tig, ba bie Siebe ju einem ©efd^öpf toeber an ©tärle nod^ an 2^iefe fomeit reid^en fönne. ©ie fül^lte eS fogar wie §euer ber Siebe in il^rem ©erjen brennen, baS fie »erjel^rte unb fie in bie 3!iefe ber Siebe ®otteS fo oerfinlen lie^^ ba^ i^r $er5 gar fein anbereS ®efül^l als baS ber ©otteSgemeinfd^aft ^atte. ällleS anbere mar für il^r Selru^tfein in biefem ©inen (Sefül^le oerfd^lungen unb begraben. „3id^ lonnte bie ^eiligen unb bie 1^. Sung« frau nid^t mel^r au^er (Sott feigen, fonbern fal^ fie alle in ^f)m, ol^ne fie anberS als mit SWü^e von i^m unterfd^eiben 3U lönnen; unb ob id^ gleid^ getoiffe §cilige, ?PetruS, 5ßauluS, SDlagbalene, 2^l^erefia, überl^aupt alle bie, Qippt,mmi' 11

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weld^e bod ,,mneYe Seien'' %ef^abt f)aüen, jörtUd^ liebte, fo tonnten fte fttv mid^ bod^ leine ®t^alt gen)innen unb id^ t)ennod^te fte oud^ nid^t anbete al0 in @ott onjutufen.'' @o begann ber ®ebante an bie ^eiligen in il^ter ®eele attmäl^Iig ju erlöfd^en.

älm jroeiten äluguft beffelben Igal^reS beging man in bem ^lofter, in weld^em bet DrbenSbrubet, il^t Seid^toater , lebte, baS ^eft Unfeter lieben ^Jrau; ^rau t)on (äupon ging am frül^en SWorgen in bie Äloftcrs fird^e um Slbla^ 3U erlangen; aber fünf ©tunbcn lang lämpfte fie tnit fid^ felbft, um il^r Segel^ren beS SlblaffeS auSjufpred^en unb fonnte bod^ nid^t baju lommen, benn fie fonnte fid^ nid^t entfd^lie^en, bie Seibcn, toeld^e il^re @ünben oerbienten, burd^ einen 9lbla§ abjufürjen. 2)al^er fprad^ fie 3U bem §erm: „SBcnn notl^roenbig ift, 2lbla^ ju erlangen, fo trage bie Dualen jeneä SebenS in biefeg herüber" unb t)erlie^ ba* ®otte§l^au3.

©0 oerfd^lang fid^ in ber ©eele ber 2>ame mit ber 3DlpftiI ber Siebe, bie beS Seibenä, burd^ toeld^e fie il^re ©eele fd^on l^ieniebcn tjoHfommen reinigen unb (Sott für il^re ©d^ulb oottlommen ©enugt^uung geben toottte. S3on majorer ®ier nad^ Äreuj unb Seiben erfüllt, mar fie bal^er in il^rem el^elid^en Seben il^rem 3Jlanne gegenüber in einer SBeife ßurüdf^altenb, ba^ fie bemfelben ben gered^teften 2lnla^ jum ttn= mutl^ gab. Ql^rer SWeinung nad^ l^atte bie ioal^re el^elid^e Siebe, toeld^e ©otteS Seift in bcn ^erjen ber ©l^eleute toirle, fid^ oor Slttem in oolls lommener ®ntl^altung ju ertoeifen. §ö]^nifd^ pflegte bal^er il^r 3Rann, bem fie nur allju oft oon ber „S^ugenb" t)orprebigte, ju il^r ju fagen: „man fiel)t, ba^ ©ott immer bei S)ir gegenwärtig ift."

3)em 3Kanne mürbe bal^er ba§ feltf ame religiöfe Seben, loeld^eS er bie grau im §aufe fül^ren fal§, immer unerträglid^er. 3Kan getoal^rte jie oft fo in fid^ felbft oerfenit, ba^ il^r beim Sefen baS S3ud^ aus ber §anb fiel, ba^ fid^ i^r Sluge oerfd^lo^ unb fie mie erftarrt bafa^. SDabei tourbc fie oft oon fd^meren Äranl^eiten befallen.

®ä begreift fid^, ba^ bei fold^en SSorlommniffen ber SDlann unb bie ©d^miegermutter unabläffig bie träumenbe ©d^toärmerin im Sluge Rattern 2)iefelbe bemerlte biefeä unb fül^lte jid^ bann fo beengt unb geängftigt,. ba^ fie nid^t ouS bem 3iwtmer il^rer ©d^toiegermutter ober non bem Äranfenlager il^reS SKanneS l^intoegjugel^en toagte, S^toeilen ging fie mit il^rer Slrbcit an baS fjenfter, angeblid^ toeil fte ba beffer feigen lönnte^ in SBal^rl^eit aber um fid^ bort unbemerft i^rem fd^roelgenben ©efül^l über* laffen 3U lönnen. ©pielten ber 9Kann unb bie ©d^roiegermutter 5Us fammen ilarten, fo fe^te fie fid^ oor ben Äamin l^in, ioobei bann beibe x)on 3cit ju 3ßit ^<^^ ii^t l^inblidtten, um ju feigen ob fie arbeite ober

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bic Slugcn gefd^Ioffen l^abc. SBat ba§ 2e|tcrc hex %aJl, fo routbe fic bann mit bcrbcn 3Botten aufgerüttelt. Sefanb fid^ ber 3Rann einmal tDol^I unb maä)ie betreibe einen älu^gang, fo befal^I er il^r auf ba§ ©trengfte, bie g^ü \einev 2l6h)efenl^eit nid^t auf il^rem 3i"^«^^^ wnb mit Scten 3U t)er6ringen. ®r bemerlte fid^ bann an6) i^xe Slrbeit, um bei feiner dtixdU^x feigen 3U lönnen, ob biefelbe instoifd^en ioeitergefül^rt roorben fei.

33on bem gef eiligen Seben l^atte fid^ ^rau oon ®upon, bamals jwanaig Saläre alt, gönslid^ jurüdf gebogen, toeSl^alb in ben »ornel^men Greifen il^rer Selanntfd^aft über i^r Seben unb treiben t)iele feltfame ©crüd^te umgingen. ^f)x SJerlel^r befd^ränlte fid^ auf ben ^anjiöfaner- gciftlid^en unb auf bie il^r ioal^foermanbte 5ßriorin be§ Senebictinerinnen? IlofterS, bie SKutter ©enooeoa ©ranger. 35agegen il^r SSeid^toater, t)on bem fie frül^er fo l^od^gel^alten toar, l^atte fid^ megen i^reS ©ebetä- lcBen§ non il^r abgehjenbet, unb mar i^r gegenüber ber SBertraute il^rer ©d^toiegermutter unb il^reS 50laHne§ getüorben.

^au von ©upon l^atte fid^ bamafe bereits oollftänbig in bie quie^ tiftifd^e 3Rr)\tit eingelebt, ol^ne ftd^ jebod^ in berfelben ooIKommen befeftigt ju l^aben, roeäl^alb fie über forttoäl^renbe ©d^toanfungen il^reS ganjcn inneren SebenS ju Hagen l^atte. Um fid; a\i^ xf)xex 3eith?eiligen ®r« fd^laffung l^erauS ju lieben, glaubte fie mieber aScetifd^e SReijmittel ge« braud^en ju muffen; fie bebedEte il^ren ganjen Seib mit 5ReffeIn. ®ieS tjerurfad^te il^r freitid^ t)iele Sd^merjen, attein pe fül^Ite biefelben laum t>cx bem £eib im S^nem, unb bie frül^ere ©ebetsfreubigleit mar plö^lid^ ganj erlofd^en. dagegen h)ad^ten allerlei natürlid^e, felbftifd^e SRegungen, bie fie längft in fid^ DoHfommen erftorben geglaubt, inSbefonberc bie frül^ere (Sitelleit, toieber auf.

3)ie§ erf ul^r ^au von ©u^on namentlid^ , al§ fie burd^ ©ef d^äfte ©eranla^t mürbe, in $Pari§ einen SJlufentl^alt ju nehmen. 3)ort trat Toieberum von allen ©eiten l^er bie ©d^meid^elei ber SOBelt an fie l^eran, unb fie fannte bie oerfül^rerifd^e 3Kad^t berfelben. ©ogar bie Setl^euerung ber leibenfd^aftlid^ften Siebe brang in il^r Dl^r i^inein. 3^äglid^ Ilagte fie ftd^ barüber an, bafe fie fid^ vox ben Sfflegen ber ®itelleit nid^t forgfam genug l^üte, unb in il^rem Kämmerlein meinte fie bie bitterften S^l^ränen barüber, ba^ il^r §erg gegen bie ©timme ber ©d^meid^elei nid^t »er- fd^loffen fei. Um il^r §er3 3U erleid^tern, ging fie toieberl^olt in bie Seid^t^ ftüi^Ie; aber bie ©eiftlid^en ju 5ßari§ l^atten t)on ber feltenen ^ömmig? feit ber jungen ©belfrau fd^on fo SßunberbareS gel^ört, ba^ biefelben im SBcid^tftul^Ie fid^ il^r gegenüber nur in el^rfurd^täoofffter SQäeife auä3ufpred^en ©ermod^ten; einige Seid^toöter fagten il^r fogar, fie toü^ten x)on feiner

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%xavL il^rcS jugenblid^en StttcrS, bic ®ott mit foI(i^er 35e^rtU(i^fcit in feiner ©emeinfd^aft unb Stalle unb in fold^er SReinl^eit beä ^erjcnS be< toal^rt l^abe. 3)abet aber mu^te fte fid^ bod^ faßcn, bafe fic in $ari§ in tl^ren rcligiöfen Hebungen ntel^r unb ntel^r nad^lie^ unb biefelBen faft ganj einftettte; unb tpcnn jte ft^ biefeS fagte, fo l^ätte fie vor S^rnnter über il^re Untreue fd^ier in ben 3^ob gelten mögen. 3[n ©t. ßloub n)urbc il^r ju ©l^ren ein Oaftmal^I gegeben, unb fie fal^, roeld^e §ulbigungen tl^r babei t)on äffen Seiten l^er bargebrad^t tourben; aber geraberoeil jte tou^te, ba^ jte biefer §u[bigungen fid^ freute, fül^lte fie fid^ inmitten affeä ©lanjeS unb affer fd^äumenben SebenSfreube, t)on ber fic umraufd^t toar, fo elenb, ba^ fie, fortroäl^renb mit ben 2^l^ränen lämpfenb, gar nid^tS 3U ejfen t)er« mod^te. ©ie mad^te pd^ aud^ SSormürfe barüber, ba^ fie il^ren Sufen nid^t t)offftänbig tjerl^üfft trage, obfd^on fie unter äffen ©amen bie becen^ teft gelleibete toar.

9lid^t lange nad^l^er mad^te fie mit il^rem SKanne, ber fid^ bamaliJ einigermaßen tool^I fü^te, eine Steife nad^ Drieanä. 2luf biefer Steife^ meldte $erm unb ^au t)on ©u^on in t)ielc t)ornel^me Sii^^cl führte, feierte bie nod^ immer jugenblid^e fd^öne S)ame nod^ ®inmal bie glänjenbftcn Slriumpl^e i^rer ©itelleit; tüar baS le^te mal. 5Bie in ^aris, fo empfanb aber aud^ l^ier lieber bie fo leidet erregbare %xau über bie §ulbigungcn, bie il^r bargebrad^t mürben, über ben SEBeil^raud^, ber il^r geftreut tourbe, bie empfinblid^ften Slnllagen i^reS ©etoiffenS. SEBie in 5ßariS fo ging benn an^ l^ier ^rau von ©u^on ju ben S5eid^tt)ätern, fid^ t)or benfetten ber ßitelleit, ber Untreue unb jal^Hofer anberer fittlid^er aSerbred^en an^ fd^ulbigenb; inäbefonbere Ilagte fie aud^ barüber, mie fel^r eS fie bc« lümmere, baß fie, um ber l^errfd^enbett ©itte miffen, ben Sufen nid^t gan5 oerl^üfft trage. Slffein bei ben) Seid^toätem fanb bie ^Jrau für baS, lüODon il^r §er} fo furd^tbar 3uf ammengepreßt mar, lein SSerftänbniß ; ©ünbe fonnte nad^ ber SWeinung berfelben nur in ben äBerlen beg äußeren SebenS tjorfommen, unb l^ier fanben fie bei grau t)on ©upon bie Dott« lommenfte 2iugenb unb ©ottfeligleit t)or, meSl^alb fie im Seid^tftul^I über fid^ nurj SDäorte be§ £obe§ unb beS SeifaffS l^örte. S)ie fileibung ber %xan t)on ©upon betreff enb tourbe berfelben im Seid^tftul^Ie eröffnet, baß fie Ja ungleidb oerl^üffter einl^ergel^e als anbere Samen il^rcä ©tanbcS unb baß fie fid^ bal^er umfomeniger ©orge ju mad^en l^abe, afö fie ja in ber (Sinrid^tung i^rcr fel^r jüd^tigen Toilette nur bem beftimmt auS« gefprod^enen Sßiffen i^rcs SKanneS nad^fomme.

3113 %xavL Don ©upon von ber Steife jurürfgele^rt mar, begann für fie im $aufe eine neue Seit beS ©d^mer3e3, toeld^e fid^ tief in il^r Sebcn mgrub unb als eine SQSenbe beffelben angefel^en toerben lann. ©ie fanb

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ottc il^rc Äinbcr an bcn Glattem crftanft, unb hau toat ani^ fic fcttft t)on bcttt nämltd^cn UcBcI Befallen. 3)ic SBcrpflegung ber Ätonlen toar l^erjKd^ fd^Ied^t unb ber jroeite ©ol^n ftarB ba^er auS SJlangel an SBattung unb Pflege, S)er ältere Bo^n genaS atterbingS wieber; aBcr wie erfd^raf bie aJlutter, als berfelbe in il^r 3i«i*w^^ ^^^ w«i> i>i^f^ ^ic SBeränberung fal^, bie mit bem Slngejtd^te beS ©ol^neS vorgegangen toar! S)a3 el^ebcm fo jarte 2lntK| toar t)on ben SSIattern ganj jerriffen. 3)iefer fd^merj« lid^e SlnblidE ertoeite in ber SKutter ben ©ebanlen, ftd^ felbft im Spiegel ju feigen, unb mit ©ntfe^en fd^ral fie t)or il^rem eignen Silbe jurütf. ©ie fal^, bafe ©Ott baS ,;Dpfer" in feiner lootten SBirflid^feit geforbert l^atte. 3)al^er bcfd^Io^ fie, toaS ®ott i^r gefanbt, nun auti^ mit bemtitl^igfter ßrgeBung ju tragen. 3)ie ^ßomaben, meldte man il^r fd^idte, um il^e ©efid^tSfarBe ju Beffern unb bie.SSIatternarBen auSjufütten, toicS fie ju^ •rüdt; bagegen ging fie, foBalb il^re ©enefung eS möglid^ maä)ie, unoer* fd^Ieiert au§, bamit „il^re Semütl^igung eben ba triumpl^iren foHte, too fie cl^ebem i^rcn ©tol3 l^atte triumpl^iren laffen."

©d^merjlid^ toar il^r nur, ba^ fie, mie fte leiber Balb fe^en mu^te, j[e|t il^rem SKanne ganj jutoiber geworben toar, toeäl^alB fid^ bcrfelBe je^t burd^ ©inpfterungen nod^ leidster gegen fie aufbringen lie^ als ju^ t)or. 3)al^er brütfte baS ^auSfreuj, toeld^eS auf ber S)ulberin t)om 3lm Beginn il^rer ®^e lag, je|t nod^ fd^roerer auf biefelBe. gnsBefonbere toar fie toegen il^rer religiöfen SeBenSfül^rung unaufl^örlid^en Äräniungen unb aJli^anblungen fotool^I feitenS il^reS ÜKanneS unb ber Sd^miegermutter, wie aud^ il^rer BoSl^aften Wienerin ausgefegt.

©tma ad^t 3Ronaie mi) ber SSIatternfranll^eit 30g bie gamilie oon ©u^on auf i^ren nur eine l^albe (franjöfifd^e) SWeile von SKontargiS ent« femten Sanbfi^, mo §err von ©upon allerlei Sauten auSfül^ren lie^» ^ier erfd^ien nun eines S^ageS ein frommer 9Jlönd^ auS bem Drben ber SarnaBiten, -ißater SacomBe gel^ei^en, ber t)on ^ariS lam um nad^ SRom JU reifen unb bort im SamaBitencotteg ®an ßarlo bie il^m übertragene ©teile eines SectorS ber S^l^eologie ju üBemel^men, unb gab einen Srief il^reS ^alBBruberS, beS ebenfalls bem Sarnabitenorben angel^örigen ^ßaterS be la 3Rotl^e ab. §err oon ©u^on nal^m ben fremben ©eiftlid^en mit großer ^erjlid^Ieit auf unb ftellte benfelBen aud^ feiner ©ema^in t)or bie jtoar nur toenige SBorte mit il^m fprad^, aber burd^ biefelBen auf ben 5ßater einen tiefen Sinbrudf mad^te. SacomBe t)erlic^ ben ©bell^of, auf bem er fid^ eben nur eines SluftrageS l^atte entlebigen wollen unb ging feines SBegeS weiter Bis jur näd^ften ©tabt; aber baS S3ilb ber ©cclc, bie il^m in ber 5Perfon ber %xan v. ©upon entgegengetreten toar, wollte ii^m nimmer auS bem ©inn lommen. Sfn il^r glaubte er enblid^

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einmal eine ju h)it{(t<i^et äSoIIfommenl^eit, n)ie er fie ft<i^ badete, l^inburd^« gebtungene Seele gefunben ju l^abcn. 35al|er ließ es il^nt feine Stulpe, er mn^te bie tounberbare %xa\x nod^ einmal feigen, unb feierte fofort nad^ bem Sanbgut be§ §erm v. ®u^on jurüd. S)a er l^ier infolge ber 3ln« ftrengungen ber ^J^B^^if^ ^i^^ Ö^i^J ^ol^l eintraf, fo Bat er §errn t)on ©u^on, [xä) für eine lurjc S^xi in ben ©arten begeben unb bort au3^ rul^en 3U bürfen. %xa\x von ©upon crful^r bieg t)on il^rem SKanne, ber pc erfud^te fid^ ebenfalls in ben ©arten ju begeben unb ju feigen, ob bem ©eiftlid^en oietteid^t ettoaS jugcftoßen toäre. ^ bem ©efpräd^e, toeld^eS infolge beffen fjrau oon ©upon mit bem 5ßater anlnüpfte, erllärte il^r nun biefer alsbalb, maS il^n toieber 3U il^r gefül^rt l^abe. „9Jlabamc/' fagte ber ©ciftlid^e, „bei meiner erften Begegnung mit Ql^nen fal^ id^ in S^rem Slngefid^te eine fo außcrorbentlid^e (Sammlung unb eine fo munber« bare ©egentoart ©otteS, baß id^ ju mir fclbft fagte: nod^ nie ift mir eine %xau toie biefe üorgefommen unb barum l^at mid^ ©erlangt ©ie ioieber ju feigen." 5Rad^ biefem ©eftanbniffe taufd^tcn bann tJtau öon ©upon unb ber ©eiftlid^e nod^ mand^erlci emfte, rcligiöfe ©ebanlen mit einanber au^ unb fagten fxi) bann Sebeiool^l, nid^t al^nenb, loeld^c tounberbare, aber aud^ unl^eiloolle Bereinigung i^rer igebenSmege il^nen nod^ beoorftünbe.

grau oon ©upon ful^r injmifd^en mit il^ren biäl^erigen religiöfen Hebungen mit junel^menbem Sifer fort. 3wr ^Jörberung berfelben rid^tete fie il^r äußeres ^l^un inSbefonbere auf jtoeierlei 3)inge, nömlid^ auf bie fleißigfte Erfüllung ber 5ßflid^t barml^ersiger Siebe unb auf bie feltfamfte @elbftquälerei.

3n erfterer $infid^t lonntc ^au oon ©u^on 3lrme unb ©lenbe nid^t feigen, ol^ne fid^ toegen beS UeberfluffeS, in rocld^em fie lebte, SSortoürfe 3u mad^en. ®al^er gab fie an 9lotl^leibenbe l^in toaS pe nur geben lonnte. SDaS SSefte maS man il^r bei Sifd^e oorfe^tc, iourbe nad^ il^rem ein für allemal gegebenen Sefel^le fofort roieber l^intoeggenommen unb Slrmen unb Äranlen in baS §au§ gebrad^t. Um in il^rer 3Kilbtl^ätigIeit nid^t oon ben Seuten gefeiten ju werben, beauftragte fie eine ^JJerfon mit ber gel^eimen 3Sertl^eilung i^rer 2llmofen. SSerfd^ämten Slrmen fd^idfte fie oft ©elb JU, als ob fte eS il^nen fd^ulbig toäre. ©ie Ileibcte bie 3ladftcn, fie ließ SWäbd^en in allerlei gertigleiten unterrid^ten unb fie forgte bafür, baß §anbh)erler unb §anbelsleute, bie auS Slrmutl^ il^r ©efd^äft nid^t fort3ufe|en oermod^ten, bie nötl^igen 9Jlittel 3um Setrieb beffelben er« l^ielten. %ixx bie Meinen Äinber armer Seute beforgte fie 5!Ritd^, unb ju SSeil^nad^ten gab fie benfelben 3U (Sl^ren beS ^inbleinS 3^fu baS 3)oppelte. ©ie befud^te bie jtranfen, tröftete fte, mad^te il^nen bie 93etten, bereitete

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Baiben, octbanb bie SBunben, forgtc für bte Sccrbigung bcr ^^obtcn unb tpenbete il^re Itebenbe ^ürforge aud^ gefallenen ober ber SSerfud^ung auB« gefegten SRäbd^cn ju.

3)tefed toax bie Sid^tfeite im äußeren Seben ber ^au oon ®ur)on, wo ftd^ bafffelbe im l^eEften @d^eine beg @t)angeliumi^ jeigte. 3m büfterften ©d^otten bagegen fteUt fid^ baffelbe bar, iDenn mit auf bie in il^m gerabe^ 3u bämonifc^ l^erDortrelenbe ©uS^t ber ©elbftquälerei blidfen. ©d^on »on Statur h>ar ^au t)on ©upon t)on lörperlid^en Setben aller 2trt geplagt. 3u il^ren bisl^erigen Sefd^mcrben l^atte ftd^ infolge ber SSIattem nod^ ein neues Uebel gefeilt, inbem fid^ jroifd^en Slugen unb Slafc von 3cit ju 3eit ®efd^n)tire bilbeten, bie il^r gro^e ©d^merjen t)erurfad^ten unb auf- gefd^nitten toerben mußten. Heber biefe neue Dual toar fie inbeffen fo fel^r voU inneren ^ol^IodfenS, ba^ fie baburd^ 3U ben raffinirteften Äaftciungen t)eranla^t toarb. Um ftd^ eine ®rfrifd^ung (rafraichissement pour moi) ju bereiten, lie^ fie fid^ ju 3^^*^ rinen ganj gefunben S^^^ ausreißen. $atte fte bagegen 3<2i^nfd^mer3en, fo fiel eS il^r nid^t im ®nU femteften ein, ftd^ t)on ben fd^abl^aftcn 3^^"^« wnb t)on il^rer Dual be^ freien ju laffen. 6inmal go^ fie fid^ gefd^moljencS SSIei auf bie blo^c $aut, toobei pe nur bebaucrte, ba^ baffelbe nid^t l^aften blieb fonbem abflog, ©iegelte fie einen Srief, fo lie^ fte fid^ gefliffentUd^ brennenbeä ©iegelladf auf bie ^anb fallen, unb fie freute jtd^, bafe biefeS bcffer fd^merjte, als baS gefd^mol3ene Slei. §attc fie einen SBJad^Sftodf in bcr $anb, fo lie^ fie fid^ Don bemfelben, wenn eS mit il^m ju 6nbe ging, fo lange als mögli^ bie ginger tjerbrennen. ©päterl^in allerbingS er« lannte fie bieS als S^l^orl^eit, aber nur barum, meil fie ber Slnftd^t würbe, ba^ baS 5Kenfd^en eigene SBal^l nur leidstes Äreu3 t)erurfad^en fönne, inbem nur bie „ge!reu3igte Siebe" üRad^t l^abe, ber ©ecle ein toal^ri^aft brtidfenbeS Äreu3 ju tjerleil^en.

5Rad^bem baS infolge ber Slattem eingetretene Seiben eine 3^t lang ongebauert l^atte, äußerte grau t)on ©u^on ben SBunfd^ nad^ $ariS gu gelten, h)ie fie fagte, um fid^ t)on bortigen Slerjten bel^anbeln 3U laffen, in SQäal^rl^eit jjebod^, um ben^ater S3ertot ju feigen, ben il^r bie SKutter oranger tjor Äur3em jum ©emiffenSratl^ empfol^len l^atte. 2)a fie bcr forgfältigften är3tlid^en Pflege allerbingS bebürftig toar, fo tourbe bie Sleife nad^ ?PariS alsbalb befd^loffen. SKit großer 3ärtlid^Ieit fagte fte il^rem SSater Sebetool^l. 93eibe h)u^ten ntd^t, ba^ fie fid^ 3um legten SKole umarmten.

3n ^ariS traf grau oon ©upon mit 8 er tot 3ufammen. SBeibe fprad^cn aud^ über oielerlei ®inge miteinanber ; allein einen SJlann GJotteS tote fie il^n ftd^ badete, «ermod^te fie in bemfclben bod^ nid^t 3U erlennen'

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€ie woüU 3U il^m von bet ©emeinfd^aft reben, bie fte mit @ott fjdbe; oOein fie fül^Ite e3, ba^ er bie ©ptaci^e beS ®eifted bod^ nid^t Derftel^e iinb il^te S^H^ ^li^^ i^<^^^ gebunben.

Stad^bem jte il^te Jtur in $arid beenbet, entfd^lo^ jte jtd^, bie jel^n aJttge t)on $inmtelfa]^rt bis ^Pfingften (1672) in einer, t)ier (frangöltfd^e) 3KeiIen von 5ßariS entfernten Slbtei ju Derieben, mit beren äebtifjtn fic befreunbet toar. ©ie l^atte ftd^ in bem Älofter in Segleitung il^rer Äammerjungfer eben niebergelaffen, als fte eines 3RorgenS, in ber ©am« merung ertoad^enb, Don bem ©ebanlen erfd^redft tourbe, ba^ il^r SBoter geftorben fei. 3)iefer ©ebanfe ^atte i^r ©emütl^ fofort mit fold^er ©tärfe übertüältigt, bo^ fte ftd^ innerlid^ baju gebrängt filmte, für il^ren SSoter als für einen Slbgefd^iebenen ju beten.

3ta^ bem 3Kittageffen beffelben S^ageS fa^ fte mit ber Stebtiffin im ©efpräd^e allein jufammen, als berfelben gemelbct mürbe, ba^ im ©pred^« jimmcr 3^»«<i*ib nad^ il^r gefragt l^abe. ®ie Slebtiffin t)erlic^ bal^er baS 3immer, um ju fe^en, toaS von iS)x begel^rt toerbe, feierte jebod^ fel^r balb mit ber Sflad^rid^t iWcM, ba^ ein SSote beS $erm t)on ®upon einen 93rief beffelben überbrad^t l^abe, toorin beffen @attin von einer pIö^Kd^en fd^h)eren @rlranlung i^reS SSaterS benad^rid^tigt merbe.

/,$od^h)ürbige ^au, er tft tobt," antwortete ^au von ©u^on, bie fofort einen Soten nad^ 5ßariS fd^idte, um fid^ oon bort jur 3fleife in bie ^eimat eine SRietputfd^e fommen ju laffen, inbem fie i^re eigene Jtutfd^e auf ber 3Ritte beS 3BegeS ju erloorten l^atte.

©iefen ßntfd^Iufe ^ielt jebod^ bie Slebtifftn für ein i^öd^ft bebenfIid|eS SEBagni^. ^au oon ©u^on l^atte nämlid^, ba fie fid^ in ein Slonnen- Ilofter einlogiren rooHte, oon 5ßariS leinen Sebienten mitgenommen; unb il^re Jtammerjungfer l^atte fte nad^ $aris gefd^idt, um il^re älngelegenl^eiten bafelbft orbnen ju laffen. SDaju lam, ba^ nid^t nur bie SBege »on bem Älofter nad^ ber Heimat ftellenmeife faum 3U befal^ren toaren, fonbeen ba^ biefelben aud^ burd^ SBalbungen fül^rten, in benen fd^on jum Defteren 3Rorbanfäffe unb Släubereien t)orgeIommen maren. 2)ie Stebtifjtn bat bal^er fle^entlid^, ba^ ^rau oon ©upon ben ©ebanlen, birelt unb attein nad^ SJtontargiS )u reifen aufgeben möd^te. S)tefe jjebod^ entgegnete, ba^ fie in (SrfüKung i^rer AinbeSpflid^t fid^ beS ©d^u^eS il^reS i^imm^ lifd^en SaterS juverfid^tlid^ gctröften lönne, ful^r, fobalb bie SWiet^« lutfd^e eingetroffen toar, alsba(b auS bem Klofter ai, unb lam nad^ einer unfäglid^ anftrengenben Steife am folgenben ^age 3(benbS 10 U^r in SRontargiS an.

S)te 2)ienerfd^aft empfing fie in Xrauertteibem unb t^eilte i^r mit, ba^ ber SSater, ber fd^on bei ber älnlunft beS Soten i^reS StanneS

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im Alofter entfd^lafen toax, beg ^ei^en äSetterd toegen bereitd beerbigt fei 3Rit Blutenbem ^etjcn, unb faft 5um ©terben etfd^öpft, warf fxd) %!cavL von ®W)on auf il^r Saget.

Sie fud^te }U fd^Iafen, aber ber 3<Knimer unb @d^mer) lie^ fte nid^t 3ur 9lul^e lommen ; toar bod^ ba§ einsige ^erg, beffen gan je, innigfte Siebe fie befa^, im %o\)e gebrod^en.

älber bod^ l^otte fie nod^ ®inen @d^a^, bie 2^od^ter, auf ber i^r ganjeg SBo^Igef al^Ien ru^te , bie i^r f eelenoertoanbi unb bie i^r mit ber innigften Siebe i^reä ^erjenä jugeti^an mar. 2)iefe 3^0(!^ter, baS voüt lommene ©benbilb ber 3Rutter, begann bereits in ber voUm Sieblid^Ieit meiblid^en SBcfenS aufjublül^en: fie toar fd^ön, fie mar ,reid^ begabt unb lieg bereits bie 3legung ber fd^märmerifd^en grömmigfcit erlennen, beren §ö§e unb 2^iefe fte an ber 3Jluttcr bemunberte.

S)a gemalerte ^au von ©u^on urplö^lid^ in jener ^ad^t gegen jtDei M^x 3JlorgenS mie il^r 3Rann auS bem 33ette aufftanb unb baS 3^«^^^ »erlief. SBäaä i^m baju SJeranlaffung gegeben, l^atte fie nid^t bemerlt, aber fie erful^r eS balb, inbem berfelbe, in baä giw^wier jurüdEfe^renb, mit bem 2lu§brudE ber 3Ser3toeifIung rief: „3Reine S^od^ter ift tobt." ©ic toar an einem unjeitigen 2lberlafe geftorben. ©omit l^atte %xan von ©upon in einer SBod^e (im ^xdi beS ^al^reä 1672) ben 38ater unb bie S^od^ter, unb l^iermit alte ©tü^en i^reS äußeren SebenS verloren.

3Son ba an tjerfe^rte ^au von ©upon faft auSfd^Iie^Iid^ mit ber 3Wutter ©ranger, obfd^on i§re ©d^toiegermutter unb il^r 5!Kann SlffeS auf« boten, um jte bem ßinfluffe berfelben ju entjicl^en. ©ie lieg fid^ burd^ bicfelbe aud^ nod^ im ^df)xe 1672 ju einem Slfte beftimmen, burd^ ben fie i^rem ganjen ferneren religiöfen Seben nun eine beftimmte ®runb* läge geben toollte.

3lm 5Korgen beä S^ageä oor bem 3WagbaIenentage biefeS 3^^^^^ fd^iite il^r nämlid^ 3Jlutter Oranger ein in ber gorm eines ßontrafteS aufgefegtes ©d^riftftüdf fotoie einen Srief ju, toorin fie il^r genau Dor^ fd^rieb, toaS fte bejüglid^ beffelben l^un fottte. 3)emgemäg t^at ^au t)on ®u5on in geroiffenl^aftefter unb freubigfter Sottjic^ung beS empfan^ gcnen Sefel^IeS goIgenbeS: ©ie faftete an biefem S^age unb gab einige augerorbentlid^e 3Kmofen. 3lm SBlagbalenentage felbft ging fie frü§ SKorgenS mit einem Slinge an bem ^Jinger in bie ilird^e unb fommuni^ jirte. 9flad^ ^aufe jurüdfgefel^rt, begab fie fid^ bann in il^r Äabinet, h)0 ein Silb ber 3Dlabonna mit bem S^fu^finbe l^ing. 3" ben gügen beS* felben laS fie ben 3Settrag ab, unterjeid^nete i^n, unb bot bem Äinbe ben SRing bar. 2)er 3Sertrag mar folgenber: ^if 31. cerfpred^e, baS Äinb, unferen $erm, }u meinem ©emal^l (^poux) ju nel^men unb mid^ il^m,

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fo utttDürbig id^ aud^ beffcn bin, jur ©cmal^lin (6pouse) ju geben» 3[d^ forbere von il^m afö SluSfteucr meiner geiftlid^en ®l^e nid^ts aU Ärcuj, SBerad^tigung, Sefd^ämung, ©d^mad^ unb ©d^mäl^ung ; unb id^ bitte il^n um bie ®nabe, mid^ in bie Drbnungen unb 2Bege feiner Äleinl^eit unb aSer? ttid^tigung eingel^en 3U loffen." §icrju fügte fie nod^ einiges Slnbere l^itt3U.*)

©eitbem fie biefen 2l!t t)oIIgogen, pflegte fie ben ©rlöfer (im §ins Blidf auf 2. 3Wof. 4, 25) alS il^ren Slutgemal^I anjufel^en unb ju be- jeid^nen. Slud^ pflegte fie feitbem cm jebem SWagbalenentage il^ren mit bem S^fu^Iii^be aufgerid^teten SBertrag ju erneuern,

5Kit großer 3[wbrunft ergab fid^ nun %xa\x t)on ©upon bem ÄuItuS biefer neuen 35e3iel^ung 3U bem ®rlöfer, in toeld^e fie fid^ burd^ Befolgung ber il^r t)on ber 5Dlutter ©ranger ertl^eilten SK^eifungen x)erfe|t rou^tc. Qm ^aufe ftd^ l^ieran üielfad^ gel^emmt fel^enb, ging fie nun um fo l^äu« figer auf bem Sanbfi^ il^reä 5!Jlanne§, too fie in ben ©epijen beffclben überall Äreuje errid^tete, beren ©tätten il^r al§ ©infiebeleien bienten. ©päterl^in lie^ i^r SKann auf bem :^anbfi^e eine RaipeUe bauen, ©eit^ bem fonnte nun ^rau üon ©upon in aller Sequemlid^feit l^ier bie 5Kejfe l^ören unb aud^ bie ilommunion empfangen. 3)a fie ba§ festere nid^t jeben 2iag öffentlid^ 3U tl^un toagte, fo l^ielt ber ^riefter immer eine confe!rirte §oftte parat, bie er il^r am folgenben 2^age, voenn nad^ be- enbigter 5Keffe alle 3lntt>efenben bie Äapelle oerlaffen l^atten, reid^te.

Snbeffen traten in bem religiöfen Seben ber 3)ame fortroäl^renb immer tüieber bie ftärfeften ©d^roanlungen ein. Urplö^lid^ fül^lte fid^ biefelbe oon 9leuem affer befeligenben ©emeinfd^aft mit ®ott beraubt. ff^ä) mar toie eine SSerirrte geloorben unb fanb ioeber 2öeg nod^ ©teg."

damals mad^te il^r 3Kann mit il^r eine SBafffal^rt nad^ bem Älofter

©ainte kleine. S)er Seroeggrunb biefer frommen Hebung lag in bem brennenben Verlangen beg 5!Jtanneg, ber ben ein3igen il^m tjerbliebenen ©ol^n fortmäl^renb tjon ben gefäl^rltd^ften Äranfl^eiten befaffen fal^, ferneren Äinberfegen 3U erlangen. 2lug biefem ©runbe nal^m il^r SWann aud^ ben Slüdftüeg t)on ©t. Steine burd^ ben ©nabenort ©t. (£bme, inbem er inS- befonbere burd^ bie gürbitte biefeS ^eiligen bie ©eloäl^rung feinet SBunfd^eS 3U erlangen l^offte. %xavi t)on ©u^on ftanb natürlid^ in biefem Men bem ©ebete unb SBunfd^e il^reg 9Jlanne§ gan3 fern.**) Snbeffen fal^

*) Et je le priais de me faire la grace d'entrer dans ses dispositions de pitetesse et d'aneantissement avec quelque autre chose. Offenbar ftnb bie (erteil äßorte (avec etc.) ju je le priais 3U jiel^en.

*♦) „Pour moi, je ne pouvais rien demander/' fogt ^rau ÖOn (^\l\fOn.

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§crr »Ott ®u9on ju feines §erjenS größter fjteube feine Sitte Bcrfb erl^ört.

3tt bicfer S^i* «««^ too S^^u tjon (äupon fül^Ite, ba^ fie abennatö SRuttet tperben würbe, änbette fid^ ber innere S^ftanb berfelben niiebet burd^auS. 3Kit toal^rer SJBonne fal^ biefelbe ber S^xt il^rer SRieberfunft cnt^ gegen, rocld^e il^r neue ©d^mer3en jufügen toürbe, unb im 3wf«wt*"ß^* ^ange l^iennit !el^rte benn aud^ ba§ @efü^l befeligenber ©otteggemein^ fd^aft in il^re ©eele jurütf. 3toä) toar fie erfüllt von bem überfc^mäng? lid^en Setou^tf ein , ba^ (Sott toieber ooHfommen von i\)v Sefi^ ergriffen l(iabe, als il^re 5HieberIunft erfolgte, in weld^er fie eine Sod^ter gebar. Salb aber follte abermals ganj anberS mit il^r werben.

grau von ©u^on l^atte bamafö in il^rem äußeren Seben oielerlei SBiberTOärtigeS ju ertragen. ^f)x S3ruber, ber nad^ beS SJaterS 2^obe baS Däterlid^c ®rbe übernommen l^atte, >erfeinbete fxä) mit i^r unb il^rem 3Jlanne unb bereitete il^r unfäglid^eS §crjeleib. ®urd^ eine S^^trigue oon cnberer ©eite l^er, iourbe mit SSorroeifung gefälfd^ter SJoIumente il^r unb il^rem Sruber bie S^^Iwng einer ©umme oon 100,000 Sioreä an ben Sruber beS ÄönigS aufgebürbet, worüber il^r 3Rann in bie größte ©r^^ bitterung geriet)^. 3)erfelbe erflärte, er ioerbe fid^ natürlid^ in biefe ©ad^e nid^t mifd^en, er toerbe oietmel^r il^r SBermögen ausliefern; bann möd^te fie aber il^r Seben einrid^ten, ioie fie loolle. 3wm ©lüdt gelang es jebod^^ ber Sebrängten ben ©erid^tsi^of, weld^er biefe ©ad^e ju tnU fd^eiben l^atte, oon ber Unred^tmä^igfeit ber gorberung 3U über3eugen. Um bie ®^re beS ?Prin3en ju retten, mürbe fie mit il^rem Sruber nur in bie Soften beS 5ßroceffeS (150 SioreS) oerurtl^eilt.

3)aS 2^raurigfte jebod^, toaS il^r in biefer S^xt begegnete, mar ber Job ber SKntter ©rang er, ber gerabe in eine 3^it fiel, loo fie beS SrofteS unb ber fieitung berfelben am meiften beburfte.

Sßon ba an begann für fie eine beinal^e fieben ^o!f)xe anbauembc 3rit gän3lid^er 2)ürre il^reS inneren SebenS. „35iefeS §er3, baS nur mit ©Ott befd^äftigt geroefen, mar je|t nur an baS ©efd^öpf l^ingegeben. @S f^ien von bem S^^rone ©otteS oerfto^en ju fein, um, toie Stebufabnejar, fteben Qal^re lang mit ben 2^l^ieren ju leben." SlHerbtngS mad^te fie nod^ immer ©ebraud^ oon Su^übungen aller Slrt, oon ©ebeten, SBaHs fal^rten unb ©elübben, unb in ben älugen 3lnberer erfd^ien fie nad^ mie vox ölS eine S)ame oon ganj cjemplarifd^er ^ömmigleit unb lird^lid^er Sfteli« giofität. ättein fie felbft füllte alle »onbe il^res $er3enS mit ©Ott jerriffen unb glaubte fid^ barum aus ber ©nabe gefallen unb unrettbar verloren. Unabläffig crful^r fie eS an fid^, toie in il^rer ©eele bie ©el^n« fud^t nad^ ©Ott unb bie 9ieigung 3U ben fingen biefer SBelt mit einan«

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ber t&ntpften unb fie l^in^ unb l^erjertten. S)a]^er Ilagte fie, ba^ Xffxänett ifyc ©ctränf, uttb ©d^tnetj il^te ©pcifc vo&xen.

3n bicfc 3cit fiel bic Ic^tc SHicbcrfunft bcr 3)ulberin. S)iefelbc toar bontalg fo fd^lDad^, ba^ bie 9(er)te glauBten, fie toürbe oor ber Snt» binbuttg fterben. 3)ie fju^t, ba^ baS Ätnb, toeld^eä fie nod^ unter bem ^erjen trug, ungetauft abfterSen möd^te, trieb fte bamafö, ber l^eiligen Jungfrau ein @elübbe gu t^un. 93alb nad^l^er tourbe fte aud^ glüdKid^ von einer Sod^ter entbunbcn.

S)a3 innere Seben ber %xau x>on &w^on geftaltete [xtfy aber immer büfterer unb troftlofer. ©ie glaubte je^t, bafe fte von ©tufe ju ©tufe in ben Slbgrunb gänjlid^er ©otttjerlaffenl^eit l^inabfinle. SJaS frül^er von x^x oft auSgefprod^ene Segel^ren, bafe fie lieber oerbammt, als t)on bcr ©ünbe be^errfd^t fein raottte, war il^r fremb geworben. 2(n beffen©tcDe tüar je^t bie entfe^lid^fte älngft oox bem Sobe unb oox ber QbUe %t' treten. 9lod^ mel^r ioar bie frühere SKpftil il^reä religiöfen fiebenS erftorben. SBBäl^renb fie frtil^er in il^rer 2lnbad^t gan3 in ftd^ oerfunfen getoefen toar, fo ba^ fie nur mit gefd^Ioffenem Sluge ftd^ innerlid^ @ott naiven fonnte, toar fie je^t, wenn fie im ©otteS^aufe t)ertoeilte, allen Don au^en lommenben @inbrüd(en gugänglid^, inbem il^r 9(uge nad^ aSen ©eiten ^in offen mar. Qinbeffen mar eS nid^t tiwa eine ©ud^t nad^ Serftreuung, toaS l^ierin §ert)ortrat, aU oielmel^r ein S^ftanb ber Unem- pfinblid^Ieit atter ©otteSgemeinfd^aft, ben ^au oon ©u^on fo fe^r alä einen 3^fi<(nb beS äu^erften @lenbeS empfanb, ba^ fie in bemfelben 5Ka^e, alä fie in religiöfer Sesiel^ung fid^ unempfinblid^ glaubte, ftd^ aud^ in jeber anberen §infid§t burd^auS inbifferent unb gleid^gtiltig 5U oer* l^alten fud^te.

©0 ging mit ber oiel geplagten ©eele 3al^re lang fort, als plö^lid^ in bem äußeren Seben berfelben ein @reigni^ eintrat, meld^eS mittelbar aud^ für il^ren inneren SebenSgang notl^toenbig oon Sebeutung werben mu^te.

$err oon ©u^on tourbe mit jebem ^q!^x^ Iränier unb elenber. ^Pobogra, lieber unb ©teinfd^merjen toed^felten bei i§m fortwäl^renb mit« einanber ah unb feine ©timmung toarb babei immer troftlofer unb retj= barer, worunter 9liemanb mel^r als feine ®attin ju leiben l^atte, jumal ba bie ©d^loiegermutter in i^rer Erbitterung gegen biefelbe je^t fo mo^s loS warb, ba^ eS felbft bie 2)ienerin, weld^e allezeit bie $lage ber ^ou uon ®U9on geloefen toar, jammerte. 9lid^t feiten lam je^t bie ©ienerin 3U berfelben auf baS Simmer unb rief fie mit ben SEBorten: „3Kabamc, tommen ©ie bod^ ju bem gnöbigen $erm, bamit ^f)xe ©d^toiegermutter ii^n nid^t nod^ mel^r gegen ©ie aufbringt!" S^öbcfonbcre wenn 99efud^

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im $aufe \oqx, ^(oubte bie ©d^iDiegermutter in rol^efter SBeife gegen bie @(i^b)iegertO(i^ter l^erauSfol^ren ju muffen.

3)abei fanien bie Äräfte beS Äranlen immet mtf)x f)exai, namentlid^ als benfelben ein faft unüberh)inbli(i^et @fel t)or aKen 9lal^rung3mitteln BefieL ®nblid^ rietl^en xf)tn bie 3(er}te eine £uftt)etänberung an, n)e@l^al6 er auf feinen Sanbfi^ üBer5og. 3[n ben erften 3^agen feines Slufentl^alteg auf bemfelben fd^ien eS aud^ mit bem Äranfen beffet gu werben. $Iö|Iid^ aber trat ßolil mit SSerl^altung be§ Uring unb ununterbrod^enem f^eber ein. @g jeigten pd^ Symptome eines ©efd^totireS in ber iSIafe. SDie ©d^merjen beS Seibenben fteigerten fid^ je^t auf [eine furd^tfeare $8l^e. 3)a aber bemäl^rte fid^ bie ©tärfe ber Siebe feines treuen SlBeibeS. 3)rei« unbjiüanjig 5Räd^te brad^te jte an bem Äranlenbette beS 3KanneS gu, ol^nc baS ^immer 3U tjerlaffen. Seiber fud^te il^r bie ßiferfud^t unb SoSl^eit ber ©d^toiegermutter , meldte aud^ l^ier fid^ jmifd^en bie ßl^egatten ein« brängte, bie SBerfe il^rer Siebe ju erfd^roeren. 3)al^er benu^te ^au von ®\ir)on einen Slugenblitf, in meld^em bie ©d^miegermutter entfernt toar, um baS ^erj beS 5DlanneS mit bem SluSbrudfe ber toärmften innigften Siebe ju umf äffen, ©ie h)arf fid^ vor feinem ©d^merjenSlager auf bie Äniee unb fagte ju il^m: SBenn fie je ettoaS il^m 5Ki^fäIKgeS getl^an l^abe, fo bitte fie il^n, il§r ju t)erjeil^en unb il^r ju glauben, ia^ eS toieber il^ren SQäitten gefd^el^en fei. 35iefeS einfädle SBort griff bem 3Ranne anS JÖcrj. SBie auS einem tiefen ©d^Iafe ertoad^enb unb mit bem SluSbrudte ber innerften ^erjenSbemegung antwortete er il^r: „3d^ ^^ittc S)i^ ^^ SSer5eil^ung; eine grau toie S)u bift, Derbiente id^ nid^t." ©in foId^eS SBort l^atte ^Jrau non ©u^on auS bem 3Kunbe il^reS SWanneS nod^ nie gel^ört.

S3on biefem SlugenblidEe an toar bem Äranlen nid^t allein nid^t unangenel^m, bie ©attin bei fid^ 3U feigen, fonbern berfelbe mad^te pc aud^ mieberl^olt auf StUerlei aufmerffam, maS fie 3ur ©id^erfteffung i^rer Unabl^ängigleit nad^ feinem 3^obe 3U beobad^ten unb ju tl^un l^abe.

9lod^ l^atte ber Äranle , ber feine Dualen mit großer ©ebulb unb Ergebung trug, t)oQe ad^t ^age ju leiben. 2)er eigentlid^e XobeSlampf bauerte t)ierunb3toan3ig ©tunben. Seim Seginne beffelben l^atte ftdj grau üon ©upon auf ben SQäunfd^ il^reS 5KanneS*) von feinem 33ette entfernen muffen, ©nblid^ am SWorgen beS 21. ^uli 1676 fd^Iug für ben fd^Wer ©eprüften bie ©tunbc ber ©rlöfung.

*) Non par Opposition mais par tendresse, fagt ^rau t>on (^U^on I* XXVII, 7.

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f. 8.

Sie et^en 3a$te be$ fSittiuenflanbed.

als %xa\x t)on ®upon l^örtc, ha^ H)X 5Dlann Dottenbct ^a6c, rief fle (ber 3Borte 5ßf. 116, 16, 17 cingebcnf) au§: „D, mein ®ott, 2)u l^aft meine SBanbe burd^brod^en, id^ toerbc .2)ir ein Dpfer beS ScbcnS b«r- bringen!" 3lm 22. Qiuli toar ber S^ag ber l^eiligen 5KagbaIcna, Slm SJlorgen beffelben trat fie vov baS Silb beS 3efu§Iinbe§ in il^rem Äabi^ nete, erneuerte il^ren @l^ebunb mit bemfelben unb tl^at ba§ ©elübbe ber ©l^elofigfeit, junäd^ft nur für eine 3^^ (un voeu de chastet6 po^^ un tems), jjebod^ mit bem ^injufügen, ba^ biefeS ©elübbe, toenn il^r ®e- toiffenSrat^ Sertot gutl^ei^en toürbe, fie lebenslang binben follte.

Um il^re ^od^ad^tung t)or ilirem 5IHanne öffentlid^ 5U bezeugen, lie^ fie auf il^re eigenen Soften baS Seid^enbegängni^ beffelben präd^tiger ein* rid^tcn, als eS je bei einem ©beimanne ber 5ßromnj gefeiten toorben war. ®benfo jal^ltc fie alle frommen Sermäd^tniffe, bie il^r 3Kann auS^ gefegt, mit il^ren eigenen SKitteln aus.

SDie junge SBittme lebte nun mit ber ©d^lüiegermutter ganj ftill unb jurüdfgejogen in il^rer bisl^erigen ^äuSlid^Ieit. 2llS Söitttoe glaubte fte fid^ aller Sefud^e unb aller Setl^eiligung am gefeHfd^aftlid^en Seben cntl^alten ju muffen. SlllerbingS 3eigtc eS fid^ balb, ba^ eS nid^t an Setüerbern um il^re ^anb fel^lte; breimal l^atte fie ©elegeni^eit, bie glän= genbften unb tjortl^eill^afteften $artieen ju tl^un. ©ie mieS jebod^ olle Semerbungen 3urüdf, lie^ aber über biefelben nie ettoaS über il^re Sippen fommen. 25al^er mu^te fie einft auS bem 9Kunbc ber ©d^tüiegermutter, beren §a^ fie nad^ tüie t)or 3U fül^len l^atte, bie boSl^afte Semerfung l^ören: man fäl^e, ba^ lein ©ebränge um fie fei; menn fie nid^t toieber ^eiratl^e, fo fomme biefeS nur ba^er, ba^5Riemanb fie begel^re.

älud^ fold^en tiefen unb in baS ^erj einfd^neibenben Äränfungen gegenüber tjerl^ielt fid^ %xan oon ©u^on allerbingS fd^meigenb; oHein fd^lie^lid^ fab biefelbe bod^ ein, ba^ mit ber böfen ©d^toiegermutter nid^t auSjuIommen fei, roeSl^alb fie berfelben fd^lie^lid^ il^ren ©ntfd^lu^ eröff- nete, fid^ von xf)x trennen 3U toollen.

^au t)on ®upon l^atte bieS bei ber ©d^toiegermutter faum auSge^ fprod^en, als ein ^Jteunb berfelben, burd^ tüeld^en bie erftere einen %f)Äl \f)xex milben ©penben ücrtl^eilen ju laffen pflegte, baoon l^örte. 35erfelbe fal^ ein, ba^, toenn grau t)on ®ui)on t)ielleid^t SKontargiS t)erlaffcn foHte, biefeS für bie 2lrmen ber ©tabt unb ber Umgegenb ein Unglüdf fein toürbe, unb begab fid^ bal^er 3U il^r, um, toenn eS möglid^ märe, fie mit ber ©d^toiegermutter auSjuföl^nen unb fie jur Slenberung il^reS @nt^

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fd^Iuffeg ju Deranlaffen. %xau t)on ©u^on ertlätte bem ^ettn il^re 93e^ reittDilligleit ju älKem, h)a3 er glaube^ ba^ fte )ur SSerföl^nung iJ^tet @(i^n)tegetmutter tl^un fönne, unb begab [\i) mit i^m auf baS 3i^inev berfelben. $ter reid^te il^r %xau x>on ©u^on bie ^anb unb erflätte, ba^ fie bie ©d^roiegermulter für SltteS, toomit fie biefelbc ettoa gelrönit ^abC; \xm äSerjeil^ung bitte; jugleid^ bitte fie aber aud^ biefelbe, il^r in ©cgentuart biefe§ §errn, il^reS greunbeS, tl^r 5U fagen, tooburd^ fie il^r eigentlid^ SSerbru^ bereitet unb ob fie glaube, ba§ eS je il^re Slbftd^t gctoefen fei, fie ju fränfen. 3)ie ©d^toiegemiutter antrojortete: fie fei feine $erfon, bie fid^ beleibigen laffe unb würbe barum S3eleibigungen, toenn fie biefelben erfal^ren l^ätte, nid^t ftiEfdbtDeigenb l^ingenommen l^aben. Sie l^abe ber ©d^toiegertod^ter überhaupt nur tjorgeworfen , ba^ biefelbe fte nid^t liebe unb ba^ fie il^ren %o\> roünfd^e. 2)iefer fd^toeren 21ns fd^ulbigung lonnte bie ©d^n^iegertod^ter natürlid^ mit ben beften ©etoiffen entgegentreten, unb bie Sluäeinanberfe^ung mit ber ©d^toiegermutter enbete bamit, ba^ beibe fid^ im 93eifein beS ^reunbeS umarmten.

3inbeffen gemonnen mar bamit für fjrau uon ©upon gar nid^ts. 2)ie ©d^miegermutter tratiljr nad^ hjie t)or mit berfelben ©el^äffigleit entgegen; bie böfe alte S)ienerin erlaubte fid^ nad^ ti)ie vox biefelbe Ungebül^r gegen fie, unb afö fte bal^er ber ©d^miegermutter toieberum erflärte, ba^ fie biefeg £eben, toeld^ed fie im $aufe l^abe, nid^t länger 3U tragen tiermöge, ertoiberte il^r biefelbe, ba^ aud^ fie entfd^loffen fei, il^re gefonberte §auS* i^altung ju fül^ren.

f^rau von @upon fa^ ftd^ i^iermit t)on ber l^arten ©d^tDiegermutter auf bie ©tra^e gefegt. Seiber toar nun gerabe in SKontargiS nid^t eine ein jigc 5Kietl^mol^nung leer : jum ®lüdf aber f onnten bie Senebif tinerinnen i^r Sllufna^me getoäl^ren. 3n raul^er SBinterSjeit (eS toar Slboent) jog bal^er ^rau. von (Supon mit il^ren Jtinbern unb mit ber älmme ber jüngften Sod^ter au§ >em präd^tigen ©bell^of in baS Älofter ber Sene« biltinerinnen über, too il^r einige S^wimer überlaffen mürben, ©päter^in fiebelte fie von ba mit i^rer gamilie unb mit bem ©eiftlid^en, ben fie als ®rjiel^er i^reS ©ol^neS im §aufe l^atte, auf il^ren Sanbfi^ über.

aSon ba au§ mar grau von ©upon unabläffig bemül^t, bie ©d^toieger^ mutter ftd^ günftiger ju ftimmen unb beren 3wneigung ju gewinnen; allein e8 mar SllleS umfonft. ©d^idEte fie il^r j. S3. eines SDlorgenS ben SBagen, mit ber Sitte, ba§ fie ben %aq bei il^r jubringen möd^te, (ba fie 3lbenbS bann füglid^ mieber in 3RontargiS fein lonnte), fo lie^ biefelbe ben SBagen fofort jurüdfgel^en ol^ne fie einer äntmort ju toür« bigen. 2ln einem SBei^nad^tSfeft ging %x(m oon ©upon jur ©d^toiegcr« mutter unb f agte ju il^r in l^erjlid^fter, äBeife : „^eute ift ber Äönig beS

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gricbcnS geboren, um unS feinen ^eben ju bringen; in feinem SRamen Bitte aud^ id^ ©ie bal^er um f^rieben." 3)iefer fJriebenSgru^ fd^ien afferbingS auf bag $er3 ber alten S)ame augenBIidlid^ @inbrud( ju machen; aEein bie Erbitterung berfelben gegen bic ©d^roicgertod^ter blieb nad^ h)ie vox biefclbe. 9iur bic Sine ©enugtl^ung erl^ielt grau von ©u^on, ba^ nid^t lange nad^ bem Slbjuge berfelben auS bem $aufe aud^ bie böfe alte Wienerin toegen il^rer Ungebül^rlid^feit t)on ber ©d^miegermutter fortge^ fd^idft würbe.

SKit biefcn SBelümmerniffen, ^d6)e ber SDulberin fortmäl^renb Don Sinken l^er »erurfad^t worben, l^atte biefelbe forttoäl^renb bie fd^hjerftcn förperlid^en unb feelifd^en Seiben ju ertragen. Sie war faft immer franf. (Sinmal fd^h)ebte il^r Seben fünf ober fed^§ SQSod^en lang in größter ®e« fal^r, ba fie an einem fo l^eftigen (Srbred^en litt, ba^ fte nid^t bie ge« ringfte Slal^rung bei fid^ beimaßen fonnte. 3^ il^rer äu^erften Sntfräftung !onnte i^re ©timme faum nod^ Derftanben toerben. ©ie gena^ freilid^ Don biefer h)ie »on fo t)ielen anberen Äranll^eiten mieber, aber tüie eS fd^ien nur,, weil fe ben Äeld^ beS bitterften ©eelenleibenS bis jur Steige au^-- leeren fottte. Unabläffig quälte fte ber (Sebanic an bie ©ünbe unb cn bie auf il^r laftenbe fd^mere ©d^ulb. 3)arum l^atte fie lange 3^^* "wr ben ©inen SBBunfd^, ba^ il^r Seben balb ju ®nbe gelten möd^te. SDenn t)on ber ®nabe t)erlaffen, glaubte fie fid^ mit jebem 2^age il^reS SebenS mel^r in ben Slbgrunb beö ©ünbenbienfteS t)errinlen ju feigen. S)abei fal^ fte aber baS ©rauenooHe beffelben nid^t in ber ©träfe ber ©ünbe, fonbem in ber Slbtrennung i^rer ©eele von (Sott, toeSl^alb fie einft in tieffter ®rrcgung auärief : „S)ie §ölle, nur nid^t bie ©ünbe."

©ineS 3;age8, al§ fie fid^ fo rcd^t troftloS fül^lte, unb ber Sammer il^rer ©eele eine §öl^e erreid^te, ba^ fie loeber ju effen nod^ 3U fd^lafen t)ermod^te, nal^m fie ba§ 5Reue 2^eftament 3ur ^anb unb begann gebanfen« los in bemfelben 3U blättern. ®a fielen il^re äugen plö^lid^ auf bie SBorte (2. 6or. 12, 9): „Sa^ 35ir an meiner ®nabe genügen, benn meine Äraft ift in ben ©d^mad^en mäd^tig." S)iefeS SBort berul^igtc jie eine SBeile; allein .balb Wax ber 2^roft für fie bal^in, benn fie oerftonb il^n nid^t.

SlllerbingS lie^ ftd^ bie ©nabe aud^ an il^r nid^t unbe3eugt. SllS jte erlannte, ba^ ällleS, ioaS fte t)orbem, um fid^ bie ©ered^tigfeit vor ®ott 3U üerbienen, mit fo loiel ©ifcr unb grömmigleit getl^an, vov ©ott toertlj* los fei, unb il^r feine Sw'Jcrfid^t gemäl^re, unb als il^r barum ju allen Setl^ätigungen unb Hebungen !atl^olifd^«fird^lid^er fjrömmigleit ber 5Kutl^ erd'- fd^tounben foax, ba begann in ber 2^iefe il^reS ©emütl^eS baS toirflid^e 2idjt bcS ©oangeliumS, ber 3^roft von ©ered^tigleit beS ©laubenS auf3ubämniem.

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„©0 toie xä) fal^/' fd^rcibt fic ouS bicfcr 3ßit, „bafe in mir fein §eil für mid^ toax, fo fül^Itc ii) ein gcl^eimeS aBoJ^Igefallcn baran, ba^ id^ in mir gar nid^ts ®\ite^ fanb, Vorauf id^ mid^ ftü^cn unb tooburd^ id^ mein §eil fidlem lonnte. 3e naiver mein SSerberben mir fd^ien, um fo mcl^r fanb id^ in ®ott f elbft (fo fel^r er mir aud^ erjümt fd^ien) ba§ SWittel, mein SSertrauen ju t)ermel^ren. 3Sl\6) bünit, id^ l^ättc in Sefu ßl^rifto ällleS, ft)a§ mir in mir felBft fel^lte. 3^ toar, o göttlid^er 3efu§, ba§ t)erirrte ©d^af t)om §aufe ^grael, bag 2)u ju er« retten gelommen loarft. ®u loarft tüal^rl^aft ber §eilanb J)erjenigen, bie fein §eil aufeer 3)ir finben fonnten. D il^r ftarfen unb l^eiligen 5Dlen- fd^cn, möget il^r §eil, fo t){el il^r tüofft, in bem finben, toaS il^r §eilige§ unb Slul^müott'eS für ®ott getl^an l^abt! 3id^ rüi^me mid^ nur meiner ©d^tüad^« l^citen, ha fie mir einen fold^en ^eilanb ermorben l^aben!" (Siograpl^ic I,xxv, 5). 2lber 5U mäd^tig toaren bie ^effeln, meldte il^r §erg an bie „Äird^e" fetteten, unb ju bid^t mar il§r (Seift »on ben ©ebanfen ber fatl^olifd^en grömmigfeit umfponnen, al§ ba^ fie biefen 3^roft l^ätte mit voUex, ftarfer ©eele rüdfl^altlog erfaffen unb auf bemfelben mit älbtocrfung aller 3^rugBitber beg Äatl^olijiSmuS il^r ganseS innereö Seben neu aufer« Bauen fönnen.

grau von ©upon h)ar fid^ aud& beö ©egenfa^eS il^rer je^igen ©e* ianUn ju il^rem bisl^erigen fatl^olifd^en ©lauben unb Seben Bewußt; unb untoittfürlid^ rid^teten fid^ il^re 33IidEe auf bie ©tabt, bie in gan3 ^anf« reid^ als ber §erb be§ ^JJroteftantiömug , als bie 5iJletropoIe ber reforma« torifd^en aSetoegung galt auf ®enf. SBie fie baju fam, gerabe bal^in il^re ©ebanfen fd^ipeifen 3U laffen, mu^te fie felBft nid^t; faum aBer l^atte fie fid^ barüBer ertappt unb fid^ ben ßwg i^reS §er3enS 3U ber Srutftättc ber ^e^erei flar gemad^t, als fie aud^ mit SlBfd^eu ben ©ebanfen an bie 9KögIid§feit eines 2lBfaffS t)on ber „Sird^e" ber entfe^Iid^ften ,,Üns treue", bie fie fid^ benfen fonnte, auS il^rer ©eele marf. SDie neue Erregung, meldte il^r QnnercS erful^r, foHte bal^er alsBalb fte auf ganj anbere Salinen als auf bie beS ©oangeliumS fül^ren!

Statt t)on ®u9on tnti^lit^t ft($ na$ ®enf ubetsufiebeln.

3m 3<^]^te 1680 trug eS fid^ 3U, ba^ ein Sebienter ber grau t)on ®ut)on ben 2Bunfd^ äußerte, in ben Sarnabitenorben cinjutreten. S)et

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5ßatcr bc la SKotl^c, ber ^albBrubcr ber %xavi oon ©u^on, an iDeld^em btefe beSfaHiS fci^rieb, antiDortete berfelben, fte möd^te ftd^ an ben ^ater Sacombc tocnbcn, ber bamals, von Slom jurüdfgcfcl^rt, ©upctior ber 33ama6tten ju S^onon am ©enfer @ee xoax. Sei @rit}ä^nung btefe§ 5Ramenä erinnerte fte jtd^ beS lieben DrbcnSmanneS, ben jte einft gefeiten, ben fte mit fid^, bei löngerem Siad^benlen, fo roal^Ioertoanbt erlannt l^atte. 2)entgentä^ rid^tete jte an benfelBen einen auf ben SEBunfd^ il^reS Se« bienten bejüglid^en ©rief, in tocld^em fie fid^ jugleid^ über il^ren ©eelen^ juftanb auSfprad^, fid^ beS SlbfaKs r>on &ott, ber fte t)ern)orfen l^abe, anflagenb. Sacombe antiDortete i^r fofort, ging in liebeDoQfter 9Bet{e auf tl^re ©celenleiben ein unb fud^te il^r Mar gu ntad^en, bafe fie in biefen ©d^idhtngen ben ftd^erften 93en)ei§ ber Siebe unb Xreue @otteg 3U er- lennen ^abe, ber fie je unb je geliebt unb ber fie au§ lauterer ©üte ju fid^ felbft jiel^en rooUe. §iemad^ follte alfo ber biäl^erige unb nod^ immer anbauernbe ©tanb beS geiftlid^en S^obeS, in lüeld^em %xa\x t)on ©upon lebte, für biefelbe ein ©tanb ber ©nabe fein. 3)a§ lonnte biefelBc freilid^ nod^ nid^t einfel^en; aber fie badete über bie äSorte Sacombe'3 nad^, unb begann aUmäl^lid^ in il^nen eine geit)iffe Serul^igung pi finben.

2)abei aber mar il^re ©eele immer mit bem ©ebanfen an ©cnf U-- fd^äftigt, „h)o man ber gansen^Äird^e jum ^xoi^ bie Seigre oerfünbctc, ba^ atte SSerbienftlid^feit ber SBcrle 5lid^t§ fei" unb ba^ bie ©eele ottein in bem ©lauben an bie freie ©nabe ©otteä in Gl^rifto einen 2roft finben lönne, ber aud^ bie 5ßforten beä 2^obeS ju übertoinben vermöge. SBaS fie aber nad§ ©enf gog, toaS fte bort eigentlid^ toottte, fonnte fie fxi) felbft nid^t fagen. älHmäl^lid^ lam über fie, wenn fie fid^ mit ©enf bc^ fd^äftigte, eine unl^eimlid^e Stngft, in ber fie fid^ t)or il^ren eigenen ®c* banfen fürd^tete, big eS fid^ enblid^ geigte, ba^ bie exjangelifd^e (Srregung toeld^e fie erfal^ren l^atte, in eine religiöfe ©timmung ausgelaufen war, in ber fte ben antrieb 3U einer ganj neuen 95egeifterung für latl^olifd^c SReligiofität unb für baS Qfntereffe ber latl^olifd^en Äird^e fanb.

©inige 3^* ^^d^ "^^^ ©mpfange beS SriefeS SacombeS, ettoa a^t ober jel^n 3^age oor bem 3KagbaIenenfefte, fül^Ite fid^ grau t)on ©upon gebrungen, nod^malä an ben 5ßater Sacombe gu fd^reiben unb benfelben }u bitten, ba^ er, trenn biefer 93rief. t)or bem gebadeten gefte in feine §anb fommen fottte, in ber SJleffe fie commemoriren möd^te. Sacombe empfing ben Srief am Slbenb oor bem 3RagbaIenentage, tl^at nad^ bctn SBunfd^e ber %xan oon ©u^on unb tl^eilte l)erfelben alsbalb mit, ba^ er mäl^renb ber Söle^l^anblung unter bem erften 3Remento il^rer vor ®oa

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geÖenfcnb in feinem ignnem breimal bic Stimme gel^ört ^oBe: „^f)x toetbct an bemfelben Drte mol^nen/'

Sin bemfelben SRagbalenentage toor ^au von ®ut)on vox ba§ in il^rem Äabinet bcfinblid^e SBilb beS 3efu§!inbe3 getreten, f)atte l^ier il^ren geijilid^en ©l^ebunb mit bemfelben erneuert, unb als fie nun SocombeS Slntmort erl^ielt mar alsbalb ber burd^ ben erften S3rief beffelben ganj leife angeregte Umfd^roung il^reS religiöfen 33eh)u^tfein8 plö^lid^ jur t)ollens ' beten, il^r felBft Dollfommen getüiffen S^l^atfad^e geworben. 2ll§ fie jenen erften ©rief erl^alten, h)ar tl^r inneres Sluf leben getoefen h)ie baS „eines Sobten, ber jtrar atl^met, aber nod^ immer nid^t t)on feinen ©rabtüd^em befreit ift"; je^t bagegen glaubte fie ein „tüal^r^aft DoHIommeneS Seben" ju l^aBen.

3frau t). (Supon erfreute fid^ bal^er bamalS einer lurjen ^e\i innerer SRu^e, tüo eS il^r tt>ar, als ob alle ?Rotl^ nun ein ®nbe l^abe. ©ie blidfte in ben bisl^erigen Jammer il^r legten fiebcn ^df)xe ^xixixi unb fie erlannte, ba^ es toirflid^ SBege ber (Snabe waren, auf benen ®ott fie gefül^rt ^atte. ^ül^erl^in l^atte ©ott fie baju geleitet, ber SBelt ab3ufterben; in ben legten fieben Salären l^atte er fie fo geführt , ba§ fie aud^ fid^ f elbft abfterben mufete. (Sr l^atte bie Seele ol^nc allen Seiftanb gelten laffen, bamit fie gegen il^ren SBiHen genötl^igt merbe, fid^ felbft 3U verlieren unb fid^ rüdf^altloS allein feiner gnäbigen ^ül^rung ju überlaffen. ©0 glaubte graii von Oupon 3U erfennen, ba^ nad^ bem l^eiligen Ülatl^fd^lu^ ©otteS il^r biSl^eriger 3lob für fie eine SSorftufe jum toal^ren Seben fein fofftc. ©ie fagte fid^ je^t, ba^ fie bie ©aben ©otteS, an bie fie fid^ tjorbem ges Italien, verloren l^abe, nur um ben ©cber felbft 3U pnben. ©ie empfanb je^t in il^rem 3[nnern einen fo oollfommenen ©leid^mutl^, ba^ fie fid^ toeber einer Steigung nod^ einer ©eifteSrid^tung betüu^t Wax. 3Kit il^rem SBiHen fül§lte fie fid^ gan3 aufgegangen in bem SBiUen ©otteS, mie ein S^ropfen SBafferS, ber inS SKeer fällt unb in bemfelben aufgellt. 3"* bem fie fid^ ba^er t)on atter ©igentoilligleit befreit, ©Ott nur mit ber grage gegenüberftel^enb mu^te: §err, toaS n)illftS)u, baS id^ tl^un foK? unb inbem fie ©otteS SJÖiHen aus ben ^gungen, bie il^r ju Sl^eil tour* . ben, mit göttlid^er Älarl^eit unb Un3lt)eifel^aftigleit 3U erfennen glaubte^ fo toor il^re ©eele je^t voü ^eben unb greube, roie nie juüor*). ©ie

*) grau öon ®u^on mac^t l^^ier eine intereffante Unterfd^eibung. ©ie fagt (Siogra^l^ie I, xxviir, 1), (früher l^abe fte nur ben paix de Dieu gel^abt, ber eine ®abe ©otteS fei; je^t aber l^abe fie ben Paix-Dieu, nämlidj ben grieben, ber in ®ott felbft, ber ®otteS cigenfteS Sßefen fei. 2ln einer anberen ©teile (11, IX, 11) fügt grau toon @u^on bie Erläuterung l^inju: „2)iefer griebe ift öon bem frtil^cren grieben fel^r öerfd^ieben. 2)er le^terc toar mcl^r ju fc^medcn

12*

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begann anä) n)teber ben 9(rmen nad^jugel^en, ßranle ju befud^en, il^nen bic Seiten ju ntad^en, il^tc 2Bunben ju t)cr6tnbcn, unb l^atte, inbem flc il^ren §änben SltteS rool^I gelingen fal^, fogar bie ^eube, ju erleben, ba^ bie ©d^wiegemtutter an xf)x baS größte SBol^Igcfaffen gewann unb fte raieber ju fid^ inS §au§ nal^m.

3n biefer 3^it (1680) gefd^al^ eS, ba^ ein il^r befreunbeter hominis lanetmönd^ 3U il^r 3U Sefud^ tarn, ©ie erjäl^Ite bemfelben, ba^ il^r in einer il^r felbft unt)erftänbli(i^en SBeife feit längerer 3^^^ ber (Sebanfe an bie ©tabt (Senf in ber ©eele liege. ®er ©eiftlid^e ertoiberte, ntöd^te ja fo ®otte§ SBiffe fein, ia^ fie nad^ ©enf gel^e ; um jebod^ barüber ©e- n)i^l§eit ju erl^alten, fei eS nötl^ig, mit bem SSifd^of t)on ®enf barüber ju teben. SBenn biefer bie ©ad^e billige, fo lönne man fie alö von ®ott gemoUt betrad^ten; im anbem %aUt bagegen bürfe nid^t toeiter baran gebadet werben, grau Don ©upotj fügte fid^ ber 2lnftd^t beS 3)ominiIaner§, ber fid^ bereit erflärte, felbft nad^ 2lnneci ju gelten, bie ©ad^e bem Sifd^of t)or3utragen unb il^r über ba§ SRefuItat il^rer gemeinfd^aftlid^en Seratl^ung genau ju berid^ten. 2)a ber DrbenSmann fd^on bejal^rt toar, fo überlegte, ^au oon ©upon mit bemfelben, toie er eine fo gro^c Steife ol^ne befonbere Sefd^toerlid^Ieit jurüdflegen lönnte, als pißftlidj jroei anbere reifenbe DrbenSleute t)orfprad^en unb im Verlaufe ber Unterrebung er3äl^Iten, ber Sifd^of oon ®enf befinbe fid^ gerabe jje^t in ?PariS. ®iefe überrafd^enbe 5IHittl^eUung erfd^ien ber grau tjon ©upon toie ein SQSinf ber SBorfel^ung, meSl^alb fie fid^ fofort entfd^Io^, jtd^ nad^ 5ßariS 3U begeben unb ben Sifd^of t)on ©enf auf3ufud^en.

unb iDar leidster toal^r^unel^men; biefer bagegen maci^t ftd^ nid^t toa\}vmf}mhat unb bleibt allezeit auiSgebel^nter, ftänbiger unb urf))rünglid^er, ba biefer ^rieben ©Ott felbft ift."

£thm mtt Wirken \Kt Stau von §ni^0n in Sämigen nn)r

Sfttrfranlimd^«

§. 1.

£ie Siocefe ®enf unb bet fBif^of b'Stant^on«

3)a8 Sigtl^um ©cnf, hjeld^eS feit ber ©infül^rung ber Sieformation in ®cnf unb feit ber 3lufl^eBung beS bafigcn Sifd^ofgfi^eä (1535) feinen ©i^ in SKnnec^ l)attc, gel^örte gerabe bamals 3U ben njid^tigen ©ebieten ber fatl^olifd^en Äird^e. ©inen großen 3^l^eil beS gebirgigen ©aoo^en umfttffenb, erftredte fid^ bie weite SDiöeefe, in toeld^er man über fünf« l^unbert ^Pfarreien säl^Ite, Big nad^ ^ranlreid^ l^inein. %ixx bie politifd^cn Sejiel^ungen jtoifd^en ^anfreid^ imb ©ODopen lam bal^er ber ju 5lnnec9 refibirente Sifd^of, ber 3ugleid^ ben 2^itel eines prince de Gen^ve fül^rte, fcl^r in Setrad^t. ^n fird^Iid^er Sejiel^ung h)ar aber bie Stellung beS Sifd^ofS Don ®enf jur 3cit barum oon ganj Befonberer Sebeutung, loeil in biefer 2)iöcefe, tt)ie faum in irgenb einem ©prengel ^anlreid^S, ber SProteftantiSmuS ben ergieBigften 35oben gefunben l^atte. Qn il^rem weiten Umfang umfd^Io^ bie Siöcefe eijte gro^e Slnjal^I eoangelifd^er ©emeinben, bie, mit Äird^en unb ^ßrebigern tDof)l t)erfel^en, ein fel^r regeS ecangelifd^s ür^Ii^eS SeBen Belunbeten. ^n 9lom Betrad^tete man bal^er bie 3)iöcefe ®enf als einS ber toid^tigften SlrBeitSf eiber ber latljolifd^en 3Wiffion, wo biefe, gefd^idft geleitet, bie gro^artigften Erfolge er3ielen lönne.

Slud^ tüar nid^t untoid^tig, ba^ bem Sifd^of von ®enf baS Stuf« ftd^tSred^t über alle Älöfter vom Drben ber §eimfud^ung juftanb. 3)ie weite SBerBreitung biefeS DrbenS, namentlid^ in ^anlreid^, Brad^te bal^er ben Sifd^of oon ®enf in ben auSgebel^nteften äjerfel^r unb ermöglid^te

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il^m, feinen lird^Iid^en ©influfe toeit über bie ©renjen feiner großen ©iöcefe auSjuiiben.

2)er bamalige ^nl^aber beä SiSti^umS ©enf h>ar (feit 1660) bcr SSifd^of S^^J^^ b'ätrantl^on*), ein §ierard^, wie bie latl^olifd^e Äird^c gerabe bamalg il^n in Stnnecp nöll^ig l^atte. %ixx bie ^Rad^t unb §err= lid^Ieit ber latl^oUfd^en Äird^e begeiftert, in feinen Sitten ftreng unb in ber 2^1^eoIogie beffer unterrid^tet, aU mand^er anbere $rälat feiner S^xt, f)atie ftd^ b'Slrantl^on, olö er ben bifd^öflid^en ©tul^I beftieg, ge^ lobt, mit 2lufbietung feiner gansen perfönlid^en ^raft unb oller SDlittel, roeld^e il^m fein Slmt in bie §anb gab, im ganjen leiten Umfange feiner SJiöcefe bie Äe^er^ei auäjurotten unb im ßleruS tüie in ben ©emeinben ftrenge, lird^Ud^e ^nä^t ]^er3ufteßen.

3ur Sefel^rung ber Äe|er oeranftaltete er namentlid^ in bem fran- 3Öfifd^en Sanbe 6l^ablai§, einem Sanbftrid^ am meftlid^en Ufer be§ ©cnfer ©ee§, l^äufige 5Diiffionen, 3U bcnen er oor^ugSmeife Sajariften, bie jum SSerfe^r mit Äe^ern befonbcrö eingcfd^ult au§ ^anfreid^ lamen, vex-- toenbete. 2lu^erbem iüu^te er aber aud^ bie Filles de la charit6 ju SSefe^rungSjtoetfen trefflid^ ju gebraud^en. 3)ie SBirlfamfeit ber 5Kiffionare unb ber frommen Sd^meftem toar inbeffen in ben 2lugen be§ 33ifd^of§ nur baSjenige 3KitteI, burd^ ioeld^eg bie erfolgreid^e Slnmenbung be§ eigentlid^en S3ele]^rung§mittel§ , nämlid^ ber rollen ©etüalt, tjorbereitet ioerben foKte. 3m Saläre 1662 begab fid^ ba^er b'Slrantl^on nad^ 5ßarig, um bem Äönigc nid^t nur 3U flagen, ba^ bie ©tabt ©enf ©infünfte be§ bifd^öflid^en ©tul^IeS unb be§ 2)omIapiteI§ toiberred^tlid^ an fid^ geriffen l^abe, fonbcm um bemfelben aud^ t)or3ufteIIen, ba^ ba§ Umfid^greifen ber Äe^erei im Sanbe ßi^ablais ein energifd^eS ©infd^reiten gegen biefelbe notl^toenbig mad^e, unb ba^ bal^er oor 2lIIem bie 9lieberrei^ung ber, namentlid^ toäl^j renb ber SKinberjäl^rigleit beö ÄönigS in großer 2ln3al^l erbauten prote^ ftantifd^en Äird^en ein bringenbeS @rforbemi^ fei. ^enn man wiffe au§ (Srfal^rung, ba^ feine SRa^nal^me fo geeignet fei, bie Äe^er 3U entmutl^igen unb fie gefügig ju mad^en; alä bie 9iieberrei^ung il^rer Äird^en. .

Sejüglid^ be§ erften ?ßunfte§ fanb ber Sifd^of bei bem Äönig lein ©el^ör ; bagegen bejüglid^ ber 2fu§rottung ber Äe^erei genel^migte berfelbe aittes n)a§ ber »if^of loünfd^te.

Unmittelbar nad^bem b'Slrantl^on in Slnneq ioieber eingetroffen toar, begann bal^er baS SBerf ber 3^^^ö^wng. SSon 25 eoangelifd^en Sird^en, meldte im Sanbe ßl^ablaiä aufgefül^rt ioaren, iourben 23 »ollftänbig bemos

*) S5gl. La vie de messire Jean d'Aranthon d'Alex, eveqiie et prince de Geneve (t)on le Massen) 2. SCufl., Sion 1669, 1697.

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Krt. S^^i^iä) tDurbcn alle eoangclifd^en ^rebigcr bc§ SanbcS ocriütefen*). Slad^bcm nun fo bie eoangclifd^en (Scmctnbcn t)oIIftänbig üertüaift unb ber ittt^olifd^cn $Propaganba preisgegeben toaren, tüurbe bie ,,SeIel^rung" auf's tHeue oerfud^t,

5Rad^ faft jtüansigjläl^riger ftrenger, l^artet, oft graufiger Slrbeit toar ivblxä) ber Q^ei berfelben erreid^t; b'SIrant^on fal^ ben ^toteftantiSmuS feiner 35iöcefe 3udfenb unb fterbenb ju feinen ^ix^en liegen unb fein ^erj toar voU ftol3er ^eube. *

3lBer in3h)ifd^en l^atte fid^, ol^ne ba^ ber Öifd^of a^nte, ein anberer ^einb in bie (Senf er SDiöcefe gefd^Iid^en, nämlid^ bie quietiftifd^e SWpftil, bie ^ier an bem frommen, emften unb in ganj ©aoo^en l^od^ angefel^enen Sarnabitenmönd^ tjtranj Sacombe**), ber nad^ einem mel^r« jäl^rigen 3lufentl§alt in SRom in bie §eim'atl^ 3urtidEgeIe]^rt ioar, einen fel^r eifrigen SSertreter gefunben l^atte. S)ie quietiftifd^e ©d^rift beffelben „Analyse de Toraison mentale" ging in ber 35ibcefe ®enf in jal^lreidben Slbfd^riften oon §anb 3U §anb. 35a3U lam, ba^ Sacombe als eifriger ?ßrebiger aller Drten in ber 3)iöcefe auftrat unb überall oon ben Äan3eln l^erab ben ©amen feiner SKpftif auSftreute.

S3ei b'2lrant]^on ftanb ber SSarnabit in l^ol^em äCnfel^en. 2Bar bod^ berfelbe Jbei ben 5!Jliffionen im Sanbe Gi^ablaiS, namentlid^ in ben Salären 1667 unb 1679 gan3 befonberS tl^ätig getoefen! §atte bod^ gerabe @r, loie ber Sifd^of red^t raol^I iou^te, burd^ ben @inbru4 feiner frommen ?ßerfönlid^leit unb feiner jum §er3en bringenben ©prad^e bie ©rfolge berfelben t)or3ug§n)eife l^erbeigefül^rt, roeSl^alb eS bem Sifd^of ganj red^t toar, als er l^örte, ba^ Sacombe in feiner 3)iöcefe ber 9WitteIpunft unb Vertreter eines ganj neuen unb eifrigen SebenS graben fei***). 2lber

*my

*) SSgL la vie d'Aranthon, ©. 92—103.

') Phelipeaux (Relation de Torigme du Quietisme, 33. 1. ©. 1. fd^ilbert Sacombe'S äußere ©rfd^einung: Dom Franpois Lacombe etait d'une taille assez grande, compose dans sons exterieur, affectant un air de modestie et de saintete, quoiqu' on remarquät dans son visage ie ne sais quoi de äinistre. II avait l'esprit subtil et penetrant.

***) 2)er SBiograpl^ b^Slrantl^on'S fagt beaüglid^ ßacombe% ©. 291 : Le pere la

Combe s'etait acquis de la reputation dans l'esprit de notre eveque et dans tout le pays. 11 7 avait ete employe en plusieurs missions et specialement en celles, qui se furent dans le Chablais en 1667 et 1679, aussi bien qu' en celle qui se fit a Annecy. Mais des ce tems la il semait secrettement sa doctrine, qni etait fondee sur les idees de Molinos. 11 avait deja attire a ses senti- mens des ecclesi.astiqnes et plusieurs autres personnes avant meme que la dame (nämtid^ grau t)On ®u^on) fut arivee dans ce pays; mais qaand eile fut jointe a lui, le progres en fut tout autre.

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n)te ftaunte bod^ ber Stfd^of als im 3. 1680 bet S3ama6tt eines ^ageS bei il^m in Slnnecp erfd^ien unb il^m DorfteSte: ev, ber Sifd^of, toonble aKer« bingS mit großem @mfte bie 98ege ber ^eiligleit unb l^abe in feiner 2)U)cefe aSe äußeren S)tnge mit tounberborem ©efd^id unb @ifer, unb barum mit bem glüdlid^ften @rfoIge georbnet; inbeffen fei berfelbe bod^ nod^ nid^t 3ur redeten SSoKfommenl^eit gelangt, inbem er baS innere unb eigentlid^ geiftlid^e Seben bis bol^in gar nid^t bead^tet l^abe, meSl^alb eS bringenb nötl^ig fei, ba^ ber Sifd^of femerl^in biefem feine ^rforge jutoenbe*

(La vie d'Aranthon, ©. 292—293).

3)'9lrantl§on mar über biefe 3(uSlaf[ung beS 3Rönd^eS im l^öd^ften ®rabe betroffen unb befallt bemfelbcn, baS, maS er eigentlid^ meine, il^m fd^riftlid^ Dorjuftetten. Sacombe fe^te bal^er für ben Sifd^of eine lurje Darlegung ber Orunbgebanfen ber quietiftifd^en SKpftil auf, mit benen Se^terer freilid^ nid^tS ansufangen tüu^te, bie aber irgenbroie für bebenfc lid^ ju l^alten il^m um fo tt^eniger einfiel, als eS il^m nid^t unbe!annt toar, ba^ berartige ©d^riften, unb jtoar mit fird^lid^er Slpprobation, in großer Slnjal^I in ber Äird^e verbreitet toaren, toeSl^alb er baS ganje Sorfommni^ auf jtd^ berul^en Ke^.

SJagegen befd^äftigte ftd^ b'Slrantl^on bamalS angelegentlid^ft mit jtoei 2)ingen, bie il^m fel^r auf bem ^erjcn lagen, nämlid^ mit ber Berufung Don Filles de la Propagation, mittelft bercn er in Oej, bem §auptortc beS SanbeS ßl^ablaiS, ein §auS jur (Srsicl^ung junger 3Käbd^en im fatl^o^ lifd^en (Slauben errid^ten toofftc, unb mit bem ^ßroject einer Steife na^ 5PariS, iüo er bieSmal ben Äönig jur Unterftü^ung feiner Slnfprüd^e, bie er ber ©tabt ®enf gegenüber 3U l^aben glaubte, gewinnen 3U lönnen ^offte. ^n le^terer SSejiel^ung vertraute er inSbefonbere ber l^ol^en protection ber ^au von 3Raintenon, bie, ioie er raupte, il^m mit befonbcrer §ulb jugetl^an toar. ^aite il^m bod^ bie l^ol^e 2)ame fogar ben ©ntmurf il^rer Siegeln für baS in ©t. Gpr errid^tete ©tift 3ur ?ßrüfung 3ugefanbt*)! 2)er Sifd^of trat bal^er feine IReife nad^ ^JJariS an, Udo er am 30. S^ni 1680 anfam.

Sie 9tettfat^oI{tinnen$dttfet in Srtanfrei^ unb bie 9ittViuti^ ber %tm

t)on ®tt9on ju benfelben.

2)er Sifd^of von (Senf verteilte längere 3^^* $ariS , too er frei- Kd^ baS, toaS er bei bem Äönig burd^3ufe^en gel^offt l^atte, aud^ bieSmal nid^t errcid^te. Um fo erfreulid^er fd^ienen fid^ i§m bagegen feine SluS-

♦) La vie d'Aranthon, S. 220.

185

ftd^len auf bic S3eth)irfKd^ung feines ^ßrojjeäeS, bte ®rrid^tung beS ®r* jiel^ungg^aufeS in Oej Betreff enb, ju geftalten, inbcm er in 5ßari§ mit einer reid^en abeligen S)ame in S5erül§rung iam, roeld^e il^r 9an3eä S^tereffe an äl^nlid^e SeftreBungen l^ingeben ju iüotten fd^ien. @8 tüar biefeS ^au von ©u^on.

35iefelbe war nad^ 5ßari§ gefommen, l^atte bort ben S3ifd^of Don ©enf aufgefud^t unb bemfelBen mitgetJ^eilt, ba^ eS il^re SlBfid^t fei nad^ ©enf übcrjuftebeln , um bort il^r Vermögen jur Segrünbung einer ©e« tneinfd^aft fold^er (Sl^riflen ju oerroenben, meldte fid^ roal^rl^aft 3U (Sott Belel^ren unb fid^ il^m ol§ne allen SBorbel^alt l^ingeBen lüottten. („pour

faire un etablissement pour tous ceux, qui voudraient v6ritablement se convertir ä Dieu et se doDner ä lui sans reserve.") SRel^re Siener

®otte§ Beiberlei ®efd^led^te§ l^ätten fie t)erfid^ert, ba^ ber $err biefeä von xf)x verlange; unb oBfd^on fie feine Beftimmte 9ieigung in ftd^ ©er« fpüre, fo gtauBc fie bennod^ ber Stimme ®otte§ gel^ord^en 3U muffen, bie il^r burd^ fo t)iele oerfd^iebene, einanber ganj unBefannte unb enU fernt IcBenbe, in biefem fünfte aBer gan3 üBereinftimmenbe ^erfonen funb geworben fei.

3)ie eigentlid^e 3lBfid^t ber ^J^au oon ©upon ging alfo bal^in, in ®enf ein ^avi§ ju Begrünben, in" meld^em bie quietiftifd^e SKpftif l^eimifd^ gemad^t unb burd^ ioeld^eö (nanrentlid^ in ben unteren, t)eriüa]^rIoften SSolfgfd^id^ten) innerlid^e grömmigfeit ertoeät unb verirrte ©eelen bem §errn h)ieber jugefül^rt unb jum inneren ©ebetäleBen ertoedEt merben fottten.

Sifd^of b'Slrantl^on nal^m biefe SKitt^eilung ber jungen, reid^en unb voxmf)men SBittloe*), beren eigentlid^en ©inn er freilid^ nid^t uerftanb, um fo freubiger auf, als il^r SSorl^aBen mit feinen eigenen planen, ioie er meinte , in glüdflid^fter SBeif e 3ufammen 3U treffen f d^ien. @r er3äl^lte ifir bal^er, ba^ in feiner SDiöcefe foeBen bie (Srrtd^tung eines SSereinS oon 2)amen vox fid^ gel^e, meld^er fid^ bie ©rjiel^ung proteftantifd^er 2^öd^ter unb Bereits Belel^rter 9leuIat]^oliIinnen im fatl^olifd^en ©lauBen 3ur 3tuf= gtiBe mad^e, ba^ biefer 3Serein fid^ in näd^fter 3läf)e ®enfS, in (Sey, nieberlaffen toottte, unb ba§ er eS i^r bal^er empfel^Ie, fid^ nad§ (Sej ju

*) Phelipeaux (Relation etc. I, S. 4) fd^Ubert bie äußere ©rfd^einung ber

Stau öon ®U^On mit ben Sßorten: Madame Guion etait une jeune veuve, teile, riche, spirituelle; eile parlait tres poiiment, et eile avait dans le visage je ne s^ais quoi de doax et de majestaeiix. Ses manieres etaient gracieuses et insinuantes, et ce qui la rendait encore plus aimable, c'est qu'avec de si grands talens et dans une si florissante jeunesse, eile ne paraissait s'occuper <ine des exercices de piete et de cbarite.

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begeben, h)o jfie in ber ertüäl^nten ßongregation ein fel^r ertotinfd^tcS 2lrbeitSfetb finben werbe.

%vau t)on ©upon fal^ fid^ alfo t)on bent Sifd^of eingelaben, in ein t)on biefem ju errid^tenbeg 9fleufall^oIifinnenl^au§ einjutreten; oHein ein berartiger (Sebanle f)atie ber 3)ame bis bal^in ganj fern gelegen. SlttctJ bingS I;atte fie ron ben Käufern ber Nouvelles Catholiques, bie man l^in unb tüieber in ^ranfreid^ errid^tel, f d^on l^ier unb ba gel^ört, inbeffen tüaä fie gel^ört l^atte, \oax genügenb, um il^r biefe g^ftitute in einem nid^t erfreulid^en Sid^te erfd^einen 3U laffen.

5Rad^bem nämlid^ bie politifd^e SSetoältigung beS ^roteftanti§ntu§ in fjronlretd^ gelungen, \oax boS ganje Streben ber fran3öfifd&en SRegierung bal^in gerid^tet, bie Äe^erei im Sönigreid^e attmäl^Kg ganj cerfd&roinben ju mad^en. S)ie blo^e rol^e ©eraalt üermod^te bieS freilid^ nid^t fertig ju bringen; allein, raenn fid^ biefelbe ben auf bie Sefel^rung ber ^roteftanten gerid^- teten Seftrebungen bienftbar mad^te, lie^ fid^ bod^ SBieleS erreid^en, namentlid^ an ber ^ugenb. ©id^ prot^ftantifd^er Äinber ju bemäd^tigen, namentlid^ toenn biefelben ben 3Sater ober gar beibe Sleltern verloren l^atten, raar ja gar nid^t fo fd^toer, unb man l^atte bann nur für beren fatl^olifd^e 6r3iel^ung ©orge 3U tragen! So lam man fd^on unter ber Sftegierung Subraig XIII. auf ben ©ebanlen, S^^tute 3U errid^ten, in tüeld^en proteftantifd^e Äinber, inSbefonbere ÜRäbd^en, t)on 35amei^ bie fid^ JU biefem S^eie 3U einer Kongregation vereinigten, im fatl^olifd^en Olauben er3ogen ioürben. 9Kan nannte biefe 3»^ftitute „iReuIatl^oUfinnens Käufer." ©in foId^eS ^a\i§ raar im ^al^re 1634 non bem bamaligen ©rjbifd^of non $ari§, Sol^onn ?5ran3 n. ©onbi, im Quartier ©t. ©ermain, untoeit beg ©eminarS ©t. ©ulpice, in ber 2^obtengräberftra§e (rue des Fossoyers, je^t Servaiidoni) errid^tet Inorben. $apft Urban VIII. I^atie bie Stiftung al^balb beftätigt, unb fpäterl^in l^atte ber aJlarfd^aH »on ^urenne, nad^bem ben Sefel^rungSlünften S3offuet*§ gelungen raar, ben* felben für ben ÄatJ^oficiSmuö ju getninnen, bem §aufe feine mäd^tige ^Protection 3ugett)enbet. 35urd^ il^n iourbe eS aud^ bewirft, ba^ ba§ 3"- ftitut, raeld^eS in3raifd^en toieberl^olt feine SofaKtät geh)ed^felt l^atte, in ein fel^r geräumiges ©ebäube ber ©t. 3Innenftra^e nerlegt tourbe*). Um biefelbe Seit lünbigte Sifd^of b'2trantl^on (unter bem 26. Januar 1861) bie bemnäd^ftige (Srrid^tung eineä 9leuIatl^oIifinnens§aufeg in ©ej an, weld^em

„maison de nouvelles catholiques et de la propagation de la foi"

Äönig Subtüig XIV. burd^ ein im 2lpril 1681 3U ©t. ©ermain en So^e unter3eid^nete§ ^Patent ba§ Siedet ber Korporation unb ber 3lbgaBenfrci§eit

*) S)a8 Snftitut beftanb bis jum Saläre 1792.

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Derlicl^. Seit 1682 gewannen nun bicfc Snftitute in granfreid^ immer größere Slugbreitung *) unb ein immer eigentl^ümlid^ereS , graufigereS ©es präge**). ®g toar in beS Äönigg Slatl^ befd^Iojfen, baj3 fo rafd^ afe ntöglid^ in granlrcic^ bie legten ©puren ber Äe^erei ausgetilgt Serben fottten, bamit im ganzen SReid^e be§ Äönigä tüie ®in SEBitte, fo anä) ©in ©laube l^errfd^enb fei. 2)urd^ ein ©biet Dom 17. Quni 1681 würbe ba« l^er oerorbnet, ba^ ben Äinbern reformirter ßltern fd^on im fiebenten SebenSjal^re freiftel^en fottte in bie fatl^olifd^e Äird^e überzutreten, ©tne cttoaige ßinfprad^e ber ®Item ober 3lnr)ern)anbten foBte nuH unb nid^tig fein. SSier ^al^re fpäter lüurbe fobann burd^ baS SleoocationSebict t)on 1685 becretirt, ba^ alle neugeborenen Äinber latl^olifd^ ju erjiel^en lüären, unb burd^ ein neues 35ecret t)om anfange be§ ^al^reg 1686 rourbe biefe Seftimmung fogar auf biejenigen Äinber auSgebei^nt, iüeld^e vox bem 9let)ocation§ebict geboren wären. 2KsbaIb würben bal^er aUe proteftan^ tifd^en Äinber üon .5 bis 16 ^al^rcn il^ren ßltern entriffen, toobei man ben le^teren jugleid^ bie $flid^t auferlegte, für bie fatl^olifd^e ßrsiel^ung il^rer geraubten Sinber eine beftimmte ^Penfion ju jal^Ien.

35amalS ^örte man an fielen Drten granfreid^S [auteS SBel^Ilagen unb 3^wiwtern über bie oerrud^te (Sewalttl^at , weld^er unjäl^Iige Äinber^ unb ©Üernl^etjen jum Dpfer gefallen tüaren. 3)ie geraubten Äinber in bem ^nftitute 3U $ari§ unb in bem bemfelben affiliirten §aufc ju ßfiaren^ ton gäl^Ite man im gal^re 1686 nid^t Weniger als 224 biefer Unglüdf^ lid^en, tourben grö^tentl^eils in Älöfter gef d^Ieppt ; bie übrigen würben ben $Reufatl^oIi!innent)ereinen jur (Srjiel^ung übergeben, ^r il^re 6ltem waren biefelben in ben löfterlid^en Sel^aufungen 3unäd^ft begraben. Sieben ben Äinbern toaren bei ben 5ReuIatl^oIifinnen a\x6) ertoad^fene SDamen ein« gefperrt, bie l^ier jur älbfd^toörung il^reS ©laubenS genotl^toenbigt Werben foHten. ^VLX ßrreid^ung beS 3w)edeS Würbe natürlich anfangs mit ben ©inselnen in einer red^t liebeooff auSfel^enben Sffieife oerfai^ren. 9Jlan

*) fUleufatl^olüinnenl^äufer (couvents de Nouvelles Catholiques) entftanben p SRouen, SSorbeaug, XourS, ©eban, 3Ke^, ©l^alonS, ^ot^on, la Sdod^eUe, SCujerre, G^aJ^orS/gigeac, 5llen9on, Slngouleme, ©l^artreS, SeScar, ©aint-So, 93er0erac, $onS, 6aen, g3a^onne, ^ßoiticrS, Soubun, ^artl^ena^, £u(?on, ©ablcS b'DIame, Sibourne, 5ßau, aSloiS, ©lamec^, «ftimeS, 3Äontpeaier, SWontauban, ©outance, Seaumont, S^on unb an onbercn Drten. Sn ^ariS beftanb aud^ (in ber rue

de Seine-Saint- Victor) ein Maison des Nouveaux Chatoliques, Weld^eS 1673

gegen 25 ^enfion&re jäl^rte.

**) Ueber biefe fd^eufjßd&en 3«ftitute ift auerft burd^ bie ©c^rift: L'intole-

rance de Fenelon. Etades historiques d'apres des documents pour la plupart inedits par O. Douen (^ariS, 1872) auf ®runb ber forgfältigften ard^tüalifd^cn ©tubien baS Wünfd^enSwertl^e Sid^t verbreitet.

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fud^tc ftc ju beichten, ju beruhigen; man bemül^tc jtd^, iJ^ncn S^^^fd Uttb Scbcnfcn auSjurcbcn, man roieS jie anä) auf aEctIei SSortl^cilc l^in, bic tl^ncn für bcn gaff il^rcr SSelcl^rung toinltcn. Äam man ober bamit nid^t jum S^^^f fo würben ganj anbere 5IRittcI .3ur Slntocnbung gcbrad^t. 3in einem ©d^reibcn be§ fgl. ©taatäfelretärS ©eignelap Dom 17. gebr. 1686 an bie ©uperiorinnen ber 9ieuIatl^oIi!innen ju 5PariS l^ei^t eä: „©eine SKajIeftät ift benad^rid^tigt iüorben, ba^ einige ^auen fid^ weigern, bie 35elel^rungen anjul^ören, bie man il^nen ertl^eilen mill. 2)er Äönig trägt mir bal^er auf, ginnen ju fagen, ©ie möd^ten bic SESiberfpenftigen barauf l^intoeifen, bafe il^r Setragen ©r. ^Jldjeftät mißfalle unb ba^ ©. SJlajeftät nid^t uml^in tonnen werbe, in Sejiel^ung auf fie Sefd^Iüffe ju f äffen, bic il^nen nid6t angenel^m fein toürben." SDlan wu^te, ba^ l^iermit bie 316- fül^rung in bie Saftille ober in irgenb ein anbereS ©efängni^ in Sluö- fid^t geftellt fei. 2tt§ ftd^ aber bennod^ bie fersen ber 3)amen butij^ bie SDrol^ungen be§ Äönig§ nic^t bred^en liefen, erging unter bem 8. Slpril eine neue SSerorbnung, tüorin ben SBiberfpenftigen eine grift t)on 14 Saugen 3U il^rer 93e!el^rung gegeben ipurbe. SBürben biefelben aud^ nad^ 3lblauf biefer ©nabengeit nod^ in il^rem S^ro^e bel^arren, fo foffte bie ©uperiorin l^ieroon 2ln3eige mad^en, „bamit ©. 51Jlaj|eftät nad^ ©utbünfen t)erfüge.'' ®S begreift fid^ , wag berid^tet wirb , bo^ einzelne ber @ingeferf ertcn unter ben Rauben il^rer S)ränger ben SSerftanb verloren. Sejüglid^ einer ^äulein von Jorges erllärte ein 3Serwanbter berfelben, ein §err oon Seringl^en: „S)ie fortwäl^renben Quälereien, bie erjtpungene ©ntjiel^ung ber ©peife unb be§ ©d^Iafe§, bie fte unter ben §änben biefer l^erjlofen ßreaturen erbulbet l^at, l^aben il^r in fur.^er ^eit ben 35erftanb unb baS Seben geraubt." 3tfe biefelbe in üoUftänbigfte ©eiftegjerrüttung gerat^en toar, jtoang man fie, eine 2lbfd^Wörung§formeI 3U unterjeid^nen. Worauf fie in i^re gamilie jurüdfgefd^idft Würbe. §ier aber mad^te bie Unglüdlid^e balb il^rem Seben ein 6nbe, inbem fie fid^ an^ bem britten ©tüi i^teS §aufe3 l^erabftürjte*).

*) S)er ©iftorüer O. Douen tl^eilt in feiner ©d^rift: „L'intoleränce de

Fenelon. Etudes historiqaes d'apres des documents pour la plupart inedits''

(Paris, 1872) nod^ mel^rere berartige gälte mit, Weld^e auf bie Barbarifd^e SRo^- ^eit l^inweifen, mit ber man in bem ipaufe ber Nouvelles Catholiques ju belehren fud^te. S)a in htn Salären 1678-1688 ber bamalige Slbbe genelon ber geiftlic^e SBeratl^er unb 3Kiffionär be§ §aufe8 war, fo glaubt ber SSerf affer l^ierau« folgern ju muffen, ba^ berfelbe aU ber eigentlid^e Url&eber ber an ben t)roteftantifciJen 3KöbdSfen öerübten brutalen ©etoalttl^ätigfeiten anjufel^en fei. Snbeffen ift biefe SSel^au^tung öon ben SBerfaffer bod^ in feiner SBeife betoiefen. 2)te einaige Xl^at- fadje, wel^e 2)ouen jur fd^einbaren «Subftautiirung feiner gegen genelon er- hobenen 2lnflage angufül^ren bermag, ift ber llmftanb, ba^ bie fd^eujlid^c Ser-

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Äöntg SubhDtg XIV. toar frctlid^ bcm §aufe ber Nouvelles Catho- liques mit feinet ganjen ^ulb unb ©nabe 3U9et]^an; %xa\i tjon (Supon bagegen fül^lte fic^ t)on beut in biefen S^ftitutcn l^errfd^enben Sreiben inncrlid^ fo fe^r 3urüc!gefto^ett, ba§ fie ftd^ in ben (Sebanlen i^reS ©in« tritteä in ein fold^eö ^an§ gar nid^t ju finben iüu^te, 5lur l^alblaut gab fie biefem il^rem inneren Söiberftrebcn bem Sifö^of gegenüber 3lu3s brucE, inbem fie bemfelben erllärte, ba^ fie n^ol^l für ©enf, nid^t aber für ®e£ einen göttlid^en SRuf erl^alten ju l^aben glaube. 3Konfeigneur b'Slrentl^on ertüiberte i^r jebod^, fie fönne ja immerl^in von ®ej auS aud^ nad^ ®enf ge^en; nur ntöd^te fie fid^ junäd^ft in ber Kongregation ju ®c£ nieberlaffen. 2tu§erbem gab i^r berfelbe ben Slatl^, baf; fie fid^, um fid^ über bie trefflid^en ©inrid^tungen unb SSeftrebungen ber 9leus latl^oUIinnenDereine genauer ju unterrid^ten imb fid^ t)on bem gottfeligen Seben, tüeld^eg in benfelben toalte, unmittelbare 2lnfd^auung 3U Derfd^affen, in ba§ ju ^PariS beftel^enbe §au3 begeben unb in bemfelben einen längeren Slufentl^alt nel^men möd^te.

grau t)on ®upon begab fid^ bal^er 3U ber Superiorin ber Sleu^ lat^olilinnen in 5ßari§, ber ©d^mefter ©arnier, um fid^ mit ber ©inrid^^ tung biefeg SSereinä belannt 3U mad^en. Siefelbe !am il^r mit au^er^ orbentlid^er ^^^örlommenl^eit entgegen unb fprad^ i^re gro^e greube barübcr auä, fid^ bemnäd^ft mit il^r 3U einem gemeinfamen SEBirfen oer- bunben 3U feigen. S^^beffen glaubte grau t)on ©upon t)or allen 35ingen ben für fie fo gemid^tigen Sftatl^ il^reS ©eelenfül^rerö Sertot l^ören ju

orbnung t)om 8. 3l^ril bon ber ©u!t)eriorin felbft erbeten toar, ttjeil fie 'in ber bigj^crtgen SBeifc mit ben Jjroteftantifd^en HJläbd^en nid^t gum 3iel ju lommen toufitc. 2)ouen glaubt näralid^ annel^men gu muffen, ba^ bie ©u^eriorin biefen ed^ritt nid^t ol^ne genelon'g Suftimmung getl^on l^abe. Snbeffen ift biefe 2ln- nal^me eine burd^aug toittfürlid^e. 2öer einigermaf^en mit bem 3Sec!e§r unb bem ©efc^äftggang in ben üerüalen Greifen ber fatl^olifd^fen Äird&e in^befonbere to^-- renb ber SRegierunggaeit Subtoigg XIV. befannt ift, ber h>eif;, baf; l^ier bie ®e= fd^äfte f cl^r oft l^inter bem Mdm ber orbnunggmäfiig SSetl^eiligten gefül^rt lourben, unb baj man naä^ einer gang feftfte^enben ©ef^äftg^rasig Einträge, SBefd^lüffe unb SSerfügungen an benen, burd^ beren @infj)rad^e man nid^t geftört ober gel^in« bert fein toolltc, in tieffter ©titte unb §eimlid^Ieit einfad^ öorbcigel^en lieft. §ert S^ouen (ber fidjf fd^on frül^er burd^ feine Ocfd^id^te ber reformirten Äir^en beg 2lignebet)artement§ einen rül^mlid^en S^lamen gemad^t) l^at burd^ bie ioorerwäl^nte ©d^rift unfcre Äunbe t>on htn inneren SBcr^ältniffen ber fatl^olifd^en ^ird^e granf- teid^g jur Seit genelonS unb \>f>n ben @efd^i(fen ber ^roteftanten in bamaliger 3eit in banfegtoertl^efter SBeife bercid^ert; aber bag Urt^eil, toeld^eg bie bigl^crige ©e^ fd^id^tgforfd^ung über ben ftrengfatl^olifd^en unb attc rol^e ©eloalttl^at bod^ öer- abf^cuenbcn genelon feftgefteat l^at, ift burd^ il^n mit SRid^ten alg ein irrige« ertoiefen. 2Bir tocrben nodSfmalg toeiter unten auf S)ouen'g 95ud^ jurüdCs fommen*

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muffen, auf bcffen SBtbcrfprud^ gegen il^r 35orl^aben fte barum gefaxt voax, roeti berfelbe mit tl^rer gansen inneren SebenSfül^rung (bie er eine oraison d'affection nannte) ftc^ nie einüerftanben erüärt l^atte. Um fo tieferen ®tnbrudf maä)it bal^er auf fie, als il^r 35ertot eröffnete, ba^ ii^r 3Sor]^aben aHerbingS Don ©Ott fei, uni ba^ fie in ®otteS Planten nad^ ®ej über^iel^en möge. Unb bennod^ ionnte fie fid^ mit ber »on bem SSifd^of b'älrentl^on erl^altenen Slufforberung in ii^rem §ergen noi} nid^t jured^tfinben !

©ie begab fid^ bal^er von 5ßariS in bie §eimat jurildf, nm in aller 5Rul^e bie ferneren SBinfe ©otteS abjutoarten, feft entfd^Ioffen, feinen ©d^ritt, meber jur ^örberung* nod^ jur 3Serl^inberung biefet ätngelegen^eit felbft 5U t^un. SRad^bem fie ©Ott baS ftitte „Dpfer il^reS SBiaenö" ge* brad^t, moHte fie in aller 3lul^e ben Slugenblidf abh)arten, too fie i^m aud^ ein „tl^ätigeS Dpfer" ju bringen l^aben Mrbe. Slllein fie felbft h)ar bod^ innerlid^ attjufe^r enegt, unb au^erbem mürbe fie non bem ^M, ber fid^ in ben mit il^r im 3wfammenf>ang ftel^enben fird^Iid^en ^Perfön« lid^feiten unb Greifen über bie fie bemegenben ©ebanfen lunb gab, oiel 3U lebl^aft berül^rt, als bafe fie ju einer »öttig freien 2luffaffung i^rer SebenSlage unb ber au^ berfelben fid^ für fie erge&enben ^fKd^ten l^ätte fommen fönnen.

SBä^renb fie über bie t)on bem 93ifd^of b'Slrantl^on erl^altene Sluf- forberung mit fd^toerem §er3en nad^finnenb unb mitfid^ felbft lämpfenb burd^ allerlei gef>eimni^t)otte 3lräume, meldte il^r Äreuj unb SSerfoIgung in SluSfid^t ftettten, beunruhigt toarb, erl^ielt fie einen S3rief beS ^Poter Sacombe, morin il^r' berfelbe anzeigte, ba§ er bie gottfeligften S^ng« frauen in S^^onon unb tlmgegenb l^abe für fie beten laffen, unb ba| 2lIIe erflärt l^ätten, ©Ott berufe fie nad^ ©enf. (Sine 5Ronne beS DrbenS ber §eimfud^ung fagte i^r, ber §err l^abe il^r baffelbe 3U erlennen ge« geben, l^abe i^r aber au^erbem aud^ eröffnet, ba^ fie eine ÄreujeSfd^toefter t)on ©enf ioerben mürbe. ®ine Urfulinerin lie^ il^r 3U ioiffen t^un, bo^ fte, mie i^r ©ott eröffnet, baju beftimmt fei, beä 95Iinben 2luge, be§ Sal^men %\x^, beS Ärüppete Slrm 3U fein. 5Rur ®ine Stimme äußerte fid^ bei fjrau t)on ©u^on in einer anberen SBeife, nämlid^ bie i^rcS §auSgeiftlid^en, ber fid^ ber Seforgni^ nid^t ertoefjren Ionnte, ba^ bie eble %xau betrogen toerben möd^te.

3)ie Sage ber ^au von ©u^on mar je^t eine l^öd^ft qualoolle. 6ic fagte fid^, ba^ fie gar feine Sered^tigung l&abe, jenen Stimmen, toelc^e fie i^rer göttlid^en Berufung nad^ ©enf oerfid^ern toofften, befonbereS Vertrauen 3U fd^enfen. ©ie fül^Ite in ftd^ aud^ gar feine 5Reigung, bicfcn Slufforberungen 3U folgen; üielmel^r befiel fte ein inneres ©rauen, toenn

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fte baran badete, ba^ fie il^re Äinber »crlaffen foHte. ^ann aber fagtc fie ftd^, bo^ ©Ott fte bod^ ganj erfid^tUd^ burd^ feine rounberbarcn Fügungen mä) (Senf rufe unb ba^ jene Sleflejtonen über bie eJj^aglid^Ieit bief SRuf eS rt^tä anbereg, al§ ein S3ett)ei§ il^rer „Untreue" tüären, - unb fie ent« fd^Iol fid^ bal^er 3U gelten, „wie eine ^^^örid^te, ol^ne einen Setoeggrunb unb o^ne einen S^ed il^reS Unternehmend angeben ju lönnen." S^i^^ff^i^ Kß& fie, um be§ göttlid^en SBittenä gen)iffer3u Serben, in einer ganjen Slnja^I t)on Sird^en für fx6) 5IJleffe lefen, mad^te einer ber l^eiligen Jungfrau getüeil^s ten Sird^e ©d^enlungen, unb um bie Äraft ju erlangen, ben SBiUen ©otteS augfüi^ren ju fönnen, bebad^te fie bie 2(rmen mit ben reid^Iid^ften 2lImofen.

2lber bennod^ tl^ürmte fxä) auf il^rer 33ruft tüie Serge auf, iüenn fie an bie SluSfül^rung il^reg ®ntfd§Iuffe§ badete, ^e'otx 33Iitf, ben fie t)Ott il^ren Äinbern erl^ielt, fd^ien il^r bie ^rage au§jufpred^en, 06 benn bie 3Kutter fie toirllidb t)erlaffen motte; unb aud^ bie Siebe, toeld^e fie tjon ber ©d^miegermutter je^t erful^r, fd^ien il^ren gü^en centnerfd^mere ?Jef[eln anzulegen, ^au von ©upon tourbe infolge biefer Slufregung jule^t bebenflid^ franf ; fd^ien il^r, al§ begefjre ©Ott t)on il^r ju bem Dpfer ii^reö SEBißenS aud^ bie Slufopferung il^reS Sebenä. Slber gerabe ba betoä^rte bie Sd^miegermutter. bie innigfte Siebe 5U il^r. 2)iefe ent« fernte fid^ faft nie von bem ^ette ber ©d^toiegertod^ter, unb bie %f)xäi nen, loeld^e fie oergo^, beh)iefen bie Slufrid^tigleit il^rer S^^^ifl^ng 3U berfelben. ©elbft bie böfe alte 3)ienerin, toel^e frül^er bie ©ei^el ber §rau oon ©u^on, unb toeld^e fpäterl^in in baS ^au^ mieber aufgenommen TOorben, gewann je^t eine unbegreifKd^e gwneigung ju berfelben, bebiente jtc mit auffaHenber ©l^rfurd^t, prieS fie bei Sitten aU eine toal^re ^eilige, bat fie toieberl^olt um SBerjei^ung atteg beffen, mag fie il^r UebeleS an^ get^an unb ftarb nad^ ber 3lbreife t)on grau oon ©upon, t)on Kummer unb Seue oerjel^rt.

S)er SEBinter jtoifd^en ben ^al^ren 1680 1681 'toar ftreng unb lang anbauernb, unb bie 5Rotl^ ber ärmeren Älaffen ju 5Kontargi§ raurbe baburd^ fel^r gro§, megl^alb fid^ grau oon ©utjon, von xf)xen (fel^r be« beutenben) ©aben an oerfd^ämte 3lrme ganj abgefel^en, 3ur ©penbung jal^Ireid^er Slßol^Itl^aten aufgeforbert fal§. 3ln biefem Siebeätoerle münfd^te nun fogar aud^ bie ©d^miegermutter tl^eitjuriei^men, toobei biefelbe in i^erjlid^fter SBeife mit ber ©d^toiegertod^ter §anb in §anb ging. 33eibe oerti^eilten im §aufe toöd^entlid^ 96 S)u|enb Srobe, ioobei aber bie ge^ l^eim gefpenbeten SBol^ltl^aten nod^ toeit bebeutenber maren. Slud^ burd^ biefeg SiebeSmerl ertoud^S ber grau t)on ©ugon eine neue geffel, meldte il^r bie Trennung oon ber §eimat fd^toer mad^te.

Slber baS fd^toerfte $emmni^ lag bod^ in bem ©ebanlen an bie

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Äinbcr, t)on bencn fid^ baS STOutterl^erj trennen foffte. hiergegen aber bot fie nun, um tl^un 3U lönnen, xoa^ fie al§ ®otte§ SBiUen erfannt ju l^aben glaubte, ben (Sebanlen an il^re geiftlid^e ©l^euerlobung mit bem §errn in il^rem §erjen auf. „SSerbinben mid^ benn nid^t/' fagte fie fx^, „bie ®efe|e meiner gel^eiligten ©l^eoerlobung 2lffeS ,}u »erlaffen, um 2)ir, meinem l^immlifd^en ©emal^I, 3U folgen?" Unb fie folgerte baraug, ba^ bie S3anbe, mit benen ©ott fie an fid^ gefd^loffen, unenblid^ ftärler fein müßten als jene, bie ^leifd^ unb 33lut getüoBen l^ätten.

SlUerbingS fagte il^r ber §au§geiftlid^e ber ®in3ige, bem fie il^r ©el^eimni^ ant)ertraut l^atte, ba^ fie übel beratl^en fei, ba^ fie fid| bei ben Seuten ganj geroife unbeutlid^ auSgefprod^en fjabe u. bgl. m. 3lfö fie inbeffen, l^ierburd^ in einige Unrul^e t)erfe|t, bie l^eilige Sd^rift 3ur §anb na^m unb biefelbe auffc^lug, fül^lte fie fid^ alsbalb gegen bie ©inreben beS 2^au§geiftlid^tn h)ie mit einem eisernen §arni[d^ gemaffnet. 3)enn baö erfte SBort, auf toeld^eS i^r Sluge fiel, toar biaS SBort ©otteS im 5ßrop^eten 3efaia 41, 13 14: „^d^ bin ber §err 3)ein ©Ott, ber 35eine redete §anb ftärfet unb 3U S)ir fprid^t: fürd^te 35id^ nid^t, id^ i^elfe SDir. ©0 fürd^te 2)id^ nid^t, SDu SBürmfein Safob, SDu armer §aufe Sf'^ael, id^ ^elfe ®ir, fprid^t ber §err unb S)ein ®rlöfer, ber ^eilige in Sf^ael."

3^re Heimat ju oerlaffen unb i^re §ütte bafelbft absubred&en toar fie nun jiüar bereit; ba^ baffelbe aber gerabe um ber 9leufatl^olif innen ju ®e^ toillen gefd^el^en foHte, moHte il^r nod^ immer nid^t in ben Sinn, ©ern l^ätte fie eine Steigung ju benfelben in il^rem §er3en gefunben; fie fud^te fie aber barin oergebenä. 2)ie Slnftalt, ioeld^e fie ju ?J5ariS gefeiten, toar il^r toibermärtig, toeil il^r ber ©eift berfelben fremb mar; unb fie tou^te 3U gut, ba^, twenn fie mit einer fold^en 3lnftalt fxi) t)erbinben follte, fie ien ^rieben il^reS §er3enS oerlieren mürbe.

Söenn fie friil^er an eine Ueberfieblung nad^ ©enf gebadet, fo roax 'xf)xe 3Jleinung bie geloefen, ba^ fie bafelbft auf bie einzelnen Äat^olifcn meldte ate SDienftboten ober in anberen SebenSoerl^ältniffen gerftreut in ber ©tabt tool^nten, il^r Slugenmerl rid^ten, fid^ ein IleineS 3^«^"^^ mietl^en unb eine gan3 ftille SBirIfamleit im ©inne il^rer SKpftif beginnen tooHte. 3)a fie atterlei ©alben 3U bereiten, SEBunben ju Derbinben unb ©cropl^eln 3U l^eilen Derftanb, fo l^atte fie gel^offt, mittelft berartigcr SBo^ltl^aten ba§ Vertrauen ber Seute getoinnen unb baburd^ biefelben bem inneren ©ebetsleben 3ufül^ren 3U lönnen, unb 3mar in ben Greifen, bie ber Äird^e bereits angel^örten, il^r aber burd^ bie Ungunft ber SSer« l^ältniffe biefer proteftantifd^en ©tabt entfrembet 3U toerben brol^ten ober lüol^l fd^on gar entfrembet toaren. S^^t bagegen foKte fie einer ßongrc«

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gntton jtd^ cinDerieiScn, bic eine roefcntlid^ propaganbifttfd^c Icnbenj §attC; toobei, toie fic melleid^t in ?ßart8 gcfd^cn l^aben mod^tc, nur allju leidet eine ©d^aufteffung fatl^olifd^cr Stömmigleit t)orfommcn fann, unb baä roat cö, toaS il^r im inncrften fersen toiberftrebtc.

@^e fte bcn cntfd^eibenben ©d^ritt tl^at unb bie S^i^ütc xf)x^^ $aufe8 für immer l^inter jid^ fd^Iofe, mujte fie icbenfallS bie ©d^loefter ©arnier in 9Rontargi§ fpred^en. Sa fie felbft gerabc in jenen 2^agen . onberg« tool^in ju reifen gcnöt^igt unb bal^cr nad^ $ßariS ju gelten cer^inbert war, fo bat fie bie Sd^toefler ©arnier brieflid^, ju iör ju lommen. ©ie« felbe tarn aud^ unb blieb hjol^l x)ier 2^age bei i^r. ?frau t)on ©u^on ^offte, ba^ bie ©d^toefter fie 3U il^rem neuen SeftimmungSorte l^inbe« gleiten unb i^r bort ,^ur ©eite ftel^en mürbe. 2)iefer Hoffnung l^atte fie in fo beftimmter SBeife 2lu§brudf gegeben, ba^ bie ©d^toefter ©arnier annel^men mu^te, biefelbe toürbe, faffä fie il^re ^Begleitung t)erfagte, i^rcn ®ntfd^Iu^ nad^ ©ej ju ge^en, fallen laffen. Slber bennod^ erflärtc ©d^toefter ©arnier am Dierten %ag,e, ba^ fie ^J^au von ©u^on nid^t be« gleiten lönne. hierüber auf's §öd^fte betroffen, ging biefelbe eine SQSeile mit fid^ 3U Statine; bann aber erflärte fie: „®3 ift nid^t Ql^retroegen, ba^ id^ l^ingel^e; beSl^alb merbc id^ aud^ ol^ne ©ie bort fein."

fjrau oon ©u^on orbnele nun il^re älngelegenl^eiten unb fe^te ben ®nttourf etne§ 6ontrafte§ auf, ben fie mit ben ^Reulatl^olilinncn einju^ ge^en gebadete. 2)abei taud^ten inbeffen immer lüieber SSebenfen in i^rer ©eele auf. §errn S3ertot freiKd^ lonnte fte nid^t mel^r 3U Statine jie^en, bcnn berfelbe toar T)or einigen 9Jlonaten entfd^Iafen. (S3 toar il^r aber, als l^abe er abfd^eibenb feinen ©eift auf fie übergel^en laffen, bamit fie feinen geiftigen Äinbem bie §anb reid^e. ®§ lam il^r je^t x)or, afö ^abe fie ein Unred^t getl^an, fid^ ju ©unften ber 3leuIatl^oIifinnen beffen }u berauben, toaS fie für ©enf beftimmt l^atte. 2)ann aber l^ielt fie biefen ©ebanlen lieber für einen S^rug beS gleifd^eS, unb fie lie^ nun burd^ bic ©d^toefter ©arnier ju 5Pari§ auf ©runblage i^reg erften ßntmurfeS einen SBertrag auffegen, ben fte fpäter , afö fie il^re SSetl^örung er^ fannte, bitter bereute.

$. 8.

nebetftebelung ber ^au oon ®u)f^n in bie Siocefe ®enf.

©omeit tt)ar nun 3ltteS jur Slbreife Dorbereitet. ^au x)on ©u^on begab fid^ junäd^ft nad^ ^ari§ unb anfd^einenb ^atte fie fid^ nur jur SHeife bort^in gefd^idft, um balb in bie §eimat^ jurüdfsufe^ren, mcS^alb

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fte aui) SBafd^e unb AletbungdftüdCe nur in bem geringen SSorratl^e mit- nal^nt, ber )u einer Steife na^^arid erforberlid^ roax.

S)afelbft angelomnten, begab jte fid^ fofort ju ben Sleufotl^oHIinnen, bie allein von il^rer beabjtd^tigten Steife nad^ (Senf wußten, hierbei 3eigte eS ftd^ aber fofort, bafe fte ftd^ auf SBege l^atte fül^ren laffen , auf benen fie ftdb h)ie in ber 3h:re uml^ergel^en fa^. ÜRan lie^ ben Slotar lomnten, ber il^ren ßontralt mit bem SSereine gu ©e^c aufgefegt l^atte. SWS i^r berfelbe porgelefen rourbe, füEilte fie ein fold^eä inneres SBiber- ftreben, ba^ fie erflärte, eS fei il^r nid^t möglid^, benfelben bis ju ®nbe anju^öreU; gefd^toeige benn benfelben ju unterjeid^nen. 2)er 3lotar nju^tc natürlid^ ein foId^eS SSerl^alten ber SDame nid^t 3U Derftel^en, toar aber nod^ mel^r überrafd^t, als bie ©d^toefter Oamier erllörte, ba^ eS einer fd^riftlid^en 3SerpfIid^tung gar nid^t bebürfe.

3BaS grau t)on ©upon bamatS innerlid^ aufrid^tete unb roaS i§r 3Kut^ gab; tro| il^rer 3lbneigung gegen bie ©emeinfd^aft ber Sleulatl^os lilinnen nad^ (Senf ju gelten, toar ber feit einiger 3^i* P^ befd^äftigenbe ©ebanle, ba^ (Sott il^r für biefe ©tabt eine Aufgabe 3un)eifen werbe unb ba^ biefelbe t)ieffeid^t burd^ fte Don ber Äe^erei crlöft unb jur Äird^e jurüdfgefül^rt werben lönne. „^a 33u fd^öne ©^abt ®enf/' rief fte fro^- lodtenb auS*) , ®u lüirft in ©einen SKauem bie 2Ba^rl§ett auf's SRcue er« blül^en feigen, toeld^e ber Qlrrtl^um barauS verbannt l^at. 3" 2)einctn §eUe hjerben fid^ bie fd^önen SBorte betoal^rl^eiten, bie an 3)einem Status l^aufe angefd^rieben flnb: „,/5lad^ ber ginftemi^ baS Sid^t""; unb ob* xt)of)l ®u fie je^t im ganj entgegengefe|ten ©inne Derftel^ft, fo bleibt es bod^ geroijs, ba^Sid^ einft bie gadfel ber SBal^r^eit erleud^ten unb ber fd^öne Stempel 5ßetri ben ©egen ^aben toirb, in feinem ©d^oo^e unfere l^eiligen (Sel^eimntffe bergen ju fönnen!"

Slad^bem nun äffe Vorbereitungen jur 3l6rcife oon ^ßariS getroffen waren, brad^ ^au t)on ©u^on bie SSrüdfe l^inter ftd^ ab, bie fte bis je^t mit ber ^eimat nod^ t)erbunbcn l^atte; fte fd^icb aus äffen ben fo überaus günftigen SebenSt)erl^ä(tniffen auS, oon benen fie bisl^er umgeben getoefen toar unb nal^m ben 5|Ji[gerftab in bie §anb, um, affer äußeren ©tü^en beS SebenS beraubt, in einem fremben Sanbe einer bunleln unb uufid^ern 3ulunft entgegen 3U gelten.

S)ie ©d^toiegermutter unb äffe il^re Seute in ber ^eimat al^nten Don bem älffen nid^ts.

9Rit großem ©d^mer3e trennte fie ftd^ Don i^rem jjüngften ©o^ne;

♦) Öio0rat>l^ie, I, xxx, so.

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bod^ ^atle fie bcnfclben bctn ©d^u|c ber Jungfrau gehjcil^t unb ftc glaubte il^n ballet in fo guten ^änben ju h>iffen, boi^ eg il^r .^eine ä3eleibtgung bcr ^immetelönigin gefd^icnen l^aben totirbe, in beten Befonbcte güvforge für biefeS Äinb einen S^^^f^^ fe|cn."

3n biefem Oebanlen trat nun fjrau oonSu^on (am 2. 3uli 1681) bie Jleife mit il^rem nod^ nid^t fünfjährigen S^öd^terd^en an, unb ^toax, um für ben %a\i, ba^ i^re l^eimlid^e 2lbreife entbedft unb \f)x nad^geeilt toürbe, il^re 2?erf olger irre ^u führen, nid^t in ber SDiligence, toeld^e fie Seja^It l^atte, fonbem ju SBaffer. ^n if)xex Segleitung befanben fid^ bie Sd^toefter ©amier unb jtoei 3Jlägbe. 2lu^erbem reiften nod^ jh)ei anbeve Sd^toeftern mit, roeld^e fid^ bem SSereine ju ®ej anfd^Iie^en roottten. 3n 3KeIun, mo fid^ bie ©d^toefter ©amier oon i^r trennte unb nun bie Beiben anberen, il^r unbelannten ©d^meftern il^re Segleiterinnen hjurben, beftieg jte bie SDiligence.

93on ba an tt)ar ^au Don ©u^on erft red^t Don bem SetDu^'tfein erfüllt, ba^ jte älEeS t^erlaffen l^atte, tt^aS i^r bigj^er gel^ört unb ba^ bie biSl^erigen 33anbe i^reS äußeren SebenS jerriffen toaren. SDSol^I erfaßte il^r §erj ein Sammer, tüenn fie badete, toaS nun auS ben fiinbern loerben foffte; aber fie tröftete fid^ alsbalb mit bem ©ebetSroort: ,,§err, ^ei^t baä ®ttoaS t)erlaffen, wenn man eS S)einetn)iIIen tjerläfet?" ^ol^en 3Kutl^e§ ful^r fie bal^er toeiter in bie frembe SBelt l^inein, fid^ je^t fo red^t in ben fd^ü^enben ©d^oo^ ber SSorfel^ung ©otteS ^ineinlegenb, ber i§r „mie bie ^euerfäule in ber 9lad^t unb bie 93BoIIenfäu(e am Sage" erfd^ien.

%tm ^on ®tt9on im Steulat^onfinnen^aufe )u ®e]r*

am 21. Suli, am äCbenb oor bem 3DlagbaIenentage 1681, traf fie enblid^ in ännecp bei bem SSifd^of x)on ©enf ein, 9lm folgenben S^agc, nad^bem fie baä oon bem Sifd^of gel^altene ^ßontififalamt angcl^ört unb i^ren Sunb mit bemS^fuSRnbe erneuert l^atte, begab fie fid^ nad^ ©enf, too fie am barauffolgenben 3^age ber SWeffe im $aufe beä franjöfifd^en Äefibenten beitool^nte. ©ie nal^m l^ier bie ßomraunion unb büete für bie Selel^rung biefeS großen SSoIIeS. 3lm fpäten 2lbenb beffelben 3^ageS traf fie in ©e^ ein, too fie jebod^ fd^on bei il^rem Eintritt in baS Sieu^ fätl^oIilinnenl^auS fid^ in fd^merjlid^er SBeife enttäufd^t fa^, inbem fie l^ier nid^t, tpic i^r ber Sifd^of gefagt l^atte, ein tool^Ieingerid^teteS ^auStoefen,

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fonbem Iccrc SBänbc fanb. gut bic crfte 5Rad^t %ttoSfycten i^x bic Barm' l^ctjigcn Sd^tocftcm in intern Älofter ein Unterlommen, ottcin für bie ^ftcgc il^r^S ÄinbcS fcl^Ite e8 faft an 3lIIcm. ©d^on jc^t bcfd^Iid^ ftc ber ®eban!e, ob am ®nbe nid^t bcid ^inb ein burd^ il^re Unbefonnen^eit l^ingefd^Iad^teteS Dpfer fein toerbe. ©ie toolltc ballet baffelbe ju ben Urfulinetinnen in 3^^onon bringen; allein man l^ielt fte in jiemlid^ un- jatter 3Beife ^ierDon ab. J)al^er bat fie ben $atcr Sacombe in einem SSriefe ffe^entlid^ jur Siegelung il^rer SSerl^ältniffe nad^ (äey ju fommen.

$ater Sacombe l^atte in3toifd^en bereits oon bem 95ifd^of bie SBeifung erhalten, fid^ ungefäumt nad^ ®ej 3U begeben unb ber %xavL von .(Su^on troftreid^ jujufpred^en. 35erfelbe leim, grau von (Supon fa^ i^n unb Don bem ®inbrudte feiner ^erfönlid^Ieit mürbe bie fo leidet erregbare grau alSbalb überlüältigt. SJiefer fd^ien il^r mirllid^ ber SWann ®otte§ ju fein, ben fie biSl^er gefud^t, aber nid^t gefunben l^atte. mar il^r, „atö oB eine ©nabenmirlung oon il^m an^ bem 3[^nerften ber ©eele 3U il^r übcr^ ftröme" unb fie mit il^m in tounberbare innere (Scmeinfd^aft fe^e.

2)a grau oon ©upon eine fold^e Sereinigung meber jemalö gcfannt, nod^ oon einer SWöglid^Ieit berfelben l^atte reben l^ören, fo mar il^r bie ©rfal^rung berfelben etlüaS Ueberrafd^enbeS unb 9ieueä, toaS au§ i^rer Seele allen Kummer oerf^eud^te unb fie in tiefen grieben oerfenfte. S)enn ba^ biefe 3Sereinigung oom ®eifte ©otteS geh)irft fei, marb i§r ani ber ©rfal^rung Ilar, ba^ biefelbe ifjtc ©eele, ftatt fte oon ®ott ai-- jujiel^en, nod^ tiefer in bie ®emetnfd^aft ®otteg ^ineinfül^rte. grau oon ®u9on fül^Ite eS, ba^ fie auf bem SBege il^reS inneren SebenS eine neue ©tufe erftiegen, auf ber fie inbeffen 3U einer l^öl^eren ©tufe, jum ©tanbe ber Unerfd^ütterlid^Ieit, nod^ I^in3uftreben l^abe ; ba^ alfo il^r gegcnmärtiger Staub erft nod^ „ein merbenbeS geben unb ein merbenber %aQ mr, meld^er immer 3unimmt unb an Äraft gewinnt biö 3um 3Jlittag ber ^err^ lid^Ieit, bis ju bem Sage, bem leine 9lad^t folgt, bis ju bem 2e6en, baS ben 2:0b im S^obe felbft nid^t fürd^tet, meil ber %oi ben %o\> über* munben^at, unb meil 5Der, meld^er ben erften erbulbete, ben 3njeiten nid^t fd^medfen toirb."

UebrigenS bebeutete ber 5ßater Sacombe bie grau oon ©u^on, ba| fie i^r Slöd^terd^en nad^ S^l^onon bringen möd^te, loo baffelbe fe^r gut aufgel^oben fein mürbe; unb als fie ftd^ gegen il^n über il^re äbneigung •gegen ben SJerein ber SReufatl^olilinnen auSgefprod^en, mad^te il^r berfelbe bemerflid^, er glaube nid^t, ba^ ®ott fie in biefe ®enoffenfd^aft berufen ^abe. ©ie möd^te bal^er oorläufig, ol^ne beftimmte SSerpflid^tungen, bei ben Sleulatl^oliünnen bleiben unb eS in aller Stulpe abmatten, toeld^e

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Sßtnfe tl^r ®ott geBen werbe. Sie tonne ja übrigens im ®eBete ®ott fragen, ioaS @r in btefent Sanbe t)on il^r forbere.

$ater Sacontbe blieb 3n)ei ^age in ®es; aber fd(|on in ber erfien 5lad^t nad^ ber erften Begegnung ber ^au oon (Su^on mit bemfelben mad^te jtd^ an biefer bte ganj etgenti^ümlid^e innere Erregung, in toeld^er ftc burd^ biefeS 3ufammentreffen »erfe^t toar, bemerllid^. Um 50littemad^t ertoad^te fie, alg l^abe fie S^vnanb auS bem ©d^Iafe aufgerüttelt, toobei i^r h)ie ein $fetl ba§ SBBort ber ©d^rift burd^ bie Seele fu^r (5ßf. 39, 9) : „im ainfange beS Sud^eS ift t)on mir gefd^rieben, ba^ id^ Seinen SBiUen oerrid^ten foff" ; unb als fie nun ber 3Ra]^nung beS ?ßaterS gebadete, ba^ fte ©Ott um feinen SBiUcn im ©ebet befragen möd^te, ba mar il^r plö^lid^, al§ l^öre fie in ber 3)iefe il^rcr ©eele fpred^en: „2)u bift $etru§, unb auf biefen gelfen tüitt id^ bauen meine ©emeinben; unb tote ?Petru§ am Äreuje ftarb, mirft aud^ 2)u am Äreuje fterben." Slun glaubte fie ©otteS SBillen t)ernommen ju l^aben. ©te fanf auf il^re Äniee nieber unb blieb in biefer ©tettung bis t)ier U^r 5IKorgenS, in ein tiefes rul^igeS Seten t)erfenft. 2llS grau Don ©ugon nad^ ber ^ül^meffe bem ?Pater Sacombe bat)on erjäl^lte, meinte biefer > bafe baS angeblid^e näd^tlid^c ©rlcbni^ Slid^tS getüefen fei unb ba^ fie fid^ getctufd^t l^abe; a6er am folgenbtn SWorgen nad^ ber SKeffe fagte i^r ber?ßater, er l^abe je^t bie fefte Ueberjeugung , ba^ fie ein ©tein fei, ben fid^ ©ott jum ©runbftein eines großen S3außS ermal^lt l^abe. SDer fromme 5ßater badete an bie SHegeneration beS religiöfen SebenS ber Äird^e, meldte er t)on ber quietiftifd^en SW^ftif juoerfid^tlici^ l^offte.

^au oon ©u^on brad^te nun i^r Xöd^terd^en, toeld^eS }u bem $ater Sacombe eine järtlid^e .Zuneigung fa^te, nad^ 2ll^onon. ^ier lernte fte einen ©infieblcr lettnen, ©ruber SlnfelmuS genannt, ber burd^ feine feltene SlScefe in ben Sftuf großer §eiltgfeit unb fogar loirllid^er SBunbertl^ätigfeit gefommen toar. 6r mar aus ©enf gebürtig, l^atte im jtoanjigften SebenS^ jal^re baS ©etoanb eines ©infieblerS beS ^eiligen Sluguftin angelegt unb tool^nte mit einem anbern SSruber ganj allein in einer Keinen Älaufe, roo bie beiben ÄlauSner Sitemanben fprad^en als SDiejenigen, toeld^e" bie ßapeKe }u befud^en gelommen toaren. ©d^on feit 12 i^lal^ren bemo^nte er biefen Drt, too er nur ©emüfe mit ©alj unb jutoeilen etmaS Del geno^. 9lie l^atte er fid^ in biefem S^xixanme ^Jleifd^ ju effen erlaubt, nod^ l^atte er jemals SEBein an bie Sippen gebrad^t. SDreimal toöd^entlid^ faftete er bei ffiaffet unb S5rot unb gemöl^nlid^ l^ielt er in 24 ©tunben nur eine einsige ^al^ljeit. @in grobes, l^äreneS ©emanb mit eingemebten pferbe^aarenen ©d^nüren umfleibete il^n, unb fein Sager toaren blo^e öretter. 2ld^t ©tunben täglid^ toibmete er bem ©ebet unb anbem 3ln-

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bad^tsübungen. Z)erfel6e nmtbe nun burd^ ben $ater SacomBe mit bet %xan t)on ©u^on unb mit beten ©ebonten unb 93eftre6ungen beionnt %emaä)t, bte il^n au^etorbentlid^ befd^öftigten. Salb l^atte er ballet ein auf %tavi Don ©u^on bejüglid^ed munberbored ^^raumgeftd^t, toeld^ed er biefer mittl^eilte. 6r fd^autc fte, toie jte in einen braunen 5Wantel ge* l^üSt nieberhtiete unb mie i^r bann ba§ $aupt abgefd^lagen, biefeg aber al§balb lieber mit bem Röxiptx Dereinigt toarb, toorauf ber Seib in ein n)et^e§ ®en>anb geüeibet unb mit einem rotl^en Hantel gefd^mücft, träl^renb auf bte ©tim ein Slumenfranj gelegt marb. ©benfo fal^ er, tuie ber Jtörper beS ^ater Sacombe gefpalten, bann fogleid^ toieber ju- f ammengefügt unb feiner Äleiber beraubt toarb unb toie er l^ierauf, in ben ^änbcn einen 5PaImen3toeig l^altenb, ebenfalls mit bem toci^en ®e- toanbe unb bem rotl^en 3Rantd gefd^müd^ marb. @obann fal^ er 99eibe in ber Stalle eined SorneS ftel^en, au3 toeld^em fie unjäl^lige auf fte }u^ ftromenbe Söller )u trdnien bemül^t maren. hierauf entfd^toanb ba§ ©ejtd^t.

2)iefe unb äl^nlid^e SRittl^eilungen, meldte %xm oon ©u^on t)on Joet-- fc^iebenen ©eiten erl^ielt, trugen baä il^re baju bei, in il^rer ©eele ben ©ebanfen ju befeftigcn, ba^ fte von ©Ott 3U einem beftimmten SDSerfe ermäl^It fei unb ba^ baS fireuj beS 2eben§ ii^r Sol^n fein werbe.

tiefes Aren; l^atte fie nun alsbalb mieber in allerlei SBeife )u er^ tragen. ÜRit unfäglid^er ängft fal^ fte auf il^r a;öd^terd^en §in, toeld^cS fie ju 3:i^onon jurüdElaffen mu^te, unter mangell^after 5ßf[ege unb in einer Umgebung, in ber man laum bie franjöfifd^e ©prad^e ocrftanb, inbembic faoopfd^c SanbeSfprad^e eine anbere h>ar. ^^^ Vereine ju ©ej fül^lte fie fid& von Slnfang an fremb. ©ie l^atte bemfelben bereits bie größten Dpfer gebrad^t. 9leuntaufenb SicreS l^atte fie bemfelben von ^aufc mitgebrad^t, toooon fed^Staufenb Siores fofort 3ur Slbtragung einer ©d^ulb t^erroenbet toorben maren. Slu^erbem l^atte fte atterlei fird^ltd^en ©d^mudf , 3. S. einen Äcld^, eine fel^r fd^öne ©onnc oon t)ergolbeter ©maitle, filberne ©d^üffeln, einen Sedier unb anbereS toaS nod^ fel^lte, gefd^enft. ©ie l^atte nid^t einmal il^re Seibmäfd^c auSfd^lie^Ud^ für [\6j beimaßen, fonbem biefelbe in bem gemeinfd^aftlid^en ©d^ranle ber ©d^tocftern jur Sluf = betoal^rung niebergelcgt. 3llS fte nun aber ju ©ej infolge ber anftrengungen ber Steife unb ber fpäteren Slufregung fd^mer erlranite, erfuhr fie jum 5Danfe für atte biefe SiebeSgaben bie nad^läfftgfte ^ege. 3u einer 3eit Wo fte felbft nid^t über einen fetter verfügen lonnte, toeil alle bie be* beutenben ©clbfummen, tocld^e am granlrcid^ für fte einliefen, ber Äaffc *»es Kaufes jufielen, tourben i^r felbft bie mefcntlid^ften Sebürfniffe oor« galten. SluS il^rer ^eimatl^ erl^ielt fte, feitbem man l^ier von il^rer

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§rittiKd^en StBreifc mi) ®cnf Äunbc erl^altcn l^atte, fottn)Sl^rettb bic auf« rcgenbftcn Sricfc. * 3^r $al6brubcr, ber ^atcr bc la SRotl^c, fd^ricB il^r, ba^ il^tc l^ctmKci^e SRctfc nad^ (Senf t)on ©clcl^rten unb fRidJtgcIel^ttcn, t)on SbcKeutcn unb Stttgcrn, t)on (Sctftltd^cn unb SBcItlid^en als unDcrjcil^« Kd^c Unbefonnenl^ett gerügt tüerbe unb ba^ (toaS ntd^t ganj toal^t roat), il^re ©d^tütegermutter bartiber ünbifd^ gcnjorben fei. (ättoa t)ter SBod^en nad^ il^rer Slnfunft in ©ej crl^telt fte t)On il^rer fjamilte ein @d^rei6en, h)orin pc aufgcforbert tourbc, fid^ ntd^t nur beS il^r als 5Dlutter abeliger ffiinber julomntenben SSomtunbfd^aftSred^teS (garde-noble) 3U begeben^ fonbem ber anjuorbnenben SSormunbfd^aft aud^ il^r gan3eS SSermögen mit 35orbcl^aIt eines i^r 3U jal^Ienben 3ial^rgeIbeS einjurfiumcn. ^n biefe gorberung, fo ungered^t fie auc^ war/ befd^Io^ %ta\x tjon ®u^on einju« roittigen, inbem fte fid^ fagte, bafe fie baburd^ bem bürftigen unb von allen 3)ingen entblößten Seben beS S^fuSlinbeS gleid^ Serben toürbe. infolge bcffen würbe il^r auS ^anfreid^ eine Urlunbe tiberfanbt, burd^ bereu Untcr3eid^nung fie auf eine jäl^rlid^e Slente t)on 40,000 ßioreS t)er3id^tete. 3n ber Urfunbe ftanb unter anberen il^r nad^tl^eiligen Seftimmungen, ba| fie, falls il^re Äinber ettoa fämmtlid^ mit bem 3Iobe uor il^r abgelten würben, fie nid^t bie Srbin il^reS eigenen SSermögenS fein, fonbern biefeS tjiclmel^r il^ren näd^ften SJertoanbten (Colleratereaux) jufaHen fotte. Sie l^attc jebod^ bie Urlunbe unter3eid^net, ol^ne auf beren Snl^alt im ©injel« neu weiter 3U ad^ten.

3ln bem Sifd^of b'Slrantl^on 3U Slnnecp l^atte fie feinen SIrofi ©er« fette befud^te fie afferbingS unb erllärte fid^ mit allen il^ren ©ebanfen unb ajeftrebungen eint)erftanben ; allein fo too^gefinnt ber Sifd^of gegen iie aud^ tüar, fo fd^toad^ toar er aud^, unb eine ©tü|e lonnte %xa\i oon ®U9on barum an il^m nid^t finbcn.

3)er ®tn3ige, an ben fie fid^ 3üt)erfid^tlid^ l^alten lonnte, bon bem pe IHati) nnb Sciftanb erwarten burfte, war bal^er ber ?ßater ßacombe. ^ jener fd^weren Äranll^eit, r>on ber fie ju ©ej befatten tourbe, ließ fie bo^er benfelben burd^ bie SSorftel^erin beS ©aufeS ju fid^ bitten, junäd^ft um Dor il^m Seid^te absulcgen. 3)er fromme 5Priefter l^atte laum biefe äufforberung erhalten, als er fid^ fofort nod^ am fpäten 3l6enb (feiner ®eh)ol^nl^eit nad^, um aud^ l^ierin bem §errn nad^3ufoIgen) 3U %u^ auf« mad^tc unb bie ganse Slad^t l^inburd^ wanberte, um fd^on am folgenben 3Rorgen fo frül^ als möglid^ in ®ej fein ju lönnen. S)er bisl^ertge 3Ser- Iciuf ber Äranll^eit unb bie freubige ©rregung, in weld^e ber Slnblidt beS ocre^rten ?IHanneS bie Äranfe oerfe^te, brad^ten eS mit pd^, baß pd^ beren ^epnben alsbalb befferte, worin %xavi oon ©u^on eine gar nid^t ju be« ftreitenbe SBunbertl^at beS frommen 5ßatcrS fal^ (was bie reformirten

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Xevjte, von benen fie 6el§anbelt iootben ioor, fretlt^ ntd^t 3ugeben tDoDten).

3>a 9on ber ftranf^eit nod^ ein l^eftiger ^uflen }urüd(ge6Iteben toat, fo rietl^eii il^r bie ©d^toeftem, füt ett^a merjel^n %a%e }um ©ebraud^e einet SRüd^fut nad^ 2^l^onon ju gelten. SSon ^erjen gern folgte f^au t>on ©upon biefem Statine unb ful^r oon ®enf auf einem ©d^iffe über bie blauen äBogen beg @ee§ mit bem $ater Sacombe nad^ ^l^onon ab.

^ier, tt>o ^au von ®ur)on i^r geliebtes Xöd^terd^en n)ieber an il^r ^erj brüdtte, entfd^Io^ fid^ biefelbe roieberum, einen für il^r ferneres Seben bebeutungSDoEen unb entfd^eibenben Sd^ritt )u tl^un. 3Ba3 fie nömlid^ frül^er nur jeitn^eilig gelobt l^atte, baS übemal^m fie je|t als eine fie für il^r ganjeS Seben binbenbe SSerpflid^tung , inbem fie baS ©elübbe immerwäl^renber Äeufd^l^eit, Slrmutl^ unb Dbebienj gegen ©Ott unb bie Aird^e, jum S^^^^ DoKIommener ^arfteKung unb SSerl^errlid^ung beS armen ÄtnbeS 3«fwS feierlid^ft ablegte.

grau oon ®U9on befd^lo^ nun eine Sleil^e oon 2^agen gu il^rer inneren ©ammlung in Sl^onon ju oerbleiben. S)iefe Sage unb bie näd^ftfolgenbe 3^^^ l^atten für bie religiofe SebenSenttüidfelung ber S)amc i^re befonberc Sebcutung. 3)urd^ 35ricfe aus 5PariS unb aus anbercn Drten ^Jtanlreid^S toar fie barüber benad^rid^tigt raorben, ba^ man in ben bortigen frommen unb oornel^men Greifen aHmä^id^ eine gered^tcrc Se* urtl^eilung ber 3Dlotioe il^rer l^eimlid^en älbreife nad^ ®enf getoonncn l^atte. 5Dlan ^atte es eingefel^en, ba^ bem ©ntfd^lu^ ju biefer Steife ein gewiffer religiöfer ^eroiSmuS ju ©runbe lag, ben man bod^ betounbern mufete. SKuc^ glaubte man in atten frommen Greifen ju 5ßariS, in benen bie quietiftifd^e SRpftil l^eimifd^ h^ar, toaS man l^atte fagen l^ören, ba^ näntlid^ grau oon ©upon, fd^toer erlranft, burd^ ein gan3 erfid^tlid^eS SBunber ©otteS, toaS ber gottfelige Sacombe an il^r getl^an, gcl^eilt morben fei. ©ie erl^ielt auS granlrcid^ jal^lreid^c 33riefc, in benen fte betounbert, 3ur SluSbaucr ermal^nt unb als ein ertoäl^lteS SDSerlseug ©otteS oerl^errlid^t warb. ®S mürben il^r» aud^ jur görberung ij>rer Scftrebungen in bem Vereine ju ®e^ ©elbfummen überfanbt unb fernere Unterftü^ungen ju- gefid^ert. ^n ^ariS moHte man einen Serid^t über i^re Steife nad^ ©es unb über il^r bortigeS Sffiirfen mit befonberer §eroorl^ebung beS an ibr gefd^el^enen StBunberS oeröffentlid^en (moju eS inbeffen nid^t lam).

Offenbar trug baS 2lIleS baju bei, in bem ^erjen ber grau oon ©u^on ben ©lauben an il^ren befonberen göttlid^cn Scruf nod^ mel^r 3U befeftigen. ®inen fold^en glaubte fie nun 3unäd^ft unb gan3 befonberS gegenüber bem 5ßatcr Sacombe 3U l^aben.

grau Don ©upon oerel^rte in bemfelben SDen, Itjeld^er er mirflid^

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war, ben burd^ ®ottc§ ®cifl tüiebcrgeBorencn ß^riftcn, bct in ticfjlcr ©emutl^ feine SBegc ging, bet burd^ bic Sautcrieit feines SBSefenS unb burd^ ben ®tnft feines SBirlenS fid^ bie $erj«n Unjäl^Kget genjonncn l^ottc unb ber üBeratt, mo man il^n fannte, als ein \t>df)xev 2)iener feines ®otteS gepriefen warb. 2)aBei aBer erfannte bod^ grau t)on ©upon ben ©cgenfal, ber jraifd^en bem religiöfen SeBen beffelBen unb il^rem eigenen ScBen im „nadften ©lauBen" oorlag. ®S mar biefeS ber ®egenfa| ber actioen, mit ber 5Dlebitation aBtoed^felnben, unb ber paffioen, allein auf bcm „nadften" ©lauBen Berul^enben ßontemplation. 3)ie le^tere mar in ben äugen ber grau von ©upon bie unBebingt l^öl^ere, DoHfommenere unb l^eilfamerc Sleligiofität, unb in biefen ©tanb ber SSofflommenl^eit ben rer^ ehrten ?Pater fid^ erl^eBen ju feigen toar bal^er baS inBrtinftigfte 38erlangen berfelBen. SlHerlei ßcid^en unb 3^räume, meldte fie l^atte, mad^ten fie nun barüBer attmäl^Iid^ geiüi^; ba^ bem frommen ^ater bie Srl^eBung in ben ©tanb beS naiten ©lauBenS, in meld^em ber Gl^rift feines ©lau^ Bens leBe ol^ne t)on ber ®nabe etmaS 3U l^offen, o^ne von ber ®nabe etwas ju erflel^en unb ol^ne üon ber ®nabe etroaS ju empfinben, nad^ bem SBitten ®otteS eben burd^ fie ju S^l^eil werben foffte.

©leid^lool^l toagte fie in 2^l^onon biefeS gegenüber bem oon i^r fo l^od^öerel^rten SJlanne nod^ nid^t auS.^ufpred^en. ßrft als berfelBe einige 3eit nad^l^er jur Siegelung Befonberer Slnbad^tSüBungen im ©d^tüefterl^aufe nod^ ®ej lam, fül^Ite fie fid^ l^ierju ermutl^igt. 21IS berfelBe fid^ eben }ur SKeffe üorBereitete, näl^erte fie fid^ il^m, als mottte fie vor if)m Scid^te aBiegen, feierlid^ft mit ben StBorten: „mein SBater, ber ^err roiH, id^ fott Sinnen erllären, ba^ id^ 3l^re ®ndbenmutter (möre de grace) fein fott; baS übrige toerbe id^ ^fyxen nai) bem ®otteSbienfte fagen." SluS einem 2^raumgefid^t glaubte fie au^erbem erfannt ju l^aBen, ba^ Bereits jtoifd^en ber religiöfen SeBenSentroitfelung beS 5ßaterS unb il^ren eigenen ®efd^iien nad^ göttlid^er gügung ein gemiffer 3wfammenl^ang beftanben l^aBe, toaS il^r burd^ bie ©eftänbniffe, bie ber $ater nad^ Se* cnbigung ber 3Reffe ablegte, nod^ Beftätigt iDarb. 3)erfelBe erfud^te'fte beider il^re ®ebanlen über baS SeBen beS nadften ®IauBenS 3U feiner SeieBrung aufjujeid^nen. infolge beffen fd^rieB grau t)on ®U9on il^re (SrftlingSfd^rift „00m ®lauBen" (Discours LXIL in ben Discours spiri- toels et chretiens, Tom. I). Qnbeffen fättt bieS in eine fpätere 3^i*-

511s grau t)on ®u9on il^ren ätufentl^alt in 3:i^onon Beenbet, fu^r biefelBe junäd^ft nad^ @enf, too i^r ber franjiJfifd^e Sflefibent jur gort^ fc^ung il^rer Steife nad^ ®ej eins feiner ^ferbe jur S)iSpofition ftettte. 9Jlan l^atte fie oerftd^ert, ba^ fie fid^ bem burd^auS frommen unb lenf« famen 2:i^iere unbebenflid^ anvertrauen lönne. Äaum aBer toar grau uon

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©u^on, btc nod^ nie ein $fcrb befücgen, aufgcfejfcn, als ba§ 3^l^ier tn* folge eines mutJ^milKgen ©d^IageS, ben ein jur ©eite ftel^enbet ^uffd^micb gegen baffelbe füi^rte, wilb auffptang. ^au oon ©u^on roitrbe ballet mit fold^er ^eftigfeit l^erabgcfd^Ieubert , ba^ fte, auf bie ©d^läfe fattenb, einen Sadenlnod^en unb jtoei ß^i^ne jerbrad^. 6s bauerte lange, bis pe fld^ T)on biefent fd^toeren %QSe einigermaßen toteber erl^olt l^atte. Slad^- bem fte fxä) jur gortfe|ung il^rer 3letfe leibliii^ J^ergefteHt fül^Ite, tourbe fie abermals auf ein 5ßferb gefe|t, bod^ mürbe i^r je|t ein SReiter bei^ gegeben, ber fie auf ber ganjen Steife nad^ ®ej feft^ielt.

3n ®ej angefommen mußte fie natürlid^ junäd^ft fid^ als Äranfe bel^anbeln laffen. Std^t 2^age lang ging i^r auS ?Dlunb unb 9lafc Slut ai. ^ernad^ rid^tete fie pd^ in bem Sd^roeftern^aufe ein, roo fie inbeffen toenig ^eube fanb.

2)er einsige S^roft, ben fte in bemfelben l^atte, h>ar ber ?Pater Sa* combe, ber t)on bem Sifd^of jum ©etoiffenSratl^ beS §aufeS beftettt njorben toar. S^bcffen fam berfelbe bod^ jiemlid^ feiten nad^ ®ej, unb feine S^l^ätigfeit bafelbft befd^ränfte fid^ gunäd^ft auf bie Siegelung ber außerorbentlid^en 3lribad^tSübungen ber ©d^meftem. 35ie unmittelbare geiftlid^e Seitung berfelben lag in ber §anb eines anbern ^riefterS, toet- d^en ber Sifd^of jum Seid^tt)ater beS §aufeS ernannt l^atte. 3)erfel6e erfreute fid^ afferbingS bcS ganj befonbern SSertrauenS feines Dber^irten unb übte infolge beffen auf bie SSertoaltung ber 2)iöcefe einen fo auf- fattenben (Sinfluß auS, baß man i^n ben !leinen 93ifd^of ju nennen pflegte. 2)iefeS aber toar umfomel^r ju beflagen, als ber Seid^toater ein t)on ben niebrigften Seibenfd^aften be^errfd^ter 3Renfd^ mar, ber jur Srreid^ung feiner felbftfüd^tigen S^eäe fein 5Wittel gu fd^led^t fanb. 2)ie geiftlid^e Seitung beS $aufeS lag alfo in fd^led^ten §änben.

@6enfo toar eS aud^ um bie Seforgung ber §auStt)irt^fd^aft fe^r fd^led^t befteHt. Unter ben ©d^meftern toar feine, tocld^e bie Seitung eines einfad^en $auSit>efenS l^ättc übernel^men fönnen. 3)al^er mar in bem ^auSl^alt forth)äl^renb üiel Unorbnung, unb nad^ mand^en ©eiten l^in, 3. S. bei ber 5ßflege ber Äranfen, ^errfd^te eben fo oiel unoeranttoortlid^e Änauferci als in anbern Sejie^ungen baS ©egentl^eil mirflid^er Sßirt^^ fd^aftlid^Ieit mal^rjunel^men mar.

%xan t)on ©u^on l^atte, feitbem fie ftd^ bem ©d^toefte.rnberein ange« fd^loffcn, ben ®ienft ber ©afriftanin übernommen, infolge bef[en fte bafür ©orge ju tragen l^atte, baß ju jjeber 3rit in ber ÄapeUe beS §aufeS SlHeS in Drbnung toar. SBie übel eS aber um baS fird^lid^sreligiöfc Seben ber ©d^toeftern ftanb, mar baran ju erfel^cn, baß außer il^ unb einer ©d^toefter, "beren befonbereS SSertrauen jte fid^ gewonnen unb bie

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fte in il^r ®e6et§Ie6en l^inetnge,)ogen l^atte, leine anbete @d^n)efter jtd^ an bem Sl^orbienft beti^eiligte. Seibe, %xau von ©u^on unb btefe eine B^\oe\iet, pflegten fid^ ballet an j[ebem %aq,e )u ben beftimmten @tunben ganj aSein in bie Aird^e jtt begeben unb baS 9tet)ier 3U beten.

Als eigent^ümlid^et ^efttag beS ©aufeS rourbe in bemfelben ba§ geft ber ÄreujeSer^öi^ung begangen, roeSl^alb ^Jrau t)on ©upon oon bem^ fclben aud^ il^ren Äloftetnamen (man toei^ nid^t toeld^en?) angenommen ^aiie. SDa nun ber Sifd^of baä $auS mit ber ßrlaubni^ begünftigt l^atte, in feiner Äapettc baS ©acrament auffteffen ju bürfen unb ba biefeS bei ber erften Segel^ung beS ^efteS ber Äreujeäerl^öl^ung gcfd^al^, gu toeld^er 3eit bie 3^^üre ber Äapette nod^ nid^t feft t)erfd^Ioffen werben fonnte, fo l^ielt ^au t)on ©upon brei Släd^te in ber ÄapeUe Dor bem ©acramente SBad^e, inbem fie ganj alein in berfelben fd^lief. 5Rie l^atte fte „ju= friebenere ©tunben" ©erlebt.

S)ie ©d^tüeftern fa^ fte nur bei ben gemeinfd^aftlid^en 3Jla^l3eiten unb in ben ßr^olungsftunben. S)ie übrige ^^ageSjeit t)erbrad^te fie, ab= gefeiten oon bem in ber Äird^e 3U oerrid^tenben (Sl^orbienft, auf i^rem (Semad^e. ©egen jeben SSerfel^r mit ben ©d^meftern l^alte fie ein inneres SBiberftreben, inbem i^r baS Seben berfelben unb bie ganje 2lrt unb fficifc in roeld^er fie il^ren 33eruf auffaßten, U)ibertoärtig war.

2)ad größte älergemi^ aber bereitete il^r ber 93eid^tt)ater beS ^aufeS. 3)erfe[be l^atie }u einer ber @d^ti)eftern, toeld^e fie mit nad^ ®tic gebrad(|t, eine fünblid^e Steigung gefaxt unb befud^te fte öfters. ällS ^au Don @upon biefeS toal^rnal^m, nal^m fie ftd^ beS (fel^r fd^önen) SJläbd^enS an unb ermal^nte boffelbe }um fleißigen ®ebet. ©te gab ber ©d^n)efter inSbefonbere ben ?latl^, ben fo l^äuftgen 93efuc^en beS ®eiftlid^en auS- jutoeid^en. Sie ©d^mefter jeigte fid^ aud^ für biefen fo tool^Igemcinten 3ufprud^ }ugängUd^ unb er! lärte fid^ entfd^Ioffen , ftd^ für einige ^eit in bie ©tiHe jurüdf^u^iel^en. grau Don ©u^on bat fie, biefeS mit il^r ge^ meinfd^aftlid^ }u tl^un, meil fte bereits tou^te, ba| ber S3eid^tt)ater baS SSorl^aben ber ©d^n)efter begünftigte, um feine fd^änblid^en 9lbftd^ten ba« burd^ um fo ftd^erer erreid^en jn fönnen. Slu^erbem hat fie bie ©d^toefter, fid^ bem ^ater 2ater Sacombe anjutjertrauen , ben ber Sifd^of jum ®e- toijfenSratl^ beS ^aufeS befteHt l^abe unb ber in aller Äürje nad^ ®ej !ommen toürbe. Die ©d^toefter nal^m biefen dtaif) toißig an unb inbem %xan von ©u^on biefelbe nun in baS ©e^eimni^ il^reS ©eBetSlebenS cinjufül^ren fud^te, tooftir fie uiel aSerftänbni^ unb ©mpfänglid^feit jeigte, ^atte grau oon ©upon bie greube )u feigen, ba^ bie ©d^n)efter i^ren Msl^erigen SSerfel^r mit bem ©eiftlid^en burd^auS abbrad^, wofür biefer,

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bet bell Umgang ber ©d^tocjler mit %tau Don ®u^on toal^rgcnonrntcn l^atte, nun bcn töbtlid^ftcn $a^ auf btc leitete toarf.

®icfc§ ®rcigni^ fiel in eine 3cit, too ^au Don ©u^on t)on öcr un^cimlid^ftcn Slngft l^cimgcfud^t voax. ©d^on auf bcr Steife, bie fie naä^ jenem fd^roeren Unfall oon ®cnf nad^ ®ej gcmad^t, l^atte flc ftd^ von ber ®en)alt be§ jbofen ^JeinbcS bebrängt geglaubt, unb feitbem fal^ fie fid^ in ®ej Don ben 2lnfeinbungen bcffelben unabläffig Derfolgt.

©d^limmer als biefe waren aber {ebenfattS bie SoSl^eiten, bie fie je|t t)on bem Seid^toater ju erleiben l^atte. ®erfeI5e bemül^te fid^ nid^t nur, il^r ba§ SSertrauen aller §au§genojfen ju entjiel^en unb biefelbe jum ©egenftanb ba§ ©potteä bei i^nen ju mad^cn, fonbern ging in feiner 33oS§eit felbft fo toeit, ba^ er bie Seichte ber ^rau t)on ®u9on 5um ®egenftanbe feiner Äanselpolemif mad^te. 3)iefeI6e l)atte il^m nämlid^ in ber Seid^te erflärt, ba^ fie fid^ grober Vergeltungen nid^t fd^ulbig tüiffe. SDa^er brad^te ber ^rieftcr in einer ^ßrebigt t)or, „ba^ getüiffe, t)on bem entfe^Iid^ften ^od^muti^ befledfte ^erfonen gäbe, toeld^e in ber Seid^te nur unbebeutenbe Vergeltungen eingefte^en hJoHten," hjorauf er bie be* treffenbe Seid^te ber ^^tau von ®U9on SBort für SBort folgen lie^.

SSietteid^t l^tte aud^ ber Seid^toater (ber, nad^bem er feine 3ärtlid^!eiten t)on ber einen ©d^tüeftcr 3urüdfgeh)iefen fal^, biefelben einer anberen, nämlid^ ber bem ^auSl^alt unmittelbar t)orftel^cnbcn SBirtl^fd^afterin, unb jtoar biefer mit befferem (Srfolg, jugeroenbet l^atte) burdEi feine ^gntriguen l^erbeigefül^rt, bafe ^rau oon ®U9on feitenS ber ©uperiorin unb ber anbern ©d^toeftern im §aufe bie unmürbigfte S5e^ l^anblung erful^r, unter ber fie eben ^u leiben l^atte. 3)ie ©uperiorin er^ Härte nämlid^, ba^ baö ^lofter (tote man ba§ §au§ nannte) bie beiben uon "^xau t)on ®upon mitgebrad^tcn 5Käbd^en für bie Äüd^e unb aU Pförtnerin nötl^ig l^abe. %xan t)on ©upon toiHigte in biefe SSertüenbunc^ il^rer 2)ienerinnen ein, jebod^ in ber begreiflid^en 95orau§fe|ung, bafe man benfelben geftatten tüürbe, il^r nad^ toie t)or biejenigen ©ienfte'ju leiften, JU beren SSerrid^tung fie felbft nid^t im ©tanbe fei. S^beffen fal^ fie fid^ in biefer (grroartung bitter getäufd^t. ?iKan mutl^ete il^r fogar ju, felbft für baS §auS bie niebrigften unb läftigften S)ienfte ju tl^un. 3)ie Äapette j. S., toeld^e jiemlic^ geräumig toar, mu^te fie ganj allein reini« gen. 2)abei lam eS mel^rere mal t)or, ba^ fie ol^nmäd^tig auf ben 95efen nieberfani unb in irgenb einer ®dfe ber Äird^e liegen blieb,, ol^ne ba^ Semanb nad^ il^r fragte. ^Jrau t)on ®u9on fal^ fid^ bal^er enblid^ ju ber bringenben Sitte Deranla^t, ba^ biefe Verrid^tung einigen ftorlen SBäuerinnen unter, ben 9ieubelel^rten übertragen merbe, unb man toar fd^lie^- lid^ fo barml^erjig, il^r biefe Sitte ju geh>ä^ren, 2lm mibrigftcn aber toar

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i§r btc 3«w^«tl^wwö/ ttttcä jut ©alriftei gehörige 8cmcn3cug ju roafd^cn. Scgrciflid^ctiüeife fonnte btc Sbelbamc gar nid^t roafd^en. Si^bcm fie bal^er bcfütd^tetc, ba^ unter il^ren §änbcn baä 3ßug ©(^abcn leiben möd^te, nal^m fie bei biefer älrbeit eines jener Sanbmäbd^cn ju §tilfe. Kaum aber toar bieS bemerft toorben, fo erfc^ienen alsbalb mehrere Sd^roeftem unb filierten jene Säuerin mit bem Sefd^eib am arme au^ bem SBafd^gimmcr l^intoeg, ba| biefelbe i^re eigenen ©efid^äfte ju beforgcn ^aU, %xa\x Toon ©upon mu^te bal^er fe^en tt)ie fie mit ber, il^ren §änben ganj fremben SKägbearbeit allein fertig warb.

S)aS ©ntfe^Iid^fte aber, toaS ^rau t)on ©u^on in bem Äloftcr er« lebte, toar, ba^ fie feigen mu^te, mit toeld^en 5KitteIn ber 3Serfül^rung ber Seid^tDater bie ©d^toefter, auf toeld^e er von Slnfang an fein 3lugc geworfen unb toeld^e fid^ l^ernad^ auf baä engfte an fie angefd^loffen l^atte, immer t)on 3lzuem ju umgarnen fud^te. Um bie 5pi^antafie unb baburdj bie ©innlid^feit be§ 3Käbd^enS ju erregen, gab er bemfelben ein burd^auS fd^IüpferigeS 33ud^ in bie §anb. %xan von ©upon öffnete baffelbe, unb als fie bie Sefd^affen^eit feines 3»^^altS erlannte, gab fie eS bem Seid^t« oater mit ber bringenben Sitte 3urüi, bod^ nie tüieber fold^c Sudler in baS' §auS JU bringen.

3)er Seid^tDater aber befd^Iofe je^t baS 3Serberben ber grau v. ©u^on. 3)ie ßorrefponbenj berfelben mürbe in ber SOSeife übertoad^t, ba^ ber Seid^t« oater unb bie ©uperiorin alle ©riefe lafen, toeld^e fie empfing unb meldte jte abgelten lie^. Slu^erbem tl^at ber Seid^toater bei bem Sifd^of ju 3lnnec9 baS 9iötf|ige, um bie Sage ber grau oon ©u^on unerträglid^ ju mad^en. SDer Seid^toater h>u^te, ba^ berfelben oon bem Sifd^of bie größte SSerel^rung gejottt tourbe, toeSl^alb er, toenn er bejüglid^ ber 35ame bei bem Sifd^of etroaS burd^fe^en tooHte, fid^ notl^toenbig ben ©d^ein geben mu^te, als ob il^n l^ierju unter 2lnberem mefentlid^ aud^ feine per* fönlid^e SGBertl^fd^ä^ung ber grau Don ©u^on beftimme. SEäol^l miffenb, ba^ biefelbe il^ren 2lufent]^alt in ©ej nur als einen oorübergel^enben be« trad^te, fteHte er bal^er bem Sifd^of oor, bafe SllleS baran gelegen fei, fie bleibenb an ben ©d^toefternoerein unb baS §auS ju feffeln, ba^ man fie halber ju beftimmen l^abe, nid^t nur bie ©teile ber ©uperiorin anju« nel^men, inbem il^re oielfad^en ©aben.unb ©naben nur oon. biefer ©teile aus bem ^aufe il^ren ooUen ©egen bringen fönnten, fonbem aud^ ben SReft il^reS SSermögenS, ben fie fid^ nod^ Dorbel^alten, bem $aufe juju* toenben. 3)em Sifd^of, ber in biefem SSorfd^lag nur eine 2leu^erung beS lebenbigften SwtereffeS an bem Älofter unD ber oollfommenften SBertl^« fd^ä^ung ber S)ame ju erlennen oermod^te, ging auf benfelben mit greuben ein, Ite^ fofort an bie ©uperiorin bie nötl^ige Sjöeifung ergel^en, unb in

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bct näd^ftcn 6ont)cntSt)crfammIung bcS ÄloftcrS hjurbc %xa\x oon ©upon bcmgemä^ aufgeforbert, bte ©teile ber ©upcriorin anjunel^men unb ba§ erfotbetlid^e ©cltiBbc abjwlegen. 2)iefeI6e lel^nte jebod^ biefen aintrag, übet ben fte innerlich erbebte, banicnb mit bem SBetnetfen ab, ba^ il^r Seruf fic anberStool^in roeife unb bafe fte ol^nel^tn ©uperiorin ntd^t el^er toetben lönne, al8 fic ^lovi^e getoefen fei. 3lIIe ©d^toeftetn l^ätten einen stoci^ jäl^igen 9iot)i}iat beftanben. SBütbe fie biefen jutüigelegt l^aben, fo tüottte fie bann barauf warten waS ®ott etn^a Don il^r forbere. 3^^^''' lid^ gereijt entgegnete il^r bie ©uperiorin, Vüenn fie ettoa baran badete ba§ Älofter ju oerlaffen, fo muffe fie il^r rati^en biefeö fofort 3U tl^un, ^rau Don ©u^on liejs jebod^ bie in biefen SEBorten liegenbe S3itterfcit unbead^tet unb bie ganje Scrl^anblung toar erlebigt.

3[n fd^langenl^after SBeife fud^te nun aber bie ©uperiorin bie l^arm- lofe 3)ame auf.anberm SBege ju umgarnen, ©ie feierte gegen biefelbc ein überaus freunblid^eg SBefen l^erauS, toenbete fid^ il^r anfd^einenb mit größter ^crjlid^feit 3U unb oertraute il^r fogar an, ba^ eS aud^ il^re ab- fid^t fei nad^ ©enf über3ufiebeln; ^au oon ©u^on möd^te fid^ immer* ^in ber Uebcrna^me oon SBerbinblid^Ieiten in ©ej enthalten, faK§ fic anberS tool^in ^u gelten beabfid^tige, tüenn fie i^r nur ©erfpred^cn ipolle, nid^t ol^ne il^re Begleitung an^ bem Älofter ^u gelten. S)ie ©uperiorin fragte aud^, um %xavi t)on ©u^on auäju^ord^en, ob fie oietteid^t für ©enf fd^on irgenb meldte SSerbinblid^Ieiten eingegangen l^ätte. 3)ie Se^tere ant* toortete in ber ootten Slufrid^tigfeit i^reg ^erjenS: fie lönne fid^ barum in bem §aufe nid^t l^eimifd^ füllten, meil il^r bie in bemfelben l^errfd^en- ben SHänIe unb S^triguen, foroie baS bigotte Seben ber 5Reu!atl^oIiIinnen, bie Umtoege unb Stbmege, auf benen.man bie SSelel^rung betreibe unb bie 3fbf d^toörungen , meldte man oon ben 33ef eierten forbere, jutoibcr mären.

2)ie ©uperiorin nal^m Sfileg, toaS %xan r>on ©upon fagtc, l^in unb fd^ien fogar einjugeftel^en, ba^ in ben SOSorten berfelben eine getoiffc SBal^rl^eit liege. 3a fie ging fogar einige Seit nad^l^er auf bem SIBegc, ben fie betreten l^atte um fidb ber ®ame ju oerfid^ern, nod^ toeiter, inbcm fie biefelbe eines 2;ageS, nad^bem fie baS Slbenbmal^I empfangen, auf il^rem Siw'"^^ befud^te unb il^r eröffnete, ©ott l^abe il^r 3U crfcnnen gegeben, toie h>ertl^ il^m fein getreuer 3)iener Sacombe fei, toeSl^alb fte bcttfelben nid^t nur für einen ^eiligen erlenne, fonbem oud^ bie Stbftd^t l^abe, fid^ i^m burd^ baS ©elübbe unbebingten ©el^orf amS 3U toei^en. Ueber biefe Eröffnung auf's §öd^fte betroffen rietl^ ^an von ©u^on ber ©tiperiorin oon i^rem ©ntfd^Iuffe ab unb bat pe, benfelben iebenfotts reiflid^er mit fid^ felbft unb mit bem ^ßater Sacombe ju überlegen.

Jlid^ts befto weniger rid^tete bie ©uperiorin an ben 5ßater Sacombe

J

207

ein 6(i^rciBen, toorin fie nid^t nur il^rcn Sntfd^Iu^ augfprad^, [xä} il^m burd^ ba^ (Sciübbc unbebingtcn ©cl^otfamS ju üerpfKd^ten , fonbcm i^n aud^ crfud^te, im (Sebet ben §crrn bartiber ju befragen, ob ftc mit grau oon ©upon nad^ ®enf geben foHle. 35er bcmütl^ige, fromme ?ßater lel^nte inbeffen nid^t nur brieflid^ ba§ erftere älnftnnen ab , f onbern fprad^ fid& nad^^er aud^ münblid^ gegen bie ©uperiorin auS, ba^ fie getoi^lid^ niemals nad^ ©enf lommen toürbe.

3)er ^lan, burd^ toeld^en biefelbe fid^ ber ^Jrau von ©upon ju tjer« ft^em gebadete, faHä biefelbe nad^ (Senf abjie^en toürbe, toar alfo mi^« lungen. $ater Sacombe l^atte fd^liefelid^ baS fo Ilüglid^ auggebad^te $roject burd^Ireujt; unb eien barum toarf fid^ nun ber trotte, grimmige 3orn ber ©uperiorin unb beS Seid^tpaterS eben auf il^n. 3Ran befd^Io^ je^t bemfelben Valien ju ftellen.

5{5ater Sacombe l^atte in ber ?Jfarrfird^e gu ®ej eine 5ßrebigt über bie d^riftlid^e Siebe gel^alten, bie mit bem größten Seifatt angel^ört toorben toar. hierauf Sejug nel^menb erfud^te il^n nun bie ©uperiorin aud^ eine SPrebigt über boS „innere Seben" ju l^alten. 3)er 5ßater gemalerte gern i§re Sitte unb toieberl^olte bal^er eine bei ber legten Äird^enoifitation ju S^onon gehaltene SHebe über bie SBorte (^f, 45, 14): ,/SDe§ Äönig« Sod^ter ift gan,^ l^errlid^ intoenbig/' @r erilärte l^ierbei bie Sebeutung be§ SBorteS „intoenbig fein" unb jeigte fobann toaS l^eij^e, feine §anblungen im (Seifte beg inneren SebenS ju t)errid^ten.

35cr Seid^tüater , ber t)on fold^en ©ebanfenentroidfelungen gar nid^tS tietftanb, l^örte bie 5ßrebigt mit an unb lonnte eben barum, toeil ber bar« gelegte ©ebanfenjufammenl^ang feiner ganjen 3^l^eoIogie burd^auä fremb fear, nur annel^men, ba^ bie ^Prebigt gegen il^n gerid^tct unb ba^ fte ein Konglomerat oon Srrt^ümern fei. 3)ie 5(5rebigt fd^ien bal^er bem Seid^toater ba§ ertüünfd^tcfte SJlaterial jur Segrünbung ber Älage auf §ärefie gegen ben 5ßater abjugeben, toeS^alb crfterer au§ berfelben ad^t Sä^e auSjog, bie er einem in Slom tool^nenben greunbe mit bem (Sr« fud^cn jufd^iite, fie burd^ bie S^fl^ifition prüfen ju laffen. S)er greunb JU SRom fd^rieb nun allerbingS bem Seid^toater jurüd, ba^ er in ben benuncirten ©ä^en bod^ in ber 2^l^at nid^ts Äe^erifd^eS oorfinben fönnte; aber eben barum überfiel nun berfelbe ben 5ßater Sacombe umfo l^eftiger mit bem SSortourf, ba^ bie 5ßrebigt nur ein perfönlid^er 2lu§faII gegen i§n getoefen fei. Sacombe toieS bem ©rjürnten nad^, ba^ er, auStoeiS^ Rd^ ber auf bem SKanuffript feiner ^ßrebigt befinblid^en SRotijen, biefelbe fd^on in frül^eren Qal^ren unb an oerf d^iebenen Drten gehalten l^abe ; aber nid^tä befto weniger warf ber 35eid^tt)ater bem $ater im leibenfd^aftlid^ften Uugeftüm, unb jtoar im Seifein meler ^auägenoffen, bie l^eftigften SBor*

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toürfe entgegen. Sacombc ^örte biefelben mit größter Oemütl^grul^e an, erlläTte fd^Iie^Iid^, ba^ er nad^ älnnec^ reifen n^erbe unb fragte ben 93eid^tt)ater 06 er DieDeid^t Briefe an ben Sifd^of ju (eforgen l^abe. tiefer anttoortete, ba^ er allerbingS eben je|t an ben Sifd^of f (Reiben muffe, infolge beffen Sacombe in ber Äird^e beö §aufe8 Doffe brei Stunben auf (Sin^änbigung beg ä9riefed tuartete. 5Da enblidb 3eigte ftd^, ba^ eS bie Slbfid^t beS 33eid^tt)ater§ getoefen lt>ar, nur S^xi ju gewinnen, um einen Don il^m abgefaßten ©rief, ber bie fd^änblid^ften Slnfd^ulbigungcn gegen Sacombe entl^ielt, oor beffen eintreffen in Slnnecp an ben Sifd^of beförbem ju fönnen.

Sacombe fanb ba^er, als er nad^ Slnnecp lam, ben SSifd^of auf's $öd^fte gegen ftd^ erbittert, ©erfelbe rebete il^n mit ben SBorten an: „3Bein 38ater, jene 3)ame mujs fd^led^terbingS bal^in oeromc^t toerbcn, baß fie bem ©c^toefternl^aufe ju ®ej il^r 33efi$tl^um überläßt unb bie SBBürbe einer ©uperiorin beffelben annimmt." „Sie miffen, gnäbigftet ^err", entgegnete ber ^ßater, „maS fie 3^«^ f^I^ft fd&on in ?ßariS unb l^ernad^ l^ier über i^ren Seruf gefagt l^at. 3d^ glaube bal^er nid^t, ba^ fte fid^ an jenes $auS toirb binben tvoQen. ®S ift nid^t mal^rfd^einlic^; baß fie, bie in ber Hoffnung nad^ ®cnf ju lommen SllleS oerlaffen l^at, fid^ anberStDO oerpflid^ten unb ftd^ baburd^ in bie Unmöglid^fcit fe|en tüirb, ben 2lbfid^ten, bie ®ott mit il^r l^at, ju genügen, ©ie l^at fid^ er^ boten ale Äoftgängerin bei jenen frommen Swwöf'fttuen ju bleiben; fie toirb aud^ toirllid^ bei benfelben bleiben, ^enn biefe fie in bem ange- gebenen SSer^ältniß bei fid^ l^aben hjollen. S33o nid^t, fo ift fte ent« fd^loffen, fid^ in irgenb ein Älofter jurüdfjujiel^en bis ®ott anberS übet fie verfügen toirb." ~ „a)aS SlUeS toeiß id^/' ertoiberte ber Sifd^of; „jugleid^ aber toeiß id^ aud^, baß fie fo gel^orfam ift, baß, toenn ®ie i^r befehlen ettoaS ju tl^un, fie eS fid^erlid^ tl^un toirb." „®erabe beS- ^alb toeil fte fo fel^t gel^orfam ift, gnäbiger $err," ertoieberte ber $atcr, „rtm^ man in ber ßrtl^eilung t)on S3ef eitlen an fie fel^r t)orfid^tig fein. ®S ift nid^t toa^rfd^einlid^ , baß id^ eine frembe 2)ame, bie ju i§rem Unterl^alte nur baS befi^t, toaS fie fid^ oorbel^alten l^at, oermogen fönnte, fid^ beffelben 3U ®unften eines Kaufes ju entäußern, baS eigentlid^ nodj gar nid^t feft begrünbet ift unb Dietteid^t aud^ nie begrünbet toerben toirb. SBenn baS $auS fid^ auflöft ober unniJt^ig mirb, toooon foH bann biefe S)ame leben? ©oH fie in'S ^oSpital gelten? ®S ift ganj flar, bat biefeS $au8, ba eS in ^Jranlreid^ feine 5ßroteftanten mel^r giebt, in fürgefter Qext t)on feinem 5Ru§en mel^r fein toirb.'' ®er Sifd^of ^atte ben spater nun pd^ auSreben laffen, ^ielt eS aber aud^ für nötl^ig, bem ©erebe je^t ein ®nbe }u mad^en, meS^alb er bemfelben erflärte: „3Rein Sater,

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oHc bicfc ©rünbc fagcn gar nid^ts. SQScnn ©ie bie 3)ame nid^t 2)a8 tl^utt f)e\f^en, roaS fte tl^un fott, fo roerbc id^ jtc mit bem Sntcrbift Bc« legen." 3)iefcr 3lnbrol^ung rollet 38ergeh)altigung l^atte ber später 5Rid^tS entgegen ju [teilen. ®r anttoattete ballet: ,,®näbiger §err, id^ bin bereit el^er baS S^terbilt unb aud^ ben 2^ob ju erbulbcn, alä etroaS gegen meine ®^re unb gegen mein ©croiffcn- ju tl^un", hjorauf ftd^ ber^ fclbe empfal^I unb entfernte.

Sacombe gab t)on bicfcr feiner Begegnung mit bem Sifd^of ber grau Don ©u^on fofort Slad^rid^t, bie nun Kar erfannte, ba^ il^r nid^tS 9liibere§ übrig blieb, als fid^ in ein Älofter jurüdE3U3ie]^en. 3)a biefclbe nun eben bamals benad^rid^tigt tourbe, ba^ bie Älofterjungfrau ju %f)onon, ber fie bie Pflege il^reS 3löd^terd^en§ anvertraut l^atte, (tpeil fie tTon tugenb^ l^after ©eftnnung unb ber franjöfifd^en ©prad^e einigermaßen funbig toar) erlranit toäxe unb fte erfud^en ließ, 3ur 2Bartung beS ÄinbeS für einige 3ett nad^ Sl^onon ju lommen, fo erllärte fie mit SSorseigung be§ il^r l^ierüber t)on 3^l^onon jugegangcnen SriefeS, baß fie nad^ 2^l^onon gelten unb bafelbft bi§ jur ©enefung ber Pflegerin i^reS ÄinbeS Derbleiben toürbe, baß fie aber bereit fei nad^ ®ej jurüdEjuIel^ren, menn man fie fclbft unb ben $ater Sacombe, ber wegen ber l^eilbringenben Srfotge feiner SBirffamleit im ganzen Sanbe alä ein Slpoftel ©erel^rt iDürbe, 5U verfolgen aufl^ören moHte.

§. 5. Stau tiott ®u90tt uttb bet ^atet j^aeombe )u S^onon.

grau von ©upon jog nun nad^ 2^^onon ab; aber Slul^e. fanb fie aud^ l^icr nid^t. ©d^on je^t hjurben ©d^möl^fd^riften gegen fte in Um- lauf gefegt, toorin man fie an bem Meinen l^öljernen Äreu^, toeld^eS fie fid^ an^ einem ©plitter von bem ©rabbenfmal be§ f). granj Don ©aleS §atte l^erfteHen laffen unb baS fie am §alfe trug, fenntlid^ mad^te. Äurj nad^l^er fam ber $ater Sacombe ju il^r, um t)on il^r 2l6fd^ieb ju nel^men, toeil er h)egen ber bei ber S^fl^ifition gemad^ten Senunciationen jur SBal^rung feines lird^lid^en 5Rufe§ fid^ 3U einer Steife nad^ 9lom gcnötl^igt fal^. Sacombe 30g alfo ooh S^l^onon ab, unb grau von ©upon toar je^t gan3 verlaffen unb mar barum ben brutalften Slnfeinbungen preis« gegeben, ^n ©ej mürben je|t alle Sriefe, treidle unter ifjrer Slbreffe eingingen, ol^ne SBeitereS eröffnet, gelefen unb 3urüdfgel^alten. Unter ben jtoei unb iman3ig ©riefen, bie fo aUmä^lig jufammenfamen, befanb ftd^ einer, hjeld^er eine oon grau n. ©upon gu unterfd^reibenbe SSoHmad^t entl^ielt

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S)tcfcr eine toutbe il^r ballet in einem neuen 6out)ett 3U8efd^t(ft. 2)cr Sifd^of, ber anfangs gegen jte nod^ bie tooJ^tooffenbften ©eftnnungcn ^egtc, fnüpfte leiber einen Srieftoed^fcl mit bem $ater be la ?Kot§e an, toeld^er ber Sd^hjefter tl^eilä n^egen i^rer quietiftifd^en SReligiofttät; tl^eife bcäl^alb grollte, iDeil fte il^m ein mel^vf ad^ geforbertcS SöÖi^S^'t^ nid^t au§3a^Ien tüoffte. ©d^on je^t mürben t)on ®ejf auS über ^rau t)on ©u^on unb beren SSerl^ältnife ju bem ^ßater Sacombe bie fd^änblid^ften ©erüd^te t)erbreitet. 9Jlan erjäl^lte fid^, fie treibe fid^ mit bemfelben um- l^er, unb in ®enf ^abc er jie fpajieren gefal;ren unb mit bem SEBagen umgeworfen. 2lud^ fottte fie mit bem 5ßater auf einem $ferbe, I}intcr il^m fi^enb, gereift fein. Seiber mar namentlid^ ber 5ßater be (a SKotl^e, meld^er 3ur weiteren Verbreitung biefer ©erüd^te beitrug, njeä« l^alb grau oon ©upon fid^ Deranla^t fal^,i^ren briepid^en SScrfel^r mit bem ©ruber ganj abjubred^en.

Snbem bal^er alle übrigen S5riefe, bie auS jjranlreid^ unter il^rer Slbreffe onlamen, in ®ej unterfd^Iagen mürben unb inbem fie mit ben ©d^hjeftem unb ben 3?eubef eierten bafelbft allen Serfel^r einftellen mu^te, fo lebte grau oon ©u^on je^t in größter SSerlaffenbeit gu Sl^anon, attein mit ber Pflege unb ©rjiefjung il^reö ÄinbeS befd^äftigt, meld^eä aUerbingS be« mütterlid^en Dbl^ut unb einer tjerftänbigen gemiffenl^aften 6r3ie^ung gar fel^r beburfte. SDaS Äinb l^atte bie frangöfifd^e ©prad^e faft ganj oer^ lernt unb l^atte im SSerlel^r unb ©piele mit ben Äinbern be§ Drteö attcr- lei rol^e unb iüibrige SWanieren angenommen. 3lIIe§ toaä in granf- reid^ gelernt, mar rein t)ergeffen. 35af)er mu^te grau von ©upon mit ber ©rjiel^ung be§ Äinbeä je^t ganj t)on voxn beginnen.

©egen Dftern beg ^a^reä 1682 lam ber Sifc^of t)on ©enf na(j^ I^i^ondn, mo grau von ©u^on ©elegenl^eit ju einer Sefpred^ung mit bemfelben fanb. SBieberl^olt brang l^ier ber Sifd^of in fie, ba§ fie nadj ©ej jurüdffel^ren unb bag Slmt einer ©upcriorin bafelbft übernel^mcn foHte. grau oon ©upon ertoiberte: ©uperiorin fönne 5liemanb merben, ber nid^t baS 5Rooi3iat burd^gemad^t l^abe ; unb toaS baS ©elübbe betreffe, toeld^eS fie bei ber Ueberna^me ber ©teile einer ©uperiorin abzulegen l^abe, fo h)if[e er ja, h)ie fte 3U ?Pari§ unb ©ej über il^ren Seruf ^ bei il^m auögefprod^en l^abe, unb er fönne barnad^ beurt^eilen, mag i^r toirfiid^er Seruf fei. ©ie betrad^te i^n je^t alg i^ren Sifd^of, ber an ©otteg ftatt oor i^r fte^c; bal^er möge er aud^ alg 2)iener ©otteg, ol^ne fid^ t)on menfd^lid^en ©ebanlen unb Ql^tereffen beftimmen ju laffen, bie »orliegenbe grage entfd&eiben. SBerbe er bann i^r bag ©elübbe anbe^ fel^Ien, fo toerbe fie eg ablegen. 3)er Sifd^of, ber bie 3)ame mit fold^cm ©mfte an fein ©etoiffen Semfung einlegen §örte, fd^raf vox ber i^n faft

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ergreif cnbcn Slnfprad^e 3urü(I unb antwortete: tücnn fic fo bic ©ad^e auffaffe, fo fönne er i§r allerbingS nid^t roti^en, ba§ (S.elübbe abjulegen. 5ßiemal3 bürfe man bcm Scrufe ber ßinjelnen toiberftreben; aber er bitte fte, bem §aufe ,^u ®ej ©uteS ju t^un. Ueber ben $ater Sacombc fprad^ fid^ ber 33ifd^of fd^Iie^Iid^ mit großer 2tnerfennung aus, worauf er Don %xa\x oon 0upon in freunblid^fter SBeife Slbfd^ieb nal^m.

35er Srmal^nung beS Sifd^ofS, bie Unterftü^ung beS ©d^toeftcrn« l^aufcä betreffenb, gab ^rau oon ©upon ?5oIge fo balb fie tonnte, inbem pe t)on ber erften ©elbfenbung, bie fie erhielt, bem ^aufe l^unbert ^Pifto« len olg ©efd^enl jufd^idte. dagegen l^atte ber Sifd^of feine von ber grau von ®ut|on empfangenen ©inbrüdfe balb raieber oergeffen, inbem er' infolge neuer ©inflüfterungen, benen er ^u Slnnecp fein Dl^r liel^, berfelbert burd^ ben SSeid^toater mieberum eröffnen lie^, ba^ fte fid^ unter atten Umftänben bem ©c^toefternl^aufe ju ©ej unbebingt ju oerpfKd^ten l^abe.

hiermit nal^m toieber eine lange SReil^e von SBibertoärtigfeiten, unter benen grau oon ©upon ju leiben l^atte, il^ren Slnfang. 3!)iefelbe fteHte in Sriefen bem Sifd^of t)or,.ba^ fie il^rem Seruf nid^t ungetreu werben, unb bem ^ater be la 9Kotl^e, ba^ fie in biefem galle bem Sifd^of, ber fid^ oon il^ren perfönlid^en geinben beeinfluffen laffe, nid^t gel^orfamen lönne. J)a fie inbeffen fal), ba^ fie Seibe l^ierburd^ gegen fid^ nur nod^ me^r ©erbitterte, alä eS fd^on oor^er gef d^e^en \oax, fo befd^Io^ fie, bie S)inge gelten 3U laffen, toie fie gelten wollten. §atte fie bod^ ol^nel^in, and) in anberer Sejiel^ung, in S^^onon be§ S^raurigen fo oiet ju er« fal^ren !

3Jlit unfäglid;em Jammer l^örte fic nämlid^ erjäl^Ien, ba^ ber Seid^t« »ater 3U ©e^ ber fd^önen ©d^wefter, bie er früher in feine SRe^e ju jiel^en oerfud^t l^atte, wieberum nad^ftellte unb ba^ biefelbe faft fd^on t)ottftänbig umgarnt ju fein fd^eine. §ier galt alfo eine ©eele ju retten unb burd^ i^r energifd^eg Sajtüifd^entreten erreid^te eS grau oon ©u^on wirfUd^, ba| bie fd^on bem2tbgrunbe nal^e gelommene ©d^toefter ben J&änben beä fd^änblid^en Pfaffen entriffen warb.

©leid^3eitig fal^ fid^ grau oon ©u^on faft an jebem S^age auf il^rem 3^"^"^^^^ ^on Seuten beläftigt, weld^e iljr flar ju mad^en fud^ten, h)ie tl^örid^t fei, fid^ burc^ ben SRat^ beä albernen 3Kenfd^en Sacombe beftimmen 3U laffen; namentlid^ toaren bie ©d^toeftern unb bie Jieube* teerten in ©ej barauf auä, fie in il^rem ©lauben an ben frommen ^Priefter irre ju mad^en, ber, ioie man gan3 fidler ju wiffen x)orgab, ganj allein baran fc^ulb fei, ba^ fie bie ©teile einer ©uperiorin 3U ©ej nid^t annel^men wolle. 3Ran fragte fte aud^, ob benn nid^t ber S3ifd^of baS fid^erfte Urtl^eil über Sacombe l^aben muffe, grau t)on ©ugon trat

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btefen SSetbäd^tigungen beS t)on il^r fo l^od^Derel^rten ^Rarmt^ anfangd mit einer geroiffen ©rregtl^eit entgegen, bte jte jjebod^ fpätet bereute, inbem fie eS allmäl^Iid^ als baS Slid^tigere erlannte, bie Sled^tfertigung beS ^atetS toie il^rer felbft ®ott 3U üBerlaffen.

S8on ben beiben SWäbd^en, toeld^e fte aus ber §eimatl^ mit nad^ ®ej gebrad^t, l^atte baS eine fd^on in ®ej erllärt, bafe il^m baS bortige Seben unerträglid^ fei unb mar barum nad^ ^ranlreid^ 3uruige!e^rt. 3)aS anbere SKäbd^en folgte feiner §errin 5mar nad^ 2!l^onon, begann fid^ aber l^ier fel^r balb ebenfalls unbel^aglid^ ju füllten unb bereitete i§r barum bie größte ^jJlage. ©ie l^ielt ber grau von ®u^on oor, toeldje gltidflid^en Serl^ältniffe in ber $eimat fie fo mutl^roittig preisgegeben l^abe unb h)ie unnü^ unb überftüffig fie in ®ej unb 5£l^onon fei, unb fagte \f)x bei jeber 38eronIaffung, ba^ fie lieber l^eute als morgen in bie §eimat jurtidffel^ren möd^te.

2)en größten ^^mmer aber empfanb grau von ®U9on, wenn fte auf il^r liebes 3^öd^terd^en l^infal^. S)affelbe Ipar Ipäl^renb il^reS 3lufent= l^alteS ju ©ey fo t)emad;läffigt roorben, ba^ eS faft unmöglid^ 5U fein fd^ien, bem Äinbe eine ©rsiei^ung ju. geben,' toie bie 9Kutter eS roünfd^te; namentlid^ ba biefe unb baS Äinb non lange anbauember Äranfl^eit U- fallen mürben.

2)aS ®efd^roür, meld^eS grau non ©upon frül^er 3h)ifd^en 9{afe unb älugen gel^abt l^atte, trat toäl^renb il^reS 3(ufentl^aIteS juSl^onon breimal Vüieber l^eroor. infolge beffen litt fie unfäglid^e ©d^merjen; unb als biefe einigermaßen jurüdftraten, erlranfte baS Äinb.

3um ®ltii nal^m ftd^ bamalS ber ßrjbifd^of von ©enS, $err t)on 3Konpe3at, il^rer an. ®emfelben mürbe vorgetragen, bqß eine ©d^toefter ber grau Don ®upon, bie als Urfulinerin in feiner Siiöcefe lebte, mcgen einer ®lieberläl^mung in ein Sab 3U reifen genötl^igt fei. S)er ßrjbifd^of ertl^etlte bal^er ber 5Ronne nid^t nur bie ©rlaubniß 3ur Steife, fonbern ge- ftattete xf)x aud^, pd^ in bie S)iöcefe ®enf ju begeben, um entroeber in bem Urfulinerinnenllofter ju 3^§onon für immer 3U verbleiben ober bie ©d^toefter non bort abjul^olen. S)a nun bie Urfulinerinnen ju S^onon, bie l^iernon gel^ört l^atten, ben SBunfd^ äußerten, bie Siegeln ber Urfu^ linerinnen 3U ^ßariS bei fxd^ ein3ufül^ren, unb beSl^alb an bie ©d^toeftcr ber grau von ®upon baS ©rfud^en rid^teten, biefe Siegeln mit3ubringen, fo gefd^al^ eS, baß bie ©d^loefter, unb jmar in Segleitung eines für bie SDienfte ber grau von ®u9on beftimmten SRäbd^enS, im 3[uli 1682 in 3^l^onon eintraf.

3Jlit jubelnbem §erjen empfing grau von ®U9on bie geliebte ©d^toeftcr unb bie Wienerin, von roeld^er fte fid^ namentlid^ bte il^r fel^lcnbe Unter-

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{iü^ung in. ber @r3tel^ung bes Ainbe^ Derfpred^en ju bütfen qUanhte. S)ie ettoartete $ülfe in ih Srjiel^ung ber %oä}tex etl^ielt nun ^au t)on ©upon aud^ tDttlßd^, fo jebod^, ba^ i^r aud^ l^ieraud neue§ ^erjeleib erlDud^S.

Sie @d^n)efter mad^te e3 ftd^ jur äluf gäbe, mit bem Jtinbe , meld^ed faum lefen unb baS ^anjöjtfd^e nur fel^Ierl^aft auSfpred^en lonnte, eine gan3 neue Srjiel^ung ju beginnen, hierüber aber tDurbe bie Urfulinerin, tx)eld^e bis bal^in bie @r3tel^ung be§ ^inbeS geleitet, ober melmel^r auf baS @d^änblid^fte Demad^Iäffigt l^atte, im l^öd^ften ©rabe erbittert unb fjrau von ©upon l^atte nun unter bem l^eftigften Streite il^rer ©d^toefter unb ber Urfulinerin ju leiben.

3)en größten Jammer aber fottte grau t)on (Supon burd^ i^ren per« eierten ?ßater Sacombe erfal^ren. ©erfelbe l^atte in Slom bie ooKommenfte ätnerlennung feiner Sled^tgläubigfeit gefunben, mar aber aud^ von ia mit bem feften (Sntfd^Iu^ nad^ 3^l^onon jurüdfgelel^rt, fxd^ t)or Sßlem, tooburd^ fein 9luf in ber Äird^e gefäl^rbet toerben lönnte, auf ba§ ©orgfamfte ju lauten, ipeSl^alb bie Stimmung, in toeld^er 2acombe nad^ 2il^onon 3urüdf* feierte, für %xan t)on ©u^on fo ungünftig mie möglid^ toar. §ieroon nid^tS al^nenb, l^atte biefe ben Sifd^of gefragt, ob er i^r geftatte, ben 5Pater mieberum al§ i^ren Seid^toater an3unel^men; unb ba ber Sifd^of biefeS ©efud^ genel^migte, fo freute fie fid^, 3U bem $ater toieber in il^r frül^ereä religiöfeä 3Serl^äItni^ treten 3U fönnen. Stber mie ftaunte jte, als il^r Sacombe erflärtc, ba^ er feine frül^ere SKcinung oon il^r unb il^rer SReligiofität als einen Srrtl^um bereue, ba^ il^r 2lufentl^alt in biefem Sanbe gar leinen 3*^^* ^^^^ nnb ba^ fie bal^er fo balb als möglid^ in il^re §eimat^ ^urüdEfel^ren möge. Slud^ ber 5ßatcr be la 9Jlotl^e gab il^r benfelben SRatl^.

%xan von ®upon toar mie oom 2)onner gerül^rt; entfeftlid^er aber nod^, als bie fd^roffe 3n^üdftt)eifung , bie fie oon Seiten beS 5ßater Sa« combe erful^r, War xf)x, toaS fie feitenS beS Sifd^ofS oon ®enf l^inncl^men tnufete. 2)erfelbe unterließ eS nämlid^ jloar nid^t, in feinen Briefen, bie er an %vavL von ®ut)on rid^tete, biefelbe toegcn ber SBol^Itl^aten, bie fte bem $aufe 3U ®ej ertoeife, mit 33anlfagungen unb §öflid^!eiten ju über^ l^äufen, lie^ aber gleid^seitig an ben Urfulinerinnenlonoent 3U S^l^onon bie SBeifung ergel^en, jebc Sufammenlunft beS $Pater Sacombe mit %xavi von ©upon toegen ben „entfe^Iid^en folgen", bie biefe gnfammenfünfte l^aben fönnten, ju oerl^inbem. 3)er Superior beS §aufeS, ein nid^t un« Derbienter 9Rann, bie Sorftel^erin unb bie ganje Äloftergemeinbe toaren über biefe fd^änblid^e Serbäd^tigung ber eblen 3)ame unb i^reS ©eroiffenS« tat^eS fo entrüftet, ba^ fie nid^t uml^in lonnten, bem Sifd^of (ber fid^

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gegenübet ber ^rau t)on ©upon mit fd^etnbarer SSerftd^erung feiner (S^xex- Bietung unb mit einem „fo l^abe xä} nid^t oerftanben" ju entfd^ulbigen fud^te) il^ren Unsitten über feine frenell^afte Slntaftung ber 6^re ber ^au t)on©U5on fel^r beftimmt lunb 3U geben, inbem fie bezeugten, ba§ ber ^ater biefelbe faft nur im Seid^tftul^Ie fäl^e unb bo^ fie fid^ gltidflid^ fül^Iten, biefe gottfelige grau in ben 5!Jlauern il^re§ ÄlofterS ju bel^cr^ bergen.

35ietteid^t gefd^al^ eS gerabe in .golge biefeS SSorf ommniffeö , bofe grau t)on ©upon je^t erft red^t jum SJlittelpunfte aller S^tereffen ber ttrfulinerinnen tourbe unb unabläffig Sefud^e von ©d^toeftern erl^ielt, tüeld^e fid^ über geiftlid^e 3lngelegenl^eiten mit il^r unterreben rooHtcn. Siefe Sefud^e unb Unterrebungen t)erfe|ten jebod^ bie 2)ame in einen fold^en S^ftönb ber ®rfd^öpfung, ba^ auf il^ren SBunfd^ 5ßater Sacombc, ber bod^ balb lieber in bie frül^ere l^erslid^e Sejie^üng ju grau von ®ui)on trat, il^r für einige S^it geftattete, fid^ in bie tieffte ©tiffe ju* rüdf3U3iel^en.

S. 5. beginn ber f^tiftfteSettf^en 2:^atigteit bet ^au tion ©u^on.

^n biefer ©titte, in ber ftd^ grau t)on ©upon gegen aßen Serfel^r mit ben Urfulinerinnen abfd^Iofe, überfam biefelbe plö|Iid^ ber 3)rang, il^re ©ebanlen aufjujeid^nen unb eine fd^riftftefferifd^e 2^l^ätigfeit ^u he^ ginnen, lieber biefe Slntoanblung lam fid^ freilid^ grau t). (Supon anfangs gan3 feltfam vox; benn toar il^r, al§ mü^te fie burd^auS ©ebanicn auf3eid^nen unb bod^ mu^te fie eigentlid^ gar nid^t, maS fie fd^reiben toottte. Sänge 3^'^ fud^te fie ben in i^r gan3 neu eriüad^ten 2^rieb ju- belämpfen; aber umfonft. Salier vertraute fie fid^ enblid^ bem $atcr Sacombe an, ber i^r SSorl^aben im Slll'gemeinen nid^t mipittigte unb, nad^bem er bie ©tärfe ber in bem ©emütl^e ber grau erlpad^ten 9ieigung erfannt l^atte, fie gerabeju aufforberte, il^r SSorl^aben jur 2lu§fül^rung 3U bringen.

grau t)on ©upon fe^te fid§ bal^er nieber, ergriff bie geber unb fd^rieb. ©ie l^atte leinen ^lan gefaxt unb l^atte leinen ©ebanlen er* toogen; unb bod^ ftrömten i^r bie ©ebanlen in tpunberbarer güffe in bie geber. ©ie felbft mar bat)on überrafd^t, ba^ il^r nid^ts toic fonft burd^ ben fiopf unb burd^ bie Ueberlegung ging, fonbern ba^ il^r SHIeS tote unmittelbar auä bem tiefften ©runbe il^reS SebenS l^erDorquoII. ©0 ent^

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ftonb im ^af)xe 1683 bic fd^önc ©d^rift: „Les torrens", tüorin fte ®ott als Seclcnfül^rcr unter bem Silbe eines ©d^ifferS, unb baS innere SeBen mit feinen Derfd^iebenen SBegen unb ®rfal^rungen unter bem Silbe von 83äd^en, ^lüjfen unb ©trömen Dorfül^rt, bie fid^ in ba§ 3Reer, t). 1^. in ©Ott ergießen, Ipo bie ©eele bann nid^t mel^r il^r eigenes, fonbern nur (SotteS Seben f)at ^rau t)on ©upon tl^eilt bejüglid^ ber Slbfaffung biefer ©d^rift golgenbes mit: „Dbgleid^ fie jiemlid^ auSfü^rlid^ unb baS ©leid^« ni^ bis 3um ©übe burd^gefül^rt ift, fo l^abe id^ bod^ niemals einen ®e« t)anlen gebilbet, nod^ barauf gead^tet, h)0 id^ (teilen geblieben toar; unb ungead^tet ber unaufl^örlid^en Unterbred^ungen l^abe id§ twn bem ©efd^rie« Bcnen bod^ 3iid^tS burd^gelefen, als bis id^ ju (Snbe gefommen \oax, too id^ eine ober 5tüei ^exkn beS ©d^IuffeS nod^malS burd^fal^ toegen eines l^alb abgebrod^enen SBSorteS, baS mit untergelaufen toar. Unb bennod^ badete id^, id^ ^ätte hiermit eine Untreue begangen. 9lie tou^te id^, tt>enn id^ ju fd^reiben begann, toaS id^ fd^reiben toürbe; toar eS ge« fd^rieben, fo badete id^ nid^t mel^r baran. 3^ mürbe geglaubt l^aben, eine Untreue 3U begel^en, trenn id^ l^ätte irgenb einen ©ebanlen feft* l^altcn motten, um i^n aufjujeid^nen, unb unfer $err ertoieS mir bic ®nabe, ba^ biefeS niemals tjorfam. UebrigenS füllte id^ mid&, je länger i6) fd^rieb, umfo me^r erleid^tert unb id^ befanb mid^ bejfer."

3)iefe intenfioe Srregung beS inneren SebenS ber %xan von ©upon, tocld^e Iebiglid§ auS ber bisl^erigen ßl^arafterbilbung bcrfelben 3U erllären t»ar, übte mieberum auf biefe felbft ben mäd^tigften Slüdffd^Iag aus, in« bem fie eS an fid^ ju erfal^ren glaubte, ba^ ®ott mit jebem Sage oon il^rer ©eele tjottfommneren S5efi^ ergreife, fo ba^ fie mand^en %dQ vex^ lebte, an bem eS i^r unmöglid^ h)ar, ein 2ßort auS3ufpred^en. ©ie fül^Ite CS, ba^ fte immer tiefer in ben Slbgrunb beS göttlid^en SESefenS l^inab« fani unb fid^ fo in baffelbe verlor, bafe eS il§r oorlam, als toerbe fte gan3 in baS SBefen ©otteS t)erh)anbelt. ©ie glaubte fogar eS an ftd§ ^u feigen, bafe bie leifen ©d^eibeh)änbe, bie fie bis bal^in nod^ oon ber nn^ mittelbaren Serü^rung mit bem SEBefen ®otteS getrennt l^atten, je^t, too ®otteS ®eift oottftänbig t)on il^r Sefi^ ergriff, gan3 aufgel^oben unb l^im weggeräumt mürben.

®ro^e Selümmerni^ mad^te il^r nun baS Semu^tfein ber ^^\ä)i, toeld^c fte bem später Sacombe gegenüber erfüffen fottte. S)erfetbe l^atte fel^r oft auStoärtS 3U prebigen ober Slngelegenl^eiten beS ÄlofterS 3U be« forgen unb Wax barum in S^l^onon feiten anh)efenb. 2)a fid^ nun ^rau t)on ®upon forthJäl^renb ba3U gebrängt fül^Ite, fid^ bem ^ater mit3U-- tl^eilen, fo mu^te fte baffelbe fd^riftlid^ t^un, roaS i^r fe^r fd^mer fiel, 3)cnn fte fal^ ben ?Pater nid^t auf ben redeten SOSegen ber SBottfommen^eit

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wanbcln unb jtc füllte ftd^ »erpflid^tct x^m ^lid^tS ju t)ct3cil^ctt unb t)on i^m bic gänjlid^c 3Scmid^tigung feinet (Sigenl^eit. ju forbem, „auf ba^ ©Ott allein in il;m bie $errfd^aft l^abe." 2)iefe§ bem ^ater t^orjul^alten^ fül^Itc ftd^ ^au von ©u^on von (Sott Berufen; allein jur 3ßi* ^<^^ Sacombe an fold^en 2luSlaffungen leineSroegS 'SBol^Igefatten. 2l(S fie fid^ einft genötl^igt glaubte, bei bem ^JSater liegen ber %tf)lex ber ©d^toefter, bie xf)x Äinb unter il§rer ätuffid^t l^atte, Älagc ju filieren, geriet^ berfclbe fo in ^oxn, ba^ fie nid^t toagte auf biefen 5PunIt lieber 3urüd}u« fommen. Sei aller SBertJ^fd^ä^ung , weld^e Sacombe für bie aufrid^tige fjrömmigfeit ber ^rau von ©upon in feinem ^erjen liegte, fal^ berfelbc bod^ jtoifd^en fid^ unb ber ©d^toärmerin eine tiefe Kluft.

Sie feltfame innere Erregung ber ^rau brad^te inbeffen in il^r gerabe feit jener ßeit bie iounberlid^ften 5{5l^anta^magorien l^eroor, fo ba^' fie fid^ überall ©on. SESunbern unb 3^^^^^/ ^^^ ^eiligen unb S^eufeln umgeben fal^ unb bie feltfamften 3)inge ju erleben glaubte. 3iamentlid^ toar biefe3 in il^rer Sejiel^ung 3U Sacombe ber %aU, bem fie fid^ 3U unbebingtem ©e* l^orfam getoei^t unb in to^Id^em fie ba§ oon ©Ott für fie beftettte SBerf* jeug übernatürlid^er ©nabentoirlung 3U erlennen glaubte. 3[l§r ©el^orfam gegen ben 5ßater toar bal^er in il^ren 3lugen ba§ SKittel, um au§ ber §anb Sacombe'S wirWid^e SEBunber ju empfangen. 2Bar fie j. S. Iran! unb fagte il^r Sacombe münblid^ ober briefltd^, ba^ fie aufftel^en unb etma ba§ Slbenbmal^l empfangen fotte, fo ftanb fie oon il^rem Äranlem lager auf unb fte fül^Ite fid^ genefen.

SlnbererfeitS glaubte fie bem 3Käbd^en, meld^eä bie ©d^roeftcr i^r 3ugebrad§t l^atte unb toeld^eS für bie religiöfen 2lnfd^auungen ber ^rau von ©u^on gro^e ©mpfänglid^Ieit jcigte (ioeld^eS aud^ infolge beffen l^er« nad^ beinal^e 12 ^af)xe lang mit il^r in ber Saftille eingefd^loffen toar), mit berfelben SBunberfraft gegenüber ju ftel^en, meldbe Sacombe an il^r ausübte, inbem baS 3Jläbd^en für fie aud^ benfelbcn roittenlofen ©el^or« fam in ^erjen trug, ben ^rau oon ©upon bem $ater barbrad^te.

3n biefen (Srfd^einungen ^id^ts SlnbereS al§ bie Iräftigen ßrmcifungen be§ ©eifteä ^e\n ß^rifti erfennenb, glaubte fie fo in fid^ „ben befel^len-- ben unb ben gel^ord^enben ß^riftug" 3ugleid^ ju finben.

2ln biefem SKäbd^en, meld^cS fd^loer erlranft, il^rer 3Keinung nad^ von S)ämonen angefallen tourbe, fal^ fie aud^ ju il^rem eigenen ©taunen il^re SBunbermad^t über bie 2^eufel fid^ betl^ätigen.

3Son einer feltfamen neuen §attucination tt)urbe ^rau oon ©u^on toäl^enb einer langen gefäl^rlid^en Äranfl^eit befallen, an ber fie »on ©eptember 1663 bis 3um 5Dlai 1684 3U leiben l^atte. ©ie loar von forttoä^renbcm gieber geplagt; au^erbem trat aud^ baä ©efd^mür jwifd^en

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Jlofc uttb ättigc, an bcm fte fd^on fo oft l^attc leiben müjfen, wieber ]^ert)or, unb jh)at fo, bafe eine überaus fd^merjlid^e Djjeration notl^hjcnbig tourbe. 2)a ertoad^te in il^r urplö^Kd^ ate neue pl^antaftifd^e %oxm ber quietiftifd^en Sbee ber Slad^folge unb 3lad^6ilbung be§ SebenS 3cfu bcr ©ebahle, ba| fie aEe SllterSftufen unb ©tönbe Sefu ßl^rifti burd^ju« leben l^ätte, ba^ eben je^t baS ÄinbeSalter Qefu feinen 3(nf ang genommen ^abe unb ba^ fie barum felbft ju einem ßinbe getoorben fei. @ie glaubte aud^ in il^rer ^^pfiognomie ba§ 9(u§fe|^en eines Jlinbed erl^alten ju l^aben «nb eS toar il^r ganj un3h)eifell^aft, ba^, wenn jte rebe, meine ober lad^e^ bie§ gonj unb gar in ber SBeife eines ÄinbeS gcfd^äl^e.

©abci unterl^ielt jte mit bem t)on Sl^onon faft immer obmefenben später Sacombe fortmäl^rcnb in il^rer ©eelc ben feltfamften SSerfel^r. ©ie glaubte alle ©d^toanlungen unb Jlämpfe, bie biefer in feinem Snnem erful^r, in i^rer eigenen Seele in qualoottfter SEBeife ju cmpfinben. ©a« ran erfannte jte, wie toeit bcrfelbe nod^ t)on bem SBegc beS „naütn ®IaubenS" entfernt h)ar, toaS il^r eine fo fortbauembc innere ©eelenqual t)erurfad^te, ba^ fie, ben Sßater feinem eigenen 3^ 'völlig abfterben unb jur loal^ren SoHfommcnl^eit gelangen ju feigen, „ol^ne baS minbefte S3e« bauem il^m aUe erbcnllid^en Hebel getoünfd^t l^aben toürbe."

35a fte übrigens forttoäl^renb fränfelte, fo fd^ien ber 2lufent]^alt in bcm Urfulinerinnenflofter il^rcr ©efunbl^cit nid^t förberlid^ ju fein, unb eS tourbe il^r bal^er ber SRatl^ gegeben, fid^ ber ©inmirlung ber Seeluft gänj« lid^ 3U entjiel^en unb fid^ anberStoo niebergulaffen.

9lod^ mäl^renb il^rer langen, fd^meren Äranll^eit l^atte ber SPater Sacombe ben Sntfd^lu^ gefaxt, ein $oSpitaI für arme Äranfe in S^l^onon, too ein foId^eS S^ftitut nod^ nid^t beftanb, in'S Seben ju rufen. (Sin SBerein t)on 3)amcn foffte bie Äranlenpflege im $oSpitaI, fotoie aud^ in ben Käufern ber Stabt, too Äranle liegen würben, bie in baS ^oSpital iiid^t gebrad^t toerben lönnten, beforgen. Stuf biefen ©ebanlen beS SßaterS ging ^au oon ®upon, nad^bem fie einigermaßen genef en h)ar , mit freu« bigftem ^erjen ein. Snbem fie eS bal^er übemal^m, benfelben 3ur 2luS« fül^rung ju. bringen, tourbe bie ganje Stiftung bem f). ^gefuSfinbe gemeil^t. SuS il^ren eigenen STOitteln fd^affte fie alsbalb einige Setten an, beren 3al^I in fürjefter 3^^* ^wf jmölf ftieg. S)rei 3)amen ber Stabt erllärten fid^ bereit bie Äranlenpflege ju übemel^men. %xa\i oon ©upon gab ben* fclben Salben unb 2lr3neien, burd^ beren SSerlauf an bie mol^Il^abenberen Semol^ner ber Stabt fie ein ganj l^übjd^eS Sümmd^en gufammenbrad^ten* ÜRit bem ^oSpital ber nun begrünbeten neuen Kongregation mürbe aud^ eine ^apeSe Derbunben, für bie matt alsbalb ben nötl^igften ^ird^en«

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fd^mutf anfd^affte. 2lnt 25. etnc§ jcbcn 9Jlonat3 tourbc in' ber Äapctte bet ©cgen gefprod^cn.

Um bte 5fJiitte bc§ ©ommetS 30g bic ©d^iücftcr ber %xa\x t)on ©u^on, iocld^e an bcn ©eltfamiciten ber Se|teren burd^auS feine ^reube ^atte, unb bie fid^ überl^aupt in bcm Älofter unbel^aglid^ fül^Ite, t)on S^l^onon ab, um ein Sab gu braud^en. Mit x^x entfernte fid^ aud^ ba§ SWäbd^en, toeld^eS ^au t)on (Su^on aus ^anfreid^ mitgebrad^t, unb baö i^r in 2^l^onon fo t)iele trübe ©tunben bereitet l^atte. ^I^r 2^roft in bem Älofter toar je^t ba§ t)on ber ©d^mefter il^r jugefül^rte 9Jläbd^en, beffen ©eele fid^ für i^re religiöfen Slnfd^auungen immer mel^r öffnete.

Snjtoifd^en l^atte ber S3ifd^of von SBercetti ben ©enerol ber Sama^ biten, mit bem er fel^r befreunbet mar, bringenb erfud^t, i^m unter feinen DrbenSBrübern einen frommen, geleierten unb oerbienten 9Kann ju be« jeid^nen, ju bem er SSertrduen f äffen unb ber il^m alö Xl^eolog unb geiftlid^er Slatl^ in ber SBerroaltung feiner 35iöcefe 5ur ©eite treten lönne. SDer Oeneral glaubte, nun bem Sifd^of lein SJlitglieb feineö DrbenS ju biefem Serufe fo fel^r empf eitlen ju lönnen al§ ben $ater Sacombe, bem berfelbe aud^ l^ierüber aföbalb ^iad^rid^t jugel^en liejs. SDer 5]Jater bat, ba| ber ©eneral, bem er ju gel^ord^en l^abe, über tl^n oerfügen möge, unb cg h:)urbe fomit ber Eintritt beffelben in bie 2)ienfte be§ Sifd^ofS von SerceHi feftgeftettt. ^nbeffen l^atte ber $ater bod^ nod^ eine furje S^t in bem UrfuIinerinnenHofter ju oertDeilen, inbem er t)erpf[id^tet toar, baS ©uperiorat über baffelbe gerabe fed^S Qal^re lang auSjuüben.

ttebetfieberuns bet 9tau t)Ott CBu^on tta$ S^utin.

5Rode el^e ber ^ater Sacombe nad^ SSerceHi überfiebelte , fd^ieb %xau tjon ®upon aus bem Urfulinerinnenflofter, jur gröJBten ^Jreube beS ?ßaterS, ber fid^ lüäl^renb feines SSerlel^reS mit i^r forttüäl^renben SJerbäd^tigungen öuSgefe^t fal^, unb lie^ fid^ in einem von bem ©ee jiemlid^ weit ent^ femten, ärmlid^en ^äuSd^en niebef. S)er in ber Äüd^e befinblid^e Äamin toar ber einjige ber fid^ in ber elenben SSel^aufung Dorfanb. 3)urd^ bie Äüd^e fül^rte ber SBeg in baS 3^^"^^^^^ toeld^eS fte il^rer S^od^ter unb bem biefelbe nerpflegenben ?iJläbd^en juiüieS; il^r felbft biente ein elenber SSer^ fd^Iag, ben man mittelft einer Seiter erfteigen mu^te, yax SEBol^nung. 2)a tl^r t)on il^rem frül^em ^auSgerätl^ SRid^tS als il^re meinen S3etten übrig geblieben toaren, fo laufte fie einige ©troJ^ftül^le unb mel^rere fonftige,

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irbene unb J^öljemc, aud^ einige porjeffanene ©crötl^fd^aften an. ^n biefer jämmerlid^en Sel^aufung brad^te nun jtc , bie als bie ^^od^ter eines teid^en Sanbebclmanneä unb l^ernad^ alö bie ©emal^Iin eines mit ©lüdfSs gutem nod^ glän3enber auSgeftattcten ßaüalierS in ber präd^tigften Oe« l^äftigfeit unb im reid^ften Ueberflu^ gelebt ^atte, il^re 2^age ju! 3lie aber l^atte fidb biefelbe glüdflid^er gefüllt als gerabe je^t unb forglid^ laufte fie barum eine 5!Benge Heiner aSorrötl^e ein, in ber SKeinung l^ier red^t lange oertoeilen ju lönnen, h)o fie il)re ganje äußere Sage bem 3«* ftonb ber ©rnicbrigung Qefu G^rifti fo äl^nlid^ fanb. 9lur ^atte fie bod^ immer l^ier nod^ „ein 9ieft", mä^renb ber (Sriöfer nid^t l^atte, tool^in er fein §aupt legen fonute.

Stulpe foHte fie aber aud^ l^ier nid^t finben. 93ei ben ummol^nenben Seuten galt bie frembe auS ^ranlreid^ eingeroanberte abiige 3)ame atS eine ^albrerrüdfte, gegen bie man fid^ allen möglid^en SBlutl^miffen er? lauben ju bürfen glaubte. 9Kan mad^te, namentlid^ beS SIbenbS, vox x^xex §auStl^ür unl^eimlid^en Särm; man rief i^r l^öl^nifd^e SBorte 3U, man h)arf il^r ©teine burd^ baS ^enfter in'S §auS unb rid^tete il^r in bem ©ärtd^en allen möglid^en totten Unfug an. 3wm ®Iüi tourbe fie aus biefer troftlofen Sage fel^r balb burd^ eine 3)ame befreit, bie i^r fd^on früi^er il^re l^ülfreid^e §anb geboten l^atte.

Qln 3^urin lebte bamalS eine junge 22 s jährige 2Bitttx)e, meldte fid^, im Sefi^e affer äußeren 3Sor3Üge beS SebenS, nad^ bem 3^obe il^reS 3RanneS aus ben Äreifen beS §ofeS entfernt l^atte, um in ber fjerne fid^ bem ftiHen 3)ienfte ©otteS im ©inne ber quietiftifd^en SK^fti! meil^en ju fönnen. 6s toar biefeS bie 3Rarquife t)on $runai, bie ©d^toefter beS erften StaatSfecretärS unb 9JlinifterS beS lönigl. grinsen ju 3;urin. 35iefelbe l^atte ber %xau t)on ®ut)on toäl^renb il^rer langen Äranl^cit burd^ einen ju il^r gefanbten S5oten einen Srief überfanbt, iDorin fie il^r wegen ber fortlüäl^renben Verfolgung, toeld^e biefe in ber 3)iöcefe ©enf 3U er« leiben l^abe, in il^rem §aufe eine 3wf[ud&tSftätte anbot, 2)ann toofften bie bciben 35amen gemeinfd^aftlid^ für ®otteS SReid^ (für baS „Interieur") loirlen. ^rau t)on ©upon, meldte ber SKeinung toar, ba^ fie bei ben Urfulinerinnen nad^ h)ie Dor verbleiben lönnte, l^atte freilid^ biefe fo freunblid^e (Sinlabung banfenb abgelel^nt; affein fel^r balb änberten fid^ bie SBerl^ältniffe.

2)er SBifd^of von ®enf l^atte eS längft eingefel^en, ba^ er mit grau t)on ®u9on nimmer 3um 3^^^ lommen toürbe. Slujserbem toar cS il^m affmäl^Iig Har geworben, ba| biefelbe, oon Sacombe unterftti^t, in il^rer Umgebung eine Sleligiofität l^eimifd^ mad^e, bie ftd& mit bem ®eifte unb ber Drbnung fat^olifd^-lird^lid^er grömmigfeit nid^t vertrage. SllS

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ba^cr baS ©upcriorat Sacombc*S ju Snbc ging, bcfd^Io^ ber Sifi^of, bicfen unb %xavi Don ©upon, um einer toettcrcn Verbreitung ber quie« tiftifd^en SKtiftil in feiner 2)iöcefe ju begegnen, für biefelbe unfd^äblid^ ju ntad^en, 35entgemä^ belegte er Sacombe mit bem S^^terbift, h)omit bent« felben jebe 3lu§übung geiftlid^er Functionen innerl^alb ber SJiöcefe unter« fagt war, toaS il^n notl^toenbig jur SluStoanberung Deranlaffen mujjte; unb gleid^jeitig lie^ er ber ^rau t)on ®upon eröffnen, ba^ er il^r längeres SSerroeilen in ber 3)iöcefc nur ungern fe^en würbe, fjrau Don 5pruna9 erful^r baS eine toie baS anbere unb entfd^Io^ fid^ olsbalb in§ SKittel ju treten, ©ofort toenbete fie fid^ an ben SSifd^of von SScrcetti, ber il^r gern ®el^ör gab , unb furj nad^l^er l^örte Sacombe , ba^ er mit JJrau t)on ©upon in Surin erwartet werbe. Seibe faxten bal^er ben Sntfd^Iu^, ber (Sinlabung ju folgen unb nad^ 2!urin überjujiel^en, oon mo fic^ 2a* combe ju bem Sifd^of von SBercelK begeben toollte. Um fid^ jebod^ gegen äffe aSerbäd^ttgungen fidler gu fteffcn, l^ielt eS grau von (Su^on für gut, ftd^ auf biefcr Steife von einem affgemein gcad^teten Drbenögeiftlid^en be« begleiten ju laffcn. SDiefelbe tourbe nun in ber 333eife jurüdtgelegt, ba^ bie beiben geiftlid^en Ferren unb ein biefelbe begleitenber 3)iener ju 5Pferbe fa^en, mäl^renb grau t)on ©u^on mit il^rem 2!öd^terd^en unb il^rer 2)ienerin in einer Äutfd^e ful^ren.

©0 famen biefelben nad^ einer langen, oft geful^röoffen Steife burd^S ®cbirge enblid^ in 3!urin an, mo fid^ inbeffen grau t)on ©upon f ofort h)ieber t)on SBibertoärtigfeiten affer älrt beunruhigt fal^. 9(u3 älnneq trafen Sriefe beS Sifd^ofä oon ®enf ein, in benen ftc als eine l^öd^ft bebenflid^e 5Perfönlid^feit l^ingeftefft tourbe. Heber biefe 3Serbäd^tigung ber cblen grau entrüftet fd^idte Sacombe bem Sifd^of fofort eine gel^arnifd^te ©piftel JU, in toeld^er er bemfelben in emftefter ©prad^e Dorl^ielt, ba^ er bie Slieberlaffung berfelben in feiner 3)iöcefe afe eine ®nabcnfügung ®otteS f)ätt^ anfeilen muffen unb ba^ nur burd^ il^n bie äluSbreitung ber inneren grömmigleit in ber S)iöcefe »erl^inbert werbe. (Vie d'Aranthon, ©. 294—299.) Salb aber lam infolge ber ©on Stnnecp einlauf enbcn Sßerbäd^tigungen aud^ in ben t)omel^men unb geiftlid^en Greifen )u Xurin baS aSerl^ältni^ ber grau Don ®U9on ju Sacombe jur ©prad^e. SKan er« jäl^Ite ftd^, ba^ fie mit bemfelben auS einem Sanbe in baS anbere unt' l^ergejogen fei unb mit i^m ben oertraultd^ften Umgang l^abe. 2)iefeS lom natürlid^ aud^ bem $ater )u Dl^ren, ber, bei affer SSerti^fd^ä^ung ber aufrid^tigen, cmftcn grömmigfeit ber ^ccme, über bercn religiöfe 6jcen* tricitöten untoiffig, je^t )u befürd^ten begann, ba^ fein S3er!el^r mit ber^ felben il^m am (Snbe oerberblid^ toerben !önnte unb bolzet baS gonje 93er« l^öltni^, in weld^em er bisl^er ju il^r geftonben l^otte, t)on fid^ objufd^ütteln

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fu(i^tc. %xau von ©u^on mufetc ballet erleben, ba^ ber üon il^r fo j^od^oerel^rte 5ßater tl^r je^t mit Äälte unb ©trenge entgegentrat, ba^ er fid^ il^rcm gansen religiöfen Seben fremb erllärte unb fie, wenn fie \^n übet biefen ober jenen ^unlt il^reS inneren ober äußeren 2e6enS befragte, mit bem furjen Sefd^eib abfertigte, er tpiffe il^r barüber nid^tS ju fagen; fte möge fi^ felbft einrid^ten toie fie looHe,

SluS ber ^eimat^ erful^r fie bamalä, ba^ il^re ©d^roiegermutter ge^ ftorben fei; unb balb nad^l^er erfd^ien il^r ältefter ©ol^n, um fie na^ granlreid^ jurüdEjufül^ren. 3)a fie inbeffen l^örte, ba^ man, ol^ne fte ju befragen, ollen il^ren ^auöratl^ »erlauft, für bie Äinber SSormünber be^ fteHt unb fonftige 2)i§pofttionen getroffen l^atte, in meldten fie bie miU* fürlid^ften (Singriffe in il^re mütterlid^en Siedete erlannte, fo meinte fie, ba^ il^re SiüdEIel^r in bie ^eimatl^ burd^aug nu^IoS fei unb fie entfd^Io^ ftd^ bal^er um fo me^r in Xnxin ju bleiben, als bie bereits eingetretene rau^e Sal^reSjeit il^r eine größere Steife unrätl^Iid^ mad^te.

SBeld^en bebenllid^en 6^ara!ter aber bie über il^re Sejiel^ungen ju ßacombe in Umlauf gefegten (Serüd^te bereits angenommen l^atten, erfal^ fie ,3u il^rem größten ©d^redEen aus einem Sriefe, ben fie oon bem Sifd^of von Slofta erliielt. 35a nämlid^ Sacombe in 3^urin ein ©d^reiben beS Sifd^ofS von SSercetti absutoarten l^atte, fo befd^lofe berfelbe ben il^m be^ frcunbeten Sifd^of oon Slofta 3U befud^en, ber aud^ mit ber gamtlie ber Srau oon (Supon in freunbfd^aftlid^er SJerbinbung ftanb. 2)er Sifd^of l^atte T)on ber le^teren fd^on oiel gel^ört unb lie^ fid^ Don Sacombe nod^ mc^r erjäl^Ien, unb toaS il^m biefer über bie S)ame mittl^eilte, fteHte il^m biefelb.e in feinen 2lugen fo l^od^, ba^ er fie, um il^r gegen bie Slnfeim bungen beS Sifd^ofS von ©enf ©d^u^ ju geloäl^ren, in einem überaus »erbinblid^en Sriefe aufforberte, fid^ in feiner 3)iöcefe nieberjulaffen. ■— Sacombe l^atte bem Sifd^of aber aud^ mitgetl^eilt, toie fel^r fein 3luf burd^ feinen bisl^erigen 3Serfel^r mit grau von ©upon bebrol^t fei. SJai^er l^atte ber Sifd^of in feinem Srief an bie le^tere aud^ i^ierauf 33e3ug genommen unb i^r oorgel^alten, ba^ ©t. ^ironpmuS für einen ^eiligen gegolten, bet)or er bie f), 5ßaula lennen gelernt l^abe, ba^ aber l^ernad^ feine §eiligs feit (menn fd^on mit Unred^t) ftar! bejmeifelt morben fei.

S)aS ©d^Ummfte aber toar, ba^ bie SKarquife t)on ^runap, fobalb biefelbe mit il^r naiver befannt getoorben toar, fid^ oon i^r abtoenbete, inbem biefe in ber %xau oon ©u^on (ju il^rer größten Ueberrafd^ung) ttid^t eine muftergültige §eilige, fonbem eine burd^ allerlei ©igenl^eiten 8erabe3u unangenel^me unb für jeben oerftänbigen SSerfe^r unbraud^bare ©d^toärmerin erlannte. Slud^ trug bie SKJal^rnel^mung , ba^ von ben oer« fd^iebenften ©eiten l^er bie ungünftigften Urtl^eile über bie SDame ein*

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liefen, nid^t lüentg baju Bei, bo^ jid^ ^au x>on 5ßrunai auf einen intintcn SJerfel^r mit berfelben nid^t einlaffen ntod^te. aitterbingS befferte pd^ aü-- tttäl^Iig bie 3Jleinung ber SKarquife über %xavi x)on ©upon; unb ate bie erftere ftd& oeranlo^t ^af), Xux'm ju Dcrloffen unb auf il^r Sanbgut ju gelten, hat fie biefelbe btingenb um i^re Segleitung bal^in, toaä biefe inbeffen, im SSntereffe ber ©rjiel^ung il^rer 2^od^ter, ablel^nte.

grau von ©upon blieb alfo einftroeilen nod^ in 2^urin; aber toaS ba aug il^r hjerben foltte, tou^te fte nid^t S^^r l^atte fie ber Sifd^of t)on SSerceHi in einem fel^r freunblid^en Sriefe eingelaben in feine Slefibenj 3U fommen unb fid^ bafelbft unter feinem ©d^u^e nieberjulaffen. 316er unmöglid^ lonnte fie biefer ©inlabung folgen, toeil Sacombe bamals in SSercetti lebte, ber fid^ nid^t bloä im Qntereffe ber SBal^rung feines guten SRufeg, fonbern aud^, h)eil il^m bie Sleligiöfität ber S)ame einigermaßen fufpect unb biefe felbft unangenel^m geworben toar, noUftänbig von x^x abgemenbet l^atte. Sacombe l^atte il^r brieflid^ ganj untjerl^ol^Ien er- flärt, baß er in il^ren religiöfen ©d^roärmereien unb Urtl^eilen nid^ts al§ Sleußerungen beä ^od^mutl^S unb ber SSerblenbung erfenne. Unmoglid^ alfo fonnte fie nad^ 38erceIIi gelten.

3n 3^urin aber fonnte fie nid^t länger bleiben, vox Slllem toeil ber Sifd^of non ©enf il§r bort allen 35oben unter ben güßen 3U entjieJ^en bemül^t lüar. S^^Sbefonbere fud&te berfelbe bei einem ber 5Kiniftcr, ber neben bem Sruber ber SDlarquife von $runai ebenfalls al§ ©taatöfecretär fungirte, 3U intriguiren, inbem er bei biefem wie bei anberen "^exvox'- ragenben ^Perfönlid^feiten tl^eils burd^ feine Sriefe, tl^eilö burd^ mel^rere 2lbb6§, toeld^e von xf)vx SBeifungen erhalten l^atten, bie nad^tJ^ejligften ©erüd^te über grau non ©upon ner breitete. 3"wi ©lüdE l^atten biefe 3[ntriguen bod^ fd^ließlid^ menigftenS bei §ofc gerabe ben entgegengefe^ten ©rfolg, inbem fid^ nad^ bem 2^obe beö föniglid^en ^rinjen S3riefe beS Sifd^ofg von ©enf oorfanben, toeld^e bie ärgerlid^ften Semerfungen über bie ©emal^lin beS Seremigten entl^ielten. 2)ie ^raltilen beS 83ifd^of§ l^atten bal^er fd^ließlid^ nur jur golge, baß grau t)on ©u^on ju einem 95efud^e bei ber ^rinseffin eingelaben tourbe, h)eld^e biefelbe bat, in S^urin ju bleiben, inbem fie i^reS befonberen ©d^u^eä üerfid^ert fein lönne.

3Kit neuer 3woerfid^t rid^tete fid^ bal^er grau von ©u^on raäl^renb il^reS Slufentl^alteS in 3^urin auf; fal^ fie fid^ bod^ fd^on jje^t mitten in eine ©emeinfc^aft religiöfen Sebeng l^ineingefteUt, als beren gottgefanbtcS §aupt fie gläubig t)erel^rt warb. ®enn bie 3)l^ätigleit, toeld^e fte nun feit einer ganjen SReil^e t)on Qal^ren, inSbefonbere non 2^^onon unb 2^urin aus, entfaltete, Ipar nid^t ol^ne grud^t geblieben. S)aS SEBort ber 3)ame

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l^atte bereits in jal^llofcn ©emütl^em einen empfänglid^en S3oben gefunben; il^re au^erorbentlid^e eifrige unb auSgebei^nte ßorrefponbenj §atte e8 i^r möglid^ gemad^t, in aUen ®egenben ^anfreid^ä ii^re ^ieen belannt ju mad^en unb für biefelben g^tereffen ju ertoedfen; unb roennfd^on bic $a\)l il^rer eigentlid^en änl^änger gur ^eit nod^ gering toar, fo toar bod^ iljr 5Rame bereits in ganj ^anfreid^ belannt.

älber freilid^ mu^te fie eS aud^ immer x>on 5Reuem erfahren, mie bie 3al^I il^rer (Segner fid^ nid^t minberte, fonbern t)ielmel§r toud^ä, unb ba^ in $ariS, toxe in Slnnec^ unb ®enf ber bitterfte §a^ unabläffig gefd^äf« tig toar, an il^rem SSerberben 3U arbeiten. SJa^er toar fie frol^, in Surin eine ^uflud^t gefunben ju i^aben, mo fie, vorläufig toenigftenS, mit einiger ©id^erl^eit fid^ bergen lonnte.

3lber tt)ie niebergebonnert fül^lte ftd^ ^rau t)on ©u^on, als l^ier eines XageS ber ^fater Sacombe t)or i^r erfd^ien unb il^r in gemeffenfter Söeife anlünbigte, ba^ fie fofort nad^ 5ßariS überjufiebeln l^abe; unb jhjarfollte fte fd^on am folgenben SKorgen ba^in abjie^em Sllfo 3^urin fottte fie t)etlaffen, unb fie foffte bal^in gelten, wo fie feitenS il^rer jal^lreid^en ©cgner burd^ bie fd^änblid^ften 3SerIäumbungen i^ren Stuf t)oBftänbig ruintrt glaubte, too inSbefonbere i^re eigenen SSertoanbten baS (Serüd^t ausgebreitet l^atten, ba^ fie nad^ (Senf nur bem später Sacombe, in ftraf* barer 5Reigüng ju bemfelben, nad^gelaufen fei. SDer SSefel^l beS Sedieren toar bal^er für grau oon ©upon baS §ärtefte toaS man il^r je angefon« neu l^atte, unb mar für fie um fo l^ärter, als fie fid^ mol^lfagen fonnte, ba^ bicfer 33efe^I i^reS Seelenfül^rerS nur burd^ ben ©ntfd^Iu^ beffelben t^etanla^t fei, fie 3ur SSal^rung beS eigenen SRufeS gan,^ auS feiner 9läl^e fort.jufd^affen. Srflärte bod^ fogar ber ^Pater, als grau t)on ©upon il^n bat, fie mit il^rem Äinbe unb il^rem fiammermäbd^en über bie raul^en Sllpen l^in nad^ granlreid^ px begleiten, ba^ er unter feiner Sebingung fid^ bagu Derftel^en mürbe, jumal ba ber SSifd^of oon ©enf bereits nad^ allen Seiten l^in bie 3lad^rid^t t)erbreitet l^abe, ba^ fie il^m nad^ 3^urin nad^gereift fei. 3um ©lüdE nal^m fid^ ber $ater ^rot)in3ial beS Sama- bitenorbenS 3U 2^urin, ein 5!Rann t)on üornel^mer älbfunft, bem bie fitt« lid^e SReinl^eit Sacombe'S über allen S^^if^I erl^aben toar, ber geängftigten Dame an. 33erfelbe erflärte nämlid^ bem ^ßater, bafe man unmöglid^ bie SDame, namentlid^ ba fie il^r Äinb bei fid^ l^abe, ol^ne einen gü^rer burd^ bie müften ©ebirge reifen laffen bürfe unb befal^l i^m, fie ju begleiten. Sacombe antwortete, ba^ il^m biefer Stuftrag aUerbingS im l^öd^ften ®rabe fatal fei, ba^ er aber bem Sefel^le feines Oberen gel^ord^e, jumal ba eS il^m leib tl^ue, toenn er grau von ©u^on ftd^ ©efa^ren ausfegen fäl^c. @S tourbe bal^er feftgefteUt, ba^ Sacombe biefelbe nad^ ©renoble, \üo fie

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3ta>ei ober brei Xage (et einer (efreunbeten, frommen 2)ame 6(ei6en n^oSte, begleiten unb oon ba nad^ Xurin 5urüdretfen foKte. Xraurtgen $er3enS jog %xau von @u9on Don 2^urin in bem ©ebanlen ux(^ mit bem @ntfd^Iuffe ab, in $arig aEe§ ^reu.) unb aOe SSefd^ämung, bie @ott über fte oerl^ängen toerbe, mit ©ebulb unb (Ergebung 3U ertragen.

•«. a

®tfo(ge bet 9tait tion Su^on au ®renobre«

3)ie mül^felige SReifc über bie an oielen ©teilen ganj untoegfameti äUpen, über meldte f^rau oon ©upon fxä) ba§ fd^neebebedte ^aupt bed 5Wont ßeniS erl^eben ^ai), mar enblid^ 3urüdEgeIegt, unb mol^lbel^alten traf biefelbe mit ber Keinen 3^od^ter, mit ber Äammerjungfer unb bem ^ater Sacombe in ©renoble ein, too fte von ber il^r befreunbetcn 2)ame mit ^ubel empfangen warb. 3)iefelbe ftellte il^r alsbalb oor, ba| oon ber ^ortfe^ung il^rer Steife nad^ $ari§ einfttoeilen leine 3lebe fein fönne, ba ftd^ in ©renoble fel^rSJiele oorfänben, toeld^e baä größte SSer* langen l^ätten, fie lennen 3U lernen, unb ©Ott bal^er burd^ fte an biefem Drte oerl^errlid^t toerben iooHte. Sacombe erllärte ftd^ l^iermit oofflommen einoerftanben, toar 3ufrieben, ba^ grau oon ©upon, oorläuftg loenig« ftenä, in ©renoble blieb unb reifte nad^ SBercelli 3urüdE.

%xan von ©upon l^atte anfangs, ba fie im ©aft^aufe ber ©tobt fein Unterfommen finben lonnte unb nur einige 2^age bafelbft ju v^t- loeilen gebadete, in bem §aufe einer SBitttoe il^re SfBol^nung genommen. ©ie t)erliefe nun biefelbe unb 30g, toäl^renb fie il^r 2)öd^terd^en in einet frommen Slnftalt unterbrad^te, in ba§ §au§ ber ^eunbin über, ent- fd^loffen, bie S^tt i^reg 2lufent^alte§ in ©renoble red^t eifrig 3U neuer SSerfenlung in ©Ott 5U t)erh)enben.

Snbeffen lam 3unäd^ft bod^ anberS. Saum mar nämlid^ bie Sin- toefenl^eit ber oielgenannten 2)ame in ber ©tabt belannt geworben, atö biefelbe aud^ ber ©egenftanb ber aUgemeinften Slufmerlfamleit toarb. 2llle, bie fid^ für ©ad^en ber SReligion intereffirten, lamen* 3U il^r, um öon il^r auf ben „inneren 333eg'' gefül^rt ju toerben, ober um fie toenig« ftenS ju fe^en unb fie reben 3U l^ören. 2)ie S<^^ ^^ Sefud^e meierte fid^ mit jebem S^age; ba famen DrbenSleute, SBeltgeiftlid^e, ©belleutc, ©elei^rte, SBürger, ^J^auen unb Jungfrauen, meldte bei ber gefeierten S)ame t)om frül^eften SKorgcn bis 3um fpäten 2lbenb ein- unb ausgingen. ®8 begreift fid^, ba^ ^au oon ©upon bie SBerfd^iebenl^eit ber religiöfcn

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©eclenjuftänbc, rocld^c unter bcn 3SkIcn, t)on torfd^en fte bcfud^t toatb, .' Dorl^anben hjaten, f(]^on bei bem Seginne il^teS (Sefipräd^eS mit benfettcn leidet erlannte; begreift ftd^ aud^, ba^ fie in ©emä^l^eit biefer SBal^r« nel^mung il^re Spraii^c mit ben ©injelnen einrid^tete, unb ba^ fie im gortgange beS (Sefpräd^eS ben erftcn ©inbrud, ben fie »on ben ©injelncn empfangen l^atte, beftätigt fanb. fj^au oon ©u^on glaubte l^ieran tDal^r« junel^men, ba^ il^r eine neue Qiaie ®otte§ ijerlie^en mar, nämlid^ bic ®aU ber ©eifterprüfung, infolge bef[en fie fid^ in ben „apoftolifd^en Stanb" oerfe^t glaubte. 6s mar il^r felBft »ermunberlid^, bafe, mäl^renb fte 3u aßen ©enjenigen, Don benen fie fid^ mit bem ®eift bcr inneren gröm« migfeit angel^aud^t fül^Ite, mit größter Seid^tigleit fc^r falbungStJott 3U reben iüufete, fie 3lnberen gegenüber, bie nur gelommen tt?aren, um 3U l^ord^en unb il^r 9ie^e ju ftellen, fein SBort ju reben Dermod^te. S)iefe gingen bal^er enttäufd^t von i^x l^intoeg unb fprad^en baoon, ba^ il^nen bie 3)ame el^er eine 9lärrin, al§ eine ^eilige ju fein fd^eine; roäl^rcnb ättbere, menn fie il^r bie §anb brüdEten, beS ©inbrudfs oott maren, ben fte t)on il^r empfangen l^atten. ©ie felbft aber jubelte, ba^ fie in ben „apoftolifd^en Staub" »erfe^t fei, tt)oburd^ eS il^r freilid^ nur auf§ 3teue getoife geworben h)ar, ba^ ®ott fie jtt ungemö^nlid^em Äreuj unb Seiben eriüäl^lt l^abe. 31I§ bal^er eine Dame, ju ber fie in freunbfd^aftlid^e Se* jiel^ung getreten toar, 3U il^r non ber allgemeinen ^od^ad^tung fprad^, bic fte in ber ©tabt genieße, antujortetc fie berfelben: „5!RerIen ©ie tool^l auf ba§, h)aS id^ 3^nen l^eute fage: toirb ber 2^ag lommen, wo ©ie biefelbcn Sippen, bie l^eute mid^ fegnen, in SSerlPünfd^ungen gegen mid^ tüerben au§bred^en l^ören."

Uebrigenä fül^Ite fid^ grau von ®ut)on gerabe toäl^renb il^reS Slufent« l^alteS 3U @retio6Ie auf eine neue ^öl^e gel^oben, inbem fie erft je^t tJoDt« fommen ju erfennen glaubte, toeld^e Sebeutung bie il^r von ®ott juge- miefene „geiftlid^e $!Jlutterfd^aft" l^abe. Slud^ rief fie in ®renobIe einen Samenoerein 3um S^eie ber ©rrid^tung eines Sranlenl^aufeS inS Seben, beffen 3Sorftanb fie mit bem ©el^eimni^ ber Verfertigung il^rer Heilmittel Dertraut mad^te.

9lad^ einem Ileinen ©d^riftd^en, toeld^eS fie unter bem 2^itel: „fiurjeS unb leidstes 5fJlittel 3um ®ebet" »erfaßt l^atte, mar fo ftarle SRad^frage, ba^ un3äl^lige 2lbfd^riften angefertigt merben mußten. 6in Drbenämann 3U ®renobte fott fid^ barüber bie §anb lal^m gefd^rieben l^aben, Un« jäl^lige ergaben fid^ bamals ber gefeierten 3)ame als il^rer „geiftlid^cn SRutter" imb priefen bie ©egnungcn, toeld^e fie von i^r empfingen.

inmitten biefeS regen perfönlid|cn SSerfel^rä, ber fid^ 2^ag für 3^ag t)on allen ©eitcn an fie l^eranbrängte, unb fie laum einmal 3ur

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Slul^e lotnnten lxe% vermod^te tnbeffen f^tou von ©upon ju ®reno6Ie eine Xrbett ju beginnen, beten 3(u3fül^rung Don ber h)unber6aren geistigen ÄrbeitSiraft berfelBen jeugte.

@d)on fett geraumer 3^it l^atte fte aDe il^re BiSl^erige S^ctüre ein^ geftellt; bagegen nal^m jte j[e|t l^äuftger bie l^eilige ©d^rift jur ^onb^ nnb jie fül^Ite fid^ getrieben, fo balb fte eine ©d^riftfteffe gelefcn l^atte, biefelbe aufjufd^reiben jtnb ©rllärungen l^injüjufügen. ®iefcS brad^te fte auf ben @ebanfen, eine @rl[ärung ber ganjen l^eiligen Sd^rift aug^uar^ beiten, mit beren äluäfül^rung fie xtlsbalb begann. S)a fte ben gansen 2^ag Sefud^e empfing unb fte bal^er, toenn fie fld^ eine ©tunbe ium ©d^reiben nel^men mottte, immer toieber unterbrod^en warb, fo mu^te fte l^auptfäd^Iid^ bie näd^tlid^e ©tiOe für il^re älrbeit t)ern)enben. ^ierju ge^ brandete fie lein anbereS ^ülfSmittel, als bie l^eilige ©d^rift felbft. SCud^ ging fte nid^t auf Unterfud^ungen unb ©tubicn über ben ©d^riftinl^alt ein, t)ielmel^r geftaltete fid^ il^re äluffaffung beffelben unmittelbar beim Sefen felbft ober erft toäl^renb bc^ ©d^reibenS, inbem fie, mit bcm ©d^reiben bcginnenb, nod^ nid^t tonnte, h)a3 fie eigentlid^ aufjeid^nen foEte. ä(ud^ mar baS Slufgefd^riebene, fobalb fie bie (Srilärung eines bibli« fd^en Slbfd^nitteS beenbet l^atte, il^rer Erinnerung micber t)oIIftanbig ent* fd^tounben. Slber fo überfprubelnb unb rafd^ toar il^re ©ebanlenconcep« tion, ba^ ber Slbfd^reiber oft faum in fünf Sagen fopiren fonnte, tooS fie in einer einjigen 9lad^t niebergefd^rieben l^atte. 3^^^^ Srllärung bc§ l^ol^en Siebes toar in anbertl^alb Sagen tJoHenbet, an benen fie überbic§ nod^ Sefud^e ju empfangen l^atte. 3)ie l^äufigen ©törungen unb Unter« bred^ungen, bie fie bei il^rer 3lrbcit erful^r, oeranla^ten eS, bag fie fid^ aud^ bann mit berfclben befd^dfttgte unb an i^rcm 3Wanufcript toeitcr arbeitete, xoenn fie ftd^ innerlid^ burd^ ben ®eift (SotteS gar nid^t ange« trieben fül^Ite. %vavL t)on (Supon erfannte bann baS, toaS fie in fold^eit ©tunben ber SJürre gefd^rieben l^atte, in feiner SKangell^aftigfcit, lie^ c8 aber unt)eränbert ftel^en, „bamit man ben Unterfd^ieb jtoifd^en bem ©eifte ©ottcS unb bem beS natürlid^en SKenfd^en Ilärlid^ erlennen möge".

UebrtgenS follte eS aud^ bei biefer Strbcit nid^t o^ne ein befonbereS SBunber ®otteS abgelten, über roeld^eS %xavL von ®nr)on in folgenbcr SflSeife' berid^tet *) : „®8 l^atte fid^ nämlid^ ein beträd^tlid^er S^eil meiner 3luSlcgung beS Sud^eS ber SRid^ter oerloren unb auf mel^rfeitigeS bringen« beS Sitten, ba^ id^ biefelbe lieber t)oIIftänbig l^erftetten möd^tc, l^atte idj baS %zf)lenie nad^getragcn. SllS id^ nun lange nad^^cr ein anbereS §au3 bejog unb l^ierbei baS verlorene 9Kanufcr:pt an einem Drte, mo man eS

*) Stograpl^te n, xxi, 9.

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burd^auS ntd^t crtoattcn fonntc, toiebcr jum SSotfd^ein tarn, fo jeigtc eS {td^, ba^ biefeS mit bent neuen 3laijixaQ t)oIlIommen gleid^Iautenb \oc(X, worüber Dtele geleierte unb i^od^oerbiente 5ßcrfonen erftaunten unb eine fd^riftlid^c Seglaubigung ber ©ad^e aufftcttten."

©0 ern)ud^S nun il^re ©d^rift: „La saioteBlble avec des explicar tions et r^flexions, qui regardent la vie Interieure". S)en SBortjtnn

ber ©d^rift l^atte %vau »on (Supon in il^ren SluSlegungen ganj unberül^rt gelaffen. Surd^roeg legte jte bemfelBcn oielmel^r einen mpftifd^sallegorifd^en ©inn unter, in toeld^cm jebeS ©d^riftroort irgenb eine jur Seigre von bem inneren Seben gel^örigc SBal^rl^eit barftellen fottte.

UeBrigenS blieb bie gro^e Slrbeit einfttocilen nur SKanufcript, toäl^« tcnb eben bamate il^re Slnweifung jum inneren ®ebeie, toeld^e bis bal^in nur als ÜJlanufaipt verbreitet roorben toax, unter bem 2!itel: „Moyen

court et trös-facile de faire oraison" jur SSerÖffentlid^ung burd^

bcn S)rudE lam. ®in il^r befreunbeter 5ßarIamentSratl^ fal^ biefelbe einft Bei if)v- auf bem 3)ifd^e liegen, erbat fie fid^ t)on il^r jur S)urd^fid^t, tl^eilte fic aud^ anberen geifteStjertoanbten greunben mit, toeld^e fämmtlid^ SCB« fd^riften be§ 5IRanufcripte§ l^aBen toottten, unb l^ierburd^ fal^ fid^ grau t)on ©upon veranlagt, bem 5ßarlament§ratl^, il^rem ^Jteunbe, bie §erauS« gäbe ber 2lBl^anbIung ju geftatten. S)erfelBe l^atte bie 3lpproBation ber ©d^rift fcitenS ber ©orbonne unb ber Drbinariate 5U 2yon unb (SrenoBIc ermirlt unb ber 2)rudf toar bereits begonnen, als grau oon ©upon auf mel^rfeitig geäußerten SBunfd^ eine SSorrebe ju berfelben fd^rieb.*) ©0 fam baS oielgelefene Süd^Iein, baß für bie 3Serfafferin fo oerJ^ängnißooff toerben foHte, in ©renoBIe jur aSoHenbung, jum 2)rudE, unb alsBalb aud^ jur toeiteften Verbreitung. 2lffein bie DrbenSleute }u ©renoble üBer^ nal^men 1500 ©jemplare jur 58ertl^eilung.

f. 9. Srtau tiott Stt^on p 3Ratfe{Se unh SetceSi

grau oon ®upon l^atte il^re 3luSlegung ber l^eiligen ©d^rift nod^ nid^t DoIIenbet, als il^r plö^Iid^ Ilar tourbe, baß aud^ in (Srenoble il^reS S3IcibenS nid^t me^r fein lönnte. S)ie außerorbentlid^e 3lnerfennung unb

*) ©|)(lter]^in fd^rieb bie SBerfafferin auf ben SBunfd^ beS 2)ombecanS Dr. Soileau gu ©enS nodj eine jtoeite SSorrebe ju bem 3QBer!ci^en, lücld^e inbeffen als ,,3lt)oIoöie" beffelben juerft in ber SluSgabe öon 1712 gebrutft erfd^ien.

15*

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SSprcl^rung, itjcld^c bic S)ame bafclbft fanb, bie gläubige Eingabe, rücl^c gerabe fcitenö bcr frömmften ©emütl^er gegen fte funbgegeben tourbe, erregte affmäl^Itc§ bie ©ferfud^t, nid^t 6Io§ meler Seelforger, fonbern au(j^ einjelner religiös erregter ©emeinbeglieber, bie fid^ gern bejfelben Stn^ fe^enS erfreut J^ätten, mit bem fie bie frcmbe S)ame umgeben fallen, ^nx 3a^I ber festeren gel^örte j. 35. aud^ bie ^reunbin ber grau t)on ©u^on, an toeld^e fid^ biefe in ©renoble junäd^ft angefd^Ioffen l^atte. Unter ben ©eiftlid^en ber ©tabt fel^Ite eg atterbingS nid^t an fold^en, bie fid^ ber von grau t)on ©u^on auögel^enben ©rmedfung fo meler ©emittier auf- rid^tig freuten; anbere bagegen toaxen empört barüber, ba^ fie ftd^ eine SBirffamlett anmaße, bie nur i^nen jufomme unb ba^ fte fid^ be§ SSer« trauenS ber ©emeinbeglieber 3U bemäd^tigen fud^e. @g !am aud^ balb vox, ba^ man in ben Ilerilalen Greifen ju ©renoble baran badete, ber 3)ame gaHftridfe ju bereiten unb toomöglii^ SSIö^en an i^x auf3ubedEen. 3h)ei ©eiftlid^e, ein ^ßater ^rooinsial, ein angefel^ener Äanjelrebner, unb ein anberer, ber an ber Äatl^ebrale al§ gaftenprebiger angeftettt toax, lamen naä) einanber 3U il^r unb legten il^r fel^r »erfänglid^e t^eologifd^e gragen vox. ^nhef\en lou^te grau oon ©upon beiben Ferren fel^r tüo^l ju bienen unb ber S^^^ biefeS Sefud^e§ tourbe nid^t erreid^t.

SSon fd^limmerer golge jebod^ al^ biefe fel^r oerfel^rt angefteHten 5!Rad^inationen mar für grau von ©upon 3lnbereg, ma^ berfelben um jene 3eit mieberful^r. ^^xe biöl^erigen ©efd^idEe l^atten in il^r auf§ 5Reue ben ©ebanlen ber Südflel^r nad^ ©enf ertoedft, inbem fie nun einmal ber Meinung ioar, bafe ©Ott i^r biefe ©tabt als il^r Slrbeitäfelb jugetoicfen l^abe. 2)a^er fd^rieb fie an ben Sifd^of V3ixant^on, unb fud^te bemfelbcn Ilar 3U mad^en, ba^ fie il^m bod^ gar leinen 2lnla^ 3U Slnfeinbungen ge« geben l^abe, ba^ fie nid^t i^re eigenen S^eäe oerfolge, fonbern nur baS SReid^ unb bie ©l^re beS ^errn ju meieren fud^e unb hat bal^er il^r bic SRüdEfel^r in feine 3)iöcefe ju geftatten. SlHein ber Sifd^of fd^rieb il^r lurj 3urüdf, er fül^le fxä) burd^ fie vxd 3U fel^r in feinem tl^euerften Sntcrcffe Derlounbet, als ba^ er bergleid^en 35inge eingel^en fönnte. ©leid^jeitig trug ein SHeffe beS Sifd^ofö in ©renoble bie fd^limmften ©erüd^tc von ^au§ 3U $aug. $lö|lid^ taud^ten aud^ ©d^mäl^fd^riften gegen bie ^caae auf, bie oon ©eiten il^rer SBiberfad^er fel^r eifrig in ber ©tabt oerbrcitct tourben. 3Ran fagte in benfelben, fie fei eine 3<^uberin unb gqlfd^« mün3erin, bie mit bem 2)eufel im SSunbe ftel^e, unb bie burd^ allerlei bämonifd^e SWittel, aud^ burd^ falfd^eä ©elb, 3um ©d^eine gute SBerfe tl^ue, in ber alleinigen Slbfid^t, bie ©eelen 3U ©erberben. ©d^lic^lid^ er« l^ob fid^ bal^er in ©renoble ein fold^er ©türm gegen bie atten UnBilben fd^u^lod preisgegebene grau, ba^ il^reS SSleibenS bafelbft unmöglid^ länget

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fein fonntc, 3!)ct Äaplan bc§ borttgcn Sifd^ofS goB il^r bcn fHaif), fid^ für einige g^it in feine ^eimatl^, nod^ 5DlarfeiIIe, ju begeben unb bafelBft baS SluStofen beS gegen fie l^erangebrauften ©tumteg abjutüarten, inbcm er toiffe, ba^ bafelbft loiele fromme Seute lebten, t)on benen fie mit offenen 3lrmen anfgcnommen merben toürbe.

2lIIerbing§ mürbe fte gerabe bamalS burd^ eine nad^malige fel^r bringenbe ©inlabung ber SWarquife oon ^runai überrafd^t, bie fid^ in ber legten ß^it fel^r eng an fte angefd^Ioffen l^atte. grau t)on 5ßrunai erinnerte fie an ba§ il^r gegebene SSerfpred^en, fie red^t balb mieber mit i§rem Sefud^e ju erfreuen unb bat, baffelBe je^t jur 2lu§fül^rung ju bringen; allein nimmer fonnte fid^ grau t)on (Su^on entfd^Iie^en biefer (Sinlabung gu folgen, inbem bie gurd^t x>ox bem SSerbad^te, ba^ fie bie 3fläl^e be§ $ater§ Sacombe auffud^c , fie mit eisernen geffeln jurüdfl^ielt.

©omit blieb il^r nid^tg 2(nbere§ übrig al§ bem Statine be§ bifd^öf^ \\S)en Äaplan§ ju folgen, ^n aller ©tille tourben bie Vorbereitungen jur Steife getroffen. 2)enn fie mu^te, ba^, roenn \^x ®ntfd^Iu^, ©renoble ju oerlaffen, befannt mürbe, aUe bie jal^Ifeid^en Serel^rer, bie fie in ber ©tabt l^atte, nid^t unterlaffen mürben 3U il^r ju lommen unb il^r 3um 2lbfd^ieb bie §anb ju brüdfen. Sie irottte aber in aller ©title unb ol^ne Auffeilen ju erregen von ©renoble fd^eiben.

Dl^ne ba^ Semanb baoon eine Äunbc l^atte, beftieg fie ba^er eine§ 2^age§ ein auf ber Sft^one liegenbeS ©d^iff, um nad^ SJlarfeille l^inab^ jufa^ren. ^^xe Segleitung beftanb an^ xf)xex Kammer Jungfer, einem anberen 3Wäbd^en, baä in ©renoble fid^ eng an fie angefd^loffen l^atte (ba§ il^r aber fpäter eine Urfad^e großer 2^rübfale it)arb), bem Kaplan be§ Sifd^ofg unb einem anberen ©eifllid^en. ^^x S^öd^terd^en l^atte fie in einem Älofter 3urüdfgelaffen.

35ie Steife verlief nid^t ol^ne mand^erlei bebenlli(^e S^fäHe. 3ln einer überaus gefäl^rlid^en ©tette be§ ©tromeS rife plö^lid^ ba§ Slnfer- tl^au, unb baö ©t^iff ful^t mit fold^er §eftigleit gegen einen au§ ber SRl^one l^ertjorragenben gelsblodf, ha^ baffelbe ledE mürbe. S)er ©teuer-* mann h)urbe burd^ ben geh)altigen ©to^ ron feinem ^la^e geworfen unb Mrbc unfel^lbar in bie SRI^one f)inabgeftür|t fein, trenn il^m nid^t einige Ferren ju §ülfe geeilt lüären.

©in nod^ meit beben!lid^ere§ Slbenteuer l^atte fie ju befte^en, als fie t)on SSalence aug mit il^rer Segleitung unb anberen Seuten in einem Keinen, oon einem Änaben geleiteten 3la6)^n fül^r, um mittelft beffelben ein grö^ereg uorauSeilenbeg ©d^iff ju erreid^en. ©d^on l^atte fid^ ber 'Slod^en eine l^albe 3Jleile r)on SSalence entfernt, als man bie Unmöglid^« feit einfal^, baS oorauSeilenbc ©d^iff einjul^olen. S)er Stadien mu^te alfo

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naä) SSoIence 3urü(IgeBtad^t toerben, toad aber bei ber rei^enben ©ttömung ber SRI^ottc feine ©d^toierigfeit ffatte. Um ben Äal^n unb bcjfen ga^rt 3U erleid^tern, cerlie^en alle Sleifenbe bcnfelben unb befd^Ioffen, ju 3fu^ nad^ SSalence jurüdCjugel^en ; nur f^rau t)on ©u^on, bie fid^ 5U einem fold^en 5Kar[d^e nid^t ftarf genug fül^Ite, blieb in bem ^al^rjeug ^uxüä, baS aber aföbalb ein ©pielbaH beS ©tromeS tourbe. 2)ie am Ufer ©tel^enben fallen, wie ber SRad^en in ben fjlutl^en auf unb nieber u)ogtc unb ber iRnabe^ ber im Slubem ntd^t l^inlänglid^ geübt toax, jammerte laut; ba^ er ertrinlen muffe. %xa\x t)on ©upon fud^te il^n 3U berul^igen unb il^m 5Kutl^ einjuflöfeen unb ermal^nte il^n, unt)erbroffen bem ©tront ^g^g^tt }u arbeiten. 3)er ßnabe tl^at aud^ mag er tl^un lonnte; unb nad^ einem üierftünbigen Äampf e mit ben glutl^en , toäl^renb beffen bie cm Ufer ©tel^enben ben SRad^en mieberl^olt t)on ben glutl^en loerfd^Iungen {(laubten, lam berfelbe enblid^ in 33alence mieber an.

^au t)on ©u^on f e^te nun von ba mit il^rer Segleitung auf einem önberen ^al^rjeuge il^re Steife fort unb traf enblid^, als ba§ ©d^iff au3 ber 5Künbung ber Sll^one in baS mitteHänbifd^e 3Jleer eingefal^ren mar^ in 3DlarfeiIIe ein.

§ier, h)0 Malaval lebte unb feit langen Salären bereits eine fel^r f rud^tbarc SBirIfamleit ausgeübt l^atte, ftanben fid^ bie religiöfen 5ßarteiungeii ber 3rit ^^ fd^rofffter Sffieife einanber gegenüber. 3RalavaVd Slnl^ang mar aQerbingS 3al^Ireid^; aber ein %^e\l beS ßleruS ^tte bereits gegen bie quietiftifd^e SKpftif ©teHung genommen unb bie rol^e SKaffe toar burdj benfelben gegen ÜJlalaoars Seigre unb älnl^ang ju loUbem f^anatiSmuS auf» ftad^elt toorben*).

5Run i^atte einer ber ^eunbe ber ^au oon ©upon bei il^rer Slbreife t)on ©renoble berfelben ein ®mpfel^IungSfd^reiben an einen in 5KarfeiKe tool^nenben SRitter bcS SKaltl^eferorbenS, ben biefer bereits mit ber ©d^rift: „Moyen court et trds-facile etc." belannt gemad^t l^atte, mit« gegeben. Seiber foKten barauS für bie SSerfafferin bie unangenel^mften fjolgen l^eroorgel^en. S)er SRitter l^atte baS Süd^Iein feinem Äaplan ge« geben, ber bie in bemfelben bargelegte äluffaffung beS ©ebeteS burd^auS unfird^Iid^ fanb unb bie SSerfafferin für eine l^öd^ft bebenllid^e ?ßerfön« lid^Ieit erSärte. SDal^er lam eS , ba^ , als ^rau oon ©u^on SRorgenS jel^n Ul^r in SWarfeitte eingetroffen mar unb bem SDlaltl^eferritter alsbalb iJ^rcn S3efud^ gemad^t l^atte, fd^on am 9iad^mittag beffelben %ageS ber Jtaplon itnb anbere ©eiftlid^e fid^ 3um Sifd^of oon 3)larfeille begaben unb bem«

*) aJlan bergl. toaS ber Herausgeber ber Pratique de la vraye theologie mistique im Sorioort ium 2. ^l^eil berfetben @. 387 l^ierübec mittl^eilt

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felSen, mit Vorlegung beS il^nen t)er]^a^ten Suchet , flar )u xaai^ta fuc^ten» ba^ bie SSerfaffetin notl^h)enbtg auS ber @tabt gebrod^t toerben muffe. ä(ud^ mu^te ^rau t)on ©u^on fogat einen Auflauf lool^mel^men, ber gegen fte jutoege gebraci^t toot. S>er Sifd^of lie^ inbeffen bad Sud^ burd^ feinen tl^eologifd^en Statl^ prüfen, ber ed für gut unb nü^lid^ erflärte. 6r eriunbigte ftd^ ayxi^ nad^ ber Urfod^e bed ä(ufläufeiS, ber nad^ bem €intreffen ber ^au t)on ©upon erfolgt fei; unb älHed, n>aS er hierbei über biefelbe erful^r, nal^m il^n fo fel^r für bie SDame ein, ba^ er fein größtes Sebauem über bie berfelben zugefügte 93eleibigung audfprad^. 2)ie ^lüd^tige fal^ ftd^ bal^er veranlagt, ben SSifd^of ju befud^en, ber fte nid^t allein mit größter g^vo^i'^^^^^it aufnal^m fonbern aud^ tt>egen beS SSorgefaQenen \xm (Sntfd^ulbigung bat. @r erfud^te fte, in SRorfeiUe ju bleiben, Derftd^erte fte feines @d^u^ed unb eriunbigte ftd^ nad^ il^rer 3Bo]^nung, um il§r einen ©egenbefud^ ^u mad^en. älld il^m am folgenben 3;age ber Jtaplan bed S3ifd^ofd t)on ©renoble unb ber anbere ©eiftßd^e il^rer Begleitung il^re Sluftoartung mad^ten, 'öu^erte ber $rälat abermals fein tieffted S3ebauem über bie ber 2)ame n>iberfal^rene Aräniung, mit bem (auf gemiffe ©eiftßd^e abjiel^lenben) Semerfen: eS fei bie getoöl^nKd^e äBeif e bief er Seute , aQe biejenigen )u infultiren, bie nid^t ivc il^rer Slique gel^örten; aud^ il^n felbft l^ätten fte nid^t t)erfd^ont.

@d^on in ben ndd^ften 2^agen mu^te ed f^au von ©u^on erfal^ren, toeld^e entfe|lid^e Erbitterung gegen fie in einseinen Areifen 3U SRarfeiKe Dorl^anben toar. ©ie empfing eine Änjal^I ber feinbfeligften Sriefe t)on beuten, beren Flamen fte gar nid^t {annte*

Snbeffen lam fte bod^ aud^ mit vielen Seelen in SSerlel^r, mit benen fie ftd^ in innigfter ©emeinfd^aft fül^Ite ober bie burd^ fte 3um innerlid^en ©ebetsleben ermedt mürben. Unter ben erfteren mar aud^ ber alte !0lalat)al, ber fie befud^te; $u ben Se^teren gel^örte u. 21. ein 5ßriefter, bem ^au t)on ©u^on bis bal^in burd^auS unbelannt toar. „9lld berfelbe cinft'', fo erjäl^lt biefelbe*), „nad^ ooHenbetem ©otteSbienft fein ©auf- gebet gefprod^en unb mid^ l^inauSgel^en fal^, folgte er mir bid %\x meiner äBol^nung. $ier fagte er mir, ber $err l^abe il^m eingegeben, ftd^ an mid^ ju toenben, unb l^abe il^n sugleid^ erlennen laffen, ba^ id^ biejenige fei, ber er feinen inneren S^f^^^b entbed(en muffe. @r tl^at biefed mit eben« fooiel (Sinfalt als ©elbftoerläugnung, unb ber $err oerliel^ mir SlKeS maS }u feinem $eile nötl^ig toar. 3uf^^^^nl^eit unb 2>anlbarleit gegen ben §erm erfüllten infolge beffen feine ©eele."

UebrigenS fal^ ^au von ©upon fel^r bolb ein, ba| fte in i^ren @rs

♦) »iograpl^le II. xxiu, 4.

.rtöattüngcn, Don aRarfeißc naäj Otenoble jurüdf elften ju fönncn, fid^ gc*

. tttufti^t f)attt, 3)entt nad^ il^ret SlStcif e t)Ott ©rcnoblc toar bie ^etnbf d^aft

, unb ßrBitterung i^rcr SSSibcrfaci^cr bafclfift noä) toeit Icibcnfd^aftKd^er als vox^ev i^croorgctrcten. ©ic l^örtc von ben fd^änblid^ftcn (Scrtid^tcn, tocld^c

. man nad^ il^rcr Slbtcife üBer ftc abermafö in Umlauf gefegt l^atte, unb lonntc bal^er an eine SRüireife nad^ ©renoble unmöglid^ benlen.

Slber lüoi^in foffte fie ftd^ nun menben? 5Rad^ ^atiä ju gelten fd^ien il^r aus fielen ©tünbcn baö ttnratl^famfle ju fein, ©ie fonnte aber bod^ nid^t unflott in "ber Söelt uml^erirren. 9iad^ längerem ©rtoägen cntfd^lo^ fie fid^ bal^er, i^re Sujlwd^t jur SRarquife von 5ßrunai ju nel^ntcn, von ber fie ja fo bringcnb eingelaben toar. Sie nal^m alfo eine mit 5ßferbe befpannte Sänfte unb ful^r x)on 3KarfeiIIe, mo fie fid^ gerabe ad^t 2^age aufgel^alten l^atte, längs ber 9KeereSfüfte nad^ 5Ri3ja l^in, inbem il^r gefagt tüorben Wax, ba| fie t)on ba bequem nad^ Surin gelangen lönne.

SlHein, mie erfd^ral bie 3)ulberin, als fie, in 9lijja angelangt, er« ful^r, ba^ eS gan3 unmöglid^ fei, von ba aus mit einem gul^rmerl über bie l^ol^en 2Kpenpäffe l^inauS 3^urin ju erreid^en! ^rau von ©upon, von affer 2BeIt »erlaffen unb aud^ feinen JRatl^ für fid^ roiffenb, mar in ber qualüoffften Sage. §d^ fal^ leinen 2luSh)eg " fd^reibt fie*), „tüu^te nid^t

, tvo^n id^ mid^ menben foffte. ®anj affein in ber 2BeIt baftel^enb, tjon affer SBelt t)erlaffen, füllte id^ mein Äreuj unb meine innere 3Sern)irrung mit jebem 3^age 3unel^men* 3d^ fal^ mid^, jeber S^ff^^^^^ftötte beraubt, i^eimatl^IoS uml^erirren, gen)i^ baS bitterfte ®efül^l für eine S^^^

. unb ©l^re liebenbe ^rau, bie mit Einem 3RaIe ju fold^ uml^erfd^roeifenbem Seben t)erurtl^eilt ift. ©lüdEIid^ pries id^ einen jeben §anbtoerfer in feiner Sube, ba er bod^ eine SBo^nung unb Swffwd^t i^atte."

^n trübfter Stimmung über i§re Sage nad^benlenb, erful^r fie, ba^ dm folgenben 9Rorgen eine Heine Sd^aluppe von Slijja . abfal^ren unb nod^ an bemfelben 2^age nad^ ®enua gelangen merbe. 9lud^ rourbe il^r gefagt, ba^, menn fie biefe ©elegen^eit benu^en moffte, bie Sd^iffSleute fie in Saoona ausfegen hjürben, inbem fie oon ba ganj leidet in einer

.Sänfte nad^ 3^urin meiterreifen fönnte. SRafd^ entfd^Io^ fie fid^, biefe

. ©elegenl^eit ju benu^en unb am folgenben SKorgen ging fie alfo ah Sorb

ber Sd^aluppe; aber i^re Stimmung tvax eine jammerooffe. „2Benn id^

.;benn", fo badete fie, „mirlHd^ ber 2luSh)urf ber ßrbe, ber 3lbfd^eu unb bie aSerad^tung ber SWenfd^l^eit bin, fo miff id^ mid^ bcm treulofeften affer Elemente überlaffcn; SDu, o ®ott, fannft mid^ in feinen finfter flutl^enben

") 93io0raj)]^ie II, xxui, 6.

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©d^ooj Dcrfcnicn unb mit ^cuben werbe td^ öuf biefc SBeife fterben." ^ Salb et^ob fid^ aixd) ein ©turnt, ber bie ©d^iffsleute erfd^redEcn mad^te; aber mit iDal^rer Suft fal^ jtd^ %xa\x von ®ut)on mit bem ©d^iff oon ben fd^äumenben SBogen, bie jte üieffeid^t nerfd^Kngen moHten, l^in- unb fier^ gctüorfen. S)cr ©türm l^atte jebod^ nur gur tjolge, ba^ fie auf il^rer Seife aufgehalten unb 3U einer Slenberung i^reS SReifepIaneS genötl^igt würbe, ßine Sanbung in ©auona mar nämltd^ nid^t möglid^, roeSl^alb fte fid^ entfd^Iie^en mu^te, il^re ©eefal^rt bi§ (Senua fortjufe^en; unb l^icrbei f)atte bag ©d^iff mit ben fort unb fort tobenben ©türmen fo fd^toer 3U lämpfen, ba^ eS erft am elften 3^oge feiner ^al^rt nad^ Oenua gelangen lonnte.

§ier ftieg nun ^rau üon ©u^on an'S Sanb unb fa^ bie in einem toeitcn Sogen an ben Sergen, mit einer SWenge ron SJomen unb ^aläften jtd^ erl^ebcnbe präd^tige ©tabt. Stber fd^on bei i^rem erften betreten beS 8obcn§ t)on ©enua mu^te fie baS 3Jli§Iid^e il)rer Sage auf's 5Reue er« fennen. 3)ie ©d^redfen be§ 17. 59lai 1684, an lüeld^em 3^age bie oor ©enua erfd^ienenen franjöfifd^en ÄriegSfd^iffe (bie Heineren mitgered^net raaren über fiebsig) in brutalfter SBeife gegen 10,000 Somben in bie "©tabt ge- toorfen unb in berfelben eine entfe^Iid^e 2?erh)üftung angerid^tet l^atten, toaren nod^ in ber frifd^eften ©rinnerung aller ©enuefen, beren ^erjen barum oom erbittertften §affe gegen bie granjofen erfüllt tüareti. 3)(tö man bal^cr bie S)ame, bie beö Stöltenifd^en faft gan3 unhmbig mar, fran^ Jöfifd^ fpred^en l^örte unb fie baran al§ ^ranjöfin erfannten, mürben i^r aW balb oon allen ©eiten l^er bie rol^eflen ©d^impftoorle 3ugerufen. 2)a3U lam ba§ in ber gan3en ©tabt feine ©änfte 3U l^aben h?ar, inbem ber Soge, ber .eine SReife angetreten, alle ©änften für fein ©efolge mitgenommen l^atte. ^rau von ©upon mu^te ba^er in ©enua ein ©aftl^auS be3iel^en, too man il^r unerhörte greife abforbcrte. 2)a§ Dfterfeft tüoHte fie jebenfallS bei* ber SKarquife t)on ^runai 3ubringen unb bod^ ^atte fie bi^ ba^in nur nod^ toenige S^age ^eit ©ie fud^te fid^ bal^er 5DlitteI unb Säege jur fd^Ieunigften 3lbreife Don ©enua 3U oerfd^aff en ; aber laum Wwc i§r möglid^ fid^ ben Seuten cerftönblid^ ju mad^en; unb bamit bie ^iroftlofigleit il^rer Sage il^re öoffe §ö^e erreid^e, fa^ fie' aud^, ba^ il^r baä ©elb ausging.

®nbKd^ mar fie fo glüdflid^, eine freilid^ fel^r elenbe ©änfte, bie mit l^infenben SJlauItl^ieren oerfe^en mar, aufjutreiben, beren (Sigenll^ümer i§r biefelbe jebod^ nur- unter ber Sebingung jur Verfügung ftellte, bafe fie m§t jur SWarquife t)on ?ßrunai, beren ©ut 9Hemanb lannte, fonbern gegen 3ö§Iw«9 i>^ enormen ©umme von 10 Souiäb'orS nad^ bem 3tt)ei S^agereifen von ©enua entfernten SSerceHi gebrad^t toerben toottte. ^rau

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von @U9on fd^ra! Slnfongd t)or ber älufforberung, ftc^ nad^ SSevceKi bringen 3U laffen, ^utüd, benn fie tDu^te, lt)ie £acombe il^r @rf cremen bafelbft auffaffen toürbc; attcin ber Umtoeg über aScrccHi toar bod^ nun einmal ber einjige SBeg 3U §rau von 5ßrunai, ber il^r offen ftanb unb notl^ge* brungen ging fie bal^er auf bie il^r gefteSte 93ebingung ein. ^od^ l^ielt fie cS für ratl^fam, ben fie begleitenben ©eiftUd^en (beffen ©d^u$ auf ber Steife fte fo nötl^ig gel^abt l^ätte!) nad^ SSerceHi t)orau3)ufd^id(en, bamit berfelbe über il^r ßrfd^einen bafelbft bie nötl^ige Slufllärung geben unb ben Unmutig Sacombe*S befänftigen lönnte.

2)ie Steife nad^ SSercetti war eine öu^erft befd^roerlid^e unb brad^te bie ^au T)on (Su^on oft in bie bebenllid^fte unb gefäl^rlid^fte Sage, fo ba^ fie fid^ and aUm i^x begegnenben f^äl^rlid^teiten l^emati^ nur bur^ ben unntittelbarften @d^u| ii^reg @otte§ ungefäl^rbet l^inburd^getragen fal^. „D mein ®ott", fagte fte fpäter in befonberem §inbIiÄ auf biefe Steife, „toie toirifam toar bod^ bein ©d^u^ über mid^l SEBeld^e (Sefal^ren l^aben mir nid^t gebro^t auf ben fteilen ©ipfeln ber (Sebirge unb am fd^malcn Sftanbc f d^toinbelnber Stbgrünbe ! SB3ie oft l^aft 2)u nid^t ben fd^toanlenbcn %n^ beS SDtauItl^iereS jurüdfgel^alten, toenn eS fid^ fd^on bem tiefen äB- grunbe juneigte! SEBie oft l^abe id^ nid^t gebadet in ben rei^enben SBalb« ftrömen, toeld^e bie Sliefe bem Sluge oerbedEte unb toeld^e nur an il^rem toilben Sraufen erlannt werben lonnten, oerfd^Iungen 3U toerben! SBenn aber bie ©efal^ren am brol^enbften fd^ienen, bann toar aud^ mein ©laute unb mein SDlutl^ um f 0 ftärfer , inbem id^ ganj unoermögenb toar , ettooS älnbereS ju tooUen al3 toag mir beoorftel^en toürbe, e3 fei nun, ba^ id^ am gelfen jerfd^mettert, in glutl^en begraben ober von ben 3)oId&en ber Sßfetoid^te getöbtet toerben fottte."

9lad^ Ueberftel^ung unfäglid^er 3Rül§en unb SBibertoärtigleiten tarn grau t)on ©u^on enblid^ am Slbenb beS ß^arfreitag 1685 in 35erceDi an. 2)er oon il^r roraudgefanbte ©eiftlid^e mar gerabe unmittelbar vor il^rer 3lnlunft in SBercelli eingetroffen. SDa fte biefeS nid^t mu^te, »icl-- mel^r annal^m, ba^ berfelbe fd^on 3toei 2;age frül^er bal^in gefommen tocre unb bem $ater Sacombe über il^re Steife Slufllärung gegeben l^abe, fo lie^ fie ftd^ aföbalb 00m ©aftl^of and bei bemfelben melben. 9)iefer ober erfd^raf ob ber ii^n übetrafc^enben 5Ulelbung; fd^ien il^m bod^ je^t ba3 toeitoerbreitete ©erebe, ba| bie tounberlid^e grau il^m in unsiemlidjcr Steigung nad^laufe, faum nod^ beftritten toerben ju lönnenl ^af)tt begab er ftd^ aldbalb }u il^r unb ftellte il^r gerabeju oor, ba^ i^m il^r Srfd^einen in SBercetti im l^öd^ften ©rabe unerfreulid^ fei^ toeil bur(5 baffelbe fein Stuf gefäl^rbet toerben lönnte. grau t)on ©upon l^otte pdj 3toar auf eine nid^t fel^r angenel^me erfte SBegegnung mit Sacomle

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gefaxt gemad^t, l^atte aber boc^ eine fold^e AunbgeBung feined Unmutiges nid^t etmaxitt. Slufd tieffte fül^lte fte jtd^ burd^ ben Don il^r fo l^d^oer« eierten 3Rann in il^rem n)eibUd^en Sl^rgefü^I gelränit, toeld^ed il^r fagte, ba^ fte l^ier fofort umjulel^ren l^abe. Sie fteKte tnbeffen bem $ater t>i)r, ba^ nur ber 3Beg 3ur 3Rarquife oon $runai fte nad^ SSerceUi gefül^rt l^abe, ba^ fte nur burd^ bie eingetretene f^eftjeit ftd^ genötl^igt glaube, einige 2^age bafelbft 3U oertoeilen, ba| fte aber^ toenn ber ^ater eS tioünfd^e, fofort toieber abreifen toerbe, obfd^on il^r burd^ bie 3(nftrengungen ber Steife unb l^äuftgeS f^aften gefd^tDöd^ter Aörper il^r eine unmittelbare ^ortfe^ung ber f^al^rt {aum möglid^ mac^e. Sacombe anttDortete auiStDeid^enb, ed !omme l^ierbei fe^r in ^age, toeld^en @inbrud( il^re ä(nlunft in SSerceQi auf ben Sifd^of mad^e, ber fte atterbingS breimal fcl^r bringenb einge* laben l^abe, ber aber, nad^bem feine @inlabung abgelel^nt tt>orben fei, für fie gerabe nid^t eingenommen ju fein fd^eine.

3la^ biefen Eröffnungen beS ^aterS n>ar eS ^au t)on ©upon, oIS ' ob fte aus ber äßenfd^l^eit auSgefto^en fei. @ie burd^toad^te im ©aftl^aud eine entfe^Iid^e 9lad^t. ^ fold^er 3Beife mie je^t^ l^atte fie fid^ nod^ nie t>erfto|en unb Derloffen gefül^It; benn toäl^renb fie ftd^ von il^ren^einben raftlog verfolgt fal^, mu^te fie ftd^ nun aud^ fagen, ba^ fie t)on i^ren greunbcn oerläugnet toerbe, toeil bie ^eunbe fid^ il^rer fd^ämten« 2)a8 toar ba3 S3itterfte, n>ag bie eble Seele je geloftet! Sie mu^te j[e^t nid^t, voa^ au3 il^r merben foKte.

llebrigenS ti)urbe fte im ©afti^ofe, feitbem man gefeiten l^atte, ba^ fte mit bem gefeierten $ßater Sacombe, beö Sifd^ofS geiftlid^en SRatl^ unb Setd^tDater, in äSerfel^r ftanb, mit größter älufmerffamfeit bel^anbelt. 9lud^ fud^te Sacombe jur ä3efferung ber Sage ber i!Dame ju tl^un, tt)ad ftd^ tljun lie^; natürlid^j mu^te er über bie Slnfunft berfelben in 3SerceIli vox Mem ben Sifd^of 3Kittl^eUung mad^en, tt)orüber er fid^ in größter 83er« legenl^eit fol^. 2)od^ tl^eilte er bemfelben enblid^ mit, toaS fid^ nid^t tt)ol^[ Derl^el^Ien lie^, unb ber Sifd^of jeigte ftd^ über biefe SRad^rid^t auf ba8 ^öd^fte erfreut. Äaum raupte er nämlid^, bafe grau Don ©upon in SJer* cetti angefommen fei, fo beauftragte berfelbe feine Siid^te, in feiner ®quipage in bag ©aftl^aug ber 2)ame 3U fal^ren unb biefe in il^re 28ol^nung ju führen.

SBäl^renb ber fjeiertage lebte ber »ifd^of atterbingg burd^auä feinen omtlid^en SJerrid^tungen. 9iad^ Stblauf berfelben lic^ er fidj aber fofort in einer Sänfte 3U feiner SBidJte fal^ren, um ber eJtau oon ©upon feine äuftoartung ju mad^en; unb obfd^on ber 2e|teren ba8 Stalienifdje nidjt geläufiger toar, als bem »ifd^of baS f5ran3ÖftfdJe, fo toar bie Untenebung beiber bodj eine fel^r I^er3lid&e. S)erfclbe toieberl^olte feine Sefudje bei

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bcr S)amc, bie cS Balb wa^md^men fonntc, hjic angenehm bctn $täj laten toar, nad^ ©rlebigung feiner 3lmtggefd^äfte in einer Stbenbftunbc mit il^r über geiftlic^e Dinge reben ju lönnen. ®r fd^rieb il^retl^alben an bie Sifd^öfe von SWarfeitte unb ©renoble, bem erfteren für ben ©^u^ banlenb, ben er i^r in ber Verfolgung getüäl^rt f)atte unb lie^ feine ©elegen^eit, i^r fein SEBol^tooHen unb feine 33erel^rung 3U bejeugen, un-- benu^t t)orübergel^en.

Salb fann ber Sifd^of aud^ über einen 5ßlan nad^, burd^ ben er %xan oon (Supon für immer an feHne 3)iöcefe 3U feffeln glaubte. Sr tl^eilte benfelben bem Reiter Sacombe mit, ber ben ©ebanlen be§ Sifd^ofS fel^r freubig begrüßte unb imSluftrage beffelben 3ur 3Jlarquife von ^ru- nai reifte, um biefer tjorjufteffen, ba^ eS ber lebl^aftefte Sffiunfd^ be§ l^od^toürbigften §erm fei, fie foirie §rau von ©upon unb mel^rere onbere ®amen, tüeld^e berfelbe im 3luge l^abe, in SSercelli ^u einer tüeltlid^en ßongregation t)ereinigt 3U feigen. S)ie SDlarquife jeigte fid; fe^r geneigt, bem SEBunfd^e beö Sifd^öfä ju entfpred^en unb mürbe ben 5ßater 'fofort nad^ SSerceUi begleitet l^aben, um mit bem Sifd^of weitere SRüdffprad^e ^u nel^men, wenn fie fid^ nid^t genötl^igt gefeiten .l^ätte, il^re ©enefung üon einem Untrol^lfein abjutüarten.

35er Sifd^of, Wetd^em Sacombe über ben ©rfolg feineä S3efud^e§ Bei ber SKarquife 9Jlittl^eifung gemad^t l^atte, begann nun fofort 3ur Stwö- fül^rung feine§ ^Iane§ t)or3ugel^en, inbem er für bie 3U begrünbete ßon- gregation ein §au§ in SSercelli mietl^ete, ba§ er bemnäd^ft aud^ fäufli^ ju ermerben l^offte. 2lud^ lub er eine il^m befreunbete 2)ame 3U ©emia, bie ©d^it)efter eines ^arbinalS, foirie mel^rere anbere, ber „inneren Jteli- giöfität" ergebene graulein ein, ber neuen ßongregation bei3Utreten, fo ba^ bie Segrünbung berfelben bereits gefid^ert ju fein fd^ien. ^nbeffen fottte bod^ anberS lommen.

infolge ber übermäßigen 3lnftrengungen , tüeld^e bie JReife mit ftc^ gebrad^t l^atte, toar fotool^f %xayi von ®ui;on, als baS Süäbd^en av3 ©renoble, iüeld^eS fie begleitet l^atte, t)on einer ßranl^eit befallen. 3)ic eigennü^igen SSertDanbten beS SKäbd^enS, bie baoon Äunbe erl^alten, bil- beten fid^ nun tl^örid^ter SBeife ein, baß grau von ©upon baffelbe, falls es in il^ren ©ienften fterben foHte, juDor oeranlaffen mürbe, 3U il^ten ©unften über il^r Vermögen 3U oerfügen ; tDeSl^alb eiligft ber Sruber be§ 5iJläbd^enS fam, um einen berartigen ©d^ritt beffelben ju oerl^inbem. SlfferbingS fanb nun ber Sruber bei feinem Eintreffen in VerceBi bie ©d^toefter t)öllig mieber l^ergefteHt; aber bennod^ beftanb berfelbe barauf, baß biefe eine Seftimmung über il^ren legten 3Billen treffen folltc unb forbertc fie außerbem auf, mit il^m in bie ^eimat jurüdf3ureifcn. Dw

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junge 3Rann et^äl^Ite an(l^ bei einigen Dfftjieten, mit benen er 6elannt würbe, allerlei läd^erlid^e Öerüd^te, toeld^e über %xavi t)on ©upon in ©renoble furftrten. daneben beflagte er fid^ bei ben Seuten barüber, ba^ bie ©d^toefter (bie Don geringer $erlunft war) t)on ilirer §errin nid^t il^rent @tanbe gemä^ bel^anbelt ti)ürbe. älud^ tl^eilte er mit, ba| grau oon ©uijon, toie man in ©renoble ju tüiffen glaube, bcm ^Pater Sacombe nad^gelaufen fei.

2)iefe 3)inge toaren in SSerceUi laum ersäl^lt, als fie aud^ fofort in ber ganjen ©tabt belannt waren, älud^ ber SSifd^of l^örte t)on biefen (Serüd^ten, bie benfelben auf baä Sieffte fd^merjten. 6r l^ielt bal^er für feine ^flid^t, bie fo fd^mäl^lid^ oerläumbete, fromme ^rau, bie nodj immer in bem §aufe ber 3lid^te franf barnieberlag, red^t l^äufig 5U be« fud^en. Seiber fofften aber l^ierau^ bem 33ifd^of felbft S^rübfole ertoad^fen. 3)enn ba er il^r 3un)eilen ^rüd^te ober anbere Sleinigfeiten mitbrad^te, um il^r eine 2lufmcrlfamfeit ober eine ®rquiÄung 3U bereiten, fo rourbc baburd^ alsbalb bie, ®iferfud^t feiner Sermanbten rege gemad^t, meldte befürd}teten, bie frembe 2)ame möd^te ben Sifd^of für fid^ t)ottftänbig ge« »innen unb fd^lie^lid^ fein SSermögen nad^ g^^anfreid^ fd^leppen. Uebri« genS mad^te bieg ben SSifd^of in feiner Stellung ju grau oon ©upon burd^auS nid^t irre, bie er nod^ immer umfome^r boffte an feine 2)iöcefe fcffeln ju lönnen, als ber später Slector ber S^fuiten, ber, ioäl^renb Sacombe Bei ber 3Rarquife oon 5Prunai antoefenb toar, bie grau oon ©upon be« fud^t ^atte, um mit il^r eine Prüfung i^reS ©laubeng oorjunel^men, über bie ©rgebniffe biefer 5ßrüfung il^m bie erfreulid^te SKittl^eilung mad^te.

Snbeffen fal^ ber Sifd^of alle feine 5ßläne in einer für i^n überaus fd^mer3lid&en äöeife burd^Ireujt. ^n 5ßari§ toar nämlid^ ber $ater be la 3Rotl^e auf ben ©ebanlen gelommen, ben ^ater Sacombe, ber als bie 3ierbe beS DrbenS galt, bort^in ju jiel^en. 2)er erftere fd^rieb bal^er. bem ©eneral beS DrbenS, ba^ es bem ^lofler ju $aris fe^r an l^er^ t)onagenben Gräften fel^le, meSl^alb bie ^ird^e beS DrbenS leer unb ocrlajfen fei. ®r münfd^e beSl^alb, ba^ ber auSgejeid^nete ^ßrebiger unb @eelforger Sacombe, bef[en feltene ©aben in äSercelli gar nid^t }u il^rer DoUen SEöirffamfeit lommen fönnten, im ^ntereffe beS DrbenS nad^ 5ßariS t)erfe^t toerbe, unb jtoar balb, bamit bie ©prad^e beffelben in bem frem« ben Sanbe nid^t 3U fel^r leibe.

3)er DrbenSgeneral mad^te oon biefem Slntrag beS $Pater be la 3Hot^e fofort bem il^m befreunbeten Sifd^of oon SBercelli 3Jlittl^eilung, ber jebod^ über benfelben aufS ^öd^fte betroffen toar. ßrft in ber legten Seit l^atte er fid^ red^t 3U über3eugen ©elegenl^eit gel^abt, ioeld^en Ser* bru^ unb Slad^tl^eil il^m in feiner Stellung ein getoiffenlofer Slatl^ bringen

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fonntc unb toeld^c SSBol^Itl^at für il^n eine tüd^tige unb jUDerläffigc ©tü^e feines SlmteS fei. 3)er Sifd^of l^atte einen ®ro^t)iIat gel^aBt, ber ein^l päpftlid^er 9luntiuS in %xantxe\äf getoefen Wax, ier eS aber butti^ feine ärgerlid^e Slupl^rung bal^in gebtad^t l^otte, ba^ er in Sftom mit SKeffe« lefen feinen Unterl^alt [xä) ertoerBen mu^te. ®ort l^atte il^n ber Sifd^of fennen gelernt; ber in größter 5Rotl^ leBenbe 21666 l^atte fxä} in fein SScr* ixaum einjufd^leid^cn gewußt unb l^atte erreid^t, ba^ il^n ben Sifd^of mit SSerleil^ung eines Bebeutenben ©el^alteS ju feinem ©ro^oifar txnannte, Raum aber fal^ fid^ ber Se^tere im SSeft^e biefer neuen ©tcllung, als er in berfelBen baS SQBol^tooffen beS Sifd^ofS mit fd^nöbeftem Unbanfe lol^nte. SBenn irgenb eine S^trigue gegen ben Sifd^of angejettelt tourbe, l^atte geroi^ ber ®ro^t)ifar bie §anb im ©piele. 3n fftom fud^te er il^n burd^ baS SSorgeBen ju »erbäd^tigcn, ba^ ber Sifd^of jum Siad^tl^eile ©einer §eiligleit fid^ bem fran3Öfifd^en Sntereffe t)erfauft l^aBe, unb l^oB als Seroeis für bie Sid^tigleit biefer ©emmjiotion l§ert)or, ba^ ber SBi« fd^of fid^ neuerbingS mit ^Jranjofen umgebe. 2lud^ mit bem ^ofe oon ©aüopen . fud^te er ben Sifd^of burd^ feine l^eimlid^en ©d^Iid^e gu ent« gtoeien. 31IS bal^er ber 5ßrälat baS ränfex)oIIe 2^reiBen beS (Sro^tjifarS enblid^ burd^fd^aute, fonnte er nid^t uml^in, bemfelBen feine ®ntlaffung 3U gcBen, infolge beffen biefer nun einen gefteigerten $a^ auf SaconxBe unb auf ^rau von ®ugon toarf.

3le größer nun ber SSerbru^ unb Slerger mar, ben ber Arafat üBer baS BoSl^afte 3^reiBen unb üBer bie l^eimlid^en 5PraftiIen beS ©ro^oitarS gel^aBt l^atte, um fo frol^er fear er üBer bie guten 2)ienfte, bie il^m fein geift« lid^er Slatl^ SacomBe leiftete. SJerfelBe üBte in SSercetti als 5ßrebiger unb ©eelforger bie gefegnetfte 3BirIfamfeit auS. 3Ran tou^te von nid^t SBBenigen ju erjäl^len, bie frül^er allen Saftem ergeBen getoefen waren unb bie je^t, burd^ ben milben unb ernften 3wfprud^ beS^aterS erroedft, in tiefer SReue auf il^ren frül^eren SBanbel 3urüdEBIidEten unb mit toal^rem ©rnfte ber Heiligung nad^trad^teten.

Unter ben jüngeren Dffijicren ber ©amifon l^atte er Bereinigungen jur ftitten UeBung ber 3lnbad^t tnS SeBen gerufen, ben ©olbaten ertl^eilte er Unterrid^t, unb in ben Käufern toar er als ein treuer SSeratl^er unb greunb allen S)enen, bie il^m Vertrauen fd^enften, in mannigfad^fter SBeife förberlid^. tlnmöglid^ fonnte eS bal^er ber Sifd^of gefd^el^en laffen, ba^ il^m biefe gute ©lü^e, bie er in ber SluSüBung feines 3lmteS l^atte, ent« sogen mürbe. 3luf feinen SBunfd^ eröffnete bal^er ber ©eneral beS S3ar* naBitenorbenS bem später be la SKotl^e, ba^ ber geiftlid^e SRatl^ unb $ater SacomBe in SSercelli burd^auS unaBIömmlid^ fei.

©omit fd^ien baS 3SerBIeiBen beS le^teren in feiner ©teffung ge^

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jidjert ju fein. 3Jlit großem ©dornet je fal^ bagegcn bcr Sifd^of, ba^ feine Hoffnung, aud^ bie grau t)on @ur)on in SSercelli feftjul^ttlten, m(S)t in Erfüllung gelten follte, S)iefelbe toar bamalä nod^ mit il^rer 2lu8* orbeitung ber Srllärung bcr Offenbarung S^l^önniS Bcfd^aftigt, als fte ©iebcrum von einer fd^weren Äranl^eit befallen tourbe. ©ie l^attc fort« toä§renben Ruften, neben toeld^em fid^ l^äuftg gieber einftettte, toorauS fi<$ fd^lie^Iid^ eine Sungenentjünbung enttoidEelte. ^ il^rer Umgebung befürd^* itie man fel^r für il^r Seben, unb als bie etgentlid^e ©efal^r vorüber toar, unb bie Äranle einigermaßen toieber ju genefen begann, erflärten bie Slerjte, baß eine Suftoeränberung für il^re SebenSerl^altung unbebingt notl^rocnbig fei. iUlit 3^]^ränen im 2luge fagte ber ^rälat ju grau von ©u^on, in beren S3eifein il^m biefeS von ben SCerjten eröffnet tourbe: „2ieBer toiH id^ ©ie fern von mir lebenb toiffen, afö ©ie in meiner SHäl^e fterben feigen." 9Rit ber ©rrid^tung ber J)amencongregation, bie bcm S5ifd^of attmäl^Kd^ ein roal^reS ^erjenSanliegen gemorbcn, toar eS nun umfo mel^r vorbei, als bie 2)Qme ju ®enua fd^Iießfid^ erflärt l^atte, baß fie ftd^ bod^ von il^rer $eimatl^ nid^t trennen fönnte.

ffiol^in follte nun aber grau t)on ©upon überjiel^en? SSor $ariS graute eS fie. SBieberum lam bal^er biefelbe auf ben ©ebanlen, fid^ in ber S)iöccfe (Senf nieberjulaffen, too fie fid^ an jebem Drte nur nid^t in ®^ glaubte, tool^I füi^Ien ju lönnen. ©ie benahm pd^ barüber mit 2acombe unb beibe befd^Ioffen bie Slngelegenl^eit bem Sifd^of t)on ®enf Btieflid^ uorjutragen. grau von ©upon rid^tete bal^er von SSercetti auS unter bem 3. S^ni 1685 an ben SSifd^of b*3lrant^on ein ©d^reiben, worin fie bemütf|igft um bie ©eftattung bat, fid^ in bem gaubourg ©t. Seroais uon (Senf nieberlaffen ju bürfen, inbem fie i^ter in t)oIIIommen« fter Untertoürfigfeit unter feine oberl^irtlid^e 2lutorität für ©otteS 9leid^ ll^ätig fein tooHte. 35er Sifd^of möge il^r bort nur irgenb einen SBinfel 3um Slufentl^alt getoäl^ren unb il^r babei nur bie 3wp<^^^"9 ertl^eilen, baß fie in (Senf oon il^m allein, fonft aber oon 9iiemanbem, Sefel^Ie anjune^men l^abe. 3«^ Unterftü^ung biefcS ©efud^S ließ einige 3^^ nad^l^er (12. ^xxnx 1685) aud^ Sacombe einen 35rief an ben Sifd^of ah^ gelten, morin er oorfiellte, baß grau oon (Su^on bereit fei, an j|ebem Drte feiner Siöcefe ju leben unb ®ott ju bienen; nur nad^ ®ej lönnc fte nid^t gelten. S^gleid^ fprad^ ftd^ Sacombe barüber aus, meldte SBertl^s f^ä^ung grau von ©u^on bei bem Sifd^of oon SBerceUi gefunben unb toeld^e 2tbfid^ten biefer mit il^r gel^abt l^abe. (La vie de messire Jean d'Aranthon, ©. 298 303.)

gür ben Sifd^of oon ®enf beburfte es jjebod^, als er biefe Sriefe crl^ielt, leineS langen UeberlegenS, um fid^ barüber ilar 3U merben, mic

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er beibc Sittftcttcr ju bcfd^eibeit f)aie. . 3)cnn feit bem SlBjuge berfetten aus feiner S)iöcefe toar er fid^ längft barüBer Ilar geworben, ba^ beibc einer m^ftif d^en 3teIigiofität l^ulbigten, toeld^e 3U ben SSorauSfe^ungen unb Drbnungen lird^Iid^er ^römmigfeit im ®egenfa§ ftanb. S)'2(rantl^on anttoortete bal^er abfd^Iägig.

©orool^l ber Sifd^of »on SJerceffi al§ SacomSe unb ^rau von ©upon fallen je^t ein, ba^ nad^ Sage ber S)inge für bie le^tere ba§ Sin« gemeffenfte fei, nad^ ^ßariö ^urüdEjuIel^ren, too biefe toenigftenS an Sacombc einen SRüdfl^alt l^aben lönnte. 2)er Sifd^of x)erfel§Ue bemgemä^ nid^t, bent später be la SDlotl^e alsBalb bat)on Slnjeige ju mad^en, ba^ feine ©d^toefter im näd^ften ^rül^jal^r, fobalb bie ^af)xe^^e\t erlaube, nadj 5Pari§ abreifen werbe; aber er fönne biefelbe nur mit tiefftem ©d^merje au§ feiner 3läf)t fd^eiben laffen, ba er fte toie einen ©d^u|engel feiner 3)iöcefe angefel^en l^abe.

Äaum l^atte fid^ aber ber 5ßrälat in ^en ©ebanfen ber 3^rennung t)on ber Derel^rten frommen Same einigermaßen gefunben, alä berfelbe eincS 3^ageg mit Sd^redfen l^örte, baß aud^ ber $ater Socombe il^m bennodj Seberool^I fagen würbe.

2)er bem ^Prälaten befreunbete (äeneral ber Samabiten toar nämlid^ injloifd^en geftorben unb algbalb l^atte ber spater be la SKotl^e in ber^ felben Söeife unb mit berfelben SKotioirung Irie frül^er bie SSerfe^unj be§ ^ater Sacombe nad^ 5ßari§ bei bem ©eneraloifar beantragt. 3^ gleid^ l^atte 5ßater la SDlotfie um bie SSergünftigung gebeten, baß 2acom6c feine ©d^toefter, meli^e nad^ ?PariS 3urüdf3ule]^ren x>oxf)aie, begleiten bürfe, inbem baburd^ feinem ganj unbemittelten Älofter bie S)edEung ber SRcifc« loften Sacombe'ä erfpart Itjürben.

3)er ©enerabifar lonnte, gegenüber ben oorgebrad^ten 5IJlotioen be§ ©efud^eS, nid^t umf|in baffelbe 3U genel^migen. Sacombe mürbe alfo. cm« getoiefen, in ba§ Ätofter feines DrbenS 3U 5PariS über3ufiebeln unb ftdj auf ber SReife bal^in ber grau t)on ©upon an3ufd^Iießen.

^r. bie Ie|tere lam nun enblid^ bie Stunbe il^reS ©d^etbenS t)on SSerceHi, ioo fie etwa 3el^n SDlonate oertoeilt l^atte. 3Rit bem ®e* fül^Ie tieffter ©anfbarleit brüdfte fie 3um legten Wlak bem ebeln Sif(i^of bie §anb, bem eS an*S §er3 ging, baß er bie fromme 35ame unb jugleidj ben treuen $aler l^ingeben mußte. 3)er le^tere toar fd^on oor 3n)ölf 3^agen nad^ einem auf bem Sßege 3um ©ebirge ^in liegenben Drte t)or* aus gereift. Samit bal^er bie 3)ame nid^t ol^ne ©d^u| 3U reifen braud^e, Keß fie ber 33ifd^of auf feine Äoften bis Surin burd^ einen ßaoalier unb einen feiner ©eiftlid^en geleiten.

aSon S^urin aüS mad^te %xau oon ©upon nod^ einen Sefud^ bei ber

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SRarquifc von ^runat, t)on ber fic mit großer ^erjlid^lcit empfangen tt>urbe. Sie tl^eilte berfcI6en ba§ ©cl^cimni^ bet $erftellung i^rer Salben unb 3lr,)neien mit unb legte il^r babei bringenb bie @rrid^tung eines Äranfenl^aufeS an*S ^erj, ju toeld^em 3h)edEe fie il^r aud^ alöbalb einen Seitrag fpenbete. 3Son ba an reifte fie in Segleitung Sacombe'S burd^ Saoo^en nad^ @renoble ju.

35em »erel^rten 5ßater l^atte fie fd^on von Skrcelli au§, ate bie ge- meinfd^ßftUd^e Steife beiber nad^ 5ßari§ feftgeftettt mar, gefd^rieben, ba^ fie mit fd^loerem ^erjen an baä Äreuj benle, ba§ il^rer unb barum mol^I and^ feiner in ^ßariä marte. 3lber aud^ bie Seele Sacombe'S \oav voU ber- felben trüben 2ll^nung; benn er fd^ieb von bem SSifd^of, ber il^n fo fel^r uercl^rte unb .t)on einer ©emeinbe, tüorin er bie gefegnetfte SBirffamleit gel^abt l^atte. ^n $ari§ aber fal^ er eine il^m frembe, unbelannte Sffielt öor fid^, too §rau t)on ©upon mele ^einbe l^atie, bie tool^f balb aud^ feine eigenen 3^obfeinbe werben irürben. Slber ber §err l^atte i^n ge- rufen unb mit Ergebung in ben göttlid^en SBiUen tooffte er barum tragen n)a§ il^m befd^ieben fei. ,,9Bürbe nid^t fd^ön fein/' fd^rieb er an ^rau t)on ©upon jurüdE, „unb ganj befonberS jur SSerl^errlid^ung ®otte§ ge« reid^en, wenn er un^ in jener großen Stabt 3U einem Sd^aufpiele für ©ngel unb 3Benfd^en tüerben lie^e?"

Unb grau t)on ©upon l^atte mit bem beftimmten SSorgefül^I, ba^ fie in ^ari§ ein ,,Sd^aufpieI für ®ngel unb 59ienfd^en" werben mürbe, il^re Steife angetreten. 21I§ fie nad^ Saoopen fam, h)o fie bie l^eim'at^Iid^en Squte ber 5Kutterfprad^e juerft roieber l^örte, burd^brang fie biefeg trübe SSorgefül^l mit ganj befonberer Stärfe. ®§ toar il^r je^t, alä prte fie bie aSorte be§ älpoftelS in i^rer Seele fpred^en (3lpofteIg. 20, 22 u. 23): „Unb nun fiel^e, id^ im ©eifte gebunben, fal^re l^in na6) ^erufalem, tvex^ nid^t, h)a§ mir bafelbft begegnen tüirb, ol^ne bafe ber l^eilige ®eift in allen Stäbten bejeugt unb fprid^t: 95anbe unb 3^rübfale märten meiner .

bafelbft." ©inigen vertrauten greunben t^eilte fie i^re trübe äl^nung,

mit ber fie nad^ ?Pari§ reife, mit, unb biefe, meldte i^re Seforgni^ nid^t für unbegrünbet l^ielten, fud^ten fie t)on ber gortfe^ung il^rer Steife ah jul^alten; allein fie glaubte nun einmal, ba^ fte in ®emä^l;eit ber vor- liegenbcn Fügungen ben später Sacombe 3U begleiten l^abe.

3ln ß^amb^rp, ber $auptftabt t)on Saoo^en, trafen bie Steifenben }u il^rer größten Ueberrafd^ung ben ^ater be la SJlotl^e, ber 3ur SBal^l eines neuen DrbenSgeneralS bort^in gefommen mar. S)erfelbe empfing beibe, inäbefonbere bie Sd^mefter, mit au^erorbentlid^er ^erjlid^feit, oh fd^on eS biefer in ber Ställe beS Sruberä unl^eimlid^ hjar. Sie fonnte fid^ beä ©ebanfenS nid^t ertoel^ren, ba^ ber 33ruber, ber, toie fie hju^te,

^eppt, 3niyfttl. 16

242

noc^ in ber legten 3^^ f^^ über il^re gemeinfd^aftlid^e Steife mit SacomBe fel^r ärgerlidSi auSgefprod^en l^atte, il^r unb bcS legieren böfer geinb fei. Stud^ tourbe jte von befreunbetcr ©eite vox ben Stänfen beS SrubetS gc* xoaxnt, t)or benen a\xä) Sacombe ein gel^eimeS ©tauen l^atte. Uebrigenä geftattcte ber später be la Moif)e, ba^ ber le^tere für einige SEBodJen 5um Sefud^e feiner Stngel^örigen naä) X^otion reifte, um t)on ha in ®renoMe mit grau . t)on (Su^on 1t)ieber 3uf ammenjutreff en.

2)iefe ful^r alfo, nur Don i^rer Wienerin begleitet, üon 6l^amb6r9 ab nad^ ©renoble ; mo jte t)on ben Sielen, bie il^r ergeben toaren, mit 3ubel empfangen toarb. 3Son* ©renoble auS fe^te bann %xau von ©upon nad^ einem lurjen Slufentl^alt bt^elbft mit il^rem Xöd^terd^en (toeld^eS big bal^in in einem bortigen Älofter gepflegt morben mar) il^re Sleife nadj $ariS in Begleitung beS $aterS Sacombe fort. ©erabe fünf S^l^re nad^ il^rer 3lbreife t)on 5Pari8 traf fie am Slbenb beS ©t. SKagbalencn* tageiS 1686 bafelbft mieber ein.

Vierter mfi^mtt.

f * 1.

Sie tat^oKf^e «it^e ^tanltei^d aut Seit Subttiig XVI

SBcrgegentoättigcn wir un§, el^e toir ben i^ebcnSlauf bcr grau von ©u^on toettcr ücrfofgen, bte bamalige Sage ber 2)ingc ju 5ßariS unb. am fifanjöjtfd^en ÄönigSl^ofc!

granlreid^ lebte bamafö in ber toeltgefd^id^tlid^en ^ßeriobe be§ Si^cle de Louis XIV. Äönig Subtotg, ber auä feiner Ärönung unb ©alBung mit bem vom ^immel gelommenen l^eiligen Dele für jtd^ biefelBe 3Kdd^t imb §errlid^feit ableitete, bie bi§ bal^in in ber SKeinung be§ d^riftlid^.en älbenblanbeS nur bem meltlid^en Dberl^aupt ber ß^riftenl^eit , bem römi^ fd^en Äaifer, juerlannt getoefen, ftanb in granfreid^, in ®uropa, auf ber $öl^e feines ©lanjeS. S)ie fransöfifd^e. 9iation lag bem ru^mgefrönten ©elbft^errfd^er unb feinem fd^immemben X^rone willenlos 3U gü^em Slud^ für bie Äird^e, für ben SpiScopat toar bie blenbenbe SKajeftät beS ÄöttigS allmäl^Iig ein mäd^tigerer Slnjiel^ungSpunft geworben, alä ber ge* l^eiligte ©tul^I 5ßetri. 3)ie Äird^e mar bal^er feine ä^t römifd^-lat^olifd^e im ftrengen Sinne beS SBorteS, infotoeit fie eine fran3öfifd^e Äird^e, eine Äird^e beS franjöfifd^en Äatl^olicigmuS geworben toar, bie il^ren faft SiaeS beftimmenben SWittelpunft in ber aRajeftät be§ .Königs ^atte. .

3n il^rem 3«nern umfd^Io^ übrigens bie lat^oUfd^e Äird^e g^anf* reid^S mand^erlei eigent^ümlid^e SRid^tungen unb Seftrebungen, bie ju einanber im ®egenfa| ftanben, mennfd^on fie ftd^ in bie ©in^eit beS frans 3Öftfd^en Äird^ent^umS fügten. 3«^6ßfonbere finb l^ierbei brei Äreife unb 3^9pen JU unterfd^eiben, nämlid^ ber Qefuitenorben, bie mit bemfelben im

16*

244

3ufammcn^ang ftc^cnbe ßongrcgation t)on ©t. ©ulpicc unb bic ^an^t'- niftcn.

2llö üicrter, ganj eigent^ümlid^er %r)pvi^ beö religiöfcn 2cbcn§ toärcn nod^ bie Slnl^ängcr ber quictiflifd^cn SKpftil ju nennen, t)Ott benen iebod^ tro^ il^rer ja^Iretd^en SSerbreitung in äffen 2;i^eilen beS Sanbeä barum l^ter abgefe^en toerben lann, toeil fte 3ur 3^^ nod^ ntd^t auf ben ©d^aupla^ ber ®reigmffe getreten, unb t)om §ofe, toie t)on ber ^ierarc^te unbead^tet gelaffen tüaren.

3lm Slffgemeinen waren bie S^fwiten al§ 2il^eoIogen unb ©taatS* nt(inner Ferren ber lird^Iic^en Situation ^ranfreidjiS. ^m Sel^rftu^l tüic im Seid^tftul^I überwog il^r ©influ^ unbebingt, unb am §ofe toar eS fd^toer, il^re SDlac^inationen ju bur(i^freu3en unb il^ren ßinflüfterungen ju begegnen, ©d^on feit geraumer Seit galt eS als f elbftoerftänblid^ , bafe ein Äönig j)on granfreid^ ftd^ feinen ®eh>iffen§ratl^ nur auS bem Drben ber ©efefffd^aft Sefu ju toä^Ien l^abe. Seit 1675 l^atte frd^ Äönig Subroig XIV. bct Seitung be§ P^re Lachaise (P. Fran^ois d'Aix de la Chaise) anvertraut, ju beffen Sobe eS gefagt iperben fann, bafe er t)on d^riftlid^er 2)ugenb gerabe fooiel befa^, als ein äd^ter S^fwit bat)on befi^en lann. ^iamcnt- lid^ feit bem S^i^te 1682 pflegte ber Äönig leine baS fird^lid^e Sntereffe irgenbtoic berül^renbe ßntfd^Iie^ung ju faffen, ol^ne ben Slatl^ biefeS feines SSeid^toaterS ju l^ören, bem er bann gläubig unb toiffig folgte. 6s bc= greift fid^ bal^er, ba^ eine beträd^tlid^e 3ln3a^l ber vornehmen gamilicn granfreid^S bie ®unft beS DrbenS fud^te, ber auf bie SSergcbung ber reid^ften ^frünben einen fo bebeutenben ©influ^ ausübte. 3)ie ^^f^lten tüu^ten es aud^, ba^ man fic in ber guten ©efefffd^aft gern fal^; unb nod^ lieber fallen jte ftd^ felbft barin, um überaff bie $anb im ©piele l^aben 3U lönnen. S)abei aber mar bod^ bie ©efefffd^aft S^f« öud^ ber ein- 3ige Drben, gegen ben fid^ in vielen Äreifen öffentlid^ ein §a^ unb eine Verbitterung lunbgab, meldte in ^anlreid^i nie gegen einen Drben laut geworben toar. SDlan- toar eS fd^on getoöl^nt, ba^ gerabe in ben fittlid^ften unb ernfteften Äreifen bie 50loralgrunbfä^e beS DrbenS mit bem SluSbrudE ber SSerad^tung befprod^en tourben. älu^erbem galt ber Drben als ber eigentlid^e Url^eber vieler SKi^ftänbe, von meldten man für bie 3w&«»f* granfreid^S ©d^limmeS befürd^ten 3U muffen glaubte.

3)ie Kongregation von ©t. ©ulpice*) mar bie Trägerin unb ?Pflan3ftätte eines Äatl^oliciSmuS , ber, von äffen fremben 2lenbenjen frei, affein auf bie h>ir!lid^en S^tereffen ber Äird^e gerid^tet ivar. (gin burc^

'^) Ueber ben ^l^arafter unb bie SRid^tung beS (Seminars t)on 6t. Qnlpiu bgl. Vie de M. Olier, ^ariS 1853, F. H, @, 251.

245

feine äBol^Itl^aten belannter ^rbatmann , Dlier, l^atte nad^ ber Glitte beä jtebjel^nten Sal^r^unbertS ben erftcn ®runb jur Stiftung gelegt. ®od^ tourbe biefelbe fd^toetlid^ 3U ber Sebeutung, btc fie nad^^et getoann, ge* langt fein, vomn ftd^ il^r nid^t ein fe^r rcid^er unb frommet geiftlid^er ^etr, ber 3lb6e Slagoiä von SretonmelierS, angefd^Ioffen l^ättc. 35erfelbe lie^ auf feine Äoften ein großartiges ©ebäube aufführen, in meld^em eine bettttd^tlid^e Slnjal^l junger Äleriler Slufnal^me finben !onnte, 3!)iefeI6en lebten l^ier nad^ einer beftimmten Siegel, aber ol^ne ©elübbe. 3)er Scroti ber Stiftung mar, baß in berfelben eine möglic^ft große Slnjal^I lünftiger Älerifer für atte Dbliegenl^eiten beS geiftlid^en Serufeä, aber anä) nur für biefe, nur für bie 3^^*^ ^^ ©eelforge, aUfcitig auSgebilbet merben foHte. 35ie Siegel be§ §aufcS mad^te bal^er ben Seitern beffelben iux ^Pflid^t, ebenfo in ben §erjen il^rer SögK^S^ i'ß« ®cift äd^ter ^römmig« feit al§ Siebe ^ur SBiff enf d^aft 3U toeien , fie ju einem grünblid^en toiff en* fd^aftlid^en ©tubium anjuleiten unb fie inSbefonbere ju tüd^tigen ^ßrebigern unb Äated^eten, fohjie ju üerftänbigen SSeid^toätern unb ©eelforgern l^^ran« jubilben. SSon bem S^fuitenorben, ju toeld^em bie Kongregation übrigens in ben beften Sejiel^ungen ftanb, unterfd^ieb fid^ biefelbe baburd^, baß il^re Slnge^örigen fid^ grunbfä^Iid^ niemals auf ^olemif einließen, inbem ü^r ganjeS ©treben lebiglid^ auf ©rbauung unb ®rh)edEung religiöfen SebenS gerid^tet toar. Sie ßongregation tourbe bal^er, als man !aum ben ©egen, ber oon il^r ausging, toal^rgenommen l^atte, oon allen benen, toeld^e baS mirflid^e gntereffe ber Äird^e erfanntcn, mit ^reuben begrüßt, toeSi^alb fie fid^ rafd^ burd^ ganj granireid^ l^in ausbreitete, ^n jal^Is retd^en ©täbten aller ^rooinjen erl^oben fid^ §äufer, toeld^e ju ber ©tiftung in 5ßariS in baS SSer^ältniß ber 2;od^ter 3ur 3Jlutter traten, ©d^on ßur Seit Subioig'S XIV. lüurbe t)on ber Kongregation oielfadE^ gerül^mt, baß auf i^r bie Hoffnungen beS Äönigreid^S beruhten, ©ie l^at 150 ^a^x^ lang beftanben*).

S)er ©laube an bie unbebingte 2lutorität ber Äird^e unb bie ^Pflid^t rüd^altlofer Eingabe an biefelbe galt in ber ©enoffenfd^aft oon ©t. ©ul^ pice als felbftoerftänblid^. SBaS biefelbe von anberen fird^lid^en SSer« einigungen unterfd^ieb, toar ber ©eift, in toeld^em l^ier bie ^flid^t beS ©ei^orfamS gegen bie fird^lid^e Slutorität ausgeübt marb. 5Derfelbe fottte nid^t äußere Unterwerfung, fonbern innere aufrid^tige pietätSooUe Eingabe unb aSerel^rung fein. -Ueber^aupt toar eS in ber Kongregation auf SSer«

*) 3m Slnfange biefeS 3a^r§unberS ift baS ©ebäube biefer ©ongregation 5u ^ariS niebergeriffen Sorben, um für bie Äirdjfe öon ©t. ©ul^ice ben tvünfc^enSs tpertl^en Slaum ju fd^affen unb inSbefonbere ben prächtigen Säulengang bers fclBen fic^tbar »erben ju laffen.

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innctlid^ung be8 fatl^olifd^-Iitd^Uc^cn SebcnS abgcfcl^cn, im ©cgenfa^ )u bem tobten, äu^erlid^en unb fd^einl^etltgen Se6en3med^ani3mu§, ben bet Sefuitenotbcn fötbcrtc, anij tocnn er cS nid^t rootttc; unb infofern l^attc bie ßongregatton t)on ©t. ©ulptce, obfd^on fte ftd^ entfd^ieben ju ben Sefuiten l^ielt, bod^ eine innere Serül^rung mit einer anberen religiöfen Slid^tung unb ©trebung, von ber bamafö bie fatl^olifd^e Aird^e %xanltei^B in il^rem gan3en gewaltigen Sau erfd^üttert tourbe, namlidSi mit bem Sanfeniömug.

©t. Sluguftin ift einer ber ^eiligen ber fatl^olifd^en Äird^e; aber feine Seigre ift oon berfelben erft oergeffen unb l^ernad^ (unter anberen 9iamen) Derflud^t toorben. 3)er Sifd^of t)on?)pern, ßornelius S^^^f^*^ (t 1638), fud^te nun in feiner ©d^rift „2luguftinuS/' toeld^e itoti^a^xe nad^ feinem ^obe gebrudft erfd^ien, bie ber ^ird^e abl^anben gelommene Seigre il^reS ^eiligen in berfelben mieber gur (Seltung 3U bringen. SQBie ein günbenber ^unle fiel baS 3Q3ort beS entfd^Iafenen 35ifd^ofS in ungäl^Iigc ©emütl^er, bie in ber erbärmlid^en Seigre il^rer Äird^e »on ber ®nabe ©otteS feine 9lu§e unb leinen 3^roft für il^re ^erjen finben lonnten. Sltebalb t)ernal^m man bal^er in allen frommen Äreifen f^anfreid^ä ein fragen nad^ bem, toaS eigentlid^ bie freie ®nabe (Sotteö fei, im Unterfd^iebe oon ben ©nabenfpenbungen, bie bie Äird^e getoäl^rte. 2)ic ©ebanfen Sluguftin'S ftanben affer Drten oon ben lobten auf, momit ju« gleid^ baS Verlangen ber StüdEIe^r jum Seben ber alten Äird^e unb ber ®rneuerung il^rer SebenSformen lebenbig toarb*).

SBie ein ©eifteäbli^ ful^r ber neuertoad^te ©ebanle beS Sluguftiniä« muS in baä alte, einige ©tunben von SJerfaiffeS in ftiffer Sinfamfeit gc* legene ^auenllofter Port-Royal des champs, auS toeld^em aföbalb eine geuerfäule emporftieg, bie meitl^in über ganj ^anlreid^ leud^tete, aber audji ba§ §er5 ber flerifalen 3Belt erbeben mad^ten. ©d^ien eS bod^, als toenn oon bem einfamen Älofter au§ bie Äird^e ^anlreid^S als eine Äird^e äluguftin'S fid^ neu geftalten h)offte! 2)enn ti^ä^renb innerl^alb ber Äloftermauem bie frommen grauen unter ber Seitung il^rer SRutter Singelila fid^ in ber ftrengften 3wd^t ^^^ SebenS übten, fleißig in ben ®t)angelien unb ©pifteln ber f). ©d^rift lafcn unb in ftd^ toie in ben jal^lreid^en Söglingen, bie fie jur Srjiel^ung bei fid^ aufnal^men, ein toirfc lid^ geiftlid^eS ßl^riftentl^um unb baneben aud^ gute h)if[enfd^aftlid^e Silbung JU f Raffen ftrebten, lamen von t)erfd^iebenen ©eiten l^er SKänner, beren t)iele um beS ^immelreid^S toiffen äffe S^ren ber SBelt preisgegeben

*) gSgl. aieud^litt, ©cfd^icijte öon ^ort=3lo^al, 1839— 1844 unb inSbefonbere a)re^borff, „?aScal, fein Seben unb feine Äämj)fe," 2cipix^ 1870.

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l^attcn, bauten fid^ in bct baS Äloftcr umgebenben Sinöbc an, faft h)ic bic Slnaiä^oreten bcr alten S^^t w^b lebten [tili unb fromm in fleißiger ^änbearbeit unb in fleißigem ^erjenSgebet. S)ie Seilte, ba^ alles @ute unb ©otttool^Igef äHige , toaS ber ÜRenfiä^ ju tl^un üennöge , allein ans ®otteS freiet ®nabe lomme, unb ba^ bie ©nabe in allen 3)encn, toeld^c fle fid^ ertoä^It liabe, untoiberftel^Iid^ toirle, war bie neue S3otf d^aft , toeld^c bomals r>on $ort Sto^al unb t)on aUm ^eunben beiS ^[öfters aug burd^ bie Sanbe ging,

greilid^ fud^te bie römifd^e ßurie biefe neue Siegung frommen SebenS olsbalb mit il^rcm %lnä)c 3U erftidfen. 2luS S^^^^f^^^'^^ ©d^rift tourben fünf ©ä^e als le^erifd^ ausgesogen, bereu SSerroerfung ben Slonnen r>on 5ßort=9lo9al unb allen „^anfeniften" abgeforbert toarb. S)ie S^rüdf* U)eifung biefer ^orberung nal^m aUmäl^lig bie SSel^auptung an, n)eld^e aad) in bem franjöfifd&en ßpiScopat energifd^e Vertretung fanb, ba^ bie fünf ©d^e, fo h>ie fie l^ingeftellt toären, fx6) in Sö^fcn'S ©d^rift gar nid^t Dorfänben. S)cr milbgeftnnte ?ßapft GlemenS IX, fa^ ftd^ bal^er enblid^ genötl^igt in einem Sreoe vom 28. ©eptember 1668 fie fotoeit jurtidE« jujiel^en, ba^ er be3ügnd^ ber grage, ob jene ©ä|e in S^ufen'S ©d^rift rotrllid^ entl^alten wären, nur ein respectueux silence forberte, toomit bie Vertretung beS roirllid^en Snl^alteS ber ©d^rift Qanfen'S inbirect frei* gegeben toar.

älKerbingS lag nad^ toie oor ber ^lud^ beS $apfttl^umS auf bem frommen Älofter $ort-9topal, ber baffelbe enblid^ oerjel^rte. 3"^ Slnfange beS fieb3e]^nten S^l^rl^unbertS pnb feine SWauern niebergcriffen, felbft bie Scid^en, bie in feinem ©d^atten geborgen toaren, finb ausgegraben toorben, uni gegenwärtig bejeid^nen nur $ßappelbäume bie Sinien,. in benen einft bie ftreujeSarme beS ßlofterS gebaut maren. 3t^}tt)ifd^en aber gab bod^ bie Paix de Clement t)om 28. ©eptember 1668 ber 2luguftinifd^en SRid^tf tung eine befd^ränlte fjrei^eit i^reS SefenntniffeS , foba^ biefelbe inner* l^alb ber näd^ften ^ol^ie^nie in ^anlreid^ immer fefteren 93oben gewann, ©tarl trat an berfelben bie aScetifd^e 2^enben3 l^eroor; in biefer ©tärle lag aber il^re eigentlid^e ©d^toäd^e. S)enn inbem ber S^^nf^^i^i""^ i>iß S3u^e nur als Sü^ungen auf3ufaffen oermod^te (maS fid^ auS feinem SBeftreben erllärt, fid^ mit feinem SluguftiniSmuS in baS fat^olifd^e Äird^en« ll^um J^ineinjufügen) fo fonnte berfelbe jur Srfenntni^ beS maleren 5Pauli« nifd^en ©laubenS, ber nur aus ber maleren 33u^e l^eroorgel^en fann, nidjit gelangen. 3)arum toar ber ©egenfa^ ber 3<^^f^wften jum ^roteftantis^ muS berfelbe, toie ber aller Äat^olilen ^anlreid^S. 3)er von ben Sanfe^: niften fo l^od^gefeierte Slbt t)on ©t. ßpran, Qean bu SSergier be ^auranne, pflegte, toenn er proteftantifd^e 33üd^er ju lefen l^atte, biefelben üorl^er

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burd^ bag Ätcuje§jetd^en ju crorciptcn. Slllcin, wcnnfd^on nad^ bcnt 3al^re 1668 eine Stetige bcr §äu|)ter bcS QanfcniSmuS üor bcm S^^^ be§ Äömg§ in*S SluSlanb liatten flicken muffen, tl^cife toeil fic i^m als ®cgncr ber ^^fwit^nmoral bcnuncirt, tl^eils tocil fic afö ©egnct bcö r»on tl^m bcanfptud^ten SRcgalred^tcö aufgetreten toaren, fo fonnte bod^ in bcn Salären 1668 1693 (wo eine neue SSerfoIgung beS ^anfeni^ntuS Begann) ben Slnfd^ein gewinnen, als fottte bie 3lnguftinifd^e Slid^tung ein ©al3 ber Äird^e granfreid^S werben. 35enn fd^on l^atte biefelbe bie Se* beutung eines eigentlid^en ^ulluretementeS beS nationalen SebenS granf^ reid^S erlangt. aSon ben furd^tbaren SBirlungen, toeld^e Slaife ^aScal mit feinen , gegen bie 9JloraItl^eoIogie ber gefuiten gerid^tetcn Briefen an einen ^ßrooinjialen l^eroorgebrad^t, l^attc fid^ ber 3!«fuitenorben smansig Saläre fpäter nod^ nid^t erl^olt. 3m ©egenfa^ ju ber faulen unb ben ®erud^ ber ^äulni^ l^aud^enben 9Roral ber ^efuiten imponirte ber San-- feniSmuS burd^ bie Strenge unb Sleinl^eit ber ©itten, bie er nid^t allein lehrte, fonbern in feinen Vertretern aud^ betl^ätigte. 2)abei l^atte berfelbe in feinen Sluguftinifd^en ©ebanfen einen ©d^Iüffel 3um Serftänbnife ber 1^. ©d^rift, iDeld^er bemfelben jugleid^ ben aßertl^ unb bie S3ebeutung ber ©d^rift für baS gläubige Seben üerftänblid^ mad^en, tl^n jur SBert^s fd^ä^ung unb jum ©tubium ber 1^. ©d^rift anregen mujöte. 35ie S^nfc- niften lafen bal^er t)iel in ber 1^. ©d^rift unb bxaä)ten bicf e tl^unlid^ft unter baS 3SoIf. S)arum prebigten fie aud^ gern unb barum ftrebten jtc eine 9leugeftaltung ber S^l^eologie an, bie fid^ oor 2(IIem auf hie Slutorität ber Sibel grünben foHte. SSorjugStüeife mar aber il^re S^enbenj auf baS religiöfe Seben gerid^tet, mobei fie für bie Hebung beS ©ebeteS unb inS^ befonbere für ben ©ebraud^ beS f). 2lbenbmal^IeS , im ©egenfa^ ju bem l^errfc^enben SKed^aniSmuS beS religiöfen SebenS ber mefentlid^en ^nnet' lid^feit alles d^riftlid^en ©otteSbienfteS in einer SfBeife betonten, ba^ fie, bei aller Slnerlennung ber gefe^Iid^en Drbnung beS fatl^olifd^en ÄuItuS, bie §ierard^ie not^hjenbig gegen fid^ jum Kampfe l^rauSforbern mußten. Unter ben flerifalen 2lutoritäten ber fatl^olifd^en Äird^e ^Jranfreic^S maren eS bamals üier, toeld^e bem föniglid^en §ofe befonberS na^e ftanben unb barum t)or allen anberen hervorragten, nämlid^ ber ©rjbifd^of ^ar^ lau) be ßl^ant)alon, ein gemanbter ©efd^äftSmann, ber lange gaffre bie 35iöcefe ^PariS abminiftrirte, ber aber, leid^tlebig, genujöfüd^tig unb el^rgeijig tüie er mar, um feines perfönlid^en SinfluffeS am §ofe toitten, an bem il^m 2lffeS lag, fid^ ol^nc 3Ktil^e entfd^Ue^en lonnte, äffe fird^lid^en Siedete unb S^tereffen ber Ärone jum Dpf er ju bringen ; ferner ber 93ife^of ®obet=beS = 3KaraiS t)on ßi^artreS, ber Sifc^of Soffuet unb ber 3tbb6 (Jenelon.

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SaqucS SBenignc Soffuct*), am 27. September 1627 ju Siion gcBoren, l^atte feine erfte Silbung im S^fwitenfollegium feiner SSatcrflabt erholten, ©eine tl^eologifd^en ©tubten l^atte er l^ernad^ in bem ßoffegium t)on 5lat)arra ju $aris gemad^t, wo er fid^ oiel mit Sluguftin unb 6ar« lcjtu§ befd^äftigte, inSbefonbere aber fid^ in bie ©d^olaftil beS SC^omaö öon Slquino t)ertiefte. ^rnl^jeitig l^atte er fid^ at§ imponirenber 5ßrebiger unb gefd^idfter Sefel^rer ber $roteftanten i^ertjorgctl^an, toeSl^alb fid^ balb bie Slufmerffamfeit be§ §ofe§ il^m jutoanbte. 3m ^. 1669 erl^ielt er ba§ Siötl^um t)on ßonbom übertragen, ba§ er jjebod^ balb lieber abgabt um fid^ ber ®rjiel^ung be§ 35aup^in, bie il^m vom Äönig anDertraut töorben hjar, auSfd^lic^lid^ ju mibmen. ßr »erfaßte nun eine SReil^e p^ilofopbifd^er unb l^iftorifd^er ©d^riften, bie t^eiltoeife nod^ in neuefter 3eit bem Unterrid^te in ben l^ö^eren ©d^ulen ^anfreid^S ju ©runbe ge* legt tüorben finb. 3la^ 33eenbigung ber Srjiel^ung beä ®aup^in er« l^ielt er jur Selol^nung feiner aSerbienfte baS SiSt^um 3Reaui* übertragen, n)o bie SluSrottung beg ^roteftantiömuä feine erfte oberl^irtlid^e ^Jürforgc mar. 2Son ba an toax er einer ber einflu^reid^ften Prälaten ber 5Wonard^ie. Seine äußere ©rfd^einung toar h?ürbet)olI unb einnel^menb. 3)er Äönig rief il^n oft 3U fid^, um fid^ feinet einfid^tätjollen Statines jubebienen; auf ber Äan,3el glänjte er nid^t blofe burd^ ben S^^^^"^ f^i«^^ ©prad^e unb burd^ überrafd^enbe SSJenbungen, fonbern nebenbei aud^ burd^ bie ©rö^e feiner 2lnfd^auungen unb bie SCiefe feiner ©ebanlen. S)a§ miffenfd^aft« lid^e granlreid^ l^at il^n bal^er wegen feiner umfaffenben ©elei^rfamfeit mit bem 9?amen be§ „legten Äird^ent)ater§ " auSgejeid^net. ©ein ßifer toar vox Mem auf unoerle^e Slufred^t^altung ber fird;Iid^en SRed^t« gläubigfeit gerid^tet. ®ie ^ntereffen beö inneren religiöfen ®Iauben8leben§ waren il^m jiemlid^ fremb, überl^aupt toar er feine in i^rem S^tneren vom ©eifte beä ß^riftentl^umg erfaßte ^erfönfid^feit, meä^alb il^m gar nid^t fd^roer fiel, religiöfe ^i^tereffen unb fragen in jiemlid^ rol^er SBeife fo ju be^anbeln, tr)ie fein ^t^tereffe er§eif d^te.

®ine tücit geiftlid^ere ^erfönlid^feit al§ ber geiftlid^e ®eit)a(t^aber Soffuet mar ber Sifd^of von (S^artreg. ©obet=bcä = 3Jlaraig ^atte in feinem üierjel^nten Sebenöjal^re bie in ber S)iöcefe Sl^eimä gelegene Slbtei oon ;3gn9 übertragen erhalten, ^atte aber bie ©infünfte berfelben an bie älrmen cert^eilen laffen. ©eine tl^eologifd^en ©tubien mad^te er in bem Seminar ju ©t. ©ulpice unter ber Seitung beö frommen ©uperiorS Xrpnfon. ©ifrigft mad^te er fid^ ^ier mit allen (Srforberniffen einer toirfc

♦) 35gr. öoffuet'S SebenSbefd^rcibung öom ©arbinal Sauffet, $arig 1814, 4. 33b. (beutfc^ bon gcber, ^ni^had^, 1820).

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famen @eeIforge Dertraut. @eine Unetgennü^tgieit unb ä3efd^eibenl^ett tourbcn Balb fprid^wörtlid^. S)ie ©cntiffc unb (Sütcr biefer SBcIt xoctxen i^m gleid^gültig. 21I§ il^nt bic 9lac^rid^t t)on feiner Ernennung jum Sifd^of t)on ß^artreS überBrad^t tourbe, traf man il^n in feinem ileinen S^mmetr baS nur einen S^ifd^ unb einen ©tul^I unb jur %a'ptte eine Äarte von ^alöftina l^atte, vor bem Silbe beg ©elreujigten auf ben Änieen liegenb* 9lur roiberftrebenb nal^m er ba§ il^m übertragene l^ol^e Äird^enamt on^ in toeld^em er nun mit üollfter Eingabe feines §erjen8 feinen bifd^öf^ lid^en DBIiegenl^eiten lebte. Slfö Sifd^of t)on ß^artreS toar er juglcid^ SBifd^of von ©t. E^r; unb h>ie er nun bie geiftlid^e Seitung bert)on Sf^au Don üJlaintenon bafelbft errid^teten ©rjiel^ungSanftalt auszuüben l^otte, fo l^atte fid^ aud^ fjrdu von 3Raintenon felBft feiner geiftlid^en fjü^rung anvertraut. S)od^ fal^ man i^n feiten bei §ofe. %xan von SRaintenon befud^te er getoöl^nlid^ nur ju ©t. (S^r, unb fül^rte i§n irgenb eine Sln^ gelegenl^eit nad^ $ari§, fo nal^m er feine 3ßol^nung in bem ©eminar t>on ©t. ©ulpice.

granj von ©alignac Don la 3Dlotte ^6n6Ion*) toar afe jüngerer ©o^n beS SBlarquiS von %emlon am 6. Sluguft 1651 auf bem ©d^Io^ Senelon im je^igen Departement Sorbogne geboren. SSon feinen frommen Sleltern mit großer ©orgfalt erjogen, ^atte er fidj, mit einer trefflid^en SSorbilbung auSgeftattet^ in ba§ ©eminar t)on ©t. ©ulpice he^ geben, h)0 er fid^ unter Seitung beS W>H Sironfon einer fd^önen priefterlid^en $ßerfönlid^leit mit großer ©etoiffenl^aftigfeit für bcn geiftlid^en 33eruf vorbereitete, grü^jeitig unb mit großem ©ifer mibmcte er fid^ ber ©eelforge unb bem Äranf enbefud^e ; aud^ prebigte er fleißig. S)er ©rjbifd^of ^arla^ von 5ßarig, ber feine feltenen ®abcn erfännte, ernannte il^n bal^er ^um ©uperior beö Sfleu^Äat^oIilinnenoereinä ju ?ßari§^ mo er afö Äated^et unb ©rjiel^er mit großem ©efd^iie mirlte. 2Iud^ Soffuet tourbe l^ier auf i^n aufmerifam unb jog i^n an fid^, jum großen SBerbruffe beS Srjbifd^DfS J&arlap, ber gern ber affeinige (Sönner bc5 jungen Slbb6'S gemefen toäre. Dft h>ar genelon mit bem Sifd^of von SKeauj auf beffen Sanbft^ ©ermignp in ftiffer ®infamleit jufammcn. Slfö feinen eigentlid^cn Seruf betrad^tete genclon übrigens jur 3^^* «od^ bie ®r3iel^ung. ©eine erfte Kterarifd^e 2lrbeit mar bie ©d^rift „De r^du- cation des filles.'^ Slber fo gro^ loar baS Vertrauen, toeld^ed fid^ ber junge, geiftooffe unb liebenStoürbige Slbb^ burd^ feine SBirIfamIcit im i^aufe ber Nouvelles-Catholiques bei bem Äönig ertDorben l^atte, ba^

*) SBergL Baus s et, Histoire de Fenelon, 1808 (3 99be.) u. 1809. Xa^U Tabaraud, Supplement aux histoires de Bossuet et de Fen^lon, Par. 1822. 8®.

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bicfcr, bcr bamalS mit bctn $Iane umging, alle 5ßrotcftantcn bcS Äönig^ rcid^g mit ober ol^ne (Setoalt jum ÄatljolijiSmuS ^urücfjufül^ten, einige SBod^en nai) ber S(ufl^ebung be§ @bi!te3 t)on 9lante3, auf ben SSorfd^Iag Soffuet'ö, ben noä) iugcnblic^en ^enelon mit ber SRifjton in bcr 5ßromn3 Sluniä unb ©t. ©aintonge (nid^t in ^poitou, toie getoöl^nlid^ angegeben toirb) betraute. S)od^ fd^einen feine Srfolge l^ierbei (com §erbft 1686 Bis ium ^ül^Kng 1686) gering gemefen ju fein, nid^t als ob eS i^m an ttd^t^fatl^olifd^em S3e!el^rungSeifer gefel^It l^ätte, fonbern meil eS il^m toiber« ftrcbte, alle bie brutalen Sh^ßttgSma^regeln, burd^ toeld^e anbere SKiffionare il^re Sefel^rungen ju ©tanbe brad^ten, mit gleid^er §ärte jur Slntoenbung ju bringen*).

*) Xontn fud^t in feiner (Sd^rift „L'intolerance de Fenelon. Etudes historiques d'apres des documents pour la plupart inedits, (Paris 1872) gu be^

tocifen, bo^ gcnelon ganj in berfelben SBeife in feinen Sejirlen miffionirt l^abe, toie eS nad^ beS ^önigS ^efel^l aud^ in anberen ^l^ei(en $ran!reid^S bamalS ge^ fd^el^en fei, unb bag barum Med, tvaS über ben angebUd^ äd^t ebangelifd^en ©^araftcr ber SRifftonStJ^ätigfeit eJenelon'S erjäl^lt tüerbe, als unl^iftorifd^ gelten muffe/ SQBaS ^ouen bem (Srjbifd^of bejüglid^ feines SScrl^altenS in bem S^ieu? fatl^oliünnenl^aufe 5U ^ariS jur Saft legt, ift f d^on frül^er (©. 188) ertoä^nt unb erörtert toorben. 3lud^ fonft jiel^t ber SSerfaffer nod^ mand&erlei an, toomit er ben biSl^erigen (Glauben bcr ©cfd^idjte an bie milbe (Sinnesart gcnelon'S alS irrig ertoeifen ju üJnnen meint.

2)ouen'S 93ud^ berfcl^lte nid^t, fobalb cS erfd^ien, baS größte 2luf feigen mad^cn. gm Slllgcmcinen ift eS öon ber öffentlid^en 3Äcinung in granireidj beifällig aufgenommen unb beurtl^eilt toorben. ^od& l^at baffelbe aud^ einen fel^r (cbl^aftcn SEßiberf^rud^ gefunben, gegen tocld^en fid^ 2)ouen in bcr Revue des questions historiques, Par. 1874, ©. 246 ju rcd^tfcrtigcn fud^tc. 2lHein l^iergegcn trat alSbalb ein $crr ^1^. ^amijc^ bc Sarroque auf, bcr in bcr Revue des questions bist. ©. 249—250 (in einer ©ontaub, 10. 3Rai 1874 batirten ®rs !lärung) barauf l^intocift, ba^ alle 3Hittl^cilungcn, hjcld^c 2)ouen bcjüglid^ ber in bem 9lcu!atl^oli!inncnl^aufe t)orge!ommcnen S^ol^l^eitcn gemad^t l^abc, barum gar nid^tS jum 5Rad^tl^cil genclon'S betoeifen fönnten, toeil gcnelon felbft aud^ nid^t ein einziger 2l!t ber §ärtc nad^getoiefen toorbcn fei. 2Cud^ toir finb oben ©. 198 3u bemfclben ®rgcbni^ gelangt.

2öaS nun S)ouen bejüglid^ bcr 3J?iffionStl^ötigfeit gcnclon'S jur (S()rad^c gcs brad^t unb bemfclben jum SSortourf gemad^t Ijiat, fo toirb baburd^ nur jtocicrlei befräftigt, nämlid^ 1., baf; ber fat^^olifc^c 3Jiiffionar genclon allcrbingS unter ben $roteftantcn granfrcid^S nid^t xn ber SBeife fein aJliffionStoerf betrieben l^at, toie ein eöangelifd^cr ©cnbbotc etwa in ©J)anicn ober unter armenifd^cn, ncftoria« nifdjcn, abeffinifd^cn 2c. ©I^riften ^n miffioniten pflegt, baß aber 2., ^toifd^cn JJenclon'S unb bcr anberen bamalS in granfreid^ tl^ätigen 3Äiffionarc 9Bir!famfcit infofem ein d^aroftcriftifd^cr Unterfd^ieb ju bcmcrfcn bleibt, alS gcnclon öor allem burd^ @intoirlung auf bie Uebcrjeugung bcr ^ßrotcftantcn ?pro!()aganba ju madjen fudjitc, unb babci tool^l bie Slntocnbung jjra!tifd^stoit!famer, auc^ rc(^t

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©cme gut latl^olifd^e ainfd^auungStceifc 6eurfimbete üBrigenö gcnelon in ber (grobe infolge feiner 5!Riffion§toirffam!eit unter ben ^ßroteftanten abgefaßten) ©d^rift: Sur le minist^re des pasteurs, tüorin er ju fieroeifeu fud^te, baß bem 5Proteftanti§mu§ an allen Sorauäfe^ungen eines fird^^ lid^en ©emeinfd^aftSlebenS (Succeffion, Srabition u. f. ro.) fcl^lc. 2Bie feft aber baS Urt^eil über genelon unb beffen unDergleid^Iid^e S^üd^tiglcit als @r3ie^er bei bem §ofe begrünbet war, jeigte fid^ im ^af)xe 1689, U)o er von bem ftönig jum @rjiel)er feiner 6nfel, junäd^ft be§ ^erjögS von SBurgunb, fotoie be§ $erjog§ t)on Slnjou, fpäteren ÄiJnigS t)Ott Spanien, unb beS §erjogS von Serrp erroä^It mürbe, gn ber öffcnt= lid^en 5Keinung ftanb genelon bamals fd^on fo l^od^, baß er bei jjcbcr eintretenben @rlebigung eineg Siätl^umS als präfumticer Slad^folger be§ cerftorbenen Prälaten bejeid^net mürbe. 9tie aber fprad^ ^Jenelon bei

Ikarier ^aßnal^men nld^t berfd^mäl^te, aber boc^ jebe eigentUd^e ©etüalttl^at jur Untctftü^ung feiner SWiffion jurütftoieS, toogcgen bic 2Riffion in alten übrigen 2Jl^eilen granfreid^S in ben f^cußlid^en 2)ragonaben baS eigentliche aWittel il^rer SBirIfamJcit fal^. genelon ift atterbingS, in feiner SWiffionStl^ätigfeit nid^ Von gel^lern frei3u1'^)red^en, bie einem ebangelifc^en 3Riffionare !aum mögtid^ finb; aber er irar eUn fein cöangelifd^er TOffionar. (3m Söefentlid^en ftimmt l^iermit aud^ ©erjog in feinem Sluffa^ „genelon als 3Kiffionor unter ben fran^ jöfifd^en Steformirten" Stcformirte Äirc^enjeitung 1861 übercin.)

^aS britte, tvaS ^ouen gegen bie biSl^erige ^uffaffung ber ^erfönlic^feit genclonS geltenb mac^t, finb einzelne Sleußerungen beffclben über „feine frühere grcunbin", grau b. ®u^on, tocld^e allcrbingS fel^r l^art flingen, toeil 3)ouen fte auS bem 3ufammen^ange Ij^erauSgeriffen l^at. 2)ouen fagt nämlid^ ©. 45:

F^nelon se montrait atroce a Tegard de son ancienne amie, Madame

Guyon, enfermee a la Bastille „II offre, dit M. Michelet (Louis XIV et le duc de Bourgogne p. 157), .d'en tirer une retractatioD, mais proteste, qu'il ne demande pas, qu'elle sorte de prison. },},Je suis content, qu'elle y meure, que nons ne la voyions Jamals et que nous n^entendions plus parier d'elle"" (Bausset, II, 328—336), Et ailleurs: „„S'il est vrai, que cette femme alt vonlu etablir ce Systeme damnable (de Molinos), 11 faudralt la bniler, aa Heu de la communier^ comme l'a fait M. de Meaux."" SBeld^en ^Jtißbrauc^ 2)ouen mit biefen 2leußerungcn genelonS treibt, ift auS bem unten (Slbfc^. V. §. 1.) öollftänbig mitgetl^eilten 93riefe genelonS an grau üon äliiaintenon gu erfcl^en. SDicfer ©rief ift eine Slpologie ber grau V, ®u^on, toorin er fic^ biefer fo arg miß^anbelten 3)amc in toärmfter 3öeife annimmt. @r fagt l^ier auc^ von fic^ felbft, baß man if)n „berbrennen" möge, wenn er ber ^e^erei ergeben fein follte. 3)ouen fteUt nun baS, »aS genelon jur aSertl^eibigung ber Unglüdlic^en ge^ fd^rieben l^at unb tt>a8 in Söal^rl^eit ein SluSbrudC feiner SSerel^rung für biefelbe toar, als SluSbrudC toilben §affeS l^in, nm 2Katerial ^ux Stnilage genelonS ju getoinnen! S)ouenS SJarfteUung ber ?Perfönlid^feit genelonS ift bal^er bur(^5 aus unl^iftorifd^.

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bcm fiönig in biefer 35c3ic^ung eine Sitte au^, ®ni)lidb erl^ielt er bie äBtci ©t. SSalerp unb fur3 barauf (1694) ba§ (SrjbiStl^um ßambra^ übertragen, infolge beffen er jum großen ©rftaunen beS ÄönigS bie äbtei fofort jurütfgab. 5Wad^ h)ie nor aber i^atte genelon ben lebl^afteften 3Ser!el^r mit bem §t)fe, an toeld^em er burd^ feine nmnijerbare Äanjelbe« rcbtfamleit toie burd^ feine einnel^menben Umgangsformen bie ^crjen aller gewonnen l^atte. 3)enn er l^atte, toie ©t. ©imon (in feinen Me- moires, T. II. pag. 327) über il^n berid^tet, „eine natürlid^e, fanfte, blül^enbe, cinbringenb feine, bod^ auä^ eble unb tool^Igeorbnete SSerebt« famfeit. ©ein 2lu§brud mar leidet, beftimml, angenel^m, fo fd^ön unb fo Ud^toott, ba^ er fid^ aud^ über bie oertüidfeltften unb abgejogenften ©egen^ ftänbe oerftänblid^ 5U mad^en XovL^te, ®abei gab er fid^ nie bie 9Miene, als blidfe er tiefer alä 3lnbere ; uielmel^r rid^tete er fid^ nad^ ber ^Jaffungö^ fraft eines ^zien, o^ne merfen ju laffen; mad^te aUeS mit fid^ felbft öergnügt, unb fd^ien S^i^^'^^'^'^ jw bcjaubern, fo ba^ man fid^ mebcr tjon il^m trennen, nod^ fid^ feiner ertüel^ren fonnte, unb fid^ immer toiebcr ju i^m l^inge3ogen fül^Ite."

©0 tjerfd^iebenartig nun aud^ bie ßl^araltere unb J^enbenjen biefer an bem §of ju SBerfaitteS l^eroortretenben ^Prälaten toaren, fo waren biefclben bod^ in ber gemeinfamen SSertretung ®ine§ ©ebanfenS geeinigt, ber überl^aupt ber ©runbgebanle beS bamaligen franjöfifd^en Äird^ent^umS war, ba^ nämlid^ bie fat^olifd^e Äird^e granfreid^S i^ren ©d^toer« punft in fid^ felbft l^abe. Sei allen ©enannten ftanb als bogmatifd^e Ueberjeugung feft, ba^ bie 3lutorität beS affgemeinen ßoncilS über ber päpftlid^en ftel^e. Snbem bal^er in granfreid^ im (Segenfa^ 3um ^apaliSmuS ber ©ebaule bts ®piScopaIiSmuS feft begrünbet toar, fo toar eS eine unter ben Sifd^öfert 3iemlid^ affgemein l^errfd^enbe Slnfid^t, ba^ äffe, bie ^ird^e 5ran!reid^S betreffenben 2lngelegen§eiten vox einer Sftepräfentation beS ge< fammten franjöfifd^en (SpiScopatS, oor einem 5RationaIconciI als oberfter geiftlid^er Slutorität ber Äirc^e beS Äönigreid^S i^re befinitioe ©riebigung }u finben l^ätten. S)iefe im franjöfifd^en ®piScopat ^errfd^enbe älnfd^auung traf mit bem Setou^tfein beS ÄönigS jufammen, .toeld^eS berfelbe in ben SBorten auSfprad^: „L'^tat c'est moi," unb gipfelte bal^er in bem ©ebanfen, ba^ bie Äird^e beS KönigSreid^S i^re Sinl^eit unb il^ren ©d^roer^ punft in bem Äönigtl^um l^abe. 6S toaren biefeS älnfd^auungen, von benen bamals ehen baS ganse fat^olifd^e granlreid^ bel^errfd^t mar, (Xixä) bie ©orbonne, aud^ baS Parlament, ja fogar aud^ bie S^f^i^^^* 2ubh)ig XIV. felbft gab biefem Setoufetfein feiner Äird^enl^ol^eit, nament* U^ im Sö^re 1673, in t)offer ©tärfe 2luSbrudf, inbem er baS Slegalred^t, weld^es i^m nur in ben alten $rot)in3en granfreid^S juftanb, burd^ baS

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ganje Jtönigreid^ f)xn afö ein unt)eräu^etltd^ed Sted^t bet jttone in 3(n' fprud^ nalim, ?Papft Sfnnocens XL, bct im ^a\)xe 1676 unter bem 3ubel be§ tömifd^en SBoIIeS ben ©tul^l 5ßetri beftiegen, unterließ nid^t, bem löniglid^en Ucbermutl^ in ebenfo feftct unb entfd^iebener aU tul^igct: Haltung entgegenjutreten unb namentlid^ gegen baS Sorgel^en be§ Königs l^injtd^tlid^ beö SRegalred^tS im 3i<»l^re 1679 ®infprac^e 3U erl^cben; aber fd^on im folgenben gal^rc l^ielten fx^ bie fran3Öfifd^en Sifiä^öfe (auf il^ret SSerfammlung ju St. Germain en Laye, im Quli 1680) für vexp^xi^itt, bem ^Papfte il^ren tiefen ©(ä^merj barüber lunbsugeben, ba^ ber 1^. SSatcr 5U 9lom eS gemagt l^abe, bem älteften @o^ne ber Kird^e, bem ©d^u^- l^erm berfelben, ju nal^e ju treten; toobei fic bem ?ßapfte sugleid^ er^ öffneten, ba^ feine 3Jlad^t ber SEBelt im ©tanbe fein toürbe, fie von il^rem Äönige ju trennen. S)en redeten latl^olifd^en ©lauben an ben ^eil. SSater l^atte man bal^er in ^anfreid^ nid^t me^r*). 9Son toeld^er Slrog- weite biefeS h>ar, jeigte fid^ an ben ©reigniffen ber beiben näd^ftfolgcm im ^a^xe.

2luf ben Slntrag einiger S3ifd^öfe berief ber Äönig ein t)on i^m ganj mittfürlid^ jufammengefe^teS unb von xf)m infpirirteS Sflational* concil**), meld^eS am 30. Dct, 1681 t)on Soffuet ^öffiict, am 19.3Kär} 1682 t)ier von bemfelben rebigirte Slrlilel genel^migte, beren mefentlid^tet Snl^alt folgenber toar:

1. SDem $apft unb ber ßird^e ift t)on ©Ott bie ®emalt über geift- lid^e unb jur emigen ©eKgleit gel^örige Singe nid^t aber über toeltlidjc unb seitlid^e ertl^eilt morben. 3)ie Äönige unb dürften finb alfo na(§ göttlid^er Drbnung in jettUd^en 2)ingen leiner geiftlid^en ®eh>alt unter*

*) 3Ran Dergleid^e toa^ bie ^rin^effm ©tifabetl^ ©l^arlotte Don Orleans am 4. SRobbr. 1701 an einen il^r öertoanbten gürften in 2)eutfd^lanb fd^reibt: „3^* müfit ntdjt meinen, ba^ bie franjöfifd^en ©atl^olifd^en fo alber fein, toie bie teutfd^en ©atl^oUfd^en. ®d ift gan$ @in anbere fad^ mitt, fd^ir ald ioend @tne anbere retigion loere. ®g left \)xx bie l^eilige fd^refft toer toill. 3Ran ift a\x^ nid^t obligirt a^n bagateden Dnbt abgefd^mad(te miracle 3^ glauben. äJ^an belt l^ir ben ^ap\i nidj^t bor unfel^lbar, Sie @r aWonf. be Sebarbin 3^ ^^^ ^Ecows munijirte l^att man l^ir 3lux brüber gelad^t; Tlan l^elt nid^t^ auf toallf alerten Dnb l^unbert bergleid^en, toarinen man §ir 3m lanbt ganj bifferent 95on ben teutfd^en ^atl^olifd^en ift, toie audf Sßon ben Sf^antern unb 3ta(ienem." ©. Sleud^Iin, ®efdj. 0. ^ort^Sflo^al, 95. II. SBeiC. ©. 784.

**) 2)ie SSerfammlung loar, Joie ein benetianifd^er ©efanbtcr fd^rieb, ',,na(^ ber ©onbenienj be8 ©taatgminifterium« berufen unb aufgelöft, nad^ beffen ©in* gebungen geleitet." SergL »an!e, ®efd^. ber ^äpfte im 16. unb 17, gal^r^. ». m. ©. 164.

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toorfen, !önnen ntd^t burd^.baS Sd^Iüffelamt aB^efe^t, unb il^re Unter« iffornn lönncn nid^t vom (Sibc bcr Srcuc loSgcfprod^en toerbcn,

2. 2)ic ©ottfommcnc ©croalt in gciftlid^en 3)mflcn fontmt bcm Zapfte nur in bcr SBeifc ju, ba^ juglcid^ bie SBefd^Iüffc beS öfumcnifd^en SoncilS t)on Jtofini), inSbefonbere bie auf bie Slutorität ber allgemeinen Soncilien bejüglid^eu; voUe ^raft unb unt)er[e^lid^e @eltung l^aben.

3. 2)aljer ift ber ©ebraud^ ber apoftolifd^en @en)alt nad^ ben Be:: ftel^cnben Äird^engef e$en , inäbefonbere aud^ nac^ ben Siegeln, Oewol^ns Reiten unb ©inrid^tungen ber gallilanifd^en Äird^e 5U moberiren.

4. ä(ud^ in ®Iau6en3fad^en ftnb bie S9eftimmungen beS $apfted jwor von Befonberem ®eh>id^t, jtnb jebod^ nid^t irreformaBel , fo lange nidjt ju benfelben bie Swpiw^w^wi^Ö ^^^ Äird^e l^injufommt*).

5Diefe3 n^aren bie fogenannten ^eil^eiten ber gaUüanifd^en fiird^e, burd^ beren 2luffteIIung ber in berfelBen fd^on vox^ex l^errfd^enb getoefene ®alIifämSmuS einen neuen eigcntl^ümlid^en ßl^aralter gewann,

©cit bem Saläre 1682 Beftanb in bcr fat^olifd^en Äird^e g'^anfreid^^ bie Drbnung, ba^ päpftlid^c @ntfd^eibungcn, aud^ in @ad^cn bed ©lauBcnS; nur bann öffentlid^e ©eltung erhielten, toenn ber franjöjtfd^e ©piäcopot unb bcr Äönig biefelBen genel^migt l^atten. S)ie Silligung unb Slnnal^me einer päpftlid^cn (Sntfd^cibung feiienS beS franjöjtfd^en ©piScopatS mu^te fid^ au^erbent aber in ber gorm einer Unterfud^ung äußern, auf ®runb beten bie SBifd^öfe Bejeugten, ba^ fic bie ©cnten3 beg römifd^en ©tul^IcS mit bcr l^eiligcn ©d^rift utib mit ber S^rabition bcr Äird^c in ©inflang gefunbcn l^ätten. SlBcr aud^ eine fold^c ®ntfd^eibung bc3 gcfammten gaKüanifd^en @pi§copat3 würbe erft bann red^t^&äftig, wenn ber ßönig biefclBc mit feiner Slutorität Bcfleibetc.

3lnbcm alfo im lat^oKfd^cn ^anlreid^ bcm Slationalconcil biejenige l^öd^ftc S3ebcutung Beigelegt mar, tocld^c nad^ ber l^crfömmlid^cn Seigre beS SpigcopaliSmuS bcm ölumcnifd^cn ßoncilc eignete unb inbem 5ugleid^ affc ßntfd^cibungcn bc3 SlationalconcilS von bcr Slutorität bc§ ÄönigS in einer fold^cn SßJeifc aBl^ängig gemad^t mürben, ba^ im gaffilanifd^!« lird^Iid^cn ©prad^gcBraud^e Subtüig XIV. als „äußerer" Sifd^of Bc3cid^nct' toatb, fo mar l^icrmit bie Äatl^olicität bcS franjöfifd^cn Äird^cntl^umS im ^rincip alterirt. 2)ie gaQilanifd^e ^ird^e foax au§ bcm öfumenifd^en Sufammcnl^ange. ber römifd^-fatl^olifd^cn Äird^e fo ^erauSgc^oBcn, bafe ftc mit berfclbcn nur nod^ einen fe^r lofen, faft nur fd^cinBaren ßonne^

*) ^iefe quataor propositiones ecclesiae gallicanae ftnben jtd^ öftetS, ). 99. aud^ inBausset's „Histoire deBossuet," J. II, ©. 174» im latcinifd^en Originals tejt abgebrutft.

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l^attc. 3)cnn bic Sonne, um toeld^e ftd^ ber franjöfifd^e ©piScopat it-- tocgtc, tüQx nun auSgcfprod^cncrmafeen nid^t ber 9la(i^f olger $etri, fonbern ber Äönig als ®efaI6ter ®otte§ auf ©rben.

SSon i^ier au3 fäQt auf bte Slufl^ebung be§ @bifteg t)on Nantes bag redete Sid^t. 3)iefelbe erfolgte nid^t fotool^I im Qintereffe ber Smein- l^errfd^aft be§ Äatl^oIictämuS im Äönigreid^, fonbern melmel^r barum^ weil eS in %rantxexä) leine mit bem SBitten beS ÄönigS in SBiberfprudJ ftel^enbe Sleligiofität unb ?Jrömmigfeit geben foUte. lebten bamate in ^Jranlreid^, tro| affer ©d^äbigungen, ipeld^e bem 5Proteftantiämu§ ju« gefügt tüaren, immer nod^ mel^r als anbertl^alb 9JliKtonen vProteftanten; . unb ber 9lame beS ^roteftanten toar in ber öffentlid^en SKeinung %xcail reid^S, tüo er nid^t mit milbem Äe^erl^a^ jufammentraf, gead^tet. ®enn im Slffgemeinen fennjeid^nete fid^ bie proteftantifd^e Set)öKerung bur<| gute ©itte, burd^ fleißige 2lrbeit, burd^ geiftige S3ilbung unb burd^ äußern SBol^Iftanb. Slber im Sfteid^e Subtüig'S XIV. lonnte nid^t jmeierlei Sleligion fein. Dal^er erfolgte unter bem 22. Dctober 1685 bie für ^ranlreid^ fo t)er^ängni^t)off geworbene Slufl^ebung beS ®biIteS Don SlanteS , meldte ben proteftantifd^en ©lauben für ein SSerbred^en erflärte, unb roeld^e »on Soffuet als „le plus bei usage de l^autorit^,'' t)on anberen mifjenfd^aft^ lid^en unb lird^Iid^en Slutoritäten granlreid^S aber in nod^ fd^amloferer tJBeife*) oerl^errlid^it toarb.

2lm §ofe bampftc überhaupt um ben Äönig bamals ber 3QBeil^rauii^ auf, ber bie ©inne beS altemben Selbftl^errfd^erS immer mel^r betl^örte. 3Banrebete eS il^m ein unb er glaubte eS aud^, ba^ er burd^ Verfolgung unb SluSrottung ber Äe^erei in feinem Äönigreid^ bie SKenge ber ©ünbcn feines biSl^erigen SebenS bebedfen lönne. SKittelft feiner SDragoner, roelc^e bie 5ßroteftanten quälten, glaubte er toirüid^ (Sott einen ^ienft ju tl^un. SDaS- ganje Seben am §ofe begann bal^er, menigftenS nad^ Siner Seite l^in, eine beftimmt religiöfe %avbe anjunel^men unb infofern anberS ju toerben.

3lfferbingS ioar an bemfelben bie 9Jlarquife grangoife 3ltl^6naifte be 9JlonteSpan, bie mit il^rer ftral^Ienben unb ^erauSforbernben Sd^ön^ J^eit unb mit il^rem glänjenben unb blenbenben 2Bi| baS ^erj beS ^nigd umfponnen unb bemfelben el^ebred^erifd^ mel^rere Äinber geboren l^atte, nod^ immer ber 3Rittelpunft beS prunfooffen, fd^immemben unb jud^tlofcn SebcnS, meld^eS feit ^[al^ren an bemfelben l^eimifd^ geworben mar. StIIcin, bereits l^atte bie SBitttoe beS $umoriften Scarron als ©rjiel^erin ber

*) aSgl. bie öon 2)ouen in ber angejogenen Sd^rift L'intolerance de Fenelon S. 1 gelieferten 92ad^ta)eifungen.

V.

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Äinber ber aWarquife von 3RonteSpan Bei §ofc eine (Stellung einge« nommen, t)on toeld^er auS fic ben Äönig von feiner ©eliebten ntel^r unb mef)x abgujiel^en, unb als ^5^^^ ^^^ SKaintcnon jtd^ bem ^erjen bcffelben not^roenbig ^u ma^en toufete.

tjräuicin grangoif e b'SluBigne war bie ®nf elin beS glaubenseifrigen unb berebten 6alt)iniften 2lgrip|)a b'3lubign6. gm S^l^re 1635 geboren, l^attc fie fid^ in frül^er Sugenb 3ur SRücffel^r in bie fatl^olifd^e Äird^e brängen unb bereben Iaf[en. 21IS SDlabame ©carron würbe fie toegen il^rcr ©d^önl^eit, i^rer ebeln Silbung unb ^erjenSgtite in 5ßariS.baIb ein ©egenftanb ber Sead^tung, h)a§ nod^ mel^r ber ^aU pax, als fie burd^ ben frül^3eitigen %o\> il^reS SKanneS SEBittwe warb. 3)er. iReigung il^reS §er3enS folgcnb, l^atte fie vor, Srjiel^erin ju toerben. Sluc^ grau von SKonteSpan lernte fic lennen unb getoann fie lieb. Slid^f lange nad^l^er l^anbelte eS ftd^ barum, für bie Äinber ber ^au von 3RonteSpan eine ®r3iel^erin 3U gewinnen. ®iefe fd^ä|te fid^ bal^er glüdf« lid^, als il^re frül^ere fjreunbin, 3Kabame ©carron, fid^ bereit erflärte, bie Seitung ber Äinber 3U übernel^men. ©0 lernte oud^ Subwig XIY. bie 3)antc iennen, bie i^m balb fein t)oIlfteS SBertrauen abgewann. 3Kabame ©carron tourbe bal^er affmäl^lid^ in baS Familienleben beS ÄönigS ]^ineinge3ogen, too fie aber nur in ber beftimmten Slbfid^t Sßla§ griff, um ber am $ofe l^errfd^enben üppigen Seid^tlebigfeit gegenüber t)or äUem il^ren eigenen Sluf fid^ unbeffedft 3U betoal^ren unb, fotoeit eS il^r möglid^ fein loürbe, auf bie ©efinnung beS ÄönigS einen religiöfen (SinfHufe auszuüben. S3alb fal^ fie aud^, bafe fie bem Äönig gegenüber tnel^r erreid^t l^atte als fte anfangt gel^offt: il^r Umgang würbe bem« felben unentbel^rlid^. Sie näd^fte IJoIge biefcS SBer^ältniffeS war, ba^ fid^ bie 95e3iel^ung beffelben 3ur Äönigin, feiner ©ema^Iin, befferte, unb ba^ ber Äönig bie 3Karquife oon 3JlonteSpan nie me^r unter oier Slugen fal§. 9lad^ bem S^ob ber Äönigin (im S^U 1683) h)ar bie bisl^erige 3Jlabame ©carron, nunmel^rige %xavL von 3Raintenon, bieauSfd^Ke^Iid^e SScrtraute beS ÄönigS, bem biefe jebod^ offen erflärte, ba^ fie aud^ ben ©d^ein eincS unfittUd^en SBerl^ältniffcS nid^t 3U ertragen toiffe, toeS^alb Subtoig XIV. fid^ im ©tiffen mit il§r trauen lie^.

3)er Äönig begann nun eine äCrt l^äuSlid^en SebenS ju fül^ren. ®r toar bereits t)erlebt, unb grau oon 9Kaintenon, wennfd^on immer nod^ eine ftattlid^e 3)ame, toar bod^ einige Qal^re älter als er. 3)er Äönig «mpfanb ben mtlben $aud^ il^rer ebeln, fd^önen SBeiblid^eit unb begann toirflid^ üor feinem bisl^erigen üppigen Seben einen ®fel 3U cmpfinben. ^an fa]§ il^n plö^lid^ in feinem §aufe als ernften ©ittenrid^jter auftreten, ber anftö^ige SBer^ältniffe in feiner Umgebung nid^t bulben wollte. Slud^

^e^i)C, 3Ri?ftif. .17

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tourbc btc lontgfid^e Dpcr Bcfd^icbcn, ia^ ftc femctl^in in il^rcn auf* fül^rungen jebc SSerlc^ung bcr 5DloraKtät ju Dcnneiben l^abc. 2)cr Slonard^ fottb fogar ©cfd^mad an bcn ©cfpräd^cn über Stcligion, roeld^e grau t)ön gKaintciWtt l^auftg mit il^m anlnüpftc. 2)a8 ©cl^ör, tocldjicä bic S)amc in btcfcr Scjicl^ung bei il^rcm ®tmdf)l fanb , l^attc aber für bicfe fclbft golgctt, Tücld^c toeiterl^in rerJ^ängni^üoIl toerben mußten, grau t)on SRaintenon ift in il^rem §erjcn niemals eine eifrige fiatl^oliiin gerocfen. ©ie liebte ben biblifd^en ^falmengefang il^rer früheren ®lauben§genoffcn, unb fül^lte ftd^ bei bemfelben mol^Ier, aU nenn fte eine SKeffe ^örtc. gnbeffen l^örte fte io^ bte üJleffe fe^r oft, inbem fte nun einmal !at§os lifd^ gelDorben h)ar, unb im äußeren fpielte fie bie SloHe einer red^t bigotten Äatl^olilin. SBennfd^on fx(S) bal^er grau Don 3Jiaintenon in il^rem fersen ju einer me^r innerlid^en, mpftifd^en SReligiofität, für tocld^c bie gorm be§ latl^olifd^-religiöfen Sebenä eben nur gorm toar, öetriebcn füllte, fo fal^ fte fid^ bod^ burd^ jtoei S)inge 5ur ftrengften Vertretung ber f atl^olif d^ ' lird^Iid^en SReligiofttät genötl^igt, nämlid^ einerfeitä burt^ ben Umftanb, ba^ fie 6ont)ertitin mar (worauf l^in fie ftd^ fel^r oft on- gefel^en iou^te), unb anbererfeitS burd^ bie religiöfe 3Kanie beS fiönigS. Qn ben 2lugen be§ Se^teren gab nur (Sine Slrt mirllid^er grömmigfeit, meldte i^m mit latl^olifd^er Sled^tgläubigfeit ibentifdb mar. 2)em (äetoiffen be§ SBüftlingS, in beffen $erjen bie SBert^fd^ä^ung beS SlltarS alg einer ©tü^e beS S^^roneS unb eines 2^rofteS für fein ©ünbenleben mit einem teuflifd^en ^affe gegen alle coangelifd^en Se!enner beS SiamenS 3^fu Gl^rifti U)ilb unb toüft burd^einanber gingen, lonnte nur bie greifbare gorm ber S^röftungen beS Satl^oIiciSmuS genügen. 3n bie SSerl^ältniffe fid^ fügenb, befleißigte ftd^ bal^er grau t)on SDlaintenon ebenfo in il^rem religiöfen SBerl^^r mit bem Äönig i^re fat^olifd^-fird^Iic^e Sled^tgläubigfeit außer S^tx^l 3U ftellen, als fie ber SBelt gegenüber fid§ bie SBa^rung i^reS fittlid^en SlufeS il^r eifrigfteS Slnliegen fein ließ, 3n le^terer Se- 3ie^ung loar fie im (Sanjen aufrichtig, in erfterer $infid^t coquettirte fie. grau oon 3Raintenon l^at eS bal^er gefd^e^en laffen, baß fid^ ber Äönig bie SluSrottung beS ^roteftantiSmuS in feinem SReid^e jur Stuf gäbe mad^tc; fie l^at i^n fogar baju aufgemuntert. 2)od^ fa^ fie eS nid^t gern, toenn baoon gefprod^en tourbe. 3tai) Slußen l^in erfd^ien fte gern als bie too^l- moHenbe Sefd^ü^erin aller bem S^tereffe d^riftlid^er 33avml^er3ig!eit unb inSbefonbere einer d^riftlid^en ®rjtel^ung ber QfugenD bienenben Seftrebungen. Si^r eigentlid^eS ©d^ooßlinb h)ar ba^er bie oon i^r geftiftele ®r3ie^ungSj anftalt 3U ©t. (Spr.

grau oon 9Jlaintenon, bie in i^rer l^ol^en geiftigen Silbung, in ii^rcr anfpred^cnben SBeiblid^Ieit unb in il^rer praftifd^en ©efd^idflid^feit eine ganj

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befottbcre ScgaBung als ©rjtcl^erin Befa^, l^atte jtd^, foBalb il^r bie ex- forberlid^cn 5iRitteI 3U (SeBotc ftanbcn, bie Srrid^tung einer Slnftalt .jur SfufgaBe gemad^t, in toeld^er unBemittelte 2^öd^tcr vom 2lbel erjogen toerben foKten. ©ie l^atte mit einer» fold^en ©inrid^tung ,^uer[t in SKontmorencp, l^ernad^ ju SRueil uerfud^t. Snbeffen tourbe ber gui^J^ö^S biefem Qttftitut fel^r Balb fo gro^, ba^ jur Unterl^oltung beffelBen bie SKittel ber ^au oon 3Jlaintenon nid^t mel^r ankreideten. 2)al^er nal^m fie fd^Iie^« lid^ bie §ülfe beä ÄönigS in Slnfprud^, ber mit il^r bie Srrid^tung einer ganj neuen Srjtel^ungäanftalt Befd^lo^. ^rau .t)on 3Kaintenon l^atte eS bem König Ilar gemad^t, ba^ granfreid^ einer Slpform ber ©itten Bebtirfe unb ba^ biefelBe in ber Qugenb be3 Slbelä Begonnen unb Begrünbet toerben muffe, ^m Sinne beä Königs fonnte aBer nur bie §ingaBe on ba§ ^ntereffe ber Ärone ba§ SRed^t eines Slnfprud^S auf eine von bcrfelBen 3U getoäl^renben Unterftü^ung Begrünben. Salier tourbe cS jujifd^en Subroig XIV. unb %xan t)on SKaintenon (1686) feftgeftellt, ba^ bie ju errid^tenbe (Srjiel^ungSanftalt rorjugSroeife für fold^e S^öd^tcr Dom Slbel Beftimmt fein foHte, beren SSäter im 3)ienfte ber Ärone vex^ ormt tüären. 3^ biefem S^eit tourbe nun alsBalb auS einer atnjal^I geiftlid^er 2)amen, meldte fid^ l^ier^u Bereit finben liefen unb toeld^e ftd^ burd^ ein cinfad^eS ©elüBbe uerpflid^teten, eine ßongregation J^ergefteHt, tDeld^e in ©t. ßpr il^r flöfterlid^eS 2)i)micil erl^ielt. Qnx ©ntmerfung ber Segeln beS §aufeS jog %xavL von 5Kaintenon eine Slnja^l von (Seifte lid^en ju Statine, benen fie BefonbereS Vertrauen fd^enfte, ben Sefuitem später unb Berül^mten ßontrotjerSprebiger S3ourbaIoue, ben (Seneralfuperior ber Sa^ariften , $. 3oIp , bie Beiben SSorftefier ber auswärtigen SWiffionen SiBerge unb Srifacier, ben SlBBe ®obet beS 3JlaraiS, nod^l^erigen Sifd^of wn ßl^artreS, ben Sifd^of b'^rantl^on von ©enf unb inSBefonbere ^euelon. 3n !urjer S^it raaren ber ßongregation von ©t. Gpr, bie unter ber ©onne ber föniglid^en ®unft rafd^ auf Blühte, §unberte von abiigen Xöd^tern jugefü^rt unb ^rau üon SKaintenon, bie fid^ in bem großen ©eBäube eine S^üe t)orBef)aIten l^atte, !am faft jeben britten 3^ag in baS §auS, baS fie nunmel^r als ifjre eigentlid^e ^eimatl^ anfa^. ©t. ßpr h)ar bttl^er aud^ ber 3DIitteIpunft ber eigentJ^ümlid^en ©efettigfeit, bie fid^ an grau t)on 3Waintenon angefd^Ioffen t)atte. §ier empfing fie jumeift bie Sefud^e ber ©eiftlid^en, bie fie ifjreS Umganges gen)ürbigt l^atte; l^ier in bem Srjiel^ungS^ufe fa^ man inSBefonbere bie 3tBB6'S genelon unb ®obetsbeS=3DtaraiS ; bod^ tvax aud^ ber ^efuitenpater Sourbaloue Bei S^^au t)on SKaintenon nid^t feiten ju finben. 3lu^erbem ipar eS oorjugS^ toeife bie gamilie SeauojUierS, mit lüeld^er biefelBe ben innigften SJerfel^r unterl^ielt. 2)er $er3og ^]JauI von SeauoiHierS, ber im S^^re 1685 bie

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©teile eines ^ßräftbenten beS fgl. ginanjIoIIegxumS übertragen erl^ielt, töor mit ber 3toeiten Xod^ter 6olbert*S rermäpt, beren beibe ©d^roeftcm fid^ mit ben ^ersögen von Gl^eDreufe unb SKortcmare üerel^eKd^t l^otten. S)iefe brei ©d^toeftem ttnb ©d^toägex, burd^ gleid^en Stbel ber ©eftnnung tmb burd^ gleid^en ©ifer für bie gntereffen beS latl^olifd^en ©laubcnS auf baS ®ngfte untercinanber üerbunben , bilbeten einen in [td^ f eftgef d^Iojf encn gamilienlreis , ber von jel^er fein 3Ki^f allen an bem üppigen 2!rei6en ber f^rau von 3)lonteSpan ol^ne @d^eu funbgegeben l^atte. 9tie l^atten jtd^ biefelben in ben Äreifen biefer übermütl^igen SDame feigen lajfen.

(Gegenüber ber fJriDoUtät, toeld^e ba§ Seben am $ofe Subtoig XIV. von jel^er gelennjeid^net, lie^ fid^ alfo jje^t in ber Umgebung ber %tm von SDlaintenon, unb fomit aud^ be§ ÄönigS, eine beffere, ernftere (Septtung toal^rnel^men, meldte t)ielfad^ ani) von aufrid^tiger !ReIigiofität getragen war. daneben fanb fid^ l^ier aber aud^ Diel bigottes SBefen ein, bem es nur an ber äußern lird^lid^en ^orm lag, unb tüeld^eS jur unfittlid^ften Sntrigue ftd^ jeberseit bereitfinben lie^. 9Jlan tou^te, mie Diele gäben in ber $anb ber ^au Don SRaintenon äufammenlief en unb ba^ unjäl^lige Smedte nur l^ier unb burd^ ben Sinflu^ berer, toeld^e baS Vertrauen ber l^ol^en 3)ame befa^en, erreid^t iDerben lonnten. SJal^er legte aud^ bie fd^nöbefte ©elbftfud^t unb bie l^interl^altigfte SSoSl^eit am $ofe ber fjrou Don SJlaintenon baS ©emanb ber innigften 2)eDOtion an, um ftd^ il^reS mäd^tigen ©influffeS Derftd^em ju lönnen. 2)aS ©d^limmfte aber toor, ba^ ^au Don.3Raintenon, fo Derftänbig unb erfolgreid^ fte aud^ auf ben Äonig einjuroirlen iDu^te, fid^ felbft in ber Sluffaffung religiofer SebenS- fragen fd^lie^lid^ nur burd^ bie Steigung, burd^ bie Saune unb burd^ boS iBorurtl^eil beffelben beftimmen lie^.

|. 2.

Sie Setuttl^eitung beS SRi^ael be SRolinod.

SDer ©d^Iag, meld^er ben S^fuitenorben in ber ^JJerfon ©egneriS ge^ troffen, loar für benfelben eine ernfte üRal^nung, fxi) über baS, tüaS l^ier- mit eigentlid^ gefd^el^en fei unb loaS er bem ©efd^el^enen gegenüber ju "tl^un l^abe, nad^ allen ©eiten l^in inS Älare 3U bringen.

SefuitiSmuS unb DuietiSmuS waren ©egenfä^e, stüifd^en benen eS leine SSermittlung gab. 3)er DuietiSmuS leierte eine SBoIlIommenl^eit beS ^riftlid^en SebenS, Dor loeld^er baS , maS ber. S^fuitiSmuS als bie l^öd^fte ©tufe d^riftlid^er Sleligiofität l^infteUte, als ein übertounbener ©tanbpunit

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bc§ t)oHcnbcten ßl^riftcn erfd^tcn- (Sclongte bal^er bcr DutetiSmuS in ber Äird^e jur §crrfd^aft, fo h)ar cS lun baS, toaS ber Scfuitcnorben an* ftrcbte, gefd^el^en. S)a^ aber SencS am Snbc ber fJaH fein möd^te, war um fo m^l^r ju bcfürd^ten, alä nid^t nur bie quietiftifd^e 9fli(]^tung im romanifd^en ©ebiete ber Äird^e fd^on bie toeitefte SBerbreitung gefunben l^atle, fonbern aud^ 9JloIinoä, toic alle 2BeIt tDu^te, fid^ ber ganj Befon« beren $ulb unb ^Protection beä 5ßapfte3 erfreute, ber al3 entfd^iebener (Segner ber 3fefuitenmoraI bereits energifd^ genug l^eroorgetreten war.*) 3)icfe Stellung beS ^apfteS Qlnnocenj XI. 5U 3KoIinoS toar ba^et bie Urfad^e, toeS^alb ber S^f^itenorben ben DuietigmuS eben in ber $erfon beS 9JlolinoS ju erfaffen unb 3U jermalmen befd^Io^.**)

5Rad^ Sage ber 35inge xoax biefeS aber nur fo möglid^, ba^ bcr 5Papft (ba 3RoUnoä burd^ baä ©erid^t ber Äird^e als red^tgläubig aner« fannt loorben toar) oon 2lu^en l^er auf politifd^em SBege gejroungen toarb; 5DloIinoS preiSjugeben, 2)er Drben befd^Io^ ^ba^er in 5ßari§, am §of.e be§ ÄönigS feinen §ebel anjufe|en.

3)em 5ßater Sad^aife fiel l^ier nid^t fd^toer ben- Äöntg bar=: über aufjuflären, ba^ bie Seigre, roeld^e oon SKoIinoS unb oon ^q!^U reid^en 2lnl^ängem beffelben vorgetragen unb t)erbreitet roerbe, pure Ke|erei fei, auf beren fd^Ieunigfte Unterbrüdfung man umfome^r be« bad^t feilt muffe, aU 3U einer 3^it, roo baS Äönigreid^ mit fo oieler 3Jlill^e unb Slrbeit oon ber 3rrle^rc beS ßaloiniSmuS befreit ioorben fei, bie fiird^e ^anfreid^g burdf; ben DuietiSmuS aufS 9leue erfd^üttert 3U mer* ben ©efal^r laufe, 3umal ba in unbegreiflid^er SBeife felbft ber ^Papft bem Raupte ber neuen ©ecte feine ©unft 3un)enbe. 2Ba§ Sub* toig XIV. aus bem 3Jlunbe feines Seid^toaterS l^örte, lourbe bemfelben alsbalb oon anberer ©eite l^er beftätigt, unb fofort lie^ bal^er ber fiönig (im ^ü^ling beSg^^reS 1685) auf gefanbtfd^aftlid^em SBege bem 51Japfte oorftetten, roie befrembenb eS i^m erfd^einen muffe, ba^ ©. ^ei* ligleit in il^rem $aufe einen SKann unterl^alte unb begünftige, ber offen-

*) 3n ber aSutte öom 2. SKärj 1679 l^attc Snnoaena XI. nid^t toeniger alS 62 Dog-

mata Moralistarum e Societate Jesu, imprimis Azorii, Sanchez, Lessii, Lay-

manni, Tilliutii, Tamburini aliorumque bertoorfeu, uub alle bieienigcn, toeld^e biefe @d|e ber Sefuitenmoral fernerl^in lehren irürben, mit ber Excommunicatio latae sententiae beftraft*

**) 2)af; bie 3ef uiten eS getoefen finb, toeld^e bie SBeruttl^eilung beS 3RolinoS öejJÜant unb; betoirlt l^aben, erl^ellt auS ben fofort mitjutl^cUenben Sfiad^loeifungen. ^ud^ bertd^tet SBei^mann in feiner Introductio in memorabilia eccles., P, I.

p. 29: Glpriosum sibihoc reputant Jesuitae in hunc usque diem ut patet ex Diario Trivult. ad annum 1711. Art. CI.

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bare Äe^crcicn lel^rc unb ba§ SSoH jut ®ctingfd^ä^ung bcr gottcSbicnft* Kd^en Drbnung ber fiird^e verleite.*)

3Ktt Staunen l^örtc bcr ^apft, rocld^e änfd^ulbigungcn Subtotg XIV. gegen ben von il^m fo l^od^cere^rten 3KoHno§'bci i^m t)orbringen Ite^, unb am Kebften l^ättc er biefelben ganj auf fid^ berul^en laffen. ©id^erliii^ war er bered^tigt anjunel^men, ba^, toenn er mit Sejugnal^me auf baS von ber Qnquifttion über SKoIinoö gefällte Urtl^eil bie Sfled^tgläubigfeit be3 Se|teren be3ißuge, ber Äönig fid^ bei biefer ®rflärung berul^igen- toerbe. Slllein ber Qlefuitenorben l^atte in ber ;3'^terpettation be§ ÄönigS baS 3D?itteI gewonnen, burd^ roeld^eS er jum 3Serberben be§ SKoIinoS wirlfam auftreten fonnte, toeSl^alb berfelbe bei bem 5ßapfte burd^fe^te, t>a^ bie Qa^e bem S^^quifitionStribunal übermiefen toarb. 2Bie aber bei biefem ju operiren fei, tüu^te man bereits.

Sofort (im 3Kai 1685) tourben SWolinoö unb 5ßetrucci (toeld^er le^tere in bemfelben S^i^re für ben DuietiSmuS mit einer neuen ©d^rift: mistici eijigmi disvelati, loorin er eine jur 33efd^aulid^feit l^inburd^gebrungene Seele fid^ über bie Söege jur 3SoHfommenl^cit ausfpred^en lie^, tjeröffent« lid^t l^atte) cor bie gnquifition geforbert, unb lurj nad^l^er würbe ber erftere inä ©efängnife geworfen. 35er 3efuit ®fparga, toeld^cr beS 2JloIinoS Guida spirituale einft approbirt l^atte, oerfd^manb bamate in SRom unb loarb nie toieber gefeiten. 50lan erjäl^Ite fid^, ba^ er irgenbtoo eingemauert toorben fei.

SKoIinog tüar alfo nun in ber ©etoalt ber Qlnquifition; allein ba§ ©injige,. tpag man l^iermit erreid^te, loar, \>a^ baS QlnquifitionStribunal ber fpanif d^en Äird^e, fobalb baffelbe bie SBerl^aftung beS SWolinoS er^ fal^ren l^atte, über beffen Guida spirituale baS SSerbammungSurtl^eil fprad^, jum größten 2lerger ber römifd^en S^quifitoren, meldte in biefem SSorgel^en beS fpanifd^en ©erid^tg^ofeä eine Seleibigung i^rer 2lutorität fa^en. SffiaS mit 3JloIino§ ju beginnen fei, toujte man nid^t. SRad^bem bie in feinem §aufe maffenl^aft oorgefunbenen Sriefe mit Sefd^Iag belegt

*) 2)cr onglüanifd^e »ifd^of Gilbert »urnet tl^eirt in bem vierten 3leife'

berid^t, toeld^ener in ber©d^rift: „Some letters containiog an account of what seemed most remarkable in travelling thro Switzerland, Italy etc. in tbe years 1685 and 1686 t)ctöffentUd^te, öon 9lom au8 golgenbeS mit: Molinos hath many priests in Italy, but cbietly in Naples. So tbe Jesuits, as a pro- Tincial of tbe ordre assured me, finding, tbey could not rain him by their own force, got a great King, that is now extremely in tbe int^erests of tbeir order, to interpose and: to represent to tbe Pope tbe danger of

sacb innovations. ®enau baffelbe betid^tet ber SBerf. ber Tbree letters @. 85:

It is believed that tbe Jesuits at Rome proposed tbe matter of Molinos to P. la Cbaiseas a^fit reproach to be made to tbe Pppe in tbat Kingsname etc.

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toorbcn waren, l^iclt man il^m vox, ia^ er au§n)cisUd^ bcrfcIBcn einc^ ü6er ba§ ganjc fatl^olifd^c Suropa ftd^ crftrccfenbc (5orrc§ponbcn5 unter« Italien l^abe, toeld^en S8orl^alt 3Kolinoä mit bcr Semerfung ertoiberte, ba^ bie äluSbel^nung fcineä briejKd^en 3SerIcf|re§, ben er gar nid^t gefud^t labe, i^n bod^ unmögli(]^ 3um SBerbred^er ftempeln fönne. 3)ie öffentlid^e SReinung, bie anfangs burd^ bie 3laä)xxd)t t)on ber SSerl^aftung beS 3Kos linoS überrafd^t mar, berul^igte ftd^ übrigens aUmöl^lig, inbem fte in biefem SSorgel^en gegen ben attgemein fo l^od^t)erel^rten 5Priefter einen ber mäji feiten oorfommenben ^anbftreid^e ber ^nquifition fal^, meldte für benfelben ol^ne ernftlid^e ^Jolgen fein ipürbe.

©0 ©ergingen jmei Sa^re, in benen bie S^iquifition gegen SKoIinoS ttid^tS SlnbereS ju t[;un raupte, als ba^ fie i^n im Werfer feftl^ielt. SDie 9an3e 2lngelegenl^eit fd^ien eingefd^Iafen 3U fein.

35a enblid^ entfd^Io^ man fid^ gegen ben SBerl^a^ten, beffen 38er* berBen befd^loffen \t)ax, rüdfid^tSloS oorsugel^en.

3)ie Slften ber Unterfud^ung , toeld^e bie 3nquifttion mit SKoIinoS aufteilte, finb nie oeröffentUd^t n)orben;*) bie römifd^e ßurie l^at eS für ongcmeffen gefunben, biefelben nie an baS Sid^t beS 2^ageS treten 5U löffen, toeSl^alb fid^ aud^ über bie 5Dlotit)e beS fd^Iie^Hd^en 3Sorgel^enS ni^tS SBeftimmteS fagen lä^t. ©ot)ieI fid^ aber auS ben über ben (Sang beS ^ProceffeS t)or^anbenen 9lad^rid^ten entnel^men lä^t, toar für bie ®nt« f^Ue^ungeh ber Sinquifition im gebruar 1687 goIgenbeS entf d^eibenb :

2)ie quietiftifd^e 3K9ftif f)atte mäl^renb ber le^tDerffoffenen ^af)xe in allen lat^oUfd^en Sänbern ©uropaS eine SSerbreitung gefunben, ba& eS ben Slnfd^ein getoann, als iDürbe biefelbe in nid^t fel^r femer S^it factifd^ in ber fatj^olifd^en ^ird^e 3ur auSfd^lie^Iid^en ^errfd^aft gelangen.**)

^ierju fam ba^ in ben 3Kaffen, toeld^e in 3KoIinoS il^r geiftlid^eS DBerl^aupt ©erel^rten, affer Drten fid^ 3luSfd^reitungen gegen bie lird^* K^i^e Drbnung, ©eringfd^ä^ung ber 3Keffe unb ber öffentlid^en (SotteS* bienfte üBerl^aupt, SKi^ad^tung ber ©a!ramente, inSBefonbere beS ©aira«

*) SltterbingS finbet ftdj in Soffuet'S €d^rift: Instruction sur les etats d'oraisoD eine ^bl^anblung unter bem ^itel: Actes de la condamnation des Quietistes angel^ängt; allein bicfe Slbl^anblung entl^ält öon ben Slften ber gegen SWolinoS geführten Unterfud^ungen gar nichts.

**) SßgL Hist. abreg. de l'Eur. Mai 1687, P. II, p. 488: „II y a peu de viUes en Italic, il n'y ait un hon nombre de Qaietistes, et on assure que dans la seiile ville de Naples il y en a pres de vingt mille." Juin 1687, "' n, p. 604 sqq: „On est surpris a Rome da prorgres, que la Secte de MoUnos a fait dans si peu de tems. Non seulement il y'a peu de villes oh

il

.'_•

nait des disciples; il y a mdme tres-peu de communaute religieuse tant

dhommes qae de femmes on Ton ne decouvre quelqu'un de ses sectateurs.''

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ntented ber Su^e, unb Unlitd^Iid^Ieit ber ©eftnnung ^etvotixcA, tDa§ ben erroünfci^tcftctt Slnlafe ^ebm lonntc, 3KoKttoS ate ben Url^cbcr biefer äuS* f d^reitungcn J^mjuftcffcn *).

Snbcffcn fortntc boS SlUcS bod^ nod^ ntd^t genügen, um cor ber öffentlid^en SKeinung ber lat^olifd^en Äird^e 3KoHnoS als t)erbamntung§s TOürbigen SSerbrcd^er erfd^cinen ju laffen. $iergu war cS erforberlid^, baj über^oIinoS allerlei ©erüd^te in Umlauf gefegt lüurben, ineld^e geeignet toaten, il^n in einem unjtd^eren ßid^te erfd^einen ju lajfen. 5IRan fprad^ barum baoon, ba^ SWolinoä ein ©panier fei, ba^ in Spanien bie ©efte ber 9KumbraboS ejiftire, beren Seigre bie feinige ganj t)ertoanbt fei; ba^ eS in Spanien t)iclc l^eimlid^e 9Rul^amebaner unb S^ben gebc^, oon bencn er melleic^t abftammen lönnte, in tüeld^em ijalle er bann am ®nbe gar nid^t getauft fei**).

©old^e unb anbere ©ertid^te tüürben <iu§geftreut, mürben l^ier unb ba aus Seid^tfertigleit ober 95o§]^eit geglaubt unb bann Dergrö^crt unb Dergröbert weiter ersäl^lt, fo ba^ fid^ bie ^a^l berer, meldte gegen i^n ein« genommen maren allmä^lid^ mehrte.

älllein aud^ mit biefen 5ßraltifen fonnte man nod^ nid^t jum ^idt lommen. SEBoHte man ber öffentlid^en 5Dleinung gegenüber bie S5er= urtl^eilung beS 5!RoIino§ möglid^ mad^en, fo mu^te berfelbe als ber fd^änb« lid^ften SSerge^en gegen bie d^riftlid^e SKoral überfül^rt l^ingefteHt werben. 3)iefeS toar nun freilid^ ol^ne bie nieberträd^tigfte SBerläumbung nid^t mögs lid^. 3lllein bie Seigren beS 5!Rolino3 von ben SSerfud^ungen unb 2tnfed^* tungen, benen man nid^t SEBiberftanb leiften, fonbern als göttlid^en Fügungen

*) Three letters ©. 27: In short, every body was that thought either sin- cerely devöut, or that at least affected the reputation of it, came to be reckoned among the Quietists: and if these persons were observed to become more strict in their lives, more retired and serious in their mental devotions, yet there appeared less zeal in their whole deportment as to the exteriour parts of the religion of that church. They were not so assiduous at mass, nor so earnest to procure masses to be said for their friends: nor were they so freqaently either at confession or in processions: so that the trade of those-that live by these things was sensibly sank.

♦*) Three letters ©. 27—28. They remembred the stray of the III umi-

nated men of Spain, and said, he was a spaw nof the same sect.

Becaase Molinos was by bis birth a Spaniard, it has becn given out of late, that perhaps he was descended of a Jewish or Mahometan race, and that he might carry in his blood, or in his first education, some seeds of tbose religions, which he has since caltivated, with no less art than zeal ; yot tbis last calumny has gained but little credit at Rome, tho it is said, that an order has been sent to examine the registers of the baptism in the place of his birth, to see if his name is tho be found in it or not.

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in 2)emutl^ [id^ unteth^erfen foQte, bie Seilte t)on ber ©letd^gültigleit ber öu^em §anblung, ^enn nur ber pl^erc Sl^cil ber ©eclc ftd^ rein unb unBefledt erl^altc, fonnte ganj gefd^idft Benu^t voexhen, um 5!KpIinoS atö SBcrtretcr fpejififd^ unftttUc^er Seigren ju Branbmorfcn, toomit bann (Se* rückte über üorgelommene moralifd^e ®räuel im Sebcn beä SWoIinoä tjon »ornl^erein als gtauBtoürbig l^ingeftettt toaren.

Qfnbem bal^er in ben über baS aSerfal^ren ber Snquifttion gegen 3Kolino3 t)orl^anbenen Slad^rid^ten nur t)on biefen brei SDingen bie SRebe ift, fo mu^ angenommen werben, ba^ eben biefe (grtoägungen maren, auf ©runb beren fid^ biefelbe entfd^Io^, im Februar 1687 gegen 3KoIino3 unb beffen Slnl^ang in SRom einen t)erntd^tenben ©trcid^ auSjufül^ren.

2lm 9. Februar 1687 mürben auf Sefel^I ber ^«qwifition gegen 70 ^Perfonen, barunter ber ©raf SSeSpiniani unb beffen ©emal^lin, aud^ mel^rere ©eiftlid^e inS ©efängni^ gehjorfen. S)ie 2lnflage gegen biefelben lautete bal^in, ba^ fie bie lirc^Iid^en ©ottegbienfte unb ä^nbad^tSübungen ocrnad^Iclffigt, fid^ g^ingfd^ä^ig über biefelben auSgefprod^en, ba^ fie täg^ lid^ communicirt l^ätten, ol^ne jur Seid^te ju gelten u. f. \o.

®an3 SRom toar mit ©d^redfen erfüllt, als man l^örte n)aS gefd^e^en mar. Sittgemein mürbe eS als ganj unfa^Ud^ bejcid^net, ba^ bie Qln* quifition eine Verfolgung gerabe S)erer beginne, loeld^e toegen i^rer feltenen ^Jrömmigfeit belannt unb gead^tet toaren. 3>n buntem ©emirre taud^ten bal^er bie tounberlid^ften ©erüd^te auf unb burd^flogen bie ©tabt. 2Jlan l^atte oon einer 33eputation gehört, meldte baS 3[nquifitionStribunal an ben ^ßapft abgefanbfl^abe; unb alsbalb erjä^tte man fid^, bie 3[n* quifition l^ab'e felbft ben 5ßapft, freilid^ nid^t als Statthalter G^rifti unb ©t. ^Peter'S 5fad^f olger, fonbern als Senebetto DbeSd^ald^i megen feiner ©efmnung unb SRed^tgläubigleit 3ur SRed^enfd^aft gejogen*). 3^^atfad^e mar, ba^ eine älborbnung ber Qf^^qufition am 13. Februar bei bem ^ßapfte eine Slubienj l^atte, unb ba^ biefer, alt unb fd^mad^ roie er toar unb burd^ baS Sluftreten beS Königs t)on granfreid^, mie ber Snquifition, eim gefd^üd^tert, feitbem ber le^teren il^ren tJÖttig freien Sauf lie^.

*) Three letters , @. 39: The most surprising part of the wohle story was, that the Pope himself came to be saspected as a favourer of this new heresy; so that on the 13. of Febrnary some deputed by the court of the Inquisition to examine him, not in the quality of Christs Yicar or St. Peters successor, bat in the Single quality of Benedict Odescalchi. What passed in that audience, was too great a] secret for me to be able to penetrate into it. But upon this there were many and stränge discourses up and down Rome. ^er ^erid^ter^

ftatter erjäl^lt nun toeitcr, baf^ infolge beffen er unb anbcre „beretiks" fj)öttifci^ bie ^atl^olüen au äfiom gefragt l^&tten, iDO benn nun eigentlid^ beS $at>fteS SnfaUts biUtät lietfe.

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Sn)ci S^agc nad^ jener Sfubienj ber Snqutjttion Bei bem ?Papfte, am 15. ^cbruar 1687, Ke^ baS 1^. Dffijtum burd^ fein erftcö SKitglieb, bcn ßarbinal ©bo, ein (auffattenberlDcife nid^t in latcinifd^er, fonbem in itaficnifd^er ©ptad^e abgefaßtes) gel^eimeä Slunbfd^reiben an alle Sifd^öfe in Stalten ergel^en, worin biefelben bar auf l^ingeroiefen tourben, baß f\6) in i^ren S)iöcefen an t)ielen Drten 6ont)entiIeI gebilbet Ratten, in bencn, unter bem SSorgeben ber Uebung be§ (SebetcS ber Slul^e ober beS reinen (älaubenS Äe^ereien geleiert unb t)iele ©eelen in S^f^^^mer üerftridft würben, toeS« l^alb bie Sifd^öfe auf biefe SSerfamntlungen, benen oft gan3 unberufene 3)irectoren Dotftünbcn, ein toad^fameä Sluge l^aben, unb h)o bergleid^cn von xf)mn entbedft toürben, gegen jte cinfd^reiten unb fie, nötl^igenfattS mit $ülfe ber ©erid^te, unterbrüien follten*).

Slud^ ernannte ba§ Offizium eine ßommiffion jur SBifitation ber Älöfter; aber mit ®ntfe^en erfal^ bie 3f"^wifi^ön auS ben Serid^ten ber« fclben, baß bie Äe^erei gerabe in ben Älöftem nod^ toeit über il^r SSer^ mutigen l^inauS ä(u§breitung erl^alten l^atte. UeberaK begegnete man W6nä)tn unb 9ionnen, meldte il^re Stofeniränje abgelegt unb bie ^rujift^e unb Silber bei ©eitc gefteHt l^atten, um auSfd^Iießlid^ bem inneren ®ebete ju leben. 3luf bie ^Jrage, marum fie bie fird^Iid^en ©ebete unb-ßerc* monien üernad^läffigten, antworteten fie: ^f)xt Seid^toäter l^ätten il^ncn gefagt, baß bergleid^en Hebungen nur für Äinber ber SEBelt, nur für 2lns fänger auf bem SBege beS $eile§ toären; bie jur SBofffommcnl^eit ©e* langten l^ätten biefe Hebungen, foioie ben ©ebraud^ ber Silber unb 6ere^ monien ju meiben, Weil fie burd^ biefelben in bem inneren ©ebetöleben nur geftött würben; beSl^alb müßten bie SSottfommenen fid^ aud^ ber inneren bilblid^en SSorftellung entäußern, unb bürften pd^ ©Ott in leiner SDSeife unter einer ©eftalt benfen , loeld^e immer nur ein ^robuct menf d^s lid^er SinbilbungSlraft fei. SDie Slnrufung ©otteS in einem ©ebet mit

*) 3)cr SCnfang beg intercffanten ©d^riftftütfeä (toeld^eS ber »crf. ber Three letters ©. 51—52 mittl^eilt) (autet:

Essendo venuto a notitia di questa sacra congregatione, che in diversi luoghi d*Italia si vadino poco a poco erigendo, e forse anche si siano erette oerte scuole 6 compagnie, fratellanzc o radunanze 6 con altro nomi 6 nelle chiese 6 nelli oratorii 6 in case private a titolo di conferenze spirituali, 6 siano di sole donne, 6 di soli huomini, ö misti, nelle qaali alcani direttori spiri- tuali inesperti della vera via deilo Spiritp calcata da Santi o fosse anche mali- tiosi sotto titolo d'instradare Tanime per Toratione, che chiamano della quiete h di pura fede interna: hanno percio qaesti miei Em. Signori colleghi generali inquisitori stimato opportuno di significare a V. con la presente, che si fa circolare a tutti gli ordinarii d'Italia, accio si compiaccia d'invigilare sopra qualsivoglia nuove adunanze etc.

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l^örBarcn SBorten ftöte bic innere Slnbad^t, unb für bie SSofffontmcnen Bcftimmte ®e6et§forme[n Dorfd^tciben l^ei^e ber göttKd^en Siebe ©c^ranlen fcjen; bie ©tarlen unb SJoHIommenen bebtirftcn ber lird^Hd^en Sinn« bilber ntd^t, ba eS il^nen von ®ott Derliel^en fei, ©Ott gleid^fam von Sngeftd^t ju fd^auen. Sie gelehrte 2^l^cologie l^abe in il^ren Slugen leinen SEBertl^, benn ber bunlele unb unenttoiielte, aber bemütl^ige unb liebe* oollc ©laube, ber \iä) in immerlDä^renber Slnbad^t unb tiefem ©tills fd^toeigen barftellc, fei weit beffer als alle ©ubtilitäten ber SBiffenfd^aft UcbrigenS voäxe xf)xe SBeife ber Slnbad^t burd^auS nid^t neu, ba alle SR^ftifer biefelbe lehrten, toie fie anä) in ben ©d^riften beö SKoIinoS unb 5|Jetrucci bargcfteüt fei, toeld^e ja mele SKale mit ©enel^migung ber Snquifition gebrucft toären.

2)ic Sendete, toeld^e bie SBifitatoren nad^ SRom cinfanbten, t)erfc^ten bal^er bie ^nquifttion in immer größere Scftür^ung. S)enn immer flarer fd^ien fid^ ^erauSjuftellen, baß bie gufunft ber Äird^e ber neuen ©ecte gel^ören werbe. ©d^Ieunigft, aber h)ieberum ganj gel^eim, tourben bal^er bie geiftlid^en Dbern angeroiefen, bie in ben fectirerif d^en fireifen vor* l^anbcnen l^äretifd^en ©d^riften einjujiel^en unb ju unterbrtidfen unb bie ©ectirer jum Sefud^e ber lir^Iid^en ©otteSbienfte unb jur Erfüllung i^tet fird^Iid^en 5PfIid^ten anjul^alten. Slud^ fanb man angemeffen bie in ben 6ont)entifeln l^errfd^enben Qf'^rlel^ren in neunje^n Slrtüeln lurj unb llar barjuftellen unb biefe Darlegung berfelben mit bele^renben unb toarnenben 3"fä|^»^ ^^ «tten 3)iöcefen Qf^alienS ju ijerbreiten*). 3lffein tnit allen biefcn 3Raßnal^men h)urbe bod^ toenig erreid^t. 3)ie gel^eimen ®rlaffe ber SJ^flwijttion tourben belannt, tourben in jal^Uofen Slbfd^riften tierbreitet unb maren ber ©pott aller SEBelt, inbem bie öffentlid^e 3Reinung in i^nen nid^ts 2lnbere8 al§ ein freoell^afteS Sittentat gegen bie wirf* Jici^e crnfte grommigfeit fal^. 35enn nid^t nur galten bei bem SSolIe bie „Stillen im Sanbe" als biejenigen, meldte mit ber grömmigleit toitllid^ emft nahmen unb ftd^ eines mirllid^ el^rbaren SBanbelS befleißigten, fonbem aud^ unter ben Sifd^öfen toaren gar t)iele ber quietiftifd^en SR^ftif entfd^ieben juget^an, it)eSl^alb biefelben menig geneigt Waren, bie 93efel^le icr gnquifition jur 3luSfül^rung ju bringen**). $ier3U fam, baß bie

*) 2)iefcr (grlaß (tocld^er t>on bem 95crf. ber Three letters @. 55—66 im italicnifdjen Driginalte^t mitgetl^eilt ift) fül^rte ben Xitel: Errori principali <ii quelli, che esercitano l'oratione di qniete.

♦♦) Sgl. toaS ber Serf. ber Three . letters @. 43 fagt: The drcular letter produced no great effects; for most of the Italian bishops were either extremely nnconcerned in all those matters, or were inclined tho Molinos's method; and whereas it was intended, that this as well as all the other orders, thate come

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quictiftifc^c Se^rc fcKft im Scfuitenorben il^re Slnl^änget "fjatte, unb ba^ fogar bcricntge ^t^uxt, todd^cr in Slom als bct gelcl^ttefte unb frömmfte Bcjcid^net ipatb, älppiani, als nototifd^er Äe^er gefängtid^ eingcjogcn werben mu^te. 3)er UnglüÄIid^e warb nie lüiebcr gefeiten; bie ©inen wollten J^ernad^ Balb wijfen, ba^ er im ©efängni^ toal^nfinnig getoorbcti fei, Slnbere fagten, er l^abe feine ^rrlel^ren abgefd^hjoren, unb bie S^fuiten erjagten, er fei Bußfertig unb gläubig geftorben. Man toei^ nid^t toaS unter bem Sludge ber S^quifition au§ i^m (toie au§ bem, ebenfalls be§ DuietiSmuS angesagten 3^fwi^c« (SSparja) gelüorben ift. ^n ben Greifen ber Quietiften felbft galt aber jur 3^it ^^^ ^^^ &^H unjtoeifell^aft, ba^ bie gute ©ad^e ber inneren grömmigleit aug biefer aSerfolgung, weld^e il^r bie ^nquifition bereite, fd^lie^lid^ fiegreid^. l^ert)orge]^en muffe, meldte Ueberjeugung fid^ namentlid^ in ben 5al^lreid^en 3)rol^briefen roll §ol^ne§ unb ©potteä auSfprad^, bie bem ^nquifitionötribunal in SRom angingen*).

SJlel^r jebod^ als über biefe' ärgerlid^en Sleu^erungen ber öffcnt- lid^en SKeinung mar baS f). Dffijium über baS SSer^alten beS ^ßapftcS erbittert, ber, mennfd^on er bie S^quifition Dollftänbig frei gemäl^ren lie^, bennod^ in atterlei SBeife fein SKiM^Hen an bem SBerfal^ren berfclScn lunbgab. S)em ßarbinal 2Uberano 6ibo, Garbinallegaten ju 3lt)ignon gegenüber, ber als beS SKolinoS' unb ^etrucci'S ©önner allgemein belannt toar, foH fid^ Snnocenj fe^r unwillig barüber geäußert l^aben, ba^ baS 1^, Dffisium ganj unnötl^ig unter ben ©emütl^ern 2lufregung l^eroonufe. 2lud^ j^atte man gel^ört, ba^ ber ^Papft feinem ^Jteunbe ^etrucci geftattet l^abe ajJolinoS im ©efängni^ einen S3efud^ ju mad^cn**) unb ba^ er

from the Inquisition, shoald be kept secret, yet it goes abroad, and copies of it were in all peoples bands, so that this gave the Romans the more occasion to discourse of these matters, which troubled the inquisitors extreamly, who love not to have Xbe world look into their proceedings, nor to discant upon them.

•) Three letters ©. 48—49: The prisons of the Holy Office were füll, and the terror of this matter had Struck so many, that nobody could guess when or where it should stop. It is said, that the inquisitors have found in some of their examinations, that they have to do with men that are learneder than themselves: and that their prisoners are steady and resolute. It is also said, that their friends abroad have expressed a great concern for them, and for the cause of their sufferings, and that many letters have been writ to the inqui- sitors, wishing them to considers well what they do to their prisoners; and assuring them, that they will maintain their interests, and that they are ready to seal them with their blood.

♦*) Three letters @. 49: It is certain, the Pope and Cardinal Cibo are much troubled, to see that this matter is gone so far and is now so much talked of. Cardinal Petrucci is still niuch. in the Pope's favonr, and wa^ snffered not long ago to go visit Molinos.

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bcmfcI6en längft bcn GarbinalSl^ut octlicl^cn l^aBcn h)ütbe, tocnn il^m nid^t bie 3cfuiten (t)or benen ^Pctrucci, baS ©d^Kmmftc Bcfürd^tcnb, fid^ ju Bergen fud^tc) mit i^rem ^roteft gegen bicfe§ SSorl^aben entgegengetreten toären. Man ftritt ftd^ nod^ in SRont barüBer oB biefcS ©ertid^t gegrünbet fei ober nid^t, als man eines 3^ageS 5ßetrucci unb 5tt?ei anbere 2lnl^änger beS SKoIinoS (ßaraffa unb (Siccri) mit bem ßarbinalsl^ut toirllid^ in ber Deffcntlid^feit erfd^einen fol^.

SaS ©injige, maS bem gegenüber bie S^quifition ju tl^un uermod^te, loar, ba^ fie 9JloIino§, um bcnfelBen einen SBibcrruf aBjupreffen, ben berfelBe »ertoeigertc, auf bie Wolter fpannte. SJaneBen toar man aB'er aud^ gefd^äftig , üBer baS SeBen beS 5KoIino8 in jtttlid^er Sejiel^ung bie imgcl^euerlid^ften ©erüd^te auSjufprengen; unb Balb ftanb cS h)irllid^ in ber öffentlid^en SReinung Sftom'S feft, baS bie 3(nquifition in 3JloIino§ einen ^cud^Icr unb ein ©d^cufal fäl^e, toeld^eS im SSerlel^r mit %xaum als ©eelenfü^rer unb SScid^toater baS SBertrauen 3ur geiftlid^en Slutorität in fd^änblid^fter SBeife gemi^Braud^t l^aBe.

3)iefen ©erüd^ten mürbe 3unäd^ft freilid^ nur von SD enen ©lauBen ^ef d^enlt , toeld^en bie emfte grömmigJcit unb bie ängftlid^'ftr^^Ö^ SeBenS« föl^rung ber Slnl^änger beS 3KoIinoS lt)iberh)ärtig h)ar; aber allmäl^Ug fanben bicfelBen aud^ in anberen Ärcifen ©lauBen, fo ba^ bie öffentlid^e Meinung SftomS über ben einft fo l^od^oerel^rten 5ßriefter urplö^lid^ eine anbere getoorben toar.

3Bie eS fd^eint, toar gerabe biefeS ber Slnla^, ba^ bie Snquifition im Quirinal um bie 3Kitte beS ©ommerS 1687 um fo energifd^er auf Seenbigung beS ^ßrojeffeS l^inarBeitete unb auf ben Unglüdtlid^en einen tim fo l^ärteren S)rudf ausübte, mit toeld^em baS Äe^ergerid^t aud^ enblid^ erreid^te toaS eS erreid^en wollte.

©Ott allein meife, meldte SKittel bie Snquiptoren antoenbeten, um tnblid^ ber SBelt t)erfünbigen ju lönnen, aRoIinoS felbft l^aBe fid^ ber ^e|erei unb fd^merer aSerge^en fd^ulbig erKärt; aber biefe 38ergel^en Be^ teue er unb feine S^rlel^ren motte er aBfd^mören, meSl^alB er ju leBenS« länglid^er filofterl^aft oerurtl^eilt fei.

S)urd^ ein ©ecret ber 3f«<?wiption vom 28. Stuguft 1687 h)urbe ^id&ael 2KoIinoS fd^ulbig erllärt, gottlofe Seigren vorgetragen, verbreitet unb ausgeübt 3U l^aBen. 68 ©ä|e, toeld^e man tl^eilS aus feinen ©d^riften, tl^eils aus ®rllärungen feiner Slnl^änger gefd^öpft, mürben als „le^erifd^, gotteSläfterlid^, frommen Dl^ren anftö^ig, ledf, alle d^riftlid^e S^d^t unter^^ fitaBenb unb vernid^tenb , als empörenb" l^ingeftellt. 2llle feine Sudler unb §anbfd^riften foHten jum SerBrennen ausgeliefert, unb ft)er biefelBen Bei ftd^ jurütfl^alte, foUte mit bem S3anne Beftraft tberben.

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m

3)ic Sttquijttiott toar ftd^ bctou^t, bafe fte ein ftauncnSwcttl^cS (Sx^ gcbnife, einen SSBenbepunIt in ber inneren ©eftoltung be§ Äatl^oIiciSntuS l^erbeigefül^rt, ba^ jte eine %f)at getl^an f)atte, h)ie beren nod^ feine in il^ren äßten t)erjeid^net, olä fic fid^ mit SKoIinoS jum ßirfc gefommcn fal^. 3)a]^er fottte ber öffentKd^c 3t!t ber Slbfd^roörung beS 5Kolino§ mit allem äußeren ^ßomp, ben bie römifd^e Äird^c überhaupt ju entfalten ücr« mod^te, in ©cene gefegt merben.

©inige 2age t)or bem l^ierju beftimmten 3. ©ept. 1687 mürbe an mel^reren öffentlid^en 5ßlä|en 9lomS ein (Sbict flublicirt, in toeld^em ber 5Papft allen benen, meldte jtcj^ an ber beDorftel^enben -geierlid^feit burd^ il^r Srfd^einen in ber Äird^e 5Blinert)a betl^eiligen iDürben, bie ©nabem fpenbe eines SlblaffeS von 15 ^oijxen jufagte.

©d^on am frül^en SDlorgen beS 3. ©eptember toar infolge beffcn bie Äird^e von immer größer anfd^lüeHenben 3Renfd^enmaffen umtoogt 3ln ber Äird^e 9Rinert)a waren eine 50lenge refert)irter 2^ribünen für bie Garbinäle, für bie SSifd^öfe, für baä 1^. Dffijium, für ^rften unb ©c* fanbten unb für ben SSerurtl^eilten l^ergerid^tet. Snblid^ erfd^ien ber Aie^tere, »on einem 3Rön^e begleitet unb von ©birren umgeben, ^n feinen 3Jlienen fprad^ fid^ ftille 3lu^e unb ber ^ebe eine§ guten ©e- toiffenS an^. Sefannten, meldte er in ber 9lä^e fal§, fprad^ er bie

Sßorte: „Vedete un uomo infamato pentito." 2)aS erfte mar er in Söirflid^ieit; ba§ anbere fottte er in bem mit il^m Dorjune^menben Slcte fein! S^^^^äd^ft mürbe er nun in eine Äapette geführt, in meld^er er einige (Srfrifd^ungen ju fid^ nal^m. Snblid^ toaren bie erwarteten 23 ßarbinäle, bie ©eneräte, bie oerfd^iebenen Drben, eine gro^e Qoijl von gürften unb ^ürftinnen, ber fpanifd^e ©efanbte unb anbere l^eroorragenbe 5ßerf önlid^f eiten , beren änloefenl^eit bei bem oorjunel^menben äfte baS f^. Officium toünf d^te , erfd^ienen. 3)aS ® ebränge ber SKaffen War fo arg geworben, ba^ bie 3leil^en ber. ©d^Weijergarbe burd^brod^en, babei t)icle ^erfonen oerWunbet Würben unb fd^leunigft eine SSerftärlung ber SBad^e l^erbeigefd^afft werben mu^te.

3lad^bem nunmel^r atteä vorbereitet, Würbe 5DlolinoS mit einem gelben, t)orn unb hinten ein rot^eä Äreuj, jeigenben S3ü^ergewanbe anget^an unb in ben gebunbenen §änben eine brennenbe Äerje l^altenb l^erbeigefü^rt, t)on ©birren auf einem ©tul^le emporgel^oben unb auf ben für bie ßje^ cution beftimmten 5ßla^ gebrad^t. SSor ben ßarbinälen verneigte er ftdj l^ier mit tiefer (Sl^rerbietung. Sei (Eröffnung beS 2llte§ Würbe nun iu- näd^ft oon mehreren SDominicanern, Weld^e mit einanber abtoed^felten, ber ^roje^ unb baS Urtl^eil be§ Dffijiumä vorgelefen. SDie SSorlefung bauerte mel^rere ©tunben unb mehrere SUlale l^örte man in ber SKengc

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bcn Stuf „al fooco" laut tocrbcn; bod^ bcJ^auptetcn bic fjrcunbc bcS 5KoKnoS, ba^ bicfc ©timmcn BcftcIIt unb 6c3al^lt geroefcn lüären. Qfn bcm Dotgclefcnen S)eltct rourbc 5Koltttoä ju lebenSlänglid^cr etnfamer filofterl^aft Dcrurtl^cUt. %äQl\i) folltc er in bcm Jlcrier einmal baö apofto« Kfd^c ©pmbolum l^crfagcn, 3h)cimoI ben Stofcnlronj beten, möd^entlid^ foHtc er breimal faften, aUjäl^rKc^ mermaltxn ben l^ol^en gefttagen beid^ten unb au^erbem, fo oft eS fein Seid^toater für ^eilfam §alte, baö Slbenb^ mal^I empfangen.

9lad^bem bie aSortefung beenbet h)ar, Iniete 5KoIino8 nieber* unb leiftete einen ®ib, tDorin er atte Äe^erei abfd^wur. ®in l^ierüber von einem 5Rotttr aufgefegtes 5ßrotofoff mürbe r>on 5IJloIino8 unterjeic^net, morauf il^m ein Gommiffar beS 5ßapfte8 bie Slbfolution ertl^eilte.

2)er groufigc Sl!t toar l^iermit beenbet. 3KoKno§ tourbe junäd^ft in bie ©alriftei ber Äird^e unb l^ierauf gegen Slbenb in ba§ Dominicaner« Softer ©an ^ßetro 3Kontorio abgefül^rt. Sie 5!Raffe beS toilberregten 5ßöbel3, t)or beren $änben bie SEBad^e il^n lam fd^ü^en lonnte, fd^rie mieber^olt: „al fiumel alfuocol'' hierüber beftürjt, bat 3KoIinoS um bie ©eftattung 3um SSoKe reben ju bürfen, roaä i^m inbeffen üerlDcigert marb.

(Snblid^ ftanb 2JloIinoS vor ber geöffneten 3^l^ür ber Keinen ge« mölbten S^Ue, l^inter ber fid^ il^m für immer bie SBelt Derfd^Iie^en follte. ,,2ebe too^I, mein 3Sater", fprad^ er 3U bem il^n begleitenben Dominicaner, „U>ir fe^en unS lieber am 2^age beS ®erid^te§, unb bann loirb e3 fid^ geigen ob bie SBal^r^eit auf meiner ober auf eurer ©eite gemefen ift!" SWit biefem feinem allerle^ten 2Borte na^m SWoKnoS 2lbfd&ieb oon bem 3Jlönd^ unb von ber SBelt.

2lm folgenben 2^age mürbe eine äl^nlid^e 5ßrocebur mie mit 3Rolinoä mit 3tüei 2lnl^ängern bcffelben, ben Srübern Seoni, beren einer ^riefter rvaXf vorgenommen. Der jüngere Sruber, Slntonio 5Raria Seoni, töurbe ju lebenSlänglid^em ©efängni^, fein fed^sigjäl^riger Sruber, ©imon ßeoni, ein 3Kann mit fd^neemei^em §aar, ber in 5ßriefterKeibung auS* geftettt toar, mürbe 3U ^el^njäfiriger $aft oerurtl^eilt. SSon ßarbinälen * toaren biegmal nur merje^n bei bem ä(fte 3ugegen; bagegen to>ar bie 3Kaffe be§ nieberen SBoIfeä, iDeld^e fid^ in bie 3Rineroafird^e gebrängt l^atte, nod^ größer als am oorigen 2^age.

3KoIinoS toar nun auä ber 35JeIt t)erfd^munben; er toar mie leben« bigen Seibeö begraben. 3m ^al^re 1693 l^örte man, er fei geftorben; aber vier Saläre fpäter gerabe 3U ber 3^*^ too Soffuet unb bie anberen fran3Öfifd^en Sifd^öfe in SRom burd^ alle möglid^en ^ntriguen bie aScrurt^eilung genelon'S betrieben, unb mit innerem Srbeben an ben mög* liefen %aü ber ^reifpred^ung beffelben badeten, tourbe in ben öffentlid^en

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85Iättcm SRomS bie Siad^rid^t t)erbmtct, ba| aJloIinoS am 29. 3)ej. 1697 cntfd^lafen fei. B^gleid^ iüurbc mitgctl^eilt, ba^ er voxf)ex ganj unjtoci« beutig über baS Slergettii^, roeld^eS er ber Äird^e gegeben, feine tieffte 9leue auSgefprod^en l^abe unb baj^ er böiger afö reuiger @ol^n ber Jtird^e ntit bem ©egen ber ©terbefaframente »erfel^en toorben fei. allgemein aber fprad^ man bamal3, ba^ 3RoIinoS t>or feinem ^obe ganj plö^Iid^ erfranft fei unb an ftarlen (Srbred^ungen gelitten l^abe, ba^ er bal^er offem bar t)ergiftet iüorben fei.

3n bem 2)ominicanerflofter St Pedro Montorio luurbe fpäterl^in ein ©tcin mit ber STuffd^rift Qemt: QUI E IL CORPO DEL D. D. MOLINOS IL GRAN HERIT. $ier alfo ift bie Seid^e bcS gnt^ fd^Iafenen beigefe^t; aber h)ie unb mann ba§ Seben beffelben unter ben ^änben ber 3n<?wifition ju ®nbe gegangen ift, baS ift 3ur ©tunbe nod^ ein (Sei^eimni^.

§. 8.

Sie t)on bet tomif<$eh 3n(nt{fitiott t^erutt^eitten 68 ¥to))ofttionett ber quietiftif^en SR^fHf unb bie Setutt^eilung ^etrueef^.

^unberte t)on lird^Iid^en älutoritäten, h)eld^e lanonifd^ mit bem Siedete ber Prüfung unb Seurtl^eilung tl^eologifd^er ©d^riften auSgeftattct toarcn, ^aüm tl^eils ben Guida spirituale be§ SWoIinoS, tl^eifs bie ©d^riften anberer SSerf affer, non bencn ganj biefelbe Seigre vorgetragen mar, appro« birt. 2)ie lird^Iid^e Slpprobation ber quietiftifd^en SKpftil mar auS einem gan3en S^l^tl^unbert nad^roeiäbar. ©d^Iie^Iid^ l^atte fogar bie römifd^c Snquifition, l^atte felbft ba§ Dberl^aupt ber Äird^e bie SRed^tgläubigfeit ber qüietiftifd^en 5!Ki;ftiI beS 3DloIinog anerlannt. ®S mar aber l^emadj bem Scfwi^^^^ö'^^^^^ gelungen, bie gnquifttion von ber Uncereinbarlcit beS DuietiSmuS unb ber römifc^en Äird^enlel^re ju überjeugen; unb biefe toor enblid^ bal^in gelangt, bem ^Papft Snnocenj XI., ber im DuietiSmuS boS Sbeal fatl^olifd^er ^ömmigleit fal^, jur SReprobirung beffelben ju vermögen. SJie latl^olifd^e Äird^e l^atte l^ierburd^ mit einer l^unbertjäl^rigen Xrabition gebrod^en; ibre l^ierarc^ifd^e Autorität l^atte ftd^ felbft in'ä 3lngeftd^t ge« fd^Iagen.

3[n bem mit S^fti^^wiung beS 5ßapfte8 t)eröffentUd^ten 3)elret ber Snquifition t)om 28. Sluguft 1687, meld^eS l^ernad^ auf päpftlid^en SBefel^I am 3. ©eptember beffelben S^^reä , alter ©itte gemä^, am Satican unb an jal^lreid^en 5ßlä$en ju SRom auSgel^ängt unb öffentlid^ belannt gegeben

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iDurbc, tt)ar 5DloIino8 als ein ©ol^n beS SSetberbenS l^ingeftellt, bcr burti^ SBort unb ©d^rift gottlofc Seigren oorgctragcn, ber biefclbcn fogar in*« Zehen eingcfül^rt unb burd^ jtc, unter bcm SSortoanbe bc8 ©ebctcS ber SRul^e (praextextu orationis quietis) im SBtberfprud^ mit ber fird^Iid^en UeBerliefcrung bie ©laubigen von ber iüal^ren d^riftlid^en SReligion unb gfrömmigfeit in bie gröjjten Qrrtl^ümer unb ®reuel oerftil^rt l^abe. 3Ba8 nun femerl^in als quietiftifd^e S'^Iel^re gelten foHte, h)ar t)on ber 3n« quifition in folgenben 68 ©ä|en*) l^ingefteHt toorben:

1. ®§ ift notl^rocnbig , fid^ 3um 5Rid^tS ju ma^en unb feine Beelen-- ftäfte 3u oemid^tigen; unb biefeS ift ber innere 2Seg.

2. 2^|^ätig iüirfen 5U tooHen ift eine ©ünbe gegen ®ott, roeld^er ber Slffeintoirlenbe fein roill, unb barum ift eS nötl^ig, ftd^ in il^n ganj ju öcriicren (abbaudonarsi) unb l^ernad^ Ivie ein tobter Äörper gu fein.

3. S)a§ Sornel^men (11 voti), irgenb etroaS ju tl^un, ift ein $inber^ ni^ ber SSoHfommenl^eit.

4. S)ie natürlid^e Slctiüität ftreitet mit ber ©habe unb l^inbert bie ffiirffamfeit ®otteS unb bie roal^re aSottlommenl^eit, benn ®ott toitt in uns toirlen ol^ne unS.

5. Saburd^, bajs bie Seele nid^tS toirlt, Dernid^tigt fid^ (s'aoniente, 8ese annihilat) biefelBe unb feiert ju il^rem Slnfang (principio) unb 3U il^rem Urfprung jurtidE, iüeld^er ift baSSlBefen ®otteS, too fie umgeroanbett unb t)ergöttl[id^t (dlvinizzata, deificata) bleibt unb ®ott bann in ftd^ felbft Bleibt, benn alsbann ftnb eS nid^t mel^r jtoei geeinigte SBefen, fonbem 6inS allein ; unb f 0 lebt unb l^errf d^t ® ott in unS unb in bief em S^l^ätig* fein (esser opperativo) »emid^tigt fid^ bie ©ecle.

6. S)er innere SBeg ift ber, in toeld^em man iüeber Sid^t nod^ Siebe

*) 25ie bon ber 3nquifition öcrurtl^eilten ©äfte tocrben l^icr nad^ bem 2lbs brudt beS Originals mitgetl^cilt, toeld^eS 21. §. grandCei in feiner lat. Ueber=

fe^ung beS Guida spirituale (Manudactio spiritualis, Lips. 1687) im ^nl^ang unter bem Xitel k^eröffentlid^t l^at: Decretum Innocentii XL Pont. Rom contra D. Mich, de Molinos et eias sectam üna cum propositionibas a clero Romano publice feria quinta die 28. Augusti, MDCLXXXVII. damnatis. Juxta exemplar Romae et Fiorentiae impressum. @in auf ber ^ofs unb ©taatSBibliotl^e! ^u Wimdien aufbetoal^rteS 2Äanuf!rij)t mit bem Xitel Processo di Molinos entl^ält 263 Propo- sitioni, in benen bie 3"<|uifition bie bem SWolinoS jur Saft gelegten ^vxU^ven mit ber ©egenrebe beffelb.en Bejüglid^ ber §au})t^un!te gufammengefajt l^at. 2)iefe 263 ©ä^e betoeifen, baf; bie gnquifttion SSieleS, toaS fte bem Unglücflid^en an? fftngS jum aSerbredJen anredjnen toollte, fpäter l^at fallen laffen, bctoeifen aber «wd^, baf; bie Qnquifition bamalS ftd^ nod^ tl^unlid^ft an baS in bcn ©c^riften beS.2Kolinosg5orliegenbe l^ielt, toäl^renb fte l^ernad^, als fte il^re 68 ?prot)ofitionen öuffteate, fidj bie getoiffenlofeften Sßerbre^ungen unb Sügen erlauben au lönnen glaubte.

*et)j)e, 3Ri?ft«. 18

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nod^ ©rgebcnl^eit (©claffenl^cit, rassegnazione) fcnnt, uub too cS nid^t nötl^tg ift ®ott ju erlenncn; unb fo gel^t eS gut.

7. S)ie Seele batf webet an SSelol^nung, nocj^ an ein $ßarabteS, nod^ an bie §öl[e, nod^ an ben %oi, nod^ an bie ßroigfeit benlen.

8. ©ie barf nxöjt roiffen tooHen ob fie nad^ bem SBitten ®ottc3 wanbelt, ob fie in benfelben ergeben ift ober nid^t; aud^ ift nid^t nötl^ig, ba^ fie il^ren 3^P<^^i> ^^^^ ^^^ eigenes Slid^tä lennen tootte, fonbern fie ntu^ fid^ wie ein tobter Körper. t)erl^alten.

9. 2)ie ©eele barf fid^ nid^t erinnern, njeber il^rer felbft, nod^ ©otteS, nod^ irgenb einer ©ad^e. Stuf bem innern SBege ift jebe Slejlejion ber ©eele fd^äblid^, aud^ über i^re menfd^Iid^en ^anblungen unb über i§re eigenen gel^Ier.

10. 3Benn man 3emanbem mit feinen eigenen gel^Iem Slergemi^ giebt, fo ift nid^t nötl^ig barauf ju ad^ten, iüenn nur nid^t ber SDSiUe Dorl^anben ift,, Slergerni^ 3U bereiten. 3luf feine eigenen ^Jel^Ier nid^t ad^ten ju lönnen ift eine ©nabe ©otteg,

11. 3luf 3weifel, toeld^e barüber erwad^en, ob man red^t roanbelt ober nid^t, ift nid^t nötl^ig ju ad^ten.

12. 2Ber feinen freien aSBitten an ©Ott l^ingegeben l^at, ber barf fid^ um feine ©ad^e fümmern, toeber um bie §öffe nod^ um ba§ ^ßarabieä, nod^ ob er ein toal^reS aSerlangen nad^ ber eigenen aSoKfommenl^eit ober berS^ugenb, nod^ ber eigenen §eiUg!eit, nod^ beä eigenen §eileä l^abe, bejüg« lid^ beffen fid^ bie ©eele aud^ oon jeber Hoffnung auf baffelbe reinigen mu^.

13. Sft ber freie SBitte ©ott übergeben iüorben, fo mu^ man i§m aud^ bie ©orge unb ben ©ebanfen bejüglid^ alter unferer 35inge über^ laffen, unb man mufe gefd^el^en laffen, ba^ er in unö, o§ne unö, feinen göttlid^en SBiffen tl^ue.

14. aSBer fid^ bem göttlid^en SBiUen überlaffen l^at, bem gejiemt nid^t, ©Ott um irgenb ettoaS ju bitten, n^eil bag Sitten, alä 3llt beS eigenen SBilleng unb eigener SBal^l, eine UnooHIommenl^eit unb ein Se^ gel^ren ift, ba^ ber göttlid^e 2öitte fid^ nad^ bem unferigen geftaltc unb nid^t ber unferige nad^ bem Sßitten ©otteg. S)as SBort be§ ßoangeliumS „bittet unb il^r toerbet empfangen" ift t)on ß^riftuS nid^t für bie inneren ©eelen gefagt raorben, toeld^e ja feinen SBitten l^aben n^otten unb fotoeit lommen, ba^ fie ©ott um nid^tg bitten lönnen.

15. ©0 toie biefe ©eelen ©ott um nid^tg bitten bürfen, fo bürfen fie il^m aud^ nid^t für ettoag banfen, meil bag eine ebenfo toie bag anbete ein 2lft beg eigenen SBittettg ift.

16. 5Dlan barf nid^t Slbla^ (indulgenze) ber burd^ bie eigenen ©ünbcn Derbienten ©träfe fud^en, weil eg beffer ift, ber göttlid^en ©ered^tigfeit

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ju genügen afö bie Sarml^etjigleit ju fud^en, benn jeneä gel^t au§ ber reinen Siebe 3U (Sott i^etDor unb biefeS au§ bet intetefjtrten Siebe (amore interessato) 3U unS, unb ift iüeber (Sott rool^IgefäHig nod^ Detbienftlid^, benn ift nici^ts 2lnbere§ als baS Äreuj fliel^en Motten.

17. §at fid^ ber freie SJBiöe, bie ©orge unb ber ©ebanle ifnferer Seele ©Ott überlaffen , fo barf man bie SSerfud^ungen nid^t mel^r bead^ten «nb man barf il^nen nur negatioen SBiberftanb leiften, ol^ne fid^ 3Kü]^c 3U geben. %ixf)lt bie 5Ratur biefelben, fo mu^ man eS gefd^el^en laffen, ba^ pe biefelben eben fül^lt, meil eS Statur ift.

18. 3Ber im (Sebete fx6) ber Silber, Figuren, ©eftalten unb ber eigenen SBorfteffungen bebient, ber betet ®ott nid^t im ®eifte unb in ber ffial^rl^eit an.

19. SEBer ®ott liebt, toie bie Vernunft il^n barfteKt ober toie ber SBerftanb il^n erfajst, ber liebt nid^t ben toal^ren ©ott.

20. SEBenn 3«nanb fagt) ba^ man im (äebett, toann ©Ott nid^t jur Seele fprid^t, mit ber Srtoägung unb mit bem ©ebanfen fid^ l^elfen müffc fo berul^t biefeg auf Unfunbe. ©ott rebet niemals; fein SReben ift Sffiirfen unb. er toirlt immer in ber Seele, toenn biefe il^n nid^t mit i^ren 6r« toägungen, ©ebanlen unb 2^l^ätigfeiten l^inbert.

21. 3Kan mu^ im ©ebete mit einem bunleln unb allgemeinen ©lauben in SRul^e bel^arren unb mu^ jebw anberen, befonberen unb unterfd^iebenen ®ebanlen an bie (Sigenfd^aften ©otteä ünb an bie S^rinität oergeffen, unb man mu^ fo in ber ©egentoart ©otteS meilen, um il^n anjubeten, i§m 3u bienen unb il^n ju lieben, jebod^ ol^ne ^anblungen l^ert)or3ubringen; benn fold^eS S^wq genügt ©ott nid^t.

22. 3)iefe (Srfenntnijs be§ ©laubenS ift nid^t ein oon ber ßreatur ^eroorgebrad^ter Slft, fonbem eine (Srfenntni^, meldte il^r oon ©ott ge« geben ift, oon toeld^er bie ßreatur gar nid^t toei^, ba^ fxe biefelbe l^at^ unb aud^ nid^t nad^ erlangter ®rlenntni^ mei^, ba^ fie biefelbe gehabt l^at. S!)af[elbe gilt oon ber Siebe.

.23. 35ie SK^ftiler unterfd^eiben mit ©t. Sernl^arb in ber Scala Clanstralium oier ©tufen: ba§ Sefen, bie SKebitation, baS ®tbti unb bie eingegoffene (Kontemplation. 2Ber immer in bem erften bleibt, gel^t nie« tnals 3um jraeiten über. SBer immer in bem 3n)eiten bleibt, gelaitgt niematö jum britten, raeld^eS unferc ertoorbene ßontemplation .(contem- plazione acquistata) ift, in ber man fein ganjeS Seben bleiben mn^, toofem nid^t ©ott bie ©eele, ol^ne ba^ biefe erwartet, 3ur eingegoffenen Kontemplation (contemplazione infusa) l^erauSjiel^t. §ört biefe auf, fo mu^ bie ©eele auf bie britte ©tufe jurüdEfel^ren unb auf berfelben oer« bleiben, ol^ne fid^ toieber auf bie 3lt)cite ober erfte ©tufe 3U begeben.

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24. SD3ic mk ©cbantcn aud^, fclbft untcinc, gegen ®ott, gegen bie ^eiligen, ben (Slaüben unb bie ©alramente, toäl^renb bcg ®ebetc8 auftaud^en: toenn jte cinerfeits nid^t frcitoiHig genährt unb anberetfciU nid^t butd^ einen 2Ht beS 2Biffen<5 oerfd^eud^t, fonbern mit 3iii>iff^i^^tt} unb ^efignation ertragen werben, fo l^inbern fie nid^t baS (äcbet bcS ®Iau6en§, fonbern mad^en eS im ©egentl^eil umfo t)oIIIommener, als bie ©eele gegenüber bem göttlKd^en SBitten umfo refignirter ift.

25. Slud^ toenn Qemanb Dom ©d^Iafe übereilt toirb unb einfd^Iöft, fo ift er bennod^ toirflid^ im ®ebet unb ift in roirllid^er Kontemplation, ftjeil ®thet unb SRefignatiort, Siefignation unb ®ebet ®in8 unb SJaffcIbe pnb , unb meil eim fo lange als bie Slefignation aud^ baS ®ebct anbauert.

26. 3i^ne brei SBege, ber reinigenbe, ber erleud^tenbe unb ber Der« einigenbe, fmb ber gröfte Unoerftanb, ber in ber ^IKpftil je gefagt toorben ift, Ja eS nid^t mel^r al2 ©inen, b. 1^. ben inneren SEBeg giebt.

27. 2Ber bie mal^mel^mbare älnbad^t (devozione sensibile) begel^rt unb ausübt, ber begel^rt unb fud^t nid^t ®ott fonbern fid^ felbft; unb wer auf bem inneren SEBege gel^t, ber tl^ut übel baran, fie ebenfo m l^eiligen Drten mie an feftlid^en Sagen 5U fud^en unb mit Slnftrengung ju crftreben.

28. 3)er ©fei oor geiftlid^en Hebungen ift gut, benn fo mirb bie ©igenliebe gereinigt.

29. SBenn eine innerlid^e ©eeCe einen SBiberroillen gegen ®ott unb bie 2^ugenb l^at unb lalt bleibt ol^ne innere ©rtoärmung ju füllen, fo ift bieg ein gutes ^exäjen.

30. älKeS äOSal^rnel^mbare, h)eId^eS ftd^ auf bem geiftUdBen SBege toal^rnel^mbar mad^t, ift abfd^eulid^, fd^mu^ig unb unrein.

31i SRiemanb, toeld^er mebitirt, übt bie maleren inneren ^^ugenben aus, tueld^e nid^t mit ben ©innen erfannt 3U toerben vermögen. SWon mu^ bie 2^ugenben t)erUeren.

32. %üx biefe innerlid^en ©eelen bebarf cS meber toöx noä) nai) ber ßommunion einer anberen Vorbereitung ober SDanffagung, als bafe fte in ber geraol^nten paffioen Siefignation verbleiben. S)enn barin ift bie Siebe, n)eld^e in DoQfommnerer äSeife ®enugtl^uung leiftet als aQe bie anberen 3(!te ber Sugenb, bie man tl^un lönnte unb bie man auf bem getoöl^m lid^en SEBegc tl^ut. SBenn bei biefer ®elegenl^eit ber ßommunion ©rregungen ber ©elbftemiebrigung , beS flel^entlid^en 35ittenS ober ber 3)anlfagung auftaud^en, fo mu^ man fte unterbrüdfen , fo oft man nid^t erfennt, baj fie befonbere ©ingebungen ®otteS finb; benn fonft fmb fie ©ingebungen ber nod^ nid^t crftorbenen Statur.

33. 2)ie ©eele, meldte biefen inneren 2Beg gel^t, l^anbelt fibel, toenn

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jte an feftlid^cn %%tn eine Befonbetc Slnjlrengung madfen roiH, um irgcnb ein anbäd^tigcS (Sefü^ 3U l^aben, ha für eine innerlid^e ©eele alle 3lage, alle tiefte gleid^ jtnb. ©affelbe gilt t)on ben l^eiligen Drten, ba alle Drte biefen @eelen gleid^ ftnb.

34. (Sott mit ber Snn^e unb ntit SEBorten banlen jiemt ftd^ nid^t für innerlid^e ©eelen, roeld^e ftiH fein muffen, ol^ne (Sott, bet in il^nen toirft, ein §inbernij5 ju Bereiten; unb je mel^r fie fid^ (Sott mit Slefigs nation ergeben, umfo mel^r erfal^ren fie, ba^ fie nid^t ein Unfert^ater beten fönnen.

35. %ixx bie ©eelen biefeö inneren SßJegeS jiemt eS ftd^ nid^t, ba^ fie ^anblungen, aud^ tugenbl^afte ^anblungen, nad^ eigener äBal^I unb Xl^ätig« leit tl^un, benn fonft toürben fie nid^t abgeftorben fein. Slud^ bürfen fie nid^t ^anblungen ber Siebe in Sejiel^ung auf bie 5Kabonna, bie ^eiligen unb bie 5Wcnfd^l^eit (S^rifti tl^un; benn ba biefeS äujserlid^ toal^mel^mbarc (sensibili) (Segenftänbe fmb, fo ift aud^ bie Siebe ju benfelben äu^erlid^.

36. Äeine ßreatur, aud^ nid^t bie SKabonna, barf in unferem ^erjen tl^ronen, ioeil (Sott biefeS allein einnel^men unb befi^en h)itt.

37. 2lud^ im gatte ber l^eftigften SScrfud^ung barf bie ©eele nid^t unterfd^iebltd^e Stite ber entgegengefe^ten 2^ugenben tl^un, fonbern mu^ in ber üorgenannten Siebe unb refignirenben (Ergebung bel^arren.

38. 3)a§ freiroiffig übernommene Äreuj ber 5!Rortificationen ift läftig unb ol^ne ^rud^t unb mu^ barum fal^ren gelaffen werben.

39. 3)ie ^eiligften SBerfe unb bie ^Pönitenjen, toeld^e bie ^eiligen getl^an l^aben, genügen nid^t, um t)on ber ©eele eine ein3ige Slnfed^tung ^intoegjune^men.

40. 3)ie feiige Jungfrau tl^at niemafö ein äußeres SBerf unb war bod^ bie l^eiligfte aEer ^eiligen; bal^er lann man jur $etlig{eit aud^ ol^ne äußere SQBerle gelangen.

41. ®ott erlaubt unb \o\U, um und )u bemütl^igen unb um uns )ur toal^ren Umbilbung )u bringen, in einigen DoHIommenen , aud^ nid^t t)om 2)eufel befeffenen ©eelen, bajs ber 2)ämon in il^rem Seibe (Setoalt brandet unb fie fteifd^Kd^e ©anbiungen begel^en lä^t, aud^ im toad^enben Suftonb, aud^ ol^ne SBerbunlelung beS (SeifteS, inbem er il^nen pl^pfifd^ bie $änbe unb anbere ©lieber gegen il^ren SQBiffen bewegt. 3)affelbe gilt bejüglid^ anberer il^rer ©anbiungen, bie an unb für fid^ fünbl^aft, bennod^ in biefem ^Jatte feine ©ünbe finb, ba bie ®inh)illigung in fie nid^t ba ift.

42. (gS lann ber %aü eintreten, ba^ jene l^eftigen Srregungen, toeld^e ju fleifd^Iid^en ©anbiungen antreiben, gleid^3eitig auf ©eiten 3h)eier ?ßer«

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foncn ftattftnben, nämlid^ cincä SKanncS unb einer %xan, unb ba^ barauS feitenS SSeiber ©in 3llt l^croorgel^t.

43. ©Ott mad^te in ben tjetgangenen Seiten ^eilige mittelft ber 3^9tannen, l^cutigen 3!ageä maijt er fie mittelft ber 2)ämonen, ioeld^e baburd^, ba^ fte bie genannten l^eftigen Erregungen in tl^nen l^erüorbringen, es t)erurfad^en, ba^ biefe fid^ felbft nod^ g^ing^ä^tger anfeilen, ftd^ in fid^ felBft »ernid^tigen unb fid^ mit Slefignation Oott überlaffen.

44. ^iob löfterte ©ott unb fünbigte bennod^ nid^t mit feinen Sippen, benn gefd^al^ burd^ bie getoaltfame ®inh)irfung beS 2^eufefö.

45. ©t. $aul erlitt in feinem Sörper eine fold&e getoaltfame ©in« »irfung beg Teufels, toeSl^alb er fd^rieb: „3lid^t baS ®ute, h)eld^e§ id^ loiff, tl^ue id^, fonbern ba§ S3öfe, roeld^eä id^ nid^t tüiH, ba§ tl^ue ic^."

46. JDiefe getoaltfamen (Sinmirlungen finb baS angemeffenfte 9RitteI, um bie ©eele ju t)ernid^tigen unb fte 3ur wal^ren Umbilbung unb SSer« einigung fommen ju laffen. ®S giebt leinen anberen SEBeg unb eS ift bicfeg ber leid^tefte unb fid^erfte 2Beg.

47. SGBenn biefe getoaltfamen ©inmirfungen fommen, fo mu^ man ben ©atan getuäl^ren laffen, oi^ne felbft etn)a§ ju tl^un nnb ol^ne fid^ an^ juftrengen. SDlan mu^ in feinem Siid^tS bleiben;' unb toenn aud^ tpollu^ tionen*) unb nod^ t)iel fd^Iimmere Singe eintreten, fo barf man fxä) bod^ nid^t beunrul^igen laffen ober ©crupeln, Si^^if^Ii^ ^^^ Sefürd^tungen 3laum geben; benn bie ©eele toirb baburd^ nur umfo erleud^teter, bes feftigter unb reiner unb gewinnt bie l^eilige greil^eit. 3Sor 2lttem brandet man nid^t ju beid^ten, unb man l^anbelt am l^eiKgften, menn man ber^ gleid^n nid^t beid^tet; benn fo befiegt man ben S^eufel unb geipinnt einen ©d^a^ beS griebenS.

48. SDer S^eufel, iüeld^er foId^e gehjaltfame ©inmirlungen l^erDor^ ruft, giebt l^ernad^ ben ©ebanlen ein, ba^ biefeS fd^mere gel^Ier finb, um bie ©eele ju beunrul^igen, bamit fie nid^t auf bem inneren SBegc fort^ fd^reite. Um bal^er biefem bie Äraft ju nel^men, ift eS baS Scfte, l^ier^ von nid^tS ju beid^ten; benn biefe S)inge finb nod^ geringer als Derjeil^s lid^e ©ünben.

49. $iob bemirlte infolge getoaltfamer Erregung beS Teufels ju ber« felben S^it**) 5ßoIIutionen, mo er reine §änbe ju ®ott erl^ob; menn h)ir in biefem ©inne ben 2^ejt von ^iob 16 auslegen.

*) 3m Driginaltejt flnben ftd^ nod^ bie l^ier nid^t ü^erjcltett SBortc bor: et

atti osceni con le mani!

**) Sin itaUenifdSien DKiginaltest finb l^ier nodj bie SBßorte con le sue mani eingefd^oben!

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50. S)aüib, SßtcmtaS unb Dtcle l^ciltgc ^topl^ctcn erlitten fold^e gc« waltfame Erregungen biefer unreinen äußeren SBerle.

51. 3!n ber l^eiligen ©d^rift giebt eS mele Seifpiele t)on getoaltfamen Erregungen ju äußeren fünbl^aften Slften, j. 83. bei ©imfon, ber mit (Selüolt fid^ felbft mit ben ?pi^iKftem umbrad^te, ein frembeS 933eib el^e« lid^te unb mit ber §ure Selila Unjud^t trieb, toeld^eS 2ltte§ fonft Der« boten unb ©ünbe getoefen fein mürbe; bei S^i^itl^f bie bem §pIofeme8 Dorlog., bei Slifa, toeld^er bie Äinber oerflud^te; bei ®KaS, tt)eld^er jraei §auptleute mit ben ©d^aaren be§ ÄönigS 3ll^ab verbrannte. Db bann bie geiüaltfame ©rregung unmittelbar von (Sott ausgegangen ober mittelft be§ 3^eufels betoirft ift, tüie in anberen ©eelen ju gefd^el^en pflegt, ba§ bleibt 3iüeifell^aft.

52. 3Benn biefe l^eftigeh Erregungen, aud^ bie unreinen, auftaud^en ol^ne ben (Seift ju Derbunfein , fo lann ftd^ bie ©eele bod^ mit (Sott Der* einigen unb Dereinigt fid^ mit il^m toirflid^ immer mel^r.

53. Um in ber ^Pro^iS ju tDiffen, ob eine getöiffe 2^l^ätigleit bei anberen ^Pcrfonen mit ©etoalt l^erDorgerufen ift, fo ift bie SRegel, ber id^ folge, biefe: 3tid^t befd^ränle id^ mid^ auf bie SSerfid^erung biefer ©eelen, bo^ fie in ben erfal^renen Erregungen il^re S^ftimmung nid^t gegeben l^aben ober ba^ fie nid^t befd^lDÖren lönnen, in fie eingemittigt ju l^aben*); aud^ befd^ränle id^ mid^ nid^t auf bie SBal^mel^mung , ba^ eS ©eelen finb, toeld^e auf bem inneren SBcge g0rtfd^ritte gemad^t l^aben. SSielmel^r rid^te id^ mid^ nad^ einem toirifamen Sid^te, meld^eS l^öl^er ift als alle menfd^* Kd^e nnb tl^eologifd^e @rlenntni| , unb tüeld^eS mir mit innerer ©id^erl^eit bie gemiffe Erlenntni^ giebt, ba^ eine fold^e 2l^ätigfeit eine gemaltfam erregte ift; unb id^ bin mir getoi^, bafe biefeS Sid^t Don (Sott fommt, ba es mir mit ber ©id^erl^eit 3U 2^^eil mirb, meldte Don (Sott lommt unb mir aud^ nid^t einen ©d^atten Don S^dfel, bafe baS ©egentl^etl ber %(xU fein möd^te, lä^t, in ber SBeife, mie eS immer gefd^iel^t, ba| ®ott, irgenb etioas offenbarenb, gleid^jeitig bie ©eele Derfid^ert, baff biefe Offenbarung Don il^m l^errtil^rt unb bie ©eele mit einem ®eban!en an bie 3KögKd^I^it beS ©egentl^eils fic^ nid^t beunrul^igen lann.

54. 3)ie geiftlid^ ©efinnten, toeld^e ben getDöl^nlid^en SBeg manbeln, Serben fid^ in ber 2^obeSftunbe getäufd^t unb mit allen ben Seibcnfd^aften

*) 2)er italienifd^e ^ejt lautet: La regola, que ne ho, Äon solo son le Proteste' di quelle anime di non avere acconsentito o il non poter esse giurare

'l'averli acconsentito. 3m lateinifd^en Original lautete baS Ic^ftere: vel hoc,

quod non possint jurare, quod consenserint. ©djfarling l^at unrid^tig üBerfe^t:

rXaudJ ift es mir nid^t genug) ba^ fie eiblidj bieS öerfld^em !önnen, nidjt eins öetoiHigt ju l^aben."

280 (elaben finben, wegen beten in ber anbeten äBelt eine Steinigung

55. SSetntöge biefed inneten äBeged gelangt man, n)ennfd^on untet vielem Seiben, 3ut Steinigung unb @ttdbtung oSet Seibenfd^aften in einet fold^en SBeife, ba^ man mie ein tobtet ßötpet niii^td, nid^ts, nid^tg mel^t fül^It unb feine Untul^c mel^t empfinbet, unb bie ©eele fid^ nid^t mel^t l^inteij^en lä^t.

56. 2)ie Beiben ©cfe^e unb beiben SBiUen, oon bcnen bet eine bct Seele, bet anbete bet (Eigenliebe angel^ött, finb ootl^anben, fo lange bie @igenliebe Dotl^anben ift. SBann ba^et biefe geteinigt unb tobt ift, toie cS butd^ ben inneten SBeg gefd^icl^t, fo gicbt eS nid^t mel^t bie beiben ®cfe^e nod^ bie beiben SBillen. 2)ann giebt fein ©nttinnen mel^t unb man empfinbet nid^tS mel^t, aud^ nid^t einmal eine oetjeil^lid^e @änbe.

57. 3)utd^ bie ettootbene SSefd^auung lommt man in einen ©tanb, ba^ man nid^t mel^t webet 2^obfünben nod^ etlä^Iid^e Sünbcn tl^un fann.

58. 3Kan lommt in einen fold^en ©tanb, in bem man nid^t me^t übet bie eigenen ^l^ätigfeiten teflectitt, toeil bie gelltet auS ben Stcfrcjionen l^etootgel^en. 35et innete 2Beg l^at mit Seid^te, Seid^toätetn, ©ewiffenäs fallen, Sl^eologie unb ^pi^ilofopl^ie nid^t§ ju tl^un.

60. 3)en teifeten ©eelen, toeld^e ben Slejlejionen abjuftetben an^ fangen, obet aud^ fo toeit gelommen finb, ba^ fie benfelben abgcftotben finb, mad^t ®ott bie Seid^te 3umeilen unmöglid^ unb et etfe^t il^nen butd^ eine fd^ü^enbe, boppclt fo gtofee Onabe als fie butd^ ba§ ©afta« ment mütben empfangen l^aben; unb batum ift füt bicfe ©eelen nid^t gut, fid^ in biefem galle jum ©altament bet Su^e ju begeben, meil fie nid^t lönnen.

61. 3ft bie ©eele ivm mpftifd^en 2^obe gelommen, fo fann pe nid^t mel^t älnbeteg moQen a(g baS, h)a3 ®ott n)il[, meil fie leinen äBiKen mel^t befi^t unb ®ott il^t benfelben genommen l^ot.

62. Stuf bem inneten 9Beg gelangt man bal^in, ba^ man unberocg* Kd^ unb ununtetbtod^en einen unjetftötbaten fjtieben geniest.

63. SKan gelangt auf bem inneten SBege jut @ttöbtung bet ©irnie; \a es ift fogat ein Seid^en, ba^ Qemanb oetnid^tigt, b. f). in ben mpftif d^en 2^ob eingegangen ift, ioenn bie anbeten ©inne bie mal^tnel^mbaten 3)inge nid^t mel^t batfteffen, als toenn fie nid^t ba gemefen toäten; meil fte nid^t foroeit ootgel^en nm ju betoitfen, bajj bet SnteHect fie fid^ aneigene.

64. 3)et 3;]^eoIog ift toeniget als bet Ungele^tte baju biSponitt, com templatio 5U toctben; etftlid^, loeil et nid^t einen fo teinen ®Iauben l^at; jtoeitenS, roeil et nid^t fo bcmütl^ig ift; btittenS, roeil et ftd^ nid^t fo fe^t um fein ^eil fümmett; oiettenS, toeil fein Äopf ooH oon ^P^antafte,

281

@efta(ten , Meinungen unb Speculationen ift unb baS toal^re Sid^t in ben» fetten nid^t einbringen lann.

65. 3)en Oberen ntujä man in äußeren 3)ingen gel^orci^en, unb ber Umfang beS von ben Sleligiöfen abgelegten (SelübbeS beS ©el^orfamS ex^ ftretft fid^ oHein auf Sleu^ereS; bejtiglid^ bcS S^ii^'^cn oerl^ält fid^ bie ©ad^e anberä, inbem in biefeä allein ®ott unb ber ©eelenfül^rer ein« bringen.

66. ©S ift eine neue unb läd^erlid^e Seigre in ber iKird^e ®otte§, ba^ bie ©eele bejüglid^ beS 3leu^eren burd^ ben Sifd^of geleitet toerben muffe, unb ba^, wenn biefer baju nid^t fällig ift, bie ©eele mit il^rem gü^rer Don if)m l^intüeggel^en fott*). ^d) fage „eine neue", toeil toeber bie f}. ©d^rift nod^ bie ßoncilien, nod^ bie canones, nod^ bie 33ullen, nod^ bie ^eiligen, nod^ bie ©d^riftfteHer biefelbc jemals auSgefprod^en l^aben nod^ l^aben auSfpred^en fönnen; benn bie Äird^e urtl^eilt nid^t über S3er» borgeneg unb eine ©eele l^ot ba§ Sfted^t, ftd^ SJenjenigen jum gül^rer }u toäl^Ien, ber il^r gut bünit.

67. SBcnn man fagt, bafe man baS gnnere ©or bem äußeren S^ribunal ber SSorgefe^ten aufbedEen müffc, unb ba^ ©ünbe fei biefeS nid^t ju tl^un, fo ift biefeä ein offenbarer Srrtl^um, benn bie Äird^e urtl^eilt nid^t über SSerborgeneS, unb man roirb mit biefen 3^*rtl^"wtem unb 2lu§fagen gegen bie eigene ©eele ungered^t.

68. ®§ giebt in ber 2BeIt leine Slutorität unb fein ©erid^t, Ireld^eä ©eroalt l^ätte 3U bef eitlen, ba^ bie Sriefe beS ©eelenfül^rerä bejüglid^ ber inneren Slngelegenl^eiten ber ©eelen befannt gemad^t merben unb beäl^ttlb mu| man barauf ad^ten, bafe biefeS ein älnlauf beä 3:eufcfe ift. -

tiefes toaren bie ^Propofitionen, toeld^e bie „Äird^e" mit il^rem glud^e Belegte, unb biefe gro^entl^eilS lügenl^afte SSerserrung unb Sntfteffung ber 2e§rfä^e be§ SKoIinoS galt nun im ganjen SBereid^e be§ römifd^^Iird^lid^en ©flaoentl^umg aläbie „Äe^erei beS SKoIinoS", aU „DuietiSmuS"**).

*) ^aäf SBoffuet lautet l^icr ber ^egt: ut anima ipsum cum suo directore adeat, tOt^f^alh berfette überfe^t: que les ämes doivent se presenter a lai avec

leurs directeurs. Qn bem italienifd^en Original ftel^en iebod^ bieSöortc: che vada l'anima da lui col suo direttore, bie einen ganj anberen, auS ber quietiftifdjen 3R^ftiI (toeld^e ben ©eefenfü^rer fel^r l^od^ fteUt, bagegen öon ber l^ierard^ifd^en Stellung beS SBifd^ofg ganj abfielet) öoUfommen öerftänblidjen ©inn geben.

*♦) 3ur gauftrirung biefer getoiffenlofen a)arfteaung ber quietiftifd^en SÄ^ftif beSaKolinoS bient, toaS^ßetrucci in feiner ©djrift: „La contemplazione mistica acquistata," (SSenebig, 1682) ©. VIII. über bie bamalS in gtalien ben Duietiften in einzelnen ©treitfd^riften gur Saft gelegten Seigren berid^tet: S'attribuiscono ad

akuni autori e direttori mistici molte cose assai loutane dal vero: come s'essl si opponessero agli usi della Cattolica Chiesa; come se dannassero le medita-

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Xld Snl^anget be§ 3Roßno3 nrn^te tum aber auä) ^etrucct biefer jte^erei fd^ulbtg befunben loerben. 9C5er toor bod^ mä)i ratl^fam, mit einem Sarbinol imb Sifd^of ber Aird^e bajfelbe ©d^oufpiel aufjufül^ten, mie mit 3toIino§. 3)a]^et iDurbe ^Settucci gati} in aUev @ttDe vox baä %owm ber gnquifition gclaben, toeld^e burd^ SDecret vom 5. gebnior 1688 ad^t feiner ©d^riften für ©crbommlid^ erllorte unb beren UntcrbrüdEung Befol^I*). 5ßctrucct untertoarf jtd^ ber Slutoritat, mib ixm affcS 3luffel^cn ju t)crmciben,'Iie^ man il^nba^erin feinSiStl^um 3urfidEgel^en. ©pätcr- l^in jjebod^ fanb man für gut il^n nod^mals nad^ Stom lommen ju laffen unb bafelBft unter 3(ufftd^t feft )u l^alten, 6i§ il^n enblid^ S^no^ cenj XII. im Saläre 1694 miebcr frei gab. „^^ reife von SRom ab'', fd^rieb er bamalg an einen ^eunb, „unb nel^me nid^tg mit. ^ä) fd^aue biefe gro^e ©tabt an unb fiel^e, bleibt 9Ule§ ftel^en toie id^ gefunben l^abe. 3)al^er h)iQ id^ <m^ abreifen, ol^ne bo^ im @eringften etn^aS von meinem §er}en barin 3urtidEbIeibe." ©rofee, l^errfid^e Hoffnungen, weld^c er einft gel^egt, meldte il^n begeiftert l^atten, toaren für immer entfd^tüunben!

3h)ei gal^re fpctter legte er bie SSerroaltung feines SiStl^umS frcitoittig nicber unb jog ftd^ nad^ ÜRonte gfaico jurüdf, mo er am 5. Suli 1701 ftarb.

zione e contemplazione delle dottrine, opere e patimenti di Christo, e deviassero l*anime della lezzione di tutti'i libri spiritnali, e le fftcessero disamorare de divini sagramenti ; come se le ridacessero alla ignuda e sola fede, priva degli atti d*ogn'altra virtä', qnando posson produrne, ed e convenerole, che ne pro- ducano; e come se insegnassero uno stolido incantamento di tutte le potenze ed nna qniete fittizia; onde Tanime semplici colte al laccio alle loro equivoca- zioni e delase si ridacessero ad esser tantistipiti 6 statue insensate e balaardi avanti a Dio, come se a tal fine nsassero artificy e sofismi, ed aiutassero le loro dottrine con arti vigorose e con lo splendore e speciosita de' Yocaboli) ragunati qnasi schiera di ditensori al pronto soccorso; ed in fine come se in- segnassero la faga dalle baone e sacre scienze ed una ignoranza tnrchesca, ed nna inntile yacuita di tatt'i pensiere anche virtaosi e santi, ed an solo aspettare qaei lami sovranatarali, che pioveranno infallibilmente dal Cielo. Totte qaeste ed altre simili cose sono State pablicate contra di essi, non ben ponderati ne ben capiti e contra la verita.

*) „3)amit fte unter bem SSortoanbe einer gef&l^rUd^en SCnbadJt ben Unge? leierten nid^t ium 3CnftoJ würben" l^eijt in bem a)ecret ber Snquiptian.

I686-I696-

Set ^ftter eaeom(e ^it ^atU unb beffett fBeri^aftitttg.

5Rad^ il^rem ®intteffcn in 5ßQrt§ mictl^ctc ftd^ grau t)on (Supon ba« felBft in bcm geräumigen $aufe eines 3)oml^ertn ein, in toeld^em fie fxiS) mit i§rer 2)ienerf(j^aft für einen bleibenben Slufentl^alt eingerid^tet 5U i^aben fd^eint. ®ie Stulpe aber, bie fie l^ier ju finben glaubte, toar nur Don lurjcr 3)auer. SDenn faum toax grau t)on (Supon nad^ ^ßaris ge^ fommen, al§ fie aud^ geroal^ren ntu^te, ba^ fie ber ©egenftanb ber Bo^l^afteften 2lnfeinbungen toar, bie in ber 2üdEe il^re§ eigenen (^alb^ SruberS, be§ 5ßater§ be la aJtotl^e, il^ren 2lu§gang3punlt l^atten*).

*) 3)aB ber Jßater be la SWotl^e tt>irf(id^ ber ©d^ulbige toar, toirb betoiefen 1) burd^ ben ganzen SScrlauf ber fd^lperen ©d^icf ungen, toeld^e grau t). ®. in $arig 2u erleiben l^atte unb ioeld^e aKein burd^ baS, toad fte über bie Sntriguen bed ©rubere mittbeilt, ^u^ammtriffanQ gewinnen unb Derft&nblid^ Werben; unb 2) burd^ bie fciertid^e ©rKärung, toeld^e fie Ui ber SluSarbeitung il^rer 93iogroJ)l^ie , in ber SaftiUe, in tooller Sftul^e unb ber ©d^toere il^rer Slnfd&ulbigung fid^ öoUfommen betou^t, begfattS abgegeben l^at. grau Don öu^on betl^euert nömlid^ in il^rer 8tograj)l^ie II, XXV, 6 bejüglid^ il^reg aSruberä be la 3Rotl^c golgcnbe«: Je oe

parle pas des traitemens de ce Pere qae pour obeir au commeDdement qae l'ön m'a fait de ne rien omettre. Je serai oblig^e malgr6 moi de parier sou- vent de lui. Je voudrais de tout mon coeur pouvoir suprimer ce qae j'ai a en dire. Si ce qa*il fait ne regardait que moi, je le suprimerois volontiera: mais je crois le devoir a la y^rite et a Tinnoncence da F. la Combe, si fort oprim^e et acabUe depuis si long tems par la calomnie et par nne prison de plasieurs ann^es, qui selon toates les apparences darera aatant qae sa vie. Je

284

STud^ von \f)xm anbeten SSettoanbten erfüllt fte ntand^erlei Unan« nel^mlid^feiten unb Seläftigungen. SRan iDoSte fte nötl^igen, ftd^ nad^ SJlontargiä ^utüdEju jiel^en ; man n)oUte fte mä) t)eranlaffen, fid^ aller 2)i3i pojttion über ben 5left t^rcS SSermögenS ju begeben; allein biefe Seinen SSerbrie^Kd^feiten lamen bod^, gegenüber ben boSl^aften SSerfoIgungen, bic jte t)on bem 5ßater be laSRotl^e erful^r, laum in SSetrad^t 3)iefe leiteten aber toatext für fte um fo quafooUer unb t)erberbnd^er, aU biefelben ebenfo gegen ben 5ßater Sacombe n)ie gegen fie felbft gerid^tet waren.

Sacombe lebte feit feiner Slnfunft in 5PariS in bem bortigcn Samabitenllofter. 3)ie grau von ©upon fal^ er faft nur im Seid^tftu^I. SBeit öfter aber fal^ biefe ben $ater auf ber Äansel ber Älofterlird^c, auf tDeld^er berfelbe fid^ balb ben Slul^m beg gefeiertften ^anjelrebnerS von $ari§ extooxUn f)aiie.

2)ie erfte n^ibertoärtige S3erül^rung mit bem geiftlid^en $erm Srubet l^atte %xan von @nr)on infolge eineä l^abgierigen 3(n{tnnen3, b>e(d^eS biefer an bie ©d^toefter fteHte, 3)ag fd^öne junge SKäbd^en, tocId^eS mit il^r nad^ @e£ ge!ommen mar unb bort mit ben ^lad^fteKungen be§ fd^änb^ lid^en S9eid^tt)ater3 ju fämpfen gel^abt l^atte, toar fd^Iie^Iid^ burd^ fte ver- anlagt toorben, baS ©d^mefteml^aug, tn toeld^em il^re Unfd^ulb fo fcl^ bebrol^t toar, ju t)erlaffen. 3)a§ SKäbd^en münfd^te l^ernad^ in einen Drben einzutreten, toeld^cS SSorl^aben grau Don ©upon um fo nte^t biKigte, alg fie für baffelbe in ben ßloftermauern ben fid^erften ©d^it^ gegen bie ©efal^ren fal^, bie bem 5Käbd^en gerabe megen feiner ungc* ioöl^nlid^en @d^önl^eit anberStoo t)erberblid^ merben !önnten. 3)a nun bie moi^Imeinenbe Sefd^ü^erin ben 3(u§tritt bei 3Jläbd^end au3 bem $aufe ber 5Reufätl§oIiIinnen ju ©e^ ocranla^t l^atte, fo l^ielt ftd^ biefelbe für t)erpfKd^tet, ber Jungfrau ben ©intritt in ein Älofter 5U ermöglid^en. ©ie l^atte bal^er bem 5ßater Sacombe, mit Setoittigung ber Oberen bcä« felben, eine Heine ©umme in Sertoal^rung gegeben, mit ber fie bie Jungfrau, menn fte il^ren ©ntfd^lu^, in ein Älofter ju treten, auSfül^ren toürbe, a(§ Slonne auSjuftatten gebadete. SRun l^atte bamafö SPotet be la SKotl^e bie Slbftd^t, in feinem Älofter eine neue 3Kauer auf}ufäl|ren, looju il^m ba§ @elb fel^tte. 2)a er bal^er oon ber Ileinen ©umme, toeldje

me crois, dis-je, obligee de faire voir tous les artifices dont s'est servi poar le Doircir et le rendre odieax, et les motifs qai ont porte la P. la Mothe a en user de la sorte. Quoiqae le P. la Mothe paroisse beancoap charg^ dans ce qu je dis de lui, je proteste devant Dieu que j'omets encore qaantite de faits.

©ierju lommt 3) baf; bie in ben ©djriften »offuet'g, genelon'ä unb «nberet Sal^Ireid^ l;»oraegenben Sflad^rid^ten über grau t>on ©ul^on aud^ nid^t eine einsige entl^alten, burd^ tveld^e bad, toaiS biefe über il^re ®efd^id(e aui»fagt, ald Um rid^tigfeit ertotefen toirb.

285

ber $ater £acom6e Don %xan t)on ©upon in SSertoal^tung erl^alten l^atte^ mfiie, fo crllöttc bc la 5Dlotl^c bcmfcIBcn, bafe bicfcS ®clb ftiglid^ jur äuffül^ruitg bcr ÜRaucr rertoenbet tocrbcn fönnte unb ba^ il^n Sacombc in 3Setfcgcnf)cit bringen würbe, toenn er feine ©d^toefter nid^t beftintme, ba§ ®elb l^ierju ju biSponiren. Sacombe eriüiberte jcbod^, bajs fein ®e»iffen il^m nid^t geftatte, bie %xavi üon ®upon 3U einer Slbänberung il^ter bejüglid^ bed @elbe3 getroffenen S)id))ofition ju Deranlaffen unb roicä bd§ 2lnfinnen beä ?ßaterS be la Wlotfft auf baS ®ntfd^iebenfte jurürf.

SSon ba an l^a^te ber (entere ben frommen DrbenSbruber, unb l^a|tc il^n um fo mel^r, als berfelbe ber S8ertrauenSratl§ unb Sefd^ti^er feiner Sd^tDefter Yoax, bie er aud^ nid^t liebte.

Sd^on jc^t fprcngte bal^cr ber ?Pater be la SRotl^e baS fd^änblid^e Serüd^t auö , später Sacombe fei , als er bie grau t)on ©u^on t)ön 3^urin mi} 5PariS begleitet, auf biefer langen Steife niemals in einem Sarna» Bitenllofter eingefel^rt, fonbern l^abe überall mit berfelben jur ©d^mad^ bcS DrbenS in einem unb bemfel6cn ©aftl^of übernad^tet. S^^ 3Ser« ftänbni^ ber 3tteberträd^tigfeit biefer Serbäd^tigung mu^ bead^tet Serben, ba^ auf bem 2Bege t)on S^urin nad^ SBefangon unb $aris nirgenbS ein Samabitenllofter beftanb.

®rft mit Staunen unb bann mit boshafter greube l^örte man ben $ater be la SKot^e (ber bod^ über baS, toaS feine ©d^hjefter betraf, untetrid^tet fein lonnte), bie fd^änblid^e Süge in bem SBarnabitenflofter etjäl^len, roeld^eS nun, ba einjelne SKönd^c ol^nel^in fd^on ben Seifall, ben ber DrbenSbruber als ^rebiger fanb, mit Sleib unb SRi^gunft ge« feigen l^atten, ju einer Srutftätte beS $affeS unb ber Sntrigue gegen Sacombe ioarb. Unb jtoar waren eS jtoei 3)inge, burd^ ' toeld^e biefc SoSl^eit imb Verbitterung ber 50lönd^e mel^r unb me^r erregt mürbe.

©eit geraumer 3^it erl^ielten bie S3arnabiten ju $ari8 il^ren ?ßro« t>in3ial auS ©aoopen. 5ßater be la SKotl^e fteHte nun oor, ba^ biefe ^etrfd^aft ber ©aoo^arben über baS Älofter unb ben Drben eigentlid^ eine ©d^mad^ für bie franjöfifd^e Station fei; unb alsbalb fal^ man im Älofter ein, ba^ ber ©turj beS l^erDorragenben ÄlofterbruberS auS ©a-- w^en ©elegeni^eit geben lönnte, bie §errfd^aft ber ©aoo^arben im Drben ein für allemal ju bred^en*). 35cr 5ßater Sacombe mu^te alfo geopfert «nb px ©runbe gerid^tet werben. 3)iefer SKeinung ioar inSbefonbere

*) 3)icfer 3toeÄ tourbe aud^ für bie näd^ftcn 3o]^re erreid^t ©päierl^in jeboc^, als grau t)on ®u^on il^rc a3iO0rat)l^ie fd^rieb, toar bcr ^robinatal n^iebcrum «n Sftöo^arbe.

286

aud^ ber $ater ^romnjial, ber, eitt SanbSmann unb urfinrünglid^er ®önner Sacotnbe'S, bemfelben ed nid^t Dergeil^en lonnte, ba^ bie haften« prebigten ei^etn feiner ^eunbe abgenommen unb Sacombe übertragen toaren. 3Son ba an waren ber $ater be la Wlot^^ unb ber ^ßrooinjtol barüBer eint)erftanben, ba^ man über Wtitttl unb SBege, bie ben ©tutj £acombe-S fxä)ex l^erbeifü^ren tonnten, nad^benlen muffe. 2)aburd^ toürbe bann, fo fagten fid^ 93eibe f)txnai), leidet mo^ aud^ %tan Don ©upon unfd^äblid^ gemad^t werben fönnen,

3n bem Älofter ber Samabiten Rannte man ein ©l^epaar, ba§ in ber ©tabt im 3lufe großer (Sottfeligfeit ftanb. Stber ber SKann, feines 33erufS ein ©d^reibcr, befa^ eine burd^ Hebung fel^r auögebilbcte ®e« fd^idEUd^feit im 9lad^al^men t)on §anbfd^riften, bie %xavi mar fel^r barüBcr an^, in Älöftern unb bei frommen Seuten fid^ allerlei Unterftü^ung unb ^örberung ju t)erfd^affen, unb Seibe, 5D?ann unb %xa\x, toaren $eud^Icr, bie burd^ ben ©d^ein ber grömmigfeit i^re Sxoeäe ju erreid^cn fud^ten. S)iefe Seiben tourben nun t)on bem 5ßater be la 5Dlotl^e unb bem ^Pro^ t)injial als ganj geeignete SEBerljeuge, mit benen gegen ben ^JJatcr Sacombe intriguirt toerben lönne, in'§ Sluge gefaj^t.

Sacombe fal^ aud^ fel^r balb, ba^ SRad^inationen gegen il^n im ®ange roaren; unb eines 2lage8 erl^ielt ^au roon ®uyon einen Srtcf beS ^Paters, toorin berfelbe fd^rieb: „3)aS SBJetter l^at fid^ fe§r gcänbcrt; id^ toei^ nid^t, \oann baä ®eh)itter fid^ entlaben toirb, al^er SCtteS toitb aus ber göttlid^en $anb ioiHfommen fein."

3)er Dorerroäl^nte ^anbfd^riftenfälfd^er toar bis bal^in regelmäßig ju $ater Sacombe in ben Seid^tftul^l gefommen. $Iö^lid^ aber ließ ftd^ berfelbe bei Sacombe nid^t mel^r feigen, wogegen j|e|t beffen ^f^au Bei il^m erfd^ien, allerlei Älagen über ben SKann ©orbrad^te unb fid^ il^rcr feelforglid^ anjune^men icA, 9Kit il^rer §cud^elei loußtc bie fjrau ben spater aud^ alsBalb fo ju umgarnen unb für ftd^ ju gewinnen , baß biefer mit Sejiel^ung auf fie ber bamals auf bem Sanbe lebenbcn grau t)on ©u^on fd^rieb, er l^aBe je^t eine BetounberungSmürbige l^eilige ©eele lennen gelernt.

Snjtoifd^en fopirte ber 3R(mn ber %xau mel^rere il^m jur SlBfd^rift üBergeBene Sluffa^e, fo baß jebe einjelne ßopie eine ganj eigentl^ümlidje ^anbfd^rift barfteUte. ©iefelBen enthielten nid^tS SlnbereS als 2lnllagcn gegen bie 9ied^tgläuBig!eit unb 3)loralität Sacombe*S. 3lud^ Ivdren ben« felben mel^rere, erft in ber legten ^^xt in gtanfreid^ belannt getoorbcne Sel^rfä^e beS 5KolinoS mit bem 83emerfen Beigefügt, baß Sacombe ftdj 5U benfelBen Belenne. S)iefe 5ßapiere tourben nun oon unBelannter $anb -n allen SarnaBitenllöftem ^Jtanfreid^S x)erBreitet unb Balb erl^ielten ber

' 287

ißatcr bc la SKotl^c unb ber 5ßroDinjiaI ju 5Pari8 ü6cr baS Stergcrni^, todd^eS biefelbcn erregten, 3laijxxä)t Ser 5ProoinjiaI Ite^ fid^ bal^er biefe (i§tn tool^lBefannten) Rapiere jufenben unb legte jic fobann bem Dffijial, fotüie anä) ^em ©rjbifd^of von 5ßari8 3ur $ßrüfung t)or. ^n bem Sc* gleitunggfd^reiben fprad^ ber ^ßrootn^ial l^euc^Ierifd^ feinen tiefen ©d§mer3 barüber aus, einen DrbenSgeiftlid^en notorifd^er Äe^erei Derfatten 3U fc^en. 3lud^ würbe auf bie Sejiel^ung Sacombe'S ju grau von ©upon §ingeft)iefen, ntit hoeld^er er fortroäl^renben Umgang l^abe.

hiermit mar nun bie SluSfül^rung eines planes, burd^ ben man bem später Sacombe ein fid^ereS SSerberben bereiten toollte, begonnen. $Wit bemfelben fottte aber jugleid^ aud^ %xavL von ©u^on baS Dpfer ber Sog^eit hoerben. ^nx Unterftü^ung ber infernalen %ixic tf)cd. man bal^er golgenbes :

3)a man im 33amabitenIIofter mufete, ba^ ^rau von ©u^on in 3KarfeiIIe getoefen mar, fo lie^ man von bort einen oh ben Dffijial unb an ben (Srsbifd^of Don $ari§ gerid^teten Srief fd^reiben, morin gefagt tourbe, ba^ fie in 5Karfeitte mit bem ^ater Sacombe in einem unb bem^ felbem ^iwtmer übernad^tet, ba^ ber le^tere in ber gaftenjeit ^Jleifd^ ge* geffen l^abe, unb ba^ er fid^ nod^ anbere ärgerlid^e S)inge (bie im ©in« jelnen angegeben mürben) l^abe ju ©d^ulben lommen laffen* 3)iefer ferief tourbe junäd^ft in geeigneten Greifen ju 5PariS befannt gemad^t, unb nad^bem biefeS gefd^el^en fear, befd^Io^ man ber grau t)on ©u^on |icrt)on 3)iittl;eilung ju mad^en. S)er später be la 5Kotl^e felbft über* nal^m bie SluSfül^rung biefeS fd^änblid^en Stnfd^tageS. ©erfelbe begab ftd^ ba^er mit mel^reren Ferren ju feiner ©d^toefter unb begann baoon ju teben, ba^ fie, mie man l^öre, mit Sacombe in 5Dlarfeitte gemefen fei. %xa\x von ©upon getoal^rte alsbalb bie gatte, bie il^r geftellt tourbe unb erflärte, ba^ fie nid^t begreifen lönne, maS man bamit fagen tootte. 3)a Brad^ be la 3Jlotl^e in bie SBorte auS: „2)er Sifd^of von 5KarfeiIIe l^at entfe^Iid^e S^^gniffe gegen S)id^ l^ieri^er gefanbt, Weld^e ebenfo mie anbere glaubhafte ßeugen bemeifen, ba^ 2)u bort mit bem $ater Sacombe bie aKerärgften %xevd üerübt ^a\t" Säd^elnb antwortete bie ©d^toefter: „3)ie gabel mürbe ganj gut erfunben fein, )[oenn man fid^ nur t)orl^er» ü6er3eugt l^ätte, ob ber 5ßater jemals in 9RarfeiIIe gemefen ift. ©ooiel '\i^ n>z\% ift er in feinem gangen Seben nid^t nad^ 5Dlarfeitte gelommen; unb mä^renb id^ bie 5aften3eit bafelbft t^erlebte, ift Sacombe in aSercelli tnit ben i^m obliegenben gaftenprebigten befd^äft'igt gemefen." S)er später be la SKotl^e fül^Ite, ba^ er biefem einfad^en S^wöi^iff« ^^^ SBal^r* ^rit gegenüber 5iid^tS ermibem lonnte, fd^idfte fid^ bal^er fofort an, baS Simmer 3U t)erlaf[en, hoobei er jebod^ ber tief gefräniten ©d^toefter 3um

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Stbfd^icb nod^ in boSl^aftcftcm Sro^c bic SBortc cntgcgcnfd^Ieubcrte: ,,tlnb es gicbt bennod^ S^ugctt für bic SEBal^rl^eit meinet Sel^auptung." ©tel^enben %VL^e^ eilte er nun junt ?ßater Sacombe, bent er bie %xa%t tjorl^ielt, ob er nid^t einmal in 3Jlarfeiffe gehjefen fei, worauf biefer ant« tüortete, ba^ er bie 5ßroDence niemals mit einem ^u^e betreten l^abe.

2)er ?ßater be la 3Jlotl^e unb ber ?Prot)in}iaI fallen nun ein, ba^ bie beabfid^ligte 3SerIäumbung beS ^ater Sacombe unb ber %xavL üon ©upon, fo h)ie fie biefelbe geplant l§atten, ftd^ nid^t aufredet erl^altcn Ke^. ®iefelben »erful^ren bal^er Je^t fo, ba^ fie in allen benjenigen fireifen, mit benen %xau von ©upon in Serül^rung ftanb, nid^t 5!Rarfeiffc fonbem ©eiffel als ben ©d^aupla^ il^rer SSergel^en nannten, einen Drt, ben biefelbe nie gefeiten l^atte.

UebrigenS ftanb baS Slnfel^en Sacombe'S in ber öffentlid^cn SKeinung in ?ßariS nod^ fo feft, ba^ baffelbe burd^ biefe S^triguen bis bal^in nici^t im ®ntfemteften erfd^üttert hjurbe. S3on äffen ©eiten ftrömte man in bie S3arnabiten!ird^e, um feine ^rebigten 3U ]^ören> unb unter ben Seid^t^ Patern ber großen ©tabt mar leiner fo gefud^t ats er*). Salier mu|tc an bem 35erberben beS frommen SKanneS nod^ auf anberen SEBegen gc* arbeitet h)erben.

3)er ^rooinjial toar ehm von einer SSifitation ber Älöfter feines DrbenS 3urüdfgefel^rt, ol^ne bie in ©aoopen liegenbcn Älöfter befud^t ju l^aben. 9lbcr gerabe bort liefen fid^ oieffeid^t Slnl^altcpunfte ju einer neuen S3etaftung 2acombe*S unb ber ^au oon (Supon finben. ©ofort reifte bal^er ber ^rooinjial nad^ ©aoopen ai, hoäl^renb ber Dffijial ba3 Dorermäl^nte ttidfifd^e SEBeib jur SluSfunbfd^aftung beS ^ßaterS unb feiner 33cid§ttod^ter benu^te. 3)ie grau fam ju Sacombe, er3äl^tte, hoie fel^r eS fie oerlange, mit ber fo frommen grau t)on (Supon reben ju lönnen unb bcmerfte nebenbei, ba^ fie in ©elbnotl^ fei. Sacombe fd^idfte bal^er baS SBeib JU biefer, meldte bemfelben einen l^alben SouiSb'or fd^enfte. ßinige Sage fpäter fam bie grau toieber, um fid^ (Selb jur Somal^me eines 3lberIaffeS ju erbitten, grau oon (Su^on fagte il^r, ba^ fte ein SKäbd^en in il^ren 2)ienften l^abe, toeld^eS einen Slberlafe ganj lunftgered^t Dorju« nel§men toiffe unb baS il^r gern bel^üIfUd^ fein iüürbe. 3)aS SBeib er« loiberte jjebod^ , ba^ fie feine ^ßerfon fei, bie fid^ einem anberen als einem SBunbarjt anoertraue, toorauf il^r bie S)ame fünfjel^n ©ouS bel^änbigte,

*) S)iefeS toirb aud^ öon bem Herausgeber ber SBerfe Soffuet'S (Argentin»,

1755) Vol. VIII, SBortoOrt p. XVII. beftätigt: Le P, Lacombe sorti de Grenoble etait venu s'etablir a Paris: la chair et le confessional Vj tirent bientot cons naitre et ii s'acqait en peu de temps la r^putation d'an fameux directeur.

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bic fic mit betn SluSbrucI beS UntüillcnS annal^m. ©tc ging bann fofort jum spater SacomSe, bcm jte baS ©elb auf fd^nöbc SBeifc mit ber fjtagc l^intoarf, ob jtc ctroa eine ^crfon fei, ber man eine fold^e SBetlelgobe an* Bieten bürfe. 35er fromme 3)ionn mar über biefen Sluftritt fel§r beftürjt, freute fid^ jebod^, als nid^t lange nad^l^er bie ^au h^ieber 3U il^m lam, über ben SSorfaU il^re 9teue augfprad^ unb fid^ baS @elb 5urüdEerbat. 9(ld bal^er ^rau oon ©u^on, bie über bie ®rfd^einung ber %xan von 00m« l^erein ein gel^eimeS ®rauen gel^abt l^atte, 3U Sacombe fam unb ftd^ barüber auSfprad^, ba^ fie biefelbe für eine ©d^einl^eilige l^alte, bie il^nen Seiben nod^ gro^c 3!rübfale bereiten toerbe, oermieä il^r ber 5ßater biefeS Urtl^eil auf baS ©trengfte, mit bem SSemerlen, bafe biefeS toieber eine il^rer ©inbilbungen fei, ba^ eS i^r an majorer d^riftlid^er Siebe feilte unb ba^ il^m bie %xavL eine ^eilige 3U fein fd^eine.

grau oon ©u^on erful^r inbeffen, ba^ bie grau in il^rem Äreife afö eine boöl^afte unb l^intertiftige §eud^Ierin belannt fei, ba^ fie fid^ fd^on ©nttoenbungen l^abe ju ©d^ulben lommen laffen unb bafe man fte in einem Äauflaben über il^ren Seid^toater Sacombe bie fd^änblid^ften SBer« läumbungen l^abe auSfpred^en l^ören. grau oon ©upon erjäi^Üe bieg il^rem ©eelenfül^rer, ber aber nid^t glauben mottte.

®ineS 3^ageS lie^ ein ©eiftUd^er, n)eld^em grau oon ©upon el^emalS jumeilen gebeid^tet l^atte, biefelbe um einen Sefud^ bitten, ©ie folgte bet ®inlabung unb erful^r nun burd^ ben ©eiftlid^en, ba^ berfelbe über alle 3ntriguen unb SoSl^eiten ber grau, inSbefonbere aud^ über bie SSer- läumbungen, burd^ toeld^en fie ben 3tuf il^reä Seid^^toaterS ju untergraben fud^te, oottfpmmen unterrid^tet toar. ^m Sluftrage be§ ©eiftlid^en mad^te fie nun bem 5ßater Sacombe l^ieroon SDlittl^eilung, bem eS je^t, ha er in bie ©laub^aftigfeit ber SluSfagen be§ 5PriefterS nid^t , ben geringften 3toeifel fe^en fonnte, mie ©d^uppen oon ben Slugen fiel. 6r erlannte je^t an, ba^ in bem 2öeibe ettoag 3^euflifd^e§ ftedfen muffe, maä e3 i^r möglid^ gemad^t l^abe, il^rer SoSl^eit ben Stnftrid^ ber grömmigleit ju geben.

ällä grau oon ©upon in il^re SBol^nung jurüdfgele^rt toar, ertl^eilte fie ber 2)ienerfd^aft ben Sefel^l, bie grau, toenn fie je toieber im $aufe ttfd^einen foHte, unbebingt nid^t ju il^r t)or3uIaffen. Äaum aber l^atte fie biefen Sefel^l ertl^eilt-, als bag SEBeib erfd^ien unb erllärte, ba^ fie oon ber gnabigen grau einen Seitrag gur S^i^Iung il^rer ^auSmietl^e 3U l^aben ioünfd^e. 2)ie beiben SKäbd^en, benen fie biefen S^^^ ^h^^^ ÄommenS mittj^eilte, erllärten, bafe il^re $errin nid^t 3U fpred^en fei,, unb als bie grau bennod^ barauf beftanb, in baS 3^"^^^^^ ^^^ S)ame gefül^rt 3U werben, mad^ten fie il^r bemerflid^, ba^ biefelbe ftd^ fe^r unmol^I fül^Ie, ^tppt, wirtftm, 19

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ba^ fie an einer Slnfd^toeKung beS Unterleibes leibe unb ba^ ber Sin^

tritt ber SBaffcrfud^t Don il^ncn Befürd^tet werbe. 2ߧ bal^er bie ^rau

fal§, ba^ jte il^ren 3^^* ^i^^ erreid^en lonnte, ging jte laut fd^impfenb

aus bem §aufe unb begab fid^ fofort jum ©uperior beS 5Prämonftratenfers

IlofterS, bem jte Don ber aSertoorfenl^eit ber ^Jtau Don ©upon SBunber«

binge erjäl^Ite, unb inäbefonbere, gu beffen größter Ueberrafd^ung, mit^

tl§eilte, ba^ biefelbe fd^roanger fei. 2)cr ©uperior lie^ alsbalb eine ber

grau Don ©ugon nal^eftel^enbe unb il^m rocl^lbelannte Wienerin ju jtdj

lommen, um jie über baS, toaS er foebcn gel^ört l^atte, 5U befragen. 3)aS

SBläbd^en lam, l^örte mit Sefremben, h)eld^e fjrage i§m vorgelegt hoarb,

antwortete abet bem GJeiftlid^en fe^r rafd^: „SOSer, l^od^roürbiger SBater,

foff benn il^r SWilfd^uIbiger fein, ba fic burd^auS tugenbl^aft tft unb

SBlänner gar nid^t bei ftd^ ftel^t?" Slud^ anberStoo fud^te baS SBeib

biefe fd^änblid^e SBprIäumbung au§3ubreiten, bie jebod^ nirgenbS geglaubt

unb balb Dergeffcn h)arb.

3m SarnabitenKofter h)ar in.^roifd^en ber Sefd^Iu^ gefaxt lüorben, ba atte anberen gum ©turje bc§ 5ßaterS 2acombe betretenen SBege nid^t 3um 3i^tß fül^rten, benfelben afö Stnl^änger ber Äe^erei beS ?IKoKno8 ju benunjiren, iüobei man juperfid^tlid^ Ijoffte, in ber ©d^rift ber %xa\x Don (Supon ;,Äur3e Slntoeifung jum inneren ®titt" ein ftd^creS 3Dlittel in Rauben gu l^aben, um mit bem $ater aud^ biefe in'S SSerberben ftürjen 3U lönnen.

S)er $ater be la Ttoi^e befud^te eines SageS bie ©d^roefter unb er3äl^lte il^r, ba^ bei bem ©rjbifd^of bie bcbenflid^ftcn 35enun3iationen gegen ben $ater Sacombe eingelaufen toären. SnSbefonbere fei 3ur 2ln3eige gelommen, ba^ berfelbe ein Slnl^änger beS SWoIinoS unb folglid^ ein Äe^er fei. ^au von ©u^on hou^te genau (toaS fie bal^er betl^euerte), ba^ Sacombe t)on bem fpanifd^en 5ßriefter SKoIinoS faum etroaS gel^ört unb mit feiner ©d^rift fid^ nie befd^aftigt l^atte. ©ie bat ba^er ben Sruber, ben später Sacombe ju bem @r3bifd^of 3U führen, ber fid^ gan3 un3tüeifell^aft fd^on im erften ©efpräd^e mit bem 5Pater von beffen SRet^t^ gläubigleit über3eugen mürbe. Sa 3Kotl^e oerfprad^ biefeS fd^on am näd^ften X^age ju tl^un (h)aS inbeffen bod^ nid^t gefd^al^); als aber bie ©d^toefter 3U cr3äl^Icn begann, toaS fie über bie ©d^inl^eiligfeit unb ZMe ber grau beS ©d^reiberS erfal^ren l^atte, Derbat ftd^ ber SSrubcr Iur3n)eg fol^e SluSlaffungen, inbem er mit falten SBBorten erflärte, ba^ bie grau eine §cilige fei. 3)a erft gingen ber, Don ber fd^änblid^ften Sntrigue umgarnten SJome bie 2lugen auf, inbem eS il^r urplö^lid^ Kor tourbc, ba^ ber eigene Sruber mit biefem tüdtifd^en SBeibe im Sinoer* ftänbni^ fei.

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%xm Don ©upon ging nun ju SacomBc in bcn Scid^tftul^I, tl^ciftc bemfcIBen mit, roaS fic t)on bem ^atet la 3Kotl^e gei^ört l^atte unb for« bertc il^n auf, bicfen aföbalb ju crfud^cn, ba^ er il^n gum ©rjbifd^of fül§rcn möge. SacomBc folgte bem SBin! unb fonb anä^ Bei la ?Kotl^e anfd^cinenb freunblid^eS ®e§ör, lt)urbe jebod^ sugleid^ burd^ benfelBen Bebeutet, ba^ bie ©ad^e gar nid^t eilig fei, ba bie Bei bem ©rjBifd^of angeBrad^ten ©enunjiationen nid^t gegen il^n, fonbem »ielmel^r gegen grau von ®upott gerid^tet toären.

3!)ie Sad^e hourbe nun immer rätl^fel^after unb unl^eimlid^er. %a^ einen ganjen 3Konat l^inburd^, Derful^r ber später la SKotl^e fo, ba^ er Bei ber ©d^tüefter bie bem ©rjBifd^of gemad^ten 2lnjeigen ate gegen Sa« comBe gerid^tet l^inftettte, mäl^renb er Bei biefem nur oon ben gegen feine ©d^roefter eingelaufenen Senunjiationen toiffen wollte.

3)a trug fid^ 3U, ba^ ber $ater la 5!Rotl§e fid^ für jroei 2^age auf baS Sanb BegaB, ^rau oon (Su^on forberte bal^er ben ^ßater Sa« comBc, ber lt)äl^renb biefer 3^age als Sleltefter beS ÄlofterS bie ©efd^äfte be§ ©uperiorS Beforgte, auf, ben 3lugenBIidf 3U Benu^en unb bem ©rj« bifd^of feine 2lufroartung ju mad^en. Mein ber 5ßater la SWotl^e l^atte bcmfelBen .Befol^Ien, hoä^renb feiner ätBmefenl^eit in feinem §affe baS fllofter ju oerlaffen.

SacomBe ertpiberte bal^er, er fäl^e aUerbingS red^t tool^l ein, hoie nötl^ig es für i^n fei, ben ®r3Bifd^of ju fpred^en unb ba^ fid^ il^m oiel« leidet nie toieber eine äl^nlid^e ©elegenl^eit barBieten mürbe, allein er fei entfd^loffen, Bi§ 3um 2^obe bie ^jjflid^t beS (Sel^orfameS 3U üben, ünb ba il^m nun fein ©uperior Befol^Ien l^aBe, bie 5Wauern beS ÄlofterS mäl^s renb feiner 2IBme[enl^eit nid^t 3U oerlaffen, fo hoolle er biefeS aud^ ol^ne 3Kurren tl^un. 2lm folgenben 3^age lam ber 5ßater la 5!Kotl^e in baö Älofter 3urüdf. —-

%xau von (Supon 3äl^Ite unter il^ren frül^eren Selannten einen ge« toiffen 21BB6 ©ammon. SDiefer Beinal^e ad^t3igj|cil§rige (SreiS, ber fein gan3e§ SeBen ber einfamften 3wrüdEgejogenl^eit gemibmet unb fld^ fogar nur fetten mit ©etoiffenSleitung, 5ßrebigen ober Seid^tl^ören Befd^äftigt l^attc, fül^rte einen §errn Sureau, einen 35octor ber ©orBonne, Bei il^r ein. 3K§ biefer, ein fel^r gead^teter, el^renft)ert§er §err, fie brei^ ober viermal Befud^t l^atte, erjäl^Ite fie baoon il^rem SSruber la 5Dlotl^e. 2)iefer aber l^atte aud^ auf ben il^m tool^lBefannten Dr. Sureau Bereits feinen glül^enb« ften §a^ geworfen, toeil eines feiner früheren Seid^tfinbcr, Don bem er jtd^ uiele ©efd^ettfe l§atte geben laffen, um feines ®igennu^eS toillen ftd^ von i^m aBgemenbet unb bem Dr. Sureau angefd^Ioffen l§atte. S^xnenU brannt rief bal^er la SRotl^e auS: „SBie, S)u empfängft biefen ^erm

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SBureau Bei 2)ir?" fjtau oon ©upon anttoortete, ftc l^abe bcnfelBcn ttid^t aufgefud^t, er lomme ani) nur feiten ju il^r unb fte finbc c8 un^ paffenb, t§n abjuroeifen, ba er ein eJ^rentoertl^er $err fei unb in aUge^ meinem Slnfel^en ftel^e. S)er ?ßater la 5Koil§e tDu^te nur ju ertoibem, ba^ SSureau il^m gefd^abet l§abe, verlief bie Sd^tüefter unb begab ftd^ alsbalb auf baS Dffijialamt, mo er anzeigte, ba^ biefelbe gemeinfd^aft* lid^ mit ben §errn (Sammont unb Sureau SSerfammlungen l^alte, bereu einige er felbft unterbrod^en l^abe. Slud^ an anberen Drten verbreitete er biefe Sügen.

2)er Dffi3ial aber, ber bem 35octor Sureau längft gram toar, be^ fd^Io^ fofort, bie il^m gemad^te 3tnjeige gu einem SSerfal^ren gegen bem felben ju henni^tn. 3)er perfibe ©d^reiber hourbe l§erangejogen unb afö^ balb lief unter bem 5Ramen ber ©uperioren ber Älöfter, in benen Sureau als ©eroiffenSratl^ unb 93eid^tt)ater tl^ätig toax, eine ganje 9ln3al^l t)on Sriefen ein, meldte bem Dffisial anjeigten, ba^ Surea« S^lel^ren prebige unb in ben geiftlid^en §äufem SSermirrung anrid^te. SlllerbingS fam ber S9etrug alsbalb an ben Sag, inbem bie ©uperioren felbft bie ©riefe für gefälfc^t erllärten, fo ba^ 95ureau mit feiner Sert^eibigung feine 3toif) l^atte. Slber bennod^ tourbe bem bigotten Äönig l^interbrad^t, ba^ Sureau als Äe^er erlannt morben fei ; unb biefer lie^ fid^ beftimmen, gegen ben« felben ein SBerbannungSbelret gu erlaffen.

Stad^bem biefeg burd^gefe^t ioctx, glaubte man nun gegen ben $ater Sacombe unb ^au Don ©upon l^ergl^after Dorgel^en gu !önnen; nur l^atte man immer nod^ leinen redeten 3^itel einer änfd^ulbigung beS. erfteren. Sänge fann man barüber nUd^, toie unb auf meld^em SBege auf ben frommen $ater ber ©d^ein Don ©d^ulb unb ©traf barfeit gebrad^t merbcn tonnte. SSon einer bei bem ©eneral beS DrbenS anl^ängig gu mad^enben Älage fear nid^ts ju ertoarten; benn einer Prüfung feiner Sted^tgläubig^ feit fonnte ber 5ßater rul^ig entgegenfel^en. 2)al§er glaubte man benfelben fd^lie^Ud^ nur baburd^ fufpeft mad^en ju fönnen, ba^ man il^n ju einer IReife tjeranla^te, bie dl3 glud^t angefel^en, unb hoeld^e als tl^atfäd^Kd^er ©rroeiS feines böfen ©etoiffenS l^ingeftettt' werben fonnte. Unb biefeS befperate SDlittel, um eine §anbl^abe 5ur SSerfoIgung 3U gewinnen, befd^lo^ man fotoo^l bei ^rau oon ©upon als bei Sacombe in ätntoenbung 3U bringen:

2)er 5ßater la 9Jlotl^e begab pd^ bal^er 3ur ©d^toefter unb ftelltc ber^ felben, fd^einbar in el^rlid^fter Slbfid^'t, oor, ba^ neuerbingS toieber bie ent« fe^lid^ften 2lnjeigen gegen Sacombe eingelaufen toären, toeSl^alb fie bem^ felben ratl^en möd^te, fid^ fd^leunigft oon 5ßariS ju entfernen. 2)ic ©d^mefter anth)ortete, ioenn ftc^ Sacombe ioirflid^ vergangen l^aben fbSte,

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fo ntüffe et aud^ befiraft toerben, unb l^abe bann alfo in ©ebulb .)U ete watien, nm§ ®ott über il^n Derl^ängen toetbe. Sh^^^^ <^ber bat %xau r>on ©upon ben Sruber nochmals, ben 5ßater }um Sr.^bifd^of 3U fül^ren, oor iveld^em berfelbe bod^ h)o§I feine Unfd^ulb leidet würbe bart[;un lönnen. 2)er 93ruber t)erfprad^ btefeS toieberum, unb vtx\pxaä) eg l^ernad^ aud^ bem $ater Sacombe felbft, ber aber bod^ ntd^t erreid^en !onnte, ba^ bag gegebene äSer[pred^en il^m gel^alten iDarb.

S)agc0en erfd^ien la SKotl^e eineä Siageä in größter Slufregung auf bcm gintmer ber ^rau uon ©u^on, lic^. biefelbe [d^Ieunigft l^erbeirufen unb l^ielt il^r im Seifein beS 5Pater8 Sacombe, ben er mitgebrad^t l^atte, t)or, baj er il^r jur fd^leunigften fjlud^t ratl^en muffe, ba fie fd^aubcr« l^after Scrbred^en befd^ulbigt merbe. Sie eble S)ame tourbe Don biefer SRittl^eilung nid^t mel^r berül^rt, al8 menn man il^r „ein SDlä^rlein crjal^It l^ätte, lüaS fie gar nid&t perfönlid^ angelte"; fie ©erfe^te bal^er in il^rer getool^nten SRul^e : ;,95Benn id^ bie SSerbrcd^en, beren man mid^ ^tx^i, h)irl? lid^ Begangen l§abc, fo fann id^ nid^t ftreng genug beftraft werben unb bcSl^alb benfe id^ an feine gfud^t. S)enn hoenn id^, bie id^ mid^ mein Scbelang baju ittanni i^abe, ®otte§ auäfd^Ke^Iid^eS @igentl^um ju fein, mid^ ber ©ottfeligfeit bebtente, um ®ott 3U t)erunel§ren, ^f)m, bcm .id^ mit älufopferung meines SebenS bie Siebe aller 3Kenfd^en erlaufen möd^te, mu^ id^ jum ©trafcyempel bienen unb bie ©träfe mu^ an mir mit äu^erftcr ©trenge ooffjogen werben. Sin id^ aber unfd^ulbig, fo ift eine %lw(i)i wal^rlid^ nid^t ber 2ßeg, meiner Unfd^ulb ©lauben ju tjerfd^affen." 3)er 5ßfaffe mod^te eine fold^e Srllärung erwartet l^aben unb l^atte pd^ bal^er bereits auf eine ®rh)iberung berfelben t)orbereitet. „®ut", antwortete er, ,,2)u hoiUft alfo bem, waS id^ 3)ir fage, nid^t folgen; fo werbe id^ benn fofort jur fjamilie beS 3SormunbeS 35einer Äinber gelten unb toerbe biefelbe über 2llle§ aufflären, bamit biefe 3)id^ }iüingt, meinem Statine ju folgen." Sa SKotl^e entfernte fid^ unb begab ftd^ fofort in ba8 Saug beS SSormunbeS. S)urd^ einen bemfelben nad^gefanbten SSebienten er« ^iclt grau t)on ©u^on l^ierDon Äunbe, toeSl^alb biefe fd^leunigft einen SBagen kommen lie^ unb ftd^ mit bemfelben ebenfalls in baS ^auä beS SSor« munbcs begab. 3)en Sormunb l^atte la SWotl^e nid^t im $aufe getroffen; i^o^er l^atte er fid^ bei ber gerabe anioefenben ©d^wefter beffelben, ber ®öttin eines SRcd^nungSratl^eS (maitre des comptes) ejpeltorirt. 3)iefer aber war ^au uon ©upon oiel 3U tool^lbefannt, als ba^ fie ben fd^änb« Kd^cn SSerläumbungen beS fd^led^ten SruberS l§ätte QUanien f(^enfen lönnen. ©ie ertoiberte bdl[)cr bemfelben: „SBenn SWabame ©u^on bie Sreoel, bie©ie erwähnen, begangen l§aben foff, fo lönnte id^ eben fo gut ^^^ felbft für bie S^äterin l§alten. gür eine ^Jrau, bie fo gelebt l^at,

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tote fic, lanti id^ mit meinem Seben Bürgen. llebrigenS ift bie ©orge* fii^Iagene fjlud^t gar leine gleid^gültige ©ad^e; benn burd^ eine fold^e toürbe fte fid^ in ben Slugen bet SBelt für fd^ulbig erHären." SlIS nun aber la SKotl^e ertoiberte, feine ©d^toefter muffe bennod^ jur glud^t beftimmt toerben, toeil ber ®rj6ifd^of fo tüoUe, unb al§ er auf bie fjrage, tool^in fie fid^ benn begeben folle, ÜKontargiä nannte, fd^öpfte bie grau SSerbad^t unb entgegnete, biefe ganje Sngelegenl^eit mü^te il^rem 33ruber mitgetl^eilt toerben, ber eS tool^l für angemeffen l^alten hjürbe, fid^ lt)egen berfelben 3U bem ®r36ifd^of ju begeben. S)a Derftummte ber 5ßater la 3Kotl^e; bod^ bat er, biefen ©d^ritt nid^t ju ti^un, inbem er felbft 3um ©rjbifd^of gelten rooffte, unb tjerlie^ ba§ Sm^^^f ^^ meldbem ehm %xavL von ©upon angemelbet tourbe. Sa SKotl^e war wütl^enb, alg er fal^, ba^ bie ©d^roefter il^m nad^geeilt h)ar unb feierte aföbalb in ba§ 3iwx^^^ jurüdE, fud^te fid^ l^ier 3U red^tfertigen, t)erh)idEeIte fid^ aber in 3Biberfprüd^e unb lam au§ einer SSerlegenl^eit in bie anbere. ©d^on am näd^ften 3D?orgen lie^ ber SSormunb, hoeld^er bie ©tette eines 5ßarIamentSratl^eg befleibete, ben ßrjbifd^of um eine Slubienj bitten, toeld^e il^m 3ugefagt iüurbe, tüeSl^alb'er fid^ aläbalb in ben er3bifd^öflid^en 5Palaft begab, ^n bem aSor3immer, in toeld^eä ber SBormunb gefül^rt tourbe, fanb er bereits gu feiner größten Ueberrafd^ung ben ^JSater la 3Rot^e t)or, ber über ba§ @rfd^einen be§ ^Parlamentöratl^eS ftd^ nid^t tüenig betroffen 3eigte. ®ä he^ann il^m bange 3U toerben, hoeäl^alb er benfelben bat, ba^ er bie 3lngelegenl^eiten feiner ©d^roefter bei bem ®rjs bifd^of unberührt laffen möd^te, toeil biefeS t)ielmel^r il^m al§ Sruber, obliege. 31I§ ber 5ßarlamentöratl^ ertoiberte, bafe er gerabe biefer ©ad^c toegen um 3lubicn3 gebeten l^abe, fud^te er il^n burd^ bie boSl^afte Sc^ merfung ju berüdfen, er werbe bod^ nod^ roiffen, toaä feine ©d^mefter crft im legten SBinter getl^an l^abe, toomit er auf eine t)on il^m felbft ange3ettelte ßtoiftigleit 3n)ifd^en ber ©d^toefter unb bem SSormunbe an- fpielte. 3)iefer mieS jebod^ bie SSoSl^eit beg Pfaffen mit ber Semerlung jurüdf: „S)iefeS SltteS tjergeffe id^, um mid^ nur ber ^flid^t 3U erinnern, Si^rer ©d^toefter in einer Slngelegenl^eit biefer 3lrt bei3ufte]^en." 3)a bat la SDlotl^e, ba^ er il^n hoenigftenS juerft ju bem Äird^enfürften vox-- laffen möd^te, l^atte aber biefe Sitte faum auSgefprod^en , afö ber ®t3' bifd^of ben ^^5arlamentgratl^ bitten lie|, ba^ er in fein 3'«^«^^^ eintreten möge.

2)er le^tere fprad^ fid^ nun fofort barüber auS, ba^ er oon l^öd^p

befrembenben Slnfd^ulbigungen gegen grau t)on ©u^on gel^ört J^abe, ba|

er biefelbe feit langer 3cit alS eine fel^r tugenbl^afte 3)ame lenne, für

n:en tabellofen SBanbel er mit feinem Seben bürgen fönne, unb ba| er

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Bitten müffc, fd^ rocgcn jcbcn SSerbad^tS, tocld^cn man gegen bic 2)ame l^egc, an \f)n ju tocnben, ba er benfelben ju befettigen im Stanbc fei. 3)er ®r}bifd^of erflärte fid^ fe§r ocrmunbert über ben S^fammeni^ang, in bcm er ben Jiamen ber ^rau t)on ®upon nennen ^öre: benn rool^I iüäre x\)m einiget Siad^t^eilige über einen (Seiftlid^en gefügt raorben, bagegen über bie SDame l^abe er von bem Slngegebenett nid^t baS ®eringfte er« fal^ren. 2)er 5ßar(amentSratl^ ermiberte, ber 5ßater la 3Jlotl^e l^abe il^m gefagt, ba^ ©eine ^o^eit (Grandeur) ber grau oon ®upon ju fliel^en anbefol^Ien l^abe. SlIS nun ber ©rjbifd^of biefc SDlittl^eUung für eine Um wa^rl^eit erflärte, fragte ber ^arlamentSratl^ benfelben, ob er t)ietteid^t bie ©nobe l^aben tooHte, ben im 38or3tmmer t)erh)eilenben $ater la 2Rotl^e l^crcinrufen 5U laffen. 35iefeS gefd^al^, ber ^ater trat ein unb liefe cS atebalb toal^rnel^men , iüie fd^toer il^m fiel, fid§ ju t)ertl^eibigen. ®r entfd^ulbigtc fid^ bamit, bafe er nur toiebererjäl^It, hoaS er t)on bcm ^Pro« Din.üal %ef)'6xt l^abe. 2Bütl^enb t)erliefe la ÜJlotl^e ben er^bifd^öflid^en 5Palaft, um in bem Älofter feinen gorn über Sacombe ju ergiefeen, bcm er bie 3)rol§ung entgegentoarf, bafe er fd^on 3Dlittel ftnbcn werbe, um bic il^m zugefügte Sefd^impfung ju räd^en.

Sltfo roeber grau t)on ©u^on, nod^ ber $ater Sacombe toottten fid^ jur glud^t bereben laffen; bal^cr mufete baS SSerberben beS le^teren (benn auf biefen xoax 5unäd^ft abgefc^en) auf anberem SEBcgc gefud^t werben. 3)cr $ater la 5SRotl^e, ber ^rooinsial unb ber Dffijial Sharon befd^loffen bal^cr eine 35enun3iation, meldte ben später Sacombe als ätn« i^ängcr bcS 9Kolino§ l^inftellte unb il^n ber fd^roerften SSerbred^cn an« fd^ulbigte, unmittelbar an ben Äönig gelangen 3U laffen. 3)iefeö gefd^al^ unb ber Äönig befal^l alöbalb, bafe ber Singefd^ulbigtc für bie näd^fte 3eit ba§ Äloftcr nid^t 3U oerlaffcn l^abe. ^["i^ßff^n ^^^^^ bie geinbe Sa« combe'ä red^t tool^l ein, bafe fte, wenn man ber ©ad^e il^ren rul^igcn Sauf liefe, babci unmöglid^ il^r 3*^^ würben erreid^en fönnen, inbem eine mit Sacombe angeftclltc Unterfud^ung feines ©laubcnS unb feines SebenS tjor« ausfid^tlid^ mit Äonftatirung ber oollfommenftcn 5Dlafellofig!eit bcffelbcn enben toürbe. ^Ran tooHte fid^ bal^cr jc^t an ben von bem Äönige er« laffencn Sefel^l l^altcn; man wollte eine fd^einbare Uebertretiing bejfelben burd^ Sacombe l^erbeifül^ren unb tooUte baburd§ ben S^rn beä ÄönigS gegen il^n l^craufbefd^wören. 35al^er tourbe vox allen 35ingcn befd^loffen, ben oorliegenbcn föniglid^en .Sefel^l bem $ater ju oerl^eimlid^cn.

©0 lam e§, bafe berfelbe nad§ toie vox feines 3(mteS toartete, Seid^te l^örte unb prcbigte. ®a gefd^al^ es, bafe eines 9lad^mittagS bem $atcr bie 9lad^rid^t überbrad^t tourbe, eine feiner Seid^ttöd^ter fei von einem ^ferbe fd^tpcr oerle^t toorben unb oerlangc bei il§m 3U beid^ten. 5Der

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^atet erbat \xi) bälget bie @rIauBm^ beS @upertotd, bem Stufe folgen ju bürfen, etl^telt biefelBe unb Derlie^ aldbalb bad Jtlofter, um )u bet t)erunglü({ten Setd^ttod^ter ju eilen. Aaum aber l^atte er fid^ an^ bem $aufe entfernt, ate ber Dffisial in bemfelben erfd^ien unb nad^ bem $ater Sacombe fragte unb, ba er l^örte, ba^ berfelbe im Jtlofter nid^t }u ftnben, alfo Dielleid^t ju %x(xu x>on ©upon gegangen fei, l^ierüber ein 5Proto!oIl aufnal^m. Sei feiner SRüdEfel^r erful^r Sacombe, ba^ toö^renb feiner Slbtoefenl^eit ber Dfftjial im Älofter getoefen fei unb il^n 3U fpred^en getoünfd^t l^abe. ®em 5ßater toar biefes im l^öd^ften ®robe fatal, unb obfd^on er oon bem S3efel^l be§ Aönigä, ber il^n jur ^laufur oerurtl^eilt l^atte, nid^tä tou|te, fo befd^lo^ er bod^, fid^ oon je^t an aus bem Älofter gar nid^t mel^r ju entfernen, inbem cS il^m flar mürbe, ba^ mon etrooS gegen il^n im ©d^ilbe fül^re. 3lnbcrerfeit§ fagten fid^ feine fjcinbc, baj mit ber 5Rad^meifung be3 erften angeblid^en SBetretungöfatteS nid^t oiel an« jufangen fei, benn Sacombe l^atte ja baS Älofter mit SSortoiffen feine« ©uperiorS oerlaffen. 3)al§er Itjurbe je^t ein anberer Subenftreid^ in ©cene gefegt.

.. ®g h)ar oereinbart toorben, ba§ am frül^en 3)lorgen eines gemiffen 2:ageS ber Dffiiial inS Älofter tommen fottte. älS il^n la ÜRot^e fommcn fal^, ertl^eilte er bem 5ßater Sacombe ben SBefel^l, alsbalb in bie Äird^e ^^u gelten unb 9Weffe ju lefen, meld^er Sefel^l bem ^JJater barum im l^öd^ften Orabe auffiel, toeil bie Sleil^e 3um 5Keffelefen gar nid^t an il^m' toar. Sei feinem (Eintritt inS Älofter, fragte ber Dffijial nad^ So^ combe, ber nid^t ^u ftnben mar. S)iefer l^atte jebod^ feine 9Keffe fo jeitig beenbigt, ba^ er, aus ber Äird^e in baS Älofter jurüdfgefel^rt, nod^ ge* ioal^ren lonnte, ioie ber Dfftjial baS Älofter »erliefe, ^m l^öd^ften ®rabe betroffen, fragte Sacombe ben ©uperior: „^od^mürbiger Sater, toiHman mir ei):oa eine gaffe fteffen? 3d^ fel^e foeben $crrn ®aron meggcl^en?" Sa SWot^e crmiberte, ber Dffijial l^abe nur i^n felbft fpred^en tooffen; auf bie fjrage, ob er aud^ ben später Sacombe ju feigen münfd^e, l^abe berfelbe oerneinenb geantwortet. Slber bennod^ l§atte ber Dffijial ioäl^renb feines furjen 5Korgenbefud^eS im Älofter ein jmeiteS ^rotoloff aufge« nommen, in toeld^em bocumentirt mar, toie ber „?ßater Sacombe pd^ ben Sefcl^len feiner SJlajeftät bermafeen miberfe^e, bafe man i§n abermals nid^t ju §aufe getroffen."

9lid^t lange nad^l^er fa^ Sacombe aus bem fjenftcr feiner ftlofter*

jeffe, bafe ber Dffi3ial jum brittenmale in baS ^auS fam. ®r verlangte

fofort il^n 3U fpred^en, toaS il^m jebod^ mit bem Sebeuten oertoeigert

tourbe, bafe ber $err ©efd^äfte mit bem ©uperior 3U erlebigen l^abe.

®ben bamals oerioeilte grau oon ©u^on im Seid^tftu^l, i^reS

297

©cdenfül^tetS l^artcnb. S)ctfcI6c lam au^ balb unb tl^ciltc il^t mit, bo^ er fcl^r Bcfütd^tc baS Dpfcr t)on Sntttgucn ju njctben, inbcm bcr Dffistal im RIoftcr fei unb man il^m bod^ Icinc Unten cbung mit bem* felbcn gcftattcn wollte. Unb aUcrbingS rourbe, getabe als grau von @u9on mit bem ?Pater fprad^, bon bem Dffijial ein brittcS, ben später Betreff enbeS^rotoIott aufgenommen, worin berfelBe Beurfunbete, ba^ er ben ^ater nun brei Derfd^iebene 5DlaIe im Ungel^orfam gegen beS Äönigä Sefel;l Betroffen l^aBe.

fjrau uon (Supon l^örte l^ieroon, lie^ bal^er ben 5ßater be la 3Rotl^e aläbalb 3U fx^ rufen unb forberte benfelBen gerabeju auf, fi<i^ fernerl^in nid^t an feinbfeligen Unternel^mungen gegen ben $ater SacomBe ju Be« tl^eiligen. ©ie l^ielt il^m vox, ba^ er fid^ ja felBft Bei i^r ote einen vertrauten ^eunb beS Dffißiafö Bejeid^net l^aBe; offenBar aBer fei je^t zt}[üa^ §eimtüdfifd^eö gegen SacomBe im SBerle. Sa 5Kotl^e erroiberte ber ©d^tücfter, ber Dffijial fei lebiglid^ um il^n felBft ju fpred^en in*S Äloftcr gelommen; oon SacomBe fei gar nid^t bie SRebe getüefen. 9?atürlid^ tou^te aBer grau oon ®upon nun erft red^t, h)ie rool^IBegrünbet il^rc Seforgniffe toaren. ©ie rietl^ bal^er il^rem ©eelenfül^rer, fid^ oon bem Dffijial f d^riftlid^ biejenige ®nabe 3U erbitten, bie man aud^ bem größten SBcrBred^er nid^t oerfage, nämlid^, i^n anjul^ören, meSl^alB er ben Dffijial erfud^en möd^te, in baS filofter ju fommcn unb il^n jur SRed^enfd^oft oor fid^ ju forbern.

SacomBe entfd^Io^ fid^, bem treuen Statine 3U folgen, fe|te im ©inne beffelBen einen an ben Dffijial gerid^teten Srief auf, meldten grau oon (Supon an benfelBen Beforgen lie^ unb biefer anttoortete, ba^ er fid^ un* . fel^IBar nod^ am 9lad^mittage beffelBen 2^ageS in bem Äloftcr einfinben tocrbe.

UnglüdEKd^erioeife Befiel jebod^ ben $Pater SacomBe alsBalb eine Sin« ioanblung oon SReue barüBer, ba^ er biefeS ©d^reiBen o§ne ®enel§migung feines ©uperiorS l^atte aBfenben laffen, toeS^alB er fid^ Beeilte, biefem l^ieroon felBft 5Rad^rid^t ju geBen. ©iligft fanbte nun la SKotl^e jtoei ©eiftlid^e 3um Dffijial, um burd^ beren Sorftellungen baS ©rfud^en beS 5ßaterS unmirifam 3U mad^en. grau oon ©upon toar gerabe auf bem SBege in ba§ ^auQ , toeld^eS fie gemietl§et l^atte , als fie ben Beiben (il^r tool^lBelannten) ©eiftlid^en Begegnete, ©ofort fagte fie fid^, ba^ beren äBfenbung 3um Dffi3ial mit ben gegen SacomBe gerid^tcten gntriguen in 3wf<^"^wtenl§ang ftel^e. ©ie BegaB fid^ bal^er alsBalb ju SacomBe ju^ rüdt unb l^atte Don bemfclBen ben ©ad§oerl§alt faum erjäl^lt erl^alten, als la 5IRotl^e mit ber ®r!lärung in bie 3«tte l^ereintrat, ba^ bie Ba^e eine anbere 28enbung genommen l§aBe unb ber Dffi3ial ntd^t erfd^einen ioerbe.

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Sa äJlotl^e l^atte dbex gegen ben frommen, tteul^erjigen Sruber nod^ ^arti anbete SJinge im ©d^ilbe. 2)a bie Xf^ai^aä^e breimaliger Uebcr^ Iretung beS Iöntglt(j^en Sefcl^lcS bolumcntirt Dorlag unb ba ber 5Ptos t)injial anä) au§ ©aDopen mtttelft gefälfd^ter ^Papiere ein ertoünfd^tcS SWatertal 3ur SSerbäd^tigung SacomBe'S l^erbeigcfd^afft l^atte, fo glaubte berfelbe nun im SScft^e ber ?Dlittel ju fein, toeld^e jur Sefriebigung feiner SoSl^eit erforberliid^ waren. Siur ®inä lonnte l^terbei tjieUeid^t atte feine fo forgfältig auggefponnenen 5ßläne fd^Kefelid^ bur(i^freu3en. $Pater Sacombe toar nömfid^ in 9lom megen feiner SHed^tgläubigfeit in^ quifitorifd^ oemommen morben. ®abei l^atte eS fid^ l^erauggejiellt, ba^ bie gegen il§n eingelaufenen 2)enun}iationen oöllig grunbloS ioaren, unb waren il^m barüber amtlid^e ßertifilate ausgefertigt toorbcn. Scgtc nun ber ^JJater biefe il^m t)on bem oberften ®Iauben§tribunaI ber Äird^e auSgefteHten 3^wgniffe oor, fo toaren bamit atte SSerbäd^tigungen, bie man in $arig gegen il^n oorbrad^te, ol^ne SBeitereg 3U 33oben gefd^lagen. 5Kit fd^Iangenl^after §interKft unb ©lei^nerei fagte bal^er la 5!Rotl^e ju bem 5ßater: „3[d^ toei^, mein SSater, ba^ ©ie oon ber 3nquijttion unb ber l^eiligen Kongregation ber Stiten B^wgniffe unb ba^ ©ie von bem ßarbinalsfotteg eine 2lpprobation Sl^rer Sfted^tgläubigfeit empfangen l^abcn. 3)iefe 2lftenftüdEe unterliegen feinem SBiberfprud^ unb fd^ü|en ^^xe ^JJerfon. S)a 3l^re 9led§tgläubig!eit in Stom anerfannt toorben ift, fo l^at ein bloßer Dfpjial über biefelbe nid^tö mel^r ju fagen, meSl^alb eS mit lieb toäre, oon biefen ^Papieren @infid^t nel^men ju lönnen." 3)er ©uperior fprad^ biefe SBorte mit bem SluSbrurfe ber aufrid^tigften ^iJ^eil- nal^me an bem SBol^lergel^en beg 5ßaterS, ber, in ber 5!Reinung, ba^ ber ©uperior bie fraglid^en ^Papiere in feinem Qntereffe bei bem il^m befreun- beten Dffijial benu^en mottte, biefelben l^erbeil^olte unb fie im Seifein ber %xa\x von ©upon bem ©uperior übergab. S)iefer fd^ieb von bem 5ßater mit bem Sluäbrudfe ber größten ^erjlid^Ieit, aber feine Rapiere belam berfelbe nie toieber ju feigen. SBenn er fie oon la 3Jlot]^e jurüi* begel^rte, fo erllärte berfelbe, ba^ er fte bem Dffijial bel^änbigt §a6c, unb biefer oerfid^erte, ba^ il^m bie ^Papiere nie ju ©efid^t gelommen loären. Salb toar bal^er oon benfelben leine SRebe mel^r.

hiermit mar nun 2ltte§ beftenö oorbcreitet, um ben lange geplanten ©d^Iag gegen Sacombe 3ur Slugfül^rung 3U bringen. 3)er 5Prot)iti)iaf lie^ ben 2lbb6, ber einft ©ro^oifar beS S3ifd^of§ oon 3Sercctti getoefen unb oon biefem entlaffen toorben mar*), nad^ ^aris lommen unb bur$ benfelben über Sacombe bie gemiffenlofeften ßcugenauSfagen mad^en.

*) Stelle oben ©. 238.

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3iuö) legte bcrfelBe ftngtrte 5ßrotofoIle Dor, bie er (ol^ne Unterfd^riften) m^ ©a»09^n mitgebrad^t l^aben h)ottte unb toeld^e fd^etnbar bic fd^iüerften Sefd^ulbigungcn Sacombe'S bocumentirten. 3)ie ongeblid^e Uebertrctung beö fönigltci^en Sefel^IeS tourbc bem Äönig protofoHarifd^ nad^getoicfen, bem man au^erbcm bie 5Dleinung Beijubringen tou^te, ba^ Sacombe ein gefä^rlid^er unrul^iget Äopf fei, ein Äe^er ber BebenlHd^ften Slrt, ber in ben fiünften ber Selel^rung unb SSerfül^rung iüie laum ein anberer ge^ f(|i(ft fei. Sa^er erlief ber Äönig ol^ne SBeitereS ben SSerl^aftSbefel^l, nad^ toeld^em Sacombe am 3. DItoBer 1687, alä er mit ben DrbenS^ Brübern gerabe bie SKittagSma^Ijeit einnal^m, im Flamen beö ÄönigS aufgel^oben unb in ba§ ßlofter ber Pöres de la doqtrine chr6tienne ah geführt h)urbe.

SDie etfte @inf etfetung bet ^tau i^on ®u9on.

2)en frommen, liebeSinnigen, treuen DrbenSmann, ben 2lffe, bie i^m nal^e gefommen waren, al§ einen Sfraeliter o^ne §alfd^ lannten, bem fo fii^tioer gefatten mar, bie Soäl^eit feiner ^einbe ju glauben, Italien biefelbcn alfo nun in il^ren Tratten, ©ie l^atten il^n au§ ber S^eil^eit be§ £e6en§ l^inmeggeriffen unb in ben Serfer gefd^teppt, h)0 iN nimmer ©rlöfung Serben fottte.

3" bem großen, leiten Greife begeifterter SSerel^rer, ber fid^ um ien gefeierten §Prebiger, um ben treuen Seid^toater, um ben toeifen 9lat§ unb §elfer in aller 9lotl^ gefammelt l^atte, erbeBten bie ^er^en, alg man ^ön ber an il^m begangenen ©eroalttl^at l^örte. Unter ben SSielen aber, ^ie um il^n tiefeä Seib trugen, jammerte 9iiemanb fo fel^r aU %xa\i oon ®ui)on, oBfd^on biefelBe längft oorauggefel^en, ba^ enblid^ nod^ fo lommen. toürbe, roie nun gefommen mar. 9Ku^te eS il^r bod^ je^t ^^ fo Karer iüerben, ba^ bie Soäl^eit beg Sruberä unb ber Reifer beä^ Wben nid^t efier rul^en mürbe, bis man aud^ il^r baffelBe Sd^idEfal Be- teitet ^ätte, von meld^em jje^t ba3 SeBen SacomBe*§ Derfd^Iungen hjar! 5tu^ «erlangte ber 5ßater la 5Wot]§e je^t ftürmifd^ t)on il^r, ba^ fie ftd^, ^^ nid^t in bie ^a^e Sacombe'S oertoiäelt ju merben, fd^leunigft oon ?wi§ entfernen unb ftd^ nad^ 5Kontargi§ in bie tieffte aSerborgen^eit ju* ^tidfjie^cn fottte. 2lfe- fte biefen tüdfifd^en Sflat^ na<l^ hoie t)or auf baä Sntfd^iebenfte jurüdttoieS, trat ber Sruber mit bem feltfamen Slnfinnen ^" f^e l^eran, ba^ fie i^n, um fid^ gegen möglid^e SBiberroärtigfeiten 3U

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fidlem; ju il^rem geiftlid^en %ixf)xet annehmen tttod^te, tt>o6et berfelbe, al§ et ben begreifUd^en !B3tberh)tIIen ber ©d^loefter loal^mal^m, bie ^öl^nif^e Scmerfung l^inroarf: „®anj 5ßari3 toci^ frcUid^, ba^ 3)u !ctn Vertrauen )u mir l^aft." 3f^au pon ©u^on lonnte bcn Stuber toegcn feines SlttftnncnS nur bemitleiben.

3)iefer aber Iie|, ba er ftd^ um ben ^öter Sacombe leine ©orgcn mel§r ju mad^en l§atte, nun feinem ^affe gegen bie ©d^toefter ben freieften Sauf. Ueberatt fprad^ ber ©d^änbfid^e r>on unerl^örten Vergeltungen, bie feiner ©d^toefter in leiber fel^r glaubl^after SBeife jur Saft gelegt rotirben, l^eud^elte babei bie größte Siebe unb aSerel^rung für biefelbe, bie ftd^ burd^ i§re*unabläffigen Erbitten für Sacombe immer me|r fufpect mad^e, unb tjerfid^erte l^od^ unb tl^euer, er bürfe nur bann boffen, bie' gelieBte ©d^wefter t)or bem ©d^Kmmften, xoa^ \f)v brol§e, retten ju lönnen, roetm fid^ bicfclbe als feine Seid^ttod^ter il^m anvertraue. S)ie folgen biefeS ©erebeS waren, ba^ äffe ©iejenigen, meldte bem ?ßater la 3Rotl^e SScr« trauen fd^enlten, btc ©d^toefter beffelben, ber er bod^ unmöglid^ feinb fein fonnte, aU eine verirrte, l^öd^ft bebenlfid^e unb von Sled^tätoegen unfd^äbs lid^ 3U mad^enbe ^erfon anfallen, bie ®ott nid^t genug bafür banfen lönne, ba^ ber Sruber, ein angefel^ener unb einflu^reid^er DrDenSmonn, il^r feine ©eelenfül^rung unb feinen ©d^u| angebeil^en laffen toolltc. 5RamentHd^ toar biefeg in äffen Samabitenflöftem ^anfreid^ä, tool^in ber ?Pater la 3Roif)e feine Sriefe gefd^iät l^atte, fel§r balb baS l^errfd^enbe Urt^eil. fjrau t)on ©u^on erl^ielt bal^er au§ mel^reren berfelben bie beleibigenbftcn Sriefe, in benen il^r furjtoeg gefagt tourbe, ba^ fic verloren fein würbe, t&enn fie länger Sebenfen trage, ben später la SWoll^e als il^ren ®cs miffenäratl^ anjunel^men. Slud^ aus anberen Äreifen erl^ielt fie äl^nli^e Sufd^riften. Sine 9lonne ermal^nte fte fogar, aus ber 9iotl^ eine S^ugenb ju mad^en, meil fie il§reS Unterganges geroi^ fein lönnte, toenn fie fiii ber ©eelenfül^rung il^reS SSruberS entsiel^en tooffte* S3on mand^en ©eiten tourbe il^r aud^ geratl^en (maS bie eble S)ame am meiften empörte), fi^ ber geiftlid^en Seilung beS SruberS nur 3um ©d^cin 3U untertocrfen.

Q^bm bamals erfolgte ber erfte ©d^Iag, ben bie l^ierard^ifd^e Slutorität ber latl^olifd^en Ätrd^e gegen grau von ©ugon fül^rte, inbem ber Sifd^of von ®enf unter bem 4. Slooember 1687 ein 5PaftoraIfd^rci6en erliefe, tworin er bie ©d^riften beS 3KoIinoS, Sacombe'S, galconi'S, 3JtaIa* val'S unb ber %xa\i von ©upon bie in ber ©enfer SJiöcefe in jo^I- reid^en Stbfd^riften curftrten anatl^ematiftrte*). ©tatt beren fofften bie

*) «bßebrutft in ber Vie d'Aranthon, 6. 622 ff.

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5ßfarrcr tl^rcn ^ßatod^iancn ©d^tiftcn ©ranaba'S unb bcS %t<xni oon ©alcd in bic §anb geben!

2Bie mit @mem Sd^lage toar urplö^lid^ bte Sage ber %vau von ©upon in ^ari§ eiife anbere geworben; fie ^af), ba^ fie auf bic Sangen ber iBeute ge!ommen iüar. ©ie mu^te l^örcn, ba^ jte ber Äe^erci, ber ©ottegläfterung , ber ^eud^elei unb S3odl^eit befd^ulbigt roarb) unb ba^ man il^r ^etjel jur Saft legte, bie fie nod^ gar nid^t gelaunt l^atte. ©elbft in ber Äird^e fanten il^r Sleufeerungen beS ©potteS unb ber SSer^ a(i^tung ju ®e^ör. ©inmal begegnete i^r fogar, ba^ fie einen ^riefter fagen ^örte, man foffte fie jur Äird^e l^inauSiüerfen; unb ber ©ruber mar fo liebreid^ il^r mitjutl^eilen, ba^ aUe biefe @erüd^te bereits aud^ bem ©rjbifd^of l^interbrad^t lt)ären.

günf ober fed^S 2^age fpäter als ber $ßater la 3Rot]^e bicfeS ge^ äußert l^atte, fam ein ber grau t)on ©u^on fel^r ergebenes junges SKäbd^en in baS $auS beS ©d^reiberS ©autier. Scrfelbe mar gerabe ausgegangen; nur fein Heiner Änabe toar 5U §aufe, toeld^er bem 5IJläbd^en jurief: „®S giebt fd^öne Sleuigleiten, mein SSater ift jum $errn ©rj« bifd^of gegangen, um bemfelben Rapiere ju überbringen." Äurj nad^« l^er erful^r ijrau t)on ©upon, ba^ bem (Srsbifd^of ein Serid^t über bie ©erüd^te, beren ber 33ruber bei il^r gebadet l^atte, eingefanbt toorbcn fei.

SereitS mar baS ©efd^iä ber ebeln 2)ame entfd^ieben. S^e fid^ baffelbe jebod^ »olljog, foffte fie nod^ bie ©enugtl^uung l^aben 5U er« fal^rcn, toeld^er fauberen ^ßerfönlid^Ieiten fid^ ber ©ruber unb il^re anberen geinbe jur §erbeifül^rung il^reS SerberbenS bebienten.

3mei aus Sijon nad^ ^ßaris gelommene Äaufleute erjä^Iten von einer fd^ted^ten grauenSperfon, meldte, nad^bem fie auS bem Älofter ber bußfertigen grauen 3U ^Dijon entflol^en, ftd^ in ?ßariS oerl^eiratl^et l^abe. SDiefelbe l^abe 3U Spon baS ©ilbermerf einer Srüberfd^aft entmenbet, unb anberSmo l^abe man an einem verrufenen Drte il^r baS ©efid^t ent« fteffen motten. 2)a nun grau oon ©upon frül^erl^in bie grau ©autier . ^atte fagen Igoren, baß fte el^ebem in Spon gemol^nt l^abe, fo fd^öpfte fie 3Serbad^t, ging ber ©ad^e nad^ unb ermittelte, baß grau ©autier toirflid^ bie ^Perfon toar, von beren frül^erem Sebcn il§r bie Äaufleute aus Sijon ersäl^It l^atten. 5rtatürlid^ oerfel^Ite fie nid^t, bem ©ruber oon biefer fd^önen ßntbedfung SWittl^eilung 3U mad^en. 2)iefer aber erllärte, als bie ©d^tüefter mit il^rer 6r3äl^Iung beginnen tooffte, Iur3toeg, baß er fid^ fold^e Unterhaltungen »erbitte.

3Kit ©eftür3ung überzeugte fid^ aber la SWotl^e, baß eS bie l^öd^fte Seit fei ftd^ ber ©d^tpefter 3U bemäd^tigen unb fte unfd^äblid^ ju mad^en, inbem 3U befürd^ten lt>ar, baß fie eben jje^t einen ©d^ritt tl^un toürbe,

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ber £acomBc*S Slcd^tglöuBiglcit unb bic 3l\ä)ii%Uit affer gegen i^n er^ pöbelten Slnfd^ulbigungen in*8 ^^fffte Sid^t fteffte unb am ®nbe nod^ alle il^re, gegen biefen unb gegen bie ©d^roefter gerichteten Slnfd^Iäge ein für affental ju nid^te mad^en iönnte. Tlan ^bxte mml\(S), ba^ %ia\x uon ©u^on, um ben spater Sacombe, ber injiüifd^en, nad^bem man x^n in bcm Älofter jedesmal verhört l^atte, auf Sefe^I beS Äönigä in bie Saftiffe ge- worfen toar, aus bem ©efängni^ ju befreien, fid^ an bie Sfnqutfition ju SRom geroanbt unb fid^ bafelbft Slbfd^riften ber bem ?Pater auSgeftettten 3eugnifj'e erbeten l^atte. Äamen biefe 5ßapiere in bie §anb ber %ioxi t)on ©u^on, unb mad^te biefelbe uon i^nen ben erforberlid^en (Sebraut^, fo toar (baran lonnte man nid^t jtoeifeln) äffeS Dorbei. Sa^er mu^te jeftt enblid^ ber lange vorbereitete le|te ©d^Iag gegen ^au von (Su^on gefül^rt werben. SKan fteffte bem Könige dov, biefelbe fei eine ße^erin, unterhalte mit SDloIinoä einen lebl^aften Sriefloed^fel, fie ^^be ein fe^t gefäl^rlid^eä SSud^ uerfafet unb l^alte. (gefe^toibrige) gel^eime Serfamm« lungen, weSl^alb eS ^^d^nötl^tg fei, biefe gefäl^Iid^e ^rau in ein filofter 3U bringen unb fie gegen jeben SSerlel^r abjufperren, bamit man mit ber« felben eine 3U fidleren ©rgebniffen fü^renbe Unterfud^ung öome^men lönne. Um aber für biefe änfd^ulbigung einen fd^einbaren 9Jad^h)eiS liefern ju fönnen, l^atte man fxä) nod^ 3U bem SSubenftreid^ entfd^Ioffcn, burd& ben ©d^reiber ©autier, mit tl^unlid^fter 5Rad^a]^mung ber §aiibfd^rift ber ^au x)on ©u^on, einen S5rief anfertigen 3U laffen, ber fd^einbar Don biefer felbft gefd^rieben loat, obmo^l beren 9lamenSunterfd^rift fel^lte. 5Kit biefem ©riefe l^atte eS foIgenbeS Setoenben:

Seit einiger 3^^^ ^^tte fid^ bei grau oon ©upon jumeilen ein ©eiftlid^er tom Drben ber SWinimi fe^en laffen, ber getoöl^nlid^ im Sluf- trage mehrerer berfelben befreunbeten Älofterfrauen 3U il^r lam. S)icfcä iDu^te man; ber $ater la üJtotl^e l^atte fie aud^ nad^ bem Flamen beS ©eiftUd^en gefragt, ben fie fid^ aber nid^t einmal gcmerft l^atte. auf biefen Sßerlel^r ber ^ame mit einem 5Priefter Dom Drben ber 3Rinimi fu^enb, Ke^ man nun burd^ ben ©d^reiber ©autier einen, ©rief an einen ©eiftlid^en biefeä DrbenS fd^reiben, ben man ^ßater granjiSluS nannte. Ser Srief tourbe t)om 30. Dctober batirt unb toar fo eingerid^tet, oIS ob grau Don ©u^on auf ber place royale 3U 5ßariä tool^nte. 3*^ bem Sriefe lie^ man fie nun fagen, ba^ fie il^re geheimen SSerfammlungen in il^rem ^aufe aufgegeben l^ätte, toeil il^r aufgelouert toürbe; man Ke^ jte von großen planen fpred^en, bie fie uorl^ätte, von benen fie aber be« fürd^te, ba^ fxe toegen ber ©efangenfd&aft beö 5PaterS Sacombe nid^t jur SluSfül^rung fommen lönnten, 3^^^ SSerfammlungen werbe fie fernerhin

303

in bcn unb ben Käufern entfernt Kegenber ©trafen, mit ben unb ben 5ßerfonen gölten (toeld^c fie gar nid^t fannte) u. f. ro.

21I§ biefer S3rief bem Äönig vorgelegt loar, erlief berfelbe bcn 95e« fc^I in fofortiger ®inlerferung ber S)ame.

SSBennfd^on längft auf einen fold^en ©d^Iag gefaxt, fül^Ite f\ä) hoi) %xan von ©u^on, alä il^r ber Sefe^ beS Äönigä mitgetl^eilt tourbe, toic x>om 3)onner gerül^rt. ©ie verfiel alsbalb in eine fd^toere Äranfi^eit, foba^ il^re Slbfüi^rung einftloeilen ausgefegt loerben mu^te. 3Som ^eftigften lieber befallen, erlitt fie fünf 3Sod^en lang bie unerl^örteften ©d^merjen. 9Ran glaubte, fie l^abe ein ©efd^toür im Äopfe; baju ftettten fx(f) nod^ bebenllid^e Sruftleiben mit bem l^eftigften Ruften ein. 3n)eimal lic^ fie fid^ in biefer ©d^merjen§3eit baS l^eil. Slbenbmal^I reid^en, inbem jic beibemale glaubte, ba^ il^re 3luf löfung unmittelbar beoorftel^e.

2)a l^örte la SDlotl^e ju feinem größten ®ntfe^en, ba^ bie gefürd^teten ^Papiere t)on SRom burd^ SSermittelung eines ^eunbeS ber ©d^toefter wirllid^ in beren §anb gefommcn tpären. SEBieberum ftanb nun Sllleä auf bem ©piel.

3Bie eine ©d^Iange fd^Iid^ fid^ bal^er.ber 5ßfaffe in baS 3*"^^^ unb on ba§ Sett ber im elenbeften 3wftanb barnieberliegenben ©d^roefter, fprad^ fein tieffteS Sebauem über il^re fo fd^mere ©rfranlung au§ unb fragte fie nebenbei, ob fie benn mirflid^, hjie man fage, im Sefi^e von ^Papieren fei, bie jur ööttigen ®ntlaftung beS ju feinem größten Seib* toefcn eingelerlerten 5ßater§ Sacombe, feines tl^euern DrbenSbruberS, bienen lönnten. ®r fe^te l^inju, eS fei bem Äönige l^interbrad^t morben, (h)aS afferbingS gefd^el^en mar), ba^ ftd^ Sacombe ber ;3'^quifition ent« 3ogen l^abe. Äönnte man alfo bem Äönig bie 3ßwgniffe ber 3nquifition vorlegen, fo mürbe Sacombe fofort an^ feiner $aft entlaffen toerben; tocäl^alb er fie bringenb UtUn muffe, biefe fo mid^tigen Rapiere ja nid^t in anbere §än\>e fommen 3U laffen, fonbern fie il^m an3Ut)ertrauem grau t)on ©upon, bie ben Sruber fd^on fannte, erllärte einfad^, ba^ fie leine Rapiere l^abe. 2lttein fo leidet rooffte ftd^' la SJlotl^e nid^t abfertigeit laffen. 6r erroiberte rafd^ : „3[d^ toei^, ba^ S)u 3ßwgniffe ber Qnquifition über Sacombe befi^eft; millft 3)u fie mir alfo nid^t geben, fo ift bie ©ad^e abgetl^an." ®iner fo beftimmten ©rllärung gegenüber »ermod^te fjrau oon ©u^on bie SKal^rl^eit nid^t länger .3U oerläugnen; fie lie^ eS ben Sruber merfen, ba^ fie bie 5ßapiere roirflid^ l^atte, ber nun, fort* tüäl^renb bie freunbfd^aftlid^fte S^l^eilnal^me für Sacombe l^eud^elnb, als bie ©d^hjefter erflärte, bie Rapiere nid^t l^erauSgeben 3U n)otten, toie im ©efü^le bes tiefften ©d^merjeS ausrief: „SSBie, 2)u toiOft alfo bie IXrfad^e beS SBerberbenS beS guten $aterS Sacombe fein, ba eS in S)einer $anb

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fielet, il^n aus bcmfcIBen ju retten!" 5Da füllte fid^ bie Äronfe, bie fortroäl^renb von bcn cntfe^Iid^ften ©d^merjcn gepeinigt unb in größter ©d^toäd^e barnieberliegenb , il^rer ©inne laum mäd^tig toax, üBertoältigt. ©ie lie^ bal&er bie Rapiere fud^en unb übergab biefelben bent falfd^en Sruber, ber biefelben fofort an fid^ na^m unb baS S^^^^^ »erlief.

Unmittelbar barauf melbete ftd^ bei %xau t)on ©upon eine 5ßagc beS ©efanbten von Xmin an, ber im 3tufttage feines §erm um gütige äuö^ ^änbigung ber ben 5ßater Sacombe betreff enben $ßapiere bat, inbem bct ©efanbte eben je^t von benfelben ben beften ©ebraud^ mad^en fönntc. grau oon ©u^on fragte ben 5Pagen, ob er nid^t beim §ereiutreten in baS $auS 3h}ei 9leligiofen l^ätte l^inauSgel^en feigen. äl(S ber $age 6e« jal^enb anthjortete, fagte fie 3U bemfelben, fte 5^be bie gemünfd^ten 5ßapiere foeben bem älteren ber beiben geiftlid^en §errn übergeben, Don bem er pe leidet toerbe erl^alten lönnen. 3)er $age eilte alfo ben beiben ©eiftUd^en nad^, erreid^te fie aud^ unb erfud^te ben $ater la 5Kot^c im Sluftrage ber grau t)on ®ut)on um gefällige 3luSl^änbigung ber ^Papiere. SlHein bie 3lntn)ort la 3Jlot^e'S lautete : er l^abe leine ben ^ater Sacombe betreff enbß ^Papiere; feiner ©d^toefter möge mol^I im Äopfe fpufcn, ba^ fie ftd^ fold^e 2)inge einbilben lönne. 35iefe Steu^erung la SWot^c'ä l^interbrad^te ber $age fofort ber grau oon ©upon, bie nun mit ®ntfe§cn toa^rnal^m, h^aS gefd^el^en loar.

SSon ©tunb an toar eS il^r, als ob ftd^ bie ^öQe aufgetl^an ^abe, um atte nur erbenflid^e ^ein unb Dual über fie auS3ugie^en. 3)er ^^Satet la ÜJlotl^e, ber j|c|t feine SSeranlaffung mel^r fal^, ber unglüilici^cn ©d^toefter gegenüber irgenb ioeld^e SlüdEfid^t ju nel^men, lie^ mit ©inem« male bie 3?JaSfe falleh unb erftärte, ba^ man nur il^re ©enefung aB- toarte, um fie bann fofort in ben Äerler abfül^ren 3U laffen. Sei allen feinen SSelannten ftreute er bie entfe|(id^jien ©erüd^te über bie ©d^toeftct aus, über bie er bei feinen Srübern nod^ baju bittere Älage fül^rte, ba^ il^m biefelbe lein Vertrauen fd^enlte, toeSl^alb fie oon ben Srübem la SWot^e'S bie beleibigenbften Sriefe jugefanbt erl^ielt. S)er ®ine nannte pe ein l^od^mütl^igeS Ungeheuer, baS j|e|t für feine 35erbred^en ben t)er« bienten Sol^n empfange unb rietl^ il^r, 3U il^rer SRettung fid^ ber ©cclen« fül^rung beS ^aterS la 3Kotl^e gu überlaffen; ber Slnbere fd^rieb il^r, fte fei eine SBal^nfinnige, bie man binben, eine ©d^laffüd^tige, bie man aufrütteln muffe. 35abei mu^te fie eS toal^rnel^men, roie gar 35iele, bie frül^erl^in il^ren 38erlel^r gefud^t l^atten, ftd^ jje^t oon il^r burd^auS fem l^ielten unb jebe S5e3iel^ung 3U il^r bei 2lnberen in Slbrebe ftellten, wäl^renb il^re SßJiberfad^er frol^lotften unb fid^ nun offen unb ol^ne ©d^cu in $ol^n unb ©pott über fte ausliefen. Ueberall in 5ßariS erjäl^tte man

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ftd^ bte feltf amjlen 3Rärd^en, in benen t^au von ®xcgon aU Srjle^erin, al§ 3^^^^^/ ^^^ ^i^^ ^erfon* doS Sug unb Xrug, bte il^r Seben mit ben ärgften SSetgel^ungen Befledt f)aie, l^ingeftellt xoaxi.

3n3toifd^en l^atte la ÜRotl^e tDal^rgenommen , ba^ bie aDmäl^Iige ®e? ncfung ber ©d^rocftcr bte SIBfül^rutxg berfclbctt in baS ©efängni^ ermögs Rd^e. 3"i>cff^/ ^5^ WeS gcfd^a^, mu^tc not^toenbig, wenn ber 3toccl ber SBerl^aftuttg ertcid^t tDetben fottte, eine neue Sliebcrlräd^tigfeit auSge^ fül^tt toerben.

9Ran tooHte %x<m »on ©upon leintet ©d^Io^ unb SRtegcI bringen, bontit man in ber mit i^r an3ufteEenben tlnterfud^ung gerabe baS l^erauS^ Bringen fonnte, toaS man herausbringen toollte, nämlid^ fd^einbare 2l^at« f ad^Iid^Ieiten , auf ®runb bercn ein i^r ganjeS Seben Dernid^tenbe§ Urt^eil gefällt werben fonnte. 3Hs baS bebeutenbfte SeroeiSmittel, meld^eS man gegen fjrau t)on ©u^on jur Slnwenbung ju bringen gebadete, fal^ man nun ben bem Äßnig tjorgelegten ftngtrtcn Sricf oom 30. Dctobcr an. 3n bemfelben loar eine SReil^e t)on ?ßerfönfid^feiten genannt, mit benen fic ongeblid^ Serfammlungen ju l^altcn pflegte. Unmöglid^ burfte man eS nun bal^in fommen laffen, ba^ biefelben als S^^S^ aufgeboten tourben. atm SKorgen eines unb beffelben 2^agcS, am 29. Januar 1688, mürben bal^er alle jene 5Perfonen auS 5ßariS auSgetoicfen unb gugleid^ ber %xau t)on ©u^on ein ©erid^tsbiener jugcfanbt, meld^er ben Sefel^I l^atte, bie« felbe in baS Älofter ber ^eimfud^ung in ber Sorjiabt ©t. SIntoine ab« jufül^ren.

Ueber biefe ©d^redfenSbotfd^aft toar bie Unglüdffid^e fo betroffen, ba^ fie fid^ laum auf il^ren ^ü^cn l^alten lonnte. 2)er ©erid^tsbiener fal^ ein, bafe pe il^n nid^t 3U begleiten t)ermod^te, toeSl^alb er auf il^r Sitten eS gefd^el^en lie^, ba^ jte gegen baS SBerfpred^cn, ftd^ gegen Slbcnb in bem Älofter einfinben 3U loollen, ben Sag über nod^ in il^rcr SBol^nung blieb.

Sinnen menigen ©tunben l^attc fid^ inbejfen bie SRad^rid^t oon ben ©reigniffen bcS 2^ageS burd^ ganj 5PariS verbreitet, meSl^alb grau oon ©upon im Saufe beS SageS ja^lreid^e Sefud^e von grcunben unb greunbinnen erl^ielt, locld^e lamen, ftc nod^ einmal 3U feigen, fte 3U tröften unb il^r bie ^anb ju brüten.

§. 8.

Sie Xuit bet et)bif$ofn$en Sm^uifitiott su ^tttid. Sublime »efreiung

bet %tau i^on Su^on attS bet iSIofteti^aft.

3Kan ^^tte gerabe baS Älofter ber ^eimfud^ung in ber ©tra^e ©t. SIntoine jur ©inlerlerung ber %xavL von ©upon auSgetoäl^It, toeil man

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fte l^ier am fid^etfien gegen jjebfn SSei^el^r nad^ au^enl^m glaubte ah fd^Ite^en ju lönnen, weil bie 9?onnen beS^ÄIofterS im befonbercn ©erud^c utttabeliger Sled^tgläubigleit ftanben, fo ba^ ein »erltauter 3Serfel^r jtoifd^en biefen unb bct aScrl^aftcten nid^t ju bcfürd^ten tDar, unb weil man ben rigorofen (Sifer ber ©uperiorin in ber Sluäübung löntglid^er Sefel^Ie lannte.

Stau von ®ur)on begab jtd^ nun am Slbenb be^ 3^age3 in baä Älofter, beffen ^Pforten ftd^ alsbalb leintet il^r fd^Ioffen. Sie l^atte ge» l^offt, ba^ man il^re, bamalS nod^ nid^t jroölfjäl^rige Sod^ter unb eine Wienerin bei il^r laffen hjerbe; attein bie ©uperiorin, roeld^e jxc in eine Heine S^^^ gefül^rt ^atte, bebeutete fie, ba^ jte ^ier afö ©efangene [ci unb ba^ burd^auS 5Riemanb in il^rer ©efettfd^aft fein bürfe. 2)a bat fte, ba^ man bod^ menigftenS bag Äinb in bie Äloftennauern aufnel^men möd^te, aud^ tDenn fie baffelbe niemals fottte feigen bürfen; aber aud^ ba§ mürbe ber SKutter üerfagi Slutenben ^er^enä fal^ biefelbe nun baS Äinb il^ren §änben entriffen unb in bie 3BeIt gefd^Ieubert, hjo fo leidet Derberben fonnte.

©0 fa^ benn nun bie fromme ®belbame atö ©efangene in il^rer Keinen 3^ß^ ^^'^ ftierte bie nadften, falten 3Jlauern berfelben an, 3"^ il^rer Scbienung ober oielmel^r ^ütung erfd^ien eine 5Ronne, hjeld^er ge« fagt toorben mar, ba^ bie SSerl^aftete eine ße^erin^ eine SSerrüdfte, eine ©d^einl^eilige fei unb meldte berfelben barum mit einem Uebermaafe oon §ol^n, ©pott unb §ärte begegnete, ©egen allen 3SerIel^r mit ben Älofter* frauen fa^ fid^ bie UnglüdEIid^e oon oornl^erein oottftänbig abgefd^Ioffen; nur h)äl^renb beS ©ottegbienfteS in ber Äird^e burfte fie biefelben feigen. ®ie einjige SSergünftigung , toeld^e fie au^crbem geno^, toar bie, ba^ jte in Segleitung il^rer §üterin ben am (Snbe be§ ÄloftergartenS gelegenen Saloarienberg 3utüeilen befud^en burfte. 3lo6) mel^r aber h)ar il^r nadj au^en l^in jebe SSerbinbung abgefd^nitten; nid^t einmal eine $Wad^rid^t, bie ba§ Äinb ber SKutter jufenben loottte, tourbe in bas Älofter l^erein^ gelaffen.

SBaS nun mit il^r werben fottte, lou^te fie nid^t; bie ©uperiorin fagte il^r, ba^ fie nur 3el^n S^age lang, bi§ 3ur S3eenbigung beä mit il^r anjuftettenben SSerl^öreS, in bem Älofter eingefpent fein toerbe. S)ag aber toar fd^toer 3U glauben.

Salb mu^te fie aud^ feigen, namentlid^ menn fie in bie Äird^e 3um ©otteSbienfte lam, mie ber §a^ unb bie SBerad^tung atter Älofterfrauen auf il^r lagen. SDlan l^atte fte gefragt, mer nad^ ber SSer^aftuug beg $Pater§ Sacombe il^r Seid^toater geioefen fei. ©ie nannte ben ©eiftlid^en; als aber berfelbe 00m Älofter aus benad^rid^tigt tourbe, ba^ er fernerl^in bal^in lommen möd^te, um bie Seid^te ber ^rau oon ©u^on 3U l^ören^

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leugnete ber ä3iebere, ba^ et t)on ber 3)ame ettoag n)iffe unb ba| bie« felBe iemalS bei il^m gebeichtet l^abe. ^au t>on ©upon entfette fid^, afö jte l^ien)on 5Ba(i^rid^t erl^ielt; war jte bod^ fo oft im Seifein »ielcr Seute unb vor ben ^UQtn berfelben in ben Seic^tftul^I bed @eiftlid^en gegangen! älber vor ber @upenorin unb ben anbeten Itloftetftauen ftanb fie nun al§ Sügnetin ba unb n)Utbe als Sügnetin mit. bem ^v^» btude beä älbfd^eueS bel^anbelt, namentlid^ von bet SRonne, bie i^r jut Scbienung beigegeben toat. .

äßeld^em @efd^idEe ^au von ©u^on entgegenjufel^en l(iatte, foUte il^t babei fel^t balb Hat toetben. ®ineS 2!age3 etfd^icn nämlid^ bct Dffijial 6§aton. unb bet SDoctot bet ©otbonnc $itot, bet ctjbifd^öflid^e ßenfot aHet in bie 2il^eoIogie cinfd^Iagenben Süd^et unb Sll^efen, ein gelel^ttct unb finget §ett, um fie ju t)etl^öten. 3)ie §etten legten il^t junäd^ft bie ^Jrage vor, ob fie bem $Patet ßacombe nad^ Sl^onon gefolgt fei unb ob biefet fie mit fid^ auS fjtanlteid^ l^inmeggefül^tt l^abe. ©ie anttoottetc, Sacombe fei fd^on ooHe i^fyn ^o!f)xe ou^etl^alb gtanlteid^S geloefcn, ei^e fie il^te §eimatl^ oetlaffen l^ätte; unmöglid^ alfo löhnte fie il^m gefolgt fein. 5IRan ftagte fie toeitet, ob benn bet ^ßatet fie nid^t in bet S3et* rid^tung beS ®ebete§ untctmiefen l^ätte, tootauf fie onttoottete, ba^ fie fid^ im ©eb^te oon il^tet ftül^eften Sugenb an felbft geübt, ba^ bet 5Pater fte batin niemals untettid^tet l^ätte unb ba^ fie il^n ftül^er nut ®inmal gcfe^en, als et il^t auf bet Steife nad^ ©aoo^en «inen Stief beS 5ßatet^ la 3)lotl^e gebtad^t l^abe, n:)as jel^tt ^o,f)xe oot il^tem älbsuge m^ %xanh teid^ gefd^e^cn fei. S)et 3)octot $itot mad^te l^ietbei bie Semetlung^ bag alles baS feinen Otunb abgäbe, auf eine befonbete Sefonntfd^aft ju fd^Iic^en. 3Katt ftagte nun toeitet: ob nid^t bet 5ßatet Sacombe ber eigentlid^e SSetf äffet bet f leinen ©d^tift: „ÄutgeS unb leidstes 3Kittel 3um Seten'' fei. ©ie oetneinte bieS unb etflätte: fie l^abe .baS Sud^ in Sacombe^S Slbmefenl^eit unb ol^ne bie Slbfid^t einet SSetöffentlid^ung bcffclben butd^ ben S)tudE gefd^tieben; einet il^tet ^eunbe, ein 3latl^ 3U ©tcnoble, l^abe baS 5Kanufftipt auf i^tcm S^ifd^e bemetft unb l^abe bea SDtudf beffelben gctoünfd^t; betfelbe l^abe fie aud^ gebeten, eine SSottebe baju }u fd^teiben unb baS 5Dlanufftipt in fiapitel ju tl^eilen, toeld^eS leitete fie dud^ an einem 3Sotmittage getl^an l^abe. ®S folgten bann nod^ einige, baS S3ud^ betteffenbe S^^agen, motauf baS etfte SSetl^öt ge* f<i^loffen mutbe.

infolge beffen fai^ fid^ %xavi oon ©upon oetanla^t eine „^toteftation" öwfjufe^en, tootin fie feietlid^ft etflätte: niemals l^abe fte fid^ oon ben Seiten bet ^eiligen Äitd^e, meldtet fie il^t S3lut unb Zehen ju toeil^en icbctjeit beteit fei, entfetnt; niemals §abe fie fid^ ju einet befonbeten

ÄO*

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gartet geJ^oUen; il^ s^)^ 2eUn l^inburd^ l^aBe fte ftd^ gut ftrengften, Ktd^ßd^en Stec^tglSuKigtett (daimt, uttb fo lange fte at^me, toetbe ef t|r Sefheben fein, ber Xittontot ber fiird^e gegenfiber il^ren (Seift ju bemütl^igen tmb %en eigenen 3BiDen ju Derlougnen. Sollte ftd^ bolzet in einer il^ter Sd^tiften ettoa eine ©teile porftnben , bie melleid^t in einem bet Jtird^enlel^Te toibetfpted^enben @inne aufgelegt toerben fönnte, fo l^oBe fte in biefem ^aDe fd^on SCOeS toaS fte gefd^rieSen, bem Uttl^eile. bet 1^. Aird^e untertoorfen, \ocS fte l^iermit itod^mold tl^un tooKe. 9Benn fte auf bie bejüglid^ il^Ted Keinen Sud^ed i^r t>orgeIegten ^ogen geontiDortet l^be, fo fei bied allein in ber Slbftd^t gefd^e|^en, um il^ren @el^orfam )u betl^ätigen, nid^t aber um baS 9ud^ )u oertl^eibigen, inbem fie mit ber SCbfaffung beffeKen burd^auS feine anbere Slbftd^t gel^abt l^abe ald bie, ben Seelen ju bienen, nid^t aber benfelben )u fd^aben.

S)ad jtoeite SSerl^ör betraf toieberum bad Heine Süd^lein. 3Ran fragte fte, ob fte ettoa bie ®e(ete ber Jtird^e unb t>or etilem baS Unfer- Sater Bef eitigen h)oIIe , inbem fte geleiert ^aie, toie man bad Xlnf er-SSater mit toal^rer Snbad^t l^erfagen foOe imb jugleid^ gefagt l^abe, ba^ ein einziges Ilttfer-äSater auf fold^e 9lrt gefprod^en, toeit beffer fei ald mele, bie man ol^ne älufmerlfamleit unb 9lnbad^t l^erbete. @ie antwortete, fei bod^ etioad StnbereS, menn man tel^re, ein (Sebet mit 9(nbad^t unb Slufmerf« famleit l^erfagen, unb etmaS ätnbereS, bef eitigen. 2Ber bag erftere tl^ue, oon bem l^abe man bod^ iool^l ju fagen, ba^ er bad ®e6et erffc ted^t 3ur Dotten SBal^rl^cit unb ®eltung bringe. ©old^er fragen rid^tete ber Dffljial an f^au oon ©u^on nod^ mel^rere^ auf iDeld^e biefelbe au8 i^rem innerften tatl^olif d^en ©laubendbetou^tfein l^erauS mit f old^er Se« ftimmtl^eit unb jllarl^eit antwortete, ba^ ber Dffijial nid^t uml^in fonnte ju bemcrien, fie würbe ftd^ gans gemi^ nid^t an bicfem Drte befinben toenn fte in bem Sud^e fid^ ebenfo erilört l^cttte. ©d^Iie^Iid^ mad^te ^ou von ©upon nod^ barauf aufmerffam, ba^, wenn in bem S3ud^e fid^ ettoaiS 3trige3 oorftnben foSte, bie SSerantWortung l^ierfur bod^ nid^t eigentRd^ fte, fonbern pielmel^r bie ®ottedgelel^rten treffe, Weld^e baS ä3ud^, ol^ne von tl^r barum angegangen ju fein, approbirt Rotten, Worauf bie 3>w<}tti* fltoren ed nid^t für ratl^fam fanben, auf ben Snl^alt beS Sud^ed ober auf bie oon grau oon ©u^on oerfa^te (Srllärung bcS §ol^enIiebeS weiter etnjugel^en, inbem fie bie t)on il^r bellarirte Unterwerfung unter baö Uv tl^eil ber Jtird^e für oöKig genügenb erllärten.

3)a3 oierte unb Ie$te SSerl^or begog ftd^ auf ben untergefd^obenen ^rief. ÜJlan laS i^r benfelben oor, mit ber SSerfid^erung, ba^ man l^ier eine Jtopic beS Driginafö in §änben l^abe, beffen ©d^riftjüge fid^ gan3 unjroeifell^aft als oon i^rer $anb l^errül^rcnb 3U erlenncn gäben, ©te

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verlangte iai Otiginol )u feigen, inbem fte Detftd^ette , ba| fle boffelBe ni^t gef daneben l^afte; bod^ tarn baiS Original oud^ f|)äter]^in, als fte iDieberl^oIt um beffen SSorlage iai, niemate jum SSorfd^ein. @ie erllärte ben $ater ^anjiiSlud e(enfo toenig als irgenb einen anberen ®eifUid^eHt vom Drben ber 3Rinimi ju lennen, mit 9ludnal^me bed @inen, ben il^ meliere Befreunbete Alofterfrauen jutoeilen 3Ugefd^idt l^ätten, ber aber nid^t in $ari$, fonbem feit bem 3{nfange bed (September vorigen ^afyc^ ixt 3(mien$ lebe, ber aud^ fd^on fünf SBod^en t>or i^rem Sinjuge in biefei^ Alofter feinen bidl^erigen SBSol^nort oerlaffen l^abe, toedi^alb fte unmöglich am 30. Dctober an il^n afö einen ju $arid mo^nenben ^errn l^ätte fd^reiben !önnen. 3)iefe nnb anbere Xl^atfad^en fteSte fie l^emad^ m einem SCuffa^e ^ufammen, ben fte bem Dffljial )ufanbte, um bemfelben pi betüeifen, ba| ber S3rief unmöglid^ von xf)x verfaßt fein !dnne.

3taä^ biefem vierten SSerl^öre n)urbe ^au t>on ©upon vorläufig nic^ ioeiter Bel^eSigt. SSoKe jtvei SRonate vergingen inbeffen, ol^ne ba^ bie^ felbe über ben @tanb il^rer @ad^e irgenb tivoa^ SBal^reg ober Srl^eud^et ted l^örte. SlnfangS l^otte fie fid^ ber Hoffnung l^ingegeben, ba^ man, von il^rer Sd^ulbloftgleit überzeugt, il^r enblid^ iverbe ©ered^tigleit n)iber« fahren loffen; aber nur aQju balb fal^ ftd^ bie Srme auf baS Sitterfte enttdufd^t, inbem fte plö^Ud^ nod^ enger eingefd^Ioffen unb nod^ ftrenger bemad^t ivorb, alä juvor unb von ber il^r beigegebenen Slonne je^t bie ttnerträglid^fte llngebül^r l(|innel^men mu^te.

S>a trat eines ^^ageS, feit langer ^int jum erftenSRale mieber, ber Offijial in il^re S^^^ ^f ^b jtvar bieSmal o^ne ben S)octor. %taM vvn ®U9on brad^te baS ®efprä(^ fel^r balb auf ben untergefd^obenen Srief, tveil' ber Dfftjial in bem legten SSerl^ör 3U il^r bie fie bamoä erfd^üttemben Sporte gefagt l^atte: ,,®ie feigen, gnäbige "S^cca, ba^ eis fold^er Srief ®runb genug ift, 6ie eingulerlem/' 3^$t bagegen moSte b«r Offijial einer nod^maligen SSefpred^ung bei SriefeS mit ben äSorten auSiveid^en: ,,9leben mir nid^t von bem untergefd^obenen 93rief; er ift nid^ ber Siebe ivertl^/' SJamit lie^ benn ober grau von ©u^on ben Pfaffe» bod^ nid^ burd^. ,,aBie V entgegnete fie. il^m rafd^, ,,ift eS etivaS @lsxif* gültiges, ivemt man 3^<nanbeS ^anbfd^ft nad^al^mt, il^n böfer älbfld^ten gegen ben ©taat unb ber SSeranffcaltung verbotener SSerfatnmIungen itf f^^igt?"

„aSBir ivoHen ben SBcrfaffer ermittel«/' antwortete ber Offijial, bem jjebod^ ^ou von @tt9on fofort mit größter Seftimmtl^eit entgegnete: „S)er aSerf affer ift lein anberer, als ber ©d^reiber ©outier," tvorauf fie ^injufügte, ba^ beffen ^au felbft bei il^r geftanben* l^abe, i^r SWann ver« m5ge a&e $anbfd^ften nad^jual^men«

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SJet Dfftjial, bcr nid^tS ju crtoibcrn toagtc, t)crftumtntc je^t, Kc^ bann öBcr grau Don ®uijon merf cn, h)c§l^aI6 et eigentlid^ SieStnal gefommen toat. 6r fragte fie nämKd^, h)o benn bie ©d^riften toaten, bie jte über bie SiBel abgefaßt ^aU. 2)te[elbe antwortete, fie fei bereit, biefe ©d^riftcn auäjuUefern, fobalb fie au§ ber §aft entlaffen fein würbe, in feinem %aUe lücrbe fie bagegen bie Sflamen ber jenigen nennen, benen fie biefe anvertraut l^abe. S)iefe ©rflärung toar bem boSl^aften W^^ffen gerabe nad^ bem ©inne, toeSl^alb er il^r erroiberte: „SIeiben ©ie, gnäbige %xan, feei biefer Srflärung, )a)enn wir lommen werben, il^nen biefe »Rapiere ab« 5uforbern," unb empfal^I ftd^ mit grinfenber ^eunblid^feit, bet Un« glüdftid^en aud^ für bie B^^wnft feine beften 3)ienfte anbietenb.

SDiefeö l^ielt jebod^ ^au t)on ©u^on nid^t ab, bem Dfpjial einen SBrief nad^jufenben, loorin fte ftd^ jiemlid^ ftarf über bie von bemfelben getl^ane SCeu^crung auSfprad^, ba^ eS mit bem untergefd^obenen Sriefe nid^ts 3u bebeuten l^abe. 2lud^ an ben (Srjbifd^of rid^tete fie eine bar« auf bejüglid^e Sefc^merbefd^rift, bie inbeffen nid^t beantwortet tourbe.

(Sttoa ad^t Sage nad^ jenem Sefud^e bei ^rau oon (Supon, einige 3^age oor Dftern, erfd^ien ber Dffijial, unb jwar in Segleitung be§ 3)octorg $irot, loieber bei berfelben unb legte il^r junäd^ft ein über bie le^te Sefpred^ung nad^trägUd^ »on il^m aufgefegtes ?ProtoIoff vox. ^n bemfelben toar gefagt, ba^ fie fid^ bis je^t fd^einbar fel^r lenlfam, bagegen als man fie jur 2luSlieferung il^rer ©d^riften aufgeforbert, äu^erft toiberfpanftig crwiefen l^abe. ^au von ©upon erltärte mit bem SCuSbrudEe , ber ®nt« tüftung, fie l^abe bisl^er eine ?ßrit>atunterrebung unb ein gerid^tlid^eS SSerl^ör für jwei t)erfd^iebene SHnge gehalten unb l^abe ftd^ nid^t t)erpflid(|tet ge^ glaubt, eine prioatim an fie gerid^tete %xaQ^ 3U beanttoortetr. UebrigenS tootte fte nur bemerlen, ba^ bie fraglid^en ©d^riften in §änben i^rer Äammerjungfer toären. Heber biefe Sleu^ei'ung fel^r erfreut, fragte bcr Dffijial, ob fie IdoI^I biefe ©d^riften il^m unb bem 35octor ju arbiträrem ©cbraud^e anoertrauen tooHe, toaS fie mit bem 3wfci^c bejal^te, bd^, ba fie nur gefd^rieben l^abe, um bem SGBiffen (SotteS ju genügen, eS il^r ganj gleid^ fei, ob fie fid^ für baS geuer ober für bie treffe bemül^t l^aben follte. UebrigenS brad^te bie l^eilige SBod^e ber ©efangencn bod^ eine toefentlid^e Srleid^terung, inbem ber Dffijial am ©rünbonnerftag erfd^ien unb il^r anlünbigte, ba^ er il^r l^iermit bie Älofterfreil^eit, b. f). bie (grlouB* ni^ ertl^eile, ungel^inbert im §aufe um^ergel^en ju fönnen. ^a^ Stufen l^in bagegen blieb il^r nad^ hoie vox jcber SJerlei^r abgef d^nitten ; nid^t ein* mal ben Sormunb il^rer Äinber burfte fie bei ftd^ feigen.

3)iefeS le^tere fd^mcrgte fie umfo mel^r, als ber 5ßater la SKot^e (unb infolge beffen aud^ ber Dfpsial) eben bamalö mit bem ©ebanfen

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ittngingcn, eine Sßetbinbung tl^rer SJod^ter mit einem burd^ feine Sßei« gangenl^eit 3U ®runbe geri^teten, bem d^riftlid^cn ScBen gan3 fern fte^en« bcn 6at)alier, bem 9RarquiS von Gl^anoalon, einen Sfieffen beS ©rjbifd^ofs von ?Pari§, ju ©tanbe ju bringen, ©ie crful^r fogar, ba^ man 3Ur %'6xi bcrung ber ©ad^e bie ißeitung il^rer S^od^ter einer ßoufine biefeS §erm anvertraut l^abe. 3)amal§ fagte il^r ber Dfft3ial, ba^ man fie auf ®runb ber mit il^r vorgenommenen SSerl^öre al§ völlig gered^tfertigt anfalle unb \>a^ man fte nur barum nod^ einige 3^age im Ätofter jurüdf^alte, meil man il^re ^eifpred^ung gern auf ba§ Urtl^eil ber ©uperiorin grünben TOoIIte, bie je^t erft ©elegenl^eit erl^alte, fte ju beobad^ten unb näl^er Jcnnen ju lernen.

Slllein in ben frol^en Hoffnungen, benen fid^ ^au von ©u^on jje^t glaubte l^ingeben 3U bürfen, fottte ftd^ biefelbe balb bitter getäufd^t feigen. S)enn vergingen S^age, eS vergingen SBBod^en unb SKonate, ol^ne ba^ il^re Befreiung erfolgte. Slud^ httam fie ben Dffi3ial gar nid^t me^r ju feigen. 5lur einmal erfd^ien berfelbe in biefer S^xi in Begleitung beS S)octor ?pirot unb b.e§ SSormunbeS il^rer Jtinber, um il^r im Seifein ber ©uperiorin 3U eröffnen, ba^ fie binnen ad^t 2^agen m^ bem Älofter ent* laffen tverben follte, tvenn fie in bie 3Serl^eiratl^ung il^rer S^od^ter ein- toiffigen toürbe. SDiefeS 2lnfinnen ivieS bie eble 3Jlutter jebod^ mit ber Beftimmten ®rfWrung jurüdE, ba^ fie lieber im ©efängni^ fterben, als in eine SSerbinbung il^rer 2^od^ter einwilligen toürbe, bie berfelben jum 35er« herben gereid^en müjfe.

UebrigenS fül^Ite fie fid^ je^t in il^rem SSerlel^re mit ber ©uperiorin ,wnb ben anberen Älofterfrauen überaus glüdflid^. ©iefelben l^atten att« tnäl^Iig bie aufrid^tige grömmigleit, bie SJemutl^, bie ©elbftverläugnung unb bie 2^reue ber 5Dame fennen gelernt, l^atten fie lieb gewonnen unb Ivaren bal^er j|e|t beS SobeS von i^r voll. 3)iefeS aber l^atte ber $ater la 2Kotl^e f aum ival^rgenommen, als er l^ierüber in ben l^öd^ften Untoitten geriet^. SSon bem ©ebanfen auSgel^enb, ba^ bäS Sob, toeld^eS bie 3lonnen feiner ©d^tvefter fpenbeten, für il^n felbft nid^ts anbereS, als bie fd^ärffte Slüge fei, unb bafe, h)enn baS Urtl^eil ber 9lonnen fid^ weiter verbreite, bie Sinfperrung ber ©d^tvefter nid^t jur 2luffinbung von 9JlitteIn unb SBegen ju il^rer Serurtl^eilung , fonbem 3ur ©ntl^üffung ber gegen fie gerid^teten Sntriguen fül^ren möd^te, lie^ er burd^ ben Dfpjial ber ©upe« riorin unb ben Älofterfrauen auf baS ©trengfte verbieten, irgenb ettvaS 3u ©unften ber %xan von ©upon 3U fagen, inbem fte fonft in ben SSer« bad^t lommen fönnten, ba^ fie fid^ l^ätten von bem „DuietiSmuS" ber^ fclben anftedfen laffen. 3fiatürlid^ mürben bie Älofterfrauen l^ierburd^ in fold^cr SBcife eingefd^üd^tcrt, ba| bie ©efangenc eS feigen mu^tc, tvie fid^

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biefeKen fd^u t>on il^v jurildjogen unb aOen ^edefyc mit i^x mieben. 3ugleid^ l^örte fte, ba^ ber Aönig Jte ber il^r )uv Saft gelegten Skrgel^en toirflid^ f^ulbig befunben l^abe; iDOtcmf il^r n)eitev erjäl^It tourbe, bey fettet la 3Rotl^e l^aBe ed burci^gef e|t , ba| man fte in ein unter feinem S3efel^l gefteUted ^aud bräd^te, woxin fie für ii^re ganje Sebendjeit eim gefperrt n)erben foSe. 3)abei mu^te fie eS fort unb fort j^ören, mie ber eigene S3ruber gefd^äftig toar, über bie Sd^tvefter immer neut SSerläunu bungen auszubreiten unb überaQ Sa^ unb Erbitterung gegen fie }u er^ regen. (Sr betl^euerte eS aEer Drten, ba^ er in 33erjtt)eiflung fei, 3la^^ t|eUige§ über bie ©d^ioefter reben gu muffen unb ba^ eS il^m nur bie l^eilige ^riefterpflid^t unb fein ©laubenSeifer möglid^ mad^e, ber fd^ulbigeii natürlid^en Siebe 3U entfagen. ^urd^ berartige ^raftilen, inSbefonbere aud^ burd^ SBorlegung untergefd^obener S3riefe gelang eS il^m aud^ nomeni» lid^ ben aSmäd^tigen $ater la Sl^aife gegen ^au oon ©upon ein}iM nel^men«

Xa gef d^a^ ed , ba^ eine , in bem Jllofter lebenbe Same mit ber Sage ber ebeln ^au ein l^erjUd^eS SRitleib empfanb unb aa^ eigenem ä(ntrieb einen il^r befreunbeten ^efuiten erfud^te, ben @d^u^ bed ^akex la Sl^aife für %xavL oon ©u^on anzurufen. 2)er Sefuit entfprad^ bem äSunfd^e ber 2)ame, ging 3U la S^aife, fanb aber ^ier fftr feine 93itte fein ©el^ör. 3)er $ater erllärte, eS f)aie fid^ l^erauSgefteSt, ba^ %xau oon ©upon !e^erifd^e ©ebanlen gel^egt l^abe unb ba^ fie biefelben, tro| eined f(!^einbaren äBiberrufeS nod^ immer feftl^alte, toesl^alb er bebauere, nid^t in ber Sage ju fein, ftd^ für bie ©efangene oermenben ju lönnen.

@S jeigte fid^ alfo, ba^ aud^ ber $ater la S^dife oon Sügen um« garnt ioar. ^ieSeid^t mar eS aber möglid^, bie SSorurtl^eile bed einflußreichen* SRanneS burd^ fd^Ud^te unb entfd^iebene Sejeugung ber äBal^rl^eit 5U )er« ftreuen. Sluf ben Siatl^ ber im Jtlofter lebenben 2)ame fd^idfte böiger f^au t)on ©u^on bem $ater la Sl^aife folgenben Srief }u:

,,@^rtt)ürbiger SSater! 9Benn meine f^einbe ftd^ bamit begnügt J^&tten, meine @§re unb ^eil^eit anzugreifen, fo Mrbe id^, meiner getool^nten ^anblungSioeife entfpred^enb , bad tief fte StiSfd^meigen jeber Sled^tfer« tigung Dorgejogen l^aben, ba maa aber jje^t, e]^rn)ürbiger SBater, meinen ©lauben burd^ bie Sel^auptung angreift, baß id^ Ie|erifd^e ^hnrt^ünier miberrufen, unb bennod^ im äSerbad^t fei, il^nen noc^ anzufangen, fo fü^le id^ mid^ genöt^igt, @uer @l^rmürben @d^u^ erflel^enb, 3^nen bie lautere SBal^rl^it zu offenbaren. 3d^ bet^euere @uer @l^rtoürben, oon bem aUm 9ti(|tä begangen zu l^aben, unb eiS befrembet mid^ nid^t menig« l^ören }u muffen, baß (Suer (Sl^rmürben meine Sd^ulbloftgfeit nid^t be« lannt ift; obfd^on ber ^err Dffizial mir felbfl eingeftanben, baß bie gegen

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tnid^ etngereid^ten ätttseigen folfd^ getoefen, b.er mir untergef(§o6ene 8rief (imd^bem id^ bie unmibetfpreci^Iid^ften Semeife geliefert, ba| er nid^ oon mir fpnmte) ald bie SlrBeit eined ^f(|erd onerlonnt toorben, itnb o^d^n S^iejenigen, toeld^e miä) )u verl^ören Beauftragt loaren, mir nie einen SEBiberruf jugemuti^et, n^oi^I oBer Heine Srläuterungen verlangt, unb, mit benfelBen )ufrieben, mid^ für unfd^ulbig erllärt l^aBen« ^6i l^aBe biefen le^teren fogar mehrere, nur }u meiner eigenen (SrBauung verfaßte Sd^riften in bie ^änbe gegeben, fie non gan}em ^erjen il^rem Urtl^eile unterloerfenb. 3d^ mag ed 3^nen, einem ei^rtoürbigen Sater, nxift Der« l^l^Ien, ba^ ed mir leidet getoefen fein iofirbe, bie SerlSumbun^ 3U tragen, memt fie nid^t ben ®(auBen Beträfe ; aBer mie Unnte id^ ju bem gered^teften Sd^mer) fd^ioeigen, ber jje erbulbet toorben? 3d^ ^aBe mid^ mein SeBelong fo laut )u ben red^tglduBigften Bäiftn Be!annt, ba| id^ mir fogar f^einbfd^aft baburd^ Stigejogen l^aBe. SBenn id^ ed toagen bürfte, @uer (Sl^riofirben mein $er) fo ganj unb unter bem ©d^leier eined un« DcrBrüd^lid^en (Sel^eimniffed aufjufd^lie^en, toie ein ooSIommened SBer« ttouen erl^eifd^t, fo mürbe ed mir ein Seid^ted fein, burd^ unBeftreitBare Xl^atfac^en 3U Betoeifen, ba^ mx^ nur }eitlid^ed Sntereffe bal^in geBrad^t 1^, too id^ Bin. 9lld id^ mii) ioeigerte, auf 2)inge ein}ugel^en, bie ic^ mit gutem ®eioif[en nid^t gemal^ren lonnte, toarb id^ mit IXngelegenl^eiten Bebrol^. 34 ^^^ ^^^ S)rol^tmg l^ren muffen unb il^re folgen empfun« ben, ol^ne fie oon mir aBtoel^ren ju lönnen ; benn ti ift leidet, 3^ni<^^^ 3u unterbrüdEen, ber leine Stonle lennt, leine Partei nod^ Sefd^ü^er l^at. ä(Ber toie lonn ic^ il^offen, Bei*3l^nen, el^rtoürbiger $err, (SlauBen )tt finben, ba id^ 3^nen unglüdKid^ äSeife nur burd^ bie Stimme ber Serldumbung Belannt Bin? 2)ennod^ Bel^aupte id^ nx^iS, maS id^ nid^t Beweifen lann, menn eS Ql^nm gefallen foCte, ftd^ n&l^er baoon ju unter« rid^ten. 2Hed märe eine ®nabe, toeld^e bie eioige @rlenntlid^leit ermerBen

n>ärbe berjenigen, meldte k."

£eiber mod^te biefer Srief niifi ben oon ^au oon ©ui^on jel^offten <Sinbrudt. S)er $ater la Sl^aife mag benfelBen nid^t allein gelefen, fon« bem i§n aud^ onberen ®eiftlid^en, inSBefonbere mol^l aud^ bem SrjBifd^of^ ber gegen ^rau oon ®U9on fel^r oerftimmt ioar, vorgelegt l^aBen. Seben« faKd iam ed bem $aterunb allen benen, ioeld^e ben S3rief )u feigen er« l^ielten, gerabe nid^ barauf an, ba^ ber Bebrängten SDame ©ered^tigleit miberfa|re. S)al^er mußten fie ben von berfelBen oudgefprod^enen ®e« banlen, fid^ nid^ red^tfertigen )u molOfen^ nur als eine Sleu^erung beS ®igenfmned unb bed J^od^mutl^ed aufjufaffen. 93or älllem aber mar eiSf nöt|ig, ba^ bie ganje Sngelegenl^eit eine SSenbunj erhielt, Bei loeld^er bie in biefelBe oerffod^tenen Krd^Iid^en älutoritäten feinen 9lad^t|^l )tt

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ctictbcn f)atten. S)al^cr liefe c8 bcr ^atcr la G^aifc bct ©upetiortn unter ben §ufe geben, bafe jte %tan t)on ©u^on in geeigneter SBeife tjcranlajfen möge, einen unterh)ürfigen ^öf[i(i^!eit§brief 3U fc^reiben, tüorin jte fxä) ftrafbar erlläte unb eS anerlenne, bafe fte il^te S'^tl^timet toibertufen l^abe, inbem fie aföbann [ofort aus t^ter $aft entlaffen toerben foHte.

SKit ©ntttiftung n)ie§ bie eble SDame eine S^mut^ung ^wcixi, beten ^Befolgung in il^ren Slugen nid^tS anbereS afe ©elSftentel^rung getoefen fein würbe. SSfö aber il^re ©ränger biefeS erful^ren unb barauS erfüllen, ba^ jte il^nen bie SKöglid^feit , ol^ne ©efäl^rbung il^eS eigenen SntereffeS in il^re Sreilajfung ein3un)ittigen, nid^t getoäl^ren iDoIIte, fo hielten bie« felben für Ilug unb ratl^fant, auf neue Äunftgriffe ju finnen, burd^ wel^e CS il^nen gelingen würbe, %xau von Ou^on cnttoeber für il^r gonjeS Seben in il^rem ©efängnife gerabesu 3U Begraben ober fie burd^ bie Vortut il^reS aSerfal^renS jum ©eftänbnife ber ©d^ulb ju jtoingen.

aSon biefen fanatifd^en ^raftifen erful^r aUerbingS bie UnglüdEUii^e junäd^ft gar nid^tS unb fie toufete fid^ bal^er burd^auS nid^t 3U beuten als eines 2^ageS ber Dffijial unb ber S)octor ber ©orbonne int Jlloftet erfd^ienen unb ber ©uperiorin anzeigten, bafe %xau von ©u^on t)on je^t an in il^rer 3^^^ f^P eingefd^Ioffen Serben foffte. ®ie ©uperiorin er- fd^raf, als fie erful^r, WaS man Dorl^atte, unb gab tl^rem erregten ©effi^I fo lauten HuSbrudt, bafe aUe 5Ronnen eiligft l^erbeilamen, um ju erfal^ren, hjaS l^ier »orgelte. SJa l^örten fie, toie bie ©uperiorin bem Dffijial unb bem SDoctor t)orfteffte, bafe baS jje^t ber ^au t)on ©u^on jugetoiefenc Simmet« d^en bod^ gar ju eng fei, bafe eS nur an einer ©eite Suft julajfe, bo^ gerabe auf biefer ©eite ben ganjen 2^ag bie ©onne fd^eine, bafe je^t, im 5!Konat 3luli gerabe bie l^eifeeften 3^age toären, unb bafe eine folii^c ©trenge bie Unglüdfliiij^e tobten merbe. Slber l^ö^nifd^ miefen bie ^fafjen oHc biefe SBorftellungen jurüdE unb gaben auf bie ^rage, toeSl^alb benn nun bie SDame eingelerlert werben foHte, bie 3lni1t>ort, bafe biefelbe feit einem ÜRonate in bem Älofter entfe^Iid^e S)inge oerüBt, bafe fie fid^ bie l^eftigften SomauSbrüd^e erlaubt unb bafe fie ben Älofterfrauen fd^toere« Slergemife gegeben l^abe, ©egen baS Ie|tere legte nun bie ©uperiorin mit ben anberen ^ionnen fofort bie entfd^iebenfte Serioal^rung ein, be- tl^euemb, bafe ber SBanbel bcr S)amc ber ganjen ©t^toefterfc^aft jur Erbauung gereid^t unb bafe bie ©cbulb unb ©rgebung berfelben bie Se« tounberung atter ©d^meftem erregt l^abe; allein ber Dffijial blieb babei, bafe et aus guter Duelle baS ©cgentl^cil roiffe unb bafe fjrau t)on ©upon in biefen 9Rauem gräulid^c S)inge vexübt l^abc.

9Jlit %^xlxmn im 2luge befaj^l bal^cr bie ©uperiorin, bie S)amc ^er« beijurufen, bamit fte l^ötc, toaS über jic bcfd^loffen fei. SKit bem 8tu8^

815

brudc bcr ©ntrüfkung fragte biefclbc, h>aS fie bcnn ctgentlid^ SBöfcS ge* i^m l^abc unb toarum man baS 3^8^^ ^^^ ©upcriorin unb bet DrbcnS« frauen über fie nid^t l^ören tDoffe/ Aalten ^crjenS erllärte jebod^ ber Dfftjial, ba^ er il^r gar feine SluSfunft geben lönne, unb ber 2)octor bot fie, nid^t burd^ Sleu^erungen ber Seibenfd^aft il^re Sage nod^ t)er« fd^Iimmern ju tooHen, mit bem $injufügen, ba^ fie ftd^ ber fd^toeren Vergeltungen, bie man il^r 3ur Saft lege, nie fd^ulbig mad^en möge, fjrau 5on (Supon ertoiberte: il^r 2^roft fei, ba^. fte (Sott als S^wgen atteS beffen wiffe, h)aS gefd^el^e; unb afö ber 2)octor il^r l^ierauf ertoiberte, ba^ es freoell^aft fei, in fold^en S)ingen (Sott als S^wgen anzurufen, l^ielt fie il^m mie einen ©d^ilb baS Selenntni^ entgegen, ba^ SRid^tS in ber SSSelt fie abl^alten lönne, il^re S^^^^^ 3" ®ott 5U nel^men. 5Run^ mel^r befallt ber Dffi3ial, fie in il^r ©emal^rf am abjuftil^ren. S)a man ju bemfeÄen nid^t fogleid^ einen ©d^lüffel l^atte, fo tourbe bie 3^"^^ mittelft eines vdx biefelbe gesperrten DuerbaKenS t)erh)al^rt.

%xa\x von ©upon fa^ nun in il^rem Äerler, mie eingemauert, wie lebenbigen SeibeS begraben.

2lber bie Äunbe von ber teuflifd^en SSel^anblung, meldte bie fromme SDame erfuhr, erfüllte SlUe, bie fie fannten, mit ®ntfc|en unb mit fteigens ber Erbitterung. 5Ran fragte ben Dffijial, maS il^n bcnn eigentlid^ $u biefer SKaa^na^me betoogen l^abe; ber ©lenbe aber ftntroortete, er toiffe €§ nid^t, man möge barüber ben Sßrälaten befragen. SDer SBormunb ber Äinber ber fjrau t)on ©u^on begab fid^ bal^er fofort }um ©rjbifd^of, um fid^ oon bemfelben 3luSfunft }u erbitten. S)iefer antwortete l^öl^nifd^: „Sic, ber ©ie fclbft Stid^ter finb, Ifoerben bod^ toijfen, ba^ jutoeilen jel^n Slnjeigcn nid^t genügen, um ein ©trafurtl^eil 3U begrünben, mäl^renb oft ©ine auSreid^t, um ein foId^eS notl(|h>enbig 3U mad^en." „aber loaS l^at meine ßoufine auf's 5Reue oerbroii^en?" ertoiberte ber SSormunb; ba trat ber ßrjbifd^of, toefd^er fal^, ba^ fid^ ber Sormunb mit auSweid^enben ä[ntft)orten nid^t abfmben laffen moHte, bemfelben mit einer geloiffen §eier« Kd^Ieit entgegen unb erflärte: „©eit einem SKonate l^at fte abfd^eulid^e 2)inge gctl^an. Slad^bem fie forttoäl^renb il^rc Unfd^ulb betl^euert, l^at fie feit einem . 5Wonat unter 3ll^ränen, unb toi« oon einer inneren ©emalt ges trieben, einen SBiberruf t)erfa^t, morin jte befennt, im Srrtl^ume unb »on gottlofen ®runbfä|en befangen geh>efcn gu fein, ©ie geftel^t fid^ aud^ atter il^r jur Saft gelegten Vergeltungen fd^ulbig, unb oerflud^t Sag unb ©tunbe, loo fte lenen ©eiftUd^en (nämlid^ ben ?Pater Sacombe) juerft lernten gelernt l^abe."

5Der ^ßarlamentSratl^ erfd^ral, als er biefe SEBorte auS bem 3)lunbc beS Äird^enfürften l^örte, fagte ftdj aber fofort, ba^ l^ier mieberum ein

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)»fäffif(|er Seitug im @piele fein muffe, unb ging ba|et fd^on in be« nSd^ften Xagen in baS Jllojler, um bie in bemfelben leBenbe ^eunbtn fetner Soufine )u befragen, ob bie leitete itgenb eine Srllävung gefd^eben obet unterjeici^net l^aBe. S)ev ^atlomentdratl^ erful^r nun, ba^ feit vier SRonoten, nämlid^ feit bem ©rünbonnerdtage beS Sal^reg, ber Offt)id unb ber 3)octor nur ®inmal in bem filofter geft>efen maren, unb ims m bem Xage, mo biefelben mit il^m felbft gelommen toaren, um %tm omt ©tt^on )ur @mtt)illigung in bie SßerloBung il^rer S^od^er }u beftitntnen, unb ba^ biefelbe in biefer ganjen 3^^ ^ i>^ (Srjbifd^of nur einen ein» jigen jiemlid^ inl^altälofen Srief gefd^rieben 1^6e. Z)iefer Srief \m folgenber :

„©näbi^er $err! SBenn id^ bidl^er fo lange 3^^ l^inburd^ eintiefet €tillf^n)eigen beobad^tet l^abe, fo gefd^al^ bieS nur borum, n)eil id^ (Stot. ^ol^eit nid^t befd^ioerlid^ faQen tooDfte. Se^t aber, too meine jeitlid^ 9(ngelegenl^eiten meine 9(nmefenl^eit in meinem $aufe unerläflid^ erfm^ bem, bitte id^ Smr. ^ol^eit inftanbigfl, bei Seiner äRajeftät meine Be- freiung 5U beantragen* @3 mürbe biefeS eine ®nabe fein, toofür id^ ntid^ Sinnen unenblid^ oerbunben fül^len mürbe; unb id^ fd^meid^Ie mir umfo mel^r ber ©eioal^rung biefeS SSunfd^eS, ba mir ber ^err Dfftjial fd^ t)or Oftern gefagt l^at, ba^ id^ nur nod^ jel^n S^age l^ier t>eni>ei{en loütbe, toeld^er 3^<^m feitbem immer 9on 92euem «erhoffen i^. 34 ^^^ hierüber inbeffen leinen Sd^merj empfinben, toemt biefer baju biene« lonn, ®ie gndbiger ^err, von meiner ooKIommenften llntenoerfung md) oon ber tiefen Sl^rfurd^t 3U überjeugen, momit id^ bin k."

S)iefer 93rief lonnte e9 alfo nid^t gemefen fein, ber ben SrjMfd^f gegen f^rau von ©u^on erbittert l^atte; bagegen ergab eS ftd^, bo^ in bie ^cinbe bed $ater8 la Sl^aife ein, angeblid^ oon il^r verfaßter, mdttf^ fd^obener Srief gelommen mar, auf melci^en l^in man eS l^otte loage» ISnnen, eine ftrengere Sinfperrung ber 2)ame anjuorbnen« @obaIb biefer Srief belannt gelDorben mar, ioor aud^ bad SSerbarnmungSurtl^eil in 0»] ^ßorig über fie gefprod^en* ^^ermann ersäl^Ite baoon, ba^ %toxi wt ®u9on, bie bidl^er von SSielen immer nod^ für eine ^eilige gel^oltene 2>ame, enblid^ il^rer fd^koeren @d^ulb geffcSnbig getoorben fei. Sud^ bei Aloflerfrauen begann eS j[e|t Kar ju toerben, ba| fie von einer @if^ J^igen fid^ l^citten t&ufd^en laffen, unb felbfl ber SSormunb il^rer jtinber, bem ber $ater la ÜRotl^e unablafftg oon ben ^eveln ber @d^ioefier er» ^^te, toenbete fid^ je^t 9on il^r ah.

Unter il^ren Slngel^örigen unb ^eunbinnen loar bamolS nur eine einjige, bie baS ^erj fydte, für bie ©d^ulbfofigleit ber ^rou oon ®u9on ernjutreten. ®d toax biefeS eine in Bt S^r lebenbe Souftne ber«

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fetten, toelife eft voa^te, für fte ben tnäd^tigen ®^u| ber %tavi von fSRaxntenon anjurufen. 2)iefe 3>ame unterließ eS aud^ nid^t, über bie (EtTigeterlerte mit bem Aönig ju fpred^en, tpurbe aber t)on bemfelben mit il^ren SorfteÜungen abgetoiefen.

^a\x Don ®w)on blieb alfo nad^ toie t)or in i^rem tn%tn Jterter eingepfäl^It unb gegen aQen SSerlel^r abgefperrt, t)on ber @onnenl^i|e furd^tbar gequält, nnb ed ioar Stiemanb, ber fid^ il^rer erbarmte. ^

il^er 3^11^ iv<^^ ^in^ ^i^^r ^i^ f^^ I^^um ^^ ^iit^ SBabeftube t)orIommen Sonnte; fie led^jte nad^ frifd^er Suft, aber biefe iDurbe il^r nid^t geniäl^rt. ®ie fiel barüber in eine fd^roere Aranl^eit. 2)ie @uperiorin mad^te bem Dffigial ^ierDon Slnjeige unb bat, ber ftranlen bie nötl^ige @rquidfung gen>äl^ren gu bürfen; unb alg il^r 3#^^ ^^ t)erfd^Iimmerte unb bie ©tunbe ber @rlöfung für bie UnglüdHid^e gefommen fd^ien, bat fie, ba^ man biefelbe mit bem 3^rofte ber ©alramente t)erfel^en möd^te. 2lber ber Dffijial fd^toieg unb geftattete meber baS eine, nod^ baS anbere. ^er Srgbifd^of, bem man über il^ren S^ftanb berid^tete, erllärte falten ^erjenS : „@ie mag tool^l trani fein, ba fte ftd^ nad^ SlKem^ \oa^ fte begangen l^at, von xf)vm vxex 3Rauem eingefd^loffen jtel^t." 3)a§ Seiben ber Äranlen aber tourbe mit j|ebem Sage l^eftiger; ba§ lieber jel^rte aKe il^re Jträfte auf, il^r Ruften unb il^re ^alSentjünbung mürben immer quafooQer unb cift glaubte fie erftidfen }u muffen. 3)a trat enblid^ ber @uperior beS ^lofterg baßtoifd^en unb gebot ber SSorftel^erin beg J^aufeg, ber jlranlen )u gemäl^ren, toaS bie $flid^t ber d^riftlid^en Siebe il^r )u geh)ä^ren gebiete.

infolge beffen genaS fie enblid^ aud^ von biefer ßranl^eit mieber; ober ber %o\> \oax an xf)x nur oorübergangen , bamit fte bie Qual, 3U ber man fie in il^rem Äerfer t)erurtl^eilt l^atte, nod^ länger tragen foHte. S)ag einsige, mad fte von brausen l^er erful^r, toar nid^t§, al§ bie S3eftä« tigung beffen, ma§ pe längft mu^te, ba^ ber (Srjbifd^of eine Don il^r felbft gefd^riebene (Srilärung in $änben l^aben iDoQe, morin fie ftd^ als Jte^erin belenne unb ben $ater Sacombe aU xf)xen äSerfül^rer beseid^ne. @$ tDurbe il^r aud^ gefagt, ba^ ber Srjbifd^of er!lärt l^abe, man mürbe fte oielleid^t mieber in ^eil^eit fe|en lönnen, aber nur in bem gfaHe, ba^ fie aud^ vor bem Unterfud^ungSrid^ter bie' von xf)x abgegebene @rllärung anerlennen unb fd^riftlid^ mieberl^olen toerbe. Sl^er aber toollte grau von ©upon bad SSlutgerüft befteigen, als einer fold^en Süge fid^ fd^ulbig mad^en. ©0 lag es nun auf bem Seben ber UnglüdElid^en, toie büftere, enblofe SRad^t, auf toeld^e nimmer ein neuer 5IRorgen folgert lönnte.

Snbeffen erfolgte eben bamalS ein Sufammentreffen gans unerwarteter ®reigniffe, bie eben burd^ il^r B^fammentoirfcn ber fo fd^loer geprüften Same bie Pforten il^reS JierferS öffnen foKten.

318

3l^r cinjiger Dl^cim, §crr t)on SScrr?, beffcn SScrmögcnSi)crl^ältnijfe fel^r gelitten l^atten, toar nad^ $attS gelomtnen, um feine jüngere S^od^ter in bag Si^ftitut aufnel^men ju laffen, iDeld^eS ^au t)on ^aintenon eben bamalä ju ©t. ßpr inS Se6en rufen toollte. 2)aS junge 3Räbd^en würbe ber %xau von 9Raintenon oon einer älteren ©d^wefter, einer grau von SKaif onf ort , toeld^e ßl^anoineffe ju ^pouffap in Sotl^ringen war, t)or^ geftettt, unb von berfelben alsbalb in baS ©tift aufgenommen, grau t)on 3Kaintenon erfud^te jebod^ bie ältere ©d^toefter ebenfaUä eine 3^^^' lang in bem Si^ftitut ju Bleiben, bamit bie jüngere fid^ um fo el§er in bemfelben gewönnen lönne; unb al3 fie bie geiftig fel^r gebilbete junge SDame nä^er fennen gelernt l^atte, betraute fie biefelbe fogar mit ber erften ®inrid^tung il^reS 3»«ftitute§. ^au oon 3Kaifonfort nal^m nun fel^r balb bie ©elegenl^eit toal^r, im ®efpräd^ mit %xa\x t)on 9Kaintenon il^re ßoufine, bie in Älofterl^aft lebenbe grau von ®upon, ju ertoäl^nen, mu^te fid^ aber alsbalb ju il^rem größten Seibmefen baoon überzeugen, ba^ bie ^ol^e J)ame über bie ©efangene bie ungünftigfte 5Dleinung §egte, iDedl^alb fte baS eUn begonnene ©efpräd^ alsbalb abjubred^en für ^vi fanb.

Äurj nad^l^er fam ^au tjon SKiramion, eine 35ame, meldte in $PariS ein geiftlid^eS gfrauenftift ol^ne ftrenge Älaufur errid^tet l^atte unb leitete, in baS gaubourg ©t, Slntoine, um bie ©uperiorin beS Slofterä ber §eimfud^ung, mit ber jte befreunbet mar, ju befud^en. ^ ©efprädje mit berfelben lam ^au oon SKiramion aud^ auf bie ©efangenc ju fpred^en. ©ie fragte bie ©upcriorin, ob nid^t (tud^ fie biefelbe alä eine SSertrrte anfalle. Sltebalb fprad^ fid^ aber bie ©uperiorin über ^au t)on ©u^on unb über beren frommen SBanbel, ber mit aHen d^riftlid^en Slugenben gejiert fei, mit fold^er SSeftimmti^eit unb greubigfeit au§, ba^ ^m t)on SRiramion nid^t uml^in !onnte, il^rer SSermunberung hierüber SluSbrudf }U geben, inbem fie erllörte, bafe fte bisher nur baS Slllerübelfte über grau von ©upon geprt l^abe. Slttein maS bie ©uperiorin il^r über bicfette bejeugt l^atte, baö tourbe il^r von anberen ^tonnen, bie fie ebenfalls 5e* fragte, fo entfd^ieben bcftätigt, ba^ fie fid^ alSbalb entfd^Io^, l^iercon ber %xau von 9Raintenon 3Jlitt]^eilung ju mad^en.

S3ei berfelben getoann aber grau oon ©upon then bamaliS no(^ eine anbere fel^r einflu^reid^e gürfpred^erin. 3)ie Jungfrau, toeld^e cinjl in bem Älofter ,^u ©es unter ben 5Rad^ftettungen i^reS S3eid^tt)ater8 faft „JU gaffe gclommen h)ar, beren Sluätritt au8 biefer ßongregation grau von ©u^on oeranla^t unb ber fie für il^ren ©intritt in einen Drben eine 5Kitgift auSgehjorfen, l^atte fid^ in einem in ber ^ßrooinj gelegenen Älofter 3ur aCufnal^me gemelbet. a)ie Slebtiffin biefeö ÄlofterS toar nun, t^eiß

319

wegen bet für btcfc Jungfrau bcftimmten 3Rit9ift, tl^eite anbercr ®c*

fd^äfte l^alber nad^ $art§ gefommen. $ier iDünfd^te biefelbe algbalb mit

grau Don ®m)on ju fprcd&en; allein bie bei bem ffirjbifd^of beöfatts

nad^gefuti^te Srlaubni^ würbe il^r t)crn)ei9ert. Snbeffen toar bie Slebtifjtn

eine SSertoanbte ber gfrau t)on SKaintenon, bei toeld&er fie fxi) toegen beä

able|nenben 35efd^eibe§, ben fie Don bem ©rjbifd^of empfangen, um fo

mel^r glaubte be[d^ti)eren }u lönnen, als eS fid^ l^ier um eine 38ol^Itl§at

l^anbelte, weld^e einem jungen 3Räiä)m, baS in il^rem Älofter ben ©d^Ieier

ju nehmen vox^cdU, ju S^i^eil toerben fottte. ®in SBinI ber ^Jrau von

3Ifaintenon t)eranla^te eS infolge beffen, ba^ ber ^Prälat j|e|t bie erbetene

Erlaubnis 3U einem Sefud^e bei ^rau Don (äupon crt^eilte. hierbei er«

^x nun bie 2lebtiffin; roeld^eä Uebermaa^ von Soö^eit ^au von ©u^on

l^otte ertragen muffen, ©ie unterliefe e3 bal^er nid^t, ^rau t)on SWaintenon

uBer bie Sage ber 3)inge aufjuflären unb fie ju bitten, bafe fie jur

Befreiung ber unfd^ulbig Seibenben bei bem Äönige il^ren gan3en ®in«

flu^ aufbieten möd^te. grau von SKaintenon, bie nun oon fo oerfd^iebenen

Seiten l^er in oöttig übereinftimmenber SBeife bie feierlid^fte 3Serfid^erung

ber Sd^ulblofigfeit ber ©efangenen erl^alten unb fid^ aHmäl^Iig t)on ben

rud^Iofen ^Praltifen, benen biefelbe -jum Dpfer gefallen toar, überjeugt

i^atte, gab ber Sitte il§rer Sermanbten j|e|t ein toilKgeS ©el^ör, ging

jum ^önig, oerfid^erte bemfelben, bafe nad^ ben genauen ®rlunbigungen,

bie fie eingejogen, alleS h)a§ man jum 9lad^t]^eil ber gau oon ©upon

i^m Dorgetragen l^abe, alg auf Unloal^rl^eit berul^enb fid^ l^erauäftelle unb

bot i^n, burd^ feinen 3Rad^tfprud^ ber ungered^t SSerfoIgten bie greil^eit

toieberjugeben. 2)er Äönig erflärte ftd^ l^ierju mol^I geneigt, toünfd^te

jebod^, bafe er um biefe ®nabe burd^ eine Sittfd^rift angegangen mürbe,

Subelnb lam bie Slebtiffin, roeld^er %xan von 3Dlaintenon t>on bem Erfolg il^reS bei bem Äönig getl^anen Sd^ritteS 9iad^rid^t gegeben l^atte, in bag Älofter, um ber ©ingeferferten ju uerfünbigen, bafe bie ©tunbc i^rer Befreiung ehen fd^lagen toollte. Sie von bem Äönig begel^rtc Sittfd^rift mürbe fofort aufgefegt. ®ä toar am SSorabenb beS SubmigS« tageä, beä l^el^ren gefttageS be§ franjöfifd^en ÄönigSl^aufeS. %U baS ©efud^ aug bem Älofter in bie 2^uilerien abgefd^idft toar, marf fid^ %vavi »on (8ut)on auf bie Äniee unb betete, bafe ©Ott ba§ ^erj beS Äönigi^ mit bem ©tral^Ie ber SQBal^rl^eit erleud^ten möge.

3iod^ an bemfelben 2^age erliefe ber Äönig an ben ©rjbifd^of ben. Sefel^I, %xau t)on ©u^on in grei^eit ju fe^en.

2)iefer S3ef el^l beS Äönigä toar aber ein SJonnerfd^Iag , meld^er bie gönje, von bem 5ßater la SWotl^e infpirirte unb t)on bem @r3bifd^of ge« fegnete Äoterie, bie baS SSerberben ber Derlaffenen frommen grau be«

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fxi^Ioffen ^atte, ju jerfd^mettem brol^te. ÜRu^ten bod^ aSe geiftlid^m S)rcinger bcr %vavL t)on ©upon jc^t 6cfürd^tcn, bofß i^v biSl^crigcS (Se* tcbc oon ben SCnjeigcn, bie gegen bie ®atne eingelaufen tooren, unb von ben (Singejlanbntffen il^ter ©d^ulb, toeld^e btefelte abgegeben l^aben follte, als boSl^afte Sügen er!annt n)erben ntöd^ten! 'Sfln^U fte bod^ jje^t ou^ bcr ®ebanle mit ©d^redfen erfüllen, ba^ fie für il^r SBerfal^ren gegen ben ^ater Sacombe jeben SRed^tStitel verlieren unb biefem wie ber ©ante gegenüber als SSerbredper erfd^einen niöd^ten!

Sifigft tourbe bal^er bem Äönig DorgefkeHt, ba^ bod^ ^au von ©u^on unmöglid^ fofort unb ol§ne SBeitereS auS il^rer ^aft entlaffen werben fdnne, ba^ il^rer ^eigebung not^toenbig gehjiffe görmlid^feiten oorouS« gelten müßten, fd^on um ber öffentlid^en SBol^Ianftänbigleit toillen. Ser Äönig geftottete bicfeS unb gab bamit, ol^ne ba^ er eS trollte, bie (Sefangene fd^Iie^Iid^ nod^ ben fd^änblid^ften Quälereien il^rer SJränger preis, bie jtd^ bereits barüber in'S Älare gebrad^t l^atten, ba^ man ^äj notl^toenbig, el^e bie einge!er!erte ®ame aus il^rer §aft entlajfen iDürbe, ein in aller gorm Sted^tenS abgefaßtes, unb t)on i^r felbft unter3eid^nete8 ^ofument loerfd^affen muffe, burd^ meld^eS fte felbft pd^er gcftcttt hjürben.

SKittlüod^S ben 1. Dctober 1688 erfd^ienen bal^cr ber Dffisial unb ber 3)octor in bem Älofter, forberten bie ©upertortn auf, il^nen über baS t>on %xavi tjon (Su^on träl^renb il^er §aft betl^ätigte SBerl^alten ein amt* Kd^eS 3^iiÖ^iß auSjuftcUcn , (toeld^er Slufforberung bie ©uperiorin aß« balb entfprad^), worauf fie grau oon ©upon ju fid^ rufen ließen unb ber« felben ein 3)oIument vorlegten, roeld^cS fte unterfd^reiben foffte. 3)er Dffi3ial l^atte aud^ ^toei t)on i^r gefd^riebene 2luffä^e jur $anb, tJon benen fie ben einen am 8. tJebruar 1688, ben anberen einige 2oge fpäter bemfelben überfanbt l^attc. Seibe toören bem über baS SBcr^ör aufgenommenen ^ßrotoIoH beigefügt. Qn bem vorgelegten S)o!ument toor nun bemerft, baß ^au von ®m)on bem Dffijial frül^erl^in 3toci anbcre SDoIumente übergeben l^abe, toaS jie unterfd^rtftlid^ anerfenncn follte. ®ie in bie ?PraItifen il^rer SEBiberfad^er allmäl^lig eingeroeil^te grau getoal^rte jjebod^ alsbalö bie gaffe, bie il^r geftefft toerben foffte. 3n bie über bcS SBerl^ör aufgenommenen ^ßrotoloffe tooffte er il^r unbebingt feine @inft^t geftatten, unb cS toar ju befürd^ten, bqß ber Dfftjtal, loenn fie bie ge« fd^e^ene IXebergabe 3toeier anberer 3)oIumente an il^n notorifd^ anerfannt l^tte, ftatt il^rer t)orliegenben cigenl^änbigen ßrllärung 3h)ei unterge« fd^obene ©d^riftftüdEe ben ^ßrotoloffen beifügen toürbe. S8or aUm Singen legte bal^er grau t)on (Supon bagegen 5ßroteft ein, baß bie von xf)x ein- flegebenen ©d^riftftüdfe als „2)oIumente" bcjeid^net toürben, ia fie eben nur einfädle ^Papiere mären (toaS aud^ ber 2)octor anerfannte), unb goB

B21

fd^Ite^Iid^ nur nai), ba^ man fte in ber ju t)oIl}ie]^enben Urfunbe ätuffä^e (memoires) bcjcid^netc.

^nbeffen fal^ ^au t)on ©u^on atebalb ein, ba^ anH) fo il^re Unter« )eid^nung beiS 5DoIuntenteg möglid^eriDeife }ur SSerificirung eined SetrugeiS gemipraud^t n)erben lönnte; toed^alb fte erflärte, fie fei }n)ar gern bereit, untcrfd^riftlid^ 5U bezeugen, ba^ fle im gebruar 1688 bem Dffijial jipei Sbtffä^e ^angeliefert ^abe, jjebod^ nur in bem %<ifie, ba^ babei ber ^[nl^alt biefer äluffä^e bemerlt toürbe. hierüber ft)urbe jebod^ ber Dffijial fo aufgebrad^t, ba^ er fid^ gegen bie 3)ame bie ^efttgften 3(ulSfäIIe erlaubte unb il^r mit einem ©d^tour erflärte, fie mürbe t)erIoren fein, menn jie i§re Unterfd^rift nid^t nad^ feinem 3BtlIen leiften tooKte. SDurd^ baS äBettern unb Stoben beS Dfftjiald eingefd^üd^tert, erllärte fie ftd^ bal^er enblid^ bereit, bie verlangte Unterjeid^nung ju t)oIl3iel§en. %U biefeS aber gefd^el^en mar, bereute fte aud^ fd^on, toaiS fie get^an l^atte, megl^alb fte ben ®octor erfud^tc, ju i^rer Unterfd^rift aud^ bie feinige ju fe^en, bamit biefe Rapiere nid^t mit nad^geal^mten Dertaufd^t merben lönnten. ^a^u iPoQte fid^ aber ber Dfftjial unter leiner Sebingung berftel^en.

Slunmel^r trat inbeffen ber Dffijial mit einem jtoeiten ätnjtnnen an Stau t)on @u9on l^eran: biefelbe foKte aud^ unterfd^riftUd^ ertlären, ba^ fte früher S^^^ö^^ gehegt i^ätte, toobei ber Dffijial, als er bie l^ierüber ftd^ funbgebenbe ®ntrüftung ber 3)ame iDal^rnal^m, bie l^eud^lerifd^e 93e« mcriung mad^te, ba^ ja „SSerfe^en" im Seben eines jeben aJlenfd^en von Idmen; ber }). Q/t)ipnat>, beffen §eft morgen begangen toürbe, fei oon einem Qrrtl^um befangen getoefen, als er geftorben, unb fei bennod^ l^cilig gefprod^en morben; unb er felbft l^abe, beoor er bie 5ßrieftertoeil§e empfangen, eine Slbfd^toörung aller „Srrtl^ümer" leiften muffen, (toobei er baS üblid^e gormular in lateinifd^er ©prad^e beHamirte). Slber tro'^bem wies grau t)on (Süpon biefeS Slnjtnnen mit fold^er Seftimmtl^eit jurüdf, baj ber Dffijial barüber in bie leibenfd^aftlid^fte ©rregung geriet^, t)on ii^ren Sudlern ju fpred^en begann, morin ftd^ bod^ notorifd^e grrtl^timer tJorfänben unb mit bem Semerlen, ba^ il^m ber ©rjbifdjof fd&pn l^eim« leud^ten toerbe, toenn er baS t)erlangte Singeftänbnife oon i^r nid^t er« galten foHte, bie l^eftigften SDrol^ungen gegen fie auSftie^. grau von ®U9on l^ielt eS ba^er fd^Iie^Iid^ für ratl^fam, fid^ menigftenS ju ber ©r* Ilärung ju t)erftel^en, ba^ fie, falls ftd^ in il^ren ©d^riften Qrrt^ümer oor^ finben foHten, biefelben bereue ünb oerhjerfe. §emad^ trat ber Dffijial mit ber gorberung l^eroor, fie follte erllören, ba^ fie jebem Sud^l^änbler unb ffirudfer ben SSerfauf il^rer Sudler unterfage. Slud^ biefeS gab, als bie ©equölte ©d^mierigleiten mad^te, ioieberum }u einer, burd^ bie Sr^ bitterung beS ^Pfaffen l^erbcigefü^rten, überaus l^eftijen ©cene 2lnla^,

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m^^alh bcr ®octot begütigcnb cinlcnftc unb %xau \>on ©u^on baburt^ jut Slad^giebigleit bcftimmte. 2)al^cr untcrjeid^nctc cnblid^ biefelBc baS Siolument, Ilüglid^ jcbod^ fo, ba^ jtc jroifd^cn bicfcm unb il^tct Untcts fd^rift eine ©eitc bcS ?ßapictcg lect lic^, um nod^ttäglid^ l^tnjufüßcn ju lönnen^ toaS il^t oieUetd^t naä) bem Statine eineg nod^ gu befragenben 9lcd^t§t)crftänbt0cn afö 3toc(fbicnnd^ erfd^eincn lönntc.

^nf S^agc fpäter erfd^icn ber Dffijial tüicbcr im Älofter, um grau von ®ui;on 3ur SewoHftänbigung il^ter Unlctfd^rift ju üeranlaffcn, inbcm er meinte, ba^ l^ier ein SBerfel^en Dorgefommen fei. ÜBteberum fal^ fi^ nun %xa\i oon ©u^on ben peinlid^ften Quälereien duSgefe^t. 3)a i|t jebod^ %xa\x t)on 3Raintenon l^atte fagen laffen, ba^ eS je^t barauf ans fomme, i^re Befreiung anQ ber Älofterl^aft burd^3ufe^en, unb ba^ fte jidj iebenfallä ju ber il^r angefonnenen Unterfd^rift t)erfle^en möd^te, inbcm ber Äönig über baS gegen jte jur Slnwenbung gebrad^te, gctoalttl^ätigc 3Serfal^ren unterrid^tet werben foHe, fo tJ^at jie enblid^, maS man von i^x forberte. Si^folge beffen tüurbe jte nun au^ i^rem Äerler in folöcit befreit, als man il^r mieber geftattete, pd^ innerl^ab.ber ^loftermauctn frei JU belegen.

Jiad^bem nun (gegen ®nbe beS gal^reä 1688) SlffcS, maä ber Dffiäial als unerlä^lid^e SSorbebtngung ber @nt[affung ber.f^rau t)on ©upon auS bem Älofter 6e3eid^net l^atte, ericbigt mar, tl^at ber 33ormunb il^rer Äinber bie nodj erforberlid^en ©d^ritte, um bie ©jpebirung ber barauf bejüglid^en iönig« lid^en Drbre 3U ertoirfen^ UnglüdEUd^erroeife toay biefelbe t)erlegt toorbcn, toeSl^alB bie SBerI;aftete nod^ mel^rere red^t |)einlid^e 2^age in bem Äloftcr 3U t)erbrtngen l^atte. ®nblid^, am 2^age ber Äreujerl^ö^ung, tourbe ber löniglidpe Sefel^l tn ba§ Älofter gebrad^t. S)ie 2lebtiffin unb ber 3Sormunb maren bereits bort erfd^ienen, um ^Jtau 0. ®. aus ber (Sefangenfd^aft ai* . ju^olen. 3)aS fonft fo ftiffe Ätofter toar urpIö|H^ bie ©tätte lauim Subefö geworben. %xa\x von ©upon aber fd^ritt auS bem Klofter bur(| bie ©trafen ber großen ©tabt ba^in „toie eine grembe in einer fremben SEBelt, tüte betäubt, toie eine SDlafc^ine, bie nad^ med^anifd^en SSorlel^rungen fprid^t unb ge^t, ol^ne in fid^ Sebcn 3U ^aben."

9tau iion Ou^on unter bem ®cpu|e ber Stau t)on SRaintenon«

gieren erften Sefud^ mad^te fie bei bem ©rjbifd^of, um il^m ®anf JU fagen, jebod^ nur beS 2lnftanbS l^alber. 2)ann aber trieb il^r ^crj fte ju grau »on SKiramion, bie mit 3nbrunft bie 2)ulberin an i^re

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Srup brttitc. %tan t)on SWiramion bot il^r fofott in i^rem ©d^tocftct« l^aufe eine SBö^nung an, rocld^c biefe ban!6ar annahm. $icr tarn nun grau t)on ©upon in einen il^r überaus tool^Itl^uenbcn SSerlel^fr, inbem jie mit einer SRcil^e von $erren unb 2)amen belannt lüurbe, toeld^e für i^re äleligiofttat ä^erftönbni^ unb gro^e SSiertl^fd^ä^ung l^atten. Unter beni felben befanben fid^ inäbcfonbere bie $er3Ögc von SeauoittierS unb von S^eoreufe, beren ©emaJ^Iinnen, foroie bie ^erjöge Don Setl^une unb grau von 5Kontd^et)reuiI. 5Die le^tere erjäl^Ite i^r, ba^ eS ber fjrau von SWaintenon bie größte greube fein toürbe, pe bei ftd^ ju empfangen, Salier überfanbte fte biefer junäd^ft einen Srief, toorin jte für bie il^r crtoiefenc Siebe unb gwrforge auf baä 3""iöf^^ banite. S)te ©infül^rung ber »erel^rten 2)amc bei grau von 3Raintenon l^atte fid^ aber bie $er* jogin t)on Setl^une t^orbel^alten. grau von (äw^on begab fid^ bal^er gu berfeften auf beren bei Senne (in ber 3iäl^e von SSerfaiHeä) gelegenes Sanbl^auS; von too Seibe nad^ SSerfaiUeS ful^ren unb in bem Calais beS ^crjogS von SeaumllierS abftiegen. $ier l^atte fte bie erfte Begegnung mit grau t)on 3Raintenon, von tocld^er fie mit großer SluSjeid^nung be« grü^t murbc. Sluf ben SBunfd^ ber l^o^en 3!)ame lam nun grau von ©upon häufiger nad^ SSerfaiSeS, Wo fid^ in bem-$alais beS $er,)og^ von SeauüiHierS au^er grau von 3Raintenon aud^ geneton unb bie ©uperiorin bcS Srjie^üngSl^aufeS 3U ©t. ßpr, grau von Srinon, einfanb. 9Rit Serounberung l^örte man l^ier bie fromme 2)ame i^re übenafd^enben ®e« banlen oon bem „nadften ©lauben", oon ber „reinen Siebe" unb von bem „inneren ®ebete" t)ortragen. SSalb lie^ man aud^ bie Älofterfrauen von St. ßgr an biefen (Sefpräd^en mit gilau oon ©upon t^eilnel^men, weld^er grau oon 5Dlaintenon je^t il^re ©alonS öffnete, grau oon (Su^on lam bal^er je|t aud^ nad^ ©t. ßpr, too jtd^ bie grauen oon 3Kaintenon, von 51Raifonfort unb oon Srinon bie ©d^rif ten berfelben, inSbefonberc bie „Äurje Slntoeifung jum inneren ®ebet" unb bie „SluSlegung beS §ol^enIiebeS" tjertraulid^ mitt^eilen liefen, ©eitbem fd^o^ jtd^ aud^ eine immer mel^r antoad^fenbe ßa^I ber jungen 5ßenfionärinnen ju ©t. ß^r an grau oon ©u^on an, mit roeld^en biefe in ben lebl^afteften SSerfe^r trat, grau oon 5Ulaintenon l^atte ben jungen J)amen biefen Umgang gern gemalert, ba i^r biefe geftanben Ratten, ba^ fie in ber grau von ®u9on ettoaS fänben, toaS jte ju ®ott l^injiel^e. 3)a nun grau oon 5Ulaintenon balb aud^ ben erfreulid^en Sinflu^ toal^rnal^m; ben bie fromme 3)ame auf oiele ^ßenfionclrinnen beS QnftitutS ausübte, fo ioenbete fte ber le^teren, nod^ mel^r als eS bisher gefd^el^en toar, il^re $ulb JU. ÜBennfd^on bal^er grau oon ©upon nur bann unb toann nad^ äSerfaiUeS unb ©t. ß9r lam, fo mürbe fie bod^ aSmal^Iid^ ber

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SRtttcIpunft aller frommen Äretfe bafelbft. 3»]^re Stuffaffung unb 3)«* fteKung reßgtöfer 3been voat getftreid^ unb originell unb t^r Seben et« fd^ien Bereits einigermaßen im (Schimmer bei SRärt^rertl^umd. 3>iefed unb bie SiebenStofirbigfeit il^res ganjen 38efend bemirlten bal^er, ba| il^r in ber Umgebung ber ^rau t)on ^aintenon balb ein n)irIUd^er Sultud bargebrad^t mürbe.

%. 5.

Keite Setba^ügungen bet Stau tion eu^ott. Stu^ bet 9tm

neu SRaitttenott mit i^t»

Uebrigeng l^atte ^au t)on ©upon il^re äBol^nung (tro$ ber ®tn« fprad^e beg Dffi}ial3 !) noc^ immer in bem @d^toefteml^auf e ber f^au von 3Kiramion, loo jie in tieffter ©tiHe unb S^rücfgejogenl^eit Ubtt. Soft ober mußte fte eS aud^ l^ier erfahren, baß ber $aß il^ier SBiberfad^er il^r nimmer Stulpe gönnen tooHte. . Unb jtoar toar mieberum ber 5ßatct la SKotl^e, meld^er bie ©d^toefter mit feinen SBerläumbungen unb 3ntri« guen oerfolgte. S)erfeI6e Keß nämlid^ ber %xau oon 3Kiramion mittJ^eilen, baß man feit geraumer Stxi feine ©d^trefter aUmöd^entlid^ tDenigftenS @inmal in bie SSorftabt @t« ÜRarceau l^abe gelten feigen, too fte gel^eime SSerfammlungen ^alte. S)er $ater la ÜRot^e fügte fpäter, al3 er über biefeS @erüd^t befragt iourbe, l^inju, er ^abe baffelbe anfangs gar nid^t glauben lönnen, l^abe fid^ bal^er mehrere male perfönlid^ in bie SSorftabt @t. 3Rorceau begeben unb l^abe ba aSerbingS feine ©d^mefter in bie bejeid^neten Käufer ge^en fe^en. ^ ber Seit aber, ioo ^au von ®w^on il^ren SBeg in W 3Sorftabt ©t. SWorceau (bie fie nie gefeiten) genommen l^aben foUte, l^atte biefelbe brei Monate ][ang an einem ©efd^mür, mS neben bem 3luge toieber l^eroorgebrod^en toar, leibenb unb oft fteberfrani ju 93ette gelegen, unb nad^ il^rer ©enefung mar fie eitoa viermal von einem SBetter aud bem $aufe ber ^rau oon SRiramion jum ©pa^iergong abgel^olt unb in baffelbe 3urüd(gefül^rt morben. ^n biefer langen 3^^ l^atte il^r %u^ nid^t einmal eine Aird^e betreten. ällS ba^er ber $ater la 3Rotl^e fid^ eines XageS bei ^rau oon üJtiramion in ber ebenfo fred^en als boshaften Slbfid^t fe^en ließ, ben ^ni^alt feines ©d^reibenS m fte }u beftätigen unb nod§ anbermeitige SBerläumbungen feiner ©d^toefter onju^ bringen, gerietl^ bie S)ame ilber biefe unerhörte 9lieberträd^tigfeit in bie

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größte Sluftegung. S)en ^"fyali fetned Sriefed ^Ilätte {te füv DoUftänbig erlogen, mit ber SBetfid^erung , ba^ fte je^t 3l0ed glaubest toad man übet feine bcSl^aften 9lnf daläge gegen bie oertoittivete @(l^h)eftet et3äl^It l^abe; benn jte fei S^n^^, ba^ biefelBe feit brei SRonaten faft immer im 9ett gelegen, nid^t mel^r aU t)iermal au^ bem ^aufe ge!ommen unb nid^t ein« mal in ber Äird^e geroefen fei. -^ Slad^efd^naubenb »erlieft ber Pfaffe ba§ ^auS, in nield^em er ftd^ entlarvt fal^.

38äl^renb ^^au d. @. nod^ in bemfelBen lebte, t)erlobte unb verl^eiratl^ete ftd^ il^re 3lod^tcr mit einem $erm SouiS 5RicoIe %0VL(\\xct, SSicomte von SRelün unb SSau^, @o^n beg berül^mten unb fd^Ueftlid^ fo unglüd^lid^en Dber« intenbanten ber %inanitn, $erm t)on fjouquct. S)ie $od^jeitfeicr fanb in bem ©d^ioefteml^aufe ber ^au von SKiramion ^iatt. SBegen ber jarten Sugenb ber Xod^ter l^ielt bie ^JJlutter für ratl^fam, iDenigfteniB für tttiige 3ci* iw i><^^ ^öuä berfelben 3U jiel^en, in meld^em fte gegen britt^s l^alb ^af)xe blieb, ^ernad^ erh)ad^te in il^r ba§ lebl^aftefte 93er(angen, fid^ in bie ftiffe 6infam!eit beS Älofterö jurüdfjujiel^en. ©ie fd^rieb barüBer an bie 5ßriorin ber Sencbictinerinnen ju SKontargiS. J)iefelbe crflärte fid^ aud^ gern bereit, jte in i^r Älofter aufjunel^men, in weld^em jte i^r ein fleineö 3'"^"^^ w^it einem Äabinette jutoieö. 2)aS S^^^^ lag am ©Torraum ber Äird^e unb toar mit einem (Sitter in ber SEBeife i^crfe^en, baft man oon bem erfteren auS an bem (SotteSbienfte tl^eit ttcl^men unb bie Sommunion empfangen fonnte. 3lad^ ber anbercn ©eitc §in führte ba§ 3^"^^^^ w einen fleinen abgefd^Ioffenen ©arten. $ier gebadete nun ^rau conSu^on il^r ganseä ferneres Seben, Don ber SBelt öoUftänbig abgefonbert, ju jubringen. 5liemanb foffte erfal^ren, mer fie fei; bie $ßriorin l^atte il^r fogar jugefid^ert, baft fie felbft bem SSeid^t- Pater unbefannt bleiben lüürbe.

3li§re Ueberfiebelung in baä SSenebictinerinnenllofter toar alfo be* fd^Ioffen, toeg^alb fte bie ju il^rer @inrid^tung erforberlid^en ©erätl^fd^aften ttad^ ÜKontargiS abfal^ren lieft. Slttein bie ©ad^e toar bod^ bereits be* lannt getoorben; man f)atU ben ®rjbifd^of ber J)iöcefe von bem, toaS Stau von ®U9on vorhatte benad^rid^tigt unb biefer Derfagte bal^er ber XuSfül^rung be3 planes feine ©ene^migung. ^^au von ©upon mietl^ete fid^ beS^alb ein ganj entlegenes Keines §äu8d^cn in ber Umgegenb von SPariS, mo fie nur ju Seiten einjcine befreunbcte ©eelen bei jtd^ fol^, im Uebrigen aber in tieffter SBerborgenl^eit lebte.

älud^ einen SSerfel^r, ber il^r bis bal^in Diel innere @rquid(ung be« reitet l^atte, brad^ fie bamalS ab, nämlid^ i^re bisl^erige Sejiel^ung ju Srau t)on SKaintenon unb ju ©t. (S/gx.

SineS 2;ageS (im ©eptember 1693) h)ar namlid^ ber ©eelenfü^rer

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berfjrau t)on SRaintenon, ber Sifti^of tjon Gl^attrcS, bei bct l^ol^en S)atife cirfd^icncn unb ^attc tl^r ctllärt, ba^ er jtc notl^toenbig auf bie unter ben SDamen ju ©t. (Spr jtd^ bemerllid^ ntad^enben rcKgiöfen 3)ifferenjen ttufmerifam machen tnüffe, toaS offenbar bamit jufantmenl^änge, ba^ bo* felbft aUcrlet t)erberbltd^e Sudler, inSbcfonbcre einä, roeld^eS Moyen court betitelt fei, l^eimifd^ gehjorben toären. . Säd^elnb 30g ^rau r>on ÜRaintenon il^r ©jemplor beS Moyen court auS ber 3^afd^e unb fragte ob biefeS ba§ Sud^ fei, iDeld^eS jte bod^ nur ate ein guteä SSud^ anfeilen fönnc, S)er Sifd^of erlannte ba§ Süd^tein afö ba§ oon il^m gemeinte an, unb oon ba an begann fid^ in ben Sejiel^ungen ber fjrau oon SKaintenon ju %xa\i oon ©u^on eine SBenbung oor3ubereiten.

grau oon SJlaintenon l^atte bem fiönig einige Slbfd^nitte aus ber „Äur Jen Slnloeifung 3um inneren ®ebet" oorgelef en ; biefer aber l^atte bie^ felben für ^Träumereien erllärt, toaS für grau oon ?Kaintenon ®runb genug toar, fid^ fernerl^in nid^t al§ eine allju eifrige SBere^rerin ber grau oon ©u^on au§3ufpred^en. Dl^nel^in famen il^r aHmäl^Iid^ mand^erlei ©e« banfen ber Same bod^ faft bebenllid^ oor. SlHerbingS fud^te il^r genelon (ber mit grau oon (Supon namentlid^ burd^ baS gan3e ^af)x 1689 ^in im lebl^afteften Srieftoed^fel ftanb) i^re Sebenlen au§3ureben unb i^r Ilar 3U mad^en, ba^ bie S^^een ber grau oon ©upon ben eigentlid^en §ö§e* punft d^riftlid^er ©ottfeligleit barftettten. Slttein fie mar bod^ nun ein* mal in* i^rem Urtl^eil über bie oon fo SBielen fd^roärmerifd^ ocrel^rtc grau unfid^er geworben, ioeg^Ib fie nid^t uml^in fonnte, il^ren ®etoif[en3« ratl^, ben Sifd^of oon ßl^artreS, über feine 5Keinung oon ben ©d^riften ber grau oon ®upon ernftlid^er ju befragen.

grau öon 3Kaintenon erfd^ral faft als fie f al^ , ba^ il^r ©eelenfül^rcr bie ©ebanfen ber grau oon ©upon fo ganj anberS beurtl^eilte als genelon. 3)er Sifd^of oon (Sl^artreS äußerte ftd^ bal^in, ba^ man ©d^riften, in meldten ba3u aufgeforbert toerbe, „fid^ über 3lid^ts Unrul^e ju mad^en, fid^ felbft gan3 ju oergeffen unb niemals auf fid^ felbft jurüdE3uIommen, fonbern fid^ 3ur greil^eit ber Äinber ©otteS 3U erl^eben, meldte man bann oofflommen genieße, wenn man ftd^ burd^ 5lid^tS binben lajfe," mit ber größten SSorfid^t gebraud^en muffe. 3wglßi^ toieS er barauf l^in, bafe bie ®inroirfung ber grau oon ©upon auf baS ©tift 3U ©t. ßpr oictteid^t eine fel^r bebauerlid^e merben lönnte.

©old^en Sleu^erungen gegenüber mufete ftd^ nun grau oon SKaintenon in*S Ätare barüber bringen, toie fie ftd^ 3U ber fo tief gel^enben S)iffcrenj ber Urtl^eile genelon'S unb beS Sifd^ofS oon ßl^artreS, foioic. ju bem jtoifd&en Setben oorliegenben ©egenfa^ ber religiöfen SRid^tung 3U oer« galten l^abe, toeSl^alb fte alle t^eologifd^en Slutoritöten il^rer UmgebunS

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ju ^orctt Befii^to^. ©ic $og münbliii^ ben Stfd^of Soffuet oon SWcauj Satire (ben ftc feit mcl^rercn So^^^^n ganj fern von fxä) gel^alten l^atte), toenbetc ftd^ glcid^jeitig an ben Sifd^of 5RoaiIIeg t)on ß^alonS an ber 3Ramc (ben jte bamalä i^r SBertrauen jujutoenbcn Begann), unb erbat fid^ ganj gel^eim ani) bie Urt^eile beS SefuitenpaterS 33ourbaIoue*), beä ®eneraIfupcrior§ Solp, ber Beiben 38 orftel^er ber auStoärtigen SKifjtonen, 3^iberge unb aSrifacier, foroie beS ©uperiorS »on ©t. ©ulpice, beä 31666 2^ronfon. Sitte ©enannten äußerten fic^ nun über bie Seigre ber grau t)on ©upon ungtinftig; einige berfelBen erllärten fie fogar gerabeju für irrig unb t)erber6(id^. 3)er von x^x ganj Befonberä x)ere^rte 216B6 SIronfon, ber einft ^Jenelon'S Seigrer unb gül^rcr getoefen toar, gaB il^r ben SRatl^, „jte möd^te bie ©d^riften ber grau von (Su^on fo lange für Derbäd^tig l^alten, Bi3 einfid^t3t)ottere unb mit bem gel^örigen älnfel^en BcIIcibete 3Jlänner bie SKajimen bcrf elBen genau unterfud^t unb baS , toaS an il^nen ettra fd^äblid^ fein fottte, t)erbammt l^aBen toürben." 2)iefem Statine befd^Io^ nun ^au von SWaintcnon 5U folgen. Slls il^r bal[ier ber Sifd^of von ßl^artreS t)orftettte, ba^, feitbem g^f^^u ^on ©u^on 3utritt 3U il^r erl^alten l^abe, ber „DuietiSmuS" unter ben S)amen i^rer Umgebung tnel^r unb mel^r 9laum gewinne, ba^ bie ©enannte in bem ©rsiel^ungS? inftitut in t)ielen jjugenblid^en ^erjen il^re Qfbee t)on innerer Sleligiofttät unb innerer SeBenäfül^rung in einer SBeif e l^eimifd^ mad^e, bie ftd^ mit ber gartsen äußeren Drbnung beS ©tifteä nid^t »ertrage, unb ba^ mele junge 3)amen toegen ber unBebingten Slutorität, toeld^e grau non ©u^on unter il§nen gewonnen l^aBe, üBer bie 5ßflid^t beS ®el^orfame§ gegen il^re ©uperiorin fid^ ^inauSjufe^en Begönnen, toar ftd^grau v. SKaintenon üBer ba§, toaä fie ju t^un l^aBe, nid^t mel^r unllar. 3)aS ©ebei^en i^reg S^^ftituteS ging il^r über SltteS. ber SlBftd^t, bem bisherigen SBerfel^r ber grau i)on ©upon mit ben 2)amen in ©t 6pr ein ©nbc ju mad^en, lie^ fie berfelBen SltteS, toaS fie gehört l§atte, atterbingS mit tl^unlid^fter ©d^onung, mitt^eilen. 2)iefe cerftanb ben SBinI unb fteffte bal^er il^re Sefud^e in 6t. Spr feitbem gänjlid^ ein. ä(ud^ lie^ fie von ba an bie sal^Ireid^eh ©riefe ber jungen 2)amen ju ©t. ßpr, weld^e fämmtlid^ unperfd^Ioffen burd^ bie $anb ber grau t)on ^Jlaintenon il^r )ugingen, unBeantiDortet* 3)iefe3 plo^lid^e älBBred^en atter S3e3iel^ungen, toeld^e grau v. ®. ju @t. (Spr l^atte , mad^te natürlid^ au^erorbentlid^eS äluff e^en. 3Slan fragte M «öd^ ben ©rünben, toeld^e biefelbe ^ierju Beftimmt l^ätten; unb ba man ben h)irllid^en äln(a^ nid^t !annte, fo iourbe Balb biefeS Balb jjeneS

*) 93ourbaIoue'd SBrief an ^rau iDon äRaintenon über grau Don ®u)^on finbet ^ abgebrudt in »auffet'd „^^hm genelon'd", »ei(. 13. .

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3nt Sptad^e gebrad^t, iDOd bann aud^ fofott ben (oSl^aftefiten SSerleum^ bungen %f)üx unb Xl^ot öffnete, ^au t)on ©u^on l^örte l^ierDon unb Befd^Io^ ba^er ftd^ nod^ ntel^r von ber 98elt sutüdCjujiel^en unb ftd^ nod^ tiefer 3U t)erBergen, als fte ed ol^nel^tn fd^on getl^an ^atte.

3)aBei lam bte mclgenanntc 2)ame, auf toeld^e in atten Äreifen ber ©efeSfd^aft baS äluge gerid^tet h)ar, bod^ immer vtm 9ieuem in SSerfel^ä« Bejiel^ungen, meldte für ben SBerlauf il^reS inneren unb äußeren SebenS in ber einen ober ber anberen ^infid^t 93ebeutung gemannen.

S)a erfd^ien j. S. eines 3!age3, burd^ einen ^eunb angeregt, ein angefel^ener @eiftlid^er, Soileau, 3)octor ber ^^eologie unb 3)ecan beS ©rjbifd^ofg t)on ©eng (ein Sruber beS Belannten fat^rifd^en 35id^terS biefeS 5RamenS) bei il^r unb Begann alsBalb von \f)xcx Äur.jen Slntoeifung jum inneren ®eBet" ju fpred^en. ®t erllärte il^r, ba^ er 3mar nid^t bie gute SlBfid^t, in toeld^er fte biefeä Süd^lein gefd^rieben l^aBe, »er* lenne; affein baffelbe lönnte bod^ ju Bebenllid^en ^Jolgerungen SSeranlaffung geben; unb ba e8 nun in fo oiele §änbe gelommen fei, fo beftird^te et mirHid^, ba^ eS ©d^aben bringen möd^te. 3^foIge beffen crfud^te Sfrau von ©upon ben ©eiftlid^en, ba^ er mit il^r baS Süd^Iein burd^lefen unb il^r bicjenigen ©teilen beffelben, meldte er irgenbmie für bebcttflid^ l^alte, bejeid^nen möd^te. 2)er (Seiftlid^e ging hierauf bereittoittigft ein; beibe lafen baS S3ud^, jener l^ob alles ^exvox, tt?a3 er ju beanftanben l^otte, unb bie SSerfafferin fud^te i^m flar ju mad^en, toic fie eigentlid^ biefeS unb jenes meine. Slad^bem baS ganje Süd^Iein burd^gefprod^en toor, erllärte Soileau, bafe baS Keine SBerl fid^crlid^ nirgenbä beanftanbct morben fein toürbe, toenn fid^ bie 3Serfafferin über einzelne fünfte fo ioie fte eS bei il^m getl^an, in bem 93ud^e auSfül^rlid^er auSgefprod^en l^ätte; toeSl^alb er fie bitten muffe, Sie i^m foeben tjorgetragenen ®r* läuterungen in eine Slbl^anblung jufammen ju faffen unb biefelbe bem Süd^lein als SBormort beizugeben, fjrau t)on Ou^on äußerte jtoar l^ier« gegen il^re Sebenlen, oerfprad^ jebod^ fd^Iie^Kd^, bem Statine beS ©eift^ lid^en ju folgen unb arbeitete ba^er in ben nöd^fien S^agen bie gemünfd^te Slbl^anblung auS*). SBoileau, bem fie biefelbe jufd^idfte, toieberl^olte in« folge beffen feine Sefud^e bei il^r unb bat fte bringenb, baS Sud^ mit biefer Sorrebe auf's 5Reue auflegen ju laffen. ©ie ftellte i^m jebodj 9or, ba^ fie gerabe nm biefeS Süd^leinS toiKen bie örgften Verfolgungen nnb Quälereien )u ertragen gel^abt l^abe unb ba^ fie burd^ eine, bem Srsbifd^of oon $ariS gegebene 3ufage fid^ abgel^alten fä^e, femerl^

*) 2)ie ©djrift flnbet ftd^ in ben Opuscules spirituels ber grau t>on (3uifon hon 1712 unter bem ^itel t)eröffentltd^t: „Stutzt 9lpologie ber SCnloeifung gum inneren ®ebet."

329

üBer btefen @egen[tanb afö 6d^riftfteQetin aufjutteten, h)edl^al( jte ftd^ umnoglid^ entfd^Ue^en tonne, feinem äSunfd^e ju entfpred^en.

SoUeau eriannte bie ©rünbe il^ter SSSeigerung an unb %xau von ©upon war frol^, al§ jte fid^ oon bemfelben niti^t roeiter ju neuen SBet* offentlid^ungen gebrängt fal^. 2>enn ein gel^eimed ©tauen befiel fie, voma fte botan badete, ba^ fie neue SSerfoIgungen gegen fid^ l^eraufbefd^tüören foSte. Wlnitt fie eS bod^ ol^nel^in immer mieber l^ören, ba^ bie SBodl^eit i^rer ^einbe gefd^öftig xoax, immer neue Serläumbungen über jte auSju« ftreuen! Ate ber eigentlid^e Äern ber Übeln SRad^rebe, bie man i^r be- rettete, fteUte fid^ je^t bie gegen fte erl^obene Slnllage l^eraug, ba^ fie anbere Seute in bem inneren Oebete unterrid^te unb il^re barauf bejüg* lid^en ©ebanlen auSjubreiten fud^te.

Slttd^tl^eiKger jebod^ als alle biefe SSerleumbungen, tt?ar für fie ba« pIö^Kd^e ®rf d^einen einer unbelannten grau in ^aris , bie mit ©inemmale in jal^Iretd^en Äreifen toie eine ©efanbte ®otte§ tjerel^rt unb ge^jriefen toarb. 3licmanb tüu^te too^er fie gefommen unb toer fie toar, überall fönb fie ßwtritt „bei Stf doofen, meltlid^en SBeamten, voxnefyitien 3)amen, ffieltgeiftlid^en unb DrbenSleuten", unter benen man balb von ber ©ottcS* Iraft/ mit toeld^er bie ^embe auSgeftattet fei, wal^re SSBunbcrbinge er* jäl^Ite. Späterhin erful^r grau oon ®u^on, ba^ fid^ bie 2)ame in ^ariö Sd^toefter 3lofa genannt, an anberen Drten bagegen fid^ unter ganj atibcren 9?amen eingeftil^rt l^atte, unb l^ierburd^ ermittelte fie, ba^ biefelbe, allerbingä eine il^r belannte 5ßerfon tjon l^öd^ft bebettflid^er SSergangen^ 5eit toar, toeld^e biefe il^r «inft felbft als ©el^eimni^ ant)ertraut l^atte.

SDiefe rätl^fell^afte ^au, ber in $ariS urf)lö|lid^ faft 9lSeS ju Süfeen lag, trat nun als bie entfd^iebenfte ©cgnerin ber grau oon ©upon auf, vor beren Äe^crei unb SSerfül^rung fie als im SRamen ©otteS loarnte unb beren eroige ©inlerlerung fie um beS $eileS t)ieler bcbrol^ter Seelen toillen forberte. Um il^r Urtl^eil über biefelbc als über eine Betrügerin JU begrünben unb um ben S3ett)eiS ju erbringen, ba^ Sliemanb fo roie jte in beren Sug unb 3^rug eingeroeil^t fei, erllärte fte, ®ott 1)ahe eS il^r cntbedft, bafe bie angeblichen ©d^rif ten ber grau oon (äntfon gar nid^t eine felbftftänbige Arbeit berfelben, fonbern nur Slbfd^riften ber SBerle einer, (nur wenigen älteren Seuten ju $aris bamals nod^ erinnerlid^en) frommen 35ame, nämlid^ ber gräulein oon Sign er on, einer 2^ertiarierin beS granjiSfanerorbenS, toären. SDie ©d^rif ten biefer S)ame roaren mit bifd^öflid^er Approbation im S^^l^re 1679 ju SRouen (bei Sonaoenture le Srun, Sud^l^änbler im ^alaftl^oß unter bem 3:itcl : Scben unb geiftlid^e gül^rung beS gräulein SKagbalene oon SBigneron, ©d^toefter beS britten DrbenS oom l^eiligen granjiSfuS oon ^ßaula, nad& ben 3Remoiren, meldte

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fre auf Scfel^I tl^rcS SSorftcl^erS l^intcrlaffcn l^at", im ©rud erfd^tcncn» •a)tcfc Scl^auptung bcr grcmbcn mad^tc natütlid^ ba8 größte Sluffcl^cn. Sltc^ tnanb !annte bie ©d^riftcn bct grauletn t)on SBigncton (t)on bcrcn ©giften} aud^ %xa\i v. ®» nod^ ntd^tS gel^ört l^atte), unb eben barum l^attc bie grcmbc bie üBerrafd^enbe Slnfd^ulbigung bcr Ie|teren roagcn lönncn* ®in ^JteunV bct SScrIcumbctcn, bcr §crjog t)on 6I^CDrcu[c, fal^ jtd^ bälget vttanlc^t^ in ba§ Äloftcr bcr 3Dlimmi ju $PariS gu gelten unb nad^ bcr ©d^rift bct fjräuicin t)on SSigncron ju fragen. SRad^ einigem Sd&^^ tourbe il^m bie- fclSe aud^ bc^änbigt. aber laum l^attc bcr ^erjog in biefcS Sud^ einen SUdf geworfen, aU ftd^ berfclbe aud^ von bcr Stigcnl^aftiglcit beS auS« geftreuten ©erüd^tcS üBerjeugte. ®r t)erfc^Ue natürlid^ nid^t, fid^ übet bie t)on il^m gemad^tc ©ntbedfung au§3ufprcd^cn; inbeffen l^atte jtd^ bie grembe ein fo unbegrenztes SSertraucn erworben, ba^ il^rc fred^c Süge blinblingS geglaubt würbe, tocld^e nun toieberum 3U neuen SScrläumbungen unb SBcrbäd^tigungen in ben toeiteften Äreifen 3lnla^ gab. S^Sbefonbere fud^te man, lim bie ©runbfä^c unb bie Seigren bcr 3)amc fufpect ju mad^en, jc^t bcrcn 3RoraI unb SBanbcI in bcr fd^anbbarften SQBcife ju verunglimpfen.

grau von 3Dlaintcnon bemül^tc ftd^ atterbingS bie gute 5iRcinung, bie ftc fid^ von bcr SSerfoIgten gcbilbet l^atte, anfangs fid^ nod^ 3U bctoal^ren; allein gegenüber bem fortmöl^rcnbcn Slnbringcn beS Sifd^ofS t)on 6§artreS unb einiger ?ßrieftcr, tocld^e biefer mit bcr ©chDiffcnSfül^rung im ©tifte 3u ©t. ßpr betraut ^attt, gab fte enblid^ nad^ unb aud^ ftc lie^ bie UnglüdEIid^e fallen, als bcrcn erllärte geinbin fie balb nad^l^cr auftrat

©inige greunbc bcr grau t)on ©u^on an il^rer ©pi|e bcr Dl^eim beS ©d^toiegcrfol^nS bcr grau t)on ©upon, bcr §err t)on gouquet, ein frommer §crr, l^icltcn fid^ aUcrbingS für ücrpflid^tet ju einer 3^^*, too fie t)on fo Sielen lüie für t)ogeIfrei erllärt angefcl^cn marb, fid^ berfelben energifd^ an3unel^men. 3)icfe festen ba^cr eine an ben fiönig gerid^tete ©rllärung auf, h)orin ftc über ben früheren unb gcgenmärtigen SBanbel bcr 3)amc ein IlareS unb bünbigeS S^wß^i^ ablegten; unb man glaubte l^offcn 3U bürfen, ba^ grau von SKaintenon bcmfelben il^re getoid^tDotte 93eglaubigung unb @mpfcl^Iung nid^t t>crfagcn toürbc.

S)cr armen SSerfoIgten mar cS geh)i^ ein großer 3^roft, 3U fcl^en^ ba^ übcrl^aupt nod^ 3^)^^^^ ^^ ^^^ IDlaIcUoftgleit il^rcS Gebens glaubte unb für bicfclbc fclbft beim Äönig eintreten motite. Slttein fte glaubte ftd^ nun einmal jum 3)ulbcn unb Seiben beftimmt unb tooEte nid^t, ba^ bem, maSSottüber fte Dcrl^angt l^atte, t)orgcgriffcn unb gemeiert iDÜrbe. 9Iuf il^ren beftimmt auSgefprod^enen äSunfd^ mürbe bal^er bie Slbfenbung

331

bcr ©rllärung an bcn Äöntg tinteriaffen. ©agcgen bcfdploffen btc t^euttbe ber ^tau t)on ©u^on il^r jje^t auf einem anbeten 2Bege @(j^u| tmb 2^roft ju gen)äl^ren unb fte gegen fernere Quälereien ftd^er ju fteden.

f. 6.

®t9ed SCttftteten be§ Sif^of^ SolTuet in ®a$en bet ^tan ^on CBu^om*)

Unter ben Äird^cnntännern granfreid^S wax bamate ber toeitauS l^er^ Dorragenbfte unb angefel^enfte ber geleierte Sifd^of S^flweS Senigne Soffuct Don 9Jleau£, beffen Slutorität in fragen beS (SlaubenS unb bcr Äirti^e im ganjen fiönigreid^c anerlannt war. SJie greunbe ber grau t)on ®u9on lamen bal^er, als fie berfclben jjebcn anberen ©d^u^ ent3ogen fallen, auf ien ©ebanlen, ben fo f)oä) angefel^enen Sifd^of mit bcrfelben Belannt 3U maci^en, inbem fie nid^t jroeifelten, ba^ ftd& ber Sifd^of fo« tool^I von xf)xex perfönlid^en ^ömmigfeit al§ t)on i^rer Eingabe an bie Autorität bcr Äird^c fcl^r balb üBcrjcugen toürbe; mobci fic töciterl^in ertoogen, ba^, tDcnn ber Sifd^of für bie Sftcd^tgläubigfcit bcr 2)ame eim treten foHte, bamit alle bisl^crigcn SSerbäd&tigungcn bcrfelben mit 6inem 5IRaIe il^r 6nbe ncl^mcn müßten. 2)ic greunbe glaubten fid^ biefcr $offs nung aber umfo el^cr l^ingel&en ju lönnen, als mon mu^tc, bajs bcr Sifd^of bie beiben ©d^riften ber fjrau t)on ©u^on, bie „Äurje Slnmcis fung jum ©ebet" unb bie „ßrllärung bcS ^ol^enliebcS" fd^on Dor einer Sleil^c von 3^^^^^« gclcfen unb fid^ über bicfclbcn beifällig geäußert i^atte. ÜRan befd^Io^ bal^er, ben SSerfud^ ju toagcn unb bie Slutorität beS fo cinflu^rcid^cn Äirc^cnfürften in baS S^^t^^^^ff^ i>ß^ 33ame l^creinju^ jiel^cn. 2)cr ©erjog t)on 6^et)rcufe, ber in ben Äreifcn ber Slriftolratie i^ol^es Slnfel^cn gcno^, übcrnal^m eS, bie ©ad^e einzuleiten. 3)erfelbe ftcHtc bal^er ju gelegener Qext an ben Sifd^of von SKeaug baS ®rfud;cn, Srau t). ©upon, oon bcr er j|a fd^on fo 3SicIcS gel^ört l^attc, unb bie lennen Ju lernen il§m gemi^ oon Sntcreffe mar, mit feinem Sefud^c 3U bccl^rem 3)er ^rälat toiffigte aföbalb ein unb lie^ fid^ burd^ ben ^crjdg ju ber S)ame fül^ren.

2)aS ©efpräd^ beiber Icnlte.ftd^ fcl^r balb auf bie „Äurje Slnmei« fw«g jum ©ebet" unb ber SBifd^of äußerte, ba^ er fomol^l bieg Süd^fein, n)ie aud^ ,,bie SrHärung beS ^ol^enKebeS'' gelefen unb fid^ an beiben

*) gür biefen ^ara0raj)]jcn ftnb »offuet'S SKittl^eilungen in bcnerften 3lb* f^nitten ber @(^rift Relation per le Qaiötisme t)on befonberer SBit^tigfeit.

332

®d^ttften ttiaat f)aU. 3)te Unterl^altung be§ gelel^tten, red^tgläu6tgen ^älatcn mit bcr geifttcid^cn, frommen unb gclüanbten fji^au l^attc einen für beibe Sl^eile butd^auS befriebigenben SSerlauf, inbem bcr Sifd^of nur irt Sinem 5ßunlte, nämlid^ in ber Äuffaffung ber „reinen" Siebe, bie mit ber Hoffnung auf bie ©eligleit leinen 3wfömmenl^ang l^aben foHte, bie Sel^r« toeife ber 35ame beanftanben 3U muffen crllärte. 3la^ Seenbigung beS (pebenftünbigen) ®efpräd^e§ t)erabfd^iebete pd^ bal^er ber Sifd^of mit bem älttSbrudfe großer ^erjlid^feit unb fprad^ nur ben SBunfd^ aus, bo^ %xaxi t)on ®ut)on unb ber §erjog Don ßl^eoreufe, (iweld^er bem ©efpräd^e beige« mol^nt l^atte) über feinen, bei il^r gemad^ten 33efud^ nid^tg verlauten laffen möd^te, meil er, mie er fagte, mit bem ©rjbifd^of t)on $ari§ gefpannt fei.

®ie ©ad^e fd^ien alfo in befter SBeife eingeleitet ju fein unb ben günftigften gortgang 3U t)erfpred^en. 2)er §erjog t)on Sl^eDreufe l^änbigtc bal^er bem Sifd^of einige 3^^* nad^^er bie „Ströme" ein, toeld^eS Sud^ berfelbe alsbalb las, toobei il^m nur ®inigeS auffiel, über tt)eId^eS er von ber SSerfafferin gern naivere Erläuterungen l^aben tooHte. Snfolge beffen begleitete ber ^erjog t)on Sl^ecreufe ben 5ßrälaten nod^mals jur ^au von ©upon, um fid^ bei biefer über bie eben gelefene Sd^rift berfelben auS« jufpred^en. ^rau t)on Oupon er3äl^lt, ber Sifd^of l^abe l^ierbei fo mäcl^' tige (Sebanlen über bie inneren SBege unb über bie ©etoalt ®otte§ in ben ©eelen geäußert, ba§ fie barüber gerabeju überrafd^t gemefen fei. SSor bem 3lbfd^ieb gab bemfelben ber ^eunb mit S^ftimmung ber S)amc nod^ beren SebenSbefd^reibung mit, bod^ bat fid^ biefe von bem Prälaten bie.l^eilige Scrfd^toiegenl^eit beS Seid^tigerS auS, toeld^e berfelbe gufagte. §ernad^ tl^eilte il^m %xa\x von ©upon eine ßopie il^rer (Sommentare jur l^eiligen ©d^rift mit.*)

3)aS ©tubium biefer ßommentare toar nun freilid^ für ben Sifd^of eine gar fd^lDere, läftige Slrbeit, toeld^e geit erforberte; toeSl^alb biefer, um jtd^ ber Seetüre in ungeftörter 3Ru^e toibmen 3U lönnen, fid^ für mel^rere 3Ronate auf feinen Sanbfi§ ©ermignp jurüdfsog.

9lad^ Seenbigung ber Seetüre leierte ber Sifd^of von ©ermign^ nadj 9Jleauj 3urüdf, lie^ inbeffen bei ^au t)on ©upon nid^tS t)on fid^ l^ören, bie annel^men 3U bürfen glaubte, ba^ ber 5ßrälat nad& wie vox für jte

*) S)a8 Original berfelben l^atte einft, alS bie Serfaffetin in ber ÄloperIJaft fa^, ber Offiaial beS ©r^bifd^ofS bon $ariS fid^ t>on il^rer getreuen S)tenerin in iljrem §aufe bcl^änbigen laffen. gum ®lüd aber IJatte bie S^ienerin bamalS hai Original burdif eine ^njal^l \>on ©d^reibem copiren laffen, inbem fie befürd^tete, ba^ biefeS verloren gelten möd^te, maS aud^ ioirllid^ gefd^al^, ha ber Dffiaial ba8 Original nid^t jurüdgab.

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iie tDol^ItDoIIenbftett ®e{tnnungen l^ege. @nblid^, im Slnfange bed ^aJ^ved 1694, erl^idt ftc t)on bemfclben einen Sricf, lüorin er il^t \i)mh, ba| et jte in ^oriS (ei einem feiner f^reunbe, bem ä(66e l^^^nnon, .^u feigen tDünfd^e, ber in ber 9lä^e bei Jllofterd ber Fiiles du Saint Sacrement in ber @tra^e Sajfette mol^nte. %xavi von ©upon folgte ber Sinlabung unb h)urbe mit größter ^^reunbUd^Ieit empfangen, ^er S3ifd^of laS in ber Jtlofterlird^e bie SReffe, nad^ beren Säeenbigung ^^rau von ®\xt)on aud feiner ^anb bie jlommunion empfing. 3^ SRittag fpeiften S3eibe gemein« fd^aftlid^, h)obei ber Prälat ft>ieberum ben äBunfd^ äußerte, ba^ über fein 3ufammenfein mit ber 2)ame nid^tg vexlanien möd^te. ^ernad^ toar ber^ felbe mieber in bem ßlofter befd^äftigt, t)on too er gegen älbenb in boS $auS bed f^eunbeS jurüdiel^rte. $ier lub nun ber SSifd^of %xm von ©upon ein, fid^ mit il^m ju einer 93efpred^ung jufammen ju fe^en. S^ Eröffnung berfelben 50g SSoffuet einen ä(uffa| l^eroor, in n>eld^em bie gro^e älnjal^l feiner Sebenfen, bie bei bem 2)urd^Iefen ber Kommentare i^n befd^äftigt l^attcn, in 3tt)an3ig Slrtifcln jufammengcfa^t toaren. SDie 5Dliene be§ Prälaten mar, inbem er feine Sefpred^ung mit ber 2)ame be« gönn, emft unb tourbe aKmäl^Kg * pnfter. ^n fd^arfcr inquifitorifd^er ^orm verlangte er j|e|t von ü)x, nid^t bloS über il^re (SteEung }u ben Dogmen ber Äird^e (in toeld^er §infid^t fie bem 5ßrälaten bie befriebigenb* ften ®rllärungen geben tonnte), fonbern aud^ über ©ebanlen unb ä(n« fd^aungen Sled^enfd^aft, über toeld^e ftd^ ^rau von ©u^on um fo meniger in einer bem Sifd^of genügenben SBeife auSfpred^en fonnte, als biefer fidj auf fold^e 3)inge gar nid^t verftanb. . 3)a§ @efpräd^, in meld^em ber Sifd^of oft in bie (eibenfd^aftlid^fte Erregung lam unb oft mit lautefter Stimme fprad^, 30g ftd^ bi§ tief in bie 9lad^t l^inein, unb ^au oon @U9on fül^Ite fid^ nad^ bemfelben fo angegriffien, ba^ fie mel^rere ^age ju Sett liegen mujste. ^ernad^ fprad^ fie ftd^ bem Säifd^of gegenüber brieflid^ nod^ über 3Rel^rere§, n)orüber fie fid^ münblid^ nur unooQftänbig erllärt l^atte, a\x2 , maS bem Prälaten SSeranlaffung gab , ber ^amt be« }üg[id^ il^rer SCnfd^auungen nod^ fd^ärfer unb pröcifer entgegen )u treten, grau V. ®u9on fal^ l^ierbei fofort, ba^ ber Sifd^of mit ber mpftif d^en ^^l^eo« logie ber Äird^e coUftänbig unbelannt wax; aber cS toar baS erfte mal, bä^ fie ©elegenl^eit erl^ielt, bie @ebanlen il^rer l^od^gefpannten @ubj|ec« tit)ität mit ben in aller Stüd^ternl^eit unb Objeltioität il^r Dorgefül^rten Sel^rfä^en il^rer Äird^e ju »ergleid^en.

S)er S3ifd^of von Tleaujc l^atte alfo grau von ©u^on aufgeforbert, il^re SSBerle ju red^tfertigen; baS aber mar für bie3)ame eine fd^toere Slufgabe. 3«>^ä^ft toiberftrebte eS il^r, eine „3led^tfcrtigung" magen ju foKen, ba fie niel lieber in gönjlid^er Unterorbnung unter bie älutoritöt eine Prüfung unb 9lburtl^eilung il^rer @d^riften angel^ört, unb bann baiS

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trbauen unb einet l^ol^en SSoUfommenl^ett 'jujuf ulkten. ®ott oetfal^re fo unb bereite ftd^ burd^ bie @ertngften fein Sob, bamit $jf)m bie @^re ni^t fletaubt toerbe, toie gefd^rieben ftel^e: (1. ßl^ot. 1, 27) ,,SBöä'f^tt)a(| ift t)or bet SBelt, baS l^at ®ott ertoäl^lt, auf ba^ er bie ©tarlen ju ©d^anben mad^t." SBaS fte betreffe, fo toolle fic gerne glauben, ba^ i^tc (Sebanfenbilber tt)ie flüd^tige ©d^atten vox ber göttlid^en aOBal^rl^eit l^in- fd^toebten, bie fie n)oP l^ier unb ba 3U oerl^üUen, nie aber ju t)erbun!e{n im @tanbe h)ären. @ie lenne ftd^ aUerbingS als ein blo^eä Slid^tS; ©Ott aber fei aQmSd^tig unb i^abe feine Suft boron, feine Slllmad^t ivaS) ein armeg 3liä)i^ auszuüben. @§- fei ein SSerbred^en, baS ®el^eimni| feines ftönigS 3U offenbaren; aber tool^lgetl^an fei eS, bie ©itabe feines ©otteS JU oerlünben unb biefe gerabe burdj» bie 3fliebrigfcit be3 3Berf* jeugeS, beffen er ftd^ baju bebiene, nod^ ju erl^öl^en.

S)er Sifd^of fant aud^ barauf 3U fpred^en, ba^ fie fid^ bie $Wa^t beS „SinbenS unb SöfenS" beilege, ©ie anttoortete, ba^ pc biefcS ni^t in bem ©inne gefagt l^aben toottte, tt)ie man SeibeS ber ftird^e beilege; fie oerftel^e barunter nur eine getoiffe Sefugni^ unb SKad^t, bie il^r ber $err gegeben ju l^aben fd^einc, einzelne ©eelen il^ren SRötl^en 3U entreißen ober fie in biefelben jurüdfjutoerfen.

SBieberl^oIt lenfte ber Sifd^of baS ©efpräd^ barauf, ba^ fte ft^ offenbar bemül^c, bie einjelnen gefonberten 2lfte bcS religiöfen SeBcnS, bie unterfd^ieblid^en Uebungen beffelben ju unterbrüdten, toeil fie biefettcn für unooBfommen unb mertl^IoS l^alte. ©ie entgegnete jebod^ , ba^ bicfeä nid^t ber %aU fei. ätterbingS l^abe fie in il^rer eigenen ©eele oft ein gänjKd^eS Unoermögen empfunben, ein3elne beftimmte 2llte unb Hebungen JU ooffbringen ; bo(^ crtoel^re fie ftd^ bief er Unfäl^igleit an^ allen Äräftcn, unb fie unterliege bem ftarlen mäd^tigen ®ott nur aus ©d^loäd^e. Sfu^ fd^eine eS il^r, ba^ biefeS Unoermögen, beabfid^tigte einzelne ^anblungen 3u ti^un, baS SSorl^anbenfein ber eigentlid^en SBefenl^eit beS ^onbcInS nid^t auSfd^lie^e, inbem il^r ©laube, il^r Vertrauen unb i^re ^ingaie nie lebl^after toären als eben in fold^en gäHen. 3)arauS l^abe fte be« greifen gelernt, bafe eS eine 2lrt beS unmittelbaren unb nid^tüberlegtcn 5C]^unS gebe; unb fie l^abe biefe ®rfenntni^ burd^ eine ununterbrochene Uebung ber Siebe unb beS ©laubcnS gewonnen, toeld^e bie ©eele, inbem fie biefelbe allen ©d^idfungen ber SSorfel^ung untertoürfig mad^e, ju einem roal^ren $affe gegen fid^ felbft bringe, in meld^em biefelbe nur Äreuj, ©d^mad^ unb ©emiitJ^igung liebe. 2)ann lönne bie ©eele nur nod^ lieben unb in il^rer Siebe rul^en, toie ein 3:runlener fid^ nur mit feinem 9iauf«^e JU befd^äftigen oermöd^te.

3lm meiften fül^lte ftd^ %xau oon ®u^on burd^ bie ^age beS Sift^ofä

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nad^ il^rer ÜReinuhg t)on ben S3itten gequält. 2)erfel(e verlangte t)on i^r, bQ^ ftc in feinem Seifein Sitten vortragen fottte, „2lbet toaS fann td^ bitten?" entgegnete pe, „®ott t)erleil§t mir mel^r (SuteS als iä) vex^ lange, toaS fann id^ von i^m f orbern? ®r lommt meinen Segel^ren unb SEBünfd^en fd^on juoor; er mad^t, ba^ id^ mid^ felbft üergeffe, um nur feiner ju gebenfen, ®r l^at fid^ um meinettoitten ^ergeffen; mie follte id^ mid^ nid^t für iJ^n Dergeffcn! 3)er, roeld^em bie Siebe bie ^rei* §eit lä^t an fid^ )u beulen, liebt enttoeber gar nid^t ober er lönnte toenigftenS me^r lieben." ®arum ful^r fie fort fid^ barüber auSjufpred^en^ ba^ bie Uebung ber d^riftlid^en Siebe eigentlid^ jcbeS Serlangen unb jebe3 @ebet bereits entl^alte; benn to)ie eS eine Siebe ol^ne 9iad^benlen gebe, fo gebe aud^ ein (Sebet o^ne 5Rad^benIcn, unb ber, toeld^er biefe ©abe beS fubftantieHen ©ebeteS befi^e, ber genüge allen ©ebeten, tüeil ba§ fubftantieUe ©ebet, nämlid^ bie göttlid^e Siebe, alle einjelnen ©ebete in fid^ einfd^lie^e.

2)er Sifd^of t)on 5D?eauj ertoiberte il^r, ba^ eS in ber gansen SBelt too^l laum oier ober fünf $Perfonen geben würbe, bie eine fold^e 2lrt oon ®ebet in ir}rer SDfad^t l^ätten, unb benen mirllid^ fo fd^toer falle, ein« jelne beftimmte Slfte beS religiöfen Sebenä 3U oolljiel^en. grau t)on ®U9on fiel il^m inbeffen rafd^ mit ber ©egenbemerfung in bie SRebe, ba^ es mel^r ate l^unberttaufenb fold^er Seelen gebe, unb bä^ biefe eS tben wären, für iioeld^e fie gefd^rieben l^abe. ©ie l^abe fid^ nämlid^ beftrebt, biefelben t)on einem unter i^nen fe^r oerbreiteten Srrtl^um ju .befreien, ba^ baS ©efül^l beS UnoermögenS gu einjelnen befttmmten religiöfen SebenSalten an fid^ fd^on ein SemeiS erlangter SoSIommenl^eit fei; unb biefen Unteren ©tanb aus ben Derfd^iebenen ©tabien ber religiöfen Sebenä^ entioidfelung l^erauSl^ebenb, l^abe fie eben jeigen wollen, toie meit berfelbe nod^ t)on ber Sollfommenl^eit entfernt fei. ©ie fügte l^inju, ba^ in il^rcn ßommentaren jur l^eiligen ©d^rift fid^ in biefer §infid^t mol^l mand^c auffallcnbe Sleu^etung oorpnben möd^te; fie l^abe aud^ geglaubt, i^r ©e* toiffenäratl^ , ber biefelben burd^gefel^en, toürbe aUeä Unrid^tige in bcm 3Ranuffript geftrid^en unb gebeffert l^aben. 2)enn lieber wollte fie taufenb« mal fterben, als fid^ oon ber Seigre ber Äird§e entfernen; unb ftets fei fie bereit, SllleS aurütfjunel^men unb ju oerwerfen, toaS fie ettoa im SBiber« fprud^ mit ber Seigre ber Äird^e gefagt ober niebergefd^rieben l^aben möd^te.

©d^arf unb flar mar nunmehr ber ©egenfa^ ber religiöfen Sin« fd^auungStoeifen beS red^tgläubigen Prälaten unb ber frommen S)ame jum SluSbrudE gefommen. 2)ie le^tere l^atte i^ren ©lauben an bie Slutorität ber Äird^e unb an bie SBal^rl^eit ber auf berfelben berul^enben

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Äitd^cnlcl^rc rtidfl^altloS unb in einet, jeben Stocifcl mi il^tet Slufrid^tiglcit auSfd^Iie^enbcn SEBeife bejeugt. SIbcr ouf bet ©runblage biefeS fot^o- lifd^en Äird^englaubenS l^atte fxi) biefclbc eine eigenll^ümlid^e ©cbanlcn^ toelt aufgebaut, bie bem ortl^obojen latl^olifc^slird^lid^en SBerou^tfein frcmb toar. ^u bicfcr fubjectioen ®ebanlentoelt vexf)xdt fid) ber 33ifd^of gegcru fä^Iid^; bie unterh^ürfige Eingabe ber S)ame an bie {at]^oIifd^«{ir(i^Ii(|e Slutorität fonnte er inbeffen nid^t in Äbrebe ftetten. 3n einem Sricf an ben ^erjog t)on ßl^eoreufe, beffen §anb feinen Srieftoed^fel mit %xau t)on (Supon »ermittelte, fprad^ bal^er ber ^Prälat bie Slnerfennung auS: ®ie ©inmürfc, bie er ber 3)ame gemad^t, unb bei benen er tl^eitoeifc bel^arren muffe, beträfen mcber ben ©lauben nod^ bie Äird^enlel^re, fonbctn anbere Sel^rpunfte. SBennfd^on er aber bejüglid^ berfelben nid&t mit i^ übereinftimmen fönne, fo l^alte er bie 35ame nid^Sbeftotoeniger für eine gute Äotl^olifin; unb toenn ju bereu unb il^rer ^eunbe Serul^igung gereid^e, fo fei er bereit, berfelben ein S^wg^ife auggufteffen, ba^ er bie S)ame auf ®runb einer mit il^r vorgenommenen Prüfung alö eine rcd^t* glöubige latl^olifd^e (S^riftin erlannt unb il^r barum aud^ bie Saframente gefpenbet l^abe. 3)er §ergog oon ßl^eoreufe legte biefen Sricf ber %xavi von ®ut|on oor, infolge beffen biefe ben Sifd^of für ba§ il^r auggeftclltc geugni^ oerbinblid^ft banfte, jebod^ mit §in3ufügung be§ offenen ©eftänb* niffeS, ba^ fie feiner 3lufforberung , fid^ in beftimmten äußeren religiöfen §anblungen 3U üben, aud^ bei bem beften SBitten unb tro^ aller i^rcr Slnftrengungen nid^t burd^auS ju genügen oermöge.

^n biefer SluSeinanberfe^ung mit bem l^od^angefe^enen SBürbem träger ^ranfreid^S, ber für alle bie latJ^olifd^-Iird^lid^e 3led^tgläubigleit Be* treffenbe fragen im ganjen Äönigreid^ al3 erfte Slutorität galt, fal^ nun . fjrau oon ©upon einen bebeutfamen 2lbfd^nitt il^rcä Sebenä gelommcn. ©ie glaubte fid^ je^t in fird^lid^er §infid^t ein für attemal alg gerecht- fertigt unb bie 3Serbäd^tigungen, benen fte in biefer Sejiel^ung auögcfe|t getoefen mar , afö abgeurtl^eilt anfeilen ju bürfen. gnbem fie .ftd& bal^cr fagte, ba^ fte nunmehr in aller SRul^e oon ber SEBelt Slbfd^ieb nehmen lönnte, befd^lo^ fie fid^ toieberum in eine nod^ tiefere SSerborgenl^eit als cS biSl^er gefd^el^en toar, 3urüdtjU3iel^en. 2)en wenigen ^eunben, mit benen fte nod^ SSerlel^r unterhalten l^atte, fagte fte je^t Sebeloo^l mie auf aJimmcr' loieberfe^en ; nur für ben gall, ba^ il^re lird^lid^e SRed^tgläubigfeit je toie* ber ange3toeifelt merben follte, oerfprad^ fte in bie SBelt jurüdfsule^ren*

Ql^re SBol^nung nal^m fie nun in näd^fter Stalle il^reS §er3enSfreunbe8, beS §errn oon gouquet, ber allein oon il^rem je^igen Slufent^alte raupte.

aSon biefem aber erl^ielt fie einige 5Wonate fpäter einen Srief, ber

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jtc toiebcrutn auf baS ©d^merjlid^ftc bertil^rte. $ctr t)Ott gouquet fd^ricb- i^r nämlid^, feitbem il^rc SBibcrfad^er crfal^ren ptten, ba^ ^au oon TOmtitctton ftd^ oon tl^r abgeroenbct l^abe, fei für biefelben offenbar in bcr Setl^ätigung i^rer Soä^eit gegen fie jebe ©d^ranfe gefallen, inbem je^t über i^re ©ttten bie entfe|Iid^ften ©erüd^te t)erbreitet toürben.

?5rau t)on ©upon l^atte eben eine ^Prüfung il^reS ©laubenS beftanbeit unb nax au^ bcrfelben, il^rer 3Keinung nad^, gerechtfertigt hervorgegangen; bal^er fd^ien il§r nunmel^r gegenüber ber neu l^erDorgetretenen aSerbäd^= tigung il^rer 5!JloraI ^PfKd^t ju fein, fid^ aud^ einer ^Prüfung il^rer Sitten }U unterwerfen, ©al^er fa^te fie einen ©ntfd^Iu^, ber al§ ber 2l!t ber tiefftcn 3)emütl^igung unb ©elbftDerläugnung anjufel^en ift, ju bem fid^ eine moralifd^ fo l^od^ftel^enbe 3)ame überl^aupt entfd^Iie^en lonnte, ©ie fd^rieb nämlid^ (im Suni 1694) an %xa\x t)on 3Raintenon einen Srief*),. toorin fie erllärte: fo lange man fie nur befd^ulbigt l^abe, bem inneren Mut ergeben ju fein unb aud^ 2lnbere 3U bemfelben ansuleiten, ^be fte ftd^ begnügt, ftiff unb rul^ig 3U bleiben, ©ie l^abe gel^offt, burd^ li#e 3urüdfgejogenl^eit il^re (Segner 3um ©d^meigen ju bringen ; inbeffen fäl^e fie ftd^ je^t fo el^renrül^riger S)inge unb ujirflid^er SSerbred^en ange^ flagt, bafe fie ber^ird^e, il^rer gamilie unb fid^ felbft fd^ulbig fei, bie SSal^rl^eit an ben 3^ag lommen ju laffen. ©ie bitte bal^er um eine SRcd^tSbol^Itl^at, bie man oud^ bem größten SSerbred^er nid^t t)erfagcn fönne, nätnlid^ um Unterfud^ung ; unb jmar bitte fie, mit biefer Unter* fud^ung eine, auä (Seiftlid^en unb Saien sufammenjufe^enbe ßommifjlon 3U beauftragen. 3)od^ muffe fie nod^ barum bitten, l^ier^u SWänner ju nel^men, ireld^e nid^t bIo§ reblid^ fonbern aud^ t)orurtl^eiI§frei toären, ba i§r gegenüber bie auägeftreute SSerläumbung gar mand^eä reblid^e ©emütl^ in Sorurtl^eile t)erftridft l^abe. 3ßerbe man xf)x biefe SBoIjItl^at getoäl^ren,. fo rooHe fie fid^ mit il^rer Wienerin, bie i^r feit länger als t)ier3cl^n 3a^re angel^öre, burd^ ben SRid^tfprud^ ber ßommiffare gern in jebeS (Sefängni^ üermeifen laffen. Uebrigenä l^offe fie, bafe %xan von SWaim tenon burd^ baS ©rgebni^ ber an3uftellenben Unterfud^ung bie Heber- 3cugung gewinnen merbe, il^r frül^ereS SIBol^tooUen an leine Untüürbige »erfd^menbet 3U l^aben.

Um getot^ 3U fein, ba^ ber Srief mirflid^ in bie §änbe ber %xa\i t)on SKaintenon fommen toerbe, abreffirte fie benfelben an ben $er3og t)on Seauoillierä , mit bem ©rfud^en, benfelben an bie l^ol^e 35ame ge* langen 3U laffen, toobci fie bemerfte, ba^ fie in ätoa ad^t 2^agen fid^ bie

*) S)er Söricf finbet fidj mit anberen ba§in ge^örenben Slftenftücfen abgebrudt "im Phelippeaux, I. ©. 114 ff,

22*

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ä(nth)ort abholen (äffen toütbe. ^err von SeauDiUietS btad^te au^ ben 35ticf bcr %xau t)on @\xr)on rid^lig an feine Slbreffe. 2)ie l^ietauf bcm ^erjog 5ugefertt9te 9lntit)ort bet ^rau von 3)laintenon lautete )ebo(i^: jte l^abe niemals ben über bie 6itten ber %xau von @upon böStuiUig vtt^ breiteten ©erüd^ten ®la\xien gefd^enft, inbem fte biefelben für burd^auS untabelig l^alte. SDagegen iDaren bie Se^ren ber 3)ame aKerbingS oei- toerflid^ unb übel, ©ine ^Prüfung ber erfteren fei bal^er untJ^unlid^, ju« mal ba eine öffentlid^e Sled^tfertigung ber ©itten eine inbirefte Seftätigung ier Seigre fein toürbe. 3Sielmel^r fei eS nötl^ig, bie le^tere einer forg« fältigen Unterfud^ung 3U untermerfen, inbem burd^ ba3 @rgebni^ ber be^üg« lid^ ber @lauben3(el^ren angefteQten Prüfung ba3 Urtl^eil über bie $er« fönlid^Ieit ber grau von Oupon überl^aupt fid^ von felbft feftfteUcn toürbc.

gür grau von ©upon toar biefe Eröffnung einer 3)ame, auf bie fte nod^ immer einigermaßen il^r äSertrauen gefegt l^atte unb bie adein im ©tanbe toar, bie boSl^aften SRänfe il^rer geiftlid^en SBiberfad^er un« tüirifam 3U mad^en, ein ©d^lag, ber fte um fo fd^merer traf, afö ber ein3ige greunb , auf beffen Eingebung fte unter allen Umftänben bauen lonnte, namlid^ $err t)on gouquet, gerabe bamalä ftarb.

3)ie ^Prüfung il^reS unaniaftbaren SBanbelS toar il^r alfo oerfagt; dagegen foHte fte ftd^ auf il^re Seigren l^in prüfen laffen unb au§ i^ren 3}erl^anblungen mit bem Sifd^of Soffuet t)on SJleauy toar c3 il^t, tro| ieS günftigen S^^S^iff^^/ meld^eS il^r berfelbe fd^ließlid^ auägcftettt §atte, bod^ Ilar gen)orben, mie leidet man an il^ren Seigren einen Slnla^ ju il^rer SSerurtl^eilung nel^men fönnte. ©d^merjlid^er al§ jemals füpe fie ftd^ ba^er gerabe j|e|t von bem ©ebanfen betoegt, baß fte mißl^anbeß toerbe, baß man fie öffentlid^ jur Sled^enfd^aft 3iel^en unb baß man bocj nid^t an xf)v SRed^t trotte Siedet fein laffen. Sl^re bemnäd^fttge SSerup t^eilung toar il^r barum un3n)eifell^aft. 2)enn fd^on je^t fal^ fte fid^ von einem Urtl^eil gerid^tet, burd^ toeld^eS pe einem jeben ödsten ©liebe ber Äird^e 3um Slergcrniß werben muffe, ^n ber ©d^rift aber fanb fte ge« fd^rieben (WlatÜ): 5, 29): „äergert S)id^ SDein Sluge, fo reiße auS/'

grau oon ®ugon toar bamals tt)ieberum oon einer fel^r fd^wcren ^ranfl^eit befatten unb eS fd^ien ^utoeilen, als ob baS töglidji n)iebei^ lel^renbe gieber il^re SebenSfräfte gän3lid^ aufjel^ren hjürbe. Salier be* rief fte bie wenigen greunbe, mit toeld^en fie nod^ in Sßerfel^r geblieben mar, 3U ftd^ unb eröffnete i^nen, baß fie, mie aud^ i^re Äranll^eit Der^ laufen möd^te, für bie Sufunft in jjebem gaffe für fte Slffe abgeftorben fein merbe. ©ie erbitte aber für fte oon ®ott nur baS ©ine, baß ßfr ^er baS gute äBert in il^nen begonnen ^abe, eS aud^ ooffenben möge, ^abe fte, biefeS elenbe 9lid^tS, ^ier3U ettoaS beigetragen, fo toerbe @0tt

341 .

bad, toaS von il^m !omme, ftd^ fd^on ju exf)alten toiffen« ©oSte jte auS Unltjiffcnl^cit S^^rll^ümcr auSgcftrcut l^abcn, (h)aS ftc aber nid^t glaube^ ba in bcr (Scnteinfd^aft tl^rcr S'^^wnbc nur t)on bcm ßincn bic Siebe flctoefcn fei, ba^ ntan fid^ felbft ju entfagcn, boS eigene Äreu3 auf fic^ ju nel^men, ß^rtfto 3U folgen unb 3^n üoIHommcn felbftloS ju lieben ^abc*),) fo lönnten fie fid^ leidet felbft fagen, ba^ fie fid^ lebiglid^ um il^tctroillen affeä ferneren Umganges mit il^nen als mit S)enen beraube^ tjon meldten fie jeberjeit nur ®rbauung unb SRu^en empfangen l^abe, toeS* l^alb fie il^nen gemi^ nid^t l^abe fd^aben ober älergemi^ geben moSen. ©ie brüdEe Slllen bie §anb, bitte fie, ba^ man fie fernerl^in als einen uergeffenen ©egenftanb anfeilen möd^te unb nel^me üon il^nen äbfd^ieb, n)ie eS einft $auluS bei ben ©laubigen )u 3Jltlet getl^an, als eS il^m ber (Seift eingegeben l^atte, ba^ fte fein älngefid^t nimmer toieberfe^en toürben.

Sftau tion 9Raintenon fit^t bie ^uietif^if^e Sftage ^ut Stiebigung

pt bringen*

Sangft mar cS grau Don ©u^on Ilar getoorben, ba^ bie gegen fie getid^tete Verfolgung feit einiger ^ext il^ren SDlittelpunIt in ber ^Perfon ber il^r in frül^erer 3^it fo l^ulbreid^ jugetl^an gemefenen grau oon SDlaintenon l^atte. Slud^ erfannte fie mel^r unb mel^r, ba^, toie ftd^ urs fprünglid^ ber §a^ ber SBiberfad^er gegen fie gerid^tet l^atte, um mit il^r einen SInberen, nämlid^ ben 'iJater Sacombe üerberben 3U fönnen, jeftt toieberum bie Slbfid^t beftanb, in il^rem'Sturse sugleid^ abermals einen Slnberen, nämlid^ ben 3lbb6 genelon, ju gaffe ju bringen. 3)al^er l^atte pc fd^on t)or einiger 3cit ben le^teren t)or ben SRänfen gewarnt, mit benen man il^n in ©t. 6pr ju umgarnen fud^e. ©ie l^atte eS il^m angebeutet, ba^ er gegenüber biefer unb jener $erfönlid^feit, ber er fein ganseS SSer^ trauen fd^enle, t)orfid^tig fein möge, inbem er fid^ 3U benfelben beS ®viten nid^t 3Ut)iel t)erfel^en bürfte. 3)er fromme 2lbb6 meinte jebod^, ba^ grau oon ®u9on bie S)inge ju fd^toarj fäl^e, inbem bie be3eid^neten ^erfön« lid^feiten feiner galf^i^eit fällig mären.

*) Biogr. III, XV, 7: Paisque nous n'avions j'amais parle ensemble que de renoncer a nous-memes, porter notre croiz, suivre Jesus-Christ, Taimer sans interet et sans report a soi.

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3)a erfüllt bicfclbe, ba^ grau t)on 5!Jlaintetton, in Uebercinftimmung mit mcl^rctcn il^rct greunbe, ben Sefci^Iu^ gefaxt ^bc, butd^ einige olä gelel^tt unb tüol^lgefmnt ancrfanntc 5!Ränncr eine grünblid^e ^Prüfung ber in il^ren ©d^riften niebergelegten ©ebonlen unb Seigren t)omel^men ju laffen. 3)er §err oon 6l^et)teufe, ber il^r biefe 9laci^rid^t im Sluftrage ber grau Don 5Waintenon*) l^atte 3ugel^cn laffen, l^atte jugleid^ bemerft, ba^ er biefen ©d^ritt allerbingS für ba§ geeignetfte SKittel l^alte, bic öffentUd^e 3JJeinung mit il^r au§3uföl^nen unb il^ren, von fo t)ielen Seiten angegriffenen 3luf toieber l^erjufteffen. grau t)on ©u^on erflärte, ba| fie fid^ ber beabfid^tigten Prüfung toiffig unterhielten unb bem Urtl^cil il^rer Slid^ter ftd^ unbebingt unterwerfen mürbe.

2)ie grage mar nun, toer in bie gu bilbenbe ^ßrüfungScommiffwn aufgenommen toerben foHte. S)er ©rjbifd^of r>on $ari§ voax mit bem ganjen ^lane nid^t einoerftanben, ba er ber 3Jleinung mar, baf; für eine berartige Unterfud^ung, toeld^e im Umfange feiner Siöcefe t)or!äme, er allein ber juftänbige SRid^ter fei. Sei §ofe aber mürbe bem ©rjbifd^of nid^t bie nöt[;ige Sefäl^igung gur Se^anblung einer fo fd^tüierigen ©ad^c 3ugetraut, toeä^alb man in ©t. Gpr ben Sefd^lu^ fa^te, bie 3U bilbenbe ^rüfungäcommiffion nxä)t in ^ari§, fonbern anberSmo, unb 3h)ar ganj gel^eim, jufammentreten 3U laffen.

Uebrigenö l^ätte ber 2lerger be§ Srsbifd^ofä über bie SSerhjeifung riner 3lngelegenl^eit, meldte feines 3)afürl^alten§ ganj allein cor fein gorum gel^öre, an anbcre SRid&ter ber grau t)on ©u^on leidet von größtem 3lnijen fein lönncn. 3)er ^rälat lie^ x\)x nämlid^ im Saufe ber Untere fud^ung burd^ eine il^rer greunbinnen, mit toeld^er er t)erh)anbt war, fagen, bafe cg il^m angenehm toäxe, menn fie il^n mit il^rem Sefud^e be^ el^re, inbem er fie mit leidster SKü^e auS allen i^ren' Verlegenheiten mürbe befreien lönnen. grau oon ©ui;on toar aud^ um fo mel^r gemillt, ber ®inlabung ju folgen, als ja bie ©timme il^reS Dberl^irten war, meld&e fie rief. 3lllein bie greunbe rietl^en il^r ah, inbem biefelben befürd^- teten, fie möd^te fid^ iurd^ ben 6r3bifd^of ba§ ©el^eimnife il^reg früheren SBerlel^rS mit Soffuet entlodfen laffen (toeld^eS biefer inbeffen, ol^ne ba| man bavön it^u^te, bereits auSgeplaubert l§atte), unb möd^te baburd^ ben

*) 3)iefclbe l^atte bem ^erjog bon ©l^eöreufc golgenbeä gefd^riebcn: „©ie Wnncn ber grau bon ßJu^on fagen, ba^ x6) fd^on mit bem ^önig gcf^rod^en l^abe, unb ba^ eine neu öorjunel^menbe Untcrfud^ung il^rer ©d^riften feinen SSei- fall l^at. 3Äan toirb baju SWänner bon großer ^ugcnb unb öon groger (^eU^t- famfeit gebraud^cn; biefeS fönnen ©ie il^r öerfid^ern. 3dJ töünfc^e aufridjtig, baj fie fic^ nidjt geirrt l^aben möge."

34a

»erberbenBringenben ^oxn bc§ Sedieren gegen jtd^ l^ctaufbefd^ioütcn. S)ctt SorfteHungcn ber ^freunbc nad^gebenb, lel^nte fte bälget bte empfangene ©inlabung ab, btad^te aber baburti^ ben ßrjbifd^of fo fel^r gegen fid^ ouf, ba^ biefer nun unter atten il^ren Verfolgern ber erbitlertfte toar.

Sei ber 3wfammenfc|ung ber ^rüfungScontmiffton toar man l^uman genug, bie SBünfd^e ber ^rau t)on ®ut)on felbft ju l^ören. ©ie toufete, ba^ grau üon 3Jlaintenon il^r Sluge junäd^ft auf ben Sifd^of t)on 2WeauK, ben pe feit einiger 3cit il^reS befonberen SBertrauenS getoürbigt, getoorfen l^atte; unb in ®rh)ägung be§ günfttgen Urtl^eileä, toeld^eS berfelbe in ber ^ouptf ad^e über i^re ©d^riften gefällt l^atte, lie^ aud^ fie fid^ benfelben gefatten. SQSenigftenS glaubte fte l^offen 3U bürfen, ba^ SSoffuet in einer gcmeinfd^aftlid^en Seratl^ung mit anberen geleierten tmb angefel^enen SRännern an i^r nid^t ba§ rcrbammen mürbe, tt>a§ er an fo fielen, twn ber Äird^e lanonifirten ^eiligen unb an ben ©d^riften berfelben notl^« wcnbig anerfcnnen unb refpectiren muffe. 2lu^erbem erbat fie fid^ afö Unterfud^ungSrid^ter ben Sifd^of 5Roaille§ t)on ßl^alonS, einen gotteSfürd^tigen, fanften unb milben, aber aud^ fd^mad^en $errn (beffen Sflid^te, bie ®räfin von ©uid^e, eine il^rer entfd^iebenften Slnl^ängerinnen »ar, bem fie aud^ einiges SSerftänbnijs beS inneren religiöfen SebenS glaubte jutrauen ju bürfen), unb ben ©uperior beS ÄlofterS ©t. ©ulpice, äbb6 2^ronfon, einen intimen fjreunb genelon'ä.

Siad^bem fid^ atte brei ©eiftlid^e 3ur Slnnal^me beS il^nen juge* . toicfenen Sluftrageä bereit erllärt l^atten, fc^te grau t)on Ou^on, rool^l toiffenb, tüieoicl für fie r>on bem Urtl^eile biefer Ferren über il^re Seigre abging, ein an biefelben gerid^teteä ©d^reibcn auf, hjorin fie i^re ganje Situation flar 3U ftetten fud^te. 33er „Srief an bie gnäbigften §erren Sifd^öfe von SDieauj unb von 6^alon§ unb an ben §errn ©uperior a^ronfon imSluguft 1694" mar in feinen §auptfteffen folgenber:

„SBie lönnte id^, gnäbige Ferren, vor QH^nen erfd^einen, toenn ©ie mid^ ber SSerbred^en fd^ulbig glaubten, beren man mid^ auflagt?"

„3de meine nid^t, ba^ meine Slnfläger il^re Sefd^ulbigungen bemeifen foßen, pbgleid^ biefeg in ber l^ergebrad^ten Drbnung begrünbet ift; mel* mel^r erbiete id^ mid^, ben SemeiS ju erbringen, bafe man mid^ fälfd^lid^ Bcfd^ulbigt- l^at."

„2)rei fel^r eJ^renttjertl^e §errn finb gegen mid^ eingenommen: ber $err Sifd^of von ß^artreä, ber in feinem ©fer fid^ l^at täufd^en laffen, unb bem id^ leidet nad^meifen fönnte, burd^ Wen unb toie biefeS gefd^el^en ift; ferner ber ^Pfarrer oon SBerfailleö, ber inbeffen mir nid^t immer fo feinbfelig toar lüie je^t, inbem er mir itad^ Surd^lefung meiner ©d^riften, al8 id^ and bem ©t. SKarienllofter entlaffen loar, fd^rieb, ba| er mit mir

344 -

einer unb berfcttcn SKcinung fei. ^ä) ffaie mit bie[en Srief oufBetoal^rt. 9laä) biefer 3^^* crtüieS er mir bie ßljre, mid^ unter feine ^eunbinnen 3U red^nen unb mid^ öfter ate fonft Qemanben ju befud^en. ättcn meinen ^Jteunben f)at er Derfid^ert, ba^ er mid^ I)od^ad^te; ja er l^at fo* gar, feitbem id^ il^n 3um legten male gefeiten, ju ©t. ß^r über midj mcl ®uie3, fpäterl^in freiÜd^ fel^r Diel S^ad^tJ^eiligeS geäußert. ®r bilbet ft^ ein, id^ l^ätte bie Orafin von ®. unb bie ^erjogiti üon 501. vexmoi^i, pd^ feiner geiftlid^en Siitung ju entjiel^en unb fid^ ber ^l^rung be§ el^r- toürbigen 5ßaterS Meaume, von ber ©efettfd^aft Scfu, anjuccrtrauen. SS ift factifd^, ba^ bie erftere biefer Damen fd^on unter ber Seitung bc3 5ßater§ Sltteaume ftanb, beoor id^ bie ©l^re l^atte, fie fennen ju lernen. Sllfo l^abe id^ fie gcroi^ nid^t ju il^m gefd^itft. SHüa^ bie grau ^erjogin t)Ott 501. betrifft, fo glaubte biefelbe, als fie ftd^ bem §erm ergab, bcn $of (ber il^r eine gcfäl^rlid^e Älippe ju fein fd^ien) t)erlaffen ju muffen, um fid^ ber ßrjiel^ung i^rer ©ö§ne unb ber gürforge für i^r ^augtocfen JU toibmen. S)a fte nun SSerfailleS nerlie^ unb in ?PariS SGBol^nurtg nal)m, fo mu^te fie ftd^ bort einen ©etüiffenöratl^ toäl^len. 3)ennod^ Be« Ragt fid^ ber $err Pfarrer, toeld^er bel^auptet, je^t ba§ SScrtrauen ber grau x)on 3Haintenon 3U beft|en, unb es toirllid^ befi|t, über jtoei jid^ miberfpred^enbe 3)tnge, inbem er fagt, ba^ fid^ jene '^^amen ber gül^rung il^reS red^tmä^igen Wirten ent3ogen unb fid^ unter bie ßeitung eincl SefuitenpaterS geftettt l^ätten, unb fobann, ba^ id^ fie felbfi in i^rem reit« giöfen Seben leitete. SBie fann id^ il^nen einen ©etoiffenSratl^ gegeben l^aben, toenn id^ .fie felbft leite? S)cnn ift 3^«^^ i>cr gall, fo leite id^ fie felbft bod^ nid^t. ®ott l^at mid^ nid^t fo fel^r cerlaffen, ba^ id^ mit anmaa^cn fottte, mid^ in bie Cbliegenl^eiten eines ®en)if[enSrat^eS ju mifd^en, obfd^on id^ allerbingS glaube, ba^ er 3Utt)eilen Erfahrungen ju bem Stoß*^ rerleil^t, um hamit Slnberen bienen gu laffcn. 2lber alle bie 5Perfonen, toeld^e id^ lannte, l^atten bereits il^re ®eh}iffenSrätl^e. ÄÖ jene ©amen nod^ in ber 3Belt lebten, als fie fid^ mit glitterpu^ it- l^ängten, fid^ fd^minften, tl^eitoeife aud^ burd^ ©piel unb ÄleiberlupS il^re gamilien 3U ®runbe rid^teten, l^atte man bagegen nid^tS ein3Uh)cnben unb man lie^ fie getoä^ren. Äaum aber l^atten fie baS SlffcS aufgc* geben, fo erl^ob man ein ®efd^rei, als ob id^ fie in'S SSerberben geftürjt l^ätte, §ätte id^ fte oeranla^t, ftatt beS SujuS bie ®ottfeligfeit fatten JU laffen, fo toürbe man ein fold^eS ®efd^rei nid^t erl^oben l^aben. 3^ bcp^e SSriefe, treidle an ben Pfarrer ju SBerfaiHeS gcfd^rieben fmb unb töeld^e bie Slid^tigfcit meiner Slngaben un3n)eifel§aft betoeifen toerbcn, toenn man mir nur bie ®nabe gelDäl^ren toiH, mid^ an3ul^örcn."

„S)er britte ber gegen mid^ aufgebrad^ten Ferren ift $err Soileaii.

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3)ctfclbe ift burd^ ein frommes ^auenjimmer gegen mid^ eingenommen, lt)eld^e§ Daftd^ert, t)on ©Ott felbft erfal^ren )u l^aben, ba^ id^ baS äBol^I^ gefatten ©otteS nid^t Befi^e. SBaS biefeä fjrauenjimmer ju biefer 2ln« goBc nod^ l^injufügt, wate leidet in feiner Untoal^rl^eit ju erweifen."

„®iefe§ fmb bie ^ßerfonen, roeld^e eS jwar reblid^ meinen, ober in tl^em ®ifer SltteS gegen mid^ aufregen. SKeine übrigen älnHäger finb burd^toeg Seute, mit benen id^ nur in foloeit S3erül^rung gel^abt l^abe, als id^ ibnen äUmofen gab, fie auS meinem ^an^e toieS ober fie als baS bejeid^nete, toaS fie mirllid^ jtnb. SBenn eS 3^nen gefättig märe, gnöbige ^err^n, fo lönnte id^ S^^nen SltteS mittl^eilen, maS jene Seute Betoogen l^at mid^ anjuttagen, nämlid^ bie ©entil, bie ©autiere, bie S^öd^ter beS 5ß. SS., baS SWäbd^en t)on 2)iion, baS 3Jläbd^en t)on ©renoble, baS oon %L ®S ift nid^t meine 2lbfid^t, gnäbige §enen, ^f)mn aui) nur baS ©eringfte ju rerl^cl^Ien, toeil eS, ©ott fei 3)anl, nid^t meine SQSiffe ift, mid^ felbft ju täufd^en. ©obalb id^ erfal^ren, ba^ man mid^ geift« Ed^cr gü^rungen befd^ulbigte, jog id^ mid^ jurüdE unb fprad^ 5Riemanben niel^r, mie ©ie, ^od^toürbige §erren, auS bem anberen Sriefe crfel^en toerben. 3^ 6in immer ber 3Reinung getoefen, ba^ man fid^ t)or SlHem über ?ßerfönlid^feit unb SSerl^ältniffe eines 2lngellagten genau unterrid^ten . muffe, unb bitte ©ie bal^er um ber Sarml^erjigfeit 3^f" ß^rifti mitten, atte älngaben ansunel^men, bie il^nen gegen mid^ eingereid^t werben fofften. Sin id^ fd^ulbig, fo mufe id^ ftrenger beftraft toerben als mand^er 3lnbere, ba es mir bie ©nabe ©otteS ©erliei^en l^at Ql^n ju fcnnen unb 3U lieben, unb ba nid^t Untoiffenl^eit mir 3ur ©ntfd^ulbigung bienen lann; benn id^ toci^ fel^r mol^l, ba^ ß^riftuS unb Selial nid^t beifammen mol^nen lönnen."

„SBaS meine Sudler unb ©d^riften betrifft, fo bet^euere id^, ba^ iä) fie oon gangem ^erjen ber Autorität ber Äird^e untertoerfe, mie id^ cS fd^on getl^an l^abe unb toie eS oon mir in ber Slnlage beKarirt ift.."

„Sd^ erfläre, gnäbige $erren, ba^ id^ meine SSüd^er unb meine ©d^riften burd^auS unb ol^ne äßeitereS unb gang bebingungSloS älttem untertoerfe, toaS ©ie barüber Derfügen' werben, ba^ id^ babei burd^auS Slid^tS für mid^ in Slnfprud^ nel^me unb ba^, nad^bem id^ fte ber Äird^e im Slffgemeinen untertoorfen l^abe, id^ biefelben Ql^rer ©infid^t ganj be« fonberS untertoerfe. 3d^ bctl^euere, fie nur auS ©el^orfam unb nur in her beftimmteften Slbfid^t gefd^rieben ju l^aben, fie meinem ©eelenfül^rer ju übergeben, bamit er mit il^nen mad^e toaS er motte mod^te er fie nun Derbrennen ober nid^t. Dbmol^l mir nun biefe SSüd^er oiel bitteres Äreuj juge3ogen unb ben 38ortoanb ju t)ielen 3Serfolgungen abgegeben l^aben, fo toürbe mid^ bod^, aud^ menn i^ getou^t l^ätte, ha% fte mir baS

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Seien toften müßten, berfelbe @e]^orfam, bet fte mxä) f)at fd^retben laffen, mä) tro^bem baju t)eTmo(i^t f)aien, {te )u fd^reiben. yto6) l^eute bin id^ in berfelben ©emütl^SDerfaffung unb in betreiben @leid^gültigfeit gegen bcn Erfolg wie bamals."

„3loä^ ßine (Snabe, gnäbige $cncn, erbitte id^ mit Don ^f^ntn im 5Ramen unfcrcS $errn Sefu ßl^rifti, ber für ntid^ unb fftr ©ie gcftorben ift, nämlici^ bie, ba^ ©ic 3^re fragen unb meine barauf gegebenen ^nttporten aufjeid^nen moKen. ift btefeS nötl^ig, ha bem ©ebäd^tni^ bie 2)inge leidet entfallen unb ba cS ginnen felbft in ber golge angenel^ fein toirb, nad^fel^en ju fönnen, tt)orauf^in ©ie mid^ tperben »erurt^cilt ober freigefprod^en l^aben. Slud^ ift biefeä für mid^ felbft nötl^ig, bamit id^ meine f^el^ler erfennen unb mid^ von bergleid^en 3Reinungen freimad^en fann."

n^^ ^offß/ ba^ ©ie mir affeS biefeS, toaS id^ mir l^ier uonS^nen um beg S9Iute3 ^t^n ßl^rifti, meinem ®rlöfer3, to)ilen erbitte, getoä^ren merbcn."

SDlit biefem Srief überfanbte grau von ©upon ben brei ©eiftlic^en au^er i^ren beiben gebrudften 93üd^ern anä) i^re Kommentare jur l^eiligen ©d^rift. Slu^erbem unternahm fie auf beren SOBunfd^ bie 3tu§fü§rung einer überaus mül^famen Slrbeit, bie nur ber ungetoöl^nlid^en ©eifteSiraft unb aiuäbauer biefer grau möglid^ toar, inbem fie, fünfsig 3^age long unabläfpg arbeitenb, il^re Justifications fd^rieb, morin fie burd^ eine SKafie oon ßitaten au§ ben ©d^riften lird^Iid^ anerfannter SWpftifer ber ret* fd^iebenften Seiten 3U betoeifen fud^te, ba| bie il^r alä $eterobo?ien juge« red^neten Seigren längft in ber Äird^e unbcanftanbet oorgetragen werben wären, ßine Slbfdbrift beä SWanuflripteö biefer Justifications fd^idfte jtc bem Sifd^of oon SWeauj ju, ber biefelben aber ebenfotoenig lefen, al§ fic ben beiben anberen ©eiftlid^en 5U ©efid^t lommen laffen hJoHte.

SDie ©timmung beS Sifd^ofä oon 9Reauj gegen grau oon ©u^on ^atte fid^ nemlid^ in ber legten 3^ü jum 9lad^t]^eil berfelben unabänberlidj ent« fd^ieben. Soffuet mar il^r geinb getoorben; unb fo oerfd^loffen er fid^ gegen il^re greunbe benal^m, fo unoerJ^o^en fprad^ er feine .©eban!en über fie bei allen i^ren SBiberfad^ern aus, bei benen er auä^ inbisfret genug toar, bie il^m unter bem SSeid^tftegel anvertraute SebenSbefd^reibung ber ^amt mit bem äluSbrud be§ ^ol^neS oorjulegen. ©ie l^örtc, ba^ ber SBifd^of einzelne il^rer ©ebanfen, über meldte er frül^erl^in oon il^r bie befrie« bigenbften @rläuterungen erl^alten }u l^aben verftd^ert l^atte, je^t ald ©runbirrtl^ümer, bie unter allen Umftänben nid^t ju bulben toären, l^in« ftellte; fo inSbefonbere baä, mag fie in il^ren ©d^riften über baS SBoBen, Segel^ren unb Sitten bei^ ooQenbeten ©laubigen gefegt l^atte. 3lud^ mürbe

347

«

il^T exißS)lt, ba| Soffuct großen älnfto^ an if)xex angeblichen SRul^mrebig« feit nel^nte, mit ber fie in il^tcr Siograpl^ie jtd^ felbft lobe unb eine gonj »unberbar l^ol^e SKeinung von fid^ felbft funbgebe.

Uebrigenä l^atte in3n)ifd§enberSif(]^of t)on6l§aIon§ fid^ mit bcnSd^tiften ber jj^^ttu t). ®ut)on »oKftänbig bcfannt gemad^t unb bie 5Prüfung§commiffion lonntc bal^er jufammentreten, um il^re gcmeinfd^aftlid^e 2ltbeit 3U beginnen, grau Don ©upon hJünfd^te, ba^ mit il^r aud^ il^r treuer nnb einfid^ts* t)oIIer ^eunb; ber ^erjog von 6l§et)reufe, ben ßonferenjen beitüol^nen bürfte, tüeld^e, auf ben SBunfd^ be§ etroa^ leibenben 3Ibbe 5Cronfon, in beffen (jum ©eminar Dom ©t. Sulpice gehörigen) Sanbl^auS ju Sff^ gel^alten h)erben foHten. ©ine t)orIäujtge Sefpred^ung foHte in SKeaüj ^lattftnben, mol^in fie fid^ alfo mit bem greunb begab unb tt)0 aud^ ber Sifd^of von ß^alonä an bem feftgefe^ten 2^age frül^jeitig eintraf. 3)od^ war Soffuet an bem 2^age gerabe abmefenb, toeSl^alb bie 2)ame ©elegenl^eit fanb, ben SSifd^of t)on 6l^aIon§ allein 3U fpred^en, ber ba§ größte SBol^t tooHen gegen fie funbgab unb i^r fogar fagte, ba^ fie in il^rer bisl^erigen SBBeife be§ (SebeteS nur fortfal^ren möge; er bitte (Sott, feine ©nabe aud^ fetnerl^in reid^lid^ in il^r ju meieren.

Spät 3lbenb§ lam Sifd^of Soffuet an. 3lad^ ber erften förmlid^en Segrü^ung 30g ber S3ifd^of oon 3Keauj, 3U bem §erjog oon ßl^eoreufe getoenbet, eine Srieftafd^e l^eroor unb tl^etlte il^m mit, ba^ bod& bie oon il^m begel^rte SCI^eilnal^me an ben 6onferen3en für untl^unlid^ gefunben iüorben fei. 35enn l^anbele fid^ l^ier um bie Seurtl^eilung oon ^Jragen ber Sird^enlel^re, für tüeld^e allein bie bifd^öflid^e Slutorität fompetent fei, unb leidet lönnte, 'menn ein Slnberer ben Verätzungen beirool^ne, ber Slrgtool^n auftaud^en, ba| ba§ Urtl^eil ber Sifd^öfe burd^ frembe @inlr)ir!ung beeinflußt Sorben fei. ^rau oon ©u^on l^örte bangen §erjen§, baß il^r fomit bie ©tü^e, beren fie fid; für bie beoorftel^enben SSerl^anblungen mit ben Sifd^öfen getröftet l^atte, entzogen tüarb. 3)er SBifd^of von Gl^alonS t)er]^ielt fid^ 3U ber für fie fo überaus traurigen 2leußerung Soffuet'S fd^meigenb, unb ber §er3og oon ßl^eüreufe l^ielt bal^er für ba§ Stnges weffenfte, fid^ al^balb ju entfernen.

grau von ©upon toar alfo nun mit ben beiben Sifd^öfen allein unb bie Sefpred^ungen nal^men i^ren Slnf ang. ^n einer langen 9lebe f ud^te SBoffuet m betoeifen, baß alle gläubigen ßl^riften einer unb berfelben ©nabe tl^eill^aftig tüären, toaS grau oon ©upon beftritt. 3)er Sifd^of entgegnete ii^r, baß fie baS irbifd^e ©laubenSleben einer loiel 3U l^o^en SBollfommenl^eit fällig l^alte, irurbe l^ierbei fel^r balb l^eftig unb fud^te SllleS, toaS bie ©ame fprad^, al§ einen uncerftänblid^en ©allimatl^iaS ju loerl^öl^nen, namentlid^

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aU ber Sifd^of oon Sl^alond ben SBerfud^ mad^te, ftd^ ber Sebrängten an^ junel^men.

©d^on frül^cr l^attc bicfclbc bem Sifd^of Soffuct einen Srief in bct il^t eigentl^ümlid^en (Sinfalt gcfd^ricben, worin fie unter Slnberem bentcritc, ba^ i^rgarnid^t f o fd^rocr falle , Bei jid^ in biefem ober jenem ^Punlte bic ajlöglid^Ieit eine« Srrtl^umS anjunel^mcn. Soffuet legte nrxn bcn ©rief por unb toax boSl^oft genug , jenen SBorten bie SDeutung ju geben, ba^ fie mit benfelben il^reS Srrt^umS in ®(auben§fad^en geftänbig ge« toorben fei. 3ludS> toollte er aus i§rer brieflid^ abgegebenen SrHärung, ba^ fte t)on il^m jroar über Qrrtl^ümer belel^rt toorben fei unb bicfelBcn aud^ ald ;3[rrtl^ümer erlenne, ba| fte fid^ aber barüber !eine @orge mad^e, bie f^olgerung ableiten, ba^ eS il^r alfo ganj gleid^gültig fei, ob fte 3(Ibeml^eiten ober nü|Iid^e S)inge fd^retbe. 3§re Sel^auptung, ba^, xotm Semanb ®ott onl^onge, biefeä ber Slnfang ber ^Bereinigung mit (Sott fei, er!(ärte er für ein SSerbred^en unb tarn immer barauf jurüdE, ba^ ber ßl^rift mit feinem allgemeinen (Slauben beS inneren Sebenä nid^t bebütfc, um jur SSergöttlid^ung ju gelangen. @r marf ber S)ame Untoiffenl^eit oor unb toieberl^olte unauf l^örlid^ , inbem er ätteö toa§ fie fagen mod^te, al§ oerioorreneS ©etoafd^e bejeid^nete, ia^ fte bod^ eigentlid^ gar nid^t§ üerftel^e. 2)er Sifd^of oon 6§aIon§ fud^te, toenn er bie eingefd^üd^terte 5Dame burd^ bie rollen SluSfätte 35offuet*S wie niebergefd^mettert ba ft^en fal^, biefelbe burd^ freunblid^en S^fprud^ toieber aufjurid^ten unb ju U-- rul^igen ; aud^ notirte er pd^ einige Slnttoorten, bie fie il^m gab, inbem er fie über bieS unb jenes befragte, nm feine 5Rotijen ju il^ren ©unften benu^en 5U lönnen; ^Jrau oon ©u^on aber fül^Ite fid^, afö baS ©efprädj aufgel^obcn toarb, mie jermalmt.

3)er ^erjog »on (S^eoreufe l^ielt eS nun für ratl^fam, ba^ fid^ ^au oon ©u^on mit il^m nad^ 3ff9 3^ bem 3lbb6 3^ronfon begab. S)crfelbe empfing fte mit großer ^Jreunblid^Ieit unb nal^m nun aud^ feinerfeits eine vorläufige ^Prüfung i^rer Seigren oor, toobei er md tiefer unb forg* fältiger auf bie eigentl^ümlid^en ©ebanfen unb Slnfd^auiingen ber 2)ame einging, alSeS feitenS ber Sifd^öfe gefd^el^en mar. 3)er ^er.jog oon ßl^eoreufe, tt)eld^er ber Sefpred^ung beilool^nte, legte über biefelbe, mit 3uftimmung beS 3lbb6, ein ^rotoIoH an. 3lad^bem bie 33efpred^ung be* enbigt ioar, tourben %xavL oon ©u^on unb ber ^erjog oon Gl^eoreufe t)on bem 2lbb6 in l^erjlid^fter SBeife entlaffen, worauf beibe aläbalb naif 5PariS abreiften.

S)ie ßonferenjen foKten nun fofort in 3ff9 beginnen, unb groor in tieffter ©tillc, bamit ber ®rjbifd^of t)on ?ßariS Don benfelben nid^tä '»***'* *^te.

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a)icfcr aber erfüllt oon bcnfcI6cn bod^ , unb Bcf ci^lo^ , über bie 5Ri<i^t« ac^tung feiner Slutoritdt auf'g ^öd^fte entrüftet, je^t einen @d^Iag cax^ jufül^ren; ber bie Sonferenaen DöUig unnü^ mad^en unb beren äluflöfung ^erbeifül^ren muffe.

$. 8. yiö^n^led Suftteten beö erjbif^ofd ^atla^ t)on $atid.

$err t)on ^arfap l^otte frül^cr baran gebadet, feine Slutorität an ber Verfolgten baburd^ gu ertoeifen, ba^ er pe mit ben ^ittigen feines mäd^« tigen ©d^u^cS bedfte. Slttd^bem aber biefelbe feine il^r bargereid^te §anb nid^t angenommen, nad^bem er t)on ben o^ne fein 35ortoiffen in feiner Srjbiöfe angeorbneten gel^eimen 6onferen3en (in benen er einen Eingriff in feine SRed^te f al^) gel^ört l^atte , f o toottte er nunmel^r als allein fompe« tenter Slid^ter ber grau t)on (Su^on öffentlid^ unb allein l^ert)ortreten. Unter bem 16. Dctober 1694 erlief bal^er ber ©rjbifd^of ein 3Ranbat, toorin er mit ben fd^ärfften 2lu§brüdfen Sacombe*S „Slnalpfe beS befd^ou« Kd^en (SebeteS" unb bie beiben, im 3)rudE erfdjienenen ©d^riften ber grau 4)on (Supon: „Äur3eS 5WitteI" unb bie „Auslegung beS §o^enIiebeS", feierlid^ft t)erbammte.

3)er ©rjbifd^of glaubte nun hiermit bie Sefpred^ungen ju 3ff9 %^%^' ftanbSloS gemad^t ju ^aben; benn bie cause c616bre ber 9Rabame ©upon betrad^tcte er je^t als orbnungSmä^ig erlebigt, toeSl^alb er eS als ganj felbftperftänblid^ anfal^, ba^ bie eben juf ammengetretene (Sonferenj gu 3ff9 (megen beren er, jebod^ erfolglos, bei bem Äönig Sefd^merbe er^ob) fid^ fofort auflöfe*). 3lllein §err t)on ^arlap fal^ fi(^ ju feinem größten Slerger getäufd^t, inbem Soffuet j^ercorl^ob , ba^ ber 6rla^ beS 6rj< bifd^ofS }U ber in Sffp ju löfenben Slufgabe in gar leiner Sesiel^ung ftel^e. ®s fei nid^t ber ^\oti ber ßonferenjen, über bie ^ßerfon unb bie Sd^riften ber grau oon ©upon ein IXrtl^eil 5U fällen ober eine Sel^r« ftreitigleit ju entfd^eiben; oielmel^r foHte bejüglid^ gemiffer Sel^rfä^e ber 3)l9ftil unterfud^t toerben, h)aS als fird^lid^eS Urt^eil über biefelben am jufel^en fei. 2)en ®rgebniffen ber gemeinfamen Unterfud^ung werbe bann

*) ^l^eli^)^)eauE, I, ©. 125. 2)er ergbifd^of fteUte bem Äönig öor: que les «veques de Meaux et de Chalons tenaient des conventicules a Issy; qae Sa Majeste ne devait point souffrir ses assemblees secrettes, on pouvait so Bonner la liberte de machiner quelqiie chose contre ses interets (!)• 2)er iti^nig

ft>ieS il^n jebod^ ab.

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ttotürlid^ leine anbete 9lutotität )ur @eite [teilen, al§ baS petfönlid^e Sln^ feigen, beffcn jtd^ bie etnjelnen 3Ritgfiebet ber 6onferen3 in ber pff entlid^en SReinung erfreuten. 3)iefe Slnjtd^t fanb in S8erfaiffe§ t)oIIIontntenen Sei« fall unb ber Äönig wie grau Don SKaitenon Befd^Ioffen bal^er, tto^ bc§ t)on bem ßrjbifd^of getl^anen SDlad^tfprud^eS, bie 6onferen3en il^ren gort* gang nel^men 5U laffen.

8. 9.

Sie Sonfetenaen )tt 3fr9*

(1694—1695.)

SBäaS SBoffuet über ben 3«^^* ber 6onferen3en gegenüber bent Srlo^ be§ 6rjbifd^of§ non ?Pari§ gejagt l^atte, Voax nur ein SSorgcBen, tüdd^eS er im §inBIitf auf bie ©ebanlen ber ^au von SKaintenon jur Slntoen- bung gebrad^t l^atte, um bie religiöfe cause celöbre be§ §ofe§ in feinet $anb bel^alten unb in berfelben baS le^te entfd^eibenbe SOBort fpred^en ju lönnen.

grau von SBlaintenon unb Soffuet \)atim mit ben 6onfereit3en ju Sffp il^re gan3 nerfd^iebenen Intentionen, gür bie ©rftere war grau oon ®upon ein gan3 untergeorbneter (Segenftanb. ©ie l^atte t)or3ugäh)eife genelon im Sluge; fie tooffte, ba^ fid^ berfelbe über allerlei SRöngel feiner religiöfen Sünfd^auung flar toerbe unb feinen SJerlel^r mit grau uon ®U9on f äffen laffe; unb fte jtoeifelte nic^t, ba^ bie ©rgebniffc einer forg- faltigen unb rul^igen Serftänbigung ber brei fo angefel^enen Äird^enmänner für genelon von entfd^eibenber 2lutorität fein toürbe. Soffuet bagegcn moffte burd^ bie ©onferenjen gu 3fft) bie ganje quietiftifd^e ßontrotjerfe, infotüeit fie mit ber ^erfon ber grau von (Su^on 3ufammcnl^ing, fo 3ur ©riebigung bringen, ba^ er babei als bie oberfte 3lutorität ber Äir(|e beS ÄönigSreid^ä erfd^ien.

2)ie Gonferenjen bauerten nom $erbft 1694 bis 3um grül^Iing 1695, über fed^S SKonate lang, jebo^ mit größeren Unterbred^ungen, inbem bie beiben Sifd^öfe öfters genötl^igt roaren, fid^, il^rer bifd^Spid^en Dbliegcn- l^eiten l^alber, tood^enlang t)on 3f[9 jw entfernen.

Soffuet fül^rte bei ben SSerl^anblungen ben SBorp^; bod^ befanb fic§

berfelbe t)on Dornl^erein infofern in nid^t geringer SBerlegenl^eit, als er

mit ben ©d^riften ber mpftifd^en 3!l^eologie (abgefe^en x)on benen be3

. granj Don ©aleS unb ber f). Sl^erefta, bie er gelefen) nod^ gän3lid^ um

befannt toar. Unter ben bamaligen 3Ritgliebem beS franjöfifd^en

351

EleruS xoax aber 9ltcmanb mit benfcIBcn fo vetttmt toic ^etielon. 3tun toar QffcrbingS bte stoifd^cn S3offuet unb gctrclon eingetretene Setftimmung, bie ®rlältung il§re§ BiSl^crigcn intimen SBerl^ältniffeS eine 3:;i^atfaci^e, über njeld^e fid^ Beibe Bereits t)oKfommen ilar waren. 2lBer il^r Brieflid^er Slu§taufd§ nnb SSerlel^r l^atte bod^ nad^ toie nor feinen ^Jortgang Bel^alten, tücSl^QlB Soffuet il^n um üJlittl^eilung von (S^cerpten au§ ben ©d^riften ber SK^ftiler erfud^te. ^ bem Sriefe, ben er beS^alB an \f)n aBfd^idtte, f)C(ite er jid^ bie Semerlung nid^t oerfagen iönnen, ba^ fein größter SBunfd^ fei, ftd^ unb ^enelon afe Vertreter einer unb berfelBen Ueber« jcugung 3U toiffen.

^enelon fd^idfte aläbalb bem Sifd^of ein fel^r cmSfül^rlid^eS ÜRanu« ffript, le Gnostique Betitelt, tüeld^eS bie getotinfd^ten Sjcerpte entl^ielt, ju*), benfelBen jugleid^ feiner unBebingten Unterwerfung unter bie Slutori« tat ber ju 3ff9 t)erfammelten ^Prälaten nerfid^ernb. 3)od^ lam in ber fortbauernben ßorrefponbenj ber Beiben Äird^enmänner einer ber Beiben §aupt|3unlte, in beffen Sluffaffung bie ©ebanfen berfelBen auSeinanber* gingen, aläbalb jur Srörterung. 3)iefer Betraf bie grage nad^ bem ©egen^ ftanbe unb ben SSetoeggrünben ber religiöfen SieBe unb fpi^te fid^ ju ber ^öge 3u, „oB bie 3Jleinung von ber reinen unb uneigennü^igen Siebe, nad^ toeld^er in berfelBen gar leine SRüdEfid^tnal^me auf bie etoige ©elig- feit ftattpnbe, ein Srrtl^um fei." ~ Soffuet »ertrat bie STufid^t, ba^ baS Verlangen nad^ ber emigen ©eligfeit als ein fpe3ififd^er SleBengrunb in bie SieBe mit einfließen muffe, unb t)erlangte, baß aud^ genelon bieS am erlenne. S)iefer wies il^m jebod^ nad^ , baß in ben ©d^riften angefel^ener Seigrer ber Äird^e bie gegentl^eilige äCnfid^t auSgefprod^en fei, bie er übrigens, faßS Soffuet biefelBe für einen mirHid^en Qrrt^um erllären foHte, bann aud^ feinerfeitS fallen gu laffen t)ollfommen Bereit fei. 3)en l^ierauf Bejüglid^en 33rief genelon'S ließ jjebod^ ber Sifd^of unBeanttoortet. 5ür il^n lam ja eigentlid^ ber 3tBB6 fel}r roenig in Setrad^t, bagegen ipar ber 5Rame ber grau von ®m)on mit ©nem 51Jlale in ber Deffentlid^Ieit JU einer Sebeutung gelangt, baß er bie 3Serl^anblungen 3U Qlffi; je^t ganj birelt auf bie ©d^riften biefer 2)ame unb auf beren Seurtl^eilung l^inlenfte.

*) S)affelbe tourbe gcnclon fpäter, als er bie Slrtüel t)on 3ff^ unterjeidjnet 5atte, aurüdfgeftattet. SBoffuet l^atte inatoifd^en jebod^ eine Entgegnung auf baffelbc ausgearbeitet, toeld^e auS feinen l^interlaffenen papieren unter bem ^itel „Tradition des nouveaux Mistiques" 1753 gu ^ariS in 3 SSoI. öeröffentltd^t toarb.

362

f 10.

Sufent^alt bet %tau t^on CBu^on im Slatienfloftet pt Steon^ -

9teue Setbd^tiguttgen betferfiett.

3Kan ^attc nätnlid^ in 5ßariä unb an anbeten Drten bcS fiönigteid^cS Don bet ajetanftaltung bet ßonfetengen 3U 3ff9 gel^ött. Set bem au^et« otbentlid^en ©inbtucf, ben baS öffcntlid^ gcfptod^ene Slnatl^ema beg etften Äitd^enfütftcn ^tanftei^S übet bie ©d^tiften bet ^au t)on ©upon toeit« l^in gemad^t l^atte, waten ballet bie SlidEe 2lIIet in gto^et Spannung nad^ 3ff9 getid^tet, xoo baS roeltlid^e Dbetl^aupt bet Äitd^e ^anlteid^S m obetftet, aud^ bie Slutoritöt beS ßtjbifd^ofS von 5Patiä übetragenbet 3«- ftan3, übet ^au t)on ©upon unb beten Seilte @etid^t l^alten lie^.

3)ie Situation roat übetl^aupt je^t fo getüotben, toie Soffuet fte ftc| roünfd^te. ®t ^af), bag bie t)on ^tau von (Supon teptäfentitte teligiöfc Seroegung, lüeld^e bamalS butd^ ^tanfteidb ging, allgemein alä bie ^cr« DOttagenbfte teligiöfe Slngelegenl^eit bet 3^^^ 6e3eid^net watb unb ba| bie Bewältigung betreiben in bet 3Keinung SSielet ba§ toefentlid^fte Sntcrcjje toat, roeld^eS betmalen bie üitd^e befd^äftigte. Sojfuet, bet in ^ffp '^^ ?Ptäfibium fül^tte, toollte nun baS SSetbienft bet ©tiebigung biefet ©ad^c, bet Sntfd^eibung betfelben butd^ feine maa^gebenbe Slutotität, bet Sid^er* ftettung bet Äitd^e vox einet il^t btol^enben unb immct bebcnKid^ct an« toad^fenben ©efal^t ganj allein in feine §anb Btingen. $ict3U war abet nötl^ig, bajs et fid^ bet ^ßetfon bet ^tau von ©upon fo DoUftänbig k-- mäd^tigte, ba^ biefelbe gan3 in feine §anb gegeben fd^ien.

§od^etfteut roat ballet bet Sifd^of, alä ^au x)on (Supon feinen eigenen ©ebanfen mit bem 3Sotf daläge entgegenfam, et möd&te fie, bamit et fte genauet beobad^ten unb lennen (etnen lönne, füt einige 3ßit in ein Äloftet feinet 2)iöcefe aufnel^men. Soffuet mieg fie fofott an, ftd^ in baä Äloftet juf ^eimfud^ung ©t. 3Ratiä 3U 3Jleauj ju begeben, toeld^et SBei* fung biefelbe alsbalb ju folgen t)etfptad^.

§ietmit fal^ nun bet Sifd^of bie gange 2lngelegenl^eit bet gfrau ©on ©upon unb beS DuietiSmuS fo augfd^lie^lid^ unb fid^et in feine §anb gelegt, ba^ et, al8 et gut geiet beS SBei^nad^tgfefteS von Sffp nad^ 3Reauj fam,. 3ut ©upetiotin be§ genannten ÄloftetS, bet SKuttet ?Picatb, in einem fd^wad^en 9lugenblid( au3plaubette (tDa§ biefe l^etnad^ bet ^tau oon ©upon mittl^eilte) , ba^ i^m bet ©inttitt bet Se^teten in i^t Äloftct ba8 n)o]^l balb 3Ut ©tlebigung fommenbe ®t3bi§tl^um t)on 5Patiä, ©iellei^t aud^ nod^ ben ^atbinalsl^ut einttagen tDütbe.

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%XQVL t>on ©upon vet|le bolzet im Slnfonge beiS ^anuatS 1695 na4 3Bettus aB. SDcr SDSintcr biefcS S^l^tcS toar bcr l^ärtcftc, ben man feit langet 3^ii ^^^^^^ ^<^^^^* 3^ ^^ ^oj^lioegen, burd^ bie fte falzten mu^te, lag ber Schnee maffenl^aft aufgel^äuft^ tüeSl^alb bie Steife eine überauiS (efd^wernd^e n)at. 3n einem biefer $ol^Iit)ege blieb ber SQSagen fogor jleden/ inbem berfelbe fafl gan3 vom @d^nee bebedEt toor. 3Ran }og fte, foioie bie S)ienerin, Don bet fie begleitet tourbe, butd^ ben Sd^lag auS ben Sßagen l§erau§ unb S3eibe mußten ftd^, fd^on gan} burd^nä^t unb burd^froren, in bet bitterften Äälte auf bem ©d^nee niebetlaffen. 2Beit unb breit roax fein $au3 ju feigen, unb fd^on bämmerte ber älbenb. 3)a lamen 3um ®Iüd( einige Aarrenfül^rer be§ äSegeg bal^er, n)eld^e ben SBagen au3 bem <Sd^nee l^erauSfd^affen l^alfen, fo ba^ bie Steif enben tociterfal^ren unb gegen jel^n Ul^r 2lbenbS in 5Keau£ eintreffen fonnten.

$ier lic^ ftd^ grau 10. Oupon mit il^rer Wienerin fofort jum Älofter fül^« tcn, beffen ®ingang§tl^or il^r geöffnet würbe. Slllein ber ^Pförtner h)ie8 fte on^ ftd^ einfttpeilen in einem !alten 9(u^engebäube aufjul^alten, toeil ju« näd^ft bcr Sifd^of von il^rem (Sintrcffen benad^rid^tigt unb bie Slonnen geroecft toerben müßten. %xavL oon ©upon litt bal^er in il^ren naffen Äleibem unter ber Äälte entfe^Iid^. gaft erftarrt mürbe fte enblid^ in ba§ 2Öol^nl^au§ ber 9lonnen aufgenommen unb in baS für fie Beftimmte Simmer gefül^rt. (3)od^ oerfict fie infolge ber SWi^gefd^idEe biefer Steife in ein l^eftigeS lieber, t)on bem fie crft nad^ fed^S SBod^en genefen toar.) am anberen 3Jlorgen erfd^ien ber SSifd^of, gab il^r feine ^eube bar« ü6cr JU erfenncn, ba^ er fte nun in feiner Stolpe unb fo rooi^I aufge« l^obcn miffe, bat fte aber fofort, il^en Flamen ju oeränbem, bamit Slie^ ntanb erfal^re, ba^ fte in feiner 3)iöcefe tjertoeile unb bamit er oon 3«* bringlid^Ieiten, benen er fid^ fonft i^retl^alBen auSgefe^t feigen toürbe, oer^ fd^ont bleibe, hiergegen l^atte ^au oon ®ut)on nid^tä einjumenben; aber mie fel^r mar fte überrafd^t, als fie am 3l6enb be§ 3^age§ erfüllt, ba^ ber Sifd&of nod^ an bemfelben 2^age oon Tteani abgereift fei urtb erft ium Dfterfeft mieber jurüdEIel^ren toerbel

Sllfo ben 3toedE il^rer Ueberfieblung in baS Älofter, ben fjrau oon ©upon im 2luge l^atte, fal^ biefe bereits üollftanbig t)erfel^It; benn mie lonnte fte ber Sifd^of in 3Jlea\XTC beobad^ten unb lennen lernen, toenn . berfelbe t)on SJleau^ abtoefenb toar! ®S moQte il^r Dorfommen, als ob fte toieberum in eine gatte gegangen fei, unb fd^mere Sorgen lagerten fid^ abermals auf bie oiclgequälte ©eele, namentlich als fie baoon l^örte, ba^ fort unb fort bei ber ©uperiorin unb bei ben anberen Slonnen anonpme ©d^mSPriefc gegen fte einliefen, toorin fte in ber entfe^Iid^ften SBeife t)erunglimpft tourbe. @S ging aud^ ein angeblid^ von bem Sifd^of »on

fiepDcWvi»«. 23

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354 -^

©renoBIc fommcnbcr Srtcf ein, h>ortn tnon bicfcn ^tSIoten fagcn Itc|, btt^ er %xan t)on ©u^on ou3 feiner 2)iocefe t)eria9t l^aBe, toeil fie unicr Slnberem in ©egentoort beS $ßater8 Slid^eBrac (be§ banialigen ?Priör8 bct Senebictiner ju St. SRoBert in ©renoble) ber fd^önblid^ften Singe über« fül§rf toorben fei. 2)er SSerbteiter biefeS untergefd^obenen 33riefe§ lourbc in« beffen fel^r balb befannt; eS toar ber ^Pfarrer ju ©t. Saqueä bu $Qutpa3'. SlllerbingS befa^ grau von ©u^on auS bem 3. 1688 Sriefe be§ Sifd^ofä t)on ©renoble,*) toeld^e an ftd^ fd^on bic Uned^tl^eit beS in Umlauf ge* festen Sd^reibenS beweif en fonnlen, allein baffelbe mad^te bod^ ein fo au^erorbentlid^cä 3luffel^cn, ba^ fid^ %xa\x oon ©upon »eranla^t fa^, bcm 5l?ater von 3lid^ebrac baoon SJlittl^ eilung ju ntad^en. S^folgc beffen er* l^ielt fie oon bemfelben ein ©d^reiben, ioeld^eS lauMe:

„©nabige grau! 3ft mögltd^, ba^ man mid^ in meiner (Sinfam* feit auffud^t, um mid^ afö SBerl.jeug einer Säfterung 3U gebraud^en, bic man gegen ©ie fd^miebetl Qd^ l;abe niemals ba§ gebod^t, toaS man m\i) fagen läfet, aud^ l^abe id^ niemals in 3lbftd^t gel^abt, bergleid^cn Älogcn über ©ie ju fül^ren, bie man mir beilegen toiH. 3>m ©egcntl^eil toiebcr«

*) S)a8 eine ©djreiben toar bie 2lbfd^tift cineS 93riefc8 an ben ©iöUsSieute^ nant (erfte ^oUjeibel^örbe) ju ^arig, tocld^eS ber Sifd^of bon ©renoble einem an grau öon ßJu^on gericl^teten ©riefe im Saläre 1688 (alfo ein Sal^r nac^ il^rem Slbjuße öon (Srenoble) beigefügt l^attc. 2)er erftere 93rief lautete;

„gd^ !ann ber ^ugenb unb ©ottfeligfeit ber grau bon la 3Rotl^e=®u^on bie ®mj)fe]5lung nic6t öerfagen, toeldjc fie t)on mir für ©ie, mein §err, gu ©unften il^rer gamilie in einer 2lngelegen]^eit erbittet, toeld^e il^nen öorliegt. Qci^ toütbe einige SSebenflid^feit gel^abt l^aben, toenn mir nic^t bie 2lufricf|tigfeit berfetben, ttie gi^re ©ered^tigfeitSlicbe befannt tüären. ©enel^migen ©ie alfo meine 93itte, ijt bie (äered^tigleit, toeld^e il^r gebül^rt, in bottcm 3Kaa6e ju ertoeifen. ^d^ erfucje ©ie mit aller Slufrid^tigfeit, in toelc^er id) hin

ber (Sarbinal @amuS.

2)er an grau öon (Su^on felbft geridjtete ©rief toar folgenber: „©näbige grau! Defter al§ ber gatt ift, toünjc^te id^ ©elegenljeit ju l^aben, S^nen ju beiüeifen, toie fel^r mir ^f^x jeitlid^eS unb geiftlid^eS SBol^l am ^erjen liegt. 3ci^ J)reife (Sott, bafj ©ie fid^ in ©efotgung meiner SRatl^fd^rage, bcjüglid^ beS leftteren, tool^l befinben; unb in Betreff be§ erfteren öcrnad^Iäfftge id^ nid^tg, um ben ©ertn ©iüil=2ieutenant ju betocgen, ba^ er ibnen bie gebü^s renbe (Sered^tigleit ju ^l^eil ioerben laffe. 3nbem ic^ ©ie bitte, ju ^.lauben, baj ©ie mid^ jeberjeit bereit finben *»:?erben, Sinnen auf alle Slrt ju bereifen, bafr i^

In Sal^rl^eit bin

©näbige grau, Sl^r fel^r ergebener 2)iener, ber ©arbinal SamuS." ©renoble, ben 28. ganuar 1688.

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l^olc i^ l^iet bte f(5on oft abgegebene Srflarung, ou« Syrern SRunbe nie einlas älnbereS, dg burd^aug S^riftltd^ed unb @^r6are3 gel^ört ju l^aben. ®eh)i^ l^ätte id^ mtd^ too^l gelautet, ©ie 3U befud^en, toenn id^ ©ie fällig geglaubt l^ätte, 3)mge ju äujsern, iie niebetjufd^reiben id^ nid^t wagen fonnte, unb hjeld^e ber 2lpofteI ju nennen ©erbietet. 3ft eS jebod^ 3U S^rer SRed^tfertigung notJ^toenbig, ba^ id^ eS fage, fo toerbe id^ e8 bei bem etften SBinle tl^un unb id^ toerbe einfad^ fögcn, ba^ <m ber ©ad^e gar nid^tS ift, b. 1^. ba^ td^ niemals etioad bem 9(el^nlid^ed ober ettöai^ bem aud^ nur im (Sntfernteften 3?a^eIommenbe3 ©ie l^abe fpred^en l^ören^ foroie ba^ id& nie eine Sleufeerung get§an l^abe, auS ber man folgern tonnte, bafe id& etroaS S)erartige§ oon ^l^nen gel^ört l^ätte. ^ati f)at mir fd^on be^roegen gefd^riebcn unb id^ l^abe aud^ bereite bar« auf geantwortet. Qd^ toürbe biefcä nod^ taufenbmal t^un, wenn id^ taufcnbmal baju aufgeforbert h)ürbe. -SWan oermengt jtoei SSorlommniffe miteinanber, bie gar nid^t jufammen gel^ören. 3d^ meine baS mit bem SWäbd^en, ioeld^eS l^ernad^ toiberrief, unb ©ie, gnäbige ^au, toerben ftd^ nod^ erinnern, h)ie id^ mid^ bei biefer ©elegeni^eit in ©egenloart beä 5ßrälaten auö reiner Siebe jur SBal^rl^eit unb um mein ©eloiffen nid^t burd^ feiges ©d^roeigen 3U oerle^en, benommen ^obe. 3^ fprad^ mid^ bamalS fetjr frei auS unb id^ bin bereit, biefeä aud^ je^t mieber ju tl^un, toenn ®ott eS je^t ebenfo oon mir forbert mie bamafö; unb id^ toerbe glauben, ba^ er eS forbert, toenn id^ baju aufgeforbert merbe. 3lber toaS fann id^ SeftimmtereS fagen, al§ baS toaS id^ jeftt fage? SBenn eS jebod^ nod^ eines SQSeiteren bebürfen foffte, fo bitte id^, fid^ ber 3Rül^ejtt unterhielten unb mid^ beauftragen ju tooffen, unb id^ werbe für bie SEBal^r« l^eit Sengni^ ablegen. Sn biefem ©inne bin id^ aufrid^tig in unferem §errn, inbem id^ mid^ 3^rer ^ürbitte empfel^le

©näbige grau,

3^r ergebender unb gel^orfamfter Wiener

g. Slid^ebrac.

3[n ben Slugcn aller ©erjenigcn, tocld^en fjrau oon ©u^on biefen Srief oorlegte, toar biefelbe natürlid^ oottfommen gered^tfertigt; allein bie 3al^I berer, toeld^e biefen -m./ 3U feigen befam, toar bod^ eine geringe^ toäl^renb ber Pfarrer ju ^'.. „jiiqueS nad^ allen ©eiten l^in Slbfd^riften feines 3Kad^toer!eS verbreitete, ^0 bafe nad^ einigen SEBod^en gan3 5ßari^ von bem angeblid^en Srief be^ Sifd^ofs oon ©renoble mu^te.

2lud^ Sifd^of »offuet ^atte eine fotd^e Slbfd^rift erhalten unb äußerte fid^ bartiber, als er nad^ aWeauj jurüdfgefel^rt mar, bei grau oon ©upon. SDiefe legte il^m l^ierauf ben Srief bes ^ßater SRid^ebrac oor. ®a fa^

23*

856

Htm bet $YaIat mit eigenen Xugen bie Sod^eit bev ^ntrigue, über bie tt feine tieffte (Snirüftung äußerte, unb ^au von ©upon glaubte ju b^ nterlen, ba( bie il^r jugefügte SRi^i^anblung il^m n)irlli(i^ 5U ^erjen ging. Seiber aber n^or biefeS ®efft§l, toeld^ed ev für fie entpfanb, nur aOjubaÄ toieber t)erfc^n)unben.

r 11.

Cie Cetli^eiligtmg be0 St^Bifc^ofl Sf^elon an ben Serfittttblttttgeii

}tt SITy ttttb bie S4 Srtifel iion 3ff9.

3n5n)ifd^en erfolgte, toäl^renb bie 33er]§anblungen ju 3ff9 t^^ üt voOem ©ange xoaxen, ein Sreigni^, iDeld^eS für ben ä(bfd^Iu^ berfelben unb für ben fjortgang ber öffentlichen ffiisfuffion ber bermaligcn religiSfcn f^age ^anlreid^d naturgemö^ nid^t ol^ne @influ^ bleiben lonnte.

genelon tourbe Don Subwig XIV. am 8. fjebruar 1695 auf ben er}bif^i)flid^en @tul^I oon 6ambrai erl^oben. 3)ie befonbere $ulb bed AönigiS, toeld^er ber fromme 9lbb6 biefe äluiSjeid^nung ju banfen l^atte, ermicS ftd^ no6i barin, ba^ er ben neuen (Srsbifd^of erfud^te/ bie obere Seitung feiner @nlel auäj ferner in ber ^anb 5U bel^alten. 3)ie 9e< beulen, meldte f^enelon bejüglid^ ber S(udfül^rbar!eit biefeS löniglid^ ^unf^eg äußerte, räumte Subtoig XIV. mit ber Semer&ing i^innieg, ba^ il^n bag @ef e^ ber Aird^e nur }u einer neunmonatlid^en äteftben,] Derpflid^te, unb ba^ er bal^er bie brei übrigen SJlonate bed 3<^reiS ber ©rjiel^ung ber föniglid^en ®nlel toibmen lönnte. genelon lonnte ballet nid^t um^in, bem il^n fo fel^r augjeid^nenben SSertrouen bed Jtönigd )tt entfpred^en. @r übemal^m alfo fein @r}bidtl^um, ol^ne feine 6teSung «te ©rjiel^er ber @nlel Subtt)ig'§ XIV. aufjugcben. dagegen ftellte er fofort feine S(btei oon @t. SSalerie bem Aönig, ium größten @rftaunen beffelben, jur Verfügung, meil bas ©efe^ ber Äird^e bem S^^aber einer fo reid^ botirtcn 5ßrälatur, toie ber erjbifd^öflid^e ©tul^I oon ßcm* &rai fei, babei nod^ eine jmeite $frünbe in $änben ju bel^olten verbiete.

%xa\x oon ÜRaintenon l^atte nun aber, nad^bem ^enelon in bie Stellung ber erften SBürbenträger beS Jtönigreid^S eingetreten mar, it-- jüglid^ beffelben leinen anberen SSunfd^, aU ba^ nun aud^ ber leifeße Stoeifel an ber SRed^tgläubigfeit beS neuen ^Prälaten burd^ biefen fettP befcitigt werben möd^te. SDiefeS fonnte in einbrudfoollfter Sffieife gefd^el^en, toenn ^enelon bie SSereinbarung ber Sonferenj ju 3f[9 ebenfoEs unter« 5eid^nen unb fo öffentlid^ feine ooKfommene Uebereinftimmung mit ben Sifd^öfen oon 3Reau£ unb Sl^artreS beurlunben toürbe. äluf 9(nregen

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ber Sfrau oon Stointenon loutbe ballet f^enelon butd^ ben ftSntg aufge« forbett, ^ä) oiibalh mä) 3ff9 3^ Begeben unb ate !9mgß$ev (Sommtffor an ben borttgen Betätigungen t^eilsunel^men.

^enelon entfptad^ bem SSunfd^e bed ÜRonard^en unb traf fd^on wenige läge nod^l^er in 3ff9 ein. ^ier toat bie Sonfeteng mit il^ren 3(r6eiten eben fertig gemotben. Soffuet l^atte 30 SIrtilel aufgefegt, toeld^e baS berid^tigenbe litd^lid^e Uttl^eil über eben fo oiele auS ben @d^riften ber f^rau von ®wfon l^erau§gel^obene ©ebanlen unb Seigren entl^telten« ^enelon n)urbe um Prüfung unb ®enel§migung berfelben et$ fud^t. ©elbfberftänblid^ n)ar aber je^t bie Stellung $ene(on'8, beS ®r}« bif d^of t)on Sambrai, jur Autorität bed 9if d^of d t)on 3Rtaui eine anbere aU jie t)orbem getoefen toar. ®egen bie 30 älrtilel l^otte er ntand^erlei Sebenlen. älSerbingS erüärte er fid^ bereit, biefelben um ber @tnigfeit bed Spiäcopated toiQen ,,gegen feine lleber3eugung aud !Rad^giebigIeit'' (par d^förence) )u unterjei^nen ; aber von feiner frill^eren unbebingten Unterorbnung unter bie bifd^oflid^e Slutorität Soffuet'd toat nid^t mel^r bie Siebe, ^enelon fteSte bal^er mer articles explicatifs gufammen, burd^ toeld^e er, wenn fte ben 30 9[rtileln einverleibt würben, cälm 93ebenlen, bie er gegen bie le^teren l^atte, fo genügen 5U lonnen glaubte, ba^ er, tote er 3U 93offuet äußerte, aföbann bereit toar, aSe 34 älrtilel aud^ mit feinem Slut )u unterfc^reiben.

93offuet fud^te anfangs boS ÜRi^Iid^e, toeld^ed biefer SSorfd^Iag ^elon'd immer nod^ für il^n l^atte, burd^ älufftellung 7 neuer älrtilel, bie er felbft entmarf, auS bem SBege ju räumen; inbeffen nad^ atoei^ tSgiger @rh)ägung ber @ad^e lie^ er fic^ bod^ burd^ bie anberen 6om^ miffäre baju beftimmen, bie $ropofitionen ^enelon'd ooUftänbig }u ge^ neljmigen. S)ic Slrtilel, je^t 34 an ber Saf)l, mürben nun am 10. 5Wärj, an ioeld^em Xage Soffuet jtd^ erft bereit finben lie|, in bie älufnai^me bed 34. Srtileld ein)un)iKigen, fo sufammengefteOt, ba| ^enelon'S 6S$e bie ©teile ber 9lrt. 12, 13, 33 unb 34 erl^ielten; au^erbem tourbe Xrt. 29 (frül^er 9lrt. 27) in ber Sßeife neu rebigirt, ba^ mm einen @eban!en f^enelon'd über bie trabitioneSe SR^ftil in bemfelben 3um 3(ud^ brudt brad^te. S(m 10. üßarg 1695 tourben fobann bie Srtilel oon 3f[9 von aSen t)ier SRitgliebem bei Sommiffion unterjeid^net.

SDiefelben laffen eS an il^rer 3ufammenfteSung unfd^mer erlennen, ba^ fie auf einem 6ompromi| berul^ten, burd^ toeld^eS ber Streit ber Parteien nur für ben älugenblid jum @tiDjlanb gebrad^t toerben lonnte, ol^ne ba^ ber ®egenfa$ berfelben innerlid^ übertounben unb aufge« l^oben toar.

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^ 358

Xtntct bcn STttifcIn oon 3ff9*) fi^b brei ©ruppcn unterfd^cibeiv namlidöJ 3lrt. 1—20, Strt 21—29 unb Art. 30—34.

3n 3lrt. 1—8 toirb ausgeführt; ba^ ber ßl^rift auf lebet ©tufc beS ©laubenSlcbenS }u einer Hebung ber'fS^ömmigfeit unb ber älnbad^t t)erppi(i^tet fei, in weldjer er in fxdS) bie einjelnen, unterfd^iebcnen 3lftc beS ©laubenS, ber Siebe unb ber Hoffnung fo erhjedfe, ba^ er ftd^ tnit feiner grömmigfeit auf ^l^rifti $erfon unb (SrIöfungSwerf l^inrid^te unb unaufl^örlid^ feine Segierlid^feit belämpfe. 9)enn (2lrt, 9 11) bic fromme ®leicl^gü(tigleit bilrfe nid^t ol^ne bie Hoffnung gebadet xoexhen: oud^ toerbe burd^ bie Unterf d^ieblid^!eit ber einjelncn 3ßte ber Slnbad&t bie SBottfommenl^eit beS religiöfen SeBenS !eine§n)eg§ geftört ober beeiits Iräd^tigt, . unb eben fo menig ^abe ber ß^rift quietiftifd^ barauf ju faxten, ba^ (Sott burd^ eine befonbere ®nabe bie einseinen Stlte in il^m ermedfe. UebrigenS (2lrt. 12 13) l^abe man unter biefen 'Sitten fxä) h)eber metl^o« bifd^ nod^ geroaltfam l^eroorjubringenbe ©eefenregungen ju beulen. Stuf ber l^öd^ften ©tufc ber Slnbad^t bringe bie Siebe biefe -SHte unb beten freie Hebung t)on felbft l^eroor, foba^ biefelben in ooffer SSBirflid^feit tjorl^anben mären, aud^ \oenn baS Semu^tfein fid^ baoon leine Sted^en« fd^aft 3U geben vermöge, ^iernad^ l^abe man (2lrt. 14 18) bie oon ben §eiKgen gegebenen SBorbilber auf juf äffen, auS benen nid^ts ju ©unften ber Seigre x>on ber unintereffirten Siebe gefolgert merben fönnc. SluS bem Sitten ergebe fid^ aber (2lrt. 19), ba^ bie Sluffaffung beä ®e* iete§ im. ©tanbe ber 3Soff!ommen]§eit als eines immermä^renben mefent* Kd^ einfad^en SlfteS, ber in fid^ felbft bie göltlid^e 2)iSpenfation pon ben gemöl^nlid^en Hebungen ber äCnbad^t trage, falfd^ fei. 5IKit Unred^t toerbe bal^er behauptet (Slrt. 20), ba^ jjene irrige Seigre oom Dottfommenen ®eiet jemals in ber Äird^e als trabitionette (Sel^eimlel^re l^eimifd^ ge« toefen fei. 6ine 2:rabition quietiftifd^er SDl^ftif ^abe eS in ber Aird^e ilberl^aupt nie gegeben.

SttterbingS gebe eS (3lrt. 21—26) infolge beS befonberen SBalten« ber Onabe in ©injelnen aud^ au^erorbentlid^e (SebetStoeifen, h)ie j. S. baS pafftoe ©ebet. 3)od^ fei bejtiglid^ berfelben 3U bead^ten, ba^ fie nid^t als bie eigentlid^e SSottlommenl^eit d^riftfid^en SEBefenS aufgefaßt, ba| fie barum überhaupt nid^t als ein von jebem ß^riften ju er« ftrebenbeS 3i^I angefel^en ioerbcn, unb ba^ fie nid^t ju ben getoöl^n- lid^en Stiten beS (SebetSlebenS in ®egenfa§ treten bürften. ©S fei ba« l^er (3lrt. 27 28) ein SBal^n, toenn man annel^me, ba^ eS eine d^tift*

*) Slbgebrudt finben pd^ biefelben in Soffuet'S Ordonance et inatruction Pastorale sur les etats d'oraisoD t^om 16. ^Ipril 1695.

N

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lid^e SSoDIontntettl^eit geBe, mit n)el(i^er bie @aBe ber 28etffagung ober gat ein apoftolifd^cr ©taub ron fclBji t)ctBunbcn fct. ®6cnfo fei e8 ein Srrt^um, tDenn man fage, ba^ berartige au^erorbentlid^e ©nabenfül^tungen ®ottc§ in ber Äird^e ^äufig ober regelmäßig oorlämen, unb baß eine anberc Autorität als bie nad^ ber l^eil. ©d^rift unb ber 3!rabition ur« tl^eilenbe Äird^e über biefcIBcn ju entfd^eiben l^aBe. STOerbingä möd^te es tool^I (älrt. 29) ju Seiten ©eelen geben, bie (Sott ganj allein unb in Bcfonberer SBeife fül^rc, unb 3)enen barum nid^ts weiteres oorjufd^reiBen fei; allein leid&t fd^Ieid^e fid^ baBci 3!äufd^ung ein*), unb immer mtiffe baran erinnert toerben, baß fold^c S)inge mit bem SBefen d^riftlid^er SBoHIommenl^eit nid^ts ju tl^un Ratten. S3on bem, maS l^ier über bie bem 5!Renfd^en imnier anl^aftenbe 6oncupiSjen3 unb Unoottlommenl^eit gc« fagt toerbe, fei übrigens (2lrt. 30) bie 3Rutter ©otteS feIBftoerftänbIid5 auSjunel^men.

33e3üglid^ ber neuen Seigre oon ber uninterefftrten Siebe fei oor «Kem feftiu^alten (3lrt. 31—32), baß ber ©eclenfü^rer fold^e ©emütl^er, bie t)on ÄleingläuBigfeit angefod^ten würben unb bie geneigt toören an il^rem etoigen ©eelenl^eile ju uerjtoeifeln, jur l^eiligen Hoffnung jurtidE3Ui leiten l^aBc, unb baß ber ß^rift niemals baS ©trafgerid^t ber ©ered^tig« feit ®otteS Begel^ren bürfe^ fonbern ftd^ unBebingt nur ber gottlid^en Sarml^erjigleit 3U üBerlaffen l^aBe. SlllerbingS gebe eS (3(rt. 33), mie baS SBeifpicl oieler ^eiligen 3eige, eine auf Bcfonberer göttlid^en ©naben« fül^rung Berul^enbe fromme UeBung, bie barin Beftel^e/baß ftd^ bie ©cele in rüdf^altlofer Unterwerfung ®ott üBerlaffe, aud^ wenn er fie (mie fie, von ber SSerfud^ung Betl^ört, oieHeid^t mä^ne), ber emigen ©eligfeit, nur aber feiner ®nabc unb Siebe nid^t, BerauBen tooUc. Slid^t aBer bürfe ber SDäal^n auffommen, baß ber E^rift in ber UeBung einer fold^en SBottfommenl^eit oon ber 5ppid^t ber bem ©l^riftcnt^um üBerl^aupt roefent« fidlen Slnbad^tSüBungen entBunben fei**). ©elBftoerftänblidJ fei eS außer«

*) »offuct Batlc urftjrünglid^ gef daneben, baß bie erlcud^tetpen SRJ^ftiler Jier« ton nid^tS ioüßten, loaS fjcnelon für unrid^tig erHärte.

**) 5Der Slrtilel (autet toörtlid^: On peut aussi iospirer aux ämes pein^es et Traiment humbles une soumission et consentement a la volonte de Diea, qnand memo par une tres-fausse supposition il les tiendrait dans des tourmens ^ternels, sans neanmoins qu' elles soient priv^es de sa grace et de 8on amour; qni est nn acte d'abandon parfait et d'un amour pur pratiqu^ par des saints et qni le peut etre avec une grace tres particuli^re de Dien par les ames vraiment

parfaites. 3)a bicfer 33. 2lrti!cl eine giemlidj unberbedte StnerJennung beS ®runbgeban!enS ber Seigre genelon'S. bon bem amour d^sinteresse entl^ielt, fo fa^ ft($ Soffuet alSbalb nac^ bem SSelannttoerben ber 9(rti!e( bon Sfri; toegen beffetben berufen, a. 8. \>on bem S3ifd^of Sabroue bon 9^ire))ois; SBoffuet er!((irte

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kern (9(rt, 34), b<K| ShifSnget in ber ^Smmigleit anbeiS mifiefel^nt, Beuti^eilt unb (el^anbelt tvetb^n m&^ien, afö bielemgeii, loel^e )tir Soll: b'mmenl^eit gelangt io&en.

3Rit bet Untevjeid^nung biefet 9lrti{el toeld^e ben älnfd^atmns^n Senelon'i 9on be? unintereffitten £ie6e, unb x>on ber ioal^ren SSoIIIommeiu l^eit bed (Snabenftanbed ein ta>eit grö^eted Ttaa^ ryoxi Säeted^iigung unb Sovtectl^eit jugefprod^en' Ratten, als Soffuet fofort etlannte, )a>ax nun bie Sinigfeit bev brei $i:alaten urlunblid^ audgefprod^en, unb fd^einbos teid^ten ftd^ biefelben in tfoUIontmenfter @inmütl^igleit i\xm SlSfd^ieb bic äSvuberl^anb. 316er ein leifer 3Ri^Kang h)urbe bod^ in il^rem 93er!el^re vemel^mBar, aU bie Sifd^öfe einanber £e(e»ol^l fagten. S)ie t)on 3Reau|^ unb Sl^olonS Dereinigten fid^ n&mlid^ ju bem 93efd^Iuffe, ba^ fie oon il^ren Sieftbenjen aud bie älrtifel von 3f[9 in ^^^ SSerorbnung, n)eld^ jugleid^ bie SBerbantmung ber ©djriften ber fjrau von ©upon, jebod^ ol^ne Slennung beS IRamend berfeI6en entl^alten tDürbe, öffentlid^ h^ lannt geben n)oI[ten; t^^elon jebod^, ber aufgeforbert maxh, in feiner 2)id€efe baffelbe 5u tl^un, empfal^l ftd^ mit bem S3emer!en, ba^ er Uiber biefem Sefd^luffe feiner Ferren Srüber nidjft beitreten fjinne*

Soffuef 9 to^e Stif^anblung bet Sftan von 9u)fon {m Aloftet

3tt SReaujr.

Soffuet {eierte nun jum Dfterf efte nad^ 3Stzan% }urüd(, lam auf boS Simmer ber %xm von ©u^on unb mu^te berfelben nad^ ber erften Se^ grü^ung nid^t eilig genug mit)utl^eilen, ba^ fte t>iele t$einbe l^abe unb ba| aDe 9Be(t gegen fie erbittert fei« @r legte il^r fobann bie ju Sff9 feftgefteSten $unlte vox, unb fragte fie fel^r trodfen, ob fie burd^ Untere jeid^nung berfelben il^re ,,Unterh}erfung'' unter bie lird^Kd^e Slutorität erllären moKte; n^orauf fie, nad^bem il^r ber Sifc^of auf il^ren Sßunfd^ einige @ö$e naiver erläutert l^atte, bad @d^riftftüd( am 15. Slpril 1695 unterfd^rieb. ^au oon ©u^on l^atte alfo il^re „Qntertoerfung'' erHätt unb fomit ben il^r auferlegten SBiberruf geleiftet; bod^ l^atte fie biefet SRt, ber il^r Ueberminbung geloftet, in eine fold^e ©emütl^derregung vet^ fe^t, ba^ fte fid^ in «oQftänbigfter Srfd^öpfung }u Sett legen xm^it.

iebod^ bel^arrlid^, ba^ ber gnl^att biefeS SCrtüetö aSterbingd in ben ©d^riften ber onerfannteften SR^ftifer, 3. S. in benen bed ^an| von QaU^ ^ntl^atten unb burd^« m^ unanfti&ftig fei.

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^iey auf tJ^rem fttonfenlager . fu^te fte fi^ nun aOmSI^Iig an bem Zrofte meber auf}urid^ten, bo^ bie Setfolgung, bie fie bidl^er erlitten, nun il^r @nbe erreicht l^abe, unb hai jte oon )e|t an Stulpe unb %tUpe l^aben toetbe. 9Ker fd^on nad^ n^enigen Xagen fal^ fte fid^ aud biefem füf en Traume aufgefd^red(t unb in neue Sebrängni^ geftüTjt.

ä[m Xage ber SSerlSnbtgung 3Rax\& nämlid^, beffen freier in bie 3^i^ nad^ Dftem oerlegt \oax, l^otte fte ju Sitten beS „fleifd^gemorbenen äBorted'' bem ftlofter ein ©efd^ent gemad^t. Um il^ l^ierffir )u banlen, toaren bie ^tonnen auf il^r ginimev gelommen, h)o fie nod^ immei^ feanf )u Seite lag, l^atten vor il^vem Silbe bed ^^fuiSKnbed eine bteifeitige 9Bad^Sler3e ange^ünbet unb l^otten begonnen, einen ^rnnud }ur S3er< l^ertlid^ung ber 3ncamation ju fingen. S)ie Slonnen fangen eben bie legten äBorte ab, ald ber Sifd^of in bad 3intmer l^ereintrat unb fragte,, toaä baS alleg ju bebeuten l^abe. 9(fö il^m bie Slonnen SCuglunft gegeben l^atten, |ie^ er biefelben abtreten, ging bann auf bag S3ett ber Aranten }u unb forberte fie in l^errifd^em Xon auf, eine @rllärung )u unter« )eid^nen, n^orin fie belenne, ba^ fie an baiS inlarnirte Sßort gar nid^t glaube. S)er Sifd^of fprad^ l^ierbei fo laut, ba| felbft bie nod^ t)or ber Xfjüx ftel^enben Spönnen feine äSorte verftel^en fonnten. %xau t)on ©u^on aber, über eine fold^e Bi^^utl^ung auf's ^öd^fte betroffen, ertoiberte, ba^ fie eine UniDal^rl^eit nid^t unterfd^reiben lönne. „9^d^ aber n)ill @ie fd^on baju bringen," entgegnete ber Sifd^of i^ierauf, bem iebod^ grau tjon @U9on nDd^moIä in aKer Stulpe erllärte, ba^ fie burd^ bie ®nabe ©otteä ViofjH )u leiben unb aud^ 3U fterben n)iffe, ba^ fie aber niemals Unvool^x» l^eiten fd^reiben lönne. S)a fud^te ber Sifd^of bie Aranle burd^ gel^eud^elte Sreunblid^Ieit ju betl^ören, inbem er i|r fagte, ba^ es nur eine Sitte fei, toeld^e er i^r vortrage unb ba^ er, menn fie il^m biefe Sitte getoal^re, ftd^ il^rer annel^men, bei^ebermann ©uted 9on il^r reben unb il^ren9iuf in ber Sffentlid^en ÜReinung ioieber l^erfteCen n)erbe. SlUein bie S)ame ^tgegnete mieber in aller Stulpe, eS fei ®oiteS @ad^e, ftd^ il^reS guten älamenS an)unel^men, fobalb eS^ il^m gefalle, unb eS fei il^re @ad^e, il^ren @lauben treu, unb toenn eS fein mü^te, aud^ auf ®efal^r i|reS £ebenS }u belennen. S)a enblid^ fal^ ber Sifd^of ein, ba^ er mit feiner SoS» i^eit nid^t jum 3icl^ lommen lonnte unb empfal^l fid^ ber Jtranlen. SBenige Sage nad^l^er lam berf elbe inbeffen abermals )u ^an oon ®U9$n unb btad^te eine oon feiner $anb gefd^riebene @rllärung mit, toeld^e fie als Slad^trag }u i§rer, b^üglid^ ber älrtüel uon 3ff9^ beclarirten Untertoerfung unterjeid^nen foSte. !Die t^ormel lautete:

„®leid^n)ol^l erlläre id^ mit aller @l^rfurd^t unb ol|ne ber gegen« »fittigen Unterwerfung unb Srtlärung Eintrag tl^un ju looSen, ba| id^

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hie bie Sbftd^t l^atte, ^etta>a$ 3U he^mxpleti, toaS bent (Seifte ber latJ^o« lifd^en, apoftolifd^en unb romifd^en ftird^e entjegenpel^t, inbem idj betfetten fletS unterworfen getoefen bin unb il^r aud^ mit ©ottes ^ülfe 6i3 ju bem legten ^auc^e meines SebenS ftetö unterrootfen fein toerbe. 3^^ f «9^ biefeS übrigens nid^t um mx^ bamit entfd^ulbigen )u tooQen, fonbetn toeil xä) ntid^ für oerpflid^tet ^atte, meine älbfid^ten unumtounben barjiu legen."

^au t)on ®u9on la$ bie @rllärung, gegen n^eld^e fte nid^ts einju-- wenben l^atte. S)a fie jjebod^ }u fc^toad^ toax, um baS 2)ocument ab- f einreiben 3U lönnen, fo trug il^r ber ©ifd^of auf, boffelbe t)on einer !Ronne topiren }u laffen unb ed bann einfad^ }u unterjeid^nen. &oUü bieg gefd^el^en fei, iverbe er il^r ein S^^S^i^ ^^^ ^^^^ Sted^tglöubigteit unb il^ren ftttlid^en SSanbel, toeld^eS er in $änben l^atte unb il^r Dorl^ielt, auSfteKen, unb ioerbe fie ate @d^mefter anfeilen unb bel^anbeln ober er iooKe ein fd^Ied^ter äJlann l^ei^en. Ueber biefe ungemöl^nlid^e ^ulb unb f$reunbli(l^!eit überrafd^t, banfte il^m bie 3)ame mit ber DerbinUid^en SSerfid^erung , ba^ fie fid^ il^m nid^t nur oIS 93if4lof, fonbetn aud^ oliS SUcmn oon @^re gon,) in feine ^onb gäbe.

UebrigenS war ^au von ©upon in ^olge biefeS SSorfaQd, nament« lid^ ba fie bei bemfelben mel^r als ii^r 3Uträglid^ mar, gefprod^en l^atte, tpie^ ber fo angegriffen, ba^ man fd^leunigft ftärfenbe äBaffer l^erbei|oIen mu^te, um fie toicber 3U fid^-felbft 3U bringen. S)er Sifd^of l^atte, er fid^ empfal^l, bemerlt, ba^ er am folgenben Sage toieber erfd^einen toerbe ; bal^er f al^ fid^ bie @uperiorin veranlagt, il^n f d^riftlid^ ju erfud^en ba^ er ber fel^r angegriffenen S)ame für biefen S^ag Slul^e gönnen mi^ge. ältlein über 9lad^t Ratten fid^ bie @ebanlen unb @efinnungen beS Prälaten mieber geänbert. Xro| ber abmal^nenben Sitte ber @uperiorin erfc^ien ber 5PröIat bod^ toieber auf bem 3i*wwer ber Äranlen, öffnete mit einem @d^lüffeld^en ein blau eingebunbeneS Safd^enbud^, baS er mitgebrad^t l^atte, jog aus bemfelben ein 5ßapier l^eroor unb rebete mit ftrenger, pnfterer äliene bie ganj elenb bamieberliegenbe 5bamt mit ben SBorten an: „§ier ijl baS S^ugni^; too ift nun bie Urfunbe S^ter Untertoerfung?" gu fd^toad^ um ettoaS ertoibern ju fönnen, beutete fie auf ein $ßapier, toeld^cS auf il^rem »ette lag. SDer Sifd^of nal^m baffelbe an [xä), legte es mit bem 3cugni^ in baS a;af d^enbud^ , oerfd^Io^ baS le^tere ünb erflärte i^r, ba§ Seugni^ toerbe er il^r je^t nid^t geben, benn er fei mit il^r nod^ lange nid^t fertig, inbem er oon il^r nod^ gan3 anbere Scienntniffc 3U f orbern l^abe, inSbefonbere baS ßingeftänbni^ , ba^ fte nid^t an bie Sw^amation bes 3BorteS glaube. SSor biefer rollen 3)rol^ung brad^ bie UnglüdFIi($e gufammen. 3§re älugen fd^lojfen fxä} ; fte lag toie eine £eid^e ba. S)ie

B6B

antoefenben Slonnen tooven {tort oov (Siitfe|ät, ioSI^Yenb ber 93ifd^of fU( eiltgft au^ bem 3i)i^nter entfernte.

®d bauerte lange,. big %xavi von ^u^on auS il^rer D^nmac^t ev^ ioad^te unb in ben Slrmen ber il^r treu )ur @ette ftel^enben Slonnen ft>ie< ber 3U {td^ lam. SHd fte über ben SSorfaK nad^bad^te, mad^te fte ed fid^ Ilar, ba^ ber Sifd^of eben bamit umging, einen Derberblid^en @d^(ag gegen fie auszuführen, bem fie notl^toenbig tl^unlid^ft vorbeugen mu^te. Unter bem SSorgeben, bag fie i^r 2)eftament mad^en tooEte, lieg fie bal^er au3 ber @tabt einen 9lotar ju fid^ tornmen, lie^ burd^ benfelben eine feierlid^e ^roteftation gegen bie aud bem üRunbe beS Sifd^ofd t>er< nommene @rllärung auffegen unb i^re Unter^eid^nung berfelben burd^ ben 9lotar beglaubigen.

. 9lad^ SSerlauf einiger 3^i^ mad^te ber Prälat il^r abermals einen Sefud^. 3)iegmal verlangte er, ba^ fte aud^ feine ^aftoralinftrultion Dom 6. Sttpril, toorin er bie Sefdjlüffe ber ßonferenjcn »on Sff? feinem 2)iöccfanKeruä mitgctl^eilt l^atte, untcrfd^reiben foUte. ^n biefem bifd^öf* lid^en ®rla^ fa§ fid^ nun ^rau von ©upon, toennfd^on il^r 3latM nid^t genannt roax, \>oÖ) verftänblid^^ genug unter bie Uebeltl^äter gejdl^It. @ie mad^te bal^er @d^ta)ierig!eiten, inbem fie ja bem Sifd^of il^re Untere merfung unter baS UrtJ^eil ber Jtird^e gan) un)U)eibeutig bellarirt l^atte. Snblid^ gab fie jebod^ nad^, unb unterfd^rieb bad @d^riftftüdE, jebod^ mit ^in3ufügung ber @rl(ärung: „9lie pflid^tete id^ einer von ben in it* fagtem Hirtenbrief angebeuteten Qrrlel^ren bei, inbem id^ ftetS bie %i[xä)t l^atte, in einem öd^t^IatJ^oIifd^en @inne 3U fd^reiben, unb bamalS ed mir gar nid^t ju beulen vermod^te, ba^ man meinen äBorten einen anberen Sinn . unterlegen fönnte."

2)iefe SrHärung glaubte jebod^ SSoffuet unbebingt nid^t annel^men ju bürfen. ®r verlangte von f^rau von ©upon bie audbrüdClid^e ^ner« lennung, ba^ fie eine jte^erin, ba| fie in allen l^ier aufgejäl^lten 3^« tl^ümern n)irllid^ befangen, unb ba^ ber bifd^öflid^e ®rla^ geredet fei. 3)a3 aber ivar benn bod^ ber SDame ju arg. „iUlonfeigneur", ertviberte fte, „nie l^ätte id^ gebadet, ba^ ein fo frommer unb Ivol^lgeftnnter $rölat bie 3lreul^erjigleit, mit ber id^ mid^ in feine S)i6ccfe begab, ba3U mi^« braud^en n)ürbe, mir S)inge )U3umutl^en, bie mein (Seiviffen mir burd^auS verbietet. $^6) bin l^ierl^er gclommen, inbem id^ glaubte, in Sinnen einen SSater 3U finben, unb befd^ivöre ©ie, eS nid^t bal^in fommen 3U laffen, ba^ id^ in biefer Hoffnung mid^ getäufd^t feigen fottte." 2lber mit laltem, l^artem ©tol3e entgegnete il^r ber Sifd^of: „SBol^l bin id^ SSater ber Äird^e, aber l^ier gilt eS ni^t SBorte ju mad^en. Unterfd^reiben ©ie nid^t, ivie id^ verlange, fo tverbe id^ mid^ entfernen, iverbe aber in 9e<

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gleitung t>on 3^0^ gtttfldSontinen, toetbe 3§nen in Seifein betfelien eine SSetiDamung ettl^eUen, unb n)erbe @ie, n)enn auif biefeä erfolglos Bleiben foKte, aldbann mit bem Sonne Belegen,. me eS bad (SDonge« Kttw tjotfdjreibt." Slul^ig ertoibctte biefem StuSbtud^ J^ietÄrd&ifdJen tleBetmutl^ed gegenüber bie fo fd^mäl^Iid^ mi^l^anbelte %tau: ,,@näbiget ^evr, id^ l^abe l^ier einen S^ui^xt, nämlid^ @oU, unb barunt bin id^ U* reit, änied ju erbulben, ioas über ntid^ !omntt, in ber frpl^en $offntmg|. ba^ er ntid^ gnäbig betoal^ren xoxxi, 9lid^t3 gegen mein ©etoiffen ju tl^un unb auä) niemals bie 3^nen fd^ulbige @l^rfurd^t ju oerle^en/' iDomit bad Sefpräd^ ju @nbe war.

älls ber Sifd^of bad ^lofter «erlaffen l^atte, !amen bie @u|>erti)rin unb onbere 3ftonnen, toeld^e tl^eilioeife Saugen ber brutalen $eftig!eit be0 Prälaten geioefen maren, um bie toieberum faft biil }ur g&nglid^en (ßx-^ fd^öpfung niebergen)orfene S)ame aufjurid^ten unb )u tröften. 2)ie SRutter Sßtcarb t>erftd^erte i^r, nur il^re fo gro^e Sanftmut]^ unb il^r bemütl^iged Sßefen mad^e ben Sifd^of fo fül^n, ba^ er ftd^ eine fold^e SRi^l^anblung erlaube; benn feine ©emütl^Sart fei nun einmal fo, ba^ er mit fanften unb untertoürflgen 5ßerfonen in biefer l^arten SQäeife t)erfal^re, toal^renb er, wenn man il^m energifd^ entgegentrete, fid^ fel^r nad^giebig ftnben laffe»

@päterl^in oerfud^te eS Soffuet nod^ mel^rmafö, grau von ©u^on- ju ber «erlangten IXnterfd^rift gu nötl^igen^ wobei er bdlb von ber SSuti^ il^rer oielen SBiberfad^er fprad^, fte babei feiner wol^lmollenben ©eftnnung t^erfid^emb, balb aber aud^ in voller @d^aMofigIeit geftanb, ba^ er ftdft ü^retl^alben (ber (Srjbifd^of ^arlap uon ^ariS lag nämlid^ im Sterben) fein ®IüdE toal^rlid^ nid^t verfd^erjen woDte« älld er inbeffen fal^, bo^ aKe feine Semül^ungen erfolglos waren, reifte er, wie er fagte, nacj^ $arid ab, von Wo er erft nad^ längerer Seit 3urüdiel^te.

i. IS.

&{e Sfttt$tott{fat{ott be$ Oftstif^ofd Bfenelon von CTotitlitai^

Sben bamate l^atten bie Sifd^öfe von SReaus unb Gl^alond i|re Setorbnungen erlaffen Qener unter bem 16. 9l3fvX,*) biefer unter bem

*) Soffuet t>erl5ffentUd(te feine Ordonnance et instrnction pastorale snr lea ^tats d'oraison, jtoei Saläre fjj&ter nodJmaW in ber umfaffenben 6d(rift Instroc- tion snr les ^tats d'oraison unter ben in biefelbe aufgenommenm Actes de U

coQdamnation des Quiitistes«

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25. Slpril 1695), tooritt ftc bic Stttilcl wnSfl? 6e!annt mad^ten unb bie Serbammung einer gonjen Sleil^e t)on ©d^riften auSfprad^en. ®S waten * biefe« ber „©eiftltd^e piktet" beS SKoIinoS, bie ,,Seid&te Hebung" be« SKaIat)aI, bie „S^flKeberung beS Befd^aulid^en ©ebctes" bcS 5ßater Sa« combe; fotoie bie brei ©d^riften ber grau t)on ©uijon „Äur3eS SKittel"^ „SCuSicgung beS ^ol^enliebeS" «nb bie „SRegel r>on ber Äinbl^eit Scfu." S)er Slarne ber Sedieren toar inbeffen nid^t genannt, lt)eil man 3U 3ff9 hur über bie Seigren, nid^t aber über bie ^Perfon berfelben 3U ©erid^t ge« feffen l^aben wollte. 3>er 93ifd^of von ßl^atreS puBIicirte eine äJ^nlid^c Drbonnance erft fpäter.*)

2[fferbing§ lonnte eS auffallen, ba^ feitenS bcS ©rjbifd^ofS von ßambrap eine fold^e Äunbgebung nid^t erfolgte; allein Soffuet l^atte be« reitä eine (Selegen^eit gefunben, burd^ einen impofanten, lird^Iid^en 3tlt €§ auSjufpred^en, ba^ fid^ fjenclon ol^ne äffen aSorbcl^alt mit i^m einher« fkonben erflärt l^abe unb ba^ er felbft für beffen Sled^tgläubigleit ein« fiel^en lonne. SJiefe ©elegenl^eit fanb ftd^ bei ber für ben 10. guni 1695 anberaumten Gonfecration genelon'S. 2)a biefelbe in ber (Sapeffe ju ©t ß^r, alfo innerhalb ber 2)iöcefe be§ SSifd^ofS Don Gl^artreS, ftattfinben foffte, fo war gur Soff3iel)ung bcö 3l!teS natürlid^ 3unäd^ft eben ber SBifd^of von 6]§artre§ lompetent. Snbeffen mar für SSoffuet Slffeg baran gelegen, ba^ er biefen glanjenben Slft in feine ^anb brad^te. ®r fe^te eS ba^er toirflid^ burd^, ba^ ber Sifd^of oon ßl^artreS von bemfelben ganj jurüä« trat, unb ba^ il^m bie 6onfecration^eneIon*ö überlaffen tourbe.

2lm 10. guni 1695 fanb bal^er biefelbe in ber Äapeffe ju ©t. ß^r unter großem ©eprönge unb vox ben Slugen ber ^^tau von 3Jlaintenon unb ber Snlel ßubmig*§ XIV. ftatt. fjenelon empfing bie bifd^öflid^c SBeil^e au3 ber f cgnenben §anb beS S3ifd§ofs t)on SKeau^, als beffen Slfft« ftenten bie 33ifd^3fe t)on Gl^alonS unb SlmienS fungirten.

3Kit bem Setoufetfein, fid^ nunmel^r genelon'S ein« für affemal oer« ftd^crt, unb feine l^ertjorragenbe ©teKung unb Slutorität im fran3öfifd^en ßpiScopate auf's 9leue befeftigt ju l^aben, feierte bal^er SSoffuet Don ©t. ßpt nad^ 3)leau5 3urüÄ, um nun be3ügUd^ ber grau t)on ®U9on bie legten Slnorbnungen ju treffen.

*) 2)ie Drbonnance beffeCben erfdjicn ttömlidj unter bcm 21. Sftoöember 1695, 3n berfelben öerurtl^cilte ber Sifd^of öon ©l^artreS 63 au8 ben ©djriften ber grau \>on @u^on auSgejogene @ä^e. Unter biefen ©djriften h)arcn audj bie

Torrents benu|t.

366

fBoffuefd amtli^e Sttetttttttttttg htx 9tti^ifiiuU%Mt unb fDtotalttat bet Sftau t^ott ®u||^ott« VBaug bec gelteren tion 3Reau;r.

^au toon ©vcgon \a^ injtoifd^en ein, ba^ il^r längeres SSerweilen in SKeau£ gar feinen S^ed l^abe. 3l^re urfptüngKd^e äbftd^t toar geroefcn, fid^ etn)a brei SRonate in bem Jtlofter auf5ul^alten unb nunmel^r ^atte fte fd^on ein f)albe8 Sal^r in bemfe(ben Detbrad^t. @ie erllärte ballet bem 93ifd^of, al§ er von $arid 5urüdfgelel^rt toar, ba^ fie fid^ enfd^Ioffen l^abe, jje^t t)on 3){eau£ abjujiel^en unb junöd^ft bie S3äber in SSourbon }u ge« braud^en. 3*^ fjolge biefer aJltttl^eilung fal^ fid^ nun bie Same ju i^rer größten Ueberrafd^ung mit (Sinem 3BaIe t^on ber tooj^ltoottenbften $ulb be§ $rälaten umfangen. 9lid^t nur unterließ er e3 je^t, an bie nod^ nid^t geleiftete Unterfd^rift 3U erinnern, fonbern er bel^änbigte il^r fogar ein fd^riftlid^eä 3^u9ni^/ loeld^eS §il[e3 übertraf, ioaS fie aud^ in ben glüd« lid^ften @tunben von bem Prälaten ju erlangen gel^offt l^atte. 3)a3 3^0- ni^ toav folgenbed:

„3Bir, Sifd^of von SKeauj, t§un lunb unb ju miffen Sitten, roeld^e angelet, ba^ toir, oontoegen ber (Srllärung unb ber UntertoerfungS« olte, meldte Wxx, von ber ^au be la 3Rotf)t'Qinr)on eigenl^änbig unter« fd^rieben, vox unS "^ahen, unb toegen ber von xf)x in atter Untertoürfig« feit angenommenen SSerbote, ju fd^reiben, ju unterrid^ten, fird^lid^e SeJ^r« fä^e ,^u erläutern, il^re gebruÄten Sudler unb SKanufcripte 5U t)erbreiten, bie ©eelen auf ben JBegen beS ®ehete2 ober anbertoeitig 3U fül^ren, fo« wie in aSerüdtfid^tigung beS guten 3^wgntffeS, meld^eS man \xn^ über fte feit il^rem fed^Smonatlid^en äufenil^alt in unferer 3)iöcefe unb in bem Älofter JU ©t. SWaria abgelegt l^at, mit il^rer SebenSfü^rung t>off* fommen jufrieben fmb, unb il^r bie ©emeinfd^aft ber l^eifigen ©aframente, in ber mir fte oorfanben, aud^ fernerl^in getoäl^rt l^aben. UeberbieS er* flären mir, ba^ mir fie in feiner ärt in bie ©reuet beS SKoIinoS ober anbere fd^on oertoorfene Sntl^ümer oerlDidfelt gefunben l^aben, ia^ tvit fie barum aud^ in ber ßrmäl^nung, bie oon unS bieferl^alb in unferer SSer^ orbnung oom 6. äpril 1695 gefdjel^en ift, auf feine SBeife gemeint l^aben iootten.

©egeben ju 3JleauE, ben 1. ^uU 1695.

3. benigne Sifd^of JU SWeauj.

9(uf Sefe^I feiner bifd^öflid^en ©naben

fe 3)ieu.

367: -^

Somit fal^ fic^ %xau t)on ©u^on nun mit ®tnem 3Rale vox aUet SBelt t^oQftänbig gered^tfertigt. äSoffuet tl^eilte tl§r aud^ mit, er l^abe ben Srjbifd^öf en t)on $and unb @end ge(d^rie6en, n)ie fel^v er fid^ burd^ il^ren äSanbel erbaut fül^Ite; unb als er am ^age ber ^eimfud^ung SJlariä, einem ^auptfefte beS Jt[ofter§, in bemfelBen ein ^ontificalamt l^ielt, reid^te er il|r eigenl^änbig, (toie er eS getotinfd^t) bie ßommunion. Sn ber 3Ritte ber SKejfe ^atte er eine 5ßrebigt über baS innere Seben gel^alten, worin er ftd^ fo burd^aug im @inne ber %xa\x von (Su^on audfprad^, ba^ bie @uperiorin nid^t um^in !onnte, nad^ SSeenbigung bed @otte§bienfteS, al3 fte il^n bem ^erlommen nad^ gejiemenb begrüßte, bie %xaQe an il^n 3U rid^ten, toie er bod^ fo prebigen unb jugleid^ ^Jrau von ©u^on fo grauf am bel^anbeln lönne. @r antioortete, bad lomme nid^t etgentlid^ oon il^nt, fonbern t)ielmel^r oon il^ren g^inben, bie attein baran fd^ulb toören. Site il^n fpäter^in tJrau oon ©u^on befragte, ob il^m meUex6)t genel^m toäre, toenn fie aus bem S3abe nad^ 3Steaui jurüdftel^re unb bei ben Älofterfrauen, oon benen fie fo oiel iBiebe empfange, il^ren bleibenben Slufcntl^alt- näl^me, ermiberte er il^r in ben oerbinblid^ften 2luäbrüdfen, ba| ii^m biefeS jur ganj befonberen ^eubc gcrcid^en lt)erbe.

Äurj barauf (11. Suli 1695) oerlie^ ber SSifd^of feine Sleftbens um toieberum nad^ ^ßariä ju reifen. S3ci bem 2lbfd^iebe oon grau t»on ©u^on unb ber ©uperiorin fagte i^m bie erftere, ba^ bemnäd^ft i^re S^od^ter ober einige il§r befrcunbcte 3)amen fommen toürben, um fie au§ bem Älofter aiinf)oUn, toorauf ber Üßrälat, jur ©uperiorin ftd^ toenbenb, berfelben aufgab, biefe Samen im Älofter auf.junel^men, fie in bemfelben fo lange ate es iljnen toünfd^enStoertl^ fein toürbe, }u beigaben unb il^nen ben 3(ufent]^alt im Jtlofter fo angenehm toie möglid^ ju mad^en.

3(I§ nun ber Sifd^of SWeauj oerlaffen l^atte, überreid^te bie 5Dlutter 5ßicarb, im 9lamen'i^reS ßonoenteS, ber %xavL oon ©upon eine Urlunbe, loeld^e bicfelbe mit ganj befonberer fjreube unb mit bem lebl^afteften ^anU gegen bie Älofterfrauen erfüllte. S)aS 3)oIument mar nämlid^ foIgenbeS:

„SBir unterseid^nete ©uperiorin unb SReligiofen ber ^eimfudjung ©t. SWariä 3U SKeaug bezeugen, ba^ grau oon ©upon mäl^renb ber fed^S SUlonate, bie fie auf 35efel^I unb mit ßrlaubni^ bcS gnäbigen $errn SifdJofS JU 5Keauj, unfereS l^ol^en ^Prälaten unb Oberen, in unferem $aufe jugebrad^t, un§ leine ttnrul^e nod^ SSerbru^, IdoI^I aber gro^e ®r« bauung gegeben l^at, inbem fie mit Sliemanben, toeber innerl^alb nod^ au^erl^alb beS ÄlofterS, anberS als mit befonberer ©rlaubni^ gcfprod^en, aud^ ©riefe nur in ©emä^^eit ber oon ©r. ©naben ertl^cilten ®rlaubni^ gef d^rieben unb inbem fie in il^rem ganjen SBanbel unb in allen il^ren SQäorten bie gröjste Slegelmä^igleit, (Sinfalt, älufridSitigleit, 3)emutl^, S^xtnxx^äfun^,

368

4fYiilIi(|e ®ebttlb itnb Sanftmut^, fomte aufrid^tige ^rmnmigleit unb Sföevtl^fii^ä^ttng aUeS beffen, xoa^ ben ®Iauben berührt, t)0t3ug9ta>etfe im ^etveff be9 ©eJ^eimniffed ber SRenfd^toerbung unb ber 1^. Jtinbl^eit unfered $etxn ^^n Sl^rifti beobad^tet l^at. 9lod^ bejeugen wir, ba|, toenn be« fügte ^Qtne ftd^ unfer $auS ertoä^Ien n^ürbe, um barin ben Sleft tl^rer 3^age in S^^^mH^^^^ 3^ Detbringen, unfere ßloftergemeinbe biefdl ate eine gons befonbere Segünftigung unb ©enugtl^uung anfeilen würbe. SDiefe SSerftd^erung ift in aKer ®infalt unb älufrid^tigfeit abgegeben, in feinem anberen ©ebonten unb ju leinem anberen S^^^ <^I3 ^nt ton ber SBSal^rl^eit 3^9«i^ ab3ulegen/' ©efd^el^en ben 7. SwU 1695 unb ge« jeid^net

„©d^mcftcr fjronjisla ©Kfabetl^ le ^icarb, ©uperiorin."

„©d^mefter SKagbalene 2lin6e ©ueton."

„©d^toeftcr ßlaubia SRaria Ämourl" ®icfe§ tüar baS Sebemo^C, .meld^eS bie freunblidben Äloftcrfrauen ber von il^nen fo l^od^t)cre]§rtcn SDame, mit ber jte notte fed^S 5Dlonate im engften SSerlel^r jufammengelcbt l^atten, jum Slbfd^ieb mit auf ben SBeg gaben, berfelben 3)ame, tocld^e ber teuflifd^e $a^ il^rer pfäffifd^en SBiberfad^er bei bcmÄönig, bei grau t)on 3Jlaintenon, in ganj ?ßari8, ja in ganj granfreid^ als ein moralifd^eS Ungel^euer gebranbmarft l^atte.

Äurj nad^5^ trafen 5toei ^eunbinnen ber grau von ©u^on, bie §cr3ogin von SKortemart (eine ©d^toefter ber ^erjogin von SeauoiHierS) unb beren 3^od^ter, bie grau t)on 3Rorftein, im Älofter ein, um biefelbe nad^ 5ßari§ jurüdEjufül^ren. @S toar gerabe 3Rittag3jeit, als bicfelben onfamen. SKit großer §erglid^feit tourbcn fie von ber 3Kutter ^icarb empfangen, toeld^e älleS aufbot um benfelben ben 3lufentl^alt im Älofter möglid^ft anne^mlid^ ju mad^en. Slm barauf folgenben 2^age, 5Rad^mittagS 3 Ul^r, brüdfte grau von ©u^on ben Älofterfrauen jum Ie|tenmalc bie §anb, um mit i^ren beiben grcunbimtcn nad^ $ariS abjureifen.

SofTuet verfallt mit gfenelon unb bemirlt bie abermalige fBet^aftung

ber Stau Don ®u^on.

2tff baS trübe bunlle ©emöll, toeld^eS nod^ nor lurjer geit über grau oon ©u^on geftanbcn unb ben ^immel il^reS SebenS t^erbüfkert l^atte, mar je^t, mie biefelbe glaubte, entfd^tounbcn, unb l^atte ba« ^cDpc, leud^tenbfte ©onnenlid^t, baS fie je gefeiten, über il^rem Raupte aufgellen

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loffen. 3n ber frol^en ^eiterleit eines JlinbeS, baS von leinet Sotge h>ei^, ful^t fte ballet il^red SBSegeS nad^ $arid bal^in.

Aaum oBet n>ar fie bafelbft angefommen, old fte fid^ ta)iebetum auf bad Sitterfte enttSufd^t fal^. SBoffuet l^atte von ^äu von ÜRaintenon toegen bes B^^iff^^r toeld^eS er ber ,,Jte|erin" audgefteSt l^abe, bie l^eftigften SorMrfe I^Sren muffen, xoa& biefem Sfnla^ genug ta>ar, fein fd^lie^lid^eS SSerl^alten gegen biefelBe su Bereuen« Sndbefonbere Bereute er eg je^t in ben Sbjug ber f^rau 9on ©u^on von SReaur gebilligt ju l^oben. S)iefelbe l^atte jl^m wenige 3^age nad^ il^er 9(breife Don 3)leauc einen ,,]^öflid^en unb refpectoollen" Srief überfanbt, toorin fxz, für fein il^r betoiefened äBol^ItDoDen banIenb,lil^nBat, il^nt ein ©emälbe, toeld^eS einen religiöfen ©egcnftanb barftellte, jufenben 3U bürfen*). Soffuet aber legte ben Srief ärgerlid^ bei @eite. @Iaubte er bod^ ie|t, nad^bem er biefelbe feiner ®eh)alt l^atte entfd^lüpfen loffen, aSe Hoffnungen mit benen er fid^ getragen, verloren geben 3U muffen! ©ofort befd^Io^ halber Soffuet 3U oerfud^en^ toaS fic^ burd^ rafd^ed ^anbeln wieber gut mad^en lie^.

S)aS erfte^ toaS Soffuet tl^at, h>ar, ba^ er %xan von ©upon Briefe Itd^ oufforberte, in baS Alofter )u 3Reaus jurüdCjuIel^ren. @obann fe^te er für biefelBe ein neues 3^ugni^ auf, legte. eS (er toar bamals nid^t in SReauE) einem an bie 3Rutter 5ßicarb gerid^teten »riefe Bei, unb Befallt. berfelBen ftd^ oon |^au t)on ©u^on baS berfelBen auSgel^änbigte S^ugni^ jurüdHiefem 3U laffen unb il^r, toenn biefeS gefd^e^en fei, baS neue Gertifilat jujuftellen. 3)affelBe lautete fo:

„2Bir, Sifd^of 3U Wleaujc, ^Ben gegentoartige Srilärung ber %xau be la 9Rotl^es@u9on empfangen, fomol^l biejenige 00m 15. 9lpril als aud^ bie vom 1. 3uli beffelBen 3<^^^^^f unb l^aBen il^r barüBer eine S3e« fd^einigung gegeben, loeld^e i^r, loie Billig, ba3U biencn fott, bafe h)ir fie ol^ne 93ebenlen in biejenige ©emeinfd^aft ber j^« @alramente, in meld^er toir fie gefunben, affeseit aufgenommen l^aBen unb aud^ nod^ aufnehmen. <Sold^eS mirb burd^ i^re Untertocrfung unb il^ren aufrid^tigen ©el^orfam vor unb nad^ ber 3^it# tocld^e fte in unferer ©iöcefe (unb im Älofter ©t. 3Rariä) jugeBrad^t, fotoicburd^ baS autl^entifd^e Sefenntni^ il^reS ©lauBenS unb baS 3^"8«i6f iveld^eS man über i^re gute ScBenSfül^rung in bem Seitraum oon fed^S 2Jlonaten, ben fte in bem genannten Älofter 'suBrad^te, unS ertl^eilt l^at unb unS nod^ ertl^cilt, erforbert. SSJir l^aBen il^r auferlegt 3ur gel^örigen 3cit, bie Sitten unb anbere SBerle ju üben, toeld^e toir in ben oon il^r felBft unterfd^rieBenen Slrtileln, als 3ur ^ömmig«

*) »gL »offuet, baS ßcßen generon'S, I, §.22. 6ct>t>e, anvfiu. 24

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leit toefentltd^ gel^örig unb r>on ®ott ouSbrüdKid^ geboten, ongejeigt l^aBen^ ba lein einjtger ©laubiger jtd^ benfelben unter bem SSorwanb anbcrer, angeblich t)oIRomntener ober l^eroorragenberer 9(tte ober oud^ unter irgenb toeld^em anberen SSorgeben; tote ein fold^eiS aud^ genannt Werben mag^ ent}iel^en lann. Slud^ l^aben toir il^r ju toieberl^olten 3Ralm , f on)o§( 2)i6cefan6ifd^of, ald aud^ {raft bed ®el^orfam3, ben fie un8, toie fii^on Bemerlt, freiwillig gelobt l^at, fttengftenö oerboten ju fd^reiBen, ju unter« rtd^ten, lird^Kd^e SeJ^rfä^e ju erörtern ober in ber Äird^e il^rc gebrudEtcn Sudler ober ÜKanufIripte ju oerbreiten, ober ©pelen in ben SB5egen.be« inneren ®tltit^ ober fonft }u leiten, roeld^em Verbote fie fid^ oon Sleuetn unb mit ber SrHSrung unterworfen l^at, ba^ pe bie oorerwäl^nten Hebungen auSfül^re."

begeben ju ÜReau^ in bem gebadeten Jtlofter %t,

„3- Senignc,

»ifd^of oon 5Kcau^"

3)iefe3 )it)eite S^ttgni^ lonnte ber S)ame natürlid^ gar nidptd nüf en; t)ielmcl^r erfal^ biefelBe au8 bem ©riefe ber SKutter 5picarb, loaS ber Sifd^of mit biefem stoeiten S^^gnt^ eigentlid^ tooQte. S)ie @uperiorin tl^eilte il^r nämlid^ mit, bafe ber Sifdpof gegen jte im l^öd^ften ®rabe aufgebradjt fei, unb ba^ fie, fo lieb eS il^r aud^ fein toürbe fie roieberjufel^en, il^r bod^ nid^t ratl^en lönne in bad jtlofter 3urüd(julel^ren. ^ou Don (Su^on fd^rieb il^r bal^er }urüÄ, ol^ne pd^ über ben SBifd^of toeiter ouSju« laffen, ba^ fie baS erfte 3^"8^ife «i^* surüdf geben fiJnnte, meil fie baffctte in bie ^änbe il^rer f^amilie niebergelegt l^abe, toeld^e bafi S)o!ument uiw jmeifell^aft nid^t toieber ausliefern mürbe. SJenn auf biefem 3c«8"^6 berul^e il^re Slcd^tferttgung burd^auS , toeSl^alb il^re Familie bemfetten einen großen 2Bertl^ beilege, toöl^renb bie il^r \t%i überfanbte ©rflorung beg S3ifd^of§ 5U il^rer 9led^tfertigung gar nid^tS augfage, oielmel^r SDDfed, toaS man il^r jur Saft gelegt l^abe, ju beftätigen fd^eine.

Soffuet f (Räumte oorSffiutl^, als er biefen S5rief ber^au d. ®ui(on lag unb fd^ämte fid^ nid^t, fid^ burd^ bie elenbeften Serläumbungen, bie er' über fie auSftreutc, an il^r ju räd^en, inbem er inSbefonbere erja^tte, biefelbe fei ganj gegen feinen SSiQen non ÜReau^ i^inmeggegangen, inbem fie bie Äloftcrmauern l^inabgefprungen unb fo l^eimlid^ entflol^en fei ®erabe biefe SSerläumbung verbreitete ftd^ rafd^ aKer Drten unb tourbe t)iele ^afycz lang erjäl^It unb geglaubt.

UebrigenS fal^ iJrau* oon ©upon ein, ba^ SSoffuet il^r je^t auf ber gerfc fi^e. S^bem fie eS bal^er für ratl^fam l^ieü, fid^ ben ätugen ber SEBelt möglid^ft ju entjiel^en, lie^ fie ftd^ in einem ganj befdjeibenen $aufe ber SSorftabt ©t, ©ermain, l^emad^ in ber Sßorftabt ©t, Stntoine

371

uott 5ßartS nicbcr, unb bejog mit il^rcn, in größter Streue i^x anJ^ängcn« ben Wienerinnen eine befd^eibene SSol^nung, in toeld^er fte ettoa ein l^aI6eS Sal^t lang i^re Slage mit Sefen, Scten unb Slrbeiten in atter Stittc juBrad^te. 2l6er il^re SBiberfad^et l^atten il^r SetberBen Befd^Ioffen.

3)ic Seele ber gegen %xan r>on ©upon gerid^teten Slgitation toar je|t ber Sifd^of Don aJleauy. S)erfeI6e fal^ bie burd^ bie S)ome angeregte religiöfe ^age nod^ lange nid^t al3 erlebigt an; melmel^r l^atte er un« mittelBor nad^ Seenbigung ber 6onferen3en ju Sff^ ein fel^r umfaffenbeS unb grünblid^eg @tubium ber mpftifd^en Xl^eologie Begonnen, auf @runb beffen er eine @jpof6 unter bem Xitel: „Unterrid^t üBer bie Swftönbe beä ©eBeteS" auSarBeitete, für hjeld^eS i^m bie Sefd^Iüffe ber Gonferen« 3en JU 3fF9 ^^^ Unterlage bienten. Wie S3ifd^5fe t)on 6l§artreS unb ßl^alonS, toeld^en er bie SlrBeit vorlegte, erftärten fid^ Bereit, jtd^ öffent« lid^ JU berfelBen 3U Befennen. DB ber SrjBifd^of t)on GamBrai baffelBe tl^un totirbe, tt)ar atterbingS zweifelhaft; fotttc berfelBe jjebod^ bie Unters jeid^nung ber ©d^rift oertoeigem, fo toar Soffuet fd^on ie|t entfd^loffen, aud^ ii^n öffentlid^ anjugreifen, Wenn eBen ben SrjBifd^of t)on ßamBrai, ber feine Seigre t)on ber „uninterefftrten SieBe" unb t)on bem „Bloßen ®IauBen" nad^ toie vox feft^ielt, unb au§ feiner SEBertl^fd^a^ung für grau Doh ©u^on gar fein ^el^l mad^te, l^atte ä3offuet jje^t DorjugStueife im Sluge. Wiefe ganje 3lrt innerlid^er tJtömmigleit, h)el(^e genelon vertrat, bie aBer 93offuet al§ ben %oh einer mal^rl^aft lird^Iid^en 9teligiofität an^ fal^, foUte in ber ^ird^e beS ßönigreid^S DoUftänbig ausgerottet n)erben.

UeBer bie Strt unb SBeife mie man l^ierBei ju uerfal^ren l^aBe, toar ^ä) Soffuet Dottlommen Kar: grau oon ©upon mu^te ©er^aftet unb mufete ber fd^ärfften Snquifition unterworfen toerben, bamit vox Wem grau t)on 3Raintenon unb ber Äönig üBer ben Umfang ber SBerBinbungen bcrfelBen inS Älare geBrad^t unb ju burd^greifenben 3Raa^nal^men oeran« la^t werben lönnten. Wa^ bie ^ierburd^ l^erBeijufül^renbe Ädtaftrop^e ttud^ genelon erfaffen unb mit pd^ nieberrei^en merbe, toar il^m unjmei« fel^aft.

greilid^ erlitt Soffuet eBen bamalS eine (Snttäufd^ung, bie il^n Bitter feänite, unb meldte feinen $a^ gegen grau Don ©upon in einer gerabeju teuflifd^en 5ßeife aufftad^elte. 31m 6. Sluguft biefeä S^l^re« mar nämlid^ ber ßrjBifd^of ^arla^ x)on 5ßariS, mit beffen oorauSftd^tlid^ für bie näd^ffce Seit 3u ermartenben SIBIeBen ber Sifd^of von 3Jleau£ fid^ fo t)iel Befd^äf« tigt l^atte, geftorBen. ©anj granfreid^ fragte ftd^ bamalS, toer biefeS ^Prälaten (ber afferbingS in feinen legten S^'^^« ^^ Ö^f^ ^^^^ SinPu^ »erloren l^atte) 5Rad&foIger Werben Würbe; unb Soffuet l^offte jttt)erfid&t« lid^, bie SEBeiSl^eit unb ©ered^tigfeit be« ÄönigS merbe leinen anberen

u*

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$valaten auf biefen erflen @tul^I ber latl^oßjd^en Aird^e ^antreid^S er« lieben als il^n. älnbete freilid^ bellagten eS je|t, ba^ bet Dorl^innige 3XiH f^enelon tmjeitig tum (St)bifd^of t)on Sambroi ernannt noorben fei, inbem fonft bie SSetletl^ung beiS erlebigten ®r)bi3tl^umS an benfelBen ganj unstoeifeH^aft fein toürbe. ^au t)on 9Baintenon aber, roeld^e fjene^ Ion bereits faQen gelaffen l^atte unb eine 3^it I<^ng mit il^rer SDSal^I nur jioifd^en Soffuet unb bem SSifd^of SloaiUeg t)on Sl^alonS fd^toantte, er!or fid^ ben iBe|teren gunt Sflad^folger beS t)er{iorbenen $rälaten unb t>eran$ ia^te es, ba^ bemfelben fd^on unter bem 19. äCuguft 1695 baS foniglid^e SDecret, n)eId^eS feine Smennung jum @r}bifd^of von $ariS entl^ielt, su-- gefertigt toarb.*)

3n aKen Uerilalen unb ariftolratifd^en Greifen ^anlreid^S er5äl^rte man fid^ ie|t, ba^ es ioal^r fei, h>aS man feit geraumer Q^i t)ermutl^et J^abe, ba^ nämlid^ ber SSifd^of SloaiDeS (ber als (Srjbifd^pf t)on $ariS im Saläre 1700 3um Sarbinal ernannt tourbe) j|e|t unter ben !ßrölaten ber Aird^e ber bet)or}ugte ©ünftling ber aKmäd^tigen fjfrau fei.

aSar nun anS^ bem S3ifd^of x>on ÜReau^ bie gel^offte @rl^ebung auf ben ersbifd^öflid^en @tul^I }u $ariS nid^t 5U 3;i^ei[ gemorben, fo tröftete biefer jtd^ bod^ bamit, ba^ auf bemfelben je^t ein ^rälat fa^, auf ben er, toie er annal^m, jäl^Ien, ben er gebraud^en fonnte, namentlid^ bei f^rau t>on SRaintenon unb bei bem jtönig, tt)o ber Sifd^of von 6l^artre3 il^m gerabe bamalS in ber ertoünfd^teften äBeife in bie $änbe arbeitete.

S)erfelbe l^atte nämlid^ im 9(uguft 1695 eine jmeite SSifttation in ©t. ß^r tjorgenommen. %xan von 3Raifonfort, bie begeifterte SSerel^rerin ber grau von ®Wfon unb beS ®rjbifd^of genelon, l^atte mit il^rer ©e« finnung bei il^m gar fein ^el^I gemad^t, unb in allen ©d^ronlen unb Z^^ fid^ublaben, n^eld^e er jtd^ öffnen lie^, l^otte er (S^emplare unb älbfd^rifteit ber SBüd^er ber grau t)on ©u^on unb äl^nlid^e Literatur t)orgefunben. Me biefe @d^riften toaren von x^m fofort confiSjirt toorben. %x grau t)on ÜRaintenon l^atte ber SBif d^of über baS @rgebni^ ber . t)orgenommenett ^auSfud^ung alsbalb S3erid^t erftattet unb beibe l^atten je^t ben @ntfd^Iu| gefaxt, baS Uebel bei ber SBurjcI 3U faffen. SBoffuet mar fofort ber 3)ritte im Sunbe. 3ur SSorbereitung beS entfd^eibenben @d^IageS, toeld^er je(t grau Don ©u^on treffen unb loeld^er bann bem 93ifd^pf von 3Reau£ bie

*) grau bon Slaintenon l^atte bem Pfarrer Don SSerfaiUeS hebert (nad^-- l^erigen öifdjof Von SCgen) um feine 3Reinung toegen ber SBieberbefeftung M er« lebigten (SrgBiStl^umcS befragt. S^erfelbe l^atte auf genelon IJingetoiefen: „Bto

Tous savez, entgegnete il^m bie ^ame, ce qai noug empeche de le proposer« Monsieur de Meauz et M. de Chälons nous restent; a qui des depz voas arreterieux vous Ä Sgl. »offuet, Histoire de Bossuet, T. III. @. 275.

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nStl^tgen SRitiel )ur Srreid^nung nod^ gmt) anbetet 9((fi(i^ten in bie ^anb gefien foSie, fd^ien eS obet etfotbetßd^ )u fein, ba^ bie ©d^tiften unb Seilten bet t^tau t)on ©u^on mit 9lennung il^ted Slomend öffentlid^ x>ex^ bammt toütben. f^enelon fteilid^ toieiS biefed Snjtnnen entfd^ieben jutüd,'*') unb beinal^e toäte ei auc^ bem 3C6b^ Xtonfon gelungen, ben Sifd^of t)on Sl^attted t)on einem Sffentlid^en SSotgel^en gegen f^au t)on ©u^on ob^tt« bringen, älllein baS btingenbe Segel^ten bei 9if(i^ofi t)on SReauc übet? ioog bod^ Bei bem Se^teten boi (Setoid^t bet SBotfteKungen bei ftommen 3(bb6; unb untet bem 21. 9lot)em(et 1695 etlie^ ballet bet Sifd^of t)on Sl^atttei eine äSetotbnung, motin et bie ©d^tiften bei $atet Sacombe unb bet $tau t)on ©u^on, fotvie eine gto^e Stugal^I von ©ö^en, bie aui ben leiteten, namentUd^ aud^ an^ ben nod^ ungebtudCten „©ttömen" ouigejogen toaten, öffentlid^ tjetbammte. 3m Setfolg biefet 5ßublica« lion otbnete bet Sifd^of fofott eine Stenbetung in bet geiftlidjen Seitung bei ftlofteti 3U @t. 69t an, toeld^ei et ali bie eigentlid^e Stutftatte bet neuen S^tlel^te bettad^tete.

ajiefei gab Soffuet bie ettoünfdfte Setanlaffung, ben ©d^titt bei 33ifd^ofi Don (Sl^atltei bei '%xavL öon 5IKaintenon ju befpted^en uttb $u ted^tfettigen, iDobei betfelbe fd^amloi genug n)at, um ben DoKen älbfd^eu bet mäd^tigen ^au gegen bie Unglüdtlid^e ju ettegen, nid^t nut bie oet« ttaulid^ften 3Rittl^eiIungen betfelBen an ^Jtau von 3Raintenon ju tjettatl^en, fonbetn biefe aud^ nod^ in einem falfd^en Sidjte i^in$uftellen. **)

*) geneton fd^teiBt ettoai f^&iet, am 26. SeBtuat 1696, an Xtonfon: „äBai gtau öon ®u^on betrifft, fo bctlangte man, idj foUte fle fammt il^ten ©djriften

betbammen. ©djidt ei pdj aBet füt midj, eine atme ^etfon . au »oben |a

tteten, auf bie fdjon fo biele anbete loigefdjlagen l^aben unb beten tjteunb tdj toat? 3»an toitt midj ©d^ritt füt edjritt, ganj unmetßidj unb tote butdj eine gel^eime Setabtebung, fotttei|en« 2)et S)if(i^of bon 3Slea\xs ift dleid^fam bai etfie ^tiebtab; bet Sifd^of bon dl^atttei l^anbelt aui ®ifet unb aui l^et)lid(|et gteunbf d^aft (ju Soffuct) ; unb gtau bon 3Raintenott madjt fldj Äummet. Xau« f enb £eute am $ofe finb böiattig genug, um il^t auf mand^ettei Umtoegen giftige Sieben suauflüftetn. 2)et SBifd^of bon ^l^atttei unb fxe {tnb übetseugt, ba^ nid^ti auigerid^tet fei, fo lange id^ nidjt bie gtau unb il^te 6djtiften betbamme."

♦♦) ein »rief bei ©etjogi Don »eaubittieti an Xltonfon bom 24. gebt. 1696 lä^t bie bamalige Situation am $ofe befonbeti beutUd^ etlennen. 3)et ^et^og fd^teibt ndmlidS:

„S^ mu^ S^nen, gnabiget $ett, mit bet Sinnen befannten Äufridjtißfeit fagen, ba^ nadj siemKdJ fldjeten SCnjeid^en fldj eine ftatfe unb tb&tige Kabale gegen ben $ettn (gtjbifdjof bon (Sambtai angettcCt. a)et §ett »ifdjof bon ©l^at« ttei ift sioat bie( su ted^tfd^affen, ali ba^ et batan tl^eilnel^men foUte; allein man ^at x^n untet bet $anb beatbeitet unb l^at il^m gel^drig eingel^ei^t. ^tau bon äRaintenon übetlft^t fid^ gana unb gat ben ®inbtüd(en, bie fte em))fängt, unb

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Snbem ballet bie brei t)er6ünbeten ^tdlaten am $(ife naäf einem fcftgeftefften $ßlane operirten, fo l^atte fid^ bie Situation ju SSerfoiHeS unb ©t ßpr in fürjeftcr 3^^ fo geftaltet, toie Soffuet eS roünfd^te.

SluS jener 3^it f^^^ J^^i Singe 3U bemerfen, beten innerer 3«- fammenl^ang bie ganje bamalige Situation fennjeid^net: ©inerfeits l^örte nomlid^ gcrabe bamalS ber briefftd^e SSerlel^r jtoifd^en Soffuet unb genelon ganj auf; unb anbererfeits Begann gleid^jeitig %xau oon 3Jlaintenon gegen bcn ©rjBifdJof t)on Gambrai eine fid^ mel^r unb mcl^r fteigembe Slntipat^ic gu Bc!unben.

3)ie Bigotte ®ame, meldte il^ren geheimen SBunfd^, jur Königin er« l^oben 3u werben, oon bem ©rjBifd^of oon GamBrai nid^t unterftü^t fal^, fonnte bcm Se^teren nid^t oerjei^en, ba^ er für %xau oon ©uijon immer nod^ 2ld^tung unb SBertl^fd&ä^ung auSfprad^; benn biefe toar in il^ren 3Iugen aHmäl^Kg ju einem eigentlid^en ©reuel getoorben. ®anj eBenfo badete aud^ Soffuet über .^enelon, ben berfelBe j|e|t n)ie einen ?Pfa]^I im ^leifd^e be§ fran.^öfifd^en ®pi§copat§ ftedfen fal§. 2lBer nur burd^ aSerl^aftung Jber fjrau von (Supon fonnte er l^offen, bie SKittel jum

glaubt ©Ott bamit einen 2)ienft ju tl^un, bafi fte ftctS Bereit ift, il^ren Untoiaen gegen ben §errn ©rjbifd^of t)on (SamBrat aufS ^öd^fte ju fteigern. @ot>iel idj feigen lann, ftel^t balj^er berfelBe auf bem fünfte, feine ©tettung Bei ben ^rinjen gu verlieren, unb jtoar barum, toeil man annimmt, ba^ er feinen S^g^ingen fd^Ied^te ©runbfäfte Beibringen fonnte. SBagt man biefeS unb fe^t eS burd^, fo bürfte bann bie S^leil^e an mid^ fommen. 3lttein öon bem Slergerni^ abgefel^fen, mui id^ ai^nctt offenherzig Belennen, ba^ idjf mid^, glaube id^, batb barüber tröften toürbe. ©oute eS fogar (nadj ber SSerbrängung beS (grjbifd^ofS öori (Sambrai) nad^ S'&rem 2)afür]^aUen (SotteS SDöille fein, baß id^, ol^ne meine Vertreibung a!^^ jutoarten, freiloittig abtrete, fo toürbe id^ gar nid^t abgeneigt fein, biefeS ju tl^un. Um toieber auf ben §errn ©rgbifd^of t)on (Sambrai jurüdfjufommen, fo mödjte id^ bemfelben nid&t. ratl^en, loenn er aud^ bagu geneigt fein foUte, bie (Sd^riften ber grau t)on ®u^on gerabeju ju öerbammen. 2)enn baburd^ loürbc er nur ben greigeiftern am §ofe gewonnenes ©|)iel geben, unb ioürbe geioiffermaßen beftä^ tigen, ioaS man in biefen Äteifen gur ^erabfe^ung ber SReligiofität fd^toa^t. 3Bie? 3u einer S^it, too ber §etr be la SRegnie fed^g ganje Sßod^en lang grau toon ®u^on über un§ aUe inS SSerl^ör genommen l^at; te>o man fie nod^i immer im Slrreft ftften läfet unb il^re 2lu§fagen forgfältig öerl^el^lt, foUte ber ^rgbifc^of t>on ©ambrai, ein Qal^r nad^ bem ©r^bifd^of bon ^ariS unb bem SBifdJof öon 3Keaus auf einmal ben ©infatt be!ommen, ©d^riften, bie in feiner 2)iöcefe ganj unbelannt

ftnb,.mit ber ©enfur ju belegen? 3d^ l^atte bem ©errn Sifd^of t)on ©^ar-

treä borgeftettt, baß ftd^ ber ©rjbifd^of öon ©ambrai über bie bebenflidjen <So4e (ber grau bon ©u^on) fel^r beutlid^ auSgebrüdt Ij^abe. 2)ie8 !^at er jebod^ nid^t für l^inreid^enb befunben, unb man l^at il^m bie iöieinung beigebradt^t, baß baS $eil ber Äirdje eine beftimmte SSerbammung ber ©d^riften ber grau toon ®u^on «rforbere."

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iSturje beS ongefel^enen $tälaten getDtnnen }u lönnen. 3m 3!ntereffe ber Äird^e verlangte er haf)ex bie fofortige äSerl^aftang ber S)atne fo bringenb; ba^ et enblid^ bie grcube 5«**^, mit 3wftiw'"wng ber grau von 3Ratntenon ba§ SBerl fetner 93od^ett gelingen 3U feigen. 3(m 27. 3)e2ems bex 1695 gab ber ^5nig ben 93efel^l, ^rau toon ©upon aufjufud^en^ 31t uerl^aften unb nad^ SSincenneS abjufül^ren.

2)en gel^eimen Spionen ber ^oUjei gelang e8 nun o^ne SWül^e, ein abgelegenes, üeineS ^auS gu entbeden, meld^eS jh^ar oerfd^(öffen mar^ in loeld^ed aber bann unb mann allerlei £eute eintraten, beren jeber einen @d^lüf[el 3ur $au§tl^ür befa^. 3)iefed ^au^ lie^ fid^ ein $oli)eibeamter öffnen, ber l^ier $u feiner ^eube h)ir!li(ä& ^au oon ©u^on, jtoei SDiene^ rinnen unb ben ^auSgeiftlid^en berfelSen (2lb66 ßonturier) »orfanb. Unter il^ren papieren entbedte man brei 93riefe £acombe*§, toorin ber« felbe ben äBunfd^ audfprad^, il^re äluSlegung ber biblifci^en S3üd^er 5U er« l^alten, au^ benen aud^ l^eroorging, ba^ %v^\i von (Supon bie älbftd^t l^otte, bag ä3ab ju Sourbe3 (too Sacombe bamalS in ^aft toar) 3U be« f ud^en. *)

3)er Srieftoed^fel ber %xau t)on SDlaintenon unb beä ©rjbifd^ofä SRoaiKeS betveift eS, ba^ S3eibe bamalS ben ©ebanfen l^atten, ^rau von ©upon burd^ aSertoeifung in ein fernes Äloftcr, burd^ ftrenge, lird^lid^e Seauffid^tigung il^rer literarifd^en 2^l^ätigfeit unb i^reS brieflid^en SBer* {el^reS u. f. it). unfd^äblid^ ju mad^en; Soffuet aber tpar eS, ber fie in ben Äerler brad^te.**) SSott boSl^after ^eube fd^rieb bal^er SBoffuet, als er bie erfte 5Rad^rid^t Don il^rer SSerl^aftung empfangen l^atte, an ^rau von SKaintenon: er freue ftd^ fel^r über biefe Sladjridft; benn l^inter bie« fem (Sel^eimniffe toäre gar t)iel Uebel ber Äird^c »erftedft.

grau von 3Raintenon inbeffcn fal^ fid^ toegen ber S8erl^aftung ber ®ame, nad^bem biefelbe erfolgt loar, bod^ in einiger SSerlegenl^eit, inbem fte fid^ fragte, h)ie biefe ©etoalttl^at gered^tfertigt, n>a^ mit il^r eigentlid^ be3h)edft werben follte. ©iligft fanbte fie bal^er an ben ©rgbifd^of SRoaiUeS von 5PariS ein SSillet folgenben Snl^altS: „Sluf Sefel^l beS ÄönigS melbe id^ S^n^n, SWonfeigneur, ba^ grau tjon ©upon cerl^aftet ift 2Ba8 foll

♦) 2)iefe« erflärt auc^ »au ff et in feinem „Seben genelon'«", B. I. §. U, fotoie in feiner ©efd&id^te »offuet'S B. III. ©. 279.

**) S5a^ c8 »offuet eigentlid^ gar nic^t um bie Seigre ber grau öon ®u^on, fonbern um ganj anbete 2)in0e ju tl^un tvav, erl^eHt nel^enbei bamuS, ba^ Soffuet nid^t attein S^iejenigen, toelci^e „bie furje Slntoeifung jum ©ebel" a^ptohixt l^atten, burd^auS unbel^eHigt lief;, fonbern bai biefe ©d^rift »äl^renb ber ©efangenfc^aft ber Serfafferin tvieberl^olt neu aufgelegt nxCb bei aUtn SBud^fül^rern 5u $ariS, ja fogar am erabifd^öflid^en $a(aft auSgel^ängt tverben fonnte!

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mm nun mit biefet %taa, \fycea f^eunben unb ^t^ieren anfangen? Z)er ÜUnig wirb nod^ ben gan}en 3Rotgen l^i erb leiben. @d^rei(en®ie un« mittelbar an il^n.''

S)er @r)bifd^of SloaiSed von $ariiS l^atte eS oudgefprod^en, ba^ bie @rl{8rungen, n^eld^e %ta\t von ©u^on ju 3Reaur abgegeben l^abe, unge< nügenb xoäxtn, bo^ eS nötl^ig fei, bie gefctl^rlid^e 2)ame )u einem fSmts lid^en unb beftimmten 9Biberruf )u nötl^igen. SHefed »ar ed, n>a8 man caa ^ofe als ®runb unb 3^^^ ber SSeri^aftung an3Ugeben tou^te. Soffuet bagegen ^cAte noäf anbete S^^^^f ^^^ ^ mittelft berfelben burd^ ben @r3bifd^of 9töaiKed erreid^en wollte.

%tau von (Suifon toar gerabe bamate toieber fd^mer erlranft. 90$ er Adnig l^ieroon benad^rid^tigt mürbe, gebot er fofort il^re Xbfül^rung nad^ SBincenned 3u ftfKren; er meinte aud^ jej^t nod^, ba^ ed überJ^auf^t genügt l^aben toürbe, toenn man fle einfad^ in ein Alofter eingefd^Ioffen l^ätte.*) @o lam eil, ba^ fie brei S^age lang bei bem ©erid^tilbeamten ®re9, ber fie oerl^aftet l^atte, in ©etoal^rfam blieb. 9lad^ beren Slblauf iourbe fie na^ äSincenneg gebrad^t unb l^ier t)on bem ^olijeUieutenant be la Slegnie oerl^ort. 3)ad SSerl^or bouerte ooSe fed^S SBod^en lang, in« bem jtd^ b^ff^Ibe auf aSe Sebendbejiel^ungen ber SSer^afteten, namentlid^ auf iljren SSerle^r mit ber fjamilie oon »eauoittierS, mit genclon u. f. m. erftredCte. Sejfiglid^ bed $ater Sacombe mad^te fte gar lein $el^I barouS, ba^ fte to&l^renb ber ^aft beffelben einige Sriefe mit il^m gemed^felt l^abe unb ba^ fie i^n für einen l^eiligen 3Rann l^alte. S^nmer oon ^^em brang aber ber SBeamte in fie, um ©eftanbniffe über Singe oon ü^r ju er« preffen, über mel^e fte bod^ gar nid^ts au fagen mu^te. 2>ad SCUeS ertrug jte mit ftiller Srgebung, oott feiigen fJriebenS in i^rem ^eraen. 3n bem Xl^urme au Sincenneg, in toeld^em fte eingefd^loffen mar, l^atte pe il^r fromme« SDläbd^en bei ftd^, ©ie bidjtete l^ier geiftlidje Sieber, toeld^e baS ÜRäbd^en auSioenbig lernte unb mit ber ^errin ivm Sobe ®otte8 fang^

$emad^ erfd^ien ber Dffijtal be$ (Srabifd^ofd !RoailleS bei i^r, ber fte au einem fd^riftli^en SSiberruf il^rer ^nlel^ren beftimmen looOte. S>iefed Slnftnnen auf baS (Sntfd^iebenfte aurüd^toeif enb , erllärte fte ftd^ gleid^mol^l bereit, älEed ju unter)eid^nen, mag ber 3(bb^ 2lronfon oon i^r forbem mürbe. Xronfon, l^ieroon benad^rid^tigt, fd^rieb barüber fofort cax f$enelon, ber i^m ol^ne @äumen eine f^ormel aufanbte, meldte man ber Srau von ©u^on aur Unteraeid^nung .vorlegen mod^te. 3n $aris fanb

.*) ^er 9ihb6 6;onturier toar fofort berl^aftet, abgefül^rt unb Derl^ört, iebo<^, ba er in leiner SBeife gra^irt erfdjyten, balb toieber entlaffen ioorben.

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man jjebod^ biefe %otmtl ungeiifigenb, toes^olb btefelBe matmid^faci^ oBte« febert unb htxt^ ^injtifagung eineft älnl^anged enoeitetri tourbe, burd^ beffen ^[nerlennung bie SBerl^aftete erlläYen foSte, ba^ {te l^nfüro, in Glauben unb £eben, naä) ben Slntoeifunsen, ioeld^e il^r t>on tl^rem DBem^ bem Srjbtfd^of oon ^orid, oorgef daneben »erben toürben, fid^ unoer« bvä^Itd^ ri'c^ien looKe.

%xan t)on ©u^on unterteid^nete biefe il^r im !Ramen beiS ä(bb6 Xtonfon t)or9eIegte @tllä¥ung*) vom 28. ätugufi 1696.

hiermit n>aten aber bod^ bie S^^äz, ioeld^e Soffuet bei ber 93er^ l^oftung ber f^ou von ©u^on int Xuge l^atte, nid^t e^eid^t. 2)al|er tourbe {te nid^t etn>a n)ieber in ^eil^eit gefegt, fonbem t)ielmel^r im 3Ronat DItober beffelben 3al^re$ in hcS Drbendl^auiS ber %x\lti be @. Xl^oma§ ^tt SSaugirarb bei ^arid abgefül^rt, ioo fte mit il^ren beiben 3)ienerinnen, beren älufna^me in bag $aud geftottet werben toax, faft mit berfelben Strenge bel^anbelt mürbe, it)ie in SSincenneS. @ie burfte leinen Sefud^. mad^en unb leinen S3rief fd^reiben. 3Rit il^rer geiftlid^en Seaufftd^tigung toar ber ^Pfarrer )u ©t ©ulpice, be la ©l^etarbie, beauftragt,**)

*) a)iefer6e flnbet ft^ aBgebrudt bei ?l^eril)eaus, I, @. 184—187.

**) 2lu8 einem Sriefe ber grau »on SRaintenon an ben ©rabif^of Sfloaitte» \)on $ari8 ift ju erfel^en, ba^ biefelbe Soffuet'd »iUigung biefer ®r(et(^terung, toeld^e man ber Unglütflid^en getoäl^rt l^atte, für untoal^rf^einlid^ l^ielt. grau bon 9Raintenon fd^reibt n&mlid^ am 25. ^ef^tember 1696: „'^li i^ Dor stoet Xagen bem SSifd^of )u SReaus ein $a<|ttet einer S)ame )u @t. £oui$ überf d^idCte, lie^ id^ il^m fagen, mati tvoSe grau bon ©u^on in bie 9lacl^barf4aft bed ^erm ^farreriS Don ®t. 6u())ice bringen. 9Bir toerben feine Seijlimmung ba^u nid^t erl^alten; allein meinerfeitS fel^e id^ e$ a($ ^flid^t an, jebe getoalttl^&tige . ^anblung fobiel aI8 mdglid^ fem su Italien."

§• 1.

SDet Mampf bet IBif^ofe SSoffuet unb ^eneUn am $ofe su $at{§.

ejcnclon toar eben von einer Steife nad§ (Sambrai jurüigcfel^, old er bie erfte SRad^rid^t t)on ber SBcrl^aftung ber grau Don ©upon erl^iclt. ©ofort h>ar eS il^m gans unjlDeifell^aft, ba^ 33offuet getüefen fei, ber btefe ©etoalttl^at 3un)ege gebrad^t l^abe, unb ba^ biefelbe aud^ gegen il^n felbft gcrid^tet fei. genelon erfannte je^t erft in Soffuet feinen ©cgner, mit bem er ben biSl^crigen Iraulid^en SSerle^r femerl^in nid^t ntcl^r unter« l^alten fönne, wcgj^alb t)on ba an ber bisl^erige Sriefwec^fel beiber J[JräIaten aufl^örte. 5Rur jutoeilen, unb bann nid^t anberä als in großer Sörmlid^Ieit , fanbten fid^ biefelbcn Sriefe 3U.

Soffuet toünfd^te genelon*S Slpprobation feiner neuen ©d^rift ju ge« n)innen unb verlangte als eine ^unbgebung feiner Sted^tgläubigleit, ba^ er fid^ öffentlid^ gegen grau oon ©upon unb beren ©d^riften erfläre. (Steid^jeitig tourbe eS genelon au§ einem Sriefe ber grau t)on 3Jlaintenon flar, ba^ nid^t nur 93offuet fonbem aud^ ber $of biefeS von il^m forbere, unb ba^ bie gortbauer feiner bi§]^e.rigen ©teHung in ben Ärcifen ju 58erfaiffc8 burdj ein ber gorberung Soffuet'ä entfpred^enbeS aSerl^alten unb SSerfal^ren bebingt fei. 3)aS Se^tere lie^ aber fein ®e« toiffen nid^t ju; melmel^r erad^tetc er eS als feine $flid&t, bem am ^ofe l^errfd^enben Urtl^eil über bie unglüdfKd^e SJame gegenüber mit ber t)otten 2lutorität feines S^^gniffeS einzutreten, toeSl^alb er ben 33rief ber grau von SWaintenon fofort (5. SKärj 1696) burd^ eine auSfül^rlid^e änt^ toort erhjiberte, morin er fid^ über feine ©tettung ju grau von ©upon auf baS Seftimmtefte auSfprad^. 3)er Srief h>ar folgenber:

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,^i)x (e^teS Sd^teiben, ÜRabante, toeld^eS mid^ fo ftd^tbar nieberfd^Iagen foDte, |at mid^ bod^ mit S^roft erfüllt. @S fpttd^t au$ bemfeKen |ene ^ergendgüte, toegen loeld^er id^ aSein (idl^er betümmert toat. SBäre id^ im @tanbe, einer »^erfon Beijupffid^ten, toeld^e ein neueil Süangelium leierte, fo h>ürbe id^ mir felbft ein @reuel fein. S)ann foUte man mid^ <tbfe^en unb Derbrennen, nid^t aber, mie Sie eg tt)ir!Iid^ tl^un, mid^ nod^ Cänger ertragen. ädlerbingS lönnte id^ mid^ in gan) unfd^ulbiger SBeife über eine ?ßerfon täufd^en, bie id^ für l^eiKg l^alte, toeil fie meines Sr« 4xd^eng niemals bie 3(bftd^t l^atte, etmaS ju leieren ober ju glauben, tt)aS mit ber Se^re ber latl^oUfd^en flird^e im SBiberfprud^ ftel^t. ©ottte idj mid^ aber l^ierüber irren, fo ift mein Srrt^um ganj fd^ulbloS; unb ba id^ niemals ettoaS 3ur SSertl^eibigung ober 5ur (Sntfd^ulbigutig biefer ^erfon rcben ober fd^reiben toerbe, fo ift aud^ mein Qrrtl^um in biefem gfaffe für bie ^ird^e ebenfo gleid^gültig als er für mid^ fd^uIb(oS ift.'^

„ÜRir muffen bod^ bie molaren ®efinnungen ber %xan Don ®upon weit beffer befannt fein als allen benen, meldte jte in'S SBerl^ör nal^men um fie 3U t)erbammen; benn fie l^at mit mir mett Dertraulid^er gefprod^en als mit biefen. ^ä) l^abe %xau von ©upon mit ber größten ©d^ärfe auSgeforfd^t, .unb bin t)ietteid^t in meinen ©inroenbungen gegen fie nur aBju toeit gegangen. 5Rie l^abe id^ ju il^rer ^JJerfon ober ju il^ren ©(^riftcn irgenb eine natürlid^e 3w«cigung empfunbcn; nie l^abe id^ an il^r irgenb etn)aS 9(u^erorbentlid^eS entbecft, baS mid^ für fie l^ätte einnel^men muffen. 3m natürlid^ften, ungejmungenften B^ft^nbe l^at fie mir alle il^re @ebanfen unb ®rfal^rungen mitgetl^eitt. 3^ fpred^e l^ier nid^t von äluSbrüden, bie id^ nid^t in @d^u| nel^men miQ, bie aber bei einem tffieibc immer loenig ju heienten f)aien, iücnn nur ber ©inn latl^olifdj ift. SWir lommt eS oor, als fei fie von 9latur ju UeBertreibungen ge* neigt unb in il^ren ®rfal^rungen nid^t Dorfid^tig genug, ©ie gel^t fogar Bei Seuten, t)on benen fie- jur Siebe gefteHt mirb, in il^rem ßutrauen ju toeit. S)cr SemciS bafür liegt vox 2lugen, inbem ber Sifd^of t>on SKeauj Sinnen SDinge, toeld^e fie il^m mit bem untermtirfigften §erjen unb toie unter bem SBcid^tfiegel anoertraute, als Oottlofigfeiten toiebererjäl^lt l^at. S^rc angeblid^en Offenbarungen unb ^ropl^ejeil^ungen laffe id^ auf fid^ berul^en; id^ toürbe benfelben einen fel^r geringen 3Bertl^ beilegen, toenn fie auS il^nen ettt)aS mad^en toollte. ®ine ?Perfon, bie in ®ott Derfenit ift, fann baS fagen, toaS augenblidflid^ in il^rem ©emütl^e t)or« gel^t. 2)iefeS tann eine Singebung ®ötteS fein, benn bie Duelle feiner ®nabe ift nod^ nid^t Derfiegt; aber eS lann aud^ eine grunblofe @inbilbung fein. 35cr SEBeg, auf toeld^em man ®ott bloS um feiner felbft toillen liebt unb ftd^ felbft babei t)ollfommen Derläugnet, ift ber 38eg beS bloßen

380

®Imt(en9, bey mit SSunbetn tmb (Seftd^ten in feinem Sufammenl^ang ftel^t. 9liemanb gel^t l^ierin vorftd^tiger unb nüd^temer }u SSetle als id^."

#f3<$ l^abe ed nitgenbd gelefen ober f^rau von (Su^on fagen ^oten, ba^ fie bev „„(Sd^itin"" fei. 2)0(i^ 0efe(t, jte l^a(e ed gefagt ober te< f daneben, fo bin id^ über ben @inn biefed 9luiSbrud(ed menig oerlegett äSiO fte fagen, fte fei ig^ud Sl^rifhtd, fo ift fie eine 9lStrin unb eine Slud^lofe; id^ oerobfd^eue fie bann unb n>iD biefeS mit meinem Slute le« fr&ftigen. SßiQ fie aber nur fagen, ba^ fie gleid^f am ein @d(ftein fei, ber bie anberen Saufteine jufammenl^alte, b. 1^., ba| fie erbaue, unb ba| fie mel^rere $erfonen, l9>eld^e ®ott bienen ioollen, 3U einer ©efeOfd^oft vereinige, fo fagt fie ni(^td oon ftd^, maS man nid^t oon aSen Snberen fagen lann, meldte il^re 9lebenmenfd^en erbauen; unb boi^ ift in einem getoiffen ®rabe oon 3«bem hjal^r."

„38a8 bie „tleine Aird^e'' betrifft, fo jeigt biefer XuSbrudC nQ($ bem ©prad^gebraud^e bed 1^. $aulu8, aud ioeld^em er entlel^nt i^, leine t>on ber !at^oIifd^en Jtird^e abgetrennte ®emeinbe an, fonbem ein fe§r untenoürftgeS ®Ueb berfelben, 9Ran mu^ fold^e 9(udbrüde nac^ ber ^auptlel^re ber ^erfon, bie fid^ berfelben bebient, beurtl^eilen , nid^ aBet umgefel^rt biefe nad^ jenen/'

„3d^ l&abe niemals non jenem „„großen"'' unb „„Keinen Seite"" reben l^ören; aber barüber bin id^ mir gen)i^, bag fie nid^t fo toS unb gottlos beult, um fid^ ber feligften ^^ngfrau uorjujiel^en. 3d^ tooDte um^mein Seben bafür ioetten, ba^ alles biefeS leinen beftimmten Sinn l^at, ba^ aber aud^ ber Sifd^of oon 9Reau£ gar leine @ntfd^ulbigunj| baftir t^erbient, ba^ er bei 3^nen etioaS für eine Seigre ber f^au von ®U9on ausgegeben l^at, maS bod^ nur ein Xraum ober ein figütli^ei äluSbrudt ober f dnft ettoaS biefer 3Crt ift, unb toaS fte i^m gleid^fam ob SBeid^tgel^eimni^ anvertraut "^aV

„S)od^ bem fei toie il^m moDe: brandet fie biefen XuSbrutf, um ^ ber feKgften Jungfrau gleid^^ufteOen, fo M^te id^ mid^ nid^t flarf unb ftreng genug auSjubrüdfen, von meinem älbfd^eu gegen ein fo abenteuere Ud^eS ®efd^öpf ben entfpred^enben 9(uSbrudE ju geben/'

„@S ift mal^r, fie l^ot einigemal toie eine ÜRutter gerebet, loel^e jlinber in SefuS Sl^rtftuS l^at, unb fie l^at für biefe i^re itinber Statl^f daläge be3ügHd^ beS 3BegeS jur SoQIommenl^eit gegeben; aber eS ift bod^ ein großer Unterfd^ieb jmifd^en ber SSermeffenl^eit eines 9ßei6e8, toeld^eS non ber Jtird^e unabl^ängig lel^rt, unb einer ^au, bie Snberen aa bie $anb gel^t, inbem fie il^nen auS il^rer eigenen @rfa§rung 9l(# fd^Iäge mittl^eilt unb babei in ber glül^enben Untermürfigleit unter ii^rem Dberl^irten bel^arrt. 9tad^ biefer le^teren SRetl^obe muffen aKe Sop

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ftel^mnnen bet StornienHöfier il^te Unietgebenen leiten, fo lange ed nüt barauf anlomntt, fte ju tröften, 3U warnen, jured^t ju n>eifen, fte mit gemi^en Hebungen nnb ÜRitteln bet SBoSIonnnenl^eit belannt ju mad^en/ ober gen>iffe S3ortt>änbe ber SigenlieBe abjufd^neiben. @ine SSorfte^erin noE SGBürbe unb @rfal^rung lann bied mit großem 9lu$en tl^un; aUe @nts fd^eibungen bagegen, toeld^e ftd^ auf bie £el^re bejiel^en^ mu^ fte ben Sienern ber Aird^e überlaffen. ^cA %xavi von ®mfon biefe Siegeln über« treten, fo ift fte nid^t )u entfd^ulbigen; l^at fie fid^ aus ma^lofem @ifer vergangen , f 0 verbient fte eine liebeoolle B^^^^ttoeifung , bei ber man fte bod^ nod^ für gut l^alten lann; l^at fie aber auS @tarrfinn unb tt>iber il^r ©etoiffen ftd^ vergangen^ fo lä^t* ftd^ ein fold^ed Senel^men mit ber ^ömmigfeit nid^t Dereinigen."

„9Bad fie 3U il^rer @mpfel^Iung t)on fid^ felbft fagt, bad barf man, meiner ÜReinung nad^, nid^t im ftreng^bud^ftablid^en @inne nel^men. S)er 1^. $aulu3 l^at gefagt, er DoQenbe baSjjenige, mag nod^ an bem Seiben Gl^rifti fel^Ie. S^on fielet leidet, ba^ biefe SSorte Säfterungen m&rea, toenn man fie gan} ftreng oerftel^en tooKte, afö märe ba3 Opfer 3^fu Gl^rifti unDoIßommen gett>efen uxA ate l^abe erft ber 1^. $aulu3 il^m ben nod^ mangeinben @rab ber SSoQIommenl^eit geben muffen. @ott .betoal^re mid^, ba^ id^ t^au tfon ©u^on mit bem 1^. $aulu§ oergleid^en foQte; aber ber ff. $aulud ftel^t nod^ tt>eit mel^r bem @ol^ne ®otte§ nad^, afö f^au von ®ui)on bem 1^. ^Paulus. SDiefe überfpannten StuSbrüdEe laffen ftdj grö|tentl^eifö nid^t feftl^alten, tt>enn man fie ftreng bud^ftäblid^ nimmt. 3Ran mu^ bie ^ßerfon in'S Sluge faffen, unb fid^ an fold^en Uebertreibungen, voexm anberä bie Seigre tabeKod unb bie $erfon unterwürfig ift, nid^t fto^en. S)ie feiige ä(ngeli!a oon ^olign^, toeld^e 00m f). %xani von @aled betounbert marb, bie 1^. Jiatl^arina oon @iena unb bie l^.^at^aritta von ®enua l^aben oiele ^erfonen in ber gebül^renben Unterorbnung unter ber Aird^e geleitet unb ^ben über bie @rl^abenl^eit il^re§ SebenSjuftanbed au^erorbentlid^e SDinge auSgefagt. äSenn Sie nid^t n>ü^ten, ba^ bag oon benfelben StuSgefagte fanonifirt ift, fo toürbenSie baran nod^ mcit mel^r älnfto^ nel^men als an %x(m von ©u^on. älud^ ber 1^. t^an} oon ä(ffift ^ebraud^t 3(ugbrüdEe oon ftd^, tt>eld^e anftö^ig erfd^einen tonnten. Unb ft<mbcn ettoa unter ber Seitung ber 1^. 2:i^erefia nur 5Ronnen? SBurbe von il^r nid^t aud^ eine 'gro^e älnjal^l geleierter * unb berül^mter Scanner geleitet? ^ai fte fid^ nid^t fogar laut unb oft gegen bie SSeid^toäter er« tlört, meldte *ben @eelen S^<'^H antl^un tooQen? Unb betet bie ßird^e nid^t JU ©Ott, ba^ fte mit ber j^immlifd^en Seigre biefer ^eiligen genäl^rt merben möd^te? ^erfonen beS anberen ©efd^Ied^teS foQen mit 3(utorität toeber leieren nod^ entf d^eiben tooKen ; aber fte lünnen erbauen, fie fönnen

&82

Slatl^ geben unb lönnen mit gebül^tenber Sead^tung fd^on entfd^iebenet JDinge untertDeifen. Med tt)aS barüber l^inaudgel^t, l^alte id^ für untei^t, unb e3 ift nur nod^ oon Xl^otfad^en bie 9iebe , über ioeld^e id^ mid^ gonj fd^uIbloS unb ol^nc ©d^aben 3U bringen irren lann."

„Urlauben @ie mir, ^Jlabame, bie Semerfung, ba^ <3ie, nad^bem ©ie unferer Söleinung t)on ber Unfd^ulb bicfer 3)ame beigetreten ju fein fd^ienen, mit @inemma{e ber gegentl^eiUgen 9(nfid^t beipflid^teten. Son biefem älugenblidfe an finb ©ie ooU SRi^trauenS gegen mid^ gen)orben; ©ie »erfd^loffen mir gänjlid^ ^^x ^er$. Seute, meldte mit S^&nen in 93er!el^r )u lommen unb ftd^ ^^nen notl^menbig 5U mad^en fud^ten, brauten 31^nen auf ©d^Ieid^tpegen ben ©ebanlen bei^ id^ fei ganj verblenbet unb mürbe DieQeid^t nod^ ein (Srjle^er toerben. 3Ran fe^te mel^rere ^M bei Sinnen an; ©ie tourben erfd^üttert, unb anfangs mir eine befonbere ^erjUd^feit unb 3^traulid^!eit jutpenbenb, fteigerten ©ie fid^ nun in il^rem SJli^trauen unb in 3^ren äingftgebilben. hierin liegt ber (Srunb beS ganjen Uebelä. ©ie trauen Syrern eigenen ^erjen unb S^ren @in{td^ten nid^t mel^r. ©ie loottten nur auf bem pd^erften SBege, auf bem ber älutorität; toanbeln. S)urd^ bie SDoctoren, h)eld^e ©ie 5U Statine gebogen l^atten, finb ©ie Seuten in bie $änbe gefallen , bie , ol^ne es gerabe biifc ju meinen, bod^ i^re äSorurtl^eile unb il^re $olitiI l^aben. Ratten Sie fid^ offenl^erjig unb ol^ne 3Ri^trauen gegen mid^ auSgefprod^en, fo toürbe id^ in brei Xagen aUe erl^i^ten ^öpfe )u ©t. S^r abgefül^lt unb fte jur vaUIommenen ^olgfamfeit gegen bie 3lnorbnungen il^reS l^eiligen SSifc^ofS geftimmt l^aben. ^^d^ l^ätte-^au von ©upon über alle ©teilen i^rer ©d^riften, meldte als übertrieben ober jioeibeutig gelten tonnen, bie b^ ftimmteften ©rllärungen abgeben laffen. 3)iefe @rflärungen (ober biefer SBKberruf, toenn man eS fo nennen toill) toürben, ba fie pon il^r aus eigener SSeioegung unb in ooSer ^reil^eit auSgefteUt morben toören, auf bie Ueberjeugung tl^rer älni^änger tojeit portl^eil^after eingemirft l^aben als alle im ©efängniffe gemad^ten Unterjeid^nungen unb olle fb:engen SßerbammungSurtl^eile, toeld^e vori fold^en Acuten erlaffen mürben, bie, ote fie $j^mn bie Slnfertigung einer ßenfur tjerfprad^en, notorifd^ »on ber ganjen ©ad^e nid^ts verftanben. 9lad^ erfolgter Unterjeid^nung unb Sf lanntmad^ung biefer (grflärung ober biefeS SBBiberrufeS mürbe i^ 3§*^en Sürge bafür gemefen fein, ba^ ^rau oon (Supon ftd^ an einen toeit ent- legenen Drt, ben ©ie bejeid^nen fonnten, begeiben unb pd^ bafelbft fi(J«f' Ii(^ aller ferneren münblid^en ober fd^riftlid^en (Erörterungen ber (Seiftig* feit entl^alten l^ätte/'

„äSielleid^t fönnten ©ie abet, SDlabame, glauben, id^ mad^te biefeS anerbieten ju bem 3tocdfe, um ber grau t>on ©upon bie greil^eit wieber

383

}u t^erfd^affen. 3tem, xif ntad^e mtd^ anl^eifd^ig/ fie ti^re Sei^Yen befttsitmt etllären itnb il^ren älbfd^eu gegen aEe oevbamtnten ^TTtl^ümer aulBfpred^en ju laffett; ol^ne ba^ td^ babei an ii)xe Sefteitmg au^ bem ©efängniffe benfe. ^ä) xoxü fte nid^t einmal feigen; id^ loitt il^t nur einige Sricfe fd^reiben, weld^e uorl^er Don Ql^nen gelefen unb t)on ben SSifd^öfen unter« fud|t werben fotten. 2)ie 3Inttüorten ber SDame follen offen unb auf bem« felben SBege an mid^ gelangen, unb. man mag t)on il^ren @r![ärungen jeben beliebigen ©ebraud^ mad^en. Saffen Sie bie ^amt l^emad^ in bem ©efängniffe fterben; xä) bin jufricben, toenn fte ba ftirbt, toenn toir fte nid^t mel^r feigen unb gar nid^td mei^r oon il§r l^ören".

„3^ glaube bod^ in ^f)xtti Slugen toeber ein ©d^urle, nod^ ein Sügner, nod^ ein SSerrötl^er; nod^ ein ^eud^ler ober Smpörer gegen bie jtird^e )U fein; unb id^ fd^möre ^l^nen t>or ®ott, ber mid^ einft rid^ten toirb, ba^ id^ 3^nen ol^ne 9tüd(l^alt entJ^üEt l^abe, toad mid^ in meinem fersen hc^ f(^äftigt." - -

tiefes toar baS offene SSelenntni^, meld^eS ^enelon vor grau t)on SRaintenon ablegte; allein gerabe bie Slüdl^altloftgleit, mit ber fid^ berfelbe l^ier audgefprod^en, mad^te tl^n bei ber l^ol^en 2)ame unb bei ®enen, toeld^en biefe ben Srief ooriegte, auf 8 Dleue fufpect, Soffuet ioar ber SReinung, ba^ ber Srjbifd^of jje^t ttotl^menbig garbe belennen unb ftd^ offen gegen ^au oon ©u^on auSfpred^en muffe, medl^alb er benfelben aufforberte, fid^ ju feiner neuen ©d^rift, loeld^e bereits bie Slpprobation bed ßrjbifd^ofd Don $ari§ unb beg S3ifd^ofä oon Sl^artreS erl^alten l^atte, burd^ ^Ritunterjeid^nung biefer Slpprobation ebenfalls )u befennen. Soffuet fd^idfte il^m bal^er baä 5Ranufcript nad^ (Sambrai ju. 2lber tote ftaunte ber SSifd^of, ate eincä Slage« (im Slugufk 1696) ber §er}og oon ßl^eoreufe bei il^m erfd^ien unb il^m baS 3Ranufcript mit einem 83riefe genelon'S 3urüdf6rad^te, toorin biefer auf ba3 Seftimmtefte erflärte, ba^ eS il^m nid^t möglid^ fei, bie ©d^rift mit feiner äpprobation JU t)erfe]^enl „SBäie", entgegnete Soffuet, „ber Srjbifd^of oon ßambrai toitt alfo ben SetoeiS geben, ba^ er ftd^ 3U GJunftcn ber gfrau oon ©u^on mit feinen aWitbrübem entsmeit l^at? 2)ie ganje SBelt foH eS mit $änben greifen lönnen, bafe er fie in @d^u^* nimmt? S)iefer SBcrbad^t, ber in ben Slugen beS $ublifum§ feine Slutorität fo tief erfd^üttert l^at, foH alfo jur ©etoi^eit toerben? 3QBie toirb alle SBBelt erftaunen, ba^ mein Sud& smar mit ben (Sutl^ei^ungen beS Srsbifd^ofS oon 5ßariS unb be3 33if d^ofS oon 6l^artre§ erf d^eint, aber bie feinige f el^lt ? §ei^t bief eS nid^t feinen SKitbrübem, feinen 6onf ecratoren, feinen innigften %xt\xni ben öffentlid^ ben Ärieg crflären? SBäeld^ ein 3lergerni^! SBeld^ ein SIedten für feinen SRamen I gür toeld^e SSüd^er toiH er fid^ benn martern

384

laffen? SSorum foS bemt baS ^uBIifunt ni$t ben %xo^ l^aben, unfere Qttnftintmtglett feierlid^ beuvbtnbet 5U feigen?"

^elon^ bem biefe 9(uSlaf[ttngen bed 9ifd^ofd mitgetl^eUt tourbenr entgegnete, bajs er bod^ ju feinem gtS^ten Sebauem ben Sifd^of Don 9Reau£ fein Serl^atten gan) unrid^tig beurtl^eilen fel^e. 3)enn xotwx er fid^ als f^eunb ber %t(m von ©upon 3U belennen lein Sebenlen trage, fo folge barauS mit ^lid^ten, ba^ er aud^ ein f^freunb il^rer etn)aigen 3rr« leiten toäre. @r tooUt nur ber S)oImetfd^er il^rer ädl^ten ©efinnungen, nid^t aber ber Vertreter il^rer extravaganten 9(u8bruddn)eife fein. 3Benn er bie @d^rift S3o jf uet'8 gutjul^ei^en Sebenlen trage , fo trenne er fid^ !eine8toegd von bem (Srjbifd^of von $ari8 unb von bem Sifd^of von €l^artted, n)eld^e biefe ©utl^eijsung nid^t forberten unb fme äBeigerung nid^t tabelten. 9(ud^ fei fein @Iaube unb feine @l^re nid^t von bem Ur« tl^eil eined feiner SoSegen^ fonbem lebigßd^ von bem ber Jtird^e abl^ängig, vor ber er fid^ öffentlid^ red^tfertigen werbe.

3^ ^in^tn fold^en öffentlid^en SSorgel^en fal^ ftd^ ^enelon xtan aUtt^ bingd von oiUtn leiten l^er gebrängt. Ütod^ el^e ber ^erjog von Sl^evreufe ba£ SRonufcript 93offuet'3 nad^ 3Re(mi^ gebrad^t, l^atte man in $arig unb äSerfaiOed von beffen Urtl^eil über baffelbe geprt; ^au von üRaitttenon l^atte geglaubt, ba^ ber SrjBifd^of je^t feined 93rud^e$ mit ber Aird^en« lel^re geftSnbig geivorben fei unb biefer, ber bavon Jtunbe erl^ielt, l^atte fid^ beeilt, ber 3)ame 3U feiner 9led^tfertigung eine jiveite @d^rift }u über« fenben. Slber fo g;ro^ tvar bie 9(ufregung, meldte bie 9lad^rid^t von bem nunmel^r beclarirten S3rud^e ^enelon'd mit SBoffuet in aQen ürd^Iid^en Jtreifen l^ervorrief, ba^ jener ed für ratl^fam l^iett, in einer am 2. 9(ugu^ 1696 3U 3fF9 veranftalteten Sonferenj bem ©rjbifd^of von ^ariS, bem S3ifd^of von Sl^artreg, betA SSiiH S^ronfon unb ben ^erjögen von 9eau« viSierd unb von Sl^evreufe, feine an %x(xa von SRaintenon gerid^tete Xpo^ logie voraulefen unb ju erläutern.*) 3»' berfclben l^atte ^enelon ben ©ntfd^Iu^ auSgefprod^en, fid^ in aller Äürje burd^ eine ©rutffd^rift 'toegen ber ftreitig geworbenen Seigren vor aller SBelt red^tfertigcn 3U tvoffem

f^au von SRaintenon l^atte ftd^ fd^Iie^ßd^ umfomeniger veranlagt ge« feigen, pd^ mit genelon'S Apologie unjuf rieben ju erllärcn, ber ßrjbif^of von $arig fte verftd^ert l^atte^ ba^ ftd^ g^gen biefelbe nid^ts @rl^ebßd^e8

*) iDa« nodj öorl^anbene ©tijriftftüd ift (offenl&ar nadjtr&glidj) Von gfenclon'« eigener §anb mit ber Sluffd^rift berfel^en: ,,®in Sluffaft, toorin gegeigt toirb, baj tdj bag SSudJ be« SBiftiSofg t)on 3Reau5 ni^t gut l^ci^en bürfc, unb toeld^cm bie ^au t>on aWaintenon auf SJorfteHung be« ®r8bifiSof8 \>on ^ari« iljren »fifatt gegeben IJat".

385

einwenbcn laffe. Slbct auf jjebcn gaH mufetc fjenelon fein gegebene^ Setfpred^en erfüllen; unb %xau t)on SJKaintcnon fpra^ jugleid^ in Se« 3iel^ung l^ictauf bcn beftimmtcn SBunfti^ aus, ba^ %ttiüon bie t)on il^m ju t)ctöffcntlt(^enbe ©d^tift ni(i^t cl^er bem S)ru(f übergeben möge, ate bis ber ©rjbifd^of von $ari8 unb ber 3lbb6 SCronfon btefelbe geprüft unb approbirt l^aben würben, genelon ocrfprad^ biefem Sefe^Ie gel^orfamji nad^juleben, arbeitete feine „äluSlegung ber SRajimen ber ^eiligen über ben inneren SBeg" au§ unb fd^itfte baS $IBanufcript bem ®rjbifd^of SloaiHeä Don 5ßari3 jur Prüfung ju.

2Bie eg fd^eint, war biefer über genelon'S ©rfud^en gerabe nid^t fel^r erfreut, inbem er fürd^tete, ]§ierbur(^ in bie bebenlUd^e SJifferenj, bie jtpifd^en ben beiben angefel^enften SBürbenträgern beS SReid^eS immer brol^enber l^eroorjutreten begann, felbft l^ineingejogen ju merben. ®r laä baS SJlanufcript unb fanb freilid^ an bemfelben nid^tS ^injelneS, ma§ er ate .3[rrtl^um l^ötte bejeid^nen muffen; aber baS ganje SBerl war il^m mißfällig, iDar il^m ju mäd^tig, er tjermod^te f aum ju überfeinen Unb fd^idfte eS barum an ben SBerfaffer mit bem SBemerfen jurüdt, ba^ er es ju Vreitläufig finbe.

genelon, ber, feines ber grau von 9Kaintenon gegebenen 93erfpred§enS eingebenl, bie ©d^rift nid^t anberS als in üoHer Uebereinftimmung mit bem ©rjbifd^of von ^ariS tjeröffentlid^en mottte, na^m ba§er baS 3Jlanu« fcript nod^mals jur §anb, ftrid^ unb Iür3te an bemfelben, toaS er nur ju ftreid^en t)ermod^te unb fd^idte bie Slbl^anblung l^ierauf in ganj "neuer (äeftalt bem ßrjbifd^of 3U, ben er jugleid^ bat, an berfelben 2lIIeS, toaS i^m einer 3lenberung bebürftig erfd^eine, nad^ feinem ©rmeffen ab3uänbern unb umjufd^reiben. hiermit fa^ fic^ nun ber le^tere von genelon für baS ganje SBerl geroiffermaffen ceranttüortlid^ gemad^t. S^ibeffen biefe SSerantwortlid^feit allein 3U tragen, mar il^m bod^ im l^öd^ften ©rabe be« benllid^. Salier lie^ er baS neue, bebeutenb abgelürjte 9Jlanufcript nid^t allein burd^ feinen erften ©eneraloicar, ben 3lbb6 von SSeaufort, forg« fältigft prüfen, fonbern empfal^I eS aud^ genelon, als ber ©enerafoicar nid^ts gerabeju Slnftö^igeS in ber ©d^rift gefunben l^atte, bringenb, bie« felbe bod^ vox ber SSeröffentlid^ung jebenfatts nod^ einem eigentlid^ geleierten Sl^eologen jur ^Prüfung ju unterbreiten, ©eine Slpprobation ber Slb« l^anblung fd^riftlid^ 3U erllären, weigerte fid^ übriges SioaiHeS.

Um nun bem Verlangen beS ®r3bifdeofS 3floailleS in ber voUtom'- menften SSBeife 3U entfpred^en, begab fid^ fjenelon (im 3)ecember 1696) nad^ 5ßariS unb legte fein SDlanufcript bem S)octor ber ©orbonne $irot, bem offi3iellen (Senfor aller tl^eologifd^en Sudler unb S^^efen, ben ber Stsbifd^of Qaxlat) einft mit bem SBerl^ör ber g^au von (3\nion betraut

386

"^atte, jut S)u¥d^ft(§t vor. S)iefe iDurbe in ber SBeife auSgefül^ti, ba^ ^enclon unb ^JJirot, jcbcr mit einer 2l6f(i^rift bc8 SKanufctiptä in ber ^ttnb, in btei langen ©ef Jtonen baffclbe burd^Iafen. Sluf ben SEBunfdJ 5ßirot'S änbertc ^enelon an feiner 2lrbeit SIRel^rereS, 5RadJbeni biefeS ge« fd^el^en xoax, erflärte $irot, ba^ bie ätbl^anblung eine toal^rl^aft golbene ©(i^rift fei;*) unb au(i^ ber ©rjbifd^of 3loaitteS äußerte fxä) je^t über genelon'3 Slrbeit in bemfelben ©inne.

genelon übergab bal^er je^t baS SBerl feinem greunbe, bem ^erjog t)on ßl^eoreufe, jum 35rudf, infolge bejfen baffelbe, nad^bem.ber (fel^r befd^Ieunigte) 2)rud fd^on am 27. ganuar jur SoIIenbung gelommcn toar, nod^ tjor Slblauf' be§ S^nuar 1697 mit föniglid^em 5ßrit>ileg im Sucj^« l^anbel erfd^ien,**) 2ln bemfelben 3lage,. an toeld^em bie ©d^rift ber Deffcntlid^Ieit übergeben toarb, erfd^ien ber $erjog von SSeauoittierS im $alaft be3 AönigS, um biefem im Flamen beS Srjbifd^ofS ein ©semplar berfelben ju überrcid^en. (Sin anbereS ©yemplar überfanbte ber ^erjog ebenfalls im Flamen beS SSerfafferS an bem nämlid^en S^age bem Sifd^of von SKeauj, ber fid^ bamalS in SScrfailleS aufl^ielt.

Sfenelott'd ®4tift: ,,Ku^(egttng bet SRaidmen bet ^eiligen aber ba§

innere geben"»

genelon'S Sud^ erfd^ien unter bem 3)itel: Explication des Maximes des Saints snr la vie Interieure. Par Messire Francois de Salignac-Fenelon, Archeveque-Duc de Cam- brai, Precepteor de Messeigneurs les Ducs de Bourgogne, d'Anjon et de Berry, A Paris. MDCXCVII. Avec Privilege du Roi.

3)aS Süd^Iein umfaßte in feiner erften SluSgabe 207 ©. in 12 <>. 3n bem SSortoort (Avertissement) fprid^t fid^ ber SSerfaffer über ben ßl^aralter unb bie 3;enbenj feiner ©d^rift in Ilarfter SQSeife aus. S)ie

*) »auffct berid^tct in ber Histoire de J. B. Bossuet, T. III, p. 295 nad^ einer Hufjeid^nung beS ÄanjlerS b^Slgurff eau: Ii (Feneion) eblouit en eflfet le

Doctear Pirot, approbatear de cet ouvrage, qu*i Tappellait un livre d'or, ou les limites du vrai et du faux etaient si exactement marquees, qa*oii ne pouTait plas s'y meprendre.

♦*) 9lodJ i. 3. 1677 Jüurbe ba8 ©ud^ aud^ gu S^on, 1698 ju SCmfterbam, 1799 ju 2ßefer gebrudCt. S^l^Ireid^e ntm SluSgaben unb Ueberfeftungen erlebte bad fbvL^ im ad^t^el^nten Sal^rl^.

387

rigcntlid^c $cimat bcr neueren SKpftil, bie er Dertteten xoxU, fielet er (riti^tig) in Spanien.*) S)er ©runbgebanfe bcrfelben ift bie Se^re von bcr unintereffirtcn Siebe.**) S)od^ ftcl^t biefe Seigre mit ber SKpftil beS 5KittctaIterS unb mit ber Seigre ber Äird^enüäter im genaucften 3u« fammenl^ange; fo ba^ fi(| bie neuere SKpftil aus einer fd^on mit ben Sin« fangen ber Äird^e l^erDorgetretenen 2!rabition reti^tfertigen lä^t. ^ ber« feiten finb allerbingS melerlei 2lu8[(i^reitungen au3 ber redeten Sal^n toal^mel^mbar; allein ber ^aben ber l^eilfamen Se^re ift bod^ nie unter« Broti^en roorben; unb tS^nelon beseid^net eS nun als feine 2lufgabe, bie er ftd^ gefteHt, bie gefunben Sel^rfä^e ber ^eiligen, b. 1^. ber lird^« lid§ fanttionirten SK^ftiler mit SluSfd^eibung alles Äranll^aften in il^rer inneren Sinl^eit unb Sauterleit t)or3ufül^ren. 3)aBei Beruft er ftd^ namentlid^ auf %xani t). ©aleS, unb 3toar in fo ausfül^rlid^en unb 3aPreid^en ßitaten^^ ba^ aus benfelBen bie ganje Seigre biefeS ^eiligen im 3wfammenl^ang bargefteHt toerben lönnte. 3lber aud^ 3»o Joannes a. ßruce, ber Sarbinal S3ona unb mele älnbere toerben angezogen.

®aS 83ud^ beginnt mit einer Einleitung „über bie uerfd^iebenen Slrten, löie man ©Ott lieben fann", an toeld^e fid^ bie eigentlid^e Slbl^anblung unmittelbar anfd^lie^t. SDiefelBe ift in 45 Slrtifel abgetl^eilt, t)on benen jjeber 2 ^Il^eile umfaßt: in bem erfteren (Vrai) loirb bie rid^tige in bem anbem (Faux) bie irrige ober mit Srrtl^ilmern oerfc^te Seigre ber SKpftifer bargefteUt.

S)aS 2!l^ema ber ganjen SlBl^anblung ift ber SScgriff ber reinen ißieBe (pur amour), unter toeld^em Segriffe ^cnelon barftefft, loaS Slnbere als m^ftifd^e Kontemplation 3U Be3eid^nen pflegen. 9Bit bem 3Befen ber

*) Espagne etait reniplie dans le siecle passe de tant de Saints d'ane gräce merveilleuse,

**) Toutes les Yoies interieures tendent a Tamour pur ou desinteresse. Cet amour pur est le plus haut degre de la perfection chretienne. II est le terme de toutes les yoies, que les Saints ont connu. Quiconque n'admet rien on dela, est dans les bornes de la tradition. Quiconqne passe cette bome, est deja egare« Si quelqu*an doute de la yerite et de la perfection de cet amour, j'offre de lui en montrer une tradition universelle et evidente depuis les Apotres jusques a S. Fran^ois de Sales sans aucune Interruption. La sainte indifference si loüee par S. Fran9ois de Sales n'est que le desinteresse- ment de cet amour, qni est toujours indifferent et sans volonte interessee pour soi meme, mais toujours determine et voulant positivement tout ce que Dien nous fait' vouloir par sa loi ecrite et par l'attrait de sa gräce.

*♦*) Quand je parle des saints auteurs, faßt genclon, je me borne ä ceux, qui sont canonisez , ou dont la memoire est en bonne odeur dans toute l'eglise et dont les ecrits ont ete solemnellement approuvez apr^s beaucoup de con- tradictions«

25*

388 „tcittcn Siebe" fielet bal^er genelon aud^ ba8 SBefcn ber toal^ren Stulpe

unb bed it)al^ten ®eBete3 (oraison de silence, oraison de qni^tade, orai-

8on passive) gegeben (Sölay. 9lrt. 21, 29). SSon bem Segtiffe ber „reinen Siebe" auS toitt genelon ein tJoUftänbigeS unb gefti^IoffeneS ©pftem ber Seigre von bem l^abitueKen ©tanbe ber in ber reinen Siebe lebenben ©eelc, b. 1^. t)on ber S3oS!ommenl^eit be§ inneren @^riftenleben3 geben; benn ötte inneren SEBege laufen in bie ,,reine Siebe" auS. (SSorrebe ju bcn ,,9Rajimen".)

genelon unterfci^eibet bie „reine Siebe" Don ber „interefjtrten Siebe", tüeld^e le^tere eine Siebe beS eigenen ^ntereffeS (interet propre) ift, inbcnt fle liebt, um ©trafen ju entgelten unb feiig ju werben. S)ie ,,reine Siebe" liebt (Sott lebiglid^ um feiner eigenen §errlid^leit unb um feiner eigenen SSerl^errlici^ung toxUen, roc^^alb in il^r allein eine DoIRommene Slbtöbtung aller ©elbftl^eit Dorl^anbcn ift. (3lrt. 34, 41, 43.) 3)aS Sebcn in ber „reinen Siebe" ift ein „etat habituel d'amour de Dieu, ni la crainte de chatimens, ni le d6sir des r^compenses n'ont plus de part, l'on n'aime plus Dieu ni pour le merite, ni pour la perfection, ni pour le bonheur qu'on doit trouver en l'aimant." 2lud^ mit ber

intereffirten Siebe lann ber ßl^rift feiig, ja fogar ein ^eiliger tocrben (Slrt. 3*); unb nid^t jjeber ift ju bem Seben in ber „reinen Siebe" ge^ fd^itft. (älrt. 16.) 3wr festeren gelangen nur toenige l^ertjorragenbe ©eelcn (ames eminentes, 2lrt. 8). Sie ßrfenntni^ unb baS SÜSefen biefer reinen Siebe ift in ber Sird^e ju ollen Seiten t)orl^anben getoefen, l^at aber immer nur in ber ^orm einer gel^eimen Defonomie beftanben, nad^ ipeld^er bie t)oIIenbeten ©laubigen ii^re ßrlenntni^ immer nur ben em^ pfänglid^en ©emütl^ern mittl^eilten (2lrt. 44: „Les pasteurs et les saints de tous les temps avaient eu une espöce d'6conomie et de secret pour ne parier du pur amour qu'aux ames ä qui Dieu en donnoit d6jä rattrait et la lumi^re; que cette doctrine 6tait la simple et pure per- fection de T^vangile marqu6e dans toute la tradition; mais que les anciens pasteurs ne proposaient d^ordinaire au commun des justes, que les pratiques de l'Amour int6resse proportionn6es ä leur gräce".) .^l^It

bal^er ber ß^rift, ba^ er im ©treben nad^ ber reinen Siebe gu biefer bod^ nid^t gelangen lann, fo f)at er fid^ auf bie ©tufe ber interefjtrten Siebe jurüdjubegeben, um in il^r ftd^ in ber ©ottfeligleit ju üien.

*) 3* f^dt ^ti biefem SIrtÜel: qne Tamonr de Dieu, qui est m^lange du motif de l'interet propre, a fait neanmoins dans tous les sibcles un grand nombre de saints, et que la plupart meme des saints ne parviennent Jamals en cette ^ie au pur amour.

389

3utn Seben in ber reinen Siebe gelangt ber SRenfd^ aSein burd^ bie ®nabe, wcld^e icbod^ ber SKenfdJ inxij feine freie SWitroirfung unterftti^en mu^, bamit bag $$erl ber ®nabe an x^m ft>irlli(l^ gefci^el^en lönne*.)

2)ie tücfenllid^e SSorauSfe^ung für baS Seben in ber reinen Siebe ift ba3 2eben in ber beftel^enben Drbnung ber Jtird^e (dans la discipline präsente, älrt. 38). älud^ biejenige @eele, toeld^e )ur SSoEIommenl^eit ber reinen Siebe gelangt ift, l§at i^ren geiftlid^en Dberen blinblingS (avengl^- ment) 3U folgen.

3[nbcm bal^er bie reine Siebe eine SSottlomntenl^eit ift, 3U ber pd^ in empfänglichen ©eelen baS in ben Drbnungen ber Äird^e erroad^fcne Scben erl^ebt, fo muft für bie l^öl^ere ©pl^äre bie reine Siebe biefelbe 35e« beutung ^aben, toeld^e in ber nieberen @pl^äre beg religiöfen Seben§ ber intcreffirtcn Siebe eignet. Qietau^ folgt : 1) bie reine Siebe ift eS, roeld^e ben SKenfd^en red^tf ertigt , inbem ber SSoHfommenl^eit ber reinen Siebe bie SSoQIommenl^eit ber Siebe ©otteg entfprid^t, nield^e ftd^ bem 3Renfd^en juroenbet; unb 2) bie reine Siebe ift t)erbienftlid^, ja „bie Hebung ber reinen Siebe ift ber tjerbienftlid^fte aller 3lcte ber d^riftlid^en ©cred^tigfeif' (»rt. 45).

5Die reine Siebe ift biejenige Siebe, toeld^e t)on bem SKotit) ber $off« nung auf bie etoige ©eligleit t)ottftänbig abgetrennt ift, toeld^e barum ®ott aud^ bann lieben toürbe, toenn bcrfelbe wottte, ba^ bie ©eele in alle Stoiglett bie Dual ber SSerbammni^ ericiben fottte. Sn ber reinen Siebe liebt barum bie @eele ®ott aud^ bann, xomn ®ott nid^t n)ü^te, ba^ bie ©eele ii^n liebt.

„2lttcrbing§", fagt genelon, „ift bie SorauSfe^ung, ba^ ®ott bie ii^n Rcbenbe ©eele elüig unfclig mad^en fottte, toegen ber SSerl^ei^ungen be8 ©oangeliumS objectit) unmöglid^ ; affein bie 3)inge, toeld^e auf ©eiten ber Dbjecte nid^t getrennt loerben lönnen, lönnen tjottlommen getrennt fein auf ©eiten ber $!Jlotioe. 68 ift nid^t möglid^, ba^ ®ott nid^t bie ©elig« feit ber i^m ergebenen ©ecIe fei; aber bie ©eele lann il^n mit fold^er Uneigennü^igfeit lieben, ba^ il^r SlidE auf ®ott, in toiefem er ©elig» mad^er ift, bie Siebe, bie fie ju il^m fül^lt, ol^ne an fid^ }u beulen, um nid^tä uermel^rt, fo ba^ fie il^n eben fo fe^r lieben toürbe, aud^ )it>mn er il^re ©eligleit nid^t fein fottte". (3(rt. 2.)

ältterbingS barf bie ©eele ®ott aud^ barum lieben, toeil ®ott toitt, bafe fte i^re ©eligfeit tootte. „®ott h)itt, bafe id^ i^n tootte, infofem er mein ®ut, mein Sol^n ift. Dbject unb HRotio fmb t)erfd^ieben. 2)a3

♦) 9lrt. 11 : II est vrai, qu'on doit se pr^parer a recevoir la grace et Tat- tirer en soi, mais on ne doit le faire, que par la Cooperation a la grace m^me«

892

gu i^rer SSoKenbuitg baffelBe 9Ber{ vem^tei, toad Sl^jrijhtd für il^re @t* löfung am Areuje überl^aupt DoQBtad^t f^cA.

SDie SBirlung biefed Dpfetd tft einetfettö bie Sted^tfettigung itnb Steinigung ber @eele in einem fold^en Umfange, ba^ biefelbe beS f^eg« feuetS nid^t mel^t bebatf (Sltt. 8, 41); unb anbeterfeitS bet Sintritt ber @eele in bie ooIHommene Stulpe, bie fie in il^ver (Sinigung mit ®ott l^ot. SHefe (Einigung ift ate ein l^abitueller 3uft<^nb ber @inl^eit mit @ott $a faffen, in toeld^em für bie ©eele nun ein gan3 neues SeBen beginnt. S^re eigene (Selbftl^eit l^at bie @eele )e|t fotoeit aufgel^oben, ba^ aUe an^ ify: felbft l^erDorgel^enben aSittenSregungen unb alle SReflejionen über fxi^ felbft oufl^oren. SHe @eele mei^ nid^t einmal beftimmt (par ane d^cision for« melle), ba^ fie in einen neuen @tanb eingetreten ift, toedl^alb fte bereit tf^, baS ©egentl^eil ansunel^men, fobalb il^r @eelenfül^rer eS il^r fagt (»rt. 45); unb fie toiH nur noci§, toaä ®ott bewirft, bafe fte motte (Art. 17), SlUe Slcte ber ©eele finb in biefer l^eiligen qui6tude fo einfad^ unb gleid^« förmig, ba^ pe wie ein einjiger Slct erfd^einen. 2)ie ©eele empfängt von ®ott @inbrüdEe oerfd^iebener 3(rt, aber aUe iDerben ol^ne eigenes -^nter« ejfe l^ingenommen, S)ie in (Sott rul^enbe ©eele ift toie ein SBäaffer, meld^ei bie Silber ber oerfd^iebenften S)inge in fid^ aufnimmt, ol^ne baburd^ erregt ober oeränbert 3U toerben. Slud^ ba§ ®c6et ber in (Sott rui^cnben ©eele ift ein anbcreS, afö eS t)orbem mar, inbem fid^ biefelbe über il^r ®ehet gar feine Sled^enfd^aft ju geben oermag. ^i)x ®ebet ift eine „oraison passive, oraison de qui^tude^S h)ie il^re Kontemplation eine „contem- plation passive" getoorben ift. 3)iefeS fd^lie^t jebod^ nid^t au9, ba^ bie ©eele nad^ toie oor il^re getvol^nten älnbad^tSübungen oerrid^tet. Snier^ bingä bebarf fie berfelben nid^t mel^r; ba aber bie Unterlaffung ber ge« toöl^nlid^en änbad^tSübungen für bie auf ber nieberen ©tufe religiöfen Sebenä ftel^enben ©celen oerbcrbltd^ fein fönnte, fo l^at fie biefelben (iebodj ol^ne r^gle geoante) ju berrid^ten. (2lrt. 36.) 3)er ©ebraud^ ber l^eiligen ©d^rift unb anberer geiftlid^er Sudler ift, ba bie reine Siebe ber lauterfte unb unmittelbarfte Duett ber (Srfenntni^ ift, nur bann für bie* . felbe oorübergel^cnb nötl^ig, toenn biefeS innere Sid^t in il^r fid^ jeittoeilig tjerbunfelt.

2)ie Stulpe ber oottenbeten ©eele, toeld^e in bie reine unb birefte ^Kontemplation ®otted eingetreten ift, ift ioefentlid^ ^affioität. Unter berfelben ift nid^t ütoa bad älufl^ören jeber 2:i^ätig!eit beS freien 9BiDen8 3U Derftel^en. SSielmel^t übt bie ©eele im 3wftanbe ber reinen Siebe Döttig freie unb verbienftlid^e SBittenStl^ötigleiten auS, meldte ®ott be^ toirlt l^ot, nur entl^ält fid^ bie ©eele atter „actes empress^s et in- qoiets^'; burd^ tt>eld^e fie ettDa ber ®nabe suDorlommen unb eine um

393

tul^ige unb intercfftrtc Sorge an i^rcm ©cclenl^eil Betätigen ntöd^tc (Art. 29).

5Der paf jtcen Stulpe ber ©ccle, wcld^c burdj alle ©egcnfä^c l^tnburd^« gegangen unb 3U einer reinen unb unmittelbaren ßontemplation uorge« brungen tft, in ber fie für il^re Sejiel^ung ju (Sott feiner 38cmtittlung unb ©tü^e mel^r 6ebarf, entfprid^t bic ärt, in toeld^er baä göttlid^e SSSefen nunmel^r ju il^r in Sejiel^ung ftel^t. „3)ie reine unb birelte ßon« templation ift negatio, infofem fie fxä) freitoillig mit feinem finnlid^ maJ^r^ nel^mbaren Silbe, feinem unterfd^etbbaren unb nennbaren Segriffe Don ©Ott, mit feiner begränjten :3bee von ®ott befd^äftigt, fonbern über Stiles, wag begränjt, unterfd^ieben unb roal^mel^mbar ift, l^inauSgel^t, um nur in ber abftracten Sbce bc8 unbegränsten unb unbefd^ränften SBefenS ©otteS auä^urul^en. 35iefe Sbee (ber affgemeinen Sinl^eit affeS ©eins), obs tool^I t)on äffem toaS gebadet unb begriffen toerben fann, fe^r tjerfd^ieben, ift bod^ fe^r reeff unb pofitio. Slud^ l^inbert bie Sinfad^l^eit biefer Sbee, beren ÜBef cn rein immaterieff ift, unb nid^ts mit ben ©innen unb ber ®inbilbungSfraft 3U tl^un l^at, bie Kontemplation nid^t, fid^ äffe ein3elnen Attribute ©otteS als Dbjecte ju fe^en; benn bie SBefenl^eit ol^ne bie Slttribute toäre nid^t mel^r SBefenl^eit unb bie Sbee beS oofffommcnften SBefenS fd^Iicfet in i^rer Sinfad^l^eit aud^ bie unenblid^en SBofffommen* l^eiten biefeS SBefenS in fid^ ein. S)iefe ßontemplation l^inbert bal^er a\x(i^ bie ©ecle nid^t, auf perfd^iebene SBeife bie brei götllid^en ^Perfoncn ju betrad^ten ; benn eine Qbee, fo einfad^ fie aud^ fein mag, fann bod^ mel^rere oon einanber unterfd^tebene Dbjecte ber Setrad^tung barbieten, (ärt, 27).

Sie reine 6ontemp(ation rid^tet fid^ aber aud^ auf äffe SHnge, toeld^e überl^aupt ber reine ©laube i^r als Dbjject barbietet, nur ba^ affeS SReflectiren babei auSgefc^Ioffen ift; unb mennfd^on bie Slfte ber ßontem« plation, loeld^e fid^ unmittelbar auf ©Ott felbft bejiel^en, l^inftd^tüd^ i^reS DbjecteS bie oofffommeneren finb, fo finb bod^ bie auf fold^e Dbjecte, bie ©Ott uns barbietet unb mit benen mir unS infolge eines ®inbrudfS ber ©nabe befd^äftigen, gerid^teten 2Cfte nid^t roeniger rein unb nid^t toeniger oerbienftlid^ (Slrt. 27).

35ie pafpoe ßontemplation ^at bal^er aud^ eine beftimmte 2lnfd^auung von ber 9Kenf(^l^eit 3[efu unb oon aUm in il^r rul^enben ©el^cimniffen unb SSer« bienften. 3iebod^ befd^ftigt. fie fid^ mit berfelben nid^t mit Sleflejion unb SRaifonnement, um auS jebem ©el^eimni^ fjolgerungen abjuleiten, fonbern fie ift auf bie oerfd^iebenen Dbjefte, meldte fid^ il^r in ber 9Kenfd^l^eit 3efu barbieten, mit einer vue simple et amoureuse gerid^tet.

Sflur in atoei fjäffen ift bie ©eele beS SBlüeS auf ben ©rlöfer be«

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xanlt, nämßd^ in bem eben ern)ac^enben @ifer ber Kontemplation, in weld^em bie ©eelc, ol^ne jerftreut unb in bie frül^cre SKebitation surüi^ geworfen ju toerben, jtd^ nod^ nid^t mit unterfd^iebenen 3Infd^auungen ju Befaffen vtxma% unb bälget von i§rer Steigung jur inneren Sammlung ganj abforbirt ift ; unb fobann in ben Ie|ten unb f d^toerften ©rprobungen, unter benen ©Ott fie ba§ Dpfer il^rer ©eligleit barbringen Vx^t 3>a cntfd^toinbet ber Sriöfer ganj il^rem Surfe, ^m Uebrigen aber finb c5 gerabe bie t)on ber 9Rebitation jur ßontem^Iation l^inburd^gebrungencn unb in ber reinen Siebe am meiften geförberten (Seelen, toeld^e fid^ mit bem ©rlöfer am ©ifrigften befd^äftigen. ©ie reben unb oerlel^ren mit il^m, wie bie 33raut mit bem Sräutigam, unb öfters feigen fie in fid^ gdr nid^tS änbereS afö Ql^n. „%xeüx^ toirb ber ©rlöfer in bem fersen ber SSoß« enbeten ettva^ fo ^fttnerlid^eö, bajs fie fid& geroö^nen, il^n nid^t foniol^I ate ein i^nen äu^erlid^ gegenüberftel^enbeS Dbjcct als t)ielmel^r afö baS innere ^Princip il^reS eigenen SebenS angufel^en." (Slrt. 28).

©er paffioe ßl^aralter ber (Kontemplation fd^Iie^t bal^er nid^t anS, ba^ bie ©eele in berfelben alle älfte ber fides explicita üerrid^te; imb ebenfo loenig ift berfelben bie Hebung ber einzelnen 2^ugenben frentb. greilid^ eignet ber ©eele in il^rer SBottenbung eigentlid^ nur eine 2^ugenb, inbem fie fid^ fd^led^tl^in oon ber reinen Siebe beftimmen lä^t; aber in il^rer Slid^tung auf bie t)erfd^iebenen Dbjecte ftellt fid^ biefe eine Sugenb als eine gütte ber cerfd^iebenften S^ugenben bar, fo ba^ bie ©ccIe in il^rer ^Pafftuität, ol^ne auö il^rer ©infad^l^eit l^erau§3ugel^en, alle cinjelnen Sugenben auiSübt. 2)abei aber toiK fte nid^t bie Xugenb aU Sugenb, fie loitt bie 2iugenben nid^t, weil fie fd^ön ftnb unb ben SfJlenfd^en ßieren, fpnbem toeil fie von ©Ott getoottt finb, 2)ie in ber reinen Siebe Icbenbe ©eele -l^at ftd& t)on ber ©elbftfud^t befreit, nidjt um rein ju fein, unb fd^mürft fid^ mit 2:ugenben, nid^t um fd^ön ju fein, fonbem lebiglid^ um ben Sräutigam ju gefallen. 2)enn l^ätte berfelbe an ber ^Äfelid^feit ©e« fallen, fo loürbe fie biefelbe ebenfo lieben. ^Ran iann bal^er fagen, bafe bie ©eele in il^rer pafftoen Kontemplation bie Siebe nid^t afö il^re eigene S8off!ommen§eit unb SBol^Ifal^rt, fonbem nur barum miH, tocil ©Ott biefelbe mitt.

Stuf bie $öl^e il^rer SBottlommenl^eit gelangt bie ©eele jur Xxcm^^ formation unb äSereinigung mit ©ott (toeld^e bie SR^ftiler aud^ les uoces spirituelles nennen). S)iefe beftel^t barin, ba^ bie ©eele 1) ©ott allein um feiner f elbft toiHen ol^ne Vermittlung eineä interef ftrten 3Rotit>S Kebt ; ba^ fie 2) il^n ol^ne biScurftoe 9}erftanbe§operation beult, unb ba| fie 3) ©otteS äBiSen tl^ut ol^ne baju beftimmte Formeln }u gebraud^en

Sans an certain arrangement de formales). S)al^er gel^t bie SSereinigung

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®otte3 unb bet Seele im SBiQen ber leiteten burd^ bie reine Siebe t)0¥ ftd^ (ärt. 40—41).

Sn bicfem ©taube etfreut ftd^ bie ©eele oottlommener SReinl^eit, in» bem fie aBgefel^en t)on ben täglid^ Dorfommenben lö^lid^en ©tinben^ toeld^e bie UeBung ber Siebe fofort t)erf(i&toinbett mad^t, ol^ne allen ©(i^mu| ber ©ünbe ift, unb bal^er, ol^ne be§ ^egfeuerg nad^ bem Sobe 3U bebürfen, fofort in ben ©immel eingel^eu lann.*)

älud^ gelaugt bie ©eele burd^ il^r Seben tu ber retuen Siebe oft ju einer ®rleud^tuug, toeld^e bei ben ©elel^rteu ber Äird^e, beueu bie ®r^ fal^rung beS Suueren abgel^t, in ber Siegel t)ergebeuä gefud^t mirb. SDa^» burd^ mirb jebod^ bie ©eele nid^t ber 5PPid^t überl^oben, ftd^ ber Slutori* tat ber Äird^e Doffftäubig 3U untertoerfeu. **)

5IRit biefer §iutoetfuug auf bie Uuantaftbatleit ber lird^Iid^en Slutorität unb auf bie Sebeutung, toeld^e bemfclben für baS reltgiöfe Seben eignet, fd^Iie^t genelon bie ©jplication feiner SWaEimen, in beueu bie quietiftifd^e SKpftif aUerbingä t>on ben bei grau von ©upon u. 21. Dorlommenben

*) ^rt. 41: Elle (nantlid^ räme) est dans une parete entibre, c'est a dire Sans aucane soaillure de peche (excepte les pech z quotidiens, quo Texer- cice de l'amour peut effacer aussitot), et par consequent eile peat Sans passer par le Purgatolre entrer dans le ciel, ouil n'entre rien de soüille. Gar la concupiscence, qui demeure toujours en cette yie, n*est point incompatible avec cette entiere purete, puisqu 'eile n'est point un pecbe ni nne souillnre de l'ame.

**) S'i ^i»^^¥ ^^« 6d^IuJ bei8 ganjen SudJeS bübenben Conciusion de tous ces Artikles (@. 205—207) rccoj)iturirt gwelott bie »efentUd^ften ©ebanlen feiner Slbl^anblung in folgenber SEßeife:

La sainte indifference n'est que le desinteressement de Tamour. Les eprenves n'en sont que la purification, L*abandon n'est que son exercice dans les epreuves. La desappropriation des vertus n'est que le de- ponillement de toute complaisance, de toute consolation et de tout interet propre dans rexercice des vertus par le pur amour. Le retranchement de toute ac ti vi te n'est que le retranchement de toute inquietude et de tout empressement Interesse par le puramonr. Lacontemplation n'est que l'exercice simple de cet amour i'eduit a un seul motif, La contemplation passive n'est que la pure contemplation sans activit^ ou empressement. L'^tat passif n'exclut ni l'action reelle ni les actes successifs de la volonte ni la distinction sped- fique des vertus par rapport a leurs objets propres, mais seulement la simple activite ou inquietude interessee. C'est un exercice paisible de l'Oraison et des vertus, par le pur amour. La tr ansformation et l'union Ja plus essentielle ou immediate n'est que l'habitude de ce pur amour, qui fait lui seul tonte la vie int^rieure, et qui devient alors l'unique motif de tous les actes deliberez et m^ritoires; mais cet ^tat habituel n'est Jamals ni fixe ni invariable, ni inamissible* Yerus amor recti, comme dit saint Leon, habet in se apostolicas auctoritates et canonicas sanctiones. 3){it

biefen SBorten fd^Ue^t baiS SBud^ ah.

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Sltraoogonjen gefäubert unb in fi^ gell&tt erfd^etnt, in benen c&et bod^ eine Slnfd^ouung unb Seilte t)om SBSefcn bcr d^tifUid^en aSoHIommenl^eit unb von bem )u il^r fül^renben SESege bargelegt toirb, nad^ toeld^er bie @eftaltung beS Dodommenen (Sl^riflenlebend burd^au§ auf ftd^ felbft unb auf feiner unmittelbaren Segie^ung ju ®ott berul^t, fo ba^ bie lird^« lid^e Slutorität bemf elben in SBal^rl^eit ntel^r unb mel^r eine frembe Sluto^ rität toirb, ber e3 auf bem SOScge ber SRpftil innerlid^ enttoäd^ft.

gitetdtif^er Stampf tSoffuef « mit Sfettelon,

alte S3ojfuet baS Sud^ ?5eneIon*S auS ber $anb beS ^erjogS von SBeauoillierö empfangen unb burd^gefel^en l^atte, erfannte er eS fofort, ba^ er l^ier vox einem (Sreignife in ber Äird^e ftel^e, ju bem er bie redete Stettung crft nod^ geminnen muffe. (Sr blieb nod^ jtoei 3:age in SSer^ failleS, ol^ne jebod^ bei bem Äönig unb beffen Umgebung baä ©cringpe über baS ^nä) 3U äußern. SSon SSerfailleg begab er fid^ fobann nadji 5Pari§, mo er üierjel^n SCagc blieb, ba§ 93ud& forgfättig ftubirtc unb ftd^ JU bemfclben 5Rotijen mad^te. 2)a^ genelon'ä „TOajimcn ber ^eiligen'' mit ben Slrtifeln t)on Sffp in 2Biberfprud^ ftünben unb bafe biefer SBiber* fprud^ au6) Sebermann flar gemad^t toerben fönnte, toar i^m gan3 un- gtxjcif cl^aft ; *) aber f d^toer mar bie ?5rage, toie bem ^önig über genelon'S Äe^erei bie Äugen aufjutl^un toären, ol^ne bafe berfelbe gegen feine ganje fromme Umgebung unb fomit aud^ gegen i^n ben Sifd^of Don 3KeauE felbft, mit einem folgenfd^toeren Slrgtool^n unb 3Ki^trauen erfüllt toürbc. ^au von SKaintenon l^atte nämlid^, ma§ Soffuet red^t tool^I mu^te, vox bem Sönig aUeS baä, maS feit ben ßonferenjen von 3ff9 Dorgelommen mar, gel^eim gel^alten, inbem fie bie Hoffnung liegte,

*; SilamentKd^ toarcn e8 folßenbe SCrtüel bon 3ff^, mit benen Soffuet ba8 SBud^ (Jcnelon'g im 3Biberf^)rud^e fanb: Slrt. 5. „Tout chretien en tout etat, quoique non a tout moment, est oblige de vouloir, desirer, et demander explici- tement son salut eternel." SCrt. 9. „II n'est par permis a un chretien d'etre indifferent poar son salut.** älrt. 20. „II t\*j a point de traditions qui sont reconnaes par tonte TEglise, et dont l'autorite est decldee par le concile de Trente« La proposition contraire est erron^e, et les pretendues traditions apo- stoliques secr^tes seraient un piege ponr Jes fidMes, et un moyen dMntroduire toutes sortes de mauTaises doctrines.** Slrt. 81. „U ne faut point perxnettre anx ämes que Dien tient dans les epreuves, d^acquiescer a leur d'esespoir et damnation apparente.'*

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bie Oxalaten mürben il^re 3)ifferen}en unter {td^ fd^on beizulegen n)ijfen. SDotnit bal^er bie bem Aönig in aller Jtür}e über t^enelon'd S3u(i^ )u tnad^enben Eröffnungen benfelben nid^t ganj unt)or&ereitet träfen, mu^te nrit il^m planmäßig Derfal^ren werben, unb Soffuet raupte eS ber %xcai von 3Raintenon ol^ne BRül^e Hat }u mad^en, in toeld^er SBeife l^ierbei oor« äugelten fei.

S3of[uet l^atte feinen $lan, na^ roüäfem gegen ben Aönig operirt ioerben foQte, auf bie SBal^mel^mung be§ au^erorbentlid^en (Sinbruded gegrünbet, ben Senelon*^ SSud^, überall, too eS gefeiten würbe, fofort l^er« t)orrief.

diejenigen greunbe beS ®r3Bifd^ofS, toeld^e über bie bisl^erige ftittc Gontrouerfe beffelben mit Soffuet unterrid^tet toaren, fud^ten aHerbingS il^rer Umgebung bie SWeinung bcisubringen , ba^ eS fid^ l^ier nur um bie ben ürd^Iid^en @lauben gar nid^t berü^renbe ^age l^anbele, ob bie öoHfommene Siebe bie Hoffnung ber etoigen ©eligfeit einfd^Iie^e ober ob bie Don aller ©elbftfud^t gereinigte, toirllid^ unintercffirte Siebe oon bem ©ebanfen an bie l^immlifd^e @eligleit unabl^ängig unb frei fein mü^te. älUein eg toaren nur wenige, meldte bie @ad^e fo anjufel^en oermod^ten; bie gro^e SKenge aller 5Derer, toeld^e an ben religiöfen fragen ber 3^t tl^eilnal^men, fallen in bem S3ud^e beS bis bal^in fo ^od^gefeierten (&xp bifd^ofg tl^eite läd^erlid^e ^Träumereien, t^eifö offenbare Äe^ereien, über toeld^e in ^al^lreid^en publiciftifd^en äluglaffungen ol^ne @d^eu bet Btah gebrod^en tourbe.

3)al^cr begab fxä) sunäd^ft ber bamalige StaatSfecretär (nad^l^eriger Äonslcr t)on ^anlreid^) $err oon 5ßont ßl^artrain 3um Äönig, um ben« fclben pfKd^tmä^ig barauf aufmcrifam 3U mad^en, meldten SBiberfpVud^ fjenelon'ä Sud^ oon ben SKajimcn ber ^eiligen aller Drten l^erroorrufe.

©obann erfd^ien ber (Srjbifd^of oon SR^eimS in ben 3SerfaiIIer Äreifen, unb rebete laut, felbft im SBeifein be§ ÄönigS, baoon, ba^ biefe neuefte ©d^rift beS ßrjbifd^ofä oon ßambrai, über meldte fooiel gefprod^en werbe, ein von Äe^ereien ftro^enbeä unb barum oerbammlid^eS 3Jlad^werf fei.

©d^lie^Iid^ erfd^ien bann Soffuet felbft beim Äönig unb bat ben- felben um ©nabe bafür, ba^ er il^m ben e^anatiSmuS ^enelon'S (le fana- tisme de son confrere) nid^t frül^er aufgebest l^abe!

Äönig Subwig XIV. I^atte niemals ju genelon fonberlid^e S^ttt^iflwng gefül^It. 3)a8 ganje SBefen beS tief innerlid^en, ernften unb gegen fid^ felbft fo ftrengen 5ßriefterS War il^m nie f^mpatl^ifd^ gewefen; aber gegen bie Sled^tgläubigleit beS 5ßrälaten, bem er bie ßrjiel^ung beS (Srben feiner Ärone anoertraut l^atte, War nie in il^m ber geringfte S^^^ifcl erioad^t. SRit @ntfe^en l^örte bal^er je$t ber ^önig, toeld^er Xäufd^ung er fid^ l^in<

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gegeben ffdbe, inbem man tl^m ersäl^Ite, ba^ unter ben $auptem ber Ritä^e feines Äönigreid^eS ©Iretlfrogen ü6er bte Seigren ber Ättd^e aufge« taud^t toäten, ba^ einer bcrfetben aus ©offart unb ©tclleit einer in fRtm Bereits gerid^teten Äe^erei ftd^ in bic 9lmte geworfen l^aBe unb ba^ aus berfelBen für bie Sinl^eit unb Slul^e ber latl^oKf^en Äird^e granfreid^S bie größte GJefal^r' erroad^fen lönne. ©ofort ftanb bal^er fein ©ntfd^lu^ fcft, ben xf)m ol^nel^in längft roiberwärtig geworbenen Srjbifd^of t)Ott ßamBrai burd^ äffe i^m ju ©ebote ftel^enben 5DlitteI unfd^äblid^ ju mad^en; unb in ber Umgebung beS ÄSnigS i^örte man oIsBalb ben l§ol^nIad^cnbcn SDBiberl^aK beS ungelpöl^nlid^en Unmutiges, ben berfelBe üBer genclon lunbgaB.

fjenelon mürbe l^ieroon burd^ feine tJreunbe Benad^rid^tigt ; aber ber« felBe lonntc eS gar nid^t oerftel^en, toie eS möglid^ fei, bafe fein t)on il^m mit gutem ©etoiffen unb in befter SlBfid^t gefd^rieBeneS unb t)on fird^« lid^en SCutoritäten approBirteS 33ud^ öffentlid^c 9Ki^Biffigung finbcn fönne. (5r BegaB fid^ bal^er im Slnfange beS geBruor felBft nad^ SBerfaiffeS, wo er fid^ nun afferbingS überjeugen mu^te, ba^ bie Stimmung bcS §ofeS gegen il^n, toegen ber in feinem S3ud^e bargelegten fie^ereien, eine burdj« aus feinbfelige geworben mar.

©eltfamer SBeife mu^te er eS baBei aud^ toal^rnel^men, ba§ gerabe ein Baij beS Sud^eS, ber il^m feBft fremb mar, oon ben ©egnem als ermünfd^ter 2lnla^ Benu^t tourbe, um ben ganjen S^l^alt beS Sucres t)erbäd^tig ju mad^en. ®S mar biefeS eine Sleu^erung über bie uns mifffürlic^e Slngft ßl^rifti am Äreuje, meldte (fpäter unter ben t>on S^^o« cenj XII. oerlporfenen 23 ?ßropofitionen als 13. aufge3a]^lt) fo lautete: „La partie inf6rieur de Jesus-Christ sur la croix ne communiquait pas k la sup6rieure son trouble involuntaire." 2)iefcr ©a|

^atte fid^ afferbingS in ^enelon'S 3Ranufcript Bei bem SBcginn beS S)rudE8 als eine offenbar nad^träglid^ gemod^te SRanbBemerlung t)orgcfunben, toor a6er nid^t von genelon'S ^anb gefd^rieBen, unb bie SSeranttoor« tung bafür, ba^ fid^ ber ©a^ in bem Sud^e oorfanb, fiel lebiglid^ bem ^erjog oon ß^eoreufe ju, toeld^er ben 2)rudE beS 9JlanufcripteS Beforgt unb Beauffid^tigt l^atte* ^enelon gaB l^ierüBer in 38erfaiffeS bie beftinun« tefte 3luS!unft; inbem er 3ugleid^ gan3 unjmeibeutig erllärte, ba^ er ben fraglid^en ©a$ entfd^ieben oermerfe. Slffein berfelBe ftanb nun einmal in bem ^\x(i)e, unb bie %f)eolo^m beS ®rjbifd^ofS oon 5PariS fonnten j|e|t, mit Segugnal^me auf benfelBen, lül^len ^erjenS erllären, . ba^ ber Xejd beS SBud^eS mit ben in bemfclBen ftd^ T)orftnbenben 3i^^ömem il^nen nid^t t^orgelegen l^aBe, ba^ baffelBe bal^er aud^ nid^t in ber t>or< liegenben ©eftalt Don i^ncn approBirt toorben fei.

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%üx fjenelott Bcjonn jc^t eine fd&wcrc, forgcnöolle gett feines SeBenS, in weld^er betfelBe jebod^ bic ©tärfe feiner SrgeBung in ®ott unb ben unjerflfirBaten ^rieben feines ^erjenS in tounberfiarer SDSeife Beroäl^rte. 6r mu^te eS täglid^ l^ören unb fe^en, toie er cerläftert unb t)erfpottet tourbe, unb toie biejenigen, bie ftd^ einft feine tjfreunbe genannt l^atten, il^n nid^t mel^r fennen wollten;*) aber baS Sewu^tfein, ba^ er 5Rid^tS als bie SBal^rl^eit unb bie ßl^re ©otteS toolle unb gewottt l^abe, maäjte x^n ^x'6f)lxi) unb unoerjagt. (Serabe in biefer 3eit mu^te er eS erleben, ba^ eine geuerSbrunft feinen 5ßalaft mit atten (Serätl^fd^aften, Sudlern unb 5ßapieren Dernid^tete, toobei atte fme loftbaren 3Kanufcripte ju (Srunbc

*) ®iner ber toenigcn il^m treu geBliebenen grcunbc, ber 2lbbe Srifacier, fd^rieb bantalS anfSenelon: „UntröftrtdJ bin ic§, aKonfeigneur, tocgenaaeS beffen, toaS id^ täglt^ t)on beuten auS aUm ©tänben gegen baS ^ud^ fagen l^öre, baS gieren dlamm trögt, unb toeldJcS tnidj, fobalb id^ feinen Xitel unb 3h)etf, fotoie bie %vt, toie eS §erauS!am, lennen lernte, in bie größte SRiebergefd^Iagenl^eit öer^ fe^te, toeil idjf ginnen fo gang unb innig ergeben bin. 3)entt idj fal^ gleid^ bic fd^Ummen golgen borauS, bie eS für ©ie l^aben toirb; toenn man aud^ bon ber fd^arfen iSriti! über bie Seigre, bie eS entl^ält, toegfel^en toitt. HUcin ©djretfen toar nid^t grunbloS; toaS id^ befürdjtete, trifft täglid^ t)or meinen Slugen ein. 2)a idj biSl^er immer für einen il^rer treueften SSerel^rer galt; ba idj, el^egi^r ©ud^ l^er« auSfam, ©ie gegen aUe toiber 3^re ^erfon auSgeftreuten ®erüd^te immer reb^ lid^ bertl^eibigte, fo glauben nun öiele Seute, bie grage an midj tl^un ju bürfen, toie ©ie fid^ bod^- Ratten entfd^lie^en mögen, über eine fo bebenflidje Äaterie ju fd^reiben, unb toarum S^re beften ^reunbe ©ie nid^t babon abgelenft l^ätten? 3Wan mad^t ftd^ ein ©efd^äft barauS, mir eine 3Renge öon 2)ingen ju l^inter« bringen, bie idj fd^on ju meinem Kummer öon felbft bemerft §abe. 3Ran beridj« tet mir )oon allen ©eiten l^er unb x^ fel^e eS jum Xl^eil mit eigenen Slugen, ba| Prälaten, benen man fidler !eine Slbneigung jur Saft legen fann, fel^r öers nünftige (Seiftlidje, eifrige ©eelforger, gefd^itfte 2)octoren, SJorftel^er bon ^löftern unb 2Belt))riefter]^äufern, fel^r ad^tungStoürbige SBeltleute, toeld^e in geiftlid^en S)ingen fel^r betoanbert finb unb biS je^t ganj füt; ©ie eingenommen toaren, fid^ nid^t entl^alten !önnen, im ©el^eimen ober au6) laut ju fagen, ba^ ©ie in biefer &a^t toentge Slnl^änger l^aben; toie fid^ benn aud^ toirflid^ 9liemanb t)orfinbet, ber ©ie in ber gorm ober §auj)tfadje ju öerti^eibigen toagt. Ql^re beften greunbe ftnb, ol^ne es ©ie merfen gu laffen, bott ÄummerS barüber, baj ©ie fid^ auf eine öal^n getoagt l^aben, bon ber ©ie niemals toieber mit toal^rer Sufriebenl^eit. toürben ahix^im lönnen, ju beren Setretung ©ie aber audj !eineStoegS bie ©l^re ©otteS, bie babei leiben toirb, berbunben l^abe. 2)ieS, 3Ronfeigneur, ift baS bors läufige Urtl^eil beS ^ublüumS, toeld^eS id^ toiber meinen SBillen, too id^ nur gel^e ober ftel^e, l^ören muj. ©laubtoürbige 2inU, toeld^e am igofe toaren, bers fid^ern, ba§ man bafelbft ebenfo fel^r als ju ?ßariS aufgebrad^t ift, obtool^l man aus einem getoiffen 9lefj)e!t nod^ immer an fid^ l^ält unb ftc^ nur leife unb mit l^alben äßorten gegen einanber auSf^rid^t. S)iefeS ©epfter fann aber gar leidet JU einem lauten 2luSbrud^ toerben, unb gefdjiel^t biefeS, fo toirb man eS auS gar bielen ^rünben, namentlidj aber toegen ber l^ol^en ©tellung, bie ©ie in ber Äird^e unb im ©taate einnel^men, fel^r gu beflagen l^aben."

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.gingen, fjcnclon Befanb fid^ bamolä ^u 3SetfaittcS, wol^in il^m bcr 3[66e von Sangeron biefe S^tauerlunbe brad^te; aber in l^citerct Stulpe anltoortctc t^enelon: „(^d ift bod^ gut, ba^ ber ä3ranb nur mein ^au§ nr^ nid^t aud^ bie §ütte eines armen Säuern ergriffen l^at."

©d^limmer aber tourbe feine Situation, afö Soffuet, ber l^ert)ors ragenbfte Vertreter ber lird^lid^en Slutorität im ganjen Äönigreid^, in offener 5ßoIemiI gegen il^n J^eroortrat. S)iefeS gefd^al^, als SBöffuct feine ©d(|rift: Instructions sur les 6tats d'oraison oeröffentlid^te.

Soffuet l^atte an berfelben oolle ad^tjel^n SKonatc gearbeitet. 3n biefer Seit l^atte er fid^ in baS ©tubium ber älteren fotoie ber quietijiifcl^cn 3K9ftiI eifrigft oertieft. Unter ben festeren toaren eS bie ©d^riften ber 2^l^erefia oon SefuS, beS So^anneS t)om Äreuje, beS S^anj oon ©oleS, beS SKoIinoS, SJlalaoalS, ^alconis, SacombeS unb ber fjrau oon ©u^on, mit benen er fid^ befonberS befd^aftigt l^atte.

2luS biefem ©tubium, baS i^m frül^er ganj fem gelegen J)atte glaubte 33offuet t)iel gewonnen .ju l^aben. tlnerfd^ütterlid^ ftanb je|t in il^m bie Ueberjeugung feft, ba^ eS fid^ in feinem Äampfe mit genelon um nid^tS anbereS als um baS 6)^riftentl^um felbft l^anbelte. 3)enn in ber Seigre genelon'S unb ber biefem toal^lüertoanbten SK^ftifer crlannte er eine 3luffaffung beS d^riftlid^ reügiöfen SebenS, nad^ weld^er für baffelbe bie mittlerifd^e SBirIfamleit ßl^rifti fd^Iie^Iid^ alle Sebeutu.ng oerlor. Sfuf ben §öl^en ber ßontemplation fal^ er ben 9Jamen ßl^rifti gerabeju aus« gelöfd^t.*) SltterbingS tooHte er bie ßontemplation mit allem, u)aS bie Duietiften über bie 3Sernid^tigung ber ©eele unb über baS pafftoe §er= 3enSgebet leierten, gelten laffen, wenn bamit nur oorübergel^enbe S^tftänbe ber ©eele gemeint fein foHten. 3lad^ benfelBen aber muffe bie ©cele ju ben lird^Iid^en Sllten beS ©laubenS unb ber Slnbad^t 3urütffel^ren. SCu^er- bem fal^ er in ber quietiftifd^en SKpftil nad^ allen ©eiten l^in bie bebenl- lid^ften Serirrungen. 35en c^riftlid^en ©otteSbegriff inSbefonbere fanb er in eine platonifd^c ©otteSibee, in bie Qbee eines oottfommenen, abfoluten ©otteS ol^ne etl^ifd^eS Seben umgefe^t.**)

*) ©»Jäter, in feiner Slntioort auf bie 4 aSricfe gcnclon'S l^&It Söoffuet bem^

fetben fel^r fd^arf t)Or: Osez vous nier selon vos principes, qae pour exercer le pur amour, que vous nous vantez, il ne faille aimer, comme si Ton etait Sans redemptioD, sans Sauvear, sans Christ, et protester hautement, que quand tout cela ne serait pas, et qu'on oublierait encore la providence, la bonte, la misericorde de Dieu, on ne Taimerait ni plus ni moins?

*♦) SBoffuct faßt \p'dUv in feiner Slnttoort auf bie 4 »riefe genelon'S: Une

religion qui se bornerait a ne contempler Dien que sous le rapport de sa toute perfection, sans 1 'invoquer sous le rapport de sa toute bonte, ne serait plus le christianisme; ce ne serait meme pas une religion» ce ne serait qu'une sorte de Platonisme theologique.

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SDer ®eban!e einet Siebe ju @ott ol^ne bad SSevIongen ber @eßg« feit in ®ott tl^eill^aftig 3U toerben, erfd^ien il^m ganj monfttöS*), unb t»a3 gfalconi unb 5KoIino3 Don bem einmaligen, untoieberl^oIBaren Sllte beö OlauBenS an ®ott fprad^en, ber in bie ©toigfeit l^ineinreid^en fottte, fd^ien xf)m nid^tS anbered ate eine SSertoed^felung beiS 3)ieffeitd unb ^en* feits ju fein, inbem unter ben S^^^^^^^^i^^ '^^^ irbifd^en SebenS ein fold^er Seelen juftanb gar niii^t ate möglid^ gebadet toerben fönnte**).

aSon biefen ©ebanfen auS l^atte Soffuet feine ©d^rift tjerfa^t. 3)ie« fette follte eigenllid^ nur ber erfte 3ll^eil eines t)iel toeitfd^id^tiger ange« legten SBerfeS fein; aKein bie S^t unb bie Umftänbe brängten jur aSer* öffentlid^ung. ®r überfanbte ba§ 3Ranuffript am 27. 3Kärj 1697 bem tpapfte, ber il^m unter bem 6. ?IRai in fel^r anerlennenben SluSbrüdfen antwortete.***) SltterbingS mal^nte ber ©rjbifd^of Don 5ßariS vox einer aIl3U eiligen SSeröffentlic^ung ber ©d^rift ai, ertl^eilte aber bod^ ber Slb^ l^anblung feine älpprobation. 2)a§ le^tere tl^at aud^ ber SSifd^of von ©l^artreS. Qnbem fid^ bal^er Soffuet uon bem S3elannth)erben biefer aller« bing§ mit großem gleiße ausgearbeiteten, jebod^ in il^ren SRcferatcn leineSloegS juocriäfftgen Sd^rift einen entfd^cibenben (Srfolg ocrfprad^, fo Keß er biefelbe im änfang beS ©ommcrS 1697 unter bem Sitel: In- struction sur les etats d^oraison, sont exposees les erreurs des faox Mjstiqaes. Avec les Actes de leur condamnation mit bem

S3riefe beS 5ßapfteS unb ben Slpprobationen beS (grjbifd^ofS oon 5ßariS unb bcS Sifd^ofS oon ß^artreS im 3)rud! erfd^einen.

S3offuct l^atte eS fid^ 3ur äCufgabe gemad^t in feiner (sel^n Sudler umfaffenben) äb^anblung bie ©jtraoaganjen ber älteren ^Jl^ftif nad^^umeifen, bie ber Serid^tigung bebürften. biefem 3^^*^ ä^g er iebpd^ nur f old^e ?IR9ftiIer an , tocld^e oon ber Äird^e nid^t lanonijtrt morben tooren. a)ie ajl^ftil einer 2:^erefia oon S^fuS, eines S^i^anneS oom Äreuje unb e5ran3 oon ©aleS fud^te er als oöttig red^tgläubig ,^u red^tfertigen. 3)ie ©d^riften, mit beren SEBiberlegung er ftd^ ^auptfäd^lid^ befaßte, toaren bie ieS aJioIinoS, gjlataoal'S, ber grau oon ®u9on unb galconi'S.

Sr erlannte eS an, baß bie Siebe eS fei, toeld^e bem d^riftlid&en Seben 35eftanb unb ß^arafter gäbe, benn burd^ bie Siebe tocrbe ber 3Renfd^ gered^tfertigt. aber babei betonte er gegen genelon, baß biefe red^tfertigenbe Siebe beS (S^riften nur als eine SBirlung ber in bem

*) ®benbafelbft En effet il n'est pas plus possible ä la chariti de n' avolr pas le desir de jouir de Dieu qu' a la nature de ne pas Touloir etre heureuse continnellement en toat acte et sous interruptioü.

**) Instruction sur les etats d'oraison I, 12—24: Tout acte (biefeS trbifdjm SebenS) est passager de soi; un acte perpetuel est un act de Tautre vie.

***) 2)ic »riefe öoffuet'S unb beS ^a))fte8 f. bei ^^tUp p^auh I, @. 234—237 ^tppt, sß^ftü. 26

402

6rlöfung3it>erle 3efu S^rifH tnanifeftirten Siebe ®otted gebatikt toerbeit Knne (,,Saf[et unS 3^^^ lieben, benn 6r l^ot un§ juerft geliebt"); «ni^ boneben lie^ Soffuet burd^ aDe feine 9(u3fül^rungen ben emften ©ebonfen l^inburd^fUngen, ba^ er befürd^ten muffe, f^enelon tooSe bie Sinigttng ber gläubigen Seelen mit @ott auf il^rer ^öd^ften Stufe von jebem toirlli^^ gufammenl^ang mit bem ©rlöfungStoerfe gcfu ß^rifti ablöfen. 3)abet l^atte Soffuet aud^ bie @d|riften ber %xau Don ©upon berüdEjtd^tigt unb l^atte (jebod^ ol^ne über bie 5ßerfon ber 35erfafferin ein Urtl^eil 3U fällen) ja§t reid^e Stellen au^ benfelben l^ert)orgel^oben, um biefe aU bebenflid^ ober »erroerflid^ nad^jutoeifen.

SSoffuet'd Sd^rift toar laum erfd^ienen, alg bie öffentliche SReinung in f^anlreid^ biefelbe al3 einen glänsenben Sieg be3 geleierten ^ird^en- fürften über ben betl^örten (Srjbifd^of oon Sombrai Derl^errlid^te. Slbet im 'Äreife ber S^fuiten tou^te man gar rool^l einjufel^en, bd^ ein Sieg über genelon bem ^ntercffe ber Äird^e fel^r toenig frommen lönnc. S)aieer l^atte ber $ater la Sl^aife fd^on unmittelbar nad^ bem (Srfd^einen ,,ber 9Ka^men ber ^eiligen" bei Sojfuet ben 3Serfud^ gemad^t, ein offenes 3ertoürfniB ixoi^^m biefem unb genelon ju oerl^inbem; unb Sojfuet l^atte il^m ba§ Serfpred^en gegeben, ba^ er genelon, „als feinem ocr* trauteften fjreunbe," bejüglid^ ber ,^9Rajimen ber ^eiligen" feine Se^ merlungen freunbfd^aftlid^ mittl^eilen wollte, ^enelon l^atte bal^er gel^offt^ l^ierburd^ eine fcl^r enoünfd^te ©elegenl^eit ju feiner grünblid^ften Sfled^t« fertigung 3U erl^alten. Slllcin bie Sad^e geftaltete fid^ anberS.

Siemlid^ um biefelbe 3^it l^atte fjenclon an §rau oon SJlaintcnon baS ©rfud^en gerid^tet, i^m in il^rem Seif ein eine Sefpred^ung mit bem ©rjbifd^of oon 5Pari§ ju geftatten. 3)iefe Sitte ju genel^migen, toar %xa\t oon 3Kaintenon um fo bereitwilliger, als fic raupte, ba| bie SScröff ent* lid^ung ber „5IBajimen ber ^eiligen" mit (Sutl^ei^cn ber (Srjbifd^ofS oon SloailleS erfolgt toar. ®a8 gcroünfd^te ©efpräd^ fanb bal^er in ben legten 5£agen bc3 Februar 1697 ju St. &r)x ftatt. 2lu^er grau oon 50laintenon mol^nte aud^ ber §erjog oon ß^eoreufe bemfclben bei. Siatürlid^ loar bie Sage beS (Sr^bifd^ofS oon ^JJariS eine peinlid^e. genelon rid^tete an x^n eine gan3e Sfleil^e oon fjragen, toeld^e ftd^ auf bie ©ntfte^ung, ^Prüfung unb aSeröffentlid^ung feines Sud^eS bejogen, unb SRoailleS mu^te notl^« gebrungen anerlennen, ba^ ba§ 3Ranuffript beS S3ud^S oon il^m approbirt toorben fei unb bafe alle über bie (Sntftcl^ung beffelbcn in Umlauf ge^ fehlen ©ertid^te auf Untoal^rl^eit bcrul^tcn. genclon erflärte bal^er, bo^ er fein Sud^ einer nod^maligcn ^ßrüfung, jebod^ nur bejüglid^ ber grag«,. ob baffelbe cenfurioürbig fei, gern unterloerfen tooHe, bei toeld^er ^Prüfung er fid^ inbeffen bie SDlittoirfung Soffuet'S oerbitten

403

tnüffe. 3l\ix bie Semerlungen über baS 33ud^, tDeld^e 93offuet il^m Dct« •fptod^en l^abe, bürften baBei Sertiiftd^tigung finbcn.

3)er Srjbifd^of t)on $ari8 gcnel^migtc btcfen SSorfd^lag" o^ne SGBei^ iereS, inbem il^m SllIcS batan lag, bcr il^m fo läfttgcn SSerl^anb* lung ein (Snbc 3U mad^cn. 3m Saufe beS SWärj überfanbte bal^er genelon bemfelben eine präeifere Darlegung ber SBebingungen, unter benen er in eine nod^malige 5|Srüfung feines 95ud^e8 einwillige, unb ertoartete beffen 3lüdfanth)ort. ©iefe jebod^ blieb aup, inbem Soffuet von bem ^ßrojeftc ^enelon'ö, nac^ toeld^em er von ber (Sriebigung einer fo l^od^roid^tigen fird^Iid^en ^age fern gel^alten toerben fottte, *gel§ört unb bal^er fofort baS (geeignete getl^an l^atte, um ^Jenelon'S ^lan ju burd^Ireujen unb fid^ vox Slttem beä fd^toanfenben ®rjbifd^of§ von 5ßari3 toieber ju cerfid^em.

S)urd^ rafd^eS unb energifd^eS 3Sorgel^en befd^lo^ je^t Soffuet ber SDiScufpon über geneIon*§ 33ud^ eine fold^e SBenbung 3U geben, ba^ er ein für allemal bie (Sntfd^eibung in feine §anb brad^te unb baburd^ $err ber (Situation toarb. ©tatt bal^er bie in SluSfid^t geftettten Semerlungen über bie „5Kajimen ber ©eiligen" nad^ ßambrai 3U fd^iden, fonbte er fie ben Sifd^öfen von $ariS unb ß^artreS ju, l^ielt benfelben bie l^ol^e Sffiid^tigs ieit ber Slngelegenl^eit nod^mafe vox unb forberte fie auf, fid^ mit il^m JU regelmäßigen ßonferenjen über bie eingefanbten Semerfungen ju ©er« einigen.

35er Sifd^of t)on ßl^artreS ging bereittüilligft auf Soffuet*§ SBorfd^Iag ein unb ber ßrjbifd^of t)on ^Pariä begrüßte benfelben nod^ freubiger, in« bem er frol§ n)ar, fid^ femerl^in in biefer leibigen Sad^e mit 95offuet'ä 9iamen bedEen ju lönnen.

S)ie 6onferen3en, an benen außer ben brei 5ßrälaten aud^ bie ©eift« lid^en Seaufort unb $irot %f)eH nal^men-, mürben im Slpril 1696 im erj« bifd^öflid^en ^alaft ju 5ßariS eröffnet, 2)iefelben jogen fid^ burd^ mel^rere SKonate l^in, inbem man toöd^entlid^ brei ober viermal (oon 3—6 U§r 3lad^« mittags) 3ufammenlam. 3)a§ ©rgebniß ber langen SSerl^anblungen toar bie geftfteHung einer t)on Soffuet entworfenen 2)enlfd^rift über bie „SKajimen ber ©eiligen", in meld^er bie brei Sifd^öfe fJolgenbeS er« Härten: S)a fie nid^t gewillt toären, fid^ burd^ ©d^meigen il^rer Suftimmung 3U ber argen ßel^re ?5enelon*S oerbäd^tig ju mad^en unb al§ 3Serrätl^er iJ^reS^SlmteS 3U erfd^einen, fo erad^teten fie ftd^ Derpflid^tet, fid^ über ^Jene« Ion*S ©d^rift „2luSlegung ber SjJla^imen ber ©eiligen" öffentlid^ auS3Us fpred^en. S)a§ Sud^ entl^alte nämlid^ 48 ©ä^e, 3U benen man nid^t fd^meigen bürfe, inbem biefelben tl^eils mirflid^e ^xxUf)xen auSfprad^en tl^eilS fo befd^affen toären, baß fte gegen ben reinen ©lauben anftießen unb 3um QuietiSmuS, 3U abfd^eulid^en (Sreuetn unb ju empörenbcn

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404

fSfoIgentngen »crlcitcten, bic jroar bcr SBetf affer nid^t jugäbc, beten ^Pmjq) er aBer aufgefteKt l^abe. ^enelon Berufe fxä) auf ^ott} vtm @aled; aQein 10 ober 12 @ä$e l^aBe er bemfelBen tl^eite untergef droben, tl^eilg in arger SSerftümntclung unb toittfürlid^cr äuälegung auS befjen ©d^riftcn angezogen. 2)a§ S3ud^ fei von älnfang ii^ ju @nbe nid^tö anbered ald eine oerbedte unb barum l^öd^ft oerfül^rerifc^e unb oerbamntUd^e älpologie beg QuietiSmuS.

Sluf Srfud^en SBoffuet'S überfanbte nun ber ©rjbifd^of oon ?PartS bie ©enlfd^rift 5unäd^ft an fjenelon, ber mit Seftürjung erfal^, tocidifen ©d^ad^jug ber Sifd^of oon SReauj gegen fein mit bem ®rjbifd^of »on !RoaiIle3 vereinbartet ^rojeft auSgefül^rt l^atte. 2)ie ^l^atfad^e log oor, baj5 bie Prälaten über il^n ju ©eric^t gefeffen unb il^n ber Äe^erei fd^uUng erflärt l^atten. ©aneben entl^ielt bie 3)enffd&rift mieberl^olte Betreuerungen ber freunbfd^aftlid^ften, innigften Siebe ber Sßerf affer ju fjenelon, bie oft mitten unter ben ©rgüffen beS jommütl^igften ßiferS Dorfamen. ®erabe über biefc Setl^eurungen empfanb fjenelon ben ticfften ©d^merj.

ttebrigenS entfd^Io^ fid^ genelon fofort, ben ?PraftiIcn Soffuet'S eben* falls mit einem fül^ncn ©d^ad^jug ju begegnen. Soffuet unb bie beibcn anberen Prälaten l^atten fid^ ganj foiUIürlid^ unb nniefu^t }vl 9lid^tetn über il^n aufgelvorfen. Um biefe Slnma^ung oöHig untoirifam 5U mad^en, befd^lo^ er bal^er im guten ©lauben an feine untabelige Sled^tgläubigfctt, an feinen toirllid^en, canonifd^en Slid^ter, an ben ^Papft, Berufung etugu« legen unb biefem fein 33ud^ ju ^Prüfung unb Stburtl^cilung ju unterbreiten Senelon tl^at aud^ toirlfid^ biefen ©d^ritt in ben le|ten 3lagen beS Slpril 1697, nid^t ol^ne SSortüiffen beS ÄönigS, bem er jugleid^ eine 6of>ie feines ©d^reibenS, ioeld^eS er an ben ^ßapft gelangen laffen tooffte, über* fanbtc. Sn biefem ©d^reiben*) l^atte fjenelon über alle ©teilen beS Sud^cS, bie il^m 3um SSortourf gemad^t toaren, fel^r forgfältig ausgearbeitete ©rläuterungcn gegeben.

hiermit ioar nun allerbingS bie Sage ber Singe urplö^lid^ eine gan3 anbcre getüorben. Soffuet fal^ bie ßognition beS oerl^a^ten Sud^eS feinet 2lutorität mit ®inem 5Kale enttounben, unb oHe brei Sifd^öfe fallen jtdj ju vorläufigem ©d^toeigen oerurt^eilt, IvaS im ©runbe ben Sifd^öfen von $aris unb (Sl^artreS (namentlid^ bem erfteren) red^t lieb, aber bem Sifd^of von 5Dleau5 unerträglid^ toar. 5Rur in einem einzigen %aUe lonttte Soffuet l^offen, bie il^m entzogene Slngelegenl^eit ivieber in feine ©eroalt ju bringen, \omn fxi) nämlid^ fjenelon, bevor bie tlnterfud^ung beS Sud^eä

*) 2)a8 ©d^reiBen gcnelon'S an bm ^a^ft (batirt t>om 27. 2C>)rtC 1697) f. im lateinifdjm Driginattcgt Bei «ß^ilijjeauj, I, @. 239—243.

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m Stom il^ten älnf ang nal^m, frein)illig bagu l^etBeilteft, mit il^m unb ben üttbcrcn ^Prälaten über fein SSud^ ju confcrircn. (Siligft möd&te et ballet aKen breien S3if(i^öfett bcgfattä bte bringenbften Sorfd^läge. genelon lel^nte biefelben jjebod^ iurjer ^anb ab, unb anä) bte beiben anbeten Prälaten trugen Sebenlen, fxi) nod^mafö mit SSoffuet in biefe il^nen fo fatale ©aii^e einjulaffen. 2lber jomenlbrannt rief il^nen SBoffuet bricflidj ju: ,,3ll^uen ©ic, n)aS ©ie toollen; x^ aber erlläre Sinnen, ba^ id^ gegen Srrti^ümer^ bie Qi^ncn nid^t unbefannt finb, meine ©timme bi§ jum $immel erl^eben toerbe. gd^ toetbe bartiber ju 9lom, ja t)or bem ganjen ©rb* Ireiä Älage fül^ren; unb nie fott man fagen fönnen, ba^ bie ©ad^e ©ottcS. vtm mir fei feige l^intangefe^t morben. ©ottte id^ aud^ ganj atteih bleiben/ fo toerbe id^ mid^ berfelben bennod^ annel^men."

Slbermate beugten fid& je^t bie beiben Prälaten vor bem brol^enben ßmfte be§ Sifd^ofä mn SWeauj. inbem jie fid^ bereit erllärten, toenn ^enelon für baS ^rojeft gewonnen toerben lönnte, fid^ an ben in 2lu3s fid^t genommenen ßonferenjen ju betliciligen; unb aud^ ^enelon entfd^Iofe fid^, einer nod^mals an il^n ergangenen 2tufforberung gegenüber einen ©d^ritt beS ßntgegenlommenS ju tl^un, inbem er für feine Set^eiligung an benSSerl^anblungenfoIgenbe Sebingungenftellte: 1) ju ben ßonferenjcn fofften aud^ bie S^^eologen beS (Srjbifd^ofö oon $ariS ]^in3uge,^ogen toerben; 2) bei ben SScrl^anblungen fottte ein 3JlitgIieb ber ©onferenj nad^ bem onberen baS Sffiort l^aben unb alte ^agen unb STnttoorten fofften genau protofoffirt toerben; 3) SBoffuet foffte an biefen ßonferenjen nid^t etma SSeranlaffung nel^men fid^ jum ßenfor beS SSud^eS über bie SfRajimen ber ^eiligen auftoerfen ju txjoffen, inbem bie ^Prüfung beS Sud^eS bem (Srj« bifd^of t)on ?ßari§ unb ben ©eiftlid^en SJronfon unb ?pirot ju überlaffen fei.

Soffuet foffte alfo auf ben (Sonferenjen nid^t ba§ 3Bort fül^ren, nid^t bie .entf d^eibenbe ©timme l^aben ; »ielmel^r foffte er fein Urtl^eil ben ber übrigen 6onferen3mitglieber unterorbnen. 6in foId^eS Slnfinnen l^atte er nid^t erwartet. 2)a^er erllärte er, ba^, menn man biefe Sebingungen genel^migen tooffte, bie ßonferenjen ganj jtoedttoS fein mürben unb brad^ äffe 93er|^anblungen mit genelon ai.

2)ic brei Sifd^öfe festen nun ben ganjen 3Ronat ^nlx l^inburd^ il^re frül^eren ßonferen^en fort, um mit il^rer SJedaration eine nod^malige Ueberarbeitung oorjunel^men, biä biefelbe enblid^ befinitio rebigirt mar. am 6. aiuguft 1697 tpurbe fte Don äffen ®reien unterjeid^nct unb als« balb bem päpftlid^en 3luntiu§ 35e[pl^ini jur Seförberung an ben f). ©tul^I übergeben. fjür ben Äönig l^atte Soffuet bereits eine franjöfifd^e Ueberfe^ung beS lateinifd^en S^ejteS ber 2)ecIaration ausgearbeitet, meldte biefem ebenfaffs fofort bel^änbigt toarb.

406

^enclon l^atte fd^on frül^er t)on bcm DorauSftd^tltd^cn ®tgebni^ ber Eott- fcrcnjcn gcl^ört unb toax ballet entfd^Ioffcn ftd^ felBft nad^ 9lom ju Begeben unb bort perfönlid^ feine ©ad^c ju fül^ren, n)e§]^a[B er ben Sönig erfud^t l^atte, tl^m 3U einer SReife nad^ 9lom ben erforbertid^en Urlaub 3U ert^eilen,

aber n)ie ein toilbeS, t)erl^eerenbe§ SBetter fal^ je^t ^enelon ben 3orn be§ ÄöntgS gegen ftd^ l^ereinbred&en. 2lm 1. a[uguft*1697 crl^ielt er JU SSerfailleS Don bem ^erjog von S3eaut)illierg bie fd^riftlid^e SJBcifung be§ ÄöntgS bel^änbigt. ^n berfelben tourbe il^m eröffnet, ber ^önig ^ttlle CS nid^t für jroedfbienlid^ , i^m ben nad^gefud^ten Urlaub ju einer Steife nad^ SRom ju geben; »ielmel^r befel^Ie er i^m, fid^ in fein SiSt^um ju begeben unb »erbiete il^m, fid^ au^ bemfelben ju entfernen. Slud^ toetbe x^m l^iermit befolgten , fid^ auf feiner Steife nad^ ßambrai in ?Pari§ mi^i länger aufjul^alten, al§ eS jur (Sriebigung feiner ©efd^äfte burd^auS erfotJ berlid^ fei, SBaö er in 9lom jur SSertl^eibigung feines 93ud^e3 votyn- Bringen l^abe, möge er fd^riftlid^ bal^in gelangen laffen.

' ^enelon fal^ fid^ alfo nunmel^r ©ont §ofe t)erbannt unb in feine SDiöcefe t)crn)iefen. ©d^Ieunigft jog bal^er berfelbe von SSerfaiffeS ab unb eilte nad^ ßambrai, too il^n bie 33ürgerfd§aft mit ganj ungeroöl^nlid^em Subel begrüßte, ^enefon freute fid^ biefeä SetDeifeS treuer ©rgeben^eit unb 3Serel^rung, ben er t)on bem SSoße feiner SRefibenj empfing; aber tief beugte il^n eine lurj barauf Don @t. G^r an il^n gelangenbe ^tai^- rid^t, nad^ toeld^er ftd^ ber Äönig in l^öd^ft eigener- ^ßerfon in ba§ bafige ©tift begeben, l^ier bie vox x^m t)erfammelten 2)amen angefprod^en, i^nen feinen Untoitten über il^re 5Parteinal^me für ^rau Don ®ut)on unb über ien unter il^nen l^errfd^enben QuietiSmuS lunbgegeben unb bret 9lonnen aus bem Älofter auSgetoiefen l^atte.

Unter ben SluSgetoiefenen befanb fid^ aud^ bie %xan von 9Raifonfort, toeld^e als befonbere SSergünftigung bie ®rlaubnife erl^alten l^atte, fid^ bie SDiöcefe, in ber fte fernerl^in leben n)onte, felbft m tüäl^Ien 2)ie fluge 2)ame toäl^Ite fid^, um fid^ gegen fernere Seläftigung feitenS Soffuct'S ju ftd^ern bie S)iöcefe 3Keauj. 2lud^ jeigte eS ftd^, als ^rau von 5IRaifonfort ftd& in bie 2)iöcefe Soffuct'S begeben unb unter beffen ©eelcn- fül^rung geftefft l^atte, bafe bie Sered^nung berfelben »ottfommen rid^tig xvax, 2)ie fromme Älofterfrau tnar je^t unfd;äbKd^ gemad^t, unb barum toenbete il^r Soffuet nid^t nur bie freunblid^fte fjürforge 3U, fonbern Ke^ CS aud^ gefd^el^en, ba^ fie il^re Slnbad^tSübungen ganj in ber il^r t)on tJenelon t)orgefd^riebenen SBetfe unb mit ben il^r t)on bemfelben ancm« pfol^Ienen (SrbauungSfd^riften fortfül^rte.

Sine biefe SKaa^nal^men maren übrigens, toaS genelon fel^r too^I TOufete, nid^ts anbereS als S5offuet*S SEBerf, ber fid^ »orgönommen l^attc,

407

<iuf äffen nur erbenlKci^en äBegcn unb burd^ aUe x^vx jur SScrfüöung ftcl^enben 9RitteI bic ^Berufung genclon'ä an bie Slutorität bc§ 5ßapfteg (ttjoburd^ fid^ biefcr bcr ßognition S3offuct'§ unb ber anbeten 5ßtälaten . ent3ogen l^atte) ju beffcn fid^erftem SSerberben tüerbcn ju laffen. 3u btefem StoedEe wu^te breietlei gefd^el^en: t)or Slffem mu^te Soffuet in SRom juDcrläffige SBerfjeuge l^aben, um burd^ bicfe Bei ber römifd^en .Rurie 3U genelon'ä 3tad^tl^eil mad^iniren. 3U lönnen; fobann mu^te ber ^önig üeranla^t werben, bcr Äurie feinen entfd^iebenften Unroiffen über genelon lunb ju geben unb bie ^Prüfung unb älburll^eilung ber ©d^rift beffelBen ju forbem, unb enblid^ mu^te ber römifd^en Äurie ge3eigt loerben, ba^ unter ben l^erworragenben ©pi|en ber fran3öjtfd^en §ierard^ie genelon bereits als Äe^er gelte, b. 1^. Soffuet unb bie beiben anberen iPrälaten mußten je^t, roaS nod^ nid^t gefd^el^en n)or, 3um offenen Äampfe gegen benfelben tjorgel^en.

2)ie nötfjigen SBerfjeuge für feine S^triguen in 9lom l^atte Soffuet Bereits. SBegen einer Slngelegenl^eit, bie mit tJ^uelon'S Sad^e in gar feinem S^f^'^^^'^'^^^Öß f^^nb, l^ielten fid§ bamals ber 21BB6 Soffuet, ein Sleffe beS SSifd^ofS (ber fpäterl^in Sifd^of Don 3^ropeS toaxV), unb bejfen frül^erer Seigrer, ber 21BB6 5p]^elippeauj, fd^on feit einem Saläre in 3lom auf. Seibe maren eben im Segriff, nad^ gefd^el^ener ©rlebtgung il^rer ©efd^äfte, in bie §eimatl^ jurüdtjufe^ren, als ein ©d^reiBen Soffuet'S Bei il^nen einlief, in toeld^em il§nen berfelBe Befafjl, il^re SlBreife Don Slom auf unBeftimmte ^ext ju t)erfd^ieBen unb äffe il^nen offen ftel^enben SBege }ur ^erbeifül^rung eines baS 33ud^ fJenelon'S certnerfenben Urtl^eilS 3U Benu^en. 3)ie Beiben, in SRcinfen unb ^ntriguen fd^on mol^I erfal^renen ©eiftlid^en Begannen nun fofort mit einer 2^üdfe unb SoSl^eit 3U operiren, burd^ tüeld^e fie Soffuet felbft nod^ iueit üBer bie ©renjlinien * äußeren SlnftanbeS unb guten ©d^eineS, toeld^e biefer gern gemalert l^tte, l^inauSriffen.

50lit Subraig XIV. lam Soffuet leidet jum QxeU. ©d^on am 26. Qluli 1697 (6' 2^age Dor ber Sertoeifung ^enelon'S) l^atte berfelBe eigenl^änbig ein t)on Soffuet concipirteS ©d^reiben an ben ^apft S^no« jen3 XII. gerid^tet, worin baS S3ud^ beS ®rjBif(|ofS t)on EamBrai als ein fel^r BöfeS unb gefäl^rlid^eS Sud^ 6e3eid^net mar, tueld^eS Bereits t)on Sifd^öfen unb oon einer großen Slnsal^l geleierter S)octoren unb einftd^tS* t)offer SReligiofen tjertoorfen toorben fei. 6S mar nod^ iein3ugefügt, ba^ bie t)on Befagtem @r3Bifdeof gegeBenen „ßrläuterungen" leineStoegS als genügenb gelten lönntcn, unb ba^ ber Äönig feine ganje SRod^t aufbieten iüürbe, um bie bemnäd^ftige ©ntfd^eibung beS l^eiligen ©tui^leS im gan3en 3leid^e jur ©eltung 3U Bringen.

älud^ bie Sifdjöfc t>on 5ßariS unb Gl^artreS l^atte Soffuet Bereits in

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baS nötige f^a^noaffer gebrad^t. S)enn nad^bem biefeKen bie 3)ecIaratioit Dom 6. 3(uguft 1697 unterzeichnet unb bem päpftUd^en 9tuntiuS übergeben^ l^otten jte bie $tüd(e leintet ftd^ abgebrod^en. ^nbeffen genügte biefed Soffuet nod^ nid^t; ei$ mu^te aud^ öffentlid^ unb perfönlid^ gegen ^enelon t)ot« gegangen h>etben. SDer erfte @d^titt l^ierju, n)oburd^ ber fatl^oHfd^ett Sßelt ^anfreid^S baS ©d^aufptel eines unter ben angefel^enften franj5« fifd^en S3tfd^6fen auägebrod^enen $aber3 unoerJ^üKt gegeben n^erben foUte^ ^otte freiließ fein Sebenllid^eS, toeSl^alb Soffuet ratl^fam fanb, biefcti erften ©d^ritt unter bem 2)€dEmanteI ber SCnonpmitöt ju tl^un,

^enelon l^atte in einem @d^reiben an $erm t)on SeauniUierd er« Hört, ba^ toenn ber 5Papft fein 35ud^ perbammen fottte, er ber ®rfte fein tx)ürbe, ber nad^ il^m t>erbamnten unb, ntittelft öffentlid^en 9(u3fd^reiben§^ baS Sefen beffelben in ber SDiöcefe ßambrai verbieten toürbe. S)aBci l^atte er fid^ nur bie ®nabe erbeten, bafe ber 5ßapft iJ)m beftimmt angeBeit möd^te, toeld^e ©teilen be§ Sud^cS unb in roeld^em ©inne biefelben Der* toorfen n)ürben, bamit er bie Unter3eid^nung ber päpftlid^en ©entenj »off« fomnten frei unb ol^ne SSorbel^alt leiften unb nid^t ©efal^r laufen fönntc^ ben ©erworfenen ©inn 3U ©ertl^eibigen ober ju entfd^ulbigen ober ju toleriren. 2ln biefer ©rflärung, roeld^e 3U Soffuet'S Äunbe lom, fanb berfelbe bie ertoünfd^tefte ©elegen^eit, fjenelon bie 2lbfid^t unterjufd^ieben^ „ba^ er einer allgemeinen SSerbammung augmeid^en unb fid^ bei feinem ©el^orfam nod^ SluSflüd^te oorbei^olten tooHte." ^ einem unter bem 5Ramen eines „2)octor8" Deröffentlid^ten SSriefe erfül^nte fid^ bal^er Soffuet nid^t aEein^ biefe SSerbäd^tigung auSsufprec^en, fonbern aud^ bie Sefd^ul^ bigung l^injujufügen, ^enelon tooUe mit ©pi^finbigleiten, ti)eld^e in bett frül^eren ^al^rl^unberten bie ^öpfe fo fel^r erl^i^t unb ermübet l^ätten^ aufs 9leue bie ^ird^e beunrul^igen.

35iefer Srief toar ber erfte feinbfelige Slot, mit meld^em SSoffuet gegen bie 5ßerfon genelon'S öffentlid^ l^eroorjutreten toagte. 3)iefelbe toar baS geuerjeid^en jum beginne eines ÄampfeS, in n)eld^em eine SRaffe twm ©treitfd^riften in rafd^efter golge auS einem Sager in baS onbere flogen.

genelon beeilte ftd^, eine S3efd&ulbigung 3U entlräften, bie -«r nid^ crtoartet l^atte, toeil il^m nie ein berartiger ©ebanle in ben ©inn ge« lommen toar. ^ einem an ^erm oon SSeauoiHierS gerid^teten ©riefe erllärte er nämlid^, er i^abe nie gefagt, ba^ er fid^ bem SSerbammungS« urtl^eil beS 5ßapfteS nur bann untern)erfen motte, wenn man in bemfelben bie ©ä$e, auf bie ftd^ baS SSerbammungSurtl^eil grünbe, naml^aft mad^en totirbe. ©ein SBerfprec^en , baS Urtl^eil beS $apfteS ju unterfd^reiben, unb eine mit bemfelben übereinftimmenbe SBerorbnung ergel^en 3U lajfen, fei Don iffta unbebingt unb ol^ne SSorbel^alt gegeben« älttein je reblid^et

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et es mtt feinem ©el^otfam meine, um fo Befümmtev verlange er aud^ 3U toiffen, tt>ie n>eit jtd^ fein (Sel^orfam )u erftrecfen ^a6e. SXu^erbem t)er()ffentlid^tc ^enelon in feiner 35iöcefe unter bem 15. ©ept. 1697 eine 5PaftoraIs3ttftruction, worin er ftd^ über baS ©efentlid^e feiner Seigre Hat auSjufpred^en fud^te. Um ben il^m gemad^ten SSorrourf, ba^ er in feinen „'Slajcmen ber ^eiligen'' ben QuietiSmuS beS SRolinoS unb bie 34 Slrtilel von 3ff9 in böfer 9l6fid^t unertoäl^nt gelaffen ^abe, }u entlräften, l^atte er in biefer ^nftruction nid^t nur bie Slrtilel t)on Qfflp, fonbern aud^ bic Sutte S^noeen} XI. mit abgebrudCt.

9Rit überrafd^enber ©d^nettigfeit lie^ jc^t genelon eine ©d^rift auf bie anbere folgen, namentlid^ feitbem ftd^ berfelbe (nad^ langem Sögem) entfd^Ioffen l^atte, aud^ ben 2lngriffen bcä (Srsbifd^ofS SloaiHeS bie ©pi^e ju bieten. 2)ie gan.^e gebilbete 38e(t ^an{reid^S mar bamalg oon bem Äampfe Soffuet'S (bem gegenüber bie beibcn anberen Sifd^öfe txjenig be* ad^tet tourben) unb ^encIon'S gefeffelt*), unb untoiHfürlid^ begannen

*) 2)ie ©c^riften, toeld^e beibe ^arteten tocd^felten, toaren grö^tentl^eilg ju« näd^ft für SRom beftimmt, too fie auf baS Urtl^eil ber (Suric eintoirfcn foUten, gunäd^ft fanl>te 93offuet im Sluguft 1697 (jur Segrünbung ber 2)ccIaration öom

6. ^uguft) feine ©d^rift Sommaire de la doctrine da livre, qui a ponr titre: Explication des Maximes des Saints, des consequences; qui s'en suivent, des defenses et des explications, qui y ont ete donn6es; auöf (atemifci^ unt^ bem ^itel: Summa doctrinae libri. cui titules ete.) nad^ diom, tDorauf im DftoBer bie ©d^rift De quietismo bal^in nad^folgte. ©Icid^jeitig ^)ublijirtc ber ©rjbifd^of öon $arid unter bem 27. Dftober 1697 feine gegen ben DuietiiSmud gerid^tete ^aftoral« tnftruction, toeld^cr gcnelon im gebruar 1698 in 4 Briefen entgegentrat, »orin 3loaxUt^* frül^ere Stellung ju genelon unb fein frül^ereS Urtl^eil über bie Maximes in einer il^n faft öernid^tenben Sßeife blo^geftettt toarb. 3n feiner ©egenfd^rift t)om 3Uai 1698 iüu^te fid^ JloaiUeS nur mit §intt>eifung auf bie angeblid^ fd^to&r^ merifd^e JBerel^rung genelon'« für grau t>. Oui^on gu rechtfertigen, genelon'ö SÄnttoort l^ierauf ging als aKanufcrij)t fdjon im 3uni nad^ 9lom, tüurbe aber nidjt toeröffentUd^t. 2)er (Srtoiberung genelon'g auf bie 2)eclaration fteUte ©offuet @nbe gebruar 1698 nod^ feine (fünf Slbl^anblungen umfaffenbe) Divers

ecrlts ou memoires sur le livre intitule „Explication des Maximes des Saints^'

entgegen, lioeld^e im aWärj aud^ in lateinifd^er Ueberfe^ung erfd^ienen. 3ur Sßibers legung berfelben gab genelon im 2lJ)ril öier an 95ofl[uet gerid^tete offene ©riefe unb im aKai einen fünften l^erauS. »offuet'g ffitpm gegen jene öier »riefe tourbe i>on genelon gegen ba8 ®nbe SCuguft mit brei neuen ©djreiben erloibert. 3lu^ers beni ^ublijirte, al« genelon feine ^aftoralinftruction öom 15. ©e%)tbr. ebirt l^atte, Soffuet eine ©egenfc^rift unter bem ^itel: Preface sur rinstmction pastorafe

de M. l'archeveque de Cambrai du 15. Septembre 1697. 2lud^ ber »ifdifOf ÖOtt

©l^artre« »erlief unter bem 10. 3uni 1698 eine ^aftoralinftruction gegen bie SKaEimen, »eld^e genelon gegen ba« ®nbe be« ©e^)tember in jtoei S3riefen er« toiberte, öon benen jebodj, al3 fie th^n im Xvnd erfd^ienen loaren, bie ^olijci ju $arid 700 ®£em))lare confiSairte.

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jid^ jc^t bte ^crjctt Unjäl^Iigcr iüieber bcm t)crle^crtcn ©rjKfii^of t)on ßambrai jußutocnbcn. SDre rul^igc unb n)ürbct)oIIe Haltung, mit ber et .^Uttäd^ft in feinen vier Stiefen an S3offuet (iüeld^e biefer aber fofort eytoiberte) auf ben ©d^aupla^ trat, bie fprubeinbe fjütte fcineS tiefen ®cifte§, bie fid^ in feinen ©d^riften funb gab, unb ber cigentl^ümlid^e Sauber, ber in feiner ©prad^e lag, l^ob il^n in ber öffentlid^en 5Keinung um fo ntel^r, als ber Sifd^of t)on 9Reau^ mit feinem fid^ fo ftarl l^erauS- tocrfenben SBefen imb mit ber §eftigfeit feiner $oIemif allgemeinen ShiJ fto^ erregte. Soffuet fül^Ite eS aud^ affmä^id^, ba^ er in feinem Äampfe mit fjenelon auf unfid^erem Soben ftanb unb fud^te fid^ bal^er mit ber (il^n d^aracterifirenben) Semerfung 3U red^tfertigen: er fei nur barum ftreng unb 'l^art l^eroorgetreten, meil er l^abe tl^un muffen; benn bie l^eiligen SBal^rl^eiten be§ ©lauBcnS »ertrügen fid^ nid^t mit ber 2Betd^§eit unb erbärmlid^en ©efäHigfeit be§ SBelttong.

»offuef S SWac^tttationen in gioni unb Bei grau t). äRaintenon. W= ffijtttttfi bet ijtau t)* ©tt^ott in bie »aflitte. Xth be^ ^aitx^ iatmU.

S^^jmifd^en tüar bie t)on genelon geiüünfd^te ^Prüfung feineä Sud^eS in Stom (am 12. Dctober 1697) eingeleitet tüorben. ^Papft S^^occnj xn., ein frommer, ernfter, mol^lgefinnter, ebler §err, bem eben crft gelungen toar, bie latl^olifd^e Äird^e granfreid^S jum ©el^orfam gegen ien apofto- lif d^en ©tu^ jurüdEsufül^ren*), l^ättc allerbingS am liebften bie ßontro- t)erfe ber Sifd^öfe in frieblid^er SBeife beigelegt gefeiten, meSl^alb er tüiebet'- l^olt burd^ feinen 9iuntiu§ ju 5ßarig bem Äönig bie SSerföl^nun^ ber Beiben ^Prälaten an§ §er3 legen lie^. 3lHein Soffuet l^atte ben Äönig fo um- garnt, l^atte bemfelben bie Seigre fjenelon'ä fo Derbäd^tig gcmad^t unb l^atte il^m bie SSerbammung beS l^eillofen Sud^eö burd^ ben ^apft al§ fo notl^menbig l^ingeftellt, ba^ berfelbe alle SSorfteffungen beS 9luntiu8 o^ne 2Beitere§ jurüdEmieä.

®er ©efd^äftgträger Subtoig XW. ju SRom toav bamals ber ßarbinol t)on Souillon (Smanuel 2^l^eobor be Ici 2^our b'Sluoergne), ein ^Prälat pl^ne fonberlid^e tl^eologifd^e Silbung, ber barum für bie Sebeutung ber fd^mebenben ©treitfrage fein SSerftänbni^ l^atte. ©etoöl^nt, alle ©efd^äftc bie in feine §anb lamen, lebigÜd^ afö 35ipIomat aufjufaffen, unb babei

*) SBgr. gianfe, ®efd^. ber «ßäpfte im 16. u. 17. So^rlJ. ob. III, e. 170.

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cBcnfo DOtt pctfßnlid^er Sw^^^Ö^^Ö jw gcticion als Don Icibenfd^aftfid^cm §a^ gegen boS $auS 5RoaUIeS erfüttt, bcllagte et eS, ba^ ber Srsbifd^of t)on Gatnbrai jtd^ toegcn einer SBagatefffod^e fo gro^e SEBiberft)ärtig!eiten bereitet unb [id^ meSeici^t bie 9lu3ftd^t auf eine nod^ l^öl^ere lird^Iid^e ©tettung Detfc^er3t l^abe, fal^ eS im Uebrigen jebod^ als felb[tt)erftänb« Kd^ an, ba^ er ben SBeifungen beS ÄönigS, feines ^errn, aud^ in biefcr ©ad^e pünltlid^ft nad^3ufontmen l^abe.

fjcnelon l^atte pxx S3eforgung feiner Stufträge unb jur SGBal^rung feiner S^tereffen bem 2lb66 be la ßropte be ßl^anterau (auS einem alten $aufe tjon $Peirigorb), einen Slntjerroanbten feiner ÜRutter, beffen Streue unb 3ut)erläffigleit er längft erprobt l^atte, nad^ 9lom gefanbt. Soffuet'S beibe Slgenten waren beffen SReffe, ber W>H Soffuet unb ber 3lbb6 ^j^elippeauj. ®ie ßorrefponbenj, toeld^e ber Sifd^of Don SDleauj mit benfelben unterl^ielt, beroeift bie Seibenfd^aftlid^Ieit beS §affeS unb bie %Me, toomit alle brei il^ren 3h)edE ju erreid^en fud^ten. SSifd^of Soffuet fd^rieb am 21. Dct. 1697 an feinen Steffen: ff'^an mu^ eS 3U t)crftel^en geben unb barauf l^intoeifen, ba^ baS SSud^ beS ®r3bifd^ofS t)on ßambrai nur eine Heine, leidet burd^3ulefenbe ©d^rift, bafe fein ^f)ali bereits forg^ fältig geprüft unb fd^on in ber $erfon beS 5!RoIinoS, beS ^aterS Sacombe unb ber %xau von ©ugon »erurtl^eilt unb ba^ alfo 3lIIeS 3um SluSfprud^e reif fei. SDlel^rere ©taatSmänner l^aben l^ier (in granfreid^) baS ©erüd^t t)erbreitet, man toerbe (in 9lom) mit meler ©d^onung ju SBerle gelten, um nid^t einen ©rjbifd^of 3U befd^impfen. ©old^en ©erüd^ten lann id^ jebod^ leinen ©lauben beimeffen; benn baS l^ie^e 3lIIeS Derberben. Qfe l^öl^er ber 3Kann ftel^t, Don bem ein fo gef äl^rlid^er S^rtl^w«^ ausgegangen ift, befto mel^r mufe man fein Slnfel^en jertrümmem."

a)ie Sorfteffungen beS 2lbb6 Soffuet (nid^t genelon'S) brad^ten eS <xud^ enblid^ bal^in, ba^ ber 5ßapft, nad^bem in 3lom eine t)on %mdon felbft angefertigte lateinifd^e Ueberfe^ung ber Maximes des Saints ange- langt \oax, 8 ßonfultoren (3U benen er fpäter nod^ 2 l^insufügte) mit ber ^Prüfung beS Sud^eS betraute. 5Rad^ Seenbigung il^rer Slrbeit fottten biefelben vor ben Eaxbinälen ber ßongregation beS 1^. Dffi3iumS über bie ©ad^e SBortrag l^alten.

Snbeffen vergingen SIÖod^en;^unb 9Jlonate, ol§ne ba^ über bie 2:t;ätig* feit ber päpftlid^en ^rüfungSfommiffion am $ofe 3U SSerfaitteS ettoaS oerlautete. 35offuet, ben bieS befrembete, begann unrul^ig ju werben, weSl^alb er ben Äönig t)eranla^te,^ben päpftlid^en 5luntiuS baran ju er« innem, ba^ man ber Sßerlünbigung beS päpftlid^en Urtl^cilS mit ©pannung entgcgenfäl^e. S5iefe Erinnerung l^atte inbeffen nid^t ben gemünfd^ten ©r« folg; 3nnoccn3 XII. erflärte, nad^bem einmal bie brei Prälaten als Sln^^

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H&ger bed Stjfitfd^ofg Don ßotnbrai aufgetreten ioaren unb il^rer Widla^t bte größte $ubitcität gegeben l^ätten, fo erforbetc eS bte ©ered^tigfeit, ba^ aud^ $ene(on gel^ört unb ba^ übetl^aupt bte <Baä^ mt bei gto|< ten XUnfid^t unb Sorgfalt bcl^anbelt werbe, ©al^er liefe Soffuet bcm Äöntg ie|t ein von xf)m concipirteS Schreiben, an ben 5Papft fetiben, too« rin bie Sel^rfä^e f^eneIon*S möglid^ft carritirt bargefteSt unb als eine grofee ©efal^r für bie Äird^e bejcid^net tourben. Stber t)on Slom auS be< tid^tete xf)m ber 9leffe: Dor einigen 3)agen l^abe ber ^apft gefugt, bie ©ac^e fei nid^t fo ganj Kar.

2)ie 5Rad^rid^ten über ben langfamen ©efd^äftSgang ber ©ad^e bei ber römifd^en (Surie, bie SBal^mel^mung beS @inbru^c3, tocld^en ^Jenelon'S apologetifd^e ©d^riften auf ba§ ^ublilum mad^ten, bie ©d^tüierigleiten, bie er je^t öfters bei ^au von 5Dlaintenon fanb, bie (ginfprad^e, bie er »ieberl^olt t)on bem (Srjbifd^of oon ^ßaris unb bemSifd^of t)on G^artreS l^ören mufete, unb ber ®ebanfe, bafe am @Rbe bod^ bie päpftlid^e ©en- tenj ju ©unften be« Derl^ajsten ©egnerS ausfallen fönnte, brad^ten Soffuet in eine Unrul^e, roeld^e in \f)m mel^r unb mel^r ben (Sebanlen reifen liefe, 3ur Srreid^ung feine« 3^^*^^ jebeS SKittel, baS fid^ il^m barbiete, jur Slntüenbung ju bringen, weil eben ber S^ei nm jjeben 5PreiS crreid^t toerben muffe. Dl^ne Weiteres Sefinnen entfd^Iofe er fidj bal^er, auf einen ?ß[an, ben il^m ber !Beffe empfol^Ien ^atit, einjugel^en unb benfelben Bei bem Könige unb ^au Don ^aintenon ju beoortoorten.

3)er 5Reffe l^atte il^m berid^tet, bafe Don ben greunben unb Sin« l^ängem genelon'8 Slffeö aufgeboten toerbe, um ein bemfelben gün« ftiges Urt^eil in JRom ju ertoirfen. 3)iefen Seftrebungen muffe not^« roenbig mit ©emalt entgegengetreten toerben. 5Dlan muffe auf bie 2tn* Dertoanbten unb ^eunbe ^Jenelon^S bie ganje ooHe SSud^t beS föniglid^en 3ome8 fallen laffen, bamit 5Riemanb eS fernerl^in toagen lonne, ^enelon baS SBort 3U reben. SKan muffe ganj ©uropa toijfen laffen, bafe bct ©rjbifd^of bie ®nabe beS ÄönigS unmibenuflid^ oerloren l^abe u. f. h).

Der ®r3bifd^of t)on ?ßaris unb ber Sifd^of t)on ßl^artreä liefen

fid^ für biefen ?ßlan leidet getütnnen, namentlid^ als il^nen ber ®ifd^of von SReauj mittl^eilte, ber 5Reffe l^abe il^m neuerbingS berid^tet, bafe er il^m für bie SSerbammung ber „5Dlajimen ber ^eiligen" nid^t mel^r eim ftel^en lönne. 3lud^ grau oon iUlaintenon unb ber Ätönig Kellen ben (Sin* ftüfterungen Soffuet'S toiHigeS ®el^ör; bie erftere l^atte ol^nel^in geneloit einft oiel ju fel^r geliebt, als bafe fie, nad^bem fie il^re Sesiel^ungen ju bemfclben abgebrod^en, l^ätte toünfd^en biirfen, ben 2^iefgefränlten je toie«^ ber in il^ren Äreifen ju feigen. S)er ÄSnig entfd^Iofe fid^ bal^er, fofort äffe ä(nl^änger genelon'S vom $ofe )u entfernen, älm 2. ^S^^i^^^^^ ^^^8 ent»

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30$ £ubh)ig XIY. bem %hU 93eautnont unb bem 3(b6e Sangeron bie von il^ncn bcllcibctcn Untcrlel^rcrftellen, Scr crftctc toor ein SUcffe gencIon'S, ber anbete fein innigfter unb treuefter greunb. Sin bemfelBen %a%e erl^telten bie beiben Saoaliere Xupnr) unb oon Sed^eKe, n)eld^e al3 Unterl^ofmeifter (sous-gouvemeurs) be§ ^etjogä t)on 33urgunb fungitten unb ttte 33erel^rer genelon'8 belannt toaten, bie SBeifung, foforl ben §of 5u oerlaffen, %nä) ber 3lbbe %lmxy, ber ebenfalls bie ©teile eines Unter* lel^rerS beHeibete, foHte alä ^eunb genelon'ö entfernt toerben; allein SSoffuet toufete, ba^ bie 3Kaa^regelung gleurp'ä, ber bei aller aSerel^rung für genelon fid^ bod^ nie auf bie religiöfen Streitfragen ber 3^it ^^8^* laffen unb fid^ burd^ bie Sauterleit feines Gl^aralterS bie aUgemeinftc 2ld&tung erworben ^atte, 5Riemanben empfinblid^er treffen würbe, als il^n, ben Sifd^of felbft, unb rül^mte fid^ bal^er fpäter beS SBerbienfteS, il^n ge« rettet gu l^aben.

3Rit ^rol^lodfen oernal^m ber 3lbb6 Soffuet ju SRom, ba^ ber oon ii^m auSgebad^te 5pian jur SluSfül^rung gefommen fei, ®r fd^rieb bem Dl^eim am 24. Quni 1698 jurüd: „5IRan l^ätte unS feine befferen unb ergiebigeren Slftenftüdte mitti^eilen f önnen, als bie 3lad^rid^t oon bem gallc ber fjreunbe unb Slnoerwanbten beS ©rsbifd^ofs oon ßambrai, nebft ber* jjenigen, bie geftern burd^ einen aufeerorbentlid^en Eilboten eintraf, ba^ ber Äönig bief em baS 3lmt unb ben ©el^alt eines Sel^rerS entjogen j^abe. *) 5Rur biefe Jlad^rid^ten Werben enblid^ ben l^ieftgen §of überjeugen, bafe baS Hebel grofe.unb nid^t eingebilbet ifi." 2)od^ Waren feiner SWei* nung na§ ber ©d^lad^topfer nod^ nid^t genug gefatten. 2lm 8. Suli 1698 fd^rieb er bal^er an ben Dl^eim: „SBirb man benn am §ofe gegen ben spater SBaloiS (Seid^toatcr ber jungen 5Prin5en) nid^ts oornel^men? @r ift Weit fd^limmer als bie oier Slnbcren, bie man oerabfd^iebet l^at. 2lud^ möd^ten eS ber ^ßater la (Sl^aife unb 5ßater le 35e3 wol^l oerbienen, nid^t ocrgeffen ju werben, ©egenwärtig meinen fie cS fel^r übel mit bem Könige, mit ^Jrau oon 3Raintenon, mit bem $errn (Srjbifd^of t)on 5ßariS, mit S^nen unb mit 2ltten, bie ju ben S^tigen gel^ören."

3n 9lom aber rül^mte 2lbb6 Soffuet bamalS laut: „bie aSerabfd^ie:: bung ber 2lnoerwanbten unb ^reunbe genelon'S fei nur ber Slnfang oon älHem, toaS ber Sönig nod^ SBiCenS fei, gegen ben ©rjbifd^of oon 6am*

brat ins SfBerl ju fe^en." Unb in ber Xf)ai follte baS SWieber«

träd^tigfte erft nod^ folgen.

®aS SRäd^fte freilid^, WaS feitenS Soffuet'S gefd^al^, war weniger eine

*) S)iefe ^Rad^rid^t war öerfrüljt; erft im Sanuar 1699 i^erlor genelon feine £e)^rerfteUe.

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Sliebcrttäd^tiglcit, atö »ielmcl^r eine Säd^crlid^feit. S)cr cnglifd^c Sl^colog Surnct, nad^l^crigcr SSifd^of t)on ©alisbur^, l^atte in feiner 1688 ju ämfterbam gebtudften ©d^rift*) bie Semerfung einfließen loffen: „35cn Duietiften ift bet tömifd^e Aberglaube ein ©reuel. ©ie fud^en il^n ba-- burd^ in 35ergeffenl^eit ju bringen, baß fie il^n toeb/w: leieren nod^ au§* üben. SJiefeS ift aud^ bie 2!enbenj beS 2lbb6 genelon." Stuf biefe 2leußerung Sumet'S xoax Soffuet laum aufmerifam geworben, alö er fo^ fort bie Keine ©d^rift als ein ben SSerfaffer ber „üKajimen ber ^eiligen" überfül^renbeS S)ocument nad^ SRom fd^idfte, xoo ber Sieffe biefelbc mit ^ol^Iodfen empfing unb (am 11. g^^ruar 1698) an ben Dl^eim jurüd^ fd^rieb: „3^ ^i« entjüdft über bie Heine, ben §errn ©rsbifd^of von ßambrai betreffenbe ©d^rift. 6r ift barin genannt nnb mit feinem redeten 9lamen genannt, unb biefeS toirb eine fürd^terlid^e SBirlung gegen il^n l^crüorbringen." 3)iefe „fürd^terlid^e Söirlung" jeigte fid^, oIS genelon t)on biefer SRad^ination Äunbe erl^ielt unb atebxilb fid^ Soffuet gegenüber bejüglid^ berfelben äußerte.

^enelon mad^te nämlid^ bemfelben bemerüid^, im ^dfjxe 1688 l^abe er bie grau t)on ©upon nod^ gar nid^t gelaunt: er fei fogar auf bunflc ©erüd^te l^in bamalS gegen fie eingenommen getoefen. SDa§ ^ublifum l^abe il^n big bal^in nur auS jmei ©d^riften lennen gelernt, au§ feiner „Slb* ^anblung über bie ®r3iel^ung ber 3^öd^ter" unb auS feiner ©d^rift „vom Slmte ber geiftlid^en SSorfte^er". SEBeit entfernt aber, baß biefe ©d^riftcn bie SReinl^eit feines ©laubenS t)erbäd^tigt, l^ätten fte Dielmel^r baju Bei» getragen, baß ber Äönig (mit S3of[uet'S (Sutl^eißung) gerabe i§n jum Seigrer feines ©nfelS auSgemäl^It. l^abe. UebrigenS muffe er Soffuet nod§ barauf aufmer!fam mad^en, baß Surnet in ber ermäl^nten ©d^rift aud^. fage: „2)er (Sarbinal Ie ßamuS, ber berül^mte 2lbb6 gleurp unb fogar 33of[uet finb bem römifd^en Slberglauben ebenfo feinb als genelon unb bie Quietiften." „©ie finb alfo," fd^rieb genelon an Soffuet, „ein Duietift toie id^. ®ott meiß eS unb bie SEBeit toirb eS nod^ erfal^ren, weld^e 3Rittel ©ie fid^ erlauben, um mid^ anjufd^toärsen." (!)

2)iefer SBerfud^ S3offuet*S, ben Srjbifd^of von ßambrai fufpect ju mad^en, toar alfo mißlungen. Qnbeffen ließ fid^ nod^ 3lnbereS tl^un; unb bereits l^atte ber 3lbb6 Soffuet an ben Dl^eim gefd^rieben: „SJlan borf feinen 2lnftanb nel^men, SlHeS l^ierl^er ju berid^ten, toaS bie Sln^änglid^« leit beS (Srsbifd^ofS t)on (Sambrai an grau üon ©u^on, an 5ßater Sa? combe unb an i^re ©ittenlel^re erlennbar mad^t. 2)iefeS ift eine ©ad^e t)on großer Sßid^tigleit."

^) ©iel^e oben ©. 262.

415 .

S)er Stfd^of t)on 5Kcauj Derftanb btc Sttfinuation bcS trcfflid^cn Sicffcn unb mad^tc cS fid^ alsbalb flar, h)ie nü|Ud^ c3 fei, bie cJ^etnaligen SScjicJ^ungen ber %xau von ©u^on unb be§ später Sacombc jroeier längft als Begraben arigefel^ener 3Kenfd^en toteber 3ur ©prad^e ju Bringen unb bie au8 biefer Sejiel^ung abjuleitenbe SRoral einfad^ 5ur Scurtl^eilung genelon'S ju tjertocnben.

3Jer fromme SacomBe, ber nie toieber an ba§ ©onnenltd^t beS 2^ageS lommen fottte, war feit et\oa jel^n Qfal^ren au^ einem ©efängni^ in baS anbere gefd^leppt toorben. 5D?an l^atte i^n anfangs auf bie Snfel DKron geBrad^t. §ier l^atte einer ber Dffijiere, bie mit ber Setoad^ung ber ©efangenen Beauftragt toaren, bie grömmigleit unb SReblid^Ieit beä ?ßater§ Balb erlannt unb l^atte fid^ bal^er Bei bem §erm t)on 6l§ateaus neuf bafür »ermanbt, bafe man bem guten, burd^auS juoerläffigen ©traf« ling bie §aft einigermaßen erleid^tern möd^te. S)er Srief beS Dffi3ier3 toar jebod^ bem ©r.^Bifd^of ^arlap t)on $ari^ 3U ©efid^t gelommen, ber ben« felBen bem $ater la SWotl^e jeigte. 2)ie ^olge bat)on mar, baß 5ß. SacomBc fofort von Dl^xon entfernt unb auf eine Benad^Barte müfte gnfel vtt^ fe^t tourbe, mo man il^n bie l^ärtefte gelbarBeit tl^un ließ*). §er« nad^ mürbe er an tjerfd^iebene anbere Drte, fd^ließlid^ auf ba§ ©d^Ioß SourbcS am %n^e ber ^ßprenäen (in ber S)iöcefe 2!arBe§) gefd^Ieppt. S)urd^ bie fo t)iele ^af)xt anbauemben unerl^örten 50lißl^anblungen, bie ber Unglüdflid^e ertragen mußte unb in ftiHer ©ottergeBenl^eit ertrug, tourbe bie teuflifd^e SlBfid^t feiner 2)ränger aud^ mirflid^ erreid^t. SacomBe geriet)^ aHmäl^Iid^ in eine innere ©emütl^S3enüttung, meldte feinen ©eift immer büfterer umnad^tete. ^n biefem S^ftanb fd^rieB ber $ater einen Srief an ben Sifd^of t)on %axhe^, in toeld^em einige äluSbrüdfe auf SBer« gel^ungen £acomBe*S I^in3uh)eifen fd^ienen, Dl^ne SIBeitereS mürbe nun am genommen, baß burd^ biefeS (Singeftänbniß £acomBe*3 bie über grau bon ©upon tjorbem in Umlauf, gemefenen ©erüd^te als oöHig Begrünbet er- liefen loären. Um fiä) inbeffen baS SBerfal^ren gegen %xavL von ©upon, toeld^eS man je^t BeaBftd^tigte, 3U erleid^tern, Brad^te man SacomBe

♦) §icr toar eS, too SacomBe gegen @nbc beS Sal^rcS 1693 ben SBrief eines Ungenannten bel^änbigf erl^ielt, ber fid^ il^m alS ein SBefenner ber inneren Sleli- gtofität 5U erfennen gab unb il^n um SBelel^rung über (SinjelneS bat. 2)er SBerf. erllärte auä) mit grau öon ®u^on befannt ju fein. Sacombc'S Slnttoort an ben Ungenannten (abgcbrudCt als Lettre V. in ben 93eilagen pr Vie de la Mothe- Guyon) behjeift, baß ber Unglüdlid^e fd^on bamalS innerlidö gebrod^en toar. 3u feinen SBorten f^jrid^t fid^ ein jerfd^IageneS ©emütl^ auS. Sacombe al^nte aber nid^t, baß ber Ungenannte, ber ben S3rief burdj eine anbere §anb l^atte fdjfreiben Joffen, niemanb anberS toar, alS grau \>on ®ui?on.

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t)om ©(^loffc gu SoutbeS auf baS ju SinccmtcS in bic 9Zä^c dou ?Pati3, too man il^n an g^^au Don ©upon .einen Stief fd^rciben Kefi, in tioeld^cm er biefelbc aufforberte, il^ren beibcrfeitigcn intimen Umgang ju befennen unb JU bereuen. Site ber Srief gefd^rieben mar, glaubte man nun ba3 jur SBernid^tung ber eblen 2)ame geeignete 5Dlittel in §änben 3U l^aben. 2)ie l^ierord^ifd^e S3o§l^eit triumpl^irte bereits. 3)er ®rjbifd^of t)on ^PartS unb ber Pfarrer von ©t. ©ulpice nal^men bal^er ben 33rief an fid^ unb begaben ftd^ mit bemfelben nad^ SBaugirarb, h)0 grau oon ©u^on nodj in §aft mar. 35er ©rjbifd^of lie^ fie ben Srief lefen unb befd^toor jte, ein aufrid^tigeS Oeftänbni^ il^rer ©ünbc unb ©d^anbe abzulegen. 2)ic 2)ame laS ben Srief, aber fie tüu^te unb tjerftanb nid^t, toa§ fie laS, obfd^on i^r bie §anbfd^rift mol^Ibelannt toar, unb bat, ba^ man ben Srief einfttüeilcn in il^ren Rauben laffen möd^te. ällS il^r inbeffen bie ©etoäl^rung biefer Sitte t)crmeigert marb , erllärte bie fo tief ©cfeäidte im frol^ften 83eh)u^tfein il^rer Unfd^ulb: ber arme 3Rann muffe t)on ©innen gefommen fein, toorauf ber ^Prälat falten ^erjenS von bem unglüdflid^en Dpfer pfäffifd^er SoSl^cit l^intoegging , um mit bemfelben auf anberem SEBege jum 3^^!^ S" fommen.

3lm folgcnbcn 3^age erfd^ien in bem Äloftcr ein ©efreiter (exempt) ber 5Poli3ei mit mel^reren ^äfd^em (archers) , toeld^e ben Sluftrag l^attcn, nötl^igenfaHä bag ®emad^ ber ^Jtau t)on ©u^on mit ©cmalt 3U erbred^en. Siefeiben bemäd^tigten fid^ ber SDame unb fixierten fie in bie 33 a fti He ab. Sie SaftiHe toar ein bamafö am ®nbe ber ©tabt 5Pari§, an ber $ßorte ©t. äfntoine gelegenes fefteS ©d^lo^, aus ad^t im SSieredf geftelltcn fel^r l^ol^en ^albtl^ürmen beftel^enb, bie unter einanber mit SWauem tjon gleid^er $öl^e t)erbunben toaren. SSrcite, tiefe ©räben umjogen ben feftcn S3au, in ben (megen ber §öl^c ber SfBauem) fein ©omtenftrap einbrang. 3)ic 40 Serler, tüeld^e baS unl^eimlid^e falte ©emäuer umfd^Iofe, waren $ö^Icn gleid^, in benen eS an Sid^t unb Suft fel^lte. ©taatSgefangene, bie man l^ier einferferte, mürben bal^er, meil fie in ber feud^ten unb faulen Sitft il^rer Äerfer geroöl^nKd^ ju fied^en begannen, menn man i^nen einige Sarm* l^erjigfeit ertüeifen toollte, a\x^ ber Saftiffe in baS gefunb gelegene ©d^lo^ SSincenneS tranSlocirt. 2ln biefe ©tätte beS ©rauenS fal^ ftd^ nun fjrau Don ©upon plö^Iid^ gefd^leppt unb eingefperrt.

S)er (grjbifd^of mu^te, bafe bie 35ame rfuf biefen ©d^Iag, ber biefelBe toie ein SJonnerfd^Iag auS l^eiterem §immel traf, nid^t gefaxt gemefen toar. Snbem er ba^er l^offen gu bürfen glaubte, ba^ ftd& %xan v. ©upon ie|t mo^l toürbe gefügiger pnben laffen, als eS bisl^er ber gaff getoefen toar, fo begab er ftd^ am folgenben 5Korgen abermals ju ber Serl^aftetcn in bie Saftiffe unb mieberl^olte fein fd^amlofeS atnftnnen. 2lber mit bem

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HuSbrud ber Sntrüftung ti)ieS ba§ eble 98ei6 ben @Ienben Don ftd^. «^ hiermit xoax ba§ Urtl^cil übet fic gefprod^en: fic follte in bcm Äerfcv bcr SSaftitte Begraben fein.*)

a)ie beiben Sriefe Sacombe'S roöten übrigens in ben äugen ber brei ^Prälaten unfd^ä^bare Äleinobien. SSoffuet fanbte biefelben atebalb bent Steffen in Sftom 3U, ber il^m, ganj ftegeätrunfen, antwortete: ,,3)iefe jroei $ßapiere toerben mel^r ®inbrucf mad^en als äwongig tl^eologifd^e ©emon« ftrationen. S)iefeS ftnb bie 2lrguntente, beren wir am nteiften beburften."

Sacombe aber t)erfiel gerabe bamate in toirfUd^en SBal^nfinn unb mu^te in baS ;3rrenl^auS ju ß^arenton gebracht werben, n)0 im folgcnben Qal^re (1699) ber 2:ob feiner S^obfud^t ein (Snbe mad^te unb il^n auS ben teuflifd^en ^änben feiner 3)ränger erlöfte.

95ie SRad^rid^t ]^iert)on traf bie brei Prälaten unb beren geiftUd^en 3lnl^ang tote ein 3)onnerfd;Iag. SWel^rere SKonate l^ielt man biefelbe ge« ^eim, inbem man fid^ fd^ämte, von ben äfuSfagen eines SBal^ntüi^igen jum 5Rad^tf;eil einer 3)ame, ber bis bal^in in fittlid^er Sejiel^ung nid^t baS ©eringfte jur Saft ju legen mar, einen fo leid^tfertigen unb fret)ell^aften ©ebraud^ gemad^t ju l^aben. Sejüglid^ fJenelon'S mürbe eS bei biefer ©etegenl^eit in ber öffentlid^en 51Jleinung feftgeftellt, ba^ er ben 5ßater Sa« combe nie gefeiten unb nie mit il^m in SSerlel^r geftanben l^atte. ^n SRom aber tourbe bie Süge, ba^ bie moralifd^c SBermorfenl^eit ber grau von ©u^on crmiefen fei, auf baS Slngelegentlid^ftc in Umlauf gefegt, um auf biefelb bie 3meite oerrud^te Süge 3U grünben, ba^ aud^ ber (Srjbifd^of t)on ßam^ brai ju fjrau t)on ®upon in einem ftrafbaren SBerl^ältni^ geftanben unb ba^ berfelbe fxä) in feinem S3ud^ von ben SKajimen ber ^eiligen nur beSl^alb jum Sertl^eibiger ber Qfrrlel^ren jener 3>ame aufgetoorfen l^abe, um baburd^ in oerl^inbem, ba^ biefelbe nid^t an il^rem frül^eren fd^änb« lid^en SSer^ältni^ jur 3Serrätl^erin toerbe.**)

*) 2)iefc HRittJ^eilungen finben fldji in htm Avertisseinent ju bcr 1699 in @5In erfd^ienenen ©d^rift loor: Recueil des divers traitez de Theologie mjstique.

**) ©d^on unter bcm 12. Suli 1698 mad^tc bcr 2l6b6 ©^antcrac bcm ©rj^ bifd^of l^icrbon aRittl^cirung', inbem cril^m fd^ricb: „3Ran fud^t l^icr (in Siom) bie Seute gu bcrcbcn, @ic Ratten mit bicfcm 2Bcibc (grau bon ®u^on) einen ju bcr« trauli^cn Umgang gcl^abt, unb cS fei iüenigftcnS nid^it ol^nc ®runb ju beforgcn, ba^ ©ic, h)ic il^re grrlcl^ren, fo aud^ iferc Unorbnungcn mit i^r gcmeinfd^aftadj l^aben." @j)ätcrc SBcrid^te ©l^antarac'S enthalten ganj äj^nadjc aWitt^cilungen, ouS bcncn crl^cKt, toic gcfliffcntlid^ baS boSl^afte ©erebc über genelon in fHom unterl^altcn toarb.

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SDutd^ attc biefc aRod^notionen, ^nttigucn unb Soäl^eitm toax übrigens nun ber Soben DoIIftänbig t)otbercitet, fo ba^ Soffuet je^t mit bcr fid^crften Sluöfid^t auf ben getoünfd^ten ®rfoIg perfönlid^ unb öffent^ Ixi) gegen genclon auftreten unb aU Äird^enlc^rer unb tl^eologifd^e Stutorität ben längft geplanten ©treid^ gegen il^n auSfül^ren lonnte.

©d^on vor längerer S^t l^atte ber Sifd^of t)on 3Reauj für ben Steffen in 9lom, 3U beffen S^ftruction eine gebrängte SarfteHung ber (Sefd^id^te beS DuietiSmuä unb ber quietiftifd^en $änbel in lateinifd^er ©prad^c ausgearbeitet. 3)iefe Slbl^anblung l^atte Soffuet l^ernad^ nod^ mit 3«- fä^en üerfel^en unb mel^rfad^ überarbeitet. @r lam nämlid^ aÜmä^tid^ auf ben ©ebanfen, bie ©d^rift fo 3U ertocitern, ba^ in il^r über ben DuietiSmuS SlHeS berid^tet unb gefagt fein fottte, roaS ftd^ über ben- felbcn t)om ©tanbpunite latl^olifd^er SRed^tgläubigleit au^ überl^aupt fagen lie^. 3)ie fo jum Slbfd^lu^ gebrad^te ©d^rift foHte bann jur redeten 3eit 5ur SBeröffentlid^ung fommen, um burd^ baS ©eraid^t il^reS S^^J^ölt^^ junäd^ft ^enelon in ber öffentlid^en 3Jleinung ooUftänbig nieberjubrüdfen unb jugleid^ auf bie ©entenj ber römifd^en ßurie einen entfd^eibenben @influ^ auszuüben.

Snbem nun Soffuet ben redeten S^üpwnft eben jje^t gefommen \a^, lic^ berfelbe im ©ommer 1698 feinen „Serid^t über ben Duie- tiSmuS"*) an ba§ Sid^t treten.

SJiefer Säerid^t grünbete fid^ im SBefentlid^en auf bie bem SScrfaffcr einft von grau von ©u^on ant)ertraut gemefenen 5!Kanuffripte unb auf bie Briefe, tüeld^e genelon an benfelben in einer S^xt gerid^tet l^atte, too biefer an if)m l^inauf fal^ unb il^n ate eine l^od^ftel^enbe tl^eologifd^c unb moralifd^e 2lutorität verel^rte. 3)eri ©d^luB beS S3erid^te§ mad^te ein ßommentar 33offuet*S über einen S3rief gcnelon'S an grau oon aRain» tenon, com 2. 2luguft 1696**), toorin berfelbe vox ber l^o^en SDame bie innerften galten feines ^erjenS bloßgelegt, ben aber biefe an ben Sifd^of von aReauj auszuliefern ftd^ nid^t gefd^eut l^atte. 2llleS biefeS war in fel^r gefd^idfter SBeife ju einem ©ansen ©erarbeitet, baS notl^toenbig 6in-- brudt ma6)en mu^te. SSoffuet l^atte cS t)erftanben bie ©onberbarleiten, aSiftonen unb ©inbilbungen ber grau von ®ut)on fd^einbar fo l^armloS unb bod^ fo braftifd^ l^eroorjul^eben ; er l^atte über bie „3Serblenbung"

*) a)iefe „Relation sur le Quietisme" i^ in SOBal^rl^eit nur eine «eridjt« erftattung über 2)aS, toaS fidj beaüßlid^ ber grage beS IQuietiSmuS ^tolfd^en SBoffuet unb genelon zugetragen l^atte.

**) Slbgebructt in Sauffet'S „SebenSgefd^id^te genelon'S" »eil. C.

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bcS ©rjbifd^ofg von Gambrm (in roeld^cm bie neue „?Priäciffa" i^ren „Montan" gefunben l^aben foffte) in fo JütirbeDotter SBeife ju IlaßCtt geTOU^t, er l^atte ben ganjen SBerlauf ber aSorfommniffe fo intcteffant unb anjicl^enb jur ©arftcHung gebrad^t unb jtöifd^enburci^ bie ©prad^e beS geleierten, einjtd^tSüoIIen unb etnften Äitd^enntanneä fo auSbrudfSoott ertönen laffen*), ba^ bie ©d^rift laum erfd^ienen loar, als fie aud^ ber ©egenftanb beS allgemeinften QntereffeS unb ©efpräd^eS loar. SDiefer Serid^t fd^ien fo t)iele 5Dinge 3U eröffnen unb fd^ien fo oiele anbere auS liebeooller ©d^onung ju oerl^tiHen. * Heber 2acombe unb grau von ©u^on l^nttc fid^ ber SSerfaffer fo gel^eimni^tjoll mit ben SBorten auS- gcbrüdft: „2)ie 3^^^ ip gelommen, too nad^ ®otte8 tJ^gung biefe intime aSerbinbung gan3 aufgebedft loerben fott", unb biefe toenigen 2Borte fd^icnen auf (Sntfe^Iid^eg l^injutoeifen, h)aS Soffuet faum anjubeuten n)agte, tDag aber oieKeid^t aud^ nod^ bejüglid^ be$ Srjbifd^ofS von Sam- brai bad Unglaublid^fte an ben ^ag bringen ioürbe.

®in Särief ber grau t)on SRaintenon an ben (Srsbifd^of oon ?PariS t)om 29. 3uni 1698 ©eranfd^auKd^t bie au^erorbentlid^e Aufregung, ujeld^e bie ©d^rift SSoffuet'g l^eroorrief, bie berfelbe faft gleid^jeitig mit ber franjöfifd^en Originalausgabe aud^ in einer (oon bem 3lbb6 SRegnier) be« forgten italienifd^en Uebcrfe^ung 3U ^ßaris erfd^einen lie^.**) grau von SUlaintenon f d^reibt nämlid^ : „3)ie ©d^rift beS Sif d^of S oon SWeauj mad^t großes Sluf feigen ballier; man fprid^t oon leiner anberen ©ad^e. 3)ie S^l^atf ad^en finb für ^f^bermann perftänblid^ gegeben ; ift eine Suft, bie S^j^orl^eiten ber grau von ®ut|on ju lefen. S)aS Sud^ ift lurj unb ift Icbl^aft unb fd^ön gefd^rieben. SWan entlel^nt eS t)on einanber, man ent- reißt CS einanber, man oerfd^Iingt eS. ©er Äönig fommt bartiber in Som, baß mir i^n einen fold^en ©rsbifd^of l^aben ernennen laffen unb er mad^t mir bie l^eftigften SSormürfe barüber."

genelon lourbe je^t allgemein als T)ernidetet angefel^en. Um mit

*) 2lm ©d^luffe feiner @sj)ectorationen über genelon, ben S3offuet l^ier als ben Sßertreter ber religiöfen SSerirrungen ber grau ^on ©u^on l^infteUt, fagt bers

felbe; Nous exhortons M. de Cambrai a occuper sa plame eloquente et son esprit inventif ä des snjets plus dignes de lui. Ou 11 previenne, il est temps encore, le jugement de TEglise. L'ßglise romaine aime a etre prevenue de celte Sorte; et comme dans les sentences, qu'elle prononce, eile veut toujours etre pr^cedee par la tradition, on peut en un certain sens l'ecouter avant qu'elle parle.

**) S)er Xitel ber italienifd^en SluSgabe lautet: Relazione intorno al Quie-

tismo, composta in Franzese da Monsignor Vescovo di Meaux etc. In Pa- rigi, appresso 6. Avissone, direttore della stamperia del Lovre, 1698.

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Slffem, toaS an il^n erinnern lonnte, aufzuräumen, l^atte grau t)on 3Kain« tcnon (tote au§ einem Sricfe beS §erm t)on SeauoiffierS an 31666 ^ron« fon, t)om 10. Qfuni 1698, erl^ettt) 6ereitS bie 9l6fi(i^t auSgefprod^en, aud^ bie $erjöge von 6l^er)reufe unb SeauoiffierS auä il^ren Stellungen am $ofe ju entfernen. S^^ ®lü(f trat ber 6rj6ifcJ^of von 5ßariS bajroifd^enr ber bad äluffel^en fd^eute, meld^eg biefe 3Jtaa^nal^me gemacht I^a6en n)ürbe. ©d^on t)orl^er l^atte ber 21666 Don ßl^anterac eine SReil^e t)on Sric« fen an genelon a6gefd^idft; worin fid^ berfel6e ü6er bie Sage ber S)inge ju SRom ganj untröftlid^ auSgefptod^en unb genelon bringenb erfud^t ^atte, gegen bie nad^ allen @eiten l^in ü6er il^n auSgeftreuten SSerläum^ bungen öffentlid^ aufzutreten. tJ^^^Io«/ ^^^ i>^^^ <*tte Slnfeinbungen unb 83o3l^eiten, bie il^m in ben 2Beg traten unb il^n ju t)erber6en trad^teten, in bem ftiffen Rieben unb in ber l^eiteren Stulpe eineä ÄinbeS ©otteS l^inburd^ging , l^atte ben treuen ^eunb ju 9lom getröftet unb feinen 3Jlutl^ aufzurid^ten gefud^t, a6er beffen Slufforberung, ftd^ öffcntlid^ ju red^tfertigen, auf baS Seftimmtefte a6gelel^nt, toeil er fid^ feI6ft ni<^t ted^tfertigen lönne, ol^ne 2lnberen toel^e jy tl^un. 2llä a6er Soffuet'S SSerid^t ü6er ben DuietiämuS aud^ in 9lom erfd^ien unb ßl^anterac ben ©im brudf gemalerte, ben biefe ©d^rift aud^ auf bie bem 6r36ifd^of t)on 6am6rai günftig geftimmten Garbinäle mad^te^ ba fal^ berfel6e ein, ba^ je^t untoiber« 6ringlid§ ällleä verloren fei, toenn genelon nid^t oox Slffem ü6er feine Sejiel^ung gu ^au t)on ©upon pd^ öffentlid^ reinige, ^n einem an^-- fül^rlid^en SSerid^t fteffte il^m bal^er G^anterac in etnbringlid^fter SBeife golgenbeS »or : „Um ballier (ju 9lom) immer ftär!ere ßinbrüdfe ju mad^en, t)erfpred^en bie 2lgenten beS SSifd^ofS von "SH^anic mit jeber SBod^e neue (Seftänbniffe ber tJrau von (Suijon unb neue (Sntl^üffungen Sl^rer ®reuel. Su gleid^er 3^i^ fprengen fte aus, man 6eft^e l^ier bie Originale von t)ielen Sriefen, bie Sie il^r gefd^rie6en "Ratten, bie man a6er, um ^^xe Gl^re $u fd^onen, erft in bem äu^erften SRotl^faff oorjeigen tooffc. ©d^lie^en ©ie barauS, mie tief mein ©d^merj ift, ba^ id^ ©ie fo un« geredet mu^ 6el^anbelt feigen, unb toie toel^e mir erft tl^un mu^, ba^ id^ genötl^igt 6in, ^f)nm foldpe nieberfd^lagenbe 3lad^rid^ten fel6ft mit^ jutl^eilen! 3^ 1^9^ S^^ncn a6er affeS biefeS nur beSmegen, um ©ie gu il6erjeugen, toie bringenb unb notl^toenbig für ©ie ift, fd^neff unb laut ü6er äffe Sll^atfad^en gu antworten unb biefe in ein fo l^effeS Sid^t ju fe|en, bafe man ©ie nid^t mel^r mit grau oon GJu^on auf gleid^e Sinie fteffen lann, unb ba^ bie Ungered^tigleit ^^x&c geinbe an ben Skjg lommt, bie S^ren guten SRuf nur beSl^al6 oerbäd^tig mad^en tooffen, um ben falfd^en Slnflagen gegen 3[l^re Se^re mel^r Oetoid^t ju ge6en. äffe Sf)xe greunbe, ober oielmel^r äffe frommen 5ßerfonen, finb 6etrü6t barü6er,

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ba^ ©ic bic SSetöffcntlid^ung Ql^ret Slnttoorten fo lange anftcl^en laffen. ®S l^anbelt fid^ ^icr um ©ic unb um bic gute Seigre, um Qfl^rc dtt^U gläubiglcit, um ^^ten guten Stuf unb um bic ®^rc ^l^reS SlmtcS. 35aS Urtl^eil über ^f)x S3ud^ l^ängt fd^Ied^tetbingS von bet Söal^rl^eit ober Un« iDal^rl^eit ber 3l§ncn jur Saft gelegten 2^§atfad^en ai." „©ie lönnen nid^t l^offen, baS l^icfigc ^ublifum bar)on ju überjeugen, bafe ©ic burd^ ben 3flefpect vor bem franjßfifd^en §of, ober tjor ben ^erfonen, tocld^e an bemfclben in ©unft ftel^en, jurtidgel^alten tüürben, eine Slnttoort ju geben unb biefe öffentlid^ brucfen ju laffen. 9teinl S)enn man fagt fd^on fel^r laut, ba^ nur bic gurd^t ©ic jurüdE^alte, ba^ ©ie fjrau von ®u\)on nur bcäl^alb fd^onen, tücil ©ie beforgten, fie möd^te von Sinnen fpred^en unb äße 3^re §eimlid^feiten aufbedfen. Äeine |)erfönlid^e SRüdf^ fid^t, fagt man, lönnte ^l^nen in einer fo ernften ©ad^e, in ber fid^ um SJltteS l^anbelt tüaS ^^nen tl^euer ift, ©tiHfd^tücigen gebieten, ©el^en ©ie, in eine fo äu^erft bebenfUd^e Sage finb ©ie burd^ Ql^r ©tiUfd^mci* gen geratl^en , unb id^ mu^ Sinnen, f o f d^toer mir aud^ f öttt, in ooHer Slufrid^tigfeit eröffnen: ©ie finb mit 3^rem S3ud^e, mit Sl^rem guten Stufe, ja oietteid^t aud^ mit ^^xex Seigre, unrettbar »erloren, toenn man ©ie nid^t laut unb mit ber nämlid^en ^reimütl^igfeit unb Sw^^i^f^^ fpred^en l^ört, mit ber ©ie biäl^er gefprod^en l^aben. galten ©ie mir 3U gut, SKonf eigneur , toenn id^ ^i)nen fage, ba^ ©ie bieS nod^ toeit mcl^r tücgen ber 2^^atfad^en al§ toegen ber Se^re ju tl^un fd^ulbig finb." „©0 benfen Sitte, nid^t nur unfere greunbe, fonbern aud^ bie ßar^ binäle. S)iefelben l^aben fid^ beutlid^ genug barüber erflärt, unb felbft biejenigen, hjeld^e Sinnen am gehjogenften finb, mürben ntd^t barüber ^inaug fönnen ^ijx Sud^ für fel^r gefäl^rlid^ 3U l^alten, toenn fie nid^t mel^r 3toeifeln fönnten, ba^ ©ie e§, Wk ^^xe ^einbe oorgeben, nur in ber 3lbfid^t gefd^rieben l^ätten, um grau oon (Supon ober il^re Seigre ju begünftigen." -— „©d^on ^aben ^\)x^ gcinbe biefe auöbrüdflid^en SBortc t)erlauten laffen: „2Bir toerben il^n lennen lernen, biefen großen ®rj- bifd^of, biefen fo frommen ^Prälaten! ©eine Sluffül^rung n^irb an ben SCag fommen, fein fd^öner (Seift totrb il^m nid^t au§ biefer SSerlegenl^eit l^elfen." ©0 ift bie Sage ber 3)inge, bie id^ 3§nen ganj einf ad^ bar« fteffe. 3Son aUm ©eiten oerlautet e§, unfere ©ad^e fei oerloren. 3d& l^offe inbeffen nod^ immer : ber ©ered^te, aber nid^t bie SBal^rl^eit lann untcrbrüdft luerben. ^e mel^r id^ ©ie in ©efal^r fel^c, befto mel^r eile id^ ^\)nm ju §ülfe ju fommen; tüenigftenä toitt id^, loie bie jünger Sefu e^rifti, 3^re Setrübni^ mit 3ir;nen t^eilen unb f'^red^e (go^. 11, 16): „Saffet unö gelten unb mit il^m fterben!"

S)icfer fo beftimmten unb Haren SDarlegung ber ^Huation gegen«

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über, tocld^c fid^ füt %enelon an^ bcn ju feinem ©turje angewaubtcn 3Rad^tnationen feiner ßJegner ergeben l^atte, lonnte berfelbe nid^t uml^in, je|t enblid^ fein biSl^erigeS ©tittfd^lüeigen 5U bred^en unb bie SoSl^aftig* !eit ber über il^n auSgeftreuten SSerläumbungen an'§ Sid^t }u jiel^en. genelon begann fofort feine 2lrbeit, unb er arbeitete wie im %lvL^e, 2lm 8. 3uli toau er Don S3offuet'§ Serid^t über ben DuietiSmuS in Äenntni^ gefegt toorben, unb fd^on am 30, Sluguft mar feine „R^ponse" auf benfelben gebrudft ju 3lom in 6^anterac'§ §anb. Qnnerl^alb fünf SBod^en, in benen fein ©egner brei 3iemlid^ umfangreid^e ©d^riften*) gegen il^n üeröffentlid^t , l^atte er biefeS apologetifd^e SKeiftertoerl Doff^ enbet.

^enelon'S Slntn^ort auf ben S3erid^t über ben Duietiömug jeid^nete fid^ burd^ alle bie SSorjüge auö, burd^ meldte atte ©d^riften, bie bem reid^en (Seifte unb ber gemanbten ^eber beffelben entflammten, ben Sefer feffelten. SBaS aber biefer ©d^rift einen ganj befonberä l^erDorragenben unb impofanten ßl^aracter gab, mar bie fittlid^e 3Rad^t unb §ol^eit, mit ber fid^ genefon in ber il^m boSl^after SBeife bereiteten ©ituation erl^ob, um burd^ eine ©rtoiberung ber ©d^rift Soffuet'g, toeld^e an überjeugem ber Älarl^eit, Seftimmtl^eit unb rüdf^altlofer Dffenl^eit ber SJarftellung 5Rid^t§ 3u tüünfd^en übrig lieg, alle gegen i^n gefponnenen SRänfe mit ©inem ©daläge ju jernid^ten.**) 2ln ^rau von 5Kaintenon unb an bem

*) ®g waren biefeS Soffuet'g Cateinifd^ gefd^riebene SCbl^anblungen (toeld^e in SRom gclefen werben unb auf bie ©ntfd^lie^ungen ber ©arbinäle einh)ir!en foHten: Mystici in tiito (eine bcn Unterfd^ieb ber äd^ten 3Jl^fti! bon bem iQuie^ tiSmuS l^crborl^ebenbe Sled^tfertigung ber erftercn); Schola in tuto (toorin er fUl^ felbft üor ber l^errfd^enben ©d^ultl^eologie ju bertl^eibigen fud^te) unb Quietismus redivivus (Siiad^toeifung ber Uebereinftimmung ber Sel^rfä^e genelon'8 mit benen ber tJrau üon ©u^on unb biefer mit ben bereits i)erurtl^eiUen Qrrlel^ren bed 3KoIino8), tooju (als SCnl^ang jur Schola in tuto) im ©eptembcr nodj lam:

Quaestiuncula de artibus a gratia imperatis ($e!ämpfung ber £el^re f^enelon'S

i)on ber Siebe als 9Kotiö ber ©anbiungen).

**) ®8 fei l^ier an @inem galle gezeigt, in toeld^er SBeife genelon bie ^CuS« fätte Soffuet'S in feinem 93erid^te über ben DuietiSmuS gurüdWieS. S3offuet ^atte gefd^rieben: „S)arf ic^ eS tool^l fagen? 3a, id^ fann c8 mit SSertrauen unb üor bem SCngefid^tc ber ©onne. 2Bie? 3d^, ber einfad^fte 3Rann in ber ^elt, id^ Witt fagen, ber 3Kann, ber jeber SSerftettung, jebcS feinen ÄunftgriffS gang unfäl^ig ift, ic^ fottte attein burd^ bie gelj^eirnften ©|)rungfebern au8 einem ^inlel meines Qimmtv^ unter meinen papieren unb ©üd^ern l^erüor ben ganzen §of, ganj ^ariS, ganj granfreid^, ganj ©uro^a, ja Sflom felbft in aSetoegung Ijiaben fe|en fönnen, um ben fül^nen $lan jur 2)urd^fü]^rung ju bringen, ben ®tp bifd^of öon ©ambrai bloS burd^ meinen @influg ju ftürjen!" SBoffuet touftte bamalS nid^t. Welche ^ctenftüdte über feine gegen ^enelon gerid^tete STlad^ina^ tionen f|)äterl^in nod^ an baS XageSlid^t treten würben. 3Kit öottem Sted^te

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jtöntg, cm ben Stjbtfd^of oon $arid unb an bem 93ifd^of t)on S^artted, toclc^e mit ben von x^tn jur Sprache gebtad^tcn SSerl^ältniffcn unb Sor« fommniffcn mdfai) in fo Bcbauerlid^em ^wf^mmcnl^angc ftanben, in toun« bctBater Scmanbtl^cit »orütergicitenb , tou^tc et bie gansc SBud^t feiner SBctoeiSftil^tung auf S5offuct fallen ju laffen, bem er l^ier mit bem voUen, tiefen Unwillen einer fd^mäl^Iid^ mi^l^anbelten, fd^ulblofen ^ßerfönlid^feit entgegentrat.

tjenelon l^ielt feinem Oegner Dor Slffem t)or, bafe biefer t)on ber bogmatifd^en 2)i§cuffion über bie „9Ra|imen ber ^eiligen", toeil er mit berfelben nid^t gum 3iric !ommen lonnte, plö^Iid^ auf 5ßerfönli(^feitcn abgefprungen fei unb mit ben über ^au von (Su^on in Umlauf gefegten ®erüd^ten il^m beijulommen »erfud^t l^abe. „®er $err ©ifd^of von ?iKeau5 befürchtete in SSerlegenl^eit ju fommen", fd^reibt genclon, „jja, er mar fd^on h)irllid^ mit feiner bogmatifd^en (Erörterung in SBerlegenl^eit. 3n biefer 3lotf) fd^ien il^m bie (Sefd^id^te ber fjrau t)on ©upon baS fd^idtlid^fte 5KitteI ju fein, um feine SKi^griffc in ber Seigre bem 5ßubK^

fonnte ber bamalS öon bem §ofe ju SSerfaitteS Verbannte, ber öffentlid^en SScr« ad^tung preisgegebene unb feinen fjetnben gegenüber faft aller ©tü^en beraubte ©r^bifd^of bon (Sambrai erlüibcrn: „©ie nel^men S^^re S^f^ud^t )u ben Ubl^afs teften 9lebefiguren, um bie äl^erfül^rung p fd^ilbem, bie fo fd^neU unb faft aU^ gemein ju meinem SSortl^eile l^erborgetreten ift. Urlauben ©ie mir, Sinnen je^t gerabe ba§ gu fagen, toad @ie gegen mid^ gef agt l^aben: 9Bie? 3ft eS glaublich, foHte id^ au§ einem aOBinfel meines SimmerS ju ©ambrai burd^ bie berborgenften ©prungfebern fo üiele ebenfo uneigennü^ige als borurtl^eilSfreie aWdnner für midj l^aben getoinnen !5nnen? 98aS fage id^, borurtl^eilSfreie? ©agen toir t>ie(mel^ SRänner, bie, el^e fie meine ©d^rif ten gelefen l^atten, gegen mid^ eingenommen tioaren* ©oUte id^ meiner SSerbannung, ba äCUeS gegen mid^ toar, ba man mid^ bon aUen ©eiten gu Soben toarf, für mein Sud^ baS IJaben tl^un !önnen, toaS ber $err ©ifd^of bon 3Reau5, nad^ feinem eigenen ©ingeftänbniffe , nid^ft gegen baffelbe tl^un !onnte, obgleid^ il^n feine 9Cutorit&t in bie Sage fe^te, fid^ furd^tbar mad^en px !önnen! S)er ^err SBifd^of bon SReaus l^at gefagt: „Kabale unb gactionen pnb in unrul^iger Setoegung. Seibenfdjaften unb Sntereffen tl^eilen fldji in bie Söelt/' aber meine ©ad^e, ioaS für ein Sntereffe lann fie benn 3eman5 bem einpfien? 3luf tocld^er ©eite fteljen bie Äabalen unb gactionen? 3d^ fte^e allein, bin aller menfd^lic^en §ülfe beraubt. 2Ber nur ein toenig an fein 3u* tereffe benft, getraut fid^f ni^t mel^r midj ju !ennen. Xtt i&err »ifdjof bon SKeaus fäl^rt fort: „grofie ©efeUfd^faften, grofjc SRäd^te fmb in ^]^&ttg!eit." SBo finb benn biefe grofien ©efeUfd^aften, biefe großen SRäd^te, bie fidj meiner fo ioirffam am nel^men? ©o fud^t eS biefer ^rälat ju feiner ©ntfc^ulbigung ju erüären, ba^ bie aOBelt in ibrem Urtbeil über ein ©udj getl^eilt ju fein fdj^eint, ioeld^eS er ans fang« alS bie abfd^euUd^fte ©d^rift gefd^ilbert bat, bie gar feine gefunbe SluSs legung julaffc; unb in biefer Sage l^ielt er für baS »efte, bon ber Seigre auf ^erfönlid^Jeiten überkugelten."

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fum plö^Iid^ ou§ ben 3lugcn ju rütfcn. 3)icfcr 5ßtälat bringt barauf, ba| id^ il^m Übet bic gcringftcn Umftänbc bcr %xan von ©upon genau Sluffd^IuB geben foUtc, gerabe als toäre id^ ein 9Jliffctpter, bet t)or fei* nent SRid^ter im peinlid^en SSeri^ör ftel^i gorbere ic^ il^n auf, ftd^ übet fjunbantentalpunlte be§ ©laubenS 3U erfläten, fo Befd^toert er ftd^ über meine ^rage unb miH fid^ ju feiner ©rllärung üerftel^en. ©iel^t er flc^ bann au^er ©tanbe über bie Seigre ju antworten, fo greift er meine ?Perfon an; er prebigt bann ba§ von ben 2)äd^ern l^erab, loaS er fonft nur in ba§ D^x raunte; er greift bann 3U SlHem, toaS mid^ nur immer bei aJlenfd^en gel^äffig mad^en lann. S)a3 ©el^eimni^ fold^er SBriefe, bie megen T)ertraulid^er ©röffnungen über ^erjcnS* unb ®en)iffen§fad^en nöd^ft bem Scid^tpegel baS l^eiligfte ©tiHfd^toeigen erforbern, l^at nid^tS Unoer* le^Ud^eS für il§n. 6r legt meine Sriefe bem römifd^en §ofc vox; er lä^t fie brudfen, um bie Seroeife meines unbefd^ränften SBertrauenS auf ii^n ju meiner ©d^mad^ 3U mi^braud^en. 9Jlan h)irb aber feigen, ba^ ein foId^eS SBerfal^ren, toeld^eS unter atten Umftänben unerlaubt ift, il^m nid^tS nü^en lann." ^enelon 3eigt l^ierauf, ba^, toenn er t)on grau t)on (Supon getäufd^t fein fottte, biefeS ol^ne fein SSerfd^uIben gefd^el^en fein mürbe, toeil ber Sifd^of von ®enf über bie grömmigleit unb ben fitt- lid^en SBanbel ber 2)ame bie günftigften S^wgniffe felbft nod^ bamals auSgeftettt l^abe, too fie fd^on in fel^r Übeln SRuf gebrad^t loar. ^iament* K^ jog genelon l^ierbei ein fel^r beftimmteS unb IlareS ©d^rciben beS (Senf er SSifd^ofS t)om 8. ^J^bruar 1695 an. Sr l^ebt bann l^eroor, ba^ Soffuet ber grau t)on ©u^on, nad§bem er fie fed^S 3Konate lang in einem Älofter feines ©prengelS beobad^tet, fie nad^ Slttem ausgefragt unb felbft il^re gel^eimften Rapiere auf bas ©enauefte burd^fud^t, fie alfo genau fcnnen gelernt, ben ®enu^ ber ©aframente gemährt unb nad^ gefd^e^ener SSerurtl^eilung i^rer irrigen ©ä^e fid^ fd^lie^lid^ mit einer berfelben Don il^m in bie geber bictirten ®rflärung begnügt l^abe, in meld^er fte be* 3eugte, fie l^abe ftetS bie Slbfid^t gel^abt, in einem ää^t fat^olifd^en ©inne 3U fd^reiben unb 3U leieren, unb l^abe eS nie für möglid^ gel^alten, i^ren ©d^riften einen anberen ©inn unterjulegen. „2Benn nun ber §ert Si« fd^of oon 3Keauj", fäl^rt genelon fort, „ber mit ben ge^eimften ^Papieren ber grau t)on ©upon auf baS ©enauefte oertraut toar unb aus benfelben in feinem „SSerid^t" bie merltoürbigften ©tetten angefül^rt l^at, um fie als eine ^JJerfon I^in3uftel[en, meldte »on ben gefä^rlid^ften unb abenteuere lid^ften ©runbfä^en angeftedft fei, gleid^tt)ol^( geglaubt l^at, ba^ man fte bejüglid^ il^rer 2lbfid§t entfd^ulbigen lönne, ivarum foHte bann id^, bem alle biefe ^Papiere, alle biefe 3Sifionen, atte biefe angeblid^en SBSunber gän3lid^ unbelannt finb, nid^t baS Siedet l^aben, in meinem Innern be«

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3ügKd^ bct Slbfid^ten bct %xan von ©upon cbenfo günftigc SBcrmus iffuxiQen ju liegen, ate er fte in öffentlichen Sllten äußerte?" Sbenfo Beruft jtd^ ^enelon auf bie UnterroerfungSafte, weld^c fjrau von ©upon bem Srjbifd^of 5RoaiffcS gegenüber unter bem 28. äuguft 1696 mit eigen« l^änbiger Unterf(i^rift tjoffjogen l^abe, eine Sllte, in weld^er biefet Sßrälot fte baS ©eftänbni^ il^rer ^xtf)ixmex l^abe auSfpred^en laffen, aber fie au^ mit il^rer Slbfid^t entfd^ulbigt unb il^r ben ferneren (ämn^ ber ©aframente t)erftattet l^aBe, toorauf er fortfäl^rt: „^^ lonnte alfo über bie Slbpd^ten ber %xau von Ou^on ebenfo getäufd^t werben toie jene ac^tunggtpürbigen Prälaten, bie bod^, iveit bie SDame fid^ in il^ren ©prengeln auffielt, il^re nattirlid^en Oberen getoorben waren unb über bie gel^eimften Umftänbe i^rer Seigren nni Sitten am beften unterrid^tet fein mn^tm." „2BaS bie ©erüd^te betrifft, toeld^e über bie ©itten ber grau von ©u^on feit il^rer SSerl^aftung im Umlaufe finb, fo über« laffe id^ bie Unterfud^ung berfelben il^ren Oberen. SBerbcn fie al§ be^ grünbct befunben, fo werbe id^ fie femerl^in ebenfo fel^r Derabf dienen, aU x6) fie t)orbem fd^a^te. ^i) Werbe mid^ bann um fo mel^r über i^re fo weit getriebene §eud^elei ärgern, je mel^r fie mid^ Dorl^er exiant f)at S)ie Äird^e follte bann auf eine ganj ejemplarifd^e SBeftrafung bicfer $Perfon bringen, wenn fie unter fo fielen Sleu^erungen von ©otteSfurd^t eine fo fd^redfUd^e ©ittenoerberbni^ foffte oerborgen l^aben." 3wtn ©d^Iuffe feiner SlntWort fagt bann genelon nod^ goIgenbcS: „§at ber §err Sifd^of t?on 3!fteavLic nod^ irgenb ein Rapier ober nod^ irgenb einen S3ewei§ gegen mid^ in §änben, fo befd^Wöre id^ il^n, fein l^albeS ©el^eim« ni^ barauS 5U mad^en, baS fd^Iimmer ift aU eine ooDfommene Selannt* gebung. Qd^ befd^wöre i^n, 2lIIeS nad^ 9lom ju fd^idEen. ©Ott fei S)anl, id^ fürd^te nid^tS t)on bem Sitten, toaS auf bem SEBege Sled^tenS vorgelegt unb unterfud^t werben mag! Seib finb mir nur unfid^erc ©e« rüd^te unb ungeprüfte Slngaben. Sin id^ wirllid^ in feinen älugen ein fo rud^Iofer §eud^Ier, fo mu^ er atte SeWeife bafür nid^t in ©d^mä^* fd^riften fonbern in gcrid^tlid^er gorm beibringen. Qld^ für meine ^erfon lann mid^ l^ier nid^t entl^alten, 3)en jum 3^wgen 3U nel^men, beffen 2(uge aud^ bie tiefften ginfterniffe erl^efft unb vox bem Wir balb erfd^einen werben, (gr, ber in meinem ^erjen lieft, Wei^, ba^ id^ an feiner ^erfon, an feinem Sud^e l^änge; bafe id^ nur il^m unb feiner Äird^e feft ergeben bin, ba^ id^ ol^ne Unterlaß in feiner ©egenwart feufje unb 3U il^m flel^e, er möge ben ^rieben l^erftettcn unb bie 2!age beS Slergerniffeä abfürjen, er möge ben §eerben il^re $irten Wieberfd^enfen unb fie mit« einanber in feinem §aufe oereinigen; er möge enblid^ auf ben §erm

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Sifti^of DOtt SKeaui fo uicle ©cgnungcn J^erabftromcn laffcn, atö er mit Jlrcuj unb 3)tübfalc ^ugcfd^icft f)at"

2lte bicfc ©d^rtft %enelotCQ crfd^icncn war, genügten toeniflc 3;age nnb Sßod^en, um in ber öffentlid^en SReinung ^anfreid^S mieberum ben DoSftänbigften Umfd^mung J^etDorjurufen. ^enelon'S äCuSfül^tungen toaten fo butd^fid^tig unb Kar, feine SctociSfül^rung toar fo einfad^ unb fd^Iagcnb, ba^ ftd^ aldbalb aKer Drten bie Ueberjeugung t)on feiner DöKigen Um fd^ulb auSfprad^, SRamcntlid^ mar bieS aud^ in 3lom ber %aU, wo nid^t nur bie 6arbinäle unb anbere ^Prälaten beS römifd^en §ofeS, fonbem aud^ ber 5Papft fid^ über g^rio^i'^ „2lnttoort" mit großer Slnerleraiung auSfprad^en. 3)enn S^bermann fal^ ja nun, ba^ ber SBifd^of t)on ÜReauj einft felbft bie ^au oon ©upon gan3 ebenfo beurtl^eilt l^atte, tme ed fjenelon nod^ immer tl^at! Slud^ auf bcn ©rjbifd^of oon 5ßari3 unb auf ben Sifd^of oon ßl^artreS mad^tc bie ©d^rift ben glüdtUd^ften ©inbrudf. Seibc badeten fd^on baran, genelon toieber bie §anb ju bieten; inbeffen trat ber Sifd^of t)on 3ReauE bajtoifd^en.

Soffuet fal^ mit innerem ®rimm, ba^ ber t)erl^a§te ®egner urplö^« lid^ toieber bie ©^mpatl^ien faft Sitter gewonnen l^atte, unb um baä oer« lorene Serrain mo möglid^ toieberjugetoinnen, begann er fofort bie StuS« arbeitung einer neuen ©d^rift, bie il^n jmei ootte SKonote befd^äftigte. ©ie erfd^ien (5U Slnfang beS Slooember) unter bem 2^itel: „Semerfungen über bie Slntioort beS $errn ©rjbifd^ofS oon ßambrai".*)

Slber fd^on nad^ ad^t 3^agen l^atte genelon aud^ auf bicfe „Scmer* lungen" eine ßrtoiberung unter bem 2^itel „Pr6juges decisifs" fertig. 2)er Xon biefer ©d^rift, worin fid^ %enelon ju feiner 8Sertl§eibigung auf bie eigenen 3^Ößf^^"i^*iiffß ^^^ ©egnerS berief, unb toeld^e im Slnfange beS ffiecember im 3)rudE verbreitet marb, toar ftrenger als ber ber erften, aber bie SBiberlegung ber Semerlungen Soffuet'S mar in fieg^aftcr SBeife burd^gefül^rt unb ber ßarbinal oon 33ouitton erilärte bejüglid^ biefeä ©d^riftd^enS 3U Sftom öffentlid^, in bemfelben ermcife ftd^ ber menfd^Iid^e ®eift in feiner größten ©tärle. 2)er Sifd^of von 3Reaus bagegen fd^rie, als er ^Jenelon'S le^te SEBorte gelefen l^atte: „3)aS ift eine loilbe Seftie, bie man 3ur @l^re beS bifd^öflid^en 9lmteS unb ber äßal^rl^eit fo lange »erfolgen mu^, bis man fte gu Soben gefd^lagen unb unfd^öblid^ gcmad^t l^at. ^at nid^t ber f). Sluguftin ben Julian bis auf ben Sob ©erfolgt? ^an mu^ bie ^ird^e, oon bem größten ^einbe, ben fte gel^abt l^ot, be- freien. 3^ glaube ber Äönig unb bie Sifd^öfe finb in il^rem (Seloiffctt

*) Remarques sur la Reponse a la Relation du Quietisme. Paris 1698.

427 -

t)crBunbcn, bcn 6tj6ifd^of t)on ßamBtai nie mel^r jur Slul^e lommen ju Iaf[cn."

SBoffuet trat bal^er bcm ßrjbifd^of t)on ßnmbrai notä^mafö in einer

gcl^arnifd^en R6ponse aux pr^juges d^cisifs pour M. l'archeveque de Cam-

brai (toeld^e in bcn legten Saugen beS S^nuar 1699 erfd^ien,) entgegen; unb als genelon il^n fofort mit einer ©rtoiberung unter bem SCitel: Les

principales propositions du livre des Maximes des Saints, justifi^es par des expressions plus fortes des saints auteures, toorin fxä) berfelbe auf

SluSfprüd^e fird^Iid^ anerlannter Vertreter ber üRpftil auS frül^erer S^it (namentlid^ ber Slngela von goHgni unb beS «Jranj t)on ©aleä) berief, abfertigte, trat berfelbe fd^on im näd^ftfolgenben 3Rär3 mit einer neuen <Streitf d^rif t : Les passages 6claircis ou R6ponse au livre intitule: Les principales propositions du livres des maximes des Saints auf ben

fiampfpla^.

UebrigenS l^atte Soffuet bod^ eingefel^cn, toie unllug toar, ba^ tx bie S)i§Iuffion über bie Seigre, bie il^m eine fo günftige ^Poption bot, t)erlaffen unb ^ßerfönlid^Ieitcn unb angeblid^e S^l^atfad^en jur Sprad^e ge* brad^t ^atte. S^bem er bal^er befd^Io^, biefe S)ingc femerl^in unberül^rt ju laffen, fo mar in biefen legten ©d^riften, toeld^e er nod^ t)eröffent« lid^te, um eine rafd^ere (Sntfd^eibung ber römifd^en (Surie I^erbei3ufül^ren, t)on ^rau t)on ©u^on unb von Sacombe nid^t mel^r bie Siebe. 25al^er begann fid^ aud^ von ba an baä öffentlid^e Si^tereffe in ^ranlreid^ t)on ber 3mifd^en Soffuet unb ^enelon gefül^rten ^olemil, burd^ bie fid^ fo lange l^atte in Spannung erl^alten laffen, abjumenben unb fid^ allein mit bem 3Serlauf ber 3)inge in Slom ju befd^äftigen.

©ie Setttttpeltuttg bet „SWajcimen bet Zeitigen*" •)

2)er ©ommer beS ^df)xt^ 1698 ging ju ©nbe unb jum größten Slergcr Soffuet'g mar bie von xi)m fd^on fo lange mit größter Xlngebulb ertoartete ©ntfd^eibung beö l^eiligen ©tul^leg nod^ immer nid^t erfolgt aifferbingS l^atte fid^ bie t)on bem 5ßapfte ernannte Unterfud^ungSfommiffion ein ganjcS 3al^r lang mit ber 5ßrüfung ber „^Jlajimen ber ^eiligen" be«

*) 2)ie §auptqueae für ben Snl^alt biefe« ^aragrapl^en ift Phelipeaux Re- lation de Porigine, du progres et de la condamnation du Quietisme, Tom. II,

too fidj alle l^ier angebogenen Urlunben, SWten unb ©orrefponbenjen im Original« te£t abgebrudt finben.

428

f d^äftigt ; aber Don Slnfang an l^attc bic tötnif d^c ßuric jid^ nur f c^r um gctn mit ber ßanjcn Slngclcgcnl^cit Bel^cttigt gefeiten, ©ic moralifc^c älutorität beiS @r}6ifd^of3 von (Eambtai ftanb in ben älugen beS ^opfteS unb eines großen %f)e\k^ ber ßarbinäle fo l^od^ unb baS Sud^ bejfelbcn toar nad^ beren ?Dleinung in einem fo frommen ©inne gefd^rieben unb mar fo erbaulid^ ju lefen, ba^ man am liebften bic gansc Slngelegcn^eit l^ätte fallen laffen. Slber ber SSifd^of oon SReauj unb ber oon biefcm aufgel^e^te Äönig oon granlreid^, ber römifd&en Äird^e erftgeborener ©o^n, brängten unabläffig unb oerlangten SRettung ber Äird^e au^ großer ®e* fal^r. a)al^er fe|te man bie Unterfud^ung fort unb bemül^te ftd^^ bem Äönig 3u SQSitten ju fein, mennfd^on eS nid^t mit gutem (Semiffen ge^en moEte. 2)a bie (S^aminatoren toegen ber äSeurtl^eilung be3 ä3ud^e3 felbft miteinanber in ©treit gerietl^en, fo fügte ber 5ßapft 3U ber ^rüfungS* lommiffion nod^ bie beiben ßarbinäle SioriS unb gerrari l^inju, toeld^c in ben Gongregationen ben SSorpl fül^ren follten» SluS bem Sud^e iourben nun 37 ©ä|e auSge3ogen, über beren Dualification bie ßonful« tatoren miteinanber ©erl^anbelten, bis enblid^, nad^bem man oom 12, Dct 1697 an 64 ©i^ungen (jjebe ju 6 7 ©tunben), tJ^eilioeife unter bem aSorft^e beS ^ßapfteS felbft, gehalten l^atte, am 25. ©ept. 1698 ber ©prud^i ber Äommiffion erfolgte. 3Son ben jel^n Sjaminatoren crllärtcn fünf, ba^ baä S3ud^ oon ber „3luälegung ber SKa^imen ber ^eiligen'' gar feine (Senfur oerbiene, mäl^renb bie anberen fünf erflärten, ba§ eS eine gro^e 9(n3al^l tabeln§n)ürbiger ©ä|e entl^alte. @3 ift 3U bemerfen, ba^ für baS Urtl^eil ber fünf erfteren l^auptfäd^Iid^ bie oon genelon felbft ge- gebenen ©rlttuterungen entfd^eibenb gemefen toaren.*)

5Rad^ ber bei bem l^eiligen Dffi3ium oon SllterS l^er befte^enbcn ©efd^äftgprajiS golt ein Sud^ als gered^tfertigt, fobalb beffen aSerrocrjlic^« feit nid^t burd^ eine ©timmenmel^rl^eit auSgefprod^en mürbe. §iemad^ mu^te alfo bie ganje Unterfud^ung als gefd^loffcn unb erlebigt gelten unb genelon fonnte fein 93ud^ als gered^tfertigt anfeilen.

fjreilid^ toar eS immerl^in nod^ möglid^, ba^ ber 5ßapft eine noch- malige Unterfud^ung ber Qaä^e anorbnete ; allein bie perf önlid^e Stimmung beffelben mad^te biefe 3Köglid^Ieit, wenn nid^t t)om fran3öftfd^en $ofe au5 toieberum eine 5Preffion auf bie römifd^e 6urie ausgeübt tourbc, 5ur Un^

*) ®in ©pbtter t>errtflirte bamalS ben «ßopft mit 2)ift^d^en, in benen er bem f erben mit bem be!annten buribanif d^en ®f el bergleid^t :

Divisis monacbis, quid agas, manet inscia Roma;

Haesit quondam asinas, Busiridane, tuus. Quinqne novum damnant, absolvunt quinque libellum;

Quod monachos latuit, Papa videre nequit.

429

toal^rfd^einltd^Ieit. SDal^er brängte eS f^enelon, je^t einen Sd^ritt 3ur aSerföl^nung unb jum Rieben ju tl^un. S^ biefem ©inne rid^tete er ein fel^r ]^er3lid^e3 ©d^reiben an %xan t)on SKaintenon, inbem er il^r t)on ber in 9f{om erfolgten ^bftimmung 3la^x\^t gab unb bie Hoffnung auSfprad^^ bo^ jtc felbft je^t einer il^m günftigeren SBcurtl^eUung feines 33ud^e8, feiner ©efmnung unb feiner Seigre Staunt geben möge. 33oc^ erHärte er om ©d^Iuffe beS SSriefeä, ber 2)ame nod^ jtoci SJinge üorftellen ju muffen: ,,S)aS Srfte ift: toenn mid^ ber 5ßapft ©erbammt, fo toerbe id^ mein Ärcuj ol^ne SKurrcn unb mit bemtitl^igem ^erjen -tragen. SBenn fid^ aber ber 5ßapft, mie id^ ^^ffc, an bie gemöl^nlid^c Siegel l^alten roiff unb id^ fo gered^tfertigt toerbe, fo merbe id^ mid^ gegen meine SKitbrüber gerabe fo nerl^alten, als roenn xä) t)on i^nen niemals angegriffen toorben märe, ©aö Slnbere ift, ba^ unter allem Sreuj, mit bem man mid^ ju erbrütfen gefud^t l^at, feinS für mid^ fd^toerer ift als biefcS, ba^ id^ Sinnen fo Diel 5Dli^Dergnügen nerurfad^t l^abe. S)arf id^ mid^ iool^l barüber beflagen, ba^ ©ie breien großen ?ßrälaten mel^r geglaubt l^aben als mir allein, Knb ba^ 3^^^ i>i^ ©id^erl^eit ber Äird^e tl^eurer mar als mein perfön« lid^eS ainfel^en?"

6s liegt feine 2lntmort ber ^rau t). SJlaintenon auf biefen S3rief t)or; toal^rfd^einlid^ ift gar leine erfolgt. 3)enn ju berfelben S^xt, mo grau 0. SKaintenon ben S3rief genelon'S empfing, l^atte ber Sifd^of von SKeauj am $ofe gu SSerfailleS bereits einen il^m oon bem Steffen ju Slom empfol^lenen 5ßlan vorgelegt, nad^ toeld^em ber ^Papft bod^ nod^ ju einem SSerbammungSurtl^eil über bie „SWajimen ber J&eiltgen" gebrängt toerben follte, unb ber 5ßlan l^atte bie beftimmtefte SiKigung beS ÄönigS gefunben. ®S tourbe befd^loffen, je^t bie Slutorität ber ©orbonne, bei ber ja ber SBille beS ÄönigS 2HleS galt, aufjubieten unb burd^ biefe ben 5Papft 3um @rla^ eines SBerbammungSurtl^eilS ju jtoingen.

2)er Srjbifd^of 3loailleS, ber fid^ für ben 5ßlan leidet gewinnen lie^, mad^te bie ©ad^e mit bem Dr. 5pirot fertig, mit bemfelben 3)octor ber ©orbonne, ber einft ^Jenelon'S 5Kajimen ber ^eilig^n für „rid^tig unb nü^lid^" erllärt unb als ein „golbneS Sud^" bejeid^net l^atte.

5Pirot fe^te eine ßenfur beS Sud^eS auf, in toeld^er 12 ©ä^e beS« felben unter getoiffen Steftrictionen oerurtl^eilt tourben. @in ©jemplar biefer ßenfur iourbe jjebem SDoctor ber ©orbonne im Flamen beS ®r}« bifd^ofS 5RoailleS 3ur Ilnter3eid^nung jugefd^idtt. 2)ie meiften SKitglieber ber ©orbonne glaubten fid^ il^rem 2)iöcefanbifd^of gefällig er3eigen 3U muffen unb plö^lid^ erfd^ien bal^er gu 5ßariS bie ßenfur beS Sud^eS fJenelon'S mit ben Unterfd^riften oon 60 S)octoren ber berül^mten ©ors bonne im SDrudf.

430

3n Storn toat man allerbing§ über biefed SSerfal^ren^ in toel^em eiS bie Sorbonne )u $ari3 fid^ onntaa^te, bem UrtJ^eil beS apoffcoKfd^en Stul^IeS Dorjugreifen, fel^r ungel^alten, unb ber @r}(ifd^of 9{oatiIe§ n>utbe barüber 3ur Suftification gejogen; aber S3offuet l^atte boc^ für feine ferneren Operationen 3U SHom bie neue SafiS, beren er beburfte, gewonnen.

3)en SSorfteffungen be§ Sifd^ofä tjon SMeaiij fowie ber grau dou 3Raintenon unb bed @r}bifd^of§ t)on $ari$ {toel^e beibe oon 93of[uet infpirirt toaren) ©cl^ör gebenb, fertigte bal^er Subroig XIV. einen Courier mit einem ©einreiben an S^nojenj XII. ah, toorin ber ftönig feinen tiefften ©d^merj bartiber auSfprad^, bafe bie jur ^erfteHung bc3 griebcnS ber Aird^e fo notl^toenbige Sntfd^eibung beS ^apfted über genelon'^ S9u^ burd^ bie 9tänle oon 2mUn, toeld^e in ber S3er3Ögerung beS popftlid^en ©nburtl^eils il^ren SSortl^eil ju finbcn glaubten, nod^ immer oufgel^alten h)erbe, unb auf bag ^ringenbfte bat, ba^ ber $apft bod^ burd^ feinen entfd^eibenben @prud^ enblid^ einmal bie erregten ®en)iffen berul^igen möd^te. @in gleid^3eitig an ben ßarbinal t)on SSouiUon geri^teter föniglid^er Srta^ mad^te biefem für ben ©rfolg beS für ben ?Japft be^ ftimmten SricfeS gerabeju tjcrantmortlid^. Slu^erbem mürbe eiS bem ^önig Ilar gemad^t, ba^ er nod^mals burd^ bie eclatantefte ^unbgebung feinet löniglid^en UnmiUeng über genelon ben an ben $apft gerid^teten SSorfteffungen ben crforberlid^en Slad^brudE 3U geben l^abe.

3n ben erften 3^agen beS Januar 1699 lie^ fid^ bal^er Submig XIV. bie Sifte ber am §ofe ber jungen 5ßrinjen angeftcfften Seamten unb S)iener bringen, ftrid^ mit eigner §anb ben 9lamen beS 6r3bifd^ofS t)on Sambrai au3 unb ent3og bemfelben ben 2!itel unb bie äSefolbung*) eines ^Prinjenlel^rerS, fotoie aud^ bie 3iwtmer, bie er in biefer ®igenfd^aft ouf bem ©d^loffe bis bal^in bemol^nen burfte.

2luf bie 6urie ju SRom mad^te bie 9lad^rid^t oon biefem brutalen SSorge^en beS ÄönigS gegen genelon unb baS 3ubringlid^e ©d&reiben beffelben ben unangene^mften (Sinbrudf. Heber bie ©timmung Subtoig'S XIV. h)ol^Iunterrid^tet l^atte 3nno3en3 XII. au§ eignem antriebe eine nod^malige Prüfung beg S3ud^eS fJenelon'S bereits angeorbnet. 3n ber 3eit oom 19. 9loobr. bis 3um 15. 2)ecbr. 1698 l^atte bie ßongregation beS f). Dffi3iumS beSfaffS jel^n ©i^ungen gel^alten, h)esl§alb bie n)ieber' l^olten ©offi3itationen als fold^e unmotioirt erfd^icnen. S^beffcn toaren

*) SSier Saläre borl^er l^atte fld^ genelon öon bem Äönig bie (il^m nidjt ge« to)äl^rte) @nabe auSgebeten, biefen QJel^alt als ^Beitrag }ur I6eftreitung bamaltget ÄriegSloftcn bem fönigUd^en ©c^a^e überlaffen gu bürfen!

431

biefcI6en in bcn ^[ugcn beS 5ßapftcS immetl^in gctoid^tig genug, um benfdbcn ju bcm Scfel^Ic ju t)cranlaffen, ba^ bie ßarbinäle il^re ä^l^ätig« feit Dctboppeln unb jur Sefd^Icunigung bcr ©ad^e aHtoöd^entlic^ brci @i$ungen l^alten foKten.

©d^on bantals, too bie literarifd^e ^el^be ber 5ßarteien nod^ im t)otten ®ange toor, l^atte jtd^ ^J^nelon'S ©d^idffal in 9lom entfd^ieben. (Sl^antctac fd^rieb an bcnfelben (im 35ecbr. 1698): „Seute, bie aufrid^tig gut mit Sinnen meinen, fagen mir alle 2^age, Slom fönne unmöglid^ bem bringen« ben aCnl^alten beS fransöfifd^en §ofeS gegen ©ie toiberftel^en. 2)er Äönig forbert nid^t nur eine rafd^e ®ntfd^eibung, fonbern er bringt fogar auS« brtidflid^ auf bie SSerurtl^eilung ^f)xt^ S3ud^eS, meldte für bie SWul^e unb SBoPfal^rt beS ©taate§ burd^auS erforberlid^ fei."*)

©iebenunbbrei^ig ©i^ungen l^atten bie (Sarbinale Bereits gel^alten, als es il^nen enblid^ gelang, unter 37 ©ä^en ber Maximes des saints, toeld^e ben frül^eren ßjaminatoren 5ur Unterfud^ung tjorgelegt getoefen toaren, 23 als fel^Ierl^aft 3U befinben, 9iur h)ar eS il^nen nod^ jtoeifel« §aft, iüie man bie Qualification biefcr ©ä^e 3U beftimmen unb baS beS» falls ju erlaffenbe 3)ecret ju formuliren l^abe. 3lm 24. gebr. 1699 be« ouftragte bal^er S^nojens XII. bie ßarbinäle 9ioriS, gerrari unb Sllbani mit ber SlBfaffung beS 3)ecretS, wobei er benfelben (auStoeiSlid^ eines S5riefeS beS 31666 Soffuet) bie größte ©d^onung genelon'S jur ?PfIid^t mad^te. S^folge beffen tjereinigten fid^ biefelBen fd^on brei 3^age fpäter über folgenbe Seftimmungen : 1) ba^ baS 3)ecret bie gorm eines ein« fad^en S3ret)eS, nid^t aber bie einer SSuffe l^aben follte; 2) in bem S3ret)e foCte auSbrtidElid^ gefagt toerben, ba^ ber ^ßapft nid^t bie äCbfid^t I^a6e, bie „2luSlegungen" beS SSerfafferS über fein S3ud^ ju uerbammen (non

intendimus improbare explicatione sauthoris) ; 3) ba^ man 6ei Slnf Ül^rung

beS ©a|eS t)on ber unfreitoittigen SSertoirrung S^fu (S^rifti erllären foffte, ber aSerfaffer l^abe biefen ©a§ nid§t als ben feinigen anerlannt (quam

*) 2)amalS ftar6 in bcr a3aftille gu $oriS ein grauenjimmer, toeldJcS ber grau ö. (^ui^on aufwartete, gnfolge beffen fam baS ©erüd^t in Umlauf fogar in 3iom , grau t). ©u^on fei in ber 33aftille geftor^en. SWS genelon l^ierioon l^örte, fdjrieb berfelbe an einen greunb : „SSon ^ariS auS l^ört man, baj grau ö. ®u^on in ber SSaftitte geftorben fei. 3d^ «iw^ i^r löie to&l^renb il^reS SebenS fo aud^ nadj il^rem Xobe nadfffagen, ba^ id^ an il^r niemals ©ttoaS ent« bedt "ffaU, baS midj nid^t fel^r erbaut l^ätte. Söäre fie audj ein eingefleifd^ter Xeufel getoefen, fo lönnte idj bon il^r bod^ nidjt anberS reben, als toie idj fie feiner Seit !ennen gelernt l^abe. ®S toäre bie abfd^eulid^fte 9flieberträd^tig!eit, toenn id^ über fie je^t ^ioeibeutig reben wollte, nur um mi^ meiner SBebrängnif^ au entstellen*"

432 tarnen propositionem negat antor esse suam). 9Cu^etbem foQte in bettt

S5tct)e h)eber baS S3ud^ nod^ ber SRame bcS SSctfafferä genannt werben.

Setber fanbcn jjebod^ biefe Seftimmungen bei einem %f)üle ber ßor- binäle, inSbefonbere bei bem 2iobfeinb ^enelon'S, bem ßarbinal ßafanate, fo lebhaften SSiberfptud^, ba^ ber 5ßapft in einer am 3. 3Kärj 1699 gc- l^altenen ßongregation in bie ©ntroerfung eineö anbeten, toeit rigorofcren SDccretS einwilligen mu^te. 3nnojen3 XIL xoax aber barüber fo voU SammerS unb gerietl^ in fold^e innere 3loif), ba^ bie für genelon günftig gefttmmten ßarbinäle in neue SSerati^ung traten, um auf ^Kittel unb SEBege ju finnen, burd^ weld^e bie SSerurtl^eilung be§ Sud^eS in einer bem ^ergcn beS ?Papfte§ weniger fd^merslid^en SBeife beh)er!fteIKgt toerben fönnte. 21I§ ©rgebni^ ber Seratl^ung legte man bem 5ßapfte ivoölf Sel^rfä^e vox, in benen bie ben 3Keinungen be§ SKoIinoS unb ber anberen Duietiftcn entgegenftel^enben Seigren ber Äird^e auSgefprod^en toaren, inbem man il^m bemerlte, ba^ l^ierburd^ bie SEBal^ri^eit auf§ 9ieue befeftigt, ber quietiftifd^e S^f^^um von ber ^ird^e ein für allemal auSgefd^loffen mürbe, ba^ ^enelon fid^ jur Untergeid^nung biefer Slrtifel lei^t »erftel^cn unb bod^ bie öffentlid^e SSerurtl^eilung beffelben umgangen lt>ürbe. UeBcr biefen SSorfd^Iag l^od^erfreut berief ber ipapft bie ßarbinäle fofort (5. Wtäxi) tüieber 3U einer ßongregation 3ufammen unb lie^ bie jmölf Slrtifel gur Prüfung an alle üertl^eiten.

©d^on am Slbenb beffelben 2^age§ mu^te gans 3lom von ber neuen SBenbung ber ©ad^e. 2lbb6 Soffuet fd^äumte oox aSButl^, lie^ am 5. SDlarg einen ßourier nad^ SSerfaitteS abgelten unb fd^iäte am folgcnben %a%t aUen ßarbinälen ein eiligft ausgearbeitetes unb in ba§ St^K^^ifd^e über- lebtes 5ßromemoria ju, in toeld^em er bie 2luSfül^rung bcS neuen ^loneS als baS l^eillofefte Sittentat auf bie gan3e Drbnung ber Äird^e l^infteUte. Qn einer Sßerfammlung beS ßarbinalScollegiumS am 8. 3Kär3 erflärte bal^er baffelbe faft einftimmig, ba^ baS von bem 5ßapfte empfol^lene SBer* fal^ren unter ben gegenwärtigen tlmftänben unauSfül^rbar fei unb lie^ bemfelben burd^ einen 2lffeffor beS f). DfficiumS üon biefem Sefd^luJ 5Rad^rid^t geben.

SSon bem fran3Öfifd^en $ofe ging eben bamalS ein (toal^rfd^einlidj t)on SSoffuet concipirteS) ©d^reiben ab, meld^eS ein über bie römifd^e (Suric l^ereinbred^enbeS Sßetter anlünbigte. S)aS ©d^reiben lautete in feinen ^auptfteKen:

„©eine SKajeftät üernel^men mit ©taunen unb ©d^mer3, ba^, un« gead^tet aller 3^^^ bringenben SBorftellungen, unb obgleid^ ©eine heilig« feit fo oft oerfprod^en, biefeS aud^ burd^ ^f)xen JluntiuS neucrbingS wieberl^olt l^at, burd^ ein beftimmteS Urtl^eil baS Uebel, weld^eä bur(§

433

baS äSud^ ^enelon'g in ^öd^ftil^ren Btaatm angmd^tet x\i, 6id jur Sßurjel taf(i^ auSjutilgett; bod^ bie älnl^änger biefeg äSud^ed nod^ jur 3^t, tDO Meä (eenbigt 3U fein fd^ien ttnb bie Kongregationen ber Sarbinäle^ jja bct ^ßopft feI6ft, eS ate eine t)on S^^rtl^ümem ftto^enbe ©d^rift an« txiaant f)atien, mit einem neuen SSorf daläge J^eroorgerüdft wären, ber barauf l^inauSlief, fo oiele Seratl^fd^Iagungen frud^tloS ju mad^en unb attc ©treitigiciten raieber 3U erneuern."

,;5Rad^ einem in 9lom t)erbreiteten ©erüd^te fott biefer SSorfd^lag in €iuer gemiffen Slnsal^I t)on Sel^rfä^en fceftel^en, lt>eld^e man ben kav-- binälen jur Prüfung t)orIegen unb in toeld^en man bie reine Seigre über baö geiftlid^e Seben feftfe|en toiff, bod^ fo, ba^ babei baS SBud^ unange« taftet bliebe."

SDaS meifte ©rftaunen erregt nod^ biefeS, ba^ man fold^e

fd^onenbc 3ltidEfid§t für ein anerlannt fd^IimmeS Sud^ unb für einen SSer* faffer l^at, meld^er fid^ gern furd^tbar mad^en möd^te, obgleid^ alle Sifd^öfe beS Äönigreid^S unb bie ©orbonne, an bie fid^ nod^ 250 i^rer 35octoren in il^rer ©efinnung angefd^Ioffen l^aben, gegen il^n finb."

„9Jlan toirb eS leidet begreifen, ba^ ©eine SKajeftät in 3i^rem Äö« nigreid^e nid^ts Werben annel^men unb beftättgen lönnen, afö um maS ©ie angel^aüen l^aben unb h)a§ man Offnen oerfprod^en l^at : nämlid^ ein unumtounbeneS unb beftimmteS Urtl^eil über ein Sud^, baS ^^x Äönig« teid^ in Sertoirrung fe|t unb über eine Seigre, meldte S^icfp^tt l^erbor« ruft, inbem leine anbere ®ntfd^eibung geeignet fein mirb, eine ©ad^e von fold^er SBid^tigleit, bie fd^on fo lange bie ganje 6l^riftenl^eit in ©|)annung erl^ält, ju erlebigen."

„©r. 9Jlajeftät mürbe fel^r nal^e gelten, ioenn ©ie unter S^ren Untertl^anen gerabe ju ber S^it/ Wo ©ie auS allen Kräften beftrebt fmb, bie oon 6aft)in ange5ettelte 2^rennung 3U 3ernid§ten, eine neue fottten auSbred^en feigen. ©oHte bal^er burd^ eine ganj unbegreiflid^e Strt oon ©d^onung eine ©ad^e, bie il^rer Seenbigung nal^e ju fein fd^ien, nod^ länger l^inauSgefd^oben Würben, fo mürben $öd^ftbiefelben toiffen toaS ©ie 3U tl^un l^aben unb bie nöt^igen ßntfd^Iie^ungen f äffen, Wobei fie aber nod^ immer ^offen, ba^ ©eine §eilig!eit ©ie nid^t in bie un^ ongene^me Slotl^toenbigleit oerfe^en Werben, bie äu^erften 3RitteI ju er* greifen."

31IS biefeS bonnernbe ©d^reiben nad^ 9lom fam, mar ber ßarbinal t)on Souitton frol^, oon bemfelben nid^t ©ebraud^ mad^en ju muffen. S)ie aSerbammung beS Sud^eS ^enelon'S mar bereits fd^on einen 2^ag frül^er auSgefproc^en.

©d^on am 8. 5IRärj l^atte nämlid^ S^n^cenj XII. bie ßoncipirung s^tpp^,mm» 28

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eined barauf (ejüglid^en 3)etrete3 angeorbnet. ign einer am 11. SRät) ftattftnbenben au^erotbentUd^en Kongregation \üax ba§ Soncept beftnitio feftgeficKt loorben, gegen baS ©etoiffen beS 5PapfteS, ber an biefetn 3^age wie an einem 3)age feiner Su^e in Sftom Sllmofcn mvi^eiltn unb in ollen Äird^en SlomS öffentUd^e ©ebete anftetten lie^. Sonnerftogö, ben 12. 3Rär3 1699 erfolgte fobann bie SSerfünbigung beS SrcoeS. 9iad^bem ber ^apft in aller ^l^e bie 3Keffc gelcfen, begab er ftd^ in bie Äapette beS 5ßaIafteS ?Blonte ßaoatto, too bereits bie ßarbinälc bcä l^eiligen DffijiumS feiner l^arrten. 3)aS 3)efeet tourbe l^ier in übli<i&cr tJorm bem ?Papfte t)orgeIefen unb oon il^m unterjeid^net. 3toi) an bem« feiten SJage würbe eS gcbruÄt unb auf ben $aupt|)Iä|en SRomS ange- l^eftet. 3)er ßarbinal t)on SouiUon unb ber 3lbb6 Soffuct fd^idften als« balb Äuriere nad^ ^anlreid^ ab , um ben Äönig unb bie brei ^ßrälaten von bem ©reigni^ be§ S^ageS 3U benad^rid^tigen.

3)aS in ber ^orm eines einfad^en SreoeS (nid^t einer S3uIIe) auS« geftettte '2)efret entl^ielt junäd^ft eine Iur3e Serid^terftattung ber SSor^ lommniffe in ^ranlreid^, meldte burd^ baS ßrfd^cincn beS Sud^eS oer« anlaßt toaren. 9lad^bem fobann bemerft ioorben mar, ba^ ber ^ßapft baä S9ud^ burd^ mel^rere Garbinäle unb 2^^eoIogen l^abe unlerfud^en loffcn, tourbe in bem 2)efret oerfünbet, ba^ ber ^apft „nad^ eingebogenem ©ut« ad^ten ber nämlid^en ßarbinäle unb 35octoren ber 2^l^eologie baS obcns genannte Sud^, in meld^er ©prad^c unb Ueberfe^ung eS aud^ erfd^einen möge, auS eigener Semegung »erbamme unb ©ermerfe, um fo mcl^r, ba burd^ Scfung unb ©ebraud^ biefeS Sud^eS bie ©laubigen unmerftid^ 3U Srrtl^ümern verleitet werben fönnten, bie oon ber latl^o^ Kfd^en Äird^e bereits t)erbammt tpären, unb lt>eil eS aud^ ©ä^c entl^alte, toeld^e nad^ bem SBortfinn, n)ie er ftd^ ^unäd^ft barfteHe, unb nad^ bem ©ange unb ber SSerbinbung ber ©ebanfen oerroegen, ärgemi^gebenb, übel* loutenb, für fromme Dl^en beleibigenb, in ber 2CuSübung gefä^rlid^ unb be3ic]^ungStt)eife irrig mären." 9llS fold^e ©ä|e werben l^ierauf 23 ouS bem Sud^e l^eroorgel^oben. $ßerh)orfen wirb t)or Slffcm aUcS baS, loaS ^enelon in benfelben über ben etat passif unb bie oraison passive gefagt l^atte, infofern fid^ barin bie d^riftlid^e SSoBBommenl^eit barftcHen fottte, foioie inSbefonbere ^enelon'S Sleu^erungen über baS B^^^^t^f^t^ ber biftincten Slnfd^auung (E^rifti in ber (paffioen) Kontemplation, gene» lon'S Seigre oon ber unintereffirten Siebe betreffenb toerben bie Sel^rcn^ ba^ ber ß^rift in irgcnb einem 2Hte ber reinen Siebe fid^ ber ©el^nfud^ nad^ ber ewigen ©eligleit auSbrüdfHd^ entäußern bürfe unb bo^ eS einen ©tanb ber SSoIIIommenl^eit gebe, oon tpeld^em bie Hoffnung auSgefd^Ioffcn fei, als Si^^um beseid^net. Stuf biefe (oertoorfenen) 5ßropofttionen

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^enelon'd folgt in bem Stet)e bad päpftlid^e SSetbot beS Sud^ed (nid^ aber bcr apologetifd^cn ©d^rtften, roeld^e bcr aSerfaffcr 3ur SSertl^eibigung beffclben ebitt I^Qttc*). 2)od^ Juar l^icrbei nid^t attein ber ©cbrauci^ ber SluSbrüdfe ^^fe^crifd^" ober „ber Äe^erei na^efommcnb" unterlaffen, fonbem ed loar aud^ bie in bergleid^en 2)elreten üblid^e ^(aufel, voelä^t bie mit ßenfur Belegten Sudler 3um fjeuer t)erbamntte, nid^t mit aufge« nommen toorben.

$. 6. Soffuef d ®tel[tttio S^^ tltt^eil bed $ti))fted unb 9ette(on'6 aSibertuf.

2tm 5Dlorgen be§ 22. 3Räx^ toarb bem Äönig Subtoig XIV. oon granfreid^ gemelbet, ba^ ein ©ourier be§ 6arbinal§ t)on Souillon mit einer ®epefd^e über bie enblid^ erfolgte ©ntfd^eibung beS ^ßapfteS ein« getroffen fei. 5Rod^ ön bemfelben Sage lam bie 9lad^rid§t l^ieroon nad^ ?ßariS, oon mo ftd^ biefelbe rafd^ über ganj ^ranlreid^ oerbreitete, XteberaH in bem hielten SReid^e beS ÄonigS l)örte man bamals erjäl^len:

Af. de Meaux a gagn6 son procös ä Rome contre M. de Cambrai.

Soffuet l^ielt ftd^ gerabe bamalS ju $ari§ auf, mit ber 2lu3arbeitung einer neuen ©treitfd^rift gegen ^enclon befd^äftigt bie unter bem 3^itel:

Reflexions, dernier eclaircissement sur la r^ponse de M. l'archeveque de Cambrai aux remarques de M. l'eveque de Meaux erfd^cinen fottte.

Site er nun oon SSerfaiffeä l^er bie erfte 9iad^rid^t über bie an ben Äönig gelangte 2)epefd^e erhielt, legte er fofort baS 3Jlanufcript (beffen SSer« öffentlid^ung nun gegenftanbSloS geworben toar) 3urüdf, unb begann bie bcr gänjlid^ üeränberten Situation gemäße Haltung ein3une]§men. 38on bem ftoljen Setüu^tfein erfüllt, über einen ber l^eroorragenbften 5ßrä« laten ^ranfreid^S in einem Äampfe, in roeld^em fein §er3 fo oft er« jittert unb gebebt ^aiU einen ©ieg errungen 3U l^aben, ber feinen Flamen mit unfterblid^em Slul^mc frönen muffe, l^ielt er eS jje^t für onge* meffen, eine innere Stulpe 3ur SJ;au 3U tragen, meldte gegenüber ber um gel^euren ©rregung ber ©emütfier ringS um \f)n l^er, bie gan3e ®rö^e

*) SDie in biefen ©d^riften toorgetragene Seigre genelon'8, baj bie Xugenb ber ipoffnung auf ollen ©tufen ber d^friftlid^en SBoKfommenl^eit mit ber ^ugenb ber Siebe aI8 grud^t ber Unteren üerbunben fein muffe, inbem fte al8 §offs nung ber Siebe auS leinem anbern SBetveggrunb bie ett)ige ©eltgleit t>erlange, al^ um bem äBiUen unb ber @l^re ©otted bamit pi bienen, ift alfo nid^t t^erbammt.

28*

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unb @rl^abenl^eit eined nur für bie äßal^rl^eit fämpfenben unb babei gon) beg 93ertrauen6 auf ®ott lebenben Sl^aralterd im l^eKften Sid^te erfd^einen lie^.

3)a^ noc^ t)or Stblauf bcr 3taä)t ein ßourter feines 5Reffen ju SRom bei il^m eintreffen unb il^m bie von xf)m in äu^erfter Spannung ertDor^ teten beftimmteren ^Rad^rid^ten zutragen Mrbe, n)ar un}n)eifel^aft. 9lber er befal^l, el^e er }u Seite ging, ba^ xomn eixoa toäl^renb ber 9lad^t ein Courier auS SRom einträfe, SBiemanb i^n in feiner Slul^e ftören foDte. S)al^er warb il^m bie SDepefd^e, bie SRad^tS roirllid^ anfani, crft am fofc genben SUlorgen gegen 8 Ul^r bel&änbigt. Soffuet Ke^ biefelbe fofort bem ©rjbifd^of von $aris übermitteln, toäl^renb er felbft fid^ um ben @d^ein ju ertoedfen, ba^ bie jal^Ireid^en S9efud^e unb S3egIüdCit)ünfd^ungen, bie er 3U ertoarten ^atte, nid^t nad^ feinem ©inne toören, in feinen ®e« mäd^em abfd^Io^,*)

Slud^ ful^ren im Saufe beS 3!ageS bie in 5ßariS anwefenben Sifd^ofc fotoie anbere f)of)e ©eiftlid^e, aud^ Staatsbeamte unb §äupter ber fran- 3Öfifd^en Slriftolratie in großer S^¥ ^ox feinem $aufe oox, um il^m i^re ©lüdEmünfd^e bargubringen; aber ber Sifd^of t)on SWcauj toar nid^t ju fpred^en. @rft am barauf folgenben %aqe lie^ er eS gefd^el^en, ba^ feine 2lnl^änger unb SSerel^rer il^m il^re §ulbigungen barbrad^ten. 9Jlit ®Iü(f^ roünfd^iungSfd^reiben, toeld^e Soffuet auS äffen 3J§eiIcn granfreid^S erl^ielt, tourbe berfclbe roal^rl^aft überfd^üttet.

Äaum aber waren SSoffuet, bie Höflinge ju SBerfaiffeS unb äffe bie anberen @egner ^enelon'S aus il^rem ?taufd^e ermad^t, als fie fid^ einan^ ber bie $rage t^orlegten, ioie ftd^ nun mol^l ber ®r3bifd^of ju bem päpfb lid^en 33ret)e »erl^alten unb mie eS mit ber Qaift toeiter gelten tücrbc. S)a^ ^enelon fid^ bem päpftlid^en SJefret unbebingt untertoerfen würbe, würbe afferbingS t)on äSielen bel^auptet; affein man ion^te bod^ aud^, ba| eS bem ©rjbifd^of t)on ßambrai mit ber SBeröffentUd^ung unb SSertl^eis bigung feines äSud^eS @etoiffenSfad^e getoefen fei unb ba^ er in gutem ©lauben an feine 9led^tgläubig!eit bie Stutoritöt beS ^apfteS 3U feiner iRed^tfertigung angerufen l^abe. ^al^er toar eS gar ÜKand^em mal^rfd^ein^ lid^er, ba^ genelon im Sctou^tfein feines Siebtes unb um feines ©e« wi{fenS miffen baS über fein ä3ud^ gefäffte Urtl^eil als auf ungenügend ber Information berul^enb 3urücftoeifen werbe. Soffuet tourbe aud^ ge« fragt, was in biefem %aUe gegen ben ®r3bifd^of gefd^el^en fönnte, um beffen älnerfennung beS päpftlid^en 93reoeS }u er^iDingen o'ber bie notJ^toenbigen folgen ber Slid^tanerfennung beffelbcn auf biefen toirlforn

0 3n »erfaitteS tie^ M »offuet erft am 1. SlprU feigen!

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fallen 3U laffcn unb er iDU^te auf biefe fjrage feine SInttoott ju geben,*)

änbercrfeits taviä)ten am §ofe unb im Äreife ber SBifci^öfe Balb aSetlei S3ebenlen bejüglid^ ber Sebeutung unb beg Sßertl^ed ber päpft« Keinen ©ntfd^eibung auf. 9Kan l^atte eine Sutte erwartet, unb nur ein S5ret)e toar e§, roaS (erft am 5. Stpril) in SBerfaiHeS eintraf, unb baS Sreoe toar in mand^en S3ejiel^ungen gar nid^t fo abgefaßt, toie berartigc ©riaffe ber ßurie fonftrebigirt gu fein pflegten.**) Unb aud^ auS biefem ®runbe fd^ien möglid^ 3U fein, ba^ ber ©rsbifd^of von Gambrai bie über fein Sud^ entftanbene ßontrouerfe nid^t als befinitit) entfd^ieben an« feigen würbe. SSBaS aber fottte bann werben?

Sitten bcnen, bie fo fragten, toar e8 bal^er, als ob il^nen ein SKp von ber S5ruft genommen toerbe, als fie l^örten, ba^ genelon fid^ jur unbebingten Unterwerfung unter baS Urtl^eil ber romifd^en ßurie ent* fd^Ioffen l^abe.

genelon mar, als ber Scrid^t beS 2lbb6 von (S^anterac in feine ^änbe lam, über bie von bem 5Papfte auSgefprod^ene SSerurtl^eilung feines S3ud^eS bereits bcnad^rid^tigt toorben. SCHerbingS l^atte er einen fold^en SluSgang feiner ©ad^e in ber legten ^eit am toenigften erwartet; aber bennod^ t)ermod^te er baS S3ret)e mit toeit größerer Stulpe ju erwarten unb JU empfangen, als mit toeld^er ber ^apft eS erlaffcn l^atte.***)

*) SSergL a3auffct'S SWittl^eilung über ein ©efprädj öoffuet'S (Histoire

de Bossuet, III* @. 838): Quoique je ne doutasse pas, repliqna M. de Meaux, qae M. de Cambrai ne souscrivit a sa censure, je n'ai pas laisse de penser aux moyens, ou de le faire obeir, ou de proceder contre lui. Mais quels sont ces moyens? C'est sur quoi il se tut tout d'an coup; et auciin de ceux, qui Vecoutaient, n'osa le faire expliquer davantage.

**) 93 auf f et III. ©. 335: On disait a Paris et a la Cour: „Ce n'est qu'un bref ce n'est rien."

***) S'lad^bem baS 93ret)e publijirt toar, begab flc§ ber Slbbe bon ©l^anterac ium $apft, um bemfelben mitjutl^eUen, baj fein ©rgbifdjof feine öott!ommenfte Untertoürfigleit unter bie päpftU(i^e ©ntfd^eibung, toie biefelbe au^i auSf allen möd^te, il^m gegenüber fd^on längft beclarirt l^abe. ^l^anterac l^atte l^ierbei ©e« legenl^eit }u feigen, toie fel^r ber ^aij)ft unter ber il^m abgebrungenen SJerurtl^ei« lung beS SBud^eS genelon'S litt, ^er ^hhe berichtete nämlid^ nad^ Sambrai: „Söeldjer Unterfdjieb jtoifd^en bem toaS er (3nnocen§ XII.) für fldj fagte, unb bem toaS fein ©reue bem ^ublüum berfünbet! Söir Sitte pfammen fönnten nid^t fo niebergefd^lagen fein, alS er eS barüber ju fein fd^ien, ba^ fein thm erlaffeneS Urtl^eil für ©ie eine §ärte entl^alten mdd&te. ®r fal^ fo beränbert auS, ba^ man il^n beinal^e nid^t me^r !annte. aÄel^rmalS l^at er mir gefagt, ©ie to&ren in feinen Slugen ein großer, fel^r frommer, fel^r l^eiUger, fel^r geleierter ©rjbifd^of

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6r tDoOte am 25. 3Räx^, am ^efttage ber SSettünbigung 3Rartä; eben jur Äird^e gelten um bie geftptebigt 3U l^altcn, als fein SSrubcr, bcr Orof von ^enelon, bei il^m eintraf, um i^m bie traurige ^lad^rid^t ju über^ bringen. S)er @rjbifd^of l^örte biefelbe rul^ig an unb entf(i^(o^ ft(]^ ate« balb, bie ©iSpofition feiner ^rebigt über bie SSBorte: „3)ein SSäille ge« fd^el^e" in ber Sßeife absuänbem, bafe er ft(i^ in berfelben nid^t nur über bie $f[id^t ber Untertverfung unter bie göttlid^e SSorfel^ung im älEgemei« nen verbreitete, fonbern aud^ eine Slnfprad^e an bie ©emeinbe über bie ^{itd^t beS ©el^orfamS gegen bie red^tmä^tge Dbrigleit mit aufnahm.

SRad^ Seenbigung ber 5ßrebigt fa^te er ben ©ntfd^Iu^, feine Unters n)erfung unter baS päpftlid^e Urtl^eil fo rafd^ als möglid^ in ber beftimm^ teften SBSeife vor aller SBelt ju beurfunben. 3n eJranlreid^ burftc biefeS tnbeffen nid^t el^er gefd^el^en, afe bis baS Sreve beS ^PopfteS in bie SRe« gifter beS Parlamentes eingetragen unb baburd^ mit ®efe|eStraft auS« geftattet mar. ©arüber aber fonnte nod^ lange S^i^ vergelten, gcnelon überfanbte bal^er bem bamaligen @taatsfecretair 3RarquiS von Sarbejieui, eine an ben Äönig gerid^tete Sittfd^rift, in Iveld^er er anfragte, ob er in einem ©iöjefanauSfd^reiben feine Slnerlennung beS SreveS ouSfpred^en bürfe nod^ el^e baffelbe von bem Parlament regiftrirt morben fei. 9lod& Slblauf von ad^t S^agen erl^ielt fjenelon infolge beffen ein SRefaipt beS aRarquiS beS S^J^öKc^* „Statt einer Slntivort auf feine »ittfd^rift l^abe man il^m auf 3Serorbnung beS ÄönigS ju eröffnen, ba^ er bie verbriefe« lid^e ©ad^e, von toeld^er in berfelben bie SRebe fei, nid^t balb genug er» lebigen fönne." ©cmöfel^eit biefeS föniglid^en SSefd^eibeS erliefe bal^er ber ©rjbifd^of unter bem 9. Slpril 1699 an feine 3)iöcefanen fot genbeS SluSf d^reiben :

„®ud^, meine geliebteften Srüber, ftnb mir fd^ulbig, unS ol^ne aDen SSorbel^alt l^injugeben, meil mir nid^t unS felbft, fonbern ber $ecrbe an« gel^ören, bie unS anvertraut ift. ä(ud^ betrad^ten mir unS auS Siebe )u ScfuS ß^riftuS als ©uere 2)iencr. 3n biefer Oefinnung füllen toir unS verpflid^tet ©ud^ unfer ^erj ju eröffnen unb SltteS mitjutl^eilen, ivaS tvegen beS SBud^eS mit bem S^itcl „3luSlegung ber SRajimen ber $eis ligen" auf uns Sejug l^at. Unfer l^eiligfter Sater, ber $apft, ^at enb« lid^ biefeS S3ud^ fammt 23 aus bemfelben ge3ogenen @ä^en verbammt.

(pissimo, ssntissimo, dottissimo); biefeS ftnb feine eigenen ^uSbrücIe, benn er fprad^ italienifd^. S^ barf Sinnen l^ier nid^t jagen, tPaS ic^ il^m geantivortet l^abe." aRan er^äl^lte ftd^ bamalS aud^ in 9{om, ber $a^ft l^abe gu ben ©egnem ^enelon'S im (S^arbinalScoSegium gefagt: Peccavit ille excessn amoris diTiai, sed T08 peccastis defecta amoris proximi.

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itnb itoax burti^ ein t>om 12. ^ärj 1699 botirted ^vtt>e, toeld^ed gegen« roäxtxQ üBetaE t)et6rettet unb ®ud^ fd^on ju ©eftd^t gelomnten ift/'

,,SDicfem S3te»c, meine lieben SStüber, pflid^ten wir, fowol^l toaS ben ^e^ beS Sud^eS al3 n>aä bie 23 @ä^e betrifft, bei unb ixoax einfad^, unbebingt unb ol^ne ben @d^atten eineg äSorbel^alteS. 2Bit oerbammen <iIfo foh)ol^I bag ^nä) als bie 23 @ä|e burd^auS in berfelBen ^orm unb mit ben nämlid^en Dualifilationen, einfad^, unbebingt unb ol^ne itgenb einen SSotbel^alt. 9lod^ mel^r: wir T)erbieten unter berfelben ©träfe aUtn Oläubigen unfereS SiStl^umS, biefeS Sud^ px lefen ober ju behalten. 9Bir h)crben, meine geliebteften Srüber, über unfere 3)emtitl^igung ge« troftet fein, loenn nur bog ä(mt beg göttlid^en SBorteS, baS h)ir t>on bem $errn }u (Surer Heiligung empfangen l^aben, baburd^ nid^t gefd^h>äd^t n)irb, unb menn ungead^tet ber 3)emütl^igung be3 Wirten bie beerbe ftetS «tt ®nabe t)or ®ott 3unimmt."

„aSon unferem gangen $er5en forbern wir 6ud& bal^er ju einer auf* tid^tigen Untermerfung unb ju einer ®e[el^rig!eit auf, bie t)on feinem SBorbel^alte ^t\% foexl fonft ju befürd^ten ftel^t^ ba^ bie fd^ulbige (Sinfalt bed @el^orfam3 gegen ben l^eiligen @tul^I in unmerflid^er 3Beife t)er!om« men möd^te. 3Jlit ber ©nabe ©otted toerben tt)ir @ud^ l^iergu an und felbft ein S3eifpiel bis jum legten §aud^e unfereS SebenS geben. @o oft man Don unS reben h)irb, foH man fid^, id^ l^offe eS ju (Sott, er* innern, bafe ein^irt eS für feine 5PfIid^t gel^alten l^at, folgfamer als baS le^te feiner ©d^aafe ju fein, unb ba^ er feiner Unterroürfigfeit niemals eine ®renje gefegt l^at."

„3[d^ toünfd^e, meine tl^euerften 33rüber, ba^ bie ®nabe unfcreS ^crrn Sefu ßi^rifti, bie Siebe ®otte8 unb bie ®cmeinfd^aft beS l^eiligen ®eiftcS ftetS bei ®ud^ älllen verbleiben möge. Stmen!"

Sran3, (Srjbifd^of, ^erjog Don ßambrai."

Sa^ ber (Srjbifd^of oon ßambrai bie SSerurtl^eilung [eines 93ud^eS mit fold^er S)emutl^ unb ©elbftoerleugnung l^inne^men toerbe, §atte man in 9lom ftarf be3n>eife[t. Snnocenj XII. unb beffen (Sarbinäle TDaren fogar oon ber Sorge erfüHt, ba^ ber SOBiberfprud^ fJenelon'S gegen bie nur mit großer 3Jlü§e unb burd^ allerlei !Dlad^inationen gu @tanbe gebrad^te päpftlid^e Renten} nod^ 5U ben fd^Ummften fird^Iid^en Streitig« leiten unb jur aUerbebenflid^ften Seunrul^igung ber ^ird^e 93eranlaf[ung geben lönnte. a)ie römifd^e ßurie atl^mete bal^er auf, als Snnocenj XII. t)on ^enelon eine (grflärung jugefanbt erl^ielt, toorin biefer feine rüdf^alt« lofefte Unterwerfung unter bie päpftKd^e ©entenj auSfprad^.*)

^) UebrigenS barf nid^t angenommen toerben, bafi ftd^ ^enelon l^iermit t)on

I

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SCffetbingS mSxt eine f$ottfe|ung ber leibigen Sontrotoerfe faft er« folgt, inbem Soffuet iüeber tnit ber popftlid^en SSerurtl^eUung beS %t* nelon'fd^en Sud^eS nod^ mit ber Unteriüerfung beS Srjbifd^ofg unter bie ©entenj bei ^^apfteS jufrieben n)ar. S)ie eine n)ie bie anbere iüor il^m t>iel 3U ^üjtoaä), unb eine 3^I^9 badete 93offuet gan} emftlid^ boron, nid^t nur eine fd^ärfere SSerurtl^eilung ^eneIon*d als eigentUd^en Jte|erd 3U em)irlen, fonbem aud^ bie Unterwerfung be{fel(en al3 ungenügenb anjugreifen. 3iWi>^^« '^ö^*^ ^^ Sifd^of von ßl^artreS Bereits bie $anb 3um Rieben geBoten, ber ßrjBifd^of t)on 5PariS toar toenig geneigt fidj von Soffuet in neue ©treitl^änbcl tjertoitfeln ju laffen, unb bie öffent« lid^e Meinung l^atte ftd^ Bereits ju entfd^ieben ju ®unften f^enelon'S auS« gefprod^en. SDa^er l^ielt eS S3of[uet fd^lie^Iid^ bod^ für ratl^fam, fid^ mit bem toaS er erreid^t l^otte, genügen }u laffen.

S)ie Slnnal^me unb Seftätigung beS päpftlid^en Sret)eS in ^anlreid^ erfolgte nun genau nad^ 9Kaa^ga6e ber feit 1682 l^errfd^enb geworbenen ©runbfä^e. 3)cr Äönig Beauftragte alle ©rjBifd^öfe ber SKonard^ie jum 3n)edfe ber Prüfung unb Seftätigung beS päpftlid^en S)efreteS il^re ©uf» fraganen ju oerfammeln. Sitte biefe SKetropoIitanfpnoben Beftätigten na-- türlid^ baS ttrtl^cil beS römifd^cn ©tul^IcS; ad^t berfelBen forberten aud^ bie Untcrbrüdfung ber $ur SSert^eibigung beS genelon'fd^en Sud^eS Der*

feiner quietifttfdjcn 3R^fti! loSgcfagt unb biefc fernetl^in al« grrrel^re angefel^en ^abe. 3n bcm SSerl^alten gcncIon'S Bei ber SSerurtl^eilung beS »udJeS jeigte ftdj ber äd^te Ratffolit @r fügte ftd^ lebiglid^ auS DBebien), inbem er er!I&rte

„Ma coDscience est dechargee dans celle de mon directeur"; er (ie^ gefc^el^en,

toaS bie l^öl^ere ürd^lid^e Autorität, nid^t aber er gu i)erantn?orten l^atte. ©eine biSl^erige Seigre l^ielt er nadj toie öor feft, inbem er in bem 95ertoerfung8becret nid^t feine Seilte felBft, fonbem nur fein S3ud^ über biefe Seigre, feine ungeeignete JDarftettung berfelben öerbammt fal^. 2)al^er fdjrieb er nod^ 11 gal^re fpäter (1710) an ben Sefuiten le ^eUier: „Tlan l^at bie t)erti>erfnci^e £el^re, ba^ bie Siebe gu ©Ott nur burd^ baS SSerlangen nad^ @Iüdtfe(ig!eit erflärt toecben fönne, gebulbet

unb triumpl^iren laffen; celui, qui errait, a prevalu, celui, qui etait exempt

d'erreur, a M ecrase. ^n bemfelben ©inne erflärte er fid^ gegen bcn d^t^ t)alier t>on fHam^at), als il^m biefer borl^ielt, toarum er feine in 9iom bod^ ber« toorfene Seigre nid^t fallen laffe, ba er ja in baS Urtl^eil beS ^apfteS fid^ ge« fügt l^abe: fein ^ud^ l^abe er fallen laffen, ba biefeS eine unreife ©eburt (avorton) fetneS ©eifteS fei; feine Seigre felbft aber fei mit nid^ten in diom toertoorfen, t)ie(mel^r n)erbe biefelbe in allen latl^olifd^en ©d^ulen torgetragen. IXnb bod^ toar in bem erften ber berbammten ©ä^e bie Seigre bon ber „reinen Siebe'' auSbrüdtlic^ ertoäl^nt unb bertoorfen toorben!

441

Sffentlid^tcn ©d^riftcn. iDcr Äönig cttl^eiltc (14. Äug. 1699) au$ biefer SBcftimmung feine ©eneJ^mtgunfl.*)

i 7.

entla^un^ htx 9tau t)on ®u9on aud bet SSajtine* Xth betfelben.

Soffuet l^atte alfo bod^ eingefel^en, ba| er ftd^ an feinem, über ge« nelon erlämpften Xriumpl^e genügen laffen lönne unb ntüffe. S)enn fje* nelon bewies, ba^ er fein SSerfpred^en ber unbebingteften Unterwerfung unter ba^ päpftlid^e Urtl^eil im t)oIIften @mfte gegeben l^atte; bal^er mil« berte ftd^ benn aud^ allmöl^lid^ S3offuet*S (SroU gegen ^rau von ©u^on, bie nod^ immer in bem bumpfen Äerfer ber Saftiffe fd^mad^tete. Stuf einer SSerfammlung ber franjöfifd^en ^ierard^ie am 2. ^nnx beS Qa^reS 1700 ju ©aints®ermain en Sa^e, too ber Sifd^of oon 5!KeauE (als 35e* putirter ber Äird^enprot)inj tjon $ßari§) über ben burd^ ^enelon^g S3ud^ ]^en)orgetufenen ©treit berid^tete unb benfelben als erlebigt unb abgetl^an bel^anbelte, erllärte er bejüglid^ ber %xaa von ®u^on: „SBaS bie ©reuel betrifft, bie man als notl^menbige S^lge il^rer ©runbfä^e betrad^tete, fo fonnte »on benfelben in Sejiel^ung auf il^re 5ßerfon leine Sftebe fein, benn fie l^at ftelS ben größten Slbfd^eu baoor geäußert." ©o berid^tete er je^t!

UebrigenS tourbe f^au t)on ©u^on immer nod^ in il^rer $aft ge^ l^alten, bis enblid^ in allen Greifen ber ©ebanle fid^ geltenb mad^te, ba^ eine nod^ längere 2)auer il^rer $aft bod^ gar leinen 3^^* h^^^ wnb mit gar nid^tS )u red^tfertigen fei. 2)aber mürbe fie enblid^ auS ber 93aftille entlaffen. @ie toar bamalS 53 ^Q!S)xe alt. ^an geftattete il^r nac^ 2)i}ierS ju il^rem ©ol^ne älrmanb 3><^queS von ®u\)on ju jiel^en; bod^ fiebelte fie fpäter nad^ SloiS über, h)0 fie nod^ eine ganje Sleil^e t)on »Salären in aller ©tille »erlebte. 3^ il^reni $aufe 3U S3loiS l^atte fte fid^ eine §auSfapelle einrid^ten laffen, morin tägtid^ 5Keffe gelefen toarb unb morin fie jjeben britten S^ag communicirte. S^re $auSgenoffen« fd&aft beftanb auS einer Äammerjungfer, jroei 2)ienftmäbd^en unb einem

*) 2)ie aWettopolitanöerfammlung ju $ari8 fanb am 13. SWai 1699 ftatt. 3m ©anjcn toaren eS 17 SSerfammlungen; bod^ lam bie 17. (bie gu 3lis) öerfpätet erft im 3anuar 1700 ju @tanbe, nad^bem ber Äönig fd^on in ber SBer« orbnung t)om 14. 2luguft 1699 aud^ bie Unterbrüdung ber t)on genelon jur SScr« tljeibigung feiner „HRoEimen ber ^eiligen" l^erauSgegebenen ©d^riften befolgten l^atte.

442

$audlne(^t. $ter lebte fte nun in tiefftet @iUIe unb ßinfantlett al3 bat 5IRuftcr einer ßl^riftin. 3)a^ fte bie in il^ren ©d^riftcn niebergelegten 9(nf(i^auungen unb Ueberjeugungen bis an if)x @nbe feftgel^alten l^ot, toitb burd^ il^re 35ricfe au§ il^ren Ie|ten SebenSjal^ren betoicfen. 3)ie Siebe jum ©rlöfer toar ber ^erjfd^Iag il^reS SebenS gctoorben. Dbfd^on nod^ in ben ^effeln ber Se^re il^rer Äird^e lebcnb, toar fie bod^ ju bem freien Seben beS (SlaubenS an ben Sriöfer l^inburd^gebrungen, t)on toel« d^em il^re ganße $erfönKd^!eit eine tounberbare SSerllärung erl^alten l^otte. 3)arum l^örte man il^ren Sippen nie ein bitteres SBort über il^te SSer« folger unb 5ßeiniger entfd^Iüpfen, oud^ nx^t als fie bie 3lad^rid^t em^ ppng, ba^ il^r fd^lintmfter SEBiberfad^er, ber Sifd^of von Wteani, am 12. Stpril 1704 in bie Smigfeit abgerufen fei. 9iod^ tocit öfter aU frül^er mar fie in ben Qfal^ren i^reS Slufentl^alteS ju SloiS t)on fd^toercr Äranll^eit befallen; bann pflegte fte, inbem il^r ©d^Iafjimmer neben ber §ttu§lapelle lag, x>om Sette auS bie 5Weffe 3U l^örcn. SBerfel^r l^attc fte in S3Ioi§ felbft faft gar nid^t, bod^ lie^ fid^ jumeilen ber Sifd^of Don SloiS bei il^r feigen. 2)en lebl^afteften brieflid^en StuStaufd^ bagegen ge« mann fie aKmöl^ng mit ja^Ireid^en Sfnl^ängem unb SSerel^rern, bie fte nid^t nur in fjranlreid^, fonbem aud^ in SJeutfd^Ianb, ^ollanb unb ®ngs lönb fanb, aud^ mit t)ielen ^roteftanten, j. 85. mit bem frommen 5ßeter 5ßoiret. 3[a fie mürbe fogar oon proteftantifd^en SSerel^rern il^et innerlid^en ^ftömmigfeit, toeld^e baoon gel^ört l^atten, ba^ bie in fo grau« amer aSSeife tjerfolgte 35ame je^t mieber in ^reil^eit gefegt fei unb ba^ man ju il^r gelangen fönne, auS toeiter gerne in 35IoiS aufgefud^t. @inem $errn, ber auS ®ng(anb ju il^r gefommen \oax um fie perfönUd^ fennen 3U lernen, tl^eilte fie mit, ba^ fie il^ren ganjen äußeren unb inneren SebenSlauf bis ju il^rer 3h)eiten SBerl^aftung aufgejeid^nct l^abe urib ba^ fie toünfd^e, biefc Säufjeid^nungen möd^ten nad^ il^rem S^obe Der» öffentlid^t toerben. Sluf ben SBunfd^ biefeS $errn oertraute fie bcmfelbcn aud^ il^r ^Jtanufcript an, baS biefer mit nad^ @nglanb nal^m unb bort forgfam aufbetoal^rte.

®S mar ber ebeln grau t)ergönnt, nod^ mit eigenen äugen gu feigen, ba^ fie einen ©amen auSgeftreut l^atte, ber aud^ in ber protefton« tifd^en SBelt munbcrbar reid^e grüd^te trug, ^n weiten Greifen l^otte fie im ©egenfa^ gur Sleu^erlid^Ieit beS f atl^olifd^ ^ lird^Iid^en SReligionS* lebenS unb ber proteftantifd^^fird^lid^en Slcd^tgläubigleit bie SQBal^rl^eit toieber befeftigt, ba^ baS IReid^ ©otteS nid^t mit äußerer ©eberbe fomme, fonbem ba^ eS intoenbig in ben miebergeborenen ©celen fei; unb in ben latj^olifd^^lird^lid^en Äreifen, meldte fid^ il^r anfd^Ioffen unb ftd^ il^rer 9BirIfamIeit auftl^aten, l^atte fie eine ganj neue @rlenntni^ beS aüer^

443

l^eiltgften Slomend 3^fu Sl^rifti oufgetid^tct, x>ox toeld^er ber ganje ^eiligen« •btenft bed Jlatl^oIiciSmud h)ie 9taud^ bal^inging.

3m anfange bc8 3ö^rc3 1717 fül^Itc fic, ba^ bic ©tunbe il^reS Einganges in bte .einige ^eimatl^ balb lommen xoexie. @ie mad^te xf^x 2^cftament, an beffen Singang jte il^r latl^oIifd^cS ©lauBcngbcfcnntni^ ab» legte. ^f)xt le^te ftranl^eit bauexte brei üRonate. Sei bem äSeginne i)erfelben U)utbe il^re )u $arig tDol^nenbe Xod^ter, t^au t)on SSau^, eiligfl naä) Sloig gerufen. 3)iefeI6e erfd^ien atöbalb in S3egleitung eined SlrjteS, ben fte t)on $ßari8 mitgebrad^t l^atte; inbcffen fonnte feine är3tlid^c §ülfe ba3 Seben ber Jtranlen länger friften. @ine $als^ unb SBruftentjünbung, t)on toeld^er biefelbe fd^Iie^Iid^ befallen tDurbe, jel^rte; tro^ aKer liebenben Eingebung unb gürforge ber Sod^ter, bie Äräfte ber Äranlen rafd^ auf, Sd^on am 3Korgen beS 9. guni 1717 lag fie in voller SSetou^tlopgfeit auf il^rem Äranfenbette. Um SWitternad^t biefeS 2^ageg l^aud^te fie bie fromme ©eele in ®otteS $anb aus. - ^jf^xe irbifd^en 3lefte fmb in ber ^an3iSfaner{ird^e ju S9Ioi3 beigefe^t morben.

17.

So^ ®rUf$en bet quieti{Hf($en SR^fH! in bet fat$olif$en «ir$e.

S8om Saläre 1687 an l^atte bie Qinquifition 3U Slom bis jum Snbe teS Söl^if'&wnbertS immer t)on 9leuem i^rc SBetterfd^Iäge gegen ben Duie^ tiSmuS erlaffen, t)on beren ©rotten bamate bie fatl^olifd^e toeitl^in in aUen Sanben mieberJ^attte.*) 3u"äd^ft tvar am 5. ^ebr. 1687 bie ©d^rift bcS 5Priefter3 beS Oratoriums Senebilt »iScia ju germo in ^talxm

„Propositions tir^es des livres et autres 6crits du docteur Molinos"

anatl^ematijtrt. 5Rod^ in bemfelben ^a'^xe mürbe am 28. Sluguft baS flegen 9WoIinoS gerid^tete SDecret ber ^nquifition publijirt. 3n ben näd^ftfolgcnben ^a^xen fprad^ biefelBe il^ren glud^ über eine ganje SReil^e quietiftifd^er ©d^riften auS: am 1. Slpril 1688 über bie beS gran^oiS tUlalaoal unb über ©iooannis ^alconi'S „Alphabet"; am 4. ©eptbr.

1688 über Sacombe'S Analyse de Toraison mentale; am 30. 9loobr.

1689 über ben Chr^tien Interieur oon SemiereS-Souoignp, über ©onfelb'S Rögle de perfection, über bic beiben ©d^riften ber grau 0.

©U^on Molen court unb Regle des associ^s k Tenfance de Jesus unb über galconi'S Lettre d'un serviteur de Dieu; am 19. 3Rärj 1692

nod^malS über bie ©d^riften beS SerniereSsSouoignp unb über ^toei

*) SSergl. Soffuet'S @d^rift: Actes de la condamnation des Quietistes.

444

1688 jtt 2lmftctbam crfd^icnenc ©d^tiftcn (beten eine bie Don einem ©nglänber tjcröffentltd^ten Three letters übet bie SKoIinijKfd^e Scwcgung in Stauen waten)» 3)et Ie|te ©d^Iag, mit bem bet 3otn beg ^ietotc^iSmuä bie quietiftifd^e SKpftil, biefelbe jetmalmenb, ttaf, toat baS ü6et genelon'S @d^tift gefptod^ene unb butd^ bie ganje Jtitd^e l^in Detfünbete 9(natl^ema.

Snjtoifd^en l^atte bet §ietatd^iSmu§ ben eblen 3RoIino8 in ben Äetletn bet 3^tqui|ttion »etfommen laffen; et i^atte bie ^au t). ©upon au3 einem ©efängni^ in ba3 anbete unb jule^t in bie gtaujtgen SRäuetn bet S3aftiIIe gefd^Ieppt, unb ben ftommen !ßatet Sacombe l^atte et mit langet unb langfamet Dual ju 2^obe gemattett«

6s begteift fid^ ballet, ba^ l^ietmit bie quietiftifd^e Ttg^tit t)om ©d^ou« pla| beS öffentlid^en £eben§ bet Äitd^e tjetfd^eud^t toat unb nut nod^ in tiefftet ©tiffe unb 3Setbotgenl^eit eine S^it lang fottjuleben t)etmod^tc, bis fie allmäl^Iid^ gan3 etftatb.

S)et Stubet Laurent de la Resurrection, bet i. 3- 16^0 üon einet S)ame btiefKd^ etfud^t routbe, il^t mitjutl^eilen, auf roeld^em SEBege et in fein je^igeS ©ebetsleben gelommen fei, fd^tieb betfelben jutüdf, ba^ et fid^ nut ungetn unb nut in bet fid^eten ©twattung, ba^ feine SKittJ^eilung ganj gel^eim gel^alten toütbe, batüber auSfpted^e. SBü^te et,, ba^ bie SDame feinen Stief 2lnbeten t)0tlegen lönnte, fo wütbe aud^ baS gtö^te SSetlangen, toeld&eS et l^abe, fie jut Sottenbung gelangen ju feigen, il^n bod^ nid^t jut S3eanth)ottung il^tet ^age ju etmutl^igen Detmögen.

3lbet gctabe bie ©d^tiften Sautent'S follten ein laut tebenbet 3cwge bet ©tbätmlid^Ieit be§ ^ietatd^iSmuS toetbcn. Setfelbe Sifd^of von ßl^alonS nämlid^, bet fid^ an bet SSetuttl^eilung fJenelon'S fo laut be* tl^eiligt unb ftaft feinet l^ietatd^ifd^en Slutotität bie quietiftifd^e SKpftif füt fe^etifd^ etllätt l^atte, etflätte bie ©d^tiften Sautent'S füt ted^tgläubig unb l^eilfam, ettl^eilte bcnfelben i. 3. 1693 feine bifd^öflid^e 2lpptobation*)

*) S)ie 2l^^)robation bet OefammtauSgabe bet ©d^tiften Sautent'S lautet:

Louis Antoine, par la permission divine evequ-ecomte de Chaalons,

Fair de France: Apres avoir fait examiner le livre intitale „Les Moeurs,

Entretiens et Pratique du Frere Laurent etc/^ nous.en permettons

rimpression a Jaques Seneuse, notre imprimeur ordinaire, pour en jouir l'effet

de ses Privileges. Et nous en recommendons la lecture a toutes les

personnes, qui desirent acquerir un veri table piete, etant persuades, qae

les ezemples et les maximes de ce fidel e serviteur de Dieu les 7 aideront

tres-utilement.

Fait en nötre palais episcopal le 17. Novembre 1693.

(Signe)

Louis-Antoine, eveque-comte de Chaalons.

Par ordre de monseigneur:

Pelletier.

445

itnb Ite^ fte felBft im folgenben 3^l^^e 3U (Sl^alonS btuden.*) 3(Ifo bie« fclbc Seigre, tocld^c ber Sifd^of SRoaitte« t). ßl^alonS, ber nad^l^crigc ®rj« fiifd^of von 5PatiS; ber erfte ?ßrälat beS Äönigrctd^S, t)on S5of[uet inftigitt, in bet ?ßer[ott bcS bcm legieren im SBScfle ftcl^enbcn ^cnclon ate Äc^ctei »cruttl^eilt, l^at bcrfclbc in ber (allerbingS fcl^r l^atmljofcn) 5ßctfon bcS AloftetbruberS Saurent als red^tgläubig gepriefen! $in biefer Xl^atfad^e fpiegelte fid^ baS SSerl^alten ber Sel^rautorität ber Aird^e jur quie« tiftifd^en SR^fti! t)or unb nad^ ber SSerurtJ^eilung bed SRolinod in frappan« tcftcr ©d^ärfe ab.

XlebrigcnS blieben nid^t nur Saurent'S ©d^riften, fonbern audb bic ber reproBirten quietiftifd^en 9Jl9ftiIer in benjenigen Greifen, h)o biefelben Eingang gefunben l^atten, aud^ nod^ im Slnfange be§ ad^tjel^nten $iQ!^X'' l^unbertd fortmöl^renb im ®ebraud^, inbem nod^ geraume S^xt l^inburd^ eine ftitte ^Pflege unb UeBerlieferung ber quietiftifd^en Seigre fortbeftanb, namentlid^ in ^anfeeid^, mo fid^ bie änl^änger ber quietiftifd^en SWpftif als bie ,,geiftlid^en Äinber ber SBlabame ©upon" ju bejeid^nen pflegten.

^ Dberitalien trat bamalS ber DuietiSmuS fogar nod^ ®inmal offen l^erDor, inbem ber mailänbifd^e ©eiftlid^e Sl^f^P^ Seccarelli benfelben tro^ aQer älnatl^emen ber ftird^e 3U erneuern unb ju {ird^Iid^er @eltung 3U bringen fud^te. SSeccareHi trat fogar gerabeju mit ber ®rflärung vox bie Deffentlid^Ieit, ba^ SKoIinoS ber ein3ig malere SSäegtoeifer jur d^rift« lid^en ©ottfeßgleit unb äSoHIommenl^eit fei, unb getoann für feine äJlpftit olSbalb einen fel^r bebeutenben Stnl^ang, - namentlid^ burd^ ben @{fer, mit bem er jtd^ in SreScia, mo er lebte, ber ®r3ie]^ung ber Sugenb an« nal^m. 3lud^ unter ben Älerilem jener ©egenb, aus benen er ein be« fonbereS Goffegium 3ur Uebung t>ex inneren grömmigleit inS Seben rief, fielen il^m oiele ju. @S mirb erjäi^It, bag er feine älnl^änger 3um fleißigen ©ebraud^e ber Kommunion ermal^nte, unb ba^ er biefelben angel^alten l^abc, in ber Deffentlid^feit , 3ur Hebung in ber 3)emutl^, aDe3eit mit niebergefd^Iagenen 3lugen einl^er3ugel^en, meSl^alb bie grauen unb ÜJläbd^en feines SKnl^angS bie ©emol^nl^eit gel^abt l^aben foQen, loenn fie angerebet tourben, baS ©efid^t jur SQäanb um3Uh)enben.

2)er biSl^erige ^atriard^ t)on SSenebig, S3aboara, ber, als er ivm jtarbinal ernannt toar, bie SSerloaltung beS S3iStl^umS äSreScia übernal^m, glaubte fid^ bal^er bc^u berufen, ber Äe|erei in il^ren legten 3w*wwßc*i

*) 9luf bem Xitel ber fpäteren SluSgaben ber Sci^riften )Baurent'S finbet ftd^ bie i3emerlung gebrucft:

„Sar la copie imprimee ä ChaaloDs en 1694, par ordre de Monseigneur rEveque, preseut^ment Archeveqae de Paris/*

446

ben XobeSfto^ ju geben, toe^^alb er Seccareli ber Ignquifttion übet^ lieferte. Site man benfelben aber 1708 Derl^aftet §atte, wnißU man bod^ nid^t, toag mit il^m )u beginnen fei, tueSl^alb il^m bie 3nquifition in ©e« mä^^eit i^rer ©efd^äftdpra^id allerlei fd^eu^Hci^e 93ergel^en nad^fagte, um tl^n baburd^ in SSenuf 3U bringen. ®rft nad^bem biefeS mit bem Mnfd^enS« n)ertl^en @rfoIg gefd^el^en loar, toagte man ed il^m ben ^roje^ 3U mad^en. Ott tourbe je^t gräulid^er 3^^^*^ümer angellagt, tourbe gejtoungen, biefelbc am 10. Septbr. 1710 in SSenebig ju toiberrufen unb mürbe fobann auf bie (Saleeren gefd^idCt, mo man i^n Derlommen lie^. ©ine 3)entmün$e, toeld^e bie ©tabt SBreScia fd^Iagen lie^, feierte ben ©ieg il^reä Säifd^ofö über ben ©rad^en beS StbgrunbS.*)

aJiefeS ift bie Ie|te Sllegung beS quietiftifd^-mpftifd^en ©eifteS in ber !atl^oIifd^en Jtird^e, von ber man mei^. 3)erfelbe lebte feitbem in biefec nur nod^ ganj im ©tillen unb nur nod^ für je B^t fort.**) 3)ic jal^t lofen quietiftifd^en ©d^riften, mit benen bie romanifd^en Sänber ber lotl^o* lifd^en 9BeIt gegen ba§ @nbe beS ftebjel^nten ^^[al^rl^unbertS überfSet toaren, tourben t)on ber §ierard^ie atter Drten eingejogen unb ©er* nid^tet,***) fo ba^ biefe Siteratur balb gerabeju Derfd^munben mar. 31^re ^eiftätte fal^ bie quietiftifd^e üJl^ftil t)on ba an in ber eoangelifd^en Äird^e. Slid^t toeniger Slnl^änger ber erfteren finb barum toä^renb bed ad^tjel^nten S^i^rl^unbertS in bie eoangefifd^e Äird^e übergetreten.

316er bennod^ fal^ ftd^ ber $ierard^iSmuS in ber erften $alfte beS ad^tjel^nten ^^i^rl^unbertg nod^ Einmal Deranla^t, ftd^ mit ber quietiftifd^ 51K9ftiI baburd^ befinitio abjupnben, \>a^ er feine ©teffung 3U einem ber l^erDorragenbften Vertreter berfelben in lügenl^after Sffieife fisirle.

Site einer ber gefeiertften 5Ramen ber latl^olifd^en Äird^e galt nämlid^ Sol^anneä vom Äreuje. S)erfel6e toar bereits 1575 feiig gefprod^en toorben, unb ber Drben ber barfüßigen Karmeliter betrieb forttoäl^renb mit größtem ®ifer aud^ beffen ^eiligfpred^ung. S)a6ei aber mußte man, baß

*) SBergl. Weissmann, Histor. eccles. sacc. XVII, @. 270 U. Xlnfd^ulbige «Rac^rid^ten, 1709, @. 97 ff.

**) 3n ben Memoires de Trevoux toirb @. 1882 fg. berid^tet, baß 1703 in ©teilten eine S^Jonne Silber efia aufgetreten, toeld^e in il^ren ©d^riften II castello deiranima unb II labirintho dell'Amore bie Srrtl^ümer bed 9lolinod erneuert, fld^ ald äRiterlöferin ber 3Belt beaeid^net, ben Sdeginn U^ SHeid^ed bei» 1^. ©eifted angelünbigt unb für il^re @c^tD&rmereien aud^ ^n^nger gefunben l^abe, bie jes bDd^ mit Xberefia felbft balb burd^ bie Snquifttion unfd^äblid^ gemad^t tvorben to&ren.

*♦*) ^l^elipeauE berid^tet (I, ©. 32), baß man j, ». fd^on 1689 |u SDijon 300 (Scemplare bed Molen court i^erbrennen ließ.

447

bie älnJ^änger ber quietiftifd^en 3Rt)\i\l ftd^ gerabe auf biefen ßird^enmann jut 9led^tfertigung i^ter Sel^rloeife betiefen. @g mu^te alfo, nomentlid^ ta>enn bem älnbringen ber barfüßigen fiarmeliter (baS anä) in anberen Krd^lid^en Äreifen Slnllang fanb,) nad^gegeben werben foHte, bie quiei« tiftifd^sm^ftifd^c Sluffaffung ber 2el^rfä|e beS Sol^anneS t)om Äreuje re* ^robirt unb fomit eine lird^lid^e ä(uSlegung ber le^teren aufgefteKt werben.

3)er frühere ^anjiScaners^Promnjial t)on Slragon, Slntonio 2lrbioI, i^atte bereits unter bem 3^itel: El libro de los desengafios Mysticos eine ©d^rift l^erauSgegeben, in toeld^er er bie „3^äufd^ungen" ber quietiftifd^en 3Jl9ftiI in ber SQSeife flar3ufteffen fud^tc, baß er bie von ber Äird^e cano:: niftrten 35egrünber unb Vertreter berfelben burd^ paffenbe Interpretation einzelner ©teilen il^rer ©d^riften als bogmatifd^ gan3 correct 3U ertDeifen fid^ bemül^te. 2)erfelbe älntonio Slrbiol Deröffentlid^te nun aud^ i. 3* 1723 ein mit jal^Ireid^en lird^Iid^en älpprobationen auSgeftatteted 93ud^ unter bem ^itel „Mystica fundamental de Christo, Se&or nuestro, explicada per el giorioso y beato Padre Juan de la Cruz, it)Orin

er mit 3wgnmbelegung ber l^unbert Avisos, bie Qol^anneg ben SReligiofen 3ur @rreid^ung ber SSoIHommenl^eit gegeben l^atte, bie Seigre beffelben burd^ 3al^Ireid^e ßitate auS anberen ©d^riften be§ SSerfafferS allfeitig 3U beleud^ten fud^te. 2)abei aber gab Slrbiol ben äluSfprüd^en beS SSerfafferS eine fold^e Auslegung, baß bie SK^ftil beffelben ben quietiftifd^en ßl^aralter gerabe3U verlor,*) unb baß ^^i^anneS t)om ßreuge fd^einbar als ©egner

*) fJolgcnbcS möge jur Segrünbung biefeS Urtl^cilS btenen. Aviso 31 lautet

gan) quietiftif d^ : £1 espirita purificado no ad vierte hamanos respetos etc. BiefeS

erH&rt nun Slrbiol @. 169 ff. fo, baß er ju respetos baS Sßort viciosos l^inju«

fügt unb ben @a^ außerbem Ümfd^reibt: El espiritu purificado no ad vierte hmnanos respetos, ni caida de lo, que no le toca, ni le importa, ni de ello ha de dar cuenta a Dios; pero tampoco se descuida de dar buen exemplo a ta-

dos, toomit in Sol^anneS SGBorte ein ganj anberer ©inn l^ineingetragen Wirb. Aviso 68 fj)ricl^t So^anneS t>on ber SHul^e ber ©eele im SCnbenJen berfelben an ©Ott unb ©. 370 erftärt barum Slrbiol ol^ne SBeitereS, baß baburd^ ber berberb* Ud^e 3i?rt]^w«i ^^8 3WolinoS öon ber falfd^en Hlul^e auSgefdJIoffen toerbe. Aviso 75 fagt 3ö^<*'^»^^S genau im ©inne beS DuietiSmuS: No se aparte de ti una amorosa atencion a Dios; 9lrbiol aber fügt ganj im @inne ber toulgärsürdjlid^en

9leligiofttät l^in^u: y para que en ella se aproveche tu alma sin peligro de falsa quietud, examina bieu, si cumples con las obligaciones de tu estado y de la Santa obediencia. Quien falta a sus obligaciones por sus devociones, vive

muy enganado, alS ob biefeS ber ©inn ber SBorte be8 So^anneS fei, ber bod> burd^ biefelben gerabe auSgefd^loffcn fein foß. §ernadj (©. 411) meint Slrbiol fogar, baß aud^ be^üglid^ ber ^flid^t einer immertoöl^renben amorosa atencion ä Bios ber ©at gelten muffe : en todo sc ha de poner modo, inbeni man )ta)ifd^en

448

bct ntoUttifttfd^cn Stridore J^tngcftcfft werben lonnte. ärtiors ©d^rift Yoav ballet bcr cigcntlid^e ©rabftein ber quietiftifd^en SKpftif in ber latJ^o« lifd^en Äird^e, auf toeld^em i. 3- 1726 bic ^eiligfptcd^ung bcS gol^anneä t)om Rxevue t)oD309en marb.

SEBcnige 3a^tc fpäter (1732) erfolgte bte SBeröffentKd^ung ber von einer Sreatur S3offuet*3, bem ßanonicud ^l^elipeau^ ju SReau; auS«

gearbeiteten Relation de Porigine, du progres et de la coudamnation du Qui6ti8me, repandu en France. S)er SSerf affer l^atte ftd^ ttjäl^renb feines Slufentl^alteS ju 9ftom afö ©efäl^rte beS jüngeren Soffuet eine (Sammlung aller auf genelon'ä ©ad^e bejüglid^en Stftenftüdte, ßorrefponbensen unb 9lad^rid^ten angelegt, l^atte biefe Sammlungen fpäter in 3Reau5, too i^m Sifd^of Soffuet feine ÜJlaterialien jur Verfügung ftellte, ergänjt unb baS Oanje in annaliftifd^er ^Jorm jufammengefteHt, fo ba^ nun aUerbingä eine mit einer Siograpl^ie ber ^rau t). Oupon beginnenbe ©efd^id^te beS DuietiSmuS in ^ranfreid^ bis jum Slblauf beS $iaf)x'^ux\\)extS t)orlag, in tDeld^er aber ber ©efd^id^te burd^ geeignete @ntftellungen unb ^uSlaffungen gerabe eine fold^e ©eftalt gegeben toar, ba^ fie für baS Slnbenfen an ben S3ifd^of von 3Reauj bie geeignete gölte abgab.

©eitbcm galt in ber fatl^olifd^en Äird^e als feftftel^enbe l^iftorifd^e SBSal^rl^cit, ba^ ber „DuietiSmuS" 'eine Äe^erei getoefen fei, roeld^e juerft 3RoIino§ in bie SQSelt gebrad^t l^abe.

bem mas perfecto unb bem menos perfecto )u unterfc^eiben unb nid^t ^(UeS aU malo ju berurtl^eilen l^abe, toaS no mas perfecto fei.

Aviso 80 fagt Qi'^anneS: Procura llegar a estado, que todas las cosas sean para ti de ninguna importancia, ni tuaellas, para qae oWidado de todas estes con ta Dios en el secreto de tu retiro. 3^^ Erläuterung fügt aber 9Crbio( (@. 435) l^in^u: En olvido hemos de poner todo lo que no nos toca, ni nos importa, ni de ello hemos de dar cuenta a Dios; unb toetterl^in: no estes ocioso con SU Divina Magestad, sino bi'en ocapado en actos sucessivos de

verdadera religion (1), mit bem (bie ganje aR^fti! beS 3<>^anne8 berurtl^eilenben)

SBemerlen: Estas adoraciones, gcnuflexiones, prostraciones y oraciones son uti- lissimaf.

^er Aviso 96 lautet: El animo abstraido de lo exterior, desnudo de la propriedad y possession de cosas divinas, ni las cosas prosperas le detienen,

ni le sujetan las adversas. SBöl^renb aber Qol&anneS biefen ©aj gan) im @inne ber (quietiftifd^en) 3Ä^fti! aufftettt, berftd^ert ^xhiol fofort (©. 513), berfelbe nur in Söejug auf 2)icieni0en gu berftel^en, toeldje nidjt toie ^rölaten ber Äir(^c ober gamilienbäter äußere S5erJ)fliclftun0en ju erfüllen l^atten, inbem er auf biefe nid^t angetoenbet toerben lönnte. ©o toirb bie 3K^fti! beä Qol^anneg öom 5!reu}e au einem Sel^rf^ftem gemad^t, mit bem fidj aud^ ein Sefuit einberftanben eröären lonnte.

I

©ieknter m\^mit

Wie Sdfrifffn nnb Vit Ce^w i>^ iFr«« van (Bupn.

Sie 0$tiftett bet 9t<^u ti. ©u^on*

Unter ben jal^Iretd^en ©d^riften ber grau v. ©u^on erfd^tenen }u« crft bie beiben t)on il^r felbft ücröffentlid^ten: Moyen court et tres facile de faire oraisoD, qae tous peuvent pratiquer tr^s aisement et arriver par dans peu de tems k une haute perfection ttnb Le cantique des cantiques de Salomon Interpret^ Selon le sens mystique et la vraie repr^sentation des 6tats Interieurs. ®ie erftere

©d^rift hjurbc 1685 unter bie ?Preffe gegeben, erfc^ien 1686 unb erlebte Bis 1688 nid^t toeniger ate fünf primlegirte Sluflagen. ®ie übrigen ©d^riften ber grau t). ©u^on toaren, atö biefelbe in bie 33aftiffe eingelerlert toarb, nur im SWanufcript T)orl^anben, tourben jjebod^ inSgel^eim burd^ 316« fd^riften toeit t)erbreitet. 2)a inbeffen bie SSerfafferin afö in ber Saftille t)erfd^tt)unben betrad^tet iparb, fo mad^ten fid^ il^re älnl^änger, inSbefon^ bere ber reformirte 5Prebiger 5Peter 5Poiret (au3 aJle^ gebürtig) balb 3ur SKufgabe, für SSeröffentlid^ung il^rer SKanufcripte ©orge ju tragen. Swnäd^ft crfd^ienen bie beiben genannten ©d^riften in einem ©ammeltoerf unter

bem Xitel: Recueil de divers traitez de theologie mystique, qui entrent dans la cel^bre dispute du quitisme, qui s^agite presen- tement en France Cologne, 1699) nod&malä (baS Moyen court in

4. SluSgabe) abgebrudft. günf ^^afjxe fpäter (1704) erfd^ienen beibe ©d^riften in einem jmeiten ©ammetoerf, toeld^eS nur ©d^riften ber grau t), ©u^on entl^ielt unb au^er ben beiben genannten jum erften ÜJlale bie (im

5. 1683 abgefaßte) ©d^rift „Les torrens spirituels" an bie Deffentlid^« feit brad^te. 3)er S^itel biefeS jmeiten ©ammelmerfg toax: Opuscules spiriiuels de Madame J. M. B. de la Mothe-Guyon, nouvelle Edition, augmentee de son rare trait6 des Torrents, qui n'avait pas encore

^tp\^t, mm. 5i9

460

vu le joar et dWe pr^face generale, touchant sa personne, sa doctrine et les oppositions qn^on lern* a suscitees; ä Cologne, 1704. 9(te SCn-

l^ang tourbc bicfcr ausgäbe ber brci ©djriftcn ein ^af)x fpäter beigefügt :

B^gle des associes ä Tenfance de Jesns, modMe de perfection pour tous les ätats; tir^e de la Sainte Ecritare et des Peres par les reflexions de plasienrs personnes interieures. ä Cologne 1705*).

Sieben bem Moyen court, ben Torrents unb ber 2lu8legung bc§ l^ol^en Siebed fmb für bie @nnittelung ber ©ebanlentoelt ber ^au t)on ®wfon ifyct toid^tigften @(i^riften bie t)on $eter $oiret rebigirte %uS« legung ber Sibcl fotoie t§re Discours, t^re Lettres unb il^rc ©elbftbio« grapl^ie. S)ie erftgenannte, „Lea livres de l'Ancien et da Nouveau Testa- ment traduits en fran9ais avec des explications et des reflexions, qoi regardent la vie int^rieure", erfd^ie« (unb iwüx juerft baS 9leue 3^eftamcnt in 8, bann feit 1714 baS SKtc a;eftament in 12 SbnO ju ßöln, 1713—1715 in 20 Sbn. in 8^ fpäter in neuer, von ^ean 5ßpippe bu 2loits9Rem- foini rembirter 9(uSgabe 1770 ju $arid (iebod^ 3U Saufmine gebrudt). Sine beutfd^e Ueberfe^ung bed ouSgebel^nten SSer&6 erfd^ien (ol^ne SQi« ^aht beS Skudortd) feit 1744, unb ^emaci^ „auf Soften einiger f^eunbt^ bie in ber ©toigfeit bei bem $erm fmb", 1768—1774.

3)ie Diacours finb eine ®ainin(ung einselner ältcffö^e, Sriefe unb fott^ger ^ßapiere ber f^au von ©u^on, toeUft gro^enti^eifö eingel^nbn« Sefprtd^ungenc einzelner äSorte mtb ©ebanten ber 1^. 6(|irift entJ^otten Wßb von bem Herausgeber al$ (Srgän3ung ber l^nterpreiotion ber le^tereii necäffentltd^t würben. @ie erfd^ienen 1716 ju Söln unter bem Xitel: Dlseoii.rs chretiens et apirituels. sur divers sajets^ qm r^ardonf la Tie interieare,. iiv4s la plopart de lla St.. Ecriture par Madame J. Itf. B. de la Mothe-Guioa (2 ^StK., oernoSftönbigt unb in neuer Xudgabe }u ^m& [gebrttdt 3a Smtfonnr] 1790). @ine beutfd^ Ueberfc^mig M Sfteded lom unter bem %\iel „Seiftrdd^e JDidmrfe über oerfd^iebene 9bi» terien, meldte boiS innere geben betreffen^ unb grd|tentl^fö au9 ber 1^. @4rift genommen finb'' 1730—1732 in btei Sänben 3U iüm l^eraud.

S!)ie „Lettres chr^tiennes et spiritnell-es sur Covers Sujets, qni regardent la vie int^rienr oa Tesprit da vrai dbristianisme^* nntrbeir 1717— 176S gttSöfn: in 4»änbcn (8«) oerüffcntKd^t SJod^ iwirhe n%

*) 3m SSortoort toirb gefagt, ba^ biefed (nad^ einer auf bem ^itel beftüb- lid^en SBenterfung fc^on 1685 ^u 2t}on erfd^ienene) ^er!d^en nad^ einem in (Eng* tanb ermittelten SRanufcript ber ^rau t). ®u^on abgebrüht fei (iebenfaüd aber mtOf einer neuen 9iebaction beffe(ben).

451

im SBottoott bc8 mexitn SanbeS %xau o. ©upon (von bcren eben erfolg« tem älbleben man toäl^tenb ber 3SeranftaIt«ng beffetten 9lad^rid^t crl^ielt), aU 3Serfafferin genannt. (Sine beutfd^e Ueberfe^ung ber Sriefe erfd^ien 1728 1743 in 4 Sbn. Späterhin (1767) lie^ ©utoit^gWembrini 3tt Saufanne bie SluSgabe von 1717 nod^mate auflegen, fügte jebod^ ju ben t)ier Sänben berfelben nod^ einen fünften l^inju, toeld^er namentlt(i^ ben gel^eimen SSrieftoed^fel ^enelon'S mit %xau v. ©upon cntl^ielt. Sluf ben erften 150 ©eiten biefeS fünften SanbeS tl^eilt 35utoit fel^r intereffante

Anecdotes et rMexions sur les lettres de Madame Guyon mit.

3^re ©elbftbiograpl^ie ^atte ^rau d. ©upon anfangs nur aU eine gebrängte ©fijje il^reä Lebenslaufes abgefaßt; auf ben SBunfd^ i^reS ©eelenfü^rerS arbeitete fie biefelbe fpäter auSfüJ^rlid^er an^. ©inen großen ^l^eil beS SBerfeS ^at fie tDäl^renb i^rer erften ©efangenfd^aft nieber* gefd^rieben. 9Hit bem S3eginne ber jmeiten ©efangenfd^aft l^ört bie @r? jäl^Iung auf. 2)od^ ift baS 3Jlanufcript t)on ber SSerfafferin erft i. 3* 1709 abgefd^Ioffen. SBa^rfd^einlid^ war eS in biefem ^aS)xe, ba^ einer il^rer SSerel^rer auS @nglanb 3U il^r nad^ SloiS lam um fie lennen ju lernen unb baS 9Jlanufcrtpt von xi)x anvertraut erl^ielt*). 3la6) il^rem 2^obe erfd^ien baS SBerl unter bem Sitel: La vie de Madame J. M. B. la Mothe-Guion, Perlte par elle-meme. A Cologne, chez Jean de la Pierre, 172Ö, 3 Sbe. in 12 », mit bem SBruftbilbe ber Serfafferin unb mit einer 2;itelt)ignette, einen Sorbeerfranj barftellenb, toeld^er baS SCBort Vincenti umjie^t. Sine ganj gute Ueberfe^ung beS SSud^eS er? fd^ien Setpjig 1727. ®ine neuere Uebertragung beS SBerleS inS 2)eutfd^e t)on Henriette von 3JlontengIaut, geb. t). ßronftain (Serlin 1826, 3 Sbe. in 12«) ift bagegen fel^r mangelhaft. Sejüglid^ biefeS SBerfeS ift mit Unred^t bel^auplet morben, ba^ tl^eitoeife t)on anberen 33erfaf[ern, na^ mentlid^ von ^ßoiret l^errül^re. 2)a^ mand^e toid^tige SSorlommniffe il^reS SebenS übergangen, anbere ungenau bargeftellt finb, betoeift nid^t baS 3Kinbefte gegen bie Slutorfd^aft ber ^Jrau t). ©u^on. $oiret toar offen* bar nur ber Slebacteur unb Herausgeber beS 3KanufcrtptS.

3)ie 2)id&tungen ber grau 0. ©u^on erfd^ienen sipei Qa^re nad^ ber aJeröff entlic^ung i^rer ©elbftbiograpl^ie unter bem %M : Poesies et Can-

tiques spirituels sur divers sujets, qui regardent la vie Interieure ou l'esprit du vrai christianisme, par Mme. J. M. B. de la Mothe-Guion, divisös en quatre volumes. A Cologne. Chez Jean de la Pierre, 1722.

gaft aHe btefe ©d^riften tourben im Saufe ber Qal^re in neuen Sluflagen unb in neuer Bearbeitung ober toenigftenS mit ©rgänjungen

0 SSeraleidbe barüber baS »ortoort ber 93iO0rapl&ie.

29'

452

unb aUetlci 3wtl^aten Derbrettet. bead^ten ift, ba^ äffe (angeblich im SSerlage oon ^zan be la $terre erfd^ienenen) ßölner 9(u§gaben ber @d^riften ber grau v. ®U90tt (jufantmen 29 S3be.) von 5ßeter 5ßoiret nid^t ju ßöln, fottbern in ben Salären 1713—1722 ju Sltnfterbam ocranftaltet toorben ftnb. SHe Jußtifications ber %xan v, ©u^on famen 1720 in 3 S3bn. (8®) l^erauS. Später (1770) t)eröffentlid^te 3)utoits9Wembritti bie ©(i^rift: Justi-

ficatioDS de la doctrine de Mme. de la Mothe-Guyon par Mr. F^nelon, archey^que de Gambray, nouvelle 6ditioD (3 93be.)

3)ie @d^rift: L'Ame amante de don Diea, represent^e dans les emblemes de Hermannus Hugo sur ses pieux d^sirs, et dans ceux d^Othon Voenias sur ramour divin, avec des figures accompagn^es de vers eine poetifd^e ©d^rift, rocld^e %xau v. ©upon jur ©rläuterung von 44 ©innbilbern, bie 1651 ju 5Pari8 publijirt waren, im ©efäng* ni^ angefertigt l^atte, erfd^ien anonpm ju 6öln 1716.

3um großen 3^l^eil tourben biefe ©d^riften nid^t nwr in beutfd^en, fonbem aud^ in l^offänbifd^en, englifd^en, felbft lateinifd^en lleberfe|ungen t)erbreitet. Qfn englifd^er Uebertragung j. S5. würben bie geiftlid^en ©id^« tungen ber %xau v. ©u^on t)on SQSiff. (Soroper t)erßffentlid^t. 6ine beutfd^e Ueberfelung be^ Cantique tourbe („2lu8legung beS ^ol^enliebeS ©alo« moniS'O fd^on 1706 in granifurt a. 3W. (12 «) von (Sottfrieb Slrnolb t)eranftaltet. SIber ber eifrigfte Verbreiter ber ©upon'fd^en ©d^riften in beutfd^er ©prad^e toar 5Peter 5ßoiret, ber biefelben tl^eitoeife fcl^r felbftänbig bearbeitete. ®ro^e Verbreitung fanb in 2)eutfd^Ianb bie „3RütterIid^e 2lntoeifung jum d^riftlid^en SBanbel in ber ®e« gentoart ©otteS"*), toeld^e ^au t). ©upon für i^re SJod^ter gefd^rieben ^atte. SDiefe Heine ©d^rift ber SSerfafferin würbe t)on 5ßoiret in ber beutfd^en Bearbeitung ju einem SBerle von 380 ©. in 12^ ertoeitert.

SSon 5Poiret angeregt übernal^m eS nad^l^er ber fromme ©erl^arb S^erfteegen, fid^ bie Verausgabe unb Verbreitung ©u^on'fd&er ©d^riften in beutfd^er ©prad^e angelegen fein ju laffen. SDal^er überfe^te er 1738 bie t)on fjrau v. ©ui^on i. 3. 1717, !urj vox il^rem S^obe, an ^oiret JU SRI^pngburg ald Sleujal^rSgefd^enl überfanbte poetifd^e ©d^rift L'ame amante de son Dieu unter bem 3^itel: „2)ie l^eilige Siebe ©otteS unb bie unl^eilige 9laturliebe, nad^ i^ren unterfd^iebenen äBir&tngen in XLIV anmutl^igen ©innbilbern unb erbaulid^en Verfen Dorgeftefft'^ idb jebod^ bie 9(rbeit erft bann l^erauiS, afö er 1749 aud^ bie ju biefen

*) £(iber ftnb mir bie frangöftfci^en DriginalauiSgaben biefer ©d^rift nid^t |tt Oepd^t gefommen.

453

©innbilbem gcprigcn Äupfcttafcin (bic fd^on 1655 erfd^icncn toatcn) crl^alten l^attc» 66cnfo Bearbeitete er bie ©d^rift: „3)er gottfeligen %xa\x la ÜJlot^cs®u9on gcifterl^ebenbe Scfd^äftigungcn beS §erjen3 mit (Sott^ burd^ bie Icbenbige ©rfal^ningSerfenntni^ ber göttlid^en Siebe. 2lu85ügc m^ fämmtlid^en poetifd^en ©d^riften ber fei. %va\x, jur Seförberung beS inneren £eben§. S)urd^ ®. S^erfteegen unb äCnbere inS 3)eutfd^e über« fe^t, 2 2!l^eile." ©ine von 2^erfteegen angefertigte unb beoorlüortete l^oHänbifd^e Ueberfe^ung ber Slnmerlungen ber fjrau v. ©upon jum ©oangelium SKattl^äi ift SWanufcript geblieben.

3ln ber jtoeiten §älfte be§ 18. S^^rl^unbertS mad^te fid^ nament- Hd^ §err d. gleifd^bein ju ^gmiont jur Slufgabe, bie SGBerfe ber ^Jrau V. ©upon in neuen beutfd^en SluSgaben ju Derbreiten, toäl^renb SJutoit« 5!Rembrini ju Saufanne eine neue SluSgabe berfelben im franjöftfd^en Driginaltejt (angeblid^ ju 5ßariS, in aOBal^rl^eit ju Saufanne) »eran« ftaltete.

3n neuerer 3^^* ^^^ ^^ ^^^ ©reifgtoalber ^rofeffor ber 3^1^eoIogie unb ^rebiger Submig 3^l^eobuI Äofeg arten, ber auf bie ©d^riften ber grau t). ©upon mieber l^intoieg, inbem er (©tralfunb, 1817) eine neue Bearbeitung ber „©tröme" (nad^ ^oiret^ä ^weiter (Sbition t)on 1720) mit Beifügung ber „SKajinien" Sacombe'S unb anberer ©d^riften t)ertt)anbten ßl^aralterS l^erauSgab. S)od^ ift bie Bearbeitung be§ franjöfifd^en Dri« ginafö fel^r frei, inbem ber Xe^t mannigfad^ tl^eifö t)erlürjt, t^eils burd^ ©infd^altungen aus anberen ©d^riften ber SSerfafferin eripeitert ift.

§. 3.

Sie Se$te bet 9tau QBu^on tion bet SoSfommenipeit bed

Ueberblidfen toir bie mannigfad^en ©ebanlenentipidflungen, toeld^e IJrau t). ©u^on in il^ren sal^Ireid^en ©d^riften barlegt unb in benfelben gro^entl^eilS unjäl^Iige 3KaIe (oft nur mit geringen Variationen) toieberl^olt, fo ftellt fid^ uns ber innere ^ufammenl^ang il^rer Sel^rfä^e in folgenber SÖBeife bar:

©Ott l^at Don ©toigfeit l^er in fid^ bie oottlommenfte SRul^e (repos) befeffen. SJiefe Stulpe, bie in ber Bereinigung aller unenblid^en unb uns loanbelbaren Bottlommenl^eiten i^ren ©runb unb nur bie Unenblid^Ieit felbft jur ©rense l^at, ift erfüllt von ber feligcn greube beS älnfd^auenS

454

bet eignen @4önl^eit unb ^ertlid^teit, in \odä)tx ^eube ®ott ftd^ nad^ feiner ganzen Unenblid^Ieit erlennt unb liebt*).

3n biefer feiner feiigen greube unb Siebe 3U ft^ felbft fo^te ®ott ben Slatl^fd^IuB, eine SBelt ju fd^affen unb in berfelben ßreaturen in8 2)afein ju rufen, toeld^e fo befd^affen tooren, ba^ fie ntit il^m felbft ju ©inent Seben unb 3um 9Ritgenuffe feiner ©eligfeit t)ereinigt toerben fönn« ten**). gnbem bal^er ber ju erfd^offenbe ?IRenfd^ in (Sott bas 3^^^ "«^ ben 3^^* f^iwß^ 2)afeinS fd^Ied^tl^in l^aben foHte, fo fd^uf ®ott ben 3Jlenfd^en toefentlid^ für ftd^***).

2)ie größte (Snabe, bie @ott bcm 3Dlenfd^en in ber ©d^öpfung er^ toieS, war aber nid^t folool^I bie, bo^ er il^n aus 9lid^t§ überl^aupt inä 2)afein rief,, fonbern beftanb bielmel^r barin, ba^ er il^n nad^ bem Silbe feines ©ol^neS, beä ewigen, roefentlid^en SQBorteS fd^uf. S)enn ba ©Ott ben eignen ©ol^n in oofflommenfter SBeife liebte, fo mu^te nun aud^ ber 3Kenfd^, ber baS Silb beS ©ol^neS an fid^ trug, ber beffen ®benbilb toat, ein ©cgenftanb berfelben Siebe (SotteS feinf).

2)er Teufel aber mißgönnte bem SJlenfd^en biefe ^errltd^Ieit unb oers fül^rte il^n jum SlbfaH oon (Sott, tooburd^ baS göttlid^e ©benbilb im SWenfd^en gänjlid^ oerunftaltet warb. Sni^^ff^« oerblieb bod^ in bem gc« faffcnen 3Dlenfd^en nod^ ein SReft ber (Sottebenbilblid^feit , ein unauStilg« barer ß^arafterjug ber (Sott^eit, ber, weil er jum 9Befcn beS SKenfd^cn gel^örte, aud^ nid^t oerloren gelten fonnte unb bem ÜJlenfd^en feine wcfent« lid^e Unfterblid^feit fid^erteff).

©ierauf berul^te ber SiebeSjug beS eroigen SBorteS ju bem nad^ fei^ ttem Silbe gefd^affenen SJlenfd^engefd^Ied^t. ®er ©ol^n fonnte nid^t toollen, ba^ fein SBilb im SKeufd^en burd^ bie ©ünbe jerftört bleibe, weil er bie Serftorung feines SilbeS in fid^ felbft nid^t tootten fonnte. ©al^er ioarb baS SBort felbft SWenfd^, um ben aJlenfd^en oon ber (Setoalt beS SeufelS

*) Discours cbretiens et spirituels, I, LIII, 1.

♦*) Discours II, I, l: Le premier dessein, qu'il a eu en nous cr^ant, a 4te de nous unir a Ini; c'est pourquoi il nous a cr^^s a son image et ressem- blance, nous formant d'une mani^re propre a etre faits une meme chose avec lui.

***) La sainte ecriture; 3[u8le0un0 t)on ®cnef. 1, 26: „^tte S^inge mad^te ©Ott in ber ©djöpfung für ben SRenftä^en, ben SRenfc^cn aUi madjte ®ott für pdj." „2)cr aRenfc^ h>ar baS ®nbc unb 3iel attcS IXebrigen; ber aRenfd^ aber ^atte fein anbereS 3iel ttodj ®nbe alS ®ott" Discours, II, XLIX, 5: Dieu

ayant cree Thomme, l'avait cree enti^rement pour lui; car Dieu comme Dieu n'a point avoir d'autre fin que lui-meme dans tous ses ourrages.

t) La sainte Ecriture, «uSleßung toon (Senef. 1, 26: „3BaS ift biefeS (Sb^- bilb ©ottes? ®S ift fein anbereS als 3«fuS (S^riftuS."

tt) Discours, I, VII, 6.

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loSjufaufm unb nad^ SScjal^Iuna feiner ©d^ulb ifyn h>ieber jum wallten Stenfd^en ju mad^en, b. ^. il^m ben Sl^aralter bes SBorteS neu aufju« prägen unb in bemfelben ein lebenbigeS älbfeilb feiner felbft l^erjufteffen*). Snbem bal^er ber ganje 3^^* '^^^ ©rfd^affung unb ©rläfung be8 aRenfd^en barin liegt, ba^ baS ®benbilb OottcS im SfRenfd^en l^ergeftettt toerbe, unb inbem bag SBefen ber d^riftlid^en Sleligion barin befielet, bajl burd^ fie 6l^riftu§ aufä Sleue unb in neuer ^enlid^feit im SKenfd^en auflebe, fo ftei^t alfo feft, ba^ baS SBerl unfere« Weites 1) bie Silbung Sefu ßl^rifti in un« ift, unb 2), ba^ baffelbe burd^ ß^riftum felbft gefd^el^cn ntu^, 3U toeld^em gmedfe biefer feinen ®eift fenbet, toeld^er ein geuer ift**). a)aS fid^erfte aWittel jur §erfteffung beS göttlid^en ©benbilbeS in unS ju gelangen, ift aber biefe§, ba^ toir ßl^rifto unfre greil^eit unb unferen SBäillen jum Dpf er bringen ; wobei eS nur barauf anf ommt, ba^ toir un^ felbft in äffen 35ingen abfagen unb bem SSorl^aben unfereS ©d^öpferS unb ©eligmad^erS nid^t toiberftreben***).

aSie ©otteS ganje SBirffamleit bal^in gerid^tet ift, baS SBefen unb Sthtn beS 3ßenfd^en an fid^ }u jiel^en, fi^ h^ieber öl^nlid^ ju mad^en, unb in fein ®otte§Ieben aufjulöfen, fo ift aud^ ber ©eele beS 5!Renfd^en ein unaustilgbarer 3^9 jur ©emeinfd^aft mit (Sott eingepflanjt, in ber fie affein jur inneren Sefriebigung unb Stulpe gelangen fannf). 3^bem bal^er äffe SDlenfd^en oon (Sott jur aSoIllommenl^eit, b. ^. jur Sßer« einigung il^reS 9BiffenS mit ©einem aOSiffen, als bem ^unbamente il^rer ©eligleit, berufen finb, fo toürben äffe biefeS 3iel aud^ unfd^toer erreid^en lönnen, wenn nid^t bie angeborene Unreinigleit ber ©eele fie baran j^inberteft),

*) Discours I, XVIII, 1—3. La sainte ^criture, SCuSIegung gu (Senef,

1, 26: „S)a8 ©benbilb ®otte« ift fo tief in ben aRenfd^en eingegraben, baj er niemal« öerUcren iann, obfd^on bie ©ünbe baffelbe unenblid^ öerunftaltet l^at."

**) Discours, II, XVIII, 5: Vous voyez donc, que Touvrage de n^tre sa- lut n*e8t autre, que la formation de Jesus -Christ, et qu'elle se doit faiie par lui-meme or a fLn de la faire par lui-meme il enyoye son esprit, qui est un feu.

•♦*) Discours, I, VII, 4.

•f") Le Cantiqne des cantiques interpret^, Cap. 1, v. 1; Les Torreots, IV, 4; Discours, 1, XLIV. Moyen court, XI, 2: Dieu a une vertu attirante, qui presse toüjours plus fortement Tarne draller a lui. 3; Outre la vertu attirante du centre ii est donn^ a toutes les creatures une pente forte de r^union a lear centre.

ff) Discours, II, IV, 2: La perfection n'est autre ohose que Punion a la volonte de Dieu. Tous les hommes sont appelles a cette per- fection, comme ils sont appelUs au salut.

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S)al^er mu^ bie @eele, n>enn jte )ur SBereinigung mit ®ott gelangen loiS, ftd^ 6e!el^ten unb 93u^e tl^un, roopi ®ott il^t ben erften inneren eintrieb geben mu^*). !Rur butd^ bie 93elel^r ung b. 1^. butd^ bie Slbfel^r ber ©eele üon ben ßtcaturcn unb bie S^^^^^ betfelben ju @ott**), loirb ber @eele bad @rfte, roaS 3loify i^vA, möglid^, nätnlid^ bie 93u^e. Qnbeffen ift bie Selel^rung unb 33u^e no6) nid^t üottlonunen, toenn jte nur SSelel^rung beg ÜRenfd^en von ber @ünbe }ur @nabe ift, Dielmel^r ma^ fte ben ÜRenfd^en ganj unb gar t>om äleu^eren ab unb gonj unb gar ins 3""^^ l^ineinfül^ren***). Salier ift bie Su^e wefentlid^ ^nU

fagung, (renoncement) unb älbtöbtung (mortification). S)ie (Sntfagung

Beftel^t barin, ba^ man nid^t nur aSen unfittlid^en ©enüffen, fonbem aud^ ben erlaubten unb unfd^ulbigen entfagt, um baburd^ jur aQmäligen 3(b« töbtung aQer (Sinne, beg @efid^t§, be3 &ef)öxd, beg @efd^madC§, beg @c« fill^tö unb beS (Serud^S )u gelangen. 3Ran ntortiftjirt aber bie @inne auf 3to)eifad^e 3(rt, inbem man il^nen t)erfagt, tt)a3 il^nen angenel^m x% unb inbem man il^nen jufül^rt, toaS il^nen von 5Ratur toiberftrebt« 3Ber fid^ bal^er ernftlid^ morttfijirt, ber befd^ränft ftd^ ntd^t barauf, ba^ er faftet unb {id^ 9(bBrud^ tl^ut, fonbem er nöti^igt ftd^ aud^ 3um @enu^ fold^er 3)inge, vox benen il^n e!e(t^ bis il^m aUe @peife gan) gleid^» gültig geworben ift. Slud^ ift eS nid^t genug, erlaubte ^Jteuben von fidj fem 5U l^alten, t)iclmel§r mu^ bem gleifd^e aud^ gerabeju, unb stoar in jjeber nur mögUd^en SBBeife mcl^e getl^an roerbenf). 9lur auf biefem Sßege

*) Torrents, Cap. I. 2)iefe ©d^rift beginnt nämUdJ mit ben äßorten, loeld^e geb>iffetma^en ben ^uS0an0S)>un!t ber ganzen $eilS(e]^re ber ^au t). ®.

barfteUen: Sitdt qu'une äme est toacbee de Dieu et que son retour est veri- table et sincbre, apr^s sa premiere pargation, qae la confession et la contrition ont falte, Dieu lui donne un certain iustinct de retourner a lui en quittant les amusemens et bagatelles du moude, pour rentrer en son centre, comme a une fin, 11 fallut, qu'elle tache de retourner, et bors de laquelle eile ne trouve Jamals de verltable repos«

**) Moyen court, XI, 1 : La converslon n'est autre chose, que de detourner de la cr^ature pour retourner a Dieu.

***) Moyen court, XI, 1: La converslon n'est pas parfaite (quoiqu'elle seit bonne et necessalre pour le babit) lorsqu'elle se fait seulement du peche a la gräce. Pour etre enti^re eile doit se faire du dehors au dedans.

t) Discours II, vm, 2—3. JDiefeS fd^ärft grau ü. ®. öfter« nad^brüdKi(^ft

ein, i. SB. in il^rer ©elbftbiogra^l^ie XI, l: II faut savoir, que pour faire les sens euti^rement mourir, on doit pendant un tems ne leur donner aucnne reläche, jusqu'a ce qu'ils soient entibrement morts. Ce qui les detruit davantage, c'est de leur refuser g^neralement tout ce qui leur peut plaire, et de leur donner tout ce, qui leur desagr^e; et cela sans relacbe et aussi longtems, qu'il est necessalre pour les rendre sans appetit et sans r^pugnance.

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toirb ed bem Sl^riften mögUd^; feine @eele fo t)on aUex @igenl^eit unb allem Slbomitifd^en SÖäefen ouäjulecren, ba^ ©otteS Seben in il^r SRaum gehjinnen unb fid^ in il^r frei geftalten lann*).

^od) ift biefe Steinigung ber ©eele nid^t baS SDBerf beS 5!Renfd^en, fonbem ift ®otte§ 2BerI. 2)ic ©eefe mu^ fid^ fogar bcr SDBitffamfeit ©otteg gegenüber fd^Ied^tl^in leibenb (simplement passive) t)erl^aUen. 3)enn bic Sffiirlungen ber (Snabe ©otteS jielen immer bal^in, ba^ fie bie ©eele von aUem eignen 2^l^un, toie notl^n)enbig unb l^eiltg baffelBe aud^ erf^ei^ nen mag, entblöße; unb je mcl^r bie ©eele fx6) t)on allem eignen SBirfen ausleeren l&^t, um fo lebenbiger unb t)oQ!ommner tvirb in il^r bie SBirl^ famleit ©otteS**).

S)a8 SKittel, burd^ melc^eS ©Ott biefe SEBirfung in bcr ©eele l^eroor^ bringt, ift baS SQBort, b. 1^. nid^t baS äußere ©d^rifttoort, fonbem baS unfi^tbare, toefentlid^e, unerfd^affcne SQBort, toeld^eS unmittelbar t)on ©Ott lommt, toeld^eS barum toefentlid^ ©eift ift unb ol^ne einzelne SSorte unb Saute in bie ©eele einbringt, junäd^ft mittelbar burd^ bie ©inne, nm beS SDlenfd^en $er3 3U gewinnen, bann aber, menn ba§ §er} oon il§m erfüttt ift, unmittelbar. SDiefe göttlid^e ©timme lä^t fid^ nur ba l^ören, too in einer ©eele gan3 ftille ift; unb baä S^x6)m ber SBirffamfeit bcg SEBorteS in einer jur ©tiUe gelangten ©eele ift ber S'^iebe, bcn bie* felbe fd^medft***).

3)iefeS unmittelbar aus ©Ott lommenbe SBort entfaltet feine SEBirl^

*) Moyen coart et tr^s facile pour Toraison, Stap. 4. **) Discours, II, XXV, 1.

***) Cantiqne des cantiqnes Stap* 3, SSerS 8: Cette parole est la parole increde, qui ne se manifeste dans le fonds de l'äme que ponr y operer ce qa'elle

y ezprime. 3n bem Discours, I, XII, 6 erörtert fjrau i). ®. bie grage, ob baS göttlid^e äßort, tote äRand^e bel^au^^teten, fid^ im S^nem ber @eele mit k^ernel^mUd^en, unterfd^eibbaren SBorten l^ören (äffe. @ie t)erneint biefe ^^rage in

folgenber äßeife: Toute parole articulee est mediate et par le ministere des anges; et lorsqn'on les appelle substantielles, c'est a cause de leur efficacit^, parce qu*elles donnent dans le moment ce qu'elles sonnent, comme : „Soyez en paix": räme ^prouve alors une grande paix: Mais quoique ces paroles soient' efficaces, elles sont pourtant momentanees, et cette paix peut encore se perdre, puisque cette uieme parole a ^te r^iteree a plusieurs Saints diverses fois (nad^ ^uSfage ber 1^. @d^rift). Ce n'est point de celles la, dont je parle. Cette parole vivante et vivifiante, qui s'insinue par toute Tarne, qui est le Verbe, se fait entendre, comme dit le Livre de l'Imitation (Liv. III, Chap. 43, § 3) „Sans bruit de paroles*'. Les autres sont repues dans les puissances (nämlid^

in ben ©eelenlräften, in 95erftanb, SöiUen ic.) et celles -ci dans le centre (n&mlid^ ber @eele). S)iefeS (elftere äBort ift bie stimme, toeld^e nur bie ©djfaafe beS guten Wirten l^ören, toäl^renb fie ben anbem gana unbelannt ift.

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fatnicit junäd^ft nid^t in bem ßcntrum bcr ©ccle, fonbcm in ben cinjcl* neu SBetmögcn (puissances) bctfelbcn, bctgeftalt, bajä eS in bem SBiffcn bcS 9Kcn[d^en bie Siebe, in bcr SSernunft ben ©lauben ertoad^fen Id^t. SDod^ jtnb, folange baS SOBort nur in ben SJemtögen, nid^t im ßcntnim ber ©eele toirff am ifl, Siebe unb ®Iaube nod^ mangelhaft, Sie Siebe ift auf biefem ©tanbpunft nod^ nid^t bie t)ottfommene reine Siebe ju ®ott, inbem fie nod^ Don ber Hoffnung auf bie eigne ©eligfeit, auf baS eigne SEBol^Iergel^en, b. 1^. von bcr Siebe 3um eignen 3d^ getragen ift; unb bcr ®lanie ift nod^ nid^t ber reine ®laube, inbem er fid^ nod^ auf ®rfa]^run* gen, SSemunftfd^Itiffe unb mittelbar gewonnene ©rienntniffe ftü^t, wogegen bcr reine, nadfte, paffiüc ®Iaube jebc bcrartige ßrlcnntni^ au§fd^Iie|t*).

S)ie toefentlid^fte aSirlfamleit beS SD8ortc§ in ben SSermögen bcr ©ecIe ift aber bie, rocld^c baffelbe in bem SEBitten ausübt. 3)enn inbem es biefen jur Siebe umgcftaltct, fo begrtinbet eS l^ierburd^ in ber ©eelc bie $enf4aft beS ®cifte8 ®otteS, baS Äönigtl^um 3cfu ß^rifti, ba« Slcid^ ®ottcS, unb jmar fo, ba^ bie im SEBitten l^cnfd^cnb geworbene Siebe baS ganje Seben bcr ©ccIe immer ftärfer unb fefter an fid^ jic^t, fie mel^r unb mcl^r oon aller Untugenb reinigt unb il^rc ®igenl^eit, il^rc ©inne unb il^re natürlid^cn Steigungen immer mcl^r abftcrbcn mad^t.

3)iefe ^Bereinigung bcr göttlid^cn Siebe mit bem SBiffen beS ?lKenfd^en ift nod^ nid^t bie tocfcntlid^c Bereinigung bcr ©ccIe mit ®ott, fann aber ber Äeim bcrfclben, ber Äeim il^rcr SSottlommenl^eit fein**).

*) Discoars, I, XII, 6: Lorsque la parole commanique sa vie a Tesprit, cela s'appelle foi nue. Elle fait le mSme dans la volonte, qu'elle remplit d'an amoar nud, sarpassant tons sentimens, ®benfO Discours I, V, 2; LXII, I unb II, XIV, 1—3.

*•) 8ur naiveren ©rtäuterung bicnt, toaS fjrau \>. ®. in bem Cantique des

cantiqaes ^ap. 1, 93erS 1 fagt: Ponr faire comprendre ceci, il fant expliqaer la difference, qu'il y a entre Tanion des paissances et Tanion essentielle.

L*ane et Tautre de ces unions est ou passag^re et seulemeDt pour quel- ques momens, ou permanente et dnrable.

L'union des puissances est celle, par laquelle Dieu s*nnit Tarne fort saper- ficiellement; c'est plutot la toucher que Tunir. hierauf fud^t nun ^au b. ®.

Üar ju mad^cn, in ioetd^er SBcifc bie einzelnen ^erfonen ber ^rinitÄt IJierbel hu tl^eiligt finb.

Lorque l'union est dans le seul entendement, c*est Tunion de pure con- naissance, et eile est attribu^e un Verbe, comme personne distincte (de la Trinite).

Lorsque l'union est dans la memoire, ce qui se fait par un absorbement de Tarne en Dieu et un profond oubli des creatures, eile est attribu^ au Pbre comme personne distincte (de la Trinitä).

Et lorsqu*elIe se fait sentir dans la seule yolonte par une amoureuse

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a)tcfet itctm iaxm tnbcffen nur butd^ eifriges unb anl^altenbeS ^erjenö« gebet 2ur (Snttoidlung unb )um äBad^Stj^um gebrad^t n)erben. 2)ie tKittd, iDcId^e beit 3Dlenfc§en ju einem roirHid^en ®ebet8lc6en attmöHg tüd^tig mai^en lönnen, finb crbauIid^eS Sefen unb ftille Setrad^tung*). SDurd^ beibe foK ftd^ ber ^enfd^ vor 9lQem jum 3Banbe( in ber ®egen« foaxt ®otted erl^eben.

©Ott tann aber bem ÜJlenfd^en in jtDiefad^er 9Beife gegentpärtig fein. ,,®ie eine Slrt ber ©egenroart mad^en n)ir un^ fclbft, inbem mir unfre Oebonfen mit ß^rfurd^t auf (Sott rid^ten. Slttein biefeS ift oielmel^r ein Slnbenfen an ®ott (toie man fid^ ettoa eines abtoefenben fJreunbeS erinnert), ofö eine toirllid^e ©egenmart ©otteS." (SKütterlid^e änroeifung Aap. VIII.) ajabei mad^t fid^ ber aJlenfd^ allerlei SSorftettungen unb Silber von ©Ott, erfreut fid^ aud^ oielleid^t ber tounberbarften ©eftd^te; allein ftatt beä SBefenS ©otteS felbft nimmt er nur baß Silb beffelben auf, looburd^ bie Bereinigung mit ©ott, baä ßeben in ber unmittelbaren ©egentoart ©otteS gcl^inbert toirb**). ®S giebt aber für ben 3Kenfd^en aud^ eine unmittelbare unb ioefentlid^e ©egentoart ©otteS, mit toeld^er ®ott felbft baS ^erj beffelben auSfüttt. S)iefe toefentlid^e ©egentoart ®ottcS toirb bem SKenfd^en ju S^l^eil, ioenn in il^m bie Siebe ©otteS burd^ ben aSiUen ftd^ aller Sßermögen ber ©eele bemäd^tigt, fo bafe eS nur bie "SRaä^t ber Siebe 3U ©ott ift, n>eld^e bie Seele be§errfd^t. a)ann gelangt biefelbe ju einer liebenben Slnfd^auung ©otte«, in loeld^er fte

joaiesance, sans yiie ni connaissance (Jistincte, c'est Taiiion d'amoar, attribu6e au Saint Esprit comme personne distincte.

Et celle-ci est la plus parfaite de toutes, parce qu*eUe approche plus qae nulle autre de Tunion essentielle, et qae c^est principalement par eile, que i'äme y arrive.

II y'a de deux sortes de ces unions : Tune passag^re, qni ne dure que tres-peu, et Tautre permanente, qui se soutient par une prösence de Dien con- tinuelle et par an amoar doax et tranqaille, qui snbsiste parmi toutes cboses.

Voila en peu de mots ce que c'est qne l'anion des pnissances, qni est une union de fian^ailles, et qui a bien Tafiection du coear, mais qui * n'a point la parfaite jouissance de Tobjet.

L'anion essentiel est le mariage spirituel, ou il y a union d'essence a essenca et communication de substances; ou Dieu prend Tarne pour son epouse et se Tunit, nön plus personellem ent, ni par quelque act ou moyen, mais immediatement, reduisant tout en anit^ et la possedant dans son unite m^me.

'^) Moyen court, 11, 1: II y a deux moyens pour introdoire les ämes dans Toraison, dont on peut et doit se servir pour qaelque tems: Tun est la me- ditation, Tautre est la lecture tueditee.

••) Discours, I, LXII, 18.

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i\oax gat nid^td Sinjelned unb Seftintmted von ®ott fielet unb etfennt, bafüt aber feine befeligenbe ©cgentoatt im eignen J&erjen um fo lebenbi* get etfäl^rt*),

hierbei ift jebod^ nod^ ixotxexUi 3U bead^ten. 3)ie unmittelbare ©egenroatt ©otted mad^t jtd^ ber @eele nid^t immer in merflid^er 9Beife fül^Ibar. 3txemaU barf aber ba§ ®ebet toegen Mangels ber (Smpftnbung ber ©egenmart ®otteS unterlaffen werben. ^I^It fid^ ber 5IWcnfd^ ganj bürr unb leer, fo foK er bennod^ beten, t)or ältlem au3 ©e^orfam beten, unb fott in feiner änbad^t auSl^arren, bis er fid^ ber ©egenmart ®otte3 toieber ju freuen vermag **). ©obann fott fid^ ber ß^rift oor bem SBa^ne ^ten, aU t^ertrüge fid^ ber 9BanbeI in ber ©egentoart ©otteS unb ba§ ununterbrod^ene innere ©ebet nid^t mit ben ^Pflid^ten beS äußeren SJebenä. 2)iefer SEBal^n ff&Ü Siele ab, p^ bem inneren SBanbet ju ergeben unb fd^abet barum bem Sleid^e ©otteS***).

S)er ß^rift, meld^er jum 3^^^ ^^^ SBottfommenl^eit gelangen toitt, hjirb bal^er mol^Itl^un, iDenn er feine Slnbad^t in folgenber SBeife ein^ rid^tet:

9tad^bem man fid^ mit (ebenbigem ©lauben in bie ©egenmart ©otteS t)erfe|t l^at, mni man ettoaS red^t 3«]^<^Itreid^e8 (quelque chose de sub- stantiel) lefen unb ganj ftitt babei Dertoeilen, nid^t mit SRePejionen ber aSernunft, fonbern inbem man lebiglid^ ben ©eift babei fijirt. Sienn bie toefentlid^fte Uebung mu^ bie fein, ba^ man bie ©egenmart ©otteä feft^ l^ält, nid^t aber ba^ man 3Sernunftfd^Iüffe mad^t. 3)iefcr lebenbige ©laube an ben im ©runbe unfrer $erjen gegentoärtigen ©Ott (la foi vive de Dien present dans le fonds de dos coeurs), treibt und bann an, ba^ mir uns in unS felbft x^erfenlen, inbem er äffe unfre ©inne innerlidj

♦) aWüttcrlid^e Slntoeifung, Stap. VIII. Discours, I, XLin, 3 : Le meillenr de tous les moyens est de recueillir au-dedans l'esprit par le moyen de la vo- lonte amourease de son Dieu, qui rassemble aatour d'elle des puissances et semble se les r^unir. C'est une contemplation amoareuse, qai n'envi- sage rien de distinct en Diea, mais qui Taime d'autant plus, que l'esprit s'abime dans une foi implicite; non par effort, ni par contention d'esprit, mais par amour. L'äme s'enfon^ant de plus en plus dans l'amour, aocoutnme Tesprit ä laisser tomber toutes les pens^es. Alors l'äme preud la veritable voie, qui est le recueillement intime, ou eile trouve la pr^sence de Diea et un concours merveilleux de sa bont^, qui fait tomber insensiblement toute multiplicit^, tout acte, tout parole et met l'äme dans un silence goute. 4: Par cette voie l'äme trouve en peu son centre.

**) Lettres spirituelles, II, 1 u. 2. 42: „a)ic üueffe atteÄ ®ttten ifl bie ©egentoart ©otteS."

**♦) Discours, I, V, 19,

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Binbet. ©abutti^ xoxxh c3 bcr ©celc ntö^lid^, fic^ gegen bie Setftrcuungcn ber Slufeentoclt abjufd^Iie^en unb in bet (Segentoart (SotteS ju BeJ^arrcn, ber t)on bcm HRenfd^en nur in ber 3^iefe ber eignen ©eele gefunben

h)erben fann (Dieu, qui ne peut etre trouvee que dans le fonds de nous memes et dans notre centre, qui est le Sancta-Sanctorum, il

habite).*) ^Beginnt bie ©eele, bie fid^ ganj in fx6) felbft perfenft ^oA, il^re ©tille unb Stulpe ju foften, fo fül^rt biefeS ©d^meden ber ®egen« n)art @otte3 biefelbe balb auf eine l^öl^ere ©tufe ber ©ebetSanbad^t, toeld^e bie ®inen al3 (Kontemplation, als ®ebet be3 ©laubenS, ber 9tul^e, beS ©d^loeigenS, bie Slnbem afö @ebet ber ©infalt be3eid^nen. **) ^ biefer Slnbad^t brandet bie ©eele jtd^ nur eine 3^'^ Iwg ju ixhetif \xm alsbalb n)al^rjune^men, ba^ eS il^r nun ml leidster föllt, fid^ )u fammeln unb ©Ott JU finben.***)

2luf biefer l^öd^ften ©tufe ift baS ©ebet ioefentlid^ ein ©ebet beS ^erjenS, ol^ne SBorte, eine lautere SBirlung beS ©eifteS ©otteS im ^erjen. 5Rur toenige finb c8, bie jum ©ebete beS §erjenS tüd^tig werben; aber berufen finb bod^ ju bemfelben äffe ßl^riften, unb ift bal^er ein ©erberblid^er SBal^n, toenn man annimmt, bafe nid^t jeber ß^rift biefer SBofffommenl^eit nad^juftreben üerpflid^tet fei.f)

Sluf weld^er ©tufe beä ©ebetSlebenS übrigens ber ßl^rift ftel^e, in jebem gaffe mu^ berfelbe an ber Siegel feftl^alten, ba^ er fid^ felbft leine Siegel beS ©ebets mad^en barf, ba^ er fid^ melmel^r im ©ebet vom ©eifte ©otteS leiten ju laffen l^at. 3)enn ein mal^reS ©ebet lann immer nur burd^ bie Seitung beä ©eifteS ©otteä ju ©tanbe lommen. ff)

*) Moyen court, II, 2.

'*"i') Regle des associes a l'Enfance de Jesus, §. 5* $ier toerben brei ©ebetS«

fkufen ber ©eelc unterfd^ieben. 3)ie oraison ift nämlidj aUerbtngS WefentlidJ

nnioD de l'esprit avec Dieu. ^Uein cette nnion se fait diversement selon les differens degres des ämes: 1. dans les unes par discours et considerations, avec qnelque sorte de raisonnement sur les choses divines, a dessein de s'elever par elles a Dieu (SRebitation); 2. dans d'autres par des aspirations et ten- dances vehementes a Dieu, le coeur lui parlant toüjours en toute liberte (Oraison d'affections); 3. dans quelques autres par silence et avec repos dans l'union divine, Päme ne faisant plus autre chose que goüter et admirer un bien souverain, qui fait tout son bonhenr (Oraison de contempla tion).

***) Moyen court III, 4 unb IV, 1.

f ) R^gle des associes, VI, 1 3 : Qui n'est point capable de parier a Dieu de coeur seulement, sans lui parier debouche? Or c'est la faire oraison.— Si l'oraison n'etait pas pour tous, Tevangile ne serait pas pour tous etc.

-|~1-) Rbgle des associes, V, 3 4.

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SluS bcnt StSi^crigcn crl^efft, ba^ bic SBcgc, tocld^c fromme ©celcn gelten, tttd^t Bei aßen biefelBen ftnb. 3m oUgemeinen finb brei SBBege beö teligtöfctt Scbenä ju unterfd^eiben. *)

35ie auf bem erften 2Bege manbeinbcn ©eelen ftnb um bie ^Pflege beS inneren ©eSetSlebenS toenig bemül^t. ©ie finb fleißig in ber gegen« ftänblid^en Setrad^tung ber religiöfen SBSal^rl^citen, finb flreng im Seben, arbeiten eifrig baran, fid^ in il^rer SBSeife in ber Srfcnntnip nnb Se« tl^ätigung beS ®Iauben§ n)citer3ubringen unb üben gern SBerfe ber Sarrn? I^er3igleit unb ber Uneigennü^igleit an^. Slttein in biefen ©eelen ^d^cint baS eigene SBirfen baS SBirfen ®otteS 5U überwiegen. ®§ gefd^iel^t in il^nen SttteS Iraft il^rcr eigenen 3lnftrengungen, freilid^ fo, ba^ fie burdj bie ®nabe geftü|t unb geförbert hjerben. S)abei entfaltet fid^ il^r rcli« giöfeä Seben gern nad^ einer beftimmten SRegel unb SWetl^obe, bei beten Seobad^tung fie fid^ allerbingä mit vielerlei 3^ugenben 3ieren, inbcffen innerlid^ ®ott nur feiten näl^er lommen.

©elingt eS il^nen aber burd^ ®otte§ ®üte 3ur leibentlid^en Se« trad^tung (contemplation passive) ]^inburd^3ubringen , fo ftel^en fte auf ber 3toeiten ©tufe beS Seben§, wo fie fid^ mit benen 3üfammenftnben, bie urplö^lid^ 00m ®eifte ®otte§ an il^ren $er3en erfaßt iocrben unb bie, ol^ne ben ©egenftanb il^rer Siebe 3U erfenncn, bod^ in Siebe 3U il^m entbrannt finb. 3)enn baS ift ber Unterfd^ieb jmifd^en ber göttlid^en unb ber menfd^Iid^en Siebe, ba^ biefe bie (Srlenntni^ beS ©egenftanbeS oorauSs fe^t. 3)enn ba ber Sediere braujjen liegt, fo muffen ftd^ bie ©inne bal^in rid^ten unb bie ©inne rid^ten fid^ nur beSl^alb auf il^n l^in, toeil ber ®egcnftanb i^nen mitgctl^eilt ift: bie Slugen feigen unb baS §er} liebt. ©0 oerl^ält fid^ aber nid^t mit ber göttlid^en Siebe. 3)a ®ott

beS 3Renfd^en Urgrunb unb 3*^ ift; fo ^W «^ ^i^* "o*^/ ^^^ ^ ^^ bem $er3en beffelben 3ut)or 3U ericnnen gebe. ®r erfaßt ba§ $erj, iaB pd^ feiner nid^t ertoel^ren fann, mie im ©türm unb lä^t im Slugen- blidE entbrennen. 35iefe ©eelen fd^einen äffen 35enen, toeld^e be§ gött« lid^en Unterfd^eibungSoermögenS entbehren, ungleid^grö^er unb l^errlid^cr JU fein afö bie ©eelen auf ber britten ©tufe. ^enn fie gelangen bem Sleu^eren nad^ 3U einer leud^tenben Sßofffommenl^eit, inbcm ®ott i^re natürlid^e ©mpfänglid^Ieit in einem tounberbaren Umfange erweitert. ®ott fpenbet il^nen ®aben über ®aben, ®nabcn über ®naben, Sid^ter, Offenbarungen, innere SEBorte, bie fte oernel^men, unb fie toerben T)er}üdft

*) gür ba« junäd^ft golgenbe finb bie Torrents al« §auj)t<|uette bemi^t, toc«]^alb nur Belege an^ ben anberen ©d^riften ber grau i). ®. fjjejieff angefül^rt toerben.

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unb bal^ingertffett. 3)iefe @eelen ftnb bälget bte S3eh)unberung unb bod ©rftouncn bcr 3Kenfd^cn, aber jur inneren Semid^ttgung il^reS nattirlid^en 38efeng lommen fie nod^ nid^t unb nur feiten gefd^iel^t ed, ba^ @ott fte au3 il^rem SDBefen l^erauSrei^t um fie in fein eigenes SEBcfen ju oerfenlen*

$ört ntan biefe 5ßerfonen reben unb l^at man fid^ nid^t befonberer göttlid^er @rleud^tung )u erfreuen, fo foUte man glauben, ba^ fie mit ben ©celen ber legten ©tufe auf gleid^em SBege toanbclten. SDenn fie reben ganj bie ©prad^e ber legieren; fie toiffen red^t erbaulid^ com ©terben, von ber ©elbftoerlierung, Don ber ©elbfberntd^tigung u. f. m, ju fpred^en, aber bennod^ rul^en fie nod^ ganj in il^rer (Sigenl^eit, inbem il^nen ber gel^eime 2)rang, nid^ts fein ju trotten, tüeld^er ben ©eelen auf bcr legten ©tufe eignet, gttn,}Iid^ fel^lt. ®ern oertoeilen fie mit il^rer Setrad^tung bei ben i^nen t)on ®ott t)erliel^enen ®naben unb befpiegeln ftd^ in il^nen, toorauS nid^ts anbcreä als eitle ©elbftgefäHigleit unb ®e« ringfd^ä^ung anberer ©celcn erfolgt, 3"^ Sluffid^t unb jum Slegiment in ber Äird^e finb fie ganj gefd^idtt, aber fie finb l^art unb ftrenge; bcnn fie fennen nid^t bie innere 3flotl^ fo meler ©eelen, unb bem ©ünber gegen« über miffen fie fid^ tool^I 3U ereifern, aber fte toiffen benfelben nid^t mit Siebe unb ÜRitleib ju tragen.

®anj anberS ift ber britte SQSeg, ben bie erh)äl^lten ©eelen gelten. ®ott, meld^er biefe ©eelen Don ©toigfeit l^er baju erfel^en l^at, fie auf eine tounberbare unb benen, bie il^r geiftlid^eS Seben auf bie geh)ö§ntid^e aOBeife fül^ren, h)enig belannte 2lrt fdjfon bei SeibeSleben in fid^ aufjunel^* men, beginnt bamit, ba^ er benfelben in il^rem Qnnem feine ©ntfernung t)on il^nen empfinblid^ toerben lä^t. ©obalb nun bie ©eelen il^re ^nt-- frcmbung t)on Sem, toeld^er ber ©eele l^öd^fteS unb einige« ®ut ift, er* fal^ren, fo ermad^t in il^nen ber burd^ bie ©ünbe eingefd^läferte aber un* austilgbare gug ju ®ott ^in auf's 3leue. SDie ©eele ift voU SammerS barüber, bafe fie fid^ burd^ bie ©ünbe Don il^rcm Urgrunbe entfernt l^at. S)ie innere Unruhe unb Dual treibt fte, ftd^ nad^ SWitteln umsufel^en, bie il^nen bie SRüdEfel^r ju ®ott ermöglid^en lönnten. ©ie ergeben ftd^ ber ßontemplation unb fud^en S)en brausen, ber fid^ bod^ t)on il^nen nur in i^rem eigenen Snnern finben laffen roitt. ©ie ^erarbeiten fid^ lange mit Hebungen unb ©Übungen, mit benen fie fid^ auStoenbig l^eilen motten, wäl^renb ber ©d^aben bod^ in il^rcm 3«nern liegt, älber ®ott, ber ben ©ruft i^reS SBillenS fie^t, lä^t fte finben, toaS fie braud^en, gans Don nngefäl^r, wie eS fd^eint, unb auf feinem au^erorbentlid^en SBege. ®r lä^t fie barüber belel^ren, ba^ fie unmöglid^ auf bem t)on il^nen eingefd^lagenen SEBege toeiterlommen fönnen; unb fobalb fte nur burd^ rid^tige Unter« Reifungen betoogen toorben ftnb, in il^r SnnereS einjugel^en unb in

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in beg ^erjenS ®runbe ju fud^en, toaS fte au^er ftd^ unmögltd^ ftnben fonnten, fo crfal^ten bic ©ccicn mit cntjüdcnbem ©tauncn, ba^ jtc in il^tem 3nncrn toirlKd^ ben ©d^a^ tragen, bcn jtc in ber %exne fud^tcn. ©ie finben, ba^ fic in einen ©tanb innerer greil^eit t)erfe^t jtnb, in toel^tm ba§ innere ®ebet t)on felbft auS il^rem ^erjen quillt unb ba^ fte, je ntel^r fie fid^ in fid^ felBft oerfenlen unb jtd^ in il^r Qfnnereä ©et« lieren, 6ttt)a3 loften, ba§ fie in überfd^toänglid^er SEBeife Befeligt. SBor allen S^ftreuungen ber Slu^enroelt fliel^t je^t bie ©eele, um ntd^t in il^rcm feligften Umgange mit (Sott geftört ju toerben, ©ie ift jje^t mit allen Slrten ber ßrtöbtung belannt, ol^nc ba^ fte jemals batjon l^ättc rcben l^ören. SBenn fie im Segriffe ift ettoaä ju genießen, baS il^r fd^medft, fo fü^lt fie fid^ wie t)on unpd^tBarer §anb jurütfgel^alten. ©rgel^t fte fid^ in ber l^errlid^ften 9latur, fo oermag fie nid^ts ,^u unterfd^eiben, bic Säume Blül^en nid^t, bie Slumen buf ten nid^t für fte. ^e^t, jumal im 3lnfange, möd^te fte fid^ aufreiben burd^ Äafteiungen unb Süfeungcn, ©ie ift fo t)ott oon bem, roaS fie empfinbet, ba^ fie alter SBelt hmb tl^un möd^te. S^rc ©efül^Ie ftnb fo lebenbig, fo rein unb Don affer ©igenlieBe entblößt, wie nie juoor. biefem S^P^^be toirb fie von Silbern unb ©ebanlen burd^bli^t, bie fie mit wunberbarer Seid^tigleit nieberfd^reibt; unb toaS fie nieberfd^reibt, ift tief unb lebenbig ®mpfunbeneS, ift brennenbe, unenblid^e Siebe, ©ie fül^It fid^ t)on einer göttlid&en Staft gefangen genommen, t)on ber fie burd^brungen unb oerjel^rt toirb, fo ba| il^r bie Slugen oft von felbft jufatten. SBiff fie lefen, fo gleitet il^r baS Sud^ aus ber $anb. @in münblid^eS ©ebet 3U tl^un ift il§r laum nod^ möglid^. 6in einjigeS Unferöater toürbe fte eine ©tunbe l^inl^alten. Slud^ toirb i^r fd^toer ju beid^ten unb Stbfolution unb 2lbla^ 3U fud^cn, unb jtoar barum, toeil bie Siebe il^r nid^t geftattet, eine Stbfiirjung i^rcr ^ein ju begel^ren.*)

Siele ©eelen, toeld^e fid^ in biefem ©tanbe ber ®nabe befinben, bleiben in bemfelben ftel^en, weil fie nid^t ftarf genug finb, um bcn legten, für bie Sollenbung entfd^eibenben ©d^ritt ber ©elbftoerlaffung

*) La Tie de Mme. Quyon, I, XI, 6: II faat donc dans ce tems doaloureux, obscar et broaille seconder les desseins de Diou et souffrir cette peine de?o- rante et crucifiante dans toute son ^tendue aussi longtems qu'elle darera sans vouloir satisfaire ä Dieu ni par les penitences, ni par la confession, jusqa'a ce que cette peine soit passee. Vous m'iDstraisiez, o mon Dieu, qu'il ne faloit point faire de penitences, ni se confesser, que yous ne ?oua fussiez satisfait yous meme.

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unb bet gän^lid^en Uebevgabe an ®ott )u tl^un, '^) aQein bie @eele !ann bod^ no(]^ tDetter gelangen, nur ba^ fie baBei oft h)teber }u ^alle lommt, roeSl^alB ii^r ^ortfd^titt bod^ nur ein fe^r langfamet ift unb ol^ne eine 9an3 neue Sintoirfung bet (Snabe gar nid^t jum QieU fül^ren lönnte. S)ie ©ebred^en ber ©eele in bicfem ©tanbe finb eine geroiffe ©elbft« fd^ä^ung, bie t)erBorgener unb tiefer getDurjelt ift als bie, toeld^e il^r t)or bem ©mpfange ber göttlid^en ©nabengaben eigen waren; eine gel)eime ©eringfd^ä^ung affer Slnberen, bie nid^t il^reS SßJcgeS roanbeln; ein gc« n)iffeS Vertrauen auf i^re ®ered^tig!eit unb S^ugenb, inbem fie fid^ be« reitS für ftinbloS ju Italien fd^eint. ®cnn eben bie ©aben, womit ©Ott bie ©eele begnabigte , um fie t)on ben Äreaturen unb t)on ber eigenen ©elbftl^eit abjulöfen, bienen bem armfeligen ©efd^öpfe nur ju einem neuen gaffftridf. 35ie in il^nen fid^ fpiegeinbc ©eele nimmt an ftd^ SSorjüge hjal^r, bie fie t)orbem nid^t in fid^ gefunben l^atte, unb eignet fid^ ju, was ©otteS ift. SDal^er beginnt ©ott bie begnabigte ©eele naii^ unb nad^ ju entblößen. @r nimmt i^r äffe feine ©aben unb ©naben, too« mit er fie gesiert l^atte; er nimmt il^r bie Seid^tigfeit unb Steigung ©uteS ju tl^un, Sltmofen ju fpcnben, Äranlenpflege ju ixim unb Süfeungen ju Derrid^ten. SSon ber entblö^enben ©nabe l^eimgefud^t, empfinbct bie ©eele nid^t nur SOBibermiffen gegen baS, h)aS il^r oorl^er eine ^reube toar, gegen ©otteSbienft unb ©ebet, fonbern fie fül^It in fid^ fogar eine gänjlid^e Mn« tüd^tigleit, ein untiberminblid^eS Untjermögen geiftlid^en 3)ingen objuliegen. Slber eS giebt feinen anbem SEBcg 3ur t)offIommenen Steinigung als biefe ®ntblö^ung. S)enn nur auf biefem bunleln unb fd^merjl^aften SBegc, IDO bie ©eele ftd^ ©ott ganj überlädt, oermag biefelbe in i^rer SSäurjel gereinigt ju toerben,**) inbem bie entblö^enbe ©nabe gerabe bie affer» gel^eimftcn unb oerborgenbften ©d^äben angreift, getüiffe SieblingSfd^toäd^en^ toeld^e bie Statur forgfam ^egt unb pflegt, unb toeld^e ber SBelt gar nid^t als fjel^ler erfd^einen. 38on ber ^errlid^feit, ju weld^er bie ©eele auS tl^rer Slöj^e erl^oben werben foff, l^at biefelbe nod^ leine äl^nung. ©ie wei^ md^tS bat}on, bafe ber l^immlifd^e ^eunb, ber ßrlöfer, fie nur ju bem SwJcdfe fo Doffftänbig entblöß, um fie mit fid^ felbcr ju beileiben.

*) Lettres spirituelles, IT, 167: „3)af; alle öcclen, audj bicjenigen, bie am affertoetteften gcfommen flnb, an bicfer ©teile ber g&njlid^en ©elbfttemidjtigung ftel^en geblieben, weil eS il^nen an 3Rut]^ gefeblt, ftdj ol^nc SSorbcl^alt in ben ÄatlJ unb SBiUen ©otteS, toie berfelbe auc^ fein möd^te, bal^in ^u Qthm/'

•*) Mojen court, VI, 2 3: L'abondon est ce qu*il ya de consequence dans tonte la Toie, et c^est la clef de tont Tinteriear. Qui sait s'abondonner, sera bientot parfait. L'abandon est nn d6pouillenient de tout soin de nous-memes pour nous laisser entibrement a la conduite de Dieu.

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ba^ fie mä) ben SBotten beS 9[poftete ,,3^fum Sl^rtftum anjiel^e.'' S)amit aber bieS gefd^e^en Idnne, tnu^ bie @eele nod^ tiefer erniebrigt toerben: {te tnu^ nid^t nur SHIed verlieren, h)a3 fie l^atte, fonbem fie ntu^ aud^ fidj felbft t)erliercn. S)ie brei Äräfte ber Seele öerliercn bal^er nac^ unb nadj atteö SeBen: ber SSerftanb t)erfinftert jtd^, bie Erinnerung r>etUo^t, ber aSiKe verliert alle ©panniraft. $üIfIo§ unb ol^ne @tü$e ftel^t ftd^ bie @eele urplö^Iid^ ber @mpfinbung il^reS ^antmerg unb @lenbd voU^ lommen preisgegeben; unb eben biefed ift e§, toomit bag Sterben ber Seele feinen äinfang nimmt«

Sofort erlifd^t in il^r aud^ bie leifefte Sebendregung ü^rer Selbfi:' ^eit. SBunfd^, 3«9/ $öng, Scgierbe, SBibermille, Slbneigung, Ättcg ift bal^in. 3)ie Seele tritt jeftt in ben bunleln, fd^auerootten Stanb beS m^ftifd^en 2^obe8 ein, in toeld^cm ber alte Slbam mit allen feinen ®cs lüften untergel^en foff, inbem fie in ben guftanb gänjlid^er Unempfinblid^« feit übergegangen ift; benn biefe(be ift gleid^gültig gen)orben gegen bie SBelt, gegen ftd^ felbft, gegen @ott. Sie liebt nid^t mel^r unb l^a^t nid^t mel^r ; fie leibet nid^t unb freut fid^ nid^t ; fte tl^ut nid^tS ©uted unb t^itt nid^tg 93öfe3, fte tl^ut gar nid^ts. 5Die Seele ^at nid^tg, ioiS nid^tg, i{l nid^tö: fie ftel^t in bem Staube ber SSernid^tigung.

SDie Seele ift l^ier fo ganjlid^ oon allen Stufen oerlaffen, ba^ fte in ftd^ nid^tS als Sünbe uno SöfeS ftcl^t, ba^ fie ftd^ felbft als etoig t)ertoorfen erfd^eint, inbem fie (Sott verloren l^at. 3n biefem Sd^redtenSs 5uftanb, loo bie Seele bereits bie $ölle oor fid^ fielet, bringt nun bie« felbe, menn ®ott fie }ur SSoSenbung gelangen laffen toiS, ®ott bod Opfer bar, mit loeld^em baS Ertoad^en ber Seele 3U ganj neuem Seben beginnt, nämlid^ baS Opfer il^rer eioigen Seligleit. S)ie Seele tl^ut l^ierbei nad^ bem SBillen i^reS grlöferS, ber (SKattl^. 16, 25) 6e* fol^len l^at, ba^ toir unfre Seelen um Seinetwillen oerlieren follen, SRie aber {ann bie Seele biefes Opfer oon fid^ felbft tl^un, inbem fte eS nur infolge eines unmittelbaren SlntriebeS ©otteS ju tl^un oermag.*)

2)ie Seele l^atte fd^on bei bem S3eginne il^reS ©laubenSlebenS ®ott baS Opfer il^rer äSiUenSfreil^eit bargebrad^t, um jtd^ il^m ganj paffit) als ein iDlittel 3U feiner SSerl^errlid^ung ju überlaffen. 3)al^er trägt bie gläubige Seele oon Slnfang an biefe tiefe ©runbftimmung in fid^, monad^ fte, toenn es möglid^ toäre, ba^ (Sott nur für einen SlugenblidE mel^r 93er«

*) Discoars U, UI, 15: U faut remarquer, que c'est Dien meme, qui poaase Tame a faire ce sacrifice. Elle le fait et sans aacun retour. 16: Ce n'esl pas un acte, qae Tarne doive faire, ni qu'elle pnisse faire par elle-xneme; c'est un acte, qne Dien loi fait faire, qnand il Ini plait.

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l^errlid^ung butd^ il^re etotge SSetbammni^ aU burd^ t^re @eltglett et« langen tonnte, ol^ne alles Sebenfen bie etftere ber leiteten t)or3tel^en ^ toürbe.*)

Qfnbem nnn bie ©eele fx^ üon (Sott um il^rer ©tinben toiffen gän3« Ixii t)crlaffen unb oerroorfen gljiuBt, unb ntd^tä afö bie ©d^retfen ber $ötte erfäl^rt, tl^ut jte in üterfd^roenglid^er Siebe 3U ®ott baS Se^te toaS fie t)ermag, inbem jte ®ott felBft bittet, il^re ©eele in bie $ölle ju »erloerfen, bamit jte nur nid^t longer gegen il^n ftinbige, inbem jte a\x^ in ber etoigen SBerbammni^ il^n lieben unb burd^ bie DoIIfontntenfte ®r« gebung in feinen SBitten feinen l^eiligen Planten t)erl^errlid^en tooHe. 2)od^ ift bie ©eele babei nid^t ol^ne alle §ojfnung;' t)ielmel^r faj5t fie toieber Hoffnung (wie ber Slpoftel 9l8nt. 4, 18 fagt). S)enn bie Siebe ift ber Stnfang unb baS 6nbe beS DpferS, in roeld^em bie ©eele in fid^ eine Stimme t)ernimmt, bie il^r leife 3upüftert, fie l^abe einen ©rlöfer, ber etx)ig lebe unb ba^ il^r $eil, je mel^r eS in il^r unb für fie tjerloren er« f d^eine, um fo getoiffer in ^f)m unb burd^ ^f)n befeftigt fei. **) S)iefe8 ift baS Dpfer, toeld^eS ®ott bie l^öd^ftc ©l^re giebt unb barum ber ©eele ben reid^ften ©eminn bringt, inbem bie ©eele bie etoigen Seiben ber ^ölle nid^t als Seiben, fonbern als ein aWittel ber SSerl^errlid^ung ®otteS mit S^^brunft l^innimmt, ®S ift nur nötl^ig, ba^ bie ©eele biefeS Dpfer nie toieber 3urüdfmmmt.

hiermit ift nun aber aud^ bie ©eele 3um ßnbe aller il^rer ^Prüfungen gelangt 3)iefelbe ift untergegangen in bem SBefen ®otteS; unb nad^« bem l^iermit in ber ©eele aHeS eigne ©ein unb Seben erftorben unb er^ lofd^en unb biefe 3ur t)ollen Bereinigung mit bem SBefen ®otteS ge« lommen ift, fo beginnt nun in berfelben ein fold^eS Seben ®otteS, ba^ fte femerl^in nid^tS anbereS als Drgan unb SKittel beS SEBittenS unb SebenS ®otteS ift. S)ie ©eele lebt je^t nid^t mel^r auS fid^ felbft, fonbern ®ott lebt, toirft unb l^anbelt in il^r. Unb biefeS ®otteSleben in il^r toad^ft mel^r unb mel^r 3U unenblid^cr SSollIommenl^eit l^inan. S)enn in

*) La Tie de Madame Guyon, III, XVII, 4.

*♦) Vie de Madame G. III, XVH, 3—6; Discours, II, LH^ 2—16; unb im Anfang JU ben Discours, XV, 13. S)ie ©auptfteHe Discours II, LH, 2 lautet: Le sacrifice de son bonheur ^ternel en taut que son proper bonheur se fait daos le tems des ^prenves, une ame tent^e de la plus terrible tentation, qui est Celle de la persuasion, qu'elle doit ^tre etemellement malheureuse, ne trouve sucune ressource qa'en se sacrifiant au vonloir supreme avec des agonies mor- telles, vonlant cependaut toujours aimer Dieu et le seryir de toutes sea

forces. 3n il^rer »iograpl^ie l^ejetd^net grau i>. ®, baS Djjfer alS consentir

a la perte de son ^temit^.

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il^rem frül^eren @tanbe ffattz bie @eele bie ®a(en ®otted nad^ ber B«< fd^ränltcn Smpfongßd^Icit bcr ßrcatur in fiÄ aufgenommen. Se^t ba« gegen, wo ®ott felbft (nid^t beffen Oaben) baä Seben ber ©eele ge« n)otben unb too aUeg Steatürlid^e t)on il^r abgeftreift ift, befl^t biefelbe eine unbegrän3te ®mpfänglid^!eit, fo ba^ fte ftd^ immer DöKtger in ba$ unenblid^e 3Befen @otted ju ergießen vermag. 3^ ^^^^ fi<^ ^^^ bie @eele in bie älbgrünbe ber ©ottl^eit verliert, um fo mel^r n)eitet fie ftd^ auiS.

äCUerbingS finbei in ber @eele, iva§ ben ©runb il^reS Sebend be^ trifft, fein äBed^fel mel^r ftatt; tool^l aber gel^t in il^r ein unaufl^örßd^eS SQSeiterfd^reiten in ®ott vor [xä). 3)al^er finb mol^l 3QIe^ bie auf biefer @tufe ftel^en, mit ®otteS SBefen erfüSt; aber bie meiter f^ortgefd^rittenen l^aben baffelbe vöütger ald bie Slnberen, bie )u ber gleid^en inneren äCuS« n>eitung nod^ nid^t gelangt finb.

3)ie von einigen @rleud^teten auSgefprod^ene Slnfid^t, ba^ für ben ©tanb ber roefentlid^en ^Bereinigung ber ©eele mit ®ott bie 5ßerfon 3^u Sl^rifti nid^t mel^r in S3etrad^t fomme, bag bie SSereinigung mit Sl^riftuS für bie voKenbete ©eele etmaS SBergangeneS, UebenvunbeneS fei, ift als 3rrtl^um jurüdtjutoeif en. *) S)od^ ift jtvifd^en ber S8ereinigung ber ©eele mit 6§riftuS unb ber ^ittl^eilung beg etvigen SßorteS an bie ©eele )u unterfd^eiben. Ofene ift bie SBorbebingung il^rer tvefentlid^en SBereinigung mit ®ott. 3ft ("^^ i>i^ BeeU 3U biefer gelangt, bann empfangt bie ©eele in ber ivefentlid^en Bereinigung mit ®ott aud^ bie ^ittl^eilung bed emigen äBorted, burd^ tveld^eS fie von aOer @igenl^eit befreit mirb (car, comme

la propri^t6 et la vie da Yerbe ne peavent subsister ensemble, il faut, qu^ä mesure que la vie da Yerbe s'insinue en nous, la propriet6 se

retire). S)al^er berul^t baS neue 2eben ber burd^ ben mpftifd^en 2^ob l^inburd^gegangenen ©eele eben auf ber voKIommenen Bereinigung mit bem äBorte, bie fie in il^rer mefentlid^en Bereinigung mit ®ott l^at, fo ba^, inbem bie ©eele nun gan) von bem Seben bes SQSorted erfüllt x%

*) Cantiqne, I, 1: L'on peat encore ici resoadre la difficalt^ de quelques personnes spirituelles, qni ne veulent pas, que Tarne 6tant arriyde en Dieu (ce qui est l'^tat d'union essentielle) parle de Jesus Christ et de ses int^riears: disant que pour une teiräme cet ^tat est pass^. Je conviens avec eux, que l'union a J. Chr. a pröc^d^ tr^s-longtems Tunion essentielle; mais pour ce qui regarde la communication du Yerbe k Tarne je die, quHI faut qoe cette sme soit arri?^e en Dieu seul et qu'elle j soit Stabile par Tunion spirituelle avant que cette divine communication lui soit faite. 9[lfo l^at bic €kele auf ber l^bd^ften @tufe il^rer SSoOfornmenl^eit bod^ bie unmittelbare Se^iel^ung }um menfd^geivorbenen SogoS unb gu beffen (Srlöfungdiverfe verloren!

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Ite mit bcm Slpoftcl fagcn fann: „id^ lebe, bod^ nid^t x6), fonbcm e^riftuS lebt in mir/'*)

i^nbem ballet bie von bem Seben beiS SBorteS ganj burd^brungene ©cde baS Dottlommcne S3ilb ^e^\x ß^rifti baS göttlid^c Sbcnbilb in feinet gansen ^errlid^feit miebcr gewonnen l^at, fo jinb aud^ bie Steigungen (incÜDatioDs) Qefu, feine Siebe jur ärmutl^ unb jum Seiben, feine linb« Kd^e (Sinfalt gan^ il^re eigenen Steigungen getootben. SBäte eine fold^e @eele niemals übet bie teinen Seilten beS @t)ongelium§ im @in}elnen untettid^tet tootben, fo mütbe fie beten ©tfenntni^ bod^ toie in SBad^S geptägt an fid^ ttagen.**) SDiefe Steigungen Sefu l^at abet bie ©eelc nid^t infolge felbftgefa^tet SSotfö^e unb angeftellter Uebungen, fonbetn lebiglid^ oetmöge ii^teS ©tanbeö. ®enn ®ott ift e«, bet in bet ettoäl^lten ©eele felbft fein SBSott etjeugt l^at, fo bü^ bie ©eele nun baffelbe Seben entfaltet, meld^eS einft bet eioige ©ol^n im ^leifd^e bet^ätigt l^at.***)

SJlit allen Steigungen beS Seben§ S^fu ©l^tifti auSgeftattet ift baS Seben bet »ollenbeten ©eele ein Seben bet oolKommenften Stulpe in ®ott. ©olange bie ©eele nod^ nid^t ju biefet oollenbeten 33eteinigung mit ®ott gelangt ift, folange fie fid^ nut ootübetgel^enb mit ®ott oeteint fül^lt, empfinbet fie einen oft ftütmifd^en 3wg ^^^f meldtet 3^9 5^<^^ '^on SBielen als ein S^^^^^ i>^^ SSoHfommenl^eit angefel^en ioitb, in SBal^tl^eit abet bie 3Beite beS SlbftanbeS bet ©eele oon ®ott etfennen lä^t. 3ft bie ©eele bagegen 3U einet fo gänjlid^en unb bleibenben SSeteinigung mit ®ott gelangt, baf; „il^t Seben mit ßl^tifto oetbotgen ift in ®ott", bann etfteut fid^ biefelbe einet Stulpe, bie jeben metllid^en §ang unb 3ug auSf d^lie^t. t)

SDarum ift aud^ bet S^ft^nb unb baS Seben bet ooHenbeten ©eele bie ooHfommenfte (Sinfad^^eit beS ©einS, inbem fie fid^ ebenfomenig oon ®ott ju untetfd^eiben oetmag, als ftd^ ®ott oon il^t untetfd^eibet. ©0 lange bie ©eele nod^ einen ®efd^madE oon ®ott ^at, fei betreibe aud^ nod^ fo 3att, ift bie SSeteinigung bet ©eele mit ®ott nod^ unoofffommen, 3ft biefe SSetcinigung abet ju i^ret SSoHenbung gelangt, fo l^ött biefelbe auf fül^lbat 3U fein, inbem bann baS ®otteSleben bet ©eele ganj natüt« lid^ getootben ift unb biefe, bie in ®otteS SBefen aufgegangen, getabeju

*) Discours I, V, 7; 11, LXV, 4. Cantique 3, 9: Dans chaque ame J. Chr. se fait an trone, qu'il orne avec beaucoup de magnificence pour en faire le lieu de sa demeare aussi bien que de son repos et de ses delices eternelles.

•*) Discours I, XXVII, 3.

*•♦; ®&enbaf. III, XIII, 9.

t) SelbftMograpl^ie II, VIII, 13: C'est dans ces ames, que Dieu engendre son Veibe. II leur fait porter les inclinations de ce meme Verbe.

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mit ©Ott @ind getootben, getabeju Dergöttßd^t x%*) ®ott ift botm btc ScbcnSluft bct ©cclc getoorbcn, tocld^e bcr leiteten eben fo toefent« lid^ angel^ort ald bie trbif(]^e Suft bem Scibe, toeld^e bie @eele banim aud^ ebenfon)entg empftnbet ate ber Seib bie Suft ju empftnben vermag, in weld^er et lebt. 2)ie DoDenbete ©eele roei^ t)on ®ott nur, ba^ et ift unb ba^ et fd^Ied^tl^in il^t ißebcn ift.

älud^ in ftd^ felbft ift batum bad Seben bet t>oIlenbeten ®eele bie Dolßommenfte (Sinfad^^eit. *) SlUe Untetfd^iebe bet ^onblungen {mb in il^t aufgei^oben. ®ie unbebeutenbfte ©anblung ift füt fie bet etl^abenften ßleid^, toofem fie nut auS bet Slntegung beS ®eifteS ©otteS l^etDot« gegangen ift. 9(lle3 abet, toag au^ göttlid^et älntegung entfptingt, ift im SBefentlid^en ein unb böffelbe, unb biefeS Sine ift ®ott.

Snbem nun ®ott baS Seben bet ©eele getootben ift, fo ift in il^t aQed eigne SBoSen unb Segel^ten etftotben. @ie \)ai toebet itgenbn)eld^e Segel^tKd^feit no(ä^ SQäibettoiffen obet SBibetfpenftigleit. älffeS baS, loa« in bie ©inne fällt, läfet bie ©eele in i^tet unetfd^üttetlid^en SRul^e un« betül^tt. ®S ift il^t, al3 ob bie finnlid^e SBal^tnel^mung unb Smpfinbung in einem Slnbeten oot fid^ gel^e. ©ie ttitt nid^t in bie gctingfte 8e^ toegung ein, toebet um ju etlennen nod^ um ju genießen. 3)enn bet ©ttom, tüenn et inS 3Keet gefommen ift, l^at feinen §ang mel^t unb fd^Iägt feine iSBeKen. @o ift aud^ in bet ooUenbeten ©eele jebeS 93et« langen als eine toal^tnel^mbate, oon bem eignen ©elbft auSgel^enbe ^anb- lung ctlofd^en. ^a fie l^at fogat nid^t einmal baS SBetlangen, füt ®otte8 ©l^te etmaS ^u tl^un, inbem jte ®ott fclbft bafüt fotgen lä^t.

®ott allein fd^afft ballet baS SBoIIen unb S3egel^ten betreiben, ioie ed il^m gefäUt. S)ann abet ift ba§ SBoUen bet ©eele baS eigne 9BoSen

*) Lettres spiritueis, II, 187: „3)ag ift bet SCnfang bc8 ö^ttUdSfen ©tanbe«, ba ©Ott bie ©eele au^ ftd^ felbft l^etauSjiel^t, bamit et fie mit ftd^ t>eteinige unb fte in ftdj ijetliete. $ietauf ioitb fie betgeftalt ®in Söefen mit ®ott, baf; fte auf immet unb etoig atteS ba^jenige betliett, toag fte (SigeneS l^atte, aI3 eine Seele, bie nic^ft in ®ott ijetbotgen (bag ift bie ©ad^e nid^t), fonbetn in ®ott 3U ©Ott getootben, nadjbem pe in 31^m jetfd^moljen unb ju S^id^tö getootben ifk." (3)iefe8 ift eine bet ftätiften ©tetten !) Sil« bie cottectete 2)atftellung i^te« ©ebanfenä ift tool^I anjufel^en, toa§ gtau ö. 0. in bet ©d^tift Le cantique

(6, 4) fagt: La Traie consommation du mariage fait le m^lange de Täme avec son Dieu si grand et si intime, qu*elle ne peut plus se distinguer ni se voir. C'est le melange, qui divinise, pour ainsi parier, les actione de cette cria- ^are arriv^e a an etat aassi haat et aussi sublime qae celui-ci, parce qu'elle partent d'an principe tout divin , a caase de Tunit^, qui vient d'etre li^e entre Dien et cette äme fondae et recoul^e en lui.

*) Discours, I, XL, 1: £n quoi consiste la simplicit^? C'est dans ronitö. Si nons n'avons qn*un regard unique, un amonr unique, nous sommes simples.

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€JottcS ; unb erft l^icrin [teilt jtd^ bie aSottenbung bcr ©ccle bar. 2)cttn fo lange bie ©eele in il^ter ©elbftl^eit ift, toünfd^t unb will fie auf il^te dgne SBeife; ift fie aber in il^ten UtqueH übergegangen, bann wünfii^t unb Witt fte nur toaS Sl^m gcfättt, beffen SBitte ^u i^xm auSfd^Iie^Ud^en SBoHen geworben ifi*)

S)al^er l^at bie ©eete in biefem ©tanbe (Sott gegenüber fo toenig «inen SEBiUen, ba^ fie in il^rer gänjlid^en ©elaffenl^eit lieber ber ©piel* baH ber S^eufel fein, als fid^ burd^ einen ©cufjer aufrid^ten möd^te.**) ©ie t)ermag ftd^ fein perfönlid^-eigneS ©lud mel^r ju roünfd^en, ba jte nid^tg anbereS loiE, als ba^ augfd^lie^Ud^ @otteS SÖSiUe in il^r gefd^el^e, gleid^Diel ob berfelbe über fie ®nabe ober SSerbammni^ bringt***) ©elbft nid^t beS Fimmels §errlid^leit lönnte fie, um i^rer fclbft hjitten begel^rt, beglüdCen, h)e3l^alb aud^ nid^t bie ©eligfeit ein @egenftanb il^reS tBerlangenä ift. SlllerbingS l^at fie ein Serlangen nad^ ©Ott, aber nid^t um i^rer felbft willen. 2lud& l^at biefeS Verlangen nid^t ben ^^arafter tineS liebenben Segcl^renä, baä nid^t geniest, waS eS oerlangt; ©ielme^r ift bie Stulpe 3)ejfen, ber befi^t. SDal^er ftnb alle bie frommen SSünfd^e 2)erer, toeld^e ©ott um il^rer felbft toiHen lieben, t)on biefer ©eele fem.

Siegen pd^ in ber ©eele SBünfd^e, fo finb eS nid^t mel^r bie frül^eren, im eignen SBiffen berul^enben, fonbern fie finb t)on ©ott felbft erwedft, toeld^er in ber t)on alter ©clbftbead^tung frei gemad^ten ©eele SBünfd^e pd^ geftalten lä^t, nur um fie erl^ören unb gewäl^ren }u lönnen. S)al^er toei^ bie ©eele, ba^ il^r Sitten baS eigne SSoffen ©otteS ift unb ba^, toenn fie betet, ©ott in il^r fxäj felbft erJ^ört.f)

SOSaS aber unter bem redeten ©ebet, unter bcm ®ebei ber jur Solls fommenl^eit gelangten ©eele ju t)erftel^en ift, baS erl^eHt beutlid^ au^ bem Sefel^Ie beS §errn, ba^ feine ©laubigen ol^ne Unterlaß beten foHen.

*) Lettres spirituelles I, 189: „diejenigen, tvetd^e gän^lid^ in ®oit ein^: gebrungen fmb , tl^un unb laffen 2ltte8 um 0 otteg Witten, unb lönnen in leiner SBeife eine 2lbfid^t auf fidj felbft l^aben, eS betreffe, loa« e8 tootte."

♦*) Vie de Mad. Guyon, II, VIII, 8.

***) Lettres spirituells I, 173 ruft grau b. ®. au8: „Saffet un^ ebenfo t>ers gnügt fein in bemf eibigen aOöittcn, toenn er un8 leine »arml^erjigJeit erzeigen fottte, aI8 toenn h)ir fie in ber Xl^at unb Äraft crfül^ren, inbem fein SBitte unS mel^r ift al8 atte öarml^eraigleit. D 2)u Söitte meinet ®otte« loürbeft In ber ^ötte mein ^arabieg fein! 2)u ?ßarabie8 toürbeft oljne ben SBitten meinet ©otteS nur eine ©ötte fein! D mein (Sott, 2)ein Sßitte mad^e mid^ ju nidjte, unb mir fott nid^tS lieber fein, als meine ^ernid^tigung I D ^u äBitte meinet ©otteS, S)u bift bad $arabied beS ^arabiefe^, ber ©ott meineiS ©otteS!"

t) Vie de Mad. Guyon, III, XIII, 6—8.

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©in in 2Bortcn jtd^ auSfpred^cnbeS ®ebct (priere vocale) fann bamit nid^t gemeint fein, benn ein fold^es lann nid^t ol^ne Unterlaß ftatiftnben. älud^ lann baS @e6et be3 $erm nid^t ald für bag ©anje ber Air^e gegeben angefel^en toetben, bie in ben horae canonicae ol^ne Unterlaß bete, benn biefe horae finb ja erft fpftter in ber Äirt^e angeorbnet toorben. ^aiS ©ebet, n)eld^es nDitflid^ ol^ne Unterlaß ftattfinbet, ift alfo ba3 ftiUe, pafjtt)e ^erjenSgebet, wetd^eS ©otteS ©eift in bem ntit il^m bauernb »et« einigten ©erjen wirft, bie immertoäl^renbe 5Reigung beS öerjenS ju (Sott, *) S)iefe8 leibenbe, ftiffe ©eBet, baS ©ebet beö nadften ©laubenS, ber reinen Siebe ift aber nid^t als ein bumpf c8 Srüten ol^ne Seben 3U benf en ; melmt^x ift baffelbe eine freie, Iebcnöt)offe Eingabe (adherence) an ©Ott, in welker bie ©eele, ol^ne ein §inberni^ ju bereiten, ©Ott in il^r tl^un lä^t, waS il^m n)ol^lgeföIIt. S)a3 ift ba3 unaugfpred^Iid^e ©ebet beg ^erjenS, tueld^eS freilid^ nid^t in allen bem inneren Seben jugetl^anen ©eelen in gleid^e SSoHIommen^eit »orfommt. Unoofffommen ift baS ©er3enSgebet, toenn eS eine ®mpfinbung unfrer Scbürfniffe ift; in feiner SJoHIommenl^eit ift bagegen baS ©ebet ba Dorl^anben, too eS lebiglid^ bie grud^t ber reinen Siebe ift.**) SDiefeS ©ebet bebarf leiner SBorte; j|a ber Setenbe brandet pd^ feines SetenS gar nid^t einmal flar bemüht 5U fein. 3)enn baS $erjen§gebet ift nid^t ein einzelner Sßt ober ein 3SerIauf t)on Slften, ben bie ©eele vornimmt, fonbem ift oielmel^r ber mefentlid^e ©tanb, in toeld^em bie ©eele lebt.***)

hieraus ergiebt fid^, maS auf biefer ©tufe beS SebenS ber ©laube ift, unb toie fid^ berfelbe jur Siebe unb jur Hoffnung t)erl^ält.

35er ©laube, von bem l^ier bie 3tebe ift, ift nid^t ber ©laube beS gemeinen §aufenS, ber fid^ auf bie Offenbarung ©otteS in ber f), ©d^rift bejiel^t unb biefelbe als SBal^rl^eit feftl^ölt. ®r ift aud^ nid^t ber ©loube, toeld^er fid^ auf ®rfal^rung beS inneren SebenS, auf äußere ©rfd^einungen unb 3c"9«iff^^ <iwf objeftioe Srfenntniffe, auf Erprobung unb S3etoä^rung im Seben ftü^t. Sielme^r fommt l^ier bie ©abe beS ©laubenS in 8e« trad^t, meldte ber 3Kanifeftation beS Unfid^tbaren gerabe3u entgegengefe^t ift (la foi etaot entierement opposee ä la manifestation), inbem fie mit objectioer @r!enntni^ gar nid^tS 3U tl^un l^at (c'est, qu'elle doit etre Sans aucune evidence). 2)arum l^ei^t ber lautere ©laube ber nadHe ober blo^e ober bunfle ©laube, inbem er aUer ©emi^l^eit entbehrt (entierement denuee de toute certitude). ^enxi in biefem iual^ren

♦) Discours, I, XXXVIII, 1—7.

**) Discours I, U, 33; III, 7.

*♦♦) Discours I, XXXVIII, 10—22.

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@Iau6en, ber ol^ne aQe @tü$e, ol^ne däm ®runb ber 3^^^^^^ ift über« lä^t fxä) bic ©cele bct tl^v ganj bunidn gül^rung ©ottcä, 'obfd^on jte ni(^t einmal weil, bo^ er fie filiert, •— aber bennod^ mit t)oHfommenfter 6ntf d^iebenl^eit. *)

ffiiefer lautere, bunfle, natftc ©laube ift c8, ber bie lautere, un« intereffirte Siebe l^erDorbringi 3)iefe Siebe wirb barum bie reine Siebe genannt, toeil fie an fein eignes S^^tereffe, roeber für bie 3^* ^^^ ^'^ bie ©roigfeit benft. „2)er einsige Sftul^m beS SKenfd^en, ber in ber reinen Siebe lebt, ift ber, ba^ er in 3cit unb Smigleit nad^ bem SBol^Igefatten ber Siebe ©ottelS gebrandet tt)irb, ba^ er nimmermel^r aud il^rer ©eloalt «nb 93otmäfeig!eit fommt unb ba^ er il^re SRatl^fd^Iüffe liebt, fie mögen iS)m %o\) ober Seben, $eil ober SSerbammnife bringen. 2)ie Siebe l^at fein anbereS Sntereffe atö fid^ f elbft." **) SDie reine Siebe ift eine Siebe, bic ©Ott allein um feiner felbft mitten liebt. „SBer aber ©ott liebt, um »Ott il^m eine 35eIol^nung ju erl^alten, ber ift oon biefer Siebe nod^ toeit entfernt. ®ie Siebe, toeld^e eine Vergeltung fud^t, mag lool^I einer aSer* geltung toert^ fein, toenn fte jugleid^ auf ©ott gerid^tet ift; aber ©otte§ ift fte nid^t toertl^,"***)

„2)ie Siebe ju ©ott, meld^ auf eine Selol^nung fte^t, ift eine Siebe ber Hoffnung ober eine l^offenbe Siebe, bie oft in (gigenliebe umf dalägt, ©iefe Siebe ber Hoffnung fann fid^ freilid^ jur lauteren Siebe oerootts» lommnen. 3)enn h)ie jte in il^rem Slnfange ber Eigenliebe fel§r nal^e ftel^t unb i^r nod^ in t)ielen ©tüdEcn gleid^t, fo l^at fie in i^rer SSottenbung SSieleS mit ber lauteren Siebe gemein, in bie fie fid^ fd^lie^lid^ umgeftalten lann. ©ie lann h)ol^l einen SBertl^ l^aben, bafe fte eine Selol^nung oer^ bient; ©ott felbft aber lann fie nid^t , ocrbienen. SDenn ©ott, ber bie Siebe felbft ift, giebt ftd^ nur ber lauteren Siebe l^in."t)

„S)ieienigen, meldte il^r eignes §eil fud^en unb bie ein emfteS 9Ser« langen nad^ ber ctoigen $errlid^Ieit in fid^ cmpfinben, finb toal^rlic^ auf

♦) Discours, I, XV, 1—12. Lettres spirituelles II, 200: „S)er ©Ittttbe,

ber nod^ ®eh)i|l^eit in fidSf IJat, fte fei fo Hein al« fte wolle, ober einen ®runb, auf ben man hau^n lann, ober SHed^tfertigung ober Seioei«, ift fein blofier unb grünblid^er ©laube."

**) Discours, I, XIII, 10.

**♦) Lettres spirituelles II, 130: „3d^ fenne feinen anberen SEBeg al« bie blinbe Ueberlaffung an ©ott, toeld^e auf nid^tS fielet nod^ ettoaS aufnimmt, unb bie loutere Siebe, toelc^e ber D\)fer unetfättlidSf ift." II, i45: a3ei ber lauteren Siebe l^at feine ^bfidjt auf baS eigne ®ute ber ©reatur ftatt, tt)ie ffo^ eS aud^ fdjieinen mag, \ümn eS audj gleidj baS eioige Seben toäre, in SCbfidjft auf

und." Discours I, XL, 1. -|-) Discours, I, XL, 3.

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bem SKcgc ^wc ©cliglcit, too fic nur btefc ©eUgIcit ntd^t jum ehtjijen Qxoed unb 3tel il^rcS SBerlongenS mad^en; a6cr c8 ift bod^ nur eine ^offnungSlicbc , toeld^c jtoar jur Srlangung bcr etoigen ©diglcit jw Slotl^ auSrcid^t, tocld^e abet bod^ nid^t bic t)oIHomntnc Siebe ift*)."

,,9Kan fann ftcilid^ ben ©lauben unb bie Hoffnung l^aben, ol^ne bie Siebe }u befi^en ; aber ntan lann bie voütommnt Siebe nid^t l^aben ol^ne ©laube unb Siebe." „®ie DoHIomtnne Siebe fe^t notJ^tocnbig bie Hoffnung (unb ben ©lauben) t)orauS." „aber ber ©laube fott baS ^Kittel fein, roeld^eS bie ©eele jur Siebe fül^rt, fo ba^ ber ©laube burdj bie ©eele befeelt toirb; unb bie Hoffnung foH fid^ fo in bie Siebe er« gießen, ba^ jene t)on biefer ^an^ Derfd^Iungen toirb unb nur in ber ®e« ftalt ber Siebe nod^ fortlebt**).

3)ie oollenbete ©eele tragt bal^er in fid^ eine unemte^lid^e, jebodj unfül^lbarc ^eube, weld^e barauS entfpringt, ba^ fie nid^t§ fürd^tet, nid^tS verlangt, nid^ts toiff. 2lud^ t)ermag 9flid^tS il^re SRul^e ju trüben unb il^re ^eube ju minbem. 3)iefe ©eele ift eigentlid^ forttoäl^renb au|er fid^, inbem fie von ©Ott au§ il^rer ©igenl^eit, auS fid^ felbft l^erauSge« jogen ift. ©ie befinbet fid^ bal^er in immerroäl^renber ©ntjüdfung. Stttem biefe ®ntjüdEung ift für fie iein S^ftanb ber ©pannung, weil ©ott i^re ©mpfänglid^Ieit bis inS Unenblid^e erweitert l^at. Slud^ ift bie ©ntjüdfung nid^t oorübergel^enb , fonbern immerh>äl^renb , loeSl^alb in ber ©eele fein SBed^fel oon Ueberfpannung unb Slbfpannung »orl^anben ift. SDenn ©Ott l^at bie ©eele fo gereinigt unb gefräftigt, ba^ fte ftarl genug ift, eine fo übernatürlid^e ©rl^ebung ju ertragen.

3n i^rer SRul^e unb in il^rem Rieben l^at bie ©eele aud^ il^re oott-' fommne greil^eit gefunben, bie nid^ts anbereg als bie ^eil^eit ©otteS in i^r ift, inbem fte 3iaeS loaS ©Ott toiH, oon felbft tl^ut. ©otteS SBille ift il^r gan5 natürlid^ geworben.

2luf ber toefentli^en Bereinigung ber tjottenbeten ©eele mit ©ott berul^t aud^ ber apoftolifd^e ©tanb berfelben, inbem fid^ bie ©eele baju gebrungen fül^lt, als Drgan unb SKunb beS in il^r ungel^emmt toirfenben ©eifteS ©otteS 3U ©otteS (gl^re ju leieren, ju tröften unb ju ftrafen. 3)iefer ©tanb barf nid^t ü)[oa als ein ^erauSgel^en ber ©eele aus il^rem S^^ncren inS 3leu^ere jum S^ß^^ ^^^ SRebenS unb ^anbelnS aufgefaßt toerben. 2)enn bie ©eele ift Ja für jebe eigne ©irffamfeit tobt ; ©Ott aber ift eS, ber toirff am auS i^r l^eroortritt ol^ne il^r 3[nnereS 3U oerlaffen, inbem er burd^ ben 5Kunb feines ©efd^öpfeS rebet, toäl^rcnb

*) Discours, II, XLIX, 3. **) Discours, II, XLVIII, 1.

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btefeS fxif baBei gans paffto oerl^ält unb feine SBorte unb ^anblungen nid^t el^er er!ennt, ald (id fte )um SSorfd^ein gelommen fmb, gerabe fo oIS todrctt jtc bic Sleu^crungcn unb SBetJ^eiligungen einer anberen 5Petfon*). 3ft eine Seele in ben apoftolifd^en ©tanb eingetreten, fo finbet baS Sieben beS SQBorteS (le parier du Verbe) in boppelter SOSeife in il^r ftatt, nämlid^ burd^ äBorte unb burd^ tiefet, ftiSed @d^h)eigen (par les paroles

unb par le sileuce),**)

Sei ber 9(u3übung bed apoftolifd^en äSerufeS burd^ bie äu^erlid^e 9lebe Braud^t ber @eele n)egen il^red SRangelS an Jlenntniffen unb Siebe« gaBen nid^t Bange }u fein; benn eS ftrömt il^r Snieä ol^ne SSorBereitung unb SSorarBeit in unerfd^öpflid^er %üflt gerabe ju ber ©tunbe ju, h)o fte beffen Bebarf, 3)iefe Stufe wirb freilid^ fpät unb nid^t el^er erftiegen, als Big bie Seele bie l^erBften (SntBIö^ungen erfal^ren J)at ^e großer inbeffen biefe ivaren, um fo größer ift l^ernad^ aud^ bie ^reil^eit beS opoftoUfd^en StanbeS. 3liemanb toage c8, benfelBen au^ eigenem 3ln« trieBe ju Betreten! 3^reiBt aBcr ©ott einen SKenfd^en 5U bemfcIBen an, fo toerben bie erftaunenSrocrtl^eften Sefel^rungen bie ?5oIge fein. 3)enn berfelBe erfäl^rt eS atebann an ftd^ felBft, tüaS (SJ^riftuS fagt: „Sffier an mid^ glauBt, oon beffen SeiBe toerben Ströme leBenbigen SOSafferS fliegen."

SOSenn eine fold^e Seele pd^ gebrungen fü^lt, in il^rem apoftolifd^en Stanb fid^ fd^riftlid^ auSjufpred^en, fo ftaunt fie, il^rer fjeber 3)inge ent^s fliegen 3U feigen, bie il^r tjorl^er gan3 fremb waren, üBer bie fie gar nichts ju toiffen glauBte unb beren fie pd^ bod^ im 2lugenBIidfe ganj mad^tig fül^It. Sei ben Seelen, toeld^e nid^t in biefcm Staube leBen, gel^t bic Sinftd^t ber Slnwenbung oorauS; fie fd^rciBen nur auf, toaS fie gelernt, erlannt, erfal^ren l^aBen. 2)ie t)offenbeten Seelen bagegen toerben beä Sleid^tl^umS il^rer ©rlenntni^ erft in bem 9Romente inne, too fie ben« felBen jur JDarfteHung Bringen, inbem ©ott fid^ il^nen im Urgrunbe ber Seele erfd^Iie^t, nid^t oermöge eines SBorteS ober eineä ©efid^ts ober üBerl^aupt eines SKittelS, fonbern unmittelBar, fo ba^ ©otteS SDäiffcn unb aOBoHen, baS SCßiffen unb SQSoffen ber mit ©ott vereinigten Seele ift. S)ie ®rleud^tung ift bal^er eine augenBIidflid^e, t)orüBergel§enbe, inbem fie nid^t länger bauert, als bie münblid^e ober fd^riftlid^e SDarfteffung ber« felBen mä^rt. Slud^ ift eS ber Seele unmöglid^, baffelBe, toaS il^r toäl^rcnb i^rer ßrlcud^tung fo t)ott!ommen Ilar toar, l^emad^ nod^malS ju benfen unb ju erfennen, eS fei benn, ba§ eS il^r nod^mals gegeben toerbe.***)

*) Cantique, I, 1. Discours, II, LXV, 6.

**) Discours, II, LX, 1.

*♦♦) Vie de Madame Guyon, III, X, 11.

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3m apoftolifd^en @tanbe tonn bie @eele fid^ aber aufl^ burd^ fti&eiS @d^n)eigen mittl^eilen^ unb itoav in bie ^etne \o\t in bie Stalle. 2)o<j^ lann biefe SBirtfanrfeit, n)e(d^e bad SBort in bet @eele unb burd^ bie @eele atidübt, nut t)on fold^en @eelen vetftanben werben, bie ebenfoEiS gut Sinigung mit ®ott gelangt ftnb. ^^ür biefe aber bringt ein fot d^er 9(udtaufd^ im tiefften @d^n>eigen eine ^üSe von Segnungen, Salbung ber ®nabe, neuen tJ'fieben unb Diel lieblid^eS SBefen mit fid^*).

„Sine ©eele, toeld^e biefe Stufe erreid^t \)at, ift bejüglid^ bed inneren OrunbeS il^reö SBefenS untoanbelbar, inbem &ott fie feiner Untoanbelbarleit tl^eil^aftig mad^t. Sie ift fo lauter, fo rein unb fo von allen 93ilbem unb SorfteÜungen frei, ba^ il^r bi^toeilen b)äl^renb eined ganjen SlageS nid^t ein einjiger (Sebanle einfällt. 31^r SSerftanb ift toie ein reineg Spiegelglas, baS nid^t ben geringften (SinbrudE aufnimmt, au^er bemjenigen, bem ®ott i^m giebt. ©in in fold^er SBeife geläuterter SSer« ftanb ift immerbar erleud^tet, aber eS ift ein allgemeine^, unermc^lid^e« Sid^t, ein 9lnfang bei ett)igen Sid^tä unb ift barum !einem ^rrtl^um untere loorfen. ®8 ift bie Offenbarung ^e\n ß^rifti, beS Sid^teS unb ber SBa^r^ l^eit, toeld^er ber Seele bie ©el^eimniffe fo entl^tillt, toie fte finb unb toeld^cr il^r SlHeg mittl^eilt, ol^ne il^r etwa^ ©in^elneS als ®igent^um ju überlaffen. a)ie Seele l^at alles baS auf eine eingegoffene, lautere unb von allen Silbern abgelöfte SBeife, maS 3lnbere nur burc^ SScrmittelung von ;3been, Stubien unb SSernunftfd^lüffen l^aben, unb jmar o^ne Srrt^um unb ol^ne Släufd^ung"**),

3BaS bie moralifd^e Drbnung auf biefer Stufe bcS inneren SebenS betrifft, fo lann bie gewöl^nlid^e Sittenlel^re mit il^rcr SKannigfaltig« feit von Sugenbbegriffen unb Sittenregcln auf biefelbe nid^t angeroenbet werben, ^ür fie giebt eS nur (Sine Sugenb, nämlid^ bie ber abfoluten Eingabe an ©otteS SBiHen. ^a fie fann nid^t einmal bie einjelnen %H'

*) Vie de Mad. Guyon I, XIII, 8 unb II, XIII, 5. «n Unterer ©tette giebt fjrau ö. ®, an, wann unb too fie ju biefer ©rlenntni^ gefommen ift. Lettres spirituelles II, 192 fud^t biejelbe !lar ju madjen, ba^ biefe ©prad^e beS ©d^tveigenS unb biefer tvirifame SluStaufd^ burd^ fie bie eigentUd^e @emeinf(^aft ber $ ein gen fei.

**) SBenn l^ier fjrau t>. ® üon einer „Unloanbelborfeit" ber ©eelen f|>ri(^tr fo ift übrigens babei )u berütfftd^tigen, toaS biefelbe an einer anberen SteSe il^rer @elbftbiogra))l^te 11, IX, 12 fagt: „^Bknn idf i9on einem im ©runbe fefi« gefteUten unb beftänbigen 3uftanbe rebe, fo t^erftel^e id^ barunter nid^t, ba^ man, im ftrengften @inne beS äSorteS genommen, nid^t }u ftraud^eln ober )u faQen toer^ möge, toelc^e Unfäl^igfeit nur bem ^immel angel^ört. 3c^ nenne nur jenen @tanb „permanent et fixe-*, inbem id^ il^n mit ben i9orauSgegangenen, ^on SS^ed^felfäaen unb äßanbelungen erfüllten ©tänben oergleid^e."

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^enben untetfd^eiben unb im IXnterfd^iebe t)on einanbet erlennen, tnbem l)iefelben il^rem SBefen fo natürlid^ getuovben fmb, ba^ jte in SCKetn ®otte3 SiSen i^ni, ofyae baran ju benlen, in toeld^et beftimmten $flid^t« bcjicl^ung biefcS im einjcinen IJaffc gcfd^icl^t, §ört fie S^manben mit großer 3)cmut^ von fxä} rebcn ober fielet jtc S^tncmb eine Uebung ber ©ettftetniebrigung Dcttid^ten, fo tounbert fte fid^ xoofjil, bo^ il^r ber^ gleid^en ju t^un nid^t eingefallen fei unb fte ertoad^t plö^Iid^ \oxt a\x9 einer @d^laffud^t. äBoDte fie aber jje^t öJ^nlid^e SSerle t§un, um ftd^ in ber ©elbftoerleugnung ju üben, fo toürbe fie babei fel^r ungefd^idEt oer« fal^ren. 2)enn bie abfid^tlid^e 3(uSübung einjelner Xugenben gel^ört nid^t für ben ©tanb ber burd^ bie ©tufe oolllommener SSemid^tigung l^inburd^s! gegangenen ©eele, bie jum bloßen SBerljeuge beS ®eifte8 ©otteö gc« roorben ift,

3)al^er ift aud^ bie Siebe ber ooUenbeten ©eele oon ganj anberer Strt, als fie fid^ in ben ©eelen ber nieberen ©tufen lunb giebt, SDie t)oIIenbete ©eele empfinbet feine natürlid^e Siebe, feine SBorliebe für irgenb ©ttoaS, ©ie roei^ j. S,, ba^ menn fie ben tugenbl^aften SKenfd^en bem fittlid^ SRangel^aften t)orjiel^en toottte, fie einen gel^Ier beginge, inbem fie bann eine beftimmte Steigung bem SBiffen ®otte8 überorbnete. gür fie ift feine Kreatur läfttg ju tragen, benn fie trägt jebe nid^t mit bem eig« nen fersen, fonbem mit bem §erjen 3^fu (S^rifti*). S)a fie mit bem alleinigen ©egenftanb il^rer Siebe nid^t bloö vereinigt, fonbem in bem« felben aud^ umgetoanbelt ift, fo benft fte überhaupt nid^t an ba3 Sieben, SBol^I aber erfüllt bie ©eele beftimmten ?PerfönIid^feiten gegenüber ein unenblid^eä Erbarmen, meld^eS fid^ nad^ bem 3Raa^e beä Sebürfniffeö jener ^erfonen unb nad^ bem 3Raa^e ber ©emeinf d^aft , in toeld^em fie nad^ ®otteS aBiffen mit benfelben ftel^en foH, geftaltet. S)iefe oft fe^r ftarfe Siebe l^at i^ren ®runb nid^t in natürlid^en Steigungen, fonbem in bem ®eifte ®otte$, ber bie ©eele bem ®egenftanbe il^rer Siebe juneigt. Siefe Siebe ift bal^er, obgleid^ fie auf einen einzelnen beftimmten ®egenftanb gerid^tet ift, ®ott felbft, oon bem fte fid^ gor nid^t ju unterfd^eiben t)ermag**).

^Ded bad fe^t aber oorauS, ba^ bie ©eele treu bleibe. 2)enn auf toeld^er ©tufe fie aud^ ftel^ie, fo fann fie bod^ oon berfelben l^erabf aßen tmb in ftd^ felbft jurüdfftnfen. SSetoal^rt fte bagegen bie Xreue, fo wirb fie unablöffig unb unaufl^altfam in ber ®ottl^eit -fortfd^reiten. S)iefe 2Ireue ber ooHenbeten ©eele beftel^t aber barin, ba^ jte allejeit bltnb^

♦) ©elbltbiograpl^ie II, VIII, 13. ♦•) ©erbftbiograp^iie II, X, 14.

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lingiS unb ol^ne @eI6ftbeftitnmung ber göttlid^en Anregung folgt. @ie foS {td^ be{t|en, lenlen unb leiten laffen ol^ne SBiberftanb; fte foK bel^arten in ber il^t )ut Statut geworbenen @infad^l^ett unb 9lul^e ; fte foQ pon ber SBorfel^ung bie inneren Anregungen erwarten unb jte l^innel^men ol^ne ettoaS baju nod^ baoon ju tl^un ; fte f oE ftd^ fül^ren laffen )u älSent ol^ne SSorftd^t unb Slüdftd^t, bem 3uge folgenb, oon bem fie ftd^ gejogen ffi^lt, ol^ne an ba3 ju beulen, toaS ettoa (effer fein ntöd^te. Unb baS 9QIed foQ fie tl^un nid^t oermöge eined Slfted ber Ueberlaffung ober ber ^im gäbe an ®ott, toie eS frül^er oon il^r gefd^al^; fonbern oermöge unb in ©emä^^eit il^reS @tanbed.

SBßieti)ol^( nun bie geringfte eigne 9Bir!fam!eit bie Sreue bet Seele auf biefer Stufe ©erleben unb il^ren ©tanb gefäl^rben n)ürbe, fo borf biefed bod^ nid^t fo aufgefaßt toerben, als foHte bie Seele ftd^ überl^aupt oder Xl^ötigleit entl^alten. Sie foK nur nid^t anberS h>ir!en ate oer« tttöge beS belebenben ^ßrincipS, oon bem fie erfiittt ift S)em S^i^ ^^ SCntriebe beffelben folgenb toirb fie bann aKe i^re Dbliegenl^eiten um gleid^ ooSIommner erfüllen als oormalS. Sie wxxh reben, fd^reiben, l^an» beln, unb i^re ©efd^äfte beforgen gefd^idfter unb glüdtlid^er ate frül^er, loo fie nod^ SllleS auf il^re eigne 9Beife betrieb unb nid^t in ber 3Beife ©otteS.

^üten ntu^ fid^ nur bie Seele oor jeber älrt t>on Selbftbefinnung unb Slefle^ion. 2)enn nur bie Selbftbefinnung oemtag ben SJlcnfd^en aus (Sott l^erauSjujie^en unb in ftd^ felbft }urüd(}un)erfen. Unb nur l^ier« auf berul^t eS, ba^ bie Seele immer nod^ nid^t gan) fünbloS ifi S)ie größten gel^ler ber Seele fmb aber bie Stefle^onen, toeld^e il^r fel^r fd^aben, inbem fie fogar unter bem SBortoanbe, fx^ über il^ren 3"?^^ bei Slnberen auSjufpred^en, nur fid^ felbft betrad^ten mill. SluS biefem ®runbe barf eS jtd^ bie Seele in lEeiner SEBeife angelegen fein laffen, jtdj über i^ren äuftanb auSjufpred^en unb oon bemfelben Sfled^enfd^aft }u geben, toenn ®ott nid^t baS, h>a§ er auSgefprod^en l^aben toiD, ber Seele eingiebt. ®ie Selbftbefd^auung ift toie ber »lidf beS SaftliSfen, toel* d^er tobtet*).

Stirbt eine Seele in Su^e unb ©lauben, jjebod^ ol^ne ba^ fie im irbifd^en geben 3um oottfommnen aufgellen in ®ott unb fomit 3ur vöOigen SBemid^tung i^rer @igenl^eit gelangt ift, fo bebarf fie jjenfeitS beS 3^obed twd^ einer Steinigung, in toeld^er ®ott felbft auSfül^rt, toaS bie Seele toäl^renb i^reS (grbenlebenS unterlajfen l^at. 3Dlan fprid^t bal^er »on einem äleinigungSfeuer, in ioeld^em bie Seele bis 3U il^rer völligen

*) ©e^ftbiograpl^ie n, vm.

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Säuterun^ $em evieibet. 2)tefeI6e n)ü¥be aber ol^ne bie il^r anflebenbe Utttciniöfcit an btcfct (Stätte bcr Steinigung, an toeld^e (Sott fie t)erfe|t l^ot, nid^t 5ßein, fonbem bie l^öd^ftc ©eligleit empftnben. 3)enn bie SBirfs famleit beS SfteinigungSfeuerS ift nid^t gegen bie ©eelen felbft, fonbem gegen bie il^nen anl^aftenbe Unreinigfeit getid^tet, ol^ne beten SBotl^anben« fein jtd^ jene ben ©eelen gar nid^t fül^Ibar mad^en fönnte*).

3)ie Dual, weld^e bie ©eelen in ber Steinigung erleiben, berul^t aber nid^t auf bem geuer (toeld^eS lein materielles, geuer ift**), fonbern lebig* lid^ auf ber üBerfd^toenglid^en ^ad^t beS il^nen einn)ol^nenben 3ug^3 V^ ©Ott unb jur SSereinigung mit ®ott l^in. 2ln ber Sefriebigung biefeS «nenblid^en SSerlangenS toerben bie ©eelen burd^ il^re Unreinigleit unb burd^ (Sott felbft eine Bcftimmte S^it lang gel^inbert. 3)arum erleiben fte 5ßein unb Dual, Bis baS SBerl ber ©ered^tigleit unb Siebe an il^nen t)oirenbet ift***).

2)od^ ift eS ein Srrtl^um, toenn man annimmt, ba^ bie ©eelen im gegfeuer il^r Seiben toiberftreBenb tragen unb benfelBen entrüdtt ju mer« ben TOünfd^en. 35iefeIBen empfinben il^r Seiben oielmel^r in oottfter paffioer Slul^et).

SDiejenigen ©eelen bagegen, toeld^e fd^on l^ienieben in ben wirflid^en a5efi| (SotteS unb beS etoigen SeBenS fo gelommen finb, ba^ fie aUetoege nur ©Ott unb bie ©toigleit oor Slugen l^aBen, ba^ fie nid^ts mel^r auf fid^, ätlleS aber auf (Sott Besiel^en unb in ®ott feigen, unb ba^ fie ganj unb gar aEe @igenl^eit aBgeftreift l^aBen, au3 ftd^ felBft l^eraug« unb gan)

*) Vie de Mad.GuyoD, ü, XIX, 8. Discours, II, LII, 4.

**) ©Benbaf. I, XI, 7 : Ce n'est point ne fea materieal, qai y brule les ämes«

***) ©Benbaf, n, IX : Pour rinstinct foncier, qu'elles (nämlidj bie Seelen)

ont de retoarner a leur centre, et qni est dans leur nature, il est si fort, qaoi- qne paisible, qa'ii serait capable d'an^anter ces ämes, si elles n*etaient soute- nnes par une vertu divine. L'instiDct de Tunion a leur origine est si fort, que c'est ce, qui fait leur veritable tourment, emp^ch^es qu'elles sont de le siliere par leurs imperfections. Car la peute de Täme yers son centre est si forte, que toutes les impetuosit^s, que nous voyons dans les autres creatures inanim^es au leur centre ne sont pas que l'ombre de la tendance de Täme pour sa fin. La raison en est prise du cot^ de T^minence du centre, qui a en soi une qualite d'auttant plus attirante, qu'il est plus excellent. Kezcellence de Dieu 6tant infinie, 11 est aise de juger de la force de son attrait. Et de cet attrait infini de Dieu aussi bien que de la pente de Täme a suivre cet attrait central on peut juger de la peine des ämes du purgatoire, qui sont arretees plus ou moins, selon que les obstacles, qui les empSchent de se perdre en Dieu sont plus QU moins forts.

t) ®Benbaf. I, XI, 7.

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unb gar in (Sott eingegangen ftnb, Bebüirfen leiner Steinigung mel^r, roed« l^alb ed für fte lein ^urgatorium giebt. 2)enn biefe {tnb fd^on l^ier auf @rben }u ber SSoEenbung gefommen, n)eld^e ewiglid^ n)ä]^rt'^).

r 8. Sie 9teger bet Songtegation des Assodös ä TenMoe de Jesus.

Um il^re religiöfcn Slnfd^auungen unb 33cftre6ungen im Scben ber ^ird^e auf bie 3)auer l^eimifd^ unb toirifam ju mad^en, l^atte ^att x>. ©upon ben (Sebanicn, 3U biefem 3^^*^ ^^^ 8^"8 eigenartige religiöfe Kongregation inS Seben gu rufen. 3fn biefer ©enoffenfd^aft foHte jur georbneten 35ertoirflid^ung fommen, toaS fid^ grau t). Ou^on unter ber d^rift« Rd^en SoHIommenl^eit badete. ^ ©inne berfelben ging biefe SBoMonunen« l^eit einerfeitd über bie auf ber Befolgung ber (nid^t aKe (Sl^riften oer^ pflid^tenben) et)angelifd^en Slatl^fd^lägen berul^enben SSoQfommenl^eit beS fird^Iid^en OrbendlebenS toeit ^inauS, tüäl^renb fte anbrerfeitS bod^ ald ein von allen ©fiebern ber Äird^e ju erftrebenbeS S^tl gelten follte. SHe SarfteKung bed äSefeng d^riftfid^er SSoKIommenl^eit (modele achev6 de perfection) fanb nun grau v. ®u^on in bem ,,Äinb SefuS", unb jugleidj fa^ fie in berfelben ba« roirifamftc SKotio jur SRad^foIge**). S)al^er wollte fie, ba^ aKe 2)iejenigen, toeld^e )ur SSoIKommenl^eit gelangen iDoKten, ftd^ 5U einer beifigen gamifie 3efu, ju einem Drben ber Associ^s ä Tenfance de Jesus oereinigen follten. S)er Eintritt in ben Drben foUte in ber SBeife erfolgen, ba^ ber @in}elne nad^ t)orgängigem Smpfange ber Sb« folution unb ßommunion Don einem Oberen (directeur) ober ©tcffocrtreter beffelben baS ®elübbe ber donation ablegte, in toeld^em er fid^ bem Ainb 3[efu8 ganj unb gar jum ©igenti^um l^ingab. 5Dtefe „donation" fottte möglid^ft oft toieberl^olt toerben. 3!)ie 3lufnal^me in ben Drben legte nun bem neuen SKitgfieb bie ^Pflid^t auf, burd^ bie ©nabe S^f« ©l^tifti in 'feinem eignen Seben ba§ äeien beS Jlinbed 3efu8 )ur SDarfteKung )tt bringen. 2tn bem le^teren mürbe eine innere unb eine äußere Seite unterfd^ieben. $^ene (rint^rieur de Tenfant J^sos) umfaßte breierlet: innocence, oraison unb abandon, ebenfo toie bad ext^rieur breierlei rnn«

*) La vie de Mad. Gayon, 11, XIX, 8. ^ Diseours, 11, XXXXII, 3.

**) L*enfance de J^sns, le plas aimable de toas les myst^res, ayant nne :grace singalibre poar porter a la perfection chr^tienne, de laqaelle ii est et ie principe efficace et Tezemplaire le plus comman et le plns achev^.

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fa^te: bassesse, simplicit^ unb d^pendance sioc^re. i^i^bem nun bie 5IRitgIicbcr ber ©enoffcnfd^aft auf 6eibc8 il^r Sluge xxäjien unb Beibc (Sei« ten beS Scbcns Sfcfu nad^bilbcn fotttcn, fo tourbcn für bicfcIBcn folgenbc befonbctcn Siegeln gegeben*): 3)ie ,,Äinber ber l^etligen gamilie" l^aben fid^ t)on ben Äinbern ber SBelt nid^t burd^ fileibung unb ßeremonien, fonbem burd^ emfteS ßl^riftentl^um, ©tiHe, a)emu% Siebe, SRed^tfd^affen« l^eit unb t)or 2lIIem baburd^ ju unterfd^eiben, ba^ fte in allen Singen ftd^ t)on Sl^riftuS als il^rem Äönig bel^errfd^en laffen. ©ie foHen in atten aSerl^ältniffen beS SebenS bie SKel^tung ber (gl^re ©otteS fud^en, SllleS, xoa2 xf)nen obliegt, h)ol^I auSrid^ten unb an il^rer 93ert)oII!ommnung arbei« ten. ®ann lüirb ein ^eiex in feinem ©tanbe, ber ©eiftlid^e, ber DrbenS« angel^örige, ber tocltlid^e Seamte, ber Kaufmann, bie §auSfrau u. f. to. aUe feine befonberen Dbliegcnl^eiten unb SSerpfKd^tungen in gefegnetfter SBeife erfüllen unb Slffe werben ben ^rieben (SotteS fd^medfen. S^äglid^ toerbcn fie bie SKeffe l^ören unb breimal ju ©l^ren ber f). 3)reifaltigleit unb ber 1^. fjamilie il^re älnbad^t »errid^ten, 3Rorgen§, StbenbS uijb too« möglid^ SKittemad^tS. 3)iefe 2lnbad^t (oraison) iann SSiertel« bis eine ©tunbe bauem. 2)ie SBerrid^tung ber SßJortgebete (priores vocales) Iann fid^ nad& ben Umftänben unb innerer ©timmung rid^ten. (Car sachant

prier continuellement de coear, il ne faut plus se gencr k prier beau-

coup de bouche.) 3^ ratl^en ift eS, ba^ bei ben 3Jla]^l3eiten jur Se« lämpfung ber ©innlid^Ieit geiftlid^e Seetüre ftattpnbe, unb ba^ ^ei^x^ aud^ ber SSornel^me, täglid^ eine furje S^xi mit feinen §änben arbeite unb ein aSerl ber Sarmljerjigleit t)emd^te. SDer 25. Sag jebeS 5Dlo* natS ift ein g^Ptag ber l^eiligen gamilie, beffen geier burc^ gaften am t)orl^ergcl^enben Slbenb unb burd^ eine innere älnbad^t um bie barauf fol- genbe SKitternad^tSgeit t)orbereitet toirb. 2ln biefem S^age l^at ^tiet ju communijiren. Slu^erbem l§at ^eiex möglid^ft l^äufig bie ©acramente }u empfangen. Qeber l^at. einen Slbfd^nitt beS ^o!f)xt2, bie SlbüentSjeit, in tieffter Sw^dfge^ogenl^eit unb ®inlel^r in fid^ felbft ju ©erleben. S8on weltlid^en Suftbarleiten l^aben fid^ atte ©lieber ber l^eil. gamilie Sefu gänslid^ fern ju l^alten. S)ie grauen inSbefonbere l^aben fid^ aud^ in il^rer Äleibung ber 3^^* wnb S^rbarleit ju befleißigen unb äffe ärger« lid^en Entblößungen ju meiben. 3eber l^at 2BerIe ber BJlilbtl^ätigleit unb aSarml^er^igleit gu tl^un, ber gän3lid^ Unbemittelte menigftenS mit feiner §änbe 2lrbeit. 3)ie barml^erjige gürforge für 3lrme unb Äranfe muß von ben SKitgliebem ber l^eiligen gamilie überl^aupt als eine l^eiligc

*) R^gle des Associes a Tenfance de Jesus, modele de perfectiQn pour tous les 6tats, § 11 14.

^eppe, aR^ftit. 31

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$flid^t angefel^en unb mit gan) (efonberem @ifer gepflegt tDerben. 38o^I« l^aBenbe SRitglieber ber Srüberfd^aft l^abcn ftd^ bälget nomentlid^ bie ^rrid^tung von ©oSpitalicn angelegen fein ju laffen. diejenigen 3Jlit« glieber aber, roeld^e 5ßaftoren fmb, fotten um fo mel^t banad^ ttad^ten, ba^ fie in ben ©eelen i^rer ^oradf^ianen bie ®rfenntni^ unb ^errfd^aft Sefu ßl^rifti auftid^ten, alä fie bie (grfüffung biefer 5PfIid^t oorl^er Dcr« nad^Iäffigt l^aben*). @o lange man nur bar an benit, bie Seelen mit äußeren Zeremonien unb Uebungen }u befd^äftigen unb e3 unterläßt, fie innerlid^ ju G^riftuS 5U filieren, fd^afft man für bag Sieid^ ©otteS »enig ©en)inn. ^an entfd^ulbigt ftd^ bamit, ba^ bad gemeine SSoß für bie Seigre t>on bem inneren ©ottegbienft unb t)on bem ^erjendgebet !ein SSerftänbni^ l^abe unb ba^ eS barum bebenflid^ fei, biefe Seigre unter bad 93oII }u bringen; aber n)eld^e 93eben!en lann ed l^aben, bie @eelen }ur ©emeinfd^aft mit 61§riftu§ ju fül^ren, ber bod^ ber einzige 2Beg )um ctoigen Seben ift? 5Rid^t allein pnb bie einfältigen ß^riftenmcnfd^en (les simples) nid^t im @ntfernteften ber d^riftlid^en SSoEIommen^eit un^ fällig, fonbern gerabe fie finb für bie tieferen Seigren beS ©nangeliumS bie 3ugänglid^ften. 3l\ix möge man balb geeignete ^ated^iSmen l^erfteQen, um bag 9SolI ^um redeten ©ebet p fül^ren, nid^t )um ©ebet bed fiopfeiS unb bed SSerftanbeg, fonbern ^u bem be§ ^erjenS unb ber Siebe; unb bie Prälaten, $irten unb Sbelleute, toeld^e 5ur SSerbrüberung ge« l^örcn, mögen in alle il^rer 2lutorität untergebenen Drte 3Jlifjtoncn ent« fenben, bamit in benfelben toirflid^e ^erjensfrömmigleit, ein wirllid^cr 3)ienft Sefu Sl^rifti l^eimifd^ merbe. SlKerbingg toirb l^iergegen eingetoenbet, ba^ bie ürd^Iid^en Uebungen be3 ©ebets unb ber ^römmigleit älter ftnb aU baS, toaS l^ier )ur @mpfel^lung beS innerlid^en ©otteSbienfteS unb beiS ^erjen^gebeteS gefagt mirb; allein bie l^erlömmlid^en Drbnungen, äluf- faffungen unb Hebungen finb bod^ nur barum bie älteftcn, toeil bie ur* fprünglid^en Seigren ber Aird^e über bie mefentlid^e ^iinerlid^Ieit beS ®lauben3' unb ©ebetdIebenS fel^r balb in SSergeffenl^eit gelommen ftnb.

*) Les pasteurs de rEglise^ 6tant associ^s, s'emploieront eDCore plus, qu'ils ne faisaient auparavant a faire coimaitre et regner J^sus-Christ dans les ames.

hierauf folgt eine 9{eil^e ioal^rl^aft eioangelifd^er ©rmalj^nungen/ toeld^e aUe auf bem ©ebanfen berul^en, ha% bad dl^riftentl^um nid^td anbered ald perfönlid^e ®es nteinfd^aft mit Sl^riftud ift. Bejeid^nenb für bad ©an^e finb bie Sd^Iu^toorte: D^laissons-Doas donc a cet aimable Roll Soyons a lai sans reservo! Consen- toDS, qu*il nous traite a son gr6 sans aucune resistancel O Amour, voos vous etes fait si petit pour en Stre plus aime, et voas yous etes renda si commniiy poar en Stre plus imitel Faites par vos graces invincibles, qa'one infinit^ de personnes voas aiment et yous imitent sous les charmes et la perfection de Yotre Enfance!

i

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Cie eteSuttd bed duietidmud (bec 9tau t). ©u^on) sunt ^otpoIiciSmitd

unb jum ^toteftanti^mud«

JJrau t). ©upon l^at bis an ti^tcS ScBcnS ®nbc ftd^ als eine gcJ^or- fame unb getreue 'Xo^tex ber latj^olifd^en Äitd^e befannt. ©ie f)at aud^ tl^reS SBiffenS nie irgenb eine ©lauBenSlel^re betfelben t)erieugnet, ift ber litd^tid^en Slutorität affeseit unterwürfig geroefen unb ift au§ ben ScbenS* orbnungen il^rer Äird^e nie l^erauSgetreten. Ql^reS ©raci^tenä bejog fid^ alles ©igentljümlid^e , toaS fie leierte, lebiglid^ auf bie ^rage ber SSoff^ lommenl^eit beS d^riftlid^en SebenS, für roeld^e il^r ber GJlaube ber latl^o- lifd^en Äirti^e unb bie 3«9C^örigfeit ju berfelben als unerlä^lid^e SSor- auSfe^ung erfd^ien. ©ie njoffte jeigen, ba^ ber fatl^olifd^e ßl^rift inner- l^alb ber Drbnungen ber Äird^e eine l^ö^ere SBoHIommenl^eit beS religiöfen SebenS erreid^en lönnte, als bie fei, roeld^c inSgemein geleiert, geforbert unb bargeftellt werbe, -— eine SoHfommenl^eit, toeld^e aud^ f^on »on anberen begnabigten ©liebern ber Äird^e erlannt unb bejeugt tüorben fei, in Seigre unb Sebcn unb toeld^e nid^t baS (Sigentl^um eines be« ftimntten fird^lid^en ©tanbeS fei, fonbern ju njeld^er jeber ßl^rift, in toeld^em fird^lid^en ©tanbe er aud^ leben möge,' burd^ baS (Soangelium Berufen toerbc.

grau D. (Supon meinte l^iermit in SBal^rl^eit bie SSottfommenl^eit ber JU DoUer aSereinigung mit ©ott gelangten ©eelen im $immel, toeld^c fd^on l^ier auf ®rben im Sffiefentlid^en erreid^bar fein foUle.

3lllein fd^on l^ier, in il^rer 3luffaffung ber Sottfommenl^eit beS rcli« giöfen SebenS l^atte fid^ ^au o. ®upon 3um 2)ogma igrer Äird^e in ©cgenfa^ geftellt. 3)enn biefc leiert, ba^ eS d^riftltd^e Sßottfommenl^eit nur ba geben lann, mo baS Seben beS (Sl^riften in ber »on ber Äird^e georbneten SBeife fd^led^tl^in an bie consilia evangelica l^ingegeben ift, unb ba^ es eine über biefe l^inauSgel^enbe ober von biefen unabl^ängige SBollfommenl^eit ^ier auf ®rben nid^t geben fann. ^au r>. ©u^on.abcr fal^ t)on iljrer §öl^e auf baS DrbenSleben unb auf bie liturgifd^e Uebung ber Slnbad^t tief l^erab*).

SltterbingS oertrat biefelbe mit üottem Setou^tfein getüiffe 2lnfd^auungen, toeld^e für ben Äatl^oliciSmuS von grunblegenber SSebeutung finb, unh

*) ©ie faßt 8. 93. in bem Discoars II, VI, 1 : ,,@g ift ungemein öiel baran gelegen, fonbertic^ in ben ©tiften unb Älöftern, ba^ man mand^erlei Uebungen l^a&e, toeld^e ^enen ^ur Unterl^altung bienen miJgen, bie nid^t fotoeit im inneren Seben gelommen finb, baf; fie biefelben entbel^ren lönnten."

Slel^nlid^ Lettres spirit. I, 2.

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toeld^e bcm religiöfen ©cnfcn beS fotl^oKfd^cn ßj^riften nod^ gewiffen SHdJ^ tungctt l^itt feinen eigentJ^timlid^en Gl^arafter geBen. 9Raria war il^t wefentlid^ bic ©nabenmutter, unb ba^ biefelbe eBcnfo ol^ne ©rbfünbe in8 Scben getreten, ate in bicfem t)on SJI^atfünben frei geblieben fei, toat xf)x gang unaweifell^aft*). Sie Sirginität ftanb il^r ftttlid^ unbebingt l^öl^er unb toar il^ter 5Keinung na6) weit gottn)oPgefäIIiger als bie 6l^e**); unb fie glaubte nid^t nur an ein ^e^fenex, fonbem aud^ an bie SKög« lid^Ieit einer Slbfürjung bcS SeibenS im %e%\enex hmi) bie gürbitte ber Äird^e***). 3lllein bennod^ war il^re Seigre t)ont gegfeuer fird^lidj nid^t ganj correct; unb toenn fie annal^, ba^ bie ©eelen il^r Seiben im ^urgatorium nid^t h)iberftrebenb, fonbem in t)oIIfter Eingebung an ®ott ertrügen unb leine Slblürjung beffelben begel^rten, fo l^atte ber ©ebanle, ba^ bie ©er« mitteinbe ©nabenmirifamfeit ber Äird^e ben ©eelen burd^ Slbfürgung il^er Seiben ju $ülfe lomme, leinen Sinn, tteberl^aupt ©ertrug fid^ berfelBe nid^t mit bem 6l^ara!ter einer tJrömmigfeit, weld^e in toiHenlofer Eingabe an baS, maS (Sott über bie ©eele lommen laffe, felbft bie ÜJlilberung inneren SeibenS burd^ ben 2^roft ber Slbfolution tjerfd^mäl^te.

Slber aud^ il^re innere ©tettung jur „9Rutter ber ©naben" (aß toeld^e fte fid^ aud^ felbft anfal^,) toar nid^t bie ed^t latl^olifd^e, inbem il^r in ber Sluggeftaltung il^rer eignen religiöfen ©ebanlenmelt ber gange ^eiligencult ebenfo toie bie S3ilbert)erel^rung aUmäl^Iig ganj abl^anben ge^ fommen mar. ©ie fagt in il^rer ©elbftbiograpl^ie (III, VIII, 7): „SdS id^ eines ^agS barüber nad^fann, mol^er eS lommen möge, ba| eine ©eele, meldte mit ©ott vereinigt ju toerben beginnt, fid^ jur Slnrufung ber ©eiligen, mit benen fte bod^ in ©Ott ocrbunben ift, nur feiten ge« trieben fül^It, ba toarb mir alsbalb in ben ©inn gegeben, ba^ rool^I 3)iener ber gürfpred^er bcbürfen, nid^t aber bie Sraut, tocld^e SllleS, ol^ne JU bitten, non bem ä3räutigam empfängt, ba er il^r mit unenblid^er Siebe juoorlommt. D mein ©Ott ; toie toenig lennt man 3)id^ ! SDlan unterfud^t tneine ©anbiungen, man fagt, ba^ id^ ben SRofenlranj nid^t bete, weil id^ leine 2lnbad^t jur f). ^nn^^an l^abe; o göttlid^e SDflaria, SDu toeifet, toie mein ©crg ganj 3)ein in ©Ott ift unb meldte SSerbinbung er in if)m felbft unter unS bewirft l^at! Slber bennod^ fann id^ nur tl^un, toaS feine Siebe mid^ tl^un l^ei^t; id^ bin ganj fein, baS ®igentl^um feines ÜSillenS." 9iod^ entfd^iebener fprid^t fid^ grau o. ©u^on in ber „SKütter« lid^en Slntoeifung jum d^riftlid^en Sffianbel" Aap. 5, „aSon ben ©inber^ uiffen unb Slbtoegen beS d^riftlid^en SBanbelS" fo auS: „©o begel^en audj

*) Vie de Mad. Guyon, 11, XX, 3 unb Diecours 11, VII.

**) Discoars, II, VII.

*♦♦) Vie de Mad. Guyon, I, XI, 7.

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bie l^eutigen Sl^riften einen großen SRipraud^ mit ber älnbetung ober, genauer gefagt, mit ber ®l^re, bie man ben ^eiligen ertoeifi @iS fd^eint, bo^ jte (Sott oergeffen, um jtd^ nur an ben ^eiligen feftju^alten, gerabe afö 06 ä(lleg auf bie älnrufung ber ^eiligen anlomme, aliS ob bie ^eu Kgen il^r ^eilanb mären. S)ie ^eiligen jtnb aber nid^t für fie geftorben." (äel^nlid^ lauten Discours, I, LVIII, 2 unb oiele anbere SluSfprüd^e),

3n berfelben SBeife äußert ftd^ ^au 0. ©u^on gegen ben Silber^ cttit, j. S- ,,SKtitterKd^e änmeifung" ßap. 13: „©ud^et ®ott nid^t au^er eud^ im $immel, ober in ben S9Ubem unb @emälben, ober an einem anbem Drt^ fonbem fud^et i^n gleid^ anfongiS intoenbig in eud^, mo er ioal^rl^aftig mol^nf

Selben toir nun bie ©d^riften ber ^Jrau 0. ®u9on auf bie Sleu^e* rungen berfelben über baS SBefen ber Jtird^e unb bed Sl^riftentl^umS an, fo pnbcn toir, ba^ fie bie fpecififd^ latl^oKfd^en 5WerfmaIe beiber gar nid^t ertoal^nt. SBon ber Äird^e fagt fie (3. S. Lettres spirituelles II, 53; Discours, Slnl^ang, X), ba^ fie bie ©emeinfd^aft aKer ©laubigen, ba^ fie eine geiftUd^e ^Bereinigung ift, beren toirllid^e ©lieber nur bie toal^ren Äinber ©otteS finb, bie ftd^ burd^ ©otteS ©eift l^aben erneuern laffen, ba^ aKe anberen fd^einbaren ©lieber ber ftird^e in 98al^rl^eit il^r ganj fremb finb u. f. to.

S)em entfpred^enb ift il^re Sluffaffung beS SBefenS beS gl^riftentl^umS. ©ie fagt C,3Kütterlid&e Slntoeifung" Aap. 9): ,,®in ßl^rift l^ei^t ein ge^ freujigter 9Renf(^, ber in aOen 2)ingen fid^ felbft abjufagen unb bem alten SKenfd^en abjufterben bemül^t ift, bamit ßl^riftu« allein in il^m leben tnäge." „2)a8 eigentlid^e Äennjeid^en eines Gl^riften ift bie Unter* toerfung unter bie göttlidje Stegierung, inbem unS biefe Slegierung beS ©eifteS ©otteS ju Äinbem ©ottes mad^t. 9lun ift ber 3h>eÄ be§ ganjen @^riftentl^um3 , un9 biefe göttlid^e Ainbfd^aft )u geben. Sin Sl^rift fein IJei^t ein Äinb ©otteS fein.''

2)ie Siegel, toeld^e ^au 0. ©u^on 5ur llnterfd^eibung ber toal^ren unb falfd^en Seigrer aufftellt, ift ba^er folgenbe („3Kütterlid^e Slntoeifung", Sap. 5): „SefuS Si^riftud ift l^eut ju Xage !ein anberer aU h>ie er auf ßrben getoefen unb fein fid^tbarer SSJanbel im fjleifd^e bleibt immer unfer SSorbilb unb SKufter. (gr ift ganj unb gar bem inneren Seben ergeben getoefen. ©iejenigen nun, bie unS ben inneren ©tanb 3^fw ßi^rifti Derlünben unb anpreifen, unb toeld^e und antreiben, aKeg ©ute bem natürlid^en üRenfd^en abjufpred^en unb ©Ott 9lEed jujueignen, bie finb bie toal^rl^aftigen ^ropl^eten, meldte burd^ feinen ©eift reben. diejenigen aber, meldte, inbem jte bem SKenfd^en im ©eiftUd^en ju oiel einräumen, ©Ott faft nid^td übrig laffen unb meldte fid^ mit bem äu^erlid^en unb

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grobftnnlici^en ©otteSbienfte begnügen unb ftd^ bei bemfelben beml^igen, unb baneben bad innere ®ebet unb ben inneren Umgang mit ©Ott be« lämpfen unb fortfd^affen tüoUen, bie Idnnen feine onberen bemt fdfd^e 5Propl^eten unb Seigrer fein."

3u ©unften ber Autorität ber latJ^olifd^en ^ierard^ie lann auS biefem Aanon ber ©eifterprüfung nid^td gefolgert toerben ; oielmel^r ftel^t berfelbe gu ber römifd^'ftrd^Iid^en Seigre oon ber göttlid^en 3Riffton be§ J^ierard^i-- fd^en ^rieftertl^umä in ©egenfa^, ein ©egenfa$, ber jtd^ in ftärifter SEBeife in ben Discours I, LXV, 4 auSfprid^t, too bie SSerfaffcrin Sott in folgenber SBäeife reben K^t: „3^r Wirten unb ©o^en, bie i^r eud^ ^Priefter beS Sltterl^öd^ften nennt unb bie il^r eud^ h>ie ©ötter über mein 93olI erl^ebt, bie il^r eud^ aU beg SSolIeS ^eilanb anfeilet, bie il^r mir in mein SRed^t greift, bie il^r meine Äinber abl^altet, gu mir ju lommen, bie il^r faget: ^iebc, ^J^iebe! ba bod^ fein ^iebe ift, bie il^r eud^ 3)iener ber SBal^rl^eit l^ei^et unb ein jcber fprid^t: id^ bin'S, ber bie SEBal^rl^cit leieret, fommt gu mir, bie Slnbem leieren eud^ lügen: il^r feit atte$ fammt Sügner unb bie SBal^rl^cit ift nid^t in eud^. 3«% f^Ibft bin eS, ber id^ bie SEBol^rl^eit burd^ baä innere lel^re unb ol^ne ©etöfe ber SBorte 3U meinen ©d^afen rebe, bafe fie mid^ oerftel^en. D il^r, bie il^r meiner ©d^afe gleifd^ effet, il^re SKild^ trinft unb eud^ mit il^rer SBoHe Keibet, loarum n^el^ret il^r il^nen, 3U mir in bie fetten 3luen ju lommen, bie id^ für pe jubereitet l^abe unb ba3u id^ fie einlabe? SSBarum meieret il^r i^nen gu mir 3U lommen unb bei biefem 93runnen bed lebenbigen SBafferd i^ren 35urft ju löfd^en, bei bcm SBaffer, baä id^ i^nen oerl^eijjen l^abe unb baS id^ il^nen geben mitt? Sl^r füi^rt fie nur ju fd^Iammigtem SBBaffer, baburd^ il^r ®urft nid^t geftiUt, fonbem nod^ oermel^rt loirb. SBcnn fie befd^äbigt finb, fo mad^t il^r il^nen nod^ mel^r SBunben, bamit fie immer genötl^igt finb, bei eud^ §ütfe ju fud^en, bie il^r |te bod^ nid^t l^eilen lönnt. 3^^^ ocrbinbet il^re ©d^äben nid^t; unb h)enn fie lal^m finb, fo mad^t il^r, ba^ fie auf beiben ©citen l^infen. SBarum tl^ut il^r bief es ? 3d^ roiH balb in meinem gome lommen. 3d& mitt oon eud^ alle ©d^afe, bie il^r oerfül^rt unb oerloren l^abt, aud^ bis auf bie Alanen, forbern. ^ä), ber §err, bin eS, ber Sfilmäd^tige."

3um l^ierard^ifd^en SKittlertl^um ber fatl^olifd^en Äird^e l^atte fjrau oon ©u^on in il^rem Snnern leine loefentlid^e Se3ie^ung mel^r. SKßer* bingS ift fie bis ju il^reS SebenS (Snbe in bie SKejfe gegangen, unb nies mals l^at fie meber baS Dpfer nod^ bie ©acramente il^rer Äird^e für wertlos ober entbel^rlid^ erllärt. 2lber bod^ lag l^ier 3n)ifd^en il^rer Sin« fd^auung unb jtoifd^en bem 2)ogma il^rer Äird^e ber gro^e, tief gegrün« bete ©egenfa^ oor, bo^, ioä^renb biefe lel^rt^ baS Opfer (Sl^rifti fei nur

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bann toirlfom, tuenn in bcr Stirbt l^tcrard^ifd^ (als SWcffc) bargcBradIt tocrbc, fic an bct Ucberjcugung feftl^telt, ßi^rifti Dpfcr toctbc bann toirlfam, wenn eS fid^ in bcr ©cclc beS einjcincn ©laubigen geftalte, unb l^ier nad^gebilbet, l^ier bargebrad^t n^erbe.

^au V. (SJu^on h)ar alfo mit il^rct: fubjcctioiftifd^en SReltgiofität vom SBoben beg latl^oIifd^^Iitd^Ud^en 2ei^n^, n>e(d^eg ein J^ietatd^ifd^ fd^led^t^in beftimmtcS ift, t)t)Il[tönbig abgerücft, Dl^nel^in rooUie fic ja, bafe bte d^iift« lid^e ^ömmigfeit auf bcr ©tufe bcr SSoKIommcnl^cit, aller ©tü|en fid^ entäu^ernb, lebiglid^ auf fid^ felbft, auf feiner unmittelbaren Sejicl^ung }u ®ott berul^e. 2)ie fatl^oUfd^e grömmiglcit ift aber toefentlid^ eine auf aScrmittlung bcrul^cnbe, t)on Stufen getragene; Don frember (nämlid^ l^ie« rard^ifd^er) Slutorität bel^errfd^te grömmigfeit. S)arum lonnte bic SReltgio« fität bcr ^rau v. (Su^on, ber QuictiSmuS, leine latl^olifd^sfird^lid^e, fonbern nur eine fold^e SReligiofität fein, roeld^e in ber fatl^oUfd^cn Äird^e ermad^fen, fid^ buid^ bie Äraft unb ©nergie ber ©ubjectiijität t)on ben ^Stül^en unb geffcin berfelben frei gemad^t l^attc.

3)a^ grau von ©u^on gleid^tool^I in ben äußeren Drbnungen be8 fatl^oKfd^sIird^Iid^en SebenS bel^arrte, lonnte an biefem (Sl^arafter il^rer fubjectiDiftifd^en SRcKgiofitat nid^ts änbern. Ql^r Segrtff beg ©laubenS (bcr foi nne), bc3 „bunlelen" ©laubenS war unb blieb bie SBerneinung be§ fatl^olifd^cn ©laubcnSbegriffeS, aud^ bcr fides implicita,

SBCber ift il^r ®Iaube, ift il^re grömmigleit barum eoangelifd^er ©laubc, CDangelifd^c ^Jrömmigfcit ju nennen?

SKIIerbingg l^at bie fromme SDame in einer beftimmten S^xi i\)xe^ Sebenö aufgel^ört, il^r religiöfeS SBertrauen auf bie §errlid^leit unb ^ülfc ber ^eiligen 3U grünben unb bie ^eiligen ansurufen*); unb toir finben, ba^ 3ur felben Seit, too bcr latl^olifd^e ^eiligcnglaube in il^r crlifd^t (toenigftenS ftd^ nid^t mel^r auSfpric^t), ber ©laube an ben aUeinigcn (Sr« löfer unb 3RittIcr Qcfum ß^riftum immer völliger il^rc ©eele 3U füHcn beginnt, bis fic fd^Kc^lid^ atteS Slnbcre t)ergeffen I;at, um nur nod^ beä SiamenS S^fu Gl^rifti eingcbcnl unb in ©einer l^eiligen Siebe fclig ju fein.

3nbcm bal^cr grau von ©upon l. ben Flamen S^fw ßi^tifti in baS

*) SBejüglid^ ber grage, toann biefeS gefd^el^en fei, gel^t eS bem §tftort!er mit grau t). ®u^on, h)ie eS einft Sutl^er mit fic^ felbft ergangen ift. ®inftmal§ ju (Srfurt barüber befragt, hjann er eigentUd^ aufgel^ört l^abe, bie ^eiligen onjus rufen, tt)u^te Sutl^er biefe grage nid^t ju beantworten. MmÄl^Iid^ fid^ jur hjal^ren ®rfenntnifi beS ebangelifd^en SßorteS erl^ebenb, ba^ bem SHenfc^en in feinem anberen SRamen $eU gegeben ift, als in bem Flamen ^t\u ©l^rifti, l^atte Sutl^er ben ©lauben an bie ©eiligen unb beren TOttlertl^um ganj aßmäl^liclj öerttjadjfen.

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Zentrum bed telisiöfen Setou^tfeind unb 2e(enS )U¥Üdh)etfe|t, ifyx )um fd^led^tl^in (eftinnnenben üRittelpunÜ beffelBen mad^t, unb inbem fte 2. bod Steid^ ®otted nid^t in bem äußeren JtiYd^eninftitut, nid^t in ber (eftel^enben l^ierard^ifd^en Drbnung, fonbent in ber ©eele beS einjelnen ©laubigen, im inn)enbi8en, cM (Sott geborenen Seben erlennen lel^rt, fo nel^nten n>ir l^ierin aSerbingS }n)ei ®runbtoal^rl^eiten beS (SoangeliumS toaffx, in bereu älnerfennung %xa\x t). ®va)on mit ber eoangelifd^en ftird^e in ber äBeife übereinftimmt, ba^ fie von l^ier au§ mit ben t^ömmigleitdäu^erungen beS eoangelifd^'proteftantifd^en ®eifte§ innere f^^Iung gewinnen, unb mit frommen eoangelifd^en Sl^riften in inneren SSerfel^r unb SKudtaufd^ treten lonnte.

@ind ober fd^eibet boc^ l^ier bie ®eifter. S)er eoangelifd^e ^roteftan* tiSmuS grünbet bad ©laubendbetou^tfein gon} unb gar auf bad l^iftorifd^e @rIöfungSmerI ^e^u, in meld^em ber ©laube bie ©ered^tigleit, bie vor ©Ott emiglid^ gilt, ein für aSemal l^at, fo ba^ bie gläubige ©eele il^reS liebend mit ®ott unb il^reiS ^eilsbeft^ed fid^ mit göttli^er ©eloi^i^eit getröften lann, unb lö^t ftd^ oon biefer feften ©runblage aus -bie ganje ©laubenSlei^re erl^eben; %tan o. ©u^on mu^te aber l^ieroon nid^tS. 3>ie ©runbtl^atfad^e bed Soangeliumd mar afö folc^e il^r unbefonnt, fte h)ugte nid^t, ba^ ©ered^tigleit unb ^^riebe oon ©Ott il§r bereits gegeben fei; barum tmiiie fie SSeS, toad nad^ ©otted Slatl^fd^lu^ in ber $erfon 3(fu Sl^rifti l^ier auf Srben oor fid^ gegangen unb bereits ooKbrad^t ift, in baS Smtere, in bie @eele beS Sinselnen oerlegen, bamit eS l^ier erffc oor ftd^ gel^e. S)al^er jerarbeitete fid^ il^re @eele, um ben Xroft ber 93er« gebung il^rer ©ünben, um ©emeinfd^aft mit ©Ott, um ©ered^tigleit unb etoigeS £eben ju gewinnen, bis fte fid^ als Slid^tS fül^lte. S>arum erfann fie fid^ einen munberbaren B^fammenl^ang oon ©ebanlen unb Sm fd^auungen bejüglid^ eines $eilSpro)ef[eS, ber jmifd^en ^immel unb @rbe fd^toebte, in toeld^em bie biblifd^en Segriffe oon ©nabe unb ©lauben, t)on Hoffnung unb Siebe, meil il^nen bie toefentlid^e 33e)iel^ung }u ber feften Xl^atfad^e ber Srlöfung entjogen toar, ftd^ }u ben toiUIürlid^ften ©ebilben, 3u ben feltfamften Sarricaturen entftellten. S)arum mu^te {ie eine ätuffajfung unb äluSlegung ber 1^. @d^rift oertreten, nad^ ioeld^er biefelbe burd^toeg etmaS ganj anbereS fagen toxU, als fte h)irnid^ fagt, fo ba^ aud^ l^ier ben miUIfirlid^ften ^l^antaftereien 3;i^or unb Xl^ür ge< öffnet toar.

hiermit l^ängt aber nod^ eine anbere ©runbbifferens aufammen, loeld^e toir jtoifd^en ber religiöfen ätnfd^auung ber ^au x>. ©u^on unb bem eoangelifd^en ^roteftantiSmuS toal^mel^men.

2)er le^tere, meld^er in ber l^iftorifd^en ^^l^atfad^e beS SrloftmgS« ioerteS Sefu Sl^rifti bie @&ule beS 9ieid^eS ©otteS, ben f^els, auf bem

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bte @eele {le|t, feftl^SIt, lel^rt eine auf betn (SlauBen Berul^enbe (Sinigung tittb ©enteinfd^aft ber 5ßcrfon ßl^rifti mit ber gläubigen ©eele, nac^ toeldjet ßl^riftuS in berfelBen wirlKd^ lebt, fte immer mel^t mit feinem ®eifte l^eiligt unb vttlläxt, fo ba^ ber geförberte eoangelifd^e ßl^rift mit bem Slpoftel fpred^en fann: „id^ lebe, bod^ nid^t id^, fonbem ßl^riftuS lebt in mir," 3)iefe SBal^rl^ett h>irb nun otterbingä t)on ber frommen 3)ame nid^t gerabesu verleugnet, melmel^r rebet aud^ fte oft unb eifrig baoon, ba^ ßl^riftuS fein S5ilb in ber gläubigen Seele immer oottlommener auS« präge; aUein fte meint bomit bod^ etgentltd^ etwa^ Slnbere^ al§ toag im ©inne ber eoangelifdjen Seigre liegt. 3l^r ©ebonle ift nämlid^ ber, ba^ ber 6^rift, um ein red^ter 55elcnner beS 5Ramen8 ©l^rifti $u fein, baS Seben ß^rifti nad^jual^men unb vox ®ott baffelbe ju tl^un unb ju leiften l^abe, n)ag Sl^riftud getl^an l^abe; ba^ ber S^rift banad^ trad^ten muffe, bie (gigenfd^txften ßl^rifti 3U gcn^innen unb ba^ er bann eben in ben 33efi$ be§ göttlid^en SEBoJ^IgefaHenS gelange, meld^eS auf bemSol^ne gerul^t l^abe. 3)a^ nun bem ßl^riften affeS baS nur burd^ bie itraft unb ®c« meinfd^aft 3[efu G^rifti möglid^ h)erbe, loirb allerbingS toieberum nid^t geleugnet; aber in SEBal^r^eit ift eS bod^ ber bie latl^olifdje SKiftil über^ l^upt bel^errfd^enbe ®ebanfe ber imitatio Christi, ber fie fo erfüllt unb leitet, ba^ fie, aud^ \i>mn fie ba§ d^rijllid^e Seben al3 ein auf ber Sebeng« gemeinfd^aft beg (S^riften mit 6l^riftu3 berul^enbeS, burd^ bie 3SirIfam!eit be3 ®eifte§ l^^fu Sl^rifti in ber gläubigen Seele geftolteteg barfteSt, bo» mit bod^ im SBefentlid^en nur eine ^lod^al^mung Sl^rifti meint, in toeld^et bie Seele il^rem Sßorbilbe im Seben unb Seiben immer gleid^förmiger toerben fott.

S)iefe beiben SDinge taooren eg, toeld^e bad religiöfe Selou^tfein ber S)ame unb bie quietiftifd^e äR^ftil überl^aupt t)on bem ®lauben ber eoan« felifd^en ßird^e fd^ieben.

Wie quieliftif^t Mifilii in in evan^eli^^m litrdr^

«

§. 1.

Sie fiietiftif^en unb nt)|^ftif$en ^e^arationett im Snfange bed a4lt*

sehnten SaiptiputtbettB.

Um bicfelbc 3^^^ wo bct glud^ bcS ©icrard^iSmuS auf bte quic« tiftifd^e SK^ftil in bet latl^olifd^en Äitd^c nicbcrgcfattcn war, unb bicfcIBc crfterbcn mad^te, gegen ba§ 6nbc beS ftcbjcl^nten unb ju Slnfong beiS ad^tjcl^nten $iaf)xf)\xnhett^ erl^oB fx6} in ber cpangcltfd^en ftitd^e, inS« (efonbete S)eutf d^lanbg , ein ge]^eimni^t)oIIe§ SRaufd^en ber ©eifter, boS anfangs in t)eretn3elten, faft feltf am ertönenben Stimmen, balb aber in einet meitl^in burd^ bie Sanbe etfd^aUenben n^unbetbaten 3KannigfaIti8leit ber ^nn^etif bie oft t)on ganj neuen Offenbarungen ber ©el^eimntffc ©otteS rebeten, ein neues 2lufleben beS in ber iatl^olifd^en SGBelt erbrüAen quietiftif d^ 5 religiöf en ©eifteS innerl^alb ber proteftantifd^en SSelt immer lauter unb immer Demel^mlid^er t)erlünbtgten*

3n 2)eutf d^Ianb , \t>o längft bie ©erjen Unjä^Iiger von ber tl^eofo« pl^ifd^en SK^ftil eines S^cob Söl^me, ©id^tel, ß^riftian Coburg u. 31. ergriffen loaren, tourbe bamalS bie ganje ct)angeKfd^e Äird^e Beibcr Selenntniffe t)on ©ebanlen erregt, n^eld^e ben religiöfen ©trebungen, bie einft in ber fatl^olifd^en Äird^e jur 3luSgeftaItung ber quietiftifd^en SWpjtil gefül^rt l^atten, burd^auS loal^lDertoanbt n^aren. 9(IIe biejenigen, bie l^ier mit majorem (Smfte nad^ ©ered^tigleit, nad^ toirflid^er Heiligung i§rer $er5en unb nad^ einem Seben in tüal^rer ©otteSgemeinfd^aft trad^teten, erlannten eS, ba^ bie lutl^erifd^e ^ird^e in il^rem @ifer für 9led^tgl&ubig« leit unb in il^rer Setonung ber objjectioen äBirIfamleit ber ©nabenmittel aDmäl^Kg erftarrt unb ba^ il^r baS aSerftSnbni^ beS ioal^ren äSefenS ber

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d^riftlid^en ^tömmigfeit abl^anben gefommen fei. 3^ biefen Areifen Begann man bamals bat)on ju teben, ba^ ber SRenfd^, um ein ©lieb be3 Sleid^ed ®otte3 }u fein, baffelBe bod^ innerlid^ in feiner @eele l^aben muffe, ba^ baju t)or älSem äSiebergeburt not^ tl^ue, ba^ aber bie SBiebergeburt, unb load mit il^r 5ufammenl^önge, unmöglid^ au3 ber objectioen 3Sir!famteit ber Xaufe lommen lönne, fonbern ba^ fie perfönlid^e, religiös ^ftttlid^e SSelel^rung be§ inneren 5IWenfd^en fein muffe.

®an} äl^nlid^e ©ebanlen maren aud^ in ber reformirten Jtird^e, unb jtDar l^icr nod^ frül^er als in ber lutl^erifd^en namentlid^ im ^lieber« lanb im ©egenfaft 3ur l^errfd^enben Setonung ber Sled^tgläubigleit als unerlä^lid^er SSorauSfe^ung aQeS $eil§6eft|eS laut getporben.

Snbem bal^er fo 3SieIe, bie aufrid^tigen $er3enS an il^rer ©eelen @elig!eit badeten, fid^ barüBer Kar tourben, ba^ ^^römmigleit ettoaS gan) SlnbereS fei als 9ted^tgläuBigIeit, unb ba^ f^römmigfeit beS $er3enS, bie nid^t ol^ne SBeitereS burd^ ben Empfang ber lird^li^en ©nabenmittcl ges TOonnen h)erben lönne, bem SKenfd^en vox SlITem notl^ tl^ue, fo Begann man plö^Ud^ üBerall in ber Äird^e t)on ber maleren „pietas" in einer SBeife ju reben, ba^ baBei üBer bie rcformirte SBertl^fd^ä^ung ber Drtl^os bojie unb über bie lutl^erifd^e Setonung unb SScrl^crrlid^ung ber Q^acxa-- mente ganj l^intüeggefel^en toarb.

©0 ertoud^S in ber reformirten Äird^e ber Slieberlanbe unb beS !Rieberrl^einS ber SaBabiSmuS, ber nid^t nur in bem t)on ber latJ^o^ lifd^en jur eoangelifd^en Äird^e übergetretenen Qean be SaBabie (f 1674 3U 3lltona), fonbern aud^ in ber frommen Jungfrau Slnna 5Dlaria Don ©d^ürmann (f 1678 3U SBietoert in ^ieSlanb) tj^eologifd^-gclel^rte SBertretung fanb, unb in ber lutl^erifd^en fiird^c ber $ßietiSmuS, n^eld^e Beibe oon bem „Si^nern", 00m ;,inneren SQBege", t)om „inneren iSeBen" (im ©egenfa^ jur lird^lid^en SReligiofität) jtoar nid^t in bemfelben ©inne aBer mit bemfelBen ®ifer rebeten, toie eS in ber fatl^olifd^en Äird^e feitenS ber quietiftifd^en SKpftiler gefd^al^*).

Sluf reformirtcr ©eite ging in ber näd^ftfolgenben Seit ber fromme nieberlänbifd^e 5Prebiger SBill^elm ©d^ortingl^uiS, ber um 1700 geboren, feit 1723 ju SBcener in DftfrieSlanb, unb feit 1734 ju 3Äit^ toolba in ber 5ßror)in3 ©roningen als ^rebiger fungirte, unb am festeren Drte am 20. SRooBr. 1750 ftarB**), in biefer SRid^tung am ©eiteften

♦) SWaj ©öBer, ©efd^idjte bcS d^riftl. SeBcnS in ber rl^cinifd^^toeftjjl^aUfdJen et^angcL Äirdje, Äobrcnj 1852, C. II. ©. 18I ff. u. C III. ©. 71 ff.

**) SBßt. bie ©d^rift: Schortinghuis endevijf Nieten, eene bladzijde uit de geschiedenis Tan het Kerkelijk leven inH Oldamt 1730 1750, door H. van Ber kam; Utrecht, 1859.

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DOt. S)ic SBirIfatnIcit beffcIScn gcl^örte getabc bcnicmgen 2^l^cilctt be8 Slicbcrlanbä (DftfrieSlanb unb ©roningcn) an, in weld^en bic ÜR^lifl tDöl^renb ber jt^eiten Hälfte beS fiebjel^nten S^t^^tl^unbettS einen ganj he-- fonbetö frud^tbaren ©oben gefunben l^attc. S)ie ©d^tiftcn beS gottfclijcn gricbrid^ 9lboIpl^ Sampe (f 1729 ju SStcmcn) waren l^ier faft in atten Käufern 3U finbcn, 35al&cr erl^oben fid^ aud^ i^ier 5Prebigcr, lüeld^e mit lauter Stimme ba§ Solf »on bem äußeren Äird^entl^um jum innetn ©l^riftentl^um riefen, ingbefonberc ber ernfte, unb tief innerlid^c %ne\t ©icco 3^jaben ju Jlieuwes^ßelela*) unb ber gleid^geftnnte Sol^ann SScrfc^uir ju 3^wip**)» SSeibe überragte jeboc^ an Sebeutung unb ®inf[u^ ber eifrige $rebiger ©d^ortingl^uiiS, ber bie mpftifd^e Xl^eo« logie gan3 felbftftänbig erfaßte unb ausbaute, babei aber bis l^art an bie Sd^toeQe beS DuietiSmuS fam. S)ie Erregung, n)eld^e feine ^rebigten in ber ^romnj ©roningen l^ert)orriefen, burd^brang balb aSe @d§id^ten ber (SefeUfd^aft. UeberaU fd^aarten fx6) bie „kommen im Sanbe" um ben gemaltigen 5ßrebiger, beffen SK^ftil bie ©erjen bezauberte unb über^ loältigte. Silber bod^ nid^t SlUen lüollte biefe lüunberbarc Seigre jufagen, gegen toeld^e fid^ balb bie 9lnfd^ulbigung ber $eterobo£ie erl^ob. 3^ feiner Sßertl^eibigung t)eröffentlid§te bal^er ©d^ortingl^uiS i. 3- 1738 feine ©d^rift über bie nötl^igen ^erjenStval^rl^eiten be§ &l^riften (Nodige waer-

iieden in het harte van een Christen), toeld^er er Jlüei 3öi^re fpäter fein

©aupttoerf über „baS innerliche 6^riftentl^um" ***) folgen lie^.

2)affelbe umfaßt fünfunb3toan}ig ©efprSdJe, in benen t)ier ^erfonen auftreten; ein Unbegnabigter, ein Kleingläubiger, ein Segnabigtcr unb ein ©ele^rter. SSon biefen ®efpröd^en lommt l^ier l^auptföd^lid^ bad mer- jel^nte in Setradjt, in meld^em ber SBerf affer feine Seigre tjon bem fünf«

*) ©eine ©djriften Aanteekeningen unb Alleenspraken etfdjienen (etp nac^ feinem ^obe) 1727 im 2)ru(f.

**) »erfd^uir öetöffentlidjte 1736 ba« einft im SRiebetlanb öiel gelefene »uc^:

Waarheid in het binnenste of bevindelijke godgeleerdheid, hoe de waarheeden yan Christas en zijn koningrijk van deszelfs onderdanen beschoawelijk ea be- vindelijk moeten gekend worden tot zaiigheid.

'*"*'*) 3)erb0llftänbigeXitenft: Het innige Christendom tot overtniginge van onbegenadigde, bestieringe en opwekkinge van begnadigde zielen, in des- zelfs allerinnigste en wesentlikste deelen gestaltelik en bevindelik voorgestelt

in t'zamenspraken. ^ad ääud^ etfd^ien 1740 mit (einer freilid^ fel^r bertlaufulitten) Slpprobation ber tl^eologifd^en ^acult&t su ©rdningen in 49. &^on in ben näc^jten Salären tourben eine ^toeite unb eine britte Sluflage beffelben ndti^ig. ^od^ finb bie einft fo jal^lreid^ Verbreitet getoefenen ©semplare bed Qud^d (nament- lidj ber erften SluSgabe) Je^t faft berfdjtounben. SCu^er ben genannten ©Triften t^eröffentlid^te ©d^ortingl^uid nod^ erbaulid^e 3)i(l^tungen (Geestelijke gezangen

unb Bevindelijke gezangen) 91.

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fachen !Rtd^td bed Begnabigten üRenfd^en enttoidelt, inbem berfel&e ®ott gegenüber nid^td toiS, nid^td fonn, nid^td n>ei^, nid^tS ^cA, nid^td taugt. S)al^et ift ber begnabigte 5Kenfd& roefentlid^ ein in feiner Slatürlid^Ieit unb @elbftl^eit Dernid^tigter SRenfd^, in n>eld^em ald in einem bloßen aSerljeuge ©otteS nid^t ntel^r bag eigne Seben, SGBoHen, SDäiffen unb Jtonnen beS 3Renfd^en, fonbern nur baS Seben, SBoSen, SBiffen unb können GJotteS tuol^nt. 2)er 9Kenfd^ l^at barum banad^ 5U trad^ten, ba^ biefes fünffad^e SRi^tS gur SBirllid^feit unb von xf)m in ooEfter ^officität ausgeübt n^erbe. S)ann gelangt ber 3Renfd^ ol^ne atteS SKebitiren jur toal^ren ®inl^eit mit ®ott unb aud^, burd^ baS innere Sid^t, toeld^cS bie Ie|tere mit ftd^ bringt, jur toal^ren ©rlenntni^ ber ©d^rift, inbem il^m bann baS 3Serftänbni| beS t)erborgenen, mpftifd^en ©d^riftfinnS aufgellt. Site« bann Befinbet fid^ ber 5Dlenfd^ in bem ©tanbe ber geijilid^en Sottfommenl^eit. 2)ag S9ud^ tvar laum erfd^ienen unb gelefen, als aud^ baS ganje 9lieberlanb in Siebe unb $a^ gegen ©d^ortingl^uiS getl^eilt tbar. S)ie (Sinen priefen baffelbe als bie »offenbctfte aSerlünbigung bcS ©oangeliumS, njäl^renb bie 3lnberen in il^m bie t)erbcrblid^fte $jxxUf)xe fallen. S^näd^ft crl^ob fid^ bal^er au8 biefem ®egenfa| ein ©d^riftcntüed^fel, in lüeld^em es fid^ auSfprad^, ba^ man je^t um nid^ts ©eringereS als um bie tJrage nad^ bem eigentlid^en SBefen beS ß^riftentl^umS ftreite. ®egen ©d^or« tingl^uiS erl^ob fid^ junäd^ft ber ^Jrebiger 9licoIauS Hartman ju Spotte

mit feinen Aanmerkingen legen het boek van Schortinghuis, geDsiamd het Innig Christendom, benen ber 3lngegriffene fofort feine ©d^rift De regtzinnigheid van het Innig Christendom entgCgenfteHte. 316er aud^

bie STnl^änger ©d^ortingl^uifenS traten literarifd^ auf ben Äampfpla^*), ber Bereits aud^ in bie ßlafficalconDente unb in bie ©^noben oerlegt toarb, auf benen bie ©eifter gegeneinanberpla^ten**). 3)od^ mar balb ber ©ieg

*) gnSbefonbcre öeröffentlid^ten öier ^rcbiger ju ®mbcn 1742 eine ©djrift

als ,|Zedige voorspraak over de regtziDnige waarheid."

**) 3)er Bebeutenbfte unb einflujreid^fte unter ben ©egnern ©d^ortingl^uifenS tt>ar ber ^rebiger 2)ion^S t)an berÄeeffelp S)ebenter, SSerfaffer ber 1745

tbirten ©d^rift: Nodig berigt van hetgene voorgefallen is in den jare 1740 1745 •omtrent het boek van Schottin ghuis, genaamd het Innig Christendom, auf

^eld^e berfelBe nod^ i. 3. 1749, alS l&ngft aller 6treit aufgel^ört l^atte, nod^ eine neue, brei Slbtl^eilungen umfaffenbe ©treitfdjrift unter bem Xitel folgen lie|:

De ontgestelde Leer en Praktijk van Neerlands kerk omtrent Gods bijzondere, algenoegzame en kragtdadige genade in Christas, gezuivert van het misbruik

derzelve. Äeeffel Be!äm^ft l^ier ben ©dfortingl^uflaniSmuS als eine Srrlel^re, toeld^e bie reformirte, ja überl^au))t aUe d^riftli^e £el^re unb aUtn ©otteSbienft

l^ernid^te. @r begeid^net fte als „eene gewaande inbeelding of bevinding zonder ^akelijke waarheid/' alS „eene Spenosiatische lijdeIijkheid/< n)eld^e unter allerlei

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bct lird^Kd^en SRcd^tgläubigfctt über bie neue SWpftif entf^teben. 3S&t bcm Sollte 1746 trat affmäl^Iid^ Slul^e ein, tnbem bic ©pnobcn gcfprod^cn l^atten unb ©d^ortingl^uiä t)on ba an fti^roieg. SDod^ famen feine jal^I- xexä^tn Slnl^änger (bie „©d^ortingl^auftaner") nod^ immer in aller ©tiffe l^icr unb ba in ben Käufern 3ufammen, tjor 3lffem in bcm trau« lid^cn ^avL^t ber eblen ^rau Soi^anna S3ronfema geb. §eerc§, unb erbau- ten ftd^ unter einanber au§ ben Sudlern, bie fte al§ tl^eure fileinobicn pteten, in il^rer ^erlömmliii^en, ftiHen SEBeife.

©0 erl^oben jtd^ in ber reformirten h)ie in ber lutl^erifd^en Rird^e allerlei Slid^tungen, hjeld^e neben ber l^errfd^enben DrtJ^oboEte unb ©d^o^ laftif bie 2^iefen ber SJZpftif roteber erfd^Iie^en unb auS benfelben einen befrud^tenben Sorn in ba^ &ehm ber Äird^e einftrömen laffen tooHten. 3n einen eigentfid^en G5egenfa§ jur Äird^e tooHten ber SabcabiSmuö, ber 5ßieti§mu§ unb vexwanUe SRid^tungen nid^t treten, inbem fte in biefer t)ielmel^r als ein ba§ gefammte lird^Iid^e 2eien burd^ Serinnerlid^ung be§- felben erneuernber ©auerteig toirifam gu werben l^offten. Stül^jeitig trafen aber mit biefen Sienbenjen ©ebanfen jufammen, meldte au§ bem m^ftifd^en Sager ber fat^olifd^en Äird^e l^erübergelommen hjaren, unb unter ben Slnpngern ber erfteren eine 3ur proteftantifd^en ^eilsle^re gerabeju im (Segenfa^ ftel^enbe 9Kt)ftif erlpad^fen (ie^. 2ltter Drten l^örtc man plö^Iid^ bat)on reben, ba^ ber 3Kenfd^ ©ered^tigfeit unb ©ottrool^I- gefälligleit nur burd^ eine „9lad^foIge Sefu" erlangen lönne, toeld^e jur t)ölligen Bereinigung mit ßl^riftuS (im ©inne ber SK^ftif) fül^rc, ba^ barum 3led^tfertigung unb Heiligung toefentlid^ ein unb baSfelbe, ba^ bie (Srreid^ung DöHigcr ©ünbloftgfcit l^ier auf (Srben afferbingS möglid^ fei, unb ba^ barum bie ©eele, toenn fte bieSfeitS beS ®rabc§ nid^t Döttig purifijirt tcerbe, nad^ bem 2^obe einen SleinigungSproce^ ju burd^Ieben l^abe, ba^ baS gotttDOJ^Igefälfige Seben ber ©eele nur als ein Seben in ber reinen von ber Hoffnung abgetrennten, intereffelofen Siebe ju benfen fei u. f. tt).

ajerartige 2lnfd^auungen l^örte man felbft von Vertretern ber ail^eo« logie ouf ben acabemifd^en Sel^rftül^Ien auSfpred^en. 2)cr 5Profeffor ber SKoral ® eulinj ju Segben (ber auS ber latl^olifd^en in bie reformirte Ätrc^c übergetreten h)ar,) leierte in feinem ßompenbium ber 9Roral »on 1691

©. 70 grabeju: Verum ethicae fundamendum est, suae felicitatis atque beatitudinis nallam ducendam esse rationem. ^enn, fagt (Seulins, bad

©treben nad^ eignem ®ut fei ©elbftfud^t, folglid^ ©tinbe; folglid^ fei

fd^önen Sorten ben Unterfd^ieb ^mifd^en (3oit unb ©efd^öpf aufl^ebe, ben aRenfc^m Stt einem ^\^i^ unb ®ott ^ur Urfad^e ber eünben tnad^e*

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aud^ boS @treben nad^ ber ©eligfeit @ünbe. S)ad einjige^ tootauf bet^ SKenfc^ ^n feigen f)aU, fei ber aßiHe ©otteS. SBcnn cS tx^al^t fei, ba^ ©Ott bcm SKcnfd^ctt bcfol^len l^abc, an fein SBol^If ein unb an feine ©lütf* feligfeit ju benfen, fo folge barauS, ba^ et nid^t Befol^len l^abe. S)ettn in biefem %aUe l^aBc man ber eignen ©eligleit nid^t aus Steigung, fon« bern lebiglid^ n)egen beS göttlid^en 93efel^IS nad^juftreben. $abe man ballet im ©ebanlen an ©Ott bie eigne @eligleit unb nid^t auSfd^Iie^lid^ ben SBiUen ©otteS im 2luge, fo fünbige man gegen ©Ott.

2)iefelbe Seilte von bet intereffelofen Siebe trug aud^ ber reformitte 2:i^eoIog ®liaä ©aurin (frül^er ebenfalls Äatl^olif, f 1703) in feiner Trait6 de Tamour de Dieu (Slmfterbam, 1701, 2 Sbe.) t)Or.*)

Sebeutenber aber als biefe oereinjelten ©rfd^einungen toar bie in ber ©äl^rung ber Seit l^eroortretenbe mpftifd^e SRid^tung, toeld^e fid^ burd^. Slbfonberung Don ber „Äird^e" jur ©eltung ^n bringen fud^te. 3)iefc „©eparatiften" lüeld^e im Ie|ten S^^l^rse^nt beS fiebsel^nten S^^^^^w^bertS. juerft in ber SGBetterau unb in SBürttemberg, auftaud^ten, balb aber in tjielen onberen ©egcnben 2)eutfd^IanbS (namentlid^ aud^ in Serlin) Soben fan« ben unb in ©ottfrieb 2lrnoIb**) ju Queblinburg (bem SBerfaffer iQÜ)!-- reid^er ©d^riften: „§iftorie ober Sefd^retbung ber mpftifd^en 3^1^eoIogie ober gel^eimen ©otteSgelal^rtl^eit/' „SSal^re äbbilbung beS intoenbigen ei^riftentl^umS /' ,,a)er rid^tigfte SBeg ju ©Ott/' „®aS ©el^eimnift ber göttlid^en ©op^ia ober SBeiS^eit Jc") attmä^lid^ i^re ^öd^fte 3lutorität rcrel^rten, menbeten ber ^ird^e unb beren ©nabenmitteln gerabeju ben SRüdEen, toeil fie in il^r t)om SReid^e ©otteS nid^ts mel^r ju feigen t)er« mod^ten. ©ie mieben bie ®f)e, oertoarfen bie Äinbertaufe unb bie geier beS Slbenbmal^IS in ber ©emeinfd^aft mit SBelilinbern, glaubten an eine- nal^c beoorftel^enbc SJBieberlunft ßl^rifti unb an bie enblid^e SEBieberbrin« gung aller 35inge, badeten unb rebeten menig von bem ßl^riftuS „für unS", um fo mel^r aber oon bem ßl^riftuS „in unS", forberten, ba^ bie Sled^tfertigung toefentlid^ Heiligung fei, leierten, ba^ ber 6l)rift fd^on l^ier auf (grben gur voV,-- lommenen SReinigung feiner ©eele, jur oolllommenen ©ünblofigfeit gelangen fönne unb oerßinbeten bie mpftifd^e SSerfd^mel3ung ber ©eele mit bem SJÖefen^ ©otteS als baS l^öd^fte S^^h «od^ bem biefelbe ju ftreben l^abe. ©iner biefer ©eparatiften, Sol^ann ©d^ erer, oeröffentlid^te 1704 eine ©d^rift: „3)ie notl^« toenbige SBoUenbung ber geiftlid^en ^Reinigung unb Heiligung, entmeber bei

*) 3ur aSßiberlegung ber ©d^riften bon &mlxnt unb ©aurin öeröffentlid^te ber ?Profeffor ber 3Watl^entattI Philippe Naude ju »erlin 1713 bie Slb^fonb« lung: „Unparteiifd^e unb grünblid^e Untetfud^ung ber m^ftifdj^en ^l^eologie unb. beS großen UebelS, fo t>on einigen Qal^ren l^er borauS entftanben ift."

*♦) ®ößel »b. II. ©. 698. ff.

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Seibedleben ober nad^ betn Xoit/' bte Don Slnl^ängent bet %tm v. ®wfim nvoc freubig l&egrü^t iDetben lonnte. @in anbetet, bet ftd^ älletl^opl^ilud ttanntc, ebttte in ben Qal^ten 1707 unb 1708 jtoei Slbl^anblungcn „SDic toal^tc SBoQIommenl^eit unb ©lüdfeligfeit in bieget äßelf' unb ,,@tläutetung bet Seilte Toon bet Sted^tfettigung''. liebet bag SBefen bet SSoUIommenl^eit unb übet beten @tteid^bat!eit im itbifd^en Scben lel^tte ädeti^opl^ilud genau fo n)ie bie Quietiften, unb jugleid^ btad^te betfelbe gang ebenfo n)ie bie Duietiften l^ietmit ben (Sebanlen einet nad^ bem ^obe ftattfinbenben Steinigung bet ©ecle in 3"f<^^«'^^^8* ®^ ^8^ namlid^ in bet etfteten ©d^tift §• 108: ,,S!Benn wit ftetben, el^e ßl^tiftuS eine t)öllige (Sefiolt in uns gewonnen, fo finb roit bcSroegen nid^t gleid^ jut $ölle oettoiefen* @g fmb SKittcIftänbe jroifd^en bet SßetbammniJ unb ©eligfeit, ba bie angefangene Heiligung ooQenbet n>itb, n)ie Don Slnbeten fd^on genug« fam ettoiefen ift, it)ien)ol^I toit alsbann toegen unftet S^tdgl^eit, Slad^Iäfftg« {eit, Untteue unb SSetad^tung bet ©naben @otte3 mit ^euet gefallen (5Dlatc. 9, 49) unb mit einet fd^ätfeten Sauge metben gemafd^en wetben, nämlid^ butd^ ben ©eift beS ©etid^td unb butd^ ben ®eift beS äluS« btennenS." *)

@tn)a um§ ^CL^x 1700 \üax bie innete 6onfoIibitung bet bis bal^in gan) oeteinjelt aufgettetenen (Stfd^einungen be§ m^ftifd^en ©epatatiSmud etfolgt, um biefelbe S^xt, too il^nen in ben einfamen SBalbtl^älctn beS SBittgenftcinet SanbeS eine gteiftätte etöffnet \oax\>, unb h)o fid^ eine älnja^l Don ©epatatiften in ©d^toatjenau (einem in ftiUftet SSetbotgenl^eit gelegenen 2)otfe biefeä SanbeS) niebetlie^en. 2)et l^od^angefel^ene ftül^ete 6anbitat bet Xl^eologie (Stuft Sl^tiftopl^ $od^mann (aus bem alten ablid^cn ©efd^Ied^te bet t)on ©od^enau) eine etnfte, milbe, geiftetfüHte ?ßetfönlid^lcit, baute fid^ l^iet nad^ einem Dielbetoegten, füt bie SluS« breitung bcS mpftifd^en ©epatatiSmuS übetauS etfolgteid^en Sebcn auf einet l^ol^en, fteil abfaUenben Setgl^albe eine glitte, in bet et, mit feinen übetatt jetftteuten Slnl^ängetn fottlüäi^tenb btieflid^ octlei^tenb, als Slna« d^otet bis 3U feinem 2^obe (1721) lebte.*) Slnbete ©epatatiften tidj« teten fid^ in äl^nlid^et SQBeife ein.

S)et tl^eofopl^ifd^sm^ftifd^e unb d^iliaftifd^e ©epatatiSmuS mar l^iet ju einet in.fid^ gefd^Ioffenen ©emeinfd^aft geiootben, bie fid^ felbft als ®e-

*) ©cgen SCIetl^opl^iluS fd^rieb Naude alS atoeitcn %f}t\l bet öotgenannten ©djtift bie 3lb]^anblutt0 : „Untetfud^ung unb SGBibetlegung beS l^ödjfk betfüJ^te^ tifdjen ^tactatS, beffen ^itel ift: a)ie tt>al^te SSottfornmenl^eit unb ©lüdfeligfeit in biefer aGBelt :c." 2lmftetbam, 1708.

**) ®öbel, 33. IJ, W>i^. 2, ©. 809-855 unb Sung^iStining'S „X^eo* balb ober bie ©d^toätmet."

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noffenfd^aft aKer ©lieber beiS Sieid^ed ®otte8 anfal^ unb {td^ ju ben t)etbet(« ten, unb nur burd^ eine t)oIIftänbige 9leformation }u rettenben ,,Jtird^en'' int fd^roffften @egenfa$ ftel^enb tonnte. @in 99elenntni| fteDte er nid^t ouf ;*) aber bie prögnantefte (Eobificirung erl^ielt berfelbe burd^ ben (au8 (gfd^toege in Reffen gebürtigen) ^erBorner ?ßrofeffor ber 2^l^cologic ^einrid^ ^ord^e in ber t)on biefem mit mel^reren ^eunben J^ergefteS« Un fogenannten $fRarburger SBiBel.

S)iefel6e erfd^ien ju 5fRarBurg i. 3- 1712**) unter bem 3;ite(: „5Dl9ftifd^e unb propl^etifd^e S3ibel, baS ift bie ganse l^eil. ©d^rift Sttteö unb SleueS 3^eftament, auf 3 3tem naä) bem ®runb Derbeffert, fammt ©rllärung ber fürne^mften ©innbilber unb SBeiffagungen, fonberlid^ beS $. Siebs ©alomonS unb ber Offenbarung 3- ß« toie aud^ benen für« nel^mften Seigren, bet)orau8 bie fid^ in biefe Ic|te ^eitm fd^idfen. SKar« bürg, gebrudtt bei go^. Äür^ner, Unit)erf. Sud^br. 1712" (40). 2)er %e}ct ber Ucberfe^ung i8utl^er'ä ift l^ier mdfaä) »erbeffert, 3^ ben ein« jelnen biblifd^en Sudlern finb einleitenbe Setrad^tungen l^injugeftigt; au^er« bem ftnb fel^r l^aufig in ben 2ejt erläutetnbe Semerlungen eingefd^oben, SltteS im ©inne eines mpftifd^-attegorifd^en ©d^riftoerftänbniffeä. 2)enn als 3w)edE beS gan3cn SBerleS n)irb im SBortoort angegeben, „ben 33ud^s ^aUn bcS ©«f^^eS unb ber ^iftorie burd^ ©rllärung ber äußeren ©d^rift« bilber nad^ bem ®eift ßl^rifti auf ben inneren SRenfd^en ju rid^ten, barum fie (biefe ©d^rift nämlid^) aud& eine m^ftifd^e Sibel l^ei^t, b. i. tüeld^e ben verborgenen Rem aus ber ©d^ale beS S3ud^ftabenS l^erauSl^olt unb bem Segierigen ju genießen fürlegt.".

9Kit bicfer m^ftifd^en ©e|)aration berül^rte fid^ nun im jhjeiten S^^t« jel^nt beS ad^tjei^nten S^l^rl^unbertS, anfangs von berfelben angesogen, l^er* nad^ abgefto^en, eine anbere feftirerifd^e Stid^tung, nämlid^ bie ber Qn* fpirirten.

3)ie Segrünber bicfer ©elte maren von ber Sangueboc in ^ronfreid^ ausgegangen, Dontüo fie, nad^ Seenbigung bcS ßamifarbenIriegS (1703 1704), als fie bie legten SJobeSjutfungen beS ^ProteftantiSmuS in il^rer ^eimatl^ gefeiten, 1706 nad^ Sonbon geflol^en, aber l^ier ejcommunisirt (toeil il^re ?ßropl^e3eiungen nid^t in ©rfüHung gegangen), juerft in bie Sflieberlanbe unb toeiterl^in nad^ 3)eutfd^Ianb iamen.

*) aUerbingS legte ipod^mann 1702 bem ®rafen jur 2i|)J)esS)etmolb ein (fel^r bead^tenSiüertl^cS) ©elenntni^ öor, toeld^eS aud^ jj)dterl^in gebrudt hjarb (®5bel, II, ©. 820 ff.), attein baSfelbe h)ar boc^f nur ^ribatbefenntnifi.

**) ®in jtDeiter Slbbrud ber SKarburger »ibel erfc^ien ju SÄarburg 1733 bei W^ipp ©aftmir aWütter, Uniö^fttätS^Sud^bruÄer unb ^§&nbrer. ^tppt,mmt 32

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Qkx ficMen bie 3fif)>mrten Beteilig (1713, 1714) in ^aUe tmb S^tfin eine 9[n}a|{ t>en Sutl^eranem ttnb Sleforntirten an fxä) gejogen, att fte in bie äSettetau, inS ^anauifd^e, Sfenburgif^e unb ins SBitgem fteiner £anb famen, bafel6ft mit ben ©eporatiften in äBed^fellDirfung traien, neue (SenteinbeBilbungen veranlagten unb balb buvd^ ba§ ganje k)eftlid^e 3)eutfd^Ianb HS in bie ©d^raei} l^in eine neue ©äl^rung j^ettoor« tiefen, bie etwa Bis jum ^afjxe 1730 onbauerte,*)

Slud allen biefen Stid^ungen unb Separationen unb au8 ben unter il^nen Dorgefommenen SRifd^ungen l^ob ftd^ nun frül^jeitig eine ganj eigem artige ©emeinbebilbung l^eroor, toeld^e im ®egenfa| )u ben in ber Aird^e Ifteftel^enben ©egenfä^en ber 93e!enntniffe bie äBiebervereinigung ber« felben in ber Siebe ^erfteUen looUte unb fid^ bal^er (mit S3e)ugnal^me auf bie $l§ilabelpl^ia:®emeinbe ber Slpocal^pfe 3, 7 I3)alsp]^i(abelpl^ifd^e @ocietät ober pl^ilabelpl^ifd^e ©emeinbe bejeid^nete. ^m S3er> l^ältni^ ju bem beftel^enben Jlird^entl^um ber brei Sonfeffionen tooOten biefe pl^ilabelpl^ifd^en ©emeinben ben ©egenfa^ beS ©eiftes jum ^leifd^ barfteSen. S^bem bal^er bie n)al^rl^aft im ©eifte (Srtved^ten unb @meucr« ten au3 aDen brei (Sonfeffionen in i^nen eine @tätte unb ein S3anb ber SBieberoereinigung ftnben foQten, fo gefd^al^ ed, ba^ l^in unb toieber aud^ bie Butter &^rifti alä ÜRutter ber ©laubigen in ben Jtreid ber biefe @ocietäten bel^errfd^enben toixvtn SSorfteSungen hereingezogen ioarb. Sor Kffem aber foSten bie ©ocietäten ©enteinfd^aften fein, in benen bie Steint« gung unb bie malere SBdllommenl^eit ber @eelen im ©egenfa| jur äleu^erlid^feit beS in bem 93abel ber Sonfeffionen l^errfd^enben fiebend mit ®ifer gepflegt toerbe. S>ie nal^e geglaubte 3Bieber!unft Si^rifti unb bie älufrid^tung beS taufenbjäl^igen 9teid^ed toar baS näd^fte Sxd, für iDeld^eS bie @ocietaten fid^ jurflfteten. Snx Sled^tfertigung il^rer ©ebanlen unb Seftrebungen biente il^nen eine ganj toittfürlid^-attegoriftrenbe ©d^rift« auSlegung, mit ber fie ben unter ber ^üKe bed @d^rifttoorted t)erborge« mn geiftUd^en @d^rift{tnn, felbft mm ©eifte ©otted erfüllt, in volU {ommener @id^erl^eit aufbedten }u lönnen glaubten.

S>ie erfte Slnregung jur SSilbting einet pl^ilabelpl^ifd^en @ocietät lam nad^ eigenem S^^gni^ ber erften betartigen @ocietät, loeld^e bie fromme 3<^ne Seabe unb beren ffrtunbe, SSromle^ unb $orbage 1695 in Sonbon ftifteten, an^ 2)eutfd^lanb, loo biefe SSereinigungen feit bem Slm fange bed ad^t}el^nten 3<^l^rl^unbertS olsbalb in großer S^^ l^ieroorttaten.'^)

*) ®dbei, in, e. 669 ff. rrr fp.

**) Setgl. I^od^l^utl^, Q^efe^d^e ttitb eiüxoiMm^ Ht p]^UitMp|(fd$en ®e« meinben in ytUhn(t*% Stftl^t. fUtf Me W»t. %^tiA. 1665.

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91^01 aXittelimnlt etl^teltett biefel&en in ber ftiSen Sinfamleit bed toxti^ genfieiner @täbtd^en3 Setleburg, tool^in 173Q aud^ ®taf Sinjenborf tarn unb bcv bnvd^ ben ganzen äBeften Z)eutfd^lanbiS l^tn Detbteiteten SBtübetfd^aft ritt« beftimtnte Dtganifatiott gab, bie fretlid^ balb toieber jetfiel, n>e$« l^olb 3i^^i>0Yf i^ntad^ in voUet Unabl^ängigleit t»on bet Scrlebutger Drganifatimi eine neue $l^ilabelpl^ia, nämlid^ bie neue SrübeMlnität mit il^tent bteifod^en XropuS ind SeBen rief.

J>ie 6eele bet ©ocit*t )u SerleBurg war bet Sctbotit beS gottfeli« gen (Srafen Äafintir, Dr. 6arl, ber aud^ afö gemcinfd^aftKd^eS literä^ Tifd^eSDrgan aCer ^l^ilabelpl^ier ©eutfd^Ianbg 1730 eine geitfd^rift: bie ;.,geiplid^e gama" (fogcnannt |um Unterfd^iebe von ber bamafö toeit^: twbreiteten poUtifd^en Sritfd^rift „ßuropäifd^e gonta") fd^uf. 3n ber« fdben puMijirte Dr. 6arl jur toeiteren Verbreitung ber pl^ilabel« |)]|ifd^n (Se^nnnng unb ®emeinfd^aft 1730 bie d^aracteriftifd^e ,;$l^ilas belpl^fd^e ©inlabung", weld^e 1737 in ber unter ^ernl^utifd^em ®in- flulfe vm :3[^rid^on} l^eraudgegeBenen 3ritfd^rift ,,Supplementa ber au§« erlefenen Materialien ^tn ^an beS Sieid^ed ®otteS'' neu abgebrudft twirbc. 3n biefem Slufruf tourben ,,bie unfterblid^ ©eelen ermal^nt, a\x§ bet Sircmtiferen;) ber SJleinungen unb ^affionen in balsSentrutn fid^ }4t feieren }ur älnbetung im @eijte unb in ber SSal^rl^eit.'' S)ie ®e« mutiger, benen ba3 Di^r geöffnet ift, bie ftnb „in il^ren sentimens nid^t bifPerent ; fie l^aben (Sine @prad^e, Oout unb älffection. Slber fold^e Sen« tral^Sinmütl^igleit ftnbet fid^ nur bei benen, bie ou^ bem fleifd^lid^en SBtulftaben unb felbftgetncbelten ätrtifeln in ben Qki^ unb in bie 3Bal^r« l^t felbft beftönbig eingel^en unb bie ^erjenStl^eologie aU ba§ fü^e ^ktt @atteS ^efd^medCt l^aben, fie ntogeti röntifd^-fatl^olifc^, lutl^erifd^, refomtirt tc, l^ei^en. 2)a ftnb Sauler ud, Kempid, älrnbt^ Sleanber ganj Sind. 8^v ttebung ber n^efentüd^en, unumganglid^en @tüd(e beiS S^riften« t^rnnfi: ber SKb^rbung beS alten SRenfd^en unb Sebenbigmad^ung bed ®eifte8 muffen bie teal^ren ©l^riften il^r $erj beftanbig unter il^rer Urbeit 5u ®ott l^alten tmb )u befpen Seförberung töglid^ rine ©tunbe unb Seit toibmen. a)al^ l^at ftd^, anftatt ba^ bie äußeren ßl^riften il^ prit)i(6girten älffembleen, Xabadg« unb anbere Kollegien befud^en, eine geraume 3rit l§er ein fegentjolles ßentrum ber göttlid^en Siebe unb neuen ©rnfte« unter wal^ren pl^ilabelpi^ifd^en ©liebem t)on fflenem eröffnet, IWid&e eittwtber einleben unb auffoi*ern ju ber inner lid^en Seifte«* »erfatnmlung unferer felbft, täglid^ 5—7 HI^. ünb foKte nid^t aud^ «^0^1 Seit frin, bo^ in ber Slbenbftunbe )ttm SBorfabbat^ Me» t)or bem fetm ftiCe, ^äpoceUx ut6> ©fangen jierbrad^en, ja alled ©eräufd^ ber Sinnen unb ber 2ßelt gebämpft toerbe, bamit ber 6d&5pfer bed neuen

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$itnmeld unb ber ®tbe freie SBtrbtng I^Be in benen, bie haxauf Jxuxäm irnb batnad^ J^ungem? tc."

S)iefe Suffotbening fanb in unjäl^Iigen ©emtttl^ent nomentlid^ in SSBütttemberg unb in bct ©d^rocij, ben frcubigften SBäiebcrl^aff. ®ar mU, n^eld^e ed unterließen in ben öußeren SSer&anb ber ^I^Uabelpl^ia einjutreten, gel^örten il^r bod^ ber ©eftnnung nad^ an, j. S, ber fromme Rird^en« ^iftoriler ßl^riftian ©berl^arb SBeißmann juSJübingen, bejfen Historia quietismi (t)eröffentlid^t in ben Memorabiiia ecciesiastica 90n 1745

p. 325 272) ba8 Sefte ift, toaS 6iS auf bie ©egenmart ü6er biefen ©egenftanb überl^aupt im 3)ru4 erfd^ienen, unb t)or 3lttem ©ottfrieb Slrnolb, ber fid^ von bem pl^ilabelpl^ifd^en ©ebanlen, baß ®otte§ SReidJ unter allen ßonfeffionen feine Selenner l^abe, unb ba| barum je^t eine uiu parteiifd^e, von feinem confeffioncßen SSorurtl^eil bel^errfd^tc S3ctrad^tung ber gefammten ftird^engefd^id^tc notl^tl^ue, jur Slbfaffung feiner „Unparteiifd^en Äird^en^ unb Äe|ergefd^id^te" infpiriren Keß. Sitte SDiej|enigcn, h>cld^c baS 3tAi) @otteS unb meldte bie ^ömmigfeit als etn^aS n^efentlid^ ^nnerlid^ anfallen unb pflegten, betrad^teten bie 5ßl^ilabelpl§ta als bie ©cnoffcn« fd^aft; 5u ber fte innerlid^ gei^örten, n)eil fte in i^r baS SQ3efentli(i^e beS Sleid^eS @ottteS ju erlennen glaubten, iDäl^renb fte in ben ßird^n ber Sonfefftonen nur äußere $ütten unb formen fallen, unter bie ftd^ aud^ ber ®eift beS älntid^riftS berge. Unb fo mäd^tig trat biefe mit ber pie^ tiftifd^en Strömung ber 3«it im unmittelbarften ßontact ftel^enbe ©eifteä* rid^tung l^eroor, baß man bereits von einer (heben ben br^i anerfonnten Gonfefftonen beS 9leid^S inS Seben getretenen) qaarta species ber d^rift^ lid^en Steligion )u reben begann. ®rl^alten l^at fid^ inbeffen unter aUen bamals entftanbenen pl^ilabelpl^ifd^en @ocietäten nur @ine, bie ^ernl^uter^ @emeinbe, bie fid^ urfprünglid^ an6) ^l^ilabelpl^ia nannte.

S)er $atte'fd^e ^JJietiSmuS, bie m^ftifd^e Separation unb bie in ben pl^ilabclpl^ifd^en ©ocietäten organiftrte unb repräfentirte religiöfe Slid^tung toaxen nun von 2lnfang an ber frud&tbare S3oben, auf tocld^em ber wm ber quietiftifd^en SK^ftif ber latl^olifd^en Äird^e auSgeftreute ©ame feit bem 6nbc beS ftebjel^nten Qfal^rl^unbertS ju fcimen unb Wo infolge beffen bie SKpftil ber Duietiften als eigentl^ümlid^e gorm eoangelifd^er grömmigleit neu auf3uleben begann.

3n 3)eutfd^lanb l^atte man von biefer religiöfen 9lid;tung juerft oon Seipjig unb $affe aus gel^ört, inbem Sluguft ^ermann grandfe fd&on i. 3. 1867 eine lateinifd^e Uebcrfe|ung beS Guida spirituale oeröffent« lid^te. ©eitbem galt 2KolinoS in ben Äreifen ber 5ßietiften als ein flan3 befonberS erleud^tctes SBerljeug. (SotteS. 2)en 5Ramcn ber ^au von ®\xt)on l^örte man l^ier inbeffen erft einige 3fal^re fpäter nennen,

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al9 jtd^ bie etfte Jtunbe oon bem Streite Soffuet'd unb ^^^elon'd t»er< breitete. 3Ran erful^r, ba^ jte in Bar>otfm gelebt unb geti>it{t l^abe, unb je^t in ber SSaftiSe fd^mad^te. ^ Uebrtgen n)u^te man von x^xem SeBen toenig obet gar ntd^td. SSon i^ren @d^riften waren nur baS Moyen court unb bie Torrents in ben beS ^anjöjtfd^en ftinbigen Greifen l^ier unb ba belannt.

S)er Srfte, ber bie 9[ufmerlfam!eit ber gebilbeten SBelt feiner Qeii auf grau von ©u^on unb beren SKpftil lenftc, war ber reformirte ?ßres» biger $eter !ßoiret, ber, 1646 ju 9Re^ geboren, feit 1668 Pfarrer )u $eibelberg, bann ju 9(ntDeiler in ^^di'S^übxüim getoefen toar, ftd^ ^ier in bie 6d^riften beS 3^omaS a Jlempid unb %auM^ vertieft l^atte unb l^ernad^ t)on 1688 bis 3U feinem 2:obe (1719) ju 9ll^ij|n8burg bei Serben in ftiffer Surüdtgejogenl^eit lebte» ?Poiret befd^ä^gte fid^ nun l^ier DorjugSmeife bamit, bie ©d^riften älterer SW^ftifer (5Rad^foIge 3cfu, beutf^e ail^eologie tc) in« granjöpfd^e ju überfe^en unb bie SBerfe ber Sourignon unb ber ^rau t)on ©u^on ju fammeln unb burd^ ben S)rud( (meiftend mit ^injuffigung längerer SSorreben) )u Derbreiten.

Unter ben erften Seröffentlid^ungen 5Poiret8 toar bie bebeutenbfte bie „§erjen8tl^eoIogie" (t)on 1702) in jtoei Steilen, t)on benen ber erftere bie Ueberfe^ung breier Stbl^anblungen, ben „erleud^teten ©d^äfer", ben „Iur3en Segriff ber SoIKommenl^eit" unb ben „3luin ber Sigen« liebe" entl^ielt. a)er jtoeite Xffdl umfaßte ebenfalls brei inS 2)eutfd^e übertragene Slbl^anblungen : „vom innerlid^en Seben'S „bie nad^ ®ott ftrebenbe Siebe" unb ben t)on % Slapin t)erfa^ten „furjen Segriff ber m^ftifd^en 3!l^eoIogie". äffen biefen Slbl^anblungen tourbe bie quie* tiftifd^e aW^ftif in reinfter %oxm enttoidtelt. 3n bem „lurjen Segriff ber Sofffommenl^eit" mürben brei ©tufen unterf d^ieben : bie Slction ber ooff* lommnen ©elbftentäu^erung , bie paffiT)e eines t)oIßommen leibentlid^eu Serl^altenS gegenüber bem göttlid^en 2:i^un unb bie britte ©tufc, auf ber bie ©eele toeber tl^ue nod^ leibe unb auf meld^er barum ber SBBiffe ganj göttlid^ merbe. ber äbl^anblung beS 5ß. SRapin toerben als 9Jlittel 3ur Sriangung ber Sofflommcnl^eit bie oratio unb bie mortificatio l^cr« oorge^oben. Sie oratio ift tl^eilS meditativa ober discursiva (im Ser« ftanb), tl^eilS affectiva (im SBiffen), tl^eilS infusiva, in toeld^er toeber ber Serftanb nod^ ber SBiffe, fonbern affein ®ott tl^ätig ift. 3)ie mortificatio foff gefd^el^en an ben ©innen, am @ebäd^tni^, Serftanb unb am äßiffen^ fo bafe aus aUen biefen ein m^fttfd^eS Sacuum entfielet, in toeld^em nun ®olt affein toirifam ift. *) Um ju biefem Sacuum ju gelangen, foff man

*) Sergl. ,SllteS unb 92eued auS bem Sd^a^ tlfteologifd^er äßiffenfd^aften ^eröorgebrad^t," 170JJ, e. 637—639.

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naä) Sd^impf unb Sd^anbe ttaäfim (I, 88), foE mm aud^ baS, iood pxx ©eligleit nötl^ig, bie göttlid^e (Srleud^tung, bad Serlangen nad^ Xugenb «l t)on ftd^ tl^un (99). @in redetet Sl^ift foQ Dor feinem ü(e(en ®entd^ bie 9lafe jul^dten (II, 275), er foS leine f^eunbfd^aft fud^en, ioeil btS ©egentJ^eil mit ber Selbftuerleugnung ftreitet (II, 278); er foS ftd^ oSer 3been, bie nid^t jur geiftlid^en SSoKfommenl^eit gel^ören, entäußern unb foS überl^aupt über gar nid^td mel^r nad^benlen (II, 279—280). 3>ann Vjt ed möglid^, ba^ bie @eele )ur DoQIommnen SSergottnng gelangt.

3toei Saläre fpäter (1704) ebirte ?ßoiret von ©d^riften ber grau ». ®U9on bad Moyen court, bie Torrens unb bie äluälegung beS ^ol^en« Uebeä mit einer Siograpl^ie ber SSerfafferin, burd^ toeld^e man über beren Sieben unb Seiben ium erften Wtale genauere Aunbe erl^ielt. S>od^ toor ?Poiret über mand^erlci f alf d^ Bcrid^tet. *) $emad^ l^at ißoiret oud^ bie älutobiograpl^ie ber %xan v. ©upon felbft l^erauSgegeben.

Qn feinem eignen religiöfen Sehen fteQte übrigen^ $oiret nid^t fo« iDol^I ben DuietiSmug ber ^au r>. @u9on al3 melmel^r bie 3R9ftiI ber älntoinette Sourignon**) bar. ©erjenige fjfreunb ^oiret*ä bagegen, ber ald ber eigentlid^e ^erolb ber ^au n. ©upon unb ber quietiftifd^en ^Rpftif im eDangelifd^en S)eutfd^Ianb angefel^en toerben tann, toor ber liebesinnige, fd^roärmerifd^^fromme (SerJ^arb- 3^erfteegen***). 2lm 25. 5RoDbr. 1697 5U 3Reurä (unter oranifd^er ^errfd^aft) atö ©ol^n eine! frommen ÄaufmannS geboren, l^atte fid^ 3Jerfteegen im finabenalter für bie afabemifd^en @tubien vorbereitet, toar jjebod^ nad^ bem frül^en Stöbe be<S äSaterd burd^ bie 3Rutter veranlagt toorben, ftd^ bem fiaufmanndftanbe ju beftimmen. ®d^on bamald l^atte er in frommer Umgebung bie äSege ber m^ftifd^en gtömmigfeit gcfunbcn. ®r entfagte bem rul^elofen ÄaufmonnS« leben, mürbe SBanbmirfer unb lebte in ftitter ßinfamfeit ber ftrengften aScetifd^en (Sntfagung. SSon ba an toar fein ganjeS inneres unb äußeres

*) ®r beaetd^net 3. ^. a(S ©eburtSort ber grau ^on ©ul^on ben Rieden ^ion in ber ^ubergne!

♦*) SCntoinette »ourignon, 1616 gu 3fl^ffel in glanbern geboren, toar 1680 5u graneder ^gcftorbcn. 3n il^ren jal^lreidjen ©d^riften (toeld^e ^oiret fammelte unb feit 1679 gu 2lmfterbam in 21 a3änben l^erauSgab,) legte fie il^re tounber^ baren SSiponen unb Offenbarungen, beren fie fic^ ju erfreuen glaubte, nieber unb tt>arnte in begeifterter Siebe bor bem falfd^en ©otteSbienfte, ber in aSen ^ird^en l^etmifd^ fei, inbem nur ein auf böUiger äBeltentfagung, auf unbebingter Eingabe an ben göttlid^en äBiUen berul^enber innerer ^anbel in ber ©egentoart ©otteS, nur inneres ©ebet, innere ©rleud^tung bie ©eele ^ur SSereinigung mit ©Ott unb gum toal^ren 2eUn bringen !5nne.

***) ä^erglt ®. .Kerlen, ©erl^arb Xerfteegen, m^f^tim a. b. 9lul^r, 1853; unb ®ö bei, III. @. 289—447.

Ö03

2c6en ein Slbbilb bcffcn, was ftd^ in ber ScbcnSfßl^ung bct quietiftifd^cn SK^ftiler al3 gemcinfamer ß^araftcr berfelBcn barflelltc, 3lm ©tun* bonnerftag 1724 Derfd^rieB er ftd^ bcm (Sriöfcr mit feinem eignen Stute ium auSfd^Iiefelid^en, bleibenben ©igent^um. SJict Saläre fpäter legte er fein ^onbtDerl nieber, um fernerl^in für bie SSielen, tpeld^e fid^ il^m an« t)ertraut Ratten, als ;,©eclenfül^rer" ungeftort tl^ätig fein ju fönnen. 2lu|er SWüI^eim, wo ^lerfteegen lebte, toar baS jtoifd^en 3KüIl^eim unb ©Iberfelb gelegene Stdergut Doerbecf ber ©ammelpunit feiner Slnl^änger. $ier ^atte ein^reunb S^erfteegen'S, bem baS ®ut gel^örte, ein« „^ilger« ptte" errichtet, in toeld^er eine Slnjal^I ertoedfter Sröber unter einem SSorftel^er in aScetifci^er Strenge bem ©ebct unb ber 3lrbeit lebten, um ju immer t)oH!ommncrer SReinigimg il^rer ©eelen 3U gelangen. 3^^ ©eelen< fül^rer mar 3^erfteegen. älnbere SWittelpunfte feiner 3Bir!famIeit toaren (SIberfelb, Sarmen, Grefelb (too er in ber SWennonitenlird^e einmal bie Äan3el beftieg) unb ©olingen. Sängft mar er in ben an biefen Drten ftatt« ftnbenben 6ont)entiIeln al§ ein mit ben munberbarften ®aben auSgeftatteter 5ßrebiger be!annt geworben. Slber aud^ im ©iegener unb SEBittgenfteiner Sanbe, in ^Jranfen, in ber SSJetterau unb $falj, fomie in §ollanb unter ben einfam lebenben Jüngern ?ßoiret*0 jäl^lte er begeifterte Sttnl^änger in großer S^i^l; ja felbft nad^ DftfrieSlanb, Sänemarf, ©d^toeben imb 5Pen« fpbanien l^in ftanb er mit geiftlid^en greunben unb SSerel^rern als ©eelen« fül^rer in brieflid^em SSerfel^r. $^n 88eranlaf[ung beS au^erorbentUd^en Sluffel^enS, toeld^cS feine SEBirffamfeit mad^te, lourbe ber Dberconfiftoria ratl^ ^edEer t)on Serlin ju Serfteegcn gefanbt, um fein S^reiben 3U unter» fud^en. $cdfer unterfud^te aud^ baffelbe genau, mürbe aber infolge beffen SIerfteegen'S innigfter ^reunb. 3n bie ®^e ift 3^erfteegen (ben Sin« fd^auungen ber SKpftil jener 3^it getreu) nie getreten. ®r ftarb am 3. SKpril 1769.

2^erfteegen erlannte eS als e^angelifd^er ßl^rift, ba^, „toenn h>ir feinen S^f^m für unS l^ätten, lt)ir nimmer einen Sfefum in unS be* iommen toürben", unb bcmül^te ftd^ barum ber eüangelifd^en Seigre t)on ber Sfted^tfertigung il^re ©tellung in ber Seigre vom d^riftlid^en §eile 3U ftd^ern; aber bie 3Kt)ftiI l^at il^n bod^ übermannt, unb barum lonnte er fid^ mit ben §ernl^utern, meldte jtoifd^en Sled^tfertigung unb Heiligung unterfd^ieben, nid^t jured^tfinben. ®r ift nie aus ber reformirten Äird^e ausgetreten, aber er l^at bie 2^^etlna^me an beren 2lbenbmal^lSfeier be« l^arrlid^ oerfd^mä^t, meil, lt)ie er fagte, fein ©emiffen i^m verbiete, mit aBBeltfinbern unb ©ottlofen 3um %x\ä)e bes §errn 3U gelten, ©eine erftc SSeröffentlid^ung mar fein „$anbbüd^lein ber maleren ©ottfeligleit" (oon 1726), eine Ueberfe^ung beS Manuel de Piöt6, meld^es ber urfptünglidj

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ictnc ßrfförung, btc bcn inneren Swftanb beS geifttid^en ScbenS ober bie SBege unb SBirlungen ®otte§ in ber ©celc ju beren Steinigung unb ®t« leud^tung unb Seteinigung mit S^m ju erlennen giebt. ©cbtutft 3tt SetleBurg, im 3al^r unfereS (StIöfetS unb UrfprungS ber l^eil. ©i^^rift Sefu (S^rifti 1726" (addier S^eil: 1742). S3ei ber SBeranftaltung biefeS SSiBelwcrfeS toor in J^ertjorragenber SBeife ber ©tra^urgct M. Sol^ann $einrid^ $aug (f 1753) Bctl^eiligt, ber feiner pl^tlabclpl^ifd^ett ©efinnung toegen (um 1715) Strasburg l^atte t)erlaffen muffen. Unter« ftü^t tourbc berfelbe t)on bem geiftegDermanbten Snfpector unb ^Pfartet ©d^effer ju Serieburg unb STnbem, feltfamer Sffieife eine Seitlang aud^ von bem IläglidBen S^f. ßi^rift. ©beimann. 91IS ©runblage rourbc bei ber ^Bearbeitung beS Sibeltoerfg bie SJlarburger Sibel benu^t, h)eld^e im SSortüort beffclben bie „fleine mpftifd^e Sibel" genannt toirb. Sitten ßl^aralter unb il^re l^auptfäd^Iid^fte Sebeutung crl^ielt jjebod^ bie Serie« burger Sibel baburd^, ba^ in biefelbe ein t)on bem ©rafen ßafimir ju Berleburg in beutfd^er Ueberfe^ung angefertigter SluSjug auS ber Sibel« erllärung ber grau t). ©u^on aufgenommen lüarb.*)

3ll3 biefe Serleburger Sibel erfd^ien, n>aren bie Sibelerllarungen ber grau d. ©upon in 3)eutfd^lanb nod^ nid^t belannt. Salier trug jene t)or3ugSn)eife baju bei, beren 3luffaffung be§ ©d^riftmortS, überl^aupt beren SW^fti! in allen religiös erregten Äreifen 3)eutfd^Ianb§. belannt unb toir!fam 3U mad^en.

^^axM ^tctot, 3Rat(rtti$ @t ®eotge be 3Ratfa)|*

Sitte bisl^er berül^rten ©rfd^einungen, in benen fid^ ein fjortleben ber quietiftifd^en 3W9ftif auf bem Soben ber et)angelifd^en Äird^e ju er« fennen giebt, maren in SBal^rl^eit bod^ nur SRad^n)irlungen 3)effen, toaS fid^ auf einem anberen SebenSgebiete ber Äird^e geftaltet l^atte, toaS barum ber ecangelifd^en Äird^e urfprüngli^ fremb toax, beffen ©egen man aber auf biefe übertragen unb in biefer bergen lüottte. 3)ie quie^ tiftifd^e SKpftil I)at aber im eoangelifd^en 3)eutfd^Ianb aud^ einen ganj felbftftänbigen Vertreter unb in biefem ben Segrünber einer neuen ber legten ^eriobe il^rer ©efd^id^te erl^alten, in beffen S««^^^« P<^ i^^

*) SSergl. „S)ie SSerleBurger ©ibel" \>on Dr. SB in de l ju ScrlcBurg in ber Jöonner ,,3KonatSfci^tift für bie eöangeL Äirdje ber fft'f)ünpxo\>m «• SBeftpl^alen«" 1861, ©. 1—33 unb 59—68.

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Ouietidmud in berfdben Urfprüngltd^Ieit geftaltete, ioie eis einft in b^ @eele einer %f)exe[xa t)on Sefu^ unb eines %xani von @ales gefd^el^en loar. @d ta)ar biefed ber franjöfifd^e SRarquid ((&f)atU^ ^ectot) @t ®eorge be SRarfa^. 2)erfelbe gel^örte, feitbem er nad^ S)eutfd^lanb gelommen n>ar, ber p^ilabelpl^ifd^en ©emeinbe ju Serieburg an; aber auf bem ]^eQbun!eInen ^intergrunbe berfelben l^ebt jtd^ bad 93ilb feiner ^erfönlid^Ieit in ber DoQen, leud^tenben @(^ärfe unb Jllarl^eit eineiB gan) aHein auf ftd^ felbft berul^enbcn unb aus fid^ felbft erroad^fenen SebenS l^erDor, eines SebenS, in beffen tiefem ®rnfte fid^ juglcid^ gegenüber bem ^ammerlid^te ber latl^olifd^en SRpftif bie 3Rad^t ber eoangelifd^en 933al^rl^eit fiegl^aft unb i^errlid^ erlpeifen follte.

^Rarfap ftammte Don altabligen reformirten ®Itern ab. S)od^ n)ar er nid^t auf ber (in ber 5läl^e T)on SRod^effc gelegenen) Surg feiner 38äter, fonbem (1688) in $PariS geboren, wo fid^ bie ßltern nad^ ber Slufl^ebung t)eS @bi!teS t)on 9lanteS verborgen l^atten. 93on frommen Pflegeeltern (GafteK in ^aftrid^t) in gottfeliger SOSeife erlogen, laS er als junger ÄriegSmann mit großem @ifer reformirte Slnbad^tSbüd^er, aud^ ben 2i^omaS von Sempen, unb fa^te mit einem grcunbe, bem Sieutenant Gorbier unb bem gleid^gefinnten fjelbprebiger Saratier ben Sntfd^Iu^, bie SDSelt ju Der« laffen, in eine @inobe ju jiel^en unb bort nad^ bem SSorbilbe ^efu ein armes, ganj bem $errn gelpei^teS Seben in ©rtet unb ®ntfagung ju filieren. 3)a nun ein ©ol^n feiner ^Pflegeeltern, ber eJ^cmalige gräflid^ SQSittgenfteinifd^e SSebiente unb Sarbierer ßaftett eine ®räfin SEBittgenftein gel^eiratl^et l^atte unb mit biefer unb feinen beiben Äinbern in ber ©tille gu ©d^lDargenau lebte, fo gefd^al^ eS, ba^ aud^ ^arfa^ mit feinen beiben greunben nad^ ©d^toarjenau jog unb ftd^ mit benfelben in einem ^äuS« d^en faft einfieblerifd^ einrid^tete. a)er ftrcngften 3lScefe ergeben (SKarfa? t)erbitterte fid^ fogar äffe ©peifen burd^ SBermutl^), trad^teten nun bie S)rei barnad^, unabläffig in ber ©egentoart ©otteS ju leben unb burd^ fleißige Uebung im ©ebet jum ftifffd^roeigenben ^erjenSgebet ju gelangen* SBarfap, ber fid^ balb t)on ßorbier trennte, übergab fid^ ganj in bie ^anb ©otteS unb jtoar „ol^ne SSorbcl^alt, auf ©nabe unb Ungnabc", unb fül^Ite fid^ affinälid^ oon ber ©tufe beS finblid^en ©laubenS auf bie beS fd&madE« l^aften ©laubenS erl^oben, auf ber er alsbalb aud^ innere ©timmen beS ©eifteS ©OtteS ju t)ernel^men glaubte. 6ine fold^e ©timme fagte il§m, ba^ er bie gleid^faffS m^ftifd^ ertoedEte gräulein 6lara ®lifabetl^ von ßaffenberg, bie ebenfäffs in ©d^toarsenau lebte, el^elid^en, mit berfelben iebod^ nur in geiftlid^er, nid^t in peifd^Iid^er SJercinigung leben fofftc. ©el^orfamlid^ folgte SKarfap ber ©timme, el^elid^te bie Saffenberg unb lebte mit il^r (oft unter ben fd^roerften Slnfed^tungen) in nie ©erlebter

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Sntl^altung. 3^^i^^I toanberte er nun mit fetner ,,getjUt(l^n <l|e« fd^wefter'' ju ^u^ nad^ ®enf^ ioo feine ÜRuttet lebte unb tvai bott ben jalilreid^en SSete^tern ber %xa\x t)on ©u^on, h^eld^e fid^ üBeraE im Sanbe fanben, in SSerlel^r. SBäl^tenb ÜRatfap bis bal^in fid^ DOtsugd« ioeife an bie älutorität ber 9(ntoinette SBourignon gel^alten l^atte, ftieg tt je^t über biefelbe l^inauS, inbent er fid^ in bie Sd^riften ber %v(m von ©u^on unb in bie eigentlid^e quietiftifd^e ÜRpfti! vertiefte.

SWarfa? unb feine ßl^efd^loefter l^atten auf il)rcr jtoeiten Sletfc in (Senf in ber toonnigflen geiftlid^en 3)runfenl^cit gelebt, auS ber fle jiebod^ fel^r balb toieber jur troftlofeften 5Rüd^teml^eit ertoad^tcn. 3»« bie ^eimot^ 3urüdfge!e]§rt; legten fid^ bal^er beibe nod^ ^erbere @ntbel^rungen auf voxf)ex unb fud^ten S5u^e im ©adE unb in ber Slfd^e 5U tl^un. Aber bie fü^e Smpfinbung ber ©egenmart ©otteS toar t)erIoren; SKarfa^ föl^Ite fid^ in ben ©tanb gciftlid^er 2lrodfen§eit unb SDürre l^inabgetoorfen. 3^ gleid^ beunrul^igte i^n ber ©ebanle, ba^ ein Unred^t gegen bie älrmen fei, toexin er Don 2Kmofen lebe, ttjeld^e anbercn Slrmen 3U ©ute fcntmen lönnten, loäl^rcnb er unb feine (Sl^efd^toefter änfprüd^e auf il^r beiber* feitigeS (grbe l^ätten, infolge beffen reifte SKarfap im ©ommer 1717 mit gclicl^enem ©elbe nad^ $ßariS, um ftd^ Don ba bei feinem Sruber fd^riftlid^ anjumelben. STud^ l^offte er »on ^aris au^ 3f^au von ©u^on^ an h)e[d^e il^m ber SRajor von §ad^enburg in 5Reun)ieb ein ®mpfel^Iung«* fd^reiben mitgegeben l^attc, in SloiS ju befud^en. Seiber erful^r er jcbod^, ba^ bie Dcre^rte SDame lurj voriger cntfd^Iafen fei. Um fo mel^r freute fid^ 5Karfat| in 5PariS beS Umgangs mit il^ren bort lebcnben geiftlid^en Äinbern, namentlid^ mit bem ©d&roeißer ®ut)al, ber il^n einige Saläre früher in ©d^marsenau bcfud^t l^attc. SSon feiner gamilie erful^r er, ba^ ber ©ruber als l^annöüerfd^er (grofebritannifd^er) ©efanbtc in ©enf, bie übrigen älngel^örigen in 6eQe bei ^annovzx lebten.

S)er ßinlabung beS SruberS golge gcbenb, jog nun SKarfa? nadj ©enf, too er fid^ alsbalb von ben fc^toerften Slnfed^tungen l^eimgefud^t fül^Ite. ©eine bisl^erige (Sinbilbung Don eigner ^eiligfeit unb t)on bem SQäertl^e cincS äu^erlid^ armen unb ftrengen SebcnS in felbftgeroirlter 2^ugenb mad^te fid^ il^m in i§rcr ganjen 5Rid^tigfeit fül^Ibar. 3!)aS ein3ige, beffen er fid^ ju getröften tonnte, toar feine gänjlic^e Uebergabe an ©Ott auf ©nabe unb Ungnabe. 2luS feinem bisl^erigen Sid^t* glauben voUex Serfid^erung unb ©etoi^l^eit ging er je^t in ben bunleln, nadften ©lauben ein, ber alter ©tilgen unb ©emi^^eiten entbel^rte. UebrigenS 30g er an vkUn Drten ber fran3öfifd^en ©d^roeij um^er, überall bie ber quictiftifd^cn SWtiftil ergebenen ©ruber unb

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€^e{ietn auffud^enb unb leierte enblid^ 1719 mit feiner @l^efd^n>efiter in bie füDe Sinfamleit 3U ©d^hoatjenau surüd.

^ier ettoad^te in il^m plö^Ud^ baS S3et(angen, ftd^ burd^ öu^ere Slrbeit ber aSelt nü^lid^ ju mad^en unb fid^ fein 99rob ju Derbienen. @in tH^r^ mad^et @ Ott f rieb Aod^ auS Sinbau, ber il^n befud^te, erbot ftd^, i^m bie Ul^rmad^erlunft 3U leieren. S)iefed ^e^af), unb n>äl^renb fid^ nun IDlarfa^ oon Jtod^ im SSerferti^en Don Ul^ren unterrid^ten lie^, fül^rte er biefen in bie quietiftifd^c SKpftif ein, mad^te il^n mit ben ©d^riftcn ber ^au t)on ®U9on, 9ertot*d, bed ^tOi^anneg 00m Areuje unb Semi^re'd belonnt, unb trat )u Jtod^ ganj in ba3 93erl^ältni^ eine3 ©eelenfül^rerS jum geiftlid^en @ol^n ein.

©0 verlebte SKarfop ficben Qlal^re in tieffter ©titte. 2)a tarn nai) bem 3lobe bes ©rafen ^einrid^ (1724) beffen Sruber, ber rol^e ®raf ätuguft, }ur Siegierung. 3)erfelbe ioax nid^t geroiQt, bie jal^lreid^ im £anbe oorl^anbenen ©eparatiften länger 3U bulben. S)ie Seeleute ^arfa; verliefen bal^er il^r einfam gelegenes ^äuSd^en, ^ogen über $eibelberg nad^ Safel, fallen ftd^ jebod^ l^ier burd^ bie Dermitttoete ©rdftn in bad äBittgen- fteiner Sanb 3urüd(gerufen. 93eibe folgten bem Stufe unb lamen bal^er nad^ Berleburg jurütf, h)0 fte t)on allen ^pi^ilabelpl^iern mit ^nbd empfangen mürben. SRarfa^ nal^m nun aud^ an ben im ©d^loffe toieber eingerid^teten gottedbienftlid^en SSerfammlungen (an beren ©pi^e er ftd^ unh)ill!ürlid^ gefteUt fal^,) Xl^eil, jog aber balb tt)ieber in bie @infam!eit ju ©d^tDar« genau über.

3n biefe S^it P^I ber Sefud^ beS ®rafen von Sinjenborf in ©d^mar« jenau unb Serieburg. Si^S^^i^örfS Slbftd&t mar, bie bortigen ©eparatiften unb beren jerftreuten älnl^ang ju einer l^ernl^utifd^en ©emeinfd^aft ju organifiren. 3Slan f)aite feiner ^nlunft mit ©pannung entgegengefel^en, unb ber ©inbrudf, ben bie gereifte 5ßerfönlid^feit auf Sitte, bie i^n bort fal^n, mad^te, toar getoaltig. 2lud^ SJlarfap fül^lte fid^ mäd^tig t)on il^m ongegogen unb grau Don SKarfa? toar t)on 3iw}ß^borf gerabeju beraufd^t. „©ie mar ganj au^er ftd^, unb il^r Seift mar in einem fo ftarfen 3^reibcn unb SSBirlen unb fo trunfen oon ber ©ü^igfeit, bie il^rem inneren ©inne mitgetl^eilt ioar," ba^ ÜJtarfap fürd^tete, bei il^rer förperlid^en ©d^toäd^^ lid^Ieit mürbe i^re ©inbilbungälraft fid^ übermäßig erl^i^en unb il^r ®cift in SSertoirrung geratl^en. ©ie fonnte ben ganjen %a% mit ber größten Snbrunft t)on geiftlid^en 2)ingen reben unb äußerte babei, ba^ fte nad^ ^eml^ut geilen unb als Slpoftelin umJ^ergiel^en muffe, um baS in il^r brennenbe geuer auäjugie^en. grau v. SBarfa? t)erfiel barüber enblid^ in eine bebenllid^e Äranli^eit. 3Karfa9 üerfud^te atteS 3Dl6glid^c, um baS il^m fo tl^eure Seben leiblid^ unb geiftlid^ toieber aufjuvid^ten. 3" ^^

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inneren Stäftvfifeti, ioeld^e et bolei erfüllt, taurbe eS iJ^nt; unb aUm&^li^ mij feiner Sl^efd^roefJer, Har, ba^ ber ®runb beS SetbenS, roeld^eS über ffe Beibe gefornmen, barin liege, ;,ba^ fte nii^i in bem ©tanbe beS bunlelcn ®lauBenS geBIteBen, fonbem jtc^ lieberlid^er Sffieife an bie ßreatur (nämRdJ an Si^tjenborf) gei^angt unb geiftlid^e $urerei getrieben l^ätten/' inbem ginjenborf in il^rem $er3en ben 5p[a^ eingenommen l^abe, ber allein bem l^erm Qefu geBüre. 85eibe fagten jtd^ bal^er je^t innerlid^ t)on Sinjenbotf gerabe3u log, nm§ freiließ nid^t ol^ne fd^meren ftampf unb nid^t ol^iie }urüdCB(eiBenbe Sitterfeit gefd^al^.

S)iefe§ jeigte ftd^ namentlid^ in bem SSerl^alten SRarfa^'lB, ber je^ aDer äSelt ben SftüdCen !el^rte unb fid^ von aSen SSerBinbungen loSfagte, um baS 9(ngeftd^t feiner ©eele allein auf ®ott }U rid^ien, tooburd^ er in bem innerftcn „ßentrum feiner ©eele" ate in feinem „^eiligtl^um'' einen neuen unauSfpred^Kd^en @inbrud t>on ber üRajjeftät ®otteiB erl^ielt. ÜRarfo^ f^ M 1^$^ i^ ^^ @tanb be§ unBetoeglid^en unb unaBläfflgen @eBeted emporgel^oBen, in meld^em aOeS SKnbere a\x^ feiner Seele entfd^tounben unb nur ber ®ebanfe an ®ott in berfelBen geBIieBen toar.

3n biefer ftillen inneren 9l6gefd^ieben^eit mürbe SIRarfa? (i. 3. 1732) eined Xagtd t>om gräflifd^ ^nd^enBurgifd^en ^ofmarfd^Q t)on ^rufd^ent unb ber ®attin beffelBen, einer geBorenen t)on gleifd^Bein, Befud^t, melij^e legiere baS ®efpräd^ alsBalb auf il^ren Sruber lenfte, ber, toie fte fogte^ fxij mn feiner frül^eren Seibenfd^aftKd^feit unb aSBeltlid^fcit jur inneren ®ottfeIigIeit Belel^rt l^atte. 3txä)t lange nad^l^er trat ^err o. gleifdJBein mit ^arfa^ felBft in SSerlel^r^ unb mad^te il^m üBer feine oft „entfe^Iid^en Seelenjujlänbe" SB'Wtl^rilung, in fjolge beffen nun SRarfa? ganj eBenfo^ hrie dS in ber lat^olifd^n ftird^ HBli^ nKir, bie @eelenfül^rung ^(eifd^^ Bein** üBernal^.

SRarfa^ ff|medEle j|e|t hm feiigen ^eben ®otteiS wie nie juoor, n^edl^alB eS il^n innerlid| trieB, bie @rfa|tungen, bie er in feinem Umgang mit ®oti gemad^, burd^ SEufjeid^nung berfelBen aud^ 9(nberen ju ®utt iomnven ju laffen. So entftanben feine ,,^eimüi;l^igen unb d^riftlid^en «iöcurfe*', 50lorf«9 bidirte WefeKen in ben ^fycm 1734 unb 1735 ,,«uS ®el^orfftm*', o^ne »orgÄngige SRebitation, aBer in reiner, feüger SDntemf^Iotkm feiner f$r«u in franjlififd^et Bpxa^, unb ^leifd^Bein fibev» fe^te fte unb gab fie mit einer SSorrebe l^rauS, in meldtet er bie ^ott ton ®u9on oÜB eine af)oftoIifd|e tmb in ®oit «oDenbete l^lige Seele pried. !Starfft9*d („9<m ®ott ifl^m in'd l^etrj gelegt") SlBfid^t toar baBei „eine mitleibenbe Siele gegen aSe Stenfd^en feines ®leid^en, unb einr Brennenbe, bod^ rul^fame Segierbe, il^re SBetel^rung unb Seligfett ju U^ fSrbem."

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9Rarfa9 ioar noci^ mit inefen SHdcurfftt fotoie mit her 3luf jeid^nung feiner @rtlärung mel^rerer biblifd^en SSüd^er Befd^öftigt, als i§n $err 9on t$I^if<^bein einlub, in fein (nid^t tveit t>on ©tegen ttnb S>tl[en6uvg gelegenes) äUetlid^eS @d^(o^ ^a^n (ober ^apnd^en) überjufiebeln. S>ie (&)ümte äßorfap folgten biefer @inlabung, unb ha auf bem ©d^loffe ^a9n aud^ bie 3)ienerfd^aft imS lauter Srtoed^en (efitanb, unb ba femer einige 3^it nad^l^er nod^ bie ^au o. SHobenl^of, eine geborene o. ^leifd^^ ietn^ mit il^em @o]^ne fid^ ebenfalls in bemfelben nieberlie^^ fo toar l^iet eine beträd^tlid^e ^auSgemeinbe t»erfammelt, bie von BRorfap geleitet unb 9on @inem ®eifte befeelt, nad^ ben Stegein ber %xm oon ©upon mit großem @rnfte bem ^erjengebet lebte, unb bie burd^ il^e SSerl^errlid^ung beS !Ramend 3sfu toie burd^ ben in il^r toaltenben feiigen trieben ®otted eine ^adtel bed d^riftlid^en @eißeS für bie ganje Umgegenb marb« ^arfap «erlebte bal^er wä^renb feined fünfjäl^rigen 9(ufentl^alted }u Qatitt feine gefegnetfte 3^^ M beren ^öl^epunfte er üoQ onbetenben S)anled auf bie SBege @otteS mit il^m 3uräd(fd^auen lonnte, als er 1738 auf Sitten beS ^errn o. gfleifd^bein fein unb feiner (Sattin Seben aufseid^nete.

SBiet ^al^e fpäter, nod^bem bie ältere ^rou oon ^^leifd^bein bereits entfd^lafen \t>QX, erfolgte (21. ^ebr« 1742) ber 5Cob ber ^au o. SRarfa^^ ^,@ieben 3Sod^en lang l^atte fie in aller (Seloffenl^eit ol^neben gering ften Xroft ober Hoffnung, barauS jemals erlöft )u toerben, bie l^öHenpein in ber SRad^folge i^reS ^eilanbeS erbulbet."

SRarfap feierte nun toieberum nad^ ©d^marjenau jurüdC, mo er fid^ ki einet äßittme $rdtoriuS, geb. f^renSborff, in bie ftoft gab; allein feines SldbenS bofelbft follte nid^t lange fein. 3m ^ai 1745 lie^ ber SRatl^ grenSborff ju Slrolfen feine ©d^mefter fammt SRarfa? in einer Autfd^e 5u fid^ abl^olen, ioeil er gefäl^rlid^ erlranit h)ar. Son Slrolfen aus begab fid^ bann SRarfap nad^ ^ßprmont, lebte l^ierauf eine 3^i^^<^^0 in älltona, l^emad^ auf bem @\xie älmbleben bei äBolfenbättel^ nal^m aber fd^lie^lid^ feinen bleibenben SBol^nfi^ bei tJtau 5ßratoriuS in bem ©orfe @obelSl^eim bei Slrolfen. ^kx lebte er bis }um Xobe ber %xavL ^rätoriuS faft fed^S Sö^te lang, toäl^enb toeld^er Seit er jebod^ öfters ju ben gfreunben in ^^rmont, ^a^n unb an anberen JDrten reifte. SHe le|ten ^nfj^l^n SRonate feines SebenS brad^te ber ®reii$ bei ben SSermanbten )u Smbleben ju, mo er am 3. f^ebruar 1758 feiig entfd^lief.

3Rxt bem Slbjug 3Rarfa9'S ouS Sd^ioorgenan oar aber in bem inneren. Seben beS frommen SRanneS aEmäl^lig ein neuer, gewaltiger Umfd^h)ttng eingetreten. Sei feinem erften Slufentl^alt in ^^rmont unb fpäterl^in, toar IRarfap mit mel^reren ®eiftlid^en, toeld^e fid^ mit großer ®ntfd^iebenl^eit )um 6pener'fd^en ^ietiSmitS belonnten, numentlid^ mit bem W>i @tcitts

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nte| vom Jllofter S3ergen unb bem Pfarrer ^efentuiS }U fjfranlfurt in Setül^rung gelommen. @r ^atte an ben erbaulichen SSerfammlungen, tt>eld^e biefe unb Xnbete l^ielten, X^eil genommen unb l^ier, im Jtteife ber ^ietiften, l^atte er enb(id^ gefunben, toa^ er in feinem langen Seben mit fo Dieler 9Jlül^e unb Slrbeit vergebens gefud^t, ben toal^ren ^rieben ©otted in ber Derbienten unb und gefd^enften ®ered^tig!eit 3^fu Sl^rifti. S)al^er fd^rieb er an ben alten ^eunb Ro^, beffen @eelenfü^rer er ge« roefen: „^tir mid^ ift nunmel^r bie ein5ige retirade, ba^ id^ bie ertoorbenc unb allgemeine ®nabe ^t\\x Sl^rifti annel^me unb ergreife, unb auf ge« meine älrt nad^ unferer Aird^e eoangelifd^et Seigre burd^ ben ©lauben an 3efum l^offe feiig }u roerben, unb burd^ fein treueres SSerbienft allein einen S^S^^B 3^ ®^^^ ^^^^^ ^^^ i^^'^ ungead^tet id^ mid^ in mir felbft immer ol^nmäd^tiger unb entblößter ton allem ®uten ju fein bepnbe."

Roä} oerftanb biefe 2Borte nid^t; aber iDöl^renb ^au v. ^arfap ald äd^te Duietiftin geftorben mar, entfd^lief SRarfap felbft als evangelifd^er Sl^rift.

3m großen Jlreife bet SSerel^rer SRarfap'd blieb beffen fd^lie^lid^ed @ingel^en in ben ^eben beg @t)angeliumS unbead^tet. %iSiV biefen galt öielmel^r, toaS ber 3^erfteegianer 2B. SBBedt im S8orh)ort ju feiner 1769 angefertigten (Sopie ber SebenSbefd^reibung SKarfapS erllärte: „3« f^i«^ Se^rart ^at er mel älel^nlid^Ieit mit ber tl^eueren SRabame ©upon unb fül^rt gleid^faEs bie @eelen auf ben 9Beg be§ bloßen ©laubenS ttnb ber reinen Siebe burd^ eine gänjlid^e älufopferung an ®ott unb an Seinen äßillen unb burd^ eine grünblid^e 91 bft erbung t)on allen 2)ingen unter ber Seitung beS @eifte3 3cfu, ber fein @ing unb Sllleä toar."

SDad ®ttbe bed duietidmud in ber eDangelif^en ^fitr^e Seutf^Unb^

unb ber ®$toei)*

S)er belannte ©d&riftfteller Äarl $l^ilipp ÜRori^ (f 1793 afe $ro* feffor ber 2lltertl^umS!unbe unb ber SJI^eorie ber fd^önen Äünftc an ber Slfabemie ju Serlin), erjäl^lt in feiner (in fjorm eines ^^pfpd^ologifd^en SlomanS" unb unter bem Sitel „Slnton SReifer" 1785 oeröffentlid^ten) ©elbftbiograpl^ie (©. 1—6) ^olgcnbeS:

„3n ^.; einem Drte, ber toegcn feines ©cfunbbrunnenS berühmt ift, lebte nod^ i. Q. 1756 ein ©beimann auf feinem ®utc, ber baS $aupt einer ©ecte in 35eutfc§lanb h>ar, bie unter bem Flamen ber Duictiften

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ober ©e|)aratiftcn Mannt tft unb beten Seigren t)orjügIid^ in ben ©ci^riftctt bcr SKabamc ßJu^on entl^alten."

,;S)er ^ert t). g. (fo l^ie^ btefer ©belmann), too^nte l^ier t)on alten übrigen ßintool^ner beä Drtä unb i^rer Sieligion, ©itten unb ©ebräud^en ebenfo abgefonbert ix>ie fein §au§ t)on ben irrigen burd^ eine l^ol^e 5iJlauer gefd^ieben toar, bie eS t)on aHcn Seiten umgab. 35iefeS §auä '^W'^ mad^tc c; für [id^ eine Heine SRepublil auS, toorin getoig eine gan3 anbere SSer«

:i: föffung als; runb uml^er im ganjen 2anbe ^errfd^te. 2)aä ganje ^auS«

rji; tocfen big auf ben geringften 3)ienftboten beflanb au§ lauter fold^en ^er«

h:: fönen, beren Seftrebung nur ba^in ging ober ju gelten fd^icn, in il^r

'j Siid^tS (h)ie bie SDlabame ©upon nennt,) tüieber einjugel^en, alle Seiben-

fd^aft 3u ertöbten unb alle ®igenl^eit auszurotten." ei „2llle biefe 5ßerfonen mußten fid^ täglid^ ßinmal in einem großen

::■ Simmer beS ^aufeö ju einer 2lrt üon ©otteäbienft t)erfammeln, ben ber

ir ^err u. felbft^eingerid^tet l^atte unb meld^er barin beftanb, ba^ fie

fid^ 3lIIe um einen 3:ifd^ festen unb mit 3ugefd^loffenen Slugen, ben Äopf auf ben 3^ifd^ gelegt, eine l^albe ©tunbe karteten, ob fie ettoa bie ;: ©timmc ©otteS ober baä innere SBort in fid^ t)ernel^men toürben.

;: SSBer bann etmaS oernal^m, ber mad^te e6 ben übrigen btfannt."

„S)er §err o. g. beftimmte aud^ bie Seetüre feiner Seute; unb toer oon ben Äned^ten ober 3Rägben eine müßige SSiertelftunbe l^atte, ben fal^ man nid^t anberS alg mit einer oon ber 5!Jlabame ©upon ©d^riften t)om inncrn©ebet ober bergleid^en in ber §anb in einer nad^benfenben ©tettung fi^en unb lefen."

„aitteS, bis auf bie Ileinften l^äuälid^en Sefd^äftigungen, l^atte in biefem §aufe ein ernfteS, ftrengeä unb feierlid^eS anfeilen. Qn allen SJlienen glaubte man ©rtöbtung unb SSerleugnung, unb in atten ^anblungen SluSgei^en auS fid^ felbft unb ©ingel^en inS SRid^tS ju lefen."

„S)cr §err t). g. ^atie fid^ nad^ bem %oie feiner erften ©ema^in nid^t mieber üerl^eirat^et, fonbern lebte mit feiner ©d^mefter, ber ^Jtau v^ Sß, in biefer ßingejogenl^eit, um ftd^ bem großen ©efd^äfte, bie Seigren ber 3Kabame - ©ut)on auäjubreiten, ganj unb ungeftört toibmen JU lönnen."

„®r ftanb jebe Slad^t breimal ju beftimmten ©tunben auf um ju beten; unb bei 3!age brad^te er feine meifte 3ßit bamit ju, ba^ er bie ©d^riften ber SWabame ©u^on au§ bem ^ranjöfif d^en überfe^te, bie er bann auf feine Äoften brudcn lie^ unb fie umfonft unter feine Slnl^änger auStl^cilte."

„2)ie i8e^ren, loeld^e in biefen ©d^riften entl^alten fmb, betreffen ^iipt, aR9ftit. 33

514

Stö^tentl^eifö jenes fd^on ettoäl^nte DSQige äluSgel^en au§ jtd^ felbft unb ©ingel^ett in ein feligcS 3l\ä)t§, jene gänjlid^e Srtöbtung aller fogcnanntcn @igen]^eit ober ©igenliebe unb eine Döttig unintctefftrte Siebe ju @ott, toorin fid^ aud^ fein ^ünld^en ©elbftliebe mel^r mifd^en batf, toenn flc rein fein foK; n)0tau3 bann am @nbe eine DoEfommne feiige Stulpe ent- fielet, bic baS l^öd^fte 3^^! ^^ i>i^f^^ Seftrebungen ift."

„©iefe 5Kabame ©upon toirb übrigens nod^ je^t öon il^ren 2ltt* l^ängern als eine §eilige ber erften ©riJ^e Beinal^e göttlid^ x)er« el^rt, unb il^re SluSfprüd^e toerben ben SluSfprüd^en ber Sibel gleid^gc« fd^ä^t; n)eU man annimmt, ba^ fte burd^ gänsUd^e ©rtöbtung aEer (Sigen« l^eit fo gemi^ mit ©Ott fei vereinigt morben, ba^ alle il^re ©ebanfen noti^menbig aud^ göttlid^e ©ebanfen toerben mußten."

$err t). %. tourbe von feinen 2lnl§ängern ebenfalls h>ie ein ^eiltgei: üerel^rt, unb il^m toirllid^ jugetraut, ba^ er beim erften SlnblidE baS Snnerfte ber ©eele eines SKenfd^en burd^fd^auen fönnte. S^ feinem §aufc gefd^al^en SBattfal^rten t)on allen (Seiten."

©0 fd^ilbert uns ber SBerfaffer als Slugenjeuge baS Seben in bem $aufe beS (jüngeren) §errn t). gleifd^bein 3U ^ßprmont, meld^eS im Slnfange ber jtoeiten §älfte beS ad^tjel^nten ^afjx'^uniext^ ber 2Rittelpunft aller ber quietiftifd^en 5WpftiI unb bem ÄultuS ber %xau v. ©upon crge* benen Äreife in ©eutfd^lanb unb ber ®ä)\üexi h)ar.

3!n biefen Greifen h)ar um bie 3Kitte beS 3fo^^^wnbertS eine eigen* tl^ümlid^e SBanbelung vox fxä) gegangen. 2luS ber großen 5Kenge S)erer, lüeld^e ber quietiftifd^en 9KpftiI l^ulbigten, l^atte fid^ eine fd^arf abgegrenjte ©ecte als geiftlid^er Drben l^erauSgeBilbet, beffen innere (Sinrid^tung ganj auf ben Siegeln ber %xan von ©u^on berul^te. ^nnerl^alb beS DrbcnS ftanben bie ©d^riften ber ^au x). ©upon in bemfelben Slnfel^en mie bic §. ©d^rift. 3)a^er ft)ar burd^ bie erfteren aud^ ber ©laube an bie SKutter ßl^rifti als eine ^eilige, meldte fünbloS inS Seben getreten fei, in bicfer ©enoffenfd^aft l^eimifd^ geworben. 5Reben ber 9Jlutter ßl^rifti mürbe aber aud^ ^au t)on ©upon als iDirllid^e ^eilige üerel^rt, toeil man überjeugt mar, ba^ biefelbe fd^on l^ier auf ©rben jur lüirllid^en SSofffommenl^eit gelommen, ba^ in il^r alleS eigne SBefen erlofd^en unb bal^er ber ©eift ©otteS il^r fd^led^tl^innigeS Seben geworben fei.

3ln ber ©pi^e ber geiftlid^en ©enoffenfd^aft ftanb §err 0. gleifd^Bein ju ^P^rmont als ©roftmeifter, beffen Sefel^le mit unbebingter Slutoritot befleibet toaren. 3)ie ©tifter berfelben in ber ©d^meij toaren bie beiben ©eiftlid^en SaHif be SucenS, (regent du College) 3U Safel unb 3)utoit« 5IJlembrini 3U Saufanne, unter benen ber le^tere bie eigentlid^e ©eele ber in ber franjöfifd^en ©d^toeij ^^imifd^en quietiftifd^en SRpftil mar.

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515

3ean ^pi^iltppe 3)utoit ber Ie|te quietiftifd^c ÜRpftifer, juglcid^ naä) bem SRamcn feiner SWuttet genjöl^nlid^ SutoitsSKenibtinige« nannt*), war am 27. ©eptfcr. 1721 ju SDloubon im Äanton SBaabt ge^ boren, ©eiftig fel^r begabt, ftubirte er mit beftem®rfoIge S^l^eologie unbtüurbe 1747 ßanbibat. SDod^ toax er f(^on bamalS toegen feiner ©rimpat^ieen für bie in Saufanne unb in ber fransöfifd^cn ©d^meij nod^ immer l^eimifd^e SKpftil ber grau von ©u^on anrüd^ig geworben, ft)aS i^m eine SWa^- regelung feitenS ber Serner ^Regierung (bie il^n eine ^exi lang in §aft l^ielt) }U3og. ©eine innere ßntfd^eibung für bie quietiftifd^e ?iJl^ftiI erfolgte jebod^ erft infolge einer Äranfl^eit, bie il^n i. 3. 1760 befiel, ©id^ bem 3;obc na^e glaubenb, toarf er pd^ jum ®e6et auf ben Soben nieber unb fal^ plö^lid^ im ®efid^t feinen längft oerftorbenen SSater, ber il^m feine SBiebergenefung anlünbigte. S)urd) biefe§ ®efid^t tounberbar geftärft, rid^tete er [xä) alsbalb auf, um Sial^rung ju fid^ ju nel^men, al§ er oon ber i^m ganj üernel^mlid^en ©timme überrafd^t würbe: „3)u wirft baS fjleifd^ beineS ©rlöferS effen unb fein S3tut trinlen." S)iefe ©timme fül^Itc er fofort von einer (grfd^ütterung feines gan3en ÄörperS begleitet unb in Wenigen 2^agen War er 3um ©taunen feines SlrjteS t)öffig gefunb.

SSon ba an wu^te 3)utoit, weld^e 3Bege er ju ge^en l^atte. 3)ie SBerbinbung mit feiner SBerlobten löfte er auf, um unoerel^elid^t bleiben ju fönnen. ®r prebigte in ben Äird^en t)on Saufanne von bem SßBefen unb ber SRotl^wenbigleit beS innerlid^en (S^riftent^umS, unb fein wie bie ©timme eines ^ropl^eten ertönenbeS SBort brang SBielen in 3JlarI unb Sein, fo ba^ felbft ber ©tabtratl^ fid^ tjeranla^t fal^, fid^ vox ber 5fRad^t feiner SRebe ju beugen, inbem er bie bereits ertl^eitte ©rlaubni^ jur SScranftaltung t^eatralifd^er SBorfteffungen wäl^renb ber tJ^ft^t^J^it jurüdfnal^m. 3»n ben Sauren 1756 1758 brad^tc SS o Itaire brei 333inter in Saufanne ju. S)utoit fal^ ben tjerberblid^en ©influ^, ben berfelbe auf baS religiöfe Seben ber ©tabt ausübte, unb trat il^m mit fold^em ©rnfte unb mit fo impofantcr ^reimütl^igfcit entgegen, ba^ ber oerfül^rerifd^e ©d^öngeift auS Saufanne t)erfd^Winben mu^te. S)od^ l^atte SDutoit längft ein-- gefel^en, ba^ er in bie ©taatsfird^e nid^t ^el^öre. ©ine il^m 1754 über- tragene grül^prebiger- unb Äated^iftenftelle l^atte er bal^er fd^on nad^ t)ier*

*) 2)aS Setcn unb 9öir!en JDutoitS ift in ber ju Saufanne erfd^einenben 3eits fd^rift Le chr^tien evangelique, 1861 (©. 289, 369, 634) tJonSuleS^l^aöanneS befdjrieben »orbcn. 2lu^erbem l^at ©erjog in ber %^toU SRealcnc^dopäbie C. XIX., ©. 441—447 auf ©runb eineS forgfältigen ©tubiumS ber Serfe SDutoitS fel^r banlenStoertl^e aRittl^eilungen über beffen Sel^rf^ftcm gemad^t, Snbeffen ift eS mir gelungen/ in Saufanne nod^ SRand^erlei ju ermitteln, waS l^ier über S)U5 toitS Stellung )um DuietiSmuS aum erften ^aU mitgeti^eilt tDirb.

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jel^n SJagen ntcbergclegt, unb 1759 lic^ er [\^, angcBfid^ twegen cineS 33ruftlcibenS, baS ii)n am ^rebigen l^inbcre, awä ber luaabtlttnbifd^cn ßanbi^ botcnliftc ftreid^en.

Sd^onf bamalS l^atte er ftd^ in Saufannc unb Umgcgcnb feinen fep« gefd^Ioffenen Slnl^ang, beffen ©eelenfül^rer er war, gefammelt. 3)atübet mu^te er freilid^ oft allerlei 2Bibern)ärtig!eiten ertragen. 3Bäf)renb eineä Slufentl^alteS in (Senf im Söinter 1766—1767, \üo er im $aufe einer ildm ergebenen gamilie lebte, rourben über il^n fo entfe|U(i^e ®erüd^te auggefprengt, ba^ er fid^ fogar genötl[|igt fal^, ben Sd^uft be§ 5Wagiftratä unb ber Stfabemie 3U Saufanne an3urufen, tüeld^e il^m aföbalb über fein biäl^erigeö Seben bie el^renDoDften 3ß"9"iffc auSftellten.

35utoit l^atte bal^er einftroeilen roieber 9lul^e unb lonnte fid^ nun ungel^inbert ber 3Bir!famIeit, für bie er ftd^ oon ®ott beftimmt glaubte, l^ingeben. ®r fnüpfte nad^ aüen ©eiten ^in mit Sln^ängern ber quies tiftijd^en 3Kt)ftif jal^Ireid^e SSerbinbungen an, namentlid^ aud^ mit bem je|t in 5ßi;rmont lebenben §errn t). ^leifd^bein, unb ber $Ian, alle 38cr« el^rer ber grau t). ©upon ju einer feftgefd^loffenen orbenöäl^nlid^en ©enoffen« fd^aft ju vereinigen, toarb alöbalb jur 3lu§fü^rung gebrad^t. 3[n ber franjöfifd^en ©d^toeij nannte man bie 2(nge^örigen ber ©e!te Th^osophes, lUumin^s ober Araes-Int6rieurc8. 35utoit übemal^m ba§ Slmt einc§ Di- recteur des Arnes -Interieures be§ SBaabtIanbeS. 3lte fold^er erl^ielt er feine Sefel^Ie oon bem 3U $i;rmont refibirenben ©ro^meifter, bem „©rafen" oon gleifd^bein. Stuf ben Scfel^I be§ Se^teren h)urbe in ber ©enoffem fd^aft alsbalb allgemeine B^^^^^Pfli^^iö^cit eingeführt. 3lIIe ängel^örigen berfelben mußten Don äffen i§ren ®inlünften („quelle qu'en soit la source") ben S^fji^ten entrid^ten, felbft bie Kinber von xf)xex Saarfd^aft unb bie SBettler üon i^rem 2llmofen. ^n Saufanne, h)o S)utoit fid^ alä 2tn* gel^öriger ber ©enoffenfd^aft ben SJamen S^J^eopJ^iluö beilegte, nannte man biefe Slbgabe „Dixme ä Theophile'^

©leid^jeitig fud^te 3!)utoit mit unglaublid^em ©ifer aud^ fd^riftftetterifd^ bie quietiftifd^e 3Jl9fti! unb bie STutorität ber grau t)on ©upon me^r unb me^r ju befeftigen unb 3U Derbreiten. Sr oeranftaltete (anonym) eine neue, vermehrte 2lu§gabe ber Sriefe ber grau oon ©u^on, toeld^e (in 5 Sänben) in 3h)eiter 2lu§gabe 1766 —1768 erfd^ien. 3n bem Anecdotes et reflexions, mit benen er bie SSeröffentlid^ung be§ fünften SanbeS auS^ ftattete, fprad^ fid^ 3)utoit über feine fird^Iid^e ©teffung auS. ©r erflärte, ba^ bie fat^olifd^e Äird^e t)on Slnfang an unb lange 3^* l^inburd^ bie toal^re Äird^e getüefen fei, ba^ ftd^ biefelbe aber (oon ber ^Reformation beä 16. 3at)r]^unbert§ ift feine Siebe,) in ber Serurt^cilung beS SKoIinoS, ber grau 0. ©u^on ac, mn ber SBal^rl^eit abgehjenbet unb bie reine Sieb«

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fclbft Dcruttl^cilt f)aie, 3)al^cr flcl^e ju l^offcn, ba^, nad^bem bie fatl^o^ lifd^c Äird^e bcm 3»rrt^umc jugcfattcn fei, bic SBa^tl^ctt bcr ÜJlpffil nun* rmf)x unter ben ^rotcftanten eine bleibenbc ©tötte finben loerbe.

äCu^erbem unternal^m 3)utoit bie SScarbcitung mehrerer umfangreid^ angelegter SBerle, toeld^e eine tl^eologif d^ = roiffenfd^aftlid^e SRed^tfertigung ber quietiftifd^en ^Jlpfti! 3um S^eie f)atien. 9iid^t weniger bebeutfam iebod& als biefe, war eine Heine 2lb^anblung, toeld^e er nebenbei unter

bem 2^itel publijirte „Discours sur la vie et les ecrits de Ma- dame Guy on" (33 ©. in 8 »). biefem SCractat (toeld^er boS SKotto fül^rt: Esaie 35, 2: La gloire du Libanon lui est donnee avec la magnificence du Carmel et du Saron) toirb %xan POn ©upon in über«

fd^roenglid^er SSBeife alä tüirllid^ ^eilige gepriefen, Iteld^e 3ur tJottfommenett ©ünblofigfeit unb jum 6^arafter einer SWutter aller für baS ch)ige Seben ?ßräbeftinirten fd^on l^ier auf ®rben gelangt fei unb roeld^e bal^er unter allen ^eiligen ber fünbIo§ geborenen ÜRutter (S^rifti am näd^ften ftel^e*). ®S begreift fid^ , - ba^ biefe Äunbgebutlgen Slnfto^ unb 2lcrgernift erregten unb ba^ 3)utoit*S %xe\hen »on Sielen aHmäl^Iid^ als ein üerberb« Kd^cä angefel^en tourbe. Unb bod^ war er fid^ betonet, nid^tä SlnbcreS als bie SGBal^r^eit beä (Soangeliumä, beS lebenbigen 6l^riftentl|um8, bed inncrlid^en JReid^eS GJotteS, baS nid^t mit äußerer ©eberbe lömme, jur ® eltung bringen ju hjotten ! ©d^roer traf i^n bal^er, als eines 2^ageS (6. Januar 1769) einige Seamte in fein 3i"^^^ traten (in toeld^em er franf barnieber lag,), im Siamen ber Serner Slegierung bei il^m §auSs fud^ung l^ielten, i^n mit befonbcrem ^ntereffe auSforfd^ten, toeld^eS Se«

*) a)utoit fteat @. 24 aunäd^ft ben (^runbfaj ber (quietifttf djen) SR^pif l^in:

II n'est et ne fut jamais aucune reelle saintete qae la plas oii moins par- faite conformite aux etats de Jesus-Christ; unb fäl^rt bann fort: et je connais aacane sainte, en qui j'aie pu Toir autant de conformite qu'en Madame Guyon. Je le dis encore hardiment et sans crainte, qne Madame Gayon a presque egaU la sainte Marie; et meme aurait pa Tegaler, s'il eüt ^te possible, qu'il y eüt deux Mferes de THomme-Dieu. MerbingS (fäl^rt ^UtOit fort) !anrt

nur t>on ber 35tax\a gefagt U)erben, ba^ eile seule devait naitre immacuUe, ba« mit fie bie 3Kutter bcS ®r(ÖferS loerben !onnte (voila son avantage au dessus de touti). Slber 3Äabame Ou^on, toenngleidj erbfünblidj geboren, tourbe parfai-

tement santifiee pour etre apr^s la Mere de tous les predestines, la Mere d^un peupl'e innombrable. Et cette diffirence, encore qae tres reelle, ne noit point a la saintet^ devenae par faite et ä la consommation de Madame Guyon. La sainte Vierge est n^e immaculee; Madame Guyon est devenue la premi^re sainte aprbs eile, inf^rieure a eile seule, superienre a toutes les autres. »

hierauf fud^t 3)utoit nad^jutoeifen, baj fd^on in ben %t}pm unb SBeitfagungert beS Slltcn ^eftamcnteS bie fünftige §crrUdJ!eit ber grau »on ©ui^on angebeutet ober geoffenbart fei.

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toenbctt e8 eigcntRd^ mit bcm Dixme k Theophile l^aBc unb alle feine $apiere an ftd^ nal^men. ^nbeffen t)ennod^te bod^ bie Säemer Slegietung t)on ©efal^rcn, mit benen burd^ SDutoitS 3^rcibcn baS Staatötool^I bcbrol^t fei, in biefcn 5ßapiercn unb in bem, h)aS man über bie SSermenbung beS 3el^nten ermittelt l^atte, nid^td 3U entbed(en. Slud^ bie älcabemie ju 2au« fanne, toeld^e von ber !Regierung }U einer gutad^tUd^en Sleu^entng über bie 3^enbenjen JDutoitS imb ber 3lnl^ängcr beffeI6en aufgeforbert toar^ erflärte biefelBen für burd^auS l^armlod. S)ie äCcabemie berid^tete, ba^ biefe ©ecte fid^ nur bie Vertretung ber m^ftifd^en ©ebanlen fJenelon'S unb ber %ta\x t). ©u^on über bie göttltd^e £iebe jur Slufgabe mad^e unb ba^ fie t)on jeber SBerfoIgung berfelben bringenb abmal^ncn muffe, toeil baS SKärt^rertl^um nur eine innere Kräftigung ber ©efte fein mürbe*).

2)ie S3emer Stegierung unterließ eS bal^er, irgenb iDelc^e 3Raa^na^men jur Untcrbrüdfung ber ©ecte ju ergreifen; nur bie gorterl^ebung beS Sel^nten toarb unterfagt. 2)utoit fclbft tourbe t)on ben gegen il^n ex- l^obencn Slnfd^ulbigungen fteigefprod^en; aber ben peinlid^en Sinbrudf, ben baS ganse SBorlommnig auf il^n mad^te, inbem er ftd^ oon feinet Dbrigleit unter bie Uebelt^äter ge^äl^It fal^, l^at ber fd^Iid^te, treue ^onn nie gan) oerminben tonnen.

©eitbem tpol^nte berfelbe in bem §aufe einer befreunbeten gamilie )u Saufanne, eifrig mit literarifd^en Slrbeiten, namentlid^ mit einer neuen S(u3gabe ber SBerle ber %xan t). ©upon, bie in Saufanne gebrückt toarb, aber angeblid^ 3U ^JJariS erfd^ien, befd^äftigt. 3)abei tourbe feine SBirIfamfeit nad^ an^tn l^in eine immer auSgebel^ntere. 3)utoit, ber für feine Scftrebungcn 2lIIeS h)a§ er l^atte, aufgeopfert, lonnte ftd^ bolzet ber Hoffnung getröften, ba^ bie ?IJlpftif ber ^au x>. ®upon bod^ nod^ jum ©iege in ber Äird^e lommen merbe, als er am 21. Januar 1793 ftarb.

2)ie ©tär!e unb ba§ SBerbienft S)utoit§ lagen barin, bafe er für ben ©lauben an bie DffenbarungStl^atfad^cn (Sotte§ gegen ben aufflärerifd^en beiftifd^en Unglauben unb gegen ben t)ielföpfigen Slberglaubcn ber Qüi (SKagnetiSmuS 2c.) mannl^aft in bie ©d^ranfen trat. 3lud^ ^atte er bartn red^t, ba^ er mit SSermerfung ber affgemeinen, nur burd^ SRefIejion ge* tponnenen ober fid^ auf bie lird^lid^e Slutorität berufenben croyance einen

*) S>ie SIcabemic erflärte in il^rem ®utad^ten t>om 11. Sanuar 1769: Ces

sectaires fönt profession d'admettre les idees mystiques de Monsiear de F^ne- lon et de Madame Guyon sar Tamour divin. Ceux que Detoit a s^duits par ses doctrines, ne se distingaent que par une. vie plus retiröe et plus aast^re, par plas d'eloignement poar les plaisirs, par une sorte de d^dain poar les autres hommes, qu'ils traitent de profanes, par beaucoup de defiance k l'egard des ecclesiastiques.

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Icbcnbigen ©lauBctt, foi, forbcrtc, berauf pctfönKd^cr ©rfal^rung bcrul^c. SKffcin feine ganje ^eilslel^re toar barum in il^ren unterften ©runblagen uneoangelifd^ angelegt, votxl er bie SBurjel ber d^riftltd^en SSoStommenl^eit nid^t in ber gläubigen Ergreifung ber ?Perfon 3^fu Gl^rifti, nid^t im Ser^ trauen auf ßl^rifti SBerbienft unb Oered^tigfeit, fonbem in bem ©treten nad^ Konformität mit ßl^riftuS fanb; barum ift 3)utoit (toie 6l^at)anne$ im Chretien 6vangelique, 1861, S. 635 Bemerlt,) fo oft ol^ne allen SJroft beS ®Iau6en§ getoefen; barum fül^lte er ftd^ fo oft t)on feinem ®ott oerlaffen unb barum ift er 3ur redeten greube unb ^eil^eit ber Äinber ©otteS in ßl^rifto nie gelangt.

©utoit mar eben burd^ unb burd^ quietiftifd^er SWpftifer. ßl^riftuS, fagt er, iDirb geboren im jjungfräulid^en unb urfprünglid^en @runbe beS

3unern (dans le fond vierge et primitif de Tint^rieur). ®erabe fo aber

toie ß^riftuö in ber Seele beS SRenfd^en geboren toirb unb mäd^t, fo leibet er aud^ in il^m. ®arum mu^ ber ßl^rift ganj baffclbc Seiben er^ fal^ren, mag 6l^riftu3 erfahren unb allein 3ur @l^re ©otteS getragen l^at, maS'auS bem SBorte beS $errn Suc. 23, 31 erl^eHt: „©o man ba§ am grünen $ol3e ll^ut, h)a§ miffs am bürren toerben!" SJiefeS unb nid^tS anbereä ift (nad^ 2)utoit) baS SJlarl unb SBefen beä ßl^riftentl^umS. gtir bie (Srunbgebanlen beS eoangelifd^en 5ßroteftanti8mu§ l^atte er !ein SSerftänbni^. S)ie Seigre t)on ber Sied^tfertigung burd^ ben ©lauben mar il^m ebenfo unfa^lid^ al3 ber urproteftantifd^e @ebanfe ber burd^ baS Evangelium ju getoinnenben perfönlid^en ^eilSgetoi^l^eit. ©erabe^u h>iber^ toärtig toar il^m baS reformirte S)ogma t)on ber Untoiberftel^lid^feit .ber ®nabe. ©al^er polemiftrte er gegen $ernl^uter ebenfo h)ie gegen 6alt)iniften unb 3<^nf^nift^* t^ür il^n gab ed leinen anberen 9Beg jum $eil unb jur SSollfommenl^eit, als SelbftDemid^tigung , ®eUt beS ©tillfd^toeigcnS, reine, unintereffitte Siebe (pur amour) unb bunller, nadEter ©laube (foi

nae, obscure).

S)a3 ällleS l^atte 2)utoit mit aEen quietiftifd^en SR^ftilem gemein« SQSag il^m aber gan} eigentl^ümlid^ angel^ört unb il§n von allen anberen Duietiften unterfc^eibet, baS ift bie fpeculatit)e SJenbenj feiner SK^ftil.

6r fpeculirt über bie fjrage, toie ber ©ünbenfall 2lbam'S 3U erflären fei, unb finbet l^erauS, ba^ biefer %aU nod^ vox ber ®rfd^affung ®t)a'8 erfolgt fein muffe. 2)enn urfprünglid^ fei 3lbam mit bem SogoS in ©e« meinfd^aft getoefen, unb baS SBeib, toeld^eS er in ftd^ trug, fei nur barum ^on il^m abgetrennt toorben, toeil er fid^ in ber ©emeinfd^aft mit bem SogoS gelangmeilt l^abe. 6r unterfud^t bann baS gro^e Problem, ob bie Urfad^e ber 9Kenfd^h)erbung beS SogoS im SBefen ©otteS unb im toefent^ lid^en SBerl^ältni^ ©otteS jur SBelt ober allein in ber Siebe ©otteS jur

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gcfattencn 5IRcnfd^l|cit Begtünbct fei, unb entf<i^eibet fi<i^ fd^Ke^lid^ füt bic ainftd^t, ba| ba§ Sort toürbc glcifd^ geiüorbcn fein, oud^ tocnn fein SKenfd^ unb lein (Sngel erlöfungSbcbürftig gelrorbcn toäre, nur ba| jxd^ in biefem gatte baä SKSort nid^t leibenb, fonbcrn burd^ ba§ SKebium bet menfd^Iid^en Siatur in feiner DoHen etoigen ^errlid^feit manifeftirt l^abcn würbe.

3)ie iDunberlid^ften $^iIofopl^eme 2)uti)itS finb übrigens bie über ben ®runb ber ©ünbloftgfeit 3«fw unb bcr unbefledEten Empfängnis ber 3Kulter gefu. S)er Äeim 5U beiben it)ar fd^on in 2lbam unb ®oa oor bcm ^attc gelegt. 3)ie ©ünblofigfeit S^fu tourbe au^erbem in ben ^ei* ligen beS alten SSunbeS vorbereitet. 2)ie l^eilige 3Jienfd^§eit S^fu tourbe nämlid^ aus ben burd^ leine ©ünbe befledften Srud^ftüdfen beS SebenS ber altteftamentlid^en ^eiligen, ben t^pifd^en SBorbilbern 6§rifti, als ©an.^eS l^ergefteHt, inbem unter benfelben eine ununterbrod^ene SReten- fomatofiS, eine S^ranSmiffion von SBefen ju 33Befen, von Seib ju Seib ftattfanb. 3n äl^nlid^er SQSeife crüärt fid^ 3)utoit bie fünblofe ©mpfängni^ ber SKaria aus einem fd^on in ben $atriard^en vorbereiteten 2(ft ©ottcS, weld^er bamit abfd^Io^, ba^ @ott in ben ®Üern 3Rarta'S, Soad^im unb 2lnna; bie natürlid^en Munitionen beS gcugcnS unb ßmpfangens »oKfommen reinigte.

9iad^ bcm 2^obe 2)utoitS würben bejfen ^aupttoerfe (bie er früi^er fd^on felbft ocröffentlid^t, an bcnen er aber bis gu feinem Slbleben unab^ läfftg h)eiter gearbeitet l^atte,) oon feinen 3lnl§ängern als tl^eureS SSermäd^t* ni^ beS oerel^rten (SottcSmanneS oeröffentlid^t. 3ui^öd^ft (nod^ i. 3. 1793) würbe 3)utoitS bebeutenbfte ©d^rift La philosophie divine pur Ke- leph-Ben-Nathan (3 SBbe. in S^) ebirt, worauf i. 3. 1800 bie Veraus- gabe ber Philosophie chretienne, b. 1^. einer ©ammlung oon Ser- uaons, weld^e S)utoit fpäterl^in auSfül^rlid^er unb in mel^r toiffenfd^aftlid^er tJorm überarbeitet l^atte, in 4 93bn. nad^folgte.

Unter ben ©türmen unb ©rfd^ütterungen affer äußeren SebcnSner-- l^ältniffe, toeld^e bie SBenbe ber 3ftl§rl^unberte begleiteten, jjerfiel ber ein« l^eitlid^e Serbanb, ber bie ©enoffenfd^aft ber Arnes Interieurs jufammem gel^alten l^atte; oud^ baS ©ro^meiftertl^um gu ^prmont tvar balb ver^ fd^wunben. 2)ie ©nttoidflung, toeld^c baS religiöfe Setou^tfein unb Seben ber ^exi nal^m, l^atte mit ben ©ebanlen ber quietiftifd^en SR^ftil feine gül^Iung; fd^on 3ung5©tining erinnerte fid^ i. 3. 1785, als er feinen „Sl^eobalb ober bic ©d^ wärmer" fd^rieb, beS SBerfel^rS, ben er cinft in bcr ^ütte beS SaterS jwif d^en biefem unb ben aus ben Salbtl^älem beS SBittgcnfteiner SanbeS über bie grüne 33ergeSl^albe i^erablommenbenSJlpftifcrn gefeiten, als einer gonj entfdjiounbenen ®rfd^einung, über tt>eld^e bie ^eit

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Ö21

l^itttocggeöangcn toat. Unb bcnnod^ fanbcn ftd^ aud^ nod^ im ncunjcl^ntcn 3al^tl^unbcrt nid^t SBenigc, tucld^e, burd^ bie Sd^riften bcr grau t). ©upon em)edb, bie quietiftifd^e ^Rpftil berfelBen in aUex ©tiUe ald ben einigen unb toal^ren S33eg beS SebenS fortjufül^ren fud^tcn.

3u il^ncn gel^örte vox Stttem bie geiftooffe unb liebeSfelige Soronin Juliane S3ar6ara von Ärübener eine ber leud^tenbften ®rfd^ei« nungen im Slnfange beS ^Q!Sft\)\iLnhextS, bie (feit il^rer SSefel^rung) mit berfelben Siebegglutl^ h)ie %xavL r>, (Supon an i^rer @eI6ftt)entid^tigung arbeitete, ben „6^riftu3 in unS" (nid^t aber ben „ßl^riftuS für un8") Derfünbigte, unb in ber Seigre t)on ber reinen, uneigennü^igen, gar nid^td l^offenben Siebe, burd^ roeld^e ber Gl^rift 3ur toal^ren SRad^bilbung be8 Sebenä unb SeibenS ßl^rifti, 3ur \oaf)xm SluSleerung feiner S^^^it, unb jur iDal^ren 9lul^e unb SSoKfommenl^eit in @ott gelange, eine SSereinigung aller getrennten d^riftlid^en ßonfeffionen auf einer befferen ©runblage, alö ber ^ProteftantiSmuS fei, anjubal^nen gebadete. 3)ie mäd^tige Sin- iDirlung, tt)eld^e t)on ber tDunberBaren S)ame auf un}äl^Hge @emütl^er, namentlid^ am DBerrl^ein unb in ber ©d^toeij ausging*), fadste bie btiftere Otutl^ ber fd^toärmerifd^en SK^ftil, bie fie felBer vertrat unb in ben ©d^riften ber ^rau d. ©u^on nad^toieS, nod^ einmal an. 2In t)ielen Drten fd^loffen fid^ bal^er nod^mals Äreife jufammcn, in benen bie Seigren, ba^ ber ß^rift ju 9lid^t§ werben muffe, auf ba^ er in bem SQBefen (Sottet ganj aufgellen fönne, ba^ bie ©eele in fid^ baS Dpfer ßl^rifti für il^re eigenen ©ünben unb für bie ©ünben ber SBelt ©ott bar3u6ringen l^abe, ba^ bie SSoKfommnen ftd^ beä fleifd^Iid^en Umganges in ber 6l^e ju entl^alten l^ätten ic. ganj nad^ Slnleitung ber ©d^riften ber %xan ü. ©u^on geleiert unb geglaubt tourben. 6iner biefer Äreife mar ber ,^u SBilbenfpud^ im Äanton 3ürid^ (ganj nal^e bei ©d^affl^aufen) , too 3Jlargaretl^e 5Peter3, um jurSrIöfung ber ©eelen, für bie fie fid^ ©ott t)erpfänbet, baS Dpfer ßl^rifti barjubringen, i. Q. 1823 fid^ fteujigen lie^**). 3i^ biefem blutigen 2)rama bem äu^erften grauentwffen StuSläufer ber quietiftifd^en Seigre von ber 9lad^al^mung beS SebenS unb SeibenS ßl^rifti enbete bamafö bie neuerregte (unb je|t an allen Drten rafd^ unb getuattfam unterbrüdfte) quietiftifd^e Setoegung. Slber im SBaabtlanb ber ©d^toeig l^aben fid^ Slefte ber ©enoffenfd^aft JDutoit'S nod^ bis auf biefen 2ag er«

♦) SBergl. bie SSiogratJl^ie ber grau ö. Ärübencr, toeld^e ©l^arleS ®^na rb 1849 au $ari8 in 2 löbn. ebirt l^at, unb ben auf bie S)ame beaüglid^cn 2luffat t)on Sq. 3Rera in ber Seitfc^r. für d^riftl. SBiffenfd^aft unb Scben, 1857. «ßr. 5.

*♦) aJergl. ben 9lrt. „3)ie Sßilbenfjjud^er Äreugigung i. 1823" in $er)ogd tl^eol. 9iea^®nc^clo))äbie, 99. XXL, @. 507 unb bie bafelbft angesogene Literatur.

hm

fydim, ein|elne @ttlle im Zav^^, ixe fid^ tiod^ |eute aud ben 93üd^0tn er&auen, für beten SSetbreitung ft<i^ etnft S)utoit bemül^t l^aite, unb beten l^öc^ffce gciftlid^e ätutoritöt nod^ immer gtau be la ÜRotl^e- (Su^on ift.

Sicfe ftiHe, ttäumetifd^e Slnbad^t, bic l^tcr unb ba in einjcinen Käufern bed (EantonS SSaabt nod^ lebt, ift ber aKerle^te erbleid^enbe @(]^immer eine§ ®iexntS, ber einft übet ben jtlöftem Spaniens aitf ge- gangen mar, ber ein Sal^rl^unbcrt fpciter mit feinem ©tra^Ienglanj faft übet bie ganje loti^olifd^e Äitd^e l^inlend^tete, fo ba^ fein bleid^et 2Btbct= fd^ein felbft an ben ?IJlauern beS 3Saticanä ju feigen toar, ber aber bann, alg ber ^Ittd^ be§ l^^fuitiSmug i^n t)om ^immel ber tati^olifd^en ^ird|e oerfd^eud^te, feinen 5Riebergang in bie protcftantifd^e 893elt na^m, mo fid^, al3 bie 3^^^ ^^^ älbfaQS t)om @kuBen ber SSäter begann, unjöl^Iig^ fromme (Semütl^er an feinem milben Sid^te erfreuten, bis enblid^ für biefe aus langer büftrer 3iad^t ein neuer 2^ag anbrad^, ber in einet nen erftonbenen gläubigen 3!^eoIogie bie ©onne ber euangelifd^en SBal^rl^eit nßu l^erauffül^rte unb baS ®eftirn unb bie SDämmerung cor feiner 3^agcS» l^ette t)erfd§ih)inben' mad^te.

*) SBergl. A. Verdel, Histoire du canton de Vaud, ed. 2. Tom. III. Lau sänne, 1854, @. 126—128.

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S)rudt t)on gr. 2lug. ©u^el in ©onberSl^aufem 4

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