Ei a © HR zur N u z Be j en SL j Ban N De er a 3 ER a ee | DE u” 4 ee AN ne - — Be BUN ö a 2 Eur x Bo er — * — — — eng Ne na z = — — — — 2 ae nr Be een E 3, 3 aaa ee — — — — > en Bee eb: — Bir N a N: 2 a en F a u a — Be En — ae Ba jr — er . FE Ta = * — Geſchichte der Wiſſenſchaften in Deutſchland — Neuere Zeil. Zwölfter Band. Geſchichte der Boologie. AUF VERANLASSUNG HERAUSGEGEBEN UND MIT DURCH DIE UNTERSTÜTZUNG HISTORISCHE COMMISSION SEINER MAJESTÄT BEI DER DES KÖNIGS VON BAYERN KÖNIGL. ACADEMIE DER MAXIMILIAN Il, WISSENSCHAFTEN, Münden. Berlag von R. Didenbourg. 1872. Verlag von R. Didenbourg. 1872. Vorwiort. — Serbertogene Gill in, bafı die Gefchichte der Kenntnif bes» n, bie Entwidelung einer Wiſſenſchaft von den Thieren ohne ein eben auf die Stellung, welche ber allgemeine Eulturzuftand dem ben Thieren gegenüber anweift, micht zu geben ift. Die t des Auftretens beftimmter wiffenfchaftlicher Fragen hängt —— Die Geſchichte zu. deutlicher, je weiter man fich rüdwärts nach m hin bewegt, welchen mit den Unterfuchungs- und Beobachtunge- te genommen und zu zeigen verfucht werben , wie dieſelbe alle — Sbeen entfiehn fe. Es war dies eine, zwar ze, aber durch kaum irgend eine nennenswerthe Vorarbeit er- fe der Zoologie in neuerer Zeit beftimmten Raume ein reichliches dem Altertum und Mittelalter gewidmet ift. Und doch bedarf — — deuern — — ER bereits in * — ahrhu fallt, tonnte eine Darſtellung der nicht bloß für die Gefchichte der Zoo: logie wichtigen Erſcheinungen, welche jenen Wendepunft im der Cultur geſchichte auszeichnen, nicht ohne eingehende Unterfuchung ber nod weiter zurücliegenden Aeußerungen wiſſenſchaftlichen Lebens gegeben werden. Wenn auch der Entwidelung der Borftellungen von einzelner 2 hin. der Anfichten vom Leben und Treiben fpecieller Bormen, "welche Häufig den Inhalt allgemeiner Anſchauungen bedingt haben, nad dem Plane der vorliegenden Gejammtjchilderung nicht nachgegangen ir werben konnte, fo durfte doch eine ausführliche Beiprechung der Lehr > und Unterrichtsmittel und Schriftwerte aus früherer Zeit, welche bi Continuität jener zum großen Theile erhalten haben, um fo wenige “ vermieden werben, als gerade biefer Seite der Gejchichte ber eigenen Wiſſenſchaft vom den Fachmännern fo gut wie gar feine Aufmertſamle geſchenkt worden ift. Es mag bier beifpielsweije nur am. die Zoolegii ber, Araber und an den Phyfiologus erinnert werden, Jeue fenmt mar auch heute, meift nur aus den von Bochart und einigen wenigen Anber gegebenen. Auszügen; diefer war wohl den Philologen in einzelnen Bearbeitungen bekannt, doch dürfte es auch für bie Zoologen nidy unwichtig fein zu fehn, wie eine Meine Anzahl nicht einmal Keitifch um boeorurtheilsfrei zufammengefteltter Angaben ein volles. Iahrtanfen hindurch den allgemeinen Anforderungen an ein populäres Thierbud genügt zu haben ſcheint. Es galt hier aber nicht bloß den Fachgenoſſen Auskunft über im Ganzen wohl an Entdeclungen unfruchtbare Jahr hunderte zu geben. Man begegnet gleich. in ven erften Werten be neueren Zeit einer Menge höchſt eigenthümlicher Anſchauungen un wunderbarer Mitteilungen, welche für ven Fortſchritt nicht unweſent liche Momente aus dem Zuſtande der Wiſſenſchaft in jener Zeit ſelbſ nicht, wohl aber aus ihrer Vorgefchichte zu erklären find. Da dieſe ir einer allgemeinen Culturgeſchichte des Mittelalters höchſtens andeutungs weiſe berührt wewea fönnten, durfte die Schwierigkeit, ben rothei ven, Viele befreundete Männer Habe ich, und in feinem & vergebens, um Rath und Auskunft gebeten. Ob ich das mir gebotene überall richtig verwandt habe, vermag ich ſelbſt nicht zu eiben. Sollten bie früheren Jahrhunderte des Mittelalters für — Geſchichte der Thierlunde heller geworden ſein, fo derdanke ich es ei ihrer Hülfe. Noch weniger bedarf es einer Darlegung ber Gründe, weshalb : "Die Gefichte nicht Sie auf das (epte Safrzefnt fortgeführt worbemif, Bas bie Gegenwart bewegt und ihren wiffenfchaftfichen Gäfrungen 3 als derment dient, kann wohl auf feine Quellen und auf feinen Zur ⸗ - fammenhang mit dem allgemeinen Culturfortſchritt unterfucht, aber nicht hiſtoriſch dargeftelit werben. Grleichtert wurde der Abſchluß "Bun den Umftanb, daß hurch Das Gricheinen des Darwinchen Wertes über den Urfprung der Arten, welches faft genau mit dem leider für x . bie Wiffenfchaft zu früh erfolgten Tode Johannes Müller’s zufammen- 4 fiel, eine nee Periode der Gejchichte der Zoologie anhebt. Mitten in 2 der Geburtägeit derfelben drin ftehend ift es dem Jetztlebenden fewerer, als es fpäteren Hifteritern werden wird, mit ruhiger Objectivität bie % 2 weſentlichen von den unweſentlichen Momenten zu ſcheiden, die mannich ⸗ @ fachen Ueberftürzungen, zu denen das plöglich jo unendlich erweiterte ü Geſichts und Arbeitsfeld verführt hat, von ven haltbaren, ben — Sturm des Meinungsftreites überdauernden wirklichen de a ſondern. = Die moderne Naturforſchung bat ſich bis jetzt einer hiſteriſchen Behandlung ihrer eignen Vorzeit wenig geneigt gezeigt. Wie ihr aber : das Bewußtſein, daß fie nur eine Entwidelungsftufe in dem Fortgange 3 der betreffenden Ideen darſtellt, den birecten Vortheil bringt, daß fie r biefe, wie früheren Keimen entfprungen,, fo auch weiterer Ausbildung - ; fähig erfennt und daf fie durch Einficht in das Entwidelungsgeiek Pe zu weiteren Schritten geführt wird, fo würde mancher Streit — Vorwort. mit andern Geiſtesrichtungen eine mildere Form annehmen, wenn ber don ber andern Seite jo ſcharf betonten Notwendigkeit einer Pflege idealiſtiſcher Bebürfniffe durch gejchichtliche Unterfuchungen Rechnung getragen würde, welche ja fowohl durch die Methode als auch durch die 0 30 erlangenden Refultate jenem Zuge zum Idealismus fo ausnehmend : Vorſchub leiſten. Wie hier der Gefchichte im Allgemeinen wohl einft noch eine weitere Rolle zufallen dürfte, jo follten die, den geiftigen Fort⸗ jchritt fo wejentlich mit beftimmenden Naturwiffenfchaften zeigen, daß fie außer durch ihren pofitiven Inhalt auch durch die Behandlungs. weife ihrer eigenen Entwidelung fördernd auf bie Entwidelung ber Eultur zu wirken im Stande find. Inhalt. . Po . ” . . . . . . “ . . u NEE . * Einleitung. - X Beuntuiß ber teren Formen, Syfieme; Renntniß bee thierifhen Bauch, — —— Berhältniß des Thierreichs zur Erdoberfläche, Te | Boologifche Kenntniffe des Alterthums. Er; ; Die Urgeit. ©. 9. — ee erfenntnifi, früheſte Hausthiere, ©. 10. 2) @inpriat Der Zhkeze In Den WEGEN zötreis, S. 15. 3) Alter und Verbreitung ber Thierfabel, geograpbifde rbu — ©. 18. 4) Litterarifche Quellen der vorclaffiichen Zeit: Bibel, bil Oitteratzur, ägpptifche und aflatifche Bilhwerfe, ©. 22, 2 mes defkihe Kitextfum, S. 26. Griechen und Römer, ©. 26. Beobe = ng Fund Methode, ©. 29. Linterfchieb von Pflanze und hier, ©. 31. Renntniß ber Ehierformen. Fehlen bes Begriffs thieriſcher Arten, . 32, umb einer wiſſenſchaftlichen Nomenclatur, &. 34. Yausthiere, ©. 35. 8 ficht nach ben Claſſen, S. 39. Menſch, ©. 44; Wirbelthiere, S. 46; Bir fe Thiere, ©. 53. 2) Kenntniß bes tbierifhen Baues, ©. 56. Die en griepijgen Naturphilofophen, S. 58. Ariftoteles, ©. 63; die nachari · ſe Zeit, S.72. 3) Berſuche zur Syſtematil, S. 76. —D = a finius, ©.85. 4) Anfihten Über das Berbältniß ber Thiere ane”, boberfläde. Geographifde Verbreitung, S. 88. Foſſile Tpiere, S 89, Ausgang ded Altertbums, ©. 89. | Die Boologie des Mittelalters. Be Veriode des Stillftands bis zum zwölften Jabrbundert, ©. 9. a Kirdplicher Einfluß: Möonchthum und Macht der Kirche; Unterricht, S. 99. Bot- ins, Caſſiodor, Marcianuıs Eapella, &. 104. Iſidor von Sevilla, &. 105. er. Der Phyfiologus. Elementarbuch der Zoologie, S. 108; Verbreitung felben, ©. 109. Die erwähnten Thiere, S. 118. Entſtehung, S. 139, ” 3 ide des Buches, S. 143. Symboliſche Zoologie, S. 144. Stand des Wiffens und ber Cultur am Ende bes zwölften. brhumberts, ©. 145. Höhe ber päbftlichen Gewalt, ©. 146. Realismus re es FT RC | — — —— &. 18. —— dem erfuche x — 150. Franzislaner und Dominifaner, | * Zooologie der Araber, S. 151. Cuiturbifieriihe Sbaratterifik der Araber, 8.151. Originalarbeiten, &. 158. — &. 170. Weißoteles und : inius, ©. 175. Apollonius von Tyaua, ©. 1 4 Sr Das dreizehnte Jahrhundert, S. 175. Erweiterung der fpecheen Uhler en &.179. Reifen; Marco Polo, ©. 195. Wicberauftritt bes Ariftoteles, &. 201. Michael Scotus und Wilhelm von Mocrbele, ©. 208. Die drei Hauptwerfe des breigehnten Jahrhunderts: Thomas vom Sant P: 211; Albert der Große, ©. 223; Vincenz von Beauvais. ©, 238, — Weitere Zeichen einer (itterarifcien Thätigleit, ©. 242. Bartpelomäus | ©: Anglicns, S. 2. Ausgang ded Mittelalterd, S. 247. Conrad von Megenberg, ©. 248. en: Zacob von Maerlandt, ©. 251. Univerfitäten, ©. 254. Humaniimus, ©. 285. —— S. 257. Entdedungsjahrten, S. 257. A — * Die Zoologie der Henern Zeit. Periode der encyPlopädifchen Darftellungen. rltgemeine Charalteriſtik des Zeitraums, S. 259. Syfematit: €. Be a ton, ©. 265. Berbreitete Anſchauungen vom Thierreih, &. 268. Adam Lonicer, ©. 271. 0 Sefammtdarftellungen: €. Gesner, ©. 274. WI Albrowanbi, ©. 288. $. Jonſtonus, S. 297. Handbücher: I. Sperfing, ©. 305. Bibli- "Erweiterung ber fpeciellen Thiertenntniß, &. 321. Reifen, | &.322. Amerika: Oviedo, Acoſta, Hernandez, S. 324; Marcgrav umb Pie, es 326. Of-Indien: Vontins, &. 330. Afrika: Joh. Ren, Prosper Mil. pinus, &. 331. Mittelmeerküſten: P. Belon, S. 332 Norb-Europa: 0 Arbeiten über einzelne Claſſen und Formen, ©. 39, thiere, ©. 340; Vögel, S. 347; Schlangen, S. 354; Wilde, S.055. Mollus- ten, ©. 368. Infecten, S.369. Würmer, S.372. — Foiflle Formen, ©. 374, Zootomiſche und vergleihend-anatomifheteiftungen, ©. 376, Volcher Coiter, S. 377. Fabrieius ab Aquapendente, S.379. Geverino, &. 381. — zum Willis, ©. 383. h Periode der Syitematif, Allgemeine Charakteriftif des Zeitraumes, ©. 386. = BSortfhritte der Anatomie: Einführung des Mifcoflops, ©. 392. Malpighi, ©. 394; Leeuwenhoel, S. 399; Swammerdam, S 400; Redi, . 403. — Blaes, ©. 406; Valentim, &. 406. Gründung der naturwilfenfhaftlihen Alademien, &. 407. jergärten, ©. 422. Duverney, Mery und Perrault, S. 424. — An» ben bes Fortſchritte ©. 425. Walter Eharleton, S. 426. ſohn Ray, S.428. Franc. Willnghby, S. 430. Arbeiten Rays, S.431. fin Zifter, ©. 447. Die Zeit von Ray bie Klein, ©. 449. — det b. Mlein, ©. 472. arl von Linné, 8.49. Seine Berbienfke, ©. 497; fein Syftem, ©. 503. ‚ welde die Zoologie Nit-Syftematitern verbanft : Butfon, ; Bonnet, ©. 526. — De Maillet und Robinet, ©. 527. 5. 528. Boogeographie, ©. 534. — Simon Pallas, ©. 535. m, ©. 542. — Phyſilotheologie, ©. 543. Bortfäritte der Kenntniß einzelner Elaffen: Menſch, ©. 54. .546. Bögel, ©. 549. Meptilien und Amphibien, ©. 551. ©.539. Mollusten, ©. 555. Gliederthiere, &.557. Würmer, &,561, &. 562. YIufuforien, S. 564. — Foffilien, ©. 565. Spallanyani, ©. 568; €. F. Wolff, ©. 568; 3. Hunter, ©. 568; — or, ©. 569. — Thierſeeleulunde, ©. 570. uftreten wiſſenſchaftlicher Zeitihriften, ©. 571. Beriode der Morphologie. Eharakteriftit des Zeitraums, ©. 573. ©. 579; Säubert, Burdach C. G. Eariıs, S. 589, — Goethe, & &. 580. Die Lehre von ben tbieriihen Typen, ©. 612. Lamard, ©. ‚612, Euvier, ©. 614. Blainville, ©. 615. €. €. von Baer, ©. 616, Entwidlungéegeſchichte, &. 619. Dfen, ©. 620; Panber, ©. 621; . €. von Baer, ©. 622; 9. Rathle, ©. 625. _ Eutbedung bes Gängeibiereiet, 628; Kurdung, S. 629. Bellentbeorie, Th. Schwann, S. 629. &.643. Generationswechjel, S. 644. Hanbbüder, ©. 646. ‚Brweiterung der Thierfenntnif durch Reifen und Beunen, Bortbildung der Syfiematif; M. I. Briffen, S. 539. 9. — “> Morphologie und vergleihende Anatomie, ©. 633; Nathle, 635; Joh. Müller, S.635; Ri. Owen, S. 638, Saviguy, S. 641. M. | fütnrgelfiäten, ©. 420. — Pflege der Mufeen — — — : 7 Wr —7 —— * Bergleigende Anatomie: B. Camper, ©. 566 ; A. von Haller, ©. son M Allgemeine a Die beutihe Naturpbilofopbie, ©. 576. Schelling, ©. 576; E i Fr —— der ——— Anatomie. Kielmeyer, ©. 592. —— ——— ©. 655, der Gchweben, ©. 656, der Mı S 656. — Specielle Reifen und Faunen, S. 656. Süd- Amerila, S Nord» Amerile, ©. 658. Auſtralien, S. 660. Süb-Aflen, ©. 660. ' ©. 661. Europa, ©. 663. — Zoogeographie, ©. 661. 3 Fortbildung bes Syſteme, 9. 666. Syſteme nach einzelnen Organen, ©. 1 Naturphiloſophiſche Spfeme, 5.672. Weitere Begränbung ber Typen, ©. 676. Fortſchritte der Kenntniß einzelner Elaffen, ©. 680, Brote zoen, ©. 680. Coelenteraten, S. 684. Echinodermen, &. 697. Würmer, &.688. Arthropoden, S.693. Mollusten, S. 698. Wirbelthiere, &. 702. Dunit, ©. T14. Hiftoriihe Zoologie, ©. TIT. - Entwidelung der Thierwelt, ©. 720, Lamard, ©. 1a, s© Voigt, ©. 723, Et. Geoffrey St. Hilaire, S. 724, Darwin, &. 725. 4 Sdqlußbemerkungen, ©. 727. Uachträge und Derbefferungen. IR Da der Drud diefes Bandes ſchon vor dem ir a begonnen, aber in ein Are Sie fowie einer längern Erkrankung des Berf. unterbrochen wurde fol gende Verbeſſerungen gegeben werben. ...©.%. Anm. 21. Ueber lagen gegen Thiere |. noh Menabrea, deYorigine * des ——— contre les animaux, in M&öm. Soc. acad. Savoie. T. Xll. 1846, ©. 32. Anm. 33. Die zweite Auflage von Wadernagel’s Vooces anima- ‚Num i inpuifchen erjchienen. E 7. Anm.44. Meine > t unterftütst eine —— Gesner e, welcher (is, —— lib. I. p. 215) M * für die Inſel Meleda bei Ragufa Bit S.105. 3. 7 v. o. l. Wert fia rift. 28: ©. 18. Achnliches von am vo bier ber Phyfiologus vom Biber erzählt, führt Rafael. Volaterranus (teste Gesner, Quadruped. p. 838) von Posphagus Malꝰ an: praescindit sibi sponte caudam. 2 ©. 19, ER IE ERIBENS Vabeit Anl} enDIR IE BRAIN Recreatio ar Yigg} Bier envähnte Schr 6.9 4 ie bier nte von Mi err ober Herus : — — —— und Veſchreibung ſeltzamer Art, Natur, Krafft un vi en Thier“ u. f. w een 1546, gedrudt bei Balth. 5 Buch i erige au » Einleitung. Es ift nicht anders zu erwarten, als daß der Menfch, welcher m in die belebte Natur hineingeftellt ſich als Theil derfelben fühlen te, ſchon ſehr früh Die Formen ver Thiere, ihr Leben und Treiben, e Vorkommen und ihre Verbreitung mit der gröften Aufmertſamteit b Hingebung betrachtet Hat. Mag die Thierwelt ihm in ihren leichter ngbarer Gliedern Mittel zur Befriedigung feiner materiellen Be: niffe wie Nahrung und Kleidung dargeboten haben, oder mögen e Thiere, welche „nicht an den Boden gebannt, neben voller Freiheit — die Gewalt der Stimme haben und zur Seite des ſchen als mitthätige Geſchöpfe in dem Stillleben einer gleichſam nden Pflanzenwelt auftreten“ '), ihm durch die Mannichfaltigfeit — zum neugierigen Beobachten oder auch zur Ab⸗ ihrer Angriffe angeregt haben, immer werben fich zu Worten füh- Begriffe gebilbet haben, welche entweder ven ſinnlichen Eindrücten vechend oder über bieje hinausgehend zu den früheften Befigthü- 1 des Bewußtſeins gehörten. Es wird dies ſchon in Zeiten ger eben fein, wo nur wenig andere Beziehungen, wie etwa bie bes hen zum Menſchen, der Familienglieder zu einander, dem Bor- Dürfen wir den Urfprung einer Wiffenfchaft in die Zeit des erften B twerden mit dem Gegenftande derſelben ſetzen, dann iſt die Zoo— ie wenn nicht die älteſte doch eine der älteſten Wiſſenſchaften. Frei— enthält fie zunächſt nichts als Kenntniſſe einzelner Thierformen, 3. Grimm, Einleitung zum Reinhart Fuche ©. 1. -Garus, Bei. d. Zeol. 1 7 Einleitung. welche unverbunten und nur zufälligen Erfahrungen entjprungen wa ven. Doch ift das, was wir ang den in der Sprache nievergelegten E gebniffen jener anfänglichen Belanntichaft mit den Thieren abzuleite im Stande find, auch für rein zoologifche Fragen von wi In Folge des gegen fpätere Zeiten ungleich innigeren Auſchluſſes an die Natur, von welcher ven Menjchen werer Verweichlichung und Verfeinerung der Sitten noch Beſchäftigung mit nicht ftreng zu ihr Ge hörigem gejchieven hatte, entwicelte ſich allmählich ein nicht bloß außer · liches Vertrautſein mit dem Leben der Thiere. Wie der Menfch bei Thier ven gemrüthliche Aeuferungen, Neigungen und Abneigungen, häusliches ober gefelliges Leben beobachtete, Erjcheinungen, welche dem von und an ihm ſelbſt Gefühlten und Erlebten wenn auch nicht dem Juhalte doch der Form nach ähnlich waren, fo trat die Beranlaffung wohl nicht unbes gründet an ihn heran, ähnliche äußere Wirkungen auch auf ähnliche innere Urfachen zurüdzuführen und die bei Thieren gefehenen Reguns gen geiftigen Lebens mit einem feiner Seelenthätigteit entiprechenden Maßſtab zu mefjen. Mifchte auch die Einbiloungstraft ein reichliches Theil völlig Unhaltbaren der Gefammtheit des richtig Beobachteten zu, jo gehören doch die über das Seelenleben einzelner Thiere gewonnenen Kenntniffe zu dem Werthoollften, was ums die ſchöne fagenreiche Urs zeit, „als noch die Thiere ſprachen“, überliefert hat. Auch hiervon hat eine Gefchichte ver Zoologie manches Bedeutungsvolle aufzunehmen. Führte fo die erfte Belanntjchaft mit Thieren zu einer Kenntnif der äußeren Gejtalt derſelben und derjenigen ihrer Eigenfchaften, welche wefentlich die Art ihres VBerhältnifjes zum Menſchen beftimmten , fe fonnte das glievernde und oronende Dentvermögen dem fich immen reicher entfaltenden Bilde des Thierlebens gegenüber nicht hierbei blof jtehen bleiben. Wie jchon die Sprache in ihren Bezeichnungen für bi verjchiedenen Thiere feine Namen für Einzelwejen, fondern Geſammt ausdrücke für ſämmtliche gleichgeftaltete, gleichgefärbte, gleichlebend Thiere jchuf, jo wurden diefelben allmählich zu der Bedeutung erwei tert, daß fie gewifjermaßen als Fächer zur Aufnahme neuer, nach um nach in die Erfahrung des Menjchen eintretender Thiere dienen konn / Einleitung. 3 . 6 eanen re we Yo, Fiſch, Wurm u. f. w., welche | ‚ d. 5. durch die zu ihrer Bildung benugten Wurzeln, an er e Eigenthümlichkeiten gewiſſer Thiere erinnernd allmäh- 6 1 Namen für Thiergruppen wurden, zuweilen jelbjt mit Berluft x erften Bedeutung. Aber auch dieſe faſt unbewußte, jedenfalls nicht wiſſenſchaftlich beabfichtigte Sammlung des Gleichen und Achn- m unter gemeinfame Bezeichnungen konnte dem Bedürfniß einer | —— Anordnung nicht genügen. Dieſes mußte aber eintreten, fo- en wen. welche fich nicht ohme weiteres in das h entwidelte Bachwerk fügen wollten. Vielleicht find einige ver — ber als jabelhaft bezeichneten Thiere als ſolche anzuſehen, fü —* in der Sprache noch Feine Gattungsbezeichnungen vorhau⸗ 7 Diefem felben Drange, in die Mannichfaltigleit des Gefehenen bt bloß Ordnung zu bringen jondern auch Sinn, entjprangen bie 8 in unfere Zeit hineinreichenden Berfuche das Thierreich einzutheilen ober zu claffifieiren. Der Wunfch, die Menge der Geftalten überficht- | Er fo zu orbnen, daß Belanntes leicht zu ertennen , Unbefanntes quem unterzubringen fei, führte zu der Form von Syſtemen, welche Ei mehr oder weniger Recht künftliche nennen. Iſt auch nicht zu nen, daß manche Verſuche, derartige Gebäude aufzuführen, ft finnreich waren, jo kommt doch in das Syſtem ſelbſt erſt da⸗ —* Sinn, daß nicht willkürlich einzelne Merkmale vorweg zu ingsgründen gemacht werben und nach ihnen die Stellung des ee wird, fondern daf die Thiere nach allen ihren Eigen- * 1 und Beziehungen unterſucht und mit einander verglichen in größter Bedeutung ift hierbei das Eintreten eines Wortes x Beeiguung bes Verhältniffes ver Thiere zu einander, welches in nzelnen Ableitungen allerdings wohl ſchon bald in die Sprachweiſe Schufpfilofopfie übergieng und damit feine anfängliche Bedeutung n Berfenbe treten ließ, welches aber dennoch fowohl dem Syſteme ‚ als der auffallenden Aehnlichkeit vieler Thiere Erklärung brachte, 6 Bart „VBerwanpdtichaft“ Bei dem Alten beberrichte das 1* < Einleitung. Sinnliche den Geranten ; die Specnlation ſchloß ſich Daher ber Kor ftarr an. Doch konnte fie ſich der Leitung durch den Sprachgebraue nicht entziehen ; und biejer führte durch jo eine beveutungswolle Reih von Worten, wie „Gattung“, „Gattungogenoſſen“, „verwandt*?), a die Muthmafung oder wohl nur unbewuhte Ahnung einer Zuſammen⸗ gehörigfeit ähnlicher Thierformen in einem Sinne, welcher erit J neueſter Zeit Quell für viele anregende und fördernde Betrachtungen” geworden ift. Mit der Erkennung und Unterſcheidung ver Thiere gieng aber vom’ Anfang an eine Reihe von Beobachtungen Hand in Hand, welche nicht wie jene allein auf das Aeufere, jondern vorzüglich auf bie innere Zur fammenjegung des Thierkörpers gerichtet waren. Zumächft am es wohl nur darauf an, bie zur Befriedigung der wichtigften Berürjnifie des Menfchen brauchbaren Theile kennen und irgendwie tunſtgerecht ſondern zu lernen. Dem ſein Vieh oder ſein Wild abbalgenden * ausweidenden Hirten und Jäger folgte bald der Haruſper, welcher zwar. die Eingeweide und das Blut der Thiere ’) nur um bie Seheimniffe der Zukunft befragte, durch die Uebung ſeines Handwerls aber doch eine allgemeine Kenntniß ihrer Form und Lagerung erlangen mußte. Sei bei konnte denn die auffallende Aehnlichteit mancher Thiere mit einander 2) Wenn noch bei Homer yevos drdoWnwr, Aoör u. f. f. die auf gemein famer Zeugung ruhende Gejammtheit einzelner Formen bezeichnet, jo wird vom Herobot an yEvos zur Bgzeihnung der Yamilienfippichaft erweitert, woraus fi allmählich ver Begriff der Verwandtſchaft im Allgemeinen entwidelte. Es erhalten daher die yern ufyıora, die ovyyersia, die uopyn auyyererue bes Ariftoteles einen Siun, welcher unferem naturbiftoriihen Ausbrud „verwandt“ um jo mehr entjpricht, als ja au uns die Bedeutung des Wortes „Gattung“ bei Ä und Leſung defjelben kaum mehr gegenwärtig ift. Bor ven Griechen fand ſich nichts dem ähnliches. Den alten Indern fehlte der Ausprud für diefen weiteren Grab ber Zufammengehörigkeit. Die Sanskritworte kula und gotra laffen feinen gemeinſa⸗ men Urjprung“ durchblicken, umd gäti, welches der Wurzel nach zu yevog gehört, wird nur im philojophiichen Sinne gebraudht. 3) auch der Menſchen bei den Cimbern, ſ. Strabo, 7, 2: dx di roö 7g0- zeou£vov eluaros Eis TOV zoarjoa uavrelev rıya Znowürro, nämlid aus dem Blute gejhlachteter Gefangenen. Weiffagung aus den Eingeweiben Erſchlage · ner findet ſich noch im frühen Mittelalter WWinleitung. 5 ht entgehen. Was anfangs nur zufällig gefunden wurde, gab Ver⸗ affung zum fpäter beabfichtigten, wenn auch noch nicht planvollen Suchen. Das Ziel, was man hier verfolgte, war die Begründung ber auf anderem Wege erlangten Eintheilung der Thiere. So erweiterte zu die Thieranatomie den Kreis der bei Anordnung der Thier- { verwerthbaren Merkmale. Das fich immer mehr vertiefende Nachdenken über die den Men- ſchen täglich umgebenden, aber doch mit einem fo dichten Schleier ver- hüllten Erfheinungen des Lebens mußte allmählich zu Verſuchen füh- zen, das Beftändige aus der Maſſe des Wechſelnden auszufceiden, Formen und Leiftungen der Thierkörper auf gemeinfame Grundverhält- niffe zurüczuführen , überhaupt das nachzuweifen, was man trog ber ſcheinbaren Willtür bes beweglichen Lebendigen Geſetzmäßigkeit in und an ihm nennen zu bürfen glaubte. Auch bier trat eine der täglichen | entfpringende Mahnung an den Beobachter. ‚Der regel: mäßige Ablauf der Lebensvorgänge wurde häufig geftört ; gewaltfame Eingriffe oder langſam wirkende Urſachen führten Krankheiten des Menfchen und feiner Thiere herbei; es traten angeborene Fehler und Misbildungen auf. Allem diefen Abhülfe zu ſchaffen wurde von denen erwartet, welchen Beruf und Gewerbe, erſt fpäter ausprüdlich darauf gerichtete Bejchäftigung Bekanntſchaft mit dem Körper des Menfchen und ber Thiere einbrachten. So trat die Lehre vom Leben und bie ſſe von ben Trägern deſſelben in Abhängigkeit von der Krank⸗ t8- und Heilungslehre, ein Verhältniß, deffen Innigkeit zu lodern ar vorübergehend verfucht wurde, deſſen Löfung aber zum Nachtheil ber Theile noch nicht völlig erfolgt ift. Sicher ift, daß entſcheidende punkte zum Kortichritt dahin fallen, wo fich die Vertreter ber wiſſenſchaften als freie Forſcher der Verbindung mit der Mebi- Ge] mußte von vornherein einleuchten,, daß die frei beweglichen ihre Wohnpläge nach Umftänden wechſeln, daß fie wandern nten. Als aber die Weidethiere, nach Abnugung der alten, neue eiveftätten aufjuchten und ihnen die Raubthiere nachzogen, fand man d auch fremde Thierformen am neuen Ort. Nicht ohne Einfluß auf 6 Einleitung. die Anfichten über die Verbreitung ver Thiere waren die wohl je fange vor Hippokrates beobachteten Einwirkungen ber „Luft, bes Waſſers und der Ortslage auf die belebten Weſen. Man fand, ba nicht Alles überall gedeihen konnte, Pflanzen wie Thiere hatten ihr beftimmten Verbreitungsgrenzen. Zu Urkund deffen wırrden Naturſchil⸗ derungen ferner Länder durch Erwähnung der eigenthümlichen frembar tigen Thiere belebt. Doch gelangte man erjt fpät zum Nachwe eines gejeglichen Verhaltens der Vertheilung der Thiere auf beftimmie Bezirke. Natürlich mußte die Entwicklung richtiger Anfichten über diefen Gegenstand hindern, daß man noch nicht Die natürlichen Beziehuns gen der verfchiedenen Thierformen zu einander und zur umyebenten Pflanzenwelt würdigte, und daß beim Mangel einer genügenben Kennt niß der Erdform und »oberfläche auch die hieraus fließenden Bedingun⸗ gen für das Leben einzelner Thiergruppen unbelannt bleiben mußten. Daß Ueberrefte von Thieren in Steinen eingeſchloſſen ober zu Stein geworben vorkommen, konnte jelbftverftändlich erft gefunden werden, als großartige Bauten Steinbrüce in Betrieb fegen liefen oder der Bergbau die Eingeweide der Erde zu durchwühlen begann. Zuweilen mag es wohl ſchon bei Brunnengrabungen fich ergeben ha; ben, daß die Erdrinde Knochen und Mufcheln birgt. Bon zufälligen, in noch älteren Zeiten gemachten Funden folcher Zeugen vergangener Ge— jchlechter in loſem Geröll over beim Pflügen hat fich keine fichere Kunde erhalten. Als Gefteinsmafjen reichlicher erichloflen, Geſchiebe emſiger durchſucht wurden, dienten die hier entvedten Verſteinerungen entweder zur Stütze befonderer Anfichten über die Bildung ber Erb. rinde, oder fie wurden, von der Einbildungstfraft mit allem Reize dei Wunderbaren geſchmückt, zu abenteuerlichen Erzählungen über vorge: ichichtliches Leben benugt, oder als Naturjpiele bewundert, Daß bi verjteinerten Thiere mit den jegt lebenden in ein großes Syſtem gehö— ven, daß fie mit den legteren verwandt find, lernte man erft fpät eim: jehen. Und ver neueften Zeit hängt noch als Mahnung an alte Ver: gangenheit die ungerechtfertigte Arbeitstheilung an, welche die Unter ſuchung fofjiler Pflanzen und Thiere ver Geologie zuweift. Kann aud dieſe in einzelnen Fällen kaum befjere Merkzeichen für einzelne Schichten / Cinieltung. 7 aufitellen, als deren orpanifche Einfchlüffe, jo kann die Zoologie wegen ‚ber ihr eigen angehörigen Aufgabe einer Geſchichte Des Thierreichs des eingehendſten Befafjens mit ausgeftorbenen Normen ebenjowenig ent- Taten, als ein genaues Eindringen in die Natur der jojfilen Formen / ® rs der vergleichend » anatomischen Einzelheiten mög. Das Thierreich bietet hiernach der wiſſenſchaftlichen Betrachtung verſchiedene Seiten dar. Anfänglich verbunden wurden fie ſpäter ein⸗ ‚zelm unterſucht; es bildeten fich befondere Yehren. Diefe find dann Sefehichte. Wie aber die aufeinanderfolgenden Berfuche, die verfchiede ) einzelnen Thierformen in vollftändige Syſteme zu bringen, den jevesmaligen Stand des zoologifchen Wiffens in feiner Gefammtheit tepräfentiren wie die Kenntnif des thierifchen Baues umd der thieri- / ſchen Form im weitern Sinne zur Entwickelung der thieriſchen Mor⸗ phologie, die Kenntniß der geographiſchen Verbreitung der Thiere zur Auftlärung des Verältnfie ber Thiere zur Oberfläche der Erde und / ‚zu allem dem, was auf ihr fich findet, wie endlich das Belanntwerben mit verfteinerten Thierformen zu einem Einbli in den Zufammenhang ı ‚der Thierwelten verſchiedener Erdalter und dadurch zu einer Geſchichte des num wieder zur Einheit verbundenen Thierreihs führte, — fo find * verſchiedenen Theile unſeres Wiſſens von den Thieren eben nicht als unverbindbare, auseinander ftrebende Zweige, ſondern als die zum Siamm einer einheitlichen Wiſſenſchaft zuſamimentretenden Wurzeln zu ‚betrachten. _ _ Unbantbar wäre es, follte bei dem erfreuenden Bit auf bie jegige Ausbildung der Zoologie nicht der Hülfe gedacht werben, welche bie Schwefterwiffenfchaften ihr gefeiftet Haben. Nirgend wohl ift bie chwierigkeit, zäh eingewurzelten Borurtheilen entgegenzuarbeiten , fo xoß als wo es fi um Erklärungen von Lebensvorgängen hanbelt, wenn diefe Vorgänge zu den immer noch räthielhaften, aber doch nicht als Wunder zu betrachtenden Geftaltungen führen, wer fowohl in ber Entwidelungsgefehichte einzelner —— als 8 Einleitung. - | geringerem Grabe weigert fich die geiftige und fittliche Trägheit, dem ſtreng folgerichtigen Denten auf das Gebiet jener nicht materiellen von Förperlichen Grundlagen ausgehenden Bewegungserjheinungen zu folgen, welche gemeinhin als ſeeliſche bezeichnet durch Eintreten dee freien Willens wie großer Abftractionsjähigkeit zwar vorläufig einer ins Einzelne gehenden Erklärung ausweichen, aber doch untrennbar mit den übrigen Theilvorgängen des Yebens verbunden find. Imcon- | fequent war e8, den jet ſchon rechnen und mefjen fönnenden Natur» | wiffenfchaften die Erlaubniß zur Anwendung metaphyſiſcher Begriffe zuzugeftehen, und ven nach dem Bedürfniß etwas erweiterten Gebrauch folcher ven Unterfuchungen über die belebte Natur verweigern zu wollen, In allem diefem hilft verwandter Fächer Rath und Beifpiel; am ihnen erſtarkt die Methodik auch zur Bewältigung noch dunkler Fragen. Der Zoologie liegt: wegen der Natur ihres Gegenftanves die Gefahr nahe, von dem Hülfsmittel allgemeiner Annahmen, veren fich indeß auch an⸗ dere Wifjenfchaften nicht entſchlagen, einen zu reichlichen Gebrauch zu machen). Wie ihr aber hier die ftrenger vom Einzelnen zum Allge⸗ meinen fortjchreitenden Wifjenfchaften Lehren geben, können biefe ums gekehrt von der Wiſſenſchaft ver lebenden Natur lernen, daß es außer Zahl und Maß noch andere Erkenntnifguellen gibt, durch welche die Vielheit auf eine Einheit, das Mannichfaltige auf ein Geſetz geführt wird. So ſchürzen fich auch über vem Thierreich von neuem die Bande, welche vorübergehend zwar gelodtert, aber je länger befto inniger die verſchiedenen auf Erforihung der Natur gerichteten Beſtrebungen zu einer einzigen Naturwiffenfchaft vereinigen. 4) »Man is prone to become a deduclive reasoner; a8 soon as he oblaius _principles which can be traced to details by logical consequence , he seis about forming a body of science, by making a system of such reasonings«, Whewell, History of the induct. Science. 3. ed. Vol. I. p- 115. i Zooologiſche Kenntniffe des Alterthums. Die Urzeit. Wie im Mittelalter die Zoologie da wiſſenſchaftlich zu werden be- ginnt, wo baffelbe ven von den Griechen erworbenen, von den Arabern behuteten Scha von Thatjachen zu heben verfucht, jo konnte auch das dlaſſiſche Alterthum keine Wiffenfchaft von den Thieren entftehen laſſen, ohne daß bier wiederum eine einfache und anfpruchslofe Kenntnif von Thieren voransgegangen wäre. Ueberall geht ja dem Naturwiffen eine Naturbetrachtung voraus, welche, vor jeder Verwerthung des Gefehe- nen zu Nug und Frommen einer nur in fich felbft Zwed und Befrie- | digung findenden Wiſſenſchaft, je nach den geiftigen und körperlichen | ————— des Menſchen nutzbringend zu machen verſucht wird. Den Auſtoß zu einer wiſſenſchaftlichen Behandlung gibt der erſte Berfu, eine beobachtete Erfcheinung zu erflären. Bon ber eigenthüm⸗ lichen Natırr des Betrachteten hängt es ab, ob eine Erflärung ſchon ‚feäßer oder erft jpäter verlangt umd vemgemäß verfucht wird. Bei den ſinnvoll fogenannten Natur-,vorgängen“ waren die biefelben als folche anszeichnenden Bewegungen das Auffallendere, fich nicht von felbft Er— ide, daher zumächft der Erklärung Bedürftige. Hier verfuchte fich schon früh Scharffinn und Wig in Aufftellung von Deutungen Lehrjägen. Die Thierwelt bot vor Allem Mannichfaltigfeit der | bar; diefe verfuchte man aufzufaffen ; die an den Thieren beo- eter Bewegungen wurden aus ihrer Menſchenähnlichkeit erklärt '). 1) Die Beurtheilung der Thiere, ihres Lebens, ihres Baues u. ſ. w. geſchah bis in die neuere Zeit im Auſchluß an das vom Menſchen her Belannte. Wie » 10 Zoologiiche Kenntnifie bes Alterthums. Während daher bei andern Naturwiſſenſchaften ſchon die früheften über- ⸗ lieferten Zeugniffe darauf ausgehen, etwa Dewegungserjcheinungen, wie Stromlauf, Blitz und Donner, Fall und ähnliches zu erklären ober wenigftens Anfichten über derartige meift nur tbeilweis und umvoll- ftändig beobachtete Vorgänge zu entwideln, überhaupt aber Allgemei- | nes hinzuſtellen, hebt die Zoologie damit an, Thierformen zu unter: | ſcheiden und zu befcpreiben. Selbftverftäntlich Yann Dies in den früheften Zeiten nichts mehr geweſen fein als die Thiere zu benennen. | I. Sprachliche Begründung älleſter Thierkenntwiß. Auf dem Beftande der Kenntnif einzelner Thiere erhebt ſich die fpätere wifienfchaftliche Betrachtung derſelben. Es ift daher für bie früheſte Gefchichte der Zoologie von Wichtigkeit zu unterfuchen, welche Thiere den Culturvöllern zuerft befannt wırden. Da bie Semiten für diefe Seite des Naturwifiens durchaus nicht begründend, kaum für« bernd eingreifen, find die für die neuere Wiffenfchaft überhaupt allein maßgebenden Indogermanen oder Arier hierauf zu befragen. Aus ben Thiernamen, welche in ihren Wurzeln oder thematijchen Kormen ben verfchiedenen arifchen Sprachen gemeinfam find, deren Träger alfo den Ariern vor ihrer Trennung bereits bekannt gewejen fein müſſen, erge⸗ ben fich Hinweife nicht bloß auf urfprüngliche geographiiche Berbrei⸗ tung einzelner Thiere und deren etwaige Veränderungen, ſondern auch auf den Urjprung der Hausthiere. Nach beiden Richtungen hin vers dient der Gehalt ver älteften Sprachen an Thiernamen von der Ge⸗ Ihichte der Thiere forgfältiger geprüft zu werden). Es ergibt ſich Ariftoteles dies damit begründet, daß er fagt (Hist. Animal. 1,6): 5 # r- Yowros tor [yov yrogıuWraror yuiv BE drayans lortv, fo war bie vergleis ende Anatomie uriprünglich nichts als eine Bergleihung bes Baues einzelner Thiere mit dem des Menfchen. Die vergleichende Pſychologie fteht noch auf dieſem Standpunkte, wenn fie danach fragt, ob gewiſſe Theile der menjchlichen Piyche fich bei Thieren finden. | 2) Eine Bergleihung ſämmtlicher im Wortſchatz einer Sprache enthaltener Thiernamen, welche,nicht in eine Geichichte der Zoologie, jondern in eine Geſchichte der Thierwelt gehört, würde auch aufer den eben erwähnten Bortheilen noch an⸗ dere bieten, jo das kürzere oder längere Zufammenbleiben einzelner Bölter und da- A, gegen a 11 FE wieder aus bei geograpbifchen Verhalten der Thiere, welche ‚hierbei genannt werben, nicht bloß eine Hindeutung auf ven vermuth⸗ lichen Urfig der Voller, fondern, was hier zumächt in Betracht kommt, es ſtellt fich darin ver Kern dar, um welchen fich bei der fpäteren Ent- : widelung bie weiteren zoologifchen Kenntniffe anfammelten 3). 3 & Ungemein merhvürdig ift e8, daß die Thiere , welche noch heute als Hausthiere werthvoll und zum Theil unentbehrlich find, auch bie am älteften befannten waren. Schon das Wort Bieh iſt ſelbſt ein altes (Sanskrit pacu, griech. röv, latein. pecus, gothiſch faihu, ; fihu). Das Rind geht in verfchiedenen Alters: und Geſchlechtsnamen, welche zuweilen wechjeln, durch die meiften hierhergehörigen Sprachen (ie: Skt. go, griech. Boög, lat. hos. hochdeutſch chuo, Kuh; Skt. _ aukshan, fat. vacca, goth. auhsan, hd. Os; Str. sthära, griech. und lat, taurus, bb. Stier). Das Schaf, deſſen arifche Urbenen- _ mung ung verloren gegangen ift, heißt St. avi, griech. dig, latein ovis; im Gothiſchen heit ein Schafftall noch avistr ; das hochdeutſche £ Aue wird nur bialektifch für Yamm gebraucht. Die Bezeichnungen für Ziege haben ſich gefpalten ; möglicherweife ftanden fie, bei ber fo mitt deren Urgefehichte aufflären oder wenigftens neben anderen Beweismitteln auf: Mären helfen, 3. ®. die längere Verbindung ber flavifhen mit bem indiſchen ober perſiſchen Stämmen, wie fie bereits Ku bu angedeutet hat Judiſche Studien von Weber, 1. Br. ©. 324 Anum.). Eine ſolche Unterfuchung lönnte indeß nur von jivei zu biefem Zwede fi) verbindenden Forſchern, einem Sprachforſcher und Na- 4 Den erften Berfuch zu einer ſolchen Zufammenftellung machte A. W. von Sglegel im feiner Inbifchen Bibliothel, Bp. 1. 1923. S. 238, Ueber Thierna» men. — Außer Curtius, Griechiſche Etymologie, find zu vergleichen: Kuhn, Zur Alteſten Geſchichte der indogermanifchen Böller. Programm. Berlin, 1845, abgebrudt in Weber's Judiſchen Studien, Bd. 1. ©. 321. Förftemann, Sprachlich-naturhifteriiches, in: Kuhn’ ® Zeitichr. für vergleich. Sprachforſchung, 4. Jahrg. 1852. ©. 491. 3. Jahrg. 1854. ©. 43. I. Grimm, Geicichte der beutihen Sprache, ©. 28 u. flgbe Namen des Biche). Pictet, Les Origines indo-europsennes ou les Aryas primitifs. Paris, 1859.1. Partie, p. 320410. M. Müller, Chips from a German Workshop. Vol. 1. p. 42.(1.ed.). Bruno Kneifel, Culturzuſtand der indogermanifchen Völler vor ihrer Trennung. Pro- gramm. Naumburg, 1867. Bacmeifter, Uriprung ber Thiernamen, in: Aus. land, 1866, ©. 924. 997. 1867, ©. 91. 472. 507. 1133. — Ueber Hausthiere |. auch int, Urwelt und Aitertbum, 1. Bb. 2. Aufl. S. 369 u. flgbe. —— 3 er Zoologiſche Kenntniffe des Alterthums äuferft nahen Verwandtſchaft von Schaf und Ziege, in gleichem Ber» hältniß zu dem Namen avi oder Öig, wie die Geſchlechtobezeichnung der Rinder zu go oder vielleicht zu pagu. Es führt Skrt. aga nur auf und litt. o2ys; latein. hoedus hängt mit goth. gaitei, bb. Geis zu⸗ | fammen, Skrt. chaga mit hd. Ziege. Dagegen geht das Schwein gleichmäßig durch , Strt. s-kara (d. h. ein Thier, welches sc macht), griech. ög, lat. sus, hd. Sau und Schwein. Ueberall bekannt war auch der Hund, deſſen hochdeutſcher Name auf lat. camis, griech). Um, | Skrt. gvan zurüdführt. Das Pferd, veflen jet geläufiger beutjcher Name dem baftardirten unfchönen parafredus entiprang, beißt im Strt. acu, griech. Zrrog, lat. equus, nach den Geſetzen ver Lautverwand» fung verjchiedener Formen vefjelben Wortes, welches auch no im Gothifchen wiedergefunden wurde. Für den gleichfalls zur Urzeit ſchon gezähmten Eſel fehlt die zu dem griech. Ovog (für dawog) gehörige Sanskritformt); aus diefem leiten fich asinus und gothiſch asilu, bb. Ejel ab. Vom Hausgeflügel ift nur ficher, daf die Gan 6 (Srt. hansa, griech. x77v, latein. mit erweitertem Stamm anser, wie engl. gander, hd. Gans) ein urbefanntes Thier ift. Ob die Ente ein gleich hohes Als terthum beanfpruchen kann, ift zweifelhaft ). Befremdend ift es, wenn num zu dem nicht gezähmten aber bem Menſchen jonjt näher tretenden Thieren übergegangen werben foll, daß zwar der Name für den „jüßen“ Honig (Strt. madhu, griech ussv, 4) Pictet führt (a. a. O. ©. 355) eine Sanstritform für Eifel an, khara, welche in das Perfiiche, Kurdiſche, Afghaniſche, Oſſetiſche u. ſ. f. übergegangen fein joll. Benfey will öv0s, asinus auf eine femitifhe Stammform zurldführen, die in der hebräifchen Bezeichnung für Ejelin, athon, noch erfennbar fei. 5) Skrt. äti (anti) beventet zwar einen Waffervogel und hiermit ſcheint anas und Ente zufammenzubängen; vjoo« führt aber auf »riyw. Das im Amarako- Ida als Ente aufgeführte kädamha ift wohl Ausgangsform für xöluußog, viel leicht columba, welchem möglicherweiie das deutſche Lumme anzuſchließen ift. Als Taucher“ (vom Hinabftürzen) ift vielleicht die den Römern erft ſpäter befannt ge» wordene Taube von dieſen mit dem griechiichen Mamen , gewifiermaßen als „Luft taucher“ benannt worben. Das goth. dubo, hd. Taube, fteht noch unvermittelt da. DB. Hehn führt e8 (in dem umten beim Huhn anzuführenden Werte, ©. 245) auf Adj. daubs, taub, ftumm, blind, büfterfarbig, wie rilsıa auf eidg, meilog u. ſ. f. zurüd. 1. Sprachliche Begründung ältefter Thierlenutniß. 8 tragen Meth), aber nicht für das fo früh bewunderte Honig fam- mde Infect Allgemeingut geworden ift‘). Dagegen ift es ein an- nelnder Gedanke, daß auch unfern Urftammwätern jene zupringlichen Heinen Diebe nicht geiehlt Haben, zu deren Verfolgung im Laufe ver Zhiergeichichte bereits ein Thier ein früheres abgelöft hat. Das Sans- — griech. vög, bleibt fatein. mus und ift das hd Maus. Die Kaye hat erft fpäter die Rolle der Mäufevertifgerin übernommen, obſchon fie bereits in Indien altbefannt war”). Den - Mäufen als läftige Begleiter des Menſchen nicht unähnlich ift die Fliege oder Müde zu erwähnen, welche durch musca, griech. uvia, Stt. makshika ihr hohes Altertum (wenn auch in diefem Falle natürlich nicht in einer nachweisbar beftimmten Art) beftätigt‘). Auch der Aus- drucd für das Gewürm im Allgemeinen ift alt: Strt.krmi wird FAuug, vermis, goth. vaurmi, hd. Wurm (littauifch noch kirminis). Bon wilden Thieren ift zumächft des Bären zu gedenken, veffen jegiger hochdeutſcher Name zwar andern Urfprung hat®), welcher aber durch Strt. rksha, griech. ägxrog, latein. ursus, celtiſch art, auf bie uriprünglich weite Verbreitung hinweift. Während der Bär von Ans fang an erkannt wurde und feiner Berwechjelung mit andern großen Thieren unterlag, fcheint fich die Reihe von Namen für Wolf und uch trog ihres jpätern Gegenjages früher noch vermifcht zu haben. Bon dem Stamm vrka, zerreiffen im Strt., ift durch griech. Auxog das latein. lupus, andrerſeits hircus, dann aber (wohl auch dAaren& und) vulpes, Wolf abzuleiten. Ein hohes Alter hat auch ver Biber zu 6) ©krt. bhramara führt anf Fedpe, Bremfe; druna Stri. kaun nicht fein; Imme ift griedh. Zumıs, lat. apis; auch Biene ſchließt ſich vielleicht 7) catus und Kate flammen aus einer femitiichen Duelle. (vgl. indeß den tel Kate von Hildebrand in Crimm’s Wörterbuch, 5. Bd.). Das gewöhn, als Kate gebeutete «ilovpos ift Mustela foina, der Hausmarber, wie Rolle» ee bat ‚Journ. of Anat. and Physiol. Vol. Il. (2. Ser.) 1867, 8) Gleich alt ift vielleicht ie (yvila, pulex, Floh) und die Laus, für m Eier (Niffe) der Name im denfelben Sprachen fich findet. 9 f. Grimm’s deutſches Wörterbuch Br. I. u. d. W. 14 Zoologiſche Kenntnifle des Altertbums. braun (auch ein Thiername) führt. Für die Schlange weift vielleicht noch unfer Unke auf anguis und hängt wie Aal, anguille , Eyyehvg, | mit griech. &xug und Skrt. ahi zufammen, während ein anderes Saus · | fritwort sarpa zu griech. Egrrerov , lat. serpens, wäliich sarff führt. Wenn diefem Berzeichniß noch der Otter Strt. udras, griech. üben, Wafferichlange, litt. udra, ahd. Otter), der Kudud oder Gauch - (Sfrt. Kokila, griech. „6xxvf, lat. cuculus) und ber Rabe (Sk. käravas, griech. xöga&, lat. corvus, geth. hraban) augeſchloſſen wird, fo vervollſtändigt fich das Bild des den Ariern geläufigen Thier⸗ lebens fo ziemlich. Da natürlich hier feine Etymologie der Thiernamen gegeben werben kann und joll, darf nur noch daran erinnert werben, daß eine nicht umbeventente Anzahl folder, mehreren zum arifchen ‚Stamm gehörigen Sprachfamilien gemeinfam ift, während einzelne Thiere, wie z. B. der Elch (St. rgas, griech und lat. aloes, ahd. elaho), erſt ſpäter einen im ariſchen Wurzelvorrath ſich ſindenden Na⸗ men erhielten. Eine Unterſuchung derartiger Verhältniſſe nach den oben genannten Gefichtspunften dürfte jehr lohnen werden. Hier mag nur Folgendes noch eine Stelle finden. Es fällt auf, daß in der obigen Yifte manche Thiere fehlen, welche man gern als ältefte Gefellen des Menſchen over als Mitbewohner der früheften Höfe betrachten möchte und deren Borhandenfein an ben Stätten der erften Wohnfige gemuthmaft wird. Das Huhn, deſſen Stammform man jet mit Recht in dem indiſchen Gallus bankiva fieht, war zwar den Alten befannt. Doch fehlt es nicht bloß im alten Teftamente, jondern auch im Homer und Heftod ; erft bei den griechi- chen Lyrikern erjcheint es der gewöhnlichen Annahme zufolge, noch ficherer bei ven Tragifern und Komifern, ebenfo mit ver bei letzteren - auftretenden Bezeichnung im neuen Teftament. Die Namen gehen aber nirgends zuſammen; meift liegt Nachahmung des Krähens ven Namen des Hahns zu Grunde!%), Eigenthümlich ift endlich, daß pas Kamel 10) Das Wort ogvıs, welches bei den Lyrifern gewöhnlich für Huhn genom- men wird, vielleicht aber nur Kleinere Bögel bezeichnet (fo 5. B. Allman, 24. Fragm. wor’ ogvınEs irgaxos brregntausvo; ähnlich bei Allacos, 27. Frag- 2 Eintritt der Thiere in den religiöfen Borflellungstreis. 15 deſſer Bezeichnung alte, mehreren arifchen Bölkergruppen gemein- te Wörter fich finden follen''), feinen jemitifchen Namen , welcher ‚Smdien mit Hülfe einer Boltsetymologie vem Sanskrit angepaft und von den meiften übrigen Sprachen fajt unverändert aufgenommen wurbe 12), auch in den germanifchen Sprachen wieder erhalten hat, EEE dafür eingetreten war. 2. Eintritt der Thiere in den religiöfen Vorkellungskreis. Der lebendige unbefangene Sinn ver jugendlichen inmitten ber Bene: aufwachfenden Menſchheit konnte fich nun aber durch nt , gebört mit unferm Aar, angellädf. earn, ſlav orl, zur Sfrtwurzel ar, ſich eben. Es ift hier alfo ein auch fonft nicht feltener Wechſel in der Bedeutung ein- getret Ueber das Huhn in der Bibel f.Bochart, Hierozoicum ; Tom. H. I. cap: 16. — Ueber das Haushuhn ſ. auch Bietor Hehn, Eulturpflangen und Hausthiere im ihrem Uebergang aus Ajien nad Griechenland und Italien, for wie in bas übrige Europa, Berlin 1870, ©. 225. 11) Pictet, Origines indo-europ. p. 382 flgbe. 12) Aus dem arabiichen Gamal wurde Sfrt. krämela, im Anſchluß am bie kram, ichreiten. Im Gothiſchen beißt das Kamel ulbandus und wirb biefes offenbar mit Elefant identifche Wort gewöhnlich als Beweis dafür vor» gebracht, daß Namen großer Thiere oft ineinander überlaufen. Es ſchließt ſich gelf. olfend., ahd. olpenta an. Sprachlich ift es nicht möglich, hiervon die Namen für ben Elefant, angeljädhf. yIpend, abd. helfant, und das jlaviihe Wort für Ka- ‚mel, velblud oder verbud, zu trennen. Ulfilas braucht dies Wort bei der Stelle Marc. 10, 25, „es iſt leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gebe”. Rum gibt 8 zwar eine chaldaiſche Redensart: einen Elefanten dur ein Nadelöhr bringen Buxtorf, Lex. Chald. Talmud. s. v. phila, citirt von Schleusner, Nov. x. graeco-latin. in N. T. 4. ed. Tom I. s. v. zaumdog ; weitere Belege j. in dem unten erwähnten Aufiat; von Cafjel ©. 16). Dieſe Könnte Uffilas bekannt ge fein und die Berwechſlung veraulaßt haben. Doc bemutt er das Wort ulbandus aud Marc. 1, 6, und bies, fowie ber ſlaviſche Name für das Kamel werben hierdurch nicht erllärt Es wurbe aljo der Name wirklich übertragen, wie es auch jonft noch vorfommt. So heißt der Moſchus, deſſen Namen im Strt. durch v oe —— Hode, gegeben iſt, doch bier kasturi nach dem in Kleinaſien belannterer ; f. Laffen, Indiſche Altertbumstunde 1. Bd. 2. Aufl. S. 368. Ueber —* > des Elefanten j. die vor dem Aufblühen der wiſſenſchaftlichen - Etymologie geichriebenen Bemerlungen von A. W. von Schlegel in feiner Ju⸗ ben Bibliothek, Bd. 1. 1823. ©. 241. Ueber den gothiſchen Namen bes Ka- 18 j. auch den (freilich etymologifch nicht ganz kritischen) Auffag von P. Caſſel, Ulbandaos. Sonderabprud aus den Märliſchen Forſchungen Bd. IX. (1866). 16 Zoologiſche Kenntuiſſe des Alterthums eine bloße Formbekauntſchaft mit den Thieren um fo weniger befriedigt fühlen, als dieſe „feine charakterlofen Bewohner des Feldes umd Wal· des“ waren, ſondern die werkthätige Kraftanſtrengung, den Scharffinn und in nicht geringem Maße die innere Theilnahme des Menſchen her⸗ ausforderten. Wie auch jegt noch, trotzdem daf „die wiffenfchaftliche dorſchung überall den Schein zerftört hat und der alte Glaube am bie götterbejeelte Natur längft gebrochen ift*, die in dem Gefühle der Zu | fammengehörigkeit wurzelnde Befreundung mit der Natur und ihren Heimlichteiten eine Wahrheit ift, fo mußte in Zeiten, we bie Berüh- rung des Menjchen mit der Natur eine äußert innige war, auch bas Thierleben in nähere Verbindung mit den übrigen Naturvorgängen treten. Die Thiere waren nicht bloß der Austrud der Bewegung in der irdifchen Natur, fie bezeichneten nicht allein durch ihr Auftreten | und Verſchwinden den Wechjel der Jahreszeiten u. f. f., die in Folge engern Zujanmenlebens forgfältiger beobachteten Sitten, das fich über haupt weiter erſchließende Leben der Thiere bot auch der bichterifchen Einbildungskraft, welche in allen Zeiten und Breiten das beftändige Werden in der Natur mit einem erften Geworvenen in Verbindung zu bringen verjuchte, veichlichen Stoff zur Belebung jet als tobt erlann- ter, ſtarren Gefegen gehorchenver Borgänge dar. „Werden mm aber die Naturerſcheinungen als perfönliche göttliche Weſen over als von | ihnen ausgehend gedacht, fo liegt es nahe, zwifchen vem Thier, in dem | fich eine natürliche Fähigkeit am energifchften und fräftigften zu erlen ⸗ nen gibt, und der verwandten Naturerfcheinung eine tiefere Beziehung fich zu denken, das Thier wird zum Ausdruck der Naturerfcheinung, zum Träger oder Begleiter ihrer Gottheit; es wire leicht auch zu deren DBilde.“13) So kommt e8, daß es aufer der jüdiſchen Schöpfungsfage wohl kaum eine Urform veligiöfer Vorftellungstreife gibt, in welcher nicht auf eine oder die andere Weile Thiere als Träger, Begleiter, Sinnbilver ver Gottheiten erfcheinen. Zur Erklärung diefer Verbindung ſcheinbar gar nüchterner, doch im Grunde tief poetifcher Berlörperum- gen gewifjer Ideen mit den höchsten fittlichen und geiftigen Vorftellungen 13) Laffen, Indifche Alterthumskunde 1. Dr. 2. Aufl. S. 346, | En 2. Gimtt der ee im den regen Borfehungte. 17 ht man nicht einen urfprüngfich hoben, fpäter verlornen Entwide- mgszuftand der Naturwiffenfchaften bei ven Urwölfern anzunehmen, Ein Beweis dafür, daß der Eintritt von Thieren in allgemeine tosmogonifche oder miypthologifche Bilder erft nach der Trennung ver erſt nach weiterer Entwidelung einzelner derſelben erfolgte, Hegt in ber geograpfifchen Färbung derartiger Sagen, wogegen fich ge ‚wife gemeinfame Züge aus der Zeit des urfprünglichen Zufammen- ms erhalten haben mögen. Es finden fich daher in denfelben neben n urbefannten Hausthieren nur Thiere, welche in ihrem Vorkommen wiffen Yändern oder gewiffen Breiten eigen find. Beiſpielsweiſe mag ‚bier nur auf Einzelnes hingewiefen werden. Die Inder ließen ihre Melt von vier Elefanten getragen fein, welche wiederum auf einer Rie⸗ ſchildkröte ftanden ; dagegen wurben die Flüffe Nahrung fpendenden ben verglichen. Lalſchmi, Biſchnu's Frau, bat als Symbol eine ib. Diefem Zeichen der völlig unterworfenen Hausthierwelt ftehen im Gefolge Giva’s ebenfo wie des griecifchen Dienyfos erfchei mben Löwen und Panther gegenüber als Symbol weiterer Gewalt re wilde Naturkräfte. Den Sonnenwagen Mithra’s wie des grie- iſchen Helios ziehen Roſſe; ebenfo reitet Wuotan der nordiſche Zeus f einem Roffe, während Donar in einem von zwei Böden gezogenen jagen führt. Den Wagen des Freyr, des norbifchen Gottes ber mne, zieht ein Eber; doch auch ihm als Gott der Fruchtbarkeit war e Kuh geweiht. Dem Ormuzb und Zeus war der Adler, dem Don: tgott Donar das Rothlehlchen heilig. Während in füdlichen Bildern £ Löwe erfcheint (Sphinr als Löwenleib mit Menfchentopf, nemäi- er Löwe u. a.), läßt die norbifche Mythologie das Ende der Welt urch bereinbrechen, daß ein Wolf Die Sonne, ein anderer den Mond lingt. Dagegen war die Gans (Schwan) ſowohl bei den In: ‚der Göttin der Rede, bei den Römern der Juno geweiht, als E bei den Griechen die Gabe der Weiffagung und des Gefanges er- elt, ebenfo wie fie auch bei den alten Deutjchen als weifjagender Vogel ft. — So finden fi denn im den refigiöfen Stammfagen ber 2. Carus, Bei. d. Booi. 2 — Zoologiſche Kenntmiffe des Alterthums Menſchheit zahlreiche, hier nur in Andeutungen zu berührende bin weife auf die Tiefe des Eindruds, welchen die Thierwelt auf das em« pfängliche Gemüth des Menjchen gemacht hat '*). Gemeinſam ift indeß diefem mythologiſchen Auftreten der Thiere, da fie hier gewiſſermaße nur in ihrer Gefammterjcheinung verwerthet werben, ohne überall ein eingehendere Bejchäftigung mit allen Heinen Zügen ihres Weſens dure ſcheinen zu laſſen. 3. Alter und Verbreitung der Thierſabel. | Wird fih auch nicht läugnen laffen, daß die als Attribute vom Gottheiten oder als lebendige Abbilder von Naturgewalten mit einer weihevollen Stimmung betrachteten Thiere ebenfo wie bie Opferthiere einen beſtimmten Einfluß auf das zoologiſche Bewußtſein des Men« ſchen, wenn ber Ausdruck geftattet ift, geäußert haben werben, jo ift in ver Thierfabel ein -ungleich bebeutungsvollerer Schatz wirklicher Beobachtungen enthalten, welcher nicht bloß das Thier nach ver allge⸗ meinen Wirkung feiner Erfcheinung und feines Auftretens in ber Natur darftelft, fondern auf eine häufig in's Einzelne gehende Kenntniß feiner törperlichen und befonders feiner geiftigen Eigenfchaften hinweiſt. Zwar liegt auch der Thierfabel, und namentlich der weiter eut⸗ wicelten Form verfelben, dem Thierepos , jene poetifche Anf ing an alles Natürliche zu Grunde, welche in dem reizvollen, dem menſch⸗ fichen ähnlich wechfelvollen Leben der Thiere einen wirklichen Hintere grund und ſtets neue Nahrung fand '5). Es lebte ja für bie bich e Einbildungskraft der Menſchen die ganze Natur. Der Wald ſelbſt wurde in der finniſchen Götterlehre zu einer Perſon, Tapio. Die Thiere des Waldes ſtehen unter dem Schutze oder auch der Zucht be⸗ 14) Für Weiteres verweiſe ich auf Jae. Grimm’s Deutſche Mythologie 3. Aufl. 2. Bd. S. 620-660. ferner: A. Baftian, Das Thier in feiner mythe logiſchen Bedeutung. in: Baftian u. Hartmann’ 8 Zeitichrift für Ethnologie, 1. Jahrg. 1. Heft. 1869. S. 45—66. | 15) Bergl. 2. Uhland, Schriften zur Gefchichte der Dichtung und Sage — (Alte hoch⸗ und niederdeutſche Vollslieder 2. Bd. Abhandiung) Stuttgart, 3. Alter und Verbreitung ber Thierſabel 19 tberer Perſonen, des Thiermanns, zuweilen der Thiermutter (zu her ber junge Sämung kommt) , auch ver Wolfsmutter, Weiter nden fich dann beftimmte Thiere mit einzelnen Naturerjcheinun- I. So kommt nach einem Eddaliede der Wind, der über das Waſſer t ben Menſchen unfichtbar , von den Schwingen des Jötun Hräs- (g, der in Adlersgeftalt an des Himmels Ende figt. Die Jahreszei⸗ 1, das Wechjelnde in der unbelebten Natur, werden an das Erjchei- n und Verſchwinden der Thiere gefnüpft, am häufigften beftimmter, x Kudud kündet das Jahr !%) ; ihm folgt bei uns die Nachtigall, end in England, wo die Nachtigall feltner ift, der Kuckuck fefter alten wird. Den Winter über herrſcht die Eule. Am nächften berührt uns aber bier das Verhältniß des Menſchen ‚ben Thieren. Manche Thiere werden für edler gehalten, als andre, her auch für würbiger befämpft zu werden. So ift vor Allen bei den en Deutſchen der Bär der Heldenwaffe fampfgerecht. Aehnlicher jre wird indeß auch der Eber theilhaft, ſowohl in Deutichland (Sieg- als in England (Guy von Warwid) , vielleicht im Zufammen- ge mit dem ber Freya geweihten Eber des nordiſchen Heidenthums. iefer wird zum Zuleber, deſſen Kopf früher in Oxford zum Weih- 'Bfefte in feierlicher Proceifion bereingetragen wurde 7). Auf ein- e Beobachtungen find manche der ven Thieren beigegebenen iſchaftsworte zurüdzuführen '°). Die Beziehungen wurden aber noch inniger dadurch, daß man bie Thiere menjchenähnlich mit Charakter, Geift und Sprache aus- tet vorftellte. „Wie durch ein Mißgeſchick find die Thiere nachher immmt ober halten vor den Menfchen, deren Schuld gleichfam dabei 16) Bei Allman beißt der zmoudos, dort identiſch mit alxum» dem Eis. alumnögipvpos Elapos derıs; 21, Fragmm. Die Schwalbe erſcheint ala Früß- 1g8bote in ben zelıdor/iouare und jelbft in Bajenbildern. - 17) Caput apri defero reddens laudes domino. Sandy, Christmas irols, LIX, 19. - 18) Am reichlichften ift mit ſolchen bereits im Alterthum bie Nachtigall ver- BER aß den griedhüichen Bnrileen, mag 1. B. angeführt werben: Asyup9oy- $, luso , noluxwrilog, gAwpavynv u. |. w. freilich werben bei All⸗ a ja die Rebhühner (zuxxaßides) yAuzvaröuoı genannt. 60. Fragm. jr 2» 0 Zoologiſche Kenutniſſe des Alterthums wirkte, ihre Sprache zurück“ iv. Beſonders hören umd verſtehen Vögel menſchlicher Sprache Laut und Sinn; fie reden ihr eigen „ u tein“, was nur geſcheidte Leute verſtehn 2%. Am veichftem ift der Rabe umd die Nachtigall bedacht. Sprachen aber die Thiere, fo mußten h auch denken nnd fühlen wie Menjchen. Ergöglic find die Thierhoch zeiten, bebentungsvoller die Streitigkeiten zwifchen ihnen und ben De i ſchen oder unter einander. Hier erfcheinen fie vor menſchlichem Rich ter 21) oder auch vor thierifchem (fo Wolf und Pfaffe vor dem Bären): Auch werden Thiere mit dem Banne belegt. - Auch Thierfabel und Thierfage „muß durch die Borftellung an Be deutſamkeit gewinnen, daß ihr ein Gemeingut zu Grunde fiege, das früheſter Zeit ftammverwandten Böltern, ohne nachweisbare Uebergär ‚ von einem auf das andere, zugehöre*. Die frübefte erhaltene Form dieſet | gemeinfamen Sagenkreiſes, deſſen urfprüngliche Kraft und Fülle nirgend mehr anzutreffen ift, bietet Indien dar. Doch entfpricht diefelbe ver⸗ muthlich nicht der reinen älteſten Geftalt. Denn wenn auch im Bant- Ihatantra und Hitopadefa, ebenfo wie in den aus erfterem entnomme⸗ nen Fabeln des Mahabharata Thiere redend und handelnd ein t werben, jo treten biefelben hier nur als willtürlich gewählte Bilder auf, Es werden ihnen menſchliche Rede und Handlungsweife zugejchrieben, um irgend eine Lehre zu verfinnlichen , aber ohne daß dabei an bie Ei⸗ genartigleit des Thieres gedacht würde, jo z. B. in der Erzählung von 19) In der bereits angeführten auferorbentlich ſchönen Einleitung I Grimm’s zu feiner Ausgabe des Reinhart Fuchs p. V. Ä 20) Deſſen rühmt fih Allman, 61. Fragm.: old d’ sprigwm vous HEVTWV. 21} Klagen gegen Thiere find vom 8. bis 18. Jahrhundert wiederholt erhoben und Prozefje mit allen Regeln ver Kunft angeftrengt worden. Cine Zufammenftel lung folder gibt Berriat de Saint Prix, Rapport et Recherches sur les proc&s et jugemens relatifs aux animaux in: M&m. de la Soc, Roy. des An- tiquaires de France. Tom. 8. Paris, 1829, p. 403—450. Ju England jcheint ſich dieſer Gebrauch noch weiter herab erhalten zu haben ; j. Allgem. deutſche Straf rechtszeitung 1861. S. 32. Weitere Literatur über dieſen culturhiſtoriſch intereſſan⸗ ten Gegenſtand ſ. in Geib, Lehrb. d. deutſchen Strafrechts Bd. 2. ©. 197 unb Ofenbrüggen, Studien zur deutſchen u. ſchweizer. Redhtsgeichichte. Schaffbau⸗ ſen, 1868. VII. Die Perfonificirung der Thiere. S. 139, — 3. er und Berbreitung ber Thiecabel 21 den beiten Büfen, deren Samen fehon , Borfit md Schlaufpit, die allegorifche Berentung verrathen; der Hauptzwed der Fabel ift ein ‚bibatifcher. Reiner hat fich die individualiſirende, an die entfprechende Charakteriftif einzelner Thiere anfchließende Form bei den Griechen er- ‚halten. Erfcheint auch die Wahl einzelner Thiere in früheren Fällen noch willkürlich , wie bei der Fabel vom Habicht und der Nachtigall, welche in den Erga des Hefiod (B. 200—210) erzählt wird, fo finden fich doch Hier ſchon Thiere, welche mit ihrer ganzen Eigenthümlichteit eſcheinen und von nun am zu Haupthelven des auf anderm Boden erwachſenden Thierepos werden. -— &s wäre überflüffig, bier mehr zu thun, als an Reinele Fuchs zu erinnern, welcher zwar nicht ausſchließlich deutſch, aber doch in deut⸗ fhen Grenzgebieten entftanden ift. Wichtig ift, baf in etwas anderer Form einzelne Züge ſchon früher fprüchwörtfich verbreitet waren 22), doch wichtiger, daß durch bie Verſchiedenheit der Länder, in denen bie Sagen fpielen, auch in die dramatis personae einige Verſchiedenheit Tommt. So hat I. Grimm nachgewiefen, daß die deutſche Vorſtel⸗ fung im zehnten Iahrhundert das Königthum über die Thiere nicht m Löwen, fondern dem heimifchen Bären beilegte, welcher entfprechend ic * finnifchen Epos Kalevala eine hervorragende Stellung ein- immt. Ferner find in der indiſchen Fabel Schalale Stellvertreter des bies, wenn auch nicht mit gleich treuer Charakterzeichnung. Im Hitopadefa wird ber Ejel in eine Tigerhaut geftect. Es gehen aber auch in den fpäteren occidentaliſchen Thierfabeln Wolf und Fuchs Häufig du , wie ihre Namen 2°). Zu bemerken ift endlich, daß nicht 22) Manches erinnert hierbei an bie naturwüchfige Derbheit unferer heutigen, nieberbentihen Sprüchwörter; fo eins der Stolien bes Altaios (16. agm.): „Berabezu muf ber Freumb fein und feine Schliche machen, fagte ber rebs und padte die Schlange mit ber Scheere“. Anbre Rebensarten find gelegent- verwenbbare Bruchftüde aus Fabeln geweſen; jo rerrıyes yauoder adwoı 8 Stefichoros, oder rerrıya F elinpas mregod des Archilochos und das noll 23) So enthalten die Narrationes des Odo de Ciringtonia (Shirton) eine | von Hegrimms Begräbniß, nicht Reineles (Grimm, Reinhart Fuchs, Ein- tung, p. CCXXI, und Lemde's Jahrb. für romanifche u. engl. Literatur, 9. Bd. * goologiſche Renmtniffe des Alterthums bloß große auffallende, ſondern auch Meine Thiere beachtet wurt n Dies beweiſt ſchon das Auftreten von Eicaden , Griffen u. |. w., & fpricht auch der Froſchmauſetrieg daffır. Doch ift derfelbe, wie w auch manche Fabel in den arabifchen und perſiſchen Sammlungen, m derner ganz zu geſchweigen, nicht dem urfprüngfichen Sagentreis ange hörig geweſen, ſondern im Anfchluf an vorgefundene Mufter ſpã abfichtlich nachgedichtet worden. 4. Schriftguellen der vorclaffifchen Peit. Mit den legterwähnten Stüden des ganzen Fabel» und Sagen kreiſes betreten wir einen andern Boden. Bis jet fonnte aus ſprach ficher Uebereinftimmung und aus dem Durchgehen gewiffer Sagen, dem Inhalt oder ver Form nach, auf eine urfprünglich vorhanden ger weſene gemeinſame Thiertenutnif gefchlofien werden. Mit dem Auftres ten des Schriftthums eröffnen fich andere Quellen. ebenfalls erhäl damit die gefchichtlihe Betrachtung einen andern Hintergrund, | Entwidelung der Wiſſenſchaft, deren Vorbedingung, die Kenntniß bei wiffenfchaftlich zu behandelnden Gegenftände,, bisher in allen Zweigen eines Sprach- und Volksſtammes zu fuchen war, knüpft ſich nun ber ftimmter an einzelne Völler, deren Eultur mittelft der Schri ber anderer Stämme vorauszueilen befähigt wurde. Dies ift aber der einzige bier in Betracht zu ziehende Umftand. Es kann die Thier- kenntniß fich ja auch durch andere, mit den Fortſchritten eines Bolles zufammenhängende Verhältniffe erweitert haben. Bor Allem die Verkehrswege ausgebehnter geworden, damit eine größere Zahl vom Thieren in den Vorſtellungskreis einzelner Völker eingetreten Dabei werden geographifche Lage und damit in Zufammenhang | Naturericheinungen beftimmend gewirkt haben. So hat z. B. bat regelmäßige Abwechjeln ver Nordwinde anf vem rothen Meere und ter 1868. ©. 133). Am legtgenannten Orte, welcher Die Narrationes im ber Ausgabe des 9. Defterley enthält, findet fih S. 139 umter Nr. XXI eime Fabel, wo fid der Fuchs, nicht der Wolf, in eine Schafhant ftedt, um Schafe md Lämmer beffe erwürgen zu können. | 4. Svnnauelen br orafigen Je 23 Südweſ “Monfune auf dem inbifchen Meere vom April bis October mit dem Norboft-Monfun und ven Südwinden auf dem rothen Meere nom October bis April ven Verkehr der Aeghpter, Hebräer, Araber mit Imbien weſentlich erleichtert und die Bekanntſchaft des Weſtens mit manchen Erzeugniffen Indiens ſchon früh ermöglicht. Aber un gleich wichtiger iſt, daß ja erſt mit der Schriftiprache die Möglichkeit "eintritt, das zu überliefern, was eigentliche Wiffenfchaft ausmacht : bie Berbindung der finnlichen Erfahrung mit fpeculativen Dentpro- ; ceeſſen, durch welche die einzelnen mit der Beobachtung ſich ergebenden Thatſachen zu einem wohlgegliederten, der Natur dieſer Thatſachen ent⸗ ſprechende allgemeine Geſetze entwidelnden einheitlichen Ganzen ver⸗ bunden werben. Wenn es daher auch in einzelnen Fällen von Inter ⸗ effe, ja für das Hifterifche Verſtändniß gewiſſer Erſcheinungen geboten ‚fein kann, neben dem Hinweis auf das mit der Ausbreitung des Men- fepen and) veichlicher zuflichenbe zoologifche Dinterial, auf den genaueren Beſtand an belannten Thierformen over auf einzelne ſolche näher ein⸗ zugeben, fo kann es von nun am im Allgemeinen nicht mehr darauf ankommen, durch Mittheilung vollftändiger Berzeichniffe der von ein- Mi gu belegen. Der dortſchritt ber Zoologie hängt nicht von ber Zahl ber bekannten Arten , jondern von der Auffaffung der thierifchen For⸗ men ab. Doc find jene VBerzeichniffe und die Deutungen der in ihnen borfonmmienben Thiernamen für eine Gefchichte der Thiere von Werth. Nach dem eben Gefagten wird man inmitten der an Ausdehnung SeflinbiggunehmenbenSiteratur brt vorzüglich nach dem roten Babe zu fuchen haben, an dem fich die Wiffenfchaft fortſpinnt, wo unbeein- ußt von Nebenzwecken die Erforſchung der thieriſchen Natur ſelbſt zum Zwecke erhoben wird. Dies wird nur dann erſt möglich, wenn ch bloß die allgemeine Bildung einer Nation auf Gegenftände einzu- gehen Intereſſe gewinnt, welche nicht mit den täglichen Bedürfniſſen : bes Lebens und Treibens in directem Zufammenhange jtehen , fondern bei ‚ als der gefteigerte Wohlftand eines Volkes es erlaubte, : einen Theil des baaren Capitalbeſtandes, gewiffermaßen als Ueber- | ſchuß, vorläufig unproductiv zu verwenden, ſei es im Leben einzelner, ..24 | Zoologiſche Kenutniſſe bes Alterthume. allmählich zu einem beſondern Stand erſtehender Gelehrten, ſei —* Gründung rein wiſſenſchaftlicher Unterrichtsanſtalten? Wie ſich dies im Mittelalter bewahrheitet, wo nur bie andern Beftrebungen zugewenbeten veligiöfen Körperfchaften den Beftand bes Wiffens zu bewahren die Fähigkeit und, wie man dann gern fagt, bie Aufgabe hatten, bis zumächft fie die Neubelebung auch der Naturwif« ſenſchaften fördern halfen, jo gilt dies im gleich ftrenger Weiſe für das | frühe Altertgum. Enthalten aud ohne Zweifel die refigiös-poetifchen Bücher fowohl der Inder als der Hebräer, ebenfo die großen epifchen Dichtungen manchen Zug, welcher auf eine nähere Belanntichaft mit | der Natur der Thiere ſchließen läßt, fo find doch naturwiſſenſchaftliche Betrachtungen ihnen fremd. Die hohe Achtung und relfigidfe Ehrfurcht, mit welcher die Bibel angefehen wird, hat es häufig veranlaßt, von ihr | aus die Gefchichte beginnen zu laflen. Sieht man aber von ber Er- wähnung einer Anzahl von Thieren ab, fo kann man aus ihr höchftens ein Urtheil über die Naturanfchauung der alten Hebräer fich bilden. In der mofaifchen Schöpfungsgefchichte werben die Thiere zwar in verfchiedenen Gruppen aufgeführt, wie: Meine Wafferthiere, größere Wafferthiere, Vögel, vierfüßige Thiere, Gewürm, ebenfo bei der noachi⸗ hen Fluth. Indeß foll dies felbftwerftändfich fein Verſuch zu einer Eintheilung der Thiere fein im Sinne eines zoologiſchen Syſtems ‚Der Theilung der Thiere in reine und unreine, bei welcher das Wie: verfäuen und vie geipaltenen Klauen erwähnt werden (3. Mof. 11.Eap.) liegt theils alter Gebrauch, theils wahrfcheinlich jene dem Altertum harakteriftiiche Auffaffung des Unterſchieds zwifchen Menfchen und Thier zu Örunde, welche in einer weiteren Entwidelung zu jener wun⸗ derbaren Annahme der Seelenwanderung“ führt. Fehlen auch in ber Bibel Anklänge an die Fabeln und Sagen, welche fich mehr ober wer niger eng an Beobachtungen des Thierlebens anfchliehen, fo ift fie doch reich an Bildern und Gleichniffen, deren Ausgangspunfte Thiere find; es 24) Auf diefe Abhängigkeit der Entwidelung wiffenfchaftlichen Lebens vom Wohlftand haben bereits Tennemann (Geicichte der Pbhilofophie, Bp.1.&. 30), neuerdings auch H. Th. Buckle (History of eivilization in England. Vol. 1. Chapt. II. Leipzig, 1865, ©. 38) aufmerkſam gemadht. * Schriſtquellen der vorelaſſiſchen Zeit. 25 einzelne alten ſo 3. B. die des Schlachtroffes im Buche iob, 39, 19— 25) gehören zu den poetifchften und lebendigften Stüden orgenländifcher Dichtung, die auf uns gefommen find. 2 In ähnlicher Weife enthält die Schrift des älteften indiſchen Leri- kographen, des Amarakoſha, wo man dem Charakter der übrigen in- diſchen Litteratur nach noch am eheften Andeutungen einer wiſſenſchaft⸗ lichen Behandlungsweife des Gegenftandes begegnen zu können ver- muthen möchte, eine Aufzählung von Thiernamen in gewiffen Gruppen, welche indeffen nicht nach Eigenthümfichteiten der Thiere ſelbſt, ſondern nach ihren verfchiedenen Beziehungen zum Menſchen beftimmt find, alſo ebenfowenig wie die Thiergruppen der Bibel einer Eintheilung des Thierreichs im Sinne eines Syſtems entfprechen. Ummittelbar hinter ‚den Nahrungsmitteln führt Amara- ſinha als Hausthiere das Rind, das Kamel, die Ziege,. das Schaf, ven Ejel auf; dann umter den Werkzeugen des Krieges den Elefanten und das Pferd. Dann folgen ‚wilde Thiere, unter welchen das Schwein, der Büffel und der Yat deſſen Schweif feit uralter Zeit im Gebrauche war), die Kate und die Taube neben Löwe, Tiger, Panther, Hhäne ftehen. Der Hund wird ‚beim Jäger erwähnt. Den Beſchluß bilten Luxusthiere, Affen, Pfauen, Papagepen, ber Kokila u. a.2°). Im Uebrigen verdiente wohl auch die indiſche Pitteratur , foweit die ungemein ſchwierige Chronologie es ge- ‚ftattet, in Bezug auf eine Gefchichte der Thiere einmal forgfältig durch- gearbeitet zu werden. Um bier nur beiläufig an Einzelnes zu erinnern : es ergibt ſich, daß 3. B. die Belanntfchaft mit dem Lad-Imfecte und ber Perlmuſchel ſehr alt ift, daß man den Byſſus der Stedimufchel on fee felß zu Geweben verwenbete; u. a. 26), Endlich ift wenigftens einer binweifenden Erwähnung nicht ganz unert, daß uns in den ägyptiſchen und afiatifchen Bildwerlen vie älteften bildlichen Darftellungen von Thieren begegnen , welche freilich * irgend welche zoologiſche Nebengedanken ganz andern Zwecken zu 26Bgl. Amarakosha, publi6 par A. Loiseleur-Deslongchamps. Paris, 839. P. 1. und Lafjen, Indiſche Alterthumelunde 1. Bd. 2. Aufl. ©. 348, | 7, 368. 26 Lalfen,a.a.D.3.%.6©.461n.a.0. 3 ; 6 Zoologiſche Kenntniffe des Alterthume dienen hatten, aber für die Wiebererfennung und Beſtimmung mancher von Schriftftellern des Alterthums erwähnten Thiere nicht ganz ohne Bedeutung find. Bei einer Beſprechung der Urzeit fonnte eine erũh⸗ rung thiergeſchichtlicher mit zoologiſch · hiſtoriſchen Gefichtspumtten nicht vollſtandig vermieden werben. Mit dem jelbftändigen Auftreten ber Zoo⸗ logie ala Wiſſenſchaft erhalten die Arbeiten über Sefchichte der Thiere, - in welche fich bis jegt leider Philologen und Zoologen getheilt Haben, - ihre befondere Stellung. | Das claffiiche Alterthum. Die Stellung der Eufturwöfter bes claffiichen Alterthums über: haupt fowohl zur Natur als befonders zum Thierreich intereffirt hier nicht fo fehr wie ihr allmähliches Exrfaffen ver Naturlörper ale Gegen: ftände wiffenfchaftlicher Betrachtung. Griechen und Römer tragen zwar in geiftiger Hinficht ein fie beide in ziemlich gleicher Weife von den Neneren unterjcheidendes Gepräge. Schon die wenigen oben ange» führten Stellen griechifcher Schriftfteller zeigen, daß die Natıran- ſchauung der Alten jener poetifchen gemüthlichen Vertiefung in die Na- tur nicht ermangelte, welche man fo gern erft ven modernen Völlern, bejonders den Deutfchen zufchreibt. Sehr jchön fagt Goethe); „Wirft ſich der Neuere faft bei jever Betrachtung in's Unendliche, um zuletzt, 27) Werke, 37. Bd. (Winkelmann) S. 20. Man vergleiche hiermit bas jedenfalls zu einfeitig ausgebentete Urtheil Schiller’ 8 Ueber naive und fentimen- taliſche Dichtung) Werke, Ausg. in 12 Bd. Stuttgart, 1847. 12. ®b. ©, 178. Bon Neueren |. A. von Humboldt im Kosmos, 2. Bd. S.6—25. Mo, Ueber die Empfindung der Naturſchönheit bei den Alten. Leipzig, 1865. Im letter Schrift wird die ungerechtfertigte Aeuferung Gervinne’: „Das Alterthum lannte feine Freude an der Natur“ (Gefchichte der deutſchen Dichtung. 4. Ausg. Bd. 1. ©. 132) ebenfo widerlegt, wie bie von umrichtigen Borausfegungen aus- gehende Abhandlung von Pazſchke, über die homeriſche Naturanfhauung, | Stettin, 1849. Gerechter ift das Programm von E. Müller, Ucber Sopholleiſche Naturanſchauung. Liegnitz, 1842. | Das claffiiche Alterthum. 97 wenn es ihm glückt, auf einen beſchränkten Punkt wieder zurückzukeh— ren: fo fühlten die Alten ohne weiten Umweg fogleich ihre einzige Behaglichkeit in ven lieblichen Grenzen der jhönen Welt“. Doch zeih- nete die Griechen eine jchärfer bewahrte Individualiſirung, eine glüd- fiche Bewahrung vor einer Alles ebnenpen und ansgleichenden Einför- migleit ftaatlicher Einrichtungen, wor Allem eine Phantafie aus, welche, wie überall die Erzeugerin des Schaffens, auch des wiffenfchaftlichen, - ehne ſich durch müchterne Rücfichtnahme auf prattiſche Zwede ge- Jangen nehmen zu laſſen, die Erſcheinungen der umgebenden Welt zu deuten umd zu ordnen unternahm. Dies konnte und mußte für die Auf- nahme vein wifjenfchaftlicher Arbeiten nur förderlich wirken. Fehlte es auch ven Römern nicht an Objectivität, dem andern Bedingniß wiſſen - ſchaftlicher Tpätigteit, fo gieng der hieraus entſpringende Vorteil durch die Nüchternheit ihrer Anfchauung von Welt, Staat und Volt wieder verloren. Daß bei ven Griechen fein gefchloffener Priefterftand vor- handen war, welcher fich im ausſchließlichen Befig alles Wiffens und beſonders ver ſich zumächft mit veligiöfen Vorftellungen verbindenden - Gebeimmiffe ver Natur zu fein rühmen durfte, daß fich dagegen bie Bürger geftig frei regen Bonnten, war eine weitere Urſache ihres frühen Ethebens zu wiffenfchaftlicher Höhe. Denn wenn auch die etrustifche Prieſterherrſchaft nicht direct als folche in die römifche Verfaſſung über- dieng, fo fehlte doch der freie Bürgerftand, welcher in Griechenlant das Aufblühen von Gewerb- und Knnftthätigkeit, von Handel und Wiffen- - ſchaft begünftigte. Daß eine Lostrennung der rein wiffenfchaftlichen Betrachtung von praftijchen Bedürfniſſen, welche jene zwar erſt mög. Üich gemacht, aber nicht bebingt hatten, nur dann durchzuführen war, als fich ein Gelehrtenftand herausgebildet hatte, welcher die wiſſenſchaft⸗ üche Ertenntniß zu feinem eigentlichen Zwecle erhob, wurde bereits an- War e8 demnach natürlich, daß das vorzugsweife organifatorifche Talent der Römer durch griechiſche Cultur fich befruchten laſſen mußte, 28) Nah Welder (die Hefiobifche Theogonie, S. 73) hat fi ein Gelehrten» Rand erft feit Pheretybes, dem erften Profaichriftfteller (ungefähr 544 v. Ehr.) 28 Zoologifche Kenutniffe des Alterthums. um bie Blüthen einer höheren, aber immerhin mehr auf das Formale gerichteten geiftigen Entwicelung zu entfalten (wie ja Spuren griechi» | ſchen Einfluffes weit in das italifche Alterthum hinaufveichen), jo war e8 ebenfo erflärliche Folge der fich ftetig ausbreitenden roͤmiſchen Herr» ichaft, daß mit ber Eimwirkung ihrer centralifirenden und gleichmachen» | ven ftaatlichen Methode auch das Geiſtesleben ver im Weltreich der Nömer aufgehenden Griechen andere Richtungen einſchlug. Charakter viftifch für die alerandrinifche Zeit ift, daß bier wie im Mittelalter | Rhetorit, Grammatik und Dialektit in Verbindung mit Muſit umd Geometrie die Lehrgegenftände wurden, welche der Jugend ben Eintritt in die gebilvete Welt verjhafften. Es ift fein Wunder, baf unter jenen Berhältniffen auch die wifenfchaftliche Thierkunde, deren Gründung | in einer fo überaus glänzenden Weife erfolgt war, ftill ftand. Bares ja doch nur möglich gewefen von einer ſolchen zu fprechen, als das ſelbſtändige Intereffe freier nach reinem Wiffen ftrebender Männer bie Beichäftigung mit nicht ſtreng zunftmäßigen Gegenftänben geftattet Hatte. Hierzu kommt noch die dem aleranbrinifchen Zeitalter eigene Richtung der grammatikalifchen Behandlung der Gegenftänbe, welche, verbunden mit der Sorge für bie Erhaltung älterer Schriften ſelbſt die ftrengere Fachliteratur zu bidaktifchen Zweden umzumobeln begann und im Ganzen, wir möchten jagen, eine Scholaftit des Alterthums bervorrief. Ferner laffen fich die fabelhaften Angaben, welche vom fpätern Altertfum am fich durch das ganze Mittelalter binburchziehen, vielleicht nicht mit Unrecht auf die Sammlungen von Wundern, Para» doren und überhaupt Merhvürbigfeiten aller Art zurüdführen,, welche jene Zeit hervorbrachte. Im eigentlichen Sinne des Wortes Gründer der Zoologie ift Ariftoteles, intem er zum erjtenmale alle zu feiner Zeit over we» higjtens ihm befannten hierher gehörigen Thatfachen fammelte, orbnete und zu einem Syſtem verband. Sein Einfluß auf die Weiterentwide- lung der Zoologie war indeß während des Altertbums nicht nachhaltig. Hat er auch wie kaum Jemand vor und nach ihm mächtig dazu beige- tragen, die allgemeinen Anfchauungen der gebildeten Welt umzugeftal- ‚ten, jo wäre e8 doch eben verkehrt, in ihm fchon Andeutungen einer Das clafftiche Alterthum 29 Naturwiſſenſchaft im modernen Sinne zu ſuchen. Er konnte ſich als Individuum dem Einfluſſe feiner Zeit nicht entziehen und wirkte nur wie alle großen Individualitäten aus dem nationalen Zeitgeifte herans auf ihn zurlüch. Der Werth der Ariftotelijchen Arbeiten ſoll am Ende dieſes Abfchmittes bezeichnet werden. Es ift zunächft zu unterfuchen, wie ſich die einzelnen Seiten des zoologiſchen Wiſſens während des Al⸗ tetpums entwicdelt und zu einander gejtellt haben. } Faſt ift es überflüffig darauf hinzuweiſen, wie unvolftommen die > DUlfomite der Beobachtung be den Alten ware, Wenn auch in ſpä⸗ - teren römifchen Zeiten Piscinen, Aviarien und andere derartige Samm- ; fingen lebender Thiere angelegt und unterhalten wurden, jo werben doch nur felten Vorrichtungen zur Aufbewahrung und Beobachtung be- - fonderer Thierarten, befonders Heinerer erwähnt. Nur die Bienen ha- ben Hier wohl eine Ausnahme gemacht. Ariftoteles erwähnt Mehreres über Beobachtungen an Bienen ; fo gedenft er z. B. des Bauens in ihnen dargebotene leere Stöde u. a.2%). Doch haben die Bienen ihrer dlonomiſchen und technifchen Bedeutung wegen eine eigne Stellung. Es wurde ja auch der Honig vielfach zur Aufbewahrung von Leichen, Früchten, Purpurfaft, Arzneimitteln u. dergl. benugt?%), um fie vor - Bäufniß zu fhügen. Länger erhielt ſich das ſchon früh hierzu bemußte - Wachs in diefem Gebrauch, durch welches Mittel 3. B. die im Grabe des Numa gefundenen Bücher nach fünfhundert Fahren noch friſch er- A halten gefunden worden fein follen®‘). Kannten aber auch ferner bie 4 Alten im Salz eine fäulnißwidrige Subftanz, fo fehlten ihnen doch alle bequemen Eonfervirungsmethoden. Die Beobachtungen an feltneren, uicht friſch getödteten größeren, oder Heineren weichen und zerfließlichen Thieren, welche in dem ſüdlichen Klima ſchneller Zerſetzung unterlagen, konnten daher nur ſehr oberflächlice oder zufällige fein. Mit diefer x = a © wi Ri 29) Histor. Anim. IX, 40. 166 Aubert und Wimmer). #80) Plinius, Hist. nat. XXIX, 4. Auch erwähnt er VII, 3 bie Aufbewab- rung eines Hippocentaurs in Honig. Salz erwähnt er XXXI, 9 u. 10, - #31) Livius, XL, 29. Plinius, hist. nat. XIII, 13. Noch im vorigen Jahr⸗ hundert wurben die Leichen der Könige von England in mit Wachs burchträntte Zeuge eingewidelt. 30 Zoologiſche Kenntniffe des Alterthums Unfenntnif von Mitteln zur zwedimäßigen Aufbewahrung von Natur gegenftänden hängt auch der Mangel an Naturalienſammlungen zufam- men. Gewiß erregten die als Weihgeſchenke in Tempel geftifteten Merkwürdigfeiten die Aufmerkſamleit und wurden wohl auch gelegent- Gich zur wiffenfehaftfichen Betrachtung benugt. Doch hatten berartige Auſammlungen wunderficher Dinge kaum eine Bebeutung ale Hüljs- mittel des Studium. Eben fo hülflos waren bie Alten Heinen und Heinften Gegenftänten gegenüber. Es fehlten ihnen nicht bloß bie feinen Werkzeuge zum Fefthalten, Zerglievern u. f, w., ſondern befonbers kannten fie feine Mittel zur Vergrößerung des zu Unterfuchenben. Sie mußten daher über die feinere Zufammenfegung größerer ebenfo wie ‚über die Form, ja Eriftenz Heinfter Thiere im Dunkel bleiben. - Eng mit diefem Fehlen von Beobachtungsmitteln hängt der Man- gel einer ftreng burchführbaren Methodik zuſammen, welcher die alten Naturforicher nicht über ein gewifjes Ziel hinaus gehen ließ. Stellte auch Ariftoteles die Erfahrung an die Spite der Erfenntnißquellen und verfchob er dem entiprechend das Urtheil über eine Erfcheinung bis dahin, wo die Erfahrungen vollftändiger fein würden, jo erhob ſich boch die in formaler Hinficht ſo bewundernswerthe Speeulatiom nicht bis zur völligen Freiheit von den Feſſeln der durch die Erfahrung ver- anlapten Verbalbezüge. Und wo fich die Philofophie über die ſyſtema⸗ tifivende Form erhob, wo es fich darum handelte, zuſammengeſetzte Erjcheinungen in ihre einzelnen Momente aufzulöfen und zu erklären, trat jener der ganzen Weltanfchauung zu Grunde liegende Anthropo- morphismus vor, welcher ja auch der Ausgangspunkt der Teleologie ift. Daß fich den Forſchern des Alterthums die Thatfachen nicht im immer teinever Form und veichlicher darboten, daß die Kunft des Exrperimen- tirens bei ihnen noch nicht oder kaum eriftirte, verhinderte die Bildung von Seen, welche ber jedesmal in Betracht kommenden Gruppe von Thatſachen angemefjen waren, wie es Whewell richtig bezeichnete. Natürlich traf dies aber alle Naturwiffenfchaften. Aber gerade bie ge- ringere Entwidelung ber verwandten Wiffenszweige ließ auch bie 300: logie wicht zur Aufftellung von allgemein beveutungsvolfen Fragen fommen, Das claffiiche Alterthum. 31 Es if nicht ohue Iutereffe zu jeben, wie ſchou bei Ariftoteles ie Frage nach dem Unterſchiede zwifchen Thier und Pflanze berührt wird. Bei- den gemeinfam ift das Leben; doch iſt jelbft der Uebergang von ven unbelebten Körpern zu den Pflanzen nur allmählich. Im Ganzen er- ſcheinen bie Pflanzen den andern Körpern gegenüber bejeelt, ven Thies ven gegenüber unbejeelt zu fein. Bon allen belebten Wejen unterſcheidet fich aber das Thier allein durch die Empfindung ; willfürfiche Bewe⸗ gung ift nicht nothwendig bei allen Thieren. Ueber die Natur mancher Seegewãchſe lann man zweifelßaft fein , ob fie pflanzlich oder thierifch ft, Die Hier gemeinten find aber nicht bie fpäter fogenannten Zoophp- ten (wenn ſchon der Ariftotelifche Zweifel der Bildung diefer Gruppe zu Grunde lag), jonbern Schalthiere (Pinna, Solen). Auch die Asci« bien, jagt Ariftoteles, kann man mit Recht pflanzlich nennen, da fie, wie die Pflanzen, feine Ausſcheidung (Ercremente) von fich geben). Man ſieht, wie Ariftoteles hier in denfelben Fehler verfallen ift, wie faft alle Neueren. Der fprachlich überlieferte Ausprud „Pflanze“ wurde als ein folder aufgefaßt , welcher eine von der Natur gegebene Claſſe bon Körpern decken müfje. Daſſelbe trat für die Späteren mit dem Begriff der „Art“ ein. Statt zu unterfuchen, ob etwas dem Wort ent- fprechendes Umnveränderliches oder feſt Abgejchloffenes in der Natur vorhanden fei, und dann beim Mangel eines folchen die Freiheit der Natur zu wahren und bloß künftlich nach dem Stande der Kenntniffe dem Ausbrude einen Inhalt anzuweifen, glaubte man das Wort als as Symbol eines in der Natur liegenden Geheimmifjes betrachten zu müjffen, welches man doch noch entjchleiern zu können hoffte. Weniger Schwierigkeit als die Grenzbeftimmung des Thierreichs gegen die Pflanzen hin machte die Abgrenzung beffelben nach oben, Ariftoteles jowohl ala Plinius gehen bei ihren Schilderungen von oben tach unten, Erfterer jagt ausprüdlich, dak man von dem Belannteften gehen müfje; und der Menfch jei das befanntefte Thier. In allen einen Schriften, wo von anatomifchen oder entwidelungsgejhichtlichen 32) Die Hauptftellen des Ariftoteles find: De anima, cap. 2u.3. Hist. n. VII, 1.4— 8. (Aub. u. Bimm.). De gener. anim. I, 23. 103 (Aub. u, m.). De part. anim. IV, 5. 681 a,b. \ 32 Zoologiſche Kenntniffe des Alterthums. Verhältniſſen die Rede ift, beginnt er mit dem Menfchen. Aehnlich ber ginnt Plinins das auf die Bejchreibung des Menfchen folgende Bud mit den Worten: „Wir gehen num zu den übrigen Thieren über“. Doc ift beiden und mit ihnen natürlich dem ganzen Altertfum der Meuſch der Mittelpunkt der ganzen Schöpfung, „von göttlicher Natur“ Ariſto⸗ tefes), „um deſſen willen die Natur alles Uebrige erzengt zu haben fcheint“ (Plinius). 1. Kenntniß thierifcher Formen. Alte fruchtbringenden wiffenfchaftlichen Wahrheiten find allgemei- ner Art. Sie werben entweder inbuctiv gefunden ober divinatoriſch er- faßt ; in beiden Fällen ruhen fie auf dem beftätigenden Zengniß einzel» ner Thatfachen. Die elementarfte Art folcher Thatfachen bietet für bie Zoologie die Kenntniß einzelner Thierformen dar. Es wurde im Ans fang ver vorliegenden Darftellung zu zeigen verfucht, wie die Beweiſe für die Kenntniß einzelner Thiere fchon in der Sprache niebergelegt find. Im gleicher Weife find noch fpäter umd bis jegt, ohne Rückſicht auf wifjenjchaftliche Gefichtspunkte zu nehmen, in beftändiger Folge neue Thierformen aufgeführt, entweber nur beiläufig erwähnt ober mehr oder weniger ausführlich gefchildert worden. Es gieng ja auch im Alterthum, wie es noch heutzutage der Fall ift, die oberflächliche Be fanntjchaft mit mancherfei neuen Thieren einem bewußten fachgemäßen Einordnen des über fie Erfahrenen in den Kreis ver bereits vorhandenen ſyſtematiſcheren zoologifchen Kenntniffe voraus 93), 33) Einen weitern auch ſprachlich intereffanten Beleg über bie populäre Kennt- niß der Thiere geben die Ausprüde über Tpierftimmen. Siehe bierliber die Schrift von Wadernagel, Voces animalium, deren ernente Herausgabe der Tob bes Berfafjers wohl leider vereitelt hat. Nicht berüdfichtigt hat Wadernagel eine reiche Sammlung von Ausdrüden in: Fr. Guil. Sturz ii opuscula nonnulla. Lipsiae, . 1825 (8) p. 131— 228. Bei Sturz fehlt: Isidorus Hispal., de sonitu avium (auch anderer Thiere) Opera ed. Areval. Rom. 1801. Tom. IV. Etymol. p. 523. Vincent. Bellovac., Specul. natur. lib. XXI. cap. Vi. Physiologus syrus ed. Tychsen. p. 128. Aretin, Beiträge VII. ©. 257, aus einem Freifinger, jest Münchner Coder des 11. Jahrhund. Auszüge aus griechiſchen Handſchriften gibt: Iriarte, Regiae Biblioth. Matritensis Codices graeci. Tom. 1. p. 306—314, 371 u.a. O. Ueber die Bezeichnung der Thierftimmen in der Bibel und 1. Kenntnif thierifcher Formen. 33 — ⸗ Leicht ſcheint es ums jetzt, ein Thier zu benennen. Alljährlich er ſich die Liſten unſerer Klaſſen und Ordnungen immer mehr mit Namen neuer Thiere. Zwei Umftände mußten aber ven Alten ſchon wiſſenſchaftliche Bezeichnung ihnen als neu erjcheinender, ebenfo e der bereits länger befannten Thiere erfchweren, in ähnlicher Weife wie fie ung die Wiedererfennung ver von den Alten gemeinten Thiere unmöglich machen. Es fehlte ihnen der Begriff der naturwiſſen— ſe Art und eine ſtreug durchführbare Nomenclatur. Was das * betrifft, ſo kommt in den alten Schriftſtellern nicht einmal ein vor, welches ausnahmslos den Begriff einer Gruppe einander den wichtigſten Beziehungen ähnlicher Thiere ausdrückte, gleichviel ob dabei an beſondere Merkmale für die Zugehörigkeit zu einer ſolchen denlen jei oder nicht. Man hat vielfach das ariftotelifche „Eidos“, welchem , freilich ſehr verflacht, die „Species“ des Plinius entjpricht, für den bie neuere Art bezeichnenden Ausdruck oder wenigjtens für deren Vorlaãufer anſehen zu dürfen geglaubt. Doch iſt dies ſicher unrichtig. Die beiden Ausdrücke „Genos“ und „Eidos“ werden von Ariſtoteles “ im ſtreng logifchen Sinne einer Ueber» und Unterordnung ge t, jo daß ein Eidos wiederum zu einem Genos wird, fobald es Unterabtheilungen, welche dann wieder Eidos heißen, umfaßt, wie auch unigelkehrt ein Genos zu einem Eidos herabſinkt, fobald es don einer höheren Abtheilung aufgenommen wird, die dann. Genos ge: mannt wird. Am deutlichften wird diefe Anwendungsweife und die Un- zlichfeit, unter einem Eidos auch nur annähernd etwas an unfere nen zu vermutben, dadurch, daß Ariftoteles zuweilen ein 8 dem andern unterordnet. Plinius ſchließt fich ganz an Ariftote- an, ohne deſſen Schärfe der Unteroronung überall durchbliden zu en). Auch eine Charakterifirung diefes Eidos, wie etwa durch Talmud j. Lewyjohn, Zoologie des Talmub $ 38. ©. 23. $ 520. ©. 366 bem zweiten Targum zu Efther 1, 2). 34) Bergl. Spring, Ueber die naturbiftorifchen Begriffe von Gattung, Art Abart. Leipzig, 1838. ©. 10. I. B. Meyer, Ariftoteles' Thierfunde. Ber- 1855. ©. 348. f. auch Arifoteles, Hist. anim. I, 6. 3 @. u. ®.): oy Öl loınav Iywr ouxfrı a ylrn ueyaha obyap megıdyesı nolla DB. Carus, Geid. d. Zool. 3 34 Zoologiſche Kenmtmiffe des Altertbum. B Fähigkeit fruchtbaver Begattung , fehlt bei den Schriftftellern ber claſ⸗ fiichen Zeit. Es werden Begattungen verwandter und nicht verwandter Thiere angenommen und deren Erzeugnifje bejchrieben, ohne auch mur das geringfte Bedenken durchichimmern zu laffen, vaß außer der zu verſchiedenen Körpergröße noch ein anderartiges Pinderniß beftehen fönnte 3). So entjpringen z. B. die indiſchen Hunde einer Begattung des Tigers (nach einer andern Stelle des Ariftoteles eines hundeähn- fichen: Thieres) mit dem Hunde, ver Nhinobatis einer Begattung der Rhine mit der Batis u. ſ. f. Eine wiffenfchaftliche Nomenclatur kannten die Alten ebenfowenig. Ihre Namengebung war die populäre. Dies wird bewiefen durch das Borhandenfein einmal mehrerer Namen in einer und derfelben Sprache für ein Thier, dann verfchiedener Bezeichnungen für verfchiebne Alters: zuftände eines und veffelben Thieres’%. Die Namen werben von feiner irgendwie ausführlichen Befchreibung eingeführt, fondern als durch den Volksgebrauch bekannt voransgefegt. Die zugehörigen Thiere fönnen daher nur nach den fich meift an verfchievenen Stellen finden- den Angaben über einzelne Eigenfchaften verfelben wiedererfannt wer den. Wie jehr dies die Beſtimmung der Thiere erfchwert, wirb noch jpäter zu erwähnen fein. Selbft bei ver Bezeichnung größerer ſyſte⸗ matifcher Einheiten verfuhr Ariftoteles nicht ftreng nach Grundfägen. — — —— — eidn Ev eldos.u.a. Plinius ſpricht z. B. X, 8. 9von dem genus accipi- trum und wenige Blätter fpäter X, 19. 22 fagt er nunc de secundo-genere di- camus, quod in duas dividitur species, oscines et alites, wo jedenfalls bie letst- erwähnten Species weitere Abtheilungen bezeichnen als das erftere Genus. 35) Solden Kreuzungen gegenüber hießen die Individuen einer Art öuoyer (jo bei der Maulthiererzeugung, Hist. anim. VI, 23. 161); ber bier zu Grunbe liegende Gedanke wird aber nicht weiter verfolgt. De gener, anim. II, 4. 53 fagt Ariftoteles geradezu: ulyvuraı dEwv... 1a usyddn tüv owuarov un nohb dı£ornzev. Ueber indiſche Hunde ſ. Hist. anim. VII, 28, 167, und de gener. anim. UI, 7. 118. 36) Derartige Synonyme find yAdvos und beıve, Adrak und x«0Twg, Apus und Cypselus u. ſ. w. Die verſchiedenen Alterszuftände des Thunfifches haben bei Aristoteles und Plinius verſchiedene Namen, | Haustiere der Grichen und Römer. —— Hausthiere der Griechen und Römer. Natürlich gieng die Thierkenntniß zunächit von den Hausthie- aus. Wenn jet der Verfuch gemacht werden foll, einen kurzen erblickt über die von den claſſiſchen Schriftftellern erwähnten For- der Hausthiere zu geben, jo kann es nicht der Zweck deſſelben fein, größter Bollſtändigleit eine Gefchichte der Raffen zufammenzuftelfen, nehr foll nur im Allgemeinen auf das hinſichtlich ver Formtennt: Wichtigfte Hingewiefen werden. Was zunächft das Rind betrifft, fo werben aufer dem gewöhn- Hausrind, deffen Raffe indeß ſchwer zu beftimmen fein bürfte, von m nächften Verwandten noch das Budelrind, und zwar bei Ariftote- 8 als ſyriſches, bei Plinius als ſyriſches und farifches, und der Wifent, onasus und bison, erwähnt. Zu letsterem tritt bei Plinius noch der oder Auerochs. Beide haben auch ven Büffel gefannt. Den Yak, welchen orientalifche Angaben noch weiter zurücreichen, erwähnt an (XV, 14). Natürlich fehlt es (abgefehen von ven bier nicht in acht fommtenden öfonomijchen Angaben) auch beim Rinde nicht an ein; fo erzählt Aelian (XVI, 33), daß in Phönicien vie Kühe fo feien, daß die Menfchen, um nur beim Melten das Euter erreichen 1 Können, auf eine Bank fteigen müſſen. Bon Schafen erwähnt be- ntlich Herodot fettihwänzige aus Arabien, deren Schwänze man Heine nachgefchleppte Wagen band >”). Auch Ariftoteles führt did dünnſchwänzige, kurz- und langwollige Raffen auf. Bei Plinius mt der Mufimon vor (VII, 49. 75), welchen fpäter Iſidor von illa als Baftard von Ziege und Widder deutet. Unter den An- über Ziegen finden fich folche über langohrige in Syrien und ber Ziegen in Lycien (Ariftoteles) oder Phrygien (VBarro), welche ge- f ren werben wie Schafe. Waren auch die Kamele feine Hausthiere ei den Griechen jelbft, jo geſchieht doch ihrer ansgevehnten Benußgung m Orient Häufig Erwähnung umd zwar fowohl des Kamels als des 37) Daffelbe erzählt Ruffell im der Natural History of Aleppo. ©. 52; ih wird das Gleiche in der Miſchna (Sabbat. 5, 4) und bei deren Eommentato- em zu diefer Stelle erwähnt. \ \ 3 * 36 Zoologiſche Kenntniffe des Alterthums. Dromedars. Später wurden fie eingeführt und in größerer . gehalten >°). ; Bon Einhufern waren den Alten das Pierd, der Ejel, der Kulan und Dfchiggetai befannt. Unter den Pferden rühmt Ariftoteles be- fonders die nifäifchen ihrer Schnelligkeit wegen (Hist. anim. IX, 50. 251). Gleichen Vorzug ſchreibt Aelian den libyſchen zu, welche außer- dem gar feine Pflege bevürften oder genöffen (de nat. anim. Ill, 2). Ob die von Archilochos angeführten „neunftreifigen magnefifchen* und prienifchen Ejel°®) bejonders ausgezeichnete Raſſen waren, ift nicht zu entfcheiten. Im Verhältniß zu den übrigen Säugethieren Heine Ejel erwähnt Ariftoteles von Epirus, wogegen Eſel ihrer Empfindlichkeit gegen Kälte wegen weder in Skythien no am Pontus bvortommen - follen. Ungemeine Schnelligkeit, aber vann plögliches Ermüden ſchil⸗ dert Aelian (XIV, 10) von ten mauritanifchen Ejeln. Wildeſel (onager, jest Kulan) kommen bei Xenophon, Varro, Plinius und Aelian vor, Auf den Dichiggetai bezieht man den Ausprud „Hemionus* (Halbejfel) bei Ariftoteles (Hist. anim. VI, 24. 163), worunter er indeß an an⸗ dern Stellen die Baftarde von Pſerden und Ejeln, alfo faft ſynonym mit „Dveus“, verfteht. Die Kreuzung des Pferdes mit dem Efel zur Erzeugung der in manchen Beziehungen jenen beiven an Brauchbarfeit vorzuziehenden Maufthieren und Mauleſeln ift jedenfalls ſehr alt, doch nur bei den Ariern, den Semiten war fie verboten. Anakreon jchreibt ihre Erfindung den Myfiern zu). Yelian erzählt, daß in den großen Heerden wilder Pferde und Ejel Indiens die Stuten häufig Ejelhengfte zuliegen und gutlaufende braune Maulthiere erzeugten (XVI, 9). Ari— jtoteles macht noch feinen Unterſchied zwifchen Maufthier (von Efel- hengſt und Pferdeftute) und Mauleſel (von Pferdehengſt und Efelin), ſondern bezeichnet beide mit „Oreus“ oder „Hemionus“. Er meint aber, : 38) Nach Aurelius Victor (Caes. 41) war der Ufurpator Calocerus auf Eypern Aufjeher der faiferlihen Dromedare, magister pecoris camelorum (335 u. Ebr.). 39) Mayvns Evveauuxhosg örog; 153. Hartung überfetst (die griech. Ly⸗ riler) „mit neun Willften“; e8 find aber jedenfalls die Streifen gemeint. 40) innoso0or 2 Muvooi &ugor uidıv ovwr (moös Innoug) 35. Fragm. _ Sanstfire br rien und Römer. 37 ſich — in ihrer Form nach der Mutter richten*!), muß fo doch die Unterfchiede bemerkt Haben. Später heißt Maulthier mu- ıs, Mauleſel hinnus (burdo bei Iſidor von Sevilla). Als „Sinnos“ nus) bezeichnet Ariftoteles das Product von Maulthier und Stute. hibare Maulthiere erwähnt Plinius (VII, 44. 69), doch ohne Zu: läffigeit.. Belaunt ift, daß Schweine ſchon in ben älteften griechifchen iten gehalten wurden. Bejondere Refultate einer forgfältigen Zucht, ie welche Eofumella Anweifung gibt, find nicht weiter befannt gewor: en. Doch erwähnt Barro Schweine in Gallien, welche fo fett jeien, fie ſich nicht mehr felbit von ver Stelle bewegen können. Einhufige Schweine führt Ariftoteles als in Päonien und Illyrien vorfommend n (Hist. anim. IH, 1. 17). Den Babyruffa fchildert Plinius. Die Sagen von kalybonifchen und erymantifchen Eber führen mit 1 Bagbabenteuern auf das zuletzt noch zu erwähnende Hausfänge x den Humd. Als gute Jagdhunde führt Ariftoteles die lakoniſchen inbe an #2), welche aus einer Kreuzung des Fuchſes mit dem Hunde xvorgegangen fein follen. Die moloffifchen Hunde find theils Jagd», 8 gute Wächterhunde. Ob das Malteferhündchen #*) des Ariftote- ‚ welcher Name bei fpäteren Schriftftellern wiederfehrt (3. B. BPli- Aelian), diefelbe oder eine ähnliche Raffe ift, welche Yinne als is familiaris melitaeus aufführt , ift, da fowohl Befchreibung als tere Angaben über das eigentliche Vaterland fehlen, kaum zu be men +). Außer ver erwähnten Kreuzung von Hund und Fuchs d früher von Hund und Tiger oder vielleicht Schakal) gevenkt Ari- 3 noch der Kreuzungen zwifchen Hund und Wolf, und zwar läßt 41) Hist. anim. VI, 23.162. Im Gegenfaß hierzu führt Columella (9. Cap.) 42) vielleicht diefelbe Raffe, welche Simonibes als zuwr "Auuxkalos erwähnt. 43) zurddiov us)ıreior. Hist. anim. IX, 6.50. Aelian, de nat. anim. 6. — 44) Aubert und Wimmer (Ariftot. Tpierkunde, I. S. 72) glauben mög- herweife an Canis Zerda benfen zu dürfen, welcher über Malta aus Afrika ge- Fracht worben wäre. Der Name Meitrn lommt aber öfter vor, und es liegt daher ohl näher, am eine griechiiche Raſſe Heiner Schoßhunde zu benfen. — Zoologiſche Kenntmiffe des Miterthume ex bie aus beiven entjpringenden Nachtommen wieder fruchtbar fein, da er nur die Hemionoi als unfruchtbar ausnimmt (De gener, anim. Il i | 7. 118 F ſo zahlreich waren urſprünglich bei den Alten die Bogel im Hausweſen vertreten; doch erreichte bei den Römern die Zahl der wenn nicht völlig gezähmten doch gehaltenen eine auch jetzt vielleicht faum übertroffene Höhe. Bereits erwähnt wurde, daß das Huhn erſt ſpäter eingeführt geworden fein kann; noch bei Ariftophanes heißt es der „perfiiche Vogel“, feinen öftlihen Urfprung andentend. Doc) er⸗ wähnt bereits Ariſtoteles edler Zuchthühner mit bunten Farben, leider ohne einzelne Angaben über Form, Größe u. f. f. zu machen. (Hist. anim. VI, 1. 1). Die einzige von ihm benannte Raffe waren die Hei- nen adriatiſchen, über deren fonftige Art umd Abſtammung nichts ber kannt ift. Auch damals bemugte man ſchon den Inftinet brütiger Hen⸗ nen, um ihnen untergelegte Eier anderer Vögel (bei Ariftoteles findet ſich eine Angabe über Pfaueneier) ausbrüten zu laffen. Die Kampf ſucht der Hähne entgieng der Aufmerffamfeit ver Alten nicht. Es wird mehrfach erzählt, daß nach ven Perferkriegen in Athen Habnenkämpje als Volksbeluftigungen aufgelommen jeien. Außer diefen Hahnenläm⸗ pfen hatten die Römer noch Kämpfe von Wachteln und Rebhühnern (f. Plinius, hist. nat. XI, 51. 112)%). Berühmt als Hausvogel, bei den Römern heilig gehalten, war auch die Gans, welcher bereits Aristoteles als gezähmten Vogels ger denkt. Die Wohlſchmeckerei ver Römer brachte ſchon ziemlich bald das kürnſtliche Betten der Gänfe durch Nudeln auf, fette Gänſelebern befon- ders der vein weißen Gänſe waren bereits damals geſchätzt. Der Gänſefeder ala Schreibwertzeug geventt erft Iſidor von Sevilla, doch wird die Benugung der Feder zu diefem Zwede damals ſchon als bes fannt erwähnt. Als wilde Gans tft wahrfcheinlich die Heine in Heer⸗ den lebende Gans des Ariſtoteles, chenerotes des Plinius anzufehen. Der Chenaloper ift wohl ficher die ägyptifche Entengans. Wenn — 496) Ueber Hahnen- und Wachtellämpfe bei den Alten |. Bedmann, er träge zur Geſchichte der Erfindungen 5. Bd. S. 446, | Leber der Ben An teianuten Zoirermen 39 | ftreng hierher gehörig, mag doch die Trappe hierierwähnt wer- ‚da fie Plinius als verwandt in die Nähe der Gans bringt. Nach sphon (Anabafis 1, 5) waren Trappen in den arabifchen baum- m Ebenen zahlreih. Die ariftoteliichen Angaben über fie find nur dürftig. Ein anderer Hausvogel war ferner die Ente; von befondern Formen verjelben erwähnt Plinius nur die pontifchen Enten, jedoch nur, um ihr Blut als Heilmittel anzuführen. Bon Tauben kommen ‚bei Ariftoteles Haustauben als gezähmte Form, Holztauben, Ringel: und Turteltaunben vor. Bon befonderen Raſſen oder auffallenden Formen ift nichts bekannt. Wenn auch nicht als völlig gezähmte Haus- vögel erfcheinen doch auf dem Geflügelhof der Alten noch Pfanen und Perlhühner; endlich find noch die Schwäne wegen der verfchieden an fie ſich knüpfenden Sagen und die periodiſch verſchwindenden Störche zu erwähnen. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die Alten bereits die dagd mit Balken oder Sperbern und Habichten kannten. Mag das Verfahren hierbei urfprünglich auch nur darin beftanvden haben, daf man (wie es Ariftoteles Hist. anim. IX, 36. 131.4%) erzählt) die Heinen Vögel aus Gebüſch und Rohr den anfangs vielleicht nur zufällig in der Nähe freifenden Raubvögeln zutrieb, worauf fie fich von Angft getrieben auf die Erde warfen und jo fangen oder töbten ließen, fo beutet doch eine Erzählung des Aelian (aus Ktefins) darauf hin, daf in Indien die Ab- richtung Heiner Raubvögel, unter denen neben Habicht und Sperber auch Raben und Krähen ericheinen, zur Jagd auf Hafen, ja felbft Füchfe, planmäßig betrieben wurde. Weberficht der den Alten bekannten Chierformen. Aus den meiften Thierclaffen num die den Alten befaunten Ber freter auch nur in annähernder Bollftändigfeit aufzuführen, ift für jet noch nicht möglich, es wäre auch Hier der Ort nicht, die Refultate etwa bejonders auf die Zufammenftellung und das Beftimmen der von ben 46) Durch dies Eitat joll Übrigens nicht die Aechtheit dieſes 9. Buches be- hauptet werben, ſ. auch Antigonus Carystius, Histor. mirabil. Cap. XXXIV. ae Zoologiſche Kenntniffe bes Alterthums Schriftſtellern des Altertjums erwähnten Thiere gerichteten Arbeiten in Ausführlichfeit mitzutheilen. Die Sache hat große Schwierigfeiten. Männer wie Johann Gottlob Schneider, Saro, welcher ale tüchtiger Philolog eingehende naturhiſtoriſche Kenntnifje bejaß, find jel« ten ; und doch gehört eine innige, nur zum Theil durch das Zuſammen⸗ arbeiten zweier Individuen zu erjegende Verbindung jener beiden Eigen ſchaften nothwendig dazu, die Aufgabe wenigftens befriedigend zu löfen. Der aus einer folhen Unterfuchung entfpringende Gewinn ift in | mehrfachen Beziehungen nicht zu unterjchägen. Es gewinnt micht bloß die phyſiſche Geographie dadurch, daß eine Ueberficht des fauniſtiſchen Verhaltens der alten bekannten Erde wenigſtens in großen Zügen für mindeftens zwei Jahrtauſende feftgeftellt werden fönnte; es wäre auch für die Gefchichte der Tiere und deren etwaige Wandlungen und Wanı derungen von großem Werthe, alle Notizen mit ven Thieren, wie und wo fie fich jetzt finden, vergleichen zu fönnen. Bor Allem aber würde ſelbſt die Gefchichte ver Zoologie bei den Alten einen großen Vortheil aus dem Umftande zu ziehen haben, daß es möglich wäre, das Bild des von den fogenannten claſſiſchen Böltern gefannten Thierreichs etwas volfftändiger als jett überjehen zu können. Freilich würden immer viele Lücken bleiben, theils weil ung vie Texte der alten Schrift- jteller häufig nur unvollftändig oder in dritter Hand erhalten , mandye möglicherweife ſehr wichtige Schriften, wie die des Appulejus ganz verloren find, theils und vornehmlich weil gar zu oft nur Die Namen ohne irgend welche leitende, oder mit gar zu allgemeinen Bemerkungen gegeben, wie im Ovid, Athenaeus, Aufonius, im Deipnon des Philo- renus u. a., Thiere überhaupt nur beiläufig erwähnt werden, wie im Caſſius Dio, Seneca u. a. Beſonders intereffant müßte es fein, und zwar, wie fich bald zeigen wird, nicht bloß für das Alterthum, ſondern ganz vorzüglich für das frühe Mittelalter, die ausführlichen wahren und fabelhaften Angaben, welche fich von Ariftoteles einerfeits, andrer- ſeits von Ktefias an durch Plinius, Oppian und Aelian 17) u. a. bis 47) Betreffs der beiden letzten ſ. den Aufjak von I. ©. Schneider, Ueber“ Oppian s und Aelian's Berdienfte um die Naturgefchichte in: Allernenefte Man- nigfaltigfeiten 2. Jahrg. 1783. ©. 392. — — ei Br dm A benntn Ziefrmen 4 * fpätere Zeiten erhalten haben , einzeln rückwärts auf ihren gang umd vorwärts auf ihre Verbreitung zu verfolgen. Es würde "daran der Urfprumg des fihen in ber früßeften chifichen Zeit on von Drigenes) erwähnten fogenannten „Phyfiologus“, jedenfalls zu didaltiſchen Zweden zufammengeftelltes Büchlein von den Thie- ſicherer erklären laffen, was um fo wichtiger wäre, da berjelbe er vollftändig oder in Trümmern in den verfchiedenften Sprachen dererfcheint (f. unten). | "Die geringe Auspehnung des den Alten befannten Ländergebietes 'e auch der Kenntniß des Formenreichthums der Thiere eine natürliche je. Mögen auch ſchon in ſehr früher Zeit durch die Heinafiatifchen ien und durch beftändige Berührung mit Phönicien und Aegypten * über aſiatiſche und afrikanische Thiere in das griechiſche zollsbewußtſein und die Sprache der Hellenen eingedrungen fein, im- — Sieben die der pofitiben Grundlage eigener Betrachtung und önliher Erfahrung entbehrenvden Erzählungen unficher und ver be: abigen Ausſchmückung mit fabelhaften Zuthaten ausgefegt. Es wur⸗ ben auch nicht bloß eine Anzahl rein mythiſcher Wefen aus derartigen tachrichten zufammengefegt, ſondern in einzelnen Fällen wurden irriger | Pen fremde Thiere als in Europa vorfommend aufgeführt **). 48) Dies gilt vorzüglich vom Löwen, der nach Herodots Erzählung zwifchen Fluſſen Acheloos und Neftos in Thralien vorgelommen fein fol. Sundevall Thierarten des Ariftoteles. Stodholm, 1863. S. 47) hat gewiß Recht, wenn die in der Historia animalium des Ariftoteles zweimal vorlommende Stelle, in dieſelbe Dertfichleit mit Auführung derſelben Flüffe als europäiſcher Wohn: bes Löwen bezeichnet wirb (VI, 31. 178 m. VII, 2%. 165) als dem Herobot ommen annimmt. Plinius, ber jene Angabe 2m; wiederholt, fagt ausbrüd- e is tradit . . . inter Acheloum etc. leones Nun war zu Homer’s Zeit zu das größte in Griechenland einheimifche Raubthier, trotzzdem daß in ben 1; 1 Gefängen ber den ioniſchen Griechen aus Borber-Afien (Syrien) be ar ** als Sinnbild des Muthes und unbezähmter Kraft häufig vorlommt. * Angabe bes Herobot, die ſich anf eine furz nach feiner Geburt (480 v. Chr.) örgefallne, aber erft viel jpäter, vielleicht in Thurii am Bufen von Tarent, nie» dergeichriebene Begebenbeit bezieht, liegt aller Wahrſcheinlichteit nach eine Verwech⸗ jelung entweder feitens bes Erzählers ober ſchon ber dabei betbeiligt geweſenen fonen oder ber Zwiſchenträger, durch die fie zu Herodot's Kenntniß kam, zu * Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums Abgeſehen von der Erweiterung geographiſcher und zoologiſcher Kennt» niſſe, welche ber ſich langſam und allmählich ausbreitende Handel und Verkehr mit fich brachten, find vorzugsweiſe die Perjerkriege und Aler · ander's des Großen Zug nach Indien für die ältere, die Ausbreitung des Römerreichs für die jpätere Zeit als die Hauptmomente zu betrach⸗ ten, durch welche unbelannte Stücke der Erdoberfläche ber übrigen alten Welt befannt wurden und, wenn auch nicht im heutigen Sinme durch⸗ forſcht, doch aufmerkſam auf ihre Naturerzeugniffe beobachtet werden konnten. Die rege Verbindung , in welcher aber ſchon vor dem Aus- bruch der zum Untergang der griechifchen Selbftänpigkeit führenden Kämpfe die Hellenen mit dem Orient geftanden hatten, bie häufig da⸗ hin unternommenen Reifen hatten fchon vorher manches über das aud) den Griechen als Wunderland erjcheinende „Yand ber Sonne“ belannt werben laffen. Und nicht bloß Süpd-Afien war das Ziel ber Wande⸗ rung gewefen ; nicht weniger reizte das von Geheimniffen erfüllte Nil- thal, nicht minder auch das mit der Urgefchichte griechifchen Seins ver⸗ webte Gejtade des Pontos. Was von folhen Nachrichten auf die Nachwelt gelommen ift, trägt num allerdings den Stempel des nicht ganz Zuverläffigen zu deut: ich, als daß es als Quelle für naturgefchichtliche Kenntniß angejehen werden könnte. Man wollte eben keine wifjenfchaftlichen Darftellungen geben, fondern flocht Schilverungen von Menfchen und Thieren ber . Erzählung mehr zufällig ein. Der Werth der einzelnen hier in Betracht fommenden Schriftfteller iſt nun zwar ein verfchiedener: Herodot wird im Ganzen mehr Vertrauen erweden als Kteſias und Megafthenes. Doch dürfen alle drei nicht unterjchägt werden. Brauchbare zoologiſche (und wie gleich gezeigt werben ſoll, anthropologifche) Angaben find frei- Lich nicht bei ihnen zu ſuchen. Dagegen findet fich bei ihnen manches, - was auf ihre Zeit, und zwar nicht bloß culturgefchichtlich, Licht wirft. Und Ktefias ift befonders veshalb wichtig, als, wie A.W. von Schlegel treffend fagt 19), „fein Buch über Indien die große Schaß- 49) ſ. deſſen Auffag: Zur Geichichte des Elefanten in feiner Indiſchen Bi buliothet Bd. 1, 1823, ©. 149, - Ueberficht der den Alten belannten Thierforinen. 43 umer für alle folgenden Fabelkreije geworden iſt“. Charakteriftiich das naturgeſchichtliche Urtheil jener Zeiten ift, daß Angaben, welche iftoteles mit Recht bezweifelt oder geradezu widerlegt hatte, ohne Be- benfen von Plinius, Aelian, und was für die Entwidelung der zoolo⸗ giſchen Vorbegriffe im Mittelalter von Einfluß ift, von dem Ordner des „Phnfiologus“ wieder aufgetijcht werden, zuweilen mit Uebertra- gung der von einem Thier erzählten Gejchichte auf ein ganz anderes. Plinius, Aelian, Athenaens und andere fpätere Schriftfteller hät⸗ ten num aber außer ven genannten älteren litterarifchen Quellen noch andere Mittel haben können, ihre Thierkenntnig wiffenfchaftlich zu er- weitern, wenn fie diefelben fruchtbringend benugen zu können in ver Lage gewejen wären. Einmal ift zu bemerken, daß mit der Ausdehnung der römischen Herrichaft vie officielle Sendung oder die Reifen gebil- beter Römer Hand in Hand giengen und zwar in alle Theile ver da⸗ mals befannten Welt, welche num faſt ganz Europa, Welt und Süp- Afien bis nach Hinter - Indien, Africa von dem Atlas bis zu ben „Quellen“ des Nils umfaßt. Hierdurch kamen doch ficher zahlreiche und wohl auch oft beftätigte Nachrichten in Rom zufammen. Dann aber trug vor Allem der ſteigende Lurus ſowohl der Mahlzeiten als ver öffentlichen Feſte und Spiele, Thierkämpfe u. ſ. f. dazu bei, Gelegen⸗ heit zur ſorgfältigen und verhältnißmäßig bequemen Beobachtung leben⸗ der Thiere, ſowie zur Zergliederung der ja oft maſſenhaft getödteten reichlich darzubieten. Wie wenig aber dieſe Gelegenheit benutzt worden ift und warum man das Material, was kaum je wieder in jolcher Fülle zufammengebracht worden ift, unbenugt gelajjen bat, wird jpäter zu Auch Ariſtoteles wollte in feiner Thiergeſchichte keine vollzählige SBeſchreibung der ihm befannten Thiere geben. Eine Angabe über die Zahl der von ihm erwähnten Thiere hat daher nur eine relative Be— deutung. Im Ganzen kommen etwas über fünfpundert Thiere in feinen” Schriften vor, von denen indeß nicht alle mit gleicher Ausführlichkeit geichilvert, daher auch nicht alle wiederzuertennen find. Der hauptjäch- fichfte Zuwachs, welchen die Thierkenntniß von Ariftoteles bis zum Ausgang des Alterthums erfuhr, betrifft Die Wirbelthiere, Diefe konnten r Ze Zoologiſche Kenntniffe des Alterthums. wegen ihrer burrchgängig bedeutenderen Größe leichter beobachtet werden, n fielen daher auch den Eultur- wie Naturvölfern im Ganzen mehr auf. | Dann aber boten zumal bier vie Möglichkeit, die Thiere lebend von einem Ort zum andern zu bringen, fowie ihre ausgedehntere Benugung als Nahrungsmittel (man denke nur am Fiſche der nach immer neuen | Sinnesreizen lüfternen römifhen Welt Beweggründe dar, noch nicht | Dagewefenes herbeizufchaffen. | Wie oben bei Erwähnung der Hausthiere foll auch hier nur das Wichtigfte hervorgehoben werden. Die Reihe beginnt am füglichften der Menſch. Während bei Ariftoteles keiner befondern Raſſe Erwäh- nung gefchieht (va die Stelle im achten Buche der Thiergefchichte, wo von den Pygmäen geiprochen wird, ficher unecht ift), kommen fchon im Herodot Beichreibungen verjchiedener Völker vor. Wahrheit und Dich⸗ tung wechjeln hier mit einander ab. Die Schilderung der einzelnen ſtythiſchen Stämme, wieder Borpftheniden, Kallipiden, Alapen, Olbio- politen u. ſ. w., der aus einer Mifchung von Hellenen mit den Ama» zonen hervorgegangenen Sauromaten , ift ebenfo wie bie ber libyſchen . Adyrmachiven, Giligammen, Asbyften u. a. nicht fcharf genug, um in ihnen mit Sicherheit den Ausdruck befonderer Raſſeneigenthümlich⸗ feiten finden zu können. Bei Erwähnung der Neuren, einer gleich falls ſtythiſchen Nation, wird der Sage von der Verwandlung der Men- hen in Wölfe gedacht, und dieſe Mittheilung ift vielleicht die älteſte Notiz über Wehrwölfe. Die Budinen werden als blond und blauäugig hervorgehoben. Als nicht ftythifch werden die Anprophagen, Menfchen- frefjer bezeichnet. So weit bewegt ſich die Erzählung in ven Grenzen der Wahrjcheinlichfeit. Entweder mythiſche Entftellungen over Lügen- hafte Berichte liegen aber ven Nachrichten zu Grunde, welche Herodot bon den Argippäern, welche von Geburt an kahlköpfig fein follen , ven einäugigen Arimaspen, welche in Inner - Afien mit ven Greifen das Gold behüten follen, von den Hundsköpfen und den die Augen auf der Druft tragenden Ohneköpfen vorbringt. Von den letsteren bemerkt He rodot übrigens jelbft, daß fie von den Libyern fo geichilvdert würden, und fegt hinzu: „noch andere Thiere, welche nicht erlogen find“, fo — daß er doch kritiſche Bedenken bei der Wiederholung jener Angaben Ueberficpt der den Alten befannten Tpierformen. 45 atte 5%). Zu ven Hundsköpfen und Kopflofen, welche aber von Libyen, beim einen Wunderlande, in das andere, Indien, verjegt werden, fügt - Mefias noch die auf Kranichen reitenden Pygmäen, „die einbeinigen ehenden Läufer, die Plattfühe, die ſich auf den Rücken legten und die Beine emporftredten , um ihre großen Füße als Sonnenfchirme zu ge- brauchen, und vieles andere, was nachher theilweife in den faljchen - Kallifthenes, in die Legende vom heiligen Brandanus, in die Reife des Sindbad und Maundeville, und bei ung in die Abenteuer des Herzog Ernuſt übergegangen ift“'). Achnliche Fabeln wiederholt auch Mega- JE SH Schwer ift es, derartige Fabeln auf ihren Urſprung zurüdzufüh- ven, noch ſchwerer vielleicht, zu entſcheiden, ob dabei abfichtlich Unge⸗ beuerlichkeiten erzählt oder beftimmte Naturerfcheinungen flüchtig oder unvichtig beobachtet und leichtfinnig weiter erzählt worden find. Die erſt genannte Aufgabe dürfte dadurch um ein Kleines ihrer Yöfung ge- _ nähert werben, daß ſich Momente ergeben, welche auf einen afiatifchen Urfprung hinweifen. In dem chinefiihen Chan-har-fing, dem zwar apokryphen, aber doch in die erften Jahrhunderte unjerer Zeitrechnung urüdzuverlegenden „Buche der Berge und Meere‘, werden Dämonen geſchildert und abgebildet, welche fogar in vielen Einzelheiten an bie Babelthiere und fabelhaften Menſchen des Ktefins erinnern 52). Und was den zweiten Umftand betrifft, jo hat man von verjchiedenen Seiten ber verfucht, jene Wunderformen auf beftimmte, ver Uebertreibung ber faljchen Deutung unterlegenen Erſcheinungen zurüdzuführen >). Doch ift nicht zu leugnen, daß bei manchen diefer Ungeheuer eine Er- Härung wohl unmöglich, dagegen die Annahme wohl erlaubt fein dürfte, die Einbildungstraft habe hier eine größere Thätigkeit entwickelt, 50) Hetebot, IV. Buch, Cap. 191. vgl. auch Cap. 17—27, 103—110. und U. Buch, Cap. 116. und andere Stellen. HH ADB. von Schlegel a. a. OS. 149. f. au Laſſen, Judiſche Al- umslundbe 2. Bd. ©. 651. 52) Bazin, aine, Du Chan-hai-king, cosmographie fabuleuse altribude grand Yu in: Journ. asiat. 3. Ser. T. 8. 1839. p. 337—382., 53) So 3.8. H. H. Wilson, Notes on the Indica of Ctesias. Oxford ımolean Soc.) 1836. — * Zoofogifehe enntniſfe des allerthumn > als nach ven empfangenen Sinneseindrücken der Erzähler hätte vor⸗ ausgeſetzt werden können. E Unter den Nachfolgern des Kteſias findet fh kaum einer, wie fich in feinen Schilderungen verfchiedener Menichenftämme ganz von | ven Uebertreibungen , welche naturgemäß die oberflächlichen Beobach⸗ | | tungen zu ergänzen beftimmt waren, hätte frei machen Fönmen. Doch gewinnt es den Anſchein, als ob doch im Allgemeinen eine etwas nüch⸗ ternere Anſchauung allmählich Platz gegriffen hätte. So ſind die Ich⸗ thyophagen, Chelonophagen und andere Völler, welche Agatharchides erwähnt, wohl nur deshalb nicht weiter zu beſtimmen, als bei dem Mangel treffender Geſichtspunkte die Schilderung ſich nur anf einzelne Aeußerlichteiten erftret. Ob dagegen die Hylophagen, welche völlig nackt auf Bäumen wohnen, fich auf dieſen behend bewegen und von ven faftigen Trieben und Blättern derſelben ernähren, Affen ober eine | wunderbare Menfchenraffe varftelfen , ift nicht auszumachen. —* Herodot verſucht, aus phyſiognomiſchen und culturhiftorifchen Momen⸗ ten die Zuſammengehörigleit einzelner Völler zu begründen; eine na⸗ | turgefchichtfiche Betrachtung des Menfchen war aber ven Alten fremd. | Plinius wiederholt noch die Erzählungen aus Kteſias, Megafthenes, Artemivoros u. a.; aber ohme Berenten hält er vie Wundermenjchen für Naturfpiele 5). Dagegen kommen bei Arrian Schilderungen der Neger vor; auch bemerkt er, die Indier ſeien den Aethiopiern ähnlich. Albinos in Indien erwähnt ſchon Kteſias; Neger - Albinos fchilvert Philoftratos in feiner Lebensbefchreibung des Apolfonios von Thana, fein Bericht ift aber ficher wie das Meifte derartiger Merkwürdigkeiten aus Älteren Quellen entnommen. | Bon Affen kannten die Alten Paviane, Makalen, lang⸗ und kurzſchwänzige Arten, und Cerkopitheken. Daf fie von den jet foge- nannten Anthropomorphen feine Form geſehen, wenigftens nicht ber 54) Hist. natur. VII, 2.2. Haec atque talia ex hominum genere ludi- bria sibi, nobis miracula, ingeniosa fecit natura. Selbft Antigonns Karyſtius hatte dem Ktefins gegenüber mehr Kritil, wenn er nad) Anführung einer Erzählung deeſſelben im bezeichnender Weife noch binzufügt: „Ira da 76 auror molla wei- deoduı, maps)sinousr ıyv Baloyiv“. ee Der de cn ann Tiefer, | 47 ſchrieben umd noch weniger zergliebert Haben, ift ſicher. Galen's Affe war nicht der Orang⸗ Utang, wie eine Zeitlang geglaubt wurde 5). Flebermäufe befchreibt ſchon Ariſtoteles; einzelne Formen find nicht zu unterjcheiven. Injettenfrejjer waren befannt ; Maulwurf Wwahrſcheinlich nur bie ſüdeuropäiſche Form), Igel und vielleicht Spig- maus. Die Nagethiere boten im Hafen, der Maus und Ratte, dem Siebenfchläfer, Biber u. a. Vertreter dar. Die Zahl der gefann- ‚ten Nager nahın verhältnigmäßig am geringften zu >%). Für eine Kennt: niß von Halbaffen im Alterthume fehlt jede Notiz. Die Carnivoren mußten zu ben römischen Thierfämpfen ven beveutenpften Beitrag lie fern. Schon früher erwähnt Megafthenes ven Tiger; den erften in Rom zeigte Pompejus 57). Aelian erzählt, daß die Indier Yöwen zur Jagd abrichten. Dies ift vermuthlich ver Guepard. Coelius beftelit bei ‚Gioers, als biefer Proconful in Eilicien war, Banther. Im Jahre 168 ‚». Ehr. kümpften große afritanifche Kagenarten, Panther, Yeoparden, and vermauthü auch Hyänen unter dem Confulate von Scipio Nafica und Pentulus. Löwen erjchienen im Kampfe zuerft 185 v. Ehr. in Rom. Eine neue Fangart”derfelben kam unter Kaifer Claudius auf. ee see: der Luchs erjchien zuerft — Nimmt man Katze, Viverre, Herpeſtes Marder ‚ Buchs, Wolf, Hund (wilde Hunde kamen aus Schottland), 4 55) Die Ehinefen follen aus Affenblut purpurme Färbſtoffe bereitet haben. f. Erasm. Francisei, Oft- und Weftindifcher Luſtgarten. &. 390. 56) Die Martichora des Ktefias wird zuweilen mit dem Stachelſchweine in Berbinbung gebracht; doch Können mur ganz einzelne Züge zu jenem abenteuer» ben Bilde verwendet worden fein. 57) Schon ber König Seleulos joll den Athenern einen Tiger als Geſcheul baben, ber bei Athenaens XII, Ausg. von Schweigbhänfer, 5. Bb. S. 133 wähnt wird. — Iu Bezug auf die im den Thierlämpfen erihienenen Thiere |. lonber8 Mongez, M&m. sur les animaux promen6s ou tu6s dans les cir- es. in: M&öm. de lInstit. Acad. d. Inscript. T. X. 1833. p. 360—460; und eram fich aulehnend: Friedländer, Darftellung aus der Sittengefchichte Roms Thl. 9. Ausgabe) ©. 332, - 58) Die von Aubert und Wimmer (Thiertunde S.72) u AuyEangegogeite : ans Plinius (VII, 19. 28) bezieht fich gar nicht auf den Iynx des Plinius, mbern auf ein Thier, was er chama ober chaus, die Gallier rufius nennen,’ un» mn Luchs, dem er weiterhin (VII, 22. 34) lupus cervarius nennt. — J 3 Zoofogifche Kenntniffe bes Alierthums | | Bären und Dachfe Hinzu, jo find die hauptfächlichiten Gruppen ver PH DT, Fleiſchfreſſer vertreten ®9), ebenfo wie es auch die Robben waren. Bon Elefanten wurde zumächft der indijche bekannt ; auf ihm allein beziehe fich die Angaben des Ariftoteles. Zur Römerzeit kamen durch die Pi thager afrifanifche nach Italien. Die römifchen Soldaten fahen die erften Elefanten 286 v. Chr. in Yulanien (daher boves lucani) in Pyrrhus' Heer; 274 v. Chr. hatte Curius Dentatus Elefanten vor’ feinen Triumphwagen gefpannt. Ihre Zähmung und Mbrichtung zu Kunftftücen erwähnt ſchon Plinius. Abbildungen find Häufig, auch vom afrikanischen. Ein Hippopotamus fam 58 v. Chr. nad Rom; | frühere Erwähnungen ver Nilpferde find unficher. Ammianus Mar cellinus jagt aber bereits (4. Jahrhundert nach Ehr.), daß fie nicht mehr unterhalb der Katarakten des Nils vortommen; und Arrian hebt hervor, daß fie in Indien fehlen. Ein Rhinoceros befchreibt Agatharı chides (71. Cap. der Ausgabe der Geogr. min. von C. Müller), das zweihörnige zuerſt Pauſanias. Es kommt auf Münzen des Domitian ‚vor; aber ſchon Ptolemaeus Philadelphus hatte den Alerandrinern ein Nashorn gezeigt. Ueber die Einhufer iſt das früher Angeführte zu vergleichen. Das Zebra (?hippotigris) kam unter Caracalla nach Rom. Außer den Hausjchweinen kannte man das Wildſchwein und wie bereits erwähnt den Babyruffa. Des in der Bibel vortommenden Klippdachſes „Saphan“, nach Luther Kaninchen) gefchieht bei den claffischen Böllern feine Erwähnung. Bon Wiederfäuern waren, aufer den hierher⸗ gehörigen Hausthieren 0) und deren näheren Verwandten, Hirſch, Reh, Dammhirſch, Elenn (Plinius, PBaufanias), Rennthier und meh⸗ tere Antilopenarten bekannt. Vom Schelch kommt nichts bei ven Alten vor. Die Giraffe befchreibt Agatharchives (72. Cap.); Ptolemaeus Philadelphus brachte fie nach Alexaudrien. In Rom erfchien fie unter 59) Zu ihnen gehören wohl auch die uvpunzes des Herobot u. A., welche in Indien Gold graben. Sie werden größer als die Füchſe geſchildert, auch wird ihrer Felle gedacht. Schon Nearchus ſagt aber, daß fie ſich Höhlen graben und dabei zur fällig Gold aufwühlen (j. Arrian, Hist. Ind.). Bergl. auh Graf — — - Bon ben goldgrabenden Ameiſen und Greifen. Helmſtadt, 1799. 60) Die von Theffaliern erfundenen Stierfämpfe führte Caeſar in Rom ein. 5 Meberficht ber bem Aiten Gefannten Thierformen. 49 ır (diversum confusa genus panthera camelo, jagt Horaz von - Alte Abbildungen derjelben finden fich öfter, fo z. B. auf antilen Mofaik (allerdings wenigftens wohl nachhadrianifch) und em Sarlophag mit dem indifhen Triumph des Bacchus 6). Der umele wurde bereits früher gedacht. Bon Walthieren waren Del- , Zümmier, und die Eriftenz von Bartenwalen bekannt. Die eoloffalen Knochen, welche M. Aemilius Scaurus 83 n. Chr. zur Schau as waren vielleicht die eines großen geftrandeten Wales. alartige Thiere in Indien erwähnt Arrian ; Plinius gedenkt ver Pla- tanifta * im Ganges vortommend, mit Rüſſel und Schwanz bes £ Ungleich fehwerer als in Bezug auf die Säugethiere ift es, eine ze Meberficht der Formen zu geben, welche den Völkern des Alter: ö ms aus ben übrigen Wirbelthierflafjen befannt waren. Zweck dieſer en ift indeß nicht eine vollftändige Aufzählung der etwa werfennbaren Arten, fondern ein Hinweis auf den ungefähren g ber Formtenntniß der Alten. Es wird daher das Folgende ügen. Was die Vögel betrifft, fo führt ſchon Ariftoteles Papa- en als indifche Vögel an; ähnlich Arrian; doch waren auch) Afrika folche bekannt. Außer dem Kucdud, deſſen Gewohnheit e Eier in fremde Nefter zu legen der Aufmerkfamkeit der Alten ft entgangen war, werben noch aus der Ordnung der Kuckucks⸗ igen Eisvögel 2), Bienenfrefler und der Wiedehopf mehr oder wer x ausführlich gejchilvert. Die Ordnung der Spechte kannte man 61) Das präneftiner Mofail abgebildet von Barthelemy in: Mem. de Be d. Inser. T. XXX, 1760. p. 334; auch auf einem Wandgemälde eines m ber Billa Banflli. (.D. Yabn, in: Abhanbig. d. 8. Bayer. Alad ſa * a. Bd. 8. 1858. Taf. I. Fig. 1.; ferner auf Münzen, und zwar vor heiftlichen der Eyrenaita (j. Liebe, Gotha numm. ©. 393), wo Cavedoni, ber 36 Thier für eine Giraffe Hält, jedenfalls Recht hat gegen Liebe und Edel, und auj — aus Antoninus Pins’ Zeit. Wegen des Sarlophags ſ. Bullet. P Istit. arch. 1858. p. 40; ferner ebend. p. 125. 62) — der oben angeführten Stelle des Altınan (Anm. 16. ©. 19) wird «8 bricheinlich, daß Antigonus Caryſtius Recht hat, wenn er den xngvlos als Männ- u von aixcom bezeichnet. Im Ariftoteles kommt er nur einmal vor (Hist. anim. VII, 3. 47). 8 Carus, Geh. d. Boni. 4 50 Zoologifche Kenntniſſe des Altertbuums. * in mehreren Arten echter Spechte ſowie im Wendehals. Aus der Ord⸗ nung der Makrochiren laſſen fi Ziegenmelter und Segler mit Sicher ⸗ heit wiebererfennen; in Bezug auf letztere beftand eine äßmliche Ber» wechfelung mit den Schwalben, wie fie bis auf die nenefte Zeit geherrſcht | hat. Im beträchtlicher Anzahl erſcheinen die Sperlingsartigen, und zwar ſowohl Schreier als Sänger. Sperlinge, Meiſen, Bachftelgen, Drofieln, Nachtigall, Lerche, Schwalben, Pirol waren bekannte Re- | präfentanten diefer formenreichen Gruppe. Die Rüdfichtslofigkeit rör mifcher Wohlſchmecker brachte ſchon in ver alten Zeit, wie leider noch heute in ganz Italien, den durch oder nach Süd⸗Europa ziehenden Bö⸗ | geln reichlihen Tod. Man lieft von Gerichten auf römifchen Tafeln, welche in nichts den ausgefuchten Gaumenreizen neuerer Zeiten nach- ftehen. Nachtigallen wurden ihres Gefanges wegen gehalten ; Droffeln wurden gemäftet. Bon rabenartigen Pafferinen werben angeführt: Ei- helpeher, Raben und Krähen. Unter ven Raubvögeln unterfchied man Geier, Adler, Falten und Eulen ; die Beftimmung einzelner Formen ift nicht ganz leicht, doch dürfte eine VBergleichung verfchiedener Schrift. | ſteller noch weiter führen als zu dem bis jegt Ermittelten. Eines ger zähmten und vielleicht abgerichteten Adlers, ver einen Knaben mit feinen Fängen in die Luft erhob, gedenkt Martialis am zwei Stellen. Der Tauben, fowie des Haushuhns, der Wachteln und Rebhühner wurde bereits gedacht. Faſanen waren bekannt; die Melengris der Alten war das Perlhuhn. Strauße fpielten in ven römifchen Thier- fünpfen eine große Rolle. Intereffant ift eine Angabe Herovign’s, nach welcher Strauße, denen Commodus im Circus die Köpfe abge- : ſchlagen hatte, noch nachher eine Strede weit gelaufen feien, als ob nichts vorgefallen fei®). Bon Warvögeln werden aufer den erwähns ten und dem Storch noch Reiher, Löffelreiher, Ibis, Rohrdommel, und Kraniche angeführt. Letztere wurden nach Caſſius Dio zu Kämpfen gegen einander abgerichtet. Schnepfen und mehrere Berwandte waren gleichfalls befannt. Die Orbnungen der Shwimmpögel waren 63) mooievaı dE no To owua Tüg zeyakis ayyonulvns obdiv üeyen,. jagt Ariftoteles, de partibus III, 10. 673 a. ei de der An tenmnta Tiemen. 51 ec ——— Ob der Flamingo, deſſen Zunge Pli⸗ 18 nach dem Apicius als Leckerbiſſen rühmt, ſchon dem Ariſtoteles annt war, iſt zweifelhaft. Dagegen waren außer den früher ange⸗ führten Schwänen, Gänfen und Enten noch der Pelitan , Scarben, Zaucher und Möven bekannt. Am dürftigſten ift bei ven alten Schriftftelleen im Berhältniffe zu den übrigen Wirbelthieren die Bekanntjchaft mit Reptilien und Am— phibien vertreten. Man kannte zwar See-, Land» und Süßwaſſer⸗ ſchildkröten, aber nur in einzelnen nicht ſcharf beftimmten Formen. - Nil-Erocobile kamen jogar nach Rom in den Circus. Daß fie gezähmt worden find, beweifen die in verfchiedenen äghptiſchen Städten gehal- i tenen und verehrten Grocobile ; felbft aus fpäterer Zeit wird manches ° erzählt, fo daß Firmus in Alerantrien (272 n. Chr.) nach der Erzäh« fung des Bopiscus unter einer Anzahl von Erocodilen herumgeſchwom⸗ men fei, daß in Arſinos die Priefter die Erocodile wenigftens fütterten (4. Sahrhunbert). Erocodilartige Thiere aus Indien erwähnt bereits Arrian, eine Angabe, welche jpäter erſt von den arabifchen Geographen wieberholt wurde. Bon Schlangen find die gefannten europätfchen Arten jchwer mit Sicherheit zu beftimmen. Außer der füdenropäifchen kannte man die ägyptifche Schild- Viper und wahrfcheinlich noch ein Baar indifche, zum Theil giftige Schlangen %). Unter Auguftus wurde eine coloſſale Schlange im Circus gezeigt ? Python). Kleine Eidechjenfor- men, Stellionen ®), das Chamaeleon und einige andere jchwer zu deu⸗ de Arten repräfentiren die Saurier. Bon Amphibien wurde der jedenfalls gefehene und beobachtete Salamander mit vielen fabelhaften Uebertreibungen gejchilvert. Außer ihm kannte man kaum eine andere geihwänzte Form. Fröſche und Kröten waren dagegen wohlbefannt. 64) Eine Anzahl von Schlangen, welche indeß nur dem Namen nach ange: t werben, erwähnt Andromachus, Leibarzt des Kaifers Nero, in feinem berühm- Therial: Inoraxı) di Lyidvam. 65) Apollonius Dystolos citirt (Hist. mirab. 39) aus Ariftoteles (dv reis Behoyais tür "Avarousv) eine Stelle, wo letsterer erzählt, im Paphos fei eine Schlange mit zwei Füßen, denen des Lauderocodils (Stellio) ähnlich, gefehen wor- den. Ob hier eine unvollftändige Beobachtung einer Stintoiden-Form zu Grunde ie! ? 4% 52 | Zoologiſche Keuntniſſe des Altertbums, Zahlreich war die Reihe der Fifche, welche allmählich bekannt \ wurden. Es trug zur näheren Bekauntſchaft mit ifnen wohl ebenfo die Feinſchmeckerei ver Römer als fpäter die ſeit dem Auflommen der 8 hriftlichen Faften ihnen bejonders als Faftenfpeife zugewandte Auf- merffainfeit nicht wenig bei. Wird aber bie Zahl der angeführten Arten immer größer, fo wächft mit ihr bie Schwierigfeit, fie einigermaßen ” i mit Sicherheit wiederzuertennen. Nirgends fo häufig wie hier fommen Lüften bloßer Namen 66) vor, höchſtens mit ganz allgemeinen, nichts | ſagenden und dadurch leicht irreführenden, zur Ausichmücung beigege- benen Zufägen. Am lohnendſten würde es bier noch fein, nach und nach einzelne geographiſch begrenzte Gebiete forgfältig zu durchforſchen, wobei die mönchifche bis in frühe Jahrhunderte binabreichende Ueber: · fieferung als Hülfsmittel benugt werden muß. Ueber einzelne Namen geben dann Gloſſen gute Auskunft oder wenigftens ficherere Anhalte- ; punkte als Urtheile über Gejhmad, Nutzen oder Schaden 9), — Hair fische ſowohl als Rochen kommen vielfach bei ven Glaffitern vor und zwar in mehreren Arten, von denen einige, durch auffallende Eigen» -⸗ thümlichkeiten charakterifirt, ficher wiedererfannt werben fönnen, 66) So z. B. in dem Fragmente repl Iydie» des Marcellus Sibites, in der Moſella des Aufonius u. a. 67) Um unter vielen Beiipielen falicher Deutungen nur eines anzuführen, foll auf Ausonius, Mosella, verwiefen werden. Dort beißt es ®. 89: et mullo spinae noeiturus acumine Redo. Böding erflärt dies als „grätenlos“, und darauf bin juchen Schäfer (in der Mofelfauna) und Ylorenconrt (Yabrbliher d. Rheinl. V. u. VI. S. 202) den Redo unter den Kuorpelfiichen, etwa Neunauge ober Pride. Nun weift [hen Forcellimi auf eine Stelle in den Halientica des Ovid (?) hin, wo es ®. 128 heißt: et spina nocuus non Gobius ulla. Gobius ift aber ein befannter Grätenfiih. Ferner jagt Plinius vom Araneus, einem nicht näher zu beftimmenden Seethier, (nah Euvier ber Fiſch Trachinus vipera): spinae in dorso aculeo noxius (IX, 48. 72). Es kann daher in der Stelle bes Aufonius das „spinae acumine nullo“ nur heißen: „ohne Rüdenftachel”. Es über -⸗ jetst aber nun weiter eine althochdeutſche Glofie (11. Jahrhundert, Haupt, Zeitichr. f. deutſch. Altetth. Bd. 9. S. 392) redo mit munewa. Für muniwa gibt jhon Graff die Form munwa. Diefer mittelrhein. Name, der auch in der Physica der b. Hildegard vorkommt, wird von Nau (Delon. Naturgefch. d. Fiſche um Mainz. 1787) in der gorm „Mulbe* einem Eyprinoiden beigelegt, der in dem ganzen Fluß ⸗· gebiet des Rheins gefunden wird, dem C. aspius. Hiernach ift e8 minbeftens nicht unwahrſcheinlich, daß Redo dieſer Fiſch. dagegen ſicher, daß es fein Knorpelfiſch if. * seite ber ben Hlken-Selannten Tpierformen. 53 Eleitriſche Rochen — Ariſtoteles aus dem mittelländiſchen, Mega— ſthenes (bei Aelian) aus dem indiſchen Meere. Bon Ganoiden wa⸗ ren vermuthlich ein Paar Störarten befannt. Hier gehen aber bereits Altertfume (wie fpäter im Mittelalter) die Namen jehr durcheinan⸗ . Anthias und Elops bei Ariftoteles , das dem lateinischen nachge- bildete Affipefios des Athenaeus, esox, silurus und acipenser bes Plinius, welcher als Synonym noch elops beibringt, find wahrſchein⸗ lich Namen für verfchievene Arten von Stören , von denen der Sterlet am geichäßteften war #°). Cycloſtomen fcheinen die Alten nicht gekannt zu haben. Dagegen find Kuochenfiſche ſehr zahlreich vertreten bei den - Schriftftelleen des Altertfums. Erwähnt mögen nur werden: Wels (glanis), Hecht lueius und lupus) , Karpfen, Weißfiſche, Barben, Barſche, Aale, Muränen Lachſe, Lachsforellen, Forellen und andere — Salmoniden aus dem Süßwaſſer, Thunfiſche, Makrelen, Serranus, - Häring, Sardelle und viele andere aus dem Meere, welche einzeln zu bezeichnen nur mit kritischer Ausführlichkeit möglich, aber hier nicht am Orte wäre. Der Neftbau einzelner Fiſche war beobachtet worden), Auch war bekannt, daß einzelne Fifche Lante von fich geben?) Fiich- ‚behälter dienten, wie heute meift, nur Küchenzwecken. Unter ven Mollusten waren ficher die Cephalopoden am beften gefannt, von denen allein ſchon Ariftoteles die wichtigften Gattungen unterſchied und deren Lebensweife gut fannte. Ja, nach einer Stelle ber Thiergefchichte (TV, 1. 15) könnte man faft meinen, er habe den echten Nautilus gefehen. Auffallend wenig wird von den Schneden mitgetheilt. Obſchon einige Namen erwähnt werden und zwar zum Theil folche, welche jegt in die wifjenfchaftliche Nomenclatur aufgenommen find, laßt fich doch nur über wenige etwas Beftimmtes jagen. Selbft die fo 68) Es ift hiernach fprachlich nicht unmöglich, daf, wie Klorencourt ans anbern Gründen vermuthet, Aufonius unter Silurus den Stör verftanden, aber Folge einer Verwechielung den Wels beichrieben habe, ſchon durch die Worte: ‚velut actaeo perducta tergora olivo“, ®. 135. 69) Ovid, Halient. B. 122: „atque avium dulces nidos imitata sub undis.” 70) vergl. den Auffag von Joh. Müller, über die Fiiche, welche Töne von geben, in feinem Archiv, 1857. S. 249, wo die Beobachtungen der Alten kri⸗ 54 Zoologiiche Kenntniſſe des Alterthums vielfach beſprochene Purpurſchnede ift nicht mit Sicherheit ermittelt ; doch neigen fich jetzt wohl die Meiften der Anficht zu, daß es Murex brandaris oder trunculus fei; es fünnen indeß auch Purpura-Arten in Betracht kommen, vielleicht auch Buceinum. Bon Muſcheln kannten bie Alten wohl die Miesmuſchel, ven Pecten, Pinna, Solen, die Perlmuſchel, die Aufter ; letztere wurde gepflegt in Aufternbehältern, Bon Tunicaten findet fich nur bei Ariftoteles eine die Gruppe über- haupt (befonders die Ascivien) kennzeichnende Schilperung. Spätere ſchweigen völlig über fie. ; | Die Kenntniß der Arthropoden war ſchon durch die verhält ° nißmäßige Meinheit der auf dem Lande lebenden, alfo zugängficheren Formen fehr beſchränkt. Finden fich auch Bemerkungen über Imfecten, fo find es meift nur mehr oder weniger allgemein gehaltene Angaben und über auffallendere Formen. Leuchtläfer, Holwürmer, Scara- bäen, Cetonien , Hirfchläfer vertreten die Drbnung der Käfer. Unter den Hymenopteren war die Biene ihrem Haushalte nach leidlich ber ⸗ kannt; doch wurde wie bis in neuere Zeiten herab das Gefchlecht der verfchiedenen Individuenformen verwechfelt. Aehnlich wird das Leben der gejelligen Wespen geſchildert. Schmetterlinge waren ben Alten wohl im Allgemeinen aufgefallen , auch findet fich ihre Verwandlung erwähnt; fpecielle Formen find indeß nicht wiederzuerlennen. Höch⸗ ftens könnte man bei Ariftoteles auf Kenntniß der Geometra-farven ſchließen. Vom Seidenwurm, deffen Gefpinft zu Alerander bes Großen Zeiten als von einer Raupe herftammend befannt wurde, waren viel ⸗ Leicht ſchon früher Notizen von China aus durch Gentral-Afien weft wärts gebrungen. Nach den Iranifchen Ländern wurde er noch fpäter, früheſtens in ver legten Zeit der Saſſaniden gebracht”), Ariftoteles j theilt ficher nur umvollftändige ihm berichtete Angaben über ihn mit. Ä Es beſchränkt ſich überhaupt, wie es fcheint, die Kenntnif der Alten ° von diefem Thiere faft nım darauf, daß es ein Infect fei, welches ven Eocon liefere. Die Form deſſelben aber, ebenfo wie die Reihenfolge ver einzelnen Stände ift ihnen kaum ganz Har geworden. Heuſchrecken, 71) S. Laſſen, Indiſche Altertbumstunde, 1. Bd. 2. Aufl. S. 372. 369. F di * x 2 ER — 2 * — = — = = urbancht der den A* befannten Thierformen. 5 55 — — Grillen, Wangen , Eicaden FREE !), liegen vertreten andere In- fectenorbnungen. Da Läufe und Flöhe befannt waren, wurde bereits erwähnt. Zu erfteren vechnete man auch die Schmaroger der Fifche, nn denen aber feine einzelnen Formen unterjchieven werden. Auch das Ladinfect war ſchon früh von Indien nach dem Weften verbreitet wor- ‚den. Spinnen, Phalangien, Storpione, auch der Heine Bücherſtorpion finden fich erwähnt. Tauſendfüße waren in mehreren Formen befannt. Weniger zahlreich find die angeführten Formen von Kruftern, unter denen Hummer, Slufitrebs, Languften, Squillen, mehrere Krabben her- vortreten. Bon ven felbftverftänblich noch nicht hierher gerechneten ” Rantenfüßlern werden Meereicheln, Balanen, erwähnt. Die Ariftote- lichen Lepaden find Napfichneden, Patellen. Ganz gering ift die Kenntniß der Alten von den Würmern ge- weſen. Außer den Erdwürmern finden fich nur Angaben (zweifelhaft über Meerwürmer und) über fhmarogende Band» und Rundwürmer. — Die Echino dermen find im Thierſchatze der Alten durch Holothu⸗ . rien, Seeigel und Seefterne vertreten ; doch war das, was man von Ähmen wußte, zu unbedeutend, als daß es hätte zur Unterſcheidung be» ⸗ ftimmter Kormen verwendet werden können. Von Actinien und Me- dufen kann man kaum mehr jagen, als daß einzelne Formen verfelben Ariftoteles aufgefallen find und ihn veranlaft haben, fie fich einmal amzufehen; in Bezug auf die Medufen ift dies fogar noch zweifelhaft. Die Koralle kannte man wohl, war aber über ihre Natur nicht Har (tempore dureseit, mollis fuit herba sub undis. Ovid.)..Auf bie zweifelhaft Stellung ver Schwämme, von denen einzelne Formen an- geführt werben, wird zwar hingewiefen; indeß natürfich ohne biefer Frage die Bedeutung beizulegen, welche fie fachlich und formal in ach dieſer flüchtigen Mufterung der Formen, aus welchen ſich das Bild des Thierreichs bei den Alten zufammenftellte, bfeibt nur noch - übrig, daran zu erinnern, daß trotz der Kritik, welche Ariftoteles (frei- > Mich auch nur ex) falſchen oder geradezu fabelhaften Erzählungen entge- gengehalten hatte, derartige Ausſchmückungen fonft vielleicht zu nüchtern erſcheinender Berichte fich lebendig erhielten und durch das ganze Alter: ren. Die Sinnesorgane konnten ohne einen einigermaßen vorgefchritter E “ 36... oologiſche eenntniſſe bes Mlterthums. tthum bis in das Mittelalter Hineinveichten. Knüpft fich die Gefchichte einer Wiffenfchaft, deren Objecte nicht erft durch Fünftlich amgeftelfte Berfuche und durch fpeculative Operationen zu entveden find, zu einem guten Theil an die allmähliche Aufklärung früher berrichender Irrthü- mer, fo kann eine in's Einzelne gehende Aufzählung folder bier um fo 5 mehr unterlaffen werden, als die Beiprehung ber mittelalterlihen Quellen zur Gefchichte der Zoologie ebenfo wie die Gefchichte der Kennt ·⸗ niß einzelner Klaſſen mehrfach Gelegenheit bieten wird, anf die äußerft langſam erfolgende Befeitigung derartiger in's Bolksbewußtfein einge ⸗ wurzelter Mythen hinzuweiſen. | 2. Kenntnif des thierifchen Banes. Verkehrt wäre es, im Alterthum fchen zootomifches Material in genügender Menge zu erwarten, um die Bildung allgemeiner morphor logiſcher Anfichten inductiv auf folchen fich erheben zu fehen. Um fo merfwürdiger ift es, daß auch hier Ariftoteles in wunderbar Harer Weiſe ſchon manche Geſetze ertannte, welche als erfte Fälle einer ber wußten Anwendung des fpäter fogenannten Gefeges der Correlation ber Theile ficher auch feine ſyſtematiſchen Anfichten beftätigen halfen. Es wurde früher darauf hingewiefen, wie zumächft die fich zufällig bie» ⸗ tenden Erfcheinungen bei vem Opfern und Schlachten von Thieren auf gewiſſe allgemeine anatomische Anſchauungen führten. Das mebieinifche Bedürfniß nach Kenntnif des menfchlichen Körpers ließ dann die Un, terfuchungen planmäßig weiter führen. Endlich kamen noch allgemeine philofophifche und beſonders pfychologifche Fragen auf, deren Beant- wortung (5. B. die Sinneswahrnehmungen) aus einer Betrachtung der betreffenden Organe herzuleiten für möglich gehalten wurde. Die beiden legten Gefichtspunfte waren Aber ihres fubjectiven Hintergrun- des wegen bebenfliche Onellen von Täuſchung. Die Uebertragung des bei Thieren Gefundenen auf ven Menfchen und die Deutung thierifcher : Drgane nach der‘ (oft nur hypothetiſch vorausgefegten) Leiftung der für entjprechend gehaltenen menjchlichen mußte häufig zu Irrthümern füh- nen Entwidelungszuftand der Phyſik feine richtigen Anhaltepumkte zur ; 2 Kenntniß des thieriihen Vauee | 57° ur — — Antheils an den Wahrnehmungen darbie⸗ — 8* war man, um das grob ſinnliche zuletzt zu erwähnen, | zu wenig vorbereitet, die Veränderungen der Theile nach dem Tode id die davon abhängenden Erfcheinungen (4. B. die Blutleere der rterien) als jolche aufzufafien und demgemäß beim Aufbau anatomi- ver Syſteme richtig verwenden zu können. Hätte die vergleichende Anatomie fich in ähnlicher Weife entwiceln nen, wie in neueren Zeiten die allmähliche Compfication der thie- hen Organismen aufgefaßt wird, hätte fie nach den einfachften Bei- elen eines thierifchen Baues gefucht, um von diefen in der Erfennt- ß zu immer zufammengefeßteren Formen vorjchreiten zu fönnen, dann irden manche derartige Fehler zu vermeiden gewefen fein. Es lag ber ganzen Ideenwelt des Alterthums, welche wie auch gar zu fig noch die der Neuzeit mit einem ftarren Anthropomorphismus an Naturerfcheinungen herantrat, zumächft der Drang am nächten, smöglich fofort über Formen umd Vorgänge der Natur NRechenfchaft | forbern und zu geben. Diefe fiel denn je nach dem Wege, auf elchem man meift beiläufig, felten direct zu einem Erflärungsverfuch kommen war, grob mechanifch oder rein fpiritualiftifch, immer aber m der. vorgejaßten Anficht des allgemeinen Zuſammenhanges befangen aus. Verfuche, eine Erklärung inductiv zu entwideln, waren äußerſt jelten. Wenn auch hier wieder auf Ariftoteles gewiefen wird, fo ger fehieht es, weil er derjenige war, welcher den dem richtigen Erfaſſen des hierifchen Baues entgegenftehenden Schwierigkeiten unter allen Natur» nbigen des Alterthums am glücfichiten zu begegnen wußte. Auch er inte fich zwar von manchen Vorurtheilen feiner Zeit nicht völlig frei achen ; doch fichern ihm feine Leiftungen das Recht, auch als Begrün- n * vergleichenden Anatomie gefeiert zu werden. Es iſt allerdings von mehreren Philoſophen aus der Zeit vor Ari« ftoteles bekannt, daß fie fich auch mit Beobachtungen über ben Bau, felbft über Entwicdelung ver Thiere bejchäftigt haben. Keiner hat aber pie Ariftoteles diefe Beobachtungen von einer fo breiten Anlage aus nd als ihr eigenes Intereffe in fich tragend angefehen und dargeſtellt. Meift wurden die anatomifchen Anfichten von jenen nur als Stüten 58 Zoologiſche Kenntniffe des Alterthums ireralgemeinen natupbilfophichen Spfteme bemut. Ihnen bs ein zu folgen verbietet der Ort. Es gewinnt aber auch bie € der Zootomie wenig durch Erklärung ihrer Mittheilungen aus Pix Syftemen. Da fich das von diefen Männern Erhaltene — u Fragmente beſchränkt, von denen Ariftoteles jelbft eine ziemliche Zah aufbewahrt hat, ſoll hier nur in Kürze auf einige Thatjachen hing jen werben. - Der ältefte Forjcher, von dem nicht bloß erzählt wird, * erf mit Zergliederung von Thieren befchäftigt habe, ſondern von ı auch Ariftoteles einzelne Meinungen in feinen zoologifchen — ten anführt, ift Altmaeon von Kroton (um 520 v. Ehr.). ihm Ueberlieferte ift aber zu unbebeutend, als daß es möglich * zutreffendes Bild ſeiner Anſichten über den thieriſchen Bau und deſſen Leiſtungen zu geben. Er ſetzt den Unterſchied der menſchlichen See von dem allgemeinen Lebensprincip in die Fähigkeit, das für Wahrgenommene zu verftehen (Theophr. de sensu)?2, Bei Em nung der Zeit, in welcher die Gefchlechtseigenthümlichkeiten auftret führt Ariftoteles an, daß Altmaeon daranf bingewiefen habe, wie « bie Pflanzen erft blühen, wenn fie Samen zu tragen im Begriff fe Eine Angabe Alkmaeon's, daß die Ziegen durch vie Obren ath (eine Meinung, welche Plinius ohne fie zu widerlegen dem Archel: zufchreibt, Hist. nat. VII, 50. 76) 79, weift Ariftoteles als umrichtig zurüd (Hist. anim. I, 11. 45). Im ähnlicher Weife glaubt aber Ari» ftoteles auch den Alkmaeon berichtigen zu müffen, wenn biefer ans giebt ”4), in den Eiern entipreche das Weiße der Milch, d. b. ver be . Jungen Thieren mitgegebenen Nahrung. Schon nach diefen verfchieden en Seiten des thieriſchen Lebens angehörigen Beobachtungen läßt ſich an⸗ nehmen, daß Alkmaeon in ziemlicher Ausdehnung Erfahrungen zu ſam⸗ meln verſucht habe. 72) Theophrasti Opera. ed J. G. Schneider T. I. p. 657. 25. 1 73) Diefelbe Anficht Lommt wieder bei Origenes vor; Philosophumena, lib. IV, cap. 31. (p. 67. ed. Miller): Alyov di zur Inınday Tg ger, rag axous paol Iynazsıy uer öllyov üvanveiv zwlvoußvag. ‘Odor yag * Tau elvaı ktyovoı toü di avanvonjg dixoulvov vsuuarog. 74) Aristoteles, de generat, anim. III, 2. 33, 2. 2. Bei en um 59 — nie ift das, was fih von Empedokles um 440 v. Chr. blühend) erhalten hat. Seiner philoſophiſchen Rich- ing nach gewiffermafßen einen Webergang von den Pythagoräern zu en Atomikern bilvend, fuchte er die Zufammenfegung ver gleichartigen le des Thierförpers , wie Fleiſch, Blut, Knochen, nicht auf eines e m mehrere Elemente, ſondern auf gewiſſe Mifchungsverhältniffe rjelben zurüdzuführen, welche letztere er zuerſt in der Vierzahl und jo ıffa ‚ wie fie dann feit Ariftoteles bis in das fpätere Mittelalter n voß6thämfich bis in die neuere Zeit) als Elemente galten. Der tenge ber veränperlichen Thiergeftalten gegenüber war es wichtig, daß zuerſt dem Stoffe eine die Urfache der Bewegung enthaltende Kraft ı bie Seite ftellte. Bon einer ftreng folgerichtigen Anwendung dieſes jegriffes war er jedoch natürlich noch fern. Den Bau der Thiere chte er fich zivar zum Theil mechanifch zu erflären. So führt Arifto- e8 tabelnd an 75), Empebolles fage, es gäbe Vieles bei den Thieren ir darum, weil es fich bei ver Entftehung jo gefügt habe, das Rück⸗ at ber Säugethiere z. B. fei zufällig beim Werden in einzelne Wirbel brochen. Wo ihm aber die Möglichkeit einer derartigen, wenn auch | * wunderlichen Erklärung nicht nahe liegt, verliert er ſich in ge- baltlofe Speculationen. Er fagt, daß bei der Zeugung ſowohl vom m als vom Weibchen ein Antheil auf ven Ablömmling komme ; es ber Gejchlechter erklärt er indeß dadurch, daß das, was i in einen warmen Uterus gelange, männlich, das was in einen fälteren ch die Gefchlechter noch nicht getrennt. Die Unfruchtbarkeit der Mauleſel leitet er davon ab, da die Miſchung beider Samenflüffigtei- ten dit werde. Blaue Augen enthalten mehr Waſſer als Feuer, ſehen ber am Tage nicht ſcharf ”*). Anarxagoras, welcher zwar etwas älter als Empebofles doch fpäter gewirkt zu haben — trennte die bewegende Urſache völlig 75) De partibus anim. I, 1. 640a. Die Anficht von der Betheiligung ber emente führt Ariftoteles im derfelben Schrift an, I, 1. 642a. 76) Aristoteles, de generat. anim. I, 18.41 und IV, 1. 10; 1, 18. 45 und 23:3, 28. 100; I, 8. 127; V, 1. 14. * Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums als Geiſt (voög) vom Stoffe. Er nahm noch jenfeits der Eleme gleichartige unſichtbare Theile (Homoiomeren) an, aus denen bie € mente felbft wieder beftänden. Dieſe Anficht wird dann auf den th riſchen Körper übertragen. Gleichartige Theile entftehen nicht ; es t 3. DB. Fleiſch aus der Nahrung zum Fleiſche, welches hierdurch w Dunklen Fragen gegenüber ift er ein Kind feiner Zeit. Die Die € e müther auch damals fehon fo mächtig erregende Frage nach ber E ts ftehung der Gejchlechter beantwortet er dahin, daß der Samen v Männchen komme, das Weibchen ven Ort beftimme;, von ber rechter Seite kommen die Männchen, von der linken die Weibchen, umt ebenfo liegen beide Gefchlechter im Uterus. Wie wenig er wirklichen Verſtändniß der Yebensvorgänge hatte, beweift die Angabe, Raben u der Ibis begatteten fich mit den Schnäbeln,, auch das Wiefel bri feine Jungen durch das Maul zur Welt??). Gering ift das thatfächlihe Material, welches bei ven bie je Genannten zu finden war ; unbebeutend ift auch die Hülfe, mb Lehre ver naturwiſſenſchaftlichen Methode brachte. Auch die 2 haben felbft wenig zootomifche oder phyſiologiſche Thatfachen an’ Lich gefördert ; der Einfluß ihrer Anfchauungen war aber fruchtbringend? „Wo die Verlegenheit nicht vergefien ift, in welche da8 Denken ver € ei fahrung gegenüber durch die Annahme eines Seienden ober auch d qualitativen Veränderung gebracht wird, da muß notwendig ber fe male d. h. der mechanifche Erflärungsverfuch ohne Rüdficht auf & ſcheinbare Unterfchiedlichkeit zwifchen Stoff und Geift...... jevem F vorgezogen und conſequent zur reinen Atomiſtik ausgebildet „Die Atomiftit hat darum nicht geringe Bedeutung, weil aus in * Geſchichte der inductiven Wiſſenſchaften die Grundbegriffe zu denjenigen Hhypothefen der Phyſiker und Chemiker entlehnt find, durch welche die Verbindung der Mathematik mit der Naturforfchung mög« lich und für die formale Erklärung der Erfcheinungen fruchtbar geworben 77) Die betreffenden Stellen bei Ariftoteles, de gener. anim. I, 18, 44: ıv, ‚1, 2; III, 6, 66. Die letzte Angabe wiederholt Plinius, aber nicht vom Wieſel, von Eidechſen und fügt auch bier hinzu: Aristoteles negat. Hist. nat. x, 85 J a rn ing 2. il zn Te ME ee 2. Kent, des thierifchen Band. 61 9), — if. es, daß ſchon Demokrit zwar bie — in Bezug auf ihre Functionen betrachtet und wie geeignet fie für letztere jeien bewundert, aber doch nur materielle Erklärungsgründe zuläßt. s beklagt fich daher Ariftoteles (de generat. anim. V, 8, 101) dar⸗ x, daß Demokrit die Zweckurſache das zö ou Erexa) außer Acht Flaſſen habe und Alles was die Natur gebrauche auf die Nothwendig- it zurücühre. Dies tritt 5. B. fpeciell Bei den Entwidelungsvorgän- ‚entgegen ; bier’ behauptet Ariftoteles, die unteren Körpertheile jeien um ber oberen willen (Kopf, Augen), welche anfangs jo viel größer eien, da, während Demokrit betont, daß der Stoff unbegrenzt und an- 38108, alfo auch grundlos ſei (Ariftot. a. a. DO. I, 6. 80). Demo Tit, welcher ftarb, als Ariftoteles vierzehn Jahre alt war (370 v. Chr.) hat ven Ueberlieferungen zufolge Thierzerglieverungen vorgenommen (wie ja noch Severino ihm zu Ehren fein Buch Zootomia Democritea nnte). Ariftoteles citirt ihn verhältnigmäßig öfter als andere. Bon ı auf diefe Weiſe Erhaltenen fpricht Manches für eine Hare Einficht, de RO ruht auf unvollftändiger Beobachtung und auf ivrigen . Bolgende, dem Ariftoteles entnommene Bemerkungen a für —— Zwed hinreichend lennzeichnen. Er glaubt, | bei den Blutlofen die Eingeweide (vorzüglich Leber, Milz, Niere) ur ber Kleinheit ver Thiere wegen nicht wahrnehmbar feien, während iftoteles ausdrücklich jagt: „von den Blutlofen hat keines ein Einge- de“. Bei der Entwidelung bilden fich ihm zufolge erft die äußeren, am bie inneren Theile. Das Gewebe der Spinnen entfteht wie ein Ausiheidungsftoff von innen heraus. Ariftoteles glaubt hier, es Löfe fich das Gewebe von der Haut wie eine Rinde oder wie die Stacheln Stachelſchweins, welches ja bekanntlich einer ziemlich verbreiteten the zufolge die Fähigkeit haben follte, feine Stacheln wie Pfeile fort- ch 1. Die Unfruchtbarkeit der Mauleſel hängt davon ab, daß die Canäle in der Gebärmutter des Mauleſels verdorben ſeien (alfo Doch ein Verfuch zu einer Erklärung aus fehlerhafter oder mangelhafter 78) 8. Strümpelt, Geſchichte der griechifchen Philoſophie 1. Abth. Leipzig, . ©. 69 u. 70. 62 tZoologiſche Kenmtniffe bet Alterthums. Entwidelung). Unklar oder falſch find andere Angaben; fo ſoll der Ins terſchied der Gefchlechter fich danach richten, bei welchem der jeiden Erzeitger ver von den unterfcheidenden Gejchlechtstheilen herkommende Same überwiege. Die Nabelftranggefäße geben an die Gebärmutters wand, damit die Theile des Jungen nach den Theilen der Mutter gew formt werden (hier erklärt Ariftoteles richtig, daß fie der Ernährung wegen dahin gehen). Die Zähne endlich follen deswegen ausfallen, weil fie in Folge des Säugens vorzeitig entftehen ; naturgemäß wär e es, wenn fie erft dann wüchfen, wenn das Thier faft in der Blüthe ſei⸗ nes Lebens ftände ’9). Der Hippokratiker hier zu gedenken, fönnte natürlich jcheinen , ba ja die menfchliche Anatomie ihnen befonvers nahe lag. Der ganze Ger winn, welchen Zootomie und vergleichende Anatomie biefer Schule vers dankt, ift aber feineswegs nennenswerth. Es läßt fich auch bei dem Späteren kaum ein Einfluß eines ſolchen nachweifen. Polybus (und gefähr 380 v. Chr.) foll freilich auch die Entwidelung des Hühnchene unterfucht haben. Die über ihn und die Refultate feiner Unterfuchungen auf die Nachwelt gelommenen Angaben find aber nicht bebeutend ge nug, um bier mehr zu thun, als an ihn zu erinnern. Die Akademiker waren eigentliher Naturforſchung vollftändig fremd. Der teleologijche Idealismus Plato’s, welcher eine Einficht in ven Caufalzufammenhang der Erfcheinungen beim Fehlen des Eaufı ie tätsbegriffs nicht auftommen ließ, konnte feine Erklärung, auch feinen Berjuch einer folchen vornehmen. Wo das Bedürfniß einer Verftän« digung nahe trat, wie im Timaeos, fpielen Anklänge an pythagoräiſche Zahlen, an das ewige Fließen ver Erfcheinungen im Sinne Herattit’s, ja jelbft das abjolute Sein ver Eleaten in die Erörterung hinein. die Auffaffung des thierifchen Yebens war Plato's Anficht, daß Theile des Leibe von dem, aus Elementardreiecken beftehenden Marke ihren Urjprung nehmen, völfig unfruchtbar. 1 79) Die Stellen finden fih bei Ariftoteles, Hist. anim. IX, 39, 162; “ partibus, III, 4, 665a; de gener. anim. II, 4, 64; II, 4, 67; II, 6, 86; I, 8,126; IV, 1,4; V, 8, 95; V, 8, 101. 2 Met bb pen Bauch 63 J Ganz anders 5 erſheint Ariftoteles. Eine Siwerung feiner elung ber Menfchheit lann Hier um jo eher übergangen werben, d, von Andern in zum Theil trefflicher Weife gegeben ift. Es war er nothwendig, von feinen Borgängern zu erwähnen, wie fie der Na- fir gegenübergetreten waren. Nicht unterlaffen darf es daher werben, au vom bem „Maestro di color che sanno* anzugeben, welche Grund» a m er vom Weſen der Natur hatte und welche Methode er antvandte, fie zu erklären. Aus ben im Vorhergehenden angeführten jelnen Urtheilen des Ariftoteles geht ſchon hervor, dafı er fein ftren- Atomifer war, daß er alfo nicht mehr oder noch nicht vwerfuchte, die Erſcheinungen mit Nothwendigkeit auf ihre Bedingungen zurückzufüh zen. Glaubt man daher, daß ein Fortſchritt nur da zu ſuchen ſei, wo fich Andeutungen des jegt für richtig Erfannten auffinden laffen, dann wäre im Ariftoteles fein Anknüpfungspunkt für moderne Forfchung nachzuweiſen. Nun find aber nicht, wie oben in kurz bezeichnender fe angeführt worden, die Grundbegriffe der heutigen Wiſſenſchaft der Atomiftif entlehnt, ſondern, Hiftorifch betrachtet, e8 haben bie jatfachen im ihrer inductiven Verwendung zur Aufftellung allgemeiner ejege auf die Atomiftik geführt. Es kommt folglich einmal auf die et an, wie die Thatfachen erfaßt, und ob oder wie fie zu Verallgemei⸗ rungen benngt wurden. Wenn man auch in Bezug auf Einzelnheiten jeben muß, daß Ariftoteles trotz feines Kämpfens gegen die plato- ſche Ioeenlehre (weiche die Erzeugerin des bis in die neuefte Zeit hin⸗ m auch auf naturwiſſenſchaftlichem Gebiete fein Unweſen treibenden, ’e gefunde Naturphiloſophie untergrabenden „Dinges am fich“ ift) nen gewifjen Idealismus beibehalten hat, jo ift doch im Allge— nen mit danfbarer Anerkennung hervorzuheben, daß er von ber berzeugung durchdrungen war, der Natur wohne eine vom vorftellen- m Subjecte völlig unabhängige Realität bei, vie finnliche Wahrneh- ung habe vemmach eine objective Wahrheit. Er fchaffte fich Hierdurch m einzig richtigen Boden für eine mögliche Naturforfchung. Berner ht ex zu allgemeinen Sägen nur von einzelnen Thatjachen aus. Daß SR z od Evexa; auf fie alle führt der Phyſilet das du“ 11 zurüd. 5 Zoologifche Kenntnifie des Alterthums. jene bei ihm noch häufig falſch find, hängt davon ab, daß er dem n wenig entwidelten Zuftand der formalen Logit und Beobachtungstunſt entfprechend noch feine angemefienen Begriffe von ben Erſcheinunge * zu bilden im Stande war und daß er das populäre willen von € Sache noch nicht vom wifjenfchaftlichen Erkennen berjelben — Ariſtoteles muß nun aber nicht bloß aus den angeführten 6 den (die durch feine Zeit bevingten Mängel in Rechnung u allen Zweifel als der größte Naturforfcher des Alterthums « werden; er verdient, gerade in Hinblid auf vie ihm zu Gebote t den geringen Mittel, eine gleiche Bezeichnung auch dem heutigen Ems pirismus gegenüber, welcher ein Zerjplittern in enblofe Einzelheiter einen kaum zu befriedigenden Drang nad Anbäufung von immer nen und neuen Erfahrungen als die Aufgabe und das Zeichen eines wal haft wifjenfchaftlihen Strebens erjcheinen läßt, welchem aber leit nur gar zu häufig der geiftige Hintergrund fehlt, von dem aus bie Thatjachen erſt zu wiffenfchaftlich verwerthbaren erhellt werden. D war bei Ariftoteles vorhanden, aber allerdings mit einem von ben Ci flüffen feiner Zeit beſtimmten Lichte. Das erfte Hinderniß einer t gehenden Erfaffung der belebten Natur bei Ariftoteles liegt in ber Mehrſinnigkeit des Wortes Urfache. Wenn auch der Eaufalitätsbegriff bei ihm hervortritt, fo führt ihm doch fein Logifcher Formalismus zur Annahme vier verjchiedener urfächlicher Diomente ; es find dies: Stoff, woraus, die Form, wonach, die Bewegung, wodurch, und der. Zwed, wozu etwas entjteht oder gefchieht. Aus dieſen vier Theilfragen ſetzt ſich dann die Geſammtfrage der Phyſikl, das Warum zuſammen we Selbjto andlich liegt hier die Gefahr nahe, welcher auch Ariſtoteles nicht zu entgehen wußte, da wo eine oder die andere dieſer Urſachen nicht zu ermitteln war, wenigſtens für die letzte, den Zwech, etwas zu erſinnen. Hierdurch verlieren manche ſeiner Erörterungen jeden Boden. Ferner wird zwar von Hiſtorikern häufig auf eine Stelle verwieſen, wo er (wie oben ſchon angedeutet) ausdrücklich hervorhebt, daß man er 80) Physic. II, 7. 198a. Die vier Urſachen find GAn, eidog, xivnaus, und 1 | | 5 Eenntuiß des-thierifchen Baues. 65 yer Beobachtung — Glauben ſchenken folf als der Theorie dij. Hier: 8 darf man aber nicht jchließen , daß Ariftoteles ganz im Empiris- & aufgegangen wäre. Vielmehr fiegt hier nur die Andentung vor, das Wiffen durch Speculation zu erweitern, dieſe aber fo weit als lich Durch finnliche Wahrnehmung zu beftätigen ſei 2). Noch in einer anderen Weife greift Ariftoteles bei ver Betrachtung mber Wejen über das finnlich Wahrnehmbare hinaus und geräth it in Gefahr, von der Erklärung derjelben völlig abgezogen zu wer- Es ift der hier zu erwähnende Punkt deshalb von gefchichtlichem ereſſe, als manche jetzt freilich wohl nur noch in formell verfchiedener je gebrauchte Ausdrücke, wie Yebenstraft, Typus u. a., lange Zeit | genau im einer der Ariftotelifchen Auffaffung des Befeeltjeins entſprechenden Deutung angewendet wurden. Ariftoteles theilt nämlich ie Naturförper in befeelte und unbejeelte. Das Bejeelte ift das Ge- orte, Yebendige. Wäre das Bejeeltfein nur das weſentliche Merkmal beſeelten Körper im formalslogifchen Sinne der Definition (alfo dıo» Ariftoteles'), fo würde natürlich nichts dagegen einzuwenden | . Bei näherer Beftimmung des Begriffs Seele wird derfelbe aber 118 Entelechie der lebensfähigen Materie hingeftellt. Da nun die ver- denen Formen des Befeeltfeins (Pflanze, Thier, Menfch) auf ver dene Vermögen zurücgeführt werben, denen ebenjoviele Entelechien prechen, jo Löft jich der Begriff der letztern von der Betrachtung Stoffes leicht ab und verleitet noch mehr, als es ſchon die Begriffe ze und Wirklichkeit thun, dazu, die Seele (oder Form oder motraft als immateriellen, außerhalb der Natur ftehenden Grund Belebung zu betrachten. Es ift indeß wohl nichts weiter nöthig, u diefen aus Ariftoteles formalem Standpunkt zu erklärenden jtand hinzuweiſen °°). 81) de gener. anims III, 10, 101. Lewes führt noch andere Stellen ähn- n Sinnes an in feinem Buche: Ariftoteles. (Ueberjegung) S. 111. ſ. auch ‚B. Meyer, Ariftoteles’ Thiertunde. Berlin, 1855. S. 508. 82) So jagt er ausdrücklich z. B. de partibus II, 4, 666: ob uoror d2 zöv Äoyov oürws iyeıv yalverar, dl)& zal zard rw alodmam. 83) Schon aus Stellen, wie de partibus II, 1, 646a.b. (r@ ur oUr zodrp goreoer rhr Ulm arayxaior elvaı zer ryv yersoır, ro loyp ÖL riw oboler k B. Garus, Geſch. d. Zool. 5 —4 Zoologiſche Kenmtniffe des Alterthums Nicht mit Unrecht hat man nun aber bei Ariſtoteles nicht bloß den wiſſenſchaftlichen Gehalt feiner zahlreichen die Thiere betreffenden Schriften bewundert, ſondern beſonders auch den Reichthum der letz ⸗ teren an Einzelangaben über ſo viele Thiere namentlich der höheren Claſſen. Es iſt daher von je, wenigſtens von der Römerzeit an, ſowohl von Zoologen als von Biographen des Ariftoteles der Berfuch gemacht worden, das auferorbentlich reiche Material, über welches er geboten zu haben fcheint, zu erflären. Zu bedauern ift dabei, daß vom gleich zeitigen Schriftftellern nichts erwähnt worden ift, was Licht auf dieſe Frage werfen könnte. Die beiden Angaben, welche am meiften ver» breitet find und meift ohne Bedenken für wahr, wenigftens in ber Hauptjache, gehalten werden, rühren von Schriftftellern her, von wel⸗ chen der eine vierhundert, der andere fünfhundert Jahre nach dem Tode des Ariftoteles gelebt hat. Plinius erzählt, Alerander habe einige Tau⸗ jend Menfchen unter ven Befehl des Ariftoteles geftellt, um ihm aus ganz Afien und Griechenland alle möglichen Mittheilungen naturger jchichtlicher Art zu machen, damit ihm nichts in der ganzen Welt unbe⸗ kannt bleibe. Athenaeus dagegen führt an, Alerander habe dem Stagir riten achthundert Talente gefchentt. Was das erfte betrifft, jo ift an und - für fich die Beauftragung einer Menge Leute, welche Gelegenheit hat- ten, Thiere zu beobachten oder zu fangen, mit der beftinmmten Aufgabe, alles Mögliche an Ariftoteles mitzutheilen oder zu ſchiclen, immerhin ganz wahrjcheinlich. Nur muß man dabei Afien weglaffen. Denn ein- mal ift ziemlich ficher, daß Ariftoteles an der Nieberfchrift feiner Bü⸗ cher über Thieve bereits in Makedonien gearbeitet und daß er fie bei za rıjv Exdotov uopgprw) geht hervor, daß Ariftoteles unter der Form das im⸗ . materielle Bild verftcht, nach welchem die Materie fich orduet, da er unmittelbar darauf jagt, daß der Aoyos des Hausbauers den Asyos des Hanfes enthalte. Noch deutlicher wird dies durch ſolche Stellen, wie de partibus 1, 1, 64la: ware xal oörws av. lexrioy ein Wo aeg) yVosws Hewentixh neol wurüs uählor A reg TjS Ulns, 609 uälkov H Ulm di Pxelvnv yocıg Lariv A ürdnakır. Bas das di’ dxeivnm beißt, wird Har, wenn gleich die nächften Worte jagen: zul yag #llvn nal tolmous 10 Eulor doriv, Orı dvrausı reüra dorır, WO d. Frautziue ſalſch überſetzt, weil es durch Künſtlers Kraft das iſt·, während ſchon Gaza — wiedergibt: quia idem potentia illa est. — do bein 67 | - er mi nach ch Athen fortgefetst hat, zu einer Zeit alſo, wo Aler- c er nicht über Klein⸗Aſien hinausgefommen war. Und während 1 Verlaufs des aftatifchen Heerzuges fühlte fich das Ber- it — Ariſtoteles und Alexander bekanntlich ziemlich bald ab. on hiernach ift es kaum glaublich, daß Ariftoteles planmäßig aus 1 Biel Neues erhalten habe. Es wird nun noch eine andere Mei- g angeführt, wonach Ariftoteles anfangs den Alerander begleitet ben und erft 331 v. Chr. aus Aegypten „mit einem reichen Material ı feiner Thiergefchichte“ nach Athen zurücgelommen fein ſoll *). Ab: hen aber davon, daß fich hierfür keine fichern Hiftorifchen Angaben ngen laſſen, fprechen auch innere Gründe gegen die Wahrjchein- eit dieſes Aufenthaltes, won welchem fofort zu reden fein wird. Im zug auf die zweite jener Erzählungen wird allerdings an einer zoßen, wahrhaft königlichen Liberalität jowohl feitens des mit Arifto- ‚ befreundeten Philippus als Alexander's gegen Ariftoteles nicht zu fein fein. Aber einmal ift jene Summe entjchieden zu hoch. Die jabe des allgemein für zuwerläffig gehaltenen Ariftobulos (bei Plu- ach), daß nach Beendigung der Rüftungen zum aſiatiſchen Feldzug sch fiebzig Talente im mafedonifchen Staatsfhag vorhanden geweſen 1, iſt ficher nicht ganz zu vernachläffigen. Dann aber erjcheint, t wenn man das überhaupt dem Ariftoteles Gewährte um nur wer 8 verkleinert, ver Theil, welcher davon auf jeine zoologifchen Un⸗ chungen verwendet werben konnte, immer Hein gegenüber ven ‚ welche feine andern Studien, befonders aber die Herbei⸗ affung der damals jo koftbaren Bücher in Anfpruch nahmen %). ) da er deren viele beſaß, beweifen aufer feiner Belejenheit alte fie. 9) Fabricius, Bibliotheca graeca, Vol. Ill. p. 204, Anm. y, und t BIL, Geichichte der griech. Literatur, 2. Bd. S. 156; letzterer menget im fran« fü m Original (III, p. 258) dieſe Meinung fogar „plus vraisemblable”, auf ld e Angaben geftügt, hat er nicht angeführt. 85) Ariftoteles fol die Schriften des Speufippus für drei Talente, Platon bie 68 Bhilolans für 100 Minen oder auch für drei Talente gelauft haben. |. Stabr, flötelia. 1. Bd. ©. 116, 2. Bd. ©. 289. 5* 4* 68 Zoologiſche Keuntniſſe des Altertbums. Wenn nun aber auch zugegeben werden muß, daß bieje Zur führung ver ihm gewährten directen oder indirecten Begünftigungen. auf ein den damaligen Berhältniffen entjprechendes Maß nur auf, allerdings nicht geringer Wahrjcheinlichkeit beruht, jo geben doch die auf die Jetztzeit noch gekommenen Bruchftüce feiner zoologifch-fchrifte ftellerifchen Thätigkeit 0) hinreichende Belege dafür, daß er laum ein Thier jelbft gefehen oder zerglievert habe, was nicht dem griechiſch⸗ ionifchen Faunengebiet angehörte oder in dieſes ſchon vor feiner Zeit eingeführt worden war”). Zu legteren gehören beifpielöweife unter den Vögeln Perlhuhn, Fafan und Pfau; dagegen hat er den Strauß kaum felbft unterfucht, und fo fort in andern Claſſen. Fragt man num nach den Quellen, aus denen Ariftoteles geſchöpft bat, fo ift zunächſt feine außerordentliche Belefenheit , welche aus den in dem Früheren angeführten Citaten ſchon fichtbar wird, zu erwähnen. Bei der Wiedergabe von Erzählungen und Meinungen Anderer ver fuhr er mit Kritit, was faum einem feiner antiten Nachfolger nachge- rühmt werden fann. Freilich konnte er eben nur den Maßſtab anlegen, ben ihm neben feinem ganzen philofophifhen Standpunkte feine Zeit ermöglichte. Es tritt aber feine Stepfis um fo anerlennenswerther hervor, als Spätere trog ber ihnen möglichen eigenen Erfahrung bie Kritik ganz vernachläffigten. Diefelbe VBorficht zeigte Ariftoteles ferner ben vielfachen mündlichen, und wohl auch brieflichen, Mittheifungen gegenüber , welche jedenfalls die Hauptquelle feiner zoologifchen und zootomiſchen Kenntnifje ausmachten. Seine eigenen Unterfuchungen, 86) Bon den fünfzig Büchern, welche Plinius, oder den fiebzig, welche Anti gonus Caryſtius anführt, find nur wenige erhalten, und manches davon ficher nicht mehr in der urjprünglichen Form. 87) A. von Humboldt hat entichieden Recht, daß in den Schriften des Ari- foteles nichts vorfomme, was auf Selbſtbeobachtung oder gar Zergliederung bes Elefanten zu ſchließen nöthigte (Kosmos, 2. Bd. ©. 428), wenngleich freilich andrerſeits auch die Unmöglichkeit folcher nicht zu beweifen if. Die Angaben fiber das Schlafen des Elefanten, die ſchwaukenden Angaben über die Zeit der Ger ſchlechtsreife deſſelben machen indeß Humbol dit's Anficht eher wahrſcheinlich. Für ben Strauß gilt daſſelbe; die drei Stellen, wo Ariſtoteles denſelben erwähnt (de partibus, IV, 14. 697 b, de gener. anim. IH, 1. 5., hist. anim. IX, 15. ss laffen nicht mit Gewißbeit auf eigne Auſchauung fchließen. 3: Lenntuiß des thieriſchen Baues. 69 erer — — das eben Geſagte nicht über Gebühr verrin- xt werben joll, aber auch auf feinen Fall fo hoch angefchlagen werden arf, als e8 vielleicht nur zu allgemein gefchieht, leiden fümmtlich an ‚dem Hauptfehler,, daß fie nicht einzeln planmäßig durchgeführt find. 5 e8 fein, daß gegen das Zerglievern von Thieren ein von ihm nicht zu überwindendes Vorurtheil herrichte, oder daß er aus geeigneter technifcher Methoden die durch das Klima oder jon- ftige locale Berhältniffe gegebenen Schwierigkeiten nicht zu überwinden verſtand: er würde durch das ſyſtematiſche Zergliedern eines Säuge⸗ ers, eines Fifches u. f. f. in den Stand gefetst worden fein, manche ‚ber auch feiner Anatomie noch anhängenden Grundirrthümer zu befei- . Im manchen Punkten waren da die Hippofratifer ficher auf . Xroß alledem ift es merkwürdig, was er. ge mende Zeiten ſchuf. Wenn er Nerven und Sehnen noch nicht freng fonnte, den Urfprung der erfteren aus dem Gehirn ) fannte, ja die Betheiligung des legteren an den Empfindungen zabezu befämpfte, wenn er ferner das Herz als Quelle der Wärme ür den ganzen Körper anfieht, Puls und Athmung von einer Auf- fung der im Herzen gefochten Blutflüffigkeit ableitet, die Sehnen mit dem Herzen verbindet und die Bewegung der Glieder und des gan- m Körpers auf Adern und Sehnen zurüdführt, ohne die wahre Be- 88) vergl. das bereits erwähnte Werk von I. B. Meyer, Ariftoteles Thier- 89) Den wunderbaren Fehler, im welchen alle Ueberſetzer, auch die meneften jeratben find, wonach Ariftoteles gejagt haben joll, der Hinterkopf ſei leer (Hist. inim. I, 7. 39. I, 16. 66, de partibus II, 10, 656 b), während er doch das Meine ebien (mapeyxeyaris) beicreibt, hat bereits Sonnenburg, Zoolog. krit. Bes gem zu Ariftoteles Thiergeſch. Bonn, 1857 nachgewiejen und berichtigt. 70 Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums deutung des Fleiſches zu kennen, dann kann man wohl nicht erwarten, | ſpeciell vergleichend angiologiſche und neurologiſche Thatſachen bei ihm verzeichnet zu finden. Auf der andern Seite kannte er aber die Ber- dauungsorgane ziemlich gut mit ihren Drüfen und verfolgte fie auch bei einigen Wirbelloſen, wenn auch nicht immer mit richtiger Deutung. Das Verhältniß der Gefchlechtsfunctionen hat er gleichfalls in ziem⸗ licher Ausdehnung durch das Thierreich verfolgt: auch hier freilich irrt er zuweilen durch teleologifche Betrachtungen verleitet in der Be⸗ ftimmung der betreffenden Organe. Seine Befruchtungstheorie ift ſelbſt heutzutage anfprechenver , als manches unterdeß Vorgebrachte. Auch waren ihm die Entwidelungsvorgänge ſowohl der Wirbelthiere als man⸗ cher niederer Formen nicht unbefannt. Manche feiner Angaben wurden merhvürdigerweife erft in neuefter Zeit beftätigt. Es ift unmöglih, die Fülle der von Ariftoteles binterlaffenen anatomifchen Thatfachen auch nur in einem Auszuge bier mitzutheilen. Der Hauptwerth feiner Arbeiten liegt auch nicht im der bloßen Auf- fpeicherung unverbunvener Angaben , fondern darin, daf er biefelben wifjenfchaftlich verwerthete. Wenn ihm auch die thierifche Organifation allgemein als Beweis dafür galt, daß in der Natur alles jchön und zweckmäßig eingerichtet jei, die Organe fogar ihrer Bedeutung nad) an beftimmte Stellen im Thierlörper gebracht wären, fo hinderte ihn doch dieſe Teleologie nicht daran, gewiſſe Geſetze aufzuftellen, welche in ihrer Tragweite erft viel fpäter erkannt und gewürdigt und vielfeitig verwen- bet wurden. Er bezeichnete nun allerdings dieſe Verallgemeinerungen nicht mit dem ausprüdlichen Namen von Bildungsgeſetzen; doch fpricht ſchon die Thatjache, daß er aus der Menge von einzelnen Beobachtun- gen das Allen Gemeinfame hervorhob , fowie die Verwendung dieſer allgemeinen Anjhauungen für fein Syftem wie für feine, allerdinge einjeitig teleologiſch gefärbte Phyfiologie dafür, daß ihm die Eonftanz gewiljer Verhältniffe, ſowie die in ihren legten Gründen ja auch jet noch dunkle Nöthigung zu einer folchen nicht entgangen war. für ven teleologijhen Weg, auf welchem Ariftoteles zu diefen Bildungsgejegen gelangt war, ift es bezeichnen, daß er das, was man feit Cuvier Typus oder Bildungsplan nennt, was ja auch ftreng hiſtoriſch genom- 1 Kenntniß‘ des tbierifchen Baues. | 71 ven nur ein Dusihgangsftabium in der Aufftellung des thierifchen jes barftellen kann, nicht an die Spitze feiner Betrachtungen ftellte, überhaupt nur beiläufig auf derartige allgemeine Bildungsverhältniffe u fprechen kommt. Dagegen führt er für die Gefege der Correlation er Theile wie für das der Correlation oder Compenfation des Wachs: thums mehrfache Belege auf. Die zweiflügligen Infecten haben ven Stachel vorn, die vierflügligen am hintern Körperende; kein fcheiden- flügliges hat einen Stachel. Alle lebendiggebärenven Vierfüßer haben Haare, alle eierlegenden Vierfüßer haben Schuppen. Hanzähne und Hörner zugleich befigt kein Thier. Die meiften hörnertragenden find zweihufig. Die inductive Entftehung folcher allgemeinen Säge wird deutlich durch Bemerkungen wie z. B. die auf die legte Angabe unmit- telbar folgende: „Ein Einhufer mit zwei Hörnern ift uns niemals zu _ Geficht gelommen“. Laſſen fich diefe Angaben, welche freilich bei Ari» ftoteles zunächft Ausflüffe einer teleologiſchen Betrachtung waren, als Ausdrüde allgemeiner morphologiſcher Berhältniffe hinnehmen, wie fie ja (exft fehr jpät) eine derartige Bedeutung erlangt haben, fo bleiben die bei ihm vortommenden Beifpiele für die Delonomie des Wachsthums (oder das Geſetz ausgleichender Harmonie, wie e8 I. B. Meyer nennt) ftrenger mit feiner Anficht von der Zwedmäßigfeit der Natur ‚verwebt. Immerhin aber jprechen diefelben für ven umfaſſenden Stand- punkt, welchen Ariftoteles bei der Betrachtung der Thiere einnahın, - Wenn man num aber auch ganz bei Seite laffen wollte, daß fich Aristoteles’ Anfichten über thierifchen Bau und thierifches Yeben be- reits Andeutungen finden, welche auf jpäteren Entwidlungsftufen ber Zoologie eine weitere Begründung und Bedeutung gefunden haben, fo würde doch der Werth feiner Arbeiten ſchon aus dem Grunde ein großer bleiben, als er überhaupt eine planmäßige, wiflenfchaftliche Behand: lung des Thierreichs erſt jchuf, welche nicht bloß als Ausgangspunkt für fpätere, mit Entvedung neuer oder Vervolllommnung älterer Un- terfuchungsmittel ficher begründete Unterfuchungen dienen konnte und wirllich diente, ſondern welche vor Allem die Zoologie und vergleichende Anatomie zum erſtenmal in die Reihe ver inductiven Wiſſenſchaften einoronete und damit auch die Entwidelung jener Auſchauungen ernög- 7 | Zoologiiche Kenntniffe des Alterthumo 35 fichte. Was feine Darftellung der betreffenden Facher betrifft, ſo find. wie bekannt nur einzelne Schriften auf die Neuzeit gekommen. Der Berfuft der übrigen Schriften zur Thiertunde ®%) ift um fo mehr zu ber 2 dauern, als fie nähere Befchreibungen (bie Zoica) und anatomifche | Schilderungen (tie Anatomae und Eclogae anatomon) der Thiere enthalten Haben und man außerdem nicht mehr im Stande ift, fich über die Art, wie er feine Schriften an geeigneter Stelle durch Zeichnungen zwerläutern verfuchte, ein gehöriges Bild zu machen. Doch fteht jo viel feft, daß er auch in dieſer Hinficht den Spätern vorangieng und ein Hülfsmittel der Verdeutlichung einführte, welches in ber neueſten Zeit häufig über alle Gebühr ausgedehnt benutzt der ohnehin ſchon durch unzufammenhängendes Stücwert jchwerfälfigen Yitteratur einen - weiteren Ballaft anhängt. Nicht ohne Abficht ift die Bedeutung des Ariftoteles für die Zoo⸗ logie des Alterthums gerade hier hervorgehoben worden, wo es fich um Erwähnung deffen handelte, was den Alten vom Bau der Thiere befannt war. Die Kenntnif des Baues der lebenden Weſen war und ift ber Mittelpunkt, um welchen fich die andern Seiten der Betrachtung theils zu felbftändigen Wiffenszweigen entwidelt, theils in fefterem Anfchluß ordnen. Was von der Lebensweife, ven Sitten der Thiere erzählt und in Schulfchriften anekootenhaft zufammengeftellt wurde, fand feine Prü- fung und fcheinbare Begründung in dem als bekannt vorausgejeßten, häufig erdichteten anatomischen Verhalten ver Thiere. Und wie fehr die Drganifation der Thiere als Grundlage des ariftotelifchen Thierfyftens anzufehen ift, wird bald zu erörtern fein. Zunãchſt ift noch ein Blick auf die weitere Entwidelung ver Thier- anatomie im Altertfum zu werfen. Gern würbe man an Ariftoteles jelbft anknüpfen, um von ihm aus eine Kette von Naturforichern we nigftens bis dahin zu verfolgen, wo die Wiffenfchaften ſämmtlich zum Stilfftande kamen unter den mit dem Zerfall des in feinem Sturze gleichzeitig die antife Culturwelt begrabenden Römerreich® und mit dem 90) Außer den im der reichen Litteratur über Ariftoteles zerftrenten gs über nicht auf fpätere Zeiten gelommene Schriften vefielben ſ. €. Heiß, Die berlornen Schriften des Ariftoteles. Leipzig, 1865. S. 70 und 220 flgbe. 2. der hen Ba 30 —* Aufteimen der chriſtlichen Saat hereinbrechenden äußeren und inneren Kämpfen. Doch ift die Reihe nicht bloß vielfach unterbro- ben, fie jchließt überhaupt bald ganz und gar ab. Wenn auch das Eril, im welches fich die Wiffenfchaften nach den Umwälzungen auf dem alten europäifchen und vorderafiatifchen Culturheerd zurückzogen, - Alerandria, nicht unfruchtbar für das Fortbeftehen und die weitere - Berbreitung geiechifchen Wifjens war 9'), fo war das eigentliche Fort⸗ leben veffelben nur ein bürftiges. Doch ift hervorzuheben , daß gerade fur Anatomie die alerandrinifche Schule ein Lichtpunkt wurde. Der beſonders unter Ptolemaeus Philadelphus gepflegte Sinn für natur— hijtoriſche Studien, welcher freilich auch der an und für ſich ſchon regen Sucht nach Wunderbarem neue Nahrung gab, rief auch die Leiſtungen der bedeutendſten aller vorchriſtlichen Anatomen des Alterthums her⸗ vor, des Herophilus und Eraſiſtratus lletzterer ein Schüler und nach Angaben Früherer fogar Enkel des Ariftoteles). Der Nach: weis des Urfprungs der Nerven als empfindender Theile vom Gehirn, i bie Erkennung der Muskeln als der eigentlichen activ bewegenden : Theile, das Auffinden von Milchgefähen aufer den bisher gelannten Röhren, den mit Pneuma erfüllten Arterien und ven blutführenven - Benen (natürlich ohne Ahnung ihres Zufammenhangs) waren That- - fachen, welche dem ganzen anatomifchen Lehrgebäude neue ficherere | Grundlagen gaben. Für vergleichende Anatomie war der Gewinn freilich gering. Es foll zwar Erafiftratus vergleichende Unterfuchungen über den Hirnbau angeftellt haben, wobei er die Entdeckungen des Herophi- lus benugen konnte. Doch find die etwaigen Niederſchriften hierüber ebenſo wie die aus venfelben vielleicht abzuleitenden Anregungen ſchou > früß, verloren gegangen. 5 91) Bernbardy jagt (Grumbriß der griech. Litter. 4. Bearbeit. 1. Thl. ©. 363): „Wenig von griechifcher Litteratur wäre nach Byzanz gelangt und die mo- derne Bildung bodenlos geworden, wenn nicht eine dichte Kette von Gelehrten recht emſige Studien der in Alerandria gehäuften Bücherſchätze unter den Ptolemäern und noch lange nach ihrem Ausfterben betrieb“. Iſt auch das letztere in Bezug auf — die hiſtoriſche Gründung der modernen Cultur richtig, fo ſcheint doch der Weg über Re Bwanz, wenigſtens für die Naturwiſſenſchaften, nicht bewieſen werben zu lönnen. 74 i Zoologiſche Kenutniſſe des Alterthums Dan ſpricht nun zwar von einer Schule der Eraſiſtratäer, ohne daß es jedoch möglich wäre, antere als ärztliche Yeiftungen derſelben anzuführen. Es war vielmehr der Einfluß der Alerandriner im Gan⸗ zen, welcher jowohl nach Athen zurückwirkte als auch Wiſſenſchaftlich⸗ feit und Stubieneifer nach einigen Heinafiatiichen Staaten binüber- führte, unter denen Bithynien und befonders Pergamum, in Folge bes Ehrgeizes feiner Könige, mit Alerandria wetteifern zu wollen, hervor: ragen. Ein Pergamener war auh Claudius Galenns (131—201 n. Chr.), der größte aber lette Anatom des Altertfums. Schon machte fich aber die praktifche Richtung ver Zeit geltend, infofern als Galen zwar Zergliederungen empfiehlt und, da das Zergliedern menſch⸗ licher Leichen noch nicht geftattet war, Thiere als Gegenftanb ber Un⸗ terfuchung theils felbft anwendet , theils anräth , indeß ohne die Aus» beute der Thieranatomie anders zu verwertben, als für ärztliche Zwede. Galen's Verdienſte um die menfchlihe Anatomie (vielleicht richtiger all- gemein geiprochen: Säugethieranatomie) find groß genug, baß ohne feinem Namen zu nahe zu treten, bier, wo es fich um zootomifche Yei- ftungen handelt, verfichert werden fann, daß für die Entwidelung ber vergleichenden Anatomie er nur im untergeorbneter Weife in Betracht fommt. Speciellere Angaben , zuweilen den Ariftoteles beftätigend, über VBerdauungswerkzeuge, das Herz und die Reipirationsorgane an- derer Säugethiere als des vorzugsweife benugten Affen finden fich im jechiten bis achten Buche jeiner „Anatomifchen Anleitungen“. Dis hierher waren Griechen die Träger der Wiflenfchaft. Aus ber ganzen römischen Gejchichte ift fein Name anzuführen, welcher fich mit Rückſicht auf ein jelbftändiges Weiterführen der Zootomie (wie ſchon früher der bejchreibenven Zoologie) auch nur entfernt den genann- ten griechiſchen Philofophen an die Seite ftellen ließe. Nur unter den Enchklopädiften der Kaiferzeit tritt ein Mann hervor, welcher mit völliger Beherrſchung des vor ihm Geleifteten eigne Unterfuchungen im Intereſſe der Sache felbft vorgenommen zu haben fcheint, 2. Appu- lejus von Madaura. Es enthält wenigftens feine zur Vertheidigung gegen die Anklage der Magie verfahte Apologie mehrere Angaben, welche auf eine eingehende Beichäftigung nicht bloß mit ven Thieren im All- Eennuuth des Abieifhe vauen Bi .; — 4 — — beſonders auch mit deren Anatomie hinweiſen 92). - As Anhänger Plato's hätte ihm eine warme Begeifterung für Arifte- teles nicht gerade nahe liegen können. Und doch fpricht er in Bezug auf feine naturhiftorihen Studien mit der größten Verehrung vom Stagiriten. Seine naturhiſtoriſchen Schriften ”) find leider nicht er- - halten, fo daß die Römer in der Litteratur der wiffenfchaftlichen Bear⸗ - beitung des Thierreichs auch nicht mit einem Namen vertreten find. | | Noch wäre, wenn es bier auf eine vollftändige Ueberficht deſſen > anfäme, was im Altertfum überhaupt über Thiere gedacht und ge- ſchrieben worden iſt, der Schriften zu gedenken, welche das Thierleben von der pſychologiſchen Seite zu betrachten ſich zum Vorwurf genom- mien hatten. Wenn aber hier die Sammlungen von wunderbaren Din- gen ausgenommen werden, in denen fich neben manchen aus Ariftoteles und andern Schriftftellern entlehnten Angaben auch einzelne Züge aus dem Thierleben gefchildert finden, welche entweder felbft beobachtet oder ; der Voltsüberlieferung eigen gewejen zu fein jheinen, fo bleiben ftreng _ genommen nur die beiden Schriften des Plutarch übrig, welche ge wöhnlich als „Ueber die Klugheit der Thiere* und „Daß die Thiere Ber- uunft haben“ angeführt werden. Doc find in beiden eingehendere wiſſenſchaftliche Betrachtungen nicht nachzumweifen. Während in ber letztgenannten nach Analogie mit menfchlichem Thun gewifje geiftige Eigenſchaften auch den Thieren zugejchrieben werden, wie Muth, Ueber- legung u. ſ. f., iſt die erſtere mehr oder weniger als Anuekdotenſamm- lung anzufehen, veren einzelne Stücde weder einer planmäfigen Beob- VE EERTEEIET EN WERT - 4 — 92) So z. B. die Stelle im 40. Kapitel, wo er vom lepus marinus angibt: er allein habe, trotzdem er ſonſt knochenlos fei, zwölf Knochen „ad similitudinem - talorum suillorum in ventre connexa et catenata,” was Ariftoteles nicht gewußt babe. Eupier bezieht die Angabe unbedenklich auf Aplysia. (Hist. d. scienc. natur. T. 1. p. 287). 98) f. Stahr, Ariftoteles bei den Römern. S. 141 flgde. — Daß Appulejus zoologiiche Schriften verfaßt hat, geht aus feiner Apologie hervor. So erzählt er im 37. Kapitel, daß Sopholles der Geiftesihwäche angellagt, feinen Richtern als ein- jige Bertheibigung feinen Koloneus vorgelejen habe, und fährt dann fort: cedo enim experiamur, an et mihi possint in iudicio litterae meae prodesse. Lege - pauca de principio, dein quaedam de piscibus. 76 Zoologifche Renntniffe des Alterthume. achtung, vielmehr vorzüglich einer großen Belefenheit entfpringen, noch | methobifch weiter verwendet werben. | 3. Verfuche zur Syftematik. Es wurde ſchon früher darauf hingewiefen, wie in dem natürlichen Hergang der voltsthümlichen Namengebung allmählich Ausprüde ent ftanden, welche Heinere oder größere Gruppen von Thieren bezeichne- ten. War nun auch die Anzahl der ven Alten bekannt geworbenen Thiere nicht fo groß, daß fie allein hätte dazu drängen fönnen, auf irgend welche künftliche Weife Ordnung in die Anſchauungen zu brin- gen, fo trat doch einmal mit den Anregungen einer immer jchärfer beobachtenden und unterjcheidenden Naturbetrachtung das Bebürfniß hervor, das mehreren Thieren Gemeinfame zur Scheidung biefer von andern zu benugen. Aber jelbft abgefehen von biefer im Gegenftand fiegenden Nöthigung zu einer Aufftellung beftimmter Gruppen, welche dann wieber in der Sprache eine größere Yeichtigfeit und freiere Bewe⸗ gung geftatteten, lag ſchon in der formalen Richtung der Philofophie ein Beweggrund , die Gegenftände, welche ven realen Inhalt ver ein- zelnen Gebiete ausmachten, zu definiren und zu claffificiren. Es macht fich der Unterfchled zwifchen ver Syſtematil der Alten, auch des Ariftoteles, und der der Jetztzeit zunächft darin geltend, daß bie letztere nicht fowohl ein fein Logifch gegliedertes Gebäude, ſondern bie Form ift, in welcher die Kenntniß der Thiere, welche jo unendlich an Zahl zugenommen haben, am überfichtlichften georbnet und am be» quemften bargeftellt werden kann, mit andern Worten, daf das Sy- jtem gewifjermaßen ven Gefammtausorud von dem darftellt, was man von den Thieren weiß, während die Syftematif der Naturforfcher des Alterthums mehr oder weniger nichts anderes ift, als ein befonderer Theil einer angewandten Logik. Nur im Anfchluß hieran ift e8 zu beu- ten, wenn Ariftoteles 3. B. fich über gewifje Principien der Einthei- lung kritiſch äußert. Es follte damit nicht ſowohl auf die beſondern Eigenthümlichkeiten der einzutheilenden Gegenftände hingewiefen wer- den (wie man es jeßt vielleicht thun würde), ſondern auf die logiſche Berechtigung zu einer beftimmten Eintheilungsart. 3. Berfuche jiit Syflematif, 77 0 Im einer zufammenhängenden Form läßt fich nur dasjenige Sy- - ften des Alterthums überjehen , welches Ariftoteles feinen Darftellun- gen zu Grunde legte. Doch dürfte es verfehlt fein, ihm allein als ven - Schöpfer eines ſolchen überhaupt Hinzuftellen. Wenn er, wie erwähnt, I den Demokrit tadelt, daß diefer die Blutlofen nur deshalb als ohne Eingeweide erjcheinend bezeichnet, weil fie zu Hein wären, jo geht doch hieraus hervor, daß eben Demofrit bereits von „Blutlofen“ geſprochen i haben muß. Dafjelbe wird ficher auch bei manchen andern Gruppen - ber Fall gewejen fein. Doch würde es auf der andern Seite ungerecht fein, wenn man glauben wollte, Ariftoteles habe nur den einen Ger ſichtspunti im Auge gehabt, ein etwa vorhandenes Syſtem zu ver- - befiern. Bon den Berfuchen Früherer, das Tierreich einzutheilen 9), iſt, höchſtens mit Ausnahme einzelner Ausdrücke, kein Zeichen auf die Nachwelt gelommen. Was aber bei Ariſtoteles zu finden iſt, ſpricht entſchieden dafür, daß bei ihm, welcher allein unter ſämmtlichen Na- turforſchern des Alterthums ein Material überſah, welches in ſeiner Ausdehnung wohl zur Ordnung auffordern konnte, neben jenem logiſch⸗ formalen Streben auch die Ueberzeugung entwidelt war, daß bas Thierreich beftimmte in verjchiedenen Grade verwandte Gruppen dar: böte, welche zwar vielleicht mit verfchiedenen andern in einzelnen Merk: malen oberflächlich übereinftimmten, aber doch ihrem Gefammtcharafter nach ſcharf und deutlich gegen andere abgegrenzt waren. Dem Um— ftande, daß in den Stellen, wo er über die Grundfäge feiner Einthei- hung fpricht, jenes formale Element ſehr in den Vordergrund tritt, daß ferner das bereits erwähnte Schwanten in dem Gebrauch der ſyſtema— tifchen Ausdrücke „Eidos“ und „Genos“ den Eindrud der Unficherheit in ber Beurtheilung der einzelnen Abtheilungen hervorruft, während es doch nur Folge davon ift, daß ihm keine Terminologie für die zu coor⸗ -binivenden ober zu fuborbinivenden Gruppen zu Gebote ftand, wie Teer —— Shi — 94) Ob Ariftoteles derartige Verſuche, nicht bloß logiſch⸗formell, ſondern ſfach⸗ mäß angeftellt, vor ſich gehabt hat, ift ſchwer zu enticheiden. Er ſpricht zwar von ol dıyorouoürres“, „Sıaigovusvor eis duo diepopas“, „ovußaiveı roig dıwı- Dr s 16 ulv @nteoor zer)“; es kann bier aber beides gemeint fein (de par- ibus I, 2 und 3, 642b und 643). ED Zoologifche Keuntniffe des Alterthums Familie, Ordnung, Elaffe, ja nicht einmal Art und Gattung, — die: ſem Allen ift es wohl zuzufchreiben , daß die Urtheile,über das Syſtem des Ariftoteles, ob überhaupt eins und welches er denn aufgeftelit babe, jo auferorbentlich auseinandergehen. Es würde eine unnüge Wiederholung fein, wenn die Stellen aus den zoologifchen Schriften des Ariftoteles noch einmal hier neben ein- ander abgedruckt werden follten, aus welchen hervorgeht, daß berjelbe nicht bloß die Fehler einer Dichotomifchen Einteilung und des Benugens einzelner Merkmale ausprüdlich als folche bezeichnete und vor benfelben warnte, fondern daß er in der That ein natürliches Syftem zu Grunde legte, welches in den Hauptzügen als Ausgangspunkt der jeßigen na⸗ türlichen Syſteme anzufehen ift. 3. B. Meyer hat diefen Gegenftand in einer fo erfchöpfenden Art behandelt ®), daß nur auf feine Dar- ftellung verwiefen zu werben braucht. Es ift indeß nicht ohne Intereſſe für die fpätern Unterfuchungen, hier in Kürze die Hauptzüge bes Ari- ſtoteliſchen Syſtems zu ſchildern. Zunächſt iſt mit Rückſicht auf häufig dem Ariſtoteles gemachte ‚Borwürfe hervorzuheben, daß er folche Ausdrücke wie Blutthiere und DBlutlofe, Yandthiere und Wafferthiere, Yebenviggebärende und Eier- legende u. f. f. nicht als Bezeichnungen für feine großen „Gattungen“, d. i. feine größten fyftematifchen Abteilungen anwendet, fonbern fie nur als Unterjchiede auffaßt, wie fie als wejentliche oder unmwefentlichere Merkmale zur näheren Charakterifirung jener „Gattungen“ benutzt werben können. Bereits Meyer hat überzeugend nachgewieſen, daß die jo häufig (ohne ſelbſtändige Prüfung) wiederholte Angabe, Ariſto⸗ teles habe das Thierreich in Blutthiere und Blutloſe eingetheilt, ent- ſprechend der jpätern Eintheilung in Wirbelthiere und Wirbellofe, ent- ſchieden unvichtig ift. Mit demſelben Nechte könnte man behaupten, er habe die Thiere in Flugthiere, Landthiere, Wafferthiere u. ſ. w. ein- getheilt. Derartige Bezeichnungen braucht er indeß nur, um bie in ge⸗ wifjen Eigenthümfichkeiten übereinftimmenden Gattungen gemeinfam zu 95) 3. B. Meyer’s wiederholt angeführtes Wref enthält im erflen Dee — z rt eine Gejchichte der Anfichten über Ariſtoteliſche Syftematif. 4 — 3 Bender Somit. 79 Beinen. & nennt diefe Abtheilungen, welche fich nach ſolchen Ge⸗ E junkten ergeben, nie Gattungen, höchitens im Sinne einer rein formalen Co⸗ oder Subordination (wie oben erörtert wurde) und ver- wechſelt niemals Ausorüde, wie Fiſch und Vogel mit Wafferthier oder -Flugthier). Mit Recht hat bereits Cuvier hervorgehoben, daß in der Thiergefchichte des Ariftoteles keine Darftellung des Syſtems gege- ben werben follte, fondern eine Schilverung des Baues und der Ver⸗ richtungen der Thiere. Hier konnten alſo neben ven ſyſtematiſchen Na- men einzelner Gruppen Ausdrüde nicht entbehrt werden, welche die, der Eintheilung felbft gegenüber mehr zufällige Uebereinftimmung meh: verer folder Gruppen in gewiffen Merkmalen bezeichnen jollten. Eines ferneren Einwandes gegen die Wiflenjchaftlichkeit des Ari- ftotelifchen Syſtems ift noch zu gedenken, der Misdentungen nämlich, welchen gewifjermaßen bie fpeciellen Anwendungen des eben gejchilverten Berfahrens ausgeſetzt geweien find. Man hört gar nicht jelten behaup- Ariftoteles habe die Walthiere zu den Fifchen, die Fledermäuſe zu den Vögeln geftelit u. a. vergl. Es läßt fich aber auch Hier mit Sicher» aus dem über diefe Gruppen Gefagten nachweifen, daß Ariftoteles bloß genau gewußt hat, was die Walthiere von den Fifchen, die yermäufe von den Vögeln trennt und was fie mit beiden gemeinfam m, ſondern daß er auch über ihre ſyſtematiſche Stellung nicht im Haren war. Die Fledermaus ift ihm geradezu ein Säugethier, wel- ‚auch in feiner Hauptvefinition ber letztern, als lebendiggebärende rfüßer, ſich volljtänbig der Gruppe anfchließt. Da diefes Merkmal en Waltfieren fehlt , werden fie von Ariftoteles, nicht etwa zu dem Siichen, ſondern als beſondere jelbftändige „Gattung“ neben die eigent- m (vierfüßigen) Säugethiere hingeſtellt. Nach ven von Ariftoteles hervorgehobenen Grundfägen, befonders &o jagt er von ber Fledermaus, fie habe gewiffe Merkmale gemeinfam andern Flugthieren“, aber nicht mit „Vögeln“. Die in letterer Bezeichnung Berwechielung war ficher vollsthümlich. Antigonus Caryſtius führt von dermaus an, fie habe allein unter den Vögeln (uoror rar Hpveor) Zähne. uch: ferner Plinius (IX, 28, 44) den Ausdrud piscis als gleichbedeutend mit thier, wogegen Ariftoteles niemals iyd vs mit Zrudgor verwechſelt. * 80 Zoologiſche Kenntnifie des ter den, das Ganze gleich nach vielen Merkmalen einzutheilen (de partibus 1, 3. 643 b), erhält er größere Abtheilungen, welche ganz nach Art ber neueren Syſtematik durch die Geſammtheit der Lebenserfcheinungen charalteriſirt find. Daß ihm dabei noch manche Eigenthümlichkeiten entgiengen, welche ver Organifation mehrerer feiner Gattungen ge meinfam waren, darf nicht überrafchen. Es konnte z. DB. die Anficht, daß fich die verfchievenen Formen des Knochen» und ‚norpelgerüftes, welche bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fifchen vorkommen, nur wie Entwidelungszuftände eines gleihmäßig angelegten Apparates zu einander verhalten, erſt dann fich bilden, als einerfeits ein reicheres Material einzelner Steletformen in ausgiebigem Detail, andrerſeits bie Entwidelung des Knochengerüftes befannt geworben war, Ferner barf man nicht erwarten, Thiergruppen in feinem Syſtem ficher unterge- bracht, ja nur einigermaßen eingehend gefchilvert zu finden, beren Kör⸗ perform, Bau und Lebensweife erft durch weiter entwickelte Unterſu⸗ chungsmethoden erjchloffen werben konnte. Es werden hier beſonders die niederen Formen der Wirbellofen gemeint, welche nach Ariftoteles jelbft einen Uebergang von ven Pflanzen zu den Thieren barftellen, welche er aber nicht in eine große Gattung zufammenfaßt, fondern als Anhang zu feiner unterften Gruppe, der der Schalthiere, betrachtete: Die einzelnen von ihm angenommenen großen Gattungen Claſſen find num folgende: a) Die lebendig gebärenden Bierfüßer, die jeßigen Säugethiere mit Ausschluß der Walthiere, aber mit Einfchluß ber Robben”). Sie werven als behaart bezeichnet, haben einhufige, 97) Die einzige Stelle, wo Ariftoteles die Robbe zu den Walen bringt: „bie mit Haaren bebedten Thiere, 3. B. der Menſch und das Pferd, und bie Wale, wie der Delphin, die Robbe und die Phalaena“ (Hist. anim. III, 20, 99) will Meyer jo lefen, daß er „ai yoxr“ verfegt und hinter Das vorausgebende zei Tarzos, zu benen bringt, 60« re rofyas Eye. In zwei Leipziger Handichriften des Wilhelm von Moerbeke fteht: sicut delphis et balaena et bos marinus; im einer Hand» Schrift des Michael Scotus dagegen findet fih nur: ... pilos habent sicut homo et equus, et cete sicut delphinus et kolli (fol koki heißen). Albertus Magnus jagt in dem dieſer Stelle entiprechenden Abſchnitt im 3. Buch, (Opera ed. Jammy, T. VI. p. 150b): pilos autem habet homo et equus et hujusmodi; . . adhue — Ale un evnenan. 68 — haben Zähne u. |. f. Es läßt fih aber nicht nachweifen , daß Ariftoteles auf eines diefer Merkmale eine wei- tere Eintheilung begründet hätte, trotzdem er mehrere Heine Gruppen, aber keine von der Bebeutung jegiger Ordnungen oder Unterorbnun- gen annahm. Es mögen ihm wohl einzelne jolcher größerer Abtheilun- gem vorgefchwebt haben; doch waren fie namenlos (Hist, anim. I, 6, 35), d. h. ver populäre Sprachgebrauch, dem er felbft zu folgen räth, bot ihm feine Bezeichnung dar. Nur für Pferd, Ejel, Hemionus ; u. j. w. gibt es einen Namen, Yophuren oder Schweifichwänze; er bonnte fie deshalb nicht Einhufer nennen, weil er ja jelbft einhufige - Schweine anführt, welche nicht hierhergehören. " b) Die Bögel, mit Einſchluß des Straufen. Sie find Flug- thiere, befiebert, zweifüßig und eierlegend. Bon den Ordnungen unter» ſchied Ariſtoteles nur drei ſicher: die Raubvögel, die er Gampſonycha, de Schwimmvögel, die er Steganopoda, und die Stelzuögel, die er- Malreoſtelen nennt. Ex charalteriſirt fie fo, daß fie gut umgrenzt find. - Neben ihnen erwähnt er noch mehrere Heinere Gruppen, ohne aber für mehrere derſelben gemeinfame größere „Gattungen“ (Orbnungen) aufe · zuftellen. Auch bildet ver Strauß eine Gruppe für fich. 5 0) Die eierlegenden Bierfüßer, die Reptilien und Ans phibien, mit Einfchluß der Schlangen und des Krokodils. Sie heißen auch Pholivota , find ausnahmsweife fußlos, auch lebendiggebärend, athmen aber durch Lungen. Ariftoteles kannte und unterſchied auch als jelbftändige Gruppen: das Krokodil, die Schildkröten, die Sauren, Schlangen und Fröſche. Doc) ift die Charakteriftit diefer Abtheilungen nicht in einer Weife gegeben, daß man jagen könnte, er habe die auch autem et marina magna mamillas habent sicut balaena secundum genus suum et delphinus et id quod vocatur chochi (oder koki, wie e8 in einem Be- netianer Drud von 1495 heißt). Diefes Thier nun nennt er (p. 655b, koki): vi-- iulus marinus, de hoc jam superius diximus, quod vocatur latine helcus. Wort helcus fehlt im Ducange. „Kufi“ lommt im Damiri und Kazwini vor d ift nach Freytag’s Lerilon: nomen piscis unicornis et validi. Um bie frag- fie Stelle mit andern in Uebereinftimmung zu bringen, wäre wohl das nächftlie- gende ftatt yeaxn zu lefen yaxav., an welches Wort ſich vielleiht bie Abſchreiber Wegen ber zweimal hintereinander vortommenden Endung —aıve geftoßen haben. 2 BD. Carus, Geſch. d. Boot. 6 jetzt noch verbreitete Eintheilung aufgeftellt. Mit Ausnahme ber Schlangen und Schilofröten bilden die andern Gruppen nut Meinere Gattungen, venen Verwandtes zugefellt wird. — 4A4 )Die Walthiere. Sie werden geſchildert als durch Lungen luftathmend, lebendig gebaͤrend, mit Milch und Zigen, fußlos. Er ſttellt fie den Fiſchen gegenüber , fpricht ev von beiden, jo nennt er fie zuſammen Wafferthiere. er; 00.0) Die Fifche. Sie find eierlegend oder lebendiggebärend, ath- = men durch Kiemen, find fußlos, haben dagegen meift (paarige) Zrloſſen ®). Ariftoteles theilte fie in Knorpel- und Gratenfiſche; unter "pen erjteren verftand er die Selachier oder Plagioftomen vechnete in- = def, wie noch Linne, den Froſchfiſch, Lophius, zu ihnen. Unter ben Gratenfiſchen ſchilderte er mehrere Heine Gattungen, ohne jedoch auf e x beftimmte Merktmalgruppen befonderes Gewicht zu legen. 07 Die bis jett aufgezählten fünf Claffen oder „Gattungen“ nennt Aiſtoteles „blutführend“. Daß damit feine Hanpteintheilung des Thierreichs gefchaffen werben follte, wurde bereits erwähnt. Die fol- genden feiner Gattungen find ihm „blutlos“. SR. S) Die Weichthiere, vie Eephalopoden der jegigen Syſteme Sie haben die Füße um den Kopf, entweder im Körper ober im Kopfe eetywas Hartes und haben einen Tintenbentel. Nach der Form bes ein- gelagerten Steletjtüctes, der Art ver Fühe, dem Vorhandenſein zweier (längerer „Rüffel“ außer ven acht Füßen und floffenförmiger Anhänge unterjcheidet er die Gattungen der Sepien, Yoliginen und Oltopoben. g) Die vielfüßigen Weihfchalthiere, den höheren Eru- ftaceen entjprechend. Da es für die von ihm hierhergebrachten Formen | noch feinen gemeinjchaftlichen Namen gab, ſchuf er einen und nennt fie Malaloſtraka (Hist. anim. I, 6, 32). Die weiche Maffe ihres Körpers — 98) Ariſtoteles ſcheint doch ſchon die Floſſen als Ertremitäten, homolog ben g Füßen, Flügeln u. ſ. w. aufgefaßt zu haben, er wendet ben Ausdrud „Fuß“ nur br: für eine Form des Bewegungsorgans an (f. de incessu anim. cap. V. 706a, 26-32). Er jagt von den Fiſchen: (de partibus VI, 13. 695b): Zrei #° dvamım eor⸗ zara Tv oboler, dia ubv 1b vevarıza elvaı nreguyır Eyeı, dk di vb 8 um meleveıy orx &ysı nodas. Zu vergleichen ift auch Hist. anim. I, 5, 31. | find, welche jet noch als natürlich angefehen werden. 4) Die vielfüßigen Kerbthiere, Entoma, bie Infecten, - füßigfeit und ver Gliederung des Körpers ift fein Charakter durch— - gehend angewendet ; und felbft die genannten treten als nicht durchaus nen zwar mehrere „Gattungen“, die meiften aber wohl ohne fyftema- - tifche Bedeutung. Nur folche Gruppen, wie Scheidenflügler (Käfer), a 2 And Era ee — men, — ie. nicht ſpröde, ſondern zerreibtiche' Waffe außen — 9 1, 1). Unterſchieden werden Karaben, Aſtaken, Kariden und Karlinen. Doch iſt es ſchwer zu entſcheiden, ob dieſe zwar haͤufig als Gattungen bezeichneten Abtheilungen mit Gruppen zu gang in 4 Krohuiben, Myriapoden und Würmer umfafjend. Außer der Viel eonftante auf, da Eingeweidewürmer mit hierher gebracht werden. 3 Ebenſo unſicher ift die Beftimmung der Unterabtheilungen. Es erſchei -· - Schmetterlinge, Läufe find vielleicht nicht bloß nach biologiſchen Char vafteren zufammengefaßte Formen. vem weichen Körper und harter, brüchiger äufern Schale. Im Allger unter ihnen nimmt Ariftoteles mehrere „Gattungen“ an. Ihre Bejtim- erſcheinenden Charaktere aufftelit, fondern mehr vergleichend-anatomifch und biologiſch bald die einen, bald die andern zu Gruppen vereint. 5 99) Daß die Aemras ayola, jv Tıvsg zaloücı Saularrıov oüs, nicht die Ha- Er Pi önne, wie Meyer und Nubert es bezweifeln, iſt nicht recht einleuchtend. den einffjafigen) treten bie Exeremente jeitlich aus, durch einen Kanal, bei dem ser Seite. Anbert und Wimmer wollen ftatt ümoxdro lefen dı' aurod;, dies würde die Anficht, daß hier Haliotis gemeint ift nur beſtätigen; denn rergdwerae heift Doc) nur durchbohrt, micht mit eimem Loche verjehen. Es wird alfo gejagt, mag am Die eine oder die andere Leſung richtig fein, beim Meerohr tritt das wegfrroun jeitlich ans und zwar unmittelbar an der durchbohrten .. Dies paßt auf feinen Fal nf Fissurella. e 6* ‘) Die fußlofen Schalthiere (Oftratodermata), ——— meinen eutſprechen fie den jetzigen Cephalophoren und Acephalen. Auch mung fällt aber deshalb ſchwer, als er keine überall conſtant wieder m meiften Conftanz zeigen noch die Stromboden (Gewundenen, | meden), Einſchalige (Patellen und Haliotis)), Zweifchalige und 8 jagt an der Stelle (Hist. anim. IV, 4, 51), bei den übrigen (nämlich rohr aber unterhalb der Schale (ümoxarw roü soro«xov) aber doch immer auf die —— Zu — tommen aber * RR Heinere 3 attun fu 4 wie bie Balanen und Tetfyen Abeidien "ch : F Endlich reiht wie erwähnt Ariſtoteles den Schalthieren J— de Anzahl „eigenthümlicher Gattungen“ an, ohne fie direct zu denſelben zu rechnen. Es find diefelben, aus welchen jpäter die Abtheilung der Zoo⸗ 7% phyten gebildet wurde, Thiere, auf deren zweijelhafte Stellung zwifchen dem Thier- und Pflanzenreich Ariftoteles hingewieſen hatte, ohne fich jedoch über ihre definitive Stellung auszufprechen. Es jind dies vor⸗ züglich die Holothurien, Seefterne, Atalephen und Schwämme (Aka lephen nicht im modernen Sinne). uUnverkennbar liegen in dem bier flüchtig ſtizzirten Syſteme vie Keime zur Entwidelung der natürlichen Anordnung des Thierreichs, wrie ſie nach Perioden der ftärkften Trübung der Anfichten erft in neue⸗ —— ver Zeit wieder angeſtrebt wurde, als man mit neu herzuftrömendem ” - Material ariftoteliiche Methodik zu befolgen begann, al® man die na- - turgemäß in den Beobachtungen bleibenden Yüden auf logiſch⸗inducti⸗ vem Wege zu füllen verfuchte, die Unterfuchung alfo da aufnahm, wo - fie Ariftoteles hatte abbrechen müflen. Wie die Beftrebungen, genauere Kenntniß der Thierformen und ihres Banes zu erlangen, im Altertum mit Ariftoteles abfchloffen, ſo entdet auch die Geſchichte der Syſtematik im Alterthum mit ihm. Die alexandriniſche Schule fucht ihm zu commentiren oder zu paraphrafiren. Was aus der Blüthezeit derfelben erhalten ift, läßt feinen günftigen Schluß auf die Erfaffung wiffenfchaftlicher Aufgaben ziehn. Bis zum Beginn ‚ver römischen Kaiferzeit bewegt fich die zoologiſche Litteratur, (wenn man überhaupt von einer folchen fprechen kann) nur in Aus» zügen und Commentaren des Ariftoteles (Antigonns Caryſtius, Arifto- pphanes von Byzanz, Pompejus Trogus, der von Athenaeus citirte Do- ion u. a.)'0). Vielfach verwebt mit den Berichten über wunderbare Sachen bieten diefe Schriften wenig erfreuliches dar, wenn man fich * vergegenwärtigt, daß Ariftoteles vorangegangen war. Aber auch in — A — 100) Der Verluſt eines griechiſch geſchriebenen Wertes des mauritaniſchen Kö⸗ — nigs Juba (ftarb 23 oder 24 m. Chr.) ſcheint nach den bei Plinius u. a. vorlom⸗ = menden Citaten wirklich zu bedauern zur fein. Wr: — — ſich die Beſchaftigung mit der Natur nur Äuferft vereinzelt bis zum Ernſt wiſſenſchaftlicher Forſchung. Appu- ‚eins fejus ift verloren gegangen, nur Plinius blieb erhalten. ex Left man ven rühmenden Bericht von Fee über Plinins!") oder Cuvier's Schilderung feiner Verdienſte 102), felbft die ihn betr | fenben Stellen bei Spix 1%), fo möchte man — es bier mit einen Manne zu thun zu haben, der mit genialem Blick das Gebiet des gan - zen menschlichen Wiffens umfaffend überall Bahn brach, überall ord- ⸗ nete und ſchuf und namentlich für die Zoologie einen nachhaltigen Ab⸗ ſchluß mit feinen Arbeiten bewirkte. Unter feinen Zeitgenoſſen und näßeren Angehörigen (man vergleiche ven Brief feines Neffen, des jüngern Plinius, über ihn an Macer) mag es allervings Auffehen ge» . macht Haben, wie er, ein römifcher Ritter, oft in Kriegs- und Staats dienſten verwendet, in ftetem Drange öffentlicher Gejchäfte, zuletzt Flot- tencapitain, nicht bloß die Idee faſſen, eine EnchHlopädie des menfch- lchen Wiſſens zu ſchreiben, ſondern fie auch ausführen konnte. Wie, man aber jetzt noch fagen kann, daß ein Verluft feiner Schriften ein unerſetzlicher Verluſt für die ganze menſchliche Geſellſchaft wäre, iſt den Stand ver damaligen Kenntniffe entgehen, weil bei Beurteilung * culturhiſtoriſcher Zuftände erleichterndes Detail fehlt. Hans beſondern Wiſſenſchaft, fo kann man nicht einmal behaupten, daß Pli- mins wirklich die Wiſſenſchaft jo dargeftellt hätte, daß man ficher an« nehmen könne, wie weit ihre Entwidelung zu feiner Zeit vorgefchritten ei. Zu bewundern ift allerdings, wie er feine Zeit zu benugen verſtand, ie er ans Allem für fein Vorhaben Nugen zog, wie er jo viel lefen, fo ‚Biele Notizen machen konnte. In der Dedication und dem Inhaltöverzeich- miß feiner Naturgeſchichte Hat er genau angegeben, wie viel Autoren er 77101) A.L.A. Fee, Eloge de Pline le Naturaliste. 2. ed. Lille, 1827. -—- 4102) Cuvier, Histoire des sciences naturelles. T. I. p. 223 flgbe. Susier Spricht fich im Ganzen noch richtiger über Plinius aus. 4 103) J. Spir, Geſchichte und Beurtheilung aller Syfterhe in der Zoologie. rnberg 1811. ſchwer zu begreifen. Es würde dem Gefchichtsfveunde Manches über At es fich aber um genaue Unterfuchung über den Stand irgend einer _ ö x —— wie viel Thatſachen er mitgetheilt babe. Ds —— wohl gethan, aber ohne jedes Urtheil. Für Zoologie iſt ſein Wert nic als eine kritiffofe, unzuverläffige Contpilation. Ex beruft fich hänfig auf Ariſtoteles 1%), verfteht ihm aber oft falſch umd jchenkt ihm nicht mehr Glauben als andern Erzählern. Angaben über fabelhafte Thiere, welche Ariftoteles zurückgewieſen hatte, nimmt er ruhig ohne Zweifel zu äußern I | wieder auf. Aus feiner Naturgefchichte geht allerdings‘ hervor, daß man zu feiner Zeit wohl einige Thiere mehr kannte, als Ariftoteles _ (vierhumdert Iahre liegen zwiſchen beiden), feine Befchreibungen find aber zu umvollftändig und ungenau, als daß man fie brauchen könnte, Faßt man die Eigenthümlichkeiten feiner Naturgefchichte fo (wie Maffon) zuſammen, daß er häufig nicht glücflich in der Wahl feiner Gewährs- . männer war, daß er'meift Sachen beſchrieb, vie er nicht felbft geſehen hatte, es ihm dabei auf richtige Angaben über Namen und Größenver- R haͤltniſſe nicht antam, daß er fich häufig wiederholte und dabei wider⸗ ſprach, jo wird man hieraus auf die wiſſenſchaftliche Bedeutſamleit feiner Arbeit jchließen können. Da man dem Plinius häufig noch ein ihm eigenthümliches Sy⸗ ftem zujchreibt, mögen hierüber noch einige Bemerkungen Platz finden. Saft jcheint e8, als ei die Meinung, Plinius habe fein eignes Syſtem gehabt, nur eine Folge der traditionell gewordenen Anficht, daß fein Auftreten eine Epoche in der Gefchichte ver Thierkunde bezeichne. | unbefangenes Leſen feiner Naturgejchichte rechtfertigt dieſe Anficht nicht. Nachdem er im fiebenten Buche ven Menfchen beiprochen, feine Geburt, 104) 3. ©. Schneider behanptet (Aristot. Hist. anim, I. Praef, p- Xvan),. ö daß Plinins felten oder nie die Ariftotelifchen Schriften angefehen ober bemutst babe, ſondern daß Alles, was er den Ariftoteles bezeugen lich, aus Fabianus Papi» ri und Pompejus Trogus übernommen fei. Diejer Angabe folgt auch Sta br — Ariſtotelia 2. Bd. S. 98). A. von Gutſchmid weiſt aber nad, daß Plinius ee defien Kenntniß des Griechiſchen übrigens eine ſehr mäßige war, neben dem Trogus auch den Ariftoteles jelbft eingefehen habe. Beſonders gebt dies 3. B. aus ber va⸗ allelſtelle Hist. nat. X1, 39, 94 und Aristot., de gener. anim, IV, 5, 77Aa) her- N — vor, wo neben dasypus, dem ariſtoteliſchen Wort für den Haſen noch lepus ger nanut wird. ſ. A. von Gutſchmid, Ueber die Fragmente des Trogus Pompeius = Leipzig, 1857 beſonderer Abvrud aus dem 2. Suppitbd. der — für — ie Boilelgie. u RER 2 Bere ur Spell. Fa bnüichteien —— Größe, — Fähigkeiten durchge · gangen und auch hier viel Fabelhaftes beigemifcht hat, beginnt er das achte Buch mit ven Worten: „Ich will nun- zu den übrigen Thieren _ weitergehen. Der Elefant ift das größte und durch feine Fähigkeiten dem Menſchen am nächſten ſtehende Thier“. Nun führt zwar dies Buch die Auffchrift: von der Natur der Landthiere, ebenfo wie im neunten, zehn ten und elften Buche die Wafferthiere, Vögel und Infecten eingeführt ı werben. Es lagen aber Gedanken, die Thiere etwa nach der Art des Me- ; dium in dem fie leben einzutheilen, dem Plintus fern. Iene vier Rubri⸗ 4 fen find ihm nur Abtheilungen, in welchen er das für feine Erzählungen zufammengebrachte Material bequem abhandeln konnte. Ein Zufant- mientreffen mit ariſtoteliſchen Claſſen wäre ſchon deshalb rein zufällig, als bei Plinins der von Ariftoteles fo fcharf feftgehaltene Unterjchied _ wiſchen Claſſe und formaler Abtheilung ganz wegfällt. . Ueberhaupt ift e8 umrichtig, Plinius als Zoologen aufzufafen. & war Enchklopädift, wie Hundert Jahre fpäter Appulejus. Nur ſtanden letzterem mehr eigene Beobachtungen und demzufolge bei ſeinen olegchen Arbeiten mehr Kritik zu Gebote. Nach Abzug dieſes wich- tigen Unterfchiedes gilt das über Appulejus gefällte Urtheil auch für Plinius wenn man fagt: „Im jedem Falle fpricht fich in diefer ſchrift⸗ ftellerifchen Thätigkeit die eigenthümliche praktiich-encyflopädifche Rich⸗ tung aus. Betrachtet man aber ven Sinn, in welchen diefe Schriften verfaßt, und die Mittel, welche dafür angewendet find, fo erfcheint Apr lejus als Nepräfentant einer Zeit, in welcher alle Elemente der eigentlichen nationalen Eriftenz in der Zerfegung begriffen waren, in welcher man im Weberfluß einer raffinirten Ueberbildung von allen Seiten her das verfchiedenartigfte zufammentrug und vermifchte, um ausgelebten heidniſchen Religion dem fiegreichen Chriſtenthum gegen: über nene Kraft zu geben“ 1%). Wird fich auch die letzte Beziehung am als nothwendig ergeben, wenn die ganze Richtung der geiftigen 105) DO. Jahn, Ueber römijche Eneyllopädiſten in a Berichte über die Ver- handl. d. 8. Sächſ. Geſellſch. d. Wiff. Philol. Hift. Kl. 2. Bd. 1850. ©. 263. die Ueberfättigung zu reizen und zu täufchen und namentlich um der 2° ſolchen Vorkommens hingewiefen. Cs heift zwar dort (28, 162), daß . berbaren an der Sache (VII, 58). Cine Beziehung des Borlommens | % ‘ 3. — Boogie henntute be bus Bewegung int zweiten und dritten Jahrhundert nach Srifti Se t im Auge, behalten wird, fo findet doch die Peichtgläubigkeit, Oberfläc an fichkeit und Unzuverläffigteit des Plinius in den — — Be eg ihre ausreichende Erklärung. d 4. Aüianen über das Verhältniß der Thiere zur Erdoberfläche. Es bleibt noch übrig, die Meinungen der Alten von ber geogra⸗ ppiſchen Verbreitung und dem foſſilen Vorkommen ver Thiere lurz zu F erwähnen. Was das erftere betrifft, fo finden fich zwar im Ariftoteles (Hist anim. VII, 28) Notizen über das Vorkommen gewiſſer Thiere in verſchiedenen Ländern. Doch wird weder auf ein allgemeines geſetz⸗ liches Verhalten, noch, was jenes vorausfegen würde, auf bie Urfachen in vielen Gegenden das Klima die Urfache fei; doch wirb biefer Ger danke nicht weiter ausgeführt. Natürlich gibt auch hiervon Plinius nur einen bürftigen Auszug mit befonderer Berüdfichtigung des Wuns gewiſſer Thiere an einzelnen Orten zu deren geograpbifcher Lage bebt | zwar Ptolemaens hervor. So follen ven Baralieltreis von Stube Rhinoceros und Elefant nicht überfchreiten können !%%), Doch geht er — einerſeits zu weit, wenn er dieſen Specialfall als — bezeich⸗ daß die Thiere deſto rieſenhafter würden, je näher man dem Aequator net; andrerſeits waren die fauniſtiſchen Verhältniſſe überhaupt zu wer nig erforſcht, um Allgemeines aufſtellen zu können. Auch die Anſicht, komme, iſt natürlich nicht haftbar. Für ven Menſchen nahm man einen ; Einfluß des Bodens und Klima's auf Gefittung und Intelligenz am, während i in Bezug auf das Körperliche auch bier die größere Sonnen» : nähe 3. B. für die Urfache ver beſondern Befchaffenheit der fraushaa- Aigen Neger gehalten wurde. Wenn fich daher in Beichreibungen frem⸗ ; der Länder bei den Alten Schilderungen von Thieren finden, fo fehlen : : = 106) Ptolemaei Geographia. ed. Nobbe (ed. Tauchnitz).lib. 1. cap. 9. i se 21), cap. 12. $ 2. (p. 2). 1. ar über das 2 Da6 Berhäftiß be Thiere zur Großer —— noch die Hinweile auf geographifche Verbreitung einzelner Formen wie ganzer Gruppen. Die Aufzählung erfolgt mehr zufällig, um das Ge- ſammibild zu vervollftändigen. Die Kenntniß foffiler Formen war im Alterthum ſchon aus der Einen Urfache, daß man nicht auf die Verfchiedenheit derjelben von lebenden Arten aufmerkſam wurde, für eine Gefchichte der Thierwelt‘ völlig unfruchtbar. Denn die Gefchichte des Auftretens der organiſchen Weſen, wie fie Empevofles erzählt, ift auf metaphyſiſche Voraus— - fegungen begründet, nicht aus divecten Beobachtungen einer früher an- _ bersartigen Thierwelt erichloffen. Die ſchon von Xenophanes ausge⸗ ſprochene Anficht, daß die Erde urfprünglich von Waſſer bedeckt geweſen ſei, blieb durch das ganze Alterthum beftehen ; fpäter trat dann wohl auch noch die Annahme Hinzu, daß auch Land wieder unterfinten könne 19). Hieraus wurde das Vorkommen von Mufcheln, Fifchreften _ 1 f. wi auf Bergen erflärt, wie es ſchon Herodot aus Aegypten br - richtet hatte, wie es dann Eratofthenes, Ovid, Tertulfian anführen und wie e8 Origenes dem Zenophanes noch nacherzäßlt 10). Wie man - fpäter durch Verallgemeinerung der noachifchen Fluth den Untergang vieler Thiergefchlechter erflären zu können meinte, fo wurde früher bie deulalioniſche Fluth wenigftens dafür als Urfache angefehen, daß man Reſte von Meerthieren auf Bergen und in Steinbrüchen finde. Ausgang des Alterthums. i Wie die Entwidelung eines organifchen Wejens eine —— durch die Beſchaffenheit ſeines Keimes und die Art äußerer m. / a Ei; ER — — —4J en 107) Ovidii Metamorph. XV. v. 262 — 264: vidi ego, quod — Banden solidissima tellus esse fretum. 7 108) Herobot, 2. Bud, 12. Kap. Eratosthenes, Geograph. ER sa. Seidel, p. 28—33; G. Bernhardy, Eratosthenica, p. 46—48. Appu- lejus, Opera, ed. Hildebrand. T. II. p. 534 (Apologie, cap. 41). Tertul- lianilib. de pallio, ed. Claud. Salmasius. Lugd. Bat. 1656. cap. Il. p. 6: Mutavit et totus orbis aliquando, aquis omnibus obsitus: adhuc maris con- _ - £hae et buceinae peregrinantur in montibus. Origenes, Philosophumena. ed. Miller. p. 19. (msgl Zevoyavous). | E aaſſ bedingt / fo if auch die Gelchihte einer Bifenfgaft it ine au zufällig eintretenden Entdeckungen beruhende Reihe unverbumden auf einander folgender Erjcheinungen. Auch die Wiffenfchaft entwickelt ih unter notwendigen äußeren und inneren Bedingungen. Vielleicht | ſchärfer als bei andern tritt dies bei ven Naturwiſſenſchaften hervor, deren Gegenftand in einem überall jcharf zu bezeichnenden Verhältniß zu den fittfichen und veligiöfen Anfchanungen der Völler ftand. Und von biefen hängt die Freiheit der geiftigen Bewegung ab. unrecht wäre es daher, die Wiffenfchaft des Altertfums einem kunſtlich aber haltlos aufgeführten Gebäude zu vergleichen, nach deſſen Einſturz das Mittelalter einzelne Säulen und Bogenftüde aus ven Trümmern hervorgefucht hätte, um den Bau von Neuem zu verfuchen. Es hat vielmehr die alte Welt den fichern Grund gelegt. Bullaniſchen Ausbrüchen vergleichbar, in ihren Wirkungen ungehenre Erfchütterum- ‚gen der ja nicht bloß Wiffenfchaft treibenden Mienfchheit haben dieſen Grund mit Schladen und Ajche überdedt. Das Mittelalter fängt an, ihn zu fänbern ; die neuere Zeit baut auf ihm fort. Zum Verſtändniß der Art und Weife, in welcher im Mittelalter an das Alterthum angelmüpft wurde, ift es wichtig, in wenig Worten ben Ausgang des Altertfums zu verfolgen. Die Auferftehung war feine plögliche. Um fo mehr empfiehlt es ſich, die Bildungsgefchichte jener die alte von der anbrechenden neuen Welt jcheidenden Hülle zu betrachten, welche in mehr als einer Beziehung ſelbſt jet noch micht völlig abzuftreifen gelungen ift. Bon großer Bedeutung waren fchon die äußeren Verhältniſſe. Im Anfblühen des römischen Weltreiches gelang e8 den Yateinern, ihr Land, ihre Hauptftadt nicht bloß zum Mittelpunkt des politifch ftraff 4 centraliſirten Staates zu machen, fondern auch in geiftiger Beziehung um tonangebenven Borbilve zu erheben. Die Bildung jelbft war frei- ih griechiſch; ohne Selbftändiges zu erreichen nahm Nom mit ven Blüthen griechifcher Wiffenfchaftlichkeit auch griechifche Sprache und Art in die Kreife auf, in denen überhaupt nur von Pflege ber Wiffen- ſchaft zu jprechen war. Nun war zwar Athen trog mancher Gefchide Be immer noch als hohe Schule der Bildung in Anfehn. Die Förberung der Wiſſeuſchaft, richtiger gejagt die Verbreitung bevjelben, gieng aber von Alexandria aus. Bald aber verlor dies in Folge feines politifchen Werthes feine geiftige Bedeutung. Aegypten war der Schlüffel zu ven 2 Öftlichen Provinzen Roms. Die Lage Alexandria's am Ausgang des . ftrategifch ſchon früh für wichtig erkannten Nilthales machte e8 zu einem politiſch werthvollen Punkte. Es ſtrömten auch dort die verſchiedenar⸗ figften Elemente zufammen. Den als Träger ver Eultur anerkannten Griechen ftanden fchroff die Eingebornen gegenüber, die fich in ihrem innerſten Weſen gegen das Fremde um jo mehr abſchließend verhalten miußten, als ihre an Thiergottheiten ſo reiche Religion ſchon ſeit der Zeit ver Perſerkriege durch die mit dieſen ihnen nahe gerückten Licht: ⸗ religion beeinträchtigt zu werben drohte. Dazu kamen zahlreiche Juden; endlich die Nömer felbft. Unter viefen einander drängenden und treis benden Intereſſen umd ver politiſch gebotenen polizeilichen Ueber: wachung konnte eine freie wiffenjchaftliche Regung nicht gedeihen. ; Mas aber das Loos biejes einen, durch feine Beziehungen zu By» ; Janz eulturhiſtoriſch jo wichtigen Landes war, das trat auch an andern Punkten auf und mußte fchließlich auf Rom zurücwirten. Mit ver - Aufnahme eines Theiles ver befiegten Völkerſchaften in das vömifche Heer wurden zumächit die Bejagungen der Greuzprovinzen und bald diefe felbft barbarifirt, felbft wo vielleicht vorher durch römijche Eolo- 5 nien römische Bildung Fuß gefaßt hatte. Es dauerte aber nur eine Ange Zeit und das Heer war zum größten Theile frember Herkunft, fremder Sitte, Bildung und Sprache; bei feinen häufigen Berührum- gem mit der Hauptſtadt entfremdete es auch bald dieſe ſelbſt ihren alten Ueberlieferungen. Die nächfte Folge hiervon war, daß bie Kenntnif - der griechifchen Sprache zurüctrat und die Inteinifche als äuferes eini- - gendes Band algemeiner verbreitet wurde. Neben diefer gewannen aber auch die Landesiprachen an Interefje. Ueberall, wo es nicht auf ein Anknüpfen an alte traditionell gewordene Bildung ankam, fiengen Einzelne an, ſich ihrer den Römerm fremden Landesſprachen zu bedie— nen. Bejonvders wichtig wegen des jpäter auftretenden Verhältniſſes zu den Arabern find hier die Syrer, von denen der Gnoftifer Barde— janes ſchon im zweiten, Ephräm im vierten Jahrhundert der chrift- achen Zeitrechnung in ER zu ſchreiben begannen. Bon | andern Erfcheinungen diefer Art ift nur die Arbeit des Gothen urftas * noch erhalten. Bieten num dieſe natürlich hier nur in den allgemeinſten Umeiffen | angebeuteten jtaatlichen Verſchiebungen ſchon Momente genug dar, bie a durchgreifenden Umgeſtaltungen im wiſſenſchaftlichen Leben der Voller zu erklären, ſo wird auch deutlich, daß die Beränderungen in den ſo⸗ cialen Verhältniffen und vor Allem in der Eultur der Einzelnen wie des Volkes, welche zur Zeit des ſinkenden Römerreichs eintraten, völlig hinreichten, eine weitere Entwidelung der Wiſſenſchaft in biefer Zeit unmöglich zu machen. Es wurde fehon des Unterſchiedes zwifchen dem griechifchen und römifchen Vollsleben rüdtfichtlich der geiftigen Stellung — gedacht. Noch ſchlimmer machte ſich derſelbe in ſeinen Folgen geltend, &* als mit ber gefteigerten Bedeutung des römischen Heeres die Legionen . den Mittelftand aufzehrten, fo daß neben einer überreichen und deshalb häufig von oben her im ihrer Sicherheit gefährdeten Ariftokratie nur ein Proletariat beftand, was von Almoſen unter der entfittlichenden Form ftaatlicher Geldvertheilung lebte. Dem Handwerk und der Arbeit fehlte die Anerkennung der Ehrenhaftigkeit, dem Handel der ihn zu allen Zeiten über vie Natur engherziger Krämerei hebende geiftige Sporn. Gleich trübe Bilder bietet ein Blick auf die geiftige Entwidelung. Denm Griechen war bie menfchliche Geftalt die begreiffichfte. Das Wefen einer Naturerjcheinung, die er ihrem wirklichen Gehalte nach nicht erfannte, wurde ihm auch erft nach und durch Verdichtung zur menjch- fichen Geftalt begreiflich. Daher rührte der piychologifche Gehalt feiner anthropomorphen Naturreligion. Dem Römer waren die Gottheiten am und für fich mehr zufällige Perfonificationen beftimmter, häufig biftorifcher Ereigniffe. Als nach dem Bekanntwerden mit griechifchen Geifteserzeugnifien eine formale griechifche Bildung Mode wurde, trat 5 auch in den religiöfen Vorftellungen eine Miſchung ein, welche fich nach Berührung mit afiatifchen Eultusformen zu einem förmlichen Religionsmoſaik fteigerte. Während im frühen Altertfum die Biltung N weſentlich von dem mythologiſchen Ideenkreiſe geleitet und getragen an be rn. — 4 93 — — nun * geiſtige Vertiefung unter dem Formalismus der Bildung und den Einflüffen eines nur ven Augenblick befriedigen— den Aberglaubens. Wem nun auch die Myſterien neben ver viel- 2 leicht von ihnen ausgehenden Belebung des Nationalgefühls gegenüber dem zum Kosmopolitismus verflachenden römiſchen Staatsbürgerthum * Zeitlang auf Hebung eines ſittlichen Gefühls wirken konnten ‚ jo 5 verjehlten doch auch fie ihren Einfluß, als die reine Gejtalt ver menfch- lich im ihnen erfcheinenden und wirkenden Götter verloren gieng und - Dämonen Plag machte. Jede Form von Aberglauben ift ja mit dem Begriff eines georbneten Berlaufes der Naturerjcheinungen unverein- bar. Wer den ganzen Olymp als Gebilde des Aberglaubens betrachten ill, wird ihm wenigftens die menfchliche Form laffen, in welche ſich - das Geſtändniß der Unwifjenheit Heidete. Aber ſchon zur alerandrini- ſen Zeit treten verdächtige Zeichen auf, von denen nur an die Stern- deuterei, an die Incubation und ähnliches erinnert werden mag. Daß ſich allen dieſen Erſcheinungen gegenüber diejenigen, welche noch auf geiſtige Erhebung Anſpruch machen zu können glaubten, dem Volle: glauben entfremden mußten, wird durch die Formloſigkeit deſſelben ver ·⸗ F Händlich. Ein Eultus ver Natur , welcher num bem weber im Volts⸗ | men Erhebung noch in p hiloſophiſcher on ne Befriedigung R "gar die Weiterentwidelung der Naturwifjenfchaften war es vor tieſgreiſendſter Wirkung, daß auch das fich nun ausbreitende Chriſten -⸗ thum biefe Entfremdung nicht Hob. Im Gegentheil, es mußte die A uung vom Wejen verjelben auf, und „verbrängte ihn durch einen euen Glauben, durch eine neue Anſchauungsweiſe, die den alten . & bob ven veligidfen Glauben an die Natur, die Grundan⸗ x — entgegengeſetzt waren“ 10%), Dabei übernahm man noch ein gut Stüd Aberglauben. Zu Eonftantin’s Zeit jchlug man den Bir“ gil auf, wie fpäter die Bibel, um aus zufällig fich dem Auge darbie ⸗- tenden Stellen Vorbedeutungen zu erhalten. Yactantins und Arnobius glauben an Zauberei und Magie. Yegterer jagt, ber Unterjchieb zwir schen Ehriftus uud einem Zauberer beruht daranf, daß Chriſtus die Wunder durch die Kraft feines Namens, legterer mit Hülfe von Däü- für ein Ienjeits, auf welches ſchon ältere Philofophen hingewieſen hat- ten, war um fo lebendiger geworden, als fih das Diesjeits kaum noch zu durchleben verlohnte. Die Berfolgungen der Ehriften im den erjten zwei Iahrhunderten waren entweder rein politifche Acte (wie z. B. ver oft angeführte Brief des jüngeren Plinius offenbar zeigt), over man griff der rohen nach Gräueln und Blut gierigen Menge gegenüber zu denen, welche jich zum Tode drängten. Wenn die Bifchöfe ſelbſt ſich dagegen erklären müffen, diejenigen als Märtyrer zu feiern, welche jich ohne Noth vem Tode weihn, jo läßt ſich wohl annehmen, daß die faſt allein von chriſtlichen Schriftſtellern ausgehenden Schilderungen nicht die Stimmung der Majorität des Volkes darſtellen. Es mußte aber das durch Berachtung und Verfolgung verichärfte Sr Gefühl der Abneigung gegen das Alte bei ven Ehriften um fo ficherer zur entjchiedenen Feindſchaft ausarten, als die in dem gemeinfamen menjchlihen Bewußtjein liegenden Antnüpfungspuntte zu einer Ver⸗ ftändigung ohne die Gefahr, beiden Seiten noch tiefere Wunden beizu- haonen bewirte. Wo für griechifches und römifches Heidenthum, für Mithras- und Ifispienft, für punifche und perfiiche Religionsbilder Platz war, da konnte auch das Chriftenthum Raum finden, Die Sorge bringen, nicht benutt werden konnten. „Dede Zeile aus der früheren Zeit, von ber Hieroglyphe bis zur griechifchen Currentſchrift war mit EP 109) Wie ſich dies and) in Aeußerlichteiten zeigte, beweiſt Die Umwandlung in der Bedeutung des Wortes Kosmos, welches bei den alten Schriftftellern ftets bie wohlgeordnete, ſchöne Welt, das Weltganze bezeichnet. Schon im neuen Teftament wird e8 zur Bezeichnung der irdischen Welt gegenüber der himmliſchen verwendet, i und bei den frühen chriftlichen Schriftftellern wird dieſer Kosmos zum Ausdrud für die zu fliehende Sündenwelt. a —— Heidenthur ’ — oder Zanderehre getränft« 10, Gegen * — heidniſchen Schriften richtete fi) daher der funatifhe Eifer. Es wınte nes Gemeinwefen die Stellung des Menſchen zur Welt neu zu begrüns- den. Die belebte Welt, welche bei ven Alten von Göttern erfüllt war, der Vernichtung aneim fielen. Die Erzählungen über bie Gejchide " der Bibliothek des Aristoteles und Theophraft, die Rollen, welche in Neleus, Apelliton u. U. bei ihrer Erhaltung und Verbreitung fpielten, find zum Theil mythiſch. Sicher ift, daß des Ariftoteles Werte den iſche vielleicht noch leichter zugänglich, mit andern in Aegypten, in Nord Afrika (zur Zeit des Appulejus dort verbreitet), in Nom gelefen sen. Auch fie verichwanden, um erft jpät an andern Orten wieber enanden: Mit ihrer Wiedererfcheinung hebt die Neubelebung 300 iſcher Arbeiten im Mittelalter an. 110) 3. Burdhardt, Die Zeit Conftantin's des Großen. Bafel, 1853, $ e, * — I RE RIE — — Die Boologie des Mittelalters. 3 Beriode des Stillitandes bis zum zwölften Jahrhundert. Nach dem Sturze des Römerreihs, nach dem Untergange des ‚von diefem eine Zeitlang noch gehaltenen, im Heidenthum wurzelnden antiken Eulturlebens und mit dem fich nur unter fchweren Kämpfen Bahn brechenden Chriftenthum konnte eine neue Orbnung der Dinge: ſich nur langfam und allmählich herausbilden. Es wäre unnatürlich geweſen, wenn die Menſchheit den von ven Alten gefammelten Schatz des eigentlichen Naturwiffens ungeftört gepflegt und jo verwaltet hätte, daß eine ununterbrochene Förderung der Erkenntniß den langfamen Neubau ftaatlicher und focialer Zuftände begleitet hätte. Der Grund _ jeder wifjenfchaftlichen Erhebung liegt in der allgemeinen Bildung ; wo berjelbe mit diefer verloren gegangen war, konnte die Wiſſenſchaft allein und losgelöft feine Yebensäußerung zeigen. | Dft genug bezeichnet man die Zeit vom vierten oder fünften bis zum breizehnten oder vierzehnten Jahrhundert als die Periode des Ber- falls ver Wiſſenſchaft. Das einmal Errungene geht aber nicht wieder verloren; die einmal ausgefprochenen wifjenfchaftlichen Wahrheiten — ziehen ſich zwar wohl zurüd an Orte, wo ihnen die, andern Intereffen R } den Völker nicht fofort folgen können ;: fie werben zeitweife vergeffen. Doch deshalb die Wiffenjchaft — nennen zu wollen woaͤre unrichtig. Nur die fie fördernden äußern Hülfsmittel unterliegen im Zeiten nationaler Bedrängniß dem zerjegenvden Einfluffe ftaatlicher = Gährungen. Daß gerade bei den Naturwifienfchaften die Ungunft — * 2 Bee num fen delinne 2 je Verhältiffe e ein Fortleben unmöglich machten, darauf wurde zum Theil bereits hingewiejen ; weiteres wird fich jogleich ergeben. Es ft für fie nicht bloß am Lebensbedingungen und äuferen Mitteln, ſondern e8 war ja auch die ganze Stellung des Menſchen zur Natur verrückt worden. Die Entwidelung auch der Zoologie war zum Stilfftand gekom⸗ men. Mit ihren Schwefterwiffenfchaften hatte fie, einft von ver bele— benden Koft griechifchen Geiftes genährt, fich num in eine frembartige Puppenhülle zurückgezogen. Diefe durchbrach fie zwar erft ſpät, erſt am Schluffe des großen num zu fchildernden Zeitraumes. Aber in ber * ſchneil von drückenden Nebeldünſten ſich reinigenden Luft geiſtigen Auflebens erhebt ſie ihre Schwingen zu einem ſo mächtigen Fluge, daß ſie in den letztverfloſſenen fünf Jahrhunderten größere Strecken ihrer Entwickelung zurücklegte, als in den vorausgehenden zwei — fenden. Es wäre traurig, wenn man annehmen müßte, daß mit dem Sinten ber allgemeinen Bildung zur Zeit des Untergangs bes weit: - römifchen Kaifertbums und im Beginn des Mittelalters auch jedes - Gefühl für Natur , jede gemüthliche Erregung durch die belebte Pflan- zen» und Thierwelt verloren gegangen wäre. Einzelne Erjcheinungen und mehrere verjelben wurden bereits erwähnt — lafjen immer i er den nie ganz zu unterbrücenden Quell des gefunden natürlichen Sinns durchblicken. Die geiftige Thätigteit erhielt aber nun in ihrem * eine andere Richtung. Bon größter Bedeutung iſt es hier, einen kurzen Blick auf die Er⸗ ſehungs- und Unterrichtsweiſe jener Zeiten zu werfen. Die im Haus ind in den Schulen erhaltenen Eindrücke beftimmen ja jelbft bei ausge prochenen Anlagen für einzelne Wifjenfchaften nur zu häufig bie be— in Zeiten politifcher und focialer Zerfegungen und Reubilcungen er je ne ationen ihr Gepräge verleiht. 2 age Die römifche Iugend war behufs ihrer Erziehung ſchon während ber fpätern Kaiferzeit aus den Händen der Mütter in die von Sklaven "übergegangen. Schon dies mußte den füttlichen Gehalt ver Erziehung 8. Carus, Geſch. d. Zool. ’ 7 vere Richtung des jpätern geiftigen Yebens, ein Umſtand, welcher | ; en mindern. Man braucht Pi nur daran zu —— — pätern Zahrhunderten des abfterbenven Heidenthums über bie Steltung ter ESklaven gedacht und geurtheilt wurbe'). Aber auch ſchon früher war durch vorwiegende Richtung der Erziehung auf Entwicelung fogenannter Buͤrgertugenden weder dafür geforgt werben, daß der im Hinaustreten aan die Deffentlichkeit ftets neue Nahrung findende Egoismus durch Er- wveckung eines wahrhaft menſchlichen Bewußtſeins gezügelt werde, noch hatte man jür den völligen Mangel eines das Gemüthsleben veredeln⸗ den damilienlebens in ber Form und vem Gehalt des Unterrichts einen Erſatz zu finden gewußt?). Grammatit, als vie efementarfte Funde = von ber Äufern Form, den Gefegen ver Sprache und deren Litteratur, war bie Grundlage, mit welcher verjehen ver Jüngling der Rhetoren- ſchule zweifte, um hier durch hohlen Schwall prunkender Phraſen das 2 überdeden zu lernen, daß man möglichft wenig. fagte und fagen durfte. Die meiftens daneben getriebene Philoſophie fpigte fich bald zu eimer Dialektik zu. Bei ver Unthätigkeit, zw welcher während bes ftraff ves- potiſchen Regiments vie Mehrheit ver Staatsbürger in Betreff ver Öffentlichen Angelegenheiten verurtheilt war, bejchräntte fich auch das Be früher allgemeinere, nun mehr zünftig werdende Studium der Nechts- krunde immer mehr oder wurde zu einer bloßen Kenntnif der wichtigſten —— Geſetze herabgedrückt. Die früher wegen ihrer Beziehung zur Aſtrono⸗ mie gepflegten Fächer ver Geometrie und Arithmetit wurden allmählich verlaſſen. Ye mehr die Bevölterung mit fremden Elementen durchſetzt wurde, deſto mehr ſchwand der Sinn für litterariiche Bildung, welcher jelbft durch vie ftrengere Zucht, ver die kaiferlichen Schulen, 5. B. das Athenäum in Rom, unterworfen wurden, nicht zu beleben war, So war der Zuſtand in Italien. Aber auch vie in ven meiſten größeren Städten der einzelnen Provinzen eingerichteten Schulen, an denen Themiſtius, welcher von ſeiner Behandlung der Sffaven gerabezu — Mt Baſaniſtes erhielt, ſpricht den gebornen Sklaven jede Fähigkeit zu höheren mienſchlichen Gefinnungen ab. Macrobius verhandelt ganz eruftlich Darliber, 'ob = die Sklaven überhaupt Menfchenrang hätten und ob fich die Götter um fie tüm · mirten. Saturn. I, 11. vergl. Burdhardt, a. a. O ©. 427. 2 2) vergl. C. Schmidt, Essai historique sur la societe eivile dans le ; — monde romain. Strasbourg, 1853. S. 64 u. a4. a. O. % ——— fand unter ſolchen Verhältniſſen keine einige ee fenfchaft irgend eine Förterung durch ven Schufimterricht. Em ferneres divectes Hinderniß für die Weiterentwidelung der Naturwir haften lag noch darin, daß auch da, wo überhaupt noch Bildung Tr angeftrebt wurde, biefelbe fich immer ſtrenger formal an die inder alerandriniſchen Zeit entwidelte, ſeitdem in immer einjeitigerer Geltung ſich ausbreitende Enchkopädie der Discipfinen anſchloß. Außer den ſieben freien Künften ward nur Iurisprudenz und Medicin und zwar - - ans nahe liegenden praftifchen Gründen getrieben. Und wie wenig bie Medicin der erften Jahrhunderte ver chriftlichen Zeitrechnung anf wiſ⸗ ſenſchaftliche Begründung Anfpruc machte und machen konnte, bewei- fen vie Schriften eines Serenus Sammonicus, Sertus Plactus, Marcellus Empiricns u. A. Hier werden zwar auch Thiere und die ihmen hergenommenen Heilmittel aufgeführt, aber in einer Weife, welche nur zu veutlich zeigt, wie fehr theils eine wunderfüchtige und abergläubiche Geheimmittellehre, theils eine gedankenloſe Nachbeterei _ - gefunde Betrachtung des thierifchen Lebens und feiner Träger zu R rwuchern angefangen hatte. Leider blieb eine ſolche Richtung feht ge vorberrjchenn, auch nachdem bereit3 von anderer Seite il ber — form ber Heilkunde vorgearbeitet worden war. en { e mm Bildung und Unterricht der gänzlichen Zerftörung gegenzugehen, jo entſtand von einer andern Seite her ein in feinem Er — ten und unmittelbaren Einfluß zwar zweifelhafter, für die Erhal. ig der Denkmäler früherer litterarifcher Leiftungen aber äuferft — * Amts in der Vermehrung und Ausbreitung chriftlicher Geme 1. &s war freilich nicht zu erwarten, daß die erften Lehrer verji un ftenfchulen mehr als Seftigung der Ölaubenslehren i im Auge gebat ) Sharaft E ihres etwa öffentlichen Auftvetens. Manche Apologeten ver⸗ geradezu aggreſſiv und ſuchten die heidniſche Mythologie und mit —* ee Willen als Ausflüffe dãmoniſchen Unweſens darzu⸗ 7 ” ftellen, z. B. Tatian. Hierdurch vollzog ſich in einzelnen Fällen ber Bruch mit der antiten Wiffenfchaft vollftändig. Doch waren es vor⸗ - züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge- ſchichtlichen Einfluffe für die Stellung und Weiterentwidelung der Na- turwiffenfchaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel- alter verhängnifvoller Berentung wurden: die Entwidelung bes Möncthums und die Erhebung ver Kirche zu einer priefterlichen und bifchöffichen Anftalt, weiche nicht bloß die Glaubenslehren zu beftim- mien und zu befeftigen ſuchte, "fondern auch im Wiffensgebieten die ihr eigentlich fern lagen fich eine Ausfchlag gebende Stimme zu fichern wußte, häufig freifich mit Mitteln, welche ven Vertretern der Religion ber Liebe wenig ziemte. ge fchwärzer das geiftige Unheil des Altertbums von eifernden Bertheidigern des Chriſtenthums bargeftellt wurde, je herrlicher bie opferfreudige Dienftbarkeit gegen Gott und Mitmenfchen den Jüngern des Kreuzes erjchien, defto mehr mußte in leicht entzündbaren Ges müthern der Entjchluß reifen, durch völfiges Hingeben an ein Leben voll Büfungen und Gebet, durch Entfagung alles irbifchen Genuffes ber % . endlichen Seligkeit um fo ficherer theilhaft zu werden. Namentlich wa- ven e8 die einer bejchaulichen Lebensweife und jchwärmerifchen Aſteſe ohnehin geneigten Morgenländer , welche in einem Abfterben der Welt bie wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem erften Ein- ſiedler Baulus und feinem Schüler Antonius, welcher wegen ber ihm vorgeblich erfchienenen wunderbaren Thier- und Mienfchengeftalten noch im vreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl- reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erfte Negel eines gemeinfa- men Lebens , derjelbe wurde dadurch Gründer des Kloftertfums. Lagen BEN auch litterariſche Beſchäftigungen den einſiedleriſch oder gemeinſam eeebenden Mönchen urſprünglich fern, fo zeichneten ſich doch unter den vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorterafien bis in das Saffa- = nidenreich verbreiteten Mönche die ſyriſchen zu Edeſſa durch ihre Ge- lehrſamkeit rühmlih aus. Durch die Syrer lernten überhaupt ſchon m der vormuhammedaniſchen Zeit die Orientalen den Ariſtoteles und aandere griechiſche Schriftiteller kennen. Beide des Son Si yum dien Yahunbert — — — — r Das Wendland kam zuerft mit dem Mönchsleben in Berührung, als 5 Eder durch das nichanifche Concil nur zeitweife äußerlich beigelegte Streit 3 der Arianer mit ihren Gegnern die vorübergehende Verbannung des . Bremen und deffen Aufenthalt in Gallien und Deutfchland nach fich gezogen hatte. Dem morgenländifchen Fanatismus wenigftens anfangs = fe, fuchten die abendländiſchen Mönchsgenoffenfchaften die Grundſätze des urfprünglichen Gemeinvelebens mit Gütergemeinfchaft und völliger Gleichheit aller Genoſſen als oberſtes Geſetz durchzuführen, dabei nach außen die idealen Aufgaben der Heilsbringer zu bethätigen, wie ſie als Seelſorge, Hülfe bei äußerer und innerer Noth und Unterricht erſchienen Bon durchgreifendfter Bedeutung für die Ausbildung ber Rolle, welche das Mönchsthum in der Eulturentwidelung des nächften Jahr⸗ tauſends zu erfüllen hatte, war die Aufſtellung der erſten abendlän⸗ diſchen Ordensregel. Die Gründung des Kloſters auf dem Monte Caſſino durch Benedikt von Nurſia 6529 ſchuf einen für Er- haltung ber ſchlummernden Reſte antiker Wiſſenſchaft unendlich wich- 5 tigen Factor, welcher in feinem Einfluß noch beftärkft wurde, als jehr 4 bald ſchon auf Caſſiodor's Anregung die Mönche zur Pflege der Wif- g ſenſchaften und Vervielfältigung ver Handfchriften angehalten wurden. : Da bereits Benedikt ſelbſt die Aufnahme von Kindern in die ſich früh 4 mehrenden Kloſter gebilligt hatte, entſtanden hierdurch die erſten Klo⸗ ſeerſchulen, welche neben ven bifchöflichen bei ven größeren Kirchen be- ſiehenden Unterrichtsanftalten eine um fo größere Wichtigfeit erlangten, als gar bald die von Rom aus unterhaltenen kaiſerlichen Schulen ein- giengen. Da bie Klofterfchulen zunächt im Sinne einer Erziehung zum geiftlfichen Stande thätig waren, die Kathedralſchulen dagegen auch weltliche Wiffenfchaften zuweilen mit großem Erfolg pflegten, entftand nach kurzer Zeit an vielen Klofterfchulen der Eifer, auch in Bezug * | bie letztern e8 den übrigen Schulen gleich zu thun. Be; Mit ver Verbreitung der Benebiktiner hurde überhaupt ver an für Bildung wenigftens in den Klöftern angeregt. Die erften irifchen Slaubensboten in Burgund, Dentfchland und ver Schweiz, Columban, Sallus und Kilian waren zwar feine Beneviftiner ; doch gehörte dr PD REES ae ®: ur Die die Male ; wirh Die Örinbung wie vieler andern , fo vie ber Mbtei alba 3 urüd« geführt, des Sites jenes größten deutſchen Schulmannes des neunten Jahrhunderts, Hrabanus Maurus. Die Belebung des Unterrichts eifers, welcher die fpätere Zeit der Regierung Karl des. Großen aus zeichnete , gejchah vorzüglich mit Hülfe von Beneriktinern, Alcuin und Baulus Diaconus. Wurde auch von einzelnen Congregationen die Pflege ver Schulen, fo theils ſchond durch bie Beichlüffe der Aachener | Synode (817) theils von ven Eluniacenjern und Ciftercienfern, Zweigen der Benediltiner, ihrer Regel gemäß wenig gefördert, jo begünftigten | - doch die meiften den Betrieb der Wiſſenſchaften und Künfte, Es | braucht hier nur an York und St. Alban, ve Dec, Fulda, Hirſchau, Reichenau, Corvey u. a. erinnert zu werben. Erſt als im zwölften Jehr⸗ | hundert die reichen Einkünfte der alten Abteien, die Vorrechte ver Nloſter, die Betheiligung der meift aus ven höheren Ständen entjtam- ‚menden Würbenträger der Klöſter an weltlichen Händeln den alten Grundfag des Ortens: ex scholis omnis nostra salus, omnis gloria, omnis felieitas,, vergefjen ließen, übernahmen die num entftehenven volfsthümlicheren Orden der Dominikaner und Francislaner die Sorge für die Bildung des Volkes. | Der Umftand, daß ter Unterricht in den Händen geiftlicher Or- - den war, wird aber in feinen Wirkungen erft dadurch erlärt, daß ein Blick auf die Entwidelung ver kirchlichen Macht das erlennen läßt, | was überhaupt gelehrt wurve und gelehrt werden burfted). Die Zu⸗ 3) Es kam bier befonbers darauf an, ben Boden keunen zu lernen, auf weh, em die für Gefchichte der Naturwifienfchaften merkwürdigen Erzeugniffe ber erſſen zehn bis zwölf chriftlichen Jahrhunderte entfteben konnten. Ein volles Bild des Culturlebens der abenbländifchen Menjchheit lieh fich nur auf weiteren Ummegen erlangen. Für viele Partien fehlen noch Vorarbeiten. Bon Werth waren hier neben : ber erwähnten Schrift von C. Schmidt die Arbeiten von Ozanam, la civilisa- tion chretienne chez les Francs. (Oeuvres. T. IV) Paris, 1855. L&on Maitre, Les Ecoles episcgpales et monastiques de ’Oecident depuis Char- lemagne. Paris, 1866. 9. Heppe, Das Schulweien des Mittelalters. Mar: ‚ „burg, 1860. Böd, Die fieben freien Künfte im elften Jahrhundert. Donauwörth, u ..,1847. 9. Limmel, Artikel: „Mittelalterliches Schulweſen“ in: a Ye En» * effiopäie des gefammten Erziehungs und Unterrichtsweiens. 4. Bd. Gotha, 1865. ©. 766826. tiaer Berker Berfchievenbeiten in Glaubensjachen ner im ual in ebenfoviele einzelne Kirchen gejpalten zu werden. Es hatten einen jehr uatürlichen Hang, die neue Religion wenigftens der äußern Glaubensform nach der alten anzufchließen. Dies fonnte aber leicht auseinander führen. Und wenn auch ſchon ſeit der Zeit der Alerandei- ‚ner Clemens und Drigenes die gnoſtiſchen Lehren mit ihren an polytfei- ftifche Ideen ſtreifenden Anfichten trog ihres befruchtenden Einfluffes auf die geiftige Weiterbildung des Ehriftenthums äußerlich zurückge⸗ rien» und Heiligen» Eultus Momente übrig, welche ven Tauſch des götterbelebten Olymps gegen ven von einem Gott durchwehten Himmel nach Umftänden mehr oder weniger erleichterten. Je weiter num aber der Spielraum war, welchen die von verjchiedenen Punkten ausgeben« den Traditionen darboten, je mehr die ungleiche Befähigung der Be— * kehrten eine Theilnahme aller Gemeindemitglieder an der äußern Ber⸗ waltung und dem innern Weiterbau des kirchlichen Lebens unmöglich ‚machte, defto mehr Grund gewannen die Beitrebungen , fefte Slam nsjäge aufzuftellen, nach deren Anertennung anders Denkende als Ketzer aus der Gemeinjchaft ver Gläubigen ausgejchloffen wurden. Dies fuchten zumächit die ſchon ſeit der apoſtoliſchen Zeit her inGer brauch gekommenen allgemeinen Kirchenverſammlungen zu beftimmen. ine weitere Kraft erhielten aber dieſe Verſuche mit der Ausbiltungg des Epiffopats, welches umter Annahme einer directen apoftoliihen ie Selbjtbeftimmung der legtern allmählich zurückdrängte und fich sicht rn 8 in Bezug auf Kirchenzucht,, fondern -auch in Punkten kirchlichen > wifjenfchaftlichen Zweifels allmählich immer entjchiedener einen usichlag gebenden Einfluß beizulegen wußte. Ä Welcher Art aber diefe Einwirkungen auf die Anfhanungen u lebten Natur fein mußten, davon gibt der Umftand ein fprechenves ja ohmebies die vom Polptheismus zum Chriſtenthum Uebergetretenen drängt worden waren, jo blieben doch in ver Trinitätslehre, dem Ma- Nachjolge nicht bloß die Ueberlieferungen in formeller Weife feftjeßte, : ſondern beſonders durch Herauslöfen des Geiftlichen aus der Gemeinde "Die Beegie vs — Zeugniß, wie allmählich die freiere und natürlichere — RR — Jahrhunderte von der Stellung des Menſchen, ſeinem freien Willen und feiner Selbftändigfeit, von der Auferſtehungslehre u. ſ. f. über⸗ giengen in die finftern Anfichten von Erbfünde und Unfreiheit, von der Auferftehung des Fleiſches u. |. w. Kaum braucht hier daran erinnert zuu werden, welche Macht ver Kirche aus der Lehre von ben Önaden- mitteln zuwuchs, wie fich folche im nothwendigen Anſchluß an die er- wähnte Umftimmung der Anfichten entwidelte. Selbftverftänzlich hieng 0 auch die Anſchauung des Thierreichs wefentlih von ber übrigen gei- ſtigen Richtung der Zeit ab. Freilich finden fich bei frühen chriftlichen - Schriftftellern Schilderungen genug, welche eine weiche, zumeilen bei» nahe fentimentale Stimmung der Natur im Allgemeinen gegenüber befunden). Bon einem concreten Erfaffen einzelner Erfcheinungen, einer beftimmten wiffenfchaftlichen Stellung oder einer höheren philofo- phiſchen Auffaffung der Natur ift aber faum die Rebe. Und wäre auch bei Einzelnen etwa eine Regung erwacht, fich einer folchen wenigftens zu nähern: die Maſſe des Volles, felbft die unterrichtete, war einer ſolchen fremd. Ertklärlich wird dies aus einem Blid auf die litterariſchen Hülfs- mittel des Unterrichts und den wefentlichen Inhalt verfelben. Wenn von wirklichen Wiſſen gefprochen werden follte, fonnte man des Cultur⸗ ſchatzes der Alten nicht entrathen ; und doch mußte verfelbe in bie neue Form gezwängt werden. Bon größter Bedeutung für die geiftige Rich tung des Mittelalters ift hier zunächſt Boethius geweſen, welcher an die claffische Vergangenheit direct anfnüpfend, nicht bloß eine Reihe fich lange in hohem Anfehen erhaltenver Schriften verfahte, fondern durch den Verſuch, die orthodoren Glaubensjäge mit Hülfe ariftote- liſcher Formeln zu begründen und durch dialektiſche Erklärungen die ‚ Anfichten früherer Philofophen untereinander und mit dem Kirchen- glauben zu verföhnen, ven Grund legte, auf dem fich fpäter die Scho- laſtik erhob. Seine Ueberfegungen einzelner Schriften des Ariftoteles, welche lange Zeit die einzige Quelle für das Studium ariftotefifcher 4) AU. von Humboldt, Kosmos. 2. Br. S. 2631. 10 SE F wie ee ſchon im frühen Mittelalter in faft alle europätfchen Spra- ; chen überſetzte Schrift de consolatione philosophiae ein Lieblingsbuch der Gebilveten Jahrhunderte hindurch gewefen ift. Gleich bedeutend im feinem Einfluffe und feiner Verbreitung als Schulbuch war des ; ſchon genannten Caſſiodorus Schrift Institutiones ad divinas - leetiones. Zunächft einen theologiſchen Lehrplan entwerfend, weift er darauf bin, daß in der heiligen Schrift viele Wahrheiten figürlich aus- gedrückt und nur durch Grammatif, Rhetorik, Dialektif u. |. f. ver: ftändlich find. Er behandelt daher die Schulwifjenfchaften , die fieben freien Künfte, eingehend und feine Darftellung ift „ein Gefegbuch für den ganzen Unterricht der mittelalterlichen Klofterfchulen geblieben“. Als ähnliche Fundgrube der Gelehrſamkeit galt Jahrhunderte lang die - Schrift des Marcianus Eapella‘) über die VBermählung ber pPhilologie und des Merkur, in welcher er viefelben Wiffenfchaften als - Dienerinnen der im Olymp eingeführten Philologie auftreten läßt. An dieſe drei fchloffen fich dann fpeciellere Schulbücher in ähnlichem Geifte, wie der Donat, Priscian, fpäter das Doctrinale puerorum des Aler- ander be Billa Dei und andere an, welche die Disciplinen des Trivium | und Quadrivium in mehr oder weniger pebantifcher Weife vortrugen. Eine hervorragende Stellung nimmt neben ven genannten noch das Werkes Iſidor von Sevilla aus dem Anfang des fiebenten ne ein, welches nicht bloß die fieben freien Künfte, fonden auch Theologie, Iurisprudenz, Medicin, Natıirgefchichte, Geographie u. ſ. f. umfaßt, aber wie ſchon fein Titel Origenes s. etymologiae ber - fagt mehr nach Art eines erflärenden etymologifchen Realwörterbuches (vergl. 3. B. das zehnte Buch). Sein Einfluß war bedeutend und 5) Eine arabifch-fateinifche Ueberſetzung ber Ariftotelifhen logischen — benutzte wohl zuerſt Otto von Freifing im 12. Jahrhundert. ſ. Berg, Monumenta, - Seriptores, Vol. XX. p. 96. (Wilman's Einleitung zum Chronicon bes Otto). 6) Ob Marcianus Capella gleichfalls Chriſt geweien ift, bleibt zweifelhaft. Wie E. Böttger bemerkt Jahn's nene Jahrbücher für Philol. 13. Suppitb. - 1847. ©. 592) und wie jhon Caspar Barth (in ben Adversar. comment.) f — lannte er wenigſtens chriſtliche Meinungen. noch im ben REIN 2 vor va) derts wirb Iſidor neben Ariftoteles und Plinins am Häufigften eitirt. Freilich ift für die Geſchichte der Zoologie das Werk des Iſidorus nur von rein äußerer Bereutung. Es enthält eine Menge einzelner Notizen aus alten Schriftftellern , aber es bat fich nicht die Aufgabe geftellt, die Summte des zoologijchen Wiſſens feiner Zeit darzuftellen. Es wäre daher zunächſt verfehlt, in ver Reihenfolge, welche fiber bei. feiner Darſtellung befolgt hat, etwa den Berfuch eines Syftems erbliden zu wollen. Und auch in Dezug auf die Thatjachen , welche er mittheikt, war es ihm nicht darum zu tun, irgend ein natıtrhiftorifches Bild des betreffenden Thieres zu geben, jondern neben der Etymologie des Na- mens, welche überall an ver Spite der einzelnen Artikel ſteht und oft das einzig Mitgetbeilte ift, macht er balo natnrbiftorifche , bald mebici- nifche, bald jabelbafte Angaben , nur jelten unter Anführımg von Ge⸗ währsmännern. Unter biefen erſcheinen Dichter, wie Horatius Nae⸗ vins, Lucanus, Lucretius, Macer, Virgilius u, a. ebenfo häufig oder ſelbſt häufiger, als Ariftoteles, welcher im zwölften ben Thieren ge- widmeten Buche nur einmal angeführt wird, und Plinius. Da Sfider nicht jelbft Naturforicher war, jonvdern fein Werk zu Unterrichts. zwecken nur aus andern Schrüftftellern zufammentrug, kann man nicht erwarten, bei ihm einen jelbftänbigen Standpunkt vertreten zu fehen. Er war litterariicher Sammler, wie von Plinius an bis in das drei- zehnte Jahrhundert alle Schriftfteller über Zoologie. Im einer Be- ziehung weicht aber Iſidorus von den ihm zumächit vorausgehenven und folgenden Verfaſſern ähnlich allgemeiner Werte ab: es fehlt bei ihm völlig an jener jymbolifirenden und allegorifirenden Auslegung, wor drurch man fich beſtrebte, alle Thatjachen der belebten (oft auch ver un. - belebten) Natur in ein Verhältniß zum Menfchen zu bringen. Hat fih auch aus den früheren Jahrhunderten des Mittelalters noch manches andere Zeugnik für den eigenthümlichen Geift des Unter- xrichts erhalten, fo bieten fie doch alle diefelben Bilder dar. Es ift hier uiur von untergeorbnetem Intereffe, daß zeitweife ver Unterricht in den Klöſtern vernachläffigt wurde, wofür bie wieberhoften lagen ber Päbſte 4 und Biſchöfe jprechen (3. B. in ven Jahren 826 und 850), daß auch * Ni — Gef * Risftecfnten die in RR der X lachener Synode eingeführten scholae exteriores, geſchloſ⸗ wurden, um das asketiſche Leben ver Mönche vor äußern Einflüſſen ger iſt es, daß das Verſtändniß ver nur von Einzelnen einem n Studium unterworfenen griechijchen Sprache immer feltener wurde. Byzanz felbft hatte zwar feine eigene, immer noch inniger mit bene griechiichen Alterthum zufammenhängende Tradition; auch und Hausgeräthen, zu Zeugen u. ſ. f. kamen aus Byzanz. Seine Sprache aber blieb fremd trog ver nahen Beziehungen , in welche das beutjche Kaiferhaus wiederholt zu Conftantinopel getreten war. Erklär⸗ wachende Nationalbewußtſein, durch die Entwidelung ver Stäbte und RA auch die Mutterjprache pflegenven Ritterftand. ſchichte als Zweig des regelmäßigen Unterrichts günftig oder mgünſtig theilsfreie Richtung aus dem Verhalten hervorgeht, welches er gegen institutione elericorum wird bei der Erwähnung ver encyllopädiſchen Wifjenjchaften ftets auf ihren befondern kirchlichen oder religiöfen Ge: Aſtronomie lehrt die Kirchenzeitrechnung verftehen, Muſik wird ehrt, um die Würde des Gottespienftes begreifen und ‚wilrbigen zu fönnen. Ziel des ganzen Lernens war nur Die Ehre Gottes, wie man fie eben damals auffakte. Und wie zäh derartige Anfichten eingewurzelt übte es in andern Beziehungen ziemlichen Einfluß auf das Abentland aus. Moden und höfijche Sitten, die Mufter und Modelle zu Lurus » erwieſen, wird ſchon aus der Bedeutung erklennbar, welche man ben - fieben freien Künften gab. Hier ift das Urtheil des Hrabanus Maurus von Interefie, eines Mannes, deſſen für feine Zeit vorm: · bie Präbeftinationslehre Gottſchalt's jowie gegen die Transfubftantia- fionslehre des Paſchaſius Nadbertus einfchlug. In feiner Schrift de, er wahren zu können (wie e8 z. B. ſelbſt im Monte Caffino geſchah | — des in ihnen ſich regenden Bürgerfinns, ſowie durch den mit dem for _ = In wie weit fich vie Berhältwiffe einer Aufnahme der Naturge- £ fich wird dies wenigftens zum großen Theil durch das langſam er» — brauch hingewieſen. Grammatik dient zum Verſtändniß des Lateini-⸗ ſchen, ver Kirchenſprache, zur Kenntniß der Versart ver Pſalmen und anderer poetiſcher Bücher, Arithmetik führt in die Zahlengeheimniſſe Die Beige vn ia — — — waren, beweiſen bie Tatfachen, bafı noch auf ben | > umb Paris (1163 und 1209) das fünbhafte deſen phpfitalifcher Schrif- ten den Mönchen unterfagt wurde. Daf dabei der Aberglaube in allen - Geſtalten, Aftrologie und Geheimmittel, Neliquiendienft und Wunder: | - glaube üppig gedeihen konnte, verfteht fich von felbft. Es ift num nicht zu verwundern, wenn bei diefem engen Anſchluß alles fogenannten Wiffens an Gegenftände ver Kirche und des Glau⸗ bens auch diejenige Richtung in ver Bearbeitung der Natur« ober ſpe⸗ ciell Thiergefchichte die einzig geduldete war, welche fich mit allerhand Allegorien den Bedürfniffen des moralifirenden und auf das Gewiffen wirfenden Predigers anbequemte. Im achten und neunten Jahrhundert wurden zwar mehrere bedeutende Schriften über Natur und Welt ver- faft; fo von Beda (de natura rerum), von Hrabanus Maurus (de universo) und Johannes Scotus Erigena (de divisione naturae). Doch enthalten dieſe homiletifchen oder philofophifchen . Schriften entweder gar nichts von Thieren oder nur dogmatifirend fich an die Schöpfungsgefchichte Anfchliefiendes. Eine höchſt intereffante Erfcheinung ift diefem Allen gegenüber das Borhandenfein einer nun etwas genauer zu betrachtenden Schrift, , welche faft tauſend Jahre lang als elementares Lehrbuch für Zoologie ‚in Geltung -geftanden zu haben fcheint, deren frühefte Geſchichte aber Amer noch in ziemliches Dunkel gehüllt ift. Es ift dies ver fogenannte Phyfiologus. Aus einer Betrachtung der Eulturverhältnifie ves früheren Mit- > telalters geht hervor, daß ver Unterricht in den erften chriftlichen Zeiten . feinen Raum zu einem näheren Bekanntwerden mit der belebten Natur ließ umd daß in Folge hiervon auch diejenigen, welche nach der über» haupt möglichen Bildung ftrebten, unter dem immer fchärfer fich äußern» ben Drude kirchlicher Denkvorſchriften zu feiner freieren Auffaffung — lebender Weſen gelangen konnten, als fie ver Schöpfungsmythus ergab. Nun ift aber in feiner Periode der Gefchichte ver Menfchheit, aus : welcher man litterarifche Zeugniſſe befigt, ein vollftändiger Mangel 4 Sinnes für die Natur und deren ——— nach⸗ | | weisbar. Bei tem Wiberftand, welchen die erften chriftlihen Regungen allen aus dem Heidenthum herrührenden Schriften entgegenfeten, war es baher für die Stellung der Naturgefchichte, als eines Bildungsmo- ments, zur ganzen geiftigen Entwidelung von außerorventlicher Bedeu⸗ tung, daß eine Form ver Darftellung gefunden wurde, in welcher ver Naturſinn unbeſchadet ver kirchlichen Autorität wachgehalten wurde. Diefe bot der Phyfiologus dar”). Für feine Bedeutung fpricht ſchon feine große Verbreitung. Er ift nicht bloß in den alten Eultur- - fprachen vorhanden, fondern er erfcheint überall, wo die fich abſondern⸗ den Nationalitäten in den Kreis der chriftlichen Cultur eintreten ober wo das Ehriftenthum mit feiner ſymboliſirenden Lehrhaftigkeit eindringt. Er findet fich mehr oder weniger vollftändig erhalten und zwar im - feiner urfprünglichen Geftalt profaifch oder, im Ganzen oder in Aus- zügen, metrijch in folgenden Sprachen: griechiſch, lateiniſch, ſyriſch, armeniſch, arabiſch, äthiopiſch, althochdeutſch, angelſächſiſch, altenglifch, isländiſch, provencaliſch und altfranzöſiſch. Mit dem vierzehnten Jahr ⸗ hundert verſchwindet er ; denn wenn auch noch einzelne ſogenannte Phy- ſiologen jpäter vorlommen und wenn gewiſſe litterariſche Erſcheinungen des dreizehnten Jahrhunderts und der dieſem zunächſt folgenden Zeit in eine gewiffe verwandtichaftliche Beziehung zu ihm gebracht werden — — 7) Eine äußerſt ſorgfältige Bearbeitung der früheſten Geſchichte des BERN. zus mit Berädfichtigung der wichtigften Fragen, jedoch mit Ausfchluß der natur: J hiſtoriſchen hat Pitra gegeben im: Spicilegium Solesmense. Tom. Ill. p. “ XLVI—LXXX. Eingebend ift die Einleitung von €. Hippeau in feiner Aus: 7 gabe des Bestiaire divin. (f. u.). Eine anziebend gejchriebene Schilderung ber biſtoriſchen Stellung des Phyfiologus, welche ſich vorzüglih an Pitra und die noch zu erwähnenbe Arbeit von Cahier anlehnt, enthält der Auffag von Kolloff, bie fagenhafte und ſymboliſche Thiergeſchichte des Mittelalters in F. v. NRaumer’s > bifter. Taſchenb. 4. Folge, 8. Bd. 1867. ©. 171—269. Vergl. auch den kurzen aber ſehr hübſchen Aufjag von Thierfelder, eine Handſchrift des Physiologus - Theobaldi beſchrieben und mit einer Abhandlung über die jogenannten Phyfiolo- gen u.f. w. in: Serapeum von Naumann, 1862. Nr. 15 u. 16. ©. 225— 231. 241-249. Mehrere der betreffenden litterarifchen Nachweifungen verdanke ich der Gefälligkeit des Herrn Dr. Hügel, welder mit einer Gefchichte des Phyfiologus ber ſhäftigt iſt miuſſen/ fo hört doch vom jenem Zeitraum an die we . infeiner — * Form auf, um andern Da 00 Der Titel der Schrift fchließt ſich zumächft an — 9 fehrenden Gebrand an, die Stellung oder ven Beruf des befannten - pber unbefannten Verfaſſers, gewiſſermaßen vie perfonificirte Aufgabe Er deſſelben als Bezeichnung tes Buches zu geben. Nach ber claffifchen | - Bereutung des Wortes würde bier alfo eine Erklärung des Weſens ber Natırr überhaupt zu fuchen gewefen fein. Es ftimmt nun allerdings | hiermit überein, daß ſich in ven Phyfiologen des Mittelalters häufig noch gewiſſe Steine, einzeln auch Bäume, aufgezählt finden. Doch teilt, wie ſich bald zeigen wird, abgefehen von einer Befchräukung des — - Imbalts auf eine Anzahl Thiere, die rein naturhiſtoriſche Seite jehr = bald mehr over weniger in ven Hintergrund. Selbft jene, ber „Phyfio- - fogie* in den eriten Jahrhunderten ver chriftlichen Zeitrechnung geſtellle Aufgabe ſchwand, nicht bloß die antifen Götter und Heldengefchichten, ſondern felbft biblische Wunver naturgemäß zu erffären. Noch Epi- — phanius mannte ſeine ſofort zu erwähnente, ihm aber nur mit Un— geht zugefchriebene Schrift in richtigerer Weife „ad physiologum“; ſpatere Bearbeitungen laffen aber vas, was hier ausdrücklich als Zu- that bezeichnet wird, mit vem eigentlichen und wahrfcheinlich alten Tert ganz verfchmelzen und behalten ven Titel für das nun aus zwei beſonders zu betrachtenten Abfchnitten beſtehende Wert bei. Nun läßt ſich zwar in Bezug auf die Hiermit eintretenve Erweiterung des Na- mens Phyſiologus im Allgemeinen etwa anführen, daß man, wie auch ſonſt im verſchiedener Weife geſchah, ver Naturjchilderung eine entſpre⸗ - ende Betrachtung angehängt habe, welche als zum Gegenftand gehörig mit zur „Phyſiologie“ zu vechnen geweſen fei. Für die Vereinigung der letztern und zwar einer befonderen religiöfen Betrachtung mit einer naturhiſtoriſchen Darftellung zum Begriffe einer gewiſſermaßen chrift- lichen Phyſiologie gibt es aber directe Zeugniffe. So fagt Clemens Alerandrinus austrüdlich, daß die Phyfiologie, welche anf die Regeln der Wahrheit fich gründet, mit der Erzählung der urſprünglichen Er- der Dinge zu ——— iu en Berastmn eben habe). Be LE Es wird nun im Phyficlogus nicht bloß dieſe Aufgabe helbſt und — feder Schilderung eines naturhiſtoriſchen Gegenſtandes eine erklärende Betrachtung zugefügt, ſondern er ſchließt ſich hierin der Richtung faſt ber ganzen übrigen Litteratur jener Zeiten eng an, welche vem ur: ſprünglichen Sinn des Wortes Phyſiologie gerade entgegen theils alles Natürliche direct an Göttliches oder wenigjtens Bibliſches anzufnüpfen, — theils die geſchichtlichen Erzählungen der Schrift und die kirchlichen Ges « Bräuche durch Symbolifirungen und myſtiſch- allegorifche Deutungen — einer moraliſchen Nutzanwendung immer leichter und ſicherer zugänge ⸗ > lich zu machen fuchte. Es wird fich zeigen, wie man hierbei urſprüng ⸗ 5 lich einfacher verfuhr und wie man altmählich ver älteren Vorlage ala 3 dem zur enffärenden Terte förmlicher gegenübertat, wie es die Häufig, * vorkommenden Wendungen beweifen: „der Phyſiologus ſagt und am Schluſſe mancher Abſchnitte: „ganz gut bat daher ver — 2 geiprochen“. 4 Die Darftellung der Inhaltsüberficht wird erleichtert werben, — wenn vorher ein Blick auf das vorhandene litterariſche Material ve worfen wird. Die verjchievenen Bearbeitungen des Phyficlogus, Bor fig rn und bis jet eine —— erfahren — a Phyſiologus beforgt nach Seahfeiften aus dem 13. bis 15. 3 hundert, welche mindeſtens zwei verſchiedene Recenſionen enthal en „> Die meiften Artikel find profaifch, einzelne aus einem metrifchen hyſiologus (Hanpfchrift des 14. Jahrhunderts ergänzt. Spricht uch entfchieven die Neuheit diefer Handichriften gegen die Benugbars —* it f bieer Zertesformen als älterer Ausgangspunfte, jo wird diefer % — J 8) e«are row vis almdeias zuvöova yvworiz)s nagadooewg yuowdo- lie da Too nepi zoouoyorlas hornras Aöyov' Lvälrde avaßalvovon dr 10 Br h iv eldos. Clemens, Opp. ed. Potter, Oxonii 1715. Stromat. lib. IV. p. 564. vergl. Pitra,a. a. O. S. 2. Dies ift die jogenannte «vo sen. R 9 Spicilegium Solesmense. Tom. II. p. 338373. Ze 2 DieBeafapie be ital. —— uUebelſtand doch dadurch wieder aufgewogen, daß die armenifche Be arbeitung, welche gleichfalls Pitra zuerſt veröffentlicht hat !%), nach griechischen Hanpfchriften des vierten und fünften Jahrhunderts gemacht ift und in ven wejentlichften Punkten des Inhalts und der Form mit pen griechifch erhaltenen Phyfiologus übereinftimmt. Diefem anony- mien Phyſiologus fchließt fich als eine Art Auszug die eben angebentete, dem Epiphaniug untergefchobene Schrift an, welche nach dem Her ausgeber Ponce de Leon 39 Artikel enthalten haben ſoll; doch find von diefen nur zwanzig veröffentlicht '!). Wahrfcheinlich die nächft Ältefte und jedenfalls als Ausgangspunkt der orientalifchen Bearbeitungen die wichtigfte ift die ſyriſche Ueber- jegung. Hiervon ift bis jegt nur die im Anfangstbeil nicht ganz voll. ſtandige Necenfion aus einer Handſchrift des Batican beransgegeben worden 12). Das einzige publicirte Bruchftüd eines arabifchen Phyſiologus) läßt keinen Schluß auf die Auspehnung und die genea⸗ logiſchen Beziehungen der Bearbeitung zu ; nur eins ift ficher, daß ver Berfafjer Chriſt war. Der äthiopifche „Fifalogus“ ift nur in einem 10) ebenb. ©. 374-390. | 11) 8. Epiphanii es zö» Yuvarolöyor, ad physiologum eic. D. Con- sali Ponce de Leon otium Antverpiae, 1588. 8. mit eingedrudten Cupfern, Dar ftellungen der Thiere enthaltend. Hiervon find drei Handichriften in Wien. — Das Gedicht des Manuel Phile ans Ephefus (+ 1321) weo) iger Adıörmrog bat Ei zwar einige Züge des Phyfiologus aufgenommen ; doch fehlt ihm ſowohl die Mo- ralifation als die Beichränfung auf einen gewiffen Kreis von Thieren. 12) Physiologus Syrus seu Historia Animalium in S. $. memoratorum, syriace e codice bibl. Vatic. ed. 0. G. Tychsen, Rostochii, 1795. 8. Eine andere Haudſchrift eines ſyriſchen Phyfiologus aus dem 12. Jahrh. in Leyden be ſchreibt Land (Anecdota Syriaca T. I. p. 5). Das Original wird dem Baſilius ‚ zugejchrieben. Ich verdante ver Güte des Prof. Land das Juhaltsverzeichniß diefes Phyſiologus, welches ihn als vollftändiger hinftellt, als den vaticanifhen. Ueber einzelnes Merlwürdige ſ. unten. Eine fyrifhe Historia Animalium Handſchrift im British Museum, add. Mss. 25878), deſſen Inhaltsverzeichniß mir gleichfalls Prof. Sand gütigft mitgetheilt hat, ſcheint nicht im die Reihe der eigentlichen Phy⸗ fiologi zu gehören. 13) Pitra, a. a. O. S. 535, nad einer parifer Handſchrift. Ein anderer arabiſcher Phyfiologus, defjen Original dem „Theologen Gregorius“ zugefchrieben wird, befindet ſich hanbſchriſtlich in eyden. |. de Jonge, Catal, codd. orient. - "bibl. Acad. Scient. Lugd. Bat. 1862. p. 186. | J BET re 113 i Artikel — (im ueberſehungh, welcher ſich in ven übrigen Bearbei⸗ tungen nicht findet mit Ausnahme einer griechiſchen Handſchrift in Or- - ford. Er ſchließt fich dem griechifchen Texte eng an 14), jo daß er nach - Bitra wohl direct aus demſelben überjetst fein kann. Das Datum der betreffenden Hanpdfchriften weift zwar dem latei- niſchen Phyſiologus ein höheres Alter an als dem griechifchen ; doch wird er in Bezug auf feine Entftehumgszeit dem fyrifchen mindeftens gleich zu ftellen fein. Die ältefte Recenfion aus dem achten Jahrhundert enthält die aus einem Codex des Batican nicht vollftändig von Angelo Mai abgedrudte, von Pitra nach einer Barifer Handfchrift des Glos- sarium Ansileubi ergänzte Bearbeitung 5). Diefer ftehen am nächften - zwei Berner Handjchriften, welche Heine Berjchiedenheiten von ihr dar: bieten und von Cahier herausgegeben find !), verwandt hiermit find die gleichfalls von Cahier verglichenen Handfchriften aus dem zehnten (Brüffel) und vreizehnten Jahrhundert (Paris). Einen andern nach Form und Inhalt nur in untergeoroneten Punkten abweichenden lateinifchen Phyſiologus nach einer Handfchrift des elften Jahrhunderts des Klo ⸗ ſters Göttweih hat G. Heider veröffentlicht 17). Hier wird wie in ber | eben erwähnten Parifer Handſchrift als Verfaſſer Johannes Chryfofto- mus genannt. Handſchriften diefer legtern Bearbeitung find nicht felten. 44) Bitra, a. a. O. ©. 416. — Das Britische Muſeum befigt eine Hand- Sehrift des äthiopijchen Phyſiologus, welcher 18 Thiere enthält. Abgejehen davon, daß ber „Bifalegos” bier zn einem Heiligen gemacht wird, iſt Form und Inhalt mit. der älteren griechiſchen Form nahe übereinftimmend. Die Thiernamen ſchließen fich us an das griechiiche Original, jo karädyön, Charadrios, nikitiko, Nyktilorag, fineks, Phoenir aspadaklöni, Aspidochelone u. j. w. Ich verbanfe ber großen Ge» falligleit des Herrn W. Wright die Keuntniß von Form und Inhalt dieſer Bearbei⸗ 5 tung, welche bei einer vergleichenden Ueberficht der Entwidelung der verſchiedenen — Recenfionen eingehend berüdfichtigt zu werben verdient. 15) Ang. Mai, Classicorum Autorum Tom. VII. Romae 1835, p. 559—5%. Pitra, a. a. O. p. 418—419. 16) Le Physiologus ou Bestiaire von Charles Cahier in: Cahier Martin, Melanges d’Archeologie, d’histoire et de litterature. Tom. 2. Paris, 1851. Introduction, p. 85—100. Texte (altfranzöfiih und lateiniſch p. 106232. Tom. 3.1853. p. 203—288. Tom. 4. 1856. p. 55—87. (mit Thier- abbildungen im 2. Bbe). 117) Mit einer geſchichtlichen Einleitung in: Archiv für Kunde öſterreich. Ge⸗ Ähichtsquellen. 3. Jahrg. 1850.8d. 2. S. 541—582. Mit Facfimile der Thierbilder. B. Garus, Geſch. d. Zool. 8 DE RE iſt in Hanpfehriften vielfach verbreitet. Im Ein Kurzer metrifcher Auszug, in welchem nur zwölf Thiere ber handelt werden, ift der lateinische Phyfiologus eines gewiffen Theo bald. Wer diefer Theobald gewefen fei, ift nicht ficher ermittelt. Häu- fig heißt er Biſchof und wird, wie Pitra anführt, in Hanpfchriften bald als Senensis bald als Placentinus bezeichnet. Sein Phyfiologus (je des Umftandes, daß er fich in einer Handfchrift aus dem breizehnten Jahrhundert unter den Schriften des Hilvebertus Cenomanenfis vorfand, ſchrieb ihn deſſen Herausgeber Beaugenpre dem legtern zu und lieh ihn, wie er fälſch⸗ lich glaubte zum erftenmale, in veffen Werten (S. 173) mit ab- drucken s). Man findet ihn indeſſen ſchon in Handfchriften ans dem elften Jahrhundert Britiſh Mufeum), während Hildebert der erften Hälfte des zwölften Jahrhunderts angehört. Es ift daher auch eine hiſtoriſche Unmöglichkeit, daß Theobald Erzbifchof von Paris gewefen fei, wie Heider ihn nennt, da Paris zu jener Zeit nur Bisthum war und Erzbisthum erft 1622 wide. Diefer Theobald fan auch über: haupt kein Parifer Biſchof gewefen fein, da der einzige Bifchof dieſes Namens von 1143— 1159 regierte. Thierfelder’s Wink verbient daher alle Beachtung, daß der Verfaffer des Phyſiologus wohl ver- jenige Theobald gewefen fein könne, welcher 1022 — 1035 Abt in Monte Caffine war. Bon diefem findet ſich dort noch eine Handſchrift aus dem elften Jahrhundert, welche außer mehreren mediciniſchen Ab- handlungen auch eine naturwifjenjchaftliche de quadrupedibus et al- ilihus in Berjen enthält!%. Die Beftätigung diefer Bermuthung würde freilich nur durch eine Vergleihung diefer Handfehrift zu erhal- ten jein. Eine ziemlich genau dem Original fich anfchließende Ueber- fegung dieſes Theobaldſchen Phyſiologus in's Altenglifche ift nach = . einem Manuſcript aus dem Anfang des breizehnten Jahrhunderts in 18) Bereits Leffing (Werte herausgeg. von Rahmann. ®b. 11. &.309) hat darauf aufmerffam gemacht, daß ber bei Hildebert abgebrudte Phyſiologus nicht von biefem herrühre, ingleichen, daß er ſchon früher gebrudt worden fei. Ueber die Ausgaben des Theobald ſ. Choulant, Handbuch ber Büderlunde für die ältere Mebicin. Leipzig, 1841. S. 310. 19) . Salv. de Renzi, Collectio Salernit. Tom. I. Napoli, 1852, p. 39. Auch Pitra vermeift ihn in die Beit des Eonfaitinns frichsins a. a.D.p. Tazı) neuerer Zeit — — worden 20), Es find im derſelben nur zwei Thiere Hirſch und Fuchs) umgeſtellt; Pia ift hinter der Schi derung des Panthers, welche im lateiniſchen Original den Schluß bil ⸗ ‚det, noch außer dem vorher abgehandelten Turtur eine kurze Notiz: natura columbae et significatio angehängt. Die Ueberjegung entjtand nach Morris im Süden von England?'). Cs ift auch eine Nachah⸗ mung des Theobaldſchen Phyfiologus in altfranzöfifchen — vor⸗ ‚handen . WVon Ueberſetzungen des älteren: Phyfiologus in andere nenere Sprachen bürfte die althochdeutfche die ältefte fein. Herausgegeben find: ein Bruchftüd aus dem elften Jahrhundert, der vollftändige Phy ⸗ ſiologus in ungebundener Rede aus dem Anfang des zwölften Jahr⸗ hunderts (beides Wiener Hanpfchriften) 2°) und eine Bearbeitung des ‚Ganzen in Verſen nach einer Klagenfurter (früher Millftadter) Hand- ſchrift des zwölften Jahrhunderts 2). Der faft vollftändig erhaltene islänpijche Phyſiologus ſchließt — * hechbeutjepen am, fieht aber in Eimelheiten ziemlich felbftändig da. 20) Zuerft von Th. Wright in Haupt und Hoffmann, altbentiche Blätter. DBb. Leipzig, 1840. S. 99—120; dann von Wright nochmals in deſſen und liwell Reliquise antiquae. Vol. I. London, 1841. p. 208—227; endlich Mätzner u. Golpbed, Altengliihe Sprachproben. Bb. 1. Abth.-1. Berlin, 867. ©. 55— 75; mit einer litterarhiſtoriſchen Einleitung. 21) Morris, Genesis and Exodus. London, 1865. Preface p. XV. „in dialect of Suffolk“. 22) Sensuyl le bestiaire d’amours, moralise sur les bestes et oyseaulx out par figures et histoyres. Paris, s. a. 49, von neuem gebrudt: Paris, _ 9.4. vergl. Ehierfelder im Serapeum, 1862. ©. 231. * 23) Das Bruchftüd, mitten im Satze abbrechend, zuerſt in: $:v.d. Hagen, Dentimale, Breslau, 1824. S. 50—56. dann von Hoffmann, Fundgruben, , Thl. Breslau, 1830. S. 17—22; endlich neuerbings in Müllenboff und Scherer, Denkmäler benticher Boefie und Profa. Nr. LXXXI. S. 199—203. vollftändige Phyfiologus erſchien zum erftenmale in Hoffmann’ 8 Fundgru- en, a. a. D. ©. 22—37; faft gleichzeitig in Graff's Diutisfe. Bd, 3. 1829. 2. 22-39; dann in Mahmann's beutfchen Gedichten des zwöfften Jahrhun⸗ deris 2. TH. Dueblinburg u. Leipzig, 1837. ©. 311— 325. * 2) Herausgegeben von Karajan im: deutſche Sprachdenlmale des zwölften. Jahrhunderts. Mit 32 Bildern (dem Thierzeihnungen) Wien, 1846. S.71—106. Ei 8* ie ſich zwar in vielen allgemeinen Beziehungen dem lateinischen und ale · — 416. | Die Zoologie des Mittelalters. alters. Eine Veröffentlichung deffelben wäre in Rüdficht auf das große effe, welches biefes Stück altnorbifcher Litteratur fachlich und formel barbietet, äuferft wünfchenswerth >). WVon einem angelfähfifchen Phyſiologus find leider nur Bruchſtücke erhalten, Panther und Walfiſch vollftändig und ein Frag. ment vom Rebhuhn. Das Vorhandene weift ihn in die Reihe ver üb- rigen Bearbeitungen. Er ift metrifch, jchließt fich aber nicht an Theo» bald, jondern an den ausführlicheren anonymen Phyfiologus an 29). Der Angabe des Herausgebers zufolge gehört der provenca» liſche Phyſiologus dem dreizeßnten Jahrhundert an. Er fteht zwar feinem ganzen Inhalte nach nicht völlig ifolirt, nimmt aber doch burch feine etwas abweichende Form den andern Bearbeitungen gegenüber eine befondere Stellung ein??). Auch fehlen ihm vie Moralifationen. Schon früher war ver Phyfiologus oder Beſtiarius in verſchiedne altfranzöfifche Dialekte überfegt worden. Als ältefte Bearbeitung ift die metrifche normannifche des Philippe de Thaum zu nennen, welche 1121 verfaßt wurde und zwar im Ganzen ziemlich ausgeführt it, aber doch den lateinijchen, überhaupt älteren Formen fehr nahe fteht 2%). Ziemlich hundert Jahre fpäter (ungefähr 1210) brachte ein andrer Trouvere normand, Guillaume, auch clerce de Normandie genannt, den Phyfiologus nochmals in Verſe?“. Faſt gleichzeitig mit 25) Pergamentbanbihrift der Kopenbagener Bibliothel aus dem 13. Jabr« hundert. Der treuen Theilnahme meines lieben Freundes bes Prof. Theodor Mo ⸗ bius in Kiel verdanle ich ein lithographirtes Facfimile diefes merfwärbigen Stüdes mit einer Ueberſetzung, ohne welche ich den loſtbaren Schatz nicht hätte heben Köns nen. Möchte er feinen Vorſatz bald ausführen, biefen intereffanten Beleg für bie geographiſche Berbreitung des Phyfiologus herauszugeben. 26) Herausgegeben in: Grein, Bibliothel der angelfächfiichen Poeſie Bp. 1. Oöttingen, 1857. S. 233— 238. z 27) Abgebrudt in: Bartsch, Chrestomatie provengale. Elberfeld, 1868. Sp. 325—330. 28) Philippus Taonensis, bestiarius. abgebrudt in: Th. Wright, Popular treatises on science written during the middle ages. London, 1841. p-. 74—131; nad einem Cottonian Manufcript in London. Eine andere Hand⸗ ſchrift findet fich in Kopenhagen. ſ. Abrahams, Descript. des Manuser. frang. du moyen äge de la bibl.roy. de Copenhague. Copenh. 1844. Nr. XIX. p- 44. 29) Le bestiaire divin de Guillaume Clerc de Normandie. publie par ; 4 Du 4 — % 4 Be dirnolbore | | NE ü —— verfafite e ein n Geiftficher aus ur Picarbie, Pierre, einen pro- ſaiſchen Phyſiologus in der Sprache des Beauvoifis %). Es werben . auch fpäter franzöfifche Umbildungen bes lateiniſchen profaifchen Phy— fiologus angeführt, deren Abfaffungszeit indeffen unbekannt ift. Auch iſt ohne Kenntnißnahme ver betreffenten Publicationen nicht zu ermit- tein, in welchem Verhältniß diejelben zum Original ftehen 9). Eigen⸗ thümlich ift jener befondere Zweig der Phyfiologus-Litteratur, bei wel- chem bie Deutungen ver Thiere nicht chriftlich allegorifch-muftifch, fon» ‚dern im Sinne eines ziemlich derben Minnedienftes ausfielen. Hierher gehört die Schrift des Richard de Fournival?). Hiermit fchließt die Reihe der eigentlichen Phyfiologi ab. Es fin- ben fich zwar wie fich zeigen wird in fpäteren allgemein culturgefchicht- fihen oder fpeciell zoologiihen Schriften oder derartigen Theilen an- derer Werke des Mittelalters hinreichende Beweife für ven nachhaltigen Einfluß der in dem Phyfiologus vertretenen Richtung. Die Dar- ‚ftellung erhielt aber eine andere Form. | Nach dem Titel der Heinen Schrift follte man nun wie erwähnt zunächit eine allgemeine Naturgefchichte erwarten, da ja auch fowohl bie täglichen Erfahrungen auf Erfcheinungen der belebten wie ver un- belebten Natur hinwiejen, als auch die religiös-allegorifche Betrachtung aus diefen allen Nahrung ziehen konnte. Im der That enthalten bie älteren und vollftändigeren Bearbeitungen neben den Thiergefchichten €C.Hippeau; Caen, 1852. mit ſehr guter Analyfe; wieber abgebrudt von Ea bier im: Melanges d’Archeol. a. a. O. Hieran würde fich der leider nicht veröffentlichte - metriiche VBolucrarius des Guillaume Osmont ſchließen, welcher jehr beliebt und verbreitet geweien fein muß, da noch im 15. Jahrhundert Johann de Beauvean, Biſchof von Angers eine profaifhe Umarbeitung deffelben unternahm. ſ. Roque- fort, de l’6tat de la po6sie frang. dans les XII. et XIII. siöcles. Paris, 1815, -p- 254. 255. Hist. litter. de la France par les Benedict. de St. Maur. T. XVI. Paris, 1825. p. 220. 30) bei@abiera. a. D. im einer der benutzten Handſchriften wird auch bier En, Chryſoſtomus als Verfaffer des Originals genannt. 31) Hierher gehört die Schrift eines Ungenannten: Les dietz des bötes et ; aussi des oyseaulx. Paris, s. a. 40, wieder abgebrudt: Paris, 1830. 80, 32) Bestiaire d’amour par Richard de Fournival. publie par C. Hip- - peau. Paris, 1860. E 1 @ 4 2 >. Wie biefelßen aber am Zahl den aufgeführten Thieren in allen beta Er er x gs’ 9— A # R er * N re ” 5 4 Schilderungen —— ebenfo wie biche eigen 9 an ten Phpfiologen auferorbentlich nachftehen , fo derſchwinden fie in ſehr vielen ganz ober es bleiben nur ganz beftinmte übrig. Erft wenn ſich mn den jüngften Bearbeitungen die Auffaffung etwas erweitert, der Phy ⸗ ſiologus zu allgemeinen Naturfchilverungen zu verbreitern beginnt, er» Halten Pflanzen und Steine einen größeren Plag eingeräumt. Bon Pflanzen kommen vor: ber indifche Baum Periverion, von deſſen ſuhen Früchten fich die Tauben ernähren und in veffen Schatten fie vor bem ihnen nachftellenben Drachen ficher find 9); der Feigenbaum ; die Mandragora; endlich (in dem leydner ſyriſchen Phyſiologus Schier- fing und Nieswurz. Unter den aufgeführten Steinen find die am Häufigften vorkommenden: die fewerbringenden oder entzündlichen ; der eine derſelben ift männlich, ver andere weiblich, berühren ſich beibe, fo entfteht ein ftarkes Feuer). Außer biefen werben noch Eigenfchafr ten des Diamant, Achat, der Perlen und des „indifchen Steins“ er- wähnt. Der Achat dient beim Perlenfang. Der „inbifche Stein“ ift heilkräftig gegen die Wafferfucht, eine Fabel, welche noch im 13. Jahr⸗ hundert bei ven Kyraniden und Thomas von Cantimpre vortommt. 3 | | . Ausführlicher, zahlreicher und beſtimmter find die Thierſchilderungen Werden aus den oben aufgezählten Ausgaben der in verfchiedenen 33) Auf welche Stelle der Bibel fi die Erwähnung dieſes Baumes gründet, S At mir nicht gelungen zu ermitteln. Die Allegorie nimmt den Baum für Gott, den Schatten für dem heiligen Geift und bezieht fich auf Luc. 1, 35. Mit ber Bezeich- nung des Baumes ftehen vieleicht in Zuſammenhang die Worte des Elemens Aler. (Opp. Potter, Strom. lib. VI. p. 791): ö megudıog juiv zul yrworızös dv dıxaıovyn anoxalünrerag dedofaguevos. Die Fabel reicht bis ins vierzehnte 2 Jahrhundert. Die einzige Stelle, an welche man des verwandten Sinnes wegen — denlen lönnte, finbet ſich bei Plimius (XVI, 13, 64. Sillig), wo es heißt, dafı bie | Schlangen den Baum fraxinus, ſelbſt deſſen Schatten fliehen. 34) Bei der Beichreibung des neuen Iernfalem, Jeſaj 54, 12, heißt es im Original, die Thore feien von Etdach npx, von ep, entzlinden. Vermuthlich ‚gründet fih das Borhandenfein der lapides igniferi, Al9og ugoß6los, turrobo- len, cerobolim in den Phyfiologis auf diefe Stelle, in einer nicht nachweisbaren Uberſetzung. Die LXX bat A9og zovord)los; daß Kryftall mit Karfunkel über - fest wurde (wie bei Schleusner s. v. xguor«Alor, wo er anführt: „MmpX, car- — = bunculus“) ift doch nicht eutſcheidend; auch hat die Vulgala lapides sculpti. 2 u. — ar - - - \ j * ge - _ Sprachen verfaßten Phyſiologen bie Thiere nach der däufigkeit ihrer Er- wähnung angeordnet, jo ergibt fich folgende Reihe, 1. Säugethiere:. - Banther, Sirenen (und Onocentauren), Antilope, Elefant, Löwe, Fuchs, Biber, Hirſch, Igel, Einhorn, Hyäne, eine Delphinart, Säge genannt, Ziege (Steinbod),. Walfiſch, Wilvejel, Affe und Wiefel; 2. Bögel: Adler, Charadrius, Nyktitorar, Pelitan, Phönix, Fulica, Rebhuhn, Wiedehopf, Krähe (oder fpäter Turteltaube), Strauß, Taube, Ibis, Schwalbe; 3. Reptilien und Amphibien: Schlange, Hydrus, Salamander, Viper, Yacerta jolaris, Aspis; 4. Arthropoden: Ameife. Außer. diefen 37 Arten werden noch einige vierzig andere, bie meiften aber nur in einzelnen Bearbeitungen, jelten in zweien ober mehreren erwähnt. Als in den älteften Phyſiologen vorfommend und wegen ihrer eigenthümlichen Gejchichte intereffant verdienen nur noch der Ichneumon, die Turteltaube und der Ameifenlöwe eine Erwähnung. Schon die eigenthümliche Auswahl, welche die eben aufgezählten Thiere barbieten, führt zu ver Annahme, daß es fich bier um gewiffe, nicht willfürlich aus ver ganzen Thierwelt berausgegriffene Arten han⸗ beit. Der erſte Schriftfteller , welcher hier wohl entjchieben das Rich ⸗ tige traf, war Tych ſen, wenn auch der Beweis für feine Meinung nicht Stich hält. Er nannte in feiner Ausgabe des fyrifchen Phyfiolo- gus denſelben: „Gejchichte der in der Bibel erwähnten Thiere* und führt dazu den Umſtand an, daß bereits von Drigenes der Phyfiologus als „ältefter Schriftfteller über die Thiere der Bibel“ angezogen fei 9). Drigenes will aber nur die betreffende Stelle durch einen Hinweis auf einen Naturkundigen im Allgemeinen erklären 3%); und es ift wohl faum anzunehmen, daß zu feiner Zeit eine befondere Naturgefchichte der Bibel entftanden jei. Auch Epiphanius jagt?) bei Erwähnung 35) Borrebe zum Phyfiologus fyrus. ©. IX, X. 36) Im ber 17.Homilie, zu Genefis 49, 9 (Opera ed. Delarue. T. II. p. 107) heißt es: nam physiologus de catulo leonis haec scribit. Dieſe Homilie iſt allerdings nicht mehr im griechiſchen Original, ſondern nur im ber lateiniſchen Ueberſetzung des Rufinus erhalten; doch ſteht die Aechtheit derſelben, wie mir mein verehrter Freund Tiſchendorf mittheilt, außer Zweifel. 37) nicht in dem ihm zugeſchriebenen Phyſiologus, ſondern adversus haeres. lib. I. Tom. III. (Opera ed. Petavius. p. 274). Auf diefe Stelle hat ſchon Ponce m en Su Sie der Eigenfchaften ber Schlangen: „iie bie Bruni Inn 2 | gaoır oi gvoroköyoı)*. £ Für die Anficht, daß der Phyfiologus urfprünglich nur Tiere der Bibel enthalten habe, fpricht zumächit der Umfiand, daß in ben ein» - facheren älteren Formen deſſelben, z. B. dem fyrifchen, jede Moralifa- ⸗ tion fehlt, dagegen bei ver Mehrzahl der Thiere eine Bibelftelle citirt ober wenigftens durch einen allgemeinen Hinweis erwähnt wird, wie: das Geſetz jagt", ober „Iohannes, Salomon, David führt an“ u. f. w. Faft möchte man an einen bibelfundigen Verfaffer denken, wenn es in einzelnen Fällen heißt: „ver Phyfiologus fagt vom Vogel Ibis, daß er nach dem Gefet ein unreiner Vogel fei“ . Dies ift indeß ficher nicht bie urfprüngliche Form, in welcher ber betreffende Abfchnitt auftrat, fondern wahrjcheinfich eine durch einen fpätern Ueberſetzer bineinge- brachte Redeweiſe. Einen weiteren Beweis für die biblifche Herkunft ber Thiere im Phyfiologus ergibt die Thatfache, daß fie faft fämmtlich auf Bibelftellen zurüdgeführt werben können. Hierdurch wird vor Allem die merkwürdige Zufammenftellung erklärt. Nun enthält aber das von den Thieren Ausgefagte nicht etwa eine volljtändige Naturſchilderung, ja nicht einmal das bie Arten vorzüg- lich Charakterifirende, fondern entweder einen durch bie betreffende Bibelſtelle direct dargebotenen Zug aus der Lebensgejchichte des Thie- res, welcher fich durch naturgefchichtliche Schriftfteller des Alterthums beftätigen läßt, ober irgend eine Erzählung, welche, wenn fie nur eini- germaßen mit dem über das Thier fonft Bekannten zu vereinigen ift, der allegorifchen Deutung eine bequeme Handhabe varbieten konnte. Dieſe letztere fteht in den älteren Formen, z. B. dem griechifchen Phy- ſiologus, noch jelbftändig der maturgefchichtlichen Notiz gegenüber, drängte aber in den fpätern Bearbeitungen das eigentlich „Phyfiolo- giſche immer mehr in den Hintergrund. Wie fehr dieſe Allegorien und be Leon im ber Vorrede zu feiner Ausgabe des Phyſiologus, neuerdings Goldbed | 24 (bei Männer a. a. DO.) aufmerffam gemacht. 38) So im Physiologus syrus; auch beginnt ein griechischer (Handiehrift N bes 15. Jahrh.): ax«9aprov Zorı zar« Tor vouor i Thıs zolvußäv obx olde $ u. f. w. 5: ee 3; RE —— — 18 3 | WMoraliſirungen im Charakter der erften chriftlichen Zeiten lagen, be- weiſt nicht bloß die reiche ſymboliſche Literatur, welche von ver „Clavis* des heiligen Melito vom Ende des zweiten Jahrhunderts beginnend (von Pitra zuerft herausgegeben) fich immer ausgebreiteter entwidelte und zu welcher jelbft Männer wie Hrabanus Maurus felbftändig bei trugen, hauptſächlich in Hinblick auf die in ihr Legende Förderung zum wirkſamen Predigen, ſondern vorzüglich auch ver ausgetehnte Gebrauch, welchen die bildenden Künfte von den dargebotenen Symbolen machten. Es braucht Hier beifpielsweife nur an die eine Thatfache erinnert zu _ werten, wie jehr ver heilige Bernhard über vie übermäßigen Berwen- dungen von Thiergeftalten bei Verzierung ber Kloftergebäute und Kir- ⸗ m En chen fich ereiferte. Die Thierfymbolif überhaupt und befonters nah - biefer Richtung Hin zu verfolgen, ift indeß hier nicht dev Ort 9). Indem nun rückfichtlich ver Darftelfungsweife in ben Phyſiologis auf bie oben angeführte Litteratur verwiefen wird, fol zumächft der Verſuch gemacht werten, für bie wichtigften Thiere in der erwähnten Reihenfolge die betreffenden Bibelftellen, fowie die Quellen für bie - mitgetbeilten Züge aus ver Lebensgefchichte der Thiere nachzuweifen. Es wird fich dabei, wie jchon hier bemerkt werden mag, herausitellen, daß fowohl für den Phyfiologus als für die Bibelüberfegungen noch Ältere Zeugniffe fehlen. | Bom Banther wird erzählt, daß er bunt fei, nach der Sätti- gung brei Tage fchlafe, dann mit Gebrüll erwache und einen jo ange: nehmen Geruch von fich ausgehen laffe, daß alle Thiere zu ihm kom⸗ men. Nur der Drache ift fein Feind. Ausdrücklich wird angeführt, ver Prophet fage: „ich werde wie ein Löwe fein dem Haufe Juda und ein — und 3x Ueberſetzung ver Stelle Hoſea 5, 14. Die Buntheit des Panthers (auch Parvalis) erwähnt Ariftoteles (de gener. anim. 5, 69), ven | Heruch, der andern Thieren angenehm ift, derjelbe (hist. anim. 9, 43) md Spätere (fo Aelian, hist. anim. 5, 40). Der breitägige Schlaf = 39) vergl. unter andern bie oben angeführten Arbeiten von Cabier, Heiber und Koloff. Ferner Mme Felicie d’Ayssac, sur les bestiaires in: Revue @architecture. Tom. 7. 1847. p. 48. 66. 97. 123. 177. 321. Panther dem Haufe Ephraim“. Dies ift die griechifch-alerandrinifhe ——— ſowie die heindſchaft mit dem ı Draden ſcheinen rehhuündie Bu Späterer zu fein. Die Sirenemund Onocentauren find gleichfalls buch die | griech « alegandrinifche Bibelüberfegung in ven Phyficlogus gelom- men, ba dieſelbe bei mehreren Stellen, z. B. Micha 1,8, Hiob33, 29, Jefaja, 13, 22 und 34, 11, wo im Original entweder Strauß ober Walthier oder Steine erwähnt werden, die betreffenden Worte mit - Sirenen oder Onocentauren wiedergibt. Die bekannte Fabel von bie- fen widernatürlichen Mifchwefen erwähnen viele alte Autoren, bei⸗ ſpielsweiſe Aelian 17, 9 und 17, 22, — Schwieriger ift es, den Urſprung der Antilope im Phyſiologus nachzuweiſen. Zumächt fällt ſchon die Verſchiedenheit der Namen auf. Bei Epiphanins heift das Thier Urus, bei ven übrigen griechiichen Phyfiologus »recenfionen Hydrops oder Hyprippus. Im Herameron des Euftathins wird es Antholops genannt und aus biefer letzteren - Form ift dann die Reihe allmählich immer mehr verftümmelter Namen entftanben, welche fich in ven armenifchen, lateinifchen, deutſchen und franzöfiichen Phyfiologis finden, nämlich Utolphocha und Tolopha (ar menifch), Antalops, Autolops, Autula, Aptalon, Aptalops. Hierher gehört wohl auch die Form des Namens im ſyriſchen Phyfiologus : Rupes. Sicher ift, daß diefe verfchievenen Namen das Thier bezeich- nen follen, welches im hebräifchen Original Jachmur heißt und 5. Moſe 14, 5 unter ven reinen Thieren angeführt wird. Denn biefelbe Ge- ſchichte, daß es ein großes ochſenähnliches Thier fei mit fägeförmigen Hörnern, welches am Euphrat (oder am Meere) feinen Durſt löſcht und dann dort mit den Hörneru in den Zweigen eines zuweilen be- nannten) Gebüſches verwidelt fich fangen Laffe , erzählen ganz ähnlich Damiri und Kazwini von dem arabiſchen Jamur, wie Bochart her⸗ vorhebt 4%). Weder die griechifchsalerandrinifche Ueberſetzung noch, die Vulgata, deren beider Worte ſonſt genau im Phyſiologus beim % ifi ven von Bibelſtellen wiedergegeben werben, kennen einen Antholops ot Urus. Talmudiſten und auch Thchſen Halten das Thier ebenfo hne 40) Bochart, Hierozoicon. Tom. I. col. 912 (Frankfurter Ausgabe —* re ‚a « k ® 2 — a EEE 3 N \ m; # =, BAR RR pe — 1 | ee! er ne —— — * 2 ; e s * —* > * — = — — Grund für den Dammhirſch, wie Berger de Rivrey für das - Elennt‘). Da mehrere andere Züge im Phyſiologus auf eine Ent- ſtehung deffelben in Alerandrien umter der Wirkung nicht mehr (oder noch nicht) machzuweifender koptifcher Einflüffe Hinweifen (vergl. unten _ die Artikel Wildejel und Phönig), fo liegt ver Gedanke nahe, auch Hier der Anbetung Bochart's zu folgent2) und das Wort Antholops auf das Foptifche Pantholops zurüdzuführen, was an der erwähnten - Stelle’ (und an andern, 3. B. 1. Könige, 4, 23) für das, auch von der ſhriſchen Peſchito beibehaltene, Jachmur gewählt fein dürfte. Das Naturgeſchichtliche ift auf beftimmte Angaben älterer Autoren nicht zu- rückzuführen, fondern ift aus Einzelheiten zufammengeiegt, welche an Factiſches anfnüpfend in's Fabelhafte erweitert find. ; Für den Elefanten brauchen keine bibfifchen Eitate angeführt zu werden; feine Erwähnung im alten und neuen Teftamente ift zwei⸗ fellos . Das Naturgefchichtliche, was der Phyfiologus von ihm an» gibt, fett fich aus mehreren Angaben zufammen. Daß er die Kniee nicht beugen Tann (daher ſtehend fchläft) erwähnen Strabo, Diodor, Aelian, Solinus, Agatharchides (nach Ariftoteles, hist. anim. 2, 5 ſoll er fich nur nicht zugleich auf beide Beine nieverlaffen können, wes- halb er fich auf die eine oder die andere Seite neige). Die Mandra⸗ gora (die Dudaim der Lea) wird allerdings bei andern Autoren nicht ſo wie im Phyfiologus direct mit der Fortpflanzung des Elefanten in Beziehung gebracht. Dagegen erwähnt Aelian (8, 17) feine Begattung und feine Schambaftigkeit. Auch der Feindſchaft zwifchen Elefant und Drachen gedenkt Aelian (6, 21). Die Schilderung des Löwen, von dem gleichfalls mehrere „Na= ee * N — — - 4) Traditions t6ratologiques. Paris, 1836. p. 200 -302; aus der Schrift de monstris et belluis Handſchrift des 10. Jahrhunderts). E 7. 42) a. a. ©. col. 914. 43) Intereffant ift e8, daf der Elefant im isländiichen Phyſiologus, wie bon m 10. Jahrhundert in der altisländiſchen Poeſie, mit bem perfifchen Namen Pi —** wird, welcher wohl ſicher mit der Verbreitung der Aleranderfage nach Norden gelommen war. Das hier über den Elefanten Geſagte ift aber von den an- dern Phofiologis verſchieden und ſchließt fih an die Elefanten im 1. Maccab. 3, 34; 8, 6, befonders aber 6, 37 an. Be > Die Bee de Paten. = Amen“ erwähnt —— meiſt ——— Mife 49, 9 eingeleitet. Die Einzelheiten aus feinem Leben find indeß wie bie aus dem Leben des Elefanten Ausſchmückungen einfacherer älterer Angaben. So wird gefagt, daß der junge Löwe nach der Geburt drei - Tage wie tobt fei, bis am dritten Tage fein Bater kommt, ihm in’s Geficht bläft und ihm dadurch belebt. Hierfür wird in ver angehängten Moralifation noch 4. Mofe 24, 9 angeführt (ein junger Löwe, wer - wird ibn erweden?). XThatjächlich führt aber Ariftoteles nur an, bafı der Löwe zu ben Säugethieren gehöre, welche wie ber Fuchs und Bär faſt ungeglieverte Junge gebären ); hierin folgt ihm Plinius (8, 45). Statt der Angabe des Phyfiologus, daß der Yöwe während des Schlafs mit den Augen wache*5), erzählt Aelian (5, 39), daß er während bes Schlafes ſogar den Schwanz bewege. Nur bie Lift, beim Bemerlken bes Jägers die Spur zu verwifchen,, wird, freilich auch nicht ganz in der⸗ felben Weife, aber boch tem Sinne nach übereinftimmenb von Aelian erzählt (hist. anim. 9, 30). — Häufig wird in der Bibel ver Fuch s erwähnt. Was der Phyfio- logus von ihm erzählt, daß er fich wenn er hungert tobt ftellt, um Vögel zu fangen, findet fih im Oppian (Halieutila, 2, B. 107—119), welcher es jedenfalls aus älteren Quellen over Bolkserzählungen auf- nahm 46), Auf welche Stelle ver Bibel fich die Erwähnung des Bibers 44) Boncedeteon führt zu den Worten des Phufiologus an: ita edi leo- nem narrant Aristoteles et Plinius. Xriftoteles jagt aber nur (de gener. anim. 4, 95): ra udv ddınpdowmra oyedör yerıd zahineo dheunk koxros Alwmr. Heider fchreibt dem Ponce de Leon nad: „dies erzählen im gleicher Weife Arifto- teles und Plinius“ (a. a. D. ©. 553), ohne ſich von der Unrichtigkeit diefes Eitats überzeugt zu haben. 45) „Cum dormierit leo vigilant ejus oculi”. Etwas ähnliches findet ſich übrigens bei Plutarch, wie ſchon Ponce de Leon angibt. 46) Im ſyriſchen Phyſiologus Tychſen) heißt der Fuchs „Thale“. In dem & - Londoner Manufcript eines ſyriſchen Thierbuches wird wie es Icheint diefelbe Ge ſchichte vom „Elolo“ erzählt. Letzteres ift aber der Schafal. Es wlirbe alfo bier eine - ähnliche Stellvertretung des Fuchfes durch den Schafal vorliegen, wie in ber hienaben Prhyſologus. 125 — — im phyfiologus gründet, ift nicht ficher nachzumweifen, da in feiner der f Asia Ueberjegungen diefer Name vorkommt. Die einzige Erffä- rung würde, wenn fich die Deutung auf frühere Quellen zurüdführen - fieße, die Ueberſetzung des hebräifchen Anafa mit Biber darbieten, wie fie, Kimchi zufolge, Rabbi Schalomon gibt 7). Die Gefchichte, welche der Phyſiologus von ihm vorbringt, daß er wenn er fich verfolgt ſieht ſeine Teſtikel abbeift und den Jägern hinwirft, welche ihn dann ruhig ziehen laffen, wird von mehreren alten Schriftitellern erzählt, jo von Plinius (8, 109), Aelian (6, 34), Solinus (13, 2), Horapollo (2, 69). Bom Hirſch wird in mehrfachen Abänderungen erzählt, daß er | der Schlange Feind fei, fie aus ihrer Höhle hervortreibe und töbte und daß er dann zur Wafferquelle gehe, um des Giftes ledig zu werben. Man bezieht fich dabei meift auf den Anfang des 42. Pfalms. Eine ſlche Beziehung zwiſchen Hirſch und Schlange ſcheint im Alterthume mehrfach angenommen worden zu fein. Dies geht ans Stellen hervor, wie Aelian 2, 9 und 8, 6, Lucrez 6, V. 766; Martial 12, Ep. 29. ' Der Igel, zu deffen Erwähnung wohl Iefajas 14, 23 BVBeran- laſſung gegeben hat, ift nicht ohne Bedeutung, da die Art, wie er an- geführt wird, auf die Heimath des Phyfiologus einiges Licht wirft. Wenn nämlich der griechiiche Phyfiologus, ſowie Euftathius im Herae- meron die Stacheln des Igels mit ven Stacheln des Seeigels vergleicht, um die Beichreibung anfchaulicher zu machen, jo jet dies jedenfalls beim Lefer nahe Bekanntſchaft mit Seethieren voraus. Und dieſe läßt ſich doch nur in einem Küftenlande erwarten. Was übrigens der Phy- fiologus vom Igel mittheilt, daß er auf Weinftöde fteigt, die Beeren löſt und dieſe dann auf feine Stacheln ſpießt, führt jchon Aelian an (3, 10), nur daß er ftatt der Beeren Feigen als die Frucht bezeichnet. Das an mehreren Stellen der Bibel erwähnte Einhorn wird von mittelalterlichen Schriftftellern noch bis in das 15. Jahrhundert fe geichilvert, wie es der Phyſiologus thut. Die Erzählung, daß das 47) vergl. Bochart, Hierozoicon. 1. col. 1067, ſ. auch Lewyſohn, bie Zoologie des Talmud. Frankfurt a. M. 1858. S. 9. = fomft unyäßmbor wilde Thier ſich einer reinen Sungfran in den Gihonh | lege, fanft werde und einfchlaje, wo es dann von Jägern gefangen oder getöbtet wird, findet fich bei Euftathius, Iſidor von Sevilla, Petrus Demiani, u. A. Bei Autoren des Alterthums ift fie nicht zu finden, Nah Bochart*s) ift die Sage num Uebertragung einer ſich 3. B. bei > Aelian (16, 20) findenden Gefchichte, daß das Einhorn während ber Brunftzeit zahm werde und fanft mit feinem Weibchen lebe. Was das Einhorn für ein Thier fei, ob der „indifche Eſel“ wie bei Ariftoteles, ober ein hirſchartiger Wiederfäuer , lag dem Phyfiologus fern. Bei Späteren wird es zum Nhinoceros. Auch der die Hyäne betreffende Abjchnitt weift auf bie Ent- ftehungsweife des Phyfiologus hin. Die griechiſche Bearbeitung deſ⸗ jelben führt nämlich die Stelle Ieremiah 12, 9 mit den Worten ber griechijch-aleranprinifchen Ueberfegung an; der lateinische Phyſiologus folgte diefer, während die Bulgata anders überſetzt hat*%). Daß bie Hyãue ihr Gejchlecht abwechjelnd verändere und bald männlich bald weiblich ſei, weift ſchon Arifteteles als umrichtig zurüd (de gener. anim. 3, 6, 68); Aelian erzählt es aber wieder (1, 25). Nach Ele mens Alerandrinus joll fich die Unreinheit des Thieres hierauf grün- pen. Er begieht fich babei, wie ber fprifche und bie lateiniſchen Phyfio- logi auf 5. Mofe 14, 7. Das dort erwähnte Thier ift aber nicht - - Hhäne, fondern nur von der griechifch » alerandrinifchen" Meberfegung dahin gebracht. Die in den meiften Bearbeitungen des Phyfiologus vorlommende Serra ift eine Delphinart, von welcher bier etwas erzählt wird, was in ganz übereinftinmmender Weife Plinius vom Delphin felbft an- führt (9, 24)50%).. Auf welchem Wege das Thier in den Phyfiologus 48) 0.0. ©. 1. col. 91. : 49) anmlaıov veivns n ximpovoula uov 2uol, LXX; die Bulgata jagt: avis diversicolor und nad) ihr Luther: eim iprenflichter Vogel. Der Göttweiber laateiniſche und die althochdeutſchen Phyfiologi führen Jeſaias an, bie andern latei- @ uiſchen (älteren), der griechiſche (bei Pitra), die altfranzöfiichen citirem richtig Jere⸗ mias Heider erwähnt, daß die Stelle fich nicht bei Iefaias finde; ein * in seine Concordang wirbe ihm ben Fehler gezeigt haben. ——— 50) ebenſo Kaz wini in feiner Kosmographie RE | Phpſiologus 127 —— Amen: FREE fein mag, welcher kaum mit Sicherheit auf eine beftimmte Art zu beziehen ift, iſt trog der großen Ueberein- ſtimmung zweifelhaft. Daſſelbe Thier wird auch in den Commentaren zu dem Sechstagewerf der Schöpfung erwähnt (3. B. Euftathins); - auch wird hier gleichfalls angegeben, daß es mit erhobenen Schwingen (ober Sloffen) mit voll unter Segel gehenden Schiffen gewifjermaßen wettſchwimme, bis es ermüdet umkehre. An die Echeneis kann wohl ebenſo wenig gedacht werden, als an die Argonanta. 0 Die Schilderung des Steinbodes (caprea, dorcas ober dor- con ge.), welcher in der Bibel an mehreren Stellen erwähnt wird, ſchließt fich am meiften an Hohes Lied 8, 14. Auf jein ſcharfes Geficht weiſen ſchon ältere Etymologien feines griechtiichen Namens, von wel- chem alfo auch wahrjcheinlich die Deutung ausgieng. Plinius fagt gar, dafs er felbft des Nachts fähe (28, 11). | Die Sage von einem großen Walfifch findet fich mit den beiden im Phyſiologus erwähnten Zügen bei Bajilius und Enftathius gelegentlich des Schöpfungsberichtes 5'), die gleich zu erwähnenne Ge _ ſchichte von der Infelbildung jchon bei Nearhus, dem Zeitgenoffen Alexander's des Großen 32). Sie wird von allen Bearbeitungen des Phyſiologus wiedergegeben mit Ausnahme der jpäteren lateinifchen und der althochbeutfchen, vielleicht weil am Entftehungsorte diefer eine Be⸗ tanntſchaft mit dem Meere und jeiner Bewohner kaum vorausgeſetzt werben konnte. Der Walfifch foll jo groß werden, daß er mit bem u. aus dem Waffer emporragend von den Schiffern für eine Infel F 51) Bajilins im ber 7. Homiliezu I. Moje 1, 20, 21 (Opera ed. Garnier, Paris, 1721. Tom. I. p. 68); Euftathins im Commentar zum Heraemeron 3 ted. Leo Allatius. Lugduni, 1729. p. 19). Der Name aonıdoyeiovn kehrt über- 4 all wieder, zum Theil verſtümmelt, aspidohelune, aspis, ſyriſch espes, angeljäd- - fild) fastitocalon, in einer Leipziger lateinischen Haudſchrift fastilon, isläudiſch spedo. Den im altfranzöfiichen profaiichen Phyſiologus des Pierre Picard vor ⸗ Immenden Namen Lacovie betrachtet Cahier als Umwanblung von Maclovie und Seingt ihm mit der Legende in Verbindung, nad) welder S. Malo (Maclovius) auf dem Rüden eines ſolchen Walfiſches die Meſſe geleien haben fol. - 3) in der Ausgabe von €. Müller (Didot), Script. rer. Alex. p. 66. 25. Fragm. | galten wich. Diefe befefigen ihe Schiff an ihm, singen geier uf ihm an und werben dann, wenn dem Thiere die Gluth fühlbar wird, in die Tiefe hinabgezogen. Hungert der Walfiſch, fo fperrt er ben Rachen auf und durch den fühen Geruch, der von feinem Munde aus« geht, werden Maſſen Heiner Fiſche herbeigelodt, die er verſchluckt. Die Bibelftelle, auf welche man fich in Bezug auf die Erwähnung der As- pibochelone beruft, ift Hoſea 12, 12, wo aber wie in mehreren andern Fällen das betreffende Wort erft durch die griechifch » alerandeinifche VUeberſetzung hineingetommen ift >). Und fchon der Umftand, daß bie genannten Kirchenväter des Thieres bei der Schöpfung ber Waſſer⸗ thiere Erwähnung thun, weift darauf hin, daß es nur eines äußern Anhaltes bedurfte, um eine verbreitete Sage, an welche fich treffliche - Moralifationen knüpfen ließen, in ven Phyfiologus zu bringen. Dieſen fand man dann wohl in der erwähnten Stelle, obſchon die Sage jelbit in ihrem Urfprung nicht aufzuklären ift. Wie fo viele andere im Phy- fiologus erwähnte Sagen gieng auch diefe zu den Arabern, wo fie ſich bei Damiri, Kazwini u. f. w. findet. Der Wildefel wird an mehreren Stellen der Bibel als Bild un- gezähmter Wiloheit erwähnt, jo Hiob 24, 5, 39, 5; Jeſaias 32, 14 und an andern Orten. Der Phyſiologus erzählt zunächft von ihm (griechifch, 2 altfrangöfifch, äthiopifc), daß er bie neugebornen Männchen aus Eifer- fucht kaſtrire. Dies berichtet Plinius (8, 108) und nad ihm So⸗ finus (27, 27; p. 136), ferner Oppian (Eyneget. 3, 205), wäh. vend Ariftoteles (de mirabil. auscult. cap. 9) daſſelbe von jyrifchen Pferden erzählt. Ferner wird aber noch angegeben (fämmtliche Bear- beitungen, wo der Onager erwähnt wird), daß er am 25. März zwölf- mal in der Nacht und zwölfmal am Tage brülfe, um die Tagundnacht⸗ gleiche anzuzeigen. hierbei ift num merkwürdig, daß in den älteren Recenfionen (bis zum 11. Iahrhundert ungefähr), beſonders der grie- chiſchen umd ven früheren lateinijchen, der gebrauchte Monatsname koptiſch iſt, Faminoth, während fpäter dafür der früher nur zuweilen 53) Der fyrifche Phyfiologus beginnt: Datur cetus in mari dictus aspis (espes) quae ipsa illa testudo est. ür testudo fteht im Texte golo; und dies 0 ideas hebräifche Wort E53, was die LXX mit yelovaı überfetsten. m v N F wit 5 z \ # y - ’ . * J — i "als Geffärung — Name März eintritt. Die einzige Stelle der - Bibel, wo mit dem Onager eine Hinweifung auf eine Zeit vorkommt, iſt Jeremias 2, 24. Wo der Monatsname {an der erwähnten Stelle heißt e8 nur „Monat“) und gar ver koptifche herkommt, ift vorläufig unerklärt 59). Der Affe wird. im Phyfiologus zweimal angeführt, einmal nur als Allegorie (ver Schilderung des Onager meift angefchlofien) und zwar bie ungejchwänzte Form des Pithekus (fo in den meiften älteren - Bearbeitungen und der isländifchen), dann in den fpäteren Recenfio- nen, um feine Zungenliebe zu erwähnen, in einer Weije, wie es ähnlich ſchon Plinius und Solinus (27, 57) thun. Mit vem Wiejel ift eine eigenthümliche Verwechſelung vorge gangen. Es wird 3. Mofe, 11, 29 und an andern Stellen erwähnt $). Ariſtoteles weift (de gener. anim. 3, 6, 66) ausprüdlich die Annahme zurück, daß das Wiefel feine Jungen durch das Maul zur Welt bringe. ER zucker Es wird aber von den griechifchen, ſyriſchen, Lateinifchen und altfran- zöfiichen Phyfiologis gerade umgekehrt angegeben (wie auch von ben arabiſchen Schriftjtellern fpäterer Zeit), daß das Wieſel fich mit dem - Mund begatte und durch das Ohr gebäre. Eine parifer Handſchrift eines lateinischen Phyfiologus bezeichnet dies allervings als falſch; doch wird fonft kein Zweifel ausgedrückt. Da das Wiejel meift mit ber Schlange Aspis zufammen genannt wird, fo hat vielleicht die von ber - Viper erzählte Gejchichte auf die Darftellung des Vorgangs beim Wieſel umwillkürlich Einfluß gehabt. Doch ift auch eine alte Verwechſelung wwiſchen dem Wiejel (yaAn) und einem Hai (yaAdog) möglich. : 54) Der griechifche Poyfiologus (bei Pitra) leitet ‚war diefe Erzählung mit den Worten ein: Zarıy 7 @lin yuaıs roũ övdygon, ori Br rois Baoıhrlorg EÜ- oloxeraı. Doc ift weder in dem Büchern der Könige, noch in denen Samuelis dech im der Ehronifa eine hierauf anwendbare Stelle zu finden. Den koptiſchen Mo- ; natsnamen führt Übrigens auch Abdallatif (Relation de l'Egypte. par $. de Sacy. p. 140) au, der ihn durch Adar erklärt, wie der griechiſche Phyfiologus beim Phö- - ig; ebenfo überfegen ihn mehrere der fpäteren mit März. 55) Nah Bochart ift das hier genannte Thier der Maulwurf; alle Ueber- > fetger geben es aber als Biel. B. Carus, Geſch. d. Boot. 9 Die übrigen nur ein» ober wenigemale erwähnten — hier durchzugehen, würde zu weit führen, obſchou ſich auch bei ihnen manche Nachweife auf die verfchiedenen den Bearbeitungen des Phy⸗ ſfiologus zu Grunde fiegenden bibliſchen Terte ergeben. Unter den Vögeln wird am häufigften der Adler genannt. Man hatte Hier die Verfüngumg im Auge, wie fie Pſalm 103, 5 im Allge- mieinen, oder Iefajas 40, 36 in Bezug auf das Wiederwachſen ber Febern erwähnt wird. Dameben wird auch das im Alter eintretende hafenförmige Ueberwachſen des Oberjchnabels angeführt, deffen bereite Ariftoteles (hist. anim. 9, 117), Plinins (10, 3), Antigonus Ca⸗ ryſtius (cap. 52) gedenken. Das breinraflge Untertauchen in eine veine Quelle zum Zwede ver Verjüngung ift eine chriftlich-allegorifche Zu- that des Phyfiologus. Daß der Charadrius durch den bloßen Blick heile, ift im Alter- thum auf eine Krankheit, die Gelbfucht, befchräntt geweſen; es wird bei Plinius vom Icterus, bei Aelian vom Charadrius erzählt. Die Erweiterung der Fabel lag nahe. Der Name des Bogels rührt von ber griechifch-alerandrinifchen Ueberjegung ber °*). | Aus der gleichen Quelle ift auch der Nyktikorax an mehrere Stellen gekommen, jo 3. Mofe 11, 17, 5. Mofe 14, 15 und Palm 102, 7. Schilderungen wie die bei Ariftoteles (hist. anim. 9, 122) lagen ver furzen Notiz, daß er die Nacht (und die Dunkelheit) mehr als den Tag liebe, zu Grunde. Die jo vielfach verwendete Sage vom Pelikan, welcher feine ungen mit feinem eigenen Blute nähren foll, ift wohl, wie ſchon Ponce de Leon anführt, aus mehreren verfchiedenen Quellen zufam- mengetragen. Die Liebe zu feiner Brut wird von mehreren Schrift: ftellern des Altertfums erwähnt. Die Ernährung ber Jungen mit Blut findet fich bei Horapollo vom Geier erzählt (ed. Leemans, p. 17). Der Name des Pelikan kommt an mehreren Stellen ver griechifch- —ñ — — — 56) In Bezug auf die griechiſche Ueberſetzung des bebrätfchen ME mit zu- g«doros ift Bochart'8 Eonjectur zu berüdfichtigen, daß ber Per: 2 MEIN geleien babe. a. a. ©. Tom. II. 4. col. 340, a Pe Be u Be A en 6 ae * Tr. “ F NEE er‘ 4 Wi 9 BE rin AH A ad 2, uni Ve r e P N L Be . Ta BAR a * a | re : — — — ER ea * —— En > En ua, E m 4 “ ‚at en — ge >56 794 f — Bibelüberfegung vor; z. B. Pſalm 102, 7 7 Rüthen; Rohevommel) 7). Daß der Phönir taufend Jahre und länger lebe weil er nicht vom Baume ver Erkenntniß gegeſſen habe), führen ſchon alte Commen» ⸗ tatoren zur Genefis an (f. Bochart) umd bringen damit die Stelle Hiob 29, 18 in Verbindung. Die befannte Sage von ihm findet fich - bereits bei Herodot (2, 73), welcher indeß die Verbrennung nicht er» wähnt. Nach ihm erzählt fie Plinins (10, 2), welcher aber an einer andern Stelle (29, 29) feiner Ajche gedenkt. Wichtig ift für die Ent- fiehumgsgefchichte des Phyſiologus, daß auch Hier in allen älteren Bearbeitungen der Name des Monats, in welchem der Phönix in fein Neit kommt um fich zu verbrennen, der koptifche ift, und zwar wie beim Onager Faminoth. Ä In Bezug auf das Rebhuhn gab Ieremias 17, 11 die Anknü— pfung. Die Erzählung, daß das Nebhuhn fremde Eier ausbrüte und dann von den Jungen verlaffen wird, gründet fich wohl anf vie Beob ⸗ achtung, daß manche Vögel fremde Eier brüten, befonders wenn das ’ Neſt, wie hier, am Boden liegt. Die etwas ausgeſchmückte VBerwen- dung folcher Erzählungen, wie fie Antigonus Caryftius, Cap. 45, gibt, iſſt ziemlich deutlich. Der Wiedehopf fteht im Phyſiologus als erläuterndes Ber fpief des vierten Gebotes (2. Mofe 20, 12). Seine Liebe zu den Eltern | wird von Aelian (hist. anim. 10, 16) und ausführlicher — (1, 55 ed. Leemans, p. 54) erzählt. | 57) Im althochdeutſchen Phyfiologus ift Pelifan mit Sifegoum überfetst. Bei pPſalm 102, 7 wird mweiexdv für rap gegeben, welches neuere hebräiſche Ueber ⸗ ſehzer ober Eregeten mit rowsm erflären. Dies legtere Tinfemetb ift Ardea stella- vis, aber auch das Chamaeleon Bochart). Es jcheint alſo auch unter rap ein Bo- gel verftanben worden zu fein, der neben andern Eigenthümlichfeiten auch durch die Farbe Aufmerffanfeit erregte. Nun wird 2. Moſe 26, 14 und 29, 34 vorge: ſchrieben, dem Tabernafel Hüllen von Widderfellen, über diefe eine zweite zur geben, welche die LXX deouara vaxivsıra, die ſyriſche Peſchito „pelles arietum sos- anno“ nennen. Iſt e8 möglich den althochdeutſchen Ausbrud mit dieſem ſyriſchen Worte biftorifch »trabitionell zu verfnüpfen? Die Etymologie des Siſegoum iſt ſehr unſicher. { g* $ — — — Böpfiotogus wird ſowohl von der Rräge ae — von der Turteltaube rühmend erwähnt, daß ſie nach dem Tode ihres Männchens ven Witwenftand bewahre und eheliche Treue ſelbſt nach dem Tode noch halte. Für die Krähe wird Jeremias 3, 2 ange: * Von der Turteltaube wird noch unter Bezugnahme auf Hohe⸗ lied 2, 12 erzählt, daß fie die Einſamkeit liebe, Die Keuſchheit und Treue der Tauben wird ſchon von Ariftoteles (hist. anim. 9, 53 und 2 > 56) und Aelian (hist. anim. 3, 44) erwähnt, während letzterer (3, 9) Treue und Bewahrung des Witwenftandes der Krähe beilegt. Im riſchen Phyſiologus (Tuchfen) finden fich beide Thiere, inbef bie Tur- 5 eeltaube nur als ein die Einſamkeit lebender Vogel. Wo in fpäteren Bearbeitungen ver Turtur vortommt, wird ihm unter Anführung ber Stelle aus dem Hohenlied die Treue ver Witwe nachgerühmt, ohne die aus biefer Stelle entnommene Eigenfchaft zu erwähnen. Es ift hier 5 a alſo durch die Aehnlichkeit der den beiden Thieren beigelegten Eigen- een veranlaßt eine VBerwechjelung eingetreten, in Folge deren die Krahe ſpäter ganz ausfiel. Daß dieſe Verwechſelung dadurch entftan- ben fei, daß man ftatt Turteltaube „schwarze Taube* fagte, liegt zu weit ab 5°). Die Fulica der lateinifchen und fpäteren Phyſiologen ift ur- 3 ſprünglich ein anderes Thier, als etwa die jetzige Gattung dieſes Na» se . mens, nämlich das bebräifche Chafiva. Der griechifch-alerandrinifche VUeberſetzer hat Erodios. Daher erzählt ſowohl der griechiſche als ſyriſche Pinfiologus, daß der Erodius ein äußerſt kluger 6%) Vogel fei, welcher — 58) Pitra vermuthet Jeſajas 59, 11; aber bie angeführten Worte: Zxayıoa 2. W086 20pWrn ueuorwuern entſprechen der griechifch-alerandrinifchen Ueberfeßung von Ierem. 3, 2 fo genau, daß nicht daran zu zweifeln ift, letztere Stelle fei ger i . meint. Sie lautet: dx«dı0« aurois wos zogen Lonuovuern (Ausgabe von Tiſchendorj). 59) Horapollo führt 2, 32 die negiorega ufiaıve als treue Witwe an. Der n- Möglichkeit einer hieraus entftandenen Verwechſelung gebentt Sahler Mslangos etc. T. 3. p. 264). F 60) Tychſen überjegt zwar avis maligna. Die Uebereinftimmung aller A a Ipricht aber daflir, daß das ſyriſche Wort ärim hier nur „Ilan,;? Aug“ heit Sagt a . Bovfofogu. ET —— # nicht — feine Reiche anüßst , fonbetn’am-dem Orte feines Aufenthalts jeine Nahrung finde. Aber ſchon Auguftinus folgte einem = Ueberjeger, welcher entweder Chaſida oder Erodius mit Fulica wieder: — Be a Nr BE mg, ei REN ER EN gab. Im allen fpäteren Phyſiologen wird daher das eben Mitgeifeilte h von diefem Vogel aufgeführt 9). Durch ähnliche Wandlungen hat der Strauß in den Phyſiolo⸗ gen eine Stelle gefunden. Auch er wird auf Chafida zurückgeführt. Die im griechifchen Phyſiologus erwähnte Vergeflichkeit in Bezug auf feine Eier, welche hier mit feiner Gefräßigkeit allein als Eigenfchaft aufgezählt wird, gründet fich auf die Schilderung in Hiob 39, 13—14. Daß er am Himmel feine Zeit erfieht, oder wie es die fpätern Phyfio- logen erweitern, auf ven Aufgang der Sterne Vigiliae warten, um feine Eier zu legen, bezieht fich auf Jeremias 8, 9, wo der griechifch-aler- andrinifche Ueberfeger das hebräiſche Wort geradezu aufnimmt als Afida, während Hieronymus hier wie an andern Stellen milvus über- fett 2). A Bon den oft in der Bibel erwähnten Tauben gründet ſich die eine Angabe, daß unter ven verſchiedenfarbigen Arten nur eine gold⸗ farbige zum Nefte eingelaffen wird, wahrjcheinfich auf Angaben, wie fie bei Aelian, 4, 2, vortommen. “Das Verhalten des Habichts gegen die Taube, welches Ariftoteles (hist. anim. 9, 129) allgemein jchil- dert, ift in einer (wie Tychſen erwähnt auch bei Hieronymus zu fin- denden Weife hier fpeciell ausgeführt. Unter den übrigen Vögeln, welche einzeln noch genannt werben, ee 61) 61) Einei in bem Göttweiber lateinischen und dem altbochbeutichen Phyſtologus enthaltene, der Hyäne angefügte Notiz, daß auch die Fulica ein unreiner, das Ge jchlecht wechſelnder Vogel fei, ift in Bezug auf Urſprung und Deutung wahrſchein⸗ E fich daranf zurüczuführen, daß bie Ehafida 3. Moje, 11, 19 unter ben unreinen & Vögeln aufgezählt wird, 62) Luther überjegt richtig : „ein Storch unter bem Himmel weiß feine Zeit“. | Das Wort Alfida gieng in die mittelalterlichen Thierbücher über. Der althochbeut- - ſche Phyfiologus fagt naiv: Struthio; das Thier heit Strauß, im griehifhen beißt e8 Aſida; ganz ähnlich Thomas von Cantimpre. Papias führt es im Bocabular an, und zwar einmal: Aſida Wido (das ift milvus des Hieronymus), dann Asida animal est, quod graeci struthiocamelon latini strutionem di- eunt. Man fieht, wie lange die verihiedenen Auffaffungen nachwirlten. — * einige für die — Geſchichte der —— ——— 3 dadurch von Iutereffe, als fie ans früheren Verwechſelungen felbftäne dig fich löfende Bilder varftellen , wie 3. B. Storch und Weihe, zwei Wogel, welche in ven früheren Bearbeitungen unter Fuliea und Strauß - mit einbegriffen waren. Merhvürbig ift, daß der im armenifchen Phy- fiologus vorkommende Vogel Zeraham im altfranzöfiichen des Pierre Picard als „indifcher Vogel“ wiebererfcheint. Daß endlich in lebtge⸗ nannter Bearbeitung auch die Baumgans vorlommt, Toric für das Bollsthümliche diefer Sage. Unter den Reptilien werben die Schlangen —“ ans geführt. Bon den vier Eigenfchaften derjelben ift die erfte Die Häntung, welche ſich an ältere Angaben, freilich ausgeſchmückt auſchließt z. B. _ Aeiftoteles, hist. anim. 9, 113, Yelian 9, 13 u. a.). Zu zweit wird erzählt, daß die Schlange ihr Gift ablegt, ehe fie trinkt. Dies ift nur noch bei Kirchenvätern zu finden ; auf welche fonftige Angabe ſich dies etwa gründen könnte, ift nicht ermittelt. Werner ſoll die Schlange nur den bekleideten Menſchen angreifen, den nackten dagegen fliehen, eine = Seilberung, die fit) bei Epiphanius gerade umgelehrt finbet, „Ob fi dies mit der Sage von den Piylien in Verbindung bringen läßt, wie 88 Bone de Peon thut, ift zweifelhaft. Noch Damiri erzählt 8. End» ich fell die Schlange, wenn fie verfolgt wird, den Kopf verbergen und den ganzen übrigen Körper Preis geben. Hierfür führt Bonce de Leon eiine Stelle des Iſidorus an, wo er ſich auf Plinins beruft 9), “ Bon den Schlangen im Allgemeinen wird die Biper getrennt und von ihr erzählt, was fich ſchon bei Herodot 3, 109 findet. Bei der Be- - gattung ſoll die weibliche Viper der männlichen, welche ihren Kopf in den Mund der erjtern ſtreckt, letzteren bei Herodot ven Hals ed. Baehr II. pP. 214) abbeifien (vergl. das oben beim Wiefel Gefagte). Das Weibchen ſoll indefjen auch bald fterben , indem die Jungen die Geburt nicht er- warten, jondern die Eingeweide ihrer Mutter zerfreffen, um nach außen - 63) Isidorus Hisp. fagt allerdings (XII, 4, 43): Plinius dieit. Das Eitat ift 5 — ‚aber aus Servius zu Virgilius, Georgica III, 422 (timidum caput abdidit ille) x und lautet: Serpentes caput etiam si duobus evaserit digitis nihilominus vivit. Die Stelle ift im Plinius, fo weit er erhalten ift, nicht zu finden. vloñelegus 135 | zu gelangen. Daß der Kopf des Männchens in den Mund des Weib: cheus gebracht wird, jagen auch Plinius (10, 62), Aelian (1, 24), Galen (de theriaca cap. 9); daß das Weibchen ven Kopf abbeißt führt noch Horapolfo an (2, 59. ed Leemans p. 84), von den Phyſiologen nur der althochdeutſche; alle übrigen dagegen jagen, daß das Weibchen dem Männchen die Genitalorgane abbeiße. Antigonus Caryſtius er- zählt (Cap. 25), daß die Iungen im Mutterleibe die Mutter durch Auffreſſen der innern Theile tödten, was Ariftoteles (hist. anim. 5, 150) als nur zuweilen vortommend erwähnt. Die Aufführung der Schlange Aspis rührt von der griechifch- alexandriniſchen Ueberjegung ver Stelle Palm 58, 5, 6 her, welcher auch die Bulgata folgt. Der altfvanzöfiiche und provengalifche Phyfio- logus lafjen diefe Schlange ven Baljambaum bewachen. Anhalt hierzu gab wohl eine Stelle im Paufanias (9, 28, ed. Siebelis, IV. p. 99). In den übrigen Phyfiologen, welche der Aspis geventen, wird nur be- richtet, daß fie ihre Ohren gegen die Zaubertöne der Marſen ver- ſchließe; das eine drückt fie auf ven Boden, das andre hält fie mit dem Schwanze zu. Die Erzählung findet fih mur bei hriftlihen Schrift- pen B#: 2 1 j > 7 Ein eigenthümliches Geſchick hat das Ichneumon erfahren. | Von dieſem Säugethier wird im griechiſchen und ſyriſchen Phyſiologus angegeben, daß es fich mit Lehm überkleive, um gegen die böfe Schlange au kümpfen, Es ift dies die bei Ariftoteles gejchilverte Weife, die Aspis anzugreifen (9, 44), wiederholt im Antigonus Caryſtius, Cap. 38. Dieſes Ichneumon wird dann als Feind des Erocodils zu einer - Schlange Eunhydris oder Hydrus (im ſyriſchen noch getrennt aufge- führt unter dem veränderten Namen Anprion), im isländiſchen Phy- ſiologus gar zu einem Vogel, alfo mit dem „ZTrochilus“ verwechfelt. Das Thier dringt dem Erocodile in den Rachen umd töbtet es durch Freſſen der Eingeweide #). Vermuthlich ift diefer Hydrus nur ein um⸗ - gewandeltes Ichneumon, lee eine Zeit lang noch daneben eine jelb- ſtandige Stellung beibehielt. 64) Populatisque vitalibus erosa exit alvo, jagt Solinus (32, 25. p. 160, | Mommien) nah Plinine. demnſewen Ariftoteles (hist. anim. 5, 106) und Pinins (10, 188; 29, 76), fowie andere alte Schriftfteller fprechen, wird von einem chaldäiſchen Gtoffator zu 3. Mofe 11, 29 angeführt (Bochart), wäh rend andere die in dem nächften Verſe vortommende Eibechfe Hierauf beziehen. Diefelbe Stelle wird auch zur Rechtfertigung der in mehreren Phyſiologen vortommenden „Sonneneidechfe*, wahrſcheinlich des Bar- ans oder Landerocodils angezogen , von welcher eine auf ihre Häutung fich beziehende Erzählung gegeben wird. Die Gliederthiere find allein durch die Ameife faft durchgehend vertreten, welche nur im provencalifchen und isländischen Phyfiologus fehlen. Die drei von ihmen angeführten Eigenfchaften finden fich auch im Plinius mehr oder weniger übereinftimmend gefchilvert. Guillaume - le Normand knüpft außerdem die Schilderung der golbgrabenven - Ameifen an, wie fie von Herodot, Ktefins, Megafthenes u. a. gegeben wird. Der in einigen Phyfiologis vortommende Ameifenlöwe ift kaum das Imfect, vielmehr ein fabelhaftes Mifchweien. Es gründet fich feine Erwähnung auf Hiob 4, 11, wo bie griechifch-alerandrinifche Meberfegung das Wort Myrmeloleo gibt ®). Die nachftehende Tabelle wird am beften geeignet fein, über bie Zahl und die Aufeinanderfolge der erwähnten Thiere in den Haupt- gruppen ver Phyfiologusrecenfionen eine Ueberficht zu geben. Die nur einmal vorkommenden Thiere find dabei nicht berüdfichtigt. 65) uvpunzollur wlero apa ro un Eyeıv Bopav; bie Bulgata hat tigris periit eo quod non haberet praedam; Luther: der Löwe ift umgelommen. — 11. | 1.0.9. Steine. 113. fehlt. f I N) — — — — N EBEEN or 33, a ' 14, 15. | \ | 11. 10. * 2 19. 31. den la . aus dem 8-10. Ipdt. an. e — 32.33.| ww Ba 4A ir. Die Zoologie des Mittelahtere. - Außer den Thierjchilverungen, deren litterar« und naturhiftorifche Begründung im Borftehenden kurz zu geben verfucht wurde, enthalten nm bie fpäteren Phyfiologi eine in den früheren Bearbeitungen feh- fende Anwendung. So heißt es z. B. beim Dnager: Der Wildeſel hat daher die Figur des Teufels; wenn er merkt, daß Tag und Nacht gleich werben, d. h. wenn er fieht, daß die Voöller, welche in ber Dun⸗ telheit wandelten, zum reinen Lichte fich belehren, fo brüllt er Tag und Nacht zu den einzelnen Stunden und fucht feine verlorene Beute. Ober beim Biber: So follen Alle, welche in Chriſto keuſch leben wollen, alle Fehler ihres Herzens und Körpers herausſchneiden und dem Teufel ins Geficht werfen u. f. w. Der fyrijche Phyfiologus und der Ältefte erhaltene Lateinifche (A. Mai und Pitra, Anfileubus) haben noch feine derartigen Moralifationen,, fondern nur VBerweifungen auf die Bibel. Diefe beiden Bearbeitungen werden daher jedenfalls zu dem älteften Formen gehören , in welchen der Phyfiologus noch erhalten ift. Die andern Recenfionen, von denen mit Einrechnung der verfchiedenen be» nutzten Handichriften faum zwanzig publicirt find, nach ihrem genealo- giſchen Verhalten zn ordnen, ift vorläufig faft unausführbar, bie durch ein veicheres Material die offenbaren Lücken der allmählichen Verbrei⸗ tungsgejchichte ausgefüllt find. Um nur an Einzelnes hier zu erinnern, jo ftimmt zwar der fyrifche und ältere griechifche (armenifche, ohne die Moraliſationen in vielen Punkten überein; doch fchon der fogenannte Epiphanius weicht wejentlich ab. Unter ven lateinifchen Bearbeitungen ftellen die mit des Chryfoftomus Namen verjehenen eine eigene Familie bar, während die von Mai und Pitra, die von Cahier herausgegebe- nen, fowie eine ungebrudte der Yeipziger Univerfitäts » Bibliothek (13—14. Jahrhundert) fich wieder in Einzelheiten enger an bie grie- chiſchen anfchließen. Ziemlich autochthon fcheint auf ven erften Blick der isländifche zu fein. Im mehreren Zügen ſtimmt er zwar mit allen übrigen überein, vor Allem in ver eigenthümlichen Auswahl ver ge- ſchilderten Thiere. Doch enthält er einerjeits auch Thiere, welche fonft ‚ nirgends vorkommen , wie den Eber, Bremfen u. a., anbrerfeits ent- fernt fich die Erzählung zuweilen völfig von allen übrigen; fo 3. B. die * - * — ee; Fu Ye Se a - N | Bboſielogus 139 chen angeführte Schilverung des Elefanten, welche bis jegt nirgend wo anders zu finden ift. Es ift jedoch Hier nicht der Ort, viefer an und für fich äuferft intereffanten und für die Litteraturgefchichte des früheren Mittelalters bedeutungsvollen Aufgabe näher zu treten. Dagegen ift es wichtig, die Frage nad) dem etwaigen Berfaffer und der Entftehungsgejchichte des Phyſiologus überhaupt zu unterjuchen. Zunächſt ift hervorzuheben, daß man es hier nicht mit einer Schrift zu thun hat, welche als eine in ihrem Wortlante im Allgemei- ‚nen fejtitehenve in Zeiten Hlöfterlichen Schreiberfleißes treu vervielfäl- ‚tigt worden wäre. Bon den älteften bis zu den neueften Bearbei— tungen finden jich zwar immer wohl einzelne übereinftimmende Hand» schriften. Doc ift im Ganzen genommen eine ftete Aenderung und Umwandlung fowohl im Ausprud als in der Zahl der Thiere und der Form der angehängten Allegorien nachzuweifen, da faum zwei aus ver- ſchiedenen Zeiten herrührende Handfchriften genau übereinftimmen. Spricht ſchon dies für die Anficht, daß man jelbft im frühen Mittel- ‚alter nicht an einen beftimmten Verfaſſer geglaubt hat, fo wird dies noch weiter dadurch beftätigt, daß ſowohl in ver pfenboepiphanifchen ‚Schrift (welche aber doch dem vierten oder fünften Jahrhundert ange hört) als im fyrifchen Phyfiologus (fpätere gar nicht zu erwähnen) häufig ver Phyſiologus“ jelbft citirt wird; d. h. in den Mitteilungen | ‚über bie Thiere, welche unter den biblischen einer befondern Aufmerf- ſamleit wert zu fein ſchienen, trug man zumächft das zufammen, was "bie Naturkundigen darüber gefagt Hatten. An ver weitern Eompofition 5 t unte dann Jedermann, dem es überhaupt um eine ſolche Sammlung - zu thun war, ändern und zufegen oder weglafjen nach Gutbünten. Hiermit hängt dann auch zufammen, daß die Tradition mit oder ohne Grund einzelne Perfönlichkeiten als Verfaffer des Phyſiologus bezeichnete. So finten ſich an der Spike veffelben außer ven oftge- annten Epiphanius und Chryſoſtomus noch Ambrofins 6%), Baſilius 66) Schon Pitra macht auf den einzigen Eoder, ber diefen Namen: trägt, ſmerkſam. Er findet fi im S. Mary Magdalen College in Orford, Nr. 27 richt 32, wie Pitra angibt). Der Güte meines Freundes Mar Müller verbante ich ? ” * N 5 — — En x . * 2 “ ! R R ee —— — Pe 140 Die Zoologie des Mittelalters. re # . 3 — Hieronymus, ſelbſt Iſidorus als Autoren angeführt, i während man noch Andre ſtillſchweigend für die Verfaſſer anfehen zu bürfen glaubte®‘). Es ift immerhin möglich, daß alle bie genannten Männer den Phyfiologus nicht bloß benutzt und erwähnt, ſondern auch vielleicht erweitert oder fonft in einer ihnen eigenthümlichen Weiſe ger faßt haben. Verfaſſer im eigentlichen Sinne waren fie aber nicht. Daß die handichriftlichen Zeugniffe für ſolche Autorſchaft in jeder Weiſe unzureichend find, braucht kaum erwähnt zu werben. Aus gleichen Gründen fann man auch der Anficht Cabier' 8 nicht beitreten, daß Tatian (zweite Hälfte des zweiten Iahrhunderts) der Berfaffer ſei. Es bat dies ſchon Pitra zurückgewieſen. Tatian fpricht zwar von einer von ihm verfaßten Schrift über die Thiere und führt einige Beispiele von Inftinkt an 9%. Aber abgefehen davon, daß er die angezogene Schrift wahrſcheinlich noch als Heide verfaßt hat und daß fie fich dem ganzen Zufammenbang der ihre Erwähnung enthals ein Inbaltsverzeichnig diefer aus dem 14. Jahrhundert ſſammenden Hanbichrift. Wie ſchon die Ueberfchrift erfennen läßt (Excerptio de Hexaemeron Ambrosii, lib. 5. de natura bestiarum et piscium) und der Inbalt beflätigt, gehört fie entſqe · den nicht in die Reihe der Phyſiologi. 67) Joben S. 112, Anm. 12. 65) |. Pitra, a.a. ©. T. IM. p. LXII, figde. Der fogenannte Phyſiologus bes Florinus ber Leipziger Bibliothel, den Freytag erwähnt (Analecta p. 967) und deſſen Inbaltsverzeichniß bereits Thierfelder a. a. O. mitgetheilt bat, ift völlig verfchieden. Er enthält 119 Thiere im fortlaufenden Diftichen und trägt bie Unterſchrift: Magister Florinus composuit. Explicit Physiologus. anno do- mini 1493. Er beginnt mit Homo. Bos. Ovis. Aries. Agnus. Hedus. Hircus, Capra u. j.f. Ebenfowenig gehört zu den Phyſiologen die Schrift eines Unge⸗ nannten aus dem 11. Jahrhundert: sol {mom row Adıörmros, welde Matthaei in den Morxıla‘Elimıxa,. Mostau, 1811 herausgegeben hat. &8 . werben 53 Thiere geſchildert; drei fernere Beichreibungen find nicht erhalten. Sie ift ber bereits erwähnten Schrift des Manuel Bhile verwandt . S. 112. Anm. 12), 69) Oratio ad Graecos. ed. Otto. Jenae 1%51. p. 68. cap. 15 (n. 24. ed. 57. ed. Worth) xal mepl uiv rourovu dv * sol lumr axgıßloregov Auiv ovvreraxreı. und p. 82: rivog di zägıv oo To Iwarariop ngoolory dea- nörm, Hegamedsıs ÖL uäl)lor alrov done ö ulv zUaw dia nous, 6 di Ha- yos di Bylduns, 6 di aus dıa Or dv norduoıs zaoxlvor, 6 di Alav dıa ran nısixov. Aehnliches tommt jehr vielfach vor; fo die Selbftheilung der Hunde und - Xöwen ganz wie bier bei Cyrillus Alexandrinus, eoi [ywv ldıörnrog. (Gre- gorii Nazianzeni Carmina selecta, Romae 1590. p. 95. v. 14—17.) Eu _ Bonfetogus Ba onen Stelle nach vielmehr auf die Natur des Menfchen, auf Pneu- matolegie und Metempſychoſe, als auf die Naturgejchichte der Thiere Be haben mag 70), weift ſchon Pitra mit Recht darauf hin, daß die Thierfchilverungen älter, die angefügten Erflärungen over Mora- : liſationen jünger find, als Tatian, wie ja letztere ſelbſt noch im ſyri⸗ | ſchen und im älteſten lateiniſchen Phyſiologus fehlen. pPitra hebt als Momente, welche auf die Art und ven Ort der _ Entftehung des Phyfiologus Licht werfen, hervor, daß die meiften in demſelben erwähnten Thiere alten Göttern heilig gewejen wären, und ‚daß deren jo jehr verjchievenes Vaterland auf eine Stätte hinweiſen, vo gewifjermaßen die von dem durch Titanen zerftörten Olymp fliehen: den Götter Zuflucht und Schuß unter dem Abbild von Thieren gefun- ben hätten. Dies würde von Belang fein, wenn fich feine andere ein- fachere Erklärung für die merkwürdige Zufammenjegung ergäbe. Be- trachtet man indeß die Thiere des Phyſiologus als bibliſche, jo fällt jeder Grund, fich nach andern Beweggründen für gerade dieſe aller- * Dinge eigenthümliche Auswahl umzuſehen, fort. Nur das eine bleibt auf ben erften Blick wunderbar, daß die eigentliche Ekphraſis, die Na- turfchilverung , gegenüber der Hermeneia, der moraliichen Auslegung, £ ſich kaum einmal am naturgejchichtliche Autoritäten, wie Ariftoteles, Theophraſt und ähnliche anfchließt. Wie aus dem obigen Quellennach⸗ weiſe hervorgeht, laſſen ſich mehrere Angaben zwar im Allgemeinen auf Ariſtoteles zurückführen. Doc find die wahrſcheinlich direct be⸗ nutzten Quellen unter jenen ſchon früher erwähnten alexandriniſchen Sammlungen zu ſuchen, welche, zur Zeit des Ausgangs des Alter- thums entjtanden, Zeugniß für den Mangel jowohl kritiſchen Sinnes überhaupt rein naturwifjenichaftlichen Interefjes ablegen. Da das hl noch nicht erwacht war, daß die bloße Mittheilung von That: yen als jolcher zur Gründung einer wifjenfchaftlichen Lehre nicht ge- ge, da das Bedürfniß einer Beftätigung der Angaben noch nicht anden war, muthete das Wunderbare und dadurch au fich Reiz— mehr an, wie es auch nußbringender verwendet werden Fonnte. 0) j. Daniel, Tatian der Apologet. Halle, 1837. ©. 112. a: Se ee Anfer dieſen inneren Gründen weifen aber, —— yert ei gehoben wurde, auch noch äußere auf eine Entftehung der erſten Phyſiologus bezeichneten Sammlung in Aegypten hin. Daß gerade Drigenes der ältefte Schriftfteller ift,, welcher den Phyfiologus ati, kann hierbei, als möglicherweife nur zufällig, nicht in Anfchlag gebracht werben. Dagegen find die jprachlichen Beweiſe wohl entjcheidend. Faft durchgehends ift die griechifch-alerandrinifche Bibelüberfegung der commentirte Tert gewejen. Und wenn auch dies bei der früh erlangten Autorität dieſer Ueberſetzung für nicht befonders bedeutungsvoll gehal- ten werden follte, jo gibt es doch für das Auftreten foptifcher Wörter feinen andern haltbaren Erflärungsgrund als den, daß koptifche Stoffen ober Ueberjegungen einzelner Abjchnitte vorgelegen haben. | Soll nun aber verfucht werben , ein Bild von der urjprünglichen Entſtehungsweiſe des Phyſiologus zu geben, jo würde es nach den vor ⸗ fiegenden Anhaltspuntten folgendes fein. Lehrer orientalifcher (aleran- brinijcher) Chriftengemeinden ver erften Jahrhunderte griffen im rich- tiger Würdigung der Wirkfamteit aus ver Natur entlehnter Beifpiele auf die Gemüther ihrer Hörer zu diefer umd befonders zu den Thieren, von welchen jchon vie heitnifche Litteratur Wunderbares genug über: fiefert Hatte. Die am und für fich einer Auslegung zu unterwerfenden Bibelſtellen boten die Thierformen, die alerandrinifchen Märchenfamm- lungen ven natnrhiftorifchen Gehalt, die finnlich gefaßte chriſtliche Lehre die Anwendung dar. Trotz aller Freiheit in ver Wahl des Stoffes ers hielt die urſprünglich wohl zufällige und keiner beftimmten Formulirung mterworfene Sammlung allmählich eine kanoniſch firirte Geftalt, an welcher dann nur Aeuferlichleiten,, durch Ort umd Zeit veranlaft, ger ändert wurden. Wenn dann auch fpäter das homiletiſche Bedürfniß die Allegorifation auf alles Mögliche ausvehnen ließ, wodurch Erzeuge niffe entjtanden wie die Melito ſche Clavis, die distinctiones mona- sticeae et morales, frz Previgtapparate aller Art, fo erhielt fich doch abgeſondert vom diefen das auf Thiere Bezügliche ſelbſtändig als z00- logiſches Elementarbuch, über welches hinaus Feine weiteren Kenntniſſe wünjchenswerth erjchienen als höchftens noch die etymologiſche Be— en — 143 — — ber ——— Aus dieſen Elementen zuſammengeſetzt er⸗ ſcheinen dann noch die Thierbücher ſpäterer Jahrhunderte. Es hängt vielleicht mit dieſer Entftehungsweife aus heidniſchen Ueberlieferungen, die nur ſpäter erſt mit chriſtlichen Allegorien verbrämt wurden, zuſammen, daß das Urtheil ver Kirche dem Phyſiologus nichts weniger als günftig war. Spuren von Manichäismus, Priscillianis- mus und Guoſticismus im Phyſiologus zu finden, ift wohl dann nur möglich, wenn man auch die Morafifationen einer rigoröfen VBerbal- unterſuchung unterwirft. Aber ſchon bevor diefe den Thierfchilderungen angehängt wurden (foweit es fich wenigftens bis jet überjehen Kißt), ergieng ein Berbot gegen ven Phyfiologus. Im Jahre 496 erjchien ein Concilbeſchluß des Babftes Gelafins de libris recipiendis et non recipiendis, worin e8 nach Aufzählung der annehmbaren und erlaubten Bücher weiter heißt: caetera quae ab haeretieis sive schismatieis _ eonseripta vel praedicata sunt, nullatenus reeipit catholica et apo- - stolica Romana ecclesia. Und unter diefen proferibirten findet fih liber Physiologus, quiab haereticis conscriptus est et B. Ambrosii nomine signatur, apoeryphus?'), Pitra meint, dies Decret auf den Pabft Damaſus zurücbeziehen zu fönnen und fagt, daß es von fieben Päbſten entweder verfchärft oder wenigftens erneuert worden fei. Er erwähnt dabei ausorüdlich das fogenannte Decret des Pabftes Hormisda, des ſechſten nach Damaſus. Doch ift dies Decret wörtlich daffelbe, wie das — Gelaſianiſche und nur durch handſchriftliche Bezeichnungen, vermmthfich rigerweiſe, auch dem Hormisda zugeſchrieben 72). Aber bie Zeiten und 71) Das Decret iſt abgebrudt in: Sedulii Opera ed. Arevalo. p. 424 | (438). Zaccaria, Storia polem. delle proibizione de’ libri. p. 33 (38). Wei⸗ tere Eitate gibt Jaffe, Regesta Pontific. Romanor. p. 56. no. 378. 72) Bigilins Tapjenfis fagt am Schluffe des 6. Buches feiner Schrift | De Trinitate: Si quis contra traditionem canonis haerelicorum apocrypha, quae ecclesia catholica omnino non recipit, super haec praeponere vel de- _fendere voluerit, anathema sit. Hierzu bemerkt P. F. Ehifflet Ausgabe von _ Vietoris Vitensis et Vigilii Tapsensis, provinciae Bizacenae episcoporum ‚opera. Divione 1664. Nötae p. 149), daß der hier erwähnte Kanon wohl der des Babftes Gelafins vom Jahre 494 (6) fei. Ein „Jurensis codex pervetustus“ fegt denjelben dem Hormisba bei. Da diefer Eoder den Kanon „tum ordinatius tum emendatius” enthält, brudt er ihn ab (p. 149156). Alle übrigen Hand- 7 Die Booigie bes ittelattert. _ Anfihten ändern ſich und ſchon ein gahrhundert päte — Phyſiologus ſeinen gewiſſermaßen officiellen Einzug in die ſymboliſche Litteratur. Gregor der Große citirt ihm wiederholt und hebt damit nicht bloß das Verbot feines Vorgängers auf, jondern führt auch die Schrift unter die empfehlenswertben und nugbringenven ein. Man könnte num geneigt jein, die ausführlichen Commentare zur Schöpfungsgejchichte als weitere Ausführungen des Phyfiologus zu betrachten. Jedenfalls find auch fie in gleichem Geifte, wenn auch nicht im gleicher Form gefchrieben. Sie haben aber, beſonders in An- ſehung eines etwaigen Einfluffes auf Förderung naturwiffenfchaftlicher Meinungen keinen auch nur annähernd beveutenden Einfluß geäußert. Eitirt werben fie freilich noch lange und die drei berühmteften Herae- mera, bie des Bafilius, Ambrofius und Pſeudo⸗Euſtathius haben auch) ficher, jchon ihrer Verfaſſer wegen, in hohem Anfehen geftanden. Aber einmal ſchon die Thatjachen, daß fie als Werte einzelner Männer erſchienen, daß fie mehr nach Art der homiletiſchen Schrifterflärung . Schritt für Schritt die ganze Schöpfung erläuternd burchgiengen, und endlich daß fie in Folge des legteren Umftandes verhältnigmäßig um⸗ fangreich und vieljeitig wurden, alles dies hinderte ihre allgemeine Berbreitung und ließ fie nicht in gleichem Maße wie den Phyfiologus voltsthümlich werden. Dafjelbe gilt für Schriften, wie das ange führte Gebicht des Alerandriners Cyrillus, welches wohl moraliftrt und zur Bewunderung göttlicher Weisheit und Liebe in ver Schöpfung aufforvert, aber noch nicht in die Richtung einlenkt, welche, weitaus die wirfjamfte und verbreitetfte, beinahe ven Charakter der einfchlägigen theologifchen Litteratur für Jahrhunderte beftimmte, die fymbolifirende. Es würde nicht fchwer fein, eine beträchtliche Lifte derartiger ſymbo⸗ licher Darftellungen zufammenzubringen. Tritt auch in ven für die Geſchichte der Wiſſenſchaft wichtigften Schriften des dreizehnten Jahr⸗ Ihriften nennen Gelafius als Berjaffer und noch Pabft Nicolaus I. fpricht in ber 42. Epiftel (ungefähr um 865) das Decret demjelben zu (p. 157). Nah Ehiff- let's Anficht ift num das Decret von Gelafius als concilii totius canon ausge» gangen, von Hormisda ald decretale pontificium beftätigt worden. Bergl. auch ‚bie Roi von Labbe in: Mansi Collect. Concilior. VHI. p. 531. { \ x — Son do Bien un dr Gut am Ga We gen Qu 145 — hunderts eine etwas — Richtung auf, ſo erhält ſich doch die Symboliſirung noch lange, weit über den Zeitraum hinaus, welcher ‚die Blüthe des Phyfiologus umfaßt. Wie noch das tridentiner Concil durch den römifchen Katechismus die Bedeutſamteit diefer figürlichen Berwendung anerkennen ließ, jo finden fich vor und nach ihm zahl- reiche Belege für diefe, eigentlicher Erkenntniß fremd gegenüberftehenve Erfaffung der Natur. Beifpielsweife mag hier nur auf Alanus ab In⸗ | ſulis Hildefonſus? und Joannes Inftitor 75) verwieſen werben. —— — — Stand des Wiſſens und der Cultur am Ende des zwölften Jahrhunderts. Es wurde oben der Gründung der beiden Bettelorden gedacht, ‚der Dominikaner und Franziskaner. Um die hervorragende Stellung, welche biefelben im 13. Jahrhundert der Entwidelung der Wiffenfchaf- ten gegenüber einuahmen, beurtheilen zu können iſt eine flüchtige Er- innerung an die allgemeinen Culturverhältniffe, unter denen fie ent« ftanden, wicht unzweckmäßig. Daß fie den Benediktinern ven Berufder - Lehrerſchaft für das Volt abnahmen, wurde nach den Zuftänden diefer Genoſſenſchaft oben Kurz angedeutet. Tiefer liegende Gründe laſſen in ihnen die unabfichtlichen Verbreiter und Erhalter der Wifjenfchaftlichteit erkennen, ſelbſt in Zeiten, wo die Kirche durch ihre Satzungen mehr dahin zu wirken ſuchte, das Wiſſen vom Glauben abhängig zu machen, als den letzteren durch Erweiterung des Wiſſens zu ſtützen. Hoatte Karl der Große durch Gründung und Förderung von Schu⸗ 73) Alanus ab Insulis, Oculus s. Summa. Argentor. s. a, (Pitra). 74) Im demlib. II. itineris deserti quo pergitur post baptismum (Baluze, Miscellan. ed. Mansi T. II. p. 39) werben von Cap. LII bis LXXI zunächſt das olatium avium spiritualium, dann die significationes von Vögeln, Schlangen md Säugethieren angeführt. 75) Derfelbe zählt im Breviloquium animi cujuslibet reformativum bie Omboliichen Beziehungen von zwanzig Vögeln auf, zu demen er auch Die Fleder⸗ Haus rechnet. — Weiteres ift bei Pitra, Spicilegium. Tom. IN. zu finden. 8. Carus, Geſch. d. Zool. 10 —— — Die Zoologie des Mittelalters. len, durch Empfehlung. ernfter claſſiſcher Studien , gegen welche indeß die heimatlichen Landesſprachen nicht zurücktreten jollten, das nach den Stürmen der Bölterwanderung und den Kämpfen im Reich felbft gefuntene geiftige Leben wieder zu heben verſucht, jo war er es doch auch, welcher ven Keim zur Entwidelung jenes, Jahrhunderte lang das ganze europätfche Abendland geiftig und materiell erjchütternden Kampfes zwifchen kirchlicher und weltlicher Macht gelegt hat. Die frei- lich in älteren Weberlieferungen wurzelnde Ueberzeugung, daß dei deutjche König durch Uebernahme der römischen Kaiferwürbe das Haupt der chriftlichen Welt werde, hatte zwar fo lange nichts Beunruhigendes, als feine Machtftellung dem Pabfte und Klerus gegenüber noch Bürge feiner unbedingten Selbftändigteit war. Aber ſchon die Erneuerung bes „heiligen römischen Reiches deutſcher Nation“ hundert und fechzig Sabre fpäter durch Otto ven Großen, die feiner Krönung vorausgehen- ben und unmittelbar folgenden Greigniffe zeigen, daß die Kirchliche Macht fich nicht damit begnügt hatte, der gefanmten Ehriftenheit allein Glaubenslehren vorzufchreiben,, fondern daß fie die pſeudoiſidoriſchen Deen zu verwirklichen fich anfchidte. Ein Jahrhundert fpäter erfchien Heinrich IV büßend und reuig zu den Füßen Gregor VII; und gerade - wieder nach hundert Jahren erfannte Friedrich 1, nicht in überwallen: der Bußfertigkeit, fondern nach ruhiger Ueberlegung auf dem Eongreffe in Benedig die Gewalt des Pabftes, damals Alerander II, an. Wie ſchon dieſer Auffchwung des päbftlichen Anſehens erfennen läßt, vaf gegenüber der weltlichen Macht der Fürften und Herren die Kirche mit ihrem Anhang einen entjcheidenven Einfluß auf die Gemüther der großen Maſſe zu äußern gelernt hatte, fo begreift es fich auch leicht, daß Un— terricht und Bildung nur joweit gedeihen konnten, als der vielfach ver: weltlichte Klerus nicht durch andere Interefjen von. dem abgezogen wurde, was über die unmittelbare fogenannte Seeljorge hinaus in gei- ftiger Hinficht für das Volk zu thun war. Die unter den Ottonen fin kurze Zeit auffladernde Flamme eines vegeren geiftigen Lebens erſtickte bald wieder unter ven beftändigen Kämpfen , die das ganze Abendlant durchwühlten. Und als, wie im Gefühle ver Nutzloſigkeit eines gegen- feitigen Aufreibens, der Gottesfriede zu Stande kam, wurde durch das “* >. Sond ds fen un dr Gulur am Eade Ks gen Jah. 487: eng ‚mit ihm fich 5 verfnüpfenbe Ideal eines allgemeinen Kampfes der Ehriftenheit gegen die Unglänbigen das — für das nächſt Lie- gende wieder abgezogen. Die Kreuzzüge brachten aber dem Abendlande eine Menge neuer Anſchauungen. Schon früher hatten zwar Wanderungen und Buß— fahrten nach dem heiligen Yande Gelegenheit gegeben , manche srienta- liſche Sage im Abendlanvde nicht abfterben zu laffen. Zuweilen wurden durch Gefandtichaften zwifchen morgen- und abendländifchen Herrichern (3. B. Karl dem Großen und Harım al Rafchid) Gefchente ausgetaufcht, welche auch die naturhiftorifchen Bilder des Volkes mit neuen Zutha- ten bereicherten. Die mythiſche Zurüdführung weitenropäifcher Völler auf einzelne Theile des griechiichen Sagentreifes, die Verbreitung man⸗ cher alerandrinifchen Wunvergefchichte findet wielleicht durch Aehnliches ihre Erffärung. Eine wirkungsreichere und nachhaltigere Anregung er- - hielt aber das Abendland doch erft mit den Krenzzügen, deren Folgen - Am geiftiger Beziehung bier noch befonders zu fchildern kaum möthig ift. Während fich aber durch diefelben der Blick im Allgenteinen erweitern lernte, erwachte auch im Schoße des Klerus, befonders des weitfrän- iſchen, der nur zeitweife zurückgetretene Speculationseifer von neuem. Dem unbedingten Autoritätsglanben traten immer häufiger Verſuche 5. Kugler na Re eu SR h Mr R en A en u entgegen, burch 'eine felbftänvigere freiere Erfaffung einzelner Lehren des Myſteriums dafjelbe zugänglicher , die Heilswahrheiten , im deren ausſchließlichem Beſitz zu jein die römifche Curie immer entjchiedener behauptete, menjchlich faßbarer zu machen. Wenn num aber derartige, oft zu erbitterten Streiten führende Meinungsverfchievenheiten dem ungebilveten großen Haufen gegenüber erft nach und nach eine Wirkung äußerten, fo daß die Theilnahme der weltlichen Benölterung erft ſpät zu Tage trat, fo war es vorzüglich das äußere Leben des niedern wie böchften Mlerus, weiches zu Angriffen von allen Seiten dringend auf- - forderte. Beide Momente waren für die Vorbereitung und Entiwide- lung der im breizehnten Jahrhundert auftretenden litterarifchen Erſchei⸗ mungen von größter Bedeutung. Mit dem erft erwähnten Umftande hängt die Entwidelung einer E allgemeinen philoſophiſchen Auffaffung zufammen, welche an bie nur 10* We ER, k r — ET Die Zoologie ds Mitlatee zum Theil zugänglich gebliebenen Philofophen des Alterthums anfnü. | pfend, als eine nothwendige Folge des reichlich zuftrömenden Stoffes eintreten mußte. Daß hierbei die Kirche ihr Intereffe vor allen Dingen zu wahren fuchte, war eine eben jo nothwendige Yebenserjcheinung der» felben. Im ihren Händen, nicht in denen der Yaien lag die Pflege und die Erhaltung der Wiffenfchaft. Die gefammte Ehriftenheit, „welche beftändig auseinander zu fallen drohte‘, war in ihrer Vertretung umd in ihrem Schuge gegen die zerfegenden Parteieinflüffe auf die Hierar- hie angewiefen. Da war denn das erfte und natürlichfte, daß einzelne Differenzpuntte, wie die bereits erwähnten Lehren Gottſchall's, bes Paſchaſius Ratpertus, die fpäteren Streitigkeiten Berengar's von Tour u. a. ausgeglichen over unterbrücdt wurden. Wichtiger war, daß die ganze Philofophie eine beftimmte, der Kirche dienftbare Form erhielt. Nun war aber nicht bloß der gefammte, von den Kirchenvätern, Sy- noden und Concilen beftimmte, fich nach und nach vermehrende und abrundende Slaubensinhalt philofophifch zu begründen, fondern es galt vorzüglich auch, die platonifche und ariftotelifche , die idealiſtiſche und rationaliftiiche Anficht von der Natur der Dinge zum Ausgleich zu bringen; — ein Ausgleich, welcher auch für die Entwidelung ver wil- ſenſchaftlichen Erfaffung der Natur von maßgebenvder Bedeutung jein . mußte, Das ganze Gewicht ver Philofophie des Mittelalters, welche als mit der Theologie zufammenfallend angefehen wurde, wenn fchon ein eigentliches Aufgehen verjelben in letterer nur vorübergehend zu erreichen war, galt der Loſung des durch Porphyrius und Boẽthius überlieferten Problems, ob vie allgemeinen Begriffe der Arten und Öattungen eine von den wirklichen Dingen unabhängige Realität be- - fäßen ober ob fie nur als fubjective Vorftellungen zu gelten hätten. - Dies ift die Grundfrage der Scholaftit. Die erfte an Plato fich an- Ichließende Beantwertungsart ftellt ven von Wilhelm von Ehampenur beſonders vertretenen Realismus, die legtere ven Nominalismus bar, deſſen Ernenerer, Rofcellinus, zum Widerruf feiner Lehre gezwungen wurde. Im Grunde war biernach bereits Johannes Scotus Erigena Scholaftiter. Ihm ift Gott die einzig wahre Subftanz ; alle Gejchöpfe e — * BE ——— er a tale 7 ae 5 * FD Be RE 7 — #.ı = ; Stand des Wiffens und der Cultur am Ende des zwölften Jahrh. 149 find intelfectuelle Begriffe Gottes, welche ewiges Sein haben. Da in- deſſen biefe und ähnliche Anfichten für zu frei und dem orthodoxen Glau—⸗ ben feindfelig gehalten wurden, wandte fich ver ganze Scharffinn ver an ariftotelifchen Gefegen groß gezogenen Dialektif vem Ausbau des von Anſelm zuerft mit Entſchiedenheit betonten Grundfates zu, daf bie Erkenntniß auf vem Glauben berube. Hiermit war theologiich das Vor- berrichen ver platonifchen Auffaffung der Welt und Schöpfung gege- ben, wiffenfchaftlich duch Zurüdjegung des Werthes unmittelbar finn- licher Erfahrung die Ausficht verfperrt. Die ganze Anficht Anfelms jchließt fich noch eng an die Ueberlieferung der Kirchenväter an ; es hat fich daher noch lange nach ihm die Kirche gefträubt, dem immer drin gender werdenden Bebürfniffe nach Unterfuchungen über ven natür- lichen Zufammenhang der Dinge von einer andern Seite her entfprechen zu laffen, wie es erjt nach dem Bekanntwerden des Ariftoteles im brei- zehnten Jahrhundert möglich wurde. Wie fehr die Erneuerung der Auf- faffung der Natur im Sinne einer zunächft finnlich gegebenen Erfah⸗ rung für das Wiederaufleben der Wiffenfchaft nothwendig war, geht unter anderm auch aus dem negativen Refultate anderer abweichender Beftrebungen hervor: es konnten weder der Nationalismus Abälard's und Arnold's von Brescia, noch die orthodoxe Myſtik Bernhard's von Clairvaur und der Bictoriner , befonders Hugo's 7%), von irgend wel- chem Einfluß auf Anregung oder Erneuerung einer erweiterten Natur anfchauung fein. Es wird fich daher fpäter vorzüglich darum Handeln, das Eintreten der naturhiftoriichen Schriften des Ariftoteles in den Wiſſenskreis des Mittelalters und feine Wirkungen zu fchildern. Da- bei wird fich zeigen, wie nach verſchiedenen, zum Theil für ihre Zeit ſehr glücklichen Verſuchen, den Realismus mit dem Nominalismus zu vereinigen, allmählich der letttere, wenn auch nicht immer unter dieſer 2 76) Es mag bier auf die Schrift De bestiis hingewieſen werben, welche ge⸗ — wöhnlid dem Hugo a S. Bictore zugeſchrieben wird und in defjen Opera (1516) Tom. II. fol. CCXLI v. ſich findet. Sie ift indeß nah Casimir Oudin (Com- ment. de Scriptor. eceles. Tom. Il. p. 1107), dem die Herausgeber ber Histoire Jitter. de la France (Tom. XII, p. 498 und Tom. XVI. p. 422) folgen, von e drei verichiedenen Berfaffern, Hugo de Folieto, Alanus ab Infulis und Gulielmus | F Perrotenfis. "150 Die Zoologie bes Mittelalters. prägnanten Bezeichnung feines philoſophiſchen Gehaltes, bie Erfor- ſchung ver Natur, als auf finnlicher Erfahrung berubend, der welt- fichen Wiffenfchaft überlieferte und durch dieſes Yosmachen von den Feffeln des Dogmenzwangs ber neuen Zeit die Bahn brach. Frägt man num aber, von wen bie Nenerungen, in früherer Zeit wenigftens die Anregungen zu lebhafterem geiftigem Kampfe aunsgiengen, jo waren e8 allerdings im Anfange noch Benebiktiner, wenn man nur auf Lanfranc und Anfelm, die Gründer der Scholaftil blidt. Doc) gieng die Fortführung der Bewegung bald in andere Hände über. Die, wie fchon oben erwähnt, des Lehramts nicht mehr pflegenben Genoſſen Benedilt's trieben die weniger aufregende Gejchichtichreibung und über- ließen den eigentlihen QTummelplag der Geifter anderen Orben, Und bier tritt nun die Bedeutung ver beiden Bettelorden hervor. Die Päbfte waren doch des ewigen Schleuderns von Bannftrahlen gegen anders Dentende müde geworden und begrüßten in den men entftehen- den, freilich im Grunde durch Oppofition gegen päbftliches Unweſen veranlaßten Orden wirkjame Helfer bei ver Arbeit, den Keßereien zu feuern. Schon feit dem elften Jahrhundert war einzeln und zufam- menhanglos, aber mitunter äußerft heftig gegen das prunkhafte äußer- fiche und weltliche Leben der Geiftlichkeit und der Päbſte ſelbſt, fowie gegen den ftarren Dogmenzwang der Kirche angelämpft worden. Be- denklich wurden die Bewegungen zu Ende des zwölften und Anfang des breizehnten Jahrhunderts. Es ergriff daher Innocenz III das fich ihm in Franciscus und Dominicus bietende Mittel, durch Anerkennung des Princips der Armuth und aufopfernden Entfagung nicht bloß den haupt- ſächlichſten Klagen gegen feine Kleriler gerecht zu werden, fondern durch die fich ven bürgerlichen Verhältniffen viel leichter und ſchneller anbe- quemenden Bettelmönche direct in Lehre und Predigt auf das Bolt wirken zu fönnen. Die fchnelle Verbreitung beider Orden, die zuweilen faft häretijche Stellung der Franziskaner, die Betheiligung der Domi- — nilaner an der Schürung der wahnſinnigen Ketzervertilgungen, ber Bi} | greulichen Albigenferkriege, die ihnen bald überlaffene Inguifition mit allen ven ſchaudervollen Ungeheuerlichkeiten, welche die Unterorbnung er der weltlichen Executive unter das geiftliche Gericht mit fich brachte, Die Zoologie der Araber. 7 — ſind Thatfachen, an welche hier nur erinnert zu werden braucht. Es gehört aber eben jo nothwendig in den ganzen Entwidelungsgang ihres allmählichen Einfluffes , daß fich die beiden Orden bald ven Unterricht faft ausschließlich aneigneten. Wollten fie hierbei einflußreich bleiben, jo mußten fie fich der brennenden Streitfragen der einzelnen Zeiten bemächtigen und fie im Sinne der ihnen gewordenen Aufgabe zu löſen ſuchen. Das haben fie gethan; in welcher Weife — das zu unterfuchen gehört nur zum Heinften Theile hierher. Sicher ift aber, daß aus dem dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert Fein für die Entwicelung der Naturwiſſenſchaften, befonders ver hier allein berüdfichtigten Zoologie beveutungswoller Name zu nennen ift, welcher nicht ‚einem Franzis- faner oder Dominikaner angehörte. Thomas Cantipratenfis und fein Ueberjeger Jakob von Maerland und Conrad von Megenberg, Albert ber Große und Bincenz von Beauvais waren Dominikaner, Roger Baco und Bartholomäus Anglicus waren Franzisfaner. Aber ehe ihre Behandlungsweife der Zoologie geſchildert werben kann, muß der Wege gedacht werden, auf welchen das Abendland mit den Schriften des Ariftoteles wieder befannt wurde. Die Zoologie der Araber. Culturhiſtoriſche Charakteriftik der Araber. Wo big jet von wiffenfchaftlicher Entwidelung zu fprechen war, ſtellten fich als Träger verjelben überall Glieder der großen arifchen - Böllerfamilie dar. Dazu trat dann als mächtigftes Element der eigen- thümlichen Richtung einer neuen Culturbildung das dem ſemitiſchen - Boltsftamme Paläftina’s entjpringende Chriftenthum. Die Summe | des antiken Wiffens , welches anfangs vom Chriſtenthum feindlich zur rüchgewieſen doch als umentbehrlicher Grund eines Weiterbanes erkannt wurde, gelangte, faft ausfchließlich in feinem formalen Theile, zur ein- feitigen Verbreitung durch den fich aus dem übrigen Volke herauslö- u u Die Bologna. ſenden geiftlichen Stand. Noch war aber ber Sqcat ——— zu heben, welcher von den Schriftſtellern des Alterthums, beſonders Ariftoteles, auf dem Gebiete der Naturkunde hinterlaffen worden war. Ein eigenthümliches Geſchick hat auch hier einen jemitifchen Volls⸗ ftamm, die Araber, zum Vermittler gemacht, freilich nicht ohne bie bebeutende Hülfe anderer Elemente, namentlich ver Syrer und Berfer. Denn went auch die leidenfchaftlichen , phantafiereichen Araber wenig Jahrzehnte, nachdem Muhammed vie verfchiedenen heibnifchen Stämme feines Bolles zum Glauben an einen Gott vereinigt hatte, fich mit Eifer ver fprachlichen und fachlichen Erklärung und Weiterbilvung ver im Koran niedergelegten Lehren annahmen, wenn fie auch als Ueber: reſt ihres religiöfen Naturvienftes die apotelesmatifche Aftrologie und damit auch bie Ajtronomie ſelbſt aus eigenem Antriebe zu fördern fuch- ten, jo wären fie doch wohl weder Gründer der Erperimentalmebicin und der fich an diefe anfchließenden Naturwiffenichaften, noch Bewah- ger der ariftotelifchen Zoologie geworben, hätten nicht gelehrte Syrer ihnen die Schäße der griechifchen Litteratur zugeführt, hätten nicht die ſchon vorher gleichfalls durch die Syrer mit den Griechen bekannt ges worbenen Perjer durch ihren Eintritt in den Entwidelungsgang ver arabifchen Welt zu jelbftändigen Forſchungen, fowie zur näheren Be— fanntjchaft mit den Refultaten antiter Geiftesarbeit angeregt. Es ge hörte ja auch einer ver größten Philoſophen und Paraphraften ver ari- ftotelifchen Zoologie, Avicenna, einer perfiichen Familie an, wie auch) bie Mehrzahl der Ueberfeger und Commentatoren keine Araber, fon- dern vorzüglich Syrer waren. Der Charakter der geiftigen Richtung ver Araber wird zum großen Theil ſchon durch die Art erflärt, wie Muhammer ven Monotheismus erjaßte. Der Gott Muhammeds war zunächſt nicht wie der Gott Abrahams ein dem Volke der Araber ausfchlieklich eigener und ihm allein offenbarter, er wurde gleich von Anfang an als ein bie ganze Welt durchdringender erfaßt. Sein Anfehen, den Glauben an ihn zu verbreiten wurde heilige Sache ver Araber, denen er durch Muhammed zuuerſt iwieber verkündigt war. So viel Anknüpfungspunkte aber auch zwiſchen Muhammedanismus einerfeits und Iudenthum und Chriſten⸗ 2. Die Zoologie der Araber. | 453 .: thum andererfeits vorhanden waren und fo viel davon befonders in ber Ritualiſtik des religiöfen Lebens zur Erſcheinung kam, fo lag doch darin ein großer Unterſchied, daß im jüdifchen und chriftlichen Gottesbegriff . ein ziemlich weit gehender Anthropomorphismus auftrat, während ver Muhammeraner fich und die ganze Welt in einen viel fchrofferen Ge- genfat zu Gott ftellte. Selbſtverſtändlich foll damit nicht gefagt fein, daß fich die dichterifche Phantafie der Araber nicht mit Bildern erfüllt hätte, welche Gott menfchlich faßbar darftellten. Wichtig ift aber dieſer Umftand in Bezug auf die Beurtheilung des Verhältniſſes der Natur zu Gott. Entfprechend ver Berbreitungsweife des Islam durch das Schwert konnte befonders im Anfange feiner Laufbahn ein reiches Erblühn wif- jenfchaftlichen Lebens nicht erwartet werden. Die Verlegung des Cha- lifenfiges von Mekka nah Damaskus unter Muawin I führte zwar dort die Araber nicht bloß mitten in eine griechifch-chriftliche Bevölle⸗ rung, fondern fieß auch unter dem genannten wie unter feinem Nach— folger Abbsel-Melit eine mebieinifche Schule entftehen, in welcher jeven- - falls griechifche Autoren der Bildung werden zu Grunde gelegt worben fein 77). Eine befondere Anregung erhielt aber das Aufblühn der Wif- ſenſchaft, als unter ven Abbafiden die ſchon feit längerer Zeit an ftren- gere geiftige Arbeit gewöhnten griechifchen Chriften umd die der Pflege ver Gelehrfamfeit befonders ergebenen Perſer in dem Kreis der ara- biſchen Geiftesbiloung gezogen wurden. Freilich führte das Studium zunächſt zum Auslegung des Koran und Begründung einer aus biefem abzuleitenden, für die Sicherung der fich neu ordnenden focialen Ver— 77) Sie wurbe von einem griechifchen Arzte Theodofos in der erften Hälfte des 8. Jahrhunderts gegründet. Aus ihr gieng unter andern Schülern einer ber- vor, den Häſer (Geichichte der Mebicin, 2. Aufl. 1. Bd. S. 128) irrig Ibn x > Shpinatpa und einen der berühmteften arabiichen Aerzte und Naturforfcher nennt. - Es ift dies die Stelle aus Abulfaragii Hist. dynast. ed. Pococke, ©. 200, £ Ueberfegung &. 128, wo der unter Manfur lebende Jude, Phorat Ibn Schonatha - (ober Forat Ibn Schachnaſa, wie ibn Hammer von Purgſtall, Literaturgefch. d. - Araber 1, 3. S. 270 nennt) einfach als Schüler diefer Schule angeführt wird. vergl. ber die Stelle bei Häſer: €. Meyer, Geſch. ver Botanik 3. Bd. ©. 92, wo ber | Irrthum bereits berichtigt wird. n ii BE | 154 - Die Zooogie des Mita häftnifje nothwendigen Gefegkunde. — fuchung einmal angeregt hierbei nicht ſtehen bleiben, ſondern bediente fich der ſchon zugänglich gewordenen ariſtoteliſchen Methodik zur philo- fophifchen Dogmatifirung des neuen Glaubens. Damit verband fich das Entftehen weiterer philofophifcher Syfteme, von welchen für bie Auffaffung der belebten Natur befonders die folgenden Bedeutung "haben. Der ftarre Fatalismus, welcher die Lehre des Islam in ihrer or- thoboren Form fo ſcharf kennzeichnet, fand feine erfte philofophifche Begründung durh El Aſchari im zehnten Jahrhundert. Für bie Aſchariten gipfelt fich Alles in der abfoluten Unvereinbarkeit des Be- griffes Gottes mit dem Begriffe der Welt. Letztere ift micht bloß erft geſchaffen, fondern geradezu als bloße Emanation Gottes anzufehen ; ihr hängt alfo der Schein an. Kein Ding oder fein Atom der Subftanz ann länger als ein Zeitatom eriftiren, wenn es Gott nicht von Neuem ſchafft. Ein Verhältniß von Urfache und Wirkung befteht nicht; vie Dinge ftehen unverbunden nur durch Gottes Willen fo nebeneinander. Selbſt Gott ift nicht Urfache der Dinge; diefelben find mur feine Schaffungen. Einem gejeglichen Zufammenhange der Naturerjcheinun- gen von biefem Grunde aus nachzuforfchen war natürlich unmöglich. Eine vermittelnde Stellung zwifchen platonifchen und ariftoteli- chen Anfichten nimmt EI Farabi ein, welcher gleichfalls dem zehn- ten Jahrhundert angehörig durch die der nenplatonifchen Emanations- lehre gegebene Form der Aftrologie ihre durch das ganze Mittelalter dauernde ſyſtematiſche Geftalt gegeben hat?°). Zwiſchen Gott als die 78) Auch der menfchliche Berftanb ift ein Theil des göttlichen thätigen Ber: ftandes. Anfangs nur bildbungsfähige Materie (intellectus possibilis) wirb ber Berftand, wenn der Gedanke mit dem Gebachten eins wird, wenn wir in dem Ge⸗ banken die innere Form des Gegenftandes erfaflen, gebilbeter, geformter Berftanb (intellectus formatus). Lernen wir dieſen Berftandb bewahren und durch das Sy- ſtem der Gedanken, bereichert mit andern Arten des Berftändnifies, das ganze Sy- ftem der Formen darftellen, dam wird e8 erworbener Berftand (intellectus adep- tus). Dies ift der Urfprung des Wortes Adept in feinen verichiebenen Bedeutungen. vergl. Ritter, die hriftliche Philofophie. Bb. 1, ein Werk, welches zu obiger, wie der vorausgehenden Schilderung vielfach benutzt wurde. __ Pie Zoologie der enter "195 erſte nothwendige Urſache und die Vielheit der zuſammengeſetzten Welt tritt der thätige Verftand, eine Emanation Gottes. Aus dieſem fließen die Kräfte des phyſiſchen Weltſyſtems in den einzelnen auf einander folgenden Sphären bis zu den Bewegungen an ver Oberfläche der im Mittelpunkte ves Ganzen ruhenden Erde. Der thätige Berftand „vurch- bringt die ganze Welt und alles Niedere daher, alles Irdiſche wird durch ihn, durch das allgemeine Gejeg ver Welt zufammengehalten“. Bei Ibn Sina (Avicenna) löft fich die Materie von Gott ab und wird als zweites Princip das Subject der zufälligen Erſcheinungen. „Sie ift ver Grumd der befondern Dinge, welche nur ein mögliches Dafein haben, oder der Grund der Inbividuation‘. Dem entfprechenv unterfcheidet er auch rückwärts in der erfennenden Seele die finnliche Form von der überfinnlichen, welche legtere allein ven wahren Begriff - der Sache gibt. Dabei findet fich dieſelbe VBorftellung des thätigen Verſtandes, welcher von den himmlischen Sphären bis auf die Erde ‚wirft, und ebenfo die allmähliche Entwidelung unferes Verftanves ; nur ift bei ihm der Berftand des Adepten „die erworbene Wiffenfchaft, ‚welche wir aus unfern allgemein wiffenfchaftlichen Grundſätzen durch den Beweis ziehen“. Wird ſchon durch die bei Ihn Sina auftretende Anſchauung eine Naturforfchung venfbarer als bei den Früheren, welche nur durch eine eigenthümliche Hebertragung metaphyſiſcher Vorftellungen auf phyfiiche - Grundkräfte vem Zufammenhang ver Dinge näher traten, jo erhält die philoſophiſche Anficht bei Ihn Roſchd Averroes eine Form, welche der modernen Naturanjchauung äußerft nahe kommt und fowohl durch ihre Einfachheit als durch ihre Natürlichkeit ſchon im Mittelalter Auffehn erregte. Selbftverjtändfich wurde fie als ketzeriſch verrufen und ihr ver: dankt wohl hauptſächlich die mit ihr in enge Verbindung gebrachte Lehre des Ariſtoteles die gegen deſſen phyſiſche Schriften erlaſſenen Verbote. Es fann nicht im Plane der gegenwärtigen Darſtellung liegen, das { ganze philoſophiſche Syſtem diefes felbftändigiten Ariſtotelikers zu fchil- dern; es mag Hier auf die Arbeit Renan's verwiefen werden. 79) E. Renan, Averroes et PAverroisme, Paris, 1852. * > er N a Die Zoologie bes Mittela elaktert. Bon Wichtigkeit ift hier nur hervorzuheben, daß Ihn Roſchd fowoht Gott als die Materie für ewig erklärt, es wird nichts gefchaffen. Zeu- gung und Entwidelung find nur Bewegungen. Der bewegende (thätige) Berftand bringt nur die Theile der Materie in andere Berhältnifie, wodurch die in ihr liegenden Formen zur Erfcheinung fommen. Wie nun bie Form das fich in allen Dingen findende Immaterielle ift, fo ift auch die immaterielle Seele nur eine Form des belebten Körpers ; die Gedanlen werben aus der Materie nach beftimmter Ordnung ent: widelt. Indem die kreifende Bewegung des Himmels bie in der Ma- terie liegenden Formen zur Erfcheinung kommen laſſen, löft ber erfen- nende Berftand durch Einficht in die Urfachen der letzteren die Materie in die in ihr liegenden Formen auf. Sie wird daher nicht mehr als Schranke ver Ertenntnif zu fürchten fein. Man fieht, daß Ibn Rofchd Grundfäge entwickelte, welche wohl, ſchon ihrer außerorbentlichen me- thodiſchen Bedeutung wegen, zu einer freieren Auffaffung des Lebens und ber belebten Weſen hätten führen können, wenn die Anwendung berjelben auf lebende Formen in größerer Auspehnung möglich gewefen wäre. Das religiöfe und nationale Vorurtheil geftattete indeffen vor alfem feine anatomischen Unterfuchungen , vor denen die Araber gera- dezu Abjchen Hatten 50). Die Arbeiten, welche fich auf Thiere bezogen, - hatten daher weniger eine Erweiterung der Kenntniffe von ven betref- - fenden Formen, als eine Zufammenfaffung alles deffen zum Ziel, was über die Geftalt, Lebensweife u. ſ. f. der einzelnen Thiere bereits be- kaunt war, häufig verbunden mit einer Ueberficht des fich an dieſelben fnüpfenden mythifch-poetifchen,, refigiöfen und hiftorifchen Details und bejonders ihrer mebicinifchen Wirkungen. Wie neben den technifch-me- tallurgijchen Arbeiten vorzüglich die pharmacentifchen Verſuche zu den eriten Anfängen der Chemie führten, jo regten die Beftrebungen, ven - 80) Selbfländige Erweiterung hat die Anatomie, felbft die menſchliche, bei > den Arabern kaum gefunden. Ihre Quellen waren Ariftoteles und Galen. Unter ber Lifte jelbftändiger Werke wird zwar auch eine Anatomie der Flugthiere erwähnt werben. Im welchem Verhältniß aber die nur dem Titel nach befannte Schrift zu einer wirklichen Anatomie der Vögel fteht, ift nicht zu eutſcheiden Be Die Bolgi dr ak. RE 157 Heilmittefäg zu erweitern zu einer genaueren Kenntniß von Thieren und Pflanzen an. Aber ebenſo wie die Chemie und Aſtronomie kaum vom alchymiſtiſchen und aſtrologiſchen Aberglauben zu löſen war, ſo ift auch das, was bei den Thierſchilderungen von eigenen Zuſätzen er- fcheint, meift jo vielfach mit abergläubifchem Unfinn durchſetzt, daß da— mit nichts weniger als eine Bereicherung des Wifjens gegeben wird. Derjelbe Aberglauben findet ſich dann noch bei den abendländiſchen Nachfolgern der Araber wieder, unter denen jelbft Geiftliche in verjel- ben Weife die medicinifche Verwendung ganzer Thiere oder einzelner Theile, häufig in Bezug auf Störungen im Gefchlechtsleben anführen, - fo beifpielsweife Albert der Große. Iſt num auch der pofitive Gewinn an etwaigen neuen Thatfachen, welchen die Zoologie aus dem Studium der arabifchen naturgefchicht- fichen Litteratur ziehen kann, nicht gerade hoch anzufchlagen, fo ift doch ‚zu bebauern, daß von den Schriften der Drientalen überhaupt bis jet fo änßerft wenig zugänglich geworben ift. Aus den an verfchievenen Orten umd zu verfchievenen Zeiten überjegten Bruchſtücken derſelben iſt zwar eine allgemeine Borftellung von der Auffaffung des Thierreichs bei Muhammeranern wohl zu gewinnen. Für bie fpecielle Gejchichte der Kenntnif einzelner Formen, für den Urjprung und die Verbreitung ‚vieler Sagen, jelbjt für die Erklärung mancher der Producte der jpät- ‚griechifchen Litteratur wäre aber ein weiteres Aufjchließen ber betref- fenden Schriften dringend zu wünfjchen. Die Continuität in der Ent- widelung einzelner Borftellungen ift noch immer durch eine Lücke von ‚mehreren Jahrhunderten unterbrochen. Die Gefchichte der Zoologie wie die Gefchichte der Eultur überhaupt, namentlich aber die Littera- turgefchichte des Mittelalters , welche noch immer an pfeudepigraphie ſchen Ungeheuerlichkeiten reich ift und durch das leidige Nachſchreiben nicht geflärt wird, würde eine wejentliche Bereicherung erfah- zen, wenn bie jegt nur dem Titel nach angeführten Werte erſchloſſen würden. Man kann bei der gegenwärtigen Lage der Dinge weder ein 3 Mammenhängendes Bild erhalten, in wie weit die Kenntnig thierifcher Formen durch die in wunderbarer Weife weit über bis dahin unbekannte T ile der Erde herumgekommenen Araber bereichert wurde, noch in rt | | _ welcher Weife fie den nothwendig eintretenden Zuwachs zum Ausbau allgemeiner Anfichten benugten. Ja, e8 ift bis jegt nicht einmal mög- fich, eine vollftändige Ueberficht über das litterarijche Material zu er- fangen, welches die abendländiſchen Schriftfteller des breizehnten Jahr⸗ hunderts benugen konnten. Originalarbeiten der Araber. Es wurde bereits angeführt, daß die Araber die Anregung zu wif- jenfchaftlichen Arbeiten, jo weit fich diefelben nicht auf den Koran be jchränften, von außen erhielten. Schon wor dem Auftreten Muham⸗ meds beftanden in Syrien und Aegypten griechifche hriftliche und jü- bifche Schulen. Antiochien, Damaskus, Berytus u. a. waren oft genannte Orte. Eine ver älteften chriftlichen Schulen war zu Nifibis, wo allerdings mit Ausfehluß der Profanwiffenfchaften nur Theologie - gelehrt wırrde. Bon bier ſoll Ephraim der Syrer die Schule nach Edeſſa verlegt haben, wo fie fich nicht mehr auf Theologie befchränkte. Als Zeno ber Iſaurier im I. 489 viefe Schule aufhob , giengen viele ihrer Lehrer nach dem zwei Jahrhunderte vorher gegründeten Gonbifchapur ; und dies ift eine der älteften Schulen, im welcher Perfer mit Griechen und Chriften als Lehrer direct in Berührung famen *). Fünfzig Jahre jpäter flüchteten die von Yuftinian vertriebenen Philofophen an ven Hof des Kosru Nufchirwan. Ueberfegungen ans dem Shrifchen und aus dem Griechifchen direct wurden nım veranlaßt. Als dann im ver Mitte des fiebenten Jahrhunderts das perfifche Reich vor dem fiegreich ſich ausbreitenden Islam zerfiel, fanden die Araber ein bereits veges geiftiges Leben dort vor. Doch ift nach der Natur der religiös fanatifchen Kämpfe nicht zu erwarten, daß ein directes Anknüpfen hier eingetreten wäre ; vielmehr gieng auch hier ver fpätern Wiederbelebung wifjenfchaft- 81) Im Bezug auf die weitere Entwidelung der Schulen und Alabemien, beren Schilderung bier zu weit führen würbe, vergl. Wüftenfeld, die Alabemien der Araber und ihre Lehrer. Göttingen, 1837. Haneberg, Ueber das Schul- und Lehrweien der Muhammebaner im Mittelalter. Münden, 1850. €. Meyer, Ge- ſchichte der Botanik. 3. Bd. ©. 19 flgbe, 102 flgbe. = & Ba Je a * > —⸗ * er x Die Zoologie der Araber. re A — fidhet Arbeiten wie an andern Orten eine Zerftörung der früheren Eul- tur und namentlich Yitteratur voraus. gſt es nun auch nicht möglich , eine Ueberficht der Leiſtungen der | einzelnen Berfaffer, weder in Bezug auf das von ihnen bearbeitete Material, noch in Bezug auf die etwa den Einzelnen eigenen Richtum- gen zu geben, fo mag doch, jchon um die Aufmerkfamkeit auf die hier - noch zu leiftende Arbeit zu lenken, eine Aufzählung ver Werke folgen, welche, wenn auch wohl vielfach als Eompilationen fich herausftellend, doch dem Veberjegungen gegenüber als jelbftändige Arbeiten angejehen werden können. Die Lifte ift hronologifch georpnet®?). Berückſichtigt wurden nur Schriften, deren Titel auf einen mehr oder weniger fpectell zoologifchen oder allgemein naturbiftorifchen Inhalt fchließen ließen und welche in Handfchriften erreichbar find. Die ältefte Schrift ift eine von el-Razi (Nhafes) citirte des als Arzt bekannten Abu Zakerija Jahja Ben Maſoweih (Mefue der ältere), welcher im Jahre 857 ftarb. Die Aufjchrift de animalibus läßt nicht erfennen, ob eine Aufzählung der in ver Mebicin verwend- baren Thiere oder eine naturhiftorifche Schilderung der Thiere über- haupt vorliegt °°). Ziemlich gleichzeitig wurden zwei Abhandlungen verfaßt, welche freilich nah Wüftenfeld wohl mehr lerikalifcher Art waren, immer aber jowohl für die Wiedererlennung einzelner Formen als für die Ge- ſchichte der am folche ſich knüpfenden Erzählungen Interefje darbieten dürften. Beide ftellen je zwei Bücher de feris und de apibus et melle dar. Ihre Berfaffer find Abu Said Abvelmalit Ben Koris el-A8- - mai (geftorben 832) und Abu Hakim Sahl Ben Muhammed el- Sedſchiſtani (gejtorben 864). ai a ar Der nächfte Schriftſteller iſt Abu Othman Amru el Kinani— 82) Borzüglich benutzt wurde: Wüftenfeld, Geſchichte der arabiſchen Aerzte und Naturforicher. Göttingen, 1840. Einzelnes iſt nah Ha mmer-Purgftall, — Wien, 1840 (aus dem 6188. Bde der Wiener Jahrbücher) und Et Khalfa ergänzt. Es lag indeß micht im der Abſicht, Bollſtändigleit zu |. 83)-Assemanni Biblioth. Naniana., II. p. 231. Die oolgie be Wie. el Diehahi Dſchahidh Wüftenfeld, Algiahid Bochart getrhen 8 868. Hammer-Purgftall jagt zwar, daß die Schrift deffelben „nicht mit Un- xrecht im dem meiften Katalogen unter den philofophiichen Werken auf- geführt wird. Indeſſen find- die Thiere der Hauptgegenftand derſelben und e8 bleibt immer das Grundwerk arabifcher Zoologie”. Der Titel kitab el-haiwän, Buch der Thiere, und die Eitate, welhe Bochart aus dem Werke gegeben hat, laffen wohl wünſchen, von der Schrift mehr zu kennen, als den von Hammer gegebenen Inhalt). Daß die- felbe bei den Arabern felbft verbreitet geweſen fein muß, beweift ber Umftand, daß nach Oſſeibia's des Biographen der arabijchen Aerzte Aungabe Abdallatif ein Kompendium daraus zufammengeftellt hat, wel ches aber bis jet ebenfowenig bekannt ift. Der als Ueberfeger mathematifcher und aftronomifcher Werke ver Griechen gerühmte Abul Haffan Thabit Ben Korra (835 — 901) - wird von DOffeibia als VBerfaffer der bereits oben erwähnten Schrift de volucrum anatomia bezeichnet. Ob fich die Schrift erhalten hat, ift unbelannt. Der Zeit nach der nächſte Autor würde der berüchtigte Abu Bekr Ahmed Ben Ali Ibn Wahichijah fein, welcher zu Anfang des zehnten Sahrhunderts lebte. Die Leydener Bibliothek befigt eine Schrift defiel- ben, welche im Katalog als deseriptio animalium aufgeführt wird. Was aber jonft von Ion Wahſchijah bekannt geworden iſt, verfpricht auch für dies Product kaum mehr als ein litterarhiftorifches Intereffe*). Abu Dſchafer Ahmed Ihn Abul Aſch'ath, welcher im Jahre 970 ftarb, hat eine in der Bodleyana in Orford handfchriftlich vorhan⸗ 84) Das Werk findet fih nah Wüftenfeld auf der Hamburger Bibliothek. Auszüge hat Casiri, Bibl. Escurial. 892, 896 gegeben. ſ. Hammer-PBurg- fall, Handigriften. S. 127. Nr. 151. Auch Bochart citirt es oft. 85) Nachdem ſchon E. Meyer im 3. Bde feiner Gejchichte der Botanik in Be- treff der von Ihn Wahſchijah angeblich überſetzten Nabatäifchen Landwirthſchaft zu zweifeln begonnen hatte, hat menerbings U. v. Gutſchmid bie Betrüügerei des i Mannes aufgededt: Die nabatäiſche Landwirthichaft und ihre Gefchwifter in: Zeit- ſchrift d. deutſch. morgenländ. Gefellich: 15. ®b. 1861. S.1 108. Ueber das oben angeführte Werk ſ. Wüftenfeld, a.a. O. ©. 39. 0 Die Zoplogie der Araber. 161 dene Schrift: liber de animalibus verfaßt, von welcher gleichfalls Ab- dalfatif einen Auszug gemacht hat °e). Der zu Eordova lebende berühmtefte Aftronom und Mathematiker feiner Zeit, Abul Kafim Moslimael Madſchriti (ftarb 1007) hat eine Schrift hinterlaſſen generatio animalium, von welcher fich in Madrid eine Handfchrift findet 7). Des Anicenna wird feiner Paraphraſe der ariftotelifchen Z00- fogie wegen hier gedacht. Seine philoſophiſche Stellung , fowie feine Berühmtheit als (galenifcher) Arzt fichern ihm auch unter den jelbftän- digen Forſchern einen Plag , obſchon er hier bejonders als Ueberjeger erwähnt werden wird. Daffelbe gilt von Averroös. Kennt man von den bisher angeführten Werken kaum mehr als den Titel, jo ift von den Schriften des Abı Muhammed Abpallatif Ben Iufuf (1162— 1231), wecher fein Interefje für Zoologie durch mehrere Auszüge aus anderen arabifchen wie aus griechifchen Schrift- ftellern bethätigt hat, eine Schilderung der Merkwürdigkeiten Aegyptens durch Heberfegungen in das Lateiniſche, Deutjche und Franzöſiſche be - kannt worden, welche im Jahre 1203 geichrieben ein ganzes Kapitel den - Thieren wibmet°s). Da er auch bie ariftotelijche Thiergefchichte bearbeitet hat, ift nicht zu verwundern, daß er, was Allgemeines betrifft, Homöo⸗ merien (partes eonsimiles) und Anomöomerien (p. instrumentariae) unterjcheivet. Von Angaben über einzelne Thiere mögen die folgenden - erwähnt werden. Hühner: hier jchilvert er ausführlich die künftliche Ausbrütung der Eier. Eſel: zuweilen jo hoch und faft jo ſchnell wie Maulthiere. Kühe: vie gefchägteften find die jogenannten khaiſijjhe, deren Hörner bogenförmig find. Krokodile: die Wirbelfäule joll aus. - einem einzigen Knochen beftehen ; auf der Bauchhaut jollen fie eine Art - Mofchusbentel tragen. Skink: weicht vom Waral durch den Wohnort | 2 86) Der 923 oder 932 geftorbene berühmte Arzt el-Razi (Rhafes), welcher wie erwähnt ein zoologifches Buch des Meſue citirt, hat ſoviel man weiß, jelbft wie fol» hhes gejchrieben. 87) Wüftenfeld, a. a. D. ©. 62; Biblioth. Escur. 895. 5.88) Compendium memorabilium Aegypti, arabice et latine ed. J. White. Orford, 1800. deutich von S. F. Günther Wahl. Halle 1790. tamzüſis son Sylv. de Sacy, Paris, 1810. i B. Carus, Geld. d. Zool. 11 * —* * 5 \ i t 3ER E * — — — 7— — — a , " G; ; * x J— —* — we. — — — a * * — — 84 — * 7 * 14 RE. Die Zoologie des Mittelalters. Sr ; ab ; erfterer lebt in offener Ebene und im Waſſer, ver Waral auf Ber- - gen ; er lebt von ber Eidechſe Adhayeh, Lacerta ocellata Forsk. Diefe ift ver Sam-abras, dem Gedo, ähnlich, welche an einer fpätern Stelle als mumificirt und eingefargt vortommend erwähnt wird. Hip- popotamus: die Äußere Bejchreibung ift im Allgemeinen leidlich, Das Innere foll nach Nitualis dem Schweine ähnlich fein. Diefer Nitualis ift nach de Sacy der in den Geoponita erwähnte Anatolius, ber fonft bei den Arabern auch Antulins heißt. Die erwähnten Fiſche find nicht ſaäͤmmtlich ficher zu beftimmen : Zitterwels und Hal Waſſer⸗ brache) finven fich darunter. Eine ovale Mufchel, weiche man nach dem Maße verkauft, nennt Abvallatif Delinas ; es ift Tellina, As ein Beiſpiel der allegorifivenden Thierbefchreibung führt Wüftenfeld (a. a. DO. ©. 152)oratio avium vom Ibn el Warpi (ftarb 1349) an. Möglicherweife enthält das kosmographiſche Wert deſſelben Verfaſſers auch zoologiihe Angaben 9). Wenigftens bem Titel nach verwandt mit dem eriteren find die Vogelgefpräche bes Scheich Ferededdin Attar (perfiich), welche zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts verfaßt wurden "0, „Eine Naturgejchichte in vier Theilen: von den vierfüßigen Thie- ven, Bögeln, Fiſchen und Inſecten“ jchrieb der im Jahre 1361 zu Bagdad geftorbene Abuljath Al Ibn el»-Doreihim umter dem Titel utilitates animalium ®!), Dem Titel nach hiermit verwandt ift ein Werk „ver Nuten ver Thiere“, welches der im Jahre 1324 geftorbene Seineddin Mu- bammed Ben Huffein el-Moffuli el-Hamefi perfiich verfaßt hat. Nah dem bei Hammer-Burgftall gegebenen Inhaltsverzeichnif enthält es aber außer der Zoologie noch „die Botanik, die Barbenlehre, 89) Wüftenfeld, a.a.D. ©. 151, bezeichnet es als „Über Geographie und Naturgeſchichte· und führt Die daraus gebrudten Bruchitüde an. : %) j. Hammer-PBurgftali, Handicriften ©. 95. Nr. 124. „Mantit At tair“. Es ift dies eins der Hauptwerle der Schufiten, neuerbing® herausgegeben und überfegt von Garein de Tafjy. Tert: Paris, 1857. Ueberfegung: 1864. 9), Wüſtenfeld, a. a. O. S. 153. Ein Bruchſtück ift abgebrudt in Tych- jen, Elementale arabic. p. 41. | Die Södlogie der Auaber | banbelten Thiere gibt Sammer: Burgftall,a. a. D. ©. 132. Rr. 153. ur 94) Wüfenfeld, a.a.D. ©. 156. 9) Nach Wüftenfeld, a. a. DO. ©. 157: De proprietatibus et virtuli- bus medicis animalium. ed. Abr. Ecchellensis. Paris, 1647 mit Anmerkungen von I. Eliot, London, 1649 oder Leyden, 1699. Ich babe das Buch nicht gejeben. 11* z > 1 Die Zoologie de italien. ® FERNEN BOT Thiere. Doc erſchwert — Mangel einer wiſſenſchaftlichen Namengebung das Wiedererlennen ber Thiere. Eines der älteſten bekannt gewordenen geographiſchen Werke iſt das Buch der Länder“ des Scheich Abu Iſhal el⸗Farſi el⸗Ißtachri, geſchrieben um 950%). Zoologiſche Angaben finden ſich nur wenige. In Iemen find viele Affen, welche einem Anführer folgen, wie die Bienen der Königin. Auch ift dort ein Thier, welches ven Menfchen verwundet und feinen Leib mit Würmern füllt. Morptmann glaubt hierbei, die Filaria medinensis, den Guineawurm, vermutben zu kön⸗ nen”), Bei Sirin (in Portugal) zeigt fich zuweilen ein Seethier, aus deſſen abgeriebenen jehr weichen goldgelben Haaren koftbare Zeuge ge webt werden. Die Nilkrokopile find nur unter den Vorder» und Hin- terfüßen und bei ven Achjeln zu verwunden ; es gibt am Nil Stellen, wo das Krokodil niemals Schaden thut. Auch im Fluffe Mihram im Gebiete von Multan (Indien) gibt e8 jo große Krofobile wie im Nil. In dem Süßwafferfee am untern Nilende finden fich Fiſche von ver Geftalt einer Schilofröte, welche Delphine heißen.“ (Delphine an verjel- ben Dertlichkeit, bei Tennis und Damiette erwähnt auch Abballatif). „su Said gibt es Ejel, welche man Seklabie Slavoniſche nennt ; man glaubt, daß fie von einem wilden und einem gezähmten Thiere abftam- men“ (S. 33). Bei Nifibin in Dichefira finden fich Schlangen, welche von allen Schlangen am fchnelfften tödten, auch viele tödtliche Stor- pione. „In Astar Mokrem gibt e8 eine Art Heiner Storpione von ber Größe eines Laferpitiumblattes, welche Kerure beifen und von deren Diffe Niemand geheilt werben kann, da verjelbe tödtlicher ift als einiger Schlangenarten” (S. 59). „Man fertigt vort Kermes (in De bil). Ich habe gehört, daß es ein Wurm ift, ver fich einfpinnt wie ver Seidenwurm“, %) Das Buch der Länder von Scheh Ebu Ifhat el Farfi el Ißtachri Aus dem Arabiihen überjegt von A. D. Mordptmann. Hamburg 1845 (Schriften ber Alabemie von Ham, 1. Bb. 2. Abth.). 97) Es folgt bier (S. 14) folgende naive Stelle: „Bon einigen Hyänen wirb aber etwas erzählt, was nicht erlaubt if, wieder zu erzählen; denn berjenige, der etwas lãugnet umd nicht berichtet, ift eber zu entichuldigen als berjenige, ber etwas als wahr erzählt was er nicht weiß. du goꝛlege da aber ——— Ungefäße um — Zeit entſtand das Werk des Abul Ei el- — „die goldnen Wieſen“, welches kürzlich in franzöſiſcher Ueberfegung erfchienen ift®). Es enthält fo wenig wie das vorftehend erwähnte allgemeine Angaben über Vorkommen und Verbreitung orga- nifcher Wefen und auch verhältnißmäßig wenig einzelne Angaben. Der Zitterwels wird bier ſchon erwähnt (ebenfo fpäter bei Edriſi und Ab- dallatif). Eine merkwürdige Fabel von Meerthieren, welche Alerander den Großen beim Bau der großen Nilftadt beftändig unterbrechen, würzt bie Befchreibung von Unterägypten. Die Reifeberichte des Abu Soleiman nah Indien und China 9) enthalten einige vürftige Angaben über Thiere, unter welchen die über das Mofchusthier herauszuheben ift. Die Eckzähne werden bier als aus dem Unterkiefer entfpringend befchrieben ; fie jollen dem Gefichte anliegend nach oben wachjen und werden auch Hörner genannt. Es erinnert dies an die gleiche Bezeichnung der Elefantenzähne bei Die mit dem Titel „Ergöglichkeiten der Reifeluftigen“ bezeichnete, im Jahre 1153 verfaßte Geographie des El-Scherif Abu Ab- dallah Muhammed ben Edris (Evrifi)!00) enthält mehrere für die allgemeine Auffaffung der BVertheilung thierifcher Formen auf ber Erdoberfläche nicht unintereffante Angaben. Nach ihm ift nur die nörd⸗ liche Erdhälfte bewohnbar. Im Süden vom Aequator ift die Hige fo groß, daß alles Waſſer auftrodnet. Wo aber weder Waffer noch Küh- fung fich findet, können keine Pflanzen und Thiere beftehen. Ueberein- ſtimmend mit diefer Auffaffungsweife der Himatifchen Wirkungen wird - auch die Körperbefchaffenheit ver Neger auf äußere directe Urfachen zit- rückgeführt. Im Süden werden die Einwohner von der Sonne ver- brannt; fie find daher von fehwarzer Farbe und ihr Haar ift kraus. 98) Les Prairies d’or. Texte et traduction par C. Barbier de Meynard et - Payet de Courtelle. Paris, 1863. T. I. II. I. 99) Relation des Voyages faits par les Arabes et les Persans dans l’Inde : et la Chine ete. publi6 par Reinaud. Paris, 1845. 2 Vols. Einige voolo- a a as Aal El — giſche Erläuterungen find von Ronlin beigegeben. 100) Geographie d’ Edrisi. trad. par P. A. Jaubert. 2 Vols. Bari; 1836, 10. 40 (Recueil des Voyages publ. par la Soc. de Ge6ogr. T. 5. 6). 16 Die Zoologie den Mittelalters - Bei ven Schilderungen der einzelnen Yänder werben häufig Thiere mit aufgezählt, fo 5. B. eine ganze Reihe von Nilfiſchen. Doc ift aus derartigen Berzeichnifjen nicht eher ein Hiftorijcher Gewinn zu ziehen, als bis einmal die Leiftungen der übrigen arabifchen Autoren werben überſichtlich zufammengeftellt werben fönnen. | Bon weniger Belang für zoologifche Ausbeute find die beiden an⸗ dern bejonders gerühmten arabijchen Geographen, welche noch erwähnt werben mögen, Abulfeda und Ibn Batuta, wenn gleich auch fie zu einem Gefammtbilde der arabiichen Yeiftungen herangezogen werben müjfjen. Endlich ift unter den jelbftändigen Arbeiten noch der Kosmogra- phien oder Wunderfammlungen zu gedenken, welche in einem Ueber- blicke über die ganze wunderbare Welt auch ven Thieren eine zuweilen mehr als vorübergehende Aufmerkfamkeit widmen. Das erjte von Litterarhiftoritern erwähnte, aber moch nicht zu⸗ gängliche Werk diefer Art ift von Muhammed ben Muhammed ben Ahmed» Tuſi Solmami und wurde im Jahre 1160 unter dem von Spätern wiederholten Titel der Wunder der Gefchöpfe (Adschaib el Machlukat) verfaßt) '%). Es fann hier leider nur auf das Werk hinge- wieſen werben. Bekannter ift die unter demſelben Titel erfchienene Kosmographie bes Zalarija ben Muhammed el Kazwini!M), Fir die Eha- ralteriſtil diefes Werkes ift wichtig, daß fein Verfaſſer, welcher im 101) Außer der Notiz im Hadſchi Khalfa (IV, 288) und bei Hammer» Purgſtall, a. a. O. S. 129, finde ich feine nähere Angabe über das Wert. 102) Nachdem Hammer-Burgftali früher ſchon den Inhalt angegeben hatte (a. a. O. &. 149), einzelne Auszüge auch von be Sacy in der Chresto- mathie arabe mitgetheilt waren , ift jest bereits der erſte Theil einer vollftändigen deutſchen Ueberjegung erihienen: Zalarija ben Muhammed ben Mah— mud el-Razwini’s Kosmograpbie. Nah der Wüftenfeld’ihen Tertausgabe zum erften Male vollftändig überfegt von Herm. Ethe. Die Wunder der Schi pfung 1. Halbband. Leipzig, 1868. 5%. Möchte das lange mit Spannung erwartete Werk einen günftigen Fortgang nehmen! Bielfade Eitate aus Kazwini (wie aus Damiri, Dihahif u. a.) führt Bohart im Hierozoilon an. Wie Hammer: Burgftall mittheilt (a. a. O. S. 142), ift Kazwini's Werk auch in’s Perſiſche überjeist worben. PETER 167 Jahre 1283 — noch weniger als ſein Vorgänger Achmed von Tus der Blüthezeit der arabiſchen Wiſſenſchaften angehörte, ſondern vor⸗ züglich durch ſeine Compilationen aus älteren Schriftſtellern von Werth iſt. So werben bei ven Mittheilungen über Thiere von bekannten arabi- ſchen Schriftftellern Avicenna (meift in Bezug auf die medicinifche An— wendung ber einzelnen Thiere und der oben genannte Dichahif citirt; ferner noch Muhammed ben Zakarija el-Razi, Zakarija ben Jahja ben Chafan, „ver Spanier“ Abu Hamid (Berfaffer eines Buchs der Wun- ber, kitab el- Adschaib), Ibn Elfeli (Abubekr Achmed ibn Muhammed el Hamadani), Abderrachman ben Harın el Maghribi u. a. Defter erwähnt werben auch die VBerfafler zweier, zu Kazwini's Zeit wohlbe⸗ fannter arabischer Werke, ver Tuchfat el-Gharaib (Gejchent ver Wun- verbarfeiten) und ver Adschaib el-achbar (wunderbare Gefchichten). Häufig beruft fich Kazwini auch auf den Bericht von Kaufleuten, alfo Neifenden, deren Glaubwürdigkeit indeß nicht weiter unterfucht wird. Bon Griechen werben (außer dem im aftronomifchen Theil vorkommen: ben Ptolemaeus) nır Hippofrates und Ariftoteles eitirt, Tee terer nur bei Erwähnung der Kämpfe zwifchen ven Pygmäen und Kra- nichen nach einer untergefchobenen oder wenigſtens jegt nicht auffind- baren Stelle (häufiger wird er im Abfchnitt über die Mineralien ange- zogen). Endlich wird von Belinas ein Buch Chawass el-Haiwän (die befondern Eigenthümlichkeiten ver Thiere) angeführt. Ueber dieſen Schriftfteller wird fpäter noch die Rede fein müſſen. Was nun des Kazmwini zoologifche Anſchauungen betrifft, jo if - bon bem befonnenen Urtheil des Ariftoteles, welcher doch zu feiner Zeit bereits längft befannt und verbreitet war, allerdings nichts zu bemerken. VBielmehr werden nicht bloß die Thierfchilderungen häufig zu wirklich wunderbaren Gejchichten, jondern es verräth fich auch in den allgemei- neren Anfichten nur allzuoft der Einfluß der dogmatiſch beſchränkten Denkweiſe. Alle Körper, welche aus den urfprünglichen Elementen ber- vorgegangen find, bilden eine ununterbrochene Stufenreihe vom Unvoll- - Lommmen zum Vollkommnen. Sie beginnt mit der Erde und den mit dieſer zufammenhängenden Mineralien und geht dann weiter zu ben Pflanzen, den Thieren, den Menfchen und fchließt mit den Engeln. % — — unterſcheiden fi Son en Minerale — | daß fie des Wachsthums fähig find. Die Thiere haben vor den Pflan- zen die Fähigkeit zu empfinden und fich zu bewegen voraus. Das nie- brigfte Thier ähnelt den Pflanzen und hat nur einen Sinn (Gefühl). Es ift ein im Innern einer fteinernen Röhre lebender Wurm, ber ſich an einigen Ufern findet. Die den Menfchen nächften Thiere find die Affen, ſowohl wegen der Form ihres Yeibes als ihrer Seele. Aber auch das Pferd umd der Elefant nähern fich durch ihre Seeleneigen- fchaften vem Menfchen. Die allgemeinen anatomifchen und phyſiolo⸗ giſchen Anfichten laſſen fich aus dem bis jegt allein erjchienenen, nur die Waffergefchöpfe eingehender behandelnden erften Theile nur einzeln erkennen. Doch weift bier Vieles auf ältere Anfchauungen hin. So ge- ſchieht die Athmung behufs der Abkühlung der fich im Körper ent- wickelnden Hige. Bei den Wafferthieren gelangt nun bie Kälte des Waſſers direct zu ihnen; fie brauchen daher feine Lungen, ba das Waſſer bier als Stellvertreter der Luft wirkt. Nicht zu verdunkeln war die Verallgemeinerung, daß ein Thier defto zahlreichere Glied⸗ maßen und verjchiedenartigfte Organe bedarf, je volltommener es ift. Der Verſuch aber, diefe Organifation zu erflären, wird wieber eigen- thümlich, wenn Kazwini fagt, daß jenes Thier Glieder habe, die zu - feinem-Körper ftimmen, und Gelente, die zu feinen Bewegungen paffen, und Häute, die zu feinem Schuß wohl geeignet find. Die foffilen For⸗ men jcheint er durchaus nur als Verfteinerungen auch jetzt noch leben- der genommen zu haben. Er jagt (bei ver Erklärung des Wortes Gha- rib), daß einer Behauptung zufolge Dampf aus der Erde auffteige, welcher alle Thiere und Pflanzen, die er treffe, in harten Stein ver: wandelte. Die Spuren davon liegen Har in Anfina im Lande Aegyp- ten und in Jaleh Beichem im Lande Kazwin. Die Einzelangaben fin- den ſich theils bei ver Aufzählung ver Iahreszeiten und ver fyrifchen ESonnen⸗Monate, wo Kazwini einzelne biologifche Mittheilungen Über Brunft, Wachsthum, Wanderung von Thieren einflicht, theils 38 ‚bei der Schilverung der einzelnen Meere und Infeln. Außerdem ift aber noch ein befonderer Abfchnitt den Waffergefchöpfen gewidmet. Da — findet ſich freilich auch manches Wunderbare. So erzählt Kazwini dem en Die —— 169 dis aif —* daß jeder im ſüßen Waſſer lebende Fiſch (ob Dſchahiſ bier wirklich Fiſche oder nur Waſſerthiere meint, iſt zweifelhaft) eine Zunge und ein Gehirn habe, alle Fiſche im Meere aber weder das eine noch das andere. Doch begegnet man auch mehreren hiſtoriſch nicht unintereffanten Angaben. Ob die Schilderung der Affen (oder Men- ſchenkinder, deren Charaktere denen wilder Thiere ähnlich find und die auf Bäumen der Infeln Iava und Sumatra wohnen) fich auf ben - Orang-Utang beziehen, ift nicht ganz ficher. Dagegen erwähnt Kaz⸗ wini deutlich die Bteropen von Java als geflügelte Kagen. Ferner ift wohl die Beichreibung eines Fiiches (aus dem rothen Meere!) in ver Geftalt einer Kuh, welcher Junge zur Welt bringt und fängt, vielleicht auf den Dugong zu beziehen. Auch Kazwini fagt, daß das Krokodil nur die obere Kinnlade bewege und im Rüden feine Wirbel habe. Deſ⸗ jen Freundfchaft mit einem Vogel, der ihm die Zähne reinigt, erwähnt er in einer oft wieberkehrenden Form. Manches im Phyjiologus Er- zählte findet fich hier wieder, zuweilen mit eigenthümlicher Uebertra- gung der Gefchichte auf andere Thiere. Die Erzählung von der Selbft- - caftration wird von Ka zwini nicht beim Biber, ſondern beim Waſſer⸗ hund vorgebracht, bei demjelben auch das im Phyfiologus vom Hydrus Berichtete. Die Erzählung von der Serra findet fich wie bei Plinius auch hier vom Delphin mitgetheilt. Die täufchende Infelbildung wird hier nicht dem großen Walfifch, jondern der Meerſchildkröte zugefchries ben, alfo mehr im Sinne der Etymologie des Wortes Aspidochelone. - Für die Gefchichte einzelner Anfichten, der Erzählungen über einzelne Thiere ift jedenfalls Kazwini von größtem Intereffe. Doch lag eine beſondere Darftellung zoologifcher Auffaſſungen nicht in feinem Plane, 5 Noch weniger thatjächliches Material zur Gefchichte der Thier- i euntniß bietet die dritte noch zu erwähnende Kosmographie dar, welhe Schemseddin Abu Abdallah Muhammed el Dimeſchki lebte 12561327) unter dem Titel Nukhbet el-dahr — des > Beiticen) gerieben Hat 9 | 103) Cosmographie. Texte arabe publie par Mehren. St. Petersbourg, 1866. 49. a Die Zoologie des Mittelakters. Ya! = : 3 Außer den in diefer Sifte aufgeführten Verfaſſern jelbflänbiger Werte erfcheinen bei Bochart noch einige Araber, über welche eine weitere Nachweifung nicht zu erlangen war. Dahin gehören die beiden als Affeidalanius und Arruvianus Bezeichneten 1%) umb Abulfapha!®). Ueberfehungen der Araber. Ungfeich bedeutender als durch ihre Originalarbeiten haben bie Araber auf die Wiederbelebung der Zoologie dadurch eingewirkt, daß ſie als Ueberfeger die Vermittler zwifchen Altertum und neuerer Zeit wurden. War auch ver Theil der Eultur, welcher mit ber Entwidelung freierer focialer Zuftände , geregelter Agrarverhältniffe, kurz mit allem dem zufammenbieng, was mehr von dem Charakter der Dertlichkeit be ftimmt wurde, vom Abendlande felbftändig und allein zu erfämpfen, fo bot e8 doch eben während diefer Kämpfe feine geeignete Stätte dar für Bergung des Schages antiten Wiffens, zu einer Zeit, wo die Wif- fenſchaft fich bei den Arabern zur reichften Blüthe erhob. Die Logifchen Schriften des Ariftoteles waren, wie früher erwähnt wurde, durch ‚mehrfache Bearbeitungen im Abendlande befannt und in Wirkſamleit geblieben. Die zoologifchen Schriften veffelben lernte es aber zuerft wieder durch arabifche und arabiſch⸗ hebräifche Ueberſetzungen kennen, bis in der zweiten Hälfte des breizehnten Jahrhunderts ber griechifche Tert zum erften Male direct in das Lateinifche überfegt wurde. Die erften Vermittler zwifchen Griechenland und ben Arabern waren die Syrer, durch welche die Belanntſchaft mit griechifchen Au⸗ toren zu den arabifchen und wohl auch jübifchen Schulen drang. Nach den Angaben, welche Ebevjefus in dem von Affemani publicirten Kata— loge fyrifcher Schriften ?%) macht, ſowie nach andern Notizen find 104) alfo: Einer aus Seidalan und Einer aus Ruvan (Rujan im Perfien ?). Oder jollte Aſſeidalani verftellt fein aus Sandalani, der Apotheler? vergl. E. Meyer, Geſchichte der Botanik. Bd. 3. S. 123. 105) Abulsapha lib. de animalibus, quem ex arabica lingua in he- braeam transtulit Kalonymus a. Chr, 1316 (Bochart). 106) Biblioth. Clement. Vatican. T. II. P. 1. p. 85. nah Wenrich, } Die Zoologie der Araber. —— ſchon im fünften Jahrhundert Hibas, Vorſtand der Kirche in Edeſſa 435 - 457) Cumas, Probus und Mana gleichfalls Lehrer in Edeſſa, als Ueberſetzer des Ariſtoteles aufgetreten 17). Ob fie fämmtliche, alfo auch die zoologifchen Schriften des Ariftoteles über- jet haben, ift ebenfo wenig ficher zu ermitteln, wie ob der Syrer Ura- nius, welcher nach der Angabe-des Agathias (II, 28) auf Geheiß des Kosra Nufhirwan (531—570) den Ariftoteles ins Perfifche überſetzt hat, dieſe Schriften den Perfern zugänglich gemacht hat. Von Gelehr- ten der Schule zu Edeſſa werden noch Sergius von Rafain, der Bi- ſchof Jalob und Georg Biſchof der Araber im ſechſten und fiebenten Jahrhundert als Ueberſetzer des Ariftoteles erwähnt. Man darf nım aber nicht glauben, daß die Weberfegungen dieſer früheren fyrifchen Theologen und Aerzte erhalten find oder auch nur bis zu der Zeit er» halten waren, wo bei den Arabern der Eifer für wiſſenſchaftliche Ar- beiten erwachte. Wie ſchon früher angedeutet wurde, ift bei dem erften Anprall ver Verbreiter des Islam diefe ältere ſyriſche Yitteratur zum größeren Theile zerjtört worden. Beſtätigt wird diefe VBermuthung durch die ſonſt kaum zu erklärende Angabe, daß der Khalif El-Mamım (812— 833) Ueberfegungen aus dem Griechiichen (zumächit in das Sy- vifche) veranlaßt habe. Bon ihm an beginnt daher eine jüngere Ueber⸗ ſetzungslitteratur fich zu entwideln, welche für die uns zugänglich ger bliebenen arabijchen Ueberlieferungen griechifcher Werke von der größten Bedeutung geworden ift. | Berühmtheit als Ueberjeger aus diefer zweiten Reihe erlangte der „ auch als Arzt unter dem Namen Joannitius bekannte Abu Said Ho— nein ben Ifhak, deſſen fyrifche Ueberjegungen ariftotelifcher Schrif- ‘ ten jein Sohn Iſhak ben Honein (geftorben 910 oder 911) ins Arabiſche übertrug. Doch herrſcht bei dieſen beiden, ebenfo wie bei Abulfaradſch Abdullah ben Attajjeb (ftarb 1044), welcher de auctorum Graecorum versionibus et commentariis syriacis, arabieis etc. _ Lipsiae, 1842. p. 130. | 107) wergl. auch E. Sachau, Ueber die Reſte ber ſyriſchen Ueberſetzungen claſſiſch⸗ griechiſcher nichtariftotelifcher Literatur, in: Hermes von Hübner, 4.8. 1. Hft. 1869. ©. 74. 75. . EM — Die Betoie de Mitten den Mriftoteles aus dem Sprifchen ins Arabifche überfegt hat, ra zug anf ihre Berüchfichtigung der Zoologie derſelbe Zweifel wie bei den früheren. Es finden fich aber andererfeits ſchon im 9. Jahrhundert bes ſtimmte Nachweifungen dafür, daß die zoologiſchen Bücher gleichfalls - überfegt wurden. Wenigftens bat Jahia Ibn Albatrik (um 820 — 830) fämmtliche neunzehn Bücher ins Syrifche überſetzt 10%); und ſchon Ende des zehnten und Anfang des elften Jahrhunderts er- ſchienen Ueberfegungen in’s Arabifhe. So hat Abu Ali Ifa ben Zara (ftarb 1001) vie Thiergefchichte und die Bücher über bie Theile ber Thiere mit dem Kommentar des Johannes Grammaticus ans dem Syriſchen in's Arabifche überfegt. Auch ſoll derfelbe das Compendium der ariftotelifchen Zoologie des Nitolaus (Damascenus) arabiſch her- ausgegeben und verbeffert haben '®). Werner wird angegeben, daß Abu Ali Hafan ben Haithem (ftarb 1038) umd fpäter Moham- med ben Badſchah (befamnter durch die hebraifirte Norm feines ' Namens als Aven Pace, ftarb 1138) die Thiergefchichte mit Commen⸗ taren erläutert haben, fowie daß der früher erwähnte Abu Moham— ‚ meb Abdallatif die Thiergefchichte in ein Compendium gebracht - Babe. Hält man nun hierzu, daß der als Arzt und Philofoph bekannte Biſchof Abulfaradſch Dſchordſchis (häufiger als Gregorius Barhebräus aufgeführt, 1226 — 1286) in feinen Erläuterungen der ariftotelifchen Philofophie auch die zoologiihen Schriften bedacht bat, jo ftellt fi) eine Belanntichaft des Orients mit der Zoologie des Stagiriten dar in Ueberjegung, Compendium und Commentaren ver- jchiebner Art. Und doch haben alle die bisher erwähnten Ueberjeger und Commentatoren bei weitem nicht denſelben Einfluß auf die Wie beraufnahme ariftotelifcher Studien , beſonders der zoologifchen Seiten jolcher, im Abendlande gehabt wie die Ueberjegungen des Ibn Sina and Ibn Roſchd. 108) Wenrich, a. a. O. S.129. Wüfenfeld, Gefchichte ber arab. Aerzte u. Naturf. ©. 15. 19. Es wurden 19 Bücher gezählt, da aufer den neun Büchern Thiergeſchichte bekanntlich noch das zehnte, ſchon von Camus als umächt erfannte Buch diefer Schrift, ferner die vier Bücher Über die Theile und die fünf ber bie Zeugung und Entwidelung der Thiere angereiht wurden. | 109) Wenrich, a. a. D. S. 300. 294. Die Zoologie der Araber. 173° Abu Ali el-Hofein ben Adallah el-Scheih el-Reis Ihn Sina (nad) der hebraifirten Form Avicenna, 980—1037), veffen philofophifche Stellung oben charakterifirt wurde, foll ſämmtliche Schriften des Ariftoteles in einem Werke von zwanzig Bänden com- mentirt haben. Daffelbe ift jedoch nach Dffeibia unter dem Sultan Mafud verloren gegangen. Dagegen ift noch ein Commentar von ihm über des Ariftoteles Schriften über die Thiere erhalten, welchen Mi- chael Scotus aus dem Arabifchen in’s Lateinifche überjegt hat. Es ift berjelbe nicht in der ftrengen Form eines den Text fortlaufend erläu⸗ ternden Kommentars, fondern als eine freiere Baraphrafe verfaßt wor: ven, bietet aljo diejelbe Form dar, wie die Schriften Alberts des Großen. Die Schrift ift nach der foeben angeführten Art in neunzehn Dücher eingetheilt, umfaßt alfo die Thiergefchichten, über die Theile und über die Zengung. Davon find jedoch, wenigftens in der allein erhaltenen auszugsweifen Ueberjegung des Michael Scotus, ein— zelne Bücher ſehr kurze, zuweilen nur wenige Zeilen lange unvollftän- dige Auszüge, wie 3. B. das elfte, dem erften der Schrift über bie Theile entjprechente. Wo übrigens von Albert vem Großen Avicenna eitirt wird, ift es nicht bloß diefe Paraphraſe, ſondern eben jo oft fein Canon, in welchem jowohl Heilmittel von Thieren als giftige Thiere - ihrem mebicinifchen Verhalten nach gefchilvert werden. Man könnte nach der hebraifirten Form des Namen, unter welher Ibn Sina vom Mittelalter an meift genannt wird, vermuthen wollen, auch Mi- chael Scotus Habe nach einer hebräiſchen Ueberjegung feine lateiniſche - Mebertragung angefertigt, eine Meinung, welche Camus vertheibigt ; doch hat jchen Jour dain die Benugung des arabifchen Originale wahrſcheinlich gemacht 11%), Jedenfalls war Ibn Sina nach hebräiſchen Ueberſetzungen anderer Werte bereits als Avicenna bekannt, welche auf £ Beranlaffung des Erzbifchofs Raimund von Toledo von mehreren Yu- : den, unter ihnen Johann von Sevilla (Avendeath) veranftaltet wurden, = Abul Welid Muhammed ben Achmed Ihn Roſchd, hebraifirt r 110) Jourdaiu, Recherches sur les traductions latines d’Aristote., - Nouv. ed. 1843. p. 131. 04 | Die Zoologie des Mittelalters. Averroes (1120 — 1198) ift für die Entwidelung der mittelalter« fichen Philoſophie zwar von ungleich größerer Bedeutung geweſen als Avicenna ; in Bezug auf feinen Einfluß als Verbreiter der ariftoteli- ſchen Zoologie fteht er aber diefem nach. Die von ihm betonte und für fein ganzes Syſtem charakteriftiiche Trennung zwiſchen Philoſophie und Theologie hat vielleicht hauptfächlich dazu beigetragen, den nur oder vorwiegend in averroiftiichem Gewande befannten Naturhiſtoriker Ari- ftoteles im zwölften und breizehnten Jahrhundert zu verbieten Uh, bie er beſonders durch die Form der Gommentare des Averroes allgemeiner verbreitet von Albert dem Großen und Thomas von Aquino zu Anfehn und jelbft firchlicher Geltung gebracht wurde. Eine eingehende Kennt- niß der Zoologie des Ariftoteles bat aber Averroes nicht vermittelt. Freilich Hat er über ſammtliche zoologiſche Schriften, des Stagiriten Commentare verfaßt ?'2), welche fich meift als eregetifche Erklärungen . dem Terte anfügten und biefen nur feltener ausführlich paraphrafirten. Doch find diefelben weder im Originale je gedruckt worden , noch jet fänmtlich erhalten. Der Commentar zu der Thiergefchichte fehlt und nur der zu den Schriften über die Theile und über die Zeugung ift nach hebräaiſchen Ueberſetzungen noch vorhanden, von denen bereits 1169 - m Sevilla eine angefertigt wurde. Auch fpäter noch werden hebräiſche Ueberjegungen gerade dieſer Commentare, d. b. über das 11. bis 19. Bud) der gefammten Zoologie des Ariftoteles erwähnt, fo die des Ya- cob ben-Machir (1300) und des Abba More Yarchi (um 1306), wäh. rend fchon 1260 Mofes Aben Tibbon feinen Neligionsgenoffen eine vollftändige Ueberſetzung der Commentare des Averroes gegeben hatte. Es iſt aus dem Vorhergehenden erfichtlich, daß die Araber durch ihre eigenen Arbeiten zım Förderung der Zoologie nur äußerft wenig und nur in befchränktem Sinne beitrugen, da fich ſowohl in ihrem Na- -———— nn | 111) So verordnete noch 1215 Robertus Carthonensis, legatus Papae ben Parifer Schülern und Lehrern: legant libros Aristotelis de dialeetica tam ve- teri quam de nova in scholis ordinarie et non ad cursum; non legantur libri Aristotelis de metaphysica et naturali philosophia nec summa de eis- dem. vergl. Bulaeus, Ul, p. 82. 112) Belege ſ. bei Renan, Averroes. p. 47, 17. Die Boologie ber Araber 175 tionalcharakter als in ihrer im diefem wurzelnden Religionsform Hin- berniffe genug für eine wirlſame Behandlung einer von ftrenger Beo⸗ bachtung ausgehenden und wenig Anhaltepumkte für abergläubifche Phantaftereien varbietenden Wifjenfchaft vorfanden. Dagegen ift bie culturhiſtoriſche Bedeutung ver Araber und bejonvders der Syrer, ſowie ihr Verdienſt um die Zoologie dadurch ſicher begründet, daß fie dieſelbe durch Aufnahme und fpätere Mebermittelung der Schriften des Alterthums entwidelungsfähig hielten und ihr Wieveraufleben in einer Zeit ermög- lichten , wo die Geifter jich Fräftiger zu bewegen begannen, und daß fie beſonders durch die Philofophie des Averroes, welche eine wifjenjchaft- liche Naturforichung denkbar werden ließ, zu eingehender Beichäftigung mit der Natur veranlaft wurden. Freilich äußerte fich die letstere mehr in dem Durchfuchen und ver theilweijen oder völligen Wiedergabe der Meifterwerte des Altertfums. Aber gerade diefer Umſtand, daß jenes durch poetifche Erhebung und religiöfen Enthufiasmus jo ausgezeichnete - Zeitalter die letztern wieder erhielt, war von burchgreifender Wichtigkeit. _ Das Hauptgewicht wurde bis jet auf die Kenntnik der ariftote- lichen Schriften gelegt, wie ja zweifelsohne das Wiedererſcheinen der» ſelben in ver Bildungsgeichichte des Mittelalters den Eintritt einer neuen Periode bezeichnen muß. Nun wird aber einer weit verbreiteten Meinung zufolge häufig angeführt, Ariftoteles habe fich im Mittelalter auf dem Gebiete der Zoologie mit Plinius in die Herrichaft getheilt. Es mag gleich hier bemerkt werben, daß allerdings ſeit dem breizehnten Zahrhundert Plinius häufig gelefen wurde. In Süpventfchland war er ſchon im elften Bahrhundert 119). Robert de Thorignyh brachte ih zur erſt 1189 mach dem Klofter Le Bec, wo hundert Jahre früher Lanfranc den Eifer für litterariſches Wiſſen gewedt hatte. Sein Anjehn ftieg i auch im Allgemeinen jo, daß im fünfzehnten Jahrhundert für ihn im Brescia ein eigner Lehrſtuhl gegründet wurde. Um aber jene Behaup- tung rechtfertigen zu können, müßte fich nachweijen laffen, daß der Ein- 4 Fuß des Plinius nicht bloß im Ganzen auf die naturgefchichtlichen J 113) Ellinger, Abt won Tegernſee, zierte die Naturgeſchichte bes Plinius mit Figuren der Thiere. Frhr. von Freyberg, Aeltefte Geichichte von Zegerniee. ' Münden, 1822. ©. 179. Idceen jener Zeiten, ſondern befonders auf die epochemachenven Werte | des dreizehnten Jahrhunderts ein irgend wahrnehmbarer gewejen wäre. Es werden fpäter die Quellen der letzteren einer Erörterung zu unter- - werfen fein. Was das erftere betrifft, jo ift an Folgendes zu erinnern. Die zoologifche Bildung und bie dieſelbe allein oder vorzugsweife tra- gende ärztliche Wiffenfchaft war in den Händen der Araber und gieng von ihnen auf die jüdischen Schulen des ſüdlichen Mitteleuropa's über. Dieſen Weg hatte auch Ariftoteles gefunden. Sollte Plinius einen gleichen Einfluß gehabt haben , jo müßte auch er den Arabern belannt gewejen und von ihnen im Abenblande weiter verbreitet worben fein. Fabricius führt in feiner Bibliotheca latina eine arabifche Ueberjegung des Plinius von Honiam, d. 5. wohl von Joannitius Abu Said Honein ben Iſhal) an; dieſe eriftirt aber ficher nicht. Dagegen kommen häufig in arabichen Schriftitellern Verweiſungen auf einen gewiſſen Belinas oder Belinus oder Bolonius, je nach ber verſchiedenen VBocalifation, vor. Bon ihm werden verfchiedene Schrifr ten angeführt, jo ein Buch: das Geheimniß der Natur, ein Buch der Eigenjchaften,, ein Buch ver Urfachen , ein Buch von den fieben Kör- pern (db. i. Gold, Silber, Kupfer, Eijen, Blei, „chineſiſches Eifen“ und en und in Kazwini's Schrift noch ein Buch: die befondern Eigenthümlichkeiten ver Thiere (Chawass el-Haiwän). Hier an ne zu denken, lag aus mehreren Gründen nahe. Das Geheimniß (Sir der Natur konnte leicht in eine Gefchichte (Siar) der Natur a Die Umwandlung des Namens konnte feine Schwierigkeit machen. Aus dem Altertum war fein andrer Schriftfteller ähnlichen Namens und gleicher Richtung bekannt. Und daß diefer fogenannte Plinius eine von dem biftorifchen verjchiedene halb mythiſche Perſon geworden war, die zu den fieben Weifen gerechnet wurbe, der Lehrer Alexanders des Großen gewejen jein jollte u. f. w., konnte bei Orientalen , welche Rom nicht kannten, ſondern unter ihrem „Rum“ Conftantinopel ver- 114) Im Hadſchi Ehalſa (Ausgabe von Flügel, Bd. 2. ©. 48) wir ange führt, daß Aidemir ben Ali Dichilveli dieſes Buch commentirt babe (14. Jahrhun⸗ - dert). Die Astrologia apotelesmatica des Apollonius überjegte Honein bem Jihat mE Hinbilce. vergl. Wenrich, a. a. DO. ©. 240. 239. ¶ie Zoofogie ber Araber: TER ei —— — befremden. Man hielt denn auch wirklich dieſen Belinus eine Zeit lang für Plinius. Doch hatte ſchon 1800 (an VI) Syiveftre de Sacy richtig den Namen auf Apollonins von Tyana gedeutet 15), was dadurch zur Evidenz bewiefen wird, daß in Jakut's geographifchem Wörterbuch ''%) bei dem vollftändig vocali- firten Namen Bolonias die Bermuthung ausgefprochen wird, daß bie Stabt diefes Namens nach dem „Sahib el-tiljamat“, dem Herrn der Talismane, jo genannt fei. Dies ift aber Apollonius. Auf das Leben und den Charakter diefes fo verfchieden beurtheil- ten Mannes, welcher, ein Zeitgenofje von Ehriftus '!7) häufig diefem als letzte ideale Erjcheinung des Heidenthums gegenübergeftellt worden ift, Hier näher einzugehn, wäre nicht am Orte. Iſt einmal nachgewie- jen, daß er und nicht Plinius den Arabern als naturbiftorifcher Schrift: ftelfer befannt war , fo verliert das weitere Nachſuchen in ven ihm zus gejchriebenen Beobachtungen das Interefje für eine Gefchichte der Na- turwiſſenſchaften. Im feinem von Philoftratus im dritten Jahrhundert geſchilderten Leben werben auch feine Neifen erzählt; und da finden ſich denn zahlreiche Züge aus Agatharchives, Ktefins u. A., von der - Martichora, den Pygmäen und Greifen, dem Phönig, der Drachenjagd, - _ von einem bis auf die Bruft ſchwarzen, von da abwärts weißen Weibe, - 1 f. w., Gefchichten, welche mehr oder weniger übereinftimmend in den antilen Fabeln über Indien vortommen, aljo hier faum original jind. 115) Notices et Extraits, Tom. 4. p. 107. Diefer Anſicht folgte bereits Wenrich, aa. D. ©. 238, während Flügel im Hadſchi Khalja (VII. 645) für Plimius fi) entſcheidet 116) herausgegeben von Wüſten feld, Thl. 1. S. 729. Ich verdaule bie er Nachweifungen der Güte des Herrn Prof. Fleifcher, welcher jetzt > £ z geicaße überzeugt ift, daß Belinus Apollonius ift. Durch Vergleichung der dem * mythiſchen Ruf und wurde im das Zeitalter Conſtautin's verſetzt Burdharbt, die Zeit Eonftantin d. Gr. ©. 467. In Bezug auf die Perfon und Geſchichte des Belinus zugejhriebenen Stellen lommt auch %. Leclerc zu berjelben Anfict. f. - Journal asiatique. 6. Ser. Tom. 14. 1869. p. 111—131. 117) Für die fpätern Byzantiner genoß er, Ähnlich wie bei den Arabern einen Apollonius kann bier nur auf die Schriften von Baur und Ed. Müller, fowie auf den Aufjag von Wellauer in Jahn und Klog, Archiv für Philol. und Püdag. 10. Bd. (Neue Jabrbb. 10. Suppfbd.) 1444. ©. 418 verwiejen werben. B. Garus, Geſch. d. Zoot. 12 Pre 1 ER RE 1 7, 277 NT WE — —J RR 1 Ya ER Ber en ar a Sa = EI ED et Re u ar ar, U — if ü . * — J — * 8 * — SEEN RE u ng 3 — x . ; a A > IN —— Rs - N " # — —— — J J ee m, x —* BR; — * Ki i rg u a Areas * — wor Bun ii — — — * * * 178 Die Zoologie bes Mittelalters. Wenn baber auch zugegeben werden muß, daß Plinius im drei⸗ zehnten Iahrhundert bekannt war, was jchon durch die häufigen Eitate bewiejen wird, jo trat er doch erft jpäter in das litterarifche Leben bes Mittelalters ein. Dies beberrichte Ariftoteles auch auf naturwiſſen⸗ ichaftlichem Gebiete, theils durch den von ten Arabern überlieferten Tert jeiner Schriften, theils durch die ſich an ihm ſchließende Auffaf- fung der Methode, wie fie bejonders von Anerroes entwidelt wurde. Das dreisehnte Jahrhundert. Erweiternug der Speciellen Thierkenntniß, ft e8 auch immerhin mißlich, in einer allmählichen Entwidelung der Kenntniß feſte Abfchnitte unterjcheiden zu wollen, jo bieten ſich doch für das dreizehnte Jahrhundert einzelne epochemachenne Momente bar. Hierumter ift das Wiedererjcheinen des Ariftoteles das wichtigite. So nothwendig nämlich für die erneute Erhebung der allgemeinen Bil- ‚dung im Abendlande das Wiederanknüpfen am die geiftigen Yeiftungen der Alten war und jo jehr man wohl im Allgemeinen Necht hat, das eben von diefem Standpunkte aus fogenannte Wiederaufleben der Wiſ⸗ ſenſchaften an das Auftreten der großen Humaniften im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert zu Mnüpfen, da fie im Großen und Gan- zen jenes Anknüpfen möglich machten, jo war aus demfelben Grunde für die Gefchichte der Naturwiſſenſchaften das dreizehnte Yahrhundert ungleich wichtiger. Es liegt auch hier der Schwerpunkt in dem Wie- dererjcheinen des Ariftoteles; er tritt zumächft nicht im feiner antiten Geftalt auf, welche bei ver Unbekanntſchaft mit der griechifchen Sprache uicht einmal allgemein hätte wirken können, jondern er wirfte durch jeinen, jelbft durch Die orientalische Berbrämung und fcholaftifche Ver- wäjjerung nicht völlig untervrüdbaren Geift. Ueberhaupt fteht die ; ganze Zeit, in welcher er von neuem auftrat, in einem fo directen, von a feiner gewaltigen Erſchütterung des ganzen Erdtheils unterbrochenen 3 | ; — RE Fe —— — Das dreizehnte Jahrhundert. 179 ” ? . * > Zufammenhange mit der modernen Welt, die ganzen Anſchauungen, Sitten, Beziehungen diefer wurzeln fo jehr in der vorhumaniſtiſchen Zeit des Mittelalters , daß man troß der bedeutenden Dede des vier- zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts doch das vreizehnte mit Fug und Recht als Ausgangspunkt wie der naturwiffenfchaftlichen Erhebung im Allgemeinen, jo befonvers auch der Zoologie anfehen darf. Ueber ben allerdings kaum hoch genug zu jchägenden , aber doch immer nur formalen Werth der mit dem Aufblühn des Humanismus erwachenden und durch ihm geförderten Bildung, welche befonders der wifjenjchaft- lichen Darftellungsweife wieder Geſchmack und befjere Form einbrachte, bat man num aber leider verjäumt, tiefer eingehend fich mit dem gei- ftigen, jetzt nur in Schriften noch erkennbaren Leben jenes merkwür⸗ digen Zeitalters auch auf anberm als theologiichem Gebiete zu beichäf- tigen und vor Allem die litterarifchen Fäden zu verfolgen, welche jetzt nicht bloß bei den einzelnen Schrifttellern der betreffenden Zeit, jon+ dern auch in den wechieljeitigen Verkehrserfcheinungen verwandter Lit- teraturen fich zu faft unlösbarem Knoten zu verjchlingen jcheinen. Die nachher jpecieller zu erwähnenden wichtigen Werte erhalten allerdings durch das Anknüpfen au Ariftoteles ihre größte Bedeutung. Da fie aber im einer Zeit erſchienen, in welcher in Folge der Kreuzzüge, des vegeren Verkehrs, des allgemeinen freieren Aufſchwungs eine lebendir gere Theilnahme für die Natur rege wurde und in welcher daher auch die Litteratur fich veichlicher auf Beiprechungen natürlicher Erſcheinun⸗ gen einließ, jo wäre es nicht bloß von litterarifchem Interefje, ven Boden auf dem fie fich erheben, mehr in’s Einzelne kennen zu lernen, als es für jetzt noch möglich ift. Wäre mit dem Bekanntwerden des Ariftoteles gleich feine Me— | thode oder wenigjtens feine Auſchauungsart überall zu Grunde gelegt worden, fo würde eine Unterfuchung über das zu jener Zeit vorliegende - Material an bekannten Thierformen bejondere Bedeutung erhalten, i } | ae I an Es ließe fich daraus ableiten, bis zu welchen wijjenjchaftlichen Folge: rungen zu fchreiten die Zeit in der Lage war. Nun gab es allerdings damals weder Zoologen von Fach noch fich vorzüglich mit Thierge- ſchichte bejchäftigende Aerzte. Doc ift es immerhin von Wichtigfeit, 12* WE Eee 2 i 180 ro - Die | dee ; Kr F einen kurzen Ueberblick über die Thiere zu erlangen, auf deren nähere Belanntſchaft der allgemein philoſophiſch gebildete Schriftfteller ebenſo wie der gebildete Laie feine zoologiſchen Anſchauungen gründete. Auch für das Mittelalter iſt noch das Fehlen des Begriffs einer naturhiſtoriſchen Art bezeichnend. Das Befangenjein im logiſchen For⸗ malismus ließ ven Beobachter, auf welchen doch die Gleichheit und we- jentliche Uebereinftimmung jo mancher Thiergeftalten einen Eindrud machen mußte, nicht aus dem Bereich rein formaler und verbaler Di- jtinctionen und Definitionen heraustreten und zu der Frage nach dem natürlichen Grunde einer folchen Uebereinftimmung fommen. Abälard jagt zwar ſchon: nihil omnino est praeter individuum. Was aber darüber hinausgieng, wird nur logiſch formal entwidelt, wofür ſich zahlreiche Belege anführen ließen '1°). Mit diefem Fehlen des Artbe- griffs hängt auch ver Mangel einer wiffenfchaftfichen Nomenclatur zu⸗ jammen. Die Thiere werden noch ganz nach antiter Art mit einem der gewöhnlichen Umgangsfprache entnommenen Namen bezeichnet. Die Wiedererfennung der Thiere war daher nur mach dem Grade ihrer Berbreitung und des davon abhängigen Bekanntſeins in weiteren Kreifen möglich, da ja mit einem wiffenfchaftlichen Namen auch eine wifjen- ſchaftliche Beſchreibung oder Charatterifirung fehlte. Folge hiervon war das häufige Schwanten der Bezeichnungen für ein und daſſelbe Thier nach Verſchiedenheit ver Fundorte und ift - heute die Schwie- rigfeit ver Nachbeftimmung. Unter den Hausthieren nahm im Mittelalter das Pferb die her- vorragende Stelle ein ; feine Zucht war fehr verbreitet 119) umd galt für 115) So fagt Adelardus Anglicus (Adelard de Bath) im feiner Schrift de eodem et diverso (verfaßt zwifchen 1105 und 1116), daß die Philofophen bie der finnlihen Betrachtung fich darbietenden Dinge, infofern fie verichiedne Namen haben und der Zahl nach verichieden find, Imbivibuen nennen, wie Socrates, Plato u. a. Betrachten fie aber diefelben Dinge nicht nach der Berjchiebenheit, ſon⸗ dern infofern fie unter demjelben Namen begriffen werben, jo nennen fie dieſelben Species. j. Hauréau, De la philosophie scolastique. Paris, | Se T. I. p. 253. Diefelbe Stelle franzöfifch bei Jourdain, Recherches etc. . &d. p. 267. 119) Der Beſchäler hieß emissarius oder burdo (Specim. breviarii rerum Das deccehuu⸗ ee 181 wichtig. "ERBETEN, ebenfo wie das Rind; es war Neit- und Zugpferb. Efel werben im burgundifchen Recht erwähnt; im Mon- jener Gloſſar findet fich auch der Onager als wilder Efel 120); auch werben Ejelsmühlen erwähnt. Auch das Rind wurde als Zugvieh be- nutzt 121); zur Zeit Chlotar’s I. fuhr der König mit Ochfen zur Volks— verfammlung. Für die Verbreitung der Rinderzucht fpricht auch das Auftreten von Biehfeuchen, von welchen aus den Jahren 809 und 994 Erwähnung gethan wird 22). Zur Beftimmung der vorzüglich gezüch- teten oder gehaltenen Raffen fehlt es an genauern Befchreibungen und Abbildungen. Neben vem Hausrind wird noch der Ur (Bos primige- nius), der Wifent (Bison europaeus) !23) und der Büffel ala Jagd⸗ thiere aufgeführt 124). Die Schafzucht ftand noch zu Karl's des Großen Zeit der Schweinezucht nach und kam ihr erſt fpät wenigftens gleich 125). Auch Ziegen wurden gehalten, aber werer hier noch beim Schaf und Schwein werden Raffen gefchilvert. Zahlreich waren dagegen die Hun- beraffen, obſchon auch hier beim Mangel eingehender Befchreibungen eine genauere Vergleihung mit den jetst Lebenden, bekanntlich zum Theil noch immer verändernden Raffen fehr fchwer fein vürfte. Nach ven Friſiſchen, Alemannifchen und bayrifchen Geſetzbüchern werben fol- fiscalium Caroli M. IV). Burdo beißt aber fonft das Maufthier; fo bei Iſidor von Sevilla: burdo ex equo et asina. ſ. auh Anton, Gedichte ber teutſchen Landwirtbichaft. Bb. 1. S. 427. 120) In dem oben erwähnten Gebicht des Manuel Phile (ftarb 1321) wirb bem Onager, ald rov umwiywr (sic) rar @llov uovog, ein Aftragalus, eine Gallenblafe und ein Horm zugefchrieben. Im Ruodlieb fommen gezähmte Wildeſel vor: miles onagri domitique. f. Latein. Gedichte des X. und XI. Jahr- huuderts von I. Grimm u. Schmeller. ©. 146. ®. 168. 121) Das in England verbreitete Rindvieh war im 13. und 14. Jahrbun- ; dert wahrfcheinlich die Heine, jetzt noch eriftirende Naffe. Bei Verproviantirung der Flotte ergab ein Stüd nur das Gewicht von vier Eentnern, auch noch weniger. : Rogers, History of Agriculture and Prices. Vol. I. p. 328. 122) Anton, a. a. D. Bb. 1. ©. 421. Bb. 2. ©. 297. 123) vergl. die häufig angeflihrte Stelle aus dem Nibelungenliebe. 124) Den Büffel erwähnt zuerft Paulus Diaconus, Hist. Longob. 4, 11. 125) jo im 16. Jahrhundert, wo der Einführung engliicher Zucdhtböde gedacht wird. f. Langethal, Gefchichte ver teutfchen Landwirthichaft. Bd. 1. ©. 258. Baftarde von Schaf und Ziegenbod heißen bei Iſidor von Sevilla tityrus. — "Die Boogie ben Mai, ee gende Raſſen zuſammengeſtellt '?): Veithund, Zreibhund, Spürhumd, Biberhund, Windfpiel, Habichthund (Hapihuhunt), Bären» und Büffel- fänger, Schweinhund, Schafhund , Viehhund, Hofhund (Hovawarth und Barnbrate (nach Schilter ein Heiner Schoßhund). Es fällt auf, daß feine der älteren Verordnungen der Hundswuth irgend Erwähnung thut 27), Von jagdbaren Thieren nennt das bayeriſche Geſetz (Lex Baj. Tit. IX, VII) Bären und Büffel, Hocd- und Schwarzwild und das Alemannifche Geſetz (Lex Alemann. Taf. 99. IV) hat gleichfalfs bereits die Eintheilung in Schwarz- und Hochwild und thut auch ver Büffel und Biſons Erwähnung. Außer dem Edelhirich 12°) kannte man den Eich (Elenm), den Schelch Rieſenhirſch und das Renuthier 129). Wölfe wurden zuweilen gezähmt !?0). Büren gab es noch 1057 in Schottland (auch jpäter, in Thüringen bis in's fiebenzehnte Jahrhundert ; im Fichtelgebirge wurde der legte Bär 1769 erlegt, '91). Eine beträcht: 126) Anton, a. a. O. Br. 1. S. 151. * 127) Bon Phile wird der „Bauch bes Hippocampus“ als Mittel gegen Hunde wuth angegeben. | 128) Na der Chronik von Kolmar (Geichichtichreiber ber deutſchen Borzeit 13. Jahrhund. Bb. 7. S. 72) „erfaunte in bem Walde bei Hagenan ein Hirfch eine Kub, die nachmals einen Hirfch geboren haben foll” (1294). 129) Paulus Diaconus jagt, im ſernſten Weften Deutichlands bei den Strip- tovinen gebe «8 ein birichartiges Thier, aus defien raubhaariger Haut ein Kleid ge fertigt werbe, das nad) Art einer Tunica bis aufs Knie reiche. Histor, Longobard. 4,5; überfegt von DO. Abel, ©. 13. Das Rennthier ſchildert Gaſton de Foir noch aus ben Pyrenäen über ein Jahrtaufend nah Eäfar unter bem Namen Ran- gier ober Ranglier (nah Wildungen'’s Taſchenbuch für 1805 und 1806, ©. 5). Bujad, Geſchichte des preuß. Jagdweſens Königsberg, 1839. ©. 17. Zu bem Elch gehört wohl aud das „Helim” der Hildegard; ebenſo das Elo vel Schelo, was Otto d. Große in einer Urkunde für den Bifchof Balderich won Utrecht erwähnt (1. Bujad in den Preuß. Provinziafblättern, Bd. 17. 1837. S. M). 130) Bom 14. Febr. 1276 erzählt die Kolmarer Ehronil (a. a. D. ©. 20), daß in Zürich eine zahme Wölfin zwei rothe Wölfe, zwei weiße Jagdhunde und drei gefleckte Hunde verfchiedener Art geworfen habe. Seit 959 ift in England fein Wolf mehr gejehen worben, weil der König Edgar von feinem Bafallen Ludwal 3000 Wölfe gefordert habe, wodurch fie innerhalb wier Jahren in England vertilgt wur- ben. j. Klein, Natürl, Ordnung ber vierfüßigen Thiere. herausgeg von Renger ©. 74. 131) Im Ruoblieb werben unter den Löniglichen Geichenten auch abgerichtete ; — * Fa. en RE» Dat breigehte Japrhunbert. iss lche Ausdehnung hatte ver Pelzhandel; gröbere Pelze kamen aus Nor- den; Biber, Zobel, Hermelin (welcher auch in England geſchätzt war) aus Rußland und Binland (Nord - Amerika)!2). Zu den befannte- ven Thieren gehörten noch Elefant, Kamel, Leoparden, Luchſe 132). Waren die erwähnten Thiere und deren Bekanntſchaft allgemeiner verbreitet, jo entwidelte fich nach Yage und Bejchäftigung der Einwoh⸗ ner auch eine befondere Kenntniß einzelner Gruppen. So weift der im breizehnten Jahrhundert entitandene nordiſche Königsipiegel nach, daf man in diefer Zeit im Norden eine jehr genaue Kenntniß der einzelnen Walthierformen, beſaß. Das genannte Schriftjtüd führt auf: Huiſa, Vogunhvalr, Hofrungar, Svinholr, Andvahlr, Hafrnhvalr, Hahiringr, Huitingar, Sildrecki, Buhrvalr, Sandlägia, Stottbatr, Geirhvalr, Hafrlili, Hrosvalr, Randkembingr, Nachvalr, Skelinngr, Hafreibr, Reidr; außerdem werden noch erwähnt Troldhvale, Tröllhvalur, Stei- pereidar, Fifrrecki 14). Bon Bögeln fanden ſich auf ven Höfen des Mittelalters nach dem falifchen Gefege Hühner, Enten, Gänſe (wegen der Weichheit ihrer Fe- bern gerühmt), Kraniche und Schwäne. Nach Karls des Großen Aen- derung des erwähnten Gejeges blieben Schwan und Kranich weg (letz⸗ tever wird noch 1279 als Zugvogel erwähnt). Doch empfahl verjelbe feinen Amtsleuten (in dem capitular. de vill. $ 40), darauf zu fehen, daß allerhand jchönes und jeltenes Geflügel das Gehöft verziere 135), als Evelhühner , Pfauen, Fafanen, "Enten, Tauben, ZTurteltauben und Bären genannt: ursi gemini multo variamine ludi. Latein. Gedichte bes X. u. XI. Jahrhund. von 3. Grimm u. Schmeller. ©. 146. Fragm. III. B. 172. 132) ſ. Fiſcher, Geſchichte des deutſchen Handels. 1. Bd. 2. Aufl. S. 9. Rogers,a.a. DO. Vol. 2.S. 647. Die am letteren Orte erwähnten Pelzarten find ſchwer zu deuten, miniver ift Sermelin, dagegen bugeye, stanling unb po- pul unbelannt. 133) Ruoblieb a. a. O. ©. 146. 8. 167 u. 169. Bei demielben erſcheinen auch zwei Affen: simia nare brevi, nate nuda mureaque cauda, voceque mil- vina, cute crisa catta marina. a.a. DO. ©. 145. B. 131 u. 132. 134) f. Fiſcher, Geſch. d. deutſch Handels. Bo. 1. 2. Aufl. ©. 699. 700. 135) f. Die Ueberiegung bei Anton, a. a. DO. Bb. 1. ©. 209. Pfauen und Schwäne werben im 13. und 14. Jahrhundert in England gehalten. Rogers, a.a.dD. Vol. 1.©. 340. Ueber Taubenhäufer ebenda ©. 326. r — —* Rebhüůhner. — waren. auch. Eingkägk wii: Als Vögel, welche fprechen gelernt hatten, führt Ruodlieb an Raben, Dohlen, Staare und Papageyen. Als zur Jagd verwendete Vögel werben im bayrifchen Gefege erwähnt: Kranichhabicht, Ganshabicht, Entenha- bicht und Sperber. Die feit dem vierten Jahrhundert in Europa ver- breitete Fallenbeize erhielt in dem vorliegenden Zeitraum durch Ein: - führung einiger im Oriente verbreiteter Einrichtungen befonvere Ent: widelung. So trat 3. B. an die Stelle des jogenannten „Aufbräuens“ (eiliatio), wobei mittelft eines eingeftochenen Fadens das untere Au- genlid über das Auge hinaufgezogen wurde, bamit der Falle bei ver Zähmung nichts ſehen könne, zur Zeit Friedrichs IL. die Haube, welche im Orient allgemein verbreitet war !#). Wie hier eine befonvere Sitte, jo waren es überhaupt Vögel, welche bei der häufigeren Be; rührung mit fremden Völlern eingeführt wurden. So erzählt beifpiels- wveiſe eine Schilderung des Zuftandes des Elfafjes im Beginn des brei- zehnten Iahrhunderts: „Man hielt nur eine Art Heiner Hühner; erft ſpaãter wurben große Hühner mit Bart und Kämmen, one Schwänze mit gelben Beinen aus entfernten Gegenden eingeführt. Es gab nur eine Gattung von Ringel- und Holztauben ; die griechifchen Tauben, bie Federn an den Füßen haben, und mehrere andere Sorten wurden erft fpäter in das Elfaß eingeführt. Faſanen brachte zuerft ein Kleriler aus dem überfeeifchen Yändern mit“ 137), Außer den Wunderberichten über einzelne Schlangen und Lind⸗ * würmer, welche nicht gar zu ſelten die mittelalterlichen Erzählungen ihmücden, aber wenig eingehende Kenntniß von ver Natur jener Thiere verrathen,, find die Nachrichten, welche über eine Bekanntſchaft mit Reptilien und Amphibien Licht verbreiten könnten, fehr bürftige. Daf Irland von Fröſchen, Kröten und Giftfchlangen frei fei, beruht auf alten oft wiederholten Angaben. Sonftige Einzelheiten werben nur felten berührt. Vom Jahre 1277 wird angeführt, daß ein herumfchwei- 136) j. Reliqua librorum Friderici II de arte venandi cum avibus. ed. J. G. Schneider. Tom. 1.p. 97: de eiliatione seu bluitione falconum, p. 162: > de mansuefactione falconum cum capello. * 137) Annalen und Chronik von Kolmar. a. a. DO. ©. 110. Ar. 19. ae Be a EC N, 3 I. — ak | | Das bueigehmte Jahrhundert. | A485: ;- fender Geiftlicher in Bafel Schlangen gefangen habe, mit denen er nach Belieben verfahren fei und wunderbare Sachen ausgeführt habe! 33). Ungleich reichhaltiger find die Nachrichten über Fifche. Doch er- ichwert das Fehlen eingehender Bejchreibungen die nachträgliche Be— ftimmung oft jehr. Die Kenntnif diefer Thiere verbreitet fich mit den Mönchen, denen die Erlangung leicht zu erreichender Faftenfpeifen Be- bürfniß war. Die lateinifch fehreibenden, keltiſch fprechenven irifchen Mönche brachten viele Ausprüde mit nach Deutfchland, welche fich hier einbürgerten. Der Fifchzug Trahte oder Trachte ift tractus, das Nek ift Segen, sagena. Einzelne Ortjchaften erhielten ihren Namen nach Fischen ; jo 3. B. Yodrim zwifchen Germersheim und Lauterburg, an deſſen Fuß einft ver Rhein gefloffen ift; es heißt auf deutſch Sal: meneck, iach ift iriſch Salm, rhim Rand, Ed). Selten wurden einzelne anatomifche oder biologische Eigenthümlichkeiten beachtet, und dann mehr als wunderbare Erjcheinungen. So wird berichtet, daß im Bisthum Bafel im Thale ver Süß in der Nähe von Granfelve ſich Weißfiſche ohne Schwimmblafe finden 4). In ähnlicher Weife wird 3: D. noch erwähnt, daß im Haufe dev Deutjchherren zu Weißenburg _ ein Aal auf einen Baum gekrochen jei und in einem Nefte drei junge BVögelein- verfchludt habe !1!). Eigentliche Fiſchordnungen find erft jpäter aufgetreten; jo ift die ältefte des Dorfes Auenheim bei Kehl vom Jahre 1442 2). Doch haben ſchon früher einzelne gefegliche Be— ſtimmungen beftanden. Es verbietet 3. B. eine lex Wisigothorum, um das Auffteigen des Yachjes in die Flüffe nicht zu hindern, das Au— : | = 2 & \ 139) f. Mone, Zeitichr. für d. Geichichte des Oberrheins. Bd. 4. 1553. ©. 68. Auch in England pflegten die Mönche die Fiſchgewäſſer, Teiche und Behäl- 138) Chronik von Kolmar. a. a. DO. ©. 27. - ter. Es wird auch angegeben, daß ausländiſche Fiſche nach England eingeführt worden feien, jo die Aefche, greyling, ber Karpfen und bie Forelle. S. Rogers, a@.a.dD. Vol. 1.©. 607, 608, 614. : 140) Jahrbücher von Bafel in den Kolmarer Annalen, a. a. ©. ©. 16. 4 141) ebenda S. 97. vergl. die Notiz über Babft Martin bei Erwähnung jei- nes Todes ebenda S. 52. . 112) Mone, a.a. DO. ©. 69. 186 | Die Zeige Ds Mater | Bringen querer Einzüge in die Flußmänbungen 10). Seife Aicharten waren Regal; fo war 1205 der Lachsfang am der Küfte pommerſches Kammergut; ebenfo waren Störe und andere große Fiſche, die ein Mann nicht tragen kann (ausdrücklich werden hier auch Walfiſche ge- nannt), Regal !*). Genauere Beobachtungen riefen die wirtbfchaftlich jo wichtigen Züge ver Häringe hervor. Bis zum dreizehnten Iahrhun- dert gieng ihr Zug nach der pommerfchen Küfte, und fie waren mandh- mal fo gedrängt, daß man fie mit den Händen auffangen konnte. Im Jahre 1124 koftete dort ein ganzer Wagen voll frifcher Häringe einen Pfennig #5). Im zehnten Jahrhundert war ihr Fang am den Hüften von Norwegen, von England und Schottland, bei Calais und Greve: fingen beveutend. 1313 geriethen fie nach ihrem Abzug von der Oft- feeküfte nach Schonen und Norwegen. Auch die Pilchards verfolgte man aufmerkſam in Bezug auf ihre Wanderungen. 1310 wirb er- wähnt, daß folche bei Elham in Kent, alfo viel weiter weftlich als fpä- ter gefangen worden fein. Der gefuchtefte Fiſch war im breizehnten Jahrhundert in England die Lamprete. Eine befondere Kunſt des Fifch- fanges war der Fang mit der Bugloffa, wofür aber die Erklärung . fehle). Einzelne Fifche hier aufzuzählen würde nicht am Orte fein. Zu dem meiften Arten, welche früher als den Alten bekannt aufgeführt 148) Lindenbrog, Codex leg. antiqu., leg. Wisigothor. lib. 8. Tit. IV. lex 29. 144) Fiſcher, Geſch. d. deutichen Handels. 1. Bb. 2. Aufl. S. 691. In Bezug auf das Regal der Störe f. au Weinhold, altmorbifches Leben. S. 71. 145) Ludewig, Scriptor. rer. Wirceburg. I. 690. Fiſcher, a.a.D. ©. 689. 146) Im Ruodlieb kommt eine Stelle vor, wo der Held feine Kunft Fiſche zu fangen zeigt. Er bebient fich dabei einer Ruthe und bes pulvis buglossae. a. a. D. ©. 183. Fragm. XII. B. 11. 12. Fragm. XI. B. 1. Was diefe buglossa fei, ift laum zu ermitteln. In Aldrovandi, Quadruped. digit. vivip. lib. U. p. 342 wird bei ber Felis civeta eine Pflanze angeführt: aelurogonum Magorum i. e. Buglossa. In einem mebicinifchen Recept aus einer Hanbichrift des 15. Jahr⸗ hunderts in Königsberg findet fi: Lapatia acuta idem quod buglossa. ſiehe Haupt, Zeitichr. für deutſch Altertfum. Menue Folge. 1. Bb. 2. Hft. S. 382. Unter Lapatia acuta verftand man in dem Apothelen bis neuerdings noch verchie- bene Chenopodium-Arten. — Darf man dabei an den rAöwog bes Ariftoteles den⸗ fen (Hist. anim. VII, 132. Aub.u.®.)? Plinius überſetzt Verbascum, 25, 8, 54. | Das dreigehnte Jahrhundert. 187 wurden, über welche aber etwas Näheres jetzt nicht belannt war, kamen noch viele Süßwaſſerfiſche. Doch wäre ein etwa zufammenzuftellendes Berzeichniß ſchon deshalb unvollſtändig, weil nur die zufällig in Ur: funden, Annalen, Breisverzeichniffen, Gedichten u. ſ. f. vorkommen: dert aufgeführt werden fönnten. Hierbei wäre außerdem Süddeutſch— fand mit ungleich zahlreicheren Quellen vertreten, als andere Yänder; und dies ift wieder von Einfluß anf vie vortommenden Bezeichnungen der einzelnen Arten 147). Ausnehmend dürftig find die Notizen, welche auf eine allgemeine Bekanntichaft mit den Mollusten hindeuten. Schon im breizehnten Jahrhundert erfcheinen Auftern auf Rechnungen für gelieferte ua im vierzehnten Jahrhundert außer denſelben auch Muſcheln 149). —* der Weichthiere, für welche doch der Suüden von her 147) Um bier nur ein Beiſpiel der fepwierigen Deutung zu gebem, will ich zunächft Silurus und Esox anführen. Nah Anton (a.a. DO. Bd. 1. ©. 21) ſoll Silurus ber Haufen fein (im früheren Gloffarien escarus), esox ber Lachs, leiste: red and im Gloſſar bei Findenbrog, a. a. D. ©. 1395. und bei Albertus Magııne Es wird aber nicht bloß im fübbentichen Gloſſen ipocus und esox mit - Hufe überſetzt Graff's Dintisfa, II, 154), fondern Conrad von Megenberg überſetzt esox haizt-ain haus, und im einer Tegernfeeer Urkunde heißt es gleich- falls membranae de esonibus quae dicuntur Husenwambe Freyberg, a.a. O S. 153). Silurus fcheint auch bei der H. Hildegarb (Physica) eine Störart zu fein. Der Wels erhält hier wie bei Ruoblieb feinen deutihen Namen walsa und welza. Der Hecht ift ucius, auch lupus aquaticus. Sprachlich intereffant wegen der deutſchen Fiſchnamen ift überhaupt die citirte Stelle im Ruodlieb. Mande - fonft vorkommende Namen find aber laum zu deuten. Die bei Rogers,a.a. D. Vol. 1. ©. 616 erwähnten ling, melyng, grelyng, haburdenne, cropling find allerdings wohl nur Alterszuftände oder Varietäten des Gadus Morrhua. Wat ; aber Wernelinge und Munretten find, welde Anton, a.a. DO. Bb. 2. ©. 362 ; erwähnt und welche auch bei Seiberg, Landes: und Rechtsgeichichte des Her- : jogth. Weftphalen. 1. Bd. 3. Abth. 3. Thl. S. 250 vorfommen, weiß ich —7 | ” Yehnlierweie find auch fpäter vorlommende Trivialuamen, wie fie z. B. bei Hirſch, Handels und Gewerbsgeichichte Danzigs. 1858. ©. 154, Mote J vor⸗ lommen, zum Theil Altersbezeichnungen für Fiſche, welche ven Küſtenbewohnern ohnehin belannter waren, z. B. Halſwaſſen, Croplinge, Lothfiſche, Tydlinge, Ra- elfiſche, Ore. Daß die Bewohtter der Küſtenländer überhaupt mit Fiſchen ver⸗ tranter waren, beweiſt unter Andern die in Holland im Jahre 1350 übliche Be— zeichnung politifcher Parteien ala Huif und Kabeljau. 148) Rogers, a. a. D. Vol. 1. p. 617. Vol. 2. p. 558. Sr | ———— = a0 Arten Beobachtungsmaterial hätte darbieten lonnen, iſt ebenfowenig mit einer Bemerkung bedacht, als es deren Bau und Entwickelung find. -- Unter ven Infecten find auch nur einzelne beobachtet worden. Im Gapitular Karls des Großen $ 43 werden Scharlachwürmer erwähnt ohne weitere Erklärung '). Im zwölften Jahrhunderte erhalten an manchen Orten bie Klöſter beftimmte Abgaben an Scharlachwürmern. Bereits im Jahre 550 hatten zwei Mönche die Eier des Seibenfpin« ners von China nach Gonftantinopel gebracht, wo Yuftinian bie Sei- benzucht als Geheimniß betrieb. Später kam der Seibenbau durch bie Araber nah Spanien und 1130 durch König Roger nad) Sicilien, © refie fücheluten Sofrtanterie nad OfnikinsnihhR70, ausgebehnter zu Anfang des jechszehnten Jahrhunderts, nach Süpfrant- reich. (Die Wittwe des Herzogs Franz Otto von Braunfchweig-Püne- burg und Tochter des Churfürften Joachim I von Brandenburg, Eli⸗ ſabeth Magdalena, joll um 1590, wahrſcheinlich behufs eines Verſuchs zur * Seidenzucht, Maulbeerbäume angepflanzt haben 15%, — Für bie Auffaffung der ſyſtematiſchen Stellung der fliegenden Infecten ift es nicht ohne Intereffe, daß dieſe Häufig als Vögel aufgeführt wurben 151). — Die größte Aufmerkfamleit hatte die Biene erregt, deren Zucht ſchon alt und fehr verbreitet war 12). Schüttelte doch ſchon in der altgerma- nischen Mythologie die Weltefche jeden Morgen Honigthau von ihren Blättern, von dem fich die Bienen nährten! Bereits im falifchen Ge- jeß wirb der Bienen gedacht. Man kannte die dreierlei Formen der Bienen, hielt aber die Königin für das Männchen, ven König ober Weifel, und die Arbeiter für eine eigne der Königin Ähnliche Art (fucus 149) |. Fiſch er, Geſchichte des beutichen Handels. 1. Bd. 2. Aufl. &. 85. 150) Nach einer Notiz in Krünitz, Encyllop. (Artilel: Seide unb Seiden- bau) Bb. 152. ©. 45. 151) fo die Biene. j. Wadernagel, Voces variae animantium. 1967. P. 30. Anm. 91. „Rat, Ritter! Zehen Bögel guot.” Antwort : „ber brit ein Bien“. Ferner die Ameife. ſ. geiftlicher Bogelgefang, bei Wadernagel, ebend. ©. 49. 152) Im England fcheint fie im 13. und 14. Jahrhundert felten geweſen zu fein, denn Honig und Wachs waren theuer. ſ. Rogers, a.a. ©. Vol.1.©.18 und 66. Das breigehnte Jahrhuudert. 189 api simils). Man ER verjchiedene Arten von Stöden , or bon Holz, von Rinde und von Geflecht 153). In Bezug auf foffile Formen hatte man feine Ahnung eines * tigen Verſtändniſſes. Der Bernſtein war zwar am geſchätzteſten, wenn ſich einige Infecten von der Natur darauf gebildet fanden 15%). Doc machte man fich über die Erklärung diefer Erfcheinung feine Gedanken. Auch die Funde größerer Knochen wurden nur ala merkwürdige Vor—⸗ fommmiffe chroniftifch verzeichnet 155), Bei der im Ganzen jehr wenig ausgedehnten Belanntjchaft mit der Eigemartigfeit der Thierwelt und dem Fehlen zuverläffiger Berichte aus früherer Zeit war es nur natürlich, daß fich Märchen und Fabeln von Thierem leicht verbreiten und in die Pitteratur feft einwurzeln konn⸗ ten. Was von den Schriftjtellern des Alterthums befannt war, be» ſchränkte fich entweder auf Dinge, welche der Natırrbeobachtung fern lagen, oder wo naturhiftorifche Autoren herangezogen wurden , waren es mit allerhand Zuthaten verbrämte Auszüge oder Pfeudepigrapha. So enthält 3. B. das nach Yetronne im Jahre 825 gefchriebene Wert des irifchen Geiftlihen Dicnil!%) vorzugsweife naturgefchichtfiche Auszüge aus Solinus, welcher jelbft wieder Epitomator des Plinius - war. Im die Reihe derartiger Schriften, durch welche mit andern nicht hiſtoriſchen Erzählungen auch zoologifche Fabeln verbreitet wurden, ge hört ver Pſeudocalliſthenes, überhaupt die ganze Gruppe ber die Aleranderfage bearbeitenden Schriftjteller *7). Die etwa um 200 n. Chr. in Aegypten entjtandene Sage wurde der nicht griechifch verftehen« 153) Lex Bajuw, in Pertz, Monumenta, Legum Tom. Ill. p. 333. (Srfter f Tert, Tit. XXI) und p. 448. (Dritter Text, Tit. XXI) cap. 9. : 154) Fifcher, Geſch. d. deutſch Handels. 1. Bb. 2. Aufl. S. 182. 15) So z. B. in den Kolmarer Annalen von 1253 und 1261. a. a. DO. Bors * rede ©. IX md ©. 1. N 156) Letronne, Recherches g6ographiques et critiques sur le livre - De mensura orbis terrae .. par Dicuil, suivies du texte restitu6. Paris, 1814. p. 30, 40, 47, 48, 49, 52 u.a. D., wo meift Julius, d. i. Solinus als - Gewährsmann für Angaben über Thiere in Deutſchland, Africa, über Elefanten - Sudiens und der Infel Taprobane u. j. w. angezogen wird. 17) Bfendocalliftpenes. Forihungen zur Kritit und Gefchichte der älter fen Aufzeichnung der Aleranderfage; von Jul. Zacher, Halle, 1867. 7 U | Er den Leſewelt durch bie lateiniſche Ueberfegung des Julius Balerius (im vierten ober fünften Jahrhundert entftanben) zugänglich und verbreitete ſich befonders in dieſer vielfach überarbeiteten Form über ganz Europa, wie ſie denn im fünften Jahrhundert ſelbſt in das Armenifche überjegt wurde. Spätere Formen, welche fie durch Palladius, den Archipres- byter Leo (Historia de preliis, zwiſchen 920— 944) aunahm, enthat- ten einzelne fich allmählich erweiternde Zufäge. Ziemlich jelbjtändig fteht neben ver Sage der Briefwechjel zwijchen Wleranber und dem - Bragmanentönig Dindimus da, welcher , jeit dem 9: Dahrhunbert in Handſchriften häufig, mit den Berichten über Aleranber's Aufenthalt in Indien Quelle für manche jpätere ethnographiſche Angabe geworben ift 159). Im der Aleranderjage kommen die Aspivochelone des Phyſiolo⸗ aus, der Obontotyrannus, die Oxydralen und andere anf einzelne Be- obachtungen fich gründende, aber durch die Phantafie zu immer jabel- bafteren Weſen fich erweiternde Gebilde vor. Ein fpäterer Abjchnitt über bie Yeiftungen der hiſtoriſchen Zoologie wird die Berfuche, dieſe Formen zu deuten umd ihren maturbiftorifchen Gehalt nachzuweiſen kurz anzuführen haben. Mit eigenthümlicher Zähigteit Hat fich eine von ven manchen Fa⸗ bein Jahrhunderte lang zu erhalten vermocht , trotzdem fich ſchon früh einflußreiche Stimmen erhoben , welche das Unhaltbare der ganzen Er- zählung darzuthun verſuchten, die Babel von ver Baumgans oder überhaupt von gewiffen, aus den Früchten an ver Meerestüfte wach: jenber Bäume fich entwidelnden Vögeln. Bei der großen Ueberein- ſtimmung, welche vorzüglich im zwölften und breizehnten Jahrhundert Schriftfteller aus oder über Großbritannien in Bezug auf das Vor- fommen dieſer Vögel an Küftentheilen jener Infeln zeigten , hätte es * jajt jcheinen können, als ob die Fabel die Erfindung einzelner englijcher 158) Auf diefe Duelle ift die Notiz Hoffmann's von Fallersleben zurüdzuführen, wonach die Hindus in Europa früh belannt geweſen feien. fiehe Mone, Anzeiger. 2. Jahrg. 1833. ©. 164. Berg. auch die felbftänbige, im Mittelalter öfter vorfommende Erzählung von den Orybrafen im Alexander des Pfaffen Lamprecht. Ausgabe von Weismann. 1. Bd. 5. 259 figbe, B. 4609 bis 4952. — am Dinge — ſei, welche den Genuß von Vögeln an Faſttagen da⸗ durch zu einem erlaubten zu machen geſucht hätten, daß ſie die Vögel als vegetabiliſche Erzeugniſſe hinſtellten. Nach jenen Berichten allein zu urtheilen wäre ungefähr das Ende des zwölften Iahrhunderts die _ Zeit der Entftehung dieſer Fabel geweien. Diefe Annahme läßt ih jedoch nicht halten ; vielmehr weijen andere Erſcheinungen auf ein höhe res Alter dev wunderſamen Gefchichte, ebenjo wie auf einen andern Entſtehungsort Hin, wenngleich beides ſich leider nicht fo feft beſtimmen laßt, daß man die allmähliche Verbreitung Schritt für Schritt verfol- gen könnte. In der nordeuropäiſchen Form der Fabel ift die Bernikelgans (Anser bernicla L.) Gegenftand verjelben geworden '). Der ältejte für die Eriftenz dev mufchelentipringenden Vögel angeführte Schrift- ftelfer ift im Norden Saro Grammaticus; welches Land er aber als Heimath der Baumgänfe anführe, wird nicht berichtet 1%). Ziem- (ich weit ſüdlich verlegt das Vorkommen derſelben Gervaſius Til: borienſis (fchrieb um 1210), welcher eine Küftengegend des Erzbis- thums Canterbury in Kent in der Nähe der Abtei Faverthſam als Fund- ort begeichnet!®). SyiIpefter Giraldus (Cambrenfis, geb 1146, ſtarb nach 1220) jchildert die Vögel als in Irland vorkommend !%2), An der flandrifchen Küfte jollen fie mach der Angabe des Sacobus de 159) Ueber die norbifche Verbreitung der Sage und bie Etymologie des Na» mens j. M. Müller, Lectures on ihe science of language. 2, Series. Lon- don, 1864, ©. 536 flgbe. . 160) eitirt von Seb. Münster, Cosmographia p. 49, Es ift mir nicht geglückt, die Stelle im Saro aufzufinden. Münfter führt die Infel Pomonia, duse haud procul abest a Scotia versus aquilonem als Aufenthaltsort ber Baumgans an, aljo die Orkney-Infeln. e 161) Otia imperialia. Dec. IH. cap. CXXUI (Drudfehler CXXXIMN) im: - baciae de Faverethsam“, joll wohl heißen abbatiae. Er nennt den Bogel Bar- 162) Topographia Hiberniae cap. XI. De Bernacis ex abietibus nascen- yus earumque natura in: Anglica, Hibernica, Normannica, Cambrica a :teribus scripta ete, Francofurt. 1602. p. 706. Ex führt zuerft den Genuß fer Bögel im den Faften an, tadelt venfelben und meint, man hätte ba aud von Adams Fleiſche eſſen dilrfen, da auch er nicht de carne natus geweſen jei. "Leibnitz, Seriptores rerum Brunsvicens. I. p. 1004: „ad confinium al- — a “ ? ar a —— a ——— a SR ee —— Er — ee, HE u ar. * F a ii “ ER g u: ⸗ Bitriaco auf Bäumen eniftehen (ftarb 1240)168) , — wird überall eine beſtimmte Dertlichleit angegeben und einer Erwähnung diefer Vögel bei früheren Schriftftellern nicht gedacht. Auch erwähnt noch fpäter der im Jahre 1331 geftorbene Odoricus von Bordenone (de Porta Naonis, auch von Udine genannt), daß ihn das in der Tartarei gefehene fogenanute vegetabilifche Lamm an die Baumvögel in Schottland erin- nert habe '%+). Der erfte Schriftfteller, welcher ſich für die Erzählung auf ältere Quellen beruft, ift der fpäter ausführlich zu befprechende Thomas von Cantimpre. Er jagt ausprüdlich, „die Barliaten wachſen, wie Ariftoteles jagt, auf Bäumen ; es find die Vögel welche das Bolt barnescas nennt“. Im Ariftoteles findet fich feine auf die Babel fich beziehende Angabe, man künnte höchftens die Behauptung des Aristoteles hier anführen wollen , daß Infecten in faulendem Holze entftänden. Daß der Gedante an Infecten nicht etwa weit hergeholt ift, beweift ein Eitat bei Michael Mayer, welcher fagt, Plutarch habe in dem Tractate über die Frage, ob das Ei Älter fei als die Henne, folcher Bögel Erwähnung gethan. Plutarch fpricht aber in der einzigen hierher zu beziehenden Stelle diefer Schrift allein von der Entftehung > m Infecten aus oder in Bäumen, welche nun wohl, wie es oben für Bienen und Ameifen mitgetheilt wurde, als Vögel bezeichnet worden e ſein fönnen !®). Es. erzählt übrigens Thomas von Cantimpre auch, 163) in ber Historia Hierosolimitana, abgebrudt in ben Gesta Dei per Francos, Hanoviae, 1611. p. 1112. 164) Ramusio, Secondo Volume delle navigatione et viaggi. Venetia, 1574. fol. 248 V, „pomi violati e tondi alla guisa di una zueca, da quali quando sono maturi esce fuori un’ uccello*. Diefelbe Gefchichte erwähnt bei gleicher Gelegenheit Sir John Maundeville, the voiage and travaile etc. ed. ° byJ. 0. Halliwell. London, 1839. p. 264. 165) Mich. Maier, Tract. de volucri arborea absque patre et matre in insulis Orcadum forma anserculorum proveniente,. Francofurti, 1619. Michael Mayer war feibarzt Rudolph's II und wurde als folder Pfalzgraf. Einen Auszug aus feiner Schrift gab Joh. Johnstonus, Thaumatographia naturalis. Amstelod. 1661. p. 277—292. Die Stelle im Plutarch findet fi: Ausgabe von Neiske. Bd. 8. ©. 521. Dela Faille führt im einem Aufſatz (M&em. pres. Acad. d. Science. Paris T. 9 .1780. p. 331.) Plinius und Aeliau als Gewährsmänner an; im beiden findet fich nichts einſchlägliches * — Das eigen Iahehumdet. 0.18 — bat — II auf der Lateranſynode (alfo ver vierten, 1215) den Genuß diejer Vögel in der Faftenzeit verboten habe. Nach allen diefen Zeugnifjen jcheint die Fabel vom dreizehnten Jahrhundert an auf den Nordweſten Europa’s localifirt gewefen zu fein, was auch aus den Einwürfen hervorgeht, welche Albert ver Große erhebt, ver die Vögel bei der Begattung und dem Brüten der Eier ſelbſt gejehen zu haben berichtet, und wie auch ferner eine jpätere Bemerkung beftätigt, mit welcher ver Holländer Gerard de Vera die Gefchichte zurückweiſt. Er fagt, es jei fein Wunder, daß bis jest (1597) noch Niemand die Vö— gel Eier legen geſehen habe, da noch Niemand bis zum achtzigften Grave nördlich (Grönland) vorgedrungen jei 16%). Diefe Zurücweifung fpricht mit den andern fpäteren Berichten dafür, wie wenig die Widerlegungen der Sage buch Albert ven Großen und Roger Bacon ver: breitet waren oder geglaubt wurden. Es ift nicht nöthig, die Verbreitung des Baumvogels durch bie Yitteratur noch weiter zu verfolgen; er findet fich bei Aenens Sylvius Dlaus Mazuus, in dem Ortus fanitatis, bei Mizaldus (in den Me- morabilien, Centurie 8, Nr. 18), bei Hector Boethius, Abraham Orte- lius u. ſ. w. 197), Bon Intereffe ift es aber, nachzuweifen, daß die Fabel ſchon früher beftanden hat. Schon 3. G. Schneider machte in der Ausgabe des Wertes Friedrich's II über die Falkenjagd bei Erwähnung der naturhiſtoriſchen Notizen in Gervaſius Tilborienfis (Bd.2.©.86) auf eine Stelle des Peter Damiani aufmerfam 198), Diefer einfluß— 166) Gerardus de Vera, Diarium nauticum, seu vera descriplio - trium navigationum admirandarum ad Septentrionem. Amstelod. 1598. fol. _ - 15, (britte Reife). Er nennt die Vögel barniclae oder Rotganfen. 167) In Bezug auf die Verbreitung der Fabel durch die Werke des jechzehnten und fiebenzehnten Jahrhunderts j.G. Funck (resp. G. Schmidt), deavs _ - britannicae vulgo anseris arborei ortu et generatione. Regiomonti. 1689. und J.E. Hering (resp. Joh. Junghans) de ortu avis britannicae. Wite- F - bergae, 1665. Schneider führt in dem „Litterarifchen Beiträgen zur Naturge- ſchichte aus den Alten“ S. 36 an, Guettard fage, daß Alexander ab Alerandro zu dem Märchen Beranlafjung gegeben habe, wovon die Mufchel den Namen habe. Doch kann diefer Schriftfteller als viel zu ſpät gar nicht in Betracht fommen. 168) Das Eitat Schneider’ 8 weift auf eine mir unbelannte Ausgabe. Ich fand die Stelle in den Opera P. Damiani ed. Constantinus Cajetanus. Bassani, E B. Garus, Geſch. d. Zool. 13 - * PEERR —— — bungen zur Erweiterung der päbſtlichen Macht für das Mittelalter ſo wichtige Mann (geb. 1006, geft. 1072) Hat unter feinen Schriften er- baulichen Inhalts auch eine Abhandlung hinterlaſſen darüber, daß der Schöpfer ver Natur auch die Natur und ihre Wege abändern könne. Dies belegt er unter andern damit, daß auch an einem Baume Bögel — nſtehen konnten, wie es auf der Inſel Thilon in Indien der Fall fei. Wegen dieſer Verlegung der Fabel nach Indien hält Schneider bie betreffende Stelle für verderbt, wofür indeß fein rechter Grund ange führt werden kann. Ueber verfchievene Handichriften und Tertrecenfio- nen des Peter Damtani ift freilich nichts befannt. Doch ift dies nicht das einzige Zeugniß, welches die Fabel nach dem Orient verweift. Im 5 ber Hauptfchrift ver Kabbaliftit, dem Sohar, wird II, 156 erzählt, der Rabbi Abba babe einen Baum gefehen, aus deffen Früchten Bögel ab- geflogen fein. Der Sohar ift in den Schuldan Aruch aufgenommen worden und jo findet fich denn jene Stelle auch in dieſem halachiſchen Hauptwerte wieder Jore Deah, 84, 15)1%),. Nun wurde allerdings der Schulchan Aruch erft 1522 von Joſef Karo in Nikopoli verfaßt ; der Sohar wurde aber ganz im ihn eimverleibt. Diefer ift der Sage nach ſchon im zweiten Jahrhundert von Simeon ben Yochai verfaßt — worden, ber Kritit nach war er aber erſt im elften Jahrhundert fertig. Zellinet will Moſes ben Schem Tob te Yeon als Verfaſſer anfehen * und weiſt ihn deshalb in das dreizehnte Jahrhundert. Doch hat dieſer, welcher wahrſcheinlich ven ganzen Sohar beſaß, vermuthlich nach und nach einzelne Theile deſſelben handfchriftlich ausgegeben und dadurch den Schein erwedt, als habe er ihn verfertigt. Für diefe Anficht fpricht bejonders die von Loria angeführte Thatfache, daß die rabbiniſchen Gutachten der Gaonim zu Babel, welche bis zum Sabre 1000, aber . 1783. Tom. III. p. 631: „unde et terra illa (insula Indiae Thilon) oceiduwis partibus hanc consecuta est dignitatem ut ex arborum ramis volucres pro⸗ deant“. 169 Die Stelle aus dem Sohar f. bei Jellinet, Beiträge zur Gefchichte ver Kabbala. Leipzig, 1852. ©. 48, aus dem Schulchan Aruch bei Lewyfohn, Zoo logie des Talmud. Frankfurt a. M. 1859. ©. 362. Hier wird Übrigens Jacobus de Bitriaco (episcopus acconensis) zu einem episcopus atheniensis. a ung ROH 2 Dasoreifhnte Sabrbumdert.: 15 + nicht — — den Sohar völlig unbefangen als Midraſch hanielam oder Midraſch Jeruſchalmi eitiren 17%), Wenn nun auch nicht zu entſcheiden ift, ob’ der die Erwähnung * PS enthaltende Theil zu dem jchon vor dem babylonifchen Talmud Fertigen gehört oder wicht, fo ift doch die Wahrjcheinlichkeit ehr groß, daß er vor dem Jahre 1000 gejchrieben war. Und dies wäre dann der ältefte Nachweis für das VBorhandenfein einer Sage von Vögeln, welche aus den Früchten gewiffer Bäume entjtehen, und zwar ein Nachweis aus einem Theile _ der Welt her, welcher überhaupt die Wiege fo vieler Wundergefchichten gewejen iſt, dem Driente. Iſt auch hiermit noch nicht im Sinne einer jtreng hiſtoriſchen Forſchung feftgeftellt, daß auch die Baumgans ein Kind orientalifcher Fantafie jei, jo durfte die Hinweifung auf die jeven- falls völlig unbefangene jüdiſche Quelle nicht unterdrückt werben. Derartige Erzählungen erhielten nun beftändig neue Nahrung durch die jeit der Mitte des breizehnten Jahrhunderts immer häufiger und ausgedehnter unternommenen Reifen und den durch diefelben vermittelten Verkehr mit noch weniger bekannten Theilen des alten Gontinentes. Hier war e8 nicht bloß Afien, welches in feinem cem tralen Theile immer weiter durchwandert wurde, freilich um fpäter in größeren oder geringerem Grade wieder verjchloffen zu werden, es giengen auch zur Unterhaltung des Verkehrs mit Rom Miffionen nach dem chriftlichen. Abejfinien, wodurch auch Gentralafricn wenigftens theilweiſe mit in den Kreis des Beſprochenen eintrat. Fällt ach ein großer Theil diefer Unternehmungen und ihre Ausbeute erft in das vier- - zehnte und das folgende Jahrhundert, fo wurde doch von einzelnen der - Schriftfteller, die hier vorzugsweife zu erwähnen find, manches Frühere davon ſchon benutzt. So kannte Roger Baco fowohl ven Ioannes - de Plano Earpini, welcher jchon 1246 Karakorum erreichte, als Ruye 3 170) |. Jellinek, Mofes ben Schem Tob de Leon und fein Berhältniß zum - Sohar. eipzig, 1851. Loria, nr '& map Tara (Abhandlung über das hohe E Alter des Buches Sohar) Johannisburg, 1857. Die uUnterſuchung Loria's, welche mir mein verehrter College Dr. Fürſt zugänglich gemacht hat, führt zu dem Reſul⸗ 2 tate, daß der Sohar ſchon vor dem babylonifchen Talmud (um 500), einzelnes jeden- falls ſchon zu den Zeiten Simeon ben Jochai's (zweites Jahrhundert) entftanden ift. 1 13* m. Die Zootsgie bes Miteatert un. broech (ober Wilhelm de Rubruguis), welcher 1253 im ft Au wiig des Heiligen dahin gieng. VBincenz von Beauvais bemugte Plan Earpin, den Benedictus Polonus, Nicolaus Ajcelinus u. a.'”). Waren die Genannten teils geradezu Miffionare, theils Abgefandte ! { an einzelne fich in Gentralafien anfäffig gemachte veligiöfe Genoffen- - haften over an afiatifche Fürften, fo knüpfte ſich doch auch bald ein faufmännifches Intereffe an derartige Reifen. Dies war nun wohl für die Erdkunde im Allgemeinen ein ihr Bereich erweiternder Gewinn, linmſofern als theils die Ortsbeftimmungen, die klimatiſchen und fonftigen pphyſilaliſchen Berhältniffe ver erichloffenen Yänver, die Berkehrftraßen, theils auch die Naturerzengniffe eine befondere Aufmerkfamteit fanden. Die legtern waren indefien , beſonders was das Thierreich betrifft, in viiel zu untergeorbnneter Weiſe mit dem eigentlichen Zwede dieſer Reifen verknüpft, als daß fich wirkliche Bereicherungen hätten erwarten laſſen. Dies gilt nicht etwa bloß von einer etwaigen wiffenfchaftlichen Erfaf- fung des nur Gejehenen, fondern auch von einer allgemein populären Kenntniß. Auch war ja weder die naturwifjenjchaftliche Methodik jo weit entwidelt, daß die neuen Thatfachen entſprechend Hätten ver: werthet werden können, noch waren die nothwendigen Grundlagen zur richtigen Beurtheilung des Gefehenen vorhanden. Es konnten in Folge hiervon die Reifenden auch feine Kritif an das ihnen an Ort und Stelle über verfchievene Naturerjcheinungen Mitgetheilte anlegen ; ihr Bericht ift daher von mancherlei Wunderbarem , von orientalifchen - Märchen wie von Fabeln aus antiten Quellen durchſetzt. Selbft die Berichte über die verjchiedenen Menſchen, welche zum Theil gut beob- achtet wurden, blieben in Folge diefes Hanges zum Wunderbaren nicht frei von Mythen. Wenn auch Plan Carpin die Charaktere der mongo- lichen Raſſe im Ganzen ziemlich richtig angibt, jo finden fich doch felbft bei Marco Polo Erzählungen von gejhwänzten Menfchen, von Ohne: föpfen, von Hundsköpfen, zu denen bei Maundeville noch die einfüßigen Schnellläufer, die Einäugigen und die Pygmäen und ihr Kampf mit Vogeln kommt. 171) ſ. über dieſe Peſchel, Gefchichte der Erdkunde. S. 150 u. figbe. BE, N — — Die beventenofte Reife, welche im dreizehnten Jahrhundert aus- —— vehrhunden * we. geführt wurde, ift die der Gebrüder Poli, von denen der eine, Marco Polo, fiebenzehn Iahre lang (1275— 1292) im Dienfte des mongo- fifchen Großfhans , Kubilai, verblieb und das ganze Innerafien vom Dftrande des ſchwarzen Meeres bis nach Peking und der Oftküfte, und vom Altai bis nach Sumatra kennen lernte. Um einen Beleg über die Beichaffenheit der naturgefchichtlichen Belehrungen jener Zeit zu geben, mag bier eine kurze Ueberficht der wichtigften zoologiſchen Mittheilun- gen Marco Bolo’s folgen 172). Was zunächft die Hausthiere betrifft, jo hatte bereits Ruysbroed ber wilden, auf ven Steppen der Tartarei in großen Heerben lebenden Pferde gedacht. Marco Bolo rühmt die turkomaniſchen und perfi- ſchen; im Usbekenlande finde fich eine edle Raſſe, welche vom Buce- pyhalus abftammen foll. In der Stadt Schangstu fand er einen großen ee EN en * R u a re Marftall mit zehntaufend milchweißen Hengften und Stuten. Die größten und fchönften Eſel waren in Perfien ; fie find ſchneller als die Kamele und werten daher häufiger zum Transport benußt. Mauleſel wurden in Turfomanien gezüchtet. Den Buckelochſen oder Zebu fchildert Marco Polo als in Kamandu, einer unbelannten per _ jifchen Stadt gefehen. Den Grunzochfen oder Yak hatte bereits Ruys- | broek aus dem Lande Tangut erwähnt. Marco Polo fchilvert ihn bei Erginul (Liangetfchen) als an Größe dem Elefanten gleich, weiß und ſchwarz, an der Schulter mit drei Spannen langem Haar. Intereffant ift e8, daß er bereits einer Kreuzung des Yak mit dem gewöhnlichen Rinde gedenkt; die hierans entfpringenden Rinder follen eine edle Kaffe — darſtellen. Von Perſien werden wiederum die großſchwänzigen Schafe geſchildert. Sie ſollen ſo groß wie die Eſel ſein mit langen, dicken, bis | zu 30 Pfund fchweren Schwänzen. Im Lande Vokan follen die großen Schafe bis zu drei bis fechs Spannen lange Hörner tragen. Bon 172) Die Reifen des Venggianers Marco Polo im breizehnten Jahrhundert. Zum erften Male wollftäindig nach dem beften Ausgaben deutſch mit einem Kom» nientar von Aug. Bürd. Leipzig, 1845.80. italienifh in: Ramusio, Secondo _ Volume delle Navigationi et Viaggi. Venetia, 1574. Fol. Ich habe beide Aus» gaben benußt. a, — retten — Marco vele — — — gen 17); auch erzählt er, daß im nörblichen Sibirien die Einwohner ihre Schlitten mit Hunden beipannen. Die Mefriten (fibirifche Tar⸗ taren) brauchen große birichähnliche Thiere zum Reiten, offenbar Rennthiere. Für die geographifche Verbreitung der Thiere ift bie Angabe von Werth, daß Kubilai in der Nähe von Peling Iagbleopar- den in feinem Jagdparke gehabt Habe; dieſe, aljo Gueparde und Luchje würden zur Jagd auf große Thiere gehalten. Der Kamelo: pard ſoll auf Madagaskar vortommen. Elefanten und Rhino- ceros werden erwähnt aus dem Gebiete des (nicht namentlich bezeich- ” neten) Irawaddi und von Sumatra. Hier hält es Marco Bolo für ſeine Pflicht, eine Fabel zurückzuweiſen. Die Einhorne (Rhinoceros), ſaagt er, laſſen fich nicht durch Jungfrauen fangen, wie man bei ung wähnt 174). Das Moſchusthier ift in Tübet fo verbreitet, daß der 2 Geruch überall bemerkbar iſt; in Erginul (Yiang-tfcheu) findet fich der becſte Moſchus. Das Tier ift nicht größer als eine Ziege, ift einer Antilope ähnlich, ohne Hörner, mit vier, zwei obern und zwei untern Hauzãhnen, welche drei Finger lang, ſchmal und weiß wie Elfenbein = find. Zur Zeit des Vollmonds bildet ſich in der Nabelgegend eine Blaſe oder ein Schwär (apostema) voll geronnenen Blutes. Bon agdbaren Thieren erfcheinen Eber, Hirſche Damhirſche, Rehe, Bären, Zobel Rondes), Pharaonismäufe (Murmelthiere), ſchwarze Füchſe und Hafen. Schon Marco Polo bringt Zeugniſſe für die weit nach Norden reichende Verbreitung des Tigers, welcher meift unter dem Namen Löwe erjcheint, ver Beichreibung nach indeß nicht zu verlennen ift. Er erwähnt ihn noch aus dem Gebiete des Irawaddi und von Sumatra. In Sibirien bommen Bären mit weißem Pelze bis zu zwanzig Span- nen Länge vor, Bei der Stadt Scaſſem (im Usbekenlande?) finden ih Stachelſchweine, welche, wenn fie gejagt werden, die in ihrer 173) „cani da caccia et da paisa, da lepori et mastini“ bei Ramusio, fol. 27. v. Obige Ueberjegung nah Bürd, S. 313. 174) vergl. das früher bei Erwähnung des Einborns im Phyfiologus Gejagte. = ' Jutereſſant iſt auch die verſchiedene Schilderung des Moſchusthieres bei dem einzel⸗ 34 nen Schriftftellern des Mittelalters zu vergleichen. 2 Das rei Sahehunbert RE — — — Stacheln als Bfeite ausfchießen. Während alfo Marco Polo beim Nashorn die Fabel zurüchweift, erzählt er fie hier ohne wei- tere Unterfuchung nach. Im Indien fommen Sledermäuf e von der Größe der Geier vor. An der Südfpige von Indien leben Affen von folcher Geftalt und Größe, daß fie ven Menſchen ähnlich find, daneben aber. auch langichwänzige. Eine Gejchichte, welche Thomas von Can timpre von den Amazonen erzählt, daß die Frauen von ihren Männern getrennt leben und nur eine kurze Zeit des Jahres mit ihnen zufammen . fommen, berichtet Marco Polo von den Bewohnern zweier Injeln im Deean, zwifchen Indien und Arabien ; die eine joll von den ——— die andere von den Frauen bewohnt werden. Bon Bögeln werden am häufigſten die durch ganz Afien zur Jagd benutzten Falkenarten erwähnt. Die Tataren jollen die beften Jagdfalken haben. Kubilai hatte zehntaufend Falkner; dabei wird aus | brücflich der Pfeife und der Kappe Erwähnung gethan (richiamo und cappelletto). Ihr Vorkommen wird conftatirt von Perfien an, in ben Bergen von Balachichan bis Schangetu ; in der Nähe des Deceans, an ver Oftküfte Ajiens ift ein Berg, auf dem viele Geier- und Wander falten niften. Bon Arten werden aufgeführt: Geierfalten, Wanderfal- | fen, Sperber, Yanerfalten, Habichte, Sperberfalten, Saferfalfen. Ob auf dieſe Unterfcheivungen bis in’s Einzelne Werth zu legen ift, a ⸗ jcheint darum zweifelhaft, als zuweilen die Bezeichnung „Geier (ober Sir-)falfen“ und „Wanverfalten“ ganz burcheinander für denjelben Bo- ; gel gebraucht wird. Die übrigen Angaben über Vögel find ziemlich dürftig. Erwähnt wird, daß während in Indien alle Thiere und Vö— gel von den umfrigen ganz verſchieden ſeien, die Wachteln hiervon eine - Ausnahme machen, indem fie ganz den unfrigen gleichen. In Quen- lin⸗fu gab es Haushühner ohne Federn, mit ſchwarzem Haar, welches + Aa hin = ra ni UT aa St Ahr 5 SHE et Da Zee DE nn dem Kasenfell glih. Faſanen, Birfhühner und in Perfien ungeheure Mengen von Zurteltauben zogen die Aufmerffamkeit auf fih. Ander Dftküfte wurde von den Jagdfalken ein Vogel Bergelaf gejagt, von ver Größe eines Rebhuhns mit Schwalbenfchwanz und den Krallen eines - Bapageys. Arm intereffanteften ift die Angabe über den Vogel Ruh, welcher auf Madagaskar leben und jo groß und ftark fein joll, daß er 2° men Gffantn egefen un vu die Saft Feen Tann, Bele gelweite mift fechszehm Schritt. Cine dem Großthan mitgebradhte Feder maß neunzig Spannen 1°). — Bon andern Wirbelthieren wer- den nur noch ungeheuer große Schlangen erwähnt, zehn Schritt (ang und zehn Spannen im Umfang. Sie follen vorn neben dem Kopf zwei kurze Beine mit drei Klauen, wie die Tigerkatze haben und felbft größere Thiere, wie Löwen und Wölfe freffen. — Unter den wirbel -· loſen Thieren waren nur die Mufcheln Gegenftand ver Aufmerkfamteit Marco Polo's. An der Südfpige Indiens wurden fchon damals Perl- mufcheln gefifcht. Alle Borzellanmufcheln (Corries), welche in andere Länder ausgeführt und als Münze gebraucht werben, kommen von dem - Lande Lochak (auf Borneo). Berglichen mit den Reifen des Marco Bolo find diejenigen, welche ben in gleicher Kichtung folgten, für Erweiterung ver yoologifchen I Kenntnifje von noch untergeorpneter Bedeutung. Oderico de Por- a FR ® H Bun x r denone hat nicht bloß, wie bereits erwähnt, die Reihe der zoologifchen Fabeln noch mit dem vegetabilifchen Lamm bereichert, fondern auch feine übrigen Angaben find jo mit Aberglauben und alten Wundergeſchichten durchwirkt, daß weder er noch fein Plagiator oder Begleiter Sir John Maundeville Anfpruch erheben können, hier noch mit Aus- führlichkeit erwähnt zu werden !76). Re 175) Bereit Pouchet, Histoire des sciences naturelles au moyen age. Paris, 1853. p. 601, macht baranf aufmerlſam, daß bei dieſem Berichte Marco Bolo’8 wohl an den Aepyornis gedacht werden lönne Ä 176) Odoricus f, biRamusioa.a. O.SirJohn Maundeville, The voiage and travaile. reprinted from the edition of 1725, with an Intro- duction by J. ©. Halliwell. London, 1539. Mandjes ift micht unintereffant; jo die Erwähnung der künftlichen Bebrütung, der Brieftauben (clovers) in Sy rien; amberes ift aber aus dem Alterthume hberübergenömmen, wie daß bie Schlaugen auf Sicilien (Cilicien?) die rechtmäßigen Kinder ſchonen, die unehelichen töbten ; bie großen albanefiichen Hunde, welche Löwen angreifen; dann bie bereits erwähnten fabelhaften Menjchen. Statt der jhwarzen Hühner mit fagenfellartigem Haar ericheinen bier weiße Hühner mit Wolle ftatt der Federn. Manches geht durch das ganze Mittelalter, wie das nur vom Geruch gewifier Acpfel lebende Zwergvolf, die golbbewachenden Ameijen, das Fehlen der Fiſche in dem libyſchen Meer, weil 2 dort das Waſſer wegen der großen Sonnenwärme beftändig im Kochen fei u. f. w. 3 Da duchehme Japrhunbet Se 20 N: Im: Berfieenben wurde zıt zeigen werfucht, welcher Art das Ma- terial war, welches einer wiffenjchaftlichen Bearbeitung etwa zu unter: ‚werfen gewejen wäre. Es frägt fich aber nun zunächft, ob und in welcher Weife die Eulturverhältniffe jener Zeit überhaupt eine folche Berwerthung möglich erfcheinen liefen. Es wurde früher auf die Ent- wickelung der Philofophie und die Stellung der Natur in ihrem Sy— fteme Hingewiejen. Aus den Fortichritten derjelben allein würde ſich kaum die Wiederaufnahme zoologifcher Beobachtungen erklären Laffen. Es ift daher nöthig, die andern einer folchen günftigen und wichtigen Momente kurz zu befprechen, ehe die Hauptwerke des dreizehnten * hunderts eingehender erörtert werden können. Wiederanftritt des Ariſtoteles. Bor Allem war es für die Möglichkeit einer wiffenfchaftlichen Er ⸗ faffung der Natur, bejonders des belebten, mit geiftigen Kräften und freiem Willen begabten Thierreichs verderblich, daß die Gelehrfamkeit früher ausfchlieglich in den Händen der Geiftlichkeit geblieben war, da neben aber eigentliche Forſchung noch immer fehlte. Was die Philoſo⸗ phie an weiterem Ausbau und Zuwachs erhielt, betraf fat einzig und allein die metaphyſiſche Begründung des Glaubensgehaltes, welcher aber nicht etwa jelbftändig philofophifch aufgerichtet, fondern fertig und abgejchlofjen dem Klerus überliefert wurde. Dabei war natürlich an eine unbefangene Stellung des menjchlichen Geiftes der Natur gegen- über, als einem zu erflärenden Gegenftande nicht zu denfen. Es hatte ſich ferner die Geiftlichkeit nicht bloß, wie früher angedeutet wurde, von der Paienwelt ſtillſchweigend abgelöft, fo daß fie mit ven von ihr ver- tretenen Ideen dem übrigen Volke felbft dann noch fremd gegenüber- ſtand, als das perjönliche Verhältniß der beiden Elemente durch die h 2 Ausbreitung der Bettelorven ein näheres geworden war, fondern es mußte der Kampf zwifchen der Hierarchie und weltlichen Macht, welcher im dreizehnten Yahrhundert (wie zum Theil jchon im zwölften) zur - Emancipation und Oberherrichaft des Pabſtthums führte, ven Abſtand 24 fühlbarer machen, 5 5 in ee fo bietet fi) in.den Seftänbigen | Kämpfen der Parteien ein Punkt der Ruhe dar, welcher einen Auf- ſchwung wiſſenſchaftlichen Lebens hätte veranlaſſen fönnen, Doch wur⸗ > den gerade in dieſer Unruhe die Keime zur Neugeftaltung vorzüglich der e ſo wichtigen ſocialen Verhältniffe gelegt. Schon unter Friedrich dem Rothhbart wurden die Freiheiten der lombardiihen Städte gegründet unnd anf dem für die Stellung der kaiferlichen Macht fo traurigen Con⸗ greſſe von Venedig zum erftenmale officiell anerkannt. Nach dem Tode bes genialften,, menſchen⸗, ſtaats ⸗ und naturkundigen Kaifers Fried⸗ xich's II. fühlten auch die deutſchen Städte, theils wegen der Unficher- ® heit ihrer Berkehrs- und Handelsbeziehungen, theils in Folge der wech: ſelnden Parteiftellung ihrer nächften Territorialfürften, das Bedürfniß, eine ihrer immer wachfenden Bedentung entfprechende äußere Stellung zu erringen. Wie die deutſchen Fürften und weltlichen Herren je nach der Lage der Dinge und den aus derfelben für ihre Selbſtändigkeit her- zuleitenden Folgen gemeinfam bald für, bald gegen den Kaifer eintra⸗ - tem, und eben fo oft Bundesgenofjen Roms wie deutſche Männer wa- ren, fo ſchloſſen fich auch die Städte einzelner Gaue enger aneinander amd ſuchten ihre Intereffen in die Wagſchale der Ereigniffe zu legen. Zunãchſt num erwuchs hieraus zwar ein neues Hinderniß alljei- + ‚tigen geiftigen Fortfchritts. Die Abfonderung der Stände hatte anfangs f * bie Folge, daß ſich ihre beſondern Leiſtungen nicht gegenſeitig durch— En drangen. Der von den Rittern und fahrenden Leuten gepflegten Dicht- Amt fehlte die „Reife des wiffenfchaftlichen Nachdenkens“; der Wiffen- ſchaft Dagegen, welche nur vom Klerus getrieben wurde, fehlte „Se- ; ſchmack, Phantafie, künſtleriſche Geftaltung und Abrundung“. Ie & ſchärfer fich aber viefer Gegenſatz herausbildete, deſto eher wurde es | 3 muglich, daß er überwunden wurde; und jo Fam es denn auch bald, daß Bürgerliche und Laien in den Gelehrtenftand eintraten. Damit | wurde ver Grumd gelegt, daß bie ER voltsthümlich 177) wer⸗ den konnte. F 177) nicht „national“, wie man von gewiſſen Seiten dies Berhältnif ——— möchte. j 5 3 3 2 * — dauerte 68 bamit felbft noch eine e geraume ei. * bi — ; ſharſe Sonderung der Stände hatte zur weiteren Folge, daß auch der nun nicht mehr ausſchließlich aus Geiſtlichen gebildete Gelehrtenſtand ſich zünftig abzuſchließen ſuchte. Die Gründung der Univerſitäten, d.h. urſprünglich die Privilegirung gewiſſer Lehrer: und Schülergemeinden * N en a. A A nn * — — war ber nächſte Schritt. An die Stelle des Dogmenzwangs, oder, an berjelbe bei dem allgemeinen Einfluß des Klerus nicht ſofort zu befeir tigen war, neben venjelben trat num der Schuls und Autoritätenzwang. Es waren zwar weder die gelehrten Iuriften in Bologna, welche buch die Anthentica Friedrich's I zur Bildung einer Univerfität privilegrt wurden, noch bie ärztlichen Lehrer in Salerno Geiftliche”°); an einer freieren Entwidelung der Wiffenfchaft Hinberte aber das ftrenge Neil: halten am gefchriebenen Autoritäten, welche in ven den Lehren zu Grunde gelegten „Summen“ über die einzelnen Wiffenszweige eine Ber | 5 wegung nur in jehr engen, durch das Vorwalten der Dialektik in * = jchärfere Grenzen eingejchränften Kreifen geftatteten. h ee; Man könnte num vielleicht meinen, daß das Bedürfniß nah ap rimenteller Grundlage wenigſtens die jo häufig mit ber Entwidelung ver Naturwifjenichaften in Beziehung gebrachten Aerzte veranlaßt oder gedrängt hätte, in Bezug auf ihre Lehrweife einen Schritt weiter zu gehn. Nach Allem aber, was hierüber befannt worden ift, verſtanden at die Aerzte der damaligen Zeit ebenſo wenig fich der fcholaftifchen Fefjemn zu eutledigen, wie die Lehrer anderer Wiffenfchaften. Der Auffhwung, “ welchen die Phyſik in dem für fein Zeitalter einzig daſtehenden wu . Baco erhielt 179%), entfprang andern Momenten, zum Theil Ve ‚178) wie bereits. Meiners, Geſchichte n. ſ. w. der hohen Schulen. 1802. ©. 7, bifter. Bergleihung der Sitten u. |. w. des Mittelalters. Bd. 2. 1793, - ©. 406. und Andere vor Häſer Geſchichte der Medicin. 2. Aufl. S. 281), her⸗ vorgehoben haben. Br - 179) Zur Eharakterifirung der Kritif, welche etwa Roger Baco anwandie, diene folgende Stelle aus der Schrift: De secretis operibus artis et naturae et de nullitate magiae. Hamburg, 1518. p. 30: Et ideo homo potest facere - virtutem et speciem extra se quum sit nobilior aliis rebus corporalibus, et - praecipue propter dignitatem animae rationalis, et nihilominus exeunt spi- - ritus et calores ab eo sicut ab aliis animalibus. Et nos videmus, quod ali- LEER weiche das Borfersfcen be fynboßfen Boote, Ne Ber — breitung der Alexanderſage und der Fabeln vom trojaniſchen Kriege — beſeitigten. Hierbei iſt zunächſt des Auftretens arabiſcher Autoren im Abend- 2 (ande zu gedenten, namentlich des Averroẽs. Hatte vom neunten bis zwölften Jahrhundert Alles platonifirt und Niemand ariftotelifirt, fo war bie nüchterne, einer wiflenfchaftlichen Forſchung zuſagendere philo⸗ ſophiſche Weltanſchauung des Averroes, welche ja weit über Ariſtoteles binausgieng, ein jedenfalls wirlſames Mittel, den Ariftoteles jelbft wieder möglich zu machen. Einzelne mehr oder minder beutliche An- Hänge an ariftotelifche Denkweife waren zwar fchon im zwölften Jahr⸗ hundert, jelbft auf Seiten des platonifchen Realismus erfchienen. So wahre Grund der finnficen Welt feien, während bie allgemeinen Be⸗ — griffe der Gattungen und Arten in ven Individuen nur Subſtanz ge⸗ winnen follen. Aehnliche Anſchauungen treten indeſſen in Folge des Uebergetvichtes, welches bie ftrengeren Lehrfäge bes Realismus erhiel: ten, zurüd. Die der Naturlehre gewibmeten Arbeiten der arabifchen 2 — Ariſtoteliker fanden bei den moraliſirenden Scholaſtilern Widerſpruch. Doch wurde „ver Sinn für Erkenntniß der Natur angeregt und mit phantaftischen Ausfichten gejchmeichelt“. Und wenn auch jetst noch die neu auftauchenden Lehren und Meinungen immer nur an ven Prüf: ftein der theologijchen Dogmatik und Moral gehalten wurden, fo haben Jagt 3. B. Gilbertus Porretanus, daß die Individuen der „die Gedanken der Averroiften dazu beigetragen, die Hoffnungen auf eine fruchtbare Naturforfchung zu beleben“. Am meisten trug aber hierzu bei, daß man außer den bis dahin im Abendlande bereits verbreiteten philofophifchen Schriften des Ari- ſtoteles nun auch deſſen naturhiftoriiche Werke kennen lernte. Die Kenntniß der griechifchen Sprache war aber durchaus nicht fo verbreitet, qua animalia immutant et alterant res sibi objectas, sicut basiliscus interfieit solo visu et lupus reddit raucum si prius videat hominem, et hyaena intra umbram suam canem non permittit latrare, sicut Solinus de mirabilibus mundi narrat et alii Auctores ... et equae impregnantur in aliquibus regnis per odorem equorum ut Solinus narrat. £ = € 205°. | — — nur ET eines Fingerzeiges bedurft hätte, um die 5 Zoologie des Stagiriten wieder hervortreten zu laſſen. Auch ift es we- nigſtens nicht mit Sicherheit hiftorifch nachzınveifen , daß nach und in gen ſchon früher ven Wejtenropäern näher getreten war, jo waren die { a ae ee ee En Folge der Eroberung und Blünderung Conftantinopels durch das Kreuz- heer im Jahre 1204 griechifche Handſchriften ver phyſiſchen Werke des Aristoteles etwa irgend wie reichlich nach dem Abendlande gekommen wären. Es wird fich ſelbſt zeigen, daß ein abendländiſcher Geiftliher in Griechenland, aljo dem Sige der griechifchen Bildung näher, nit völlig Herr feines Ueberjegungsftoffes war. Jedenfalls ift aber diefes Ereigniß mit feinen im Verkehr bemerfbaren Folgen der erfte Anſtoß gewejen, fich ver griechifchen Quelle aller wiffenfchaftlichen Bildung wieder zu nähern. Ehe vies aber nach den erjten Lebenszeichen des er⸗ wachenden Humanismus durch einzelne nah Byzanz reifende abenv- (ändifche Gelehrte und ausgedehnter durch griechiiche in Italien ein« wandernde Lehrer in weitern Kreijen möglich wurde, wie fich ja vie Zahl ver letztern erſt nach der Eroberung Conftantinopels durch die Türken vermehrte, lieferten die als Pfleger anderer Zweige der Nature · wifenfchaften bereits bekannten und gerühmten Araber auch für die Zoologie das litterariiche Material in ihren Ueberjegungen des Ari jtoteles. BR Wenn auch die arabifche Gelehrſamkeit in einzelnen ihrer Leiſtun⸗ naturgeſchichtlichen Verdienſte derſelben ihnen doch noch fremd. Schon jeit einiger Zeit war das Ärztliche Wiffen, was vorzüglich in den Hän- ben ver Juden war, faft ganz aus arabifchen Meiſterwerken gejchöpft worden. Im zwölften Jahrhundert eröffnete dann Gerardus von Cremona {ftarb 1187) durch feine Ueberjegungen, beſonders die des Almageſt des Ptolemäus, einen Einblid in die naturwiffenfchaftlichen Schriften der Araber und durch diefe in die der Alten. Die Zoologie des Ariftoteles blieb aber damals noch verjchloffen. Hätte Friedrich II auch kein an Beobachtungen jo reiches Wert 4 gejchrieben, wie das über die Jagd mit Vögeln, fein Verdienft um die 4 Zoologie würde jchon darum hier anerkannt werden müfjen, daß fich 4 an feinen Namen vie erfte Ueberjegung der ariftotelifchen zoologiſchen RER * & — — nicht ——— — vie: Br eberſetzun⸗ der Thiergeſchichten durch Michael Scotus anf feine Veranlaſſung entſtanden ift. Dies läßt fich nicht direct beweiien. Gab er. aber auch icht dazu den Anftoß, fo hatte er fie doch keunen gelernt und den Ger > nannten dann weitere Arbeiten in gleichem Sinne aufgetragen. Es ift ja befannt, daß er der Univerfität Bologna die Werte des Ariftoteles in Ueberſetzung gejchentt hat. Friedrich's Einficht blieb es nicht ver- ſchloſſen, daß ſowohl die Heillunde als die Kenntniß der Thiere von einem Berftändniß des Baues der belebten Körper ausgehen muß. Er geſtattete daher zuerſt Sectionen menfchlicher Leichname; und wie fehr er den zoologifchen Betrachtungen eine zootomifche Grundlage zu geben ſuchte, das beweift feine Schrift von ver Faltenjagd 15%). Daß er bei — ſolchen Beichäftigungen und Anſichten, daneben auch der Aſtrologie zu⸗ Zethanu, bei der Geijtlichfeit und vem durch dieſe in feinem Urtheile ge- leeiteten Theile des Voltes nicht in dem Rufe eines guten Chriften ftand "md daß feine Helfer und Berather wohl in der Beurtheilung noch härter bedacht wurden, ift erklärlich 1°"), noch dazu da mit ihm die Reaction gegen die päbftliche Obergewalt lebendiger aufzufladtern beginnt, wenn er gleich in andern Zügen von kirchlicher Ergebenheit ein Kind feiner Zeit iſt. Erſt in zweiter Linie iſt ihm als Verdienſt anzurechnen, daß reine Anzahl ausländiſcher Thiere nach Europa kommen ließ. Be⸗ - jonbers wird hier die Giraffe erwähnt. Es ift aber werer bekannt, daß er die fremden Formen zur wiſſenſchaftlichen Vergleichung benugt hätte, noch iſt der Eindruck, weichen jene hervorriefen, allgemeiner und nach ⸗ hoaͤltig geweſen. | Daß Ariftoteles zuerft in Ueberjegungen bekannt wurde, welche 180) Reliqua librorum Frideriei U. imperatoris de arte venandi cum avibus. ed. J. G. Schneider. T. I. U. Lipsiae, 1788, 89. 40, | 181) Dante läßt ihn daher in einem fenrigen Grabe der Hölle ruhen, Inferno, > Canto X: Qua entro & lo secondo Federico. Michael Scotns wird noh tiefer in ber Hölle mit den Wahrjagern, Necromanten u. f. w. zufammengeftellt : Iluſerno, Canto XX: BB Quell’ altro che ne’ fianchi & cosi poco, Michele Scotto fu, che veramente Delle magiche frode seppe il giuoco. 3 er — ee, gemacht worden waren, * ie. VUeberſetzung ver Thiergejchichte bemerkt 12). Seit der gründlichen Un ⸗ terfuchung Sonrbain’s'ss) läßt fich die Reihe ver Ueberſetzungen leichter überfehen. Für die zoologifchen Schriften, welche Hier allein zu. VUeberſicht der arabifchen Ueberfegungslitteratur geht nun hervor, daß ll a 2 nd a Hr dpa BEE an a nen EL En 3 GeSchneider in Bezug auf die von Albert ven Großen benutzte berückſichtigen ſind, iſt es ſicher, daß bis zum Anfang der zweiten Hälfte des dreizehuten Jahrhunderts nur nach dem Arabiſchen gemachte latei ⸗ niſche Uebertragungen befannt und benutzt worden find !*), während fpäter,, wie man meift erzählt, auf Betrieb des Thomas von Aquino das griechifche Original divect überfegt wurde. Aus der oben gegebenen die zoologifchen Schriften verſchiedene Male arabijch bearbeitet worden find. Bon arabifch-Iateinifhen Ueberjegungen dieſer Bücher ift aber $ nur eine einzige bekannt , welche gewöhnlich vem Michael Scotus beigelegt wird. Dieſelbe findet fich nicht jelten handſchriftlich, ift aber noch ungedruckt 1%). Daneben ift noch die ficher von Michael Sco+ tu 8 Herrüßrende Ueberfegung einer Baraphrafe ber ariſtoteliſchen Zon- (ögie von Avicenna bekannt oder wie es fcheint einer Abkürzung einer jolhen, welche manche Handfchriften ausdrücklich als Abbreviationes — Avicennae bezeichnen 1%). Bon einigen nicht zoologiſchen Schriften des Ariſtoteles gab es nach dem Zeugnif des Thomas von Aquino meh ⸗ rere griechiſch⸗lateiniſche Ueberfegungen 7); won ven zoologifchen kennt man nur eine jolche, gleichfalls noch ungedruckte, von welcher Shnei- der nachgewieſen hat, daß fie Wilhelm von Moerbete zum * SR 182) Litterärifche Beiträge u. j. w. S. 10. f 183) Jourdain, Recherches critiques sur l’äge et l’origine des ira ductions latines d’Aristote. Nouv. &dit. Paris, 1843. -Die erfte, 1819, Rn nene Ausgabe hat Stahr 1831 überfest. 184) Bom Organon wird ſchon im 12. Jahrhundert eine nach dem griehifchen Original verfaßte Ueberjegung von Otto von Freyfing erwähnt; ſ. ©. 105. Anm. 5. 185) Wie Jourbain mit Recht gegen Buhle und Schneider bemerkt. 186) Defters gedrudt: o. DO. u. I. (Hain 2220), dann Venedig 1494, beide Ausgaben von Jourdain nicht erwähnt, welcher Dagegen eine Ausgabe Bene- ; dig, 1509 anführt. 187) Sourdbain,a.a. O. ©. 10. schichte beuutzte, ſich Wort für Wort an das griechiſche Original an- ſchließende Ueberjegung verdient doch wohl eine wiederholte eingehende 5 208 — — Die Zoloie da Mitte. Sa "2 fen Hate. Dife von Eee ei feiner Anagabe be Ahern Beachtung. Denn wenn auh Schneider einzelne unhaltbare Schlüffe auf fie gegründet hat, wie Aubert und Wimmer hervorheben, jo behält darum doch die Ueberfegung immerhin einen hohen Werth; und es verlohnte fich wohl, fie (vielleicht nad und nach vollftändig) zum Abdrud zu bringen. Von den beiden Ueberjegern, welche hier in Rede fommen, ift ver eine, Michael Scotus, unſchuldigerweiſe jehr in üblen Ruf ge tommen. Er wurde um das Jahr 1190 in Balwearie in der jchotti- schen Grafichaft Fife geboren, in welcher Angabe man jet ziemlich ein- ftimmig ift, während ihn früher einzelne in Durham (Dundmen, Zett- fer, territorium Dunelmense, Balaeus, Derasmes, Jour- dain), felbft in Salerno oder in Spanien geboren fein laſſen woll- pp. CXXVI. . tem, Im Spanien ftubirte er die arabiichen Quellen des damaligen eracten Wiffens und überjegte 1217 in Toledo die Schrift de sphaera des Nureddin Alpetrongi aus dem Arabichen ins Yateinifche. Um 1240 war er am Hofe Friedrich's II in Neapel und foll num von bie, - jem aufgefordert worben fein, fänmtliche Werte des Ariftoteles zu über- jegen. Später fam er an ven Hof Eduard's I nach England, wo er ſehr befannt und zu einer halb mythiſchen Perjönlichkeit geworben ift. Sein Todesjahr ift unbekannt. Manche wollen ihn noch 1286 eine Sendung Eduard's nah Schottland ausführen laffen (alfo nach des Königs Alerander III Tode); doch ift dies äußerſt unwahrſcheinlich. Wie es Allen ergieng, welche fich in jener Zeit mit Aftrologie, Phyfit u. dergl. beichäftigten, wurde auch Michael Scotus der Magie und eines Bundes mit dem Teufel befchuldigt. Sagenhafte Erzählungen, welche fih an diefe Anklage fnüpfen, erwähnt unter Anvdern Walter Scott 19). Außer dem angegebenen Datum der erften kennt man bie Chronologie jeiner Ueberſetungen nicht genau. Wenn aber die arabiſch— — — —— 188) Aristotelis Historiae animalium ed. J. G. Schneider. Vol. J 189) Lay of the last Minstrel. Notes XI, XIII and XIV to Canto I. ng ’ —— der —— welche Thomas und Albert kannten, wirklich von ihm ift, jo muß er fie vor 1233 gemacht haben ; denn in ‚biefem Jahre fieng, wie fich zeigen wird, Thomas von Gantimpre fein Werk zu jchreiben an, in welchem Ariftoteles nach einer ſolchen Bear- beitung eitirt wird. Im einer ziemlich ähnlichen Unficherheit findet fich die Gejchichte in Bezug auf die fpecielleren Yebensverhältnifje Wilhelm’s von Moerbefe. Sein Geburtsjahr ift unbekannt; die älteren Angaben über ihn umd fein Leben find oft in Folge einer VBerwechjelung mit Thomas von Cantimpre, welcher wie er jelbjt ven Beinamen Braban- tinus häufig erhielt, völlig irrig. Im Jahre 1274 war er als des Griechischen Kundiger zur Affiftenz des Pabftes auf dem Concil in Lyon. Aber ſchon vorher, vermuthet Ehard, wurde er in Miffionen des päbftlichen Stuhles nach Griechenland geſchickt. Ob möglicherweife eine aus „Theben“ datirte Handſchrift der Thiergefchichte in griechifch- (ateinifcher Ueberfegung, auf einen folchen früheren Aufenthalt bezogen werben kann, ift freilich fraglich ; die Annahme ift indeß nicht unwahr- ſcheinlich. Nach der Subjeription diefer Handfchrift wurde die Ueber⸗ ſetzung beendet X. Kalend. Januar. 1260 1%), Mehrere Angaben jagen, daß Wilhelm von Moerbefe 1273 von Thomas von Aquino den Auf- trag erhalten habe oder gebeten worben ſei, Ueberjegungen vorzunehmen. Im Jahre 1277 wird er als Erzbiſchof von Korinth erwähnt (die Quellen ſ. bei Schneider); in Korinth war er aber felbft erft 1280 und 1281, vom welchen Jahren andere Ueberjegungen von ihm aus jener Stadt datirt find. Mag num Wilhelm die Kenntnif des Griechi- schen auf dem von Philipp II Auguft in Paris gegründeten griechifchen Colleg oder auf andere Weiſe erlangt haben, jedenfalls war ſie keine ſo tief gehende, daß er mit der nöthigen Freiheit feinen Stoff bemeiftern Tonnte. Bei der ſtlaviſchen Weife, jedes Wort des griechifchen Drigi- mai durch ein lateinifches deden zu wollen, konnte er natürlich auch 3 190) wie Schneider (a. a. ©. p. XXX) und Jourbain (aa. D. ©. 75) anführen (nach Zachariae itiner. litter. per Italiam, p. 95) und wie von 4 uccioli, Catal. Codd. MSS. biblioth. Malatest. Caesen. Vol. I. p. 41 beftätigt wird. 8. Carus, Geſch. d. Zool. 14 0... Die Zoologie bes Mittelakters. dem Geifte des legten Idioms nicht gerecht werden. Oft führt er ein- fach das griechifche Wort ohne weiteres mit lateinischen Buchftaben an ohne weitere Erklärung, die er wahrfcheinlich nicht überall geben. lonnte. So hart und unlateinifch daher feine Leberjegung ift, jo ift fie doch gerade des genannten Umftandes wegen jehr wichtig '9). Handſchriften feiner, ſammtliche zoologiſche Schriften des Ariftoteles umfaſſenden Ueberfegung find nicht eben jelten. Frägt man nım nach dem, was denn eigentlich den Eintritt des Ariftoteles zu einem für die Gefchichte der Naturwiffenfchaften, befon» ders der Zoologie, jo wichtigen Ereignif gemacht hat, fo könnte man vielleicht meinen, es würde fchon binveichen, einfach auf die Form und den Inhalt ver betreffenden Schriften hinzumeifen. So wenig indeſſen bie bloße Kenntniß derjelben genügte, unter den Arabern eine wiflen- ſchaftliche Zoologie erblühen zu laffen , jo unwirkſam fein Einfluß für biefe Seite des Wiffens bei den Römern geweien war, fo waren ficher- lich auch jetzt befonvere Umftände für feine Wirkfamkeit bedingend. Nach den wiederholten Verboten, welche wie früher erwähnt ven Aver- roes und durch ihm auch Ariftoteles getroffen hatten, muß man wohl annehmen, daf die platonifirende Richtung der Renliften die Jünger der Wiffenfchaft nicht völlig befrievigte. Man hatte die ganze Kumft, ber Dialektik auf ariftotelifche Vorfchriften gegründet umd ſah num zum eriten Male, daß eine ganze Summe werthvollften Wiffens von dem⸗ felben Schriftfteller dargeboten wurbe, welcher die formale Seite der Bildung fo lange ſchon beherricht hatte. Als äußere Beranlaffung zum lebendigen Ergreifen des ſich num erjchließenden Stoffes mag wohl auch nicht mit Unrecht ver Wetteifer einzelner Lehrer oder Lehrgemein- 191) Beiſpielsweiſe ſei bier angeführt: Zrı rois romoıs ra ulv rowylodv- raxci u. |. w. ift bei ibn: adhuc haec quidem cavernosa etc.; ärı ra ulv duvvrıza qulaxtızd heißt: adhuc haec quidem amintica haec autem silactica. Ober weiter im 13. Kapitel des erften Buches, wo die Ansbrüde bifies, monofies, itron (reor), epision, cholas, diazoma, cotilidon berübergenommen | werben ohne Ueberſetzung. — Ich befige von einem Theile der Thiergejchichte in dieſer Ueberſetzung Abſchrift mach zwei auf der Univerſitätsbibliothel befindlichen Handichriften. Proben der Ueberjegung hat au Jourbain, a. a. O. S. 426 figbe, gegeben. — Das dreigehnie Iahrhumdert, 21 den, Neues zu bieten, angeführt werben, es könnte hierfür vielleicht bie auseinanderführende Richtung mancher Schulen fprechen. Es galt nm zwar, bie bisherigen Anfichten mit den neuen vermittelnd zu ver- binden ; e8 wird fich auch zeigen, welche Uebergangsftellung zwifchen Realismus und Nominalismus 3. B. Albert der Große einnahm. Im Allgemeinen aber ſprang fofort die Bemerkung entgegen, daß man es hier mit einer Fülle von Thatſachen zu thun hatte, welche je nach Um · ftänden durch neue Beobachtungen entweder beftätigt, oder widerlegt oder erweitert werden konnten. So kam die erfte Andentung des jo überaus wichtigen Momentes der fichern Conftatirung einer wirklich ober angeblich auf Beobachtung beruhenden Angabe, der Berificirung der Thatfachen und damit die erfte leife Spur der Kritik in die Zoolo⸗ gie, welche fich freilich noch nicht fogleich foweit erheben konnte, alles Fabelhafte zurückzuweiſen. Die drei Hauptwerke des dreizehnten Jahrhunderts. Drei Dominikaner find es, welche in der Mitte des dreizehnten Sahrhunderts fich zuerft die Aufgabe ftelften, unter Benugung des Ari- ftoteles das gefammte zoologijche Wiffen der damaligen Zeit in einer umfaſſenden Form zur Darftellung zu bringen. Wenn bei der Schil- derung diefer drei Männer die Zeitfolge des Erfcheinens ihrer z00logi- schen Schriften als beftimmend angefehen werben follte, fo bürfte ver muthlich Vincenz von Beauvais zwifchen die beiden andern zu ftellen fein. Doch fehließt fich Albert der Große fo eng an Thomas von Can⸗ ‚Kimpre an, daß er nicht von diefem zu trennen ift. Thomas von Cantimpre. Ms Hagiograph zwar nicht unbekannt ift Thomas doch auch für die Naturgefchichte des Mittelalters von großer Bedeutung. Er ver- dient daher zunächſt einer eingehenden Erwähnung; er tritt nicht bloß werſt auf, ſondern hat den beiden andern vielfach als Quelle gedient. Nah feinem Geburtsort Leeuw St. Peter bei Lüttich wird er als Brabantinus bezeichnet, meift jevoch mit dem Namen feines Mofters, Choulant gibt 1186 als fein Geburtsjahr, 1263 als fein | 14* 212 Drie Zoologie bes Mittelalters. Todesjahr an !?2). Nach den ans Thomas’ eignen Schriften gezogenen Notizen, welche Colvenerius zur Schilderung von deſſen Leben be- nugte '%), ftellen fich diefe Daten indeß anders heraus. Hiernach, hat er als kaum fünfzehnjähriger Jüngling den Iacobus de Vitriaco pre digen hören, als diefer in Lothringen war. Da jerner Thomas ſelbſt die Schrift über die Bienen als in feinem neumundfünfzigften Xebens- jahre verfaßt anführt !%*), diefe aber nach den in ihr enthaltenen und andern Daten beinahe gewiß 1269 gejchrieben ift, muß er 1210 gebo- ren jein, aljo den Jacobus im Jahre 1225 gehört haben, wo dieſer von Ptolemais zurücdgelehrt in Ognies war !%), Als Yüngling trat er als Canonicus in das Auguftinerftift Cantimpre bei Cambrai , verfaßte im Jahre 1231 zu den zwei Büchern der Vebensbejchreibung der Marie von Ognies, welche Iacobus de Vitriaco verfaßt hatte, ein drittes und wurde dann in ben Predigerorven aufgenommen. Im Jahre 1232 fchrieb er das Leben der acht Jahre vorher geftorbenen h. Ehriftine, Nachdem 1246 die h. Yutgard geftorben war, ſetzte er auch deren Leben auf, aljo vermuthlich 1247 oder 1248. Auf fein Hauptwerk, das gleich zu befprechende de naturis rerum, hat er jeiner eigenen Angabe gemäß vierzehn oder fünfzehn Jahre verwandt. Diefe Jahre fallen nun genau zwiſchen die Abfafjungszeiten der oben erwähnten Biographien umd ‚würden alfo ven Zeitraum 1233 bis 1247 oder 48 umfaſſen ?%%). Wäh- rend diefer Zeit hat er Auszüge gemacht und Materialien für fein Wert geſammelt, hat Albert den Großen in Eöln gehört und ihn als Schüler bejucht, ift auch in Paris gewefen, was er für 1238 ſelbſt erzählt, 192) Die Anfänge wiffenfchaftlicher Naturgeſchichte und naturhiftorischer Ab» bildung im riftlichen Abendlande. Leipzig, 1856. ©. 23. 193) Thomae Cantipratani Miraculorum et exemplorum mirabilium sui temporis libri duo (olim: Bonum universale de Apibus) Opera et studio Georg. Colvenerii. Duaci, 1597. Vita Thomae Cant. ex operibus ejus conscripta. 194) a. a. DO. Duaci, 1597. lib. 2. cap. 30. n. 46. p. 287. 195) €. Meyer Geſch. der Botanik. Bd. 4. S. 93) gibt 1201 als Geburts- jahr an; auch diefe Angabe ift nach den im Bonum universale enthaltenen Anga- ben nicht haltbar. 196) Hoffmann von Fallersleben gelangte zu dem Reſultat, daß bie Schrift von 1230 bis 1244 gejchrieben ſei. ſ. Horae belgicae, T. I. ©. 36. * ; & Das dreigehmte Jahr hundert. 318: und hat — Theile ſeines allmählich dem Abſchluſſe näher rückenden Werkes ſeinem Lehrer Albert zugänglich gemacht. Erſt ſpäter hat er dann als ausführlichen moraliſirenden Commentar zu dem Ka— pitel über die Bienen aus ſeinem eigenen größeren Werke die ihn als Moraliſten bekannt machende Schrift verfaßt: bonum universale de apibus. Wäre nun Choulant's oder Meyer's Angabe feiner Geburt im Sabre 1186 oder 1201 richtig, fo hätte er im neunundfünfzigften Lebensjahre ftehend diefe Schrift 1245 oder 1260 abfaſſen müffen. Es führt aber Thomas nicht bloß Ludwig des Heiligen Kreuzzug (1248, die Ausgaben haben 1246), jondern auch einzelne ſpäter eingetretene Ereigniffe an. Colvener hält fie für im Jahr 1263 gefchrieben und gründet dies darauf, daß fie dem (fünften) Dominikanergeneral Hum⸗ bert debicirt ift, welcher nach den Angaben Einiger ſchon 1263 abge- treten fei. Doch werden in Thomas’ Schrift nicht bloß Vorkommniſſe der Jahre 1265 und 126719) angeführt, fondern es foll auch nach Leander's Angabe Humbert bis 1273, nämlich neunzehn Jahre (und das Antrittsjahr 1254 iftzweifellos) General geblieben fein, wodurch jene Zahl noch wahricheinlicher würde. Das Todesjahr des Thomas ift un- gewiß. Nicht jo fein Name; daß er Thomas hieß und nicht Heinrich oder Wilhelm, wie ihn Spätere zuweilen nennen, gebt aus feinen Schriften hervor. Johannes Cantipratenfis, mit dem er gleichfalls verwechſelt wird, war ein anderes Mitglied jeines Klofters, welches er fogar in der Schrift über die Bienen ſelbſt angeführt hat!9). | Die ziemlich umfängliche Schrift des Thomas von Cantimpre, welche ihn einer eingehenden Befprechung werth macht, führt wie er- wähnt ven Titel de naturis rerum und euthält nach einer Einleitung urſprünglich neunzehn Bücher, welchen er aber jpäter noch ein zwan⸗ ‚Sigfte de ornatu coeli et motu siderum , vielleicht nach der 1256 | 197) Für MCCLXXI dürfte MCCLXVII zu leſen fein nad) den Angaben an- derer Chroniken über dafjelbe Ereignif. In der Chronik des Christianus Massaeus Cameracensis wird der Abfaffung der Schrift über die Bienen beim Jahre 1269 E. 19) vergl. über Thomas und feine größere Schrift: Bormans, Tho- "mas de Cantimpre indiqu& comme une des sources ou Albert le Grand . ont puise. in: Bull. Acad. Bruxell. T. XIX. P. 1. 1852. p. 132, 2. Die Boologie bes Mittelalters. verfaßten Sphaera des Johannes a Sacrobofco '"), angefügt hat, Er beginnt mit der menfchlichen Anatomie, fpricht dann im zweiten Buch von der Seele, handelt im britten Buche die monſtröſen Menichen bes Orients, im vierten bis neunten die Thiere, im zehnten bis zwölf⸗ ten die Bäume und Kräuter ab, beipricht dann die Quellen, bie Evel- fteine, die fieben Metalle, die fieben Gegenden und humores ver Luft, fhilvert das Himmelsgewölbe und die fieben Planeten, ven Donner und Ähnliche Erjcheinungen und ſchließt mit ven vier Elementen. Wie man hiernach fieht, enthält alfo die Schrift eine vollftändige Ueberficht der belebten und unbelebten Natur, und zwar ift dies bie erfte der Art im Mittelalter. Außer der Einleitung intereffirt hier befonbers das britte bis neunte Buch 29). ft auch ver Verfaſſer noch von den VBorurtheilen einer Zeit be fangen, welche fich nicht frei an die Löfung ber in der Natur ſich dar⸗ bietenden Räthſel wagte, ift auch an ben mancherfei Moralifationen und Gleichniſſen zu erkennen, daß der Berfaffer ein Geiftlicher war und wohl auch befonders für Geiftliche jchrieb (wenigftens für gelehrte, bes Latein fundige Yeute), fo tritt doch im der ganzen Behandlung des - Stoffes entjchieven eine natürliche Betrachtung , eine vergleichsweife 199) PBieiffer (im der Borrede zu feiner Ausgabe des Buchs der Natur von Conrad von Megenberg S. XXXI) hält dies wie es ſcheint für ficher, 200) Bormans führt fieben Handichriften an, in Breslau, Kralau, Wolfen- büttel, La Haye, Utrecht, Lüttich und Namur. Pitra bringt hierzu mod) zwölf (Spieil. Solesm. T. I. p. LXXVI. Anm.): fieben in Paris, eine in Compiegne (Earofopolis), Straßburg, zwei in Turin und eine in Lonbon (Arunbel). Beide kannten alſo ben Gothaer Eoder nicht, welcher jedenfalls zu den befieren gehört. Pfeiffer (a. a. DO.) wußte nur von dem Krafauer, hat aber in Stuttgart noch einen entbedt, welchem das zwanzigfte Buch fehlt, feiner Angabe nach aus dem 15. Jahrhundert. Das von A. Wachler (Thomas Rhediger und feine Bücerjamm- lung. ©. 35) unridtig angegebene Alter des Breslauer Coder berichtigte ſchon Hoffmann (Horae belgicae. T.1.p. 37). Er ift um ein Jahrhundert jünger als ber Gothaer. Ich habe Abichrift genommen von der Einleitung und bem britten bis neunten Buche nach dem Gothaer Coder, welcher mir, ebenfo wie der Rhebi- geriche, deſſen Varianten zum Theil nicht ohme Werth find, mit dankbar zu rühmen⸗ der Bereitwilligfeit zur Benugung anvertraut wurde. Außer dem zoologifchen In- terefje ift die Schrift auch für die Litterärgefchichte des dreizehnten Jahrhunderts von großem Werth. er breigehnte gahrhunderi. 215 | natnegemäfe Auffaffung ver Thiere zu Tage. Der Berfaffer legt fich doch, wenn ihm in der Natur des gerade Behandelten etwas Auffälli- ges begegnet, oft Fragen vor, welche er, fo gut es eben geht, zu beant- worten fucht. Namentlich find aber die Einleitungen zu den den Thie- ren’ gewibmeten Büchern fo rein naturhiftorifch gehalten und von ven faft nur allegoriſchen und myſtiſchen Betrachtungen der früheren Zeiten jo verjchieden, daß man in ihmen in der That die erften Beifpiele allge- mein naturgefchichtlicher Charakterifirung einzelner Claffen in neuerer Zeit findet. Freilich ift dabei nicht etwa an eine ſyſtematiſche Schilve- rung zu denken. So wenig Ariftoteles feine großen Gattungen befinirte, fo wenig hält es Thomas für nothwendig, die jchon in der Sprache gegebenen und meift im Wriftoteles wiedergefundenen allgemeinen Gruppen zunächſt als ſyſtematiſche Abtheilungen zu bezeichnen. Beſonders das vierte, den vierfüßigen Thieren gewidmete Buch enthält ſowohl in ver Einleitung, als in dem nach dem Alphabet ver Thiernamen geordneten Terte zahlreiche Moralifationen, welche fich in ven folgenden Büchern zwar auch, aber lange nicht fo häufig finden. Den wichtigften Theil der Eimleitungen machen vergleichend zoologiſche Bemerkungen aus, vorzüglich nach Ariftoteles ; fo 3. B. alle Thiere mit zwei oder vier Füßen oder ohne ſolche haben Blut, die vielfüßigen haben kein Blut; alle Thiere mit Ohren haben dieje beweglich, außer dem Menfchen ; alle vierfüßigen Thiere mit Hörnern haben feine oberen Schneidezähne; alle Thiere mit Augenlivern fchließen diefe im Schlafe, außer dem Löwen und dem Hafen. Dazwiichen kommen freilich auch an den praftifchen Geiftlichen erinnernde Betrachtungen vor; fo wenn er unterfucht, ob die monftröfen Menfchen von Adam abftammen, oder warum ver Menſch keine angeborenen Vertheidigungsmittel oder Waffen befist. In Bezug auf die anatomischen Vorbegriffe fteht Thomas noch . auf dem Standpunkte der Alten, wie die Sehnen 3. B. bei ihm noch Ner⸗ ven heißen. Die allgemeinen phyſiologiſchen Anjchauungen des Berfaf- ſers find im Ganzen die des Ariftoteles. Das Falſche wird hier mit dem Richtigen aus diefer Quelle entnommen, wenn er z. B. vom Meer: thier Chilon (dem Chelon des Ariftoteles, einer Art kestreus, Mugil) anführt, e8 ernähre fich nur von feinem eigenen Schleim, ganz wie es ⁊ a Die Zoologie des Mittelalters. Ariftoteles (Hist. anim. VI, 30) erzählt. Der Teleologie wird reich ⸗ lich Rechnung getragen und in vorkommenden Fällen die Unzweck⸗ mäßigfeit nicht verfchwiegen,, wie es 3. B. als eine folche aufgefaßt wird, daß der Delphin feinen Mund an der untern Fläche ver ſchnabel— artigen Schuauzenfpige habe; dies ſei eine Unvorfichtigfeit der Natur, ſagt Thomas 2%), Eine nicht unbeveutende Rolle bei der Schilberung der einzelnen Thiere fpielt auch deren mebdicinifche Verwendung ; doch tritt bei Anführung des Heilgebrauch& das eigentliche naturgefchichtliche _ Intereffe nicht jo in den Hintergrund, daß etwa bie betreffenden Ab- ſchnitte eine Art populärer Heilmittellehre, wie manche — Werle über Naturgeſchichte, geworden wäre. Auf ven Menjchen folgen zumächft die vierfüßigen Thiere, dann die Vögel; die nächſt abgehandelten Seemonftra umfafjen theils Wal- tbiere, theils Fiſche; das folgende Buch handelt von den Fluß⸗ und Meerfiſchen. Dann folgen die Schlangen und den Beichluß machen bie Würmer, worunter Infecten, Würmer, einige Mollusten , aber auch Fröfche und Kröten begriffen werden. Nimmt man alfo das erfte Buch binzu, fo enthält das Werk eine vollftändige anatomifche und zoologiſche Encyklopädie. Mit Ausnahme des Buches von den Menjchen find vie einzelnen Schilderungen wie erwähnt alphabetifch georbnet. Dabei wurden die Thiernamen fo aufgenommen, wie fie fich in den ausfchließ- lich lateinischen Quellen vorfanden, welche der Berfaffer benutzte Denn daß Thomas kein Griechiich verftand, wie Frühere, fogar Roger Bacon behaupten wollen, wird aus vielen Stellen feiner Schrift ber wiejen. So fagt er, um ftatt vieler Belege nur ein paar anzuführen, Agochiles (richtiger wohl Agothiles zu lefen, das griechifche Aigothelas) fei ein arabifhes Wort und bedeute: Milch ver Ziegen faugend ; ferner Cygnus komme von canere, fingen, auf Griechiſch heiße er olor, was eigentlich ganz (Aog!) heiße; Schwäne feien nämlich ftets ganz weiß. Die Zahl der einzelnen von längeren oder kürzeren Befchreibun- gen oder Erzählungen eingeführten Thiere ift nicht unbedeutend; doch 201) Improvidentia, nad) anderer Lesart imprudentia naturae. Das breisehmte Jabrhunbert. a iſt natürlich nicht zu erwarten, daß er ſämmtliche zu feiner Zeit be: kannte Formen aufzählt. Bon vierfüßigen Thieren werden 110 er- wähnt, wobei jedoch zu bemerken ift, daß, wahrſcheinlich nach der Ver: ſchiedenheit ver benutten Quellen , ein Thier zuweilen unter mehreren Namen vortommt. So ift bonachus (bonasus Ariftoteles), duran und hemchires vaffelbe Thier , diejelben Gejchichten werden auch von den zubrones angeführt (alfo Alles ift der Wiſent oder Zubr), gali und mustela dürften gleichfalls auf diefelbe Form oder nahe verwandte zurüczuführen fein. Die Vögel werden in 114 Formen dargeftelft ; darunter findet fich freilich auch die Fledermaus. Auch bier ift lucina und philomena wohl iventifh. Die Zahl ver Seeungeheuer beträgt 57; zwifchen foca, helcus und koky befteht faum ein Unterſchied Darunter findet fi) nach Plinius die Platanifta aus dem Ganges wie- der. Welch merkwürdige Mifchung verjchievener Formen hier vorliegt beweift die Nebeneinanderftellung des Polypus (Cephaloped), Chilon Fiſch/ Nobbe, Delphin, Faftaleon (Aspivochelone?) und Meerſchild⸗ fröte. Unter den 85 Fifchen, d. h. hier auch noch Wafferthieren, fins ven fich Bifche neben Cephalopoden (Lolige, Sepia), Muſcheln (Perlen), Krebfen und Echinovdermen, wenn Stella wirklich auf Seejtern zu be ziehen tft. Das Buch von ven Schlangen, unter welchem Namen 44 Formen aufgeführt werden, enthält auch Eivechien, Tauſendfüße, Storpione und Tarantel. Wie wenig fich dabei Thomas vor einem weitgehenden Anthropomorphismus gefürchtet hat, zeigt die Notiz, daß beim Skorpion , wenn er die eine Art Stellio erblidt, vor Furcht ein falter Schweiß ausbricht. Unter den 50 Würmern werden Bienen, Wespen, Ameifen, Mücden, Käfer, Heufchreden, Cicaden, Wanzen, Tauſendfüße, Spinnen, Fröfche, Kröten, Blutegel u. f. f. neben ein _ ander aufgezählt. Es ift fein Wunder, daß in den einzelnen Abjchnitten neben den aus Ariftoteles übernommenen Beichreibungen zahlreiche fabelhafte Berichte überliefert werden. Die Kritik hatte eben die Naturauffaffung noch nicht von dem Autoritätsglauben und dem Glauben an die Wahr: ‚beit alter Weberlieferungen befreit. Es finden fich daher zahlreiche alte Bekannte wieder, wie Sirenen, Onocentauren, Baumgänfe, der Phö- 218 Die Zoologie des Mittelalters. nig, Drade, die Serra und vieles Andere, was zum Theil aus alten Quellen ber, zum Theil aus dem Phyſiologus und Ähnlichen Schriften befannt war. Auch die Namengebung ift burchaus die populäre, über- fieferte, fowohl bei den ganzen Gruppen als auch bei den einzelnen Formen. Wie bedenklich die nicht gar felten gegebene Etymologie ber Thiernamen ausgefallen ift, wurde bereits angedeutet. Der Ausdruck Genus kommt zwar öfter vor und es gewinnt fogar zuweilen den An- fchein, als läge diefem Worte hier ſchon ein anderer Siun unter, als bei den Vorgängern des Thomas. Es wird baffelbe indeß auch hier als bloße Bezeichnung einer logifchen Gliederung gebraucht. So heift es 3. B. beim Falten, daß das eine Genus der Lanerfallen zwei Ge⸗ nera umfaffe. Das Werk des Thomas erhält nun dadurch noch ein befonderes hiſtoriſches Intereffe, daß es fich felbft nicht als ein auf eigne Unter: fuchungen gegründetes , fondern aus den verfchiebenften Autoren zu- fammengeftelltes bezeichnet. So wenig es hiernach auf ven erften Blick als eine wifjenfchaftliche Leiſtung anzufehen oder überhaupt dem Ver⸗ faffer als Verdienſt anzurechnen wäre, wenn berfelbe in einer Zeit ge- lebt Hätte, wo auf der einen Seite der Kreis der zu beherrfchenven That- fachen noch eng und ein vollftändiges Durchbringen des Ganzen von einem einzelnen Forſcher noch möglich war, auf der andern Seite aber durch Ausbildung der Beobadhtungsmittel, durch Entwidelung einer naturwiſſenſchaftlichen Methode und durch den inftinctiv gewordenen Drang nach thatfächlicher , nicht bloß litterarifcher Begründung einer vorgebrachten Anficht das Hauptgewicht factifch auf das Zeugnif der finnlihen Erfahrung gelegt wird, jo war es doch etwas anderes, wenn ein Schriftjteller überhaupt zum erften Male es unternahm, das ge fammte thatfächliche Material in einer überfichtlichen Form zur Dar- ftellung zu bringen. Und dies that Thomas von Eantimpre. Die äußere Anregung hierzu nahm er zwar aus einem Ausspruch Augu- ſtin's in deſſen Schrift von der chriftlichen Lehre, wo verfelbe jagt, daß es äußerſt nütlich wäre, wenn jemand die Mühe auf fich nehmen wollte, die Natur der Dinge, vorzüglich der Thiere in einem Bande zufammenzufaffen (Schlußwort des Thomas). Er hielt fich aber, wie Das dreigehnte Jahrhundert. 9 — — bereits erwähnt wurde, ger an bie eigentliche Naturbetrachtung, als es wahrjcheinlich der dem Auguftin vorſchwebende Zweck verlangt hatte. Je gewilienhafter er nun vie Sache nahm, vefto mehr mufte es ihn daranf ankommen, feine Meinung unbegründet , feine Thatfache unbeglaubigt wiederzugeben. Sein Werk enthält baher eine auferor- bentliche reiche Zahl zum Theil wörtlicher Anführungen , welche um fo wichtiger find, als fie einen Bid auf ven Umfang der damals gefann- ten oder wenigftens verbreiteteren und leichter zugänglichen Litteratur gejtatten und, da bie Abfaffungszeit des Werkes bis auf wenige Jahre feft fteht, die Chronologie mehrerer nicht unintereffanter litterarifcher Ericheinungen aufklären. Der weitaus am häufigften citirte und befonders in. den allgemei« nen Einleitungen am meiften benutzte Schriftfteller ift Ariftoteles; es ift auch kaum zu bezweifeln, daß die fichtlich mit Vorliebe mitgetheil- ten allgemeinen Beziehungen gewifjer anatomijcher Vorkommniſſe zu andern (Berhältnijie ver Eorrelation) in den Augen des Verfaffers wie bes Leſerkreiſes, an welchen er bei Abfaſſung des Werkes dachte, einen bejontern Reiz hatten, da fie jowohl zu philofophifchen als theologifchen Betrachtungen Anknüpfungspunfte darboten. Erſtere flicht er nur änßerft jparfam feiner Erzählung ein. Im Allgemeinen ift er auch fei- nen Quellen gegenüber vorfichtig. So ift es für das richtige naturge- fehichtliche Urtheil des Verfaſſers ſehr bezeichnen, daß er fih aus drücklich dagegen verwahrt, nicht etwa faljch berichtet zu haben, wenn man bemerken jollte, daß gewiſſe Erfcheinungen in feinem Baterlande _ zu andern Zeiten oder in anderer Folge aufträten, als fie in feinen, den Südländern entjtammenden Autoren gejchildert würden; denn ber Unterfchied in der geographifchen Lage fei jehr einflußreich. Den Ari- ftoteles kennt er nur in ber arabijch » lateinifchen Ueberjegung des - Michael Scotus, welchen er auch einmal als Ueberjeger anführt. Ob ein zweites Eitat eines Michael auch auf ven Michael Scotus zu be- ziehen ift, bleibt fraglich. Aus diefer arabifch Inteinifchen Quelle ftam- men dann nicht bloß die verftümmelten Autornamen, die bei Ariftoteles vorkommen (Arothinus für Herodorus, Altinos für Altmaeon u. f. f.), ſondern auch die gleichem Geſchick verfallenen Thiernamen, welche durch 20 | Die Zoologie des Mittelalters. die häufigen Umſchriften nicht einmal mehr fänmtfich mit Sicherheit auf ihre griechifchen oder arabiſchen Stammformen zurüdgeführt wer- den können. Arabifchen Urfprungs find 3. B. Ana, Duran, Lachta umter ben Säugethieren, Amraham, Ibor, Kim, Karkolaz, Komor unter den Bögeln; doch können aus der Uebereinftimmung der Schilderung mit ber ariftotelifchen mehrere diefer jo bezeichneten Thiere beftimmt auf Ariftoteles’ Angaben über fie zurüdgeführt werden. Cine griechijche Herkunft haben Ahane (tft ver Cervus Achaines), Gali (Gale), Kiches wird wohl urfprünglich kittes zu lefen gewejen fein, für kitta) und viele andere. — Aeußerſt jelten nur wird Theophraſt, fehr oft und wohl reichlich fo häufig wie Ariftoteles wird Plinins citirt, auch find Anführungen aus Solinus nicht felten. Marcus Barro, Mar- tialis, Lucanus, Palladiusg werben dann und wann heran gezogen. Bon geſchichtlichen Werten erfcheinen eine Gefchichte ver Berjer und eine Gefchichte der Griechen , in dem Buche über wunder- bare Menfchen auch einzelne Züge aus der Aleranderfage. Dabei wer: ben aber 3. B. die Oxydralen und Bragmanen , welche im Pfeubocal- fifthenes als fynonym auftreten, als zwei verjchievene Völker aufge: führt. Ein Gefpräch zwifchen Aleranter une dem König (didascalus bei Thomas) der Bragmanen, Namens Dindimus (im Pfendocallifthe- nes Dandamus) findet fich in der hier erzählten Form weder im Pfeu- bocallifthenes, noch im Julius Balerius, dagegen bei Iacobus von Bitry und im Alerander des Pfaffen Lamprecht, welcher einen altro- manifchen Aleranvder bearbeitete. — Zahlreich find auch vie aus ſtir⸗ henvätern angezogenen Stellen ; jo aus Auguftinus, Ambro- fins, Bafilius, Gregorius, Beda. Auferorventlich häufig wird Iſidor von Sevilla erwähnt, deſſen Wert für Verbalerflä- rungen eine veiche Fundgrube bietet. Der Adelinus, welcher ziem- ich oft vortommt und welchen noch Jourdain als ihm unbelannt bezeichnet, ijt Alphelmus2%2). Sehr Vieles hat Thomas auch aus der „Orientalifchen Gefchichte“ des von ihm hochverehrten Jacobus 202) In der von Giles bejorgten Ausgabe feiner Werte habe ich bie von Thomis citirten Stellen bis auf wenige und zwar meift wörtlich Wiebergefunden. 2 Das deehehute Jahehunbert I. von Bitep, wi Bifchof von Acco, entnommen 2%). Auch ein- ⸗ zelne Drbensgenofjen fommen als Gewährsmänner vor, fo Jor da⸗ nus und Hugo. Letzterer ift, wie aus Vergleichung ver Stellen hervorgeht, Hugo de ©. Charo (Cardinalis S. Sabinae)2%),. Bon mittelafterlichen naturgejchichtlichen Büchern führt Verfafjer ven Phy- fiologus, ein liber physicorum, einen Lapidarius, ein anonhymeg Buch, welches er als „Erperimentator“ zu citiven vorjchlägt, und eim liber rerum, gleichfalls unbefannten Berfafjers, an. Aerztliche Auto- ven find ihm Galen, Aejculapins (in einer an Octavianus Aus guftus gerichteten Schrift), Platearius, Eonftantinus Afri— canns und die Kyraniden?%). Bei Anführung der legteren ift es ihm übrigens begegnet, daß er im Eifer des Niederjchreibens vie erſte Perfon in einer Stelle der Kyraniden nicht durch Aenderung der Sateonftruction befeitigt hat; es fcheint daher nun, als habe Thomas jelbft den mit „ich“ eingeführten Berjuch gemacht 206). Eine Frage von nicht geringer Bedeutung für die betreffenden Autoren ift die, ob Thomas von Cantimpre, welcher gewöhnlich als Schüler nnd in Bezug auf feine zoologifche Schrift als Nachfolger Albert’s des Großen bezeichnet wird, bei Abfaffung diefer Schrift bie betreffenden Abfchnitte aus dem großen Werke des legteren nicht 203) Abgebrudt in den Gesta Dei per Francos. Hanoviae, 1611. S. 1100 und flgbe. 204) Deffen Opera. Tom. I. Venet. 1732. ©. 112. 205) In Bezug auf die Kyraniden faun auf E. Meyer, Geſchich⸗ der Bo⸗ tanif, 2. Bd. ©. 348, verwieſen werben. Doch iſt die von Meyer aufgeſtellte Be⸗ bauptung, Raymundus Lullus habe das Buch überfetst, dadurch ohne Weiteres wi- berlegt, daß Thomas Cantipratanus e8 citirt, und zwar wie ich mich überzeugt habe, wörtlich in der lateinifchen Ueberjegung. Raymundus Lullus wurde 1235 geboren, _ während Thomas ſchon 1233 zu jchreiben oder ſammeln anfieng. Wunderbar ift 8, daß Meyer, welcher behauptet, die Kyraniden wirben zuerft von Simon Januen- fis citirt, und welcher fich die Büicher von den Pflanzen aus dem Gothaer Eoder bes Thomas abgeichrieben bat, nicht wenigftens in den weit umfänglicheren Thier- büchern geblättert bat, wo die Kyraniden an dreißigmale vorfommen. 206) Beim Ydrus serpens fluvialis joll ein beilfräftiger Stein im Kopfe enthalten fein. Um deſſen Kraft zu prüfen, jagt der Berfafler der Kyraniden: cir- eumeinxi lapidem mulieri bydropicae. Diejer Sat erſcheint mit der erften Perſon genau fo bei Thomas. » For, Me SE a F * J UF GE EN F — TEEN — — — 222 Die Zoologie des Mittelalters. _ etwa gekannt umd bemugt hat. Wie es nur gar zu Häufig gefchieht, hat man auch bier das Meifte, was in jener Zeit an Neuferungen regen wiffenfchaftlichen Lebens erſchien, dem Einfluffe oder geradezu der Mit» - wirkung bes befannter gewordenen und allerdings in jeder Hinficht un« gleich beveutenderen und nachhaltiger wirlſamen Albert des Großen zu- fchreiben zu müffen geglaubt. So jollte auch Thomas weſentlich aus Albert's Schriften geichöpft haben. Dem wiberjpricht aber nicht bloß die Abfaffungszeit der Schriften Beiver , welche die Frage jedenfalls am ſicherſten entjcheivet, ſondern auch der Umſtand, daß Thomas bei der gewiffenhaften Aufzählung der Quellen den Albert gar nicht er» wähnt. Thomas verfaßte feine Schrift zwifchen 1233 und 1248. Laffen fich num für Albert's Schriften feine fo fichern Yahreszahlen angeben, fo wird es fich doch zeigen, taß er bie Zoologie kaum wor 1249 gejchrieben haben kann. Daß Thomas den Albert nicht erwähnt, für den er doch, wie aus der Bienenfchrift hervorgeht, eine große Ver⸗ ebrung begte, bat ſchon Bormans hervorgehoben; es wäre aller- dings wunderbar, wenn er bei einem Werte, welches völlig gleiches Material behandelte, des Lehrers nicht hätte gedenken follen, wenn ber» felbe wirklich ſchon eine Schrift deſſelben Inhalts veröffentlicht hätte. Nun eitirt Thomas allerdings beim Wolfe einen Albertus. Dies ift das einzige Mal, daß diefer Name überhaupt vortommt. Im ben Thier- büchern findet fich die angeführte Stelle nicht beim Albertus. Iſt es Albert der Große, woran zu zweifeln kein befonderer Grund vorliegt, fo muß man fich erinnern, daß Thomas ſchon vor 1245 in Cöln Zu- hörer des Albert gewejen ift. Es würde fich dies alfo vermuthlich auf eine mündliche Mittheilung beziehen laffen. Thomas hat ficher bie Schriften des Albert nicht benutzt. Umgelehrt ift es mehr als wahr- ſcheinlich, daß Albert von Thomas’ Werk einen ausgedehnten Gebrauch gemacht hat, wie Bormans juerft erwähnt hat2”),; davon wird jpäter die Rebe fein. Wie jehr des Thomas Schrift verbreitet und gelefen war, dafür ſprechen nicht bloß die in ziemlich beträchtlicher Zahl vorhandenen Hand- 207) Bormans, a. a. O. : Das dreigehmte Jahrhundert. 223 ſchriften, fondern auch die fpäter zu erwähnenden Ueberfegungen. Bon gar feinem naturgefchichtlichen Werth ift die Bienenjchrift, welche ven eigenen Text des Berfaffers in moraliftifcher Weiſe paraphrafirt. Für bie fpecielle, beſonders Culturgeſchichte jener Zeit iſt die Schrift von großem Intereſſe. Thomas von Cantimpre hat deshalb keine tiefer eingehende Wir« fung auf die gefammte geiftige Entwidelung feiner Zeit gehabt, weil ihm die Fortbildung der philofophifchen Lehren in einem oder dem an« bern Sinne ebenjo wie eine Betheiligung an den Streitigkeiten zwifchen ven verfchiedenen Lagern fern lag. Er jchrieb als Geiftlicher , aber ob» jectiver als e8 von irgend einem Andern vor Albert dem Großen be- fannt ift. Dies weift ihm in der Zeit der Wiederaufnahme zoologijcher Beihäftigung ernfterer Art einen ehrenvollen Plag ein; und feine Schrift verdiente um fo mehr bekannt zu werden, als fie einmal für Al- bert. eine ergiebige Duelle war und als die beiden dem vierzehnten Jahrhundert angehörigen Bearbeitungen veröffentlicht find. Weit mäch⸗ tiger indeß geiff im die culturgefchichtliche Bewegung fein berühmter Nachfolger ein, Albert der Große. Albert von Bollftatt wurde ber verbreitetften Angabe zu— folge im Jahre 1193 zu Lauingen an der Donan im bayrifchen Schwa⸗ ben geboren. Zumächft nicht für den geiftlichen Stand beftimmt ſtudirte er im Pabua die freien Künfte. Im Jahre 1223 trat er aber in ven Dominiktanerorden ein und befuchte nun, um Theologie zu ftubiren, bie Univerfität Bologna. Daß er ſchon während feines Aufenthaltes in Italien die Natur mit offenen Augen betrachtet und fein Nachdenken an ihr geübt hatte, beweifen viele Stellen feiner Schriften, wo er ſich - auf dort Erlebtes und Gejehenes bezieht. Ungefähr gegen das Jahr - 1230 wurde er als Lector nach Cöln geſchickt, blieb aber noch nicht - dauernd dort, fondern lehrte abwechjelnd in Straßburg, Freiburg, Re- gensburg, Hildesheim und wohl noch an andern Orten. Erjt 1243 fan er nach Eöln zurück. Bon 1245 bis 1248 war er zwar in Paris, wo. der Streit zwilchen ver Univerfität und den Dominikanern die Anwe- 224 7 Die Zoologie bes Mittelalters. ſenheit tüchtiger Lehrer dem Orden jehr wünjchenswerth machen mußte, er blieb aber dann von 1248 bis 1260 in Eöln, freilich auch jest nicht ohne öftere Unterbrechungen, da er theils als Prediger, theils als Pro- vincial feines Ordens, zu welcher Stellung er 1254 gewählt wurde, vielfach nach außen zu wandern veranlaft wurde. Wegen bes Barifer Univerfitätsftreites war er 1256 in Italien. 1260 wurde ex Bifchof von Regensburg, legte jedoch bereits 1262 viefes Amt wieder nieder, um wieder in Cöln zu lehren umd zu jchreiben und von bier aus neue Sendungen zu erfüllen, zu denen er berufen wurde. Ob er auf bem Concil in Lyon im Jahre 1274 gegenwärtig war, ift jehr zweifelhaft. Er ftarb 1280, Albert, welchem der Zuname des Großen bereitwillig zuge ftanden werden fan, ift jedenfalls die bedeutendſte fitterarifche Erjchei- nung auf dem Gebiete ver Naturwiffenfchaften im dreizehnten Jahr⸗ hundert. Von feinen rein theologischen und moralischen Schriften ab⸗ gejehen ift jchon die Thatfache, daß er es unternahm, das ganze philo- ſophiſche Gebäude des Ariftoteles mit feinen metaphyſiſchen wie phy⸗ fiihen Seiten zu bearbeiten, zu paraphrafiren und mit bem Kirchen: glauben in eine nicht bloß formelle Uebereinftimmung zu bringen, ein mehr als ausreichender Beweis für das Verſtändniß, was er von feiner Zeit hatte, und folglich auch für den Einfluß, welchen er auf biefelbe äußern mußte. Leider ift es nicht möglich, feine außerordentlich zahl reichen Schriften, und nicht einmal die hier vorzüglich intereffirenden Abjchnitte, in eine nur einigermaßen haltbare hronologifche Orduung zu bringen. Die Reihenfolge, in welcher die einzelnen Theile entftanden find, geht theils aus feinen eigenen Angaben, theils aus den Eitaten früherer Schriften in den fpätern hervor 29). Danach find die Bücher 208) Aus Stellen wie der folgenden läßt fidh doch in Bezug auf die Aufeinan- berfolge ober eine fpätere Ueberarbeitung der einzelnen Schriften michts fchließen : „ita quod expertus sum in villa mea super Danubium, ubi sunt plurimae cavernae in muris et lapidibus, quod omni anno post aequinoctium autumni congregantur ibi pisces“. (Opp. Tom. VI. p. 224). Die villa mea super Danu- bium iſt do nur Lauingen und nicht „das Schlößchen Donauftauf” bei Regens- burg, wie Sighart meint, welcher daraus folgert, daß Albert nach feiner Abdi⸗ cation vom bijchöflichen Sig in Regensburg Zufäge zu der Schrift gemacht habe. 5 Das breizehnte Jahrhundert. 1 295 ‚über die Thiere unter den legten ber naturwifjenfchaftlichen anzufüh- ren; er fagt felbjt am Schluß: „fo ift venn das Buch von den Thieren vollendet, und damit das ganze Werk über die Natur (opus natura- rum)“20), Mit Ausnahme ver ausführlichen Kapitel von den Falten fann das ganze Thierbuch nicht vor 1250 entjtanden fein. Jourdain jagt zwar, das Bincenz von Beauvais im Naturfpiegel, welcher 1250 vollendet wurde, ven Albert häufig citive und unter Anderen auch feine Schrift über die Thiere; E. Meyer erweitert dies ſogar dahin, daß Bincenz des Albert Thiergefchichte häufig citirt habe. Es kommt aber der Name Albertus in den ganzen, auf Thiere bezüglichen, fiebzehnten bis breiundzwanzigften, Büchern des Vincenz nur dreimal vor, und zwar im 71. Kapitel des 17. Buchs, in dem einleitenden Kapitel über Falken 210). Der betreffende Abjchnitt bei Albert fcheint aber die hiernach geforderte Annahme, daß er ſchon früher gefchrieben fei, auch dadurch zu unter ftügen, daß er in ganz anderer Weife anhebt, als andere Theile mitten im Tert der Thierbücher. Er beginnt mit den Worten: „In der Ab» fiht, die Natur der Falten, welche Biele fennen zu lernen wünſchen, genauer zu bejchreiben“ u. ſ. w.2!!). Dies nimmt fich ber fonftigen Redeweiſe Albert's gegenüber fremdartig aus. Auch fehlt in ven Kapiteln über Falten jede Beziehung auf andere Theile ver Thier- bücher. Wann nun aber die Schrift über die Thiere, nach Ausſchluß ver Kapitel über die Falten, gefchrieben worden ift, dürfte kaum ficher zu beftimmen fein ; wielleicht zwijchen 1250 und 1254, möglicherweife aber auch fpäter, alfo nach Uebergehung ver — Jahre von 1254 1262 von letzterem Jahre an. Außerdem werben aus ben Fiſchen bei Sighart Vögel. ſ. Sighart, Albertus Magnus. Sein Leben und feine Wiſſenſchaft. Regensburg, 1857. ©. 351. 209) Ganz ähnlich am Schluß des 21. Buches: „in his ad finem usque sei- entis de corporibus animalium producta est et per ea licet imperfecta sint auxiliante Deo perfecta est scientia naturalis“. h 210) Das oben erwähnte Eitat jcheint Bormans entgangen zu fein (a. a. D. ©. 114). Im Uebrigen hat er völlig Recht. E. Meyer, Geichichte der Bota- nit. Bd. 4. S. 34 und 103; am beiden Stellen fpricht er davon, daß Bincenz Die Thierbücher des Albert häufig benutzt babe. 211) Falconum naturam quam multi scire cupiunt subtiliter. describere eupientes etc. Tom. VI. p. 620. B. Carus, Geſch. d. Zool. .. #8 / uam a ER — Die Zoologie des Mittelalters. Die ganze Schrift über die Thiere, welche in der leider ſehr incor- vect gedructen Ausgabe von Jammy ven fechften Band der ſämmt⸗ lichen Werte Alberts bildet ,. ift in fechsundzwanzig Bücher getheilt. Dem Schlußwort des eriten Kapitels des erften Buches zufolge hat Albert den neunzehn Büchern des Ariftoteles noch fieben weitere hinzu- gefügt. Jene neunzehn Bücher find diefelben, wie fie ſchon früher bei den arabifchen Eommentatoren als Inhalt der ariftotelifchen Zoologie fennen gelernt wurden, nämlich neun ächte und ein unächtes Buch Thiergejchichten, vier Bücher über die Theile und fünf Bücher von der Zeugung und Entwidelung. Bereits Schneider hat bemerft, daß Albert bei Abjaffung feiner Schrift dem durch Michael Scotus über- lieferten Tert fo getreu gefolgt ift, daß er in feiner ausführlichen Wie- dergabe kaum zehn Zeilen im Ganzen weggelaffen hat. Die Schrift ſtellt, wie jchon früher erwähnt wurde, eine Paraphraſe in der Art des Avicenna dar im Gegenjage zu ber Form eines dem Tert ſelbſtändig gegenübertretenden Commentars, wie es Averrods und nach ihm Tho- mas von Aquino vorzog?!?). Bon den fieben dem Ariftoteles noch birizugefügten Büchern handelt das erſte das 20.) allgemein ‚von der Natur der thierifchen Körper, das zweite (21.) von ven Bolftommen- heitsgraden, worin alfo eine Art Eintheilung gegeben wirt, während die übrigen die Thiere einzeln und zwar innerhalb ver größeren Grup⸗ pen alphabetifch jchildern. So führt das pritte 22.) nad dem Men- ſchen die vierfüßigen Thiere auf, das vierte (23.) die Vögel, das fünfte (24.) die Wafferthiere, das jechfte (25 ) die Schlangen umd das letzte (26.) die „Heinen blutloſen Thiere*. Dem Alphabet der einzelnen Thiere geht jedesmal eine allgemeine Einleitung voraus. Gecgenüber der Schrift des Thomas von Gantimpre ebenfo ivie der des Vincenz charakterifirt fich das Werf Alberts als ein viel durch: gearbeiteteres, mit größerem Selbftbewußtjein verfaßtes. Wenn auch Bieles in feinem Text entlehnt ift, fo treten doch die Anfichten anderer Autoren nicht wie bei Thomas einfach als Eitate auf, welche hinter dem 212) vergl. hierüber die Bemerkungen sei Jourdain, e.ao0n.&. 327 und flgde. Das breigehute Jahrhundert. | 997 Namen bes betreffenden Schriftftellers direct als meift wörtliche An- führungen vorgebracht werben , jondern fie werden mehr oder weniger in das ganze Sabgefüge des Albert jelbft verwoben. Eigentliche Eitate erjcheinen daher bier viel jeltener; und damit treten denn auch die Duellen, aus denen Albert ſchöpfte, nicht jo offen hervor wie bei Tho- mas Eantipratenfis und Vincentius. Im allgemeinen Theile (v. h. ben erſten einundzwanzig Büchern) kommen aufer Ariftoteles nur jel- ten Autornamen vor; jo Solinus, Galen, Avicenna, Razi, Ambro- fins m. a.222); häufiger erfcheinen jolche in ven letzten, fpeciellen Bü- ern. Wie Bormans zuerft bemerkt hat, iſt jür diefe Bücher Tho- mas von Eantimpre eine Hauptquelle geweſen; eine Vergleichung beiver Werte beftätigt dies durchaus. Dabei ift natürlich nicht ausgefchloffen, daß Albert noch Zuſätze gemacht hat. Wie aber an andern Orten, jo hat er auch bier feine Quelle nicht genannt , jogar von Thomas ange führte Quellen zu nennen unterlafjen 24). Bon den Schriftftellern, welche Thomas in wörtlichen Anführungen citirt, kommen bei Albert vorzüglich Plinius und Solinus vor, außerdem aber auch Adelinus (d. i. Aldhelmus) und noch zwei, von Jourdain nicht emträthfelte: Jorach und Semerion. Letzterer erfcheint zuerft in der lateiniſchen Ueberjegung des Canon des Avicenna von Gerard von Eremona, wo eine Weberjchrift des Originals: Kapitel von der Muragena (Fasl fi Semuria) aus Verſehen weggelaffen worden ift, wogegen dann das Thier als „jener weife Semurion“ auftritt 275). Jorach ift völlig unbe: kannt. Ob auch hier ein Pſeudepigraphon dahinterfteckt , ift vorläufig 213) vergl. Buhle, de fontibus, unde Albertus Magnus libris suis de Animalibus materiem hauserit. in: Comment. Soc. Reg. Goetting. Tom. XI. - p. 9.8. gebt jpeciell auf die Phyſiognomiler Lorus und Palemon ein. Jourdain, Recherches ete. 2. ed. p. 325. Hier wird befonders ausführlich über die durch arabiſche Berftimmelung unerkennbar gewordenen griechiichen Autoren verhandelt. 214) Albert fagt beim Picus martius: „unde quidam versificando di- xit: parva loquax-volueris ete.“; während Thomas auspriüdlich citirt? „Ex- perimentator (f. o.) dieit, quendam in versu de pico marcio, dixisse: parva loquax etc“. 215) Avicenna, Canon, Venet. 1495. Lib. 4. Fen 6, Tract. 3, Cap. 56. p. 220. Es wird im Original eine Stelle aus dem Attius, meol ouvoufvas (Tetrabiblon IV, Sermo I, oder cap. XXXVIN des Sermo XIM) citirt. 15 * Fi’ Die Zoolog ie des Mittelalters. nicht emtjchieden 2'%). Hängt hiermit etwa das gleichfalls unbelaunte „Buch von jechzig Thieren zufammen, welches Albert beiin Thier Atabo und beim Hunde citirt 217)? Es ift nach dem Erwähnten natürlich, daß die Thiernamen mit Ausnahme ver befannteften in einem ebenfo ver- ftümmelten und faum wieverzuertennenden Aufzuge erfcheinen,, wie es bei Thomas der Fall ift, und zwar erfcheinen dieſe Thiere nicht etwa nur jetzt fremdartig und unbetannt, fondern es ift ganz ficher, daß fich Albert felbjt von ihnen kein Bild gemacht, fondern nur zuſammenge⸗ jehrieben hat, was ihm vorlag, wie denn überhaupt von einer Driginal- arbeit im heutigen Sinne bei feiner Schrift über die Thiere nicht die Rede fein fann. Nur der allgemeine Theil macht in den Stellen, wo Albert neben die Anfichten des Ariftoteles feine eigene hinftellt, eine Ausnahme hiervon, und man kann wohl in jenen Zuthaten jelbftändige Leiftungen anerkennen. Handelt es fich num darum, Albert's ganze Auffaffung und wij- ſenſchaftliche Richtung, ſoweit diefelbe die Thiere betrifft, näher zu cha- . xakterifiren, jo darf man nicht vergeffen, daß er Geiftlicher und Scho- faftiter war 215). Als folcher hatte auch er zunächit die Aufgabe, die Summe des antiten Wiffens , wie es ihm im zwei verfchiedenen Anf- fafjungen überliefert worden war, in ein Syſtem zu bringen. Daffelbe bot zwar durch die naturgemäß faft zu vorwaltend ausgebildete Dialektif 216) Der Name fieht jemitifch aus, auch nennt ihn (mas allerbings fein Be- weis ift) Bartholomaens Anglicus, der ihn eitirt, chaldeus. Manche Thiernamen, wie die Fiſche abren, fastem , der levisthan, die Bezeichnung des im Phyfiologus Periderion genannten Baumes als arbor zilanim fprechen für einen Scmiten. Ob ber Name einem Schriftfteller angehört oder der Titel eines Buches ift, ſelbſt ob er Jorach oder Jorath heißt, find alles noch umbeantwortete Fragen. Bei Thomas . Sommt er micht vor, wohl aber bei deſſen Ueberjeger Conrad von Megenberg und . zwar bei der Amphisbaena, demſelben Thiere, bei welchem ihn auch noch einmal der Orlus sanitatis citirt. Bei Vincenz erſcheint er jehr oft. Albrovandi führt ihn zuleßt (beim Onager) an; Geöner erwähnt, daß Albertus ihn eitire. - | 217) Akabo, ut in libro sexaginta aniınalium dieitur, animal est mul- tum valens medicinae. — Dicitur autem in libro sexaginta animalium, quod caro canis calida est et sicca. 218) Ich verweife bier wieder auf die Darftellung in Ritter's Chriſtlicher Philoſophie 1, Bb, Das breigehmte Jahrhunderi Ei ben Anfchein eines nırr äußerfichen Formalismus dar, war aber doch im Grunde gerade dadurch für feine Zeit von größter Bedeutung, daß es ven theologijchen Bedürfniſſen völlig genügte, "ohne die confequente philofophifche Durchbildung vermiffen zu laffen. Und in Bezug auf letztere erjcheint Albert in einer vermittelnden Stellung zwifchen ven beiven fich einander fcharf gegenüberftehenden Parteien, was wiederum für die naturwiffenfchaftliche Entwidelung von entſcheidendem Einfluffe war. Der Nominalismus des Ariftoteles führt ihn zwar zur Anerfen- nung der Thatjache, daß man von der Erfahrung ausgehen follte ; aber biefem gegenüber gibt ihm feine Auffaffung der Theologie als einer praftifchen Wiſſenſchaft die andere Behauptung an die Hand, daß wir außer der äußern Erfahrung noch eine innere, des frommen Lebens in uns, zu berüdfichtigen haben. Zu letzterer werde ver Menfch durch die eritere geführt ; daher muß auch die natürliche Erfahrung, welcher vie innere Erfahrung nur als höhere Form gegenübergeftellt werben kann, mit leßterer und ſchließlich mit dem Glauben, welcher ja nur Vertrauen auf. eine Erfahrung ift, übereinftimmen. Mit diefer Annahme einer doppelten Erfahrung fteht dann Albert's Stellung zu der jcholaftifchen Frage nach dem Allgemeinen in Zufammenhang und Uebereinftim- mung. Dies ift vor den Dingen im göttlichen Verftande, in den Dingen in der Natur, nach den Dingen im menjchlichen Verſtande. Die leg- tere, halb realiftiiche Annahme würde nun, in Verbindung mit der An» erfennung eines Caufalzufammenhanges in den Naturerfcheinungen jedenfalls noch viel fruchtbarer gewefen fein, wenn dem gar nicht felten ſich äußernden Beſtreben, ven Entjcheid über Zweifelhaftes oder ein Urtheil über Wunderbares aus eigener Erfahrung zu fchöpfen, Methode und eine fich an dieſer ſtärkende Kritik zur Seite geftanden hätte. Hier war aber fein Syitem nicht im Einklang mit der Leiftungsfähigfeit fei« ner Zeit. Daher ift auch fein Einfluß nicht fo nachhaltig geweſen, wie es fonft wohl hätte erwartet werden können. | Zunächſt ift num ver theologifirende Gang Albert's dadurch einer fruchtbar wiffenfchaftlichen Auffafjung des Thierreichs nicht förderlich, als er daſſelbe mit dem Maße des Menſchen und zwar nach deſſen jee- fiihen Begabungen mift. War es hiernach nur confequent, weiter zu ſagen, daß ſich das Unvolffommene nur aus dem Vollkommenen ver» ftehen Laffe ?'%), fo lag gerade hierin das Haupthinderniß einer natür · fichen Betrachtung, welche, die Volllommenheit bei Seite lafjend, nah Einfachem und Zuſammengeſetztem zu fragen hat. Albert famı aber bei feinen allgemeinen vergleichend-anatomifchen Betrachtungen gar nicht zu biefer frage. Seine Anfichten gehen bier nicht über Ariftoteles hin⸗ aus und wo er jelbftändige „Digreffionen“ hinzufügt, find es Specula- tionen ganz allgemein pbilofophiicher Art, wie 3. B. die weitläufige Unterfuchung ver Frage, ob aufer den vier Elementen auch noch das fünfte Princip, für welches er das Licht anfieht, in die Zuſammen⸗ ſetzung ver thierijchen Körper eingebe. Einigemal kommen allerdings Berufungen auf eigene Beobachtungen vor ; dieſe find aber ziemlich be- benklicher Art. So zählt er 3. B. beim Hirſch in jeder Kinnlade d. h. oben und unten) vier Zähne und außerdem moch unten vwier andere. Die Froſchzunge ſoll am Gaumen angewachjen fein; und weil deshalb ber Athem nicht gerade eingehen könne, treibe die Luft am Halfe bie beiden Blafen auf. Die Fliege hat zwei Flügel, aber acht Beine. Sein Berhalten derartigen elementaren Thatſachen gegenüber ſpricht wenig für eine eracte Erfaſſung eines durch einfache Beobachtung zu ermit- tefnden Thatbeftandes. Auch von Berallgemeinerungen fruchtbarer Art ift bei ihm außer ariftotelifchen Angaben nichts zu finden. Es tft ımı- begreiflich, wie Bouchet ihm eine Ahnung von ver Wirbelzufanmıen- fegung bes Schäbels zuſchreiben kann 22%). Albert fagt am ver von Pouchet hierfür angezogenen Stelle nur 22°), daß gewiffe Theile des Gefichts bewegt werben. Diefe nennt er nun allerdings Gfiever, aber 219) Cum imperfectum seiri non possit nisi per rationem perfecti etc. — Ratio autem perfeetionis animalis secundum animae vires quaerenda est. Lib. XXI. ed. Jammy, T. VI. p. 562. 220) Pouchet, Hist. des sciences naturelles au moyen äge ou Albert le Grand etc. Paris, 1853. p- 271. - 221) Opera, ed. Jammy. T. VI. p. 45. Videmus autern moveri in facie septem membra universaliter ab omnibus et a quibusdam oecio: quae sunt frons, oculi, palpebrae superiores et maxilla in communitate Jabiorum et labia sine maxillis et duae inferiores narium — Movetur autem et . mandibula inferior forti motu. * ⸗ * DM dreizehute Jahrhundert. 231 nur in der ariftotelifchen Bedeutung des Wortes gegenüber ven. Be- ſtandtheilen. Bon einer etwaigen Vergleihung derſelben als Glied— maßen mit folchen des Rumpfes ift auch nicht im’entfernteften die Rebe. In Bezug auf feine anatomischen Kenntniffe ift nun kaum noch zu erwähnen nöthig, daß er zwar die Muskeln bejchreibt (wobei ex bie Benge- und Stredjeite der Ertremitäten in der Weife des Mundinus als domestica uud sylvestris bezeichnet) , aber vie Sehnen immer noch Nerven nennt, viefen die eigentlich bewegende Kraft beilegt und fie vom Herzen entipringen läßt. Von den eigentlichen Nerven bat er feine Borftellung, ebenfowenig von ihrer Bedeutung bei der Wirkungsart der Sinnesorgane. Eigenthümlich ift es, daf auch Albert bei Schilverung. bes Gehirns nach Ariftoteles in den auch nenerdings wiederholten und bereits oben (S. 69. Anm. 89) gerügten Fehler verfällt, Ariftoteles habe den hintern Raum des Schävels unter dem Tentorium als hohl beichrieben 722). Die Arterien enthalten Yuft; das Herz hat drei Höh- fen. Das Gehirn ift feucht und kalt u. f.w. Bei folchen anatomifchen Anſchauungen ift es nicht zu verwun⸗ dern, daß feine Phyſiologie fich in gleicher Weife von den alten Grund— fehlern befangen zeigt, trogdem daß er manche Punkte, wie die Zeu— gung, Entftehung der Gejchlechter, Begattung mit einer großen Aus- führlichkeit behandelt. Dabei macht fich aber ver fcholaftifche Zug ver haarſpaltenden Worterflärung und fpigfindigften Dialektit in hoben Mafe geltend. Zu Experimenten, auf welche er fich zuweilen beruft, ohne fie dann mitzutheilen, kommt ev nur äußerft. jelten und dann bei Fragen, welche gar feine grundlegende Bedeutung haben oder deren ‚Tragweite er nicht zu beurtheilen im Stande ift, wie z. B. ob der Sa— lamander im euer leben könne. Man weiß auch nicht, ob man bei der- artigen Gelegenheiten an eine grobe Täufchung, welcher er ausgejegt gewefen ift, oder an eine ftarke Leichtgläubigkeit ſeinerſeits denken foll. So jagt er 3. B. bei Schilderung des Wurmes seta (möglicherweife ein Gordius), daß derjelbe vielleicht aus Pferdehaaren entjtehe; denn er babe felbft vielfach erfahren, daß diefe Haare in ftehendem Waffer 222) Opera, ed. Jammy, T. VI. p. 79. U - Die Zoologie bes Mittelalters. x Leben bekommen und fich bewegen. So will er ferner einen monftröjen zweibeinigen Bock gejehen haben, welcher mit feinen zwei allein vorhan ⸗ denen Vorderbeinen gelaufen ſei und dabei das beinloſe Hintertheil hoch ‚ in die Höhe gehalten habe, ftatt es auf ver Erde nachzufchleppen. Auh fchilvert er ohne ein Bedenken zu äußern, die Sanftmuth des fonft jo wilden Einhorns im Schoße einer Jungfrau, den Pegafus, erwähnt das Fortichiefen der Stacheln beim Stachelichwein u. f. f. Anderes dagegen berichtigt er oder weift es als unglaubwürdig zurüd. Daß bie finfen Beine des Dachfes kürzer jeien als die rechten, erklärt er nad) eigener Anſchauung für falſch; ebenjo bezeichnet er die Entftehung der Baumgans auf Bäumen, die Befruchtung des Hafelhuhns durch den Speichel des Männchen als irrig und weift es auch zurüd, daß der Biber ſich jelbft verftümmele, daß ver Storch den Ehebruch feines Weibchens durch ven Geruch ertenne. Andererſeits erzählt er aber ohne ein Wort ver Kritik oder des Wunderns zu äußern, daß eine Fran nicht Schwanger werde, jo lange fie das aus dem lebendigen Thier ge- jchnittene Ferſenbein eines Wieſels umhängen habe. Die fette Angabe führt zu der abergläubifchen und medicinifchen Berwendung der Thiere, welche wenigftens mit ein paar Worten an- gedeutet werben muß. Beim Bogel Caladrius, wo er die aus dem Phy- ſiologus bekannte Gefchichte erzählt und zu erklären fucht, ohne fie iedoch zu kritiſiren, fügt Albert zwar hinzu, daß die Weiffagung aus ven Vögeln nicht zur Aufgabe der vorliegenden Speculation gehöre. Wenn er inde damit die eine Form von Aberglauben ausſchließt, fo - bringt er die andere, auf Talismane, Geheimmittel u. vergl. bezügliche, deſto reichlicher an. Mittel zur Erlangung von Liebe, zur Erhaltung von Zeugungsfähigkeit, Aphrodiſiaca jeder Art, Mittel zur Beförbe- rung oder zur Bejeitigung des Haarwuchjes, daneben auch gegen fal- (ende Sucht, Kolik u. ſ. w. fpielen eine große Rolle 22°); dabei find aber auch Mittel im Dunkeln zu jehen (vergl. ven Igel), Flöhe und anderes Ungeziefer zu vertreiben u. vergl. nicht vergeffen. 223) Man vergl. 5. ®. die Schilderung der damma unter den Bierfüßern, welche völlig an das gleiche Zeug bei den Kyraniden erinnert, ferner equus, eapra fel hirei depilat), leopardus und viele andere Das breigehute Jahrhundert 2 A Wie erwähnt Befpricht das 21. Buch die Vollkommenheitsgrade der Thiere. Die darin gegebene Eintheilung ift aber durchaus nicht als eine feftbegründete Clafjification anzufehen und zeigt vielmehr, daß Albert in der Erfaffung der thierifchen Formen feinem Meifter Arifto- tefes nicht entfernt gleich fam. Unter den, an erjter Stelle von dem Seelenleben hergenommenen Gründen für die Vollkommenheit des Menfchen 224) führt er auch die Form des menfchlichen Körpers an Hier zeigt ev fich aber im gleicher Weife von vorgefaßten Meinungen eingenommen ; unter willtürlicher Annahme eines verjchievenen Wer- thes der einzelnen Dimenfionen fchlieft er aus vem Verhalten ver vers ſchiedenen Körperdurchmeſſer, daß ver Menſch die volllommenſte Geftalt habe 2205). Während man dann wohl hätte erwarten können, vie einzel- nen Thiergruppen nach ihren Bolftommenheitsgraden irgendwie charaf- terifirt zu jehen, fchildert er die Klugheit, die natürliche finnliche Bega- bung der Thiere nach den populär hergebrachten Abtheilungen ver Vier- füßer, Vögel, Wafjerthiere, Schlangen und Glieder- over Ningelthiere. Die legteren find genau des Ariftoteles Entoma , freilich mit einzelnen frembartigen Zuthaten. Sie werden bei den Einzelfchilverungen als Heine blutlofe Thiere bezeichnet und es werben Imfecten, Spinnen, Fröſche, Kröten, Seefterne u. f. f. zu ihnen gerechnet. Unter ven Wafferthieren laufen Fische, Krebſe, Weichthiere bunt durcheinander. An unterfter Stelle erwähnt er noch eine Heine Gruppe „unvolltomm- ner“ Thiere ; es find dies feiner Angabe nach eine Anzahl „Würmer“, wie der Regenwurm umd der Schwamm. Diefe Gruppe läßt er aber bei der Aufzählung fpecieller Thiere ganz weg, vermuthlich wegen zu geringer Belanntichaft mit ihr. Kann man nun hiernach kaum jagen, 221) Nicht unintereſſant ift es, daß Albert zuerft auf die Erziehbarfeit, disei- _ plinabilitas,, hinweift (p. 566), deren Ariftoteles nur vorübergehend gebenft (im 9. Buch der Thiergeichichte). Allerdings legt er der Frage noch nicht Die Bedeutung bei, welche fie durch ihre naturgemäße Einſchränkung in neuerer Zeit erhalten bat. } 225) Longitudo in corpore animali semper vincere debet latitudinem, . si non sit vitium naturae ... .. cum igitur sensus organa ponantur secundum longitudinem descendendo et motus organa secundum latitudinem, perfe- M distinetionis majorem habent organa corporis in homine, quam in aliquo animalium’aliorum. T. VI. p. 564. 234 Die Baiissk ee Bike. daß Albert ein Syſtem gehabt Habe, fo fehlt ihm auch der Ansgangs- punft der Syftematif , die naturhiftorifche Species. Zwar behauptet auch bier Pouchet?2%), baf Albert zuerft die Species als foldhe defi- nirt, auch gezeigt habe, wie mehrere Species ein Genus bilden. Es laßt fich aber aus zahlreichen Beiſpielen nachweifen , daß auch bei Al- bert die Begriffe Art und Gattung nur im formalen Sinne einer logi- ſchen Ueber und Unterorbnung angewendet wurden. Solche Stellen, wie: „der Specht ift feine Species, jondern ein Genus“, fünnen aller- dings zu einer andern Anficht verführen. Yieft man aber weiter, fo ftößt man anf Worte, welche keinen Zweifel laffen: „Da es indeh von dieſem Vogel viele Gattungen gibt”. Es find alfo hier Gattungen an- dern Gattungen untergeorbnet. Ebenſo heißt es vom Cetus: „es ift bies ein Fiſch von vielen Gattungen“. „Von Reihern werben brei Sat» tungen bei uns gefunden“. Die rein logifch-formale Bedeutung des genus und der species geht aber zur Evidenz aus Stellen hervor, wo er die Art fogar zweierlei generifchen Formen gegenüberftellt, einem näch- ften Genus und einem entfernten 27°). Man hat alfo auch hier im Folge einer befondern Vorliebe für Albert etwas in ihm gefucht, was gemäß der Entwidelungsweije naturwiffenfchaftlicher Ideen noch gar nicht bei ihm zu finden fein kann und deſſen Mangel feine Berdienfte nicht ſchmälert. - Während Albert in den bis jest gefchilderten Theilen feines großen Thierbuchs fich kaum vom Terte des Ariftoteles, den er zu commenti- ven unternommen hatte, entfernt und mir einzelne Details oder Spe- eulationen allgemeiner Art zugibt, ift der fette Abſchnitt, die Einzel- ſchilderungen enthalten , dadurch von befonderem Intereffe, daf man hieraus nicht bloß den Umfang der Thierkenntniß, die ihm zu Gebote 226) a.a.O. ©. 279. Er beruft fich hier auf eine Angabe bei Blainville, Hist. des sciene. de l’organisation T. II. (Paris, 1845) p. 86. Aber ber hierher zu beziehende Sa: „lespece, dit Albert, est la r&union des individus qui naissent les uns des autres, ift ficher nicht nee De wie er ihm bier beigelegt wird. 227) diximus quod homo non solum — differentia differt ab aliis animalibus, sed etiam secundum esse generis proximi et secundum esse generis remoti .. genus proximum est sensibile, genus remotum est vivum. a.a. O. p. 562. _ftand, fondern andy vie Auffaffung befonderer Einzelheiten in Bezug auf biologifche oder anatomijche Berhältniffe wohl erjehen zu können meinen faun. Doch würde man fich getäufcht jehen, wenn man hier etwa prä- cife Beichreibungen erwartet hätte. - Es läßt fich kaum ein Thier an- führen, was zuerſt durch Albert bekannt oder in vie Wiſſenſchaft mit- telft einer genügenden Beichreibung eingeführt worden wäre. Ein Hauptgrund ver Unzulänglichkeit dieſes Abfchnittes liegt in dem bereits früher hervorgehobenen Mangel einer wifjenfchaftlichen Namengebung und Terminologie. Anvererfeits macht e8 fich aber gerade hier, wo mit allgemeinen Betrachtungen der ganz concreten einzelnen Thierformen nichts auszurichten war, vecht fühlbar, wie wenig eingehend feine foge- nannten Beobachtungen waren und wie kritiklos er alles ihm wichtig oder intereffant Erfcheinende aufnahm. Die Hanptquelle war ihm bier Thomas von Cantimpre, welchen er zumeilen einfach abge ichrieben , zuweilen abgekürzt und mit Bemerkungen verjehen hat. Selbft vie Reihenfolge und die Verſtöße gegen das Alphabet, welche in verjelben vorkommen, find bei beiden Schriftftellern viefelben. Wie bei Thomas finden fich auch bei Albert Synonyme an verfchievenen Stel- len ohne Hinweis auf bereits Mitgetheiltes , jo erfcheint die Giraffe unter drei Namen (oraflus, anabula, camelopardus), der Wifent unter vier fchon bei Thomas erwähnten. Albert hat num aber zu der von Thomas angeführten Lifte noch Zuſätze gegeben, freilich zumeilen ohme zu fragen, ob feine neuen Thiere nicht jchon unter anderm Nas men vorhanden waren. So bringt er zu dem murilegus noch den cat- tus, zu dem calopus den analopos. Verglichen mit ver Zahl der bei Thomas vorkommenden Thiere ift die Zahl ver bei Albert neu hinzu⸗ fommenven nicht groß. Mit Einfchluß der genannten Synonyme fom- men hinzu bei ven Vierfüßern: analopos, alphec, akabo, cattus und - martarus; bei den Vögeln bonasa, athilon, muscicapa, noctua ; bei den Fiichen, unter welcher Bezeichnung er die beiden Gruppen ber Meermonftra und Fifche bei Thomas vereinigt, gobius, raychae, stin- cus, sturitus, bei ven Würmern die beiden Artifel limax und scorpio. - Die Zahl der Schlangen ift dadurch viel beträchtlicher geworben, als Albert aus Avicenna die ſämmtlichen Arten aufgenommen hat. Sie 236 pie Zoologie des Mittelalterd. erjcheinen jämmtlich unter den arabifchen latinifirten Namen, welche Gerard von Cremona in feiner Ueberfegung des Canon eingeführt hatte und bier fchlich fich auch, wie erwähnt, der Autor Semerion ein. Es ift auch die Trennung der Schlangen in drei Orbnungen bie des Avicenna ; es fiegt die Gefährlichkeit ihres Bifjes zu Grunde. Umge— kehrt fehlen aber auch einige, jedoch wenige Formen bei Albert, welche Thomas angefühet Hatte; fo unter ven Wögeln 22%) isopigis (seisopigis ber Kyraniden) und kiliodromos, unter den Seemonftren cervus ma- rinus, falatha, ipotamus und onos und ımter den Fiſchen fundula und uranoscopus. Beſonders bei den Thiernamen wäre eine Kritik bes Tertes (durch eine correcte Ausgabe des Thomas Cantipratenfis) fehr wünjchenswerth. Die cefusa des Thomas erjcheint bei Albert als confusa, der Fifch kim (kym) als kyrii, pirander als pyradum und viele andere vergleichen Berjchievenheiten , welche ſich nur ans einer - Bergleihung der Handichriften erklären und befeitigen laffen. * Außer den in den legten fpeciellen Büchern aufgezählten Thier- - formen lafjen aber einzelne Notizen in dem allgemeinen Theile auf eine Belanntſchaft Albert's mit noch anderen Abtheilungen des Thierreichs ſchließen. So fcheint er nach feiner Schilverung ficher größere Mepn- fen am Meeresftrande und vielleicht auch fchwimmend gefehen zu ha— ben 22°), deren Form er wenigftens zur Wievererfennung ihrer allge» meinen Geſtalt bejchreibt. Freilich fehlt hier jeder nähere Nachweis - über ihren Bau und ihre VBerwandtfchaft, wie er fich dieſe Verhältniſſe eben dachte. Ebenfo laſſen ſich einige Angaben wohl auf Holothurien deuten, indeß gleichfalls nur fo weit, daß man wie bei ven betreffenden Angaben des Ariftoteles nur jagen kann, er habe fie einmal gefehen. ' Will man Albert ven Großen nach alle vem Vorftehenden als Zoolog „gerecht beurtheilen , jo ift es einmal nothiwendig, in ihm 228) Statt bes bei Thomas vorlommenden licaon (cervice jubatus est et tot modis varius, ut nullum ei colorem deesse dicant) hat Albert unter Jupus nur bie Bemerkung: dieit quidam quod Aethiopia (Thomas: oriens) lupos habet varios crine jubato. 229) a.a. D. p. 154 und 167. Erfagt p. 153: ego in mari causa — rimenti navigans et exiens ad insulas et arenas manibus collegi decem vel undecim genera (animalium marinorum sanguinem non habentium). — nicht etwa einen Naturforſcher im modernen Sinne des Wortes zu juchen. Man würde ihn dann ficher unterfchägen. Wie er ja über- haupt die ganze Richtung feiner Zeit nicht auf einmal durchbrechen - fonnte, jo darf man nicht außer Acht laſſen, daß er als Geiftlicher noch bejondere Rüdjicht nehmen mußte, der von einem ziemlich ſtarken Ver— dacht umgebenen Naturbetrachtung eine mit dem Kirchenglauben ver- einbare Form zu geben. Er darf aber auch nicht überjchägt werben. Das enthufiaftiiche Lob, welches ibm Blainville, Pouchet, Sighart u. A. ſpenden, hat er nicht in dem Umfange und nicht für alles Das, was ihm gerade diefe Männer nachrühmen, verdient. Un- bedingt muß er als großartige Erjcheinung anerkannt werden. Sein Hauptverbienft liegt aber wohl weniger in den erften fehüchternen Ver⸗ juchen eigner Beobachtungen, jondern vielmehr darin, daß er ven Ari- jtoteles als Naturphilofoph und zoologifchen Lehrmeifter wieder hinge- ſtellt hat und daß er hierdurch darauf bingewiefen bat, wie man bie Natur anjehen joll. Daß er dann felbft diefen Lehren nicht überall ge- folgt ift, thut ihm im Ganzen wenig Abbruch. Mean pflegt zuweilen ſeinen Einfluß als einen nur geringen zu bezeichnen. Wenn auch die fürzeren und jchon deshalb einer größern Verbreitung leichter zugäng- lichen Schriften eines Thomas von Cantimpre, wie fpäter eines Bar- tholomäus Anglicus divectere Wirkung auf eine ziemlich lange Zeit ge- äußert haben, jo mußte doch die Thatfache, daß man nun durch feine Arbeit in Ariftoteles eine Autorität für das Naturwifjen wieder bejaß, welche die ſonſt eine.ausjchließlich geiftige Macht in Anfpruch nehmenve Kirche doch gelten zu laſſen genöthigt war, intenfiv viel bedeutender wirken. Namentlich war nun für die Zeit, wo die Wiſſenſchaft nicht en ec mehr in die engen Kloftermauern gebannt war, jondern jich befruchtend über weitere Kreife verbreiten konnte, ein Halt und zwar der ficherfte Halt gegeben, an welchem fich der zu neuem Leben erwachende For— ſchungseifer zur wirklich wifienfchaftlichen Höhe erheben konnte. Trat dies verhältnißmäßig jpät ein, jo lag die Schuld nicht an Albert oder E Ent 1; $ ’ I der Umwirkfamteit jeines Planes, ſondern an ver Zeit, welche bie WMenſchheit noch nicht frei fich Beftrebungen hingeben ließ, welche ihr Intereffe in fich tragen. 238 Die Zooldgie des Mittelalters. Vincenz von Branvais, Der Berfaffer des pritten Hauptwertes, welches im Ganzen zwar außerordentlich umfangreich , aber doch kaum viel größer als das Ge- ſammtwert Albert des Großen ift und befonders in den den Thieren gewidmeten Abjchnitten wejentlich von legterem abweicht, ift Bin- cenz, welcher vem alteı Hertommen gemäß gewöhnlich als Bello- vacen ſis bezeichnet wird. Man weiß weder wo oder warn er gebo⸗ ven, noch wann er geftorben ift. Mleift wird das Jahr 1264 als das feines Todes betrachtet. Er war Dominilaner im Orbenshaufe zu Beauvais, aber weder Biſchof noch Prior feines Klofters®%). Im Auftrage Ludwig's IX fowie feiner Oberen unternahm er es, in einem umfaſſenden Werte das Wiffen der damaligen Zeit enchfopädifch darzu- jtellen. Dies hat er infofern in einer wahrhaft bewundernswerthen Weife vollbracht, als er aus einer fo reichen Ercerptenfammlung, wie fie viel- leicht niemals wieder planmäßig angelegt worden tft, welche er aber nicht allein, jondern mit zahlreichen Helfern veranftaltet hat, einen Ueber⸗ bli von vem Stande der Kenntnifje über alles nur irgend Wißbare zu jeiner Zeit gejchaffen hat. War bei Thomas von Cantimpri das erfte Durchbrechen ver ariftotelifchen Zoologie umd deren Verwendung zur Erklärung von Einzelheiten, bei Albert dem Großen eine planvolle ſy⸗ ftematijche Durcharbeitung der ganzen ariftotelifchen Naturphilofophie das Bervienftliche, fo ift bei Vincenz der Sammlerfleiß und die Geduld des mühſamen Ordnens zu bewundern. Sein Naturfpiegel, welcher hier allein in Betracht kommen kann, ift mit Einfchluß der Einleitung in dreiunddreißig Bücher getheilt, von denen das 17.—23. den fünften Schöpfungstag , alfo die Thiere, das 24.—29. den Menfchen nnd die Seele behandeln. Die Zeit der Ab- 230) vergl. über das Leben und das Werl Bincenz': Hist. litter. de la France (par les Benedictins de S. Maur). T. XVIll. 1835. p. 449—519 (von Daunou). Aloys Bogel, Literär-biftoriiche Notizem über dem mittelalterlichen Gelehrten Bincenz von Beauvais. Programm. Freiburg i. Br. 1843. Auch ift —* auf Schloſſer, Vincenz von Beauvais, Hand- und Lehrbuch für lönigliche Prin- zen. Frankfurt a. M. 1819 zu verweijen. faffung bezeichnet er jelbft genau, indem er im 102. Kapitel des legten Buches, welches die Weltalter und geichichtlichen Ereigniſſe enthält, jelbft vom laufenden Jahr 1250 fpricht. Daß hier kein Fehler vorliegt, beweift der Zuſatz, daß es das achte (mit Buchftaben, nicht mit Ziffern) Jahr des Pontificats Innocenz' IV fei. Wie dem Thomas Cantiprata- uns, fo ift es auch Vincenz beim Zuſammenſchreiben jeiner Excerpte begegnet , daß er eine von feinem Gewährsmann in der erften Perfon erzählte Begebenheit in verjelben Perjon wiedergibt 231). Die Zahl der von ihm ausgezogenen und meijt wörtlich angeführten Schriftfteller übertrifft bei weitem vie Zahl der bei Thomas und Albert vorfommen- ven. Fabricins hat eine Zufammenftellung der im Naturjpiegel citirten Autoren gegeben , welche im Ganzen correct ift232). Es find deren gegen 350. Nicht am Orte würde es fein, bier näher auf bieje Lifte einzugehn. Da jedoch einige diefer Anführungen auf das Berhält- niß zu andern Werken feiner Zeit ein nicht zu vernachläffigendes Licht werfen, dürften ein paar Worte wohl am Plage fein. Ariftoteles wird noch nach der arabijch - lateinifchen Ueber⸗ jegung des Michael Scotus citirt. Nächft ihm werden Plinius, Solinus und als Etymolog Iſidor von Sevilla wohl am häufige jten erwähnt. Sehr oft erjcheint ein Philofophus. Wenn wohl auch in jehr vielen Fällen Ariftoteles hierunter zu verftehen ift, jo par jen doch entjchieden nicht alle Eitate diejes „Philofophen“ auf Ariftoteles (3. B. bei der Baungans, wo er nach dem Philofophus Flandern als Fundort anführt). Aeußerſt zahlveich, oft fich zu zweien oder dreien auf einer Seite findend find die Stellen aus Thomas von Cantimpre, deſſen Name zwar felbft nicht genannt wird, deſſen Schrift de naturis rerum aber faft ganz ausgefehrieben ift. Albert ver Große wird in den den Thieren gewidmeten Büchern (17.—23,) wie erwähnt nur im 2231) So citirt er beim Thiet Lamia den Thomas von Cantimpre und fehreibt i rubig das audivi, was diefer brauchte. Das Verſehen ift indeß bier nicht jo auffal- lend, vielleicht klaum als folches zu bezeichnen, als die Eitate, eim jedes hinter dem - Namen feines Autors, unverkunden nebeneinander ftehen. 9 232) Bibliotheca graeca. Vol. XIV. (ed. I.) p. 107—125.: Bei Zenon fehlt die Angabe des Citats aus deſſen liber de animalibus (beim Pferd). Irrefüh⸗ A vend ift die Angabe bei Albertus. ER N; A ee Die Zoologie des Mittelalters. 47. Buche citirt, zwar allerdings als liber de animalibus, aber eben nur bei ven Falten. Im ganzen übrigen Tert des 9.—23. Buches fehlt Albert vollftändig. Sein Tractat über die Seele wird im dritten Buche, andere Schriften von ihm im 4.—8. Buche angezogen. Aber in den botanifchen und zoologifchen Theilen fehlt jein Name mit Aus- nahme jenes Kapitels. Sehr häufig erjcheint unter ven Gewährsmän- nern auch ein BPhyfiologus. Am nächjten liegt bier die Bermu- tbung, daß dies das früher gefchilderte Thierbuch jei. Wenn nun auch Einzelnes, fo z. B. die Gefchichte vom Biber mit dem im oben erör- terten „Phyfiologus“ Mitgetheilten übereinftimmt, fo weifen doch zahl- reiche andere Citate auf einen entjchieden vom Verfaſſer jener Schrift verſchiedenen Schriftfteller hin ??>). Außerdem wird noch ein „Phyfi- eus“ angeführt. Ob unter diefen beiden Bezeichnungen etwa ein be- fannterer Schriftjteller gemeint ift, bleibt noch zu ermitteln. Auch Jo⸗ racth erjcheint wieder und zwar ungleich häufiger als bei Albert dem Großen. Sieht man fich unter,der großen Zahl von Autoren um, fo findet man zwar manche Klaffiter nicht, aber es find doch alle Katego⸗ rien vertreten: Naturforſcher, Dichter, Aerzte ; unter den Arabern find es vorzugsweife mediciniſche Schriftfteller, Avicenna, Rafis, Hali. Die Reihe der chriſtlichen Schriftfteller beginnt mit den Kirchenvätern, Auguftinus, Bafilius, Gregorius, Ambrofius ; dann folgen Gloffato- ren, Erxegeten ver Bibel und Chroniften bis herab auf Jacob von Vitry. Daß Bincenz die früheren Reifen in Afien kannte und für die betref- fenden Theile feines Werkes benußte, wurde ſchon erwähnt. Neben den Autoren kommt endlich jehr häufig noch ein Actor vor. Bereits E. Meyer hat gezeigt, daß dies Vincenz ſelbſt, der Red⸗actor des ganzen Materials ift. Für eine Litterärgefchichte des dreizehnten Jahr⸗ bunderts wäre jedenfglls eine Fritifche Bearbeitung des Litteraturbe- ftandes, wie ihn Vincenz vor fich gehabt haben muß, von großem In- 233) So läßt Bincenz den Phyfiologus jagen: Psittacus, qui vulgo pa- pagabio, i. e. principalis seu nobilis gabio dieitur. Loligo aliquando quin- que cubitorum capitur. Botaurus quasi bootaurus dieitur. Corbubonis si appositum fuerit mulieri dormienti in parte sinistra omnia quae gessit (ut dieitur) narrabit. ae Das dreizehute dehrhundert 241 tereſſe; das bis jetzt darüber Bekannt gewordene genügt nicht, wie ſchon aus einzelnen der vorſtehenden Bemerkungen hervorgeht. Bon größerer Wichtigkeit iſt hier die Frage, ob Vincenz durch den Befit eines fo viel größeren litterarifchen Materials auf einen vem ent- Iprechend höheren Standpunkt geführt worden ift, ob er eine wirklich wiffenfchaftliche Verwerthung des reichen thatjächlichen Beſtandes ver- fucht hat. Unftreitig fteht er aber in dieſer Hinficht dem Albert weit nah. Seine allgemeinen Einleitungen, fowie die beiden der Anatomie und Phyfiologie gewiometen Bücher (das 22. und 23.) enthalten zwar neben den verjchievenen Detailjchilverungen auch allgemeine Sätze, vorzüglich nach Ariftoteles und Plinius; aber von einer ähnlichen Ver: arbeitung, wie fie bei Albert dem Großen zu Tage tritt, ift hier nichts vorhanden. Völlig mofaitartig ftehen die einzelnen Stellen der verjchie- denen Schriftfteller neben einander, ohne jegliches Wort einer kritifchen eingehenden Beurtheilung. Die Bemerkungen Bincenz’s jelbft enthal- ten meiftens Verweifungen auf andere Stellen feines Werkes zur Ver- volfftändigung ver allgemeinen Ueberficht, nirgends aber eigne ſelbſtän— dige Ausführungen ; höchftens faßt er zumeilen das Vorgetragene noch- mals kurz zufammen. ‚Die Anordnung des Stoffes ift ziemlich der in Thomas’ Schrift -eingehaltenen gleich. Nach kurzen allgemeinen Einleitungen zu jedem Buche enthält das 17. die Vögel, das 18. die Fifche und Seemonftra, das 19. die Zug- und Zuchtthiere, das 20, die wilden Thiere, das 21. „die übrigen Thiere, nämlich Schlangen , Friechende Thiere und Wür- mer“, und zwar ſämmtlich einzeln in alphabetijcher Reihenfolge, wobei \ auch bier der zugängliche Inteinifche Name die Einordnung in’s Alpha- bet beftimmte. Hier umd da ift Bincenz vom Alphabet etwas abgewichen, 3 DB. im 20. Buche, wo er die Heinen Thiere befonders am Schluffe auf die großen folgen läßt. Auch finden fich faft die gleichen Wie- berhofungen bei nicht erfannten Synonymen, wie bei Thomas Canti- % ratenfis. Die Zahl ver aufgeführten einzelnen Formen erjcheint des- halb bei Bincenz größer, weil er meiftentheils die mit verfchiedenen Namen bezeichneten Alters- und zuweilen auch Gefchlechtsformen be- j onders an ven betreffenden Stellen im Alphabet untergebracht hat ua. 2a B. Garus, Geſch. d. Zoot. 16 242 Die Zoologie des Mittelalters. 3. B. agnus, ovis, vitulus, bos, taurus). Im Bezug auf das, was man etwa feine Shitematit nennen könnte, find feine Anfichten noch weniger ficher und confequent als Albert's. Während legterer ſich doch ficher die zugänglichen Thiere, wenn auch nicht immer mit viel Glüd und Gejchid, angejehen hat, ift dies bei Bincenz jehr zu bezweifeln. Er folgt alfo nur dem Sprachgebrauch und zwar auch deſſen Schwanhn- gen, wenn er, wie erwähnt, Schlangen , friechende Thiere und Wür⸗ mer einmal nebeneinanderftellt und dann die Reptifien, alfo wieder die kriechenden Thiere (zum Unterjchieve von den Natatilien u. a.) in brei Gattungen theilt: Schlangen, Eidechfen (mit Einfchluß ver Fröfche) und Würmer. Die Begriffe Gattung und Art, welche letere er ver erften unterordnet, haben bei ihm nur eine formale Bedeutung. Seine phyſiologiſchen Anſchauungen entiprechen vollftändig dem zu feiner Zeit allgemein verbreiteten ; das Fleiſch ift das Inftrument des Gefühle ; bie vom Herzen entipringenden Sehnen („Nerven“) find die eigentlich bewegenden Theile u. ſ. w. - Belanntlich ift das Speculum majus des Vincenz bereits im fünfzehnten Jahrhundert wiederholt gebrudt worden; dann allerdings nicht wieder feit 1624. Yag der Werth ver ungeheuren Arbeit für die damalige Zeit in ver Vollftändigfeit , mit welcher die Anfichten aller möglichen Schriftfteller über Thiere und Thierleben wiedergegeben wa- ren, und welche faſt eine Bibliothek entbehrlich machen konnte, jo hatte das Werk für den Fortſchritt der Wiffenfchaft jelbft jo gut wie feine Bedeutung. Es half höchitens dazu, der Verbreitung der ariftotelifchen Richtung auch in der Zoologie Vorſchub zu leiften, wenn ſchon fein co: loffaler Umfang einer wirkſamen Vervielfältigung natürlich ein nur felten zu überwindentes Hinderniß wurde. Nicht unmwerth ver Erwäh- nung ift es, daß bier wie bei Albert die jpäteren Ausgaben die incor- recteren find. Weitere Beichen einer litterarifchen Chätigkeit. Sind aud die eben ausführlicher befprochenen Werte theils ihres Inhalts theils ihrer Form wegen als Zeichen einer wiedererwachenden wiſſenſchaftlichen Erfaſſung der Thiere anzufehen und dadurch für bie Das drehzehute Jahrhundert. 243 Geſchichte von — Werthe, ſo iſt doch mit ihnen das —— bild der Leiſtungen noch nicht erſchöpft, welche entweder vorbereitend oder das Begonnene weiterführend eine Erwähnung verdienen. Es muß auch ſchon im Allgemeinen auffallen, daß der Charakter ver Litte- ratur, infofern fie auf die Natur Rüdficht nimmt oder fich ganz mit ihr beſchäftigt, ſich faſt in verjelben Weife ändert, wie es bei gewifjen Seiten ber hiſtoriſchen Anjchauung der Fall gewejen ift. Es ift nam fich mit Recht darauf hingewiefen worden, daß bie im den früheren Jahrhunderten des Mittelalters in jo vielfachen Bearbeitungen auftre- tenden Alerander- uud Troja-Sagen von jener Zeit an entweder ganz verjchwinden oder ausdrücklich als Fictionen bezeichnet werden, wo mit dem Belanntwerben des Homer einerfeits und der griechifchen Hiftorifer andererjeits das hiftorifche Element ver Sagen den mythiſchen Gehalt berjelben durch den jederzeit mächtigen Zauber der Wahrheit in ven Hintergrumd drängte. Im ganz gleicher Weife ift auch für die zoolo⸗ giſche Literatur nicht zu verfennen, daß mit dem Bekanntwerden ves Aristoteles ein Wendepunkt eintritt. Im Folge feiner Anregung wurde man nachdrüdlicher auf die Naturgegenftände jelbft geführt und eine wenngleich freilich noch oberflächliche aber doch immerhin virecte Beobach⸗ ‚tung ber Thiere jelbjt lehrte das auch ohne mythiſchen Zufag wunderbar genug erjcheinende Leben derſelben kennen. Hierdurch wurbe aber bie - Richtung, welche ſich nur in myſtiſchen Deutungen und ſymboliſchen Auslegungen einzelner, zuweilen jelbjt als nicht ficher beobachtet aner- tanuter Züge aus dem Thierleben gejallen hatte, allmählich bejeitigt - oder wenigftens in Bezug auf das von ihr im Auge gehabte Publikum weſentlich beſchränkt. War es auffallend, daß von den arabiſchen Ueberſetzungen, Com⸗ mentaren und Auszügen des Ariſtoteles nur einzelne in bie abendlän⸗ E diſche Litteratur drangen, ſo iſt auch die Zahl der aus dem dreizehnten Zahrhundert bekannten abendländiſchen Commentatoren merkwürdig Hein. Denn wenn auch theils durch die num einmal vorhandene ara- a bih/ lateiniſche Ueberſetzung, dann durch das für ſeine Zeit abſchließende Werk Albert des Großen dem hauptſächlichſten Bedürfniſſe Genüge ge- han zu fein fcheint, fo ift doch faum zu erwarten, daß in einer fonft far: 16* 244 Die Zeeleſt des Mitten fitterarifch fo vegen Zeit andere Schriftfteller fich nicht — an bei Meifterung des neu eindringenden Stoffes hätten verjuchen jollen. Bon Commentaren erwähnt Jourdain 24) nach einem Manufeript bei Sorbonne einen folhen zu der Thiergefchichte von Gerard von Broglio. Und vielleicht mögen fich auch noch andere handſchriftlich bier und da finden. Bon jelbftändigen Abhandlungen, welche ausdrück⸗ lich als den Thieren gewidmet bezeichnet find, werben noch zwei ange: führt: eine Schrift von Bartholomäus de Bragantiis, de animalibus ex multis collectus2®), und eine andere von Engel: bert, Abt von Admont in Steiermart, de naturis animalium 2%), beide aus dem dreizehnten Jahrhundert. Welcher Art aber diefe Schrif- ten waren, ift beim Mangel näherer Kenntniß berfelben nicht zu er- ratben. Es ift dies die Zeit, wo die zum Theil in neueren Sprachen gefchriebenen Thierbücher und Bestiarii fich mit ven legten Formen des Phyfiologus berühren, welcher jet aus der Litteratur zu ver- ſchwinden beginnt. Der Sammel- und Schreibefleiß der mittelalterfichen Gelehrten hat aber ferner ver Nachwelt nicht bloß ein Bild davon hinterlaffen, wie man damals die Thierwelt, das Thierleben wiffenfchaftlich oder wenigftens geiftig erfaßte, fondern in manchen Handjchriften find auch figürliche Darftellungen enthalten , welche ein noch objectiveres Zeug: niß von der Auffaffung der thierifchen Formen zu geben im Stande find. Nach den hierüber bekannten, in Thierbüchern verjchiedenen Werthes gefundenen Zeichnungen entjprechen aber diefe Abbildungen vollftändig den unbeftimmten, zuweilen vein fantaftifchen Vorſtellungen von den Thieren. Dies wird vor Allem ſchon durch die Thatfache be- ftätigt, daß auch , wie freilich noch bis in fpätere Zeiten, alle fabelhaf- ten Thiere mit gleicher Sorgfalt vargeftellt wurden 297), 234) a.a.D. ©. 75. 235) ſ. Quetif et Echard, Scriptores ordin. Praedicat. Tom. 1. - Lutet. 1719. p. 258 (um 1270). 236) j. Fabricius, Biblioth. latin. Tom. V. p. 295 (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts). 237) Merkwürbig erfcheint die Angabe Pouchet's (a.a. O, ©. 70), daß die — — —* ¶ Das dreigehnte Jahrhundert. — | Das merkwürdige Jahrhundert darf nicht verlaffen werden, ohne zum Schlufje noch eines Werkes zu gedenken, welches meift in eine ſpä— tere Zeit werfegt worden ift, aber ſchon nach det ganzen Anlage und Ausführung ſich als der Mitte oder zweiten Hälfte des 13. Jahrhun- derts angehörig ausweift, die Schrift über die Eigenfchaften der Dinge (de proprietatibus rerum) von Bartholomäus Anglicus. Ueber den Berfaffer derſelben ift nicht viel befannt ; man jchließt allge- mein aus dem Zufage Anglicus, welcher dem Namen Bartholomäus in den älteften Handfchriften und früheften Notizen über fein Werk zu— gefügt wird, daß er ein Engländer war. Falſch ift es, ihn Glanvilla zu nennen, wie lange Zeit ſelbſt bis in vie legten Jahre ziemlich allge- mein geſchah 3%). Er war Franziskaner, aber mit Ausnahme biefer allgemeinen Bezeichnung feines Ordens, weiß man weber über jein Klofter, noch überhaupt über fein Vaterland und feinen Aufenthalt etwas Beftimmteres. Selbjt über die Zeit, in welcher er lebte, war - man lange unficher und verjegte ihn irrigerweife in das wierzehnte, ja jelbft in das fünfzehnte Jahrhundert. Doch finden fich datirte Hand- fchriften aus dem vreizehnten Jahrhundert. Außer ven bereits angedeu⸗ teten inneren Gründen fpricht auch die Bechaffenheit feiner Citate für eine frühere Zeit, wie Jourdain zuerft hervorgehoben hat. Die in den jechziger Jahren dieſes vreizehnten Jahrhunderts befannt gewordenen griechifch-lateinifchen Ueberjegungen des Ariftoteles, welche die alten arabifch-Iateinifchen bald ganz vergefien ließen, kennt er noch nicht, wie er überhaupt Griechifch nicht verftanden haben kann. Ebenſo fehlen ihm noch die in jenen Jahren bekannt gewordenen Abhandlungen feiner Zeitgenofjen Albert, VBincenz, Thomas u. ſ. w. Mit Ausnahme diefer iſt der Kreis der von ihm angeführten Autoren ziemlich derfelbe, wie bei den vorher gefchilverten Schriften. Er citirt reichlich Kivchenväter, Auguftinus, Ambrofins, Gregorius, Hieronymus, Baſilius, von fpä- teren geiftlichen Schriftjtellern den Iſidorus, Johannes de St. Aegidio, Thierabbildungen des Gaston Phoebus (13. Jahrhundert) fo treu und treffend feien, daf fie fich mit heutigen vergleichen laſſen follen. 238) Bartholomaeus de Glanvilla war ein jüngerer Schriftfteller wie Que - tif et Echard, a.a. O. I. p. 486 nachweifen. u a ra SE ige gi Die Zoologie des Mittelafters. Jacobus de Vitry und Gloffen. Von antiten Autoren führt er an Ari- ftoteles, Plinius, Megafthenes, Diofcorives, Macrobius, Lucanus, Ennius u. ſ. f. Auch vie Historia Alexandri Magni erſcheint bei ben Sirenen. Bon ärztlichen Schriftftellern werben angeführt Hippokvates, Galen, Aesculapius, Sertins, Haac, Conftantinus, Avicenna, Der von ihm oft erwähnte Phyfiologus ift, wenn er fich überhaupt als mit dem mittelalterlichen Thierbuch gleichen Namens identisch heransftel- fen follte, eine ausführlichere Necenfion deſſelben, als man bis jet fennt. Auch Jorath ericheint wieder ; in ver Ueberficht ver benugten Quellen wird er ala Chalväer bezeichnet. Die hier aus feinem Thier- buch mitgetheilten Stellen find länger und zuſammenhängender als bei ben früheren Schriftitellern, welche dieſe Schrift anführen. Beim Alie⸗ tus und Larus wird eine Schrift Aurora angeführt. Aüßer den hier aufgezähten, ven fachlichen Gehalt feiner Schrift barbietenden Quellen bat Bartholomäus viel Aufmerffamleit auf vie fprachliche Seite feiner Thiernamen gewendet, natürlich aber nur foweit ihm hierfür zu Rathe gezogene Autoren Anhaltepunkte gaben. Außer Iſidorus find Papias und Huguitio benugt worden. - Die allgemeine Anordnung feines die ganze Welt umfaffenden, aber im Verhältniß zu diefem Plane fehr compenviös gehaltenen Werkes entfpricht ziemlich der Anordnung ähnlicher Werte aus jener Zeit. Es beginnt mit Gott, den Engeln, ver menfchlichen Seele, läßt dann ben Menſchen körperlich folgen und reiht nun hieran, als an die Krone ver - Schöpfung bie übrige Welt. Daß es vorzüglich auf die Verherrlichung des Schöpfers und feiner Schöpfung abgejchen ift, beweift vie Einfüh- rung der Bögel und Fiſche als Zierten und Schmud der Luft und des Waſſers. Es intereffirt hier nur das zwölfte Buch, welches die Vögel enthält, das breizehnte, welches das Waffer und in einem Schlußfapitel bie Fiſche fchildert, und das achtzebnte, welches fämmtliche übrigen Thiere umfaßt. Mit Ausnahme ver Fifche, welche mehr nach Art ber ariftoteliichen Bücher in einen fortlaufenten Text eingereiht befprochen werten, find auch bie einzelnen Formen alphabetiich aufgezählt. Inner- halb ter einzelnen Artikel erzählt ver Verfaffer fortlaufender und zu— fammenhängenver als es 5. B. Vincenz von Beauvais thut. Auch Be ET N *5 —— REN, kommen Stellen vor wie: „in der Schrift des Phyfiologen erinnere ich mich das Folgende geleien zu haben“, was auf eine größere Berarbei- tung des Materials hinweiſt. Das Alphabet tnthält übrigens nicht bloß Thiernamen ; im 18. Buche fommen mitten zwifchen ven Thieren die Artifel vor: cornu, femina, fetans, fetus, woraus auf ein gewifjes Beitreben geſchloſſen werden kann, einzelne Begriffe fchärfer zu befini- ren. Hieraus aber, wie es E. Meter thut, das Streben nad Bildung einer naturwiſſenſchaftlichen Terminologie abzuleiten, erſcheint denn doch wohl zu gewagt, da aus den einzelnen Schilderungen des Verfaſ⸗ ſers zur Genüge hervorgeht, daß er weder das Bedürfniß einer jolchen batte, noch den Werth einer fchärferen Sprache, wenn fie fich ihm dar⸗ geboten hätte, anerkannt habgn würde. So wenig als bei VBincenz von. Beauvais ift hier von Kritik etwas zu finden. Wenn er z. B. zurüd- weit, daß das Wiefel ſich mit dem Ohre begatte und durch den Mund gebäre, jo jagt er dieſes Urtheil Andern nach, in derjelben Weife, wie er Fabel- und Wundergefchichten Anvdern nacherzählt. Es ift daher nicht möglich , ihm etwa einen befonvdern Standpunkt in der gejchicht- lichen Entwidelung anatomifcher und phyſiologiſcher fowie allgemein zoologischer Anfichten zuzufchreiben. Das Fleifch dient nur dazu, den leexen Raum um die eigentlich wirkfamen Nerven (Sehnen) auszufül« fen und die thierifche Wärme zufammenzubalten. Vom Herzen geht bie Erwärmung aus, die Refpiration dient nur dazu, das Blut und ben Spiritus abzufühlen. Diefe und ähnliche ariftotelifche Anfichten bilden feine phyſiologiſchen Grundbegriffe. Kann daher die Schrift auch nicht fördernd nach irgend einer Seite gewirkt haben, jo verdankte fie doch ihrem mäßigen Umfang eine ziemliche Verbreitung. Die legte Ausgabe erſchien 1619 239). Ausgang des Mittelalters. Dem regen Aufihiwung eines Interejfes an ber belebten Natur folgte eine Zeit geiftiger Stille. Was vorhanden war, gieng zwar nicht wieder verloren; e8 wurde ſogar, wie fich gleich zeigen wird, in ver- 239) vergl. E. Meyer, Gejchichte der Botanik. Bd. 4. ©. 87. — Ra — . Eh 1a — — Wi — — * ee ER ER 8 F ſchiedener Weiſe weiter verbreitet. Es fand ſich aber Niemand, welcher Neues zu jchaffen Yuft und Muth gehabt hätte. Nicht leicht ift es, von einem allgemeinen culturhiftoriichen Standpunkte aus die Momente zu entwideln, welche die in fo jchönen Yeiftungen bewährte, allerdings faft lindlich naiv zu nennende Yiebe zur Natur, die theilnehmende Behand- (ung des ganzen Gebietes oder einzelner Theile deffelben nun auf ein- mal wieder einfchlummern ließen. Zunächt hatten num wohl die Arbeiten des dreizehnten Jahrhun—⸗ verts eine Nachwirkung. Bon den vorhin gefchilverten Werken find aus nahe liegenden Gründen die umfangreichen Arbeiten Albert's und Bincenz's verhältnigmäßig am wenigften verbreitet gewefen. Dagegen erlebten die Schriften des Thomas von Gantimpre und des Engländers Bartholomäus zahlreiche Abfchriften und, was für ihr Eindringen in weitere Kreiſe noch wirfungsvoller fein mußte, verfchiedene Ueberſetzun⸗ gen in lebende Sprachen. Die Ueberjegungen des Bartholomäus Ang- licus fallen in eine fpätere Zeit. Dagegen find im vierzehnten Jahr: hundert zwei Bearbeitungen des Thomas Cantipratanus entjtanden, welche für ihre Zeit fowie für die Yitteratur ihres VBaterlandes von Be- deutung wurden: eine deutſche und eine niederländifche. Die erftere ift das Buch der Natur von Conrad von Megenberg, bie zweite das unter dem Titel; der „Naturen Bloeme“ befannte Gedicht von Ja— Lob von Maerlant. Conrad von Megenberg’s „Buch ver Natur“, welches jet in einer leider nur mit Rückſicht auf die Entwidelung der Sprache forg- fültig bearbeiteten Ausgabe von Pfeiffer zugänglider geworben ift 240), bietet ein ungemein anziehendes Beiſpiel einer derb naiven mit: 240) Die erfte ausführliche Beichreibung und Analyje des Buchs der Natur gab Choulant im feiner Abhandlung: Die Anfänge wiffenfchaftlicher Naturge- ſchichte und naturhiftoriicher Abbildung im chriftlichen Abendlande. Dresven 1856. Auch vermuthet er richtig, daß es das Werk Thomas gewejen fei, was Conrad über: fasst habe. Den Beweis hierfür gibt E. Meyer, .Geichichte d. Botan. Bo. 1. ©. 198. Die erwähnte Ausgabe erſchien umter dem Titel: Das Buch der Natur von Conrad von Megenberg. Die erfte Naturgefchichte im deutſcher Sprache. Herausge⸗ geben von Franz Pfeiffer. Stuttgart, 161. 8%. Merkwürdig ift es, daß 5 Pfeiffer beide vorftehend erwähnte Bemerkungen über Conrad nicht lannte und erft he, a gung 6 Mitar | 249 telalterlichen ERBEN dar. Der hauptfächlichite In⸗ halt iſt zwar nicht Eigenthum Conrad's. Die Art und Weiſe aber, wie er ſein Original wiedergibt, hier und da deſſen Ordnung etwa ändert oder kleinere Zuſätze macht, charakteriſiren ihn als einen um das ſtrenge Urtheil feiner Mitgeiſtlichen ſich eben nicht ſehr kümmernden, derb auf die Fehler ſeines Standes losziehenden Mann. Er war wie Thomas Cantipratanus ein Dominikaner; um das Jahr 1309 geboren, und zwar im nördlichen Baiern in der Nähe des Mains (ungewiß ob in einem Orte Namens Megenberg over als Sohn eines Bogtes von Megenberg) wurde er zunächſt in Erfurt erzogen, bejuchte dann die Univerfität Pa- vis, wo er acht Jahre blieb und Magifter der Theologie wurde, umd fehrte 1337 nach Deutfchland zurüd. Wahrjcheinlich nach Wien ge- fandt leitete-er dort die Schule bei St. Stephan bis zum Jahre 1341, gieng 1342 nach Regensburg umd ftarb, nachdem er fich wie es jcheint in die dortigen Kreife hatte einkämpfen müffen, als Domberr daſelbſt im Jahre 1374. Wurde er aber auch anfangs nur ungern in Negens- burg aufgenommen, fo wußte er fich doch theils durch feine Rednergabe theils durch jeine Klugheit eine einflußreiche Stellung in jener Stadt zu gründen, deren Rath ihn bei Gelegenheit eines zwifchen der Abtei St. Emeran und der Eurie ausgebrochenen Streites im Jahre 1357 nad Avignon fandte, um dort beim Pabfte direct einen Vergleich zu erwir- fen?41), Ex war ein thätiger und fruchtbaver Schriftfteller ; er verfafite mehrere theologifche Werke und betheiligte fich durch verfchiedene Ber- öffentlichungen an den Firchlich politifchen Streitigkeiten feiner Zeit. Von diefen Sachen ift nichts gedrucdt worden aufer Bruchſtücken. Die Ueberſetzung der Schrift des-Thomas von Cantimpre bat er im Jahre 1349 und 1350 gemacht, wie aus den in verfelben angeführten hifto- E Thatfachen hervorgeht. Welche große Verbreitung dieſe erfte — — — nn 57* entdecden mußte, daß Thomas fein Original war. Auch iſt zu bedauern, daß er die Thiernamen nicht durch die wenig älteren lateiniſchen Thiergeichichten verfolgt hat. 2241) Diefe biographifchen Notizen vorzüglich nah Pfeiffer in der Einlei- tung zur Ausgabe. Derfelbe gibt auch eine Weberficht über Conrad's litterariſche - Tätigkeit. 4 1 20 | & Die Zeloge bes tea. naturgejchichtliche Encyflopäbie in deutjcher Sprache gehabt hat, bewei- ſen bie auferorventlich zahlreichen Haudſchriften derſelben in jürdent- fchen Bibliothefen. Auch wurde diefelbe noch vor 1500 allein ſechsmal gebrudt. (j. Choulanta.a. DO. ©. 33). Die Anordnung des Stoffes, wie fie Thomas im Allgemeinen ganz logisch vorgenommen hatte, ift bei Conrad vielleicht zum Theil in Folge äußerer Beranlaffung eine etwas andere geworden. Er beginnt zwar auch mit dem Menfchen, läßt aber dann die beiden Bücher von ber Seele und den wunderbaren Menfchen weg, um erfteres ganz zu unterbrüden, letteres ans Ende ver gamzen Schrift zu bringen, auf Zureden guter Freunde („daz wil ich in freuntjchaft auch Her zuo jegen“) und gewiffermaßen als Anhang. Statt aber num, wie es Thomas that, bie Thiere folgen zu laffen, bringt Conrad die Planeten, Elemente u. j. f. als zweites Hauptftüc herein. Das pritte umfaßt dann die Thiere. Berner verjegt Conrad tas dreizehnte, von den Waflern und Brunnen handelnde Buch, welches bei Thomas die anorganische Natur gewiffer- maßen einleitet, hinter vie Evelfteine und Metalle. Iſt hiernach die Ge- jammtform eine verfchievene geworden, jo treten auch in den Einzelhei- ten mancherlei Unterfchieve hervor. Bor Allem hat Conrad nicht Alles überjegt, was fich im Original des Thomas findet. Um bier nur bei den Thieren jtehn zu bleiben, fo fehlen von den wierfüßigen Thieren 41, von ben Bögeln 42, von den Meerungeheuern 33, von den Fifchen 56, von ben Schlangen 4, von ven Würmern 17, alfo im Ganzen 193 von Thomas geichilverte Arten. Das Original war vem Conrad als von Albert dem Großen herrührend überliefert worden, was ihm nicht glaublich jcheint. Bei einzelnen Erzählungen tritt ver Unterfchien der verfchiebenen Jahrhunderte ziemlich auffallend hervor ; natürlich ift das jpätere das aufgeklärtere.. Manche von Thomas feinen Gemwährs- männern ohne Kritif nacherzählte Eigenthümlichkeit weift Conrad ein- fach als nicht zu glauben zurüd. Doch ift er immer noch jo weit vom Aberglauben befangen, daß er an wunderbare Heilwirkungen, Beſchwö⸗ rungen und Zauberei glaubt. Die Zahl ber bei Conrad vorfommenden Quellenſchriftſteller ift ſelbſtverſtändlich ungleich geringer, als bei Tho- mas; doch find es im Ganzen diefelben, auf welche fih auch Thomas * 251 beruft. Merkwürdig und für die Geſchichte der betreffenden Schrift von Wichtigkeit ift e8, daß Conrad bei ver Amphisbaena ven Meijter Jorach citirt, während fich wie erwähnt bei Thomas überhaupt fein Citat Diefes unbekannten Verfaſſers findet. In Bezug auf Einzelheiten viel freier, ſich aber enger an Die von Thomas gegebenen Thierformen anfchließend ift bie Ueberſetzung Ja— fob van Maerlandt's. Derjelbe ift älter als Conrad von Megen- berg. Er wurde um die Mitte des dreizehuten Iahrhunterts in Damme (unweit Brügge in ver heutigen Provinz Weft-Flantern) geboren und ftarb 1300 als Secvetair viefer Stadt. Auf diefe wenigen bürftigen Nachrichten beichränft fich Alles, was man von dem Leben diefes Man— nes weiß. Auf feine Bedeutung für die Entwicdelung der aftnieterfänbifchen (richtiger vlämifchen) Litteratur kann bier nur hingewieſen werben. Seine Bearbeitung des Thomas von Eantimpre ift metriich und ge- veimt. Leider ift bis jetzt nur die erfte Hälfte von „Der Naturen Bloeme“ veröffentlicht worben 212), welche nur bie erjten der von ven Thieren bantelnden Bücher umfaßt. Auch Jakob von Maerlandt hat das zweite Buch des Thomas, welches von der Seele handelt, weggelaffen und bas erfte, wejentlich gekürzt und vorzüglich die Yebensalter des Men— fchen ſchildernd, mit dem dritten des Originals vereinigt. Sein zweites Buch von den vierfüßigen Thieren entfpricht daher dem vierten des. Driginals, das dritte dem fünften, das vierte dem ſechſten. Mehr ift bis jetzt nicht erſchienen. Eine Vergleichung ver geſchilderten Thierarten ergibt, daß unter ven vierfüßigen Thieren bei Jakob nur der Uranofco- pus fehlt, welcher fich nicht einmal in allen Hanpfchriften des Thomas findet (fo fehlt er in vem Gothaer Eoder). Er fteht, wo er vorkommt (4. B. Rhediger ſche Hpfchr.), zwifchen Uria und Fuchs. Bon Vögeln 242) Der Naturen Bloeme von Jakob van Maerlandt. Mit Inleiding, - Barianten van Hff., Aentieleningen en Glofjarium nitgegeven door I. 9. Bor- mans. I, Deel. Brüfjel, 1857 Alad d. Wiffenich.). Außer den iu zweiten Bande zu erwartenden Gloſſar fehlt auch noch die Einleitung. Weber das Verhältniß des Zatob van Maerlandt zu Thomas von Eautimpre f. den Schon früher citirten Auf- as von Bormans im: Bullet. Acad. Bruxell. T. XIX. P. 1. 1852. p. 132. er Die Zoologie des Mittelalters. fehlen Egithus, Othus und Ulula, von den Meerungeheuern Cetus vel balena, Ludolacra und Testeum. Die Schreibart der Namen ift aber viefelbe, wie bei Thomas Cantipratanus; fo erfcheint bie Aspidochelone auch bier als Faftaleon, das Nilpferd als Ipothamus u. f. f. Conrad von Megenberg kannte den eigentlichen Berfaffer der von ihm bearbeiteten Schrift nicht und zweifelte daran, daß Albert der Große das Werk verfaht habe. Jakob van Maerlandt führt ausprüd- lich umd ohne zu zweifeln „van Coelne Broeder Alebrecht“ als Berfaffer an. Sind auch die einzelnen Artikel etwas gekürzt, jo finden fich doch fowohl vie Moralifationen als auch die gelegentlichen Verwendungen zu mebicinifchen Zweden wie bei Thomas den kurzen Schilderungen angehängt, fo daß ber Bearbeiter trog ver freieren poetifchen Form fich viel ftrenger an das Original gehalten hat, als Conrad. Die Verbrei- tung des Gedichts fcheint aber eine viel geringere gewefen zu fein, als bei dem Buch der Natur. Bormans führt zwar in den Varianten fie- ben oder acht Handfchriften auf; doch ift die Schrift bis zu der er- wähnten Ausgabe noch nicht gedrudt worden, wovon wohl die Örtliche Beſchränkung des Dialektes die vorwiegende Urfache gewefen ift. Es würde zu weit führen und kaum wefentlich beitragen, die Euf- turverhältniffe des ausgehenden Mittelalters noch eingehender zu ver- anfchaulichen, wenn bier auf ſämmtliche Erfcheinungen Nüdficht ge nommen werden follte, in welchen unter Andern auch von Thieren gehandelt wird. Der Thefaurus Alfons’ X braucht daher ebenfo wie der ihm wohl nachgebilvete Tesoro des Brunetto Yatini nur erwähnt zu werten. Beide fchließen fich in Bezug auf die breite Grundlage, von welcher fie ausgehn, an früher genannte encyklopädifche Werte an, haben aber im Allgemeinen eine directere Beziehung zur Entwidelung philofophifcher , vorzüglich ethifcher Grundfäge. Im gleicher Weife ift auch des culturgefchichtlich fo wichtigen Auftretens nationaler Dichtun- gen nur vorübergehend zu gedenken. Der bereits im Aufang des brei- zehnten Jahrhunderts erfolgte Abjchluß des deutfchen nationalen Epos, ber Nibelungenfage, ift in diefer Hinficht ſchon deshalb von geringerer Bedeutung, da jowohl die Sprache, als die allgemeine Form der ritter- fichen Poefie bereits gegeben war. Unvergleichbar mächtiger wirkte das Ausgang bes Mittelalters. 253 Erſcheinen der Göttlichen Comoedie des Dante Alighieri, da der- ſelbe, ganz abgefehen vom Inhalt feines großen Gedichtes, nicht bloß die Sprache fich faft ganz zu jchaffen hatte, fondern zum erftenmale wieder der Welt zeigte, daß die tiefften und erhabenjten Gedanken einer Ber- bindung mit einer wahrhaft jehönen Form des Ausdrucks fähig feien. Bon größerer Bedeutung ift ein Hinblid auf die Stellung der be- wegenden geijtigen Mächte zu einander, einerjeits des durch die Scho- laftifer wieder zu Anſehn, freilich nur in einfeitiger Auffaffung , ge— brachten Ariftoteles, andrerjeits der Kirche. Die Autorität des Arifto- teles, d.h. nicht feiner eigentlichen Lehre und Methode, ſondern jener Form ariftotelifcher Weisheit, wie fie die Scholaftif nicht zu wifjen- Ichaftlichen Zwecken allein allmählich herausgebildet hatte, gieng weit über das Gebiet hinaus, auf welchem er vorzüglich Einfluß hätte äußern jollen. Sie ftand der ver Bibel gleich, was nicht aus Ariftoteles zu beweijen war, wurde jegt, wie fpäter noch, verworfen; man prebigte jelbjt hin und wieder über Ariftoteles. Selbtverftändlich wurde hier- durch die Aufmerkſamkeit von dem Inhalte feiner Werke abgelenkt; es ſchloß ſich die fpigfindigfte Dialeftit nur an die, mit Recht oder Unvecht auf Ariftoteles zurücgeführte Form der Speculation an. Zwed und Ziel diefer war aber auch jet noch die wifjenjchaftliche Begründung der Glaubensſätze. Indeſſen drängten befonders im vierzehnten Jahr— hundert äußere Momente fowohl in Italien als in Deutfchland die rein theologischen Fragen zurüd und natürlich mit ihnen das Interefje an Wiffenfchaft überhaupt, bis letzteres zunächſt gleichfalls wieder in for- maler Art von Italien aus angeregt wurde. Es foll hier nicht behauptet werden, daß das merkwürdige Verſtummen des naturwiffenjchaftlichen Eifers vom Anfang des vierzehnten bis zum Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderts damit erklärt fei, daß auf die politifhen Zuftände Deutſchlands und Italiens in jener Zeit hingewiefen wird. Sie waren ja von denen der beiden vorausgehenden Jahrhunderte nicht fo verfchie- den, daf im ihnen allein die Urfache des theilweifen Stillftandes auf naturwiſſenſchaftlichem Gebiete zu erblicken wäre. Doch muß es erlaubt fein, bei einer ſonſt ziemlich räthſelhaften Erſcheinung alle Möglich— leiten zu berückſichtigen. Daß der Sinn für die Pflege der Wiſſenſchaf— R Ä 3 RN ten, wie man fie mım eben auffakte, noch immer rege war, beweift die vom vierzehnten Jahrhundert an erfolgte Gründung jo zahlreicher Umi- verfitäten in Deutſchland, obſchon auch bier ein Nachwirten oder ſelbſt Weiterfpinnen des alten Streites zwifchen Realismus und Nominalis- mus als wrfächliches Moment vielleicht ins Auge gefaßt werben muß. Das Motiv zur Gründung der Univerfität Prag (1348) ſcheint nur in dem Wunfche Karl's IV beftanden zu haben, vie Hauptftabt feines Erblandes zu einem Mittelpunkt der Wifjenfchaft zu erheben. Die Gründung der Wiener Univerfität unter Herzog Albrecht Vdurch Jo⸗ hann Buridanus, der Heidelberger unter Kurfürft Rupert I durch Mar⸗ ſilius von Inghen (1365 und 1386) ſcheint doch mit dem Umſtaude in Zuſammenhang zu ftehen, daß beide genannte Gelehrte, Schüler Oe⸗ cam’& und als ſolche Nominaliften, dem Terrorismus des in Paris herr- fchenden Realismus auszumeichen vorzogen. Und wenn auch die Aus- wanderung der deutſchen Nation aus Prag vorzüglich durch nationale Eiferjucht veranlaft war, jo darf nicht vergeflen werben, daß auch hier die Auswanderer vorzüglich Nominaliften, vie nationalen Böhmen, au ihrer Spige Johann Huf, Nealiften waren. Bon einem Borberrichen des ariftotelifchen Nominalismus und einem etwaigen Einfluffe eines ſolchen auf naturwiſſenſchaftliche Anfichten in den veutjchen willen: ſchaftlichen Kreifen ift num aber nichts zu bemerten. Die Streitpuntte waren rein äußerlich formale oder theologiſche. Dabei ift nım aber nicht zu vertennen, daß im Allgemeinen etwas mehr Präcifion in die Anfchauungen gefommen war. Wie vom vier- zehnten Jahrhunderte an die Gefchichtichreibung eine zwar focalere, aber ficherere, nicht mehr nach epifchen Idealen zugerichtete Form an- nimmt, fo iſt auch der Charakter der praftifch verwendbaren Wiffen- fchaften ein etwas zuverläjfigerer geworten. Aſtrologiſche und alchy- miftifche Phantafien fpufen zwar noch immer fort; fie bieten aber bie Hanthabe zur Verwerthung des ſonſt für Zwede des täglichen Le bens völlig unbrauchbaren und daher ohne jene wohl gar nicht beach- teten Stoffes. Bon befonderem Werthe für ven fpäter eintretenden Aufſchwung ver Zoologie ift die Bearbeitung, welche bie menfchliche Anatomie vom Anfang des vierzehnten Jahrhunderts an fand. Mon» En ¶ Ausgang des Mittelalters. | 255 — 1316) * zwar noch faſt ganz Salen. Doch war von diefer Zeit an das unbebingte Zutrauen zu Autoritäten wankend gewor - den; man fieng wenigjtens in einzelnen Zweigen jelbft zu beobachten an. Daß die Zoologie hier nicht fofort dem Zuge diefer neuen Richtung folgte, lag wohl hauptfächlich mit daran, daß man mit dem Belannt- werben der ariftotelifchen Zoologie Alles gefunden zu haben glaubte, was bier zu wiſſen nöthig oder möglich war. Einzelne Beftätigungen feiner Angaben befeitigten auch bier feine auf andern Gebieten nicht angefochtene Autorität. Und wenn auch die Form, in welcher man Ari- ftoteles kennen gelernt hatte, vielleicht jelbjt ven unkritiſchen Bliden der damaligen Zeit nicht ganz genügte, jo kannte man vorläufig nichts Beſſeres und fahte bei vem Beruhigung, was man bejaß. Der Aufijhwung des Humanismus, das Wiederaufleben Hafjifcher Studien kam bier auch für die Zoologie zur gelegenen Zeit. Bei dem unbedingten Vorherrſchen jcholaftiicher im Dienſte hierarchifcher An- ſchauungen ftehenver Deutungsweifen würde früher die Kenntnif des reinen ariftotelifchen Textes kaum viel genügt haben. Die ſchon in äl- teren Zeiten angeftrebten Reformverſuche hatten aber jegt, wo micht bloß der Si des Pabſtthums vorübergehend von Rom entfernt wor- den war, ſondern das päbftliche Schisma ein trauriges Bild von geift- ficher Herrichaft gegeben hatte, mächtige Stüten gefunden in den man- cherlei Schriften und Vereinen, welche ſämmtlich auf eine Yäuterung ver Religionsquellen jowohl, als des Verhältnifjes zwiichen Glauben und Wiſſen hinarbeiteten. Der ſinkenden Autorität der Bettelmönche trat die Erhebung der deutſchen Myſtik, der Brüder des gemeinfamen Lebens u. a. entgegen. Sie hatten freilich mehr mit dem Seelenzuftande ber Einzelnen zu thun ; doch halfen fie ver allgemeinen Befreiung vom hierarchiſch⸗ kirchlichen und ſcholaſtiſchen Drucke dadurch, daß fie der im- ae sa Een Sa ae en dividuellen Forſchung ein Recht einräumten. Wirkſamer noch erjchei- nen die Schriften, unter welchen beifpielsweife auf die der vier berühm- ten Theologen Frankreichs ans jener Zeit hingewieſen jei, des Peter dillh, Johaun Gerfon, Nicolas de Elemanges und Raimund von - Sabunde. Die drei erften gehören zwar formell mehr ver Kicchenge- ſchichte jener Zeit an, dürfen aber hinfichtlich der Wirkung ihrer refor⸗ Bette Die Zoologie bes Mittelalter matorifchen Ideen auf den Umſchwung des Zeitgeiftes nicht unterfchägt werben. Und ber vierte, gleich geachtet als Arzt wie als Theolog, be- tont zum erften male wieder feit Albert dem Großen, daß die Erkennt: niß mit der Natur, diefem „unverfälichbaren Buche Gottes“ zu begin- nen babe. Auch bier ift es aber nicht zu erwarten, daß fich die Forſchung fofort, mit Beifeitelaffung alles Deffen, was nicht bloß dem Studium ben berföümmlichen Charakter einer gelehrten Beichäftigung verlieh, fon- dern auch den biftorischen Zuſammenhang mit Früherem bebingte, allein und ausfchließlih an die Natur direct gewendet haben follte.. Man fnüpfte an die Alten an, aber in einer gereinigten, unverfäljchteren Form. Das leichtlebigere, durch eine größere Zahl Heiner jelbftändiger Höfe dem Erblühn wifjenfchaftlichen Yebens günftigere, auch niemals fo volltommen von den Negen des Scholafticiamus umſtrickt geweſene Italien ließ zuerft eine neue Richtung zum Durchbruch gelangen. Hier, wo freilich antife Bildung, aber nicht die an eine folche fich anlehnende Tradition untergegangen war, hatte bereits Dante die Begeifte: ‚rung für das Maffische Altertum gewedt. Nahrung fand dieſelbe aber erft dann, als befonders durch Petrarca und Bocaccio die Schätze der alten Yitteratur nach und nach an's Yicht gezogen wurden. Ein glüdlicher Zufall war es, daß in diefer Zeit die Bedrängniſſe des byzantiniſchen Kaiſerthums Beranlaffung boten, gebildete Griechen als Gefandte nach Italien und Avignon zu ſenden, um entweder für eine Bereinigung ver beiden Kirchen oder wenigftens für eine Hülfeleiftung ver Lateiner gegen die immer drohender heranrüdenvden Türken thätig zu jein. Dem unbeveutenderen Barlaam folgte der als Lehrer wirkfamere Chryfoloras. Später erfchienen Georg von Trapezunt, Beffarion und der für die Gefchichte ver Zoologie als erfter griechifch und lateinifch gebilveter Weberjeger der ariftotelifchen Thierbücher epochemachende Theodor Gaza, welcher 1430 nach Italien kam. Groß ift die Zahl ver Männer, welche die in Italien erwachenden Studien nach Deutfchland verpflanzten. Bon allen diefen mögen bier nur Conrad Eeltes, Eras- mus von Rotterdam, Johann Reuchlin, Ulrich von Hutten, und Phi- lipp Melanchthon genannt werden. Die Gefchichte ihrer Thätigfeit * Ausgang des Mittaltes. ee; 3 — hier nicht gefehifbert zu werden. Sie wurden die Lehrer Deutſch— lands. Die ganze Bedeutung des Humanismus ift allerdings, wenn man nur an die Wieverherftellung der Schriften des clajfischen Alter- thums in einer veineren Form denkt, der Natur der Sache nach für die Naturwiſſenſchaften nicht jo groß, wie für andre Zweige des Wiſſens; doch erhielt durch ihm nicht bloß die allgemeine Bildung, welche noch nicht von den Fachwiffenfchaften „verjchlungen“ wurde, Fräftige Nah— rung, e8 wurde auch der freie ſelbſtändige Geift angeregt. Auch Elebte freilich der Unterrichtsweife, jelbjt bis auf die neuefte Zeit, ein Neft ver ſcholaſtiſchen Methode an, was bei dem zum Theil formalen Charakter „ber Neuerung nicht zu verwundern war. Indeß fühlte man ſich ver reinen Quelle der alten Bildung gegenüber. Sprache und Form der Darftellung wurden beffer und mit mehr Gejchmad gehandhabt; man fonnte wieder direct an die Lehren der Alten anknüpfen, ohne daß Deu- teleien und Umfchreibungen den Sinn wie früher bis zur Unfenntlich- keit entftelften. Mitten in diefe Umwälzungen fielen aber noch zwei andere Er- ſcheinungen, von welchen die eine dem geiftigen Leben eine völlig neue Bewegung mittheilte, während die andere den Gefichtskreis, befonvers auch ver Naturwiffenfchaften unendlich erweiterte: die Erfindung der Buchdruderkunft und die geographifchen Entvedungen. Durch erftere wurde es möglich, daß Ariftoteles ein Gemeingut aller fich wiſſenſchaft · lich mit Zoologie Bejchäftigenden werden konnte. Und wenn es auch feine Zoologen von Fach gab, jo wirkte doch jedenfalls feine Verbrei— tung durch den Druck wejentlich auf die Erhebung der Zoologie und bie Neubelebung der vergleichenden Anatomie im folgenden Jahrhundert. Der griechifche Text erjchien 1497 ; die Inteinifche Ueberjegung Theo- or Gaza's wurde noch im fünfzehnten Sahrhundert allein in Venedig infmal gebrudt (0. 3., 1476, 92, 97, 98). Der Einfluß der geogra- bischen Entdeckungen ift mit dem der Erfindung der Buchdruckerkunſt ht zu vergleichen. Sicher ift, daß neues Material an früher nicht efannten Thieren nur langjam und jehr allmählich der Zoologie zu- - 6. Es iſt auch darauf aufmerkffam zu machen, daß die Fahrten ver Bortugiefen und Spanier nach Amerika jowohl als den afrikanischen B. Carus, Geſch. d. Zool. 17 28 Die Zoologie des Mittelalters. | Küften entlang um das Cap der guten Hoffnung ganz andere Ziefe im Auge hatten, als eine Erweiterung des Naturwiffens allein. Doch ift natürlich ſchon die Thatfache, daß durch diefelben der Kreis der befann- ten Länder größer, die Naturbilder immer mannichfaltiger wurden, für eine Wiſſenſchaft, welche wie die Zoologie aus möglichft zahlreichen Einzelbeobachtungen an über die ganze Erde verbreiteten Formen all- gemeine Gejege abzuleiten hat, von größter Beveutung. So ſchließt denn das Mittelalter auch für die Zoologie mit gün- ftigen Ausfichten. Vieles ift zwar noch zu überwinden, veraltete An- ſchauungen und VBorurtheile find abzuftreifen, die Methode neu zu ſchaffen. Aber die Wege find angedeutet, auf denen eim Fortſchritt möglich wird. Die Boologie der Neueren Beit. —. Periode der encyflopädifchen Darftellungen, Der Eifer, durch die nen erfundene Kunft des Drudens die früher jo koftfpieligen Werke ver Alten allgemeiner Verbreitung zugänglich zu machen, hatte in verhältnigmäßig kurzer Zeit außerordentlich viele Schriften zu Tage gefördert. Der Beſitz von Büchern blieb jetzt nicht mehr das Borrecht begüterter Klöfter oder einzelner Reichen. Man fernte aber aus ihnen kennen, wie trübe die Quellen im Allgemeinen gefloffen waren, aus welchen man bis jet das Wiffen geichöpft hatte. Sie zunächſt in ihrer Reinheit berzuftellen und für die einzelnen Wif- jenfchaften das nachzuweifen, was in Wahrheit die Alten darüber ge- lehrt Hatten, war ein naheliegendes Bedürfniß. Die allgemein philofo- phiiche Bildung der Zeit gieng formell noch nicht über die Schylaftif hinaus. Und wenn auch in Folge der Streitigkeiten auf religiöfem Ge- biete eine freiere Bewegung möglich zu werben fchien, fo hielt dieſe doch wieder das Fehlen eines feiten Zieles, ver Mangel an Selbftän- digkeit und in Folge hiervon das Anlehnen an alte wie neue Autoritä- ten zurück. Mean hatte noch einen rechten Begriff von dem, auf was es bei Erforſchung der belebten Natur anfüme. Während die Heilmit- tellehre auf die Pflanzen, und das Auffinden neuer „einfacher Mittel“ zur Kenntniß neuer Pflanzenformen führte, war das Intereffe am den Thieren als wunderbaren Gejchöpfen Gottes jet und noch lange Zeit faft das einzige, was die Gelehrten veranlaßte, fich überhaupt mit ihnen abzugeben. Doch machte fich allervings daneben bie Heiltunde Hoff- 17* 4 > « Em e * —— — — u — “rs ” ——— —— ME — * * WR; r PR * 7 —— EN E23 5 — Rn a > « —J—— J — Be > x & NE J u ne 5 * * —— * r u * iu 5 = F * * Periode ber encyllopädifhen Darftellungen. ne mung, aus einer nähern Kenntniß der Naturgeſchichte der Thiete Vor⸗ theile für ihre eigenen Zwecke zu ziehen. Indeß wurde dies nur in allgemein biologifcher oder therapentifcher,, nicht etwa in vergleichend phyſiologiſcher Beziehung aufgefaßt. | Jenem Bedürfniß nach fichererer Gründung der Zoologie auf dem nen erlangten, fich unverfälicht darftellenden Wiffensichage ver alten Welt verfuchte man num Genüge zu leiften und zwar auch hier wieber,_ wie drei Jahrhunderte früher nach dem erjten Bekanntwerden mit Ari- jtoteles, in der Form allgemeiner, alles damals Wißbare über die Thiere umfaffender Gefammtdarftellungen. Die in Folge der Buchbruderei febhafter erwachenden Mitteilungen, ver regere Verkehr und Aus- taufch zwijchen verjchiedenen Yändern führten aber andererjeits zu dem Beitreben, die Kenntniß der thieriichen Welt durch directe Beobachtun- gem zu erweitern und damit der Autorität der alten Meifter durch eigne ſinnliche Erfahrungen eine neue Unterftägung zu geben. >. Die alljeitigere Anerkennung der individuellen Berechtigung zu ſelbſtãndigem Denken und Forſchen hatte ferner eine freiere Mittheilung der Individuen untereinander zur Folge. Es fiengen wiffenfchaftliche Kreiſe fich zu bilden an, von denen im Mittelalter kaum in einem an- bern Sinne als in dem von Schulen die Rede fein konnte. Kann man auch den um Johann von Dalberg in Heidelberg und zeitweife in Mainz, den um Cosmo Medici in Florenz fich fammelnden Kreis von Gelehr- ten „ wenn feßterer auch platonifche Akademie genannt wurde, ebenfo wie die von Vittorino da Feltre in Mantua geftiftete Akademie, noch nicht divect als die erſten gelehrten Gejellichaften im neueren Sinne be⸗ trachten — es fehlte ihnen die Organijation und die Aufftellung eines concreten Zwedes —, jo waren fie doch die Vorläufer folcher und wei- jen auf das Beftreben hin, daß man nun mit vereinten Kräften, viel- leicht auch nach dem Grundjag einer wifjenfchaftlichen Arbeitstheilung an die Erforfchung dunkler Gebiete des menfchlichen Wiffens gehn wollte. Auch hier gieng Italien den andern Ländern voran. Der pla- tonijchen Akademie folgten die Akademie der Wiffenfchaften in Padua (1520), die Academia secretorum naturae (1560) und bie Ponta- nische Akademie in Neapel, welche erftere freilich nach kurzem Beftehn EEE a a rag “= heratteriſit des Zeitraums 261 - vom Pabſte wieder aufgehoben wırrde, und die Academia dei Lyncei in Rom (1590), welche gleichfalls das Enthüllen der Natırrereiguifie als ihre Aufgabe betrachtete und den in der Thierfage fo ungemein icharffichtigen Luchs zum Symbol nahm. Die Gründung der drei äl- teften Akademien in Mittel-Europa fand erft in ber folgenden Periode ftatt. - Neben dem Bortheil, welcher der Naturgefchichte aus der Gemein- jamfeit der Arbeiten, vielleicht vorläufig nur der Intereffen, erwuchs, gewann fie eine weitere Förderung durch die Reifen und die im An« ſchluß am diefe entftehenden Sammlungen. Es find bier nicht fowohl die Entdedungsfahrten nach fernen Welttheilen zu verzeichnen, als aus- drücklich in der Abficht unternommene Fahrten, die Naturerzeugniffe fei e8 weiterer Theile des Vaterlandes, fei es befannter Yänder und Meere forgfältiger fennen zu lernen. Die Sammlungen blieben freilich zunächft Euriofitätencabinete, da an ein planmäßiges Zufammenbrin- gen verwandter Gegenftände nur in ganz einzelnen Fällen gedacht wurde'). Auch war man auf gewiffe Gegenftände befchränft, va man die Kunſt des Conſervirens, befondere Conjervationsmethoden und sneittel nicht kannte. Spiritus kam erft fpäter auf; meift wurden bie Sachen troden aufbewahrt. Immerhin fieng man aber doch zu erfen- nen an, welchen Werth die Möglichkeit hat, verſchiedene Objecte direct mit einander vergleichen zu können. | Was einer Sammlung nicht gut einverleibt werden fonnte, was man fich gegenfeitig noch beftimmter als durch eine bloße Bejchreibung - mittheilen wollte, wurde bildlich dargeſtellt. E8 fanden fich zwar ſchon früher, fowohl in Handfchriften des Phyſiologus als in denen der En- cytlopädiſten des breizehnten Jahrhunderts, Thierabbilvungen. Indeß - berbienen fie faum den Namen naturgefchichtlicher Bilder, da fie aller- E 1) Wie jehr das Curioſe bei ſolchen Sachen maßgebend war, beweift 3. B. die — folgende Stelle aus einem Briefe Juſtus Jonas jun. an Herzog Albrecht von ; Preußen, d. d. Wittenberg, 4. Mai 1559: er möge ihm für den Kurfürften von Sachſen eine ganze Elendsklaue „mit den roerknochen, oder wie ich8 nennen fol, 3 und den Haaren bis ans Knie“ jchiden. „Solche Ding findt in diefen Landen gang 3 feltzam und frembbt“. Ich verdanke diefe Notiz (aus dem Archiv zu Königsberg) der Freundlichleit meines verehrten Collegen, Herrn Prof. ©. Voigt. ‚262 Beriobe ber encpliopäbifchen Darflelkungen. | dings in manchen Fällen wiederertennbar, aber überall, wo es fich um fremde Formen handelt, ebenfo ver Phantafie des Zeichners entſprun⸗ gen find, wie die bildlichen Darftellungen wirklich fabelhafter Thiere. Wie fich die bildende Kunft überhaupt den conventionellen Feſſeln ent- zog und um fo viel an Werth gewann, als fie ſich ver Natur enger an- ſchloß, fo werden auch die Thierabbildungen jetzt nicht bloß naturge- treuer, fondern auch in der ganzen Behandlung künftlerifcher und freier. Dazu kam die hohe Entwidelung des Holzſchnittes, welche den Abbil- bungen eine möglichft weite Verbreitung ficherte. Freilich benußten auch damals jchon einzelne Drucker dieſelben Holzichnitte zur Iluſtra⸗ tion verjchievener Werte. Doch konnte dies in einer Zeit, wo die Leſer erſt allmählich lernen mußten, in Naturgegenftänden Objecte wifjen- ſchaftlicher Betrachtung zu erbliden, nur von Vortheif fein. Mit den Abbildungen ganzer Thiere, welche faft in allen Hauptſchriften der vor: liegenden Periode enthalten find, geht die bilvliche Darftellung anato- mifcher VBerhältniffe ziemlich Hand in Hand. Einen beveutenden Auf- ſchwung nahm allerdings zunächft die künftleriiche Abbildung menjch- licher Anatomie; aber ſchon die erfte Schilverung von Thierfleleten durch Bolcher Eoiter beftand wejentlich in Zeichnungen. So groß aber auch die Bedeutung der bisher erwähnten Mo— mente für die Entwidelung der Zoologie war, jo hätten dieſelben allein doch kaum irgend welche wefentlichen Fortichritte bewirken fönnen, wenn nicht das geiftige Leben jener Zeit eine von Grund aus verſchiedene Richtung erhalten Hätte. Freilich Hat es, befonders in Deutjchland, . noch ziemlich lange gedauert, bis man auch in wiffenfchaftlichen Dingen das unbedingte Vertrauen auf Alles, was mit der Sicherheit eines au- toritativen Gewichtes aufzutreten wußte, ablegte und vor Allem über Naturdinge die Natur, nicht bloß Bücher befrug; doch war die Bewe- gung der Geifter im fechzehnten Jahrhundert mächtig genug, um an der ruhigen Zuverficht in das bisher Leberlieferte zu rütteln und hier- durch wieder jene Umgeftaltung der fcholaftifchen in eine ven Objecten ſich anpaffende Philofophie möglich zu machen, deren — jenes Zeitalter charalteriſirte. Dem Mistrauen in wiſſenſchaftlichen Dingen gieng ein Zweifel Gparafterfi be Zeitruume. 263 in vefigiöfen be voran. Hier war e8 weniger der Glaubensinhalt, als der Misbrauch mit dem fogenannten Gnadenfchage der Kirche, welcher vie bauptfächlichfte Veranlaffung wurde, den Sinn auf eine Klärung des Berhältniffes des indivinuellen Gemüthes zu Gott zu führen. Wie Luther ber autoritativen Gewalt der mittelalterlichen Kirche die ver- nünftige Auslegung des göttlichen Wortes entgegenhielt und hierdurch bie Scheinautorität der päbftlichen Herrichaft zerftörte, jo traten auch bon andern Seiten her immer mehr Kämpfer für das Recht ver VBer- nunft gegen ben blinden Glauben an Autoritäten auf. Das erfte Leben eines kritifchen Zweifels begann fich zu vegen, zuweilen ſchon damals in das Gewand der Satyre gekleidet. So erfcheinen, um nur Einzelnes beifpielsweife herauszugreifen, Werke wie Richard Hooker’s Eccle- siastical Polity einerfeits und Francois Rabelais' Satyren anberer- feits. Gleichzeitig war aber auch das alte ptolemäifche Weltſyſtem durch Eopernicns als irrig nachgewiefen worden. Kepler und Galilei, welche für ihn eintraten, hatten mit der Autorität des Ariftoteles zu käm⸗ pfen, zu deſſen Unterftügung noch die Bibel herangezogen wurde. Durch Galilei wurde das Experiment und die mathematische Begründung der Naturgefege eingeführt. Selbftverftändig konnte die Zoologie hier- aus direct feinen Vortheil ziehen. Doch gieng fie in dieſer allgemeinen Bewegung nicht leer aus. Der Stepticismus Descartes’ und noch bivecter die Bemühungen Francis Bacon’s um die Naturphilofo- phie wirkten veinigenb und belebend auf alle fpätern wifjenfchaftlichen Ürbeiten. Man hat in neuerer Zeit dem Lord Verulam entſchieden Un- recht gethan, wenn man ihm Inconfequenzen und Widerfinnigfeiten im Berlaufe feiner eigenen Darftellung zum Vorwurf gemacht hat. So tolles Zeug er allerdings in feinen Erperimenten zuweilen auftifcht , jo feicht er vielleicht felbft zu feiner Zeit Manches hätte beſſer erklären können, fo ift fein Einfluß und fein Verdienſt doch nie in dem gefucht worden, was er ſelbſt pofitives Neues zu Tage gefördert hat. Das war zum größten Theil abhängig von den Hülfsmitteln, die ihm feine Zeit etwa bieten fonnte. Er war aber der erfte, welcher in ent- fchiedener Weife vor der Herbeiziefung von Endurjachen als Erffä- rungsgründen warnte und für jeden einzelnen Fall zu der beobachteten wWirktung bie Urfache aufzufuchen vorjchrieb. Und wenn er auch bie In- duction noch nicht Scharf von der Abftraction unterjchied, fich alfo hierin ; . . noch dem Ariftoteles anfchlok und irrtümlich die ganze übrige Logik gegen die Induction zurücjegte, alle übrigen heuriftiichen Methoden ba- ber zu ſehr vernachläffigte, fo gibt er doch zuerft ?2) dem inductiven Ber- fahren dadurch die wahre Bedeutung, daß er zeigt, wie der durch In⸗ . yuetion gefundene Grflärungsgrund ein allgemeinerer ift, als ver Ge— halt ver einzelnen Beifpiele. Hiermit führte alfo die Induction factiich zur Erweiterung des Wiffens und zur Begründung wifenfchaftlicher Wahrheiten. Es wäre nun freifich thöricht, die directe Wirkung aller biefer, hier nur kurz anzudeutenden Erfcheinungen in ber Yitteratur, beſonders ber F zoologiſchen, des vorliegenden Zeitraums nachweiſen zu wollen. Abge⸗ a: jehen davon, daß fie erft gegen Ente deſſelben auftreten, ift es immer noch ein weiter Schritt von dem Aurfftellen eines nenen Gefichtspunttes bies zur planvollen Durchführung deſſelben. Recht augenfcheinlich tritt der Einfluß diefer eigentlichften naturwifienfchaftlichen Methode viel- feicht ext in ver allerneueften Periode der Zoologie hervor. Ganz un- bemerkt konnte aber dieſe Bewegung auch in der bamaligen Zeit an h - Naturhiftorikern nicht vorübergehn, da ihr Durchbruch durch bie Zeit | jelbft bedingt war, jene aljo felbft mitten in ver Strömung ftanden. Dreer wichtigfte Erfolg für die Zoologie beftand in ber Anerfennung ber Nothwendigkeit, Beobachtungen zu machen und nur felbft Gejehenes oder jonft ficher Verbürgtes aufzunehmen. Hierdurch begannen bie Darftellungen Haver, weniger mit abergläubifchem und fabelhaften Bei⸗ werk durchſetzt, alſo zuverläffiger zu werden. Damit hieng aber wieder das Auftreten einer andern Betrachtungsweife zufammen. Je reiner nämlich num die Naturgegenftände dem Beſchauer entgegentraten, deſto 2) Der eigentliche Begründer der Induction ift allerdings Kepler. Für die morphologiſche Unterfuchung ber organiihen Natur ift aber fein Einfluß von ge- ringer Bedeutung geweſen. Fir dieſe fehlt noch die Möglichkeit, die Iubuction mathematiſch zu begründen. Hierdurch erhält fie daher wiel ausgeprägter den Eha- rakter einer Henriftif im ftrengften Wortfinne, und dies hat oft Veranlaffung gege- ben, fie mit Speculation verwechfeln zu laſſen. Das Weſen des Proceffes ift aber & 2 doaſſelbe wie in andern Wiflenfchaften. ae Edward Wotton. 265 ‚mehr gemüthliches Behagen fand man, befonders in Deutjchland, an ihnen. Und an die Stelle jener trüben Auffaffung, welche in der Thier- welt nur die ſündige Greatur erblite, trat das Bedürfniß, — eingebenf der Winke Albert des Großen, Rahmund's von Sabımde u. A. — in den Wunderbarfeiten der Thiere die Weisheit und Größe ihres Schöpfers zu preifen. Unter den nun zunächſt zu ſchildernden allgemeinen Werken ſind zwei Richtungen zu unterſcheiden. Zu der erſten gehört eine einzige Schrift, welche bei engem Anſchluß an Ariſtoteles ſofort in die Man⸗ nichfaltigleit der Thierwelt Ordnung zu bringen ſucht. Die andere um— faßt Darſtellungen, welche unter Herbeiziehung eines zuweilen unge— heuren Materials von Gelehrſamkeit und mit Berückſichtigung eigener Beobachtungen ſich vorzüglich die Schilderung der einzelnen Formen zur Aufgabe ſtellten und erſt in zweiter Linie an eine zweckentſprechende Ordnung dachten. Wiſſenſchaftlich werthvoller iſt die erſte; die zweiten wirkten auf die Zeitgenoſſen durch den Reichthum des Gebotenen und die eingehendere Schilderung ſpecieller Thierformen. Verfaſſer des erſten ſyſtematiſchen Werkes ift Edward Wotton. Derſelbe war 1492 in Oxford geboren, wirkte als Arzt in London und jtarb hier 1555. Wie er in der, von 1551 datirten Vorrede fagt, hat er ziemlich lange an feiner Schrift de differentiis animalium gearbeitet und fich erft auf das Zureden feiner Freunde entjchließen können, fie bruden zu laffen. Sie erfchien in Paris 1552. Bon den zehn Bü— chern, in welche fie getheilt ift, umfaſſen die erften zwei eine allgemeine Darftellung der Theile des Thierförpers, ſowie eine Schilderung der Verſchiedenheiten ver Thiere unter den mannichfaltigiten Gefichtspunf- ten, jo nad) dem Vorhandenfein over Fehlen einzelner Theile, nach ven Handlungen, Bewegungen, den Fortpflanzungsverhältnifien, der Nah: rung, den Sinnen, der Athmung u. f. f. Hierdurch werden aber noch feine größeren Gruppen (welche er noch wie Ariftoteles große Gattun⸗ gen nennt) gebildet. Dann folgt im dritten Buch eine Auseinander- ſetzung der „Verjchiedenheiten“ dev Blutthiere, welche er als größte - Gattung den Blutlofen gegenüberftellt. Dabei beginnt ev mit ben Außern Theilen , ſchildert dann die innern, die gleichartigen, dann bie » Zeugungsverhältniffe und Sitten. Eine Aufzählung der von diefen ein- - zelnen Theilen genommenen Nahrungs- und Arzneimittel unterbricht die anatomische Darftellung , welche von zwei Kapiteln über die Aus- fcheidungen und die Milch befchloffen wird. Im feinen allgemeinen ana- tomifchen Anfchauungen ift Wotton noch völlig Ariftoteliter ; fo hat er von dem Fleiſch die Vorftellung,, daß es num die Knochen zu umbüllen biene oder, wie beim Herzen, die Räume zwifchen ven Fafern einnehme u. f. w. Ariftotelifch ift es aber auch, wenn er die Reihe ver Blutthiere mit dem Menſchen eröffnet (4. Buch). Die im fünften Buch abgehan- beiten lebendiggebärenden Vierfüßer theilt er nach ver Beichaffenheit der Füße in Spaltfüßige, Zweihufer und Einhufer. Das ſechſte Buch enthält die eierlegenden Vierfüßer und die Schlangen, unter ber Be- zeichnung der Pholidota zufammengefaßt. Die Bögel, welche im fie- benten Buche abgehandelt werden, theilt er in Spaltfüße, Raubvögel, fliegende Waffervögel und ſchwerfällige Waffernögel ; der letztern Gruppe fügt er gleichfam als Anhang den Strauß an. Das achte Buch ift ven biutführenden Wafferthieren gewidmet, „nämlich der Gattung der Fiſche und der ver Walthiere“. Unter den Fiſchen ſcheidet er die Knorpel. und die Plattfifche aus, die übrigen werden meift nach dem befondern Vorkommen abgehandelt. Darımter findet fich ein Kapitel von Fifchen, welche wegen ihrer walartigen Größe von Einigen zu den Walthieren gerechnet werben: ein Beweis, daß Wotton ebenfo jcharf zwifchen bei- ben Gruppen zu unterjcheiven wußte, wie Ariftoteles. Das neunte Buch beginnt die Schilderung der Blutlofen mit der der Infecten, unter denen (mit Einrechnung der Spinnen) feine größeren Gruppen weiter angenommen werben. Das zehnte Buch behandelt die noch übri- gen niedern Thiere, welche in vier Gruppen getheilt werden: Die Weichthiere im ariftotelifchen Sinne, nämlich Cephalopoven (und Thetys), die Kruftentbiere, die Schalthiere, unter denen auch die Seeigel erjcheinen neben den Schneden, Muſcheln und Meereicheln, und die Zoophyten. Er rechnet hierher die Holothurien, Seefterne, Medujen, Meernefjeln (Actinien) und Schwämme. Die Eharakteriftif biejer von ihm eingeführten Gruppe ift natürlich nicht ſcharf anato- miſch; ‘doch vermeidet er hier, wie anderwärts eine zu weit gehenve E 2 Berallgemeinerung und hält fich mehr an die einzelnen hierher gerech- neten Formen. Sind auch im Allgemeinen die Beichreibungen der ein- zelnen Arten weber innerhalb ver größeren Gruppen nach einem gewif- jen Plane durchgeführt, noch überhaupt eingehend auf Merkmale geftütt, jo geht doch die jchärfere zoologiſche Ueberficht Wotton's daraus her- vor, daß er meift verwandte Thiere zufammenbringt. Freilich handelt er in einem Kapitel den Fuchs und Hafen, in einem andern ven Maul- wurf und bie Fledermäuſe ab, indeß ohme fie irgend wie als zufammen- gehörig zu bezeichnen. Dagegen bieten andre Kapitel die erften Verſuche einer natürlichen Vereinigung verwandter Formen dar. | Durch Wotton’s Buch war jedenfalls die Rückkehr zur ariftoteli- ichen Auffaffung des Thierreichs und im Anfchluffe an fie die erſte natur⸗ gemäße Syſtematik gegeben ?), wie leitere nach dem damaligen Zuftand der Thierkenntniß möglich war. Bezeichnet num aber fein Auftreten die Anfnüpfung an den Zuftand der Wiſſenſchaft, von welchem allein ein Weiterentwideln verjelben möglich wurde, jo hatte es doch nicht ven Er- folg, wie andere gleichzeitige Erfcheinungen. Es ift nie wieder gedruckt und in feine andere Sprache überſetzt worden, trotzdem fein Umfang es eher erlaubt hätte, als ver mancher andern Werke. Möglicherweife ift hierfür ein Grund theils in der gevrängteren präciferen Form, theils in dem Umftande zu ſuchen, daß fein Verfaffer von der Erweiterung der Kenntniß einzelner Thierformen, wie jolche durch einzelne aus Amerika befannt werdende Arten eintrat, noch feine Rückficht nahm, während feine — 3) Cuvier ſagt (Hist. des Scienc. natur. depuis leur origine etc. T. 2, Paris, 1841. p. 62), daß die nach Aelian bearbeitete Naturgefchichte der Thiere von Petrus Gyllius die Grundlage für alle ſpütern Arbeiten, namentlich aber für Wotton abgegeben habe. Iſid. Geoffroy Saint-Hilaire zählt ihn als Zoologen neben Wotton und Salviani auf (Hist. natur. gener. des regnes or- - gan. T. 1. Paris, 1854. p. 38). Man bezog fich da auf die Schrift: Ex Aeliani historia latini facti, itemque ex Porphyrio, Heliodoro, Oppiano, luculentis accessionibus aucti libri XVI, de vi et natura animalium. Lugduni, 1533. Von einem Einfluß biefer Schrift auf Wotton kann aber feine Rede fein. Er citirt ben Gyllius im Ganzen achtmal und ftets nur als Gewährsmann fiir einen älteren - Autor, wie „sic Gyllius ex Aeliano“ oder „Gyllius ex autore quodam incerto“. - Die auf feinen Reifen gefammelten Beobachtungen hat Gyllins mit Ausnahme der - Beichreibung des Elefanten nicht veröffentlichen können. N - ü Watte de euteiider Drang. ce nicht unterliehen, ihre Leſer mit jenen Seht zu machen, zuweilen felbft nach ſehr bürftigen Nachrichten. Dagegen ift ihm noch als Verbienft anzurechnen, daß er in Bezug auf die fabelhaften Thiere mehr Kritik zeigt als Frühere und zum Theil felbft manche Spätere. Denn wenn er auch die Mantichora, die Greifen, den Phoenix erwähnt, fo unterläßt er doch nicht, durch Zufäge, wie „wenn dem Aelian zu - glauben ift“, „man erzählt“ u. vergl. darauf binzumeifen, daß der Sache boch wohl nicht vecht zu trauen ift. Stellt fi das Wert Wotton's als eine ftreng efoterifche Arbeit im Anschluß an Ariftoteles und mit Berücfichtigung der zu feiner Zeit erwachten objectiveren Richtung dar und war es hierdurch entweber auf, bie engeren reife ver gelehrten Welt beſchränkt oder wenigftens ber allgemeineren Theilnahme mehr oder weniger entrüdkt, fo erwuchjen bie andern Gefammtvarftellungen recht eigentlich dem naturgefchichtlichen Zeitbewußtfein, wie e8 fich in den unabhängigen und aufgellärten Kö— pfen des jechzehnten Jahrhunderts zu entwickeln begann. Daß hier fein leichter Kampf mit alten Borurtheilen und verbreitetem und vielfach geglaubtem Unfinn zu beftehen war, ergibt ein Blick auf die mehr po- puläre Litteratur und die Art, wie man in derfelben das Thierreich be- handelte. Es war nämlich nicht bloß durch den fich mit auferorbent- lichem Eifer verbreitenden Humanismus die Aufmerkfamkeit zumächft von der Natur ab und auf die bewunderten und wieber zu Vorbildern genommenen Alten gelenkt worden, es machte fich auch, troß der refor- matorifchen Beitrebungen auf allen Gebieten, überall ein bogmatifiren- ber, nur zu fehr an den faum bekämpften Scholafticismus anknüpfender Geift geltend. Dem-allgemeinen Geſchmack huldigend bemächtigte fich die Druderei der Werte des preizehnten und vierzehnten Jahrhunderts und trug hierdurch zur Verbreitung von Ideen bei, welche die auflebenve Wiffenfchaft eben zu bekämpfen anfieng. Das Buch der Natur von Conrad von Megenberg wurde, wie erwähnt, vor 1500 allein ſechsmal und noch ein paarmal im 16. Jahrhundert geprudt (1536 und 1540). Bartholomäus Anglicus, deffen Compilation jedenfalls die werthlofefte der im breigehmten Jahrhundert entftandenen ift, erfchien vor 1500 allein vierzehn oder fünfzehnmal, im fechzehnten Jahrhundert noch Beitreitee Anfang vom Thierreich. 269 ſechsmal im Drud. Aber auch noch jpäter gejchriebene jelbftändige | Werfe athmen venjelben Geift, wie 3. B. das Buch von Aegidius Albertinus, der Welt Tummel- und Schaupfag ), was der Ver- fajjer „aus guten und bewährten Autoren colligivet“ zu haben behauptet, was aber, ohne jede Kritif, auf die Yeiftungen feiner unmittelbaren Borgänger, 3. B. Gesner, gar feine Rücficht nimmt, ſondern fich in den Thiergefchichten und angehängten Moralifationen ganz an die Schriftjteller des dreizehnten Jahrhunderts anfchließt. Aehnlich halt- und fritiflos find auch die Sammlungen merkwürdiger Notizen von Mizaldus, welche noch fpäter häufig citirt werben). Aber nicht bloß durch derartige Sammelwerke zog fich der überlieferte, wiffen- ichaftlich unbrauchbare Stoff. Ganz gleichen Korns waren auch Ein- zelvarftellungen, wie 3. B. das 1520 in Roſtock erfchienene Werk: Nic. Marescalei Thurii historia aquatilium®), worüber Con— rad Gesner im der Aufzählung der Autoren zum vierten Band feiner Thiergejchichte ein ſehr fcharfes Urtheil ausſpricht. Und wo in allge meinen Erziehungsbüchern auf Thiere, wenn auch nur beiläufig, die Rede kam, war es um die Auffaffung derſelben nicht befjer beftellt. Es mag bier nur an den Lucidarius oder Elucidvarius, ein Un- ‚terrichtsbuch in dialogifcher Form, erinnert werden, welcher bei Schil- ‚derung der einzelnen Welttheile die fänmtlichen alten Wundergejchichten wiederholt. Hier werden bei Afien die wunderbaren Menjchenformen, ‚ganz wie bei Herodot und Ktefias gejchildert, die Ohneköpfe, Hunbs- Föpfe, die vom Geruch der Apfel Lebenden u. ſ. w.; dann erſcheinen die Lindwürmer, die Leucotrota, Manticora, das Einhorn, die ganzen 4) Üeg. Albertinus, Der Welt Tummel- und Schaw⸗Platz ſampt der bit- ‚terjüügen Wahrheit, darinn mit Einführung vieler ſchöner und fürtrefflicher Discur- fen nit allein die natürliche, ſondern andy die moralifche und fittliche Eigenjchaften und Geheimnuſſen der fürnemften Ereaturen und Geſchöpf Gottes jehr luſtig geift und politifcher Weiß erklärt ze. München, 1612. 40. Beifpielsweife tommt hier die Geſchichte vom Meerfiſch Chelion genau fo wie bei Thomas Cantipratanus vor. _ 5) Mizaldus, Memorabilium utilium Centuriae IX. Francofurti, 1599. 12. 6) Eine Emwähnung diefes Äuferft feltnen Buchs f. in Bedmann, Ge— ichte der Erfindungen. Bd. 3. ©. 431. Ich kenne das Bud) nicht. a | Berioe de eieyllephditen Dareunge. befannten Geftalten aus früherer Zeit. Und wie ſehr * Elucida⸗ rius dem Geiſte des Volles als Nahrungsmittel zu dienen beftimmt war, beweiſt feine große Verbreitung durch ven Druck. Er erſchien zu- erft 1479, dann noch mehreremale vor 1500 und fpäter oft, anfangs noch mit der Yahreszahl, dann mit dem Bermert Gedruckt im dieſem Jahr“. Selbft jet joll er noch in wenig veränderter Geftalt „vem ge- meinen Mann auf Jahrmärkten an Eden und Brücken“ feil fein ?). Dies bezieht fih nur auf den aus dem älteren lateinifchen Original überſetzten deutſchen Elucidarius. Er wurde aber außerdem, wie einft der num überwundene Phyſiologus, in faft alle andern europäifchen Sprachen überfegt: jo ins Italieniſche, Franzöfiiche, Englifche, Böh- mifche, Plattveutiche, Hollaͤndiſche, Isländifche, Schwediſche und Dä- niſche °). Waren dies Hinberniffe, welche die aufleimende wiſſenſchaftliche Betrachtung der Natur zu überwinden hatte, jo liegt es auf der andern Seite nahe, in gewiſſen Erjcheinungen jener Zeit fördernde Umſtände für den Aufſchwung der Zoologie zu erbliden. Außer ben oben erwähn- ten, in der That günftigen VBerhältniffen treten noch zwei andere von zweifelhafterem Werthe entgegen. Zunächſt jollen bier zwei Worte über die Thiergärten und Menagerien gefagt werden, wie folche wohl einzeln auch in Mittelenropa vorlamen, aber doch feit dem Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderts befonders „zum ftandesgemäßen Luxus“ der italienifchen Heinen Fürftenhöfe gehörten. Es erjcheinen hier unter den fremden Thieren wieder Giraffe, Rhinoceros, Elefant, Zebra, dann Löwen, welche häufig außer von ven Fürften auch von Städten 7) 1. W. Wadernagel, bie altbeutichen Hanbichriften der Bafler Univerfi- tätsbibliothef. Baſel, 1836. ©. 19. vergl. ferner Hoffmann, Fundgruben. 2. Thl. S. 103. Anm. 6. 8) Der gewöhnlich dem Anfelm von Canterbury zugeſchriebene Lueidarius ſoll nah €. 3. Brandt den Honorius Auguſtodunenſis zum Berfaffer haben. ſ. Lu— cidarins, en Follebog fra Middelalderen udgivet af det norbisfe Literatur-Sam- fund ved €. 3. Brandt. Kiobenhaven, 1849. S.V. Honorius lebte aber im 12. Jahrhundert. Die Annahme ift daher nicht haltbar, ſobald er mehr als bloßer Orb» ner jein jol. Denn Mone (Anzeiger, II. 1834. Sp. 311) hat auf ein ganz . ähnliches Gefpräh aus dem 10. Jahrhundert aufmerffam gemacht. Bei Brandt findet fich auch die Angabe der Ueberfeßungslitteratur. ba donicer | 971 gehalten wurden, ebenjo Leoparden als zum Sagen benutzte Thiere u. 1. 1.9. Wie es aber ſchon früher der Fall war, ‚jo hatte auch jet die wifjenfchaftliche Entwidelung wenig Nugen hiervon. Bezeichnend dafür find Thatfachen wie die folgenden. Die erfte nach der Natur gemachte und im Sinne einer naturgefchichtlichen Leitung aufzufaffende Be— jchreibung eines Elefanten gab Peter Gyllius nach einem in Eonftan- tinopel unterfuchten Thiere. Die erfte Abbildung einer Giraffe (fpäter _ durch den Holzſchnitt verbreitet) fertigte der Maler Erhard Remich, welcher als Zeichner den Bernhard von Breydenbach auf feiner Reife nach dem Drient begleitete. Man fieht aljo, das in Europa bereits vor- handene Material wurde jet ebenfowenig wie früher allfeitig bemust. Zur Charakterifirung oder Erklärung der zum Theil praktifchen Richtung, welche in den meiften der Hauptwerke des vorliegenden Zeit- raums auftritt, ift ferner noch zu erwähnen, daß die Erweiterung des Arzneifchates, welche allerdings vorzüglich der Entwidelung der Bota- nit zu Gute kam, doch auch dem Thierreich ‚eine Aufmerkſamkeit ein- brachte, welche wenn auch zum Theil einfeitig doch wenigftens die Be- fanntjchaft der Aerzte mit gewiffen Thierformen zu klären begann. Mehr oder weniger ausführliche Erörterungen über die medicinifche Berwendung der gejchilderten Thiere und ihrer verfchiedenen Theile oder Ercrete ziehn fich daher ausnahmslos durch die im Folgenden zu ſchildernden Werke neben dem Naturgefchichtlichen hindurch. Bon den Sammelwerken, welche mehr auf eine Zufammenftellung des Wichtigen oder überhaupt Bekannten von den Thieren, als auf eine Ordnung des immer reicher fich anhäufenden Stoffes Bevacht nahmen, mag zunächit als eine ver früheften die Schrift des als Botaniker bejon- vers bekannten Frankfurter Stabtarztes Adam Lonicer erwähnt wer: ben, welche zwar an wifjenfchaftlichem Werthe ven folgenden nachfteht, aber für die leßtangeveutete Richtung ein gutes Beifpiel darbietet. Lonicer war 1528 in Marburg geboren, ftudirte dort, wurde jehr jung Magifter md um das Jahr 1553 Stadtarzt in Frankfurt, verheirathete fich mit der 9) Näheres mit Onellenangabe ſ. in Burdhardt, die Cultur der Renaif- ſanee in Italien. Bafel, 1860. S. 288. an Periode der eueyllopädiſchen Darftellungen. Tochter des Buchhändler Ehriftian Egenolph und ftarb 1586. Seine Heirath wird erwähnt, weil die derjelben vorausgehende Belanntichaft mit Egenolph vielleicht VBeranlaffung war, Yonicer zur Herausgabe jei- nes compilatorifchen Wertes zu bewegen, da Egenolph mehrere natur- hiſtoriſche, mit öfter benugten Holzſchnitten verjehene Werte bereits verlegt hatte. Lonicer's Werk erfchien 1551 unter dem Titel Naturalis Historiae Opus novum !9). Verglichen mit dem ausführlichen und um fangreihen botaniſchen Theil, welcher 268 Blätter erfüllt, tritt der zoologifche mit 41 Blättern an Umfang jehr zurüd. Er beginnt ohne weitere zoologijche Einleitung mit einer diätetifch « mediciniſchen Schil- derung ber Eigenjchaften der verjchiedenen Theile und Säfte der Säu- getbiere ; e8 werden nach einander Fleisch, Blut, Milch, Butter, Käſe, Fett, Mark, Harn und Koth beiprochen. Nun wird ein Abſchnitt über den Honig eingefchaltet, auf welchen dann eine Aufzählung einiger zu mebieinifchen Zwecken verwenbbarer Theile des Menfchen folgt. Die Reihe der fich hieran fchließenden übrigen Landthiere beginnt das Schaf, - dem zumächft die andern Hausthiere, Rind, Büffel, Ziege, Schwein, Pferd, Ejel, Mauleſel, Hund und Katze folgen. Wie bei den folgenven wilden Thieren ift auch bier die Beichreibung fehr kurz und durchaus nicht auf irgend wie conftant herausgehobene Merkmale gegründet, jon- 10) Schon der ausführlichere Titel weift auf die Tendenz bin; es heißt darin de vera cognitione, delectu et usu omnium simplicium medicamentorum _ quorum et medicis et officinis usu esse debet. Natitrfic; verlegte es Ehft. Egenolph in Frankfurt. Deutich erfchien es unter dem Titel „Kräuterbuch“, um⸗ faßte aber ebenfo auch Thiere. Es wurde ipäter von P. Uffenbad herausgegeben und erlebte noch im 18. Jahrhundert mehrere Auflagen. Wie leichtfertig man babei zuweilen mit ben Holzichnitten verfuhr, beweift z. B. der Umſtand, baf (in ber Ausgabe: Ulm, 1716) die Copie einer zuerft von Elufins veröffentlichten Fi⸗ gur eines Gürteltbieres hier (S. 606) für die einer Zibethlatze ausgegeben wird. — Was übrigens die medicinische Bedentung der Schrift Lonicer's betrifft, jo ift daran zu erinnern, daß in jemer Zeit außer den oben erwähnten allgemeineren Naturbü- ern Werke über Heilmittellehre, worin ebenfogut Thiere abgehandelt wurben, oft im Drud erſchienen. Es fei hier nur an den Ortus sanitatis und deſſen beutiche Bearbeitung, den Gart der Gejundheit, an den Aggregator practicus de simplicibus und den Experimentarius medicinae erinnert, im welchem letzteren unter Andern die Physica der h. Hildegard wieder abgebrudt ift. Im ähnlicher Weiſe berüdfichtigen auch Matthioli (Dioslorides), Bauhin u. U. die Thiere. Aldam Bonicer. * 23 dern mehr an die allgemeine Bekanntſchaft mit den einzelnen Formen anknüpfend; ausführlicher ift dagegen die medicinifche Verwendbarkeit beiprochen. Den Säugethieren, unter welchen Löwe, Elefant und Kamel die einzigen außereuropäifchen find, werben dann Froſch, Kröte, Kro- odil, Skink, Schlangen verjchiedener Art, Bafilist, Drachen, Spinne, Seidenwurm, Ameife, Regenwurm, Afjel, Schnede und Raupe ange- reiht. Von irgend einer wifjenfchaftlichen Anoronung oder auch nur einem Verſuch zu einer folchen ift alſo hier ebenfowenig die Rede, wie bei den num folgenden fliegenden Thieren, deren Schilderung mit einer Beiprechung der Eigenjchaften der Eier beginnt. Auch wird die Auf- zählung mit befannten Formen eröffnet und fchlieft mit Bienen, Wespen und einigen Käfern. Im ähnlicher Weife werden dann die Wafjerthiere behandelt, wo Krebs, Tintenfifche, Walthiere und Mu- ſcheln zwifchen vie Fische eingefchoben find. Den Schluß des Ganzen macht eine Schilderung der wunderbaren Kraft ver Remora, die größ- ten Schiffe wie ein Magnet feſtzuhalten, an welcher er nicht zu zwei- feln jcheint. Die meiften Thiere find durch Holzfchnitte dargeftelft, welche freilich jehr verkleinert, im Ganzen aber doch naturgemäß find, wenigſtens im Bergleich mit den früheren monftröfen Zeichnungen. Wenn ihm Cuvier vorwirft, Zeichnungen bei Mangel einer natürli- ben Vorlage erfunden zu haben, jo verdient er doch diefen Borwurf nicht. Die Figur des Salamanders ift gar nicht übel, und die Abbil- dungen des Phoenix, ver Drachen, des Bafilisten waren hergebrachte Borftellungen, welche er nicht erft, um eine Lücke zu decken, zu erfinden brauchte. Sicher ift aber, daß man Lonicer nicht zu den Beobachtern rechnen kann. Seine Eitate bewegen fich in einem fehr engen Kreife einiger Haffischer und jpäterer Aerzte. Nicht unbrauchbar dürften in einer gewiffen Richtung die mitgetheilten Trivialnamen ver Thiere fein. Es würde fich kaum verlohnt haben, einen Autor wie Lonicer hier anzuführen, welcher zur eigentlichen Förderung der wifjenjchaftlichen Thierkunde nichts beigetragen hat. Doch fpricht die große und nachhal- ige Verbreitung feines Wertes ſelbſt bis in verhältnigmäßig neuere Zeiten für den eigenthümlichen Geift des größern Gelehrten-Publifums dergangner Iahrhunderte, welches fich mit derartigen Schriften befrie- B. Garus, Geld. d. Zool. 18 .“ Periode ber encptiepäbhen — J Abſchnitt feines Werts betrifft, nur als einſeitiger Compilator betrachtı werben, jo fteht ihm — und durch diefen Namen wird ver Ruhr Deutſchlands, auch in diefem Zeitalter der Zoologie nene Bahnen aı gewiejen zu haben, neu gefeftigt — Conrad Gesner gegenüber, ei Mann, welcher im beften Sinne des Worts deutjche Gelehrſamleit un forgfältige Beobachtungsgabe mit einander verband. Im Gesner Werten find jo viele Beobachtungen von Zeitgenoffen und Mittheilu gen aus kurz zuvor erfchienenen Schriften enthalten, daß ein Blid ar das ihm im diefer Richtung zu Gebote ſtehende litterarifche Materi vielfeicht nicht unzwechmäßig wäre. Doch waren die benugten Schrifte vorzüglich jolche über einzelne Abtheilungen des Thierreichs wie d Schriften Belon’s, Rondelet's u. a. Sie werden jpäter befprochen wer \ den. Gesner eigen war das Talent des univerjellen Zufammenfaffen: % At auch das Yeben Gesner's öfter ausführlich befchrieben wor den !!), jo gehört doch eine kurze Mittheilung der wichtigften Züge au demſelben um jo mebr hierher, als es eben für ein in mehrfacher Di ziehung typifches Lebensbild eines deutſchen Gelehrten gelten fann, un da ja feine Yeiftungen in jeder Weife grundlegend für die neuere Zoole gie genannt werden müjjen. Conrad Gesner wurde am 26. Mär 1516 in Zürich als ver Sohn eines Kürfchners Urs Gesner geboren welcher als Reformirter in dem Treffen bei Zug (mit Zwingly 153 blieb. Den erften Unterricht erhielt Conrad Gesner von feiner Mutte Bruder, dem Prediger Friccius, welcher ihm nicht bloß in die philole giihen Studien, ſondern als großer Pflanzen- und Gartenfreund auc in die Natur einführte. Schon vor feinem Bater verlor er diefen feine erſten Lehrer umd fand eine Zeit lang bei I. I. Ammianus Aufnahm als Schüler. Da er indeh nad) feines Vaters Tode theils in Folge eig ner —— theils wegen der kriegeriſchen Unruhen in der Schwei 11) Hauptquelle it Schmiedel im erſten Theil ſeiner Ausgabe der botau ichen Werle Gesuer's. Nürnberg 1751 \lateinifh). Ferner Memoir of Gesneı in Sir W. Jardine’s Naturalist's Library (Horses by Ch. Hamilton Smith Edinburgh, 1841). Die Hauptdaten finden fi im Auszug bei Envier, a. a.£ &. 83 (fehr kurz), €. Meyer, Geſch der Botanik. Bp.4.&.333.n.a.D. beine Gelegenheit fand, Mich: bie Mittel zur weitern Ausbildung zu ver» ſchaffen z0g er nach Straßburg zu Eapito, dem er, feinen Worten ger mäß, „nicht ohne gute Früchte in den Wiſſenſchaften einige Monate diente“. Hier wandte er beſonders dem Hebräiſchen jeinen Fleiß zu, während er daneben Unterricht im Griechifchen ertheilte. Von feiner Baterftadt durch ein fleines Stipendium unterjtügt gieng er nad Frankreich, um zumächft in Bourges , wiederum durch Unterrichtgeben in feinen Mitteln fich aufbeffernd, Mediein zu ſtudiren. Im feinem acht- zehnten Lebensjahre, 1534, reifte er nach Paris, wo er zwar in feinem Fachſtudium, wie er ſelbſt jagt, wenig Fortichritte machte, dagegen Die fich ihm reichlich bietende Gelegenheit benugte, die Schätze der griechi- ichen und lateinifchen Litteratur eingehender kennen zu lernen. Aber jelbft die Unterftügung eines jungen reichen Berner, Johann Steiger, welcher ihm in mancherlei Berlegenheiten hülfveich beiftand, konnte ihn auf die Dauer nicht die Mittel bieten, länger in Paris einem aufs Univerjelle und wohl etwas planlos angelegtem Studium fich zu wid- men. Er mußte zurüd nach Straßburg, erhielt aber hier jehr bald und zur vechten Zeit die Aufforderung, in Zürich ein Yehramt zu überneh- men. Dort gründete er fich jchon im zwanzigften Jahre feines Yebens durch Verheirathung einen eigenen Hausftand. Durch ein neues Sti- % pendium feitens des Erziehungsvathes von Zürich unterftütt, lebte vr dann etwas über ein Jahr in Bajel, um das unterbrochene Studium ber Mebicim wieder aufzunehmen. Wie jehr er Daneben zu andersartir gen Arbeiten des Verdienftes wegen gedrängt war, beweift eine im Sahr 1537 unternommene Bearbeitung des griechifchen Wörterbuchs von Phavorinus. Seine Lage befjerte ſich aber, als er im letzterwähn⸗ ; | ten Jahre eine Lehrerftelle an der von dem Berner Staate neu gegrün- ; deten Lehranftalt in Laufanne erhielt. Hier blieb er drei Jahre und hatte neben feiner Berufsthätigkeit noch Zeit zur Beichäftigung mit der Natur. Er verjaßte hier das Enchiridion der Pflanzengeichichte, wel- hes 1541 erichien und den 1542 gebrudten Pflanzentatalog. Seine saterjtadt gewährte ihm aber nochmals Mittel zur Fortfegung feiner sieinifchen Studien. Mit diefen gieng er zunächft nach Montpellier, er Ronvdelet fennen lernte und zum Freunde gewann, und dann 18* wieder nach Bajel, von wo er 1541 als Doctor der Mediein nach Zü- rich zurücktehrte. Als viel befchäftigter und ſehr gewiffenhafter Privat- und Stabtarzt hat er hier nım bis am feinen Tod gewirkt umd feinen Aufenthalt nur durch gelegentliche Reifen unterbrochen. Es galt ihm dabei nicht bloß die Naturgefchichte feines Baterlandes ſelbſt genauer zu unterfuchen, ſondern auch in auswärtigen Sammlungen Material und durch Anknüpfung zahlreicher Betanntichaften Unterftügung zur Aus- führung feiner weittragenden Pläne zu erlangen. So war er in Augsburg, Benedig und Wien und „jegte feine litterarifchen Belannten in den ver- jchiedenen Yändern in Bewegung, um ihm mit Bejchreibungen des noch Unbetannten und mit Abbildungen zu Hülfe zu fommen“. Bon der außer- ordentlichen litterarifchen Thätigleit Gesner's, welche fich nicht bloß auf die mit Vorliebe gepflegte Naturgefchichte, jondern in ausgedehnter Weife auch auf Ueberjegung und Herausgabe alter Autoren erftredte, — wobei er noch eine jolch anfopfernde Gefälligkeit bewies, daß er an- gefangene Arbeiten Andrer vollendete oder mit werthoollen Vorreden verſah, — gibt die Ueberficht jeiner Publicationen, wie er fie zum Theil noch jelbft zufanmengeftelit hat, ein merhwürbiges Zeugnif. Ebenjo eifrig war er aber auch als Arzt, und während er bei dem erften Auf- treten jener fogenannten Belt in Zürich 1564 fich feiner Vaterſtadt durch aufopfernde Thätigkeit nützlich machte, aber jelbft noch verſchont blieb, trotzdem daß er jelbit ftets kränklich gewejen und wiederholt in Baden bei Zürich Erleichterung feiner Leiden zu fuchen veranlaft war, unterlag ev bei dem wiederholten Auftreten ver Krankheit im folgenden Jahre feiner Pflichttreue. Er ftarb am 13. December 1565, noch nicht völlig fünfzig Jahre alt. Seiner ganzen Anlage und feinem Studiengange nach war es zu erwarten, daß Gesner's zoologifche Schriften nach einem ſehr umfaj- jenden Plane gearbeitet waren. Wie Albert der Große das ganze Ge- biet des zoologiſchen Wifjens unter Anſchluß an den damals befannten Ariftoteles zu umfafjen und wiederzugeben juchte, jo gieng auch Gesner darauf aus, das Thierreich nach allen Seiten bin zu fchildern und es nicht bloß als Gegenstand der Naturbetrachtung, jondern auch in feiner Beziehung zur Medicin und Culturgeſchichte zu erfaffen. Während feine | Eonrad-Gesner. 277 eriten botanischen Schriften vorzüglich die Nomenclatur der Pflanzen unter Zugrundelegung ver ven Alten bekannten Formen betrafen, gieng er beim Thierreich von viefer philologifchen Seite fofort weiter und entwarf einen Plan, nach welchem fein Werk Altes umfaſſen follte, was man nur irgend von den Thieren wußte. Man könnte num bier vielleicht einwerfen, fein Hauptverdienft beftände in einer bloßen „Com: pilation“, wie man ja derartige Arbeiten häufig als mit andern nicht ebenbürtig hinftellt. Doch ift das Talent zu einer folchen Compilation „nicht fo Häufig, wie man meint. Soll fie der Wiffenjchaft dienen, ſo muß fie nicht allein aus wielfeitiger Yectüve hervorgehen , ſondern auf echtem Interefje und eigner Kunde beruhen und durch feſte Gefichts- punkte geregelt fein. Ein Talent diefer Art von der größten Befähigung war Conrad Gesner“ 12), Ueber die Anficht, welche er von dem littera- rifchen Sammeln hatte, jagt er jelbft in ver Vorrede zur Naturge- ichichte ver Säugethiere: „Es könnte Jemand jagen, daß man die Ge- ſchichte nur nach den beften Büchern jchreiben ſolle; doch habe ich Nie- mandes Buch verachten mögen. Denn fein Buch ift jo jchlecht, daß ſich nicht mit Urtheil etwas Gutes daraus ziehn laffe*. Als Zweck hatte er 7 eine möglichfte Brauchbarfeit für Andere vor Augen, die fich allerdings bis nahe an die Jetztzeit heran bewährt bat. „Wie jchwer und lang: weilig e8 ift, die Werfe der verfchiedenen Autoren unter fich zu verglei- den, fo daß Alles in eine einheitliche Form komme, nichts überfehen und nichts wiederholt werde, kann nur der verftehn, wer es verfucht bat. Ich habe gefucht es fo jorgfältig zu machen, daß man auf andre Schriftſteller über viefelben Dinge nicht mehr zurüczugehen nöthig ha- - ben wird, jondern überzeugt fein kann, in einem Bande Alles darüber Geſchriebene, gleichfam in einem Buche eine ganze Bibliothek zu be- ſitzen“. Darin hat er wirklich das Unglaublichite geleiftet und die Citate meiſt kritifch behandelt, jo daß auch von diefer Seite die Nüglichkeit ſei⸗ ner Schriften erhöht wird. Daneben verläßt er fich aber nicht auf die Angaben allein, fondern fucht überall durch Autopfie oder neuere zu- ; 12) 2. Rante, Deutiche Geſchichte im Zeitalter der Reformation. 5, Bb. 4. Aufl. ©. 346. _ verläffige Zeugniffe eine Beftätigung ver in feiner Eiepatan — nen Thatſachen zu erhalten. Gesner's Werk führt den Titel Gefchichte ver Thiere — zuerſt lateiniſch von 1551 an!3). Die Eintheilung iſt derartig daß jede der größeren Abtheilungen des Thierreichs je einen Baud füllt; ber erſte enthält vie Säugethiere, der zweite die eierlegenden Vierfüßer ber britte die Vögel und der vierte die Fifche und Wafferthiere. Mehr ift zu feinen Lebzeiten nicht erfchienen. Aus feinen hinterlaffenen Ma» teriafien wurden dann noch nach feinem Ableben ein fünftes Buch von den Schlangen und als einziges Bruchftüd einer natürlich von ihm gleichfalls beabfichtigten Naturgefchichte der Infecten die Bejchreibung des Storpions herausgegeben ''). Wirft man einen Blick auf dieſe Schriften, fo jet jchon der Umfang an umd für fich in Erftaunen, be- fonders wenn man fieht, daß dieſe gamzen von ihm felbft noch gefchrie- benen gegen vierthalbtaufend Foliofeiten umfaffenden Bände und bie vielen hundert Holzichnitte innerhalb acht Jahren geſetzt, gejchmitten und gebrudt wurden, während der Verfaſſer bei Herausgabe bes erjten Theils nur 35 Jahre alt war und vorher ſchon zahlreiche und darunter einige umfangreiche und zeitraubende Arbeiten (wie 3. ®. bie Biblio- theca universalis und die Pandectae) herausgegeben hatte !°). Ebenfo 13) Historia animalium. Liber I. de Quadrupedibus viviparis. Opus philosophis, medicis, grammaticis, philologis, poetis et omnibus rerum linguarumque variarum studiosis utilissimum simul jucundissimumque futu- rum. Tiguri, 1551. Fol. (48 u. 1104 SS.) lib. II. de Quadrupedibus ovipa- ris. Appendix historiae Quadrupedum viviparorum et oviparorum. ibid. 1554. (6, 140 u. 27 SS.) lib. III. de Avium natura. ib. 1555. (34. u. 779 SS.) lib. IV. de Piscium et Aquatilium animantium natura. ibid. 1558 (40 u. 1297 SS.). Nach feinem Tode erfchienen noch: lib. V.de Serpentium natura ex variis schedis et collectaneis ejusdem compositus per Jac. Carronum. ibid. 1587 (6 u. 85 Blatt) und biefem angehängt: Scorpionis Insecti historia a Casp. Wolphio ex ejusdem paralipomenis conscripta. ib. eod. (11 Blatt). 14) As Bollendung der von Gesner begonnenen Inſectengeſchichte ift bas jpäter zu ermähnende Werk von Mouffet zu betrachten. 15) Am Ende bes Schriftchens: Des weltberühmten Medici, Physici und Polyhistoris Conradi Gesneri Leben und Schriften. Leipzig u. Zittau, o. 3. 80 (103 ©.) findet ſich zum Theil nad Gesner's eigener Zufammenftellung eine Lifte jeiner Werke, in welcher die Historia animalium unter Nr. 37 ericheint. | Conrad Gesner. | 279. | merkwürdig ift aber ver Inhalt. Denn wenn auch die Darftellung nicht ganz won einer gewiffen Breite frei iſt, jo iſt ſie doch im Vergleich zu mittelalterlichen Schriften präcis zu nennen und namentlich fehlt jene weitſchweifige, auf ſpitzfindige Verbalunterſcheidungen hinauslau-⸗ fende Polemik, welche viele frühere Schriften für die Jetztzeit fo unge: nießbar macht. Freilich ift die Gesner ſche Gefchichte der Thiere durch- aus von dem verjchieden, was man heutzutage von einer jolchen erwar⸗ ten würde; doch fällt ein Vergleich durchaus nicht vollftändig zum Nachtheil Gesner's aus. Die Mängel feiner Schriften werden nachher erwähnt werden. Hier muß darauf aufmerkſam gemacht werben, daß Gesner die feiner Zeit gewordene Aufgabe in einer wunderbaren Weife gelöft hat. Es galt die Kontinuität der wiffenjchaftlichen Entwickelung wieder herzuftellen und zu viefem Zwede Alles in einen Rahmen aufzu- nehmen, was nur überhaupt von den Thieren befannt war. Dem ent⸗ ſprechend zeigt ſchon die Anordnung des reichen Stoffes eine durchdachte Gliederung. Dieſe Dispoſition, welche er zur Orientirung in der Ein- leitung zum erften Theile auseinanderjegt, gibt am beften eine Einficht in die vieljeitige Auffaffung , welche das Thierreich bei Gesner fand. Er bringt Alles, was er von den einzelnen Thieren mitzutheilen bat, unter acht Abjchnitte, welche er mit den erften acht Buchftaben des Alphabets, nicht mit Zahlen bezeichnet, weil beim Ausfallen eines Abjchnittes bei einem oder dem andern Thiere die dann eintretende Bezeichnung verfchieb- ner Kapitel mit der gleichen Ziffer oder eine Unterbrechung der Zahlen- reihe ungeſchickter erjcheinen würde, als das Ausfallen eines Buchita- bens !6), Diefe Buchftaben vertreten alfo die Stelle beſtimmter, ftets # gleichmäßig wiederkehrender Kapitelüberjchriften. Der erfte Abjchnitt enthält die Aufzählung ver Namen ver gefchilderten Thiere in den ver- fchiedenften Sprachen, ſowohl alten als neueren, jo weit fie überhaupt Gesner zugänglich waren, die arabifchen nur nach den lateinifchen - Meberjegungen. Hier haben ihm vorzüglich jeine zahlreichen Corre— PRIOR helfen müſſen. Das zweite Kapitel ift in ſtreng zoologiſcher 16) m enim videbatur, quartum caput nominare ubi tertium deesset nec placebat quod in una historia tertium fuisset de corporis actio- - nibus, id in alia de ingenio et moribus etc.“ 280 Beriode ber encpfopäbiichen Darftellungen. Beziehung das wichtigſte; es gibt das Vaterland umd Vorkommen, die aäußere Befchreibung und die Schilderung fänmtlicher äußerer wie in- nerer Theile. Im dritten Kapitel werben die allgemeinen biologifchen Erjcheinungen abgehandelt unter dem Titel der natürlichen Thätigkeiten des Körpers, wozu noch die Berücfichtigung des Ortes, wo die Thiere (eben, und der davon abhängenden Bewegungsarten tritt. Auch finden die Krankheiten der Thiere hier ihre Erwähnung. Der vierte Abſchnitt iſt dem geiftigen Leben ver Thiere, den Affecten, Sitten und dem In- ftinct gewidmet. Die nächjten drei Kapitel handeln von dem Nuten dev Thiere und zwar das fünfte von dem Nugen im Allgemeinen, von ihrer Jagd, ihrer Haltung, Zähmung, Pflege, Heilung, ihrer Verwerthung u. 5. f., das fechfte von den Nahrungsmitteln und das fiebente von den Heilmitteln, welche die Thiere darbieten. Das achte Kapitel ift vorzüg- lich philoſophiſchen und fitterarhiftoriihen Inhalts , es enthält, wieder in einzelne durch Buchftaben ausgezeichnete Unterabjchnitte vertheilt, die weniger gebräuchlichen, poetifchen oder erfundenen Namen mit beven Etymologie, die den einzelnen Thieren beigelegten Eigenjchaftsworte, die übertragenen Bedeutungen der Thiernamen, die bildlichen Darftel- tungen ver Thiere, die nach Thieren benannten Steine, Pflanzen, Männer, Frauen, Flüffe, Städte u. ſ. w., endlich die culturgefchicht: liche Seite ver Thierwelt, d. h. hier die Aufzählung der Kabeln, Wun- der, Weiffagungen , die heiligen Thiere, die Thierembleme und die auf Thiere bezüglichen Sprüchwörter. Den hier nach Gesner's eigner Ue⸗ berficht mitgetheilten Plan hat er nun mit Benugimg einer Litteratur ausgeführt, welche an die Eollectaneenfammlung Vincenz's von Benu- vais erinnert. Im den Einleitungen zu der Gejchichte ver Säugethiere und der Wafferthiere hat Gesner eine Lifte von ihm benuster Autoren fowie derjenigen feiner Zeitgenoffen gegeben, welche ihn durch Mitthei- fung von Beichreibungen, Abbildungen und jonftigen Notizen unter- ftügt haben. Unter den erſten finden fich nicht allein die meiften damals zugänglichen Schriftfteller des Altertfums mit Ausnahme von Ktefias, Megafthenes und den Hiftorifern, jondern auch von den fpäteren grie- chiſchen und Inteinifchen Autoren fast Alle, welche nur irgend etwas auf Thiere Bezügliches gejchrieben haben. Die Araber kennt er meift aus ERTL onrad Gesner 2,2 — 4 Eitaten. ober Iateinifchen Lieberjegungen. Den Commentar des Aver- roẽs zu Aristoteles hat er fich nicht verjchaffen können '?). Von mittel- alterlichen Schriftftellern find Albert der Große, Vincenz von Beau: vais und das Buch über die Natur der Dinge, deren Berfafjer Thomas von Cantimpre ihm unbekannt war, reichlich benugt. Er führt in fei- ner Lifte auch die von Albert benusten , ihm jelbjt unbekannten Ber- faffer an, wie Jorach, Semerion, die Kyraniven u. a. Auch hat er wohl Manches davon nur handfchriftlich benutzt, da ſonſt nichts dar ⸗ über befannt ift, wie die Schrift eines Deutjchen, Michael Herus über Bierfüßer und eines andern Eberhard Tappe über Falken. Reich ift auch das Verzeichniß feiner Helfer und Freunde, deren er aus Italien, Frankreich, England, Polen außer den Deutjchen und Schweizern anführt. Die Anordnung der nach- den aufgezählten Kategorien bejchriebe- nen Thiere hat Gesner alphabetifch nach dem lateinifchen Namen ber Thiere gemacht. Damit ift ihm allerdings die Möglichkeit entgangen, größere Gruppen, etwa den jeigen Ordnungen oder Familien entfpre- chend in feiner Darftellung äußerlich fichtbar herwortreten zu laffen. Er ſah felbft ein, daß diefe Reihenfolge weniger naturwiffenichaftlich jei. Im der Einleitung zu der Gefchichte der Wafferthiere erklärt er weshalb er es gethan habe. Seine Ordnung fei eine mehr gramma- tifche und dadurch das Auffinden erleichternde ; die andere, von mehre- ven Autoren befolgte, jei philofophifcher. Doch, fügt er als Entfchul- digungsgrund hinzu, „es findet ſich jo vieles Zweifelhafte und Unfichere, daß man nicht ficher fein kann, zu welcher Gattung das Mitgetheilte gehöre ; daher ift eine Aufzählung nach dem Alphabet bequemer“. Da- bei weifen jedoch mehrere Momente auf eine richtige Erfaffung ver na- türlichen Berwandtichaft hin.» Hierher ift zunächit zu rechnen, daß Gesner jehr häufig unter einem Namen nicht bloß die Darunter begrif- fene Thierform, jondern außer den verjchiedenen Gejchlechtern und Al- terszuftänden (wie 3. B. Bos, Taurus, Vacca, Vitulus, oder Ovis, 17) „cum his scriptis nihil egregii sperarem neque * nos reperirem accersere nolui“ etc. 282 Beriobe ber encyflopäbiichen Darſtellungen Aries, Vervex, Agnus) auch die mit der betreffenden Art nächftver- wandten Formen aufführt. So folgen auf Bos außer der alphabetijchen Orbnung die Schilderungen von Bison, Bonasus, Urus, auf Capra folgen Capreolus, Dama; unter Simia werben noch Cepus, Cynoce- phalus, Cereopithecus, Satyrus abgehandelt. Hamfter und Murmel: thier erfcheinen, wie zwar auch fpäter noch, unter dem Namen Maus ; doch unterfcheivet er zwifchen Maus und Spitzmaus nach der Berfchie- denheit des Gebifies, von dem er eine freilich ziemlich rohe Abbildung gibt. Das Meerfchweinden tritt als Cuniculus sive Porcellus Indi- cus (mit einer vecht leiblichen Abbildung auf. Es kommen baneben allerdings immer noch Formen vor, deren Berwandtichaften er ver- tennt; er beruft ſich dabei aber doch auf thatjächliche Verhältnifie. Den Pavian z. B. bringt er als Anhang zur Hyäne umd fagt, daß er wegen der Structur der Hände und Füße und ver Fähigkeit zu Hettern früher ihn zu den Affen ftellen zu müfjen geglaubt babe; doch nähere er fich fowohl Hierin als in feinem Pelze den Bären. Im ähnlicher Weife handelt er bei ven Vögeln unter Accipiter die ſämmtlichen Fal- fen ab, unter Anas alle Enten und Taucher (Colymbus, Uria, Mer- gus, Carbo ; die Namen deden aber nicht die modernen Gattungen), unter Aquila ven Haliaetus, Melanaetus, Ossifraga, Pygargus, unter Gallus die hühnerartigen Formen Tetrao, Urogallus , läßt aber aller- dings Perdix und Coturnix von diefen entfernt unter ihrem Anfangs: buchftaben. Sehr dürftig ift die Zahl der von ihm befchriebenen eierle- genden Vierfüßer indem bier aufer Fröfchen und Schilpfröten nur wenige Eidechſen, ver Skink, das Krokodil und Chamäleon erjcheinen. Im der Naturgejchichte der Fiiche und Wafferthiere finden fich nun zwar Walthiere, Fiiche, Cephalopoden, Schneden, Muſcheln, Echino- dermen, Actinien, Meduſen und Schwämme in einem Alphabet ver- einigt. Doch kommen auch hier zumächft alle Mufcheln (Conchae, Cochleae, Chamae, Mytuli) zufammen. Bon Fijchen werden Rochen, Haifiiche, einige Pleuromectiven unter je einem Buchftaben vereinigt ; doch find Steinbutt, Zitterrochen, Hammerhai und andere auffallen- dere Formen von jenen getrennt. Auch herrſcht hier noch feine abſolute Sicherheit in Bezug auf einzelne Namen. Esox bezeichnet ev ganz richtig. als eine Form der Störe und führt ben Namen nun beiläufig auf. Ob aber Glanis und Silurus identiſch find, ift ihm nicht ganz - überzeugend erfchienen. Zu Urtica bringt er die Rondelet’schen Figuren der Actinien und Medufen, zu Pudendum die Figur defjelben von As- cidien, währenn ver Trivialname urfprünglich für Holothurien galt, wie noch Heute an den italienischen Küften. Hier find ihm auch Wie- verholungen untergelaufen, indem er einige Fröjche und Schlangen ſo— wohl unter den B... als in den andern fie betveffenden Thei- len aufführt. Frägt man nun nach der — des Gesner ſchen Werkes, jo darf man hier nicht den Mafftab eines modernen zoologifchen Werkes anlegen wollen. Jedenfalls hat es das unbeftreitbar große Verbienft, zum erjten Male die zur Zeit feiner Abfaffung bekannten Thierformen von einem wirklich naturhiftorifchen Standpunkte aus geſchildert zu ha- ben. Zur Sicherftellung jeiner Beichreibungen fehlte ihm freilich noch der Artbegriff und eine ftrenge Terminologie und Nomenklatur. Die Namen , deren er mehrere jelbft machen mußte, ſchließen fich noch wie früher der populären Namengebumg an. Eine Art im jpätern Sinne bat Gesner fo wenig wie Ariftoteles und Albert der Große. Seine Species und Genera find noch ebenfo formale Bezeichnungen für über- und untergeordnete Formen, was durch viele Beifpiele erhärtet werben kann 1%). Durch das Schwanten dieſer Bezeichnungen entgieng ihm die Ansgangsform der fyftenatifchen Anordnung. Da er num aber eben jo wenig fefte Eintheilungsgründe entwidelte, nach welchen ‘er etwa das Thierreich von oben hevab hätte in natürlichen Gruppen (außer den zweifellofen, vom Sprachgebrauch gebotenen Wirbeithier- clafjen) jpalten können, jo fehlt ihm die fichere ſyſtematiſche Ueberſicht Doch lag zu feiner Zeit das Bedürfniß noch nicht jo dringend wor wie ein Jahrhundert jpäter, und dieſe offenbaren Lücken in feiner Darjtel- lung werben veichlich ausgeglichen dadurch, daß er zum erftenmal plan -⸗ 18) Mixti canes vocari possunt, qui ex utroque parente cane, sed diver- sorum generum ut ex'Molosso et Laconico nascuntur. — Tria dieunt esse Cervorum genera, ſchreibt ihm Georg Fabricins; und weitere andre gleiche Süutze. ET N mäßig beobachtete und danach feine Befchreibungen abfaßte, nicht bloß zur Beiläufigen Beftätigung überfieferter Angaben, benen zu Siebe Frühere ſelbſt directen Beobachtumgen gern Zwang angethan hätten. Gesner war kritiſch umd zweifelte, freilich noch nicht mit der Unabhängigkeit bes Urtheils, wie e8 fpäter zur Verificrung der Thatfachen angewandt wurde. Wenn er noch fabelhafte Thiere anführt und von andern Thie- ven Wundergefchichten berichtet, jo verfäumt er jelten , feine Meinung über das Bedenkliche jolcher Angaben auszufprechen. Im diefer Hinficht ift er, wie es fcheint, nur feinen Freunden und Correfpoudenten gegen: über, deren briefliche Mittheilungen er anführt, nachfichtiger, da er vermutblich bei ihnen eine gleiche Gewiſſenhaftigleit wie feine eigne vor- ausjegte '9). Was bei Gesner entichieden fehlt, das ift die breitere Auffafjung des Thierreichs als eines großen Ganzen. Ueber die an fich äußert ver- bienftliche und als Grundlage zur weitern wiffenfchaftlichen Entwide- lung der Anfichten über die Thiere fogar nothiwendige Aufarbeitung des vorhandenen Materials ließ er die Zufammenfaffung ver Thatfa- hen unter allgemeinere Gefichtspunkte außer Auge. Sein Werk war verbreiteter und durch Ueberjegungen, Auszüge und Wiederabdrücke in einem weiteren Kreife wirffam als manche ver jo bedeutend weniger um: fangreichen Einzelarbeiten, von denen er z.B. die von Belon und Ron- delet über die Wafferthiere jaft vollftändig feinem Werte einverleibte. Von derartigen Vorarbeiten, welche nachher noch fpecieller werden erwähnt werden, hat er nur das reiche Detail aufgenommen. Gesner hat auch noch nach der Heransgabe ver erften Bände feiner Thiergefchichte in gleicher Weife zu ſammeln fortgefahren ; denn ſowohl die während feines Lebens —— als die lange nach —* Tode herausgegebenen Auflagen — — — 19) & erklärt er die Fabel von ber Zähmung des Einhorns ähnlich wie Bo— hart (f. oben ©. 126). Im Bezug auf die Baumgans führt er einen Brief Bill. Turner’s an, welcher einen Geiftlichen gefragt hatte, ob die von Giral: dus erzählte Gejchichte wahr fei. Diejer „per ipsum jurans, quod profitebatur evangelium, respondit verissimum esse, quod de generatione hujus avisGy- raldus tradidit. Gegenüber einem ſolchen Zeugniß jchweigt num Gesner. Die Zweilöpfigkeit der Amphisbaena erflärt er für eine Fabel. Dagegen führt er wun⸗ derbare Fiiche an, die er an der Mittelmeerküfte geſehen haben will. enrad Gesmer. - 285 — enthalten zahlreiche Zufäge im Tert und in Abbildungen, ohne daß ſich bei letzteren ein Bearbeiter oder Herausgeber der neueren Auflage irgendwo nennte. Sein Werk ſtellt ſich auch jeinen eignen Worten nach mehr auf ven Standpunkt eines enchklopädifchen Nachichlagewerfes. Als ſolches hat es aber auch reiche Früchte getragen. Denn alle jpäte- ven Bejchreiber fußen auf ihm. Mit diefem Aufgeben eines allgemeinen Standpunftes hängt zu— ſammen, vaß Gesner auch von vergleichenver Anatomie nur wenig gibt. Es fehlen bei ihm die allgemeinen anatomifchen Einleitungen ‚- welche früher zwar ſämmtlich dem Ariftoteles nachgejchrieben, aber doch ein- gehend genug waren, um für wirkliche VBergleichungen den Ausgangs- punkt zu bilden. Er hat nun zwar bei ven Einzelformen auch eine - Schilderung ihrer anatomijchen Eigenthümlichkeiten gegeben; da aber mit einer Meberficht ver Anatomie der ganzen Claſſe oder größern Ab- theilung auch der Rahmen fehlte, in welche jene eingeorbnet erft ihre wahre Bedeutung und wifjenfchaftliche Berwerthung erhalten, jo er- jcheint dieſe ganze Seite jeiner Schilderung ifolirt und zufammenhang- (08. — Ferner hatte er bei jeiner Auffaffung des Thierreichs Feine Beranlafjung und Gelegenheit von foffilen Formen zu fprechen. Ueber die Figurenfteine hat er befonders gejchrieben. An einzelnen Stellen (3. B. beim Hippopotamus) gedenkt er zwar ver Funde foffiler Zähne, ohne aber fich über die landläufige Meinung feiner Zeit hinaus in eine Erörterung über ihre eigentliche Natur und Bedeutung einzulafjen. Daß er endlich bei feiner Betrachtung des Thierreichs den Menſchen ganz weggelafjen hat, ift ihm nicht mehr zum Vorwurf anzurechnen als feinen Vorgängern. Wenn fich auch das Thierreich von der ihm angewiejenen Stellung als fündhafter Gefchöpfe zu einem die Größe Gottes darlegenden Wunderreiche erhoben hatte, jo nahm doch ber Menfch einen bevorzugten Plag in der Natur ein, welchen ihm ſtreitig zu machen die mangelnde Anwendung allgemeiner anatomifcher Anfich- ten hinderte. Der Einfluß Gesner’s gründet fich aber nicht allein auf die Her- ausgabe des im Vorftehenden gejchilverten Hauptwerfes. Zunächit be- jorgte er jelbft noch einen Auszug des Textes aus jenem, welchem die 2 ee Beriode der eneyllopãdiſchen ſchen Darſtellu ngen. Sammlung der allmählich vermehrten Abbiloungen beigegeben wurde. Bon diefen „Icones Animalium“ erjchien ver erfte, vie lebenviggebä- renden und eierlegenden Vierfüßer enthaltende Theil 1553, ver zweite mit den Abbildungen der Vögel 1555, der dritte mit den Fiſchen und - Wafferthieren 156020), in welchem Jahre, alfo noch zu Gesner’s Leb- zeiten, von den beiden erjten Theilen neue Auflagen erjchienen. Auch noch lange nach feinem Tode wurden die erften beiden Theile wieder gedruckt (Heidelberg, 1606). Häufig bezieht man fich auf dieſe Aus- züge, wenn man Gesner ein Syſtem zufchreiben will. Sie geben vor- züglich die Nomenclatur ver Thiere in lateinifcher, italienischer, franzö- ſiſcher und deutſcher Sprache, und fpäter werden noch einzelne Bemer- fungen angefügt. Die Reihenfolge ift allerdings nicht mehr alphabetifch, die Thiere find vielmehr „in gewifle Ordnungen gebracht“. Dieſe find aber nichts weniger als ſyſtematiſche Verſuche, ſondern lediglich Rubri- fen zur bequemen Unterbringung. Nur bei den Wifchen wiederholen ſich die ſchon oben angeführten kleinen natürlichen Gruppen. Die Säugethiere aber 3. B. zerfallen hier zumächft in zahme und wilde, vie erften in gehörnte heerdenbildende und hornlofe, wohin Pferde, Schweine, Hund und Kate gehören ; die wilden Säugethiere werben dann in gehörnte (Büffel, Elefant!), ungehörnte große, mittlere und fleine eingetheilt. | Bon der Historia Animalium erfchien die fette Auflage in ven Jahren 1617—1621. Aber jchon vorher waren Auszüge und Ueber: jegungen gebrudt worden : jo von Rudolph Heußlin, welcher den Theil über die Vögel, von Conrad Forer, welcher die Theile über die Vier— füßer und Fifche überfett hatte. Nach dem Tode Gesner’s erjchien eine anonyme Ueberjegung des Schlangenbuchs (1589) und von 1669 bis 1670 wurde das ganze Gesner’iche Werk als „Gesnerus redivivus“ deutſch von &. Horft herausgegeben. Ein Auszug des Thierbuchs von * 20) Ein deutiches Namensverzeihuiß der Fijche war vor der Historia Pis- cium mit bem Halieuticon des Ovid und der Aufzählung der Fiſche nach Plinius erſchienen unter dem Titel: De piscibus et aquatilibus omnibus libelli IN. Ti- guri, 1556 in 8. — Conrad en: | 287 Re Lorenz Set, Brofeffer in Iena, wird zwar von Gesner felbft noch er- wãhnt; er fcheint aber nie gedruckt worden zu fein *t). Ein großes Verdienſt des Gesnerjchen Werkes befteht auch in ver Einführung guter Abbildungen. Denn wenn auch mit ven heutigen verglichen die meiften jeiner Figuren wohl kaum einen Vergleich weder im Bezug auf Naturwahrheit noch auf Ausführung aushalten bürften, jo find fie im Verhältuig zu früheren außerordentlich gut. Ueber die Künftler, welche er zur Illuftration feiner Schriften heranziehen konnte, ift wenig zu ermitteln. Die Abbildung des Rhinoceros bezeichnet er jelbjt als von Albrecht Dürer herrührend; die Vögel find, gleichfalls nach feiner eigenen Angabe, von Lukas Schrön gezeichnet. Außerdem werden noch Hans Asper und Iohanı Thomas, Züricher Künftler, - als Zeichner angeführt. Mit vem Terte des Belon und Rondelet at er auch deren Figuren copirt, und überhaupt alles aufgenommen , was er nur hat erreichen können. Bieles ift ihm dabei von feinen Freunden zugeſchickt worden, unter denen ziemlich oft Kentmann aus Meißen ericheint. Zu ven Eopien gehört 3. B. vie Abbildung der Giraffe nach der Reife des Georg von Breydenbach, des Sagonin, des Faulthieres, Sürtelthieres nach den von Elufius in deſſen Exotica gegebenen Abbil- dungen. Das Llama wird, bier wohl zuerft, bildlich dargeftellt nach 21) Eine oder zwei franzöfiiche Ueberjeßungen erwähnt Jar dine. Ich habe darüber nichts ermitteln Finnen. Nicht ohne Imtereffe dürfte eine chronologiſche Ueberſicht der Gesnerſchen Pnblicationen fein. Die Namen der Thierclaffen be- zeichen die lateinifche Historia Animalium und deren Theile. Es erſchien: 1551 - Vivipara, 1553 Icon. Quadrup., 1554 Ovipara, 1555 Aves, Icones Avium, - 1556 Nomenclat. Pisc., 1557 Bögelbud, 1558 Pisces, 1560 Icon. Quadrup. und Avium, 2. ed., und Piscium, 1563 Thierbuc und Fiſchbuch, 1575 Fiſchbuch, neue Aufl., 1582 Bögelbuch, neue Aufl., 1583 Thierbuch, neue Aufl., 1585 Aves, - nm. ed., 1586 Ovipara n. ed., 1587 Serpentes und Scorpio, 1589 Schlangen buch und Skorpion, 1600 Vögelbuch, neue Aufl., 1603 Vivipara, 1604 Pisces, 1606 Icon. Quadrup. und Avium, 1613 Schlangenbucdh, 1617 Ovipara und Aves, 2aa ed., 1620 Quadrup. und Pisces, 2da ed. 1621 Serpent., 1662 Schlangen- buch, 1669— 70 Gesnerus redivivus. Gesner's Werke kofteten während feines Le- beuns; die ſämmtlichen Historiae 71/4 Florene et paulo pluris (bazio forte) si bene miemini, bie fämmtlichen Icones einen Floren und 10 Baten. f. Epistol. mediei- * nal. C. Gesneri libri II. Tiguri 1577. fol. 149 v. 2 — eine beein Dartungen. | | einer Gebuer überfanbten Beidkuung eines im Juni 1558 aus Peru nach Antwerpen gebrachten Eremplars ; e8 heißt Allocamelus. Einige wunderbare Fehler ziehn fich durch die ganze damalige Fitteratur. Se ericheint ver Skorpion z. B. zum Theil mit Flügelveden, ganz fo bei - Gesner wie bei Matthiofi in deſſen Commentar zu Dioscorides, 2. Bud. Doc kann bier nur im Allgemeinen auf die Entwidelung der zoologijchen Abbildungen hingewiefen werden, deren Verfolgung im Einzelnen ſehr erwünfcht wäre 22). Leidet alfo nach Allem das Gesneriche Werk jehr an den Män— geln feiner Zeit, jo ift e8 doch mit vollem Recht als eines derjenigen zu bezeichnen , von welchen die Gründung der neueren Zoologie ausgieng. Mehrere der ihm anhängenden Mängel wären vielleicht ven Gesner jelbft befeitigt worden, hätte ihm das Geſchick eine freiere, von äußern Einflüſſen unabhängigere Stellung gegönnt. Und wenn er auch von feinen unmittelbaren Nachfolgern in fcharfer Beobachtung und wohl tieferer Auffaffung überholt wurde, jo hat er fich doch durch feinen um- | gehenern Fleiß, feine ausgedehnte Gelehrjamteit, ſowie durch fein glän- * zendes Sammmlertalent den Anfpruch gefichert, der erfte deutſche Zoolog genaunt zu werben. Nur wenige Jahre jünger war ein Mann, welcher mit ähnlichem Talent und Sammlerfleiß den großen Vortheil einer unabhängigen Stellung verband und diefe fowie eine weit längere Lebensdauer dazu benutzte, dem wifjenfchaftlichen Geifte feiner Vaterſtadt und fich felbft in einem gleich ausgedehnten und in mehreren Beziehungen noch tiefer eingehenden Werte ein bleibendes Denkmal zu errichten. Ulifjes Aldrovandi war am 11. September 1522 in Bologna gebo- 22) Außer A. Dürer, welcher viele Zeichnungen von Thieren gefertigt hat, mögen bier nur noch die beiden Hoefnagel und beſonders J Amman erwähnt werben (vergl. &. Beder, Jobſt Amman, Zeichner und Formſchneider u. ſ. w. Nebft Zufägen von R. Weigel. Leipzig, 1854. 80%). Er bat nicht bloß im Jagd⸗ buch, Reiterfunft, Geftüterei zahlreiche Thierabbildungen gegeben, ſondern vorzlig- lich eine ganze Sammlung foldyer zu Hans Bodspergers, von ©. Schaller in Reime gebrachtem Thierbuch geliefert (1569, 1579, 1592). Sehr gute Thierbil- der enthält auch der oben erwähnte Matthioli. welche aber nicht von Amman jein innen, da dieer zırr Zeit ihrer Publication (1559) zu jung war. F ufes Aldrovandi. 389 ven 23). Er ftanımte aus einer Familie, welche durch mehrere ausge: zeichnete Männer in dem heimischen Gemeinwejen zu großem Anjehen gelangt war und deren einer Zweig dem Grafenftande angehörte. Uliſſes Aldrovandi felbft glaubte fein Gejchlecht und das der Aldobrandini für urfprünglich identisch Halten und auf Hildebrand (Gregor VII, italiani- firt Mdobrandus) zurücdführen zu dürfen 24). Sein Vater ftarb, als Uliſſes ein Jahr alt war. Zumächft zum — beſtimmt, wurde er anfänglich in Bologna, dann in Brescia in ein Geſchäft gethan. In Rom, wo er eine ähnliche Stellung fuchte, fand er nichts ihm Zu— jagendes. Auf dem Heimwege begriffen begegnete er in Caſtel S. Pietro einem Sieilianifchen Pilger, dem er fich auf ver Wanderung nach Com- poftella und Genua anſchloß. Nach Ierufalem zu gehen hinderte ihn die Adgeneigtheit feines Neifegefährten. Da kehrte er nach Bologna zurüd und begann num in feinem fiebzehnten Jahre 1539 das Studium der ſchönen Wiffenfchaften. und der Rechte. Ein Jahr in Paduag benugte er zu philofophifchen und zum Theil ſchon mebicinifchen Studien. Nach: - - dem er ruhig in Bologna weiter gearbeitet hatte, fiel er 1549 in den Verdacht, ein Häretifer zu fein, umd wurde von dem Inquifitionstri- bunal ergriffen und als Gefangener nah Rom gebracht. Nach des Pabſtes Paul MI Tore und Yulins II Thronbefteigung wurde er frei und benugte den übrigen.Aufenthalt in Rom zum Studium und zu einer Schilderung der antifen Statuen, welche auch fpäter gebrudt wurde. Wichtig für ihn war, daß er in Rom Rondelet kennen lernte, - welcher als Arzt des Cardinal Tournon dorthin gefommen war. Von dieſem vorzüglich auf das Studium der Natur geführt, begann er dort zuerſt Pflanzen und Fifche zu ſammeln. Wie eifrig und erfolgreich er dieſer neuen Richtung feines Studiums oblag, beweift der Umftand, daß ihn ſchon 1553 Matthioli bei der Herausgabe feines Pflanzen- £ 23), Die Notizen über Aldrovandi’s Leben find vorzüglich entnommen aus -Giov. Fantuzzi, Notizie degli Scrittori Bolognesi. Tom. I. Bologna, - 1781. p. 165. Es werben hier mehrere Fabeln über Aldrovandi's Leben bejeitigt, - welche fich bei wiefen Neueren wieberholt finden, ebenſo ber Zweifel über jein Ge: % burtsjahr und Erzählungen über fein Lebensende. 24) f. die Debication des erften Bandes der Historia Avium an Pabft Ele — vm. B.Carus, Geſch. d. Zoot. 19 2.290 Beriobe ber encpflopäbifcfen Darflelungen. | werfes confultirte. Der Richtung feiner Zeit folgend ſcheint auch Al⸗ drovandi die Kenntnif der Pflanzen und Thiere zu medicinifchen Zwecken geſucht zu haben. Denn er ftubirte nun Medicin und erlangte am 23. November 1553 ben Doctorgrad. Auf den Wunfch feiner Ber- wandten bewarb er fich um einen erledigten Lehrſtuhl und begann vom folgenven Jahre auferordentlicher Weife feine Vorträge. Zunächit las er über Logik, nach zwei Jahren aber ſchon über die Meteore des Ari- ftoteles, fpäter die „Simplicia“, alfo Arzneimittellehre. Wie er zur Bervollftändigung feiner Kenntni und feiner Sammlung in jeven Fe rien naturbiftorifche Reifen unternahm, jo folgte er auch einer Auffor- derung nach Trient zu gehen, wo das Eoncil gerade tagte. Auf ver Rückreiſe befuchte er Faloppia in Padua, mit dem er jeit 1554 befreundet war. Bon 1561 an war er ordentlicher Lehrer der Simplicia. Als beſtes Mittel zum erfolgreichen Stubinm ver einfachen SHeilmittel ſchwebte ihm der Plan zu einer Anftalt für Beobachtung der lebenven - Pflanzen vor. Nach vielen Kämpfen glücte es ihm auch, 1568 bie be- treffenden Autoritäten in Bologna zur Gründung eines botanifchen Gartens zu beftimmen, den er zuerjt in Verbindung mit Ceſare Odoni und nach deſſen im Jahre 1571 erfolgtem Tode allein vorftand. Nach bierzigjähriger Lehrthätigkeit trat er am 6. December 1600 von feinem Amte zurück, nachdem er im Jahre vorher, im feinem fiebenundfieb- zigſten Jahre den erſten Theil feines großen zoologiichen Wertes , den eriten der drei die Vögel behandelnden Bände herausgegeben hatte. Seinen nicht umbedeutenden, durch den Reichtum der Sammlungen werthuollen Nachlaß vermachte er der Stadt Bologna. Er ftarb weder arm, noch blind, wie man häufig gejagt hat, am 10. März 1605 im Alter von 83 Iahren. Wie jhon das Leben Aldrovandi's mit dem Gesner’s verglichen ein für weit angelegte wifjenjchaftliche Pläne viel günftigeres war, fo fam erjterem der Umſtand jehr zu ftatten, mit größerer Leichtigkeit feine Sammlungen an Zeichnungen und Thieren vervolfftändigen zu können. Die nächfte Folge war, daß Aldrovandi nicht bloß eim reicheres Mate- rial zur Verfügung und zur Vergleichung vor fich hatte, fondern hier- durch fich gewiſſermaßen genöthigt ſah, Ordnung hineinzubringen. —— — 291 - Während Gesner ferner fein Werk im fünfunddreißigſten Lebensjahre nach und neben andern mühjamen Arbeiten veriffentlichte, bereitete fich Aldrovandi ein langes Leben hindurch auf das einige vor und gieng erjt im hohen Alter an die Herausgabe, fo daß der erfte Band erfchien, als er über noch einmal jo alt war wie jener. Auch war es für ihn ein nicht zu unterfchägender günjtiger Umftand, daß er Gesner’s Werk be- reits vollendet vor fich hatte. E8 wäre daher wohl zu verwundern gewe⸗ jen, wenn er nicht in mancher Beziehung gegen Gesner’s Leiftung einen Fortſchritt hätte zeigen jollen. Doch laſſen fich Hier nur, und uh nur im eingejchränkter Weife zwei Punkte nambaft machen: der Verſuch zur Sy- ſtematik und die Berücfichtigung der Anatomie. Er ift Hier nicht über die oberflächlichiten Anfänge hinausgekommen; und auf die Anatomie fcheint er erjt ſpät, wielleicht in Folge anderer litterarifcher Erjeheinungen auf- merkſam geworden zu fein. Eine Bejchreibung der anatomifchen Verhält⸗ niffe findet jich nämlich nur in den von ihm jelbjt noch herausgegebenen Theilen und zwar nur bei einzelnen Thieren. Seine Notizen, aus welchen dann die folgenden Bände zum Theil zufammengeftellt wurden, fcheinen feine Angaben darüber enthalten zu haben. Es ift daher wohl anzunehmen, daß er im jenen die betreffenden Zufäge erſt jpäter noch | - hinzugefügt bat. Bon jeinen großen Werke, weiches vem Plane nach die ganze Natur umfaffen jollte, hat er jelbjt nur fünf Bände vollenden können: die drei Bände mit der Naturgejchichte der Vögel, den mit den In- ſecten und den mit den „übrigen Blutloſen“, welchen letzteren feine Wittwe noch mit einer Dedication verfah. Die nächften hat fein Schüler und erſter Nachfolger im Amte, der Holländer Uterverius, die jpätern der Schotte Dempfter und Bartholomäus Ambrofinus hevansgege- - ben?s). Im ähnlicher Weiſe wie Gesner bringt auch Aldrovandi bei asien 25) Ornithologia, hoc est de Avibus historiae libri XII. Bononiae, 1599. - Tom. II. ibid. 1600, Tom. I. ibid. 1603 (dann: Francofurt. 1610, 1629, ; 1630, Bononiae 1646, 1652, 1691). Fantuzzi führt auch eine Separatautsgabe 2 — 2 der Bögelabbildungen an. De animalibus insectis libri VII. Bonon. 1602 (dann wid. 1620, Francof. 1623, Bonon. 1638). De reliquis animalibus exsangui- bus libri IV post mortem ejus editi (vom feiner Wittwe, aber 1605 im Drud BE yollendet Bonon. 1606 (dann: Francof. 1623, Bonon. 1642 und 1654). De 19* — En — — Pe TREE U AAT, a TE ET NR FR, Er I 4 — „ic * — — se LE ie er ER He N : - \ — * * * F * Br Vi ⁊ — — ——— — —— ——— — de “ ü — 292 en. = , den einzelnen Thieren, nach Umftänden auch bei den Gruppen, nicht bloß das rein Zoologifche, fonbern was ſich nur für Begiefungen von und zu den Thieren auffinden laffen, zufammen. Da der Drud feiner Schriften mit Unterftügung einzelner Perfonen und der Stadt Bologna erfolgte, iſt die Ausstattung im Ganzen eleganter und luxuriöſer als bei Gesner. So find z. B. die einzelnen Abfchnitte, deren er ungleich mehr vorbringt, ftets durch Abſätze und Ueberfchriften ausgezeichnet. Es werden, wo ſich Stoff dazu vorfand, nach einander abgehandelt : die verjchiedene Bedeutung des Thiernamens (Aequivoca), die Syno- nyme, die Form und allgemeine Befchreibung, die Sinne, die Ge- ichlechter, Aufenthalts- und Fundort, Sitten, Gelehrigkeit, Stimmen, Nahrung, Begattung, Jagd, Kämpfe, Antipathieen, Krankheiten, Ge- ſchichte, Myſtik, Moral, Hieroglyphiſche Bedeutung, Embleme, Babeln, - Sprichwörter, Nuten in der Mebicin, Verwendung zu Speifen u .f. w. Natürlich war e8 nur bei wenig Thieren möglich , diefe Lifte vollftän- dig zu erfüllen. Um Aldrovandi's Werk feinem Wefen und feiner Bedeutung nach richtig zu beurtheilen, ift es nöthig fich auf die von ihm felbft herausge⸗ gebenen Theile zu bejchränten, da einzelnen Notizen zufolge mehrere der übrigen Bände faft nur Aldrovandi’s Namen zu tragen fcheinen, ohne ihm irgend wie angerechnet werben zu können?%). Sieht man Piscibus libri V et de Cetis liber unus. Uterverius ed. Bonon. 1613 (damm: Francof. 1623 unb 1629, Bonon. 1623, Francof. 1640, Bonon. 1661). De Quadrupedibus solidipedibus. Uterverius ed. Bonon. 1616 (baum: Francof. 1623, Bonon. 1639 und 1649). Quadrupedum omnium bisulcorum hist, Uter- verius incep. Dempster ed. Bonon, [1613 nad Fantuzzij 1621 (dann: ibid. 1642, Francof. 1647, Bonon. 1653). De Quadrupedibus digitatis viviparis libri III. Barth. Ambrosinus ed. Bonon. 1637 (dann: ibid. 1645 unb 1665). Serpentum et Draconum hist. idem ed. Bonon. 1640. Monstrorum hist. cum Paralipomenis Histor. Animal. idem ed. Bonon. 1642 (dann : ibid. 1646, bie Paralipomena allein ibid. 1657). 26) Dempfter jagt im Epilog zu feiner Ausgabe ber Gejchichte der Einhufer: »et illud non perfunctorie te scire interest, certe mei multum refert, cum Ulyssis Aldrovandi nomine Rhinoceros, Camelus, Camelopardalis, Sus et Aper a me edäntur, nec illius viri maximi libros, scripta ac ne parietes qui- dem musaei unquam vidi. aan nuifſes Albrovandi =” 293 - num von den gelehrten Zuthaten ab, welche auch hier die einzelnen Ab- ſchnitte außerordentlich anſchwellen, fo läßt fich awar nicht leugnen, daß eine große Menge naturhiftorifcher Notizen in Aldrovandi's Werke ent- halten iſt; doch fehlt ihm eine entſprechend ausgedehnte felbftändige Er- fahrung. Allgemein genommen ift Gesner Fritifcher und mehr im Stande, an das von Andern Ueberlieferte ven Maßſtab ver eigenen Beobachtung zu legen. Bei Alorovandi wiegt die Compilation vor. Entjchieden reicher iſt daher des Letzteren Werk nur in Bezug auf Thier- formen, welche zu Gesner's Zeit noch nicht befannt waren. Es find dies befonders mehrere indifche, afrikaniſche und amerifanifche Thiere. Wenn aber auch Nashornvögel, Pfefferfrefier , ver indische Eafırar, Paradiesvögel (die Manucodiaten) hier erjcheinen, wenn das Zebra, bie Tridacna und andere Formen abgebildet und befchrieben werden, fo ift der birecte Gewinn aus der Kenntniß folcher neuen Arten nicht fo hoch anzufchlagen, fo lange nicht ihre Beziehungen zu bereits befaunten eingehender unterjucht werden oder ſobald fie nicht neuen, ven bisheri- gen Anſchauungen völlig fremden Ordnungen angehören. Beides war bier nicht der Fall. Ihr Auftritt hat weder die etiwa fo zu nennenden ſyſtematiſchen Auffaffungen, noch geographiich-zoologifche Gefichtspunfte beeinflußt. ® Die Anordnung der zuerft von Aldrovandi bearbeiteten Vögel ent- hält kaum einen wefentlichen Fortfchritt gegen Wotton und Belon, deſſen Specialwerk fpäter erwähnt werden wird. Zum Theil wird der Aufenthaltsort, zum Theil die Nahrung und auch die Form des Schna- bels bei ver Gruppenbildung berüdfichtigt. Die Adler eröffnen vie Reihe ; die Geier (aber nicht im heutigen Sinne), Habichte (unter denen auch die Würger und der Kuckuck erfcheinen), Falken und Nachtranb- vögel folgen (legtere mit dem Ziegenmelfer ; auch das Käuzchen, ulula, ſoll nach der eigenen Beobachtung Aldrovandi's Ziegen fangen). Cha: rakteriſtiſch für die oberflächliche Auffaffung ver ariftotelifchen Gruppen iſt, daß Aldrovandi die Fledermaus und den Strauß in eine Abtheilung vereinigt und als Vögel mittlerer Natur bezeichnet. Schon Wotton hatte die Fledermaus den Säugethieren eingereiht. An dieſe Ueber- gangsgruppe jchließen fich fabelhafte Vögel an, Greife, Harppien u. ſ. f. — 23 Die Papageien werben dann im einem — Waun gehe, Ihre Verwandtſchaft mit den Spechten, deren Kletterfüße ganz richtig dargeſtellt werben, iſt aber nicht erfannt worden. Letztere ftehen mit den Rabenartigen, Paradiesvögeln (Abbildungen nach fußlofen Bäl- gen), Baumläufern und Kreuzfchnäbeln in einer Ordnung, welche durch den Befi eines hräftigen und harten Schnabels ausgezeichnet ift. Die nächften zwei Bücher umfaſſen die wilden und zahmen „‚täubenden“, d. h. jih im Staube badenden Bögel, d. i. Hüh— nerartige im weitern Sinne. Bögel, welche ſich jowohl im Staube als im Waffer baden, jchildert das nächſte Buch, Tanben und Sperlinge. Dann folgen beerenfrefiende Vögel, ald Drofieln und Staare; dann würmerfrefiende: Zauntönig, Schwalben, Wiedehopf, Meiſen und Schmäter. Als Singvögel werben befonders Nachtigal, Finken, Lerchen und ähnliche zu einer Gruppe vereinigt. Die Balmi- peden und bie am Waffer Wohnenden, zu denen außer den Wadvögeln auch der Eisvogel gerechnet wird, ſchließen die Bejchreibung. Die mei- ften Arten find durch Abbildungen erläutert ; doch ift deren Vertheilung ſehr ungleich”). Die Anatomie ift berüdfichtigt beim Chryfaetos, wo das Stelet abgebilvet, die Muskulatur gefchilvert ift, beim Huhn, wo mehrfache , freilich jehr grobe Zeichnungen des innern Baues gegeben find. Auch vom Bapagey , der Fledermaus und dem Strauß find die Stelete abgebildet, von erjterem auch Muskeln befchrieben. Hier und da ericheinen noch Einzelheiten ; jo der Kopf mit der Zunge und ihren Muskeln beim Specht, Kopf, Trachen und Bruftbein beim Schwan; das Äußere Ohr bei der Eule u.a. Vom Greif und den Harpyien wer- den mehrere Figuren gegeben. Beim Belitan jagt Aldrovandi ausprüd- (ich, die eine Figur gebe ex nach ver Idee ver Maler und ver großen Menge und ftellt die Abbildung nach der Natur daneben. Die Infecten, von denen er aber die Kruſter ausſcheidet (fie er- jcheinen bei den „übrigen Blutlojen“) theilt er in fieben Gruppen. Die Wabenbildenden beginnen: Bienen, Drohnen, Wespen, Hummeln. 27) Während er 3. B. von 24 wilden Hühnern (Pulverizantes sylvatici) nur zwei nicht abbildet, finden fich umter den 16 Falken nur fünf, welche von einer Figur begleitet find. — lies aAltevbandi. Es a ee 206 - — die Schmetterlinge, bei denen er auch die Raupen ſchildert und abbildet. ſtung darbieten. Der Vollſtändigkeit wegen mag noch angeführt wer ⸗ Hierauf folgen die Zweiflügler. Zu den Schävenflüglern rechnet er _ noch außer ven Käfern die Heufchreden. Unter legteren erſcheinen Mantis und amerikanische Mantiden, Locuftinen und Aeridier charak- teriftifch abgebildet. Die mit Füßen verjehenen Obneflügler, unter welcher Gruppe er Ameijen, Wanzen, Flöhe, Läufe, Manlwurfsgrille, Skorpion, (die eine Figur hat noch Flügeljcheiden), Spinnen und Miy- riapoden zählt, bilden die VBermittelung zu den Würmern. Unter dieſer Bezeichnung werben die im Menjchen, in Thieren, in Pflanzen, Stei- nen und Metallen entftehenden, dann die Bohrwürmer, Erdwürmer und Nadtjchneden abgehandelt. Die Wafjerformen, Nepa, Stolopen- dra, Röhrenwürmer,, Blutegel und der Fiſch Hippocampus (mit er- fennbarer Abbildung) machen ven Beichluf. In Bezug auf die „übrigen blutlojen Thiere* folgt Aldrovandi ganz der von Wotton gegebenen Anordnung, indem auch er fie in Weich- thiere Cephalopoden), Kruftenthiere, Schalthiere und Zoophyten theilt. Unter den Schalthieren führt er die Balanen auf, während er die Yepa- ven bei ver Baumgans abbilvet, ohne einen genealogifchen Zuſammen⸗ bang mit diefer zu behaupten. Die Formen der Zoophyten find dadurch zahlreicher geworden, daß er mehrere Abbildungen von Actinien und _ Medufen, vorzüglich nach Rondelet zufammenftellt. Sein Verſtändniß diejer Thiere erhebt fich aber nicht über das feiner Vorgänger. Die üb- rigen nicht mehr von ihm felbjt in den Drud gegebenen Thierklaffen dürften aljo wie erwähnt fein reines Bild feiner zoologifchen Leis den: Bei den Fiſchen bringt er feine originalen Anſchauungen, ſondern N EN theilt fie, wie jeine unmittelbaren Vorgänger nach dem Aufenthalts- ort 2). Zu den Einhufern rechnet er auch den Elefanten. Das Einhorn ericheint hier zwar als gehörnter Eſel; der Abbildung nach ift es aber im eigentlichen Sinne ein Nashorn mit gefpaltenen Zehen. Die Zwei- 28) Er theilt fie ein in: Saxatiles, littorales, pelagii, qui in mari et flu- viis degunt, und fluviatiles. hufer follen nach der Einleitung befonders in Land» und Wafferformen zerfallen, zu welch’ legterer Abtheilung er nur das Nilpferd rechnen zu fönnen meint. In der Darftellung ſelbſt aber fehlt der Hippopotamus ganz (er kommt bei ven Digitigraden vor). Dagegen erjcheint num bier zwifchen Elf und Kamel das Rhinoceros wieder. Bei den Zehengän- gern find es auch vorzüglich nur äußere Gefichtspunfte, welche feine Eintheilung beftimmen. Den Löwen, Tiger und Bären vereint er mit bem Hippopotamus zu einer Gruppe, welche als diejenige mit ben größten Formen die Reihe beginnt, wodurch er natürlich bie Heinern Katenformen von ihren Nächftverwandten trennt. Die andern Arten folgen dann in entjprechender Weife. Bei den Schlangen und Drachen endlich ift Nichts nen, als eine Anzahl ſchwer wieberzubeftimmender Formen und die umftändfiche Gejchichte einiger fogenannter Drachen (Häufig nur befonders ausgezeichneter Schlangen), von denen er 3. B. einen als in der Nähe von Bologna geboren anführt. Frägt man num nach den Quellen, aus welchen Albrovandi ge ſchöpft hat, jo ftellen die bei einzelnen Bänden mitgetheilten Liften der benußten Autoren eine faft vollftändige Ueberficht ver damals überhaupt belfannten Litteratur dar. Denn ohne diefe Bezeichnung gar zu wört- fich zu nehmen: es fehlt doch kaum irgend ein bedeutender und unbe- beutender Schriftfteller vom Alterthume herab bis auf Gesner (welchen er als Ornithologus u. f. f. citirt), Belon und Rondelet, welche letz⸗ tere auch ihm vielfach das Material dargeboten haben. Wie den Text fo hat er auch die Abbildungen überall her zufammengetragen ; neben vielen Originalabbildungen finden ſich Gesner'ſche, Rondelet'ſche und Belon'ſche Figuren, ebenfo ſolche aus Reifebejchreibungen, die zu feiner Zeit erjchienen. Dabei ift er aber nicht immer jehr forgfältig gewejen. So gibt er die Abbildung des oftindifchen Caſuars aus ber „erften Reife ver Holländer nach Oſt⸗Indien“. Als derjelben Reife entnommen führt er unmittelbar darauf ein paar Kampfhähne und die Yomme von der Loms⸗Bay auf der Oranieninfel (insula Aurangiae) an. Letztere liegt aber bei Novaja Semlja und wurde von den holländiſchen Nord- oftfahrern unter W. Barent berührt, während die erfterwähnte Keije 3 er 6 Zoebannes Fonflomus. h = 297 E unter van Ned ftattfand 2°). Was feine Originalfiguven betrifft, fo er- ‚zählt er in ver Vorrede zum erften Bande der Ornithologie, daß er über dreißig Jahre hindurch einen naturhiftoriichen Maler mit einem Sahrgehalte von zweihundert Goldſtücken befoldet und aufervem a8 Zeichner den Lorenzo Bernini aus Florenz und Cornelius Swint aus. Frankfurt, als Holzſchneider Chriftoph Coriolanus und deſſen Neffen aus Nürnberg bejchäftigt habe. Die Holzjchnitte find allerdings als Schnitte durchjchnittlich gut, doch ſcheinen fie nicht mit der gleichen Sorgfalt gedrucdt zu fein wie die Gesner’ichen. Wenn nun in vergleichender Weife, mit Rücficht auf Gesner, nach der Bedeutung und Wirkſamkeit der Alprovandifchen Schriften gefragt werben foll, jo läßt fich tro der mancherlei offenbaren Mängel benfelben das Verdienſt nicht abfprechen, zuerjt wenigftens den Verſuch in größerem Maße ausgeführt zu haben, das immer mehr wachjende Material in irgend eine Art von Ordnung zu bringen. Daß Aldro- vandi dabei nur rein äußerliche Gefichtspunfte zu Grunde legte, daß er den von Wotton wieder betretenen ariftotelifchen Weg nicht weiter zu ver- folgen fuchte, lag in der ungleichen Entwicelung ver Kenntniß der äußeren Form und des innern Baues. In einem gewiffen Sinne machte fich hier ber fpäter oft zu beobachtende Umftand geltend, daß die Menge neuer Formen zunächit nur überhaupt untergebracht fein wollte, bis dann eine kritiſche Durchficht das Verwandte zufammenbringt, nicht Zufammen- gehöriges fcheidet. Wenn daher der innere Werth der beiden Compila- _ toren des fechzehnten Jahrhunderts für den Fortgang der Wiffenfchaft ein ungleicher war, fo hat Aldrovandi jedenfalls als eine Art Comple- ment zu Conrad Gesner in erfolgreicher Weije die Verbreitung eines tieferen Intereffes an Thiergefchichte fördern helfen. Der legte der drei Compilatoren der anbrechenden neuen Zeit, - welcher, ein Jahrhundert nach Gesner auftretend durch feine Sammt- lungen noch bis in Linne's Zeit Anfehen und Verbreitung genoß, war - Sohannes Ionftonus. Sein eigentlicher Name war John John ⸗ 29, Das Eitat findet fih im dritten Bande der Ornithologie (Bologna, 1603) ©. 543: »ut in eadem navigatione legitur, nämlid) in Hollandorum prima in - Indiam orientalem navigatione.« 4 RR Serinbeberemenlispäbiihen Darelungen. ftone; er ftammte aus einer alten fchottiichen Familie und war am 3. September 1603 in Samter bei Liffa geboren. Bon 1619—1622 ftubirte er theils in Thorn, theils in S. Andrews in Schottland. Nach Samter, wo feine Eltern angeſeſſen gewefen zu jein jcheinen, zurückge⸗ kehrt nahm er zunächſt eine Privatlehrerftelle an, gieng dann, um na- turwiflenfchaftliche und ärztliche Studien zu treiben nach Frankfurt, Leipzig, Wittenberg, Magdeburg, Berlin, Hamburg, 1629 nach Fran- eter, dann nach Leyden und nochmals nach England. Im Jahre 1631 war er wieder in feinem Geburtsorte, trat aber jehr bald mit zwei jun- gen Edelleuten von Neuem eine größere Wanderung an durch England, Frankreich, die Niederlande und Italien. Auf diefer Reife wurde er 1632 in Leyden Doctor der Medicin. Seit der Rückkehr von dieſer Reife, etwa 1633, ſcheint er feine Befigung in Schlefien (Ziebendorf? bei Liegnitz) nicht wieder verlaffen zu haben. Er jtarb dort am 8. Juni 1675. Jonſton - Scheint vorzüglich durch die Wunderbarteiten der Natur auf die jorgfäl- tigere Betrachtung derſelben bingeführt worden zu fein. Wenigftens erſchien als die erjte Frucht feiner litterarifchen, befonders während feiner Reife ausgeübten Sammlerthätigteit eine Gefchichte der Wunder⸗ barkeiten der Welt, die Thaumatograpbie?). Von ben zehn Bü- chern, in welche er diefe Schrift theilte, find die legten fünf ver beleb- ten Natur gewidmet. Hier jchildert er das Wunderbare der Vögel, Bierfüher, Blutlofen, Fifche und Menfchen. Es kommt nun zwar vabei manches Fabelhafte vor ; doch darf man nicht glauben, e8 ſei nur auf eine Zufammenftellung von Märchen abgejehen gewejen. Bei ven in- nerhalb der einzelnen Bücher im Allgemeinen alphabetifch geordneten Thieren werben vielmehr ebenjo gut eigenthümliche Structurverhältnifje wie biologische und jonftige Züge „nach denen bewährteften Autoribus“, wie man zu jagen pflegte, aufgeführt. Kann daher auch das Heine Schriftchen keinen Anjpruch auf irgend welche Bolljtändigfeit oder jy- ftematifche Anorbnung des Mitgetheilten machen , jo ift es doch durch⸗ aus nicht ohne Interefje als Zeichen der Gejchmadsrichtung und des weit verbreiteten Sinnes für Naturbetrachtung, ja jelbft nicht ganz 30) Thaumatographia naturalis in decem classes distincta. Amstelod. 1633 (die Borrede ift aus London vom Mai, 1630 datirt). Dann nochmals ibid. 1661. Be Zedanden Jonfomus. eg werthlos * — zahlreicher, kurz angeführter Siellen In Bezug auf eine Ausſprache eignen Urtheils iſt der Verfaſſer ſehr vor- fichtig. So erzählt er 3. B. vom Elefanten nicht feine Beobachtungen, trotzdem er anführt, einen jolchen lebend in Amfterdam gejehen zu ha— ben. Und über die Baumgans theilt er zwar einen Auszug aus ber Schrift des Michael Maier mit, überläßt indefjen dem geneigten Leſer jelbft zu entjcheiden, was wohl etwa an der ganzen Gefchichte ie fünnte, Aehnliches findet jich noch öfter. Bon größerer Bedeutung und auch von ausgedehnterer Berbrei- tung war das große zoologiſche Sammelwerf, welches Jonſton um die Mitte des fiebzehnten Jahrhunderts ericheinen ließ und welches feinen Namen dem Gesner’s und Aldrovandi’s anreihte. Es umfaßt ſämmt⸗ liche Thiergruppen, war aber anfangs nicht als ein Ganzes aufgefaßt, fondern wurde nach und nach in jeinen einzelnen Theilen als Gejchichte der Fifche, der biutlofen Wafferthiere, der Vögel, der Vierfüßer, ver Infecten und der Schlangen veröffentlicht. Im fpäteren Auflagen exit erhielt es den Titel eines Univerfaltheaters der Thiere. Es erjchien lateinifch und wurde auch nur in das Holländifche,, der Theil von den Vögeln auch in das Franzöfifche überjegt *). Die Tafeln geben aber außer den lateinischen Namen ver Thiere noch deren deutjche Bezeich- 31) Die Reihenfolge der Ausgabe der verjchiedenen Theile ift folgende: De Piscibus et Cetis libri V. Francofurt. 1650. De Exanguibus aquatiecis libri IV. ibid. 1650. De Avibus libri VI. ibid. 1650. De Quadrupedibus libri. _ ibid. 1652. De Insectis libri II. ibid. 1653. De Serpentibus libri II. ibid. 1653. Sämmtliche Theile erichienen dann: Amstelodami 1657, die beiden De Insectis und De Serpentibus nochmals ibid. 1665. Eine Ausgabe: Heilbronn, - 1755—67 begann mit den Bierfüßern und jchloß mit dem Fiſchen und blutloſen Waſſerthieren. Ein ſämmtliche Theile umfaſſender Drud fam zu Rouen (Rotho- masi) 1768 heraus. Alle Theile mit einem Zufat über die File von Amboina erichien als Theatrum universale omnium animalium cura Henr. Ruyschii, - Amstelod. 1718 (ohne Jonftons Namen), ein Titel, welcher auch von der Heil- bronner Ausgabe wiederhoft wurde. Die holländiſche Ueberfegung von M. Gran: Sins erihien Amfterdam 1663. Die VBögelhiftorie wurde überfegt als; Histoire - naturelle et raisonn6e des differens oiseaux qui habitent le globe. 2 Tom. en I Vol. (mit den 62 Tafeln des Originals) Paris, 1773. Soviel zu ermittelt ift, - find diefelben Tafeln bei allen Ausgaben benutzt worden. Nach dem Thierreich hat EEE UT 2 REN - Sonfton kurz auch das Pflanzen- und Steinreidh abgehandelt. 800 Beriobe ber emepflopäbifehen Darſtellungen | nung. Die Schilverung der einzelnen Arten ift bei Ionfton viel kürzer zufammengebrängt, als bei feinen Vorgängern. Es findet fich hier nicht die Spaltung des Textes in zahlreiche einzelne Rubriken, ebenjo- wenig wie der bei Gesner hervortretente Aufwand von Gelehrjamteit. Zwar werden reichlich Citate und Verweifungen auf andere Autoren beigebracht ; doch ift faft Alles weggelaſſen, was nicht zur Naturge- ſchichte, Benennung und medicinifchen Verwendung gehört: Das Yep- tere fpielt noch immer eine große Rolle und weift darauf hin, daß zwar bie Thiere nicht ftreng genommen als „Simplicia“ den pflanzlichen Heilmitteln an die Seite geftellt wurden, daß aber ihre Heilwirkung doch noch immer ein Aushängefchild war, unter welchem Schriften über das ganze Thierreich einen größeren Leſerkreis zu finden glauben durften. Eigene Beobachtungen find kaum bei Ionfton zu bemerken ; auch ift die von ihm geübte Kritik micht fchärfer als bei Aldrovandi. Der allgemeine zoologifche Standpunkt ift gleichfalls derfelbe. Gattung und Art haben noch feine andere Bebeutung erhalten, fie gelten auch bier noch als Bezeichnungen für formale Unterorbnung. Anatomifche Berhältniffe werden nur foweit berüctfichtigt, als fie von den Gewährs- männern dargeboten werden und find nicht jelbftändig nachumterfucht worden. Im Bezug auf die Elaffification ift nur infofern ein Unter- ſchied gegen Aldrovandi eingetreten, als Ionfton bei der außerordent⸗ lichen Kürzung der ganzen Darftellung einige Abtheilungen jchärfer bervortreten läßt, ohne fie jedoch deutlicher zu charakterifiren. Von einer etwaigen Verwendung anatomifcher Merkmale ift nirgends etwas Weiteres zu bemerken. Die Abbildungen find die Gesner’schen und Aldrovandi ſchen, zu denen noch mehrere Originale und Copien, vor- züglich aus Reiſewerken Maregrav u. A.) fommen. Während aber bis jetst bei umfaffenden Werken nur Holzichnitt angewendet war, er- ſcheint hier (wie auch bei mehreren der fpäter zu ſchildernden Special- werke) ver Kupferftich. Als Künftler wird auf dem Titel wie auf vielen Tafeln Matthias Merian (ver jüngere) angegeben 32). Die Figuren 32) Sohn des, durch die Herausgabe der Topographien belaunten Matth. Merian (1593— 1650). Er war 1621 geboren und ftarb 1687. Er ift der Bruder ber durch ihre naturbiftoriichen Abbildungen befannten Maria Sibylle Merian. 0 gopammes Iomflomus. 0.30 - find ſehr fauber gezeichnet und bieten im Ganzen einen entichiedenen Fortjehritt var. Doch find freilich noch nicht,alle Thiere nach diefen Abbildungen ficher wiederzuerfennen und zu beftimmen, da eben gar manches Einzelne für ganz unwichtig galt, was fpäter von der größten Bedeutung für die Unterjcheivung verwandter Formen geworden ift. Geht man auf Einzelnes näher ein, jo erjcheint zuerjt die Anord- nung der Fifche infofern logifcher als bei Mldrovandi, als hier der - Aufenthaltsort conjequent nur in Bezug auf die Wafjerart zur Einthei- - fung benugt wird. Jonſton gibt daher nur drei Claſſen: Seefifche, Fische, welche fowohl im Meere als in Flüffen leben, und Süßwaffer- fiiche. Die beiden Aldrovandi'ſchen Elaffen der um Feljen und am Strande lebenden Fifche werden hier nur zu Unterordnungen. Den drei Claſſen fügt Ionfton noch eine vierte mit ausländiſchen Fijchen zu, welche vorzüglich die brafilianifchen Arten aus Maregrav's Werk ent- hält. Er betrachtet fie aber nicht als jelbftändige Elaffe, jondern jagt ausdrücklich, daß fich dieſe Fiiche wohl in die andern Clafjen hätten einorbnen laffen, wenn ihm das Marcgrav’iche Werk vechtzeitig befannt geworden wäre. Die Vertheilung der einzelnen Arten in die Claſſen, Titel und Kapitel ift durchaus nicht immer naturgemäß. So bringt er unter den Seefifchen (mit drei Titeln: pelagiiche, Felſen- und Strand» fijche), und zwar unter ven pelagifchen , die Haie zu ven glatten, bie Nochen zu den platten und vereinigt mit lettern auch Lophius, wäh rend er den Sägefifch (mit einer fabelhaften Abbildung) zu ven Wa _ thieren bringt. Letztere trennt er zwar jcharf von den Fiſchen, er ver einigt aber auch die Robben und das Walroß mit ihnen. Die biut- (ofen Wafferthiere vertheilt er wie Aldrovandi in die vier Wot- ton’schen Claſſen der Weichthiere (Cephalopoden), Krufter, Schalthiere und Zoophyten. Auf den zugehörigen Tafeln finden fich diefelben Fi- guren, zum Theil verkleinert, zufammengeftellt, welche bei Gesner, Aldrovandi, NRondelet vorfommen. Auch bei der Claffification der - Bögel macht fich etwas mehr Conſequenz bemerkbar, da Jonſton bie - Ernährung, Schwimm- und Spaltfüigfeit ſtrenger hervorhebt; freilich ohne dadurch an der Zufammenftellung der Gruppen wejentlich zu än- - dern. Er beginnt mit ven Fleifchfreffern, läßt dann die Pflanzenfreffer, 2008 Beriobe ber enepliopkbifghen Darftelungen. dann die Infectenfreffer, welche beide er in ſingende und nicht fingenve trennt, jedoch nach ziemlich willkürlicher Art, endlich die Schwimm- füßler und Spaltfüßler folgen. Wie bei den Fiſchen hängt er hier noch ein Buch an mit ausländischen, befonders amerikaniſchen Vögeln , wo die Paradiesvögel, der Eafuar (beives nach ven bekannten Abbildun⸗ gen), der Dodo (nach van Ned’s Figur) und der Eolibri, Tomineius und Pinguin nach Maregran gefchilvert werden. Ein Anhang handelt von den fabelhaften Vögeln , Greife, Harpyien u. f. w. Würger, Bie- genmelter, Strauß, Fledermaus erfcheinen hier an denfelben Orten in feiner Aufzählung wie bei Aldrovandi. Die auffallendften Kürzungen machen fich, wein man vie entiprechenden Theile von Aldrovandi's Werk mit Ionfton’s vergleicht, bei ven Bierfüßern geltend. Wäh— rend dort für jede der drei auf die Befchaffenheit der Füße gegründeten Claſſen ein ftarter Band vorhanden war und in einem Ähnlichen auch bie eierlegenden Vierfüßer gefondert gefchilvert wurden, find diefe Grup- pen bier nur in einzelnen Büchern eines mäßigen Bandes abgehandelt. Die Einhufer beginnen, vem folgen die Zweihufer und die Spaltfüher, Digitata, und die Eierlegenden machen ven Beichluß. Die Anordnung im Einzelnen erinnert ganz an Aldrovandi. Zu den Einhufern rechnet auch Ionfton das Einhorn und ven Elefanten, trotzdem er von legterem beffere und in Bezug auf die Füße etwas richtiger gezeichnete Abbil- bumgen gibt. Die Zweihnfer theilt auch er in Land» und Wafjerthiere, führt aber nun wirklich den Hippopotamus als einzigen Vertreter ver letzteren hier auf. Den erjteren rechnet auch er, wie Aldrovandi, das Schwein zu. Die Digitata treunt er in wilde, balbwilde und zahme ; zu ben letzteren gehören Hund und Kate und außerdem mehrere viefen verwandte Fleinere wilde Formen, wie die Zibethlate u. a. Bei ven halbwilden Spaltfüßern gehen Nagethiere und Wiefel, Faul⸗ und Gür- telthiere, Meerſchweinchen und andere Formen, der entiprechenven Größe nach, bumt burcheinanver. Es fehlt eben noch ganz der natur- biftorifche Blick, der auch ohne Kenntniß anatomischer Mebereinftim- mung äußere Merkmale zur Erfaffung verwandtichaftliher DBeziehun- gen zu benugen fucht. Die eierlegenven Vierfüßer zerfallen in folche, welche eine häufige, und foldhe, weiche eine Harte äußere Bedeckung ha⸗ 12. Sehiiiines Fonflouus.-. 22 Sr — - ben. Letztere Gruppe wird nur von den Schildkröten gebildet, während zur erftern Froſch, Eivechje, Salamander, Chamäleon, Krokodil u. a. gehören. Auch bei ven Infecten ift die Eintheilung etwas confequenter als bei ven Früheren. Sie werden zunächit in Land- und Wafferfor- men getheilt, erjtere dann wieder in jolche mit Flügeln und Füßen, mit Füßen, aber ohne Flügel und folche ohne Füße und ohne Flügel. Hier- durch erhält er vier Claſſen, von denen die erjte, Injecten mit Füßen und Flügeln, nach dem Fehlen oder dem Vorhandenfein von Flügel- beden in zwei Gruppen getheilt wird. Die Gruppe ohne Flügeldecken bilden die Bienen, Libellen, Wanzen, Schmetterlinge und Fliegen, unter welch’ letzteren auch einige Ichneumonivden erjcheinen. Die zweite durch das Vorhandenſein von Flügelveden charakterifirte Gruppe ma- chen die Heufchreden und Käfer aus. Zu den Landinjecten mit Füßen aber ohne Flügel gehören nach-Ionfton Ameiſe, Skorpion, Spinnen u. a., ebenfo auch die Raupen. Bon letteren führt er mehrere Ent: ftehungsarten an ; jo follen fie nach Ariftoteles und der Anficht einiger Andern aus den grünen Blättern, 3. B. des Kohls, nach Plinius aus verdichtetem Thau entftehen, während Andre fie aus Schmetterlingen hervorgehen lafjen. Er jagt hier ausprüdlich, daß er nicht zweifle, fie fönnten auf jede diefer Arten ihren Urjprung nehmen >). Unter den Wafferinfecten finden fich auch hier wieder Seefterne, Meerwürmer, Lamprete, Meernavel und Hippocampus neben Wafferwanzen umd % im Waſſer lebenden Injectenlarven. Das Schlangenbuch endlich wird im zwei Abſchnitte getheilt, von denen der eine die gewöhnlichen Heinen Schlangen, der andere die Drachen umfaßt. Auch hier jchließt ſich Jonſton faft ganz an Aldrovandi an, indem er nur noch volljtän- diger die bis zu feiner Zeit erfchienenen Abbildungen (u. A. wieder mehrerer amerikanifchen Formen) zufammenftellt. Er gibt dabei auch die, - nach Aldrovandi verkleinerte Figur des Stelets einer Natter, an wel- cher aber hier ebenfo wie an feinem Original außer der Trennung ver - beiden Unterkieferäfte gar nichts von oſteologiſchem Detail zu jehen ift. ’ 33) Die ganze Stelle ift faft wörtlich genommen (mit Einſchluß bes aus Mouffet’sumten zu citirendem Werke, S. 191. Mit Ionfton’s Werte ſchließt die Nee der eigentlichen enchklo- päbifen Darftellungen ab *), welche bis zur formalen Neubegründung der Zoologie den ausgebreitetften Einfluß auf die wiſſenſchaftlichen An- fichten äußerten. Sie waren alle infofern einfeitig, als fie troß aller gelehrten Zuthaten, mehr oder weniger vorwiegend die äußere Beſchrei⸗ bung der einzelnen Thiere bezwedten, ohne auf deren Bau und Ent- wickelung, fowie auf die zeitliche Aufeinanverfolge der verjchiedenen Formen irgendwie in bewußter Weife Rückſicht zu nehmen. Die Wieder- erfennung der in ihnen gejchilverten Arten wird zwar burch die Abbil- dungen fowie durch ausführliche Mitteilung einzelner Züge aus ihrem Leben in den meiften Fällen ziemlich gefichert. Doch bieten bei mans chen Formen der Mangel des Begriffes der Art jowie einer wiflen- fchaftlichen Definition und Namengebung gewichtige Hinvernifje dar für eine zweifelloje Beziehung dieſer früheften Berichte über auslän- bifche Arten auf fpäter ſyſtematiſch bejchriebene. Natürlich fchöpften dieſe Thierbücher hinfichtlich einzelner Claſſen ihr Material vorzüglich aus Einzelfchilderungen derſelben. Sie konnten num zwar dieſe, wenn nicht ausgedehnte Specialunterfuchungen zur Beftätigung oder Berich- tigung zu Hülfe genommen wurden, nicht völlig erfegen und ihrem wiſſenſchaftlichen Werthe nach überflügeln ; fie mußten aber durch die umfaffende Art ver Mittheilung, durch welche die Yefer- fofort dem ge- fammten Thierreich, zum Theil in feinen fämmtlichen Beziehungen zu andern Wiffensgebieten,, gegenübergeftellt wurden, eine nachhaltigere Wirkung ausüben. Spätere Monographen werden daher wohl bei Au- toren, wie Belon, Rondelet u. A., anknüpfen müffen. Wie fich aber das Intereſſe im Allgemeinen nicht auf einzelne Claſſen bejchränfte, werthvolle Einzelarbeiten ja auch num über Fijche, Höchftens noch über Imfecten erſchienen, jo konnte dem weiteren Bedürfniß nach genauerer Kenntnif der Thierwelt in allen ihren Geftalten nur durch derartige Sammelwerfe begegnet werben. Sie dienten fo lange, bis die große, 34) Der Bollftändigteit wegen mag noch erwähnt werben: Edw. Topsell, The historie of fourefooted Beasts collected out of all volumes of C. Gesner etc. London, 1607 und The historie of Serpents. ib. 1608, beide Bände 1658 nohmals gedrudt mit der englifchen Ueberfegung von Mouffet’s Werk. SDohann Sperling. | 305 nun mit faft jedem Sahrzehnt beveutenver zunehmende Menge neuer Formen auch ganz neue Mittel der Orientirung erforderte. x Neben den umfangreichen und wenngleich wiederholt gedrudten Doch immer nicht in die Hände der Lernenden kommenden Enchklopädien traten aber ſchon in der worliegenden Zeit kürzer gehaltene Schriften auf, welche nach Art der fpätern Handbücher in compendidjer Weife das Wiſſenswürdigſte überfichtlich darzuftellen fuchten. Ob zu diefer Claſſe ein Werk Heinrich von Hövel's gehört), welches „die Natur und Eigenfchaften dev Thiere* befchrieb , auch mit Holzfchnitten verjehen war, läßt ſich ohne Anficht des wie es fcheint felten geworbe- nen Buches nur vermuthen. Recht eigentlich als Hülfsbuch für Stu: bivende ftelft fich dagegen das Buch des Wittenberger Profeffor Jo— bann Sperling dar, welches jchon nach der Form und ver An- ordnung des Stoffes als einen praftifchen Zweck verfolgend gefenn- zeichnet wird. Joh. Sperling war im Jahre 1603 geboren, wurde Profeffor der Naturwiſſenſchaft Phyſih) in Wittenberg und ftarb als jolcher 1658, Die Zoologia physica gab nach feinem Tode (1661) der Profefjor der Eloquenz Georg Kaspar Kirchmaier heraus 3%), welcher jelbjt wegen einiger zoologifchen Arbeiten noch zu erwähnen fein - wird. Die ganze Anlage ift ftreng methodiſch, wie fie fpäter vielfach wiederholt und durchſchnittlich wohl bei allen ähnlichen Compendien zu Grunde gelegt wurde. Das Proömium fowohl als die beiden Haupt: theile, ein allgemeiner und ein fpecielfer , geben immer zuerft das Wif- jenswerthe in der Form von Lehrfägen oder Präcepten, welche dann durch einzelne mit ausführlichen Antworten verjehene Fragen näher erörtert werben. Zumweilen werden auch noch bejondere Ariome diefen Auseinanderjegungen angereiht. Die Einleitung beginnt mit einer De— 35) 9. von Hövel, Neumwer wunderbarlicher Thiergarten: in welchem ber unvernünfftigen irdiſchen Gethieren, auch der Bögeln und Fiichen Natur und Ey: genjchafften bejchrieben ꝛe. Frankfurt a. M. 1601. 40. 36) Joh. Sperling, Zoologia physica posth. brevi et perspicuo or- dine, ab ipso cum in vivis esset autore adornata. Accessit in fine disputa- fionum zoologie..hexas (Kirchmaieri) de Basilisco etc. Lipsiae 1661, dann Wittebergae, 1669. Sperling jelbft hatte ſchon einige zoologifche Differtationen veröffentlicht, jo 1641: de Leone, Aquila, Delphino et Dracone. Witeberg. B. Carus, Geſch. d./Zool. 20 Ru Pe TR Me re RE a ieh ner at" A en N Br aaa BE a A Te er Er RN. ae Pr Pen — Bi m Un en 0 „ae — PET ya VE ET Re $ a a — — NR ” en — De RE ER a er —— ut EA — — en R — Fa RE . Kr —— he" WIRT 2 * * Fi 2 3 “ x a N a ö LE, Pe * —X « D + LE * a 5 * ae 5% Een 206 Beriobe ber encpliopäbifcien Darftellungen. finition ber „phyfiichen Zoologie‘ und deren Eintheilung. Die Zoologie ift danach die Wiſſenſchaft von ven Thieren (bruta) fofern fie Natur- förper find; fie wird in einen allgemeinen und einen fpeciellen Theil geichieden, wovon der erfte das Thier als folches (in genere) betrachtet und deffen Natur erörtert, währene der zweite die Thierarten (species) und beren Naturen barftelit. Daß auch bier noch nicht von Species und Genus als natürlicher ſyſtematiſcher Gruppen im fpäteren Sinne die Rede ift, beweift die nähere Erklärung deſſen, was im fpeciellen Theile zu behandeln ift. Hier heißt es ausdrücklich: „die Bibel bezeugt, daß Salomon von den Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fiſchen gehandelt habe. Dies find jene „Species“, unter welchen zahlreiche an- dere einbegriffen werden“. Nicht ohne Intereffe für die Beurtheilung der damaligen fogenannten wifjenjchaftlichen Zoologie ift es, daß in einem ber Artome, welche diefem erjten Kapitel ver Einleitung ange: - hängt find, ver Sat erwiefen wird, daß die Zoologie eine ſehr jchwie- rige Wiffenfchaft fei. Dabei wird vorzüglich auf die große Zahl der be- fehriebenen Thierformen , mit ihren Namen, Kräften und Thätigfeits- änßerungen hingewiejen und namentlich angeführt, es feien allein vier- zig Gattungen Käfer, fünfzig Gattungen Raupen, fiebzig Gattungen Fliegen und von Schmetterlingen über hundert Gattungen beobachtet worden 7). Nachdem mım feftgeftellt ift, was Zoologie fei, unterfucht Berfaffer im zweiten Kapitel, was das Thier fei. Dabei wird der Be- griff brutum dem andern, animal, als einem höheren untergeorbnet und durch ven Zufag „unvernünftig“ näher bezeichnet. Ein Thier im Allgemeinen , nämlich animal, ift ein befebter empfindender Körper, und danach ift ver Menjch ebenfogut ein animal wie der Löwe. Menjch und umvernünftiges Thier find daher feine contradiftineten Species ; wohl aber Menſch, unvernünftiges Thier (brutum) und Pflanze. Es ift dies vielleicht die erfte Andeutung einer Auffaffung von der Stellung 37) »Nomina brutorum faciesque externas novisse parum est. Imperi- torum habitum fuit detineri in minoribus: formas vero earumque virtutes et operationes tenere, permagni momenli res est ...... Per tot animalium formas et species ire, laboriosissimum est. Observata sunt Scarabaeorum genera quadraginta etc. BEER ra 907 des Menfchen, wie fie fpäter zur Bildung eines befondern Naturreichs für ihm führte. Im erften allgemeinen Theile wird nun zuerſt won der Thierſeele, dann vom Thierförper gehandelt. In Bezug auf die See- (enäußerungen wird nach fpiritwaliftiicher Auffaffung die ganze Lehre von den Sinnen, ben Affecten, der Locomotion durchgegangen , ohne jedoch, wie es ja bei letsterer 3. B. nahe gelegen hätte, das Zuftande- fommen der einzelnen Erjcheinungen aus dem Baue ver betreffenden _ Organe abzuleiten. Dabei kommen zwar Neußerungen vor, welche weir tern Unterfuchungen wohl hätten als Ausgangspunkte dienen können wie Berfaffer 3. B. fagt, daß zwar Gott im Anfang die Seelen ver Thiere mit ihren Körpern erfchaffen habe, daß fie aber fpäter bei der Fortpflanzung erſt mit entftünden. Doch beißt es an einer andern Stelle wieder, beim Schließen des einen Auges werde das andere größer wegen bes Eintritts größerer Mengen „Spiritus“. Daß die Fiſche Hören, daß alſo pas Hören ımter Wafler möglich und wahr fei, wird aus der Thatfache gefolgert, dag man Fifche durch Läuten mit einer Glode an einen beftimmten Fütterungsort vufen kann. Bon Muskeln ift hier bei der Locomotion ebenfowenig die Rede als im zweiten Kapitel, wo der Körper der Thiere befprochen wird. Es werben fefte, oder andere enthaltende, und flüffige, oder in andern enthaltene Theile unterfchieden und ihnen als dritte Gruppe noch Anstoß gebende Theile, Spiritus, an die Seite geftellt. Letztere find natürliche, vitale und animale Spiritus. Man fieht, daß es noch vollftändig an Haren phnfiologifchen VBorbegriffen fehlte, daß man vielmehr meinte, um 2e- benserjcheinungen erklären zu können, müſſe man im alten Galenifchen Sinne zu unbekannten räthielhaften Einflüffen feine Zuflucht nehmen. Der zweite fpecielle Theil des Sperling’ihen Werkes ift dadurch nicht unintereffant, als der Verfaſſer zum erftenmale verfucht hat, die auf- gezählten Ihierarten durch kurze präcife Definitionen, welche er auch bier in den „Präcepten“ voranftelit, zu charakterifiven umd dieſe dann durch weitere Ausführungen näher zu erläutern. Es macht fich aber babei fowohl eine völfige Vernachläffigung der wichtigern Äußeren 300+ logiſchen Merkmale als eine Unbekanntjchaft mit felbft leichter zu er⸗ mittelnden anatomiſchen Verhältnifien geltend, wenn er z. B. gegen - 20 * 308Peniode ber encpflopäbifchen Darftellungen. dem Gebrauch alfer feiner unmittelbaren Vorgänger die Vierfüßer zwar als „Sangthiere mit Kopf, Hals, Rüden, Bauch und vier Beinen“ de finirt, das Verhältniß ihrer Fortpflanzung aber ganz vernachläfjigt und Eidechſe, Salamander, Froſch zwifchen die andern Vierfüßer bin- einftelit. Und die Diagnofen, ſelbſt wenn man die Präcepte, welche die einzelnen Thiere charakterifiven follen, jo nennen darf, find ohne Rück⸗ ficht auf Merkmale entworfen, welche einigermaßen ficher und won der Körperbeichaffenheit, auch ohne anatomifche Unterfuchungen zu fordern oder vorauszufegen, ableitbar wären. Bei den Bierfüßern wird häufig (bei den Bögeln ausnahmslos) die Art der Yaute, welche die Thiere äußern, bezeichnet. So heißt es beim Wolfe, er fei ein vierfüßiges Thier, welches beule, jehr räuberifch, ſehr gefräßig und den Schafen jehr feindſelig fei; vom Hunde, er fei ein vierfüßiges Thier, welches beile, geſcheidt, wachſam fei umd feinem Herrn wunderbar fchmeichle. Die einzelnen Arten werben auch hier der Größe nach abgehandelt und fom- men daher bei den Heineren Arten Kate, Hafe, Eichhörnchen, Wieſel ohne Rüdficht auf etwaige Berwandtjchaft durcheinander ; ja e8 werben fogar ihrer Größe entiprechend wie erwähnt Eidechfe und Froſch vor dem Maulwurf und der Maus befprochen. Das Gleiche gilt auch für die Vögel im Allgemeinen 9). Wie bei Früheren beginnen zwar auch bei Sperling der Adler, Habicht, Geier, dann folgt ver Strauß, Kra- nich, Storch, Reiher; auch der Schwan und die Gans ftehn noch neben einander ; aber auf die letztere folgt ver Pfau, der Truthahn, der Hahn und dann erft kommt die Ente an die Reihe. Die Fiſche charakterifirt ber Berfaffer als ſchwimmende Thiere mit Kiemen, Floſſen, Schuppen, Gräten und einer Blafe im Bauche (alfo ver Schwimmblafe). Doch ift er hier nicht comjequent. Denn im nächſten Kapitel werden bie Waſſerthiere abgehandelt, und da heißt es: der Wal ift ver größte im Meere lebende Fifch, mit Lungen und lebendige Junge gebärend. Dazu gehört der Delphin, der Walfiich, die »„phocaena orca ete.« Beim Lachs welcher im folgenden Kapitel gejchilvert wird, gedenkt er nun bes oben 38) Die Aquila heißt avis clangens, aceipiter ift avis pipans, vultur pul- pans, der Strauß lugens, der Kranich gruens, der Storch glottorans, die Reiher wieder clangens u, f. w. EBbhanm Sperling. · 309 - vorausgehenden und auch ver in der allgemeinen Charakteriftiterwähnten Kiemen nicht noch einmal befonders. Die Wale rehmen alfo bei ihm eine Ausnahmeftellung ein, Der Abjchnitt über die Fifche ift übrigens, wie die folgenden, ſehr kurz. Ihm ift ein Appendir angefügt , welcher ven Krebs fehilvert. Die Neihe der Schlangen eröffnet der Drache, wel- cher als die größte Schlange bezeichnet wird. Daß er Flügel habe, verneint Sperling, fügt indeffen hinzu, daß ev nicht leugnen wolle, dev Satan könne unter ver Geftalt eines geflügelten Drachen den Uebel: thätern erfchienen fein. Bon eigentlichen Schlangen werden dann nur Aspis, Vipera und Natrix angeführt. Den Beichluß des Ganzen ma— chen die Infecten, welche er ganz richtig als durch die Körpereinſchnitte charakterifirt hinſtellt. Aufgezählt werden Biene, Ameife, Spinne, Fliege, Schmetterling, Heufchrede, Wurm, Wanze und Laus. Das, was Sperling in diefer, nach feinen Borlefungen entworfenen Schrift bietet, iſt nun allerdings dürftig; doch mag es wohl für das angefehen werden fünnen, was man bei der erften Einführung in die Kenntmid vom Thierreich für das Nothwendigſte oder Wiffenswerthefte hielt. Bon Intereffe ift es zu jehen, daß zu Sperling’s Zeit die Idee von der Zer- ftörung gewiffer Thierarten durch die Sindfluth fich zu verbreiten be- gann. Er theilt beim Einhorn mit, daß es Leute gebe, welche glaubten, es fei das Einhorn in der Sinpfluth untergegangen und es fünde fich jetst nur noch das Horn. Doch fügt er abwendend und befehrend hinzu, die Sorgfalt des Schöpfers fei jo groß, daß Feine Art untergebe, | Es fehlt leider an Nachrichten, wie die vorftehend befprochene Schrift im Allgemeinen aufgenommen worden ift. Aus anderweitigen Thatjachen geht aber hervor, daß in Folge der beftindigen Religions: wirren und namentlich während der nach dem breißigjährigen Kriege über ganz Mitteleuropa hereinbrechenden geiftigen Abjpannung eine Beichäftigung mit dev Natur vielfach als eine Erholung und Erguidung angefehen und benutt wurde. Durch die fich langſam vergrößernde - Zahl ver bekannten und bald auch Häufig genannten Thierformen ge- warn auch allmählich eine eingehendere Behandlung die Oberhand ge- genüber der oberflächlichen Schilverung einzelner Züge aus der Thier- geichichte, wie fie theils, oft genug wohl mehr der Unterhaltung und a FE ET a ee LE ST en 1: Ba ET N EN Ba, Fe EFF a en — — un He u a a a er re r 2 ee EEE = —ã a —— a 3 —— ae re ET in “ —— —— — ————— — + Da ET SE ed —— arte + * — ar ER 7 er FR a * — —— m * — —— Mae: # 310 = Periode ber enchllopãdiſchen Darftellungen. Vollſtändigkeit wegen in Reiſeberichten, theils beiläufig neben andern Sachen in mebicinifchen Schriften mitgetheilt wurden. Es fand in- deſſen, wie ſchon früher angebeutet, im vorliegenden Zeitraume eine Richtung der Zoologie eine befondere Entwidelung, welche urfprünglich ‚freilich ohne große Anſprüche auf jelbftändige Förderung der Thier- fenntnif doch am Schluffe der Periode zu einem der gelehrteften Werte führte, welche die hiftorifche Zoologie überhaupt aufzumweifen hat. Es ift dies die biblifche Zoologie. Es wurden dabei entweder vie Thiere ven Laien direct vorgehalten und an ihrem Beifpiel die Lehre erläutert, daß fich der chriftliche Leſer auch an ber unvernünftigen Greatur ein Beifpiel und eine Warnung nehmen könne, ober fie wurden dem praftifchen Geiftlichen gefchilvert, daß er die zahlreichen fruchtbaren Symbolifirungen beffer anknüpfen lernen und mit mehr Nachdruck auf die wunderbare Weisheit im Bau und Leben der Thiere hinweifen könne. Allmaͤhlich knüpfte fich aber das befondere wilfenfchaftliche Intereſſe an berartige Beiprechungen, daß man zum umnterfuchen begann , welches denn eigentlich und wirkfich die in der Bibel erwähnten, meift nur durch Meberfegungen aus dritter Hand dem Namen nach bekannten Thiere jeien. Es berührten ſich dabei hiftorifche und philologifche Un- terfuchungen mit zoologiſchen in einer gegenfeitigen Durchbringung, wie fie in gleicher Weife kaum je wieder aufgenommen worben find. „Endlich ifts auch ein grober Unverſtand und Misbrauch, das Biehe ſey nur um des Bauchs willen erfchaffen. So doch Gott auch vieler anderer Urfachen wegen die Thiere uns zu praeceptores und Lehrmeiftern hingeftellet hat“. So jchreibt ver Pfarrherr in ver 9. Reichsſtadt Schweinfurt Hermann Heinrih Frey im Jahre 1595 und fügt hinzu: „Wiber diefe und vergleichen Irrthumen und Misbräuche ift Diefes Biblifche Thierbuch gerichtet. Sonberlich aber wird darin angezeigt, wie fie uns zu mancherlei Tugenden an- mahnen und von den Laftern abjchreden.“ 3%). Der jo in der Vorrede 39) 9.9. Frey, Bmooßıßlıov: Bibliſch Thierbuch, darinne alle vierfüßige, zahme, wilde, gifftige und friechende Thier, Bogel und Fiich deren in ber Bibel Meldung geichieht) fampt iren Eigenfchaften und anbangenden nützlichen Hiftorien beſchrieben find. u. ſ. w. Leipzig, 3. Beyer, 1595 4%. Die beiden, die Bögel und — — * | 00 Herman deinrich ref. er ausgeſprochenen Abficht ift ver Verfaſſer auch treu geblieben ; denn won naturgefhichtlichen Bemerkungen kommt nur das zum Verſtändniß ein- zelner Bibelftellen allernotäwendigfte vor. Wird ein Thier nur ein- ober zweimal in dev Bibel erwähnt, fo begnügt fich Frey auch wohl damit, auf die Stelle hinzuweiſen und namentlich bei ftreitiger Ausle- gung des Mangels ver Uebereinftimmung in der Erklärung zu geven- fen. Man darf vaher bei Frey feine ftrenge Eintheilung und feine con- jequent durchgeführte, auf zoologiſche Merkmale gegründete Reihenfolge erwarten, wenn gleich er wohl auf ver andern Seite in der Unorbnung zu weit geht. Er beginnt mit den reinen Thieren, welche vom jübifchen Bolfe gegeffen und geopfert werden durften, nämlich Schaf, Rind und Ziege; dann folgen im zweiten Theile diejenigen veinen Thiere, welche _ nur gegeffen werben durften. Hier folgt Frey nicht mehr der jüdifchen Ordnung, fondern befpricht unter Andern auch ven Hafen, welcher „wohl wiederkäuet, aber die Klauen nicht jpaltet“, daher unvein war. „Bon diefem Verbot find wir Chriften durch Ehriftum erledigt“. Der britte Theil handelt von ben heimifchen (d. i. zahmen) unreinen Thie- ren, »jumenta genannt, die man zur Arbeit gewöhnt und braucht“, alfo Pferd, Ejel, Maulthier, Kamel, Dromedar (Läufer), Elefant, Hund und Kate. Im vierten Theile werden die wilden, ſchädlichen und veif- ſenden Thiere befprochen, Löwe, Banther, Einhorn, Bär, Wolf u. f. w. Findet fich nun auch in dieſen erften vier Theilen gerade feine ſtreng ſyſtematiſche Ordnung, fo ftört doch bei den einmal angeführten Ge- fichtspunften fein gar zu buntes Durcheinandergehen. Im fünften Theile hat fich aber der Berfafjer offenbar entweder nicht zu helfen ger wußt oder er hat die Thiere genommen, wie fie fich ihm zufällig boten. Denn hier, wo es fich um die „gifftigen , Friechenden Thiere, Würmer und Ungeziefer“ handelt, folgen fich Drache, Schlange, Baſilisk, Stor- pion, Blindſchleiche, Eidechſe, Molch, Igel, Wieſel (letstere fünf fogar in einem Kapitel), Maus, Froſch und Kröte, Maulwurf, Schnecke, Raupe u. f. w. In der Vorrede verfichert zwar Frey, ihm fei „wohl Fiſche behandelnden Theile des ſehr feltenen Buches kenne ich nicht; der erftere dha- ralteriſirt aber die Richtung hinreichend. — — — Bit da napäihen Darfungen ER | — wie die Physiei bie Thiere nach ihren Unterfepieben zufammen- ordnen“; „weil dies aber ein bibliſch Thierbuch fei, wolle er feinem Gutachten nach diefe Form und Weife gebrauchen“. Gegen die Tren- nung ber reinen und unreinen Thiere wäre allerdings, da es fich hier im Grunde um die Bisulca und Wieverfäuer gegenüber den andern Säugethieren handelt, nichts einzuwenden. Aber die Unordnung unter den giftigen und kriechenden Thieren und Ungeziefer wird der Pfarr: herr fchwerlich vertheidigen können. Es ift auch nicht einzufehen, wa- rum eine vein willkürliche Reihenfolge dem chriftlichen Leſer beſſer an- muthen follte, als eine nach ven Erfahrungen ver Wiffenfchaft aufge ftelite. Die Anerkennung, auch von geiftlicher Seite her auf die Natur ; hingewieſen zu haben, foll aber dem Frey deshalb nicht verfümmert / werben. Es ift fein Buch auch dadurch wohl nicht ohne Einfluß auf die Verbreitung des Gefchmades an einer Beichäftigung mit ven Thie- ran geblieben, als er die geſchilderten Arten einzeln in Holzſchmiten hat darftellen laſſen, welche ver Zeichnung nach an die Amman’chen Figuren erinnern. War das Frey ſche Buch für den Erbauung fuchenden chriftlichen 5 £ Leſer gejchrieben worden, jo war ein zweites, viel weiter verbreitet gewe⸗ jenes für den angehenden Prediger beftimmt.. Es ift dies das Werk von Wolfgang Franz, welcher als Doctor und Profeffor ver Theologie in Wittenberg feine „Sejchichte ver Thiere* geradezu als für „Stubivenve ber Theologie und Diener des Worts“ beftimmt bezeichnet hat 10), Wenn es aljo auch ftreng genommen nicht zu den Werken gehört, von benen aus eine felbftändige Förderung in der wifjenjchaftlichen Be- handlung ber Thiergefchichte zu erwarten war, fo verdient es doch ſchon bes Umftandes wegen, daß es, wie in der Anmerkung angeführt, ſehr 40) Wolfg. Franzii Historia amimalium sacra (dies Wort bleibt in den jpäteren Ausgaben weg), in quo plerorumque animalium praecipuae proprie- tates in gratiam studiosorum theologiae et ministrorum verbi ad usum #?xo- voloyıxöv breviter accomodantur. Witeberg. 1612, edit. II. ibid. 1621; edit. V. ib. 1642, VI. ib. 1659; auch Amstelod., 1643, 1653 und 1665; ferner Francofurt. 1671; dann herausgegeben von Job. Cyprianus, Dresdae 1687 (am Rande die Seitenzahlen der Frankfurter Ausgabe von 1671 gebend), Franco- furt. et Lipsiae, 1688 und 1712. In's Englifche überfetst London, 1670, ; ge 313 - oft gedruckt worden ift, alfo in einem gewiffen Sinne die zu feiner Zeit herrſchende Auffaffung repräſentirt, eine kurze Erwähnung. Man fieht - hieran, daß die Beichäftigung mit ven Thieren als eine den Menfchen jehr nahe liegende angefehen worden fein muß, fonft hätten die Beifpiele aus dem Thierleben und die Hinweife auf Vorgänge bei Thieren in Predigten kaum eine Wirkung auf die Zuhörer veriprechen können, Wie ſchon im Phyfiologus an die Natur der Thiere angefnüpft wurde, um einzelne Lehren der chriftlichen Moral zu verdeutlichen, fo wird hier den Geiftlichen eine förmliche Anleitung gegeben , wie fie in „bilplicher Weiſe“ die einzelnen Züge aus dem Leben der Thiere benugen können. Dabei wird auch noch der praftische und wohlmeinende Rath gegeben, nicht die ganze Predigt mit ſolchen Gleichniſſen zu durchſetzen, fondern jolche ſtets nur mit Urtheil, Auswahl und von Zeit zu Zeit anzuwenden. Man foll auch zuweilen den Namen und fonftige Eigenfchaften des Thie- res verfchweigen, um durch bloße Andeutungen noch wirkfamer zur fein. Bon einem zoologiichen Standpunkte aus ift es von Intereffe, das mit- getheilte Thierſyſtem anzufehen. Die Thiere werden in volllommene und unvollfommene getheilt. Letztere find die Zoophyten, nämlich Schwänme, Seenejjeln u. ſ. f. ; die vollfommenen find entweder ver- nünftig, Menfch, oder unvernünftig. Die unvernünftigen Thieve ha- ben den Körper getheilt, d. h. der Erklärung nach, ihr Kopf bilvet mit dem: Körper Fein Continuum, fondern berührt ihn nur, Infecten, oder fie haben einen ungetheilten Körper. Und viefe leßteren find entweber Amphibien, oder andersartig (aut amphibium, aut aliud), d. h. auf ein einziges Medium angewiefen, aljo Vierfüßer, Vogel, Fiſch, Kriech- thiere. Bon diefer Eintheilung geht aber Franz in dev Ausführung ab, indem er die Zoophhten mit den übrigen Wafferthieren im dritten Ab- ſchnitt unter der Auffchrift Fijche vereinigt. Innerhalb der einzelnen Theile geht dev Berfaffer vie Thiere nach ihrer Größe durch und beginnt mit dem größten. Es wird genügen, wenn noch erwähnt wird, daß ebenjowohl der Phönix als der Drache unter den gejchilverten Thieren erſcheint. Vom Drachen wird ganz ruhig erzählt: er hat drei Reihen Zähne in jeder Kinnlade. Einige Drachen find ungeflügelt, andere haben Flügel, aber nicht mit Federn, jondern nur mit floffenartigen Haut- ä — —— RE — —2 314 Beriobe ber encytlopãdiſchen Darſiellungen. falten. Damm weiter: „Soviel nun von den natürlichen Drachen. Der Hauptorache ift der Teufel“ u. ſ. f. Bon ungleich größerer wifjenfchaftlicher Tragweite als die in Bor- ſtehendem gejchilverten Werke, deren Einfluß auf gemüthvolle Menfchen gar nicht in Abrede geftellt werden foll, waren doch die Bemühungen, fich über das Har zu werden, was für Thierarten denn eigentlich die bibfifchen, (befonders die altteftamentfichen) Schriftfteller umter den verfchiedenen in der Bibel vortommenvden Namen gemeint haben. Eine febendige Tradition gab es nicht, welche die Bedeutung folcher Worte, wie Leviathan, Behemoth u. vergl. verftändlich erhalten hätte, und vie Ueberſetzungen ſowohl der fiebzig Dolmetfcher als Luthers giengen doch, wie ſchon früher beim Phyſiologus erwähnt werden mußte, häufig ſehr auseinander. Die eine Ueberſetzung ſprach von Schildkröten, wo bie andere nur Erdhaufen oder Altäre fehen zu können glaubte, die eine nahm ein Thier für die Hyäne, was die andere für einen fprenklichten Bogel hielt u. f. w. Ungemein natürlich war es da wohl, daß man das Bedürfniß zu fühlen anfieng, einmal gründlich zu unterfuchen, was ber Sinn ver hebräifchen Worte fei. Ziemlich reich ift hier die Litteratur über Einzelheiten. So haben in ver vorliegenden Periode 3. B. über das Einhorn, meift unter Anfchluß an 5. Mofe, 33, 17, wo das Horn des Einhorns fchon von Tertullian als der Stamm des Kreuzes Chriſti aufgefaßt wurde, fowohl Zoologen als Philologen ge- ſchrieben, der ältere Kaspar Bartholin, veffen Sohn Thomas Bartholin, der Peipziger Profeffor Johann Ehriftian Stol- bergf, ver 1666 gejtorbene Gröninger Profeffor Anton Den- fing, enblich der oben jchon genannte G. 8. Kirhmaier. Es würde zu weit führen, hier diefe Schriften im Einzelnen zu verfolgen, zumal eine ähnliche Reichhaltigkeit in Bezug auf Schriften über ven Drachen, Bafilisten u. a. zu verzeichnen wäre. So fleißig fich aber auch Einzelne mit diefer Aufgabe befchäftigt haben, wie 3. B. Kird- maier, deſſen hierauf bezügliche Differtationen gefammelt an das Sperling'ſche Handbuch angehängt wurden, wie Johannes Buftaman- tinus, welcher ein umfangreiches Buch nur über die Reptilien ver hei- ligen Schrift verfaßt hat, fo wurden dieſe Bemühungen doch ſämmt— 22 Samuel Bodart 315 lich weit überragt von dem Werte Bochart's; das Hierozoikon dieſes Mannes ift noch jetzt nicht bloß in zoologifch-hiftorifcher, ſon⸗ bern auch in Fitterarifcher Beziehung eine unerfchöpfliche Fundgrube 4). Samuel Bohart war 1599 in Rouen geboren, ftudirte in Paris, wurde Prediger in Eaen in der Normandie, machte 1652 eine Reife nach Schweben, kehrte nach Caen zurüd und ftarb dort 1667. Den Refultaten feiner Pariſer Studien in den claffifchen und orientalifchen Sprachen verdankt man nicht bloß die gründlichite Unterfuchung der bier einfchlägigen Fragen, jondern auch den Abdruck einer großen An— zahl bis jetzt nicht wieder veröffentlichter Stellen aus fyrifchen und arabifchen Naturhiftorifern,, wie Aidemir Dſchildeki, Dſchahiſ, el Sojuti u. ſ. f. Das Werk ift nach den damals allgemein angenomme- nen großen Thiergruppen eingetheilt und handelt im erften Bande von ven lebendig gebärenden und ven eierlegenden Vierfüßern, im zweiten von den Schlangen, Infecten, Wafferthieren und fabelhaften Thieren, welche in der Bibel erwähnt werden. Das erjte Buch enthält allge meine Einleitungen zu ven einzelnen Thierclaffen, welche unter An- ſchluß an den hebräiſchen Text die verfchiedenen Körpertheile, bie er bensweife und fonftige Allgemeinheiten der betreffenden Gruppe fchil- dern. Die Säugethiere werden dann in zahme und wilde getrennt, jo daß 3. B. der Onager von feinem nächjten Verwandten, dem zahmen Eſel, weit entfernt wird. Es lagen aber Bochart andere Gefichtspunkte vor, als die, die einzelnen Formen ſyſtematiſch zu gruppiren. Die jehr eingehenden und gründlichen Erläuterungen bei dieſen gehen nun nicht bloß auf die Etymologie des Namens und die fich daraus ergebenden Bedeutungen deſſelben, fowie auf deſſen Anwendbarkeit auf gewiſſe Thierarten, nicht bloß auf die ganze Naturgefchichte des betreffenden Thieres, wie fie fih aus biblifchen Stellen wie aus Aeußerungen an- derer, claſſiſcher, orientalifcher wie mehr moderner Autoren ergibt, fon- dern fie find auch für allgemeine Eulturgefchichte älterer Zeiten äußerſt = 41) Hierozoicon s. de Animalibus S. Scripturae. Londini, 1663. Fol, Idem revisum atque correctum ab innumeris mendis quibus editio Londi- nensis scatebat. opera Dav. Clodii. Francofurt a/M. 1675. Idem recens. 2. -F. C. Rosenmüller 3 Tomi. Lipsiae, 1793, 94, 99. 40, befehrend. Das erft erwähnte Moment gibt zumächft ven ——— wie fie Bochart aufſtellt, eine Sicherheit, welche nur unter gleichem Aufwande von vielfeitiger Gelehrfamteit zu erjchüttern ift. Wo noch Zweifel übrig bleiben, find diefelben in der Unficherheit der fprachlichen - Erklärung oder in der Unvolfftändigfeit des biblischen Berichtes begrün: det. Verfaſſer hat fich aber nicht darauf befchräntt, nur das zu unter: fuchen,, was genaner zu verfolgen durch den Wortlaut des biblischen Tertes geboten war. Zahlreiche, zuweilen höchſt ausführliche Exeurſe geben auch ein Bild von dem Eulturzuftand anderer antifer Völler, foweit derſelbe auf die Stellung diefer zu den Thieren Bezug hat, fei es in biätetifcher oder moralifcher oder poetifcher Beziehung. Wenn mın auch immerhin zugegeben werden mag, daß derartige Studien, von einem einfeitigen fachgemäßen Standpunkte aus beurtheilt, für ven Bortfchritt der Zoologie im engern Sinne von keiner tief eingreifenden Bedeutung gewejen find, fo dürfte doch fein Zoolog, dem es um all- feitige Förderung der Kenntniß von den Thieren zu thun ift, fich fol- chen Arbeiten gegenüber gleichgültig verhalten. Solch ungeheure Zeit: räume, wie fie die Wiffenjchaft jett für das allmähliche Entftehen ver Arten vorausfegt oder verlangt, find allerdings unmöglich litterarifch zu durchmefjen. Aber Myriaden von Jahren fegen ſich aus Jahrtau—⸗ fenden zufammen. Es ift daher für die Geſchichte der Thiere jedenfalls nicht ohne Werth, zuverläffige Unterfuchungen darüber zu befigen, wie unbefangene Menfchen vie Form und Yebensart wenn auch im Ganzen nur weniger Thierarten vor ungefähr drei Jahrtauſenden auffaßten und in ihre theils biftorischen Erzählungen, theils poetifchen Schilde: rungen verwoben. Mit Bochart fchließt für den vorliegenden Zeitraum wie für lange Zeit nachher, die Reihe der Unterfuchungen in Betreff einer litterari- jchen Gefchichte ver Thiere ab. Es mag aber hier noch ein Werk er: wähnt werden, welches zwar, zeitlich genommen, auf der Grenze ver Periode der Enchyklopädien fteht, auch in feiner Tendenz fich nicht ftreng an die zuletst gefchilderten Erjcheinungen anfchließt, aber doch noch am meiften mit ihnen verwandt ift. Der Gründer des fpäter jo berühmt gewordenen Mufeums des Collegio romano in Rom, der Würzburger en ee Ve N Jeſuit Athanaſius Kircher hat in einem ausführlichen Buche die Thiere befprochen, welche in die Arche Noah's rufgenommen und da- durch von ber Zerftörung durch Die Sindfluth bewahrt wurden #2), Das Buch ift gewiß für biblifche Archäologie von Intereffe; es enthält einen Verſuch, nach den im biblifchen Text vorhandenen Angaben die Arche nachzuconftruiven. Für die Gefchichte der Zoologie ift e8 von jehr geringer Bedeutung. Der im Uebrigen ohne Zweifel geiftwolle Mann (e8 braucht hier nur an feine phyſikaliſchen Inftrumente erinnert zu werben) ſcheint ſich um die Thiere nicht gerade eingehend gefümmert zu haben. : Er gibt in feiner „Arche Noä“ eine forgfültige Aufzählung dev von Noah darin aufgenommenen Thierarten, fügt Abbildungen ver: jelben im Holzfchnitt hinzu und ftellt auch die Behältniffe dar, in wel- chen fie paarweife untergebracht wurden. Unter diefen Thieren finden ſich auch Sirenen und Greife ; aber auch einige amerikanische Thiere. Man muß wohl bekennen, daß nach dem Bochart’jchen durchweg kriti- ſchen und peinlich gewiffenhaften Werke die Zufammenftellung Kircher’s einen feineswegs günftigen Eindrud macht. Er hat zwar mit diefem Buche nicht als Zoolog auftreten wollen, durfte aber doch das nicht vernachläffigen,, was bis zu feiner Zeit über Thiere befannt geworden war. Um den biblischen Bericht einer allgemeinen Fluth wirklich auf- recht zu erhalten und jcheinbar wifjenjchaftlich zu vertreten, dazu ges nügte das Herbeiziehen einiger weniger außereuropäifcher Formen nicht. Das Bild von der Verbreitung zoologifcher Anſchauungen würde aber nur ein unvollfommenes fein, wenn allein auf die Schriften Rück— ſicht genommen werden jollte, welche ausgefprochenermaßen von Thieren handeln wollten. So wenig hier eine vollftändige Ueberficht der betref- fenden Fachliteratur gegeben werden kann, fo darf doch ein Hinweis darauf nicht fehlen, daß man in der befprochenen Zeit in Schriften, welche fich entweder überhaupt mit der Natur befaßten, oder auf Vor— gänge in der Natur Bezug nahmen, auch eingehend der Thiere gedachte, Bon der Berücfichtigung anatomifcher Verhältniffe wird nachher be fonters zu fprechen fein. Hier mag nur daran erinnert werden, daß Ze 42) Athanasii Kircherii Arca Noö, Amstelodemi, 1675. Fol. I Beide br ectiepäilen Darfelungn man bei allgemeinen Darftellungen ver Naturwiffenfchaften auch bie Thiere nicht vergaß. Ein damals oft genanntes Buch folcher Art war 3. BD. Daniel Sennert's Grundriß der Naturwifjenfchaft #). Es umfaßt daffelbe die gefanmte Natur in ſyſtematiſcher Ueberficht und gibt auch (von S. 559 an) einen Abjchnitt über die Verſchiedenheiten ber Thiere. Im fehr verftändiger Weife wird hier, allgemein im An- ſchluß an Ariftoteles, wenn auch nicht direct nach vemfelben, das Wich- tigfte von dem Unterſchiede der thierifchen Form und des thierifchen Baues mitgetheilt. Ziemlich ausführlich, aber in ganz anderer Weiſe fich dem Gegenftande nähernd, bringt auch Julius Cäſar Sca- figer viel Zoologifches in feiner Schrift gegen Hieronymus Carda— nus*), Die Kapitel 182— 244 find vollftändig den Thieren und ein» zelnen von Cardanus angeregten Fragen über diefelben gewidmet. Doc) kommen noch an andern Stellen Auseinanderfegungen über Einzelnes vor; fo in der 33. Exereitatio über Giftjchlangen, in der 344. über den Wolf, wo Scaliger nach eigner Erfahrung vie Fabel zurückweiſt, daß der Bli des Wolfes ven Erblicten ftunmm mache ; jo die 354., wo die Angabe widerlegt wird, daß die Katze ihre Pupille willfürlich erwei⸗ term und verengern könne, und zwar weil hier feine Musteln vorhan- ben wären. Diefe wenigen Beifpiele mögen genügen, um zu zeigen, daß eine beträchtliche Menge zoologifcher Borftellungen in das allgemein wiſſenſchaftliche Bewußtfein eingetreten war. Vorzüglich Scaligers Buch ift hier nicht beveutungslos. Es wurde oben der Thierabbildungen aus ven früheren Jahren der hier gefchilverten Periode gedacht. Ein paar Worte mögen noch in Bezug auf die Weiterentwicdelung der zoologiſchen Abbildung in ber eriten Hälfte des fiebzehnten Jahrhunderts eingefügt werden. Wenn auch zur Illuſtration umfangreicherer Darftellungen noch immer der Holzichnitt benutzt wurde, jo tritt doch jett auch ver Kupferftich in ane- 43) Dan. Sennerti Epitome naturalis scientiae. Witebergae, 1618. Seunert war Zeitgemofje Sperling’s und ftarb 1637 als Profefjor der Mebicin in Wittenberg. 44) Exotericarum exercitationum liber XV. de subtilitate ad Hierony- mum Cardanum. Paris, 1557. dann Francofurt., 1592. | 3Zoologiſche Abbildungen. a. gedehnter Weife als Vervielfältigungsmittel auf. Dabei ift hervorzu⸗ heben, daß fich in diefer Zeit auch befanntere Merfter mit ver bildlichen Darſtellung von Thieren abgaben. Man wird allerdings vielleicht nur irrigerweiſe zu diefer Annahme geführt in Folge des Umftandes, daß man die Berfertiger der früheren Zeichnungen nur zum Theil gefannt bat und daß won den älteren Malern nur Thierbilver auf die Neuzeit gefommen find. Immerhin ift aber die Betheiligung befonvers ver ven- liſtiſchen Holländer ein hervorragendes Moment fiir die Gefchichte der naturhiftorischen Abbildung. Einer der früheften Meifter, von welchem Stiche von Thieren bekannt find, ift der ältere Abraham de Bruyn (geboren 1540 in Antwerpen). Man fennt von ihm eine Folge von ° zwölf Blättern (10 BL. Vierfüßer mit lateinischen Diftichen und 2 DI, Snjecten). Im gleicher Weife zeichnete und ftach Thiere auch deſſen Sohn Nicolas de Bruyn (geboren um 1570 in Antwerpen). Im Kumftverlage des auch als Kupferjtecher befannten Claes Ianfzen Bisjcher erfchienen von N. de Bruyn drei Folgen, 12 Blätter Säugethiere (1621 ; doch tragen einige Blätter die Iahrzahl 1594), dreizehn Blätter Vögel und dreizehn Blätter Fiiche. Adrian Bloe— mart (geboren um 1564, gejtorben um 1650) zeichnete zehn Blätter Säugethiere und vier Blätter Bögel, welche BL. Bolsverb geftochen hat #5). Unter vem Namen Adrian Eollaert’s (auch Eollard ge- ſchrieben) kennt man zwanzig Blätter VBierfüßer, dreißig Blätter Vögel und 25 Blätter Fifche. Ungewiß ift es, ob diefe Stiche von einen Äl- teren, um 1567 gejtorbenen, oder von einem jüngeren Meifter veffel- ben Namens (welcher 1597 als Genoffe der Dialergilve des ©. Lucas in Amfterdam erwähnt wird) herrühren e). Auch der Gründer ber ebengenannten Gilde, Jakob Euyp (Eupius) wird als Thierzeichner genannt ; dreizehn Blätter Bierfüßer find nach feinen Zeichnungen von R. Perſyn geftochen und 1641 von dem genannten El. 3. Visſcher ‚verlegt worden, Bon dem um 1600 blühenden Albert Flamen Hat 46) Nagler rühmt (im Kiünftlerleriton) befonders eine meifterhaft ausge: führte Darftellung des Elefanten von ihm. Ä 46) Bon den Bögeln und Fiichen hat man Ausgaben von El. 3. Visſcher, jene mit 18 Blättern 1625, dieſe mit 20 Blättern 1634. man 36 Blätter Seefie in brei Theilen mit lateiniſchem ER zöfifchen Titel zu 12 Blatt), 24 Blätter Flußfifche und noch fieben Blätter mit mehreren Fifchen ; außerdem 12 Blatt Vögel). Der i Anfange des fiebzehnten Jahrhunderts in Paris lebende Kupferftecher Peter Firens hat gleichfalls Thierbilver geliefert; ob nur Fiſche over auch andere Thiere ift nach den zu ermittelnden Angaben nicht ficher *°). Endlich ift noch des Italieners Antonio Tempefta (in Florenz 1555 geboren und 1630 geftorben) zu gedenken. Nach feinem Tode erjchien in Nom eine Sammlung von 204 Thierblättern von ihm #9). Die dem fpäter zu erwähnenden Werke über Bögeljagd von Olina bei- gegebenen Abbildungen find von ihm radirt. Er hat zahlreiche Jagden, Thierlämpfe, Pferde und Vögel gezeichnet und geftochen (mehrere fei- ner Bogelabbildungen find von Billamena und von Maggi gejtochen. Man follte nun wohl die hier genannten Darftellungen charakte- rifiren, mit einander vergleichen und den Fortfchritt im Ganzen und - Einzelnen nachzuweifen fuchen. Doch muß von einer folchen Ueberficht, welche ebenſo die Kunſtgeſchichte als die Gefchichte der Zoologie interef- firen würde, abgefehen werden, da fie nur unter Borlage der betreffenden, zum Theil feltnen und ſchwer zu befchaffenden Blätter auszuführen ift. Sämmtliche hier anfgezählte Abbildungen (es dürften deren wohl noch mehr eriftiren) ftellen Wirbelthiere dar (zwei Blätter Inſecten ausgenommen). Bei diefen wurde das Auge des Künftlers durch die größere Vertrautheit mit ven wiederzugebenden Formen ficherer geleitet 47) Als holländischen Thierzeichner nennt man aud einen Marcus Ge: rardus aus Brügge, von dem 1583 21 Blätter Bierfüßer erichienen. 45) Banks beſaß nur 19 Blätter Piscium vivae icones incisae et editae a Petro Firens. Nah Brünnich (Progres de l’'histoire naturelle etc. en Dan- nemare etc. Copenhague, 1783. p. 124) findet fi) in dem »Catalogue de Mr. Davila« T. 3. p. 226 (wohl der von Rom& de 1’Isle herausgegebene Katalog) ein Werk bezeichnet: Piscium, quadrupedum , avium vivae icones in aes in- cisae et editae a. P. Firens. Firens ift auch als Pflanzenzeichner befannt. Auch das Bilderwerk des Beilerihen Mufeums (Fasciculus rariorum und Continuatio ra- riorum et aspectu dignorum varii generis quae collegit et in aes incidi euravit Basil. Besler. Nürnb. 1616 und 1622) enthält Thierabbildungen ohne Stecherna- men. Die Tafeln wurden zu bem Gazophylacium des Mich. Aug. Besler benutzt. 49) Nova raccolta de li animali piu curiosi del mondo. Roma, 1650. _ Erweiterung ber peciellen Thierfenntniß. 321 und auch für die VBerfchievenheiten fremder Thiere gejchärft. Die älte- ren Abbildungen wirbellofer Thiere, von welcher mehrere nachher zu erwähnen find, laffen wohl im Allgemeinen die Form wiedererfennen, find aber doch noch weit von einer bei aller Treue der Darftellung einer fpeciellen Art immer möglichen Freiheit der Auffaffung und Wie- bergabe entfernt. Einen rühmlichen Fortſchritt zeigen in diefer Bezieh— ung die gleichfalls in Kupferftich ausgeführten Abbildungen wirbellofer Thiere, welche Fabius Eolumma feiner Schilderung von Waſſer— thieren beigegeben hat. Es find nicht unintereffante Fräftige Nabirun- gen eines leider nicht genannten Künftlers. Bon Infectendarftellungen find außer denen des fchon oben erwähnten Hoefnagel befonders die Wenzel Hollar’s rühmend hervorzuheben. Was endlich die bilv- lichen Darftellungen ausländifcher Thiere und anatomifcher Einzelbei- ten betrifft, jo wird in den entjprechenden Abjchnitten davon die Rebe fein. Erweiterung der fpeciellen Chierkenntniß. Wo es in irgend einem Erfahrungsgebiete an leitenden Grund» fügen und allgemeinen Anfichten fehlt, Haben Einzelbeobachtungen einen relativ jehr unbeveutenden Werth. Der Einfluß, welchen im jechzehn- ten und fiebzehnten Jahrhundert neue in eben entdeckten fernen Yän- dern gefundene Thierarten auf die zoologiſchen Anfchauungen der Zeit im Großen und Ganzen äußerten, war daher nur ein geringer. Man hatte weder in einem Syſteme, noch in einer allgemeinen morphologi- ſchen Ueberficht ein Gerüft, in welches man das Neue hätte einorbnen, oder eine Theorie, aus welcher man das Unbekannte hätte erflären oder verſtändlich machen können. Ja, man wußte aus den beiden Gründen nicht, was am neuen Formen das eigentlich Merkwürdigſte und Be— achtenswerthe war. Die großartigen Sammelwerfe des vorliegenden Zeitraums find ziwar durch die hier zuerft auftretende Erwähnung in— Difcher, afrikanischer und amerifanifcher Thiere ausgezeichnet. Der Fortſchritt, welchen‘ die Zoologie im nächftfolgenden Zeitraum macht md welchen fie zum großen Theile dev im dieſem wiedererwachenden B. Carus, Geſch. d. Zool. 21 322 Periode der euchtlopädiſchen Darftellungen. Anatomie der Thiere verdankt, hängt aber nicht mit dem Cintveten jener neuen Formen in die Reihe der nun bejprochenen Thierarten zu- jammen, fondern beruht auf einer eingehenderen Unterfuchung alter be- fannter Thiere. Es wurde oben erwähnt, daß die Entdeckungsreiſen vorwiegend aus einem andern Beweggrunde unternommen wurden, als um die Naturkenntnif zu bereichern. Durch die Schilderungen der meiften dieſer Neifen geht auch in den naturhiftorifchen Kapiteln ein anberer Zug, als das Intereſſe, wichtige zoologifche Aufichlüffe zu ge- ben. War die Reifeluft vorzüglich durch die Ausficht auf Entdedung von Goldländern angeregt und wach gehalten worden, fo ließ die Hoff- nung, durch neue Pflanzen- und Thierformen ven Heilmitteljchnt zu bereichern, die der belebten Natur gewibmete Aufmerkſamleit nicht er- müden. Wenn daher auf den Titeln meift von einer Naturgeſchichte“ bie Rede ift, fo bezieht fich diefer Ausdruck doch faft ausschließlich auf eine mebicinifche Gefchichte der betreffenden Yänder. Zumeilen fagte man dies geradezu heraus. So drudte Elufins in den Erotica eine Schrift von Nicolas Monardes ab über die aus der neuen Welt herge- brachten einfachen Heilmittel; und Wilhelm Pifo fpricht fich in der Einleitung zu dem den Thieren gewibmeten Buche feines Werkes über Braſilien dahin aus, daß er (fich offenbar auf die Hippofratifchen An- fichten von Waſſer, Luft und Ortslage beziehend) „Fiiche, Vögel und Thiere bejchreiben wolle, welche zum Nugen des Menjchen verwendet werden, und zwar nicht ſowohl zum Vergnügen oder zur Bewunderung bes Yejers, als vielmehr zum Vortheil der Kranken und Aerzte”. Es ift Sache der fpeciellen Thiergefchichte, bei jeder Art die Gefchichte ihrer Entdedung und ihres allmählich genaueren Bekanntwerdens zu ver- zeichnen, ebenjo wie die Erweiterung der fauniftifchen Kenntniß von einzelnen Ländern der Befchreibung diefer angehört. Es kann aber auch Hier nicht umgangen werben, wenigjtens auf Einzelnes hinzu—⸗ weijen. Bon den Bereicherungen, welche die jpecielle Thierkenntniß erfuhr, waren die merkwürbigften jedenfalls die bis dahin nicht einmal durch Babeln in poetifcher Form befannt gewordenen Thiere der neuen Welt, Hier waren es aber nicht die Entdeder und Eroberer, welche Naturpro- ? F N HB ir a Der VE —— a re RZ * — — — —— — a de — — —— Erweiterung der fpeciellen Thierfenntniß. 323 ducte mitbrachten, ſondern Aerzte und Miſſionare, was natürlich den Charakter der Sammlungen beſtimmte. Columbus ſelbſt hatte einige Thierfelle nach Europa gebracht und erhielt von ver Königin Iſabella ven Auftrag, befonders Vögel zu fammeln. Den fpätern Sammlern war es günftig, daß es zur Zeit der Eroberung Mexiko's in feinem Theile von Europa Menagerien und botanifche (mebicinifche) Gärten gab, die man mit denen von Huartepec, Chapoltepec u. a. DO. hätte vergleichen können. Wie num die Reifen znnächit der Entvedung eines weftlichen Weges nach Indien galten, fo wird auch in den Schilverungen häufig das neue „weftliche" Indien mit dem alten, nun Oft-Indien genannten zufammengebracht. Man findet daher Thiere aus beiden Hemifphären jehr oft kurz nach einander aufgezählt, bis erſt ſpäter ans- führlichere Werke fich ftrenger an die Vorkommniſſe der einzelnen Län— der halten. Eines der früheften auch mit Abbildungen verjehene Sam- melwerk über fremdländifche Naturproducte ift das bereits erwähnte des Earl Cluſius aus Arras (geb. 1526, geftorben 1609), Exoti- corum libri X. “Der vielfeitig unterrichtete und fein durchgebildete Berfaffer, deffen Leiftungen als Naturhiftoriker indefjen mehr der Bo— tanik zu Gute famen, hat hier zum Theil nach eignen Sammlungen (fo in den erften jech8 Büchern des Werkes), zum Theil in Auszügen oder in Ueberſetzungen nach andern Autoren, und zwar öftliche wie weftliche Thiere befchrieben und abgebildet. Die Befchreibungen erheben fich alferdings nicht über den im jener Zeit überhaupt herrfchenden Ton; nicht imintereffant find dagegen die Abbildungen, welche er jowohl den eignen Abjchnitten, wie 3. B. auch der Schrift des oben genannten Nicolas Monardes beifügt. Letztere war ſchon vorher von Cluſius in Inteinifcher Ueberfegung befonders herausgegeben worden, wurde aber in die Erotica abgekürzt wieder mit aufgenommen. Es erjcheinen unter Andern bei Elufins in Abbildungen: von Säugethieren Pteropus, Dasypus, Bradypus (faum wieder zu erfennen), Manatus, von Vö— geln der Kolibri (Tominejus), Caſuar, der Dodo, Mormon und Apte- nodytes, von Fiſchen Pristis, Chimaera, Diodon u. a., endlich auch) Limulus. In Bezug auf Elaffification folgt Elufius den herrjchenden Anfichten, ohne irgendwo eine Aenderung zu wagen. Ausſchließlich 21* * 320 Periode der encpflopäbiichen Darſtellungen. amerikanische Thiere jchildert Gonzalo Fernandez d'Oviedo y Valdy (1478 in Madrid geboren) 5%). Unter den mancherlei neuen Arten erfcheint hier die Didelphys, welche zuerft von Peter Martyr d’Angheria (geft. 1525) in feiner Gefchichte der Entvedung Ame- rifa’8 (Ramusio a. a. O. Tom. 3. p. 15) erwähnt worden war, unter dem Namen chiurcha mit einer zwar etwas vernünftigeren, aber im⸗ mer noch nicht treuen Abbildung, während Nieremberg noch bie rein fabelhafte Figur wiederholt, welche bei Gesner jogar als Titel- vignette erfchienen war. Der Zeit nach folgte auf Dviedo der Jeſuit Joſe d'Acoſta. Er war 1539 geboren, gieng 1571 als Miffionar nach Peru und kam 1588 nad) Salamanca zurüd, wo er 1600 ftarb. Im feiner oft gedruckten „natürlichen und moralifchen Gefchichte ver Indier“*) handelte er auch über Pflanzen und Thiere. Das am meiften Jutereſſe Darbietende aus feinen Bejchreibungen ift die fich fpäter bei Hernandez wieberfin- dende Erwähnung der großen in Süd.» Amerika gefundenen fojfilen Knochen, welche er für Nefte von Niejen hielt. Er umterjucht aber auch die Frage, wie die Thiere nach Amerika gefommen ſeien, ba fie doch in der Arche eingefchloffen waren (Latein. Ausg. ©. 54, fpanifche, Madrid 1792, ©. 64; 1. Buch, 21. Rap.), ferner wie es möglich jei, daß Amerika Thiere habe, welche von den altweltlichen werjchieden jeien Madrider Ausg. S. 272, 4. Buch, 36. Kap.). Ungleich rei- cher und wichtiger waren die Sammlungen, welche Francesco Her- nandez im Auftrage Philipp’s II, deſſen Yeibarzt er war, in Mexiko veranftaltet hatte. Er ſammelte dort von 1593 bis 1600. Sein Wert, zu deſſen Illuftration er angeblich zwölfhundert Abbildungen von Pflan- 50) Summario della naturale e generale historia dell’ India occidentali. (zuerft ſpaniſch Toledo, 1525) abgebrudt in: Ramusio, a. a. DO. Vol. II. fol. 440. Die Historia general‘y natural de las Indias (zuerft nur 20 Bücher) Salamanca, 1535; vollftändig neu herausgegeben mit mobernifirten Abbildungen von J. A. de Los Rios, Madrid, 1851; der Abjchnitt von den Thieren lib. XI. p- 386 — lib. XV. p. 461. 51) erſchien zuerft Sevilla, 1590, neuerdings nohmals in Mabrid, 1792. 40, lateinifch mit den zwei erften Büchern der Naturgefchichte : Coloniae Agr. 1596 90. Erweiterung der fpecicllen Thierfenntnif, 325 zen, Thieren und andern Naturgegenftänden hatte anfertigen laffen, erichien aber nicht in feiner urfprünglichen Faſſung, auch erft fpäter und zwar zuerjt wie das des Oviedo unvolljtändig 52). Von dem gan: zen ausführlichen Werke machte dann ein neapolitanifcher Arzt, Nardo Antonio Recchi einen Auszug; umd diefer wurde ſpäter, nachdem dieſe Schrift in den Befig des Fürften Cefi übergegangen war, von dem 1630 geftorbenen Eonjtanzer Arzt und Jeſuiten Terrentius, welcher fich durch feine Bemühungen um die Kalenderverbefjerung verdient ge- macht hat, rebigirt und von Commentaren des Johann aber aus Bamberg und Fabius Columna begleitet herausgegeben 53). Die in. Holzichnitt beigefügten Abbildungen zeichnen fich nicht gerade durch Trene oder Sorgfalt der Zeichnung aus, find auch jedenfalls nicht alfe nach amerifanifchen Thieren gemacht; doch ift bei den mancherlei Scidjalen, welche das Buch erlitten hat, nicht mit Sicherheit zu be- jtimmen, wie viel davon auf Hernandez' Rechnung zu jtellen ift. Den Commentaren (dev betreffende zur Thiergejchichte ift von Faber) tft am Schluffe des Ganzen noch ein in ſechs Abjchnitte getheiltes Buch ange- hängt, in welchem (die fünf erften Abjchnitte) die kurzen Bejchreibungen der Thiere ohne Abbildungen unter Hernandez’ Namen gegeben werben. Es enthält-diefer Anhang viel mehr Thiere, als der Recchiſſche Auszug und die Faber'ſche Auseinanderfegung zufammen, nämlich 40 Bier- füßer, 229 Vögel, 58 Reptilien (unter diefem Namen), 30 Infecten (und Würmer) und 56 Wafferthiere, varıınter den Manati. Die Be- ftimmung, welche für die Bierfüßer des Hernandez überhaupt Yichten- 52) der rate Francesco Zimenes fcheint fich noch in Meriko einen Theil des Manuſeriptes zugänglich gemacht zu haben. Er hat das urſprünglich lateiniſch Ge— jchriebene ins Spanifche überſetzt. Es erfchien dann unter dem Titel: Quatro libros - de la naturaleza y virtutes de las plantas y animales que estan recevidos en el uso de medicina en la nueva Espafa etc. Mexico, 1615. 40. 53) Das Werk erichien zuerft ald: Rerum medicarum novae Hispaniae thesaurus seu plantarum, animalium, mineralium Mexicanorum historia ex Fr. Hernandez relationibus in ipsa Mexicana urbe conscriptis a. N. A. Rec- cho collecta etc. Romae, 1628; dann unter Beigabe befjelben (geftochenen) Titels mit der Jahreszahl 1649 mit dem zweiten Titel: Nova plantarum, ani- malium et mineralium Mexicanorum historia etc. Romae, 1651. beibe in Fol. 326 Beriobeber emepllopäbifhen Darflellungen. ftein unternommen hat 4), ift hier am fchwierigften, da nur die megi- fanifchen Namen und jehr ungenügende Bejchreibungen gegeben find. Trogdem die Schrift fireng auf Mexiko bejchränkt fein ſoll, kommt doch auch hier wieder eine Schilderung und Abbildung des Paradies⸗ vogels vor. Und vorzüglich der Commentar von Joh. Faber enthält ſehr viel Angaben über nicht amerikanifche Thiere. Derſelbe ift jehr ausführlich und umftändlich und teilt befonders viel anatomifches De- tail mit, dabei freilich manches Seltfame. So foll beim merikanifchen Eber die Yage der Baucheingeweide umgelehrt und der Nabel am Rücken gelegen fein. Auch litterarifch nicht unintereffante Notizen fommen da⸗ rin vor. So brudt er den Brief eines Darmftäbter Arztes Franz Niedermayer ab über die Yebensweife und die Anatomie des Cha: mäleon ; jo erwähnt er eine Unterfuchung über die Anatomie der Schild⸗ fröten von Cefarinus; ferner theilt er fchomn mit, daß Francesco Stelluti die äußern Theile ver Biene mit dem ‚Milroslop“ unter: ſucht, gezeichnet und in Kupfer ftechen gelafjen habe. Dabei bifvete er aber auch eine zweilöpfige Amphisbaena und einen Drachen ab u. ſ. f. In. das fechzehnte Jahrhundert gehören noch die Reifen des Andre Thevet und Jean de Leryh, deren Ausbeute indeffen bei der gerin- gen zoofogifchen Keuntniß der Neifenden für die Zoologie kaum der, Rebe werth ift >>). Weitaus die für Naturgefchichte wichtigfte Reife nach Süd⸗Ame— rifa, welche in den erjten zwei Jahrhunderten nach feiner Entvedung unternommen wurde, war bie, welche die holländische weftindifche Som: pagnie unter bem Befehl des Prinzen Johann Morig von Naffau- Siegen ausrüftete. Derfelbe hatte unter andern Begleitern zwei Ge- lehrte mitgenommen, welche, beide Aerzte, die Naturprobucte des nörb- lihen Brafilien ſammelten, zeichneten und bejchrieben. Im Jahre 1637 gieng die Erpebition ab, welche Marcgrav und Pifo nach ver 54) in ben Abhandlungen ber Berliner Akademie. 1827. Phyſ. Klaſſe. ©. 89. 128. 55) Andr& Thevet, Singulariles de la France antarctique. Anvers, 1558. 80. — Jean de Lery, Voyage en Amörique avec la description des animaux et plantes de ce pays. Rouen 1578. _ Ermeiterung ber ſpeciellen Thierfenntniß. 327 neuen Welt führte. Schon vorher hatte zwar einer der Directoren der genannten Compagnie, Ian de Laet, nach brieflichen Mitthei— (ungen und fonftigen Nachrichten, welche ihm aus den überjeeifchen der Compagnie gehörenden Ländern reichlich zugiengen , eine Befchrei- bung des neuen Welttheils zufammengeftellt, in welcher auch Thiere (zum Theil mit Abbildungen, welche er ſelbſt fpäter bei der Heraus- gabe des Werkes von Maregrav und Piſo benuste), gejchildert wur: den 5%). Doc) verfchwinden diefe Beiträge völlig gegen den Reichthum und die Wiffenfchaftlichkeit, welche die Reife der lettgenannten darbo- ten. Wilhelm Pifo war Holländer und prafticirte als Arzt in Ley⸗ ben. Weber feine Lebensverhältniffe ift weiteres nicht befannt; auch widmete er während des Aufenthaltes in Brafilten feine Thätigfeit mehr dem mineralogifchen und mebicinifchen Theile der gefanmmten Auf: gabe. Sein Begleiter und Mitarbeiter war Georg Marcgrap aus Liebftadt bei Meißen, geboren 1610. Er war jebenfalls der durch fei- nen Studiengang als Mathematiker und Mediciner für das Reifeunter- nehmen beſſer Vorbereitete. Er kannte nicht bloß die zoologifchen Lei- ftungen feiner Vorgänger und reihte die neubeobachteten Thiere den Formen an, welche Rondelet, Belon, Gesner u. a. befchrieben hatten, fondern war auch in Mathematit und Aſtronomie fo unterrichtet, daß er in Braſilien außer feinen zoologiſchen und fprachlichen Unterfuchun- gen noch aftronomifche Arbeiten praktifcher wie theoretifcher Art aus— führen konnte. Die Manuferipte mit denfelben follten zwar fpäter zur Veröffentlichung vorbereitet werben, find aber leider nie gebrudt wor: den. Im Iahre 1644 gieng Maregran nach S. Paolo de Loanda an ber Weftküfte von Afrifa, um dort feine mannichfachen Beobachtungen fortzufegen; aber kaum angekommen ftarb er am Fieber. Nach der Rückkehr Piſo's wurden Marecgrav's Niederfchriften dem vorhin er- wähnten Ian de Laet übergeben umd diefer beforgte dann bie erfte Ausgabe, fowohl von den von Piſo bearbeiteten Abjchnitten als auch von Maregrav’s auf die Naturgefchichte bezüglichen Theilen. Dieſelbe 56) Joh. de Laet, Novus orbis seu descriptio Indiae occidentalis libri XVII. Lugd.-Bat. 1633. Fol. BB: Periode ber encyklopäbijchen Darftellungen. | erichien 1648. Sie enthält vier Bücher über die mebicinifhen Ver— hältniffe Brafiliens von Wilhelm Pifo und acht Bücher-über die Na- turgefchichte Brafiliens von Georg Marcgrav. Hiervon enthält das vierte die Fiſche, d. h. Wafjerthiere, wo neben ven Fiſchen auch vie Kruftenthiere und in einem Kapitel die Entenmufchel neben dem See- ‚Stern erjcheint, das fünfte die Bögel, das ſechſte die Vierfüßer und Schlangen und das fiebente die Infecten im weitern Sinne, nämlich, Inſecten, Spinnen und Tauſendfüßer. Zehn Jahre fpäter gab aber Pifo felbft nach einer andern Anordnung und vorzüglich mit Rückſicht auf die mediciniſche Ausbeute der Reife und den naturhiftorifchen Theil jehr lürzend die Reſultate ver gemeinfchaftlichen Reife noch einmal her- aus, bieng aber auch noch denſelben die Befchreibung von Java von Jacob Bontius an’). Es erfchienen aljo auch hier beide Indien auf dem Titel, während Pifo nur als Herausgeber auftritt. Unzwei- deutig geht wenigftens hieraus hervor, daß bie zoologifche Ausbeute faft gänzlich (mit Ausnahme einiger Bemerkungen über giftige Thiere) von Marcegrav herrührt. Der nugbringende Einfluß verfelben , ja bie wiſſenſchaftliche Berwerthbarkeit ift aber durch ungünftige Verhältniſſe jehr aufgehalten werben. Es waren nämlich theils von Marcgran felbft, theils von einem zwar allgemein erwähnten, vem Namen nach aber nicht genannten Maler vorzügliche bilvliche Darftellungen ver betvef- fenden Thiere und Pflanzen angefertigt worden, erftere in Wafjerfar- ben, letztere mit hoher Bolltommenheit der künftlerifchen Behandlung in Del auf Papier. Nachdem dieſe beiden Sammlungen zu ber Her: ‚ausgabe des Reiſewerkes von Ian de Yaet benutt worden waren, hatte fie Johann Morig von Nafjau-Siegen gekauft und fpäter dem großen Kurfürften von Brandenburg geſchenkt. Nun hatte aber de Laet ſchon manche bereits in Holzichnitt vorhandene Abbildungen aus feinem eig: nen Werke ftatt ver Maregrav'ſchen benutzt; auch erftredten fich feine 57) Guil. Piso, Historia naturalis Brasiliae. — De medieina Brasi- liensi libri IV... et Georgi Marcgravi historiae rerum naturalium Bra- siliae libri VIN. ete. Joa. de Laet in ordinem digessit. Lugd. Bat. 1648. Guil. Pisonis de Indiae utriusque re naturali et medica libri quatuorde- eim. Lugd. Bat. 1658. Fol. Be * Govetrung der ſpeciellen Thierlenntniß. 399 — Lanmiſſe wohl nicht fo weit, daß er zu Maregrav's Be- jchreibungen überall die zweifellos richtigen Figuren hätte bezeichnen fönmen. Hierdurch und vielleicht auch durch unachtfame Umftellungen - während des Drudes kamen viele Unrichtigfeiten in die erfte Ausgabe, welche auch Pifo trotz der bedeutenden Kürzungen des Maregrav'ſchen Theiles nicht völlig befeitigt hat. Dankbar ift es daher zu rühmen, daß früher ſchon zum Theile von 3. ©. Schneider Saxo, fpäter in ſehr eingehender Weife von H. Yichtenftein unter Zugrundelegung ber in Berlin aufbewahrten und von Menzel in Ordnung gebrachten Origi— nalabbildungen der VBerfuch gemacht wurde, die Maregrav'ſchen Anga: ben und Befchreibungen zu deuten und auf beftimmte, feitvem benannte Arten zurüczuführens‘). War fehon vorher die Reife des ſächſiſchen Gelehrten als die zoologifch wichtigste auzufehen geweſen, fo erhielt fie durch diefe Commentare eine noch ficherere Stellung in dev Gejchichte der zoologifchen Entdeckungen. Maregrav's Beobachtungen weifen zum eriten Mal mit Evidenz nach), — und dies war eine für die damalige Zeit und die in ihr verbreiteten Anſchauungen jehr bedeutungsvolle Thatfache —, daß die ſüdamerikaniſchen Thiere von den altcontinenta- (en gänzlich werfchieden, wenn auch mit ihnen verwandt find. Freilich waren derartige Nachweife in einer Zeit, in welcher man won einer Ge: fetsmäßigfeit dev geographiichen Verbreitung noch Feine Ahnung hatte, für die Märung der zoogeographifchen Anfichten noch ohne Einfluß. Sie erfchütterten aber doch den Glauben an einen gemeinfanten Aus- gangspunkt-des Thierreichs im Sinne der herrjchenden Schöpfungs- theorie. Und einen mächtigen Einfluß gewannen die erwähnten Schrif- ten durch den Reichthum an theils ausführlicher als früher, theils über- haupt zum erſtenmal befchriebenen Thierarten. Von erjteren jei hier nur an die Divelphis, den Kolibri, das Yama, Meerjchweinchen, von 58) 3. ®. Schneider, Nachricht von den Originalgeichnungen von Marc: graf8 Brafilifcher Zoologie. in: Leipziger Magazin zur Naturkunde v. 1786. ©, 270. — H.Lihtenftein, Die Werke von Maregrav und Pifo über bie Natur- geihichte Brafiliens. in: Abhandlungen d. Berliner Alad. Phyſ. Kl. 1814/15. &. #1. 1816/17. ©. 155. 1820/21. ©. 237. 267. 1826. ©. 49. (aud) in der Iſis, 1819. S. 1327. 1820. 2.4. & 635. 1824. 2. X. ©. 57). © A 5 nn a Bra PER Fe Tg a Fe Er VE Lt las 77 Se „ap DIE, Fa Pres Es he Re er ER —J u; RS re 1 * * F — ve N RU * ni . AM. En N f * * = e — — * EN 330 Periode der encpffopäbijchen Darftellungen. letzteren an Tapir, Seriema,- Parra, Palamedea u. a. erinnert. Noch weitere Einzelheiten über dieſe mitzutheilen, verbietet fich vom einem allgemeinen hiſtoriſchen Standpunkte aus. Bei der Abwejenheit neuer leitender Gefichtspunfte befchränft fich das ganze oder hauptfächlichfte Intereſſe auf die einzelnen Formen. Wenn man daher auch am dieſer Stelle bereitwillig anerkennen muß, daß Marcgrav einen Schat von ‚Beobachtungen gefammelt hat, welcher freilich verhältnigmäßig fpät erſt wiſſenſchaftlich gehoben werden konnte, fo würde e8 doch ein Ueber⸗ jchreiten der hier einzuhaltenden Grenzen fein, follte mehr als ein Hin- weis auf biefe Thatjache gegeben werben. So zahlreich und nad) anderen Richtungen hin erfolgreich auch die im den bier befprochenen Zeitraum fallenden Reifen in Länder der alten Welt waren, fo find doch nur wenige davon von irgend welchem Ein: fluſſe auf die Entwictelung der Thierkenntniß gewefen. Beginnt man hier mit den entfernteften Erdtheilen, fo ift zwar hervorzuheben, daß die Reifen ver Holländer nach Oſt⸗Indien viel zur Aufklärung der geo- graphiſchen Berhältniffe der füdafiatifhen Infelgruppen beigetragen haben, allein nur wenig zur Förderung von deren Naturgejchichte. Das einzige hier erwähnenswerthe Werk ift die bereits erwähnte Naturge- ichichte von Jakob Bontius. Bon feinem Leben weiß man mır, daß er in Leyden geboren war, als Arzt in Amfterdam lebte, 1627 nad) Batavia gieng und dort 1631 ftarb. Im feinem von Bifo heraus: gegebenen Werte handelt er die allgemeinen biätetifchen Regeln für das Yeben in Indien ab unter beftändigem Hinweis auf das dortige Klima, Nahrung, Waffer u. ſ. f., dann die Heilmethoden der in Indien herr- jchenden Krankheiten. Davan fchliefen fich mehrere Sectionsberichte von Berjtorbenen, ſowie Anmerkungen zu einigen Stellen der Bejchrei: bung der Droguen Indiens von Garcias ab Horte. Zuletzt folgen dann Schilderungen von Thieren und Pflanzen. Unter ven Thieren erjcheinen neben andern bereits bekannten, und zwar mit Abbildungen, das jadanifche Ahinoceros, der Tiger, des Stachelichwein (aber mit der aus Marcgrab wiederholten Figur das fübamerifanifchen Gercola- . bes), Draco, Manis, Babyruffa, die Salanganen mit ihren Neftern, der Dodo. Daß die Amphisbaenn zwei Köpfe habe belegt Bontius fo- Eweiterung er (ein Shierkenntnif,. 331 — gar init einer Abbildung! Bom Drang ⸗ Utang fcheint er in Borneo gehört zu haben. Die auch fpäter noch copirte Figur ift aber die einer behaarten Frau. Seine Beobachtungen find überhaupt nicht genau, feine Schilderungen find fehr wenig präcis. Immerhin ift Bontius die Kenntnig mancher öftlichen Form zu danken. Bon andern afiatifchen Reifen ift im VBorübergehen nur an Georg Breydenbach's Wanderung nach Paläftinı zu erinnern, welche, wie beveits erwähnt, die erfte Abbildung der Giraffe enthält. Auf derjelben Holzjchnitt - Tafel find noch fieben andere Thiere dar- geftellt, von denen nur der ein Kamel führende aufrecht gehende Affe ein hiftorifches Intereffe infofern beanfprucht, als ex noch fpäter bei den Anthropomorphen eitirt wurde, während er nichts anderes als ein langichwänziger Makake ift. Die Naturprodukte Afrika's wurden in der vorliegenden Zeit be: jonders von zwei Neifenden beachtet. Geographifch der wichtigere war ber Araber EI Haflan Ibn Muhammed el Wafan, welcher befannter ift unter dem nach feinem Webertritt zum Chriftenthum an: genommenen Namen Johannes Leo mit dem Zuſatze Africanus. Er war mauriſcher Herkunft, in Elvira in Granada geboren, gieng nach der Eroberung Granada’s 1491 nach Fez, machte von dort weite Reifen durch Afrika und Weſt-Aſien und wurde 1517 von chriftlichen Seeräubern gefangen und dem Pabjte Leo gefchentt. Auf deſſen Zur reden wurde er Chrift, fehrte aber zum Muhammedanismus zurüd, nachdem er 1526 nach Tunis zurüdgegangen war. Er ftarb nad) 1532. Seine Reife ſchrieb er zuerjt arabifch, überjetste fie aber ſpäter jelbjt in’s Italienifche. Nachher wurde fie vielfach in andere Sprachen überjegt. Bon feiner in neun Bücher getheilten Befchreibung Afri- fa’8 59) enthält das neunte Buch die Schilderung der Naturgegen- ſtände. Er führt fiebzehn Säugethiere auf; dann folgt eine neite Veberjchrift „Fiſche“, unter welcher aber dann alle übrigen Thiere der Reihe nach aufgezählt werden: Walfifch, Nilpferd, Seekuh, Schild— 59) Sie erfchien zuerſt italienisch bei Ramusio a. a. DO. Vol. I., dan la⸗ teinifch, Zürich, 1559, Leyden, 1632 und fonft öfter. Deutſch von Lors bach. Herborn, 1805. fröte, Krokodil, dann einige Reptilien, der Strauß, Apler, überhaupt fünf Vögel und zuletzt die Heufchrede. Er jagt gegen ven Schluß aus- drücklich, daß er Thiere fchilvere, welche in Europa nicht exiſtiren. Die Beichreibungen find kurz, wiflenfchaftlich kaum brauchbar, aber geographiſch doch wichtig. Bedentungsvoller war die Ausbeute, welche ber Arzt der venetia- nischen Golonie in Aegypten, Prosper Alpinus, während feines dortigen Aufenthaltes gemacht hatte. Er war 1553 in Mapeftica im venetianifchen Gebiet geboren, wurde 1578 in Padua Doctor der Me- biein und gieng mit dem wenetianifchen Konful Georg Ems nad) Aegypten. Seine Auseinanderfegungen über die ägyptifchen Schlan- gen, Affen, ven Hippepotamus , wie feine ganze zoologifche Ueberficht würde jedenfalls von großem Einfluffe in feiner Zeit gewejen fein, wenn das ausführlichere, die Zoologie Aegyptens mit berüdtfichtigende Werk nicht erft lange, über ein Jahrhundert nach feinem Tode ver- öffentficht worden wäre. Er war 1617 als Profeffor der Botanik in Pabua geftorben und feine Naturgefchichte Aegyptens erſchien lateiniſch 1735 in Leyden. Es muß daher des Mannes und feiner Yeiftungen zwar hier gedacht werben; auf bie Förderung der Zoologie in worlie- genden Zeitraum hatte er aber keine Wirkung. Es wird fpäter der wichtigen monographifchen Arbeiten Pierre Belon’s gedacht werben. Die reihen Erfahrungen, welche dieſelben charakterifiren,, ſammelte er auf mehreren Reiſen, wovon bie eine ſich dem durchreiften Yändergebiete nach hier anfchließt. Vom Jahre 1547 an burchzog er Italien, Griechenland, die Türkei, berührte mehrere griechifche Infeln, wie Kreta, Lemnos, gieng dann nad) Paläftina, Aegypten, die Sinai-Halbinfel und kehrte 1550 über Klein-Ajien und Griechenland nach Rom zurüd. Der Schilderung diefer Reife %) find reichlich naturhiftorifche Notizen eingefügt, oft mit Abbildungen ver 60) Les observations de plusieurs singularitez ei choses memorables trouvees en Grece, Asie, Jud6e, Egypte, Arabie et autres pays etranges, re- dig6es en trois liures. Paris, 1553. 40. — dann: reveus de rechef et au- gmentez de figures. Anvers, 1555. 80. Erweiterung bet ſpeciellen Thierfenntniß. er betreffenden Gegenftände. Da nur Reifefchilverungen bier vorliegen und fein fyftematifch georonetes Werk, jo darf man natürlich feine präcife Auseinanderfegungen etwaiger Schwierigkeiten oder Anordnung des naturhiftorifchen Stoffes nach andern als durch die Reife ſelbſt ge- gebenen topographiichen Gefichtspunften erwarten. Es ift vielmehr in diefen Notizen nur ein Theil des Materials zu erblicken, welches Belon jpäter weiter verarbeitete. Es werden daher auch häufig nur locale Namensverzeichniffe ver gefundenen Thiere mitgetheilt, welche wegen der einander gegenübergeftellten franzöfifchen und griechifchen Bezeich- nungen für die Wiedererfennung mancher bei den Alten erwähnten Thierarten nicht ohne Interefje find. Doch ift eine folche nicht immer, nicht einmal mit Zubülfenahme einer Figur möglich, wie 3. B. gleich beim erſten Fiſch, welcher erwähnt wird (1. Buch, 8. Kap.), dem Sca- rus. Das neunte Kapitel enthält zahlreiche Namen griechifcher Vögel mit einer Abbildung des Merops für welchen Belon den franzöfiichen Namen guespier vorjchlägt. Noch weitere Vögelmamen enthält das zehnte und elfte Kapitel. Im 12. Kapitel wird das Phalangion , eine große Spinne von der Injel Kreta bejchrieben. Das 13. Kapitel fchil- dert den Steinbod von Kreta, von welchem eine Abbildung gegeben wird, ebenfo wie von dem im 14. Kapitel befchriebenen kretiſchen Schafe Strepficeros. Die Befchreibung der Eoceus- Chermes⸗ Arten im 17. Kapitel gibt wenig mehr als die Namen. Auf Lemnos ange: fommen jammelte Belon auch dort die Fiſche, theilt ihre Namen mit (31. Rap.), umterfucht- die Schlangen, von denen er die Ceuchris ab- bildet, und die Pferdefuß-Aufter von der Küfte diefer Injel (Kap. 32), Auf das griechifche Feitland zurückgekehrt unterfuchte ev die Flüſſe und fand in den Gewäflern des Berges Athos einen Flußfrebs, welcher ihm als verjchieden von dem weftenropäifchen auffiel (Rap. 47). Wei- terhin verzeichnete er die Fifche von Salonifi (mit Abbildung der Lan- gufte, Kap. 49) und theilt vem Namen nach die Säugethiere ber grie- chiſchen Berge mit, wobei er die Gemſe und den Tragelaphus abbilvet (Kap. 54). Dann folgt eine Schilderung der Fijchereien in der Pro- pontis mit Aufzählung der Fifchnamen (73. bis 75. Kap.). Im 76. Kap. gibt der Verfaſſer eine intereffante Schilderung der Menagerie in Konftantinopel. Neben dem Hippodrom, fagt er, fteht eine alte Kirche ; in diefer waren an jeden Pfeiler Yöwen gebunden, welche ziemlich zahm waren und zuweilen durch die Straßen umbergeführt wurden. Werner - fanden ſich dort Wölfe, Bären, Luchſe, Stacheljchweine, Wildefel, Giraffen u: a. Bon letterer gibt er eine Abbildung. Auch das zweite Buch, welches die ägyptische Reife umfaßt, enthält mehrere zoologifche Angaben ; fo das 14. Kap. über ven Belifan und die Schlange Jacu— (us, das 20. über die Zibethlatze, welche nach der Anficht Belon’s die Hyine der Alten ift, das 22. Kapitel über die Pharaonisratte, Ich— neumon und die gleichnamige Wespengattung, welche einen ameifen- artigen Körper hat und die Spinne Phalangion durch ihre Stiche tötet. Die Angaben über das Chamäleon, von welchem im 60. Kapitel eine Abbildung gegeben wird, finden fich an mehreren Orten zerftrent. Die erſte Schilderung enthält das 25. Kapitel, im 34. befpricht er deſſen Ernährungsweife und jagt, es würde irrthümlich behauptet, daß es nur von der Luft lebe. Das 32. Kapitel ift ven Thieren gewidmet, welche im oder am Nil leben ; es enthält eine Abbildung des Ktrokodils. Im 49. Kapitel wird der Giraffe gedacht, von welcher gleichfalls eine bildliche Darftellung gegeben wird. Den Büffel ſchildert das 50. Ka- pitel, Hirfche und Gazellen das 51., Affen das 52. Kapitel. Einige Schlangen werden dann im 54. aufgeführt. Im 70. werben einbal- famirte Körper geflügelter, mit zwei Füßen verfehener Schlangen er- wähnt und abgebildet. Des Yauffrebjes (Cancer.cursor L.) gedenkt das 77, Kapitel. In Phrygien auf dem Wege nach Iconium traf Belon Ziegen mit ſchönem wolligem Haar, welches aber von den Einwohnern nicht gefchoren,, fondern ausgeriffen werde (112. Kap.). Im Bezug auf dies Thier verweift er auf Angaben Aelians. Die legten in dem Reifewerke vortommenden Thierfchilderungen (im 3. Buche, 51. Kap.) betreffen einige Schlangen von den afiatifchen Ufern des fchwarzen Meeres. Außer diefen Angaben über Thiere, welche der Bedeutung des Berfafjers wegen einzeln angeführt wurden, enthält die Reife noch viele Notizen über Botanik und Ethnographie, welche jedoch ebenſowenig wie die zoologifchen Mittheilungen irgendwie verarbeitet find. Es bil- den diefelben nur eine an ven Faden der Reifebefchreibung angereihte Erweiterung der fpeciellen Tpierfenntnif. . 335 Menge von Beobachtungen, welche ver Berfaffer in feinen andern Werfen verwerthet hat. Wurden durch die vorftehend klein Reifen Welttheile auf- geſchloſſen, welche entweber in Folge ihrer in dieſer Zeit ftattgehabten Entdeckung neu in die VBorftellung vom Bau der Erde eingetreten wa— ven oder durch ihre Beziehung zu folchen neuentvedten ein befonderes Snterefje erlangt hatten, waren andererfeits die durchſuchten Länder Stellen der Erboberfläche, welche als Site der älteften menfchlichen Bildung und Gefittung eine Haffische Bedeutung beſaßen, jo ruhte der Forſchungstrieb doch Hierbei nicht, fondern erjtredte fich auch noch, freilich nicht aus rein wiffenfchaftlichen Beweggründen, auf einzelne bis dahin nur unvollftändig gefannte Stellen ver alten Welt. Die geographiich wichtigften Unternehmungen galten der Aufhellung des äußerſten Norden Europa's. Doch ift der Gewinn für Zoologie, welcher aus dieſen vorzüglich von Engländern, fpäter auch von Holländern ausgeführten Reifen floß, jehr unbedeutend, wenn überhaupt einer Er- wähnung werth. Eingehendere Notizen über naturgefchichtliche Gegen- ftände enthält dagegen das den ffanbinavifchen Norden betreffende Werk des Schweden Dlaf Stor, oder wie er in der latinifirten Form jeines Namens befannter heißt, Olaus Magnus. Derfelbe war 1490 geboren, wurde Geiftlicher und als Archidiacon der Kirche von Strenguäs zugetheilt. Die Einführung der Reformation in Schweden durch Guſtav Waſa veranlaßte aber fowohl feinen Bruder Iohan, welcher Erzbifchoff von Upſala war, als ihn jelbft, Schweden zu ver- laffen und nach Rom zu gehen. Dort wurde er, nachdem das Erzbis- thum won Upfala durch den im Jahre 1544 erfolgten Tod feines Bru- ders erledigt war, zu deſſen Nachfolger ernannt. Er betrat jedoch Schweden nicht wieder; er jtarb in Nom im Jahre 1558. Fern von jeinem Baterland hat er auch deſſen Schilverung verfaßt #). Von den naturhiftoriichen Bemerkungen , welche dieſes in mehrfacher Beziehung wichtige Werk enthält, find die merfwürdigften die Gefchichten breier Thiere, welche ſich theils in ihrer fabelhaften Form bis jett, wenigftens 61) Historia de gentibus septentrionalibus. Romae, 4555. Fol. Wh Wr —— RN Et —66 Re Tre Va Te WERTEN —— — Br —* ER — — J * Ne . Ba =, — J * x .336 Periode der encyllopädifchen Darftellungen. im Volksmunde, erhalten, theils durch einige neuerlich bekannt gewor- dene Thatjachen Beftätigung gefunden haben. Die erfte betrifft ven fälſchlich ſogenannten Vielfraß. Ueber diefes Thier haben Olaus Mag— mus und Matthias Mihovins®2) wohl zuerft die abenteuerlichen Gefchichten in Umlauf gejegt, welche ſich lange Zeit hindurch in Folge einer vollsetymologiſchen Auslegung feines von Deutjchen unverftan- denen Namens lebendig erhalten haben. Das zweite Thier, welches Dlaus Magnus wohl auch zuerit in die Fabelkreife der modernen Bölfer eingeführt haben dürfte, ift die große Seefchlange, welche er als bis anderthalb Meilen fang werbend ſchildert. Nicht jo mythiſch, fie die beiden erften, und nicht jo vollftändig der thatfächlichen Belege entbehrend ift die Gejchichte von den Kraken, welche bekanntlich im Staude fein ſollen, mit ihren ungeheuren Armen ganze Boote zu um- faffen und in die Tiefe hinabzuziehen. In einer gewiffen Weiſe Hingt bier bei Dlaus Magnus eine Erinnerung an die Aspibochelone durch. Er erzählt , die Krafen würden zuweilen jo groß, daß die Schiffer fie für eine Infel hielten, Anker auf fie würfen und auf ihnen zu landen verfuchten. Zieht man aber diefen Zufag als vielleicht nur eine Art von poetifcher Ausſchmückung der Erzählung ab, jo bleibt doch in der- jelben ein Hinweis auf riefenhafte Tintenfifche übrig, wie jolche nach einzelnen nenerdings ſowohl in Mufeen als in Mieeren gemachten Fun— ven, wie nach directen Beobachtungen allerdings doch vorfommen. Den hauptfächlichften Anftoß zu den oben erwähnten Entvedungs- fahrten nach dem Norboften Europa’s, mit der Aufgabe eine öſtliche Durchfahrt nach China und Südoft-Afien zu finden, hatte eine Schil- derung des ruffiichen Reiches gegeben , welches damals zu den faft gar nicht gefannten Ländergebieten gehörte. Wie es auch noch im neuerer Zeit Deutfche waren, welche dieſes Reich durchforſchten, fo gab auch ein Deutjcher den erften Aufjchluß über vafjelbe. Der Freiherr Si- gismumd von Herberftein (geboren 1486, gejt. 1556) war vom Kaiſer Marimilian I an den Hof des Czaren Bafil IV gefandt worden und hatte dann nach einem zweimaligen Aufenthalt in Rußland (1517 62) in feinem Werke De Sarmatia asiana et europaea. Cracov, 1532. Fol. _ Erweiterung ber fpeeielfen Thierfenntniß. 337 und 1526 bis 27) eine Schilderung des Landes, feiner Gefchichte, Be- völferung und Natur gegeben 63). So wichtig nun aber jeine Bejchrei- bung für die Geographie Nordoft - Europa’s und des nördlichen Weft- Afiens auch ift, fo enthält Herberftein's Buch doch nur wenig Zoolo- giiches von Belang. Das Wichtigfte ift die Schilderung zweier wilder Dchjenarten, des Wijent und des Auerochjen, welche zwar dem Namen nach jchon in den mittelalterlichen Thierbüchern vorkommen, aber hier zum erſten Male wieder genauer unterjchieden und erkennbar befchrie- ben werden, nachdem wenigjtens der Wijent bereits von Ariftoteles erwähnt worden war. Die andere von Herberftein angeführte Rinderart hält man wohl mit Recht für den eigentlichen Auer oder Urſtier (Bos primigenius), eine der Stammarten der heutigen Rinderrafjen, auf welche direct fich bekanntlich noch jett einige Heerden zurüdführen laſſen. Aus den vorſtehend angeführten Notizen ergibt ſich die Beſtati⸗ gung des früher Geſagten, daß der Zuwachs an wiſſenſchaftlichem Ma— terial, troß der großartigen alle bisherigen Anjchauungen von ber Ausdehnung der Continente und Meere völlig umſtoßenden Entvedun- gen, in der Zoologie fich nur jehr langjam und allmählich bemerkbar machte. Es ift daher auch kaum erlaubt, von diefen Berichten über bie Thierwelt fremder Länder als von den erjten fauniftiichen Verſuchen zu fprechen. Zuweilen wurde ja auch geradezu ausgefprochen, baß bie neu geſehenen Thierformen nicht wejentlich von den befannten altwelt- fichen verjchieden feien. Ferner gieng aus der Art der Darjtellung, welche die Reiſewerke für die Behandlung der naturgefchichtlichen Mit-⸗ theilungen wählten, hervor, daß der Ärztliche Standpunkt wenn nicht ber ausfchlieflich für berechtigt gehaltene, doch der vorwiegend geltend gemachte war. Derſelbe charakterifirt auch die Schilderungen ber Thierwelt einzelner Gegenden Europa’s, wie fie jetzt theils allein, theils in Verbindung mit den andern Zweigen der Naturgefchichte aufzutre- ten beginnen. Eine der früheften in dieſer Hinficht zu erwähnenden 63) Rerum moscovitarum Commentarii. s. l. e. a. (Viennae, 1549); dann Bajel, 1556 u. öfter. B. Carus, Geſch. d. Zool. 22 BUSH hS ” " B F — * 4 — + Mr t „ * * er 2. E J — EEE % — w. ee 2 : R N x * — + 2 & * * ei * * ® u — Schriften iſt der Schleſiſche Thiergarten von Kaspar Schwend- feld, praktiſchem Arzte zu Hirſchberg). Der Verfaſſer (geb. 1563, geft. 1609) bezieht fich in ver Vorrede feines Inteinifch gefchriebenen Werkes ausdrücklich auf die Vortheile, welche die Medieiner aus ver genauen Kenntniß der in ihrem Baterlande vorkommenden Thiere für die Ausübung ihrer Kunft ziehen können. Er verfpricht demzufolge alle jchlefifchen Thiere, der Luft, des Waffers und wo fie fich überhaupt nur finden, zu ſchildern, bleibt aber dann, nach heutiger Anfchanung, dieſem Grundfage infofern nicht treu, ala er auch alle fremden Thiere, welche in Schlefien nur vorübergehend gezeigt wurden oder als aus- ländifche befannt waren, mit anführt. Ja, er erwähnt fogar Gegen- ftände feines Mufeums, wie ein erenterirtes, getrodnetes Krokodil. Es finden fich daher neben den einheimischen Thieren, welche in großer I Reichhaltigkeit erjcheinen und verhältnigmäßig nicht ungefchidt charak⸗ ‚terifirt werden, auch Elefanten, Löwen, Affen, Meerfchweinchen u. a. m. Schwenckfeld's allgemeiner zoologifcher Standpunkt ift in Anbe- tracht der bis zu feiner Zeit erfchienenen Leiſtungen kein tief eingehen: der. In großer Ausführlichkeit gibt er zwar in der allgemeinen Einlei- tung, ſowie in den ben einzelnen Gruppen vorausgefchicten Bemer⸗ fungen eine Weberficht ver einzelnen Theile, der gleicharfigen und ungleichartigen, wobei fich ariftotelifche Verallgemeinerungen eingeftrent finden. Aber die ſyſtematiſche Anordnung entjpricht den hierdurch ge wecten Erwartungen nicht und ift nur dem vorliegenden Bebürfniffe einer einigermaßen geordneten Aufzählung angepaßt ; die vorausgeſchickte tabellarifche Ueberficht ift Hinter ven zu feiner Zeit bereits angeftrebten oder durchgeführten Neuerungen zurücgeblieben. Es verlohnt fich in- deß nicht, hier näher darauf einzugehen ; auch wäre es ungerecht, einen Maßſtab an ein fonft verbienftliches und befonders durch die angehäng- ten deutſchen Bezeichnungen nicht unintereffantes Werk zu legen, wel- cher ven Gefichtspunkten ves Berfaffers nicht angemefjen wäre. 64) Theriotropheum Silesiae in quo Animalium hoc est Quadrupedum, . Reptilium, Avium, Piscium, Insectorum nalura, vis ex usus sex libris per- stringuntur. Lignicii, 1603. 40, _ Arbeiten ilber Ze Claſſen und Formen. 339 Arbeiten über einzelne Claffen und Formen. Naturgemäß mußte die Erweiterung der Formenkenntniß zu einer gründficheren Einficht in das fchon früher Gekannte drängen. Nahm das Gebiet extenfiv an Umfang zu, fo fonnten die neuen Erwerbungen nur dadurch zu einem ficheren Beſitzthum der Wifjenfchaft werden, daß fich gleichzeitig die Forſchung vertiefte oder in entjprechenden Grabe auch am Imtenfität gewann. Dies gefchah vornehmlich nach zwei Richtungen hin. Die wichtigfte derfelben tritt mit der allgemeinen Er- hebung der anatomischen Grundanfichten in faft gleichzeitiger Folge auf und charakterifirt jchon mehrere ver erften zootomiſchen Leitungen als vergleichen anatomische. Die andere, zur erften in dem Verhältniſſe eines nothwendigen Complements ſtehend, fucht basjenige fefter zu ftelfen, was bei dem Zuftrömen zahlreicher neuer Geftalten von großer praftifcher Bedeutung ift, und was man wohl, den Ausdruck freilich etwas zu eng faffend, die zoologifche Charakteriftif der Formen nennt. Die Abhängigkeit diefer letzteren von einen Verſtändniß des inneren Baues der Thiere fonnte num aber in den Jahren, welche hier der Be- trachtung unterliegen, um jo weniger eingejehen werben, als man die äußere Erjcheinung der Thiere und ihre Anatomie gewiffermaßen von zwei werfchiedenen Gefichtspuntten aus beurtheilte. Während man bei fetgterer den Mafftab des menfchlichen Leibes an den Thierkörper legte, erblictte man in den äußeren Geftaltungsverhältnifien der Thiere eben- ſoviele Offenbarungen wunterbarer Allmacht und fchöpferiicher Weis- heit. Es war ebenjowenig von einer Erfafjung morphologifcher Geſetz⸗ mäßigfeit wie von einer Ahnung des nothwendigen Zufammenhangs auch der fcheinbar äußerlichſten Structurverhältniffe mit dem ganzen Bau der Thiere die Rede. Nach diefen Bemerkungen ſchon, und befonders wenn man fich noch der ganzen Haltung der oben gejchilverten allgemeinen Darftel- (ungen. erinnert, wird auch in den Einzelarbeiten noch nicht diefelbe ausschließlich wifjenfchaftliche Weife der Behandlung der bejprochenen Thiere erwartet werden fünnen, welche die befjeren Specialleiftungen jpäterer Zeit Fennzeichnet. Auf der andern Seite aber ift das Erjchei- 22* Br Beriode ber euchllepadi chen Darellungen. nen berartiger Monographien, wie man die nun zu erwähnenden Schrif- ten immerbin fchon nennen kann, ein Beweis für die geiftige Samm- fung, welche die Aufmerkfamkfeit von der Menge des Neuen und viel« fach Zerftreuenden auf Einzelnes und Näherliegendes richten hieß. Bei einer Ueberſicht verjelben kann es nicht vermieden werben, die in ihnen etwa vortommenden vergleichend-anatomischen Bemerkungen ſchon jetzt zu erwähnen, während bie Entwidelung der vergleichenden Anatomie . fpäter befonders betrachtet werben wird. Faolgt man num, um dieſe Einzelarbeiten zu ordnen, dem zoolo⸗ gifchen Syfteme und beginnt dabei auch hier mit den Säugethieren , fo ift zumächft der älteften zweifellofen Schilderung des Chimpanſe zu ge- denlen, welche in den „Medicinifchen Beobachtungen“ des Holländers Nitolaus Tulp enthalten ift®). Tulp war prakticher Arzt, ſpäter Bürgermeiſter von Amfterdam (geb. 1593, geft. 1674) und ift außer ber einzigen von ihm herausgegebenen, eben erwähnten Schrift befon- ders durch das Rembrandt'sche Bild bekannt, auf welchem er im Kreife einiger Schüler vor einer Leiche ftehend die Anatomie der Armmusteln erklärt, trotzdem er weder Anatom noch Profeffor war. Zu feiner Zeit kannte man bereits das Borhandenfein eines anthropomorphen Affen, bes Drang-ltang, und in Folge des Mangels einer genauen Schil- derung diefes in Europa noch nicht gefehenen Thiers hielt Tulpius das lebend aus Angola nach Holland gebrachte Eremplar eines jungen Chimpanſe für gleichartig mit jenem und nannte es Indischen Satyr, welcher „von den Indern Drang Utang, von ven Afrifanern Quoias Morron genannt werde‘). Die etwas fnapp gehaltene Bejchreibung und bie charakteriftifche in Kupferftich beigegebene Abbildung laſſen feine Misdentung zu. Und wenn auch in beiden keine von den Einzel- heiten hervorgehoben wird, welche fpäter zur Unterfcheivung ver men- Ihenähnlichen Affen dienen, fo ift doch eine Berwechjelung mit einer 65) Nic. Tulpii Observationes medicae. Amstelredami (Elzevir) 1641. 8., dann 1652 und öfter, won 1716 an mit der Lebensbejchreibung. Die Schilderung des Ehimpanfe findet fi im 3. Bud, 56. Kap. | 66) Eine Gedichte der Kenntniß der Anthropomorphen mit Erwähnung ber früheren Reifeberichte von Pigafetta und Purchas f. in Hurley, Zeugniffe fiir die Stellung des Menſchen in der Natur. Ueberſetz. Braunſchweig 1863. S. Iflgbe. aAtbeuen über — Claſſen und ecuen SE 341 - andern Art unmöglich. — Rein philofophifch = Hiftorifch ift die Unter- juchung von Jakob Thomafius über das Sehvermögen des Maul» wurfs 7), Er führt alle möglichen Gründe für und wider die An- nahme an, daß der Maulwurf jehe, fich auf ſämmtliche Autoritäten von Ariftoteles an berufend, aber ohne ein einziges Mal einen Maul wurf ſelbſt auf die Beichaffenheit feiner Augen zu unterfuchen. — Unter ven Nagethieren fand zunächit der Hafe feinen Bejchreiber. Der Altdorfer Profeffor Wolfgang Waldung ftellte in ausführlicher Weife Alles zuſammen, was naturhiftorifch und medicinifch Wichtiges vom Hafen befannt wars). Dabei beginnt er nach hergebrachter Art mit dem Namen und in Folge hiervon mit ven Thieren, welche über- haupt je ven Namen Hafe getragen haben, er führt alſo auch den Meerhafen (Aplysia und Thetys) mit auf. In Betreff des eigentlichen Hafen befpricht er das Wiederkäuen defjelben und meint dabei, er habe nicht wie andere Wieberfäuer vier Magen, weil er zu Hein ſei; ba- gegen habe er einen großen Blinddarm. Ob die Erzählung vom Wie- berfäuen ver Hafen eine thatfächliche Begründung habe, unterfucht er nicht weiter 9). In ähnlicher Weife dem Volksglauben fich anfchliegend ſchildert Dlaus Worm den Lemming?%). Er gibt außer ver Be» jchreibung noch eine Abbildung fowohl vom Thiere als vom Skelet mit Detail der Zähne, welche ganz leidlich ift. Trotzdem leugnet er aber durchaus nicht, daß das Thier in den Wolfen aus fauligen, mit dem - 67) Jac. Thomasius, De visu Talparum. Lips., 1659. 4. (resp. Joach. Corthbum). 68) Wolfg. Waldung, Lagographia. Natura leporum, qua prisci autores et recentiores prodidere quidve utilitatis in re medica ab isto qua- drupede percipiatur. Amberg, 1619. 4. 69) Das Zworgoysıov seu Leporarium be Georg Pictorins han- delt nicht bloß von Hafen etwa, jondern umfaßt quorundam animalium quadru- pedum et avicularum naturas. Es erſchien Bafel, 1560, und wiederholt in latei- niſchen Diftichen alte Märchen, fo 3. B. est male viva caro partus quem red- didit ursa, und amphibius castor cupiens evadere damna se viduat scissis testibus ipse suis ıt. ſ. w. Die Beobachtung der Hafenfötus von Rommel f. unten. 70) Ol. Wormii Historia Animalis quod in Norvagia quandoque e nubibus decidit et sata ac gramina magno incolarum detrimento celerrime depascitur. Hafniae, 1653. 4. 312 Serie de mcpäichen Darlungen. - Samen der Ratte imprägnirten Stoffen entjtehe und auf die Erde in Maſſen herabfallen könne, ebenfogut wie Fröfche und Kröten. Auch theilt er, allerdings mit der ausprüdlichen Bemerkung, daß er damit die Befchreibung nur vollftändig machen wolle, die Formel des Eror- cismus gegen diefe Landplage mit. — Unter den Fleiſchfreſſern fand zwar fowohl Hund als Wolf ihren Monographen. Aber keines von beiden wurde eigentlich naturhiſtoriſch geſchildert?). Martin Böhme erzählt, welche herrliche Thiere die Hunde find, beſpricht ihre Unarten und den Biß des tollen Huntes ;, Joh. Rud. Salzmann ergeht fich über alle möglichen Eigenfchaften, Sympathien und Antipa- thien des Wolfes. Aber weder bei dem einen noch bei dem andern fin- det fich eine eingehende oder auch nur flüchtige Erwähnung ihrer na- turgefchichtlichen Stellung, Beziehung zu andern Formen oder der⸗ gleichen. Wichtig für die Gefchichte der Hunderaſſen ift ein Brief, welchen der Engländer John Kay (Iohannes Eajus) auf Beranlaf- fung Gesner’s an diefen gerichtet hat und in welchem er die Eharalte- riftit der in England vortommenden Hunderafjen jchildert, Er zählt darin die verjchievenen Jaghhunde unter Erwähnung ver lateinifchen und engliichen Namen, die Haushunde und Spielarten auf. Gesner und Aldrovandi haben das Wichtigfte hiervon aufgenommen. Der Brief ift aber auch mehrmals bejonders gedrudt worden 72). — Eine kurze Beſchreibung bes Vielfraßes nad) einem trodenen Balge gab Apolio- nioMenabeni’); er fügt feiner Schilderung eine Wiederholung ver - oben erwähnten, von Dlaus Magnus in Umlauf gejegten Fabeln hinzu. Nicht zu verwundern ift es, daß ein durch feine ganze Erfcheinung jo auffallendes und von allen einheimifchen Formen jo abweichenves 71) Mart. Bohemus, Chriſtlicher und nützlicher Bericht won Hunden (geihrieben 1591], herausgegeben von I. Kasp. Erufius. Leipzig, 1677. 3. Rud. Salzmann, De Lupo. Argentor. 1688. 72) Joh. Cajus, De Canibus Britannicis libellus. Londin. 1570. re- cogn. S. Jebb. ib. 1729, abgebrudt in Paullini, Cynographia curiosa No- rimberg.,, 1685. p. 231. Bon Jagdhunden handeln auch einige Schriften über Balken u. Fallenjagd, ſo z. B. Guill. Tardif. 73) in feinem Tractatus de mogno animali, quod Alcen nonnulli vocant, Coloniae, 1581. Arbeiten über-einzelne Claffen und Formen. 343 Thier wie der Elefant in der vorliegenden Zeit, wo man fih Ein- zelheiten zuzumenden begaun, die Aufmerkſamkeit ganz befonders in Anfpruch nahm, noch dazu da fich dies ungeheure Thier durchaus nicht als abjolut unzähmbar und wild, fondern im Einklang mit alten Ueber- fieferungen ſogar als gelehrig und abrichtbar erwies. Auch war man in Bezug auf eine nähere Kenntniß deſſelben nicht bloß auf Reiſende und die Berichte ver Drientalen angewiejen, ſondern konnte fich aus eiguer Auſchauung von der Natur und Beichaffenheit diefes Wunder- thieres überzeugen. Schon ſeit dem fechzehnten Jahrhundert wurden zuweilen abgerichtete Elefanten in Europa, auch auf deutſchen Meſſen herumgezeigt, jo bejonders in den Jahren 1562, 1628 und 1629; auch 1675 wurde ein Eremplar nach London gebracht. Den Elefan- ten, welcher in der Johannismeſſe 1562 in Breslau gezeigt wurde, ſchildert Juſtus Lipjius?t), den zweiten Kaspar Horn”). Es wurbe bereits erwähnt, daß die erfte Schilderung eines Elefanten nach ver Natur von Peter Gyllius berührt; feine, urfprünglich in die Ueberjegung des Aelian aufgenommene (1562 und 1565 ges druckte) Schrift erjchien jpäter befonders (Hamburg 1614) und wurde von Lipfius und Horn vielfach citirt. Gyllius war bei der Section eines vierjährigen Elefanten gegenwärtig gewejen und gab danach meh- rere Einzelheiten über den innern Bau. Die Stoßzähne hielt er aber doch lieber für Hörner, da fie nicht aus den Oberkiefern, fondern mehr aus der Stirn entfprängen. Hierin folgt ihm auch Horn, welcher indeß auf die Bezeichnung feinen großen Werth legt. Yuftus Lipfins führt vorzüglich aus dem Seelenlebeu des Elefanten die charakteri- jtifchen Momente auf, natürlich nach Art der Zeit unter Aufwendung eines ziemlich veichen gelehrten Apparats. Eine Bejchreibung der Le⸗ 74) J. Just. Lipsii Epistolarum selectarum Centuriae VIII. Viriaci, 1604. Cent. I. Epist. L. (Ps. I. p. 60). 75) Elephas, das ift: Hiftorifcher und philoſophiſcher Discurs von dem großen Wurnderthiere dem Elephanten, deſſen wunderbare Natur und Eygenſchaff⸗ tem u. f. w. Nürnberg, 1629. 4. Der hier abgebildete Elefant ift wahrſcheinlich derfelbe, den 3. Ionftonus in Amfterdam gefehen hat. — Ferner hat au Joach. Prätorins eine Historia Elephanti, Hamburg, 1607 herausgegeben. Ich Tenne fie nicht. 344. Periode ber encpflopäbifchen Darftellungen. bensverhältniffe, Dienftbarkeit und der fonftigen Eigenthümlichkeiten gibt nach eignen Beobachtungen an Ort und Stelle au Eriftobal Acoſta?e). Eine Monographie der ganzen Ordnung der Wiederkäuer ver- fpricht der Titel einer Schrift eines gewiffen Johannes Aemy- fianns aus Ferrara”). Doch entjpricht der Inhalt derſelben durch⸗ aus nicht diefen Erwartungen. Die Abhandlung ift in acht Abfchnitte getheilt, wovon ber erjte eine weitjchichtige etymologiiche Erörterung über das Wort Ruminatio und eine Definition beffelben enthält, ver zweite ftellt bie Titterarifchen Belege für die Thatfache zufammen, daß die Wiederläuer das Futter noch einmal aus dem Magen in ben Mund bringen. Hier werben auch die Abtheilungen des zufammen- geſetzten Magens gefchilvert und benannt, aber ohne über das, was ſchon von Ariftoteles gegeben war, hinauszugehen. Der Abfchnitt ift angefüllt mit einer Menge von Eitaten, welche häufig in einer äußerſt fchwerfälfigen Weife vorgebracht werben. Eine Anführung einer Stelle aus Dante wird beifpielsweife dadurch eingeleitet, daß umftändlich auseinandergefegt wird, warum Dante fein Gedicht „Eomöbdie* genannt babe. Der vritte Abfchnitt, über die Hörner, unterfucht die Frage, aus welchen Theilen des Körpers bie Hörner fich bilden, erwähnt dabei bie Thatfache (!), daß andere hornige Theile, wie Nägel und Haare noch nach dem Tode fortwachfen und befpricht zuletzt die Verſchieden⸗ heiten der Hörner. Der vierte Abſchnitt Handelt von ven einhörnigen Wiederkäuern, wobei jedoch nur vom Oryr, im Uebrigen dagegen von allen möglichen einhörnigen Thierformen die Rede ift. Im folgenden Abſchnitt wird zwar des Unterſchiedes zwifchen hohlen und foliden Hörnern gedacht, aber ohne weitere Schlüffe oder Verwerthungen dar⸗ auf zu gründen. Es werden dabei auch die nach Willkür beweglichen Hörner des Thieres „Eale* erwähnt. Das ſechſte Syntagma führt das Wachsthum der Hörner auf die eingeborne Wärme zurück. Die 16) in dem Trattato della historia, natura et virtu delle droghe medici- nali. Venezia, 1585 al$: Trattato dell’ elefante e delle sue qualitä. 77) Naturalis de Ruminantibus bistoria Joannis Aemyliani Ferrariensis vario doctrinae genere referta. Venetiis, 1584. 4. Albeiten über einzelne Claſſen und Formen. 345 - weiblichen Hirfche, von welcher Thierform überhaupt am meiften bie Rede ift, find von fälterer Natur als die männlichen, daher haben fie feine Hörner. Wird ein Hirfch caftrirt, fo verliert fich die Wärme und das Geweih wächjt nicht. Die hornlofen Wiederfäuer werden im fie- benten Abfchnitt befprochen,, alſo befonvers das Kamel. Doc finden fich außer allgemeinen Bemerkungen über daſſelbe, wobei alle alten Fabeln und die medicinifche Verwendbarkeit befprochen werben, auch Betrachtungen über ven Milchreichthum der Wiederkäuer, über ven Umftand, daß diefelben im Winter ftärfer wiederkäuen, endlich auch über ven wiederfäuenden Fiſch Scarus. Das legte Kapitel weift nach, daß dem Rinde das Wiederfäuen mehr als den übrigen Wiederfiuern zufage. Nach diefen kurzen Andeutungen ftellt fich die Schrift als ohne jeglichen Einfluß auf den Fortſchritt der zoologifchen Kenntniß dar und ift faft nichts, als eine fich an einen Naturgegenftand anlehnende Ent- faltung litterarifcher Gelehrſamkeit. | « Unter den einzelnen Wiederfäuern wurde der Hirſch einigemal be- ſonders behandelt. Die früher mitgetheilten fich auf ihn beziehenden Ueberlieferungen , fein Verhältniß zu den Schlangen und Achnliches, trugen dazu bei, den Glauben an feine Heilkräftigkeit lebendig zu er- halten. Und fo war auch die erjte ausführliche Schrift über ihn vor- züglich darauf gerichtet, den medicinifchen Gebrauch der einzelnen Theile des Hirfches darzuftellen. Der Stadtarzt zu Amberg, Joh. Georg Agricola war ihr Berfaffer. Ein kurzer einleitender Abſchnitt handelt zwar von der Natur und den Eigenjchaften des Thiers, aber ohne bamit die Naturgefchichte veffelben nur irgend eingehend zu erläu⸗ tern. Dagegen ift ver Haupttheil des Buchs der Verwendbarkeit des Hirſches in der ärztlichen Praris gewidmet. Im einer zweiten Bear- beitung fcheint dem naturhiftorifchen Theile mehr Beachtung zugewendet worben zu fein”). Aus gleicher Zeit find noch ein paar Fleinere 78) J. Geo. Agricola, Cervi excoriati et dissecti in medicina usus, das ift: Kurtze Beſchreibung welcher Geftalt dei zu gewifen Zeiten gefangenen Hir- jchens fürnembfte Glieder in der Artzuey zu gebrauchen. Amberg, 1603. Die zweite mir nicht befannte Ausgabe führt den Titel: Cervi cum integri et vivi natura et proprietates tum excoriati etc. ibid. 1617. — "Bere Brei Dale Schriften über den Hirſch zu erwähnen von Florian Beier; Werner Rolfint und andre, welche indeß gleichfalls die Kennt- niß ber Naturgefchichte des Thieres nicht förderten. Das früher (noch von E. Gesner und Aldrovandi zum Theil) mit dem Elenn verwech- jelte Rennthier wird jet, zwar auch nicht ganz naturgetreu aber ficher erlennbar, von Dlaus Magnus (welcher ihm drei Hörner zufchreibt), Apollonius Menabeni u. A. befchrieben, in der Regel mit dem Elenn zufammen. Sowohl bier als bei den Schilverungen des Teßtgenannten hirſchartigen Thieyes treten wieder mebicinifche Gefichtspunfte in den Bordergrund. Der alten Fabel zufolge ſoll das Elenn an Epilepfie lei- ben, wie außer dem Menſchen nur noch die Wachtel. Berührt es mit feiner hintern Klaue das Ohr, jo höre ver Anfall auf. Die Klaue hat daher Heilfräfte. Dies ift das Thema, was in den Schriften über das Elenn aus jener Zeit häufig wiederholt wird, während die Natur- gejchichte des Thieres nur eine oberflächliche und mehr beiläufige Er- waãhnung findet 7%). — Bon ven verjchievenen Formen ver Pferde⸗ gattung fand zumächft das Pferd ſelbſt in mehreren praftifchen ötono- miſchen und Beterinär-Schriften Berücfichtigung , ebenfo in manchen Jagdbüchern. Gleichfalls mit den Krankheiten des Pferdes zuſammen ſchilderte Carlo Ruini deſſen Anatomie). Das Zebra wurde von ben Reijenden Pigafetta und Thevenot bejchrieben. Zu Einzelarbeiten über die verfchievenen Arten fehlte es aber aufer beim Pferde noch an Material; daher auch die Unklarheit in Bezug auf das Verhältniß der einzelnen Arten zu einander: man hielt manche nur für werjchienene Sejchlechter einer Art. — Bom Hippopotamus gab Fabius Columma nad einem in Salz confervixten Exemplar, welches Febe- 79) Apollonii Menabeni Tract. de magno animali quod Alcen vo- cant. Colon. 1581 (itafien. Rimini, 1584). Andr. Bacci, de magna bestia a nonnullis Alce, germanice Ellend appellata. latine a Wolfg. Gabelchover, Stuttgard. 1598 (mit befjelben Schrift über das Einhorn). Außerdem Differtatio- nen über das Elenn von 3. Wigand (Königsb. 1582), Severin. Goebel (Be uebig, 1595) u. a. 80) Carlo Ruini, Anatomia del Cavallo. Venetia, 1618, erjchien latei⸗ nif 1598 mit Schilderung der Krankheiten des Pferdes; deutſch vom Uffenbad. Frankfurt, 1603, beiten er emene Sofen and Formen. Br": | jerenghi aus Damiette nach Kom gebracht hatte, eine ausführliche von Mafangaben begleitete Befchreibung und eine im Ganzen leidliche Abbildung, freilich ohne auf die ſyſtematiſche Stellung oder die Ver— wandtichaft des Nilpferdes zu anderen Formen irgend einzugehen 91). — Was die walartigen Säugethiere betrifft, fo lieferte Belon eine treue Schilderung und Abbildung des Delphins (f. unten). Die genaue Kenntniß des Narwals erhielt dadurch ein beſonderes Intereffe, daß an befjen für ein Horn angejehenen Stoßzahn fich noch immer die Fabel von der Heilkraft des Einhorns geknüpft hatte. Hier fprach ſchon Olaus Worm aus, daß der fragliche Theil fein Horn, ſondern ein Zahn jet, trotzdem man überall ſelbſt Stüde davon als wunverthätige Gebilde vom Einhorn in Anfehn halte), Nicolas Tulp gibt num zwar eine Abbildung des ganzen Thieres jowie des Schävels, hält aber demungeachtet ven Zahn wieder für ein Horn ®°). Unter den Arbeiten über die Vögel ift zunächft ver Bemühungen einiger Männer zu gedenken, welche die Namen ver einzelnen Arten in den verſchiedenen Sprachen feftzuftellen juchten. Es handelt fich dabei nicht um etymologifche Gefichtspunkte, ſondern theils um zoogeographijche Aufklärungen,, wenn man die bejcheidenen Liften jo auffaſſen darf, theils um Erläuterung der Haffischen Schrift ſteller. Beides ift gleich verdienſtlich und vielleicht bei kritiſcher Bear- beitung der antifen Namengebung nicht genug beachtet werben. Der letztern Richtung gehören zwei Schriften an, won denen bie eime ges radezu den bei Plinius und Ariftoteles erwähnten Vögelarten gewid— met iſt. Ihr Berfafler ift William Turner, welcher oben als 81) Fab. Columna in dem Tractat: Aquatilium et terrestrium aliquot animalium aliarumque naturalium rerum observationes, beſonders paginirter Anhang der Minus cognitarum stirpium Exgpoaoıs. Romae, 1616. 82) An os illud quod vulgo pro cornu Monocerotis vendilatur verum sit Unicornu? vom Jahre 1638; abgebrudt in Thom. Bartholini de Uni-. cornu observationes novae, ed. Casp. Bartholinus. 2. ed. Amstelod. 1678, p. 113, 83) a. a. D. 4. Buch, 58. Kap. Ausgabe von 1652. ©. 394, mit Abbildung des ganzen Thiers. ER —— TE — 7 * — Correſpondent Conrad Gesner's erwähnt wurde). Im gleichem Sinne ift der Dialog über die Vögel von Gybert Longolius ab- gefaßt, welchen nach dem Tode des Verfaffers derſelbe Will. Turner herausgegeben hat. Turner fpricht fich in der dem Werke worgeftellten . Einleitung ehr paffend barüber aus, wie unvecht es fei, wenn Gram⸗ matiter und Lehrer beim Erklären guter Autoren nicht wüßten, was bie bei dieſen vorlommenden Thier- und Pflanzennamen bebeuteten. Diefem wolle Longolins abhelfen. Im Ganzen ift aber ver Dialog mager, Naturgefchichtliches findet fich faft gar nicht darin ®). Zu den Aufzählungen der erft genannten Art gehören die Beiträge, welche wie- berum Turner über die englifchen Vögel gegeben und unter Andern Gesner mitgetheilt hat. — Entſprechen bie bier genannten Arbeiten mehr oder weniger der philologifirenden Richtung der Zeit, fo erſchien kurz nach ihnen ein Werk von der größten Wichtigkeit für die Gefchichte ber Vögeltunde, welches, gleichzeitig mit der erften Auflage von Ges- ner's Drnithologie veröffentlicht, die erfte Monographie über die ganze Elaffe darftellt, die Naturgefchichte ver Vögel von Pierre Belon ®). Belon, deffen Beobachtungen auf Reifen in Süd⸗Europa fchon oben erwähnt find, wurde um 1518 in Souletiere im Maine geboren (er nennt fich daher Belon du Mans). Bon feinem Bildungsgang kennt man nur wenig; man weiß bloß, daß fich ver Earbinal von Tournon, welcher auch als Gönner Rondelets genannt werben wird, und ber Cardinal von Ehatillon feiner auf liberale Weife annahmen und ihn beſonders in die Lage brachten, Reifen unternehmen zu können. Bor den oben gefchilverten Wanderungen war Belon bereits in Deutjchland (um 1540) und hat auch den Valerius Eorbus in Wittenberg gehört. Ob biefer aber Einfluß auf Belon’s weitere Studien gehabt hat, ift 84) Avium praecipuarum quarum apud Plinium et Aristotelem mentio est, historia. Coloniae, 1544. De avibus, privately reprinted (by Dr. Thack- eray)Cambridge, 1823. 120, | 85) Dialogus de Avibus et earum nominibus Graecis, Latinis et Germa- nicis. Non minus festivus quam eruditus et omnibus studiosis ad intelli- gendos Poetas maximo utilis. Coloniae, 1544. 8. 86) L’Histoire de la nature des Oyseaux, avec leurs descriplions et naifs portraicts retirez du naturel. Paris, 1555. Fol. beten — Claſſen und Formen. 349 kaum ficher zu — — Später war er noch in England und in Spanien. Bon Karl IX erhielt er eine Wohnung im Boulogner Ger hölz, wo er an einer Ueberſetzung des Theophraft und Diofkorides zu arbeiten begann. Er wurde indeß 1564 im genannten Walde bei Paris ermordet. Seine jchriftjtelleriiche Thätigkeit war won kurzer Dauer; fie währte von 1551 bis 1557. Doch gehören feine Schriften zu den wichtigften des vorliegenden Zeitraums. Das Werk über die Vögel ift in fieben Bücher eingetheilt, von denen das erfte eine allgemeine Ein⸗ feitung enthält, die übrigen die jechs Ordnungen ſchildern, in welche Belon die Vögel eintheilt. Im dem erften Buche nehmen weitläufige Erörterungen über die Fortpflanzungsgefchichte nicht bloß der Vögel, fondern aller möglichen lebenden Wefen einen verhältnißmäßig großen Raum ein, objchon über Eibildung und Entwidlung nichts vorgebracht wird, was auf die allgemeinen Anfichten über diefe Vorgänge etwa von Einfluß hätte fein können. Im einem nicht gar langen Kapitel dieſes einleitenden Buches beipricht Belon auch die innern Theile der Vögel. Er erwähnt fpäter einmal, daß er zweihundert verjchiedene Arten anatomisch unterfucht habe und jchon diefes ausdauernden Eifers wegen verdient er Anerkennung. Freilich verfannte er noch Manches. Er jagt zwar, daß die Anatomie der Vögel der der andern Landthiere ungefähr entfpreche (quasi correspondante) ; doch fpricht er 3. B. ven Bögeln außer der Harnblafe auch die Nieren ab; ftatt ihrer jollen fie feiner Angabe nach nur fleifchige den Nieren ähnliche Theile »befigen. Die eben erwähnte Uebereinftimmung im Bau, welche Belon bei ber Bergleihung der Vögel mit andern Landthieren auffiel, weift er in einer jehr intereffanten Weije auch im Skelet nach. Neben einander bildet er das Skelet des Menjchen und das eines Vogels ab mit gleich- _ artiger Bezeichnung der einander entjprechenden Theile, um die Ber: gleichung zu erleichtern ftellt er den Vogel mit derjelben Stellung der Sfieder wie den Menfchen dar. Daß er dabei unter Anderem das Schlüffelbein ver Vögel (ven Gabelfnochen) für einen den Vögeln eigen- thümlichen Knochen nahm und das Coracoid mit dem Schlüffelbeine des Menſchen verglich, ift ihm nicht als befonders großer Fehler anzu« rechnen. Spricht doch ſchon der Verfuch, die einzelnen Knochen zweier 350 Beriode der enchllobadiſchen Darflellungen. in ihrem ganzen Bewegungsmechanismus fo verſchieden angelegter Formen, wie es Menfch und Vogel find, auf einander zurüdzuführen, für ein ernftes Bemühn, die thierifchen Geftalten fich eingehender ver- ftändfich zu machen, und, was noch beveutungsvoller ift, für eine Ah— nung der bier vorliegenden wifjenfchaftlichen Aufgabe. Um für vie Eintheilung der Vögel und die Beiprechung der einzelnen Formen An- haltepunkte zu erhalten, geht Belon noch die Verhältniffe durch, welche Unterfcheidungsmerkmale darbieten. Am wichtigften find ihm dabei Schnabel und Füße. Doch zählt er auch die Verfchievenheiten in den Sitten, der Bewegungsweife und der Stimme auf und befpricht in gleicher Weife die Begattungs- und Niftzeit. Abfchnitte über die Be— nutzung der Vögel ald Speife, die Wirkung derfelben auf ven Men- ſchen, endlich eine Erwähnung der Weiffagungen , die fich auf Vögel- flug und Bögeleingeweide gründen, durften der Richtung ver Zeit nach ‚nicht fehlen. Ein Kapitel über den Werth der Vogelleuntniß, fowie über die Krankheiten und eigne Heilung derfelben und ein gleiches über einige unbekannte Vögel ſchließen die Einleitung. Unter ven letzteren erjcheinnen nicht etwa Vögel, welche zu Belon's Zeit etwa nur unvoll- ftändig befannt wären, fondern Bogelnamen aus alten Schriftftellern, welche nicht mit Sicherheit auf beftimmte Arten bezogen werben kün- nen. Neue Berfuche der Dentung finden fich dabei nicht. Ohne wei- tere Bemerkungen beginnt Belon nun fofort die Schilderung feiner er- ften Ordnung, wobei er nur in der Dedication des mit befonderem Titel verfehenen zweiten Buches an den König erwähnt, daß er Greife, Harpyien, Chimären u. f. f. als fabelhaft weggelaffen habe. Die jechs Dronungen Belon’s ftimmen übrigens nicht vecht mit den über bie Berjchievenheiten angeführten Bemerkungen; doch verſuchte er das Aehnliche zufammenzubringen. Den Anfang machen die Raubvögel; dann folgen die Wafjernögel, die Strandvögel, dann die Erbnifter (Strauß, Trappe, Hühner, Fafanen), dann, „größere, überall niftende, von allerlei Fleifch lebende Vögel“ (Raben, Elftern, Spechte, Tauben, Papageyen, Droffeln), endlich die Heineren Vögel (oysillons) in Heden und Büfchen. Diefe theilt er, wiederum im der Dedication, in folche, welche von Sämereien leben, in folche, welche Würmer und andere —— ¶ Arbeiten-über einzelne Claſſen und Formen. 351 Heine Thiere freffen, und ſolche, welche beiverfei Nahrung nehmen, Trotz der nicht zu vechtfertigenden Vereinigung won Tauben, Spechten, Papageyen und andern zu einer Gruppe und anderem Aehnlichen ift boch in Belon’s Syitem ein Streben, Natürliches zu verbinden, nicht zu verfennen. Nur ift er jelbft feinen Grundfägen nicht ganz treu ge blieben. So vereinigt er die Würger und den Kukuk mit ven Raub- vögeln. Den Nachtraubvögeln hängt er die Fledermaus an, indeß nicht, weil er fie etwa für einen Vogel gehalten hätte, ſondern der Bolljtändigkeit wegen, weil man lange über ihre Natur im Zweifel ge- wejen jei. Ferner ſchildert er z. B. bei Merops vie Kletterfühe, wie er biefelben auch bei ven Spechten, dem Papagehy richtig abbilvet, läßt aber ven Vogel doch bei den Strandvögeln. Auch hat er die Schwimm⸗ haut nicht überall darauf angeſehen, ob die vierte Zehe mit darin be- griffen ift (3. B. beim Belifan). Doch ift er im Ganzen fehr kritiſch, wenn man an die Zeit feiner Arbeit denkt. Fabeln weift er, wie im Allgemeinen, fo auch im Einzelnen zurück. Bon der Bernifelgans er- wähnt er, fie folle aus faulenden Schiffsmaften entjtehen, man habe fie aber beim Eierlegen beobachtet. Auf den Phönix bezieht er die fuß- (ofen Bälge, welche zu feiner Zeit häufiger aus dem Oriente nad) Eu— ropa famen, die Paradiesoögel, deren Benennung Apus er zurücdweift, weil dieſer Name bereits vergeben fei für einen andern Vogel (dem Segler). Gerade diefe Notiz führt auf eins ver größten Verbienfte Belon's. Er ift vor Allem wichtig durch die Aufmerkſamkeit, welche er dem Unterſchiede zwifchen den einzelnen Arten gejchenkt hat. Zwar hat er noch nicht den Begriff einer naturhiſtoriſchen Art im jeßigen Sinne; aber das was jeßt jo genannt wird, fucht er in ar- tenveichen Gruppen oder in ſolchen, wo mehrere ähnliche Formen der Beobachtung vorlagen, forgfältig auseinanderzuhalten. Dabei fühlt er auch das Bedürfniß einer zweifellofen Namengebung, nimmt aber jene Namen meift aus dem von den Alten oder von dem Volke dargebotenen Namenverzeichniffe. Nur jelten bildet er neue Namen (Dedicnemus, Lusciniola u. a.). Von amerikanischen Vögeln find nur wenige Belon befannt worden, jo ein Cafficus, eine Drofjel (merle de Bresil) u. a. m. Wie Turner hält auch Belon den Truthahn mit dem Perlhuhn, - 352 der Meleagris der Alten, für identiſch und daher aſiatiſchen Urſprungs. Die auch bei E. Gesner auftretende Bezeichnung „indifcher Hahn“ beruht auf der befannten Berwechfelung Weft- Indiens mit dem alten Indien. Bei allen durch die Zeit bedingten Mängeln bildet doch Be- lon's Werk die Grundlage für die fpätern. Im einer damals öfter wie- verfehrenden Weife wurden auch die Abbildungen Belon’s (außer ven Bögeln auch einige Säugethiere, Bölkerfchaften u. f. w.) zufammen wieder abgebrudt und mit kurzen Verjen begleitet. Außer den Figuren bietet die Sammlung nichts Werthoolles 9). Bon Localverzeichniffen fei hier der Lifte ver an und auf ber Eibe lebenden Vögel gedacht, welche Joh. Kentmann, ein auch mit Gesner in Eorrefpondenz ftehender fächfifcher Arzt dem Meißner Rector Geo. Fabricius mitgetheilt hat®s). Sie enthält funfzig deutſche Bogelnamen mit den lateinischen Bezeichnungen zum Theil nach Ges- ner, zum Theil nach Theodor Gaza, ohne Beichreibung. Nicht jo eingehend wie bei den Säugethieren wurbe einzelnen Formen der Vögel Aufmerkſamleit gejchenkt. Sei es, daß bie in ihrem ganzen Bau wenig Beugungen barbietende Elafje kaum Anhaltepunkte zeigte, die Vergleichung der verſchiedenen Geftalten zu nutzbaren Ver⸗ allgemeinerungen zu führen, oder war es der Umftand, daß die Vögel nur in wenig Arten mit dem Menfchen in eine innige, gewiffermaßen häusliche Beziehung traten: ficher ift, daß die Kenntnig der Einzelfor- men ungleich weniger Fortjchritte machte, als die der Säugethiere, Das Iagen mit Falten wurde zwar noch immer geübt, fieng aber doch wenigftens in Europa jchon jehr abzunehmen an. Die Litteratur über die Falfnerei weift allerdings auch aus bem vorliegenden Zeitraum noch einige Werke auf, aber keins, welches fich in Bezug auf feinen naturhiftorischen wie anatomischen Gehalt mit ‚dem des Kaifers Fried- 87) Pourtraicts d’oyseaux, animaux, serpens, herbes, arbres, hommes et femmes d’Arabie et d’Egypte. Paris, 1557. Eine fpäter erſchienene Natur- geichichte der Vögel von Franc. Marcuello, Primera parte de la historia natural de las Aves. Zaragoza, 1617. lenne ich nicht, ebenfo bie öfter gebrudte, auch ins Franzöfiiche überſetzte Uccelleria des Giov. Pietro Oliva (Roma, 1622), zu welcher Tempefta die Abbildungen gezeichnet hat. 88) G. Fabricii, Rerum misnicarum libri VII. Lips. 1569. p. 222. — _ Arbeiten über einzelne Claſſen amd Formen. 388 rich u meijen fünnte. Aus den andern Ordnungen der Vögel fanden vorzüglich einige Beſonderheiten Beachtung, theils won Alters her überlieferte Eigenthümlichkeiten, theils auf unvollftändiger Beobach⸗ tung und irriger Annahme beruhende Merkwürdigkeiten des Bogel- lebens. So wurden die brieftragenden Vögel einer beſondern Betrach- tung von Joh. Wolfg. Majer unterworfen 9); er führt hier Tauben, Krähen, Kraniche u. a. auf, aber mehr in litterarhiftoriicher Aus— führlichkeit mit allerhand Eitaten,, als in naturgefchichtlichem Sinne. Eine andere oft befprochene Frage betraf die Winterquartiere der Zug- vögel, bejonders der Störche und Schwalben. Bon legteren wurde, wie noch bis in eine ziemlich neue Zeit herein, angenommen, fie überwinter- ten in Höhlen, Spalten, in ihren Neftern, ja jelbjt im Wafjer, wobei mit Aufwand von viel Gelehrjamfeit der Nachweis verjucht wurde, daß das Athmen im; dem erftarrten Zuftande, in dem jich die Thiere dabei befänden,, gar nicht nöthig ſei, ähnlich wie es auch vom Storch als möglich angeführt wurde). Wie es fich hier um Erörterungen von Erſcheinungen handelte, welche mit ven gewöhnlichen Erfahrungen über den Ablauf des Lebensprozeſſes angeblich in Widerfpruch ftanden, fo wurden auch unter den übrigen Vögeln ſolche bejonders !behandelt, welche entweder durch ihre Gefchichte oder durch ihre ganze Erjcheinung mehr eine Art populärer Neugierde reizten, als wirklich wifjenjchaft- fiches Intereſſe hervorriefen, fo 3. B. der Papagey, deſſen Gelehrigfeit und Sprache von jeher bewundert worden war, und die Paradiesnögel, von denen erjt eingehende Unterjuchungen zeigen mußten, daß fie wirk- fich mit Füßen verfehen feien, während bekanntlich der Volksglaube fie als nur auf dem Fluge lebend, höchitens zuweilen mit den gefrümmten - Schwanzfebern angehängt rubend, jedenfalls aber als völlig fußlos an- jah 1). Und die Behandlung des Rebhuhns, wie fie beifpielsweije 89) Majer, Jo. Wolfg., De avibus literigerulis. Jenae, 1683 u. 1684. 90) Jac. Thomasius, resp. Christ. Schmidichen, De hibernacu- _ lis hirundinum. Lips. 1658. Praetorius, Joh., Bon des Storchs Winter- quartier. Lips. 1656. 91) Schmidichen, Chst., De psittaco. Lips. 1659. Grützmann, Dan., resp. Nic. Bonenberg, Diss. in qua Aves paradisiacas et primarie harum regem sistit. Jenae, 1667. B. Carus, Geſch. d. Zoot. 23 a Beibe br eflepbien Darlungen noch angeführt werben mag, zeigt, wien Fi Dice ae Ne kannten, bei ven Alten und im Phyfiologus vortommenden Erzählum- gen beichäftigte, als daß man eine eigentlich naturhiftoriiche Schilve- rung zu geben verſucht hätte”). Endlich wurden auch fabelhafte Vögel und Fabeln von Vögeln in ben Kreis der litterarifchen Beſprechung gezogen. Daß die Gefchichte von der Baumgans noch nicht ganz aus dem Boltsglauben verſchwunden war, beweifen die jchon oben (S. 192) angeführten Schriften. Ebenfo wurde die Gefchichte von ben Greifen, dem Phoenir eingehend erörtert, und auch einzelne wunderbare hier und da in den Wolfen oder auf der Erbe gejehene oder ſelbſt erlegte Wundervögel fanden ihre Befchreiber 9). Unter den Reptilien waren vorzugsweile die Schlangen Ge- genjtand der Beachtung und Furcht gewejen. Die Giftſchlangen ge börig unterfcheiden und beim Mifchen des Therials nach alter Bor- ſchrift benugen zu können, war befondere Aufgabe der Aerzte. Einen eigenthümfichen Eindruck macht es, daß die naturhiftorifch nicht bedeu⸗ tende Schrift über Schlangen, befonders giftige, welche ver bekannte Arzt Nicolaus Leonicenus im hohen Alter verfaßte, der berüch- figten Lucrezia Borgia dedicirt it). Sie ſchließt fich ziemlich treu an Nikander, Galen und Avicenna an, deren Schriften eitivend und ger geneinanberftellend. Etwas näher auf die Natur des behandelten 92) Clodius, Jo., resp. J. H. Rebhuhn, Perdicem themate physio- logico degustandum proponit. Witteberg. 1671. Der Titel ift gleich ein Zei⸗ chen bes Ungeichmads ber Zeit. | 93) So z. B.: Wahrhaffter Abriß und Abbildung eines großen wunderlichen Bogels welcher in der Stabt Amgemita in Hispanien im verlauffnen Jahr 1628 wunberbarlicher Weife fich erzeigt und befommen worben. Fliegendes Blatt mit Holzihnittfigur. Die Sage von den Greifen führt Corn. Bogel, (DeGryphibus. Lips. 1670) auf ihren Urjprung zurüd. Die Gedichte des Lactantins und Claus diauus über den Phoenir mit den betreffenden Stellen aus Ovid u. 9. erklärt real und verbal ausführlich Joh. Gryphiander (Phoenix. Jenae, 1618). ; 94) Nic. Leonicenus, De Serpentibus opus singulare ac exactissi- mum. Bononiae, 1518. Daffelbe in feiner Schrift De Plinii et aliorum medi- corum erroribus. Basil. 1529, der Abſchnitt De Tiro seu Vipera mit ben zwei. ähnlichen Schriften des Pandulphus Collonutius und Ambrofius Leo Nolanus wieder abgedruckt im: Actuarius. Venetiis, 1529. = Arbeiten über einzelne Claſſen und Formen. 355 - Gegenftandes geht die Schrift des Arztes Baldus Angelus Ab- batius über die Biper ein ®), im welcher eine freilich etwas roh ge- baltene Zeichnung der Lage ver Eingeweide von der männlichen und - weiblichen Viper gegeben wird. Es laufen aber noch viele Irrthüimer unter. So foll 3. B. von der Gallenblafe eine Vene direct nach dem Giftzahn gehn; denn das Gift wird natürlich mit der Galle in enge Beziehung gebracht. Auch der fpäter mit Anerkennung zu erwähnente Marc Aurelio Severino förderte die Kenntni der Schlangen nicht befonders®). Im dem umfänglichen Buche über die Viper ift weitaus ber mebdicinifche Geſichtspunkt vorherrſchend. Der erſte Theil, über bie Natur der Viper, geht nur in fehr bejchränkter Weije auf Form, Bau und Leben der Viper ein, enthält vielmehr lang ausge Äponnene Betrachtungen , dicht mit allerhand Eitaten und anderen lit- terarifchen Belegen durchſetzt, über die iveelle Bedeutung, die Heilkraft ber Viper und Aehnliches. Es wird dabei wenigftens auf die Yage der Giftorüfe und deren Verbindung mit den Zähnen Hingewiejen. Der zweite und britte Theil, über das Gift der Viper und die Heilung des Bipernbifjes, wie überhaupt über die medicinifche Natur der Viper, ſind von noch untergeorpnneterer Bedeutung, namentlich der letzte, wel- hen ber Verfaſſer ſelbſt ausprüdlich als aus andern Autoren zufam- ‚mengejtellt bezeichnet. Wie bei ven Bögeln, fuchte man auch bei ven Fifchen zunächſt theils bei dem anzufnüpfen, was die Alten ermittelt hatten, theils bei der im Volle verbreiteten Kenntniß der verjchiedenen Formen. So wurde das neunte Buch des Plinius fowohl einzeln herausgegeben, als auch mit beſondern Bemerkungen verfehen, welche fich vorzüglich die Beſtim⸗ mung ber erwähnten Fische zur Aufgabe geftellt zu haben jcheinen 97). Andererſeits wurden auch hier die lateinifchen Namen mit den neuern, 95) Bald. Ang. Abbatius, med. phys. Eugubin., de admirabili - viperae natura et de mirificis ejusdem facultatibus. Urbini, 1589. E 96) M. A. Severini, Vipera Pythia;; id est, de Viperae natura, ve- | deno, medicina demonstrationes et experimenta nova. Patavii, 1651. 1 97) Franc. Massarii, In nonum Plinii de naturali historia librum Arbeiten ber einzelne Claffeit und — 368 die bei der Beurtheilung der Arten fo ſchmerzlich vermißten Details. - An die Aurata reiht er zunächſt andere mit Schuppen verſehene, an ; den Ufern fich aufhaltende Seefifche, Pagrus, Cantharus u. a. Bon dieſen geht er auf die in dem reinften Seewaffer in dev Nähe von Fel- ſen und Riffen lebenden Schuppenfifche über, welche ſchon Galen als saxatiles bezeichnet und ihres bejonders gefunden Fleiſches wegen ge- rühmt hatte. Hierher gehören die Scarus, Sparus (»Turdus und Merula«), Phyeis, Scorpaena. Hierauf folgen die Aphyen, die Hein- ſten Fifchchen, welche zum Theil nur Iugendzuftände anderer fein mö— gen, zum Theil aber aus Schlamm, Sand u. vergl. ohne Eier und - Samen entftehen. Den nächften Abjchnitt leitet er mit den Worten - ein: „wir kommen nun allmählich von ven Heineren zu den größeren Fiſchen“ und bringt bier eine Reihe von Fiſchen, welche er zum Theil niur nach der Form vereinigt. So führt er z. B. unter der Bezeich- nung Meernavel (Acus) die Belone und den. Syngnathus auf. Im dieſer Reihe ericheinen auch die Scomberoiden, die Maferele, Pelamys, und der Schwertfiich. Auch bei den folgenden Abtheilungen hat ihn die Körperform geleitet; zumächft folgen nämlich: „faft runde, nicht zuſammengedrückte ſchuppige Fifche“, Mugil, Cephalus, Cestreus (im Rondeletſchen Sinne) und die Gadus-arten (Aselli), dann die runde⸗ ren röthlichen Fiſche mit dickem Kopfe: Hirundo, Cuculus, Lyra (das - find Daetylopterus, Trigla, Peristedion) zwifchen Mullus und am : Schluffe Uranoscopus. Bon den platten Fifchen, zu denen er dann übergeht, ſchildert er zumächft die nicht knorpligen, die Pleuronectiven und den Zeus faber, dann die Inorpligen, die Rochen, dabei Lophius, welchen er als Mittelform den Uebergang zu den langen bilden läßt. An die platten ſchließt er zunächft die langen Knorpelfifche, die Haie, an diefe die langen, aalartigen Kuochenfifche, zwijchen denen freilich auch bei Rondelet die Lamprete und an deren Schluß der Stör erfcheint. Unter der Bezeichnung frembartiger und feltener Fiſche vereinigt er Diodon, Orthagoriscus, Echeneis und andere. Die Cetaceen und Monftren, in welcher Abtheilung er auch die Seeſchildkröten aufführt, ſchließen die Reihe ver blutführenden Seefifche im erften Theile; im zweiten erjcheint zunächit der Hippocampus unter den Würmern. 366 Periode ber emepflopäbifchen Darfleflungen. Lagunenfifche (ans Zeichen mit Meerwafer) find die zuletzt gefchilder- ten Seeftfche. Die Süßwafferfifche trennt er in Teich» und Flußfifche und trennt bamit fowohl die karpfenartigen als die lachsartigen. Den Karpfen fchildert er aus dem Teiche, Weißfiich und Barbe aus dem Fluffe, Afche und Forelle aus Teichen und Seen, ven Lachs aus ben Blüffen. Unter ven Flußfifchen finden fich denn auch die andern Stör- arten wieder (der Attilus und Galeus Rhodius), wogegen er fowohl bie Haufenblafe vem Wels zulegt, als den Namen Silurus. Die Na- men Esox, Glanis und Silurus find aber noch immer nicht mit Sicherheit gedeutet. — Wie Rondelet mehr Fifche beichrieben hat als Belon und Salviani zufammen, jo zeichnen fich auch die Befchreibun- gen jelbft vor denen jener beiden aus. Es ift zwar auch noch bei ihm ein guter Theil des Tertes, wo überhaupt dazu Beranlaffung war, ver Erörterung der älteren Namen gewibmet. Die eigentliche Bejchrei- bung ift aber im Allgemeinen präcifer, wenn auch natürlich nach heu⸗ tigen Anforderungen vieles von dem fehlt, was man als naturhifto- riiche Beichreibung aufzufaffen hat. — Wie Belon’s wurden auch Rondelet's Figuren befonders wieder abgebrudt und von Franc. Douffuet mit meift kurzen vierzeiligen,, im Ganzen recht ungefalze- nen Berjen verjehen. Bei den eigentlichen Fiſchen nimmt Bouſſuet gern auf den Gejchmad und die Natur des Fleiſches Rückſicht 10%). Bezeichnend für den Antheil, welchen man auch in nicht ärztli— hen Kreifen an ver Erklärung ver bei den Alten vorkommenden Fiſch— . namen und ihrer Beziehung auf täglich zur Beobachtung kommende Fiſche nahm, ift das Schriftchen des befannten Paolo Giovio über römische Fiſche 197). Doch ift dies nicht etwa eine Fiſchfauna der rö- mifchen Gewäffer ; es handelt nur von den in Rom auf den Markt kommenden Fiſchen in litterarhiftoriihem Sinne. Eine fauniftifche 106) Boussuet, Frang., De natura aquatilium carmen in univer- sam Gul. Rondeletii quam de Piscibus scripsit historiam etc. Lugduni, 1558. id. in alteram partem etc. ibid. 1558. 107) Pauli Jovii De romanis piscibus libellus. Romae, 1524. 1527. Augsburg, 1528. Baſel, 1531. u. a. Stalienifh von C. Zancaruolo. Venezia, 1560. Arbeiten über einzelne Elafjen und Formen. 367 Aufzählung der Fiſche eines beftimmten Gebiets ift dagegen die Schrift bes Hamburger Arztes Stephan von Schönfeld!). Da ver Berfaffer ein Gebiet auf feine Fauna zu durchmuftern Gelegenheit hatte, aus welchem verhältnigmäßig wenig Fifche den oben genannten drei Ichthyologen zu Geficht kamen, fo konnte er die Zahl der befann- ten Fiſche um einige durch gute in Kupferftich ausgeführte Abbildungen dargeftellte erhöhen. Eine kurze Namenlifte der Elbfiſche gibt nach Mittheilungen der Fijcher Kern, Vater und Sohn, der obengenannte Georg Fabricius!M). Die Fifche werden dabei eingetheilt in folche, welche nur als Gäfte aus dem Meere in die Elbe gelangen, in jolche, welche aus Bächen und Flüfjen Hineinfommen und in eigentlich ber Elbe angehörige. Es find im Ganzen 38 Fifche. Der Lachs heißt Esox, ber Wels Amia oder, nach Gesner, Silurus mit dem Zufat „nicht richtig“, der Hecht ift Lucius. — Mit dem ganzen Aufwand der Schulweisheit wurden jet auch einzelne Fragen aus der Biologie der Fiſche erörtert, wie z. B. am Ende des jeßigen Zeitraums die von dem Vorhandenſein auf der Erde lebender und fliegender Fiſche wobei zu rühmen ift, daß jetzt ſchon ver Ausdruck Fiſch ein ſyſtematiſch bejtimmterer zu werben beginnt; Voigt definirt nämlich ven Fiſch als ein ſchwimmendes, mit Kiemen, Floffen, Gräten und einer Blafe verjehenes Thier '10). Wurden im Vorftehenden die die vorliegende Periode vorzugsweiſe auszeichnenden Leiftungen zur Förderung der Fiſchkenntniß zu ſchildern verſucht, jo ift doch daran zu erinnern, daß das allgemein fich geltend machende Beftreben , die einzelnen Thierformen jchärfer zu Fennzeich- ‚nen und bei der Zunahme der allmählich kennen gelernten Formen das Einzelne ficherer zu unterſcheiden, einzelne Schilderungen von Fiſchen hervorrief, jelbft da, wo fie nur neben Andern beobachtet wurden, daß 108) Schonevelde, Steph. a, Ichthyologia et nomenclaturae anima- lium marinorum, fluviatilium, lacustrium quae in Ducatibus Slesvici et Hol- satiae et Hamburgi occurrunt triviales.. Hamburg. 1624. 109) Rerum misnic. a. a. O. p. 220. 110) Voigt, Gfr., resp. J. Hnr. Vulpius, De piscibus fossilibus at- que volatilibus. Witteberg. 1667. ‚man überhaupt der Claſſe eine ebenjo eingehende Aufmerkſamleit zuzu⸗ wenden begann, wie den höheren Wirbelthieren. So finden fich nicht bloß bei NReifenden, fondern auch bei Aerzten ver Aufzählung des Arz- neifchages auch Beſchreibungen einzelner Fiſche angehängt (beifpiels- weile bei Fabius Columna in der Elphraſis), durch welche Erſcheinun⸗ gen jänmtlich der Boden zur Errichtung eines wirklichen Fiſchſyſtems geebnet wurde. Bon den wirbellofen Thieren find zwar die Mollusten bei fait allen Arbeiten über die Wafferthiere vollftändig oder theilweife berüd- fichtigt worden. Doch fchritt ihre Kenntnig nur wenig fort. Man be- ftätigte im Allgemeinen die Angabe des Ariftoteles, deſſen Autorität bier noch ftrenger aufrecht erhalten wurve, als bei den höheren Thie- : + ven. Durchgehend wurde feine Eintheilung in Weich» und Schalthiere ‚beibehalten, freilich nicht immer in der von ihm gegebenen Begrenzung beider Gruppen. So führt Rondelet die „Seehafen“ und die Actinien, Belon die Actinien unter den „weichen Fifchen“ neben ven Gephalopo- den auf. Beide haben Zintenfifche zergliedert; aber ohne über pas, was Ariftoteles bereits wußte, hinausgegangen zu fein. Belon bringt fogar die Argonauta, welche Rondelet ganz richtig bei den Detopoden stehen läßt, zu ven Schalthieren. Bon den übrigen Mollusten führt Rondelet noch unter der Bezeichnung „Seehafen“ neben ven Aplyfien, von denen er zwei Formen darftellt, die Thetys auf. Bon ben Cepha⸗ fophoren und Acephalen, den Schneden und Mufchelthieren , find es vorzüglich die Schalen, welche Aufmerkfamteit erregen. Eine ziemliche Anzahl bildet Columna ab. Nur felten wurden vie Thiere felbft ge⸗ ſchildert. Bejondere Beachtung wurde, und zwar gleichfalls aus einen vorzugsweiſe geſchichtlichen Gefichtspunfte der Purpurfchnede gewid⸗ met. Fabius Eolumma hält das Buccinum des Mittelmeeres für das den Purpur ver Alten liefernde Thier, gevenkt aber daneben auch” der Janthina, von denen beiden er ganz leibliche Abbildungen und ein⸗ gehende, freilich fich nicht auf die innern Theile erftredende Beſchrei⸗ bungen liefert 111), Einfache Ascidien erjcheinen überall in Abbildun . 111)_Fab. Columnae Purpura, h. e. de Purpura ab animali testaceo fusa, de hoc ipso animali aliisque rarioribus testaceis quibusdam. Romae, ; R Aabbeurn ir ine Glen und Bormen Ye 369 gen, duch die beiben Ausgangsöffnungen hinreichend gekennzeichnet, im Uebrigen fehr oberflächlich gejchilvert. Zuſammengeſetzte Ascivien - (Botryllus) bildet Belon ab, aber ohne ihre Natur zu ahnen. Es wurde oben erwähnt, daß Gesner die Infecten zu bearbeiten | begonnen hatte, daß er aber nicht felbft zur Ordnung und Veröffent- lichung feiner Materialien Fam. Was er handjchriftlich über dieſe Claſſe hinterlafjen hatte, kam durch Joach. Camerarius an Thomas Penn in London, welcher unter Zugrundelegung des Gesnerjchen Ma⸗ nujeriptes noch das Werf Edw. Wotton’s in Bezug auf die Infecten zu Auszügen benugte und überhaupt fünfzehn Iahre lang die Samm- fung über die Injectengefchichte zu vervolfftändigen fuchte. Auch er ſtarb vor der Ueberarbeitung und legten Ordnung der Handjchrift. Diefe Arbeit übernahm nın Thomas Mouffet!12), ein Londoner Arzt, welcher nach langer Mühe und Befeitigung vieler Skrupel über bie Schwierigkeit und Zwecdmäßigfeit eines Wertes über Inſecten (— nach dem Urtheile feiner Freunde eines Werkes ohne Würde, An- Stand und Nuten — 113) endlich zum Abjchluß gelangte. Indeß wurde der Drud nochmals verzögert, da Mouffet 1599 ftarb und Theodor von Mayerne, in deſſen Beſitz die Hanpjchrift kam, lange feinen Druder finden konnte. Das Werk erfchien endlich 1634, alfo nach Aldrovandi und vor Jonſton. Iſt Schon das oben erwähnte Bedenken gegen eine eingehende Beichäftigung mit jo winzigen Thieren charakteriftiich für bie Stellung, welche er jeinem Gegenftande gegenüber einnahm, fo ſpricht auch der Text des Werkes jelbit dafür, daß man zu feiner Zeit zwar im Allgemeinen wohl auch im Kleinften die Wunder ver Natur mit mehr als bloßer Neugierde zu betrachten begann, daß man aber 1616. Id. nunc iterum luci datum opera et studio Joh. Dan. Majoris. - Kiel, 1675. mit ausführlichen Anmerkungen und oftrafologifchen Tabellen. 112) Thom. Mouffet, Insectorum sive minimorum animalium thea- trum, olim ab Edw. Wottonio, Conr. Gesnero, Thom. Pennio inchoatum. London, 1634. Fol. 113) »addebant denique (amici), quum cuique operi recte institato fipis aliquis dignus, honestus et utilis proponi debeat, soli huic animalium im- _ perfectorum neutrum inesse, sed temporis, impensarum, laborisque ingens factum dispendium«. | B. Carus, Geſch. d. Zool. 24 # LER: De ws RR ES 2 — — 2 noch weit davon entfernt war, bie Beziehungen ver Infecten fowohl zu 5 andern Thierclaffen als felbft zu andern Abtheilungen ver Arthropo- dengruppe wiffenfchaftlich ſich Har zu machen. Dean ftand hierin, wie auch in gar manchen Einzelheiten, jelbft dem Ariftoteles nach. Mouffet legt feiner Eintheilung der Infecten die Gegenwart und ‚das Fehlen der Flügel zu Grunde. Innerhalb der beiven hierdurch er- langten Gruppen der Geflügelten und Flügellofen folgen fich bie eingel- nen Formen zwar zum Theil nach natürlicher Verwaudtſchaft, d. b. ungefahr fo, wie Gesner die rinderartigen, ziegenartigen Säugethiere zufammenftellt, meift aber in einer mehr oder weniger zufälligen Reihe. Den Anfang machen die Bienen aus dem Grunde, weil nur fie dem . Menfchen Nahrung geben, während bie anbern höchftens zu Heil: wwecken veriwenbet werben. Den Bienen find angejchloffen die Wes- pen und Hummeln, Dann folgen die „liegen“, unter welcher Bezeich- nung er aber jowohl zweiflüglige als vierflüglige Infecten, unter letzteren die Ichneumoniden und Libelluliven verfteht, jo daß bie dann behandelten nächften Verwandten der Fliegen, die Müden, von jenen getrennt werden. Bei den num geſchilderten Schmetterlingen wird zwar häufig die Buppe, aber nur im jeltenen Fällen auch die Raupe erwähnt. Wie wenig damals die ganze Bildungsgefchichte eines Thieres als zu feiner Charvakterifirung nothiwendig angefehen wurde, beweift ver Um:- | ftand, daß bie Raupen, weit getvennt von den Schmetterlingen,, bie Reihe der flügellofen Infecten eröffnen trog der von Mouffet erkannten ' genetiſchen Beziehung zwifchen Raupe und Schmetterling (ex jpricht wenigjtens vom Schmetterling und „feiner Raupe‘). Auf die Schmet- terlinge folgen dann in ziemlich bunter Reihe Käfer, Cicaden, Heu- jchreden u. j. f. Mitten darunter erwähnt er ein Infect Pyrigonum, welches, wie er glaubt, im Feuer leben kann; er ftellt eine lange Erör- terung darüber an, ob bie Thiere aus feurigen Dämpfen entftehen fönnen, unterjucht aber nicht, was denn das num eigentlich für ein Thier jei, jchlieft dagegen mit der Betrachtung, daß man hier Gottes Allmacht bewundern müffe, welcher das größte aller Elemente einem jo Heinen Thiere unterworfen habe. Auch die geflügelten Storpione ; erſcheinen Hier mit venjelben aus andern Werken befannten Abbildun⸗ ne daß Ariſto⸗ teles die Skorpione für flügellos erklärt habe. Die Reihe ver Flügel- loſen bietet ein faft noch bunteres Bild dar, indem er hier, zwar im Allgemeinen wieder auf ven Beſitz der Fühe und das Medium Rückſicht nehmend, aber doch ohne Beachtung der wahren Verwandtſchaft, Raupen, Engerlinge, Maden, Niffe zwifchen Staphylinen, welche er- ganz Fenntlich abbildet, Skolopendren, Notonecten u. A. ſtellt. Mitten zwifchen den genannten Formen werden einige Spinnen, jpäterhin ber Regenwurm und einige Eingeweidewürmer (Spul- und Bandwürme) gefchilvert, und den Beſchluß machen im Waffer lebende Formen, ala letzte darunter der Blutegel und einige Meerwürmer. In demjelben Maße, wie die Anordnung des ganzen Formenkreifes, deffen Grenzen ſchon Ariftoteles viel jchärfer beftimmte, einer jeden eingehenden Be- gründung emtbehrt, find auch die Anfichten über den Bau, was fich davon etiva findet, und über die Entjtehung noch eben fo haltlos und nur von allgemeinen Betrachtungen ausgehend, ohne daß irgendwie der Verſuch gemacht würde, durch Beobachtungen oder Verfuche die Thatjachen zunächſt feitzuftellen 114). Freilich macht fich hier noch der Mangel einer planmäßigen Benugung von VBergrößerungsmitteln jehr — fühlbar, in Folge deren Einführung die nächſte Periode ihre glänzen -⸗ den Fortjchritte in der Infectengefchichte ermöglichte. Doch hätten ſchon einfache, wenn nur jorgfältig angeftellte Beobachtungen die Haltlofig- feit der Annahme widerlegen müffen, daß 3. B. die Bienen aus fau—⸗ (enden Thierkörpern und zwar die Könige denn Mouffet hält wieder die Weifel für die Männchen) aus dem Gehirn, als dem edelſten Theile entſtänden. Eine ganz ähnliche Entftehungsweife, direct aus fremd ⸗ artigen Stoffen, nahm Mouffet auch in vielen Fällen für die Raupen und natürlich auch für die Eingeweidewürmer an. I Der Holländifche Maler Ian Goedart blieb zwar in feinen Abbildungen über die Verwandlungsgeſchichte der Infecten (1662 und 67) der alffeitigen Unterfuchung diefer Claſſe ebenfofern wie einem 114) Es mag bier auf die oben (S. 303) mitgetheilten Anfichten Mouffet's, welche Johnſtone aufgenommen hat, verwiejen werden. a — x * ar — EN E Ba r — y 4 a h —JF — —* — — x * — ke \ * * — * En J Ba" ’ 2 ‘ 5 nn Periode der enchllopãdiſchen Darftellungen. & * * * * Berfuch, die Anordnung derſelben fortzubilden. Doch iſt fein Wert deshalb von Feiner ganz untergeoroneten Bedeutung für den Fortſchritt der -Entomologie geweſen, weil er in ftrenger Folge die verfchiedenen - Stände der Infecten als wirkliche Entwidelungszuftände einer und der— ſelben Art darftellte. Bon einer wiffenfchaftlichen Auffaffung bes In- fectentörpers und »lebens hat er Nichts, was über die Verwandlung binausgienge, wenn er auch über Einzelnes richtige Bemerkungen macht, wie 3. B. über den Antheil der Flügel bei ver Erzeugung des GSeräufches ver Heujchreden u. A. Dagegen machte fich in einzelnen ‚andern Arbeiten aus der Mitte des fiebzehnten Jahrhunderts ein Ein- fluß der von Harvey umgeftalteten anatomischen Auſchauungen geltend. So jagt 3. B. Jakob Wolff aus Naumburg 115), daß zwar bie In⸗ fecten fein rothes Blut hätten, wenn man aber den weißlichen oder -- jonft gefärbten Saft dem Blute analog nennen wolle, fo fei er damit einverftanden. Er nennt das Blut das Vehikel des Lebens. Doch gibt er an, daß die Infecten nicht athmen; denn nur Thiere mit Lungen Lönnten dies thun. Er rechnet übrigens noch, wie Monffet, die Wür- .. mer, Teredo ı. a. als fußlofe Formen zu den Infecten. — Einzelne andere Arthropoden, wie z. B. die Tarantel, wurden in mebicinifcher und litterarhiftorifcher Beziehung beiprochen, aber ohne die Thiere felbft einer Unterfuchung zu unterwerfen. Bon den tiefer ftehenden Abtheilungen der wirbellofen Thiere wurden vorzüglich die Eingeweidewürmer beachtet und felbftändig be- handelt. Freilich waltet bei den Schilderungen auch dieſer Thiere der ärztliche Geſichtspunkt vor. Doch drängte fich natürlich die Frage an den Arzt, wo dieje Thiere herfommen. Die von Alters ber — mene Anſicht, daß fie aus dem dicken rohen, zu Fäulniß sieigenben 1 | Schleim der erjten Wege entjtehen, wird als zweifellos angenom- ment16), Diefe Ueberzeugung bleibt auch dann noch beftehen, wenn unter der fich geltend machenden Wahrheit des Harvey ſchen Satzes 115) Jac. Wolff, resp. J. H.-.Thymius, De Insectis in genere. Lips., 1669. 116) ſo z. 8. Hieron. Gabucinus, De lumbricis alvum occupanti- bus. Lugdun., 1549. Sulzberger, De vermibus in homine. Lips., 1628. j Ä | ; Arbeiten ber rer da und Formen. - 373 auch en — eigene Keime zugeſprochen werden. Dieſe ſollen im das Blut gelangen und dann an einzelnen Stellen, wo fie paſſende Beringungen finden, die dort gelegenen Stoffe zur Entwicelung von Würmern anregen. Deshalb heißen fie seminia und nicht germinat!?), Bon einzelnen Formen unterfchied man die „breiten“ und „runden“ Würmer. Wie wenig man aber überhaupt für eine nähere Kenntniß berjelben vorbereitet war, beweijt einmal Adrian Spigel, welder bie Frage ernfthaft wentilirte, ob der Bandwurm wirklich ein Thier - ſei 118), und beweift auch G. H. Welfch, welcher die Comedonen für Thiere hält. Bei einer beftimmten Behandlungsart verfelben follen fie- ihre Köpfe aus den Stellen ver Haut hervorſtrecken, wo fie fich finden, um dann auf einmal geköpft zu werben. Auch in Bezug auf den Gui— neawurm hält es Welch für nöthig, alle Möglichkeiten weitjchweifig burchzugehen, was das Gebilde etwa fein könnte, und gelangt dann zu dem Schluffe, daß es ein Thier fei, ohne es freilich je ſelbſt geſehen und unterfucht zu haben. Ebenfowenig der Natur entfprechend ift die Abbildung des „Kopfes“ des Bandwurms, welche der oben genannte Nic. Tulpins gibt 119), wenngleich ſchon in der Anerkennung, daß in ven bis zu feiner Zeit veröffentlichten Schilderungen des Thieres daj- jelbe nicht vollſtändig vorgelegen habe, eine Wendung zur beſſern Ein- - ficht in die Natur defjelben ausgedrückt ift. Die vorftehenden Bemerkungen zeigen, daß fich zwar die Zah der befannten und wenigftens zum Theil forgfältiger beobachteten Thier- arten langjam und ftetig vermehrte, daß aber die Anfichten weder über die allgemeine Syſtematik, noch über das Verhältniß ver einzelnen - Glieder größerer Gruppen zu einander fich in einer irgendwie beftinmt- 117) Diefe Anficht fpricht 3. B. Georg Hieron. Welſch im feiner um- fangreichen Abhandlung De vena Medinensi (Augsburg 1674) aus. Er gibt darin eine neue Tertesausgabe und Ueberſetzung des betreffenden Abjchnittes des Aoi- cenna mit den ausführlichften grammatifchen, litterariſchen und naturphilofophi« ſchen Anmerkungen. Im einem zweiten Theil des Tractats beipricht er Die Come- bonen als vermes capillares infantum. 118) De lumbrico lato, Patavii, 1618. auch in feinen Opera. Tom. UI. Amsterdam, 1645. p. 87. 119) Observationes medicae. Lugdun. 1652. p. 170. . f f = — — — * Es N “En — — * — ee ar a —* —— — * BL A * J £ 5 Pr 4 —— F = 374 EEE A Richtung entwidelt hatten. Auch das Vorkommen verfchiedener Thierformen in verfchiedenen Eontinenten war zwar im Allgemeinen . anerkannt worben 120); doch hatten die Angaben über das Auftreten einzelner Arten an beftimmten Orten weder zu einzelnen Gefammtbilbern über bie dem verfchiedenen Ländern eigene Thierwelt, noch zu jener Ueberfichtlichkeit geführt, welche einen Blid auf die Gefegmäßigteit der geographifchen Verbreitung überhaupt hätte geftatten können. Es bleibt nun noch übrig, über die Beachtung, welche man in den hier beiproche- nen Zeiten ben foffilen Formen fchenkte, einige Worte zu jagen. So lange man dabei noch nicht in der Lage war, bie verfteinert gefundenen Thier- reſte in eine fyftematische Beziehung zu jegt lebenden Thieren zu bringen, jo lange war es noch verhältnigmäßig gleichgültig, wie man fich diefelben entitanden dachte. Schon Leonardo da Binc hatte am Anfang des fechzehnten Jahrhunderts die bei Landdurchſtichen in Nord⸗gtalien zu Tage gelommenen verfteinerten Mufchelichalen für wirklich von Thie- . xen berrüßrende Nefte erklärt; aber noh C. Gesner fpricht von der Möglichkeit, daß die geformten Steine, welche thierifchen Bildun- gen ähnlich ſeien, zwar wohl verfteinerte Thiere, aber doch auch von der Natur felbftändig in biefer ihrer Form gebilvet jein Fönnten !2%). So jpricht er von dem foſſilen Fiſchzähnen, den Glossopetrae, als Haifiſchzähnen ähnlichen Körpern, jagt aber, daß fie in ihrer Form 3 auch an die Zunge mancher Vögel erinnerten ,; er jchilvert dabei eben nur die Wehnlichkeit diefer Foffilien mit gewiffen befannten Gebilden, ohne über die Natur verfelben eine beftimmte Anficht auszubrüden. Entſchieden für bie Natur der im Kalle und andern Gefteinen gefunde ⸗ nen Mujcheln als „verfteinerter“ Nefte von Thieren fpricht fih Ber- nard Paliſſy aus. Er verfucht fogar fich von der Art und Weife, wie das Verfteinerungsmaterial in löslicher Form die zu verfteinern- den Gegenftänbe durchziehen müffe, ein Bild zu machen, was natür- 120) ſo z. B. in Bezug auf Amerila von Abraham van der Mylius, | ' De animalium populorumque origine. 1670. in Bezug auf Afrika bereits von Leo Africanus (f. oben) u. f. f. 121) Conr. Gesner, De rerum fossilium, lapidum et gemmarum maxime figuris et similitudinibus. Tiguri, 1565. 80. : 2 Mrbeiten über eimgelne Claffen und Formen. 375 - ich dem Zuftande der Chemie zu feiner Zeit entfprechend umd daher fir ; ietst nicht richtig, aber doch im Allgemeinen hanz zutreffend ift 122), Eine Beziehung diefer foffilen zu den jeit lebenden Thierformen lag ihm aber noch ferner, als Gesner. Später auftvetende Arbeiten gehen num, mögen fie das Vorkommen dieſer foſſilen Formen von einer - allgemeinen Sindfluth oder von jonft welchen Urfachen abhängig mar chen, doch wenigftens von der Meberzeugung aus, daß e8 fich bei den⸗ ſelben wirklich um thierifche Nefte handele. Die Deutung einzelner Funde, 3. B. foffiler Knochen war freilich in Folge des Mangels an - Bergleichungsmaterial meift eine faljche. So hielt Felix Plater!®) große im der Nähe von Luzern gefundene Knochen (eines Elephas?) - für die Knochen eines Niefen, beftochen von der Aehnlichkeit ver Heinen - (Tußwurzel-) Knochen mit den entipvechenden menfchlichen Knochen. Einzelne Foſſilien bilvet auch Fabins Columma ab; auch fieng Ferrante Imperato fchon an, ſolche zu ſammeln; er fagt aus» drücklich, daß die verfteinerten Mufcheln von Mufchelthieren herrühren und durch Mebertragung oder durch Veränderungen im Verhältniſſe vom Land zum Waffer aufs Trodne und ſelbſt auf Berge gelommen ſeien 124), Hielt man nun aber auch die foffilen Formen für Refte ge» ftorbener Thiere, fo glaubte man doch noch nicht, dieſe als ganz aus» geſtorben betrachten zu bürfen. Es fei bier an Joh. Sperling's oben erwähnte Neuerung erinnert (S. 309). Dadurch beſchränkte ſich vor⸗ laufig das Imtereffe, was diefe Funde darboten, auf die Ben ihres Vorkommens. 122) Discours admirables de la nature des eaux et fontaines, tant na- _ turelles qu’ artificielles, des me6taux, des sels et salins, des pierres. (Paris, 1580). Ausgabe der Oeuvres de Palissy von P. A. Cap. Paris, 1844. p. 266. 272 flge. ” 123) Fel. Plater, Observationes. Basileae (1641) 1680. p. 566. N 124) Ferr. Imperato, Historia naturale (1599). 2. Ausg. Venezia, 1672. Foffile finden fich auch befchrieben und abgebildet im Museum Calceolarii a Bern. Ceruto inceptum, ab Andr. Chiocco descriptum, Venetiüs, 1622, 376 _ Veriode der euehllepüdiſchen Darfellungen. Bootomifche und vergleihend-anntomifche Leiltungen. — Zum erften Male feit den Zeiten des Alterthums führte jet eine weitere Auffaffung der Thiere auch zur Betrachtung ihres Baues und zwar unabhängig von der Beichreibung ihrer äußern Erfcheinung. Wie ſich aber auch die bejchreibende Zoologie faum aus dem Verhält—⸗ niffe der Abhängigkeit von der Medicin ſowohl als von einer theolo- giich-moralifivenden Naturbetrachtung ganz hatte frei machen können, fo ftand auch die Thieranatomie noch nicht als eine felbftändige Wiffen- ſchaft da, welche fich jelbft Zwed gewejen wäre, fondern entjprang dem mebicinifchen und phyſiologiſchen Bedürfniß. Damit trat auch fie in ein Abhängigkeitsverhältnig, von welchem fie ſich bis auf ven heutigen Tag noch nicht völlig frei gemacht hat. Es ift wohl nicht ganz zu leugnen, daß einzelne Forſcher auch un⸗ abhängig von folchen Einflüffen der Anatomie der Thiere ihre Auf⸗ merfjamfeit zuwandten, daß felbft in einzelnen Fällen wirkliche Ver⸗ gleichungen angeftellt wurden, welche ja dem Kreiſe jener andersar- tigen Beftrebungen ihrer Natır nach fremd find. Den hauptjäch- lichften Anftoß zum Eingehen auf zootomifche Einzelheiten erhielten aber nicht ſowohl die Zoologen , als die faft ausnahmsweife dem ärzt- lichen Stande angehörigen Anatomen durch den Aufſchwung, welchen bie Anatomie nahm. Hier waren es nun wieder Streitigkeiten über bie Gültigkeit oder Anfechtbarkeit ver claffischen Autoritäten, welche auf die Thiere führten. Man ſah fich genöthigt, zur Herbeifchaffung von Zeugniffen fich nicht auf den Menſchen zu befchränfen. Wie in andern Wiffensgebieten für und wider Ariftoteles geftritten wurbe, fo galt es hier, Galen zu vertheidigen oder durch unangreifbare Belege aus der Natur jelbjt zu widerlegen. Die nächfte VBeranlaffung zum Ausbruche des Streites gab der größte Anatom jener Zeit, der Neu- begründer feiner Wifjenfchaft, Bejal. Sein Lehrer, Günther von Andernach (ftarb 87 Jahre alt 1574 in Paris) hatte ſich zuerft von ber jonft kaum angetafteten Herrichaft des Mondino befreit und war auf das zurüdgegangen, was man die Hauptquelle nannte, — nicht auf die Natur, fondern auf Galen. Sein großer Schüler, Andreas 4 9 Beotemifce und —— wiſtungen 377 Befalins (eigentlich Witting aus Wefel, geb. 1514, geit. 1564) nahm die veformatoriiche Bewegung auf, gieng uber noch ven entſchei⸗ dendſten Schritt weiter, — von Galen zur Natur. Freilich konnte es da nicht ausbleiben, daß Galen's Autorität, wo es ſich entſchieden um anatomiſche Verhältniſſe beim Menſchen handelte, arg erſchüttert wurde. In feinem, zuerſt 1543 erſchienenen Hauptwerke „Ueber ven - Bau des menſchlichen Körpers“ mußte ſich Veſal den Boden Schritt für Schritt durch Naturſchilderungen erkämpfen. Dieſe verſtießen aber gegen die Angaben Galen's, weil derſelbe einen andern Gegen- ftand vor fich gehabt Hatte. Schon Veſal felbft wies beftändig auf - dieſen leteren Hin und flocht zahlreiche Bemerkungen über das Ver⸗ halten einzelner anatomifcher Verhältniſſe bei Thieren feiner Dar- ftellung ein. Noch hervortretender wird dies bei den Vertheidigern Galen's, jo 3. B. bei Bartolomeo Euſtachio (geft. 1574), wel cher die offenbaren Abweichungen der Galenfchen Befchreibungen von dem beim Menfchen Gefundenen aus der Breite der Veränderlichkeit des menschlichen Baues zu erklären verfuchte, vaneben aber immer auf die entfprechenden Berhältniffe (befonders des Skeletes) des Affen hin- wies. Andererjeits mußte natürlich auch eine Gewißheit über das beim Menſchen wirklich Vorhandene für den Chirurgen ganz befonders wichtig fein. Der Reformator der Chirurgie, Ambroife Pare - (1517—1590) folgte daher nicht bloß Veſal, deſſen Abbildungen er benutzte, ſondern vergleicht auch jelbftändig mit ausprüdlichem Hin- weis auf die fich entiprechenden Theile die Skelete eines Säugethieres und eines Vogels mit dem des Menſchen. In ähnlicher Weiſe ſchildert auch der jüngere Riolan (1577 — 1657) in feiner Ofteographie bes Menſchen das Skelet des Affen. Es galt eben hier, zur Beurtheilung der Abweichungen von Galen das Vergleichsobject ſelbſt vorzuführen. Einen reichhaltigeren Beitrag nicht bloß zur Kenntniß der Stelet- formen, jondern zur Zootomie überhaupt hatte aber jchon vor Pare und Riolan der als Stadtphyſikus in Nürnberg 1600 geſtorbene Volcher Coiter gegeben 1%). Er war 1535 in Groningen geboren, 125) Koiter, Koyter oder Coeiter. Beide de emetispäien Dareungen. | hatte iu Italien den - Unterricht Faloppia’s, Euſtachio's und ulyſſes Aldrovandi’s, in Montpellier ven Rondelet's genoſſen und war dann als franzöftfcher Feldarzt, zuletzt als Nürnberger Stadtarzt thätig ge- weſen. Wohl vorzüglich durch Euftachio, welcher in einer weitergehen- ben Berüdfichtigung zootomifchen Materials feiner Darftellung eine ficherere Unterlage zu geben fuchte, zu Ähnlichen Vergleichungen, und durch Aldrovandi, feiner Mittheilung zufolge, zur Unterfuchung ver Entwidelung des Hühnchens angeregt, unterfuchte Eoiter nicht mur diefe, fowie die Kochen des menfchlichen Foetus und Kindes, um fie mit dem Stelete des Erwachjenen zu vergleichen, fondern zog auch im Bezug auf die Weichtheile die andern Wirbelthierclaffen (mit Ausnahme ber Fifche) in den Kreis der Betrachtungen 12%). Was zumächft bie von Eoiter gegebenen ofteologifchen Darftellungen betrifft, fo geht er bei BVergleihung des Affenftelets mit dem menschlichen noch nicht überall ‚anf folche Punkte ein, welche jet als maßgebende bei einer Verglei⸗ hung gelten; er hebt aber doch manches! Wichtige hervor. Für die ganze Betrachtimgsweife damaliger Zeit ift es charakteriftifch, daß Eoiter zwar bei- Schilderung des fütalen Schädels die weit offenen Nähte und das fpätere Vergrößern und Verwachſen ver einzelnen Schãdelknochen befchreibt, aber doch bei dem Affenfchädel einen ziem- fichen Nachdruck anf die Verfchievenheit der Nähte legt. Er befchrieb ; aber er verglich nicht jowohl um das Gemeinfame, als um die VBer- ſchiedenheiten hervorzuheben. So find auch feine Darftellungen ver⸗ fchiebener Stelete 127) Gejammtbilder; nur von der Schilpfröte bildet 126) Externarum et internarum prineipalium humani corporis partium tabulae etc. Noriberg. 1573. Hier finden ſich bie VBergleihung bes Affenffelets, die Embryonaljfelete, die Entwidelumg des Hühnchen und bie zootomifchen No- - tigen. Die Steletabbildungen find den Lectiones G. Fallopii de partibus simi- laribus humani corporis. Noriberg. 1575. angehängt. 127) Die vier Tafeln geben Abbildungen. ver Stelete I. von Porcellus, Martes, Lepus, Psittacus, II. Vulpes, Erinaceus, Sciurus, Talpa, Musculus, Rana, III. Capra, Vespertilio, Testudo nemoralis, Pullus gallinaceus mon- sirosus, IV. Grus, Carbo aquaticus, Sturnus, Lacerta und die Schädel von Picus und Jynx. Die Tafeln I, II und IV find gleich groß und von Eoiter gezeich⸗ net, auch mit V. C. D. bezeichnet. Die Tafel III befteht aus brei Platten, welche zufammen die Größe der übrigen haben. Die eine mit Capra und Vespertilio ; Zoetomiſche und vergleigenb-amatemifce Leiftungen. 379 er Schädel und Bruftichild befonders ab, ebenfo wie er vom Specht und age nur Abbildungen des Schädels gibt. Trogdem daß Coiter zuerft wieder die Entwidelung des Hühnchens verfolgte, jo wäre doch der Gedanke, auch ver Vergleichung überhaupt eine entwidelungs- ‚geichichtliche Grundlage zu geben, bei ihm ein Anachronismus gewejen. Er fieht zwar am dritten Tage der Bebrütung das Herz pulfiven, fchilvert den Sinus terminalis und verfolgt die Formenveränderungen des Fötus von Tag zu Tag. Aber bei der noch mangelnden Einficht in die allgemeinen anatomifchen Verhältniſſe der Wirbelthiere konnte natürlich von einem richtigen Erfaſſen ver allmählichen Formenent- wickelung des Bogelförpers nicht die Rede fein. Wie endlich Eoiter bei den Steleten nur die Formen einfach nebeneinanderftellt, ohne ben Verſuch zu machen, die einzelnen Theile weiter aufeinander zurücdzu- führen, als fi aus ver allgemeinen Architeftonit des Körperbaues und der fich hieran anfchließenden Terminologie ergibt, jo find auch feine Bemerkungen über einzelne anatomijche Berhältniffe der Säuge- thiere, Bögel und Reptilien nur zootomifche Notizen ohne irgend welche Bergleichung, dagegen mit einzelnen Angaben über ven Gebrauch ver- ſchiedener Theile durchſetzt. Aber auch hierbei gelangt er noch nicht zu einer Berfolgung derfelben Funetion durch eine größere Reihe thieri- ſcher Formen. Außer den Thieren, deren Skelete er ſchildert, hat er noch Schwein, Schaf, mehrere Vögel, die Viper u. a. zergliebert. Hatte auch Eoiter in Bezug auf die Vergleichung bes Knochengerüftes der Vögel mit dem des Menfchen einen, und zwar des Vergleihunge- ziels fich noch bewußteren Vorgänger in Belon (f. oben ©. 348), fo treten doch mit ihm die Schilderungen aus der Thieranatomie zuerft felbftändig auf, allerdings noch in einer Form, welche fich mur als eine Erweiterung des Streites für und wider Galen barftellt. Naoch umfafjender in der Richtung feiner Unterfuchungen war Goiter's Zeitgenofje Hieronymus Fabricins aus Aquapendente trägt Eoiter’8 Zeichen, die Testudo ift ohne Zeichen, das Skelet des Pullus galli- a haceus ift mit G. P. D. (Georg Benz?) bezeichnet. Es find aljo nicht ſämmtliche uren von Coiter gezeichnet, wie Choulant angibt (Geichichte der anatomi- Abbildung. Leipzig, 1852. ©. 66). Es 8 N — 4 " y a \ 5 T * > * 5* ze — Be ee a N g . ee ER Re u - ‚ i ; — % x 7; Beriode der Darftellungen. — (geb. 1537 in genanntem Orte, 1565 Faloppia's Nachfolger als Pro- feffor ver Anatomie in Padua, wo er 1619 ftarb). Wollte man der landläufigen Vermengung zootomifchen und vergleichend ⸗ anatomijchen - Studiums nachgeben, jo würde Fabrizio ohne Weiteres neben Coiter zu ben Gründern der vergleichenden Anatomie zu rechnen fein. Doch iſt dies nur in einem beſchränkten Sinne zu thun. Es tritt bei ihm die Brage nach ver formellen Anlage des Thierkörpers und ber Anlage ſei⸗ ner Theile jehr zurücd gegen die Unterfuchung über das Zuſtandekom⸗ men der einzelnen Lebenserfcheinungen, Er verwendet alſo zootomi⸗ ſche Kenntniffe in dem Nugen einer andern Wiffenfchaft,, ver Phyfio« logie. Da fi aber eine Wiſſenſchaft der vergleichenden Anatomie nicht ohne ein gewiffes Belanntjein mit den Verfchiedenheiten und Uebereinftimmungen bes thierifhen Baues als Bedürfniß fühlbar machen, da ſich alſo natürlich auch eine anatomiſche Betrachtung ber Thierkörper nicht ohne ein beftimmtes Maß bereits vorhandener zooto⸗ miſcher Kenntniſſe und mindeſtens Einzelangaben zu einer ſelbſtändigen morphologiſchen Lehre erheben konnte, fo iſt die Bedeutung der beiden biergenannten Männer auch für die vergleichende Anatomie nicht zu um“ terjchägen. Es ift hier eben hervorzuheben, daß das Herbeifchaffen und Sammeln einzelner zootomifcher Thatſachen in einer Zeit, in welcher t Naturbetrachtung überhaupt fich noch nicht ohne Anfehnen an * Thatſachen ausgehenden Lehre von der größten Bedeutung war. Und von biefem Gefichtspunkte aus hat man neben Coiter auch Fabrizio als einen der Männer zu bezeichnen, von welchen das Wieveraufleben ver vergleichenden Anatomie beginnt. Bei Eoiter erfchienen die zootomifche Notizen gewifjermaßen als beiläufig gefammelt, als mehr oder wenige unwichtige Refultate der vergleichenden Unterfuchungen, durch welc er die anatomifchen Verhältniffe des menfchlichen Körpers Harer here vortreten zu laffen bemüht war. Fabrizio beginnt einen neuen Weg einzufchlagen. Er verfucht, eine beftimmte Function (3. B. die Orts bewegung, Stimme, das Sehen) durch eine Reihe thierifcher Formen zu verfolgen, aber nicht ſowohl um im erfter Linie die anatomiſchen 381 nee für — Zuftandefommen morphologiſch auf einander zurücdzuführen, als vielmehr um ganz allgemein das Gemeinfame der Erſcheinung auf eine gewiffe Uebereinftimmung in dem Ban ber be- treffenden Organe zu beziehen. Das aus folchen Betrachtungen fich ergebende Refultat konnte natürlich nur der Phyſiologie zu Gute fom- men und wiürbe felbjt dann dieſe einfeitige Richtung nicht verloren haben, wenn dem Fabrizio noch beijere Hülfsmittel der Unterfuchung zu Gebote geftanden hätten, als das bloße anatomifche Mefjer. Im der Führung vefjelben war er aber ficherlich geſchickt und noch erinnert der jeinen Namen tragende Cloafenanhang bei Vögeln an eine der früheften zootomifchen Unterfuchungen der. neueren Zeit. Mit Coiter hat Fabrizio noch ferner das gemein, daß auch er die Entwidelung des Hühnchens verfolgte und die Veränderung der Körperform des fich bil- denden Bogels von Tag zu Tag jehilderte und abbilvete. Aber auch ihm fehlte ver allgemeine Bli auf ven Wirbelthierbau, welcher jpäte- ren Unterfuchungen gleicher Art eine jo bedeutende Tragweite verlieh. - Die Stellung, welche Fabrizio zu der von feinem Schüler Harvey zur Vollendung geführten Lehre vom Blutkreislauf einnahm, kann nicht hier gefchildert werden. Als Hemmniß einer fruchtbareren An- ſchauung muß aber hervorgehoben werden, daß er wie die meiften fei- ner Zeitgenoffen noch vielfach von den irrigen Anfchanungen früherer Zeiten befangen war, was 3. DB. von der Verbreitung der Luft und Lebensgeifter zum Gehirn und zum Herzen, von dem Ausgangspunfte der thierifchen Entwicelung und in einem faum anders zu beutenden Sinne von dem „Nuten“ des Muskelfleifches gilt 128). Eine ganz Ähnliche Stellung in Bezug auf das Anlehnen an an- dere Wifjenfchaften nimmt auch der Zeitgenofje Harvey’s Marco Aurelio Severino ein (geboren 1580 in Zarfia in Calabrien, Profeſſor der Anatomie und, wie e8 auch Fabrizio war, der Chirurgie in Neapel, dort geftorben 1656). Doch ift ihm als beſonderes Ver⸗ bienft anzurechnen, daß er zum erftenmale in einer ausdrücklich der 128) Hier. Fabricii ab Aquapendente Opera omnia anatomica _ et physiologica. Cum praefatione Joh. Bohnii. Lipsiae, 1687. Fol. Diejel- ben herausgegeben von S. Albinus. Lugdun. 1737. Fol. 2 zwar noch nicht nein me) | Hängigfeitsverhältniß zu andern Wiffenfchaften herauszuloſen ver- mochte, fie aber doch durch eine felbftändige Behandlung mindeftens als bedeutungsvolle Hülfswiſſenſchaft in den Kreis ber naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Lehren einzuführen fuchte. Seine Schrift 120) ift freilich nur wenig, geeignet, etwa die Aerzte oder ſonſt Belehrung Suchende mit der Fülle der ſchon zu ſeiner Zeit ermittelten Thatſachen betannt | zu machen. Sie enthält nur äuferft wenig Schilderungen anatomifcher VBerhältniſſe von Thieren und diefe dann mehr in der Form gefams mielter Notizen als planmäßiger Bejchreibungen. Von feinem einzigen Thiere gibt er eine zufammenhängende Anatomie, felbjt wenn man von Bergleichungen, auf welche er doch nicht felten hinweiſt, abſehen will. Hier und da Gefundenes , durch feine Eigenthümlichkeit die Aufmerk⸗ ſamleit befonders Feſſelndes wird mitgetheilt. Weitaus ben größten Raum nehmen aber Betrachtungen über ven Nutzen ver Zootomie und. ihre Beziehungen zur menjchlihen Anatomie und Phyfiologie, ber ziehentlich Heilkunde ein. Doch war es eine ver Zoologie veichliche Früchte bringende That, daß er ein eignes Werk über Aufgabe, Zwed mb Methode ver Zootomie verfahte, jo einfeitig auch alle dieſe drei Geſichtspunkte erfaßt wurden. Für Severino ift Hauptzwedt der Zoo⸗ tomie die Förderung ber menjchlichen Geſundheit durch tiefere Erlennt⸗ niß des menschlichen Körperbaues und des aus biefem zu erllärenden Lebens. Bei der Zerglieverung des menjchlichen Lebens kann er aber nicht ftehen bleiben, weil bei den Thieren, pie. we zu⸗ gänglich ſind, Vieles klarer und deutlicher iſt. herzeugung nach ſind die Thiere nach dem Vorbilde des Ze —“ * Aehnlichkeit zwiſchen dem Bau des Menſchen und dem der a t nicht unbedeutend 30). Hieranf bezieht fich das, was er etwa von ein gemeinjamen 2 gejagt oder gedacht haben fol. Weiter: n joll das Studium der Anatomie überhaupt (und in dieſer Hinficht he 129) M. Aurel. Severini Zootomia Democritaea, id est Anatom generalis totius animalium opifieii libris quinque distincta. Noriberg. 1648, 4. (herausgegeben von Job. Georg Boldamer). 130) Zootomia Demoerit. p. 107. 108. SOWEIT UEEMUUNR - BL. B eumn ng. 208 er a höhern Standpunkt, als Viele vor und nach ihm) mit der Ber: gliederung dev Säugethiere beginnen, dann zum, Menfchen und dann zu andern Thieren. übergehen, wie fie fich gerade barbieten. An bie Zergliederung der Heinften Thiere, von denen er nur Müden, Flöhe und andere „aus fanlenden Stoffen entjtehende* als auszufchließen be- zeichnet, ſolle nur ein durchaus Geübter gehen (p. 82). Finden fich auch hin und wieder allgemeine Gefichtspunfte angedeutet, fo beziehen fich diefe auf die phyſiologiſche Betrachtung; von einer Zujammen- ſtellung morphologifcher Thatſachen, ja jelbft einfacher Fälle von Eor- relation, wie fie von Ariftoteles jo zahlreich berückfichtigt und aufge führt werben, findet fich nichts, da troß des bejtändigen Erwähnens anatomifcher Einrichtungen der Nachorud immer auf den Gebrauch der betreffenden Theile gelegt wird. Es ift daher auch bezeichnend, daß zwar Ariftoteles mehreremale citirt wird, aber doch in einem piel be- Ichränfteren Umfange und in ganz anderer Abficht als von Fabrizio. Noch bewußter als bei Severino tritt die Rückſichtnahme auf ana- tomiſche VBerhältniffe ver Thiere bei Thomas Willis hervor 131), Abgejehen vom einzelnen felbjtändigen zootomifchen Unterfuchungen verſucht er aufs Neue, die Thiere auf Grund ihres anatomifchen Baues einzutheilen. Er hebt zunächit die Reſpirationsorgane als zu biefem Zwecke paffend hervor, folgt aber bei Mittheilung der anatomiichen Einzelheiten der älteren Eintheilung in Blutlofe und Blutführende als der „befannteren“ 132). Befondern Werth haben feine Unterfuchun: gen über das Gehirn der Wirbelthiere, welche in Bezug auf die gröbe- ven Verhäftniffe ziemlich genau und nicht ohne wergleichende Erläute -· 131) befonders im ber fiir die Geſchichte der Phyſiologie damaliger Zeit wiche en Schrift De anima brutorum. Londini, 1672. Willis war 1621 im Great Beni in Wiltjbire geboren, 1660 —66 Profeſſor der Phyſik in Oxford und von an praftifcher Arzt in London, wo er 1675 ftarb. Gehört er auch der Zeit nad) eher dem folgenden Zeitraum am, fo ſchließen fich feine auf Zoologie bezüglichen Ürbeiten doch jo innig den oben angeführten an, daß er won demſelben nicht ges trennt werben burfte. 132) a4. a. O. ©.13. »Aut 2. Brutorum recensio instituitur juxta va- ram humoris vitalis constitutionem . . . . Huic partitioni utpote notiori in- sıstentes etc.« b ae + nn FE re N A 26 Fe we IE en. —— * Tu u b r Eee ——— IR — EM * hi ? — Be Er RE 2 a . Beioe be nptopfigen Derellangen. gr rungen find 139), Doch verfät Mille Sier in benfelhen Fehler; wi Zaahlreiche Spätere, die vom Menſchen und ven höheren Wirbelthieren ber befannten Formenverhältnifje bei niedern Thieren wiederfinden zu wollen. Durch ähnliche, aber durchaus nicht Willis allein Schuld zu gebende Misgriffe ift der Grund der oft widerfinnigen Mamengebung gelegt worden, wie fie bis weit in bie neuere Zeit herein in der Zoo: tomie herrichte. Nun iſt aber trog aller Einfeitigkeit, mit welcher hier zootomiſche Arbeiten ausgeführt wurden, nicht zu überfehen, daß biefelben auch einen ganz directen Einfluß auf die Entwidelung der Anatomie gewon— nen hatten. Wurden doch 3. B. vom letstgenannten Willis Beweife für den Kreislauf des Blutes befonders aus der Thieranatomie beigebracht. Ein Fortfchritt in der Erlenntniß des Baues der Thiere fonnte aber ohne Sichtung der allgemeinen anatomischen Anfchauungen nicht eintreten. Und fo war die eben gerügte Einfeitigkeit in gewifjem Sinne auch wieber von großem Bortheil für die Anatomie der Thiere. Es fei hier nur an die Wirkung Harvey's von dieſem Gefichtspunfte aus erinnert. Er ficherte durch feine Lehre vom Kreislauf nicht bloß zuerft die Deutung der einzelnen Abtheilungen des Gefäßſyſtems, jondern legte auch durch feine Unterfuchungen über Entwidelungsgejchichte und den im Anjchluf an diefe gethanen berühmten Ausſpruch »omne vivum ex ovo« bei Grund, auf dem fich fpäter allein die genetiſche Methode erheben konnte. Nach alle dem muß allerdings zugegeben werden, daß von einen Gründung der Morphologie als Wiſſenſchaft der thierifchen Form ü dieſem Zeitraum noch nicht die Rede fein konnte, mag man num babe nur an die äußere Gejtaltung des Thierlörpers oder auch an jene 3 fammenfegung aus beftimmten, in ven einzelnen Claſſen in gejeß mäßiger Verbindung und Lage auftretenden Theilen venten. Es fehlle hierzu nicht bloß die Einficht, jei e8 auch nur in einen einzigen der Hauptbaupläne, welche im Thierreich verwirklicht find, ſondern a ch die formelle Verbindung der verſchiedenen thieriſchen Formen zu ein m 133) Cerebri anatome. Londini, 1664. ee Noch ſtanden bie —— Seftolten un ‚verbunden da, man erblidte überall nur Mannichfaltigkeit und Ber- — ſchiedenheit. Und wenn auch die Anerkennung der Uebereinſtimmung, wie die fprachlich dargebotenen Bezeichnungen Vogel, Fiſch u. f. w. —— etiseneaneni tifangen. a eine folche enthielten, auch wifjenjchaftlich nicht verjchiwiegen wurde, ff geiff man, wo man fich über bie in jenen Ausprüden gezogenen Gren- zen hinauswagte, zu fünftlichen Vereinigungen, welche mehr das Streben äußere Ordnung herzuftellen als das Bebürfniß eine er : fannte Einheit zu bezeichnen befmdete. Während man aber mit den 4 Hanptumrifjen des ſyſtematiſchen Gebäudes noch nicht im Neinen war, hatte man auch feine Hare VBorftellung von der Befchaffenheit der ein- zelnen Baufteine. Die thierifchen Individuen vereinigte man zwar zu Gruppen; aber ftatt hier den nothwendigen Schritt zu thun, ſich eine wie immer auch zu befinivende niederfte ſyſtematiſche Einheit fünftlich zu fchaffen, folgte man dem Sprachgebrauch der Philofophie und ließ noch ganz wie früher je nach dem formalen Inhalte des Begriffes bad Species bald Genera einander über- oder untergeorpnet fein. Wo ba- her die Namengebung nicht einen feiten Anhalt an der populären Kenntniß einer Form fand, ſchwankte das Urtheil und es wurde mit ber Wiebererfennung auch das Verſtändniß der Form erfchwert. Mitten in dem Drängen nach tieferer Einficht in das thierifche ‚Reben, welches, wenn auch Häufig kaum ausgeiprochen, bie fpäteren der oben angeführten Schriften auszeichnet, eine beftinmmte Grenze ' zwifchen Altem und Neuem ziehen zu wollen wäre ein Wiverfpruch ‚gegen die Entwidelung der Wiſſenſchaft. Aeußerlich bezeichnen aber mehrere Erſcheinungen einen gewiſſermaßen energifhen Anlauf, mit ber Erkenntniß der Natur, auch ber thierifchen, zu einem Abfchluffe zu gelangen. Dieſe mögen als Vorbereitungen zur nächten Periote J B. Carus, Geſch. d. Zool. 95 - Periode der Syſtematik. Mit einem Gefühle der Befriedigung fieht man die naturgefchicht- fichen Beftrebungen des fiebzehnten Jahrhunderts allmählich in Bah⸗ nen lenlen, welche jowohl durch Vertiefung der Unterfuchung als auch durch Feftftellung ihrer mehr formellen Hülfsmittel eine wirklich wif- ſenſchaftliche Begründung in Ausficht ftellen. Der Eintritt neuer Gefichtspunfte, das Hare Erkennen neu geworvener Ziele, vor Allen ° aber bie Verbreitung des allmählich bereits Errungenen geſchah indeſſen laangſam, freilich vielleicht nicht jo langſam, wie es fich unter den trau- - rigen Berhältnifjen jenes Jahrhunderts hätte erwarten laffen. Er—⸗ ſcheinen frühere Jahrhunderte neuerem Auge jchon als trübe und Durch bie Robheit und Unficherheit des öffentlichen Lebens als für Entwice- lung geiftiger Blüthe wenig verfprechend, fo ift die Verwüftung und ‘ Zerrüttung, welche Deutjchland in der erjten Hälfte des fiebzehnten Jahrhunderts zu erleiden hatte, grauenvoller als irgend ein früheres Nationalunglück geweien war. Gegenüber ven Wirkungen bes dreißig. jährigen Kriegs in Deutjchland find die Folgen ver in dem gleichen Jahrhundert ftattgefundenen politiihen Erjchütterungen in England, jelbft die Kriege Frankreichs nur leicht vorübergehende Störungen ge⸗ weſen, während Deutjchland materiell fich erft vor faum einem Jahr⸗ hundert einigermaßen erholt hat. Aber vielleicht gerade deshalb, weil es fich um jede Ausficht auf äußere Erfolge gebracht jah, arbeitete es um fo eifriger am feiner geiftigen Erhebung, welche in ber durch den weitphäfifchen Frieden neu begründeten Regelung ver innern ftaatlichen Derhältniffe nur ein förderndes Moment finden konnte. Bezeichnend 3 — at Ausgang des flebgehnten Jahrhunderts. 387 für deutſches Weſen iſt es nun wohl, daß kaum drei Jahre nach dem Abſchluß des weſtphäliſchen Friedens bei einzelnen Männern der Ge— danke an Gründung einer naturwiffenjchaftlichen Afademie rege und bald auch ausgeführt wurde. Es verlohnt fich auch Hier, einen Blick auf die etwaige Förderung zu werfen, welche dieſem Unternehmen aus der allgemeinen Theilnahme, namentlich aus dem Intereſſe an ber Thierwelt erwachjen konnte. Die Zukunft der Wifjenfchaft lag aller- dings in ben Händen der Gelehrten, befonders ver Aerzte, welche allein den Beruf hatten, fich wiffenfchaftlich um die Natur zu befümmern. Zu allen Zeiten aber hat die ftreng fachgemäße Forſchung der belebten Natur eine Anregung von außen, theils in Folge befonders einſchnei⸗ dender praktifcher Fragen oder zufälliger Funde, theils als Wirkung bedenklicher allgemein werbreiteter Irrthümer nicht entbehrt, aus einer folchen vielmehr häufig genug wichtige Vortheile gezogen. Sieht man fich, um auch Hier zu einem Einblid in die allgemein geläufige Auffaffung und in die Stellung der Bevölkerung der Thier- welt gegenüber zu gelangen, in ber nicht ärztlichen und nicht natur- wiffenfchaftlichen Litteratur um, fo erhält man zum Theil merkwürdige Belege für die große, mehr als naive Leichtgläubigfeit, befonders aber wiederholt Zeugniffe für das zähe Leben fo mancher älteren Sage. Das Zutrauen, was man jedem Berichte wunderbarer Begebenheiten entgegentrug, wurzelte allerdings vorzugsweiſe darin, daß die Beob- achtungskunft nur jehr mangelhaft entwidelt war. Man war einerſeits vielen Naturerfcheinungen gegenüber noch nicht vorbereitet, was man eigentlich zu jehen und zu erfaflen haben werde, um es dann als eine weiter verwerthbare Thatjache benutzen zu können ; anbererjeits be- gnügte man fich bei der Unkenntniß ja beim Fehlen jeder Ahnung eines gefegmäßigen Verlaufes vieler Vorgänge mit äuferft unvollſtändigen Beobachtungen oder man ließ fich gar abfichtlich, einer Anficht zu Liebe, oder unabfichtlich täufchen, ohne das durch irgend eine Mitthei- Jung etwa überlieferte Wunder genauer zu prüfen. Da man nun aber doch die Welt nicht einem planlofen Zufall preisgegeben annehmen bonnte, jo war es nicht allein die unzureichende Beobachtung, es war auch bei dem Mangel an nüchternem Urtheil über Naturericheinungen,- 25* 48 on Anis Birken, ohne vie nötßige ———— ſoſort einzelne Fälle unter allgemeine Geſichtspunkte als Regeln oder Gefege uſammenufaſſen, was zur Zeit bes Erwachens wiffenfchaftlicher Re— ungen ter baren Peichtgläubigkeit fo großen Vorſchub leiſtete. Eigen- thümfich muß es wohl berühren, wenn Leeuwenhoek in der Form des _Samenförperchens die Geftalt des künftigen Thierförpers,, in bemfel- ben daher ben eigentfichen ber Entwickeiung zu Grunde liegenden Kein erblickt, ohne daß er fich über die Verbreitung der Samenelemente in andern Thierclaffen und über das dort berrichende Verhältniß zwifchen der Form biefes Elementes und der Geftalt.des entwidelten Thieres durch ausgebehntere Unteriuchungen eine einigermaßen ftichhaltige Controle verfchafft Hätte. Hier liegt aber aufer der vorzeitigen Verall⸗ gemeinerung das Spiel einer durch den merkwürdigen Bund etwas er- ditzten Fantafie vor, könnte man zur Entfchuldigung jagen. Soll aber nicht alles Vertrauen in die Naturgefchichte der betreffenden Zeit auf- Hören, wenn man Mittheilungenv on Beobachtungen lieft, wie z. B. bie folgende, welche ohne Neuerung einer Kritik einfach mit glaubwürbiger Miene erzählt werden? Peter Rommel jchildert in einer 1680 in Ulm erjchienenen Differtation !) Hafenembryonen, welche frei und nir- gends angewachien in ver Bauchhöhle fiegend gefunden worden feien. Er hatte fie von einem Jäger mitgetheilt erhalten. Daß er dabei der Angabe des Laien Glauben fchenkte, würde feiner Erwähnung werth fein ; Aehnliches fällt gelegentlich jelbft heutigen Tages noch vor. Aber im Berlaufe feiner Erörterung erzählt er alles Ernftes, daß in Frei- burg eine Frau durch Erbrechen eine Kate von fich gegeben habe, welche „fie im Magen empfangen habe“, und führt ferner an, Dr. Matthaei in Freiberg habe jelbft eine lebendige Gans gehabt, welche aus dem Uterus einer Frau hervorgegangen fei. Dies ift ein Beiſpiel unter mehreren. Die Herenprocefje fieng man mit Erfolg zu bekämpfen. an; Herereien in der Natur glaubte man. Aber nicht bloß derartige ungereimte Wunder giengen um; im Volle lebte noch immer eine durch 1) Petr. Rommel, de foetibus leporinis extra uterum repertis. Ulm, 1680. % — —— — 389 be ten Zug geinlithficher Bertrautheit Häufig rührende Bekanntſchaft mit ter Thiere heimlichjtem Leben. Als der Simpliciſſimus den Be— weis geben joll, daß er fein Narr, jondern gejcheidter fei, als mancher ver ihn hänfelt, läßt ihn Grimmelshaufen fich feiner Kenntnig vom Leben der Thiere rühmen?). „Sagt mir doch, wer die wilden Bloch Dauben, Hähne, Ambjeln und Rebhühner gelernet hat, wiefiefihb mit Zorbeerblättern purgiren jollen und die Dauben, Turteldäublein und Hühner mit Sanct Peters Kraut? Wer lehrt Hund und Kagen, daß fie das bethante Gras freſſen jollen, wenn fie ihren vollen Bauch reinigen wollen? Wer die Schild⸗Krott, wie fie die Biß mit Schirling heyle, und den Hirſch, wenn er geſchoſſen, wie er feine Zuflucht zu dem Dictamno oder wilden Poley nehmen jolle? Wer hat das Wifelin _ unterrichtet, daß es Nauten gebrauchen folle, wenn es mit der Fleder ⸗ | mauß oder irgend einer Schlange kämpffen will? Wer gibt den wilden Schweinen den Epheu und ven Beeren den Alraun zu erkennen und fagt ihnen, daß es gut jeye zu ihrer Artzney? Wer hat dem Adler ge- rathen, daß er ven Aolerftein fuchen und gebrauchen foll, wann er feine Ever ſchwerlich legen kann? Und welcher gibt e8 der Schwalbe zu ver- stehen, daß fie ihrer Jungen blöde Augen mit dem Chelidonio artzneyen folle? Wer hat die Schlang inftruirt, daß fie fol Fenchel eſſen, wann fie ihre Haut abftveiffen und ihven dunklen Augen helffen will? Wer lehrt ven Store fich zu elyſtiren, den Pelican, fich Ader zu laffen und dem Beeren, wie er ihm von ben Bienen ſolle ſchrepffen laſſen? Hier Hingt ja Alterthum und Mittelalter noch hell und vernehmlich duch. Er nennt auch Schneden und Fröfche „Infecten“3) und erzählt ferner), daß die Katze „mit Schmerzen empfahe, aber mit Wolluft gebäre, was er als Beleg für die Nichtigkeit der über die Weiber ver Sylphen im Mummelſee verbreiteten Erzählungen beibringt. Den hauptjächlichiten AUnterſchied zwifchen Menfchen und Thieren bildet die Sprache, wie der 2) ber abentenerlihe Simpliciffimus, von Grimmelshauſen, beraus« | geg. von Keller. Stuttgart, litterar. Berein. 1. Bd. ©. 245. h 3) ebenda, 1. Bd. ©. 144. 4) ebenda, 2. Bd. ©. 748. — — DR — J * ae MS: 13% 390 ———— * — ff Seit 9 BERNER Größe, Stärke, am Geficht, „vie Löwen mit ihrer herghafftigen Groß⸗ mütbigteit“, u. |. f. „Aber ver Menich geht ihnen allen vor mit ber Sprach“. Bei diefer erzeigt ſich Vernunft und Verftand, was bei Thieren, auch wenn fie reden lernen, mangelt. Diefe Anführungen weeiſen in einer faum miszuverftehenden Weiſe darauf hin, wie troß des geſellſchaftlichen Elends in Deutſchland die fort erhaltene Kenntniß vom Leben der Natur zu den werthvolleren geiſtigen Beſitzthümern ge⸗ rechnet wurde, wie tief ſich manche Beziehungen zwiſchen Thier- und Pflanzenwelt, manche vorbilvliche Aehnlichkeit mit menfchlichen Thun und Leiden in das Vollsbewußtſein eingeprägt haben mußte. Slüdlicherweife wird dieſe Liebe zur Natur nicht niebergehalten, durch die beiftifche Färbung der verbreitetften Form ber Weltanſchau⸗ ung fogar gefördert. Sie führt zu allgemeiner Betheiligung am Sam- meln, Beichreiben, Beobachten. Und ſchon am Ausgange bes fieb- zehnten Jahrhunderts hat dies fo viel Früchte getragen, daß man nun von jelbft darauf geführt wurde, fich nach einem beftimmten, bie Ein- zelheiten zufammenfafjenden Bande umzufehen. Für die Wiſſenſchaft der belebten Natur konnte hierfür allerdings noch fein durchgreifender Gedanke aufgeftellt werden. Denn wenn fchon feit Descartes auch in biefen Fächern Kritit möglich gewejen wäre, fo liefen bob Spinoza und jelbft Leibnitz zu viel Raum für fupra-naturaliftiiche Auffaffun- gen, als daß folche nicht auch mit Freuden eingeführt worden wären. { . Newton’s Länterung der phyſikaliſchen Lehre von metaphyſiſchen Erklärungen mußte für die Zoologie noch unfruchtbar bleiben und felbft feine methodologiſchen Vorſchriften ließen wenigftens fürs erfte noch die rechte Anwendbarkeit auf die Lehre vom Leben und feinen Trägern vermiſſen. Trogtem aber fuchte die fich Hier wejentlich als befchrei- bende Wiffenfchaft herausbildende Zoologie eine Einheit und zwar fand fie diefelbe in ver Neugeftaltung ihrer formalen Seite. So lange es noch nicht möglich war, die in der belebten Natur vorfommenden DBe- | wegungen — nicht bloß vie plöglichen und fchnelfen, wie Ortsbewe- 5) ebenda, 2. Br. S. 1052. Boeoepvürfniſſe ber Wiſſenſchaft ER gung und Blutumlauf, fondern auch die langſam verlaufenden, wie Entwidelung und Formbildung — als jolche für Aufgaben wiffen- Ichaftlicher Erklärung anzufehen, mußte nothwendigerweiſe zunächft bie Einheit in der Mannichfaltigkeit der Geftaltungsverhältniffe, Die Ueber: einjtimmung mehrerer nur in Einzelheiten werjchiedenen Formen nach- zumeifen werfucht werten, wenn überhaupt die Menge iſolirt vaftehender Thatjachen zu einer wiflenfchaftlichen Eimgung gebracht werben follte. Bon diefem Gefichtspunfte aus ift nun das Aufftellen von Syſtemen, und zwar von formell begründeten, nicht bloß der Schilderung ftill- jchweigend zu Grunde gelegten, ver größte und bebeutungsvollfte Schritt geweſen, welchen die Zoologie damals überhaupt thun konnte. Zur Ermöglichung deffelben bedurfte es aber noch mehrerer Momente. Sie werben im Verlauf der vorliegenden Periode von einzelnen Män- nern nach und nach erfunden. Die Definition des Begriffs der natır- hiftorifchen Art duch Ray, die Terminologie und die binäre Nomen- clatur Linne’s find die wichtigften diefer Erfindungen. Erſt mit ihnen wurde e8 möglich, die weiteren Entdeckungen der Wiffenjchaft nutzbar zu erhalten. Man fagt jetst häufig, in dem Syſteme lege man die Summe der Kenntniß der thierifchen Formen nach dem jeweiligen Stande ver Wiffenfchaft methodiſch dar. Dies gilt wohl für jetzt, wo man überhaupt ſchon Syſteme hat. Ray und Linne, fowie ihre Zeit und Arbeitsgenofjen hatten aber das thatjächliche Material gewiffer- maßen erſt plaftifch zu machen, fo daß es von ihnen und Späteren in Sormen gebracht werden konnte. Selbſt das ariftotelifche Syſtem konnte erft dann wieder verftändlich werden, nachdem Gruppen, ben feinigen formell analog, befinirt worden waren und einen Inhalt von ſicher wiebererfennbaren Thierformen erlangt hatten. Bon wie großer Bedeutung aber die Gründung des Shitemes " für die Zoologie auch war, fo verbaut biefelbe doch noch andern jegt eintretenden Umſtänden eine Förderung, welche fie durch die Bejchaf- fenheit der num fich erjchließenden Fülle neuer Thatjachen allmählich _ ber Möglichkeit entgegenführte, das zwar georbnete, aber doch gerade in Folge eines ftarr formalen Schematismus ohne innern Zufammen- hang evicheinende Dinterial an der Hand allgemeiner Ideen wirklich = wifenfeafti. u ibn: Die —— Aehnlichteit vieler — | ſchen Fornten mit einander hatte ja zwar ſchon längft zu der Anerken- mung einzelner Grundformen geführt ; man fprach von Vögeln, Fiſchen m f Sofehr man aber auch geneigt war, bie völlige Gleichheit der Lebensberſcheinungen eines der höheren Thiere und etwa ber eines In- ſectes oder Weichthieres anzuerkennen, jo fehlte doch eine einigermaßen genügende, wenn auch nur äußere Erklärung hierfür fo lange, als + man bie Gleichheit des feineren Baues fo verjchiedener Formen, vie Gleichheit ber eigentlich wirkamen Theile, wie fie nach Abjehen von der äußeren Geftaltung fich offenbarte, nicht nachweifen, felbft kaum ahnen konnte. Jeder Schritt, welcher die Kenntniß biefem Ziele näher führte, mußte auf die Anfchauung vom Thierleben und vom Bau ber - Thierlörper von Einfluß fein. Freilich haben die angebenteten Reſul⸗ taate biefer tiefer eingehenden Beobachtung erft in viel neuerer Zeit ihre abſchließende Form erhalten, Die erften Verſuche im biefer Richtung ſind aber jchon von großer Bedeutung gewejen, auch an fich und nicht bloß als Entwidelungsftufen ber fpäteren Ertenntniß. 5, Dem Erfafjen Heinerer Tpierformen, fowie dem tieferen Eindrin⸗ gen in das innere Gefüge des Thierkörpers war bisher in ber Unzu- langlichleit des menfchlihen Auges eine natürliche Grenze gejekt. Wurde biefe durchbrochen, wurde dem Auge eine neue Sehkraft ver- Heben, jo war dadurch nicht bloß für die Beobachtung ein neues Sülfsmittel gefchaffen; es erſchloß fich vielmehr dem geiftigen Auge gerabezu eine neue Welt; es beliebte fich jeder Waffertropfen, jedes Staubkörnchen, das jcheinbar Sleichartige im körperlichen Gefüge er- wies fich wiederum als höchſt zufammengejett. Alles, womit man als mit einfachen Thatfachen rechnen zu können gemeint hatte, ftellte ſich als Folge zufammengejegter Bildungsvorgänge heraus. Der Reichthum organischer Geftaltungen wuchs in einem unvorhergeſehenen Maße; aber auch die Aufgaben der wiſſenſchaftlichen Erklärungen ver⸗ tieften ſich. Natürlich traten alle dieſe Betrachtungen nicht ſofort in das Bewußtſein derer ein, welche zuerſt das Mikroſkop benutzten. Allmaãhlich erſt und unter Abhängigkeit von der techniſchen Ausbildung dieſes wichtigen Werkzeuges der neueren Zeit emtwidelte fich jene N N er ini Be Mitritope. Be Mi fruchtbare Reihe bahnbrechender Geſichtspunkte. Sie haben aber ſämmtlich ihren Urſprung in der Zeit, wo das Auge zum erſtenmale „bewaffnet“ ver Natur genähert wurde, wie die Sprache finnig die Entjchiedenheit andentet, mit welcher bie menjchliche Forſchung den Kampf um die Geheimmniffe ver Natur aufnimmt. - Der Zeit nach gehört die Erfindung des Mikroffops ftreng ge⸗ nommen noch in die vorige Periode, Wirklich fruchtbar wird es erjt in diefer. Nicht Cornelius Drebbel von Alkmaar, wie man lange Zeit annahm, fondern die Brilfenfchleifer Hans und Zaha- rias Ianffen (Vater und Sohn) in Midvelburg waren es, welche zum erftenmale, zwifchen 1590 und 1600 etwa, Linfen zur Herftellung eines zufammengefetten Mikroſkops mit einander verbanden®). Ein- fache VBergrößerungsmittel, «als gefchnittene Steine oder gefchliffene Gläſer müfjen zwar einzelnen Thatfachen nach zu ſchließen auch ven Alten ſchon bekannt geweien jein. Es läßt fich aber nicht nachweifen, daß derartige Hülfsmittel genauerer Unterfuchung vor dem jechzehnten Sahrhundert auf Naturgegenftände angewendet worden wären. Im der genannten Zeit fcheinen einfache Mikroſtope oder ‚Lupen zwar fchon benutst worden zu fein; aber ſowohl ihre Form, die urſprünglich fefte Berbindung eines Objectes mit dem Vergrößerungsglafe (Vitra pu- licaria), als bejonvders die Einrichtung der Mifrojfope für Beob- achtung undurchfichtiger Gegenftände mit auffallendem Lichte liefen nicht fogleich den unendlichen Vortheil erfennen, welchen ver freie Ge brauch derjelben ergeben mußte. Es ift hier nicht der Ort, die allmäh - lichen Wandlungen und Vervolltommnungen des Mifrosfops zu ſchil⸗ dern. Bon Bedeutung ift feine Anwendung. Nicht zu verwundern ift es, dafi nicht bloß die ftrenge, fich ihrer Aufgabe bewußte Forichung das neue vielverheißende Werkzeug in ihre Dienfte nahm, fondern daß 1 bie dilettivende Liebhaberei deffelben zur Förderung der Gemüths- 6) Im Bezug auf die Geſchichte der Erfindung bes Mifroflops jowie die ver- ſchiedenen anfangs gebräuchlichen Formen des einfachen und zuſammengeſetzten ſ. ®. Harting, Das Mikroskop. Theorie, Gebraud und Gefchichte. Aus dem Holländifchen von F. W. Theile. Braunfchweig, 1859. ©. 599 flgbe. ©. 657 ſode. — und Augenergögung bemächtigte: zwei Richtungen, welche freilich ſelbſt im der neueſten bilverreichen Zeit beim häufigen Mangel von Gedanken, welche die Beobachtungen leiten ſollten, nicht immer aus⸗ einander gehalten werben können. — Nachdem bereits im ſechzehnten Jahrhundert einzelne kleinere Thiere im Ganzen vergrößert dargeſtellt worden waren, ohne daß man gleichzeitig auf ihren feineren Bau weiter eingieng, benutzte zuerſt Francesco Stelluti das Mikroſtop planmäßig zur Unterſuchung und Darjtellung von Theilen der Biene in vergrößertem Mafiftabe ?). Seiner Arbeit ift das Verdienſt nicht abzufprechen, daß fie die erſte war, welche fich austrüdlich als eine, mittelft des Mikroflops erlangte Reſultate mittheilende anlündigte. Stelluti ift num zwar als Arzt noch ‚weiter belannt; feine Schrift über die Bienen hatte aber, wie es ſcheint, nur wenig Erfolg. Bon einer Bedeutung, welche bie aller Borgänger weit hinter ſich ließ, find vorzüglich zwei Männer, von denen man allerdings jagen kann, daß fie das Mikroffop erft den Na- turwiffenjchaften gegeben haben, Malpighi und Leeuwenhoek. Sie waren e8 ja auch, welche das Vorurtheil zuerft burchbrachen, das ſich, wie oben erwähnt, noch Mouffet hemmend in den Weg ftelfte, daß nämlich das Interefje, welches fich an Naturgegenftände Inüpfe, gewiffermaßen im directen Verhältniffe zu ihrer Größe ftehe, daß dem⸗ zufolge Heine Körper keiner Unterfuchung werth jeien. Neben ven bei- den genannten hat die Gefchichte der Naturwiffenfchaften in Bezug auf Einführung des Mikroftops befonders noh Nehemiah Grew und Robert Hooke rühmlich zu erwähnen; die Hauptleiftungen dieſer fiegen aber nicht auf dem Gebiete der Zoologie, obſchon ber erftere . auch Hier noch anzuführen fein wird. Marcello Malpighi wurde 1628 in Erevalcuore bei Bologna geboren, ftudirte unter anderem | auch in Pifa, wo er Schüler und Freund bes zwanzig Jahre ER 7) Apiarium ex frontispiciis theatri principis Federici Caesii Lyncei... depromptum quo universa mellificum familia ab suis praegeneribus deri- vata, in suas species ac differenfias distributa in physicum conspectum ad- duecitur. Franeiscus Stellutus Lynceus Fabrianensis microscopio ob- servavit. Romae, 1625. } B g D F > 7 Marcello Malpigbi. — — Alfonſo Borelli wurde, gieng dann eine Zeit lang als Profeſſor nach Meſſina, wurde 1666 Profeſſor der Medicin in Bologna, ſiedelte als Leibarzt des Pabſtes Innocenz XII im Jahre 1691 nah Rom über und ftarb dort 1694 in feinem fiebenundjechzigften Lebensjahre. Malpighi ift beſonders dadurch auf den Fortfchritt der Zoologie in weiterem Umfange von großem Einfluffe geworden, daß er feine wih- tigen Unterfuchungen über anatomijche Verhältniſſe bei verfchiedenen Thieren nicht mehr in derſelben Weife wie Frühere von Phyfiologie und Medicin abhängig erjcheinen ließ, ſondern in dem formellen Auf- bau des Thierförpers einen Gegenftand erblicdte, welcher einer jelb- ftändigen wiffenfchaftlichen Bearbeitung bebürftig und werth war. Er - fcheint dieſes Loslöfen von fremdartigen Gefichtspunften bei ihm auch noch nicht in der Sicherheit und Freiheit, daß man bei ihm jchon ein Erfaffen rein morphologifcher Aufgaben annehmen kann, fo hat er doch durch feine Art ver Behandlung wejentlich dazu beigetragen, bie einjchlägigen Arbeiten von der unwürdigen Beauffichtigung und Beein- fluffung feitens praftifcher Berufsrichtungen und andersartiger Wif- fenfchaften frei zu machen. Im feiner Anatomie der Pflanzen find ferner bie erften Grundzüge gegeben zu jener, durch alle fpäteren Unter- fuchungen immer weiter befejtigten und ficherer beftätigten Lehre von der Zufammenfegung der organischen Körper aus Zellen, welche ver ganzen Auffaffung der belebten Welt, unter gleichzeitiger Erweiterung des Einblides in die Entwidelungserfcheinungen, einen formell feft- ftehenden Ausgangspunkt und in ihren Folgerungen ber genetifchen Betrachtungsweiſe einen ficheren Boden und den theoretiichen Air ſchluß gab. Malpighi gieng direct ohne Nebenziele auf Erfenntnig tes Baues des Thierkörpers aus; er benußte dazu zunächit alle in feiner . er * Meſſer ſuchte man die Theile durch Maceration in verſchiedenen Flüſ⸗ figfeiten und durch Kochen zugänglicher zu machen. Und wenn bier: durch der Zufammenhang zwifchen den einzelnen Theilen zu ſehr gelöft wurde, während man ja gerade für die Verbindung derſelben unter einander neuer Elemente beburfte, welche die Subftanzlüden zu erfüllen Zeit gebräuchlichen Unterfuchungsmittel. Für die Behandlung mit dem beſtimmt waren, ſo trat ergänzend die Erfüllung der feinſten Gefäße x hungsmittel auf. Malpighi beſaß zwar die Kunftfertigkeit ber von Swammerdam erfundenen Injection nicht in demfelben Grade hober techniſcher Volllommenheit, wie fie Ru yſch fich angeeignet hatte, Es verdient aber überhaupt die Einführung berjelben in die Reihe ber ge- bräuchlichen Mittel hervorgehoben zu werten. Zu allen dieſen kam nun noch der Gebrauch des Milroſtops. Aber abgejehen von ven äußeren Beobachtungsmitteln findet fic bei Malpighi auch ein beben- tender methodiſcher Fortſchritt darin, daß er es geradezu ausfpricht, bie volffommmeren Thiere bebürften zur Erflärung ihres anatomifchen Berbaltens des „Analogismus der einfacheren“. An bie Stelle des trodenen Hervorhebens der Verſchiedenheiten bricht alſo hier zum er⸗ ftenmale der Gedanke durch, daß dem veich geglieverten Bau höherer Thiere ein einfacherer gegenüberftehe, welcher durch eine allmähliche Ceomplication in jenen hinüberführe. Diefer Gedante war es, welcher WMalpighi felbft bei den Infecten nicht ftehen bleiben ließ, fondern ihn veramlaßte, fich nach noch einfacheren oder ven einfachiten Lebensfor- men umzuſehen. Zu biefem Behufe unterfuchte er vie Pflanzen ana⸗ tomiſch mittelft bes Milroſtops; und wenn ihm auch Robert Hoote So in dem Auffinden des zelligen Baues berjelben vorangegangen war, jo erkannte er doch die Bedeutung dieſer Zufammenfegungsweife zuerft und fehilderte die Betheiligung der von ihm Schläuche (utriculi) ge- nannten Zellen am Aufbau des Pflanzenkörpers. Nicht zu verfchwei- gen ift es freilich, daß Malpighi trog feines weiten Gefichtskreifes in einen vielleicht gerade durch dieſe Weite zu erllärenden Fehler gerieth, weicher ihn vom Erkennen mancher Wahrheit abhielt; er verallgemei⸗ nerte zu fchnell und zu viel. Wahrjcheinlich in Folge unvolllommener Injectionen und nicht völlig klarer mikroſtopiſcher Bilder glaubte er im Thierkörper faſt überall Heine abſondernde Drüſen wahrzunehmen ; | und durch Analogie verleitet erblickte er auch in ven Stanbgefähen ver Pflanzen nicht die Träger des Befruchtungsftoffes, fondern auch nur abjondernde Elemente. Dieſer bei den verjchiedenften Gelegenheiten fich geltend machende Fehler hinderte ihn möglicherweife am Entdecken der thierifchen Zelle, ver er doch bei ver Unterfuchung von Embryonen‘ | SR Mareello Malpighi. 397 und von Gehirn und Rückenmark nahe genug war; auch hier ſah er in der Rindenſubſtanz nur Drüfengewebe, eine ‚Auffaffung, welcher Ruyſch die andere extreme gegenüberftellte, kaf bie Rindenſubſtan nur aus Gefäßſchlingen beſtehe. | Bon feiner Anatomie der Pflanzen abgejehen beziehen fich die Ir- ' beiten?) Malpighi's weniger auf allgemeine Structurverhältniffe als auf ven Bau befonverer Organe und einzelnen Thiere. In der Arbeit über die Structur ver Eingeweide führt er feine Drüfenlehre confequent in Bezug auf die Leber und die Milz durch, wobei er entjchieden bie Abſonderung der Galle, nicht wie noch manche feiner Zeitgenofjen in bie Gallenblafe, fondern in die Leber felbjt verlegt. Die Abhandlungen über die Zunge und das Taftorgan find deshalb von größerer Bebeu- tung, als fie die Malpighi's Namen noch tragende fogenannte Schleim- ſchicht, das Malpighifche Ne, unter dev Oberhaut kennen lehrten und zeigten, wie ber Bau der äußeren Haut und der ver Schleimhäute nahezu gleich find. Müſſen die hier erwähnten Schriften, denen noch ein paar ähnliche über die Nee und das Gehirn anzuveihen find, als folche ber zeichnet werben, welche troß mancher Fehler wegen des in ihnen fich äußernden allgemeinen Blickes eine nachhaltige Wirkung gehabt haben, fo fand doch feine Arbeit über den Seidenjchmetterling ſchon jehr bald eine weitere Verbreitung. Diefelbe ftellt die erfte vollftändige Anato- mie eines Arthropoden dar. Denn die in demſelben Jahre, 1669, er- ſchienene Gefchichte der Infecten von Swammerdam enthält noch kaum etwas Anatomifches, vielmehr nur eine eingehende Schilderung dev Verwandlungen. Auch die nur drei Jahre fpäter erjchienene Anatomie des Krebjes von Willis (im feiner Schrift über die Seele der Thiere, ) Seine Schriften find zwar größtentheils einzeln erfchienen, wurden aber - E. . feinen Lebzeiten gefammelt und herausgegeben als Opera omnia, Lugd. - Bat. 1687, 2 Ti, 4. Londini, 1686—88. Die einzeln oben erwähnten Arbeiten tragen die Titel, de pulmonibus, erjchien 1661; Tetras epistolarum (de cere- bro, de lingua, de omento, de externo tactus organo), 1665; bie Abhandlung - de viscerum structura erſchien 1666; de Bombyce, Londin. 1669; de forma- tione pulli in ovo, ebenda 1673. Das Meifte der auf Thiere bezüiglichen Angaben ift mit den Abbildungen abgedrudt in Ger. Blasius, Anatome animalium, mstelod. 1681. — ar i ee Pas; 3 gr — erlebe Ofen. — 16m) befpricht nicht alle anatomischen Spiteme, — vorzüglich nur das Gefäß. und Nervenſyſtem. Malpighi weit hier die Reſpira⸗ tion ber Imfecten mittelft der in ven Stigmen münbenden Tracheen nach, befchreibt das Rüdengefäß, das Nervenfyftem , bie Spinndrüfen der Raupen, fchilvert das Auftreten der Generationsorgane nach ver ‚Berwanblung, fowie die Veränderungen der VBerbauungsorgane und des Nervenſyſtems während derſelben. Dabei bejchränkt er fich nicht auf dieſe Infectenfpecies, welche er in allen Entwidelungsftänden un- terfucht, ſondern zieht bei den wichtigeren Organen bie entjprechenven Theile anderer Imfecten in den Kreis feiner vergleichenden Betrach- tung. Man kann num zwar einwenben, daß diefe Unterfuchungen nicht mifcoflopifche im engen, beſonders durch die Aufgaben der heutigen Forſchung beftimmten Sinne zu nennen find. Für den Ausgang des fiebzehnten Jahrhunderts waren fie als folche anzufehen, ba hier bie Grenzen zwifchen malro- und milroſtopiſcher Forſchung weiter gefaßt wurben; es konnte ja auch 3. B. bie Bertheilung ber Tracheen, bie Anordnung der Hautmustelfafern u. a. nicht ohne Benutzung minde- ftens einfacher Mifroftope oder von Lupen ermittelt werben. Endlich ift noch anzuführen, daß Malpighi außer ver Verwandlungsgeſchichte ber Infecten auch die Entwidelung des Hühnchens zum erftenmale mit - Bergrößerungsmitteln unterfuchte. Vergleicht man feine Abbildungen von dem Zuftande bes bebrüteten Eies in den erften Tagen mit ven entfprechenden von Coiter und Fabrizio, fo ift der Fortjchritt äußert auffallend. Die Erhebung der Rüdenwülfte, das Auftreten der Ur- wirbelabtheilungen, ver Abjchnitte des Gehirns erfcheinen hier zum er⸗ ftenmale deutlich erkennbar. Wie groß aber auch der Abftand zwifchen Malpighi und feinen Vorgängern fein mag, welchen vorzüglich die An- wendung der Qupe bewirkte, jo fehlte doch auch ihm noch ber Einblick in die typiſche Anlage eines Wirbelthierförpers, um bie genaue Verfol⸗ gung der allmählichen Formveränderung des Hühnchens wirklich ver⸗ werthbar zu machen; vor Allem fehlte auch die Kenntniß der Vorgänge während der erſten vierundzwanzig Stunden. — Man möchte verſucht jein, nach Allem was er geleiftet hat und wie er feiner Aufgabe gegen- über trat, Malpighi als den erften Vertreter der neueren Wiſſenſchaft SE ae ER a Er 2, Anton von Leeuwenhoel. u - | zu betrachten, wenn er nicht troß feiner Verallgemeinerungen bloß einen im Ganzen nicht jehr umfangreichen Formenkreis durchforſcht hätte. Die Art indeffen, wie er das gethan hat, läßt ihn immer als einen der ausgezeichnetjten Beobachter des fiebzehnten Jahrhunderts erkennen. Benutzte Malpight das Mikroſkop planmäßig und den Bedürf- niffen einer Unterjuchungsreihe entjprechend, jo war das Inftrument in den Händen des andern berühmten Mikroſtopikers des fiehzehnten Jahrhunderts mehr oder weniger das Mittel, die Neugierde, welche die Wunder einer bis dahin unfichtbaren Welt in empfänglichen Geiftern erregte, zu befriedigen. Und doch find die Entdeckungen, welche bie Frucht eines emfigen, durch funfzig Jahre fortgefetsten Gebrauchs des Mikroſtops waren, extenfiv jowie ihrer Tragweite nach die wichtig. ften und einflußreichften. Anton von Leeuwenhoef war 1632 in Delft geboren, genoß feine gelehrte Erziehung, da er zum Kauf: mannsjtande bejtimmt war (er joll nicht einmal Latein verftanden ha- ben), wandte fich aber aus Liebhaberei dem Verfertigen vorzüglicher Linſen zu, mitteljt deren er unabläffig immer neue und neue Gegen- ftände durchfuchte, ohne bei diefen Unterfuchungen von irgend einem durchgehenden wifjenjchaftlichen Plane geleitet zu werden. Die könig— fiche Geſellſchaft zu London, welcher er feine Beobachtungen überfandte, machte ihn zum Mitglieve. Er ftarb 90 Jahre alt, 1723, in feiner Geburtsjtadt. Iſt Hiernach Leeuwenhoek gewiffermaßen als der erjte Repräfentant jener Dilettanten zu betrachten, welche durch das Mi- kroſtkop einem inneren gemüthlichen Drange Genüge zu leiſten fuchten, fo ift doch die Kenntniß nicht bloß zahlreicher feiner Formenverhältnifje bes Thierlörpers, fondern auch der Aufjchluß einer ganzen Welt mi- kroffopifcher Lebensformen fein Verdienjt. Was die erteren betrifft, fo ift faum ein anatomifches Shitem zu nennen, an welchem Leeumen- hoek nicht wichtige neue Sachen gefunden hätte, Er entdeckte die Blut- Förperchen und fah zum erftenmale die Blutbewegung in den Gefäßen an dem Schwanze ver Froſchlarven (Malpighi ſoll bereits vorher in der Froſchlunge die Blutbewegung gejehen haben; doch läßt fich dies nicht ficher nachweifen). Er ſah die Querftreifen der Mustelfajern und fehilverte diefe als Bündel von Fäſerchen. Er fah die Zahmröhr- ur. u. —— der — bie ——— die — E— Spaltbarkeit der Linſe u. a. m. Eine der wichtigſten Entdeckungen, welche allerdings nicht von Leeuwenhoel berührt, jonbern von einem Leydener Studenten, Ludwig von Hammen, oder Ham aus Stettin im Dahre 1677 gemacht wurbe, ift die des Vorkommens fcheinbar jelb- + ftändig lebender Gebilde im männlichen Samen verfchiedener Thiere, der fogenannten Samenthierchen. Die Evolutionstheorie, welche noch bie Anfichten über die Zeugung beherrichte, bemächtigte fich ſehr bald dieſes Bundes umd es wurde fogar, bejonders nach ber Leeuwenhoeh⸗ ſchen Darftellung der Samenkörper, wie erwähnt bie eigentliche Grund» fage der Zeugung und Entwidelung in biefelben geſetzt, jo daß bie weib⸗ fichen Genitalorgane nur zu Brutbehältern wurden. Bon ‚niederen Thieren hat Leeuwenhoel die zugänglichen, fich ihm reichlich dar⸗ bietenben , wiederholt durchmuſtert, wie Floh, Mücke, Käfer verfchie- dener Art, Miesmufchel u. ſ. w. und überall theils einzelne Theile, ſo z. B. die facettirten Augen der Infecten, teils bie Zeugung und Ernwickelung forgfältig betrachtet. Er war ber erfte, welcher bie ge- ſchlechtsloſe Fortpflanzung der Blattläuſe und die Knospung der Süße waſſerhodren beobachtete. Cr ſah Räberthiere und Hat fie wieberers ennbar befchrieben. Bor Allem war er der Entveder ber Infuſions⸗ thiere, von benen er eine ziemliche Zahl fchilverte. Rührt auch ber Name, ven diefe Thiere jetzt gemeiniglich führen, nicht direct von Leeuwenhoet jelbft Her, fo bezeichnet er fie doch oft als in Aufgüffen entjtehende, jo daß die Bildung des Namens nur auf einer Verwen⸗ bung Leeuwenhoel ſcher Ausprüde beruft. Er fpricht zwar von bei Gliedmaßen, Füßen der Infuforien, ſchildert ihre Begattung u. ſ. f. 5 indeffen waren feine Mikroſtope doch noch nicht genügend, um eine förmliche Organifation derſelben bejchreiben zu können. In ber Bes ftimmung der Körpergeftalt wurden aber beinahe bis zu DO. F. Müller kaum wejentliche Fortfchritte gemacht, wenn gleich durch Ledermüller, Schaeffer, Röfel von Deutſchen, durch Joblot, Baker, Hill umd ame dere Ausländer noch weitere Formen befchrieben wurden. i Wenn auch nicht als Mikroſtopiler im engeren Sinne, fo doch als Erforſcher ver Heineren Thierformen, als Mikrotom von ver größten — Be ie: u, — Ab — N Bedeutung für das Fortſchreiten der Zoologie war Jan Swanmer-: dam. Seine Unterfuchungen find nicht, wie es m>hr oder weniger bei Leeumwenhoef ver Fall war, planlos je nach dem zufällig fich bietenden Materiale, fondern unter volltommenfter Beherrihung ver anatomi- ſchen Kenntniffe mit dem Beſtreben, die Lebens- und Bildungseigen - thümlichkeiten der niederen Thiere, befonders der Infecten, aufzuklären, angejtellt werben. Es machten fich aber bei ihm nicht bloß die Wir- kungen der Neugeftaltung der Anatomie im wifenfchaftlichen Gehalte feiner Arbeiten geltend, jondern es erjcheint auch bei ihm in Folge fei- nes unbefriebigten äußeren Lebens und ver fich daraus entwicelnden pietiftiich-[chärmerifchen Gemüthsftunmung jene Auffaffung der Natur- wifjenfchaften in hervorragender Weiſe, welche den Nachweis Gottes und feiner Herrlichkeit in ven Wundern der Natur als höchfte Aufgabe anjah. Swammerdam wurde als Sohn eines in Swammerdam bei Amfterdam lebenden, aber fpäter nach Amfterdam übergefiebelten und nach feinem Geburtsorte genannten Apothefers im Jahre 1637 geboren, ftubirte von 1661 an in Leyden unter Jan von Hoorne und Franz de la Boẽ Sylvius) Medicin, lernte dort den Dänen Nicolaus Steno und Regner de Graaf kennen und gieng dann mit Steno auf ein paar Bahre nach Frankreich, wo er zulett bie fich ihm oft bewäh- rende Freundſchaft Melchif. Thevenots, eines einflufreichen Diploma- ten und Bruders des befannten Neifenden, gewann. Nach Leyden zur - | rüdgefehrt wurde er durch Vertheidigung einer Arbeit über das Ath- men 1667 Doctor der Mediein, prakticirte aber nicht als Arzt, fondern widmete fich ganz der Anatomie und Beobachtung niederer Thiere. Unzufriedenheit feines Vaters mit feiner alle praftifchen Rückſichten berdrängenden Vorliebe für das Naturftudium, das Gefühl des Un- befriebigtfeins, da er in völliger Abhängigkeit von feinem Vater trotz feines vorgefchrittenen Alters feine fichere Lebensftellung hatte, und | wohl auch Zerrüttung feiner Gefundheit ließen ihn in dem die Schriften der bekannten chiliaſtiſchen Schwärmerin Antoinette Bourignon durch⸗ ziehenden Geifte den Anker erblicken, an welchen er fich in feiner Noth fönne. Er trat 1673 mit ihr in Briefwechjel, gieng jogar 1675 zu ihr nach Schleswig und als fie dort — wurde, mit ihr 8. Carus, Geſch. d. Zool. 26 "nach Kopenhagen. Nach Amſterdam zurücgeehet wies er alle ſich ihm bietenden Anträge zum Verkauf feiner Sammlung fowie zur An- nahme vortheilhafter Stellungen zurüd, fam dadurch und weil er feiner - Kränflichkeit wegen Kaum mehr arbeiten konnte, in feinen Verhältniſſen immer mehr zurüd, wurde elend und frank und ftarb 16809. Seine Berbienfte find nicht gering. Schon in Bezug auf anatomifche Unter- ſuchungsmethoden twird feiner ftets dankbar gedacht werben. Ihm wirb nämlich, wie erwähnt, die Erfindung zugefchrieben, die Blutgefäße durch Ausfprigung mit Wachs haltbar umd der Unterfuchung zugäng- licher zu machen, ein Verfahren, welches bekanntlich Ruyſch vielfach benutzt und weiter entwidelt hat!%). Bon feinen Leitungen find vie Unterfuchungen über die VBerwandlungsgefchichte der Infecten , ſowie Über deren Anatomie die umfangreichften und wichtigften. Die erfteren, welche er wie oben erwähnt vor Malpighi's Arbeit über den Seiden- wurm 1669 holländiſch herausgab, gehen zum erftenmale auf die Ver- ſchiedenheit der Entwidelung bei Infecten ein, inbem fie ſchon die voll- ftändige Verwandlung von der bloßen Entwidelung durch Häutung uunterſcheiden, und haben die Grumblage gegeben für bie erfte natur- gemäße Elaffification der Infecten ; die letzteren, in feiner Bibel ber Natur zufammengefaht, find die beventendfte Erſcheinung auf biefem Felde der Zootomie bis in neuere Zeiten herab geblieben. Beifpiels- weife jei hier nur hervorgehoben: er unterfcheibet die drei Individuen⸗ formen der Bienen, ſchildert den Eierftod der Königin, die Genital- organe der Drobnen, den Stachel, die Munbtheile ver Bienen, ven Bau der Müde, der Ephemere u. f. f. Ebenjo bewundernswürbig und muftergültig für lange Zeit find feine anatomischen Unterfuchungen einiger Mollusken, wie der Weinbergs-, Gartenfchnede und der Sepie. Und daß er auch bei ven Beobachtungen an Wirbelthieren Hand und 9) Ausführliches Über Swammerdam's Leben f. in der Biographie, welche Boerhaave der Bibel der Natur worangeftellt bat. 10) Die Angabe, daß ‚bereits Domenico de Mardettis bie Injection ausgeübt habe, ift darauf zurädzuführen, daß er durch Einfprigen von Flüffigfeis . tem im bie Arterien und deren Uebergang in die Venen ven Zufanmenhang . Arterien und Benen nachzuweiſen fuchte. ß ae u Auge richtig zu benußen verftand, beweifen feine Mittheilungen über ven Ban und die Entwicelungsgefchichte der Fröſche, fowie über deren Urogenitalorgane ; den Zufammenhang der legteren in ihren ausfüh- renden Theilen, welchen Swammerdam bereits erfannt hatte, haben erſt Arbeiten der neueſten Zeit wieder bejtätigt. — Hatten Malpighi und Leeuwenhoek vorzüglich dazır beigetragen, den Gedanken an eime gleichartige Zufammenfegung der verſchiedenſt geftalteten Thierkörper allmählich vorzubereiten, jo war es befonders Swammerdam, welcher . bie Öfleichartigfeit der Zeugungsweife bei Thieren aller Claſſen zur Geltung zu bringen fuchte. Vorzüglich trugen feine Nachweife über bie nur befruchtende Rolle des Samens dazu bei, die Anfichten über bie Bedeutung der beiberfeitigen Zeugungsprodufte zu Hären. Es harrte aber nicht bloß der Streit über das Wefen der Zeu- gung und Befruchtung der endgültigen Entſcheidung, welche erft mit Spallanzani’s Fundamentalverfuchen gegeben wurde, es waren auch noch, trot der weiter ausgedehnten Unterfuchungen über die Gefchlechts- verhältnifje ver Thiere, manche Fälle von merkwürdigem Erfcheinen einzelner Thierformen übrig, welche man nur als durch Urzengung er⸗ Härbar anfehen zu können meinte !'). Die Annahme eines Entftehens- von Thieren, felbft ziemlich zufammengefegt organifirten, aus faulenden Stoffen, Schleim u. ſ. w. war damals der Dedinantel für die Un- fenntniß in Bezug auf Anatomie und Entwidelungsgefchichte ver be- treffenden Formen. Ein Angriff gegen diefe Lehre, ja jelbft nur wer nige thatfächliche Belege für das Unhaltbare verjelben, waren daher für die Fortichritte der Naturgejchichte der Thiere von großer Bebeu- tung. Aber nicht bloß wegen der Bejeitigung eines entjchiedenen Irr— thums, auch wegen des damit gegebenen Beweiſes von der Gefahr eines ohne Gewähr übernommenen Autoritätsglaubens waren bie Unterſu— Hungen Francesco Redi's aus Arezzo äußerſt beveutungsnoll. Beſonders waren e8 die „VBerjuche betreffs der Erzeugung der Injec- T SER 11) Die ſelbſtändige Erzeugung lebender Weſen ohne elterliche Formen erör- terte noch im der erften Hälfte des ſiebzehnten Jahrhunderts ausführlid Fortu- nius Licetus, De spontaneo viventium ortu, Vicentiae, 1618. 40, ” 26* ——— ber Eh. ten“, in welchen Redi für viele Fälle den Nachweis gibt, daß die Tiere nicht aus den Stoffen ſelbſt, an welchen fie erſcheinen, ſondern aus bdoorthin gelegten Eiern weiblicher, mütterlicher Individuen hervorgien- gen. Er weift direct nach, daß, wenn man bie Fliegen von faulendem = Zileiſche abhält, fich Teine Maden in demfelben entwickeln. Aehnliche Beweiſe bringt er auch für einzelne Formen von in andern Thieren lebenden Würmern bei, obfchon er hier über zu wenig Thatfächliches gebieten konnte, um mit gleicher Ueberzeugungsfraft die überall gleich- artige Zengungsweife behaupten und vertheidigen zu können. Nach Redi's Arbeiten flüchtete fich die Lehre von der Urzengung in immer unbelanntere Gebiete des Thierreichs, bis fie, von der Forſchung über: alf fiegreich widerlegt, jeden Boden verlor und ernftlich erft dann wie- » ber erörtert zu werben begann, als es galt, die Anfichten über eine mögliche Erklärung ver Mannichfaltigkeit der thierifchen Formen theo- retiſch abzurunden. Auch mit andern anatomifchen Arbeiten hat fich Redi Berbienfte erworben; fo mit feinen Unterfuchungen über bie Biper, den Zitterrochen, die Luftfäde ver Vögel u. f. w. Ueberali zeigt fich bei ihm ein unbefangener freier Blick, welcher, ohne Rückſicht auf etwa entgegenftehenve, fich an Weberlieferungen ober Gewährs- - männer anlehnende Vorurtheile zu nehmen, ver Beobachtung nnd dem — Verſuche die Entſcheidung zweifelhafter Fälle überläßt. Ebenſowenig wie eine Geſchichte ver Zoologie die Entdeckung jeder einzelnen neuen Thierart verzeichnen kann, ift eine folche auch nicht ber Ort, jeden anatomischen Fund bei Thieren nach der Zeit feines Auf- tauchens zu verzeichnen. Wohl aber muß bier darauf hingewieſen wer⸗ ben, wie unter Benugung der neueren Methoben und Mittel der Un— terfuchung, fowie in Folge einer jelbftändigeren Stellung nach und nach, wenn auch langſam, alte Irrthümer jchwanden und neue geläu— terte Anfchauungen immer mehr Boden gewannen. Für bie vorlie- gende Zeit war befonders die durch Harvey's Entdeckung umgeftaltete Gefäßlehre epochemachend, an welche fich die Fortſchritte in der Kennt niß der Lymphgefäße ergänzend anfchloffen. Wegen letzterer fei hier nur an den Dänen Thomas Bartholin erinnert. Nicht minder wichtig ift aber auch der Nachweis, welcher vorzüglich dem bereits oben no, Borelli, Crew. rin > ala Stwammerdam's — genannten Nicolaus Steno zu dan- fen ift, daß die Muskeln nicht, wie es bis in die zweite Halfte des ſiebzehnten Jahrhunderts häufig genug noch durchklingt, bloßes Füll- material oder Hülfsorgane des Getaſtes ſind, ſondern die eigentlichen activen Bewegungsorgane. Steno wies nach, daß ſich die Muskeln bei ihrer Zuſammenziehung ſelbſt verkürzten. Borelli führte dieſe Fundamentalerſcheinung auf die Elaſticität der Muskeln zurück, welche unter dem Einfluß der Nerven in Thätigkeit trete. Hierdurch ſowie durch die übrigen in feiner Schrift über die Bewerungen der Thiere enthaltenen Beobachtungen und Ableitungen legte er den Grund zu ber Mechanik des Thierförpers. Die Kenntniß der VBerbauungsorgane erhielt durch den oben erwähnten Nehemia Grew eine Bereiches zung in feiner „Bergleichenten Anatomie der Magen und Därme“, welche er jeiner Schilderung des Mufeums der Königlichen Gefellichaft in London anhängte. Nimmt man die oben befprochenen Arbeiten auf dem Gebiete der Zeugungs- und Entwicdelungsgefchichte noch Hinzu, fo ergibt fich, daß das ganze anatomische Lehrgebäude ein wejentlich an- deres Anfehen erhalten Hatte. Freilich war von eigentlicher Verglei- hung num vereinzelt ein Zug zu finden ; und wenn man auch jeit Willis ‚bon „vergleichender Anatomie“ ſprach, auch bereits anfieng, zooto— mifche Schilderungen ſyſtematiſch den Bejchreibungen des menfchlichen Baues anzufügen, wie es z. B. Samuel Eollins in feinem Sy- ftem der Anatomie that, jo war man doch von der Erkennung ber ver- ſchiedenen, im Thierreiche vorliegenden anatomischen Grundpläne noch weit entfernt, da man felbft im glücklichen Falle eines möglichſt weiten Geſichtskreiſes alles Thierifche mit menfchlichem Maße maß. Davon, bei Thierzergliederungen nur die Berjchiedenheiten zu jehen, war man allerdings etwas zurücfgefommen; ftatt aber Einheit des Planes nadh- - zuweifen, bezog man die Aehnlichkeit des anatomijchen Baues auf eine - Mebereinftimmung ver phyſiologiſchen Leiſtung. Weclche Bedeutung indeffen ver Anatomie der Thiere in der Zeit beigelegt wurde, in welcher die erſten ſyſtematiſchen Verſuche die ver- ſchiedenen thieriſchen Formen zu ordnen beſtrebt waren, beweiſen neben den zahlreichen Einzelarbeiten die beiden, ziemlich bald nach einander Ir, — —— ——— über Zootomie. Die Vergleichung beider mit einander zeigt auch, wie ftetig das Intereffe an derartigen Arbeiten zunahm, da in dem fpäteren eine viel bedeutendere Zahl jener Arbeiten aufgenommen werben konnte. Das erfte ift bie »Anatomia anima- - Hama von Geraard Blaes (Gerardus Blasius), einem Profeffor - der Mebiein in Amfterdam, welcher fich viel mit der anatomifchen Un⸗ beerſuchung ſowohl des Menfchen als der Thiere befchäffigte und ſchon bor dem Hier befprochenen Sammehverte Miscellaneen zur Anatomie des Menfchen und ver Thiere herausgegeben hatte 12). Sind auch von feinen eigenen zootomifchen Arbeiten nur einzelne Angaben über ben E | Tiger, die Zibethlate, Fledermaus, den Frofch, Neiher in feinem - Buche enthalten, ohne daß er die Anatomie eines dieſer Thiere voll- ſtandig gibt, fo ift die Sammlung, welche die Arbeiten von Malpighi, Willis, Bartholin, Drelincourt und mehreren anderen Aelteren und Nexueren unter Wieerhofung ber betreffenden Abbildungen wieberbringt, nicht ohne großen Nuten für ihre Zeit gewefen. Und wie bies felbft noch bis in den Anfang des jegigen Jahrhunderts anerkannt wurde, fo ft bei der ungleich fchwierigeren Verbreitung ber Pitteratur, auch ver periodiſchen, aus welcher Blaes manches übernommen hat, in feiner Zeit das Verdienſt damals noch höher anzufchlagen gewefen. Häufig verweift 0. er auch nur auf die betreffenden Stellen, wo über gewiſſe Thiere Aus- fuhrliches zu finden ift. Er kennzeichnet fein Werk dadurch felbft als Repertorium und ift ihm deshalb aus dem Umftande, daß er bie vor- handenen Lücken nicht durch größere eigene Arbeiten vollſtändig aus- zufülfen verſucht hat, Fein Vorwurf zu machen. Noch reichhaltiger, aber in Bezug auf den Plan des Unterneh- mens mit dem des Blaſius gleichartig ift die Sammlung des Gießener Profeffors der Phyſik und fpäter auch der Medien Michael Bern- bard Valentini, welche unter dem Titel Amphitheatrum zooto- 12) Er ift der Entdeder des Ansführungsgangs der Parotis, welchen er bem Steno, nad dem ber Gang genannt wirb, gezeigt hat. ſ. Blaes s Brief an Tho- mas Bartholin in des letzteren Centuriae epistol. III. 43. Seine Anatomia ani- malium erfchien Amſterdam, 1681, feine Miscellanea anatomica hominis bruto- rumque fabricam exhibentia, ebenba 1673. 8, — Blaes/ Balentini. er | 407 mieum zuerſt in Frankfurt a. DM. 1720 erſchien und 1742 wiederholt gedrudt (oder mit neuem Titel verfehen ?) wurde. ‚Sie bietet eine veiche Sammlung der zootomijchen Litteratur der damaligen Zeit dar. Diefes Amphitheater enthält nicht bloß (in lateinischer Ueberſetzung, wie das ganze Werk Iateinifch bearbeitet ift) die Sammlung der von den Pa- riſer Zergliederern (f. unten) gegebenen Zootomien, fondern auch die auf Thieranatomie bezüglichen Aufjäge der königlichen Geſellſchaft in London, der deutfchen Akademie, ver Kopenhagner Abhandlungen, for wie eine Anzahl einzelner Differtationen. Als Sammlung der mono graphifchen Arbeiten der damaligen Zeit ift das Amphitheater ſelbſt heute noch nützlich. Allerdings find, wie es in der Natur der Sache fiegt, größere Monographien nicht darin zu finden ; fo fehlt beifpiels- weile Caldeſi's Anatomie ver Schilpfröten, Tyfon’s Anatomie des Schimpanfe und ähnliches ; bagegen ift die Zergliederung des ame- rilanifchen Opoffum von Tyfon mit Abbildung des Skelets, der Beu— teffnochen, der männlichen Genitalorgane im Balentini aufgenommen. Auch weift die mitgetheilte Anatomie einier Medufe von Anton von Heide, welche die erfte ift, die ein einigermaßen befriebigendes Bild vom Bau diefes Thieres gibt, darauf hin, daß man auch den: nie- deren Thieren eingehende Aufmerkfamkeit zu wiomen begonnen hatte. _ Defjelben Heide Anatomie der Muſchel, Unterfuchungen über englifche _ und holfteiner Auftern, über Sepien , die Argonauta und andere wir- belloſe Thiere beſonders viel Infecten) machen die in Valentinis Am— phitheater gegebene Weberficht über ven Stand der-Zootomie im An- fang des vorigen Jahrhunderts zu einer verhältnißmäßig vecht voll ſtändigen. Schon aus den kurzen in vorſtehenden Angaben — Quellenverweiſungen geht hervor, daß die Gelehrten der damaligen Zeit nicht mehr überall auf die ſich bloß zufällig bietende Möglichkeit eines gegenſeitigen Verkehrs angewieſen waren, daß ſie vielmehr ſchon einzelne Vereinigungspunkte theils für perſönliche Berührung, theils zur Sammlung der litterariſchen Arbeiten hatten, welche ihnen ſowohl Gelegenheit zur zweckmäßigen Ordnung und Beröffentlihung ihrer Arbeiten, als befonders auch Anregung zu folchen und Nachricht von | Pr Sr, — dei ey — ER * dem miſenahttchen Yben au Zen —— Come bereits früher an die Gründung der wiffenfchaftfichen Afabemien erin« ⸗ nert i). Reichen einige auch weiter zurück, fo bilven doch bie ben Nas tumiffenfchaften fpecielfer gewitmeten Gefellfchaften jebenfalßs für vie Rt Gefchichte des vorliegenden Zeitraumes ein nicht umwichtiges Moment. | Mar Hat den Unterfchied zwiſchen ihnen und den Univerfitäten beſon⸗ ders darin ſuchen zu können gemeint, daß man bie birecte Förberung der Wilfenfchaft durch Arbeiten ver Mitglieder für die Aufgabe der er⸗ fteren, den Unterricht, die Mittheilung der gewonnenen Kenntniffe an die Jugend für das Wefen der letzteren erklärte. Diefe Beſtimmung der Verſchiedenheit legt aber moderne Berhältniffe alten Einrichtungen unter. Der dortſchritt der Wiſſenſchaften vollzog ſich in den Zeiten, bon benen bier bie Rede ift, noch ausſchließlicher als es heute ber Bat leichterung des Verkehrs und der Veröffentlichungsweife eimerfeits und auf der andern Seite eine durch Kenntnignahme des in bekannten Krei- _ Lyneei bald nach dem Tode ihres Gründers bes Fürften Cefi wieder - eingieng, kam noch die vorzüglich für Erperimentalunterfuchungen be⸗ bejtehenden Akademien, welche troß aller Wandlungen umb Umg Alademien felbft erfahren haben, ihre Thätigkeit höchſtens vori ift, an ben Univerfitäten und der Gründung jener gelehrten Sefel- 2 ehaften lag vielmehr ein praktifches Bedürfniß zu Grunde, Dies war. wohl nicht bei allen das gleiche; im einzelnen Fällen mag vielleicht der Wunſch, dem Gelehrtenftande eine noch fchärfer als fonft hervortretende beſondere Stellung zu geben, mitgewirkt haben. Hanptjächlich waren es aber die erwähnten Motive, welche zu Vereinigungen führten : Er⸗ ſen Getriebenen ermöglichte Theilung der Arbeit. Zu den früher er⸗ wähnten italienifchen Geſellſchaften, von denen auch die Academia dei ftimmte Academia del Cimento, welche jedoch nach kurzem Beftehen das Schichſal ver erfteren theilte; fie war 1651 von Borelli, Rebi u. A. gegründet worden, hörte aber jchon 1667 wieber zu arbeiten auf. diefe Zeit fällt num aber auch die Gründung der drei großen, noch jet tungen, welche ſowohl die Wiffenfchaft als vie Heimathslänver d 13) ſ. oben ©. 260. Aabemien. "400 gehend unterbrochen haben. Es find dies die deutfche, engliſche und franzöfifche Akademie, welche man alle drei als ven Naturwiſſenſchaf⸗ ten gewidmet bezeichnen kann. Den Gedanken zur Gründung der erſtgenannten faßte ſchon im Jahre 1651 der Stadtarzt der freien Reichsſtadt Schweinfurt, Sohaun Lorenz Bauſch, weldher am 1. Januar 1652 mit. | ven Aerzten Fehr, Metzger und Wohlfarth die erfte Sikung hielt, darin fofort die Statuten vorlegte und damit die Grün dung ber Academia Naturae Curiosorum vollzog. So unfcheinbar und auf die Anftrengungen einzelner Perfönlichkeiten fich ftüend das erfte Auftreten diefer Akademie war, fo gewann fie boch bald ein ziemliches Anfehen. Der erjte Schritt hierzu geſchah durch die Beftätigung ver Statuten und die Privilegivung der Afademie durch Kaifer Leopold im Jahre 1677 und 1687, eine Auszeichnung, deren Erlangung ſchon längere Zeit vorher eines der thätigften Mit- glieder, Philipp Salob Sachs von Lewenhaimb in Breslau, als für den Auffchwung der neuen Stiftung äußerſt wünjchenswerth bezeichnet hatte, Nachdem dann Kaifer Karl VII dieſe Privilegien be- ftätigt hatte, führte die Akademie bis im die nenefte Zeit den Namen - ber Eniferlichen Leopoldiniſch⸗Caroliniſchen Akademie der Naturforicher, ohne jedoch anfangs durch irgend welche materielle Unterſtützung dem Kaifer oder Neich verbunden zu fein. Der hauptfächlichite Vortheil, welchen dieſe Auszeichnung mit fich brachte, lag in der damit den Na- turwiffenichaften ausgefprochenen Anerkennung. Diejelben erſchienen zwar noch ale Hülfswifjenfchaften dev Medicin, alſo ähnlich , wie fie - meift noch an Univerfitäten angefehen werben, ihre Aufgaben ftelften ‚fie fich indeß jelbftändig und nur mit der in ihrer ganzen Entwidelung bedingten Anlehnung an die Heilkunde. Jene Faiferliche Anerkennung erhielt auch äußere Formen ; doch theilten der Präfident und der Di- ‚zector Ephemeridum (wie dev mit ‚der Herausgabe dev akademiſchen ‚Schriften betraute Beamte genannt wurde) die ihnen werliehene Würde ‚eines Pfalzgrafen mit fast ſämmtlichen Univerfitäten, manchen ſtädti— ſchen Obrigfeiten,, einzelnen hervorragenden Perſönlichkeiten, wie fai- ferlichen Leibärzten, berühmten Yuriften u. ſ. w. ; die Damit verbunde- men Rechte, das fogenannte Heine Comitiv, eine Anzahl gewiſſer kaiſerlicher Reſervatrechte, mußten natürlich mit der allmähfichen Ent- wickelung der deutfchen Rechtsverhältniffe und befonders mit der Selb ⸗ > ſtaudigwerdung der Einzelftaaten ihre urſprünglich ſchon nicht große Bedeutung immer mehr verlieren, bis fie mit der Auflöfung des beut- ſcheu Reichs auch ihre formelle Begründung verloren und auch wohl aufgegeben worden wären, wenn nicht Untenntnif der hiſtoriſchen Mo- mente, vielleicht auch Eitelkeit ven beftehenden Namen des Pfalzgrafen beizubehalten verfucht hätte. Die Ausübung des Comitiv’s hat übri- gens ſchon im Älteren Zeiten der Akademie hin und wieber ziemliche Ungelegenheiten bereitet, wie 3. B. den Streit ber Bortenwürler in $ Nuürnberg mit Wurffbain, welcher als Director Ephemeridum ein un a ehelich geborenes Mäpchen bei ihrer Verheirathung mit einem Mit- gliede jener Junung legitimirt Hatte. Der in jener Zeit herrſchende Ungeſchmachk, natürliche Berhältniffe nicht bei ihrem einfachen , natür⸗ lichen Namen zu nennen, fondern unter allerlei abgeſchmackte poetijche & und durch die breit ausgetretene Durchführung ins Lächerliche füh- rende Verhüllung zu ftecen, ließ die Mitglieder der Akademie jenem bei verſchiedenen beutfchen Geſellſchaften (3. B. der fruchtbringenden, dem aber umbefchränkt war, fo griff man zu ven Namen anderer edler ‚Griechen, bis denn endlich der afademifche Beiname nur. ungefähr bie _ mit der Argo verglichen; die Mitglieder erhielten die Namen ber Ars den Argomanten. Schwanenorven u. f. w.) und bei vielen itafienifchen Akademien ber ftehenden Gebrauche folgen, die Alademie ſymboliſch zu bezeichnen und ? den Mitgfievern darauf bezügliche Namen zu geben), Die zu ſu⸗ chende Aufklärung wurde daher mit dem goldenen Vließ, die Alademie gonauten. Da indeß die Zahl dieſer nicht groß, die der Mitglieder Richtung des wiſſenſchaftlichen Strebens des zu Benennenden andeu⸗ 14) Am belannteſten iſt die Academia della Crusca (1582 geftiftet), welch ſich mit einer Mühle vergleicht; ihr Symbol ift ver Mühlbentel, die Site fin Säde, die Stufen zum Präfidentenplag Mühffteine u. |. w. Die Akademie dei Arkadier wurde erft 1668 gegründet; ihrer Sitte, den Mitgliebern griechiſche Na— men zu geben, konnte aljo die Leopolbinifche Akademie nicht folgen, wie es Cu— vier angibt. Sie vergleicht ſich ſchon 1661 mit der Argo, ihre Mitgfieder mi Alidemien. | 4 | ten follte, Es wäre ungerecht, wollte man das ivenle Streben ber - Gründer der Akademie der Naturforfcher leugnen ; Fein anderes hifto- riſches Ereigniß weist vielleicht fo direct auf die angeborene Liebe dev Deutjchen zu allem Edlen und Hohen Hin, als daß unmittelbar nach dem Austoben des großen Krieges, unter Berhältniffen, welche fo trau: rig noch nicht dageweſen waren und nicht wiedergefehrt find, die Pflege der Naturkenntniß als eine der zu leiftenden idealen Aufgaben Hin geftellt wurde. Die Ausführung der Idee blieb allerdings Hinter den Borfägen und Erwartungen zurüd. Dies war Folge eines Umftan- bes, welchen die Gründer zu befeitigen nicht vermochten, deffen Bedeu⸗ tung fie auch wohl nicht erfannten. Es fehlten ihr die regelmäßigen Zufammenkünfte und die in folchen fich entwicelnden Beſprechungen und Belämpfungen verfchievener Anfichten ; fie war von Anfang an nur eine publicirende Genoffenfchaft, bei welcher die Kritik des zu Ver— Öffentlichenden mehr der Verantwortlichkeit des Einzelnen überlaffen blieb, als daß das Aufeinanderplagen der Geifter in lebendiger Rebe das edle Metall von den Schladen gereinigt hätte. Laplace hat Recht, wenn er fagt: „der wejentliche Vortheil ver Akademien ift der philoſophiſche Geift, der fich in ihnen entwidelt und von hier aus über eine ganze Nation und alle Gegenftände ausbreitet. Der vereinzelte Gelehrte kann fich ohne Furcht dem Dogmatifiven hingeben; er hört nur von weitem Widerfprüche. Aber in einer gelehrten Gejellichaft führt ver Anprall dogmatifcher Anfichten ſehr bald zu ihrer Zuftö- rung; und der Wunfch, fich gegenfeitig zu überzeugen, führt nothwen⸗ Digerweife die Uebereinkunft unter den Mitgliedern hervor, nichts Anı deres als die Refultate ver Beobachtung und der Rechnung anzumeh- men“ 15). Dies wäre der deutfchen Akademie auch bei ihrer mehr oder weniger deutlich ausgefprochenen Beſchränkung auf die befchreibenden Naturwifjenichaften nur Heilfam gewejen. Das einzige Lebenszeihen der Akademie waren daher von jeher ihre Beröffentlichungen. Che die- felben eine vegelmäßige Form und eine Collectivbezeichnung erhielten, erſchien eine Anzahl einzelner Schriften, mit deren Herausgabe felbft — 15) Laplace, Précis de !’hist. de PAstronomie. Paris, 1821. p. 90. ö N nern fortgefahren wurde, War auch die Akademie ſchon 1652 in aller 5 Form gebilbet, fo dauerte e8 doch beinahe zehn Jahre, ehe die Wiffen- ſchaft fich einer ihrer Leiftungen erfvenen konnte. Die Reihe ber - Borläufer eröffnete der genannte Sachs in feiner curiöfen Bejchrei- bung bes Weinftods (Ampelographia curiosa, 1661). Ihr folgten bis 1670, von wo an das Sammelwert anfänglich unter dem Titel der | B Miscellaneen, dann der Ephemeriden, zu erſcheinen begann, noch neun Abhandlungen, von demen drei fich auf zoologifche Gegenftände ber ziehen: die Gammarologie veffelben Sachs, 1665, bie Schilderung bes foffilen Einhorns von Bauſch, 1666, und die Elaphographie * Graba, 1667. Neben den Ephemeriden erſchienen dann noch fieben« undzwanzig Schriften von Alademilern einzeln, von denen zwölf ber Erörterung zoologifcher Fragen gewidmet find !9), Bon: den Epheme⸗ ritden erjchienen von 1670 bis 1722 drei Decurien und fünf Genturien, zufammen 29 Bände. Auf die legteren folgen von 1727 — 1754 bie Acta physico-medica in zehn Bänden, an welche fich dann von. 1756 an die noch jetzt ericheinenden Nova Acta anfchließen. Was. den wife ſenſchaftlichen Gehalt der in den Ephemeriven enthaltenen und ver bes ſonders herausgegebenen Arbeiten betrifft, fo ift allerdings. davon nichts zu bemerken, daß fich der Einfluß der neueren Nichtung, wie eim folche teils durch Einführung des Mikroftops und anderer Beobach— tungsmittel, theils durch das Aufklommen einer gefunden Stepfis vor: bereitet wurde, fehnell geltend gemacht hätte. Es leiden zwar die mei— ften Arbeiten aus der damaligen Zeit an den gleichen Fehlern; od hängt den deutjchen Abhandlungen wohl mehr als den andern die um theilslofe gleichmäßige Ausführlichkeit ſowohl in Betreff ver wichtigerei als der umwichtigeren Punkte an, was aber wiederum vorzüglid 16) Dieſe zoologifhen, ober wenigfiens auf Thiere ſich beziehenben Arbeite find: Schroeck, Moschologia, 1682; Wurffbain, Salamandrologis 1683; Paullini, CYnographia, 1685, Bufo, 1686, Coenarum Helena | Anguilla, 1659, Talpa, 1689, Lagographia, 1691, Lycographia, 1694, de Asint 1695; Garmann, Oologia, 1691; Fraundoerffer, de Millepedibus 1700; Petriab Hartenfelsz, Elephantographia, 1723 unb 1733. NR ee ME u ENT ER et a WE aa re re FE Wr nn ae Pe N TEEN a ee TR N ee y Cr * — ET EP Te re A a a N EA Re RE En BP a ke 1 — a — END —— N dadurch zu erklären ift, daß die ganzen Verhandlungen, wenn es wirk— fich zur folchen im Sinne eines Austaufches vor Meinungen kam, jchriftlich gepflogen wırden. Dabei lag num die nur felten vermiedene Gefahr, im Büchergelehrſamkeit das hauptfächlichfte Rüftzeng zu er« blicken, gar zu nahe. Die nächft alte, wielleicht fogar noch etwas Ältere Akademie ift bie RoyalSpciety in London. Die Incorporationsurkunde wurde ihr alferdings erft am 15. Juli 1662 ausgeftellt. Doch waren fchon feit 1645 einzelne Männer vegelmäßig zu Unterredungen über naturwiffen- ichaftliche Gegenftände zufammengefommen, bei deren Aufzählung frei- fich anfangs die Naturgejchichte vermißt wird, obſchon darauf bezüg— fiche Fragen ſchon in den erften Verhandlungen vorfamen. Die erjte Anregung zu diefen Zufammenkünften hatte ein Deutjcher gegeben, Theodor Haak aus der Pfalz; von Englänvern werben genannt, Wilkins, Goddard, Ent, Gliſſon, Fofter u. a. Um 1648 und 1649 gieng ein Theil diefer Männer nach Oxford, wo fie ihre Verſammlun⸗ gen fortfegten und einige fpäter auch ver Royal Society zutretende Männer, wie Willis und Boyle heranzogen. Auch die in London Zus rückgebliebenen fetten ihre Unterhaltungen fort und verfammelten fich, wie es ſcheint, unter dem Namen des ımfichtbaren Collegiums in 02 Menden. I ir Greſham College. Bon 1653 an wurden nım ſowohl im Parlamente als in Privatbriefen unabhängig auftauchende Pläne zur Errichtung einer Anftalt für Förderung der Naturwiſſenſchaften vorgefchlagen, allerdings zum Theil mit in der Abficht, dem Unterrichte der Jugend aus den höheren Ständen aufzubelfen ; unter den politifchen Stürmen fam aber Feiner verjelben zur Ausführung. Als König Karl II nach London zurückgekehrt war und mit ihm unter Anderen Robert Mo» ray, faßte diefer mit Lord Broumfer und Dr. Ward ben Ent- ſchluß, aus der philofophifchen Geſellſchaft (vev Unfichtbaren), in wel- her befonders Robert Boyle thätig war, eine größere formell geficher- tere Bereinigung zu bilden. Die erfte Verſammlung, in welcher die Abſicht fich zu conftituiren ausgefprochen wurde, fand am 28. Novem- ber 1660 ftatt, an welchem Tage Chriftopher Wren in Grefham Eoflege eine aftronomifche Vorleſung hielt; und ungefähr anderthalb Jafe pär war fie wie ennähnt ale Röngfihe Gefefcoft ur Birke mg des natürlichen Wifens vom König anerkannt 17). Der Ausdrud rograph, heransgab. Erft vom 47. Bande an (1753), übernahm vie natural knowledge war vorzüglich im Gegenjag zum Glauben an übernatürliche Einwirkungen gewählt, wie ſich aus den Verhandlungen ber erften Zeit ergibt. Die Beröffentlihungen der Geſellſchaft ge- ſchahen von Anfang an unter dem Titel Philosophical Transactions ; fie wurden anfangs nummerweife (die erfte Nummer erjchien am 6. März 1664) und zwar vom Secretair auf jeine Gefahr, aber mit Un- terftügung der Gejellichaft herausgegeben, welche Stelle zuerjt ein Deutjcher, H. Oldenburg begleitete. In ben Jahren 1681 und 1682 wurde die Herausgabe der Transactions, welche noch keine Abhand⸗ lungen im jpäteren Sinne, fondern Berichte und Auszüge brachten, in Bolge der ungünftigen Zeitverhältniffe unterbrochen ; au ihrer Stelle erjchien die Philosophical Collection, welche Rob. Hoofe, ver Dir Geſellſchaft die Herausgabe der Transactions ſelbſt und hat mit dem jãhrlichen Erſcheinen derjelben ununterbrochen bis heute fortgefahren, Es ift nun zwar in den Nachrichten über das erfte Auftreten der Royal Society nichts enthalten, was auf eine Verſchiedenheit —* wiſſenſchaftlichen Anſichten von denen anderer Länder hinwieſe; d macht ſich der Vortheil des mündlichen Gedanlenaustauſches uud perjönlichen Bertehres bejonders hinfichtlic des Unterjchiedes der. „na⸗ türlichen“ und geheimen Kräfte jehr fühlbar geltend. Bon allen Seiten’ wurden Fragen eingebracht, welche den Aberglauben damaliger Zeit teunzeichnen ‚ über Wünfchefrutgen, fympathetifche Euren, Wirkung bes Pulvers von Bipern und von Bipernherzen, vergiftete Dold u. ſ. w. Die Behandlung folder Aufgaben feitens ver Geſellſcha trug wefentlich zum Siege des gefunden Menjchenverftandes bei ; wird kurzweg unter Affiftenz der Mitglieder experimentirt und durch das birecte Sinneszeugniß das Unhaltbare der Märchen aufgedeckt Bon zoologifchen Gegenftänden enthalten die früheren Jahre ber Royal 17) Diefe fowie die folgenden Notizen befonders nah Weld, a history 2 the Royal Society. Vol. I. London, 1848, | Pre ame Society verhältnißmäßig wenig. Bemerkenswerth ift der Bericht Moray’s über Entenmuſcheln, worin er zwar angibt, in den Mu- ſcheln jelbft völlig fertig gebildete Heine Vögel gefehen zu haben , indeß zufeßt, daß weder er ſelbſt noch Iemand feiner Bekanntſchaft jemals dieſe Vögel lebendig gejehen habe. Goddard zergliederte ein Chamä- leon (Bericht darüber 1683); Bohle ftellte Verſuche über Refpira- tion an (1670) u. ſ. f. Die Gefellfchaft beſchränkte fich aber nicht bloß auf das, was man in London und England etwa erfahren fünne (trogdem fie Aufgaben ftellte auch über vaterländifche Natırrgefchichte, 3. D. über die Bipern), fondern gab Reijenden und auswärtigen Ver— tretern Englands Inftructionen, was Alles zu beobachten und zu ſam—⸗ meln jei. Außerdem hatte die Geſellſchaft ausprüdlich die Erlaubniß des Königs erhalten, mit allen auswärtigen Gelehrten und andern Perjonen, durch welche die Zwede ver Gejellichaft etwa gefördert wer- ben könnten, in Eorrefpondenz zu treten. Die umfangreiche Benutzung biejer Erlaubniß brachte zwar Oldenburg einmal in den Verdacht, ftantsgefährliche Dinge zu treiben; er wurde fogar verhaftet und in ben Tower gebracht, indeß nach wenig Tagen wieder entlaffen. Do hatte dieſer fchriftliche Verkehr die Folge, daß die Royal Society ſehr bald allgemein befannt und ihrer Löblichen Beftrebungen wegen aner- konnt, gepriefen und auch wiederum unterftügt wırde. Leeuwen- hoek jchidte ihr feine ſämmtlichen Beobachtungen in Briefform und jelbjt jeine Mikroſtope. Es wurden ihr Schriften gewidmet und zum Drude eingefandt; und es ift nicht eines der geringften Verdienfte der Br Geſellſchaft, daß fie 3. B. die ihr überſchickte Abhandlung Malpighi's über den Seidenjchmetterling drucken und mit Kupfern ausftatten ließ. Die leiste der drei großen Aklademien, deren Gründung um bie itte des fiebzehnten Jahrhunderts erfolgte, war die franzöfifche Aca- ie des Sciences in Paris. Auch für fie lafjen fich vorbereitende Schritte weiter zurüd verfolgen. Nachdem im Jahre 1633 durch Ri- helien vie Acadsmie frangaise zur Pflege der franzöfifchen Sprache Litteratur, 1648 die Akademie der Malerei und Sculptur (fpäter ſchönen Künſte“) geftiftet worden waren, hatte man auch in Paris fie Bortheile perfönlicher Vereinigungen erkannt und es fiengen auch # —8 Ind Era — Ro 3 er en eg — * * u —E = = — — re Wr Ra) * — 3 | > fü Noturtifeneßften fi inieefirenbe Dhne an, EEE Zufammenkünften fich über ihre Beftrebungen, Anfichten und Arbeiten Mittheilungen zu machen. Im diefen fanden auch Fremde, welche vor- übergehend in Paris fich aufhielten, Eintritt, ebenfo wie deren Arbei- a - tem biefen Verſammlungen vorgelegt und „zur Prüfung mitgetheit“ wurden, jo von Steno , Boccone u. a. Bon großer Bebeutung war es für die Weiterentwidelung diefer Anfänge, daß auf Colbert's Vor⸗ ſchlag der König Ludwig XIV den urſprüuglich völlig privaten Ber- “4 * einigungen durch Conftituirung derfelben zu einer wirklichen Geſellſchaft nicht bloß innern Halt gab, fontern diefer als Acadsmie des Sciences fofort eine derartige Anerlennung verlieh, daß fie den beiden andern eben geichilderten Akademien gegenüber einen entjchievenen Vortheil voraus Hatte. Auch die Arbeiten der Mitglieder diefer Alademie wurden zuerft wie bei der Leopoldino⸗Carolina nicht zu alademiſchen Schriften gefam- mielt, fondern von den Mitgliedern einzeln herausgegeben ; oder e8 wurde auf dem Titel ausprüdlich erwähnt, daß die veröffentlichten Beobach⸗ tungen den Berfammlungen in Paris zur Prüfung vorgelegen hätten, wie e8 3. B. Boccone bei Herausgabe feiner naturwiſſenſchaftlichen > Anterfcpungen und Beobachtungen (Baris, 1671, Amfterdam 1674) that. Nachdem die Akademie im Jahre 1699 eine nene Organifation erhalten hatte, nach welcher ihre Mitglieder je nach den von ihnen ver⸗ tretenen Wiffenfchaften in einzelne Claſſen oder Sectionen getheilt wirden, begann fie regelmäßig jährliche Bände ihrer Memoiren here auszugeben. Die Reihe diefer erfuhr erft 1790 eine Unterbrechung. Die fünf Akademien (zu den brei genannten waren noch die der Ins ſchriften für Gefchichte und Archäologie und bie ber Moralwiſſen⸗ ſchaften und Politik gelommen) wurben dann zu einem gefammten franzöfifchen „Inftitut“ vereinigt, welches denn noch befteht und deren einzelne Glieder, darunter die Acad&mie des Sciences, wieder ı t wenig Unterbrechungen jowohl Arbeiten ihrer Mitglieder, als vie if übergebenen oder von ihr mit Preifen gefrönten zwar nicht jährlich aber doch fortlaufend in bekannter Weife veröffentlicht haben. Für vie Zoologie und Zootomie war die franzöftfche Akademie ein ſehr wichtiges Inftitut, wie in der That für die meiften Naturwiffenfchaften, da man | Atabemieim Bas. 2 417 den — — — Gelehrten nicht mehr überließ, bie: zur Beobachtung und Unterfuchung nothwendigen Materialien und Hülfs- mittel ausjchließlich fich allein zu bejchaffen, ſondern ihnen von Seiten: der Regierung durch Gründung entfprechender Anftalten heljend ent- gegen fam. Eine derartige Unterftügung war in einer Zeit, wo Alles in biefen Beziehungen noch zu fchaffen war, wo der Verkehr und die Berhältnifje des Austaufches zwijchen einzelnen Völkern wie zwiſchen den Welttheilen, an und für fich ſchon ſchwer, auch noch durch man- cherlei monopolifirende Beftimmungen beſchränkt wurden, von umt jo größerem Einfluß, als dadurch nicht bloß die Sache ver Wiffenfchaft jelbft innerlich gefräftigt, jondern der ganzen Arbeitsrichtung ſofort eine derartig glänzende Anerkennung gegeben wurde, daß der Vorwurf des Abſtruſen und Zwedlojen, welcher jolchen Arbeiten unter ber großen Menge noch immer anhieng, jehr bald verjtummen mußte. Auch bei Eolbert's Bemühungen lagen wohl anfangs noch Gedanken an eine wirlſame Förderung dev Heilkunde zu Grunde; doch erhielten die Elemente, welche vereinigt, und die Ausländer, welche auf Eolbert's Betrieb nach Paris gezogen wurden, wie Caffini, Noemer, Homberg u. A., fofort mit der Unabhängigkeit ihrer Thätigfeit von zufälligen äußeren Anftößen auch eine größere Selbftändigfeit in der Erfaſſung ihrer Aufgaben. Die Mitglieder der franzöfifchen Akademie, welche bier befonders in Betracht fommen, find Claude Perrault, Du— verney und Mery. Die von diefen dreien angeftellten Unterfuchun- gen, welche jehr bald zu erwähnen fein werden, gehören zu den wich- tigften Arbeiten, welche die junge Akademie auf dem Gebiete der be- ſchreibenden Natırwiffenichaften aufzuweifen hat; für bie erjten Jahre ihres Beftehens find es geradezu die einzigen Biefen Achturg angehö⸗ rigen Leiſtungen geweſen. Das Beiſpiel von Paris wirkte auch auf die andern Städte Frankreichs. Mit mehr oder weniger weit gejtedten Zielen wurden Schon im erften Jahrhundert nach Gründung der Pariſer Akademie un ‚derfchiedenen Orten ähnliche Einrichtungen gefchaffen , welche freilich, jetst nur zum Theil noch beftehend, ſchon dadurch fich in auffallendem Nachtheile gegen die der Hauptftabt befanden, daß ihnen jener * B. Carus, Geſch. d. Zool. 27 gende Dintergtund ber direeien Knigfichen Begünftigung fette, ein Umſtand, welcher erſt jpäter durch Anerkennung einer Anzahl diefer Geſellſchaften als königlicher Akademien theilweiſe gebeffert wurde. Doc find die Leiftungen einzelner dieſer Provinzialalademien jowie Meinerer Geſellſchaften emtjchieden äußerſt anertennenswerth. Die ältefte derſelben ift die Akademie in Air in der Provence gewejen ; fie wurde 1688 gegründet, zerfiel jedoch bald wieder und erft neuerdings erhielt die dort beftehende Gefellichaft wieder die Attribute einer Ala⸗ bemie. Dann folgten die Afademien von Amiens, Gaen, Montpellier, Bordeaux, Lyon, Arzieres, Marfeille, Tonloufe, Rouen, Dijon u. j: w., welche jest nur zum Theil noch fortleben. Die politifchen Verhältniſſe Deutfchlands geftatteten nicht, in ber Errichtung größerer ftaatlicher Anftalten der angeführten Art den - Nachbarländern fofort zu folgen. Mit ver immer allgemeineren An⸗ erlennung bes Werthes der Parifer Akademie wuchs aber auch das Verlangen, Achnliches zu leiften, und jo entftand zumächft auf Leibnig's Rath und nach deſſen Plan im Jahre 1700 in Berlin die Societät ber Wiſſenſchaften, über deren Thätigfeit die von 1710—1744 erſchienenen acht Bände Berliner Miscellaneen Bericht eritatten. Nach ver erften DOrganifation diefer Gejellichaft wurden die Mitglieder in vier Elafjen geteilt: für Phyſil und Medicin, für Mathematik, für beutjche Sprache und Geſchichtsforſchung und für morgenländifche Wiffenfchaft und Sprachkunde. Ihr erfter Präfident war Leibnig. Nach Jahren eines etwas fümmerlichen Dafeins erweiterte Friedrich der Große dieſ fönigl. Societät unter dem Namen der Königl. Akademie der Wiffen ſchaften. Maupertuis wurde Präfident und ihre Schriften find vo 1746— 1804 franzöfijch, von da an deutſch erjchienen. Nach ver | Drganifation lag die Naturgejchichte der Akademie ferner, als es weg der übrigen öffentlichen Anftalten in Paris z. B. der Fall war; bezeich: nend ift e8 auch, daß der Danziger I. Th. Klein, Linne’s Widerfacher nicht Mitglied war, obſchon er durch die Aufnahme in die At von London, Petersburg und Bologna eine über Danzig hinau chende Anerkennung gefunden hatte. In Rußland hatte jchon Peter der Große, welcher durch Ankau Ansänbifche Alademien. | 419 mehrerer größerer anatomifcher und naturhiſtoriſcher holläudiſcher Sammlungen der Pflege ver Naturwiſſenſchaften im feinem Reiche _ Material zuzuführen beftrebt gewejen war, auch ven Plan zur Grün- sung einer Akademie der Wiffenjchaften in Petersburg gefaßt; aber seit feine Wittwe, Katharina I führte venfelben 1725 aus. Im Iahre 1739 wurde in Stodholm die Akademie von Aftrömer, Ceverhjelm, innäus u. A. zuerft als Privatverein geftiftet, bald aber als Fönig- iche Alademie beftätigt. Durch das Loos wurde Linne zu-ihrem erften Bräfidenten beftimmt. Schon vorher hatte Sebaftian Tham eine Summe Geldes ausgejetst, welche unter Aufficht der Nitterfchaft dazu serwendet werben follte, öffentliche Vorlefungen über Mathematik und Naturkunde halten zu laffen. Und noch früher war beveits in Upfala ine litterarifch » wiffenfchaftliche Geſellſchaft entſtanden, welche 1720 Abhandlungen herauszugeben begann und au deren Arbeiten Linne fich viederholt als Secretair betheiligte. In Kopenhagen war durch den Brand ber Univerfität und ſämmtlicher auf Naturwiffenfchaften fich eziehenden Sammlungen ver Ruin der erſteren, das völlige Sinfen er letzteren eingetreten. Die Univerfität wurde 1732 neu fundirt. zehn Jahre darauf traten Hans Gram (ein fich für Antiquitäten inte: eifivender Yurift), Pontoppivan, J. S. Wahl u. a. zufammen, mm ie Wiffenfchaften mit vereinten Mitteln und Kräften zu fördern und m 11. Januar 1743 wurde von Chriftian VI die königliche Gefell- haft confirmirt. In Italien war zu den von früher her beſtehenden ſtademien noch das Inftitut von Bologna getreten. Urjprünglich nehr nach dem Plane einer Umiverfität als Lehranftalt eingerichtet umd on Manfredi 1690 gegründet, erhielt dafjelbe durch den Grafen Mar igli eine weitere Verfaſſung; von 1731 an gab fie ihre Commentarien eraus. Dar es ſich hier nur darum handelt in kurzen Zügen darauf hin— uweiſen, wie der Grundfag der durch die älteren Afademien in wirk— amer Weife auf die Wifjenfchaften angewandten Arbeitstheilung an: egend auf weitere Kreife wirkte,. wie ferner der wohlthätige Einfluß er Selbftkritit fühlbar wurde, welche bei näherer perjönlicher Berüh— img der fachverwandten Forſcher nicht gut ausbleiben konnte, jo kann 27* ER a a UT a FE 9 A ee re EZ a A ze er SEE Z Me N, HT u En a - ae, TE Der BE, LH Er har — — Bere er Cem | hier nicht - die Geſchichte ver verfchiebenen gelehrten Sefellfcpaften ausführlicher eingegangen werben. Erwähnt zu werben verbient aber auch am dieſer Stelle, daf die übrigen deutſchen Staaten den Vorbil— bern nicht nachftehen wollten, welche ihnen im Auslande wie im In— fande gegeben waren. So entftand 1750 die Geſellſchaft der Wiffen- fchaften in Göttingen, 1756 bie Akademie nützlicher Kenntniffe in Erfurt, als letzte Erinnerung an bie einft dort beftandene Univer: fität, 1763 bie Alademie in Münden u. f. f. Bon 1766 fieng bie Pfälzer, von Karl Theodor gegründete Akademie in Manheim an, - Schriften herauszugeben. War bei allen diefen Anftalten der Wunfd - der Fürften von maßgebendem Einfluß geweien, fei es ihrem Hofe einen größeren Glanz durch Heranziehung beveutender Gelehrter zu ver: feihen, ſei es im wohlverftandenen Intereffe des Volkes, deſſen geiftige Erhebung durch Pflege der Wiffenfchaften zu fördern, fo erwachte dod auch in andern Kreifen pas Beftreben, in freien, nur aus und in fid ſelbſt Leben und Gebeihen jchöpfenden Vereinigungen am Fortſchrit ber Wiffenfchaft zu arbeiten. Im die hier befprochene Zeit fällt befon ders bie Gründung einer ſolchen, welche als erfte naturforfchende Ge ſellſchaft von großer Bedeutung gewefen ift, welche lange Zeit hindurd mehr als irgend eine andere geleiftet und die fich trotz alfer über ihn Heimath hingegangenen Stürme bis in die neuefte Zeit in vollem Leber erhalten hat, die im Jahre 1747 geftiftete naturforfchende Geſellſchaf in Danzig. Wie Linne in Stockhholm, jo war hier fein, häufig i anderem Sinne beutjcher Linne genannter Widerfacher I. Th. einer der Gründer und einer der thätigften Witarbeiter an den Schrif ten der Gefellfchaft, welche 1747 als „Berfuche und Abhandfungen“ ji erjcheinen begannen. | Durch die Arbeiten der in Vorftehendem kurz angeführten einigungen von Forſchern wurde die Wifjenfchaft nicht bloß direct ge fördert, fondern auch durch das die Einzelleben ver jeweiligen Mitgli der überbauernde Beftehen jener Verbindungen vor einem Rüdfall den früheren lethargiſchen Zuftand gefichert. Wenn auch in F äußerer Ereignifje einzelne Gefellfchaften vielleicht worübergehend ten, ver allgemein dem Forfchen gegebene Impuls ließ fie nur jelt ja Loealſchuderungen. 4 ganz entichlummern, wie es denn allerdings nur wenige gegeben hat, welche ganz zu bejtehen aufgehört haben. Die nächte Aeußerung bes wohlthätigen Einfluffes des fich auch in ver Gründung ver gelehrten Geſellſchaften ausfprechenden Intereffes an Naturgegenftänvden , wel» cher in einer entſchieden ernten Richtung von ver zweiten Hälfte des fiebzehnten Jahrhunderts an beinahe überall burchbricht, ift die ſorg— fältige Schilderung der Naturverhältnifje ver Heimathländer ver be- treffenden Gelehrten. Hier gieng befonders England mit ausführlichen Beichreibungen voran. Den Anfang machte Gerard Boate mit feiner Naturgefchichte Irlands (1652). Wenig nur auf die belebte Natur gieng Joſua Childrey, Kaplan des Herzogs von Somerfet, in feiner Britannia baconica ein (1662), einem Buche, welches wegen einer der früheften Schilderungen des Zodiafallichtes wichtig ift. Da- gegen enthält die „Tafel der Naturgegenftände Britanniens“ von Dr. Ehriftopher Merret „die auf diefer Infel gefundenen Pflan- zen, Thiere und Mineralien“ (1667 ; 3. Auflage 1704). Der in ver Sefchichte der Theorie ver Quellen zu nennende Robert Plot ſchil— bert die Naturgefchichte Oxrfordihire's (1677) und Stafforbfhire's (1686), Sharles Leigh die von Lancafhire, Chefhire und dem Peak in Der: byſhire (1700) und Robert Sibbald, einer der früheften Schrift: telfer über Walthiere, gibt in feiner Scotia illustrata (1684) außer jeichichtlichen und archäologiſchen Beichreibungen auch eine eingehende loriſtiſche und fanniftifche Schilderung Schottlands 1%). In dieſer Zeit entitand die erfte Naturgefchichte ver Schweiz von Joh. Jak. Wagner (1680)19), welche auch für längere Zeit die einzige blieb, da Scheuchzer nur die Geologie, Mineralogie und die Fofftlien berüdfich- — — 18) Ueber Frankreich find aus dem Anfang dieſer Periode außer dent oben er: pähnten Reifen 3. Ray’s nur Die M6moires pour l'hist. natur. de la province le Languedoc. Paris, 1737, von dem als Aftronom befannten Generalabvocaten ind Secretair der Akademie zu Montpellier Franz. de Plantade anzuführen, velches Buch ich indeß nicht fenne. 19) Historia naturalis Helvetiae curiosa, Turici, 1680 u. öfter. Cuvier olgerte mit Unrecht aus dem Zufage curiosa, daß Wagner dies Buch als Mit- jlied der Leopoldina gefchrieben habe. Er wurde bies erft 1690, nachdem von fei- ter Schrift bereits drei Auflagen erfchienen waren. ö tigte. Im Beyug auf — enthalten nur die Reiſen J. Sa r aus jener Zeit (1673) waturhiftoriiche Bemerkungen; Behrens‘ ereynia euriosa ſchildert befonders nur die Höhlen und andere der⸗ artige Merhvürdigkeiten des Harzes. Einige Mittheilungen über bie Thierwelt Polens und Lithauens enthält die Naturgeſchichte Polens, von Rzachnéki (1721 umd öfter). | | Mufeen und Chiergärten. | Nun waren aber auch durch Reifen in fernen und außerenvopät« ichen Ländern immer mehr Naturgegenftände befannt worden. Aus der Zeit bis zu Ray's Tode fei hier hingewiefen auf Friedr. Marı tem, „Jpigbergifche ober grönlänbifche Reifebejchreibung" (1675); auf die Reifen nad) den Antillen von Rochefort (1658), nach der Küſte von Öninen von Will. Bosman (1704), nach Weit - Indien von; - Hans Sioane (1707) u. a., welche ebenjo wie die ber Natur⸗ | — direct gewidmeten Unterſuchungen von Paolo Boccone in Sicilien 1674), von Scheuchzeri in der Schweiz (1708) u. ſ. f. auch . nicht geſchehen, ohne daß man Gelegenheit zur Vergleichung und über- hanpt zur Orientirung in verwandten Formen hatte. Es war daher‘ eine weitere Folge dieſer Affociationen, daß Material herbeigefhafit wurde, und zwar, was bejonders die Naturgejchichte betrifft, als Ber obachtungsmaterial und Hülfsmittel der Unterjuchung. Die ſchon bes jtehenden Sammlungen wurden daher erweitert, neue angelegt. Einen großen Fortſchritt in diefer Beziehung bewirkte die Einführung bes Spiritus als Aufbewahrungsmittel in der erften Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, da man bis dahin immer noch die alten Methoden bes Trocknens, Aufblafens u. dergl. ausſchließlich hatte anwenden müſſen Bemerkt wurde, daß Peter der Große aufer der Gründung ber Afave- mie auch die Anlegung von Sammlungen in Petersburg bedachte Die Geſellſchaften in London und Paris Hatten von Anfang an auf — ¶ Dnfeen und Tpiergärten. Be 2 — en Sammlungen ihre ZThätigfeit — außer welchen ſowohl in Frankreich als in England einzelne Privatſammlun · gen (e8 ſei nur an ODlaus Wormius und Hans Sloane erin— durch Reichhaltigkeit ſich auszeichneten. In Deutſchland blieben die Sammlungen länger als auswärts Kurioſitätenkammern, wie ſelbſt eine ber älteſten officiell gepflegten, die in Wien, bis zu Franz Jlent⸗ ſchieden nichts andres war. Die vielleicht bis 1622 (in welchem Jahre Ferdinand II die Wiener Univerfität den Jeſuiten übertrug) zurückrei⸗ chende Gründung des Jeſuiten⸗Muſeums iſt das erfte Beifpiel für die Anlegung einer Sammlung zu Unterrichtszweden in Deutjchland, denen die Sammlung auch fpäter infofern erhalten wurde, als fie ſowohl mit: ihren phyſilaliſchen und aftronomifchen Inftrumenten, als in ihrem Beitande an zoologifchen Gegenftänden nach Aufhebung des Iefuiten- ordens 1773 an die Wiener Univerfität fam. In ähnlicher Weife hatte derſelbe Orden die Sammlung am Collegium Romanım in Rom ftetig vermehrt, welches Filippo Bonanni ausführlich befchrieb (1705). Gleich wichtig wie die Mufeen, von welchen hier nur bei ; jpielöweife auf die hervorragendſten der damaligen Zeit hingewieſen wird, war die Pflege und Erweiterung der Thiergärten und Menage— rien. Konnten diefelben natürlich nicht die zuweilen ſehr unvollftändig ausgefallenen Schilderungen fremder Thiere ſofort durch Borführen diefer in lebendem Zuftande vervollftändigen, fo waren fie doch als Mittel, die Kenntnifje vom Bau vorzüglich der höheren Thiere zu er- weitern, jehr erwünfcht. Leider ift es nicht möglich, auch nur in an⸗ nähernder Bollftändigfeit die Gejchichte z. B. der bereits früher er- wähnten Menagerien und das Geſchick, beziehentlich die Verwerthung der barin vorhandenen Thiere zu geben. Es jei alfo hier nur zweier ber berühmteften gedacht. Eine ver älteften iſt auch hier die Menagerie bes Faiferlichen Hofes in Wien, von welcher Fitzinger eine ein- gehende Gefchichte gegeben hat?). Es ift aber aus der früheren Zeit. | 20) Berjuch einer Geichichte der Menagerien des öfterreichifch-faiferlichen Hofes in: Sisungsber. d. Wien. Alad. Math. naturw. Ef. Bd. 10. 1853. ©.300—403; 626—710; mit fpecieller Aufzählung der vorhanden gewejenen Thiere. ihres Beſtehens nichts befannt , RENNER Verwerthung des reichen Materials ſchließen ließe. Ebenfowenig weiß man von den Thieren in der Menagerie Karl's II von England. An⸗ ders war es in Paris, wo Ludwig XIV nicht bloß eine Menagerie an tegte, jondern auch fowohl die lebenden Thiere als befonders die doch mvermeidlichen Verluſte durch Tod wiffenfchaftlichen Unterfuchungen beftimmte, umd zwar in Verbindung mit den entfprechenden Samm⸗ lungen. Hier war es, wo bie drei oben genannten Anatomen wirkten. Der Yüngfte von ihnen war Guichard Joſeph Duverney (1648. — 1730); von ihm rühren fehr viele jener Zergliederungen her, welche in den „Abhandlungen zur Naturgefchichte der Thiere* zuerſt Paris, 1676 in Folio, dann volfftändig in drei Quartbänden Paris 1732 — 34; auch überjegt) enthalten find, obſchon manche von ihnen wohl unter Perrault's Namen erjchienen, welcher zum Theil bie Tafeln. zeichnete. Duverney hat man vorzüglich eine genauere Kenntnif vom Bau der Fifchfiemen zu verbanten. Der nächft Aeltere war Jean’ Mery (1645— 1722), welcher aufer einer Anzahl von Thierzerglie- derungen in ber genannten Sammlung durch eine Theorie des Fötal⸗ reislaufes bekannt worden ift. Zur Aufklärung deſſelben war er be⸗ ſonders auf Unterfuchung der Eirculationsverhältniffe der Reptilien S - geführt worden. Der ältefte und einflufreichite dieſer brei Männer war Claude Berrault (1613—1688), welcher ebenfowohl als’ Phyſiler und Zootom, wie als Architelt und Erbauer der Eolonnaben des Louvre bekannt ift. Allerdings blieben jchon bie beiden zuerft Ger nannten nicht überall bei den einfachen Nefultaten ihrer Zergliederun« gen jtehen, ſondern fuchten dieſelben für gewiſſe fie gerade intereſſirende alfgemeine Fragen zu verwerthen; am vollftändigften nutzte fie aber‘ Berrauft aus, indem er auf Grumd feiner Einzelerfahrungen ein förm⸗ liches Syſtem der Zootomie aufftellte, welches zwar injofern verglei⸗ chend zu nennen ift, als er die analogen Organe zufammenfaffenb er- örtert, aber doch den morphologijchen Berhältniffen ebenjowenig Rech⸗ nung trug, wie alle in jener Zeit fund gewordenen Verallgemeinerun⸗ gen. Die phyſiologiſche oder vielleicht richtiger bezeichnet teleologiſche Richtung Perraults geht ſchon aus dem Titel hervor, welchen er ver - | Ahern. Br — — feiner Schilderungen gibt). Er erblickte in ihnen Bauſteine zu einer Mechanik der Thiere, * noch nicht in dem Sinne wie dies heute aufgefaßt werden würde, legte aber doch das Hauptgewicht auf die Leiſtung oder den Nutzen eines Organes, nach welcher er auch die Eintheilung und Unterordnung der verſchieden zu be— ſprechenden Erſcheinungen vornahm. Hiernach ſteht Perrault mitten in ſeiner Zeit; doch gewinnt die vergleichende Anatomie, wie ſchon be— ‚merkt wirebe, auch durch ſolche Arbeiten, da ja jede Vermehrung ber zootomifchen Thatfachen nothwendig zu dem Verfuche führen "mufte, fie nach Grundfägen und Anſchauungen zu ordnen, die in ihnen und durch fie felbft gegeben werben. Anzeichen des Fortfchritts. | Nimmt man die Umgeftaltungen zufammen, welche die Unterfu: ungen über den feineren Bau der Thierkörper, über Zeugung und Entwieehung, die Ausbreitung der Formkenntniß, ferner die Befeitigung jo vieler irriger Borftellungen durch directe Beobachtungen oder Durch Verſuche in der Auffaffung der Thierwelt herbeigeführt hatten, jo wird ſofort Har, daß die Art und Weife, wie diefelbe in den nur wenig älte- ven litterarifchen Erjcheinungen abgehandelt worden war, ebenfowenig ‚noch genügen konnte, als die darin befolgte Methode den Anforderun- ‚gen ver allmählich erwachenden Kritik zu entſprechen im Stande war. ‚Wenn es fich bloß etwa um ein Verzeichnig von Thierformen gehan- beit hätte, jo wäre irgend ein äufßeres Hülfsmittel, die Unterfcheidung und Wiedererfennung früher befchriebener Formen zu erleichtern, hin= reichend geweſen. Aber das Thier lebte; und in ſeinem Baue erkannte man eine jo wunderbare Manmnichfaltigkeit bei einem ſcheinbar doch fo hartigen Lebensverlaufe, daß man Plan, Ziel, Ordnung und 21) Essais de physique ou Recueil de plusieurs traites touchant les os animaux. Der vierte Band enthält noch Abhandlungen über die äußeren Sinne und die Bewegungen der Augen. Die übrigen Bände find phyſilaliſchen halis (Schwere, Schall, Mufik der Alten u. ſ. w.). oses naturelles. 4 Tom. Paris 1680—1684. Tome Ill.: De la möcanique _ - Buedhmäßigteit nicht vertennen zu können meinte. &s kam bavauf an, dies wiſſenſchaftlich zu erfafien, das heißt in Bezug auf Form und Le— ben der Thiere allgemeine Wahrheiten zu finden, welche durch das ‚ xeiche Detail der Einzelerfahrungen Inhalt erhielten. Nun waren aberglaubiſche und teleologifche Erklärungen von Alters her überkom- inen. Bacon, Descartes, Spinoza, Yeibnig hatten zwar, wie bereits ; ER erwähnt, die Methodik zu veformiren begonnen. Es war für die Wif- ſenſchaft von ver belebten Natur das Hereinziehen einer legten fupra- ° natuwaliftifchen Urfadhe, was Descartes in ein Syſtem gebracht hatte, bem hinderlich, was jene am nothiwendigften bedurfte: eine unbefangene Aufnahme ver Erfahrungen ohne Vorurtheil und ohne ſchon vorweg z ‚ - beftimmte Deutungen. Als äußerſt wohlthätiger Gährungsſtoff wirl- ten daher die VBerfuche von Gaſſendi, Hobbes und Locke, das Hauptgewicht auf bie finnliche Erfahrung zu legen, nicht bloß als Aus— gangspunlt allen weiteren Nachventens , fondern geradezu als einzige Quelle des Berftandesinhaltes. Es foll nicht etwa der Verfuch gemacht weerden, bie zumächft bier zu ſchildernden Fortfchritte der Zoologie, bie oben kurz angedeutet wurden, in einen bivecten urjächlichen Zufammen: hang mit den Schriften zu bringen, in welchen die Genannten ihre philoſophiſchen Anfichten formulirten. Es liegt vielmehr, — und bies iſt für bie gefchichtliche Entwidelung der Wiffenfchaft das bezeichnende - Moment, — beiden Reihen von Erſcheinungen dafjelbe Streben zu > Grunde, fich einerfeits der Herrichaft bes Antoritätsglanbens, anberer- ſeits dem vorzeitigen und daher Häufig unfruchtbaren metaphyſiſchen Berallgemeinerungen zu entledigen. Wie bei den angeführten Leiftun- gen der mafro- und mikroſtopiſchen Erforſchung des thieriihen Baues gieng man bei der Betrachtung der Thierwelt überhaupt allmählich nüchterner zu Werke und wurde hiermit zumächft darauf geführt, bie Zufammenhanglofigkeit der bisher gewonnenen zoologifchen RR zu empfinden und an deren Bejeitigung zu arbeiten. Ehe der Thätigkeit ver großen Reformatoren der Zoologie ein- gehender gedacht wird, muß noch ein Werk erwähnt werben, welches fich zwar noch in manchen Beziehungen ben früher aufgeführten Nach⸗ folgern der enchklopädiſchen Richtung anſchließt, welches aber in anderer ee 5 Aneihen-bes Berti. | — er — ein Seſandniß der inzwiſchen rege gewordenen Bedürfniſſe hinweiſt. Es iſt dies das Onomaſtikon zoikon von Walter Char— feton (geb. 1619, königlicher Leibarzt, ſtarb 1707 auf Jerſey 2). Als eines der erſten Mitglieder der Royal Society in London war er zwar ſehr thätig, galt aber im Ganzen nicht für ſehr zuverläffig. Er war Zeitgenofje von Willis, Mayow, Wharton, Highmore umd ein eif- riger Bertheidiger der Harvey ſchen Lehre ; befonders fcheint er von der Philofophie Gaſſendi's angezogen worden zu fein, welcher gegen | Descartes den für die Naturforfchung wichtigen Sa geltend machte, daß bie allgemeinen Begriffe nur durch die Abftraction aus den Einer erfahrungen gewonnen werden, So geht denn auch Charleton in feinem Onomaſtikon von dem Gedanken aus, daß man fich vor jeder weiteren Speculation über Thiere vor allen Dingen Har zu machen habe, was ein Thier jei und welche bejtimmte Formen man unter den verſchiede— nen Thiernamen zu verjtehen habe. Das Werk enthält daher allerdings feinen direeten Fortſchritt ver Syſtematik, ift aber wegen der terming- logischen Präcifion nicht unwichtig geweien. Daß das Bejtreben, Klar⸗ heit in die Bejchreibungen und Benennungen zu bringen, das Hauptziel Charletons war, geht auch aus dem hiftorifch werthvollen Anhange hervor, welcher die namentliche Bezeichnung der Farben enthält; es ift der erfte Verſuch einer zum Zwede der Naturbeichreibung erfolgenden Beitimmung gegebener Worte, welche dadurch die Bedeutung von Runftausprüden erhalten. Auch ift die Yifte der Bezeichnungsweifen von Thierlauten eine der exjten in neuerer Zeit zufammengeftellten. In einem gewiffen Sinne kann man wohl Charleton’s Buch als ein auf bie großen Zoologen vorbereitendes bezeichnen. 22) Onomastikon zoicon. Oxon., 1668. Daffelbe in 2. Auflage unter Dem Titel: Exercitaliones de differentiis et nominibus animalium. Quibus ac- cedunt Mantissa anatomica etc. ibid. 1677. Diejer anatomifche Anhang über Lophius, Rana, einen Hai ift aus den Notizen von George Ent zufammen- ‚geftellt. Ein weiterer Anhang betrifft Die Bezeichnung der Thierflimmen und ift nicht, wie Haller, Biblioth. anatom. I. p. 440 meint, de voce animalium, alio phyſiologiſch, ſondern ift überfchrieben: vocum naturalium ab Animalibus editarum differentiae et nomina und ift ſprachlich wichtig. Iohn Kay. Den erften Schritt zum Neubau der Zoologie als Wiffenfchaft in ber Form , in welcher fie bald zweihundert Jahre beftanden hat, that der Engländer John Ray). Als Sohn eines Huffchmiedes in Black Notley in Effer am 29. Nov. 1628 geboren, erhielt er, da feine Eitern wohl im Stande waren, ihm eine fiberale Erziehung angebeihen zu faffen, ven erften Unterricht in der fateinifchen Schule zu Brain- tree, einem Städtchen nahe feinem Geburtsort. Im Sommer 1644 fam er auf die Umiverfität Cambridge und trat im Anfange des Jahres 1646 in das dortige Trinity-Eollege ein. Im daffelbe wurde nad) we nig Iahren der nur etwas jüngere Francis Willughby auf- genommen, welcher fich bald innig an Ray anfchloß. Für das Stu- dium ber Theologie beftimmt, machte Ray die vorbereitenden Fächer ſich zu eigen, er wurbe wegen feiner Kenntniß des Griechifchen ge- rühmt und ift noch jett durch das im Vergleich mit den Schriften vieler feiner Zeitgenoffen gute und elegante Latein ausgezeichnet. Mehrere feiner geiftlihen Reden, welche er dem Herlommen gemäß ſchon vor - feiner Orbination als Vorleſer und Diakon des College hielt, wurden fpäter als befondere Abhandlungen gedrudt und erfrenten fich unge- theilten Beifalls. Die Ordination felbft erfolgte am 23. December 1660. Als aber in Folge des Bürgerkriegs wider die Stuarts 1662 bie fogenannte Uniformitätsacte vom Parlamente bejchloffen wurbe, glaubte Ray den geforderten Eid (gegen den puritanifchen Eovenant) nicht mit feinem Gewiffen vereinigen zu können ; in Folge feiner Wei- -gerung verlor er daher als Nonconformift, ebenfo wie noch breizehn andere Univerfitätsangehörige, feine Stellung im College. Jetzt nahm ſich fein wohlhabender Freund Willughby in einer fo liberalen Weiſe feiner an, daß er vor Sorgen geſchützt wurde. Schon feit längerer 23) Als Ray die Univerfität bezog, änderte er die Schreibart feines Namens in ®ray. Im einem Briefe an Lifter gefteht er, se »eam (litteram W) olim, antiqua et patria scriptione immutata, citra idoneam rationem adscivisse«, j. The Correspondence of John Ray. Edited by Edwin Lankester. Lon- don, Ray Society, 1848. p. 65. | — — —⸗ 2 —— — en 1 a; Ä Zeit Hatte Ray die gerade von den Univerfitäten nicht jehr begünftige ten Naturwiſſenſchaften, vorzüglich die befchreibenden , zu pflegen an- gefangen. Im Jahre 1660 hatte er einen Katalog der um Cambridge wachjenden Pflanzen herausgegeben und im Anjchluß an dieſes mit großer Anerkennung aufgenommene Localverzeichniß den Plan zu einer _ Lifte ſammtlicher in Großbritannien wachjenden Pflanzen gefaßt. Zur . Ausführung deſſelben machte er wiederholte Exreurfionen, meift mit Willughby, jelbft bis nach Schottland und richtete dabei feine Aufmerf- ſamkleit nicht bloß auf Pflanzen, jondern auch auf Thiere, Land und Leute, fowie deren Sprache. Vielfache Freunde und Correfpondenten unterftüßten ihn dabei. Es genügte ihm jedoch jehr bald die Einficht in bie Naturverhältnifje Englands allein nicht mehr. Mit Willughby und zwei feiner Schüler gieng er 1663 nach den Niederlanden, Deutfch- (and, der Schweiz, Italien bis nach Sieilien und Malta und kehrte durch Frankreich über Diontpellier (von wo aus Willughby noch eine Reife durch Spanien unternahm) und Paris nach England zurüd. Die auf diefer Reife gefammelten Beobachtungen (welche jchon oben erwähnt wurden) erjchienen 1673. Am 7. November 1667 wurde er Mitglied ver Royal Society, zu deren Transactions ev zahlreiche Bei- träge lieferte. Seine eingehende Beichäftigung mit Eigenthümlichkeiten der englifchen Sprache, als deren Refultat er eine Sammlung von Sprühwörtern und ungewöhnlicher Tocaler englifcher Ausdrücke ver- öffentlichte, war die Veranlaffung, daß John Wilins, der gelehrte Bischof von Chefter, ihn bei ver Ausarbeitung feines Werkes über bie Univerfalfprache zur Hülfe heranzog. Es war hiervon nur die Ankün⸗ digung und ber ausführliche Plan als Eſſay 1668 erjchienen ; das eigentliche große Werk, für welches Ray die „realen Charaktere ver Pflanzen und Thiere behandelt hatte, überjegte er auch auf des Bi- ſchofs dringendes Anliegen in's Lateinifche. Das Manufeript liegt aber noch jest ungedruct im Archiv der Royal Society. Von 1669 _ 2 an hatte Ray ſchon zeitweife bei Willughby auf deſſen Landfige Middleton⸗Hall gelebt. Dort zog er ganz hin, als er nad dem Tode feines Freundes 1672 nach deſſen teftamentariich ausgejprochenem Wunfche die Erziehung von deſſen zwei Heinen Söhnen und die Ord⸗ mung und Herausgabe von feinen Hinterfaffenen Arbeiten übernahnr. Francis Willugbby, im deſſen Perſon fich zwei Linien einer alten Ä ſeinem Tode eine Yeibrente aus (von 60 Pfund; der Sohn erhöhte dies in manchen Jahren auf 72 Pfund), welche ihm jorgenfrei zu leben — —— inmn feinen fpeciellen Arbeiten inſofern fördern half, als feine Frau einen chen Ausdruck; das wichtigfte, auch Hier anzuführende Werk ift aber’ begüterten Familie wiederum vereinigten, war 1635 geboren. Sein > Fleiß und Eifer, jowie fein vortvefflicher, lauterer und edler Charakter führten ihn bald nachdem er die Univerfität und auf biefer daſſelbe College bezogen hatte, enger mit Ray zufammen. Im Folge ver von Ray bei feinen botaniſchen Studien gewonnenen Erfahrungen und des für dergleichen Arbeiten erwedten Interefjes Willughby's faßten denn beide ben Plan, im ausführlichen Darftellmgen eine vollſtändige Ge- | schichte und Befchreibung der Pflanzen und Thiere zu geben. Wegen fei- ‚ner früheren längeren Beſchaͤftigung mit ven Pflanzen übernahm Ray dieſe, Willughby die Thiere. Ihre beftändig gemeinjame Arbeit läßt aber Rays Antheil auch an Willughby's Aufgaben wicht umbebeutend er- ' ſccheinen, obſchon Ray um ven wiljenfchaftlichen Ruf feines Freundes auf das gewifjenhaftefte beforgt, ihm das alleinige Verdienſt zufchreibt. Auch weijen mehrere Mittheilungen an die Royal Society darauf bin, daß ſich Ray ſchon früh eben fo eingehend wie mit Pflanzen auch mit Thieren verſchiedener Claſſen befchäftigte. Willughby ſetzte Ray bei geftattete. Am 5. Juni 1673 heirathete Rah, ein Schritt, welcher ihn Theil des Unterrichts am feine Pfleginge übernahm. Willughby’s Ormithologie gab Ray 1675 lateinifch, 1678 in etwas erweiterter eng» liſcher Ueberſetzung, aber mit venjelben Kupfern heraus, die nur etwas bläffer gebrudt find. Ihre Koften trug Willughby s Wittwe. Rays’ unterdeß fortgeführte Unterfuchungen über die Pflanzen fanden in ver 1682 erjchienenen Methodus plantarum nova einen weiteren öffent bie größere Historia plantarum in drei Foliobänden, von denen der” erfte 1686 herauskam. Im bemfelben Jahre war auch ber Drud vom? Wiltughby’s Gefchichte ver Fiſche vollendet, welche Ray auf Koften ber föniglichen Geſellſchaft Herausgab. Die Kupfertafeln Hatten einzelne. Mitglieder derſelben, bejonders ihr Präfident Pepys zu tragen über⸗ nommen. Einer Diefer Männer, Dr. Tancred Robinfon, beſtimmte Kat dazu, auch die andern von ihm noch nicht behandelten Claſſen des Thierreichs zu bearbeiten. So entjtand die 1693 erfchienene Stpnopfid der Bierfüßer und Schlangen. Die gleichfalls von ihm einer neuen ° Meberarbeitung unterworfenen Vögel und Fiſche erjchienen exit 1713 nach Rays Tode und find von feinem Biographen W. Derham ber- ausgegeben, da das Manufeript von dem Buchhändler aus Nahlär ſigkeit zurückgelegt worden war. Nachdem fich Ray neuen Auflagen ‚einiger jeiner botanischen Werke unterzogen hatte, kehrte er nochmals zum Thierreich zurück, um mit Bearbeitung der Infecten, zu welcher 5 bereits Willughby Materialien zu ſammeln begonnen hatte, die ſyſtema— tiſche Darftellung der Thierwelt zu vervolfftändigen. Ehe er aber viefes Werk, welches fpäter gleichfalls Derham anf Koften der Royal Society berausgab, vollendet hatte, ftarb er am 17. Iamuar im feinen Ge- burtshauſe. Dorthin Hatte er fich nach dem Tode feiner Mutter 1678 zurückbegeben, da inzwifchen auch mit dem Tode von Willughby's Mutter und ver Wiederverheirathung von deffen Wittwe feine Stellung ‚als Erzieher in Middleton⸗Hall ihr Ende gefunden hatte. Es iſt felten ein Naturforfcher früherer Zeiten in der gleich glüd- lichen Lage wie Ray gewejen, eim längeres Leben hindurch ohne ab- ‚ziehende Nebenverpflichtungen fich ganz feinen Neigungen und Aufga- ben Hingeben zu können. Diefe Muße hat auch Ray mit jeltenen Fleiße und, wie hinzugefügt werden muß, mit feltenen Erfolge aus: genugt. Wenn er auch hinter Yinne in dev Großartigfeit ver Ausfüh- zung feines Planes zurücblieb, jo hat er doch entjchieven jenem erſt den Weg gebahnt umd es überhaupt möglich gemacht, daß Linne feine Leiftung erfüllte. Es wurde bereits hervorgehoben, daß die Fortſchritte der Zoologie im vorliegenden Zeitraume vorzüglich die formale Aus: bildung derjelben betrafen. Im den meiften Punkten bat hier Ray Bahn gebrochen. Bor allem find es die brei ebenfo für die wiſſen— { ch aftliche Begründung wie für die Continuität der einmal erworbenen Renntniffe nothwendigen Momente, welche Ray's Arbeiten zu bahn⸗ rechenden machen: die Einführung des naturhiftorifchen Begriffs der ‚ die vorwaltende Verückſichtigung der Anatomie der Thiere als Gruudlage der Claffification und die Einführung von ſchärferen Defir aitionen nicht bloß für die Arten felbft, ſondern auch für größere Grup ⸗ pen umb auch für Terminologie. In Bezug auf die letere war. wie bemerkt faft gleichzeitig W. Charleton thätig. Was bei biefem Zolge eingehenden Nachbentens ift, erjcheint bei Ray beinahe als in- unctiver Drang. Es fällt bei ihm überhaupt die größere Präcifion der Sprache, bie umzweidentige Verwendung der bei den einzelnen Be- a fchreibungen benugten Ausorüde auf. Ganz befonders aber ift Ray durch die zuerft bei ihm auftretende Definition der Species in dem neuern fuftematifchen Sinne für die Entwidelung der beſchreibenden Naturwifienichaften von der größten Bereutung. Bon verjchiedenen Schriftftellern ift diefes Verdienft, wie man es trotz mancher Nach⸗ theile doch nennen muß, fchon viel früheren Zoologen, z. B. Albert dem Großen zugefchrieben worden. Es läßt fich indeſſen unfchwer nachweiſen, daß der Ausdruck Species bis zu Ray's Zeit ausſchließlich nur im logifch formalen Sinne gebraucht wurde und daß er daher je mach der Reihenfolge der gejchilverten und zu orbnenden Gegenftände ebenſo gut eine niedere wie eine höhere natürliche Gruppe umfaßte. - . Den früher mitgeteilten Stellen aus Albert dem Großen, Gesner, Sperling ließen fid hier ganz ähnliche aus Schriftftellern des fiebzehn. ten Jahrhunderts anfchließen. Zugegeben muß freilich werben, daß es wie oben angedeutet im Intereffe ver ftrengen Forjchung gelegen hätte, 2 die Wiffenfchaft von einer künftlich erzeugten Einheit, wie der Begriff der Art es ift, frei zu halten, da fich an dieſelbe eine Reihe. ie eriwiefener ober nicht erweisbarer, theils rein metaphyſiſcher (oder viele leicht richtiger fupranaturaliftifcher) Behauptungen anfchlofjen. Man’ kann e8 wohl ein über das Ziel hinaus-Schießen nennen, wenn der methodiſch geforderten Einheit, von welcher aus das Syſtem — bauen iſt, eine Unbengfamteit beigelegt wurde, welche immer ſtarrer dogmatiſch auszubilden Spätere fich nicht enthalten konnten und welch j zu befämpfen außergewöhnliche Anftrengungen nöthig waren, zum. Theil jogar jetzt noch gemacht werden müfjen. Jedenfalls waren bie älteren Zoologen mit Ariftoteles ungleich unbefangener, wenn fie bie’ fich ihnen darbietenden thierifchen Formen lediglich logiſch formal nach en "Sohn ee 4 — — in — ordneten, dieſe wieder dito über- - ober unterorbneten, ohne fich durch vorgefaßte Anfichten über die Nı- tur einzelner derjelben von vorn herein in Bezug auf veren Stellung beftimmen zu laffen. Und doch hat kaum eine andere Hypotheſe jo viel wie biefe dazu beigetragen, die Kenntniß der einzelnen Formen zu fürr ⸗ dern, bie über folche gemachten Mittheilungen zu fichern und die ein- mal bejchriebenen wienererfennbar zu machen. Sp lange der Kreis ver befannten Formen noch Klein war, jo lange man noch mit allgemein befannten oder, was die ausländifchen betrifft, mit folchen Formen zu e thun Hatte, welche Hinfichtlich ihrer Benennung feine befonderen Schwierigkeiten darboten, reichte die frühere Bezeichnungs- und An- ichauungsweife hin. Man fehe fich aber nur in irgend einem Werke ver damaligen Zeit um, welches von fremden Thieren, ja von denin ihrer Bormenmannichfaltigkeit zeitiger bekannten einheimifchen Infecten. handelt, und man wird jofort erkennen, daß hier die Einführung eines neuen methodijchen Hülfsmittels dringend Noth that. Wreilich fehlte, - wenn man auch die Art erhielt, daun noch immer das nothwendige Complement einer confequenten Namengebung; hierzu bedurfte es aber nad Rays Vorgang nur noch eines Heinen Schrittes. Betrahtet man das Auftreten diefer beiden wichtigften Erfcheinungen im Gebiete der bejchreibenden Naturwiffenfchaften näher, fo jtellt fih ein En wickelungsgang dar, wie er Kaum natürlicher gedacht werden kann. Ras verfuchte zum erftenmale, ſämmtliche bekannte Formen in kritie ſcher und ſyſtematiſch geordneter Ueberficht darzuftellen; er bezeichnet ſelbſt z. B. die von ihm rebigirte und mit wichtigen Zufägen berei- cherte Ornithologie Willughby's als wejentlich von den „Panvelten · Gesner's und Aldrovandi's verfchieden. Da konnte es nicht ausbleii-r ben, daß ihm das Fehlen eines eigentlichen Ausgangspunftes ftörend entgegentrat. Sich wohl faum der Tragweite des von ihm angewen⸗ deten Mittels bewußt werdend, ſchuf er fich einen folchen; dabei wre er weniger von einem allgemeinen Gefichtspunfte aus als vielmehr durch das praktiſche Bedürfniß verftändlicher Definitionen darauf ger - führt, vor Allem auch die Heinften Gruppen ſcharf zu begrenzen. Cha- ralteriſtiſch ift es, daß er nicht bloß zu den Definitionen ver einzelnen ; B. Carus, Geſch. d. Zool. 28 we — ſelten von denſelben Eltern entftehen obſchon fie in vielen und auffal⸗ Fa er —* — a — Er — * N ET — — Ren i —— ae * * — ee ER Re Een ee TE —— ee Can he EA — eg i — EEE ⸗* Fa NE * * * a 4 RK dl — ö — J —9 F 7 ſolche „einzelne Form“ anzuſehen habe, durch die Bemühungen gelangte, halten, diejenigen herauszufinden, welche diefe Trennung am fchärfften und unwandelbarften bezeichnen. Der technijche Name für folche ſyſte⸗ matifch zu bezeichnende einzelne Formen bot ſich vom ſelbſt dar in dem Worte, welches ſeit Ariftoteles für alle Heineren Gruppen angewendet - worden war, in dem Worte „Species“. Erjt mit Ray erhält daher dieſer Ausprud wie der der fpecifiichen Merkmale den heutigen Sinn. Im der dieſen Punkt betreffenden Hauptftelle fpricht num Ray allerdings zunächft von den Pflanzen, es ift aber bezeichnend, daß er nicht umbin kann, zur fchärferen Bezeichnung des ihm bei Pflanzen nothwendig Erjcheinenden auf die gleichen Berhältniffe bei Thieren hin⸗ zumweifen, für dieſe alſo die gleiche Beftimmung einzuführen. In dem zwanzigiten Kapitel des erften Buches feiner Geſchichte ver Pflanzen fagt Rap: „Wie bei den Tieren die Verſchiedenheit ber Geſchlechter nicht hinreicht, ven Unterfchied der Species zu begründen, weil einmal beide Gejchlechter aus dem Samen einer und derſelben Species, nicht (enden Accivenzien von einander abweichen) und es ambererfeits nicht nötbig ift, für die fpecifiiche Ipentität des Stieres und der Kuh, bes Mannes und der Frau ein anderes Argument beizubringen, als baf biefelben von venfelben Eltern, ja häufig fogar von derfelben Mutter abſtammen, jo gibt e8 auch bei ven Pflanzen fein anderes fichereres Zeichen ver fpecififchen Lebereinftimmung (non aliud certius indi- eium convenientiae specificae est) als den Urfprung aus dem Sa- men der fpecififch oder individuell iventifchen Pflanze. Welche Formen - mämlich der Species nach verſchieden find, behalten dieſe ihre fpecififche Natur (speciem suam) beftändig und es entfteht die eine nicht aus dem Samen einer andern und umgelehrt“24). Es ift diefe Stelle in mehr als einer Hinficht Äußerft intereffant. Zumächt jpricht fie Ray's Anficht über das Kriterium für das aus, was man als Art anzufehen 24) Historia plantarum. Tom. I. 1686. p. 40. Habe. Mit der Erfindung biejes „Zeichens“, mit der Beftimmung dieſes doch vor Allem rein äußerlichen Hülfsmittels ift aber ver Keim zur Entwidelung der Artlehre gegeben, wie fie fich jpäter dogmatiſch feft- gejetst hat. Bei Raty verliert die Beftimmung der Art noch nicht ven Charakter des Künftlichen ; er fieht fich einer Menge von Formen, ein- ander ähnlichen und von einander verfchiedenen , gegenüber und beob- achtet gleichzeitig die Thatjache, daß aus den Samen einer Pflanze fich neue Pflanzen entwicdeln, die der Mutter gleich oder ähnlich find. Diefen Umftand führt er num als charakteriftifches „Merkmal“ zur Begründung der Zufammengehörigkeit oder Berfchievenheit ein. Es enthält indeſſen fchon dieje erfte Begriffsbeftimmung den Hinweis auf die Unveränderlichkeit der Arten (speciem suam perpetuo servant), welche freilich von Ray nicht jo feit angenommen wurde, wie von Späteren. Einmal weift er ſchon auf die bedeutenden Verſchiedenhei⸗ ten hin, welche zwijchen ven beiden Gejchlechtern auftreten! können. Im unbefangener Würdigung des Thatfächlichen gefteht er doch damit ber Art eine gewiſſe Breite der Veränderlichkeit zu. Er muß aber felbft noch weiter gehen. Das ganze einundzwanzigfte Kapitel vefjelben Bu- ches ift der Umwandlung der Arten bei Pflanzen gewidmet. „Nun ift aber diefes Zeichen der fpecififchen Uebereinftimmung objchon ziemlich conftant doch nicht beftändig und untrüglich. Denn daß einige Samen degeneriven und wenn auch felten Pflanzen erzeugen, welche von der Species der mütterlichen Form verjchieden find, daß es alfo bei Pflan- zen eine Ummanblung ber Species gibt, beweijen vie Verſuche“ 25). Die Experimente, auf welche ſich Ray hier beruft, halten allerdings vor eingehender Kritik nicht Stih. Es mußte aber zur Ehre deſſen, welcher den Artbegriff in feiner ſpäteren Schulpefinition in die Natur- geichichte eingeführt hat, hervorgehoben werden, daß er weit davon ent- fernt war, denſelben durch irgend welche außerhalb der Beobachtungs- 25) a. a. O. S. 42. Die Stelle lautet im Original: Verum nota haec quamvis constans sit specificae convenientiae signum, non tamen perpe- tuum est et infallibile. Semina enim nonnulla degenerare et diversae a matre speciei plantas interdum licet rarius producere adeoque dari in plan- tis transmutatfionem specierum experimenta evincunt. 28* — 2 msi gene Zutaten feffften zu affen. A fe Khan wie die Species faht Ray die Genera. Hier folgt er noch ganz dem alten Gebrauche, die größeren Gruppen überhaupt als Gattungen zu be- zeichnen, er nennt daher ebenfogut die Eierlegenden und Lebendiggebä- renden „attungen“, wie die Hundeartigen, Hirichartigen oder Hafenar- tigen. Die legtere Berwendungsweife kommt allerdings den Linne ſchen großen Gattungen nahe ; aber abgefehen davon, daß bei Rab dieſe Ge- era mehr ben fpäter eingeführten Ordnungen entfprechen, fehlt bei ihm doch bie durchgeführte formelle Gliederung des Syſtems 0. &8 war nach dem Ausgang des Mittelalters ein Zeichen wieder erwachender Wiffenfchaftlichleit, daß von Wotton direct an Ariftoteles > amgefnüpft wurde. Die gleiche Erfcheinung tritt bei Ray noch "einmal auf. Mit den Vorteilen, welche der Aufihwung ver Zootomie, die doarvey ſche Entvefung des Kreislaufes und die Aufllärungen betveffs der Zeugungsvorgänge ber Thierkunde geboten hatten, tritt er bewußt a r ‘am die anatomifche Charakterifirung ver Thiergruppen heran und findet enn hier an mehr als einem Orte die Angaben des Ariftoteles beftä- - tigt. Beide hielten nur einen andern Gang der Darftellung ein. Ari 37° fiefep (fe bei feinen Schilterungen flfieweigene größere Oruppen # zu Grunde, welche fogar je nach dem gerade in ven Vordergrund tre- tenden biofogijchen oder anatomischen Gefichtspunfte verſchieden definirt wurden; man kann daher nur unter Berücfichtigung feiner jämmt- Achen Mittheilungen zur Einficht in das fich ihm ergebende Thierſyſtem gelangen. Rat dagegen gieng ben entgegengejegten Weg; er legte zu⸗ nächft mit möglichft ficherer Begründung das Syſtem dar und fnüpfte die viel fpärlicheren Einzelangaben an die Aufzählung der Arten. Um jo vortheilhafter fpringt aber feine Entwidelung des Syitems im bie Augen, wenn ſchon er ihm nicht einmal felbft überall folgt. Daß daf- felbe vorzugsweiſe die Wirbelthiere und ihre Elaffification betrifft und von den wirbellofen Thieren nur die Infecten von ihm behandelt wur- den, lag zum Theil in der Zeit, welche eingehenvere Unterfuchungen in die niederen Claſſen noch nicht hinreichend vorbereitet hatte, zum Theil am ber Arbeitstheilung, welche Ray in feinem Freundeskreiſe ein- geführt und nach welcher er eigentlich jogar nur Pflanzen, dann nach — Sohn ME: TREO Zoe die — Claſſen und die Inſecten zu bearbeiten übernommen hatte, während bie Weichthiere und Würmer Martin Lifter zugetheilt worden waren. Leber deſſen Arbeiten wird fpäter noch kurz zu sprechen fein. In ver 1693 erjchienenen Synopfis der Süugethiere und Reptilien gibt Ray eine allgemeine Einleitung über die Eintheilung des Thierreichs und einige allgemeine, die damalige Zeit . febhaft bewegende Fragen. Iſt diejelbe ſchon dadurch zur Kenntuiß von Ray s Stellung den legteren gegenüber von Werth, da er fich hier } offen und entjchieden als ein Bekämpfer ver Urzengung befennt und in Bezug auf den Streit zwifchen den Spermatiften und Ovuliften ven Ausgangspunkt der Entwidelung in das weiblicherfeits gegebene Ei - verlegt (freilich unter ausdrücklicher Anerkennung mancher zweifelhafter Punkte) jo thut fie in ihrem claffificatorifchen Theile nach den un⸗ fruchtbaren ſyſtematiſchen Verfuchen feiner Vorgänger durch die Elare, präcife, anatomifch jichere Darlegung des Syſtems der Wirbelthiere wohl, welches volljtändig das jpäter von Linne ausgeführte ift. Ob- ſchon er zugibt, daß Beyer (in feiner Merpkologie) Recht habe, wenn er allen Thieren eine bfutartige durch ven Körper bewegte Flüffigkeit *— zuſchreibt, und auch ſelbſt noch hinzufügt, daß eines der ſogenannten blutloſen Thiere ſogar, wie die höheren, rothes Blut habe, nämlich der Regenwurm, ſo folgt er doch der Ariſtoteliſchen Theilung des ganzen Thierreichs in Blutführende und Blutloſe, weil fie die bequemſte und bekannteſte ſei. Er war überhaupt, wie ſich zeigen wird, Fein Freund von durchgreifenden Neuerungen. Bei der Eintheilung ver Blutlofen gibt er nur das Ariftotelifche Schema unter Anführung der griehiihen Stellen; ex theilt fie in größere und Hleinere, erftere wieder in die Weichthiere (Cephalopoda), Eruftaceen und Teſtaceen; letztere um⸗ faffen nur die Infecten. Nun hat er zwar, wie aus feiner Correfpon- 2 denz hervorgeht, vielfach Mollusken geſammelt; die Aehnlichkeit zwi- | ſchen dem Thiere einer Gehäus- mit einer Nacktſchnecke ift ihm gleich- falls nicht entgangen. Er geht aber in feinen ſynoptiſchen Darſtellungen nicht anf diefe Claſſen ſpecieller ein. Bei der Bedeutung, welche die Ray'iche Syſtematik für alle ſpäte- ven Anordnungsweiſen befitt, ericheint e8 geboten, diefelbe ziemlich ein- “ fagt Ray, im folche die mit Lungen und im folche welche mit Kiemen athmen. Bon dem erfteren haben vie einen ein mit zwei Ventrileln verſehenes Herz, die andern ein Herz mit nur einem Ventrilel. Bon den Lungenathmenden, welche zwei Herzventritel befigen, ift eim Theil (ebendig gebärend, nämlich die auf vem Lande oder amphibiſch lebenden 3 Behaarten und die nur im Waffer lebenden Walthiere, ber andere Theil ift eierlegend, die Bögel. Mit einem Ventrikel am Herzen ver- ſehen und lungenathmend find die Fröfche, Eidechfen und Schlangen. Zu den mit Kiemen athmenden gehören fämmtliche echte, d. h. blutfüh- rende Fiſche mit Ausfchluß der Cetaceen. So richtig und mit der feit Linne allgemein verbreitet gewejenen Eintheilung übereinftimmend dieſe Charatteriſtrung der Wirbelthierclaffen ift, fo macht fich doch ſchon bei ber erften Mittheilung derſelben Ray's Furcht geltend, nicht etwa als voreiliger Neuerer zu erfcheinen. Er weit ausdrücklich darauf hin, daß man zuweilen unter „ich“ fämmtliche Wafferthiere verftanden ® Habe. Statt nun aber der von ihm zum erftenmale feit Ariftoteles ‚wieder fcharf hervorgehobenen wahren Natur der Walthiere auch in 2 Dezug auf ihre Einreifung im Syſteme gerecht zu werben, erweitert Ray lieber dem Sprachgebrauche folgend bei Aufftellung der Synopfis der diſche feine urfprünglich entſchieden richtigere Definition berfelben - dahin, daß fie auch die Walthiere mit umfaffen kann, während er doch auf der andern Seite den Ausdruck Vierfüßer fallen faffen möchte, um den Manati zu den übrigen amphibifchen Säugethieren bringen zu fönnen. Bei ber weiteren Eintheilung der Säugethiere nimmt er zu- nächft die Bejchaffenheit ver Fußbelleidung als Theilungsgrund an und ſcheidet die Hufthiere von den Krallen- oder Nagelthieren. Zu den erfteren gehören die Einhufer, Zweihufer (Wieverfäuer und Nicht- Wiederkäner, nämlich die Gattung der Schweineartigen) und Vierhufer (Rhinoceros und Hippopotamus). Letzteren beiden hängt er noch als anomale Hufthiere ven Tapir, das Capybara, deſſen Gebiß er ganz richtig ala mit dem der Hafenartigen ſehr ähnlich ſchildert, und das Moichusthier an. Auch bei letterem ahnt er vie Verwandtichaft und erkennt bie Uebereinftimmung mit ven Wieverfäuern im Fehlen ver vohn Kay. Ä Sa... oberen Shredeahne; aber die hervorragenden Eckzähne hindern die Bereinigung mit ihnen. Die Reihe der Unguiculaten eröffnet das Kamel mit gefpaltenen Füßen. Die mit vielfpaltigen Füßen haben ent- - weder unbeweglich verbundene Finger, — hierher gehört nur der Ele - fant —, ser frei getrennte. Von biefen find die einen mit platten Nägeln verjehen, die Affen (anthropomorphe, den Menjchen ſelbſt be- rüdfichtigt er nicht und jchließt ihn aus dem Syſteme aus), die andern mit feitlich zufammengevrücten Krallen. Die letteren haben entweder mehrere Schneidezähne in beiden Kinnladen oder nur zwei; dies find bie Hafenartigen (genus Leporinum, Ordnung der Nagethiere). Unter den erfteren find größere Arten und zwar entweder mit kurzem, vun- dem Kopf, Katzen (freilich auch den Bär umfafjend) oder mit vorra- gender Schnauze, Hunde (d. h. Hund, Wolf, Fuchs, Rüffelbär, Das, Otter, Robbe, Manati), und Kleinere mit langem fchlanfen Körper und niedrigen Beinen, Gattung der Wiefel (mit den Viverren und dem Ichneumon). Den jpaltfüßigen Krallenthieren läßt Ray noch eine Gruppe „anomaler“ Formen folgen, von denen ein Theil in Be- zug auf die Deutung ihres Gebifjes bis auf die neuefte Zeit Schwie- vigfeiten gemacht hat, nämlich die Imfectivoren, welche er mit ven Gürtelthieren, den Zahnlofen und den Flugthieren, allerdings nicht unter dieſem Namen, aber doch in ihren Hauptformen,, Igel, Maul wurf, Spigmaus, zufammen abhandelt. Yeidet diefes Syſtem der Säugethiere auch noch an mannichfachen Mängeln, fo ift es voch un» zweifelhaft gegen frühere als ein großer Fortſchritt zu bezeichnen und der Ausgangspunkt, an welchen alle Späteren angefnüpft haben. In Bezug auf die Bögel ſcheint es auf den erften Blick jchwer zu fein, Willughby's Leiftungen von denen Rays getrennt zu halten. Borzüglich ſchreiben englifche Biographen Willughby's Alles, was unter feinem Namen über Vögel herausgegeben worden ift, ihm jelbft zu. Nun iſt allerdings der Herausgeber ſelbſt, Ray, jo voll des Lobes und der Anerkennung von dem, was jein Freund gethan hat, daß es wohl zu entjchulvigen ift, wenn man ihn nur als Ordner ber hinter- laſſenen Papiere Willughby's anzufehen verjucht wird. Doch darf wohl die ganze Form der Bearbeitung des Stoffes, wie befonders auch RR Fiſche, wo er es auf dem Titel angegeben hat, bie allgemeinen Einlei- ße Aneromung der Böge Ta Bilagi6p zuge — Erftens enthält die nach Rahs Tode aus feiner u chrift herausgegebene Synopfis der Vögel faft volfftändig. genau daſſelbe Syſtem, in der That weicht es nur in Kleinigkeiten von dem in Willughby s Ornithologie mitgeteilten ab, ftimmt dagegen häufig — Od im Wortlaute überein; und es wäre doch ficher zu erwarten ge« weſen, daß Ray bei feiner rückſichtsvollen Dankbarkeit gegen feinen Freund und Wohlthäter es erwähnt, fogar rühmend hervorgehoben haben würde, wenn er nur ihm und nicht ſeinem eigenen Syſteme ge⸗ folgt wäre. Zweitens jagt aber auch Ray auf dem Titel der Willugb- by ſchen Ornithologie ausprüdlich: totum opus recognovit, digessit, - supplevit. Ganz gewiß bat er aljo hier wie bei dem Werke über bie . a tungen zugegeben, welche auch in beiden Werken ſowohl der ganzen Dispoſition nach als in den Kapiteln über die in England beobachteten Vögel, Beiehentich Fiſche velftommen übereinftimmen. Und Hierin 9 die Begründung des Syſtems enthalten. Ray beftätigt dies übri- gens zum Theil jelbft, indem er in der Vorrede zur Ornithologie jagt, — Willughby bei feinem Tode ſehr viele ‚Geſchichten und Beſchrei⸗ bungen von Vögeln, Vierfüßern, Fiſchen, Infecten hinterlafjen habe“, zwar methobifch redigirt, aber „die wenigften volllommen und vollftän- . — big“. Außerdem bemerkt Ray, daß er öfters Willughby’s Worte bei⸗ . behalten babe, namentlich da, wo er gefürchtet habe ihn faljch zu ver- ftehen. Bedenlt man nun endlich noch, daß Willughby nach Ray's Zeugniß kurz vor feinem Tode auf eine ausprüdliche Frage wegen einer etwaigen Herausgabe feiner Naturgefhichten geantwortet habe, „vaß er : dies nicht wünſche, oder etwas dem Aehnliches“, fo geht doch aus Allem offenbar hervor, daß Willughby weder ein völlig ſyſtematiſches Wert noch ein ausgenrbeitetes Syſtem der Vögel Hinterlaffen hat, wie ſolches jetzt unter feinem Namen vorliegt, ſondern zahfreiche Einzel- beobachtungen, durch deren Sammlung er fich immerhin ein nicht ge- ringes Verdienſt erworben bat. Man kann daher auch das Syſtem der Vögel zweifellos als das Rays anfehen. Er theilt bie Vögel zunächft in Land⸗ und Waſſervögel. Erftere zerfallen in Vögel mit hafenför- — Er ; 2 x — az — J J a — Fr * ci RE — — * * — — 15 FERN r er 28 " — Gb; — ei i - — — ” — * — Schnabel: und Krallen und — mit — — — Schnabel. Zu ven Gampſonychen gehören die Raubvögel und Pa- pagehen; die Raubvögel trennen fich in größere: Aoler und Geier; und Kleinere; won diefen find die einen edler, und zwar bie langflügli- gen Falken und die furzflügligen Habichte, und die andern ignavi und wild, von den Vogeljägern vernachläffigt, wiederum größere, Buflarde und Weihen, und kleinere, europäifche, Würger, und exotifche, Paras diesvögel. Im der Synopfis macht er ſchon die Bemerkung‘, daß bie Würger doch mehr gerade Krallen und Schnäbel haben. Bon den Bö- _ | geln mit geradem Schnabel fondert er zumächft die großen eigenthüm- lichen Formen ab, den Strauß, Gafuar umd Dodo. Die übrigen trennt er allgemein in folche von mittlerer Größe und in Kleinere. Zu den erſten gehören vie großichnäbligen Naben und Spechte (genus eorvinum, genus Picorum), welche legtere ev durch die Bildung ihrer Kletterfüße ganz treffend charakterifirt, und die Heinfchnäbligen Hühner mit weißem, und Tauben und Drofjeln mit ſchwarzem Fleifh. Die kleinſten, von ihm Bögelein, avieulae, Genannten haben entweder einen bünnen (Zerche u. ſ. w.) oder einen diden Schnabel (Kernbeiger 2.1. f.r Bon den Waffervögeln lebt die eine Abtheilung nur am Waſſer, fucht fich wohl im demfelben die Nahrung, ſchwimmt aber nicht auf ihm. Hierher bringt er zuerſt in eine eigne Gattung. bie großen eigenartigen Kraniche (mit dem Seriema) und ftellt ihnen die F kleineren Formen gegenüber, welche entweder Fiſche freſſen Reiher, Storche u. |. w.) oder im Schlamme ihre Nahrung ſuchen, oder Ir -⸗ fecten freſſen; zu leßteren gehören die übrigen Wadvögel Späterer, nämlich Schnepfen, Strandläufer, Kiebig, NRegenpfeifer u. |. w. Die Schwimmvögel theilt Ray in Spaltfüßige, welche nur einen häutigen Saum an deu Zehen haben, wie Wafjerhühner, und Schwimmfüßige, Auch hier fondert er anomale Formen in einer eigenen Gruppe aus, den Flamingo, Aoojett u. a. ; fie haben fänmtlich lange Beine. Die übrigen, mit kurzen Beinen Verſehenen find entweder breizehig Pen— guine, Alfen u. f. f.) oder vierzehig, und von letteren wiederum ha- ben einige die vierte Zehe frei oder mit den drei vorderen Zehen durch Schwimmhaut verbunden ; die vierzehigen mit freier Hinterzehe zerfallen % a” m a & * — u — — WER, * — — s 5 ä Fi ze Ra ’ E — — — 7 * Y 442 3 Beriode * —— — * "wien in fhmalfehnäßfige und Kreitfhnäßtige (Enten, Gänfe. * ſieht alſo auch im Syſtem ver Vögel bei Ray alle Elemente der ſpäte⸗ zen Glaffification. Am wenigften eingehend find die Reptilien behandelt. Auffallend ift hier, verglichen mit dem bei Säugethieren eingehaltenen Verfahren, die Inconfequenz betreffs der Schlangen. Während er die Walthiere trotz feiner richtigeren Einficht wegen des Mangels des Haarkleives und der Form der Vordergliedmaßen von den Säugethieren wegnimmt, bemerkt er bier, daß die Schlangen von den Eibechfen nur in dem Mangel ver Extremitäten abweichen und läßt fie ifmen unmittelbar folgen, vermuthlich da er fich Hier durch feine Trivialbezeihnung und durch feine geläufige populäre Anfchanung gebunden ſah. Die brei Gruppen der Fröfche (zu welchen er auch die Schilpfröten bringt), ver Eidechſen und Schlangen charalterifirt er nicht als ſolche, ſondern ſchildert nur die einzelnen Formen. Was num endlich die Fiſche betrifft, fo findet fich zuerft bei Ray eine fcharfe Definition diefes jo oft gemisbrauchten und in feiner Be- deutung ungebührlich weit ausgebehnten Wortes. Bei der Special- ſchilderung erweitert er zwar viefelbe nach dem obem angegebenen Ge- ſichtspuntte dahin, daß er die Wale mit abhandeln kann; aber auch in diefer Faffung ift feine Charakterifirung natürlich und, anf Wirbel- thiere befchräntt, zutreffend. Während urfprünglich die Fiſche mit Kiemen athmende und mit einem Herzventritel verfehene, mit Schup- pen ober glatter Haut bevedte Blutthiere find, wird ihm fpäter ein Fiſch zu „einem bfutführenden Wafferthiere ohne Füße, welches mit Floſſen ſchwimmt, entweder mit Schuppen over nadter, glatter, haar⸗ fofer Haut bebedtt ift, beftändig im Waffer lebt und niemals freiwillig auf das Trodene geht“. Die paarigen Floffen der echten Fifche ver- gleicht ſchon Ray mit den Gliedmaßen der Säugethiere, wenngleich ohne Rückſicht auf anatomische Gründe. Die Eintheilung der Fiſche nach den Fundorten, wie fie Rondelet noch befolgte, verwirft Ray mit Recht, weil fie theils verwandte Formen trennt, theils manche Formen ſowohl im ſüßen als im jalzigen Waffer vorkommen und endlich weil die Beſtimmung der vorzugsweife befuchten Standorte int Meere (saxatiles u. f. w.) ſehr fchwer oder unausführbar ift. Nach Aus- ſchluß der mit Lungen athmenden Walthiere, welche hier zum erften- male in jolche mit Barten und folche mit Zähnen, beide dann nach der Form, Beichaffenheit und Stellung der Zähne, beziehentlich der Floſſen weiter eingetheilt werben 2%), hatte Ray die echten Fiemenath- menden Fiſche zuerft (im Willughby) in Lebendiggebärenve und in Eier- legende gejchieden. Er weit aber in der Synopfis felbft darauf Hin, daß manche Knochenfiſche (feine Eierlegenden) lebendige Junge gebären, während andererjeits auch manche Enorplige Fifche (Störe, Frofch- fifche, zu denen er Lophius, Antennarius, Malthe, natürlich nicht unter diefen Namen vechnet) Eier legen. Es tft aljo weder der Aus: druck „Vivipara“ noch der andere „Kuorpelfifche” im ftrengen Sinne paffend. Die erfte mit dem mehr arbiträr gehaltenen Namen ver Knorpelfiiche bezeichnete Gruppe charakterifirt Ray daher durch die Er- zeugung großer nach Art der VBogeleier zufammengejegter Eier , welche fich innerhalb des Körpers entwickeln ; die hierher gehörigen Fiſche find meift „Inorplig und gebären lebendige Junge‘. Sie find lang, Hair fifche, oder breit und platt, Rochen; als anomale Gruppe läßt er die erwähnten Sormen (Lophius zc.) unmittelbar auf fie folgen und zwar unter der falfchen Bezeichnung (denn den Stör läßt er hier weg) ver eierlegenden Knorpelfiiche. Die andere Gruppe, welche weitaus die meiften Fiſche enthält, wird von folchen Arten gebildet, welche Heine Eier erzengen und diefe als folche ablegen, auch meift fnöchern over greätig find. Der Form nach find fie entweder platt und ſchwimmen auf der Seite (vie fpäter fogenannten Pleuronectiven) oder hoch umd ſchwimmen jenkrecht. Hiervon ift die erjte „Sattung“ ohne panrige Floſſen oder nur ohne Bauchfloffen imd entweder lang mit glatter fchlüpfriger Haut (Aale, auch die Yamprete) oder fürzer mit rauher Haut (Hierher Lophobranchier und Sclerovermen, natürlich aber nur 26) 1675 hatte Martens die erften Wbbildungen zweier grönländifcher Wal- thiere gegeben (Spitsbergiiche Reife) und 1692 war die von Eſchricht als „faft claffiiche Schrift” bezeichnete Phalainologia nova von Rob. Sibbald erſchienen, welche die erften forgfältigen Schilderungen größerer Walthierarten nach geftran- beten Exemplaren enthielt. N | 443 u ee ee w.). Die diſche mit zwei of. + fenpaaren trennt er nun im Weich und Stachelfloffer, je nachdem fie in der Rückenfloſſe weiche biegfame oder harte ftachlige Strahlen haben. Im ben beiden Bearbeitungen ordnet er fie nur wenig verſchieden an. Die Weichfloſſer haben entweder drei Rückenfloſſen (Asellus, d. 5. die Gadiden) ober zwei folche mit darauf folgenden Heineren Fett ⸗floſſen (find dies mehrere: genus Thynninum, Scomberiven, ift es nur eine, genus Truttaceum, Salmoniden), oder nur zwei Rüdenfloffen (ohne weitere Ordnung formen wie »Lota, Clarius, Silurus, Remora« u. N. . mmfaffend, von denen nur die mit verwachfenen Bauchfloſſen verjehe- en Cyelopterus und Berwandte abgejondert werben) ober endlich nur eine Nüctenfloffe. Diefe läuft entweder den ganzen Rüden entlang Coryphaena ur. a.) oder ift hırz und fteht dann wieder entweder in der Mitte des Nüdens nahe dem Schwerpunkte des Körpers, wobei bie diſche theils bezahnt (Häringsartige u. a.) theils unbezahnt find Weich⸗ mäuler: Cypriniden oder nahe dem hinteren Körperende (Belone, Esox, Fistularia, Sturio u. a. unter den Rondeletſchen ober anderen alteren Namen). Die Stachelfloffer haben entweder zwei Rückenfloſſen -{Sphyraena, Mugil, das genus Cuculinum , welches Eirrenanhänge i an den großen Bruftfloffen hat und Laute von fich gibt, Mullus, Trigla, Trachinus u. f. f., und noch eine Anzahl anderer Formen, wie Lucioperca, Perca u. a.) oder nur eine Rüdenfloffe, wo zuweilen nicht bloß der erfte Strahl, fondern fämmtlihe Strahlen ftachlig find (Sparus, Scarus, Dentex, Sargus, Salpa u. f. w.). Es braucht kaum darauf aufmerkffam gemacht zu werden, daß auch hier die weſent⸗ lichen Elemente ver Elaffification Linne's und Späterer gegeben find. Die letzte Thierclaffe, von welcher Ray eine zufammenhängenve Darftellung gegeben bat, find die Infecten im älteren Sinne als die mit Körpereinfchnitten verfehenen Thiere. Wie erwähnt erfchien die Ge: ſchichte der Infecten erft nah Rays Tode (London, 1710). Hat er auch bier verhältnigmäßig weniger Einzelarbeiten , vielmehr die Mater rialien Willughby'8 und Früherer zu Grunde gelegt, fo ift dies Werk doch gleichfalls von hoher Bedeutung, da Ray hier zum erftenmale die - Berwanblungs- und überhaupt bie Entwidelungsweife ver betveffenben Thiere bei BR — — Sieht man von den unklar⸗ ; heiten ab, welche durch den beſchränkten Stand der Kenntniffe von _ Würmern und Kruftenthieren bedingt wurden, jo meint man kaum em Syftem aus dem Ende des fiebzehnten oder Anfang des achtzehnten Sahrhumderts vor fich zu haben, jelbjtverftändlich nur, was die allge meine Auffaffung und Charakterifirung der Hauptgruppen betrifft. Ray theilt die Gliederthiere, wie man wohl richtiger das alte Wort Infecten bier überſetzt, im jolche, welche fich ohne Metamorphofe und folche, welche fich mit Metamorphofe entwiceln. Ausdrücklich erfennt er dann an, daß er bei der Darftellung der Ametamorphota vorzüglich Willughby, bei der ver Metamorphota Swammerdam gefolgt if. - Fällt alfo auch Hier das Hauptverdienft wohl auf Swammerdam zurüd, fo erfcheint doch Ray's Antheil an dem Fortfchritt der Entomologie ſehr : | beventend, da er zum erftenmale in bewußter und durch feinen Ge— fammtüberbli über das ganze Thierreich um fo gewichtigeren Weife das Moment der Entwidelung der ſyſtematiſchen Anoronung eines großen Formenkreiſes aufgeprägt bat. Seiner Claffification folgend find die Ametamorphoten entweder fußlos oder mit Füßen verfehen. Bon den fußlofen leben die einen auf dem Lande oder in den Eingewei— — — den anderer Thiere Regenwurm, Nematoden und Bandwürmer), die anderen im Waſſer. Bezeichnend für Ray's Auffaſſung iſt es, daß er hier den Blutegeln die bei Schafen u. ſ. f. ſich findenden Egelwürmer anreiht, ſeinem erſten Eintheilungsgrund, zu Gunſten der fich offen— barenden Verwandtſchaft beider Formen, untreu werdend. Die mit E Füßen verfehenen Verwandlungsloſen werben nach der Zahl ver Füße eingetheilt; und es ift das erftemal, daß der Ausdruck Vierzehnfüßer erſcheint, welcher in neuerer Zeit für viefelben Formen verwandt wurde. Den Anfang machen die ametabolifchen Infecten, Läufe, Zudergaft u. f. f. Diefen Herapoden folgen die achtbeinigen Stor- pione, Opilionen und Spinnen, biefen die erwähnten Vierzehnfüßer, welchen er bei der fpeciellen Aufzählung noch Vierundzwanzig- und Dreißigfüßer anreiht ; den Beichluß machen die hier richtiger Polypo- den genannten Tauſendfüßer, Julus, Scolopendra. Bei den mit Me- tamorphofe fich entwicelnden Infecten erfcheint hier nach Swammer⸗ # J — ER er a Par a —— * — * — ER . B * 3 — E —— N = — er S A REN Er her — * N 4 2 Kr —* — RR | — —— 4 dam zum erftenmale die Hinweifung auf jenen durch das Eintreten eines rubenden Purppenzuftandes bedingten Unterjchied, welcher jpäter zu ber logifchen Ungeheuerlichkeit einer „halben“ Verwandlung geführt bat. Zu der erjten Gruppe der fich verwandbelnden Formen, welche durch das Fehlen jener ruhenden Puppe ausgezeichnet ift, werben bie Libelfen, Wanzen, Grillen, Heufchreden und Ohrwürmer gebracht. Die Formen , welche vor der Verwandlung ruhen, zerfallen nach ber Beichaffenheit ver Vorverflügel in Scheidenflüglige, bie Käfer, und Scheidenlofe, Anelytra, von welchen die einen beftäubte Flügel befigen (Farinacea, Schmetterlinge), während die andern häutige Flügel haben und zwar entweber zwei, liegen u. f. f., oder vier, Bienen und Ber- wandte. Es ift nicht zu läugnen, daß auch bier die Entbedungen in + der Lebens- und Bildungsgefchichte fowie im Bau ber Infecten, welche bie legten fünfzig Jahre des fiebzehnten Jahrhunderts auszeichneten, inmn einer fo vollendeten Weije zum Ausdruck umd zur praktifchen Ber- wendung kamen (wenn leßterer Ausdruck geftattet ift), daß es nur wei⸗ terxer, aber vergleichsweife untergeorbneter Detailarbeiten bedurfte, um das Syſtem noch mehr zu Hären und in Bezug auf einzelne Bormen zu verbeſſern. Ray hat nicht ſelbſt die übrigen niederen Claſſen bes Thierreichs bearbeitet. Wenn man ihm daher auch nicht das Verbienft zufchreiben faun, umgeftaltend auf die Anfchauungen eingewirkt zu haben, welche unter feinen Zeitgenofjen von manchen fchwerer zu beobachtenden und deshalb vielfach irrig aufgefaßten Formen und Lebensvorgängen bie berrichenden waren, fo ift er doch der erfte neuere Zoolog, welcher zufammenfaffend die Organifationsverhältniffe größerer Gruppen über- blickte und den erften Schritt zur Bildung eines Syftems that, welches durch die Art feiner Gründung bis auf die neuere Zeit herab geltend blieb. Zu Ray's Zeit war der Unterjchied zwiſchen künftlichen und na- türlichen Syſtemen noch nicht in berjelben Weiſe eniwidelt, wie er jpäter hervortrat. Man gieng vielmehr von dem allgemeinen Gefichts- punkte aus, welchen Eaejalpin in Bezug auf die Botanik hervorgeho- ben hatte, daß „alle Wiffenjchaft in der Zufammenftellung der ähn- lichen und ver Trennung der unähnlichen Dinge bejtehe‘. Dürfte man vohn Rap. — Martin Lifte. 47 RER bes Umftandes, daß bei Ray ver Unterjchied zwifchen natür⸗ lichem und künſtlichem Syſtem noch nicht bewußt auftritt, doch ven Gedanfen an einen ſolchen vorausfegen, jo könnte man ſagen, daß Ray beides zu vereinigen gejucht habe, wenn er z. DB. die Walthiere zwar ganz richtig nach ihrer ganzen Organifation zu den Säugethieren zählt, fie aber der äußeren Gejtalt, dem Aufenthalte, der Form, ihrer Bewegungswerkzeuge nach den Fiſchen anveiht, eine Anorbnung, welcher Linne felbft noch lange Zeit folgte. Jedenfalls war bei Ray die natürliche Gruppirung, wie fie in feinen „Oattungen“ fich zeigt, die in den Vordergrund tretende Aufgabe, welcher er auch wegen ber ver- hältnißmäßig noch leichter zu überſehenden Zahl ver claffificirten For— men noch ziemlich genügen konnte. Kein geringes Verdienſt Ray's ift- es, daß er definitiv mit ver Tradition betreffs der fabelhaften Thiere brach. Gewiſſermaßen als Supplemente zu den Schriften Ray's ſind die Arbeiten Martin Liſter's anzuſehen. Dieſer Mann, welcher als Anfertiger der erſten geologiſchen Karte zu rühmen iſt, ſtand mit dem ihm ziemlich gleichaltrigen Ray (er lebte von 1638 bis 1712) in regem freundfchaftlichen Verkehr, jo daß jener die won dieſem worzugsmweile behandelten Claſſen als wohl verforgt betrachten konnte. Bei der Ein- theilung der Spinnen ift von Lifter zum erftenmale die Zahl ver Augen in Betracht gezogen worden ; zu den achtäugigen rechnet er die meiften Webipinnen , welche er dann weiter nach der Art des Gewebes ein- theift, zu den zweiängigen die Opilionen, ein Fehler, in bem ihm zum Theil Linne noch folgte. Lifter gibt auch einige ganz leidliche Darſtel⸗ fungen einzelner Theile von Spinnen, obſchon er einen richtigen Ein- _ blick in die mit der eigenthümlichen Organifation in Zufammenhang ftehende Lebensweife noch nicht vollſtändig erreichte. Allgemeiner war die Theilnahme an den durch ihre Hartgebilde mehr zum Sammeln anvegenden Mollusken, oder richtiger Schalthier ven. Auch hier ift Lifter am erfter Stelle zu nennen, welcher durch zahlreiche Zerglieverungen in die Natur der ſchon feit alten Zeiten für fo beſonders intereffant gehaltenen Thiere tiefer einzubringen fuchte, Wie aus dem früher Mitgetheilten hervorgeht, war bisher nur einzelnes —— — — re ee MR ä *x N De. 7 — * wi ae. 8 BR EN 5 —— = —E * * it. ; ” % * * — — * — F EN 448 2 € toner } s r er —— * nn hin Miele bekannt ipnerten.. Okgk fin AU Vifter theils auf die Zahl der Schliefmusteln bei Zweiichaligen und af andere wichtige Berhäftniffe Rücficht nahm, theils auch ſowohl Lepaden als Balanen unterfucht und ihre Gliederfüße jogar abgebil- bet hat, benutzte er doch diefe, Funde nicht, um aus ihnen Schlüffe auf bie etwaige VBerwandtichaft beftimmter Formen unter einander zu ziehen, fondern orbnete die Schalthiere in Land», Süfwaffer- und Meeresformen. Die Nadtjchneden ſtellt er zu ven Landſchnecken, aber ‚ Balanus neben Patella als einfchalige Mufchel ; und die Cephalopoden find bei ihm noch wie bei Ariftoteles eine felbftändig neben ven Schal- tthieren ſtehende Claſſe „Weichthiere“ , innerhalb deren er die befchalten Formen neben die nadten ftelit, wie Helix neben Limax. Hinter Uſter ſteht noch in der Auffafjung und Vertheilung der Formen Fi- lippo Donanni zurüd, obſchon er wie jener eine große Zahl ein- zelner Formen befchrieben und im Ganzen recht gut abgebilvet hat. Seine Elaffen find nur auf die Schalen gegründet; es find genau bie- jelben, welche Lifter für die Meeresconchylien aufgeftellt hatte, deſſen 3 Spftem er faft genau folgt. Die Schalthiere zerfallen daher bei ihm im bie drei Gruppen der einfchaligen nicht gethürmten, ber einfchaligen gethurmten und der zweifchaligen. Zu den erften werben die verſchie⸗ denen Formen der Seeigel gerechnet, zu den leiteren bie Lepaden. Es | braucht kaum erwähnt zu werben, welche unnatürliche Trennung ein nicht einmal fcharf durchzuführender Eintheilungsgrund herbeiführen mußte, da Cypräen, Planorben u. a. ebenfowenig gethürmt find, wie Nautilus, Argonauta, Haliotis. Faſt derjelben Einteilung folgt auch Sibbald bei Aufzählung der Schalthiere Schottlands in dem oben erwähnten Werke. Der 1693 geftorbene Kieler Brofefior Johann Daniel Major hatte ſchon vor Pifter ein Syſtem der Schalthiere aufgeftellt in feiner Ausgabe der Abhandlung über den Purpur von Fab. Columna (1675). Er theilt die beſchalten Moltusten unter Aus⸗ ſchluß der Echinen in ein- und mehrfchalige ; nicht unintereffant ift fein Syſtem deshalb , weil er zuerft auf die Windungsart etwas Rückſicht | nimmt, Die hier kurz verzeichneten Arbeiten thun dar, daß zur Zeit — = Die Bein Day Sie ei, | 9: ze 8 Tode, hheils in Folge ſeiner Anregung theils unabhängig von ihm, faſt alle Thierclaſſen, deren Kenntniß jo weit gefördert worden war, daß ſich eine Ordnung der Thatſachen als wünſchenswerth her— ausſtellte, Bearbeiter gefunden hatten. Sie konnten nicht einmal jümmtlich aufgeführt werden, da es ſich hier nicht um ein Litteratur- verzeichniß handelt. Noch wurden dieſe größeren Gruppen nicht mit dem Namen von „Elafjen“ aufgeführt, eine Bezeichnung, welche zwar hier und da auftrat, aber noch Feine ſcharfe Beftimmung in dem füfte- matischen Bau erhalten Hatte. Nicht unerwähnt mag gelaffen werben, daß vom Ende des fiebzehnten Jahrhunderts am auch der Austrud Naturreich, die Eintheilung der gefammten Natur in vie drei »Regna« auflam und zwar wie es jcheint zuerſt durch Emanuel König, welcher in feinem 1682 erjchienenen Regnum animale noch einmal nach alter Weije alles Wißbare und Nichtwißbare von den . Thieren zufammentrug und fo die Reihe ver legten Ausläufer der En- chffopäbifer ſchließt. Die Zeit von Ray bis Klein. Nah Ray's Tode trat die Zeit einer vergleichsweifen Ruhe ein, wenn man die wichtigen Schritte in’s Auge faßt, welche die Zoologie durch feine hervorragenden Nachfolger that. Man darf dies aber eben jowenig-für einen Stillftand wie für eine Folge der verhältnifmäßig jchnelferen Entwidelung der Botanik halten. Auch in der Zoologie - wurde ven einzelnen Richtungen entjprechend rüſtig gearbeitet; es find. aber in ihr fowohl die Schwierigkeit für die Beichaffung hinreichenden Materials als auch die ganz ungleich größere Compferität der einzel- nen Theile und ihrer Leiftungen wie ihrer Anoronung zum Thierförper Elemente, welche nothwendig eine langjamere Entwidelung bevingten. Es wurde oben gezeigt, wie ſpät erjt alte Anſchauungen über die Be- deutung ganzer anatomifcher Syſteme, 3. B. des Muskelſyſtems durch naturgemäße erjegt wurden. Noch in der Mitte des fiebzehnten Jahr— hunderts mußte Schneider mit allen nur möglichen Beweismitteln die Annahme einer Abjonderung des Schleims vom Gehirn aus wider: B. Carus, Geſch. d. Zool. 29 £ 7 ; R 1 en, x ee N * * ee, ; t Ta 7— Fe a REN 2% — we ie ; A — — * a £ ER * * r * — * * * — * — — 7 Pr IF " s & PL * J— —— ae ‘ + ; ' Re RE y AE > ⸗ der ö “ ee 2 i , \ = 2 legen. Die Auseinanderfegungen Pacchioni's über einen vermeintlichen Bewegungsmechanismms in der harten Hirnhaut wurzelte zum großen Theil in der alten Lehre von der Bewegung der Lebensgeifter durch das Gehirn. An Stelle diefer hatte ſchon Gliſſon eine der „Baer“ innewoh- nende bejondere Eigenthümlichkeit gefett und war zum erftenmale mit ber „Irritabilität" hervorgetreten, welche allmählich unter den Händen Fr. Hoffmann’s, Gorter's und fpäter Haller's zur Grundlage eines phy- ſiologiſchen, durch den in ihm berrfchenden Dynamismus bie weiteren Foriſchritte nicht ſehr unterftügenden Syftems wurde. Die Anatomie des Menfchen erfuhr in Deutjchland nur wenig Förderung, da gerade in ver hier vorliegenden Zeit die Zergliederung von Leichen nur felten und fchwierig zu erreichen war. Doch war das Eompenbium des als Chirurgen jo befannten Lorenz Heifter erſchien zuerft 1717) mit dem Handbuche Winslow's, welcher unter günftigeren Berhältniffen Anato- mie in Paris lehrte, ein halbes Jahrhundert lang in Anfehen. Blühen- der war ber Zuftand ber Anatomie in Italien, wo Balfalva, Santo- rini und Morgagni arbeiteten, und in Holland, befonders Leyden, wo Bernhard Siegfried Albinus nicht bloß die Zerglieverungen immer regelmäßiger und zahlreicher vornahm, fondern auch die anatomifchen Abbildungen zu Lünftlerifchen Aufgaben erhob. Im Bezug auf Ent- widelungsgejchichte hatte der ältere (Walther) Needham in feiner Schrift de formato foetu ſchon auf die Punkte Hingewiefen, welche bei einer Bergleichung des Vogeleies mit dem Ei der Säugethiere in Be- rüdfichtigung zu nehmen find. — Iſt auch das erfte Drittel des acht- zehnten Jahrhunderts durch feine umgeftaltende Entvedung auf dem Gebiete der Anatomie ausgezeichnet, fo wurben doch durch zahlreiche | Arbeiten vor Allem die Entvedungen Harvey’s immer ficherer beftä- tigt und verwerthet und an der Hand pofitiver Thatfachen ein Vorur⸗ * theil nach dem andern abgeſtreift. Auch die Anatomie der Thiere, welche hundert und fünfzig Jahre früher auf Anregung der menſchlichen Anatomie neue Leiſtungen hatte entftehen ſehen, blieb nicht bei dem bisher Errungenen ftehen. Den Schritten Perrault's folgte Michael Sarrafin, welder in Nord- Amerika verſchiedene Säugethiere zergliederte, Biber, Bielfraß, Orignal — Die Zeit von Kay Si Men | | — 451 u. a. und bie Berichte darüber der Barifer Akademie überfandte. Eh . ward Tyfon gab (1699) die erfte Anatomie eines menfchenähnlichen Affen, des Chimpanfe, mit "guten Abbildungen fir die Londoner Ge- jellichaft der Wiffenjchaften heraus, ebenjo die Anatomie eines Beutel- tbieves und eines Delphine. James Douglas und der befannte Chirurg Garengeot verglichen faft gleichzeitig die Muskulatur des Hundes mit der des Menjchen (1707). Batrid Blair ſchilderte pas Kuochengerüft des Elefanten (1710); fein Landsmann Cheſelden jtellte mehrere Säugethierjfelete dar (1733). Auch der ältere Iuj- ſieu ‚bejchrieb Knochen, jo z. B. den Hippopotamusſchädel. Schon vorher hatten unter Einfluß der neuen Richtung Charras die Unter- juchungen über die Viper (1668), Yorenzini die über Torpedo (1678) veröffentlicht. Dliger Jacobaeus verfolgte die Entwide- lung des Froſches aus dem Ei durch den Larvenzuftand bis zur ent- widelten Form und erläuterte den Bau der Salamander und bes Flei- nen Draco (1686). VBallisnieri gab eine ausführliche Anatomie des Chamaeleon (1715) und zahlreiche Beobachtungen über die Ent- widelung von Injecten. Für die Gefchichte ver Phyfiologie ift er (ge- jtorben 1730) durch die hauptjächlich durch ihn erfolgte Gründung ver Einjchachtelungstheorie betreffs der Beantwortung der Frage nach dem Weſen der Zeugung von Bedeutung geworben. Auch hat er zum all- gemeineven Bekanntwerden mancher merkwürdigen Form, wiez.B. der Pipa aus Surinam beigetragen ?”). Einer befondern Erwähnung ift auch die Arbeit Dufay’s über die Salamander werth, worin er deren Berwandlungsgejchichte barjtellte. Endlich erjchien 1744 das — erſte neuere Handbuch der vergleichenden Anatomie von Alerander Monro (dem Bater, 1697 bis 1767), welches zwar ſelbſtverſtänd⸗ lich durchaus nicht volfftändig ift, aber doch zeigt, wie das Bedürfniß nach allgemeinen litterariichen Hülfsmitteln fich geltend zu machen be⸗ gamm. Auch ift noch zu bemerken, daß das Seelenleben der Thiere eine 27) Die Pipa war zuerft duch Marie Sibylle Merian gemauer be fannt worben (1705) ; Später fand fie duch Lenin Vineent eine ausführliche Beichreibung. 29* Er ER — zumächft verwalten eafuifiee Behanktung er⸗ fuhr durch H. Rovarius?). i; | Im einer viel nachhaltigeren Weife als fruher machten jeit auch ne Bern ai fremden Ländern ihren Einfluß auf die betref⸗ jenden Elaffen geltend. Wenn ſchon die Arbeiten der Pifo, Markgrav, Bontins u. A. immer ihre Bedeutung behielten, fo erfuhren fie doch durch neuere Reifen theils mannichfache Beftätigungen, vor Allem aber beträchtliche Erweiterungen. Zudem bildeten fich in Folge beque- merer Eonfervationsmethoden allmählich größere Sammlungen eroti- ſcher Naturerzengniffe, von denen nur an die berühmten Diufeen von Rumpb und Seba erinnert werden mag, welche durch ihren Neich- thum vorzüglich an füdafiatifchen Gegenftänden geradezu Quellen für die naturgefchichtliche Kenntnig Oftindiens wurden. Bedeutend war — auch die Sammlung des Londoner Droguenhändlers James Peti— ver, welcher durch die veröffentlichten „Abbildungen von Wafferthie- ren von Amboina* (1713) befannt worden ift. Der vorliegenden Zeit gehört auch Engelbert Kämpfer an, welcher zum erftenmale vie : x Naturgefchichte Iapans den Europäern erfchloß, wenn ſchon fich die Reſultate feiner Reife vorzüglich für Botanik wertvoll zeigen, Im diefe Zeit fällt ferner die Heransgabe der Naturgefchichte Aegyptens von Brosper Alpin (1735), deren bereits oben Erwähnung geſchah. Diefem ſchließen fich die Reifen nach dem Orient und Nordafrika von Tournefort (1717) und Shaw (1738) und nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung von Kolbe (1719) an. Neue Thierarten aus Amerika lehrten John Bridel, Pierre Barrere und vorzüglich Markt Eatesby kennen, ebenfo die Reifen Yabat’s nach Weft- Indien und Feuillée's nah Süd-Amerifa, befonders auh Hans Stoane'$ Reife nah Madeira, Jamaica u. f. f. Die Figuren Ca— tesby's find nicht bloß jorgfältig und durchaus wiebererfennbar , ſon⸗ ‚dern auch von einem, gegen früher jehr vortheilhaft ſich auszeichnenden Eolorit. Ein intereffantes und noch wenig durchforjchtes fauniſtiſches 28) H. Rovarius, Quod animalia bruta ratione saepe utantur melius homine libriduo. Helmstad. 1728. nämlich die Donau mit ihren Nebenflüffen bis zur Mündung ing Die —— bis Klein 453 = ‚Gebiet machte ber Graf Luigi Ferdinando be Marſigli (1658—1730), ‚welcher von dev öfterreichiichen Regierung mit Befeftigungsarbeiten in Ungarn beauftragt war, zum Gegenftande feiner Unterfuchungen, ſchwarze Meer. Als er nach der Uebergabe der Feftung Breifach aus dem Militärdienſt entlaffen worden war, gieng er nach Marfeille, fammelte von dort aus die Materialien zu feinem Werke über die Na— turgefchichte des Meeres, veformirte dann, nach Bologna gefommen, die dortige Akademie (1712) und gieng nun an die Bearbeitung feines Werkes über die Donau. Im vierten und fünften Bande ver 1726 erichienenen Schilderung des Stromes find die Fijche und die Vögel ent- halten, welche in und an der Donau vorkommen. Das bei Aufzählung der Bögel befolgte Syſtem ift völlig das Willughby-Rayhſche; die Fische theilt er jedoch felbftändig nach dem Vorkommen in Flußfiſche, in folche, welche aus dem Meere in die Flüffe kommen (hierher nur die Störarten: Huso mit mehreren Formen, Antaceus, Sturio mit meh: reren Formen), in Sumpffifche, in Fifche, welche ſowohl in Sümpfen als in Flüffen leben, und endlich in Feljenfiiche (Saxatiles), welche fteinige Gebirgsflüfje lieben. Innerhalb diefer Gruppen theilt Mar— ſigli dann weiter meift nach der Befchaffenheit der Haut, nur bei der vierten Gruppe, welche die meiften Karpfenartigen (andere kommen im . | der dritten vor) und den Hecht enthält, nach dem VBorhandenfein oder - Fehlen von Stacheln in ven Floffen. Die Störe harakterifirter rich- tig als Knorpeffiiche den andern Gräten- oder Knochenfiſchen gegen: ‚über. Die in Kupfer geftochenen Abbildungen find ſehr ſchön, die ab- gebilveten Arten fofort wieder erkennbar. Marſigli's Schilderungen find mit 9. L. Cyſat's Beichreibungen der fchweizerifchen Fiſche (in wirbellofen Thieren hat Marfiglt nur ein paar Krebfe und einige wer nige Schalthiere abgebilvet. Ein Ueberblick über die Arbeiten, welche einzelnen Claſſen gewid— met find, ergibt, daß man jet nachzuholen begann, was man bisher zu thun fich nur in einzelnen Fällen entjehlofjen hatte, fich mehrfeitig feiner Befchreibung des Lucerner Sees, 1661) die wichtigften Beiträge zur Kenntniß der mittelenropäifchen Fifchwelt aus jenen Zeiten. Von eingehend mit ben wirbelloſen Thieren zu beſchaftigen. Swammerdam md Malpighi Hatten gezeigt, wie viel Arbeit noch der dorſcher war- tete; ſchon Lifter und Vallisnieri Hatten den von jenen angebeuteten Pfad rühmlichft betreten. Bon Feiftungen über höhere Thiere kann aufer den eben erwähnten anatomifchen Arbeiten und ven Neifen nur noch auf das mehr compilaterifche, aber doch verbienftfiche ilonographiſche Wert von Eleazar Albin über die Bögel (1731—38), welches fich in Bezug auf Syſtematik ganz an Willughby - Raty anlehnt, aber vor früheren Werten durch die Eolorirung der Abbildungen einen zient- lichen Borzug voraus hat, fowie auf das gleichfalls durch Abbildungen erläuterte Werk des Grafen Zinanni über die Eier und Nefter ver - Vögel hingewieſen werden, welches eine Eintheilung der Vögel nach den Eintrüden enthält, die fie in unferen Sinnen erregen (Venedig 1737). In Bezug auf die Fiſche hat der Leipziger Joh. Ernft Hebenftreit im einem beim Antritte ver Profeffur ver Phyfiologie gefchriebenen Pro- gramme (1733) „die Äußeren Organe* gefchildert und darin in einer echt verftändigen Weife auf die Gruppen aufmerffam gemacht, welche ſich bei Berüdfichtigung jener als Eintheilungsgründe ergeben. Dage⸗ gen gehören dem kurzen hier befprochenen Zeitraume mehrere der wich. tigften Werke über einzelne Elaffen wirbellofer Thiere an. Es muß hier bemerkt werben, daß hier wie bei den zwei vorausgehenden Perioden ‚ eine ſcharfe Begrenzung derſelben durch eine beſtimmte Jahrzahl nicht thunlich iſt; 1740 mag als ungefähres Ende angenommen werden. Eines der intereffanteften Werte ift wegen ver allgemeinen Einleitung fowie wegen des Beweggrundes zu feiner Abfaffung die „neue und leichte Methode die Meeresſchalthiere in ihre Claſſen, Genera und. Species zu vertheilen* von Karl Nik. Yang, einem Arzte und Ratheheren von Luzern. Lang Hatte ſchon vorher die Gefchichte ver „Sigurenfteine“ der Schweiz d. h. der Berfteinerumgen gefchrieben, von welcher bald noch zu fprechen fein wird, und arbeitete feine Schal- thiermethode, wie er jowohl auf dem Titel als in der Einleitung (S. II) erklärt, beſonders in der Abficht aus, die Unterfcheidung und Beitimmung der verfteinerten Meeresichalthiere zu erleichtern. Es wird aljo hier bewußt ausgefprochen, daß bei der Betrachtung von Ver⸗ ug Die Zeitvon Rybseen 45. ſteinerungen biefelbe naturgefchichtliche Methode anzuwenden ift, wie bei lebenden Naturgegenftänden. Die Einleitung ſchildert die all- - gemeine Natur der Schalthiere, ihre Fortpflanzung duch Eier, für deren Annahme befonders der Nachweis ver Schnedeneier durch den - Abbate Antonio Felice Marfilli (1683) einen neuen feften Halt gegeben hatte, und ihr Wachsthum. Bezeichnend iſt es für die Exfaf- fung der Aufgabe in jener Zeit, daß der Verfaffer die Art der Be- nusung feiner Methode, d. h. die Kunft eine noch unbefannte Form von Schalthieren zu „beitimmen“, kurz auseinanderjegt. Es erhält biefer Umſtand eine befondere Bedeutung, wenn man erwägt, daß es dent Berfaffer dabei um Anhaltepunfte zur Beſtimmung der fofjilen Formen zu thun war. Zu biefem Zwecke befinirt er nun, was man unter Claffe, Gattung und Species zu verftehen habe. Bei der Spe- cies fehlt der von Ray eingeführte Hinweis auf die gleichartige Fort: pflanzung und wird nur auf die Verſchiedenheit in gewiffen Acciventien Werth gelegt, welche als folche auch ven Species anderer Elaffen eigen jein können, welche aber beim Borhandenjein der charakteriftiichen Gattungsmerkmale die zu einem folchen Genus gehörenden Arten aus- einander halten. Während unter ver Gattung eine Anzahl von Arten verftanden wird, welche in einem chavakteriftiichen Merkmal (nota) übereinftimmen, nennt Yang eine Anzahl in ähnlicher Weife überein- jtimmenber Gattungen eine Clafje, vereinigt mehrere Claffen zueiner Ordnung ober einem Theile und nennt die geſammten Schalthiere eine Familie. Man fieht, die damals freilich noch nicht überall gleich be— nutzten Ausprüde Familie, Ordnung, Claſſe werben hier gerade in umgefehrter Reihenfolge verwandt. Dbgleich Yang bei ver Aufzählung der Arten ausbrüdlich von den Barbenunterjchieden abjehen zu müffen erklärt, weil dadurch die Zahl der Arten zu groß und der Umfang der Arbeit zu bedeutend anwachjen würde, jo gibt er doch ein alphabe- tijches Verzeichniß der Farben, damit dem Bedürfniß nach einer über- einſtimmenden wiffenfchaftlichen Terminologie Ausprud gebend, aber ohne Definition der Namen, welche Charleton hinzugefügt hatte. Sein Syſtem ift faft dafjelbe wie das Liſter's; doch nimmt er mit Major eingehender auf die Windungsart Rückſicht. Dabei legt er indeſſen auf N — RR * ER ln ER a Si — a N — —— iz h n) Be era de Oypemai. "pas Grfeben ber Windungsfpirale zu viel Gewicht und heit; j B. bie Porzellanjchnede mit dev Napfichnede in diefelbe Gruppe, während er Stromben, Murex u. a. zur zweiten Gruppe rechnet. Das Liſter ſche Syſtem wurde auch häufig bei Ordnung größerer Mollustenfanmmlungen zu Grunde gelegt, fo 3. B. von dem Breslauer Arzt 3. Ch. Kund- mann. Ziemlich felbftändig verfuchte der vorhin erwähnte Joh. Ernjt Hebenftreit die Schalthiere methobifch zu ordnen. Zumächit theilte er diefelben in einfchalige und in zweifchafige, bei leßteren dann die VBerbindungsweije ver beiden Mufchelhälften als weiteren Einthei- (ungsgrund benugend. Bon den einfchaligen Gehäufen fcheidet er zu⸗ - nächft die mit unregelmäßiger Schalenbildung aus, wie bie Lepaben, - Balanen und Wurmröhren. Die regelmäßigen theilt er dann ein in jolche mit Spiralwindung und in foldhe ohne Windung ; dabei bleibt er aber nicht conſequent oder unterfucht vielmehr nicht genau genug; denn zu den windungslojen rechnet er neben Dentalium und den Napf- jchneden auch die Borzellanfchneden und Bulla. Immerhin ift aber bei einem nur auf die Schalen gegründeten Syftem Manches von Heben- ftreit hervorgehoben worden, was fpäter wieder einzeln benutzt wurde, . Einen weitern Fortfchritt bezeichnet die Anordnung, welcheder Danziger Arzt, Joh. Phil. Breyn den Schalthieren gab. Es war biefer Mann der jüngfte Sohn des als Botaniker befannten Yatob Breyn (1637— 1685), welcher zwar urfprünglich nicht dem Gelehrtenftande angehörig doch einen ſolchen Ruf erlangte, daß ihm die botanifche Pro— feffur in Leyden angetragen wurde. Der vorzüglich als Zoolog und Paläontolog bekannte jüngere Breyn wurde 1680 in Danzig geboren, war mit Klein einer der Stifter der dortigen naturforfchenden Geſell⸗ ſchaft, im Uebrigen als Arzt in feiner Vaterftadt thätig und ftarb 1764, auch von auswärts jehr anerkannt (er war z. B. Mitglied der Royal Society). Das von ihm entworfene Schalthierfyften hat er feiner Abhandlung über die von ihm nen aufgeftellte Claſſe ver Poly- thalamien vorausgeſchickt (1732), mit richtiger Erfenntnif darauf hin- weijend, daß jene fofftlen Schalthiere (Ammoniten, Lituiten, Orthocera- titen) nur in fuftematifcher Verbindung mit lebenden Formen richtig "beurteilt werden fünnen. Es ift dies der erfte Verfuch, foffile For: | Die Zeit von ap is Mc. | Se Be ‚men geradezu in das oologifee Syſtem mit einzuveihen. Einen Fehler hat indeſſen Breyn mit allen feinen Vorgängern und ſelbſt mit einem großen Theile feiner Nachfolger gemein, daß er namlich nur die Scha- fen berückſichtigt, daher auch Meereicheln,, Entenmufcheln und Seeigel mit aufzählt. Auch Breyn ſchickt einige terminologische Bemerkungen voraus: unter röhriger Schale verjteht er eine folche, welche mehr oder weniger röhrenförmig ausgezogen ift, unter gefüß- oder becherfürmiger (testa vasculosa) eine Schale, welche nur eine einfache, verjchieden tiefe Aushöhlung darbietet (wie die Napfichneden). Einkammerig find nach ihm die Schalen, deren Hohlraum ganz und ungetheilt, ‚daher auch volljtändig vom Thiere ausgefüllt ift, mehrkammerig (polythalam) diejenigen, welche durch Querſcheidewände in mehrere hintereinander: liegende und durch eine Röhre mit einander in Verbindung ſtehende Abtheilungen getrennt find, von denen das Thier nur die vorderfte bes wohnt. Im Gegenfaß zu diefem Unterjchiede trennt er noch einfache von zufammengejetsten Schalen, je nachdem fie aus einem oder mehre⸗ ren Stüden beftehen (Balanen, Entenmufcheln). Nach diefen Bor« bemerfungen, welche nicht in dieſer Ausführlichkeit mitgetheilt worden wären, wenn fich nicht durch die Präcifion in der Definition der in dem Syſteme verwendeten Ausdrücke eine große Sicherheit in der Be— urtheilung der Formen ausfpräche, welche bisher nur felten vorkam, daher befonders anerfennend hervorgehoben werden mußte, zerfallen num = bei Breyn die Schalthiere in acht „Elafjen“: Röhren (Dentalium, Belemniten); Cochlidien, d. h. röhrige einfammerige, conifche, ſpiral⸗ gewundene Schalen (Argonauta und ſämmtliche Schnedenfchalen mit Haliotis, Buccinum und ven Borcellanfchneden) ; Polythalamien, d. h. röhrige, viellammerige, conifche, gerade oder fpiralgewundene mit einem die Kammern verbindenden Sipho verjehene Schalen (die oben er: wähnten brei foffilen Formen); Napfjchneden nach obiger Bejtimmung (leider benutzt hier Breyn den Ausdruck Lepas für Patella); Concden, die zweifchaligen Mufcheln, deren jede einzelne napf- oder becherförmig und einfach ift; Conchoiden, d. h. zweifchalige aber mit noch mehr klei—⸗ nen Schalenftücchen verjehene Mufcheln (Pholaden und Entenmu- ichein); Balanen (Meereicheln), d. h. zufammengejegte, mehrtheilige Schalen; und endlich die Seeigel, Echinen, zuſammengeſetzte bis auf zwei größere Deffnungen ringsum gefchloffene, mit beweglichen Sta- cheln verjehene Schalen. Es ift jedenfalls dies Syſtem ein ſolches, wie 08 ohne Kenntnig und VBerüdjichtigung des Thieres umd feines Baues, fowie nur mit künftliher Benugung der Schalen faum voll: ‚ftändiger und abgerundeter aufgeftellt werben konnte. Es mag hier noch angeführt werben, daß Giovanni Bianchi (Janus Plancus) verfuchte, Schalen lebender Thiere zu finden, welche den Ammonshör- nern in ihrer Bildung entfprächen. Er ſchilderte einige analoge, aber mitroſtopiſche Schalen in feiner 1739 erfchienenen Schrift „über weniger befannte Mufcheln“. Hiermit wurden die Rhizopodenformen entvedt, welche man, feitvem Solbani ohne das Thier zu kennen den Breyn- fchen Namen auf fie übertragen hat, bis heute Polythalamien nennt. BEER Auch für die Gefchichte ver Infecten war das erfte Drittel des aachtzehnten Jahrhunderts reich an beveutenben Leiftungen. Zumächft muß bier das befonders als ifonographiiche Darftellung zu rühmenve Werl der bereits genannten Marie Sibylle Merian erwähnt werben. Tochter eines tüchtigen Zeichners und Kupferftechers wurde auch fie Künftlerin. Sie war 1647 in Bafel geboren, heirathete 1665 den Maler I. Audr. Graff in Nürnberg, trennte fich aber nach zwan- ziglähriger Ehe von ihm (ihr exftes Werk erjchien noch unter dem Na- men M. S. Gräfin), gieng dann, von dem Anblid der Sammlung des Bürgermeifters Witfen in Anfterdam 2°) begeiftert auf fünf Jahre 1696 — 1701 nad Surinam, um dort die Infectenwelt zu ftudiren und ftarb 1717. Die Unterfuchungen vet Merian (welchen Namen fie nach ihrer Scheidung wieder führte) über die einheimischen Infecten, befonders Schmetterlinge und Fliegen (Der Raupen wunderbare Ber- wanblung und fonderbare Blumennahrung, 1679 und 80) zeichnen fich durch ungemeine Sauberkeit und Feinheit ver Zeichnung aus. Als Refultat ihres ſüdamerikaniſchen Aufenthaltes erjchien das Prachtwert 29) Das Mufceltabinet Witfen’s laufte Mein für feine Sammlung; beffen ganzes Naturalienlabinet lam 1740 an ben rs von VE NEE bad) nad) Bayreuth. ee | Die Zeit von Ray bis Mein. — 459 über die dortigen Schmetterlinge, in welchem indeſſen auch andere In— fecten (3. B. der Yaternenträger) ebenfo wie Thiere aus andern Elaf- fen, Kröten, Eidechſen, Schlangen u. ſ. f. befchrieben und abgebilvet wurden. Als Sammlungen von Darftellungen aus der Lebensgefchichte ver Infecten find ferner hervorzuheben die Abbildungen des bereits er- wähnten Eleazar Albin über englifche Infecten,, das Heinere Werf des Holländers Stephan Blankaart über die Verwandlungen einer Anzahl von Infecten aus verjchiedenen Ordnungen und befonders bie „Beichreibung won alferley Imfecten in Teutſchland“ von dem Rector des Gymmnaſiums zum grauen Klofter in Berlin, Joh. Leon— hard Friſch (1666—1743). Der in weiteren Kreifen befonders als deutſcher und franzöfifcher Yeritograph bekannte Mann war in Sul: bach geboren, war eine Zeit lang in Neufohl in Ungarn Lehrer, machte dann mehrere Jahre hindurch Reifen durch die Schweiz, Italien, Frankreich und Holland, und wurde am genannten Gymnaſium Leh— ver, endlich deſſen Nector, wie er auch Mitglied und zuletzt Director ber hiftorifchen Abtheilung der Berliner Akademie wurde. Wie er mehr als Dilettant feinem Gegenftande gegenübertrat, jo kam es ihm we- niger anf ſyſtematiſche Folgerichtigkeit als auf zuverläſſige Beobadh- tungen am; wo er fich geirrt hatte, wie ihm dies Breyn in Bezug auf die Schilblaus vorwirft, da erfennt er es unummunden im Intereſſe der Wahrheit an; er Hat durch _eine große Zahl eingehender Schilderungen nicht wenig zur Kenntniß der Lebens- und Verwand⸗ (ungsgefchichte ver Infecten beigetragen. Sein genanntes Werk, wel- ches in dreizehn Theilen von 1720—1738 in Berlin erfchien, hat ſogar zum Theil eine zweite Auflage erfahren, was entfchieden für die Ber ⸗ breitung des Intereffes an verartigen Arbeiten fpricht. Weitaus der bedeutendſte unter ven Entomologen jener Zeit war aber Reaumur. _ Rene Ant. Ferchauld, Seigneur de Reaumur, des Alpes et de la Ber- mondiere, war 1683 in La Rochelle geboren, fam 1703 nach Paris, wo er ſchon mit fünfundzwanzig Jahren in die Akademie der Wifjen- ichaften aufgenommen wurde, und ftarb 1757. Er gründete ein na- turgefchichtliches Mufeum, was infofern von Bedeutung wurde, als der Pflanzengarten damals kaum mehr als die Anfänge einer zoolo⸗ 4 len Eunniang bi —— nach ſeinem NR ; ftitut Kam. Obfehon er eigentlich Mathematiker und Phyſiler war, ber ſchaäſtigte er fich doch faft mit allen Zweigen der Naturwiſſenſchaften, beſonders mit zoologifchen Unterfuchungen. Sind auch einzelne Arbei- tem von ihm über Brütverjuche mit Vogeleiern , über den Zitterrochen m a. vorhanden, fo ift doch das bebeutendfte, was er in biefer Wiffen- ſchaft geleiftet Hat, die große Reihe von Beobachtungen über vie Le⸗ bensogeſchichte der Inſecten. Sie erſchienen als „Abhandlungen zur - Naturgejchichte der Imfecten“ im fechs Bänden von 1734 — 1742. Seine Arbeiten, welche nicht ftreng nach einer fyftematifchen Orbnung, Am Allgemeinen aber wohl nach gewiffen natürlichen Gruppen zuſam⸗ wmiengeſtellt find, zeichnen fich durch eine fo gebuldige Ausdauer und ſcharfſinnige Beobahtung aus, daß fie geradezu als Mufter für ähn- fiche Unterfuchungen auzufehen find. Aus dem umfangreichen Werke einen Auszug zu geben, wäre nur in einer ganz fpeciellen Darftellung der Geſchichte ver Entomologie möglih. Seine Unterfuchungen be- ziehen fich nicht bloß auf die eigentliche Berwandlungsgefchichte und vie Lebensart ber einzelnen Stände, ſondern auf die ganze Yebensweife. Es finden fich daher überall werthvolle Mittheilungen 3. B. über das gejellige Leben der focialen Arten, über die Pflanzen auf denen vie In- fecten leben, über ihre Feinde u. vergl. mehr. Ein einziges Beifpiel wird genügen, um den auferorbentlichen Fortſchritt erfennen zu laffen, welcher feit dem legten Viertel des fiebzehnten Jahrhunderts eingetre- ten war. Zu jener Zeit hatte Andreas Picus, Pfarrer zu Byhol- ftein in Württemberg „Ein Büchlein oder Tractätlein Bon den Bienen“ herausgegeben (Erfurt 1677), worin er unter Andern fagt, daß es Männlein und Weiblein unter ven Bienen nicht gebe; doch werben fie in brei Haufen getheilt: Könige, welche in den großen Löchlein geboren werben, Immen, welche Wachs eintragen , woraus fie Wefel und Ho- nig machen, und Thränen (fuci), welche „von ihnen ſelbſt“ und nicht, wie etliche meinen, von den Immen erzeugt werben und ihre frembe Brut in die Löchlein legen. Reaumur bediente fich zur Beobachtung zuerjt gläferner Wände bei feinen Stöden, durch welche er die Bienen arbeiten ſah. Er conftatirte dabei, daß die früher meift König genannte Die Zar ben Rap Bis Mein a - Biene das einzige Weibchen im Stode fei, wobei die Arbeiterbienen nur unfruchtbar bleibende Weibchen, die ſogenannten Fuci die Männ- chen jeien. Um eine Arbeiterbiene zur Königin zu erziehen bedarf fie während ihres Yarvenlebens, welches fie in einer größeren Zelle durch- läuft, einer veichlicheren und ganz befonders vorbereiteten Nahrung. Es Hatte freilich fchon Swammerdam die wahre Natur der drei Bie- . nenformen durch die Zerglieverung nachgewiejen ; feine Beobachtungen über den Haushalt der Bienen wurden aber durch Reaumur bedeutend Bon den Würmern wurden einzelne Formen, wie aus dem Mit- getheilten hervorgeht, zu den Schalthieren gerechnet; die in Röhren eingejchloffen lebenden Serpulen wurden als Binfelchen bejchrieben und abgebildet. Andere Meerwürmer finven fich wenigftens bei ven Berjuchen, die Thiere nach ihrer Achnlichkeit und Verwandtſchaft zu orbnen, nicht erwähnt; und eine Bergleichung der Egelwürmer mit den Blutegeln, wie fie Ray eingeführt hatte, blieb völlig vereinzelt. Was dagegen die Eingeweidewürmer betrifft, jo wurde das JIntereſſe an ihnen ſchon durch die praltiſch medicinische Bedentung ihrer Wir- kungen auf den menjchlichen Körper bejtändig vege gehalten. Außer: dem boten fie ein Feld dar, auf welchen man hoffen konnte, ven Kampf . - für und wider die Urzengung endlich zur Entjcheidung gebracht zu jehen. Die allgemeine, befonders unter den Aerzten verbreitete Annahme in der zweiten Hälfte des fiebzehnten Jahrhunderts gieng dahin, daß bie - | - Eingeweidewürmer aus dem Schleim in den erften Wegen ihren Ur ſprung nehmen. Aus der großen Zahl der über diefe Thiere erjchiene- nen Differtationen, über welche natürlich auch die bedeutenderen Leh— rer, wie Fr. Hoffmann, Michael Alderti u. A. ihre Anficht äußern mußten, braucht beifpielsweife nur auf eine hingewiefen zu werben. Es fest der Profeffor in Jena, Joh. Theod. Schent auseinander, wie die causa efficiens der Würmer nicht bloß die äußere Wärme fein | : } | E iare: es ſei dazu noch eine der Entwidelung und der Befruchtung durch eine dem Samen wenigjtens analoge Subftanz fühige Materie nöthig; die materielle Urfache (man fieht, es fpielen noch immer die ſcholaſtiſchen Diftinctionen fort) fer der Schleim, welchen die Milch» EIER { > “ i - ca m —2 — — En f TE Pr Pe > 5 N ’ Br 2 . * a7 P ö ⸗ 8 * * — — E . R 3 —— * * — r 5 x N j 3 | ” r aD F „ y * gefäße nicht gehörig auffangen konuten, worauf ſich daun feine plaſtiſche Kraft vegt (Diff. über die Würmer der Eingeweide, Jena, 1670). Und jelbft Redi, welcher doch im Uebrigen die Annahme einer Urzeu- - gung befämpfte, kam in Bezug auf die Eingeweidewürmer zu ber, frei- lich fpäter wieder von ihm felbft aufgegebenen Annahme, daß die Wür- mer in ben Därmen fich von ber jenfitiven Seele ihres Wirthes ihr 5 Keben fiehen. Man fand fi offenbar in einer nicht geringen Berlegen- heit. Der Bibel gemäß fand ja nach dem Sechstagewerk feine neue Erſchaffung ftatt; folglich mußte Adam ſchon feine Würmer Haben. Bor dem Sünbenfalle ift aber eine foldhe Plage undenkbar; man nahm alfo an, die Würmer benahmen ſich damals wegen der leichteren und nicht befchwerenden Nahrung ruhig und verurfachten Feine krankhaften Erſcheinungen. Auf die Frau können die Würmer durch die Rippe, aus welcher fie erjchaffen wurde und in deren Nähe ja der Bruſt⸗ lymphgang fich findet, leicht vom Manne aus übertragen worden jein. Es waren aljo die Würmer wie alle übrigen Thierarten von Anfang vorhanden ; ihre Keime wurden dann auf räthielhafte, wenigftens kaum direct nachweisbare Weije übertragen. So ſetzt Ballisnieri die Sache auseinanter. Nicolas Andry läft die Keime überall, in der Luft und dem Waſſer, zerftreut fein (1700). Daniel Elericus;, ber Anſicht Ballisniert's nicht ganz abgemeigt, ift vorfichtig und erklärt, nicht von dem Geftändnif bedrückt zu werden, daß man hier eigentlich noch nichts wiffe. Im Bezug auf die Kenntnif der einzelnen Formen war man auch nur laugfam vorgejchritten. Edward Tyſon, wel her ven Bandwurmkopf mit dem Halenkranz jchildert und abbilvet, äußert bereits die Vermuthung, daß die Hydatiden eine Species von Würmern oder unvolllommenen Thieren feien und bildet eine aus- gejtülpte Eyfte mit dem Thiere ab. Die gegenjeitigen Beziehungen ver einzelnen Formen waren aber, trogdem daß Vallisnieri die Genera- tionsorgane der größeren Rundwürmer bejchrieben hatte, nicht Har geworden. Bei Elericus?) werben unterjchieven Taenia und Bo- 30) Historia naturalis et medica latorum lumbricorum. Genevae, 1715. Nic. Andry, De la generation des vers, Paris 1700, neue Aufl. 1714. Edw. Tyson, in: Philos. Transact. Vol. 16. Nr. 193. p. 506. Dießeikwon lan bien. — — 463 thriocephalus, der Spulwinm, die Ascariden, der Guineawurm ; die— ſem ift die Chica, der Pulex penetrans, als ähnliche Symptome her⸗ vorrufend, aber ohne nähere Schilderung des Thieres angehängt. Außerdem kamen noch Syronen, Zahnwürmer u. a., ausdrücklich als fabelhaft bezeichnete Formen zur Beſprechung. Wie bei ven Mollusken der Wunſch, die foſſilen Formen ſicherer beſtimmen zu können, zu einer Umgeſtaltung der bisherigen Anordnung führte, jo war das Bekanntwerden einer größeren Zahl foffiler See- igel auch die nächjte Veranlaſſung, daß die lebenden Formen dieſer Gruppe gleichfalls einer beftimmten Claffification unterworfen wurden, und zivar, wie hier wiederum hervorzuheben ift, in Vereinigung mit ben foffilen. Für die letteren Arten hatten jowohl Morton in fei« ner Naturgefchichte von Northamptonihire ale Wood ward in fei- nem Gataloge englifcher Foffilen einen Bertheilungsplan angegeben. Lebende und foffile berücfichtigte dann der oben genannte Breyn, welcher bei der ihm übertragenen Ordnung der Echinen des Klein’jchen Mufenms Formen beiverlei Art vor fich hatte. Bon einer Auffaffung diefer Thiere als ftrahlig gebauter war noch nicht die Rebe; daß ber ganze Körper einen wejentlich verſchiedenen Habitus von allen übrigen Schalthieren darbot, fiel nicht auf. Doch hatte Reaum ur die zwijchen den Stacheln vorhandenen Füßchen, welche er jehr treffend mit den rüdziehbaren Fühlhörnern der Schneden vergleicht, bejchrieben und fie als Bewegungs- oder vielmehr Haftorgane erkannt. Dadurch war bie Anficht Gandolphe's, daß die Seeigel fich ihrer Stacheln als Bewe- gungswerkzeuge bedienen, widerlegt. Wie die beiden genannten Eng- Kinder charakterifirt auch Breyn (1732) die Gattungen der Seeigel hauptfächlich nach der Lage der beiven ven Mund und After darftellen- - den Oeffnungen (Weichtheile werden nicht bejchrieben), in zweiter Linie nach der Form, dem Gewölbtjein oder ver Plattheit ver Schale, ber Beichaffenheit ihres Randes u. ſ. f. — Wie die Seeigel fo wer- den jet auch die Seefterne zum erftenmal aufmerkſamer beobachtet und als ſelbſtändige Gruppe monographiſch bearbeitet. Nach den früheren, bei mehreren der Eucyklopädiker einzeln vorkommenden Schilderungen tt zuerft Edward Lhwiyd (Luidins, welchem zu Ehren noch heut⸗ 2 J— —— y » * ee a ee | * ip BETTEN te ae" * * EL: R sh " « = Ya — Ms use = : * wi ar * — — De Br u — — > —— F 464 Periode ber Spfltemati. Ä ; i 7 .- — * " qutage- eine; Geefterngattung Luidia heißt) ‘in feinem Litfopyfarin (1699) die Aufmerkfamleit wieder auf die Seefterne gelenkt, auch einen 1703 in Orford gehaltenen Bortrag an Breyn gefchidt. Ebenfo - hatte Barrelier bei der Schilderung der ſüdweſteuropäiſchen Pflanzen unter Anderem auch Seefterne bejchrieben. Reaumur war durch De- obachtung der Ortsbewegung bei den Seefternen gleichfalls auf den Nachweis der Füßchen gelommen, welches jowohl Lhwyd als Kade beftätigten, leterer unter Hinweis auf den Zuſammenhang ber Bläs- chen (Ampullen) mit den Füßchen. Kade überließ dem Leipziger Apo- theter Lind eine anatomifche Beſchreibung eines Holfteinifchen See- ſierns (wahrjcheinlich Asteracanthion rubens, doch hat er bie After: Öffnung überfehen). Joh. Heinrich Lind (1674—1734) gab mın nach Unterfuchungen feiner eigenen wie mehrerer frember Sammlun⸗ gen ein durch vorzügliche Abbildungen ilfuftrirtes Wert heraus (1733), von welchem an die moderne Kenntniß der Elaffe datirt. Als Anhang drudte er fowohl den eben erwähnten Vortrag Lhwyd's, welchen ihm Breyn zu biefem Zwece überlaffen hatte, als auch Ueberſetzungen zweier Reaumur ſcher Abhandlungen aus den Memoiren ver Parifer Akademie (1710 und 1712), als endlich die Anatomie des Seefterns von Kade ab. Schon Yind theilte die Seefterne in zwei den heutigen Aterien und Ophiuren entjprechende Gruppen. Erftere nennt er „auf- gerigte Meerfterne” wegen ver Ambulacralfurche an ter unteren Fläche der Strahlen, lettere „rundftrahlige“, d. h. der Bauchfurche entbehrenve; der Ausdruck Ophiurus für die legteren rührt von Bar- relier her. Die weitere Eintheilung Linchs ift nicht glüdlich, da er bei den Afterien die Zahl der Strahlen zu Grunde legt und zwar eine Claſſe annimmt für Seefterne mit weniger als fünf Strahlen, eine für die fünfftrahligen und eine für Afterien mit mehr als fünf Strahlen. Die Ophiuren zerfallen in wurmförmige (mit runden ungetheilten Ar- men, Opbhiuren), in baarförmige (von deren Strahlen feitliche kurze Haaranhänge abgehen, Comatula und Pentacrinus, nur die beiden (ebenden Erinoiven) und „Sternugewäche* mit verzweigten Armen (Euryalen). »Sic et corallium, quo primum contigit auras Tempore Her ee en re x - a & + * Ray bis Mein... ee dureseit, mollis fuit herba sub undis« hatte Ovid von den Koralfen- ſtöcken gefagt’'). Diefe Anficht, daß die Koraclen im Waffer weich feien und nur am der Luft erhärten, wurde erjt gegen Ende des fieb- zehnten Jahrhunderts allmählich befeitigt. Da indeß biefe Gebilde meift nur in trodenem Zuftande in Sammlungen betrachtet wurden, hatte fich bei einigen Naturforichern, wie Boccone, die Anficht heraus- gebilvet, es feien die Koralfenftöde Concretionen anorganifcher Be- ſchaffenheit. Aber auch für die Erfenntniß diefer niedern, einen jelbftän-. digen Bormenkveis darjtellenden Thiere brach mit dem Erwachen neuer Beobachtungsluft eine nene Zeit an. Der oben genannte Graf Maär- ſigli hatte bei den Unterfuchungen zu feiner phyſikaliſchen Gefchichte des Meeres auch den Korallen eingehende Aufmerkfamkeit gewidmet. Im diefem Werke bejchreibt er die Evelkoralle und bilvet dieſelbe ganz leid— (ich ab und zwar nicht bloß den kalligen Stod, fondern auch den orga- nifchen -Ueberzug und fogar die in voller Ausdehnung der Tentafeln entwicfelten Polypen. Aber als wäre für die Einbildung der Menſchen der Schritt vom völlig Unbelebten zum Thiere auf einmal zu groß, ent- jchied er fich, troß der chemifchen Unterfuchung und den Fäulnißerſchei— nungen mit ihrem an faulende Fifche erinnernden Geruche, für bie pflanzliche Natur der Korallen, erklärte die Einzelthiere für Dlüthen, ven Nabrungsfaft, welchen er verjchieben und auspreſſen konnte, für Milchſaft und weift auf die gleiche Natur einer Anzahl verwandter Formen hin. Sein Werk erfchien italienijch 1711, franzöfiich 1725; doch hatte er ſchon vorher feine Entdeckung der Parifer Akademie mit- getheilt (weröffentlicht im Journal des Savans, 1707). Durch Mar- ſigli's Arbeit war denn ein wichtiges Moment für die Weiterentwide- (ung der Anfichten über diefe Thiere gegeben. Die Gefchichte diefer Entwidelung ſelbſt ift indeffen ein fprechender Beweis für das zähe Feſthalten, auch bei fonft tüchtigen Beobachtern, an überlieferten und durch etwelche Autoritäten unterftügten Meinungen. Kurz vor Marfigli Hatte Georg Everh. Rumph in feiner Amboinfhen Naritätenfam- mer von ben Bolypen als „Thieren, welche Pflanzen nachbilden“, aber 31) Metamorphos. IV, 749. B. Garud, Gef, d. Zool. 30 u a — — — —— ee ER re FERNER MR Ne ir: { ia ee *2— ae —— et x R —— — Se r * * en FT "= $ ei * a J J me im beilänfiger Art geſprochen, ohne jedoch damit irgend eine über- zeugende Wirkung auf feine Zeitgenoffen zu äußern. Shaw hatte - gleichfalls Polypen beobachtet und ſich bei Schilderung derſelben in feiner Reife (1738) im Allgemeinen der Anficht Marſigli's angefchlof- jen. Daffelbe that auch Reaumur, welcher bei ver Beichreibung . der Korallen als „fteinerner Pflanzen“ die Anficht Marſigli's zu ftügen und eine nene ihm mitgetheilte Erklärung ver Natur diefer Weſen zu widerlegen fuchte. Bean Antoine Peyſonnel hatte nämlich, zuerft 1723 an der Küfte der Provence, dann in den folgenden Jah ven an der Norblüfte von Afrika, Polypenftöde lebend unterfucht und, zwar anfangs Marfigli's Deutung folgend, doch bald die Ueberzeugung gewonnen, daß die Lebenserfcheinungen der vermeintlichen Blüthen ganz andere fein, als fonft bei Pflanzen vortommen, Er erklärte fich daher für die thierifche Natur verfelben,, fand aber bei Reaumur, welchen er jeine betreffende Abhandlung überfandte, fo wenig Gefallen an diefer Neuerung, daß diefer zwar ber Alademie (in dem erwähnten Auffag) die neue Anficht vortrug, aber ohne ven Urheber derſelben mit Namen zu nennen. Eine merkwürdige Erweiterung der ſtenntniß biefer Thiere brachten die Beobachtungen und Berfuche Trembley's, welche fpäter zu erwähnen fein werben. Das halbe Jahrhundert, welches hier befprochen wird, hat aber auch noch auf einem andern Gebiete umgeftaltend auf die Anſchauungen gewirkt. Wenn fchon in früheren Zeiten einzelne Stimmen fich erho- ben hatten, daß die anf Bergen vorlommenden, in Steinen eingefchlof- jenen Mufcheln, Knochen u. ſ. w. auf thieriſchen Urfprung hinwieſen, diefe Körper daher wirkliche Refte von Thieren wären, fo war boch diefe Erklärung nicht bloß bei Zoologen auf unfruchtbaren Boden ge- fallen, fondern konnte überhaupt keiner allgemeinen Annahme entgegen- jehen, jo lange über die Gefchichte der Veränderungen, welche mit der Erdrinde vorgegangen waren, feine nur einigermaßen abgerundete Theorie aufgeftellt war. So lange nämlich das Vorlommen von Waf- jerthieren hoch über dem Spiegel der nächjten größeren Gewäffer nicht den Zoologen in irgend einer Form annehmbar vorgeftellt war, konnte man bei dem Mangel allgemeiner morphologifcher Anſchauungen und | Die Zeit von Kap bi Slim. : 467 ſpeceler — Senntniffe nicht auf eine fofortige Zuftimmung zu ber Anficht derer rechnen, welche in jenen „Figuvenfteinen“ etwas Anderes als bloße Naturjpiele oder befondere Wachsthumserſcheinun⸗ gen ber Mineralien erbliten. Nun ſoll nicht gejagt werden, daß man - burch Descartes’ Theorie oder durch Leibnitz's Protogaea jofort einem beftimmten geologijchen Syiteme zu folgen veranlaßt worden wäre. Man war aber vurch diefe Ideen dazu angeregt worden, fich die Mög- lichkeit des Vorlommens von Wafferthieren (denn dieſe boten fcheinbar der Erklärung die größte Schwierigkeit) auf Bergen in Folge irgend welcher die Erboberfläche umändernder Ereignifje eingehender vorzu— jtellen. Als ein folches Ereigniß bot fich von jelbjt die Sinpfluth dar. Schon früher war dieſelbe beiläufig in gleicher Abficht herangezogen wor- den; die Beziehung der Berfteinerungen auf Nefte von Thieren, welche aus einer großen Fluth zurücgeblieben jeien, erhielt aber nur dann bie Bedeutung einer wiffenfchaftlichen Erklärung, wenn man über bie Natur der fojfilen Formen felbft Har war. Es handelt fich alfo zunächſt um das Auftreten der Ueberzeugung, daß die VBerfteinerungen wrlid das find, was ihr Name ausprüdt, umd nicht bloße Naturfpiele 2). In Bezug hierauf machten fich anfangs zwei verfchievene Anfichten geltend. Daß unter anderem Aehnlichen 3. B. die foffilen Fiſchzähne wirkliche, von Fifchen herrührende Zähne feien, hat wohl mit Entjchie- denheit zuerft Agoftino Scilla (1670) nachzuweiſen verjucht 3°). Er läßt e8 aber unausgefprochen, wie er ſich die Entftehung der Trä- ger dieſer Zähne (um bei dem gewählten Fall zu bleiben) in ven Gr Ä 32) Im Jahre 1696 wurde zu Tonna im Gothaifhen ein Elefantenflelet ausgegraben und vom Lehrer am Gothaifchen Gymnafium Wild. Ernft Tengel beichrieben. Er erklärte die Knochen fir Reſte eines vormals lebenden Thieres, Das Collegium mebicum in Gotha aber, vor welches die Sache gebracht wurde, erklärte von Amtswegen, daß es fich hier nur um ein Naturfpiel handle. Spielt die Natur, jo Finnen auch wir Figurenfteine machen, dachten die Würzburger Stu- denten, umb brachten bem Profefjor Beringer alle Arten wunderbarer Steine mit Geftirnen, Kreuzen, Heiligenbildern u. ſ. f., welche der leichtgläubige Mann - im feiner Lithographia Wirceburgensis, 1726, abbilden ließ. Er entbedte fpäter den Betrug, ſuchte das Buch zurüchzuziehen und ftarb vor Kummer. 33) La vana speculazione disingannata dal senso. Napoli, 1670. Die - früheren Aenferungen über die Gloffopetren |. oben ©. 374. Ss 30* eiuen- enenn fr diſche fo wımberbar abnermen Orte, denft. Liſter hoatte noch die foffilen Mufcheln für Mineralien gehalten. Der oben ‚genannte Edward Lhwyyd ftellte dagegen in dem erwähnten Werte (1699) eine Theorie auf, welche an die umerjchöpfliche Zeugungotraft der Erde appellivend, gewiffermaßen beiden Seiten gerecht zu werben - fuchte. Er meinte, daß von den lebenden Weſen oder ihren felbft ſchon faufenvden Reften Heine Samentheilhen mit den auffteigenden Waffer- dämpfen in die Luft geführt würden und dann in die Poren der Felſen und Berge eindrängen; im Innern derſelben würden fie dann unter Benugung der dort vorhandenen Subftanz ausgebrütet. Es ftellten daher die Berfteinerungen keine eigentlichen Thiere, aber doch auch ‚keine bloßen Naturfpiele dar, fondern gewiffermaßen Zeugungsproducte ber Erde felbft in Folge der Anregung thierifchen Samens. So mert- . würdig gefucht und gegen jede geſunde Anficht vom Weſen des orga ⸗ uniſchen Zeugungsprozeffes ankampfend diefe Theorie auch erfcheinen mag, fo fand fie doch Anhänger. Wunderbar genug war es berfelbe Karl Nitolas Lang, welcher als ihr Vertheidiger auftrat, von & dem oben zu rühmen war, baf er bei feinem Molluskenſyſtem in be- wußter Weife die foffilen Formen berüdfichtigt habe. Im feiner, 1709 x in Luzern erjchienenen Schrift „über den Urfprung der Figurenfteine“ erörtert er fowohl die Anficht der „Diluvianer“ als auch die erwähnte Lhwyyd'ſche, ohne deſſen Namen anzuführen. Schon in der Borreve fpricht er aus, mehr die legte empfehlen zu können; und nachdem er dann alle möglichen Einwände zurücgewiefen zu haben glaubt, — unter Andern auch den von Woodward**) hervorgehobenen Um- ftand, daß man an den foffilen Muſcheln noch die Structur der Schale mit dem Milroſtope unterfcheiden könne, — fchließt er mit den Wor- ten: „es ift alfo offenbar, daß die Erzeugung der Figurenfteine in ber 34) J. Woodward, An essay towards a natural history of the Earth. London, 1695. Dieſe Schrift, im welcher fi) der Berf. unummwunben für bie Natur der Berfleinerungen als Refte früher lebender Weſen anspricht, hat Scheuchzer lateinifch überſetzt (Tiguri, 1704) und and) dadurch zur Verbreitung - jener Sinbfluththeorie beigetragen, welche unter den gegebenen Berhältniffen we⸗ nigftens-die natürlichfte war. 5 Diegeifgon Hay bis Klein: > Erde nicht nur nicht unmöglich, ſondern jehr wahrſcheinlich ift, denn durch diefe Hypotheſe laſſen fich nicht Bloß alle Erjcheinungen der Fi- gurenfteine leicht und deutlich erklären, fondern auch alle Einwendun- gen der Diluvianer leicht widerlegen“. Unter diefen Diluvianern regte es fich aber, und befonders waren es zwei Männer, welche fich ziem- - fich ſtark gegen die Keimchentheorie ausjprachen. Der eine verjelben war Dr. Johann Jacob Scheuchzer, Archiater und Chorherr in Züri (1672—1733). Im feinen „Klagen und Rechtfertigungen der Fiſche“ beklagt er fich im Namen der Fifche darüber, daß man fie „vor mineralifche Stein: und Mergel» Geburth anſehn wollte“, und fpricht ihnen ihr Recht zu, für bie Urerzeuger der jetzt lebenden Fiſche gehal- - ten zu werben. Im der kurzen Borreve zu den in demfelben Jahre (1708) erfchienenen „Bildnifjen verfchiedener Fiſchen, und dero Thei- len, welche in der Sündfluth zu Grund gegangen“ erklärt er, früher gleichfalls „vergleichen Figuren als Spiele der Natur“ betrachtet zu haben. Es feien ihm aber nach Sammlung einer großen Menge der: gleichen Steine die Augen aufgegangen. Nun bildet er Fiſchabdrücke aus dem lithographifchen Sandftein von Deningen und dem Glarner Schiefer ab, zwei fpäter berühmt getwordenen Fundorten. Der andere „Diluvianer“ und Gegner Lhwyd's ift der Göttinger Profeffor David Sigismund Auguft Büttner (1660— 1728), welcher feine „Rudera diluvii testes i. e. Zeichen und Zeugen der Sündfluth“ (1710) ver Wiverlegung ber erwähnten Hypotheſe und der Begründung der Anficht von der Sindfluth als Urfache der Verfteinerungen wib- met. Büttner ruft aus: „Was meinet der Wahrheits-gierige Lefer, ob man fich bei diefem Vortrage mehr über das Vermögen ver Phantasie ‚oder Unvermögen bes Judieii verwundern ſoll?“ Seine Beweisfüh- rung gegen Lhwyd kräftigt er noch durch Mittheilung eines Schreibens des bekannten Georg Ernjt Stahl, welcher in einer ganz netten Art und Weife die phyſiologiſchen Ungehenerlichkeiten Fritifirt, welche die Hypotheſe Lhwyd's enthält. Die Betrachtung der Figurenfteine als Naturfpiele ſchwand num ganz; der Altorfer Profeffor Joh. Jak. Baier fett ausdrücklich die durch Umwandlung von Thieren und Pflanzen entjtandenen Foffilen den fogenannten Naturfpielen gegen- REITEN BR: Periode ber Syſtematil über, mit ber ausbrüdlichen Bemerkung, daß „Naturfpiel* nur eine Bezeichnung unferer Unlenntniß von der eigentlichen Urfache fei (Ory- ctographia Norica. 1708). Ebenfo ift der Lübeclker Paſtor Jal. von Melle ein Diluvianer bei Bejchreibung mehrerer Lübeder Foffilien ; und fo find es bald alle, welche von Berfteinerungen fprechen. Unter der Annahme, daß die mofaifche Sindfluth den Untergang früherer Gefchlechter verurfacht Habe, war es zumächft natürlich, daß man in - ben verfteinerten Formen biefelben Arten zu erbliden glaubte, wie bie jet lebenden. So hat 3. B. Ant. de Iuffien foſſile Nefte einer Hippopotamus » Art auf die jet eriftirende bezogen, Aber wenn bie erfte Schöpfung untergegangen war, fo war zu erwarten, daß auch ber Menfch diefem Geſchick nicht entgehen konnte, Niefige Knochen bezog man daher aller Orten auf Menfchen, deren Leiber nach man- cherlei Angaben in der Bibel von ganz andern Dimenfionen geweſen fein follten als die der fpäter die Erbe bevöllernden. Kein Bericht ift fo berühmt geworden, als die Schrift Scheucdhzer"s über ven Men- fhen als Zeugen der Sindfluth (Homo diluvii testis, 1726), worin er die Knochen eines foffilen Salamanders, den erft Euvier als folchen erfannte, für bie Gebeine eines fündhaften Menſchenlindes erklärte. Troß derartiger Misgriffe war bie Kenntniß der foffilen Formen nun als Zweig des Naturwiffens fichergeftelt, und wenn auch bei Scheudzer, dem Bater der Berfteinerungskunde, ebenfowenig wie bei feinen zeitgenöffifchen Mitarbeitern ein Gedanke an eine hiftorifche Auffaffung der Foſſilen durchbrach, jo ift ihnen doch das erftmalige Sammeln von Thatfachen auf einem Gebiete zu danken, von welchem in fpäteren Zeiten ein fo wunderbares Licht auch auf andere Lehren vom Leben ver Thiere und Pflanzen ausgieng. So hat ſich denn in bie verhältnigmäßig kurze Zeit eine reiche Fülle von Arbeiten zufammengedrängt, welche zum Theil bahnbrechend, zum Theil auf gegebenem Grunde weiterbauend faft allen Theilen ver Zoologie ein neues wiffenfchaftlich gefichertes Anfehn gaben. Befon- bers waren für die formelle Ausbildung des zoologifchen Syſtems bie wichtigften Elemente gegeben. Ray hatte ven Begriff ver Art zu firi- ven verfucht und dadurch ven einheitlichen Ausgangspunkt aller Elaffi- — Die Zeit ve von a bis Kein. | Am fication — Im allen Claffen waren neue ſyſtematiſche An⸗ ſchauungen aufgetaucht. Man hatte ferner die Nothwendigkeit gefühlt, den in den Beſchreibungen von Thieren zur Auwendung kommenden Worten die ſcharfe Begriffsbeſtimmung wirklicher Kunſtausdrücke bei- zulegen, und dadurch angefangen eine nicht miszuverftehende Termino- logie zu ſchaffen. Endlich war auch die verfteinerte Thierwelt der Betrachtung nicht bloß näher gerückt, fondern in den Kreis ver wiffen- ſchaftlichen Beurtheilung gezogen worden. Nur diejenige Betrach- tungsweife der Thierkörper, welche am Schluffe ver ganzen hier be- iprochenen Periode ver Zoologie einen weiteren Aufſchwung eritög- lichte, die morphologifche, fehlt noch beinahe vollftändig. Man hat zwar eine „vergleichende“ Anatomie, aber man vergleicht nur höhere Thiere mit dem Menfchen; und wenn einzelne nievere Thiere wirklich vergleichend betrachtet werben, fo gefchieht es nur, um ihnen im ge zwungener Weije eine Organifation beizulegen, welche ihnen morpho- logiſch fremd ift. Wie erwähnt fuchte man mehr nach Berfchievenhei- ten als nach Uebereinftimmungen ; und wenn auch hierdurch der Kreis der fpecielfen Kenntniffe bedeutend erweitert wurde, fo verlor man doch faft mit jeder neuen Erfahrung den Zufammenhang mit den alten immer mehr. Aber ſelbſt für dieſe Richtung und ihr fpäteres Auftre- ten mußte die Ausbildung eines wie auch immer begründeten fuftema- _ tifchen Gerüftes von höchfter Bedeutung fein, da fie durch ein folches beftändig neue Aufgaben an fich herantveten ſah, fei es zur Beftäti- gung angeblicher VBerwandtfchaften, fei es zum Nachweis fundamen- taler Berjchiebenheiten. Daß auch in den letten Epochen der vorlie- genden Periode die Entwidelung jeden morphologifchen Fortſchritts fo langſam verlief, lag zum großen Theile daran, daß die Entwicelungs- geichichte, welche man mit Ausnahme dev nachembryonalen Verwand⸗ fungen der Infecten faft nur bei den höheren Wirbelthieven verfolgte, durch Ausbildung der Evolutionstheorie der Phyfiologie zugefallen war, eine Verbindung, welche zwar für die lettere Wiffenfchaft das durch von Bedeutung wurde, daß diefelbe das Zuftandefommen gewiffer | Lebensvorgänge immer deutlicher als von beftimmten Förperlichen An- ordnungen abhängig erkennen mußte, — in welcher Beziehung z00t0- | — — waren, — welche aber der Zoologie eine der wichtigſten, ja gerade die fruchtbarſte Quelle allgemeiner Wahrheiten wenn nicht ganz entzog ——— & - Bei einen fo vielfeitigen Eifer, Sollen Schade ma Mae, ziafien Herbeizufchaffen , alte Zweifel zu Löfen, neue Wunberbarkeiten . ber Natur zu enthüllen und überall felbftändig ordnend vorzugehen, that es Noth, der drohenden Zerfplitterung mit kräftiger Hand vorzu⸗ - beugen, mit kühnem Griffe die verfchiedenen Leiftungen zu einem großen - Bau zu vereinigen, den Einzelbeftrebungen durch eine beftimmte Form einen vorläufigen Abſchluß, dadurch aber gleichzeitig auch einen neuen — Ausgangspunkt zu ſchaffen. Dies verſuchten, allerdings mit ſehr ver⸗ ſchiedenem Glüd, zwei Männer, von welchen ber eine durch geiſtvolle Benutzung des Vorhandenen das wiffenfchaftliche Bedürfniß nad) for- ker meller Sammlung für immer befriedigte und dadurch zum Schöpfer der heutigen Zoologie wurde. Diefe Männer find Klein und inne. Iakob Theodor Klein. 68 wurde ſchon bei verfchiedenen Gelegenheiten Klein's gedacht. - Sein Antheil an ver Bearbeitung mehrerer ber niebern Claſſen, wel chen oben zu erwähnen nahe gelegen hätte, mag. befjer in Verbindung mit feinen übrigen Leiftungen befprochen werben, um das Bil feiner Wirklſamleit vollftändiger und überfichtficher zu machen. Diefelbe würde zweifelsohne einen nachhaltigeren Einfluß ausgeübt haben, wenn ber zweiundzwanzig Jahre jüngere Linne nicht wenig Jahre nach . Klein’s erften zoologiſchen Beröffentlichungen mit ungleich entſchiede⸗ never Umficht und fichererem Erfaſſen ver zu überwältigenden wiffen- ſchaftlichen Aufgaben fich das Feld erobert Hätte. Hier muß man aber beventen (wenn es auch nicht von allgemein gefchichtlicher, fondern nur - perfönlicher Bedeutung ift): Linne war von Jugend auf Naturforfcher und veröffentlichte in dem Lebensalter die erfte Ausgabe feines Natur- ſyſtems, in welchem Klein erſt eine bleibende Stellung in Danzig erhielt. Jakob Theodor Klein war ver Sohn eines angefehenen juriftifchen dalob Theodor Rein. ° 478 Beamten in Königsberg in Pr. uud dafelbft am 15. Auguft 1685 ger boven. Als jechzehnjähriger Jüngling bezog er die dortige Uniwerfität als Student der Rechte. 1706 trat er eine größere Reife durch Deutfch- fand nach England, Holland und Tyrol an und kehrte nach fünfjähriger Abwejenheit 1711 nach Königsberg zurüd. Hat er auch wohl auf biefer Reife die Bekanntſchaften angeknüpft, welche ihm fpäter bei fei- nen naturgefchichtlichen Arbeiten als bewährte Gorrefpondenten fehr zu Statten kamen, fo war er doch vorzüglich Yurift, wie aus dem Umftande hervorgeht, daß der Pfalzgraf und nachmalige Kurfürft von der Pfalz Karl Philipp ihn zu feinem Nathe ernannte. Da unterdeß Klein’s Bater geftorben war, beſchloß er auszuwandern und kam im April 1712 zum erftenmale nach Danzig, gieng im Frühjahr des nächften Jahres nach Schweden und fiedelte im Auguft deffelben Sahres, 1713, ganz nach Danzig über. Schon im December diefes Jahres wurde er zum Seeretair der. damaligen Freiftadt erwählt. Bei der Beziehung Danzigs zu Polen unterhielt die Stabt einen Nefidenten am polnifchen Hofe; fo wurde denn Klein 1714 als „vefivivender Secretair bey Hofe nach Dresden und von da nach Polen, im März 1716 nach Königs— berg zur Begrüßung des Czaren Peter d. Gr. gefandt und kam erft im December bes Jahres dauernd nach Danzig zurüd. Seit diefer Zeit begann er num, ruhig im Beſitze des Vertrauens feiner Mitbürger und auf weitere Beförderungen im Staatsdienfte verzichtend, neben feiner amtlichen Thätigkeit als Stabtjecretair die Naturgefchichte zu pflegen. Im Iahre 1718 legte er fich einen botanischen Garten an und begann auch, aus andern Gebieten der Natur zu ſammeln. & hatte dabei einen günftigen Erfolg; denn in den breifiger Jahren fonnte er 3. DB. eine zahlreiche Bernfteinfammlung dem königlichen Kabinet in Dresden überlaffen. Daß „fein ganzes Naturalienfabinet nebft ven vielen Zeichnungen von vierfüßigen Thieren, Fischen und Vögeln 1740 nach Bayreuth“ kam 9%), wurde oben bereits erwähnt. Bei der von ihm mit- geftifteten naturforfchenden Geſellſchaft, zu deren Schriften er mehreres 35) Sendel, Ehrftn., Lobrede auf Heren Jalob Theodor Klein. Danzig, 1759. — Wi. . Da, DIE BE — 5» Me wen x * SE BZ 1 Nr 2 , *5 —*5 — na — * — 24 # F * * a F * — * “ ’ 3 * ber h - * * beitrug, war er die erften brei Jahre lang Secretair, fpäter vieljähriger Director. Er machte ihr nicht bloß zahlreiche naturgefchichtliche Mit- theilungen, fondern nahm auch 1749 „die Arbeiten eines ordentlichen Operators über fih“ und erzählte der Gefelljchaft „nach Anleitung der Wolfiſchen Phyſil die Dinge, fo in der Erbe befindlich find“. Klein ftarb am 27. Februar 1759. Trotz ber vielen Fehler, welche Klein's Syſtem hat und der großen Oberflächlichteit, mit welcher es aufgeſtellt wurde iſt es doch eine Äufßerft charakteriftiiche Erſcheinung fowohl für bie Zeit, im welcher es entftand, als auch für die Anfprüche, welche man von fehr vielen Seiten aus an ein folches ftellte. Man kann wohl fagen , es trägt den Stempel der Liebhaberarbeit an ver Stirn ; denn wenn auch viele der beveutenpften Leitungen, deren oben gebacht wurbe, aus Liebhaberei zur Natur hervorgiengen, fo befteht doch zwi⸗ ſchen jenen und den Berfuchen Klein's der große Unterſchied, daf jene vom Einzelnen ausgehend daran Genüge fanden und fich von ihnen ans inductiv zu allgemeinen Anfichten zu erheben verfuchten, während Klein gewiffermaßen von oben herabſehend und arbeitend einen fchola- ftiichen Formalismus zur Anwendung bringt und daher auch nur das alleräußerlichite Verlangen an das Syſtem ſtellt, ihm auf eine leichte und fihere Art die Mittel zu bieten, „fremde oder noch nie gefehene Thiere nach auffallenden Charakteren erfennen und benennen zu können“ 3%), An der hier angezogenen Stelle weift Klein die in Linne's Charakteriftit der Amphibien enthaltenen Worte, daß diefelben keine Badzähne haben, mit der Bemerkung zurüd, daß man, um bies zu entſcheiden, bie Fin- ger oder das anatomische Meffer anwenden müſſe; dies gehöre aber eigentlich gar nicht zur zoologifchen Methode. Wolle man wiffen, ob ein Thier Zähne habe, dann müſſe man ja vielleicht gewaltfam ven Mund öffnen! Eine Erklärung der einzelnen Formen, ein Berfuch, fih das Zuftandelommen oder die Entftehung befonders abweichend er- jcheinender Thiergruppen zu denken, findet fich bei Klein nicht. Ari— ftoteles hatte die VBerwandtichaft der Schlangen mit den Eidechjen ganz 36) Klein, Summa dubiorum circa classes Quadrupedum et Amphi- biorum, p. 25. Anm. y. 42 Zalob Theodor Mein. 475 richtig erfaßt und als bildliche Erläuterung diefer Beziehung darauf hingewiefen, daß man fich nur eine Eidechje ohne Füße und mit einem etwas verlängerten Körper zu denken brauche, um eine Schlange zu erhalten, während umgekehrt eine Verkürzung des Körpers und der Beſitz von Beinen fofort aus der Schlange eine Eivechfe machen würde, Hierzu bemerkt num Klein: „fo erdichtet der Philofoph Ungeheuer. Man gebe einer Eidechfe Haare, dann wäre fie ein Wieſel!“ ). Zu einer fo einfeitigen Auffaffung wurde Klein bei dem Mangel an hin— reichender Specialfenntniß vermuthlich durch die Wolf'ſche Methode geführt, welche mit ihrem erflärenden und eintheilenden logiſchen Dog- matismus ben Naturkörpern gegenüber vollftändig austommen zu können meinte. Berjchärft wurde fein Beharren bei ber einmal ge- wonnenen Anficht möglicherweife durch bie bittere Oppofition, in welche er gegen Linne trat, welche diefer aber ganz unbeantwortet lieh. Nicht im Stande, den Gründen feines Gegners und dem Beftreben nah Bildung möglichjt natürlicher Gruppen zu folgen, fpann er fich immer fefter in fein künftliches Net ein, ohne fich die Möglichkeit vor- zuftellen, daß ein Thierſyſtem doch noch eine andere Bebentung haben fünne und einer anderen Begründung bedürfe, als eine vein formale. Mit Ausnahme der Infecten hat Klein von allen Elaffen des Thier- reichs ausführliche Bearbeitungen gegeben. — Es dürfte fich empfehlen, feine Schriften chronologiſch unter Anführung der Ausgaben des Lin- ne ſchen Naturfyftens aufzuzählen (f. Anm. 3). Die durchaus künftliche, jede Anerkennung einer natürlichen Ver— wandtſchaft entbehrende Natur des Klein'ſchen Syſtems tritt am auf- falfendften bei feiner Eintheilung des gefammten Thierreichs entgegen. Dem oben erwähnten Grundfage treu, Fein anatomifches Mefjer zum Nachweis der richtigen ſyſtematiſchen Stellung irgend eines Thieres benugen zu wollen, benußt Klein einen durchaus äußerlichen Charakter als Haupteintheilungsgrund, welcher fich ſchon bei der beiläufigften Anwendung eines anatomischen Gefichtspunftes als ein nicht ganz un- bevenflicher herausgeftellt haben würde, nämlich das Vorhandenjein 37) Tentamen Herpetologiae. p. 2. © ober Behlen von Füßen Denady, Gele ob ange Tr - füßige ober mit Füßen verjehene und fußloße Thiere. Man könnte meinen, ev habe ven phyſiologiſchen Gefichtspunft vor Augen gehabt, wenn er die Bögel als Zweifüßer aufführt ; aber die Fledermäuſe ftehen unter den Vierfüßern, trogdem ihre Vordergliedmaßen ebenfowenig zur Ortsbewegung auf der Erde taugen wie die Flügel. Auch conftante Bezeichnungen für die höheren Gruppen über den Gattungen fehlen 38) Bon Hleim erfchien (mit Weglaffung einer früheren botanifchen Arbeit mb der Auffätse in periodijchen Schriften): . 1731. Beichreibung der Meerröhren (mit den Belemniten u. |. w.) 1734, Natürliche Anorbuung der Echinodermen (Seeigel.) . Linne: 1735. Naturfyftem 1. Ausgabe. - 1740. Erſte Senbung zur Naturgefchichte der Fiſche und Momenclator ber > Figurenfteine von Sche uch zer, beforgt von Klein. 1740. Naturfyftem 2. Ausg. Stodholm; Ueberſetzung ber 1.Ausg. von Lange; Halle. (vom Linn als 3. Ausg. geählt.) 1741 und 1742. Zweite und britte Senbung zur Naturgefchichte der Fiſche 1743. Summe der Zweifel über Bierfüer und Amphibien, welche in Linne’s ESdygyſiem aufftiehen. 4744. Bierte Sendung zur Naturgeſchichte ber Fiſche. > Ä 1744, Naturfuftem. Paris (4. Ausg. nach Pinne) durch Iuffien. 1746. Mantiffe über die Laute und das Hören der Fiſche. i 1747, Naturiyftem von Agnethler. (ibent. mit ber 2, nad Linne 5. Ausg.) 1748. Naturſyſtem, 6. Originalausg. Stodholm, und Leipziger Nachdrud derfelben. (7. Ausg.) 1749. Fünfte Sendung zur Maturgefchichte ber Fiſche. 1750. Probromms zur Naturgefchichte ber Bögel. 1751. Anorbuung und furze Naturgefchichte ber Bierfüßer. 1753, Berſuch einer oftratologifhen Methobe. 1753. Naturfyftem (8. Ausg.) Stodhelm. 1754, Franzöfifche Ueberſetzung des Echinenfyftems (1734) und der Zweifel u. |. w. (1743) von De La Chesnaye bes Bois. 1755. Berfuch der Herpetologie mit fortlaufenden ECommentar. 1758. Naturfuften, 9. Ausg. von Gronov; 1758: Stodholm, 10. Ausg. von Linne felbft. 1759. Gefchlechtstafeln der Vögel. 1760. Zweifel über ven Bau ber Seepflanzen burch Würmer. — Zwei Ueber: feßungen der Anorduung der Bierfüßer ins Deutfche von Neyger und von 5. D. Behn. — alob Theodor Klein bei Klein; und in den ſpäteren den einzelnen Claſſen gewidmeten Wer⸗ fen nennt er die Abtheilungen anders als in der, erſten Hauptüberficht feiner Anordnung. In diefer nun, welche ver „Natürlichen Eintheilung der Echinodermen“ (Echinen) vom Jahre 1734 angehängt ift, folgen auf die Gattungen Elaffen, außer da wo die Elafjen zu groß würden; in diefen Fällen werden fie noch in Artikel als Unterabtheilungen ger fpalten. Mehrere Elafjen bilden eine Section; die Sectionen vereini- gen fich endlich zu Kapiteln oder Hauptabfchnitten. Klein ift bei Ent- werfung feines Spftems auch auf möglichite Vollſtändigkeit bedacht ge- wejen; denn er führt auch bloß mögliche Combinationen an, felbftver- jtändlich nicht alle, und fagt dazu: „wenn folche Thiere vorfommen“, Das erfte Kapitel der mit Füßen verfehenen Thiere, welche er einfach unter „I“ ohne Gruppennamen einführt, bilden die Bierfüßer ; diefelben zerfallen in zwei Sectionen. Die zur erften gehörigen Bierfüßer haben die Füße Inter fich gleich, die der zweiten haben unter fich ungleiche - Füße. Die mit gleichen Füßen verfehenen Bierfüßer bilden fünf Claf- fen, von denen indefjen die vierte mur für etwa noch vorfommende Fälle eingerichtet ift (nämlich für Schwinmfüßer mit einander gleichen Füßen). Die übrigen vier Claffen ſind die ver Ganzfüßer (d. h. Ein» bufer), Spaltfüßer, Zehenfüßer und Schilvtragende (Schilpfröten). Es tritt Hier alſo plöglich ein anderes Merkmal als Theilungsgrund auf. Die Zehenfüher (Digitaten) haben entweder äußere Ohren (hierher die betreffenden Formen ver Säugethiere) oder fie find ohne ſolche Ei⸗ dechſen, Krofodile, Salamander, Chamaeleon). Noch bunter ift die zweite Section der Vierfüßer, die mit ungleichen Füßen. Hier ſtehen Büren umd Affen neben einander als Thiere, deren Borderbeine den Händen, deren Hinterbeine den Füßen des Menjchen etwas ähnlich find. Der Menfch felbft fehlt aber ganz in Klein’s Syftem. Dann folgen in der zweiten Elaffe die Maulwürfe für fich, mit vordern hand» ähnlichen Füßen, während die hinteren denen der Nagethiere ähnlich find. Im der nächſten Elafje follen die Vorderzehen gefpalten, die Hinter- zehen verbunden fein; hier werben zwei Gattungen, eine für behaarte Formen (Robbe, Biber) und eine für nackte (Fröfche und Kröten) neben- einander geftellt. Die vierte Elafje ift wieder. für den möglichen Fall ? 5 . z * J ar rt ON A: 4 EN wre, a — Beheben @ifemai ri - “ Sa eingerichtet, ——— a deren. Hinterzehen gefpalten find. Das zweite Kapitel der Füßigen umfaßt die Zweifüher, umd zwar außer den befieverten Vögeln, — welche hier offenbar auch nur der ſyſtematiſchen Vollſtändigleit wegen in folche mit freien Zehen, und zwar mit zwei, brei, vier, fünf und jechs (!) Zehen, im folche mit verbundenen und folche mit anomalen Füßen getheilt werden, — noch die „glatten“ Seelöwen und Berwandte und bie behaarten: Meertalb, Mamati u. ſ. w. Das britte Kapitel, der Bielfühigen, endlich enthält in der erften Section die Gepanzerten, nämlich Krebfe und Scorpione, in der zweiten die Infecten, bei deren Eintheilung auch nur auf Borhandenfein und Zahl ber Flügel und Füße geachtet wird. In gleich frembartiger Reihe und Berbindung treten die Gruppen ber Fußlofen entgegen. Klein theilt diefelben in vier Kapitel: SKriechthiere, Floſſenthiere, Strahlthiere und anomale Formen. Zu den erften, von ihm Reptilien genannten, gehören als erſte Elaffe die nadten Würmer und nadten Schneden; zur zweiten bie „häutigen“ oder mit Eruvien verſehenen, dies find die Schlangen ; zur britten die Schalthiere. Das zweite Kapitel umfaßt die Fifche, welche er in mit Lungen und mit ſtiemen athmende eintheilt. Im dritten Kapitel, deſſen Bildung nicht durch Erfaſſung eines ſtrahligen Ge- fammtbaues, fondern durch äußere Achnfichkeit mit ftrabliger Anorb- nung veranlaßt wurde (deum die Echinen ftehen bei ven Schalthieren) finden fich Seefterne neben den Tintenfiſchen, natürlich den nadten (venn Argonauta gehört zu den Schalthieren). Das vierte Kapitel endlich umfaßt Formen, denen der Charakter des Thieres „num und nicht einmal kaum“ beigelegt werben faun, nämlich Holothurien , See- federn, Meerneffeln und Aehnliches. Es würbe müßig fein, die Un- baltbarteit einer derartigen Eintheilung hier erft noch mit wiffenfchaft- fichen Gründen darlegen zu wollen. Mit dem weiter verbreiteten Intereſſe an den thierifchen Formen war auch das Bedürfniß erwacht, fich ſchnell unter ihnen orientiven zu können. Jede Anorbnung, welche diefer Forderung einigermaßen zu entfprechen fchien, wurde dankbar begrüßt. So fand auch Klein’s Syſtem Anhänger und Vertheidiger, jogar inne gegenüber, deſſen Syſtem ſchon in feiner erften Form, Ba 22. EDER ET 1 * *5— Ba 2 Balob: Theodor Kein. 479 : welche fich äußerlich mehr an Ray anlehnt, einen entjchieven wiffen- ichaftlicheren Eindruck macht. Der eine Ueberjeger von Klein’s Claſ⸗ fification und Kurzer Gefchichte der vierfüßigen Thiere, Friedr. Dan. Dehn (damals in Jena, ftarb als Nector des Gymnaſiums in Lübeck 1804), jagt ausdrücklich: „Unfer verdienftuoller Herr Klein konnte unmöglich mit der linnäifchen Methode zufrieden fein. Rays Me thode nennt Behn zwar die natürlichite von der Welt, meint aber, daß das Hauptverdienſt Klein’s doch darin beftehe, daß er diejenigen Mert- male weiter benußt habe, welche jo wenig verſteckt waren, daß fie einem jeven fogleich einleuchteten. Wie er dies verfteht, lehrt 3. B. Folgen⸗ des. „Die Natur pflegt allemal von den einfachften Dingen den An— fang zu machen. Was war aljo natürlicher, als daß unfer Naturfor: jcher die einhufigten Thiere zur erften, die zweihufigten zur zwoten, ... und bie fünfhufigten zur fünften Familie vechnete*. Aus einer devarti- gen Beurtheilung geht hervor, daß man eben vor Allem eine leichte und bequeme Art haben wollte, Thiere beftimmen und nennen zu kön— nen. Der Wittenberger Profeffor ver Mathematik und Phyfit, Joh. Daniel Titius (1729—1796) erhebt gleichfalls gegen Linnes Be⸗ rücfichtigung der Heyzitructur Bedenken ; auch tadelt ev, wie jo man- ches am deſſen Syſtem, jo befonders die Verwendung mehrfacher Ein- theilungsgründe 3°), wogegen er Klein, welchen er als den beveutenpften 39) Progr. de divisione animalium generali. Witteberg. 1760. p. 6. Quis, quaeso, internoscendorum animantium caussa pulcerrima haec auto- mala destrueret et laceratis partibus internis corda scrutaretur? und p. 4. Distributio nullo, certe multipliei nititur dividendi fundamento, quod utrumque bonae divisionis regulis repugnat. Das von ihm felbft aufgeftellte Syftem ift natürlich auch künſtlich. Er theilt die Thiere in Landthiere, Waſſer⸗ thiere und in beiden lebende Thiere. Die erften bewegen fich entweder nur mit Füßen (Bierfüßer und Bielfüßer, Infecten) oder mit Füßen und Flügeln (zwei- füßig: Vögel, vierfüßig: fliegende Säugethiere, vielfüßig : fliegende Imfecten) ober nur durch Muskeln ohne Füße, Kriechtbiere: Schlangen und Würmer. Die Wafferthiere bewegen fich entweder nur mit Floffen (Lungen- und Kiemenfifche) - oder mit Schalen, oder unbeftimmter Art, meift ohne Ortsbewegung: Zoophyten. Die im beiden Medien lebenden Thiere haben entweder Füße oder nicht. Es bleiben hierfür (Titins nennt feine Gruppen) nur Amphibien und Wafferfchlangen übrig. \ Sehe ie Spice trotzdem ee in manchen Punkten von ihm abweicht, für einen befferen Syftematifer hält. Auf Mein war übrigens das Linne ſche Syftem und die Verän- derungen, welche Line jelbft an demſelben vorgenommen hatte, nicht ohne Einfluß geblieben, wenn er fich gleich nur mit Widerftreben dazu entſchloß, einer Verwandtſchaft zu Liebe das künftliche Gefüge feines - Syftems einigermaßen zu lodern. Im der 1751 erfchienenen, lateiniſch - gefchriebenen Eintheilung und kurzen Gefchichte der Vierfüßer, deren eine Ueberſetzung eben erwähnt wurde und welche eine Befchreibung aller ihm befannten oder von Autoren hinreichend Fenntlich gefchilderten Arten enthält, theilt er die Vierfüßer, Hierbei faft ganz Rat folgend, in Hufthiere und Zehenthiere. Bei ven Erfteren, feiner erften Ord⸗ mung“, beftimmt die Zahl der Hufe die Bilvung der Familie. Es gibt ein⸗ zwei⸗, drei», vier- und fünfhufige (die drei leteren find Nas- horn, Nilpferd und Elefant). Daß dabei das Schwein als Zweihufer neben ben Wiederfäuern #) erjcheint, ift zufällig und kann natürlich nicht Klein als eine befondere Einficht in die eigentlichen natürlichen Berwandtichaftsverhältniffe des Schweines angerechnet werben. Die Zehenthiere ſcheiden fich in die zweite Ordnung, die Behaarten, wobei er jedoch die Einſchränkung hinzufügt, daß fie auch eine leverartige ober ſchildförmige Bevedung haben können, umd in die britte Orbnung der - nicht Behaarten. Erſtere find ftets lebendiggebärend, letztere find nie behaart, haben aber entweder eine nadte over befchuppte Haut und find entweder eierlegend oder lebendiggebärend. Die Gruppe wird alfo lediglich durch ein negatives Merkmal gelennzeichnet. Die erfte Gruppe bilden natürlich die Säugethiere, welche gleichfalls nach der Zahl ber Zehen (wobei die vorderen Füße vorzüglich berüdfichtigt werden) in zweizehige (Kamel!, wie bei Ray, und Silen, d. h. ein Faulthier), dreizehige, (Ai und Ameifenfreffer), vierzehige (Gürtelthiere, Meer⸗ ſchweinchen und ein nordamerifanifches Stacheljchwein), fünfzehige (Nager, Carnivoren und Affen) und endlich in folche getheilt werben, 40) Daß er nicht eine Gruppe umter dem Namen Wicberfäner aufflefit, lag darin, daß nad) ihm außer dem Kamel auch der Hafe wieberläut. Er bifbet Ioger: ; einen gehörnten Hafen ab. ——— * 8 . Sab hear Mein. Nr | a1 ‚deren Füße eine anomale Bildung zeigen, zuweilen gänfefufartig, d.h. Schwimmfüße find: Otter, Biber, Walroß, Robbe, Manati. Die britte Ordnung“ zerfällt in Teftudinaten (Schilotröten), Kataphraften (Krofodile) und Nadte, zu welchen er Eivechjen, Salamander und Fröſche rechnet. Die Schlangen bleiben , ſchon aus Oppofition gegen Linne weg; fie gehören zu ven Kriechthieren ; auch fehlt bei diefer neuen Dearbeitung der Menjch, wie bei der erften. Bei der Schilderung der einzelnen Arten führt er wo es geht die kurze Linné ſche Charakteriftif an. Indeſſen liegt darin kaum ein Zeichen der Anerkennung. Denn gerade über die von Klein hier vereinigten Clafjen der Vierfüßer und Amphibien Linne s hat er, wie oben ſchon bemerkt, Zweifel veröffent- ficht, welche er auf eine zuweilen geradezu lächerliche Weiſe zu begrün- den ſucht. So beruft er fich 3. B. auf das Beifpiel Adam's, welcher bie ihm von Gott vorgeführten Thiere auch unterjchieden und benannt babe, ohne ihnen die Eingeweide oder die Zähne zur Unterjuchung burchzumwühlen. Verſtändiger find die Eimwendungen gegen die Anorb- nung ober vielmehr gegen den Mangel jeglicher Ordnung bei Buffon. Die Ordnung“ Vögel, in welcher er in der erften Skizze feines Syſtems der Vollftändigkeit wegen ſogar jechszehige Formen als mög- fich hinſtellt, Hat in ihrer Anorbnung bei der jpäteren Bearbeitung entjchieven gewonnen. Klein nimmt bier acht Familien an: Zwei zehige (Strauß); Dreizehige Caſuar, Trappe, Aufterfreffer); Bier- zehige, mit zwei vordern und zwei hintern Zehen , alfo mit Kletterfuß (diefer und die Thätigkeit des Schwanzes und Schnabels beim Klettern wird zwar erwähnt; welche Zehe fich aber nach hinten wendet, wird nicht angegeben); es gehören hierher Papageyen, Spechte, Eisnogel, Kuckuck, Nashornvogel; ferner Vierzehige mit drei vordern freien und - einer bintern Zeche. Dies ift die zahlreichfte und edelfte Familie; bie - Gattungen werden (wie überhaupt) nach dem Schnabel, die Tribus, d.h. ungefähr Untergattungen, da fie Unterabtheilungen feiner meift großen Genera find, nach Eigenthümfichkeiten entweber des Kopfes oder anderer Theile charakterifirt. Die fünfte Familie hat Schwimm- - füße mit einer intern freien Zehe, die jechfte vier durch eine Schwimm- | haut untereinander verbundene Zehen, die fiebente vreizehige Schwimm- | ®, Garus, Geſch. d. Bool. 31 9 ee ahe ofme Hinterzehe und endlich die achte freie Jehen mit gelapptem Hautſaume. Ohne hier weiter in ermübdende Einzelheiten einzugehen, muß doch anerkannt werden, daß Klein bier Berwandtes zuſammen⸗ gehalten hat, fo viele Formen ihm eben bekannt waren ; dabei ift noch zu bemerken, daß er einzelne Gruppen geradezu unter einer weiteren Bezeichnung, wie Hochbeinige, Plattjehnäbler (Gänfe, Enten), Kegel- ſchnäbler u. ſ. f. vereinigt. Noch etwas ansgeiprochner tritt dies in ben Gefcplechtstafeln der Vögel auf, welche zwar erft nach Klein's er Tode von Titius herausgegeben wurden, aber doch noch von Sein ſelbſt geichrieben, auch von ihm noch mit einer Vorrede verfehen find. Die ganz hübſchen Tafeln ftellen die vorzüglich bei der Eintheilung be- nutzten beiven Theile, Kopf und Füße dar. Im Bezug auf bie Natur- geichichte ver Vögel hat Klein befonders die Frage nach dem Leberwin- tern der Zugvögel zu beantworten gefucht. Während er in Bezug auf Lerchen 5. B. glaubt, daß fie fich in Ervhöhlen, an Baumwurzeln und vergl. aufhalten, deren Eingänge fie mit Sand, Erbe zuftopfen und welche fie nur gelegentlich einmal verlaffen, um Nahrung zu fuchen, ift er ver Ueberzeugung, daß die Schwalben unter Waffer überwintern (f. auch oben ©. 353). Er druckt ſogar eine Anzahl amtlicher Zeug⸗ niffe ab, welche beftätigen, daß todte Schwalben unter dem Eife gefun- den worben jeien, zuweilen allerdings mit dem Zufate, ba fie im war⸗ men Zimmer wieder aufgelebt jeien. Und was die Störche betrifft, fo glaubt er fich ven Beweiſen nicht verfchließen zu können, welche ihnen die gleiche Art zu überwintern zufchreiben. Aeltere Angaben über das Wegziehen ver Vögel, jowie neuere Angaben darüber, von Eatesby, Zorn u. U. hält er für nicht bewiefen und verwirft fie. Die jelbftändige Bearbeitung der „Herpetologie* (1755) läßt vie Schlangen und Würmer als „jchleichende“ Thiere beifammen ; es fehlen aber unter ven letzteren die früher dazu gezogenen Nadtjchneden, für welche num Klein, da diefelben im Schalthierfyftem natürlich auch nicht vorkommen, gar feinen Pla mehr hat. Die Schlangen, welche unter dem allgemeinen Namen Anguis zufammengefaßt werben, theilt er nach der Form des Kopfes und Schwanzes in ſolche mit abgeſetz⸗ tem (discretem) Kopfe und zugefpigtem oder verbiünnt auslaufendem alob Theodor Mein. — 483 * Schwanze und ſolche mit nicht abgefegtem Kopfe und abgeftutem Schwanze. Inconfequenter Weiſe nimmt er num aber bei ver weiteren Charakterifirung ver Hleineren Gruppen die Bezahnung zu Hülfe und rechtfertigt dies in einer wahrhaft kindiſchen Weife damit, daß er fagt, das Hineingreifen in die Mäuler ver Vierfüßer fei doch gar zu gefähr- ich, ja meift tollkühn; die Schlangen aber zeigten meift ihre Zähne und ihre Zunge von ſelbſt. Er ftellt daher in der erften Claſſe drei Gattungen auf: deutlich bezahnte: Vipera, undeutlich bezahnte: Coluber, und zahnlofe, Anodon. Zur zweiten Claſſe gehören feine Gattungen Seytale und Amphisbaena. Trogdem er im Ganzen 280 Arten aus den verfchiedenften Schriftitellern zufammengetragen an- führt, find doch nur wenig ficher beftimmt und erfennbar. Die Wür- mer zerfallen in die drei „Elafjen“: Lumbricus, Taenia und Hirudo. Gegen Linne Hält er an ver Berfchievenheit des Negenwurmes vom parafitifch lebenden Spulwurm feſt. Den Bandwurm erklärt er mit Donnet für ein einfaches Thier. Die Natur der Eingeweidewürmer hat Klein vielfach bejchäftigt, vorzüglich ihr Herfommen,, was damals überhaupt vielfach erörtert wurde. Im einem Auffage darüber #1) ver- theidigt er die Anficht, daß fie wie andere Parafiten ven betreffenden Wohnthieren eigenthümlich find, alfo auch die des Menfchen dieſem. Nach der Erzählung, daß die Spanier unter den Tropen ihre Läufe verlieren und fie erſt auf der Nückreife wieder bekommen, fügt Klein feine Folgerung Hinzu, daß „auch nad) diefer Hiftorie der Urftoff ver Läufe im menfchlichen Körper ſtecke und dieſer alfo keines andern Thie- res Läufe zur Lehn trage“. Daffelbe gilt ihm num aber auch für bie Würmer. Bonnet vermuthete zwar fchon #2) den Urfprung der Kür- biswürmer aus dem Trinkwaſſer und fchlägt fogar vor, man jolle Hunden Waſſer zum Trinken geben, in dem die Eingeweide der Schleihe eine Zeit lang gelegen haben. Ebenfo hatte bereits Leeuwenhoek geäufert, daß vergleichen Würmer von außen in den Menfchen fom- 41) Bon dem Herlommen und der Fortpflanzung ber im menfchlichen Körper befindlichen Würmer, in: Hamburg. Magazin, Bd. 18. 1747. ©. 1.1. ©. 29. 42) Me&m. pres. à l!’Acad. des Sc. T. I. p. 497. In dieſer Arbeit vertheibigt er gegen Coulet und Ballisnieri die Einfachheit der Bandwürmer. 31* men Können. Nach Kein hat aber diefe Anficht doch zu viel Schwie- rigfeit. Er ſchließt fich daher der oben erwähnten Anficht Vallisnieri's an, daf die Würmer ſchon im erften Menfchen vorhanden gewejen wären, indeſſen nicht bei feiner Schöpfung, fondern erft nach dem Sündenfalle. Wie fie aber bei diefer Gelegenheit in den Körper gekom⸗ men find, läßt er unumterfucht. Alein's Anorbnung der Fifche ift von allen feinen fyftematifchen Verſuchen der ſcheinbar ausgearbeitetjte umd fejtbegründetfte, eine nähere Prüfung zeigt aber das Gegenteil. Jeder der fünf ‚Sendun- gen (Missus) zur Beförderung der Naturgefchichte der Fifche*, in wel- chen er die Claſſe abhandelt, ift eine Abhandlung über einen Punkt aus der Anatomie oder Phyfiologie der Fiſche einleitend vorausgefchickt oder als Anhang zugefügt. So enthält die erfte Sendung eine Einlei- tung über bas Hören der Fiiche und anhangsweife anatomifche Be⸗ mierlungen über ven Tümmler (von de la Motte mit Zufägen, von Klein) und über einen Rochentopf , die zweite Sendung bringt Bemer- kungen über Walfiſch ⸗ und Elefantenzähne, fowie über fogenannte Ge- börfteine des Manati und des Hundshaies, welche erftere er richtig für das Feljenbein erfärt. Die dritte und vierte Sendung befpricht bie männlichen und weiblichen Genitalorgane der Rochen und Haie, bie fünfte endlich einen in eine Schiffswand eingeftoßenen Narwalzahn. In Bezug auf das Hören der Fiſche hat Klein noch ſpäter einen ausführ- lichen Beweis zu geben verfucht, daß dieſe Thiere weder taub noch ftumm find, und dabei befonders auf die Gehörfteine aufmerkfam ge- macht #). Daß indeffen die Fifche hören und daß die Steine im Kopfe mit diefer Fähigkeit in Verbindung ftehen, begründet Klein nicht etwa durch befondere phyſiologiſche Thatfachen, fondern vor Allem damit, daß er meint, nach Analogie mit den Walfischen würden wohl auch die übrigen Fiſche Laute äußern und hören. „Nun hat die Weisheit des Scöpfers die Fifche in Gefchlechter und Gattungen eingetheilt und hat unter ihnen allen eine Achnlichkeit und Gfleichförmigkeit angeorbnet. Da num die einen (Wale) ein Gelant haben, fo ee | 43) Verſuche u. Abhandlungen der naturforfch. Geſellſch in Danzig. 1. Bb, 1747. ©. 106; die oben angeführte Stelle ©. 114. ra le, 3. en NT gie Eee A a nn a a — Ze ee 2 } Ä — ee * EIER — * Fr \ ? Fe N in * * * * * — ER, P; ar N 2 * —— are ‘ . vi i Jalob Theodor Klein. "485 fein, daß den Andern etwas Analoges eigen fei". Die Angabe des Ari- ſtoteles, daß beim glatten Hai die Embryonen durch eine Placenta nach Art der Säugethiere mit der Mutter verbunden feien , “erklärt Klein ausdrücklich für falſch. Seine Eintheilung Ser Fifche fchließt fich zum Theil an Ray, zum Theil an die inzwifchen von Linne herausgegebene Arbeit Artedi's an, läßt aber wiederum mehreres von Ienen fort und bringt dafür rein künftliche Merkmale hinein, welche nicht gerade einen Fortfchritt der Ichthyologie gegen jene Beiden befunden. Zu— nächjt rechnet Klein die Cetaceen als lungenathmende zu den Fifchen und theilt fie in Walfifche (Kopf macht ein Drittel des Körpers aus, find entwerer zahnlos oder bezahnt), ven Narwal und die Delphine (bezahnt, Kopf im einen Schnabel vorfpringend, vreifleffig). Die üb» rigen Fifche find num die eigentlichen, mit Kiemen athmenden. Ihre Kiemen Tiegen entweder verborgen Hinter dem Kopf oder offen am Kopfe. Die mit verborgenen Kiemen verjehenen Fifche haben diefelden entweder an den Seiten und find dann theils mit Floffen verfehen (fünf Kiemenfpalten: Haie, eine Spalte: Froſchfiſch, Meeraal), theils ohne Floſſen (eine Kiemenfpalte: Aal, fünf Spalten: Yamprete), oder an der untern Seite des „Thorar* (Nochen). Noch Fünftlicher ift die Anordnung der Fifche mit offenen Kiemen, welche in zwei Reihen, jede mit ſechs Fascikeln getheilt werden. Eine ſcharfe Charakteriftif der Reihen führt er aber nirgends an und verfällt hier felbft in den von ihm am Linne gerügten Fehler, daß er feinen confequent benutzten Ein- tbeilungsgrumd aufftelle. Die Fifche der erften Reihe follen durch be— fonders auffallende äußere Theile und durch den aalförmigen Körper ausgezeichnet fein. Da fängt denn die Reihe mit dem Wels an als einem durch feinen Kopf und Bauch merkwürdigen Fiſch; folgen die befonders mit fchnabelförmig vorfpringendem Kopfe und verfchievenem Munde verfehenen Formen, als Stör, Schwertfiih, Seewolf (Anar- richas) ı. f. w., dann die platten, welche entweder vechts ober linfs - oder auf beiden Seiten die Augen haben. Das vierte Fascikel bilden die mit einem Collet verfehenen Fifche, die Panzerwelfe, Seejchwalben, Kuckucke (Mullus, Trigla u. f. f.), das fünfte die mit dem Bauch oder mit dem Kopfe fich feftfaugenden (Cyclopterus, Echeneis), das ſechſte | EEE BRERTERE a en ae Kiemen haben: Ophidion, Ammodytes, Cobitis, welche er mit befon- bern Namen, Enchelyopus u. ſ. f. anführt). Die ganze andere Häffte ber Fiſche mit offenen Kiemen wird charakterifirt als: befchuppte Fiſche, mit langem oder breitem aber ftets diclem Körper, bie Seiten miehr oder weniger gelielt u. f. w. Man ſieht, er hat hier fein jcharfes ‚alle Formen gleihmäßig treffendes Kennzeichen finden können. . Die einzelnen Fascikel, wiederum ſechs, werben nad) der Zahl der Rücken⸗ floſſen gelennzeichnet und benannt: mit einer, zwei und drei folchen ; . jeder dieſer Abtheilung läßt er aber noch eine andere folgen, bei welcher bie Natur der betreffenden Ausschlag gebenden Floſſe zweifelhaft oder von ber gewöhnlichen Art verſchieden ift, daher Pieubomonoptern, Pſeudodiptern, Pieudotriptern. — Obfchon nicht geleugnet werben kann, daß Klein ſich gerade bei ven Fiſchen als ein kenntmißreicher und umfichtiger Mann zeigt, fo ift doch kaum ein anderes feiner Syſteme in deren Aufbau fich feine ganze Tätigkeit gipfelt, jo begeichnend für bie merhvürbige Befangenheit des Urhebers. Trog aller Bertrautheit mit einzelnen Formen ift Klein nie mit der ganzen Claffe vertraut worden. Bei dem Schalthierfyften,, welches Sein aufftellt +), kommen gleichfalls früher benugte Gefichtspunkte und Merkmale-vor; doch geht er auch bier nicht auf eine Begründung der Zufammengehörigfeit ges wiffer Formen in anderer Weife ein als durch Schilderung der äußeren Formverhältniffe. Dafür, daß die Schalen hinreichend fichere Mert- male barbieten , findet er in der Annahme noch eine weitere Begrün- bung, daß die junge Schnede mit eben fo viel Schalenwindungen aus dem Ei komme, als fie jpäter zeigt. Da num aber- die Schalen allein wenig ficheren Halt geben, fo find gleich feine erften großen Unter- 44) Bei der erften Mittheilung beffelben in der „Natürlichen Anorbnung ber Ehinodermen“ (1734) und beiläufig ſchon im ber Arbeit über die Meerröhren _ (S. 10) jagt Klein, ber Autor des Syſtems fei Fiſcher aus Königsberg ; es ift dies Chriſt. Gabr. Fiſcher, Profeffor in Königsberg, eine Zeit lang aus biefer Srtadt verwiefen und dann im Danzig lebend, ftarb 1751. Derfelbe war auch bei der Herausgabe von Lind’s Werk über bie Seefterne thätig. | Be Jatob Theedor Ali. Fa — ſehr — Art. Er unterſcheidet zumächft Schnedenjchalen (Cochlides) von Muſcheln (Conchae), unter erfterer Bezeichnung die canalförmigen, fich beftändig erweiternden uud babei fpiral gewundenen Schalen, unter letzteren die napf- oder becherför- migen verftehend. Diejer von Breyn entlehnten Definition entjpre- chend bringt er bie Napfichneden (Patella, Calyptra, Mitra) zu ven Muſcheln, alfo ohne Rüdficht auf das Thier einfchalige Mufcheln den zweifchaligen binzufügend. Die Schneden theilt er in einfache, bei welchen die Schale nur eine Windung (d. b. eine einfache, wenn auch mit mehreren Umgängen verjehene Spirale) bildet und in zufammen- geſetzte, bei welchen die Schale gleichfam aus zweien befteht; er hat bier vorzüglich die Bildung der Schalenöffnung vor Augen. Denn während er die einfachen wieder in ebene (Argonauta, Planorbis), convere (Nerita), gewölbte, elliptijche (Haliotis), conijche (Bulla, Trochus), Schneden (Turbo sp., Helix), Buccinum » artige (Bucci- num sp.) und Turbo» artige (Turbo sp.) theilt, charakterifirt er bie zufammengejegten in fünf Elaffen nach der Form der Mündung, nad ver Beichaffenheit ver Mündung u. vergl. als folche mit Schnabel, in langgewundene, ovale (Bulla, Cypraea), geflügelte und fügt als letzte Clafje ven Murex brandaris hinzu, bei welchem die edfige Schale ge- wiffermaßen eine doppelte Pyramide bildet. Die zweifchaligen Mufcheln find entweder gleichjchalig, — und haben dann ringsum fchließende ober Haffende Schalenränder, — oder ungleichichalig (Terebratula, Chama sp., Arca sp., Anomia). Bieljchalige Mufcheln find bei ihm die Entenmujcheln,, „veren Fabel bekannt ift.“ Als bejondere Claſſe neben dieſen führt ev noch „Mufchelnefter“ an mit Balanus, Pollicipes, u.dergl, Endlich machen auch die Echinen und „Meerröhren“ einen Theil feines Schalthierfuftens aus, welche er aber jelbftändig behandelt hat. Abgejehen von dem Umftande, daß er die Thiere durchaus gar nicht. berücfichtigt hat, aljo in der That nur ein Schalenſyſtem aufftellt, macht bier auch die Sucht, überall neue Namen einzuführen, ja jogar- ſchon vorhanvene, z. B. Rumph'ſche Namen, auf andere Gegenftände zu übertragen, fein Syſtem in hohem Grade ungeniekbar. Sehr bruchftücartig ift das, was Klein über die Eruftaceen mit- 3 geiet jat. Cine „Zee über Di Cuſſen ber rfßfer un N % phibien“ hat er ein Prälubiun über bie Kruftenthiere angehängt, befon- ders über bie der Oſtſee. Auch bei diefen Formen macht fich bie rein -Auferfiche Betrachtung der Thiere geltend, wenn Stein z. B. bie jenigen Arten, deren Gliederung in Folge der Bildung eines fogenann- ten Gephafothorag nur am Schwanze und den Beinen fich frei erhält, von ben Infelten trennt, deren Körper durch Einſchnitte harakterifirt iſt. Mein ſcheidet die Malakoftraten factiſch nach dem eben hervor ⸗ gehobenen Umſtande in zwei „höchfte Gattungen“ ; bei ber erſten iſt nur der Schwanz gegliedert, bei der zweiten ift entweder ber ganze Körper ober nur bie Bruft und die Füße gegliedert. Letztere Alternative hat er offenbar noch Hinzugefügt, um biefer, von ihm Inſekten genannten Gruppe, auch den Einſiedlerkrebs zutheilen zu Können. Außer biefen gehören ber Skorpion, Squilla, welche er Entomon Mantis nennt, Lygia und ähnliche Formen hierher. Zur erften Gruppe rechnet er bie kurzfchwänzigen Krabben (Cancri), die langſchwänzigen Zehnfüher Slußtrebs Gammari genannt) und Crangon, welchen er Squilla ) Die „natürliche Anorbnung * Echinodermen“ enthält in dem Abſchnitt über die Stacheln der Seeigel auch einige Worte über ben innern Bau diefer Thiere, wie er auch die Laterne des Ariftoteles und die einzelnen Theile derſelben ganz leidlich abbildet. Jedoch hat Mein bier nur wenig felbft umterfucht, um etwa frühere Angaben zu be» + ftätigen. So fagt er 3. B. bei Erwähnung der kalligen Scheidewände im Innern mancher platten Seeigel, wo er den Schilderungen Reau— mur's folgt, daß er nicht Luft gehabt Habe, Exemplare feiner Samm⸗ fung zu zerftören. Er trägt daher in kurzem Umriffe zufammen, was Ariftoteles, Rumph und Valfisnieri gefagt Haben. Wuch bei biefer Kaffe fam es ihm nur auf die Schale an, wie er dies zur Begründung des von ihm eingeführten Namens Ehinodermen ausbrüdlich her- vorhebt (S. 11). Die eigenthümfiche typiſche Geftalt, das Vorherr⸗ ſchen der Fünfzahl in der Elaffe fcheinen ihm nicht als beſonders merk⸗ würdige Umftände berührt zu haben; denn bei der Schilderung eines - fechsftraßfigen Seeigels äußert er nicht ein Wort der Verwunderung Jakob Theodor Mein. 189. über dieſe Abweichung 5). In der Eintheilung ver Claſſe ſchließt er fich ganz an Breyn und veffen Vorgänger an und ‚theilt mit biefem nach Morton und Woodward die Seeigel nach der Lage ver Mund- und Afteröffnung ein. Charakteriftiich ift es aber, daß er beide Deffnun- gen behufs Benugung derſelben als claffificatorifcher Merkmale zu ver⸗ binden fich offenbar ſcheut umd dafür lieber zwei Syſteme auffteltt, eins mit Zugrumbelegung der Lage des Mundes, ein zweites nach der Lage der Afteröffnung. Das letztere Merkmal fcheint ihm das zuver⸗ läffigere zu fein; die einzelnen Arten führt er daher unter dieſer Ein theilung auf. Es fehlt natürlich auch hier nicht an neuen Namen. Der Schilderung find Abbildungen beigegeben, welche für ihre Zeit ganz vorzüglich gezeichnet und geftochen find. Sie wurden von den Freunden und Gönnern Klein’s zu diefem Werk geftiftet und haben noch lange Zeit mit Recht als eine Hauptquelle für die Kenntnif der Seeigel gegolten. — Gfleichfalls ohne Rückſicht auf etwaige Bezeich- nungen zu ben Weichtheilen fchilvert Klein die „Meerröhren“. Unter biefem Namen begreift er wie Breyn fowohl Belemniten, als Wurm- röhren u. dergl. Die Charakteriftif der einzelnen Formen ift hier am oberflächlichften und am wenigften gelungen ; und auch in ber fpäter erjchienenen Ausgabe des Scheuchzer'fchen Nomenclator ber Figuren- fteine, welche Klein beforgt und mit Zufägen verjehen hat, ift fein wefentlicher Fortjchritt zu erkennen. — Was endlich die Polypen be- trifft, jo drückt Klein in einem Auffage, betitelt: „Zufällige Gedanken über ein obhandenes Syſtem der bisherigen fteinartigen Seegewächſe“ feine Anfichten aus. Er glaubt den Angaben und Deutungen Peyfon- nel's und Juſſieu's nicht folgen zu bürfen und fchließt fich der älteren Anficht Marſilli's an, hält daher die Korallen für Pflanzen, die Thiere für deren Blüthen. Es ift im BVorftehenden eine ziemlich vollftändige Ueberficht ver 45) Unter dem Namen Echinites Telsdorpfii ſchildert Mlein einen ihm in zwei Exemplaren von zwei verfchiedenen Fundorten herzugelommenen Seeigel mit ſechs Strahlen: Bei der jonft jo genauen Rüdfichtuahme auf Zahlenverhältniffe ift hier ſchwer an eine Täuſchung zu glauben, böchftens an eine Berwechielung eines Strahles mit einem befonders ausgezeichneten Interrabialfelde. zoologiſchen Yeiftungen Klein's gegeben worden. Wenn biefelben im Einzelnen meift ungünftig beurtheilt werden mußten, felbft mit Rüd- ficht auf die Zeit, in welcher Klein arbeitete, fo geſchah dies, um dieſen Leiftungen als folchen ihr hiftorifches Recht angedeihen zu laſſen. Zu einem etwas andern Urtheile bürfte man aber doch gelangen, wenn man bie Gefammtthätigkeit dieſes Mannes überblidt, welchen jo ausführlich in feinem Wirken verfolgt zu haben gewiß, wie aus den kritiſchen Be⸗ merkungen hervorgeht, kein nationales Borurtheil Veranlaffung ge geben hat. Klein war keinesfalls ein großes naturhiftorifches Genie, und ift es nur Localftolz, wenn fein Biograph Sendel inne den Klein der norbifchen Neiche nennt. Doch ift er fowohl für das, was bei ver Form, in welcher er die Zoologie vorfand, wejentliches Bebürfniß für fie war und für bie Art, wie biefem aus der Zeit heraus zu genügen verfucht wurde, als auch für den Einfluß beftimmter philoſophiſcher Richtungen eine fo charakteriftiiche Erſcheinung in der Geſchichte ber Zoologie, daß er jelbft dann noch eingehend zu befprechen gewejen fein würde, wenn feine Schriften noch weniger Erfolg gehabt hätten, als es Bassett ber Boll war. Bon ben ——— —— welche teils Klein’s Syſtem, theils das Linne s auszubauen ober zu verbeſſern fuchten, hat feiner in fo confequenter Weife das ganze Thier- veich durchmuſtert; feiner hat in gleich conſequenter Weife ben Verſuch gemacht, eine Anordnung fämmtlicher Formen von einem rein künft- lichen, man darf kaum jagen logifchen, Gefichtspuntte aus zu begründen ; freilich bedachte Klein dabei nicht, daß es fich hier nicht um Anordnung von Begriffen, fondern um die Beftimmung der Zufammengehörigkeit lebender, wachfender, fich entwicelnder thierifcher, den verſchieden⸗ artigſten Pebensbedingungen ausgefegter Weſen Handelte. Und wenn - 8 hiernach faft fcheinen könnte, als folle hierdurch auf Klein wie auf ein abſchreckendes Beifpiel hingewiejen werben, fo muß doch darauf aufmerkſam gemacht werden, daß die Wiſſenſchaft wohl nicht fo leicht und glüdlich über die mit gefchichtlicher Nothwendigkeit doch zu durch⸗ laufende Periode gefommen wäre, wenn nicht Klein, gegen feinen Willen, in faft allen Klaffen das Unhaltbare von Syſtemen nachgewie⸗ jen hätte, welche ohne Berüdfichtigung der Gefammtnatur der Thiere —— 4° in BE a an 1 nt a NEBRE . N Er — Sat Spender Mein. 49 ‚aufgeftellt werden. Es ift aber nicht zu vergeffen, daß die Zoologie ſich im einer Krzzen Zeit ifrer eigentlichen wiffenfchaftfichen Mnfe gabe bewußt zu werden anfieng, daß die einzelnenRichtungen zwar an fänglih in der Ausführung von verfchiedenen Männern vertreten wurden, daß fie aber doch ſämmtlich in ver Aufftellung eines Syſtems gipfelten, welches zwar zumächft die Beftimmung hatte oder wenigfteng zu haben fehlen, die in großer Anzahl befannt werdenden neuen For⸗ men der alten und neuen Welt leicht und überfichtlich zu ordnen, welchem aber doch ſchon in feiner erften Form die Aufgabe zufiel, da— neben auch die zur Zeit erlangten Kenntniffe von den Thieren und nicht bloß die einzelnen Formen ſyſtematiſch geordnet darzulegen. Wie Klein in Bezug auf die wifjenfchaftliche Begründung des Syſtems feine andere Kritik als die einer jchulgerechten Diftinction anerkannte, gegen beren Regeln er aber ſelbſt öfter verftieß, fo entgieng ihm damit auch die Nothwendigkeit einer formellen, oder wenn man will technifchen Be- gründung. Ray hatte zwar hierzu den Anftoß durch Feftftellung des Artbegriffs gegeben; Klein kennt diefen nicht. Denn wenn ihm auch Species die Heinfte ſyſtematiſche Gruppe ift, fo wird fie doch nirgends von ihm hinreichend charakterifirt, um auch als ſyſtematiſche Einheit gelten zu Können; und ber Ausdruck Genus gilt auch ihm nur als Ber zeichnung für ein Logifches Verhältniß der Leber - und Unterorbnung. Schon bei Klein findet fich übrigens „Sefchlecht“ und „Gattung“ als deutſche Bezeichnungen für Genus und Species, was befanntlich theil- weile noch bis auf ben heutigen Tag in halbpopulären Schriften zu BVerwirrungen führt. Klein’s Standpunkt in Bezug auf Syſtematik wird vielleicht am beften durch bie vorm angeführte Stelle gefenn- zeichnet, wonach er die Thiere als vom Schöpfer felbft in „Sefchlechter und Gattungen“ eingetheilt anfieht, welche aufzufinden und zu charak- terifiren dann Aufgabe des Zoologen fei. Was endlich eine Berüd- fichtigung der Thiere als belebter Naturgegenftände betrifft, jo lag Klein eine Unterfuchung des anatomifchen Gefüges als der Grund— lage der Lebenserfcheinungen vurchjchnittlich eben fo fern mie ber Gedanke, in dem Bau der Thiere den ficherften Hinweis auf ihre ſyſtematiſche Anordnung zu erbliden. Neben Klein arbeitete num Fi F : —— — F * Me — € x a AN — — — ———— = —E * N * a SE he E len h * ———— ER AR & — — I £ u en ‚ ü i * * — — f ; . R £ x ; — * J * ’ un ; aber ein Mann, welchen gerade bie hier erwähnten Momente be ſtimmten, ben Aufbau des Syftems von den Thierem felbft aus und micht bloß einfeitig nach ihrer äußern Erſcheinung zu verfuchen, welcher die Nothwendigkeit fühlte, diefen Verſuchen eine ficherere formelle Begründung zu geben als bisher und welcher unter kritifcher Benugung aller inzwiichen gemachten Erfahrungen trog mancher durch bie Zeit bedingten Misgriffe, die Zoologie von Neuem wiſſenſchaftlich gründete. Denn mit ihm hörte fie auf, eine bloße Sammlung natur- biftorifcher Schilderungen zu fein; er vereinigte zum erftenmale die ſo⸗ : wohl aus der Kenntnif des ganzen Thierreichs als aus der ber einzel- men Formen und Gruppen refultirenden allgemeinen Wahrheiten zu einer ſyſtematiſchen Geſammtform; er vollendete das Gebäude, zu x welchem Ray neuerdings den Grund zu legen begonnen hatte und beffen eine Außenwand Klein einfeitig aufzuführen verfucht Hatte. Carl von Linne. Eine ziemlich weit verzweigte Familie ſchwediſcher Bauern hatte bereits im fiebzehnten Jahrhundert mehrere Söhne in den Gelehrten- ftand eintreten laffen. Dabei nahmen diefe einen Familiennamen an und wählten ihn nach einer in ihrer Geburtsgegend zwifchen Jomsboba und Linnhult ftehenden Linde. So nannte ſich der eine Zweig Tiliander, der andere Lindelius. Der 1674 geborene Nils Ingemarsfon wurbe . 1705 Prediger in Räshult, 1707 Prediger in Stenbrohult in Smä- fand und nahm beim Eintritt in die Univerfität, der Ueberlieferung nach von berfelben Linde, den Namen Linnaens an. In Räshult wurbe am 2./68. Mai 1707 fein Sohn Carl Linnaeus geboren, deſſen Namen fich bei ver vom 4. April 1757 batirten im November 1761 erfolgten und durch Reichstagsbeſchluß von Ende 1762 beftätig- ten Erhebung in den Adelsſtand in Carl von Linne umänderte 4), Bei dem Sohne eines für Gartenbau und Pflanzenkunde begeifterten Mannes erwachte die Liebe zur Natur und zur eingehenden Beichäf- tigung mit ihr ſchon in den frühen Snabenjahrensund führte ihn zur 46) Kann „Linnaeus“ immerhin als latinifirte Form von „Linne” angefehen und gebraucht werben, fo hieß Linne doch vor 1762 nicht fo, fondern nur Linnaeus. — Linne. 493 Belanntfehoft m mit den meiften Naturerzeugniffen, vorzüglich zunächt | ver Pflanzen, feines Wohnorts. Zum Studium der Theologie be- ftimmt , ſollte er auf der Schule zu Weriö (1717—1724), dann auf dem dortigen Gymnaſium (bis 1727) für die Univerfität vorbereitet werben. Nach kurzem Aufenthalt auf vem Gymnaſium liefen aber von feinen Lehrern jo ungünftige Berichte über feine Fortjchritte ein, daß der Bater wohl feinen Vorſatz, ihn zur Sicherung feines jpäteren Brovderwerbs Schuhmacher werden zu laffen, ausgeführt haben würde, wenn nicht ein Arzt in Weriö, Johann Rothmann, fich warm für den jungen Botaniter verwandt und den Vater ſchließlich beftimmt hätte, den Sohn Medicin ſtudiren zu lafjen. Linné bezog nun die Univerfität Lund, wo fi Kilian Stobaeus, der Profefjor der Botanik, wohl- wollend feiner annahm und ihm durch Förderung feiner Neigung und Unterftügung mit reichen litterarifchen Hülfsmitteln Gelegenheit gab, einen fichern Grund für fein an Formenkenntniß ſchon ſehr aus- gebreitetes Wiffen zu legen. Im die Zeit feines Aufenthaltes in Lund (1728) fällt feine heftige Erkrankung in Folge des vermeintlichen Ein- bringens eines fabelhaften, bis jet wenigftens nicht zweifellos auf- geklärten Wurms, der von Linne fogenannten Furia infernalis. Auf des genannten Rothmann Rath ging Linne im Herbfte 1728, von feinen Eltern mit einer Heinen Summe ein für allemal ausgerüftet, nach Upfala, um dort vorzüglich Olaf Rudbed als Lehrer be nuben zu können. Aus einer brüdenden Lage, im welche ihm jene Mittellofigkeit verjett hatte, befreite ihn das Wohlwollen des Theologen Dlaf Celſius, welcher mit den Vorarbeiten zu feinem Hierobotanon bejchäftigt durch Zufall einen Einbli in des jungen Studenten bota- niſche Kenntniffe erhalten hatte. 1730 fieng Linné an, als Stellvertreter für Rudbeck Borlefungen zu halten; dadurch wurde ihm bei Be— nugung von Rudbeck's Bibliothef mandes zoologijche Werk und auch Rudbeck's Zeichnungen ſchwediſcher Vögel zugänglich. Wichtig für inne war auch die bald nach feiner Ankunft in Upfala gemachte Be- fanntjchaft eines beinahe gleichaltrigen jungen Mannes, mit welchem er bald eng befreundet wurde und mit welchem er fich, ähnlich wie früher Ray mit Willughby, in Betreff feiner ſchon damals gefaßten ee 'S er Periode der Spftematit. Pläne zur Reformation der Naturgefchichte in die zu bearbeitenben einzelnen Welver theilte; es war dies Peter Arctäbins, fpäter meift Artedi genannt. Im Yahre 1705 in Angermannland, wie Linne von armen Eltern geboren, bezog er 1724 vie Umniverfität Upfala, um Theologie zu ſtudiren, kam aber wie Linne bald von ihr ab und widmete fich ver Natur. Wie Linne zunächft ven Gedanlen ge- faßt hatte, die Botanik zu reformiren (befonders angeregt durch bie ihm 1728 belannt gewordene Schrift VBaillant's über ben Bau der Blüthe), fo verfiel Artedi auf einen gleichen Plan in Bezug auf bie Fifche. Der lebendige Austaufch aller neuen Eindrücke zwifchen ven jungen Freunden wurde indeffen bald unterbrochen. Die früher er- wähnte litterariſche wiſſenſchaftliche Geſellſchaft in Upfala beſchloß nämlich, Lappland mit der Aufgabe einer ſorgfältigen Unterſuchung der Naturmerhwürbdigfeiten dieſer nördlichften ſchwediſchen Provinz ber reifen zu faffen. Die Wahl des zu Sendenden fiel auf Linne, Am 2./13. Mai 1732 trat dieſer vie Reife an, welche er fpäter felbft für die befchwerlichfte, aber auch lohnendſte erklärte von allen, welche er gemacht habe. Da er, im October 1732 nad) Upfala zurückgelehrt, in Folge der Eiferfucht und des Neides feitens des Adjuncten Roſen bie Erlaubniß Borlefungen halten zu dürfen verloren (er war noch nicht promovirt), dagegen ein Meines Stipendium erhalten hatte, benutzte er feine Erfparniffe zu einer mineralogijchen Reife nah Fahlun, veifte von dort auf Koften Reuterholm’s mit einer Anzahl jüngerer Zuhörer durch Dalekarlien, Hielt dann in Fahlun ſelbſt Vorträge über Mineralogie und Brobirkunft und verlobte fich, um zu feiner, wie es damals gebräuchlich war, im Auslande zu bewerkftelligenden Promotion bie nöthigen Mittel zu erhalten, mit ver Tochter des Doctor Johann Moraeus in Fahlun. Um Neujahr 1735 trat inne feine Reife in’s Ausland an, um im Holland, dem damals meift von Schweden aus zu biefem Zmede befuchten Lande, fich die mebicinifchen Lorbeeren zu Holen, während. Artedi zur Fortführung feiner ichthyologifchen Unterfuchungen kurz vor⸗ her nach England gegangen war. Sinne promovirte am 13./24. Iumi“ in Harberwijt durch Vertheivigung einer neuen Hypotheſe über bie intermittirenden Fieber. Im Amſterdam wurde er mit Joh. — —— „Carl vom and. ; 495 — befreundet, durch beſſen Vermittelung das von Linne anfäng ⸗ / a in Tabellenform entworfene neue „Shftem der Natur“ zum erften- male (1735) gedrudt wurde. Im felben Jahre bereitete er auch bie _ Fundamenta botanica fo weit vor, daf fie im folgenden Jahre, ebenfo wie die botanifche Bibliothek, im Drucke erfcheinen konnten. Diefe Fundamente find um fo wichtiger, als Linne bier, zwar zunächft für die Botanik, aber doch auch allgemein für die wiſſenſchaftlich formale - Behandlung der Natur fefte Regeln ſowohl für das Syſtem felbft, ala auch Für die Nomenclatur und Terminologie aufftellte, obſchon er in - Bezug auf Nomenclatur diefe Regeln anfänglich felbft nicht durch— gehends befolgte. Durch Gronov wurde Linne mit Boerhave und durch diefen mit Burmann und Clifford bekannt. Von beiden mit - Auszeichnung und liberalfter Gaftfreunpdfchaft aufgenommen , arbeitete Linne mehrere feiner wichtigeren botanischen Werte in Holland aus, gieng auch in Elifford’s Auftrag 1736 nach England, wo er Shaw, - Hans Shoane, Dillenius u. a. perfönlich kennen lernte. Von Eng- land zurückgelehrt, gab er 1737 die Genera plantarum heraus, denen Am folgenden Jahre als zweiter Theil der Fundamente vie Classes - plantarum fich anfchloffen. Wie er bis jegt in Holland vorwaltend in - Gärten mit deren Anorbnung und Bejchreibung nach feinen neuen ſyſtematiſchen Anfichten thätig gewejen war, fo lag ihm num noch eine Aufgabe ob, deren Leiftung für Zoologie wichtig ihn befonders fchmerz- lich berühren mußte. Am 25. September 1735 war fein Fremd Peter Artedi, welcher inzwifchen von England herübergefommen und dem Apotheker Alb. Seba zur Befchreibung feines beſonders an Fiſchen reichen Muſeums empfohlen worden war, auf dem abendlichen Heimmwege von Seba’s Haufe in eine Gracht gefallen und ertrumfen. Seine hinterlafjenen Mannferipte löfte Clifford von Artedi’s Wirth aus und fchenkte fie Linne. Anfang 1738 erſchien nun das für feine Zeit bedeutende Werk Artevi’s über die Fifche von Linne heraus: gegeben, welcher auch bei ver Anordnung dieſer Claſſe in ven erften - Auflagen feines Naturſyſtems ganz feinem Freunde folgte. Im Mat 1738 ging Linne nach Paris, knüpfte dort mit den beiden Juſſieu, : Reaumur u. A. Bekanutſchaften an und kehrte dann, noch in Paris RE ber Mobenie ber — — nad Stochholm zurüd. Hier wurde er Anfangs kalt empfangen und mußte fich durch ärztliche Praxis Unterhalt zu verfchaffen ſuchen, hatte aber damit Glück, wurde bei Hofe eingeführt, wo De Geer und Graf Teifin fich feiner befonters annahmen und beirathete am 26. Juni 1739. Im Jahre 1741 wurde er Profeffor der Medicin in Upfala, ‘welche Stelle er Ende des Jahres mit Rofen gegen die ber Botanik und Naturgefchichte vertaufchte. Nun war endlich Linne an feinem Plage; er reformirte ben ganzen Garten, errichtete 1745 darin ein natur biftorifches Mufeum, gab als Refultat feiner mannigfachen Reifen durch die ſchwediſchen Provinzen 1746 feine ſchwediſche Fauna heraus, wurde 1747 Archiater und fandte eine Anzahl feiner Schüler (Tern- ftröm, Kalm, Haffelquift, Montin, Dsbed u. a.) nach ben verſchie⸗ benften Ländern zur Erforfchung der Naturerzeugniffe aus. 1750 ſam⸗ melte und erweiterte er in der Philosophia botanica bie früher in ben Fundamenten mitgetheilten Grunbfäge mit andern in ber „Kritil" und ben „Elaffen der Pflanzen“ enthaltenen Bemerkungen und ſchuf damit ein Wert, welches die Botanil formell neu gründete. Die allgemein - für Naturbefchreibung wichtigen Grundfäge wandte er fpäter auf bie ganze Natur am und gab noch felbft ähnliche methodologiſche Funda⸗ mente für bie Entomologie und Ornithologie, bemen fpäter ganz im Linne'ihen Sinne Joh. Reinhold Forfter im Enchiridion die Funda- mente der Ichthyologie anfchloß. Unter beftändig fteigender Anerlen⸗ nung feiner Bedeutung, nicht mehr bloß vom Auslande, fondern auch von feinen Landsleuten, war Linne in den übrigen Jahren feines Lebens in einer jeltenen Weife thätig, die Kenntniß der Natur ſowohl im Allgemeinen als vorzüglich die Kenntnif der einzelnen Formen und ihrer Beziehung zu einander zu fördern und zu erweitern. Im ganz bejonberer Weife tritt feine Regſamleit bei VBergleichung der verjchiegg denen Ausgaben feiner Pflanzenfpecies jowie jeines Naturfyftems hervor, von welchem letzteren Werte z. B. die zehnte und zwölfte Ausgabe ganz neue Bücher geworben waren #7). Seine Thätigfeit als Lehrer war im’ 47) Der auf S. 476 Anm. 38 gegebenen Ueberficht über die Ausgaben des“ Systema Naturae und der von Linne felbft angenommenen Zählung berjelben” en rn Aa ° | er gleichem Grade bedeutend und muß in hohem Grade anregend geweſen fein. Bisher war die Naturgefchichte nur als Anhang zur Heilmittel- lehre, ganz wie am Ausgange des Mittelalters als Lehre von den „ein- fachen Mitteln“ behandelt und in ver alten fteifen mehr litterar- biftorifchen Weile vorgetragen worden. Linne fchöpfte aus einem außerorventlich reichen Schage autoptifher Erfahrung und führte feine Schüler (zu denen auch Schreber und I. €. Fabricius gehörten) in einer völlig neuen Weife in die Natur ein. Wie feine VBorlefungen, jo war auch fein Präfivium bei Promotionen gefucht; ein reiches Zeug- niß hierfür gibt die große Zahl von Differtationen,, welche von ihm verfaßt oder überarbeitet, jpäter in den Amoenitates academicae ger ſammelt wurden. Im Jahre 1758 hatte er Hammarby gekauft und es 1764, nachdem er durch feinen Sohn Earl im Lehramte eine Ver- tretung erhalten hatte, bezogen. Nach mehreren fchweren Erkrankungen ‚traten Schlaganfälle ein, in deren Folge er am 10. Januar 1778 ftarb. | Linnes Berdienfte um die Zoologie und Botanik ift man heutzu- tage geneigt, wenn nicht zu unterjchägen, doch einer entſchieden ver- gangenen Zeit angehörig zu betrachten, da die Fragen, welche jet den Buhalt der wifjenfchaftlichen Bejtrebungen ausmachen, nur felten oder überhaupt kaum von ihm berührt werden. Seine nicht bloß gefchicht- liche Bedeutung für die Wiffenfchaft ver belebten Natur auch in ihrer heutigen Form ift aber ganz außerordentlich und kaum von der irgend ‚eines andern Mannes übertroffen. Sollen allgemeine Wahrheiten aus Einzelbeobachtungen abgeleitet werben, fo müſſen letztere jo präcs wiedergegeben werden können, daß man unter allen Umftänden weiß, wovon die Rebe ift. Dies war aber bis zu inne weber in der Zoologie noch in der Botanik möglich. Von Thieren hatte man eine beträcht- liche Zahl kennen gelernt ; aber Niemand war im Stande, mit Sicher- braucht Hier nur noch zugefügt zu werden, baf der Leipziger Nachdruck der 10. Ausgabe (1762) von Linn als 11. Ausgabe bezeichnet wird, während er den von Le ge beſorgten Abdruck (Halle, 1760) gar nicht erwähnt. Die 12. Ausgabe iſt Bann die 1766 — 68 in Stodholm erfchienene, bie letzte, welche Linne ſelbſt beſorgt Bat. An diefe ſchließt fich dam die in Leipzig 1788 von Joh. Friedr. Gmelin herausgegebene als 13. an. 8. Carus, Geſch. d. Zool. 32 % — heit anzugeben, ob nicht etwa (vie allerbefunnteften von Alters her be- nannten und beichriebenen Formen ausgenommen) zwei oder mehr ver- fchievene Beichreibungen ein und daſſelbe Thier beträfen. In ven philofopbifchen Disciplinen wäre es jchon feit Jahrhunderten Nieman- dem eingefallen, auch nur von einer Wiffenfchaft zu fprechen, wenn nicht die Gegenftände, welche ber Betrachtung unterlagen, im einer ſcharf ausgebildeten, durch eine nur gar zu große Menge von allgemein . amerlannten und in ihrer Bebentung keinen Zweifel zulaffenden Kunft- -ausbrüden auf Alles vorbereiteten) Sprache hätten jo bentlich be- zeichnet werben können, daß jeder Fachmann bein bloßen Nennen eines beftimmten Namens wußte, um was es fich handelte. Sieht man fich dagegen in den naturgeichichtlichen Werten ver Borgänger ‚Linnds, bei Ray, Klein u. A. um, fo tritt fofort ber Uebelſtand ſehr _fühlbar entgegen, daß man ftatt kurzer, die einzelnen Formen präcis als folcher bezeichnender Austrüde mehr oder weniger ausführlich ger altene Definitionen findet, weiche fich beinahe in allen ben Fallen als unjureichend berausftellen,, in denen es fich um Unterfcheibung einer nahe verwandten Form vom einer andern oder um Wiedererlennung einer ſchon früher gefchilperten Handelt. Es war mum aber nicht bloß die Namengebung ber einzelnen Arten, fondern in einem noch) aufe fallenderen Grade auch die Bezeichnungsweiſe der einzelnen Theile und aller als Merkmale zu benutzender Eigenthümlichfeiten ver Thiere . umbeitimmt und ſchwanlend. Einzelne Berfuche, bie Terminologie feft- zuſtellen, waren allerdings, wie betreffenden Ortes erwähnt, jchon ge⸗ macht worden, aber noch nicht in einer conjequenten, bie ganze Reihe der beichriebenen Tiere umfafjenden Weife umd nicht unter Berück⸗ fihtigung der durch bie eg | Merkmallreiſe. Dieſe Unſicherheit in der Sprache machte ſich ferner nicht bloß bei ven Beſchreibungen, ſondern auch beim Aufbau und bei der Gliederung des Syſtems in Bezug auf die Benennung ber einzel⸗ nen Gruppen fühlber. Wenn nun etwa von einem modernen Stande punkte aus gejagt werben follte, daß ja für den Fortgang ver Erfennte niß nichts darauf ankäme, wie man bie einzelnen Gruppen nennt, ſe muß doch bemerkt werden, daß man gleiche Verwandtichaftsgrade nicht nach Belieben mit verſchiedenen Namen belegen darf und daß es bei ver Anordnung verfchiedener Formen nach ihren gegenfeitigen Beziehungen nicht bloß von Werth fondern geradezu unerlälich ift, für die einzelnen Ber⸗ hältmiffe auch gleiche, eine beftimmte Bedeutung enthaltende Bezeich- nungen zu haben. Linnẽ's Beftreben war nun nach diefen Richtungen hin vorzüglich darauf gerichtet, die Kunftiprache im weiteren Sinne feftzuftellen. Um bier das wenn auch Nothwendige, doch nicht Bedeutungsvollſte zuerft zu nennen, jo muß auf die in den Fundamenten enthaltenen Ueberfichten der Theile und Merkmalsgruppen hingewiefen werden, welche er felbft, wie erwähnt, zwar nur für einzelne Theile ausgearbeitet hat, welche er aber im ähnlicher Weife feinen Schilverungen alfer übrigen Elaffen zu Grunde gelegt hat. Für jede einzelne Claſſe entwarf er Liften, in welchen die äußeren und anatomifchen Verhältniffe nach den vorkom⸗ - menden Verſchiedenheiten in ihrer Norm, ihrem Bau, ihrer Anordnung Carl bon Line. 5 De So m. ſ. funter ein für allemal feftgeftellten Bezeichnungen aufgeführt - werben, welche aljo ven jever Elafje eignen Merkmalskreis umfaffen®s). Mittelſt derſelben wurde es möglich, einzelne Arten in kurzen, allgemein verſtändlichen und nicht zu mißdentenden Definitionen oder „Diagnofen“ zu kennzeichnen. Diefe Diagnofen innerhalb einer beftimmten Heinen Zahl von Worten zu halten, war vielleicht ſchon zu Linne's Zeit eine zur eng gehaltene Vorſchrift; fie hatte aber das Gute, die Bejchreiber neuer Arten darauf hinzuweiſen, daß mir die wichtigften Unterſchiede - anzuführen feien ; zu diefem Zwecke mußten aber wiederum die Formen felbſt genauer und allfeitiger beobachtet werden. Die Dingnofen zu ‚erweitern, ftellte fich dann als nothwendig heraus, als mit dem immer weiteren Eindringen in den Formenveichthum einzelner Gruppen bie Schwierigkeit wuchs, die Verſchiedenheit zweier oder mehrerer Formen ‚ aus wenig Merkmalen nachzumweifen. — Noch wichtiger war bie con«- ſequent durchgeführte Gliederung des Syſtems in Elaffen, Ordnungen, Gattungen, Arten und Varietäten. Während vor Linne, auch noch bei — 45) So gibt Linne in der Fauna suecica vor der Schilderung ber einzelnen a Thiere eine Ueberſicht der zu Merkmalen benutzten Theile unter der Rubrik »Ter- mini artise, 1746. 32* Br ein, — Begegnungen Gruppen bie allergrößte Willtür herrſchte, tritt die erwähnte fichere Abgrenzung bereits in ber erften Auflage des Naturſyſtems auf. Dabei hebt aber Linne felbft hervor, daß dieſe Gruppen in gewiſſer Weife kunſtliche feien, daß dagegen bie Auffindung des natürlichen Syſtems die Hauptaufgabe bilde. Für die Botanik theilt er in der „Philofophie* eine verfuchsweife Aufzählung der natürlichen Gruppen mit, welche war mach mic die Begeichmung Fanilie ragen, weiche aber volfäin. big. dem fpäter fo genamuten Abtheilungen entfprechen. — Bon ber größten Bedeutung war aber die Feftitellung des Begriffes der Art als des ſyſtematiſchen Ausgangspunftes. Auch hier weift er ſchon in der erften Auflage des Naturfpftems darauf hin, daß die Individuen⸗ zahl in jeder Species fich beftändig vergrößere, aber rüdwärts ver- - folgt ſchließlich auf ein Paar oder ein Zwitterindividuum führe. Cs gibt feine neue Arten; Aehnliches gebiert nur Aehnliches. Dies find die Örumdfäge, welche fpäter in der Philoſophie der Botanik nur weiter - formulirt werden: „Es gibt jo viel Species, als urfprünglich erſchaffen werben find.“ Dieje „Sormen haben nach den Gejegen der Zeugung mehrere, aber immer fich jelbft ähnliche hervorgebracht." Es findet fich alſo hier der von Rab zuerft bervorgehobene Gefichtspunkt im ſcharf ausgefprochener bogmatifirter Form. Dabei ift indeß zu bemerken, daß trotz diefer, in der Firirtheit der Arten liegenden Beſchränkung Linne weiter blickte und die Gattungen gleichfalls für natürliche, die Orb- nungen und Claſſen aber für Werke ver Natur umd Kunft erklärte. Dies war allerdings zumächft für die Pflanzen ausgefprochen worden, wo die Gattungen durch ein Merkmal höherer Ordnung ausgezeichnet und anatomifch charakterifirt werden follten. Es ift aber diefe Erklärung bezeichnend für Linne's ganze Auffaffung. Nur confequent war es, wenn die Species als von der Natur gegeben betrachtet wurden, bie Uebereinftimmung in einer gewiffen Merknalgruppe auch für den Be- weis einer natürlichen Zufammengehörigkeit gewiffer Arten anzufehen und daher die Gattungen für vollftändig natürliche, die Ordnungen und Claſſen für theilweife natürliche, theilweife künftliche Gruppen zu hal- ten. Das Natürliche bei den legten weiten Gruppen fucht Yinne im hi eig mehrerer verwandter Gattungen u. ſ. f. in einer ganzen Reihe von Merkmalen, welche ven Habitus bedingt. Hiernach - natürliche Gruppen zu finden, ift, wie Linne ſelbſt erklärt, das letzte Ziel ver Botanik. „Die Natur macht feinen Sprung“. „Alle Pflanzen - bieten nach beiden Seiten hin Affinitäten dar, wie ein Territorium auf einer Landkarte.” Er unterjcheivet Syftem von Methode und fpricht nur von der natürlichen Methode, welche er vem Syſteme, als dem fünftlichen Baue gegenüberftellt. Nun führt er zwar alle diefe Regeln und Grundbfäge in der „Bhilofophie der Botanik“ aus, er bringt aber wiederholt zur Erläuterung feiner Anfichten Beifpiele aus dem Thier- reiche, fo daß man Alles als auch für diefes geltend anfehen muß. , Indem Pinne das Syftem für den Faden der Ariadne in ber Botanik erklärt, ohne welchen die Kräuterkunde ein Chaos fein würde (und er wiederholt ven Ausdruck im Naturfpften), weift er darauf hin, - welchem Bebürfniß er zunächft abzubelfen fuchen wollte., Er führt das Beiſpiel an von einer unbefannten indifchen Pflanze ; hier mag ein flanzenliebhaber“ alle möglichen Befchreibungen und Abbildungen - vergleichen, er wird den Namen derſelben nur durch Zufall finden ; ein „Spitematiker“ wird dagegen bald entjcheiden, ob er eine neue oder eine alte Gattung vor fich hat. Aber gerade der Umftand, daß Linne bei der ſyſtematiſchen Reform der Naturgefchichte nicht bloß an dies Be- dürfniß des fchnellen Belanntwerdens mit umnbejchriebenen Formen - dachte, fondern dabei auch die Höhere Aufgabe, die weiteren VBerwandt- ſchaften durch eine natürliche Anordnung der Formen nachzuweiſen, vor Augen hatte, machte Linnée's Syſtem zu einem in kurzer Zeit fo allgemein anerkannten. Er ließ fich in den meiften Fällen nicht durch bloß adaptive Merkmale verleiten, die natürliche Berwandtfchaft zu über- ſehen, obſchon ein merkwürdiger Mißgriff, welchen Linne in dieſer Beziehung bei ven Fiſchen machte, ſpäter noch zu erwähnen fein wird. - Er berüdfichtigte wohl den Habitus, aber legte doch die anatomifchen Verhältniſſe feinen großen Eintheilungen zu Grunde. Bon biefem Sefichtspuntte aus wird fein, wenn jchon künftliches Thierſyſtem doch ; zum großen Theile natürlich. Es war endlich — und dies ſtellt nicht gerade das kleinſte Verdienſt na ET HUF RTTNE ; “ SEM — — —— Eu En. b 2 B —— 4 — je rar — I a —— 2 — 5 — —— x: rl ER * A TE a = % 3 — * ẽ * m ——— ee 3 ME ig * — 502 . ' ber . ; — «“ F * * vinne's um bie formelle Behandlung der Naturgefchichte dar — ein außerordentlich glücklicher Griff, auch für die Bezeichnung ver Pflanzen⸗ und Tierarten felbft eine neue einfache Art der Namengebung einzu- führen. Die Unbequemfichkeit, Arten, für welche fein einfacher, popu- larer Name eriftirte, nur durch eine langathmige Definition Anderen wiedererlennbar nennen zu können, wurde um fo unerträglicher, je miehr neue formen in den Kreis dev Beiprechung eintraten. Gattungs- namen hatte man oder man ſchuf fie, ſobald man verfuchte, neue Arten ven ſchon befannten anzufchließen ; noch fehlte es aber an einer kurzen Bezeichnung für die Species. Da führte er die binäre Nomenclatur ein, indem er bem Gattungsnamen einen fogenannten Trivialnamen fur die Art zufügte. Den erften Gebrauch von ſolchen machte er offen» - bar mur in der Abficht, die aufgeführten Arten kurz bezeichnen zu kön» nen, in ber Differtation Pan suecicus 1749. Im der Philofophie der Botanik fagt er dann (1751): „Vielleicht könnte man Trivialnamen einführen in der Weife, wie ich folche im Pan gebraucht habe,” Durch⸗ geführt ericheint die binäre Nomenclatur zuerft in ven Species planta- . num 1753 und auf alle prei Reiche der Natur ausgedehnt in ber zehnten, beziehentlich (für die Mineralogie) zwölften Ausgabe des Naturſyſtems Es braucht kaum darauf anfmerkjam gemacht zu werden, welche Erleich- terung biefe Methode ver Namengebung gewährt hat und noch gewährt. Dabei hatte aber Linne noch eine weitere Benugung biefer Trivinf- namen im Auge, er glaubte nämlich, daß man möglicherweife durch bie Wahl einer beftimmten Endung des Trivialnamens, gleich äußerlich dem Gedächtuiß zu Hülfe kommend, andeuten könne, welcher größeren ober Hleineren Gruppe die in einer folchen Weife benannte Art zugehöre. Hierdurch entjtanden die Endungen der Artnamen in dem einzelnen Gruppen ver Schmetterlinge auf — aria, — ata, — alis, — ella, dactyla#). Es laun im Ganzen indeſſen nur gebilfigt werben, daß dieſem Vorſchlage nicht weiter Folge gegeben worben ift, da ein berar- tiger Zwang dem völlig arbiträren Charakter des Namens Abbruch thut. 46) Er jagt: »optandum foret, ut pari modo tota scientia potuisset institui. Was ihm die scientia ift, gebt aus der Einleitung (10. Ausg.) hervor: »Scientia naturae innititur cognitioni Naturalium methodicae et nomenclaturae syste- mer F. Wie — inne für den äußeren fprachlichen Theil der Natur⸗ ! eibiche beftimmte Regeln aufftellt, jo muß auch erwähnt werben, wie er ſelbſt in der Befolgung derſelben ein glänzendes Beifpiel gab. Wenn auch nicht zu leugnen ift, daß er in Bezug auf Knappheit und Gebrängt- heit des Ausdrucks manchmal bis an die äußerſte Grenze des noch Verſtandlichen gieng, fo zieht doch ſelbſt durch die ſtraffeſt gehaltenen —— und Definitionen ein, ſo deutlich das tiefſte gemüthliche Intereſſe wie die eingehendſte Beobachtung verrathender Zug, man | möchte beinahe verfucht fein zu fagen von Poefie, daß auch von diefer - Seite aus befonders die Einleitungen feiner Schriften zu den intereffan- | 5 teſten und durch ihren Inhalt lohnendſten Stücken der neuern natur—⸗ geſchichtlichen Litteratur gehören #7). Wie Linne für die Arten und Gattungen jcharfe Definitionen Ba derte und aufftellte, jo begann ex auch feine ſyſtematiſche Reform damit, daß er die brei Naturreiche felbft durch kurze Diagnofen kennzeichnete. - Im der legten Aufgabe des Naturſyſtems erfcheint die berühmte Charal- teriſiruug deffelben: „Die Steine wachſen, die Pflanzen wachen und leben, vie Thiere wachjen, leben und empfinden.“ In den fpäteren - Ausgaben ändert er nur den Charakter des Wachfens in ven von ver Zufammenjegung hergenommenen um und nennt den Stein congesta, Pflanzen und Thiere organisata. Diefe Unterjcheivung geht parallel mit der Aenderung, welche in der Charakterifirung ver Elafjen eintritt, in die. er das ganze Thierreich theilt. Im allen Ausgaben find es aber dieſelben jechs Claſſen: Vierfüßer, Bögel, Amphibien, Stiche, Infecten und Würmer, Anfangs (1. — 9. Ausgabe des Naturfyftems) legte | maticae tamquam filo Ariadneo«, und dann beißt e8: »Naturalis scientia trium ! - regnorum fundamentum est omnis diaetae, ımedicinae, oeconomiae tam . privatae quam ipsius naturae.« | 47) So ſchwer es ift, hier Beifpiele wählen zu follen, fo fei doch auf die Be- zeichnung bes Wohnortes des Menſchen hingewieſen, wie fie fid in der 12. Ausgabe - findet : habitat inter Tropicos Palmis lothophagus,hospitatur extra Tropicosno- - vercante Cerere carnivorus, ferner auf die Diagnofe des Menſchen, bie Beichreibung - des Humdes, die Bezeihnung der Vogelſchnabelformen (Uncus trahens, Cuneus saniens, Cribrum colans, Bacillus tentans, Harpa colligens, Forcepsexeipiens ji. er mehr Gewicht auf äußere Charaktere, offenbar in Anfchluß an frühere fuftematifche Berfuche ; die Bierfüßer werden als behaarte und mit vier Füßen verſehene Thiere bezeichnet, deren Weibchen lebendige Junge gebä- ven und fäugen ; die Vögel haben einen befieverten Körper, zwei Flügel, zivei Füße, einen Mnöchernen Schnabel, vie Weibchen legen Eier; bie Amphibien haben einen nadten oder ſchuppigen Körper, keine Badzähne, aber ftets die übrigen, feine Floſſen; die Fiſche haben einen fußlofen, ‚ mit echten (b. 5. durch Strahlen geftügten, fpäter „an die Stelle der - Fühe tretenden“) Floſſen verjehenen, nadten oder beſchuppten Körper; bie Infecten find von einer nöchernen Hülle ftatt der Haut bebedt, ihr Kopf mit Antennen verſehen; die Würmer endlich werden dadurch bezeichnet, daß ihre Muskeln mit dem einen Ende einer foliden Bafis angebeftet find. An der Stelle diefer, zum Theil Aelteres wieberholen- ten Charalterifirung tritt in der zehnten Ausgabe des Naturfuftens eine andere, für deren Begründung ver oberfte Grundſatz aufgeftellt wird: „die natürliche Eintheilung der Thiere wird von ihrem inneren Baue angezeigt." Und biernach erfcheinen num diefelben jechs Elaffen nach dem Herzen und dem Blute charakterifirt: Säugethiere (nicht mehr Bierfüßer) mit zweilammerigem und zweivortammerigem Herzen, rothem warmen Blute, lebendig gebärend ; Bögel wie Säugethiere, nur Eier legend; Amphibien und Fiſche mit einfammerigem und einvorlamme⸗ rigem Herzen, kaltem, rothem Blute, athmen entweder durch Lungen (Amphibien) , oder durch äußere Riemen (Fifche) ; Infecten und Würmer find durch einfächeriges Herz ohne Bortammer, kalte, weiße Nährflüffig- feit (sanies) ausgezeichnet und haben entweder gegliederte Antennen (In- fecten), ober ungeglieverte Tentateln (Würmer). Diefer in einer kurzen Tabelle zufammengeftellten Charakterifirung fügt Yinne dann noch wei- tere Merkmale bei, welche zum Theil auf einen ſehr fcharfen Formen- bli hinweifen, wie die Erwähnung der Bewegung und Öfieverung ber Kinnladen, zum Theil durch Benutung äußerer Theile die Beftimmung zu erleichtern fuchen. Daß aber die vier erften Claſſen in einer viel nä- beren gegenfeitigen Beziehung ftehen, als viele der unter der fechjten Claſſe umfaßten Formen, ift Linne entgangen. Ungfeich bedeutender als die Aenderung, welche Linne mit der — er . i Na are ’ f wg u En * — ee > 8 * — ⸗ ge £ x ‚ i - — e) ö * — RER ne a + ; h . 1 se) — — Carl — — — von * ” Definition feiner Hauptelaffen vornahm, war in einzelnen Fälfen ver Wechſel in der Umgrenzung derſelben, vor Allem in der inneren Anord- mung. Hier ift zum größten Theil ein bedeutender Fortjchritt durch die verſchiedenen Ausgaben des Naturſyſtems zu verfolgen, in einigen Fäl- len ein Rückſchritt. Für den unbefangenen, die ganze befebte Natur mit - dem Auge eines wirklichen Naturforfchers umfaffenden Blick Linne's ſpricht die Einordnung des Menfchen in fein Syſtem, ein Schritt, den weder Ray noch Klein zu thun gewagt hatten, den ihm letzterer ſowohl - als Buffon u. A. ſehr übel deuteten. Anfänglich theilte er vie Sänge- thiere im fünf Ordnungen: Anthropomorphen, wilde Thiere, Glires, - Jumenta und Pecora, welche er hauptfächlich nach vem Gebiß, in zweiter Linie nach der Bejchaffenheit der Füße charakterifirte. Während die Begrenzung ber Antbropomorphen bis zur jechften Ausgabe biefelbe blieb, mit den Gattungen Menſch, Affe und Faulthier, fällt letzteres in ber zehnten Ausgabe fort, wogegen ver Halbaffe (Lemur) und bie Fledermaus mit in die nun Primates genannte Ordnung gebracht werden. Die Ordnung ver wilden Thiere (Ferae), welhe zuerſt Fleifchfreffer, Infectenfreffer, Beutelthiere und Fledermaus ent- hielt, bleibt bis zur zehnten Ausgabe faft gleich, nur werden einzefne Gattungen beffer begrenzt, wie Felis, Phoca, Erinaceus, Dasypus. Im letzterer Ausgabe wird bie Ordnung der Ferae auf die Gattungen Robbe, Hund, Kate, Viverre, Wiefel und Bär befchränkt, dagegen eine neue Ordnung Bestiae für Schwein, Gürtelthier, Igel, Maul- wurf, Spitzmaus und Bentelthiere gebildet, welche durch die unbeftimm- te Zahl der Schneidezähne und die in mehr als der Einzahl vorhan- denen Edhzähne charakterifirt wird. Für die zahnlofen Ameifenfreffer, Myrmecophaga und Manis, war in der ſechſten Ausgabe eine Ordnung Agriae errichtet worden , in der zehnten Ausgabe bilden dieſe mit den - Elefanten, Walroß und Faulthier die auf die Primaten folgende zweite Ordnung der Bruta, welche durch das Fehlen der Schneivezähne oben und unten charakterifirt find. Die urſprünglich dritte Ordnung der Glires enthielt mit Ausnahme der Spiginaus nur Nagethiere. In der fechften Ausgabe des Naturfyftems wird ihnen das Bentelthier - (es war natürlich nur die amerifanifche Didelphys befannt), in ver maus zu ben Beſtien gevechnet werden. Die Orbnung ber Jumenta Hierzu kam im der fechiten Ausgabe das Nhinoceros, welches in der " enfen Ausgabe noch fehlt; in ber zehnten dagegen umfaßt bie nun — Bel Iuae genannte Ordnung nur Pferd und Nilpferd und wirb als durch den Befig mehrerer ftumpfer Schneidezähne gekennzeichnet hin⸗ geſtellt. Die Pecora bleiben in ihrer Umgrenzung gleich, nur daß von der jechften Ausgabe an das Mojchusthier eine ſelbſtſtäudige Gattung bildet. Im der zehnten Ausgabe ericheinen als legte, achte Drbnung mo die Walthiere, welche früher nach Ray's und Artedi's Bor- >: gange zu den Fiſchen gebracht worden waren. Die in der zwölften, der lethtzten von Linne jelbft beforgten Ausgabe bewirkten Veränderungen beſtehen darin, daß hier das Gürtelthier zu ven Bruta neben die Ameifen- ſteſſer kommt, daß die Ordnung der Bestiae wegfällt und die Infecten- freſſer und Beutelthiere zu ben Ferae, das Schwein zu den Belluae gebracht wird, welche nun auch das Rhinoceros erhalten. Cine früher einer befonveren, fpäter wieder weggefallenen Gattung, die bei den + Die Claffe ver Bögel ſchied Linne im der erften Ausgabe des Naturſyſtems in fieben Oronungen, welche er fämmtlich nur nach der Form des Schnabels kennzeichnete. Hiervon bleiben bie Accipitres, Picae, Anseres, Gallinae und Passeres in ziemlich gleichbleibenver Be⸗ grenzung bis zur zwölften Ausgabe beftehen, während die Macrorhyn- . - ehae mit den Gattungen Kranich, Reiher und Storch, und bie Scolo- paces mit ben übrigen Wapvögeln zu einer, in der fechften Ausgabe den legtern Namen bebaltenven, jpäter Grallae genannten Ordnung vereinigt werden. Ju der Stellung der einzelnen Gattungen innerhalb der Ordnungen bat dagegen Linne mehrfache Veränderungen und zwar meist Berbefferungen vorgenommen, der Aufftellung neuer Gattungen und Arten gar nicht zu gedenken. Den Beginn in ver Orbnung Acci- pitres machte anfangs die Gattung Psittacus, welche von der zehnten, Ausgabe an der Ordnung Picae zugetheilt wird. Dagegen erjcheint in wre serien vo un eingeführten Gattung Vultur auch bie 507 - Gattung Lanius bei ven Raubvögeln, deren Anıen früher in ver Gat- ⸗ tung Ampelis unter den fperlingsartigen Vögeln untergebracht waren. - Sm ber Ordnung ver Picae, welche zuerft nur durch den oben zuſam⸗ - mengebrüdten etwas converen Schnabel vefinirt wurde, wird in ber zehnten Ausgabe eine Anzahl Namen nach dem Befige eines Kletter⸗ fußes abgefondert, die übrigen in folche mit gefpaltener und mit ganzer Zunge eingetheilt. Bei den mit geipaltener Zunge verjehenen Vögeln . erſcheinen auch die Gattungen Sitta und Trochilus, welche früher ven ſperlingsartigen zugewiefen waren. Neue Gattungen find: Coracias, Merops, Crotophaga, Gracula, Alcedo, Certhia. rüber erfchienen - Merops und Certhia als die beiden Arten der Gattung Ispida. Die Schwimmvögel, Anseres, follten nach der früheren Diagnofe eine ſäge⸗ - zähnige Mundöffnung haben; fpäter wird davon abgejehen und ver, mit einem feihenden Siebe (cribrum colans) verglichene Schnabel als glatt, mit Epidermis bedeckt und an der Spitze verdickt geſchildert. Im ber jechften Ausgabe findet fich auch Phoenicopterus neben Anas unter den Schwimmwvögeln, eine Stellung, welche zwar neuerdings als die richtige erkannt, aber von Linne nur vorübergehend nach äußeren Merk: malen dem Vogel angewiefen wurde; benn in der zehnten Ausgabe ſteht der Flamingo bei den Reihern, zu welchen nun auch Platalea ges - bracht wird, die bis zur fechften Ausgabe eine Art der Gattung Anas - bilvete. Auch Procellaria, welche in ver leßtgenannten Ausgabe bei ven - Sperlingsartigen- auftritt, wird hier zu den Schwimmvögeln geftellt. Von nenen Gattungen der Anseres finden fich in der zehnten Ausgabe - Diomedea, Phaöthon und Rhyncops. Die drei Gattungen ver Lang ſchnäbler, Kranich, Reiher und Storch werben fpäter zu einer ein- ; zigen Gattung Ardea vereinigt. Bon den übrigen in der erften Ausgabe aufgezählten Wadvögeln bleibt Haematopus, Charadriusund Tringa. - Mit letzterer wird Vanellus vereinigt ; Numenius wird von der zehnten - Ausgabe an Scolopax genannt und Fulica vorübergehend in ber jechften - Ausgabe zu den Hühnerartigen, in der zehnten aber wieder zu den Gral- - lae geftellt. Neu tritt in ver jechften Ausgabe Recurvirostra, in ver - zehnten Myeteria, Tantalus, Rallus und Psophia auf. Endlich erfchienen in der zehnten Ausgabe bei ven Wadvögeln auch Struthio und Otis, welche beide bis zur fechften in die Gattungen Strutbio, Gasuarius und Otis gefpalten zu den Hühnerartigen geftellt worden waren. Bon den Gattungen, welche nach Ablöfung der genannten bei den Gallinae blie- ben, erjcheinen fchon in der erften Ausgabe des Naturſyſtems Pavo, Meleagris, Gallina (fpäter Gallus) und Tetrao ; mit legterem Genus war - Phasianus als Art vereinigt. Im der fechften Ausgabe fommen Crax und Phasianus hinzu, während in der zehnten wieder Gallus als Art zu Phasianus gezogen wird. Die Reihe der Sperlingsartigen er öffnet in allen Ausgaben bis zur zehnten die Gattung Columba; bie in der fechften Ausgabe in diefer Orbnung auftretenden Gattungen Trochilus, Sitta und Procellaria werden, wie erwähnt, fpäter anders untergebracht. Bon ven übrigen Gattungen bleiben Turdus, Sturnus, Alauda, Parus, Hirundo, Loxia und Ampelis ziemlich gleich begrenzt; Luseinia der erften Ausgabe wird aber in ber fechften mit Motacilla, Ampelis und Lanius (zu den Aceipitres) vereinigt, Emberiza von Frin- gilla und in der zehnten Ausgabe Caprimulgus von Hirundo abgetrennt. Obgleich Linne bei Anordnung der einzelnen Gattungen befonders bie äußeren Merkmale berüdfichtigte, jo vernachläffigte er doch Die Geſammt⸗ beit der Lebenserſcheinungen durchaus nicht ganz, wie z. B. die Erflä- rung beweift, welche er fchon in der zehnten Ausgabe bei ver Aufzählung ber Taubenarten als Anmerkung bringt, um ihre Unterbringung bei ben Passeres zu rechtfertigen. Klein hatte fie unmittelbar auf die Hühner: artigen Bögel, von den Pafferinen durch jene getrennt folgen laſſen, Moehring fie geradezu mit den Galfinen vereinigt ; hiergegen erlärt ſich Linne. Belanntlich Haben weder er noch feine Gegner Recht. Im ber zwölften Ausgabe bleiben die Orbnungen und auch die dieſen zuges theilten Gattungen biefelben, legtere nur etwas naturgemäßer gruppirt; auch wird eine Anzahl nener Gattungen aufgeführt (bei den Hühner- artigen Didus) welche bier namentlich aufzuführen zwecllos fein würde, da fie zur Vervollftändigung des Geſammtbildes kaum bei- tragen dürften #9). Den größten Wechjel haben die Amphibien und Fifche im Linne’fchen 48) Im der zwölften Ausgabe wird auch der Name Iynx (fvy&) in den ſiunloſen Yunx umgeftaltet. er en 4 — — Auch iſt hier —— am wenigſten Conſequenz in ber Benutzung und Beachtung der einmal gewähten Merkmale nachzu— ; weifen... ‚Die Amphibien bilden anfänglich nur eine Orbnung: Schleichende, Serpentia, zu welcher er die vier Gattungen Schilofröte, Froſch, Eidechſe und Schlange ftellt. Später trennt er fie in die beiden Dronungen Serpentia und Reptilia, von denen die erftere die verjchier denen Schlangengattungen und Coecilia, die legtere die Gattungen Draco, - Lacerta, Rana und Testudo umfaßt ; beide werden.durch das Vorhan- | denſein oder Fehlen der Füße auseinandergehalten. Im der nächften - Ausgabe des Naturſyſtems aber, der zehnten, bringt er merkwürdiger- weiſe unter dem Titel ver Amphibia nantes (!) eine Anzahl Fiſche zu den Amphibien, welche, früher von Arte di als Chondropterygier zu- - - jammengefaßt, von Linne deshalb für Amphibien erflärt werben, weil ihre - „Lungen zwar fammförmig wie die ver Fifche, aber ohne Inöcherne - Strahlen, einem chplindrifch-röhrigen gebogenen Gange angewachien - ſeien, welcher nur äußerlich mit dem ver Fijche übereinftimmets). Es ift dies um fo auffallender, als Linne fonft eine Verwechslung zweier nur in ihren Functionen übereinftimmenver, alſo analoger, aber na tomiſch werfchiedener Theile unter einer gemeinfamen Bezeichnung frum begegnet. 7 ee Der Widerfpruch wird nicht gehoben, wenn Linn in der zwölfe ⸗ - ten Ausgabe des Syſtems das gleichzeitige Vorhandenfein von Kiemen und Lungen in die Diagnofe aufnimmt, ohne bei einem einzigen hierher gezãhlten Fische, mit Ausnahme einer auf Diodon fich beziehenden Am gabe Gardens, eine Yunge wirklich zu jchildern. Daß er die eigen- thümlichen Kiemenformen der Petromyzonten für Lungen hält, ift ihm weniger zum Vorwurf zu rechnen, als ihre willfürliche Annahme bei Rochen und Haien u. a. In der zehnten Ausgabe erjcheinen als [hwim mende Amphibien Pride, Roche, Hai, Chimäre, Lophius und Stör;in der zwölften Ausgabe’ hat Yinne auch noch die ganze Artedi’fche Orinung der Branchioftegen aufgegeben und bringt num mit Lophius auch ven ; Reft mit Cyclopterus, Balistes und Ostracion und die neuen Gattun- _ gen Tetrodon, Diodon und Centriscus und felbft aus ven Malako- FE 49) »Pulmones horum pectinati ut Piscium, sedadnati vasi arcalo cylin- — drico tubuloso absque radio osseo, nec piscium simili nisi externa figura.« Aa en Faer ER Re Ey GA En VRR u = — ei 9— * N ” Ye — 4 er Rp — —— — — — — * gr ig a F 5; we u EP Mi — * GR } aaa. 2 — w ” . * ⸗ — ptervgiern Syngnathus und Pegasus zu den Amphibien. Die Metamor- phofe einiger Amphibien erwähnt er zwar, bejchränft fie allerdings auf die eierfegenben Wafferfröfche, führt aber in ber zwöfften Ausgabe auch bie Verwandlung eimiger Eidechſen (Salamander) an, und frägt ſehr richtig, ob Siren lacertina die Larve einer Eidechfe fei, wie es vielleicht der Salamander fei. Man fieht hieraus, daß ihm das Vorhandenſein von Kiemen bei jungen Salamandern, Tritomen u. f. f. entgieng; auch legt er gar kein Gewicht auf diefe Berſchiedenheit ver Entwidelung. Was die Fiſche betrifft, fo ſchloß fich Finne anfangs vollftändig an Artedi an, deſſen Syftem er in den erften Ausgaben feines Natur: ſyſtems bis zur fechften einfach hinübernahm. Wie Ray fo ftellte auch Artedi die Walthiere trog der Anerkennung ihrer nahen Verwandt. ſchaft mit ven Säugethieren ald querfhwänzige, Plagiuri, zu den Fiſchen und unterjchied ihre einzelnen Gattungen, wie es Linné bei den Sängethieren that, nach ven Zähnen. Bon den andern, ben echten Fiſchen, nach der jenkrechten Stellung der Schwanzfloffen als ſolche gemeinfam gelennzeichnet, ſcheidet er zumächft als Orbmung die Chon- dropterpgier ab, derenFloſſenſtrahlen und innere Stelettheile Inor- pelig find, und trennt die übrigen in weitere drei Orbnungen. Die erfte berfelben Hat feine Kmochenftrahlen zur Unterftügung ber Kiemen, Branchiostegi mit Lophius, Cyclopterus, Ostracion, Balistes ; die beiden anderen Ordnungen befigen ſolche Strahlen und haben ent- weder mit Stacheln verfehene Floffen, Acanthopterygii, ober unbewehrte, Malacopterygii. Artedi begründet feine Anorbnung durch ausführliche anatomifche Deittheilungen, in welchen Stelet, Mus- telſyſtem u. f. f. gleichfalls behandelt werden und welche er in der Dar- fegung des Syſtems vorausſchickt. Es ift dies jedenfalls einer ber erften gelungenen Verfuche, auf eingehende anatomische Betrachtungen einer ‚größeren Gruppe deren Claſſification zu begründen. Leider wich Linne fpäter von Artedi's Anordnung in der bereits erwähnten Weife ab. Im ber zehnten Ausgabe ftanden noch die Branchiostegi bei den Fiſchen; in der zwölften findet ſich von diefer früheren Orbnung nur noch bie Gattung Mormyrus, welche er nun ven Abdominalen zutheilt. Unter Aufgabe der von Artedi hervorgehobenen Charaktere theilt er vie N Cain hnet N ae ee = Fe RE ee sm | übrigbleibenden Fiſche nur nach der Stellung ver Bauchfloffen ein. Und | venn auch entfchieben ein wichtiger morphologijcher Fortſchritt in der bier zum erften Male auftretenden Anerkennung der Ioentität zwiſchen den Gliedmaßen anderer Wirbelthiere und den paarigen Floffen der Fiſche ausgedrückt ift, 90) fo ift doch die Eintheilung ſämmtlicher Knochen⸗ fiiche, — denn dieſe find übriggeblieben — nur nach diefem Merkmale durchaus Fünftlich und unnatürlich. Die Gruppen Apodes, Jugulares, Thoraciei und Abdominales, je nachdem bie Bauchfloffen entweder fehlen, ober vor den Bruftfloffen oder unter ihnen oder hinter ihnen ftehen, find zwar in einzelnen Fällen als Kleinere Untergruppen geblie- ben ; doch ift der ihrer Bildung zu Grunde liegende Charakter in keiner Weiſe als ein die ganze Claſſe durchgreifend theilender anzufehen. Die „Infecten”, Linné's fünfte Claſſe, find bei ihm wie bei Rab den Entoma des Ariftoteles gleich , denn wenn er auch nur bei- fäufig anf vie Gliederung (fogar nur des Abdomen, ſ. 10. Ausgabe, ©. 339) hinweiſt, fo umfaßt er doch bei Aufftellung des Shftems fünmtfiche Arthropodenclaſſen, freifich nicht in gleicher Ausführlichteit. ; Zu den oben erwähnten Charakteren der Infecten tritt von der zehnten - Ausgabe an noch eine Reihe meift von den Herapoden entnomme- ner, aber auf genaue Beobachtung beruhender Merkmale, fo 3. B. die REDEN N RE Sei quere Bewegung der Kinnfaden u. a. Auf die Entwidelungsgefchichte und die Berwandlungsweife geht jedoch Linne erft in zweiter Linie ein. Er weicht alfo von Swammerdam und Ray in beveutender Weiſe und zwar im Sinne einer alfjeitigen Berücfichtigung ber Lebensvorgänge der zu ſchildernden Thiere nicht vortheilhaft ab. Doch find auf ver an- _ beren Seite die Vortheile, welche feiner Eintheilungsweife innewohnen und welche viefelbe zur der bis heute am allgemeinften befolgten und allen _ übrigen Berfuchen als Anhaltepımft dienenden gemacht haben, jo be- deutend, daß man das einfeitige Hervortreten nur äußerer Merkmalg wohl nirgends fo wenig empfindet, als gerade bier. Daß natürlich bei der Einweifung der einzelnen Gattungen Verſtöße gegen die natürliche - 50) »propriam tentabo viam a Pedibus ante alas, sub alis, pone alis - sitis,« : fi eben bei ver Aeußerlichteit — ——“ warten; doch ſind dieſelben an Zahl geringer als in anderen Theilen des mit ben Wirbellofen ſich befchäftigenden Theiles feines Syftems. - Wie bei den Fiichen die Gliedmaßen, fo waren ihm die Flügel das aus- ſchlaggebende Merkmal. In ver erſten Ausgabe des Naturſyſtems ftellte er vier Orbmungen auf: Coleoptera, Angioptera, Hemiptera und Apiera. Bon dieſen ift ie erfte nicht bloß ven Kä fern im heutigen Sinne des Namens Coleoptera entjprechend, ſondern enthält fpäter auch die Orihopiera, in ber jechften Ausgabe jänmtlich, in der zwölften wenig- ftens noch die Gattung Forficula, während die übrigen Orthopterengat- tungen Blatta, Grylius, und bierauf Mantis, zu ben Hemipteren ge xecchuet werden, wo fie mit Ausnahme ber Blatta unter ber einzigen 3 Gattung Grylius vereinigt ſchon in der erften Ausgabe ftanden. Die Dryenung Angioptera, fpäter Gymnoptera genannt, charakterifirt Sinne als mit Flügeln verjehene, aber ber ügelveden entbefrente In- fecten und rechnet hierzu die von ihm fpäter felbft getrennten Ordnungen ber Neuroptera, Lepidoptera, Hymenoptera und Diptera. Diefen Ordnungen ftellt er in ben jpäteren Ausgaben die Hemiptera voran, welche urfprünglich als Imfecten gekennzeichnet wurden, bei welchen Flůũgeldeden nur einzelnen Individuen zufämen, Er rechnete hierzu außer ben auch jet noch dahin gehörigen Cimex, Notonecta und Nepa und außer ben erwähnten Gryllus die Gattungen Lampyris und Formica. Merhwürdig genug erjcheint jelbft bei Linne anfangs der Skorpion noch als mit vier jchlaffen Flügeln verfehen unter ven Hemipteren. Bon der fechften Ausgabe an erhält die Ordnung ungefähr den jegigen Umfang mit Einfchluß von Coccus, Chermes, Aphis und Thrips. Die Neß- flügler, Schuppenflügler, Aerflügler und Zweiflügler faßte er ſchon in der ſechſten Ausgabe (auch in der Fauna suecjca von 1746) in ber- felben Charakterifirung, wie fie ohne Rüdficht auf Metamorphofen zu nehmen noch jet aufgefaßt werden, nur war urfprünglic die Zahl ber Gattungen gering, bei ven Lepidopteren fanden fich 3. B. nur die bei- ben, die Tag- und Nachtfalter darſtellenden Papilio und Phalaena, zwijchen welche beide in der zehnten Ausgabe noch Sphinx trat. Die 66vn Anu⸗ 513 Schwingkolbchen der Zweiflügler, für welche ev ven Ausdruck Halteres aufſtellte, erklärte er ſchon vichtig für Rudimente ber Hinterflügel. — Die Flügeltof en mußten bei Nichtberücfichtigung des gefammten Baues natürlich die verſchiedenartigſten Formen umfaſſen. Schon bei der erften Aufzählung legte Linne das größte Gewicht auf die Zahl der Süße; er begann mit den jechsfühigen, Yaus, Floh, Podura, denen er dann bie achtfüßigen Arachniden, nur unter ihren Sattungsnamen Aca- rus, (fpäter noch Phalangium), Aranea und Scorpio folgen lief. - Mit diefen vereinigte er von der zehnten Ausgabe an diejenigen mehr- füßigen Inſecten, deren Kopf und Thorax verbunden find, die ſämmt⸗ — en unter den Gattungen Cancer, Monoculus und Oniscus (vierzebnfüßig). Den Beihluß machten die mehrfüßigen In- ſecten mit vom Kopf getrenntem Thorax, die Myriapodengruppen Sco- lopendra und Julus. Am Bunteften gehen im Naturſyſtem Linnée's die Formen feiner letzten großen Claſſe, der ‚,Würmer“, durcheinander, welche ven Ein- druck macht, als ſei ſie zum gemeinſamen Ablagerungsort für alle nicht | - genügend bekannten There beftimmt. Hier fteht inne auch entfchieven - hinter Ariftoteles und feinem Ernenerer Wotton zurüd. Freilich macht er ſelbſt die Bemerkung, daß bier die Wiffenfchaft noch in der Wiege - fich befinde, von der fängenden Mutter entfernt. Doch hätte er durch einfache Annahme der Ariftotelifchen Abtheilungen ver Weichthiere, Malaloſtraken und Oſtrakodermen Gruppen erhalten, welche natürlich umgrenzt waren und auf welche er dann die minder befannten nieberen - Formen mit ungleich geringerer Verwirrung hätte folgen laffen können, als in den von ihm gefchaffenen Ordnungen. Bon dieſen entfpricht nur ’ die Orbnung der Testacea einer älteren, den Oftrafovermen des Ari- ſtoteles. Immerhalb derſelben zählt Linne in ver erften Ausgabe des Naturſyſtems acht Gattungen auf, ohne weitere neue Gattungen zu bilden, nämlich Cochlea, welche alle mit jpiralgewundenem Gehäufe verjehene Formen umfaßt, außer den beiden befonders aufgezählten Argonauta und Cypraea (das Thier von Argonauta erwähnt ev nicht) , dann folgen die nicht gewundenen, einfchaligen Gattungen Haliotis, Patella und Dentalium, fänmtliche zweifchalige Mufcheln unter der Gattung B. Carus, Seid. d. Zool. 33 514 Periode der Syſtematil Concha und endlich die vieljchaligen in der Gattung Lepas, welche jo- wohl die Entenmufchel als den Balanus als Arten enthält. Noch in ber jechften Ausgabe des Syftems wird biefelbe Zahl von Gattungen nur in leicht veränderter Reihenfolge aufgeführt, aber ſchon mit dem Hinweis auf die Natur des lebendigen Bewohners der Schale. Dies geichieht freilich mur in der allgemeinen Weife: „Thier ein Limax“ oder „hier eine Nereis“, genügt aber doch, um bei dem Berfafjer des Sy- ftems ben Gedanken voransjegen zu laſſen, daß es nicht bloß auf bie Schale, fondern auch anf den Bau und bie Natur des Thieres anlomme, um über die Stellung des Thieres enticheiden zu fünnen. Gntgegen feinem Ausipruch, daß ber Bau des Thieres feine Stellung beftimme, berüdfichtigt aber Yinne hier die Natur des Schalthieres nur als bei- käufiges Merkmal, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird. Den Schalthieren wird noch die früher zu den Zoophyten gebrachte Gattung Microcosmus hinzugefügt, welche durch die aus heterogenen Subftanzen zufammengefeite Bebedung charakterifirt wird. Sie erfcheint, wenn auch nicht unter dieſem Namen, als Art bei den Ascivien wieder. In der zehnten und zwölften Ausgabe erjcheinen viefelben Gruppen, aber durch gemeinfame Charaktere getrennt; zunächft die vieljchaligen Chi- ton, Lepas und in der zwölften Ausgabe Pholas, welche in der zehnten noch richtig bei den zweifchaligen ftand , dann folgen bie zweifchafigen Conchae, dann bie fpiralgewundenen, endlich bie einfchaligen ohne Winbung mit Patella, Dentalium, Serpula und in ber zwölften Aus- gabe Teredo, bie früher bei den Intestina ftand, und Sabella. Wie wenig Sinne es bier auf die Natur des Thieres anlam, beweift, daß er bei Chiton zufügt: „Thier ein Limax“, bei der unmittelbar daneben⸗ ftehenden Gattung Lepas: „Thier ein Triton“ (unter welchem Namen er eine bei ven „Mollusca“ ftehende Balanenform ſchildert); ebenfo ſtellt er Patella mit limarartigem Thiere neben Serpula mit „terebel- lenartigem· und neben Sabella mit „nereisartigem Thiere“. Uebrigens nennt er auch die Thiere von Dentalium und Teredo „terebellenartig“. — Die erfte Ordnung feiner Würmer find die bis zur fechften Ausgabe Reptilia, von der zehnten an Intestina genannten Formen, welche durch alle Ausgaben als nackte (einfache) , der Gliedmaßen entbeh- — Carl von Linne. 515 rende Thiere bezeichnet werden. Nach Ausſcheidung ver Gattung Limax, welche fich in ber erjten Ausgabe bei ven „Friechenden“ Würmern fand, aber ſchon in der ſechſten entfernt wurde, enthält diefe Ordnung aller- dings nur Würmer, ſchon in der erften Ausgabe ſogar Repräfentanten der Haupfgruppen, nämlich Gordius, Taenia, Lumbricus (mit Asca- ris und Lumbricus latus als Arten) und Hirudo, zu denen in ber fechften Ausgabe noch die Gattungen Fasciola und Ascaris treten, - während im der erften Ausgabe in feiner anderen Ordnung, in ber fedh- ſten noch bei den Zoophyten weitere Gattungen von Würmern aufge: führt werden. Im der zehnten Ausgabe wird Taenia zu den Zoophyten gebracht, und als Intestina erjcheinen noch Myxine und Teredo, obſchon über letztere zur Zeit des Erfcheinens der zehnten Ausgabe des Natur: ſyſtems (1758) nicht bloß eine reiche Litteratur beftand, aus welcher die wölfige Verſchiedenheit des Thieres von einer Terebella wie über- - Haupt von irgend einem anderen echten Wurm bervorgieng ), fondern welche von Adanfon geradezu für eine zur Orbnung ver Zweifchaligen - gehörende Miufchel bezeichnet worden war. Außer den beiden genann- ten Ordnungen hat Cinne in ber erften Ausgabe feines Naturſyſtems fur die noch übrigen niederen Thiere nur noch eine weitere Orbnung, welche ev Zoophhten nennt, welche aber nicht ver Wotton’fchen Ab⸗ theilung gleichen Namens entjpricht, da bei Linne die Cephalopoden unter der Gattung Sepia darin enthalten find. Außer diefer und dem _ Mieroeosmus finden fich noch die Gattungen Tethys, Echinus, Aste- rias und Medusa hier vereinigt. Sie werden mit den genannten, fpäter anders untergebrachten Gattungen als (einfache nadte) mit Gliedmaßen verfehene Würmer charakterifirt und von der zehnten Ausgabe an Ver- 51) Da Linnd 1735 in Holland war, werben ihm Die Schriften von Belk- meer, Natuurk. Verhandel. betreff. den hout-uitraspende Zeeworm, Am- Sterdam, 1733, und von Sellius, Hist. natur, Teredinis, Traj. ad Rhen. 1733, nicht unbefannt geblieben fein. Auch hatte ſchon Ballisnieri die Mufcelrubi- mente am vorberen Ende von Teredo geſchildert und die Aehnlichleit des Thieres mit ber Aufter hervorgehoben. Ein Bericht aus holländiſchen Zeitungen mit Schil- derung umb Abbildung des Thieres und Auszügen aus Ballisnieri war aud ins Deutſche überfeigt worben, 1733. Pr 33* 516 Periode ber Syſtematil mes Mollusca genannt mit einer, fonft von Finne felbft getabelten Uebertragung eines bereits verwandten Namens auf eine völlig ver- ſchiedene Gruppe. Zu ben angeführten Gattungen waren jchon 1748 theils echte Würmer, wie Nereis, Amphitrite, Aphrodita, theils andere Formen , wie Lernaea , ber genannte Triton , felbft Hydra ge fommen, deren Zahl in der zehnten Ausgabe des Syſtems noch durch Doris, Priapus, Scyllaea, Holothuria vergrößert wurde, Eine befon- dere, ihre Reihenfolge beftimmende Anorbnung erhielten dieſelben aber erft in der zwölften Ausgabe nach der Stellung des Mundes, dem Borhandenfein von Tentateln, Füßen und vergl. Eine natürliche Ber- einigung konnte aber auf dieſe Weife nicht erreicht werden : man findet bier Actinien mit Ascidien, Holothurien mit Terebellen, Sepien gar mit Triton, Lernaea und Scyllaea verbunden. Nur die echten Mollusten Limax, Aplysia, Doris und Tethys, ferner die Straßlthiere Medusa, Asteria und Echinus erfcheinen ohne fremdartige Beimengungen, aber nicht ſammtlich beifammen, wie ſchon die mitgetheilten Notizen ergeben. Bon der jechften Ausgabe an tritt noch die Ordnung ber Lithophyten und von der zehnten außer biefer die der Zoophhpten im neuen Sinne hinzu. Die erfteren erflärt Yinne für zuſammengeſetzte Thiere, welche ſich das fteinige Gehäufe felbft bauen. Die Thiere hält er bei Tubipora (fragfich) für nereisartig, bei Madrepora für mebufenartig, bei Mille- pora für hydraartig (wieder eine merkwürdige, zufälfige Uebereinftim- mung mit neueren Unterfuchungen) und bei Cellepora, welche ftatt ber zu den Zoophyten gebrachten Gattung Sertularia hier erjcheint, gleich- falls für hydraartig. Die Zoophhten find ihm aber doch noch Pflan- zen; in ber zehnten Ausgabe fagt er geradezu von ihnen: vegetirende Pflanzen mit thierifch belebten Blüthen“ ; in der zwölften giebt er zwar bie Definition: „zufammengefegte Thiere mit einer nach Art der Pflan- zen erjcheinenden Efflorescenz,“ drückt aber bei Aufzählung der Arten feine Anficht dahin aus, daf der Stamm diefer Stöde wahre Pflanzen bilde, welche durch eine Metamorphofe in Blüthen übergehn, welche wahre Thiere darftellen. So beginnt er daher die Diagnofe der Sat: tungen jedesmal mit den Worten: „Bfüthen find Hybren“ oder vergl., wie bei Isis, Gorgonia, Sertularia, aber auch bei Flustra. Nur bie ‚Earl von Linne. 517 - noch übrigen Gattungen Taenia, Volvox, Furia und Chaos, welche mit Hydra und Pennatula als locomotive den anderen firirten Gattungen gegenübergeſtellt werben, erhalten ihre Diagnofen nach der allgemeinen Körperform; Chaos foll den Uebergang zu den Pflanzen vermitteln. ; Linne’s Syſtem mußte ausführlich mitgetheilt werden, da es zum erſtenmal in confeguenter Durchführung das ganze Thierreich mit allen - Klaffen bis herab auf alle Arten umfaßte, welche ihm charakterifirbar erjchienen. Er hat dadurch eine große Zahl thierifcher Formen erſt wie- bererfennbar gemacht, was für die Gefchichte verfelben von der größten Bedbeutung ift. Ferner find ja auch bis in die neueften Zeiten herab alle Berfuche, das Syftem zu verbeffern, wenigftens was die formelle - Seite deſſelben betrifft, durchaus nur Aenderungen des Linné ſchen geweſen. Mit ver Herausgabe der zwölften Ausgabe ſchloß Linné's eigne Thätigkeit am Syſtem ab. Es verdient aber gleich Hier die unter dem Titel einer breizehnten Ausgabe umd noch unter Linne's Namen von - oh. Friedrih Gmelin herausgegebene Bearbeitung um fo mehr erwähnt zu werden, als Gmelin zwar in manchen mehr ober weniger untergeordneten Einzelnheiten Linne's Worte und Auffaffung geändert hat, dabei aber doch die in dem zwanzig Jahren, welche zwifchen ber - Herausgabe der zwölften und breizehnten Ausgabe liegen, erjchienenen Bereicherungen der Zoologie fo eingehend dem Syſtem zu Nute gebracht hat, daß feine Ausgabe immer noch linne'ifch aber doch im eigentlichen - Sinne veformirt genannt zu werben verdient. Daf übrigens alle Aen- derungen wirkliche VBerbefferungen find, foll ebenfowenig behauptet werben, wie geleugnet werben kann, daß der eigenthümliche Schmelz ber Linne’fchen Darftellung hin und wieder verloren gegangen ift. Es bat fich indeß aus dem Vorftehenven ergeben, daß Linne ſelbſt in man- hen Punkten mit feinen Aenderungen entjchieven Feine Verbeſſerungen angebracht hat. 52) Geht man die einzelnen Claſſen durch, fo finden N nie en I ) Um ben Umfang ber betreffenden Arbeiten anſchaulich zu machen, fei er- wähnt, daf das Thierreich in der zehnten Ausgabe Linne's 823, im ber zwölften 1327, in der Gmelin ſchen dreizehmten Ausgabe bei ziemlich gleichem Drude 3909 Seiten ftark ift. # 518 Periode der Syſtematil ſich außer zahlreichen neuen Arten und einer beträchtlichen Zahl neuer Gattungen die folgenden wichtigeren Aenderungen eingeführt. Bei ven Sängethieren hatte Linn in die Charakteriftil dev Walthiere aufgenom- men, daß ftatt eines Schwanzes die zuſammengelegten Füße eine quere Floffe bildeten ; Gmelin führt nur die horizontale Schwanzfloffe an, ohne die unnatürliche Ertlärung ihrer Bildung beizubehalten. Was ein- zelne Formen betrifft, jo wird das Rhinoceros zu der Orbnung ber Bruta gebracht, die Gattung Noctilio eingezogen, die betreffende Art bei Vespertilio beichrieben. Bei ven Bögeln ift die augenfälligfte Aen- berung bie verjchiebene Einerbnung der Trappe und des Straufes, welche von den Wabvögeln zu den Hühnerartigen gebracht werben ; außerdem werben einzelne Arten beffer eingereibt, 3. ®. Vultur har- pyia wirb ein Falco — Gypastos u. f. f. Bon den Amphibien wird bie Linnefche Ordnung der Amphibia nantia wieder ausgefchloffen. Die Gattungen der übrigen bleiben diefelben. Auf die Metamorphofe oder das Borhandenfein der Riemen wird aber noch fein Gewicht gelegt, trotzdem daß Gmelin die Schilderung des Proteus von Laurenti be kannt war und Linne ſelbſt 1766 in einer Differtation die Siren la- certina bejchrieben, abgebildet und eventuell die Bildung einer durch ben gleichzeitigen Befig von Kiemen und Lungen zu charalterifirenden Ordnung Meantes für derartige Normen vorgejchlagen hatte. Gmelin bringt fogar unglaublicher Weife Siren zur Gattung Muraena als deren Art unter die Fifche. Die Elaffe der Fifche ift in ber Gemlin⸗ ſchen Bearbeitung wieber vollzähfig, da die Branchioſtegier und Knor- pelfiiche, zu denen Gmelin auch den Stör bringt, wieder mit den übri- gen vereinigt find. Im Folge hiervon wird auch Mormyrus, welcher bei inne zu den Abdominalen hatte auswandern müfjen, wieder zu den Branchioftegiern gebracht. Bei ven Infecten hat Gmelin befonders die Coleopteren wejentlich umgeordnet, auch die Gattungen meiftens mit neuen oder erweiterten Definitionen verjehen. Die Grundzüge ver An- ordnung bleiben aber diefelben ; die Orthopteren eriftiren noch nicht als Orbnung, fondern werben nur in ber zwölften Ausgabe bei ven Käfern (Forficula) und den Hemipteren (die übrigen) untergebracht. — Die meiften und eingreifendften Umgeftaltungen hat aus naheliegenden Earl von Lime. 7 - Gründen die Hlafje ver Würmer unter Gmelin’s Hand erfahren. Bon den Imteftina werden in eine erfte größere-Sruppe bie parafitifch in andern Thieren lebenden Würmer vereinigt und mit einer ziemlichen nee neuer Gattungen nach Bloch, Goeze, DO. 3. Müller, Zoega - 1.0. bereichert. Während Linne noch in der zwölften Ausgabe das i — des Regenwurms in den Därmen ſchildert, alſo die Iden⸗ - fität bes Spulwurms mit jenem aufrecht hält, weift Gmelin auf die leichte Unterfcheidung ver beiden Formen Hin. Myrine wird freilich auch noch von Gmelin zu den Inteftina, fogar zu den endoparafitifchen gerechnet. Die zweite Gruppe der Inteftina umfaßt die Gattungen - Gordius, Hirudo, Lumbricus, Sipunculus, Planaria, deren Charalte- riſirung ſich eng an die Linne’fche anfchliefit, ſelbſt bei der legten Müller⸗ ſchen Gattung. Die Vermes Mollusca find in gleicher Anordnung geblieben und haben nur neue Gattungen erhalten ; fo tritt hier neben - Aseidia auch Salpa auf. Bei den Afterien werben bie neuen Arten von Dd. F. Müller und Retzius, bei ven Echinen die Klein'ſchen Arten aufgenommen. Die Schalthiere bleiben in gleicher Reihenfolge und . Anordnung, die Gattungsdiagnofen find nur leicht verändert. Die Ordnung ber Lithophyten wird bei Gmelin zu einer Unterorbnung ber Zoophyten und wird gegenüber den andern durch den Beſitz eines Falfi- gen Stods gelennzeichnet. Die Thiere mit weicherem Stamme werben aber nicht mehr für thierifch befebte Blüthen, fondern für Thiere direct erklärt und nur der Stamm als nach Art der Pflanzen wachjend auf- geführt. Endlich ift nach O. F. Müller noch eine Ordnung Infusoria für die „Meinften einfacheren Thiere“ gegründet, in welcher außer Mül- - Serrjchen Gattungen von den älteren Vorticella und Volvox aufgenommen ; Aus der hier gegebenen Ueberficht der Ordnung und Reihenfolge, in welcher Linne ſämmtliche Thiere feinem Syſteme einfügte, fowie aus der Mittheilung feiner allgemeinen ſyſtematiſchen Grundfäge geht num auf das Unzweideutigſte hervor, daß er zwar den Bau der Thiere für den wichtigſten Eintheilungsgeund erklärte, denfelben auch in vielen Fallen mehr oder weniger eingehend berückfichtigte, ohne ihn jedoch für. etwas anderes als eben für ein Merkmal oder für eine Gruppe von 520 Periode der Syftematif. Merkmalen zu nehmen. Die vergleichsweife einfachere und man möchte fagen burchfichtigere Organifation der Pflanzen, für welche er einerſeits fein fo confequent durchgeführtes Serualfyftem aufftellte, während er anbererfeits mit ber Aufzählung einer Anzahl von Familien dem be- fonvers von franzöfifchen Botanitern erhobenen Anſpruch an ein natür- liches Syſtem zu genügen fuchte, ſcheint ihm verleitet zu haben, fich auch bei den Thieren durch allgemeine Erſcheinung und durch äußerlich zugängliche Merkmale beftimmen zu laffen, ohne jedoch eine Eorrelation ber feßteren mit anderen Organifationseigenthümlichleiten irgendwie bervorzußeben, Der Einorbnung der Walthiere in die Elaffe ber Säugetbhiere als einer fcheinbar für feinen anatomifchen Blick fprechen: den Thatfache fteht die andere noch fchwerer wiegende entgegen, daß er eine Gruppe „Ichwimmender Amphibien“ für entfchiedene Fifche auf- geftelit hat, gegen welche Gruppirung fi wohl zuerft Pallas ausge: fprochen bat. Ganz ähnliche Verftöße, fogar im Widerftreit mit ana- tomifchen Thatfachen , die ihm hätten bekannt fein müffen, für welche er fich alfo nicht bloß auf das Zeugniß eines fernen Beobachters zu verlaffen brauchte, kommen auch in andern Gruppen vor und fprechen dafür, daß Linne theils jelbft fi nur auf dem Wege zu einer allge- meinen morphologischen Erfaffung des Thierreichs befand, theils durch feine formale Methode der Spftematifirung dem Durchbruch einer ſolchen vorgearbeitet hat. Hiermit hängt auch zufammen, daß bem Linne eine gejchichtliche, um nicht zu fagen genetifche Betrachtung des Thierreichs fern lag. Er hatte nicht bloß in der von ihm fo eingehend durchmeſſenen Litteratur Schilderungen vieler Berfteinerungen gefunden, ſondern auch jelbft eine Anzahl derſelben zu fehen und zu unterfuchen Gelegenheit gehabt. Aber trog feiner fich allmählich immer weiter ausdehnenden Belanntichaft mit thierifchen Formen und ihrer Berbrei- tung bat er doch bis zuletzt diefen Foffilien gegenüber den von ihm bei ber erften Ausgabe des Naturſyſtems eingenommenen Stanbpunft bei: behalten, erklärt fich allerdings dafür, daß es wirkliche Berfteinerungen und feine Naturfpiele find, führt fie aber in feinem Mineral- und nicht im Pflanzen» oder Thierfyftem unter ver Elaffe Fossilia nur als Ord⸗ nung Petrificata neben ven Concreta und den Terrae auf. Pa — Earl von Linne. —— Frägt man nun, was trotz fo vieler für die jetzige Wiſſenſchaft auffallender Wiberfprüche und trog ber ſchon zu Linne's Zeit wohl zu vermeiden gewejener Fehler feinem Syſteme doch einen Einfluß und - eine Verbreitung verjchafft hat, wie es bis jet weder vor noch nach ihm mit irgend einem andern der Fall geweſen ijt, fo liegt die Haupt: urſache hiervon entichieden in der Vollendung , welche Linnd der for: mellen Seite feines Syſtems gegeben hat; man kann getroft fagen: in biefer allein. Denn wenn Linne auch zuerft manche natürliche Gruppen aufgeftellt und charakterifirt hat, jo war es doch jene formelle Seite, welche nicht bloß die Möglichkeit und auch die Mittel darbot, jeden Bortjchritt in der Erkenntniß der Thierwelt für bie weitere allfeitige - Aufklärung ber bereits bekannten Formen zu verwerthen, fondern durch die Strenge, mit welcher jede Form nach den verfchievenften Seiten ihrer Erfcheinung, ihres Lebens, ihres Baues behufs der Einordnung derſelben in das Syſtem geprüft werben mußte, die allmägliche Ver- vollkommnung des Syftems und die Umgeftaltung beffelben zu einem virklich natürlichen zu bewerkftelligen. Doch hatte das Auftreten eines ſo ſchön gegliederten, alle thierifchen Formen bequem aufnehmenden iyſtematiſchen Kunftwerkes für die Wiffenfchaft außer dem entfchieven fördernden Einfluß auch eine bevenkliche Seite. So viele Freunde die - Naturgefchichte auch durch die abgerumdete Form der Darftellung und Beſchreibung, welche Linne's Syſtem charakterifirt, gewann, fe hielten doch viele Forſcher die ftrenge Methode ver Linne ſchen formellen Syſte⸗ matit für die eigentliche Wiffenfchaft ſelbſt. Sie haben danach zwar eine Anzahl von Thieren dem Verzeichniſſe in volfftändiger oder häufig unvollſtändiger Schilderung zugefügt, aber damit auch jener Auffafjung Vorſchub geleiftet,, welche, leider bis in die neuefte Zeit herabreichend, in der Beftimmung und Befchreibung ver für unveränderlich erklärten - Species bas einzige Ziel und bie — Aufgabe der Zoologie er⸗ blicken zu müſſen meint. Drohte hiermit die bloße Aeußerlichkeit der Thierſchilderungen die eingehendere wiſſenſchaftliche Behandlung des Gegenſtandes zu ver- drängen, fo erhielt letztere eine bedeutende Kräftigung durch die Leiftun- gen zweier Männer, von denen zwar der eine, Buffon, nur zu häufig ET N 2 lee 203 AR De EEE en I 522 Periode der Syſtematil durch den glänzenden Stil und bie blendenden Schilderungen ben Mangel an folgerichtigen Schlüffen fowie jelbft an den nöthigen that- fächlichen Ilnterlagen zu überjehen verleitete , welche beide aber, fowohl Buffon als der viel befonnenere Bonnet die Nothwendigleit erlennen ließen, den zoologifchen Einzelnerfabrungen durch allgemeine Ideen einen geiftigen Zuſammenhalt zu geben. Georges Lonis Leckere, 1707 in Montbarb geboren, war der Sohn eines begüterten Barla- mentsratbs von Burgund, Benjamin Leckere. Er nannte fich fpäter, ver Sitte der Zeit folgend, nach einer feiner Befigungen de Buffon, unter welchem Namen er auch in ben Ghrafenftand erhoben wurde. Anfangs mathematiſchen Studien ergeben, wurde er 1733 Mitglieb der Akademie ver Wiflenfchaften in Paris ald Geometer. Nun war ber Pflanzengarten in Paris von den mit der Leitung beauftragten erften Leibärzten des Königs bedeutend vernachläffigt und endlich zur Abhülfe dieſes Liebelftandes der ala Chemiker und Phyſiler belannte Charles Frangois de Eifternay Dufay zu beffen Vorſtand beftelit worden. Bor feinem Tode bezeichnete Dufay dem Miniſter den jungen Buffon als feinen wünjchenswertheften Nachfolger. Und mit ber Er- nennung zum Jutendanten bes Pflanzengartens 1739 betrachtete Buffon die Hebung diefer Anftalt und die Pflege der Naturgefchichte als feine Lebensaufgabe. Da er durch ein ſchwaches Geficht an anhal- tenbem eignen Beobachten gehindert wurde, verband er ſich nach einigen Jahren mit dem gleichfalls (1716) in Montbard geborenen Louis Marie Daubenton (geft. 1799 in Paris), welcher den anatomi- ſchen Theil der von Buffon beabfichtigten Thierfchilderungen übernahm. Buffon war ein Feind des ftrengen Syftematifirens und erbfidte in den Berjuchen Linnes, die Naturgegenftände nach einzelnen, freilich aus ihrer Gefammtorganifation abgeleiteten Merkmalen in gewiſſe größere und Heinere Gruppen zu ordnen, einen ber Naturbetrachtung auferlegten Zwang. Diefem ftrengen methobifchen Gange entſchloß er fich deshalb eine Naturbefchreibung gegenüberzuftellen , welche theils durch den Reichthum der Detailfchilverungen , theils durch einen mög- lichft weitumfaffenden Gefichtspuntt fowohl ver Beſchäftigung mit der Natur nene Reize verleihen als auch den einzelnen Thatfachen eine bes Buffon. 523 E inner Geltung in dem allgemeinen von der Natur zu entiwerfenden - Bilde verſchaffen follte. Erſt nachdem er zehn Jahre am Pflanzen garten angeftellt war, veröffentlichte er 1749 die erften brei Bände 4 feiner Naturgejchichte, welche die Hhpothejen über die Kosmogonie, 4 über Zeugung und Ernährung und die Schilderung des Menfchen ent: - hielten. Im den zunächft folgenden Bänden, welche die Gefchichte ver ; Hausihiere, Fleiſchfreſſer u. ſ. j. brachten, ſprach er fich gegen An : wendung irgend einer ſyſtematiſchen Methode jo ſtark aus, daß er fie ſelbſt für ſchädlich erklärte. Als er aber zur Schilderung der Affen am und damit zum erftenmale einer an Arten und Gattungen zahl- reichen Gruppe gegemübertvat, konnte ev eine methopifche Augeinander-- fegung der einzelnen Formen und eine ſyſtematiſch präcifere Charakte- riſirung derſelben doch nicht entbehren. Bei den erſten Bänden half ihm Philibert Guéeneau de Montbeillard (geb. 1720 in Semur), deffen Stil von dem Buffon’s kaum zu unterfcheiden fein ſoll, 3 bei den ſpäter bearbeiteten Vögeln außer jenem auch ber Abbe Gabriel Leopold Beron (aus Remirecourt, geb. 1748). Zur Bearbeitung der übrigen Thierclaſſen kam Buffon nicht mehr ſelbſt; fie wurden nach ſeinem 1788 erfolgten Tode mehr oder weniger in ſeinem Geiſte, durchſchnittlich aber doch den ſyſtematiſchen Anforderungen mehr ent⸗ ſprechend, zunächſt von Lacepede zu bearbeiten begonnen, denen dann in fpäteren Ausgaben als Ergänzungen von Buffon’s großer Natur: geichichte die Abtheilungen von Latreille, Boſe, Somnini u. U. fi anfchlofjen. — Den größten Erfolg hat Buffon jedenfalls der ganzen Art feiner Darftellung zu verdanten. In warmem, häufig gerabezu begeiftertem Tone ſchildert er, ohne den weiteren Leſerkreis durch ftrenge = ſyſtematiſche Ordnung zu ermüden, das Weltall, die Entwickelung der Ehe u. ſ. f. bis herab auf die einzelnen thierifchen Geftalten. Un wie er bei letzteren nicht bloß die Form als ſolche berüctfichtigt, fondern durch eine Schilderung des Vaterlands, der Sitten und Lebensgewohn⸗ beiten, ber Inftincte u. ſ. w. das Intereffe an der Dekonomie ver Natur im Ganzen vege zu halten fuchte, fo bemühte ex fich auch über- haupt, die einzelnen Naturerſcheinungen als in einem engen Verbande ſiehend, darzuſtellen. Seine Hypotheſen über die Entwickelungsſtufen N 2” ie 524 Periode der Syflematif. ber Erde’ anzuführen, ift hier nicht der Ort. Naheliegender ift feine Annahme einer allgemeinen organifchen Materie, welche in unendlich Heine organifche Molekule vertheilt, beftändig nach Organifation ftrebt. Stellen fich viefer Neigung bindernde Umftände entgegen, fo bilden jene ungerftörbaren und unveränderlichen Molekule nur ſolche mikro⸗ ftopifche Organismen, wie pie von Leeuwenhoel entvediten Samenthiere und Infuforien. Zur Bildung höherer Thiere treten die Molekule zu- fammen und orbnen ſich in ben bazu beftimmten Organen nach einer von Buffon mit dem Namen einer innern Form (moule intörieur) befegten Kraft zum neuen Individuum. Die Arten galten ihm früher für unveränderlich ; fpäter nahm er jevoch die Möglichkeit einer Um⸗ wanbfung an, wobei die Temperatur, das Klima, bie Qualität ver Nahrung und die Domeftication wirkfame Urfachen fein follten. Bei ber Ernährung bilden fich neue organifche Molehule, welche fpäter dann bie Entwidelung ver Theile beftimmen, in denen fie entftanden find *). Durch derartige Anfichten wurde Buffon auch veranlaßt, das Ber- häftniß der beiden organifchen Naturreiche zu einander zu beftimmen. Bon einem allgemeinen Standpunkte aus foll nach ihm kein weientlicher Unterfchied zwifchen Thieren und Pflanzen beftehn, d. h. in beiden find die eigentlichen Träger des Lebens jene organischen Molekule; was aber das Einzelne betrifft, fo erflärt er doch austrüdlih, daß ohne Ver⸗ dauungs · Circnlations- und Generationsorgane ein Thier aufhören würde, Thier zu fein. Buffon wurde aber ferner befonbers durch die ihm von Daubenton gebotenen Einzefnheiten zum wirklichen Vergleichen veranlaft und macht zum erftenmale von einem weiteren Gefichtspuntte aus auf die vielen und großen Uebereinftimmungen aufmerkfam, welche ſaͤmmtliche Thiere zeigen. Freilich geht er hier viel zu weit, verwechſelt auch im Eifer der Darftellung die Maßftäbe ver Vergleihung, indem er einmal die Form, ein andermal bie Leiftung zu Grunde legt, weift ) Nicht ohne Interefie if es, daß Buffon s Hypotheſe in dem letzterwähnten Punkte einen Gedanlen enthält, welcher in einer ziemlich ähnlichen Form in einer neuerlichſt zur Erklärung ber Erblichleitserfheinungen 'aufgeftellten Hypothefe auf- tritt. Der Gegenftand gehört indeſſen weſentlich in das Gebiet ber Phufiologie, weshalb bier nicht näher baranf eingegangen werben lann. — Buffon. 525 aber doch auf die morphologifche Aehnlichkeit z. B. ſämmtlicher Wirbel: thiere hin, welche er, allerdings nicht unter dieſem Namen, als nach einem Plane gebaut bezeichnet. Es erſcheint hier zum erftenmale eine Vergleichung des Kuochengerüftes der Gliedmaßen der Säugethiere, jo des Vorderfuſſes des Pferdes und des menfchlichen Armes. Wenn nun - aber Buffon weiter von einem einheitlichen Plane fpricht, welcher fich durch die niederen Thierclaffen hindurch nur allmählich in Abftufungen abändere, fo ift dies eine Auffaffung, welche er jelbft nicht mehr auf ’ anatomiſche Belege geftütst, fondern nur den allgemeinen Rebenserjchei- - nungen nach geltend zu machen fucht. So weit er daher auch über das - Biel hinausſchießt, fo wenig logifch confequent er bei Befprechung dieſes | allgemeinen Planes verführt, fo gab er doch damit einen Anftoß, welcher ſich noch fpäter in feinen Wirkungen ertennen läßt. Aner- kennend verbient noch hervorgehoben zu werden, daß Buffon in einer präcifen Weife auf die Thatfachen der geographifchen Verbreitung ver Thiere hinweiſt. Wenn ſchon inne die Arten der verfchiedenen Conti- nente als verſchiedene erfannt und im Syftem aufgeführt hatte, jo weift f doch Buffon ausdrücklich auf die Verſchiedenheit der Thierwelt in den verſchiedenen Welttheilen hin und hebt unter Anderem ſchon hervor, daß die arktiſchen Thierformen Amerika's und Europa's dieſelben ſeien, da die Continente dort entweder zuſammengehangen haben oder die Wanderungen der Thiere möglich geweſen ſein dürften. Was die von Buffon gegebenen Schilderungen einzelner thieriſcher Formen be— trifft, fo zeichnen fie ſich zwar in der überwiegenden Mehrzahl durch eine äußerſt belebte und anziehende Darftellung aus, find aber meift nur auf außerordentliche Beleſenheit, und zum kleinen Theile auf eigene Erfahrung gegründet. Bei der Verbreitung, welche feine Schriften - fanden, ift es daher nicht zu verwundern, daß durch diefelben eine Menge alter Fabeln von Neuem in einer durch feine Autorität gewiſſermaßen 3 rn Form erſchienen. Auf der andern Seite gelangte er aber “ * unter ſeiner Leitung neu bevölkernden —— darbot, zur genaueren Beurtheilung mancher Formen, deren ſyſtematiſche Stellung dadurch beinahe ohne ſeinen Willen von ihm geſichert wurde. Wie 536 Beriode der Syftematit. Linne begann zwar auch er die Geſchichte der belebten Natur mit der des Menſchen, ordnet aber denſelben nicht dem Thierreich ein, fondern ſtellt ihn demielben gegenüber ; und wenn er auch bier feinen Verfuch zu einer fyftematifchen Anordnung der Raffen macht, fich vielmehr nod) nach der Weife ver Alten in Erörterungen über die Urfachen ver Narbe und des Wollfaars des Negers und vergleichen einläßt,, fo erfcheint doch bei ihm die Natırgefchichte des Menſchen zum erftenmal in einer jelbftändigen und eingehenden Behandlung. Freilich verträgt biefelbe - ebenfowenig wie andere Theile feiner Werte eine ftrenge Kritit, ba er zwar mit großer Beleſenheit die Berichte der Reifenden zuſammenge⸗ tragen, fie aber zu wenig auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft hat. — Sind daher auch im Ganzen genommen Buffon’s Verbienfte um die eigentliche Förderung der Zoologie äußerft gering, fo bat er doch durch feine begeifternde Darftellung nicht bloß die Liebe und den Eifer wie für die Naturgeichichte überhaupt, jo auch für bie ber Thiere von Neuem angefacht, fondern auch durch feine freifich allzutühnen Hypotheſen einen Anftoh zur wiſſenſchaftlichen Zufammenfaffung des immer reichlicher ſich anfammelnden Thatbeftandes gegeben. Einen nicht minder nachhaltigen Einfluß auf die Verbreitung eines tieferen wiſſenſchaftlichen Geiftes in der Naturgeſchichte hatten bie Schriften Charles Bonnet’s. Bonnet war 1720 in Genf geboren, widmete fich zwar wie Buffon anfänglich gleichfalls der Rechtskunde, batte aber vor jenem voraus, daß er fich ſchon als Jüngling mit natur- wiſſenſchaftlichen Unterfuchungen,, befonders über Entwidelung und Regeneration bei niedern Thieren , zu bejchäftigen begann. Er wurde fpäter Mitglied des großen Rathes feiner Vaterſtadt, deren Bezirk er trotz feiner glüdlichen äußern Berhältniffe nicht verlaffen hat, und ftarb 1793 auf feiner Befigung Genthod bei Genf. Eine feiner früheften Entvedungen war die der ungejchlechtlichen Fortpflanzung der Blatt- fäufe ; biefelbe veröffentlichte er zufammen mit zahlreichen Beobachtun- gen über Regeneration und Vermehrung ber Polypen und Würmer (ut. 9. Nais) in dem Traité d’Insectologie, 1745. Im ben folgenben ohren unterfuchte er bie Lebenserfcheimungen ber Pflanzen, befonders den Nutzen ver Blätter, worüber er 1754 ein Werk erjcheinen fieß. —— * Bonnet. 527 Durch zu anbaltendes Beobachten mit dem Mikroſtope zog er fich wie- derholte Augenentzündungen zu und konnte auch feiner amtlichen Stel- ig wegen weniger Zeit auf Unterfuchungen verwenden. Er verjuchte daher num, feine zahlreichen Einzelnerfahrungen allgemein theoretiſch zu verwerthen. Vorzüglich war es hierbei die gewonnene Ueberzeugung, daß die Natur in der Aufeinanderfolge der lebenden Wejen feinen Sprung mache, daß fich vielmehr alle Formen durch allmähliche Ueber- gänge mit einander verbinden , welche ihn zur Entwidelung feiner An- fihten über die allgemeine Stufenleiter der Natur bewog. Hier geht er überalf von dem Dogma der „präordinirten“ Formen, aljo der un- - verämberlichen Arten aus, ohne irgendwie die Möglichkeit einer Acnde- - rung zu erwähnen. Sind auch feine Bemerkungen über die Natur ber Polypen und Würmer viel beffer begründet, als die bei früheren Zoolo- gen, fo jehlt doch feinen Berallgemeinerungen die morphologifche Grund» lage, welche allein ihn in ven Stand gejet haben würde, die Zufam- mengehörigfeit gewifjer Formen und die mögliche Art und Weife einer Verbindung zweier Typen mit einander in feinem Sinne thatfächlich nachzumweiien. Dagegen zeichnet fich feine allgemeine Auffaffung durch eine ziemliche Freiheit von Vorurteilen aus, Wenn er gleich die Ent- ftehung und Bildung organifcher Körper nicht mechanijch erklären zu können geſteht, vielmehr überall verbreitete erjchaffene Keime annimmt, jo glaubt er doch mit Zurückweiſung aller geheimen und unbelannten Kräfte ſelbſt die Erklärung der pſychiſchen Erjcheinungen in die Mecha- mit der Nervenfajern verlegen zu follen. Und wenn ihm hierzu, ja ft zu einem vorläufigen Verſuche der Art die nothwendigen anato- mischen und phyſiologiſchen Unterlagen fehlten, fo ift er doch der erfte, welcher von Beobachtungen ausgehend auf die Gruppe von Naturvor- Jängen binweift, ven welcher aus eine Erklärung jener Erjcheinungen eigentlichen Sinne des Wortes allein zu hoffen fein wird. Es iſt hier auch der Ort, zweier Männer zu gedenken, welche x der fpeciellen zoologiſchen Forſchung ferner ftanden, in ihren all- meir en naturphilofophifchen Erörterungen aber zum erjtenmale bie ge von der Veränderlichkeit der Arten ‚berührten, Benoit be aillet und Rene Robinet. Dem Erfteren, welcher unter dem 528 Periode der Syſtematil Namen Telliamed die feiner Zeit berühmten Unterhaltungen eines inbifchen Philoſophen mit einem franzöfiichen Miffionnair über die Ber- minderung des Weeres (1748 und 1756) herausgab, hängt noch immer der wenig begründete Vorwurf des Atheismus an. Er fuchte vielmehr nur das Natürliche aus der Summe des von der Natur bereits Ge- wußten zu erklären. Auch er nimmt wie Buffon wranfängliche orga- nifche Keime an. Hat fich ein Planet gebildet, jo tritt zumächft eine Bevollerung des Waſſers ein; diefer folgen dann bie Luftthiere diefen endlich die Landthiere. Das Spätere entwidelt fich aus dem Früberen. Bei Erörterung der möglichen Urfachen der Umwandlung berüdfichtigt er nur theilweife die Lebensformen felbft. Die Veränderungen , welche zuweilen plöglich erſcheinen, erfolgen nach ihm durch Einwirkung des umgebenden Mebium und durch Angewöhnung. Bon ähnlichen Bor- ausfegungen wie Maillet gieng auch Robimet aus (Ueber die Natur, 1760, und Philoſophiſche Betrachtungen über die natürliche Stufen- feiter der Wefensformen, 1768), nur zog er noch weiter gehende Sclüffe. Er erklärt die ganze Materie für befebt und nimmt baber nur ein Naturreich das thierifche, an. Zum erften Male fpricht er aber ferner aus, daß es nur Inbividuen gibt, welche fämmtlich durch unmerfbar geringe Abftufungen mit einander verbunden find. Die Annahme der Species ruht mur auf der Unfähigkeit unferer Sinne, biefe minimalen Unterfchiede zu ertennen, durch welche die einzelnen Glieder der großen Kette zufammenhängen. Robinet erwähnt aber fo wenig wie Mailfet den genetiichen Zufammenbang der Individuen und die Erblichkeit ver Form; mach ihm fchafft die Natur Alles direct durch Zuſammenwirken der Naturkräfte mit den präformirten Keimen. Erweiterung der Thierkenntniß. Die fpftematifche Ordnung der thierifchen Geftalten, der Gebrauch des Milroſtops und vervollfommmeter Unterfuchungsmethoden , der weitere Gefichtspumft bei Berücfichtigung einzelner Thatſachen, das Anftauchen allgemein umfafjender Hypotheſen — alles dies waren Momente, durch deren Zuſammenwirken die Entwidelung ver Zoologie gefichert fchien. Noch galt es aber die einzelnen Richtungen zu verbin- — Erweiterung der Thierkenntniß. 529 den und zu. verwerthen. Der Natur der Sache nach mußte bei inne vorzüglich die eine, mehr formelle Seite in den Vordergrund treten ; Buffon war nicht Herr des nothwendigen Materials. Im der Mitte des vorigen Jahrhunderts traten nun zahlveiche Arbeiter auf, welche einerſeits bie bereits gewonnenen Vortheile weiteren allgemeinen Unter ſuchungen fowie Sammlungen zu Grunde legten, amdererfeits durch 2 tieferes Eingehen in Einzelnheiten die Kenntniß fpecieller Formen zu vervollſtändigen juchten. Kann man auch jelbftwerftändlich nicht bei —* jenen Männern ein bewußtes Erfaſſen beſtimmter Aufgaben er— warten, jo gewannen ihre Leiſtungen doͤch ſchon durch das Anlehnen am bie jet gegebene ſyſtematiſche Form in den meiften Fällen einen F aenifien Anfpruch auf Berüdjichtigung und Anerkennung. Es wurde bis jegt der Gründung des Syſtems und der Anregungen gedacht, welche Y; die Zoologie Nicht-Syftematitern verdankt. Es muß num zunächft auf 4 die durch immer ausgebreitetere Sammlungen unterhaltene ftete Zus ſuhr neuen Materials hingewiefen werben, um dann ver Verfuche zum i _ weiteren Ausbaue des Syſtems und der Fortfchritte der Thieranatomie zu gedenlen. Im ſiebzehnten Jahrhundert wurden naturgeſchichtliche Unter- fuchungen auf größeren Reifen nur beiläufig mit ausgeführt und galten dann faft immer nur medicinifchen Zweden. Vorzüglich durch Linne's Anregung begann die Eigennatur der verfchiedenen Länder als ſolche ein wiſſenſchaftliches Intereſſe auf ſich zu ziehn. Während in der erſten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts naturhiſtoriſche Reiſen nur — * — der zweiten Hälfte meift auch eine auf die Erforfchung ber be lebten Natur der bereiften Erdgegenden ausgehende Beftinmung. Man u können; es mußten daher nun auch diefe jelbft die Aufmerkſamkeit n jo mehr feſſeln, als man bei jedem Verſuche, fie im Syſteme wieber- finden, ihre Uebereinftimmung oder Verfchiedenheit mit jchon befann- ten durch beſtimmte Merkmale nachzuweifen hatte. Linne jelbft hatte ſchon eine Anzahl feiner Schüler mit dem ausprüdlichen Auftrage einer maturhiftorifchen Unterſuchung in verſchiedene Länder gefickt, wi B. Carus, Weib. d. Zool. 34 530 Periode der Syftematit. Kalm, Löfling, Haffelquift u. U. Der im vorigen Jahrhundert er- wachte Eifer für die Phyſit der Erde machte aber eine ziemliche Anzahl größerer Reifen nothwendig, theils zur Beobachtung der Benusdurch⸗ gänge, theils zur Ausführung zufammenhängender Längen: und Breite: beftimmungen , theils zur Löfung allgemein hydrographiſcher Fragen, und nur bei wenigen diefer Expeditionen fand die Zoologie gar feine BDerüdfichtigung. Parallel mit diefen großen Reifen um bie Erde gien- gen dann noch einerfeits Erpeditionen , welche einzelne Regierungen ausfandten zur genaueren Erforfchung der Natırrbefchaffenheit der be herrichten Yänder , andrerjeits naturhiſtoriſche, beziehungsweife fauni- ftifche Unterfuchungen Heinerer Gebiete der alten und neuen Welt. Troß diefer Berücdfichtigung der Thierformen auf größeren unb Heineren Reifen muß doch aber auch hier wiederholt bemerkt werben, baf der Fortfchritt ver Wiffenfchaft durchaus nicht in einem birect nachweis- baren Zufammenbange mit dem Belanntwerden fremder oder mert- würdiger Thierformen oder etwa in einem beftimmten Verhältniffe zu bemjelben ſteht. Funde erhalten ja erft durch ven Stand der Wiffen- Ichaft ihre Bedeutung, für gewiffe Entvedungen muß fie daher erft reif, » db. h. durch beftimmte allgemeine Anfchauungen vorbereitet fein. Bei⸗ fpielsweife mag erwähnt werden, daß bereits W. Dampier im Jahre 1700 ein Kanguruh an der auftralifchen Weftküfte fand. Diefe Ent- dedung hat aber weber die Anficht über die Verbreitung der Beutelthiere, noch bie über die fauniſtiſche Natur Auftraliens , noch endlich die über die Anatomie der Säugethiere irgendwie beeinflußt, fo daß fogar jene jo fremdartige Thierform den beiden Naturforſchern, welche Eoof auf feiner erften Reife begleiteten, Bants und Solander, neu war. Wenn auch durch die früheren holländischen Reifen, weiche freifich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts faft ganz aufhörten, zahlreiche naturhiſtoriſche Gegenftände ven Muſeen Europa's zugeführt wurden, jo waren denfelben doch feine Naturforſcher zu wiffenfchaftlichen Zwecken ausdrücklich beigefellt , ebenfowenig wie den früheren engliichen Erpe⸗ bitionen unter Byron (1764—66) und Wallis (1766-68). Dagegen ‚begleiteten Bongainville (176669) die beiden Forfcher und Sammler Sonnerat und Commerfon, von denen ber erftere feine Reife h 3 Ä —— Erwweiterung der Thierlenniniß. 531 —*— gefchildert bat, ebenjo wie die eben genannten Banks und So- ander bie Gefährten James Cool's auf feiner erften Reife (1768— 71) waren. Des letteren zweite Reife machten die beiden Forfter, Io- hann Reinhold und Georg, mit ihm (1772—75) ; für vie dritte hatte ſich Eoof die Begleitung von Naturforjchern ausdrücklich verbeten. ‚Su Lapeyronfe's Gefellichaft giengen Laman ou und Ramartinitre in die Südfee, welche jo wenig wie ihr Führer Europa wiederfahen. Rice, Labillardiere und Bentenat, welche ver Expedition dEutrecaſteauxs (1791—93) zur Auffuchung Lapeyroufe's beigegeben ‚waren, widmeten dem Thierleben nur wenig mehr Aufmerkſamkeit als ‚die Begleiter Lapeyrouſe's 55). Unter ven Genannten hat Sonnerat mehrere Thiere der ſüdaſiatiſchen Infeln befchrieben ; befonders war es ‚aber ver ältere Korfter, welcher zoologische Ausbente mit fich heim- brachte und auch feine Erfahrungen allgemeiner verarbeitete. Denn fo wenig Georg Forfter's (geb. 1754, geft. 1794) Einfluß auf Weckung eines wärmeren Interejjes an dem Natırleben im Allgemeinen ſowie feine Bedeutung als Schriftfteller zu unterfchägen ift, fo kann feiner unter den Zoologen höchftens nur vorübergehend gedacht werden. Seinem Bater, Johann Reinhold Forfter (geb. 1729, geft. 1798) find aufer dem terminologifchen Euchiridium ſowohl einige fauniftifche Bufammenftellungen Nord⸗Amerila, Oftindien, China) als auch Be— ſchreibungen mehrerer neuen Formen, ſowie allgemeine Bemerkungen über Verbreitung und Leben der Thiere zu verdanken. Die Kenntniß der Tierwelt Auftraliens förderte zunächſt Arthur Philipp, welcher als Gouverneur der in Botany Bay gegründeten Berbrechercolonie auf feiner Unterfuchungsreife durch das anliegende Land auch der Natur eingehende Aufmerkſamkeit widmete 1789) ; außer ihm iſt dann noch John White zu nennen, Die Thierwelt Norv-Amerika’s verzeichnete, wie erwähnt, Johaun Reinhold 8) Einzelne Beobachtungen finden fich zerftreut im Reifen, welche hier nicht geſammelt werben fönnen Beiſpielsweiſe ſei erwähnt, daß de Pages in den Voyages autour du monde et vers les deux poles (4176776) Paris, 4782. F. 1. p. 42 angibt, daß die Penguine fich zuweilen ihrer Flügel als Vorderbeine bedienen und bamit ſchuell laufen Können. 34* 532 Periode der Syſtematil Forfter, wogegen in den Schilderungen von Kalın und Hatchins nur beifäufig des Thierlebens gedacht wird. Eine Fauna Grönlands bear- beitete Otho Fabricius (geb. 1744, geft. 1822), welcher die Reihe der bebeutenderen bänijchen Zoologen eröffnet. Er war zehn Jahre (ang Borftand der grönländifchen Miffionsanftalten und hatte reichlich Gelegenheit zu eingehenden Beobachtungen. Thiere der weftindifchen JZuſeln ſchilderten Stoane (Yamaila, 1725), Patrid Browne (Iamaita, 1756, Metufen, Fiſche u. f. f.) und Griffith Hughes (Barbados, 1750). Die Reſultate feiner befonders ornithologifchen Sammlungen in Cayenne übergab Sonnini (1772—75) Buffon, in deſſen Naturgejchichte fie einverleibt find. Während in Gumilla’s Naturgefchichte des Drenocco » Gebiets (1745) nur eine allgemeine Schilderung der Thierwelt ohne fpecielleres Eingehn auf Unterfcheidung der einzelnen Formen enthalten ift (eine ziemlich mißlungene Abbildung des Mamati findet fich darin), bietet das Reiſewerl Philippe Fer- min's über das bolfändifche Guyana eine reichere zoologiſche Ausbeute dar. Das übrige Süd-Amerifa war im vorigen Zeitraume eingehender auf feine zoologifchen Verhältniffe unterfucht worden, aus der vorlies genden Periode ift nur ber Reife Giov. Ignaz. Molina’s zu gedenken, welcher vetaillirte Schilderungen fämmtlicher von ihm in Chile beob+ achteten Thiere, auch kurz gefaßte lateinische Diagnofen derſelben mit- teilt (zuexft 1770). An der älteren Expedition, welche Le Condamine, Bouguer und Godin ausführten (1735—45) nahm zwar Iofeph Yuffieu (jüngerer Bruder von Anton und Bernard, Onkel von Laurent) Theil, ohne jedoch die Thierwelt Süd» Amerika’s zu berüdfichtigen. Bon größerer Bedeutung für Zoologie waren im Allgemeinen die Reifen auf ber öftlichen Halblugel. Unter den Reifenden in Afrifa war Sparr⸗ mann, welcher längere Zeit am Cap lebte (1772—1786), Bruce (reifte 1768—72) und vorzüglich für Ornithologie Levaillant (1781—85) als fammelnde und bejchreibende Zoologen thätig. Klein⸗ afieen, Syrien, Arabien durchforfchten Forstäl und Niebuhr (1761—67), von denen ber letztere nach Forskaͤl's im Jahre 1763 er« folgten Tode beffen zoologifche Ausbeute veröffentlichte. Paläftina unterfuchte auf Linnes Anregung Haffelguift. Die Raturgefic | —* _ Erweiterung ber Thierfenntnif. 533 Aeppo’s ſchilderte Alerander Ruffell, deſſen Sohn Patrid Ruſſell fpäter die indischen Schlangen befchrieb. Sehr reich an Re- ultaten waren die Reifen Carl Peter Thunberg’s, welcher Süd- Afrika, Süd-Afien und Japan befuchte (1770—79). Oftindien bereifte Behr Osbeck (1750—52) ; eine indische Fauna ftellten außer Forfter noch Latham und Davis — Weitaus die wichtigſten Reiſen waren aber diejenigen, welche, von der ruſſiſchen Regierung ausgeſtattet, der naturhiſtoriſchen Durchforſchung Central» Afiens und Sibiriens galten. Hier knüpfen fich alle wifjenfchaftlichen Nefultate faft aus» fehließlich am deutfche Namen. War bereits die erfte Reife, welche in - ben breißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts unternommen wurde, von großem Erfolge, jo war die zweite für die Zoologie durch die Theil» nahme Balla 8’ befonders beveutungsvoll. An der erften betheiligten fich Meſſerſchmidt, Joh. Georg Gmelin, Bering, Steller, deſſen Schil- berung norbifcher Seethiere die erfte und legte authentifche Beſchreibung der jetzt ausgeftorbenen oder unauffindbaren Seekuh (Borkenthier) ent- hält. Die zweite führten aufer Pallas noch Samuel Gottlob Gmelin, Bat, Güldenſtädt und Lepechin aus (1768—74). Die Berbienfte Ballas’ find fo vielfeitig, daß er einer ausführlicheren Erwähnung be» darf. Es mag daher bie Ueberſicht der fauniftifchen Verſuche zunächſt { zu Ende geführt werden. Im der Mitte des vorigen Jahrhunderts zog £ auch Zoland die Aufmerkſamkeit der däniſchen Geſellſchaft der Wiffen- ſchaften auf ſich; dieſelbe ließ die merkwürdige Inſel naturhiſtoriſch duch Eggert Olafſon und Biarno Paulſon (Poveljen) unter- ſuchen (1752— 57). Eine gebrängte Ueberficht der Naturgefchichte gab noch Nikolas Mohr (1788). Nachdem Erich Pon- -toppidan bereits 1752 die Naturgejchichte Dänemarks und Norwe— gens mit eingehender Berückfichtigung der Thierwelt geſchildert, ey. Ascanius fpäter (1767 u. flgde.) noch weitere Gegenftände ab» gebildet hatte, bearbeitete Otto Friedrich Müller’) (1776 u. flgbe.) die Fauna Dänemarks in einer mufterhaften At, wennjchon er ap u 3 DO. Fr. Müller war 1730 in Kopenhagen — und ſtarb daſelbſt 1784 als Conferenzrath. Zur Vollendung feiner Fauna trugen Peter Ehriftian Abildgaard und Jens Rathke bei. 534 Periode der Syſtematil fein Unternehmen nicht ganz vervollftändigen konnte. Die Thierwelt Großbritanniens fchilderte (mit Ausnahme der Infelten) Thomas Bennant 1776, 77), welcher auch die arktifchen Thierformen über» fichtlich zufammengeftellt hatte. Die Naturgefchichte Cornwalls fand einen glüdlichen Befchreiber in Borlafe (1758). Ueber die Natur- geſchichte Frankreichs berichtete in einem ausführlichen Werte Buc’hoz (1776 flgbe.). Sardinien ſchilderte Cetti (1774), Oberitafien Sco+ poli (1786), das abriatifhe Meer Bitalianoe Donati (1750) und Dlivi (1792). Auch Deutichland fand für mehrere feiner Pro- vinzen fauniftifche ober allgemein naturbiftoriiche Befchreiber. So ſchilderte Kramer bie Thiere Nieder-Defterreihs (1756), einen Ber» fuch einer ungarischen Fauna gab Severin (1779). Die höheren Thiere des Mainzer Landes beichried Bernd. Seh. von Nau (1787— 88), nachdem 1749 Phil. Conrad Fabricins bie Thiere ver benachbarten Wetterau überfichtlich zufammengeftellt hatte. Durch vorftehend aufgeführte Arbeiten, denen noch einzelne unter- georbnetere zugefügt werden könnten, wurde nun zwar bie Kenntnif der thierijchen Formen und des Vorkommens derſelben geförbert. Die Gefegmäßigleit des letzteren aber wurde nirgends nachzuweiſen verſucht. Man verftand wohl unter ver Bauna nach Linne's Vorgang bie Geſammtheit der Thierwelt eines beftimmten Bezirks; das Ber- hältniß derjelben zur Fauna benachbarter oder entfernterer Bezirke: blieb ununterſucht. Es ftellt fi daher ähnlich wie faft alle angeführten, 3. D. bie europätfche Fauna 3.4. E. Goeze's, welhe Donnpdorf fortführte, einfach als eine Naturgefchichte der Thiere dar, mit ausſchließ⸗ licher Berüdfichtigung der in Europa vorlommenden. Die allmählich befannt gemachten zahlreichen Einzelangaben forderten aber zu einer ver- gleichenden Darftellung tes Vorlommens der verfchievenen Arten auf. Eine folche entwarf und zwar fofort mit weitem wiffenfchaftlichen Blicke Eberh. Aug. Wild. Zimmermann (geb. 1743, geft. 1815), aller- dings fich auf ven Menfchen und die übrigen Säugethiere bejchräntend (1778). Er beftimmte den Berbreitungsbezirt der aufgezählten Thiere nicht blos viel eingehender, als es Buffon gethan hatte, fondern wurde wie jener zu allgemeinen Fragen veranlaft, welche er unbefangener und —eler Simon Pallas 535 iger von Hypotheſen beeinflußt zu löſen verſuchte. Die Art und jeije, wie fich die größeren Eontinente durch Wanderungen von einzel- n Punkten aus bevölkert haben, das Vorkommen gleicher Thiere auf Inſeln und den ihnen am nächften gelegenen Continenten, die ungleiche Temperatur großer Eontinentalmafjen und an Meeven gelegener Punkte ‚gleicher Breite, die mit der räumlichen Trennung der Individuen ‚ber Stammform allmählich eintretende Abänderung einzelner For- men, — alles dies find Berhältniffe, welche zum erftenmale bei Zim- ermann eingehend und im Zufammenhange berückſichtigt und fach- gemäß beiprochen werden 57), Damit war aber auch die frage nach ver urſprünglichen Stammform der Hausthiere und der Möglichkeit der Umwandlung gewiſſer Formen von einer praftifchen Seite her angeregt. Kann man auch nicht erwarten, daß beim erjten Auftauchen diefer Fragen ſchon alle jene Momente berüdfichtigt wurden, welche, jetzt für wirkungsvoll erfannt, bei einer Erklärung der zoogeographiſchen Thatfachen in Rechnung gezogen werden, jo bietet doch Zimmermann’s Werk die erfte befondere wifjenfchaftlihe Behandlung diefer Seite ver Thiergejchichte dar, wie e8 auch lange Zeit die einzige blieb. Peter Simon Pallas. In der zweiten Hälfte des vorigen Yahrhunderts verbankte bie Zoologie ſowohl nach der zuletzt erwähnten Richtung hin, als auch in den meiften übrigen Zweigen die beveutungsvolljte Anregung dem ſchon 3 genannten Pallas, deſſen Einwirkung auf den wifjenichaftlichen Fort⸗ ſchritt ficher noch größer geweien wäre, wenn er die Nefultate feiner vielſeitigen Unterfuhungen jelbjt noch weiter hätte verfolgen fönnen und wicht durch das maffenhaft von ihm zufammengebrachte Material jur beinahe gleichzeitigen Bearbeitung mehrerer größerer Werke ver- — anlaßt worden wäre. Viele ver allgemeinen Anſchauungen, welche ein⸗ > zelne Seiten der Betrachtung der Thierwelt in fpäteren Zeiten umge E 4 F 57) Schon 1753 hatte Nic. Desmarets das Vorkommen gewiſſer Thiere in : > Gnoianh unter andern als Grund der Ueberzeugung hervorgehoben, daß dieſe Infel früher mit dem europäiſchen Feftlande zufammengehangen habe. ſ. G. Cuvier, - Eloge de N. Desmarets. 536 Periode ber Syſtematil ſtaltet Haben, tauchten ſchon bei ihm auf ober find geradezu auf ihn zurüdzuführen. Die Gerechtigkeit erfordert es daher, ein Geſammtbild feiner Tätigkeit zu geben. Peter Simon Pallas war am 22. September 1741 in Berlin geboren. Als Sohn eines Arztes wurde auch er zur Medicin beftimmt. Aber jchon als Stubent fieng er, zur Naturgefchichte Hingezogen, an, über eine naturgemäßere Anordnung mehrerer Thierclafien Betrachtungen anzuftellen. Ein Aufenthalt in Lehden, wo er unter Albinus, Gaubius und Muſſchenbroel ftubirte, fowie eine von dort nach England unternommene Reife feftigten den Eutſchluß in ihm, fich ganz der Naturgefchichte zu wibmen. Mit neun» zehn Iahren wurde er Doctor und ſchon feine 1760 veröffentlichte Differtation zeichnet ſich durch Umficht und Ruhe des Urtheils und fcharfe Beobachtung aus. Er ſchildert darin mehrere Gattungen von Helminthen meift jchärfer, als es bisher der Fall gewefen war. Die Frage nach dem Urfprunge der Würmer innerhalb anderer Thiere ver- weift er betreffs einer richtigen Beantwortung an den Verfuch und bie Beobachtung, wobei gleich hier bemerkt werben mag, daß er fpäter 59) zu beweifen ſucht, die Eier ver Würmer fämen von außen in den Kör⸗ per der Wohnthiere. Eine Frucht feines Stubiums in den holländiſchen und englifchen Diufeen und Meeren war die 1766 erfchienene Aufzäh- fung der Zoophyten. Außer ver richtigen Auffaffung des Bolypenftods als verlaltten Gejammttheils ver Einzelthiere (im Gegenfag zu der Be: trachtung beffelben als einfacher Gehäusbildung) und einer fcharfen Charakterifirung ber Gattungen und Arten bietet diefe Schrift in ihrer Einleitung auch eine Bekämpfung der einreihigen als Stufenleiter er- faßten Anortnung ver Thiere dar. An vie Stelle diefer befonders durch Bonnet, wie erwähnt, befürworteten Idee führte Pallas zum erftenmale das Bild eines fich vielfach verzweigenden Baumes ein, deſſen Aefte fih mur an ihrem Urfprunge berührten, während die Spitzen ftets aus- einander giengen. Im demfelben Jahre erichienen feine zoologiſchen Miscellaneen. Diefelben enthalten mehrere jpäter in ven Spicilegien wieder abgedrudten und erweiterten Schilderungen neuer Thierformen, ) Neue norb. Beiträge, Bo. 1. 1781. ©. 43. Goeze ſucht ihm in dem Berfud einer Naturgefchichte ber Eingeweidewürmer, 1782, S. 29, zu widerlegen. — Peier Simon Pallas | 537 — Sängethiere, vorzüglich aber noch eine Reihe von Unter: fuchungen über Würmer, welche nicht mit in das letzterwähnte Wert aufgenommen worden find. Er gibt hier eine für ihre Zeit ganz vor- teeffliche Anatomie der Aphrodite und Charakterifirungen mehrerer, gleichfalls anatomiſch unterfuchter Arten von Meerwürmern. Was aber diefe Arbeit befonders zu einer ſehr wichtigen macht, ift der Blick, welchen Pallas auf die Linne’fche Elafje Würmer und die völlig natur» widrige Vereinigung der verſchiedenartigſten Thierformen in derſelben wirft. Er weiſt S. 73) auf die nahe Verwandtſchaft der Nacktſchnecken und Tintenfifche) mit den ſchalentragenden, der Ascidien mit den zweis ſchaligen Mufcheln Hin. Und wenn er nun freilich der letzterwähnten ; Gruppe diejenige für verwandt hält, welche die Seeigel und Seefterne umfaßt, wenn er die Meduſen als möglicherweife ven Mollusten nahe» a iehend aufführt, ſo wird dieſer auf Mangel an eigenen Beobachtungen beruhende Misgriff durch die auf anatomiſche Unterſuchungen ſich ſtützende Vereinigung ber verſchiedenen Meerwürmer, mögen fie nackt Er - fein oder in Röhren leben, mit den Erb- und Eingeweidewürmern ent- ſchieden in dem Hintergrund gedrängt. Bald nach dem Erſcheinen ver r Miscellaneen kehrte Pallas nach Berlin zurück und begann dort bie - Herausgabe der Spicilegien , deren erftes Heft 1767 erſchien. Da er in feiner Vaterftabt feine rechte Förderung fand, folgte er einem im dieſem Jahre an ihn ergangenen Rufe nach Petersburg, wo er ſehr bald von der Kaiſerin Katharina zur Theilnahme an der zweiten oben erwähnten Expedition nach dem afiatifchen Rußland beftimmt wurde. ehe er Berlin verließ, erfchienen noch mehrere Auffäte von ihm. Inter dieſen ift die Schilderung zweier „Phalänen“ merkwürdig, bei . welchen er die parthenogenetifche Fortpflanzung beobachtet hatte, es waren dies zwei neuerdings wieder vielgenannte Pſychiden. Als von allgemeinem Interefje mag hier noch feiner Bemerkungen über bie Claſſe der Fifche gedacht werden, welche 1777 evichienen. Er tadelt darin ſcharf Linne's Gruppe der ſchwimmenden Amphibien, weift bie dahin gerechneten Formen als echte Fiſche nach, hebt aber zugleich her- dor, daß Amphibien und Fifche nur als Unterabtheilungen, als „Orb- nimgen“, einer gemeinfamen Elaffe zu betrachten feien. Seine Reife * 538 Periode der Spftematif. bot ihm nun zahlreiche und fehr verfchievenartige Anregungen, denen alten er möglichjt wiffenfchaftlich gerecht zu werden fuchte. Bon 1768 an durchzog er das enropäifche Rußland, überjchritt den Ural, kam bis zum Altai und dem Bailal-See, gieng ſüdlich durch die Vollergruppen bes mittleren Weft-Afiens bis zum Caspi-See und dem Kaulaſus und kehrte 1774 nach Petersburg zurüd. Während er feine Reiſeſchilderun⸗ gen alljährlich im Winter ausgearbeitet und zur Veröffentfichung nach Petersburg geichict hatte, widmete er die folgenden Jahre feines Lebens zunächft der Herausgabe feiner wiſſenſchaftlichen Refultate, beveifte 1793 und 1794 auf eigene Koften Süb-Rufland und bie Krim und zog 1795, um in einem fübfichen Klima Linderung feiner in Folge ber Reifen auftretenden Leiden zu fuchen, nach ber rim auf die ihm von der Kaiſerin gefchenkten Güter. Dort wurde er aber, abgejehen davon, daß ihm das Klima doch nicht entfprach, in jo läftige Mishelligleiten aller Art verwidelt, daß er förperlich nicht gebefiert nach fünfzehnjähri- gem Aufenthalte die ganzen Berhältniffe aufzugeben beichloß. 1810 verkaufte er Alles und kehrte nach Berlin zurüd. Nach einem Jahre ftarb er bier, am 8. September 1811. Außer dem im dieſer hırzen Schilderung feines Lebens erwähnten Arbeiten waren nun aber bejon- ders die Früchte feiner Reife jehr reich. Zumächft ift Pallas als einer der erften ſachtundigen Schriftfteller, wenn nicht geradezu als Gründer der wiflenfchaftlichen Ethnographie zu nennen. Es waren zwar fchon früher mehrere zum Theil eingehende Schilderungen des Lebens und der ganzen körperlichen und geiftigen Erjcheinung einzelner Bölter- ſchaften beſonders gelegentlich der Entvedungsreifen erfchienen , ihnen fehlte aber ver Ueberblid über die Gefammtheit ver in Frage kommen» den Gefichtspuntte. Außer den zahlreichen Bocabularien, mit deren Sammlung und Zufammenftellung Pallas beauftragt worden war, hat berfelbe in der Schilderung der verſchiedenen mongolifhen Stämme die erfte natırrgefchichtliche und umfafjende Arbeit über eine Menſchenraſſe geliefert. Die Thierwelt Rußlands hat Pallas nicht bloß in dem um- faffend angelegten, aber nicht vollendeten Werte ver Zoologia Rosso- asiatica zufammenzuftellen begonnen (die Infecten fieng er ſchon früher an getrennt zu bearbeiten), ſondern die Bejchreibungen felbft, gewiffer- Fortichritte der Syſtematil und der Kenntniß einzelner Claſſen. 539 maßen Daubenton’s und Buffon’s Arbeitsarten mit der Methodik Linn 8 verbindend, auf eine eingehende Unterjuchung der Form und des Baues der einzelnen Arten gegründet. Wie ſcharf er hier beobach⸗ tete, wurde theilweife ſchon erwähnt. Die monographifchen Schilde⸗ rungen, 3. B. die neuer Nagetbiere, zeichnen fich vor faft allen Be— ſchreibungen der damaligen Zeit durch Berücfichtigung allgemeiner Berhältniffe und der Bedingungen aus, unter benen die Thiere (eben müſſen. So find ihm vorzügliche Bemerkungen über die Verbreitung, den Einfluß des Klimas, über das Abändern der Thiere, in welcher Ars beit59) er die Anfichten Buffon's über die fogenannte Degeneration einer - Keitif unterwirft, über die Wirkung der Domeftication auf die Frucht: barkeit u. f. f. zu verdanken. Bor Allem war e8 auch die Entwidelungs- geſchichte der Erdrinde, welche feinen Forfchungen neue Richtungen zu danten hat. Der directe Nugen ber für die Geſchichte der Geologie wichtigen Beobachtungen, welche der Zoologie aus denfelben entftand, war die Würdigung und eingehende Berüdfichtigung der Foſſilien im neuen Fichte. Freilich fuchte Pallas das Vorklommen von Thierreften inm Norden Sibiriens, welche an die noch lebende Thierwelt Süd⸗Aſiens ſich anfchließen, auf eine jet nicht mehr haltbare Art zu erklären. Doch bezeichnet feine Betrachtung dieſer Foffilien in zweifacher Richtung einen Fortfchritt der Paläontologie. Er betrachtete die foffilen Formen in einem hiftorifchen Zuſammenhauge mit den jet lebenden Arten und erklärte das Auftveten der Reſte nicht mehr, wie e8 Frühere gethan —— u ie hatten, durch Annahme allgemeiner Umwälzungen, ſondern trug den localen Verhältniſſen der Fundorte und deren möglicher Aenderung in gran Weiſe Rechnung. Sortfchritte der Syftematik und der Keuntniß einzelner Claſſen. Bon den beiden fich einander gegenüberjtehenden Richtungen Linne's und Buffon's, deren Vereinigung nur Wenigen gelang, war 59, In bem wichtigen M6m. sur la variation des animaux, Acta Petropol. ano. P. I. p. 69. wirb zum erftenmale ausgefprochen, daß mehrere Hausthier- formen dem Charakter der Arten verloren haben und nur nod Mengen artlofer Raſſen barftellen. 540 Periode der Syftematit. bie erftere im vorigen Jahrhundert weitaus bie verbreitetfte; fie diente auch noch als Ausgangspumft für die am Ende jenes Zeitraums ein» tretende Wendung. Obfchon fich aber bie meiften Einzelarbeiten formell ganz am Linne anfchloffen, jo geſchah doch zu einer möglichen Verbeſſe⸗ rung der Gefammtanordnung des Thierreichs nur wenig Durchgreifen« bes. Bon den im mehrfacher Zahl erichienenen Ueberfeßungen ober Bearbeitung des Naturſyſtems gieng feine auf eine eigentliche Weiter: führung des Linne’fchen Baues ein. Es wäre aber unnatürlich geweien, hätte fich bei dem immer ausgebreiteter werdenden Erfahrungen bie wiſſenſchaftliche Kritif nicht am dem, durch die ftete Benugung recht auffallend zum Fortentwideln angelegten Syſteme üben wollen. Es find daher auch mehrere zum Theil beveutungsvolle Verſuche, die An- ordnung immer natürlicher zu machen, bier anzuführen. Der erfte noch von Yinne ſelbſt mit Bortheil, wenigftens theilweife, benutzte Verſuch biefer Art vom Jahre 1756 rührte von dem damaligen Demonftrator an Reaumur’s Naturafiencabinet ber, von Mathurin Jacques Briffon, geb. 1723, welcher als Profeffor ver Phyſil 1806 ftarb. An die Stelle der ſechs Linne ſchen Elaffen ftellte er deren neun, fie im Ganzen ähnlich begründend. Die Walthiere trennte er von ben Fifchen, vereinigte fie aber noch nicht ganz mit den Säugethieren , fondern ließ fie als beſondere Elafje unmittelbar auf diefelben folgen. Den Men- ſchen fchließt er von den Säugethieren gänzlich aus. Vögel und Rep- tilien bildeten die dritte und vierte Claſſe. Die Knorpelfiiche werden als jelbftändige Elaffe ven „eigentlichen” Fiſchen vorausgeſchickt, ebenfo bie Eruftaceen als mit mindeftens acht Fußpaaren verfehene Glieder- thiere von den Inſecten getrennt. Die legte Elaffe bilden die Würmer im Linne’fchen Sinne. Man fieht, es wird zwar ein Anlauf genommen, die natürlichen VBerwandtjchaften eingehender zu berüdfichtigen ; außer ben näher liegenden und, mit Bezug auf die Wale jogar von Ray be- reits angebeuteten Aenderungen bieten aber Briſſon's Elaffen nur geringe Berbefferungen der Linne’jchen dar ; die Ungleichwerthigkeit ver letzteren befonvers wird nicht zu befeitigen verfucht und nicht erfannt. Einen nicht unintereffanten Verſuch einer neuen Eintheilung des Thier- reichs machte der Hallifche Profefjor ver Phyfit Johann Beter Fortfehritte der Syftematik und der Keuntuiß einzelner Elaffen. 541 Eberhard (geb. 1727 in Altona, ftarb 1779). Nach Ausſcheidung des Menfchen teilte er die Thiere in folche, welche dem Menfchen ähn- che Sinne haben, und in ſolche, deren Empfindungswerkzeuge den mienſchlichen unähnlich ſind. Zu den erſteren rechnet er Vierfüßer, Voögel, Fiſche und Schlangen. Dabei ſtehen aber Schildkröten, Kroko— dile, Eidechſen und Fröſche bei ven Vierfüßern, die Walthiere als mit Lungen verjehene Fiſche bei diefen, deren Waſſer athmende Formen als Hiementragend ihnen gegemübergeftellt werden. Freilich hält er die Kiemen der Haie und Pricken für Lungen und vereinigt dieſe Gruppen | daher mit den Walthieren. Die zweite Abtheilung des Thierreichs zer- fälle nach Eberhard gleichfalls in vier Claſſen: Infecten, Würmer, ; er und Thierpflanzen. Es würde entjchieven viefe Eintheilung als ein noch größerer Fortichritt aufzufaflen fein, wenn der Verfaſſer dabei mehr den Bau der Thiere ins Auge gefaßt und nicht 3. B. die ” Nudtthneden nur wegen des Mangels der Schale von den Gehäus- I kinesen getrennt hätte. Der Profefjor am adligen Cadettencorps in Berlin Joh. Sam. Halle 1727—1810) gibt in feiner nur Säuge— dier und Vögel behandelnden Naturgeſchichte 6%) Auszüge aus den ge- leſenſten Schriften ſeiner Zeit, ohne durch ſelbſtändige Zuthaten den Berſuch zu machen, die Entwickelung ver Wiſſenſchaft zu fördern. Fe. Friedr. Blumenbac folgte in feinem, durch große Klarheit und Schärfe der Darftellung fich auszeichnenden Hantbuch der Natur- * (1779) im Allgemeinen Linne, ſogar in einzelnen Wunderlich⸗ keiten, wie in der Aufnahme ver Ordnung der ſchwimmenden Amphir - bien, wogegen er die Wale bei den Säugethieren ließ. Nur die Gruppe der Würmer fuchte er durch Auflöfung in verſchiedene Ordnungen auf- zuklären. Doch find feine Ordnungen Mollusten, Schalthiere, Knor- pelwürmer, Korallen und Zoophyten weder naturgemäß noch bezeichnen fie gegen die inne’jchen einen Fortfehritt. Die Eingeweidewürmer ftehn mit den übrigen Würmern bei ven Mollusken, die nadten Polypen unter ven Zoophyten, die Gehäufebildenden unter den Korallen. Die a N u en 0) Irrthümlich ift der Name auf dem Titel des erften Bandes „Haller“ 542 Periode der Syſtematil Ordnung der Knorpelwürmer bilden die Echinodermen, bei denen freilich gerabe bie jegt Knorpel genannte Gewebsform nicht vortommt. Ziem · lich in gleicher Weife ſich an Linne anfchließend, mit ven fchwimmenden Amphibien und vergl., obſchon mit Müller's Infuforien bereichert, er- ſcheint das Thierſyſtem bei Nathanael Gottfr. Reste (1784). Beſonders hervorzuheben ift, daß Aug. Ich. Georg Earl Batjch *) zum erftenmale die Vereinigung der vier, den jetzigen Wirbelthieren entiprechenden Elaffen Linne's unter dem Namen Knochenthiere“ vor- nahm. Die Charaktere find treffend zufammengeftellt, auch ift der Unterſchied der Schalthiere, der jetzigen Arthropoden, von den erfteren richtig anatomifch entwidelt. Beide Gruppen bilden nach Batfch „voll: tommene* Thiere gegenüber ven „unvolltommenen“, in deren Anordnung und Auffaffung er weniger glüdlih war. Eine recht verftändige Zu⸗ fammenftellung, welche auch ben neuen Fortfchritten Rechnung trägt, ift bas Handbuch der Thiergeichichte von Joh. Aug. Donndorf (1793), . welcher ſich auch durch repertorienartige Zuſammenſtellung der nenen Arten um die Verbreitung ber fpeciellen Thierlenntniß Berbienfte er- worben hat. Sein Handbuch führt befonders durch forgfältige und zwedmäßige Berüdfichtigung ver zoologiſchen Kunſtſprache, welcher auch Mor. Balth. Borkthaufen eine eigene Darftellung gewidmet hat, vecht paſſend in die Thiergeſchichte ein, verzichtet aber auf eine felbftän- dige Förderung berfelben. Es ift unndthig, bie weiteren allgemeinen Darftelfungen 2) hier aufzuzäblen, da fie nur einen Beweis für die immer beträchtfichere Ausbreitung des Intereffes, aber nicht immer einen folchen für einen fteten Fortichritt geben. Doch muß noch ein Mann genannt werden, welcher zu den tüchtigften Zoologen aus dem legten Viertel des vorigen Bahrhunderts gehört, Johann Hermann; er wurde 1738 zu Barr im Elſaß geboren und ftarb 1800 als Profeffor ver Naturgeſchichte in | Straßburg. Wie es vorzüglich ſchon Pallas gethan hatte, erklärte er 6 Berſuch einer Anleitung zur Kenntnig und Geſchichte ber Thiere und Mineralien. Jena, 1788. Batſch war 1761 in Jena geboren und flarb dort 1802 als Profefior der Botanil. ”), 3 83. von Boromwsli, Lenz, Sudow, u. 9. ; E Hohann Hermann. — 543 3 ie in * — — der Thiere“ gegen die einreihige Anordnung des Thierreichs. Er geht die verſchiedenen Merkmalsgrup⸗ pen durch und weift nach, wie je nach Berückſichtigung biefes oder jenes — ſich ſehr verſchiedene Beziehungen zwiſchen den einzelnen Claſſen und Ordnungen ergeben. Er ſchlägt daher als graphiſche Dar- | - ftellungsform eine negförmige Anordnung der Thiergruppen vor ®). 1 Dabei ift er der erfte nach Ariftoteles, welcher die Beziehungen der ein- - zelnen Merkmale zu einander ins Auge faßt. Er fpricht zwar noch nicht direct das Geſetz der Correlation der Theile aus, weiſt aber da- ranf hin, wie die Form eines Theiles des Thierförpers die Form an- \ derer Theile beftimmt oder beeinflußt. Hätte Hermann ein größeres Material zu Gebote geftanden, fo hätten feine äußerſt anregenden und F - fördernden allgemeinen Betrachtungen jedenfalls noch fruchtbarer wer: u den künnen. Seine Schriften find im Ganzen zu wenig befannt ge- - worden; man verdankt ihm noch einen Band zoologijcher Beobachtun- i gen mit forgfältigen Schilderungen neuer oder wenig gefannter Thiere. Auch die, ſicher unter feinem Einfluſſe angeſtellten, aber erſt nach feinem Tode veröffentlichten Unterfuchungen ſeines früh verſtorbenen Sohnes ob, Friedrich über Aptern enthalten fehr viel Gutes. Endlich ift noch in Bezug auf die allgemeine Auffaffung des Thier- veichs zu erwähnen, daß fich als Folge der außerordentlich mannich- faltigen Auſchauungen, welche die tiefer eingehende Beichäftigung mit fremden wie mit befannten Thieren anſammeln ließ, auch das Gemüth zu vegen anfieng. Es fehlte noch jene durchfichtige Ueberfichtlichkeit der Beſetze der thierifchen Geftaltung und des thierifchen Lebens, welche sie Entwicelung der Wifjenfchaft in diefem Jahrhundert herbeizuführen bt. Da ergieng man fich einerfeits in der Bewunderung der Schön: und Zwechmäßigteit ver Natur von einem allgemein äfthetifchen 8) Aus Hermann’s Schrift ift zu erſehn, daß der Botaniker Neder (Karl Sofeph, 1729— 1793) eine wie es jcheint nicht in weitere Kreife gedrungene Ueber- ficht der Berwandticaftsverhäitnifie der Pflanzen verfaßt bat, welche er „genealo- sche" Tabelle nannte. Es wäre dies das erfte Mal, daß diefe Auffaffungsart der jerwanbtichaftlichen Beziehungen eine entſchiedeue Ausſprache fand (Tabula affi- nit. animal. p. 13). 544 Periode der Spftematif. Standpunkte aus, andererfeits bemugte man die Natur als Mittel zur religiöjen Erhebung. Durch beides juchte das ivealiftiiche Bedürfniß eine Befriedigung zu erhalten, welche allerdings beim Mangel genügen- der Verbreitung einer biftorifchen Anjchauung und Methode am leich- teften durch die Naturgefchichte gewährt werben konnte. Förderung bat die Wiffenjchaft durch diefe Arbeiten nicht gefunden ; ber zuweilen zu Tage tretende rührend kindliche Sinn ift befonders culturgefchichtlich intereffant. Es mag bier nur hırz an Folgendes erinnert werden. Der betaunte Bhilofopp Johann Georg Sulzer (1720—1779) fchrieb nicht bloß moralische Betrachtungen über die Werke ver Natur (1741), jondern auch ein befonderes Buch über die Schönheit der Natur (1750). In gleicher Weife war Heinrih Sander (geb. 1754, Profeflor am Gymmafium in Karlsrude, ftarb 1782) thätig, fowohl das Schöne in der Natur (1781) als auch die weile Ordnung in berjelben bervor- zubeben (1779). Am eifrigften war aber ver Norbhäufer Paftor Frie- drich Ehriftian Lefjer (1692 —1754) in dem Bemühen, der Naturbetrachtung eine religiöfe Stimmung zu verleißen. Cr fchrieb nicht bloß eine Yithotheologie, jondern fuchte auch durch eine Infecto- theologie (1735, lateiniſche Differtation, 1738 veutjch) und eine Tefta- ceotheologie (1744) „die geiftliche Betrachtung“ der Natur anzuregen. Für andere Thierclafien war endlich Johann Heinrih Zorn (Betinotheologie , geiftliche Betrachtung der Vögel, 1742) und Johann GSottfr. Ohnefalſch Richter (Ichthyotheologie, 1754) dem Beifpiel des Norbhäufer „Geiftlichen“ gefolgt. Wenn auch eine umgeftaltenre Anjchauung des Thierreichs im Ganzen erft fpäter auftrat und fich hier nur in einzelnen Andeutungen das Bewußtjein von der Nothwendigkeit einer ſolchen ausprüdte, ſo führten doch die Unterfuchungen über einzelne Elaffen allmählich auf diefelbe hin. Freilich kann man die legteren nicht als die einzige Bedin⸗ gung jener anjehn; es fam eben auf eine befondere allgemeine Auf faffung an, welche nicht ohne weiteres aus Einzelvarftellungen abgeleitet werden konnte; doch erſchienen die Fortſchritte fpäter großartiger im Folge des auf einzelnen Gebieten bereits Geleifteten. — Die Nature geſchichte des Menſchen hatte in Pallas den erſten wiſſenſchaftlichen _ j 2 Fortſchritte der Syſtematit und der Kenntniß einzelner Claſſen. 545 | ‚MBeigireiber gefunden. Arbeiten von Cornelis de Baum über bie Amerikaner, Chineſen, die alten Griechen waren mehr gefchichtlicher Kt und trugen auch in Folge der nicht vorurtheilsfreien Behandlung ihres Gegenſtandes zur Förderung der Kenntniß kaum etwas bei. Es - fällt aber im dieſelbe Zeit die Gründung der anatomifchen Eintheilung der verſchiedenen Menjchenformen. Im Jahre 1775 erſchien I. Fr. Blumenbach's Schrift über die angeborne Verſchiedenheit im Men- ſchengeſchlechte zum erjtenmale, worin er die einzelnen Formen als Raſſen oder Barietäten einer Art aufjührt und naturgefchichtlich zu - harakterifiven jucht. Zu ven Europäern rechnet er auch die Weftafiaten bis zum Ob, dem Caspi- See und zum Ganges, die übrigen Afiaten mit gelbbranner Haut bilden die zweite Varietät, die ſchwarzen woll- haarigen Neger die dritte, die Fupferrothen Amerikaner die vierte, bie letzte endlich die Polynefier oder Auftralier. Für die Bezeichnung führte er jpäter die allgemein angenommenen Ausdrücke der kaukaſiſchen, mon- goliſchen, äthiopiſchen, amerikaniſchen und malayiſchen Raſſe ein. Die Abgrenzung diefer Raffen, welche Blumenbach nur für künftlich durch- führbar erklärt, geichieht auf Grund der allgemeinen äußeren Erjchei- i mung. ‚Sie ftellen eine Erweiterung der Linné ſchen Einteilung dar, - welcher ſich auch Kant im Allgemeinen anſchloß, wie auch die Einthei- lung der Raffen von John Hunter die Hautfarbe in den Vordergrumd . ſtellt. Blumenbach folgte anfangs noch ven älteren Weberlieferungen ; er erklärte z. B., daß die Hige der Tropenfonne die Haut des Negers ſchwarz brenne und jein Haar fräufele. Er ſucht aber jpäter nach einer feſteren Begründung der Unterjchiede, deren Erklärung offen lafjend. 4 pi» bierifter als Begründer ver ethnographiſchen Schädellehre zunennen. : — Die Berjchiedenheiten einzelner Theile des Skelets von Thieren von ; — entſprechenden Stücken beim Menſchen waren ſchon früher gejchil- dert worden, jo die des Schlüſſelbeins von Joh. Glob. Haaſe (1766) und des Beckens von Bernh. Glob. Schreger (1787). Gegen an- Theile trat von nun an der Schädel in einer, das Intereffe völlig jeherrichenten Art in den Vordergrund. 9. Ch. Fabricius hatte der ziemlich verbreiteten Annahme Worte geliehen, daß zwijchen Affen und Negern eine nähere Beziehung beftände umd erklärte, die Neger B. Carus, Geſch. d. Zool. 35 entftanmten einer Bermifchung der weißen Menjchen mit den Affen. Dadurch gelangten die höheren Affen zu der Stellung von Mittelweſen zwifchen Menſch und Thier. Dies VBorurtheil zu befämpfen führte Peter Camper die Anatomie des Drang + Utang aus und wies nicht bloß die jelbftändige thieriſche Stellung deffelben nach, fondern hob auch weitere charakteriftiiche Unterſchiede zwijchen ihm und dem Menfchen hervor. Unter diefen erjcheint der nach ihm benannte Gefichtswintel, bie erfte Anwentung der Meffung auf Schädel, welche er fpäter in feiner Schrift über die Verſchiedenheit der Gefichtszüge der Menſchen weiter verfolgte. Den Standpunkt der Naturgefchichte des Menichen dom Ende des vorigen Zahrhunderts gibt überfichtlich und mit reichen Ber Friedr. Ludwig in feinem Grundriſſe (1795) en der Säugethiere, von denen nun bie Walthiere nicht wieder getrennt werben, erfuhr von mehreren Seiten eine neue Bearbeitung, obne jedoch von tiefer eingehender Kenntniß überall geleitet zu werben. Die Linne’fche Anorbnung, welche an erfter Stelle bie Zähne berüdfichtigt hatte, fuchte zumächft Briffon zu verbeſſern; er führte indeffen durch ftarres Fefthalten an Merkmalen, welche nur von Zahl und Vorkommen der Zähne und der Form der Gliedmaßen ber- genommen waren, das Unnatürliche und Gezwungene einer fünftlichen Gruppirung vor Augen. Vom Jahre 1775 an ließ Yoh. Ehrift. Dan. Schreber (geb. 1739, ftarb als Profeffor in Erlangen 1810) bie erften Hefte feines großen Säugethierwerts erſcheinen, welches erft 1824 vollendet wurde. Nach der Art Buffon’s legte er das größte Gewicht auf forgfältige ausführliche Beichreibung und Abbildung der einzelnen Formen, ohne deren gefammte Anordnung eingehend umzu⸗ geftalten. Thomas Bennant wollte zwar (zuerft 1771, dann 1781) den ganzen, die Verwandtſchaft befundenden Gefammtcharakter ver Arten zunächſt in Betracht ziehn ; feine Anordnung wird aber doch auch eine Fünftliche, da er zu ftreng die enge Hauptgruppen , in zweiter Reihe die Zähne und andere Merkmale bes rüdfichtigt. Doch ift Pennant zu Gunften der natürlichen Verwandte ſchaft von feinem Schema häufig mit vollem Rechte abgewichen, fo vof — Fortfehritfe der Syſtematik und der Keuntniß einzelner Elaffen. 8547 Die Reihenfolge umd die Verbindung, in welcher die einzelnen Gattungen bei ihm erſcheinen, viel natürlicher find, als es die Charakterifirung einer Ordnungen ift. Entjchieden unnatürlicher und fünftlicher ift das Syſtem, welches Ich. Anton Scopoli (1723—1788) aufftellte (1777); ex hält fich ftreng an den Aufenthaltsort und die adaptive Biloung ber Füße und trennt demzufolge z. B. die Otter von dem Wieſeln, den Biber von den übrigen Nagern u. dergl. mehr. Ausger | zeichnet durch die Befchreibung der einzelnen Arten, aber jeder weitern Eintheilung der Claſſe entjagend führt Joh. Chrift. Polycarp Err- Teben (geb. 1744 , ftarb 1777 als Profeſſor in Göttingen) die Gat- ; tungen in einer Reihe auf, wie Scopoli mit dem Menſchen beginnend, wobei er zwar im Allgemeinen die Zähne an erſter Stelle, aber auch, freilich nicht immer, mit Glück ten Geſammthabitus berückſichtigte. n den Schilderungen folgte er Linnée's Beiſpiel, häufig deſſen Worte benugend ; er gibt zahlreiche Synonyme und Trivialnamen ; fein Wert daher nicht bloß für die Zeit feines Erfcheinens als Quelle zu be- zeichnen (1777), e8 enthält aber nur wenige entjchiedene Fortfchritte. ‚Während der Menſch aus dem Syfteme des Briffon und Pennant weg- gelaffen wurde, eröffnet derjelbe bei Blumenbach (1779) die Reihe der Sängethiere als „Waffenlofer“ (Inermis) , in jedenfalls geiſtvoller eife auf den Mangel angeborner Waffen, Kunfttriebe und Bedeckun⸗ binweifend. Bei ven übrigen Ordnungen, deren Blumenbach im Ganzen zwölf aufftelite (fpäter verminderte ev ihre Zahl) , hat er fich h dem Einfluſſe äußerlicher VBerhältniffe und adaptiver Merkmale icht zu entziehen gewußt; denn er vereinigt z. B. Igel und Stachel- hwein nach der Form der Hautbevedung, Biber und Otter nach den pimmfüßen, Maus, Spitmaus und Beutelratte mit ven Wiefeln dem Dachfe in diefelben Ordnungen , -in deren Charakteriftif zum ftenmale das Auftreten mit der ganzen Sohle im Gegenfage zu dem hen auf den Zehenballen als Merkmal benutzt wird. Eine entſchieden el naturgemäßere Anordnung bietet der „Brodrom einer Methode der Säugethiere* von Gottlieb Conr. Chrift. Storr dar (geb. 1749, rofeffor ver Naturgefchichte in Tübingen, ftarb 1821). Storr theilt * der 1780 erſchienenen Diſſertation die Claſſe zunächſt nach den Füßen 35* 548 — Periode der Syſtematil in brei Orbnungen, die erfte für die Formen mit Gehfüßen, bie zweite für die Schwimmfüffigen , die dritte für die mit Floſſen verfehenen Wale. Wenn auch hiernach die Robben von ihren näheren Verwandten weiter getrennt werben, fo find doch die Heineren Gruppen feiner erften Ordnung natürlich umgrenzt und innerhalb verjelben treten Adaptiv- mierkmale nicht ungebührlich in den VBorbergrund. Biber und Otter ftehn beifpielsweife an ihren richtigen Stellen, erfterer bei den Nagern, letztere bei den Wiefeln und Viverren. Für die mit vollftändigem Ge- biſſe ausgerüfteten Thiere wendet er im erweiterten Sinne bie Linne ſche Bezeichnung Primaten an, deren erfte Abtheilung als mit Händen verjehene Formen ven Menſchen, die Affen und die Bentelthiere (lange Zeit noch Pebimanen genannt) umfaßt. Auch Storr berüdfichtigt das Verhalten des Fußes beim Auftreten und verwendet das Soblengeben als Merkmal. — Batich fagt zwar, daß er die Linne ſchen Ordnungen nur in etwas verändert habe, doch enthält feine Anorbnung der Säuger thiere manches Neue und Gute. Er fchiebt zwifchen die Gattungen und Orrdnungen noch bie ſyſtematiſche Abtheilung der Familien ein und umter- ſcheidet ſolche im den einzelnen Orbnungen. Die Orbnung der reifen- den Thiere trennt er in die Familien der fagen-, hunde», bären- und wiefelartigen Thiere. Für die drei Familien der Maufwurfsartigen, in welcher er Spigmaus, Maulwurf und Igel vereint, der Fledermäuſe (Pteropoda , ein Name, den neuerdings in gleichem Sinne Bonaparte angewandt hat) und ver Beutelthiere (bier zum erftenmale Marsupiales genannt) führt er ald Drbnungsnamen den Ausorud Nagethiere, Ro- sores, ein, während die jegt allgemein nach Vicq d'Azyr's Vorgang Nager genannten Säugethiere, die Glires Linne’s, als Mäufenrtige in bie Familie der Ratten-, Kaninchen , Eichhorn- und Biberartigen ger trennt werben. — Bon einzelnen Ordnungen der Säugethiere haben nur bie Nager fpecielle Bearbeiter gefunden. Es ift Hier der vorzüge lichen monographifchen Schilverungen neuer ober wenig gefannter Nager von Pallas (1778), welder von den meiften angeführten Thieren auch Anatomien gibt, und der in einzelnen Punkten gar nicht umverdienftlichen Arbeit von Blafius Merrem zu geden⸗ J | : Fortjchritie ver Syftematif und der Keuntniß einzelner Elaffen. 549 19%). Der Profector in Göttingen Wilhelm Iofephi hat enplich Anatomie der Säugethiere zu ſchildern begonnen, indeß nur die Affen bein fönnen. Die Arbeit enthält wenig wirklich Vergleichendes Die Bögel boten den Verfuchen, ihre Anordnung allmählich zu machen, mehr Schwierigkeiten dar, als die Säuge- ‚ da ihre im Ganzen fo augenfälligen, aber doch nur adaptiven genthümlichkeiten eine ungleich geringere Breite ver Schwankung jen. Man war daher genöthigt, hier auf untergeorbnetere Einzeln- einzugehn, als in andern Claſſen, ohne daß man jedoch hierdurch f die befondere Art und Stellung der ganzen Gruppe aufmerkſam ge- worben wäre. Lediglich auf forgfältige Beobachtung und Unterfcheidung der äußeren Verhältniffe, beſonders ver Art ver Befiederung fußend, machte zumächft Paul Heinr. Gerhard Möhring (geb. 1720 in Danzig, ftarb 1792 in Jever) eine neue Eintheilungsart der Vögel befannt (1752). Er lenkte, wie früher Ray, die Aufmerkfamfeit auf ben Umftand, in welcher Auspehnung die Beine befiedert find, und legte dieſen Punkt fowie die Befchaffenheit ver Haut an den unbefiever- ten Stellen der Füße an erfter Stelle, dann auch die Entwidelung der Blügel feiner Eintheilung zu Grunde. Mehr eklektiſch aus den vor ihm ‚veröffentlichten Claffificationen einzelne Merkmalsgruppen heraushe⸗ bend ftellte Briffon ein Syftem der Vögel auf (1760), welches ſchon durch die große Zahl feiner Ordnungen (26) im Vergleiche zu der viel geringeren Zahl bei Möhring (4) darauf hinweiſt, wie verfchieven die Beurtheilung der einzelnen Gruppen ausfallen muß, wenn es an wirk- lich durchgreifenden Gefichtspunften fehlt. LUnterfuchungen über bie Mechanik des Fluges führten Joh. Eſaias Sil berſchlag (geb. 1721, ftarb als Oberconfiftorialvath , auch Geheimer Oberbaurath in Berlin 1791) zur genauen Betrachtung der Flügel, welche ihm je nach ihrer Länge, der Form der Schwingen und der Breite des fogenannten Fächers — zu einer Vertheilung der Vögel darzubieten ſchienen. Doch | er in feinen vermifchten Abhandlungen zur Thiergefchichte. Göttingen 1781. Merrem wurde 1761 in Bremen geboren, war von 1781—1784 Privatdocent in Göttingen, dann Profefjor in Duisburg und von 1804 an in Marburg, woer 5 ME 550. Periode der Syftcmatit. gab er hierüber nur eine Andentung, ohne eine fpecielle Ausführung zu verfuchen. Blumenbach bemerkte (1779), daß die Eintheilung der Bögel weniger Schwierigkeiten unterworfen ſei, als die ver Säugethiere, ba man in Folge der einfacheren Bildung der Vögel von gewiffen Teilen, wie Schnabel und Füße, die Charaktere ver Ordnungen ber- nehmen könne. Unter feinen neuen Ordnungen ift bie ber Yeicht- fehnäbler mit „ungeheuer großen, aber hohlen Schnäbeln“ neu Papa⸗ genen, Pfeffernögel, Nashornvögel). Gleichfalls ekleltiſch das fcheinbar Zwedmäßigfte von feinen Borgängern aufnehmend theilte John Ya» tham (geb. 1740, geft. 1837) die Vögel in neun Orbnungen (1781, dann 1790 u. fpäter), fie zunächſt nach Ray's Vorgang in Land» und Waffervögel ſcheidend. Im Allgemeinen behielt er Yinnd's Orbnungen bei, zu denen er noch die Tauben, Strauße und bie mit häutig um⸗ ſaäumten eben vericbenen Pinnatipeden Meine brachte, Yatbanı's Hauptverdienit Liegt in ver Torgfältigen Beichreibung der Arten. — Gerade im Gegeniage zu Blumenbach's angeführter Bemerkung jagt Batſch fehr richtig (a. a. O., daß, je einförniger dev Körperbau ver Bögel fei, ſich ein natürliches Syſtem ihrer Gattungen um fo jchwerer anfftellen laffe. Auch bier ift die allgemeine Charakteriftit treifend und iharf; er hebt ven einfachen Hinterhauptsgelenthöder im Gegenjage zu dem paarigen der Säugetbiere hervor, erwähnt die Anorbnung der Federn im Ouincung u. And, Seine neuen Ordnungen entjprechen nicht den Blumenbach ſchen, aus welchen er die Yeichtjchnäbler aufge⸗ nommen bat. Krähen und Sperlingsartige vereinigt er, wogegen er die Tauben zu den Hühnern bringt. Auch faßt er die Spechtartigen nicht richtig auf. Im Ganzen bewährt jich aber Batſch auch hier als geiftvolfer und ventenver Beobachter. — Für die Verbreitung ver Keuntniß neuer und jeltener Arten forgte George Edwards (1693 — 1773), welcher jowohl in dem ven Vögeln vorzugsweife gewidmeten Werte (1743—51, fortgefegt von Beter Brown, 1776), als auch in feinen Gleanings neue oder noch micht abgebildete Vögel ver- öffentlichte.. Was einzelne Gruppen betrifft, fo feßte Merrem (a.a. DO.) die Unterjchiede zwiichen Arler und Falten ausführlich auseinander. Derjelbe gab im Anjchluß hieran auch bie erſten ” Fortfprite der Spftematit unb der Kenntnif einzelner Claſſen 551 llirter mg des Muskelſyſtems eines Bogels (weigtöpfige — ‚Für bie naturgemäße Auffaffung ver —— Formen —2* eptilien und Amphibien war beſonders die Entdeckung des Olm, Proleus aguinus, von Bedeutung. Dieſelbe veranlaßte ven erſten Beſchreiber, Joſ. Nik. Laurenti, welcher ein Exemplar des Thieres von Hohenwart aus dem Zirkniz⸗See erhalten hatte, den merk⸗ würdigen Umſtand des gleichzeitigen Vorhandenſeins von Kiemen und Lungen zu beachten und zum erſten Male auch die Entwickelung bei der Claſſification zu berückſichtigen. Er theilt (1768) zwar die Reptilien beiven Ordnungen das allerdings nicht an erjter Stelle genannte Merk: mal der Metamorphoje jo hindurch, daß nod) Die erften, als tardigrad E bezeichneten, Formen der Schreitenven ‚Gradientia, durch ihre Meta i morphoſe ausgezeichnet werden. Zu diejen vechnet ev außer dem Pro: Ä tens die Tritonen und Salamander, welche auch ganz vichtig durch die - Form ihres Afters von den Eidechſen unterfchieren werden. Die Bundſchleiche fteht natürlich noch bei ven Schlangen. Den in Yau- xenti's Syſtem enthaltenen Wink benutzte man nicht, trogdem auch von ‚ amatemifcher Seite (fo 3. B. von Zinn in Bezug auf die Genital- organe) die Achnlichkeit der Fröſche und Salamander hervorgehoben wurde. Blumenbach ftreicht zwar die Yinne’fche Ordnung der Meantes, weil er. die Siren für eine Yarvenform hielt, ftellt aber immer noch die Fröſche zwifchen die Schilofröten und Eivechjen zu den mit Füßen Ordnungen ber Kriechenven und Schwinmenden jehließen, Batſch läßt zwar, ‚wie jpäter auch Blumenbach die legte Ordnung weg und trennt die Frofchartigen als ſelbſtändige Gruppe, läßt aber die ge— ſchwänzten Tritonen und Salamander bei den Eivechjen. Auch das Syſtem von Bern. Germ. Etienne Comte de Lacepede (1756—1825) | - gründet fich unter theilweifem Anjchluß an Yinne auf veine Aeußerlich— keiten, ohne auf die Verfchievenheiten des Baues und der Xebensge- fehichte Gewicht zu legen ; doch zeichnet ſich fein Wert (1788), welches 1 als Ergänzung zu Buffom's Naturgefchichte anzufehen ift, durch forg- in Springende, Schreitende und Kriechende; doch geht durch die rften verſehenen Reptilien, an welche fich dann die beiden andern Yinnefhen 552 Periode der Syſtematil | | fältige Schilverung der einzelnen Arten aus. Auch die Arbeiten über einzelne Gruppen förberten die naturgemäße Auffaffung ber ganzen Claſſe verhältnigmäßig nur äuferft wenig. Als befonbers durch die in ifnen enthaltene Gelehrſamkeit ausgezeichnet find hier zunächſt die Schriften des als Philolog wie Zoolog bekannten Johann Gottlob Schneider zu nennen ®), wenn fchon auch ihm die Herpetologie feine birecten ortfchritte zu banken bat. Siren und Proteus hielt er zwar fur Larven von Salamandern ; er legt aber auf die Metamorphofe fein weiteres Gewicht und ftellt wie feine unmittelbaren Vorgänger die Sa⸗ famander zu den Eidechſen. Die Schilpfröten fanden mehrere Befchrei- ber. Außer Schneider fieng Ich. Dav. Schöpf (geb. 1752, ftarb zu Bairenth 1800) an, in einem mit Kupfern ausgeftatteten Werke bie Schildkröten ausführlich, ähnlich wie Schreber die Säugetbiere zu ſchildern; es find aber nur fechs Hefte erfchienen. Einige Arten be fchrieb (1782, Joh. Jul. Wallbaum geb. 1724 in Wolfenbüttel, ftarb 1799 als Arzt in Lübech. Bon dem im Jahre 1700 in Danzig verftorbenen Arzte Chriftopp Gottwald rübrte eine anatomiſche Schilderung der Chelonia caretta ber, welche 1781 veröffentlicht wurde. Ueber Schlangen jchrieben unter Anderen Charles Owen und ber oben erwähnte Patrid Ruffel. Die Naturgefchichte ver einbeimifchen Froſche jchilderte Aug. Ich. Röfel von Rofenbof (1750, neu ber- ausgegeben von Schreber, 1800). Röfel war Kupferftecher,, in dem num abgebrochenen Auguftenburg bei Arnftabt 1705 geboren und 1759 in Nürnberg, dem Orte feines Wirlens geftorben. Er ift eine jener gemüthlichen Naturen , welche glüclich in der Beobachtung ver Werte der umgebenden Natur mit ausdauernder Geduld dem Kleinſten und ſcheinbar Unbedeutendſten ſich mit ganzer Viebe hingeben und, ihre Bunde beſcheiden und naiv als immer weitere Belege für die Weisheit der Naturordnung und deren Schöpfer vorführend, durch dieſelben bie Joh. Gottlob Schneider wurbe 1750 in Kollm bei Hubertusburg in Sachſen geboren hiernach nannte er fih Saro). Nach feiner der Philologie und (in Straßburg) der Naturgeſchichte gewibmeten Studienzeit wurde er 1776 Profefior ber griechiſchen Litteratur in Frankfurt a/D., 1811 Brofefior befielben Fachs im Breslau und farb 1822, | Berthring der ke der Spftematit und der Kenntniß einzelner Claſſen. 553 minig vom Leben der Thiere wefentlich fördern. Wie das fpäter zu yähnende Werk über die Infecten ift auch das über die Fröfche voll yon eingehenden Beobachtungen über die Lebensweiſe diefer Thiere und verſchiedenen Entwidelungsftufen, ohne jedoch über die Anatomie md Phyfiologie diefer Formen wefentlich Nenes zu Tage zu bringen. Fiür die Fifche blieb das Artedi - Linne’fche Syſtem bis zum Ende des Iahrhunderts maßgebend. Das Werk Artedi's felbft wurde von Ioh. Iul. Wallbaum, feine Synonymie der Fifche mit reichen fitterarifchen Erweiterungen von 3. G. Schneider herausgegeben. Blum enbach behielt noch die ſchwimmenden Amphibien Linné's - (1779), wogegen Batfch (1788) fowohl Wale ausſchloß, als auch jene Abtheilung wieder den Fifchen zuführte. Auch unter feinen ana— tomiſchen Angaben findet fich manches Neue; jo hebt er z. B. ven Mangel eines Bruftbeins bei Fiſchen hervor, welches Gonan noch an- nimmt. Seine Eintheilung der Fifche ift nur als Verfuch gegeben und mit dem ausdrücklichen Zufage, daß es ihm an Material fehle. Lor. Theod. Gronov folgte bei der Beſchreibung feines reichen Cabinets anfangs ganz Linne (1764), vereinigte aber fpäter (1781) die Wale und die ſchwimmenden Amphibien mit den Fiſchen. Ant. Gouan 1733 1821, Montpellier) gab 1770 eine Geſchichte der Fiſche (über- ſetzt 1781), in welcher er Wale und Knorpelfiſche ausſchloß und außer einer betailfieten Charakterifirung der Gattungen auch eine freilich ziem- lich magere und häufig unzuverläffige Anatomie mittheilt. Auffallend macht fich hier der rein zootomijche Standpunkt geltend. Specielf bie Kopftnochen zu ſchildern, Hält er für unnüg und faft unmöglich; die : Naſenlöcher jollen fich durch den Gaumen in den Schlund öffnen u. dgl. 4 Eingeleitet wird das Werk durch eine „ichthyologiſche Philoſophie“, wo- rin er die Verſchiedenheiten ver einzelnen Theile des Fiſchkörpers termi— nologiſch feſtſtellt. Hiermit führte er einen Vorſchlag, welchen Jakob Ehriſtian Schäffer) 1760 in einem Sendſchreiben über eine h 4 6 Jakob Ehriftian Schäffer war 1718 in Querfurt geboren und ftarb 1790 als evangelifcher Superintendent in Regensburg. Sein Bruber Joh. Gott- lieb Schäffer (geb. 1720 in Querfurt, ftarb 1795 als Arzt in Regensburg) hatte zwei Söhne. Jak. Chriftian Gottlieb (geb. 1752, geft. 1826 als Arzt in — veriode der Spflematit. * leichtere und ſicherere Methode des ichthyologiſchen Studiums gemacht hatte, wenigſtens theilweiſe aus. Das von Schäffer, welcher auch die Regensburger Fiſche verzeichnet hat, ſelbſt aufgeſtellte Syſtem ſchließt ſich am meiſten dem Klein ſchen an; es iſt indeß nur angedeutet, nicht ſpeciell ausgeführt und umfaßt Wale und Knorpelfiſche. Schäf⸗ fer'8 Borjchläge beziehn fich auf Terminologie und auf Erläuterung der Spiteme durch Abbildungen. Duhamel und Brouffonet gaben forgfältige Schilderungen und Abbildungen von Fifchen. Bor Allen war es MartEliezer Bloch (geb. 1723 in Ansbach, lebte in Berlin, get. 1799 in Karlsbad), welcher durch eingehende Beichreibungen und Abbildungen , zum Theil mit Berüdjichtigung des Baues, fowohl ver deutſchen als auslänpifchen Fifche (1792— 1795) einen Ausgangspunft für die fpäteren Studien ſchnf. Rübmlich bervorzubeben ift aud pie Abbildung une Beichreibung der ‚ifche‘, welche Job. Chriſtoph Heppe von 1797 an in jünf, Ausgaben genannten Heften; bis 1300 erſcheinen lieh. Sie zeichnen ſich durch forgfältige Zeichnung wie durch gutes Golorit und handliches Format aus. Im ähnlicher Weife wie Bloch, indeflen das Syſiem mehr in ven Vordergrund ftellend , wurbe fpäter die im Anfchluß an Buffon gegebene Ichthyologie Yackpide's (1798— 1805) für die franzöfiihen Forſcher pas mafgebende Wert. — Neben en bis jet genannten, mehr oder weniger ber Detailſchilde⸗ — Berjſaſſer der medicin iſchen Ortsbeichreibung Regensburge) hatte feine Söhne; eine feiner Töchter, Sophie, beiratbete Adam Elias von Siebold (geb. 1775 in Würzburg, Sohn bes 1736 zu Nideggen im Jülichſchen geborenen, 1801 in ben Öfterreichiichen Adelsftand erhobenen und 1808 verftorbenen Profeiiors Earl Caspar Siebold; flarb im Berlin 1828); deren in Würzburg geborene Söhne find Eduard Earl Easy. (geb. 1801, geft. 1861 im Göttingen) und Earl Theodor Ernft, geb. 1504, Zeolog in Münden. Der andere Sohn Joh Etlich. Schäffer s war Joh. Ulrich Gottlieb (geb. 1753, gef. 1829, Arzt in Regensburg). Auch dieſer hatte nur Töchter. Eine derſelben heirathete den praftiichen Arzt Dr. Herrich in Regensburg. Ihre Söhne, beide Aerzte in Regensburg, waren Gott lieb Auguft Wilhelm (geb. 1799, geft. 1861, der Entomolog) und Earl Herrich (geb. 1808, geft. 1854). Auf den Wunfc ihrer Großväter nahmen biefe, wie bie Männer zweier Enlelinnen Jal. Ehriftian’s nad deren Tode noch den Namen Schäffer an; daher der Name Herrih-Schäfjer. — Nach diefen auf Mittheilun« gen des verBerbenen Eduard von Siebold beruhenden Angaben find Die Die Schäffer's betreffenden Notizen in Hagen's Bibliotheca entomologica zu berichtigen. = Bortfehritte ber Syſtematit und der Kenntuiß einzelner Claſſen. 555 g und der Syſtematik gewidmeten Leiſtungen machte aber auch die mie der Fiſche Fortichritte. Verglichen mit den anatomifchen 1, welche die mehr auf Ausbau des Syſtems gerichteten Arbeiten ten, aber ebenfo auch mit Gouan's ausführlicherer Arbeit ift die omie und Phyfiologie der Fiiche von Alerander Monro (geb. 3, geit. 1817, Sohn des S. 451 genannten Anatomen) als wich- figes, fowohl das bis dahin Gefundene ſammelndes, als auch auf felb- ftänbigen Unterfuchungen beruhendes Werk zu nennen, Es erfchien 35 umd in deutjcher von 3. G. Schneider beforgter und mit Zur m von P. Camper bereicherter Ueberſetzung 1787. Es find hier älteren Arbeiten von Duvernoy, Yorenzini, Koelreuter u. A. ebenfo die Unterfuchungen Neuerer, wie Hewſon, 3. Hunter, in der Leber: 19 auch Vieq d'Azyr's, beunkt. Doc finden nicht alle Syſteme leiche Berüdjichtigung ; jo find Die Kapitel über das Nervenſyſtem, ü Generatiousorgane äußerjt kurz, und das Stelet und Musteljyften Ind gax nicht erwähnt. Sehr gut für ihre Zeit ift die angehängte Ana omie eines Seeigels, wogegen die eines Tintenfifches zurücktritt. Die t der bildlichen Darftellung der anatomischen Berhältnifie offenbart chfalls entichievene Fortichritte. Won Bedeutung ift endlich die Ar- eit Filippo Cavolini's (1756, geft. 1510) über die Erzeugung er Fifche (u. Krebfe), worin er die Befruchtung der Eier außerhalb des Lörpers ber Mutter nachweift und mehrere embryologiſche Mittheilun- Auch die Gruppe der Mollusten fand erft gegen Ende bes v rigen Yahrhunderts Bearbeiter, welche die Linné ſche Abtheilung gleichen Namens richtiger zu erfaflen begannen. Pallas Andeutung über die Verwandtſchaftsverhältniſſe mehrerer hierher gehöriger Formen, welche oben erwähnt wurde, ebenjo D. F. Müller's darauf bezügliche Bemerkungen verhaltten ungehört und wurden erſt fpäter gewürdigt. Indeſſen hatte ſchon vorher Michael Adanſon (geb. 1727, geſt. 1806) einen naturgemäßern Standpunkt eingenommen als inne, in— fofern er bei feinen Befchreibungen (Reife nach dem Senegal, 1757) richt bloß die Schalen , fondern befonders auc das Thier und deſſen Ächtbare äußeren Theile forgfältig berückſichtigte. Er hat allerdings ui 556 | veriode der Syflematif. hierdurch erreicht, daß er feine verſchiedenartigen Thiere zu den Schals thieren brachte, wie es Linne noch that, hat aber auch die nadten Mol- lusten ausgefchloffen. Er teilte die Conchylien in Schneden und Muſcheln, ertere in vedtellofe (einfchalige) und gevedelte, letztere in zwei⸗ und vielfchalige. Zu bedauern war, daß Adanfon in Folge feines ver- ächtlichen Urtheils über Andere ftatt der Linné ſchen Gattungsnamen meiftens andere und häufig fogar bereits von Linne benugte Namen auf verfchiedene Thiere übertragen bat. Auch Ant. Iof. Dezallier b’Argenville hat in feiner Eonchyliologie ein befonderes Syſtem aufgeftellt, welches aber weder in Bezug auf die dabei berüdfichtigten Merkmale, noch in der Stellung feiner einzelnen Abtheilungen zu ein» ander eine naturgemäßere Auffaffung verräth. Die äußere Anatomie ber Thiere berüdfichtigte Et. Louis Geoffroy bei feiner Befchreibung ber Moltusten ver Umgegend von Paris. Jean Guill. Brugniires (geb. um 1750 in Montpellier), welcher zwei Jahre mit Kerguelen in der Süpfee war, 1793 mit Olivier nach der Türkei und Perfien reifte und 1798 auf der NRüdreife in Ancona ftarb ®), bearbeitete für das Dictionnaire eneyelopedique die Mollusten (1789) umd folgte dabei noch ziemlich ftreng Lime; er ſchloß zwar die Seeigel und Seefterne aus, vereinigte aber unter ven Mollusten vie fremdartigften Formen. Einen Schritt weiter gieng wieder Giuſ. Saverio Poli (geb. 1746, geft. 1825 in Neapel) , welcher in feinem Werte über die Schalthiere beider Sicilien (1791—95) die Mollusten nach ihrer Bewegungsar! in armtragende,, friechende und hüpfende (den Cephalopoden, Gaftro: poden und Acephalen entfprechend) eintheilte. Die Tunicaten berüd: fichtigte er nicht ). Auch feine Gattungsnamen find nicht immer den Linne ſchen entſprechend. Außer diefen ftrenger ſyſtematiſchen Arbeiter ift auch bei diefer Elaffe viel Mühe auf jorgfältige Schilverung einzelner 6) Bruguieres grlinbete 1792 das erfle naturbiftoriiche Journal in Frankreich welches aber beim Antritte feiner türliſchen Reife wieder eingieng. Bom Jahre 17% an nahmen dann die vom Abbe Rozier herausgegebenen Auszüge aus den Schrif. ten der Alabemien (bie Observations physiques) ben Zitel Journal an. &), Erwähnung verdient, daß Batich erflärt, die Seeſcheiden ftänden in dem jelben Berhältniß zu den Mufcheln, wie die Nadtjchneden zu den Schaaligen., Foriſchritte der Spftematik und der Kenntniß einzelner Claſſen. 557 en und Sammlung betvefjender Notizen verwandt worden. Am igften war hier der Stiftsprediger in Weimar Joh. Samuel Schröter (geb. 1735, geft. als Superintendent in Buttjtädt 1808). (ußer verjchiedenen Schriften über die Claſſe gab er ein befonveres nal für die Conchyliologie ſin Verbindung mit Paläontologie) us, welches, von 1774 bis 1781 erjchienen, eine Reihe von zwölf ıben bildet. Das wichtigfte Werk aber unter ven der Bejchreibung zelner Arten gewidmeten war das von Martini begonnene, von emmig®) fortgejegte Neue ſyſtematiſche Conchyliencabinet (11 ude von 1769 bis 1795). Den jehr guten Abbildungen ftehn die ür ihre Zeit zum Theil mufterhaften Befchreibungen zur Seite. So— wohl für die Gmelin’sche Ausgabe Linne's als auch jpäter für Lamard ft dies Werk eine Hauptquelle gewejen. Zwei Nürnberger Kupfer techer haben fich um die Verbreitung der Couchylienkenntniß Verbienfte erworben. Georg Wolfg. Knorr (geb. 1705, geft. 1761) gab in’ ven „Vergnügen der Augen und des Gemüths“ fowie in der (unter gleichem Titel erfchienenen) Sammlung von Muſcheln Abbildungen und Beichreibungen von Schalthiergehäufen. Franz Mich. Regen: uß (geb. 1713, geft. 1780 als königlicher Kupferftecher in Kopen- agen) veröffentlichte eine Sammlung von Abbildungen, deren Bejchrei- ng Kragenftein, Spengler und Ascanius beforgten, während Chriftin Cramer (Prof. d. Theologie in Kiel) die litterar-hiftorifche, ſyſtema⸗ ſche und amatomifche Einleitung dazu fchrieb (1758). — Gute Be- obachtungen über mehrere Moltusten, Sepieneier, Ascidien und einige 1} wirbellofe Thiere gab der Prager Profefjor Joh. Bapt. Bo- hadſch (1724—1768). Naum irgend eine andere Abtheilung des Thierreichs hatte ein jo allgemeines Interefje und fo viele Bearbeiter gefunden, als die Olie- 6) Friedr. Heiur. Martimi (geb. 1729 in Ohrdruff, geft. 1778 als Arzt in Berlin) hat fih um Förderung des allgemeinen Interefjes an den Naturwiflen- ſchaften auch durch Herausgabe des Berliner Magazins fowie der Mannichfaltigkeiten verbient gemacht. Auch gründete er die Geſellſchaft naturforfhender Freunde in Berlin. Joh. Hieron. Chemnik war 1730 in Magdeburg geboren und ftarb 1800 als Paftor der deutichen Garnifonsgemeinde in Kopenhagen. 558 Ed Beriode det Spfematit, berthiere, befonders die Infecten. Für diefelben entftand auch eine beſondere Zeitichrift, welche, anfangs unter dem Titel Magazin, fpäter als Archiv, der Züricher Buchhändler Joh. Casp. Füſeſſli (geb. 1741, geft. 1780) von 1778 an berausgab. Sie wurde von Yoh. Jal. Rö- mer (Botaniker und Schweizer Raunift, geb. 1763, geft. 1819) , fo- wie von Joh. Frietr. Wilh. Herbft (geb. 1743, geft. 1807 als Prediger in Berlin) fortgejegt. Zu diefer traten die nach kurzem Be- ftehn wieder eingegangenen Zeitjchriften von Ludw. Glieb. Scriba und Dav. Heinr. Schneider (1790 und 1791). Wie der eben ger nannte Römer das Linne’fche und das noch zu ermwähnende Fabri⸗ cius ſche Syſtem durch Abbildungen erläuterte (1789), fo fand das erftere noch befonvere Bearbeiter und Ausleger, und zwar in Joh. Heinr. Sulzer (geb. 1735, geft. 1814, Stabtarzt in Winterthur) und Gottfr. Bened. Schmiedlein geb. 1739, geft. 1808, Arzt in Leipzig). Auch gab Joh. Aug. Ephr. Goeze? befondere entomolo- giiche Nachträge zu demielben und Earl Elerd Abbildungen feltener Infecten nach Yinnd's Syftem. Eine umfaffendere Schilverung ber Sufecten nach Yinne's Syſtem begann Carl Guft. Jablonsty (geb. 1756, geft. 1787); nur Käfer und Schmetterlinge find erfchienen, beide von Herb ſt fortgefegt (11785— 1806). Waren es bei der größe: ren Anzahl der Liebhaber und reinen Syſtematiler befonders die äußeren leicht zugänglichen Theile, welche vorzugsweife oder ausfchließlich zum Zwede der Beichreibung oder des Ordneus von Sammlungen berüd- fichtigt wurden, fo wurbe doch auch in Ähnlichenf Sinne, wie es früher Reaumur getan hatte, die gefammte Lebensgefchichte ver Infecten von mehreren Männern mit Vorliebe behandelt, von ſteinem fo eingehend wie von dem bereits erwähnten Röfel. Seine Monatlichen Imfecten- beiuftigungen find nicht bloß Zeugniſſe feiner Beobachtungsgabe und feines Fleißes, jondern eine reiche Fundgrube für die Lebens- und Ver- wandlungsgeichichte der Infecten und niederer Thiere. Im gleicher Weiſe lieferte ver Freiherr Carl De Geer (geb. 1720, geft. 1778 in ”©) geb. 1731 im Ajchersleben, geft. 1793 als Prediger in Oueblinburg, Bru- der des durch den Streit mit Leifing befaunten Job. Meldyior Goeze. » Fortſchritte der Spftematif und der Keuntniß einzelner Claſſen. 559 se holm) eine reiche Sammlung umfafender Beobachtungen. Weni- 180 ‚ aber die behandelten Thiere eingehend unterfuchend find | einzeln erjchienenen, aber jpäter gefammelten Unterfuchungen des oben 3. Chr. Schäffer. Sein in ven 1780 erjchie- nene n Elementen nievergelegtes Syſtem gründet fich auf die Flügel und | die Zahl der Tarſenglieder. Röſel beabfichtigte nicht , ein neues Sy ; t " aufzuftellen ; in der feinen Beobachtungen vorausgeſchickten Ueber- t findet fih daher nur ein Gerüft, nach welchen er die Injecten nbelt und worin er befonders den Wohnort und die VBerwandlungen berücfichtigt. Dagegen ftellte De Geer ein neues Syſtem auf, welches ic Sinbeffen nur durch andere Anordnung der einzelnen Gruppen und aburch von dem Linné's unterjcheivet, daß die Hemipteren des leteren n mehrere, aber nicht naturgemäße Ordnungen aufgelöft find. Auch Et. “8. Bene ’1) gab in ber Bejchreibung der Infecten der Um- egend von er eine fich zwar im Wejentlichen an Yinne anfchließende | ; boch wird in ihr zum erftenmale die Zahl der Fußglieder ans benugt. Einen großen Umfchwung in der Syite- it der Gliederthiere brachte Joh. Chrftn. Fabricius hervor (geb. 45 in Tondern, geft. 1808 als Profeffor in Kiel). Es war zwar jchen vor ihm der Bildung der Mundtheile Aufmerkfamfeit gejchenkt worden, nbeß nur nebenbei mit dev allgemeinen Angabe, ob dieſelben Kau- oder Saugwerkzeuge jeien. Fabricius unterjuchte diefelben genauer und legte fie feiner Eintheilung als Hauptmertmal zu Grunde. Die ſämmtlichen Wethropoden zerfallen danach in zwei Hauptgruppen, im folche mit Kauenden und ſolche mit faugenden Mundtheilen. Zu ven erften brachte Babrieins alle kauenden Infecten und als gleihwerthige Ordnungen die Spinnen, Storpione und Krebje, während unter ven Saugenden nur Bnfecten ſich finden. Konnte Fabricius durch Zugrumdelegung eines einzelnen, wenn auch noch jo wichtigen Gebilves auch zu feiner natur ⸗ gemäßen Vereinigung verwandter Gruppen gelangen, jo gewann doch durch feine forgfältigen Unterfuchungen einzelner Formen die Chavakte- 4 7) &t. Louis Geoffroy war der Sohn des Chemiters Et. Francois und © des Botauilers Claude Joſeph Geoffroy, geb. 1725, geft. 1810. rifirung ber Gattungen bebeutend. Es mag gleich hier erwähnt wer» ben, daß Joh. Karl Wild. Illiger (geb. 1775, geft. 1815) vie Mängel des dabricius ſchen Syftems durch eine Berfchmelzung deſſel. ben mit dem Linne ſchen in einer im Ganzen zwar recht glücklichen Weiſe abzuftellen juchte (1798) , ohme jedoch ven Charakter beider nur auf Flügel- und Mundbau fich ftügenden Syſteme aufzugeben. Wurde auch in den oben genannten allgemeineren Werten die Anatomie der In- fecten zuweilen ausführlich berüdjichtigt, jo zeugt doch beſonders ein. Werk für die unendliche Sorgfalt, mit der man in die einzelften Ber hältniffe einzubringen fuchte, die Anatomie des Weidenfpinners von Bieter Lyonet (1707—1789). — Für die Theilnahme, welche fich aller Orten für die Infecten zeigte, fpricht das Erfcheinen verfchiedener entomologijcher Faunen, jowie größerer Werte über einzelne Ordnungen. Bon erfteren kann hier nur hingewieſen werden auf die Schriften von Charles de Billers und P. Iof. Buc’hoz über franzöfiihe, von ©. Wolfg. Ft. Panzer über deutſche, von Mofes Harris über engliſche, von Carl Pet. Thunberg über ſchwediſche von Scopofi über krainer, von Koelreuter über amerikanifche Infecten, von Guft. von Paykull über ſchwediſche Käfer, welche faft ausnahms - (08 zur Sichtung der Auten und deren Verbreitung noch heute von Werth find. Und was die Schriften über einzelne Ordnungen betrifft, fo genügt es an Casp. Stoll’s Werke über Hemipteren und Ortho⸗ pteren (beide auch in’s Deutjche überfegt), an Esper's Schmetterlinge, und an I. Euf. Boet’s Käfer zu erinnern, über welch‘ letztere Ord⸗ nung auch in Guill. Ant. Dlivier's Entomologie ein wichtiges Spe⸗ cialwert vorliegt. — Auch die noch nicht als felbftändige Claſſen ger trennten Arachniden und Gruftaceen fanden, erftere in Elerd und Herbſt, letztere in Herbft jpecielle Bearbeiter. Bon den däniſchen Bafferjpinnen gab O. 8. Müller eine Specialſchilderung, wie der⸗ jelbe auch von nievern Eruftaceen , denen er wegen ihrer fchalenartigen Bevedungen den Namen Entomoftraten gab, mufterhajte Beſchreibun⸗ gen lieferte. Briffon hatte zwar die Eruftaceen als befondere Claſſe von den Infecten getrennt. Bei der Aufftellung feiner neuen Claſſen lag ihm indeſſen eine morphologiſche Begründung derſelben, auch ber Bortfritte der Spfiematit und der Renntniß eimelner Claſſen 561 Eruftaceen fern. Und auch DO. F. Müller betrachtete fie nur als Ab- ° teilung der Infecten, wie er die Entomoftrafen ausdrücklich Insecta testacea, mit Ueberjegung feines neuen Namens, nennt. Ueber die Zeugung und Entwidelung einiger Eruftaceen jtellte noch Cavolimi werthvolle Unterfuchungen an (1787). Wie man im Allgemeinen unter dem Namen „Infecten“ noch immer eine größere Thiergruppe im Sinne Linné's verftand, jo waren guh die Würmer defjelben Zoologen zwar als jehr verfchiedenartige Thiere umfafjend anerkannt, aber doch noch nicht in einzelne Claſſen aufgelöft worden. Pallas hatte feinen Vorſchlag, welcher auf eine jchärfere Sonderung der bier vereinigten Formen hinausgieng, nicht ausführen fönnen, und DO. F. Müller umterfuchte wohl in mufter- bafter Weife verfchievene Abtheilungen, fand aber doch nicht ven Schlüſſel zu einer naturgemäßen Anordnung der „Würmer“. Die Mollusten bilden bei ihm noch immer einen Theil der Würmer, ebenfo die Bolypen. Gattungen echter Würmer waren verhältnigmäßig wenig befannt, aber doch Repräfentanten der Hauptabtheilungen. Am meiften Berwunberung erregte die Theilung der Naiden. Diefe hatte zuerjt Abraham Trembley (geb. 1700 in Genf, geft. dajelbft 1784) beobachtet und bei Gelegenheit feiner Bolypenunterfuchungen veröffent- licht. Nach ihm Hatte diefelbe Erfcheinung nur Bonnet und Röfel geſehn, jo oft auch jonft der Wurm unterfucht worden war. Müller ' ſchilderte die Anatomie der Naide jehr genau, allerdings nicht voll- ftändig, und beobachtete auf das Eingehendſte die Entwidelung ‚nach freiwilliger wie nach künftlicher Theilung ?2). Ungleich mehr Auf- Ben als die frei lebenden Würmer erregten die Eingeweidewür- mer, zu deren umfaffender Kenntnig num der Grund gelegt wurde. —F Streit über die Herkunft der Helminthen war faft ganz zu Gunften ‚ber Anficht entjchieven, daß fie in den Körpern der Wohnthiere ent- ſtünden. Den Pallas’schen Bedenken ſtellte man wie es ſchien ganz riftige Gründe entgegen, vorzüglich die Unmöglichkeit für diefe nur auf ein parafitifches Leben eingerichteten Thiere, im Waffer oder über- 72) Bon Würmern des fühen und falzigen Waflers. Kopenhagen, 1771. 8. Carus, Geſch. d. Zool. 36 562 | Periode der Spftematit. Ä haupt außerhalb anderer Thiere fortzuleben , und die Unwahrſcheinlich ⸗ feit, daß ſich die Eier derſelben, welche doch an bie Temperatur ver Wohnthiere gebunden feien, außerhalb derſelben entwideln könnten. Die Frage wurde für jo allgemein wichtig gehalten, daß die dänische Geſellſchaft der Wiffenfchaften auf ihre Yöfung einen Preis ausfegte (1780). Zwei Arbeiten wurden des Preifes würdig befunden, bie eine von M. E. Bloc, welcher vorzüglich anf die Frage felbft eingeht, ohne dabei die Naturgefchichte und Verſchiedenheit der einzelnen Hels minthenarten ausführlicher zu erörtern, die andere von J. A.E. Goeze, welcher feine Preisarbeit weiter ausführte und in dem fo entftandenen „Berfuch zu einer Naturgefchichte der Eingeweidewärmer* (1782) das erfte wichtige monographiiche Werk über Helminthen Kieferte. Auch Goeze ſprach fi in der angeführten Weije gegen die Einführung der Würmer von aufen im den thieriſchen Körper und für das Entftehen derjelben innerhalb des legteren aus. Im Bezug auf die einzelnen Formen gibt er unter Anwendung einer allerdings in Folge des Standpunktes ver Zeit jegt häufig als bedenklich erfcheinenden Kritik die Meinungen feiner Vorgänger, unter denen Pallas und O. F. Müller die bedeu⸗ tendften find. Anatomifhe Schilderungen der beobachteten Thiere Hären allmählich die Anfchauungen. Eine Eintheilung ver Eingeweide- würmer nimmt er noch nicht vor, ftellt aber die verwandten Formen zuſammen. Dabei ift hervorzuheben, daß er die Blaſenwürmer zu den Bantwürmern ftellt und ihre Arten nur als eine befondere Gruppe „hydatigenae‘‘ ober foldhe, die in Eingeweiden (nicht im Darme) (eben , von ben anbern fondert. Als daher Joh. Georg Heinr. Zever in dem „Erjten Nachtrag“ zu Goeze's Naturgejchichte (1800) die fünf Ordnungen aufftellte, welche dann Rudolphi annahm und in ihrer griechifch » Lateinifchen Bezeichnung allgemein verbreitete, war es ein entfchievener Rüdjchritt, daß er die Blaſenwürmer als feistäneige Ordnung von den Banbwürmern jchied. Die zu Linn®s Würmern gehörigen BPolypen waren in Betreff igrer wahren Natur nicht von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt worden. Der englijche Mitroftopiter John Hill (geb. 1716, geft. 1775) und anfangs noch Job Baſter waren über die thierifche Natur der. gortfehritte ber-Spftematit und ver acunniß einzelner Claſſen 563 Korallen nicht ficher, konnten fich wenigfteng nicht entſchließen, bie taltigen Polppenftöce für Teile der an und im ihuen fich finbenden Thiere zu halten. Wichtig wurden hier die Beobachtungen über bie Süßwafjerpolypen,, deren thierifche Natur und merkwürdige Lebens⸗ erſcheinungen zuerft Abr. Trembley mit Sicherheit feunen lehrte 3), Röſel ſowohl, als Iak. Chr. Schäffer beftätigten Trembley's Ber obachtungen, ohne über die allgemeine Bedeutung der wunderbaren Thiere weiter zu fommen. Die Beziehung ver Meeresformen zu dieſen Süßwaſſerarten blieb anfangs unerörtert. Es entwidelte fich auch die Kenntniß der leßteren getrennt. Nächjt vem oben erwähnten Donati war e8 befonders John Ellis (1710-1776) , welcher die Kenntnif der Polypen und ihrer verfchievenen Formen förderte. Sein Werl, deſſen Ordnung der Schwede Dan. Solander (geb. 1736 in Norr- fand, geft. 1782 in London, der Begleiter 3. Coof's) bejorgte, erjchien erſt 1786. Unterbeffen hatte Joſehh Gärtner (geb. 1732, geit. 1791, Bater des durch die Baftardirungsverfuche befannten Botani- fers) und ver Abbe Jacq. Frane. Dicquemare (1733—1789) u. U. die Natıir der Actinien unterfucht. Ferner waren durch die vorzüg- fichen Unterfuchungen Fil. Eavolini’s der Formenkreis und bie Kenutni von der Anatomie der Polypen beträchtlich erweitert worben und zwar fowohl der Hydroiden als der echten Polypen?*) , freilich hielt Cavolini auch zufammengefegte Ascidien für polypenartige Thiere. Gegenüber diefen pofitiven Fortfchritten, welche in den genannten Leiſtungen enthalten find, nehmen fich die Hier und da noch fpät auf- tauchenden Zweifel, wie 3. B. von Phil. Ludw. Statins Müller, über die Natur der Korallen eigenthümlich genug aus. Es fei zwar, fagt er, allgemein die Meinung, die Natur mache feinen Sprung, aud) nicht vom Pflanzen zum Thierreich; indeffen fei man im Dunkeln, was die Natur beabfichtige, man laſſe aljo beſſer Betrachtungen dar⸗ 8) Die Memoires Trembley's, 1744, überſetzte der mehrerwähnte Paftor 3.4. E. Goeze, 1775. 7%) Zu ber früher (1785) gebrudten Polypenarbeit enthalten die Memorie postume, welde St. Delle Chinje 1853 herausgegeben hat, cine Schlußab⸗ handlung, besgleichen uoch andere werthvolle Beiträge. — 36* SB Periode der Spftematif. über bei Seite. — Zur Ausbreitung der Formentenntniß trug das Kupferwert über „Pflanzenthiere* von Es per, deſſen Herausgabe bis in ziemlich neue Zeit gewährt hat, nicht unweſentlich bei. — Bon ben Meduſen kannte man nur wenig; man vereinigte fie meift mit den Actinien. Cavolini's Beobachtungen (an Schirm, Rippen- und Röb- . renquallen) wurden erft lange nach feinem Tode veröffentlicht. Den Würmern war endlich die ganze Abtheilung der mitroflopi- ſchen Thiere zugefellt worden. Schon Leeuwenhoek hatte fie als in „Anfufionen“ entftehend bezeichnet. Den Namen „Infufionsthiere* brauchte zuerft Martin Frobenius Ledermüller (geb. 1719 in Nürnberg, Juriſt, eine Zeit lang Affiftent beim Naturaliencabinet in Baireuth, get. 1769 in Nürnberg), welcher wie Viele feiner Zeitger noſſen Ergögung feines Gemüths in Beichäftigung mit der Natur juchte und folche in Beobachtungen mit dem Mikroſtope fand. Weitere Formen fehrten kennen der Freiherr Friedr. Wild. von Gleihen (nach feiner Frau genannt Rusworm, geb. 1717 in Baireuth, geft. 1783 auf Greiffenftein), ein gleichfalls eifrig mikroſtopirender Forſcher, der Baftor Ich. Conrad Eihhorn (geb. 1718, geft. 1790 in Danzig) u. A. Biele Unterfuchungen rief die Frage nach der Entftehung der Infuforien hervor. Turbervill Need ham hatte ein fruchtbares Prin« cip angenommen (1750), welches in der Blüffigkeit vorhanden fein müffe, um die dann noch vielfache Ummwandlungen erleivenden Infu⸗ forien entftehen zu laffen. Heinr. Aug. Wrisberg, ber befannte Arzt, hatte aus zahlreichen Verſuchen geſchloſſen (1765), daß Waſſer, Luft, Wärme und eine vegetabilifche oder animalische Subftanz nothwendig ſei zur Erzeugung der Organismen. Dabei hatte er Gelegenheit gehabt, zahlreiche Beobachtungen ſowohl über einzelne Formen als über deren Lebensericheinungen, wie Theilung, Verſchmelzung u. |. f. anzuftellen. Spallanzani (f. unten) glaubte Keime oder Eier in den bei vem Aufgüffen benugten Subftanzen annehmen zu müſſen, hielt auch im Anfchluffe an diefe Meinung die Bildung der Infuforien für verfchieven je nach den zu den Aufgüffen verwendeten Sachen. Alles dies war aber unficher jo lange die Formen felbft nicht gehörig charakterifirt waren. Einen einftweiligen Abjchluß fanden daher die Infuforienfor- Fortſchritte ber Syſtematil und der Keuntniß einzelner Claſſen. 565 ſchungen erſt mit dem durch die große Zahl der zum erſten Male wieder⸗ erkennbar bejchriebenen Formen, fowie durch die äußerſt forgfältigen Beobachtungen über deren Leben ausgezeichneten und claffischen Werte von D. Fr. Müller, welches nach deſſen Tode auf Koften der Wittwe von D. Fabrieius herausgegeben wurde (1788). Die hier befchrie- benen Arten vepräfentiren die Infufionsthiere in demfelben Umfange wie ihn fpäter noch Ehrenberg fefthielt, find alfo zum Theil Pflanzen, _ zum Theil Räberthiere. Die Gefchichte ver meiften derſelben beginnt erſt mit Müller. Noch bleibt übrig, ein Wort über die Kenntnif der foffilen Thier- formen zu jagen. Wie oben erwähnt wurde, hatte man freilich aufge: geben, die Berfteinerungen für Naturfpiele zu halten. Dagegen glaubte man noch nicht an eine Verfchievenheit der foffilen von den lebenden Vormen. Der Nachweis verjelben blieb einer fpäteren Zeit vorbehalten, fo viele fremde, von den bekannten abweichende Formen auch befchrie- ben wurben. Einzelne Zweifel, wie 3. B. Blumenbach (1779) einen ſolchen äußerte, hatten keine Beachtung gefunden. Das Intereffe an ben Verfteinerungen war fehr verbreitet. Der oben genannte G. W. Knorr lieferte eine reihe Sammlung von Abbildungen, welche ver DBenenjer Profeffor Joh. Ernft Immanuel Walch (1725—1778) mit Beſchreibungen verfah. Auch Bruguieres bot in feiner Geſammt⸗ darftellung der Würmer reiches Material. Die Einzelarbeiten zu ver- ‚zeichnen würde hier zu weit führen, es mag nur des Altvorfer Kauf⸗ ‚manns Joh. Friedr. Bauder (1711—1791), des Göttinger Profeffor oh. Bedmann (1739— 1821), des Erlanger Eafimir Chriftoph Schmidel (1718—1792), des in Florenz gebornen aber in Deutjch- fand lebenden Hiftoriographen Cosmas Aler. Colini (geft. 1806) gedacht werben, welche durch Sammeln und Bejchreiben oder durch Unterfuchung einzelner Berfteinerungen deren Kenntniß förberten. Be- fonders war aber bier Joh. Sam. Schröter thätig, die Bekanntſchaft mit den Foffilien allgemeiner zu machen. Seines Journales geſchah bereits oben Erwähnung. A Periebe ber Syſtematit Vergleichende Anatomie. Die vorftehende Ueberficht zeigt, daß gegen das Ende des vorigen Iahrhunderts faft ſammtliche Elaffen des Thierreichs, welche überhaupt zugänglich waren, zwar eingehend unterjucht, mit zahlreichen nenen Arten bereichert und in einem gewifien Grade wenigftens im fich einer natürlichen Anorduung entgegengeführt worden waren, daß aber noch immer der Schlüffel zum Verſtändniß ſowohl der Verſchiedenheiten ver einzelnen Theile größerer Claſſen als auch ver Uebereinſtimmung ganzer Claſſen untereinander fehlte. Man folgte noch mehr ober weniger treu den Anfichten Bonnet’s über bie einreibige Stufenleiter, wie fie von Pet. Dened. Ehftn. Graumann in Roftod, dem Botaniter Heinr. Friedr. Fink u. A. noch beiprochen und commentirt wurbe. Den erften Schritt zu einer Zufammenjaflung ber in ihrem Baue übereinftimmen« den größeren Ghruppen that wie enwähnt Batſch. So vielfach einzelne anatomifche Unterfuchungen angeftellt wurden, es fehlte ver leitende Gedanke. Die Steletfammlung , welche der Kupferftecher Joh Dan. Meyer abgebilvet (1748—56) umd zu welcher Chriſtoph Iatob Trew (Stabtarzt in Nürnberg, geb. 1695 , geit. 1769) Material geliefert hatte, kann ebenfowenig wie andere Einzel- oder Gefammtbearbeitun der Anatomie wirklich vergleichent genannt werden; fie förberte 2 Thatjachen in einer Richtung zu Tage. Die Anatomien des Elefanten) des Renthiers, des Rhinoceros u. f. f. von Peter Camper”) find Auferft lehrreiche Darftellungen vom Bane viefer Thiere; wenn keinen Anlaß bierzu und feine Betrachtungen über tie Analogie ned Baues des Menjchen mit dem ver andern Wirbelthiere find für Künfts fer, nicht für Zoologen beftimmt. Immerhin fichern ihm bie genannten Yeiftungen, ferner die Unterfuchungen über das Gehörorgan , welc ») Camper mwurbe 1722 im Leyden geboren und fiarb 1789 im Hang. Sein Berühmtheit im ber Anatomie gründet ſich neben einem nicht zu misbentenb freien Biete mebr auf fein großes Talent der bilblichen wie ſprachlichen Darftell als auf pofitive Förderung der Wiffenfchaft. : s Bergleiiheiibe Kuntemie. 567 -Monro wiflenfchaftlich viel weiter führte, als Zootom ein dankbares Andenken. Namentlich ift ev durch Entvedung der Pneumaticität der 'Bogelfnochen und des Zuſammenhangs ihrer Lufträume mit den Lungen, eine Entdeckung, welche fajt gleichzeitig und unabhängig auch John Hunter machte, den Zootomen befannt worden. Neben derartigen Specialarbeiten,, welche meift das Interefje an ben zerglieberten Thieven hervorrief, wurden aber noch ausgebehntere Unterfuchungen über die Anatomie der Thiere von einer ganz andern Seite her veranfaßt. Wie in früheren Zeiten ausgefprochen worden war, daß man mit dev menfchlichen Anatomie zur Kenntnif des menfch- lichen Baues nicht ausreiche, fo forderte der Reichthum jo mannichfal« tiger Lebenserjcheinungen, wie fie das Thierreich darbot, ganz von jelbft zu dem Verſuche heraus, die Phyfiologie des Menjchen durch einen Einblid in das feinem Wejen nach ſich jo gleichartig darftellende Leben ver Thiere aufzuklären. Seitdem befonders Albrecht von Haller, der Schöpfer der Experimentalphyfiologie, erklärt hatte, die Phyfiologie verdanke der Thieranatomie mehr als ver Anatomie des Menfchen, er: blickte man in der Erklärung der Lebenserjcheinungen oder in der Hülfe zu einer folchen die einzige Aufgabe ver Anatomie überhaupt. Haller jelbjt Hat zwar außer einzelnen Heinen Auffägen keine fpeciell zootomi- ‚schen Arbeiten hinterlaſſen; doch weifen feine phyfiologifchen Schriften auf die große Ausdehnung feiner Thierzerglieverungen bin, Durch ven Aufschwung, welchen die Phyfiologie feinem Auftreten verdankte nah: - men aber die zootomifchen Unterfuchungen eine Richtung an, welche fie mit Bernachläffigung der ihmen zunächft innewohnenden jelbftändigen - - Bedeutung in völlige Abhängigkeit von der Phyfiologie brachte, ein Berhältniß, welches noch heute der allgemeinen Verbreitung eines rich- tigen Urtheils über das Weſen und vie Bedeutung der vergleichenden Anatomie binbernd entgegenjteht, wie es feiner Zeit die Entwickelung der Zoologie dadurch aufhielt, daß es die Aufmerkjamfeit von ber nächitliegenden Aufgabe, der Erklärung der thierifehen Formen und deren Berjchievenheiten, ablenkte auf jene fernerliegende, das Zuſtande⸗ £ kommen ver Lebenserfcheinungen überhaupt zu erklären. Der Einfluß diefer Richtung offenbart fich deutlich in der Art und 4 568 Periode der Syſtematil Weife, wie die Anatomie der Thiere von den Männern erfaßt wurde, d welche biefelbe gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zu fördern unter» ⸗ nahmen. Zunächft muß hier der Peiftungen zweier Männer gedacht werben, welche zwar nicht birect auf den Fortſchritt ber Zoologie ein | wirkten, aber doch von äuferfter Wichtigkeit für diefelbe wurden, indem fie den Grund zur jegigen Zeugungs- und Entwidelungslehre legten. Lazaro Spallanzani (geb. 1729 in Scanbiano in Modena, geft. 1799 in Pavia) unterwarf bie Erfcheinungen der Zeugung und Repro- duction einer genauen Prüfung. Nach früheren Unterfuchungen über bie Natur der Spermatozoen, über die merhwürbigen Erfcheinungen der Reprobuction bei wirbellofen und Wirbelthieren gab er in feiner 1785 veröffentlichten Arbeit über die Zeugung ben erperimentellen Nach · weis der Befruchtung durch die Samentörper. Die Entwidelung felbft betrachtete er noch im Sinne ver Evolutioniften als weitere Entfaltung des im Ei vorgebildet vorhandenen Embryonalleims. — Wie durch Spallanzani der thatjächliche Grund zu einer Theorie der Befruchtung gelegt war, fo ericheint Caspar Friedrich Wolff (geb. 1735 in Berlin, geft. 1794 in Petersburg) als Gründer der neueren Entwide- lungsgeſchichte. Er wies — — Behiihen nal und brachte die der Epigenefe zur Geltung, indem er zum erften Male bie früheften Anlagen einzelner Organe im bebrüteten Ei auf ihre Form und ihr Verhältniß zu der im entwidelten Thiere unterfuchte (1764). Mit dem Nachweife der Epigeneje wurde gleichzeitig der Boden geebnet für — E N e tretenben Formelemente. Entſchieden unter ber Herrichaft bes allgemeinen von Haller aus ⸗ gehenden Geiftes ftehend, welcher die Wiſſenſchaft ver organifchen Natur durchbrang, wenn auch im Einzelnen fich freier vegend , erſchei⸗ nen bie beiden noch zu erwähnenden bedeutenden Anatomen, John Hunter und Felir Vicq d'Azyr. John Hunter, geb. 1728 in Kil- bride in Lanarkſhire, geft. 1793 in London) war ber jüngere Bruder des als Anatom und erften Gründer des fpäter durch ihm erweiterten und planmäßig georbneten Mufeums berühmten William Hunter. Vor⸗ züglich die Motivirung des Plans für jein Mufeum, wie fie nad) feinen” WVergleichende Anatomie. 569 Handſchriften fpäter georudt wurde, zufammengehalten mit dem Cha- ralter jeiner Schriften weifen ihm einen hervorragenden Plag inter ben vergleichenden Phyfiologen an. Wenn ſchon einzelne Arbeiten (über Siren, die Vogelknochen, die elektrifchen Fifche u. a.) der fpeciell ana- tomifchen Aufgabe Rechnung tragen, fo liegt der Schwerpunft feiner Thätigfeit doch in der Erörterung der thierifchen Oekonomie. Er ift wohl ver erfahrenfte Zootom des vorigen Jahrhunderts geweſen; auch hat er fich nicht auf Wirbelthiere beſchränkt, fondern, wie der Catalog feines Muſeums und die darin publicirten trefflichen Zeichnungen be- weifen, auch zahlreiche niedere Thiere zergliedert und meift richtig erfaßt. Leider ift aber von alle dem zu feinen Lebzeiten wenig allgemein befannt worben, wennjchon feine VBorlefungen ficherlich jehr angeregt haben. Doc drehte fich bei ihm Alles um die Function. Wie von Hunter die Eintheilung ver Organe nad) ihrer Leiftung herrührt (im die, welche die Erhaltung des Individuum, die, welche die Erhaltung der Art, und die, welche ven Berkehr mit der Außenwelt vermitteln), jo ift auch fein Muſeum, für welches , als die Verlörperung feiner Auffaffung ver be- lebten Natur, er faft alle jeine Arbeiten unternommen hat, nach diefem Gefichtspuntte geordnet. Die einzelnen Functionskreife durchgehend zeigt er, wie die anatomifchen Unterlagen für diefelben bei den nieverften Thieren äußerft einfach find und allmählich mit der weiteren Speciali- firung der Leitungen immer zufammengejegtere Organe und Organ: gruppen bilden. Er ordnet aljo die zootomifchen Thatjachen nicht nach ben Berwandtichaftsverhältniffen der Thiere, fondern nach der functio- nelfen Bedeutung der Organe. — Die gleiche Richtung verfolgte Felix Bieq d’Azyr (geb. 1748 in Valognes, get. 1794 in Paris) ; doch tritt bei ihm eine Andeutung einer morphologischen Auffaffung infofern auf, als er von der Idee der Einheit des Baues der Thiere ausgehend, zumächft die Organe verfchiedener Thiere, dann aber auch die Theile eines Thiers mit einander vergleicht. Da er num aber jene Einheit für das ganze Thierreich umfafjend hielt, aber nur bei ven Wirbelthieren wirkliche anatomifche Uebereinftimmung fand, deckte er ven Mangel der⸗ felben bei den andern Thieren mit dem Nachweiſe der phyſiologiſchen Uebereinftimmung. Ausgangspunkt der Vergleichung ift ihm ber uw. Periode der Spflematif, Menſch indeſſen ſagt er felbft, daß es Logifcher wäre, vom Einfachen zum” Zufammengefetsten vorzuſchreiten, ftatt umgekehrt zu verfahren. We ar Ba Ein Zi ze Seine ſorgfältig ausgeführten Leberfichtstabellen enthalten ganz ähnlich wie bei Hunter Gruppen von Thieren , welche in der Entwidelungsart einer beſtimmten Function und ber betreffenden Organe übereinftimmen. Und es ift zumächft nur der phyfiologiiche Gefichtspumtt , welcher ihn dazu führt, die vordern und hintern Gliedmaßen mit einander zu ver · gleichen, wobei er natürlich nicht umbin kann, von der Bebentung der einzelnen Theile zu fprechen. Umgelehrt ift es das Verfolgen des thie- riſchen einheitlichen Planes , welches ihn auf die Entvedung des Zwi- ichentiefers beim Menſchen, der Schlüffelbeine bei Hafen u. f. f. führte. Sehr eingehend find feine Unterfuchungen über die Muskeln der Säuge- thiere und Vögel, über das Gehirn, über die Anatomie der Fiſche Bei der Ausführung feines Planes, die ganze organifche Natur phyfio- logiſch · anatomiſch zu muftern, mußte er natürlich davon abfehn, ſaͤmmt · fiche Formen zergliebernd zu prüfen. Bei ver Auswahl wie bei ber Arbeit jelbft wurde er zum Theil von Daubenton deſſen Nichte er ges beiratbet hatte), befonders aber von Elande Ant. Gasp. Rich e (geb. 1762 in Montpellier, Begleiter d’Entrecafteaug’s, geft. 1797) unter: edlen nad en un En — a alla 1 ln an a ann Al — Du * ftügt. Wie er im Beginn feiner Laufbahn viel von der Eiferfucht feiner Collegen zu leiden gehabt Hatte, fo hat ihm auch ein meibifches Gefchid nicht geftattet, feinen weit angelegten Plan auszuführen. Endlich jand auch das Seelenleben der Thiere fortgejegter eine aufmerkſame Berüdfichtigung. Trat auch die Behandlung der fhwie- rigen Frage nicht häufig aus der Form der Sammlung einzelner That- fachen heraus, fo veranlaften doch die philofophifcperfeits aufgeftelften Anfichten über die Thiere befondere Theorien , welche oft, mit den Fol- gerungen religiöfer Ueberlieferungen nicht vereinbar, unfruchtbare Streitigkeiten erregten. Wie aber den anatomijchen Arbeiten noch ver richtige leitende Gedante fehlte, jo war befonders auf vergleichend pfy- chologiſchem Gebiete Methode und Kritik zu vermiſſen; und vielleicht war es gerade das Zuſammenhangloſe ber anefvotenhajt mitgetheilten Thatjachen , welches bie betreffenden Unterfuchungen in Miscredit ger bracht und ven Fortichritt auf diefem Gebiete länger als es aus dem - — Reimarite. Zeitfehriften. 571 - Stande ber wifjenichaftlichen Methodik überhaupt zu erklären wire, aufgehalten hat. Hermann Samuel Reimarus (geb. 1694, geft. 1768 in Hamburg) hat in feiner Schrift über die Triebe ver Thiere eingehend die Seelenäuferungen ver Thiere unterſucht, ift aber wegen jeines theils theologifirenden theils teleologiſchen Standpunktes noch nicht zur richtigen Stellung der Grundfragen gelangt. Der jenaifche Profefjor Iuftus Chſtn. Hennings (geb. 1751, geſt. 1813) trägt Thatjachen zufammen zu beweifen, daß Thiere Schlüffe ziehn, widerlegt aber doch die Anficht, daß fie Vernunft oder Verſtand beſitzen, wie es nach ähnlichen Thatjachen 3. G. Krüger in feiner Erperimentaljeelenlehre behauptete. Auch das reichhaltige und im Ganzen zuverläffige Wert von Charl. George Leroy erhebt fich nicht über die Fehler der übrigen. Es ift feiner Zeit der Gründung der gelehrten Gefelfichaften und ihrer Schriften gedacht worden. Einer Erwähnung ift das Auftreten eines weitern Mittels der wifjenfchaftlihen Mittheilung bebürftig, welches nicht ummwefentlich zur Verbreitung neuer Thatſachen, fowie zur Klärung verbreiteter Anfichten beigetragen hat und welches eine faft über die Grenzen des Erwünfchten gehende Ausdehnung erlangt bat. Es find dies die Zeitfchriften. Man kann diefelbe als eine _ deutſche Erfindung bezeichnen. Denn wenn auch in Italien und Frank⸗ reich einzelne periodifche Schriften erfchienen, welche bie fehnellere Mittheilung neuer wifjenfchaftlicher Ereigniſſe bezwedten, fo giengen biefelben entweder von gelehrten Gejellichaften aus oder wurden von einzelnen Männern nach Art regelmäßiger Berichte veröffentlicht. Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts beftanden dagegen in Deutſchland gegen zwanzig den Naturwiſſenſchaften ausfchließlich oder in Berbindung mit anderen Wifjensgebieten gewidmete periobifche Bubficationen , in denen bie Gelehrten ihre Arbeiten zur fchnelleren Berbreitung veröffentlichten. Nicht mit Unrecht Hält dies Cuvier für ein Zeichen der umvertilgbaren Geduld der deutſchen Schriftiteller und der Liebe der Mittelelaſſen für ernſtere Studien ”%). Sicher trug ”%) G. Cuvier, Eloge de Bruguiöres, im Recueil des Eloges. Tom. II. 1819. p. 439. a Periode der Spftematif. die Erleichterung der Mittheilung dazu bei, das was noch fehlte, fchärfer herwortreten zu laffen. Was das Thierreich betrifft, fo war feine ber zugänglichen Betrachtungsweifen unberütfichtigt geblieben. Auf einzelnen derſelben durch Einführung richtiger Gefichtspuntte und Methoden neue Bahnen zu brechen, war der nächftfolgenden Zeit vorbehalten. Periode der Morphologie. Ueberblickt man die Leiftungen auf dem Gejammmtgebiete der Z00- fogie bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts, fo ftellt fich heraus, daß das eigentlich wiſſenſchaftlich Sichere in demſelben unendlich gering war. Dan war aber durch zwei Momente dazu gelangt, die Gründung einer befondern Lehre von den Thieren von einem gefunden Boden aus wagen zu können: das eine von diefen, das formale, war die fichere Bezeichnung der Objecte durch nicht mehr einem Misdeuten ausgejette Namen und vorläufige Ordnung derfelben, das andere war die Ueber: zeugung, daß man fich der wahren Erkenntniß auch in der Zoologie nur auf demſelben Wege nähern könne, wie in andern Naturwifjen- Ihaften. Die Form des Syſtems beherrjchte aber zumächft noch bie Beitrebungen, mit ihr bürgerte fich der willfürlich eingeführte und fünftlich bejtinmte Begriff der thierifchen Art immer feiter ein. Da es für die Zoologie noch an jelbftändigen Gefichtspunkten und Aufgaben gebrach, wurden die fich immer mehr häufenden Beobachtungen an ein- zelnen Individuen nur einfeitig verwerthet und in Beziehung zu coor- dinirten Erkenntnißkreiſen gebracht. Es traten die Lebenserjcheinungen ber Thiere in den Vordergrund, deren allmähliche Complication bis zu dem Menjchen Hin verfolgt wurde. Stillfchweigend galt dieſer als das vorzugsweiſe, praftifch jowohl als theoretifch, der Erklärung bepürftige Dbject. Nun ift aber das an Thieren zumächft in die Augen fallende ihre „Form“, jowohl ihre äußere Geftalt als auch die innere die Ge— fammtform bedingende Anordnung der einzelnen Theile. Aufgabe einer Wiffenjchaft ift die Erklärung der in ihren Kreis gehörigen Erſcheinun— 32.9 Beriobe ber SRorphalagie gen. Mit Bezug auf die Zoologie treten als folche die thieriſchen For⸗ menverhältniffe um fo mehr hervor, je weiter die Phyfiologie in dem Nachweife der weientlichen Uebereinftimmung der Leiftungen der Thier- förper mit den in ber nicht belebten Natur ablaufenden Proceffen fort- ſchreitet. Eine Erjheinung laun aber nur erflärt werden, wenn fie hinſichtlich ihrer Form nach allen Einzelnheiten erkannt ift. Newton fonnte die Bewegungserſcheinungen im Sonnenfyftem erft erklären, weil umd nachdem Keppler die Form der Planetenbahnen beftimmt hatte. Es ift der Charakter des bier noch zu ſchildernden Zeitraums, daß bie ſichere Erkenntniß der thieriichen Geftaltungsgefege zu der ver Zoologie wurde. Auch bier ift es für dem nach einem Abſchluſſe feiner Anſchauungen drängenden menfchlichen Geift bezeichnend, daß ſchon vor der definitiven Köjung diefer Aufgabe Berfuche gemacht wur: den zur Erklärung der thierifchen Geftalten, d. 5. zum Nachweiſe ihrer nothwendigen Abhängigkeit von gewiffen Bedingungen. Die erften in diefen Zeitraum fallenden vergleichend-anatomijchen Arbeiten tragen noch deutlich die Zeichen der Nachwirkung früherer Einfläffe. Die Bonnet-Buffon’sche Idee eines allgemeinen einheitlichen Planes wurde zwar von einigen, befonnen die Thatfachen berüdfichti- genden Forſchern als nur in den Functionen nachweisbar erfannt, von Etienne Geoffrey aber, dem Goethe beiftimmt, auch auf die Form aus- gedehnt, Hierdurch die Anerkennung der vergleichenden Methode ftart beeinträchtigend. Dem gegenüber wirft die Aufftellung mehrerer Typen für das ganze Thierreich neues Licht auf alle zootomiſchen Thatſachen. Wurde hierdurch die Lehre von den thieriſchen Formen, welcher von nun an auch das Syſtem zu folgen hatte, in eine Bahn gebracht, auf welcher fie inductorifch immer weiter befeftigt werden konnte, fo fühlte auf der andern Seite das durch Kant's großartige Leiftungen in der Philofophie und die ſich am ihm reihenden häufig misverftändlichen Er- weiterungen bervorgerufene rege Yeben ver Philofophie zu einem eigen- thümlichen Auswuchfe der Naturbetrachtung,, der fogenannten Natur: philoſophie Schelling s und Dken’s. Wenn man ihr einen anregenden Einfluß zugefchrieben hat, jo verdankt fie denfelben nicht ihrem philofo- — Periode ber Morpholsgie. 575 phiſchen Gehalt over ihrer Form, fondern dem Umſtande, daß fie ver erjte Berjudy war, die empirich gegebenen Thatjachen philofophifch zu orduen. Derjelbe jand als folcher Anklang; man ergriff das erfte ſich barbietende Band für die fich immer mehr häufenden Thatjachen. Dies ift Alles; daß Ofen die Inangriffnagme ver Entwidelungsgefchichte indivect veranlaßte, hängt nur loſe mit feiner Philoſophie zufammen. Die eigenthümliche Art des Philofophirens in diefer Schule hat nur gejchadet; nur der Philofophie und der allgemeinen Auffaffung von Welt und Leben entjprungen, in keiner Weije in der Entwidelung ver Naturwiffenichaften begründet, hat fie zuweilen felbft bei ruhigen und nüchternen Forjchern die Täufchung hervorgerufen, als enthielten ober- flächlich aber geheimnißvoll oder unverjtändlich ausgevrüdte Sätze einen tiefen philoſophiſchen Sinn. Diejes jogenannte „Geiftreiche" hat burch die Leerheit an wirklichen Wahrheiten leider jchließlich zur Ver⸗ nahläffigung aller philoſophiſchen Vorbildung geführt und namentlich die metapbyfifchen Grundlagen , auch der Zoologie, und die Nothwen⸗ digkeit ihrer Klärung vollftändig vertennen lafjen. Andrerjeits zog auch die einfeitige phyſiologiſche Auffajfung und Unterfuchung der Thiere ſich noch eine Zeit lang durch die dem Thierreiche gewidmete Thätigkeit. Hier zeigten fich indejjen auch nugbringende Folgen. Zunächit ift die Gründung der allgemeinen Anatomie, welche in ihrer weiteren Fort- bildung dann zur Erkenntniß der gleichartigen elementaren Bildung der Thierförper führte, auf eine Anregung von Seiten ver Phyſiologie (und Pathologie) zurüczuführen. Berner hieng mit ähnlichen Gefichts- punkten auch die teleologifche Auffaffung zufammen , welche, allerdings ihrer methodologifchen Bedeutung nach verfaunt, doch durch den Nach» weis der Wechjelwirkung oder, allgemeiner, Wechjelbeziehung zwiſchen den einzelnen Organen zur Auffindung auch mehrerer morphologijchen Wahrheiten führte. Wie jehr man fich aber im Ganzen von der 'ver- jchievenen Wichtigkeit der einzelnen Functionen und Functionsgruppen beeinflufjen ließ, beweifen zahlreiche Thatſachen. So gieng auch Euvier von ihr aus; der Anordnung des Stoffes in feinen Vorleſungen über vergleichende Anatomie gründete fich auf fie; und bis auf bie neueſte - Zeit ift im ven meiften allgemeinen Darftellungen ver vergleichenden - 576 VBeriode der Morphologie. Anatomie diefelbe Ordnung theils aus hergebrachter Gewohnheit theils aus Anbeqguemung an die Bedürfniffe der Phyfiologie befolgt worden. Man glaubte eben lange Zeit VBergleichungen überhaupt nur von dieſer Betrachtungsweife aus unternehmen zu können. | Die deutfche Naturphilofophie. Wenn es Aufgabe der Philofophie ift, dem Urſprunge der alige- meinen Wahrheiten nachzuforfchen umd deren nothiwendige Begründung und Zufammenhang in dem Geifte des Menſchen aufzuſuchen, gleich- viel ob hierbei eine Organifation des legteren vorausgeſetzt wird, welche biefe Nothwendigleit bedingt, oder nicht, fo ift es offenbar, daß eine jede Summe von einzelnen Ertenntnifien über einen beftimmten Kreis von Erſcheinnngen der Bhilojophie nicht entbehren kann, ſobald fie durch Aufſuchen der in jenen liegenden allgemeinen Wahrheiten fich zum Range einer ſyſtematiſch ausgebildeten Wiffenfchaft erheben will. Für bie verfchiedenen Zweige der Naturertenntnif trat das Bebürfnif einer philoſophiſchen Unterfuchung zu verichiedenen Zeiten auf, da fie nicht alle gleichzeitig das Borbandenfein allgemeiner nothwendiger Wahr- beiten erfennen ließen und da insbefondere für die Auffaffung der be lebten Natur lange Zeit die Annahme virecter Emanationen bes Schöpfers dem geiftigen Bebürfniffe genügt hatte. Je größer aber der Umfang wurde, in welchem die phyfitaliihen Erklärungen bie Erſchei⸗ nungen ber unbelebten Welt verftänblich machten, deſto mehr mußte man fich zu dem Verſuche gebrungen fühlen, einerfeits auch das Leben und feine Erjcheinungen in ven Bereich der von jenen dargebotenen Kräfte und Gefege zu ziehn, und andrerfeits die allgemeinen Formen ver metaphyſiſchen Erlenntniß auch auf diefes auszubehnen. Es wäre daher wohl an umd für fich vollftändig gerechtfertigt ge- weien, daß fih F. W. J. Schelling vie Aufgabe ftellte, das ganze Syſtem ver Naturlehre von dem Geſetze der Schwere bis zu den Bil- dungstrieben der Organismen als ein organifches Ganze darzuſtellen. Die Löfung diefer Aufgabe hätte aber nur gelingen können unter der dop- pelten, fachlichen und formalen, Bedingung, daß man einmal von ber eigentlichen Natur ſämmtlicher Erjcheinungen und Vorgänge im Wejent- Die beutfche Naturphiloſophie ul fichen gehörig unterrichtet gewejen wäre, umd daß die fich je Hieraus - ergebenden angemefjenen Vorftellungen in logifher Ordnung verwendet umd durch eine gefunde Dialektik zu einem Syſtem verbunden worden wären. Die erfte diefer Bedingungen war noch nicht erfüllt, wie ja auch heute das Weſen ganzer Claſſen von Vorgängen noch in Dumtel gehüllt ift. Zur Zeit aber, als Schelling mit feiner Naturphilofopbie hervortrat, ahnte man von vielen, jet wenigſtens mit Sicherheit als gefegmäßig erkannten Naturerfcheinungen nur einen nicht näher zu be- ftimmenden Zufammenbang mit den allgemeinen Naturgejegen. Eine Naturphilofophie in dem weiten Umfange und mit dem Inhalte und der Form, wie fie Schelling fich dachte, war alfo zu feiner Zeit verfrüßt, wie fie auch heute noch nicht gegeben werben könnte. Eine folche würde überhaupt erſt möglich fein, wenn man Alles wühte. Sie tonnte aber ſchon damals nicht einmal eine heuriftiiche Bedeutung beanspruchen, da fie zu viel auf einmal beweifen wollte und die erfundenen Grundfäge weder logiſch entwicelt waren noch der Natur des zu Erklärenden ober Abzuleitenden entiprachen. Es lag num auch weder in dem Entwidelungsgange fünmtlicher Naturwiffenszweige, über ihren Bereich hinaus alle Naturerfcheinun: gen geiftig zu umfaſſen, noch lag eine Anregung hierzu in irgend einer anfßerorbentlichen Leiftung etwa eines befonvern Zweiges. Der Anftoß fam vielmehr lediglich won philofophifcher Seite her. Der alte Wider⸗ ftreit zwifchen der finnesanfchaulich erfannten Wirklichkeit der Gegen- - ftände und der nur vernünftig beftimmbaren, nur denfend erfannten nothwendigen Wahrheit wirkte noch immer fort. Ariftoteles hatte ſchon gezeigt, daß man mit dem Denken des unveränderlichen Nothwendigen, worin Plato die Wahrheit der menjchlichen Erkenntniß fuchte, nie auf die Wirklichkeit lomme, weil nur das Allgemeine notwendig wahr ift, dieſes aber als etwas Abftractes nicht für ſich beſteht. Die inductiven Wiſſenſchaften zeigten zwar, daf die Wahrheit in der Unterordnung des Watlichen unter das Nothwendige liege; es kann aber die Induction mr auf Lehrfäge führen und feine nothwendigen Wahrheiten finden. Nun ſchrieb freilich Tode ſämmtlichen VBorftellungen einen empirifchen Urſprung zu, er vernachläffigte aber den Nachweis des Zujammen- 2. Garus, Geſch. d. Zoot. 37 578 Veriode der Morphologie. - hangs ver metaphyſiſchen Grundformen ver Erleuntniß mit jenen zu ſehr, als daß er micht die Gegner des Empirismus hätte zur entgegen, geiegten Auffaffung verleiten jollen. Andrerfeits erregte bie Berichie- benartigkeit der Objecte und der von ihnen gemachten Borftellung Aufmerkjamkeit und forderte zur Loſung auf; man glaubte noch einen Beweis nöthig zu haben, daß beide und wie fie übereinftimmen können. Hierzu benugte Leibnig einmal die Annahme, daß die allgemeine Er- tenntniß wenigftens der Anlage nach angeboren fei, und dann erfand er die Hypotheſe der präftabifirten Harmonie zwifchen ver Natur und dem Geiſte. Durch Kant hätte wohl die Frage gelöft fein können, als er auf die Verſchiedenheit des Anfangs und des Urſprungs der Erlennt⸗ niß binwies, womit auch der zweidentige Ausdruck bes Apriorifchen feine beftimmte Erklärung erhielt. Doc gab er durch bie Unterfchei- bung ber metapbyfiichen Ertenntniß von einer rein philoſophiſchen oder transcenbentalen, wobei er eine piychologiſche Abftraction mit einer metapbpfifchen verwechſelte, Beranlaffung dazu, daß das anthropolo- gifche Brincip mit dem fogifchen verwechfelt wurde, Beranlaffung „zu ven beiden entgegengeiegten Berirrungen in vie öben Steppen ber Scholaftit und das umbeimliche Dunkel ves neoplatonifchen Myſticis mus“, wie legterer zuerſt bei Fichte durchllingt. Beides erjcheint bei Schelling. Berleitet von jener Verwechſelung Kant's und getäufcht durch die Ampbibolie der Reflerionsbegriffe gerätb er in völlig leere Abftractionen und baut jein ganzes Syſtem aus inhaltslofen logiſchen Formeln auf, als deren legte die totale Judifferenz der abjoluten Iden⸗ tität erjcheint. Hierin liegt nach Schelling die ununterfcheivbare Ber⸗ bindung von Subject und Object und dies nennt er die Selbſterlennt⸗ niß Gottes. Natur und Geift werben daher auch identiſch umd über Natur philofophiven heißt jo viel als die Natur jchaffen. Er hat ſich num zwar einen oberjten Grundſatz geſchaffen; aber ftatt ihn am ver Erfahrung zu prüfen umd den einzelnen Begriffen und Ableitungen einen Inhalt zu geben, jucht er die wenigen Thatfachen, mit denen er überhaupt und dann nur jehr oberflächlich verkehrt, im ein leeres Sy⸗ ſtem metaphyſiſcher Speculationen zu zwängen. Daß er die Idee des Abjoluten umd die Bedeutung verjelben als Grenzbeftimmung der — Oten. 579 mienſchlichen Erkenntnig verfannte und mit ihr wie mit einem fharf ‚beftimmbaren Begriffe verfuhr, mag ebenfo wie vie Folge feines ganzen Syitems, ſich die Anwendbarkeit, ja das Verſtändniß einer mathemati- ſchen Naturlehre unmöglich gemacht zu haben, bier, wo es fich zunächft um Unterjuchung einer möglichen Verwerthbarkeit für, oder eines Ein- fluffes feiner Philofophie auf die Lehren von ver thieriichen Natur handeln konnte, nur beiläufig erwähnt werten. Ganz gleichen Korns ift auch Oken's Natımphilofophie ; und was biefer Mann, welcher ungleich reichere Kenntniffe von der befebten Na- tur beſaß als Schelling, wirklich Anregendes geleiftet hat, entjpringt nicht feiner Philofophie, ſondern nachweisbar anderen Quellen. 280» venz Ofen war 1779 in Bohlsbach in der Ortenau Baden) geboren, babifitirte fich in Göttingen, wurde 1807 Profeffor in Jena, mußte 1819 wegen feiner Zeitjchrift Ifis feine Profeffur nieverlegen und lebte bann als Privatmann dafelbft. 1827 gieng er nach München, wo er 1828 Profeffor der Phyfiologie wırde. Da ihm eine Verſetzung an eine andere bayeriſche Univerfität, die ihm weil er auch dort unbequem wurde bevorftand, nicht zufagte, nahm er 1833 eine Profeffur in Züri) an, wo er 1851 ftarb. Reich an Detailtenntniffen,, welche er ſich durch ausgebehnte, aber nie vorurtheilsfrei angeftellte Unterſuchun⸗ gen erworben hatte, und mit einer beweglichen Phantafie, dem Erfor- derniß eines fchaffenven Geiftes, begabt, gewann er über die Natur erjcheinungen einen weiten Ueberblid, wurde aber hierdurch zu vor- jchnellen Berallgemeinerungen verleitet, bei denen er fich weder durch ben Mangel an allgemeinen theoretiſchen Kenntniffen zur Vorficht, noch durch Anwendung ftreng logischen Denkens zur Klarheit der Darftel- lung beftimmen ließ. Schärfe des philofophifchen Gedankens find bei ihm fo wenig zu finden, wie Methode, wenn man nicht die Conſequenz in der Durchführung feiner phantaftiichen Grundanfichten dafür halten will. Oken's Verteidiger fagen ihm noch immer nach, daß feine Philoſophie“ ein „wichtiges Entwidelungsmoment in der vergleichenden Anatomie“ gewefen fei. Dies ift irrig, wie das Folgende zeigt. x Für den denkenden Naturforfcher wie für die menfchliche Vernunft allgemein ift nur das Sinnesanſchauliche wirklich, die notwendige E 37% 580 Periode der Morphologie. Einheit deſſelben und feine Verbindung mit Anderem ift nur auf dem Wege des Denkens durch Abjtraction zu erreichen. Hierdurch gelangt man zunächit zu allgemeinen objectiv in ver Welt der Erfcheinungen gültigen Geſetzen, weiter zu den metaphyſiſchen Örunbjägen. Die Thatjache des Bewußtjeins, daß diefe Geſetze und Grunbfäge erfannt werben, gibt zwar piychologiich die Möglichkeit der Erfahrung, aber feinen Beweis für die objective Gültigkeit jener. Zum Spinozismus zurüdtehrend nahm aber legteres Schelling an und mit ihm Den. Jener ſchafft die Natur, indem er über fie philoſophirt. Olen ift fchein- bar befcheidner umd bildet fich durch weitere Abftractionen Gott. Durch dieſe Abftractionen gelangt ex zunächft zu ganz allgemeinen völlig leeren Bergleihungsformeln und fchließlich zu dem Begriffe Nichts. Da dies fein hödhfter Gedanle war, mußte derſelbe auch für ihm die höchfte all- gemeine Idee, die der ewigen Wahrheit enthalten. Im diefer gleichen fi alle Wiperftreite aus. Die Sinnenerlenutnif weift aber Wiper- jprüche nach ; die Ausgleichung diefer liegt alfo jenfeits der Möglichkeit der Erlenntniß. Die Grenzen der legteren werben durch bie Ideen des Abjoluten beftimmt. Dfen mußte daher, wie Schelling und Hegel, in das Abjolute hinein. Deshalb wird ihm das Nichts das Abfolute, das Ewige, Gott. „Cs eriftirt nichts, als das Nichts, als das Abſo⸗ Inte. Nun bleibt doch aber Nichts in alle Ewigkeit Nichts; um über die Natur philoiophiren zu können, brauchte er indeflen die Natur. Deshalb mußte Dien aus Nichts Etwas, ja Alles machen; da fchiebt er die dialeltiſche Wendung der „Segung“ unter, welche an fich gar nichts bejagt, hier aber außer ver Vorftellung noch die Beftimmung eines zunächft unbeftimmten allgemeinen Begriffs geben foll, womit er freilich immer nur Nichts behält. Doch wird bei ihm aus dem Nichts durch Segung die Einheit. „Durch das Selbftponiren (des Abfoluten, des Nichts) entjteht das Reale oder das Mannichfaltige, die Welt. Die Weltſchöpfung ift nichts andres als der Selbftbewußtjeinsac, das Selbjterjcheinen Gottes“. Durch vergleichen völlig beveutungslofe For- meln und finnloje, jeder vernünftigen Dialektik ſpottende Redensarten joli num der Grund geſchaffen werden, von dem aus die Natur allge mein erfaßt werden kann. Die Annahme ver ewigen Berwandlung Olen. 581 Gottes in die Welt oder die Idee des für ſich beſtehenden Ganzen, welches in ſeinen Theilen dargeſtellt iſt, ſoll das Princip ſein wie z. B. Blainville meint) von welchem aus die Wiſſenſchaft der Organiſation gefühlt, definirt und formulirt werden könne. Was alfo von fogenannter Philoſophie bei Dfen etwa zu finden wäre, geht von logifchen Grund- fehlern aus, enthält willfürliche phantaftifche Erfchleichungen und fpricht fowohl dem allgemein gültigen Sprachgebrauche, wie dem gefunden Menfchenverftande Hohn. Es ift daher auch unmöglich, daß biefelbe befruchtend oder anregend gewirkt haben fünne. Was von diefer Philofophie im Allgemeinen gilt, gilt auch für die einzelnen Ausführungen. So find feine allgemeinen phyfiologifchen, wie vergleichend-anatomifchen und fuftematifchen Darftellungen in ihrer fogenannt philofophifchen Begründung durch und durch verfehlt, und wenn einige feiner Angaben fich ald wahr oder weiterer Entwidelung fähig heransgeftellt Haben, fo ift dies ein zufälliges Zufammentreffen - (wie ſich von den Schäbelwirbeln nachweifen läßt) oder es entipringt anderen Quellen, als feiner Philofophie. Seine allgemeinen phyſiolo⸗ gifchen Grundfäge find die folgenden. Das Abſolute zerfällt urfprüng« fich in drei Ipeen : die erfte, die Ouſia, —0, ift das Wefen aller Weſen; in ber zweiten erfcheint die Ouſia fich felbft, fie zerfällt in zwei, + —, dies ift die innere Urthätigfeit, die Entelechie Gottes; in der dritten - Voee iſt die Ouſia entelechial, das träge Nichts bleibend und thätig zu- gleich geſetzt; diefe Art göttlichen Seins und Denkens tft die Form. - Alle Kräfte find nun Entelechien; es gibt daher feine einfache Kraft in der Welt, jede ift eine Pofition von — — oder eine Polarität. Es gibt feine andere Lebenskraft als die galvaniſche Polarität. „Das Leben berußt in ven Entelechien der drei irdifchen Elemente (Erde, Waſſer, | Luft), welche zu den drei Grundproceffen des Lebens werben Erd⸗ oder F * — F x je Ernährumgsproceh , Waffer- oder Verdauungsproceß, Luft⸗ oder Ath- miungsproceß) und in welchen drei Procefjen der Galvanismus befteht.“ Jede Bewegung beruht auf dem galvanifchen Proceß. Selbftbewegungs- proceß iſt mit Lebensproceß identiſch. Das Vermögen organiſcher Leiber, Polarerregungen wahrzunehmen, iſt Reizbarkeit. Bewegen ift der Bezug des Centrums auf die Peripherie, Empfindung der Bezug der Peripherie we: Beriode der Morphologie. auf das Centrum. Es wirb wohl am dieſen Beifpielen von der Ber- wentung leerer Vergleichungeformeln zur ſyſtematiſchen Erklärung realer Vorgänge genligen. Was die allgemeinen anatomifchen Grund» fäge betrifft, fo ichreibt ſich Olen befanntlich die Vorherſage der Zell. theorie zu. Der Organismus als Ebenbild des Planeten muß auch vie entfprechende Form haben, vie Sphäre. Der Urſchleim ift Kugelförmig, befteht aber aus einer Unendlichkeit von Punkten. Durch Sollicitation (?) der Luft tritt in dem organifchen Punkte eine Oppofition des Flülfl- ger und Feſten hervor, es wird ein Bläschen. Das ſchleimige Urbläschen heißt Infuforium. Pflanzen und Thiere find Metamorphoſen von In- fuforien. Alle Organismen beftehn aus Infuforien (d. h. Schleim- punkte ohne Individualität) und löfen fich bei ver Zerftörung in folche auf. Die Grumpfubftanz des Thiers ift Punktjubftanz. Man könnte glauben, da das Thier eine Blüthenblafe (eine einpfindende Gefchlechts- blafe) ift, müßte auch die Blaſenform ober Zellform ihm zum Grund fiegen, allein es ift ein anpres Berhältnif als in ver Pflanze. Diefe thieriiche Blaſe ift eine ſchen organifirte Blaſe, ein Organ, nichtmehr Maſſentheil eines anatomischen Syftems. Daher kann dieſe Blaſe nicht in bie Tertur der thieriihen Maſſe eingehn,.“ „Die nieberften Thiere beftehn aus Bunktmaffe.“ Mit diefen Sägen hebt er denn vie gejorverte Gleichheit des ber Gewebeentwidelung zu Grunde liegenden Elementartheils auf. — Dien's ſyſtematiſche Anfichten fußen gleichfalls auf Ableitungen aus feinen oberften Grundſätzen, benen er aber noch eine Anzahl dictatorifcher Ausfprüche zufügt, nach deren Begründung man vergebens fucht. Er will zwar den Verſuch machen, von ben Efe- menten und Elementarvorgängen aus die höheren Formen und Broceffe abzuleiten; man hat ihm daher auch eine Art Transmutationslehre zu- geichrieben, aber ohne daß er irgendwie es unternommen hätte, Ver ⸗ wandlungen ver Formen anders als philofophifch zu erklären. Dann ift ihm indeſſen auch das Thierreich der auseinandergelegte Menfchen- leib, wie er bei feinen allgemeinen morphologischen Phantafien fich nicht über ven Typus der Wirbelthiere hinaus begibt und auch die Glieder⸗ thiere nach biefem erklären will. Princip feiner Eintheilung ’) ift das . ne 1847 von der Ray Society herausgegebenen engliſchen Ueberſetzung von A. > —— Olen | 583 -allmähliche Heranstreten einzelner Organe, „das Loslöfen einzelner Or- gane aus dem volllommmen Thierleibe‘. Er erhält zunächft Geweid- thiere, welche in ihrer Entwidelung beim ungejchievenen Eingeweibe ftehn geblieben find, Hautthiere, welche die Eingeweide mit Fell umgeben haben, dieſe find entweder Fellthiere oder Gliederthiere, und Fleiſchthiere oder Geſichtsthiere, die eigentlichen „thierigen“ Thiere. Jede Unterabtheilung fol num Wiederholungen früherer Zu- ftände oder das allmähliche Aufbanen andenten ; fo zerfallen beifpiels- _ weife die Geweidthiere in Zellftoffthiere, Kugelftoffthiere, Faferftoffthiere und Bunktftoffthiere, die Gefichtsthiere in Geweidgefichtsthiere, Fell gefichtsthiere, Gliedergeſichtsthiere und vollendete Gefichtsthiere. Im ver leiten Bearbeitung feiner Naturphilofophie 2) legt Ofen die anato- mifchen vier Hauptſyſteme in einer übrigens gleichen Weife zu Grunde und theilt das Thierreich in Darm⸗, Gefäß-, Athem- und Fleifchthiere, wobei er dann vie legteren nach den vier höheren Sinnesorganen in Zungen, Nafen-, Obr- und Augenthiere ſcheidet. Bon einem Er- faffen eines thierifchen Bauplans und den verfchiedenen genetischen Stufen eines folchen ift troß aller Revensarten nichts zu merken. Im der erften Auflage der Naturgefchichte führt er fogar von den zunächft nach den Elementen eingetheilten niederften Thieren an bei den Unter- abtheilungen ftarr die Zahl vier durch alle weiteren Elaffen durch und bringt damit die künftliche Unnatur aufs Höchſte. Daß der Embryo höherer Thiere die Rormenzuftände nieverer Elafjen purchlaufe, hatte ſchon 1793 Kielmeyer ausgefprochen, dies war alfo nicht Dfen’s Berdienft. Mebrigens hat die Idee nur dann wirklich Anregendes, wenn fie bei entwidelungsgefchichtlichen Betrachtungen innerhalb der einzelnen Typen beachtet wird; außerdem verleitet fie zu vagen Spielereien mit Analogien. Auf eine folche naturphilofophifche Spielerei ift auch Dien’s Ent- deckung von der Zufammenjegung des Schädels ans Wirbeln zurüdzus 2), „Bebe Thierelaſſe und jede Thiergattung ift harakterifirt durch ben aus- jchließlichen Beſitz eigenthümlicher Organe.” So leitet er bie erfte „Entwidelung der wiſſenſchaftlichen Syſtematil der Thiere“ ein. In: Ofen und Kiefer, Bei- träge zur vergleich. Zoologie, 1. Heft, 1806. ©. 103, 584 | Periode der Morphologie. führen. Bei feinen Unterfuchungen über das Nabelbläschen kam er auf den Gedanken, die hintere Hälfte des Thierlörpers es paßt nur auf Säugethiere) als Geſchlechtothier ver vordern als Hirnthier entgegen- zufegen, und bemerft (1805), daß das Beden das Beſtreben habe, das ganze ſtuochenſyſtem des Hirnthiers nachzubilden. In der Naturpbilo- ſophie wird dann diefe Bergleihung durchgeführt. „Das Thier befteht aus zwei mit den Bäuchen aneinandergefchobenen Thieren“ u. ſ. w.; Schambein ift Unterkiefer und Kinn, Sigbein Oberliefer, aber ohne Zwiſchentiefer. Hinter dem After als Geſchlechtomund ſetzt ſich das Kreuzbein in die Schwanzwirbel fort; dies find die Halswirbel.“ Nun trat der Gedanke nahe, daß wie diefer hintere Hals mit Wirbeln ende, fo wohl auch die vordere Wiederholung dieſes Stüds Wirbeliäule, der Schätel, urjprünglich aus Wirbeln zuſammengeſetzt fein werde. Gerade die Beſchrankung feiner Bergleihung auf Säugethiere und fein Ausgehn von der relativen Yage der Lirogenitalorgane bei biefen beweifen, daß bie Bergleihung eine in feine Grundfäge hineingezwungene war (wie er auf vemfelben Wege dazu fam, den Enddarm mit ven beiven Blind⸗ bärmen bei Bögeln für die Blafe nehmen zu müffen) , daß er von einer gleichförmigen genetifhen Grundlage Des Schätels bei allen Wirbel. thieren zumächft keine Ahnung hatte. Es war rein zufällig, daß er auf etwas geführt wurde, was von anderer Methode angegriffen fruchtbar werden konnte. Man war auch bereits von anderer Seite ber darauf gelommen; jhon Peter Frank hatte ven Gevanten der Wirbelzu- fammenfegung des Schädels ausgejprochen, und die Bergleichung ver einzelnen Theile der Individuen hatte Bicg d'Azyr eingeführt. Nun wird gar häufig zu Dien’s Vertheidigung hervorgehoben, feine finnlojen Formeln jeien nur „ebenbilvlich“ zu nehmen, wie er felbft (in ver Borrere zur Naturphilofophie) gejagt habe. Eine bilvliche Rede⸗ weiſe muß voch aber in irgend welcher vernünjtigen Art eine Beziehung bes zu Bergleichenten zu dem Berglichenen oder eine Aehnlichkeit des Berhältniffes beider zu einem britten ertennen laſſen. Davon ift aber nur äußerft felten eine Spur zu finden. Ofen hat aber ſelbſt ausprüd- lich ven Beweis gegeben, daß er feine Naturphilofophie nicht dazu be- nugen wolle, die Erkenntniß zu erweitern, ſondern daß er meinte, bie Olen. | 585 Erkenntniß läge ſchon fir und fertig im Geifte und brauche nur intuitiv angefhaut und entwidelt zu werden. Dies zeigt feine Anficht von der Methode“. Darunter verfteht er nicht etwa irgend eine heuriftifche Form des Denkens, fontern nur die Art ver Darftellung , welche denn im ärgften Sinne dogmatiſch ift. Er erklärt: „die logiſche Methode habe ich jederzeit verworfen. Die andere Methope ift die naturphilofo- phifche, Die ich mir geichaffen habe, um die Ebenbilplichkeit des Einzelnen mit dem Göttlichen u. ſ. f. berauszuheben, 3. B. der Organismus ift das Ebenbild des Planeten, er muß daher kuglig fein“ u. ſ. f. „Diefe Methode iſt nicht die wahrhaft ableitende, ſondern die gewiffermaßen bietatorifche, aus der die Folgen hervorfpringen , ohne daß man weiß wie.“ Neben diefer Methode, welche nach Den zum Wefen der ganzen Wiffenjchaft gehört, benugt er num angeblich noch vie fachliche, welche zum Wejen des einzelnen Gegenftandes gehört; 3. B. „naturphil. Meth.: das Organische muß ein Bläschen fein, weil e8 das Ebenbilv des Planeten ift; fachliche Meth.: das Organifche muß ein Bläschen werben, weil e8 ein galvanıfcher Procek ift, der nur zwifchen ven Eife- menten ftattfinden kann.” Man fieht, beide „Methoven“ fommen auf dafjelbe hinaus. Es ift hier ebenfowenig von einer Erkennung der logi⸗ ichen Urtheilsformen und ver Bedeutung des Subjects, als von einer Prüfung der realen Gültigkeit der Borausfegungen in diefen der logischen Form nach hpyothetiſchen Urtheilen die Rede. Olen bat aber doch einen Einfluß gehabt, welcher dem Schaben, welchen er mit feiner Naturphilofophie anrichtete, anvegend entgegen- wirkte. Derjelbe beruht nur zum geringften Theile auf feinen eigenen Forfchungen ; denn diefe waren ftets durch feine vorgefaßten Meinungen getwübt. Mit feinen Unterfuchungen über das Nabelbläschen 3. D. betätigte er allerdings zum Theil Wolff’jche Angaben und machte fie weiter bekannt, ftellte fie indeſſen in einem fo zweifelhaften Lichte bar, baf er die gewünfchte Aufklärung größtentheils wieder vereitelte. Daß er troß feiner embryologifchen Unterfuchungen fich nicht zu einer vor— urtheilsfreien Anertennung der Thatfachen erheben konnte, beweift feine Kritik der Pander'ſchen Arbeit über das Hühnchen. Hier jagt er kurz und eutſchieden: „So können die Sachen alle nicht fein. Der Leib ent- x 586 Periode der Morphologie. ſteht aus Blafen und nimmermehr aus Blättern.“ Olen's Berbienft fiegt in der Anerlennung des Satzes, daß die organifchen Formen wer- ende und geworbene find, fowie in ver Verbreitung bes wiffenfchaft- lichen Interefies an der Naturgefchichte, welches er theils burdh feine Naturgefchichte, theils durch die Zeitfchrift Mi gefördert Hat. Abge ſehn von den aus feinen philofophiichen Irrthümern entfpringenden Eigenthümlichkeiten ift feine Naturgeſchichte ein wichtiges Mittel gewor- ben, bie allgemeinen und fpeciellen natırrgefchichtfihen Kenntniſſe in weitere Kreife zu tragen und dadurch wieber neue Arbeiten und nene Auffaffungen anzuregen. Die Ifis dedte lange Zeit durch die freilich oft nicht gefunde Kritif?) und durch bie encyklopädiſche Richtung ein Bedürfniß umd ift jelbft heute noch nicht genügend erfegt. Man frägt wohl, wie feine Philofophie, Die dem ruhigen inductiven Entwidelungsgang der Wiffenfchaft fo ſchnurſtrads entgegentrat, An⸗ hänger und Berbreiter finden konnte. Da muß man freilich zunächſt nachſehn, was die Umftände waren , welche die Eigenthümfichleit der Fichte · Schelling ſchen Philofophie überhaupt möglich machten und ber bingten. In der ganzen deutſchen Litteratur war die tranrige Wirkung des breißigjährigen Krieges noch lange fühlbar geweien. Es war mit bem freudigen Nationalbewußtfein auch der liebevolle Sinn für das heimifche Geiftesieben verloren gegangen. Sprache und Form ber Schöpfungen waren fremd geworden. Das Intereffe erwärmte fich wohl zuweilen an einer gemüthvollen Erfaffung der Natur. Man ließ aber die Welt aufHerz und Gemüth wirken, ohne ihr mit dem kräftigen Willen zu einer geiftigen Auffaffung und Erklärung entgegenzutreten. Die Rüdäuferung hierauf war eine verſchwimmende unklar frömmelnde Teleologie, welche bei dem Mangel einer jelbftändigen nationalen Ge⸗ ihmadsrichtung weder wiſſenſchaftlich förderte noch formell befriebigte. Leibnitz's Philoſophie hatte auf die Wiffenfchaft ber belebten Natur, welche fich ver Anwendung mathematiicher Betrachtung entzog, um fo weniger Einfluß, als die fcholaftifch- Logifche Form, die ihr befonders 3) Eharakteriftifch für Ofen ift Die Aueſprache feines Grundſatzes bei ber Kritik: „dem Freunde Freund, bem Feinde Feind, und nur bem Gleichgültigen Unpartei- lichkeit“ ! Wolf gab, nur Diftinctionen und Definitionen erkennen ließ und die Annahme Gottes als zureichenden Grundes der Wilt für die Erklärung der Lebenserfcheinungen noch weniger Anhaltepunkte bot, als bei der Betrachtung ver allgemeinen Naturgefege. Nun ließ wohl die Zeit der Aufklärung und der Gewiffensfreiheit auch den Sinn von den bloß wägenden und mejjenden Beichäftigungen in weitere Gebiete richten. Bruchtbar wurde dieſe Erweiterung des Gefichtäfreifes aber erft, als auf die geiftigen Producte die Einwirkung eines durch Kritit und das Erwachen des nationalen Gefühls umgeftalteten Gejhmads fühlbar und, ſelbſt mit Ueberjchreiten dev Grenzen diefes, der Empfindung und Phantafie neben dem prüfenden Verftande ein Anrecht an den geiftigen Schöpfungen eingeräumt wurde, Hier trat Kant's läuternde und grund» legende Schöpfung hinein. Die weitere Ausbildung feines Syſtems fitt aber unter dem individuellen Charakter ver Zeit. In dem, nicht unempfindlich aber ohnmächtig ver ungeheuren Demütbhigung des Bater- landes zujehenden Volle mußte der von Fichte einfeitig weitergeführte ibealiftiiche Zug der Kant ſchen Philofophie begeifternd wirken. Bei deu Forſchern aber jchlug die nach aufen gehemmte Theilnahme und geiftige Thätigfeit in eine philofophifche Phantafterei um. Wie Schelling jo ſchuf fich auch Ofen nicht bloß feine, fontern die ganze reale Welt von innen heraus, bie Periode der Kraftgenies auf dem Gebiete des abftrac- teften Denkens wiererholend, ohne nach einem Beweiſe für die Gültig- feit feiner oberften Grundfäge weiter zu fragen. Beide fanden weder im Bolfe noch innerhalb der naturwifjenfchaftlichen Kreije einen regu- firenden Widerpart ihrer zügellofen Phantafie. Als aber einzelne von den Objecten felbft ausgehende Forfcher fich ihnen anzuſchließen ver- fuchten,, mußte unter der Wucht der Erfahrung das ganze Syſtem ver- blaſſen; es blieb nur die Form übrig, welche je nach ber betreffenben Geiftesrichtung jener entweder der ganzen Weltanfchauung eine theofo- phiſche Geftalt oder der Darftellung von Thatfachen ein allgemein ibenfiftifches oder mehr oder weniger äſthetiſches Gewand verlieh. Im Allgemeinen hatte aber ſchon die Thatfache, daß die Erfcheinungen ver lebenden Natur nur überhaupt einer philofophifchen Betrachtung unter: worfen wurden, befonders in der Zeit nationalen und poetischen Auf- 588 Beriode der Morphologie. ſchwungs anregend gewirkt. Man fieng an, zu benfen. Nur war es ein Unglüd, daß es gerade eine folche Philofophie war. Da fie abfolut unfruchtbar war und böchftens einmal durch Zufall mit einem ihrer Bilder ein wahres Berbhältniß zwifchen zwei Erfcheinungen richtig ge- troffen Hatte, verlor fich die geiftige Beichäftigung in jene geiftreich Hingende, aber im Ganzen unverftändliche oder tro ihres fcheinbaren Tieffinns Nichts oder wenigftens nichts Neues und Förberndes enthal- tende Redeweiſe, wie fie eine bedeutende Anzahl natırrgefchichtlicher und mebicinifcher Werte ver erften vier Jahrzehnte diefes Jahrhunderts aus- zeichnet. Die Eaufalität, welche ja den thierifchen Formen und ihrer Mannichfaltigfeit doch ebenfalls zu Grunde fiegen muß, wurde nirgends, auch nicht auf Umwegen beranzuziehn gefucht; dagegen wurde eine höhere ideale Gefegmäßigkeit gefucht, die „Bedeutung“ der Formen und Theile der Thierlörper im „höheren Sinne“ unterfucht, dabei aber nicht beſtimmt, was denn ein Geſetz, was dieſe Bedeutung oder diefer höhere Sinn eigentlich fei oder zu jagen habe. Endlich ift es auch eine mit dieſen Erfcheinungen in Verbindung ftehende Folge der Oken'ſchen Philofophie, daß vie Lehre von den thierifchen Typen fo vielfach falſch verftanden — he eier ar de gefaßt wurden. Wenn man von den Anhängern der Schelling » Olen ſchen Natur: pbilofophie Leute wie Schelver!) u. A. abzieht, welche feinen Ein- fluß geäußert haben, fo treten mit Rüdficht auf die hier befprochene Wiſſenſchaft alſo mit Ausſchluß der Bhilofophen und Mediciner u. ſ. f.) die oben erwähnten drei Richtungen in drei Männern auf, welche, ohne das ganze Syſtem ftarr feftzuhalten, die eigenthümliche Form bes Olen ſchen Philofophirens mit ihren Fehlern mehr oder weniger auf- fallend barboten. Repräfentant der myſtiſchen theoſophiſchen Richtung % Franz Iof. Schelver, geb. 1778 in Osnabrüd, 1802 in Iena habilitirt und 1842 im Heidelberg geftorben. Sein 1798 erfchienener „Beriuch einer Natur- geſchichte der Sinneswertzeuge der Infecten und Würmer“ ift eine zwar tefeologifch gefärbte, aber doch nüchterne Zufammenftellung der damals befannten Thatfachen. Seine fpäteren Schriften find bis zum Ertrem naturphiloſophiſch Schubert, Burbach, Carus. | 589 ift Gotthilf Heinrih Schubert), welcher nur in feinen Ahn- dungen einer allgemeinen Gefchichte des Lebens- und dem Handbuche der Naturgefchichte fich der Thierwelt in einer theils phantaftiich erregten, theils Eindfich frommen Weife nähert, aber werer durch befonderes Zufammenfafjen bekannter noch Nachweifen neuer Thatjachen die Wiffen- jchaft gefördert hat. Bon einer ungleich gefunderen Grundlage gieng Karl Friedrich Burda‘) aus, welcher die Erjahrungswifien-' ſchaft der Phyfiologie nur in einem von naturphilojophiichem Hauche noch durchwehten idealiſtiſchen Lichte betrachtete, aber nicht unwejent- (ich zur Förderung der Kenntnig des Thierlebens beigetragen hat. Sehr große Verdienſte um die vergleichende Anatomie hat fich unter ven ftrengeren Nachfolgern der Naturphilofophie Karl Guſtav Carus?) erworben, ein Dann von jeltener geiftiger Begabung, welcher bei einer reichen Erfahrung die idealen Gejege der Schönheit und fünftlerifchen Bollendung auch auf die Betrachtung der belebten Natur zu übertragen fuchte. Er war eine geiftuolle Berfönlichkeit, deren frühes an mächtigen Eindrücken reiches Leben und deren lebendiger, in eigner Ausübung fich bethätigender Sinn für die Kunft ihr jene weite Weltanfchauung ver- mittelt hatten, vie mit innerer barmonifcher Ruhe alle auftauchenven Zweifel einer höheren Wahrheitsquelle zu löſen anheim gibt, die aber nur zu leicht geneigt ift, das thatjächliche Material zu unterſchätzen und fich mit allgemeinen Abftractionen von meist äfthetiicher Färbung zu beruhigen. Es ift hier auch der Ort, an Goethe und feine vergleichend- 5) geb. 1780 im Hohnftein in Sachſen, ftubirte erft Theologie, von 1500 an Mebicin, in Jena unter Schelling Philojophie. 1803 wurde er Arzt in Altenburg, 1805 in Freiberg, 1806 in Dresden, 1909 Director des Realinftituts in Nürnberg. 1816 wurde er Erzieher der Kinder des Erbgroßherzogs von Medienburg:- Schwerin, 1819 Brofeffor der Naturgefchichte in Erlangen, 1827 in Münden, wo er, feit 1853 im Rubeftand, 1860 ftarb. 6) geb. 1776 in Leipzig, 1807 Profefjor daſelbſt, 1811 Profefjor der Anatomie und Phyfiologie in Dorpat, jeit 1814 in Königsberg, ftarb 1847. geb. 1789 im Leipzig, 1811 für vergleichende Anatomie daſelbſt habilitirt ; 1814 Profefior der Geburtshilfe an der mebicinifchen Afademie in Dresden, 1827 Leibarzt, und 1869 geftorben. anatomiſchen Leiftungen zu erinnern. Aber ſchwer ift es, bei einem prüfenden Blice auf feine hierher bezügfichen Schriften das nüchterne biftorifche Urtheil nicht durch die begeifterte Dewunderung des Mannes trüben zu laffen. Die Zeit ift noch jo new, wo er durch den alle feine Mittheilungen durchdringenden poetiihen Genius fowie durch die un⸗ gewohnte künftlerifche Form jener zur Begeifterung hinriß, daß es faft wie Segerei erjcheint, ruhig zu fragen, was er geleiftet,, auf welchem Wege er es geichaffen, im welcher Richtung die von ihm ausgehende Anregung gewirkt hat und, vor Allem, wann die leßtere hat eintreten fönnen. Und doch fcheint es, als wenn nur die im Uebrigen fo zweifel- (08 begründete Verehrung des geiftigen Heros durch das Verlangen, ihn in allen feinen Beichäftigungen gleich groß und fruchtbringend er- feinen zu laſſen, überhaupt die Berlegenheit herbeiführte, diefe Frage anfzuftellen und den chronofogifchen Zuſammenhang zu unterfuchen. Goethe war kein Naturpbilofoph im Sinne der hier bezeichneten Schule. Er tritt aber der Richtung derfelben dadurch nahe, baf er zwar vom Einzelnen ansgieng , fich aber nicht zunächft von biefem zum Allgemei- nen, fondern gleich zum „Sanzen* zu erheben fuchte, d. 5. methodiſch ansgebrüdt, er inpucirte nicht, fondern ließ fich mit Ueberfpringung ber die Thatjachen verfnüpfenden einzelnen Lehrjäge zu dem Berfuche führen, die vorher intuitiv erlangten Grundfäge nachzumweifen. Er fand aller« dings, ziemlich gleichzeitig mit Vieq dAzyr welcher die Sache aber als gewiffermaßen jelbitverftändlich einfach anführt) den Zwifchenkiefer beim Menjchen, aber nicht auf vem Wege einer eingehenden Verglei⸗ hung des Wirbelthierbaues, jondern beim Suchen nach einem Urtypus für fänmtliche Thiere. Wie wenig ihm trog feiner wiederhoften Ber ihäftigung mit Anatomie ein wirklicher Einblick in den gefegmäßigen Bau der Thiere gelungen war, beweift feine Einleitung in bie ver« gleichende Anatomie. Er findet bier feinen andern Weg zwifchen dem trodnen Detail der beichreibenden Anatomie und ber ihm unbeftimmt vorjchwebenden Morphologie zu vermitteln, als die Idee eines Urtypus für bie Thiere anzudenten, welchen er aber weder befiniven, noch burch allgemeinere Andeutungen einigermaßen auſchaulich machen kann. Seiner ganzen Eigenheit nah war ihm ein foldher Typus Bedürfniß en FT SR ee — ih: 591 aber nicht wiſſenſchaftliches, jondern äſthetiſches. Die „Geftalt“ hatte von Anfang an fein künſtleriſches Intereſſe erregt, und wie er für bie künftlerifche Berkörperung gewifjer idealer Charaktere, 3. B. in Sta- tuen, das dieſelben bezeichnende Typiſche in der Form zu fuchen bemüht war, wie er aus gleichem Antriebe die phyfioguomijchen Studien La- vaters fo lebhaft zu fördern fuchte, jo ergriff ihn auch für bie thieriſchen Geftalten ver Gedanke, ein idealer Typus möge die Verſchiedenheiten zu einem wohlthuenden künftlerischen Ausgleich bringen. Diefe in ihm und feiner ganzen Perjönlichkeit fich vollziehende Verſchmelzung ber Naturauffaffung mit vem Kunſtbedürfniß war es auch, welche troß ber jpäteren Beröffentlihung feiner Betrachtungen noch mächtig auf feine Zeitgenofjen und Jünger einwirkte. Beſonders erflärlich wird bie Wirkung, wenn man fich den Nachhall des noch nicht durchgereiften franzöfiijhen Senfualisnus, den ernüchternden Einfluß der franzöfifchen Revolution, das von Frankreich aus über Deutjchland hereingebrochene Unglüd vergegenwärtigt und bevenkt, welchen Jubel es erregen mußte, zu jehn, wie nach Deutjchlands vorübergehender politiicher Erhebimg jene eigenthümliche nationale, finnig » poetiſche, idealiſtiſch vergeiftigte Weltanfhanung vom größten Dichter auch auf die Betrachtung der Natur mit Bewußtfein angewendet wurde, oder vielmehr angewendet worben war. Denn von jeinen Arbeiten war mit Ausnahme ber Schrift über die Metamorphoje der Pflanzen und der nur brieflich mitgetheilten Arbeit $) über ven Zwijchentiefer beim Menjchen vor 1817 nichts gedruckt, feine Anfichten nur in Freundeskreiſen beiprochen, weder gelehrt noch jonft öffentlich mitgetheilt worden ; auch hat er über _ Manches abfichtlich geſchwiegen. Dagegen muß man fich erinnern, daß vor 1817 jowohl Geoffroy's Arbeiten über die Maki's, die Eroco- bile, den Fiſchſchädel u. A., als auch Lamarck's und Euvier’s bahn- brechende und die ganze Wiffenfchaft umgeftaltende Werte bereits er- schienen waren. Wie man aber Niemand eine Entdefung zujchreiben fan, ehe man weiß, daß er fie gemacht hat, jo kann man auch Goethe % Sömmerring führt fie in der zweiten Aufl. der Knochenlehre an, ebenfo Tiedemann, Zoologie. Bd. 1. ©. 234. Anm. (1808). Letzteres Eitat ruft den Schein bervor, als ſei die Arbeit veröffentlicht. s Beriode der Morphologie. & ſprache im einer Zeit zuſchreiben, wo er noch feine Zeile öffentlich be ⸗ kannt gemacht Hatte. Es wird hierdurch völlig irrelevant in hiſtoriſchem Sinme, ob Goethe's Anfichten wirklich mit den unterbefi verbreiteten übereinftimmen. Jeder Verehrer Goethe's, ja jeder Deutſche wird ſich aber freuen, daß fie dies, wie es eben in der Entwicelung der ganzen Zeit (ag, in einem gewiffen Sinne thun. Die Sache hat alfo wohl für die Entwidelungsgefchichte der Goethe ſchen Inpivirnalität eine Be⸗ deutung, aber micht für die der Wiſſenſchaft, welche ſich nur freudig berührt finden konnte, den Liebling des deutfchen Volks ihrem neuen Zuge folgen zu jehn. Fortbildung der vergleichenden Anatomie, Die zootomifchen Leitungen vom Ausgange der vorigen Periode hatten unter dem Einflufje der Phyfiologie geftanden. Es war natür- lich, daß fo lange kein anderer leitender Gefichtspunft aufgelommen war, biefe Richtung noch immer mehr oder weniger bie herrſchende bfieb. Je größer aber ver Umfang des zu bewältigenden Materials wurde, deſto mehr mußte neben ber meift nur erjchloffenen Gleichheit oder Ungleichheit der Function die Verfchievenheit der Bildung zum Nachdenlen veranlaffen. Dies führte zur genauen Unterfuchung bes Örtfichen Auftretens der Organe in ven einzelnen Thiergruppen, der Lage umd gegenfeitigen Verbindung derſelben und ihrer allmählichen Umwandlung, alfo zu jenen Momenten, welche einerjeits den in den verſchiedenen Gruppen ausgeführten Bauplan, andererfeits noch allge: meinere Bildungsgejege ertennen lehrten. Beide Richtungen fanden ihre Vertreter, anfangs meift noch unter VBoranftellung der phyfiologis chen Bedeutung der Organe. — Einer der einflußreichften Männer in letzterer Richtung war Karl Heinrich Kielmeyer) Er war 9 geb. 1765 in Bebenhaufen, kam 1773 auf die Katloſchule lehrte bort 1785 für die Schüler der Oekouomie und Forſtwiſſenſchaft Naturg ſchichte, wurbe 1740 Lehrer der Zoologie und Borſteher des Mufcums in Stuttgart, 1796 Profcfjor der Chemie und 1801 Profefior der Botanik, Pharmacie und Materia medica in Tübingen, 1816 Borftand der wiſſenſchaftlichen Sammlungen in Stuttgart, trat 1839 von dieſer Stellung zurüd und ftarb 1844. w » # — “ einer ber erſten, welcher ſich ein reiches Material ſammelte, um „die Zoologie auf vergleichende Anatomie und Phyfiofogie zu gründen und eine möglichjt vollftändige Vergleichung der Thiere unter fich nach ihrer Zuſammenſetzung und nach der Verſchiedenheit ihrer organifchen Shy- fteme und deren Functionen durchführen zu können“. Obfchon er nur wenig veröffentlicht hat, war doch feine Wirkſamkeit als Lehrer in dem angegebenen Sinne jo glüdlich, daß man ifm einen nicht unbedeutenden Einfluß auf die Entwidelung der Wiffenfchaft in den erften Jahren dieſes Jahrhunderts zufchreiben darf. Auch Cuvier nennt ihn wieder- holt feinen Lehrer '%). Man hat ihn zuweilen als Vorläufer der Natur- philofophie angefehn ; doch wird er den Anhängern verfelben nur in der äußeren Form feiner Berallgemeinerungen ähnlich, welche fich durch einen beveutenderen Inhalt von denen der Naturphilofophen weſentlich unterfcheiden. Bor letteren bat er eine viel Harere Logik und eine be- fonnenere Abftraction voraus. Er vergleicht die Fumctionskreife in den verjchiedenen Thiergruppen und ftellt deren gegenfeitiges Verhaͤltniß in allgemeinen Sägen dar, welche allerdings noch nicht auf den allmäh- lichen Aufbau des Thierförpers aus Organfpftemen und deren immer ‚weitere VBermannichfachung nach gewifien Plänen führen, aber do zum‘ erftenmale eine Conſtanz beftimmter Formerfcheinungen unter gewifjen Organifationsverhältniffen aufveden. Bei feinen Ableitungen kommt er auch auf den Vergleich früherer Entwidelungszuftände höherer Thiere mit niederen Thieren. Da ihm aber Entwickelungsgeſchichte noch fern lag, gelingt es ihm nicht, dieſen Sag fruchtbar zu ver- wenden !!), Etwas jünger als Kielmeyer war ein Mann, welcher ziemlich gleichzeitig aber unabhängig von ihm in Paris begann in ausgedehnter ) Bon dem Berhältniffe Cuvier's zu Kielmeyer ſ. unten. Welche verbreitete Anerkennung Kielmeyer gefunden hatte, beweift m. A. der Umftand, daß A. von ‚Humboldt ihm feine Unterfuhungen aus der Zoologie widmete. 11) Nach 1794 hatte Kielmeyer angefangen, eine allgemeine Einleitung im bie Zoologie, welche Pfaff „eine meifterhafte Ausführung jener kürzeren Rebe (Ueber Die Berhältniffe der organifchen Kräfte, 1793)“ nennt, druden zu laffen. Nach zwanzig Bogen unterbrach er den Drud. Das Gedrudte ift leider unauffindbar. : B. Carus, Geld. d. Bool. 38 Er aan es ift dies Etienne Geoffroy-Saint-Hilaire, Verwandter - jener beiden Geoffroys, welche ſich im vorigen Jahrhundert , ber eine” als Ehemiler, der andere als Botaniker einen Namen gemacht hatten ’?). Nachdem er fich früher vorzugsweife mit Botanik und Mineralogie ber ſchaftigt Hatte, mußte er fich, mit ein und zwanzig Jahren als Profeffor ber Zoologie angeftellt, die Elemente der Naturgejchichte, wie er ſelbſt gefteht, erft bei dem Aufftellen und Orduen der Sammlung des Pflan- zengartens erwerben. Wichtig wurde für ihn, daß Cuvier 1795 nach Baris kam; mit diefem lebte und arbeitete er anfangs frieblich zuſam⸗ men , bis fich die Gegenfäe der von beiden eingejchlagenen Richtungen immer fhärfer herausftellten. Cuvier bezeichnet es als Ziel jeder guten Methode, die Wiſſenſchaft auf ihre fürzeften Ausdrüde zu bringen, d. h. alfo die Thatſachen unter immer höhere Gattungsbegriffe zu ord⸗ nen. Geoffroy geht auf Achnliches aus, ftellt aber bie allgemeinen Säbe als Erklärungsgründe auf, während fie doch nur inbuctiv zu ber’ weifende Lehrfäge find. Nun erflärt er diefelben alferbings einmal als aus Thatſachen abgeleitet, jagt aber andererjeits auch, daß er fie infpie zatorifch gefunden Habe. Durch dem Reiz ſolch allgemeiner, ganze Gruppen von Thatſachen umfafjender Säge verleitet und jede meta« phyſiſche Färbung eines Austruds ſchon für Philoſophie haltend nennt er feine Richtung eine philoſophiſche. Er hielt fich ſelbſt und galt bei feinen Schülern für den Gründer einer befonderen „anatomifchen Phi⸗ fofophie*. Nun hätten feine Gejege oder Principien ganz fruchtbar werben können, wenn er fie unter gleichzeitiger Anwendung der noth⸗ wenbigen coordinirten Grundfäge benutzt hätte. Im Mangel 9 “) Sohn eines Juriſten, Jeau Gerard Geoffrey, wasche 0.1773 In Eau geboren, wurde Schüler Hauy's und Daubentom’s, feste 1792 bes ſchon verurtheil ten Hauy Befreiung durch und wurde von biefem Daubenton warın empfohlen, welcher ihm 1793 neben Lamard bie zweite Profeffur der Zoologie am Mufeum erwirkte, Bon 1798 — 1502 war er mit der Napoleonifchen Erpebition in Aegypten. & flarb 1844. a hen — der hauptſächliche Grund, weshalb feine Arbeiten eine fehlerhafte Richtung einſchlugen und falſche Refultate ergaben. Seine Örundfäge find: die Theorie ver Analogen, wonach fich diefelben - Theile, wenn auch in mannichfach verfchiedener Form und Ausbildung bei allen Thieren finden ſollen; die Theorie der Verbindungen oder Zuſammenhänge (connexions), wonach dieſelben Theile immer in gleicher gegenfeitiger Lage und Verbindung auftreten, und das Geſetz des Gleichgewichts der Organe, wonach die Mafje des Thierförpere fich gewiffermaßen gleich bleibt, fo daß ein Organ fich nur vergrößern oder verkleinern kann, wenn ein anderes fich verkleinert oder vergrößert. Diefe Säge wären num als leitende Grundgedanken fehr brauchbar ge- weſen, wie fie es auch in andern Händen geworben find, befonders da durch fie die VBergleichung der Organe als Formbeftandtheile des Kör⸗ pers unabhängig von ihrer Function angebahnt wırde. Sie durften aber nur angewendet werden unter Berüdfichtigung der Entwicelungs- geichichte und bei Beſchränkung ver Idee der Gleichheit des Baues auf die durch die Erfahrung gegebenen Baupläne. Was den erften Bunt betrifft, jo hat Geoffroy allerdings an jungen Vögeln die Zufammen- ſetzung ber Gehirnkapſel aus einzelnen Stüden nachgewieſen, welche den Schäbelfnochen der Säugethiere entſprechen; er verfolgte aber den Entwidelungsproceß nicht eingehend genug und nur mit vorgefaßter Meinung, wenn er 3. B. den urfprünglichen Wirbel für ein Rohr ober für einen Ring erklärt und auf diefe Auffafjung geſtützt auch bei Glie— bertbieren Wirbel zu finden wähnt. Weil ihm der wichtigfte Schlüffel zu der Erklärung mancher Skelettheile ſomit fehlte, ſchwankte er auch in feinen Deutungen. So erklärte er ven Kiemendedel früher 1?) für (o8gelöfte, nicht mehr zur Bildung der Gehirnkapfel verwendete Schei- telbeine, fpäter 1%) dagegen für die den Gehörknöchelchen analogen - Stüde, Am auffallendften wird der Fehler feiner Berallgemeinerungen, wenn er die Idee der Einheit des Plans nicht bloß auf die anfangs von 13) Annales du Museum. Tom. X. 4807. p. 345. 14) Philosophie anatomique. Tom. I. 4848. p. 45. Der richtigen Deu⸗ tung des Kiemendedelapparats war ſchon Blainville näher. Bullet. Soc. philom. 4847. p. 404. 38* "ibiere und Mollnsten ausbehnen wil. "Im einer Abhandlung über den Wirbel (1822) verfucht er den Infecten- und SKrebslörper als nah einem mit dem ber Wirbelthiere gleichen Plane gebaut nachzuweiſen, und 1830 erflärt er feine Zuſtimmung zu dem vermeintlichen Nachweis bes Wirbelthierbaues bei den Gephalopoven, welchen Meyrang und Laurencet in einer ber Akademie eingereichten Abhandlung gegeben zu haben glaubten. Dies rief den feiner Zeit berühmt geworbenen Streit zwiſchen Geoffroy und Euvier hervor , in welchem zwar Geoffroy von dem Ausprud „Einheit des Baues“ auf den fcheinbar weniger verfäng- lichen der „Analogie der Zufanmenfegung“ zurüdgeht, ohne aber damit feinen Grumbfehler zu bejeitigen. Hauptſächlich hieng dies damit zu- ſammen, daß er, von der Gleichheit der Vebenserjcheinungen ber Thiere überzeugt , eine Uebereinftimmung oder Aehnlichkeit in der Leiftung ber Organe auch für ein Zeichen ihrer morphologifchen Uebereinftimmung amzufehn fich häufig verleiten fie, daß er alfo nicht Analogie von Ho- - mologie, in dem neuerdings duch R. Owen fo glüdlich firixten Sinne, gehörig unterſchied, fo fireng er auch die Nothwenbigteit dieſer Unter: ſcheidung hervorhob. Trotzdem gebührt aber Geoffroy das Berbienft, mit feinen Principien die Aufftellung allgemeiner Bildungsgefege, ſowie beren Anwendung 3. B. auf die bis dahin wiffenfchaftlich faft ganz vernachläffigten Misbildungen verfucht zu haben, weunſchon er fich jo- wohl bei deren Aufftellung, wie bei ihrer Ausdehnung nicht ftreng ge» mug an die Thatſachen hielt. Die Mittheilungen über Kielmeyer, Geofjroy, jowie die früheren über Hunter, Bicg d'Azyr u. U. zeigten, daß man bereits in ziemlicher Ausdehnung begonnen hatte, die vorhandenen zootomifchen Thatjachen theoretijch zu verwerthen. Da biefe aber meift im Intereffe anderer Beitrebungen gejammelt oder von ihnen aus beurtheilt und häufig zu überftürzten Berallgemeinerungen benugt worden waren, gaben fie auch nur einen unvolljtändigen Ueberblid über den Bau der Thiere fowohl in Bezug auf die Anordnung der Theile in den einzelnen Claſſen als auf die Entwidelungsform der Organe. Außer den erft Genannten trat num gegen Ende des vorigen Iahrhunderts ein Dann auf, welcher | be ai — glücklichen Vorbildung, bei einer eingehenden, in Folge X des lebendigen Intereffes ſchon in jungen Jahren immer ausgebreite- ⸗ teren Kenntniß der früheren und gleichzeitigen Leiftungen nicht bloß die - Mängel und thatfächlihen Lücken derſelben erfannte, ſondern auch in einem außerorbentlichen Reichthum von Anfang an vorurtheilsfrei an- geftellter eigner Unterfuchungen ven Grund fand, nicht bloß die ver- gleichende Anatomie, fondern auch die davon abhängenden Lehren von ber zeitlichen Aufeinanderfolge fowie von den gegenfeitigen VBerwanbt- ihaftsverhältniffen der Thiere umzugeftalten oder geradezu nen aufzu⸗ bauen. Leopold Ehriftian Friedrich Dagobert Eupier, welcher ſich von der Zeit an, wo er als Schriftfteller aufzutreten be- gann, Georges Eupier nannte, war am 24. Auguft 1769 in ber damals württembergiichen Stadt Mömpelgardt geboren. Seine Bor- fahren waren nach der Reformation proteftantifch geworben und in - Folge der religiöfen Verfolgungen aus ihrer Heimath, einem Stäbtchen im franzöfifchen Jura, nach Mömpelgardt geflohen. Durch Fleiß und Ausdauer früh ausgezeichnet bewies Euvier fchon als Knabe feine Nei- gung und feinen naturhiftorifchen Formenfinn, wie er z. B. aus einem ihm zufällig in die Hände gelommenen Eremplar des Buffon die Figu- ren copirte und nach ven Befchreibungen colorirte. Dem Schidfale, auf einer Mömpelgarbter Freiftelle in Tübingen zum Pfarrer ausgebildet zu werben, entgieng er in Folge des Heinlichen Neides eines Lehrers, welcher ihn wider Verdienft zurückſetzte. Statt deffen empfahl ihn bie Prinzeß Friedrich ihrem Schwager, Herzog Carl, welcher ihm eine Stelfe in der Carlsſchule gab. Auf diefer fam er am 4. Mai 1784 an. Nach einem den allgemeinen Borbereitungswiffenichaften gewibmeten Jahre wählte er unter den fünf höheren Facultäten die ber Cameral- wiſſenſchaften, da er hier Gelegenheit fand, feine Vorliebe für Natur- wiffenfchaften zu pflegen. Sein Lehrer in Naturgejchichte war der Bo- tanifer Kerner, feine Freunde waren in früherer Zeit Kielmeyer, im fpäterer Pfaff, Marfchall, Yeupold. Im Jahre 1788 nahm er, um - Mittel zu erhalten, die Seinigen zu unterftügen , eine Hauslehrerftelle beim Grafen d'Herich in Fiquainvilfe bei Caen an, welche vor ihm der frühere Carlsſchüler, jpätere (Dorpater) Phyſiker Parrot innegehabt ihm Gelegenheit, den Grund zu feinen fpäteren zu legen, indem eimerfeits foſſile Terebrateln ihm eingaben , bie folfilen Arten mit den lebenden zu ver anbrerfeits das nahe Meer ihm Cephalopoben und von Schneden darbot, durch deren anatomifche Un- er zum erftenmale auf ven Plan geführt wurde, bie inne» aufzuldfen. Im Iahre 1794 veranlaßte ihm ber Abbe ‚ welcher ſich während der Schredensherrihhaft nad) Fecamp ge- und die Stelle des Chefarztes eines Militairhospitals über: ‚ feinen jungen Aerzten einen Curſus über Botanik zu fiel fo vorzüglich aus, daß Teffier dem jungen Euvier Freunden empfahl, auch Euvier jelbft aufforberte, einige Arbeiten an Geoffroy, Dlivier (welcher ein naturgefchichtliches Journal gegründet hatte) u. A. zu ſenden, und ſchon bamals ausſprach, man könne keinen befferen Profeffor der vergleichenden Anatomie finden (an Stelle des alten Mertrud, deſſen Vertretung im Ausficht genommen war). Beſonders auf Geoffroys Einladung entjchloß ſich Euvier 1794 nad) Paris zu gehn, aber, weil er noch kein Bertrauen auf eine neue Laufbahn fette, noch in Begleitung feines jungen Zög- fings. Aber ſchon 1795 Löfte er das Verhältniß zu biefem. Und num, Do ’ 7 FE J cher er am 2. Juli beftätigt wurde. Ende deſſelben Jahres wurde er Mitglied des Inſtituts, 1800 Profeſſor der Naturgeſchichte am College de France, 1802 nach Mertrud's Tode Profeſſor der vergleichenden Anatomie am Pflanzengarten und 1803 beftändiger Secretair der Ala⸗ bemie ver Wiffenfchaften, wogegen er die Thätigleit ald Commiffar des öffentlichen Unterrichts aufgab. Doch führte ihn im Jahre 1808 bie neue Drganifation des öffentlichen Unterrichts wieder in bie Verwaltung, nachdem er im Frũhjahre deſſelben Jahres feinen Bericht über bie Fort- ſchritte der Wiffenfchaften dem Kaifer überreicht hatte, 1814 wurde er Staatsrath, 1819 Abtheilungspräfident im Minifterium des Innern, 1824 Director der nicht katholiſchen Culte und 1831 Pair von Frank: reich. Cuvier ftarb am 13. Mai 1832. Oclſchon Euvier feiner Abftammung nach Franzoſe war, fo fühlte er ſich doch bis in fein erftes Mannesalter als Deutjcher. Im Juli 1789 fpricht er noch aus, daß er wie Pfaff Frankreich fremd fei; und von Pfaff nach feiner Meinung über die franzöftfche Revolution befragt, jagt ex im December 1790: „ich, ver als Fremder mit kälterem Auge Alles betrachte” ; er freut ſich, daß „fein Herzog“ nicht gegen bie Lütticher marfchiren zu laffen brauche. Es fcheint fich fogar bei ihm eine Art nationalen Borurtheils gegen die Franzoſen gebildet zu haben, wenn er (1788) äußert, die Franzofen fiengen an ihm zur Laft zu werben, wenn er höhnend fagt (Oct. 1788): „fo find die Franzofen, eine Komöbie, ein Liedchen kann ihre tiefften Wunden heilen“, wenn er fie nicht für fähig Hält, zu ihrer Rettung einen bürgerlichen Krieg zu beginnen. Vor Allem war e8 aber der Einfluß der deutſchen Wiffenfchaft,, welcher ihn anfangs fich Frankreich fremd fühlen ließ. „Wirklich Haben die Wiffen- ſchaften äuferft wenige würdige Priefter in Frankreich“, fchreibt er 1788, Dagegen erkannte er Kielmeyer nicht nur wiederholt als feinen Lehrer an, fondern erklärt ausdrücklich, daß dieſer ihm den erften Unterricht im Zergliebern gegeben habe. Er fteht (1791 und 1792) mit ihm in Correſpondenz und erhält von ihm die Skizze feines Eurfus, aus welchen ihm dann Pfaff noch weitere Auszüge ſchickt. Und aus ber in feinen Briefen enthaltenen Kritik der Kielmeyer ſchen Theorie geht deut⸗ (ich hervor, daß er durch die allgemeinen Sätze derſelben beſonders be- ftimmt wurde, die Veränderungen und allmähliche Complication der einzelnen Organe und Syſteme durch das Thierreich zu verfolgen. Außer Heinen entomologifchen Arbeiten gehn daher auch feine erften veröffentlichten Unterfuchungen auf die Klärung der Anatomie befonders der fo umvolfftändig bekannten Würmer Linné's aus. 1792 erjchien feine Anatomie der Napfichnedte, 1795 feine beiden berühmten Auffäte 1°) über Anatomie und VBerwandtichaftsverhältniffe der „Würmer“, im 15) Der erfte in ber ‚‚Decade philos., litt. et polit. Tom. V., an III (4795), p- 385, ber zweite in Millin, Magas. encyclop. 4795. Tom. 11. p. 433. deren — er beſonders bie Mollusten befpricht, 1796 bie Arbeit über Ernährung und Eirculation der Mollusten , 1797 Anatomie der Lingula und ber Ascibien, 1798 die der Acephalen und ber Infecten, 1900 Anatomie ber Mebufe (Rhizostoma) und die erften beiden Bände - feiner Borlefungen über vergleichende Anatomie, in welcher außer den genannten und bis dahin über Wirbelthiere veröffentlichten Arbeiten (untrer ſtehllopf der Vögel, 1795 und 98, Gehörorgan und Nafe der Waltbiere, 1796 und 98, Gehirn der Wirbelthiere, 1799) eine bis. fang nicht gelannte Menge ber detailirteften Unterfuchungen über Mus- fel-, Suochen- , Nervenfyftem und Sinnesorgane planmäßig dargeftelit wurben. Die 1805 erfchienenen drei Schlußbände, denen eine ziemliche Anzahl Harakteriftifcher und Höchft inftructiv gehaltener Abbildungen beigegeben find, vervollftändigten dies an Vollſtändigleit und Ueber: fichtfichleit bis dahin einzig daftehende Wert. Im Jahre 1812 erfchien äuerft feine große Arbeit über foffile Knochen , in weldher er feine von 1795 an aufgenommenen Unterfuchungen über ven Bau ber ausgeftor- benen Thiere unter beftändiger Bergleihung berfelben mit den lebenben nieberlegte. Aber nicht allein dieſe auferorbentfiche Tpätigteit im Zergliebern und überhaupt im Sammeln zootomifcher Thatfachen war es, welche Euvier den Namen eines Gründers ber vergleichenden Anatomie ver ſchafft hat. Es war vielmehr der Umſtand, daß er die Aufmerkſamleit von ber Leiftung des zu vergleichenden Organs abzog und auf das Thier Ientte, in deſſen Nuten jene Leiftung verwendet wurbe. Er geht nicht, wie es bis jetzt gefchehen war, daranf aus, die Functionen eines beftimmten Organs nachzuweiſen und an der Vereinfachung ober ber größeren Zufammenfegung eines ſolchen das Zuftandelommen gewiffer Bunctionen zu zeigen, ſondern fegt dieſe letztere gewiſſermaßen als be- fannt oder gegeben voraus und unterfucht nun das Auftreten ber ver- jhiedenen anatomifhen Syfteme in ihren zufammenhängenden und gradweiſe erfolgenden Modificationen. So ſchildert er 3. B. bie Ath- mungsorgane ber Säugethiere, weift ven Mechanismus des Aus- und Einathmens, die Form der Luftwege u. ſ. w. nach und zeigt dann, wie bei Infecten das Athmen nicht an Localifirte Organe, ſondern an ein n ganzen ER durchbringendes Syſtem gefnüpft ift, wie dann bei Cruſiaceen das Blut an beftimmten Stellen der Körperoberfläche in Athmungsorgane eintritt, bis endlich bei den einfachften oder den nieb- rigſten Thieren die ganze Haut athmet. Durch diefe Art zu vergleichen, welche man, freilich mit Unrecht, eine befondere Methode genannt hat, ‚wurde Euvier auf zwei allgemeine Sätze geführt, welche nicht bloß für ‚feine eignen Forſchungen, fondern für den Fortgang der Wifjenfchaft im Allgemeinen von großem Einfluß geworben find. Wie es an dem gewählten Beifpiele Har wird, ftehn nämlich die Modificationen eines Organs nie vereinzelt, fondern müfjen ftets von beftimmten Mobifica- tionen anderer Organe begleitet fein. Geht die Athmung in einem bes ſonderen Organe vor, jo muß das Blut diefem zugeführt werden: beim Borhandenfein eines localifirten Refpirationsorgans muß alfo auch ein irgendwie entwideltes Gefäßſyſtem vorhanden fein; fehlt ein folches, dann fehlen auch localifirte Athmungsorgane,, oder, wie bei den Inſec— ten, das Blut braucht dann nicht die Luft aufzufuchen,, e8 muß umge- fehrt die Luft das Blut fuchen '*). Die an den einzelnen Organen auf- tretenden Mobificationen ftehn daher zu einander in Eorrelation. Jeder Organismus“, fagt Euvier, „bilvet ein einiges und gefchloffenes Ganze, in welchem einzelne Theile nicht abändern können, ohne an allen übri- gen Theilen Aenderungen erfcheinen zu laffen“. Aus einem einzelnen Theile kann man daher auf alle übrigen fchließen. Dies ift das Geſetz ber Eorrelation der Theile, welches in Euvier's Händen befonders bei der Reconftruction der in einzelnen Bruchftüden befannt werdenden foffilen Thiere jo außerordentlich fruchtbar geworden ift. Daffelbe gründet fich auf die nothwendigen Bedingungen der Eriftenz, ohne beren Erfüllung das Thier nicht zu leben im Stande wäre. In Folge ber bei Anwendung diefes Gefetes gebrauchten Ausdrucksweiſe hat man in der Auffaffung vefjelben einen teleologifchen Erklärungsverjuch er- blickt, indeß mit Unrecht. Denn die Verbindung gewiffer Organformen, 3.2. ver Zehenkrallen mit carnivorem Gebiß vollzieht fich mit Noth- 16) Diefer jo oft citirte Ausſpruch findet fich ſchon in dem erften der beiben in Anm. 14 angeführten Auffäte, p. 389: „le sang ne pouvant plus aller chercher Yair, il a fallu que lair vint le chercher““. num auf die Erſcheinung, daß zwar alle Organe in Abhängigteit von einander ftehn, in Anfehung ihrer Entwidelung, ihres Auftretens, ihrer Form, daf aber einmal innerhalb gewiffer Thiergruppen nicht alle Or- game einen gleichen Betrag von Veränderungen zeigen, und bann baf beſtimmte Syfteme mit andern verglichen weniger in ihrer Form u. ſ. f. ſchwanlen. Da es fich num zeige, daß die bedeutungsvolleren Organe in ihrer Form die conftanteren feien, fo glaubte Euvier in ber Unter⸗ ordnung der Merkmale" (der Suborbination ber Charaktere) ben Schlüffel nicht bloß zum Berftänpniß gewifler zootomifcher Thatfachen, fondern auch zur zwedmäßigften Verwenbung der vergleichend » anato- mischen Refultate auf die Syftematif zu befigen. Doc) entgieng ihm nicht, daß der Begriff der Unterordnung ein künftlicher ift und daß bie „Bebentung”, d. 5. die Wichtigkeit eines Organs erft burdh bie Erfah. rung feftgeftellt werben müffe, nämlich durch Nachweis feiner Eonftanz. Nichtsdeftoweniger folgt er aber biefem Grundſatze, geräth indeſſen natürlich, da er damit auf eine fünftliche Anordnung der Formen nad) einem Merkmal hinaustommt, ins Schwanten. So bezeichnet er 1795 bie Generationdorgane,, deren Thätigleit das Thier feine Eriftenz ver» bankt und die Eirculationsorgane, auf denen die individuelle Erhaltung bes Thiers beruht, als die wichtigften, während er 1812 dem Beifpiele Birey s folgend, das Nervenfyftem für das Syſtem erflärt, zu deſſen Unterhaltung eigentlich die andern Syfteme allein vorhanden wären. Die weiteren Refultate diefer Reihe von Betrachtungen werben fpäter zu erörtern fein. Es handelt fich hier zumächft um Cuvier's vergleichend- anatomijchen Stanppunkt. Im Gegenfage zu feinem Zeitgenofjen Geoffrey, wie zu den zahlreichen Nachfolgern und Anhängern Bonnet's, welche den ganzen Formenreichthum des Thierreichs als im einer un» unterbrochenen Kette fich darftellend annahmen, geht Euwier ohne eine vorher gebildete Theorie an das Wert. Wie die Idee ber Einheit des Typus oder der Structur,, fo verwirft er von vornherein alle vorzeiti« gen Berallgemeinerungen als metapbyfifche Träumereien. Er ſammelt — " r ; hen, um won diefen aus zu allgemeinen Sätzen zu gelangen, welche er dann immer weiter inductiv zu erweifen fucht: Und wenn er damit nur bis auf einen gewiffen Punkt gelangt und namentlich bie Stellung eines Thiers für nur von dem in ihm zur Erſcheinung ge- Tangenden Baupları abhängig anfieht, worauf bald näher einzugehen jein wird, fo ift dies nur eine Folge des Umftandes, daß zu feiner Zeit ber Einblid in die Entwidelungsgefchichte der Thiere noch nicht genü- gend eröffnet war. Dagegen ericheint bei Cuvier fchon eine Rückſicht— nahme auf die gleichartige Zufammenfegung gewifler Organe fowie auf die Natur des Gewebes, welches die eigenthümliche Yeiftung eines jeden Organs bedingte. Von Cuvier, deſſen eigentliches Arbeitsfeld mit neuen eigenartigen Aufgaben einer andern Richtung fich weit vor ihm eröffnete, konnten hierüber nur Andeutungen gegeben werben. Es ift indeſſen bezeichnend für feine Umficht, daß ihm die Wichtigkeit dieſer Betrachtungen nicht entgieng. Er felbft hat diefelben nicht weiter geführt. Wohl fällt aber in die Zeit feiner erften größeren Veröffentlichungen die felbftändige Gründung diefer neuen Lehre duch Marie Fran. Xavier Bihat (1771—1802). Bichat hatte die erften Anregungen von Pinel empfangen und fuchte zunächſt pathologifch » anatomifch bie gleichen Erkrankungsformen auf die gleichartige Natur der ergriffenen Gewebsformen zu beziehn. Mit feiner Abhandlung von den Membra- nen (1800) und feiner allgemeinen Anatomie (1802) hat er aber den Ausgangspunkt für jene Reihen von Unterfuchungen gegeben, welche ſchließlich zu dem fo wichtigen Nachweife ver gleichartigen elementaren Zuſammenſetzung fänmtlicher Thiere geführt haben. Während die vergleichende Anatomie in Euvier ihren Wiederher- fteller fand, welcher die großartigen ihm durch die Sammlungen des Pflanzengartens zu Gebote geftellten Mittel in ausgiebigfter Weiſe nutzte und der Wifjenfchaft dienftbar machte, wurde in Deutjchland eine Anzahl Männer befonders durch den von Euvier gegebenen Anftoß zu - einem vegen Arbeiten auf diefem Gebiete veranlaßt. Es hatte allerdings Blumenbach ſchon feit 1777 über einzelne Gegenftänve ver ver— gleichenden Anatomie, feit 1785 über die ganze Disciplin regelmäßige Borlefungen gehalten. Doch veröffentlichte er erſt 1805 das erſte beutfhe dandbuch über eff erfehien nochmals 1924 in deitte Auf lage). Charatteriftifh für die noch bei Blumenbach herrfchende Auf- faffung ift das Geſtändniß, daß er aus dem ungeheitren (eben mur zootomifchen) Material eine Auswahl habe treffen müffen, wobei er ſich beſonders von der Phyſiologie und der Naturgefchichte der Thiere fowie von ber größern ober geringern Leichtigleit der Herbeifchaffung berfelben habe beftimmen laſſen. Die Wirbelthiere nehmen den weitaus größten Raum ein, davon wieber die Knochenlehre am ausführlichften geichilbert wird. Eine weitere Anregung gab dann Ignaz Döflinger (1770, + 1841) , welcher in einem 1814 erfchienenen Programme den - Werth und die Bedeutung der vergleichenden Anatomie, freilich noch als Hülfswiffenfchaft der Medicin hervorhob, und bald darauf E. Fr. Burbach, welcher 1817 gleichfalls in einer alabemifchen Gelegen- beitsichrift „über die Aufgabe ver Morphologie“ das, was bie verglei- ende Anatomie zu leiften habe, jchilbert, zwar zumächft noch im Anfchluffe an die Bebürfniffe des Praltilers und nicht frei von natur philofophifcher Färbung, aber doch in bewußter Ahnung bie wichtigen Aufgaben der Morphologie erfaſſend. Bezeichnend ift es, baf gerade dieſe beiden Männer ihrer Leberzeugung von der Bedeutung ber ver- gleichenden Anatomie Ausbrud gaben und das Ziel derjelben andeuteten, zu beffen Erreichung nur wenige Jahre fpäter befonders von Würzburg und Königsberg aus, wo fie wirkten, fo erfolgreich erftrebt wurde. Schon zeitig traten aber hier Einzelarbeiten auf, welche als wefentliche Baufteine zur Errichtung des zumächft nur in matten Umriſſen vor- ſchwebenden Gebäudes der Morphologie angefehen werben müffen. Der Reihe nach als ber erfte ift Hier Gotthelf Fifcher (geabelt von Balpheim, geb. 1771 in diefer Stabt, geft. 1853 in Moskau, wo er feit 1804 dem Mufeum und ver naturforfchenden Gefellichaft vor- ftand) zu nennen, welcher 1795 über die Schwimmblafe der Fiſche 1800 über den Zwifchentiefer fchrieb und 1804 eine Anatomie ber Malis gab, wogegen feine fpätern Arbeiten entomologifchen und vor: züglich geologiſchen und paläontologifhen Inhalts find. Der Zeit nad) folgte ihm Döllinger, welcher von 1805 an einige Punkte ver Ana⸗ tomie der Fijche aufzullären fuchte. Vorzüglich auf Anregung Sömmer: zing’s — fh der fpäte als Phyfiolog fo verdient gewordene Friedrich Tiedemann (1781 — 1860) früh der Zootomie, m arbeitete ſelbſt in Paris unter Cuvier's Leitung und lieferte in ſeiner Anatomie des Fiſchherzens 1809, worin er ſchon die Verſchiedenheit der Klappen bei Knochen⸗ und Knorpelfiſchen ſchilderte), in ſeiner Ana- tomie des Drachens (1811), in feinen Darftellungen vom Affengehirne und beſonders in jeiner anatomijchen Monographie der Holothurie, des Seejterns und Seeigels werthvolle zootomifche Beiträge, ebenfo wie jehr gutes Allgemeines in der Einleitung zu feiner von 1808 an erichienenen, aber nicht vollendeten Zoologie. Den Jahren nach etwas älter, aber erft fpäter als Schriftjteller thätig war Ludw. Heinr. Dojanus (geb. 1776 in Buchsweiler im Elſaß, wurde 1806 Pro- fefjor der Veterinär-, 1814 auch der vergleichenden Anatomie in Wilna und ftarb 1827 in Darmftabt, wohin er fich 1824 bereits zurückgezogen hatte). Wie fih Bojanus in einzelnen Heineren Arbeiten als geiftuoller Forſcher und namentlich ven auftauchenden morphologifchen und embryo⸗ logischen Fragen gegenüber als ein Mann von großer Klarheit bes Urtheils gezeigt hatte, jo hat er in feiner Anatomie der Schilpfröte eine muftergültige Monographie geliefert, wie fie bis dahin über fein anderes Thier eriftirte. — Große Verdienfte um die vergleichende Anatomie bat fi, wie bereits angebeutet, Carl Guſtav Carus erworben. Als der erfte fpeciell für diefes Fach an einer deutſchen Univerfität thätige Lehrer Hat er nicht bloß durch mündliche Anregung der mit noch jo manchen Borurtheilen kämpfenden Disciplin neue Freumde und An- erfennung gewonnen, fondern auch eine Reihe von Arbeiten geliefert, welche ihren Gegenftand in einer geiftvolfen Weife in einem neuen Lichte erſcheinen ließen. Bon diefen fei hier nur die vergleichende Darftellung des Nervenſyſtems, die Unterfuchung über den Kreislauf bei den In- fecten, über die Entwicelung dev Muſcheln, die Anatomie ber Ascivdien erwähnt. Im dem größeren Werke über bie Ur» Theile des Knochen⸗ und Schalengerüftes hat er die Lehre von den Wirbeln wohl am con« fequenteften von Allen auf jänmtliche Hartgebilde ausgedehnt, dabei aber nicht bloß die Grenzen des wirklich Vergleichbaren überjchritten, fondern auch den Begriff des Wirbels bis ins Bedeutungsloſe ausge— Thertiaſen mit gleicher Ausführlichteit berücfichtigenbes dandbuch — €. ©. Carus war auch der erfte, weiher Dur cm fm das allgemeine Intereffe an der Zootomie weientlich fördern und ihre Anerlennung in weiteren Kreifen fichern half. Es erfchien 1818, in zweiter Auflage 1834, wurde nad) der erften Auflage ins Engliiche, mach der zweiten ins ramgöftfche überfegt. It daſſelbe auch nicht frei von Naturphilofophie, fo ift der Standpunkt doch ein entſchieden wiffen- ichaftficher. Im einem 1826 erjchienenen Auffage bezeichnet Carus denſelben ausprüdlich als ven philojophifchen gegenüber der deferiptiven und bloß vergleichenden Anatomie; es finden ſich auch im Handbuch zabtreiche wirtlich morphologifche Bemerkungen, welche uur wegen des Mangels der erft fpäter mit Sicherheit entwidelten Anſchauung der verjchiebenen Typen noch nicht zur fofortigen Anertennung und Ver ⸗ wenbung famen. Nicht das geringfte Verdienſt des Handbuchs befteht in ver Beigabe eines felbft gezeichneten und in der erften Auflage ſogar felbft rabirten Atlas, bem erften Beifpiel einer für Lehr- und Unterrichts zwede erfolgten Zufammenftellung inftructiv gewählter bildlicher Dar- ftellungen. Später hat Carus in großen Erlänterungstafeln ein um« fafjendes Kupferwerl geliefert, was freilich als nach den anatomifchen Syſtemen georbmet nicht diefelbe Ueberfichtlichteit in morphologiſchem Sinne darbietet, wie der für feine Zwede ganz vortreffliche Heine Atlas, Be ann —— — PEN ſchauung wurde. Sehr ausgebreitet für vergleichende Anatomie thätig und einen großen Kreis von Schülern um fich fammelnd wurde Joh. Friedr. Medel der Reftaurator der vergleichenden Anatomie in Deutſch⸗ 1m, Er war ber Entel des als Anatom ansgezeichneten Job. Friebr. Medel des Älteren (baber hieß er zumeilen ber Jüngere), welcher 1774 in Berlin flarb, Sohn des Halliichen Profeffors Philipp Friedrich Theobor M. Diefer ſtarb 1803 und hinterließ zwei Söhne, Job. Briebr. Medel, geb. 1781, geflorben 1833 und Albert Medel, welcher 1829 in Bern als Anatom ftarb. Am 11. 1652 war bie Kamilie mittelft kaiferlihen Diplome als Medelvon Hems ba geabelt worden. Dielen Abel nahmen bie drei Söhne Albert Medel’s unter licher Anertennung wieder an. Ciner derfelben war ber durch einige gootomifdhe Arbeiten belannte Patholog Joh Heinrich Medel von Hemsbach, welcher, 1821 in Bern geboren, 1856 in Berlin farb. | | ze la d, inſofern er in den erſten drei Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts derjenige war, welcher das reichſte zootomiſche Wiſſen umfaßte und am meiſten beitrug, die Thatſachen in eine wiſſenſchaftliche Form zu bringen. Er hatte 1804 bis 1806 in Paris unter Cuvier's Leitung gearbeitet und war nach 1806 in Halle Profeſſor der Anatomie geworden. Hier wirkte er über ein BVierteljahrhundert lang als Lehrer und Forſcher Das von feinem Großvater gegründete, von feinem Vater gepflegte Mufeum brachte er durch große Umficht und bedeutende Opfer zu einem Umfange, wie ihn feine zweite Privatfammlung in Deutſchland erreicht bat. Einen vorzüglichen Einfluß auf die Entwidelung der Wiffenfchaft gewann er durch fein Archiv. An der Stelle des 1815 zu Ende gefommenen Archiv's von Reil und Autenrieth lieh er dafjelbe zuerft ala Deutfches Archiv für Phyfiologie (8 Boe.), fpäter als Archiv für Anatomie und Phyfiologie (6 Bbe.) erfcheinen. Nur in einem einzigen Bande biefer Reihe findet fich fein Aufjag von Medel, die meijten Bände enthalten fogar mehrere, ausführlichere Arbeiten oder kürzere Notizen, auch fite- rariſche Berichtigungen. Und ſchon vorher hatte er in den von 1808 bis 1812 erjchienenen Beiträgen zur vergleichenden Anatomie, zu welchen nur noch fein Bruder Albert einen Beitrag gegeben hatte, eine Reihe zum Theil ſehr wichtiger Arbeiten geliefert. Eine größere Monographie, über das Schnabelthier gab er noch 1826 heraus. Welches Interefje für vergleichende Anatomie Meckel bei feinen Zuhörern zu weden ver- ftanben hatte, beweift die beträchtliche Zahl der zootomifchen Difjerta- tionen, in welchen zum Theil feine eigenen Anſchauungen und Beob- achtungen (3. B. bei Fouquet, Koffe, Lee), zum Theil unter feiner Leitung und Beeinfluffung angeftellte Unterfuchungen (3. B. von Ar- ſaly) veröffentlicht wurden ). Den Hauptinhalt feiner Aufjäge allge- meinen Inhalts, ſowie feine umfangreichen Einzelarbeiten vereinigte 18) Hervorzuheben ift bejonders, daß die Gegenftände ber Differtationen ebenfo gut den niebern Thierclafien als den Wirbelthieren entnommen wurben. Es jei bier nur erinnert an Schalt, Ascidien, Konrad, Afterien, Koſſe, Pteropoden, Lene, Pleurobrandaen, Löwe, Athemorgane der Infecten, Feider, Haliotis, Arfaky, Fiihgehirn (1813, men herausgegeben 1836), Mertens, Batradier, Lorenz, Reptilienbeden, Fouquet, Athemorgane im Thierreidh. —* — eichen⸗ den Anatomie, welches von 1821—1835 erſchien. Daſſelbe ſun bie im Jahre 1805 geſchloſſenen Vorleſungen Cuvier's erſetzen und dabei den inzwiſchen gemachten Fortſchritten Rechnung tragen. Beides wurde auch erreicht, nur vollzogen ſich gerade während ber Zeit feines Er- ſcheinens und unmittelbar nachher fo wichtige Aenderungen in ben allgemeinen Anfhauungen über den Bau der Thierförper, baf man jet im Ganzen nur zu wenig auf daffelbe zurüdtommt. Vorzüglich ift der erfte Band von großem Intereffe, da fich im ihm Anfichten mie« bergelegt finden , welche wenige Jahre fpäter eine neue fichere Begrün. bung erhielten. Es macht allerdings faft ven Eindrud einer natur⸗ philoſophiſchen Abftraction, wenn er die Verſchiedenheiten der thierifchen Form in der weiteften von ihm gegebenen Ausdehnung als unter einem befonderen Geſetze ver Mannichfaltigkeit ſtehend bezeichnet , welchem er ein zweites allgemeines Geſetz, das der Reduction, gegenüberftellt. Doch betrifft diefe Form der Veralfgemeinerung mehr die Norm ber Darftellung. Medel geht hier auf allgemeine Bildungsverhältniffe ein, | welche ganz füglich als allgemeine Biloungsgejege bezeichnet werten fönnen. Unter dem Gejege der Mannigfaltigkeit fchildert er auch die Berſchiedenheit der von Euvier aufgeftellten Typen , zwar noch nicht in der Schärfe, mit welcher diefelben fpäter erfaßt und immer richtiger auseinandergehalten wurben, aber doch jo eingehend, daß man fogar ſchon eine Hinweifung auf bie innerhalb ver Typen auftretenden Ent- widelungsverfchievenheiten ertennen kann, wie fie fpäter von Baer als fo wichtige Momente nachgewiefen wurden. Auch findet bie Kiel- meyer ſche Idee von der Uebereinftimmung der früheren Entwidelungs- ftufen höherer Thiere mit niedern Claſſen eine völlig ſachgemäße Beihränkung und paffende Verwendung. Medel berüdfichtigte über haupt ſchon eingehend die Entwidelungsgefchichte, fuchte auch durch Ueberjegung der faft vergefjenen Wolff ſchen Schrift von der Bildung des Darmcanals die Meinungen über die Art des Entwidelungsvor- ganges zu Hären. Hierdurch wurde er auch darauf geführt, die Misbil⸗ dungen behufs ihrer Erklärung an die normale Entwidelungsgefgichte anzulnüpfen, wobei er ſich mit Geoffroy begegnete. — i Gle mit Meckel — Cart Asmund —— — elcher, 1810 nach Berlin berufen, dort „das zootomiſche Muſeum von Grund aus ſchuf“· und dem Studium der vergleichenden Anatomie einen e | ; ; ‚mächtigen Impuls gab. Er war 1777 in Stodpolm von beutjhen Eltern geboren , ftubirte in Greifswald, wurde dort 1793 und 1795 auf Grund zweier Differtationen über Eingeweidewürmer Doctor ber — Philoſophie und der Medicin und 1808 ordentlicher Profeſſor. Shm in dieſe frühere Zeit fallen die wichtigen, feinen Ruhm vorzüglich er gründenden Arbeiten über Helminthen und die Anatomie ver Pflanzen, fowie die anatomifch-phyfiologiichen Abhandlungen, in denen ev mehrere zootomifche Thatfachen mittheilte. Später hat er fich nur mit Anatomie der Wirbelthiere beichäftigt, wie auch die zahlreichen unter feiner Kir tung oder auf feine Veranlafjung geſchriebenen Differtationen nm Gegenftände ver Wirbelthieranatomie behandeln 1%). Rudolphi war en auch Ich. Müller's Lehrer, welcher ausdrücklich erklärt, daß Rudolpfi die Neigung zur Anatomie bei ihm für immer entſchieden Habe. — Auch Ernft Heinrih Weber (geb. 1795), deſſen vorzüglichfte bahn- SD brechende Arbeiten einem andern Gebiete angehören, hat (er war an ⸗ fangs Carus’ Nachfolger als Profeffor der vergleichenden Anatomie) durch mehrere ausgezeichnete Leiftungen in den Fortfehritt ver ver · gleichenden Anatomie eingegriffen,, befonders durch vergleichende Dar» -· — ſtellung des Sympathicus und die Unterſuchungen über das Gehörorgan (1817 und 1820). Vom Jahre 1820 an beginnt auch bie Tätigkeit des um die Ausbildung der Morphologie und Entwidelungsgefchihte hoch verdienten Martin Heinrich Rathke, welcher fpäter noch bejonvers erwähnt werden wird. — Vergleicht man die Thätigkeit uff bem Gebiete der Zootomie, wie fie in den erften drei Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts fich in Deutfchland entfaltete mit dem, was in berjelben ex Zeit außerhalb geichah, fo tritt das Ausland entſchieden zurüd. In 19) Geradezu als Rudolphi's Arbeiten führt Joh. Miller die Differtationen von Reimann, Hyäne, Breyer, Pipa, Wolff, Stimmorgane der Säugetbiere, und Maffjalien, Fiihauge, an. Bon andern unter Rudolphi's Leitung oder = Einfluß verfaßten Differtationen find zu erwähnen die von Jaffe, Mobring, Mafmann, Tuch, Bommerejheu. 4. 8. Carus, Geſch. d. Zool. 39 BE Ban: 5 Te N Zu 757 ARE ie WR en, SEE Sr Zei Er en aha SL TEEN EN Le Be - v2 — Wa. — Eee N ee er ae er ee — 5* TEE . > * FR —4 ARE 04 . a a a ae —— WE ae re —— — —— Ne 2 ; a el: BR \ * NT —— 10 2... Serie ber Sorphelage — Göttingen regte noch immer Blumenbach lebendig am und mehrere noch jetzt werthvolle Arbeiten verdanten feinem Einfluffe ihre Entftehung. In Würzburg begeifterte Döllinger, in Iena lenkte Ofen, in Tü- bingen Autenrieth und Emmert, in Heidelberg Tiedemann, in Marburg (früher Würzburg) Heufinger, im Königsberg €. €. von Baer die Aufmerkfamteit der jüngeren Kräfte auf den veichen Schatz, der noch zu heben war. Neben dem Neil» Antenrieth'jchen Archiv gründete Ehrift. Rud. Wild. Wiedemann in Braunfchweig in feinem Archiv für Zoologie und Zootomie ein weiteres Organ für betreffende Arbeiten, denen ſich fpäter bie Zeitſchrift für Phyſiologie von Tiedemann und ben beiden Treviranns 2%), ſowie die Heu⸗ finger ſche Zeitfeprift für organifche Phyfil anfehleffen. Ans England find in diefer Zeit als fördernde Erfcheinungen nur das nicht vollendete Handbuch Harwood’s (welches der eben genannte Wiedemann über- feste) und die Borleſungen Everard Home’s (1756—1832),, ber die hinterlaffenen Bapiere feines Schwiegervaters John Hunter benugte, zu nennen, während die Zahl der einzelnen Arbeiter neben ihnen ver» haltnißmãßig Hein , viel Heiner war, als der ſyſtematiſch tätigen Zoo⸗ (ogen. Dur Hanbbücher der vergleichenden Anatomie förberten im’ alien das Intereffe an derſelben Giuſ. Jacopi (1808, neu heraus⸗ gegeben 1822) und der fpäter noch zu nennende Stefano belle Chiaje. | In Frankreich waren außer G. Cuvier umd feinem Bruder Friedrich (1773 in Mömpelgarbt geboren, 1838 in Paris geftorben) noch George Louis Duvernoy (1777— 1855, wie Euvier aus Möm- pelgardt, fein Sohn fieng an, Euvier's VBorlefungen ins Deutſche zu’ überfegen),, der ältere Duméril, fpäter noch Antoine Duges, Audonin, Henri Milne-Edpwards, Blainville u. A. ale Zootomen thätig. Die Leiftungen der erftgenannten werben noch ſpäter zu erwähnen fein. Hier muß noch Blainville's mit einigen ©) Gottfried Reinhold Ereviranus war 1776 in Bremen geboren und farb daſelbſt 1837. Ein ausgezeichneter Beobachter und geiftvoller Forfcher, der ſewohl im feiner Biologie, wie im feinen bergleihend anatomischen Arbeiten nicht bloß ausgebreitete Gelehrſamleit, ſondern eine volle Beherrſchuug der Auf gaben gezeigt bat. | gedacht werden. Marie Henri Ducrotay, welcher fih Duero- 4 tah de Blainville nannte, war der Sohn eines gewifien Pierre du Crotay, welcher der Nachkomme eines fehottiichen Evelmanns zu fein behauptete. Er war 1777 in Arques in der Normandie geboren, tam zunächſt auf eine Militairfchule, dann 1796 auf eine Zeichenfchule nach Rouen, da er in das Geniecorps einzutreten beabfichtigte, endlich nach Paris. Nachdem er hier nach dem Tode feiner Eltern fein Br- mögen faſt vergeudet hatte, fieng er an fich erft ven Künften, daun den ® e Naturwiſſenſchaften zu widmen. Bon Cuvier jehr ermuntert und unter ⸗ ftügt wurde er 1812 Profeffor der Zoologie und vergleichenden Ana» tomie an der Facultät und erhielt 1830 eine der beiden Profefjuren für RE niedere Thiere Mollusken und Polypen) am Mufeum. Sein Stog und feine Empfindlichkeit erhielten ihm in einer beftändigen Oppofition gegen feine Collegen, befonders gegen Cuvier, deſſen Superiorität an -⸗ zuerfennen ihm fchwer wurde. Nach Cuvier's Tode wurde er vefien Nachfolger am Mufeum, wußte” aber die Sammlung nicht auf ihrer - Höhe zu erhalten, deren vorübergehender äußerer Verfall befonders ‚feine Schuld war. Ju feinen vergleichend anatomifchen Arbeiten, welche — a Er * hier zu erwähnen find, vertritt er im Allgemeinen Buffon's Idee von einer im Thierreiche dargeftellten Stufenreihe. Er fucht eine felbftän -⸗ dige Stellung zwifchen Cuvier und Geoffroy einzunehmen, was ihm auch infofern gelingt, als er in einer nicht ganz zu verwerfenden Weile ben phyſiologiſchen mit dem morphologifchen Gefichtspunft zu vermitteln ſucht. Auch erkannte er die Nothwendigfeit einer Einficht in die Ent widelung der Organe, ohne dieje jedoch allgemein zu verwerthen. Ger | zwungen erfcheint es allerdings, wenn er die Gefammtgeftalt des Thiers, das was er Morphologie nennt, bei der Haut, als demjenigen Organe abhandelt, welches die Begrenzung des Thierleibes im Raume bewirkt. Auch zieht fich durch feine ganze Darftellung eine teleologiſche Auf ⸗ faffung, welche nicht wie in dem Cuvier'ſchen Eorrelationsgejeg eine SC gewiſſermaßen morphologische Verwendung findet. Es ift aber immer- % hin zu bedauern, daß von feiner vergleichenden Anatomie nur der erfte, Haut und Sinne umfafjende Theil (1822) erfchienen ift. Seine jpäter erſchienene Ofteographie enthält mufterhafte Knochen- und Sfelet- # 39* 612 Periode ber Morphologie. darftelfungen „ wenn gleich nicht fo pfaftifch ausgeführt , wie im dem freilich bei Weitem nicht jo umfaffenden Werte von Bander und d’Alton. Die Lehre von den thierifchen Typen. Es muß Hier innegehalten werben, um die Entwidelung der auf die weitere Ausbildung ver vergleichenden Anatomie zu einer thierifchen Morphologie jo weientlich einwirlenden drei Momente zu ſchildern, die ber Lehre von den Tupen, der Entwidelungsgeichichte und der Zellen- theorie. Wie die vergleichende Anatomie urjprünglich davon ausgieng, den Bau des Menichen mit den Thieren der zunächft auf ven Mienfchen folgenden Abteilungen zu vergleichen, und dadurch gewiffermaßen an- veutete, was als vergleichbar anzufehen fei, fo hatte doch die Linne'iche Anortnung des Thierreichs die Ariftoteliiche Eintheilung fo weit in den Hintergrumd gebrängt, daß man höchftens (nach dem fo verbreiteten Misverftändnig) die Injecten und Würmer als weißblütige Thiere zu ⸗ fammenfaßte. Es wurde oben hervorgehoben, daß es zuerft Batſch war, welcher eine Bereinigung der vier obern Glaffen Linne's unter dem Namen Knochenthiere vornahm. Dieſer Schritt fand aber kaum irgend welche Beachtung. Euvier zählt noch 1798 in feinem Tableau el&men- taire die Wirbelthierclaffen einzeln auf und trennt nur bie von ihm ausdrüdlich als weißblütige eingeführten niederen Thiere in die Ab- theilungen ver Mollusten, der Infecten und Würmer und der Zoopbyr ten, an erfter Stelle die Form und Anwejenheit des Herzens, an zweiter bie des Nervenfyftems berüdfichtigenn. Eine indirecte Beranlaffung zu einer fchärferen Hervorhebung des Typiſchen der verjcjiedenen Claſſen gab Lamard 1797 dadurch, daß er die weißblutigen Thiere als „Wirbellofe* den Thieren mit Wirbeln gegenüberftellte, welche Aus- ⸗ brüde (a vertöbres und sans vertöbres) von ihm herrühren, und daß er eine Abtheilung als Strahlthiere von den Polypen ſchied. So häufig auch fein Name mit der Aufftellung und Begründung ber Typen in Verbindung gebracht wird, fo find doch die beiden angeführten Momente bie einzigen, auf welche fich diejes Verdienſt etwa gründen ließe. su ' ber im Jahre 1809 erjchienenen zoologifchen Philojophie theilt er das Thierreich in vierzehn Claſſen und ſechs Stufen, welche aber nicht auf Une tiftgkägäittenen Erfenntniß und weiteren Yuffaffung ı der Pe - chen Form beruhn, fondern nur im Allgemeinen nach Theilungsgrüns ben, bie dem Bau entnommen find, umd zwar meift nach Cuvier's Angaben gefennzeichnet werden. So charakterifirt er z. B. die zweite Stufe, welche die Strahlthiere (Echinodermen) und Würmer umfaßt dadurch, daß fie feinen Yängsganglienftrang und feine Blutgefäße, da⸗ gegen aber „einige andere innere Organe aufer denen der Verdauung“ befigen. Er war überhaupt nur wenig Anatom, befaß aber einen großen Formenfinn und fpäter bedeutende Formenkenntniſſe. Baptifte Pierre Antoine de Monet, fpäter Chevalier de Lamard genannt, war der Sohn eines Herrn Pierre de Monet, und 174 in einem Dorfe der Picardie geboren. Er trat 1760 in die Armee ein; — nach dem Frieden in Garniſon in Monaco gelegen erhielt ex eine Hals verlegung, welche feine Rücklehr nach Paris und eine Operation —— 2 machte. Hierdurch aus feiner Laufbahn geriffen mußte er fich mit einer = jehr Heinen Penſion lümmerlich behelfen und einen andern Beruf er- e greifen. Er fuchte Medicin zu ftudiren, arbeitete aber daneben in einem Bankyaufe. Schon von Monaco her mit Vorliebe die Pflanzen ber — obachtend, überraſchte er 1778 das Publikum mit feiner dreibändigen franzöfifhen Flora. Er wurde darauf 1779 Mitglied der Akademie und befchäftigte fich von da an vorwiegend mit Botanik, aber auch mit allgemeiner Chemie und Phyfit, ohne je Experimente zu machen und natürlich in Oppofition gegen Yavoifier und die ganze moderne u e ja er gab fogar noch 1799 bis 1810 jährlich einen Almanach heraus, ; deſſen meteorologifche Prophezeiungen niemals eintrafen. Da er ftts hatte -für die Buchhändler arbeiten müffen und er immer in gevrüdter Lage war, fuchte ihm Buffon's Nachfolger Labillardiere eine Stelle als | | Euftos des Herbariums zu erwirten, ftieß aber auf heftige Oppofition. Endlich erhielt Lamarck 1793 bei ver Reorganifation des Mufeums am Pflanzengarten die übrig bleibende Profeffur für die Linne’fchen In: fecten und Würmer. Bon diejen kannte er nur einige Mollustenfchalen, über die er fich oft mit Bruguieres unterhalten und von benen er fih eine Heine Sammlung gebildet hatte. Mit Energie warf er fih aber nun auf Zoologie, in welcher er fich durch fein Syſtem ver wirbellofen Phi - 618 Periode der Morphologie. Re . Thiere, ſowie durch die Bearbeitung der foſſilen Weichthierrefte ala ber deutender Formenlenner eine rühmliche Stellung erarbeitet hat. Er fiarb 1829. Dem von Lamard gegebenen Winte, Thiere nach vem Borhandenfein oder Fehlen von Wirbeln zufammenzufaffen, folgte &. Eupier zumächft dadurch, daf er die vier höhern Claſſen Yinne's als mit Wirbeln verjehen, zu ver Abtheilung der Wirbelthiere vereinigte. Er that alfo zuerft den Schritt, den ſchon Batſch gethan hatte (in den Borlefungen über vergleichente Anatomie, Br. 1. 1800. ©. 65) um zwar in ber Abficht, dadurch einen Bauplan zu bezeichnen, während es Lamard nur auf die Unterfcheidung angelommen war2), Es folgte dann im Jahre 1812 ver wichtige Auffag über eine vorzunehmenbe neue Berbindung ver Thierclaffen 2). Es wird hier von Cuvier wieder mit Bewußtſein, und zwar jet mit Recht, ausgefprochen, daß bie Ein, theilungsart des Thierreichs ver Hürzefte Ausprud für bie Summe ver Kenntniffe fein müffe, daß alfo ferner auch die Einzelnbeiten der Orga nifation fich in den Gruppenbezeichnungen eingeichloffen erfennen laffen müffen. Als Grund des Hauptfehlers, welcher ven frühern Eintheilun- _ gen anhieng bezeichnet er num auch völlig richtig Die Ungleichwerthigteit der fogenannten Claffen und hebt darauf bezüglich hervor, daß feine frühere Claſſe· der Mollusten beinahe der ganzen Reihe ver Wirbel: thiere entſpreche. Vorzüglich unter Berüdfichtigung des Nervenfyftems, welches ihm wie erwähnt bie Geftalt des ganzen Thieres zu beherrfchen ſcheint, verbindet er nun bie einzelnen Claſſen zu größern natürlichen Gruppen und findet, daß es im Thierreiche vier Hauptzweige ober Hauptformen oder „allgemeine Pläne gebe, nach denen bie zugehörigen Thiere mobellirt zu fein fcheinen und deren einzelne Unterabtheilumgen, — — mn 21) In bem Systeme des animaux sans vertöbres, Paris, 1804, p. 6 (au® bem 1800 gehaltenen Eröffnungsbiscure) jagt er: Tous les animaux connus peu- vent donc &tre distingues d’une maniere remarquable |. en animaux A ver- töbres, 2. en animaux sans vertöbres. Auch die in berPhilosophie zoologique, 1809. T. I. p. 277 gegeberie Eintheilung im fech® Stufen, von benen zwei bie Wir- belthiere umfaffen, if ber Erfaffung ber Typen völlig fern. | 2) ‚‚Sur un nouveau rapprochement ä 6tablir entre les classes qui com- posent le r&gne animal.‘ in: Ann. du Museum d’hist. nat. Tom. XIX. 1812. p- 73. wie dieſelben auch von den Naturforfchern — werden — = nur leichte, auf die Entwickelung oder das Hinzutreten einiger Theile gegründete Mobificationen find, in denen aber an der Wejenheit des Planes nichts geändert ift.“ Auch fagt Cuvier ausdrücklich, daß die einzelnen Claſſen dieſer Hauptzweige neben einander ftehn, ohne eine Reihe zu bilden und ohne eine beftimmte Stellung über oder unter ein- = ander zu haben. Diefe vier Baupläne find nach Euvier die Wirbelthiere, die Molluslen, die Gliederthiere (zu denen er außer den brei Arthror podenclaſſen als vierte noch die von Lamard mit dem Namen der Anne - liden bezeichnete Gruppe der rothblütigen Würmer bringt) und die Zoophyten oder Strahlthiere. Zu letterem Typus rechnet er noch die Eingeweidewürmer (den Ausorud vermes intestini Linne's nun in neuer Bedeutung faſſend) und bie Infuforien. Gegenüber biefer ſchar · fen Bezeichnung des Wejens und ver Grenzen eines folchen Grund ⸗ plans bei Euvier braucht nur darauf aufmerffam gemacht zu werben, daß bei Lamard die wirbelfofen Thiere in fieben Claffen getheilt werden, welche mit den vier Wirbeltpierclaffen jene elf Claſſen bilden, in welche. nach ihm das ganze Thierreich zu theilen ift. (Systeme ete. 1801. p. 35); es ift dabei von einem Plan oder Typus nicht die Rede; uch bilven dieſe Claſſen eine Reihe, welche im Verhältniß zur fortfchreiten ven Vereinfachung des Baues fteht. Hervorzuheben ift aber, daß La - mard zum erftenmale den Weg einfchlägt, vom Einfachen zum Bufapı | mengejegten aufzufteigen. Obgleich im Grunde von nur formellem Belange verdient es Doch 2 bemerkt zu werben, daß der fpäter fo geläufig gewordene Ausbrud Typus von Blainville eingeführt wurde. Derjelbe gab 1816 die Grundzüge einer neuen Claffification des Thierreichs, worin (außer dem früher ſchon gebrauchten Ausdruck Strahlthiere) zum erftenmale die Geſammigeſtalt der Thiere zur Charakterifirung größerer Abtheilungen benutzt wurde. Blainville theilt zumächft ſämmtliche Thiere in die drei ax Unterreihe: die Zygo- oder Artiomorpha, die neuerdings feitih fyimmetrifch genannten , die Actinomorpha, die Strahlthiere, und die Amorpha ober Heteromorpha, Thiere ohne regelmäßige Form. Das 2; erſte Unterveich zerfällt nun in die beiden Typen der Kuochenthiere und K 616 i Periode der Morphologie. - vs Anochenlojen,, das zweite in die ver geglieverten und umgeglieberten Strahlthiere ; zum legten gehören nur bie beiden in feinem Typus ver einten Elaffen ver Schwämme und Infuforien. Die ungegliederten Strahithiere find nach Blainville in ihrer Stellung zweifelhaft , deshalb bringt er fie nochmals als fußloje Formen bei ven Entomozoen unter. Blainville hat bei diefer Anordnung doch eine Art von Reihe ober ver- ſchiedene Grade der Berwandtichaft im Sinne gehabt, er erflärt, daß bie Amorphozoen den Strahlthieren nicht fo nahe ftehn, als viefe ven ſeillich ſymmetriſchen Thieren. — Es ift bezeichnend für bie rein ber ſchreibende Art der Bergleichung, welche Medel amwandte, daß er nur die Wirbeithiere ald Typus anerlannte, während er bei der weitern Eintheilung ver Wirbellofen auf die in der Wirbellofigteit liegende ne- gative Charalteriſtil ſofort vie Elaffenunterfchieve folgen ließ, fo daß er bie Typen ver Weich- und Gliederthiere nicht annimmt. Detrachtet man bie Cuvier ſchen Typen und ihre Schilverung , fo fällt zunächft auf, daß im bie letztere nur feftftehende abgefchloffene Formenverhältniffe aufgenommen find, obme ver Biegſamleit dieſer Merkmale und damit des ganzen Typus zu gedenten. ferner wurbe bereits erwähnt, daß Euvier ausprüdlich gegen eine reihenförmige An- orbnung ber Elaffen innerhalb der Typen proteftirt ; ja, er jagt ſelbſt von den Unterabtheilungen, „daß nichts vorhanden fei, was die Stel: fung einer derjelben an den erjten Plag (primauts), über benachbarte Unterabtheilungen, rechtfertigen könne“. Die einzelnen Formen wie bie Gruppen bis hinauf zu ven Typen find für ihn eben feft gegebene Mo- mente, deren Zuftandelommen over Werben ihn nicht berührte. Zur richtigen Auffaffung ver in den Typen vereinigten Formen und ihrer gegenfeitigen Stellung, welche Euvier im Ganzen unbeftimmt läßt, fehlte aljo noch das nothwendige, fich auf die Austrudsweife des Typus in den einzelnen Gruppen beziehende Moment. Den Mangel veffelben fonnte nur ein Embryolog fühlen und erfennen. Earl Ernſt von Daer gab es 2), deffen anderweiter Einfluß fogleich noch eingehend zu 2) Weber bie Berwanbtichaftsverhältniffe ber niedern Thierformen. 7. Ab» banblung ber Beiträge zur Kenutniß ber nieberen Thiere in: Nova Acta Acad. Leop. Carol. Tom. Xill. P. Il. 1827. p. 747. . and) die Abhandlung : Ueber Er rügt mit Recht an der Art, wie Euvier die Aufftel- _ ing ver Typen begründet, daß er von den geglieverten Thieren und 2 ben Mollusten (man kann Hinzufügen von den Wirbelthieren) außer — dem Typus ihrer Organiſation auch einen gewiſſen Grad der Ausbil- bung verlangt, eine Forderung, die man nur an bie einzelnen Claffen machen ſollte.“ Sehr richtig fügt er hinzu: „die Folge davon ift, daß alle niedrig organifirten Thiere der ftrahligen Form anheim fallen, ob- ‚gleich viele keineswegs ftrahlig gebaut find.“ von Baer ftellt nun die feitbem immer allgemeiner anerkannte und in der neneften Zeit eine noch größere Bedeutung erhaltende Forderung, daß man die verſchie⸗ denen Organifationstypen von den verſchiedenen Stufen der Ausbil- dung ftets unterfcheiden müffe. Diejen wichtigen, die Entwidelung der thierifchen Morphologie wefentlich fördernven Sat gründet von Baer auf folgende, die Bebeutung der Typen eigentlich zum erftenmale ſcharf präcifirende Betrachtungen. Alle Berrichtungen des volffommmen thierifchen Körpers geben zufammen das Yeben. Aber die gleichförmige. Gallertfubftang eines niederften Thieres lebt gleichfalls in verfelben Fülle der VBerrichtungen ; dieſelben gehen an ihr ſämmtlich gleichfam gemeinfchaftlich vor fi. Die erhöhte Entwidelung des thierifchen Körpers befteht num in der größeren Scheidung und mehr entwidelten Selbftänpigkeit diefer Verrichtungen, mit welcher auch eine größere Differenzirung des Körpers in organische Syfteme und biefer Syſteme in einzelne mehr individualiſirte Abfchnitte verbunden ift. Die Art und — Weiſe, wie dieſe Organe des thieriſchen Körpers unter einander ver ⸗ bunden find, ift von jener Entwidelung völlig unabhängig, und biefe Art der Verbindung ver einzelnen Theile ift das, was wir Topus nennen. Jeder Typus kann in höheren und niederen Stufen fih offenbaren; denn Typus und Entwidelungsftufe zugleich determiniven erſt bie einzelne Form. Das gibt alfo Entwidelungsftufen für jeden Tppus, bie hier und da allerdings ziemliche Reihen bilven , doch nicht = in ununterbrochener Folge der Entwidelung und nie durch alle Stufen Ku das gegemfeitige Verhältniß der verſchiedenen bleibenden Thierformen, in feinem } E E Werte Ueber Entwidelungegeidichte der Thiere. Bb. 1. 1828. ©. 206. “ 618 Periode der Morpbolegie. derſelben gleihmäkig." Das lektere wurke aus der fo auferorbentlich einflußreichen Arbeit wörtlich mitgetheilt um zu zeigen, wie felbft die Keime zu den begründenden Momenten der neueften Anſchauung von der Art der Berwanbtfchaftsverbältniffe im Thierreiche auf fie zurüd- geführt werben können. Die in Beifpielen wenigftens angebentete Ausführung feiner Anficht ift zwar in mehrfacher Hinficht noch immer äußerft werthvoll; fie ftand aber natürlich unter dem Einfluffe ver damals beichränkteren Kenntniß vom Bau und vor Allem von ber Entwidelung der nievern Thiere. von Baer nimmt vier Typen an, fagt aber vorfichtig, daß ſich nur vier Typen zu offenbaren ſcheinen; den Tppus der in bie Fänge gezogenen, geglieberten Thiere, den Typus der Strablenförmigen, den Typus der Mollusten, den er den maffigen nennt, und ven Typus der Wirbelthiere. „Die legteren vereinigen ben gegliederten und Mollustentypus in fi, im ihren animalifchen und vegetativen Organen.” Eine eigenthümliche VBerleugnung feines eben aufgeitellten Princips fcheint es zu fein, wenn von Baer zwifchen den Grundtypen noch verfchiedene Formen annimmt, welche entweber mit ihrem Typus zwifchen zwei Haupttypen in der Mitte ftehen oder in ver einen Hälfte des Thiers nad) dem einen, in der andern Hälfte nach einem andern Typus geformt find. Bildet nämlich die Art ver Ber: bindung ber einzelnen Organe zuſammen mit der ganzen Körpergeftalt bes Thieres (welches legtere von Baer in der Bezeichnung feiner Typen anerkennt) das Weſen des Typus, fo kann nicht beifpielsweife in einem Thiere die eine Hälfte mit ven Organen nad) Art des maffigen Typus zufammengepadt erjcheinen, während die andere fich etwa ſtrah⸗ lig orbnet. Dan wird einwenven wollen, daß derartige Uebergänge nur zwifchen gewiffen Typen auftreten fönnen. Dann hätte aber jene An» nahme eine principielle und wie es jcheint den Gedanken einer Reihe ein» ſchließende Beſchränkung erfahren müffen. Es weifen übrigens bie von von Baer gewählten Beifpiele auf die Quelle hin, der diefe Auffaffung von Zwifchentypen entjprungen ift; es ift dies bie nicht gehörig ge⸗ fiherte Umgrenzung der Haupttypen theils in Folge des Mangels an ausgiebigen anatomifchen , — aber und vorzüglich an embgyologi- ſchen Nachweiſen. Ausbildung fofort ermöglichte. Noch waren aber die wichtigften Vor arbeiten für bie eine Hälfte ver num beftimmt vorgezeichneten Aufgabe, ‚der vergleichenden Anatomie wie aller übrigen Zweige der Zoologie, nur kaum begonnen. Die Entwidelungsgefchichte war faft noch zu ‚gründen. Und bies ift das Feld, auf vem von Baer’s Name wir derum hellleuchtend entgegenftrablt. Enlwichelungsgeſchichte. Die Veränderungen, welche die Thiere von ihrer Geburt an bie zur Reife durchlaufen, hatten für die Yehre vom Leben befonvere Auf ⸗ ſchlüſſe zu geben verſprochen. Bon den conftitutionellen Verfchieven ‚heiten , welche die Lebensalter des Menjchen darbieten, war man aus: - gegangen umd hatte zunächſt die Veränderungen einzelner Organe Mit — ———— Arbeit über — Zoologie, | (che in der erften Hälfte viefes Jahrhunderts erjchienen ift, war denn nun nicht bloß die Lehre von den Typen ſicher gegründet, ſondern vor ‚Allem in eine Form gebracht, welche die directe Nugung und weitere während jener beobachtet. Auffallende Metamorphofen, wie die er Infekten, waren aber gleichfalls unterſucht, ihr conftantes Berhältuig zu gewiffen Formenkreiſen nachgewiefen worden. Ein näheres Ein gehen auf die urfprüngliche Anlage im Ei und fpätere Entfaltung ein zelner anatomiſcher Syſteme wurde dann vorzüglich durch das Dunkel a veranlaft, von welchem ver allmäpliche Aufbau des menfchlichen Kir ⸗ 2 pers und befonders die Bildung des menjchlichen Eies umgeben war. ae Kerr, “ a ee gi ea 3 2 Ve RE ee ee —* Die Unterfuhungen von Haller, Woiff an bis zu Ofen, Bojanus und ' Andern aus jener Zeit betrafen befonders die Veränderungen der ir perform und von Einzelnheiten die Bildungsgefchichte des Herzens und der großen Gefäße, des Darms und der Betheiligung dev Dotterblafe an derſelben, fowie die verfchiedenen Eihüllen und anderes Aehnliche 3 Die Phyfiologie Hatte dabei in ähnlicher Weife wie aus dev vergleichen: — den Anatomie fo aus dev Vergleichung der verſchiedenen Entwickelungs ⸗ zuftände eines umd defjelben Organs im Individuum und der Ent = widelung verſchiedener Thiere beſondern Vortheil ziehn zu finmen ‚gehofft und fieng an, embryologijche Arbeiten in den Kreis ihrer Thä— tigteit zu bringen. Es zeigte ſich aber bald, BR widelungsgefchichte neben ven Momenten, welche das Zuftanbelommen ber Lebenserfcheinungen erklärten oder zu erklären fuchten und welche vorzugsweife dynamiſcher Art waren, faft ganz unvermittelt daftanden, daß aber die vergleichente Anatomie felbft unerwartete Aufllärungen aus ihnen ſchöpfen fonmte. Hiernach beftimmte ſich bie Richtung, welche bei ver Bearbeitung der Entwidelungsgefchichte eingefchlagen wurde, beinahe von felbft in ver Weife, daß vorwaltend anfangs einpi⸗ rifche Verhältniffe über das Auftreten einzelner anatomifcher Syſteme und Organe in beftimmten Thiergruppen Mar geftellt wurden und daß fich hieran einerfeits die Unterfuchungen über bie Entwidelung derſelben Syfteme durch größere Thierreihen und enbfich ſolche über den gemein« famen, ber ganzen Entwidelung in diefen Reihen zu Grunde liegenden Plan ſchloſſen. Als nothwendiges Complement fiel dann noch der’ legten Unterfuchungsreihe der Ausgangspumft aller Entwidelung, das Ei felbft, zu, deflen Natur, Beichaffenheit und Zufammenhang nach⸗ gewiefen werben mufte, um tann fpäter in Verbindung mit der Zellen« lehre den Schlußftein in die Yehre von der einheitlichen Zufammenfegung. aller Thiere zu fügen. Zunächft waren es die Wirbelthiere, befonders die Säugethiere, deren Embryonen und Eihülfen man unterfuchte, um die betreffenven noch immer in fehr wiberfprechender Weiſe geſchilderten Berhältniffe beim Menſchen aufzutlären, während das feichter zugängliche Hühnchen Auffchlüffe über die allmählichen Kormveränderungen des Körpers und einzelner Theile zu geben hatte. Aus einer Reihe von Abbildungen, wie fie Everard Home in feinen Borlefungen von der Entwidelung bes legtern mittheilt, war freilich nicht viel mehr zu erfehn, als daß ver junge Vogel allmählich am Größe zunimmt. Daneben erſchienen aber wichtige Einzelvarftellungen ; fo unterfuchte Ofen das Ei ber Säuge⸗ thiere, und obgleich er manches entjchieden falſch deutete, jo bildete doch feine Arbeit in mehr als einer Beziehung den Wendepunkt in dieſem Gebiete und feflelte das Intereffe einer großen Zahl von Forjchern an biefe Aufgabe. Es können von diejen nur diejenigen erwähnt werben, welche auch allgemeinere Bergleihungen berüdjichtigten. Unterſuchun⸗ über Gifien ———— wie ſolche von Döllinger und Se nel, von Dutrodet, Euvier, W. Hunter, Alefjandrini ug. veröffentlicht wurden, galten vorzüglich dem äußern Verhalten der an der Bildung ver Eihüllen betheiligten Membranen. An bie lange Zeit für ftreitig gehaltene Frage von dem Vorhandenſein einer ‚Nabel- oder Dotterblaje beim Menſchen, welche jedoch ſchon W. Hunter abgebildet hatte (1802), ſchloſſen fich die weiteren Unterfuchungen über die Bildung des Darmes aus der Dotterblafe, welche bejonders von Dien aufgenommen, von Emmert (mit Burgägky und mit Hoch- ftetter), von Bojanus weitergeführt und auch in der fofort zu er wähnenden Arbeit vom Grafen von Trederm eingehend berüdfichtigt wurde. Einzelnheiten der individuellen Entwidelung des höhern Wir · beithierförpers behandelnd erjchienen die Unterfuchungen über die int: widelung des Gehirns von Tiedemann und von Medel, 8 Auges von Kiefer, der Wolff'jchen Körper von Rofenmüller (1802), Oken (1806, nad) ihm nannte Jakobſon fpäter die Primor- blafnieren Olen’iche Körper) und 9. Fr. Medel (1815, mtI.E Müller). Aus dem doppelten Urjprunge der Aorta ſchloß Medelde reits 1811 auf das vermuthlich frühe Vorhandenfein ver Kiemenbogen auch bei den luftathmenden Wirbelthieren. Die Bildung des Gefichtes, der Mund⸗ und Najenöffnungen unterfuchte in äußerjt genauer Weiſe der genannte Graf Ludwig Sebaftian von Tredern 2?) und gabvon ben Entwicelungsveränderungen ver betreffenden Theile vorzüglihe Abbildungen in feiner Promotionsfchrift. Be Aber erft mit dem Jahre 1817 beginnt die eigentliche Entwicer fungsgefchichte der Wirbelthiere mit dem Erxjcheinen von Ehriftian Heinrih Pander’s Unterfuhungen. Diefelben wurden zuerft la— teinifch als Doctordiffertation, dann als felbftändige deutſche, mit Ab- %) Diss. inaug. med. sist. ovi avium historiae et incubationis prodro- — mum. Jenae, 4808. 40. Der Verfaſſer, welcher fih Esthonia-Rossus nennt, über deſſen Leben und Schidjale aber weiter nichts befannt ift, gibt hier einen Aus» | zug aus einer größern Unterſuchungsreihe, welche er befonders in Göttingen unter Blumenbach angeftellt hatte. Das ausführliche Buch, auf welches er verweilt, Ai nicht erichienen. bildungen verſehene Schrift veröffentlicht ; außerdem wurden dann noch von Bander zu einzelnen Abfchnitten in der is (1818, ©, 512) er⸗ fäuternde Bemerkungen (durch Olen's Kritik veranlaßt) fowie fchema- tifche Zeichnungen gegeben. Veranlaßt wurden die Unterfuchungen durch Döllinger, welcher gegen ven unter feiner Leitung mit z00to« mifchen Arbeiten befchäftigten C. E. von Baer äußerte, es wäre außerſt wünjcenswerth , daß ſich ein junger Mann finde, welcher die Entwidelung des Hühnchens von Stunde zu Stunde der Bebrütung forgfältig verfolge. Bon Baer fand feinen Landsmann Pander hierzu bereit 2). Der ältere d'Alton übernahm es, ſich im bie Unterfuchung einzuarbeiten, um die bilvliche Darftellung des Gefundenen geben zu fönnen. So entftand eine Arbeit, welche zwar an einzelnes von Wolff Geſehene anknüpfte, aber doch in der ganzen Auffaffung jo neu war und folche Umwälzungen in ven bis dahin verbreiteten Vorftellungen bervorrief, daß ſelbſt ein mit embryologiſchen Unterfuhungen doc) ver« trauter Mann, wie es Ofen war, in der oben ſchon angeführten Ber fprechung der Sache nicht recht trauen wollte. Durch Paunder's Unter- fuchungen wurde zuerft die Bildungsweie des VBogellörpers aus brei Blättern, in welche fich die Keimhaut ſcheidet, nachgewiejen und ber eigenthümliche Gang der Modification eines jeden derfelben wenigftens angedeutet. So überaus werthvoll Pander's Arbeit war als erfter Nachweis einer von Wolff höchftens geahnten Bildungsweife des Bogel- fürpers,, fo erlangte die in derſelben niedergelegte Lehre doch erft durch die Ausführungen und Erweiterungen, welche ihr C. €. von Baer gab, jo wie durch ihre theoretifchen Berwerthungen durch denjelben ihre eigentliche Bedeutung umd ihren großen Einfluß. Carl Ernft von Baer, geboren am 28. Februar 1792 in Piep in Ehftland, ſtudirte 3) EChrifian Heinrih Bander wurde 1794 in Riga geboren, flubirte - in Jena und Würzburg, begleitete 1820 die ruſſiſche Geſaudtſchaft nach Bolhara unter Negri als „Naturkünbiger‘, wurde 1822 Adjunet, 1823 Mitglied der Beters- burger Aiademie fir das Fach der Zoologie, erbat ſich aber ſchon 1828 feine Ent- laffung. Nachdem er von 1821 am mit bem ältern d'Alton die vergleichende Kuochen⸗ ichre Durd) practeolle Darflellungen bereichert hatte, wandte er ſich fpäter bet Geologie und Paläontologie zu. Er farb 1865. 110m in Dorpat, wo er Burdach's Zuhörer war, wurde 1814 I dafelbft Doctor, gieng darauf nach Wien und 1815 nah Würzburg, um bei Dölfinger vergleichende Anatomie zu treiben. An legterem Orte war er noch Zeuge der von Pander begonnenen Unterſuchungen über die Entwickelung des Hühnchens. Nachdem er den Winter 1816 zu 1817 in Berlin zugebracht hatte, trat er im Sommer 1817 die Stelle als Profector an der unter Burdach's Leitung neu gegründeten anato- miſchen Anftalt in Königsberg an, wurde daſelbſt 1819 außerordent- licher und 1822 ordentlicher Brofejfor der Naturgefchichte, befonders ver Zoologie 2%) an Stelle Schweigger's. Nach einem vorübergehenden Aufenthalte in Petersburg im 1830 fiedelte von Baer 1834 ganz dahin über, wo er Mitglied der Akademie ver Wifjenjchaften geworden war. Detst genießt er nach einer äußerſt erfolgreichen Thätigleit auf dem Ge- biete der Evolutionslehre die Ruhe des durch Feine ſchweren Involu- tionszuftänbe getrübten Alters an dem Orte feines einftigen wifjen- ichaftlichen Ausgangs, in Dorpat. Pander hatte in Umriffen gezeigt, wie die Körperform des Hühnchens fich allmählich aus der platten Keimſcheibe entwidelt und wie die Spaltung derjelben in die drei Blät- ter der erfte eimleitende Schritt hierzu ift. von Baer dehnte bie embryologifchen Unterfuchungen nicht bloß auf die übrigen Wirbel ' thierelaffen aus, ſondern wies auch ſofort, das Gefegmäßige des Ent- widelungsvorgangs überhaupt betonend, auf die mehrfachen Sonderum ⸗· gen hin, welche am Keime auftreten. Die Spaltung des Keimes in Blätter als primäre Sonderung bezeichnend erfaßte er die genetifche Bedeutung des Materiald nach den beiden Richtungen hin, welche in : den folgenden Sahren fo fruchtbar an Nefultaten wurden, indem er neben der morphologifchen Sonberung auch auf die hiftiologifche Son ⸗⸗ derung in den Embryonalanlagen aufmerkſam machte. In Bezug auf die erftere ift es von befonderer Wichtigkeit, daß von Baer zeigte, wie %) Bon den unter feiner Anregung ausgeführten Arbeiten fei hier erwähnt: Leo, Anatomie des Negenwurms, 1820, Reuter, Säugethier- und Bogelzunge, 1820, Richter, zur Anatomie des Kamels, 1824, Koh, Maulwurfsange, 1828, Neumann, Eileiter der Mufcheln, 1827, Berlad, Schwimmblafe der Eile, 1834, Buromw, Blutgefäße der Fröſche, 1834, u. U. die Blätter des Keims fich zur Bildung der beiden im Wirbefthierlörper vorhandenen Röhren, dem Nerven- und Darmrohre, eigenthümlich umgeftalten, wie dann am dieſen Gentraltheilen durch Entwidelung einzelner Abfchnitte die Reihe jener individuellen Formen auftritt, welche in fpäterer Zeit befondere Verrichtungen haben, aber doch nur untergeordnete Glieder der Gefammtjunction des ganzen Fundamental ⸗ ober Primitivorgans find. von Baer wies bierbei nach, wie an bem fich in Hirn und Rüdenmark fondernden Nervenrohre die Sinnesorgane ſich als Ausftälpungen, an dem fich in Mundhöhle, Munddarm, Mit teldarın und Euddarm jondernden Darmrohre ber Athmungsapparat, bie Yeber, die Allantois durch vermehrtes Wachsthum an einzelnen Stellen deſſelben entwideln. Bor Allem find die ans ber Entwidelungs- geichichte der einzelnen Claſſen gefolgerten allgemeinen Betrachtungen über die Morphologie der Wirbelthiere von der größten Bedeutung, da bier zum erſtenmale der Wirbelthiertypus genetisch erfaßt und von biefem Sefichtspunfte aus eingehend dargeftellt wurde. Bon biefen außer⸗ ordentlich fruchtbaren Unterfuchungen ſei hier nur noch hervorgehoben, baß von Baer bereits ganz ausprüdlich auf dem Unterjchieb in der Entwidelung zwifchen den böhern und niedern Wirbelthieren binweift und auf das Fehlen des Amnios und der Allantois fowie auf den an Stelle der letzteren auftretenden äußern Athmungsvorgang in ben Kiemen bei den letzteren aufmerkjam macht; er begründet aljo bie Stel- fung ber beiden großen Gruppen genau in der Weife, wie es erft neuer» dings allgemein eingeführt zu werben beginnt. Wierferner von Baer in die Betrachtungsweife des Wirbelthierlörpers den Begriff des mor- phologijchen Elements (3. B. für die aufeinanderfolgenden Abfchnitte bes Knochen-, Muskel» und Nervenfyftems) einführt, jo nimmt er auch urſprũnglich gleiche hiſtiologiſche Elemente an, welche bei der, mit ber primären und morphologifchen Sonderung parallel gehenden hiſtiolo⸗ giſchen Sonderung ſich in die verfchiedenen Gewebe des Thierlörpers verwandeln. Er war dabei der modernen Auffaffung der Elementar- theile in fofern näher als ver Schwann’ichen Lehre, als er fih von einer Zurüdführung der verfchiedenen Erfheinungsformen jener auf eine fchematifirte Grundform fern hielt. Indeß fehlte ihm noch ber chweis bei genetifchen Gontimuität ber Elementartheile , wenn — — auch in Bezug hierauf eine Reihe werthvoller Beobachtungen machte, ee wovon ſehr bald die Rede fein wird. — a Der feit Anfang diefes Jahrhunderts erwachte Eifer für Entwide- ⸗ lungsgeſchichte und die fich von diefer aus eröffnenden Einblide in das . = Geſetzmäßige des thierifchen Baues riefen gleichzeitig mit von Baer die Thätigfeit eines Mannes hervor, welcher beſonders für die Morphe-r fogie der Wirbelthiere, aber nicht bloß für viefe von bahnbrehender Bedeutung geworden ift. Martin Heinrich Rathlewaramd. Auguft 1793 in Danzig geboren, ftudirte von 1814 bis 1817 in Gt: fingen, gieng dann nach Berlin und promovirte hier im folgenden Jahre. Nachdem er mehrere Jahre in feiner Vaterſtadt prafticirt und daneben eifrigft in Entwidelungsgefchichte und vergleihender Anatomie gear- beitet hatte, folgte ev 1829 einem Rufe nach Dorpat als Profeffor er Anatomie, kehrte jedoch ſchon 1835 nach Königsberg zurüd, uman von Baer’s Stelle die Profeffur der Zoologie und Anatomie anzutreten. Er ftarb Hier am 15. September 1860, an dem Tage, an dem er bie N: fich in Königsberg verfammelnden Naturforjcher Deutjchlands begrüßen jollte. Rathte'8 Arbeiten find deshalb jo wichtig geworben, weil fie einmal mit vollem Verſtändniß der vorliegenden Aufgaben ausgeführt wurden, und dann, weil fie nicht bloß zufammenhanglofes Materie darbieten, ſondern die Thatfachen fofort verarbeitet ſchildern. It man auch fpäter in Bezug auf einzelnes Thatjächliche weiter gefommen, ff zeichnete Rathle doch faft überall, wo er unterfuchte, die Bahn vor. In feinen zahlreichen Einzelnarbeiten gründet er die morphologiſche un ⸗ terfuchung der Thiere planmäßig auf deren Entwidelungsgefhichte, Die Embryologie und vergleichende Anatomie der Wirbelthiere jpeciell dankt ihm mehrere jehr wichtige Nachweiſe, jo die Erfenntniß der Br deutung der von ihm jo genannten Wolff ſchen Körper, das Vorhanden⸗ 2 jein von Schlunpfpalten bei den Embryonen auch der höheren, luft— atbmenden Wirbelthiere, wie er auch die Entwidelungsgejhichte und Anatomie der Fifche durch Unterfuchung mehrerer befonders intereffan- ⸗ — ter Formen bereichert hat. An dieſe zum Theil ſchon während jenes Aufenthalts in Danzig begonnenen oder vollendeten Arbeiten veihen B. Carus, Geſch. d. Zool. 40 626 Beriöbe der Morphologie. fich fpätere, durch welche ver Kreis der von ihm auf Entwidelung un terfuchten Wirbelthiere volljtändig wirt. Mit der Entwidelungsge- ſchichte der Natter, ver Schilofröten und ver Kerokodile ſchloß er nad biefer Seite das durchforſchte Gebiet ab. — In der Entwidelungsgefchichte ber Wirbeithiere führten zunächft die Arbeiten Job. Müller's über bie Genitalorgane und über die Drüfen weiter, während die Entvedung ber Kiemenbogen von Emil Hufchte und von Baer beftätigt und erweitert wurde. Für Wirbellofe fehlten noch Arbeiten, welche vie Be⸗ theifigung des Dotters und das Verhalten des Keims in ähnlicher Weife aufllärten, wie Bander's Unterſuchungen Licht auf die Art ber Wirbel thieranlage zu werfen begonnen hatte. Rathle hat num zwar nicht ganz jo ausgedehnte, aber darum nicht minder wichtige Unterfuchungen auch über die Entwidelungsgefchichte der Wirbellofen, befonders der Glieder» tbiere, angeftellt. Das fchon früher über die Berwandlung der Schmet- terfinge Bekannte hatte allerdings 1815 Herold ?) etiwas weiter ger führt, indem er bie Umgeftaltungen einzelner Organe während bes Larvenlebens verfolgte. Indeß hatte derſelbe durch feine Unterſuchun⸗ gen über die Entwidelung des Spinneneies (1824) trog des großen auf die Arbeit verwandten Aufwandes eigentlich nichts weiter ſicher geftelit, als daß der Embryo eine andere Yage gegen den Dotter hat, als der Embryo ver Wirbeithiere. Merkwürdige Formweränderungen während der Entwidelung niederer Krufter waren durch 2. Jurine (1820) belannt geworben. Dieſen Einzelnerfahrungen gegenüber tritt auch bier Rathle mit feinem Werte über die Entwidelung des Fluß⸗ frebfes (1829) gruntlegend auf. Durch Ausdehnung der Unterfuchung auf andere, befonders nievere Seruftenthiere wurde er ferner auf den für die gemetifche Betrachtung der Gliederthiere jo fruchtbaren Gevanten der rüdjchreitenden Metamorphofe geführt, welcher allerbings für das Berftändniß der betreffenden Verbältniffe nur ein Durchgangsmoment ift, aber zur Weiterführung deffelben wejentliche Dienfte geleftet Hat. Die Entwidelungsgefchichte anderer Formen von wirbellofen 7) Joh. Mor. Dav. Herold, geb. 1790 in Ilmenau, flubirte in dena wurde Ptoſector in Jena, 1922 Proſeſſor in Marburg, wo er 1962 farb. | Thi = war gleichfalls von mehreren Forfchern he werben ; — indeß dauerte es hier verhältnißmäßig länger, ehe in gleicher Weiſe wie für die eben angeführten Elaffen das Gejegmäßige und die zuweilen wunderbare Gompfication beim Aufbau der einzelnen Typen gefunden wurde. Nachdem bereits 1815 Sal. Friebr. Stiebel die Entwider fung einzelner Gaftropoven verfolgt hatte, aus welcher daun 1825 & Rob. Edm. Grant Einzelnes (Wimpern der Embryonen) unterfuchte, gaben €. ©. Carus und von Baer die erften Umriſſe zur Embryo: fogie der Acephalen. Im Jahre 1828 ſchilderte Henri Milne@d- warbs zuerft bie merkwürdigen cercarienförmigen Jugendformen vr zufammengefegten Ascivien 2), während faft gleichzeitig €. 6. Carns Einzelnes aus der Entwidelungsgefchichte der einfachen Seeſcheiden mittheilte. Schon 1819 hatte Adelbert von Ehamifjo den wun ⸗ derbaren Wechſel der Formen in den beiden regelmäßig alternivenden Generationen der Salpen bejchrieben , ohne damit die Aufmerkjamfeit ber Forfcher zu reizen. Selbft von Baer gefteht jpäter, daß ihm - Chamifjo’s Mittheilungen ganz fremdartig erjchienen fein. Es war — num aber auch für die niedern Thiere wiederum C. E. von Baer, welcher die Einzelnunterfuchungen zufammenfafjend zuerft verſchiedene ; n Entwickelungstypen aufftellte und damit die Beziehung der Entwider -⸗ lungsgeſchichte zur Morphologie von Neuem ficher ftelite. Der bier beiprochenen Zeit gehören noch zwei weitere für bie all er: gemeine Auffaffung der Entwickelungserſcheinungen äußerſt wichtige Beobachtungsreihen an. Es galt nämlich zunächft, ven Ausgangspunt aller Entwicelung, das Ei, näher fennen zu lernen und fein Verhältnig zu den Formbeftandtheilen des entwickelten Körpers zu beftinmmen, Man kannte das Ci der Vögel, Bröfche, Fiſche, ebenfo die@ier mehrerer niedern Thiere, konnte ſich aber über die formale Bedeutung derin dem Ei vorliegenden Subftanz feine Nechenfchaft geben. Nament- - fich fehlte der Nachweis ver Gfeichartigfeit der erjten Bildung und ur · fprünglichen Form des Eies. Ueber die Entftehung des Säugethiereies machte man fich oft die wunderbarften BVorftellungen. Den wichtigften 28) Annal. d. scienc. nat, T. 45. 1828. p. 40. 40* 628 Periode der Morphologie. Schritt zur richtigen Beurtheilung des Materials, an welchem bie Ent- widelung verläuft, machte C. E. von Baer durch die Entveddung bes Eies der Säugethiere. Die von Regner de Graaf befchriebenen und ‚von ihn für die wahren Eier gehaltenen Follitel des Eierftods hatten verfchiedene Forfcher nach der Begattung berften gefehn (Kuhlmann 1750, ®. Eruitibant 1797, Brevoftund Dumas 1822, u.%.). Auch hatten Eruiffhant und Prevoft und Dumas wahrfcheinficherweife bas wahre Ei bald nach dem Austritt aus dem Follilel, fogar im Cier- ftode ſelbſt gejebn. Doch war man im Allgemeinen immer noch der Anficht zugetban, daß fich aus dem ausgetretenen Follilelinhalte erft in ben Tuben unter Einwirkung des männlichen Samens der eigentliche Keim bilde Da trat von Baer 1927 mit vem Nachweile des Eies innerhalb ves Follilels auf und zeigte damit, daß auch bei ven Säuge tbieren das Ei vorgebildet im Eierftode enthalten fei, daß alfo daſſelbe Dilcungsgeieg durch das ganze Thierreich herriche. Zur Förberung ber Kenntniß der Natur des Eies trug dann wefentlich bei, daß Joh Evang. Burkinje 1825 im Bogelei das Keimbläschen entdedt hatte; von Baer wies dann deſſen Eriften; 1527 in ven Eiern des Froſches, ver Mollusten, Würmer und Gliederthiere nah, Purkinje felbft bei ven Entogoen und Arachniden und endlich 1834 Eofte bei ven Säugethieren, was hırz darauf jelbftändig auch von Wharton Jones gefunden wurde. von Baer jelbit hatte es bier nicht ficher erlannt. Zuletzt fand dann Rudolph Wagner 1835 den Keimfled und wies jein Bortommen in den Eiern vieler Thierclaffen nach. Weitere Beiträge zur genaueren Kenntniß des Säugethiereies gaben noch Ba» fentin (in Ab. Bernhardt's Differtation, 1835) und 8. Kranfe, welcher zuerft vie Dotterhaut beichrieb (1837). Alimähfich bereitete fih die Erflärung dieſer verjchiedenen Funde vor. Bon befonderer Be- deutung war zumächft noch eine andere Entvedung, deren Wichtigkeit für die ganze Theorie des Aufbaues thierifcher Körper zwar nicht fo- fort erfannt wurde, deren Erkenntniß fogar duch Schwann’s Zellen- bilvungstheorie für kurze Zeit gehemmt wurde, welche aber bie inzwifchen erlangten Aufjchlüfje über die wahre Natur und die Zufammenfegung des Eies und feine Beziehung zu den fpäteren Sormelementen bes —— — we - Prevoft und Dumas 1824 am Frofchei ?%), an welchem dann 1834 von Baer den Vorgang eingehend unterfuchte. Rusconi fand 1836 — die Furchung bei Fifcheiern, damit zum erftenmale auch einen partielfen Furchungsproceß nachweifend. Für wirbelloje Thiere war das Vor- fommen des gleichen Procefjes nur andeutungsweife aus einigen Mit- theilungen €. H. Weber’s über ven Blutegel erſchloſſen worden, bis * 18 überraſchend vervollſtändigte, die Entdecung des — — 3 Gungsptoceif es. Die Erjceinungen deſſelben beobachtete zuerft ihn 1837 €. Th. €. von Siebold bei zahfreihen Eingeweidewür ⸗ mern deutlich beobachtete. Durch alle diefe Aufflärungen waren nun bie Grundlagen gegeben zum nähern Verſtändniß des burch bie Ent widelung fänumtlicher Thiere hindurchgehenden einheitlichen Verhaltens ber Elementartheile. Um biefelben zu einer befruchtenden Theorie ver ⸗ werthen zu Fönnen, fehlte nur noch ihre planmäßige Zufammenftellung. Diefe wurde aber erft möglich, nachdem man über die Elementartheile ſelbſt zu einer bejtimmten Anficht gelangt war. Es muß daher auch mit kurzen Worten der Entwidelung der Zellenlehre gedacht werben. Bellentheorie. Die Zuſammenſetung des Thierkörpers aus einer verhäftnißmäßig geringen Zahl gleichartiger, aber in mannichfacher Verbindung und Anordnung erfcheinender Gewebe war von Bichat gefchilvert worden. Die allmähliche weitere Verbreitung der Mikroſtope führte zu einem immer tieferen Eindringen in bie jenen Geweben zu Grunde liegenden Bildungselemente. So lange aber in Folge der Unvolltommenheit der optiſchen Hülfsmittel Trugbilder entftanden und beiſpielsweiſe faft alle mikroſtopiſchen Formbeſtandtheile aus Reihen von Kügelchen zufammens -⸗· geſetzt erfchienen, ftand natürlich die Erklärung des Gejehenen unter dem Einfluffe der erſt nach und nach als folcher erfannten derartigen | Täufhungen. Und nachdem man fpäter wirklich in den verjchievenften Theilen Fafern, Platten, Körnchen und Zellen zu erkennen gelernt hatte, fonnte der genetifche Zufammenhang diefer Formen unter einander nicht 29, Annal. d. scienc. nat. T. 2. p. 140. 830 Veriode der Morphologie. eher verfianden werben, bis die Grundform ber Entwidelung jener ganzen Reihe nachgewiejen war. von Baer hatte zwar, wie erwähnt, biftiologifche Elemente angenommen, ohne jedoch ihre Lebenserfcheinun« gen nad) Form und Leiftung fchärfer zu beftimmen,. Bei der Schilbe- rung des Pflanzenbaues war man dagegen ſchon feit langer Zeit von Zellen zu fprechen gewohnt, man kannte bie Zuſammenſetzung ber Pflanzen aus Elementartheilen, deren eigentlich lebendige Subftanz in einer Membran eingefchloffen lag und welche allgemein Zellen genannt wurden. Johannes Müller machte (1835) auf die Analogie ber - Bellen ver Chorda dorfalis mit den Pflanzenzellen aufmerffam und fügte den erfteren als gleichartige Gewebe noch vie Zellen des Glas- förpers, bie Pigmentzellen des Auges und bie Fettzellen hinzu; auch ſah derſelbe ven Kern ver Knorpelzelfen. G. Balentin fand den Kern ber Epidermiszellen ; 3. Henle verfolgte ven gefählofen,, zelligen Bau ber Epithefien, von denen bereits Burkinje einzelne Formen geichil- bert hatte. Werned erkannte den Bau ber Pinfe aus Zellen. Nach jolchen einzelnen Mittheilungen, welche fämmtlich anzuführen hier nicht ber Ort ift, war es für die weitere Ausbilpung der Lehre von ben Ele⸗ mentartheilen der thierifchen Körper von großer Bedeutung, daß für bie Lebenserſcheinungen ber Pflanzenzellen von M. 9. Schleiden im Jahre 1838 eine Theorie aufgeftellt wurde, welche vie Zelle als Ausgangspunft aller, auch der fpäter nicht zelligen Theile des Pflanzen- förpers nachwies. Es ift das Berbienft Theodor Shwann's m, nicht bloß die einzelnen Beobachtungen über thierifche Zellen gefammelt, fondern auch felbft die Entwidelung vieler Gewebe auf bie Betheiligung ber Zellen dabei unterfucht und jämmtliche Thatfachen zu einer Theorie der thierifchen Zelle vermwerthet zu haben. Er fprach 1839 aus, daß es ein gemeinfames Entwidelungsprincip für Die verfchievenften Elementar⸗ theile der Organismen gibt, und daß bie Zellenbildung biefes Ent- widelungsprincip ift.“ So richtig im Allgemeinen biefer Ausfpruch war, fo gieng Schwann boch in zwei Punkten bei feinen theovetifchen 30) geb. 1810 in Neuß bei Düffelborf, war 1834—39 Joh. Müllers Aififtent am anatomifchen Muſeum in Berlin, von 1839-1848 Profeffor in Löwen unb feitbem in Lüttich. | Pflanzen die Zellenbildung als innerhalb bereits beſtehender Zelfen vor — ſich gehend ſchildert, nimmt Schwann nicht bloß die Möglichkeit einer Zellenbildung auch außerhalb anderer Zellen an, ſondern hält dieſe Bildungsweiſe für die weitaus häufigſte. Das Grundphänomen bi der Zellenbildung iſt nach ihm folgendes: „es iſt zuerſt eine ſtructurloſe Subftanz da, welche innerhalb oder zwiſchen ſchon vorhandenen Zellen biegt. Im diefer Subftanz bilden fich nach beftimmten Gejeten Zellen,“ d. b. es entfteht zuerft das Kernförperchen, um welches fich der Kern nieberfchlägt ; und um biefen endlich bildet ſich die Zelle. Der andere Punkt betrifft die Form der Zelle, für welche Schwann das Schema aufſtellt, daß eine jede aus Membran, Inhalt und Kern mit Kernkör- perchen beftehe. Was zumächft diefe enge Umgrenzung des Begriffs ver — Zelle betrifft, jo war bereits vor Schwann (1835) durch bie von Felix Dujarbin befchriebene „Sarcode“ von niedern Thieren eine Erſchei⸗ uungsform lebender Subftanz betannt, aber allerdings nur wenig be ⸗ achtet werben, welche nicht mit dem Schwann’ichen Zellenichema in Mebereinftimmung zu bringen war. Weitere Unterfuchungen biefev Subftanz , welche vorübergehend zu einer zu einfeitigen Hervorhebung i i der Eontvactilität aller Zellen führte, bahnten allmählich der heutigen Auffaffung der Zelle als eines Protoplasmagebildes Eingang, welches, in Bezug auf feine Form in weniger enge Grenzen eingeengt als fie die Theorie wollte, fich mehr dem Begriffe eines Hiftiologifchen Elementes im Sinne C. €, von Baer's nähert, obſchon ein folches ſelbſtverſtänd⸗ fich nicht mit einer Zelle in der neuern Auffaffung zu ibentificiven ift. h Bei der Schilderung der verſchiedenen Auffaffungen des Infuforin baues wirb ber Verſuche gedacht werben, dieſe Formen im Anfchluß an ben in ben Zellen erfannten Ausgangspunkt thierifcher Entwickelung für iſolirte einzelne Zellen zu erklären. Bon gleich großer Tragweite waren bie Unterfuchungen über Zellenbildung und über den Zufammen« — hang der im entwickelten Thiere auftretenden zelligen Gewebe mit den im Ei nachweisbaren zellenähnlichen Gebilden. Bon dieſem Gefihte- punkte aus mußte natürlich der Furchungsproceß die größte Aufmer- famkeit erregen. Gleich die erſten embryologifchen Arbeiten, weiche 62 - daiode der Morphologie. nach dem Erfcheinen von Schwann’s Buche veröffentlicht wırrden, bie Entwidelungsgeichichte des Kaninchens von Theod. Ludw. Wilh. Biſchoff und des Frofches von Karl Bogisl. Reichert hoben ven genetifchen Zufammenhang ber in die Gewebe ſich umwandelnden Ein» bryonalgellen mit ven Furchungekugeln hervor. Carl Bogt fuchte zwar 1842 in ver Entwidelungsgefchichte der Geburtshelfertröte nach- zuweiſen, daß die letzteren ſich ſammtlich aufföfen und daß aus der nun gebildeten ſtructurloſen Subſtanz ſich nach Schwann's Geſetzen die Zellen bilden. Doch hat Albert Kölliker 1844 bei Gelegenheit ver Unterfuchung der Gewebeentwidelung der Cephalopoden diefe Unter⸗ brechung der genetijchen Reihe durch wiederholte Beobachtung bes Uebergangs der Furchungskugeln in Gewebezellen bei Thieren verſchie⸗ bener Claſſen als unbaltbar zurüdgewiefen und, wie Reichert, ven ununterbrochenen Zuſammenhang der zelligen formen von ber Eizelle bis zu den entwidelten Geweben im fertigen Thiere vargethan. Es war num durch die mit Schwann einen vorläufigen Abſchluß findenden hiſtiologiſchen Unterfuchungen nicht bloß einer ber wichtigften allgemeinen Grundfäge für die Beurteilung der urfprünglich gleich— artigen Structur der verjchiedenften Thiere dargelegt, es war ferner durch dieſelben nicht bloß eine mächtige Anregung für die forgfältige Verfolgung der embryologiſchen Borgänge und der dabei auftretenden, bereits von von Baer hervorgehobenen hiſtiologiſchen Differenzirung gegeben, jondern es hatte auch in ver Schwann’schen Zellenbildungs» theorie die Unterfuchung eine beftimmte Richtung erhalten. Die Be- deutung, welche die Erlenntniß des mikroſtopiſchen Baues der Organe allmählich gewonnen hatte, äußerte noch einen weiteren für die allge- meine Morphologie direct verwertäbaren Einfluß auf die ganze Betrach- tungsweije höherer wie bejonders niederer Thiere. Carl Friedrich Heujinger hatte allerdings ſchon 1822 in feinem Syſtem ber Hifto- fogie ®!) die Gewebe im Bichat ſchen Sinne nach ihrem Verhalten in ben verſchiedenen Thierclaſſen geſchildert. Ein Fortfchritt in biefer 2 Ei a —— 3) Der Ausbrud Hiftologie wurde zuerft von Aug. Franz Iof. Karl Mayer in Bonn 1819 gebraucht. g war — wiederum — von dem Stande der — 3 chenden Anatomie. Die Vergleichung, welche fich urfprünglich nur auf Wirbelthiere beſchränkt hatte, war weiter geführt worden, und jemeht niedere Formen man in ihren Kreis gezogen hatte, deſto mehr trat bie Thatſache hervor, daß bie organologifche Sonderung einfacher, dr ganze Bau des Thieres gleichartiger wurde. Schien hierdurch die An- & ſicht neue Unterftügung zu finden, daß das Thierreich in feinen nievern Gliedern die Embryonalformen höherer Thiere wiederhole, fo gab vor. Er Allem das Milroſtop darüber Auffchluß, daß vie Gleichartigkeit eg Baues fich nur auf die eine Form ver am Wirbelthierembryo beobachte · ten Differenzirung bezieht, daß dagegen da, wo die Spaltung des ir pers in Organe und Spiteme, gewiſſermaßen die extenfive, zurücktwitt, eine andere wichtige, fo zu jagen intenfive Verfchievenartigkeit der thie- riſchen Subftanz nachweisbar wird. Da die Grunderfcheinungen des Lebens überall gleich find, die Höheren Thiere nur durch eine ſehr weit ausgeführte Theilung der Functionen und damit in Verbindung ftehendte mannichfach bifferenzirte Organifation ausgezeichnet find, jo mußte bi den niederen Thierformen die Verſchiedenartigkeit der Tertur der eine - zelnen weniger zahlreichen Organe in einem gewiffen Sinne das erfegen, ‚was ihnen an Organentfaltung gebrach. Es wurde daher die Kenutniß ber Entwidelungsfähigfeit der einzelnen Zellen, als Hiftiologifcher Er mente, der Schlüffel zum Verſtandniß des Baues und bes Lebens ber I einfachern Thiere. — — 8 Da A an A = Morphologie und vergleihende Anatomie. 2 Hatte fich früher die Vergleichung thierifcher Formen mit einander — auf ben Nachweis der Uebereinſtimmung dev organiſchen Grundlagen für beftimmte Innctionen bezogen, jo war durch die von Euvier einge ⸗ führten Typen und noch mehr durch den embryologifchen Standpunlt, welchen von Baer bei Betrachtung diefer einzunehmen gelehrt hatte, ven vergleichenden Unterjuchungen eine neue felbftändige wifjenjchaftliche | Richtung umd Aufgabe vorgezeichnet. Die Fortjchritte in der Erkennt · nik ber Entwidelung und des elementaren Baues der Thiere hatten in Verbindung mit der eigentlichen Zergliederung das der Erklärung De- a a a ee et ER — EN en — — — ER ar ns: ee ee 2, er ee ni: — — og. bürftige ſcharfer ertennen laffen und damit einer weitern Auffaſſung defien vorgearbeitet, was man unter thieriicher Form zu verftehen habe. Ye mehr ſich aber unter Eimwirkung der im Vorftehenden geſchilderten Momente die Thatjachen vervielfältigten, deſto natürlicher war es daß biefe Hänfung des Materials den ortfchritt im Allgemeinen etwas verlangfamte. Die gleichzeitig in weitem Umfange eingeführten neuen Unterfuchungsweifen hatten eine folche Fülle bisher unbelannter Ber- haltniſſe zu Tage gefördert, daß fich das Intereffe an dem Thierleben mit der Kenntnißnahme und naturbiftoriihen Sammlung und Orbnung jener befriedigte. Wie in der Entwidelungsgefchichte ver Wiffenfchaft im Ganzen folgte daher auch beim Anbrechen diefer neueren Zeit vem Aufleben,, oder eigentlich der Neugründung der Zoologie eine Periode ber enchclopädifchen Darftellungen,, welche unter Benutzung ber über- fommenen Lehrweiſen eine fuftematische Rorm annahmen. Neben ihnen traten aber Veiftungen auf, welche als ficherer Erwerb der Erlenntniß und als wirkliche Fortſchritte ver Wiſſenſchaft ven Gang bezeichnen, welchen ber ruhige Fluß der Wiffenfchaft unbeirrt um die höher gehen⸗ den Wogen am ihrer Oberfläche einzufchlagen hatte und auch einge: fchlagen hat. Die Berentung diefer Arbeiten liegt alfo in dem Zuſam⸗ menfalle ihres Ziels mit dem der Wifienfchaft felbft ; fie fprechen für fi ſelbſt; aber auch jeme umfaflenderen Sammelwerte haben’ meift einen nicht zu unterfchägenden Werth. Denn wenn fie auch aus gleich zu erwähnenten Gründen weitaus mehr zootomifches Material mit theilen als wirklich vergleichende Anatomie, fo trugen fie doch wefentlich dazu bei, die Anerlennung ber Yehre von der thierifchen Form als felb- ftändige, von der Phoſiologie durch ihr Ziel und ifre Methode ver- ſchiedene, unabhängige und ihr, im ihrer neuern Richtung beſonders nur coorbinirte Wiſſenſchaft zu fördern und die wiffenfchaftliche Aufe faffung der thieriichen Form allgemeiner zu verbreiten. Bon den thierifchen Tupen war der der Wirbelthiere nicht bloß der am frübeften ertannte und am beften betannte, fondern auch ver, welcher wegen der verhältnißmäßig engen und leichter zu überſehenden Form⸗ grenzen amt erften zu einer allfeitig wifienfchaftlichen Durcharbeitung aufforderte. Beziehungen zu andern Typen lagen anfangs gar nicht Die Entiidelungegesigte von Repeifentanten eingeimer Mitfel: die Structurverhältniffe der verſchiedenen Claſſen auf einander zurück⸗ zuführen, ſchien daher zumächft mit geringeren Schwierigkeiten verbun . ben al8 bei andern Typen. Bei ven wirbelfofen Thieren waren alle dieſe Momente verſchieden, fo daß man fogar fagen konnte, es inne eine vergleichende Anatomie ftreng genommen mır von Wirbelthieren gegeben werden. Für die Aufklärung der Gefekmäßigkeit des Baues ber Wirbelthiere war in erfter Reihe Heinrich Rathke thätig. ungen war ‚ziemlich früh ſchon bearbeitet worden. Die Möglichkeit, | < Schon die oben erwähnten embriyologifchen Arbeiten viefes Mannes find als morphologifche Yeiftungen wichtig. Ihnen fchloffen fich weitere an, in welchen er meift von dev Entwidelung ausgehend die verfchie- denen Bildungszuftände einzelner Organe oder die gefammte Organi- fation beftimmter Thiere vergleichend unterfuchte und damit häufig erflärte. So hat er die Anatomie mehrerer Fifche (fo z. B. die von 9. Müller wieder vorgenommenen Priden und den Amphioxus), die _ Er Entwidelung der Gejchlechtswerkzeuge, der Arterien und Venen, DE Bruftbeins, des Schädels u. f. f. gegeben. Sämmtliche Arbeiten Rathke's find wegen der Unbefangenheit der Deutung des Gejehenen und der Fernhaltung frembartiger Gefichtspunfte von der rein morpher | logiſchen Betrachtung auferorventlich beveutungsvoll. Gleichzeitig mit Rathke wirkte ein Mann, welcher als der beveutendfte Forfcher auf dem | ; Gebiete der belebten Natur mit Cuvier und C. E. von Baer auhlgu ben einflußreichjten Förderern der Zoologie in dieſem Jahrhundert zu en zählen ift, Sohannes Müller. Wie er der Phyſiologie eine völlig neue Geftalt gab und durch eine auf wahrhafte Gelehrfamteit geſtützte Kritif und wichtige eigene Forjchungen mit €. H. Weber den Grund zu ihrer jeßigen felbftändigen Entwidelung legte, fo war er auch der erfte, welcher die Morphologie durch umfafjende Arbeiten in bie ihr gebührende Stellung einführte. Iohannes Müller war am 14. Juli 1801 in Eoblenz geboren, ftubirte von 1819 bis 1822, in welchem Yahre er Doctor wurde, in Bonn Mediein, lebte dann anderthalb _ Jahre in Berlin, wo er befonders von Rudolphi weſentlich gefördert wurbe, babilitirte fich 1824 in Bonn für Phyfiologie und vergleichende u Y R u h — —F — > x — “. P = & Anatomie und wurde 1826 zum auferorbentfichen, 1830 zum orbent« lichen Profeffor dajelbft ernannt. Nach Rudolphi's-Tobe kam er 1833 als Profeffor ver Anatomie und Phyſiologie nach Berlin, wırrde 1834 Mitglied der Preußiſchen Akademie der Wiffenfchaften und ftarb dort plögfich am 28, April 1858. Wie Du Bois ⸗Reymond mit Recht her⸗ vorbebt *2) , vereinigten fich mehrere UImftände, Müller's Stellung zur Zeit feiner Berufung nad) Berlin dort zu einer fehr günftigen zu machen, Euvier war 1932 geftorben, I. Fr. Medel ihm 1833 gefolgt, noch auch deſſen Archiv ein, Kurze Zeit nachher auch die Zeitichrift von Tie⸗ bemann und ben beiden Treviranıs. Das nun von Müller über« nommene Archiv, welches mehrere Jahre die einzige Zeitjchrift für die in ihm vertretenen Rächer blieb, wurde daher in feinen Händen ein mächtiges Mittel zur Förderung des von ihm nen gewedkten willen. Ichaftlichen Geiftes , befonders durch die anfangs von ihm gefertigten Jahresberichte. Daneben erhielt er die Schäge des von Rudolphi ger pflegten anatomischen Mufeums zu freier Benugung. Nur einzelne wenige Männer aber haben vie ihnen gebotenen Umftände fo zum Beſten ber Wiffenfchaft zu verwerthen gewußt, wie Müller mit feiner ungeheuren Arbeitsfraft, feinem ftaunenerregenden Fleiße und feinem durchdringenden Berftande. Anfangs noch von ven verlodenden Stim- men ter Naturphilofophie beftrictt (wofür feine Abhandlung über bie Bewegungserſcheinungen der Thiere Belege gibt) befreite er fich doch bald von dieſer falfchen Geiftesrichtung. Schen 1824 warnt er vor der falfchen Naturphilofophie in der bereits erwähnten Schrift über die Entwidelung der Genitalorgane. Damit verwarf er aber durchaus wicht die geiftige Zufammenfaffung der Thatſachen. Hier ift es bezeich⸗ nend für Müller’s wifjenfchaftlihen Standpunkt, wenn er fagt, daß nicht die bloße Aufftellung einer Theorie, fondern die Entjcheidung über ihre Nichtigkeit das Gebiet des empirischen Naturforfchers fei. Dem- gemäß nimmt er in Bezug auf den bekannten Streit zwifchen Euvier und Geoffroy eine vermittelnde Stellung ein, indem er zwar feinen Gedãchtnißrede auf Johannes Müller. 1860. ©. 67. abweicht" 3). Diejen Plan juchte Müller zunächft für die Wirbelthiere darzulegen und ins Einzelne zu verfolgen in feiner claffischen Arbeit über die vergleichende Anatomie der Myrinoiden, deren Titel nicht ahnen (äßt, daß fie den Codex der Morphologie ver Wirbelthiere enthält. Bon wirbellojen Typen war es ferner der der Echinodermen, welcher ft durch Müller's Unterfuchungen in feinen Einzelnheiten fowohl, ala nach feiner ganzen individuellen und clafjenweifen Entwicelung genauer befannt und im feiner Abgefchlofjenheit fejtgeftellt wurde. Währenn Müller über dieſe beiden Thiergruppen zwei größere Reihen zufammen -⸗ bängenver Unterfuchungen veröffentlicht hat, welche ihren Gegenftand jo erichöpfend wie jeweils möglich behandeln, ift kaum eine Elaffe tr Wirbelthiere zu nennen, zu deren genauerer anatomifchen Kenntnig ifel — Sat, daß Guvier's —— diejenige ift, weiche J— Naturw ſſenſchaft dauernde und reelle Früchte bringt, aber doch auch — zugibt, daß Euvier in jenem Streite mehreremale zu weit gegangen ift. „Es ift-wirkfich nicht zu läugnen, daß die Natur bei jeder großen Ab- theilung des Thierreichs von einem gewiffen Plane der Schöpfung und \ Zufammenfegung aus theils verfchiedenen theils analogen Theilen nicht Müller nicht wichtige Beiträge geliefert hat. An die Myrinoivenarbeit 5 ſchließen fich feine Unterfuhungen über die Entwicelungsart gewiffer Haie, denen eine ſyſtematiſche Bearbeitung der Plagioftomen folgte, über die Ganoiden und über den Amphioxus. Die Entvefung der Lymphherzen bei Amphibien und Reptilien war nicht bloß für dieKennt- niß der Lebenserſcheinungen diefer Thiere fondern auch für die Bor- ⸗ ſtellung, welche fich an die anatomische Bezeichnung eines Herzens zu nüpfen habe, wichtig. Die Natur der Coecilien als Amphibien wurte don Müller durch die Entvedung der Kiemendffnungen zweifellos er- wiefen. Die Unterfuchungen über die Stimmorgane der Pafferinen — ſowie die über die männlichen Begattungsorgane der ſtraußartigen Bö-⸗ = gel haben in gleicher Weife zur Aufklärung des typifchen Verhaltens der beiprochenen Theile bei Vögeln wie zur Verbefferung des Syſtems ber Bögel beigetragen. Wenn unter Müller's Arbeiten nur die Unter — — 3) Miüller’s Archiv, 1834. ©. 3, . juchung über bie Zeuglodonten als befonders ver Säugetbierciaffe ger widmet erjcheint, jo find doch die Unterfuchungen über die Morphologie ber Wirbelthiere in ver Myrinsiden-Anatomie auch für biefe Elafje von grundlegender Wichtigkeit. Die Anatomie der Gliederthiere wurde von Müller in mehreren Punkten geförvert (Bau der Augen, Einger weibenervenfuften,, Gehörorgan bei Gryllus). Durch die jogenannte pelagiſche Fiſcherei, welche anfangs den pelagifchen Larvenformen vor« züglich galt, auf eigenthümliche Rpizopodenformen geführt, hat endlich en re ee — Ab mit be heutigen Gtand: ber Erfruntuiß fo eng:verbunben, daß fie bei den betreffenden Gruppen noch zu erwähnen fein werben. Was its sandte sub Men Den gestern wall ME verichafft hat, ift ver Umftand, daß Müller jeverzeit mit weitem Blicke bie Beziehungen der einzelnen Thatjachen zu ganzen Gruppen ver⸗ wandter Erjcheinungen überfah und beshalb kaum eine einzige Beob⸗ achtung undermittelt, als bioßes „Material“ Hinftellte. Seine Darı ftellungsweife ift daher meift jehr breit, aber nicht etwa in Folge des Fehlers eines breiten Style, jenbern weil er überall das Neue in eine beftimmte Anjchauungsweife einfügte und burch die neu Kenntniffe die wirkliche Ertenntnif zu erweitern fuchte. Wenn Düller’s Darftellungsart Häufig von Epigonen nachgeahmt wirb, fo finkt hier bie Breite zur Natur eines ftörenden Fehlers herab; es entipricht Material ericheint, das aber doch bei wirklicher wiffenfchaftlicher Ve werthung noch einmal durchgearbeitet werden muß. 4 Während Johannes Müller in Deutſchland durch umfafjende Unterfuchungen und geiftige Durchdringung der Thatſachen bie ver« gleichende Anatomie über die ihr bis dahin gezogenen Grenzen hinaus führte, trug in England Rihard Omen durch eingehende Erörterum« UA 2 kan anne Be ie! WR zu Grunde liegenden Berhältniffe, fowie durch ſcharfe Begriffsentwidtes fung zur wiffenjchaftlihen Ausbildung der Morphologie — jei, Hier finde zunächft eine allgemeine Bemerkung Plag. Man hört wohl eilen die Aeußerung, daß der Ausdruck Morphologie nur ein nener ‚für eine alte Sache fei. Die Form aber, welche die vergleichend chen Darſtellungen beſonders unter J. Müller's und R. Owen's Händen gewannen, beweiſen deutlich, daß von num an zu den Vergleichungen etwas Neues und Selbjtändiges hinzugetreten ift. Denn wenn es am und für fich jchon Erwähnung verdient hat, daß bie rüber ; vorzüglich von phyfiologiihem Standpunkte aus vorgenommenen — I i gleichungen nun zur Aufklärung der verglichenen Objecte jelbft verwer⸗ thet wurden, fo fehlte doch den bisherigen vergleichenden — = noch die Beziehung auf Bildungsgejege. Die Erfafjung folcher war Ä num allerdings erft mit dem Nachweije der thierifchen Typen überhaupt möglich geworden. Das Eintreten derartiger allgemeiner Ideen machte ‚aber wiederum gewiſſe allgemein formale Grundlegungen nothwendig. Zu dieſen that Owen die erften wichtigen Schritte. Richard Owen ift 1803 in Lancafter geboren , wurde Arzt in London, trat aber fchon 4 in den erjten Beröffentlichungen der Londoner zoologifchen Gefellichaft als praftifcher Zerglieverer auf. Als ſolcher bürfte er jet weitaus bie ‚geößte Erfahrung befigen, indem fich feine Unterfuchungen nicht Wi eine Reihe von Jahren hindurch auf die im Thiergarten der genannten Geſellſchaft geftorbenen Thiere, natürlich nur höhere Wirbelthiere, ſon ⸗ dern auch über zahlreiche wichtige Formen ſowohl niederer Wirbelthiere als Wirbelloſer erſtreckten. Erſt als Conſervator, dann als Profeſſor der vergleichenden Phyſiologie am Hunter ſchen Muſeum des Eollegiums ‚ber Wundärzte angeftelt (welche Stelle er fpäter mit der eines Vor ⸗ ftandes der naturhiſtoriſchen Abtheilungen des Britiſh Mufenm ver ⸗ tanfchte) machte er fich durch die mufterhafte Anatomie des Nautilus, = durch die anatomifche Schilderung der damals ihrem Baue nah nm wenig gefannten Brachiopoven, u. U. jehr verbient. Bor Allem warn es aber feine ſyſtematiſchen Arbeiten über foſſile Thiere, durch welche I er nicht bloß den Werth ftrenger Vergleihung mit Bezug auf die Wie- — ar dererkennung und Reconftruction felbft nur bruchftücweife erhaltener ansgeftorbener Thiere in glänzender Weife darlegte, fondern aus wer hen er auch umgefehrt wichtige Beiträge zur Erläuterung des gefeg ; mäßigen Baues der Thiere überhaupt ableitete. Was ihm nun beſon -⸗· ders bier, neben I. Müller und Rathte einen Plat fichert , ift der von ihm herrührende Verſuch, mit außerordentlichem Scharffinn und ftren- ger Conſequenz die Grundformen der einzelnen anatomifchen Syſteme der Wirbelthiere , zumächit ausführlich des Knochenſyſtems, nach ihren verjchiedenen Wandlungen in abgerundeter Darftellung zu entwideln. Hat auch Owen dabei die Entwidelungsgejchichte zu wenig berüdtfichtigt, ift daher auch ein Theil feiner allgemeinen theoretifchen Ableitungen, 3. B. über die Bebeutung einzelner Knochen und des ganzen Schäbels, nicht in feinem ganzen Umfange haltbar, jo find feine Arbeiten ſchon besbalb Äußerft ſordernd geweien, ald man in ihnen zum erftenmale ein in feltener Reichhaltigkeit zufammengebrachtes thatjächliches Material confequent nach einer beftimmten Theorie georbnet fand. Man erhielt bamit ein außerordentlich günftiges Mittel zur Orientirung,, nach wel: der dann auch antre Erklärungen leicht verftäntfich wurden, ohne den die wiflenfchaftliche Weiterentwidelung bemmenven Einfluß falicher Thatjachen befürchten zu müffen #). Gegenüber der Durchſichtigleit, welche durch die embryologiichen wie allgemein morphologiſchen Arbeiten der Typus der Wirbelthiere erlangt hatte, blieb vie Reihe der unter den Wirbelfofen reafifirten Daupläne längere Zeit verhältnißgmäßig dunkel. Nur der Typus ber Arthropoden war in Betracht gezogen worden, theils feiner vermeint- fichen Beziehungen zu den Wirbelthieren wegen, theils in Folge des fo weit verbreiteten Interefjes, welches vorzüglich die Infecten mit ihrer merfwürbigen Lebensgefchichte von jeher erregt hatten. Während aber in den Bemühungen Olen's, Geoffroy's, Carus’ u. A., die Artbropo- ben irgendwie auf ven Wirbefthierbau zurückzuführen, die Grenzen ber wirklich ftatthaften Vergleichung überfchritten wurden, war bereits 1816 eine Theorie des Gliederthierbaues aufgeftellt worden, welche ſämmt⸗ lichen fpäteren Arbeiten über dieſe Abtheilung als Ausgangspunkt ge- ) „Unrictige Tpatjachen find dem Fortſcritte ber Wiffenfcaft im hohem Grabe ſchãdlich; denn fie bleiben häufig lange beſtehn. Aber faliche Anfichten tbun, wenn fie durch einige Beweife unterftätst find, wenig Schaben, da Jedermann ein beilfames Vergnügen darin findet, ihre Irrigleit nachzuweiſen“ Darwin, Ab- Rammung des Menſchen Lieberfeg. 2. Bo. ©. 339. | a igny ‚war 1778 in Provins geboren , gieng mit der Napoleoni⸗ 5 ı Erpebition nach Aeghpten, wurde Mitglied des ägyptiſchen Ss e ſtituts arbeitete dann, nach Frankreich zurückgekehrt, im Anfchluffe an feine im Mittel- und rothen Meer gemachten Sammlungen aufer eini« gen anderen monographiichen Darftellungen die beiten Bände feiner 4 mit Recht berühmt gewordenen Abhandlungen über wirbellofe Thiere — von Savigny. Marie Jules Ceſar Helene * e aus, erblinbete aber ziemlich bald und ftarh 1851 im Paris. Nachdem bereit8 Fabricius in feinem entomologifchen Syſteme die Mımbthele eingehend berüdfichtigt Hatte, gab Savigny durch feine Darftelfung das Dittel zum Verſtandniß bes hier vorliegenden Formenreichtums. & deutete zwar zumächft nur die gegliederten Anhänge des Gliederthier ⸗ förpers und fuchte die verichiedenen Entwicelungsformen derſelben bei den einzelnen Claſſen auf einander zurücuführen. Damit begründete er aber ſelbſtverſtändlich die Beziehung der jene Anhänge tragenden Segmente der einen Claſſe auf die entſprechenden Abjchnitte in andern Claſſen. Manches ift ihm wohl im Einzelnen entgangen ; doch ift fin Grundfag der Reduction durchaus beftätigt worden. Die Stellungder Arachniven zu den Eruftaceen wurde ihm noch nicht völlig Mar; erhebt aber wie Latreille das Fehlen des eigentlichen Kopfes beidenerfteren hervor. Die Morphologie der 1848 von von Siebold Arthropoden genannten Abtheilung (ftatt der 1825 von Latreille aufgeftellten Bezeichnung Con -⸗ dylopfobjen) förderten dann vorzugsweife deutſche Forfcher, unter venen zumächft Wilh. Ferd. Erichfon (geb. 1809 in Stralfund, geft. 188 als Profeffor ımd Euftos am entomologijchen Muſeum in Berlin) die von Savignty gegebenen Deutungen zu einer abgerundeten Theorie über das Verhalten der Gliedmaßen ausführte (1840). Eine vorzugsweile auf anatomische Gründe geftügte Modification diefer „Sliedmaßentheorie“ gab Wilhelm Zenter (1854), während einerfeits Rudolph Leuckart (1848) vom anatomischen Standpunkte aus die Morphologie ‚der Arthropoden einer neuen Betrachtung unterworfen und Ernft Guſtav Zaddach (geb. 1817 in Danzig, Profeffor in Königebrg) die Embryologie als Maßſtab der Beurtheilung, beziehentlich ver their weiſen Umgeftaltung der morphologifchen Anfichten über diefe Gruppen k 8. Carus, Geſch. d. Zool. 41 i benugt hatte. Gehn auch die Anfichten der Morphologen in einzelnen: Bunkten auseinander, fo ift doch der Grund auch für die neueren For- men ber Theorie des Gliederthierbaues bei Savigny zu finden. — Die Morphologie der Molinsten blieb lange Zeit unberüdfichtigt. Man hatte noch mit der äufern Orbnung und überfichtlichen Zufammen- ftellung der verfchiedenen Gruppen zu thun, deren anatomijches und embroologiiches Verhalten erft nach und nach bekannt wurde. Sapigny batte 1816 eine Anzahl früher für Polypen gehaltene Thiere ale zu fammengejegte Ascidien erfannt und damit den Formenkreis nicht un« wejentlich erweitert. Auch die Moostbiere waren von Henri Milne Erwards (1836) und Arthur Farre (1839) als mit den Ascibien verwandt nachgewiejen, während eine austrüdliche Zurüdführung beider Formen auf einander, von einer etwas verfchiedenen Anficht ausgebend, von B.I3. van Beneden (1845) verfucht und George James All- man (1852) ausführlich begrüntet wurde. Für die Morphologie der echten Mollusten war von größter Bedeutung die mufterhafte Ent- widelung ber Gephalopoden von Albert Kölliter (1844), welde ben Nachweis eines einheitlichen Plans in dieſem Typus ermöglichte. Bon den Bildungsgejegen deſſelben entwarf i. 3. 1848 Sven Ludw. Lopen (geb. 1809) eine beſonders auf die Entwidelungsgejchichte ge- gründete zufammenhängende Darftellung, nachdem derſelbe Forſcher bereits 1839 einige Punkte eingehend beiprochen hatte. Ihm folgte, einzelne anatomische Berbältniffe jchärfer bervorhebend, Rud Leudart (1858). Thomas Henry Hurlen *) fuchte 1853 dem ben kopfe tragenden Mollusten zu Grunde fiegenven gemeinfamen Plan näher zu entwideln ; auf biefen auch die Cephalopoden zurüdzuführen verfuchte ich jelbft in demſelben Jahre. — Für die große Gruppe der ftrablig gebauten Thiere find vorzugsweije entwidelungsgefchichtliche Unter- 3) geb. am 4. Mai 1925 im Ealing bei London, ſtudirte Mebicin (befonders als Schüler Wharton Jones‘), gieng 1946 als Sciffsarzt mit Macgillivray am Borb der Rattlefnale unter Eapt. Owen Stanley nad Auftralien und Neu-Guinen. Er kehrte 1850 zurüd und wurbe 1855 Profeſſor der Naturgeichichte an der School of Mines, 1563 Brofeflor der vergleichenden Anatomie und Poyfiologie — of Surgeons. — Topus ber Echinodermen hatte in der bereits erwähnten z uchungsreihe Joh. Müller's eine neue zu weitern Forſchungen den Grund legende Bearbeitung gefunden. Von den Zoologen , welche "Müller im Auffinden einzelner zum Entwidelungstreis jener Thiere gehöriger Formen vorausgegangen waren, hatte Sars am meiften zur 2 Vorbereitung der neuen umgeftaltenden Anfichten über Entwidelung beigetragen. Michael Sars, welcher am 30, Auguft 1805 in Ber — gen geboren war, hatte Theologie ſtudirt und war von 1830—1840 Pfarrer in Kind im Bergen’ichen Stift, bon 1840—1855 Pfarrer in Manger bei Bergen. Im legten Jahre erhielt er durch Beſchluß des norwegiſchen Storthings die Ernennung zum außerordentlichen Brofefler der Zoologie in Ehriftiania und widmete ſich nun ausſchließlich ven bis dahin nur neben feinem eigentlichen Berufe betriebenen zoologifchen — Arbeiten. Waren dieſe ſchon i m Bezug auf das Reben und bie Berbreir —— tung der niedern Seethiere ſtets von größtem Belange geweſen, jo wurden feine Bemühungen zulett noch durch das Auffinden eines in der Tiefſee lebenden Crinoiden ausgezeichnet. Er ftarb am 22. OH, 1869. Sars bat durch die Entvedung einer merkwürdigen —— eines Seeſternes ſowie der verhältnißmäßig einfachen Entwidelung zweier anderer Afteriven zufällig die beiten Endglieder der erft von. Müller gefundenen und in ihrem Zufammenhange dargeſtellten Formen -· reihe der Echinodermenentwidelung kennen gelehrt, ohne letteren zu ahnen. Weiter giengen feine wichtigen Unterfuchungen über die int: widelung der Medufen und Polypen. Nachdem er ſchon i. I. 18299 eine merkwürdige von ihm Strobila genannte Polypenform, dann 185 und 1837 den Zufammenbang biefer ſowohl mit einer andern, Sey- phisloma genannten, als mit den von erfterer fich ablöfenven Medufen . h, F ii Be, * — UEBE u ni: entvedft hatte, fprach er 1841 direct aus, daß die Entwidelung biefer e — Thiere darin mit der von A. von Chamiſſo bei den Salpen entdeckten übereintomme, daß nicht die Larve ſondern deren Brut, nicht das In- dividuum fondern die Generation ſich metamorphofire. Berner batte S. Loven 1836 die medufenförmigen Knospen einer Syncoryne be⸗ ; 2 obachtet und ihr Freiwerden von dem Polypenkörper vermuthet, En» ⸗ 41* (ich war ja bereits feit Bonnet's Unterfudhungen, welche 1815 noch von Ioh. Frierr. Kyber ausführlich beftätigt worden waren, bie unge: ichlechtliche Fortpflanzungsweife der Blattläufe bekannt. Im Yahre 1842 veröffentlichte num Joh. Japetus Smith Steenftrup (geb. 1813) in Kopenhagen eine Schrift, in welcher er bie genannten Fälle diefer Entwidelungsweife mit der vom ihm aufgefundenen ähnlichen Entwidelungsweife ver trematoden Eingeweidewürmer unter dem Na- men des Generationswechiels ) vereinigte und damit bie Thatfachen zuerft in die einer weitern Behandlung zugängliche Form brachte, Die merhwürbige Ericheinung daß im mehreren fällen des Generations- wechfels eine Vermehrung ver Individuenzahl während der Entwidelung Steenftrup zur Auffaffung des Generationowechſels als einer Form von Brutpflege geführt hat, veranlafte natürlich zunächft Unterfuchum- gen über die nähere Beftimmung deſſen, was man als Indivibuum anzufehen habe. Num hatte bereits 1827 Henri Milne Epwarte ®) das ſehr fruchtbare Princip der Arbeitstheilung in das Gebiet ber Vhyſiologie eingeführt. Im Anſchluß an biefen Gebanten faßte 1851 R. Leudart die ſich im Folge einer folchen Vertheilung der Functionen auf die einzelnen Individuen einer Art ergebenden Berfchievenbeiten, wie fie in mannichfacher Weife bei colonienweije lebenden Thieren wie bei Thierftöden fich finden, unter dem Austrude des Polymorphismus der Individuen zufammen. Es wurde hierdurch die Deutung mancher eigenthümlichen Formen (j. B. der Röhrenquallen, deren naturgemäße Auffaffung viel Schwierigkeit gemacht hatte) weſentlich gefördert. Das bei dieſer Betrachtung ver Individualität in ben Vordergrund tretende biofogiiche Moment ließ auch Yeudart in dem Generationswechlel nur einen durch Arbeitstheilung auf dem Gebiete der Entwidelungsgefchichte In einer 1849 erihienenen Schrift nannte R. O wen ben Generationsmechlel Metagenefis, ein feitbem ziemlich verbreiteter Ausbrud. ”, Dictionn. class. d’hist. nat. Xrtife[: Organisation des Animaux. — Henri Milne Epwards if 1800 im Bruges geboren, jüngerer Bruder bes 1776 in Jamaita gebornen Phyſiologen Will. Frederic Ehwarbs; er wurbe 1838 Sup- pleaut, 1844 Nachfolger Et. Geoffrey St. Hilaire's am Pflanzgengarten. » Polymorphismus erbliden. Huxley bezeichnete Dagegen, - Gefichtspunkte ausgehend, das ganze Entwidelung eftat eines einzelnen Cies mit dem Namen eines Indivivuum3), wurde aber dabei genöthigt, für die während ver Entwidelung mit ER Metageneſe auftretenden Einzelnthiere einen beſonderen Ausdruck anzu⸗ 3. 3 wenden ; ex wählte das Wort „Zooid“. Neben ven genannten Momen⸗ u ‚ten lag nun aber in der Frage nach dem Individuum auch eine morpho · ogifche Seite vor, welcher ich 1853 durch eine ſchaͤrfere Begriffsber ⸗ ftimmung gerecht zu werden verfuchte, nachdem ich vorher (1851) die 2 Entwidelungsweijen durch Metamorphofe und mit Generationswehil präcifer befinirt hatte. — Durch bie im Vorſtehenden genannten Leiſtungen war die morpbe- logiſche Betrachtungsweife auf die einzelnen Typen fowie auf bie wichtigften Formen ter Entwidelungsvorgänge angewendet worden. Die wiffenfchaftliche Bedeutung der Morphologie und bie fich daraus "4 ergebenden Aufgaben verfuchte ich 1853 ftreng methodiſch zu begrün- -⸗ ben 39) und das Schwanten in den Anfichten und Ausprüden uch logiſch präcife Beftimmung ver dabei vorfommenven allgemeinen Br geiffe möglichſt zu befeitigen. Es wurde dabei in nothwenbiger Com -⸗ fequenz auch ber Verfuch gemacht, allgemeine Bildungsgeſetze vr thieriſchen Körper aufzuftellen, wie fich folhe unabhängig von der fl · ftändigen Entwidelung ver einzelnen Typen darbieten. Daß damit ein wenn auch beſcheidener Gewinn für die Wiſſenſchaft erzielt wurde, br weift bie allgemeine Annahme mancher dort zum erftenmale entwidelter alfgemeiner Anfchauungen und der auf diefe gegründeten Ausprüde, Neben diejen Arbeiten, welche nicht bloß bie Kenntniß ber mannich ⸗ faltigen Erſcheinungen ver Thierwelt fondern auch der Ertenntniß des thieriſchen Baues zu fördern fuchten, entwickelte fich im Anjchluffe an die früher gefchilverten Momente ein reger Eifer, die anatomifhen Berhältniffe der Thiere immer eingehender kennen zu lernen. Des Wichtigften der zootomifchen Leiftungen, welche fich in reicher Fluth 3) „the individual animal is all the forms which proceed from asinge egg, taken together.‘ Proceed. R. Institut. Vol. I. (4852) 1854. p. 488. 39, Syſtem der tbieriihen Morphologie. durch Zeitichriften und Monographien ergoffen, wird bei den en oben erwähnten allgemeinen Darftellungen der Zootomie und verglei⸗ enden Anatomie anzuführen, welche nicht bloß für das Interefie zeugen, welches bie Anatomie der Thiere gefunden hatte, ſondern ſelbſt wefentlich vazu beigetragen haben, dafjelbe zu unterhalten und zu ver- tiefen. An DBlainville's Auffaffungsweiie fich anfchließend ftellte Henri Hollard 1835 bie zootomifchen Thatfachen zufammen, während 1842 Hercule Strauß- Dürkheim, welcher im jerupulds genauen anas tomifchen Schilverungen des Maitäfers und der Katze die Anatomie von Repräfentanten der Glieder- und Wirbelthiere gegeben hat, in feinem Handbuche bejonders auch den praktifchen Fragen bei Zerglieberungen von Thieren Rechnung trägt. In England gaben Robert Erm. Grant (1835— 41), Thom. Rymer Jones (1841, neu herausgegeben 1855) und Rich. Owen (Wirbellofe 1843, neue Auflage 1855, Fiſche 1846) Gefammtdarftellungen der Anatomie der Tiere, zum Theil (wie die Fiſchanatomie Owen’s) auf eingehenven eigenen Unterfuchungen fußend. In Deutſchland Hatte Earl Aug. Sigism. Schulge 1828 begomnen, bie vergleichende Anatomie nach einem weiten Plan zu ſchildern hat aber nur ben allgemeinen Theil veröffentlicht. Bon einem phyfiologifchen Standpunkte aus nach den Organen und Syſtemen ftellte Rudolph Wagner die vergleichente Anatomie dar (1834, 35); bie dazu vers iprochenen morphologiſchen Abjchnitte find nicht erſchienen. Dagegen’ änberte er in einer zweiten Bearbeitung die Darftellungsweije und dieſer entſprechend den Titel um in eine Zootomie der einzelnen größern Gruppen , wobei die Schilderung der Anatomie der Wirbellofen von’ Heinrich Frey und Rudolph Leudart übernommen wurde, Gleichfalls phyſiologiſch erfaßte der Naturphilofoph Joh. Bernhard‘ Wilbrand feine Aufgabe. Nachdem er bereits 1809 „bie gefamm Organifation dargeſtellt· hatte, entwarf er 1833 und 1839 eine ver⸗ gleichente Phyfiologie und Anatomie für Phyficlogen und Aerzte, Einen auferordentlich reihen Schatz eingehender einzelner Unterfuchun« gen mit viel, Kritit aber nur in zootomifher Aufzählung bietet das Handbuch ter Zootomie (wie e8 in der zweiten erft begonnenen Bear⸗ Ri: aus, als En bie gründliche Gelehrſamkeit des Verfaſſers harter hervortritt. Am Schluffe ver hier zu berüdfichtigenven Zeit bezeichnet das Erſcheinen von Carl Gegenbaur’s Grundzügen ber vergleichen. = den Anatomie das Durchbrechen der wiffenschaftlihen Behandlung der - Thieranatomie auch in den allgemeinen Darftellungen. Als weine a Börberungsmittel, bejonders durch Verbreitung des thatſächlich Errun ⸗ genen fine endlich die Jahresberichte zu bezeichnen, wie fie nach Ber⸗ j zelius’ Beifpiel.von Ich. Müller in feinem Archiv begonnen wurden. Paläontologie. | Das wiflenichaftliche Interefie an den foſſilen Funden hatte J früher vorzüglich an die Frage des wirklich thieriſchen Urſprungs dere ſelben gelnüpft. Nachvem die nur hier und da noch auftauchende Anz - + nahme, in ihmen nur Naturfpiele erblicken zu müffen, aus der wiffen · ſchaftlichen Behandlung verfelben für immer befeitigt war, galt es num 4 - bie Beftimmung verfelben im fyftematifchen Sinne zu unternehmen. 3 3 Vielfach glaubte man noch, die Reſte gehörten noch jet lebenden Arten ® an und hoffte, in noch undurchforjchten Gebieten der Erbe bie lebenden Träger ber verfteinert gefundenen Knochen, Schalen u. ſ. f. einftzu entveden. Es ift das Verbienft Georg Euvier’s, durch Unter a ſuchnngen, welche im Jahre 1796 begannen, die Verſchiedenheit der = - foffilen von den lebenden Arten zuerjt in weiterem Umfange und durch eingehende anatomiſche Vergleichungen planmäßig nachgewieſen —— wenn ſchon vor ihm Einzelne, wie z. B. Camper, Blumenbach — dieſe Verſchiedenheit behauptet hatten. Während Cuvier ſich — ua mit Wirbelthierreften beichäftigte, wies Lamard bie = zahlreichen im Parijer Tertiärbeden vorkommenden Schalthiergehäufe 5 als gleichfalls von den jet lebenden verjchieven nach. Cuvier's Ber * near Bfräinten. ip aber nicht Meß auf ef Rachel, chem | Werner bie verfchievenen über einander fiegenden Gebirgsarten als Ur: gebirge, Uebergangs- und dlobgebirge bezeichnet und mineralogiih arakterifirt, damit auch eine zeitliche Aufeinanderfolge ihrer Biltung ausgeiprochen hatte, verfuchte zuerft William Smith (1769—1839, ber „Bater ver englifchen Geognoſie“ die verjchiebenen Formationen durch die eingefchloffenen Refte zu beftimmen. Hier trat aljo das geo- logiſche Intereffe in ven Bordergrund, wie denn auch feitbem bie Ber- fteinerungstunde als Theil der Geologie betrachtet wurde. Cuvier lenkte durch Aufftellung der Theorie mehrfacher Ervummälzungen,, in denen bas thierifche Leben zeitweife untergieng, um fpäter in neuen Formen wieder geichaffen zu werben, bie Aufmerffamteit auf die Form und den Bau der untergegangenen Thiere, welche er auch mit richtiger Einficht bem zoologiſchen Syſtem einfügte, ohne vemfelben freilich die eine ber- artige Einfügung erflärende ober geftattende Form zu geben. Auf ven Fortgang der zoologifhen Ertenntniß hatte nun die Paläontologie bier» nach einen doppelten Einfluß :* einmal erweiterte fie die Kenntniß ein- einer Formen, von welchen viele ſogar den bislang aufgeftellten ſyſte⸗ . matifchen Gruppen nicht ohne gewiflen Zwang eingeorbnet werten fonnten, welche alſo bie fuftematifchen Anſchauungen umzugeſtalten begannen. Auf der andern Seite riefen befonders bie Wirbelthierrefte bie eingehendſten vergleichenden Unterſuchungen hervor, ließen auch häufig auf entwidelungsgefcichtliche Betrachtungen zurüdtommen, fteliten daher die Beziehungen der gegenfeitigen Verwandtſchaft in ein neues Licht. Da man durch Vergleichung der älteften Formen mit neueren und den jest lebenden kennen gelernt hatte, daß die jetzt im Thier- reiche beftehenden anatomiſchen Pläne auch beim erften Auftreten thieri- ſchen Lebens auf der Erbe die Form ber Thiere beftimmt hatten, fo glaubte man im biefem Umſtande einen Beleg für die Harmonie ver Schöpfung finden zu müfjen, welche tro ber mehrfach fich einanver folgenden Neufchöpfungen der Thierwelt vie Bereinigung ſämmtlicher feſſiler wie lebender Formen in ein großes Syſtem geftattete. Es er- bielten von biefem Gefichtspunfte aus bie vergleichend » anatomifchen Thatjachen ein neues Intereffe, da man fich je länger deſto weniger der ließen konnte, daß in den zu einer gröfern Gruppe ges jerformen doch eine gewiſſe Entwidelungsreihe von — | je mehr den Gejammtcharakter der größern Abteilung am fich tu ‚zu immer fpecieller von einander abweichenden vorliege. Diefe letztere Auſchauung mußte natürlich bei den einer eingehenden Vergleir ‚hung am meiften zugänglichen Wirbelthieren befonders in den Vorder⸗ nn grund treten, wenn ſchon auch für andere Thierkreife fpätere Unter ſuchungen eine ähnliche Auffaffung betingten. Nächft den Arbeiten Cuvier's, deren wichtiges Reſultat fich in der Reconftruction foffiler Sãugethiere ausgedrückt zeigt, waren zumeift die Unterfuchungen vom Louis Agaffiz *) über foffile Fifche von bahnbrechender Bedeutung. In ähnlicher —9 hat dann Richard Owen durch Schilerung — foſſiler Wirbelthierreſte aus ven Claſſen ver Reptilien, Amphibien und Bögel ſowie genaue Beftimmung derſelben, befonders auch durch tie Be Bergleihung des mikroſtopiſchen Baues der Zähne durch = alle Wirbelthierclafien für die Bedeutung forgfältiger vergleichenver 3 Unterfuchungen glänzende Belege gegeben. Unter den Arbeiten über wirbelloſe Thiere ſchloſſen fich den Lamarck ſchen Beichreibungen foffiler Muſcheln die Schilverungen foffiler italieniſcher Schalthierrefte von : F Giov. Batt. Brochi*!), fowie die „Mineral-Eonchyliologie Groß: — Britanniens· von James Sowerby !2) würdig an. Die foffiten, = : 40) Louis Agaffiz ift 1807 in Meottier, Canton Freiburg, geboren, Min © Medicin in Zürich, Heidelberg und München, fieng an leterem Orte an, Fiſche zu Rubiren, gab 1929 die von Spir und Martins in Brafilien gefammelten Arten — heraus und gieng daun an Die Bearbeitung ber foſſilen Fiſche, über welche er 183342 — das claſſiſche Werk herausgab. Er wurde 1833 Profeſſor der Naturgeſchichte im A = Neufchatel und gieng 1946 nad Nord ⸗ Amerila, wo er in Cambridge Profefior AM) geb. 1772 in Bafjano, trat 1821 in ägyptiſche Dienfte und ſtarb 1826 in @) geb. 1757 in London, geft. 1822; das oben genannte Werk ſetzte fein Sohn Sames de Earle ©. (geb. 1787) fort. Sein zweiter Sohn George Brettinghbam S. (1788— 1854) war als Conchyliolog thätig und betbeiligte fih mit Vigors und nr Horsfield an der Heramsgabe des Zoological Journal. Gleichfalls als ne hr belanut iſt des letztern gleichnamiger Sohn, George Brettiugham Sowerby jun. (geb. 1812). ne ee VAN Won Ga ar ER, 2 en! marejft *) fachverftändige Bearbeiter, während die Infecten von Eruſt Friedr. Germar, Georg Karl Berendt (Bernfteinformen), 8. Unger, neuerdings befonbers von Dswald Heer unterfucht wurben. Für die Kenntnig der folfilen Echinodermen wurde das Werk über Erineiben von I. S. Miller der Ausgangspunft für weitere Arbeiten. Die Belanutſchaft mit weitaus der größten Menge von Formen joifiler Protozoen hat Ehftn. Gfried. Ehrenberg gefördert. Eine allgemeine Zufammenftellung ver foffilen Arten gaben zuerft James Barkinjon (1804, neue Auflage 1833), in Deutſchland ver beſonders um bie Kenntniß foffiler Pflanzen verdiente Ernft Fr. von Schlotheim (1820) ; er lebte von 1764— 1832 in Gotha) und Friedr. Hol! (1829), wäh. rend Georg Aug. Gol dfuß neben werthoollen einzelnen Beiträgen ein mit Unterftügung bes eifrigen Sammlers Georg Graf zu Münfter (17761844 in Bapreuth) bearbeitetes Prachtwert über Deutfchlands Boffilien herausgab. Werthvoll ift ver bereits in zwei Auflagen erſchie⸗ nene Trait# de Palöontologie von Frang. Yules Pictet (1. Aufl. 1844—46, 2. Aufl. 1853—56). Die Fortſchritte der Geologie befeitigten nach umd nach die Theorie der plöglihen Ertummwälzungen; dadurch erhielten die thieriſchen Bes völlerungen der einzelnen Schichten den ihnen von jener Theorie ges raubten Zufammenhang. Im welcher Weife num vie vorhin erwähnte Entwidelungsreihe nach biefer Umgeftaltung der Anfichten vom Aufe treten ber verfchiedenen Stufen zur Erklärung ver letzteren benutzt wurde, wird jpäter gezeigt werden. Der Schilverung ber Fortſchritte in der Kenntnif der einzefnen Claffen muß auch vie Beſprechung der Leiftungen vorbehalten bleiben , welche von foffilen Formen ausgehend auf die Beurtheilung der betreffenden Gruppen von Einfluß geweſen find. Der Vortheil, welchen die Geologie aus ver Benugung gewiſſer “) Aler. Brongniart, geb. 1770, geft. 1847 in Paris als Profeflor ber Mine ralogie am Mufeum, Bater von Abolphe Theod. Brongniart, geb. 1801, ber fi um bie Kenntniß der folfilen Pflanzen bedeutende Berbienfie erworben hat. Anf. Gaet. Desmareft ift der Sohn bes oben erwähnten Nicol. Desmareft; geb. de get. 1835 als Profeflor der Zonlogie an ber Beterinärſchule in Alfort, und Nugung der in ven Gefteinen eingefchloffenen botanifchen und 2 zoologifhen Schäge Sade der Botaniker und Zoologen ift; letztere Können ohne Kenntnif der foifilen Entwidelungsftufen nicht zum Ver e ftänbniß des jetst lebenden Formenreichthums gelangen. Erweiterung der Chierkenutniß durch Reifen und Faunen. | So lange es in der Zoologie an leitenven wiffenfchaftlichen Ge ſichtspunkten fehlte, war eine Bereicherung ber jpeciellen Thierkenntnig ne eine Zahlenzunahme der befannten Arten, welche als ſolche ohne Einfluß auf den Fortgang der Wiffenfchaft war. Es hatten ſich inte während ver legten Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts mehrere Fragen in den Vordergrund gedrängt, deren Beantwortung nur buch eine möglichit altfeitige Durchmufterung der Thierwelt im Ganzen ers reichbar zu fein ſchien. Dahin gehörte z. B. das Auffinden von Thie ⸗ ren, welche in ver alten Welt nur foffil vorfamen, im lebenden Zuſtande — auf andern Continenten, ferner die mögliche Ausfüllung mancher im Syſtem auffälliger Lücken, mochte man nun eine einveihige Anordnung = des Thierreichs annehmen oder nicht ; endlich eine Einficht in bie Ger jegmäßigfeit ver geographiichen Verbreitung der Thiere. Außer diefeen allgemeinen Gefichtspunften liefen es mancherlei fpecielfe Fragen wün⸗ fchenswerth erſcheinen, Beobachtungen an Ort und Stelle anftellen zu _ können , fo das eben pelagifcher Thiere, die Korallenbauten u. ähnl, gen als Leitfoſſilien gezogen hat, ift nur ein äußerlich mit ben [egteren zufammenhängender Umftand und hebt die Thatſache nicht auf, daß die Kenntniß eines Thieres, mag es auch verfteinert fein, Gegenftand ver Zoologie ift. Verdankt die Wiffenfchaft auch die Schi berung vieler Thier- und Pflanzenrejte den Geologen, fo findet die ‘ naturgemäße Anficht doch immer weitere Verbreitung, daß die Hebung Der Stand der Zoologie veranlafte es daher, daß ſich allmählich ein immer gefteigertes Intereſſe an die zoologiſche Ausbeute größerer Reifen nüpfte, obſchon nur darauf aufmerfjam gemacht zu werben braucht, daß fich die Umgeftaltung in der Gefammtauffaffung des Thierreiche, | = die Einführung der Typen durch Euvier, ganz tin von ben & Reiultaten ver Reifen vollzog. Natürlich lann in der folgenden Ueberſicht der Reifen, welche j00- logiſche Refultate zu Tage gefördert haben, nicht auf Speciafitäten der letzteren eingegangen werben. Die wifjenfchaftlichen Früchte werden bei Schilderung der Fortfchritte in ber Kenntniß der einzelnen Claſſen Erwähnung finden. Iſt auch feine der großen Erpebitionen ausjchließ- lich den befchreibenden Naturwiffenfchaften gewidmet gewejen, fo wurde doch auf den meiften derſelben neben den Problemen ber Geographie und Phyſil der Erbe, veren Loſung und Klärung fie galten, auch dem Thierreiche Aufmerkfamkeit geſchenkt, zuweilen durch beſonders bamit beauftragte Naturforicher. Es find daher außer ven aufgezäßlten Er- pebitionen von den verjchiebenen Nationen noch weitere ausgeführt werden. Nicht unzwedmäßig erichien es indeß zu fein, diejenigen Reifen bier möglichft vollftändig zu erwähnen, welche durch Veröffentlichung seen en 3 BE and mn ei en ber rangofen auf. Gleich bie erfie Reife, weiche hier zu verzeichnen ift, war in Bezug auf die Menge ber beobachteten und zurüdgebrachten Thiere eine der beveutungsvollften. Unter Nicolas Baubin, welchem Freycinet als Schiffslientenant zugetheilt war, verließen 1800 bie Schiffe „Bkogrape, Naturalifte und Cafnarina” Frankreich. Leiter des naturwiffenichaftlihen Theils der Erpetition war Jean Bapt. Mar- cellin Baron Bory de St. Bincent (geb. 1780, + 1846), welder jedoch mır einen Theil der Fahrt mit machte, ſich von ben Uebrigen trennte und jeine Beobachtungen felbftändig veröffentlichte (aus ven Jahren 1801 und 1802). Die Zoologen waren Brangois Peron (geb. und geft. in Ceriliy, 1775, 1810) und, urfprünglich als Zeichner befchäftigt, Charles Aler. Lefjuenr). Die mächfte Reiſe war vie 1817 — 1820 unter Louis Elaude Defanlfes de Freycinet mit ben Schiffen „Uranie und Phyficienne* ausgeführt, welcher die Zoologen Jean Rene Eonftant Quoy und Jean Paul Gaimard beigegeben Leſueut war 1778 im Habre geboren, gieng 1816 mit dem Geologen Mac- | lure nad Amerifa, kehrte 1937 nach Havre zurüd und farb 1946 in Str. Abrefie bei Havre ; ch — war die — der Coquille unter — — 0 Duperreh in dem Jahren 1822—25. Außer werthvollen bach zur Phyſik der Erde brachte die Erpedition durch ihre Naturjorſcher, Rene Primevere Leſſon (geb. 1794 in Rochefort, dam 2 ſelbſt geftorben 1849) 5) und Brosper Garn ot (geb. 1794, geft. 1838) reiche zoologifche Ausbeute heim *%). Die beiden genannten Quoy und Gaimard begleiteten auch 1826—29 Dumont d’Urville auf der Reiſe des Aſtrolabe“. Bon 1830—1832 war der Botaniker Charles - Gaubichaud-Beaupre, welcher ſchon auf der Uranie eine Ervumfegelung mitgemacht hatte, auf ber „Herminie“ als Naturforſcher thätig 17) , wie derſelbe auch die Reife der Bonite“ ausführte. Letzteres Schiff machte in den Jahren 1836— 37 unter Aug. Nic. Baillant feine Reife um ‚die Erde; als Zoologen befanden fich auf demſelben F. Th. und Souleyet. Die zoologifchen Nefultate der von 1836—39 währ renden, von Abel Dupetit-Thouars geleiteten Reife bearbeiteten ſpäter Barifer Zoologen. Die leiste der hier zu erwähnenden franzöfie schen Reifen war die Dumont d'Ur ville's nach dem Sütpol mit den - Schiffen „Aftrolabe und Zee‘, welche Hombron und Honor Jae⸗ x auinot (geb. 1814, Bruder des bie „Zelde* führenden Charles Den Jacquinot) ald Naturforjcher begleiteten. % Der Zeit nach beginnt die Reihe der englischen Seefahrten aus. # biejem Jahrhundert, an welche ſich ein zoologiſches Intereſſe tnüpft, & B* eine Reife nach dem Südpol, welche ein Walfifchjäger James Web: - dell 1823— 1824 ausführte. Vom Jahre 1825—1828 leitete Cap. Beechey, welcher das Schiff Bloffem durch die Beringftrafe dem von Often her vorbringenden John Franklin entgegenführen follte, eime 6) Sein Bruder Pierre Adolphe Leffon (geb. 1805) gab mit A. Richard die Botanik des Aftrolabe heraus. — Im einigen Werken wirb angeführt, Dupery babe im Jahre 1833 eine zweite Reife mit Leffom gemacht. Dies ift falſch. @ ) Der Zeit nach folgte die Erpedition des jüngern Bougainville mit der „Thetys“ und „Esperance* (1824—26), welche vorzüglich phyſilaliſche Reſultate lieferte, Br 47) Im bie Jahre 1830— 32 fällt die Expedition der „Favorite“ unter Eyrille ER Pierre Theod. Laplace, welcher 1837— 40 bie „Artemifie“ um die Erde führtfe.. er find. Frederic Debell Bennett (geb. 1809, get. 1859, Bruder von“ George Bennett, geb. 1804, welcher Auftrafien als Zoolog bereifte) fur 1830 1833 mit einem Walfifchfänger um die Erbe. Bon 1826 bis 1830 Hatten Philipp Parker King und Robert Fitzro (geft. 1865) die Schiffe „Anventure* und „Beagle* um die Erbe geführt und manches aber die zweite Reife derſelben beiden Schiffe unter ver Führung bes Capt. Rob. Fitzroy, welchen Charles Darwin als Naturforfcher ‚ begleitete. Waren ſchon die nächften Refultate biefer Reife von großem BWertbe, von denen beifpielsweife nur die Fauna ver Galapagos, bie Natur und Bildung der Koralleninfeln, die foffile Fauna Süd-Amerika’s u. a. erwähnt werben mögen, fo ift diefelbe doch befonbers noch durch den Umftand merkwürdig geworden, als durch bie auf berfelben gewon⸗ nenen Erfahrungen Darwin zuerft zur Entwidelung jener Theorie an- geregt wurde, welche nicht bloß die Zoologie ſondern alle auf die befebte Natur fich beziehenten Wiflenszweige in neue Bahnen führte, Ric. Drinsley Hinds war als Naturforjcher ver Fahrt bes „Sulphur” (1836 — 1842) unter Sir Erw. Belcher zugetbeilt. Zur Unter ſuchung der magnetifchen Kräfte in der antarctiichen Region und wor möglich zur Auffindung des magnetifchen Sütpols waren bie beiden Schiffe „Erebus* und „Terror“ unter Sir James Clark Rof ausgefandt werben. Mit ihm giengen R. M’Eormid und ber Botaniker Iof. Dalton Ho oker. Der als Malalolog belannt gewordene Arthur Adams begleitete als Naturforicher Sir Erw. Belcher, als der jelbe 1843 — 1846 bie Küften ber inbifchen und chineſiſchen Gewäfjer unterfuchte. Ein veutfcher Botaniker, Berth. Seemann (geft. 1871) gieng ald Naturforjcher mit Capt. Henry Kellett, als biefer von 1845— 1850 eine Reife um bie Erbe und drei Fahrten nach dem Polar⸗ meere zur Auffuchung Sohn Franklin's ausführte. Enpfich nahm Thom. 9. Hurley in ven Jahren 1846—1850 wie erwähnt an der Erpebi- tion der „Rattlefnafe* unter Capt. Owen Stanley Theil. Sehr früh ſchon begannen vie Ruſſen ihre größern Reifen durch Mitſendung von Naturforſchern für die Wiſſenſchaft nutzbar zu machen. te Bier zu verzeichnende Ertumfegelung ift die, welche unter oh. von Krufenftern in den Jahren 1803 bis 1806 auf „Na * ausgeführt wurde und an welcher Wilhelm Gottid ilefins (geb 1769 in Mühlhauſen in Thüringen, fpäter von Rufe and geabelt als von Tilenau, in feiner Geburtsftadt 1857 geftorben) ; und Georg Heinr. von Langsdorfft) als Foricher Theil nahmen. a Zwei Erdumſegelungen führte Otto von Kotzebue aus, von 1815 ne bis 1818 und von 1823—1826. An der erſten Reife auf dem Schiffe Rurik betheiligten fich als Naturforicher der den Deutjchen als Dichter fo werth geworbene Adelbert von Chamiffo (geb. 1781, geft. 1838) und Ioh. Friedrich Eſchſcholz (geb. 1793 in Dorpat, daſelbſt gr ſtorben 1831) 4%). Die Reife ift beveutungsvoll geworden durch die erfte während berfelben erfolgte Beobachtung des Generationswechlels bei den Salpen, den Chamiffo dann gefchilvert hat. Die zweite Fahrt auf ter „Predprijatie" (Unternehmung) machte Eſchſcholz nochmalsale Zoolog mit; auf feinen beiden Reifen ſammelte er das Material zu feiner fpäter noch zu erwähnenden Arbeit über die Meduſen. Die legte ruſſiſche Expedition von größerem geographifchen Umfang war die Reife um bie Erde, welche Friedr. Benj. von Lütke auf dem Schiffe „Sen -⸗· jawin“ in ven Jahren 1826— 1829 mit ven Naturforfchern Ernft Lenz, Aler. Boftels und dem Botaniker und Ornithologen 2% von Kittlig ausführte. — Betheiligten ſich an den ruſſiſchen Reiſen nur deutſche Natur ·⸗· forſcher, fo wurden dagegen von Deutſchland direct aus Feine größern ‚Erpebitionen unternommen. Auf feine eignen Koften führte Gerg Adolf Erman (geb. 1806 in Berlin) eine Reife um die Erde aufber ruſſiſchen Fregatte „Krotkoi 1828—1830 aus. Bilden auch feine Re " NE TR ——— 6) Langsborff wurde 1774 in Wöllftein in Rheinheſſen geboren, verließ 1807 ° - in Kamtichatla die Krufenftern’fche Erpedition und fam 1808 über fand nach Petr burg zurüd. Später gieng er als ruffiicher Conful nach Brafilien, was er 182529 = bereifte. Bon 1831 an lebte er in Freiburg i/Br., wo er 1852 ftarb. — 4) Der Expedition war als Maler der von deutſcher Familie in Jelaterinoslaw — geborene Maler Lubw. Choris zugetheilt, im deſſen Voyage pittoresque ——— in _ du monde. Paris, 4822, Aufjäge von Chamiſſo enthalten find. Reife, fo wurde doch auch die Thierwelt auf derjelben berückjichtigt. In den Jahren 1830 — 1832 begleitete Franz Jul. Ferdin Meyen (geb. 1804 in Tilſit, geſt. 1840 in Berlin) den Capt. Wendt auf ber Reife um die Erde mit dem preußiſchen Seehanzlungsichiff „Prinzeh Lonife*, Die vom der öfterreichifchen Regierung ausgerüftete Erpedition der „Novara* unter Wüllerftorf-Urbair, von 1557 —59, am welcher Karl Scherzer, Georg Frauenfeld (geb. in Wien 1807) und ans dere Naturforjcher Theil nahmen, ift mit der Veröffentlichung ihrer Nefultate noch nicht vollftändig zu Ende. Gleichfalls über dem hier zu beiprechenden Zeitraum hinaus veicht die Bearbeitung der wiſſenſchaft ⸗ lichen Ausbeute, welche die ſchwediſche Fregatte „Eugenia* unter Capt. Birgin (1851 — 1853) heimgebracht hat. Bon großer Bereutung it enbfih in golge ter umfaffenben Bearbeir tungen ber einzelnen Tpierclaffen die von ben Vereinigten Staaten Noxd« Amerita's veranftaltete Erplorationsfahrt unter Capt. Charles Wilkes in den Jahren 1838 — 1842 geworben. An der Erperition nahmen für die hier intereffivenden Bücher Charles Pidering, Yo. P. Conthony, James D. Dana, T. R. Peale und Horatio Hale Theil. Für die wiffenfchaftliche Bearbeitung ter reichen Sammlungen war unter ben Genannten vorzüglih Dana thätig. In der vorftehenten Aufzählung konnte auf die einzelnen, von ven Neifenden befuchten Länder nicht eingegangen werden. Bei der num folgenden Ueberficht der fauniftiichen Yeiftungen umd der für bie Faunen wichtigen Reifen können wiederum nicht alle einzelnen Reifenben nam» haft gemacht werden, welche überhaupt Thiere gefammelt oder beobachtet haben; es lann nur auf das Wichtigere hingewiefen werben. Die größte Zahl naturhiſtoriſch gebilveter Reiſenden befuchte in der erften Hälfte biejes Iahrhunderts Süd + Amerika. Sehr wichtige Erfahrungen über allgemein fauniftifche Verhaltniſſe eines Theils von Süd⸗Amerila ſam⸗ melte der von der jpanifchen Regierung zur Grenzregulirung nach Pa» raguay geſchickte Ingenienr Don Felix de Azara (geb. 1746, geft. 1811), welcher zwanzig Sabre lang (1781—1801) das Sand eingehend ftubirte. Bon 1799—1804 bereifte Alex. von Humboldt mit Aimd ıd Süb- Amerika. Verdankt die Zoologie Humboldt au einen bedeutenden Zuwachs neuer Formen , jo find doch feine jilderungen des Thierlebens mufterhaft. Beſonders gewann durch ie wiffenfehaftice Behandlung der Thiergeographie, dadurch daß bas Vorkommen ver Arten an die gefammten Naturverhältniſſe an- site. Die Naturgefchichte Brafiliens fand im Prinzen Maximilian Philipp Wied⸗Neuwied (geb. 1782, geft. 1867), welcher dies Sand von 1815 — 1821 bereifte, einen eifrigen und zuverläffigen Beobachter und Beichreiber. Im Jahre 1817 giengen bie öfterreichi- schen Naturforjcher Joh. Emanuel Pohl (Botaniker, 1782 — 1834), deh Chriſtian Mikan (1769—1844) und Joh. Natterer (1787 bis 1840) im Gefolge einer Erzherzogin nach Braſilien, vorzüglich um zu fammeln. Ihnen fchloffen fich auf Befehl des Königs Mar Joſeph I. von Bayern Joh. Bapt. Spir und Karl Frievr. Phil. Martins 50) an, um brei Jahre lang das Land zur bereifen. Während ber letztere - befonders durch jeine Palmenunterfuchungen die Reife zu einer ſehr - bebeutungsvollen gemacht hat, hat Spir die Kenntnif der brafilianifchen - Fauna durch Beichreibung der neuen Formen nicht unwefentlich erweis tert (mit Ausnahme der Gfieverthiere, welche Mar Perty beſchrieb, mb der Fiſche, die 2. Agaſſiz bearbeitete). Einen forgfältigen und gewiſſenhaften Beobachter fand die Thierwelt Paraguay's wieber in oh. Rud. Rengger (geb. 1795 in Aarau, geft. daſelbſt 1832), welcher 1818— 1826 in Süb-Amerika reifte. Der 1857 als Profefjor der Paläontologie am Pflanzengarten in Paris geftorbene Weide Deſ⸗ - falines d’Orbigny (geb. 1802) bereifte 1826—1833 Süb-Amerifa und zwar in ausgedehnter Weife den fühlichen Theil des Eontinents mit reichen Erfolgen für Zoologie und Ethnographie. Ausgezeichnet durch bie künftlerifche Form der Darftellung feiner Reife ift Eduard Friebr. Böppig (geb. 1798 in Plauen, geft. 1868 in Leipzig), welcher 1822— - 1832 Amerika, erſt Cuba, dann Penſylvanien und von 1827 an Peru, | 50) Spir war 1781 in Hocftäbt am der Aifch geboren, ſtudirte erft Theologie, - dann Mebichn, umd farb 1826 in Münden. Martins (fpäter geadelt) war 1794 in Erlangen geboren, Sohn des Apotheters Ernft Wild. M., und ftarb in Mün- chen 1868, B. Garus, Geſch. d. Zool. 42 : Chle und das Amsgonasgebit, mei auf eigene Ron Bon feinen reichen zoologiſchen Sammlungen Hat er ſelbſt nur wenig befcprieben. Der Frangofe Claude Gay (geb. 1800) umterfuchte auf Koften der chilenischen Regierung von 1828 1942 Süd-Amerika, ber fonders Chile in naturhiſtoriſcher Beziehung. Die Ethnographie und Fauna Peru's bearbeitete Ich. Yal. von Tſchudi (geb. 1818 im Glarus) nach ven Erfahrungen eines fünfjährigen Aufenthaltes daſelbſt (1838 — 1842). Graf Francis de Eaftelnau führte vom 1344 0 1847 auf Anortnung der franzöfiichen Regierung eine Forſchungoreiſe durch Süd-Amerika aus, welche auch für Zoologie ergiebig war. Das nörblichere Süd-Amerika, befonders Guyana, wurde von ben Brüdern Robert und Richard Shomburgk!) in feinen Naturverhäftniffen unterfucht. Endlich ift noch meuerbings Herm. Burmeifter als | Baumift Brafilien's thätig gewefen. Und wie umerfchöpflich bie Reich · thümer Süp-Amerita's find, beweifen bie wiffenichaftlich fo bedeutenden Schäge, welche Alfred Ruſſell Wallace, H. W. Bates und ganz neuerlich 2. Agaffiz von ihren Reifen zurücgebracht haben, wie auch bie 18491852 nah Süpd-Amerika gefandte aftronomifche Erpebition er Vereinigten Staaten unter Gapt. Gilliß nicht ohne zoologiſche Res fultate geblieben ift. — Bon ben weftindifchen Infeln wurde Euba nar wrhiſtoriſch durchforſcht von Ramon ve la Sagra (geb. 1798, ſeit 1823 Director des botanifhen Gartens in Havana) ; die Bearbeitung bes zoologifchen Theils feiner Refultate übernahmen parifer Gelehrte. | Ebenfo hat Felipe Poey die Naturgefchichte der Infel gefchilvert, und außer den früher genannten Reifenten jammelten noch verſchiedene An- bere bort, wie Joh. Gundlach, Aug. Sallé u. a. Um bie Kenntnif der Fauna Norb » Amerita’s haben fich zunächſt Dewohner des Landes felbft die größten Verbienfte erworben. Unter 5), Rob. Herm. Shomburgl it 1804 in Freiburg a. b. Unftr. geboren, machte 1534— 1839 auf Koſten der Londoner geographiichen Geſellſchaft eine Reife durch Guyana, gieng auf Beranlaffung der englifhen Regierung 1840— 18441 no mals babin, und flarb 1565 in Berlin, nachbem feine Geſundheit während feines Aufenthalts als engliicher Generalconful in Siam untergraben worben war. Sein Bruder Mori Richard begleitete ihn im Auftrage des Königs vom Preußen 1840 nad Guyana. | — ‚verdienen die beiden Bartram's, — | 701 — 1779) und William (1739— 1823), fowie Benj. Smitp Barton (1766— 1815) Erwähnung. Die Säugethiere lehrten Kid. ; —* und der noch zu nennende Audubon, Reptilien außer Har⸗ lan beſonders John Erw. Holbroof (geb. 1795), Fiſche außer letzte⸗ xem der. B. C. Smith, Humphrey David und HoratioRob. Storer und Erw. Hitchcod (geb. 1793) kennen. Die Vögel befchrieben ausgewandert, geit. 1813) und ber als vorzüglich forgfältiger Beob- achter und geſchickter Maler ausgezeichnete Iohn Iames Audubon — 701851). Zu dieſen kamen Conſt. Sam. Rafinesquer Uler. Wilſon geb. 1766 in Schottland, um 1794 nach | IR Schmalg, ein geborner Sicifianer (in Galata, 1783), welcher fpäter A nach Amerika gieng, beſonders bie diſche Ohio's unterfucht Hat md 1840 in Philadelphia ſtarb. Gleichfalls für die Förderung ber Fiſch ⸗ fenntniß war Lefueur thätig. Die Wilſon'ſche Ornithologie vervoll- ftänbigte Eharl. Lucien Bonaparte (geb. 1803, Sohn LYucian’s, febte lange in Amerika, kehrte 1830 nad) Europa zurüd und ftarb 1857), Auch Prinz Morimiion von Wied ⸗ Neuwied unterfuchte Theile Nord-Amerita’s auf ihre Thierwelt. Der Staat Rew-York wurde auf Beranftaltung feiner Regierung naturbiftorifch befchrieben, wobei Ja- ge mes Edw. de Kay (geft. 1851) die Zoologie und James Hall (eb. 1811) vie Paläontologie übernahmen. Ganz bedeutende fauniftifche 4 Ausbeute gaben die in neuerer Zeit zur Ermittelung pafjender Eifen . bahnlinien quer durch den Eontinent ausgefandten Expeditionen. De größte Verbienft bei der Anordnung und Verwertfung des Materie bat Spencer F. Baird (geb. 1823). Die von 2. Agaſſiz begenn nen Beiträge zur Naturgefchichte Nord» Amerita’8 haben bis jegt nur Schildkröten und Metufen behandelt. Die Fauna des nördlichen Theile bes Continents hat Sir John Richardſon (geb. 1787, geft. 1865) nach umfafjenden Vorlagen bearbeitet , welche er jelbft als zweimaliger Begleiter John Franklin's (1819—22, und 1825—27) während ber Norbpolerpeditionen gejammelt hatte. 1845 führte er ſelbſt eine Erper bition zur Aufſuchung Franklin's aus; auch hat er die Zoologie von Sir Erw. Belcher’s letter Polarfahrt herausgegeben. 42* Keen Yunzen zuerft John White und Jam. Erw. —— ei⸗ Shaw 17511813) ) zufammenzufteflen. Flinders hatte zwar Robert Brown als Botaniker in feiner Begleitung; doch verdankt man ihm feine weſentliche Bereiherung ter Kenntniß der auftwalifchen Bauna. In ven Iahren 1818— 1822 unterfuchte PHil. Parker King einen’ Theil ver Küften und brachte zoologiſches Material nach Europa George Bennett bereifte wie erwähnt Auftralien und verfchiedene Theile Süp-Afiens 1832 — 34 als Naturhiſtoriler. Die reichfte Aus beute an höheren Thieren brachte aber Iohn Gould (geb. 1804), welcher 1838 auf mehrere Jahre mach Auftralien gieng. Die großen oſtindiſchen Infeln durchforſchten früher Engländer, wie Sir Stamford Raffles (1781—1826), Thomas Horsfield (geb. 1773 in Pen- folwanien , geft. 1859 in London) , fpäter Hollänter, fo Easp. Georg Karl Reinwarpdt (1773—1854), Salomo Müller, 9.9. van Haffelt. Im einem großen Sammelwerte vereinigte bann Gont. Jar. Zemmind (1778—1858) die Schilderungen der Thierwelt ber nie⸗ derlandiſchen überfeeifhen Befigungen. Die Naturgeſchichte des oft- indiſchen Weftlandes, für welche ebenfo wie für bie ver Infeln befondere Journale gegründet wurden, wurde faft ausjchließlich von Engländern erſorſcht, am thätigften waren hier unter einer größeren Zahl hier nicht einzeln zu verzeichnender Männer T. E. Jerdon, Erw. Biyth, Jehn M’Clelland und Horsfield. Sehr erfolgreich war die Reife des Freiberen Karl Aler. Anf. von Hügel (geb. 1796, geft. 1870) nach Kaſchmir und dem Lande der Silhs Einzelnes theilte auch Char⸗ ed Belanger mit, welcher 1825— 1829 zu Lande nach Oft» Inbien und dann über Java, Mauritius und das Eap nad) Europa zurüd- gieng. Um vie Gefchichte der foffilen Thierwelt Oft» Indiens Hat ſich Hugh Balconer (geb. 1808, 1830— 1843 und 1848 — 1855 in Indien, ſtarb 1865) die größten Verbienfte erworben. Die ausgebehn- tefte Kenntniß der Fauna Japan's verdankt die Wiffenfchaft Phil. Franz vonSiebold, welherüberhaupt Japan in Europa kennen gelehrt hat 2). ”, Phil. Franz von Siebold ift der Sohn bes 1795 in Würzburg geftorbenen Ebene ve Ai Mauritius und Madagascar mahten rc Weiſe zuerft Iulien Franc. Desjardins 9— 1840) — Bieter Sganzin befannt, nachdem ſchon früher ory de Saint Vincent einige Formen derſelben in feiner Reife wc die vier afrilanifchen Meere gejchilvert hatte. — Süd⸗Afrika be- ifte von 1804 — 1806 Martin Karl Hein. Lihtenftein, welcher 780 in Hamburg geboren in holländischen Dienften als Arzt nach vem Cap gieng, 1811 Profeffor ver Zoologie in Berlin wurde und als folcher auf einer Reife zwiſchen Korſor und Kiel ſtarb. Die Fauna Süd-Afrika’s jchilderte Andrew Smith. Fernere Bereicherungen der- felben find Chrſin. Ferd. Frievr. Krauf (geb. 1812, von 1837— 1840 am Cap) und dem Schweren 3. A. Wahlberg u. A. zu ver- danken. Während die Reifen Friedrich Hornemann's (geb. 1766 in Hildesheim, 1800 verſchollen) und Mungo Park's (geb. 1771 in Sellirt in Schottland, 1805 geft. auf dem Niger) kaum irgendwelche zoologifche Ausbeute ergaben, brachte am früheften James Kingston Zudey von feiner 1816 unternommenen Congofahrt fauniſtiſches Material nach Europa. Ebenfo war die Reife von Hugh EClapperton,> Diron Derbam und Walter Oupdley im weſtlichen Centralafrifa (1822— 1825) nicht ohne zoologifche Refultate. An ver Oftküfte waren bon 1844—48 Wild. Karl Hartw. Peters (geb. 1815, Lichtenftein’s Nachfolger in Berlin), kurze Zeit darauf Carlo Fornafini als be obachtende und ſammelnde Naturforfcher thätig. Des Iegteren Aus- beute bearbeiteten in Bologna Giuſ. Bertoloni und Gian Giuf. Bianconi (geb. 1809). — Die meiften Auftlärungen über die Thier- welt Nordoſt ⸗Afrila's gewährten die Reifen deutſcher Gelehrten. Nach den der franzöfifchen Expedition nach Aegypten zugetheilt gewejenen Zoologen, den oben erwähnten Et. Geoffroy und 3. E. Saviguh, unterfuchten Friedr. Wild. Hemprich (geb. 1795, ftarb 1825 im Aegypten) und Ehftn. Gfried. Ehrenberg (geb. 1795) tie Natur- geichichte Aeguptens und des rothen Meeres mit veichen zoologifchen BProfeffor Chriſtoph von S., des Älteften Sohnes von Earl Caspar v. S. geb. 1796, gef. 1866, alſo Better von €. Th. E. von Siebold. Fo Pe ee, Br. UL SEE Be ER a 0 LU u ET an, ES Te Pr En u le, I ARE ZT ER DE RE RE N ET N EEE RR TI ee a, ——— —— #7 a = a. — = Norboft-Hfeila und Eyrien ausgeführten Reifen Iofeph Ruffegger’e. (geb. 1802), welchen Theod. Kotjchy (geb. 1813, geft. 1866) ala Abpifinien führte in ben Iahren 1839— 1943 Thtopfile Qefebore, Neuerdings hat and Theodor von Heuglin (geb. 1824) verſchiedenes Reue von feiner Reife in Nerboft: Afrita (1952 — 53) Heimgebracht, { wie ja auch die mannichfachen Erpeditionen in das Innere von Afrika, welche den legten zwanzig Jahren angehören, nicht ohne einzelne inter ⸗ effante zoologiiche Ausbeute geblieben find. — Nachdem bereits 1836 — 38 Mori Wagner (geb. 1807, Bruder bes Phnfiologen Rubolph W.) bie Regentfcpaft Algier zu naturhiftorifchen Zweden bereift Hatte, lieh bie franzöfiiche Regierung in den Jahren 1840— 1843 Algerien durch eine befondere Commiſſion wiſſenſchaftlich unterfuchen. — Die canari⸗ ſchen Infeln, welche bereits Aler. von Humboldt vorübergehend, fpäter Leopold von Buch auf ihre phyſilaliſchen umd geologiſchen Berhältniffe unterjucht hatte, fanden von 1835 — 44 in Philipp Barler-Webb und Sabin Berthelot (geb. 1794 in Marſeille naturhiſtoriſche Beſchreiber. Die Fauna Madeira's unterſuchten R. T. Lowe, Dem. Heer, €. Bernon BVollafton u. U. Für die Kenntnif der Tiefenverbreitung ber Thiere wurben Die} noch zu erwähnenden Unterfuchungen von Edward Forbes im Mittel meere fehr wichtig. Griechenland wurte von einer unter Leitung vom Bory be St. Bincent geftellten wiſſenſchaftlichen Eommiffion von Frankreich aus naturbiftorifch erforicht (1829—31). Das adriatifche Meer fand in Stefano Antr. Renier (1759— 1830) einen faunifti» ſchen Bearbeiter. Neapel’s Fauna ſchilderten Stefano delle Chiaje und Oronzio Gabriele Eofta (fpäter in Verbindung mit feinem Sohne Adille). Eine italienische Fauna bearbeitete Bonaparte. Zur nähern Erforihung der zoologiſchen Berhältniffe Spaniens ift in neuerer Zeit N z bie iberiſche Halbinfel bereift Hatten. Nachdem bereits von 1810 an 3. A. Riffo (1777— 1845) bie — he, Molluslen und Kruſter der ſüdfranzöſiſchen Küſtenſtriche bear ⸗ | Batte, begann eine Geſellſchaft franzöfiicher Zoologen 1820 bie 5 Fauna Frankreichs ſyſtematiſch zu ſchildern. Das Unternehmen, am bem Bieillot, Blainville, Walkenaer u. 4. fich betheiligten, ft inbeffen nicht zu Ende geführt worden. Neuervings hat Paul Ger- dais bie lebenden und foſſilen Wirbelthiere Frankreichs zu fchildern unternommen. Gleichfalls nur die Wirbelthiere behandelte Mich. Edm. re Selys-Longhamps in feiner belgiſchen Fauna, für deren mar ⸗ rinen Theil verfchiebene wertvolle Beiträge von P. I. van Benevden, Barth. Eharl. Dumortier (geb. 1797). U. lieferten. Die Thierwelt ber Schweiz verzeichneten, fich in die einzelnen Claſſen theilend, Heinr. 4 Rud. Schinz (geb. 1777, get. 1861), Dsw. Heer (geb. 1809), = Joh. Charpentier 1786 1855 F Joh. Sal. von Tſchudi der Reifende) u. A., während ein Verwandter des Letzteren Friedr. von Tſchudi (geb. 1820) anregende Naturfchilderungen von dem Leben der hohern Thiere in ber Schweiz entwarf. Um die Kenntniß ber deut -· ſchen Faunag hat ver Kupferftecher Iat. Sturm (1771 — 1848) in Nürnberg jehr große Verdienſte, indem er mit Georg Wolfg. Franz. — Banzer (1755 — 1829), Joh. Wolf (1765—1824),, von Boith und W. Hartmann von Hartmannsruthi und unterftügt von feinen Söhnen Ioh. Heinr. Chrftn. Friedr. und Joh. Wild. Sturm Deutſch ⸗ land's Fauna in Abbildungen mit Beſchreibungen herauszugeben begann. Andere Verſuche, die Thierwelt Deutſchlands darzuſtellen, erſtrecen ſich entweder nur auf einzelne geographiſche Gruppen, wie das nicht — unverdienſtliche Wert Carl Ludw. Koch' s über bayriſche Säugethiere 28 und Bögel, oder nur auf einzelne Claſſen. Reicher an fpeciellen Darftellungen ber einheimiſchen Fauna ft England. Dem ältern Werte von Pennant reihen fi die durchaus brauchbaren neueren an von John Fleming und Leon. Jenyns — letzteres nur über Wirbelthiere). Beſonders werthvoll wurde aber die —— 1855), Erw. Forbes, Thom. Dell (geb. 1792) und Will. Ya rell (1750 — 1856) im gleichförmiger Bearbeitung und Ausftattung veröffentlicht wurden. Es wurden aber auch einzelne Diftricte genauer durchforſcht; und hierbei ift befonters Jonathan Couch (und fein Sohn R. DO. Couch) für die Fauna von Cornwall und Wil. Thompfon | für bie iriſche Fauna thätig geweſen. Die ſtandinaviſche Halbinfel wurde fauniftifch von €. Quenfel und (im Bezug auf Wirbelthiere) von Sven Nilsjon (1787 — 1856) befchrieben, nachdem fchon zu Anfang viejes Iahrhunterts And. Jah. Regius (1742— 1821) bie Linneihe Schweriihe Fauna wenigftens binfichtlih der Wirbefthiere nen bearbeitet hatte. Für die Kenntnif ver marinen Fauna wurben bie Arbeiten von M. Sars, 3. Koren und Dan. E. Danieljsen äußerft wichtig. — Nach Yapland und Spigbergen wırte 1838—40 von Frantreich eine Gommiffion gefandt, dieſelbe, welche 1835 — 36 {hen Island und Grönland befucht hatte und welder Paul Gaimard als Zoolog angehörte. — Was entlich bie ruffche Fauna betrifft, fo verbankt bie Wiſſenſchaft auch bier A. von Humboldt, welcher 1529 das afiatiihe Rußland mit Ehrenberg bereifte, wertvolle fauniſtiſche Angaben. Eine ftattlihe Reihe von Reifenden fammelte ferner zoolor giſche Thatſachen im den verſchiedenen Theilen des weiten Reiches. Bürft Anatol Demidoff unterſuchte Sũd ⸗/ Rußland, Ev. Eihwald (geb. 1795) den Kaufafus; bie von der geographifchen Gejellichaft unter Ernft Hofmann ausgefanbte Erpebition zur Unterfuchung bes Ural brachte zeologifche Ausbeute heim. Am wichtigften ift indeffen bie große Reife in den äußerften Nordoften Sibiriens, welche 184344 Aler. Theod. von Middendorff (geb. 1815) ausführt. Ihr ſchließen fich die Forſchungen Leop. von Schrent’s im Amur-Lande (1854—56) an Es waren durch diefe Unterfuchungen über die Thierwelt einzelner Länder und Meere noch viel zablreichere Thatjachen über das Bor: lommen beftimmter Arten gefammelt worden, als ſolche Zimmermann bei feinem erften Verſuche einer Zoogeographie zu Gebote geftanben hatten (. ©. 534). Doc wirkte hier, wenn der Ausprud geftattet ift, das ſtatiſtiſch verfahrend ſowohl tie Bevöllerungsdichtigkeit beſtimmter ber, als auch das örtliche Vorkommen gewiſſer Arten ſowie die tigkeit ihres Vorkommens tabellarifch und fartographifch zuſammen -⸗ ſtellt Nur G. R Treviranus gieng auf einzelne der von Zimmer ⸗· mann ſchon hervorgehobenen Punkte ein, ohne indeſſen die zoogeogra- phiſchen Thatſachen näher einer Erklärung entgegenzuführen. Es ging Bier eben wie es mit den meiften der zufammengejegten Naturerſchei · nungen gegangen ift. Man kannte ihre Form noch nicht eingehend genug und fuchte diefe erft auf allerlei Weiſe zu ermitteln und ficher zu ftellen. Zu berartigen Verſuchen gehören die Darftellungen über die geographiſche Verbreitung der Säugethiere von Illiger (1811) md Andr. Wagner (1844—46), ver Bögel von Loven, der Schlangen von H. Schlegel, die Angaben über Fiſche von 2. Agaffizu.f.f Intereffante Reſultate ver erwähnten Art find ferner aus der Ver -· gleichung verſchiedener Faunen gezogen worden, fo die Eigenthümlichkeit ‚ber auftralifchen Thierwelt, die merkwürdige Trennung ber afintifchen - und auftralifchen Fauna auf einer quer zwifchen ven füdafiatifchen Ins ſeln durchgehenden Linie, die Vergleihung der marinen Fauna des Mittelmeers mit der nördlicher Meere von Sars u. ſ. w. Aber alles Dies bietet eben nur eine immer weiter ins Einzelne gehende Bekannte ⸗ ſchaft mit ben thatfächlichen Verhältniſſen der Verbreitung dar. Und = wenn durch L. Agaffiz der Begriff ver Schöpfungsmittelpunfte auf ⸗ geſtellt worben ift, jo enthält doch diefer Ausprud nur eine Furze Se fammtbezeichnung für die Dichtigfeit und die Grenzen des Bortommens einzelner Arten, ohne deren Erklärung damit auch nur einen — näher zu kommen. Nur von ſtatiſtiſchem Standpunkte aus find die Arbeiten von Charles BPidering und Ludw. Shmarda ald Sam- E; melwerle bearbeitet. — Bon großer Wichtigfeit mußte für bie Er⸗ ER Härung der geographijchen Verbreitung der Thiere eine nene Auffaffung ‚der tbierifchen Berwaudtſchaft und ver geologijchen — thieriſcher Formen werden, wie fie durch das Auffinden foſſiler Beutel- : thiere in Europa , und vieles Achnliche, vorbereitet wurde, a der allerneueften Zeit Früchte zu geben veripricht. — ne — ie dahin mur Land · und Luftthiere und höchftens noch die Fiſche um fucht , der übrigen marinen Fauna aber nur im Allgemeinen A famteit geichentt. Wis cine — — Erweierung bez graphifchen Thatfachen ift Daher das Aufftellen verjchievener Tiefenzonen von M. Sars (1835), fowie bie Unterfuchungsreibe zu betrachten, welche Edward Forbes (geb. 1815 auf der Infel Man, get. 1854), von 1841— 43 an Bord des „Beacon“ im Aegäifhen Meere über die bathymetriſche Verteilung der Organismen anftelite und welche ſich fpäter bei Unterfuchung ber geograpfiihen Verbreitung fofiler Gets thiere durch Nachweis ver hemoeozoen Gürtel fruchtbar erwiefen hat, Nicht ohne Einfluß ift endlich die Arbeit von Anders S. Derfteb web. 1BIB) über De Gcep dr Brhennrkeung Ic Lern Sr Meerestiefen geblieben. Fortbildung des Suflems. Die Aufftellung der Typen vasch-Guer. mar eine für Diesel Auffaffung des Thierreichs fo auferortentfich wichtige Thatfache, daß auch die Syſtematik eine völlige Umgeftaltung erfahren mußte. Trot⸗ dem machte ſich dieſer Einfluß nur langſam geltend und es fehlte bie in die neueften Zeiten herab nicht an Syftemen, welche entweber ohne alle Nücficht auf die Baupläne die Thiere nach einzelnen Merkmalen ein« tbeilten oder die Typen gewiffen höhern Eintheilungsgründen unter« und einorbneten. Euvier felbft gelangte zur Auffaffung feiner vier “ Typen durch rein claffificatorifhe Betrachtungen. Die Suborbination der Charaktere, welche er überall durchzufũhren juchte, ließ ihm zumächft erfennen, daß die Linne ſchen Claſſen ungleichwerthig feien, daß z. B die Mollusten in ihren verichiedenen Formen gleiche Mobificationen des Baues darbieten , wie die vier Wirbelthierclafien. Es war alfo in erfter Linie ein methodiſches Berürfniß, welches ihm zur Gründung größerer gleichwerthiger Abtheilungen führte. Im Iahre 1795 fpricht er aus, daß die Natur nach einem gewiflen Plane gearbeitet und ihtöpumkt für eine Eintheilung ftellt er auf, dafı mo Herz und Ries n eriftiren auch die eher vorhanden ift; neben den Generationd- rganen geben daher vie Eirculationsorgane die Merkmale erfter Ordnung 6; Merkmale zweiter Ordnung bieten die Organe ver Relation, - Nerven, Sinnesorgane und Bewegungsorgane. Dieſe beiden Merk malsgruppen verbindend Löft er die Linné ſchen Claſſen der Würmer und Imfecten in folgende ſechs auf: Mollusten, Cruftaceen, Infecten, - Würmer (d. h. Ringelwürmer) , Echinodermen und Zoophyten. Im - Tableau elömentaire, 1798, vereinigte er Infecten und Würmer zu einer größern Abtheilung, die Würmer den Larven der Infecten ver- gleichend und fie in borjtentragenve und nadte eintheilend, wobei er bie parafitifchen noch den andern Formen anſchließt. Gleichzeitig bringt er Echinodermen, Polypen und Infuforien zu einer Hauptgruppe zu⸗ jammen, ben Zoopbyten. Als oberften Eintheilungsgrund hält er jo- wobl 1798 als 1800 in ver Einleitung zu feinen Borlefungen das . Borhandenfein oder Fehlen eines Stelets und die Beſchaffenheit des Bluts aufrecht, indem er geradezu ausſpricht, daß fich das Thierreich zumächit in zwei große Familien fcheide, in Thiere mit Wirbeln und rothem Blute und in folche ohne Wirbel mit weißem Blute. Bon 1812 an ftelit er die vier Typen der Wirbelthiere, Mollusken, Gliederthiere und Zoophyten oder Strahlthiere als größte Gruppen hin und bilvet damit morphologiſch, allerdings im Einzelnen Manches nicht richtig faffend, bie Grundlage aller fpäteren jyftematifchen Verſuche biefer Periode. Es wurde oben erwähnt, daß Batſch bereits die vier obern Claſſen Linne's als Knochenthiere zufammengejaßt habe. Im gleicher Weife ftellte Daubenton im feinem Abrifje des Syſtems die Wirbelthiere als Thiere mit Knochen den Infecten und Würmern als Thieren ohne Knochen gegenüber (1796). Er trennt die Cetaceen von den Säuge⸗ thieren und die Schlangen von den eierlegenden Vierfüßern als Elaffen, fo daß er fechs Wirbelthierclaffen erhält. Und in Bezug auf die Knochen- loſen meint er, daf man wohl wegen ber fo völlig verjchiedenen Zur fammenfegung biefer Thiere fragen könne, ob fie wirklich in demjelben welches Antre Marie Eonftant Dumeril (1774—1860) in feiner analytischen Zoologie durchführte, iſt ziemfich daſſelbe wie das was Euvier feinen Borlefungen zu Grunde legte; nur weicht es in Betreff der ben Zoophyten zugewiefenen Formen dadurch ab, baf es bie Helr minthen, welche Euvier dort noch als zweifelhaft zu den übrigen Wür« mern geftellt Hatte, ven Zoophyten zutheilt. Lamard hatte im feinem erften Curſus fünf Claſſen wirbellofer Thiere aufgeftellt, Mollusten, Infecten, Würmer, Echinodermen und Polhpen; 1796 änderte ex bie Glaffenbezeihnung ver Echinodermen in bie der Strahlihiere, um bie Meduſen damit vereinigen zu Können. 1800 ftellte er die Glaffe ver Arachniden auf, welche Cuvier ſchon 1799 unter dem Namen Aracnli- bes ald Orbnung ber Inferten aufgeführt hatte; und 1802 bildete ex aus den rothblütigen Würmern Euvier's die Claſſe der Anneliden. Im bem 1801 erſchienenen Syſtem der wirbellofen Thiere hat er daher fieben Elaffen, Mollusten, Eruftaceen, Arachniden, Infecten, Würmer, Strahlthiere und Polypen (ftrahlige, Raderthiere und amorphe) , wor gegen in ber zoologifchen Philofophie die Eirripeden, Anneliven unb Infuforien felbftändige Claſſen geworten find (1809). Dabei orbnet er biefelben fo, daß Infuforien und Polypen ven erften Organifations- grad barftellen, ohne Nerven, Gefäße und andere innere Organe als bie Berbauungsorgane ; die zweite Stufe bilden Strahlthiere und Wür- mer ohne Yängsnervenmart und Gefäße, aber „mit einigen anbern innern Organen außer denen der Verdauung“. Die Arachniden und Imfecten bilden die dritte Stufe, auf welcher Nerven in einer Marklette und [uftführende Tracheen vorhanden find, wogegen bie Circulation null ober unvollftändig ift. Die vierte Stufe endlich nehmen Gruftaceen, Anneliven, Cirripeden und Mollusten ein; fie find durch ben Beſitz von Gehirn und Längsnervenftrang, Kiemen, Arterien und Venen aus⸗ gezeichnet. In der Naturgefchichte der wirbellofen Thiere (1815) ver- einigt er bie Infuforien, Polypen, Strahltgiere und Würmer als „Apathifche Thiere* ; fie haben kein Gehirn, kein Längsmark, feine Sinnesorgane, ihre Form ift verſchieden, ſelten zeigt fich Ölieverung, Die übrigen ſechs wirbellofen Claſſen bilven feine „Senfiblen Tpiere* ; — ein Gehirn und meift ein Laängsmark, einige he Sinne, die Bewegungsorgane find unter der Haut angebracht, Form iſt jeitlich ſymmetriſch. Neben viejen beiden Gruppen, bie ite bung ber letztern darſtellend, ſtehn die Wirbelthiere als „Intel t Thiere mit Wirbelfänle, Gehirn und Rückenmark, deutlichen Binnen, ihre Bewegungsorgane find an innere Stelettheile geheftet, Bee feitlich fymmetrifch. Im gleicher Weife die allgemeine Kör- perform berüdfichtigend ftellte wie erwähnt Blainville drei Unter- reiche auf, eins für bie feitlich ſymmetriſchen Wirbel-, Gfieder- und Weichthiere eins für die Strahlthiere, ein brittes für Thiere mit ums regelmäßiger Körperform, Spongien, Infuforien und Corallinen 5). - Eine Eintheilung, welche fich im Allgemeinen an die Aufftellung größerer Gruppen von möglichft gleichem Werthe, wie folche Cuvier gab, ans ſchlieht/ aber gerade das Hauptverbienft des Letzteren, die Klärung der - Linn@fchen Würmer nicht mit aufnahm, gab 1817 Friedrich Siegmund - Boigt (geb. 1784 in Gotha, ftarb 1850 als Profeffor in Jena, über: feste Cuvier s Tierreich). Im den fpäter noch zu erwähnenden Grund» zligen einer Naturgefchichte (1817) theilte er die Thiere in gallertige ober weiche, in gegliederte oder gepanzerte und in fteletführende oder Gerippthiere. Die legten beiden Abtheilungen entfprechen ven Wirbel: - umb Gliederthieren Euvier’s, die Weichthiere den Linne ſchen Würmern; - er umterfcheivet in biefen zwar neun Claffen (einfache Thiere, nadte Zeophyten, Korallen, Eingeweidewürmer, Anneliven, ftrahlige Mollus- ken (Echinodermen), Schalmollusten und nadte Mollusten mit Sepia mb Clio u. f. f.), erlenut aber feine nähern Beziehungen zwifchen - einzelnen verjelben an. | Bon den Syſtemen, welche ausgeiprochenermaßen fich auf einzelne Sthanſhſteme gründen, fei zumächft das von Aug. Friedr. Schweig» ger st) angeführt/ worin die Athemorgane und bie Atmung als Haupt- } 5) Ganz ähnlich ift das Syftem, welches Burmeifter feinen zoonomifchen — Briefen (1856) zu Grunde legt, wogegen das von ihm früher, in feiner Naturge- | f&hichte (1837) entwidelte eine naturphilofopbifche Färbung zeigt. 54) geb. 1783 in Erlangen, 1809 Profefjor,in Königsberg, wurde 1821 bei _ Palermo von feinem Führer ermorbet. re Ze Areal! ‚ eintheilungsgrund benußt werben. Im feinen für bie Zeit bes tichei» nens fehr brauchbaren, von großer Belefenheit und richtigem Urtheile zeugenden Buche, Naturgefchichte der fleletiofen ungegfieberten Thiere (1820) , gibt er ein zoologiſches Syſtem, wonach die Thiere zumächft in zwei große Gruppen zerfallen, ſolche ohne Gefäße oder nur mit ein« jenen Gefäßen oder getrennten Sefählpftemen und ohne Stelet, und ſelche mit im fich gefchloffenem über alle Organe vertheiltem Gefäß. fofteme und boppeltem Kreislauf. Beide Gruppen theilt er im zwei weitere , je nachdem die Thiere Wafler oder Luft ahnen. Waflerath- mente ſtelet · und gefäßlofe Thiere find Zoophyten (Infuforien, Spon- gien und Polppen) , Eingeweidewürmer, Mebufen und Straßlthiere und Arachniven. Zu den Thieren mit boppeltem Kreislauf und Waffer- athmung rechnet Schweigger Eruftaceen, Annulaten, Girripeben, Mol- [usten und Fiſche, zu den luftathmenden Steletthieren die brei höheren Wirbelthierclaffen. Das Umnatürliche der Anerdnung tritt Hier auf ben erften Blid entgegen und läßt bie entichlebene Unzwedhmäßigleit Weniger tritt dies bei dem Syſteme Wilbrand’s auf, welches eine einfeitige Weiterentwidelung des Linne ſchen ift. Er fiellt (1814) bie Beichaffenheit der Blutflüffigteit obenan und theilt die Thiere im folche mit falter !ympbe, mit kaltem rothen Blute und warmem rotben Bfute. Die Thiere mit kalter Lymphe haben entweder weiße Lymphe und kein Herz (frei lebend: Zoophyten, in andern Thieren : Eingeweiberwürmer),, ober rothe Lymphe und kein Herz (Anneliden) oder weiße Lymphe und bes Herzens erfte Spur (Infecten und Mollusten). Die Thiere mit Blut find die Wirbelthiere 9). — LYängeren Beftand und mehr Freunde fanden die Syſteme, welche von der Beichaffenheit und Anorbnung des Nervenfvftems ausgiengen. In vemfelben Jahre ald Euvier bei Cha⸗ =, Eine Eintheilung des Thierreicht nach der Bilbung bed Herzens, je nad» eine zugefügt wird für bie Thiere, derem Leibeshöhle gleidgeitig Magen und Herz it, Rellte 3. Hunter auf. — * gewiffermaßen Beftimme theilte — ee am ihrer Gomogen ſcheinenden Aörpermafie eigemifchtift. Während Zoophyten die letere Abtheilung der Cryptoneura allein bien, alt die erfte wieder in Diploneura, d. h. Thiere mit Gehirn und Kae mit bloßem Ganglienfyften. Die zu letterer Gruppe ges u * einem dem Ganglienſyſtem der Wirbelthiere entſprechenden Ner ⸗ ſic alſo nicht einreihig, wie in ſämmtlichen bis jetzt geſchilderten — faßt wurbe. — Diefe einreihige Anordnung findet fich wieder in dem Softeme Ehrenberg's, welches wenigftens bie beiden Hauptab- ER Geilungen auf die Form des Nervenfyftens gründet (1835). Dr 3 ch ſieht an der Spike des ganzen Syſtems, aber von den Thieren Ri ei jelbftänbige Claſſe geſchieden. Die Thiere zerfallen in Myeloneura um Ganglioneura. Die Myeloneura, Wirbelthiere, theilt Ehrenberg 8 ; Bögel vereinigt er als Nutrientia, Reptilien und Fiſche als Orpha- . Die Ganglioneura werben weiter getheilt in Sphygmozoa oder erreich nach dem Nervenſyſtem ein 5%). Er ſchied die Thiere in ©; ‚mit Kb Nerven, Phaneroneura, und ſolche, deren Nerven - fenmark und Ganglienfyftem (Wirbelthiere) und in Haploneura, Kr m Reifen der Myeloneura (mit Marfjäule, die dem Rüdenmart ft, Eruftaceen,, Infecten, Anneliven) und der Ganglioneura ‚ Moltusten und Strablthiere) ftehn parallel neben einander, die gegenfetige Stellung der einzelnen Abteilungen aufge ⸗ nach dem Berhältniß der Eltern zu den Jungen; Säugethiere A Cordata, mit Herz oder pulfirenden Gefäßen, und in Asphyeta oder “ : E , Thiere mit Gefäßen ohne Puls. Zu erfteren gehören die iR fen mit zerftrenten Ganglien ohne Körpergliederung,, zu letteren bie Tubulata , ohne Gliederung, Thiere, deren Darın ein einfaches Rohr ober ein Sad ift Bryozoen, ein Theil der Polypen, der Würmer nd? Ehinodermen) und vie Racemifera mit getheiltem, gabligem oder Darme (Aiterien, Medufen, Anthozoen, Saug- und Plattwür« 56) Beiträge zur Anthropologie und allgem. Naturgeſchichte. 1812, ©. 81. n mit gegliedertem Körper und Ganglienkette und die Mollus⸗ Se. mer und Infuforien). — Auch Grant hat eine Eintheilung der Thiere mach dem Nervenfpfteme aufgeftellt (im Todd's Cyclopaedia, 1835). Dieſelbe ſchließt ſich enger an die Euvierjgen Typen an, nur werben diefelben durch Die Form des Nervenfyftems harakterifirt ; ähnlich ver» fuhr auch R. Omen. Danach find die Strahlthiere bei Grant Cyclo- neura , die Gliederthiere Diploneura (nach dem paarigen bie Ganglien verbindenden Nervenftrange, alfo in einem anderen Sinne als bei Rudolphi) , bei Owen Homogangliata, die Mollusten find bei Grant Cyelogangliata, bei Owen Heterogangliata, bie Wirbelthiere bei Grant Spinicerebrata, bei Owen Myelencephala. Auch in der Syſtematit machte fih nun aber in ven erften Yahr- zehnten dieſes Jahrhunderts der Einfluß der Naturphilofophie geltend. Ehe die moderne Richtung der Glaffification erwähnt wire, muß daher mit ein Paar Worten ver naturpbilofophiichen Syſteme gedacht werben. Charalteriſtiſch für alle hierher gehörigen Berfuche,, das Thierreich zu claffificren , ift die Willfürficheit , mit welcher die thieriſchen Formen in beftimmte durch Abftractionen erhaltene Rubrifen eingeortnet werben, ohne ver thieriichen Geftalt mehr als es allgemeine Analogien geftatten Rechnung zutragen. Es tritt daher einerfeits ver Gedanle. den in feine Or- gane auseinandergelegten Menjchenleib im Thierreiche wieberzufinden, ober die Wiederholung nicht thierifcher Geftaltungsproceffe in gewiſſen Thiergruppen zu finden, ober ein an ähnliche frembartige Abftractionen ſich anlehnender Zahlenſchematismus bei biefen Syftemen in den Borbergrund. Oken jelbft, welcher inef fein Syftem öfters umgearbeitet hat, gieng in feiner Zoologie von dem Getanten aus, daß „jetes Naturreich einwirle und einen Haufen Thiere nach ſich forme*. Er erhielt alſo Elementen⸗ welche ver Eintheilung der Steine entiprechend in Erd ⸗ Salz«, Brenz. und Exzthiere zerfallen), Pflanzenthiere (analog in Wurzel-, Stengel-, Laub · und Dlüthenthiere ſich theilend) und Tpierthiere. Im letzterem „Reiche* werten die vier niederen auf höherer Ordnung wiederholt ; fo find Schleimthiere Hier Quallen, Steinthiere höherer Orbnung bie Schalthiere, Pilanzenthiere der höhern Stufe die Kerfe, endlich vie eigentlichen Thierthiere die Wirbelthiere. Ofen bringt aber noch einen 1 Fleifchlofe. R a Berberiiten theilt er die Wirbelthiere in Geſchlechts · henthiere (Fifche), Darm- over Bauchthiere (Reptilien), ober Druftthiere (Vögel) und Sinnen- over Kopfthiere (Säuge- Aehnlihe Analogien und Vergleiche mit Eiern und Keimen — 1844) meint, das Thierreich ſei die Zerſpaltung des uſchen in feine organiſchen Syſteme. Die Claſſen find nach ihm : fire Entwidelungsftufen des böchiten Thieres zu betrachten. ve entjpricht entweder vem Gejchlechts- oder dem Verdanungs« oder ' Reſpirations⸗ oder dem ſenſiblen Syſteme. Dabei ſtehn immer Claſſen auf gleicher Stufe relativer Ausbildung. Goldfuß führte | die Bierzahl in ven größern und Heinern Gruppen bis zu den m jo conjequent durch, daß er in der Ueberficht für die noch * nn Formen Plag läht. Für die unterfte Stufe, welche den Ei« oder Keimzuftand darſtellt, führte er ven Namen Protozoen ein, allerdings auf Polypen und Medufen ausgedehnt. — Enger an Ofen ſließt ſich das Syftem von €. G. Carus ans’). Er theilt die Thiere in Eithiere, in welchen die Bereutung des menfchlichen Eies prädomi- ft (Sufuforien, Polypen, Meduſen, Echinodermen), in Rumpfthiere, in welchen namentlich der vegetative Factor, alſo beſonders bie Gruppe ber Rumpforgane entwidelt ift, — fie find entweder Bauch · und Darm⸗ tbiere Mollusken, Gasterozoa) oder Bruft- und Gliederthiere (Artieu- lata s. Thoracozoa) —, und in Hirn» oder Kopfthiere, Wirbelthiere. Auch bei dieſem Shfteme wird die VBierzahl durchzuführen verfucht. — Wie oben erwähnt ift auch das Syftem von Burmeifter nicht ohne naturphiloſophiſchen Beigeſchmack (im Handbuch der Naturgejchichte, 837). Den Kormentypus glaubt er um To weniger in Anfchlag brin- gen zu dürfen, als die Entwidelung des Syftems der Thiere von den organifchen Spftemen der Thierheit ausgehen follte. Ex erhält daher 69 zuerft in: Iſis, 1823. ©. 1254, ferner in den Ur-Theilen :c. und in ben - Grumdzligen der vergleichenden Anatomie, 1928. BB. Garus, Geſch. d. Zoot. 43 Nach RER Syſtemen J — die Eintheilung der Fleiſchloſen. — Auch Georg Aug. Golde degetativen Organen) * fonmmetrifche Bewegungdergane und ohne gleichmaßig entwidelte Sinne, Gliederthiere, Arthrozoa, mit ſymme⸗ teifchen Bewegungsorganen und äuferlicher Gliederung, aber unvoll« fommenen Sinnen, und Kopf» oder Rüdgratstbiere, Osteozoa. m zweiter Linie tritt dann die Blainville ſche Auffaffung der Formentypen und bie Bierzahl auf. Im gleicher Weife legte auch Veop. Iof. Fipin- ger (geb. 1902) feinem Syſteme (1943) das Vorberrichen ber Ent- widelung einzelner Organfpfteme zu Grunde und zwar bei den Wirbel (ofen das ber vegetativen, bei ven Wirbelthieren das ber animalen Organe neben je einem vegetativen Syſteme (5. B. bei dem Wilchen Ernährungs. und Knochenfyftem, bei ven Reptilien Zeugungs- und Musteliyftem). Was die Verwendbarkeit der einzelnen Organfpfieme im biefer Weile äußerft bedenklich erfcheinen läßt und das Zutrauen zu dergleichen Syſtemen völfig untergräbt, ift ver Umſtand, baf eine und dieſelbe Elaffe bei den verfchievenen Autoren durch verfchiebene Organe ceratieriſirt wirt **). Eo wurde hier auf das confeguente Pefthalten beftimmter Zablenverbältniffe hingewiefen. Als ein anf eine beftimmte Zahl gegründetes Syſtem ift noch das Quinarfyftem von Will. Sharp Mac Lea h und das die gleiche Zahl enthaltente von Joh. Jal Kaup zu erwähnen. Mac Leay's Hanptjäge find, daß das Thierreich eine freisförmig in ſich zuruclaufende Reihe bildet, daft nur foldhe freisför- mige Reihen als natürliche Gruppen zu betrachten find, daß e# fünf große Hauptkreiſe von Thieren gibt, welche von fünf Heineren oecu (anten) mit einander verbunden werden, und baf eine ber fünf großen Gruppen, in welche jeder der großen Kreife getheilt ift, Achnlichleit mit allen übrigen und einen ihr eigenen Typus darbietet. Der legte Sak inußte natürlich zum SHerbeiziehen einer Menge von Aehnlichkeiten ver- anlaffen ; und es wird gerade der Nachweis der Verſchiedenheit zwifchen ) Raum einer weitern Erwähnung werth find die gleichfalls rein naturphilo · fophiihen Syſteme von Aug. Boll. Streubel uub Mar. Perty (beide 1846). Pe — — — — Verwandtſchaft Mac Leay oft als Verdienſt an- ie en bezieht er ſich ſelbſt auf Fries, welcher in feiner Pilz- nalogien neben Berwandtichaften bezeichnet hatte, und auch Linne li * in dieſer Weiſe, wenn er die Papageyen für den Affen loge Formen, die Raubvögel für ven Raubthieren analog hält, ebenſo 5. ©. Boigt die Hühner ven Wiederkäuern vergleicht u. ſ. f. lach Dien gefiel fich ja in derartigen Deutungen. Das Syſtem, wel- bes in Will. Swainfon und Rich. Aylward Bigors eifrige An- hänger, in Hugh Erw. Stridland einen treffenden Kritifer fand, ift - formal-wie real eins der alferunnatürlichften und erfcheint bei genanerer Prüfung nur als geiftreiche Spielerei. Das Thierreih bat danach feinen Anfang und kein Ende. Die Wirbelthiere führen durch bie en zu den Mollusten, viefe durch die Tunikaten zu ben Acrita⸗ (Bolypen, Helminthen, Infuforien), diefe durch die Zoanthiven a den Echinodermen, diefe durch die Cirripeden zu den Glieberthieren, dieſe endlich durch die Anneliden zu ven Wirbelthieren zurück. Das ſtrenge Durchführen der Fünfzahl hat ferner zum Aufſtellen völlig ungleichwerthiger Gruppen und bei ihrer Berwendung bis in die Heinen Abtheifungen zum Trennen verwandter und Vereinigen fremder Formen geführt. Dem Ausipruche Mac Leay's gegenüber , daß Euvier geradezu mit den erſten Grundſätzen des natürlichen Syſtems völlig unbekannt geweſen fei, erhält Ka up' s Bemerkung allerdings volle Begründung, af das Spften abbaliftifch fei. Die Säge, auf welche Kaup fein eigenes Syſtem gründet, find nicht weniger unklar, unrichtig und ge- zwungen. „Der Thierkorper beſteht aus folgenden fünf anatomiſchen Syſtemen: 1. Nerven, 2. Athmungsorgane, 3. Knochen, 4. Muskel⸗ ober Ernährungsorgane, 5. Haut oder Generationsorgane.“ „Der - Thierlörper (!) zerfällt in fünf Regionen:, Kopf, Bruft mit Hals und Bordergliedmaßen, Rumpf mit Wirbeln, Bauch mit Schwanz und Magen, Beden und hintere Ertremitäten“ , fie entjprechen ven anatos mischen Syſtemen in der angegebenen Reihe, ebenjo die fünf Sinne, nämlich „Auge den Nerven, Ohr den Athınungsorganen, Naſe den Knuochen, Zunge den Mustel- oder Ernahrungsorganen, die Genera- tionsorgane (als fünfter Sinn!) dem Hant- oder Gefchlechtsiyfteme.“ 43* u F —— —— — Aeflen cipeh eben ber rei Untereice zur: verherefchenben AM fung gelommen*. Das erfte Unterreich umfaßt, wenn erhalten, vie vier Wirbelthierclaffen und vie Moliusten. Sühgefein von ben zuieht ennäfnten Berfuden wuzen Dia Ksnkannl ſchen Typen allmählich immer mehr die Ausgangspuntte ber Spftematif gewerten. Im einzelnen untergeortneten Punkten zeigten fich Ungleich⸗ beiten in der Auffaffung; je nachdem einzelne Zoologen mehr über Wirbelthiere over über Gliederthiere, über diefe oder über jene Heinere oder größere Gruppe gearbeitet hatten, je jhärfer fich dabei denſelben innerhalb der durchforfchten Abtheilungen mit ter immer größer wer» denden Vertrautheit ver Rormen die Verſchiedenartigleit entgegengeftellt hatte, deſto mehr waren fie geneigt, dieſe reife eingehend in Heinere Gruppen zu fpalten und dadurch vie GMeichwerthigfeit ihrer fuftemati- Ichen Abtheilungen zu ftören. Belege bierfür gaben die verichiebenen Anorknungen ber Weich- und Gliederthiere; es zeigt fich dies auch 3.2. in der neuen Glaffification von . Agaffiz, welcher bie Mollusten in drei, die Gliederthiere (mit Einfluß der Würmer) in brei, und bie Wirbelthiere in acht Claffen teilt. Es wurde oben bereits erwähnt, daß von Baer das wichtige Gomplement ver Entwidelungsftufen oder tes Ausbiltungsgrades der Auffafjung der Typen zugefügt hatte. Er zeigte, daß den einzelnen Typen ein befonderer Entwidelungsplan ent- ſpreche, dem ftrabligen Tupus die ftrablige Entwidelung, dem maffigen Typus der Mollnsten die gewundene Entwidelung, bem geftwedten Typus der Gliederthiere die ſymmetriſche Entwidelung, dem Wirbel thiertypue die doppelt-fymmetrijche Entwidelung. Bei Schilverung ber fegteren hatte von Baer, wie auch ſchon angedeutet wurde, bereits auf das Auftreten von Kiemen an den Schlunpbogen bei den niebern, und auf die Entwidelung einer Allantois bei den höheren Wirbelthieren hin⸗ gewiejen und danach die Eintheilung des Typus vorgenommen. Wäh- rend aber von Baer die Entwidelungsform nur als eine weitere Beftätigung ver Typen anjah, wurde von anderen Seiten das Ent- en t als ——— benutzt — — ei gung anderer einzelner Merkmale, wie 3. B. einzelner p 8 das Syſtem ein künſtliches site wollte wohl mit der in der Cephalopodenentwicke⸗ ® aufgeftellten Tabelle nur das Vorkommen gewifjer Entwidelungs, I — und nicht dauach das Thierreich eintheilen B. 9. van Beneden und Carl Bogt gründen ihre Syſteme auf das Verhalten des Dotters zum Embryo und zwar erjterer ‚bie relative Sage beiver zu einander (Hypocotyledonen , Dotter tritt ‚ unten in ven Körper, Wirbeithiere, Epicotyledvonen, Dotter ift en Artbropoten, und Allocotyledonen, Dotter weder rüden- och bauchftändig). Vogt's Syſtem folgt bei der erſten Theilung aber von Beiden in Einzelnheiten ab. Er nimmt einen Gegenſatz zwi⸗ ſchen Embryo und Dotter d. i. alſo eine Entwidelung mit Primitiv⸗ theil) bei ven Wirbel-, Glieverthieren und Cephalopoden an, während fich bei allen übrigen Thieren der ganze Dotter in ten Embryo verwandeln el Die Unterfcheidung der drei erften Formen nimmt er wie van Bene den nach ver Yage des Dotters vor (Wirbelthiere : bauchftändig, - Slieberthiere: rüdenftändig, Cephalopoden: fopfftändig) ; bie zu der festen Abtheilung gehörigen Gruppen unterſcheidet er nach der Organ« anlagerung : diefelbe ift nach ihm unregelmäßig bei Moltusten, ſtrahlig hei Strahlthieren, bilateral bei Würmern, Die Protozoen (Snfuforien und Nhizopoden) machen ven Beſchluß der Reihe als Formen ohne Eier. wWirlliche Fortſchritte konnte die Syſtematik nur durch weitere Ausbildung ver Kenntniß von den Typen nach ihrem anatomiſchen und embrpologifchen Verhalten machen. Nicht immer wurde hier vermieden, 4 ) „Der Embryo entfteht mit einem Primitivtheile (evolutio ex una parte) > ober mit dem ganzen Leibe zugleich (evol. ex omnibus partibus).” In erfterem Falle wäh der Embryo nach zwei ſymmetriſchen Richtungen (evol. bigemina, Wirbel- mb Glieberthiere) oder nach allen Richtungen gleichmäßig (evol. radiate, Mollus- ten), in feßterem Falle im der Richtung der Querachſe (Strabithiere) oder in ber Richtung der Läugsachſe (Würmer). Entwid. d. Cephalopoden. S. 175. Kölliter's Schema und in Bezug auf die Claffen van Beneden, weiht men, deffen Auteinanderfegungen in präcifer Weife tie Tragweite ber Typenlehre und beren Anwendung auf das Spftem barftellen. Seine Eharakterifirung der vier Typen enthält das, was man im Allgemeinen von ihnen erwarten fann. Er theilt vie Wirbelthiere nach ber von d. Baer bervorgehobenen Eigenthümlichteit der Enttvidelung im foldhe mit, und im ſolche ohne Allantois, vie Gliederthiere je mach dem Bor handenſein over Fehlen geglieberter Anhänge in zwei Gruppen, die Moltusten in echte Molinsten und Molluscoiven, bie Zoophhten in ftraßlige umd farcoteartige. Ein weiterer Fortjchritt war es tab von Siebold die mit den ſtrahligen Zoophyten gar feine Verwanbtfchaft barbietenden Infuforien und Rhizopoden al Protozoen von jenen trennte. Doch ivar es ein Fehler, daß er verfeitet durch bie höhere Ent» widelung ver Inftinfte bei den Inferten bie mit gegliederten Bewegungs ⸗ organen verfehenen Gliederthiere, für welche er wie erwähnt den Namen Arthropoden einführte, von ven Würmern ſchied, fogar die ganze Gruppe der Mollusten zwiichen fie ftellte. Emplich wiefen Frey unp®. Leudart das Borhandenſein zweier weientlich verichierener Organifationsftufen innerhalb ver Zoopbuten nach und treunten viefelben in bie beiden Grup? pen ber Goelenteraten und Echinovermen. Räumt man ben letzteren den Werth von Typen ein, fo enthält das Suftem,, wie es ſich auf Grund ver Tupenlehre bie jegt entwidelt hat, jolgende Hanptgruppen : Protozoen , Eoelenteraten,, Echinetermen, Annulejen (mit Würmern und Artbropoven) , Mollusten (mit Molluscoiven und echten Mollus fen) und Wirbelthiere. BWeitaus den meiften Gefammtdarftellungen des Thierreichs ift in neuerer Zeit diefe Anorduung zu Grunde gelegt mit geringen Aende . zungen innerhalb ver Heineren Kreife. Einzelne abweichende Auffaffungen ber Typen erjchienen zwar, doch kommen fie wenn auch auf Umwegen umd mit geringen Movificationen auf die Cuvier ſchen Typen zurüd So ſchilderte z. B. Ed. Eihwald 1821 vie Entwidelungsftufen bes Thierreihs und ftellte deren 16 auf, ohne den Menſchen, welcher bie 17. Stufe bilden würde, indem er theilweiſe auf Ariftoteliiche Bezeih» — — — | Be Beine vn m A Fr mod = die Entozoen von den Glieverwürmern, die Mol — von den Cephalopoden Malaka), die Selachier ben übrigen Fiſchen ſchied. Später (1829) vereinigte er dieſe fen in jechs Typen, welche von den Cuvier'ſchen nur durch den nen und baburch abweichen, daß er für die Cephalopoden Podozoen nt Bolypen Phytozoen beſondere von ven Mollusten (feinen Thero- ven) und den Zoophyten (feinen Cyclozoen) getrennte Typen aufftellt. N. Omen gab 1843 noch die vier Typen Cuvier's; fpäter (1855) ‚trennt er bie Zoophyten in Unterprevinzen (Strahlthiere, Entozoen und - Sufuforien), da er wohl fühlte, daß gerade biefe Vereinigung feinem natürlichen Typus entipreche. Die Cuvier'ſche Eintheilung, wenn auh micht bie maturgemäße Erfaffung der Baupläne liegt auch der nur im 3 der Charalteriſirung etwas modificirten Claſſification zu Grunde, welche 1843 Soh Ludw. Chſin. Graveuhorſt (1777—1857 in Breslau) gab. Eine treffliche Ueberſicht des Thierreichs mit Berückſichtigung der wyiſchen Berhältnifie jowie der durch die neueren Unterfuchungen nöthi- gen Mobificationen im Einzelnen gab Ian van ber Hoeven), welcher bei einer äußerft reichen Erfahrung und ausgebreiteten Gelehr- - famfeit kritisches Urtheil mit naturhiſtoriſchem Blicke in feltener Weife verband. Endlich mag noch erwähnt werben, vaß fich die fitferarifchen Hülfsmittel, welche in Form von Hand» und Lehrbüchern dem Stubium der Zoologie Vorſchub zu leiften ſuchen, meift an Euvier anfchließen ; fo Wiegmann, Bronn, Agaffiz, Schlegel, W. Carpenter, Det. Schmibt, &. ©. Haldeman, Sp. Baird u. f. f., während nur eine Heinere Zahl andere Fermen der Darftellung wählte, wie Arn. Ad. Berthold (1803 — 1861), welcher die Eintheilung in Kopf- und Körperthiere -(Corpozoa !) annimmt, und Joh. Leunis (geb. 1802), welcher in ©) geb. 1801 in Rotterdam, ſtudirte in Leiden, wurde bort 1824 Doctor ber Mediein, 1826 auferdrdentlicher, 1835 ordentlicher Brofeffor der Zoologie und ftarb ala folder 1868. Seine zoologifche Philofophie (lateiniſch geſchrieben) iſt etwas hinter den Erwartungen zurüdgeblieben, bie man von einem gerabe aus feiner Feder lommenden Werke ſolchen Inhalts hegte; aber ſchon bie Conception befjelben iſt für ihn bezeichnend. zehnte wurten mehr in der Form einer litterarifchen Uel — fein anderer maßgebender Geſichtepunlt Einfluß gewonnen hatte, aus · ſchliehlich um eine immer tiefer gehende Einſicht in das Leben und vor» zügfich in den Bau der einzelnen Wermentreife. Die Begründung‘ mancher der eben verzeichneten fyftematiichen Anfchanumgen wird fi daher erft mit einem Blide auf tie Arbeiten über die grfern und Mei ; neren Gruppen ergeben. da fe von einem Mertfcpritte im richtigen Erfaſſen ter — claffifiirenden Gruppen ſelbſt abhängen. Es handelte ſich fo lange 4 4 R k Protozoen,. Die Bezeichnung wird bier im Sinne von Bien beid'# auf die früher in weiterer Austehnung Infuforien genannten Formen angewentet, für deren Kenntnif und Spftematif das oben er- wähnte Wert O. F. Müllers Ausgangspımft war. Nirgens war die Abhängigkeit des Fortichritts von ver Bervolitommmung ber Uniler⸗ fuchungsmittel jo groß wie hier. Die frübeften Arbeiten über die Pro- tozoen in ber vorliegenden Periode erhalten daher nur eine Erweiterung ber Formenlenntniß und einzelne Beobachtungen über Yeben und Bau, ohne burchgreifend die Anfchauungen über die Stellung ver Gruppe zu beeinfluffen. Der Art find vie Mittheilungen von Arz. v. Baula Schrank (1747— 1835), Ar. v. Paula Gruithuifen (1774— 1852), Chftn. Ludw. Nitz ſch (1782-1837) , felbft die von Bory be St. Bincent. Doch wies ſchen 1812 Rene Joaquim Henri Dutrodet (1776— 1847) die ungleich höhere Organifation ver Nä- beribiere nach, welche er Rotiferen nannte und von ben Infuforien zu frennen ‚und in die Nähe ver Ascidien zu bringen vorfchlug. Mit un- ermüblicher Austauer hat jeit 1829 Ehftn. Sir. Ehrenberg bie Infuforien unterfucht und, im Beſitze einer unendlichen Fülle jpecielifter Thatjachen über Form, geographiiche und geologifche Verbreitung ber zum Teil bei, ſchrieb aber den Legtern einen ähnlich zufammenger Dan zu mit Magen, Drüfen u. f. f. und fehied fie nur nach dem oder Borhandenfein eines Darmes und Afters in Anentera und dela. Außer den vorzüglich aus dem fühen Waffer befannten uforien war aber feit langer Zeit noch eine große Zahl anderer milroſ⸗ her Organismen bejehrieben, Glieder der von Breyn Bolythalamien annten Thiergruppe. Man kannte zwar nur ihre Gehäuſe, ſchloß g nach der Form diefer auf eine Organifation, welche die Thiere in Nähe ver ähnliche Schalen befigenden Cephalopoden bringen würde, Schon Blainville bezweifelte dies (1825) da er aber nichts Andres an Die Stelle des geleugneten Baues fegen konnte, wurde er nicht beachtet. 1826 gab A. d’Orbigny biefen Formen den Namen Foraminiferen nach ihrer meift fein durchlöcherten Schale und ſtellte fie als Ordnung Er übrigen Gephalopoven gegenüber. Nach einem außerordentlich reichen in Europa und Amerifa gefammelten Materiale gab er bie erfte aus führliche ſyſtematiſche Schilderung der Gruppe. Erſt 1835 trat eine * Benbung zur richtigeren Erkenntniß der Protozoen ein. Hier beobach- — Felir Dujardim (geb. in Rennes, geft. 1860) lebende Foramini⸗ ‚ lab, daß ihr Körper nur aus einer homogenen contractilen Sub- a beftehe , in welcher keinerlei Organe geſchieden find und welche er Sarcode nannte, umd gab der Abtheilung (nach Zurüdziehung ber auf mebrkammerige Formen gegründeten Bezeichnung Symplectomeren) ben Namen Rhizopoden. Dujardin bejeitigte aber mit feiner Darftel- fung des Rhizopodenbaues nicht bloß die irrige Anficht über bie ver- "meintlihe Cephalopodennatur viefer Weſen, fondern wies auch auf bie Unhaltbarkeit der Ehrenberg ſchen Angaben über die Polygaftrie ber Smfuforien Hin. Gieng er auch anfangs zu weit, darin, daß er allen ein einen Mund abiprach, fo ift doch der erfte Schritt zur Ein- fand zuerft Guſt. Wold. Fode und Meven, — Jones und Erw. Forbes auf. Meyen äußerte zuerft (1839), dap bie Infuforien in der Hauptfache ven Pflanzenzelien ähnlich erfchienen, eine Anficht, welche ipäter von von Siebold zur Lehre von ber Ein» zelligleit der Protojoen erweitert wurde. Der feitenbe Gedanle war dabei, daß, wie die Entwicelung der höheren Thiere von einzelnen Zellen ausgieng, fo auch das Thierreich mit Formen begänne, welche einzelne Zellen barftellten. Die im Innern des Infuforienförpers auf tretenden Differenzirungen und bie allerbings noch nicht zum völligen biefer Anſchauung. Die eingebentften Unterfuchungen über ben Bau und befonders über die Entwidelung der Infuforien verbankt die Wiffen- fchaft in den legten Jahrren Friedr. Steim (geb. 1818), weicher and in einem noch nicht abgeichloflenen Werle die ganze Gruppe fpftematifch burchzuarbeiten begonnen hat. Ebenfo haben zwei ausgezeichnete Schü+ ⸗ fer Ich. Müllers, Friedt. Ich. Yahmann (geb. 1832, geft. 1861) und I. Lonis Mend Ant. Ep. Claparede (geb. 1832, geft. 1871) bie Kenntniß ver Infuforien weientlih förtern beifen. — Aber nicht bloß die Anfichten Ehrenberg’6 über ven Bau der Infuforien konnten fi nicht haften; auch Lie Austehnung und Begrenzung ber Gruppe wurbe umgeftaltet. Die Raderthiere entfernte bereits 1832 Arenb Friedr. Aug. Wiegmann (1500 — 1841) von ben Protogoen und brachte fie zu den Würmern (im feinem Hanbbuche), eine Stellung, welche ihnen auch von Siebold, Rymer Jones und R. Yeudart gaben ; Mine Epwards machte 1836 (in der zweiten Auflage des Lamard) auf ihre Berwanttichaft mit ven Gliederthieren aufmertfam , eine Bes ziehung, welcher Burmeifter 1837 durch ihre Einordnung in bie Elaffe ber Eruftaceen praftiihe Ausführung gab und welche 1855 noch Franz Feydig durch eingehende Unterfuchungen beftätigte. Nachdem ferner 1840 Thuret, 1843 3. Unger das Bortommen beweglicher Pflanzenzellen und freier Schwärmfporen erwiefen hatten, mußten faft fämmtliche —— Da * — * — — ra Ehrenberg's mit Ausnahme der Amoeben aus dem Kreiſe ver en entfernt und zu den Pflanzen gebracht werden. Die Poly- ien fehlten bei Ehrenberg; er hatte fie für ben Bryozoen verwandt , weil e8 keine kaltfchaligen Infuforien gäbe, hat dagegen die von u aufgeftelite Familie ber Polhehſtinen für Polygaſtren gehalten, 6 Teine kiefeljchaligen Polythalamien gäbe. Die Dujardin ſchen ren aber &. Deshayes und H. Milne Edwards Fr ‚9.3. Carter, Will. Crawfurd Williamfon und l. B. — in England; und in Deutſchland gab einmal N x Sig. Schulte (geb. 1825) eine monographiiche Darftellung 1 Baue der Rhizopoden, worin er Dujardin's Auffaffung beftätigte und erweiterte, während Ich. Müller's legte Arbeit nicht bloß bie Auffaſſung der Rhizopoden im Allgemeinen klärte, ſondern beſonders die Berwandtichaft ver Bolychitinen mit den Polythalamien nachwies mp bie Gruppe der Radiolarien für fie ſowie für die von Meyen mb neuerdings von Hurley beobachteten Meerqualjter einführte. Die Bergleihung der folfilen Rhizopodenſchalen, befonders der Num⸗ muſliten, führte zur forgfältigen Unterfuchung der Schalenbildung auch ‚bei lebenden Foraminiſeren, welche vorzüglich von Garpenter geförbert wurde. — Endlich muß noch der Spongien gedacht werden. Yange Zeit wurden fie noch zu den Polypen gebracht (fo von Lamarck, ſelbſt don Schweigger , welcher anführt, es feien Korallen ohne Polypen) und nach ihrer äußern Geſtalt claffificirt. 3. Fleming gründete zuerſt eine Trennung der einzelnen Formen auf die Natur der Hartgebilve (Horn, Kiejel- und Kaltihwänme) , welchem Eintheilungsprineip im Allgemeinen Blainville, Nardo, G. Johnſton folgten. Eine nähere Kenntnif des Schwammtörpers bahnte Grant 1826 an. Die Zus ſammenſetzung deſſelben aus Sarcode lehrte Dujardin kennen. Ein» gehende Unterſuchungen verdankt man H. J. Carter, Jam. Scott — und über ten Süßwaſſerſchwamm Nathan. Lieber— vos. Erſt in allerneuefter Zeit beginnt man, die Elafje anhaltenver und eingehender zu unterfuchen. Zu erwähnen iſt noch, daß A. ©. Derſted die Protozoen als jelbftändigen Kreis nicht anerlennt, ſondern jr entweder zu den Pflanzen oder zu ven Würmern bringt, wie auch E. - nelierbings ee UF öherer Th erblidt, in deren betreffende Claſſe er fie trotz der B Baues einorbnet. | Eoelenteraten. Bon Baer bemerkte mit Recht, ee Luvier beshalb alle niedrig organiſirten Thiere zur ſtrahligen Form gebracht habe, weil er mit dem Begriffe des Typus bie Idee einer beftimmten Ausbildungsftufe der Organifation verbunden habe. Der Typus ber Zoophpten bedurfte daher einer ftrengen Durchficht. Nach Entfernung ber Protozoen in dem erwähnten engen Sinne blieben noch Strahlthiere und Eingeweidewürmer bier vereinigt. Bon ven bier zumächft zu ber hantelnten Thieren mit ftrabligem Körperbau wurde anfänglich befon- dere dieſe charakteriftiiche Geftalt in ven Verbergrumd geftellt. So vereinigte Lamard bie Echinodermen mit ben Mebufen unter der näheren Bezeichnung ter Radiaires und nannte die legteren R. molasses, eine Anorduung, welcher noch Burmeifter (1837) folgte. Die Bolypen wurten dann den beiden genannten Gruppen als durch den Befig eines — Audonin und Milne Edwarde 1828 zwei Normen, don denen die eine mit Darm, Mund und After verfehen war und für ben Zunicaten (Ascidien) verwandt erklärt wurde. Diefelbe Anficht ſprach 1829 Wild. Rapp (1794 — 1865) aus. Pür biefe Gruppe ſtellte John Baughan Thompfon 1830 den Namen Polyzose, Ehrenberg ten ber Öryozoen auf, wogegen bie übrigen Bolypen von legterem als Anthozoen bezeichnet wurden. Aber jhen Audo uin umb Milne Epwards hatten (1628) innerhalb diefer Polypen zwei durch eine nur eine in ihr KNörperparenhym eingefenkte verbauente Höhle ohne jelbftäntige Wandungen und ohne Gefäße und Refpirationsorgane, bie andere einen fich in die Veibeshöhle öffnenven Magenfchlauch befigt. Die erfteren wurten ſchon von Ehrenberg Dimorphaea genannt und von Steenftirup nach den entwidelungsgejchichtlichen Beobachtungen von von Siebold und Sars als genetifh in nahem Zufammenhange mit den Mebufen ſtehend nachgewieſen. Es find dies die Hydroiden, die übrigen find die echten Polypen, für welche der Chrenberg ſche Name teben iſt Um bie Syſtematik derjelben hat fih Ehrenberg große te erworben , indem er zuerft auf die Organifation ver Thiere, ih auch auf die Zahlenverhältniſſe der Tentateln aufmerkſam Die früheren Eintheilungen von Iean Bict. Fel. Lamou⸗ 1779— 1825) und von Lamard gründeten fich auf Anweſen⸗ wer Behlen, Beſchaffenheit und Form von Hartgebilven ſowie auf angel ober Beſitz freier Beweglichkeit (mit letzterer find nach ihm, ch Abzug der Hierher gezogen Rotatorien, die Pennatuliden begabt, welc e beshalb von ihm Schwimmpolypen, Polypi natantes genannt werden). Achnlihen Grundjägen mit geringen Mobificationen folgte ©: weigger (1819). Die Syfteme von ©. Johnſton (1842), iveldher bie brittiſchen, und von Jam. Dwight Dana, welcher die Polypen ver norbamerifanifchen Erbumfegelung bearbeitete, gehn zwar auch theilweife von der Form und dem Bau des Korallenftods aus, berücfichtigen aber auch den Bau der Thiere. Auf legteren, namentlich auf die Eibildung hatte auch Rapp Gewicht gelegt. Neuerdings hat H. Milne Edwards mit feinem leider früh verftorbenen Schüler Jul. Haime (1824 — 1856) die ganze Claſſe mit Einſchluß der foffilen Former bearbeitet. — Ehrenberg hat in feinen Korallenarbeiten auc) die Natur des Korallenſtocls aufgeflärt und dadurch ben Anfichten über bie Bildung der Koralfeninfeln und -riffe eine ficherere Grundlage neneben. Während der ältere For ſter, Flinders, Peron die Po» en ihren Bau aus jehr großen Tiefen beginnen ließen, in welcher Annahme ihnen noch Chamiffo folgte, der nur bie vichtige Beobach⸗ hing machte, daß die ftärferen Polypen an ver Aufenfeite der Riffe ten, fprachen zuerft Quoy und Gaimard die Meinung aus, daß Die Bolypen nur in einer beftinmten Tiefe (eben können. Ehrenberg "machte auf das äuferft langſame Wachſen der Korallen aufmerfam und glaubte, daß fie nie Lager von beträchtlicher Mächtigteit bilden Mönnten. Es ift das große Berdienft Ch. Darwin’s, die Bildung ber Niffe und Infeln mit den geologifchen Verhältniſſen des Grundes, Auf dem die Polypen bauen, in Verbindung gebracht zu haben. An ine Unterfuchungen jchließen fich dann die neueren von 3. D. Dana — Die anatomifche Kenntnig der Medufen hatte Cuvier ſchon J RE | 1799 angebahnt. —— e Zahl neuer Formen fennen. Heine. Mor. Gade und Karl Wilh Evfenhardi fuchten einzelnes Anatomifce aufzuffären. Eſchſcholtz ftellte 1829 ein Syſtem auf, seien in feinen weienfichen Bien mai) ARERIE bon Edw Borbes in feiner Schilterung ber brittifchen nadtäugigen. Meduſen fowie von Gegenbaur in feinem Spftem der Medufen faft in gleicher Begrenzung nach verfchiedenen anatomiſchen und merpholg« gifchen Gefichtspuntten charalterifirt wurden. Die Entwidelung ber Scheibenquallen (ieh einen nahen Zufammenhang mit ven hydroiden Polypen erfennen. Die wichtigen Beobachtungen von Siebolp's und Sars' hatten gezeigt, daß die Merufen während ber Entwidelung einen polypeiden Zuſtand burdhlaufen. ©. &. Loden, ®. 9. vom Deneden, #. Dujarbin und Arm. de Onatrefages hatten mebufenförmige Sprößlinge hydroider Polypen nachgewieſen, Aug. Krohn ven vollftändigen Entwidelungstreis einer ſolchen Meduſe fennen gelehrt. Die morpbelsgifche und fpftematifche Auffaffung beider Gruppen erfuhr hiernach eine völlige Umgeftaltung. Borzüglid waren e6 bie Siphonophoren deren Kenntniß in neuerer Zeit durch Milne Ed⸗ warbe, Kölliter, Gegenbaur, Veudart und Bogt gefördert worben war), welche vurch ven bei ihnen am entichiedenften entwidelten Bolymorpbis- mus ber Indbivibuen zu der zuerft von Gegenbaur beftimmt forms firten Anfhauung führten, daß bie verfchievenen fowohl bei ben Reh⸗ venqualien als bei den hpbreiden Polypen auftretenden verichiebenen | Gebilde eine gleiche Entwidelung zeigen, welche fie, wenn auch auf verſchiedenen Stufen ftehen bleiben, ala gleichwerthige Individuen er⸗ tennen läßt. — Die Berwanttjcpaft aller hierhergehörigen Thiere hat 9. Milne Edwarde wie erwähnt aus der Eigenthümlichkeit ber Hohlräume des Yeibes erfannt, welche er als Gaftrovascnlarapparat bezeichnete. Auf dieſe Auffafjung gründete ſich die Vereinigung ber Bolypen und Medufen unter dem glüdlich gewählten Namen der Eoel- enteraten von Frey und Leudart, währent Hurley fie nach den hier beſon⸗ vers entwidelten Neffelorganen ver Haut als Nematophoren bezeichnete ; (1851). | — iſchritte beziehn ſich vorzüglich auf den immer fpecieller Nachweis ber genetijchen Beziehungen der verjchiei chinodermen. Nachdem Klein für die Echiniden den Efaffen- ber Echinodermen aufgeftelit, Bruguieres unter derſelben Be— ng noch die Aſteriden begriffen hatte, vereinigte zuerſt Cuvier bie Holothurien mit jenen beiden Gruppen zu einer größern Ab- heilung. Die Gattung Comatula wurde meift zu den Seejternen ge- acht, von deren übrigen Formen fie aber als weiter abweichend von übier bezeichnet wurde. F. S. Leuckart hatte ſchon 1829 die Ber- mthung ausgeſprochen, daß fie von einem Stiele losgelöft zu fein iene. Dies betätigte 1836 John Baugban Thompfon, welher m früher von ihm beichriebenen Pentacrinus europaeus als Iugend- zuftand der Eomatel nachwies. Für die Encriniten, welche Cuvier ‚jioifchen Aſteriden und Echiniven geftelit hatte, ohne eine bejondere Abteilung für fie zu bilden, errichtete 1821 I. ©. Miller bie Fa⸗ fie der Erinoiden, welche Gruppe Erw. Forbes zur Echinodermen- erhob. Er theilte in feiner reizvollen Gefchichte der brittifchen Seefterne /Echinodermen) die ganze Claſſe nach den Bewegungsorganen n Pinnigrade (Erineiten), Spinigrade (Ophiuren) , Cirrhigrade { ), Eirrhifpinigrade (Echinen), Cirrhivermigrade (Holothurien) unb Bermigrade (Sipunteln). 1820 entvedte Thom. Say foffile den Er und Afterien verwandte Formen, Pentremiten , für welche 1828 9. Fleming den Familiennamen Blaftoideen aufftellte. Endlich unterjchied deop. von Buch 1845 die Gruppe ber Cyſtideen von ben übrigen mit Armen verjehenen Crinoiden. Während auf diefe Weile der Kreis der Echinodermen vervollftändigt wurde, enthielten die Holo- hurien der früheren Syſteme noch. die Sipunteln. Auf das Zweifel- hafte dieſer Stellung hatte ſchon 1818 Blainville aufmerkſam gemacht, bis fie enblich 1849 Em. Blanchard unter dem ihnen 1847 von ges gegebenen Namen ver Gephyreen zu den Würmern brachte. Claffification der Echinodermen hat nur in fofern Schwankungen de ‚ als einmal die von Lamard eingeführte engere Verbindung der Echiniden und Afteridven mit den Meduſen bie Holothurien ſchärfer k Kenntniß der lebenten und feifilen Echinen haben fich 2. Agaffiz um €. Dejor bie größten Berbienfte erworben (1837 m, figte.). % | ie Ateriven ordnete 1505 And. Ich. Regius. Sie fanden jpäter (134 unter Ich. Müllers Hänven eine von ihm — mi Herm. Trofchel bearbeitete ausgezeichnete monographiſche Di Die Helothurien wurden in einer ſehr guten Differtation a umd fbitematifch von Wülh. Ferd. Jaeger (1833) — darauf (1835) vom Joh. Ar. Brambt als Ordnung — formen gab F. Tie demann in dem ſchen oben angeführten & Delle Ehiaje förderte die Anatomie der Echiniven, — &. Balentin im Zuſammenhang bearbeitete ; aus Hunters N af wurden Cinzeinheiten zur Anatomie der Helothurien befannt, Die Synapta zergliederte OQuatrefages. Weitaus bie wichtigfien Unter iuchungen über vie Morphologie ver Echinovermen verbanlt aber Wiffenfhaft Ich. Müller. Ueber die Entwidelungsgeihichte waren Reihe der meifterhajteften Unterjuchungen die typiichen Eutwidelunge« verbältniffe ſaͤmmtlicher Echinstermenorenungen fennen und mufterte bei dieſer Gelegenheit die Anatomie der ganzen Gruppe in jo eingehenven Weife,. daß eine umjaſſende und abſchließende | der Morphologie ver Echinodermen erjt mit feinen Arbeiten beginnt, Würmer. Waren bei Euvier die Zoophyten die nicht bloß im irer Organifation als vie einfachften erfannten, ſondern auch zum Theil noch nicht hinreichend befannten niederen Thiere , fo bildete be⸗ tanntlich bei Linne tie Abtheilung der Würmer jene große Bereinigung fung aller nicht anderweit unterzubringenden Formen als einer n: \ — Da ſchon Pallas derſchiedene Formen hier nb wie das Beftreben der neueren Syſtematik darauf gerich- | bei in diefer großen Claſſe aufzuräumen,, wurde oben Bach Entfernung der bereits bejprochenen drei Gruppen blie- Zhiere, welche ziemlich genau der jetzt mit dem Namen ver Würmer te Abtheitung entjprechen. Auch hier that Cuvier ven erften ritt zu einer naturgemäßen Anordnung, dem er jelbft jedoch nicht blieb. Während nämlich Finne die Hierher gehörigen Formen teils feine Ortmung der Intestina, theils aber zu den Schalthieren und ollusten gebracht hatte, vereinigte Cuvier 1798 (im Tableau lem.) nmtliche Würmer zu einer mit ven Arthropoden nahe verbundenen Claſſe 1d ftellte darin die eigentlichen Würmer den Vers intestins gegenüber. Für die erfteren führt er das Vorhandenſein von Blutgefäßen (1803 ‚don rothem DBlute) als charakteriftiiches Zeichen an; fie wurden von Samard, welder in feinem Syſtem der wirbellofen Thiere (1801) uvie „folge, fpäter Anneliven genannt. In den Vorlefungen über der ve Anatomie ftellt zwar Cuvier beide Gruppen noch zufam- ni 300), fügt aber bei den Inteftinen hinzu, daß fie noch nicht hin— befannt jeien, um über ihre Stellung bei den übrigen Würmern ober bei ven Zoophyten enticheiden zu können. Dies entfchied Eonft. a ) umeril 1806 (in der analytifchen Zoologie) jo, daß er die Einge- weibewürmer zu den Zoophyten brachte, worin ihm ſowohl Cuvier als deſſen apathifche Thiere ven Zoophyten völlig entiprechen) folgten, wie fpäter auch Goldfuß, Schweigger, Yatreille, Wiegnann, anfangs jelbft noch van der Hoeven. Die weitere Anordnung der Wür- e bieng num zum großen Theile davon ab, wie man die Eingeweibe- zmer beurtheilte Schon Rudolphi fagte, daß diefe Gruppe nad) rt einer Fauna die Thiere mit beftimmtem Wohnorte innerhalb anderer Thiere umfafje; auch von Baer verneint die Selbftändigfeit derſelben. Blainville ftelite den Borftenwürmern (jeinen Chaetopoden) bie Fußlofen gegenüber, zu welchen ex die Blutegel und Eingeweidewürmer imete, erkannte aber das Unnatürliche der legten Gruppe an. Am iteften mit der Einordnung der Helminthen in andre Abtheilungen gieng F. ©. Leudart, welcher Bolypen-, Afalephen-, Trematoden-, = 8. Garus, Bid. d. Boot. 44 lend findet, daß es feine den Mollusten zuzurechnenden Ei würmer gebe. Burmeifter Sikete (1837) aus den Rrapern, @ mit. ben Trematoden und Planarien zu ber Gruppe Trematoben, | aber die Nemertinen mit ven Nematoben zu den jußleſen Ringehoür, mern. Im einer eigentpümfichen Weife Hat A. ©. Oer ſted (1844) ans den fuß- und berftenlofen Würmern vier ven Untererduungen bei Helminthen entiprechende Gruppen gemaht. Rud Yeudart fol (1848) Burmeifter, nennt deſſen Helminten Anenteraten, deſſen Tr matoden (mit Einfchluß der Nemertinen) Apoben, fügt aber jet biefe und die Annulaten noch eine Gruppe Ciliaten für bieRä über veren Stellung jchen oben geiprochen wurte, und bie & Endlich teilte E. Bogt (1551) die Würmer in Platt», * Ringelwürmer,, in Gruppen, welche ihrer allgemeinen \ | nad bis heute Gultigteit haben. — Baoen Cum fen 1706 e Gefäße der Blutegel beſchrieben, die Anatomie der Würmer ü I weiter geführt hatte, fürberten bejonvers Savigny um Antoni und M. Ed wardo ſowohl die Anatomie als die äußere A 2 niß der Anneliden, damit auch ihre Syſtematil — ſpater Quatrefages, Blauchard und Ab. Ep. Grube ſchloſſen, welche durch ausgedehnte Unterſuchungen vie Kenutniß anatemiſch von Arz. Leydig aufgelärt, ſyſtematiſch ven O Mo+ quin-Tandon bearbeitet, nachdem vorher Spir und | biefelben behanvelt hatten. Die Kenutniß ver ungejchlechtlichen Ber mehrung der Sylliden welche O. F. Düller ſchon geſehn hatte, haben Quatrefages, Krohn und M. Schultze erweitert. Die Ent⸗ widelungsgeichichte der Würmer unterjuchten Sar e und eouin, Kölliter, I. Müller. — Euvier Hatte die Würmer nach dem bandenjein ver Borften, 1800 nach vem der äußeren Kiemen Eintheilungsgründe, welche feitvem ftets in Gebrauch geblieben Dem erjteren folgte Dumeril 1806 und Lamard ſowohl im (1801) als in ver Philofophie (1809). Im ver Naturgefchichte Echiureen (mit ven Regemwürmern) an und theilte ven Reſt er in die beiden jener Abteilung coorbinirten Gruppen der und Sedentaires. Diefe drei entiprechen ziemlich ven von t 1817 im Rögne animal aufgeftelften der Abranches, Dorsi- * es und Tubicoles.. Savigny berückſichtigte die Borſten, An- nnen Br ange u. f. f. und theilte (1820) vie Anneliven in bie vier m ber Nereiven, Serpuleen, Yumbricinen und Hirndineen. An te Cuvier ſche Eintheilung ſchließt fich die von Latreille am | 182 — — verſehenen theilt er in Notobrauchier, Cepha⸗ lobr — er und Meſobranchier, die Kiemenloſen find Enterobranchier lainvilte degte bei Theilung der Borſtenwürmer die größere ober Gleichwerthigleit ver Segmente zu Grunde. Milne Edwards Em von Lamarck berührten Buntt heraus (vivant vaguement dans les eaux etc.) und nannte (1834), im Uebrigen das Hauptge- n f auf die weichen Körperanhänge legend , die Nereiden Savigny's errantes , bie Serpuleen Tubicoles, die Lumbricinen Terricoles, bie ı Suceuses. Trotzdem daß Edwards 1838 noch eine andere lung vorgefchlagen hat (wie Blainville in Apoden und Ehaeto- letztere in Gephalo- und Mefobranchier) ift feine frühere Anord- g ziemlich allgemein zur Geltung gekommen , wie fie z. B. A. ©. Be welcher nur die Hirudineen ausfchließt, annahm, nur daß ie Errautes nun Maricolae nennt. Anf einer jehr großen Formen- 6 ruht Grube's Syſtem (1851), in welchem er bie beiden Bruppen der Kiemenwürmer zu einer Ordnung (Appendiculata poly- ehaeta) vereint und zwiſchen dieſe und die Lumbricinen und Hirubineen he er Oligochaeta und Discophora nennt) noch zwei Ordnungen it Tomopteris und Peripatus einfchiebt. Die in dieſen Syſtemen Sa berüdfichtigten Struvelwürmer (von Ehrenberg 1831 in n Sinne Turbellaria genannt) hatte hau neben die Hirudi⸗ — Mit dieſen wurden ſie neuerdings von Burmeiſter R. Leudart (1848) vereinigt; doch wurden bie letzteren richtiger ME. Bogt, dem auch Gegenbaur folgt, den Anneliven zugetheilt. — - Die Kenntnif der Eingeweivewürmer, ihrer Formen, ihres Baues, 44* ere man Gamer eine Atheiung Moven für Pirubi- | keinungen im Sehen berfeiben Iag, geläftet zu Haben, iR ieh \ Berbienft veutfcher Jorſcher ee i feine Vorgänger faft derdraſecht hat (Zeber 391, Rubeiphi 998 r jondern jowohl ſyftematiſch als anatomiſch die Gruppen gewifferma men begräntet hat. Ihm folgten Ich. Gfr. Bremfer (in M 1767 — 1827), Bojanus, Brieer. Ehftn. Heinz. Ereplim | Greifswale), Nitz ſch, Eruard Meplis (geft. 1832 in 6 a €. €, von Baer, E. Mer. Diefing, E. Th. €, von Sich Sie lehrten nicht allein die Anatomie der Helminthen und beren E (ungeftufen fennen, fenbern Sefeitigten und bie ff — ganz aufgegebene Annahme einer Urzeugung bei viefen TUsem legten ven ſichern Orund zu dem Baue, weicher jegt von Rud leud Ant. Schneider u. A. weiter geführt wirt. Ben Ausländern fi rühmlich zu nennen Aler. von Norpmann (ftarb 1866 in Helfin for), Rid. Owen, D. #. Eidhridt, J. Dujardin m Bl van Beneden. Abgeichn von ber etwaigen Einorbnung | Helminthen in das Syſtem der Würmer hat Rubolphi's Claffific (die ſich wie erwähnt an Zeder anfchloß) noch immer Gültigkeit. betreffis ver Blafenwürmer wurde ein weſentlicher Fortſchritt gemadh Goeze hatte diefelben als im Eingeweiden wicht im Derao: Bandwürmer vargeftellt. Diefer durch Rubolphi's Syftem, welch neben ten Nematoden, Acanthocephalen, a EE eine Ordnung Blafenwürmer aufführt, zurüdgerängte 6 n trat wieber in ben Borbergrund. Wiegmann fagte | 1832), * Blajenwürmer als unausgebildete Formen der Grubenköpfe und Bam würmer angejehen werten könnten. Nun fannte ** Wanderung und die damit erfolgende Weiterentwidelung einiger Bank würmer aus Fiihen in Waflernögel. von Siebold wies (18 bie Wanderung der Entwidelungszuftände von Trematoben nach, ız ! Bojanus und €. €. con Bar bein um Stufe berei { ————— n⸗ fucht und durch ihre Entwidelung veranlaßt von Neuem darauf f gelegt, daß fie Thierftöce feien. Wichtige Beiträge zur Ent- elung der Trematoven gaben Fil de Filippi und 9. ® Mon: dwürme weiter im — —* lehrten. eich ten Freunde und Arbeiter gefunden. Seit Mitte vorigen als 3. B. die über Vögel und als die über Mollusten. An bie e der oben S. 559) erwähnten Zeitjchriften traten andere Illi⸗ Se und Zinden, Thon, Silbermann, Thomfon), von denen noch beftehn. Beſondere Geſellſchaften pflegten den Fortfchritt em Gebiete der Gliederthiere, wenn auch die Hauptfächlich beliebte & bie Infecten waren , fo in Frankreich (1832), England (1833), atichland (Stettin, 1837), Holland (1857). Dem Erſchließen des Arthropodentypus in der geſchilderten Weife, n ws auf die Wirbelthiere, waren Verfuche vorausgegangen, die * Formentreiſe innerhalb des Typus ſchärfer gegen einander bau grängen; bies führte mit jenem allmählich zur natürlichen Anord- * Gruppe. Wie bei Fabricius war noch in dem erſten Verſuch geumas= ber Arthropoden, welchen Pierre Andre Latreille , 1762 in Brives, geft. 1833 in Paris) aufftelite (1796) der je Kreis als „Infecten“ aufgefaßt und in gleichwerthige Ordnungen eilt worben. Von diefen umfaßten nur die vier legten die übrigen opoben, die erften zehm gehörten den Infecten. Dabei erjchienen the der Nematoden und beſonders der re: J — bie Ipentität bes Blaſenwurms der Maus und des — er hatte van Beneden eine große Reihe Bandwurmformen —* oben. Nächſt ven Wirbelthieren haben die Arthropoden iberts ift die entomologifche Literatur auferorbentlich ange -⸗ | bie foecielt über Infecten handelnde ift noch einmal fo umfang ⸗ rachniden zuerft als „Kopflofe* und zum erften Male die „Myria⸗ A a TE —— Br u A ee — u u aan —— * er j N ‘ a , Samand 1801 — als ſelbſtandige Claſſen von be — 2 beſchrãnkte ſich der Ausbrudt Infecket anf bie jechsfüßigen Arthropoden, welchen noch 1832 Yatreille bie an dern Glafjen als Apiropoden gegemüberftellte. Hiermit waren bie wie Elaffen gegeben in der form, wie fie nech heute angenommen werben Rur die Stellung der Myriapoden ıwar noch nicht beftimunt; Vatreill felbft wechſelte ihren Play mehrmals ; DIL. Elferd dach (ER. 1000 bildete eine eigene Claſſe aus ihnen, während bie meiften fie zu ben Inferten, Erichſon unb nach ibm von Siebolb fogar zu N Exuftaceen brachten. Die meiften Spfteme waren bis dahin auf Allg und Mundtheile gegründet , felbft das ves um bie Emtoniologie fe verbienten Wil. Kirby (1750 — 1850), deſſen im Berbinbung mi Will. Spence (1783 — 1560) bearbeitete Einleitung in bie Entomor logie beſeudere nupbringend gewirkt hat. Yeacdh berüdjichtigte zwar die Entwidelung, felgte aber bei ven Ordnungen ſelbſt den Alügeln und Kiefern. Den legte wohl in feinem viertheiligen Syſteme bei beit Infecten Gewicht auf die Verwandlung. führte aber fpäter (1521) ven unbaltbaren Begriff der unvolltommmen over halben Verwandlung ein. Selbit Burmeifter nahm 1537 diefen Ausprud anf, trogben er vor (1632 im Hanpbuche ver Entomologie) die betreffenden Formen ri als ametabelifche bezeichnet hatte. Folge naturphilofophifchen Einfluffe ft es wohl, jwenn berfefie Entemelen — | Waſſer · Yand- und Lujtgliederthiere d. i. Würmer, Spinnen mil Myriapoven, Juſecten bezeichnet, aber, weil ver Uebergang vom Waſ⸗ jer- zu Landthieren doch zu auffallend ſei, noch eine Durchgangsgruppe (Eruftaceen) dazwiſchen ſchiebt. — Nod war aber bie zur Zeit ver zweiten Auflage von Euvier's Thierreich die Begrenzung des Glieder thiertypus nicht ficher ermittelt. Dies erfolgte nun. Die Cirripedi ftanden: bei den Melluslen; und wenn auch Lamard 1802 fie ai ſchalentragende Krufter aufgeführt, Lat re ille fie mit den Anneliven zu einer zwiſchen Mollusken und Arthropoden ſtehenden Gruppe a einigt hatte, be ef fiber RO aD ea BEE Im bemjelben Jahre aber veröffentlichte 3. B. Thompion den aut i ‚ber Gruppe (1851) erweitert — Ferner galten die Ler⸗ für Eingeweidewürmer. Freilich hielt fie ſchon Blain ville für jlieberte Thiere und Latreille brachte fie wenigſtens zu den glieder- tartigen Helminthen. Aber erſt durch Aler. von Nordmanu's achweis ihrer Entwidelung wurde ihre Stellung bei den Kruftern jert. Enblich entvedte 1853 T. D. Schubaert die Entwidelung Der Pentaftomen umd entfernte dadurch diefe Form aus dem Kreife der Helminthen. Die Anatomie dev Gliederthiere im Allgemeinen förverten freiche Arbeiter, unter denen (aufer den Verfaffern ver erwähnten g der vergleichenden Anatomie) vorzüglich zu nennen find ir ®. 8. Sudow (1828 ımd 1829), Strauß⸗Dürkheim (1829), on Dufour (geb. 1782), deſſen zahlreiche Unterfuchungen fich befonders auf Arachniden und Infecten beziehn, ©. R. Trevi- ranus und Joh. Friedr. Brandt, welcher in der mit Jul. Theod Ehſtn. Nageburg bearbeiteten ausgezeichneten „medicinifchen Zoolo⸗ gie", forie in der Arbeit über die Eingeweidenerven Wirbellofer werth- volle Beiträge zur Anatomie der Arthropoden gab. Außer diefen all- gemeinen Arbeiten find aber noch ſolche über einzelne Shfteme zu erwähnen, fo die wichtigen Unterfuchungen über die Nerven von Joh. Müller, venen fich die Befchreibungen von Em. Blanchar d und der Nachweis functionell verfchiedener Nervenftränge bei Myriapoden von G. Newport anfchloffen; ferner die Unterfuchungen über bie Augen von 3. Müller, E. Mor. Gottſche, I. ©. Friedr. Will und Fitz. Leydig, über das Ohr von von Siebold und R. Leudart, über ven Blutlauf von C. G. Carus und Blanchard, über Abfonderungsorgane von Heinr. Medel, wobei die hiſtiologiſch "intereffante Form der einzelfigen Drüfen zum erftenmale nachgemiefen - wirb, endfich über die Genitalorgane von von Siebold, 8. Stein, AImfecten, Myriapoden), am welche fich die Unterfuchungen über ven Mitropylapparat am Infectenei von G. Meißner und R.Lendart anreihen. Zu erwähnen ift endlich noch ver Nachweis des Vorlommens ee J ſtelet, welche. angeregt durch Eſchſcholz un von Baer dann Audonin und befenders Strauß. Dürkheim anftellten. Ergänzend trat bier bie Entdedung des Chitin in der Arthropodenhaut durch Obier (1823) hinzu, welche Yafjaigne (1942) und befonders C. Schmidt (1845) erweiterten. Durch vie allmählich erlangte größere Meberfichtlichleit, in welcher num bie verfchiebenen Formen der Gliederthiere fowohl nach ihrer allgemeinen Geſtalt ale nach ihrem Bau erſchienen konnten bie in beiden Richtungen gemachten Entdecungen directer zum Wertfchritt in ber Erfenntnif des ganzen Typus verwerthet werden. Wefentliche Aufgabe blieb vor Allem vie gegenfeitige Stellung ver größern und Heinern Gruppen , vie Berwanttidaften ver Claſſen und Ortnungen zu erfennen. Die Yölung derielben bahnten zunächft anatomische Un» terfuchungen einzelner Gruppen an. Für bie Gruftaceen find bier zu nennen bie Arbeiten von Audouin und M. Edwarde, Louis Iurine (1751 —1819) , Karl Aug. Rambehr. Die Entdedung verfümmerter Männden nieberer Krufter durch A. von Nerdmann, befonvers bie entwidelungsgeichichtlicgen Arbeiten von Rathte, Nordmann, Baird, Date, Lonen, Philippi, Steenftrup, Ar. Müller. Sie find der Aus- gangspunft neuer Anjhauungen jogar des ganzen Typus geworben. Die Anatomie der Myriapoden förverten befonters %. Dufour, New» port und I. Fr. Brandt, die der Arachniden G. R. Treviranıs, Dufeur, Blanchard, 3. Müller, Brandt, A. Dugis, Dopire; von den Arbeiten über Infectenanatomie find neben den allgemeinen oben genannten noch erwähnenswerth die Unterjuchungen über Berbauungs- organe von Carl Aug. Ramdohr (1811), fowie ber Nachweis ber Malpighiihen Gefäße als Nieren durch Rengger (1817) und Wurzer (1818, Brugnatelli Hatte 1816 ſchon Harnfäure in ben Excreten ge» funden, ohne das Organ zu bezeichnen). Bon großer Bebeutung find die Unterfuchungen über ven Haushalt verjhiedener, befonders ſocial lebender Inferten, unter denen die claſſiſchen Beobachtungen über die Ameifen und Bienen von ven beiden Huber (Franc. 1750-1831, te iber — — Die ſchon genannten ingen über Blattläufe vegten weitere wichtige Unterfuchungen Jungfeäutihe Zeugung und bie jo merhwärtigen Fortpflan er e bei ven Bienen. Im beiden Beziehungen verdankt bie * Meiſte den Bemühungen von Siebold 8, welcher ie — der Fälle bei Pſychiden ſicher ſtellte, ſondern e ei auch jene Theorie des Bienenſtaats mit Thatjachen begrün- fe, welche ver jorgfältigfte neuere Beobachter vefjelben , ver Pfarrer arlamart i. Schl. Ich. Dyierzon (geb. 1811), aufgeftelit hatte. Ham in Hand mit diefen Beftrebungen, tiefer in die Erfenntnif der zmen einzubringen, giengen die Kortjchritte der Syftematif. Für — waren die Arbeiten von Latreille die wichtigften; m Anſchauungen folgten im Allgemeinen fowohl die früheren Dar- lungen der ganzen Claſſe von L. Aug. Guill. Bosc (1759—1828) und ©. A. Desmareft, als die neueren, von denen das Werk von H. Milne Edwards Grundlage fpäterer Forfchungen wurde. Die | Elaffificationen von Dana und Alph. Milne Edwards weichen von jener Grundlage wohl nicht zum Vortheil einer fchärferen und Sichtung der Gruppen ab. Die Gruppen der Arach⸗ m hatte gleichfalls Yatreille zuerft (1817) richtig beftimmt ; die fung nach den Athmungsorganen, deren Deutung ſpäter R.Leuckart richtigte, ift Grundprincip auch fpäterer Syfteme geblieben. Bon dieſe fähfieft fich für die Haupttheilung der Claffe das van der Hoe— den’ 8 einem früher von Duges bei den Acarinen bervorgehobenen u ſtand am, der beutlichen oder verwifchten Gliederung einzelner Körperabichnitte. Auf den jyftematifchen Werth ver Augen bei Spinnen te wieber 9. Bladwall, der um vie Kenntniß der englifchen Spinnen jo verdiente Forſcher, die Aufmerkjamfeit. In umfafjender Beife ftellten Waldenaer und P. Gervais, fowie €. W. Hahn 1 geft. 1836) und &. L. Koch die ganze Elaffe dar. Bon den fo über: Aus zahfreichen Arbeiten zur Förderung der Syſtematik und Kenntniß einzelner Gruppen und Formen der Infecten ift zunächft die Einleitung zur neueren Elaffification berfelben von Jam. Obad. Wejtwe | 1805, Brofeffor in Orferb) zu nennen, welche das älter geiworbene Wert Mirby's und Spence's im foftemnatifcher Hinficht ergänzte. Die Claſſiſication felbft ficherte vorzüglich Burmeifter pur Gründung derſelben auf vie Entwidelungsart. Neuere Rortichritte ) betreffen nur bie relative Selbftäntigkeit oder untergeortnetere Stellung einzelner Gruppen (5. B. der Strepfiptern und Dictyoptern) und die im Sinne einer einreihigen Entwidelung höhere oder niedere Stellung, welche | man j. B. den Öpmenoptern orer Goleoptern gibt, Fragen, welche ven “ bevorftehenten genealogiſchen Aenterungen des Syſtems gegenüber an Bereutung verlieren werden. Die Refultate ver äußerfi zahlreichen Sammfungen faunifticher Thatfachen find in Bezug auf bie Gefeg- mäßigfeit einer geograpbiichen Verbreitung nur vereinzelt bearbeitet worden, fo für die Gruftaceen von H. Milne Edwarde mb Dana, für bie Infecten von Yatreille, Bremi, H. Hagen, Tb. Yacorı baire, 9.8. Maeklin, während für vie Schmetterlinge ein wich» tiger Anfang von Adolf und Auguft Speyer gemacht wurde Mollusten. Den Grund zur näheren Kenntniß und zur nalur- gemäßen Eintheilung ver Moliusten legte Euvier, welcher biefelben anfangs als Claſſe, fpäter als felbftäntigen Typus hinfiellte, Schen 1795 theilte er fie unter Berüdfichtigung ver Berhältniffe des Mantele, ber ſtiemen u. f. f. in Gepbalopoten, Gaftropoben und Acepbalen. Bon den Gaſtropoden fchied er felbit 1804 die Pteropoven, Yamard 1818 vie SHeteropoden, während 1806 Dumäeril die Brachiopoven, 1801 vamard die Tunicaten ale felbftändige Gruppen trennten, Die Bortfchritte im der Kenntniß dieſer Thiere haben gezeigt , daß bie Ab⸗ theilungen im Ganzen natürliche find. Die Verſuche von Denys de Montfort (geft. 1820), Ich. Earl Megerle von Müplfeldt (1765 — 1840) und Friedr. Ehftn. Shumadher (1757— 1830), auf bloße Eigenthümlichleiten der Schalen ohne Berüdfichtigung ber Thiere Gruppen und Gattungen zu gründen, führten zu ſynonymiſchen “1, Gs hiehe die biftoriiche Darſtellung mit einer Litteraturberfidht verwechleln, elite Vier anf cine Butgäitung der Qauptwerte über einzeine Orkuungen unb jaa niftiicher Bergeihnifle eingegangen werben. 1, wie (eier auch der um Ne Anatomie der Mollusten {0 m, worin ihm von Siebold folgte. Der Lamard’fchen Auf ng, a welcher die Heteropoden als Ordnung den Gaſtropoden egeorbnet werben, ſchloß ſich S. L. Lo ven an, mır daf er von dem bien oder Borhandenfein einer Zunge die Haupttheilung ausgehn’ b. Bielfache Aenderungen an feinem Spftem nahm I. €. Gray v, ohme dafjelbe dadurch ficherer zu begründen. Die Syfteme von WDrbiguy und Deshayes ſchließen fich im Allgemeinen den obi- gen Hanptgruppen an. Den wichtigften Fortſchritt in der allgemeinen Spftematit that 9’ Milne Ed wards 1850, indem er bie Tunicaten, Brachiopeven und Bryozoen zu einer den Mollusken coorbinivten Gruppe, den Molluscoiven,, vereinigte. E. Vogt fügte zu diefen drei Ordnungen noch die Rippenquallen, ohne jedoch damit Anklang finden: au können. Für Sammlung neuer Arten und daß jolche allgemeiner zu- 3 gänglich wurden, forgten 2. €. Kiener, Lovell Reeve, die genann- ten Sowerby, Rud. Amandıs Philippi (geb. 1808), Ludw 8 Pfeiffer (geb. 1805) jowie H. C. Küfter, welcher durch neue Bes - arbeitung des Martini ſchen Gonchyliencabinets (f. S. 557) bie zer⸗ ſtreuten Thatſachen zu ſammeln ſuchte. — Für die Anatomie ver Mol⸗ - Tusten war im erſter Reihe G. Cuvier thätig, deſſen ſpäter geſammelte Albhandlungen ven Ausgangspunkt aller ſpäteren Forſchungen bilden Nachſt dem bereits genannten Poli war auch Delle Chiaje darauf bebdacht, im feiner Schilderung der ſüditalieniſchen Mollusken deren Anatomie zu Häven. Aeußerſt wichtig wurden H. Milne Edwards Unterfuchungen , welche die eigenthümliche Form des Gefäßſyſtems in Diefem Topus darthaten, nachdem Cuvier jhen 1796 die Venen- räume bei Moltusten beichrieben hatte. Der von Quatrefages dieſer Schilderung, wenigftens für eine Heine Gruppe, entgegengehaltene fogenannte Phlebenterismus wurde von Edwards jelbjt und von Ey: bour und Souleyet zurücgewiejen. Werthvolle Unterfuchungen über anatomifche Verhältniffe mehrerer Mollustenoronungen machten Re X = PR Be ar) bu? Dass Sika a Sa Ba ne RE . Saverio Poli (17461825) den Thieren andere | bie gebräuchlichen ihrer Schalen beilegte. Meckel ver ⸗ ) Gaſtropoden mit den Ptero⸗ und Heteropoden zu den Cepha⸗ Owen, €. Bogt, Hurley mb U. Hancod, währenn um Die Glaffification ver auch foffil fo verbreiteten Gruppe Yeop. von Bud, P’Orbigny, befonders Thom. Dapidfon und E. Suefe fih ver» dient machten. Die Tunicaten im Allgemeinen fanden in $. Dilne Edwarde und Delle Ehiaje eingebente Beobachter, Die Natur ber Ascivien lehrten C. &. Carus, Eyfenhartt, Agaffiz, Ch. Girard, bie ber zufammengefegten nad Savigny befondere H. M. Edwards näber fennen. Eigenthumliche Ascivienformen unterfuchten und be fchrieben Lefueur, Rathle Quoy und Gaimard, Hurley Krobn und Gegenbaur, währen? die Kenntnif ter Salpen nach Chamiſſo vorzüg- fich durch Dan. Ar. Eſchricht, Sars, Krohn, Hurley und Heinz, Müller (1520 — 1864) geförbert wurde Bei den zweifchaligen Muſcheln hatte Lamard 1807 auf die Verfchiedenheit ver Muslelein⸗ brüde aufmerkfam gemacht und fie danuach in Mone- und Dimbarier eingetheilt. Später nahm man noch ven Manteleinprud Hinzu. Wäß- rend aber Yamard die Brachiopoten mit unter ben Acephalen begriff, löfte biefelben Blainville (18922) heraus, dadurch daß er bie legte Wörter auch hybriden Urfprungs, fo hat das erftere doch weite Ber⸗ breitung gefunden. An der allmählichen Verbefierung des Syftems arbeiteten befondere ©. B. Deshapes, Erw. Forbes und Shlo Danley, S. BP. Woodward und die Brüder Henry und Arthur Adams. Die Anatomie wurde namentlich durch bie Arbeiten von * Mangiti, Rob. Garner, H. Milne Edwarde, 9. La» en Auch R. Lendart jagt, dafi, wenn bie Tunicaten von den Mollusten ge- teinat werben follen, biefer Abtheilung dann vielleicht auch bie Bryozoen einzu- orbuen feien. Dutt * u. U. gefördert. Die Entwickelung verfolgten nnd ber Genannten Duatrefages und Zonen. Daneben boten in in den Perlen und dem Byſſus der Unterjuchung weitere ‚ welche in Bezug auf erftere von Fil. de Filippi, H. Aler. v, Theod. von Heßling und E. Möbius aufgenommen wurde. —— haben die Acephalen einen eigenthümlichen Zuwachs an Dentalien erhalten, welche noch Cuvier zu den Würmern ſtellte E wurden dieſe Formen von 9. Yacaze-Duthiers als Soleno- conchen den Lamellibranchiern an die Seite geftellt. Die Selbftändig- feit der Pteropoden wurde durch Unterfuchungen von van Beneden, Eihriht und Gegenbaur von Neuem erhärtet, durch die von letsterem verfolgte Entwidelung gleichzeitig ihre morphologifche Stellung in ber Mollustenreihe aufgehellt. Die Heteropoden, von denen Fors- - Käl die erften Formen gejchilvert hatte, wurden anatomifch von Delle - Ehiaje, fpäter von Souleyet (Bonite), neuerdings von Hurley, - Gegenbaur und Leuckart unterfucht, von den beiden letzteren und Krohn auch ihre Entwidelung dargeſtellt. Cuvier, Lamarck und Slainville, welcher fie Nucleobrandhier nennt, ſtellen fie als Orbnung unter die Gaftropoven, von Siebold, Gegenbaur u. A. nehmen fie als eine den Gaſtropoden und Pteropoden coordinirte Gruppe. Die echten Gaſtropoden wurden nach den früheren Berfuchen von Euvier, Yamard mb Deshayes, neuerlich zuerft von Milne Edwards auf Grund ihrer Anatomie in natürliche Gruppen getheilt, aus welcher Anorbnung ſich nach und nach die jegige Syſtematik entwidelte. Die Orientirung im dem fo reichen Formenkreife, von welchem man lange Zeit nur bie - Schalen fammelte und claffifieirte, wurde hauptſächlich durch eingehenbe amatemifche Unterfuchungen angebahnt. Hier find außer den Arbeiten von Euvier und H. M. Edwards bejonders die Reifen von Quoy mb Gaimard und von Eydoux und Souleyet wichtig geworben. - Unter ber großen Zahl einzelner Arbeiten waren die von van Beneben, Moquin ⸗Tandon, Lacaze-Duthiers , Yeydig und Ev. Claparede For⸗ men verfchiedener Stellung ſchildernd, von Einfluß. Nachdem Trojchel 1836 auf den fuftematifchen Werth der Zungenbewaffnung aufmerfjam gemacht hatte, unterfuchte diejelbe zuerft eingehend Heinr. Lebert, danu bie Arbeiten von H. Moſeley umd Earl Arierr. Naumann — legend fine. Bon größter Wichtigteit für bie ſyſtematiſche und merpher logiſche Aufjaffung der einzelnen Gruppen ift auch bier veren Embryo» legie geworben, ver andern find Die Unterfuchungen von Dumortier (1837), van Benevden (1841), Loden (1841), €. Bogt (1845), 4. von Nortmann (1945), Leydig (1950), Koren um Da» nielsien (1851), Gegenbaur (1852) md 9. D. Mardonalt (1855 flgbe.) zu nennen. Fur vie Kenntnif der Gepbalopoben bezeich- net mach ven Arbeiten Emvier's und delle Ehiaje's vie Anatomie bes Nautilus von Owen (1532) einen Wenvepuntt. Mit ihr beginnt bie naturgemäße Cintheilung ver Claffe. Der embryologiichen Arbeit Kölliter's wurte bereits gedacht. Rachdem Kölliter fpäter die tecotplen als zu tem Zeugungsgeichäft der Tintenfiſche in Beziehung ſtehend, ja für die Männchen jelbft gebalten hatte, fand Heinr. Müller das wahre Männchen ver Argonante, und es wurde dann von 9. Ö, Berany, E. Bogt und Steenftrup das Vorkommen ber foge- großem Werthe war die Entdecfung von Reften von Weichtheilen foffiler Gephalopoten durch Owen, wodurch deren Berwandtichaftsverhäftniffe gellärt wurten. Das monographiiche Hauptwerk von d Audebarb be Feruſſae um A.D’Orbigny umfaßt auch lebende und foſſile Formen. Im Bezug auf legtere war das Bortommen ver Aptychue Schalen fchwierig zu erflären, bis 1829 Ev. Küppelil die jegt ver- breitete Deutung durch bie Bermuthung begründete, es feien dies innere ber geographichen Verbreitung nur noch wenig benugt. Zur Mlärung der leeren find die Arbeiten von d'Orbigny, Erw. Forbes und Loven wichtig. Wirbeltbiere. At bei manchen Gruppen wirbellofer Thiere ge 1 des noch nicht fft gen, jo ift bei den Wirbelthieren in Folge ver um jo Viel benden Kenntniß derjelben das Syſtem wohl ver Ausorud des ! * m Biene von den einzelnen Gruppen und die Aufnahme ver hritte diejes in die Anordnung enthält die Anerkennung gewiffer &baftlicher Wahrheiten. Wollte man z. B. noch jet die Am- 1 mit ee in eine Claſſe vereinigen, fo hieße dies bie ‚ den Bau umd die durch beide Momente angebeuteten vandt m dieſer Claſſen völlig verlkennen. — Daubenton * und or ihm Lackpede löften zwar die Walthiere von ven Si als Claſſen, vereinigten die Amphibien mit den Reptilien ind sen die Schlangen als Elaffe von jenen „eierlegenden Bier: Bern“, jo daß es zunächſt als Fortſchritt aufzufafjen war, wenn Supier die Linne ſche Eintheilung der Wirbelthiere in vier Claſſen wieber aufnahm. Aber ſchon 1799 wandte Aler. Brongniart das - Euvier'jche Gejeg der Suborbination der Charaktere confequent auf die - Reptilien an und gelangte zu der Anficht, daß die von ihm Batrachier genannten Amphibien den andern Ordnungen zufammen gegenüber geftellt werben müßten. Aber erſt Blainville trennte beide Claſſen als folche (1816), nannte mit richtigem Blicte die Reptilien Ornithoibe und ftelite ihnen, welche er ſyſtematiſch ala Schuppenträger bezeichnete, die fiihertigen Nadthäuter, die Amphibien gegenüber. Auch führte Blainville die Coecilien auf anatomiſche Unterfuchungen geftügt ven Amphibien zu. Freilich vereinigte wiederum Bl. Merrem (1820) Amphibien und Reptilien, Batrachier und Pholivoten, als zwei „Elafjen“ -%. 5. Unterclaffen) zu der größeren Gruppe der Amphibien, hielt aber - doch den Unterfchied zwifchen beiden und auch die Stellung ver Eoecilien hei erfteren (wie auch Mid. Oppel) aufrecht. F. ©. Lendart tremut gleichfalls beide Gruppen als Unterclaffen unter ven Namen ber Dipnoer und Monopuoer (1821). Latreille trennt (1825) beide - Slaffen, führt bei ven Amphibien die hybriden Worte der Eaducibran bier und Perennibrandjier ein und bringt die Eoecilien zu ven Schlan- gen. Ich. Wagler vereinigt Amphibien umd Reptilien „ ſchiebt aber Monotremen und joffilen Reptilien. —— ſicherte Joh. Müller die Stellung der Coecilien durch 9 Kiemenlöcher und wies die Verſchiedenheit der beiten Elaffen durch gehende anatomifche Unterjuchungen nach. Yatreilfe eb nun wohl auch die Knorpelfiſche ale Claſſe von ven übrigen Fiſchen ebenfo die Monotremen von ven übrigen Säugethieren. Doch) fand dies keine Nachahmung. fo wenig die erwähnte Tpeilung der Wirbeithiere im acht Glaffen von Agaffiz Anklang finden vürfte. Wiffenfhaftlich ſicher begrünvet find wenigftens bis jet nur die fünf Claſſen welche €. €. von Baer bereits bezeichnet hatte und welche H. Mine Epwardes in die erwähnten beiten Gruppen ſcheidet, die Allantoidica unb Anal- lantoidica, Gruppen, welche C. Bogt höhere und niebere Wirbelthiere nennt. — Dur tie morphologiſche Richtung, welche bie anatomiſche Behandlung der Wirbeithiere befonders durch die Arbeiten Nathke’s, 3. Müllers und R. Owen’s erhalten hatte, gewann bie enmt« niß des Baues derſelben eine in feinem andern Typus erreichte willen Theile jhafften daneben ein freilich nicht immer fofort zu verwertheudes erforichenten Männern jeien hier nur ©. Y. Duvernop, Ant. Alef- fandrini, E. d'Alton, H. keop. Bartow, A.8.9.€. Mayer, GR. Treviranıs, Will. Brolik zu den oben genannten verglei- cheuden Anatomen hinzugefügt. Sehr lebhafte Erörterungen rief bie von Ofen angeregte Frage nach der Zufammenfegung des Schävele aus Wirbein hervor, an veren Klärung Bojanus, Spir, Ang. Veop. Ulrich, Ed. Hallmann ſich verfuchten. Wefentlich wirkte auf biefelbe ver Nachweis eines dem Inöchernen Schäbel in der Ent: widelung vorausgebenven , jogenannten Primorvialcraniums, welchen anſchließend an Rathke s Unterfuchungen %. Iacobfon lieferte; es wurde baburch der ſchon von Reichert betonte genetische Gefichtspumkt in ben Bordergrund gerüdt und auch in den neueren Verfuchen, ben Schätel zu deuten, wie ven von Hurley und Kölliker, feftgehalten. Eingebend wurde auch das vom Schädel umjchlofjene Gehirn ver Ber: terworfen, jo außer von €. ©. Carus, in der früher er- peift, von Et. Ren. Aug. Serres (1824), Laurencet ‚Brang. Leuret (1839), Nat. Guillot (1844), während rebiranuus u. U. einzelne Theile in verſchiedenen Claſſen - Den Bau der Sinnesorgane, befonders des Ohrs, hat Irejchet durch vie einzelnen Abtheilungen vergleichend unter- Wenn auch zumächft fich auf einzelne Claſſen beziehend, Haben augiologijchen Unterſuchungen von Rathke, Irer. Bauer gr —* auch die embryologifchen Arbeiten jchon Hier erwähnt N —* € fte verfolgte die Entwidelungsvorgänge in mehreren a 1 und gibt an, auch den Furchungsproceh bei den Vö— fen ch ae C. € von Baer, il. — delung der Amphibien unterſuchten C. B. Reichert, ‚ua Arbeit über die Bisceralbogen die Entwidelungsgefcichte der Wirbel: thie ze im Allgemeinen weiterführte, C. Bogt, Mauro Rusconi und * — — Berücfichtigung der allmäͤhlichen Umwandlungen bes Ruochen- und Musteliyftems Ant. Duges; die der Reptilien bear- jeiteten A. W. Boltmann und H. Rathte. Bon großer Bedeutung vareı Be Bander's Zeit die Unterfuchungen über die Entwidelung des ‚ ba fich im ihmen ver jeweilige Stand der allgemeinen An- d m über Wirbeithierentwidelung am Harften fpiegelte. “Hier ift E —*58 — Arbeit von Rob. Remal (geſt. 1865) zu nennen. Für je —— der Säugethiere find die Arbeiten von Th. Lubw. Be hoff grundlegend geworben ; fie betreffen Säugethiere ver- x Orbnung (Kaninchen, Hunt, Meerjchweinchen, Reh, Menſch In a find für die Entwidelung der Körperform wie für die der Eihäute fusgangspunft neuerer Arbeiten. Eine der wichtigften Entvedungen 1 dieſem Gebiete war die Owen“'s von der implacentalen Entwide- img der Bentelthiere. — Gegenüber der Eintheilung der Fifche von in Knorpel: und Knochenfifche, welcher von Lacepede und Du- rt an Blainville, Latreille, Wiegmann und die meiften Neueren gten, war vie Claſſification, welche L. Agaffiz vorzüglich unter 4 2. Earus, Breib. ». Zoel. 45 feinen. Das Hauptwert von Guvier *— andel ——— ken. Online ben 8. Müller ven Rahmen gegeben, a tretenden Einzelnarbeiten bewegen. Die Anatomie der Wiiche ba Rathke und I. Müller gewiflermaßen neu gegründet; unter bem % e Arbeitern auf viefem Felde mögen nur Iof. Hprtl und Serm. Sta J nins genannt werden. Es fanden aber einzelne Syſteme ebenfo ein gehende Schilderungen, fo das Stelet von &. Bakler und befonben Briebr. Ehftn. Rojenthal geft. 1529), das Nermenfufiem bom ben oben genannten Arfaty, von Gottſche, Philipeaug und Buf pian und Stannius; vas Gchörorgan von E. H. Weber. Eine fechften Sinn wies Itz. Leydig im den Geitenkamälen mach. Di eleltriſchen Fiſche welche ſchen A. von Humbolt's Aufmerkf erregt hatten, unterfuchten Et. @eoffroy, Matteucci, Bacini Theed. Bilharz und M. ©. Schulge. Wie Agaffiz durch fei Hauptwert die Keuntniß der folfilen Fiſche begründet hatte, fo gab € auch zuerſt Anveutungen über geographiiche Verbreitung ber Fiſche beren Kenntniß durch zahlreiche fauniſtiſche Beiträge vorbereitet wurde — Die Amphibien, deren Trennung von den Reptilien ſchon enwäßn wurbe, fanden mit letzteren zuſammen eine umfafjenbe ſyſtematiſch Bearbeitung durch C. Dumeril und G. Bibron (fpäter von Aug Dumeril, dem Sohne des erfteren).. Für bie Kenntnif der Anatomi ver Amphibien war ver Umftand förternd , daß ver Froſch das phufio logiſche Berjuchsthier geworven war, an welchem viele, fpäter beianbert Thieren der Elaffe nachunterjuchte Einzefnheiten gefunden wurden (e ift mächft ver Biene das mit der reichften Pitteratur bebadhte Thier) Bon allgemeiner Beteutung waren vorzüglich die Unterfuchungen übe 3 ee fpftem, welche in größerer Ausbefnung von M- Rus: Bar mise angeftellt wirrden. Bei Gelegenheit us \ er nach Europa gebrachten Axolotl ſtellte Envier veifelhaften Reptilien“ anatomifche Unterfuchungen an, welche 2 eentart. dann von Eonfigliachi und Rusconi für eus, von Jeffreys Wyman für Menobranchus, von Luigi für den Arolotl, von Rih. Harlan für Amphiuma und ma, von van der Hoeven für Cryptobranchus erweitert roollftändigt wurden. Einzelne anatomifche Syſteme bearbeiteten ‚9. U Lambotte, Ch. Morren u. 4. ; pas auch e — Verhalten des Gehörorgans —— J. Mül— — Entwickelung der Genitalorgane entdeckte Herm. Bit ti. Daneben fanden auch einzelne Formen ihre Mono» hen, aus deren Zahl Adlj. Fr. Funk über ven Salamander (1826) mwähnt werben mag. Die Veränderung ber Körpergejtalt während der Entwidelung hatte ſchon früh die Aufmerkfamteit auf diefe Gruppe zelenkt; fie wurde mit eingehender Berüdfichtigung der Athmungs- und Kreislaufsorgane von Rusconi, von Siebold, Gafp. Joſ. Mar- fin St. Ange u. U. verfolgt. Den auffallenden Einfluß äußerer Beringungen auf die Entwidelung unterjuchte 3. Higginbottom. Auch wurde das eben ver Kröten in dichtem Geftein und künftlichen Einfhhiehungsmitteln wiederholt geprüft. Die Elaffification der Am- phibien war von Euvier ſchon im Ganzen vichtig angegeben worden; ‚er theilte fie 1800 in Fröihe, Salamander und Sivenen. Dumeril legte (1806) das Gewicht auf den Schwanz und fchied fie in Anwen und Urovelen. Zatreille combinirte beive Weifen und ftellt die nach Dumeril in Anuren und Urodelen getrennten Amphibien mit hinfälligen Kiemen denen mit bleibenden gegenüber. Ich. Müller bildete (1832) aus den Coecilien eine Ordnung der Gymnophionen, fpaltete die Peren- nibrandiaten nach dem Fehlen oder Vorhandenjein äußerer Kiemen in J Derotremen und Proteiden und erhielt damit fünf Ordnungen. Herm. - Stannins rebueirte diefe (1856) auf drei, Urodelen, Batrachier 1. f. bie Anuren) und Gymnophionen Coecilien) und ſtellte damit bie . Berwandtfchaftsverhäftniffe wohl am natürlichften var; freilich ver— J 45* | a ie in ne onopn Die Kenntnif der fofftlen Amp$ibien haben nächft Cuvier d N. Omen und Chſtu. Erich Herm. von Meyer (geb. 1801 1869) erweitert , ben Homo diluvii testis bed Scheuchzer hatte ſch Cuvier anatomisch als Salamander nachgewiefen, nachdem bereits C per und Kielmeyer feine wahre Natur vermuthet hatten, —— bie drei zuerſt von Bronguiart bezeichneten Gruppen ber Schilefröten, Eidechſen und Schlangen eingetheilt. cn Merrem mei m deſſen 1820 vie Crocodile als Gepamzerte von den befchuppten | von denen bie Schlangen nur eine Orbnung bildeten. And Bagier unterjchieb bie Erocodile von den Eidechſen —— ch die Blindſchleiche als Repräfentant einer befondern Orduung auf. batte {hen 1810 €. D. W. Yehmann aus dem Baue biefes E peflen Cauriernatur erlannt, and) hatten e6 ®(ainvilde un Oppe zu den Eitechien gebracht, doch wurde bie Frage allgemein erft 2 Ich. Müller's Ausfpruch (1832) entjchieven. Derjelbe erklärte ferner, die Crocodile für eine jelbftändige Ordnung betrachten zu müffen. Der hierdurch eingeführten Theilung der Reptilien in vier Orbnungen hat auch Stannius eine weitere anatomijche Begründung gegeben. W s bie einzelnen Orbnungen betrifft, jo haben fich um die Keuntniß be Schlangen E. Dumeril und Herm. Schlegel ®) De geben Ben bienfte erworben. Neben ihnen ift aus der reichen Zahl anderer For« jcher Harald Othm. Lenz (1799 — 1870) als treuer Beobachter zu erwähnen. Die Anatomie verjelben förderten Ealori, Hyril, Dur meril, E. Mayer, 3. Müller, Owen. Die Saurier, deren Anatomie werthuolle Beiträge von Rathte und Joh Guft. Fiſcher (geb. 1819, Hamburg) erhielt, erfuhren in ihrer Elaffification dadurch eine Motification , daß ihr nicht bloß die Blindſchleiche fondern auch die Amphisbaenen und Verwandte zugewiefen wurden. I. Müller hält zwar vie Schlangennatur der letztern aufrecht, ebenfo van der geb. 1904 im Altenburg. Urfprlngfich Gefdgieher wanbte er fc) in Wien ber Raturgefchichte zu, wurbe 1839 Eonfervator und nad Temmind's Tode 1858 Director des Reichemuſcums im Leyden. | hat neuerdings Stannius ihre Stellung bei ha = he ſchon C. Dumeril (im der Erpetofogie) , fpäter jen Zunge und dem Farbenwechſel feiner Haut eingehende Bejchreiber, ährend andrerſeits an den einheimiſchen Eidechſen die Wiedererzeugung ei . wanzes wiederholt unterfucht wırrde. Die Anatomie ver Che- inier wurde von Owen, 9. Müller, Peters, ihre Entwidelung on Rathfe, die Kenntni einzelner Formen von Thom. Bell, “ 5. Gray. U. gefördert. Für die Kenntnif der foffilen Reptilien ıd gleichfalls in erfter Linie R. Owen und Herm. von Meyer ig geweien; daneben find noch Goldfuß, Andr. Wagner, Will. —* 17854 1856), Gid. Algernon Man tell (1790—1852) id Bill. Dan. Conybeare zu nennen. — Die Vögel haben mit ihr m bunten gefälligen Formen und ihrem die Natur fo beſonders reiz- Boll machenden Leben eine außerordentliche Zahl von Freunden gefun- | Ben aber ihr Haushalt und ihre Lebensweife auf das Ein- je e beobachtet wurde, fette die ftarre Abgejchloffenheit ihres Baues e — ziemliche Schwierigkeiten entgegen. Cuvier theilte 1798) vie Claſſe in ſechs gleichwerthige Ordnungen Raubvögel, | ‚ lettervögel, Hühner, Wad- und Schwimmvögel) und ſchob wiſchen die Hühner und Wader als einer von beiden Ordnungen zuzu⸗ weiſende Formen die „Vögel, welche nicht fliegen können“ (Strauße und Dronte). Dagegen verjuchte man einerjeits, befonders bie Natur- pbilofophen, die Vögel nach dem Zuftande, in welchem fie das Ei ver- faffen, in Nefthoder und Neftflüchter (Ofen, Burmeifter), andererfeits nach dem Flugvermögen und ven damit in Verbindung ftehenden Mo- fiction des Baues in zwei Gruppen zu theilen. Der legteren von DB. Merrem herrührenden Eintheilung (in Ratitae und Carinatae) ; folgte der um die Anatomie der Vögel hochverbiente Chſtn. Ludw. f Niefch, welcher auch die Vertheilung der Federn am Vogelförper werſt planmäßig ftudirte und für bie Syſtematik verwendete (Pterylo- geapbie). Die Anordnung findet neuerdings beredte Anhänger ; Doch folgt die Mehrzahl der Ornithologen dem allerdings mannichfach modi- e } j mar. cu a en ne Gntidlangeei j en, en einräumen fol. Eupier ftellte vie Raubvögel obenan, DO die (vom ven übrigen Kletternögeln getrennten: Bapageyen, old fuß bie Singvögel (für welche Sundevall 1835 ten Namen )scines einführte), Ranzani die Straufe (als bie fäugethieräßmfichften). 3 bier die allgemeine Form des Spftems biecutirt wurde, fo erfuhr a von einer Seite in Rolge eingehendfter Sperialtenntnif bie bes Syſtemo der Begriff der Art, eine Erweiterung, infofern einer der erfahrenften deutſchen Vogeltenner, der Pfarrer Ehftn. Yu, BDrebm (1787-— 1564) die Art ſchon ale eine böbere fuftematifche Gruppe faßte und vie übereinftimmenden Iubivituen ale Subſpecies vereinigte. — Das lebendige Intereffe an ber Ornithologie führte zur Ar. Aug. Ludw. Thienemann (1793— 1858) und ber Pfarrer Ed, Baldamue (geb. 1812, wie die Naumann’s ein Anbaltiner) fpäter in Deutſchland Jean Louis Gabanis (geb. 1816, in Berlin), in Eng» fand Phil. Lutley Sclater (geb. 1829) beforgen. Bon forgfältigen BDeobachtern des Bogellebene find beſenders ber genannte Brehm, fein Sohn Alfr. Erm. (geb. 1529), Ich. Matth. Becftein (1757 bis 1822, welcher das Latham ſche Wert in Deutichland eingeführt Hat), bie Naumann's (Ich. Antr., 1744—1826 und beffen Sohn Ich. Wriebr., 1780— 1857) und Eonft. &loger zu erwähnen. Die Arten- lenntniß förderten durch große Kupferwerte Temmind (in Berbinbung mit Meiffren Yaugier de Ehartronfe) , weicher bie illuminirten Kupfer zu Buffon Pariſer Ausgabe, 1778) im einer neuen Sammlung von Tafeln, DO. Des Murs, welcher wieder dieſe Sammlung fortfegen wollte, und in Meineren Abbilvungen €. ®. Hahn und H. E. Küfter, Hieran ſchließen ſich die fauniſtiſchen Prachtwerte von rang. Fe» vaillant, 3. Gould, Audubon, I. Will. Lewin, 9. Pribeang Selby, 2. B. Biellot und ven Naumann's, fowie die Mono, grapbien einzelner Familien von I. Bapt. Audebert und Biellot, von R. B. Leffon, 3. Gowld, Alfr. Malherbe, Sclater. Das Syſtem fteliten in vorzügficher Wiedergabe ver Gattımgecharaktere Form der um die Ausbreitung ornithologiſcher Kenntniffe ung der Syftematif verdiente Hein. Guft. Ludw. Reichen- b. 1793) dar. Um die Ausbildung des Syftems bemühten r bejonders Bonaparte, H. Schlegel, 3. Cabanis, \ Eon Stridland (1811—1853), 3. Caffin (geb. 1812) / ‚Spencer Baird (geb. 1823), welcher erfolgreich die zahl- m für eine nordamerilaniſche Ornis bearbeitet bat. 4 — Ueberſichten, ornithologiſchen Jahresberich⸗ * neuer Arten war Guſt. Hartlaub (geb. 1815). wurden gleichfalls bei Beurtheilung ber einzelnen Formen rüd dic t und fanden an Thienemann, Des Murs, C. Ien- 198 md Will. €. Hewitfon ſyſtematiſche Bejchreiber. Die Ana- mie ber Vögel bearbeitete Fr. Tiedemann in vorzüglicher Weife, db Ireviranıs, 9. Ar. Brandt (im zu wenig berüdfichtig- en Abe. Nitzſch, €. I. Sundevall, mb 9. Müller ein- Bunkte in ausgezeichneter Behandlung erledigten. Für bie | Sag Nefte ift ſeit Cuvier's Arbeiten keine Thatjache fo d geiwejen wie bie NReconftruction des neuſeeländiſchen zels aus einem Oberjchentelichafte vurh Owen, ein Fund, durch die fpäter erfolgte Entvedung noch lebender flügellofer { auf jener Inſel ebenjo an Intereffe gewann, wie die Entdeckung —— auf Madagascar manches Licht auf orientaliſche s 1 wirft. — Für die Auffaffung des Säugethiertypus war bie - ** vorigen Jahrhunderts erfolgte Entdeclung der beiden Formen Echidna und Ornithorhynchus von der größten Bedeutung. Sie Fie die Auffaſſung von den Grenzen ver Elafjen, vom fyftematijchen wibe der bisherigen Ordnungen, ebenjo wie von dem Werthe ber Merkmalsgruppen wejentlich umgeftalten. Es hatten zwar Stort und Batch die Beutelthiere zu einer Gruppe vereinigt. Das Belamutwerden neuer Formen hatte aber zunächft die Zweckmäßigleit biefer Anorbnung zweifelhaft ericheinen laſſen. So jagen wohl Cu— E ier und Geoffroh in ihrer für die Gefchichte der neueren Säugethier- ioftematit wichtigen Arbeit (1795) , die primären und bezeichnenden 4 (geft. 1872, Bruder von John Erw.), ſowie in — organe bar; fie wenden dies aber nur auf bie U bie „Perimanen“ enthalten zwar vereinigt die (im n) | thiere, J beibe io zwifchen den Nagelthieren. Unp doch hat ſich dieſe urfprüngfiche Berm des Spftems, trotzdem es durch die in den breifiger Jahren gemachten Unierſuchungen über tie Anatomie unt Entwickelungogeſchichte ber Dono- tremen und Beutelthiere völlig veraltet ift, vereinzelt bis in bie neuefte Zeit erhalten. Es werden hier zunächft wie bei Pennant brei Gruppen mach ter Zehenbelleidung (melde „ihrer Gonftanz wegen ben Zähnen vergehen“) gebildet: Seefäugethiere, Hufthiere und Nagelthiere (fo nach Giebel 1855) ; die erfterm enthalten die Eetaceen und Robben (jo auch bei @iebel) , die zweiten bie Einhuſer, Spalthufer und Bielhufer ober Didhäuter , die legten endlich umfafien als einzelne Orduungen Zahn: fofe, Baulthiere (beite vereint Zahnlofe bei Giebel), Nager (bei Eunier mit ben Kängurube), reifente, wurmförmige und fohlengehente Raub» thiere (bei Giebel zu einer Ordnung vereint) , Ehiropteren, Pebimanen (Marfupialien, bei Giebel nur anders geftellt, zwijchen Nagern und Neihenden und Quadrumanen. Die 1795 noch nicht entvedit geiwefenen Monotremen ftebn im fpätern Syſteme Euvier's (1817, wie noch bei @iebel) bei ven Eventaten. Auch vas Illiger’jche Spftem (1811) ift nur eine geringe Mobification jenes Älteren von 1795; bodh wirt ber Menſch wieter als erfte Ordnung eingeführt. Die Monotremen erſcheinen zwar als felbftändige Ortmung, aber ebenjo auch die ale Springer bezeichneten Kängurubs , während vie übrigen Bentelthiere als Daumenthiere mit Affen und Halbaffen in einer Orbnung zuſam⸗ men ftehn. Guvier felbft verbefferte fein Syſtem mur infofern, ale er bie Robben mit ven Raubtbieren verband , zu welchen er aber auch bie Blevermäufe und Beutelthiere brachte. Die erften Schritte zur natur- gemäßen Umgeftaltung des Spftems that Geofjroy, welder 1796 bie Marfupialien wieder vereinigte und 1803 die Orbnung ber Mono- tremen aufftellte (denen er fpäter jogar ven Rang einer befonberen Wirbelthierclaſſe geben wollte). Ihm folgte Blainville, welcher 1812 vie Echidna und das zuerft von Shaw, genauer 1800 von Blu⸗ bene Schnabelthier (welches 1826 in I. Fr. Medel u fu batte. Im feinem 1816 aufgeftellten Syfteme 23 bie Säugetiere in zwei Reihen, Monodelphen und Divelphen, 9 fügte er diefen noch für die Monotremen die Gruppe der belphen zu. Wiffenfchaftlich ficher begründet wurde die Jwei- ig aber erft durch Owen, welcher dann unter Nachweis der men Entwicelungsweife 1841 die Säugethiere in Placentale Impfacentafe theilte. Die von Et. Geoffroy, Eman. Rouſſeau, Gavin, befonvders von Owen auf ihre typifchen Verhältniffe un- uchten Zähne, vas Stelet, die gleichfalls von Owen vergleichend fuchte Bildung des Gehirns wie in der That das ganze atta- | Berbalten, beftätigten das Naturgemäße jener Spaltung. Zur teren Entwidelung der natürlichen Anordnung der Säugethiere gab ed © €. €. von Baer eine allerdings erſt viel fpäter berüctfichtigte ‚ indem er 1828 in ven Unterfuchungen über die Gefäkver- —* — Mutter und Frucht auf die Verſchiedenheit dieſer de 3 binwies. Beftätigt und erweitert wurden biefe Betrach⸗ — 1837 durch Ejchricht, während fie 1844 von H. Milne Ed- Wwards, fpäter von P. Gervais und E. Vogt, freilich ohne BDerücfichtigung des fo weientlichen WMomentes ver Bildung eines mütterlichen Decidualtheiles, fuftematifch verwendet wurde, Die Ber- fuche von George R. Waterhoufe und Owen die Säugethiere nad) ber Bildung des Gehirns zu claffificren, fcheiterten an denſelben Schwie⸗ rigfeiten, welche die Benugung einzelner Theile zur Elaffification über: haupt barbieten. Beſonders erwies fich nach den Unterfuchungen von Cam, Darefte und Pierre Grat io let das Borandenfein von Groß⸗ hirnwindungen als eine nicht bloß von der ſyſtematiſchen Stellung der hiere, fondern auch von deren Größe, Alter u. ſ. f. abhängige Er- Eigeinung. Während die Elaffe ver Säugethiere in dem bis 1845 von doh. Andr. Wagner 1797 — 1861) fortgeſetzten Schreber ſchen, ſewie in dem von Et. Geoffroy und Fror. Cuvier herausgegebenen Werte bildliche Darfteltung fand, juchten Joh. Bapt. Fifher, Frz. ; > Aug. Ritgen, Heinr. Rud. Schinz die Syſtematik weiter zu 1 fand) auf die ihnen gebührende ſyſtematiſche führen, freilich nicht im der angegebenen Weife, — er arm gab inteh — ver Beutelthiere und Nager heraus. Zahlreich find BE ans Singen u: Gernernig her Bussi Ar dnun gen. Die Edentaten bearbeitete Wilh Te e taceen erläutert hatten , Das EfGrit eine Mille er fuchungen über die Orbmung. Rür bie Hufthiere wurte Omwen's Ausführung der Cuvier ſchen Ieee, die Pachptermen nach ber Zahl der Sehen einzutheilen, von grundlegender Wichtigteit. Beſeuders gelang es ibm, bie ſchen 1795 von Cupier angetentete Beziehung ber Schweine“ zu den@Wieberfäuern durch eingehende Bergleichung der von Euvier und ber Nager jörberte vorzüglich I. Ar. Branpt, die ber Onabrumanen E (von 1796 an) uns Mid. Geoffroy Saint-Hilaire und in Bezug auf ihre Anatomie Owen, van ber Hoeven, Schroeder van der Kolk und Will. Brolit, welche durch verfchiedene Mono- grapbien das Verſtändniß ver Anatomie ver Säuger überhaupt erweitert baben. Rauniftifch ſind auch hier beſendere Aububon unb Soulk zu nennen, denen Antr. Smith, F. Ep. Baird, 9. Br. Draubt, Joh. Heint. Blafins (1809— 18) und Aler. Graf von Kepferling anzureiben find. Die geographiſche Verbreitung ver Säugethiere bear- beitete Iul. Minping und befonters I. A. Wagner. Bür bie &e- ſchichte der Sängetbiere war es endlich von größter Bebeutung, daß bie älteften Formen ver Claſſe als Beutelthiere ertannt wurden, eine That- ſache, welche nach ver Entdedung von Bill. Buclaud 11754— 1856) im Jahre 1823 von Eupier und Owen beftätigt wurde. Menſch. Der Hinweis auf die nächftliegende Aufgabe ver An- thropologie, den Menſchen naturbifterijch zu erfaflen, weichen Yinne durch Einordnung deſſelben als Gattung in die Orbnung ber Primaten fpirituellen Seele, welche wenn nicht ganz unabhängig vom Körper doch | don Rebenserfcpeimingen des Menfchen, ohne ſich use. uſchaft zu geben, im wie weit dieſe Leiftungen aus der bem Bau der organifchen Grumdlage Erklärung gewinnen Im weiterer Folge hiervon wurde der Menſch aus dem Sy: Ehiere wieder ausgejchlofien. Es war Blumenbach’s Verdienft, einnd's ſyſtematiſcher Auffaffung wieder gefolgt zu fein, ſon— ft eine wirkliche Naturgefchichte des Menſchen vorbereitet zu x ftellte wie erwähnt ven Menfchen wieber in die Säugethier- war als Ordnung; hierin folgten ihm Cuvier, Dumerit, er, Duges; eine Unterordnung bildeten ans dem Menfchen parte und I. B. Fiſcher, während I. €. Gray (1925 in erften Syſteme und 3. Godman (1826) gewiffermaßen bie ben Gattungen Homo, Simia, Lemur zu Familien erweiterten. Beoffroy-St. Hilaire, welcher 1837 ausdrücklich darauf fen hat, welche Hülfe das Studium des Menfchen aus dem ber dausthiere erhalten könne, gründet aufs Neue ein Naturreich für ihn —8* dadurch methodiſch ihn zwar zu einem Gegenſtande ver Na- m im Allgemeinen , aber nicht mehr ver Zoologie. Es ver- * die Anthropologie wichtige Förderung der ftreng naturhiſto⸗ * m Methode. Einmal ift es die ſyſtematiſche Stellung des Menſchen N eine des ſyſtematiſchen Werthes feiner einzelnen Formen, banın bie Gefchichte des Menfchen ale Naturproduct, welche zu unter- Mm waren. Zur Beantwortung beider Aufgaben wurde in der vor⸗ m Periode theils der Grund gelegt, theils wichtiges Material mmelt. Im erfter Beziehung gaben James Cowles Prichard 56 — 1848) und San van der Hoeven Gejammtüberfichten der Auftate naturwiſſenſchaftlicher Unterfuchungen über den Menjchen, e and) durch ihre Arbeiten der Austrud Naturgefhichte des Men- m Verbreitung und Annahme fand. Ihnen folgten Joſiah €. Nott, George R. Gliddon, Sam. Geo. Morton (1799— 1851) umb . les Pickering, während Rob. Gordon Latham, Graf A. von Gobinean und Aug. Friedr. Pott die Verſchiedenheiten der Raſſen prachlich unterfuchten. Es fand bei dieſen allgemeinen Arbeiten auch Rz die vielfach erörterte frage mach dem einfachen ober mehrfachen ur⸗ ee abe ie Beieführung der Eslbemeffungen be 4 dichte bes Menfchen Vorſchub. Und hier find wieter €. €. von Daerunb Andr. Regine zu nennen, welche die Norm bes Schäbels | - er ee den ganzen übrigen Körper, wie fie zuerft in ausgebehnter Weiſe vom ben bie Novara begleitenden orihern Scherzer und Schwarz aus. geführt und kürzlich veräffentficht wurden. — Wie noch Cuvier das foffile Vorkommen von Affen lengnete, fo wurbe aud das Muftreten des Menfchen auf der Erve für jo neu gehalten, daf man alle früßeren Angaben über foffile Refte deffelben von vornherein für falich erklärte. Nun halten diefe allervinge einer eingehenden Prüfung nicht Stich; dagegen haben neuere Unterfuchungen ein höheres Alter bes Menſchen⸗ geichlehts als bisher angenommen wurde erwiefen. Es berühren ſich hier antiquarifhe mit naturbiftoriihen Korihungen Von erfterer Seite gebührt Boucher de Berthes das Verbienft, zuerft auf das Bor- fommen von Kunftproducten aus entichieben vorbiftorifcher Zeit hinge ⸗ wiefen zu haben. Auf die Unterfuchungen , welche im Anfchluß hieran zur Annahme ver Stein, Bronze und Eifenperiode geführt haben, fann hier nur hingedeutet werben. Wefentliche Unterftätstng fanden biefelben in ver Entdedung ver Pfahlbauten , welche F. Keller 1853 bei Meilen im Züricher See machte, fowie ähnliche Spuren menfchlicher Wohnpläge, deren wiffenichaftliche Ausbente befonders Steenftrup verwertbete. Endlich führte das Auffinden einzelner Steletrefte zu einer wieterholten Prüfung ber frage von der vorgeichichtlichen Eriften; des Menſchen, welche durch zahlreiche Höhlenfunte fowie durch Unterfuchung jüngerer Gefteinsichichten eine Beantwortung dahin fand, daß ber haarigen Rhinoceros war. _— Hiftorifche Zoologie. ber den Fortjchritten, welche die Kenntniß der lebenden ge a Thiere gemacht hat, und verglichen mit ver Zu: — welche in jo vielen Fällen geſtattet, etwaige — jalls fie nach dem jeweiligen Stande der Beob- ge überhaupt zu löfen find, tritt das Intereffe an ven “ N über Thiere vorzüglich alter Schriftiteller wohl etwas in . Und doch ift die Kenntniß derſelben nicht bloß von — Zunächſt war es allerdings wohl das be Berürniß, welches zu der Aufgabe führte, die von den Au— cn eritne Thiere zu beftimmen. Mit welchen eigenthümlichen ı bies verbunden ift, wurde früher angedeutet. Weiter — aber abe Bergleihung befien, was man vor taufend und zwei d Sabren über gewifje Thiere gejagt bat, vorausgefegt daß die Biebererfenmung derjelben ficher ift, mit den Thieren felbft, wie fie —** Licht auf die im Laufe ver Zeit etwa möglichen Ver⸗ ä 4 derfelben werfen. In ven einfeitenden Abfchnitten dieſes if reichlich Gelegenheit geboten worden, auf die mancherlei een zu machen, welche ſich an die Verfolgung ver von m Thieren handelnden Notizen durch die Yitteratur des Alter- * Mittelalters kuüpfen. Es kann daher hier nicht davon Ab⸗ Ze werben, kurz auf die Theilnahme hinzuweiſen, welche ge Unterfuchungen in der neuern Zeit jowohl bei Zoologen als gen und Hiftorifern gefunden haben (wobei indeſſen nur auf mdige Specialarbeiten Bezug genommen werben fan, ba eine ufterung der ganzen eregetijchen Yitteratur zu weit abführen Bas zumächft bie Verſuche betrifft, fabelhafte Thiere zu deuten, fo Derbienen (außer den früher angezogenen Werten) die Traditions terato- ziques von Berger de XRivrey (1836) Erwähnung. In ihnen rd u. N. ein Tractat de monstris et belluis behandelt, wie einen hen neuerdings Mor. Haupt herausgegeben und, freilich ohne Be— fichtigung der verwandten mittelalterlichen Litteratur, kurz commen- —* 3. Wild. Beren von Müller eingehend bei ——— ir zu. Meyer bezog das eos erwäßnten Grafen Beltheim auch Ad. Keferfteim, ben Odontotyr Br. Graeſe, 3. Ar. Braudt und 3. Zach er (im ber fr vorweitfiche Riefenthiere, veren Stefte hier und ba:gefunie, x — Örterte von Olfer 1939). Mehr vom culturhifterifchen als ve zoologiihen Standpunkte aus unterjuchten — Oroh⸗ mann, Rochholz u. A. die mythologiſchen © iere Eine Bearbeitung ver bibliſchen Zoologie mit —— kehrjamteit Bocharte und mit Berüdfichtigung ver neueren und Bögel ver Bibel ſchilderte C. Pet. Zfunberg (1825 u. — bibliihe Thiernamen erklärte Archibald Worrie (1920) ; das „Rath“ bezieht Dav. Scot (1629, wie vie Septuaginte (f. oben ©, 131, Anm. 57) auf ven Pelifan. Mit ver Deutung des Veniatfan und Ber bemot beichäitigte fih Thom. Thompion (1835), — Eine nad) dem Thierfyftem georpnete Sammlung ven Stellen claſſiſcher Schriftfteller über Thiere, aber ohne kritiiche Prüfung, gab H.D. Lenz. Die Tpiere des präneftiner Mofait f. oben ©. 49. Anm. 61) beiprach Marcel ve Serres (1534. Unterfuchumgen über vie ven Alten befannien Affen ftelite A. A. H. Yihtenftein (1791), über ben Purpur ber Alten E. F. Heufinger (1824), über mehrere Infecten Ad Kefer: fein an. Eine jehr eingehende Arbeit über ben Fifchfang ber Alten und bie Bereitung des „Tarichos“ lieferte Heinr. Carl Emft Köhler (geb. 1765 im Wechſelburg, geft. 1835 im Petersburg). Die Sade iſt ſchon um deswillen nicht ohne Intereſſe, als nah von Humbolbt's Angabe noch in jetziger Zeit die füramerifanifchen Indianer eine ma- nioca de pescados bereiten (Relat. histor. Il. p. 563) welche voll. ſtandig an den Tarichos erinnert; wie ja aud das Fiſchen mit „Bar- bafco* (Verbascum ? ziouo;, Bugloffa, ſ. oben ©. 186, Anm. 146) von den Indianern betrieben wirt. Eine Fauna des Homer und Hefiob 4 2 3 . Dopeen wurbe bie Kriftotelifche Zoologie eingehend und . Außer den fchen oben angezogenen Schriften von g r und ®. H. Lewes ift hier zunächſt die Thatjache hervor: ob die zoologiſchen Schriften des Stagiriten Bearbeitungen bmänniiher Hand erfuhren. So gaben Al. von Frangius beift über die Theile der Thiere, Aubert und Wimmer bie eugung und Entwidelung (beide jpäter auch die Thiergejchichten, fon von Strad überjegt worden waren) heraus. A. F. U. mann und Ludw. Sonnenburg Härten einzelne Stellen uf berichtigen frühere falſche Auslegungen. Es wurden aber au izelne Thiere oder Thiergruppen behandelt. Herm. Joh. von Köhler eb. 1792, bis 1850 Docent in Dorpat) jehrieb über die Cephalopo⸗ ‚ben bes Ariftoteles (1821), E. Eichwald über deſſen Selachier (1819). I. Müller vegte nicht bloß direct over indirect Die erwähnten neuern Ausgaben an, jondern ſammelte auch ſelbſt die Angaben älterer Schrift ſteller über die Laute bei Fiſchen und bezeichnete die Haiart, von deren eigenthünmlicher Entwictelung mit Placenta bereits Ariftoteles treffenbe, vor Müller aber nicht wieder beftätigte Angaben gemacht hatte. End: ‚erörterte Heinv. Ludw. Jul. Billerbed die Ariftoteliichen (und Blinianifchen) Vögel in eingehender Weife. Die Eontinnität der Ber Aanntichaft mit ven Thieren vom Altertfum an bis in die Neuzeit ift leider durch das Geſchick, welches die Schriften der claſſiſchen Schriſtſteller betroffen hat, vielfach unterbrochen. Da nun aber aufßer- Em im frühen Mittelalter manche andere Quelle zu fließen begann, aus welcher dann unter gleichzeitiger Wiederbenugung jener bie Ver— —— der Hauptwerle dieſer Zeit mittelbar oder unmittelbar ichöpfen : mußten, jo ift auch eine Unterfuchung über die Thiere der vorzüglichiten Scheiftfteller des zwölften bis vierzehnten Jahrhunderts von großer E Bereutung. Hier ift aber bis jegt nur wenig gejchehen. Eingehend 3 bat zwar Carl Jeſſen auf Albertus Magnus und den bevenklichen Be u Martens (geb. 1831) bat zwar über mehrere S 2 e Be: der geläufigften Ausgaben —— ums, 28 faltigfeit ver Thierwelt, fo wie fie jet vorliegt, zu Stande gefommen ft. Es muß hier daran erinnert werten, daß trog ber n s fonftiger Anfichten nicht allein fämmtliche foftematifche Berfudhe,, fon dern auch alle Anſchauungen vom Baue umd von ber im demſelben fi auedrũdenden Verwanttjchoft zer thierifchen Fermen vom dem Begriffe ber Urt ausgiengen, wie er durch Ray und inne in bie beichreibenden Naturwiflenihaften eingeführt werten war. Im biefer Geftalt war ber Begriff einer Weiterentwidelung nicht fähig, nur darin ſchwanlie man, welchem Momente man in der Definition ein größeres Gewicht beilegen folle. Linne felbft hob die Achnlichleit ver Form hervor, Buffen hatte neben biejer; nach Ray's Anteutung noch die gleichartige Fort- pflanzung betont, Blumenbach zieht diejenigen Inbivibuen zu einer Art, welche einander ähnlich over jo abweichend find, daß man bie Ber- ſchiedenheit aus einer Degeneration erfären fann. Auch Daubenton fieht in ver Art die Summe von Judividuen, welche einander mehr gleichen als andern. Illiger beftimmt vie Art als ven Inbegriff gleiche Junge zeugender Wefchlechter. Die Summe aus allen biejen Definitionen zieht Euvier, deſſen Eharakterifirung ber Art ſich bie in die neuefte Zeit bei Syſtematilern ale maßgebend erhalten bat. Er bezeichnet *) die Art ale „die Vereinigung aller von einander oder glei» hen Eltern abftammenten fowie derjenigen organifchen Körper , welche — > — “) Tobleau element. 1798. p. Mt. ‚ jenen — “ unabhängige ausgeftorbene Arten find. Wenn nun auch tal Daran gedacht hatte), daß urfprünglich nur Gattungen zelt m Arten exiſtirt haben könnten und daß die größere Zahl der urch Berbaftarbirung der wenigen zuerft vorhandenen entftanden schten, wenn auch Buffon zulegt zu der Annahme gelangte, ar „die conftitutive Form jedes Thieres, wenigitens bei größeren fid Be hat, daß aber vorzüglich nievere Formen alle bie frfungen der verſchiedenen Urfachen einer Degeneration erfahren n“ % e) fe war es doch zuerft La marck, welcher direct ausfprach, aß d e faft allgemein angenommene Borausfegung, die lebenven Kör- Bilden durch unveränderliche Merkmale beftändig verfchiedene Arten, Ihe jo alt wie die Natur ſelbſt wären, alle Tage widerlegt werbe.“ nimmt zwar Arten an, gibt ihnen aber nur eine begrenzte Dauer, nämlich mır für jo lange, als die äußeren Lebensumftände fich nicht ändern”). Lamard ift aber nicht bloß der erfte, welcher mit dem alten Artbegriff bricht und die Unveränderlichkeit der Arten geradezu verneint, fondern er fucht auch fofort die Umwandlung der Formen und bie all- # mãhliche Entwickelung des Thierreichs mit Hülfe wenn nicht befannter Boch zugänglicher Erjcheinungen zu erflären. Unter ven dabei wirlſamen ; Momenten ftelit er allerdings die Gewohnheiten und die Lebensweiſe ber Tiere in erfte Linie, ſchreibt aber auch den äußern Einflüffen und - rer Erblichkeit der Tiere die Wirkung zu, die allmählich eintretenden - Beränderungen zu firiren. So leitet er 3. B. das Angewachjenfein ber Bogellunge und ihre Verlängerung in große Luftbehälter unb bie muechen davon ab, daß die Vögel beftändig ihre Lunge übermäßig ſtark — ——— um den Körper ſpecifiſch leichter zu machen h). Die Degra⸗ Sy nn Do 5) Amoenit. acad. Tom. VI. p. 296 (Differt. von Gräberg, 1762). ® %) Epoques de la nature. Suppl. Vol. V. 4778. p. 27. (Ausgabe der Werle in 90 Bänden). | @), Philos. zoolog. Tom. I. p. 54. 55. 6) ebenda T. I. p. 134. 8. Carus, Geſch. d. Zool. 46 ee ae fondern ver ⸗ | "en, weite Hein Gegn e m wide dig € ee een — iR abe fü — er ſpricht zwar von dem allmahlic _ andantissement und Berfhwinden ber Birkefäufe, N foftems, der Sinne, ver Genitalorgane, welches Alles nach m Thatfache, die ſich bei einer Vergleichung der Thierreihe vom ober unten ergebe, und fagt, daß bie Natur genau umgelchrt v Seine Anficht geht am beutlichften ans felgenten beiten S „Alles trägt dazu bei, meine Behauptung zu beweifen, ——— nicht die Ferm weder des Korpero noch feiner Theile iſt, weiche Gewohnheiten un Die Lebenoweiſe des Thiers beftimmt, ſondern d es im Segentheile die Öewehnbeiten, die Lebeneweiſe und alle bie tern einwirlenden Umftänte find, — ——— Körpers und feiner Theile gebildet haben. Mit neuen Formen wurden denn neue Mäbigfeiten erlangt und mach und mach ift bie Ratur bay gelangt, die Thiere fo zu bilden, wie wir fie jegt wirklich fehen". Weiter: Dadurch, daf die Natur biefen Körpern, welche fie felbft ger ſchaffen hat, vie Fähigkeiten fich zu nähren, zu wachien, fich-fortzun pflanzen und babei jebesimal ben erlangten Ferticpritt der Organifatien zu bewahren gegeben und damit dieſelben Fahigkeiten auf alle organijch wiebererzeugten Individuen überliefert hat, find mit der Zeit und unter ven ungeheuren Verjchiedenheiten ber ftets wechfelnten äußern Umftände bie lebenden Körper aller Claſſen und Ortnungen nach einander durch biefe Mittel hervorgebracht werten“ ’%). An den mit unbegrenzten Ba riabifität begabten Arten, in Folge ſich ändernter Gewohnheiten und ber äußern Einflüffe, auftretende Abänberungen werben durch bie Erb- lichkeit der Formen erhalten und dadurch die Divergenz ber Formen jelbft herbeigeführt. Für die einfachften Formen nahm Yamard eine Urzengung an und ließ das Tierreich von zwei Punkten, den Einge- weibewürmern und Infuforien aus beginnen. Lamard dachte num aber -@, Philos. zoolog. T. I. p. 268; ganz ähnlich ſchen im Systeme des anim. sans vert. 4801. p. 13. ©, ebenda T. I. p. 274. loß an bie Form des Körpers, ſondern am bie Entivicelung eriheinungen, auch am vie der Seele. Es ift nurein ir Conſequenz, wenn er bei dem Verſuche, die Verwandlung aus Urſachen zu erklären, welche in der Natur der Körperwelt et md, auch die letztere in ähnlicher Weiſe behandelt. Hier ſagt beüchfich: „Ich jehe in diefem fünftlich angenommenen’ Wejen, ches mir die Natur kein Modell varbietet, nur ein Mittel, wel- an fich ausgedacht Hat, die fonft nicht zu hebenden Schwierig. u zu löfen, jo lange man die Gefege der Natur nicht hinreichend unterfucht Hat“). er Ramardk war nach ven Hier angezogenen Ausfprüchen ver Gründer - Berjenigen Theorie von dem Urfprung ver Arten, welche man jegt all- gemein bie Defcendenztheorie nennt. Umfaßt auch feine Anficht noch ht bie wichtigen Momente, welche ihr jpäter zur Begründung geger m wurden, jo weift er doch darauf hin, daß es nur Individuen gibt, daß bie Zeit grenzenlos ift, alfo feine Schrante für etwaige langſame Umbildungen zieht, daf der Gebrauch und Nichtgebrauch der Organe fie ftärtt oder atrophiren läßt. Die Goethe’jchen Ideen ven einem Urtypus, aus dem fich alle Tiere entwicelt hätten, find zu vag, ale daß fie für mehr als ein Zeichen des allgemeinen geiſtigen Drängens nach einer Richtung hin genommen werben können, Dfen’s Bilder ven ; ber Entwidelung aus dem Waffer zum Lande und zur Luft Hin, find * ohne irgend welche Autnüpfung au thatſächliche Erſcheinungen hinge⸗ ſtellt. Und ſelbſt wenn man beiden ven Rang von Vorläufern einräit- ö z - men wollte, fo bliebe doch Lamarck immer das Verbienft , der Theorie erſt einen wiſſenſchaftlichen Boden bereitet zu haben. Cine beſondere - Erwähnung als Vertreter einer ganz ähnlichen Anſchauung gebührt - #.6©. Boigt, welcher in feinen 1817 erjchienenen Grundzügen einer Naturgeſchichte mehrfach ver Wahrheit nahe kommt. Freilich nimmt er am, baf die. hauptfächlichften Umänderungen an ven früher einfachen Thieren eingetreten feien, ehe das Gejchlecht ausgebildet war, umd ver⸗ quließt fich Hierdurch die Möglichkeit, fpätere Umwandlungen anzuneh« — — — 71) ebenda T. II. p. 173. 46* functionslofe Organe zu erflären,; und wo er vom ber rldu fpricht, fügt er, „daß eine ſolche Barietätsbildung zumal für den Pral» tifer wichtig wird, weil fie eine Art dom Erfaltung neuer Species ft, für den Theoretifer, indem fie ihn nun bald auf den Grund h eifiichen Bildung leitet.” Auch Voigt nimmt am, daß noch jept eine Entftehung von Thieren ftatt hat oder ftatt haben kann, daß biefe Ger · RRUP Du ben sgpen Gchuben Iysse niPetung VORFEEEEEEEEEEE werten Können, und daß bie Micterfofung bes ofekdhen Enteidklunntn = BErreee — wm 80 zurüdweift. Auh Etienne Geoffroy St. Hilaire’ yoeifelt on der Unveranderlichteit der Arten und nimmt an, daß fich biefelben bis zur Gattungsverfchiebenheit abäntern können. Gr ſprach aber ferner zuerft aus, baf die nächt verwandten foffilen Normen in ununterbrocdhener Generationsfolge zu den jegt lebenden geführt haben. Während aber Lamard den Angewöhnungen,, ver Acclimatifation u. dergl. einen ber - trächtlichen Einfluß zufchreibt , hält Geoffroy bie Veränderungen der umgebenten Bedingungen des monde ambiant) für die wichtigften Kräfte. Damit hängt zufammen , daß er die Art für beftänbig Hält, fo fange die Bebingungen in ven Umgebungen biefelben bleiben. Eine ganz Ähnliche Anficht Hat id. Geoffroy St. Hilaire. Auch er nimmt nur eine begrenzte Beränderfichleit an. Die Charaktere einer neuen Art „find jo zu fagen die Refultate zweier entgegengefegten Kräfte”, einer coniervativen und einer mobificirenden. Weber bie Art 2) in ben beiben Abhandlungen: M&m. du Museum, Tom. XVil. 4828. p. 209, unb M&m. de l'Instit. Acad. d. sc. Tom. XIl. 4833. p- 63. me Barieäten für gevife Scbensßetingungen te pafenbeven & daher dor andern erhalten werden, alſo einen Hinweis auf Darwin jo genannte natürliche Zuchtwahl, machte Wells 1818 ig auf die verfchiedene Widerftandsfähigkeit einzelner Menfchen- gen bejtimmte Krankheiten )). Eine merhwürdige Hypotheſe atlarung ber Umwandlungen ſtellte 1853 Graf Keyſerling er ſagt, „daß Moleküle von einer eigenthümlichen Conſtitution, eſahig find die Elemente dev Keimung zu alteriren, ſich von Zeit At auf unſerem Planeten verbreitet haben“ 74). Es wird dabei aber der Beränderlichteit der Individuen, noch des beftändigen Auftre- 8 von Varietäten hinreichend Rechnung getragen. — Neben folchen vie urfächlichen Beziehungen der Umwandlung berührenden Anfichten machte ſich aber ein Kortichritt überhaupt infofern merkbar, als nım immer zablreichere Stinmen für die Abänverungsfähigkeit der Arten im Allge- meinen laut wurven. | Einen Abſchluß fanden die Anſchauungen über Art, VBarietät, Ente ſtehung und Bedeutung derſelben in der 1859 veröffentlichten Theorie : wonCharles Darwin, welche nicht bloß durch eine auferorventliche, Am dieſer Fülle kaum dageweſene Anzahl von Einzelbeobachtungen ſcheinbar ifofirt und unvermittelt daſtehende Lebenserſcheinungen in einen geiftigen Verband bringt, ſondern vor Allem das nicht hoch genug amzufchlagende Verdienſt hat, methodiſch lauternd auf den Gang ver Unterfuchungen über das Leben eingewirkt zu haben. Charles Robert Darwin ift 1809 in Shrewsbury geboren, Sohn von Rob. Waring : D. und Enkel von Erasmus D., dem Verfaffer ver Zoonomie. Nach⸗ dem er in Erinburgh und Cambridge ſtudirt hatte, begleitete er, wie oben erwähnt, von 1831— 1836 den Admiral Rob. Fitroy auf deſſen zweiter Reife (j. S. 654). Durch einige Thatfachen der geographiichen Berbreitung organifcher Weſen in Süd - Amerika und des Verhaltens 78) nach ben Angaben Darwin's in: Entftehung der Arten. Ueberf. 4. Aufl. ©.3. =) Bullet. Soc. g6ol. de France, 2. Ser. Tom. X. 1853. p. 357. irgendeiner Beziehung zu ber Frage nach dem Urj a . ee ‚20n 1837 an, alle Arten von Zhatfaden zu — gelangte er zu der fich ihm von 1844 an immer Harer ge * — — —— Nichtgebrauche der Organe, vafche Vermehrung in einem zum Rampfe re — bei der Entjtehung der Fermeuwelt das Herrichen ftarrer Geſetze nach⸗ geiviefen wird, da ferner das Princip der natürlichen Zuchtwahf oder des Ueberlebens des Pafjenpften einjach ven Sag enthält, daß nur das leben bleibt, was leben kann, fo ift durch die Darwin ſche Theorie ebenfo jede Zeleologie ansgefchloffen, wie auch die allfeitige Variabilität in Berbindung mit jenem Princip nothwendig zu einer allmählich immer größer werdenden Complication oder VBervolllommmung des Baues Sleichzeitig mit Darwin entwidelte auch Alfr. Ruffell Wallace, welcher beim Stubium ver Naturgeſchichte ver Malayiſchen Infelwelt zu ähn- lichen allgemeinen Betrachtungen veranlaßt worden war, tas Princip der matürlichen Zuchtwahl umd feinen Einfluß auf den Urfprung ber Arten. michheit hat ſich allmählich von einer kindlich rühtenben Br N Rs Tierreich, als deſſen Glied fie ſich fühlte, zu einer zen Stellung ihm gegenüber vurchgearbeitet, um in einem ver⸗ vollen Eingehen auf die fich immer unverhüllter offenbarenden Heiten der Thiere und auf die oft nur geahnten Gejegen folgen« v Erfaffen allgemeiner Wahrheiten ſtets mit fich bringt. fegt ber das zu erftrebende Ziel weit in der Zukunft. Ob es pt wird? — es ift zu Hoffen, da ja alle Naturwifjenfchaften, ihnen nbeiwüßt, Materialien zum Aufführen des einftigen Baues einer re dom Leben liefern. Beim Anbruch einer neuen Periode der Ger ichte ber Zoologie ziemt es ſich wohl, in kurzen Zügen ken jetzigen Stand umd. die weiteren Aufgaben der Wiffenfchaft zu bezeichnen. Es hat ſich gezeigt, daß man vom Ausgange des Mittelalters an verfuchte, die Kenntniffe von ven Thieren in einer nicht immer von der Natur der Tiere felbft beftimmten Ordnung in Gefammtüberfichten darzuſtellen - Die Wirkung diefer Sammelwerte fowie die, in Folge anderer oft frem- ber Anregungen, allmählich tiefer eindringende Kenntniß thierifcher - Form und thieriſchen Baues führte zu dem Bedürfniſſe, ſyſtematiſche Ordnung in die Mannichfaltigfeit der Thierwelt zu bringen. Log - ganz richtig griff man Hierbei zu den von den Thieren gebotenen Merl: i malen. Die Beitrebungen, das Syſtem immer natürlicher zu machen, fiehen immer weitere Merkmalsgruppen heranziehn, bis endlich das hier in feiner äußern und innern Form, in feiner Entwidelung und Berbreitung , feiner zeitlichen und räumlichen Gefchichte erfaßt und mit - andern verglichen wurde. Da erfchloß fich dem Blicke Cuvier's das - Borbandenfein einer im Verhältniß zur äußern Formenmannichfaltig⸗ feit nur geringen Zahl allgemeiner Baupläne. Die hier zulegt geſchil— derte Beriode hat die Begründung diefer Typen, ihre Begrenzung, ihre gegenfeitigen Beziehungen ergeben. Die Auffafjung derſelben als ger wiffermaßen perfönlicher Gewalten, die Neigung in ihnen iteale Geſetze zu erbliden, welche ven Bau ver Thiere regelten und leiteten, hat eher niſſe des Lebens jene höhere Freude wieder zu finden, welche 679, 654. 688. 700. 704. 705. 706. Agricola, Joh. Geo. 345. MAlademie in Berlin 418, Bologna 419, Erfurt 420, Kopenhagen 419, Man beim 420, Münden 420, Peteröburg 419, Padua 260, platoniihe 260, VPontaniſche in Neapel 260, Stodbolm 419. Albert der Große 223. Albin, Eleaz. 454. 459. Alder, Job. 700. Aldbelmus 220. Aldrovandi, Nliffee 258, Werle 291. Alchandrini, Ant. 621.704. Apinus, Prosper 332. 452. Alton, Ed. dv’ 704. Amaralofba 25. Ameife im Phyſiol. 136. Ameifenlöwe im Phyſiol. 136. Amoreug, P. I. 718. Amphibien, ſchwimmende, Linne'3 509. Anaragoras 59. Andıy, Nic. 462. Anfelm von Ganterbury 149. Antbropomorphen ** 505. Antilope im Phoſtoi 122. ‚| Apollonius von Tyana 177. Appulejus 74. Araber 151. Arahniden 694. — A. Joſ. Dezalliet — 28, als Anatom 63, fein Syftem 77, Wie derauftritt 201. | lardus 180, Albert d. Gr, 234, Ray 434, Lang 455, Sinne 500, Guvier 720. Ramard 721, Boigt 73, St. Hilaite 724. Arſaly, Apoft. 607. 706. — Artedi, Peter 494. Ascanius, P. 533, Ascidien bei Ariftoteled 54, bei Spätern 368. Aspis im Phyfiol. 135. Aubert, H. 719. —— Audebert, 3. 8. 710, 7 Audouin, Jean Bict. 610, 684. 690. 696. Audubon, John Jam. 659 710. 714. Auftern im Mittelalter 187. Autenrieth, I. 9. 8. 610, Averross 155. 173. © Avicenna 155. 173, Azara, Felir de 656. Baco, Francis 263. Baco, Roger 203. Baier, 3. I. 469, Baird, Spencer $. 659. 679. 711.714. eh. alte | bee Kun ar HHRNT 7 5 di A J FL LIEF | Eh J a 2; R iii g.äte jel ale dee — F — ———— — BET IE FE HEHRET LUFBERREL PIE HTPSEHIEERE ie 533453 ——— —— —— Gupier, Fred. 610. 713. Guvier, Georges 597. 610. 614.647. 666. 685.689. 691. 694. 698. 699, 701. 703. 706. 709. 710, 711. 714.715.720, Guvr, Jal. 319. Gofat, 3. 2. 453. Damiri 163. Dana, Jam. D. 656. 685. 697, 698. Daniele ſon, Dan. G. 664. 702. Dareftt, Gam. 713. Darwin, Gharl. Rob. 654. 655. 605. 725, Darwin, Gratm. 725. — Daubenton, 2. M. 522, 667. 703 720, Davidfon, Thom, 700. Darid, 9. 533. | Delphin 347, ’ Demidoff, Fürft Anatol 664. Demokiit 61. Derham, Diron 661. Descarted 263. — GVP.683. 699. ER Jul. Br. 661. Dedmareft, Anf. Bart. 650. 697, Deömareid, Ric. 535. | Des Murs, D. 710. 711. | Defor, Ed. 688. Deufing, Ant. 314, | Diequemare, Jacq. rang. 563. Dicuil 189. Didelphye bei Oviedo y Baldy . 709. 324. von Megenberg 245. | Diefing C. Mor. 692. honfern, ittel im Alter» | Dodo bei Glufius 323, Bor Abm 20, fpäter 261.422. | tius 330, Ray 441. ‚Dr. fep 601. | Döllinger, Ign. 604. 610. 1.662. - | 621. Donati, Bital, 534, Donndorf, 3. Aug 542. . Dominifaner 102. 145.150. Douglas, Jam. 451. Dovere, M P. L. N. at Drebbel, Corn. 393. — i· Sqebebi Dufay 451. Dufour, Lion 695. 696. _ Duges, Ant. 610, 696, 697. 705. 715, Dusamel du Moncau, 9. 2. 554. Dujardin, Bel. 631. 681. 683, 686. 692. Dumas, 3. Bapt. 628. 629. Dumeril, Aug. 706. Dumeril, A. M. Conſt 610. 668. 689, 690. 698. 706.707. 708.709,715. Dumont d’Urville 653. Dumortier, Barth. GCharl. 663. 700. 702, * Duperrey, 2. Iſid 663 Dupetit ⸗ Thouarts, Abel 653, Duttochet, R. Joaq. Henri 621. 680, Duvernev, Guich. Joſ. 424. Dupernoy, Geo. Louis 610, 704. 714. Diierzon, Job. 697. Eale, mit bewegl. Hörmern 344, E3 Eder, müthol., 17, in. der Fabel 19. Eberhard, Joh. Pet. 541. Ghinodermen bei den Alten Lind 463, Klein — Edriſi 165. — Edwards, Geo. 550. Edwards, Henri Milne 610, 627. 642. 644. 647. 678. 682. 683. ‚684. 6856. 690. 691. 696. 697. 698. 699. 700. 701. 704. 713. Edwards, Alph. Milne 697. Ehrenberg, Chin. &fr. 650. 661.671.680. 684. 685, Eihhorn, Joh. Cont. 564. Eichwald, Ed. 664. 678. 719. gl: Eypäsdzz 4 Hi | Er — lite Eur J 33 8 i MASSE © x 8 „8 Her a: ‚is, 8 ei I f iss u Fr ERFFLEHR 3 — te & diziy & £: MrE Ele 2 ——— Epeliihi E is)‘ 5: = SE 88 3 3 5 + , Suaz au. 88] 3.8 J — Su mE 3b; Ar — ER LE BE 251* F wie lila NE Hahn, 6. @. 697. 710. 4 Heid. Alten 38, Hanlev, Sylv. 700. - | Häringe, Wanderungen 186. Harlan, Nich 659. 707. Harrid, Mof. 560. Hartlaub, Guſt. 711. » I Hartmann von Hartmann. rutbi, B. 663. Harven, Will. 381. 384, fein Einfluß 384, . | Harwood, Benj. 610. Heſe 341. Haffelquift, Fr. 532. . I Daffelt. 3. 3. van 660. Haupt, Mor. 717. Haudtibiere der Alten 35. Hebenitreit, I. Emft 454. 456. Heer, ODew 650. 662. 663. Heide, Ant. von 407. Hemprid, Br. Wild. 661. Henle, 3. 630. „| Henning, Juft. Ghfn. 571. Heppe, Joh. Chſtoph. 554. Herberftein, Sigidm.von 336. dasp: I. Br. Wild. 558. 560, Hermann, Joh. 542. ‚ | dermandeg, Branc. 324. Herodot 41. 42. 89. Herold, 3. Mor. David 626, Serophilus 73. Herr (Herus), Mid. 281. f. auch Nachtrãge. Heſiod, Thierſabel 21. Hehling, Theod. von 701. Heuglin, Theod. von 662. Heufinger, ©. #. 610. 632. 718. . | Hewitfen, W. C. 711. Hibas 171. Sigginbottom, 3. 707. Hi, John 562. Hinds, Rich. Brinsley 654. Hippopotamus bei den Alten 48, bei Abdallatif 162, im 17. Jahrh. 346. ner 182, 345. Hitheod, Edw. 659. Hobbes, Thom. 426. Horfnagel 321. Helbroof, I. Edw. 659. Holl, Friedr. 650. | Hollar, Wenzel 321, Hollard, Henri 646. Hombron 653. Home, Ever. 610. 620, Honein ben Iſhak 171. Honig 12, als Conſervations⸗ mittel 29. Hole, Nob. 394. 396. 414, Hoofer, Jof. Dalton 654. Horn, Gadyp. 343. Hövel, Heint. von 305. Hoeven, Jan van der 679. 697. 706. 707. 709. 714. 715. Hrabanus Maurus 107,, ° Huber, Franc. 696. Huber, 3. P. 696. Hügel, Carl Aler. Anſ. Frhr. von 660, Hughes, Griff. 532. Huhn 14. 38, Brütung in Aegypten 161, im Mittel- alter 184. Humboldt, Aler. von 656, 664. 706. 718. Hund 12. 37, im Mittelalter 181, Böhme342, 3. Ca» jus 342, Hunter, 3. 567. 568, 670, Hunter, ®. 621. Hurmy, ®. 6. 719. Huſchte, Emil 626. Hurley, Thom. Henry 642. 645. 654. 683. 686, 700. 701. 704. Hyãne im Phyfiol. 126. Hydrus im Phufiol. 135. Hurtl, Joſ. 706. 708. Jacobaeus, Oliger 451. Yacobfon, 2. 2. 621. 704, Jacopi, Giuf. 610. Jacquinot, Honore 653. Jaeger, Wilh. Ferd. 688. Jahia ben Aldatrit 172. Jahja ben Maſoweih 159. 2 Sirf im Poufiol, 125, [0 * lie Brs.Weilg. 557 27 3: * a intel: — ih ja; ie 712. 718. Denn I. 8. Bir 560. 375, ie] J fe] = * — 7 i ; 5? Te a8 ARE alla — ‚ @id. Alg. 109. Manuel Phile 112, 181. Marcellus Empiricus 99. Martgrav, Georg 327. Mariettid, Domen, de 402. . / Marcianus Gapella 105. Marco Bolo 197. Maretcalcus Thurius 269. Marfigli, Luigi Ferd. Gonte de 453. 465. Marfilli, Ant, Belice 455. Martens, Ed. von 720. Mariend, Frieder. 422. 443, Martin » St. » Ange, Gaſp. Jef. 707. ‚8.557. Martius, Garl Br. PHil.657. Matteucci, Garlo 706. Mauleſel und Maultbier 36, in Turfomanien 197. Maulwurf bei den Alten 47, Thomafius 341. TE Sir John 200, Medil, Joh. Frieder. 606. 616. 621, 609, 713, Medel (von hemebach Heinr. 695. „I Medufen bei Albert d. Gr. Meaerle von Müpfeldt, J 6.698. Mehlie Ed. 692. . | Mejer, Blor. 346. Meiiner, Georg 695. Melle, Jal. von 470. Menabeni, Appollonio 342. 346. Menſch, fabelhafte Formen bei den Alten 44, im Mit- telalter 200, Menſchentaſſen, Blumenbach 545. Merian, Marie Sib, 451. 458. Merrem, Blaf. 548. 550. 700. 708. 709. 719. Merret, Ghriftopber 421. Mery, Jean 424. Mefud der Aeltere 159. * Zur, 682. 683. ao. 1 Mever, Chſtn. Erich Herm, von 708. 709. EN Mever, Joh. Dan. 566. Mever, Jürgen Bona 78. Michael Scotus 173. 398, 208, Mihovius, Matthias 336, Middendorff, Aler. Theod, von 664, Mifan, Joh. Chin. 657. Mitroftop 393. Miller, 3. ©. 650. 687, Minding, Jul. 704, Misaldus 269. Möbius, Earl 701. Mohammed ben Badſchah 172, Mohr, Nik. 533. Möhring, P. 9. ©. 549. Molina, ©. Ign. 532. Mondino 254, Monro, Aler. sen. 451. Monte, Ale. jun. 555. 567. Montfort, Denys de 698, Moquin-Tanden, D. 690. 701. Morten, Gharl, 707. Morton, John 463. Morton, Sam. Geo. 715. Moſchusthier 198, Mofelen, H. 702. Mouffet, Thom. 369. Moulinie, 3. 3. 693. Müde 13. Müller, Frieder. 696, Müller, Heine. 700. 702, Müller, Job. 626. 630.635. 683. 688. 690, 695. 696. 704. 706. 707. 708. 709. 711. 719, Müller, Joh. Wil. Baron von 718. Müller, Otto Fr. 533. 555. 560. 561. 565. Müller, Phil.2dw.Stat,563, Müller, Salomo 660, Münfter, Geo. Graf zu 650. Moyriapoden 694. Nagethiere bei den Alten 47. Nardo, Sion. Dom. 693, Natterer, Job. 657. ; Ber THE Heich una alseisjäägn © | a J il 2 J 533 9 F 6 : led ae thin Is Mech a uhlkl el ni 3 — F — J ? sn HEHE Hr ale MET AR jyle Als Hi Ein A har una — 4 — 696. tef, Andt. 662, bei den Alten 48, uva u 442, Alein 237 551, fpä- Egg dedan 664, ei ben Mlien 48, Polo 198, 117, x Sir John 659. * Si. Ant. @afr. 531. te 2.908. Oft. ddaefelſa 544, DR. db 11. 35, im Mittelalter Rand fel von Bit. 36: Aug. _ Jeb.552. 558.561.563. Me ‚621. Nofenihal, Pr. Ghfn. 706. Neil, Sir, Jam. Glart 654. Rotblehläen, mptbol. 17. Novariud, H. 452. onal. Society in London Nudelphi, Garl Am. 609. 6470. 689. 692. Auini, Garlo 346. — Rumpb, Geo. Ev. 452. 465. re Auodlich-182.41 841186. Fr ‚ &b. 662. 702. = 3 2 Carus, Geſch. d. Zool. % 4 te | — Mauro 629. 705. ur en le 5 R 7 707. . Nuffegger, Jof. 662. Auffell, Pate. 533. Auffell, Ale. 533. I Runih, Briedr,. 396. 397. | Ryacyndfi, Gabr. 422. .| Saba von Lewenhaimb, Pbil. Zaf. 409, Salamander der Alten 51, im Phnfiol. 136, Ber mwanblung 451. Salanganen bei Bontius 300, Galle, Aug. 658. Salvlani, Hippol. 358. Sal, Gonfervationsmittel 29. Salzmann, Joh: Aud, 342. Sammlungen, naturbiftorifche im Allerihum 29, fpäter 261. Samuel, 3. 621. Sander, Heine. 544. Sarrafin, Mi. 450. Gars, Mich 643. 664. 665. 666. 690. 700. Gäugetbiere, bei Arift. 80, bei Wotton 266, bei Al. drovandi 295, Jonftonud 302, May 438, Alein 480, Linnd 505, Briffen 546, Shhreber 546, Ben» nant 546, Scopoli 547, Grrleben 547, Blumen- bach 547, Stor 547, Batſch 548. Savigny, M. Jul. Céſ. Les forgne de 641. 661 690. 691. 700. Say, Thom. 687. Scaliger, Jul. Caeſat 318; Schaf 11.35, im Mittelalter 181. 197. Schäffer, Jal. Chin. 553. 559. 563. Schalthiere, bei Ariftot. 83, bei BWotton 266, Aldro⸗ vandi 295, Rang 455, Breyn 456, Plancus 458, Klein 486. Scharlachwürmer im Mittel. alter 188. Schelch 182. Säelling, 8. ®. 3. 576, Säelver, Fx4. Iof. sss. bit, Sqchenk, Joh, Theod.461. 2 Scherzer, Carl 656. 716. Scheuchzer, 3. 3. 422. 469. Schinz, Heine, Rud 663. 713, +1 Schlangen im Phofiol. 134, bei Aldrovandi 296, Yon ftonus 303, Einzelnes 354, Sälegel, Herm. 665. 679, 708, 711. Säleiden, M. 3. 630. Schlotheim, Graf — von 650. — Schmarda, Ludw. 665. 2: Schmidel, Gaf. Chftph. 565. Schmidt, Carl 696, Schmidt, E. Dit. 679, Schmicdlein, Gfried. Ben. 558, Schneider, Ant. 692. ER Schneider, Dav, Heinr. 558. Schneider, I. ®., Saro 40. 193. 207, 329, 552, Schomburgk, Rob. 658. — Schönfeld, Steph. von 367. Be: Schöpf. I. Dav. 552, ° ® & Schranl, Ftz — Dr Schreger, Bernh. Glob. 545, — Särent, Leop. von 664. Schröder van der Koll, 3. 8. 6 714.7 A Schröter, I. Sam. 557. 505. ve Schubaert, T. D. 695. A — Schubert, Ghilf. Heinr. 589. * Schultze, GE. Aug. Sig. 646. Schulße, Mar Sigiem. * 690. 706, h | Schumader, Fr. Chin. 00. 2 Schwann, Theod. 630. 3 4 Schwarz 716. — er Schweiger, Beier. 669. 685. Schwein 12. 37, im winel * alter 181 = Schwendfeld, Kasp. 338, RE Seilla, Agoft. 467. — Sclater, Phil. 2, 710, Scopoli, 3. Ant. 547. 560. Scot, Dav. 718, Scriba, Low. Slieb. 558, Seba, Alb. 452. f — EN Seemann, Berth. Per — Seeſchlange, die große 336 Seidenbaui. Mittelalter 188. 47 2: — Aug. Be ee sl: Ikf Ba ae — e J—— ——— — ann Ki u ii wie r 4: a ie, s Sigg EHE B + z FR sau. 23 —— — ARMEE 38 F 3 J— — At Hilft] fir Ham t, Garl 632. 677. 690, 69. 700. 702. 704. 708. 713. t, Briede. Siegm. 669. 1 * Gouft 367. u. ®. 705. Bid. 704. 714. i i et E & 5 ler, Job. 703. 708. -: S 1 — I... - — * Balthiere, Kenntniß der nor- diſchen im Mittelalter 183, bei Wotton 266, bei Ray 438,443, bei Ariflot. 82, bei Linne 506. Baflertbiere, biutlofe, Jon: fton’d 208. Baterhoufe, ©. R.713.714. Weber, Ernfl Heint. 609.629. Bedbell, Jam. 653, „| Wied» Neuwied, Prinz May 657. 659, Wiedehopf im Phyſiol. 131. Wiedemann, CHR. Rud. Wilh. 610, Wiederfäuer 344. 437, ‚ Ye. Br. A. 679. 682. 692. 719. Wieſel im Phnfiol. 129, Bilbrand, 9. Bernd. 646, 670, Wildefel im Phyſiol. 128, Wilhelm von Moerbele 207. 209, Billes, Gharl. 656. Bil, 3. ©. Priedr. 695, Billiamfon, Bil. Gramf. 683 Billis, Thom. 383. 397. Willughby, Francis 428, 430. Bilfon, Aler. 659. Bimmer, Fr. 719, 3 Wirbelthiere bei Nay 438, Wiſent im Mittelalter 181, BWittih, Herm. von 707. Bolf, ſprachlich 13. mythol. 17. inder Fabel 21. Saly- . | Wolff, Jat. 372, Bollafton, T. Bern. 662. Boodward, John 463. 468. Boodward, S. P. 700. Borm, Dlaus 341. 347. 423. Wotton, Edw. 265. Bren, Chriſtoph 413. Wrisberg, Heint. Aug. 564. Burm 13, Würmer Linnd’s 513. Burger 696. Woman, Jeffr. 707. Kenophanct 89. dt 25. 197. arrell, Will. 664, Baer, 3. 718. Zaddah, Ernft Guft. 641. Zebra bei den Alten 48, Zebu im 13. Jahrhund. 197. Beder, I. Geo. Hein. 562, Benter, Bild. 641. Biege 11. 35, im Mittelalter 181. Zimmermann, Eb. Aug. ®. 534, Binden, gen. Sommer, 3.2. zb. 8. 693, Binanni, Giuf. 454. Zoophy ten bei Wotton 266, Aldrovandi 295, Linne 515. Zorn, Job. Heine 544, F — F » * — F £ 5: R — Jun 18 1971 QL Carus, Julius Victor 25 Geschichte der zoologie Cc3 bis auf Joh Biological & Medical PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY “ A * 2 a se A 2 2 BE A s Pr rt Me * N ee Eee L ———— ——a,— MR — ar EEE Eee AR ® 2 * —— re — — en Fa I ee — — “or — — EN! * * oz 5 ae Eee Hrn en = * Ing I ange —— — ch 3 A in te Nee pe di e um“ Di — ”; a —*8 — * 8R “4 a 2 r ar 4 2 — a TE \ i ara ir 2, nee Fe : t * ne —X — 2 J — h — —— —— — al rn —* — Br ee a Se a Da eh vr 4 Wie K “. E J — ch en J »* hu — — — Matt