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FROM THE FUND BEQUEATHED B1 ARCHIBALD GARY COOLIDGE A B 1887 PROFESSOR OFHISTORY 1 19^^8-1928 DIRECTOR OF THE ji UK '/ERSITY LIBRARY 1910-1928

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Geschichte

des

Geschlechts von Witzleben.

Nach archivalischen Quellen bearbeitet

Gerhard August von Wiizleben,

4(eniral-€iinltno«t }. D. nnd

Karl Hartmann August von Witzleben,

I. THEIL.

(Mit neunzehn Stamm- und fünf Ahnentafeln.)

>^^-

BEKLIN, 1880. Verlag von A. B n t h.

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G^x- ite^ZL. yo f^y

HARVARD

lUNIVERSITYl

LIBPARY

JUL t9 1961

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Einleitung.

Mehr als 3000 Urkunden und Regesten, welche wir im Verlauf von 25 Jahren aus den verschiedensten Archiven abschriftlich erworben haben, bilden die Grundlage der Bearbeitung unserer Geschichte des Ge- schlechts von Witzleben. Wir wissen wohl, dass dieselbe in vielen Beziehungen unvollkommen ist und in der Geschichtserzählung manche Lücke bietet, glaubten aber, da eine völlige Erschöpfung der Archive überhaupt nicht zu erreichen sein dürfte, das bis jetzt gesammelte hand- schriftliche Material, welches einen Zeitraum von beinah 8 Jahrhunderten j^mfasst, am besten erhalten und der Familie nutzbar machen zu können, wenn wir die Vervielfältigung desselben durch den Druck nicht ins Un- gewisse hinaus verschöben. Wir geben also, was wir haben. Möge es andern Forschern gelingen, durch neue Entdeckungen Irrthümer zu be- richtigen, dunkeles aufzuhellen und Lücken zu ergänzen!

Selten kann ein edles Geschlecht seinen Anfang, Namen und Wappen, urkundlich beglaubigt, wie das unsrige auf fast 800 Jahre zurückführen. 1133 werden Adelherus und Berbeto von Witzleben unter den Zeugen genannt, in deren Gegenwart das Stift Fulda mit dem Kloster Paulin- zelle einen Gütertausch einging. Das 13. Jahrhundert zeigt uns unsere Vorfahren in Beziehungen zu den alten Thüringischen Grafengeschlechtem zu Kefernburg, von Gleichen, zu Schwarzburg und von Henneberg, und mit Beginn des nächsten Jahrhunderts erblicken wir sie ausserdem im Gefolge der Landgrafen in Thüringen und als Ritter des Deutschen

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IV -

Ordens. Das Geschlecht nahm stetig zu an Eeichthum, Macht und An- sehen. Seine zahlreichen Glieder sassen um die zuletzt erwähnte Zeit als Besitzer, Pfandinhaber, Vögte oder Burgmänner zu Alkersleben, Barch- feld, Witzleben, Molsdorf, Teutleben, Gummerstedt und Bösleben, auf der Elgersburg und Wachsenburg, dem Hermannstein und Liebenstein, der Kefernburg und Schwarzburg, zu Arnstadt, Gotha, Ilmenau und vielen andern Orten. Und als um die Mitte des 14. Jahrhunderts der landgräfliche Hofrichter Christian von Witzleben seinen Stamm vom Thüringer Walde in die goldene Aue verpflanzte, trieb auch dieser kräftig weiter und schaute lange Zeit hindurch in Wohlsein und Glück vom Wendelstein hinab auf weit ausgedehnten und reichen Grundbesitz. Auf dem Gipfel der Macht stand unser Geschlecht zu Ende des 14. und während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als es sich in die Linien zu Wendelstein und Berka, zu Elgersburg, Liebenstein, Molschleben und Marlishausen theilte und der Besitz der einzelnen Linien noch in einer oder doch in wenigen Händen war. Mit der zunehmenden Ausbreitung der Linien ging die Abnahme des Wohl- standes Hand in Hand, und im 16. Jahrhundert, nach dem Schmal- kaldenschen Kriege, sehen sich einzelne Glieder schon genöthigt, ihr Fortkommen in fremder Herren Diensten zu suchen. Der dreissigjährige Krieg, masslose Zersplitterung des alten Grundbesitzes, Irrungen und Streitigkeiten der Familienglieder unter sich und mit andern, die hieraus entstehenden, mit unglaublicher Hartnäckigkeit geführten endlosen Processe brachten im 17. Jahrhundert alle Linien mehr oder weniger dem Verfall entgegen. Doch tritt schon jetzt die bedeutsame Erscheinung erfreulich hervor, dass einzelne derer, welche den kleinlichen Verhältnissen der vielzerrissenen Thüringer Heimath den Bücken wandten und sich dem kräftigeren Treiben grösserer Staaten anvertrauten, bald zu Ansehen, Einfluss uijd selbst Besitz gelangten. Mit dem Emporblühen des Preussischen Staates kommt denn auch ein frischer Zug thatkräftigen Lebens wieder in unser ganzes Geschlecht und eine grosse Zahl hoher Staatsbeamten und ausgezeichneter Offiziere ist seitdem aus ihm herv^orgegangen.

Von 1133 an, in allen Wechselfällen der Zeiten, haben die von Witzleben an ihrem einfachen Namen festgehalten, ihn in Ehren geführt, ihm in ganz Deutschland Achtung verschafft. Wir sind also durchaus berechtigt, auf diesen alten Namen stolz zu sein, haben andrerseits aber auch die Verpflichtung, ihn so, wie er auf uns gekommen, weiter zu

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vererben; kein angenommener oder gar neu verliehener Titel giebt ihm einen schönern Klang oder stellt seine Träger auf eine höhere Stufe.*) Derselbe Stolz und dieselbe Verpflichtung geziemt uns in Bezug auf unser uraltes Wappen, das gerade seiner Einfachheit wegen zu den schönsten gerechnet wird und durch Verbindung mit neueren Decorationen nur verlieren kann.

*) Staatsrechtslehrer des 18. Jahrhunderts hatten ausgesprochen, dass sich des Titels Freiherren auch E<leUeute, welche durch untrügliche Zeugnisse erweislich machen können, dass sie seit 500 und mehr Jahren, da die Zunamen erst angefangen haben, bestandig unter der Ritterschaft florirt und mithin als stifts- und turnirmässig passirt haben, ne ipso quidem Imperatore contradicente bedienen dürfen. Trotzdem suchte gerade der alte Adel Kursachsens, namentlich auch unsere Familie, etwas besonderes darin, diesen Titel nicht zu führen, um nicht mit den sogenannten Vicariats-Freiherren (vom Kurfürsten als ßeichsvicar in Menge creirt) in eine Kategorie gethan zu werden. Auch thut wohl ein Geschlecht, dessen Ebenbürtigkeit mit einem deutschen Fürstenhause durch ein vom Kaiser sanctionirtes Urteil des Reichs-Hofraths in Wien vom 11. Apr. 1715 anerkannt war (s. Tb. I. S. 109. cf. Wissenschaftl. Beil. der Leipz. Zeitung vom 15. Aug. 1872: «Die Ebenbürtigkeit im heutigen deutschen Fürstenrecht"), am besten, an seinem alten Namen nichts zu andern.

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Inhalt des 1. Theils.

Seite

Einleitung III

I. Abtheilimg.

Die älteste Geschichte bis 1450.

I. Abschnitt.

Von dem Namen nnd Ursprung derer von Witzleben 1

II. Abschnitt.

Von dem Wappen derer von Witzleben 4

III. Abschnitt.

üeber die älteste Geschichte derer von Witzleben bis nm das Jahr 1340 19

IV. Abschnitt.

Werner von Witzleben, sein Bruder Konrad, 1330—1383, und die Ritter Dietrich und Beringer von Witzleben zu Gummerstedt und Bösleben, 1358 1407

a. Werner von Witzlcben. Schultheiss zu Gotha, 1336—1362 28

b. Konrad von Witzleben zu Dissau und sein Sohn, der Ritter Dietrich,

1330-1383 30

c. Die Ritter Dietrich und Beringer von Witzleben zu Gummerstedt und Bös-

leben, 1358-1407 31

V. Abschnitt.

Hermann von Witzleben und seine Nachkommen bis zur Stiftung der Elgersburger, Liebensteiner und Molschlebener Linien, 1251 1437.

a. Hermann von Witzleben, 1251—1269, und sein Sohn Friedrich, 1266—1287 34

b. Christian von Witzleben zu Barchfeld, 1290 und 1291 35

c. Hermann und Heinrich von Witzleben, 1298—1353 36

d. Hermanns Söhne, die Ritter Dietrich und Heinrich von Witzleben, 1361 1397,

und die Stiftung der Elgersburger Linie 39

e. Des Ritters Heinrich von Witzleben zu Molsdorf Sohn, Ritter Dietrich von

Witzleben zu Molsdorf. 1368—1383 41

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VII

Sfite

f. Des Bitters Dietrich von Witzleben, Vogts zu Eisenach und Creuzburg,

Sohne, Dietrich und Eunemund von Witzleben, 1373—1415 A2

g. Friedrichs von Witzleben Söhne , die Ritter Friedrich und Herbort o ,

1288—1340. Pfandschaft des Schlosses Elgersburg 43

h. Die Söhne Herbortos, Friedrich und Tizel von Witzleben, 1310—1378 . . 48

i. Die Elgersburg 49

k. Die Söhne Friedrichs von Witzleben, des Herrn zu der Elgersburg, 1322—1394 58

1. Hermannsteins Söhne, Fritz und Heinrich von Witzleben, 1382—1405 . . 62 m. Heinrich d. Ä. von Witzleben und seine Neffen Christian, Dietrich, Heinrich

und Konrad, 1410—1450 63.

II. AbtheUuifir.

Die Elgersburger Linie.

I. Abschnitt.

Von der Gründung der Elgersburger Linie bis zur Stiftung der Linien zu Neuroda, Bösleben und Gross-Liebringen, 1437—1616.

a. Die Brüder Fritz und Iring von Witzleben, 1437—1480 73

b. Irings von Witzleben Söhne, 1480-1536 78

c. Die Vettern Friedrich und Christoph von Witzleben, 1526—1579 .... 85

d. Die Söhne Friedrichs von Witzleben, Friedrich, Heinrich und Job Wilhelm,

und Stiftung der Linien zu Neuroda, Bösleben und Gross-Liebringen, 1579—1616 92

II. Abschnitt.

Die ausgestorbenen Nebenlinien der Elgersburger Hauptlinie, 1616—1803.

a. Die Linie zu Neuroda 96

b. Die Linie zu Bösleben 100

Esther Maria, Pfalzgräfin bei Bhein zu Birkenfeld-Gelnhausen, geb. von

Witzleben 104

c. Die Linie zu Elgersburg-Grossliebringen 111

III. Abschnitt.

Die Elgersburger Hauptlinie und die Linie zu Angelroda, 1616—1875.

a. Die Elgersburger Hauptlinie, 1616—1788, und Stiftung der Linie zu Angel-

roda, 1711 117

b. Angehroda 126

c. Die Linie zu Angelroda bis zum Verkauf der Elgersburg, 1711 1802 135

d. Die Linie zu Angelroda, 1802—1875 149

Karl Ernst Job Wilhelm von Witzleben, K. Preuss. Kriegsminister ... 150 Statut für das von Witzlebensche Fräuleinstift in Ilmenau 207

ni. Abtheilnng.

Die Liebensteiner Linie.

I. Abschnitt.

Von der Gründung der Liebensteiner Linie bis zur Theilung derselben in

die Linien auf dem Unter- und auf dem Oberhause zu Liebenstein,

1434 bis er. 1615.

a. Der Kitter Heinrich d. J. von Witzleben, 1408—1455 227

b. Liebenstein 232

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\TII

Seite

c. Heinrichs von Witzleben Söhne und Enkel, 1453—1513 243

d. Georgs Söhne, deren Gütertheilung und der Ast zu Gräfinau, 1506—1614. 247

e. Friedrichs Nachkommen bis zur Theilung des Liebensteins, 1522 bis er. 1615 256

II. Abschnitt.

Die Linie auf dem Unterhause zu Liebenstein, 1615—1746.

a. Ernst Friedrich von Witzleben von 1615—1653 260

b. Georg Melchior von Witzleben, er. 1596—1672 261

c. Georg Melchiors Nachkommen, 1640—1746 283

III. Abschnitt.

Die Linie zu Oberellen und Gerstungen, 1598—1744.

a. Hans Ernst von Witzleben, 1598—1660 296

b. Die Nachkommen Hans Ernsts von Witzleben, 1630—1744 301

IV. Abschnitt.

Die Linie auf dem Oberhause zu Liebenstein, 1615—1820.

a. Christian Rudolf und Adam Friedrich von Witzlebeu, 1615—1717 .... 305

b. Johann Adam d. Ä. von Witzleben, dessen Kinder, Enkel und Urenkel,

1644-1810 307

c. Emil von Witzleben, der letzte Liebensteiner, 1789—1820 ' . . 311

V. Abschnitt.

Die Linie zu Hude und Elmeloh, 1645—1878.

a. Kurt Veit von Witzleben und der Erwerb von Hude und Elmeloh, 1645—1719 316

b. Adam Levin d. Ä. von Witzlebeu, 1688 1745 323

c. Adam Levin d. J. von Witzleben, seine Brüder und Agnes Grafin zu Stol-

berg, 1721 1792 328

d. Christoph Ernst von Witzleben und seine Nachkommen, 1751—1878 . . . 349

e. Rochus Friedrich Otto von Witzleben und seine Nachkommen, 1758—1878 352

f. Christoph Henning von Witzleben und seine Söhne, 1759—1860 .... 354

g. Christoph Burchard Reiniger von Witzleben und seine Tochter Wilhelmine

von Plüskow. 1760-1872 355

h. Albrecht Friedrich Karl von Witzleben und seine Nachkommen, 1763—1878 357

IV. Abtheilmig.

Die Molschlebener Linie.

a. Von 1418—1698 361

b. Friedrich Jobst von Witzleben, 1671 1736 368

c. Karl Alexander von Witzleben, 1713— 1781 377

d. Karl Alexanders von Witzleben Nachkommen, 1738—1879 381

V. Abtheilnng.

Die Linie zu Marlishausen, 1434—1615 383

Anlage I.

Christoph von Witzleben und Balthasar von Denstedt.

Anlage II.

Familientag und Familien-Vertrag des Geschlechts derer von Witzleben.

Anlage III. Zusätze und Berichtigungen.

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- IX

stamm- und Ahnentafeln. Tab. /^Stammtafel der Familie von Witzleben von 1115 bis zur Theilung in die Elgers- burger (1437), Liebensteiner (1434), Molschlebenor (1437) und Wendel- steiner (1355) Linie 1

/bie Elgersburger Linie, 1437—1616 2

/Haus Elgersburg. Die Linie zu Neuroda 3

^Haus Elgersburg. Die Linie zu Böslcbcn 4

^Nachkommen des Pfalzgrafen Johann Karl zu Birken feld-Gelnhauscn und seiner

Gemahlin Esther Maria von Witzleben 4a

/^Ahnentafel für Esther Maria von Witzleben Beil. zu 4

/haus Elgersburg. Die Linie zu Elgersburg-Grossliebringen 5

/Haus Elgersburg. Die Hauptlinie zu Elgersburg und die Linie zu Angelroda . 6

/^aus Elgersburg. Linie zu Angelroda 7

^Haus Elgersburg. Lhiie zu Angelroda 8

/" Ahnentafel für Job von Witzleben Beil. zu 8

/^Haus Elgersburg. Linie zu Angelroda 1)

-^Haus Elgersburg. Linie zu Angelroda 10

/Die Liebensteiner Linie, 1434-1615 11

/Haus Liebenstein. Die Linie auf dem Unterhausc zu Liebenstein 12

> Haus Liebenstein. Die Linie zu Oberellen und Gerstungen ....... 13

/^2 Ahnen für Ernst Christoph von Witzleben auf Oberellen und Gerstungen, Beil. zu- 13

/Haus Liebenstein. Die Linie auf dem Oberhause zu Liebenstein 14

yHaus Licbenstoin. Die Linie zu Hude und Elmeloh 15

^ ]Cy Ahnen für Adam Levin d. A. von Witzleben auf Hude und Elmeloh, BciK zu 15

/Die Molschlebener Linie, 1418-1736 16

/Die Molschlebener Linie. 1671-1879 . 17

/^16 Ahn(*n für Karl Alexander von Witzleben auf Frött^tedt und Tcutleben, Beil. zu 17

yi)ie Linie zu Marlishausen . . 18

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^ie ätU^e i^tßi^te Bt$ 1340.

I. Abschnitt.

Von dem Namen und Ursprung derer von Witzleben.

Is im Jahre 450, erzählt Paul Jovius in seinem Chronicon Schwarz- burgicum, der „greuliche Wutherich Attila, der Hunnen König" mit seinem Heere in Deutschland und Thüringen einfiel, wurde Alles, was sich ihm widersetzte, niedergemachi Der Kest der Thüringer, um am Leben zu bleiben, ergab sich ihm und musste den Zug gegen die Römer und Franken mitmachen, und nur wenige von ihnen mögen die Heimath wiedeigesehen haben. Attila, dessen Heer nicht nur aus Hunnen, sondern aucli aus Thüringern, Schwaben, Hessen, Markomannen, Quaden und zum grössten Theil aus (Jothen bestand, beschenkte seine Anfuhrer mit Ländereien in Äiüringen, upd von diesen meist gothiachen Besitzern erhielten deren Wohn- sitze und die darum entstehenden Ortschaften die Namen, indem zu den . Personennamen die Art des Besitzes, wie Haus, Dor^ Weiler, Hof u. s. w. hinzugefügt wurde.

Eine solche HinzufSgung bildete auch das Wort „leben", oder in der alten Form leiba, leve, lava, leif, was soviel bedeutet als mansio, Haus,

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den Ort, in welchem man blieb und sich niederliess, wo man einen festen Wohnsitz, ein dauerndes Eigenthum fand*), so dass z. B. Albrechtsleiba bedeutet Albrechtshaus, Albrechtserbe, Albrecht's Besitzthum.

Durch Hinzufugung des Wortes „leben" zu Personennamen wie Ato, Azzo, Azilo, Eto, Etzilo u. dergl., ferner Wito, Wizo, Witelin und Wizelin ent- standen nun Ortsnamen wie Alkersleben, Etzleben u. dergl. und so auch Wizeleslebe **), wie er bei Schannat. trad. Md. p. 290 vorkommt, woraus dann 1140 Witzleibe (bei Wenk 2. Urk. 501), 1179 Wiceleybin (Schannat Vind. lit 2, 14), 1268 Wizleibin (Schöppach 1, 28), und schliesslich, wie wir jetzt schreiben, Witzleben wurde.

So entstand der Namen Witzleben eines l'/a Meile östlich von Arn- stadt gelegenen Ortes.

Es ist jetzt allgemein bekannt, dass die Zunamen erst mit und nach dem Jahre 1062 angefangen haben, während vor dieser Zeit nur die Vor- namen geschrieben wurden.

Diese Zunamen entstanden nun auf verschiedene Weise. Entweder sie waren Appellati va, Nennwörter, die sich einzelne Personen zulegten, oder die ihnen von Andern aus besonderen Veranlassungen, etwa zur Unter- scheidung, zugelegt wurden, je nach ihren persönlichen Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten, Beschäftigungen und Aemtem, nach ihrer Tracht und Kleidung, ihren Wappenbildern u. dergl., die dann meist ohne Präposition von geführt wurden, oder sie wurden von einem Orte entlehnt, waren Orts- namen, und wurden dann durch die Präposition von mit dem Rufiiamen in Verbindung gebracht.

So nannte sich denn auch irgend ein durch besondere Eigenschaften hervorragender Besitzer des zu Witzleben begründeten Edelhofes nach die- sem Ort, oder wurde von Andern so bezeichnet; ob es ein Nachkomme des Wito oder Wizelin war, der dem Ort den Namen gab, ist unwesentlich, zu beweisen ist es jedenfalls nicht. Die urkundlichen Nachrichten nen- nen erst 1133 den Geschlechtsnamen von Witzleben, und zwar Adel- herus und Berbeto von Witzleben, unter lauter Zeugen, die eben- falls Ortsnamen fuhren, nämlich Graf Ernst von Tonna, Graf Ludwig zu

*) Nicht aber Laube, Laubhütte oder gar Wald, wie Tentzel, 11. SuppL zur Hist. Gotli. p. 336. u. Wilhehn u. Herold in ihren Geschichten der Klosterschule Rossleben, u. a. meinen.

**) Bei Gudenus cod. Dipl. 1385 zählt der Erzbiscliof von Mainz in einer Urkunde von 1084 unter den Gütern von Lorch auch ein Wizelinesleva auf.

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Lohra, Ditmai* von Rossla, Wittelo von Griessheim und sein Bruder 'Sizzo von Arnstedt, Poppe von Stein und Ludwig von Wangenheim.

Mit dem Wechsel des Grundbesitzes und der Gründung neuer Wohn- sitze uud Edelhöfe, traten nun auch oft Aendeiningen des Geschlechtsnamens ein, wie' unter den eben Angeführten an Griessheim und Arnstedt zu sehen ist und sich an vielen andern Beispielen beweisen lässi

Dm-ch Annahme des Ortsnamens Witzleben als Zunamen entstand also der Geschlechtsnamen von Witzleben.

Dass dieser verschieden*) geschrieben wurde, hat seinen Grund theils in dem Wechsel der Aussprache und Orthographie in den verschiedenen Jahrhunderten, theils in der Verschiedenheit des Dialects der Urkunden- schreiber, und darf man nichts Besonderes, nicht etwa Unterscheidungen zvrischen zwei Linien etc., darunter suchen. Die Behauptung Sagittars aber (in den Memorabil. Eist. Goth.), und nach ihm Mehrerer, dass unser Geschlecht ehemals auch Wigeleben, Wigleben genannt sei, ist ein grober Irrthum. Nach dem 3 Stunden nordwestlich von Gotha und V/% Stunde von Langensalza gelegenen Dorf Wiegleben nannte sich ein von dem unsrigen ganz verschiedenes Geschlecht**).

*) Wize-, Wizze-, Wicze-, Wizce-, Wiccc-, Witze-, Wiz-, Wicz-. Witz- leiba, leiben, leyben, leibin, leybyn, leuben, leubin, ja sogar loibin, loubin. **) Ebenso nacb Wegeleben bei Halberstadt und nach Wanzleben.

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II. Abschnitt.

Von dem Wappen derer von Witzleben.

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nser Geschlecht gehört zu dem üradel Thüringens ; es hat sein Wappen nach eigener Wahl angenommen und erst im Jahre 1470 finden wir in dem Wappenbrief Kaisers Friedrich III. eine Beschreibung desselben, die jedoch eigentlich nur Gültigkeit für die Liebensteiner, jetzt Oldenburger Linie, hat. Wie es bei allen alten Wappen der Fall ist, so sind auch die Darstel- lungen des unsrigen zu verschiedenen Zeiten verschieden, namentlich in Bezug auf Farbe, Zahl der Theilungen, Federn auf dem Helm u. s. w. Es giebt kein Wappen mit Balken- oder Sparrentheilungen*), dessen Dar- stellungen aus den verschiedenen Zeitaltem alle eine gleiche Zahl von Sectionen aufweisen; statt 2 Balken sehen wir 2yj, 3, auch 4, statt 3 3 y«, 4, 5 u. s. w. Von den Wappen des üradels kann man daher nur in 80 fern sagen, dies oder jenes Wappen ist das richtige, als der con- stante Usus eine bestimmte Norm, einen bestimmten Typus für ein Wappen geschaffen hat, oder dass Familien-Uebereinkunft hierzu führt (wie dies bei denen von GersdorÖ', von Bünau und andern der Fall ist), sonst kann nur die Mehrzahl guter Darstellungen im Allgemeinen eine Norm für die Richtigkeit eines Jahrhunderte lang abgebildeten Wappens geben.

*) Michclsen in seiner Scliriffc über die Ebrenstücke etc., Jena 1854, weist sehr gründlich, besonders bei Thüringer Wappen, nach, dass die Wappen mit Ehrenstücken, zu denen die Sparrentheilung gehört, die älteren sind, wogegen die mit Figuren, wie Thieren u. dergl., einer späteren Zeit angehdren. Er hält die Ehrenstücke für Nach- ahmungen des Hausgebälkes.

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Wir werden an der Beschreibung und Zeichnung wirklich vorhandener von Witzleben'schen Wappen sehen, wie sich das heute gebräuchliche ge- bildet hat.

Das älteste vorhandene Witzleben'sche Wappen befindet sich auf einem in der Elgersburg eingemauerten Stein und fuhrt deutlich die Jahreszahl 1088. Wir erkennen darauf den Schild mit der Sparrentheilung.

Das älteste uns bekannte Siegel ist das des Ritters Friedrich von Witz- leben, Herrn zu der Elgersburg, an einer im Haupt- Staats -Archiv zu Weimar befindlichen Urkunde vom 20. März 1323;*) es ist aber lädirt und nicht so deutlich, als das im St. -Archiv zu Magdeburg (s. E. Erfurt A. XLIV. No. 18) befindliche Siegel desselben Ritters vom 25. März 1332. Dies gut erhaltene Siegel in gelbem Wachs ist ein Helmsiegel und zeigt auf dem geschlossenen Tumierhelm einen einfachen runden Hut, durch dessen breite Krampe zwei Zweige, anscheinend Palmenzweige, gesteckt sind.

Dieser Hut, aus dem mit der Zeit ein Pürstenhut entstanden ist, findet sich auf den Helmen vieler Familien; ja beinah genau so, wie Friedrich's Siegel, jedoch ohne Zweige, haben wir alte Siegel der Burg- grafen von Leissnig gesehen. In der Heraldik heisst ein solcher Hut „Turnierhut". Er hatte ursprünglich den doppelten Zweck, die Gluth der Sonne, die dem mit blankem Helm Bedeckten unerträglich sein musste, zu lindem und die Wucht der den Kopf treffenden Hiebe zu schwächen.

*) Im Archiv zu Sondershausen befindet sich dasselbe Siegel, vom Jahre 1298, leider aber nur noch als Fragment.

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Ein ähnliches Siegel, wie Friedrich, führt« am 8. Mai 1351 Tizel von Witzleben (St.-Arch. z. Magdeb. s. B. Tröchtelboni, No. 1), nur laufen die Zweige nach oben spitz aus.

1409 ist die Krampe des Hutes bereits aufgeschlagen, wie wir an dem im Haupt-Staats-Archiv zu Dresden befindlichen Siegel Dietrich's und dem in der Königlichen Kunstkammer zu Berlin aufbewahrten Petschaft der Bertrat von Witzleben sehen; aus den Zweigen sind bereits Schäfte, oben mit Büscheln, geworden.

Ein schönes und gut erhaltenes Wappen finden wir auf dem Todten- schilde, welchen der lütter Heinrich von Witzleben zu Ehren seines am 2. October ,1412 gestorbenen Sohnes Friedrich in der Witzlebenschen (Nicolai-) Kapelle der Liebfrauen -Kirche zu Arnstadt aufstellen Hess. Es ist von Holz in haut relief gearbeitet und mit Farben versehen. Der rothe Fürstenhut mit Hermelin -Verbrämung ist vollständig erhalten, um- sind leider die beiden Schäfte abgebrochen. Die Ueberreste derselben sind dreieckig und haben eine silbergraue Färbung. Der Schild hat auf der rechten Seite einen Ausschnitt für die Lanze.

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Auf dem gerade nicht sehr gut erhaltenen Wappen Kerstan d. J. von Witzleben vom 10. August 1419 (St-Arch. z. Magdeb. s. R. Ais- leben 6, No. 23), erkennen wir kaum noch den Hut, eher eine Mütze; ob der Schmuck dai-auf aber noch Zweige sein sollen, überlassen wir dem Urtheil des Beschauers.

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Bei den nun folgenden Siegeln ist der Hut verschwunden, die Mütze vollendet und aus den Zweigen Schäfte geworden, oben mit Federn besteckt,

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während an den Seiten Schellen oder Blätter angebracht sind. An dem Siegel Heinrich's von Witzleben von 1434 (in Weimar) lässt es sich nicht genau erkennen, was an den Seiten der Schäfte befindlich ist, während wir an dem schönen Siegel Georg's von Witzleben vom 3. Februar 1444 (St.-Arch. z. Magdeb. s. R. Tonndorf No. 23) deutlich Blätter unterscheiden.

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Der Helmschmuck wurde in der Schlacht nicht getragen, sondern nur im Turnier, bei Pesten, Aufzügen u. s. w. wo es galt, Pracht und Glanz zu entwickeln und mit möglichst grossem Geräusch in die Schranken zu reiten, um während des Kämpfens den Zuschauern einen Ohrenschmaus zu bereiten oder das Ross des Gegners scheu zu machen. Daher ist der Helmschmuck mit metallenen Blättern nichts Seltenes, und die Seeblätter von rothem Golde an den Schäften Priedrich's von Witzleben*) mögen wohl laut geklungen haben, als er am Sonntag nach Maria Empfängniss 1494 zu Mecheln in die Schranken ritt und wacker mit dem Polen Pan Michel kämpfte. Wohl möglich, dass in diesem Turnier das Fräulein Jacobe von Balgeth in dem prächtigen Thüringer Ritter mit dem klingenden Helmschmuck ihren künftigen Gemahl zuerst erblickte und lieben lernte.

In dem am 23. Mai 1470 vom Kaiser Friedrich an Claus und Conrad von Witzleben verliehenen Wappenbrief**), wird der Helmschmuck folgender- massen beschrieben: „auf einem weissen überstülpen hutte Zwo aufgerichte Riessenstangen, an der Stirne derselben Stangen voll Seebletter nach der lenge ob vndt oben mit rothen vndt weissen Frantzen," und ganz so finden

*) Er befand sicli im Gefolge des Kurfürsten Friedrich d. W. **) Leider haben wir das Original des Wappenbriefes bis jetzt nicbt ausfindig machen können; nur eine alte vom Moder stark angegriffene, undeutlich geschriebene Abschrift befindet sich im Archiv zu Kossieben.

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wir aus der älteren Zeit noch ein Wappen Pritschens von Witzleben, dessen sich 1514 Bastian von Witzleben bedient (St-Arch. z. Magdeb. s. R. Gleichen No. 26),

und das auf dem Grabsteine Georg's von Witzleben vom Jahre 1526, der nebst drei andern Leichensteinen an der nördlichen Längswand der schönen Kirchenruine in Paulinzelle vor einigen Jahren auf Veranlassung des Fürsten von Schwarzburg aufgerichtet und so der gänzlichen Zerstörung durch Be- treten entrissen ist. Die auf Letzterem noch sichtbaren Schäfte mit Franzen gleichen jedoch mehr Lilienstäben.

Von anderen Darstellungen der Helmzier kann hier fuglich abgesehen werden, da sie, wie wir sie an kleinen Holzwappen im Dom zu Magdeburg, Merseburg, Erfurt, in den Kirchen zu Kassel, Rackith, Werben etc., ja selbst noch an Steinwappen zu Wendelstein, Elgersburg, Rossleben etc. finden, alle einer neueren Zeit angehören, und uns, wollten wir alle uns bekannten Varianten*) besprechen, die Sache zu weit fuhren würde, nur Siebmacher's wollen wir noch erwähnen, da er in der Heraldik als Autorität gilt. Er sagt in seinem „Newen Wapenbuch, Norimberg 1605," Tab. 165: „AufiF dem Helm ein ro: Hut mit eim weissen stülp, die zween Schafft schwartz, die blettlin daran rot, die federn rot vnd weiss, die Helmdeck auch rot vnd weiss," und dazu zeichnet er an jeder Seite jedes Schaftes vier Blätter und auf den Schäfl;en fünf Straussenfedeni. Die Straussenfedem sind wohl nach und nach aus den Franzen entstanden,

*) Zeichnungen oder Blasionirungen unseres Wappens sind in folgenden Werken enthalten : Siebmacher, Newes Wapenbuch, Norimb. I G05. Tab. 165. Peccenst. Theatr. Sax. p. 302. Gleichenst. geneal. Tab. - ßudolphi Goth. Dipl. II. 328 u. 329. J. A, Rudolph Herald, cur. 152. Schannat, Fuld. Lehnh. 181. Hattstein, Reiclis- adel I. 667 Salver, Proben d. h. teutsch. Reichsad 96. König, Ad. Hist. I. 1045 (falsch gezeichnet, richtiger beschrieben). Zedier Bd. 57. 2006. Estor, Ahnenprobe, 388. Tyroff I. 140. Lex. over adel. Farn, in Danmark II. XLUI. 81. Knetschke IIL 457. Bernd, allg. Wappenwissensch. Tab. III. 3 u. p. 103. Goth. geneal. Taschenb. der freih. Häuser 1856. 770. lUustrirte deutsche Adelsrolle d. 17. Jahrh. 40., Albini Wertbem 72. u. viele andere.

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und wenn auch Jobst von Witzleben noch am 29. Octbr. 1554 (St.-Arch. z. Magdeb. s. R. Nachtrag I. Erfiirt. II.) fünf Federn führt, die eher wie Hahnen- als Straussenfedem aussehen,

so finden wir nach dieser Zeit auf allen Wappen Straussenfedem. In einem alten Stammbuche des Caspar von Hanstein (im Besitz des Pastors llagotzky zu Triglitz in der Prignitz) sind mehrere Witzleben'sche Wappen gemalt, z. B. Heinrich's von Witzleben, 1577, mit einem rothen, mit Hermelin aufgeschlagenen Hut, vier rothen Blättern an jeder Seite der beiden Schäfte, die oben mit drei Straussenfedem (roth, weiss, roth) geziert sind, und Hans Heinrich's von Witzleben, XVH. Cal. Januarij Ao. 1654, mit fünf Straussenfedem (roth und weiss). Nach dem Goth. geneal. Taschenbuch der freiherrl. Häuser, 1856, p. 770 fuhren einige der jetzt lebenden Herren Vettern der Wartenburger Linie die Schäfte ohne Blätter; dies möchte, wenn es von sämmtlichen Gliedern jener Linie gethan würde, als Unterscheidungszeichen nicht zu verwerfen sein, wählend sonst kein Grund vorhanden ist, von dem althergebrachten Wappen abzuweichen. Die Besitzer von Wartenburg, Eackith und Werben haben immer die Blätter an den Schäften gefuhrt, wie das Siegel Raban Heinrich's von Witz- leben und das Wappen Hans Friedrich's in der Kirche zu Werben zeigt.

Wie oben schon vom Hut bemerkt wurde, so ist auch der eigentliche Helmschmuck der von Witzleben nichts allein Dastehendes; mehr oder weniger ähnlich zeigen ihn die Wappen der Plassenberg in Pranken, der Ebeleben und Dhunstedt in Thüringen, der Schencken von StaufiFenberg in Schwaben, der Brömser von Rüdesheim am Rhein und Anderer.

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Ausser dem beschriebenen Helmschmuck führten schon im 14. Jahr- hundert einige Glieder unserer Familie einen von ihm vollständig ver- schiedenen. Wir sehen nämlich auf dem ältesten uns bekannten Siegel dieser Art, dem des Ritters Christian von Witzleben (des Hofrichters) vom 13. Juli ' 1365 (Hpt-St-Arch. z. Dresden, ürk. No. 3807) den Stechhelm nach oben in einen Vogelkopf mit langen Ohren ausgehen, wir haben es also mit einem fabelhaften Gebilde zu thun, wie solche (wir erinnern nur an die Kopfbe- deckung der alten Deutschen) auf den Helm gesetzt wurden, um ein furcht- bares, den Feind schreckendes Ansehen zu erhalten*).

Zum zweiten Male begegnen wir dem Vogelkopf auf dem herrlichen Grabmonumente Dietrich's von Witzleben, den man nannte von Gummer- stedt**), in der Liebfrauenkirche zu Arnstadt vom Jahre 1376.

Ob nun diese Helmzier des Witzleben'schen Wappens älter als jene mit den Zweigen und dem Hute sei, ist noch unentschieden, denn so einfach die letztere auch ist, so hat doch auch die mit dem Vogelkopf viel von ürsprunglichkeit für sich.

In dem schon angefahi-ten Wappenbriefe von 1470 wird dieser Kopf ein Geierkopf genannt, es heisst nämlich: „vndt auf dem Schilde einen gekrönten Tumierhelm mit einer gelben oder goldfarbenen Krohne vndt einer Roth vndt weissen Helmdecken gezieret, entspringende aus derselben

*J Kaiser Günther von Schwarzburg führte auf dem Helm einen gekrönten Löwen- kopf mit einem Pfauenwedel, wie man auf dem Epitaphium im Dom zu Frankfurt a. M., wo er 1349 starb, sehen kann.

**) Wohl das heutige Gammstädt.

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Krohne ein Geyer, dessen Federn seiner Natürlichen Farbe mit seinem fördertiieil biss an die brüst, gelben schnabell, äugen vndt Ohren habende, vmb seinen halss einen gelben ringk." Nun erhalten Claus und Conrad von Witzleben und ihre ehelichen Leibes-Erben „zu gebesserter Zierung auf dem Helme, aus der Krohne vndt vmb den Geyer aufgerecket fönf Rennefehnlein mit rothen stangen vndt getheilten Fahnen, das förder Roth vndt das hinter an der Rothen stangen weiss." Es haben also die Herren Vettern in Oldenburg eine Norm för ihren Helmschmuck und, wir werden sehen, auch für den Schild, es ist demnach falsch, wenn einige derselben einen gekrönten Geierkopf fuhren, ja es möchten doch auch die langen Ohren den Platz fiir die Krone sehr beeinträchtigen.

Im Lauf der Zeiten ist es nach und nach bei den Mitgliedern dieser Linie Gebrauch geworden, ausser dem eben beschriebenen Helm noch einen zweiten mit der andern Witzleben'schen Helmzier zu fuhren. Im Wappenbrief steht Nichts von diesem zweiten Helm, doch mag auch der Gebrauch in vier Jahrhunderten die Norm bilden.

Auf dem Grabmal des letzten Witzleben der Liebensteiner Linie, t 1820, ist nur ein Helm, und zwar der mit dem Geierkopf gezierte. Letzterer ist gekrönt und hat einen Ring im Schnabel. Die fünf Fähnlein sind natürlich auch vorhanden.

Die Famlie hat also, wie wir gesehen haben, zwei verschiedene Helm- zierden.

1 ) den Fürstenhut mit den Schäften, welchen sämmtliche Linien fuhren,

2) die Krone mit dem G^ierkopfJ welchen die Liebensteiner Linie bei- behalten hat, während sie den Hut mit den Schäften noch annahm.

Der Fürstenhut ist wohl nicht einer besonderen kaiserlichen Gunst- verleihung zu danken, vielmehr allmählig aus dem Tumierhut entstanden, und bildet mit den Schäften seit Anfang des 15. Jahrhunderts den Witzleben'schen Helmschmuck, jedoch selbstverständlich ohne Reichsapfel, welchen sich die Fürsten selbst erst nach dem Verfall des deutschen Reiches beilegten.

Die Familien-Tradition, dass der Fürstenhut von Christian von Witz- leben, dem Bischof zu Naumburg, (welcher als solcher gar nicht berechtigt war, denselben zu fuhren, und wenn dies auch der Fall gewesen wäre, ihn selbstverständlich nicht vererben konnte) stamme, ist eben so falsch, als dass die Familie diese Helmzier der Esther Maria von Witzleben, welche 1696 dem Pfalzgrafen Johann Carl zu Birkenfeld vermählt ward, verdankt.

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Wir kommen nun zum Schild unseres Wappens.

Diesen finden wir zuerst, aber nur theilweise, an dem auf der Elgers- burg befindlichen Stein aus dem Jahre 1088, wo jedoch nur noch der oberate Sparren sichtbar ist, dann am 16. Septbr. 1350, und zwar als Schild- siegel Hermann's von Witzleben (im St-Arch. z. Magdeb. s. ß. Stift Halber-

Stadt No. IV. 6). Leider ist es nicht gut erhalten, doch lassen sich deut- lich zwei Sparren (eigentlich 2*/«) erkennen, die durch breite und tiefe Einschnitte gebildet sind.

Zwei volle gestürzte Spaaren sehen wir in dem Scbildsiegel des Ritters Friedrich von Witzleben vom 8- Mai 1351 (St-Arch. z. Magdeb. s. R. Tröchtelbom No. 1).

Femer Dietriches vom 20. Januar 1380 (St-Arch. z. Magdeb. s. "R. Mansfeld, Nachti-ag IT. No. 3) und Albrecht's von 1381. Mittwoch nach Reminiscere (St-Arch. z. Magdeb. s. B. Erfurt A. Tit XVII. No. 55).

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Dann aber, bis zum vorigen Jahrhundert, ist der Schild nur drei Mal gespant, wie wir schon am 10. August 1419 an dem schön ausgeprägten Siegel Kerstan's von Witzleben sehen (St.-Arch. z. Magdeb. s. R. Als- leben, 6. No. 23).

Denselben Schild führte auch der Naumburger Bischof Christian von Witz- leben. Er bediente sich dreier Siegel, von denen das eine die Schutzheiligen des Naumburger Domstiftes, Peter und Paul, und darunter den Witzleben- schen Wappenschild, das andere, das leider nur noch zum Theil erhalten ist, den einen Heiligen zeigt und ein Stück von einem Schlüssel, der, mit einem Schwert gekreuzt, das Naumburger Bisthumswappen bildete (ob hier das Witzleben'sche Wappen noch angebracht war, lässt sich nicht erkennen). Beide Siegel, von 1383 St. Valentin! und 1387 St. Lucientag befinden sich im Archiv des Domcapitels zu Naumburg.

Das dritte grosse Bischofssiegel ist sehr schön; der darin d^gestellte Bischof, jedenfalls Portrait Christian's, zeigt einen wohlbeleibten Herrn,

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dessen rechte Hand auf dem Witzleben'schen Wappenschild ruht, welcher das daneben stehende Bisthumswappen berührt. Das hier abgebildete Wappen ist vom 19. Mai 1384, an der Urkunde No. 4448 des Hpt-St- Arch. z. Dresden, findet sich aber auch ebenso von 1391 und 1392 etc. im Domcapitel zu Naumburg.

Nach dem mehrerwähnten Wappenbriefe von 1470 fuhren die von Witz- leben „ein schildt ausgetheilet in Vier sparren ob einander stehendt mit Ihren Scherfen unter sich gekehrt, vorwechselt in rodt vndt weisse Farben,, die untere Roth vnd obere weiss."

Es ist also für die Liebensteiner Linie der drei Mal im gestürzten Sparren roth und weiss getheUte Schild das richtige Wappen.

Die anderen Linien unseres Geschlechts haben seit dem vorigen Jahr- hundert meist den Schild mit zwei Sparren (viermalige Theilung), obgleich auch die dreimalige Theilung häufig vorkommt

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Es muss hier noch des Wappens der alten ausgestorbenen Thüringer Familie von Hettstedt Erwähnung geschehen. Der Schild ist gespalten und zeigt vom einen Querbalken, hinten zwei gestürzte Sparren. Die von Hettstedt standen also wahrscheinlich in verwandtschaftlicher Beziehung zu denen von Witzleben*).

Es würde wohl sehr gewagt sein, in unserm Wappen ein redendes erblicken zu wollen, und die Annahme, dass die Sparren an die leiba, Wohnstätte, erinnern sollen, möchte doch wohl das Erzeugniss einer zu weit gehenden Phantasie sein. Dennoch aber finden wir eine Deutung unseres Wappens, die allerdings keinen heraldischen Werth hat, aber als Curiosum hier einen Platz finden möge. M. Mich. Christian Ludwig, F. Sachs. Hofprediger etc. sagt p. 47 seiner Leichenpredigt auf Christine Magdalene von Pflug, geb. von Witzleben (a. d. H. Liebenstein), am IP. Januar 1698: „Das adeliche Wapen dieses alten (von Witz- leben'sehen) Geschlechts fahret umgestürzte Sparren in sich; was dieses vor eine Bedeutung in der edeln Herolds- und Wapenkunst habe, mag in dem vortrefflichen Opere Heraldico, welches theoria insignium von seinem gelehrtesten Authore benennet wird (P. I. m. L p. 169) nachgesehen wer- den, da er solche Sparren inter figuras arti proprias et honorabiles, unter die eigentlichen und vortrefflichen Kunstzeichen rechnet. Ich will aber nicht ohne Wahrscheinlichkeit muthmassen, dass solche die der gemeinen und falschen Weltmeinung entgegengesetzte und also verkehrt scheinende Er- kenntniss vom Leben der rechtschaffenen witzigen und göttlich geadelten von Witzleben andeuten. Dasjenige Haus und Lebenswohnung, so seine Sparren gegen den Himmel aufrichtet, stehet nur auf Erden; so muss auch die Wohnung, welche ihr Dach gegen die Erde richtet, gewiss im Himmel ihren Grund und das rechte Leben haben."

Die Farben der Helmzierden sind schon oben nach dem Wappenbrief, Siebmacher und einigen gemalten Wappen angegeben; auch die des Schil- des finden wir in denselben. Siebmacher folgt ganz dem Wappenbrief, wenn er sagt: „ein rot vnd weiss gesparter Schild, die ober spitz weiss,"

♦) Das erloschene Geschlecht von Angelrode soll nach Rein, Ichtershansen p. 95, eines Stammes mit unserer Familie gewesen sein; Konig in Budolstadt, im Anfang zu seinen Regesten, behauptet jedoch, dass die Wappen beider Familien ganz ver- schieden seien. Dagegen ähnelt das Wappen der von Nimitz in Schlesien dem unsrigen, nur dass statt unseres Helmschmucks dort zwei Buffelhorner sind. Jedoch kann hier von Stammyerwandtschaft nicht die Rede sein, da die Nimitz wendischen Ursprunges sind.

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und dazu zeichnet er ihn drei Mal gesparri So gemalt sehen wir den Schild auf der linken Brust einer im Waflfensaal der Wartburg aufbe- wahrten ziemlich grossen und besonders breitschultrigen Rüstung, welche einem Heinrich von Witzleben gehört haben soll; auch alle Werke, die das Wappen beschreiben und viele gemalte Wappen, z.B. das Friedrich's 1412, Heinrich's 1577, Jorge Friedrich's 1608, Hans Heinrich*s 1654 u. s. w. geben die roth und weissen (silbernen) Farben. Auch diese haben ihre Erklärung gefunden, und zwar auf dem Grabstein des am 3. Februar 1674 gestor- benen Philipp Heinrich von Witzleben in der Kirche zu Rackith:

welcher den weiss und rothen Glanz seines preiswürdigen Wappens mit gleichgefärbter Tugend vermischet. Allermassen er der rothen Farbe die blut- vermengte Tapferkeit, der weissen aber die deutsche Redlichkeit zur Seite

gesetzet. Nun hat er dort den Ruhm und diamanten Himmel,

unter der weissen Unschuld und blutigem Verdienst seines Heilands und Seligmachers, der weiss und rothen Farbe sich ewig zu erfreuen."

Von alten Devisen sind uns bis jetzt nur die Dietriches von Witzleben, die er 1492 auf eine von ihm geprägte Münze*) setzen liess, bekannt: Spei vis in lubrico (die Hoffnung macht im Unglück stark, obgleich der Sinn ein ganz anderer sein kann) und Tempora leto tristia risu tem- pern (trübe Zeit lindere durch fröhliches Lachen).

im.

Heinrich von Witzleben führte in dem im Jahre 1827 zu Ehren des Kaisers und der Kaiserin von Russland im Neuen Palais bei Potsdam gerittenen Turnier: „Die weisse Rose" auf seinem Schilde die Devise: Semper idem (Stets derselbe) und einige Vettern der Elgersburger Linie

*) Gezeichnet in Joseph AppeFs MQnzen und Medaillen etc. Repert. zur Münz- kunde etc. rV. Bd. 2. Abth. p. 1205 und zwar derBevers: Zwischen einer offenen und einer halbgeschlossenen Kose stehet eine ganz unbekleidete Weibsperson, in der linken Hapd eine Harfe, mit der rechten an einer Schnur einen Windhund haltend, neben ihren Füssen steht noch ein zweiter Hund. Münz. G. (rosse) 18. W. (iegt) '/le Lth. 6 Gr. hat alle Buchstaben schön und rar.

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fthien gegenwärtig den Wahlspruch: Mente et virtute fortiter (Stark an Geist und Muth) ohne dass uns der alte Ursprung dieser Devise bekannt wäre.

Bilden wir uns nun nach dem oben Gesagten und den bekannten besseren Darstellungen unseres Wappens eine Norm fiir dasselbe, so ist es diese: Der Schild ist im gestürzten Sparren drei Mal roth und weiss (sil- bern) getheilt*); auf dem Helm ein runder roth er Hut mit aufgeschla- gener Hermelin- verbrämter Krampe, aus der zwei schräg nach aussen stehende schwarze Schäfte hervorragen, die zu beiden Seiten mit je vier rothen See -Blättern und oben mit fanf abwechselnd rothen und weissen (sil- bernen) Straussenfedem geziert sind.

Die Liebensteiner (Oldenburger) Linie fahrt ausserdem einen zweiten (linken) gekrönten Helm, aus dem in natürlicher Farbe der Hals und Kopf eines rechtsgekehrten Geiers mit goldenem Halsband, goldenem Schnabel, Augen und langen Ohren hervoi-wächst zwischen rechts zwei, links drei nach auswärts flatternden, weiss (an der Stange) und roth senkrecht getheilten Fähnlein an rothen Stangen.

Die Helmdecken sind ffir aHe Linien weiss (silbern) und roth.

Schliesslich sei noch bemerkt, dass die älteren Siegel meist die Initialen des Namens z. B. C. v. W., oder als Umschrift den vollen Namen z. B. Christian von Witzleben, enthalten, ein sehr zu empfehlender Gebrauch, dem wir bei unseren Forschungen manche Aufklärung verdanken, die das Witzleben'sche Wappen allein nicht gegeben hätte.

*) Zwei Sparren haben durch langen Gebrauch auch ihre Berechtigung, nach dem Wappenbrief aber nicht.

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III. Abschnitt.

Ueber die älteste Geschichte derer von Witzleben, bis um das Jahr 1340.

E

üS existiren viele gedruckte und ungedruckte Stammtafeln unseres Geschlechts; die eine ununterbrochene Stammreihe bis in die fernsten Zeiten zurückfahren; bei nur einigermassen aufinerksamem Lesen bemerken wir aber sofort die gröbsten Irrthümer, namentlich in Bezug auf die Filiation (d. h. die Folge von Vater auf Sohn).

Am weitesten zurück geht die grosse, in Angelrode aufbewahrte alte Stammtafel, die mit Eric von Witzleben, der von 933 bis 980 florirt haben soll, beginnt und als Quelle für ihre Angaben Peccenstein's Theatrum Saxonicum anfuhrt Abgesehen davon, dass zu jener Zeit gai- keine Zu- namen bestanden, so steht auch im ganzen Peccenstein kein Wort von diesem Eric. Sein Sohn soll Adelger sen. gewesen sein, von dem be- hauptet wird, dass er am 17. Juli 1057 Zeuge bei der durch Erzbischof Hanno n. von Cöln bestätigten Fundation der Abtei auf dem Petersberge zu Saalfeld gewesen und ungefähr 1060 gestorben sei. Sein gleichnamiger Sohn wäre auch bei der erwähnten Gründung gewesen, habe, was aller- dings leicht möglich ist, auf der Elgersburg gewohnt und sei 1090 gestorben. Ausser der ünwahrscheinlichkeit, dass von 933 bis 1090, also in 157 Jahren, nur drei Generationen existirt hätten, waltet aber in jenen Angaben noch ein grosser Irrthum ob. Das CoUegiatstift auf dem Peters- berge bei Saalfeld war bereits um das Jahr 810 von Karl d. Gr. gestiftet, bestand aber nur bis 1071. In diesem Jahre stiess der Erzbischof Hanno von Cöln die Chorherren ihrer Liederlichkeit wegen aus und gründete ein Benedictiner- Ordens-Kloster. Die Dotation erfolgte aber erst 1074. In

dem betreffenden Diplom: Fundatio et Donatio Monasterii Salfeld Ord. s.

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Benedict! (bei Schamel. Salfeld. §. 4.) steht Nichts von einem Adelger, viel weniger von einem Witzleben, da gar keine Zunamen vorkommen.

Biedermann, der noch am genauesten gearbeitet hat, leitet (in seinem Geschlechtsregister der Reichsfrei unmittelbai*en Ritterschaft Landes zu Franken löblichen Orts Rhön und Werra, Tab. CCCLIII.) unser Geschlecht von Alhard von Witzleben, 1165, ab, nennt dessen Sohn Fritz, der um 1186 die Burg Witzlebeu baute, giebt aber keine Quellen an und be- geht auch mancherlei Irrthümer.

Eins der jämmerlichsten Machwerke sind aber des edlen Herrn von Gleichenstein genealogische Tabellen (im Anhang zu Rudolphi Gotha Diplo- matica), denen der Königlich Poln. u. Kurfustl. Sachs. Accis-Inspector Valentin König in seiner Adelshistorie folgt.

Von den unzähligen darin vorhandenen Fehlern und üngenauigkeiten erwähnen wir nur, dass er von zwei Brüdern, die er die Söhne Heinrichs von Witzleben nennt, den einen, Ernst, 1241, den andern, Hermann, 1328 leben lässt; von zwei andern Bi-üdem, Heinrich und Iring, lebt der erstere 1434, der letztere 1357, dieses Irings Söhne aber 1488. Es sind dies nicht etwa Druckfehler, sondern die ganzen Zusammenstellungen sind falsch, indem er gleichnamige Personen verwechselt.

Die angeführten Beispiele mögen genügen, um die Zuverlässigkeit dieser Stammtafeln darzuthun.

Als der Erste unseres Geschlechts wird nach Peccenst Theatr. Sax. p. 302 in den Sächsischen und Thüringischen Chroniken Fritz von Witz- leben angeführt, welcher als Ritter und Edler des Grafen Ludwig von Thüringen mit dem Bart in der Schlacht, so Kaiser Heinrich V. mit den Sachsen 1113 beim Welpheshoke zwischen Hettstedt und Sandersleben geschlagen, nebst dem Grafen Hoyer von Mansfeld und anderen geblieben sei. Peccenstein (und nach ihm Goth. Dipl. H. p. 330) irrt aber bedeutend. Ludwig der Bärtige ward Graf von Thüringen 1039 ; erst sein Enkel Ludwig III. (derSohn des am 7.Maill23 alsMönch im Kloster Reinhardsbrunn gestorbenen Ludwigs des Springers) besiegte in Verbindung mit mehreren Fürsten in Thüringen und Sachsen am 11. Febr. 1115 beim Welphesholze den Kaiser Heinrich V., dessen Heer Graf Hoyer von Mansfeld befehligte.*)

*) 1113 siegte Graf Hoyer in einem Gefecht bei Warnstedt in der Nähe von Qued- linburg. Cf. übrigens Döring Thür. Chron. p. 182, Spangenberg Mansf. Chron. fol. 245 b., Schöttgen u. Kreysig: Nachlese der Bist. v. Ober-Sachs. II. p. 233, König Ad. Bist. I. p. 1045 u. a.

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Die mit Wappen reich verzierte Angelröder Stammtafel sagt: „Fritz von Witzleben war 1115 mit Kaiser Heimich V. in der Schlacht beim Welphesholz am Harz wider die allürten Fürsten von Braunschweig und Sachsen und büssete in selbiger den 11. Febr. sein Leben ein." Dies ist aber auch nicht richtig. Wenn Fritz von Witzleben überhaupt beim Welphesholz mitfocht, so that er dies jedenfalls unter seinem Landesherrn, dem Grafen Ludwig IH. von Thüringen, und also gegen den Kaiser.

Wir ersehen aus dem Angefiihrten, dass auch die alten Chroniken unzuverlässig sind, und folgen daher in der Geschichte unserer Familie und in der Zusammenstellung der Stammtafeln nur den Urkunden, ohne jedoch Werke, wie die angefahrten, welche doch immerhin manches Richtige enthalten, ganz aus den Augen zu verlieren.

Da unser Geschlecht dem Uradel angehört, so würde es, selbst wenn wir im Besitz aller vorhandenen Urkunden wären, doch unmöglich sein, über die Entstehung unserer Familie und deren erstes Auftreten in der Geschichte einen genauen Nachweis zu ftihren, weil uns aus dieser Zeit zu wenig historische Aufzeichnungen überkommen sind. Die Archive sind aber bis jetzt noch nicht hinreichend geordnet, um mit Leichtigkeit die betreflFenden Urkunden zu finden, und zur genauen Durchforschung der- selben dürfte ein Menschenalter kaum genügen. Uns ist daher sicherlich manche werthvolle Urkunde nicht bekannt geworden und wir vermögen demnach über die älteste Geschichte der Familie, welche stets unvollständig bleiben wird, auch nur Unvollständiges zu bieten.

Nehmen wir auf die unverbürgten Nachrichten, welche die älteren unkritischen Werke über unsere Familie geben, keine Rücksicht, so dürfte ein in der Elgersburg aufgefimdener Stein als das erste historische Dokument, welches von dem Dasein der Witzleben'schen Familie Kunde giebt, an- gesehen werden. Dieser Stein zeigt das Witzleben'sche Schild-Wappen und die Jahreszahl 1088 nebst einer Inschrift, aus welcher nur noch die Worte „Maria . . bene f vni .." entziffert werden können. Man kann aus diesem Stein schliessen, dass schon um das Jahr 1088 unser Geschlecht, wenn auch nicht unter dem jetzigen Namen, vorhanden gewesen ist und mit der Elgersburg in Beziehung gestanden hat."

Die älteste schriftliche Urkunde über die Familie datirt von 1133. In diesem Jahre waren Adelherus und Berbeto von Witzleben nebst dem Grafen Ludwig (HI.) von Thüringen und Anderen Zeugen,

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als das Stift zu Fulda dem Kloster Paulinzelle das Dorf „Bozelbrunnen** überliess. *)

Die Annahme, dass Adelherus und Berbeto Söhne des 1115 gefallenen" Fritz von Witzleben gewesen seien, gewinnt durch dies Zusammensein mit dem Grafen Ludwig von Thüringen allerdings an Wahrscheinlichkeit, es fehlt aber der urkundliche Beweis.

1140 gehörte Adelherus de wiceleibe zu den Zeugen, als der Abt Heinrich zu Hersfeld dem Kloster Paulinzelle den Zehnten erliess, den Letzteres von seinen in der Gegend von Nebra und Querfurt gelegenen AUodialgütem an die Abtei zu entrichten hatte.

1146 war die Gemahlin Hermanns von Werthem eine geborene von Witzleben, von deren drittem Sohn Gerhard alle jetzt lebenden Herren von Werthem abstammen**); sie sowohl, als Hermann von Werthern liegen im Kloster Walkenried begraben.

1165 waren mit dem Grafen Heinrich von Schwarzburg auf dem vom Herzog Weif von Baiem und Spolet zu Zürich abgehaltenen 10. Turnier Hans und Ahlhard von Witzle,ben.***)

Mit diesem Alhard beginnt nun Biedennann die Stammreihe unseres Geschlechts.

1178 wird ein Conrad von Witzleben als Zeuge gßnannt

Um das Jahr 1185 verkaufte Gisela von Witzlebenf) mit Zu- stimmung ihrer Söhne Heinrich und Otto wiederkäuflich an Gebhard, den dritten Abt des Klosters Paulinzelle, zwei jährlich 28 Schillinge Zins gebende Hufen Landes zu Nahwinden (zwischen Rudolstadt und Stadtilm gelegen) ffir 12 Pftmd Geldes, f&r welche Summe sie oder ihre Söhne dieselbe

*) In der Urkunde, welche sich im Archiv zu Rudolstadt befindet, steht deutlicji Berbeto und Bozclhrunnen, nicht Gerboto und Gosselhrunn, wie yielfach abgedruckt ist ♦*) s. Hübner Tab. von Werthern, Albini Werth. p. 11. u. sonstige Geschlechts- tafeln dieser Familie.

***) P. Jovius: Chron. Schwarzb. in Schöttgen u Kreysig Dipl et. Script. Hist. Germ. med. aev. I. p. 155 (ein sehr wichtiges QueUenwerk för unsere Geschichte); nach der Angelröder Stammtafel die Söhne des 1133 vorkommenden Adelger. Alhard oder Edelherus wäre danach auch Voigt zu Arnstadt u. mit dem 1185 vorkommenden Adeler von Arnstadt ein und dieselbe Person gewesen.

f ) Nach der Angelröder Stammtafel eine geh. Gräfin von Kefemhurg und Wittwe des um 1176 gestorbenen Heinrich von Witzleben zu Arnstadt (Sohnes des 1115 gebliebenen Fritz), der 1137 als junger Ritter auf dem Turnier zu Ingelheim gewesen wäre. Zu Ingelheim war aber 1137 gar kein Turnier, sondern erst im Jahre 1337 das 18. aller deutschen Turniere (nach Hans Sachs).

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wieder einlösen könnten. Unter den Zeugen befand sich ein Adelger von Arnstadt, den die Angelröder Stammtafel Edelherus von Witzleben, *Voigt*zu Arnstadt, nennt

Im Jahre 1187 starb der zweite Abt des Klosters Altenzelle, Vitilibo oder Wittich Wiceleb, der nach der im H. St Archiv zu Weimar be- findUchen Hist. v. CL alten Zelle von Knauth (H. Tit HI. p. 114) auch zu unserm Geschlechte gehört haben soll.

Von einem Fritz von Witzleben, der 1186 das Stammhaus Witz- leben unweit Arnstadt erbaut und 1188 mit seinem Lehnsherrn, dem Grafen Günther zu Kefernburg (welcher 1160—1195 lebte) ins heilige Land ge- zogen und in demselben Jahre dort gestorben sein soll*), haben wir ur- kundlich bis jetzt gar Nichts geftmden. Ebensowenig von seinem Sohn Heinrich, der bei dem Landgrafen Wilhelm in Thüringen wegen seiner Tapferkeit in besonderen Gnaden gestanden habe**) und dessen Sohn Ernst, der Eossleben besessen, 1241 noch gelebt haben und der Stammvater der Wendelsteiner Linie gewesen sein soll.

Urkundlich kommt erst wieder 1229 ein JJitter Christian von Witzleben vor, und zwar in einer Schwarzburgischen Urkunde.

1233 gehörte Conrad von Witzleben zu des Grafen Heinrich von Schwarzburg Käthen und Burgleuten.

1250 24. Oct war der Ritter Heinrich von Witzleben Zeuge, als die Gräfia Sophie von Schwarzburg, geb. Gräfin von Honstein, die Hälfte der Schlösser Kirchberg und Ehrig, sowie andere Güter an der Unstrut ihrem Bruder Heinrich verkaufte.

Meist in Schwarzburgischen Urkunden erscheint dann von 1251 bis 1269 der Kitter Herm-ann von Witzleben, Burgmann und Ganerbe auf Schwarzburg, dessen zahlreiche Nachkommen sich später in die Linien zu Elgersburg, Liebenstein und Molschleben verzweigten. Wahrscheinlich stammt auch die grosse Wendelsteiner Linie von ihm ab (s. S. 25), und

♦) Nach der Angelröder Stammtafel. la Gleichensteins Tabellen steht wortlich: „Prietz, ist A. Christi 1186 wegen des ohnweit Arnstadt erhauten Stamm-Hauss Witz- leben, von Graff Günthern zu Keflfemhurgk mit zu Krieg gezogen." (sie!) Biedermann sagt nur: „Fi^z von und zu Witzlehen erhaute uras Jahr 1186 das ohnweit Arnstadt gelegene Stammhaus Witzleben. **

♦♦) Es existirte um jene Zeit gar kein Landgraf Wilhelm in Thüringen; Ludwig der Eiserne war 1172 gestorben, ihm folgte sein Sohn Ludwig der Fromme, t 1192, und diesem seine Söhne Ludwig der Heilige, f 1227, und Heinrich Raspe, t 1247.

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würden wir in ihm demnach den eigentlichen Stanmivater des ganzen Ge- schlechts zu erblicken haben.

1254 wird Siebold von Witzleben in einer Kefemburgisehen Ur- kunde unter den Zeugen genannt.

Ob Albertus Wezelewe, welcher in der Gegend von Distelstadt und Rohra (im Hennebergischen) Güter Conrads von Distelstadt besass, die dieser 30. April 1271 dem Kloster Rohra schenkte, zu unserer Familie gehörte, vermögen wir nicht zu entscheiden.

15. Febr. 1280 und 12. April 1289 war Dietrich von Witzleben Mönch im Kloster Saalfeld.

Ein Ritter Dietrich kommt von 1200 bis 1297 oft vor und zwar meist zusammen mit den Enkeln Hermann's, Friedrich und Herborto; ein Bruder dieser ist er aber nicht, denn am 1. März 1287 heisst es: „Fridericus de Wizeleyben et Herboto frater ejus et Theodoricus de Wize- leben senior, milites strenui."

So kommen noch vielfach Glieder unserer Familie vereinzelt vor, deren Aufeählung uns hier aber zu weit führen würde. Wir haben sie in der Stammtafel I. 1. mit aufgenommen und verweisen daher auf diese. Nur von den mit und nach dem Jahre 1330 erscheinenden drei Brüdern Werner, Conrad und Christian von Witzleben haben wir noch zu sprechen. Ueber die beiden ersteren derselben handelt der folgende Ab- schnitt. Der dritte, Christian von Witzleben, HoMchter der Land- grafen in Thüringen, welcher nach einer noch nicht begründeten Tradition mit einer Gräfin von Orlamünde vermählt gewesen sein soll*), ist der Stammvater der Wendelsteiner Linie mit ihren ünterlinien zu Berka in Franken, zu Wolmirstedt und Wartenburg, von denen der IL Theil dieser Geschichte handelt

Alle drei Brüder, namentlich aber Conrad und Christian, werden oft als Vettern der Enkel und Urenkel des oben erwähnten Hermann von Witzleben bezeichnet, so dass die Vermuthung nahe liegt, dass sie eben- falls zu dessen directen Nachkommen gehören.

Als Vater Christians nennt Biedermann: „Curt von Witzleben zu

•) Unwahrscheinlich ist es nicht, dass die Grafen von Orlamünde in dem durch den Grafenkrieg über sie hereingebrochenen Unglück durch eine solche Verbindung eine Stütze an dem einflussreichen- Hofrichter der Thüringer Landgrafen suchten. Es Hesse sich auch daraus die Verpfandung nnd nachherige erbliche Verleihung des Wendel- steins an Christian leichter erklären. ?. Th. II. S. 4. Sie musste dann aber seine zweite Gemahlin gewesen sein, denn 1350 wird sein Sohn Dietrich bereits genannt.

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Rossleben, Ernsten's Sohn", welcher 1282 das Kloster zu Rossleben ge- stiftet und mit ansehnlichen Gütern beschenkt hätte. Die Angelröder Stammtafel sagt sogar: „Curt von Witzleben, Ritter auf Wolmerstedt, Molsdorf, Wendelstein und Berka, 1251 Scabinus zu Gotha, fundirte 1282 das Nonnenkloster zu Rossleben und setzte 1293 seinen Bruder Theodoricum zum Probst über besagtes Kloster. Er stirbt 1323."

Urkundlich haben wir über all dieses gar Nichts geftmden. Dagegen steht fest, dass Molsdorf erst im Jahre 1326 im Besitze unserer Familie war und zwar in dem des Ritters Heinrich, dass Wendelstein von dem Hofrichter Christian 1355 erworben und dass Berka erst von Christian's Enkel Kerstan 1422 gekauft wurde. Wolmirstedt kommt auch erst zu dieser Zeit als im Besitz unserer Familie befindlich vor, wenn wir auch aus er- heblichen Gründen schliessen können, dass es ebenfalls schon dem Hof- richter gehört hat Der Verfiisser jener Stammtafel hat augenscheinlich den später erworbenen Besitz auf den vermeintlichen Stammvater concentrirt. Femer steht fest, dass jener Curt, welcher von 1251 1256 Scabinus zu Gotha war, kein Witzleben, sondern aus der von der unsrigen ganz ver- schiedenen Familie von Wiegleben stammte, und endlich, dass das Kloster Rossleben bereits vor dem Jahre 1142 von dem Grafen Ludwig von Wippra und dessen Gemahlin Mathilde gegründet worden ist.

Von einem Mitgliede unserer Familie findet sich vor der Zeit des Hof- richters Christian von Witzleben (1338 1374) in der Gegend von Ross- leben nirgends eine Spur, und die Behauptung Wilhelms (in seiner Ge- schichte der Klosterschule Rossleben, p. 5.)- Curt von Witzleben habe dem Kloster Rossleben 3 Acker Weingarten, 1 '/« Hufen Land auf immer verehrt, müssen wir auch bezweifeln, bis wir eine solche Urkunde gesehen haben.

Das einzige Wahre von jenen Nachlichten über Curt ist weiter Nichts, als dass im Jahre 1293 der Probst von Rossleben Theodoricus hiess, wie wir aus einer Urkunde vom 27. Oct. d. J. ersehen, in welcher Albert Edler von Hakebom und sein Sohn gleichen Namens das Kloster Ross- leben mit den von Nicolaus von Rossleben gen. von Henstedt erkauften Gütern belehnten; aus welchem Geschlechte aber dieser Probst Theodoricus stammt, ist nirgends angegeben.

Aus all' dem Angefahrten, wie aus der Stammtafel I. 1. ersehen wir nun, dass unsere Familie urkundlich im Jahre 1133 zuerst erscheint und in noch nicht 2 Jahrhunderten eine Ausbreitung gewann, wie sie von wenig anderen Geschlechtem bekannt ist.

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Ihr erster Grundbesitz war jedenfalls Witzleben. Durch den Besitz dieses sowie sonstigen freien Eigenthums zu Nahwinden, Alkersleben, Nohra, Hain u. s. w. gehörte sie zu den reichsunmittelbaren Geschlechtem Thü- ringens, welche Eigenschaft sie jedoch im Laufe der Zeit nicht zu bewahren vermochte.

Ausser diesem freien Eigenthum besass die PamiUe bis zu Ende des 13. Jahrhunderts nachweislich noch Güter zu Lehn:

Von Schwarzburg: in Kirchheim, Gross-Liebringen, Barchfeld, Elx- leben, Kirch- und Sund-Kemda; von Kefemburg: in Osthausen; von Kranich- feld: in Eischleben und von Henneberg: in Wechmar und OhrdruflF;

ferner einen Hof in Erftirt und schliesslich als Pfand das bedeutende Schloss Elgersburg mit dem dazu gehörenden Gebiete.

Die einzeln genannten Dörfer liegen alle nicht weit, theils sogar in unmittelbarer Nachbarschaft von Witzleben, so dass also dieser Stammort unseres Geschlechts auch den Mittelpunkt des ersten Grundbesitzes bildete.

Vielleicht war Witzleben, das in einer im Archiv zu Sondershausen befindlichen Denkschrift aus dem 16. Jahrhundert als seit jeher reichs- unmittelbar bezeichnet wird, ursprünglich eine grössere aus den genannten freien Gütern bestehende Herrschaft, welche später unter die verschiedenen Besitzer zersplittert wurde. Nach der Zerstörung der Burg Witzleben im Grafenkriege (s. Th. H. S. 2) wurde dieselbe nicht wieder aufgebaut und die unmittelbar dazu gehörenden Güter gingen im 14. und 15. Jahrhundert der Familie verloren (durch Verkauf); jetzt ist Witzleben eine Schwarzburg- Sondershausen'sche Domäne und Nichts als der Name erinnert an unser Geschlecht, auch nicht die geringsten Spuren sind von der ehemaligen Stammburg vorhanden.

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IV. Abschnitt.

Werner von Witzleben, sein Bruder Conrad,

1330—1383.

und

die Ritter Dietrich und Beringer v. Witzleben zu Gummerstedt und Bösleben,

1868—1407,

a. Werner Ton Witzleben, Schnltheiss zu Ootha,

1336—1862.

lie bei vielen edelen (Jeschlechtern sehen wir auch bei dem unsrigen, dass Mitglieder desselben nicht nur in Städten Besitzungen hatten,*) son- dern sich auch ganz dort niederliessen und durch ihr Ansehn bald Einfluss auf die städtischen Angelegenheiten gewannen und die höchsten Rathsstellen einnahmen. **)

So finden wir denn auch Conrad von Witzleben bereits am 19. Mai 1313 als Consul civitatis Gothae und 1317 und 1322 als magister consulum zu Gotha erwähnt.

In einer Urkunde vom 26. März 1336 wird Werner von Witzleben Schultetus in Gotha, d. h. Schultheiss, Richter, genannt und als oppidanus ibidem, d. h. in der Stadt wohnend, Bürger, bezeichnet Ob er ein Sohn des obenerwähnten Conrad gewesen, ist noch nicht urkundlich erwiesen, aber sehr wahrscheinlich.

*) In Erfurt besassen die Brüder Hermann und Heinrich von Witzleben einen Hof 1309 und Friedrich von Witzleben, Herr zu der Elgersburg, einen Hof und ein Haus auf dem Petersberge 1332.

**) Sagittar beweist nach Rud. Goth. Dipl. III. p. 3., dass die Schoppen oder scabini aus dem vornehmsten Landadel genommen wurden.

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Zehn Jahre später kommt nun unter andern vornehmen Bürgern zu Erfurt ein Werner von Witzleben mit seinem Sohne Conrad (25) vor, dem der Landgraf Friedrich von Thüringen am 19. November 1346 363 Mark löthigen Silbers schuldete und dafür auf ein Jahr sein Geleit (d. h. Zoll) zu Leipzig mit allen Gefällen, Nutzen und Rechten überliess. Werner muss also ein reicher und angesehener Mann gewesen sein, und ist es nicht unwahrscheinlich, dass er das Schultheissenamt in Gotha aufgegeben hatte, um sich in dem bedeutenderen Erfurt niederzulassen.

Nicht lange nachher nahm er an der Judenhetze in Erfurt thätigen Antheil.*) Als nämlich in den Jahren 1347 49 in Thüringen viele Menschen starben, kamen die Juden in den Verdacht, die Brunnen ver- giftet zu haben, und die übliche Hetze begann. In Ei-ftirt waren mehrere Junker, welche nicht nur danach trachteten, die Juden, welche in der Stadt unter Mainzischem und des Rathes Schutz sassen, zu erschlagen, sondern auch hofften, bei der daraus entstehenden Verwirrung das Stadt- regiment an sich zu ziehen. Mit ihnen hielten es etliche Rathsherren, die Löber und Zichener,**) die Fleischhauer, Kürschner, Weber und Weiss- gerber, denen sie vorgeredet hatten, dass das Erschlagen der Juden auf des Raths G^heiss geschehe. Als der Lärm nun losging, schickte der Rath seine Diener den Juden zu Hülfe. Allein der Auflauf war allzugross, so dass weder der Rath, noch die Vierherren gehört wurden, und obgleich man einige Junker gefangen nahm und in den Thurm setzte, wurden doch an 100 Juden erschlagen; die übrigen aber, die keine Rettung sahen, ver- brannten sich „als verzweifelte Buben" mit ihren Häusern und aller ihrer Habe. 6000 sollen so umgekommen sein. Von den Rädelsffihrem mussten Güntzel von Rockstedt, Helwig von Goldschmidt, Schaller und Andere ihr Leben lassen; Cunz von Witzleben, Sander von Schmira und 40 Andere wurden flüchtig oder vertrieben.

Im Besitze des Stadtraths Hennann zu Erfurt befinden sich einige Bmchstücke (abgedr. in der Zeitschrift d. Vereins für thür. Gesch. IV. p. 150 ffg.) aus dem Verhör des hingerichteten Schaller. Danach hatten mit ihm das Judenschlagen begonnen Ditzel Hottermann, Herrn Sieg- hardts Sohn, Hermann Hasse, Güntzel von Rockstedt, Apel von Hallesrad,

*) Ausfuhrlich beschrieben in der Högerschen Chronik (Manuscript auf der Baths- bibliothek zu Erfurt).

**) Die Lober fabricirten wollenes Zeug, die Zichener eine Art Inlett.

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Conrad Viereckeling, Jois von Bechstedt und sein Vetter Sander und viele andere Junker, die er nicht angeben könne. Zuerst seien auf dem Pisch- markt vor dem Pletner Herr Göthe von Stolberg, Giseler von Viereckeling, Werner von Witzleben, Härtung von Treifiirt der Aeltere und Johann von Wechmar zusammengekommen und hätten sich verabredet, am nächsten oder dem dritten Tage sich in Werners von Witzleben Hause in dem Werkgaden zu treflFen. Dazu wäie dann noch Johann von Treflfurt ge- kommen und alle hätten sich verbunden, nach Dresden zu reiten, „dass die BrieflFe von dem Markgrauen in den Rath und in die Handwergk kommen," d. h. um die Stadt unter die Hoheit des Markgrafen zu bringen, und um zu bitten, die Juden tödten zu dürfen. Dies hätte Werner von Witz- leben vorgeschlagen, wie Kunze,*) dessen Sohn, gegen Güntzel von Rockstedt geäussert habe, als sie beide zusanmien im Thurm gelegen hätten.

Dann habe Werner von Witzleben seinem Sohn Kuntzen Eisen- hüte und Waffen gekauft und sich dahin ausgesprochen, er wolle diesen seinen Sohn „zu Hermhofe", d. h. an den Hof nach Dresden, senden. Kunz von Witzleben habe zu Güntzel von Rockstedt gesagt, sein Vater und seine Freunde und auch noch Andere hätten lange genug regiert, nun wollten sie einmal die Herren sein, und in einer Versammlung hätten sie dann för den einzusetzenden Rath bestimmt Herrn Sieghards Sohn Hase, Kuntze Viereckeling, Sander und Kunze von Witzleben.

Die Judenschläger Sander von Schmira, Conrad Strantz, Titzel von Weissensee „der Junge an dem Lobanke", Apel von Gosslar, Conrad, Werner's von Witzleben Sohn und Andere wurden, weil sie hinter dem Rücken des Raths und der Vierherren conspii-irt und die Juden er- schlagen, hatten, auf ewige Zeiten aus der Stadt und ihrem dreimeiligen Umkreise gewiesen, bei Lebensstrafe, und mussten Urfehde**) schwören.

Durch die erzählten Vorfälle mag wohl Wemer's Stellung in Erfurt ebenfalls unhaltbar geworden sein, so dass er sich zurück nach Gotha wandte und dort wieder Schultheiss ward, als welcher er 1352 dem Marienstift daselbst 2 Pfund Wachs als ewigen Jahreszins von seinem am Markt be- legenen Hofe schenkte. Ausserdem kommt er auch sonst noch in manchen Urkunden vor.

24. März 1359 nannte sich Werner selbst blos Bürger zu (Joiha,

*) Ennz, Curt ist Abkürzung von Conrad.

**) Der Schwor, sich für die erlittene Behandlung und Bestrafung nicht rächen EU wollen.

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als er mit Einwilligung seines Sohnes Coniad und seines Eidams Kerstan von Weidensee seinen Hof zu Buffleben (lyg St. nordnordöstlich von Gotha) mit 3'/» Hufen Land für 74 Mark löthigen Silbers an das Kloster Rein- hardsbnmn verkaufte. Ausser mit den Häusern und Höfen in den Städten Erfurt und Gotha war er also auch auf dem Lande angesessen.

26. Januar 1360 nannte er sich Voigt zu Gotha, 25. April 1362 präsidirt« er aber dem Gothaischen Stadtgericht wieder als Schultheiss.

Nach dieser Zeit kommt Werner von Witzleben nicht mehr vor, und können wir also seinen Tod in das Jahr 1362 setzen.

Seine Gemahlin hiess, nach Sagittar. Hist. Goth. p. 254, Kunegunde.

Werner war ein Bruder Christians von Witzleben, des Land- gräflichen Hofrichters und Stammvaters der Wendelsteiner Linie, denn in den Naumburger Rathsrechnungen finden wir die Be- merkung, dass der Rath von Naumburg 26. Juni 1354, am Donnerstage vor dem damals am Peter-Paulstage beginnenden Jahrmarkt, Werner von Witzleben und seinen Bruder Kerstan,* des Markgrafen Hof- richter,*) in dem Hause des (gewesenen Bürgermeisters) Henze Eldiste mit Wein bewirthete und dafür 10 Groschen ausgab.

b. Conrad Ton Witzleben zn Dissan und sein Sohn der

Bitter Dietrich. 1330-1383.

Ein zweiter Bruder Werners war Conrad von Witzleben. ^ Dieser war bereits im Jahre 1330 u. 39 als Voigt zu Wachsenburg (welches Amt aber von 1346 an sein Vetter Tizel von Witzleben ver- waltete) im Dienst der Grafen von Schwarzburg; namentlich dem Grafen Heinrich (Bruder des 1349 gestorbenen Kaisers Günther) und später dessen Söhnen Heinrich und Günther stand er als Rath und Unterhändler bei viel- fachen Gelegenheiten treu zur Seite.

Schon 1351 besass er Dissau ( '/i St. westlich von Schwarzburg, jetzt nur noch ein Domanial- Vorwerk mit Schäferei) und 1370 ein Burggut zu

*) Die Stelle lautet: Item Wemhero de Wiczeleyben et Kerstano fratri

8U0 ac sculteto marchionis . Es scheint, als wenn der Schreiber absichtlich mit

Bezng auf Werner statt des üblichen judex curiae den ziemlich dasselbe bedeutenden Ausdruck scultetus gebraucht hat.

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Schwarzburg. Wahrscheinlich durch diesen letzteren Besitz erlangte er endlich die Ritterwürde, während er bis 1365 immer nur Knecht genannt wurde. Wenn wir auch nur diese beiden Besitzungen Conrads kennen, so muss er wohl noch andere Reichihümer besessen haben, da er wegen der Schulden, die vom Kaiser Günther herrührten, zu den Gläubigem der Grafen von Schwarzburg gehörte.

Nach dem Jahre 1377, wo er nebst seinem Sohn Dietrich aus- drücklich als lütter bezeichnet wird, kommt Conrad nicht mehr vor.^

Conrads Sohn, den Ritter Dietrich von Witzleben, finden wir von 1361 an' oft als Vasall und Raihgeber der Grafen Johann und Günther von Schwarzburg erwähnt, die unter andern ihm sowie den Rittern Ludolf von Willersleben, Dietrich von Berlstedt und Otto von Hof am 12. Jan. 1382 die Veste Schwarzburg mit allen Einkünften und Nutzungen übergaben; die Ritter mussten jedoch versprechen, den an der Burg Theil habenden Grafen jederzeit mit derselben gewarten zu wollen (sie waren also der Grafen Burg- männer und Amtleute auf derselben). Dietrich, der in dieser Urkunde „Küchenmeister" genannt wird, kommt 1383 noch ein Mal vor; ob er Nachkommen hinterlassen, wissen wir nicht.

c. Die Bitter Dietrich und Beringer Ton Witzleben zu

Onmmerstedt und Bösleben.

1358—1407.

In der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts erscheint der Name Dietrich in unserer Familie so oft, Jlass es schwer fällt, die Träger desselben zu unterscheiden und sie nicht mit einander zu verwechseln. Wir finden nämlich: 1) Den Ritter Dietrich, Sohn des Ritters Conrad, 1361—1383,

2) den Ritter Dietrich zum Wendelstein, Sohn des HoMchters Christian, 1350—1399,

3) den Knecht Tizel, zu Wölfis gesessen und Voigt zu Wachsenburg, Herborto's Sohn, 1322—1378, .

4) den Ritter Dietrich, Sohn des Ritters Hermann, 1361 1366,

5) den Ritter Dietrich zu Molsdorf, Voigt zu Eisenach und Creuzbmg, des Ritters Heinrich Sohn, 1368—1383.

Ausserdem kommt noch im Jahre 1358, als die Grafen Günther und Johann von Schwarzburg sich mit den Landgrafen Friedrich und Balthasar

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in Thüringen zu einer Fehde wider den Grafen Hans von Henneberg ver- bunden hatten, „Titzel von Witzleben zu Gummerstedt" vor, der zu den besonders berühmten Schwarzburgischen Vasallen gezählt wird.

Diesen Dietrich von Witzleben zu Gummerstedt finden wir noch ein Mal genannt 1376, auf dem hier abgebildeten, herrlichen Epitaphium in der Nicolai-Kapelle der Lieb-Prauen-Kirche zu Arnstadt Der ganze Stein, in den dies Epitaphium gehauen ist, ist ungefähr 6 Puss hoch und leider am unteren Theil so verwittert, dass die Schrift nicht mehr zu entziflfem ist und ein anderes Stück als Stütze der Last hat eingeschoben werden müssen. Die Umschrift am Rande lautet: Ano. Dni. MCCCLXXVI Mils.

Theodricus Witczeleybin (fil) ii. sui. et. hedewigis. uxoris.

sue. nee. non. sophie. filie. sue. hie. isepultura., und an dem Wappen mit dem Geierkopf lesen wir: Diser. stein, ist gehuen. hem. Ditherich. von. Witczeleybin. den. man. nante. von. Gommirstet.

Der Sinn der Inschriften ist also: dass der Kitter Dietrich von Witzleben, genannt von Gummerstedt, 1376 gestorben ist, und sein Sohn, seine Gemahlin Hedwig und seine Tochter Sophie ihm diesen Leichenstein haben errichten lassen.

Gummerstedt kommt im 13. bis 15. Jahrhundert oft vor, auch nannte sich eine Familie danach; wir haben aber die Lage dieses Orts nirgends auffinden können. Nach der Aussage des Küsters der Lieb-Pi-auen-Kirche zu Ajustadt (1863) soll es das jetzige Gamstedt sein, welches sonst auch Gammenstedt genannt wurde *) und zwischen Gotha und Erfurt und 3 St nordwestlich von Arnstadt liegt

Daraus, dass 1393 bis 1407 Beringer ^on Witzleben zu Gummerstedt sass, können wir wohl schliessen, dass dieser Beringer der Sohn Dietrichs war, und danach die Umschrift des Epitaphiums ergänzen.

Beringer von Witzleben, der 1387, als er mit Consens der Gräfinnen Sophie und Mechtild von Kefemburg dem Kloster zu Jim 2 Pfd. Pfennige Zinsen von 4 Hufen Landes zu Bösleben verkaufte, „ehrbarer Knecht" genannt wird und bis 1407**) vorkommt, besass Gummerstedt und Bösleben (V« M. westlich von Witzleben) als landgräfliches Lehn und war des Grafen Johann und dessen Sohnes Günther von Schwarzburg Rath.

*) Brückner, Goth. Kirch, u. Schul. Staat II. St. 7 p. 63, wo jedoch von Gummer- stedt keine Bede ist, sowenig wie in Schumanns St. P. u. Z. Lex.

**) 1407, am Montag nach Reminiscere, verkaufte er dem Kloster zu Um das Holz, der „Ruschin Reyn* genannt, im Felde zu WiUeraleben.

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Sein Sohn Beringer d. J., der nur ein Mal 1399 verkommt, muss vor ihm und zwar 1400 gestorben sein, denn der Landgraf Friedrich belehnte in diesem Jahre, wahrscheinlich in Folge des Todes dieses einzigen Sohnes, den Burggrafen von Kirchberg mit dem Anfall der Güter Beringers von Witzleben zu Gummerstedt und Bösleben, und 1419 Heinrich d. Ä. (32) von Witzleben und seine vier Neffen mit den Zinsen im Dorfe und Felde zu Bösleben, die Beringer besessen hatte.

Seine Gemahlin war Mechtild, eine Schwester Günthers von Bösleben (2. Febr. 1392), welcher 1404 von den Landgrafen Friedrich und Balthasar vier Hufen zu Gummerstedt zum Leibgedinge verliehen wurden.

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V. Abschnitt

Hermann von Witzleben und seine Nach- kommen bis zur Stiftung der Elgersburger, Liebensteiner und Molschlebener Linien.

1251—1437.

a. Hermann Ton Witzleben,

1251-1269

und sein Sohn Friedrich,

1266—1287.

m Jahre 1251, als Graf Heinrich von Schwarzburg vom Kloster Saalfeld 7 Hufen Landes zu Kirchheim und 2 Hufen zu Witzleben t&r 28 Mark Silbers kaufte, unterschrieb den betreffenden Kaufbrief ausser Conrad, Herrn zu Tannrode, auch Hermann von Witzleben (1). Wir ersehen hieraus, dass schon zu dieser Zeit die zu Witzleben gehörenden Fluren nicht mehr in einer Hand waren, wenn auch, wie sich im Lauf dieser (Jeschichte ergeben wird, der Hauptbesitz immer noch unserer Familie gehörte. Ob Hermann in seiner Eigenschaft als Grundherr zu Witzleben oder als Schwarz- burgischer Vasall diese Urkunde unterschrieb, vermögen wir nicht zu ent- scheiden; wahrscheinlicher ist wohl das Letztere, denn nach einer Urkunde vom 6. Januar 1265 war er des Grafen Günther Burgmann (Castellanus) und Ganerbe*) auf Schwarzbm-g und kommt sonst, jedoch als Eitter, bis

*) Von dem alten Worte Gan, gemein, und Erben, Herren, also Miterben, Mit- besitzer, d. i. Jemand, der sich mit einem Andern durch einen Burgfrieden zur ge- meinschaftlichen Vertheidigung vereinigte und dazu eine Burg (Ganhaus, Ganschloss) bestimmte. Zu diesem Zweck wurden auch die Burgmannschaften errichtet, und da die Burgen und die dazu gehörigen Güter häufig den gesammten Burgmännem zu Lehn gegeben wurden, so bekamen solche Burgmannschaften auch den Namen Gan- erbschaften.

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zum Jahre 1269 nur in Schwarzburgischen Urkunden vor. Am 7. März 1268 war er auf der Elgersburg zugegen, als sich Graf Berthold von Henneberg daselbst mit der Gräfin Sophie von Schwarzburg vermählte. Die ununterbrochene directe Nachkommenschaft Hermanns blüht noch heute in den Häusern Elgersburg, Liebenstein und Molschieben. Nach dem Jahre 1269 finden wir Hermann von Witzleben nicht mehr erwähnt, jedoch erscheint nun in den Schwarzburgischen »Urkunden der Ritter Friedrich von Witzleben, in Anbetracht aller Verhältnisse ein Sohn Hennanns.

Friedrich, der zuerst am 1. April 1266 in einer vom Grafen Günther von Schwarzburg für das Kloster lim ausgestellten Urkunde vorkommt, hatte von den Herren von Kranichfeld eine Hufe Landes in Eischleben zu Lehn, die er 1268 dem Kloster Ichtershausen überliess. Er musste aber dafür den Lehnsherren, die ihre Genehmigung dazu gegeben und sich ihres Lehn- rechtes an jener Hufe verziehen hatten, eine Hufe und einen Hof seines freien Eigenthums zu Witzleben zu Lehn auftragen, d. h. sich und seine Erben von Jenen damit belehnen lassen, so dass er also der Vasall derer von Kranichfeld blieb. Femer verkaufte er am 17. November 1274 zwei in der Flur des Dorfes Osthofen (jetzt Osthausen) gelegene Hufen für 24 Mark Silbers an den Pleban Otto von Wiehe. Da diese Hufen aber Kefemburgisches Lehn waren, musste er den Grafen von Kefemburg dafür zwei Hufen seines freien Eigenthums in Alkersleben zu Lehn auftragen.

Am 30. März 1280 tauschte Friedrich von Witzleben mit Geneh- migung des Grafen von Schwarzburg als Lehnsherrn voa dem Kloster Pauünzelle einige Güter zu Kirchheim gegen solche zu Gross -Liebringen ein, und kommt dann, meist in Schwarzburgischen Urkunden, nur noch bis zum Jahre 1287 vor.

Seine Söhne waren Christian, Friedrich und Herborto. Von den letzteren beiden wird Seite 43 die Eede sein.

b. CliristiaiL Ton Witzleben zu Barchfeld. 1290 und 1291.

Christian von Witzleben, der älteste Sohn Friedrichs von Witz- leben zu Witzleben und Alkersleben, hauste allem Anschein nach auf dem alten Stammsitz unserer Familie; wenigstens schliessen wir dies daraus, dass er von seinen, zu dem nur Meile östlich von Witzleben gelegenen Dorfe Barchfeld gehörigen Gütern im Jahre 1290 einige Hufen Landes

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an das Kloster um verkaufte. Auch besass er Güter zu Wechmar und Ohrdruff, die nach seinem Tode sein Sohn Hermann inne hatte.

Nach dem 26. September 1291 finden wir Christian nicht mehr er- wähnt

Seine Gemahlin war Mechtild, welche am 16. Mai 1298 mit ihren Söhnen Hermann und Heinrich von Witzleben den Grafen von Honstein einige Güter in Nohra und Hayn (zwischen Weimar und Erfiirt) zu Lehn auftnig. An der betreffenden Urkunde im Archiv zu Sonders- hausen hängt das Siegel Friedrichs von Witzleben zu der Elgersburg, des Onkels (patrui) von Hermann und Heinrich.

c. Hermann und Heinrich Ton Witzleben. 1298—1363.

Hermann und Heinrich von Witzleben hatten von ihrem Vater Christian ausgedehnte Besitzungen geerbt und erwarben solche auch selbst.

Zusammen werden beide Brüder ausser im Jahre 1298 noch ein Mal im Jahre 1309 genannt. Am 13. November d. J. stellte nämlich der Probst des Nonnenklosters zu Dm eine Urkunde aus, worin er bezeugt, dass die Brüder Hermann und Heinrich von Witzleben einen Ho^ neben dem Neuenwerks -Kloster in Erftut gelegen, welchen ihre Mutter dem Kloster verkauft hatte, diesem überlassen und dabei selbst auf ihre zu- künftigen Rechte verzichtet hätten. Unter den Zeugen werden die Ritter Herborto und Friedrich von Witzleben, ihres Vaters Brüder, genannt

Im Uebrigcn ging von den Brüdern jeder seine eigenen Wege.

Hermann von Witzleben. In einer Urkunde vom 16. März 1328 erwähnt der Official der Marienkirche zu Erfurt einen Hermann von Witz- leben, genannt Cranewacker, der einen Acker Landes in der Flur des Dorfes Witzleben empfangen habe und dafür jährlich 2 Schock Heller zahlen solle; wäre er aber oder die Seinigen mit dem Zahlen säumig, so sollte das Kloster Georgenthal den Acker einziehen. Wir haben d^ese Urkunde in der Thur. Sacra, p. 537 und leider nicht im Original gesehen. Es lässt sich zwar annehmen, dass Hermann von Witzleben, der schon in Witzleben Besitzungen hatte, auf diese Weise, etwa der besseren Bewirth- schaftung wegen, einen Acker dazu pachtete, doch wäre dies der einzige Fall in unserer damals so reichen Familie. Auch spricht der ganze Ton in der Urkunde gegen diese Annahme. Einem so mächtigen Ritter, wie Hermann wai-, duifte ein Kloster wohl nicht ohne Weiteres mit Einziehung

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eines Grundstücks drohen. Wir glauben viel eher, dass jener Hermann nicht zu unserm Geschlechte gehörte, sondern Hermann Cranewacker aus Witzleben hiess; eine Benennung wie die obige kommt in Thüringer Urkunden des 14. Jahrhunderts häufig bei solchen Personen vor, von denen es feststeht, dass sie bäuerlichen oder bürgerlichen Standes waren.*)

Als Graf Hermann zu Gleichen im Jahre 1332 von dem Stifte Hersfeld das Schultheissenamt, d. h. das Gerichtslehn, zu Wechmar, Ohrdruff und Ermstedt, welches bisher Beringer von Meldingen inne gehabt, gekauft hatte, brachte Hermann von Witzleben, der in Ohrdruff und Wechmar begütert war, dasselbe jedoch bald darauf von dem Abt Ludwig zu Hers- feld durch List an sich und suchte den Grafen davon zu verdrängen, was ihm auch zum Theil gelang, „darüber ihm aber Graf Hermann über die massen aufsätzig worden."**) Doch kam später ein gütlicher Vergleich zu Stande, wonach Hermann von Witzleben das Schultheissenamt noch 4 Jahre behalten sollte, aber versprechen musste, es ohne die Zustimmung des Grafen zu Gleichen weder zu verkaufen, noch zu versetzen, noch zur Miethe ausznthun.

Aus dieser Urkunde geht auch hervor, dass Hermanns sonstige Be- sitzungen zu Wechmar und OhrdruflF Hennebergisches Lehn waren.

1342 überliess Hermann von Witzleben, seinem Versprechen gemäss, dem Grafen Hermann zu Gleichen das Schultheissenamt zu Wechmar und OhrdruflF und bald darauf verkaufte er seine sonstigen Güter daselbst an Christian von Witzleben (den spätem HoMchter) und Otto von Stutterheim, von denen sie am 4. October 1351 die Grafen Ernst und Heinrich zu Gleichen erwarben.

Aus der Urkunde über diesen letzten Verkauf geht auch hervor, dass Hermann von Witzleben Kitter war und die erwähnten Güter von seinem Vater geerbt hatte.

Das Hauptsächlichste, was wir von Heinrich von Witzleben (10), dem Bruder Hermanns wissen, ist, dass er von seinen vielfachen Be- sitzungen den Klöstern reiche Geschenke machte.

So überliess er bereits am 23. Februar 1299 dem Kloster Hm 2 Mark

*) Die Angeböder Stammtafel sagt allerdings gleich: »Hermann von Witzleben, dictos Gravackir, Ritter, Herr zu Lowenstein; 1296 beim Turnier m Schweinfurt, t 1339, Gem. Mechtilde, 2 Söhne."

*♦) Sagitt. Hist. Gleichen p. JL07., Krügelstein Nachr. d. Stadt Ohrdruff p. 118. Schumann St P. u. Z. Lex. VIT. p. 784.

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jährlicher Zinsen von seinen Gütern zu Sundremda (wo im Jahre vorher auch sein Vetter Herborto (8) angesessen war), Schwarzburgischen Lehns, und zwei Jahre darauf von seinem Besitzthum im Dorfe Teutleben bei Buttstedt eine Hufe und einen befestigten Rittersitz dem Kloster Oldisleben, dem dies der Landgraf Albert von Thüringen am 16. Mai 1301 zueignete, ebenso wie am 2. Mai 1302 noch vier Hufen in der Flur von Teutleben, deren sich Heinrich von Witzleben und die Brüder Ludwig und Gottfried von Teutleben zu Gunsten des Klosters verziehen hatten.

Heinrich von Witzleben hatte diese Besitzungen vom Landgrafen Albert dem Unartigen zu Lehn gehabt Er blieb in dessen Gefolge, wie wir aus einer am 11. April 1305 auf der Wartburg ausgestellten Urkunde ersehen, während Vettern von ihm sich zur Partei Friedrichs mit der ge- bissenen Wange und Diezmanns, der Söhne Alberts, schlugen.

Im Jahre 1313 überliess Heinrich wieder dem Kloster Hm eine Hufe Landes zu Barchfeld (Schwarzburgisches Lehn), die er mit seinem Schwager Otto von Hof gemeinschaftlich besass, und 1315 dem Kloster Georgenthal zwei Hufen zu Apfelstedt (Kefemburgisches Lehn). Im Jahre 1326 verkauften Heinrich von Witzleben, Katharina, seine Gemahlin, zugleich mit ihrer Schwester Jutta*) und Andere dem Kloster der weissen Frauen in Erfurt einige Hufen und sonstige Güter in der Flur des Dorfes Molsdorf. Wahr- scheinlich stammte Heinrichs Gemahlin aus dem alten Geschlechte derer von Molsdorf und war er durch sie in den Besitz dieses Gutes gekommen.

Er wird noch oft, meist in Schwarzburgischen Urkunden, als Zeuge und Bürge angeführt, z. B. am 24. November 1338 als Bitter, zusammen mit Conrad von Witzleben und Christian, dessen Bruder, und am 21. Januar 1340 als Vetter von Friedrich von Witzleben zur Elgersburg, als dieser das Seelgerede zu Ichtershausen stiftete.

Am 19. November 1342 wird er genannt „Heinrich von Witzleben, genannt von Molsdorf, Bitter" und 1344 „Heinrich von Witzleben, von Hermannstein, Bitter", wonach ihm also das berühmte Molsdoif und ein Theil jenes kleinen (I. Thl. S. 58 zu erwähnenden) Felsennestes gehörten. Beides vererbte er auf seinen Sohn den Ritter Dietrich von Witzleben zu Molsdorf.

Dagegen verkaufte er noch in seinen alten Tagen, 1353, seine zu

*) Die Stelle lautet: bona in campis viUae Mollesdorf, quae Heynricus

de Witzeleyben, Katharina nxor sna legitima una cum Jutta sorore sua et alii dicto conventui yendiderunt.** („sua'' hinter sorore ist jedenfalls auf Katharina, nicht aber auf Hejnricus zu beziehen.)

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Mertendorf, 1 Stunde südöstlich von Naumburg gelegenen Güter für 10 Schock und 100 schmale Groschen an das Kloster Pforte, und seme Güter zu Elx- leben, eine Meile nördlich von Stadtilm, für 65 M. 1. S. an das Kloster lim. Wenn wir eine genaue Berechnung anstellen, so finden wir, dass Heinrich im Ganzen den verschiedenen Klöstern, Zinsen, Höfe und sonstigen Gerechtigkeiten ungerechnet, ein Areal von mehr als 400 Morgen überUess. Nach 1353 konunt Heinrich nicht mehr vor; sein Sohn war, wie erwähnt, der Ritter Dietrich von Witzleben zu Molsdorf (s. S. 41) und eine Tochter scheint an Albrecht von Stutterheim vermählt gewesen zu sein, denn als Letzterer 1375 dem Kloster Dm eine Hufe Land zu Elxleben wo ja auch Heinrich Besitzungen hatte, verkaufte, bezeugt dies Albrechts Schwager, der Ritter Dietrich von Witzleben.

d. Hermanns SShne:

Die Ritter Dietrich und Heinrich von Witzlebeu

1361—1397

und die Stiftung der Elgersbarger Linie.

Der Ritter Dietrich von Witzleben zeichnete sich in Schwarz- burgischen Kriegsdiensten vor Anderen aus, und zwar meist in Fehden, welche die Grafen Günther und Johann in dem Heere des Landgrafen von Thüringen ausfochten, bis er im Jahre 1366 in einer solchen den Tod fand.

So befand er sich 1361 mit Friedrich von Witzleben unter dem Schwarzburgischen Adel, als die Landgrafen den Abt Heinrich von Cralock zu Fulda, der raubend in Hessen und Thüringen eingefallen war, befehdeten und demselben die Schlösser Rossdorf und Northejm abnahmen. Dietrich war jener „tapfere und wohlversuchte Ritter Tizel von Witzleben", den die Grafen von Schwarzburg 1365, als sie den Landgrafen wider den Herzog Albrecht von Braimschweig, Herrn zu Salz der Helden, beistanden und die Heidenburg eingenommen hatten, in diese sandten, um sie zu ver- proviantiren.*)

Im Jahre darauf, 1366, wollte der Graf Johann von Schwarzburg, bei dem sich wieder der Ritter Dietrich von Witzleben befand, mit dem Landgrafen Friedrich gegen aus Italien nach Deutschland gekommenes Raubgesindel nach dem Elsass ziehen; man kam aber nur bis in das

*) AnsfÜhrUch Th. IL S. 7.

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Würzburgiscbe, und Graf Johann sowohl als Dietrich von Witzleben erlitten vor Meiningen ziemlich bedeutenden Schaden.

Wahrscheinlich ist hier die Veranlassung zu dem unglücklichen Kriege des Grafen Johann von Schwarzburg mit dem Bischof Alb^ von Würz- burg zu suchen. Im Jahre 1366*) nämlich zog Graf Johann „mit grossem Volke auf den Bischof von Würzburg und that ihm grossen Schaden mit Nehmen und mit Brand. Da versammelten sich des Bischofs Voigte und Mannen und kamen an ihn und stritten mit ihm, und der Graf verlor den Streit und seines Volkes ward viel erschlagen und ihm wurden gefengen mehr denn 80 gute Bitter und Knechte und er Dithrich von Witzceleibin, der sein Banner führte, wart gewunt, dass er starb."

Der Graf Johann war selbst gefangen und musste schliesslich die Schlösser Wachsenburg, Liebenstein und Schwarzwald, welche am 19. Mai 1 369 den Rittern Dietrich von Witzleben (S. 41), Dietrich von Molschleben und Heinrich von Stutterheim, sowie Tizel von Witzleben zu Wölfis, Knecht, bis zur förmlichen Abtretung eingeräumt wurden, den Landgrafen überlassen.

Wahrscheinlich ist der Kitter Dietrich von Witzleben der Grossvater von Curt von Witzleben, dem Stifter der Molschlebener Linie, (s. d. IV. Abth. d.Bd.)

Dietrichs Bruder, der Kitter Heinrich von Witzleben, war zwar Schwarzburgischer Vasall (und kommt daher oft in Schwarzburgischen Urkunden als Zeuge vor), stand jedoch mit den Markgrafen zu Meissen in Verbindung. Diese ertheilten ihm, der als zu Alkersleben sitzend bezeichnet wird, und seinen Vettern Dietrich von Witzleben, Voigt zu Eisenach und Creuzburg, sowie dessen Söhnen Dietrich und Kunemund, und femer Dietrich von Witzleben zum Wendelstein 1379 eine Schuld- verschreibung über 478 Pfund Pfennige, 6 Schillinge und 57 Vi Schock Meissener Groschen. Ausserdem war er aber auch wegen Alkersleben Lehnsmann der Grafen von Kefernburg. Als solcher begleitete er den Grafen Günther d. J., den Letzten dieses Geschlechts, in das gelobte Land und brachte, als derselbe daselbst 1385 gestorben war, dessen Leichnam

•) Die Chronisten differiren m der Angabe des Jahres. Joh. Rothe, Mencken n. p. 1806 hat 1357, der Pimaische Mönch, Mencken H. p. 1461 1364, p. 1485 aber 1368, Adam Ursin, Mencken IIL p. 1320 1366 nnd demnach die meisten, z. B. P. Jov. in Schöttg. u. Kreys. Dipl et Script L p. 244 („und ihm 9 vornehme Ritter, unter welchen Her Dietrich von Witzleben, zum Liebenstein gesessen, ein tapfer versuchter Soldat, so ohrister Capitain und das Panier geföhret, erschlagen worden"), Fahric. Orig. Sax. p. 657, Becherer Thür. Chron. p. 858, von Falckenstein , Eist v. Erf. p. 264, Gauhen Ad. Lex. p. 2915 u. a.

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nach Thüringen und liess ihn im Kloster Georgenthal mit Helm und Schild begraben.'*') Sophia, die Mutter, und Mechtild, die Gemahlin dieses letzten Grafen von Kefemburg, erhielten darauf das Schloss Kefemburg, welches Güijther dem Landgrafen Balthasar in Thüringen zu Lehn auf- getragen hatte, von diesem for ihre Lebenszeit eingeräumt, und Heinrich von Witzleben, sowie seine Vettern Dietrich und Kunemund unterschrieben am 29. Mai 1387 den betreffenden Revers.

In Folge der oben angedeuteten Verbindungen mit den Markgrafen zu Meissen wurde Heinrich deren Amtmann zu Borna in Sachsen, als welcher er 1391 bis 94 (nach ürk. im Arch. zu Dresden) vorkommt**)

Er starb vor dem Jahre 1397 und hinterliess eine Wittwe Jutta.

Von Heinrichs Söhnen kennen wir nur Fritz von Witzleben, genannt von Borne, welcher noch 1435 lebte und die Söhne Fritz und Iring von Witzleben hinterliess, welche im Jahre 1437 Elgersburg kauften und von denen Iring der Stifter der Elgersburger Linie wurde (s. die IL Abtheilung dieses Bandes).

e. Des Bitters Heinrich toh Witzleben zn Molsdorf Sohn:

Bitter Dietrich von Witzleben zu Molsdorf.

1368—1883.

Der Ritter Dietrich von Witzleben zu Molsdorf war Anfangs wie die meisten seiner Vettern, in den Diensten der Grafen Günther und Johann von Schwarzburg, die ihn am 20. Januar 1368 zum Schiedsrichter erwählten für den Fall, dass zwischen ihnen und ihren Vettern zu Arnstadt Immgen entstehen sollten. Gleiches Vertrauen erwiesen sie ihm im Jahre darauf als in Folge des ungliacklichen Krieges gegen Würzburg die Schlösser Wachsenburg, Liebenstein und Schwarzwald an die Landgrafen in Thüringen abgetreten werden mussten, indem sie bis 7ur gänzlichen Erledigung dieser Angelegenheit diese Schlösser ihm und seinem Vetter Tizel von Witzleben zu Wölfis übergaben.

Als Kefemburgisches Lehn besass Dietrich Güter zu Ringleben (1 ML nordwestlich von Erfurt) und schenkte davon am 31. October 1369 dem

*) Die Aogelröder Stammtafel irrt, wemi sie dies auf den Wendelsteiner Heinrich bezieht.

•*) Th. IL p. 15 haben wir diese SteUnng irrthilmlich auf den Sohn des Hof- richters besogen; erst später erhaltene Urkunden haben uns darüber Aufklarung gegeben.

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Augustiner-Kloster zu Erfurt 3 Hufen Landes und 22 Acker Wiesen, wo- für ihm und seinen Erben dieses Kloster jedoch eine Rente von jährlich 2 Schillingen zahlen musste.

Femer veräusserte er bald darauf, 1373, seine von den Landgrafen von Thüringen zu Lehn rührenden Güter zu Molsdorf an die von Enzenberg; da aber seine Gemahlin Catharina zu Molsdorf beleibdingt war, so musste diese sowohl als auch ihre Söhne Dietrich und Kunemnnd in jenen Verkauf willigen und ihre Lehen an den Gütern auflassen.

Zu den Landgrafen von Thüringen trat Dietrich bald in nähere Be- ziehungen und schliesslich vollständig in ihre Dienste. Am 9. August 1378 versetzten diese ihm und seinem Vetter Tizel UM. von den Jahresrenten in Eisenach für 110 M. 1. S., die er jedoch im folgenden Jahre wieder veräusserte.

Schon zu dieser Zeit war er landgräflicher Voigt zu Eisenach und Creuzburg und nebst seinen Söhnen Dietrich und Kunemund, sowie seinen Vettern Dietrich von Witzleben zum Wendelstein und Heinrich von Witz- leben zu Alkersleben seinen Herren auf ihren Kriegszügen gefolgt Für den dabei erlittenen Schaden erhielten er und seine Söhne 1379 von den Landgrafen eine Schuldverschreibung über 478 Pfiind und 6 Schillinge Pfennige und 57 '/* Schock Meissner Groschen,, und da diese Summe auch im nächsten Jahre nicht bezahlt werden konnte, wurde ihm statt der Voigtei zu Eisenach und Creuzburg die einträglichere zu Weissensee eingeräumt

Bei irgend einer Fehde war Dietrich in die Gefangenschaft derer von Griesheim gerathen, aus der ihn der Abt zu Paulinzelle 1380 durch Er- legung von 75 Gulden befreite. Nach dem Jahre 1383 kommt der Bitter Dietrich von Witzleben nicht mehr vor.

f. Des Bitters Dietrich Ton Witzleben, Voigt zu Eisenach

und Creuzburg, Söhne:

Dietrich und Kunemund von Witzleben.

1373—1415.

Dietrich, zum Unterschied von seinem Vater der Jüngere genannt, lebte 1379 zu Arnstadt, war 1383 Voigt zu Kefemburg und wird bereits am 4. September 1391 als todt bezeichnet

Kunemund hatte sich am 23. September 1387 mit 136 meist fränkischen Grafen, Herren, Rittern und Knechten zu einer Tumiergesellschaft

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verbunden und, da er der Grafen von Henneberg Lehnsmann war, wohl mehr in Franken aufgehalten, so dass er sich auch bei dem Tode seines Bruders nicht in Thüringen befand. Der Graf Johann von Schwarzburg und der Ritter Berthold von Buchenau verbürgten sich daher am 4. September 1391 dem Kath zu Erfurt gegenüber, dafür sorgen zu wollen, dass Kunemund seine Einwilligung dazu gäbe, dass der Rath seiner Schwägerin Catharina, Dietrichs von Witzleben sei. Wittwe, vier Hufen Landes zu Kirchheim, die jedenfalls Kunemund mitgehörten, als Wittthum gewähre.

Kunemund besass das Dorf zu dem Rode (bei Ilmenau) und ein Viertel des Dorfes Martinrode mit Gerichten über Hals und Hand und sonstigen Zugehörungen, wie er dieselben von seinem Vater, dem Ritter Dietrich von Witzleben, geerbt hatte. Diese Lehnstücke gehörten aber zur Herr- schaft Elgersburg, und da diese von dem Grafen von Henneberg an die Landgrafen von Thüringen seit 1365 versetzt war, so musste Kunemund am 23. Mai 1392 einen Revers ausstellen, dass er, wenn Henneberg die Elgers- burg wieder einlösen würde, mit diesen Gütern den Grafen von Henneberg die Lehnspflicht thun wolle.

Ausserdem besass er, ebenfalls von seinem Vater her, Güter zu Ring- leben, die er dortigen Einwohnern in Afterlehn gegeben hatte.

Kunemund, der seit 1396 zu Ilmenau wohnte (wegen der Güter zu Rode und Martinrode) erhielt zugleich mit den Brüdern Hans und Christian von Würzburg 1405 vom Landgrafen Balthasar von Thüringen die Voigtei auf der Elgersburg mit dem Walde für 500 rheinl. Gulden; auch besass er ebendaselbst ein Burggut Dieses, sowie die Hälfte von^ Martinrode, welche ihm auch gehörte, verlieh am 12. August 1415, nachdem Kunemund kurz vorher gestorben war, der Landgraf Friedrich an Heinrich d. A. von Witzleben und dessen vier Neffen Christian, Dietrich, Heinrich und Conrad, woraus zu schliessen, dass Kunemund keine Nachkommen hatte.

g. Friedrichs tob Witzleben Söhne:

Die Bitter Friedridi und Herberte^

1288-1340.

Pfandscliaft des Schlosses Elgersburg.

Von Friedrichs Söhnen war der bedeutendste der Kitter Friedrich, 1287 und 1289 des Grafen Günther von Schwarzburg Burgmann zu Cranich- feld. Er wird von 1288 bis 1340 in sehr vielen, die Grafen von Schwarz-

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bürg und Keferaburg, die Klöster zu Paulinzelle, Um, Ichtershausen, (leorgen- thal, Kapellendorf, Keinhardsbrunn und Arnstadt betreffenden Urkunden, oft mit seinem Bruder Herborto zusammen, als Zeuge genannt, und ersehen wir aus allem, dass er nicht nur durch Reichthum, sondern auch durch personliche Vorzuge angesehen und ein tapferer und frommer Ritter war.

In Kirchheim, wo sein Vater bereits Güter erworben hatte, tauschte er deren 1289 von dem Kloster Paulinzelle ein gegen andere zu Gross- Liebringen, die er ein Jahr vorher von Heinrich von Rossla gekauft hatte. Dagegen überliess er mit Bewilligung des Grafen Günther von Schwarz- burg 1293 dem Kloster um zwei Hufen Land in der Elxlebener Flur und trat femer dem Grafen Berthold von Henneberg ebendaselbst noch 1 Va Hufen ab, die dieser demselben Kloster schenkte.

Wahrscheinlich steht die Abtretung dieser Güter in Verbindung mit der vor dem Jahre 1297 erfolgten Veipföndung eines Theils des Schlosses Elgersburg Seitens des Grafen Heinrich von Henneberg an den Ritter Friedrich von Witzleben, der dadurch auch mit dem Grafen Berthold von Henneberg in Berührung kam. Etwas Näheres über diese Verpföndung haben wir bis jetzt nicht erfahren können, wir wissen nur, dass Graf Heinrich am 28. August 1297 das Recht, seinen Theil der Elgersburg von dem Ritter Friedrich von Witzleben einzulösen, dem Grafen Berthold ab- trat, der davon jedoch keinen Gebrauch machte, vielmehr seinen Theil ebenfalls an Friedrich von Witzleben versetzte. In Folge dessen wurde Letzterer des Grafen Berthold Vasall und stellte ihm am 16. Mai 1315 einen Revers aus, den wir als älteste uns bekannte, von einem Witzleben ausgestellte Urkunde, wörtlich in hochdeutscher Sprache folgen lassen:

„Ich Friedrich von Witzleben, der Ritter, bekenne öffentUch in diesem Briefe, dass der edle Herr, Graf Berthold von Henneberg, mein gnädiger Herr, mich zu einem Diener angenommen hat, so, dass ich sein wüliger, getreuer Diener sein soll, und dass er mich vom nächsten St. Michaelis- Tage an zwei Jahre lang schützen und vertheidigen soll zu meinem Rechte gegen Jedermann, ausser gegen den Ritter Heinrich von Schauenforst und seüie Freunde, und soU ich ihm behülflich sein mit meiner Macht gegen Jedermann, ausser gegen meinen Herrn, Grafen Günther von Kefemburg, gegen den soll er mir, auch ich ihm keine Hülfe thun. Es soll auch meinem vorgenannten Herrn von Henneberg die Elgersburg, die von ihm mein Pfand ist, ein offen Haus sein zu allen seinen Sachen und seinen Kriegen, und wenn er in Krieg geräth auf dem Hause oder wegen desselben,

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so soll er auf seine eigenen Kosten zehn Mann auf dem Hause halten, die mir das Haus bewahren und behalten helfen; legt er aber mehr Leute auf das Haus, die soll er mit seiner Kost darauf halten, und was die ge- winnen, das soll sein sein. Des gebe ich zu einer Beständigkeit dieser Beredung diesen Brief mit meinem Insiegel. Das ist geschehen nach Gottes Geburt 1315, an dem Freitage in der Pfingstwoche."

Am 29. December desselben Jahres, wo dieser Revers ausgestellt war, erhielten nicht nur des Grafen Berthold von Henneberg und des Ritters Friedrich von Witzleben gegenseitige Verbindlichkeiten durch einen schieds- richterlichen Vertrag des Grafen Heinrich von Schwarzburg eine genauere Bestimmung, sondern man vereinigte sich auch über die Art und Weise, wie die Ablösung der Elgersburg künftig geschehen sollte. Friedrich sollte seine Auslagen und was er den Grafen vorgeschossen, berechnen und der Probst von Hm die Richtigkeit der Berechnung attestiren und für diese so festgestellte Summe sollte ihm Elgersburg versetzt sein und durch Bezahlung derselben ausgelöst werden zu einer in das Belieben des Grafen gestellten Zeit Doch war Friedrich nicht gehalten, nur einen Theil des Schlosses herauszugeben (Graf Heinrich hatte immer noch Anrechte), sondern die Grafen sollten ihre Theile gleichzeitig oder einer von ihnen beide Theile auslösen. Da aber nach der Berechnung Graf Berihold an Friedrich 100 Mark Silber mehr schuldete, als der Werth seines Theils der Elgersburg betrug, so wurde ausgemacht, dass er diese 100 Mark in 2 Raten innerhalb eines Jahres bezahlen und ausserdem jährlich 10 Mark zur Instandhaltung des Schlosses hergeben sollte. Würde Graf Berthold in Elgersburg angegriffen, so sollte er Hülfetruppen dorthin senden, und wenn das Schloss bei solcher Gelegenheit verloren ginge, so sollte es dem Grafen verloren sein, nicht aber Friedrich, d. h. dieser sollte dennoch den Pfendschilling erhalten. Wenn Friedrich von Witzleben ,rVon Kummer oder Armuth gedrängt" würde und wollte das Schloss abgelöst haben, so sollte er ein Jahr vorher kündigen, worauf er dann die eine Hälfte seiner Forderung und ein Jahr darauf die andere erhalten würde.

Mit dem Grafen Heinrich und dessen Sohn Poppe scheint Friedrich in ernstere Zwistigkeit«n gerathen zu sein, die jedoch der Graf Berthold beilegte. Aus dem hierüber von Friedrich von Witzleben am 6. Januar 1316 ausgestellten Reverse geht hervor, dass des Grafen Heinrich Theil der Elgersburg an Friedrich far 300 Mark Silber versetzt war und dass der Graf ihm ausserdem noch 50 Mark schuldete, die am nächsten Michaelis-

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Tage über ein Jahr zu zahlen waren. Zur Instandhaltung der Burg hatte Graf Heinrich jährlich 5 Mark zu zahlen.

Nach den in dieser Urkunde im Verhältniss zu der vorigen angegebenen Zahlen scheint es, als wenn des Grafen Berthold TheU ffir eine noch ein- mal so grosse Summe, als der Grafen Heinrich und Poppo Theil, mithin die Elgersburg im Ganzen ffir 900 Mark Silber, versetzt war.

Die Pfandschaft des Schlosses Elgersburg wurde am 30. März 1323 noch dahin erweitert, dass Graf Berihold von Henneberg den Ritter Friedrich von Witzleben für seine Lebenszeit mit der Hälfte des Gewinnes der Gold-, Silber- und sonstigen Bergwerke, welche sich in der Nähe der Elgersburg aufthun würden, belehnte, sich jedoch den Wiederkauf vorbehielt. Diese Bergwerke sind dieselben, welche später (z. B. 1474) unter dem Namen „die Sturm- heide" bei Ilmenau vorkommen und nach mancherlei Schicksalen unter der thätigen Mitwirkung Göthes erst 1784 sich wieder zu heben begannen.

Nach den Verträgen über die Elgersburg wollte Friedrich von Witzleben, der tapfere Kitter, den Grafen von Henneberg beistehen gegen Jedermann, ausgenommen den Grafen Günther von Kefemburg. Dies war sein Lehns- herr wegen mehrerer Güter, zu dem er auch ausserdem in freundschaftlichen Beziehungen stand. Bereits 1308 hatte derselbe ihm und dem Ritter Johann von Benshausen die Burg Arnstadt überantwortet, und femer war er dessen Burgmann auf der Veste Cranichfeld geworden, nachdem die Grafen von Schwarzburg dieselbe dem Grafeji Günther verpfändet hatten. Denn als dieser am 24. Juli 1322 dem Grafen Heinrich von Henneberg wegen des Heirathsgutes seiner Gemahlin 600 Mark SUber zu zahlen ver- sprach, setzte er nebst andern Rittern Friedrich von Witzleben zum Bürgen ein und bestimmte ausserdem, dass dieser, wenn die for nächste Ostern ausgemachten 300 Mark nicht pünktlich gezahlt würden, Cranichfeld dem Grafen von Henneberg überliefern sollte.

Am 25. Februar 1330 finden wir den Ritter Friedrich von Witzleben auch als miles castrensis, d. h. Burgmann, in Kefemburg, der bei Arnstadt gelegenen Stammburg des 1385 ausgestorbenen Geschlechts; und im darauf folgenden Jahre versetzten die beiden Grafen Günther von Kefemburg (Vater und Sohn) „Em fritschen von Witzleiben czu der elgersburg", nebst Dietrich von Kirchheim und Heinrich von Lengefeld die Veste Ilmenau mit allen Zubehörungen, weil diese far sie Bürge geworden gegen den Rath zu Erfort

Die geisüichen Stiftungen bedachte Friedrich in reichem Masse. Mit

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Einwilligung seines Sohnes Eberlin übereignete er am 24. Februar 1322 das Dorf Eichfeld (1 St. westlich von ßudolstadt) mit 11 Hufen Landes dem Jungfrauen- Kloster zu Arnstadt, welches dafür einen Priester halten musste, um täglich am Altar St Georgs fiir die von Witzleben Messe zu lesen. In demselben Jahre verzichtete er auf drei Hufen zu Eischleben zu Gunsten des nahe gelegenen Klosters Ichtershausen, und 1327 verkaufte er 12 Scheffel Korn und Gerste von seinen dortigen Gütern demselben Kloster. Zwei Jahre später schenkte er 4 Mark Silber von seinen Einkünften aus dem Dorfe Kirchheim dem Kloster Em, ebenso wie 1335 3 Mark jährlicher Zinsen, die er seiner Tochter Jutta, die dort Nonne war, zu einer Pfründe bestimmte.

Ausser all den genannten Besitzungen an Burgen und Dörfern besass Friedrich noch 10 Mark Silber jährlicher Zinsen in Griesheim, die ihm am 12. März 1295 der Abt von Paulinzelle verkauft hatte, 10 Hufen und das Gericht im Dorfe und in der Flur von Ichtershausen (zwischen Arnstadt und Erfiirt), die er von den Grafen von Honstein am 10. August 1304 für 100 M. S., und einen Hof und ein Haus auf dem Petersberge zu Erfurt, die er von Hermann von Alch für 24 M. gekauft hatte. In einer lateinischen Urkunde vom 25. März 1332, die beginnt: „Nos fridericus de wiczzeleybin, miles, dominus in Eylgersburg," verspricht er dem Rathe zu Erftui;, der vor dem Einfluss des Adels in der Stadt Besorgniss hegen mochte, diesen Hof und Haus, wenn er oder seine Erben sich zur Veräusserung derselben entr schliessen ivürden, an Niemand anders als einen Erfurter Bürger, der der Stadt Erftirt Eid und Dienst leisten würde, zu verkaufen.

Die letzte Handlung Friedrichs betraf sein Seelenheil. In einer Ur- kunde vom 21. Januar 1340, die anfängt: „Wir Frizze von Wiczeliben, Herr czu der Elegersborgk**, bestimmte er, dass die 27 Schillinge Geldes* und zehn Hühner . jährlicher Zinsen, die er von dem im Dorfe Neusis gelegenen Gute des Klosters Ichtershausen gekauft hatte, nach seinem Tode mit allen Rechten wieder an das genannte Gotteshaus zurückfallen sollten zu einem Seelgerede (Seelengedächtniss). Und Eberlin, Fritz und Hermannstein, Friedrichs Söhne, versprachen, nach ihres Vaters Tode keinerlei Ansprüche an jene Zinsen erheben zu wollen. Als Zeugen unter- schrieben die Urkunde Ludwig von Sondershausen, Friedrichs Eidam, und Heinrich von Witzleben, sein Vetter.

Friedrichs Gemahlin, die bereits 1296 erwähnt wird, hiess Cunegunde, und ausser den bereits genannten Kindern Eberlin, Jutta, Fritz,

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Hermannstein und der an Ludwig von Sondershausen vermählten Tochter hatte er noch einen Sohn, Iring, von dem später die Eede sein wird. Es ist möglich, dass Friedrichs Gemahlin Cunegunde eine gebome von Lobenstein war, aber auch, dass eine Schwester Friedrichs einen von Lobenstein geheirathet hatte, denn 1231 nennt Albert von Lobenstein den Ritter Friedrich von Witzleben zur Elgersburg seinen Oheim.

Friedrichs jüngerer Bruder, Herborto, starb im Jahre 1334 und hinterliess zwei Söhne: Friedrich und Tizel von Witzleben.

h. Die Söhne Herborto's:

Friedrich und Tizel von Witzleben.

1310—1378.

Friedrich trat in den geistlichen Stand und war im Jahre 1320 Domherr der Marien-Kirche zu Erfurt

Tizel war einer der treusten Diener der Grafen von Schwarzburg, namentlich des späteren Kaisers Günther, und lange Zeit hindurch, von 1346—1366 ihr Voigt auf der Wachsenburg.

Als „Graf Günthers Diener" unterschrieb er die Urkunde vom 9. December 1348, worin der Markgraf Ludwig I. von Brandenburg ver- sprach, den Grafen Günther zu Schwarzburg zum römischen König zu küren.

Nach König Günther's Tode (1349) stand Tizel dessen Bruders Söhnen, den Grafen Heinrich und Günther, mit Bath und That bei, obwohl er immer noch ihres Vetters, des Grafen Johann, Voigt zur Wachsenburg war. Die Kitterwürde hat er nie erworben, dennoch muss er ein bedeutender •Mann gewe»n sein, denn die Grafen von Schwarzburg nannten ihn selbst „den vornehmen Tizel von Witzleben" und wählten ihn wiederholt zum Schiedsrichter in ihren vielfachen Streitigkeiten unter sich und mit Anderen.

Tizel besass im Jahre 1353 Bergen (oder Bergem) an der Um, welches später im Besitz der Berkaer Linie unseres Geschlechts war, und wo noch heute die Trünmier einer Witzlebenschen Burg zu sehen sind, und ge- meinschaftlich mit seinem Vetter Friedrich, dem Sohne des Herrn zu der Elgersburg, das Dorf Tröchtelbom 1351, den Hof zu dem Sachsenrode 1354 und den Hermannstein 1362.

Als der Graf Johann von Schwarzburg nach dem für ihn unglücklichen Ausgange des Krieges mit dem Bischof zu Würzburg, 1366, die Schlösser

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Wachsenburg, Liebenstein und Schwarzwald an die Landgrafen Friedrich Balthasar und Wilhelm von Thüringen hatte abtreten müssen, verlor Tizel die Voigtei der Wachsenburg und zog sich nach Wölfis (1 Ml. südwestlich der Burg), seinem Eigenthum zurück, blieb aber ein treuer Rath der Grafen von Schwarzburg. Aber auch die Landgrafen ehrten ihn so, dass sie zugaben, dass die Grafen am 19. Mai 1369 die genannten drei Schlösser, soweit ihr Interesse dabei betheiligt war, ihm und seinem Vetter dem Kitter Dietrich von Witzleben überantworteten. Seitens der Landgrafen hatten die Ritter Dietrich von Molschleben und Heinrich von Stutterheim die Burgen inne. Alle Vier mussten am 20. Mai 1369 einen Revers ausstellen, dass sie sowohl den Schwarzburgem als den Landgrafen, wenn aber der Kauj^reis vollständig bezahlt sein würde, nur den Landgrafen mit den Burgen gewarten wollten.

Wie Tizel bereits am 31. Januar 1363 den Vertrag der Grafen Günther und Johann, ihre Besitzungen gemeinschaftlich zu regieren, mit zu Stande gebracht hatte, so wurde er auch ausersehen, die Theilu^g zwischen ihnen am 19. Nov. 1370 zu vollziehen und am 1. Mai. 1371 einen Burgfrieden über das Haus Schwarzburg zu errichten.

Zuletzt wird Tizel am 9. August 1378 erwähnt, wo ihm und seinem Vetter Dietrich die Landgrafen UM. jährlichen Einkommens von den Jahresrenten zu Eisenach f&r 1 10 M. verpfllndeten. Er muss in sehr hohem Alter gestorben sein und scheint keine Nachkommen hinterlassen zu haben.

Wir halten es für angemessen, bereits an dieser Stelle einen kurzen Abriss der Geschichte der Elgersburg einzurücken.

i. Die Elgersburg.

Die Elgersburg, im Munde des Volkes kurzweg „Burg" oder „Bork" geheissen, im Herzogthum Sachsen-Coburg-Gotha, am nördlichen Abhänge des Thüringer Waldes, eine Stunde westlich von Ilmenau gelegen, ist eine der ältesten und wohlerhaltensten Burgen Thüringens, die fast 400 Jahre im Witzlebenschen Besitz war. Wann und von wem sie erbaut wurde, lässt sich nicht nachweisen,*) dass sie aber eine der ältesten Burgen Thüringens

*) Sie wird in Urkunden Adelgeresbnrc, Hegeleresburch, Algersburc, Elegersburg» Eilgerisborc etc. genannt, und der Erbauer bat jedenfalls Elger, Eilger, Adelger, Alker (Allaricns, Allaricb) oder ähnlicb gebeissen ; keinesfalls ist es aber der Graf Elger von Honstein gewesen, wie viele annehmen, dieser gab der jetzt wüsten Elgersburg bei Iblefeld am Harz den Namen vielmehr ist aus dem auf der Elgersburg noch be- I. 4

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ist, geht schon aus der Legenda Patroni Germaniae Sanctissimi Bonifacii (die 300 Jahre nach Bonifacius, der sich in Thüringen um das Jahr 730 aufgehalten hatte, entstanden und nach einem alten Manuscript in Mencken I, 863 abgedruckt ist; s. auch Falkensteins Thür- Chronik) heiTor, wo es heisst: „Nun sollt ihr wissen, dass Wartperg ist das Haupt dieses Landes (Thüringen) und Eligersburg heisst der rechte Arm und liegt an dem Thüringer Walde, und der Eberberg ist genannt der linke Arm des Landes und liegt an dem Harze, und Weissensee ist genannt das Herz, und der Eckersberg ist genannt die Füsse und treten auf die Saale." Ausserdem führte bereits im 12. Jahrhundert eine Familie von diesem Schlosse den Namen, von welcher Marcquard von Adelgeresburc 1135 in einer Volkenrode- schen und Marquart de Hegeleresburch um 1 156 zusammen mit Boppo Comes de Hennberch in einer Urkunde über- eine dem Kloster Vessra gemachte Schenkung genannt wird. (Schultes, Gesch. v. Henneb. L 81.)

Nach den Herren von Elgersburg waren die Grafen von Kefemburg Besitzer des Schlosses, von denen es Günther bereits 1268 an den Grafen Berthold von Henneberg (-Schleusingen) versetzt hatte. Dieser feierte hier in demselben Jahre seine Vermählung mit der Gräfin Sophia von Schwarz- burg,, wenigstens ist der vom Grafen Berthold seiner Gemahlin gegebene Leibgedingsbrief, den u. a. Graf Hermann von Henneberg, Graf Günther d. Ä. von Kefemburg und Hermann von Witzleben bezeugen, in Algersberc am 7. März 1268 ausgestellt.

Ebenso war Elgersburg 1274 als Pfand im Besitz der Grafen von Henneberg, muss aber vom Grafen Günther von Kefemburg wieder ein- gelöst worden sein. Um das Jahr 1285 fiel Graf Günther aus nicht be- kannten Gründen raubend in das Hennebergische Gebiet ein und richtete besonders in dem Flecken Schwarza grosse Verwüstungen an. Graf Heinrich von Henneberg verband sich mit seinem Vetter Berthold, schlug den Gegner bei Schwarza in die Flucht und drang darauf in Thüringen ein, wo es ihm glückte, denselben gefangen zu nehmen und mit nach Hartenbergzu fähren. Günther musste seine Freiheit durch ein ansehnliches Lösegeld erkaufen und allen Schaden ersetzen, wenigstens bekannte er sich in einer von ihm am

findlichen Stein vom Jahre 1088 mit dem Bruchstück unseres Wappens der 8chlus8 zu ziehen, dass der Erhauer zu unserem Geschlecht gehört hat Wenn aber Hatham (in seiner Schrift über Elgersburg p. 28 u. 29) meint, des Erhauers Elger von Witzleben Bild im Schlosse zu Angelrode gesehen zu haben (mit schwarzen Enieehosen und weissen Strümpfen), so geht dies doch etwas zu weit!

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31. Aug. 1288 ausgestellten Urkunde gegen Graf Heinrich und dessen Vetter Berihold zu einer Schuld von 400*) Mark Silber, wofür er jenem sein Schloss Eilgerisborc mit der Bedingung verpfändete, dass dasselbe, wenn er es innerhalb zweier Jahre nicht ausgelöst hätte, den beiden Grafen von Henneberg erb- und eigenthümlich überlassen sein sollte.

Da Günther die festgesetzte Zeit, ohne zu zahlen, verstreichen Hess, so gelangten nunmehr die Grafen von Heimeberg zum erblichen Besitz der Elgersburg, die sie eine Zeit lang in Gemeinschaft innehatten. Graf Heinrich versetzte jedoch bald darauf seinen Antheil an Friedrich von Witz- leben und trat am 28. Aug. 1297 das ihm zustehende Einlösungsrecht seinem Vetter, dem Grafen Berthold zu Schleusingen, ab.

Graf Berthold verpföndete seinen Antheil ebenfalls an Friedrich von Witzleben, (s. I. Tbl. S. 44) der im Ganzen 900 Mark Silber für dieses Pfand gezahlt und dasselbe bis zu seinem Tode 1340 innehatte. Um diese Zeit aber muss des Grafen Berthold Sohn, Heinrich, die Elgers- burg wieder eingelöst haben, da wir von Friedrichs Söhnen keinen als auf der Elgersburg sitzend erwähnt finden.

Graf Johann von Henneberg setzte 1346 die Grafen Heinrich und Ernst zu Gleichen als Burgmannen in die Elgersburg, diese aber übertrugen ihre Functionen an den Ritter Hermann von Wechmar.

Die unmündigen Söhne des am 2. Mai 1359 verstorbenen Grafen Johann von Henneberg, Heinrich und Berthold, verpfändeten am 11. Dec. 1365 ihr Haus und Veste, die Elgersburg, für 2000 Mark löthigen Silbers Erftirtischen Gewichts und 100 Mark, die zu verbauen waren, an die Gebrüder Friedrich, Balthasar und Wilhelm, Landgrafen in Thüringen und Markgrafen zu Meissen mit der Bedingung, dass die Veste alle Jahr auf unserer Frauen Lichtmess Tage lösbar sein sollte bei vierteljährlicher Kündigung; könnten die Grafen oder ihre Erben, wenn die Landgrafen Geld nöthig hätten, die Burg nicht einlösen, so sollten letztere oder ihre Erben das Becht haben, sie ander- weit für 2000 und 100 M. S. zu versetzen, dabei aber ausmachen, dass die Grafen von Henneberg sie zu jeder Zeit wieder einlösen könnten.

Diese Pfandschaft, welche nicht wieder abgelöst wurde, ging erst 1540 in einen Erbkauf über.

Von dem in dem Pfandbriefe vom 11. Dec. 1365 stipulirten Rechte, die Elgersburg beliebig versetzen zu können, machten die Landgrafen von

*) Schultes, Gesch. Henneb. I. 272., irrt, wenn er den Pfandschilling auf 40 M. angiebt; es hcisst deutlich: cum qnadringentis marcis argenti.

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Thüringen den ausgedehntesten Gebrauch, so dass die Veste wie ein Spiel- ball von Hand zu Hand ging.

Unter andern versetzten bereits 1367 die Landgrafen an Christian von Witzleben (den früheren HoMchter, Besitzer des Wendelsteins) und seine Söhne Dietrich, Friedrich und Heinrich, sowie an Ulrich von Tennstedt, seiner Tochter Kind, Haus und Veste Elgersburg mit wilden Pferden, Berg- werken, Seen, Teichen etc. ffir 1000 Gulden.

1405 überliess Landgraf Balthasar an Hans und Christian Gebruder von Würzburg und Kunemund von Witzleben die Voigtei auf Elgersburg für 500 Rhein. Gulden.

Am 27. Jan. 1415 verpfändeten die Landgrafen Friedrich, Wilhelm und Friedrich d. J. das Schloss Elgersburg an die von Entzenburg.

1425 versetzte Landgraf Friedrich Schloss Elgersbm-g, jedoch ohne den Wald, an Heinrich d. Ä. von Witzleben und seine vier Neffen für 400 M. S.

Am 11 Nov. 1426 heisst es in der Urkunde über die Witzleben'sche Stiftung in der Kirche U. L. F. zu Arnstadt: Ritter Er Kerstan*) von Witzleben, zu der Eiligersburg gesessen, unser lieber Vetter und Bruder gottesseliger.

Am 17. Aug. 1430. hatte Curt von Witzleben das Schloss Elgersburg pfandesweise inne vom Landgrafen.

1435 verkaufte Landgraf Friedrich wiederkäuflich an Heinrich von Witzleben das Schloss Elgersburg mit den Waldzinsen, den Zinsen vom Eisenstein, der Schmiede und den Schneidemühlen etc. für 468 Mark und 400 gute Rheinische Gulden, unter der Bedingung, dass das Schloss dem Landgrafen jeder Zeit offen stehe.

Seit 1425 war also Elgersburg als Pfand in ununterbrochenem Besitz der vier Brüder von Witzleben gewesen, von denen 1437 nur noch Heinrich und Dietrich lebten, deren Pfandschilling nach und nach aui 500 Mark löthigen Silbers und 400 Rheinische Gulden angewachsen war. Die Brüder Fritz und Iring von Witzleben kauften nun 1437 ihren Vettern das Pfand ab, zahlten an den Landgrafen Friedrich in Thüringen noch 1000 Rheinische Gulden nach und wurden darauf von diesem in den unbeschränkten Besitz des Schlosses Elgersburg mit allen dazu gehörigen Gerechtsamen gesetzt und 1437 am Montage nach Trinitatis damit belehnt Hiergegen erhoben zwar, und wohl auch mit Recht, die Grafen von Henne- berg Einsprache, ohne dieselbe jedoch zur Geltung zu bringen, und es blieb

*) Woraus YaL König a. andere ~ auch die Angelrdder Stammtafel Pieter Erkerstein machen!

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die Oberlchnshoheit über Elgersburg ein streitiger Punkt bis 1540. Die Herzöge von Sachsen sahen jeden&lls schon damals voraus, dass Henneberg sein Pfand wohl schwerlich wieder einlösen würde, oder sie hatten auch die Absicht, eine solche Einlösung für immer zu verhindern. So war also die Elgersburg, welche bereits 1297 und später noch zu anderen Zeiten im Pfandbesitz der Witzleben'schen Familie war, im Jahr 1437 käuflich erworben worden. Ob unser Geschlecht vor- 1297 'einen Zusanmienhang mit der Elgersburg hatte, wie der daselbst befindliche Stein vom Jahre 1088 (s. I. Tbl. S. 5 und 21) vermuthen lässt, ist uns nicht möglich gewesen zu ergründen.

Nach dem ersten Lehnbriefe von 1437 war Landgräfliches Lehn das Schloss Elgersburg mit allen besetzten und wüsten Dörfern*, den Gerichten über Hals und Hand, Kirchlehen, Erblehen und freien Güter- lehen, mit den dazu gehörenden Waldnutzungen, nämlich Holzzinsen und dem auf dem Schlosse nöthigen Brenn- u. Bauholz, femer mit der Wild- bahn, den Schneidemühlen, den Eisenschmieden, Pischwassem, zwei Teichen unter dem Schloss, dem wüsten Teiche zu Ilmenau, und mit allen Zinsen, Renten, Diensten, Nutzungen und sonstigen Zugehörungen, jedoch ohne den "Wald und die hohe Jagd (welche nur ausnahmsweise bis auf Widerruf gestattet war), die wilden Pferde, Bergwerke, die Ritterlehen und ehrbare Mannschaft;. Dazu kam später noch ein Sedelhof*) im Dorfe zu Gera, im Elgersburger Gerichte gelegen, mit Aeckem, Hölzern, Weüiwuchs und anderen Zugehörungen, den Iring d. J. von Witzleben um 1468 gekauft; hatte.

Die besetzten Dörfer der Elgersburg waren Martinrode und Manebach, derentwegen die von Witzleben mit dem Grafen Wilhelm von Henneberg (t 1480) in mancherlei Streitigkeiten geriethen, welche zwar wieder fried- lich beigelegt wurden, schliesslich aber doch die Besitzer der Burg nöthigten, den Schutz Kur-Sachsens anzurufen. Namentlich in Betreff der Grenzen zwischen dem Elgersburgischen Gebiet und dem Hennebergischen Amte Ilmenau entstanden Irrungen, die sogar beim KaiserL Reichs-Eanmiergericht verhandelt wurden und zu mancherlei Verträgen Anlass gaben.

Im Jahre 1515 wollte Graf Wilhelm die verpföndete Elgersburg von

*) Sddel-, Siedel- oder Sattelhofe, sattelfreie Güter (von sedes, Wohnsitz eines Adligen) waren gewisse Arten von Landgütern, welche zwar nicht die Vorrechte von Rittergütern, aber doch viele Freiheiten und Vorzüge vor den gewöhnlichen Bauern- gütern hatten, und namentlich von Frohnen und Zinsen befreit waren.

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dem Hause Sachsen wieder ablösen; allein dem Herzog Johann, dem dieses Schloss in jenen unruhigen Zeiten zur starken Schutzwehr diente, war an dem ferneren Besitz desselben sehr viel gelegen, und es wurde daher am 17. Jan. 1516 ein Vergleich geschlossen, nach welchem Herzog Johann sich verbindlich machte, dem Grafen Wilhelm, so lange er die auf 8000 FL fest- gesetzte Ablösungssumme fristen würde, jährlich 500 Fl. zu bezahlen, in- zwischen aber die Hennebergischen Lande wider alle Gewalt zu beschützen, wogegen Graf Wilhelm versprach, dem Herzog erforderlichen Falls mit 40 Pferden zu dienen. Seitdem dachte der Graf von Henneberg nicht mehr an die Wiedereinlösung des Schlosses und der beständige Geldmangel, mit dem er zu kämpfen hatte, mochte sie ihm wohl von selbst verbieten. Als aber der Kurfürst Johann Friedrich im Jahre 1539 einen auf Schleusingen haftenden Pfandschilling zurückforderte, wusste Graf Wilhelm in dieser Ver- legenheit kein anderes Auskunftsmittel zu treffen, als dass er 1540 seinem Einlösungsrechte an dem Schlosse Elgersburg entsagte und dasselbe dem Hause Sachsen erb- und eigenthümlich einräumte, wogegen der Kurfürst auf die alte Pfandschaft Schleusingen verzichtete.

Nach dieser vorläufig getroffenen Abrede wurde nun durch Vermittelung des Fürsten Wolfgang zu Anhalt zwischen beiden Theilen am 12. März 1540 zu Schmalkalden ein förmlicher Kecess errichtet, in welchem nicht nur die Grenzen zwischen dem Elgersburger Gebiet und dem Amte Ilmenau genau bestinmit, sondern auch festgesetzt wurde, dass die Herren von Witzleben ihre Gerechtigkeiten und Nutzniessungen an den nach den neuen Grenz- bestimmungen auf dem Hennebergischen Theil liegenden Hölzern, Jagden, Eisenhämmern, Harzen, Schneidemühlen, wie sie dieselben nach den bis- herigen Lehnbriefen gebraucht und besessen hätten, auch femer behalten, dafür aber die zur Elgersburg gehörenden Dörfer Manebach und Martinrode, welche sie bis dahin von dem Hause Sachsen zu Lehn getragen, fortan von der Herrschaft Henneberg zu Lehn empfangen sollten, ohne dieser jedoch ritterdienstpflichtig zu sein, vielmehr sollten sie diese Dienste, wie bisher, dem Hause Sachsen leisten. Als Aequivalent für diese Lehngerechtsame überliess Graf Wilhelm dem Kurfürsten die Hennebergische LehnsheiTÜchkeit über das Dorf Stockhausen bei Eisenach und gab ihm zugleich die Ver- sicherung, dass nach Verlöschen des Hennebergischen Mannsstammes die Witzleben'schen Lehnstücke dem Hause Sachsen heimfallen sollten. Am 23. Juni 1541 wurde darauf denen von Witzleben zur Elgersburg der erste Hennebergische Lehnbrief über Manebach und '/a Martinrode ertheilt

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Trotz dieses sogenannten Schmalkaldenscben Vertrages erhoben sich doch wegen Elgersburg, Martinrode und Manebach zwischen Sachsen und Henneberg Meinungsverschiedenheiten, die aber ausgeglichen wurden und nach dem Tode Georg Emsts, des letzten der Henneberger (f 27. Dec. 1583) ihr vollständiges Ende erreichten, da das Hennebergische Land an das Haus Sachsen fiel. Von dieser Zeit an empfingen die von Witzleben die Lehen über Elgersburg, Martinrode und Manebach nur von dem Hause Sachsen, und nach dem Theilungsrecess zwischen den Sächsischen Linien vom 30. April 1670 die über Elgersburg und Manebach von Sachsen-Gotha, die über Martinrode aber von Sachsen- Weimar.

Von Martinrode gehörte Anfangs nur die Hälfte zu Elgersburg, während die von Witzlebcn zum Liebenstein die andere Hälfte besassen; erst 1598 verkauften diese ihre Hälfte an die Elgersburger fiir 4000 Fl. wiederkäuflich und 1611 erblich.

Feiner gehörten zu Elgersburg noch Lehn- und Erbgüter zu Gera, Neuroda, wo ein besonderer Sitz war, und Trasdorf,*) so dass z. B. der Sachsen -Weimar. Wirkl. Geh. Rath und Ober-Hofinarschall Friedrich Hartmann von Witzleben (n. 2. Nov. 1722 f 3. Oct. 1788) titulirt wurde: Erb-, Lehn- und Grerichtsherr auf Elgersburg, Gera, Manebach, Martinrode, Neuroda und Trasdorf.

Fast 400 Jahre war die Familie von Witzleben im erblichen Besitz von Elgersburg gewesen, als die herzogliche Kammer in Gotha dieselbe erwarb.

Nach Ausweis des Kaufcontracts vom 8 Nov. 1802 kaufte das Kammer- collegium des Herzogs Ernst H. zu Sachsen-Gotha und Altenburg die sänmitr liehen Kitter- und Lehngüter zu Elgersburg und Neuroda mit allen Per- tinenzien an Ländereien, Wiesen, Gärten, Fischereien, Holzungen (mit Aus- nahme des Veronikenberges), Jagden, Triften, Frohnen, dem Patronats- Recht zu Elgersburg, Gera und Neuroda mit den resp. Filialen Manebach und Trasdorf, femer dem hohen und niederen Schlosse und allen übrigen zu den Lehngütem gehörigen, inner- und ausserhalb des Orts gelegenen Wohn- und Wirthschafts-Gebäuden, auch Schenken mit dem Inventarium, der Ziegel- und Pechhütte, femer alles bei diesen Gütern zeither besessene AUodium an Land, Wiesen, Teichen, Gärten, Holzungen, Gebäuden, der

*) Alkersleben , Gross-Liebringen , Bösleben und Beutelsdorf gehörten zwar auch denen von Witzleben znr Elgersburg, aber als besondere Güter, wie von 1651 an auch Angelrode u. andere

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Schenke mit dem Inventarium zu Manebach etc. von den Lehnserben Friedrich Hartmanns von Witzleben, nämlich den Brüdern Job Wilhelm, Heinrich Günther mid Heinrich, sowie dem einzigen Sohne des vierten Bruders Friedrich von Witzleben, für die Summe von 126,000 ßeichsthalem.

Die üebergabe der Güter erfolgte an dem erwähnten 8. Nov. 1802 in feierlichem Act auf dem Schlosse Elgersburg in Gegenwart der Schult- heissen von Elgersburg, Gera, Manebach, Neuroda und Trasdorf, und mittelst ßescripts vom 17. Dec. 1802 wmde vom Herzog Ernst U. der Kauf genehmigt.

Von den so erworbenen zum Eittergute Elgersburg gehörenden 24774 Acker Länderei, 170 Wiesen,

737 7, fl Nadelholz, 2387« »» Laubholz, sowie 15 Teichen und Fischwassem nnd 248*/! Ackern Forstgrundstücken auf dem Spiegels- und Hiiienberge (zu dem nicht mitverkauften Martinroda gehörig) verkaufte die Herzogl. Kammer zu verschiedenen Zeiten Parcellen meist an die Gemeinden der fünf Ort- schaften und erhielt dadmch beinahe die Einkaufssumme wieder, während sie in dem Besitz der Schlossgebäude und der einträglichen (Jerechtigkeiten, Lehen, Erbzinsen, Jagd, Bergwerke, Waldungen etc. verblieb. Die Elgersburger Gerichte wurden erst am 2. Jan. 1830 aufgehoben und die fünf Dörfer dem neugebildeten Amtsbezirke Liebenstein (bei Haue), einverleibt

Seit 1837 ist eine Kaltwasser-Heilanstalt in Elgersburg, deren Bade- gäste jetzt das Schloss bewohnen, und an der Stelle der alten Witzleben- schen Guts-Gebäude am östlichen Fusse des Schlossberges steht seit 1808 eine grosse Porzellan- und Porphyr -Waaren- Fabrik; diurch Beide ist das Dorf Elgersburg in letzter Zeit sehr in Aufiiahme gekommen.

Die hochragende malerische Burg krönt ein isoUrtes Felsenhaupt, das sich 1671 Fuss über die Ostsee erhebt. Von drei Seiten ist der Berg wie ein abgeschnittener Kegel gestaltet, der mit Rasen bewachsen und mit einzelnen Bäumen bepflanzt ist; auf der Westseite aber grenzt er fast an den nahen, steil aufsteigenden Waldessaum, so dass er von dieser Richtung her am zugänglichsten ist.

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Die Elgersbnrg.

Süden

liiTrBT^i!Hiii#ifB^-iyr;J&

Man unterscheidet das obere und untere Schloss. Das untere nimmt in zwei rechtwinklig aneinanderstossenden Flügeln die Noi-d- und Ostseite des Berges ein. Die noch wohlerhaltenen Gebäude sind weit niedriger, als das obere Ritterhaus und jedenfalls auch später aufgeführt. Eine bequeme Auffahrt durch das westliche Hauptthor, vor dem sich ehemals eine Zug- brücke wölbte, und eine Stiege durch die Mauerpforte*) nächst dem runden Erkerthurme führen in den unteren Schlosshof. Auf demselben springt eine der vortrefflichsten Quellen, der vielgesegnete „Schlossbrunnen", der in Steinröhren 500 Puss weit vom Rumpeisberge hergeleitet wird. Auf der nordöstlichen Ecke ragen dicht neben einander zwei Thürme empor, ein runder weit vorspringender Eckthurm von mächtigem Mauerwerk, mit einer gewölbten Kuppel und die Jahreszahl 1567 tragend, und ein höherer viereckiger Thurm, der die beiden zweistöckigen Häuser mit einander ver- bindet. Unter dem runden Thurm gähnt das Burgverliess, das 16 Fuss tief auf dem Felsen aufsitzt Auf dem viereckigen Thurme, einem der

*) Darüber das schöne Wappen mit der Umschrift : Fried. Heinr. und Job Wilbebn von Witzleben, Gebrüder zu der Elgersburg MDCIII. (die III. ist nicht mehr zu lesen, aber auf einem Gypsabdruck in Angelrode zu finden.

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ältesten Bauwerke des Schlosses, der aus starken Sandsteinquadem auf- geführt und mit einer hölzernen Haube bedeckt ist, hängt eine Schlaguhr, die auf Staatskosten erhalten wird. In der Mauer dieses Thurmes sieht man noch einige Schiessscharten, die mit durchlöchei-ten Steinkugeln ver- schlossen werden können. Das Haus, das sich links (westlich) von den Thürmen hinzieht, ist jedenfalls später erbaut; es soll ehedem sehr elegant eingerichtet und zuletzt von der Wittwe Priedr. Hartmanns von Witzleben, einer geb. Freiin von Oppel bewohnt gewesen sein. Die Stallgebäude rechts (nach Süden) vom Thurme sind älter und urkundlich im Jahre 1438 erbaut.

Vom untern Schloss fahrt eine breite Keitertreppe, die in den Felsen gehauen ist, auf den Vorplatz des oberen Schlosses, der etwa 20 Puss höher liegt Das grosse zweistöckige ßitterhaus auf dem südlichen Abhänge des Felsens, mit dessen steil emporragenden Zacken die hohen Mauern künstiich verbunden sind, ist wohl erhalten, obschon im Innern vielfach umgestaltet Im kolossalen Mauerwerke zeigen sich Spuren des urältesten Baues. Eine breite Treppe fuhrt zu den Corridoren, an welche sich die Zimmer reihen, während sonst ein gewaltiger Kittersaal den westlichen Theil des oberen Stockwerks ausfüllte.

Eine niedrige, ehedem durch Thürme verstärkte Ringmauer mit davor- liegenden Graben umschliesst die Burg von der nördlichen, westlichen und östlichen Seite.

Die Aussicht auö den Fenstern des ehemaligen Rittersaales über das Dorf mit seinen blitzenden Teichen hinweg auf das bunte Landschaftsbild, das in den mannichfachsten.Schattirungen immer neue Reize entfaltet ist ebenso weit als prachtvoll.

k. Die Söhne Friedrichs von Witzlehen, des Herrn zn

der Elgershnrg. 1322—1394.

Nach dem Tode des mächtigen und angesehenen Ritters Friedrich von Witzleben, Herrn zu der Elgersburg, hat jedenfalls des Grafen Berthold von Henneberg (f 1340) Sohn, der reiche Graf Heinrich, die Elgersburg eingelöst, da wir sonst wohl einen von Friedrichs Söhnen als darauf sitzend erwähnt fänden.

Von Friedrichs Söhnen Eberlin und Iring ist nichts Interessantes zu erzählen, dagegen Einiges von den Anderen.

Hermannstein hat seinen sonderbaren Namen von der Heine Fehen-

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bürg Hermannstein bei Ilmenau. Er biess eigentlich Hermann und hatte wahrscheinlich im Auftrage seines Vaters zum Schutze der Elgersburg auf dem imposanten, bei Kammerberg an der um gelegenen Porphyrfelsen, eine Warte, d. h. einen engen runden Thurm, denn für mehr Gebäude war kein Platz vorhanden, erbaut, um von hier aus das Ilmthal und die von Süden kommenden Strassen übersehen zu können. Nach ihm wurde dieser Thurm Hermannstein genannt. Hermann war ein tapferer, fehdelustiger Ritter, der sich und seiner kleinen aber festen Burg bald einen Namen machte, so dass der seinige mit dem der letzteren identisch wurde. Am 27. April 1351 wird er zwar noch ein Mal bezeichnet als „Hermann von Witzleben, ein Bitter, genannt Hermannstein", aber lange vor- und nachher heisst er kurz- weg Hermannstein von Witzleben.

Den Hermannstein besass 1342 Hermanns Bruder Friedrich, doch hatten auch seine Vettern daran Theil, z. B. 1344 Heinrich und 13G2 Tizel von Witzleben, sowie Dietrich von Molschleben. Friedrich und diese beiden Letzteren verkauften 1362 ihren Theil von Hermannstein für 150 M. L S. an den Grafen Günther von Kefemburg, dem auch Friedrich*) von Witzleben zu Alkersleben den Rest der Burg 1373 für 40 M. 1. S. über- liess. So unbedeutend, wie sie z. B. in „Thüringen und der Harz" VIT. p. 322 dargestellt wird, muss die kleine Veste doch nicht gewesen sein, denn der Graf Günther von Kefemburg, der den nicht geringen Preis von fiast 200 M. S. dafür bezahlt hatte, nannte sich bis zu seinem Tode „Herr von Hermannstein." Zu Ende des 16. Jahrhunderts waren nrfch die Rudera der Burg zu sehen.**)

Mit dem Grafen Heinrich von Henneberg und seinem Sohn geriethen die von Witzleben, hauptsächlich wohl noch in Folge der Einlösung der Elgersburg, wegen der Güter zu dem Rode, Manebach, Gera, Angelrode und der unter dem Schlosse Elgersburg gelegenen Weingärten und Wiesen,***) die sie beanspruchten, in allerlei „vflaufte, brache", d. h. Streit und Meinungs- verschiedenheiten, die durch Giese von Steinau, Ritter, und Otto von Brandenstein gütlich beigelegt wurden, nachdem die von Witzleben allen

*) Friedrich scheint Schreibfehler zu sein; um jene Zeit lebte Heinrich von Witzleben zu Alkersleben.

*♦) , hegt ein hoher Berg, der Hermannstein genannt, auf welchem noch

Budera eines alten Schlosses zu sehen, und ist solcher Berg gar verödet, das anno 90 durch einen grossen Brand geschehen sein soll." Schreiben vom 29. Nov. 1598 in den Prozessftcten der Elgershurger Witzlehen im Archiv zu Gotha.

•**) Alle nicht weit von Ilmenau gelegen.

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ihren Ansprüchen auf die genannten Güter entsagt hatten. In dem, am 3. Mai 1351 von Friedrich und Hermanstein, Eittem, und Iring, Knecht, Gebrüdern von Witzleben, über diese Entsagung ausgestellten Revers, in welchem unter den Zeugen Hermann von Witzleben, Ritter, und Dizel von Witzleben, Knecht, genannt werden, hingen Friedrich und Hermannstein ihre Siegel, Iring aber, der ein eigenes Siegel nicht besass, gelobte, unter seiner Brüder Siegel den Vertrag zu halten.

Am 18. Juli 1354 überliess Graf Johann von Henneberg an die Brüder Friedrich und Hermannstein, Ritter, und ihren Vetter Tizel von Witzleben, Knecht, von den obengenannten Gütern den Hof zu Sachsenrode bei Ilmenau, den Friedrich schon früher besessen hatte, für 265 Pfund Heller wiederkÄuflich.

Die oben 1362 erwähnten Ritter Friedrich von Witzleben und Dietrich von Molschleben, sowie Tizel von Witzleben besassen auch gemeinschaft- lich das Dorf Tröchtelbom, nordöstlich von Gotha in .der Nähe von Molsch- leben, von Schwarzburg zu Lehn, verkauften es aber am 8. Mai 1351 an die Stadt Erfurt.

Der Ritter Friedrich von Witzleben diente treu seinen Lehns- herren, den Grafen von Schwarzburg, und hatte dem Grafen Johann bei einer Reise nach Magdeburg, wo sie am 27. Oct 1363 eingeritten waren, „einen stattlichen Beistand geleistet". Er war auch des Grafen Burgmann auf dem Schlosse Liebenstein und erhielt am 5. November 1363 den Hof vor diesem Schlosse nebst 4 M. S. jährlicher Zinsen von Gütern zu Angelrode als Burggut und ausserdem 5 M., weil er die Burgmannschaft von Lieben- stein übemonmien.

Auch Hermannstein war frühzeitig in die Dienste der Grafen von Schwarzburg getreten und begleitete sie auf ihren vielfachen friedlichen und kriegerischen Zügen.

Am 16. Sept. 1 350 befand er sich mit dem Grafen Heinrich in Halberstadt bei dem Bischof Albrecht, dann folgte er den Grafen Günther und Johann, als diese dem Markgrafen von Meissen um 1350 Düben, und etwa 10 Jahre später Albrechtsheim belagern halfen, und erlitt bei beiden Gelegenheiten bedeutenden Schaden an Pferden.

In den Jahren 1367 und 68 war Hermannstein von Witzleben sogar Kammermeister, d. h. Kammerdirector oder, nach heutiger Redeweise, Finanzminister des wüsten und sinnlichen Markgrafen Otto V. (des Finnen oder Faulen) von Brandenburg. In den drei betreffenden Urkunden d. d. Berlin 22. Juli 1367, Spandau 1. September 1367 und Berlin 3. Mai 1368

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wird er zwar nur Hennanus de Hermannstein, camorae nostrae Magister, genannt, aber aus dem Zusammensein mit dem Grafen Günther von Schwarz- buj^-Amstadt*), dem Grafen Friedrich von Orlamünde und dem Burggrafen Dietrich von Kirchberg geht wohl zur Genüge hervor, dass dieser Kammer^ meister unser Hermannstein von Witzleben war; ein Adelsgeschlecht von Hermannstein hat nie existirt

1377 war er wieder in Thüringen und machte zusammen mit andern Rittern Geldgeschäfte mit einigen Juden zu Erfurt und Weissenfeis im Betrage von 105 Pfand Heller.

Die Grafen von Schwarzburg waren um diese Zeit mit mehreren Bittem aus dem alten, aus der Mark Brandenburg entsprossenen, fränkischen Geschlechte von Exdorf in heftige Fehde gerathen.- Mit Hülfe ihres treuen Bitters Hermannstein von Witzleben gelang es ihnen, die Brüder von Ex- dorf zu besiegen und gefangen zu nehmen, die, um des Gefängnisses ledig zu werden, ein bedeutendes Lösegeld zahlen und am 26. August 1377 den Grafen von Schwarzburg und „Em Hermansteyn von Wiczleiben, Ritter", eine rechte Urfehde „zu den Heiligen mit vfgereckten vingem" schwören mussten.

Aber auch bei den Landgrafen von Thüringen stand Hermannstein in grossem Ansehn. Diese verpfändeten ihm und seinen Söhnen Fritz und Heinrich das Schloss Wachsenburg, das sie von den Grafen von Schwarz- burg erworben hatten, im Jahre 1382 für 700 und im nächsten Jahre fiir 1200 M. 1. S. und ernannten ihn zu ihrem Amftnann auf dieser wichtigen Burg. Femer versetzten sie ihm, ebenfalls 1383, die Hälfte des Dorfes Apfelstedt bei Neudietendorf zwischen Erfurt und Gotha, also nicht weit von der Wachsenburg gelegen.

Zwischen 1388 und 1393 ist endlich Hermannstein gestorben; 1393 2. Februar heisst es: „Wir Fricze und Heinrich von Witzeleiben, Hem

•) Die Verbindungen der Grafen von Schwarzburg mit den Markgrafen zu Brandenburg a. d. H. Witteisbach rührten daher, das Graf Günther (der spätere Kaiser) vom Jahre 1330 an, in dem er sich der Lehn wegen nach München begeben hatte, in den Diensten des Kaisers Ludwig des Baiern und dessen Sohnes Ludwig L Markgrafen zu Brandenburg, lange Zeit Bath, Feldobrister und Statthalter der Mark Brandenburg war. Ludwig I. war Markgraf von 1324 51, und trat 1351 die Mark an seine Brüder Ludwig und den noch unmündigen Otto gegen Oberbaiem ab. Ludwig n., der Römer, starb kinderlos 1365, so dass Otto V. allein regierte, bis er 1373 die Mark gegen ein Jahrgeld und einige Besitzungen in der Oberpfalz dem Kaiser Karl IV. abtrat

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Hcrmannsteins seligen Söhne Gernod von Kobinstete unser Schwager."

Es hatte also Hermannstein auch eine Tochter, die an Gernod von Kohen- stadt vermählt war. Seine Gemahlin scheint Frau Lise von Witzleben gewesen zu sein, die mit den Brüdern Fritz und Heinrich von Witzleben am 24. Juni 1398 unter den Gläubigern der Grafen Hans und Günther von Schwarzburg genannt wird.

1. Hermannsteins Söhne: Fritz und Heinrich von

Witzleben. 1382 1406.

Fritz und Heinrich von Witzleben, des alten tapferen Ritters Hermannstein Söhne, haben wir bereits 1 382 und 1383, als ihnen Wachsen- burg und die Hälfte des Dorfes Apfelstedt von den Landgrafen von Thüringen versetzt wurde, kennen gelernt. Beide gelangten bald zu Anselm und hohen Würden.

Fritz war bereits 1385 Ritter und wurde 1395 Rath und 1405 Hof- meister des Landgrafen Balthasar, in dessen Urkunden er gewöhnlich „er Fritsche von Witzleben, Ritter," genannt wird.

Heinrich trat in die Dienste des Landgrafen Balthasar und wurde dessen Amtmann zu Heldburg in Franken, welche Stellung er mit Unter- brechungen bis in das Jahr 1417 bekleidet«; In den Jahren 1411 u. 12 war er des Landgrafen Friedrich Marschall.

üeber die aus dem Jahre 1383 herrührende Pfandschaft der Wachsen- burg wurden am 2. Februar 1393 neue Bestimmungen vereinbart. Der Pfand- schilling betrug noch immer 1200 M. 1. S. Während des Besitzes waren die Brüder von Witzleben des Landgrafen Amtleute auf der Wachsenburg; die Ablösung sollte ein Vierteljahr nach der Kündigung geschehen. Ferner wurden zum Ausbau des Schlosses 100 Schock Freiberger Groschen an- gewiesen und am 30. Mai 1399 eine ähnliche Summe.

Aber bereits im folgenden Jahre schuldete der Landgraf Balthasar an Fritz und Heinrich noch 377 M. 1. S. und setzte ihnen am dafür 6. Juli 1394 zum Pfände ein sein Schloss Liebenstein mit allen Zugehörungen, das Dorf Elleben, Zinsen und Renten zu Marlishausen, Danheim, Siegelbach, Dom- heim, Arnstadt .und Branchewinda, unter gleichen Bedingungen wie die Wachsenburg.

Nach 10 Jahren waren die Landgrafen Balthasar und Friedrich ihren

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treuen Dienern Fritz und Heinrich von Witzleben abermals 500 Schock Freiberger Groschen schuldig, die diese, als sie die Voigtei zu Heldburg verwalteten, theils an diesem Schlosse verbaut, theils aber Heinrich an Pferden im landgräflichen Dienst eingebüsst hatten; jene Summe wurde am 3. Mai 1404 auch auf Liebenstein geschrieben.

Trotz dieser ausstehenden Forderungen waren beide Brüder um eben diese Zeit im Stande, von Werner von Weidensee Güter zu Molsdorf zu kaufen, mit denen sie 1404 vom Landgrafen Balthasar belehnt wurden.

Der Ritter Fritz von Witzleben kommt nach dem Jahre 1405 nicht mehr vor. Er hinterliess eine Tochter, welche sich mit Eckarius von der Tann vermählte, und vier Söhne: Christian, Dietrich, Heinrich und Conrad, denen ihr Oheim Heinrich, der nun als „der Aeltere" bezeichnet wird, treu wie ein Vater zur Seite stand, wogegen sie in kindlicher Pietät Nichts ohne seinen Bath unternahmen.

HL. Heinricli d. 1. von Witzleben nnd seine Neffen:

Christian, Dietrich, Heinrich und Conrad,

1410-1450.

Von den Söhnen des landgräflichen Hofmeisters Fritz von Witzleben .finden wir Christian (meist Kerstan genannt) als Ritter bald nach seines Vaters Tode im Gefolge des Landgrafen Friedrich. Erst 1425, nach- dem ihm nebst seinem Oheim und seinen Brüdern das Schloss Elgersburg versetzt war, nahm er hier seinen festen Wohnsitz, aber schon im nächsten Jahre folgte er dem Aufruf der Kurfurstin Katharina von Sachsen zur Hülfe gegen die Hussiten und fiel in der Schlacht bei Aussig am 16. Juni 1426*)

In Bezug auf Dietrich, Heinrich d. J. und Conrad verweisen wir auf die Stammtafel

Der Oheim dieser vier Brüder, der Ritter Heinrich d. Ä. von Witzleben, Amtmann zu Heldburg und Marschall des Landgrafen Friedrich in Thüringen, war nächst dem Hofrichter Christian von Witzleben, dem

*) Ausführlich Th. II. p. 31 u. fFg. Die daselbst p. 32 geschehene Erwähnung seiner 5 Söhne rührt ans den Chroniken und Stammtafeln, nicht aber aus Urkunden her. Wahrscheinlich zog er mit den Grafen Ernst, Friedrich und Adolf zu Gleichen aus, wie wir aus einer Urk. Yom 1. Mai 1426 schliessen, in der diese Grafen, da sie gegen die Hussiten ziehen woUten, dem Kloster U. L. Fr. zu Arnstadt 8 Mark 1. S. Ton ihren Jahrrenten zu Emmeleben versetzten und darüber zur Vormundschaft be- stellten den Grafen Heinrich von Schwarzburg, Heinrich d. Ä. u. die Brüder Dietrich, Heinrich u. Conrad von Witzlehen, sowie die Bürgermeister der Stadt Arnstadt.

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Stammvater des Hauses Wendelstein, wohl der Reichste unseres ganzen Geschlechts. Zum grossen Theil stammte sein Reichthum von seinem Vater, dem alten Ritter Hermannstein, her, und da von dessen Verlassen- schaft die andere Hälfte durch Fritz von Witzleben auf die NefiFen Heinrichs gekommen war, so ist hierin der Grund zu suchen, warum Oheim und Neflfen namentlich in Geldgeschäften meist gemeinschaftlich handelten. So war er in der Lage, seinen Lehnsherren Geld vorschiessen zu können, wofür ihm diese Güter und Gefälle versetzten, durch deren Ertrag sein Einkommen sich mehr und mehr vergrösserte.

Theils allein, theils mit seinen Neflfen besass er pfandweise

1. Von Schwarzburg:

a. im Jahre 1408 den Antheil des Grafen Günther an dem Dorfe Langenwiesen,

b. seit 1414 das Dorf Pennewitz,

c. seit 1416 Schloss und Stadt Plane mit allen Gerichten und Rechten, der Bete und den Zinsen, jedoch ohne den Zoll, die Fisch wasser, die Kirch- und Ritterlehen, für 968 Rhein. Gulden; im Januar 1420 wurde ihm dies Schloss (die Ehrenburg) und die Stadt Plane bis an sein Lebensende überwiesen,

d. 1418 23 Gulden Zinsen aus der Stadt Hm für 230 Gulden,

e. 1423 Schloss und Stadt Rudolstadt für 1111 Mark 1. S., jede zu 6 Rhein. Gulden gerechnet; 1426 abermals Rudolstadt und das Städtchen T ei chel (für 6000 Rhein. Gulden), welche ihm, nachdem sie 1427 eingelöst waren, schon im folgenden Jahre wieder för 6000 Gulden versetzt wurden und zwar auf Lebenszeit, jedoch unter der Bedingung, dass sie nach seinem Tode ohne Erstattung der Pfandsumme zurückfallen sollten.J

f. 1423 60 Gulden an den jährlichen Renten der Dörfer Klein- Liebringen und Nahwinden.

2. Vom Landgrafen in Thüringen:

Liebenstein und Wachsenburg. Im Jahre 1412 erlaubte ihm der Landgraf, den Hof vor dem Schlosse Liebenstein vonHeinrich Vitzthum zu kaufen und versprach, ihm das Kaufgeld und was er daran verbauen würde, wieder zu erstatten. Die Wachsenburg löste der Landgraf zwar um 1420 ein, verpfändete sie ihm aber schon wieder 1421. Mit der Wachsenburg zugleich war ihm auch das Dorf Mols dorf versetzt, in welchem er und seine Neffen einige Höfe als Lehn besassen.

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Und als 1422 Heinrich dem Landgrafen wieder 1880 Gulden lieh, er- hielt er daför zum Pfände das Schloss Schar fenberg im Eisenach'schen. 1425 versetzte der Landgraf an Heinrich und seine vier Neflfen auch das Schloss Elgersburg (mit Ausnahme des Waldes) für 400 Mark 1. S.

Diese vier Schlösser hatte Heinrich bis zu seinem 1430 erfolgten Tode inne; Liebenstein kam dann als Pfand für 1700 Khein. Gulden ah Pritz von Primär, die andern und Molsdorf fielen an seine Erben.

Auch an die Grafen von Gleichen und von Orlamünde hatte Heinrich zu wiederholten Malen nicht unbedeutende Summen verborgt, wie auch sonst noch kleinere Summen, für die ihm Gefälle und Zinsen versetzt wurden.

Zu Lehen besassen Heinrich und seine Neffen L vom Landgrafen Priedrich in Thüringen:

a. nach dem Lehnbrief vom 12. Aug. 1415 das Dorf Kettmanns- hausen, die Hälfte des Dorfes Neusis, 3 Pfiind u. 2 Schillinge Zinsen zu Gerbitzhausen, ein freies Bmggut in der Vorburg des Schlosses Elgersburg, sowie ein anderes Burggut daselbst, welches dem verstorbenen Kunemund von Witzleben gehört hatte, die Mühlen zu Gera, das halbe Dorf Martinroda, welches ebenfalls Kunemund besessen hatte, 26 Acker Wein wachs an dem Pockenberge und 5 Acker desgl. an dem Hausberge zu Molsdorf, 3 Höfe und 15 Hufen zu Molsdorf, eine Pisch weide an der Gera, 8 Acker Wein- wachs zu Wölfis, femer Güter und Zinsen in den Dörfern Crawinkel, Gossla, Bittstedt, Holzhausen, Harhausen, Dietendorf und Apfelstedt,

b. nach einem Lehnbriefe vom Jahre 1419 Zinsen im Dorfe und Pelde zu Bösleben,

c. nach einem Lehnbriefe vom Jahre 1426 einen Hof zu Molsdorf, welchen sie Lutz von Entzenburg abgekauft hatten;

n. von den Grafen von Henneberg laut Lehnbrief vom 5. Nov. 1427 das Dorf Boda und den Grund zu Eeichenbach mit Zubehör, des Dorfes Martinroda und ein Vorwerk daselbst, das halbe Dorf Neusis, das Dorf Heida und das halbe Dorf Schmerfeld, alle mit Gerichten über Hals und Hand;

ni. vom Grafen Heinrich von Schwarzburg nach einem Lehnbrief vom Jahre 1419 mancherlei Erbzinsen, mit denen sie schon von dessen Tater, dem Grafen Günther, belehnt gewesen waren.

Selbstverständlich kam von diesem enormen Keichthum, der Sitte der

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damaligen Zeit zufolge, Manches der Geistlichkeit zu gute. Namentlich wurde die Liebfrauenkirche zu Arnstadt, in deren Nicolaikapelle sich ein Erbbegräbniss unserer Familie befand, mit reichen Dotationen bedacht

Im Jahre 1412 hatte Heinrich d. Ä. von Witzleben, der damals auf dem Liebenstein hauste, in Gemeinschaft mit Ludwig von Meldingen, Pfarrer zu Blankenburg, in dieser Kapelle zu Ehren der Jungfrau Maria, der heiligen Agnes*) und des Märtyrers Levin einen Altar gestiftet und mit ansehnlichen Einkünft;en versehen. Ludwig von Meldingen gab- mit Genehmigung des Grafen Günther von Schwarzburg 2 Acker eines Wein- berges bei Blankenburg, Heinrich von Witzleben aber mit Genehmigung des Landgi-afen Friedrich jährliche Zinsen, welche er von Albrecht von Greussen gekauft hatte, nämlich 8 Pftmd 15 Schillinge, S\'i Motzen Hafer u. 4 Asch Erbsen zu Gossla, 5 Pfand Pfennige, 1*/« M. Hafer, 11 Hühner u. 2 Gänse zu Harhausen, 40 Schillinge, 2\U M. Hafer, 17 Hühner u.

3 Gänse zu Holzhausen, 26 Schillinge und 6 Pfennige, 1 Gans, 2 Hühner u. Vi M. Hafer zu Röhrensee u. 2 Pfand Pfennige, 1 ^/-i M. Korn, 1 Gans u. 5 Hühner zu Bittstedt. Er behielt sich die Erb-Lehnschaft an diesen Zinsen vor, auf welche erst am 5 Juli 1435 seine Erben, die Brüder Dietrich und Heinrich, verzichteten.**)

Im Frühjahr 1419 machten ausser Heinrich d. Ä. auch seine vier Neffen dem Piobste und den Vicaren U. L. Fr.-Kirche zu Arnstadt eine Stiftung, wozu am Sonntag Reminiscere der Lehnsherr Graf Heinrich von Schwarzburg seine Genehmigung ertheilte. Diese Stiftung bestand aus

4 Höfen, 3 Weingärten, 1 Garten an der Gera u. 1 Hufe Landes in der „Thung" und sollte zu einem „Begängniss" dienen, d. h. es sollten daför Seelenmessen zum Gedächtniss Verstorbener gelesen werden.

Im Jahre 1426 bestimmte der Ritter Christian von Witzleben, ehe er gegen die Hussiten zu Felde zog, die bedeutende Summe von 100 Mark 1. S. zu einer anderweitigen Stiftung in derselben Kirche. Nach seinem Tode setzten sein Oheim und seine Brüder das Nähere darüber fest

*) V. Hellbach, L. F. K. zu Arnstadt, nennt sie p. 44. Agnes, p. 107. aber Agathe, wie P. Jov. in Schöttgen u. Kreys. Dipl et Script. Hist. Germ. I. p. 260. In der im Archiv zn Sondersh aasen hefindlichen Bestätignngs-Ürk. des Landgrafen Friedrich üher die von seinem Marschall Heinrich von Witzlehen gemachte Stiftung, 1412 am Donnerstage vor vocem jucunditatis, steht „zur Ehre b. Mariae v., 8. Agnetis und Livini m.**

**) In dem Original dieser Urkunde (Arch. zu Sondershausen) steht aber „s. Agathae" statt 8. Agnetis.

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in einer langen Urkunde vom 11: Nov. 1426, welche zuerst in den „Un- schuldigen Nachrichten" vom Jahre 1721, p. 525 527, und danach im Zedier, Bd. 57, p. 2011 und in Königs Ad. Hist. I. p. 1060 mit unzähligen Fehlem*) abgedruckt ist. Wir lassen sie, da sie zur Erklärung der in dieser Geschichte so oft vorkommenden Ausdrücke Seelgerede, Begängniss, Seelengedächtniss etc. dient und in Bezug auf die religiösen Anschauungen zu Anfang des 15. Jahrhunderts von allgemeinerem Interesse ist, im Aus- zuge und in neuhochdeutscher Sprache hier folgen:

„Wir Heinrich von Witzleben, gesessen zur Wachsenburg, Dietrich, Heinrich und Curt von Witzleben, Gebrüder, seine Vettern, bekennen öffent- lich in diesem Briefe und wollen, dass es wissentlich sei ewiglich allen Leuten und besonders denen, welchen wir unsere Seelengerede befohlen haben oder welchen sie in künftigen Zeiten befohlen werden, dass der gestrenge Ritter Er Kerstan von Witzleben zu der Elgersburg gesessen, unser lieber Vetter und Bruder gottesseliger, und wir betrachtet haben unserer lieben Eltern Seelen, aller unserer Vorfahren, die von hinnen ge- schieden sind und hernach verscheiden werden, beides. Mann und Frauen aus unserm Geschlechte, und auch unserer eigenen Seelen Seeligkeit und haben Gott zu Lobe, der Jungfrau Maria und allen Gottesheiligen zu Ehren, sowie zu Hülfe und Trost allen gläubigen Seelen und sonderlich den Seelen, die aus unserm Geschlechte von Witzleben verschieden sind oder noch ver- scheiden, ein ewig Seelgerede gestiftet und gemacht in unserer lieben Frauen Kirche zu Arnstadt, da unser Begräbniss ist, in aller Maasse, als hiemach geschrieben steht

Zum Ersten, so hat der vorgenannte Ritter Er Kerstan von Witzleben zu diesem Seelgerede beschieden und gegeben 100 Mark 1. S., wofür gekauft sind 8 Mark 1. S. ewigen jährlichen Zinses an dem Dorfe zu Witzleben, nach Ausweisung des Briefes, der darüber gegeben und dem Probste und der Priorin desselben Klosters zu Arnstadt überantwortet ist; diese 8 Mark sollen zu diesem Testament und Seelgerede ewiglich folgen und fallen, wie hiemach geschrieben steht Zum ersten sollen von den genannten 8 Mark alle Jahr jährlich folgen und fallen 3 Mark zu zwei Vicarien in derselben Kirche, nämlich l'/s M. zu dem Altar St Peters und Pauls und r/2 M. zu dem Altar St Georgs, welche unsere Eltem gestiftet haben. Die Vicare der genannten zwei Vicarien sollen solch Geld

*) Darunter vor allen der famose Name „Pietter Erkerstein von Witzleben", den der ernte Abschreiber aus „Ritter Er Kerstan von Wiczeleyben" fabricirt hat.

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jährlich erheben zu der andern Zugehörung, die schon vor Alters dazu ge- hört hat, mit der Bestimmung, dass jeder drei Messen in jeder Woche ewiglich halten und bestellen soll, wie er es bisher gethan hat. Diese sechs ewigen Messen hat Er Kerstan, unser lieber Vetter und Bruder seliger, sonderlich gestiftet und hat deshalb die genannten zwei Vicare mit 3 M. jährlich gebessert, auf dass man die sechs Messen ewiglich halten solL Sollte einer der Vicare im Messehalten säumig werden, so sollen unsere Vormünder, denen wir das befohlen haben oder denen es noch befohlen wird, wie hernach geschrieben ist, sich halten an die 1 V* Mark, oder an die 3 Mark, wenn beide säumig werden, und den Vicai'en nichts davon reichen, bis sie die Messe gänzlich bestellen, wie es oben geschrieben steht

Danach sollen von genannten 8 Mark Silbers folgen VU M. jährlich den Jungfrauen und dem ganzen Convent in das Kloster daselbst, ebenso wie 5 Gulden jährlicher Zinsen an dem Dorfe Harhausen, welche gekauft sind fQr 50 Gulden, wofür ein silberner (Kelch?), den der genannte Er Kerstan von Witzleben sei. dazu bestimmt und gegeben hat, verkauft ist, und femer 7 Pfund Geldes, die vor Zeiten von unsem Eltern vermacht sind, mit der Bedingung, dass die genannten Jungfrauen alle Monate be- gehen sollen mit Vigilien und Seelenmessen unserer Eltern Seelen, unserer und aller derer Seelen, die aus unserm Geschlechte verschieden sind oder noch verscheiden.

Diese Begängnisse soll man also halten: Die Jungfrauen sollen alle Monate an dem Tage, an welchem sie Begängnisse der edlen Herrschaft zu Schwarzburg mit der Seelenmesse gehalten haben, des Abends vigilia singen mit einer Lection und am folgenden Tage Seelenmesse mit den Priestern und Schülern, und das halten in derselben Weise, wie sie der Herrschaft von Schwarzburg Begängnisse mit Vigilien und Messen begangen haben. Und damit die Jungfrauen zu jeglicher Zeit des Begängnisses für ihre Ai-beit belohnt werden, haben wir festgesetzt, dass die Vormünder die genannten 2'/» Mark und 5 Gulden erheben, in 12 Theile theilen und davon 1 Theil zu jedem Begängniss in jedem Monat den Kloster-Jung- frauen zu Präsenten geben sollen, je nach dem es den Vormündern dieses Testaments und sonderlich dem Probst und der Priorin am besten und nützlichsten dünkt Dazu sollen auch dienen jene 7 Pfund, welche unsere Eltern zu einem Testament gemacht haben. Sollten die Jungfrauen einmal des Begängnisses säumig werden, so sollen ihnen die Vormünder den Theil des Geldes, der in dem betreffenden Monat zu Präsenten be-

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stimmt ist, nicht geben, bis sie das Begängniss vorachriftsmässig ans- gericbtet haben.

Ferner sollen von den genannten 8 Mark Silbers jährlich erhalten 2 Mark und auch die 50 Schilling Pfennige ewigen Geldes, die unsere Eltern dazu gegeben haben, der Probst, der Pfarrer und alle Vicare, die belehnt sind in der genannten Kirche, oder die, welche die Vicarien versehen, und die Schul- meister und Kirchner folgendennassen: die Genannten sollen alle Monat einmal an dem Tage nach dem Begängnisse der Herrschaft von Schwarz- burg vigilia singen mit einer Lection und am Tage darauf Seelenmesse, die sollen sie singen mit den Jungfrauen und löbliche Begängnisse und Gedächtnisse halten aller derer, die aus dem Geschlecht der von Witzleben geschieden sind und zum Trost aller gläubigen Seelen, und die Messe soll man halten über dem Altar St Peters und Si Pauls. Diese 2 Maik und die 50 Schillinge sollen die Vormünder in 12 Theile theilen und folgender- massen ausgeben. In jedem Monat am Tage des Begängnisses sollen sie den genannten Priestern zu Präsenten geben: dem Probste V/\ Schilling, dem Pfarrer 1 Schilling, woffir er alle Sonntage ewiglich auf dem Predigt- stuhle gedenken soll aller der Seelen, die aus dem Geschlechte der von Witzleben verschieden sind; und danach soll man den Prühmesseherren, jeglichem Vicar, geben als Präsente so viel als ihm an dem Gelde gebühren mag; das sollen aber die Vormünder und Testamentarien an dem Gelde zu jeglicher Zeit des Begängnisses gleich theilen, so dass einem Vicar so viel werde, als dem andern, dem Schulmeister soviel, als einem Vicar, dem ünterweiser und dem Kirchner halb soviel, wie der Gebrauch ist etc.

Die noch übrige Vi Mark soll man den Altarleuten und Vormündern der Kirche jährlich am Martinstage auszahlen. Dafür sollen sie etliche Lichter aufstecken und brenhen lassen zu Vigüien und zu Seelenmessen und sollen bestellen, dass man die grosse Glocke läuten soll zu der Messe, und der Kirchner soll breiten eine Decke zu Vigilien und zu Seelenmessen vor den

Altar St Peters und St Pauls und darauf setzen die sanmit dem

lichte, wie es gebräuchlich ist; das soll man so halten ewiglich zu jeder Zeit des Begängnisses in jedem Monat.

Damit dieses Seelgerede und Begängniss in allen Stücken nach der beschriebenen Weise andächtig und ewiglich unverrückt gehalten und be- gangen werde, haben wir auserwählt und erkoren und setzen zu Vormündern und Testamentarien den Grafen Heinrich zu Schwarzburg, alle seine Erben und Erbnehmer, Herren zu Arnstadt, und die Kathsmeister und Käthe der

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Stadt Arnstadt als Obervormönder dieses Testaments, und dann den jedes- maligen Probst des Gotteshauses zu Arnstadt und den Priester, der unser

belehnter Vicar des Altars St. Peters und St. Pauls ist Da nun

die Grafen von Schwarzburg und der Rath zu Arnstadt sich nicht immer darum bekümmern können, haben wir festgesetzt, dass der Probst und unser belehnter Vicar die 8 Mark, 5 Gulden und 50 Schillinge jährlich

erheben und der Bestimmung gemäss ausgeben sollen. Dieser Brief

soll jährlich einmal, an dem Tage, an dem der Testamentsbrief der Herr- schaft gelesen wird, gelesen werden, damit dieses Seelgerede nimmer ver- gessen werde Und befehlen allen unsem Erben und Nachkonmien

das also ewiglich zu halten und nimmer zu hindern, auf ihre Ehre und Treue. Und des zu einer ewigen Sicherheit haben wir Heinrich von Witz- leben, gesessen zur Wachsenburg, Dietrich, Heinrich und Gurt von Witz- leben, Gebrüder, seine Vettern, unser Jeglicher sein eigen Insiegel vor uns und alle unsere Erben und Nachkommen gehangen an diesen offenen Brief etc. etc. der gegeben ist nach Christi unsers Herrn Geburt 1426, am St Martinstage, des heiligen Bischofs."

Dem im Jahre 1412 von Heinrich d. Ä. von Witzleben gestifteten Altar der heiligen Agnes und Levin verehrten die Brüder Dietrich und Heinrich von Witzleben, nachdem sie, wie schon bemerkt, am 5. Juli 1435 auf die früher reservirte Erblehnschaft an den betrefifenden Zinsen ver- zichtet hatten, im Jahre 1437 zwei Acker von ihrem Weinberge am Fockenberge (bei Wachsenburg).

Um diese Zeit und nach 1445 war Margaretha von Witzleben Priorin des Jungfrauen-Klosters St. Benedicti zu Arnstadt,*) jedenfalls eine Schwester der Wohlthäter der dortigen Kirche.

Der fromme Kitter Heinrich d. Ä. von Witzleben war in der ersten Hälfte des Jahres 1430 gestorben und hatte seine bedeutenden Güter seinen Neflfen Dietrich, Heinrich und Conrad von Witzleben und zum Theil, wenig- stens was das Baarvermögen betrai^ deren an Eckarius von der Tann ver- mählten Schwester hinterlassen. Die Schwarzburgischen Pfandschafl;en, namentlich Rudolstadt und Plane, fielen ohne Weiteres an die Herrschaften zurück, die andern unwesentlicheren scheint Heinrich übernommen zu haben, der auch von Henneberg Ilmenau erhielt Ebenfalls in seinem Besitz finden wir bald sänmitliche Lehngüter, während er die Landgräflichen Pfend-

*) T. Hellbach, L.-F.-K. zu Arnstadt p. 80 und Nachtrag dazu p. 14.

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Schäften ^Liebenstein war eingelöst) mit Ausnahme von Wachsenbmg seinen Brüdern und seinem Schwager überliess.

Um sich nmi auseinanderzusetzen, kündigten diese dem Landgrafen ihren Theil der auf Wachsenburg stehenden Pfandsumme, im Betrage von 1200 Mark, welche derselbe aber nicht zahlen konnte oder wollte. Am 17. August 1430 fand daher zu Eisenach „ein Teiding" statt, wonach der Landgraf sich mit seinen drei Gläubigem und diese sich untereinander derart abfanden, dass Gurt von Witzleben das Schloss Elgersburg, das er schon inne hatte, behielt, Dietrich von Witzleben das Dorf Molsdorf mit den dazu gehörenden Zinsen und Gerichten, und Eckarius von der Tann das Schloss Scharfenberg bekam und jedem sein Antheil an den Wachsen- burger Geldern auf seine Pfandschaft hinzugeschrieben werden sollte.

Wegen Elgersburg wurde noch ausdrücklich festgesetzt, dass es Gurt für seine Lebenszeit innehaben und eine Kündigung erst nach seinem Tode eintreten dürfe; doch könne er nach Belieben an dem Schlosse bauen, ohne dass aber dem Landgrafen das verbaute Geld je angerechnet werde. Wachsen- burg übernahm Heinrich von Witzleben, von dem jedoch in dem oben angeführten Teidingsbriefe gar nicht die Eede ist

Eckarius von der Tann vermochte sich aber nicht vollständig mit seinen Schwägern auseinanderzusetzen, es wurde vielmehr noch lange zwischen ihnen hin und her gehandelt und „doch doran irretum wurden ist", namentlich wegen des von ihm auf 200 M. berechneten Antheils, bis endlich am Mittwoch nach Reminiscere 1432 zu Weissensee durch die Landgräflichen Bäthe folgender Vergleich getroffen wurde: Eckarius' von der Tann, oder viel- mehr seiner Gemahlin Antheil an der Hinterlassenschaft Heinrich's d. Ä. von Witzleben war auf 2000 Fl. berechnet worden, welche seine Schwäger Dietrich, Heinrich und Gonrad von Witzleben ihm zahlen mussten. Davon sollten 1800 Fl. für Scharfenberg, das er übernommen hatte, gerechnet, 200 PI. ihm baar gegeben werden. Der Landgraf verschrieb ihm nun zu jenen 1800 FL, die er ja zahlen musste, noch 1000 Fl., so dass Eckarius und seinen Erben das Schloss Scharfenberg mit allen Dörfern, Gerichten und Zugehörungen, jedoch ohne den Wald, wie es früher Heinrich d. Ä. Yon Witzleben innegehabt hatte, künftig für 2800 Fl. für seine Lebenszeit verpfändet sein, er aber des Landgrafen „gehulter vnd gesworen mann" werden (d. h. ihm huldigen und schwören) und demselben mit einigen Hofleuten und „Glenen" (mit Speeren Bewaffneten) zu Dienst reiten sollte.

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Ferner mussten Eckarius und seine Hausfrau versprechen, denen von Witz- leben einen neuen Verzichtleistungsbrief zu geben.*)

In demselben Jahre 1432 erhielt Dietrich von Witzleben vom Land- grafen Friedrich einen Lehnbrief über das Dorf Molsdorf. Es heisst darin, dass Molsdorf ehedem mit Wachsenburg als Pfand Heinrich d. Ä. gehört habe und nach dessen Tode an Dietiich gefallen sei, dem es der Landgraf überlassen. In die gesammte Belehnung wurden mit aufgenommen Heinrich, Ritter, auf dem Hause Wachsenburg, und Curt von Witzleben, Dietrichs Brüder.

Als Schwarzburgisches Lehn besass Dietrich zusammen mit seinem Bruder Heinrich das Dorf Breitenbach (1445), während er 1449 vom Herzog Wilhelm dem Tapfem über Liebenstein mitbelehnt wurde.

1433 verkaufte er wiederkäuflich 5 M. 1. S. jährlicher Zinsen von dem Hofe zu Molsdorf für 75 M. an die Stadt Erfurt, und am 24 Doc.

1434 ebenso auf 6 Jahre den ganzen „wehrhaften Hof zu Molsdorf* mit 6 Hufen Artland, 8 Acker Weiden und Wiesen und 4 Acker Weingarten für 500 Ehein. Gulden an den Erfui-ter Bürger Heinrich Paradis imd dessen Söhne. Nach 6 Jahren, 1441, wurde diese Verpfändung erneuert und Dietrich zog sich nach Arnstadt zurück, daher es 1446 heisst: „Dittherich von Witzleubin ictzunt zcu Amstete wanhafRig."

Er starb vor dem Jahre 1445 und hinterliess keine Söhne, sondern nur eine Tochter, welche mit Dietrich von Heitingsburg vermählt war (1455).

Der Ritter Heinrich von Witzleben erhielt 1434 gegen die Heraus- gabe des Pfandes Wachsenburg vom Landgrafen Friedrich das Schloss Lieben- stein erblich verliehen und wurde der Stifter der Liebensteiner Linie, welche heute noch in Oldenburg und Dänemark florirt Von ihm und seinen Nachkommen wird in der HI. Abtheüung dieses Bandes die Rede sein.

Conrad oder Curt von Witzleben lebte, wie wir wissen, auf der Elgersburg, die ihm fiir seine Lebenszeit eingeräumt war. Da sie aber

1435 an seinen Bruder Heinrich versetzt und Conrad nach dieser Zeit nicht mehr erwähnt wird, so ist er wohl kurz vor 1435 gestorben. Nach- kommen scheint er nicht hinterlassen zu haben, denn die Lehngüter, die er und seine Brüder besassen, finden wir alle im Besitze der Nachkommen seines Bruders Heinrich.

*) Eckarius von der Tann war ein unruhiger, streitsüchtiger Charakter, der auch mit dem Landgrafen in Zwist gerieth. 1434 wurde er von diesem und dem Landgrafen Ton Hessen auf dem Scharfenberg belagert, die Burg erobert und ihm abgenommen, s. Zeitschr. d. Thür. Ver. zu Jena. VI. p. 290.

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I. Absclmitt

Von der Gründung der Elgersburger Linie

bis zur Stiftung der Linien zu Neuroda,

Bösleben und Elgersburg-Grossliebringen,

1437-1616.

a. Die Brüder Fritz und Iring von Witzleben, U37-1480.

l einrieb von Witzleben, gesessen zu Alkersleben 1379 und Amtmann zu Borna ^^91 94 (s. S. 40 u. 41) binterliess einen Sohn: Fritz von Witzleben genannt von Borne. Fritz kommt 1402 als Kitter vor, sass 1423 zu Arnstadt, war nebst seinem Vetter Heinrich von Witzleben zur Wachsenburg im Jahre 1423 Pfandinhaber von Schloss und Stadt lludol- stadt (cf. S. 64. e.), verkaufte 1426 Korngelder und andere Zinsen zu Alkersleben an Georg von Haiüngsburg, wiid noch 1435, am Sonntage Judica, als „Fritz der alte von Witzleben" genannt und binterliess 2 Söhne: Fritz und Iring*) von Witzleben.

•) Iring Bring, Erich, Erik.

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Fritz von Witzleben, „des alten Fritzen Sohn", gehörte 1426 zu den Inhabern der vom Gi*afen Heinrich von Schwai'zburg für 6000 fl. versetzten Schlösser und Städte Rudolstadt und Teichel. Nach dem im Archiv zu Angelroda befindlichen Leibgedingsbrief vom 9. Juli 1429 be- leibzüchtete Landgraf Friedlich in Thüringen die ehrbare Margarethe, „fiiczschon von wiczleibin des Jungem" eheliche Wirthin, mit 1 Sedelhof zu Alkersleben, zu welchem 8 Hufen Land, Gärten, Wiesen, 6 freie Höfe und vielerlei Zinsen gehörten. Der Familiennamen Margarethens ist nicht genannt, aber daraus, dass zu ihren Vormündern Heinrich von Witzleben zur Wachsenburg, der Ritter Heinrich von Witzleben (Neflfe des vorigen) und Gebhard Marschall bestimmt wurden, ist wohl zu schliessen, dass sie einem dieser beiden Geschlechter entsprossen war.

Iring von Witzleben kommt zuerst im Jahre 1437 vor.*) Das seit 1425 an unsere Familie vom Landgrafen Friedlich dem Friedfertigen verpfändete Schloss Elgersburg hatten, nachdem der Ritter Christian von Witzleben am 16. Juni 1426 und Gurt von Witzleben um 1435 gestorben wai-en, die Bi^üder Heinrich und Dietiich von Witzleben inne; der Pfandschilling beü'ug 500 Mark 1. S. und 400 Rhein. Gulden. Ende 1436 oder Anfangs 1437 ging nun diese Pfandschafb von Heinrich und Dietrich auf die Brüder Fritz und Iring von Witzleben über für eine Summe Geldes , über welche sie sich unter einander verglichen hatten, und kurz darauf traten Fritz und Mng mit dem Landgiafen Friedrich in Unterhandlungen, welcher ihnen, nachdem sie ihm noch 1000 gute Rheinische Gulden haar ausgezahlt hatten, dass Schloss Elgersburg mit allen seinen Zugehörungen erblich überliess. Der Kaupfreis betrug also im Ganzen 5C0 Mark 1. S. u. 1400 Rhein. Gulden, d. h. etwa 11,400 fl. Zu diesem Erbkauf gaben die voraussichtlichen Erben des Landgi'afen, die* Herzöge Friedrich und Wilhelm zu Sachsen, ihre Einwilligung am

*) Die Angelroda'er Stammtafel sagt von ihm: „Iring iunior R. agf Elgersburg, belehnt 1437 von Kurfürst Friedrich dem Gütigen und Herzog Wilhelm zu Sachsen über Elgersburg, Gera, Manebach und Neurode. Er theilt 1488 die Güter mit seinem Vetter Georg und f 1484. Gem. 1.) Euphrosina von Spiegel, 6 Söhne, 2.) Euphemia von Pappenheini, 1 Tochter." Von diesem Allen ist, wie wir nach- weisen werden, nichts wahr, als dass Iring auf der Elgersburg sass. Seinen Vater bezeichnet die genannte Stammtafel als: „Iring senior zu Elgersburg, 1357 von Ldgrf. Friedrich und Wilhelm mit Elgersburg, Gera, Manebach und Neurode beliehen; 1 Sohn gleichen Namens." und führt nh Beweis an: „vid. Lehnbrief im Archiv zu Gotha". Ein solcher Lehnbrief existirt aber nicht im Archiv zu Gotha und kann auch nicht exiatiren, da die Elgersburg 1357 noch den Grafen von Henneberg gehörte. 8. S. 51.

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12. Apr. 1437, jedoch unter der Bedingung, dass die Elgersburg nicht nur ihrem Vetter, sondern auch ihnen und ihi*en Erben zu allen ihren Kriegen und Nöthen offen sein und bleiben sollte.*)

Den eigentlichen Kauf- und ersten Lehnbrief über Elgersburg ertheilte darauf der Landgraf Friedrich den Brüdern Fritz und Iring von Witzleben am Montage nach dem Sonntage Trinitatis, d. h. am 27. Mai, 1437.**)

•) Das Original dieser Urkunde, d. d. Arnshaug 1437, am Freitage nach dem Sonntage Quasiraodogeniti, befindet sich im Staats- Archiv zu Gotha, Lehnbrief No. 46. Lit. B.

**) Da dieser erste Lehnbrief über Elgersburg die Art und Weise der Erwerbung dieses bedeutenden Besitzes, über die so manche irrige Ansicht in unserer Familie besteht, klar und deutlich enthält, so lassen wir ihn nach dem im Archiv zu Angel- roda befindlichen Original wörtlich jedoch mit jetziger Orthographie hier folgen:

„Wir Friedrich, v. G. G. Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen und Pfalzgraf zu Sachsen, bekennen und thun kund öfTentlich mit diesem Briefe für Uns, alle Unsere Erben, Erbnehmer und Nachkommen: Nachdem die gestrengen, Unsere lieben Getreuen Er Kerstan und Curt selige und Er Heinrich und Dietrich, alle von Witzleben , Brüder , Unser Schloss Elgersburg mit seinen Zugehörungen viele Jahre und lange Zeit von Uns in Pfandes Weise inne gehabt haben für 500 Mark löthigen Silbers und 400 Rheinische Gulden Hauptgeld und nun dasselbe Schloss Elgersburg mit solcher Pfandschaffc und aller ihrer Gerechtigkeit an dem vorgenannten Schlosse, was sie daran gehabt haben und haben möchten, an die gestrengen Fritz und Iring von Witzleben, Gebrüder, auch Unsere lieben Getreuen, fürder für eine Summe Geldes, wie sie sich das untereinander vertragen, gebracht und sie damit gänzlich an Uns gewiesen haben, so dass sich die vorgenannten Fritz und Iring von Witzleben um dasselbe Schloss Elgersburg mit Uns ferner vertragen also, dass Wir mit gutem Rathe Unserer heimlichen Räthe und lieben Getreuen , mit Gunst , Wissen und Willen der hochgeborenen Fürsten Herrn Friedrich und Herrn Wilhelm, Herzögen zu Sach- sen, auch Landgrafen in Thüringen und Markgrafen zu Meissen, Unsern lieben Vettern, in Unserm und Unseres Landes Besten das vorgenannte Schloss Elgersburg mit allen Dörfern, besetzt oder wüst, mit den Gerichten über Hals und Hand, obersten und niedersten, mit Kirchlehen, allen Erblehen und freier Güter Lehen, mit allerlei Nutzen des Waldes, was dessen lange Zeit in solcher Pfandschaft früher bei den andern von Witzleben und jetzt bei ihnen bisher gehört und gedient hat, nämlich Holzzins, Feuerwerk und zum Verbauen, soviel sie dessen auf der Burg bedürfen, so dick ihnen dessen Noth und von früher also Herkommen ist, mit der Wildbahn, den Schneidemühlen, Eisenschmieden, Fisch wassern, zwei Teichen unterhalb der Burg, dem wüsten Teich zu Hmenau und mit allen andern Zinsen, Renten, Diensten, Pflichten, Freiheiten, Ehren, Nutzen und Würden, und gemeiniglich mit aller Zuge- hörung, Nichts ausgeschlossen, nur dass wir unsern Wald, unsere hohe Jagd, wilde Pferde und Bergwerke, wenn solche da aufständen, und Ritterlehen, die ehr- bare Mannschaft selbst innehätten, doch also, was der Ritterlehen Uns los- wurden oder aufstürben, die sollen denselben von Witzleben zu der Burg folgen and dabei bleiben an die ehegenannten Fritz und Iring von Witzleben, Gebrüder,

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Mit einem der bisherigen Inhaber, dem Ritter Heinrich von Witz- leben, setzten sich nun Fritz und Iring in einem von Dietrich Paradis, Bürger zu Erfurt, und Hans von Lichtenberg zu Geschwende am 12. Sept.

und ihre Leibes-Lehns-Erben in Kaufes Weise erblich haben lassen kommen, darum Uns dieselben von Witzlehen 1000 gute Rheinische Gulden baar, nützlich und wohl nachgegeben und bezahlt haben über solche Summe, als dasselbe Schloss früher gestanden hat. und Wir sagen die genannten Fritz und Iring von Witzleben solchen Geldes und Kaufes quit, ledig und los in Kraft dieses Briefes und wollen ihnen auch solchen Kaufes eine rechte Währe sein für einen jeglichen, als rechter Währe in dem Lande zu Thüringen Recht und Gewohnheit ist, ohne allerlei Einsprache, Eintrag, Arglist und Gefährde. Und Wir haben auch darauf Unsere Dorfschaften und Männer in den Dörfern, daselbsthin gehörend, an sie gewiesen und sie darauf der Eide und Gelübde, als sie uns gewest sind, ledig und los gesagt, weisen sie damit und sagen sie deren ledig und los in Kraft dieses Briefes. Und haben darauf also das vor- genannte Schloss Elgersburg mit allen seinen Zugehörungen, wie oben ge- schrieben steht, den vorgenannten Fritz und Iring von Witzleben erblich zu rechtem freien Mannlehn geliehen und beleihen sie damit zu rech- tem Gesammt-Lehn gegenwärtiglich mit und in Kraft dieses Briefes. Und die jetzt viel genannten Fritz und Iring von Witzleben und alle ihre Leibes-Lehns-Erben sollen das mehrgenannte Schloss Elgersburg mit allen Dörfern , besetzt oder unbesetzt, mit allen Kirchlehen, andern Lehen, mit Genuss des Waldes, mit Teichen, Fisch - wassern, Wildbahnen, Schneidemühlen, Eisenhütten und mit allen Ehren, Nutzen, Freiheiten und Würden und gemeiniglich mit aller Zugehörung, inmassen als von Alters dazu gehört hat , Nichts ausgeschlossen denn inmassen als vorgeschrieben steht, fürderhin von Uns und Unsem Erben zu einem rechten , freien Gesammt-Mannlehn- Gut haben, besitzen, gebrauchen, geniessen und verdienen mit allen Ehren, Frei- heiten und Würden, als rechter, freier Gesammt-Mannlehn-Güter Recht und Gewohn- heit ist, ohne eines Jeglichen Einsprache , ohne allerlei Eintrag , Arglist und Gefährde. Doch so haben wir uns daran behalten, dass das genannte Schloss Elgersburg Uns^ Unsern Vettern und allen Unsem Erben Unser offenes Schloss bleiben und sein soll, zu allen Unsern Kriegen, Nöthen und Geschäften wider allermänniglich , Niemand aus- geschlossen , ohne wider sie allein , und auch also , ob Wir oder Unsere Erben in zukünftigen Zeiten Unsere Hauptleute, Amtleute oder die Unsern bei sie zu Unsern Kriegen auf dasselbige Schloss legen würden, so sollen wir die Zeit über Hausleute, Thorwarte und Wächter beköstigen und mit den Unsern bestellen , sie und die Ihrigen darauf vor Unfug zu bewahren, auch ohne alle Arglist und Gefährde. Auch mögen sie oder ihre Erben das genannte Unser Schloss Elgersburg zu ihren Nöthen fürder verkaufen oder versetzen ihren Genossen, Unsern gehuldigten, besessenen Mannen, oder ihren Genossen, die unter Uns ziehen und sitzen wollten, wo sie die haben können, wann oder wie dicke ihnen dessen Noth ist, denen wir dieses also auf Kauf oder Pfandschaft auch leihen und bekennen sollen, wie sich das gebühren würde, die sich dann auch damit gegen uns halten sollten, inmassen vorher von ihnen ge- schrieben steht, als dicke dessen Noth geschieht, ohne allerlei Eintrag, Arglist und Gefährde. Und dass alle Stücke, Punkte und Artikel dieses Briefes von Uns, allen

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1437 errichteten Vergleiche*) in der Weise auseinander, dass sie ihm, der noch Anrechte an Elgersburg resp. Geldforderungen an sie hatte, gegen Erlassung derselben erlaubten, auf der Burg einen Stall für 6 Pferde, mit einem Zimmer und einem verdeckten Altan daiüber, zu bauen, wohin er nach seinem Belieben ab- und zureiten könne und wo er jedesmal von ihnen „Atz" far sich und die Pferde erhalten solle, und ausserdem 45 Groschen jährlichen Geschosses an die Dorfschaft zu Gera statt seiner übernehmen.

Wahrscheinlich um einen Theil des zum Erwerb der Elgersburg nöthigen Geldes flüssig zu machen, hatten Fritz und [ring im Jahre 1437 einige ihrer in der Pflege Sondershausen belegenen Schwarzburgischen Lehugüter für 300 fl. an Hans Schmid zu Sondershausen verkauft, dem sie am 11. Nov. 1439 auch noch 1 Sedelhof zu Sondershausen, 1 desgl. zu Jecha und 6 Hufen Landes mit Weiden und Wiesen wiederkäuflich überliessen.

Bald dai-auf kauften beide Brüder von Eckard und Heinrich Töpfer einen Sedelhof im Dorfe Gera, der in den spätem Lehnbriefen über Elgersburg immer ausdrücklich angeführt wird, während die zu dem Schloss gehörenden Dorfschaften, nämlich Elgersburg, Gera, Manebach, iTartinroda, Neuroda und Trasdori^ nicht genannt werden. 1468 erhielt Iring vom Herzog Wihelm zu Sachsen noch einen besonderen Lehnbrief über diesen Sedelhof.

Iring's von Witzleben Gemahlin, die Ahnfrau aller heut lebenden Glieder unserer Familie aus dem Hause Elgersburg, war Anna von

IJnseni Erben, Erbnehmem und Nachkommen stet, ganz und unverbrochen sollen ge- halten werden , des zu rechter Urkunde und wahrem Bekenntnisse haben wir Friedrich, Landgraf zu Thüringen, obengenannt. Unser grosses fürstliches Insiegel wissendlich an diesen Brief lassen hängen. Hierbei sind gewesen und Gezeugen der Edele und die Gestrengen Er Bodo Graf und Herr zu Stolberg, Unser Hofmeister, Er Friedrich Ton Hopfgarten, Er Friedrich von Witzleben, Ritter, Bernd von der Asseburg, Heinrich von Hausen, Unser Ober-Marschall, Er Thomas von Buttelstedt, Unser Ober-Schreiber, und andere glaubwürdige Leute genug. Gegeben zu Gotha nach Christi Geburt vierzehn hundert Jahre, danach in dem siebenunddreissigsten Jahre, am Montage nach dem Sonntage Trinitatis.

(Das „grosse fürstliche Siegel" fehlt, nur die weiss- blau -roth- seidene starke Schnur, woran es hing, ist noch vorhanden.)

*) s. Hatham, Elgersb. p. 22, der aus dem alten Wort „eintrechtlich", d. h. einträchtiglich oder einträchtige « amtrechtlich " macht.

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Meldingen, eine Tochter Dietrich's von Meldingen, welche am 16. Febr. 1438 von den Grafen Ernst und Ludwig zu Gleichen -Blankenhain „knechtlehnwürdig" gemacht, d. h. über alle Güter, die ihr Vater von den Grafen zu Gleichen zu Lehn hatte, mitbelehnt wurde, so dass sie die Güter erben und auf ihre rechten Leibes-Lehns-Erben bringen konnte.*) Im Jahre 1456 wurde Anna vom Herzog Wilhelm dem Tapfem mit Zinsen in dem Doife Alkersleben belehnt, wobei sie Dietrich von Meldingen, ihren Vater, und Hans von Meusebach, Voigt zu ßossla, ihren Schwager, zu Vormündern erhielt.

Iring von Witzleben starb erst zu Ende des Jahres 1480.

b. Iring^s von Witzleben Söhne, 1480-1536.

Von den 8 Söhnen Iring's d. Aelt. ist Iring d. J. jedenfalls vor dem Vater gestorben, da er sonst wie die übrigen, nämlich Claus, Friedrich, Georg, Ernst, Sebastian, Christoph und Dietrich in den verschiedenen Lchnbriefen mit genannt wäre.

Diese 7 Brüder hatten von ihrem Vater folgende Güter und Zinsen geerbt.

A. Sächsische Lehen: Das Schloss Elgersburg mit seinen Zuge- hörungen (den Dörfern Elgersburg, Gera, Manebach, Martinroda, Neuroda und Trasdorf) und den Sedelhof zu Gera. (Lehnbrief des Kurfürsten Ernst vom 28. Nov. 1485 im Arch. zu Angelroda.)

B. Schwarzburgische Lehen: 1.) 8 Hufen Landes, 16 Acker Wiesen und Weiden, 1 Fischweide in der Wipfi'a, 6 freie Höfe und ver- schiedene Zinsen im Dorfe und Felde zu Alkersleben in der Pflege Kefemburg;

2.) einen freien Hof in der Rittergasse zu Arnstadt;

3.) 8 Acker Weingarten zu Espenfeld, 58 Groschen und 2 Hühner zu Lengefeld, 1 Garten bei der Schmelzhütte vor Arnstadt, verschiedene Zinsen zu Clingen, West-Greussen, Stadt-Greussen, Trebra, Feldengel, Westeruengel und 60 Acker Holz in dem Grase an dem Scheimberger Wege in dem Geschlinge. (Lehnbrief des Grafen Heinrich zu Schwarz-

*) Orig. im Arcb. zu Angelroda.

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bürg, Herrn zu Arnstadt und Sondershausen, vom 20. Jan. 1481 im Arch. zu Angelroda.)

C. Qleichensche Lehen: Zinsen zu Elxleben, Bösleben, Wolfe- hausen, Witzleben, Denstedt, Wenigen-Hetstedt, Lengefeld, Ettersleben und 4 Acker Weingarten zu Günthersleben. (Lehnbrief Siegmund d. Aelt. Grafen von Gleichen und Herrn zu Tonna vom 25. März 1482 im Ai'ch. zu Angelroda.)

Claus von Witzleben, der älteste der Brüder, welcher in der am 26. Aug. 1485 zu Leipzig zwischen dem Kurfürsten Ernst und Herzog Albrecht zu Sachsen enichteten Erbtheilung als zum Thüringischen, dem Kurfürsten zugefallenen, Theil gehörig aufgeführt ist,*) wai* 1496 Haupt- mann zu Arnstadt**) und starb vor dem Jahre 1500 ohne Nachkommen, nachdem ihm von seinen Brüdern Georg (gewöhnlich Jurge genannt) bereits 1481 und Ernst zwischen 1486 und 1494 vorangegangen waren.

Friedrich von Witzleben, war im Jahre 1501 Marschall des Herzogs Johann zu Sachsen. Er allein von seinen Bmdem hatte dauernde Nachkommenschaft und scheint zweimal verheirathet gewesen zu sein. Wir kennen aber nur den Vornamen seiner letzten Gemahlin aus deren im Archiv zu Angelroda aufbewahrten Leibgedingsbriefen vom Jahre 1524. Herzog Johann zu Sachsen sagt in seinem Bestätigungsbriefe vom 25. Apr. d. J., dass er um fleissiger Bitte willen seines lieben getreuen Friedrich von Witzleben zur Elgersburg der „Erbarn Margrethen, seiner ehelichen Hausfrawen*' nachfolgende Frohnen, Zinsen, Güter und Ge- rechtigkeiten,***) von ihm zu Lehn lührend, zu einem rechten Leibge- dinge bekannt, geliehen und verschrieben habe, nämlich: „Die Männer zu Gera sollen ihr jährlich auf Michaelis 11 Schock und 20 Hühner (also 680 Stück) zu Zins geben; von einer Wiese an der Gera soll ihr das Heu jährlich zu Frohn eingeführt werden; auch das neue Haus****) auf dem Sitz Elgersburg soll sie als einen Ansitz haben, desgl. das Vieh- Haus halb; im dazugehörenden Vorwerk soll sie Statt und Raum zu nothdürftiger Unterhaltung des Viehes haben, dazu auf 7 oder 8 Kühe

*) St Arch. zu Dresden, cf^ Müller, Annalen p. 50. ••) Olear. Eist v. Amst. p. 147.

•••) Wir fahren dieselben so speciell auf, damit der LÄer daraos auf die Grösse und den Reichthnm der Elgersburger Besitzungen schliessen kann, von denen uns leider keine Anschläge, wie vom Wendelstein, vorliegen. *•*•) jedenfalls das Unterschloss.

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sammt den Kälbern jedes Jahr Futter und Streu; sie soll das Frohnholz, so fiir den Sitz (Schloss Elgersburg) gefahren wird, zu ihrer Haushaltung allwege unbehindert gebrauchen ; auch soll sie alle Zeit Ländereien haben zu Lein, Hanf, Kuben und Kraut zu ihrer Nothdurfb, und so oft die Teiche oder Seen gefischt werden, soll ihi* jedesmal ein Centner Fische daraus gegeben werden; sie soll Fug und Macht haben, im Wasser zu Ilmenau und Manebach zu fischen und Eeussen zu legen , so oft ihr solches gefallt; auch soll sie haben einen Weinberg zu Holzhausen von etwa 3 oder 37*2 Ackern, wovon ihr der Wein jährlich durch Frohnen gefahren werden soll."

Ferner liese Friedrich seine Gemahlin von dem Grafen Günther zu Schwarzburg, Herrn zu Arnstadt und Sondershausen, am 28. Dec. 1524 noch beleibzüchtigen mit 30 fl. jährlicher Zinsen vom Rath zu Um, 24 ^'2 Mass „schönen Korns", 5 Mass Gerste und 18 Mass Hafer zu Dornheim und 5 Mass Korns zu Langewiesen, Alles Arnstädter Mass und Michaelis fallig. In beiden Leibgedingsbriefen werden ihr der hochgelahrte Er Dietrich von Witzleben, Kitter und Doctor zum Stein (Wendelstein), Gurt von Witzleben zum Liebenstein und Christoph von Lichtenberg zu Ge- schwende zu Vonnündern gestellt, woraus wir ersehen, dass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch Verbindungen zwischen den am Thüringer Walde und in der goldenen Aue hausenden Linien unserer Familie vor- handen waren.

Friedrich von Witzleben, von dem noch in Gemeinschaft mit einigen seiner Brüder die Rede sein wird, starb, über 80 Jahre alt,*) zu Ende des Jahres 1527 mit Hinterlassung eines Sohnes, Friedrich, und einer Tochter, Anna. Letztere vermählte sich 1545 mit Ernst von Witzleben zum Liebenstein und wurde von ihrem Bruder Friedrich, nach der Ehe- beredung vom 19. Jan. 1545, mit 1200 fl. Ehesteuer, „auch mit ziem- ^ lieber Nothdurft an Kleidung und Geschmuck abgefertigt".

*) Die Erscheinung, dass die meisten Glieder der Elgersbnrger Linie ein ver- verhältnissraässig hohes Lebensalter erreicht haben, hat nichts Auffallendes, wenn wir das conservirende Gebirgsklima der dortigen Gegend in Betracht ziehen und z. B. in dem Ne'jesten Reisehandbuch für Thüringen von H. Schwerdt und Alex. Ziegler (Hild- burgh. 1864) S. 15 lesen, dass jährlich 1 Person starh in Arnstadt von 62, in Elgers- burg von 46, dagegen in New- York von 40, in London von 32, in Dresden von 29, in Neapel von 27, in Berlin von 25, in Wien von 22 und in Venedig von 19 Personen.

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Sebastian (meist nur Bastian genannt) von Witzleben diente den Grafen zu Schwarzburg und wurde im Jahre 1497 vom Grafen Günther d. J., HeiTu zu Arnstadt und Sondershausen, mit der Hälfte des durch kinderlosen Tod Jacob Heimbm'g's zum Lauenstein heimgefallenen Gutes „die Schönheide" belehnt*).

In den Jahren 1 509 und 10 war er Schwarzburgischer Amtmann zu Arnstadt und von 1514 bis 1531 29ster und letzter Probst (oder Vor- steher) des Cistercienser-Nonnen-Klosters zu Hm.**)

Sebastian war immer gut bei Kasse und half namentlich den Grafen von Gleichen oft mit baarem Gelde aus, wie uns mehrere im Schwarz- burgischen Archiv zu Sondershausen befindliche Schuldbriefe lehren.

Als im Bauernkriege 1525 die Aufrührer auch nach Um kamen und Cnfug trieben, ohne jedoch förmlich zu plündern, rettete der Probst Sebastian von Witzleben das SUbergeräth und andere wei-thvolle Gegenstände des Klosters nach Heinz Hohlbock*s Haus zu Hm***).

Nach dem Jahre 1531 lebte Sebastian in dem sogenannten Witz- lebenschen Hofe****) (dem von Schwaizburg zu Lehn rührenden Hause) in der Rittergasse zu Arnstadt, und starb daselbst hochbetagt am 19. Nov. 1536 ohne Nachkommen. In der Nicolai-Kapelle der Lieb-Frauen-Kirche zu Arnstadt, die seine Gebeine au&ahm, sehen wir noch heute einen runden Stein mit dem Witzlebenschen Wappen (gespanicr Schild, aufge- schlagener Fürstenhut, jedoch ohne Schäfte, die weggebrochen zu sein scheinen) und folgender Umschrift: Ano. dm. m. d. XXX VI. auf. den. tagk. elisabet. ist. der. vehste. bastian von witzleben, i. Got. vorschieden.

*) Die andere Hälfte erhielt Balthasar von Atzendorf, s. Lehnbr. im Arch. zu Angelroda. 1532, Sonnabends nach Lätare, erneuerte Graf Heinrich zu Schwarzburg diese Belehnung und ertheilte Bastians Neffen Friedrich und Christoph von Witzleben «vermag der alten erworbenen lehnbriffenn** die Mitbelehnschaft.

Schönheide ist jetzt ein Wirthshaus an der Chaussee, die von Gräfinau über Pennewitz nach Königssee fuhrt.

••) Olear. Rer. Thur. Synt. p. 243; P. Jov. Chron. Schwarzh. in Schöttg. n. Kreys. Dipl. et Script, p. 191. Auf ihn lassen Einige noch Volkmar Frobenius fol- gen, welcher nach Einfuhrung der lutherischen Lehre eine getaufte Jüdin heirathete und erster Pfarrer zu Stadtilm wurde.

**•) Der Kirchen- und Kloster-Kleinodien hatte sich schon vor Ankunft der Bauern Graf Günther XXXIX. zu Schwarzburg versichert, s. Tlmr. und der Harz, VIII. p. 404.

**••) An der Mauer ist noch das Witzlebensche Wappen zu sehen.

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Sein Portrait , in derselben Art gemalt , wie das seines Neffen Friedrich, von dem weiter unten die Rede sein wird, hängt im Schlosse zu Angelroda.

<;hristoph (Christophel) von Witzleben widmete sich dem geisi- lichen Stande, wurde 1490 Vice-Pfarrer des Grafen Heinrich XXXIX. von Schwarzburg*) an der Andreas-Kirche zu Kudolstadt und nach dessen Ostern 1499 erfolgtem Tode wirklicher Pfan-er. Als solcher liess er im ersten Jahre seines Amtes die Glocke, welche jetzt auf dem Andreas-Kirchthurm zu Eudolstadt an Alter wie an Grösse die zweite ist, giessen. Nahe am Öhre der Glocke stehen die Namen der 4 Evangelisten in folgender Ordnung: Lucas, Marcus, Joh's, Mattheus, daneben die dichterischen Worte : Dulce melos clango , sanctorum gaudia pango, defiinctos plango, vivos voco, fulgura frango,**) und daran schliesst sich die Angabe über die Zeit des Gusses : „er cristofferus vo wiczlevben phamer ano dm. 1499. osanna heis ich cvrdt kerstan gos mich."

„Durch ßechtschaffenheit der Gesinnung und des Lebens ausgezeich- net", wie es in einem Auszuge aus dem Rudolstädter Kirchenarchive heisst, verwaltete Christoph sein Amt fast 30 Jahre.

Jedenfalls war Rudolstadt eine bedeutende Parochie mit ausgedehnten Gerechtsamen und reichen Einkünften, da sonst wohl schwerlich ein Graf von Schwarzburg und ein Herr von Witzleben zur Elgersburg diese Prälatm- übernommen hätten***). Meist hielten sich derartige Pfarrer einen Vicar, der die geistlichen Geschäfte bei kärglicher Besoldung verwaltete.

Christoph war auch von seinen Vettern zum Liebenstein zum Vicar des Altars St. Livini der Lieb-Frauen-Kirche zu Arnstadt ernannt und vom Probst der Marienkirche zu Erftirt bestätigt worden.****)

•) Domherr zu ffildesheim, Probst zu Jechaburg und Pfarrer zu Rudolstadt, n. 1452. 14. Aug.

•*) Ich töne lieblichen Gesang, sage der Heiligen Feste an, trauere laut um die Gestorbenen , rufe die Lebenden, entkräfte die Blitze. Dieser Inschrift hat Schiller, der im Jahre 1788 hei und in Budolstadt lebte ^ das Motto zu seinem Liede von der Glocke entnommen.

•*•) Christian von Witzleben, Bischof von Naumburg, war 1373 Pfarrer der Lieb-Frauen-Kirche zu Orlamünde und 1378 Pleban von Orlamünde, einer der reich- sten Pfründen in Thüringen, gewesen. (Arch. zu Wolfenbüttel) Dies ist Th. ü. S. 17. hinzuzufügen.

**••) 8. V. Hellbach, L. F. K. zu Amst p. 65. Nach Christophs Tode präsentirte Georg von Witzleben zum Liebenstein unterm 19. März 1526 den Presbyter Peter Itiges zu dieser Stelle. Arch. zu Sondershaosen.

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Sa- lm Bauernkiiege, dessen Qräuel auch Rudolstadt 1525 erfuhr, wurde Christian von Witzleben von den einfallenden wilden Bauern, unter denen die Schwarzaer die ärgsten gewesen sein sollen, so gemisshandelt, dass er zu Anfang des folgenden Jahres starb.

Trotz des geistlichen Standes hatte „Er Christoflfel von Witzleben, Priester", wie er in den Lehnbriefen bezeichnet wird, bei allen Gelegen- heiten zugleich mit seinen Brndern die Lehen über die vom Vater ererb- ten Güter empfangen.

Dietrich von Witzleben, der jüngste der 8 Brüder, trat im Jahre 1501 in den Stand der heiligen Ehe. Nach der diesen Fall be- handelnden, im Archiv zu Angelroda befindlichen, weitläufigen Urkunde wurde festgesetzt, dass die Braut Margarethe von Stein zu Northeim, verwittwete vom Lichtenstein*), ihrem zukünftigen Gemahle 3000 rh. fl. Heirathsgut zubringen, Dietiich aber 1000 rh. fl. Gegengeld geben sollte, so dass „Zugeid und Gegengeld" 4000 fl. ausmachten, die innerhalb Jahresfrist nach vollzogenem Beilager fällig sein sollten.

Im Jahie 1518 finden wii* Dietrich als Schwarzburgischen Amtmann zu Arnstadt, welchen Posten früher sein Bruder Sebastian verwaltet hatte. Wie dieser trug Dietrich zur Erweiterung des Grundbesitzes der Familie bei.

Am 13. Apr. 1508 wurde er vom Grafen Günther zu Schwarzburg- Amstadt mit folgenden Gütern und Zinsen belehnt, welche er von Hans von Elleben gekauft hatte, nämlich:

1) mit dem Hasenbach zu Bösleben (Y2 M. westlich von Witzleben) und dem dazu gehörenden Vorwerke mit 7 Hufen Landes, etlichen Weiden, Wiesen und verschiedenen Zinsen;

2) mit einem Haus, Hof und Garten zu Eschdorf (2 St. nordwestlich von Rudolstadt);

3) mit einem Hause zu Teichröden (1 St. nördlich von Rudolstadt);

4) mit Aeckern zu Lositz (2 St. südlich von Saalfeld);

Zu diesen Gütern trat später noch ein Weinberg am Amsberge vor Arnstadt, den er von Melchior von Schlotheim kaufte.

•) Sie war Wittwe bereits 1499 und hatte aus erster Ehe eine Tochter Anna ürk. im Arch. zu Angelroda.

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Am 10. Juli 1518 erstand er femer vom Kloster Paulinzelle den 4. Theil des Gemeinde-Backofens zu Alkersleben.

Dietaich von Witzleben starb im Jahre 1530 und hinterliess einen Sohn Namens Christoph.

Wir haben nun noch einiges anzuführen, wo mehrere der Brüder ge- meinschaftlich auftreten.

Im Jahre 1519 lagen Friedrich und Dietrich von Witzleben zur Elgersburg im Streit mit dem Grafen Wilhelm von Henneberg wegen eines Gehölzes, das Eichicht genannt, und mit dem Grafen Siegmund von Gleichen wegen eines Eisenbergwerks. Doch können wir Genaueres darüber nicht melden, da im Com. Arch. zu Weimar nur noch diese Notiz, nicht aber die dazu gehörenden Acten vorhanden sind.

Der Frohnen und Schenke halber waren zwichen Friediicli, Sebastian und Dietrich von Witzleben und der Gemeinde des Dorfes Gera „iirige Gebrechen" entstanden, welche aber zu Gunsten der Erstgenannten bei- gelegt wurden.

Ernster verlief eine andere Angelegenheit. Vor dem Jahre 1520 hatten Graf Günther zu Schwarzburg, Hen- zu Arnstadt und Sondershausen, und Friedrich und Dieüich von Witzleben zur Elgersburg als Gerichts- herren von Gräfenroda*) einen Einwohner dieses Dorfes, Namens Ryse, aus uns unbekannt gebliebenen Gründen zu Arnstadt hinrichten lassen. Gegen sie stellten die Brüder des Gerichteten, Peter und Oswald Ryse, eine Fehde an, die bald eine solche Ausdehnung gewann, dass sich Herzog Johann zu Sachsen genöthigt sah, sich in die Sache zu mischen und durch seine Eäthe die Streitenden verti-agen zu lassen. Nach der vom Herzog hierüber am 19. Apr. 1521 ausgestellten Urkunde (im Schwarzb. Arch. -zu Eudolstadt) wurde bestimmt, dass Peter und Oswald Ryse ihre vorgenommene Fehde abstellen, ihnen dagegen von Kursachsen und

*) Gräfenroda war ein Herzoglich Gothaisches und Fürstlich Schwarzburg- Sondershausensches Gesammtgericht und bestand aus den Dörfern Gräfenroda, Elgers- bur<r, Gera, Manebach, Neurode und Trasdorf. s. Schumann, St. P. u. Z. Lex. Das Dorf Gräfenroda, 3 St. südwestlich von* Arnstadt gelegen, gehörte aber nicht, wie die anderen genannten Ortschaften, zur Elgersburg, sondern zur Hälfte denen von Witzleben zum Liebenstein, zur andern Hälfte den Grafen zu Schwarzburg.

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Schwarzburg die „Landshuldung" wieder gegeben werden und „was sich in solcher Fehde begeben und ergangen, allenthalben zugleich aufgehoben sein und bleiben" sollte, dass femer, da die Kysen während der Fehde ihre Güter verlassen hatten und diese „zu Verderb gekommen" waren, der Herzog jedem von ihnen, damit ihi' Schaden weiter verhütet würde, 50 fl. ä 21 Zinsgroschen reichen lassen und die ßysen alle ihre Güter zwei Jahre lang, vom Datum dieser Abrede gerechnet, von Zins, Frohnen und aller andern Bürde frei haben, ihnen auch die rückständigen Zinsen nach- gelassen sein und sie, wenn sie ihre Güter verkaufen würden, des Lehn- geldes entladen sein sollten.

c. die Yettem Friedrich und Christoph von Witzleben,

1516-1579.

Friedlich, der Sohn Friedliches, und Christoph, der Sohn Dietiich's, werden in den Lehnbriefen bereits 1526 genannt. Von ihnen setzte nur Friedlich das Geschlecht fort, während sein Vetter keine Söhne hinteiiiess. Dieser, Christoph von Witzleben, besass nach dem Tode seines Vaters, 1530, Elgersburg und die alten Schwai*zbm*gischeu und Gleichenschen Lehen gemeinschaftlich mit seinem Onkel Sebastian (welcher 1536 stari)) und seinem Vetter Friedrich; die von seinem Vater erkauften Schwarz- burgischen Güter zu Bösleben, Eschdorf, Teichröden und Lositz, sowie den Weinberg am Arnsberge vor Arnstadt aber allein, da Sebastian und Friedlich nur mitbelehnt waren.*)

Er wohnte (schon 1534) in dem Witzlebenschen Hofe zu Arnstadt und wurde daher gewöhnlich bezeichnet als „Christoph von Witzleben zu Arnstadt." Im October des Jahres 1535 befand er sich im Gefolge des Kurfürsten Johann Friedlich des Grossmüthigen, als dieser, um die Lehen zu empfangen, mit 300 Keisigen und 80 Wagenpferden nach Wien reiste, wo er am 30. Oktober eintraf und 3 Wochen blieb.**)

*) 8. den Leimbrief von 1532 im Arch. zu Angelroda.

**) cf. Müller, Annalen, p. 90. Am 30. Sept. 1535 schrieb Christoph eigen- händig an den Kurfarstl. Secretär Hans Ponikau: „Meyne gantz wyllige dienst zuuor fnmtlicher lieber Secretarius. Ich gebe fruntlicher vnnd guther meynung Zuerkennen dass myr vnser Gnedigster Herr, der Curfurst, Seyn fürstlich gnaden, geschrieben vnnd mich vorständigt, wie dass ich vnnd Mewssebach vnnd Lichtenhayn semptlich zu

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Vor Antritt dieser Reise jedoch sorgte Christoph als liebender Gatte für das leibliche Wohl seiner Gemahlin Sibylla (den Geschlechtsnamen wissen wir nicht) für den Fall, dass ihm etwas Menschliches zustossen sollte, und liess ihr vom Kurfürsten am 4. Oct. einen Leibgedingsbrief ausstellen.

Christoph von Witzleben starb schon Ende 1549 oder Anfangs 1550. Seine Lehngüter erbte sein Vetter Friedrich, während das von ihm er- worbene freie Gut zu Neuroda auf seine uns unbekannten Töchter überging.

Friedrich vonWit ziehen zur Elgersburg, eine der bedeutenderen Persönlichkeiten der Elgersburger Linie, war geboren im Jahre 1504 und daher erst 23 Jahi*e alt, als sein Vater starb und er in Folge dessen selbststandig wurde. Kaum mit den ererbten Gütern von Kursachsen, Schwarzburg und Gleichen belehnt, gerietli er mit seineu Nachbarn über die Gränzen und Gerechtsame seiner Besitzungen in die vei-wickeltsten Streitigkeiten, die sein ganzes Leben ausfTillteu.

Friedlich le])te auf der Elgersburg, wählend sein Vetter Christoph, dem die andere Hälfte der Güter zustand , zu Arnstadt wohnte. In seinem 32. Lebensjahre vermählte er sich mit der tugendhaften Jungfrau Euphro- sina von Pappenheim.

Der kurze Inhalt der am 14. Febr. 1536 errichteten im Archiv zu Angeh-oda aufbewahrten Eheberedung*) ist der, dass Veit und Achatz

vnsemn cleydung in dysser reysse eynnen Kasten haben sollen, so habe ich den Mewsse- bach durch meinen eigenen Boten besorgen lassen, wo und an welchem Ort ich mit meinen Kleidern zum kästen komen mocht, hat er myr keyn antwort geben vnnd nicbtss gescbryben noch schreiben wollen vnnd wcyss nhun nicht, wo mit den cley« dem hyn, Der wegen meyn fruntliche bitt yr wolt ileyss furwenden, dass ich macht weyter vorstendigt werden, wo ich mit meynnen cleydern zum kästen komen muclit vnnt wolt daran seyn, dass der böte halt gefertigt wurde mit antwort. bvrmit got befohlen vnnd euch Zu dynen findt yhr mich gantz willig. Datum amstad. Mitwochen nach Michaelis Anno etc. Im xxxv Ihar

E. williger Cristoff von witzleben zw Arnstadt.** (Nach dem Original mit gut erhaltenem Siegel im Com. Arch. zu Weimar.) *) Das Pergament, 2' hoch, über 2' breit, enthält 67 enggeschriebenc Zeilen. Von 11 Siegeln ist nur noch ein Pappenheimsches und das Friedrichs von Witzleben vorbanden.

Veit von Pappenheim war Kurf. Amtmann auf der Wachsenburg, daher also wohl die Bekanntschaft.

Die Eheberedung wurde errichtet durch Sebastian v. W. zu Arnstadt u. A. m.

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von Pappenheim, des Heil. Rom. Reichs Erbmai-schälle, ihre' Schwester Eu- phrosina dem Friedrich von Witzleben zur Ehe geben und versprechen, dem Bräutigam „in der nächsten Jahresfrist, so er ehelich bei der gemeldeten Jungfrau Euphrosina, seinem ehelichen Gemahl, geschlafen hat," 800 rh. fl. zu zahlen, wogegen Friedrich seiner Gemahlin 800 rh. fl. zu Gegengeld, ausserdem, „so sie die erste Nacht bei einander geschlafen haben", die Morgengabe nach seiner Ehre und adlichen Gewohnheit und schliesslich Behausung, Feuerung etc. geben sollte. Die Frucht dieser Ehe war nur eine Tochter, Anna, welche sich am 7. Sept 1559 im Gasthofe zum Heuberg*) auf dem Thüringer Walde Wilhelm Schott zu Zillingen zur ehelichen Gemahlin erbat und erhielt Friedrich von Witzleben versprach, seiner Tochter in Jahresfrist nach dem Beilager 600 fl. Thüringischer Landwährung zu geben, wogegen Wilhelm Schott seiner Braut 300 fl. zur Morgengabe reichen wollte.**)

Euphrosina ist wahrscheinlich bald nach der Geburt ihrer Tochter Anna verstorben, ohne ihi*em Gemahl einen Lehnserben geschenkt zu haben.

Bald nach 1545 und jedenfalls noch vor 1550***) vermählte sich Friedrich zum zweiten Male, und zwar mit Hanz Vitzthum's ****)

*) Jetzt Henbergshaus, 1 St. von Friedrichsrodc , das einzige Hans auf dem Rennsteig vom Inselsberg bis zum Schneekopf.

**) Orig. im Arch. zu Angehoda. Jobst von Lichtenberg zum Geschwende und Bernhard von Doltzig zu Gumperde waren Wilhelms Schott Freiwerber gewesen. Den Brief siegelten Andreas von Heldritt zu Bockfeld, Hans Scholt (Wilhelms Bruder), Christoph Marschall zu Halbach und Bernhardt von Doltzig zu Gumperde auf des Bräutigams Seite, Heinrich von Erffa zu Erflfa und Ernst von Witzleben auf Lieben- stein auf Friedrichs von Witzleben Seite, sowie dieser und Wilhelm Schott. Alle 8 Siegel sind noch wohl erhalten.

***) Am 19. Mai 1566 bat Friedrich von Witzleben zur Elgersburg den Herzog Johann Friedrich d. M. zu Sachsen, ihn der Vormundschaft der edeln und tugend- saroen Anna Tobekatzin, Jungfrau zu Elleben. zu entheben, da er bereits mit 4 Vormundschaften betraut sei und selber sieben lebendige, zum Theil unmündige Kinder habe, auch seines Leibes Unvermögens und Alters halber solcher Vormund- schaft nicht gebührlich nachkommen könne. (Geh. St. Arch. zu Weimar.) Ausser der verheiratheten Tochter erster Ehe müssen also Kinder der zweiten Ehe 1566 schon 18 oder 21 Jahr alt gewesen sein.

*♦**) nicht Conrad's von Hanstein, wie Biedermann, Ottenwald, Tab. CCXXXVII angiebt.

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nachgelassener Wittwe Amalia, geb. von Erffa, einer Tochter Hartmanns von und zu ErflFa und dessen zweiter Gemahlin Agnes von Famroda, und hatte bald die Freude, seinen Stamm wieder fa-äftig blühen zu sehen.

lieich und angesehen war Friedrich von Witzleben schon, als er nur die Hälfte der Güter besass und wurde es noch mehr, als er nach dem Tode seines Vetters Christoph, 1550, in, seiner Hand sänmitliche Be- sitzungen der Elgersburger Linie vereinigte. Es waren dies die S, 78 aufgeluhi-ten väterlichen Güter, die Sebastian von Witzleben verliehene Hälfte des Gutes Schönheide (s. S. 81) und die von Dietiich von Witz- leben gekauften Güter zu Bösleben etc. (s. S. 83), wozu, als bisher noch nicht erwähnt, zu zählen sind ein Haus, Höfe und Gärten zu Oberweimar,

1 Weinberg zwischen Dittershain und Kölleda, etwa 472 Acker Wiesen,

2 Malter Korn und Gersten zu Meilingen, 20 Groschen, 7^ Malter Korn und 72 Malter Gerste zu üUa, 16 Schillinge, 8 Hühner, 2 Malter Hafer von 1 Hufe Landes zu Liebsdorf und 10 Groschen von 7^ H^fc Landes zu Hechdoif, welche Güter und Zinsen die Vettern Christoph und Friedrich von Witzleben zur Elgersburg laut eines unteim 5. Febr. 1542 von ihnen ausgestellten Lehnbriefes mit Be^villigung der Grafen zu Schwarzburg als Oberlehnsherren dem achtbaren und hochgelahrten Francisco Burghart, Kurfürstl. Sachs. Kanzler, zu rechtem Erblehn verliehen hatten*).

Diesem bedeutenden Grundbesitz und Einkommen an lienten und Zinsen entsprach die Haushaltung Friedrichs auf der Elgersburg und in dem vollständig eingerichteten Hause zu Arnstadt. Am 15. Juli 1562 liess Friedrich dm-ch den Kaiserlichen Notar Magnus Laurwalt sein Hausgeräth, welches er nach seiner Vermählung mit „Frau Amalie von ErflFa, nach- gelassener Wittwe Hansen Vitztums sei." besessen, um „Hader und Streit" nach seinem Tode zu verhüten, aufs Neue inventarisiren. Nach dem im Archiv zu Angelroda befindlichen Notariats -Instrument waren an Silber und Kleinodien vorhanden.

1 silberner Kopf, vergüldet, „so man übereinander stürzt",

1 vergoldeter Ci-edenz 10 silberne giosse Becher, jeder 14 15 Loth schwer,

3 silberne Becher, jeder 22 23 Loth schwer,

1 silberne vergoldete Kanne, „welche der Junker der Frauen, als

*) Orig. des Lehnbriefes im Arch. zu Angelroda; die beiden Siegel sind aus- gebrochen.

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sie mit einem Sohn, Job Wilhelm, in Wochen gelegen*), aufs Bette geschenkt, welche auch gedachter Frauen, heut oder morgen, ohne wideiTode, gereicht und folgen soll", 1 äilbeme vergoldete Pfeife, so man am Halse trägt, 1 Kette von Rheinischem Golde, ,,mit Muldensteinen", wiegt un-

geföhr 74 Gulden, 1 goldene Kette von ungefähr 33 Gulden, welche der Junker auch

der Frauen geschenkt, 1 goldener Petschaft-Ring, 1 goldener Ring mit einem „Durkes" (Türkis), 1 Trauring, golden, 1 Schlangenring, golden, 1 geschlagener goldener Ring,

l goldener Ring „mit einem spitzigen Demin" (Demant?) 12 silbeme Löffel, 1 „kraus" (?) mit Silber beschlagen, 1 „spompflaschen" mit Silber beschlagen. Dann folgt Tischzeug, Bettwäsche, Betten, Küchengeräth, Zinn, Kupfer und schliesslich ein Verzeichniss des Hausgeräths.

In seinem 74. Jahre liess sich Friedrich von Witzleben in Lebens- grösse malen. Das Bild, jetzt in Angekoda, zeigt uns einen alten Herrn in einem zurückgeschlagenen schwarzen mailändischen Mantel, dessen über den Kopf gezogene Kappe die Stirn bis an die regelmässigen, fein ge- wölbten Augenbrauen bedeckt, mit frischer Gesichtsfarbe, hellbraunen Augen, gebogener Nase, langem grauem Vollbart und schönen aristokrati- schen Händen. Am Zeigefinger der auf dem Schwertgriff" ruhenden linken Hand erblicken wir einen Siegelring mit dem Wappen (auf rothem Grunde zwei weisse Sparren, also jedenfalls ein Onyx) und vor demselben einen kleineren Ring mit dunkelblauem Stein (den obenerwähnten Ring mit dem „Durkes"). An der Seite des Bildes befindet sich die Inschrift:

*) Hiernach wäre Job Wilhelm vor oder in dem Jahre 1562 geboren, in dem Hennebergischen Lehnbriefe über Manebach und V^ Martinroda vom 30. Juli 1579 heisst es aber, dass Job Wilhelm noch unmündig sei and daher seine Brüder in seinem Namen, bis er das 14. Jahr erreicht haben würde, die Lehen empfangen »olhen. Wahrscheinlich ist also der Job Wilhelm, bei dessen Geburt die Matter die fergoldete Kanne erhielt, in der Jagend gestorben und ein späterer Sohn wieder ebenso getauft worden.

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iETATIS SVE

74 DN 1578.

In der ersten Hälfte des Jahres 1579 starb Friedlich von Witz- leben*) mit Hinterlassung von 2 Töchtern: Anna, seit 1559 mit Wilhelm Schott zu Zillingen vermählt, und Amalia, welche 1580 Andreas Friedrich von ütterodt auf Schwarzhausen heirathete**) und 1635 zu Mülverstedt starb, und 3 Söhnen: Friedrich, Heinrich und Job Wilhelm, von denen Letzterer noch nicht 14 Jahre alt war.

In der im 16. Jahrhundert so bewegten Geschichte Thüringens finden wir Friedrich von Witzleben kaum erwähnt. Er sass auf seiner Scholle, von seinen eigenen Angelegenheiten hinlänglich in Anspruch genommen, und weder die Nachwehen des Bauernkrieges noch der Schmalkaldensche Krieg zogen ihn in den Strudel des öffentlichen Lebens. Nur ein Mal trat er auf: am 13. Oct. 1552 verschrieben sich Ernst Graf von Gleichen und Herr zu Tonna, Siegmund Burggraf von Kirchberg, Ludwig Albrecht Graf von Beichlingen, Veit des Rom. Reichs Erbmarschall zu Pappenheim, Ewald von Brandenstein zu Ranis, Hans Puster zu Drakendorf, Christoph von Harstall zu Myla, Friedrich d. A. von Wangenheim zum Winterstein, Friedrich von Witzleben zur Elgersburg, Jörg von Denstedt zu Heusdorf, Joachim von der Pforten zu Reinstedt, Albrecht von Meusebach zu Schwer- stedt, Nickel von Lichtenhain zu Gleina und die Städte Eisenach, Saalfeld und Weimar aJs Bevollmächtigte der Landschaft des gewesenen Kurfürsten Johann Friedrich in derselben und ihrem eigenen Namen, den Inhalt des von Johann Friedrich, der kurz vorher aus 5 jähriger Gefangenschaft in seine Brblande zuruc^ekehrt war, dem Kurfürsten Moritz zu Sachsen

*) Die BelehnnngeB seiner Söhne beginnen mit dem 3. Juni d. J. *•) Friedrich und Heinrich von Witzleben, sowie Hermann Ludwig von Farn- roda und Felix tob Erifa als Vormünder des dritten Bruders Job Wilhelm von Witz- leben, vorsprachen d. d. Ohrdruff, den 3. Mai 1580, ihrer lieben Schwester Amalia yon Witzleben zur Ehesteuer zu geben 1800 fl., ein Jahr nach geschehenem Kirch- gange und Beilager, dazu Kleidung, Kleinodien und Schmuck, wie landesübhch, wo- gegen Andreas Friedrich von Ütterodt seine zukünftige Gemahlin mit 3600 fl., freier Behausung, Feuerwerk etc. beleibzüchten sollte. Org. im Arch. zu Angelroda.

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gegebenen Versicherungsbriefea treu zu halten und demselben nachzu- kommen.*)

Auch die Grumbach'schen Händel, sowie die in deren Folge ein- getretene Belagerung von Gotha (1567) tangirten Friedrich nicht weiter, als dass er sich seiner ünterthanen zu Gera, Elgersburg und Manebach, welche Hafer und Heu ins Lager zu Frimar schicken und auf die Wache ziehen mussten, annahm und beim Herzog Johann Wilhelm zu Sachsen um Ersatz ihres dabei erlittenen Schadens im Betrage von zusanmien 120 fl. 3\/2 gr. einkam (12. Sept. 1570).

Dennoch führte Friedrich von Witzleben kein ruhiges Dasein. „Hader und Streit" sind der rothe Faden, der sich durch sein ganzes Leben hin- zog, und wenn auch „seine unruhige Gewohnheit" oft Schuld an einer neuen Streitigkeit gewesen sein mag, so war er doch andrerseits auch oft ge- zwungen, sein Recht zu vertheidigen und darin entwickelte er eine, man kann wohl sagen bewundemswerthe Energie.

Kaum im Besitz des väterlichen Erbes gerieth er nebst seinem Vetter Christoph und Oheim Sebastian von Witzleben mit den Grafen von Gleichen ab Inhabern des Theils des Schwarzwaldes, welcher durch eine von der Windischen Gera über die Scharte, den Finsterberg und Reussberg bis wieder an die Gera gezogenen Linie begrenzt wird, in Irrungen, welche erst durch Erkenntniss des Kurfürsten Johann zu Sachsen vom 11. Jan. 1531 dahin entschieden wurden, dass das Eigenthum, sowie die Nutzungen an Jagden, Zinsen, Gerichten und Bergwerken jenes Districts den Grafen und nur der Harzzins aus den betreflfenden Harzwäldem, sowie die Reh- und niedere Jagd denen von Witzleben zukäme.

Auch mit seinen eigenen ünterthanen lag er wiederholt in Streit, z. B. 1558 mit der Gemeinde zu Neuroda wegen einer Pfändung, die er in dem Dorfe Wipfra hatte vornehmen lassen, und 1559, sowie 1567 68 mit der zu Trasdorf, der Frohnen wegen.**)

♦) Com. Arch. zn Weimar, Reg. K. Cit. M. M. S. 193. No. 1314. **) Einen in dieser Angelegenheit an die Herzöge Jobann Friedrich und Johann Wilhelm za Sachsen gelichteten Brief schUesst er nach ausfti lirlicher Auseinander- letiang der Sachlage: „In Summa, es ist Muth willen. Ich bitte daher, ihnen ihren Mathwülen nicht zu gestatten und mir zuzutrauen, dass mein Gemüth gar nicht dahin gerichtet, meine Ünterthanen so zu beschweren, dass sie zum Verderben (das mir selbst icfaidlich sein wArde) gedeihen sollten etc. Datum Sonnabend nach Nativitatis Maria 1559." (Com. Arch. zu Weimar).

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Aus der im Januar 1557 durch die Herzöge Johann Friedrich d. M. und Johann Friedrich d. J. erfolgten Entscheidung der zwischen dem Amt Schwarzwald und denen von Witzleben entstandenen Irrungen, welche ein grosses, im Hauptarchiv zu Weimar befindliches Actenstück füllen, ent- nehmen wir von 13 Funkten nur den 9., worin enthalten ist, dass in Zukunft die von Witzleben, nachdem in kurzer Zeit unter ihrer Herrschaft 60 neue Bauernhäuser aus fürstlichem Holze erbaut worden wären, die Bauten aus eigenen Mitteln bestreiten sollten.

Alle diese bisher angeführten Irrungen waren aber unbedeutend gegen diejenigen, in welche Friedrich von Witzleben in Folge des am 12. März 1540 vom Fürsten Wolfgang zu Anhalt zwischen dem Kurfürsten Johann Friedrich und Herzog Johann Ernst, Gebrüdem zu Sachsen, eines und dem Grafen Wilhelm von Henneberg andern Theils wegen der Elgersburg und des Klosters Georgenthal errichteten sogenannten Schmalkaldenschen Ver- trags*) verwickelt wurde. Eigentlich spielten diese Streitigkeiten zwischen den Häusern Sachsen und Henneberg; Friedrich von Witzleben gab aber zu den meisten die Veranlassung, und seine Söhne hatten zum Theil noch die Folgen zu tragen. Ganze Stösse von Acten sind darüber in den Archiven zu Gotha und Weimar vorhanden. In einem solchen Bande des Gothaer Archivs befindet sich ein um die Mitte des 17. Jahrhunderts von einem Rechtsgelehrten gefertigter Auszug dieser „Strittigkeiten" (in Ab- schrift auch im Arcljiv zu Angekoda), der aber in Vergleich zu seinem Umfange zu geringes Interesse hat, um ihn hier wiedergeben zu können.

d. Bio Söhne Friedrich^s von Witzleben:

Friedrich, Heinrich nnd Job Wilhelm,

nnd Stiftung der Linien zu Neuroda, Bösleben nnd Oross-Liebriugeu.

1679-1616.

Bei dem Tode Friedrichs von Witzleben, 1579, waren von seinen Söhnen zwei, nämlich Friedrich und Heinrich, bereits selbsständig,**)

*) Vollständig abgedruckt in Schultes diplomatischer Geschichte des gräflichen Hauses Henneberg II. Urkundenbuch S. 351.

**) Beide finden wir schon am Tage Michaelis 1578 als Bürgen Curt Veifs Ton Witzleben zum Liebenstein erwähnt. Arch. zu Angelroda.

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während Job Wilhelm noch nicht 14 Jahre zählte*) und erst 1586 mündig wurde.

Die Folgen der vielföltigen Streitigkeiten ihres unruhigen Vaters hatten die Brüder noch lange zu tragen, und wenn sie auch friedfertigem Cha- rakters als jener waren und manche Angelegenheit in Güte beizulegen suchten, so vergaben sie sich doch andrerseits auch Nichts von ihren Hechten und betrieben namentlich den Prozess wegen der Harzpicher im Amte Schwarzwalde bei dem Reichskammergerichte zu Speyer mit vieler Energie, aber ohne bedeutenden Erfolg.

Sehr zu Statten kam ihnen in Bezug auf den ruhigen Besitz ihres Erbes, dass das Haus Henneberg, von dem besonders Graf Poppe (t 1574) ihrem Vater wegen der Gerichte über Hals und Hand, der Jagden, Hütungen, Triften, Harzpicher etc. viele Molesten bereitet hatte, wie „Friedrich, Heinrich und Job Wilhelm von Witzteben, Gebrüder zu der Elgersbuig", am 27. Nov. 1592 dem Herzog Johann Casimir zu Sachsen-Coburg schrieben**), mit dem Jahre 1583 erlosch***) und Elgers- burg mit seinen Pertinenzstücken nunmehr allein dem Hause Sachsen zu Lehn ging.

Auch andere Veranlassungen zum Streit wurden aus dem Wege geräumt.

Zwischen denen von Röder zu Dörnfeld und denen von Witzleben zu Elgersburg, welche Familien die Schönheide mit je einer Hälfte besassen, eines und den Vormündern von Hans Sahmen's hinterlassenen Erben zu Arnstadt andern Theils waren wegen der von den Gütern auf der Schönheide zu entrichtenden Lehnwahre (Abgabe beim Wechsel des Be- sitzers) Irrungen entstanden, indem die von Röder und von Witzleben von jedem Hundert 10 fl. als Lehnwalire forderten, die Vormünder aber nur 5 fl. zu erlegen schuldig sein wollten. Die Schwarzburgischen Räthe zu Rudolstadt erkannten am 4. Juli 1595 zu Gunsten der Gerichtsherren, da seit jeher 10 vom Hundert gefordert und gegeben seien, „doch würden

•) cf. S. 89. Anna. Seine Vormünder waren Felix von Erffa zu Erffa und Hermann Ludwig von Farnroda zu Wenigen-Lupnitz. ••) Arch. zu Coburg, G. VII. 94. No. 2. **•) Graf Georg Ernst beschloss am 27. Dec. 1583 den Mannesstamm des Hauses Henneberg, „welches seit 1274 mit abwechselnder Grösse 309 Jahre lang geblühet und unter den deutschen Fürsten ein ehrwürdiges An9eheu behauptet hatte.*' 8. Schnltes, DipL Gesch. des gräfl. Hau.^es Henneberg, II. p. 211.

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sich dieselben der Personen Vermögen nach mit Linderung des Lehngeldes zu erzeigen wissen."*)

Von Martinroda gehöi'te die eine Hälfte zu Elgersburg, die andere zu Liebenstein, und die Folge davon waren ganz natürlich Zivistigkeiten zwischen den Vettern, z. B. über das Weiderecht.**) Am 10. Mai 1598 verkauften die Brüder Ernst Friedrich und Christian Rudolph zu Witzleben zum Liebenstein ihre Hälftie von Martinroda für 4000 fl. auf Wiederkauf in 9 Jahren an die Brüder Friedrich und Job Wilhelm von Witzleben zur Elgersburg***) oder, wie es in einer Eingabe vom 26. Aug. 1603t) ausgedrückt ist, sie nahmen bei ihren Elgersburger Vettern 4000 fl. auf 9 Jahre auf Martinroda auf und überliessen Letzteren das Gut zur Deckung der zu bezahlenden Zinsen pachtweise. Aus dieser vriederkäuflichen Er- werbung wurde endlich nach mancherlei Verhandlungen im Jahre 1611 ein Erbkauf. Job Wilhelm bezahlte far die bisher zu Liebenstein ge- hörende Hälfte des Dorfes Mai-tinroda und das darin gelegene freie Ritter- gut von 113 Ackern Artlandes im Ganzen 7000 fl., nämlich die fiiüheren 4000 fl. und noch baar 3000 fl., und nahm die Brüder Ernst Friedrich und Christian Rudolph von Witzleben zu Liebenstein in die Mitbelehn- schaft über halb Martinroda auf. Am 18. Nov. IGll wurden die Unter- thanen von ihren bisherigen Junkern der Eide und Pflicht entbunden und an Job Wilhelm von Witzleben gevriesen.ff)

Von den 3 Brüdern starb der älteste, Friedrich, im Jahre 1610 ohne Nachkommen.

Heinrich, der meist zu Alkersleben lebte, war (nach dem Kirchenb. zu Neuroda) mit Elisabeth Catharine von der Margarethen a. d. H. Lauen- burgfff) vermählt, wurde der Stifter der bis zu Anfang des 19. Jahr-

*) Arch. zu Angelroda. *♦) 28. Jan. 1582. Geh. St. Arch. zu Weimar.

***) Arch. zu Angelroda. Von diesen 4000 fl. bezahlten die Käufer 2200 fl. in einem durch sie eingelösten Schuldschein Curt Veit's von Witzlehen zu Liebenstein vom 29. Sept 1578 und 1800 fl. a 21 gr., den Groschen zu 12 Pfennigen, haar in guten Dick- und Beichsthalem (den Dickthaler zu 28, den Reichsthaler zu 25 gr.) t) Geh. St. Arch. zu Weimar, tt) Arch. zu Angelroda.

ttt) Alte thüringische und namentlich erfurter Familie, welche am 22. Mäns 1662 ausstarb, v. üechtritz, dipl. Nachr. 1790, p. 37 nennt Heinrichs Gemahlin Sahina von Böse aus Netzschkau; Biedermann, Rhön und Werra, Tab. CCCLXIII. A. aber Anna von Eschwege; beide sind hiemach zu berichtigen.

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hunderts florirenden Linie zu Neoroda und starb in der ersten Hälfte des Jahres 1016.

Job Wilhelm, welcher zum Protestantismus übertrat und im April 16ir) ebenfalls schon todt war, hatte von seiner Gemahlin Brigitta von Wangenheim a. d. H. Brüheim, einer Tochter von Ludwig Melchior Yon Wangenheim auf Brüheim und Anna von Seebach, 5 Söhne, von welchen der älteste. Bring Friedrich, die 1751 wieder erloschene Linie zu Bösleben gründete, der dritte, Christian Rudolph, der Stifter der Linie zu Elgersburg— Gross -Lieblingen (bis 1767 blühend) wurde und der vierte, Hans Melchior, die Elgersburger Hauptlinie, von der sich später die Linie zu Angelroda abzweigte, dauernd fortpflanzte.

Ueber Heinrich und Job Wilhelm von Witzleben berichtete der Pfarrer zu Gera bei Gelegenheit der Kirchenvisitation im Jahre 1613, dass sie ein gar gut Regiment fahrten; wenn er über einen oder den andern Zu- hörer zu klagen hätte, werde ihm bald geholfen, und sie selbst fiahiien auch ein christlich gottselig Leben.*)

♦) Brückner, Goth. Kirch, u Schul. Staat, Th. H. St. 12. p. 53.

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n. Abschnitt

Die ausgestorbenen Nebenlinien der Elgers- burger Hauptlinie.

1616-1803. a. Die Linie zn Nenroda.

N

If ach dem kinderlosen Tode ihres älteren Bruders Friedrich waren Heinrich und Job Wilhelm von Witzleben die gemeinschaftlichen Besitzer von Elgers- burg mit allen Pertinenzien. Beide hatten so viel Söhne, dass eine Tren- nung der Familien nothwendig wurde, in Folge deren auch eine Theilung der Güter resp. deren Erträge eintrat. Diese scheint jedoch nur in einem mündlichen Abkommen bestanden zu haben und derart gewesen zu sein, dass Heinrichs Nachkommen Neuroda mit Trasdorf ganz und die Hälfte von Elgersburg, Gera, Manebach und 72 Martinroda, Job Wühelms Nach- kommen Bösleben ganz und die andere HäUle von Elgersburg, Gera, Manebach und 7^ Martinroda, sowie die zweite früher Liebenstein'sche Hälfl;e von Maitinroda, welche Job Wilhelm allein gekauft hatte, erhielten; doch wurden Alle nach wie vor immer gemeinschaftlich belehnt.

Neuroda ist jetzt ein Kirchdorf im Herzogthum Sachsen-Gotha, zum Beziik des Amts Schwarzwald gehörend, aber durch Schwarzburgisches und Weimarsches Gebiet von demselben getrennt, 2 St. nordöstlich von Ilmenau, ebensoweit südlich von Arnstadt und 1 M. südwestlich von Stadtilm, an der Wipfra gelegen. Brückner (Goth. Kirchen- und Schulen- Staat, Th. I. Stück 1. p. 75) sagt: „Von dem Ursprünge dieses Orts, weil es an alten Nachrichten fehlt, stehet nichts zu melden", wogegen Schumann (Staats-Post- und Zeitungs-Lex, VII. p. 113) behauptet: „Der Ort wurde wahrscheinlich auf einer Stelle erbaut, von welcher maji vorher die

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Waldung rodete, daher der Name, welcher es auch von den benachbarten altem Dörfern Roda an der Wipfer und Martinroda unterscheidet Laut Urkunden standen ehemals hier nur zwei Klöster, eine Pfarrei und eine Kirche, in welche ein jetzt wüstes Dorf bei Wipfra eingepfarrt war. Der Abt Martin (von Witzleben) zu Willingen hob die hiesigen Klöster auf und theilte ihre wenigen Güter einem Herrn von Witzleben mit, der sich hier dann einen Hof erbaute. Nun erst wurden mehrere andere Häuser angebaut, wodurch das Dorf sich bildete." Schumann nennt weder die Zeit, noch giebt er eine nähere Auskunft über die Urkunden, und daher halten wir seine Angaben für eine Sage, ^umal wir auch nirgends etwas über einen Abt Hartin von Witzleben zu Willingen haben entdecken können.

Wir kennen Neuroda nur als eins der zu der Elgersburg gehörenden besetzten Dörfer, dessen zuerst Erwähnung geschieht am 4. Juli 1538, als Christoph von Witzleben mit der dortigen Gemeinde einen Vertrag über die Frohndienste errichtete, dann 1548 und 49, als ebendieselben wegen eines Teiches, der Hasenjagd und einer Wiese in Streit lagen. Dass ausser den zur Elgersburg gehörenden Lehnstücken unsere Familie schon 1552 auch dnen freien Hof zu Neuroda besass, ist früher erwähnt worden. Auf der Ostseite des Dorfes hatte Heinrich von Witzleben im Jahre 1605 einen Eittersitz, den sogenannten Schieferhof , erbaut, der von ihm und seinen Nachkommen bewohnt wurde, jetzt aber in Ruinen liegt*)

üeber die persönlichen Verhältnisse der Glieder der Linie zu Neu- roda verweisen wir auf die Stammtafel L 3, welche wir nach den in den Archiven zu Weimar, Gotha und Ajigekoda befindlichen Urkunden und den Kirchenbüchern zu Neuroda zusammengestellt haben und der wir nur wenig hinzufügen können.

Jobst Heinrich, der 4. Sohn Heinrichs, soll (nach Zedier, Univ. Lex. Bd. 57. p. 2020) 1616 in fremde Lande gereiset und verschollen, nach Andern auf der Reise ledig verstorben sein. Dem widersprechen

*) Nenroda mit einer Mutterkirche, deren Pilial Trasdorf ist, «äblte 1820 gegen 36 Häuser und 170 Einwohner; zur Flur des Dorfes gehörten 621 V4 Acker Artland, 106 Acker Wiesen, 513 Acker Holz und der Egelsee von 50 Ackern. Letzteren be- sissen bis 1802 die von Witzleben; von diesen kam er (bei Gelegenheit des Verkaufs der Elgersburg) an die herzogliche Kammer, dann an die Gemeinden zu Gera und Elgersburg, die ihn 1808 för 4000 Tlilr. verkauften.

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aber die Lehnbriefe in den Archiven zu Gotha und Weimar, wonach er noch am 26. Aug. 1634 und 5. Nov. 1646 belehnt wird.

Ernst German finden wir am 17. Sept 1646 bei der Einweihung der Schlosskirche zum Friedenstein (in Gotha) und am 12. Dec. 1655 bei der feierlichen Beisetzung des Herzogs Bernhard des Grossen in der Stadt- kirche zu Weimar unter den Theilnehmem aufgeführt.*) Seine Gemahlin Anna Sabina, geb. von Lichtenberg, war eine Tochter von Johann Friedrich von Lichtenberg und Anna Maria von Thüna.**)

Von seinen Söhnen fährte der älteste, Heinrich Reinhard, zu- sammen mit seinem Vetter Georg Rudolph von Witzleben zu Gross- Liebringen, bei dem am 4. Juni 1675 in Gotha stattfindenden Leichen- begängniss des Herzogs Ernst zu Sachsen-Gotha in der 3. Ordnung das zur Fahne der Herrschaft Römhild gehörende Pferd. (Müllers Annalen.)

Ernst German's d. J. erste Gemahlin, welche am 20. Febr. 1694 zu Arnstadt starb und am 1. März Abends zwischen 7 und 8 LTir in der Kirche zu Neuroda beigesetzt wurde, wird von Gleichenstein, Tab. der von Schauroth, und König, Ad. Hist. L p. 872 und 876, sowie in der Leichenpredigt auf sie (welche sich im Gräfl. Archiv zu Stolberg befindet, von uns aber trotz aller Mühe nicht einmal abschriftlich zu erlangen war) Johanna Margaretha, in dem im Archiv zu Weimar befindlichen Tauf- schein ihres Sohnes Magnus German aber Margarethe Sophie von Schau- roth genannt, und war eine Tochter des Sachsen-Altenburgischen Hof- und Stiftsraths, sowie Domdechanten zu Naumburg, Jan Magnus von Schau- roth auf Rohschütz und Leussla und der Marie von Ende aus Königsfeld.

Die zweite Gemahlin, Christiane Dorothea, eine Tochter des Gräfl. Schwarzb. Raths, Ober-Hofineisters und Hauptmanns zu Rudolstadt, Nicol Ernst von Güntherod auf Zoppoten und Volckstedt (n. 1638. 21. Aug. f 1706) und der Helena Dorothea von Zehmen aus Clodra (f 1679, 10. Jan.), heirathete am 2. Juni 1699, ein Jahr nach dem Tode Ernst German's, den Schwarzb. Rudolst. Obersten und Ritter des preuss. Ordens de la generosUe Ludwig von Wurmb auf Quittelsdorf, Storchsdorf und Unter-Rottenbach (n. 1679, 1. Jan.), welcher sich nach ihrem Tode noch zwei Mal vermählte.

Der dritte Sohn Ernst German's d. A., Friedrich Jobst, schreibt

♦) Brückner, G. K. ü. Seh. St. Th. I. St. 1. p. 102 u. Müllers Annalen. ♦*) Biedermann, R. u. W.

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am 19. Juni 1678, als er bei Sachsen- Weimar die Lehen über Martin- roda nachsucht, dass er über 10 Jahre in Kriegsdiensten gewesen und Tor 8 Monaten vom kursächsischen General -Feldmarschall -Lieutenant Grafen von der Natte seinen Abschied erhalten habe, und am in. Juli dess. Jahres, dass er in Sachs. Gothaische Kriegsdienste getreten sei, als Fähnrich mit der Werbung zu thun habe und mit seinem ältesten Bruder wegen des väterlichen Gutes in Streit liege. 1684 lebte er in Neuroda, wo ihn der Pfarrer in dem Seelenregister als „böse, sonst aber gutthätig" schildert 1697 war er wieder in Ungarn im Kriege.

Am 3. März 1717 verkauften, hauptsächlich Schulden halber, die Wittwe Heinrich Reinhardts von Witzleben, Maria Sibylla, geb. von Witz- leben, im Namen ihres minderjährigen Sohnes Ernst Christian Friedrich, und der Lieutenant Magnus German von Witzleben auf Neuroda ihren Antheil an den Kitter- und Lehngütem zu Elgersburg, Gera, Manebach und Martinroda unter Reservation der Mitbelehnschaft för 11,000 fl. an Friedemann Ludwig (s. Tab. L 5.) und Hartmann (s. Tab. L 6.) von Witz- leben auf Elgersburg; alles, was zu Neuroda gehörte, z. B. das Jtts pa- tronatus der Kirche und Schule zu Neuroda und Trasdorf , die Ober- und üntergerichte in diesen beiden Dörfern, die hohe und niedere Jagd daselbst, behielten die Verkäufer.

Bald darauf verkaufte Ernst Christian Friedrich sein Lehn in Neuroda und einige Stücke vom Erbe an seinen Vetter Magnus German, dessen Erben dann am 2. Aug. 1742 die sämmtlichen zu Neuroda gehörenden Lehngüter (den Schieferhof) und ihre Erbgüter för 6000 fl. ebenfalls an Hartmann von Witzleben zu Elgersburg veräusserten, so dass also nur noch ein Theil zu Neuroda im Besitz von Ernst Christian Friedrich von Witz- leben blieb. Jedoch auch hier wurde die Subhastation nothwendig und Ernst Christian Friedrichs Schwager, Christoph Friedrich Hartmann von Witzleben, bis 1743 auf der Elgersburg wohnhaft (s. Tab. L 5.) er- stand dieses sogenannte Erbgut zu Neuroda.

So war die Neurodaer Linie nicht mehr angesessen.

Die Söhne von Magnus German gingen in Preussische Kriegsdienste und waren 1765 sämmüich veretorben.

Ernst Christian Friedrichs Söhne gingen in Würtembergische Dienste, wo sie schnell avancirten. 1755 waren beide noch Lieutenants in den Regimentern Prinz Louis und von Röder; J760 war Friedrich Wilhelm Reinhard von Witzleben bereits Oberstwachtmeister im Regiment

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Prinz Louis, Commandeur des 2. Grenadier-Bataillons, Chevalier de Vordre militaire de St. Charles und Kammerjunker, 1764 Oberst, 1770 1779 Commandeur zu Tübingen, 1783 Trabanten-Lieutenant*) und Kammerherr.

Ernst Friedrich Wilhelm von Witzleben, 1781 vormaliger Oberst-Lieutenant im Regiment Gablenz, Kammerherr, kommt 1790 zum letzten Male vor, während der Trabanten- Lieutenant erst 1803 gestorben zu sein scheint**)

Einer der beiden Brüder war vermählt mit Sophie Renate, geb. von Adelsheim, zu Ludwigsburg, welche im Jahre 1766 beim Reichs- kammergericht Rudolph Christian, Carl Ludwig und Ernst Christian von Adelsheim, sowie Caroline von Schleppengrill, geb. von Adelsheim, verklagte.***) Von einer etwaigen Nachkommenschaft der Gebrüder von Witzleben fehlt uns aber jede Kenntniss.

b. Die Linie zu Bösleben.

Job Wilhelms von Witzleben (s. S. 96) Söhne besassen Bösleben ganzf) und die Hälfte von Elgersburg, Gera und Manebach und ^/a von Martinroda. Nachdem Christoph Wilhelm und Friedemann Ludwig ge- storben waren, kamen die drei andern Brüder dahin überein, dass Bring Friedrich die Schwarzburgischen Lehnstücke zu Bösleben för sich und seine Nachkommen, Christian Rudolph und Hans Melchior die Elgersburger Besitzungen übernahmen und sich die gegenseitige Mitbelehn- schaft vorbehielten.

Bösleben, jetzt ein Pfarrkirchdorf im Amte Berka des Grossherzog- thums Sachsen-Weimar, 272 St. ostsüdöstlich von Arnstadt, IY2 St. süd- westlich von Cranichfeld, Y2 M. westlich von Witzleben, mitten im

•) Das Herzog]. Würtembergische Trabantencorps bestand aus 1 Trabanten- Hauptmann (1768 General von Hundeishausen, Exe), 1 Trabanten -Lieutenant, 1 Brigadier, 4 Sergeanten und 35 Trabanten. S. Vebse, Gesch. der Höfe von Baiem, Württemberg etc. m. p. 317, 324.

**) Mittheilungen des Herrn von König in Württemberg. In einem V^er- zeichniss der Passivschulden der Brüder von Witzleben, welche die Herzogl. Gothaische Kammer beim Verkauf von Elgersburg am 8. Nov. 1802 übernahm, wird ein Posten erwähnt: 857 Thlr. Neuroder Lehnstamm, Herr Kammerherr von Witzleben zu Lud- wigsburg. Archiv zu Angelroda. *♦♦) Archiv zu Wetzlar.

t) Selbstverständlich, soweit es überhaupt im Witzleben'schen Besitz war.

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Schwarzburgischen, wozu es ehedem gehörte, kommt schon seit dem Jahre 1392 wiederholt in unserer Geschichte vor, indem bald die Landgrafen in Thüringen und die Herzöge zu Sachsen, bald die Grafen zu Schwarzburg und die zu Gleichen Güter und Zinsen daselbst unserer Familie verliehen. 1508 kaufte, wie S. 83 erzählt ist, Dietrich von Witzleben den sogenannten Hasenbach zu Bösleben mit einem Vorwerk, 7 Hufen Landes, etlichen Wiesen und nicht unbedeutenden Zinsen. Als nun nach dem Jahre 1616 Bring Friedrich von Witzleben nach Bösleben übersiedelte, wurde aus allen ihm gehörigen Lehnstücken daselbst ein Gut gemacht, das sogenannte Untergut, welches am nordwestlichen Ende des Dorfes lag, während er durch einzelne Ankäufe noch so viel erwarb*), dass daraus ein Freigut, das Obergut genannt, entstand, welches auf einer kleinen Erhöhung dicht bei der Kirche am sogenannten Krämpelmarkt stand und ihm resp. seiner Familie zur Wohnung diente. Wie das üntergut das älteste Besitzthum der von Witzleben in Bösleben gewesen ist, so ist es auch nach dem Erlöschen der Linie zuerst zerschlagen und an die Bauern gekommen man weiss nicht genau, zu welcher Zeit - , während das Obergut noch heut, wenn auch nicht mehr in unserm Besitz, besteht und als „das von Witzlebensche Gut" bekannt ist Kirchenpatrone sind die von Witzleben in Bösleben, wo noch andere Familien, z. B. die von Schwartzenfels, von Reitzenstein, von Poseck angesessen waren, nie gewesen und hatten daher auch kein Erbbegräbniss in der dortigen Kirche. Wer von ihnen in Bösleben be- graben wurde, wurde auf dem Friedhofe beerdigt. Die wohledle und tugendreiche Frau Agnesa von Witzleben, geb. von Erflfa, wurde am 25. Juni 1663 in der Kirche christadligem Gebrauche nach beigesetzt, wofür die wohledlen Jungherren von Witzleben auf Bösleben der Kirche 14 Thlr. als Geschenk vermachten, welches angenommen wurde mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass dieses Geld als reines Geschenk, nicht etwa als ein Kaufschilling fiir den Platz eines Erbbegräbnisses anzusehen sei und die Junker allen desfallsigen Ansprüchen entsagten.**)

*) Ering Friedrichs Brüder, Christian Rudolph, Hans Melchior und Priedemann Ludwig Tou Witzleben kauften am 12. März 1629 der Gemeinde Bösleben eine Wiese ab für 240 Reichstbaler, weil Bösleben „zur Erlegung der Contribution auf die vor zwei Monden in dieser Herrschaft einlogirte halbe Companey des Herrn Obersten Isolani kein ander Mittel gewusst noch in andere Wege Bath schaffen können." Diese Wiese gehörte später den Söhnen Ehring Friedrichs.

**) Kirchenbuch zu Bösleben.

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Ueber die männlichen Glieder der Linie zu Bösleben haben wir der Stammtafel Nichts hinzuzusetzen.

Mit Friedrich Ludwig von Witzleben, welcher in seinem 16. Jahr ein Kriegsdienste gegangen, 1707 mit einem seiner Brüder in der Provence gewesen war, 1726 als fui-stl. Sachsen- Weimarscher Oberst-Lieutenant in Ilmenau gestanden und darauf sich nach Bösleben zurückgezogen hatte, wo er am 7. Januar 1751 in einem Alter von 69 Jahren, 3 Monaten und 18 Tagen starb und am 10. Januar zur Erde bestattet wurde, erlosch diese Nebenlinie des Hauses Elgersburg, worauf die Güter zu Bösleben an die Linien zu Neuroda, Grossliebringen, Elgersburg und Angelroda fielen, aber bald, das Untergut zerschlagen, das Obergut im Ganzen, an die Bauern veräussert wurden.

Aus dieser Linie zu Bösleben stammt die gepriesenste Frau unseres Geschlechts, über welche so viele Fabeln existiren, nach der so viele Töchter benannt sind, von der aber bisher eigentlich Niemand etwas Genaueres wusste, nämlich Esther Maria von Witzleben. Bevor wir jedoch von ihr ausfuhrlich reden, wollen wu* erst noch ihrer Cousine Christina Lucretia erwähnen, welche mit einem der berühmtesten Männer Russlands ver- mählt war.

Christina Lucretia von Witzleben, eine Tochter des Sachsen- Gothaischen Kanmierjunkers, Oberstwacht- und Stallmeisters, Landes- hauptmanns im Fürstenthum Altenburg, Hans Heinrich von Witzleben zu Elgersburg etc., Bösleben und Beutelsdorf*) und Anna Debora's von See- bach aus Schönewerda, wurde am 25. Aug. 1685 geboren. Als die Mutter, welche nach dem 1693 erfolgten Tode Hans Heinrichs noch einige Jahre zu Beutelsdorf lebte, später (nach 1696) Oberhofmeisterin zu Dannstadt wurde**), folgte ihr Christina Lucretia dorthin, wurde bald Hofdame an demselben Hofe und vermählte sich am 8. Mai 1705 mit dem Hauptmann Burchard Christoph von Münnich, Erbherm auf Neu-Huntorf im Olden- burgischen, welcher am 9. Mai 1683 geboren und 1701 während des

*) Kleines Dorf im Amte Kahla des Herzogthums Sachsen -Altenburg, St. südlich von Orlamünde, am linken Ufer der Saale, wo Hans Heinrich von Witileben ein nicht bedeutendes Gut erworben hatte.

^*) Die Berufung in diese Stelle erklärt sich, wenn wir anführen, dass des Her- zogs Ernst des Frommen zu Gotha Tochter Eb'sabeth Dorothea, n. zu Coburg den 8. Jan. 1640, mit dem Landgrafen Ludwig zu Hessen-Darmstadt seit dem 5. Dec. 1666 vermählt war und als Wittwe 1709 starb.

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spanischen Erbfolge-Krieges als Hauptmann in Darmstadtische Dienste ge- treten war. Die jmige Frau wird als eine Dame „von grossem Verstände und Mitteln, von ansehnlicher schöner Gestalt" geschildert.

Im Jahre seiner Vermählung, 1705, ging Münnich in Hessen-Casselsche Dienste, ward 1712 im TreflFen bei Denain schwer verwundet und von den Franzosen gefangen, avancirte bald darauf zum Oberst-Lieutenant, verliess aber den Casselschen Dienst 1715 und begab sich in Polnisch-Sächsische, 1720 aber in Kussische Kiiegsdienste, wo er des Russischen Reiches Graf (25. Febr. 1728), des St. Andreas- und Alexander - Newski- Ordens Ritter, commandirender General-Feldmarschall, Präsident des Reicbs- KriegscoUegii, General-Feldzeugmeister der Artillerie, General-Directeur aller Festungen des Russischen Reichs, Chef des adligen Cadettencorps und Obrister über ein Regiment Kürassiers und ein Regiment Infanterie, dann 1735 des weissen Adler-Ordens Ritter, 1736 Generalissimus aller mssischen Armeen, 1739 Oberst -Lieutenant der Preobrasinskischen Garde, 1740 Premier-Minister und Chef aller Collegia wurde.

Christina Lucretia „hat ihrem Gemahl in einem fast 22jährigen Ehe- stande die Kriegsbeschwerlichkeiten auf seinen vielfachen Zügen nicht wenig versüsset", ist' die fruchtbare Mutter von 14 Kindern gewesen, von denen jedoch nur vier zu reiferen Jahren heranwuchsen, und starb, von Münnich tief betrauert, am 10. Febr. 1727.

Münnich vermählte sich 1728 zum zweiten Mal mit der verwittweten Gräfin Barbara Eleonora von Soltikow, geb. Gräfin von Malzan, wurde 1741 gestürzt und nach Sibirien geschickt, später begnadigt imd starb am 16. Oct. 1767 zu Petersburg, nachdem sein mühsames Leben auf Erden 84 Jahre, 5 Monate und 6 Tage gewähret.

Seine Leiche wurde nach Neu-Huntorf in der Grafschaft Oldenburg gebrachi*)

*) 8. BOsching, Mag. filr die neae Eist, und Geogr. IIL p. 389—536, wonach Chr. Friedr. Hempels Leben etc. Bnrchard Christophs von Münnich unvollständig ist; femer Gaohen, Ad. Lex. IL 757; Bülau, Geh. Gesch. und räthselhafte Menschen, X. p. 189 and 198; Yehse, Gesch. der Höfe von Baieru etc. a. Hessen, V. p. 134.

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Esther Maria,

Pfalzgräflu bei Rhein zu Blrkeufeld-Gelnhausen,

geb. von Witzleben.

Esther Maria von Witzleben*), eine Tochter des Sachsen-Römhildschen Oberforstmeisters Georg Friedrich von Witzleben zu Elgcrsbuig etc. und Bösleben und Maria Magdalena's von Hanstein, war am 28. Juli 1065 zu Kömhild, dem Aufenthaltsorte ihres Vaters, geboren.

Aus der ersten Hälfte ihres Lebens haben wir leider weiter Nichts entdecken können, ^als dass sie mit Johann Friedrich von Bromsee ver- mählt gewesen war**) und aus dieser Ehe mehrere im Jahre 1709 noch lebende Kinder hatte.***) Nach dem Tode ihres Gemahls, der um das Jahr 1690 erfolgt sein muss, wurde Esther Mai-ia ,,Kanmierfrau*S d. h. Hofdame bei der Gemahlin des Pfalzgrafen Johann Carl zu Birkenfeld- Gelnhausen, Sophia Amalia, geb. Pfalzgräfin zu Zweibrücken, f)

Esther Maria war eine schöne, stattliche Dame ff), welche einen hohen Geist besass, verbunden mit Klugheit, Thatkraft und tief religiösem Ge- mty;h; sie sprach und schrieb ein schönes Französisch und hatte sich die ganze damalige fi-anzösische Bildung zu eigen gemacht. Eine zärtliche Fürsorge widmete sie der einzigen Tochter des Pfalzgrafen, der Prinzessin

*) Sie unterschrieb sich selbst stets Esther Maria, nicht aber Maria Esther.

**) Bülau: Geh. Gesch. u. räthselh. Menschern 10. Bd. p. 189. cf. Zedier, 57. p. 2021; Biedermann, Rhön und Werra; Job. Jac. Mosers Teutschcs Staatsrecht, Th. 19. p. 6 u. 7, 94—96 u. 332, Seiferts Ahnentafeln, Hattstein I. p. 668, Der Namen ist auch ßrömsee geschrieben; ein Geschlecht von Bromsee haben wir nicht auffinden können, wohl aber Brömbsen, ein uraltes a<lliges und freiherrliches Geschlecht in Franken, Brömse, im Lüneburgischen und zu Lübeck sesshaft und endlich Brömser von Küdesheim, ein altes rheinisches Geschlecht, welches das Erb-Untertruchsessen- Amt im Erzstifte Mainz inne hatte, aber nach v. Hellbach Ad. Lex. bereits am 25. Nov. 1668 ausgestorben sein soll. Nach Gauhen II. 108 hat im 17. Jahrhundert in Thüringen eine Familie von Bronser existirt

***) Eingabe des Pfalz -Birkenfeldschen Anwalts Praun, beim Beichshofrath zu Wien praes. 8. Oct 1709, in den Acten des Processes Pfalz-Birkenfeld contra Pfalz- Birkenfeld, Post No. 8, Beichs-Hofraths-Begistratur im K E. Beichs-Hof- und Haas- Archiv zu Wien.

t) Sophia Amalia, Tochter des Pfalzgrafen Friedrich zu Zweibrücken-Lands- berg, war geboren am 15. Dec. 1646 und in erster Ehe mit Seyfried Grafen von Hoben- lohe-Neuenstein vermählt, ward Wittwe und vermählte sich zum zweiten Male im Juli 1685 mit Johann Carl, Pfalzgrafen bei Rhein zu Birkenfeld-Gelnhausen, n. 1638. 17. Oct. t 1704. 21. Febr.

ttj Ein sehr wohlgelungenes Brustbild von ihr befindet sich in Angclroda.

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Magdalena Juliana (n. 1686 21. Febr., f 1720 5. Nov., verm. 1704 JG. Nov. mit Joacliim Friedlich, Hei^zog zu Holsteiu-Norbuig und Plön).

Jene hervorragenden Eigenschaften verfehlten nicht, die Aufmerksamkeit Johann Carls auf sich zu ziehen; und als seine Gemahlin am 20. Nov. 1695 gestorben war, entschloss er sich bald, die Hofdame derselben zu heirathen. Seines Bruders, des Pfalzgi-afen Christian IL zu Birkenfeld wegen, der gegen jede abermalige Vermählung Johaim Carls war, um einst dessen Renten an seine Familie zu bringen,*) musste Johann Carl die ganze Angelegenheit sehr geheim betreiben. Noch am 25. Juli 1696 schrieb er von Gelnhausen aus seinem Bi-uder:

„e/6 stns ravy que vous avez eu des myiwelles de Votre ßs, Dieu le conserve, s'ü a de Vaffedion pour ntoy, je ftien estimeray glorieuXy c'est ä mon avis bien longtemps, que vous le votdes faire se tnarier dans quatre ans, pour tnoy je sovkaiterois qu'il fast desja, considera/nt nostre brauche, laqueUe ne ctytisiste qu'mi luy apres nous deu^x, qui ne somnies plus ä cmnptery car pour nioy je vous puis assurer, que si je mc

*) Christian konnte darauf um so sicherer rechnen, als Johann Carl nur die ein- zige oben erwähnte Tochter besass, welche nach dem Wittelsbach*schen Hausgesetze dtn Vater nicht beerben konnte, so lange noch männliche Agnaten vorhanden waren (Königl. Baierisch. Hausarchiv. Schreiben d. d. Birkenfeld, 20. März 1665, 17. Mai 16%, 23. Juli und 19. Nov. 1797.). Christian II. iibervortheilte als der crstgeborne Sohn des Pfalzgrafen Christian I. seinen Bruder, so oft sich ihm Gelegenheit dazu bot 1668 schloss er mit ihm einen Vertrag, in welchem er die Besitzungen seines verstorbenen Vaters in der Art theilte, dass er die ganze Herrschaft Bischweiler für sich behielt und seinem Bruder Johann Carl von den aus Pfalz-Neuburg und Zwei- brücken fliessenden 10,000 fl. Renten nur 3750 fl. nebst Wohnung, Holz und Licht,. sowie die Fourage für 10 Pferde auf dem Schlosse Bischweiler einräumte. Die Ver- iiiögensverhältnisse Johann Carls besserten sich, als der Pfalzgraf Carl Otto, Vetter Christian I., s^arb, und die beiden Brüder die Grafschaft Sponheim erbten. Christian II. zog nach kurzer Verhandlung die ganze Grafschaft an sich und bestimmte seinem Bruder ein jährliches Deputat von 46,000 fl. Als Johann Carl später das Testament seines Grossvaters zu Gesicht bekam, sah er, dass er noch die Einkünfte eines Drittels von der »hintern Grafschaft Sponheim" zu fordern berechtigt sei. Christian II. be- sänftigte ihn damit, dass er sich verpflichtete, ihm jährlich noch 4000 fl. zu geben and einen Hofcavalier, 2 Pagen, 3 Bedienten und 10 Stallknechte zu unterhalten (Königl. Baierisch. Hausarchiv. Schreiben d. d. Bischweiler, 20. Jan. 1668; 16. April 1673; 2. Jan. 1680; 12. Sept. 1681; Rappoldsweiler, 18. Jan 1683; Bischweiler, 2. Nov. 1685.) Dem Pfalzgrafen Christian II. fielen diese Abtretungen an seinen Bruder sehr schwer, wiewohl er von der väterlichen und grossväterlichen Erb9cbaft den Löwenantbeil an sich gebracht und seinem Bruder gar keinen Grundbesitz über- lassen hatte.

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remarie ce sera un mariage de conscience, n'etatd paint en etat d'entretenir une fenmte de condition, je ne trouve aussy, que Je puisse vivre solitaire, comnie je suis, il fatU songer au saltU de Tarne, si je le fais, f esper e, que vous ne le desapproiiverez point, regardant le salut de nton ame, comme je viens de dir&^ *) und schon nach drei Tagen, am 28. Juli**), dem Geburtstage Esther Marfans, fand zu Bischweiler die Trauung nach evangelischem Ritus statt.

Als Christian ü. die Nachricht hiervon erhielt, gerieth er in die höchste Aufregung und machte seinem Bruder über eine solche Mesalliance die ernstesten Vorstellungen; er gab seine Zustimmung erst, als Johann Carl in einem Vertrage seine etwaigen Nachkommen von jeder Erbfolge ausschloss.

Diesen Vertrag bereute jedoch Johann Carl, als ihm seine zweite Ge- mahlin 3 blühende Söhne und 2 Töchter geboren hatte; um ihn umzu- stossen, wandte er sich an den Wiener Hof und bat den Kaiser Leopold I., Esther Maria in den Reichsgiafenstand zu erheben, um dadurch seine Kinder erbberechtigt zu machen. Leopold war dem Ansuchen nicht ab- geneigt und übertrug die Sache dem ürtheil des Reichs-Hofrathes. Allein Christian hatte hiervon erfahren und brachte die intriguante Kaiserin dahin, dass sie bei den Keichs-Hofräthen das ganze Bittgesuch Johann Carls ver- eitelte. Dieser that auf Betrieb ^ seiner Gemahlin nochmals denselben Schritt; allein die ganze Angelegenheit kam durch den Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges in Vergessenheit, und am 21. Febr. 1704 starb Johann Carl.***)

Nach dem Tode ihres Gemahls gerieth Esther Maria mit ihren Kindern in eine höchst unglückliche Lage. In Folge der Ermahnungen Christians hatte Johann Carl auf Grund der speciellen und allgemeinen Hausgesetze am 13. Juli 1702 ein Testament errichtet, in welchem er seiner „herz- geliebten Frau Gemahlin und dero Kindern" seinen 15,000 fl. beti*agenden Antheil des bei Fürstberg Mostkiich stehenden Capitals, die bei Neuburg stehenden 15,000 fl. sogenannten Zinsgelder, das bei Kur-Baiera in München

*) K. K. Reichs-, Hof- und Hausarchiv zu Wien, L c. Post No. 7. BeiL H. *^) In den meisten Werken ist fälschlich der 26. Juli als Hochzeitstag ange- geben, den bestimmten Nachrichten aus den Archiven zu Wien und München entgegen. ***) Königl. Baiersch. Hausarchiv. Schreiben d. d. Bischweiler, 28. Juli 1696; 5. u. 27. Oct. 1698; 2. Juni u. 15. Aug. 1699; 10. März 1701; 21. Febr. 1704; Bir- kenfeld, 21. Sept. 1696; 5. Mai 1702; 12. Nov. 1705.

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stehende Capital von 10,600 fl., die von seiner Grossmutter auf ihn ge- kommenen 4 Fuder Moselwein, die von ihm zu Gelnhausen gekaufte Wohnung mit Garten, Aeckem und Wiesen, sammt dem um Gelnhausen gelegenen sogenannten Kastengut (beides seiner Gemahlin als Legat eigen- thümlich bestimmt) und die am Kupferbergwerk zu Fischbach in der Grafschaft Sponheim gekauften zwei Stämme vermachte.*)

Christian, dessen Willkühr die Ausfiihrung des Testaments überlassen war, erklärte der Wittwe, dass er ihr als Deputat 6000 fl., welche auf der Landschaft in Pfalz -Neuburg hafl;eten, und die Gefölle der angefahrten Bergwerke geben wolle, fugte aber hinzu, dass er diese Gelder nach ihrem Tode an sich ziehen und dem Fürsten von Holstein -Norburg verleihen werde , so dass also die Kinder Esther Maria's gänzlich hilflos gewesen wären.

Da erwachte in Esther Maria die ganze Macht der Mutterliebe und mit seltener Klugheit und Energie führte sie das Vorhaben ihres verstor- benen Gemahls aus. Kurz vor seinem Tode hatte ihr dieser noch mündlich den Auftrag gegeben, die günstigen Zeitumstände zu benutzen und Alles aufzubieten, um die Kinder erbberechtigt zu machen. Eine bessere Wen- dung am Wiener Hofe trat für sie ein, als im Jahre 1705 Joseph I. den Kaiserthron bestieg und der Einfluss der alten Kaiserin schwand. Esther Maria hatte eine treue Stütze an ihrer Schwester Maria Elisabeth von Witz- leben, welche bei ihr auf dem Schlosse Gelnhausen wohnte, und gewich- tige Fürsprecherinnen zu Wien fand sie an der Markgräfin von Baden (wohl der Gemahlin des Feldmarschalls Markgrafen Ludwig von Baden) und an der Fürstin von Ottweiler; beide hatten Esther Maria als Hofdame kennen gelernt und liebgewonnen. Auch die Schwester Johann Carls, Dorothea Catharine, vermählt an den Grafen Johann Ludwig von Nassau- Saarbrücken, bezeigte ihr viele Theilnahme. **) Auf einen noch an diesen gerichteten Brief derselben antwortete Esther Maria eigenhändig:

„Gelnhausen, den 15. März 1704. Durchlauchtige Fürstin! Gnädige Fürstin und Frau! Aus Eurer Gnaden an meinen nunmehr in Gott ruhen- den seligen Eheherm am 2R. v. M.***) abgelassenem und von mir er- brochenem Schreiben habe ich ersehen, wie herzlich Dieselben den lieben

♦) K. K. Reichs-, Hof- und Hausarchiv zu Wien, 1. c. Post No. 1. Beil. D. ♦*) Königl. Baiersch. Hausarchiv: Birkenfeld, 16. u. 21 Mai 1704; Bisch weiler, 11. Jan., 28. März, 7. Juli 1705; Gelnhausen, 20. März 1704; 13. Dec. 1705.

^**) Die Fürstin muss demnach den Tod ihres Bruders (21. Febr.) nach 8 Tagen noch nicht gewusst haben.

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Gott angerufen, dass er Dero seligen Herni Bruders Liebden mir und meinen kleinen Kindern zum Tröste noch lange erhalten möchte. Wie ich nun för solchen Wunsch, Vorsorg und gnädige bezeugende Gütigkeit, so mir in meinem sehr betrübten Wittweustand zu sonderbarer Consolation gereichet, um so mehr demüthig danke, je mehr Fürstlichen Gnaden mein vormalig Thun und Lassen und der ganze Verlauf hoffentlich annoch im gnädigen Andenken sein wird, also nehme ich auch in solchem Vertrauen zu Eurer Gnaden meine Zuflucht und Bitte, Dieselben möchten sich an- gelegentlich meiner und meiner unerzogenen Kinder an End und Oiten, da es von Nöthen sein möchte, in Gnaden so annehmen, wie es vor Gott und der ehrbaren Welt rühmlich, christlich und gereclit ist. Ich werde dafür mit meinen kleinen Kindern den lieben Gott in dessen um Dero reiche Vergeltung inbninstig anrufen und bis an mein Ende im demüthigen Gehorsam und ßespect bleil)en

Eurer Gnaden

unterthänige Dienerin

E. M. Douairiere du Prince de Birkenfeldt."

Die durch den Tod des Gatten tieflietrübte aber ungebeugtt^ Wittwe nahm nun den Titel einer Pfalzgräfin an und beauftragte den Reclitscon- sulenten Dr. Burgk in Frankfurt a. M., ihren Schwager aufzufordern, dass er ihr das volle Deputat ihres verstorbenen Gemahls, 50,000 fl., aus- bezahle. Burgk vertrat die pfalzgräfliche Wittwe nicht allein am Hofe Christians, sondern auch zu Wien beim Keichs-Hofrath mit regstem Eifer, und wurde liierin besonders durch die Schwester derselben, Maria Elisa- beth von Witzleben, ermuthigt, welche mit ihm in stetem Briefwechsel stand. Unter andern schrieb sie ihm (eigenhändig): „Ich woUte wünschen, dass alle Gemütlier, hohe und niedere, so viel Freudschaft vor die meinigen hätten, als Sie, hochgeehrter Herr! so wären meiner Schwester und ihren Kindern nicht so viel tausend Thränen und Seufzer zu Gott aus ihren Herzen und Augen gepresst worden."

Einen treu ergebenen und thätigen Diener hatte Esther Maria auch an ihrem Secretär Steub, welchen Maria Elisabeth mündlich und brieflich fiir die Sache ihrer Schwester aneiferte. So schrieb sie ihm unter mehreren Klagen über die Beamten Christians II. einmal: „Ich muss vor Verwun- derung und Betrübniss nicht unterlassen, Ihnen diesen hier beikommenden Brief zu überschicken, aus welchem Sie ersehen können, auf was Art und Weis des Herzogs Christian Amtmann, Gröber, meine Frau Schwester nur

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die Frau von Witzleben heisst. Nun weiss ich nicht, wie ihres Vaters Namen sie jetzo noch föhren kann, indem sie keine Wittib von einem Witzleben, sondern von einem Fürsten ist. Es scheint, dass dieser gute Mann nicht viel in der Welt herumgekommen, sondern meist bei den Bergwerken gewesen ist."

Christian IL protestirte gegen die Ansprüche Esther Maria's und for- derte den Kurfiirsten Johann Wilhelm von der Kalz, als Chef der pfal- zischen Witteisbacher, und selbst den König Carl XII. von Schweden, so- wie alle andern Linien zum Protest auf Alle stimmten ihm zu. Esther Maria Hess sich aber nicht einschüchtern, sondern fühi-te ihren Prozess energisch fort, bis endlich der Reichs-Hofrath zu Wien am 11. April 1715 das ürtheil*) fällte, „dass die zwischen weiland Henn Johann Carl, Pfalz- grafen bei Khein, und seiner hinterlassenen fürstlichen Frau Wittwe Esther Maria, geb. von Witzleben, getroffene Ehe für ein ordentliches, gültiges und vollständiges fürstliches Matrimonium aller dagegen erhobenen Einwendungen ungeachtet zu achten und um deswillen die darin erzeugten Kinder des pfalzgräflichen Namens, Standes, Würden und der Succession in alle ihrem Vater zuständig gewesenen Stamm- und Fideicommis-Güter, fürstlichen Gerechtsame und Prärogative, ohne Ausnahme, und in Sonderheit in den deimalen unbefugt in Stidtt gezogenen wirklichen Besitz und Genuss des jährlichen auf dem Fürstenthum Neuburg haftenden Stammdeputats und der jährlichen Rente der vier Fuder Moselweins aus der Kellerei Trarbach, fähig zu erklären seien."

Der Kaiser, Carl VI., sanctionirte diesen Ausspruch und eimahnte zugleich den Kuifürsten und Pfalzgrafen, gegen die arme Wittwe und ihre Kinder gerecht und billig zu handeln,**) worauf Esther Maria folgendes Dankschreiben***) an den Kaiser richtete:

*) K. K. Reichs-, Hof- und Haasarchiv zu Wien, 1. c. Post No. 35, auch gc druckt in Joh. Jac. Moser's Teutschcm Staatsrecht, Th. 19. p. 94 ffg.

*•) KönigL Baicrsch. Hausarchiv: Schreiben d. d. Bischweiler, 15. April 1708 Düsseldorf, 18. Aug. 1708; 10. April 1709; 1. Febr. 1710; Birkenfeld, 20. März 1709 12. März 1714; Düsseldorf, 19. Nov. 1710; 15. März 1714; Hambach, 26. Juli 1715 Wien, 11. April 1715. Die Angaben in mehreren Werken, dass Esther Maria 1711 in den Eeichsfürstenstand erhoben wäre, sind hiemach zu berichtigen. Sie ist nicht ausdrücklich in den Fürstenstand erhoben worden, sondern war nach dem Ürtheil vom 11. April 1715 in Folge ihrer Vermählung Pfalzgräfin (und also Fürstin) geworden. * *) K. K. Reichs-, Hof- und Hausarchiv zu Wien, 1. c. Post No. 37.

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„Allerdurchlauchtigster, Grossmächtigster und Unüberwindlichster Komi- scher Kayser, auch in Hispanien, zu Hungam und Böheim König. AUergnädigster Kayser und Herr Hcit! Dass Ew. Kayserl. May. allergnädigst gefallen, in meiner gegen des Herrn Heimzogen Christians von Birckenfeld Lbd. gehabten angelegenheit, einen endlichen Rechtlichen Ausspruch zuertheilen, und dardurch mich vnd die Meine in Unserer grössten Betrübnuss zu soulagiren, dafür sage Aller- unterthänigsten Danck der Oeth demüthigsten zuversichtlichen Hofl&iung, wie Ew. Kayserl. May. hierdurch allergerechtest die Heilsame Justiz be- fördert, dieselbe solche auch fernerhin zuertheilen, und mich nebst den Meinen alss eine verlassene Wittib und Waysen gegen alle weitere Be- drängnuss, KraflPt Kayserlicher Macht und authorität alleimildest zu schützen, allergnädigst geruhen werden, massen dann zu dem End Ew. Kayserl. Mayt. Beharrlichen hohen Kayserlichen Gnad und Huld, mich und die Meine allerunterthänigst recommendirt, im übrigen aber Gottes Allgewaltiger Obsorge Ew. Kayserl. Mayt. und dero Kayserliches hohes Hauss zur Verleyhung langwieriger höchstbeglückten Kayserl. Regierung, und alles übrigen erwünschten Kayserl. Wohlergehen treulichst empfohlen haben will, die Zeit Lebens in tiefster Submission verharre

Ew. Kayserl. Mayt. GeUhaussen den 4. July 1715.

Allerunterthänigste, demütigste magd Esther Maria verwittibte PMzgräfin zu Bircken- feld." Christian IT. fugte sich dem kaiserlichen Spruch, und auf den Rath Johann Wilhelms schloss er durch seinen Geheimen Rath Freiherm von Edelsheim zu Frankftirt am 22. Sept. 1716 mit Dr. Burgk einen Vertrag ab, wonach er seiner Schwägerin und ihren Kindern das volle Deputat zu 50,000 fl. und das Erbfolgerecht einräumte.

Esther Maria unterzeichnete diesen Vertrag zu Gelnhausen am 29. Oct 1716 und der Kaiser zu Wien am 19. Januar 1717.*)

*) Eönigl. Baiersch. Hausarchiv. Schreiben d. d. Frankfurt, 22. Sept 1716; Birckenfeld, 6, Oct.; Gelnhausen, 29. Oct. 1716; Wien, 19. Jan. 1717.

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Esther Maria lebte fortan im unbestrittenen Genusa der Titel und Rechte einer verwittweten Pfalzgräfin bei Rhein und zu Birkenfeld auf dem Schlosse Gelnhausen, wo sie am 20. Febr. 1725 starb. Von ihrem zweiten Sohne Johann stammt die jetzige herzogliche Linie in Baiem ab, welcher nach dem Teschener Frieden, sowie nach der Baienischen Con- stitutionsacte vom Juli 1830 die Erbfolge im Königreiche Baiern zusteht, sobald die Königliche oder Zweibrückener Hauptlinie ausgestorben sein wird. Die Nachkommenschaft Esther Marfans ist aus der beiliegenden Stammtafel der Pfalzgrafen zu Birkenfeld zu ersehen.

c. Die Linie zn Elgersbnrg-Grossliebringen.

Job Wilhelms von Witzleben auf Elgersburg etc. und Martinroda (s. S. 95) dritter Sohn, Christoph Rudolph, gewöhnlich Kersten Rudolph genannt, n. 1599, blieb nach den Gütertheilungen auf der Elgersburg wohnen, vermählte sich am 10. Jan. 1636 mit Maiia Magdalena von Wan- genheim, einer Tochter von Georg Melchior von Wangenheim und Anna Catharina von Buttlar, und starb schon am 5. Jan. 1646 um 2 ühr Morgens, worauf seine Leiche am 15. Januar in dem Erbbegräbniss zu Gera beigesetzt wurde. Er muss irgend ein körperliches Leiden gehabt haben, was ihn an fi-eier Bewegung hindei-te (wahrscheinlich aussergewöhn- hche Corpulenz), denn er entschuldigte sich*) am 9. Febr. 1638 bei dem Kommandanten von Coburg, Hans Hartmann von ErflFa, der ihn, als „sein herzliebes Weib ihrer weiblichen Bürde entbunden" war, zu Gevatter ge- beten hatte, nicht konunen zu können, „da die nicht wohl bequemen son- dern auch bösen Wege übern Wald bekannt und er auf keinem andern Wagen als dem seinigen fahren könne", und am 28. Mai 1639 bei Georg Sigismund und Hans Hartmann von Erflfa, zum Begräbniss seines alten Vetters Georg Friedrich von ErfFa nicht erscheinen zu können „wegen der jetzigen unsichem Zeit, als auch wegen seines Leibes Beschwerlichkeit"

Nach dem Tode ihres Gemahls blieb Maria Magdalena von Witzleben mit ihren Kindern noch 10 Jahre auf der Elgersburg wohnen, zog dann aber nach Grossliebringen, welches sie für ihre Söhne gekauft hatte. In die Mitbelehnschaft dieses Gutes wurden die Söhne Hans Melchiors TOD Witzleben (s. Tab. I. (>.) genommen, weil diese Christian Rudolphs

*) Archiv za Coburg.

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Söhnen die Mitbelehnschaft über das lü51 gekaufte Gut Angelroda reser- virt hatten. Die Linien zu Neuroda und Bösleben hatten keinerlei An- rechte an Grossliebringen.

Christian Rudolphs Söhne: Georg Rudolph, Friedrich Wilhelm und Christian Ludwig besassen alle gemeinschaftlich Grossliebringen, den viei-ten Theil von Elgersburg, Gera und Manebach und ^/s von Martinroda. Sie einigten sich nun wieder untereinander dahin, dass der Aelteste und Jüngste von Urnen Grossliebringen, Friedrich Wilhelm aber den Elgersburger An- theil mit den Pertinenzien aimahm, und in dieser Weise auch die Ver- erbung auf ihre Nachkommen stattfand, natürlich unter gegenseitiger Mit- belehnschaft.

Grossliebringen ist ein Kirchdorf im Amte Ehrenstein des Fürsten- thums Schwarzburg-Rudolstadt, 1^* St. südöstlich von Stadtilm, in der Mitte des nördlichen Randes der sogenannten Deube, einer 1 Y2 St langen von Nahwinden nach Geilsdorf sich hinziehenden Thalmulde. Ausser denen von Witzlehen waren hier zu verschiedenen Zeiten angesessen die von Lin- singeu, von Mosicau, von Roth, von Pottenfels, während in dem gegen- überliegenden Kleinliebringen die von Holleben, von Riese, von Feilitzsch und von Schade hausten (letzterer Familie gehört noch heute das dortige Rittergut), die fast aUe als Vei-wandte, Gevattern oder getreue Nachbaren zu unserer Familie in Beziehung standen.

In der Kii'che zu Grossliebringen Hessen Maria Magdalena von Witz- leben und ihre Söhne schon im December 1656, also bald nach der Besitz- ergreifung, zu Ehren imd zum Andenken Kersten Rudolphs von Witzleben eine hölzerne Gedächtnisstafel errichten, von der jetzt nur noch die rechte Hälft«, diese aber auch bei Seite gestellt, existii-t. Ein anderes Eiinne- rungszeichen an das Dasein unserer Familie ist ein Abendmahlskelch von feinem Silber, 1 Fuss hoch, stark vergoldet, in dessen Fussgestell die Woiie eingegiaben sind:

ANNO 1704 D. 21. FEBR.

IST DIE WOHLGEBORNE FR. MAGDALENE SOPHIE

V. WITZLEBEN GEBORNE V. GRIESHEIM SELIG

ENTSCHLAFEN VND HAT DIESEN RT.LCH ZVR

EHRE GOTTES IN DIE KIRCHE VERMACHT.

Für die Beisetzung der Leichen in der Kirche, in einem jetzt über- bauten Gewöll)e auf der Ostseite, wmde bezahlt,

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Die Stammtafel der Linie Elgersburg-Grossliebringen ist nach Ur- kunden der Archive zu Gotha, Weimar und Angelroda, sowie den Kirchen- büchern zu Gera und Grossliebringen zusammengestellt und enthält fast Alles, was wii* von den einzelnen Gliedern wissen.

Heinrich Ernst von Witzleben zu Grossliebringen wird nach 1722 nicht mehr erwähnt, ebenso fehlt jede Nachricht über das Schicksal seiner Kinder.

Der Sachsen-Weimarsche Comet Johann Ludwig von Witzleben, Erb-, Lehn- und Gerichtshen* zu Grossliebringen, verkaufte sein doi-tiges Rittergut mit dem Herrenhause und dem rothen Hause, einer Art Vor- werk, im Jahre 1757 an die Fürstlich Schwarzburg-Rudolstadtsche Kammer für 24,900 fl., worauf es zerschlagen und in 24 Theilen veräussert wurde. Die jetzigen Besitzer dieser Antheile, von welchen mehrere in einer Hand sind, heissen noch heute „die Edelhofsbauern", und die drei grossen Baum- gärten „die Edelmannsgärten." Das rothe Haus liegt nach Geilsdorf zu am westlichen Ausgange des Dorfes. Das Herrenhaus, mit einem giossen von Scheunen eingefassten Hofe und einst mit einem breiten Wassergraben umgeben, ist aus rohen Steinen gebaut, von ziemlichem Umfange, hat grosse Zinuner, einen Saal, grosse KeUer und ungewöhnlich umfangreiche Essen; nur die Grösse, sonst erinnert nichts mehr an frühere HeiTÜchkeit. Das Haus ist seit der Distraction des Gutes zur Gemeindeschenke degra- dirt und zeigt überall die Spuren des Verfalls. Was aus Johann Ludwig von Witzleben und seinen Kindern geworden, wissen wir nicht.

Wie S. 99 erzählt ist, erstanden am 3. März 1717 Priedemann Ludwig und Hartmann von Witzleben den der Linie zu Neuroda zu- stehenden Theil der Ritter- und Lehngüter zu Elgersburg, Gera, Manebach und Martinroda för 11,000 fl. Priedemann Ludwig überliess aber am 21. Mai 1726 seinen so erkauften Antheil wieder an Hartmann von Witz- leben für den von ihm gezahlten Kau^reis, nämlich 5.500 fl., vererbte mithin nur \4 von Elgersburg, Gera und Manebach und ^;s von Martin- roda auf seine Söhne Christoph Friedrich Hartmann und Gottfried Heinrich Ludwig von Witzleben. Beide waren in Kaiserlichen Kriegs- diensten. Christoph Friedrich Hartmann, der 1733 immer noch Fähnrich war, trat aber bald in Sachsen-Gothaische Dienste über, wo er Haupt- mann und schliesslich Major in dem Land-Dragoner-Regiment wurde. Im Jahre 1738 erhielt er folgenden Brief:*)

*) Ans den Angelrodaschen Lehnsacten des Fürstl. Scbwarzb. Jastizamts zu StadtUm.

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„Hochwohlgebohrner Herr! Hochgeehitester Hen!

Mii* tlmt leid, dass Ich Ew. Hochwohlgeboren als einen schon so lange bekandten guten Freund der Bott einer betrübten Nachricht seyn und be- richten muss, wie es dem Höchsten gefallen, Dero Herrn Bruder, den unter des Graff SeckendorflFschen, dermahlen unter meinem Commando stehenden, Regiment Herrn Lieutenant von Witzleben, als Er einen Recruten-Ti-ans- port commandiret und auf dem Marsch von Wien hierher begriffen ge- wesen, auf der Reisse und in der Festung Esseg auf das Krankenbette zu werfen und nach etlichtägig ausgestandener Krankheit den 18. Martij aus der Zeitlichkeit zu sich in das ewige zu rufen. Ich bezeuge hierüber mein höchliches Mitleyden um so viel mehr, als das Regiment einen guten Offizier, Ich aber besonders einen recht guten Freund verlohren, mit dem Wunsch, dass der Umen empfindliche Verlust in andern wieder ersetzt Averden möchte. Ich hätte gern das Inventarium seiner Verlassenschaft mit einschicken wollen, aber da Er theils seiner Bagage mit sich und einige hier zurück gelassen, so habe Erst unter heutigem dato nach Essegg geschrieben, dass man, was Er alldort zurückgelassen, mit sambt seinem Knechte durch sichere Gelegenheit hieher schicken möchte, auf dass man ein ordentlich Inventarium errichten, die Sache plus offerenti verkaufen und das haare Geldt an die Erben behändigen könne. Der Ich mich er- gebenst empfehle und verbleibe

Ew. Hochwohlgeboren

Belgrad, den 29. Mai-tij ergebenster Diener

1738. Carl Freyherr von Seckendorff,

Obrist WMstr."

Christoph Friedrich Hartmann war nun alleiniger Besitzer der väterlichen Güter. Da aber in der Folge verschiedene Gläubiger gegen ihn klagbar wurden, und er einsah, dass er die von seinem Vater herrührenden und incl. Interessen, sowie der an seine Stiefmutter Eva Dorothea von Witzleben, geb. von Reitzenstein, jahrlich zu zaldenden 202 Thlr. (wovon jedoch das ausgesetzte Capital von 4000 Thlr. nach ihrem Tode zm-ückfiel imd zum Lehnstamm von den Elgersburger Gütern verblieb) auf 17,367 fl. 20 gr. sich belaufenden Passiva nicht zu bezahlen im Stande sei, fasste er den Entschluss, zur Erhaltung seines Credits und Rettung der Ehre seines Vaters lieber zur Veräusserung seines Antheils an den

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Elgeraburgischen Lehn- und Erbgütern zu schreiten, als zum Schaden der' Creditoren und zu übler Nachrede ausfallenden Concurs zu erwecken, und verkaufte mit Genehmigung der Mitbelehnten seinen Antheil an Elgers- burg, Gera und Manebach mit allen Zubehörungen am 12. März 1743 fti* 17,367 fl. 2() gr. an den Sachsen-Gothaschen Geheimen Kath und Ober- consistorial-Präsidenten Hartmann von Witzleben, der ohnehin schon den grössten Theil dieser Güter besass. Er bekam aber kein Geld in die Hand, sondern der Käufer übernahm die BeMedigung aller Gläubiger. Hartmann wollte aber durchaus nicht mehr als 17,000 fl. geben, es fehlten also zur Abstossung sämmtiicher Passiva 367 fl. 20 gr., ohne die vom Käufer auch noch zu übernehmenden Zinsen, und so war Christoph Friedrich Hartmann genöthigt, seinem Vetter femer zu überlassen die ganze Schäferei mit 273 Stück Schafen, Hammeln und Jährlingen, nebst dem Zuwachs an Lämmern, das beste der Ackei-pferde, 4 Zugochsen, 2 Schweinsmütter, 2 Pflüge und 2 Geschirrwageu von seinem Gut zu Neuroda. Ausser diesem (wovon sogleich die Kede sein wird) besass er mithin nur noch */« von Martinroda, bestehend in Wiesen, 68 Acker Art- land, 250 Acker Holz am Spiegelsberge, 230 Acker Holz am HMenberge, dem Garten und der Hälfl^ des schlechten Hofhauses. Aber auch diese Stücke geriethen 1757 unter den Hammer und wurden von Hartmanns Sohn, dem Weimarschen Wirklichen Geh. Rath und Ober-Hofmarschall Friedrich Hartmann von Witzleben erstanden.

Was das Gut zu Neuroda betriffit, so war dies jener Theil des Erbes, welcher Ernst Christian von Witzleben nach dem Verkauf der Lehnstücke verblieben, in der nothwendig gewordenen Subhastation aber von Christoph Friedrich Hartmann erworben war (cf. S. 99) und in Aeckern, Wiesen und 20 Aeckern Schwarz- und Buchholz bestand. Der neue Besitzer baute ueben der Pfarre das Wohnhaus und die Ställe neu (die Scheuer stand schon), bepflanzte den Grasgarten mit Bäumen, legte einen Küchengarten an und lebte hier mit seiner Familie und seiner Schwägerin Maria Elisa- beth von Witzleben seit dem Jahre 1744, als er die Elgersburg verliess. Seine Gremahlin war die älteste Schwester Ernst Christian Friedrichs von Witzleben zu Neuroda, Dorothea Christiane Elisabeth von Witzleben, n. am 8. April 1699 zu Liebenstein, welche, nachdem sie längere Zeit kränklich gewesen, am 7. Mai 1762 an einem gi-assirenden Stechfieber zu Neuroda starb und, in Anbetracht, dass sowohl ihr Vater Heinrich Kein- hard von Witzleben, als auch ihr Schwiegervater Friedemann Ludwig

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von Witzleben Gerichtsheir und Kirchenpatron daselbst gewesen, in der Kii'che zu Neuroda beigesetzt wurde.

Nach dem am 7. Mai 1767 erfolgten Tode Christoph Friedrich Hart- manns von Witzleben fiel sein Gut zu Neuroda, weil es Allod war, ah seine Tochter Wilhelmine Friederike Louise, welche seit 1764 mit dem PfaiTer Johann Samuel Walter vermählt war und als letzte dieses Zweiges des Hauses Elgersburg am 14. April 1778 an den Blattern starb. Der von ihrem Vater erbaute Hof wurde am 20. März 1815 für 1600 Thlr. von der Gemeinde Nemoda gekauft und mit landesheiTlicher Genehmigung zu einem Gasthofe eingerichtet.

Drack von Gebrüder Orunort in Berlin.

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in. Abschnitt.

Die Elgersburger Hauptlinie und die Linie zu Angelroda,

1616—1876.

a. Die Elgersbnrger HanptUnie, 1616—1788, nnd Stiftnng der Linie zu Angelroda, 171L

U

Hans

Melchior von WHzIeben, Job Wilhelms auf Elgersburg pp. und Martiiiroda vierter Sohn (s. S. 95), geb. am 9. Sept. 1601, blieb nach den GOtertheilnngen mit seinem Bruder Christian Rudolph auf der Elgers- burg wohnen, vermählte sich im Jahie 1634 mit Regina Elisabeth von Volckstedt, des gräflich Gleichen'schen Hofineisters Wolf Dietrich von Volckstedt und Maria's geb. von Zeugen Tochter, geb. am 10. Dec. 1612 zu Blankenhayn, f am 24. Mai 1665 zu Elgersburg, und pflanzte die Elgersburger Linie bis auf den heutigen Tag fort Er lebte in einer höchst bewegten Zeit; aber während die meisten Glieder aller andern Linien unsere Geschlechts thätig an den Welthändeln Theil nahmen, haust der Herr der Elgersburg wieder, wie fast 100 Jahre vor ihm sein Grossvater zu den Zeiten des schmalkalden'schen Krieges, ruhig auf seinem festen Schlosse, zu Nutz und Frommen seiner ünterthanen und seines Vermögens. Nicht einmal bis Coburg zum Leichenbegängniss seines im Mai 1639 verstorbenen Vetters Georg Friedrich von Erffa mochte oder konnte er reisen, sondern er schrieb d. d. Elgersburg, den 28. Mai 1639 an die „W(4iledlen, Gestrengen und Mannhaften Georg Sigismund und Hans Hart-

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mann von Erffa: Ich erkannte mich schuldig Euer freundlichen Begehren nach Meinem alten verlebten Vetter den letzten Ehrendienst mit Begleitung zu seinem Ruhebettlein zu erweisen, aber ich bin durch das unruhige Wesen verhindert und abgehalten. Gott wolle dem selig abgeleibten Körper eine sanfte Euhe und am jüngsten Tage sammt allen christgläu- bigen eine fröhliche Auferstehung zum ewigen Leben verleihen"*). Da- gegen nahm er an den Landtagsverhandlungen zu Gotha Theil und wird in dem ersten Gotha'schen Landtags-Abschiede vom 24. Febr. 1641 als in den Ausschuss der Landstände gewählt aufgeführt.**)

Hans Melchior starb im besten Mannesalter am 23. Nov. 1644, Abends zwischen 5 und 6 Uhr, auf der Elgersburg und wurde am 3. Dec. im Erbbegräbniss zu Gera beigesetzt. Ein schönes Bild von ihm, in Lebens- grösse, wird in Angelroda aufbewahri Einer der oben genannten Hen-en von Erfifa schrieb d. d. Coburg, den 7. Dec. 1644 an die Wittwe „Elisa- beth von Witzleben geb. Vollstädtin, auf der Elgersburg", wegen tödtlichen Abgangs ihres Ehejunkers: ^Dass Gott der Allmächtige Ihren herzlieben Ehejunkem, meinen geschätzten Herrn Vetter und (Jevatter, durch ein seliges Ende von dieser Welt ab und sonder allen Zweifel zu sich in die ewige Freude gefordert und meine hochgeehrte Frau Muhme und Gevatterin dergestalt in den Wittibstand gesetzet hat, solches habe ich mit den Mei- nigen, meinem herzlieben Weib und allen Angehörigen mit hochbetrübtem Gemüth und traurigem Herzen vernommen. Der getreue Gott verleihe dem Körper eine sanfte Kühe und am jüngsten Tage eine fröhliche Auf- erstehung." Zum Schluss bittet er die Wittib, sich durch zu grosse Trau- rigkeit nicht eine Krankheit aufeubürden, und erbietet sich, ihr und den Kindern ehrengebührliche und angenehme Dienste zu erweisen.***)

In Folge der verschiedenen S. 96 und 100 erwähnten Gütertheilungenf) hinterliess* Hans Melchior von Witzleben seinen drei Söhnen nur den vierten Theil von Elgersburg, Gera und Manebach, sowie ^/s von Martin- roda. Dies war kein bedeutender und bei den vielen Theilhabem an der Elgersburg gerade kein ajigenehmer Besitz, und deshalb kaufte Regina Elisabeth von Witzleben unter dem Beistande des Vormundes ihrer Söhne, des schwedischen Obersten Georg Melchior von Witzleben auf Liebenstein,

*) Archiv zu Coburg. G. VII. 94 Vol. 1. *♦) Rudolph! Goth. Dipl. IV, p. l. ♦**) Archiv zu Coburg. G. VH. 94, Vol. 6. t) S. 112, Zeile 6 v. o. und S. 115, Zeile 17 v. o. muss es beissen (nicht V»).

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Heida und Gräfinau, am 8. Febr. 1651 das drei Gräfinnen zu Schwaiz- bui^ gehörende Dorf und Lehngut Angelroda um 10,000 fl. für ihre Söhne Job Wilhelm, Friedemann Melchior und Hans Hartmann von Witzleben, welche am 2. Juni d. J. von Schwarzburg damit belehnt wurden und am 21. Juli 1660 die Söhne von Bring Friedrich und Christian Rudolph von Witzleben, den Brüdern ihres Vaters, also die Linien zu Bösleben und Elgersburg - Grossliebringen, in die Mitbelehnschaft auf- nahmen.'*')

Vorläufig blieben die neuen Besitzer von Angelroda auf der Elgers- burg wohnen, lagen den Studien ob und befleissigten sich nebenbei mit ihren Vettern des edlen Waidwerks. Im Herbst des Jahres 1658 zeigten der Fürstl. Sachsen-Gotha'sche Schösser zu Scbwarzwald und der Ober- Imecht (Forstknecht) zu Zella dem Herzoge an, dass die von Witzleben zur Elgersburg unlängst ausser der Zeit im Fronberge (bei Martinroda) des Nachts verlappt und am folgenden Morgen etliche Frischlinge gefangen hätten. Dies war durch publicirtes Jagdpatent bei 100 Rthlr. Strafe ver- boten, und die von Witzleben wurden daher d. d. Friedenstein den 30. Oct. 1658 aufgefordert, die Strafe zu erlegen oder binnen 10 Tagen ihre Ein- wendungen dagegen vorzubringen. Georg Melchior und Ernst German von Witzleben, die Vormünder der Besitzer der Elgersburg, schrieben da- rauf d. d. Elgersburg, den 13. Nov. 1658 dem Herzog: die ünterthanen zu Martinroda hätten sich über den ihnen durch die wilden Schweine ver- ursachten ziemlich bedeutenden Schaden beschwert und die von Witzleben daher am 22. Sept, also innerhalb der in dem föi-stlichen Jagdmandat zu- gelassenen Zeit, die Garne in der ihnen unzweifelhaft zustehenden Wild- bahn und Gehege vorziehen und am folgenden Tage jagen lassen; die Schweine wären von Neusis herauf aus der Herrschaft Henneberg gekom- men und hätten sich den ganzen Sommer hindurch um Martinroda aufge- halten und den Leuten grossen Schaden gethan; die hohe Jagd stehe den Besitzern der Elgersburg von Alters hör zu und auch das Vorziehen sei weder ihnen noch ihren Vorfahren je gewehrt worden; sie bäten daher, sie und ihre Mündel bei den hergebrachten Rechten schützen und mit unverdienter Strafe verschonen zu wollen, unterm 31. Jan. 1659 wurde den Vormündern darauf erwiedert, dass, da die in Rede stehende Schweine- jagd am 22. Sept., also innerhalb des gestatteten Zeitraums, auch ausser-

*) Arch. za Angelroda.

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halb und fem der fürstlichen Wildfiihr geschehen, Se. ffirstl. Durchlaucht es bei ihrer Entschuldigung bewenden lassen wolle.*)

Im Jahre 1663 scheinen die drei Brüder die übliche europäische Reise gemacht zu haben, wenigstens waren sie bei dem Tode des Herzogs Wil- helm von Sachsen ausser Landes und ihre Mutter muthete am 12. Mai d. J. in ihrem Namen die Lehen.**) Später widmeten sie sich gemein- schaftlich der Verwaltung ihrer Güter, nur Friedemann Melchior war eine Zeit lang, um 1676, in französischen und Sachsen-Gotha'schen Kriegs- diensten.

Wie vorzüglich schon in damaliger Zeit die Regierung in dem Herzog- thum Gotha war, geht aus den monatlich eingereichten Justiz- und Polizei- Berichten hervor. Es ward den Aemtem ein Formular mit (hinsichtlich der Justiz 12, in Landes- und Polizeisachen 31) Fragen zugestellt, welche sie ausfuhrlich zu beantworten hatten. Unter andern enthielt §. 7 die Frage, ob sich Spiel- und Hausleute des Trompetens bei Gelagen unter- stehen? §. 8, ob der Kleiderordnung gebührlich nachgelebt und die Ver- brecher bestraft werden? §. 10, ob auf die fremden durchreisenden Per- sonen Achtung gegeben und mit Beherbergung verdächtiger Personen be- hutsam verfahren werde? §. 11, ob das Patent wegen der Zigeuner und der fremden Werbungen publicirt sei? §. 15, ob die Landes -Ordnung wegen des Baumpflanzens und Weidensetzens beobachtet werde? §. 19, ob Balg- und Schlägereien unter dem Adel und sonsten vorgefeUen? §. 28, ob sich der Medicus und Landbarbierer des Bezirks, dahin die Gerichte gehörig, mit Besuchung und sonsten der Gebühr nach verhalte? u. s. w. Dem Elgersburger Gerichtsbezirk wird hierbei stets das beste Lob ertheilt. Alle Montage wurde auf der Elgersburg Gerichtstag abge- halten. Auf §.11 der Justizsachen, wie die Geföngnisse beschaffen und ob sie zur Verwahrung der Inhafürten genugsam, als auch sonst leidlich sind, finden wir 1671 über Elgersburg die Antwort: lur die Männer sind 4 unterschiedliche Plochhäuser; ein leidlicher steinerner Thurm mit 3 Luft- löchern geht in der Eingmauer hinauf und unter diesem ist ein dunkel Geföngniss, so wohl seit 20 Jahren nicht gebraucht; 1 Plochhaus für die Weibspersonen. §. 14 der Polizeisachen : an Löschgeräthen waren vorhanden im Dorfe Elgersburg 2 lederne Eimer, 2 Feuerhaken, 8 Handspritzen, 20 Leitern, auf dem Schlosse 17 lederne Eimer, 3 Feuerhaken, etliche

*) Nach dem Orig. im Arch. zu Angelroda. **) Staats- Arch. zu Weimar.

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Leitern. Ausser den ordentlichen Gerichten wurden auch noch Rügen- gerichte abgehalten, und aus den Acten eines solchen Montags nach Bemi- niscere 1671 auf der Elgersburg abgehaltenen Rügengerichts ersieht man, dass der Trunk ein herrschendes Laster war. Interessant dürfte auch sein, dass Georg Rössler seinen Sohn Klaus verklagt, weil dieser die Nacht vor dem Gange zum Abendmahl ausser dem Hause geblieben; Klaus wurde mit Thurmstrafe belegt und zog nach Verbüssung derselben „in den braun- schweigischen Krieg." Ferner wurde Peter Hopfif angeklagt, dass er sich Sonntags voll Branntwein trinke, in der Kirche durch den Geruch seine Nachbarn verdriesse, selbst auch schläfrig würde und die Predigt nicht mit Andacht höre; er wurde mit Zahlung von 3 Groschen bestraft und ermahnt.

Am 4. Juni 1675 finden wii* alle drei Brüder in Gotha bei dem Leichenbegängniss des Herzogs Ernst zu Sachsen-Gotha, und zwar fuhi-te Hans Haiimann (mit seinem Vetter Friedrich Wilhelm von Witzleben zur Elgersburg) das zur Fahne des Herzogthums Sachsen gehörende Pferd, während zu den 16 adeligen Leichenträgern, welche neben dem Wagen herschritten, der Lieutenant Friedemann Melchior gehörte und Job Wil- helm die Schleppe der nunmehr regierenden Herzogin Magdalene Sibylle trug.*)

Bald darauf ging Friedemann Melchior in französische Kriegsdienste, kehrte aber vor Jahresfrist in die Heimath zurück und trat im Frühjahr 1676 als Lieutenant zu Pferde in die Dienste des Herzogs Friedrich von Sachsen-Gotha.**) Später lebte 6i auf der Elgersburg, wo er unvermählt, im 71. Jahre seines Alters am 29. Dec. 1707 Nachts zwischen 11 und 12 Uhr plötzlich starb; am 31. Dec. wurde er vor dem Altar in der Kirche zu Gera beigesetzt

Am 5. Juni 1709 folgte ihm sein Bruder Hans Hartmann, der eben- falls unvermählt war und am 7. Juni Nachts 12 Uhr bei heftigem Regen- wetter in Gera beigesetzt wurde.

Nur der älteste der drei Brüder, Job Wilhelm, war vennählt gewesen und zwar seit 1669 mit Sophie Agnes von Wangenheim, des Saehsen-Gotha'schen Stallmeisters Georg von Wangenheim auf Wangenheim und Tüngeda und der Agnes geb. von Hertingshausen***) Tochter, n, 2. Sept.

♦) Müller. Annalen p. 514—521.

**) Staats- Arch. zu Weimar. ***) nicht Agnes von Witzleben aus Liebenstein, wie in der im Archiv zu Angel- roda befindlichen Leichenpredigt auf ihren Ur-Enkel Albrecht Ernst Heinrich von Witz- leben steht.

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1648 XU Gotha, f 20. Mai 1707 zu Angelroda.*) Job Wilhelm starb schon, nur 52 Jahre alt, am 27. Nov. 1688 zu Angelroda**) und hinter- liess mehrere Töchter und zwei unmündige Söhne, Johann Georg und Hartmann vpn Witzleben (s. die Stammtafel I. 6.)

Johann Georg von Witzleben, am 22. Oct. 1677 auf der Elgers- burg geboren, kam 1692 als Page an den Schwarzburgischen Hof in Arnstadt, 1697 auf die Akademie nach Wolfenbüttel und nach einiger Zeit wieder heim. Darauf wurde er Fürstlich Schwarzburg-Arnstädtischer Kammerjunker und vermählte sich am 20. Jan. 1710 mit dem Kammer- fräulein am Amstädter Hofe Auguste Emestine von Kragen***), der am 23. März 1685 zu Wolfenbüttel gebornen Tochter des Herzoglich Braun- schweigschen Ober-Marschalls, Ober-Jägermeisters undLanddrosts des Weser- Districts Günther Otto von Kragen und der Ida Eleonora Cathaiina geb. von Wobersnow. Von ihr, welche am 6. März 1729 zu Angelroda ge- storben war, heisst es in der Leichenpredigt auf ihren Sohn Albrecht Ernst Heinrich: „Wer segnet nicht noch das ruhmvolle Andenken der nur allzu- früh verstorbenen Frau Mutter, der weiland hochwohlgebornen Frau Auguste Slrnestine geb. von Kragen, welche in ihrer Jugend so zugenommen an Alter, Weisheit und Gnade, dass sie auch bei dem öffentlichen Examine, welches ihr den ersten Zutritt zum heiligen Abendmahl bahnete, andern Catechumenis als ein merkwürdiges Exempel angepriesen worden; und welche in ihrem Ehestande dem Höchsten ihr Morgeüopfer so leicht nie- mals später als mit dem Anfang der Sonnen gebracht hat.^

Am 80. Mai 1711 wurde Johann Georg von Witzleben in Amstädti- schen Diensten Reisemarschall. Er starb zu Angelroda am 2. Januar 1743 Mittags Schlag 12 Uhr an einem Stickfluss, nachdem er fast Jahr und Tag krank gelegen, und wurde am 7. Januar Abends 8 Uhr in der Kirche zu Angelroda feierlich beigesetzt.

*) laut Todtenschein ; nicht 9. Juli 1707 m Gotha, wie in der im Geh. Staats- Archi? zu Berlin befindlichen Ahnentafel auf Friedr. Hartm. von Witzleben, den letzten Elgers- burger, angegeben ist.

**) Auf einigen alten Stammtafeln wird er als Sachs. Goth. Oberst bezeichnet. Urkundlich haben wir diesen Titel nirgends gefunden.

***) Sie war schon Hofdame am Braunschweig'schen Hofe gewesen und mit der Herzogin Auguste Dorothee von Braunschweig-Lüneburg, die sich mit einem Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen vermählt hatte, nach Arnstadt gezogen. Das Geschlecht von Kragen, ehemals im Sächsischen und Anhaltischen begütert, ist erloschen.

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Hartmann von Witzleben, am 18. Juni 1681 zu Angelroda geboren, war bereits im December 1696 in Gotha (auf der Schule oder als Page); 1711 war er fürstlich Sächsischer Kammerjunker zum Frieden- stein (Schloss in Gotha) und 1719 ausserdem Regierungs- Assessor. „Im März 1729 wurde dem damaligen ältesten Hofrath in der F. Begierung, Hartmann von Witzleben, als versitzendem Consistorial-Rath das Vice- Directorium im Fürstlichen Ober-Consistorio confeiirt und Anno 1731, nachdem der Präsident Bachow Kanzler in Fürstlicher Regierung gewor- den, das völlige Präsidium am 15. Juni übertragen. Anno 1738 im Junio deklarirten Serenissimus denselben zu dero Geheimen Rath und Ober-Amts- Hauptmann zu Tonna, 1749 aber zum wirklichen Geheimen Ratii".*) Er starb zu Gotha am 24. März 1750, Vormittags gegen 8 Uhr, nach kurzer Krankheit» „zu schmerzlicher Betrübniss derer vornehmen Angehörigen", und sein entseelter Leichnam wurde am 26. März Abends nach Gera ge- bracht und daselbst am 27., als am h. Char&eitage, des Abends nach 8 Uhr in der Kirche beigesetzt Hartmann hatte sich im Jahre 1713 mit Sophie Magdalene von Watzdorf, des Fürstl. Sachs. Hausmarschalls und Amtshauptmanns zu Eisenberg Johann Georg von Watzdorf auf Berga und der Sachs. Goth. Oberhofmeisterin Johanne Catharine geb. Marschall von Bieberstein Tochter, vermählt, welche am 8. April 1690 zu Eisenberg geboren war, ihm 7 Kinder gebar, am 22. Jan. 1736 Abends gegen 10 Uhr zu Gotha unvermuthet starb und am 27. im Erbbegräbniss zu Gera beigesetzt wurde.

Seit dem 5. Juni 1709, an welchem Tage ihr Onkel Hans Hartmann gestorben war, besassen die Brüder Johann Georg und Hartmann von Witz- leben die Güter, welche ihr Grossvater Hans Melchior hinterlassen hatte, und das von dessen Wittwe gekaufte Angelroda gemeinschaftlich. Am 14. Nov. 1711 theilten und verglichen sie sich darüber folgendermassen: Johann Georg überliess seinen Antheil an dem Rittergute Elgersburg und Maiünroda und den dazu gehörenden Erbgütern zu der Burg (d. i. Elgers- burg), Gera, Manebach und Roda (bei Ilmenau) seinem Bruder Hartmann mit der Bedingung, dass dieser die 3000 Thaler, welche ihrer Tante Marie Elisabeth von Rüxleben als Landerbin für das Elgersburgische und sonstige oben genannte Erbe versprochen waren, zu bezahlen übernähme, während beide Brüder die ihren Schwestern zustehenden 2400 Thaler zu gleichen

*) Brückner, Goth. Kirchen- und Schulen-Staat. Th. U. St. 3 p. 6.

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Theilen abführen wollten; Hartmann dagegen trat seinen Antheil an dem Rittergute Angelroda und desselben Pertinenzien, nebst den dazu gehören- den Erbgütern in Angeh'oda, Qera und Neusis an Johann Georg erb- und eigenthümlich ab. Die Mitbelehnschaft behielten sie sich natürlich gegen- seitig vor.*) Dieser Erbtheilungsvertrag vom 14. Nov. 1711 erhielt erst am 24. Nov. des folgenden Jahres den Consens des Fürsten Ludwig Friedrich zu Schwarzburg.**)

Die Nachkommen Johann Georgs von Witzleben auf Angelroda floriren in ziemlicher Anzahl bis auf den heutigen Tag und bilden die Linie zu Angelroda.

Hartmann von Witzleben besass nunmehr, genau wie sein Grossvater Hans Melchior, den vierten Theil von Elgersburg, Gera und Manebach, sowie 7^ von Martinroda. (Ganz Neuroda und Trasdor^ 7^ Elgersburg, Gera und Manebach und ^4 Martinroda hatte die Linie zu Neuroda; 74 Elgersburg, Gera und Manebach und 7^ Martinroda die Linie Elgers- burg-Grossliebringen in Besitz.***)). Hartmann muss ein guter Wiiih und, wahrscheinlich durch seine Frau, auch im Besitz eines haaren Ver- mögens gewesen sein, denn er vereinigte nach und nach die sämmüichen Elgersburger Güter, bis auf einen kleinen Theil, in seiner Hand. Durch Contract vom 3. März 1717 kaufte er in Gemeinschaft mit seinem Vetter Friedemann Ludwig (s. Tab. I. 5) von der Neurodaer Linie deren Anttieil an den Ritter- und Lehngütem zu Elgersburg, Gera, Manebach und Martin- roda für 11,000 fl. (s. S 99) und am 21. Mai 1726 überliess ihm Friede- mann Ludwig seinen so erworbenen Antheil an diesen Gütern für 5500 fi. (s. S. 113.)

Ferner kaufte Hartmann am 2. Aug. 1742 die sämmtlichen zu Neu- roda und Trasdorf gehörenden Lehn- und den grössten Theil der daselbst befindlichen Erbgüter für 6000 fl. (s. S. 99) und schliesslich am 12. Mära 1743 von seinem Vetter Christoph Friedrich Hartmann von Witzleben dessen Theil von Elgersburg, Gera und Manebach, sowie die Schäferei zu Neuroda für 17,367 fl. 20 gr. (s. S. 115 )

Bisher hatte Hartmann seine Güter durch Ankauf immer vergrössert, endlich musste er aber doch etwas davon, wenn auch nur ein Recht und

*) Orig. im Arch. zu Angelroda.

**) s. die Angelroda*schen Lehnsacten des F. Schwarzb. Justizamts in Stadtilm. ***) Wir geben absichtlich die ganzen Detaüs so ausführlich, um an einem Bei- spiel diese oft so gepriesene Art der Lehnsverhältnisse zn zeigen.

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wahrscheinlich wider seinen Willen, abtreten: 1746 nämlich untersagte der Herzog Ernst August zu Sachsen- Weimar die Harzbenutzung von den unterm Amte Ilmenau belegeneu, aber dem Rittergut Elgeraburg zu Lehn gehenden Har/wäldern und zahlte dem Besitzer Hartmann von Witzleben daför eine Abfindungssumme von 1000 Thalem.*)

Hartmann hinterliess demnach seinem Sohne Friedrich Hartmann die sämmtlichen alt hergebrachten Elgersburger Güter mit Ausnahme von ^/h von Martinroda, welche letzterer erst 1757 sub hasta erstand (s. S. 115). Weil nun dadurch in dessen Belieben stand, wen er in die Mitbelehn- schaft nehmen wollte, so wirkte er beim Herzog aus, dass diese ^/s sowie das früher erkaufte zu einem Erblehn gemacht würde, so dass nur die Hälfte von Martinroda Mannlehn blieb.

Friedrich Hartmann von Witzleben, der letzte alleinige Be- sitzer der Elgersburg, war am 2. Nov. 1722 zu Gotha geboren, Anfangs in Sachsen-Gotha'schen Diensten Kammerjunker**) und 1751 Kammerherr, vermählte sich am 10. Aug. 1751 zu Gotha mit Martha Eleonore von Oppel, der am 2. Mai 1726 geborenen Tochter des Geheimen Raths von Oppel, und trat bald darauf (vor 1753) als Vice-Oberstallmeister und Ober-Schenk mFürstl. Sachsen -Weimar'sche Dienste; 1757 war er Oberstallmeister***), Geheimer Rath und Obersthofmeister, sowie Ritter des Johanniter- und des Weimar'schen weissen Falken-Ordens, sonst de la Vigilance genannt, und endlich Wirklicher Geh. Rath, Ober-HofmarschaU und Chef aller Hofämter t). Unter der Last dieser Würden starb er in früher Morgen- stunde des 3. Oct. 1788.

Friedrich Hartmann's Ehe war kinderlos. Er errichtete daher am 11. April 1760 vor den Witzleben'schen Gerichten zu Elgersburg mit

*) Arch. zu Angekoda.

**) als welcher er in Vertretung seines Vaters am 4. Juni 1749 unter Pauken- und Trompetenschall den Grundstein zur neuen Kirche in Gera legte, s. Brückner, Goth. K. u. Seh. St. Th. II. St. 12. p. 47.

***) 1757 12. Sept. hielten sich der König Friedrich II. und Prinz Heinrich von Preussen mit 15,000 Mann bei Buttstedt auf. Sobald man in Weimar davon hörte, schickte der Herzog Holz, Küche, Conditorei- und KeUerwagen dahin, doch schickte der König alles durch 50 Husaren zurück, um Weimar nicht zu compromittiren. Auf das Compliment des Herzogs, welches der Oberstallmcister von Witzleben überbrachte, erfolgte ein Gegencompliment durch 1 Offizier und 10 Mann grüner Husaren. S. Zeit- achrift des Vereins für thür. Gesch. II. p. 293.

t) 8. Vehse, Sachsen, I. p. 308.

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seiner Gemahlin ein gegenseitiges Testament*), in welchem er dieselbe zur alleinigen Erbin seines sämmüichen gegenwärtigen und zukünftigen Vermögens (mit alleiniger Ausnahme dessen, was wii-klich ,. Mannlehn und Bitter" sei), also der Hälfte des Martinrodaer sogenannten Tischgutes, des Wohnhauses zu Gotha, der ausstehenden Capitalien, aller Inventarien und Vorräthe an geschlagenem Holz und den Früchten auf den Böden und in den Scheunen der sämmtlichen Güter, aller Mobilien auf den Gutem und zu Weimar, des in dem Jagdhause zu Elgersburg befindlichen Jagd- zeugs, alles Silberwerks, der G^arderobe, Bibliotheken, Pferde, Equipagen und was dazu gehört, einsetzte mit der Bedingung, dass sie seine Allodial- schulden übernähme und seinen beiden resp. Frau und Fräulein**) Schwestern 1000 Thaler ausbezahle; sie vermachte ihm dagegen ihr ganzes Vermögen, namentlich die von ihrem Vater ererbten 17,397 Mfl., und was sie sonst etwa noch erben würde.

Dies Testament war augenscheinlich zum Nachtheil der Vettern in Angelroda errichtet Christoph Friedrich Hartmann von Witzleben schrieb daher auch d. d. Neuroda den 10. Dec. 1765 an seine Vettern in Stutt- gart: „Die Angelröder werden sich einmal, wenn der Fall sich ereignen sollte. Erben von der Burg zu werden, nicht sonderlich zu erlfreuen haben, wenn sie das ganze Gut behaupten wollen, indem sie viel Geld haben müssen, solches, was erkaufet worden, wieder zu bezahlen; Martinrpda die Hälfte ist frei, und bekommen sie dieses ohne Schulden, aber die Burg war vorhero alleine dem Herrn Geh. Rath gewesen ; so haften auch Schulden darauf, und wenn auch solche anjetzo bezahlt sind, so hat die Frau Ge- mahlin des jetzigen Herrn Geheimden Raths zu Weimar die bezahlten Obligationen in Händen, als wenn sie dieselben bezahlt hätte, daher müssen solche wieder an sie oder deren Erben bezahlt werden, wenn sie nicht mehr am Leben wäre." Wie richtig Chri3toph Friedrich Hartmann die Sache beurtheilt hatte, werden wir in dem Abschnitt über die Linie zu Angelroda sehen bfei Gelegenheit der Besitzergreifung der Elgersburg dm'ch die Enkel Johann Georg's von Witzleben.

b. Angelroda.

Angelroda ist ein Dorf mit einem Rittergut und Schloss im Fürsten-

*) Orig. un Arch. zu Angelroda. **) Welche dies ist, haben wir nicht in Erfahrung bringen können.

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thom Schwarzburg-Rudolstadt, 2V« St. südwestlich von Arnstadt (also etwa ^/4 St. von Plane) und IV2 St. nordwestlich von Ilmenau in dem schönen Wiesengrunde der Gera gelegen. Oestlich erhebt sich der Weissenstein mit seinen Felsenkammem, Spaltungen und Klüften, von dessen Teufels- kanzel man eine herrliche Aussicht nach Elgersburg, dem Schneekopf, dem grossen Beerberge u. s. w. hat. Die erste Erwähnung unsers Orts Mit in das Jahr 948, wo Otto I. Anglenrod und mehrere andere Güter in Thüringen und Pranken der Abtei Hersfeld übertrug und dafür Worms- leben bei Mansfeld empfing.*) Dann schweigt die Geschichte von ihm 30O Jahre lang, bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein Greschlecht auftritt, welches sich nach ihm nannte. Da die Heiren von Angelrode mit den Grafen zu Schwarzburg in steter Verbindung standen und zu den Va- sallen und Burgmännem derselben gehörten, so ist es watu'scheinlich, dass der Ort selbst schon Mhzeitig zu dem Gebiet der Grafen gerechnet wurde, wenn nicht auch seine Lage deutlich dafür spräche; er mag eine der ältesten Besitzungen des Schwarzburg-Kefernburgischen Hauses gewesen sein. In der Anmerkung S. 16 sagten wk: Das erloschene Geschlecht von Angelrode soll nach Rein, Ichtershausen p. 95, eines Stammes mit unserer Familie gewesen sein. A. a. 0. heisst es: „Diese Familie (näm- lich von Angelrode) ist ein Nebenzweig der Herren von Witzleben, wie Gleichheit der Vornamen, der Wappen und die Nähe der Güter beweisen.** Dagegen schreibt der Bibliothekgehülfe 0. König in Rudolstadt in der Einleitung zu seinen Regesten zur Geschichte der Herren von Witzleben**). „Wir können nicht umhin, gleich hier zu bemerken, dass wii- die von Herrn Prof. Rein in seiner Thuringia sacra, I, 95 ausgesprochene Ansicht über die Verwandtschaft des Hauses Witzleben mit dem Hause Angelrode durchaus nicht theilen können. Ein nahes Beieinanderliegen der Güter zweier Familien und die (gewiss zufällige) Gleichheit der Vornamen ver- schiedener gleichzeitig lebender Glieder beider bedingt noch keine Ver- wandtschaft. Auch würde, da öfter von Witzleben und von Angelrode in einer und derselben Urkunde genannt werden, der Verwandtschaftsgrad durch ein beigesetztes consanguineus, cognatus und dergl. bezeichnet

♦) VL Cal. Apr. 948. s. Wenck, Hessische Landesgesch. Bd. 11.^ p. 28 des" Urk. Baches, No. 32, und richtiger aus dem Orig. Bd. III. p. 28, No. 30. Femer Sohultes, Director. Diplom. I, p. 63.

**) 6. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, Organ des Qermanisohen Museums, 12. Bd. Jahrg. 1865, Sp. 23.

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worden sein. . Mehrere uns gerade vorliegende Siegel beider Familien, welche zur diplomatischen Beweisführung über die Gleichheit derselben doch unumgänglich nöthig sind, zeigen ganz verschiedene Wappenbilder." Die Regesten liefern aber den Beweis, dass Hen* König ein höchst flüch- tiger Arbeiter war, und so ist es ihm denn auch entgangen, dass die von Witzleben im 14. Jahrhundert zweierlei Helmsiegel führten und das Angelrode'sche mit dem einen Witzleben'schen bis auf die ümschrifl; gleich ist. Im Schwarzburgischen Commun-Archiv zu Rudolstadt, Seat. XIV. No. 23 befindet sich die 1369, Sonntag nach twelf bot (d. i. 15. Juli) ausgestellte „Litera des testaments der Herrn zu Swarzpurg darin sie eczliche gutter zu Seelgerethe gestiftet zur Kiiche zu Ai*nstadt in betiag zu vierdehalb pfund und 60 und 5 Schillinge." Die Grafen sind Hen- rich der Eldere, Henrich vnd Günther Gebriidere Herrn zu Arnstadt und Sondershausen, und unter den Zeugen beiSnden sich Conrad von Angilrode, Hennansteyn von Witzeleyben und Fred von Angilrode. An der Perga- ment-Urkunde hängen 9 unvesehiie Siegel; 3 sind die der Grafen selbst, 6 sind Zeugensiegel, und unter diesen folgende:

!)69.

fiS9.

Heraianstein von Witzleben fuhrt auf dem Stechhelm denselben Vogel- kopf mit langen Ohren wie der Ritter Christian von Witzleben am 13. Juli 1365 (s. S. 11) und Dietiich von Witzleben, den man nannte von Gum- merstedt (s. S. 32*)), jedoch ohne Schild, also als Helmsiegel. Von diesem sind die beiden Angelrodeschen Siegel allerdings verschieden, dafür gleichen sie aber vollständig dem auf S. 5 abgebildeten des Rittera Friedlich von Witzleben**). Wir schliessen uns daher der Ansicht eines so gelehrten

*) S. 32, Zeile 14 v. o. rnuss es statt Gommiretet heissen Gvmmirstet, wie auf der Abbildung deutlich zu ersehen ist.

**) Dieser war der Vater Hermansteins (s. S. 47), und wir haben so den interessanten Fall, dass Vater und Sohn verschiedene Siegel führten.

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HDcl gründlichen Forschers, wie Dr. Rein war, an und betrachten die Familie von Angelröda als Nebenzweig unsers Geschlechts. Er bestand nur aus wenigen Personen.

Friedrich von Angelrode, Ritter und des Qrafen Günther zu Schwarz- burg Burgmann zu Kranichfeld, wd genannt in Urkunden von 1266 1296 und zwar immer zusammen mit dem Ritter Friedrich von Witzleben. Als am 1. Sepi 1293 Graf Günther dem Kloster Um zwei Hufen zu Elxleben übereignete, welche Friedrich von Witzleben zu Lehn gehabt und dem Kloster überlassen hatte, bezeugten dies Friedrichs Bruder Herborto von Witzleben und der Ritter Friedrich v.on Angelrode*), und als Letzterer am 1. Mai 1294 einen freien Platz in Elxleben**) durch Tausch vom Kloster lim erwarb, indem er diesem dafür 33 Acker bei Hm gelegen gab, war ausser dem Probst Gottfried zu Um und dem Magister Wigfried der Ritter Friedrich von Witzleben Zeuge.***)

Von 1290 1319 kommt vor Conrad von Angelrode, des Grafen Günther d. J. von Kefemburg Burgmann (nicht Ritter), welcher am 19. April 1319 dem Kloster Um 10 Talente jährlicher Zinsen von seinen von Schwarzburg zu Lehn rührenden Gütern schenkte; unter den Zeugen wieder Friedrich von Witzleben.f)

Von 1331 1369 finden wir dann erwähnt den Ritter Conrad von Angelrode. Im Jahre 1343 hatte Graf Günther d. J. von Kefemburg das Haus und die Stadt Ilmenau sanunt dem Dorfe Kfrchheim an den Grafen Heinrich zu Henneberg für 2000 Mark löthigen Silbers verkauft und in Folge dessen entUess er am 23. Sept. d. J. seine Lehnsleute zu Ilmenau, nämlich Friedrich von Witzleben, Conrad von Angelrode, den von Elkersleben, zwei Herren von Kirchheim, alle Ritter, sowie Reinhard von Sundhausen ihrer Pflicht und wies sie an den Grafen zu Henneberg, dem sie mit ihren Lehen und ihrer Mannschaft getreulich gewarten

80llten.tt)

1377 belehnte das Kloster Georgenthal Herrn Friedrich von Angel-

*) Orig. im Arch. zu Sondershansen.

**) aream qoandam (einen freien Platz, d. i. Grund und Boden für ein Haus) sitam in Elileben, während die 33 Acker circa llmene gelegen waren.

***) Heydenreich, Hist. d. H. Schwarzb. p. 55, Schöttgen, Invent. Dipl. p. 160, No. 9, und Andere.

t) König, Begesten.

tt) Schultes, Gesch. des H. Henneb., Urk. B. 11. 125, Bechstein und Brückner, Henneb. U. B. II. 65, König, Begesten.

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rode, Pfarrer zu Obemdorf und Kefemburg, dessen Bruder Friedlich von Angelrode und Conrad von Angelrode, ihres Bruders Sohn, mit Holz bei Sigelbach, genannt die Holzmacke.*)

Friedrich von Angebode (nicht den Pfiin-er) finden wir von 1369 bis 1388, und scheint mit ihm dieser Zweig unserer Familie erloschen zu sein, denn nach 1388 wird kein Herr von Angekode mehr erwähnt.

Der Ort Angelrode wird zuerst wieder genannt am 3. Mai 1351, als die Brüder Friedrich, Hermanstein und Iring von Witzleben sich aller Ansprüche auf ihre seitherigen Hennebergischen Lehngüter zu Roda, Manebach, Gera, Angehroda (2 Pfund Geldes) und die unter dem Hause zu der Elgersburg gelegenen Weingärten und Wiesen begaben (s. S. 59). Aus der Hennebergischen Lehnshoheit, in die es 1343 von Kefemburg ge- kommen war, ging Angelroda bald wieder in Schwarzburgische über, denn am 5. Nov. 1363 gab Graf Johann zu Schwarzburg dem Ritter Friedrich von Witzleben, gesessen auf dem Hause zu dem Liebenstein, der den Hof vor dem Liebenstein als Burggut angenommen hatte, 40 Mark löthigen Silbers und 4 Mark jährlicher Zinsen zu Angelroda. Aus der betreffenden Urkunde (im Schwarzburgischen Archiv zu Arnstadt) geht auch hervor, dass Friedrich schon Güter in Angelroda besass, bestehend in Zinsen, Aeckem, Wiesen, Holzäckem und einem Vorwerk.

Genauere Nachrichten über Angelroda datiren erst aus dem 16. Jahr- hundert. 1502 gehörte es Reinhard von Sundhausen; 1520 und später Heinrich Vitzthum.

1560 Sonntags am Tage Michaelis wurde der Oberst Wolf Dieff- steter mit dem Gute Angelroda, welches er von Wolf Vitzthum zu Spala an sich gebracht hatte, von den Grafen Günther und Johann Günther zu Schwarzburg belehnt.

Am 28. Dec. 1586 befiehlt Graf Albert zu Schwaraburg, dass sich Johann Biinstiel zu Königsee in der Rusworme Rittergut zu Angelroda begebe, dasselbe in Verwaltung nehme und über das, was es an Gefällen und Einkommen erträgt, richtige Rechnung und Relation thue, da die beiden Rusworme, Otto Friedemann und Jeronymus Burkhard, in Arnstadt zu gefänglicher Haft wegen ihrer ünthaten eingenommen, und der mittlere, Christoph, zu Rudolstadt in Bestrickung liegt und also Sr. Gn. (des Grafen

*) Orig. im Staats-Arch. zu Gotha, nach einer Mittheilnng des Dr. Rein, der dabei wiederholte, dass das Angehrode'sche Wappen dem Witzleben'schen gleich and deshalb beide Familien eins seien.

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ZQ Schwsurzburg) Rittergut ganz und gar unversorgt bleibt.*) Burkhard Hieronymus von Kusswurm, auf Angelroda und Heyda Gerichtsberr, wurde Fürstl. Würzburgiscber Oberst, Rath und Amtmann zu Eönigshofen und Freitags nach Simonis und Judae 1591 vom Grafen Albrecht zu Schwarz- buig mit den Gätem, welche sein Vater Otto Russwurm von Wolf Vitz- thom erkauft hatte, belehnt.

Um diese Zeit schlug Burkhard Hieronymus von Russwurm 5 Bauern- güter, welche von ihren Besitzern verlassen waren, zum Rittergute. Die Eigenthümer waren durch Ablesen von der Kanzel zur Abfahrung der auf diesen Gütern haftenden Rückstände an Zinsen, Frohngeldem etc. vor- geladen, und da sie nicht erschienen, wurden die Guter öflfentlich feil- geboten und von dem Rittergutsbesitzer gekauft;, das nach Abzug der rückständigen Gefälle verbleibende Kaufgeld aber den Erben der fi-ühem Besitzer ausgezahlt. Der Käufer behielt diesen 5 Bauerngütern den sogenannten Kerpen'schen Gütern die Qualität als Allod vor.

1614 1618 erbaute Burkhard Hieronymus von Russwurm das noch auf dem Gute befindliche Wohnhaus, nachdem er in den Jahren zuvor mehrere Wirthschaftsgebäude neu errichtet, auch die Schenke von der Gemeinde gekauft;, abgerissen und von Grund auf neu gebaut hatte.

Noch vor dem Jahre 1630 starb Burkhard Hieronymus von Russ- wurm ohne männliche Erben und Angelroda fiel an die Grafen zu Schwarz- burg heim. Russwurm's Wittwe Ursula geb. von Boyneburg hatte aber daselbst ein Leibgedinge von 400 fl., wegen dessen ihr Schwiegersohn Heinrich Ernst von Kerpen sich klagend an den Kaiser Ferdinand II. wandte, der auch am 24. Oct. 1630 die Grafen zu Schwarzburg aufforderte, dieses Leibgedinge zu zahlen.**)

Obgleich es in dem letzten dem Obersten von Russwurm über die Güter zu Angeh*oda ertheilteü Lehnbriefe heisst, dass die erkauften Bauern- güter nach Absterben des Besitzers ebenfalls dem Lehnsherrn heimfallen sollten, so wurden sie diesem doch streitig gemacht. Zuerst hatte sich Georg Melchior von Witzleben zum Liebenstein die sogenannten Kerpen*- schen Güter und das Dorf Angelroda vom Könige von Schweden ausge- beten und auch einige Zeit in Besitz gehabt, mit Hülfe des schwedischen

*) Arch. zu Rudolstadt.

*) Orig. im Arch. zu Angelroda.

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Eesidenten zu Erfurt haben aber die Schwarzburgiächen Commissarien ihm Angelroda „wieder aus den Händen genommen".

In einem am 11. Juli 1642 abgeschlossenen Vergleiche trat Graf Ludwig Günther zu Scbwarzburg seinen Schwestern Catharina Maria und Dorothea Susanne das Rittergut Angelroda nebst Jurisdiction und sonstigen Pertinenzien fQr eine aus verschiedenen Erbschaften herrührende Forderung von 9000 fl. ab. Der Vergleich hatte die Abtretung zwar nur auf 3 Jahre stipulirt, dergestalt, dass wenn die Schwestern wegen ihrer Forderungen bis dahin befriedigt sein würden, der Graf das Gut zurücknehmen könnte, wogegen den Schwestern das Vorkaufsrecht vorbehalten wurde für den Fall, dass der Bruder es anderweitig veräussern wollte. Graf Ludwig Günther starb aber 1646, ohne dass seine Schwestern befriedigt worden wären, so dass Angelroda am 5. Oct. 1648 von den Vormündern des Grafen Albert Anton den beiden Gräfinnen erb- und eigenthümlich überlassen wurde. Wegen der 5 Bauerngüter waren Letztere bereits am 17. März 1643 mit Heinrich Ernst von Kerpen, dem dieselben tiotz des erwähnten letzten Russwurm'schen Lehnbriefes zugestanden zu haben scheinen, in Unterhand- lungen getreten. Da aber Georg Melchior von Witzleben erklärte, dass ihm diese Güter von der Krone Schweden erb- und eigenthümlich einge- räumt und er nicht gesonnen sei, dieselben herauszugeben, so bestanden die Gräfinnen darauf, dass, bevor sie den Kauf abschlössen, der von Kerpen sich mit dem von Witzleben zu vergleichen hätte; sollte ein solcher Ver- gleich nicht zu Stande kommen und diese Erbgüter wie bisher öde und wüst liegen bleiben, so würden sie dieselben durch Kauf oder auch umsonst an Leute bringen lassen, welche dieselben bestellten und ihnen die schul- digen Frohnen und Zinsen leisteten. Wie diese Angelegenheit schliesslich beigelegt worden, ist aus den Acten nicht ersichtlich, wahrscheinlich war sie aber die Veranlassung, dass Georg Melchior von Witzleben ganz Angeboda far seine Mündel, die von Witzleben zur Elgersburg, ei-warb.

Aus einer von den Gräfinnen Catharina Maiia und Dorothea Susanne zu Schwarzburg herrührenden Notiz geht übrigens hervor, das die Ge- bäude des Ritterguts viele Jahre vor 1648 (vielleicht noch vor 1614) durch Feuer gänzlich zerstört worden waren, was die Gräfinnen als Grund anfahrten, eine schriftliche Auskunft über frühere Verhältnisse des Gutes nicht geben zu können, da in jenem grossen Brande alle Urkunden ver- nichtet worden wären. Nachdem die Gräfin Catharina Maria gestorben und ihre Hälft.e von Angeh'oda an ihre Schwestern die Gräfin Magdalena

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Reu88 von Plauen geb. Gräfin zu Schwarzburg, Elisabeth Juliane und Dorothea Susanne (welche schon eine Hälfte besass) gefallen war, ver- kauften diese laut Contract vom 8. Febr. 1651 der „Wohledlen, Viel Ehren- tugendreichen Frauen Reginen Elisabeth von Witzleben geb. von Volgkstedt, Wittiben uft' Elgersburgk, und dero Söhnen Hiob Wilhelm, Friedemann Melchior und Hans Haiimann von Witzleben verordnetem Vormundt, dem Hochedlen Gestrengen und Vesten, Herrn Georg Melchiorn von Witzleben uff Liebenstein, Heyda und Gräfinau, Obrister", das Dorf und Lehngut Angelroda mit allen auf dem Gute stehenden alten und neuen Gebäuden, den dazu gehörenden Aeckern, Gärten, Wiesen, Rainen und Steinen, der Schäferei, den Teichen, Fischwassem, hohen und niedem Ge- richten, den Gehölzen, Jagden, der Brau- und Schenkgerechtigkeit mit der Braupfanne und dem ßraugeschirr, ihrem Recht an der Unter- und Ober- mühle daselbst, den Lehen und Zinsen und allen sonstigen Pertinenzien, femer die Gerechtigkeit an den Kerpen'schen 5 Bauerngütern, mit der Bestimmung, dass das Rittergut als Mannlehn recognosciii und mit 7^ Bitterpferde verdient werden sollte, für 10,000 fl., wovon 7000 binnen 14 Tagen haar, der Rest Ostern 1652, 53 und 54 mit je 1000 fl. in guten groben Münzsorten, der Reichsthaler zu 24 guten Groschen gerechnet, zu bezahlen waren.*) Am 2. Juni 1651 erhielten Job Wilhelm, Friedemann Melchior und Hans Hartmann von Witzleben den ersten Lehnbrief über

Einige Jahre darauf, nachdem die Kaufgelder vollständig bezahlt waren, traten die Landerben des verstorbenen Russwuim auf und rekla- mirten die zum Gute geschlagenen 5 Bauerngüter. Namentlich erhoben Hieronymus Christoph von PöUnitz auf Assbach, Fürstl. Bambergischer Baal, Ober-Kämmerer und Amtmann zu Burg-Ebrach und Schönbronn, wie auch Assessor des Kaiserlichen Landgerichts, und seine eheliche Haus- frau Anna Catharina geb. von K^rpen gegen den unmündigen Grafen Albert Anton zu Schwarzburg einen Process bei dem Reichshofgerichte in Wien, den sie auch gewannen und in Folge dessen Graf Albert Anton am 28. Apr. 1654 eine Obligation ausstellte, durch welche er der Erbin der Wittwe von Kerpen 3000 Mfl. ^rersprach. Zu dieser Summe trug Regina Elisabeth von Witzleben noch 1000 fl. Capital und 250 fl. Zinsen vergleichs- weise bei, um nur endlich den Besitztitel in Ordnung zu bringen. In

*) Orig. im Arch. zu Angelroda. Am 6. März 1651 quittirten die GrafimieD tber 7000 11.

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einer Generalquittung vom 14./24. Aug. 1660 erklärte sich das von PöUnitz'sche Ehepaar wegen aller seiner Ansprüche für befriedigt, so dass die Käuferin und ihre Söhne von jener Zeit an in dem ungestörten Besitz des ganzen Gutes Angelroda waren. Es vererbte unter den Nachkommen Job Wilhelms bis auf den heutigen Tag.

Im Jahre 1743 befand sich der Besitzer, der Königl. Preuss. Lieutenant Albrecht Enist Heinrich von Witzleben in Angelroda auf Werbung und engagirte einen ehemaligen Herzogl. Sachsen-Weimar'schen Jägerburschen, Völker aus Ilmenau, welcher wegen angeblicher Wilddiebereien in üuter- .suchung stand und dieser durch die preussische Werbung entzogen wurde. Der Herzog Ernst August zu Sachsen- Weimar liess desshalb etwa 40 zu Angelroda gehörige, aber im Weimar'schen gelegene Acker Land am 4. Jan. 1744 gerichtlich mit Arrest belegen. Der Lieutenant von Witz- leben fand bei seinem Lehnsherrn, dem Fürsten von Schwarzburg, keinen Schutz gegen dies Verfahren des Herzogs; er wandte sich daher durch seinen Regiments-Cbef, den Prinzen von Bevem in Stettin, an Friedrich d. Gr., welcher den Herzog von Sachsen- Weimar alsbald veranlasste, den Arrest wieder aufzuheben.

Durch Recess vom 16. Aug. 1810 löste die Gemeinde Angelroda sämmtliche Frohnen ab, die sie dem Kittergute leisten musste. Seit dieser Zeit wird auch das Rittergut in dem benachbarten Martinroda, welches die von Witzleben bei dem Verkauf von Elgersburg für sich behalten hatten, als Vorwerk von Angelroda aus bewirtbschaftet.

Im Jahre 1838 wurde die im Sachs.-Gotha'schen Gebiete, Flur Gera, gelegene an die Angelrodaer Flur grenzende sogenannte Frohnwiese, etwa 30 Acker Artland und Wiese, sowie einen Teich enthaltend, von den Ritter- gutsbesitzern angekauft. Dagegen verkauften sie in demselben Jahre einige Grundstücke des Guts an die Kirche zu Angelroda, um dadurch der PlEarre einiges Ackerland zu verschaffen, das anderweitig nicht zu erlangen war*).

Das Jahr 1848 und die in Folge desselben erschienene Gesetzgebung hat dem Gute mancherlei Verluste gebracht. Ausser den Ablösungsgesetzen (1849) wollen wir nur die Streichung des 3. Theils des Lehngeldes und die Aufhebung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit (1850) hervorheben, welche

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*) Die Kirche zu Angelroda war bis 1746 Filial von Gera, wurde aber in diesem Jahre, da ihr Vermögen durch den Ertrag eines seit den ältesten Zeiten ihr gehören- den Waldes auf 12,000 fl. angewachsen war, von der Mutterkirche getrennt und mit einem eigenen Pfarrer versehen.

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letztere den damaligen Eigenthümer des Guts, den Schwarzb. Wirkl. Geh. Kath und Oberstallmeister Friedrich Wilhelm Heinrich Carl August von Witz- leben*) auch um deshalb sehr hart traf, als er dieselbe 50 Jahre und 2 Monate innegehabt hatte.

Die Gesetze vom 7. und 11. Jan. 1856, die Separation und deren Ausföhrung beüeflfend, benutzte das Gut sofort dazu, um am 2. Apr. 1856 auf Ablösung der Pastnachtshühner, Zinsen und Lehngelder, desgl. der Weiderechte und auf Zusammenlegung der Aecker anzutragen. Die Sepa- ration hat gute Fruchte getragen, so dass Angelroda hoffentlich noch lange Zeit im Besitz unserer Familie verbleiben wird.

Nach einer Pachtausschreibung vom 21. Sept. 1869 enthält das Ritter- gut Angelroda bei entsprechenden Gebäuden und Gärten ca. 428 Morgen 178 Q.-R. Artland, „61 79 Wiesen, ^ 2 65 Gräben und Teiche, „111 84 Anger und Leeden, sowie Jagd und Fischerei, und das St. von Angelroda entfernte Rittergut Martinroda

ca. Vi Weim. Acker**) 507* Ethn. Gebäude u. Gärten, 131 49V2 Artland,

41 63 V* " Wiesen,

12^4 », ,t 47 V* " Anger und Leeden,

sowie Weide- und Triftrecht in Flur Martinroda.

c. Die Linie zn Angelroda bis znm Verkauf der

Elgersbnrg.

17U— 1802.

Der Stifter der Linie zu Angelroda war, wie wir S. 122 gesehen haben, Johann Georg von Witzleben, welcher bei seinem am 2. Januar 1743 er- folgten Tode drei Söhne und eine Tochter hinterliess.

Von den Söhnen war der älteste, Friedrich Wilhelm von Witz- leben, geb. zu Arnstadt am 24. Apr. 1712, in Kaiserliche Dienste ge- gangen, machte von 1733 36 als Fähnrich in dem Regiment des Ge-

*) Dessen vom 21. Oct. 1856 datirten Aufsatz über Angelroda wir zum Theil benutit haben.

*•) 1 Weimar'scher Acker = IV« Preuss. Morgen.

10*

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nerals Halt die Campagne am Rhein gegen die Franzosen, 1739 als Officier den Krieg gegen die Türken in Ungarn und Serbien und in diesem am 22. Juli 1739 die Schlacht bei Groczka (Marktflecken im Fürstenthum Serbien) mit, in welcher die Oesterreicher unter Wallis von den Türken unter dem Gross wesir Aywas-Mehmed und Bonneval geschlagen wurden (in Folge dessen sie Belgrad verloren). Als Fürstbischöflich Würtzburgi- scher Grenadier-Lieutenant wurde er während der Belagerung der von den Franzosen besetzten Stadt Bergen-op-Zoom (in Nordbrabant) durch eine Stfickkugel am 10. Aug. 1747 getödtet.

Der jüngste Sohn, Georg German Christian von Witzleben, war am 27. Nov. 1721 zu Angelroda geboren, trat in Preussische Dienste, wurde am 12. Nov. 1745 Seconde-Lieutenant im Regiment Prinz von Braunschweig-Bevem, 1749 Platzmajor in Stettin und starb daselbst am 10. Juni 1751, wie sein obengenannter Bruder, unvermählt.

Alleiniger Besitzer von Angelroda war nunmehr der mittelste Sohn Johann Georg's, Albrecht Ernst Heinrich von Witzleben, dessen. Lebensabriss wir nach der im Archiv zu Angelroda befindlichen Leichen- predigt*) auf ihn geben, um den mit dieser Art geistiger Producte des vorigen Jahrhunderts unbekannten Lesern ein Beispiel vorzufuhren. Also: Albrecht Ernst Heinrich von Witzleben „trat am 7. März 1717 in Arn- stadt, der Zierde der Schwarzburgischen Städte, aus dem adelichen Schoosse der mit dem fürstl. Schwarzburgischen Reisestallmeister Johann Georg von Witzleben auf Angelroda vermählten Frau Auguste Emestine geb. von Kragen als vierter Zweig der ehelichen ümannung gesund und wohl- gestaltet hervor." Es folgen nun die Pathen und die Ahnen (letztere zum Theil falsch). Schon in der Jugend wurde er durch den frühzeitigen Tod seiner innig geliebten Mutter einer grossen Stütze beraubt. Hauslehrer bildeten ihn, bis er als Leibpage der Herzogin an den Sachsen-Gothaschen Hof kam. „Allein die einnehmenden Reizungen des Hofes waren vor sein fem-iges Gemüthe keine Lockspeise, daian er sich begnügte. Es wallete in ihm ein Trieb nach Ehre, eine Begierde, die Siegeszeichen seiner Vor- fahren mit eigenen Lorbeern zu schmücken. Er tiat daher in Preussische Kriegsdienste und begann die neue Laufbahn in Stettin. Sein Eifer im Dienst, seine unermüdete Bemühung, sich immer vollkommener zu machen, seine unverdrossene Willigkeit, sich seinen Vorgesetzten gehorsam, andern

*) aus der wir schon 8. 122 die herrliche Stelle von dem Morgenopfer seiner Mütter angeführt haben.

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aber verbindlich und gefällig zu erweisen, erwarben ihm Gnade, Liebe, Hochachtung und Verehrung. Ehe noch der 1 . Krieg in Schlesien aus- brach, war er bereits Premier-Lieutenant (?) und der Krieg eröffnete ihm ein Feld, wo er seinen Muth, seine- Herzhaftigkeit und Tapferkeit konnte sehen lassen. Allen Feldschlachten wohnte er mit bei; namentlich der bei MoUwitz am 10. Apr. 1741, der bei Czaslau und Chotusitz am 17. Mai 1742, Hohenfriedberg am 4. Juni 1745, der bei Sorr und Deutsch-Braus- nitz am 30. Sept. 1745. Er war unter den Belagerern vor Breslau, Glogau, Glatz und Neisse und hielt die harte Belagerung der Stadt Prag mit aus. Bei Hohenfriedberg wmde er hart verwundet*); der Herzog von Bevem, Chef seines Regiments, ermahnte ihn, noch ehe das Blei ihn traf, die Schlachtordnung zu verlassen, weil er einen starken Anfall von seiner schon damals ihm anhängenden Leibesbeschwerung hatte, allein er weigerte sich, von seiner Stelle eher zu weichen, als bis er nicht mehr würde stehen können.

So viele ermüdende Feldzüge, so viele hitzige Schlachten, so manche stürmende Belagerung, so manches Handgemenge, so manche gefährliche Stellung, wohin der Dienst ihn rief, und dennoch noch eben so stark, munter und ungelähmt, als vor dem Eintritt in das kriegende Heerlager**). Er war von seinen Brüdern der Einzige, der sein uraltes Geschlecht fort- pflanzte, dahingegen die andern in dem Frühlinge ihres Alters unverheira- thet gestorben. Den empfindlichen Verlust seines Vaters ersetzte eine eben 80 glückliche als vergnügte Ehe. Er fand das Ziel seiner Wünsche in den Armen einer an Leibe und Gemüte schön erbildeteii Braut, dem

*) durch eine Kugel in die Seite. Im Archiv zu Angelroda befindet sich ein Brief Philipp Heinrich's von Witzleben an Albrecht Ernst Heinrich, d. d. Canienz den 23. Mai 1745, den letzterer in der Westentasche trug und durch den die Kugel ging.

**) d. d. Berlin, den 5. Oct. 1747 ertheilte Friedrich ^]. G. „dem Capitaine vom Bevem'schen Regiment zu Fuss Georg Ernst Heinrich von Witzleben" den erbetenen Abschied, bezeugte „auch zugleich in Gnaden, dass jetzt gedachter Capitaine von Witz- leben die ganze Zeit Seiner obgehabten Krieges Dienste und bey allen darinn vorge- fallenen Krieges Begebenheiten sich jedesmahl getreu, tapffer und dergestalt unver- weisdich aufgeführet vnd erwiesen habe, dass Allerhöchstgedachte Seine Königliche Majestät damit beständig allergnädigst wohl zufrieden gewesen und dannenhero Jeder- männiglich nach StAnde8**rfordern d«^8s**lben Persobn hiHrdur«*h b^^st^ns r**coinmendir**n'*. «Orig. im Arch. zu Ang»>lro<ia. i

Bei Pauli. Leb»»n gr. Heiden, VI. p. 24;^ wird Albre»-.ht Krnst Heinrich eben- fall« föWhlich G*^org Em.«t Heinri«'h von Witzl^h^n genannt.

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Fräulein Albertine Christiane Charlotte von Witzleben*), der jüngsten Tochter Johann Adam's von Witzleben auf Liebenstein, Pranken- hairi und Rippersroda, Sachs. Goth. Oberstlieutenants über das Dragoner- V Regiment, dessen Asche von seinen noch lebenden Unterthanen mit Thränen der Sehnsucht und Verehrung benetzt wird. Die Vermählung wurde zu Angelroda am 30. Nov. 1747 vollzogen und nun der Grund gelegt zu seinem zweiten Lebensabschnitt, zum Ehstande und zur Hauswirthschaft. Was für unnennbare Wohlthaten hat da nicht der Höchste ihm in beiden erwiesen? eine Gemahlin, welche die Empfindungen von Freude und Schmerz so mit ihm theilte, dass dadurch jene erhöhet und dieser erträglich gemacht wurde; eine Gemahlin, aus deren Munde sanfte üeberredungen und aus deren Augen zärtliche Begegnungen flössen; eine Gemahlin, die zu einer fröhlichen Kindermutter wurde und fast alle Jahr ihren Gemahl mit einem neuen Unterpfande der ehelichen Verbindung durch den Segen des Höchsten beschenkte.

Von diesen Leibesfrüchten zog sich Gott die drei ältesten, nämlich einen Sohn und zwei Töchter aus, um sie bei sich im Himmel zu haben ; sechs davon aber liess er den glückseligen Eltern zurück:

1) Bemhardine Auguste Friederike Cluistiane, welche 1748, 10. Sept mit ihrer Ankunft auf die Welt ihre Eltern erfi-eute, aber 1749, 6. Juli mit ihrem Abschied auch wieder betrübte, welche Betrübniss sich aber doch wieder in desto grösseres Vergnügen verwandelte, als

2) 1749, 19. Aug. ein männlicher Erbe erfolgte, Friedrich Wilhelm Hartmann Heinrich, der jedoch 1754, 31. Mai der Gresellschafl der Aus-' erwählten einverleibt wurde. Es lachte

3) 1750, 7. Sept. die Eltern abermals ein Fräulein an, Sophie Luise Dorothee Friederike, die aber nicht länger als bis 1752, 17. Juli in der Welt blieb.

4) Der 7. Apr. 1753 setzte die Eltern durch die Geburt eines aber- maligen jungen Herrn, mit Namen Job Wilhelm, in ein besonderes Ver- gnügen. Dasselbe wurde noch grösser, als

5) 1755, 11. Juni abermals ein Sohn das Witzleben'sche Geschlecht vermehrte: Carl Friedrich Heinrich Günther. Die Gütigkeit des Höchsten beschenkte sie darauf

6) 1756, 17. Mai mit Jeannette Caroline Christiane,

•) n. 19. Febr. 1727, 10 Uhr Morgens, in Liebenstein. Ihre Mutter war Eleo- nore Friederike geb. Freiin von Roder a. d. H. Dörnfeld.

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7) 1757, 19. Oct mit Wilhelmine Sophie Friederike,

8) 1759, 2. Apr. mit Auguste Charlotte Luise und

9) 1760, 6. Juni mit einem Sohn Friedrich Wilhelm Ludwig.

Und der Höchste lasse auch das, was jetzt auf ihn im Mutterleibe geworfen ist, dermaleinst seine Zuversicht sein an seiner Mutter Brüsten (nämlich No. 10).

Den Verrichtungen seiner ökonomischen Verhältnisse, darauf er sich zu legen nie Gelegenheit noch Lust gefunden, unterzog sich Albrecht Ernst Heinrich bald mit solchem Eifer, dass es ihm gelang, seine Scheuren zu füllen, und dass nie ein Wetterschade die Frucht seiner Arbeit vereitelt hat. W^ie man denn auch unter die leiblichen Wohlthaten billig die alleinige Besitzung der väterlichen Güter und andere zußJliger Weise an- hejm gefallene Erbschaften rechnen mag.^

In der Nacht vom 14. zum 15. Mai 1761 erkrankte Albrecht Ernst Heinrich von Witzleben plötzlich am Friesel und am 22. Mai Morgens 8 Uhr starb er zu Angelroda, im Alter von 44 Jahren, 10 Wochen und 5 Tagen.

Seine Wittwe gebar am 8. Nov. 1761 noch einen Sohn Friedrich Albrecht Ernst Heinrich. Sie befand sich in ziemlich bedrängter Lage mit 4 Söhnen und 3 Töchtern auf dem kleinen verschuldeten Gute; ihr heiterer Sinn verliess sie aber nicht, so viel sie auch in den Kriegszeiten sowie durch Feuers- und Wassersnoth geprüft worden ist. Sie starb nach 57 jährigem Wittwenstande im 91. Lebensjahre am 12. März 181R, nach- dem sie kurz vor ihrem Tode noch den tiefen Schmei-z empfunden hatte, dass ihr jüngster Sohn, den sie als posthumus immer besonders geliebt hatte, ihr durch den Tod entrissen wurde.

Von den Söhnen Albrecht Ernst Heinrichs von Witzleben war Job Wilhelm am 7.- April 1753 Morgens 5 Uhr zu Angelroda geboren. Nachdem er von 1766 71 die Klosterschule liossleben besucht hatte, trat er in Preussische Dienste, wurde 1773 dem eben errichteten Infcinterie- Regiment von Luck*) zugetheilt, war 1788 in demselben jüngster Stabs- capitain und führte während des Polnischen Feldzuges 1 794 eine Compagnie. Am 26. Sept. 1803 wurde er zum Major ernannt, blieb aber dabei Com-

*) Das Regiment hiess 1773 80 von Lnck, 1780 84 v. d. Goltz. 1784 85 Graf Schwerin, 1785 86 von Räumer, 1786 94 von Favrat, 1794— 1800 Reichs- graf zu Anhalt, 1800—1806 Jung-Larisch und wurde 1807 aufgelöst; seine Garnison war Braunsberg in Ostpreussen, seit 1796 Thom.

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pagnie-Chef, und machte auch als solcher im Corps des Herzogs Eugen von Würtemberg den Feldzug von 1806 mit. Während des Röckzuges auf Lübeck hatte der Herzog sein Corps verlassen und Blücher das Com- mando übernommen; Job Wilhelm von Witzleben wurde Bataillons-Com- mandeur. Das Blüchersche Corps hatte Lübeck besetzt, als der Marschall Bernadotte am 6. Nov. 1806 angriff. Die Nacht vom 5. zum 6. hatte das Regiment Jung-Larisch vor der Stadt biwakirt, am 6. bezog es in aller Frühe die befohlene Stellung am öalgenberge vor dem Burgthore, die es jedoch nach einigen Stunden verliess, um in Lübeck einquaitiert zu werden. Nicht lange genoss man der Ruhe; Major von Witzleben erhielt den Befehl, mit 4 Compagnieen und 2 Geschützen die Trave aufwärts zu marschiren und die dortige Brücke zu besetzen. Major von Ende mit 6 Schwadronen Husai'en und Dragonern sollte ihn unterstützen. Bald nachdem sie abgerückt waren, ward Lübeck erstürmt. „Der Major von Witzleben", berichtet General von Höpflher in seiner Geschichte des Feld- zuges von 1806 und 1807, „der die Brücke bei Moisling bereits zum Theil zerstört hatte, vnirde durch feindliche Reiter in dieser Arbeit gestört und bald darauf auch durch Infanterie angegriffen. Nachdem er sich einige Zeit hierselbst gewehrt hatte, erhielt er durch den Major von Ende die Nachricht der Erstürmung von Lübeck und den Befehl zum Rückzuge, den er auch sofort antrat, ohne verfolgt zu werden. Doch als ihm der Wegweiser entwischte und er nach der Thurmspitze des ihm bezeichneten hinter dem Walde liegenden Dorfes querfeldein marschirte, gerieth er bald in ein mit Gräben durchschnittenes Terrain, in welchem er seine beiden Bataillons-Kanonen nicht fortbringen konnte. Um die Geschütze nicht im Stich zu lassen, blieb dem Major Witzleben nichts übrig, als nach der Lübecker Landstrasse zurückzukehren, um, die Stadt rechts lassend, so den Rückweg weiter foi^tzusetzen. Doch auf diesem Marsche ward er unerwartet von einer Gartenmauer zur Linken her von einer an- sehnlichen feindlichen Infanterie -Masse und in der Front von Cavallerie angegriffen und, bevor die Geschütze noch abprotzen konnten, über- wältigt. Die 4 Compagnieen waren zusammen nur noch 9 Officiere 136 Mann stark." Major von Ende war bereits eine Stunde vorher ge- fangen genommen worden; den nächsten Tag capitulirte das ganze Blüchersche ^^orps bei Schwartau und Ratkau. Wo Job Wilhelm wäh- rend der Befreiungskriege gefochten, wissen wir nicht: er avanciri^v noch zu Oherstlientenant, wurde vor 1*^17 mit P^^nsiou verabschiedet und zog

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nach Rudolstadt, wo er den 16. Febr. 1824 früh 174 Uhr am Lungen- schlag starb und am 18. dess. M. Nachmittags auf dem alten Gottesacker begraben wurde; er hatte sein Leben gebracht auf 70 Jahre, 10 Monate, 1 Woche und 2 Tage.

Im Jahre 1801 hatte sich Job Wilhelm mit seiner Schwägerin Friederike Sophie von Witzleben, geb. Horch, der Wittwe seines Bruders Friedrich Wilhelm Ludwig, vermählt. Seine Descendenz s. Tab. I. 7.

Carl Friedrich Heinrich Günther von Witzleben war am 11. Juni 1755 in Angelroda geboren, von 1766 71 Schüler in Rossleben and ta*at am 19. Sept. 1772 als Junker in das Preuss. Infanterie-Regiment von Schwerin,*) welches in Halberstadt in Garnison stand. Nachdem er am 3. August 1773 zum Cornet und am 24. Juni 1777 zum Seconde- Lieutenant aufgerückt war und die Campagne in Schlesien (den soge- nannten Kartoffelkrieg) 1778 mitgemacht hatte, wurde er am 17. Juni 1783 zum Premier-Lieutenant, am 5. Juni 1788 zum Stabs-Capitain und 1792 zum Compagnie-Chef ernannt.**) Während des Rheinfeldzuges nahm Heinrich Günther von Witzleben Theil an der Kanonade von Valmy, 20. Sept 1792, der siegreichen Bataille von Pirmasenz am 14. Sept. 1793, der dreitägigen Schlacht bei Kaiserslautern, 28. 30. Nov. 1793, dem glücklichen Angriff auf diesen Ort am Vij Mai 1794 und der Belagerung von Mainz. Am 18. Febr. 1798 avancirte er zum Major, blieb aber Compagnie-Chef. Im Jahre 1805 wurde das Regiment Herzog von Braun- schweig mobil, kam indess bei den bekannten politischen Verhältnissen erst im Herbst 1806 vor den Feind. Zur Division des Grafen Wartens- leben gehörend, focht es in der Schlacht bei AuersteJt und wurde zu den wiederholten Angriffen auf das Dorf Hassenhausen vorgeführt, ohne dass es ihm gelang, den Feind daraus zu vertreiben. Fast die Hälfte der

•) 1756 67 von Hülsen, 1767 73 von Schwerin, 1773 1806 Herzog von BrauMchweig.

**) Witileben, der selbst der edlen Dichtkunst huldigte, war sehr befreundet mit ßleim und dem tollen Hagen, welcher behauptete, zu jeder Zeit in Versen sprechen M können. Als Goethe im Sept. 1783 in Halberstadt war, lauerten in Folge einer Wette Gleim, Goethe und Witzleben vermummt Hagen auf, als er in der Nacht, aus einer C^llschaft kommend, eine enge Gasse betrat, und feuerten Pistolenschüsse auf ihn ab. wobei sie ihn aufforderten, in Versen zu sprechen. Hagen erwiderte sofort:

„Gott, du gerechter Richter,

Der du kennst alle schlechten (iesichter.

Kannst du mir nicht sagen mein ,

Wer die dr«i Hundsfötter mög^n g^inV**

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Division deckte todt oder verwundet das Schlachtfeld ; vor ihrer Front, im Begriff, ein Grenadier-Bataillon zum Sturm zu führen, fiel endlich der Führer der Annee, der Chef des Regiments, der greise Herzog von Braun- schweig — eine Kugel hatte ihn heider Augen beraubt, er sank vom Pferde und starb einige Tage darauf in Ottensen. Sein Regiment ward in den allgemeinen Rückzug mit fortgerissen. Der Major Heinrich Günther von Witzleben führte den Rest des Regiments über die alte Garaison Halberstadt, wo er am Abend des 18. Oct. eintraf, und Magdebui^ durch das Havelland der Ukermark zu. Das einst so stolze Regiment war zu einem Schatten herabgesunken; was die Kugeln von Hassenhausen ver- schont, fiel unter den Entbehrungen und Anstrengungen des Marsches. Dem Fürsten von Hohenlohe hatte der König die Führung der Armee übertragen. Am 28. Oct. kam man bei Prenzlau an, das Regiment Herzog von Braunschweig kaum noch 300 Mann stark. Vom Feinde hart bedrängt, durch falsche Nachrichten bethört, vor Erschöpfung fast aufgerieben, schloss der Fürst hier die bekannte Capitulation, mit der auch das Regiment Herzog von Braunschweig aufhörte zu eiistiren; die OflBciere wurden auf Ehrenwort entlassen. Bis zum Jahre 1810 war Heinrich Günther ausser Dienst. Dann vmrde er als Director der Gewehr- fabrik und Präses der Gewehr-Revisions-Kommission nach Potsdam be- rufen, wo ihn der ev. Bischof Eylert (Biograph Friedrich Wilhelm Jll.) kennen lernte und als einen biedern, echt deutschen Mann schildert. Am 13. Apr. 1812 wurde er Oberstlieutenant, 1813 und 14 erhielt er das Commando über die unter ihm formirten Reserve-Bataillons in Berlin und am 26. April 1814 wurde er nach Auflösung der Reserve-Bataillons zum Oberst und Inspecteur sämmtlicher Garnison-Truppen in den Marken und Pommern ernannt. Nach 1815 wurde er Inspecteur der Gamison-BataiHons und Invaliden im General-Commando von Brandenburg. Nachdem er in dieser Stellung am 25. Dec. 1818, wenige Wochen nach der Ernennung seines berühmteren Sohnes zum Generalmajor, eben diese Charge erreicht hatte, bat er 1820, beinahe ein halbes Jahrhundert der Armee angehörend, um den Abschied, der ihm in Gnaden gewährt wurde, und zog sich nach Angelroda zurack, wo er am 17. April 1824 Morgens Y*7 Uhr sanft und schmerzlos an Entkräftung starb.*) Heinrich Günther hatte sieb am

*) Heinrich Günther war 1789 von Ernst von Witzleben zum Liebenstein in die Mitbelehnschaft des Ritterguts Frankenhain aufgenommen. Das Nähere darüber s. im Abschnitt über das Haus Liebenstein.

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5. Jtili 1782 nach vielen überstandenen Schwierigkeiten in Gregenvait des Herrn Domdechant Freih. Spiegel zum Desenberg, des Herrn Präsidenten und Frau Präsidentin von Comberg, des Herrn Criminalrath Oppermaiin und seiner Frau und des Herrn ßegierungs-Secretair Zachariae auf den Spiegelsbergen (bei Halberstadt) in einer Eremitage mit Amalie Caroline Luise Wilhelmine Freiin von Wulff a. d. H. Fuchteln, einer am I.Juli 1766 zu Halberstadt geborenen Tochter des Königl. Preuss. Haupt- manns im Regimefit Jung-Bevem Arnold Dietrich Christian Freihenn von Wulff zu Fuchteln*) (n. 1716, f i766) und der Luise Henriette Leopol- dine Elisabeth von Rauchhaupt a. d. H. Oppin, ehelich verbunden. „Die Anstalten sowohl als die Kosten dieser Hochzeit besorgte der grossmüthige, menschenfreundliche Domdechant von Spiegel," Seine Descendenz s. Tab. I. 8.

Friedrich Wilhelm Ludwig von Witzleben, am 6. Juni 1760 zu Angelroda geboren**), kam als Page an den Schwarzburgischen Hof zu Budolstadt und trat um 1780 bei dena Infanterie-Regiment von Schott***) in Königsberg in Preussische Dienste. 1794 96 war er mit dem Re- giment in Polen, wo er einige Scharmützel mitmachte, und kam 1796 nach Braunsberg in Garnison, wo er als ältester Stabscapitain am 2. Mai 1800 starb und bei Heilige Linde begraben vmrde, nachdem er sich 1789 ver- lobt und am 30. Nov. 1796 vermählt hatte mit Friederike Sophie Horch, der am 21. Jan. 1769 geborenen Tochter des Raths Horch in Rastenburg, welche 1801 ihren Schwager Job Wilhelm von Witzleben heirathete. Friedrich Wilhelm Ludwig's Descendenz s. Tab. I. 9.

Friedrich Albrecht Ernst Heinrich von Witzleben, am 8. Nov. 1761, über 6 Monate nach dem Tode seines Vaters, zu Angeboda geboren, lernte Ende der 70er Jahre in der Ruhl in Thüringen das Forst- und Jagdwesen, wurde Jagdpage in Weimar und trat um 1780 beim Infenterie- Regiment von Pfuhl in Berlin in Preussische Dienste, wo er ausserdem auch Königlicher Jagdjunker wurde. In allen ritterlichen Cebungen wohl erfehren, besass er namentlich als Schütze eine ausser- gewöhnliche Geschicklichkeit und seiner gesellschaftlichen Talente und

*) Das Geschlecht von Wulff zu Fuchteln ist erloschen, jedoch existirt noch die Familie von Lüdinghausen-Wolff, von welcher die von Wulff abstammten.

**) Zu seinen Pathen gehörten Friedrich d. Gr., der Herzog von Bevern und Prinz Wilhelm zu Schwarzburg-Arastadt.

***) Das Regiment hiess bis 1776 von Borck, 1776 80 von Schott, 1782-89 TOD Romberg, 1729-92 von Gilleru, 1792—1800 von Hausen, 1800—1807 von Diericke und jetzt 4. Ostpr. Grenadier-Regt. Nr. 5.

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stattlichen Erscheinung wegen war er selbst am Hofe Friedrich Wilhelms 11. eine gern gesehene Persönlichkeit.*)

Anfangs der neunziger Jahre marschirte das Regiment von Pfuhl mit nach Polen und erhielt 1795 das neuei-worbene Warschau als Garnison und den General von Thiele zum Chef.**) Unter diesem stand Heinrich von Witzleben nicht lange, denn schon im Januar 1796 wurde er als Capitain in das neu errichtete Füsilier-Bataillon von Stuttemheim nach Heilsberg versetzt. Am 30. Nov. 1798 erfolgte die E»ennung zum Major und zugleich die Versetzung zum Füsilier-Bataillon des Majors von York (welches 1800 der Major von Schachtmeyer erhielt) nach Johannisberg in Ostpreussen; 1805 folgte er York in dem Commando des Feldjägerregiments in Mittenwalde, dessen Chef der Oberst von York blieb.

1806 gehörte der Major von Witzleben, ebenso wie sein Chef, mit dem er stets in gutem Einvernehmen blieb, zur Avantgarden -Division, welche der Herzog Carl August von Sachsen- Weimar befehligte. Er machte die Schlachten von Jena und Auerstedt nicht mit, dagegen erhielt er am Schlachttage (14. Oct. 1806) vom Herzog, welcher bei Ilmenau stand und auf Nachrichten wartete, den Auftiag, mit 2 Compagnieen Jäger und 1 Schwadron Husaren Saalfeld zu überfallen und sich der vom Feinde daselbst zurückgelasseneu Kanonen zu bemächtigen. Bei Eiiurt vorbei, über Mühlhausen und Heiligenstadt, den Harz rechts lassend, zog das Weimarsche Corps der Elbe zu. Am 30. Oct. fand das Gefecht bei Alten- zaun statt, in welchem sich namentlich die Jäger hervorthaten,***) und am 1. Nov. das bei Waren, lieber letzteres sagt Höpfl&ier, der Krieg von 1806 und 1807, Th. II. S. 251: „Nachdem aufs Neue das Signal zum Rückzug gegeben war, folgte der durch das sichere Feuer unserer Jäger

*) Auf der vom König zum Mardi gras des Jahres 1788 gegebenen Redoute tanzte der Lieutenant von Witzleben als Orpheus mit der Gräfin Brühl als Euridice, und im Nov. dess, J. bei der Einweihung der vom König im Schloss bewohnten Ge- mächer tanzten eine Quadrille der König mit der Gräfin Ingenheim (der schönen Julie von Voss), die Prinzessinnen Friederike (älteste Tochter des Königs) und Luise (Tochter des Prinzen Ferdinand, jüngsten Bruders Friedrichs d. Gr.). die Herzogin Friedrich von Braunschweig und die Lieutenants von Schack und Witzleben und der Graf Lindenau. 8. G. W. von Raumer: Berlin in den Jahren kurz vor der Franz. Revolution von 1786 1792, abgedr. im Berliner Kalender für 1847, Verl. von Carl Reimarus, S. 49 und 21.

**) Das Regiment war ursprünglich für einen Erbprinzen von Würtemberg er- richtet worden und in demselben standen viele Würtemberger, weshalb es lange Zeit nachher noch das Wiirtembergische Regiment genannt wurde.

***) ^'fr. i^roysen, York'.« Leben, und Guinthau, die Jäger und Schützen.

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3cheu gemachte Feind nur behutsam. Die Compagnie Witzleben, die sich auf dem äussei-sten linken Flügel befand, hatte das Signal nicht gehört und stand noch im Walde, als die übrigen Compagnieen denselben bereits verlassen hatten; sie wurde bald vom Feinde von allen Seiten umgeben, zog sich indessen mit solcher Buhe und unter einem so sichern Feuer zurück, dass der Feind ihr nichts anhaben konnte. Da des Feindes Tirailleurs sich haufenweise aufdrängten, die Jäger aber einzeln von Baum zu Baum zurückgingen, so verlor der Feind sehr viele Menschen, die Compagnie aber nur 1 Officier und 20 Jäger an Todten und Verwundeten."

Am 6. Nov. 1806 fand das Gefecht in den Strassen Lübecks statt. Von den 6 Compagnieen Jäger, welche kurz vor Anfang des Gefechts in der Stadt selbst Quartier bekommen hatten, wurde ein grosser Theil er- schossen oder mit dem Bajonet niedergestochen, als sie eben aus den Häusern traten. Mehrere leisteten indess einen verzweifelten Widerstand und feuerten sogar aus den Kellern und Häusern so lange es irgend ging. Oberst York als Chef und Major von Witzleben als Commandeur des Feldjägerregiments hatten in der Eile und Verwirrung eine kleine Anzahl Jäger gesammelt und sich den in allen Strassen andringenden Feinden entgegengeworfen. Gelang es auch wirklich, durch Böchsenfeuer die Franzosen an einzelnen Stellen aufeuhalten oder zurückzudrängen, so quollen doch immer stärkere Colonnen in die Strassen hinein, so dass Nichts als der Rückzug übrig blieb. Dieser aber war äusserst mörderisch für die Jäger, denn da sie durch ihre Büchsen den Franzosen den meisten Schaden zugefügt, so gaben diese auch keinen Pardon, und wer mit der Büchse in der Hand gefangen wurde, kam nicht mit dem Leben davon. Dass die Jäger durchaus Nichts vom Rückzuge wissen wollten, beweist, dass Oberst von York und Major von Witzleben (dieser verwundet) noch in der Holsteiner Strasse abgeschnitten, umringt und gefangen wurden. Dass Alles im höchsten Grade seine Schuldigkeit gethan, dafür spricht die spätere Verleihung des Ordens pdm- le mörite an die beiden StabsofBciere und 20 Verdienstmedaillen an die Oberjäger und Jäger.*)

Heimich von Witzleben wird von Blücher in seinen Briefen an York (bei Droysen) wiederholt der brave Major von Witzleben genannt, auch gehörte er mit zu den ersten Officieren, deren Auswechselung von Preussen bewirkt wurde, so dass er schon im Frühjahr 1807 in Königsberg ein- treffen konnte. Im Jahre 1808 vmrde er zum Oberst und Commandeur

*) 8. Schneider, die Preuss. Jäger und Schützen«

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des neu errichteten Garde-Jäger-Bataillons und am 14. April 1809 ausser- dem zum Unterinspecteur (York war Oberinspectem) des Garde- Jäger-, sowie des Schlesischen und Ostpreussischen Schützen -Bataillons ernannt.

Heinrich von Witzleben muss auch in weitem Kreisen in dem Rufe eines kaltblütigen, entschlossenen und furchtlosen Mannes gestanden haben. Dies geht aus dem Umstände hervor (den der Oberstallmeister Friedrich Wilh. Heinr. Carl Aug. von Witzleben aus seines Onkels Heinrich eigenem Munde hatte), dass er von Patrioten aufgefordert worden war, während des Monarchencongresses in Erfurt 1808 sich Napoleons lebend oder todt zu bemächtigen. Zu dem Ende sollte er sich mit etwa 50 Jägern, deren Auswahl ihm überlassen blieb, in die Wälder bei Marksuhl begeben, wo ihm das Terrain von seiner Forst-Lehi*zeit her völlig bekannt war, und den Kaiser auf der Reise nach Erfurt überfallen. Gelänge es ihm, denselben lebend zu ergreifen, so würde Relais bereit gewesen sein, ihn nach Eng- land zu schaffen. Witzleben hat darauf geantwortet, wie er im ehrlichen Kampfe sein Leben für den König gern hingeben, zu einem Unternehmen aber, das mit einem Morde endigen könne, sich niemals verstehen werde.

Im Jahre 1809 zog sich Heinrich nach einem Manöver im Biwak eine schwere Erkältung und in deren Folge eine Krankheit zu, von welcher er nicht wieder genesen sollte. Er nahm noch in demselben Jahre den Abschied und wurde als Ober-Forstmeister in Königsberg i./N. angestellt. Hier hatte er 1813 den Verlust seines ältesten Sohnes zu betrauera, der in der Schlacht bei Gr. Görschen verwundet worden war und im elterlichen Hause seine Genesung abwarten wollte, aber im 17. Lebensjahre starb. Im Sommer 1814 sah sich der schwer kranke, tiefgebeugte Vater ge- nöthigt, abermals den Abschied zu nehmen, der ihm ungeachtet der damals so ungünstigen financiellen Lage des Staates mit einer Pension von 1800 Thlrn. und der Erlaubniss, dieselbe im Auslande zu verzehren, be- willigt wurde. Er zog sich nach Angelroda zurück, bewirkte 1817 die schwierige Auseinandersetzung mit der Mutter und zwischen den Brüdern und Schwestern und übernahm am 1. Mai dess. J. für sich, seine zwei Brüder und seinen Neffen Friedrich Wilh. Heinr. Carl Aug. von Witzleben, dessen Vormundschaft er seit 1800 geführt hatte, die Wirthschaft daselbst und zu Martinroda Am 6. Januar 1818 erlöste ihn der Tod von seinen schweren Leiden.

Nach 12 jährigem Brautstande hatte sich Friedrich Albrecht Ernst Heinrich von Witzleben um 1795 mit Wilhelmine von Koppenfels»

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der bildschönen Tochter des Wirkl. Geh. Raths von Koppenfels in Weimar verheirathet, welche ihm das Rittergut Rohrbach (im Amte Buttstedt des Grossherzogthums Sachsen- Weimar, 2V2 St. nordnordöstlich von Weimar, an der Strasse nach Wiche gelegen, nach Schumanns St. P. und Zeit. Lex. noch im Jahre 1833 in Besitz seiner Nachkommen) zubrachte. Seine Descendenz s. Tab. I. 10.

Die vier Brüder, deren kurze Lebensbeschreibungen wir eben gegeben baben, waren die Lehnserben ihres Vetters, des Wirkl. Geh. Raths und Ober-Hoftnarschalls Friedrich Hartmann von Witzleben auf Elgersburg, Gera, Manebach, Martinroda, Neuroda und Trasdorf. Kaum hatte dieser am Morgen des 3. Oct. 1788 die Augen för immer geschlossen, als sich noch an demselben Tage der Heraogl, Weimarsche Hof-Advokat Blumröder zu Ilmenau auf Grund einer ihm bereits im Jahre 1787 ausgefertigten Vollmacht der vier Brüder und Lehnsfolger nach Elgersburg begab, um für dieselben Besitz zu ergreifen. Es begleiteten ihn drei Zeugen und der Kaiserliche Notar Eisentraut, welcher über den Act der Besitzergreifung ein höchst ausführliches Notariats-Instrument*) aufnahm. Danach begaben sich alle geraden Weges nach dem Schloss Elgersburg, wo sie Abends 8 ühr ankamen. Das Thor war zu, aber die Frau des Gärtners öffnete freiwillig und übergab den Thorschlüssel an Blumröder, welcher demnächst die üblichen Formalitäten verrichtete, d. h. redete, einen Span aus dem Thor schnitt, dasselbe auf- und zuschloss, desgl. die Hausthür, darauf in dem Bilder- oder Speisesaal die Tische und Stühle hin und her rückte und die Fenster öffnete und schloss, in der Küche auf dem Heerd ein Feuer anmachte, wovon der Rauch in die Höhe stieg, von der Archiv- Tbür einen Span schnitt, im Garten einen Zweig brach und ein Stück Erde ausstach, ein Gewehr abschoss u. s. w. u. s. w. Der Kammersecretair Gundermann aus Gotha, Advokat der Wittwe Friedrich Hartmann's von Witzleben, kam zu spät.

Im August 1789 waren die neuen Herren der Elgersburg aus Brauns- berg, Halberstadt, Königsberg und Berlin nach Thüringen gekommen, um die Lehen in Gotha, Weimar und Rudolstadt zu empfangen. „Ich habe", schreibt der Oberstallmeister Friedrich von Witzleben, „noch mehrere Personen aus jener Zeit gekannt, welche die hohen Gestalten und über- haupt die Schönheit und Liebenswürdigkeit der Brüder nicht genug er-

*) Orig. im Arch. zu Angelroda.

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heben konnten. Besonders war den Damen ein Ball auf der Elgersbui'g im Gedächtniss verblieben, den die Besitzer an dem Tage ihrer Huldigung Seitens ihrer ünterthanen dort gegeben hatten,*)

Auch mit der verwittweten Geh. Räthin von Witzleben, geb. von Oppel, setzten sich die Brüder bei dieser Gelegenheit wegen der in dem S. 126 angefühlten Testamente ihr vermachten, zu den Elgersburger Gütern ge- hörenden AUodial- Grundstücke am ;^0. Aug. 1789 auseinander, indem sie derselben die Gera'sche Schenke ganz, die Elgersburger sowie die Mane- bacher Schenke halb, die in der Geräuschen Flur neu erbaute Ziegelhütte halb und mehrere Aecker, Wiesen und Gärten für 4290 Mfl. und das bei iem Rittergut zu Elgersburg befindliche Inventar an Vieh, Geschirren, Getreide, Federvieh, Betten, Gemässen und sonstigen zur Haushaltung gehörigen Stücken für 2797 Rthlr. abkauften. Was aber Christoph Friedrich Hartmann von Witzleben 1765 vorausgesehen (s. S. 126), traf zu: Die Angelröd^. hatten kein Geld zum Bezahlen, und es blieben da- her jene Summen auf Elgersburg stehen und wurden mit iVji ^o verzinst.**) Von halb Martinroda ist hier keine Rede. Es scheint erst nach dem Tode der Geh. Räthin von Witzleben wieder zu Elgersburg gekommen zu sein.

Elgersburg wurde nun wie Angelroda für gemeinschaftliche Rechnung verwaltet. Wii- geben nur, da wir bei den meisten der Herren Vettern ein gewisses Interesse für das edle Waidwerk voraussetzen, eine theilweise Cebersicht des Jagdertrages.

Im Elgersburger und Martinroder Revier wurden geschossen:

von Trinit.

1789 bis März 1790.

April 1792

bis 12. Pebr.

1793.

! 1793 1 bis

Fasten 1794.

1

Stück Rothwild

Rehe .

19 8

25 3 2

3

31

28

1 63

2

2

2

1 4

20

; 22

23

Hasen

Auerhähne

80 2

Birkhähne

Schnepfen

Wilde Enten .

1

Feldhühner . . Füchse. . . .

27 5

*) „Auf diesem Balle war es auch, dass mein rechter Vater den Onkel Heinrich auf Pistolen forderi^e wegen einer Aeusserung, durch welche er sich beleidigt fühlte. Ueberhaupt vertrugen sich beide nicht besonders mit einander. Der Onkel stand sich imnjer am besten mit seinem Bruder Heinrich Günther.* **) Arch. zu- Angelroda.

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Die Zeitumstände und sonstigen Verhältnisse (alle 4 Brüder waren in Preussischen Diensten, keiner Landwirth, der Theilhaber wurden immer mehr etc.) veranlassten die Brüder Job Wilhelm, Heinrich Günther und Heinrich (dieser für sich und in Vormundschaft des Sohnes des 4. Bruders Friedrich) von Witzleben, das alte Pamiliengut Elgersburg zu veräussern, und es kam am 8. Nov. 1802 zu dem S. 55 erwähnten Verkauf an die Herzogliche Kammer zu Gotha. Ausser Martinroda und dem Veronika- berg, die im Weimarschen Territorium gelegen sind, wurden auch die dem fürstlichen Hause Hohenlohe zu Lehn gehenden Zinsen (die früher Gleichen'schen Lehen, s. S. 79) nicht mit verkauft. Zu der Kaufsumme

Yon 126,000 Thlr. Sgr. Pf.

kamen noch an rückständigen Geföllen bis

zum 8. Nov. 1802 222 21 2

Summa 126,222 Thlr. 21 Sgr. 2 Pf. Nach Abzug der von der Herzoglichen Kammer übernommenen Schulden im Betrage von 55,120 7 1

erhielten die Verkäufer 71,101 Thlr. 14 Sgr. 1 Pf.

wovon vorläufig 60,000

auf dem Gute stehen blieben und . . 11,101 14 1 baar ausgezahlt wurden.

Durch die damalige Zeitströmung in Folge der Französischen Revo- lution war die Pietät für alte angestammte Familiengüter theilweise ganz abhanden gekommen, sonst würde die Elgersburg nicht verkauft, sondern als Familiengut erhalten worden sein.

d. Die Linie zu Angelroda von 1802 bis jetzt

In Bezug auf die verschiedenen Zweige und die einzelnen Glieder der Linie zu Angelroda nach dem Jahre 1802 verweisen wir auf die Stammtafeln, die wir so genau, als es uns irgend möglich war, ange- fertigt haben. Von einigen der bereits verstorbenen Glieder müssen wir aber den Stammtafeln noch Notizen hinzufügen.

Zu den hervorragendsten Persönlichkeiten unseres Geschlechtes gehört der Kriegsminister Job von Witzleben, von welchem zwar Biographien

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existiren,*) aber der Mehrzahl der nicht zum Hause Elgersburg gehören- den Familienglieder unbekannt sein durften, auch keineswegs erschöpfend die Verdienste dieses Mannes und seine Bedeutung schildern, noch eine treffende Characteristik desselben enthalten. Hiermit soll jedoch durchaus nicht etwa gesagt sein, dass die nachfolgenden Zeilen über diesen Mangel erhaben wären. Eine ausführliche Biographie Job*s passt nicht in den Rahmen einer Familiengeschichte, sondern beansprucht ein Werk für sich, und ein solches mit aller Offenheit zu schreiben, dürfte die Zeit noch nicht gekommen sein.

Carl Ernst Job Wilhelm von Witzleben (s. Tab. I. 8) wurde als der älteste von sieben Geschwistern am 20. Juli 1783, einem Sonntage, Nachmittags gegen 4 Uhr zu Halberstadt geboren und den Sonnabend darauf, 26. Juli, von dem Feldprediger Wähn des Regiments Herzog von Braunschweig getauft. Die Reihe von nicht weniger als 23 Taufzeugen eröffneten der regierende Herzog Carl Wilhelm Ferdinand von Braun- schweig, dessen höchste Person bei dem Taufacte der Capitain und General-Adjutant von Schack vorstellte, und der regierende Herzog Ernst von Sachsen-Gotha und Altenburg, dessen Stelle der Domdechant Freiherr von Spiegel vertrat. Der Rufname des jungen Weltbürgers wai- Job. Die erste Erziehung erhielt der mit kräftigem Körper und lebendigem und schnell auffassendem Geiste begabte Knabe im elterlichen Hause, wobei insbesondere die Mutter für die ästhetische Ausbildung des Geistes und die religiöse Empfönglichkeit des Gemüths sorgte, während der Vater ihm die Grundsätze einer praktischen Tüchtigkeit einzuprägen bemüht war, die aus der grossen Schule des unsterblichen Friedrich herrührte. Die Be- mühungen der Elteni waren schon früh von so gutem Erfolge, dass Gleim, ein Freund des Vaterhauses, schon damals dem Knaben ein günstiges Schicksal prophezeite. In seinem 11. Jahre ward Job von seiner Mutter, da der Vater dem Rheinfeldzuge beiwohnte, in das Pageninstitut zu Potsdam gebracht, wo er bald Leibpage des Königs Friedrich Wilhelm H. wurde. Hier cultivirte er unter Anderm auch die schon im elterlichen Hause gelegte Grundlage zur Musik, in welcher er es später zu aner-

*) 1. Job von Witzleben, K. Preuss. Kriegsminister, Grenerallieutenant und General- Adjutant Sr. Majestät des Königs, Mittheilungen desselben und seiner Freunde zur Beurtheünng Preussischer Zustände und wichtiger Zeitfragen. Herausgegeben von Dr. Dorow. Mit Portrait und Facsimile. Leipzig. Verlag von Bernhard Tauch- nitz jun. 1842, 8®. Alex, von Humboldt gewidmet.

2. H. von Minutoli; der Graf von Haugwitz und Job von Witzleben. Berlin. 1844.

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kannter Virtuosität als ausübender Violinist brachte und sich überdies zum gründlichen und geschmackvollen Kenner des Satzes heranbildete, 90 dass ihm Rossini einst in Paris sagte: „Schade, dass Sie Soldat sind; als Musiker würden Sie eine grössere Rolle spielen". Am 1. März 1799, in noch nicht vollendetem 16. Lebensjahre, verliess Job das Pagen- institut*) und trat als Fähnrich in das 1. Bataillon Leibgarde zu Potsdam ein. Wie sehr er bemüht war, seinen von Natur kräftigen und gedrun- genen Körper für das anstrengende Kriegsleben abzuhärten, geht daraus hervor, dass er, Monate lang von der kärglichsten Kost lebend, in keinem Bette, sondern auf dem nackten Pussboden seines Zimmers, nur mit seinem Mantel bedeckt, geschlafen, oft nur wenige Stunden, und sich dann mit Heiterkeit zu irgend einer neuen Thätigkeit, besonders zur Jagd anfraiRe. 1802 zum Seconde-Lieutenant ernannt, machte er den Feldzug von 1806 mit, ohne jedoch an der Schlacht von Auerstädt persönlich Theil m nehmen. In einem Berichte, den er, wie viele andere Offleiere, auf Ehre und Pflicht an das vom Könige im Jahre 1807 eingesetzte Unter- sQchongstribunal eingereicht hatte, sagt Job über die Tage vom 13. bis 16. October 1806:

„Am 13. Oct. Nachmittags marschirte das Bataillon bekanntlich auf Weimar. Die Grenadier-Compagnie unter dem Capitain von Cobnar, bei der ich stand, hatte die Queue des Bataillons, weil links abmarschirt war. Wir hatten kaum das Thor passirt, als der Capitain von Colmar Befehl erhielt, mit der Compagnie die Arriferegarde hinter der Bagage der Division zn machen, welche dem Bataillon, als dem letzten in der Colonne, folgen sollte. So lange es Tag, sahen wir das Bataillon auf eine kurze Distance voraus. Die einbrechende Nacht raubte uns aber die Aussicht, und da während derselben sehr oft Halt gemacht werden musste, weil Munitions- colonnen und sogar Regimenter sich zwischen die Bagage drängten, so rückten wir nur in sehr kurzen Absätzen vorwärts und waren beim Tages-

*) Bei der Huldigung des Königs Friedrich Wilhehn IlL, welche yod dem nach dem Lustgarten zu gelegenen Balkon des Berliner Schlosses entgegengenommen .wurde, war festgesetzt worden, dass die Artillerie, sobald mit einem weissen Toch das Zeichen gegeben würde, mit dem Abfenem der Salutschüsse beginnen sollte. Witzleben, der ik Leibpage mit auf dem Balkon stand, war plötzlich genöthigt, sein Schnupftuch n gebrauchen ; man sah dies als das verabredete Zeichen an. die Kanonen donnerten nd konnten nur schwer zum Schweigen gebracht werden, um spater im richtigen iogenblick ihren Salut zu wiederholen.

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anbruch so weit abgekommen, dass wir das Bataillon durchaus nicht mehr, sehen konnten.

„Der starke Nebel dieses Morgens hatte sich noch nicht getheilt, als wir vor uns, nach der Gegend von Jena, eine Kanonade hörten. Während der Zeit waren wir bis in die Gegend von Wickerstedt vorgeruckt, da, wo sich die Brücke über die Hm befindet, als plötzlich uns ein Mensch entgegengesprengt kam, der dem Anscheine nach ein Pourage-Commis- sarius zu sein schien, und durch den Ausruf: „Rette sich wer kann! Die Franzosen sind 500 Schritt hinter uns!" Schrecken und Verwirrung in die bis dahin in grösster Ordnung marschirende Bagage bi*achte. Viele, ja der grösste Theil der Wagen, kehrten auf der Stelle um. Ich ritt nach unserm letzten Wagen, der durch das Umwenden der erste geworden war, um durch das Festhalten der Tete die Colonne zum Stillstand zu bewegen. Als ich zur Compagnie zurückkam, hatte der Capitain von Colmar ein Carree von zwei Gliedern formirt, mit dem er nördlich von der Chaussee neben derselben nach Weimar zu marschirte. Mit Tagesanbruch erreichten wir den^ Galgenberg bei Erfurt, nachdem wir die Nacht oft gezwungen waren, anzuhalten, weil umgestüiTite Wagen u. dergl. die Wege versperrten. Als wir vor Erfurt ankamen, hatte man das Thor schon geschlossen und wollte nur die Compagnie, aber keinen Wagen hereinlassen. Die Com- pagnie marschirte daher in Erfurt ein, die Bagage setzte unter dem Lieutenant von Dankelmannn ihren Marsch fort (und stiess am 22. bei Genthin wieder zum Regiment). Wir postirten uns sogleich auf dem vom Johannis-Thore links liegenden Theil des Stadtwalls, wo wir eine Com- pagnie des Regiments Churfürst von Hessen fanden. Nicht lange darauf kam der Feldmarschall von MöUendorflF zum Thor hereingeritten. Capitain von Colmar ging ihm entgegen und brachte uns die Nachricht, dass die Leute auf 1 oder 2 Stunden zur Erholung in die Stadt beurlaubt werden könnten, wir übrigen aber abwarten möchten, bis das Corps des Königs, welches seinen Rückzug über Erfurt nähme, kommen würde, um uns demselben anzuschliessen. Bald jedoch hörten wir Kanonenschüsse und so stand die Compagnie in kurzer Zeit wieder ziemlich complett auf dem Wall. Einzelne feindliche Plänkler rückten gegen die Stadt vor und feuerten mit Karabiner auf uns, während der Feind vom Galgenberg Granaten herüberwarf, die aber alle auf die Contreesoai-pe fielen und daher gar keinen Schaden thaten. So postirt hatten wir einige Zeit gestanden, als der Adjutant des Prinzen von Oranien, Capitain Constant de Rebecque,

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uns folgenden Befehl brachte: „Der Feldmarschall Möllendorflf sei blessirt und habe das Kommando dem Prinzen von Oranien übertragen. Wir sollten so lange auf unsem Plätzen bleiben mid uns vertheidigen, bis w Ordre zum Abmarsch erhielten." Nicht lange darauf kam der Capitain von Colmar und befahl uns, vom Wall herunter zu gehen. Ich machte ihn mit der erhaltenen Ordre bekannt, er wiederholte aber seinen Befehl und wir formirten uns hinter dem Wall, marschirten nach dem Petersberg und machten hinter dem Grenadier-Bataillon SchlieflFen Halt, welches be- .reits in Sections abmarschirt dort stand. Hier blieben wir bis gegen Abend, ohne eine Ordre zu erhalten. Als es finster war, kam endlich der Befehl, dass die Leute in die Quartiere der Stadt gelegt werden könnten und den folgenden Morgen auf einem willkührlichen Platz zu- sammenkommen sollten Man hatte früher schon von einer Capitulation geredet, jetzt blieb dies leider keinem Zweifel mehr unterworfen. Von den Bedingungen erfuhren wir nicht ein Wort.

„Am folgenden Morgen trat die Compagnie, ich weiss nicht an welchem Thor, zusammen; es wurde noch Löhnung ausgegeben. Capitain Colmar schickte mich zum JPrinzen Murat, um für die Compagnie freien Abzug zn erhalten. Zwei Chasseurs brachten mich zum Prinzen, dem ich meine Bitte vortrug. Er bedauerte, sie nicht sogleich erfüllen zu können, ver- sicherte aber, einen Courier an den Kaiser geschickt zu haben, der un- fehlbar die Antwort zumckbrächte , dass dem Könige die Garde zurück- gegeben würde, wie dies schon bei Austerlitz mit der Russischen ge- schehen sei."

Von einer Antwort hat nie etwas verlautet, vielmehr wurde die Com- pagnie, und mit ihr Job von Witzleben, in die Capitulation des Peld- marschalls Möllendorflf mit eingeschlossen. Die Officiere wurden auf Ehrenwort entlassen.

Während seiner Kriegsgefangenschaft hielt sich Job theils in Halber- stadt, theils in Berlin und dessen Umgegend auf, wo er fleissig studirte und sich besonders mit Musik beschäftigte, bis im Frühjahr 1807 seine Auswechselung erfolgte, worauf er sich sofort nach Pommern in Blüchers Hauptquartier begab. Hier erhielt er eine Sendung, die Demarcations- linie betreflTend, an den Marschall Soult und bald darauf ward er mit Depeschen für den König nach Memel geschickt.

Der Französische Marschall hatte Witzleben gegenüber in sehr hohem Ton von dem Könige gesprochen, dessen Existenz nur von der Gnade des

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Kaisers abhinge, und von dem jungen Officier darauf in taktvollster Weise die geeignete Antwort erhalten. Soult nahm 1816 in Folge seiner Ver- bannung in Düsseldorf seinen Wohnsitz und bat, als der König auf einer Inspizirungsreise in Begleitung seines Flügeladjutanten Witzleben diesen Ort besuchte, diesen, ihm eine Audienz bei Seiner Majestät auszuwirken. Job konnte es sich nicht versagen, sich dem Marschall als einen alten Bekannten vorzustellen.

Am 4. Sept. 1807 wurde er zum Premier- Lieutenant ernannt und erhielt kurz nachher eine Compagnie in dem neu errichteten Bataillon. Garde. Nicht der praktische Frontdienst allein beschäftigte ihn, sondern er betrieb auch gründliche militairische Studien, und als der König seine Officiere aufforderte, ihm Vorschläge und Gedanken über alle Fächer der Neuformirung der Armee einzusenden, reichte auch der Premier-Lieutenant von Witzleben „Ideen zur Reorganisation leichter Infanterie" ein. Diese gediegene Abhandlung erhielt den vollsten Beifall Scharnhorst's und war ohne Zweifel Veranlassung, dass Job am 23. März 1809 als Stabs-Capitain zu dem neuerrichteten Garde-Jäger-BataiUon versetzt wurde.

Mit den Garden kam Witzleben 1810 nach Berlin zurück, woselbst er jede dienstfreie Stunde seiner wissenschaftlichen und musikalischen Aus- bildung widmete. Vorzugsweise studirte er Napoleons Feldzüge in Italien und Oesterreich; seiner musikalischen Ausbildung waren namentlich Himmel, Reichard und Anselm Weber förderlich.

Nachdem er 1811 zum Premier-Capitain und Compagnie-Chef beför- dert war, schloss er am 29. März 1812 seine eheliche Verbindung mit Auguste von Splitgerber, des Jägermeisters von Splitgerber Tochter, welche er bereits seit 1807 kannte und liebte. Noch im Jahre 1812 ward er etatsmässiger Major. Anfangs 1813 finden wir ihn in Breslau, wohin die Garden gingen und der König mit seinem Hoflager folgte, Witzleben daher ein sehr auf- und anregendes Leben führte. Bei allem Trouble fand ihn doch der Abend an der Seite seiner inniggeliebten Gemahlin, bis um die Mitte März der Ausmarsch des Garde -Jäger- Bataillons erfolgte.

Während der Feldzüge 1813, 14 und 15 schrieb Job sehr ausführ- liche Briefe in Tagebuchform an seine Gattin, denen wir im Nachstehenden folgen.

Bis zum 30. März hatte Job von Witzleben das Garde-Jäger-BataiUon geführt; an diesem Tage traf der Commandeur, Major von Seydlitz, bei

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demselben ein und übernahm das Commando. Von Görlitz her marschirte es mit längern Aufenthalten an einzelnen Orten über Dresden (4. April), Nossen und Mitweyda nach Rochlitz, am 28. April nach Altenburg, wo das Hauptquartier des Generals Blücher war.

„Man bestimmte uns, mit dem Garde-Füsilier-Bataillon zwei leichte Infanterie-Brigaden zu formiren, die zur ünterstüzung der leichten Cavallerie dienen sollten, welche bis Gera und Zeitz vorgeschoben war. Den 29. Nachmittags erhielten wir Ordre zum Marsch. Die beiden Brigaden waren auf folgende Art zusammengesetzt: 1. Brigade: 3. und 4. Garde -Jäger- Compagnie, das Detachement der Freiwilligen des Bataillons und 10. und 12. Garde-Füsilier-Compagnie unter meinem Befehle; 2. Brigade: 1. und 2. Qarde-Jäger-Compagnie, die 9. und 11. Garde-Füsilier-Compagnie und dessen Detachement unter dem Major von Block, üeber beide führte Seydlitz den Oberbefehl. Block und ich loosten um den Ort unserer Bestimmung. Mich traf Zeitz und ihn Gera.

„Den 30. Morgens um 3 Uhr kamen wir nach Zeitz, wo der Major Blücher .mit 3 Escadrons Husaren stand. Wir wurden auf eine Stunde in die Stadt einquartiert und bivouakirten hernach vor derselben. Tags vorher hatten sich feindliche Infanterie-Colonnen gezeigt; jetzt war nichts zu sehen noch zu hören. Alles hatte sich nach Naumburg gezogen. Wir erhielten daher Nachmittags die Ordre, nach Borna zu marschiren, wo wir bei sehr bösem Wetter und Wege Abends 10 Uhr ankamen.

„Den 1. Mai marschiiten wir nach Stöhna bei Rötha, mit der Weisung, uns recht zu pflegen, weil wir die letzten Tage höchst fatigante Märsche gehabt hatten und weil die Recognoscirung des Russischen Generals Wintzingerode sowie alle Nachrichten bestätigten, dass sich der Feind bei LOtzen sammle, man daher ein Zusammenb'effen beider Aimeen in den nächsten Tagen vermuthen musste.

„Den 2., Morgens mit Tages- Anbruch, setzte sich die ganze Armee in Marsch. York und Wittgenstein waren dem Blücher'schen Corps rechts, die Rassischen Garden folgten. Wir marschirten durch Pegau und hier vereinigten sich alle Armeecorps. Wir machten hinter der Höhe Halt und ruhten eine Stunde. Der Kaiser und unser König ritten herum und besahen die Truppen. Gegen 11 ühr brach Alles auf in der Direction gegen Lützen, welches vor unserm linken Flügel lag. Vor dieser Stadt

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lagen die Dörfer Gross- und Klein- Görschen, Starsiedel und Hohenlohe. Ich sage nicht zuviel, wenn ich behaupte, dass an diesem Tage 40,000 Kanonenschüsse gefallen sind. Die Niederschlesische Brigade rückte nun gegen die Dörfer Gross- und Klein -Görschen vor und das Kleingewehrfeuer fing an. Das Dorf Gross-Görschen war unterdessen in Brand gesteckt und von unserer Infanterie mit dem Bajonett genommen. Beide Brigaden, die Oberschlesische und Niedei-schlesische, waren im Feuer. Der Feind vertheidigte sich hartnäckig, wurde aber überall ge- worfen. Der Eifer der Truppe» war zu gross, man vergass die Behut- samkeit, viele Officiere waren gefallen. Der Feind rückte mit neuen Colonnen vor und nahm Gross- und Klein- Görschen wieder. Da erhielt ich Befehl, mit 2 Jäger-Compagnieen (der 2. und 3.) und den Tirailleurs des 1. Bataillons Garde unter Constantin Witzleben vorzugehen und Bana zu nehmen. Das 1. Bataillon Garde unterstützte den Angriff, Das wohl- angebrachte mörderische Jägerfeuer brachte den Feind augenblicklich zum Weichen. Wir warfen seine Tirailleurs aus dem Dorfe und fanden dort 3 Colonnen, die wir ohne Zeitverlust angriffen und auch wirklich nach einem höchst hartnäckigen Widerstände, wobei die Franzosen, da; wir nur 150 Schritte von ihnen ab wai-en, ungeheuer verloren, zum Weichen brachten. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass auf den Stellen, wo die Colonnen gestanden hatten, gegen 800 1000 Todte lagen. Die mittelste feindliche Colonne war Garde. Hier fehlte Cavallerie und Artillerie, um ihnen den Garaus zu machen. Wir verloren auch sehr viel, da unsere Leute zu hitzig waren und in zu dichten Reihen fochten.

„Ein solches Kleingewehrfeuer ist noch nicht erhört worden. Als wenn man Erbsen ausstieute, so flogen die Kugeln. Und hier mitten in der Tirailleurlinie zu Pferde blieb ich unversehrt, während fast alle Officiere zu Fuss blessii-t wurden. Wir folgten dem Feinde bis zum zweiten Dorfe Kaja, welches auch genommen wurde. Unsere Tirailleurs verfolgten zu hitzig; jenseit des Dorfes brach feindliche Cavallerie hervor und fQgte uns einigen Schaden zu. Es war das 10. Französische Husaren-Eegiment Es hat unendlich viel verloren und wird ziemlich aufgerieben sein. Jenseit Klein-Görschen hatte der Feind retrangirte Batterieen, die alle Ausgänge des Dorfes so mörderisch mit Kartätschen beschossen, dass unsere Colonnen nicht hervorbrechen konnten. Der Feind machte sich unsere grossen Ver- luste zu Nutzen und brachte neue Colonnen heran. Wii* mussten daher bis Gross-Görschen zurück, bekamen aber soutien und nahmen Klein-

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Görechen zum dritten Male wieder, Jetzt war es 6 ühr. Unser rechter Flügel war so wie der linke vorgegangen, der Feind schien erschöpft und die Schlacht war gewonnen. Da kam der Vicekönig mit 15,000 Mann frischer Truppen und entriss uns Klein-Qörschen abermals. Gross-Görschen behaupteten wir aber bis spät Abends V^AO ühr, wo der Befehl kam, vorwärts unserer ersten Stellung Bivouacs zu beziehen. Wir waren die letzten, welche abzogen. Zuletzt als es finster war, hatten wir von den Franzosen nur 20 Schritt gestanden und uns beiderseits sprechen hören löimen.

„Die ganze Armee war höchlich verwundert, als wii- den andern Morgen durch Pegau zurückgingen. Der Feind that gar nichts. Viel- mehr sagte man allgemein, dass er sich, einen neuen Angriff fürchtend, mit beiden Flügeln in der Nacht zurückgezogen und die Dörfer nur mit leichten Truppen besetzt halte.*)

„Die Tapferkeit unserer Infanterie ist beispiellos. Oft habe ich Ver- wundete in's Gefecht zurückkehren sehen, nachdem sie sich hatten ver- binden lassen. Der Feind hatte ganz zuletzt, gegen 8 ühr, einen solchen Bespect vor uns, dass ich einmal mit 20 Jägern durch ein wohl angebrachtes Feuer aus den Häusern eine ganze Colonne zumckwarf. Als wir zuletzt mit ihm ganz nahe waren, hörten wir deutlich, dass die Officiere immer riefen: „avancez, Messieurs, avancez!" Aber sie avan- cuien nicht."

In Zeit von 5 Minuten erhielt Job von Witzlebon am 2. Mai 4 Kugeln, von denen aber keine auch nm* die Haut ritzte. Eine schlug durch den linken Stiefel bis auf die Haut, machte aber bloss einen blauen Fleck. Eine traf ihn in der rechten Seite und blieb zwischen dem Säbelkoppel und dem üeberrock stecken. Eins seiner Pferde hatte zwei Schüsse, einen ün linken Backenknochen, einen durch den Kamm; ein zweites Pferd, welches er bestieg, wurde durch den Hals geschossen.

Für die Schlacht von Gross-Görschen erhielt Job das eiserne Kreuz II. CL, sowie den Eussischen St. Georgsorden IV. Cl.

*) Am 12. Juni 1821 besuchte Job auf der Reise nach Coblenz das Schlachtfeld Ton Gros8-6drschen und schrieb in sein Tagebuch: „Wenn der Muth, der sich dort entwickelte, richtig geleitet worden wäre, was hätte man ausrichten können! Aber diese unglücklichen partiellen Attaquen ohne alle Unterstützung, dieser schlechte Gebrauch unserer Cafallerie konnte kein anderes Resultat geben."

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Am Tage nach der Schlacht, am 3. Mai, ging die Armee über Pegau zurück. Die Garde -Jäger erhielten den Befehl, die Arriere- Garde der Armee zu machen und zu dem Ende das Defilee von Groitsch zu besetzen. Hier kam es am Nachmittage zu einem unbedeutenden Gefecht, und gegen Abend, als die Aimee in Sicherheit war, marschirte Job nach Borna, ohne auch nur im Mindesten vom Feinde beumnihigt zu werden.

Dann ging es wieder zurück nach Schlesien.

Am 14. Mai, als die Verbündeten nach Bautzen marschirten, wurde Job mit einer Jäger-Compagnie, einem Infanterie-Bataillon, zwei Escadrons und einer halben reitenden Batterie gegen Kamenz vorgeschickt, um Nach- richten vom Feinde einzuziehen. Von dessen Anmarsch überzeugt, langte er am 16. wieder bei der Hauptaimee an. Gneisenau äusserte sich sehr zufrieden über seine Leistungen.

Aus der Schlacht bei Bautzen, 20. und 21. Mai, kam Job von Witz- leben abermals glücklich heraus, was übrigens kein Wunder, da das Garde- Jäger-Bataillon, dem die Vertheidigung des Dorfes Burschwitz übertragen wai-, nicht für Action gelangte.

Job schreibt am 25. Mai: „Wir sind nun leider schon seit gestern auf vaterländischem Boden, ohne indess im Mindesten die Hoflftiuug zu einem denmächst glücklichen Ende dieses gerechten Kampfes verloren zu haben. Wehe thut es aber unleugbar, nach so viel ruhmvollen Anstren- gungen unserer überaus braven Truppen nicht mit einem bessern Erfolge für den Augenblick gekrönt und dadurch voreiligen Urtheilen kemitniss- loser Schwätzer ausgesetzt zu sein. Dies ist das unglückliche Loos unseres Standes; nach blutiger mühevoller Arbeit siegt Zufall oder Glück, und man wirft nun den tapfem, aber unglücklichen Krieger mit feigen Ausreissem in eine Classe. Wir sind am 21. allein durch moralische und physische üeberlogenheit geschlagen worden. Der Feind war noch einmal so stark als wir und demohngeachtet war noch in dem Augen- blicke der Kampf zweifelhaft, als wir den Befehl zum Eückzug erhielten. Dieser wurde unter den Augen des kühnen Gegners ausgefühit, ohne dass er ihn zu stören wagte. Es war keine fliehende Armee, deren Auflösung er hoflfen durfte, wie nach den Tagen von Jena und Ulm, es war ein tapferes Heer, das von der Nothwendigkeit der umstände gezwungen, aber unbesiegt, das Schlachtfeld dem Feinde überliess."

Am 31. Mai stand die Armee bei Schweidnitz. An diesem Tage wurde das Garde- Jäger-Bataillon getheilt: Die 1. und 2. Compagnie ver-

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blieben bei der Reserve-Brigade, die 3. und 4. mit Major von Witzleben kamen zum York'schen Corps. Aber schon am 19. Juni, während des bis zum 16. Aug. dauernden Waffenstillstandes, wurde Job zum Com- mandeur des FüsUier-Bataillons im neu errichteten 2. Gurde-Kegiment zu Fuss ernannt. Die Zeit bis zum Wiederbeginn des Kampfes verlebte er in Schlesien und vereinigte sich in den Cantonirungen mit seiner Ge- mahlin, die ihm am 4. Aug, 1813 den ersten Sohn, Job, gebar.

Nach dem Waffenstillstände lag die Preussische Garde, der Armee in Böhmen zugetheilt, in der Gegend von Teplitz, marschirte Ende August bis vor Dresden, wo sie am 27. ankam, aber am 28. schon wieder nach Böhmen zurückging, ohne an der Schlacht von Dresden Theil genommen zu haben. Bei diesem Rückzuge erhielt Job auf dem Marsch von Dip- poldiswalde nach Altenburg den gefahrvollen Auftrag, mit seinem Bataillon die Arriere- Garde zu bilden und eine bedeutende Anzahl Geschütze zu decken, welche in der Nacht in einen meilenlangen Hohlweg geriethen, in welchem schon viele Hunderte von Wagen sich dermassen verfahren hatten, dass weder an ein Vorwärtskommen noch Zurückkehren zif denken war. Zum Glück unternahm der Feind nichts gegen diese Nachhut und Job stiess wieder zm* Armee.

Auf diesem anstrengenden Rückzug, bei welchem der Soldat Mangel an Allem litt, bemächtigte sich des Bataillons eine gedrückte Stimmung, aber nur auf kurze Zeit. Ein Soldat rief scherzhaft: „Ich wollte, der Herr Oberstwachtmeister schickte mich drei Tage bei Wasser und Brod (es mangelte an beiden) in Arrest." Dieser Ausruf fand Anklang, wieder- holte sich bei allen Compagnieen und der verlorene Humor war wieder- gefunden.

Den Kanonendonner der Schlacht von Culm hörte Job aus der Ferne und sah später die Gefangenen und die erobeiien 83 Geschütze an sich vorbeiziehen. Am 3., 4., 5. und 6. Sept. bivouakirte die Garde auf dem Schlachtfelde von Culm und hatte den fast unerträglichen Gestank der vielen todten Pferde und Menschen auszustehen, die zum Theil noch un- begraben waren. „Ein frischer Wahlplatz ist ein abscheulicher Anblick aber ein alter über alle Begriffe scheusslich."

Gegen die Mitte des September bezog Job die Vorposten in der Nähe des Städtchens Graupen, während der Feind bei Pürstenwalde im Lager stand. „Am 18. Mittags um 12 ühr griff mich der Feind in meiner Stellung mit 6 Bataillons an. Ich hatte nur ein Bataillon und

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musste daher weichen, indes» nur 400 Schritt Da fassten wir im Gebirge Posto und es entspann sich ein lebhaftes Tirailleurfeuer. Der Feind konnte seine Massen in diesem Terrain nicht gebrauchen. Mit seinen Tirailleurs wurden wir fertig und verloren weiter keinen Fuss breit Terrain. Gegen 5 IJJbr fing der Feind an, sich wieder zurückzuziehen, wir folgten auf dem Fusse und machten noch einige Gefangene. Meinem Bataillon kostete diese Affaire den braven Lieutenant von Trauwitz und 20 Mann Todte und Blessirte."

Von Anfang bis Mitte October marschirte die Böhmische Armee über Altenburg und Pegau auf Leipzig, die Preussischen Garden in der Reserve.

„Den 16. Oct. vor Tage brachen wir (aus der Gegend von Pegau) auf und marschiiten auf demselben Wege, nur in umgekehrter Richtung, den wir am 2. Mai gegangen waren. Nicht weit hinter dem Städtchen Rötha wendeten wir uns links und marschirten auf. um 9 Uhr Morgens fielen in der Gegend von Leipzig bei Liebertwolkwitz und Waehau die ersten Kanonfenschüsse. Wir waren indess halten geblieben und wohl eine halbe Meile vom Schlachtfelde entfernt. Nachmittags endlich rückten wir vor und gelangten gegen Abend auf dem Schlachtfelde an. Unser linker Flügel bei Connewitz stand fest, aber die Mitte bei Waehau und der rechte Flügel bei Liebertwolkwitz waren bis gegen Gossau zurück- gedrängt. Die Reserven rückten zu ihrer Unterstützung vor. Kurz zuvor sahen wir vor unsern Augen ein Stückchen von dem gepriesenen Helden- muthe der Französischen Cavallerie. Unser Centrum war wirklich vom linken Flügel ganz getrennt, der fest in seiner Stellung beharrte und daher weit vorstand. Da sprengten einige Escadrons Französischer Cavallerie vor, um unsere Tirailleurs, die auf ganz freiem Felde standen, niederzu- hauen. Unter solchen Umständen ist die Infanterie ohne Unterstützung von Reiterei in der Regel verloren; die unsere war gerade nicht bei der Hand, daher sahen wir den Untergang des kleinen Häufleins als gewiss an. Dieses liess sich aber nicht irre machen, sondern setzte den Herren Franzosen wie unser gemeine Mann zu sagen pflegt ein Gericht blauer Bohnen vor, d. h. schoss ihnen wacker auf den Leib, dass diese es nicht wagten, näher heran zu kommen, sondern sich eilig und in Un- ordnung zurückzogen. Das Vorrücken der Reserve war heilsam. Der Feind stand augenblicklich vom Vordringen ab, aber behagelte uns auch mit einer solchen Masse von Kugeln und Granaten, dass es wirklich ein

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Wunder ist, dass wir nicht mehr verloren haben. Wir standen 2 Stunden im Feuer. Mein Bataillon, welches mit Block in einem Treffen stand, hatte noch nicht einen Mann verloren, während neben und hinter uns schon mancher Brave gefallen war. Es fing schon an finster zn werden, and ich triumphirte in Gedanken über das Glück, das wir gehabt hatten. Aber man muss nie zu fiüh fiohlocken. Kaum hatte ich den Gedanken ausgedacht, so nahm eine unglückliche Kugel dem armen Lieutenant von Ehrhardt den linken Fuss weg und eine Granate, die dicht bei mir und Hartwig (dem Adjutanten) vorbeiging, schlug vier Mann nieder. Kurz darauf wurde es ganz finster, das Feuer hörte auf.

„Mit dem Bataillon hatte ich alle Ursache zuMeden zu sein. Trotz dem heftigen Feuer herrschte die grösste Ruhe und Contenance, und es ist keine geringe Probe für junge Soldaten, zwei Stunden auf einem Fleck im wirksamen Artüleriefeuer mit dem Gewehr beim Fuss zu stehen. Was mich anbetrifft, so hatte sich meiner eine Ruhe und ein Vertrauen be- meistert, das sich nicht beschreiben lässt. Mein Schlachtross, der Fuchs, war eben so ruhig. Oft hatte ich mich bei Manövers über ihn geärgert, dass er beim Feuer so unruhig sei; heute stand er wie eine Mauer und ruckte selbst nicht, wenn auch Kugeln dicht vorbei flogen. Einmal glaubte man hinten bei den Jägern - wie mir hernach erzählt wurde ich sei gefallen. Als nämlich Ehrhardt gefallen war, stieg ich ab und ging zu ihm. Johann, dem ich zum Ruhme nachsagen muss, dass er immer bei mir war, hielt das Pferd. Eine Granate schlägt nicht weit davon ein, der Fuchs erschrickt, reisst sich los und läuft zurück, wo er bei den Jägern aufgefangen wird. Weil nun das Pferd, auf dem man mich noch kurz vorher gesehen hatte, ohne Reiter davon lief, so glaubte man, ich sei gefallen.

„Die Nacht vom 16. zum 17. October brachten wir auf dem Schlacht- felde zu unter Todten und Verwundeten. Als der Tag anbrach, sahen wir etwas rechts von uns auf einer gegenüberliegenden Höhe in der Ent- fernung eines massigen Kanonenschusses Truppen stehen, von denen wir nicht wussten, was es war. Durch Femgläser überzeugten wir uns indess bald, dass es Franzosen seien, und wir erwarteten jeden Moment, von ihnen beschossen zu werden, iumal sie 10 Stück Geschütz auffuhren. Wir nahmen die Gewehre in die Hand und harrten der Folgen. Es blieb aber alles ruhig und selbst 2 Kanonenschüsse, die Russischer Seits geschahen, blieben von den Franzosen unbeantwortet. Daher ist dieser Tag merk-

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würdig in der Geschiebte aller Kriege, denn zwei Armeen standen 24 Standen im Bereich des Geschützes gegen einander über, ohne einen Schuss zu thun. Wir setzten die Gewehre zusammen nnd kochten im Angesicht des Feindes. Unsrerseits geschah kein Angriff, weil man die Ankunft des Corps von Bennigsen und Colleredo abwarten wollte; Franzosischer Seits dachte man schon an den Rückzug. So verging der ganze Tag, auf den folgen- den sah man grossen Ereignissen entgegen. Abends zogen wir uns etwas zurück, um den Truppen mehr Ruhe zu gönnen. Es wurde Stroh geholt und Hütten gebaut.

„Den 18. vor Tage wurde ein Armeebefehl verlesen, demzufolge auf heute die grosse Schlacht verkündigt und die Truppen zur Tapferkeit er- muntert wurden. Als der Tag angebrochen war, setzte sich die ganze Armee in Bewegung. Die Franzosen hatten ihre Stellung etwas verändert und sich einige Tausend Schritt weiter vorwärts aufgestellt Die Corps von Kleist, Wittgenstein, CoUoredo und Klenau griffen an und warfen den Feind sogleich über den Haufen, der das Terrain bis in seine Stellung vor Leipzig beinahe ohne Aufenthalt räumte. Wir, die Reserven, folgten ausser dem Kanonenschuss und blieben auch den ganzen Tag über in dieser Entfernung, da das Gefecht nicht einen Augenblick zweifelhaft war. In seiner Stellung vor Leipzig, mit dem rechten Flügel an der Pleisse, dem Centrum bei Probstheyda und dem linken Flügel bei Stetteritz, wehrte sich der Feind verzweifelt und litt bei unserer üeberlegenheit an Geschütz ungemein. Man begnügte sich damit, den Feind bis hierher getrieben zu haben, unternahm keinen weitem wahrhaften Angriff sondern begnügte sich, ihn lebhaft mit Artillerie zu beschiessen, deren schreckliche Wirkung wir am andern Tage wahrnahmen.

„Auf unserm linken Flügel, wo die Oesterreicher unter CoUoredo standen, fanden mehrere sehr lebhafte Angriffe statt Napoleon sah wohl ein, dass, wenn sein rechter Flügel geschlagen wurde, er von seiner Rückzugslinie über Leipzig abgedrängt war, und was dann aus ihm werden musste, lässt sich errathen daher hatte er hier einen grossen Theil seines Geschützes aufgestellt und kam den Angriffen der Oester- reicher mit heftigen Contreattaquen entgegen. Aber die Oesterreicher schlugen sich imter ihrem braven CoUoredo so tapfer, dass Napoleon nichts ausrichten konnte. Einmal glaubte man, dass die Sachen dort übel ständen, und schickte die 2. Division der Russischen Garde zur Unterstützung hin; doch CoUoredo schickte sie mit dem Bemerken zurück, dass er sich

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schon aUein helfen wolle. So brach die Nacht herein, das Feuer schwieg. Wir nahmen Besitz von den verlassenen Französischen Bivouacs und kochten unser kärgliches Souper. Ich hatte mir eine kleine Hütte bauen lassen und sass, in einen derben Schafpelz gehüllt, ohnweit des Feuers, den Blick auf das brennende Probstheyda gerichtet und die Begebenheiten des Tages überdenkend; da hörte ich meinen Namen von einer bekannten Stimme rufen. Es war Adolph Thiele, der mit dem General Kleist, Eugen Köder und dem Oberst Grolmann zu mir kam, um die Nacht bei mir zuzubringen. Meine Freude war unbeschreiblich, solche herrlichen Menschen nach diesem fürchterlichen Kampfe gerettet zu wissen. Der General hatte in einer nahe gelegenen Ziegelei übernachten wollen, dieselbe aber ganz voll todter, sterbender und blessirter Franzosen gefunden, welche ihr Kaiser noch vom 16. her dort hatte liegen lassen. Ich Hess meine Hütte um ein bedeutendes erweitem und dem General ein Lager bereiten, so gut es die Umstände gestatteten. Bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, wie sehr der General von den Truppen geliebt wurde. Ich musste nämlich zum Hüttenbau Füsiliere kommen lassen. Als ich ihnen, sagte, dass die Arbeit für den General Kleist sei, drängten sie sich ordentlich dazu und viele brachten ihr eigenes Lagerstoh und lagen lieber auf der blossen Erde, um nur ihren geliebten Feldherm besser ruhen zu lassen. Wir lagerten uns um ein grosses Feuer, ich Hess auftischen, was die Kelle gab, und Alle ruhten trefflich, von der heissen Arbeit des Tages ermüdet.

„Den 19. October früh erhielt der General Kleist die Meldung, dass die Franzosen Probstheyda geräumt hätten und unsere Truppen eingerückt wären. Er setzte sich zu Pferde und ritt nach den Vorposten.

„Ich setzte mich auch auf, um das Schlachtfeld zu bereiten. Hartwig b^leitete mich; wir ritten nach Probstheyda, wo uns gegenüber das Gefecht am heftigsten gewesen war. Auf dem Felde bis dahin sah man mehr todte Pferde, als todte Menschen, und von letzteren doch noch mehr Franzosen als AUürte. Aber bei und in Probstheyda sah es fürch- terlich aus. An der Spitze des Dorfes hatte unsere Artillerie schrecklich gewüthet: man sah ganze Reihen niedergestreckt. Um das Dorf herum lagen sehr viel Blessirte, die aus den Häusern herausgekrochen waren, um nicht von den Flanmien verzehrt zu werden, wie es vielen ergangen war, d«ren Wunden ihnen keine Bewegung verstattete. Ohnweit dem Dorfe stand ein halbverbrannter ArtiUeriepark und viele Lafetten, von denen man die Kanonen hernach dicht dabei eingegraben gefunden hat. Nicht weit

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davon stand noch ein solcher Park und dabei waren noch 3 wohlconser- virte Kanonen. Alle diese Sachen hatte der Feind wahrscheinlich aus Mangel an Pferden stehen lassen, denn der Verlust an diesem nothwen- digen Kiiegsreqnisit wai* in diesen Tagen ganz über alle Beschreibung gross gewesen. Es ist wahrlich nicht übertrieben, wenn man sagt, dass auf dem ganzen Schlachtfeld welches freilich eine Ausdehnung von mehreren Meilen hatte gegen 80,000 Pferde gelegen haben können, worunter viele noch mit zerschmetterten Beinen herumhinkten und dann und wann von einem mitleidigen Soldaten todtgeschossen wurden unter den blessii-ten Franzosen bei Probstheyda war auch ein Officier von der alten Garde, dem der rechte Fuss abgeschossen war. Dieser arme Mensch hatte die ganze Nacht über auf der feuchten Erde ohne eine andere Be- deckung als seinen üeberrock mid ohne die mindeste Nahrung gelegen. Er bat uns flehentlich, ihn wegbringen zu lassen, weil er sonst unfehlbar sterben würde. Wir erquickten ihn mit Schnaps und Butterbrod und leerten unsere Flaschen auch bei den übrigen, wofür uns eben so viel Segenswünsche wurden, als gegen Napoleon Flüche ausgestossen. Da uns der Officier sagte, dass er von seinen eigenen Kameraden ganz aus- geplündert sei, so gaben wir ihm etwas Geld und riefen einige Preussische Soldaten herbei, um ihn in ein Haus tragen zu lassen. Er bat uns darauf, zu sorgen, dass er nicht aufs Neue ausgeplündert werde, und ich ermahnte daher die Soldaten, dem Unglücklichen ja nichts zu nehmen. Da antwortete der Eine von ihnen: „Herr Major, wir sind Preussen und die thun das nicht!"

„Als ich von Probstheyda, innig ergiiflFen von dem Greuel des Krieges, zurückgekommen war, sagte man mir, dass in der uns links liegenden Ziegelscheune wo Kleist die vergangene Nacht zubringen wollte sehr viele Französische Blessirte lägen, die in dem hülfsbedürfügsten Zustande wären. Ich ging augenblicklich hin und sah Scenen des Elends und Jammers, von denen sich die lebhafteste Phantasie keinen Begriff machen kann. In einem langen, einem Schafstalle ähnlichen Gebäude lagen zu beiden Seiten gegen 2 300 Blessirte, die grösstentheils durch Kanonen- kugeln, also schwer, verwundet waren und, es ist schrecklich zu sagen, seit dem 14. und 16. October, also 3 5 Tage, ohne Nahrung und Ver- band gelegen hatten. Wenn man erwägt, dass Napoleon das Terrain bis zum 18. Morgens inne hatte, so musste man sich wundem, dass der grosse Kaiser keine Anstalten zur Fortschaflfung dieser Unglücklichen

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treffen liess, zumal er selbst nicht weit davon sein Bivouac gehabt haben mochte, wie eine Menge an ihn gerichteter Couverts und mehrere Rapports zu beweisen schienen. Indess ist es nicht unwahrscheinlich, dass er die annen Schlachtopfer seines Ehrgeizes darum unbeachtet liess, weil sie grössten Theils Candidaten des Todes oder doch so verstümmelt waren, dass an keine Dienstföhigkeit mehr zu denken war, er sich also unbrauchbare Subjecte vom Halse schaflPte. Das Elend in jener Jammer- hfitte überstieg, wie gesagt, alle Grenzen. Beim Eintritt kam Einem ein pestartiger Geruch entgegen, der von den schon in Fäulniss übergangenen Wunden der Lebenden und von den bereits Gestorbenen herrührte. Todte und Lebendige lagen in einem scheusslichen Gemisch durcheinander. Während der Nacht hatten die bivouakirenden Truppen das Haus abge- deckt, um Holz zur Feuerung zu bekommen. Dadurch waren Steine und Balken heruntergefallen und mancher von den Unglücklichen war er- schlagen, mancher auf^s Neue verwundet worden. Zu helfen war hier schwer, indess geschah was möglich war. Jedes Bataillon gab einen Chirurgus mit dem nöthigen Verbandzeug und die Truppen theilten von ihrem Branntwein und Brod mit, was ihnen um so mehr Ehre machte, als sie selbst Mangel litten."

Nach der Schlacht bei Leipzig marschirten die Alliirten bekanntlich dem Rhein zu. Bei Kosen ging man über die Saale und hier passirte Job von Witzleben, der sich, während sein Bataillon biwakirte, in der Nacht vom 22. zum 23. Oct. eines Unwohlseins wegen in Kosen ein- quartiert hatte, ein sonderbarer Vorfall, durch den man einen Begriflf von der grenzenlosen Verwirrung, die jetzt in der Pranzösichen Armee herrschte, bekommen kann. Job hatte sich, wie erwähnt, in Kosen einquartiert, zusammen mit seinem Adjutanten Hartwig und einem Russischen Officier. Abends klopfte es an ihre Thür und es trat ein Französischer Officier ein, der in seinem Gefolge einen sergeant- major von der jungen Garde, 3 sergeants und 58 Gemeine hatte, und Job mit den Worten anredete: nMonsieur, nous sommes des hommes qui se rendent; nous ne savons plus aller, il faut donc se rendre." Man kann sich Job's Erstaunen denken. Er nöthigte den Officier, der ein Capitain des 27. leichten Re- giments war, und den sergeant -major, einen jungen hübschen Menschen, zu sich herein und sperrte die üebrigen in ein nahegelegenes Haus, vor das er 3 Russische traineurs als Wache stellte. Diese liefen aber in der Nacht davon, während die Franzosen sämmtlich da blieben. Morgens liess

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aie Job durch einen Füsilier seines Bataillons und einen Packknecbt, dem geschwind ein alter Säbel in die Hand gegeben wurde, nach Naumburg transportiren.

Am 24. October biwakirte Witzleben in der Nähe von Weimar.

„Ich ritt, nachdem wir auf dem Biwak angekommen, nach der Stadt, besuchte das Theater, wo „Wallensteins Lajger" leidlich und „das Ge- heimniss" gut gegeben wurde, und blieb die Nacht in der Stadt. Das Theater wimmelte von Preussischen Oflßcieren jeden Ranges, und welcher Jubel eiiönte, als in Wallensteins Lager die Worte ausgesprochen wurden: „Seit der Leipziger Fatalität will ihm nichts mehr glücken," ist nicht zu beschreiben".

Während des Marsches nach dem Rhein erfuhr Job in Frankfurt a./M. seine Beförderung zum Oberstlieutenant. Wenige Tage darauf, am 14. Decbr., wurde er zum Commandeur des Garde -Jäger -Bataillons er- nannt, welches er am 25. zu Neckargemünd bei Heidelberg übernahm. Die Jäger gingen ihrem vielgeliebten Commandeur entgegen und bewiesen ihre Freude durch Illumination ihrer Quartiere und eine Abendmusik. Das OfBcier-Corps gab ihm ein Diner. „Es würde lächerlich sein, zu behaupten, ' schreibt er seiner Frau nur den zehnten Theil von dem zu ver- dienen, womit man mich auszeichnet."

Nachdem Job am 13. Jan. 1814 den Rhein bei Basel überschritten hatte, theilte er abermals das schmerzliche Schicksal der Garden, fast den ganzen Feldzug hindurch dem Feinde nicht in's Angesicht zu schauen. Erst in der Schlacht von Paris, am 30. März, in der er zeitweise neben seinem Garde -Jäger -Bataillon auch die beiden Grenadier-Bataillone des 1. und das Füs. Bat. des 2. Garde-Regiments commandirte, fand er wieder Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Er schreibt: „Am Morgen des 30. Mäi-z brachen wir wie gewöhnlich mit den Russischen Garden zusammen aus dem Bivouac bei Yilleparisis, ungefähr 6 lieues von Paris, auf. Nachdem wir einige Stunden marschiii waren, hörten wir vor uns eine heftige Kanonade. Bei Bondy, Vj2 lieues von Paris, machten die Russischen Garden Halt, wir rückten aber vor, um sogleich an dem Gefecht Theil zu nehmen oder doch wenigstens den im Feuer befindlichen Truppen des Corps von Rajewski zur Unterstützung zu dienen. Das 1. Füs. Bat. (Füs.-Bat d. 1. Gd. Rgts.), das 1. und 2. Bataillon 2. Regiments und das Badenische Garde -Bataillon gingen durch Bondy durch. Ich wurde mitdem 2. Füs.-Bat. (Füs.-Bat. de82. Gd. Rgts.), dem 1 . und 2. Bataillon des 1 . Regiments Garde und den Garde- Jägern links von

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Bondy angestellt, um jeden Angriff des Feindes auf dieses Dorf durch ^ein rasches Vordringen in seine rechte Flanke zu vereiteln. Der Feind stand mit seinem linken Flügel auf dem Montmartre, mit dem rechten auf der Höhe von St. Gervais in einem Bogen um die Barriere von Paris herum und hatte die Dörfer Pantin, La Vilette und La Chapelle besetzt, während auf den dominirenden Punkten, besonders auf den Höhen von St. Gervais, zahlreiche Artillerie aufgefahren war. In der Ebene standen Mmterie-Massen und Artillerie. Cavallerie konnten wir nicht sehen. Das Dorf Pantin war bis zur Hälfte von den Russen genommen, die sich aber des heftigen von allen Seiten eindringenden Feuers wegen kaum mehr halten konnten. Sie hatten schon viel verloren; ganze Schaaren von Blessirten kamen uns entgegen. So standen die Sachen, als wir bei Bondy ankamen. Der Angriffs -Disposition zufolge sollte der Kronprinz von Wurtemberg die Höhen von St. Gervais umgehen und Blücher zu gleicher Zeit den Montmartre angreifen, während man den Feind in der Ebene zu beschäftigen suchte. Dieser Plan war vernünftig, denn wenn man sich in Besitz der beiden Höhen befand, musste das Andere von selbst fallen. Aber der Kronprinz von Wurtemberg konnte erst um 12 ühr Mittags ankommen und Blücher hatte auch einen bedeutenden Weg zu machen. Daher geschah es denn, dass man bei dem Feuereifer der Truppen den Angriff in der Ebene ein wenig zu früh unternahm und dadurch manchen braven Soldaten opferte.

„Als Block mit seinem Bataillon durch Bondy gegen Pantin vorging, stand es mit den Russischen Tirailleurs hier so übel, dass er zu ihrer Unterstützung sogleich Theil an dem Gefechte nehmen musste. Er warf seine Plänker vor und drang in's Dorf mit dem Bajonette ein. Der Feind hatte einige Artilleriestücke auf der Chaussee, die schnurgerade durch Pantin läuft, und beschoss ihn mit Kartätschen, wodurch er viel verlor. Er und sein braves Bataillon Hessen sich aber nicht irre machen, sondern drangen auf die nächste Infanterie-Masse ein, die sie auch glücklich zum Weichen brachten, wiewohl hier mancher Tapfere fiel. .

„Inzwischen war der Feind hier bedeutend überlegen und die Flügel- Attaquen konnten noch nicht stattfinden, daher war es nöthig, diiss die ganze Brigade vorrückte, um das Gefecht womöglich durch einen raschen Coup zu beendigen. AUes setzte sich daher gegen Pantin in Marsch. MoffUng ging mit dem 2. Regiment Garde und den Badenern durch

Bondy, ich liess dasselbe mit meinen 4 Bataillons rechts. Wie auf dem

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Exercierplatz trafen beide Attaquen zusammen. Als wir gegen die Spitze von Pantin herankamen, erhielten wir aus den Batterieen auf den Höhen ^ von St. Gervais ein heftiges Feuer in unserer linken Flanke, welches uns einigen Schaden zufugte und mir insbesondere den guten Marenholz raubte, dem eine Kanonenkugel den linken Arm nahe an der Schulter wegriss und zugleich die Schulter zerschmetterte. Er lebte noch 4 Tage und endete unter unsäglichen Leiden. Dieselbe Kugel blessirte noch mehrere Jäger, die ebenfalls grösstentheils gestorben sind. Indess blieb Alles in Marsch. Die Tirailleurs wurden in Pantin hineingeworfen, die Bataillons gingen rechts und links vorbei und jedes warf sich ohne Weiteres, sowie es den Feind ansichtig wurde, auf ihn. Mich traf es, rechts von Pantin mit dem 1. Bataillon des 1. Regiments Garde dem Badenischen Garde- Bataillon zum soutien zu folgen.

„Dies Bataillon war zum ersten Mal im Feuer. Es fand eine Infanterie- masse vor sich, gegen welche es sich in Marsch setzte. Diese von der alten Garde, gewohnt, ihren Feind in der Nähe zu betrachten, Hessen das Bataillon bis auf 40 Schritte herankommen und gaben eine Salve, welche so unglücklich mit einer Kartätschlage von vom her zusammentraf, dass das arme Bataillon, sich eines solchen Empfanges nicht vermuthend, in 4 Theile auseinanderstiebte. Dies war zwar nicht gut, aber bei jungen Truppen verzeihlich. Inzwischen sanmielte es sich sogleich wieder und machte seinen Fehler dadurch gut, dass es dem Feinde die Kanonen ab- nahm, mit welchen er es beschossen hatte. Was uns von Infanterie gegenüberstand, wurde bis gegen die Barrieren zurückgeworfen und bei dieser Gelegenheit 14 Kanonen genommen.

„Hiermit wäre das Gefecht auf diesem Fleck ziemlich entschieden . gewesen, aber leider waren, wie ich schon vorhin bemerkte, die Flügel- Attaquen noch nicht heran, wir hatten nur einen Theil der feindlichen Linie gedrängt und standen nun mit den übrigen in gleicher Höhe, wo- durch unsere beiden Flanken enfilirt werden konnten. Wir waren dadurch einem dreifach kreuzenden Feuer ausgesetzt und litten bedeutend. Dicht neben mir tödtete eine Kugel 3 Mann vom 1. Bataillon 1. Regiments Garde, dem einen wurde der Kopf hinweggerissen und ich ganz mit Gehini beworfen. Wir waren auf diesem Fleck ganz allein. Der Canal de rOurcq, der senkrecht in unserer rechten Flanke lag, trennte uns von Blücher. Die 2. Russische Division war noch nicht heran, wir befanden uns in einer kritischen Lage. Jeder sah die Nothwendigkeit ein, das

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Terrain bis auf den letzten Mann zu halten und dabei hatten wir den Feind in beiden Flanken, ohne ihm etwas anhaben zu können. Inzwischen leisteten die Trappen, was nur zu verlangen war. Die Colonnen wichen keinen Puss breit. Unsere Tirailleurs hatten nach allen Seiten Front ge- macht und umgaben uns wie eine Kette. Der Feind war noch im Besitz des jenseitigen Randes des Canals. Wir hatten unsere Tirailleurs dagegen ; der Feind lag aber hinter einem Wall, liess sich nicht sehen und beschoss die Colonne im Bogen. Da wir auf unserer Seite auch einen Wall hatten, so machten es unsere Tirailleurs ebenso und die Sache kam nicht vom Flecke. Endlich sprang der Jäger Bandelow meiner Compagnie, ein bild- schöner blutjunger Mensch, auf den Wall und schoss einen Franzosen todt. Die Andern folgten, der Feind wich, Lieutenant Demar^es sprang in den Canal, Alles setzte nach und die Sache war far den Augenblick ent- schieden. Auf der andern Seite, den Höhen von St. Gervais, war es eben so glücklich gegangen. Der Oberst Alvensleben detachirte unsem Capitain Neuhaus mit seiner Compagnie gegen die dort befindlichen Batterieen. Er formirt eine Tirailleurlinie und geht mit Geschrei auf die Kanonen los. Der Feind giebt noch eine Salve und verlässt sein Geschütz. Neuhaus bekommt 10 Kanonen, worunter 2 mit Bespannung. Durch diese beiden Flankenexpeditionen hatten wir etwas Luft bekommen und konnten nun an's Vordringen denken. Mittlerweile waren auch die Brigade Prinz Wilhelm, den Prinzen an der Spitze, und 2 Regimenter der 2. Russischen Division angekommen. Wir bemächtigten uns einer Brücke über den Canal und drangen in La Vilette ein. Ich setzte mich an die Spitze unserer Tirailleurs, um den Feind zu coupiren. Es gelang. Wir besetzten eine Strasse, durch die er musste, empfingen ihn mit einem heftigen Feuer and warfen ihn so gegen unsere Tirailleurs zurück, die von einer andern Seite eindrangen. Als wir eben in jener Strasse angekommen waren, lief ein Mann von der Pariser Nationalgarde von der man einen Theil ge- zwungen hatte, sich zu schlagen vorbei. Ich hatte wahrgenommen, dass es ein ganz alter Mann sei, und rief daher Bandelow, der eben die Büchse am Kopf hatte, zu, er solle nicht schiessen, indess mochte er es in dem Tumulte nicht gehört haben, ich sah den Mann fallen. Er hatte schneeweisses Haar und war 70 Jahr alt. Es that mii- unendlich leid, dass ich ihn nicht hatte retten können, und schalt Bandelow tüchtig ans. Die Kugel hatte dem Unglücklichen den Rückgrad zerschmettert, er starb einige Minuten darauf. Mittlerweile hatte sich der Feind, dem jeder

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Ausweg abgeschnitten war, gesetzt und fing ein heftiges Feuer an. Wir wai-en hier ungefähr 40 Tirailleurs stark, er mochte uns erst ftir stärker gehalten haben. Wie ich eben an die Brücke komme, sehe ich unsere Tii'ailleurs zurückkehren. Der Feind hatte sich mit Uebermacht auf sie geworfen, weil er ohne dies nicht durchkommen konnte. Indess stellten wir die Sache gleich wieder her und drangen nun bis auf Flintenschuss- weite an die Barrieren vor, ausserhalb deren kein Feind mehr zu finden war. So standen die Sachen, als ims ein Adjutant des Fürsten Schwarzen- berg die Nachricht des Waffenstillstandes brachte. Sogleich wurde der Befehl gegeben, mit dem Feuern au&uhören. Indess dauerte es sehr lange, ehe wir bei uns das Feuer zum Schweigen bringen konnten; denn da wir die Dörfer Pantin und La Vilette besetzt hatten, so waren unsere Leute in den Häusern zerstreut und es sehr schwierig, den Befehl der ganzen Linie schnell mitzutheilen, zumal die Franzosen nicht davon unterrichtet zu sein schienen und immerfort schössen. Wir winkten zwar mit Tüchern, Hedemann, der Adjutant des Prinzen Wilhelm, ritt mit einem Trompeter vor; allein dieser aime Teufel wurde blessirt und das Feuer hörte nicht auf. Endlich sprang ich vom Pferde und ging ganz allein mit einem weissen Tuche auf den Feind zu, indem ich ihnen zurief, sie sollten einen Officier heraus schicken. Dieser kam dann und ich machte ihm die Nachricht bekannt. Er wollte ihr zwar nicht recht trauen, da er aber sah, dass unsere Tii'ailleurs ruhig waren und unsere Colonnen etwas zurückgingen, so wurde er geneigt, die Sache zu glauben. Plötzlich fällt aus einem Hause von unserer Seite her ein Schuss; der Oflficier, darüber unwillig, dreht sich um und geht fort, kein Zureden hilft; kaum hat er den Rücken gewandt, so fangen die Franzosen wieder an zu schiessen, unsere Soldaten antworten und der Spass geht von Neuem an. Mir ruft ein Franzose auf 40 Schritte zu: „Retirez-vous, ou je tire!" Ich ant- wortete: „Vous etes un coquin si vous tirez, parceque je suis un parle- mentair.*' Aber der Kerl nimmt dem ohngeachtet das Gewehr an den Kopf und schiesst, zum Glück schlecht genug, denn die Kugel pfeift vor- bei. Es hätte keiner meiner Jäger sein müssen. Endlich gelingt es uns, wieder Ruhe zu machen, wenigstens auf unserer Seite, denn Langeron, der gerade den Montmartre angreift, will, bis dieser genommen ist, von keinem Waffenstillstände etwas wissen. Nach einiger Zeit hat er seinen Zweck erreicht und es herrscht nun auf der ganzen Linie eine Stille, die gewaltig mit dem vorigen Lärm contiastirt. Wir gingen einzeln bis an

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die Pallisaden der Barrieren von Paris und unterhielten uns mit dem Feinde, der überaus aitig war. In Kurzem war zwischen ihm und unsem Leuten eine solche Vertraulichkeit, dass wir uns aus der Stadt kleine Be- dürftiisse, als Wein, Brod und dergl. holen Hessen. Wenige Minuten vorher war unser Zweck, uns gegenseitig das Leben zu nehmen, jetzt reichten wir uns die Mittel, um es zu erhalten.

„Der Verlust unserer Brigade war höchst bedeutend ; aber Alles war auch voll von der ausgezeichneten Bravour der Truppen. Der Kaiser Alexander nahm seinen eigenen öeorgenorden und gab ihn an Alvensleben, alle Generale erschöpften sich in Lobeserhebungen und, was uns das Liebste war: wir hatten der übrigen Preussischen Armee gezeigt, dass wir ihrer werth sind und dass es nicht unsere Schuld war, weim wir es nicht früher beweisen konnten. Wir bivouakirten auf dem Schlachtfelde und bereiteten uns zu dem feierlichen Einzüge vor. Während des Gefechts war ich nur wenig, in der letzten Zeit gar nicht bei meinem Bataillon gewesen. Die Jäger empfingen mich mit unglaublichem Jubel, als ich gesund unter sie trat, denn man hatte mich blessirt geglaubt. Dieser neue Beweis ihrer Anhänglichkeit erweckte in mir ein unaussprechlich wohlthuendes Gefühl.

„Den 31. Morgens kamen viele Pariser Bürger zu uns, heraus. Alle waren vergnügt über die Wendung disr Dinge. Nach langem HaiTen setzten wir uns endlich gegen 10 ühr in Marsch. Zuerst die Preussische, dann die Russische leichte Cavallerie mit mehreren reitenden Batterieen. Dann die 1. Russische Garde- Division; dann wir, die Preussischen Garden, die 2. Russische Division und endlich die prächtige Russische und Preussische Reserve-Cavallerie, lauter Cürassiere. Wir zogen durch die Barriere Pantin, die porte St. Martin, die boulevards Montmarti-e, des Italiens und des Capucmes, rue St. Honorö, den Platz de la Concorde nach den Champs 61ys6es, wo wir bei den Monarchen vorbei defilirten. Ueberall waren auf diesem langen Wege gewiss gegen eine kleine Deutsche Meile unzählige Menschen versammelt, die uns mit weissen Tüchern zuwinkten, mit Jubelgeschrei empfingen und unaufhörlich ^Vivent les Alli^s, vivent les Bourbons!" riefen. So ist wohl noch nie ein Feind empfangen worden. Auf den Champs 61ys6es blieben wir bis gegen Abend und bezogen dann eine elende Kaserne in dem faubourg St. Germain, me Plumet, welche wir späterhin mit einer etwas bessern in der rue Mouflfetard vertauschten."

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Für die Scblacbt von Paris erhielt Job von Witzleben das eisenie Kreuz I. CL, den Wladimir um den Hals (wie er sieb selbst ausdrückt) und den Baden'scben Militaii- Verdienst-Orden.*)

Bis zum 3. Juni blieb Job in Paris, wo er hauptsächlich mit Cheru- bini und dessen Familie verkehrte. An diesem Tage, Mittags 1 Dhr, marschirte er mit seinem Bataillon zu derselben Barriere (Pantin) hinaus, durch welche er eingezogen war.

Vom 13. bis 21. Juli war er in Angelroda, wo ihm die jungen Mädchen Eichenkränze brachten und die Bauern eine Ehrenpforte bauten, durch welche seine fi-ühere Compagnie einzog. Anfangs August rückten die Garden in Berlin ein.

Am 3. Sept. 1814wurde Job von Witzleben zumSousinspectem* der sämmt- lichen Jäger und Schützen der Äimee ernannt; als solcher gab er eine vor- zügliche Schiessinstruction heraus, welche allen späteren als Grundlage diente.

Nachdem Job am 1. Apr. 1815 unter Beibehalt der erwähnten In- spection dem Generalstabe der Niederländischen Armee unter dem Fürsten Blücher beigegeben war, wurde er am 31. Mai zum Obersten und Chef des Generalstabes des combiniiien Norddeutschen Bundes-Armeecorps unter Kleist ernannt, und obgleich dies Corps aus den verschiedensten Elementen zusammengesetzt war, gelang es ihm doch bald einen guten Geist in dasselbe zu bringen. Job leitete die Belagerungen und schloss die Capitulationen von Sedan, Mfeiöres und Montmedy und ausserdem war ihm die Civilverwaltung des Departements der Ardennen übertragen. Später riefen ihn Dienstgeschäfte zeimal nach Paris. Als er dasselbe Anfangs October verliess, schrieb er die prophetischen Worte: „Zum letztenmal sind wir nicht hier, das ist klar."

Auf seiner Rückreise nach Berlin hatte er in Mainz am 1 7. November mit dem Erzherzog Carl eine lange und interessante Unterhaltung, durch welche dieser so angezogen wurde, dass er Witzleben sein Werk über die Kriegskunst als Andenken verehrte.

Nach seiner Rückkehr ward Witzleben zum wirklichen Inspectcoir der Jäger und Schützen und am 28. Dec. 1815 zum Chef des Generalstabes des General -Commandos in Preussen unter dem Grafen Bülow von Dennewitz ernannt. Er blieb jedoch in Berlin, um die

*) Kaiser Alexander liess ein Bild von der Schlacht von Paris anfertigen: ein dem Tode naher Russischer Tambonr schlagt noch Marsch, Preussische Garde -Jäger tragen den Tambour und Witzleben hält in der Nähe.

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Oiiganisation der Jäger und Schützen zu vollenden. Am 17. Oct. 1816 wurde er in das Kriegs -Ministerium versetzt und in das Cabinet für die persönlichen Militair - Angelegenheiten berufen. Am 17. Jan. 1817 erhielt er den rothen Adler- Orden III. Cl. und am 27. Oct, 1817 ward er von der Inspection der Jäger und Schützen ent- bunden und wirklicher Vorstand des Militair -Cabinets, d. h. Chef der 8. Abtheüung (für die persönlichen Angelegenheiten) des Kriegsministeriums. In dieser Stellung trat er in die innigste Verbindung mit dem Könige, Wovon weiter unten ausfuhrlicher die Rede sein wird, und begleitete den- selben alljährlicli sowohl auf den kürzeren Reisen zu den Revuen als auch auf den grösseren zu Fürsten Versammlungen und Besuchen an auswärtigen Höfen.

Bereits 1818, während der Reise des Königs nach Moskau und Petersburg, wurde Witzleben, nicht ganz 35 Jahre alt, am 5. Juni zum General-Adjutanten ernannt und ihm der Character als General-Major bei- gelegt. Es existirt über diese Ernennung folgende Anecdote: Witzleben, der neben dem Könige im Wagen sass, war eingeschlummert und zwar so fest, dass sein Haupt auf die Schulter des Königs gesunken war. Eine Zeit lang hielt der König ruhig aus, aber die Last wurde nach und nach drückend; seine Schulter fortziehen, den Adjutanten*) dadm-ch wecken, das mochte er nicht, denn jener wüide beim Aufwachen unangenehm er- schrecken; er sann also, wie er ihn mit einem augenehmen Schreck er- muntern könne, und es gelang ihm zu seiner Freude dadurch, dass er mit lauter Stimme rief: „Witzleben, Witzleben, sind General geworden!'* So stand die Geschichte in einer „Characteristik Friedr. Wilh. HI., mit- getbeilt im Feuilleton des Magdeb. Correspondenten (Neue Magdeb. Zeitung) vom 12. Jan. 1862 Nr. 10. Und Eylert, der in seinen „Characterzügen Priedr. Wilh. III." ebenso erzählt, fugt noch hinzu: „Als ihm, angekommen auf der Russischen Grenze, der König selbst die Generals-Üniform, die der Beglückte noch nicht erwartet hatte, überreichte, sei dieser,**) wie Witz- leben erzählt, hierbei so vergnügt und herzlich gewesen, als wenn Ihm selbst eine Wohlthat wäre zu Theil geworden."

An der ganzen Geschichte ist kein Wort wahr. Die grosse Aufmerk- samkeit des Königs bestand darin, dass er für Witzleben ein Paar Generals- Epaulets von Berlin mitgenommen hatte und ihm dieselben in Königsberg überreichen Hess.

•) W. war gar nicht Adjutant. •*) d. h. doch wohl: der König und nicht; der Beglückte.

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Witzlebeii schreibt über die beregte Ernennung:

1) „Königsberg, den 7. Juni 1818.

„Die einliegende Gab. -Ordre*) wird Dir etwas Neues mittheilen, welches Dich ebenso wie mich überraschen wird. Es ist mehr, weit mehr, als ich verdiente und setzt mich sehr in Verlegenheit."

2) „Trakehnen, den 9. Juni 1818.

Eben so wünschte ich schleunigst eine General- Adjutanten- Stickerei zu haben," (Soll ihm durch Courier nachgeschickt werden.)

Eine feinere Auszeichnung ward Job während dieser Reise nach Bussland zu Theil, indem ihn der Kaiser Alexander (der ihm schon einen Tafel- Aufsatz von Glas und ein Dejeuner -Service geschenkt hatte) am 10. Juli zum Ritter des Ordens der heiligen Anna erster Classe ernannte.

Kaum von dieser Reise, welche vom 27. Mai bis 29. Juli gewährt hatte, zurückgekehrt, begleitete Job den König in demselben Jahre (22. Sept. bis 28. Nov.) nach Aachen zum Congress und auf dem von dort aus nach Paris untemonmienen Abstecher. Während des Jahres 1819 war er im Juli mit dem Könige in Teplitz und Anikngs September zur Revue in Schlesien, bei welcher Gelegenheit er am 5. Sept. den Fürsten Blücher besuchte, den er sehr verändert und schwach fand. „Mir hat er mit grosser Resignation von seinem Tode gesprochen und herzlich von mir Abschied genommen. Er hatte die Seelenruhe eines wahrhaft grossen Mannes. Ich bin sehr ergriffen gewesen." Am 12. Sept starb Blücher.

Das Jahr 1820 begann flir Job damit, dass ihn (11. Jan.) der Kurfürst Wilhelm von Hessen zur Bethätigung seiner besondern Hochachtung und Werihschätzung zum Grosskreuz seines Hausordens vom goldenen Löwen ernannte. Anfangs Juni finden wir ihn bei der Revue bei Staigardt, dann in Colberg, Swinemünde, auf der Insel Rügen und in Stralsund, im No- vember aber in Troppau, wo die Kaiser von Oesterreich und Russland mit dem Könige Friedrich Wilhelm zusammentrafen. es war ein erfreulicher Anbück, diese Säulen von Europa wieder in herzlicher Freund- schaft bei einander zu sehen," schreibt Job am 9. Nov. seiner Frau.

Während der vom 11. Juni bis 17. Juli 1821 dauernden Reise nach der

*) Da ich den Wunsch hege, Ihnen einen Beweis meiner Zufriedenheit mit Ihrer bisherigen Geschäftsführung zu geben, so wii-d mir die bevorstehende Reise nach Russland eine angenehme Veranlassung, Sie zu meinem General- Adjutanten zu eniennen und Ihnen den Character als General-Major beizulegen.

Königsberg, den 5. Juni 1818. Friedrich Wilhelm.

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Hieinproyinz und Westphalen erhielt Job bei Gelegenheit der Zu- sammenkunft des Grossherzogs Ludwig von Baden mit dem Könige Ton Preussen das Commandeur-Kreuz des Badenschen Militair- Verdienst- Ordens. Nachdem am 21. Sept. 1822 die Revue bei Merseburg und Weissenfeis stattgefunden und Job den 23. in Angelroda zugebracht hatte, begleitete er den König nach Italien. Ueber Frankfurt und Darmstadt gelangten sie zuerst nach Carlsruhe, wo am 28. Sept. Revue über 4 Bataillone, 8 Escadrons und 14 Kanonen abgehalten wurde. „Die Truppen haben eine solche Aehnlichkeit mit den unsrigen, dass sie kaum zu unterscheiden sind, üeberhaupt hat hier alles ein Preussisches Ansehen. Die Leute sind auch gut fiir uns gesonnen und die Anwesenheit des Königs, begleitet von einigen Gnadenspenden, wird dies noch vermehrt haben."

„Den 29. ging es über Kehl nach Offenburg. Von ersterm Orte aus fiihr der König in Begleitung meiner und eines Adjutanten nach Strass- borg, besahen den Münster und die Thomaskirche mit dem Mausoleum des Marschall von Sachsen, sowie einige Promenaden, ein neues sehr schönes Theater, dem das unsrige nach meinem Geschmacke weit nachsteht, und kehrten dann nach Kehl zurück, um noch bis Offenburg zu gehen. Die Franzosen, namentlich der Gouverneur, ein Gen. Lacroix, waren überaus zuvorkommend. Als wir im Begriff waren, den Münster zu besteigen, rief der Gouverneur: man solle sogleich mit dem Telegraphen nach Paris be- richten, dass der Gr. v. Kuppin um 7^4 Uhr den Thurm der Kathedrale bestiege, und man möchte augenblicklich dai'auf antworten. Nach ohn- gefahr 7* Stunden kam auch wirklich die Antwort , dass der Directeur des Telegraphen nicht zu Hause sei, daher nichts nach Paris berichtet werden könne."

Durch das herrliche Badensche Oberland über Freiburg, Basel und Sobthum ging die Reise denmächst nach Neufchatel, wo ein dreitägiger Aufenthalt genommen wurde, und dann über den Simplen, Baveno am Lage maggiore, Mailand (4 Tage), Brescia nach Verona (15. Oct.) zu dem vom 20. Oct. bis 14. Dec. 1822 währenden Congress.

Von hier aus wurde am 23. Oct. ein Ausflug nach Venedig unter- nommen und am 5. Nov. die Italienische Reise fortgesetzt Am 1 1 . Nov. 1 ühr Mittags betrat Job durch die Porta del Popolo den klassischen Boden Roms. „Beim Eintritt in Rom von grossen Erwartungen erfüllt, worden diese keineswegs beMedigt. Das Thor del popolo, ehemals porta flaminia, der Platz, die drei auf denselben auslaufenden Hauptstrassen er-

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schienen, um nicht mehr zu sagen, ganz gewöhnlich, und ich kann sagen, dasö dies und die jeden poetischen Funken erstickende Oede der campagna romana mich ganz nüchtern und von aller Exaltation befreit auf den Spanischen Platz, wo unsere Wohnung war, ankommen Hessen." Und von der Musik in der Peterskirche, und zwar in der Peterscapelle (am 18. Nov.), bei welcher die Sänger nur von der Orgel und 2 Bässen be- gleitet waren, sagt er: „Die Musik blieb bei weitem unter meiner Er- wai-tung, wahrscheinlich weil diese zu gross war". Auf die Dauer ver- mochte aber auch der von fremdem ürtheile unabhängige Job sich den Einwirkungen der Herrlichkeiten Roms auf sein Gemüth nicht zu ent- ziehen: sein Interesse wuchs mit dem Betrachten und äusserte sich in ausfuhrlichen Beschreibungen der hervonagensten Kunstschätze.

Am 29. Nov. wurde Rom verlassen, am 21. Neapel eiTeicht, am 25. der Vesuv bestiegen und am 27. in Pompeji Ausgrabungen vorge- nommen. „Die Kluft von beinahe zwei Jahrtausenden schwindet, man ist bei den Alten einheimisch. Man sieht, dass sie uns sehr nahe waren, dass Bedürfiiisse und Lebensweise nicht wesentlich unterschieden sind".

Am 15. Dec. traf Job wieder in Rom ein und eilte dann mit nur kurzem Aufenthalt in Florenz der Heimath zu, wo er Anfang Januar 1823 eintraf.

Am 28. Sept. dieses letztgenannten Jahres gab der Grossherzog Carl August von Sachsen -Weimar an Job als ein öflFentliches Merkmal seiner Freundschaft und Achtung das Grosskreuz seines Hausordens vom weissen Palken und wenige Tage vor Weihnachten, am 18. Dec, erliess der König Friedrich Wilhelm folgende Kabinetsordre an ihn: „Bei Gelegenheit der Verwendung einiger disponibler Gelder des Französischen Aversionalfonds habe Ich gern Veranlassung genonunen, Ihnen durch Anweisung einer Summe von 20,000 Thlr. in Staatsschuldscheinen einen Beweis meiner Zufriedenheit mit Ihrer sowohl in Beziehung auf die Angelegenheit der Privat-Reclamationen gegen Frankieich, als bei vielen andern Gelegenheiten in dem Ihnen übertragenen Wirkungskreise bewiesenen Thätigkeit und Umsicht zu geben. In habe den Staatsminister Generallieutenant Grafen von Lottum zur Auszahlung angewiesen und gereicht es mir zum Ver- gnügen, Sie davon zu benachrichtigen".

Diese Dotation mag Job von Witzleben nicht unwillkommen gewesen sein. Er verwandte sie zum Ankauf eines in der Schlossstrasse gelegenen, mit schönem Garten umgebenen Hauses in Charlottenburg und eines den

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Lietzen See einschliessenden Terrains. Hier fand Witdeben sein Tusculum. Die Verschönerung des Gartens sowie der Ufer des genannten Sees gab ihm in seinen wenig freien Stunden angenehme Beschäftigung. Zum Pischzug und dem darauf folgenden Fischessen wurden stets mehrere Freunde, vor Allem sein Bruder Constantin eingeladen. Haus und An- lagen wurden nach seinem Tode veräussert, letztere, durch den schönsten Bosenflor geschmückt, fahren noch jetzt den Namen ihres Schöpfers „Witzleben."

Um das Jahr 1830 verlieh der König das Gut Sachsenburg am Kyflf- häuser, welches heimgefallen war, an Witzleben mit dem Bemerken, dass 80 dessen Linie wieder in Thüringen ansässig sei. Es erhielten aber drei Wittwen Jahrgelder aus den Revenuen und ausserdem war das Gut ver- schuldet, so dass der Minister Graf Lottum den König darauf aufmerksam machte, dass Witzleben auf Sachsenburg in Kurzem bankerot werden würde. In Folge dessen erhielt Witzleben anstatt Sachsenburg das Gut Liszkowo im Kreise Inowraclaw der Provinz Posen, nördlich von Inowraclaw in den Weichselniederungen gelegen, welches seine Nachkommen noch besitzen und Witzleben genannt haben.

Während Job im Sept. des Jahres 1824 nur nach Schlesien zum Manöver ging, brachte das Jahr 1825 wieder grössere Reisen. Nach einem langem Aufenthalte in Angelroda (im Juli) und einem kürzern in Teplitz, begleitete er Anfangs Sept. den König zur Revue nach Magdeburg, Minden nnd Coblenz und demnächst nach Laken bei Brüssel zum Besuch der Prinzessin Friedrich der Niederlande und nach Paris.

1826, im Oct, wurde der jüngere Job von den Eltern nach Rosleben gebracht. Von hier reisten Job und seine Frau über Erfurt nach Angel- roda und besuchten am 25. Oct. das alte Stammhaus Elgersburg, von den in der Schenke versammelten Bauern mit lautem Vivat begrüsst.

Als Witzleben am 14. Dezember wie gewöhnlich, früh 87* Uhr zum Vortrag ging, erfuhr, dass der König beide Knochen des rechten Unter- schenkels gebrochen habe. Drei Tage fiel der Vortrag aus, schon am 17. fand er wieder statt.

Im September 1828 musste Job den König wieder zu den Manövern nach Schlesien begleiten.

Anfangs des Jahres 1829 erkrankte Witzleben. 12 Jahre schwere Arbeit hatten seine sehr starke Gesundheit untergraben und er gewann die Üeberzeugung, dass er längere Zeit verhindert sein würde, seine gewöhn-

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liehen Arbeiten zu verrichten. Der König schrieb ihm d. d. Berlin, den 15. Jan. 1829. „Gewiss sind Sie von meiner warmen aufrichtigen Theilnahme überzeugt und dass ich Ihre baldige und völlige Genesung recht lebhaft wünsche; um so mehr aber rathe ich Ihnen, dass Sie sich nicht zu früh Ihrem gewohnten Drange zur Thätigkeit hingeben mögen, damit Sie sich um so eher und um so vollständiger erholen mögen."

Bald nach seiner Wiederherstellung, am 26. Mai 1829, erhielt er den Russischen St. Annen-Orden I. Cl. in Diamanten. Im Sommer 1830 finden wir Job wieder in Schlesien, als die Kaiserin von Ruasland dort ihren Vater besuchte.*)

Am 30. März 1831 beförderte der König Witzleben zum General- lieutenant, verlieh ihm am 24. Sept. 1832 als Anerkenntniss seiner ausge- zeichneten Dienste den rothen Adler-Orden I. Cl. mit Eichenlaub und er- nannte ihn am 30. Oct. 1833 zum Kriegsminister ad interim und am 25. Apr. 1834 zum Staats- und Kriegsminister. Aber nur kurze Zeit verwaltete Job dieses hohe Amt: schon im März 1837 sah er sich Krankheits halber genöthigt, den König zu bitten, ihn von den Geschäften zu entbinden. Der König antwortete auf das Gesuch am 19. März 1837: „Ich ertheile Ihnen die nachgesuchte Entbindung von der Verwaltung des Kriegsministeriums auf längere Zeit mit ganzem Gehalt und dem lebhaften Wunsche, dass die Ihnen zu Theil werdende gänzliche Müsse zu Ihrer gründlichen Herstellung föhren und Sie Meinem Dienst erhalten möge, in welchem Sie sich so viele Ansprüche auf meine bleibende Erkenntlichkeit und Werthschätzung erworben haben".

Der Wunsch des Königs ging aber nicht in Erfüllung, Job starb vielmehr, nicht ganz 54 Jahre alt, nach langen Leiden in Folge eines Schlagflusses am 9. Juli 1837 in Berlin. Auf dem Invaliden -Kirchhof fand der entseelte Körper dieses so regen Mannes seine Ruhestätte neben dem G;rabe Schamhorst's. Friedrich Wilhelm III. richtete am 13. Juli 1837 von Teplitz aus nachstehende Cabinets- Ordre an Job's Wittwe: „Die

*) d. d. Fischbach, den 9. Juni 1830 schreibt Job unter Anderm: »Den Brief vom werthen Luley (Job II.) sende ich zurück. Sage ihm doch, dass er sich etwas mehr auf das Schreiben legen solle. Nichts empfiehlt einen jungen Menschen mehr, besonders in der von ihm künftig zu ergreifenden Laufbahn, als eine gute Handschrift. Und um diese zu eriangen, gehört nur etwas Aufmerksamkeit auf sich selbst dazu". Diese Worte eines anerkannt tüchtigen Mannes glauben wir der aufwachsenden Generation unserer Familie nicht dringend genug empfehlen zu können!

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Nachricht von dem Ableben Ihres Gemahls, welche Ich durch ihren Sohn erhalten habe, ist Mir unerwartet und wahrhaft betrübend gewesen. Ich beklage seinen frühen Verlust eben so aufrichtig, als Ich seinen Werth als Staatsdienei* und seine bewährte Anhänglichkeit an meine Person zu schätzen ürsach hatte. Indem Ich Ihnen Meine ganze Theilnahme an Ihrem gerechten Schmera zu erkennen gebe, behalte ich Mir vor, das Andenken an die Verdienste des Verewigten durch Beweise Meines Wohl- wollens und der Fürsorge für seine Familie zu ehren".*)

Der König gestattete nicht, dass ein Necrolog des Verstorbenen er- schien. Er sagte, Witzleben sei ein viel zu bedeutender Mann gewesen, als dass ein Necrolog, der die Wahrheit enthielte, erscheinen könne; un- wahr solle er aber auch nicht sein, und deshalb sei es besser, es erschiene keiner. Er ehrte aber sein Andenken, indem er seinem treuen Diener auf dem Grabe ein Denkmal errichten liess. Auf einem 4 Fuss hohen steinernen, jetzt mit Epheu dicht berankten Postament ruht ein vierseitiger Sockel, auf dessen Frontseite sich das Witzleben'sche Wappen (2 Sparren, Helm mit dem Hut, darauf 2 nach auswärts gebogene Schäfte, an jeder Seite derselben 6 Blätter, oben 5 Straussenfedem) befindet; zu beiden Seiten des Helms und des Helmschmuckes ist folgende Inschrift vertheilt:

Job Wiljielm tion Wi^leben General =Lteut: unb Kriegs »Hinifler geboten b. 20. Juli 1783, geflorben b. 9. Juli 1837.

unter dem Wappen liegt hoiizontal ein von einem Lorbeerzweig um- wundenes Schwerdt, dessen Griff in einem Adlerkopf endigt, unter dem Schwerdt die Inschiift:

Sein Anbenken el|(enb Priebridi Wlllielm HI.

Auf dem Sockel stehen 4 Säulen oben durch 4 Bogen verbunden, auf deren jedem ein fliegender Adler; inmitten der Säulen steht ein ge- flügelter Engel, der in der linken herabfallenden Hand einen Palmenzweig, in der rechten über das Haupt erhobenen einen Lorbeerkranz hält. Das ganze Denkmal hat eine Höhe von etwa 20 Fuss.

*) Durch Cab.-Ordre vom 16. Aug. 1837 resp. 25. Febr. 1838 wurde der Wittwe eine jährliche Pension von 1500 Thlr. und jedem der Kinder eine bedeutende Zulage resp. Erziebungszuschuss ausgesetzt.

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Carl Ernst Job Wilhelm von Witzleben war ein Mann von strenger Rechtlichkeit, Geschäftseifer und gründlichen Kenntnissen. Seiner Thätig- keit verdankt die Preussische Armee die Errichtung der Unterofficier-Schule zu Potsdam, der Kadettenhäuser in Schlesien und am Rhein, die Gründung des Instituts der Compagnie-Chirurgen-Gehilfen, jetzigen Lazarethgehilfen. Aber bedeutungsvoller als diese Einzelschöpfungen ist es, dass er überall, wo es nöthig war, fär die Stellung der Armeft und des Ofl&cier- corps gegen die immer mächtiger werdende Büreaukratie eintrat, dass er mit Glück für die Erhaltung der allgemeinen Dienstpflicht und der Land- wehr in einer Zeit kämpfte, wo man beides für staatsgefährlicb hielt. In Bezug auf die Landwehr sprach er sich dahin aus: „Prätorianer haben wohl Revolutionen hervorgebracht, nie aber Milizen".

Vom 19. Januar 1819 bis April 1832 fahrte Witzleben ein Tagebuch bald deutsch, bald im elegantesten Französisch. Je mehr diese Memoiren als eine reiche Fundgrube für die Geschichte dieser 13 Jahre gelten können, um so mehr sind die darin enthaltenen oft bedeutenden Lücken zu beklagen.

Aber auch die vorhandenen Bruchstücke sind werthvoll und liefern den Beweis, in wie hohem Grade Witzleben das Vertrauen des Königs genoss. Wohl zu allen wichtigen Angelegenheiten ward sein Rath ge- fordert, wai-d seine Stimme gehört. Es ist wahrhaft erstaunlich, welche Vielseitigkeit er hierbei entwickelte und welche Klarheit sich aus seinem ürtheile ergab.

Bei jedem Ministerwechsel, bei jedem Ereigniss in der Königlichen Familie und jeder neuen Verwaltungsmassregel von irgend welcher Be- deutung wurde er gehört, und so finden wir von seiner Hand Memoiren über die verschiedensten Dinge: über den Zollverein, Steuerwesen, Verein- fachung der Verwaltung, Organisation der Gendarmerie u. s. w. Sein Ein- fluss bei Abfassung der Agende beschränkte sich grösstentheils auf den musikalischen Theil derselben, wenn ihm auch der König ein Exemplar der Agende mit der Inschrift „Colaboratori meo" überreichte. Am 22. Api-il 1826 zeigte ihm der König sein Memoire über die Liturgie und eine gleiche Arbeit von Bischof Neander: „Neander hat far Gelehrte, der König für das Volk geschrieben, auf welches es grossen Eindruck machen wird," urtheilt Witzleben in seinem Tagebuch.

Als auf dem Congress zu Verona 1822 sich Oesterreich, Russland und Preussen vei^pflichtet hatten, Frankreich erforderlichenfalls durch

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Trappensendangen zur UuterdrückuDg der in Spanien ausgebroclienen Be?olution zu unterstützen, reichte Witzleben dem Könige eine Denkschrift ein, wie das zugesagte Truppen-Corps zu formiren wäre. Dasselbe sollte unter der Führung des Prinzen Wilhelm, Bruders Sr. Majestät, aus einer aas 2 Brigaden gebildeten Division formirt werden. Zu Brigade -Com- mandeurs waren die Generale von Müflfling und von Natzmer, för den Generalstab wurden von Schütz, von Diest und von Willisen in Vorschlag gebracht Jede Brigade bestand aus 6 Bataillonen, 1 Jäger- oder Schützen- Compagnie und 1 6pfundigen Batterie zu 8 Geschützen, die Keserve- Artillerie ans 1 Gpfundigen und 1 12pfundigen Batterie, ebenfalls zu 8 Geschützen. Endlich war dem Corps noch eine Pionier-Abtheilung von 200 Mann zu- gedacht. Cavallerie war dem Corps gar nicht beigegeben. Die Infanterie sollte aus den Reserve -Regimentern 35, 36 und 37, 38, 39 und 40 zu- sanunengesetzt werden, um keines der bestehenden Armee -Corps zu zerreissen.

Die rasche Niederwerfung der Revolution durch den Herzog von Angout^me er rückte am 24. Mai 1823 als Sieger in Madrid ein machte die Ausfuhrung des Projects unnöthig.

Witzleben war ein mit selten klarem Verstände begabter, selbstständiger nnd im besten Sinne des Worts freisinniger Mann. Er liess sich durch nichts beeinflussen, durch nichts bestechen, überall trat er muthig dafär ein, was er nach ernster Prüfung für Recht erkannte. Dies zeigt sich sehr deutlich in der Denkschrift, welche er mit wahrem Mannesmuth am 25. Januar 1818 dem Könige einreichte.*) In derselben trat er den über- triebenen Verdächtigungen und Befürchtungen revolutionairer Umtriebe jener Zeit entgegen, um zur Beruhigung seines Königlichen Herrn die Wolken zu zerstreuen, welche die Saat des Misstrauens um die Stirn des götigen Monarchen zu ziehen drohte. Nur ein Mann, von dessen Treue und Hingebung der König fest überzeugt war, durfte so sprechen.

Und nun noch ein anderes Beispiel von Witzleben's Freimuth und Gerechtigkeitsliebe.

Der bekannte Schriftsteller und Kammergerichtsrath Ernst Theodor Amadeus Hofl&naijn hatte 1822 das Märchen „Meister Floh" geschrieben und demselben „Knarapanti" einverleibt, in welchem man eine Travestie der Demagogenuntersuchung fand. Er sandte das Manuscript seinem Verleger

*) Wortlich enthalten in Dorow's: Job von Witzleben S. 93 bis 114.

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F. Wilmanns in Prankfurt a. M. zu; dies wurde bekannt und von Seiten des Ministeriums des Innern ein Courier abgesandt, das Manuscript gegen 1000 ft. Entschädigung der Regierung eingezogen und beim Könige be- antragt, dass Hoffmann an das Oberlandsgericht zu Insterburg versetzt werden solle.

Ein treuer Freund verwandte sich für den bedrohten, auf dem Kranken- lager liegenden Schriftsteller bei Witzleben und dieser betonte beim Ver- trage hierüber, dass Hoffmann, ehe seine Bestrafung einträte, erst gehört werden möge. Die hierauf von Hoffmann eingereichte Vertheidigungs- schrift war meisterhaft und der König bestimmte, dass ihm ein Verweis wegen begangener Indiscretion zukommen, von der Versetzung aber Ab- stand genommen werden sollte.*)

Diese Königliche Milde war der letzte Sonnensti-ahl, der Hoffinann's Krankenlager erhellte. Er starb wenige Monate darauf am 24. Juli 1822.

In einem nur in Fragmenten erhaltenen Memoire vom Jahre 1821 spricht sich Witzleben über ein mit dem Pabst abzuschliessendes Concordat dahin aus, dass durch ein solches die Blicke der katholischen ünterthanen des Königs von dem eigenen Lande abgezogen und dem Pabste zugewendet werden würden. Münster und Paderborn werden als die Länder bezeichnet, in denen die meiste Bigotterie herrscht, aber auch dort würde es nur der Clerus sein, der ein Concordat mit Rom ersehnte, „denn dieser sieht in dem Pabst nicht allein die Stütze seiner geistlichen, sondern auch seiner weltlichen Existenz. **

Wenn Witzleben den König auf den Inspectionsrwsen begleitete, so trat er mit den betreffenden Oberbehörden in Correspondenz, um die Namen derjenigen Personen zu erfahren, welche voraugsweise würdig waren, vom König ausgezeichnet, empfangen und zur Tafel gezogen zu werden. Nach den ein- gegangenen Antworten erfolgten dann die A'^orschläge Witzleben's, womit der König sich grösstentheils einverstanden erklärte. Doch nicht immer glückte es. „So war der König, als er am 14. Juni 1821 in Erfiirt die Räthe der Regierung und die Geistlichkeit empfangen sollte, sehr un- gnädig. Witzleben bat, ihn lieber auszuschelten, da er die Ursache sei, es aber den Leuten nicht entgelten zu lassen. Der König ging darauf zu den Herren, war gnädig, aber sehr kurz."

Unleugbar übte Witzleben einen giossen Einfluss auf den König aus,

*) Diese Mittheilung befindet sich in W.*8 Tagebuch, ist aber von fremder Hand, vielleicht nachträglich von Dorow, eingetragen.

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aber mMi würde sehr irren, wollte man behaupten, er habe den König bdierrscht, denn dieser stimmte nur dann den Vorschlägen seines vor- tragenden General-Adjutanten bei, wenn er durch ihn von der Nützlichkeit derselben überzeugt war.

Gewöhnlich mochte dies der Fall sein, aber doch nicht immer, und Witzleben, der Vielbeneidete, war keineswegs stets auf Rosen gebettet. So lesen wir in seinem Tagebuche vom 25. Juni 1821: „Gern ertrage ich Ton ihm (dem Könige) persönliche Kränkungen, theils weil ich ihm wahr- haft anhange, theils weil ich der Stelle, welche ich bekleide, gern meine Individualität opfere, aber ich bin immer auf das Tiefste erschüttert und ergriffen, wenn der König sich gegen Einrichtungen erklärt, welche die Hauptstützen seiner Monarchie sind."

Die sorgenvollste Zeit waren für ihn die Jahre 1830 und 1831, wo es galt, über Krieg oder Frieden die Entscheidung zu treffen.

Unmittelbar, als den König auf dem Wege von Dresden nach Filnitz die Nachricht von der Juli -Revolution ereilte, machte W, geltend, dass Preussen zur Wiedereinsetzung der Bourbonen keinen Krieg mit Frankreich zu fahren habe, womit der König auch völlig übereinstimmte. Es war aber nicht leicht, diese friedliche Politik aufrecht zu erhalten gegen die kriegerischen Bestrebungen des Kaisers Nicolaus und gegen die auch in Preussen vorhandene Kriegspartei, welche in den höchsten Regionen ihre Ver- tretung hatte. Witzleben entgegnete, als ihm einst von einer hohen Person die Zumuthung gemacht wurde, den König zum Kriege zu bestimmen: „Ich sage meinem König und Herrn auf Befragen meine Ansicht, im üebrigen fiihre ich dessen Befehle als sein gehorsamer Diener pünktlich aus."

Wie richtig die Handlungsweise des Königs war, zeigte sich deutlich, als die später ausbrechenden Revolutionen in Polen und Italien Russland's imd Oesterreich's Streitkräfte in vollem Grade in Anspruch nahmen und als die Revolten in Dresden, Braunschweig, Kassel u. a. 0. auch die Truppen der Mittel- und kleinen Staaten vollauf beschäftigten. Die ganze Last des Krieges wäre auf Preussen gefallen.*)

*) Anmerkung. Trotz aller schweren Sorge und Arbeit behielt VITitzleben fieinen gluck liehen Humor. Der Schreiber dieses war als junger Lieutenant mit Heinrich T. Witdeben eines Abends zum Thee bei dem General, der wie gewöhnlich einen Teller kraftiger Suppe ass. Wir suchten nun zu erfahren, ob die Mobilmachung nahe bevor- >tand, da kam die Staatszeitung, der General nahm sie zur Hand und sagte mit ernster Miene: „Nun kann ich Eure Neugierde befriedigen", und las aus der Zeitung,

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Trotz der Friedensliebe Friedrich Wilhelm III. blieb es aber doch zweifelhaft, ob den Anmassungen Frankreichs gegenüber der Krieg zu ver- meiden war. Die Süddeutschen Staaten waren von einem Einfall der Franzosen am meisten bedroht, und da der Zustand der Oesterreichischen Finanzen und des Oesterreichischen Heeres wenig Vertrauen erweckend war, so wendete man seine Blicke nach Preussen, welches Hilfe versprach und auch gewähren konnte. Würt^mberg, Baden, Darmstadt, vor allem aber der patriotisch gesinnte König Ludwig von Bayern säumten mit der Erklärung nicht, ihre Contingente erforderlichen Falls unter Preussens Führung zu stellen.

Witzleben, der schon viel ftr den Zollverein gekämpft hatte, hoffte jetzt auch die militaiiische Reform, zunächst die engere Verbindung mit Süddeutschland, durchzufechten. In diesem Sinne schrieb er am 1. Juli 1831 an Eichhorn, Geh. Legationsrath und Director im Ministerium der aus- wärtigen Angelegenheiten:

„Es scheint vor allen Dingen nothwendig, die gute Stimmung, welche sich bei den Süddeutschen Höfen kund gethan, zu nähren und zu be- festigen. Sie haben uns Vertrauen bewiesen, wir müssen dies largement erwideiTi. Der Charakter der Preussischen Politik ist Gradheit und Offen- heit — und so müssen wir uns daher gegen unsere Süddeutschen Brüder aussprechen. Das wahre Deutsche Interesse wird allemal ein Preussisches sein. Wünsche, die jenem nicht entgegen sind, werden daher von uns nur unterstützt werden können, und erleidet es keinen Zweifel, dass man sich mit Oesterreich leicht wird verständigen können",*)

Hierin irrte sich Witzleben, vielmehr setzte man von Wien aus alle Hebel an, um den engeren Anschluss der Süddeutschen an Preussen zu verhindern.

In Teplitz, wo der König von Mitte Juli bis Mitte August verweilte, während Witzleben Marienbad gebrauchte, war es Oesterreich gelungen, den König zu bestimmen, dass erst zwischen Preussen und Oesterreich eine Verständigung erzielt werden sollte, bevor man in der mit den Süd-

dass der Krieg beschlossen sei. Als wir laut aufjubelten, gab er an Heinrich die Zeitung und sagte: „Lies selbst.** Leider stand von dem Vorgelesenen kein Wort in dem Blatt und wir mussten unsem Kriegseifer dämpfen.

*) Wir folgen hierin, wie in der ganzen Erzählung, dem glänzenden Aufsatz in von J. G. Droysen „Zur Geschichte der Preussischen Politik von 1830 -—1832. Zeit- schrift für Preussische Geschichte und Länderkunde 1874.**

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deutschen Höfen eingeleiteten Verhandlung zum Abschluss schritt. In Berlin gelang es später dem gewandten Diplomaten, General -Major Clam Martinicz, welcher am 16. Septbr. einti-af, mit Knesebeck in Be- rathung zutreten.

Das Ergebniss derselben wai- das üebereinkonmien: die sämmt- lichen Bundesfiirsten durch armeecorpsweise gewählte Bevollmächtigte bei dem Defensionsplan für den von Seiten Prankreichs abgedrungenen Defen- sionskrieg mitwirken zu lassen, und dabei sich nach der durch die Bundes- militairverfassung sanctionirton Form zu richten. Das besondere Abkommen Preussens mit den Süddeutschen Staaten war also aufgegeben.

Graf Bemstorflf*) nahm seinen Abschied und Witzleben, der so wird erzählt beim Könige dringende Vorstellungen gegen diese Mass- regel machte, wurde von demselben seiner Einmischung wegen ernst ver- wiesen. Richtig ist es, dass Witzleben tief erschüttert aus dem Cabinet des Königs kam und schwer erkrankte. (Droysen).

Er war vom 29. Januar bis zum 18. Apiil 1832 genöthigt, das Haus zu hüten. Es trat häufiges Erbrechen ein; Rust sagte, er litte an Gallenstein, doch würde Karlsbad das Uebel vollkommen heilen. Am 28. April ging er zum erstenmal wieder zum Könige, der ihn mit unendlicher Gnade empfing.**)

Der König nannte ihn „seinen Freund, seinen Mitarbeiter an seinen grossen Plänen zur Beglückung seines Volkes". Bereits 1817 entgegnete dei- König dem Grossherzog von Baden, der ihm von seiner Zuneigung zu Witzleben sprach und demselben sein Ordensband geben wollte: „Sie können Ihren Orden keinem Würdigern geben als meinem Witzleben, den ich nicht als meinen Diener betrachte, sondern als meinen Freund; ich habe viele gute und ausgezeichnete Diener gehabt, habe aber nie einen besessen, der mich so verstanden und mir die Arbeit so erleichtert hat". Hardenberg, die Brüder Humboldt, Motz nannten ihn ihren Fieund und zogen oft seinen ungetrübten klaren und einfachen Verstand zu Rathe, wie solches öfter vom Fürsten Hardenberg anerkennend geäussert wurde und wovon auch schriftlich die Beweise vorliegen.

Der evangelische Bischof Eylert giebt in seinen „Charakterzügen Friedrich Wilhelm III.", Bd. IL S. 167 ff. eine längere Charakteristik

*) Minister der Auswärtigen Angelegenheiten. **) Ans dem Tagebuche. Beruht daher die obige Mittheilung Droysen's auf Wahrheit, so wurde das innige Verhältniss doch nur auf kurze Zeit gestört.

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Witzleben*s, die, wenn auch in etwas breitem Predigtstyle abgefesst, im Gmnde ein treffendes Bild giebt. Er sagt: „Witzleben ist einer der merkwür- digsten und man muss hinzusetzen einer der wichtigsten Zeitgenossen des Hochseligen Königs, der sich um ihn, wie um den ganzen Preussißchen Staat mittelbar, grosse Verdienste erworben hat und in der Geschichte nicht vergessen werden darf. Er gehört zu den glücklich organisirten Naturen, die bei ge- sundem offenen lebendigen Sinne die Fähigkeit für eine universale Bildung be- sitzen und Alles können, was sie wollen. Solche Naturen wollen aber in der Regel nichts emstUch, und weil sie Schnell allen eindringenden Eindrücken sich öffnen, eilen sie von Einem zum Andern, fassen nichts tief und gründlich auf, und wenngleich angenehm im gewöhnlichen Umgänge, vermag ihre Flachheit es doch nicht, etwas Tüchtiges, was innere Ausdauer ^nd Selbstbeherrschung verlangt, zu leisten. Bei Witzleben war es anders. Mit den glücklichsten Anlagen für Klarheit verband er Tiefe, und bei dem ihm angebomen Durste nach Erkenntniss war es ihm Bedürfiiiss, Alles in der Wurzel auf- zufassen und gründlich wissen zu wollen. Bei aller intensiven Lebendig- keit war ihm (eine seltene Erscheinung) dennoch eine gewisse Stätigkeit eigen, in der er ruhig fortschritt, sonderte, ordnete und bewahrte, so dass nichts bei ihm verworren und zerflossen durcheinander lag, sondern Alles klar in bestimmten umrissen ihm vor Augen stand. Der König nannte ihn „einen glücklich organisirten Kopf". Zu der ungewöhnlichen Lebens- richtung, die er genommen und in welcher er so viel geleistet, hat das Meiste beigetragen der unglückselige Feldzug 1806, den er, 21 Jahre alt*) mitmachte. Der Jammer, die Schmach und Zerschmetterung der damaligen verhängnissvollen Zeit öfi&iete dem edlen aufstrebenden Jüngling die Augen über die wahren, tief liegenden Ursachen der eingetretenen und verschuldeten Landes -Calamität. In dieser Züchtigung wurde er gebeilt von den damals noch grossen Vorurtheilen der Geburt, des Standes und Banges und sein Blick und Urtheil wurden klar, den bleibenden Werth des Menschen fortan nur da zu suchen, wo er allein, abgesehen von äusseren Begünstigungen, zu finden ist, in persönlicher Würdigkeit und Tüchtigkeit. Das schmachvolle Joch einer eisernen Zeit, welches sein fireier Nacken nicht zu tragen vermochte, erfüllte seine Brust mit der still verborgenen Gluth der Rache gegen die höhnenden Fremdlinge, die sein theures Vaterland schändeten. Mit Begeisterung las er die classischen

*) Eylert irrt: es muss „23 Jahre alt" heissen.

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Schriften der Alten. Das Heroenbild Friedrich des Grossen senkte sich in seine Seele und sein biederer Vater, ein ehrwürdiger Veteran aus der Zeit des siebenjährigen Krieges,*) nährte die lodernde heilige Flamme in dem Herzen seines sich immer hoffnungsvoller entwickelnden Sohnes. Ernst, in sich gekehrt und brütend ging er einher; die buschigten Brauen über seinen scharfen, fixirenden Augen senkten sich immer tiefer und ein Ritter wie Ulrich von Hütten und Franz von Sickingen, war Hermann sein Held und Ossian sein Lieblingsdichter. So gesellte er sich in Ge- sinnung und Richtung, ohne es ahnen zu können, verborgen den grossen Männern bei, die unter dem Drucke einer läuternden Zeit für eine bessere sich stählten und, als diese gekommen war, des unterdrückten Vaterlandes Helden und Retter waren.

„Wer die Geschichte der Wiedergeburt des preussischen Staates in ihrer leisen Einleitung, in ihrer kräftigen Entwickelung und in ihrer weisen Erhaltung kennt, der wird in militairischer Hinsicht nach den unsterblichen Namen Schamhorst, Gneisenau und Clausewitz ist von leitender Intelli- genz die Rede Witzleben nicht vergessen. Denn vom Jahre 1816 bis 1836, also durch volle 20 Jahre, stand er nach seiner amtlichen Stellung im Mittelpunkte dieser neuen Schöpfungen, und alles Grosse und Ausgezeichnete, was nach errungenem Frieden zum Heil des Vaterlandes darin geschehen, hat zunächst er mit dem Könige besprochen, berathen und bearbeitet. Seine klare, richtige und schnelle Auffassungsgabe, seine energische Kürze, in der er, namentlich schriftlich, kein Wort zu viel und keins zu wenig sagte, seine Bestimmtheit und Consequenz, Zuverlässigkeit und Ausdauer machten ihn dem Könige werth, wichtig und unentbehrlich, und in seiner langen Regierung hat dieser durch kein Organ unmittelbar mehr gewirkt, als durch Witzleben, in den besten Jahren seiner frischen männlichen Kraft. Da sein klarer gesunder Verstand alles Vorkommende richtig auflFasste und überall sich schnell orientirte, so hatte der König för alle Auftrage auch keinen treuem üeberbringer und bessern Ausleger als ihn, selbst in kirchlichen Angelegenheiten. Sein praktischer Verstand, sein christliches frommes Gemüth, sein ernster Sinn fasste auch diese in ihrer Tendenz scharf und richtig auf, und wenn ich in den mit ihm ge- habten vieljährigen kirchlichen Berathuugen auch nicht den gelehrten Theologen fand, so erfreuete und erquickte mich doch in dem General

*j Irrthum von Eylert: Job's Vater war ja erst 1755 geboren.

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der klare, gläubige, von Herzen fromme evangelische Christ. Was ist es doch fiir eine köstliche Sache um die Wahrheit und Liebe zu ihr, sobald man mit Ernst und von Herzen nur sie allein und sonst nichts Anderes will! Dieser Wahrheitssinn, lebendig geworden in der Brust, giebt dem Verstände Klarheit, dem Herzen Muth, der Sprache den rechten Ton, so dass die Wahrheit selbst darin überzeugend und gewinnend hervor-, ihr Sprecher aber anspruchslos zurücktritt. So stand Witzleben vor seinem Könige fest und ruhig, offen und unbefangen, jedesmal seiner Sache gewiss, im tiefen Respeckt vor seinem Landesherm, aber in einem noch tiefem vor der Wahrheit und ihrer ewigen Herrlichkeit. Freimüthig und ganz, wie er sie erkannt, sprach er sich aus; Zweizüngigkeit und Zweideutigkeit war seiner edlen ritterlichen Natur unmöglich. Für einen regierenden Herrn, der nur angenehme Wahrheiten hören will und dem man die unangenehmen nicht anders als im Dufte des Weihrauchs sagen darf, hätte Witzleben auch nicht einen Tag gepasst; für König Friedrich Wilhelm III., den Wahrhaftigen, war er gerade der rechte Mann. Er ehrte ihn als seinen freisinnigen Rathgeber und liebte ihn als Freund in nie getrübter wechselseitiger Anhänglichkeit durch volle 20 Jahre bis zum Tode. Reiner und treuer, mit ganzer Seele, aus vollem Gemüthe und aus allen Kräften kann man nicht dienen, als er gedient hat. Arbeit war seiner stoischen Natur Qenuss, und das, was die Welt ein freudevolles Leben nennt und welches er, von allen Seiten verehrt und begehrt, hätte geniesseri können, wollte und mochte er nicht. Einsamkeit und ihre stillen Nächte liebte er am meisten und er fühlte sich am glücklichsten in dem ruhigen Potsdam. Hochgestellt und vielvermögend blieb er schlicht und bieder, einfach und anspruchslos, auf seiner Brust war für alle Orden und Ehrenzeichen nicht Raum mehr, aber gerne und allein trug der ernste und eisenfeste Mann nur das eiserne Kreuz. Tagtäglich von Menschen aus allen Ständen angesprochen, blieb er in festgesetzten Sprechstunden zugänglich und ertrug die Qual des An- und üeberlaufens mit sich gleichbleibender freundlicher Ruhe und Gelassenheit; doch war seine Ant- wort stets bestimmt und kurz. Gegen Zumuthungen und Insinuationen, um durch seine Empfehlung etwas zu erlangen, schützte ihn schon sein ernstes spartanisches Angesicht, und wo er Schleichwege witterte, flammte sein Zorn auf. Vorsichtig, klug, verschlossen, an sich haltend und zurück- weisend, wo er aus Pflicht es sein musste, wai* er offen, heiter, gutmüthig, ausschüttend und hingebend, wo er es sein konnte. Vertrauliche Gespi-äche

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in der Abendlaube, im Anblick des von der untergehenden Sonne vergol- deten Branhausberges an der Havel, waren ihm Genuas und Erholung. Wer da ihn beobachtet und gehört, der hat in dem hochgestellten Staatsmanne zugleich den reinen, edlen und gemüthvollen Menschen, den anfstrebenden Christen kennen gelernt. Am liebsten und jedesmal mit Begeisterung sprach er von seinem Könige und Herrn. „Tagtäglich (das waren seine Worte) sehe und höre ich Ihn; aber nie gehe ich von Ihm, ohne mich nicht jedesmal wieder gehoben, gestärkt und befestigt zu finden. In stiller Gewalt bin ich an Ihn gefesselt und kann nicht von Ihm lassen, ob ich gleich fühle, dass ich in seinem Dienste untergehen und vor der Zeit sterben w«rde. Und so ist's auch gekommen. Witzleben hat sich notorisch zu Tode gearbeitet und ist, thätig bis zur Erschöpfung, auf langem schmerzvollem Krankenlager eines zehnfachen Todes für König und Vaterland gestorben".^

Aehnlich beurtheilt ihn Minutoli; die kürzeste und treffendste Charak- teristik finden wir aber in einer Brochüre*), die der damalige Bittmeister, jetzige General- Feldmarschall, Freiherr Edwin von Manteufifel zur Recht- fertigung seines Schwiegervaters gegen die Beschuldigungen schrieb, welche der Baron Wilhelm von Rahden in seinen vielgelesenen „Wanderungen eines dten Soldaten" II. Tbl. S. 170, 266, 349 und 562 ausspricht.

Wir lesen in der gedachten Brochüre:

„General von Witzleben war ein Mann, dessen Name durch seinen ausgebreiteten und einflussreichen Wirkungskreis in die Geschichte Preussens verflochten ist, ein Mann, der 20 Jahre das volle Vertrauen seines Monarchen besessen, den König Friedrich Wilhelm lET. seinen Freund genannt hat und von dem es gewiss ist, dass er sich durch unermüdlichen Eifer in dem Dienst seines Herrn und des Vaterlandes einen frühen Tod zugezogen hat."

Uebrigens hatte die Brochüre ihre volle Wirkung und zur Ehre des Herrn von Rahden müssen wir erwähnen, dass er der verwittweten Frau von Witzleben reuevoll Abbitte that, alle seine Anschuldigungen als unwahr bezeichnete und es ihr freistellte, diese seine Erklärung zu veröffentlichen, wovon jedoch Abstand genommen wurde.

*) Widerlegung der von dem Hauptmann a. D. von Rahden gegen den ver- storbenen Kriegsminister General-Lieutenant von Witzleben erhobenen Beschuldigungen. Berlin 1848, E. S, Mittler.

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Von den vier Söhnen des Kriegsministers lebt jetzt nur noch der Oberst a. D. Eric von Witzleben, welcher 1864 beim Uebergang nach Alsen als Commandeur des 3. Jäger- Bataillons schwer verwundet wurde; von dieser Verwundung gab er den Kameraden vom 2. Garde -Regiment, bei dem er früher gestanden, durch ein Gedicht, wie es nur ein Preussischer Officier dichten kann, Kunde.

Ein Vers davon ist in unserm Gedächtniss geblieben:

„Bei Kiär that er (der Däne) sich setzen, Hei da ging mein Bock in Fetzen, Eine Kugel in die Brust, Für den König welche Lust!"

Die beiden jüngsten Söhne Berthold und Albrecht starben in der Blüthe ihrer Jahre als begabte hoffnungsvolle Officiere.

Dem ältesten Job widmen wir die nachfolgenden Blätter.

Job von Witzleben, General -Major.

Job Wilhelm David Carl Heinrich von Witzleben wurde am 4. August 1813 zu Kynau (Kienau) in Schlesien, Waldenburger Kreis, geboren, wohin seine Mutter von Breslau aus gereist war, um ihren Mann während des WaflFenstillstandes zu besuchen.

So ein echtes Soldatenkind, mitten im Feldlager zur Welt gekommen, zeigte er auch von frühester Jugend an die leidenschaftlichste Liebe für den Soldatenstand.

Von früher Jugend an war Job ein Liebling seiner Eltern, Freunde und Lehrer. Letztere waren die Candidaten Walther und Seydig, von denen der Erstere, jetzt General- Superintendent in Bernburg, sich noch immer mit grosser Freude seines Schülers erinnert, und Seydig seine An- hänglichkeit an die Familie bis in sein spätestes Alter bewahrte, indem er sich mit aller Liebe der Einsegnungen, Trauungen und Taufen unterzog.

Job wurde ein sehr gern gesehener Spielkamerad des Prinzen Albrecht, mit dem er bei Charlottenburg Schanzen erbaute, stüimte und vertheidigte. Aus dieser Jugendliebe bildete sich ein festes Freundschafts -Verhältniss, und auch nach Job's Tode behielt der Prinz ihn in treuem Andenken.

Frühzeitig zeigte Job zur giossen Freude seines Vaters musikalisches Talent. Dm dasselbe gründlich auszubilden, wurden die ausgezeichnetsten

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Lehrer angenommen. Aber dem lebhaften Knaben widerstrebte ein systematischer Unterricht; er entlief seinem Lehrer und als Ermahnungen und Strafen keine Aenderung hervorbrachten, wurde der üntemcht gänzlich aufgehoben. Dies sollte nach des Vaters Ansicht als Strafe dienen, gefiel Job aber ganz wohl, der, froh des Zwanges überhoben zu sein, sich jetzt heimlich an das Klavier setzte, um hier seinen Fantasien freien Lauf zu bissen.

Als Job einst das ünglüct hatte, den Puss zu brechen und das Bett hüten musste, liess man auf seine Bitten einen Tambour kommen, der ihm Unterricht im Trommeln gab. Bei seinem scharfen Taktgefühl und seiner Geschicklichkeit wurde er bald ein perfecter Trommler und durfte es wagen, den Zapfenstreich von der Königswache aus mit dem Tambour zu schlagen. Der König beobachtete dies öfters vom Fenster aus mit Wohlgefellen und belohnte auch wohl den jugendlichen Tambour mit einer Tasse Thee.*)

Job hatte ein so glückliches musikalisches Gehör, dass er jede Melodie, die er gehört, auf dem Klavier nachspielen konnte, später begann er Märsche und Tänze zu componiren, von denen einige, wie z. B. die „Garde-Husaren-Polka" allgemeine Verbreitung fanden. Man sandte ihm sogar dafür aus New- York eine grosse Kiste vorzüglicher Havanna-Ciganen, um, wie in dem sehr artigen Begleit-Schreiben gesagt wurde, sich für den Genuas, den die Polka geschaffen, dankbar zu erweisen.

Im Jahre 1838 befahl der König, dass zur Zeit der Anwesenheit der russischen Herrschaften bei den Manövern des IV. Armee-Corps ein grosser Zapfenstreich nach russischer Ait in Magdeburg stattfinden solle. Job, der zur Dienstleistung bei Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Carl commandirt wai* und 1835 dem russischen Zapfenstreich in Kalisch öfter beigewohnt hatte, wurde bestimmt, die Musikaufführung in's Werk zu setzen. Er vollbrachte dies mit so vielem Geschick, dass er sowohl vom Könige, dem Kaiser, als auch vom Prinzen Carl viel Schmeichelhaftes darüber hörte und von dem Letzteren einen sehr schönen Säbel erhielt, den er bis zu seinem Tode trug.

Einstmals reiste Job im Gefolge des Prinzen Carl nach Baden-Baden und traf daselbst den Herzog Maximilian von Bayern, dem er schon früher

*) Als Verfasser dieser Lebensskizze einst auf Königswache war, gesellte sich Job dem Tambour zu und schlug mit demselben den Zapfenstreich zum Schrecken d?s wachthabenden Vetters.

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vorgestellt war und der ihn wegen seiner Ältermutter, Esther Marie von Witzleben, als Vetter anredete. Auf Wunsch des Prinzen Carl spielte der Herzog eines Abends die Zitter, worauf er Meister war. Hinterher musste Job sich an das Klavier setzen und entzückte den Herzog durch seinen guten und ruhigen Vortrag einer Steyerischen Melodie so, dass dieser ihn bat, ein Duett mit ihm zu versuchen; er wolle die Melodie vorspielen, Job solle folgen, lieber alle Erwartung glückte das improvisirte Concert und wurde täglich wiederholt. Was hätte Job in der Musik leisten können, wenn sein Talent gründlich ausgebildet worden wäre!

Um das musikalische Kapitel zu schliessen, sei noch erwähnt, dass Job, als er Regiments-Commandeur wurde, sehr viel fiir sein Musikcorps that und bestrebt war, der Cavallerie-Musik die Trommel anzufügen, wie dies früher bei den Dragonern der Fall gewesen war.

Kehren wir nun zu Job's Jugend zurück:

Mit seinem 13. Jahre (1826) kam Job nach Rossleben und blieb auf der dortigen Klosterschule, bis er 1831, auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters, in die reitende Garde-Artillerie eintrat, obgleich er grössere Neigung zur Cavallerie zeigte. Er ward trotzdessen ein tüchtiger Artillerist und spielte in dieser WaflFe schon als Fähnrich eine gewisse Rolle. So zeichnete er Anfangs 1833 den grossen Lütticher Mörser, Hess ihn litho- graphiren, verkaufte die Blätter zum Besten der Wittwen und Waisen der bei der Vertheidigung der Citadelle von Antwerpen gefiallenen Artilleristen und schickte im März 1833 den Erlös, 5 Dukaten und 2 Friedrichsd'or, an den Prinzen Friedrich der Niederlande nach dem Haag.

In demselben Jahre wurde Job, der inzwischen zum Lieutenant be- fördert war, von seinem Vater auf einer Reise nach Italien mitgenommen. Einige Jahre darauf bereitete er denselben nach Aachen und machte von hier aus einen kleinen Abstecher nach London.

Nur noch wenige Jahre nach der Rückkehr aus Aachen sollte Job das Glück haben, seinen ausgezeichneten Vater zu besitzen. Bald nach dessen Tode, 9. Juli 1837, versetzte der König Job, auf seinen Wunsch, zu dem Garde-Husaren-Regiment, in welchem er 1845 Premier-Lieutenant und 1850 Rittmeister wurde. Zwei Jahre später ernannte ihn der König Friedrich Wilhelm IV. zum persönlichen Adjutanten des Prinzen Carl.

Er wusste sich in der Gunst des Prinzen zu erhalten, vergass im vertrautesten Umgänge mit ihm und selbst bei den heitersten Scherzen nie seine Stellung und überschiitt auch in der ausgelassensten Laune nie

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die richtige Grenze. Er sprach, wo es gestattet war, seine Ansicht un- umwunden aus, namentlich, wenn es galt, für Bedrängte oder Verläumdete einzTitreten. „Die Wahrheit pflegte er zu sagen gehört in's Hunde- loch, aber darum sage ich sie doch."

Man schätzte Job bei Hof als heiteren Gesellschafter und grund- ehrlichen Menschen. Er ward von den Königen Friedrich Wilhelm HI. und IV. gern gesehen, hatte das Glück, sich die Zuneigung des Prinzen Yon Preussen, jetzigen Kaisers und Königs, zu erwerben und wurde von den Prinzen Carl, Albrecht und Friedrich Carl als Freund behandelt. Auch der Herzog von Braunschweig war ihm zugethan und wünschte ihm die Stelle als Hofmarschall zu geben, aber Job war viel zu sehr Soldat und an die Königliche Familie gefesselt,' um dem ehrenden Anerbieten Folge zu leisten.

Auf allen Hofbällen war Job ein gesuchter Tänzer, bei allen Fest- aaffahrungen eine gesuchte Persönlichkeit.

Bei einem im Palais des Prinzen Albrecht stattfindenden Maskenball tanzte Job einst als Spanierin die Cachouca mit einer Leichtigkeit und Anmuth, dass ein sehi- bekannter hoher General, der die Verkleidung nicht ahnte, seinen Entrechats vor Beginn des Tanzes mit grossem Ge- Sllen zuschaute. Der Schelm Job spielte dabei ebenso kokett wie ge- schickt mit dem Fächer, dass man seinen Schnurrbart nicht bemerkte und verdoppelte den Huldigungen des Generals gegenüber seine gracieusen Bewegungen. Nach vollendeter Auflführung trat der König Friedrich Wil- hehn 111. zu ihm heran, sagte ihm viel Schmeichelhafl;es über Aussehen und Tanz und schloss mit den Worten: „Werde das Ballet abschaffen, komme viel billiger dazu, wenn die Lieutenants früh exerciren und Abends im Ballet auftreten."

Gleiches Glück machte Job bei der Darstellung des „Hoffestes von Perrara". Hier tanzte er als Bär die Cracovienne und erntete grossen BeifeU, freilich ohne die Huldigungen jenes Generals.

Aber nicht nur zu Scherz und Spiel wurde der heitere, lebensfrische, geistsprudelnde Officier verwandt, auch zu ernsten Vertrauenssachen be- nutzte ihn sein König und Herr, da er sich auf seine völlige Hingebung und seine unbedingte Verschwiegenheit verlassen konnte.

Der Belagerung von Düppel 1864 wohnte Job auf kurze Zeit aus dgenem Antriebe bei und erstand in Rendsburg aus den eroberten Dänischen Geschützen eine eiserne Kanone, welche er vor seiner an den

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Ufern des Griebnitzer Sees liegenden „Datscha" aufstellte. Diese hatte er sich auf einem von dem Prinzen Carl geschenkt erhaltenen Terrain im russischen Landhausstyl erbaut und verlebte in derselben mit seiner Frau viele glückliche Tage.

Nach längerer Bewerbung war es Job gelungen, Fräulein Marie, Tochter des Geheimen Commissionsraths und Alt-Goldschmidts Sr. Ma- jestät, Johann Georg Hossauer, heimzuführen. Am 6. December 1849 fand die Trauung in der Matthäi-Kirche statt, welcher S. K. H. der Prinz Carl als Zeuge beiwohnte.

Es dürfte nicht ganz uninteressant sein, zu erfahren, wie Job in dem Hossauefschen Hause Eintritt erhielt.

Als König Friedrich Wilhelm Hl. 1818 mit seinem Sohne, dem Prinzen Carl, und seinem Flügel- Adjutanten Job von Witzleben, dem späteren Eiiegsminister, eine Beise nach Paris unternommen hatte und sich dort längere Zeit aufhielt, bat ein junger, talentvoller Goldschmidt, Namens Johann Georg Hossauer, bei Witzleben um Audienz. Hossauer arbeitete in einer grossen Fabrik, in welcher plattirte Sachen verfertigt wurden, ein Industriezweig, der damals nur in England und Frankreich blühte, in Deutschland und Preussen aber noch unbekannt war. Der Fabrikbesitzer hatte Hossauer auserwählt, um dem Könige die vorzüg- lichsten Gegenstände seiner Fabrik vorzuzeigen. Der Wunsch ging durch die Vermittelung Witzleben's in Erfiillung, ja er bewirkte, dass dem jungen talentvollen Manne vom Könige die Mittel gegeben wurden, den neuen Industriezweig nach Preussen zu verpflanzen.

Hossauer siedelte bald darauf nach Berlin über, wurde später zum Alt-Goldschmidt Sr. Majestät ernannt und fand grossen Gefallen an dem muntern Job, wenn dieser mit seinem Vater oder Lehrer die neue Werk- statt besuchte. Im Jahre 1828 wurde ihm eine Tochter geboren, um welche sich Job, sobald sie zur Jungfrau erblüht war, wie wir gesehen, mit Glück bewarb.

Job fahrte eine sehr glückliche Ehe. Seine Frau nahm den regsten Antheil an allen seinen vielfachen Interessen und voller Lebensklugheit wusste sie ihn durch ihre Geistesfrische so an das Haus zu fesseln, wie es wohl wenig Frauen geglückt sein würde. Auch mit ihrer Schwieger- mutter, die ihren Sohn mit grosser Zärtlichkeit liebte, wusste sie ein gutes Yerhältniss zu bewahren.

Einige Jahre vor seiner Verheirathung, 1844, hatte Job einen sechs-

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monatlichen Urlaub erhalten; er besuchte zuerst England, duiöhreiste sodann Prankreich, setzte nach Algier über und richtete sich nach seiner Buckkehr in Potsdam ein Zimmer mit allem Zauber des orientalischen Geschmacks ein.

Im Jahre 1846 ward Job die Ehre zu Theil, den Prinzen von Preussen nach Petersburg zu begleiten, als man dort die Vermählung der Grosslurstin Olga mit dem damaligen Kronprinzen, jetzigem Könige von Württemberg, feierte. Job war schon ein alter Bekannter der Kaiserlichen . Familie und ward als solcher von ihr aufgenommen. Nicht genug kann er in seinen sehr interessanten Briefen an die Mutter von der grossen Liebenswürdigkeit des Kaisers, der Kaiserin erzählen, die ihn mit Gnaden überschütteten, nicht genug den Zauber schildern, den die Grossfürstin Olga um sich verbreitete. Von dem Kaiischen Lager her war Job in der russischen Armee bekannt und wurde jetzt von den russischen Officieren als liebenswürdiger Kamerad um so herzlicher empfangen, als man gewahrte, in wie hoher Gunst er bei dem Kaiser und der Kaiserin stand.

Vier Jahre später, 1850, war Job im Gefolge des Prinzen Friedrich Carl abermals in Petersburg. Man feierte das ISOjähiige Jubiläum des R^iments Ismailow, welches neue Fahnen erhielt. Der Kaiser befahl auch Job, einen Nagel in dieselbe einzuschlagen. Er that dies, indem er mit lauter Stimme ausrief: „Mit Gott stets zum Siege mit Eurer Kaiser- lichen Majestät!" worauf der Kaiser hinzufügte: „Aber nur mit Euch vereint!" „Diese Worte schreibt Job sind mit Flammenschrift in mein Herz geschrieben".

Job versäumte auch keine Gelegenheit, der Kaiserin, die ihn so sehr auszeichnete, Aufmerksamkeiten zu erweisen und liess u. A. sich von seiner Mutter einen Baumkuchen aus Berlin nach Petersburg schicken, da er wusste, dass die Kaiserin denselben, gleich ihrem. Königlichen Vater, gern ass.

Zum letztenmal war Job in Petersburg, als er 1855 der feierlichen Beisetzung des am 2. März gestorbenen Kaisers Nicolaus beiwohnte.

Von seinen anderen Reisen soll nur erwähnt werden, dass er mehr- mals mit dem Prinzen Albrecht im Haag war und als persönlicher Adjutant des Prinzen Carl mit diesem öfters Böhmen, Oestreich und Italien bereiste, so dass Job bald an allen Höfen eine gekannte und sehr beliebte Persönlichkeit ward. Mehrfach erhielt er auch, wenn mit diesen Reisen die Beiwohnung von grösseren Manövers verknüpft waren, besondere Aufträge,

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die sich meistens auf die Bekleidung und Ausrüstung fremder Cavallerie bezogen.

Die ihm vom Prinzen Carl so vielfach erwiesenen Qnadenbeweise belohnte Job dm'ch treue Hingebung.'

Als der Prinz am 30. November 1852 bei einer Parforcejagd hinter dem Stern das Unglück hatte, zu stürzen und sich einen lebensgefährlichen Beckenbruch zuzuziehen, wich Job nicht von dem Krankenlager und gönnte sich erst am 6. Ts^e, als die Aerzte die Hoi&ung ausgesprochen, dass die Lebensgefahr vorüber sei, einige Stunden Schlaf auf einem Ruhebette. Nie hat der Prinz diese Treue und Hingebung vergessen.

Es. fiel daher demselben, wie seinem Adjutanten, sehr schwer, sich von einander zu trennen, als dieser im Juli 1860 zum Oberstlieutenant und C!ommandeur des Ulanen -Regiments Kaiser Alexander von Russland (1. Brandenburgischen) No. 3 in Fürstenwalde ernannt wurde.*) Dafür trat er jetzt zu dem Sohne, S. K. H. dem Prinzen Friedrich Carl, welcher zu gleicher Zeit das General -Commando des III. Armee -Corps erhalten hatte, nach vielen Jahren wieder in dienstliche Beziehung, denn von 1849 bis 1851 hatten beide bei dem Garde -Husaren -Regiment zusammen gestanden.

Der Prinz schenkte Job unbedingtes Vertrauen und empfand far ihn wahre Freundschaft.

Und nicht durch Schmeicheleien war diese Freundschaft erworben, sondern durch Geradheit und Offenheit. Der' Prinz wohnte, wenn er nach Fürstenwalde kam, bei Job und war hier der liebenswürdigste und an- spruchsloseste Gast, den man sich nur denken kann.

„Ich habe sagte der Prinz nach dem Tode Job's zur Wittwe viel verloren, ich habe meinen einzigen Freund verloren, Job kann mir nie ersetzt werden".

In Fürstenwalde flösste Job seinem Regiment frischen Reitergeist ein und brachte ein nie gekanntes Leben in die sonst so stille Gamisonstadt Bald hatte er bei seiner eigenthümlichen Art, die Menschen zu behandeb, die widerspännstigsten Charaktere flir sich gewonnen und die Stadt er- füllte gern alle seine billigen Wünsche. Er wurde Ehrenmitglied der Schützehgilde, nachdem er auf dem Scheibenstande den besten Schuss gethan und die zweite Gamisonstadt des Regiments, Beeskow, beeilte sich,

*) Im Jahre 1856 war er als Major dem Begiment bereits aggregirt worden.

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flun das Bürgerrecht zu verleihen. Er hatte 1858 auf dem Marktplatz Lindenbäume pflanzen lassen und das Herz der Schuljugend gewonnen, indem er ihr Trommeln und Trompeten zu ihren Exercitien geschenkt hatte.

Nie liess Job eine Gelegenheit vorübergehen, seinem hohen Regiments- Oief Aufinerksamkeiten zu erweisen. Selbst wenn der Kaiser auf seinen Reisen nur an Fürsten walde voruberfuhr, liess er, nachdem in Berlin die Erlaubniss dazu eingeholt war, das Regiment auf dem Bahnhof in Parade aofinarschiren, damit es der Kaiser im Vorbeifahren sehen konnte. Aus den reichen Douceurgeldem*) stiftete er u. A. eine Vorschusskasse, aus welcher bedürftige Of&ciere gegen geringe Zinsen Darlehne erhalten konnten. Aber auch viele Bekannte befreite er durch eigene Mittel aus drückender Geldverlegenheit. Durch diese Generosität und die vielen anderen Aus- gaben, welche duich seine Genialität veranlasst wurden so schenkte er dem Füsilier-Bataillon des 2. Garde- Regiments, dessen Commandeur sein Tater 1813 gewesen, bei dem 50jährigen Jubiläum eine werthvolle Trom- p^ gerieth Job selbst sehr oft in Geldverlegenheiten. Wenn ihm Torwürfe darüber gemacht wurden, sagte er stets: „Wenn ich sterbe. Unterlasse ich soviel^ dass meine winzigen Schulden mehr als zehnmal bezahlt werden können."

Job hatte bei alledem viel Sinn für Häuslichkeit, fast alle Abend versammelte er Kameraden um sich, die hier ihre Parthie spielten und sich bei einem bescheidenen Abendessen sehr wohl befanden.

Nachdem Job das Regiment etwa 5 Jahre gehabt hatte, wurde er, inzwischen zum Oberst befördert, zum Commandeur der 9. Cavallerie- Brigade in Glogau ernannt. Er trat somit in das V. Armee-Corps ein und machte demnach unter dem General von Steinmetz den Feldzug von 1866 gegen Oestreich mit, nachdem er kurz nach Ausbruch desselben zum General-Major ernannt worden war.

Er wurde der Cavallerie- Division der IL Aimee unter dem General von Hartmann zugetheilt und übernahm das Commando der Avantgarde.

Hatte auch diese Cavallerie -Division zu Job's Schmerz in diesem Feldzuge keinen grossen Reiterkampf zu bestehen, um so tbätiger war er bei kleineren Gefechten, unter denen hier nur das von Rokeinitz (15. Juli) erwähnt werden soll. Nach den Friedensverhandlungen bei Nickelsbm-g begann am 30. Juli der Rückmarsch in die Heimath. Beim üeber-

*) Der Kaiser schenkte dem Regiment nach jeder Besichtigung 1000 Dukaten.

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schreiten der Preussischen Grenze sprengte Job vor seine Brigade, Hess Lalten, nahm den Helm ab und sprach: ,,Lasst uns dem Herrn danken, dass wir nach glücklich erfochtenem Siege wieder den heimathlichen Boden betreten," und jeder Soldat verrichtete sein stilles Gebet. Der Divisionsprediger aber kam zu ihm, sprach seinen Dank aus, obgleich er durch den General beschämt sei, da dieser, und nicht er bei dieser Ge- legenheit zuerst dem Danke an Gott Worte gegeben habe.

Nach Rückkehr in die Friedensgarnison erkrankte Job in Folge eines organischen Herzleidens und die im März 1867 erfolgte ärztliche Unter- suchung ergab, dass eine Eur in Marienbad durchaus nöthig sti. Doch als bereits Alles zur Abreise angeordnet war, ereilte ihn am 21. April ein Herzschlag und endigte sein Leben. Seine Leiche wurde nach Berlin übergeführt und auf dem Invalidenkirchhofe in der Nähe seines Vaters und seiner 1858 verstorbenen Mutter beigesetzt.

Die vielen Beweise der Theilnahme von Hoch und Niedrig bekundeten die grosse Liebe, welche Job sich erworben hatte. Unterwegs wurde der Sarg mit so viel Blumen und Kränzen geschmückt, dass der ganze Wagen von den Liebesgaben angefüllt war.

Von Nah und Fem eilten Officiere nach Berlin, um Job die letzte Ehre zu ei'weisen, und die Wachtmeister seiner Brigade hatten sich frei- willig zm* Leichenwache gemeldet.

Zu der feierlichen Beisetzung befahl Se. Majestät der König, dass die Batterie der Garde-Artillerie, bei welcher Job eingetreten war, einen Theil der Leichenparade bilden sollte.

Auf dem Kaiserlichen Schreibtisch im Flatow'er Thurme in Babels- berg steht ein Leuchter, aus drei dänischen Bajonnetten, deren Dillen drei Lichter tragen, gebildet, mit der Inschrift: „Geschenk von Job von Witzleben."

Seit dem Jahre 1863 hatte Job die Ehre, den König und den Prinzen Carl alljährlich im November zur sogenannten Martinsgans in seiner Datscha bewirthen zu dürfen. Nach seinem Tode sprach Se. Majestät zur Wittwe den Wunsch aus: Zur treuen Erinnerung an seinen Job dies fort- zusetzen. —

Nach dem Tode seines Vaters hatte Job das Gut Lischkowo in Besitz genommen. Er verwandelte es durch sein Testament in ein Fideicommiss, welches nach seinem Tode auf seinen Bruder Eric überging, der es mit Allerhöchster Genehmigung in „Witzleben" umtaufte.

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Job war ein durch und durch genialer Mensch von seltenem natür- lichen Verstände, sprudelnden Witz, grosse Schlagfertigkeit der Rede und einem angeborenen Talent, die Menschen nach ihrer Eigenart zu nehmen und Herrschaft über sie zu gewinnen.

Er lebte und starb in hingebender Treue för seinen König und das Königshans und in unbegrenzter Liebe für sein schwarz-weisses Vaterland Preussen.

Anmerkung. An Orden erhielt Job: für sein Wohlverhalten im polnischen Aufstände 1848 den rothen Adlerorden IV. Classe, 1849 die hohenzollerusche Denk- münze, 1854 den St. Johanniterorden, 1857 das 25jährige Dienstkreuz, 1861 die Kronongsmedaille, 1863 den rothen Adlerorden m. Classe mit Schleife, 1864 die Kriegsdenkmünze für Schleswig-Holstein, 1866 die Schwerdter zum rothen Adlerorden.

An Bussischen Orden den St. Annenorden IIL Classe 1835, und den Wlademir- oiden 1846.

Von Anhalt erhielt er bei Gelegenheit der Vermählung der Prinzessin Marie Anna mit dem Prinzen Friedrich Carl die II. Classe Albrecht des Bären.

Von Braunschweig 1861 das Commandeurkreuz II. und 1865 I. Classe Hemrich Löwenordens.

Von Oestreich 1853 die eiserne Krone III. Classe und 1858 den Leopoldsorden.

Constantin August Wilhelm von Witzleben (s. Tab. I. 8.), am 31. Oct.*) 1784 zu Halberstadt geboren, begann seine militairische Laufbahn am 5. Oct.**) 1797 in Potsdam beim Infanterie -Regiment des Königs, in welchem er 1799 die hohe Stellung eines jüngsten Fähnrichs erreichte, am 1. Februar 1803 zum Seconde-Lieutenant ernannt und kurze Zeit darauf zum Grenadier-Bataillon des Majors von Kabiel commandirt wurde.

Im Jahre 1805 schon mobil gemacht, stiess das Regiment des Königs im Oct. 1806 mit den übrigen Gardetruppen, unter dem General Grafen

*) In dem Kirchenbuche der vormaligen Garnison-Gemeinde zu Halberstadt steht: .Den 1. Nov. 1784 ist dem Herrn Lieutenant Heinrich Günther von Witzleben von »einer Frau Gemahlin Caroline Luise Wilhelmine von Wulffen ein Sohn geboren, welcher den 12. Nov. getauft und Constantin August Wilhelm benannt worden ist." Hein- rich Günther schreibt dagegen: „1784. 31. Oct., an einem Sonntag, Abends nach 6 ühr, wurde meine liebe Frau abermals von einem gesunden Sohn glücklich ent- bunden, welcher den 12. Nov. von dem Feldprediger Wähn hiesigen Rgts., Nachmittags 3 Uhr getauft wurde und die Namen bekam Constantin August Friedrich.* Nach allen eingezogenen Erkundigungen hat das Kirchenbuch in Bezug auf den Tag, der Vater in Bezug auf den Namen Unrecht; den Familiennamen der Mutter hat der Pre- «iiger Wähn auch falsch geschrieben.

••) nirht 3. Oct., wie von Reinhard, Gesch. des Preuss. 1. Garde-Rgts. z F., angiebt.

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Kunheim zu einer Division vereinigt, zur Armee in Thüringen. In der Schlacht von Auerstedt am 14. October rückte es, um die vor Hassen- hausen zurückgeschlagenen Truppen aufzunehmen, von Auerstedt auf Keh- hausen vor. Am Thalrande oberhalb des Dorfes waid die Aufstellung genommen. Der Feind fuhr dagegen eine Batterie auf und feuerte, doch das Regiment stand und blieb stehen. Vorbei zogen die geschlagenen Timppen, theilweise in regelloser Flucht. Da kommt der General Graf Wartensleben: „Was wollt Ihr hier? Will sich das Regiment auch schlagen und aufreiben lassen?" ruft er ihm zu. Ist das Wort des Generals als Befehl aufzunehmen? fragt man sich. Immer dichter schlagen die Kugeln ein; Major von Wangenheim, der das Regiment commandirt, wiid er- schossen; es wurde unruhig. Da kommt noch zur rechten Zeit des Königs Flügel -Adjutant, Oberst Kleist später von Nollendorf mit dem Befehl des Regiments-Chefs und Königlichen Kriegsherrn: „Bleibt stehen!" Und das Regiment stand und blieb stehen, bis der letzte Mann vorbei; und als der Abzug befohlen war, geschah er „mit einer Ordnung wie auf dem Exercierplatze", in der Richtung auf Auerstedt.

Bei Prenzlau hörte das Regiment des Königs auf zu existiren.

1807 und 1808 war Constantin von Witzleben inactiv; erst am 22. Febr. 1809 wurde er als aggregirter Seconde-Lieutenant im 1. Garde- Regiment z. F. wieder angestellt, am 8. Juni dess. J. in den Etat als 8. Second-Lieutenant einrangirt, den 11. Aug. 1811 zum Premier-Lieutenant, den 22» März 1812 zum Stabscapitain und Commandeur der Leib-C!om- pagnie ernannt. In der Schlacht bei Gross-Görschen, 2. Mai 1813, kommandirte er die TiraiUeurs des 1. Bataillons, wurde aber gleich bei dem ersten Angriff, welchen das Bataillon in der Richtung auf Kaja aus- zufuhren versuchte, schwer verwundet. Er erhielt das eiserne Kreuz und wurde am 15. Juni 1813 zum Premier -Capitain befördert. An der Schlacht vor Paris, 30. März 1814, konnte er nicht Theil nehmen, da er von seiner Wunde noch nicht hergestellt war.

Am 27. Apr. 1815 wurde Constantin von Witzleben als Major in das 25. Infanterie -Regiment versetzt und machte in diesem den Feldzug von 1815 mit. Das Regiment erhielt am Morgen vor der Schlacht von Ligny 900 Mann Ersatz, die in grosser Hast in die verschiedenen Abthei- lungen eingesteckt wurden. So lose zusammengefügt wurde es gegen den Pachthof le Hameau St. Amand gefuhrt, erhielt von in hohem Getreide ste- henden französischen Bataillonen unerwartet Feuer, machte Kehrt, und ver-

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schwand vom Schlachtfelde. Nur der Major Constantin von Witzleben und Hauptmann von Kaweczinsld vom 5. westphälischen Landwehr-Regiment hiel- ten mit eiserner Gewalt und grosser Anstrengung eine Handvoll Leute ihrer Bataillone zusammen und schlössen sich dem 2. Regiment an, mit welchem sie zur 5. Brigade von Pirch L gehörten. Mit dieser focht Constantin denn aach in der Schlacht von Bellealliance am 18. Juni und erhielt für sein rühm- liches Verhalten das eiserne Kreuz I. Classe. In der Barfüssler-Kirche zu Erfurt, der Gamison des Regiments kurz nach dem Kriege, befindet sich die übliche Tafel mit den Namen der in den Befi-eiungskriegen vor dem Feinde gefeUenen Officiere und derjenigen Ofificiere und Soldaten, welche sich das eiserne Kreuz erkämpft hatten. Auf dieser Tafel lesen wir die Namen Theodor Körner's, seines Freundes von Berenhorst, der wenige Tage nach des Sängers Tode mit den Worten zusammenstürzte: „Kömer, Dir nach!", ferner jener bekannten Eleonora Prohaska, die, um das Schwerdt ergreifen zu können, die Uniform anzog und erst von einer feindlichen Kugel ge- troffen ihr Geschlecht verrieth. Unter diesen finden wir als Bitter des eisernen Kreuzes L Gl. Constantin von Witzleben, Major im 25. Regiment.

Am 6. Nov. 1816 wurde W. Commandeur des Garde-Schützen-Bataillons, am 17. Aug. 1818 (immer noch als Major) des Kaiser-Franz-Grenadier- Regiments, am 30. März 1827 Oberstlieutenant, den 30. März 1830 Oberst, den 30. März 1836, nachdem er 18 Jahre an der Spitze des Regiments gestanden, Commandeur der 9. Landwehr- Brigade in Glogau, am 30. März 1838 Generalmajor, im nächsten Jahre zugleich Director der Divisions-Schule in Glogau, am 30. Oct. 1844 Commandant von Glatz, am 22. März 1845 Generallieutenant. Wenige Tage darauf, am 7. Apr. 1845 starb er in Glatz. Er war ein genialer Officier von grosser miUtairischer Beföhigung, der als Taktiker bei allen grösseren Truppen- übungen glänzte.

Constantin hatte sich am 1. Aug. 1811 zu Marquardt bei Potsdam mit Luitgarde von Bischoffswerder, des Königl. Preuss. Generallieutenants Johann Rudolph von Bischoffwerder auf Marquardt und der Wilhelmine geb. von Tarrach Tochter, vermählt, welche am 10. Febr. 1869 Abends lOV* Uhr zu Berlin starb.

Carl von Witzleben (s. Tab. I. 8) am 5. Aug. 1791 zu Halber- stadt geboren, wurde am 4. Nov 1812 bei der Churmärkischen Regierung zu Potsdani als Porstreferendar vereidigt, trat aber am 23. Jan. 1813, als die Garden von Potsdam nach Breslau abmarsoWrten^, freiwillig beim

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1. Qarde-Regiment z, P. ein, wurde am 16. des folgenden Monats zum Portepee-Fähnrich ernannt und bei Gross-Gtörschen durch einen Schuss in den Hals schwer verwundet, erhielt aber dafür das eiserne Kreuz und wurde bereits am 14. Mai 1813 zum Seconde-Lieutenant befördert. Den ersten Marsch nach Paris machte er mit, am 23. Mai 1815 wurde er aber zum neugebildeten Reserve-Bataillon kommandirt und scheint demnach an dem zweiten Marsch nach Paris nicht Theil genommen zu haben. Nachdem er am 25. Februar 1818 zum Premier-Lieutenant ernannt war, erhielt er am 18. Apr. 1823 den nachgesuchten Abschied mit dem Charakter als Ca- pitain und der Anwartschaft, im Forstfache angestellt zu werden, und am 21. Juni dess. J. die vacante Oberförsterstelle zu Panten im Reg.-Bez. Liegnitz. Durch A. C. 0. vom 27. Apr. 1828 wurde Carl von Witzleben zum Forstinspector in der Grafschaft Henneberg ernannt und erhielt 1839 den Charakter als Forstmeister. Er starb zu Schleusingen am 29. Nov. 1861, 97^ ühr Morgens. Vermählt war er seit dem 8. Juni 1823 mit Luise von Hake a. d. H. Machnow, geb. am 6. März 1798, gest. am 26. Febr. 1854.

Friedrich Wilhelm Heinrich Carl August von Witzleben (s. Tab. I. 9), am 14. Oct. 1797 in Rastenburg geboren, erlebte die Be- lagerung von Thom 1807, nach deren Beendigung seine Mutter mit ihm und seinen Stiefbrüdern Reinhold und Heinrich (s. Tab. I. 7) nach Arn- stadt zog, woselbst er den Schulcursus begann. Am 10. Apr. 1810 kam er nach Königsberg i./N., wo sein Onkel und Vormund Heinrich von Witzleben (s. S. 146) lebte, in Pension, um das Gynmasium zu besuchen. Am 31. Oct. 1813 trat er bei dem Preuss. Regiment der (Jardes du Corps ein und wurde Anfangs 1814 mit dem Ersatz dem Regiment nach Frankreich nachgesandt, aber am 23. März 1814 mit dem ganzen Trans- port in Moton bei JoinviUe gefangen und erst, nach der Einnahme von Paris, am 8. Apr. aus der Gefangenschaft entlassen. Am 26. Apr. 1815 wurde Friedrich von Witzleben zum Officier ernannt, jedoch wurde ihm später ein älteres Patent seiner Charge verliehen. Am 4. Juni 1815 rückte er mit dem Regiment wieder aus Potsdam aus und am 28. JuU in Paris ein, welches er am 3. Oct. verliess. Am 19. März 1821 wurde er Premier-Lieutenant.

Da ihm der Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt auf Empfehlung des Geh. Raths von Beulwitz die Stelle als Reisestallmeister anbot und es im Interesse seiner Vettern lag, dass er seinen Wohnsitz in der Nähe der

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beiden der Familie noch erhaltenen Rittergüter Angelroda und Martinroda nahm, so bat er um den Abschied, der ihm auch am 21. Sept. 1822 bewilligt wurde. Er schlug in Rudolstadt seine Wohnung auf, wurde am 6. Nov. 1822 zum Reisestallmeister ernannt und vermählte sich am 1. Dec. dess. J. mit Ida Christiane Marie von Beulwitz, des Geh. Raths Friedrich Wilhelm Ludwig von Beulwitz und der Amalie geb. von Bibra Tochter, geb. am 2. Juli 1800, welche aber dem trauernden Gatten schon im ersten Kindbett am 24. Oct. 1823 entrissen wurde. Dem jungen Wittwer war es einiger Trost, dass seine Mutter und sein Stief- vater am 1. Nov. zu ihm nach Rudolstadt zogen, doch starb der Letztere auch bald.

Friedlich beschäftigte sich namentlich mit der französischen Sprache und dem Studium der Staatswissenschaften, um in den Staatsdienst über- treten zu können, reiste auch im Nov. 1825 auf mehrere Monate nach Paris, um sich im Französischen zu vervollkomnmen. Am 9. Nov. 1826 vermählte er sich wiederum mit Luise Caroline Auguste von Hopfgarten aus Schlotheim.

Nachdem er am 19. Dec. 1827 Oberstallmeister geworden war und den Fürstlichen Marstall reorganisirt hatte, erwarb er sich durch die vor- züglichen Eigenschaften seines Charaktei-s die persönliche Zuneigung und das Vertrauen seines Fürsten in solchem Masse, dass er schon am 20. Mai 1829 in das Geheime-Raths-CoUegium, die höchste Verwaltungs- behörde des Landes, berufen wurde. Als Mitglied dieses Collegiums vertrat er Schwarzburg- Rudolstadt 1833 auf den Zollvereins -Conferenzen, und im Nov. 1835 wurde ihm die obere Leitung der Administration der Fürstlichen Güter Seedorf und Hornstorff in Holstein übertragen. Am 27. Apr. 1836 zum Wirklichen Geheimen Rath ernannt, trat er als Nach- folger des Geh. R. Friedrich Wilhelm von Ketelhodt an die Spitze des Geh. Raths-CoUegiums und führte als ein höcht pflichtgetreuer, seinem Fürsten durchaus ergebener Beamter aus der Mettemich'schen Schule, streng conservativ und jeder Neuerung abhold die Leituog der Geschäfte bis zum März 1848. Der Staat Schwarzburg- Rudolstadt hatte in den 40ger Jahren eine aristokratische Verfassung: Die alten Adelsfamilien der von Witzleben, Ketelhodt, Holleben, Beulwitz, Gleichen, Erfifa, Obst- felder etc. waren seit langer Zeit im Besitz fast aller Aemter.

Schon 1845 regte sich im Ländchen eine immer stärker werdende Opposition gegen das System des Wirklichen Geh. Raths. Namentlich

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„der Wald" Bauern und Industrielle in den Thüringer Bergen war gegen Witzleben eingenommen, weil er seiner Ansicht nach in der Wahrung der Interessen des Fürsten zu weit ging. Als schon zu An- fang des verhängnissvollen Jahres 1848 eine revolutionäre Strömung durch Europa ging, suchte Witzleben, dem alten System fest anhangend, durch strenge Verbote das kleine Land so zu sagen abzudämmen und wirkte noch im März nach dieser Richtung auf den Fürsten ein. Um so wilder brach der Sturm los, welchem Witzleben allein keinen Widerstand entgegensetzen konnte. Er verliess deshalb in der Nacht vom 10. zum 11. März Rudolstadt und begab sich nach Angelroda. Viele Mitglieder des Märzvereins nebst zahlreichen Proletariern kamen bald darauf mit Fackeln an sein Haus herangezogen, wollten ihn herausholen und das Haus anzünden; die Drohungen begannen schon in Thätlichkeiten über- zugehen, als es endlich dem Advokaten Hönniger, dem spätem März- minister, gelang, die Familie Witzleben's vor weiteren Insulten zu schützen. Witzleben bat um seine Entlassung und der Drang der Umstände zwang den Fürsten, sich von seinem ergebensten Diener und treusten Rathgeber zu trennen. Friedrich von Witzleben erhielt bei seiner Entlassung das Prädikat Excellenz und eine Pension von 1000 Thlr.; die beabsichtigte Normirung des Euhegehalts auf 1500 Thlr. lehnte er ab, weil man die Verhältnisse des kleinen Landes damals als ganz verzweifelte ansah. Er widmete sich fortan ganz der Bewirthschaftung von Angelroda und Martinroda, ordnete das ziemlich umfangreiche Archiv zu Angelroda und starb daselbst am 15. Januar 1862, Abends 9 Uhr, nach langer und schmerzlicher Krankheit.

Friedrich Ludwig Otto Hermann von Witzleben (s. Tab. L 10) wurde am 14. Juni 1797 in Heilsberg geboren, im Cadettencorps erzogen, am 8. März 1813 im 1. Garde -Regiment z. F. zum Seconde- Lieutenant ernannt, bei Gross-Görschen verwundet, am 25. Febr. 1818 Piemier- Lieutenant, den 16. Sept. 1825 Capitain und Chef der 5. Compagnie und am 12. Juli 1837 als Major und 2. Commandeur des 2. Bat. (Stettin) 1. Garde -Landwehr- Regiments nach Stettin und am 31. März 1846 in das 31. Infanterie-Regiment versetzt. Am 27. März' 1847 wurde Hermann Oberstlieutenant, den 3. Aug. 1848 Commandeur des 19. Infanterie-Re- giments, den 29. Nov. 1849 Oberst und den 6. Nov. 1851 mit Pension verabschiedet. Er lebte darauf in Erfurt, Arnstadt und jetzt in Wies- baden.

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Heinrich von Witzleben (s. Tab. I. 10) wurde am 4. Oct. 1798 in Ostprenssen geboren, im Elternhanse erzogen und trat am 30. Mai 1815 beim 1. Garde-Regiment z. F. ein, in welchem er am 24* Dec. 1817 zum Seconde- und am 17. Apr. 1831 zum Premier-Lieutenuit befördert wurde« Am 30. März 1839 als Capitain in das 21. Infanterie-Begiment versetzt, wurde er am 22. Febr. 1845 zum Major und am 31. März 1846 zum Commandeur des 2. Bat. 14. Landwehr- Regiments in Bromberg ernannt und den 13. März 1851 mit dem Charakter als Oberstlieutenant, Pension und der Uniform des 1. Garde-Regiments z. F. verabschiedet.

Friedrich Hartmann von Witzleben (s. Tab. I. 10) wurde am 3. Mai 1802 zu Johannisberg in Ostpreussen geboren, kam 1815 in das Cadettencorps zu Berlin und aus diesem im Juli 1820 als Seconde-Lieute- nant in das Kaiser-Franz-Grenadier-Regiment. 1830 wurde er Adjutant des Herzogs Carl von Mecklenburg und zwei Jahre später unter Belassung in diesem Verhältniss als Premier-Lieutenant dem Kaiser-Alexander-Regi- ment aggregirt. 1834 ernannte ihn der König zum dienstthuenden Kammer- herm bei I. K. Hoheit der Prinzessin Wilhelm, jetzigen Kaiserin Augusta. In dieser Stellung verblieb er bis 1850, wo er wegen Kjränkliohkeit seiner Gemahlin seine Entlassung nahm und nach Dresden zog. 1856 kaufte er das Rittergut CoUm bei Niesky in der Oberlausitz, wo er die Sommer- monate verlebte, während er sich im Winter theils in Berlin, theils in Dresden aufhielt. Im Oct. 1861 wurde Friedrich zum Schlosshauptmann von Rheinsberg ernannt. Er starb am 18. Aug. 1873 Nachmittags 2 Uhr in Collm.

Friedrich, gewöhnlich nur Fritz genannt, war eine der beliebtesten Persönlichkeiten der Berliner Hofgesellschaft und einer der elegantesten OfBciere des Garde-Corps. Von kräftiger Gestalt, tanzte er vorzuglich, hatte ein grosses Talent zum Portraitiren und gleichzeitig eine schöne klangvolle Tenorstimme, so dass er der Glanzpunkt der vornehmen Gesellschaft war. Rellstab fiihrte ihn in seinem Roman „Die schöne Henriette" (Sontag) als „Lieutenant Spitzdegen*^ ein.

Wilhelm Victor Heinrich von Witzleben (s. Tab. I. 7) ward am 24. October 1803 zu Thom geboren. Er trat zuvörderst in das damals in Mühlhausen und Langensalza garnisonirende 8. Kürassier-Regiment ein, wurde im Jahre 1822 in das Regiment der Gardes du Corps versetzt und nahm in demselben mehrere Jahre die Stelle eines Regiments-Adjutanten ein. Er verblieb in diesem Re^ment, bis er im October 1854 als Oberst-

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lientenant zum Commandeor des 4. Ulanen- Regiments in Schneidemühl ernannt wurde. Im November 1857 trat er in derselben Eigenschaft an die Spitze des 1. Garde-Ulanen-Regiments in Potsdam, wm-de zum Oberst bef5r^ert und nahm 2 Jahre darauf im Sommer 1859 den Abschied. Er starb am 4. Juni 1862 zu Potsdam.

Heinrich war eine durch und durch vornehme Natur und ein eleganter Reiterofficier. Er nahm Theil an dem am 13. Juli 1829 im neuen Palais bei Potsdam zu Ehren der Kaiserin von Russland abgehaltenen Turnier und führte auf seinem Schilde die Sonne mit dem Wahlspruch: „Bonne cause aime le jour."

Er ist der letzte unseres Geschlechts, der einem Turnier bei- gewohnt hat.

Wir schliessen diesen Abschnitt mit den von einem der Vettern verfiissten Nachruf an

Heinrich Günther von Witzleben, Lieutenant im 1. Schlesischen Jäger-Bataillon No. 5, gefallen am 1. September 1870 in der Schlacht bei Sedan:

Der Eltern Stolz und Freude,

Die Lust der Vettem-Schaar, Der Abgott Deiner Jäger,

Ihr Leitstern in Gefahr, So wardst Du schmucke Eiche,

Von frischem Grün umlaubt. Im Prangen voller Jugend,

So wardst Du uns geraubt!

Fahr* wohl. Du kühner Jäger

Im Kampf und Kampfesdrohn, Fahr' wohl, Du trauter Vetter,

Du heissgeliebter Sohn!

Sieh*, unsre Thränen rinnen

Die Wange heiss hinab, Wenn wir den Lorbeer legen

Bei Sedan auf Dein Grab.

Druck Ton Oebrttder Grnn^rt in IterH«.

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Anlage.

STATUT

für das

von ^Witzleben'sehe Fräuleinstift

ILMENAU.

Im Namen der heiligen Dreieinigkeit!

JSachdem die von der verwittweten Frau Hauptmann Auguste Char- lotte Louise von Minnigerode, gebr. von Witzleben, zu Ilmenau, unter dem Namen des von Witzleben'schen Fräuleinstifts zum Besten der un- verehelichten weiblichen Mitglieder ihrer Familie errichtete Stiftung, nach ihrem am 26. November 1846 erfolgten Ableben, die landesherrliche Bestätigung, unter Verleihung der Rechte einer milden Stiftung und der Vorzüge juristischer Persönlichkeit durch höchstes Rescript vom 28. Januar 1848 erhalten hat, so sind mit Rücksicht auf die von der Stifterin ge- troflFenen, in ihren letzwilligen Verfügungen vom 15. März 1838, 20. Juni 1839, 5. Sept. 1843 und 1. April 1846 enthaltenen Anordnungen von dem durch dieselbe zur Oberaufsicht über diese milde Stiftung bestellten wirkl. Geh. Rath Friedrich von Witzleben zu Angelroda, im Einvernehmen mit dem verfassungsmässig zur Beaufsichtigung jener Stiftung berufenen ersten Departement^ des Grossherzogl. Staatsministeriums Abtheil. B. nachstehende statutarische Bestimmungen entworfen und Sr. Königl. Hoheit dem Gross- herzoge zu Gnädigster Genehmigung zu unterbreiten beschlossen worden.

§ 1. Das der Stiflerin eigenthümUch gehörig gewesene Wohnhaus in Ilmenau, No. 502 Cat. nebst Zubehör und Garten, die Münze genannt,

femer die bei deren Ableben darin befindlich gewesenen Meubles, Betten, Wäsche, Silberzeug und sonstigen Effecten, lediglich mit Ausnahme der- jenigen Stücke, über welche von ihr anderweit disponirt worden,

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namentlich eine in ihrer Familie seit längerer Zeit vererbte goldene Taschenuhr, nicht weniger das in ihrem Nachlasse vorgefundene haare Geld, so wie ihr Capital vermögen, nach Abzug der von derselben be- stimmten Legate,

bilden die Fonds dieser Stiftung.

Das angefugte Inventarium enthält hierüber das Nähere.

§ 2.

Berufen zur Stiftung sind zunächst die unverheiratheten ehelichen Töchter der männlichen ehelichen Nachkommen der Brüder der Stifterin

Job. Wilhelm von Witzleben, gebr. den 7. April 1758, gestorben am 16. Febr. 1824 als Königl. Preuss. OberstUeutenant a. D.;

Karl Friedrich Heinrich Günther von Witzleben, gebr. den 11. Juni 1753, gestorben am 17. April 1824 als Königl. Preuss. General- Major a. D.;

Friedrich Wilhelm Ludwig von Witzleben, gebr. den 6. Juni 1760, gestorben am 2. Mai 1800 als Königl. Preuss. Hauptmann, und

Friedrich Albrecht Ernst Heinrich von Witzleben, gebr. den 8. No- vember 1761, gestorben den 6. Januar 1818 als Königl. Preuss. Oberster und Ober-Forstmeister a. D.;

und die unverheiratheten ehelichen Töchter der männlichen ehelichen Nachkommen des Herzogl. Sachsen -Ältenburgischen Lieutenants Karl Ludvrig von Witzleben, des legitimirten Sohns des Königl. Preuss. Forst- meisters Karl von Witzleben in Schleusingen.

Nach Erlöschung des Mannesstammes und nach Abgang der etwa vorhandenen stiftuugsberechtigten Fräuleins von Witzleben werden die- jenigen adeligen Familien, welche durch weibliche eheliche Nachkommen der obgenannten Brüder der Stifterin mit derselben verwandt sind, zur Stiftung berechtigt, so dass vorerst diejenige Familie, welche zur Zeit des Erlöschens des früheren Hauses der Stifterin durch eheliche Geburten am nächsten steht, und wenn auch diese in ihrer männlichen Nachkommen- schaft aussterben sollte, das dann durch eheliche weibliche Descendenz der Brüder der Stifterin ihr am nächsten verwandte Haus und so weiter, in gleicher Weise wie vorher die von Witzleben'sche Familie berufen werden.

Es geht also das Recht in einem solchen Falle auf die unverhei- ratheten ehelichen Töchter der männlichen Nachkommen der einü'etenden Familie über.

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Wenn wider Erwarten aber die hiernach berufenen Familien sämmt- lich wegfallen sollten, so steht dem letzten Fräulein, welches die Stiftung geniesst, die Befugniss zu, fiei über die Fonds zu verfügen, oder dieselben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu vererben.

§ 3. Nur unverehelichte vaterlose Töchter der berufenen Familie haben von erfülltem 25. Lebensjahre an Anspruch auf die Stiftung.

Unter mehreren Berechtigten geht die den Jahren nach ältere vor.

§4.

Wird ein älteres Fräulein durch das Ableben ihres Vaters zum Bezug der Stiftung qualificirt, wälirend ein jüngeres im Genüsse derselben sich bereits befindet, so muss die Letztere weichen.

§ 5. Durch Yerheirathung erlischt das Becht auf die Stiftung.

§ 6. Haben diejenigen Fräuleins, welche eine Anwartschaft auf die Stiftung haben, sammt und sonders das 25. Lebensjahr noch nicht erfüllt, oder sind die Väter derselben noch am Leben, so ruht das Recht derselben und der Ertrag der Stiftung wird, soweit er nicht zur Erhaltung des Stiftungshauses erforderlich ist, gegen sichere Hypothek als integrirender Theil des Stiftungsvermögens nutzbar angelegt.

§ 7. Es sollen jedesmal die beiden Aeltesten nach den §§ 2, 3 und 4 berufenen Fräuleins, mögen diese nun Schwestern oder Glieder verschiedener bezugsberechtigter Familien sein, gemeinschaftlich die Nutzung des Stif- tungsfonds haben und zu gleichen Theilen den Abwurf der Stiftungs- Capitalien beziehen. Nicht weniger gebührt denselben die CoUatur des Stipendiums, welches unter dem Namen „Minnigerode'sches Stipendium" f&r Ilmenauer Bürgerssöhne oder Söhne ärmerer Eltern aus den zu dem Justizamte Hmenau gehörigen Ortschaft;en, welche der Universität folgen oder zu SchuUehrem sich bilden wollen, mit einem Capital von fünft;ausend Tbalem von der Stiffcerin begründet worden ist, wobei sie sich des Beiraths des Jnstizbeamten oder Superintendenten zu Ilmenau bedienen werden.

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210

§8.

Die Regel bildet es wie bereits im § 7 bestimmt worden, dass Einer Person nur der Genuss einer Stiftsstelle zu Theil wird. Es wird deshalb der Abwurf der statutenmässig etwa nicht zu besitzenden zweiten Stiftsstelle angesanmielt, und nach § 6 seinen weiteren Bestimmungen zu- geführt, wenn es an qualificirten Personen zu dieser zweiten Stifts- stelle fehlt

Hiervon tritt dann eine Ausnahme ein, wenn der Mannsstanmi der gerade zur Stiftung berufenen Familie erloschen ist und nur noch weib- liche Glieder derselben, welche sich für das Stift eignen, vorhanden sind. Existirt dann nur Ein solches Glied, so hat dieses ein Recht auf die sänmitlichen Nutzungen.

§ 9.

Die Stiftsfräuleins haben aber auch die ihren Rechten entsprechenden Vei-pflichtungen, namentlich die Obliegenheit, den Aufwand für Reparaturen des Hauses zu bestreiten, selbst wenn derselbe die Jahresnutzung über- steigen sollte, und die Abgaben und Lasten ihres Antheils zu tragen.

Dabei hat die Stifl^rin die Hoflnung ausgesprochen, dass in dem Falle, wenn das Stift;shaus abbrennen sollte und der Wiederaufbau aus den Brandkassengeldem nicht bestritten werden könnte, die im Genüsse der Stiftung befindlichen Fräuleins zu ungeschmälerter Erhaltung des Stanmi Vermögens aus eigenen Mitteln etwas beitragen werden, wenn die Umstände es ii'gend erlauben.

§ 10.

Diejenigen Fräuleins, welche die Stiftung inne haben, haben die Vei-pflichtung, 3 Monate des Jahres im Stiflsgebäude zuzubringen, und nur Krankheit oder auswärtige Anstellung befreit von dieser Obliegenheit Kömmt das betreffende Fräulein diesem nicht nach, so geht das Recht des Niessbrauchs am Hause und an den eigentlichen Mobilien auf die- jenige Person über, welche nach jenem Fräulein zum Stift qualificirt sein würde.

§ 11.

Es ist zu erwarten, dass die Fräuleins des Stifts von selbst darauf denken werden, das Mobiliar des Hauses in gutem Stande zu erhalten. Um indessen eine zeitgemässe Veränderung und Ergänzung nicht aus- zuschliessen, auch die sonst nöthigen Weiterungen zu beseitigen, ist den

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Inhaberinnen volle Freiheit der Vei-fuguug darüber verliehen, blos mit Ausnahme der goldenen Uhr, unter der Bestimmung, das dasjenige Mo- biliar, welches bei dem Ableben oder Aufgeben einer Stiftsbezieherin sich als deten Eigenthum im Hause befindet, mit Ausschluss des haaren Geldes und der Capitalbriefe, vorbehaltlich der Rechte Dritter, ohne Weiteres als integrirender Theil der Stiftung angesehen wird.

§ 12.

üeber Verwaltung des Stiftsvermögens wird Folgendes festgesetzt:

Um den durch Niederbrennen des Stiftshauses etwa entstehenden Schaden so wenig empfindlich als möglich für die Anstalt zu machen, sollen die Gebäulichkeiten zu dem höchsten Betrag in dem Landes-Brand- Versicherungs-Institute, die Mobilien so lange eine inländische Gelegenheit nicht existirt, sonst in einer deutschen Assekuranz fortwährend versichert sein. Die Gapitalien sollen gegen die im Grossherzogthum Sachsen- Weimar für pupillarische Aussenstände jeweilig geordnete Sicherheit, niemals aber in Staatspapieren angelegt werden. Da es ungewiss ist, ob ein männ- liches Glied der berechtigten Familie, welchem die Aufsicht über das Stifts- vermögen anvertraut werden könnte, in der Nähe lebt, während es im Interesse der Stiflsfiräuleins liegt , einen zuverlässigen Mann in den Stifts- angelegenheiten zur Seite zu haben, so soll von dem nächsten männlichen Verwandten desjenigen Fräuleins, welches nach der im Genüsse der Stif- tung befindlichen Dame oder Damen die Anwartschaft auf dieselbe hat, ein sicherer Mann in Ilmenau, oder, jedoch dann mit Zustimmung des Stiftfiräuleins, in dessen Nähe als Verwalter des Stiftvermögens er- nannt werden.. ,

Derselbe soll in Hinsicht auf dieses Vermögen die Rechte und Pflichten eines Vormunds und deshalb insbesondere die Obliegenheit haben, die Capitalien sicher anzulegen, zu beaufsichtigen, nach Befinden ein- zuziehen und Rechnung zu legen, wenn und soweit die Stiftung nicht be- zogen wird. Dagegen haben die betrefTenden Stiftsfräuleins das Recht der eigenen, selbstständigen Zinsenerhebung.

Dieser Vei-walter steht unter der Controle des jedesmaligen Justiz- beamten zu Ilmenau, welcher das Stiftsvermögen als pupilarisches Eigen- thum behandeln, namentlich also die Sicherheit der Capitalbriefe prüfen und sich überhaupt um die Conservation des Vermögens mit den Rechten eines Obervormundes kümmern mag.

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212

Die Capitalbriefe und die Stiftungsui-kunde werden in einem beson- deren, in amtlicher Verwahrung befindlichen Depositenkasten unter drei- fachem Verschluss aufbewahrt und die drei Schlüssel von dem Justiz- beamten, dem Stiftsverwalter und dem ältesten der im Genüsse der Stiftung befindlichen Fräuleins, oder einem Bevollmächtigten derselben gefuhrt. Auch sollen die deponirten Documente in die üblichen Depositen- tabellen aufgenommen werden.

So lange oder sofern von der Familie ein Stiftsverwalter nicht ernannt ist, steht dem Justizbeamten zu Ilmenau das Recht zu, einen solchen zu bestellen.

Als ersten Verwalter des Stiftsvermögens hat die Stifterin den Gerichts- actuarius Herrn Kaspar Gulden zu Ilmenau bestimmt.

Zur Bestreitung der durch die Verwaltung entstehenden Unkosten ist ein Capital von

Fünfhundert Thalern sonstigen Konventionsgeld ausgesetzt, von welchem dieselben Bestimmungen gelten, die wegen des eigentlichen Stiftsvermögens getroffen sind. Da jedoch der Abwurf dieses Capitals hin und wieder den Aufwand übersteigen, oder nicht decken mag, so soll der Ueberschuss des fraglichen Abwurfs den Stiftsfräuleins gebühren, der Ausfall aber von ihnen auch getr^en werden.

Es ist indessen nicht sowohl die Absicht, durch die vorstehend ge- troffenen Anordnungen die Einwirkung der männlichen Glieder der Familie völlig auszuschliessen, als dieselben vielmehr einer Mühe zu entheben, die ihrer Stellung und ihrem Wohnorte nach lästig far sie sein könnte. Deshalb wird erwartet, dass dieselben im Interesse dieser Familienstiftung sich um deren Gedeihen kümmern werden, und wird ihnen das Recht verliehen, den Verwalter des Stiftsvermögens zu controliren, sich von dem Bestände des Letzteren durch Einsichtnahme der Capitalbriefe und sonst zu überzeugen und nöthigen Falls Unregelmässigkeiten durch Anträge bei den betreffenden Behörden abzustellen.

Sollte übrigens der Sitz der Justizbehörde von Ilmenau verlegt und deshalb die Ausfahrung mancher getroffenen Massregeln erschwert, oder soUte überhaupt die Uebemahme der Geschäfte von Seiten des dasigen Justizamts zurückgewiesen werden, so sollen die Stiftsfräuleins befugt sein, irgend einer anderen Justizbehörde des In- oder Auslandes die dem Justizbeamten zu Ilmenau vorstehend zugedachten Functionen zu über- tragen, wenn mindestens der Senior der Familie seine Zustimmung dazu

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ertheilt. In einem solchen Falle ist auch die Wahl des Verwalters des Stiftsvennögens nicht an den Ort Ilmenau oder dessen Umgegend gebunden.

§ 13.

Wegen der Concurrenz zu der Stiftung wird Folgendes festgesetzt:

Sobald ein Fräulein, welches im Bezüge einer Stiftsstelle war, ver- storben ist, wird solches in einigen vielgelesenen öffentlichen Blättern, zu denen die preuss. Staatszeitung, oder das an deren Stelle tretende Blatt wegen der grossen Ausbreitung der von Witzleben'schen Familie im Preussischen Staate mit gehören soll, von dem Verwalter des Stifts- Ycrmögens mit der Aufforderung bekannt gemacht, dass diejenigen, welche Ansprüche auf die Stiftung zu haben glaubten, sich deshalb binnen drei Monaten von der Bekanntmachung an an den Senior der Familie, oder da dieser Einzelne unbekannt sein könnte, an die bei dieser Stiftung concurrirende Justizbehörde zu wenden und ihre Ansprüche zu be- gründen hätten.

Der Senior fordert von dieser Behörde die etwa bei ihr geschehenen Anmeldungen ein, entscheidet nach Ablauf seiner Frist über dieselben und setzt davon nicht nur die Betheiligten, sondern auch die betreffende Justizstelle und den Verwalter des Stiftsvermögens in Kenntniss.

Erfolgt die Entscheidung des Seniors nicht binnen zwei Monaten, nach Ablauf der Anmeldungsfrist, so geht auf Anrufen der Betheiligten das Recht der Entscheidung auf die bei der Stiftung concurrirende Justiz- behörde über. Gegen die Entscheidung des Seniors findet Rekurs an die Justizstellen statt. Hierzu ist in erster Instanz lediglich die Behörde zuständig, welche nach vorstehenden Anordnungen bei der Stiftung con- curriren wird, in zweiter und letzter Instanz aber das derselben vorgesetzte Kreisgericht. Ebejiso finden auch wider die von der gedachten Justiz- stelle mit Beiseitsetzung des Seniors ausgegangenen Entscheidungen die gewöhnlichen bei Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geordneten Rechts- mittel statt

Die entstandenen Kosten und Verläge mit Ausnahme derer, welche in Folge eines förmlichen Prozesses entstehen werden von dem Fräulein, welchem die Stiftung mit den vom Todestage ihrer Vorgängerin rück- ständigen Erträgnisse zu Theil wird, getragen.

Die obige Anmeldungsfrist ist nicht präclusiv. Es können deshalb zwar später noch die auch schon im Genüsse der Stiftung befindlichen

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Fräuleins durch solche, die ein stärkeres Recht haben, verdrängt, es müssen ihnen dann aber von den letzteren die aufgewendeten Unkosten ersetzt, und die Erträgnisse der Stiftung auf mindestens Ein Jahr vom Tage ihres der Ausscheidenden Eintritts an gerechnet, belassen werden.

§ 14.

Wiewohl zu erwai-ten ist, dass die Stiftsfräuleins sich jederzeit der Fürsorge würdig erweisen werden, welche die gottesfurchtige Stifterin fiir sie im Herzen getragen, so wird doch für den, wenn auch nicht zu besorgenden, jedoch möglichen Fall, dass ein Stiftsfräulein dermaleinst Christliche Sitte und Zucht aus den Augen setzen sollte, hiermit Fol- gendes bestimmt:

Das Fräulein, welches Sitte und äussern Anstand verletzt, ist von dem Senior der Familie vorerst ernstlich zu verwarnen. Würde eine solche zu drei verschiedenen Malen wiederholte Warnung nichts fruchten, oder ein Stiftsfräulein eines wirklichen Fehltritts sich schuldig machen, oder wohl gar eines Verbrechens überfuhrt werden, so hat der Senior mit den beiden an Jahren unmittelbar nach ihm folgenden männlichen Mit- gliedern der zur Stiftung berufenen Familie persönlich oder durch Schrif- tenwechsel in einen Familienrath zusammen zu treten, von welchem der vorliegende Fall in Erwägung zu ziehen und darüber zu entscheiden ist, ob ein solches Fräulein femer würdig sei, die Wohlthat der Stiftung zu gemessen.

Etwa vorhandene Brüder des betreffenden Stiftsfräuleins sind von der Theilnahme an diesem Familienrathe ausgeschlossen.

Dieser Entscheidung hat sich das Fräulein unter Entsagung aller Rechtsmittel zu unterwerfen.

Sollte ein Fräulein, dessen Ruf schon gelitten hat, Ansprüche auf eine erledigte Stiftsstelle machen, so hat der Senior den Fall einem in obiger Weise zu bildenden Familienrathe zur Entscheidung voraulegen, gegen welche indessen dem betreffenden Fräulein der im § 13 der Sta- tuten geordnete Recurs unverwehrt bleibt.

§ 15. Obschon in der Natur dieser Stiftung die ünveräusserlichkeit der zu derselben gehörigen Inmiobilien, der Hypothekarischen Aussenstände, sowie der goldenen Taschenuhr bereits begründet ist, so wird doch jene ün-

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veräusserlichkeit noch besonders hierdurch ausgesprochen, wie denn hin- sichtlich der in dem Stifbshause befindlichen Mobilien nach § 11 eine Verfügung der Inhaberinnen auf den Todesfall gleichfalls ausgeschlossen ist.

§ 16.

Jedes Fräulein, das Ansprüche auf diese Stiftung macht, hat durch Namensunterschrift zu erklären, dass sie mit den gegenwärtigen Statuten einverstanden sei und dem Inhalte derselben überall nachkommen wolle, worauf erst die Entscheidung des Seniors beziehungsweise der bei der Stiftung concurrirenden Justizbehörde 13) wegen der Uebertragung einer Stiftsstelle in Kraft tritt.

Ev. Job. 14, 27.

Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt giebt.

Angelroda, den 28. Febniar 1854.

Friedrieh Wilhelm Heinrieh Carl August von Witzleben.

Dass obenstehende Unterschrift von der uns wohlbekannten Hand des Herrn Geheimen-Kath und Oberstallmeister a. D. von Witzleben, Excellenz, zu Angelroda henührt, bescheinigen wir auf Verlangen hierdurch.

Arnstadt, am 1. März 1854.

OrossherzogL Säehs. Kreisgerieht

(L. S.) gez.: Herrmann Pranke.

Nachdem Se. Königliche Hoheit der Grossherzog dem vorstehenden

Statut fUr das von Witzleben'sche Fräulein-Stift zu ümeiiaa

die landeshen'liche Bestätigung gnädigst ertheilt haben, ist dasselbe von dem unterzeichneten Grossherzoglichen Staats-Ministerium vollzogen worden.

Weimar, den 8. März 1854.

Erstes Departement des CIrossheraogL Staats-Ninisterinms» Abthlg. ß.

(L. S.) gez.: von Watzdorf.

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Die Uebereinstimmung der vorstehenden Abschriften mit den be- treffenden Originalen bezeugt

Weimar, den 29. März 1854.

Dr. Ouseland,

(L. S.) Regierungs- Assessor.

Die Uebereinstimmung dieser Abschrift mit der beglaubigten Ab- schrift;, die mir unter dem l^ten März d. J. von dem Grossherzogl. Sachs. Staats-Ministerium, I. Depart. Abthlg. B. nütgetheilt worden ist, bezeuge ich hiermit.

Angelroda, den 3. April 1854.

(L. s.) Friedrich von Witzleben,

wirkl. Geh. Rath u. Oberstallmeister a. D.

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Inyentarium

über das

Im- und Mobiliar-Vermögen des von Witzleben'schen Fränleinstifts zu Ilmenau.

I. An Immobilien. Taxe.

Thlr. Sgr. Pf.

L. ein Wohnhaus No. 502, zwei Stockwerk, Fachwerk mit Ziegeln gedeckt, nebst daran erbantem kleinen Stall,

l. ein Seitengebäude, bestehend in Holz- und Kutschen- Kemise, nebst darunter befindlichem Keller,

J. ein daran befindlicher Gras- und Gemüsegarten, laut der Ilmenauer Amtsacten unterm 19. August 1847 von den verpflichteten Werthschätzem geändert auf Uli.

n. An Mobilien.

a. an aussenstehenden Capitalien:

Thlr. Sgr. Pf.

7,100. bei Fürstl. Schwarzburg-Sondershausen'scher

Kammer in Sondershausen, Schulddocument vom 15. September 1842.

600. bei dem Kaufmann Herrn Christoph Gottlieb

Förster zu Ilmenau, laut Pfandschein des Justizamts zu Ilmenau vom 27. Oct. 1847.

1,500. bei Grossherzgl. Haupt-Landschaftskasse zu

Weimar, laut Schuldurkunde vom 6. Juni 1850 E. A. No. 32. 9. 20 2 oder 10 Thlr. a. b-. eine Actio bei der Kalt- wasser-Heilanstalt zu Ilmenau, Actienschein vom 1. Juli 1838.

2,000. an einer Staatsobligation von Weimar vom

4. November 1853.

11,209. 20. 2.

372 7^ E. A. II. No. 78 bei der Staatsschulden-Tilgungskasse.

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Aninerkungen: ]. Die Urkunden über vorbemerkte Capitalien sind bei dem Grossherzogl. Jnstizamte Bmenaa deponirt.

2. Unter obigen Capitalien ist auch das Capital yon 500 Thlr. in Conyentions- geld begriffen, dessen Abwurf nach § 12 des Testaments vom 15. März 1838 und nach II. des Nachtrags dazu von demselben Datum zur Bestreitung des Verwaltungs-Auf- wandes mit der Maassgabe bestimmt worden, dass den Stiftsdamen der Ueberfluss des fraglichen Abwurfs gebührt, der Ansfall aber von ihnen auch zu tragen ist.

b. an Silber und Pretiosen: twt. sgr. pf.

1. 24 Stück silberne Esslöfifel 49. 7. 6.

2. 14 Stück silberne TheelöflFel 8. 25. .

3. 1 silberner Vorlegelöflfel 8. 27. 6.

4. 16 Messer mit silbernen Stielen 14. . .

5. 16 dazu gehörige silberne Gabeln 39. . .

6. 1 silbernes Buttermesser 2. 25. .

7. 2 silberne Zuckerzangen 4. 15. .

8. 2 Salzmesten von blauem Glas mit silbernem Gehäuse 4. 7., 6.

9. 1 goldene ühr mit Haaken 1 ^ ,, , 16. . . ,^ , , , > Goldwerth

10. 1 desgl. j 5. . .

9. 25. .

11. 2 grosse silberne Schaumünzen

12. 1 desgl., ein altes Species

13. 1 desgl. kleines von der Grösse eines 8Gi*oscbenstucks^

14. 1 Theesiebchen von Silber .18. .

15. 2 silberne Leuchter 25. 20. .

16. 1 Eahmlöfifel von Silber !._._.

17. 1 silberne Fischkelle, und 1 dergl Kuchenkelle . . 6. . .

18. 1 Gemüselöifel dergl 4. _. _.

19. 12 vergoldete Theelöfifel 8. 15. .

20. l Streulöifel 2. 18. .

21. 1 vergoldete Zuckerzange 2. 25. .

22. 1 goldener Haarring 1. 15. .

Sunmia 215. 3. 6.

Nach einer aus den Umenauer Amtsacten erhaltenen Abschrift, wie vorstehend hierher genommene nebst Taxe.

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Dnrchlanchtigster Orossherzog, Gnädigst regierender Landesfärst und Herr.

Die Stiftsdame Fräulein Blanka von Witzleben sprach im Herbste 1855 den Wunsch aus, Ew. Königl. Hoheit möchten unter- thänigst gebeten werden, ihr, sowie überhaupt den künftigen Damen des von Witzleben'schen Fräuleinstifts in Ilmenau, die Anlegung eines äussern .Zeichens ihrer Eigenschaft als Stiftsdame gnädigst zu gestatten. Seit dem bald darauf, am 21. December 1855, erfolgten Ableben der genannten Stiftsdame war indessen kein Fräulein vor- handen, welches zur Zeit Ansprüche auf eine Stelle in jenem Stifte machen konnte, weshalb ich Anstand nahm, obigen Wunsch wegen der damit verbundenen Kosten für's erste weiter zu verfolgen, be- sonders auch weil das Stiftshaus mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwände baulich hergestellt werden musste.

Diese Baukosten sind nun bestritten und der nach Abzug der Steuern s. w. sich ergebende Reinertrag des Stiftsvermögens kann gegenwärtig unverkürzt dem Capitalstocke einverleibt werden, so dass man wohl an eine Ausgabe denken kann, wenn solche auch nicht unumgänglich nöthig erscheinen sollte.

Da nun, soviel mir bekannt ist, die Stiftungen, welche einzel- stehenden Damen ein Asyl gewähren, letzteren auch die Berechtigung ertheüen, beziehungsweise selbst die Verpflichtung auflegen, ein Stifl;s- kreuz zu tragen; da es femer solchen einzelstehenden Damen aller- dings eine gewisse Annehmlichkeit gewährt, wenn sie dmch ein äusseres Zeichen beurkunden können, dass sie beftigt sind, selbständig und mit dem Range einer verheiratheten Frau aufisutreten, so er- scheint diese Berechtigung für die künftigen Damen des von Witz- leben'schen Fräuleinstifts um so Wünschenswerther, eben weil nur Fräuleins, und zwar schon nach vollendetem 25. Lebensjahre in dasselbe eintreten können, welche demnach, wenn auch nicht mehr in der ersten Blüthe, inuner doch noch in einem jugendlichen Alter stehen.

Aus diesen Gründen erlaube ich sowohl fOr mich, als auch im Auftrage aller Zweige unserer Familie, deren weibliche Mitglieder zu dem genannten Stifte berechtigt sind, die unterthänigste Bitte:

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~ 220

Ew. Königliche Hoheit wollen die Gnade haben, den. künf- tigen Damen des von Witzleben'schen Fräuleinstifts in Ilmenau die Anlegung eines Stiftski*euzes huldreichst zu gestatten. Sollte diese ehrfurchtsvolle Bitte gnädigste Erhörung finden, so können wir zwar * die Bestimmung über das Aeussere eines solchen Stiftskreuzes nur lediglich dem höchsten landesherrlichen Ermessen in Ehrfurcht anheim geben. Werden wir indessen zur Aeusserung unserer diesfallsigen Ansicht befehligt, so verbinden wir damit die fernere unterthänigste Bitte, dass mit Höchstdero Geneh- migung die Frau Grossherzogin Königl. Hoheit gnädigst ge- statten möchten, die vordere Seite des Kreuzes mit Höchstihrem Namenszuge, darüber die Königl. Krone, zu schmücken, während die Eeversseite „Glaube, Liebe, Hoffnung" sinnbildlich dai-zustellen hätte und das Kreuz, an einem Bande, von silbernem Grunde, und schmaler rother Einfessung, an der linken Schulter ge- tragen würde.

Wollte indessen Ihre Königliche Hoheit die Frau Gross- herzogin, mit Höchstdero Genehmigung, dieserhalb irgend etwas Anderes gnädigst bestimmen, so würden wir diese Huld mit dem unterthänigsten Danke verehren, und nach Vorschrift 2 Stifts- kreuze anfertigen lassen, welche, als Bestaadtheile des Fidei- commissvermögens des Stiftes, nach dem Ableben oder dem Austreten einer Stiftsdame jedesmal an dasselbe wieder ab- gegeben werden müssten.

Ich ersterbe in tiefster Ehrftircht.

Ew. Königl. Hoheit

Ganz unterthänigster

V. Witzlekn,

wirücher Geheimer Rath und Jena, Oberstallmeister a. D.

den 24. September 1857.

An des Grossherzogs zu Sachsen- Weimar-Eisenach

Königl. Hoheit;

Weimar.

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221

Se. Königliche Hoheit der Grossherzog haben auf erhaltenen Vortrag dem Ansuchen des Herrn wirklichen Geheimenraths von Witzleben, Excellenz, der Eingabe vom 24. d. Mts. entsprechend, gnädigst zu ge- nehmigen geruht, dass die künftigen Damen des von Witzleben'schen Präuleinstifts in Ilmenau ein Stiftskreuz und zwar nach den Vorschlägen desselben, welche auch die Genehmigung Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Qrossherzogin erhalten haben, anlegen und tragen.

Von dieser höchsten Entschliessung wird Sr. Exellenz hiermit Kennt- niss gegeben und ihm das Weitere in der Sache überlassen.

Weimar, den 30. September 1857.

firossherzogl. Säehs, Staats-Ministerinm, Depart. des Innern.

gez.: V. Watzdorf. Sr. Excellenz Reich ard,

dem wirkl. Geheimenrath Herrn von Witzleben zu

Jena.

Ilmenau, am 5. September 1843. An Gerichtsstelle erscheint von selbst

Herr Gulden hier in angeblichem Auftrage der Frau von Minnige- rode hier mit dem Anbringen:

Frau Hauptmann von Minnigeroda beabsichtigt noch einen Nach- trag zu ihrem früheren Testamente zu machen. Da sie aber wegen Krankheit nicht ausgehen kann, so lässt sie das Gericht um eine schleunige amtliche Deputation Behufs der Aufnahme des fraglichen Nachtrags bitten.

Vorgel. u. gen. Gulden. L. Weissleder, Actuar.

Eodem verfugte sich in Gemässheit des obigen Gesuchs das Gericht

in der Person des Herrn Amtscommissairs Schmidt und des unterzeichneten Actuar unter Zuziehung des Dieners in die Behausung der Frau Stadthauptmännin Charlotte Louise Auguste verwittwete von Minnigeroda, geb. von Witz- leben, hier.

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Dieselbe wurde in der obern Wohnstube ausser Bette körperlich etwas angegriffen, jedoch noch im vollen Besitze ihres Verstandes angetroffen, mit vorstehend von dem Herrn Actuar Gulden in ihrem Auftrage gestellten Gesuche bekannt gemacht, und genehmigte den von Letzterem gestellten Antrag nicht nur, sondern dankte auch für dessen alsbaldige Willfahrung und sprach demnächst sich dahin aus:

Ich habe bereits früher bei dem hiesigen Gericht eine letztwillige Verfugung, sowie einen späteren Nachtrag hierzu niedergelegt.

Dieselben sollen hinsichtlich ihrer Bestimmungen im Allgemeinen bei Kräften bleiben, jedoch befinde ich mich bewogen, zu jenen letztwilligen Dispositionen jetzt noch einige nachträgliche Bestimmungen, welche als integrirender Theil des Testaments jederzeit betrachtet werden sollen, zu treffen und verordne daher weiter wie folgt:

1. Die als Universalerbin eingesetzte Nichte, Fräulein Hermine von Witzleben, Hofdame bei Ihrer Fürstl. Durchlaucht, der verwitt- weten Frau Fürstin von Schwarzburg-Sondershausen, deimalen in Arnstadt, soll als Universalerbin aus meinem Nachlasse überhaupt nm* die runde Summe von

„Eintausend Thalem" sowie meine sämmÜiche Garderobe an Kleidungsstücken und Leibwäsche erhalten, den übrigen Verlassenschaftsbetrag aber den von mii- getroffenen Bestimmungen und gemachten Stiftungen gemäss verwenden, ohne berechtigt zu sein, die Quarta Pal- cidia oder Trebellianica auszusprechen, indem sie ohnehin nach Massgabe der von mir getroffenen Verfügungen auf ihre Lebens- zeit die Bezüge des ganzen Stiftungsfonds von dem Witzleben*schen Fräuleinstift zu gemessen hat. Sollte dieselbe diese jetzt von mir getroffene Verfögung nicht anerkennen, oder gar die Gültig- keit derselben anfechten, so enterbe ich genannte, meine üniversal- erbin, Fräulein Hermine von Witzleben ausdrücklich, und die jetzt verfugte Summe, sowie die weiteren Bestinunungen wegen Nachfolge in meine Mobilien, an Kleidungsstücken und Wäsche, sollen der Stiftung des von mir errichteten Fräuleinstift» zufallen.

2. Zu Errichtung eines Stipendiums für arme Studirende aus dem Fürstenthum Schwai-zburg-Budolstadt vermache ich die Summe von

„Eintausend Thalem"

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mit der Bestimmung, dass die Zinsen von diesem sicher an- zulegenden Capitale den Percipienten bei ihrem Abgange auf die Universität jährlich ausgezahlt werden. Sollte ein befähigtes Subject aus dem Orte Angelroda vorhanden sein, so soll dieses vorzugsweise bei Gewährung des Stipendiums berücksichtigt werden.

Ausserdem überlasse ich die näheren Bestimmungen, welche hinsichtlich dieser Stiftung noch zu treffen sein möchten, lediglich meinem Neffen, dem Herrn Geheimen Eath von Witzleben in Budolstadt.

3. Hinsichtlich meines jetzigen Dienstmädchens habe ich durch eine besondere Bestimmung, welche verschlossen in meinem Schreib- pulte sich vorfinden wird, verfugt.

Diese Verfügung soll ebenso, wie etwa weitere sich vor- findende und von mir eigenhändig unterschriebene Verordnungen volle Gültigkeit haben und pünktlich befolgt werden.

4. Alles übrige Vermögen, welches nach Abzahlung und Berichtigung der von mir firüher und jetzt bestimmten Vermächtnisse, etwaiger CoUateralgelder und sonstiger Kosten verbleiben wird, soll zu dem Fond des von mir gestifteten von Witzleben'schen Fräuleinstiftes geschlagen werden.

Es ist dieser testamentarische Nachtrag, welcher als integrirender Theil meines Nachtrags-Testaments gelten soll, mit solchen bei Kräften zu erhalten und ich. bitte, denselben vorläufig gerichtlich niederzulegen tind dereinst meiner Testamentserbin zugleich mit den übrigen letztwilligen Verffigungen zu cröflBien und darauf zu sehen, dass solchem überall nach- gekommen und bei Kräften erhalten werde.

Frau von Minnigeroda

genehmigte nach erfolgtem wirklichen Vorlesen das aufgenommene Protokoll, erklärt nochmals dass dieses ihr fester Wille sei und es ist solches eigen- händig unterschrieben und hiermit die Expedition, nachdem sie von 11 Uhr bis 1 Uhr gedauert hatte, beschlossen worden.

Nachrichtlich Schmidt. L. Weissleder, Actuar.

Auguste von Minnigeroda, geb. von Witzleben.

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Die völlige üebereinstimmung der vorstehenden Abschriften, Seite 207 221, nach vorangegangener CoUation, mit der im Besitze des unterzeich- neten Seniors der Familie bei den Seniorats- Acten befindlichen eigen- händigen Abschrift des Herrn Statuts- Verfassers, wirklichen Geheimöraths und Oberstallmeist^rs Friedrich von Witzleben auf Schloss Angelroda, vom 3. April 1854, von der amtlich beglaubigten Abschrift, welche dem- selben unter dem^^ März 1854 von Seiten des Grossherzogl. Sächsischen Staats-Ministeriums zu seinem Gebrauche mitgetheilt worden ist: wird seitens des jetzigen Familien-Seniors an Eides statt hierdurch bezeugt.

Wiesbaden, den 29. August 1875.

Herrmann von Witzleben,

Königlich Preussischer Oberst a. D., als zeitiger Senior der Familie.

Specielle Nachweisungen.

1. Betrag des Stiftnngs-YemiSgens bei Gründung dieser milden

Stiflmig 1854.

Thlr. Sgr. Pf.

I. An Immobilien 1,111. . .

n. An Mobilien:

a) an ausstehenden Capitalien 11,209. 20. 2.

b) an Silber und Pretiosen 215. 3. 6.

In Summa 12,535. 23. 8.

2. Betrag dieses Vermögens nach der Stiftsrechnung pro 1874.

I. An Immobilien in Folge baulicher Verbesserungen

und Neubeschaflfungen, nach dem jetzigen Taxwerth

und Versicherungsschein vom 1. Febr. 1872 . . 2,895. . . n. An Mobilien:

a) ausstehende Capitalien 16,485. 29. 2.

b) Silber und Pretiosen, eingerechnet des Werthes der 1870 för die beiden Stifts- damen beschafften Ordenskreuze 273. 8^ 3.

Latus . . 19,654. 7. 5.

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Thlr. Sgr. Pf.

Transport . . 19,654. 7. 5. c) die im Stiftsgebäude vorhandenen Möbeln und Effecten, theils aus Hinterlassenschaften heiTührend, theils neu erworben und in der Gothaer Feuer-Societät versichert mit . . 731. —. .

In Summa 20,385. 7. 5.

3. Baare Bezfige von jeder der Stiftsfräulein, seit der Unterzeichnete als Senior der Familie in directe Beziehungen zu dem Stift» und dessen Verwaltung getreten ist:

1862 nach der betreffenden Stiftsrechnung 230 Thlr. 22 Sgr. 11 Pf. 1874 316 29 -

4. Verzeichoiss derjenigen Damen der Familie Witzleben^ welche seit Gründung des Fräuleinstiflies in dasselbe aufgenommen worden sind und dessen Nutzungen bezogen haben, zum Theil jetzt noch gemessen:

A. Fräulein Hermine von Witzleben, zweite Tochter des am

17. April 1824 als Königl. Preuss. General-Major a. D. verstor- benen Carl Friedrich Heinrich -Günther von Witzleben, ältesten Bruders der Frau Stifterin. Fräulein Hermine war Hofdame Ihrer Fürstl. Durchlaucht der verwittweten Fürstin Caroline zu Schwarz- burg-Sondershausen in Arnstadt; trat mit dem Ableben der Frau von Minnigerode als deren Üniversal-Erbin und erste, alleinige Nutzniesserin aller Competenzen der Stiftung im November 1846 in dieselbe ein und ist selbst am 21. Februar 1852 an Ver- knöcherung des Magenmnndes zu Arnstadt verstorben. Ihr folgte

B. Fräulein Blanka von Witzleben, einzige Tochter des 1845

als General-Lieutenant und Commandant von Glatz verstorbenen Constantin von Witzleben, zweiten Sohns des ältesten Bruders der Frau Stifterin. Fräulein Blanka starb am 21. Decbr. 1855 zu Erfurt an der Schwindsucht.

Nach ihrem Ableben ruhte vorerst die Nutzniessung aus dem Stift;, da zur Zeit kein zum Eintritt berechtigtes Fräulein vor- handen war.

C. Fräulein Marie Esther von Witzleben, zweite Tochter des

am 15. Januar 1862 verstorbenen Fürstlich Schwarzburg-

Rudolstädtischen wirkl. Qeheimeraths und Oberstallmeisters a. D.

Herrn Friedrich von Witzleben, einzigen Sohnes des dritten

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Bruders der JPrau Stifteiin, Friedrich Wilhelm Ludwig von Witz- leben, welcher im Mai 1800 als Königl. Preuss. Hauptmann ver- storben ist. Die Entscheidung über die Aufiiahme des Fräuleins Marie erfolgte am 12. Mai 1862; sie hat jedoch vom Todestage ihres Vaters ab die Nutzungen des Stiftes bezogen, welche sie zur Zeit als die älteste der Stiftsdamen noch geniesst. D. Fräulein Louise Caroline Mathilde von Witzleben, Zweit- älteste Tochter des am 18. August 1873 auf Schloss Collm bei Niesky verstorbenen Königlich Preuss. Kammerherrn und Schlosshauptmanns Friedlich Hartmann von Witzleben, jüngsten Sohnes des vierten Bruders der Frau Stifterin. Fräulein Louise beantragte ihre Au&ahme in das Stift mittelst Schreiben an den Senior vom 20. Septbr. dess. J. Es ergaben sich jedoch Schwie- rigkeiten hinsichts der Beschaffung eines vor Gericht gültigen Geburt s- und Taufzeugnisses von ihrem am 6. Mai 1802 zu Johannisburg in Ostpreussen geborenen Vater. Der damalige Geistliche, welcher die Taufe vollzogen, hatte den Vater ohne * jeden Vornamen nur als Oberstwachtmeister in dem betreffenden Kirchenbuche bezeichnet, die Namen wie die Herkunft der Mutter anzugeben aber gänzlich ignorirt. Dieser Umstand verursachte ein äusserst weitläufiges Geschäfts verfahren, wodurch die definitive Entscheidung über die Aufnahme des Fräuleins Louise von Witz- leben in das Stift Ws zum 1. Februar 1874 verzögert wurde. Die Nutzungen davon sind ihr jedoch schon vom Todestage ihres Vaters ab statutenmässig nachträglich zu Theil geworden.

Wiesbaden, den 28. August 1875.

Herrmann von Witzleben,

Königl. Preuss. Oberst a. D.

Berichtigung.

176 Z. 2 V. u. zu lesen: Wilmeradorferstrasse statt Schlossstrasse.

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Geschichte

der

Familie von Witzleben.

Nach archivalischen Quellen bearbeitet

Gerhard August von Witzleben,

•nifral-C{fttf«iit y 9.

and

Karl Hartmann August von Witzleben,

üa|tr a. 9.

I. THEIL.

IV. HEFT.

]I>ie Hiiebeosteinei* ILiioie«

(Mit fünf Stamm- und zwei Ahnentafeln).

-5*:

BERLIN. 1878. Verlag von A. Bath.

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III. Abtheilnng.

Die Liebensteiner Linie.

I. Abschnitt.

VoD der OrfiodoDg der Liebensteiner Linie bis znr

Theilong derselben in die Linien anf dem Unter- nnd auf dem

Ober* Hanse zn Liebenstein.

1484 - er. 1615.

a. Der Bitter Heinricli d. J. von Witzleben, 14:08—1456.

H

einrieb den Jüngern, des um das Jahr 1405 gestorbenen Ritters Fritz von Witzleben (s. S. 62) Sohn, finden wir urkundlich zuerst erwähnt im Jahre 1412, und zwar als Bürgen des Grafen Günther zu Schwarzburg; er muss aber schon 1408 mündig gewesen und an die Oeffentlichkeit getreten sein, denn mit dem 14. Aug. dieses Jahres beginnt die Bezeich- nung seines gleichnamigen Oheims, des Amtmanns zu Heldburg, Wachsen- burg und Liebenstein, als Heinrich von Witzleben der Aeltere, An den meisten der Pfandschaften und allen Lehngütem, die Letzterer besass, sowie an den reichen Stiftungen, die derselbe machte, war Heinrich d. J. nebst seinen Brüdern betheiligt, wie S. 63 72 ausführlich erzählt ist. Li einem vom 11. Nov. 1424 datirten Schuldbriefe des Landgrafen Friedrich in Thüringen für Otto und Kaspar Vaner über 200 Mark löthigen Silbers wird er unter den Bürgen aufgeführt als „Heinrich von Witzleben, der junge, gesessen zum Liebenstein". Als „Er Hein- rich" d. h. als Ritter, finden wir ihn erst am 1. Febr. 1432, als ihm

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vom Grafen Günther zu Schwarzburg dessen Theil des Dorfes Lange- wiesen mit Gerichten über Hals und Hand und das Dorf Pennewitz für 760 rheinische Gulden verpfändet wurden. Aus den betreffenden beiden Urkunden erfahren wir auch, dass Heinrichs eheliche Wirthin Frau Felicia war.

Nach dem Tode Heinrichs d. Ä., 1430, bezog Heinrich d. J. die Wachsenburg, während der Liebenstein vom Landgrafen Friedrich ein- gelösst und im nächsten Jahre an Fritschen von Frymar für 1700 rhei- nischen Gulden versetzt wurde.

Nicht durch Einlösung, sondern auf eine gewaltsamere Weise wurde Heinrich des am 15. März 1420 von den Grafen von Henneberg an Hein- rich d. Ä. von Witzleben verpfändeten und nach dessen Tode auf ihn übergegangenen Schlosses und der Stadt Ilmenau, wenn auch nur auf kurze Zeit, entsetzt. Graf Wilhelm von Henneberg nämlich, 1430 erst mündig geworden, befehdete aus einem unbekannten Grunde den Land- grafen Friedrich in Thüringen und trieb den Mönchen von Georgenthal ihre Herden weg. Der Landgraf aber fiel sofort in das Hennebergische Gebiet ein und bemächtigte sich des Schlosses und der Stadt Ilmenau, was um so leichter war, als sie Heinrich von Witzleben gegen ihn, seinen Lehnsherrn, nicht vertheidigen konnte. Endlich vermittelten Herzog Sig- mund zu Sachsen imd Landgraf Ludwig zu Hessen zwischen den strei- tenden Theilen am 16. Nov. 1431 einen Vergleich, nach welchem Graf Wilhelm allen verursachten Schaden dem Landgrafen mit 500 Gulden ersetzen, letzterer aber Schloss und Stadt Ilmenau an Heinrich von Witz- leben wieder abtreten musste.*)

Nachdem Heinrich von Witzleben bis zum Jahre 1434 im ruhigen Pfandbesitz der Wachsenburg gewesen war, stellte es sich heraus, dass der Pfandbrief, den er wegen der Burg in Händen hatte, gefälscht war. Heinrich wurde der Fälschung oder doch der Wissenschaft um dieselbe beschuldigt und vor das Gericht geladen, welches am Dienst^e octava Apostolorum Petri et Pauli, d. h. 6. Juli, 1434 in den Vierstühlen des Landes zu Thüringen auf der Wiese zwischen Schwerstedt und Neumark, gen Buttelstedt gehörend, in Gegenwart des Landgrafen in Thüringen, etlicher seiner Grafen, Mannen, Städte und Landschaften über Em Hein- richs Leib und Ehre und Gut gehalten werden sollte. Das Gericht

*) Schultes, Dipl. Gesch. des öräfl. Hauses Henneberg, II. p. 105 und H. Urk. B. p. 224.

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unterblieb aber, da Heinrich auf Zureden seiner Freunde bes^ihlossen hatte, sich „in des Landgrafen Gnade zu geben, in massen und Sachen als hiemach geschrieben steht: *)

Am Dienstage vorgenannt ist Er Heinrich von Witzleben mit seinen Freunden, nämlich Kersten vom Hayn, Jörgen von Witzleben zu Berka, Fritschen von Witzleben und Titzen von Bibra, vor unsem gnädigen Herrn gen Weimar kommen und Er Heinrich ist daselbst vor unsem gnädigen Herrn, seine Räthe und viel seiner Mannen getreten und hat gesprochen also: „Gnädiger Herre! Ich habe einen Brief gehabt über Wachsenburg, den ich vor Eure Gnaden, Eure Grafen, Mannen und Städte gelegt habe, und meinte, er wäre gut und gerecht; nun ist der von Eurer Gnaden, Euren Grafen, Mannen und Städten ungerecht und &lsch erkannt. Nun seid Ihr mein Herr und ich Euer Mann und stelle das an Eure Gnade und bitte Eure Fürstliche Gnade um Gnade mir zu erzeigen". Des nahm unser Herr ein kurz Gespriche auf seiner Freunde Verteiding, mit Wissen und Vor-ßath der Grafen, Mannen und Städte vorgehabt, und liess den edlen Grafen Bodo von Stolberg, seinen Hofineister, wiedersagen und aussprechen also: „Er Heinrich! Als Ihr meinen gnädigen Herrn um Gnade gebeten und Euch darein gegeben habt, will Euch mein gnädiger Herr Gnade thun also, dass Ihr die Wachsenburg mit allen Zugehörungen und allen Briefen, die auf Wachsenburg weisen, meinem gnädigen Herrn sollt ledig und los wieder- geben, abtreten und einantworten; so will Euch unser gnädiger Herr von der Gnade wegen, die Ihr gebeten habt, auch Gnade beweisen und Euch und Euren Lehnserben Liebenstein das Schloss mit seinen Zuge- hönmgen ledig und erblich geben und einantworten lassen." Das er dann mit seinen Freunden alsogleich aufgenommen hat.

Doch so ist darüber das darum furder erlassen, dass er Heinrich von Witzleben die Wachsenburg in obgeschriebener Masse unserm gnädigen Herrn auf Bartholomäi nächst (24. Aug.) einantworten soll; so soll mein Herr Em Heinrich auf dieselbe Zeit Liebenstein auch ein- antworten lassen." Zum Schluss werden dann noch die Zeugen auf- geführt, welche bei diesen Unterhandlungen zugegen waren.

*) Wie es in dem im Com. Arch. zu Weimar befindlichen Handelbuche Lgr. Frie- drich d. Einf. I. Fol. 13 heiast, dem die nachfolgende Erzählung wörtlich, jedoch mit jetziger Orthographie und Interpunction, entnommen ist.

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Des Landgrafen Friedrich Lehnbrief über das Schloss Liebenstein mit dem wehrhaften Hofe darunter gelegen, mit allen Dörfern, Vorwerken, Mühlen, Wassern, Wasserlänfen, Aeckem, Wiesen, Zinsen, Renten, Kom- gulden, Diensten, Pflichten, mit geistlichen und weltlichen Lehen, obern und niedem Gerichten und mit allen Zugehörungen, Ehren, Nutzen, Würden, Freiheiten und Gewohnheiten für Heinrich von Witzleben und seine Leibeslehnserben ist aber nicht an Bartholomäi, sondern Sonnabends am Tage Augustini, d. h. 28. Aug., 1434 ausgestellt.*)

Aus dem Mitgetheilten geht wol zur Genüge hervor, das der Land- graf Heinrich von Witzleben nicht für schuldig hielt. Er bewies dies femer dadurch, dass er Heinrich für Molsdorf, welches bisher inmier zur Wachsenburg gehört hatte, besonders entschädigte, indem er ihm dafür das Dorf Oberwillingen ganz und 7* von Wipfra gab, und schon 1435 mit ihm wider Pfändgeschäfte trieb, indem er ihm das Schloss Elgersburg fär 468 Mark und 400 Rh. Gulden widerkäuflich verkaufte. Wie sich Heinrich am 17. Sept. 1437 mit seinen Vettern Fritz und Iring von Witzleben, nachdem diesen die Elgersburg erblich verliehen war, auseinander setzte ist S. 76 erzählt.**)

Li einer Urkunde vom 15. Dec. 1438 bekennt Landgraf Friedrich in Thüringen, dem Ritter Heinrich von Witzleben, derzeit zu Flaue gesessen, 641 Groschen alten Geldes von seines in dem Gericht zu Wachsenburg gelegenen Erbes und Gutes wegen, welches der Land- graf ihm abgekauft, schuldig geworden zu sein und diese Smmne am nächsten Walpurgistage abführen zu wollen. Bald darauf kaufte Hein- rich von Witzleben denen von Thüna wieder einen Theil von Molsdorf ab***), und in den Lehnbriefen über Liebenstein vom 27. Dec. 1449 und 2. Juli 1452 wird Hof und Dorf Molsdorf ausdrücklich genannt. Nach- dem Heinrich aber schon 1453 20 Rh. Gulden jährlicher Rente auf dem grossen Hofe zu Molsdorf an Heinrich Paradies fiir 400 Gulden wieder- käuflich verkauft hatte, versetzte er im nächsten Jahre jenen grossen Sedelhof mit dem Dorfe an Heinrich von Hain fiir 200 Mark 1. S. und verkaufte erblich einen andern Hof mit 18 Ackern Land und 4 Ackern Weinberg, ebenfalls zu Molsdorf, an Friedrich Slagila.

*) H. St. Arch. zu Dresden, Cop. 38 Fol. 95 b. cf. P. Jovii Chron. Schwarsb. 1. c. p. 481.

*♦) Wo 12. Sept. Druckfehler ist ♦♦♦) Brückner, Goth. Kirchen- und Schulen -Staat. T. I. St. 4. p. 62.

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Im Jalire 1454 starb der Kitter Heinrich von Witzleben und hinter- liess seinen Söhnen Friedrich, Klaus und Konrad folgende Güter: I. Freies Eigenthum. Das Vorwerk zu Flaue.*)

n. Landgräfliche Lehen.

1. Das Schloss Liebenstein mit den dazu gehörenden Dörfern Lieben- stein, Rippersroda, Frankenhein und Gräfenroda**) mit Gerichten über Hals und Hand.

2. Hof und Dorf Molsdorf.

3. Die Dörfer Kettmannshausen und \2 Schmerfeld***) mit Gerichten über Hals und Hand.

4. V* Neusiss.f)

5. 6 Pfund Geldes zu Harhausen, die zu einer Vikarei zu Arnstadt, daran die von Witzleben die Lehen haben, geeignet sind, und an Weingärten 9 Acker am Haselbach, 12 am Fockenberge und 12 am Molberge.

(Ob Oberwillingen und V* Wipfra, femer die Güter, welche Hein- rich von Witzleben um 1434 von Wittich von Boylstedt gekauft hatte, nämlich ein Sedelhof zu Holzhausen mit 5 6 Hufen Landes, verschiedenen Zinsen, einem Backofen zu Bittstedt, Holz an dem Molberge und anderen Zugehörungen, auf Heinrichs Söhne gekommen sind, vermögen wir nicht nachzuweisen.)

in. Hennebergische Lehen.

1. Das Dorf Boda und den Grund zu Reichenbach, mit Teichen, fliessenden Wassern, Ackern, Wiesen, Holz und Feld,

2. 7* von Martinroda und ein Vorwerk daselbst,

3. Neusiss,

*) Plane in Schwarzburg-Sondershansen, 1 Meile südwestlich von Arnstadt. Das Dorf Plane, seit uralten Zeiten denen von Witzleben zuständig, war zu Anfang des 14. Jahrhunderts von diesen an die Grafen zu Schwarzburg verkauft worden, welche ee mit Mauern umgaben, ihm Stadtrechte verschafften und 1324 die Ehrenburg ^cht &ber dem Stadtchen erbauten.

**) Mit der anderen Hälfte waren die Grafen zu Schwarzburg belehnt. ***) Die andere Hälfte war Hennebergisches Lehn.

t) Die andere Hälfte war Hennebergisches Lehn. Die Landgräfliche Hälfte war spater, 1517, Schwarzburgisches Lehn und wurde am 15. März 1535 an Henneberg abgetreten, so dass nun die Grafen von Henneberg die Lehnshoheit über ganz Neusiss hatten.

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4. Heyda ganz,

5. V^ Schmerfeld, alles mit Gerichten über Hals und Hand.

IV. Schwarzburgische Lehen.

1. Das Dorf Breitenbach (jetzt Klein-Breitenbach),

2. Die Dörfer und Güter zu Gräfinau und Bücheloh, das halbe Vor- werk zu Geüsdorf, das Dorf ünterweissbach, 40 Pfund Geldes zu

Witzleben und sonstige Zugehörungen.

Mit Ausnahme von Molsdorf (2 St. nördlich von Arnstadt) und ünterweissbach (1 M. südöstlich von Königsee) bildeten all diese Güter einen zusanunenhängenden bedeutenden Besitz in der Gegend von Flaue, Ilmenau und Stadt Um.

b. Liebenstein.

Nördlich des im Kreise OhrdrufF des Herzogthums Sachsen-Gotha 1 V2 Meilen südwestlich von Arnstadt und 7* Stunden von Flaue in dem engen Thale der wilden Gera gelegenen Dorfes Liebenstein*) erhebt sich ein von Muschelkalk gebildeter Bergrücken, dessen östliche Spitze die schönen Ruinen der Burg Liebenstein krönen. Ein viereckiger Streit- thurm, worin noch einige Gemächer, die eine prächtige Aussicht bieten, sowie die Mauern der Kenmate und des Keisigen-Stalles schauen malerisch ins Thal hinab.

Wann und von wem die Burg erbaut ist, darüber schweigt die Geschichte.**)

Als erste Besitzer werden die Grafen von Kefernburg genannt. Im Jahre 1302 starb der letzte dieses Hauses, Graf Günther, ohne männ- liche Erben und die mit seinen zwei Töchtern vermählten Grafen Otto von Orlamünde und Dietrich von Hohnstein veräusserten wegen Ent- legenheit die sänuntlichen Güter, als Arnstadt, Wachsenburg, Schwarz-

*) Zum Unterschiede von dem im Amte Salzmigen des Herzogthums Sacbsen- Meiftingen 1 M. südwestlich vom Inselsberge gelegenen Bade Liebenstein, dem Stamm- orte der Stein von Liebenstein, gewöhnlich Liebenstein a. d. G^ra oder Liebenstein bei Plane genannt. Das Dorf, 952' über dem Ostseespiegel, hatte 1819 273, 1869 in 80 Wohnhäusern 650 Einwohner mit 100 Schnlkindem.

**) Liebenstein „soll seinen Namen von dessen Erbauer haben, massen die grosse Thnrmmaner über 5 Ellen und die andern Manem des alten Schlosses auch wohl 4 Ellen dicke sind, und eine besondere Liebe zu den Steinen anzeiget *". s. Brückner, G. K. u. Seh. St. n. 5. p. 65.

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wald, Liebenstein und Ilmenau, an die Grafen Günther und Heinrich zu Schwarzhurg, welche sich noch vor 1324 darin theilten.*)

Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts datirt dann die Verbindung unserer Familie mit Liebenstein. Am 5. Nov. 1363 bekennt „frize von Wizleiben Ritter gesessen uf dem Huse zu dem Liebensteine", dass ihm Graf Johann von Schwarzburg, Herr zu Wachsenburg, 40 Mark 1. S. Erfurtischen Zeichens gegeben habe, weil er demselben den Hof vor dem Hause zu dem Liebensteine und 4 Mark Geldes jährlichen Zinses von allen seinen Gütern zu Angelroda zu einem rechten Burggute aufgetragen habe; den Hof dürfe er nur mit Rath und Willen des Grafen von Schwarz- burg verkaufen, doch solle er Macht haben, dies zu thun an Tizeln von Wizeleiben, von dem er ihn gekauft habe.**) Graf Johann von Schwarz- burg gerieth bald darauf, 1366, in Folge des S. 40 erwähnten Krieges mit dem Bischof von Würzburg in solche Beschwerung, dass er Wachsen- burg, Liebenstein und Schwarzwald 1367 an die Erfurter zu verkaufen genöthigt wurde. Aber als er und die Bevollmächtigten der Stadt sich der Belehnung wegen zum Kaiser begeben wollten, wurden sie auf des Landgrafen Friedrich Anstiften vom Herzog Stephan in Bayern gefangen genonmien; Graf Johann musste den Erfurtern den Kauf aufsagen und die drei Schlösser den Landgrafen in Thüringen für die Summe von 6500 Mark 1. S. überlassen (1369).***)

*) Herrtwich, Thür. Heimathskrmde, p. 182.

**) Orig. im Schwarzb. Archiv zu Arnstadt. cf. König, Regesten, und P. Jovii Chron. Schwarzb. 1. c. p. 243.

**♦) Heydenreich, Schwarzb. p. 69 u. 434. Struv. Hist. pol. Arch. IV. p. 122. Pauli. Annal. Isen. p. 86. Palkenstein, Erf. Hist. p. 264. Hell- bach, Arch. V. u. f. Schwarzb. Brückner, G. K. u. Seh. St. II. 5. p. 65.

Am heil. Pfingstabende (19. Mai) 1369 bekennen Günther und Johann Grafen zu Schwarzburg, dass Dietrich von Witzleben, Bitter, und Dietrich von Witzleben, Knecht, von ihret- und ihrer Erben wegen, die Ritter Dietrich von Molschleben und Heinrich von Stuttemheim, von wegen der Landgrafen Friedrich, Balthasar und Wilhelm, Wachsenburg, Liebenstein und Schwarzwald so lange, bis Graf Jobann aus der bayrischen Gefangenschaft erledigt und der Kaufbrief, der da hält 6500 Mark lothigen Silbers, vollzogen und den Grafen eingeantwortet ist, inne haben und den Grafen damit gewarten sollen ; wann aber d^r Kaufbrief vollzogen sein wird, sollen jene vier nur den Land- grafen, die bereits 4000 Mark darauf gegeben haben, erblich gewarten. Com. Arch. zu Weimar, Reg. E. Bl. 82a No. 17. Der entsprechende Revers der vier Inhaber der Burgen ist vom heil. Pfingstage (20. Mai) 1369 datirt und befindet sich im Orig. auf Perg. mit 2 (von 4) Siegeln ebenfalls im Com. Arch. zu Weimar, s. R. Reg. £e Bl. 82a No. 19. cf. Struv. hist. pol. Arch. IV. p. 122. Schöttgen Inv. Dipl. 290 No. 6. König Regesten (danach im Archiv zu Bamberg).

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1381, am Donnerstag vor Michaelis, versetzten Balthasar, Wilhera, Friedrich, Wilhelm und Georg, Landgrafen in Thüringen und Markgrafen zu Meissen, dem Grafen Gerhard von Beichlingen das Schloss Lieben- stein mit den Dorfschaften Schilderode, Gräfenrode, Buprechtsrode etc. für 750 Mark Silbers Erfurter Zeichens.*)

Am G. Juli 1 394 bekennen Fritsche von Witzleben Bitter, Heinrich sein Bruder, Em Herrmannsteins sei. Söhne, fiir sich, ihre Erben und ihre Getreuhänder Kunemund von Witzleben den Jüugem, Em Titzels sei. Sohn, Iring imd Fritsche von Witzleben Gebrüder, ihre Vettem, und Gemod von Kobenstedt, ihren Schwager, dass Landgraf Balthasar ihnen 377 Mark 1. S. schulde imd ihnen dafür sein Schloss Liebenstein mit allen Zugehömngen, wie er es von dem edeln Herm Gerhard Grafen von Beichlingen eingelösst, femer das Dorf Elleben in der Herrschaft Kefemburg imd verschiedene Geld- imd andere Zinsen zu einem rechten Pfände gesetzt habe. Sie versprechen, Schloss Liebenstein getreulich bewahren und dem Landgrafen damit gewarten zu wollen; auch soll es dessen offen Schloss sein zu allen seinen Geschäften gegen jederman, niemand ausgenommen als sie selber,**)

37 Jahre lang blieb mm Liebenstein im Pfandbesitz unseres Geschlechts. Am 3. Mai 1404 schlugen die Landgrafen Balthasar uud Friedrich zu der obenerwähnten Pfandsumme von 377 Mark noch 500 Schock Groschen Freiberger Münze, welche sie den Brüdern Fritz und Heinrich von Witz- leben für deren Dienste in Franken schuldig geworden waren.***)

Im Jahre 1412 erlaubte Landgraf Friedrich seinem Marschall Hein- rich d. Ä. von Witzleben, den Hof vor dem Schlosse Liebenstein, welcher Heinrich Vitzthum gehörte, zu diesem Schlosse zu kaufen, und versprach, das Kaufgeld imd was Heinrich sonst daran verbauen würde, wieder zu erstatten.!)

1416 imd am 21. Jan. 1417 wird Heinrich d. Ä. von Witzleben bezeichnet als „gesessen resp. wohnhaftig zu dem Liebenstein" ft) ^^d

*) Hörn, Fried, d. Streitb. p. 105, wobei die Anm.: aU. Tenzel. Typ. Geneal. Beichl. §. XnX.

**) Orig. auf Perg. mit 2 wohlerhaltenen Wachssiegeln im Com. Arch. zu Weimar, No. 3070 Reg. Rr. pag. 419 IV. K. No. 12. - St. Arch. zu Dresden, Cop. B. 2. Fol 135b ffg.

***) St. Arch. zu Dresden, Cop. B. 32. fol. 27.

t) St. Arch. zu Dresden. tt) P. JoYÜ Chron. Schwarzb. 1. c. p. 430, 453 u. 462.

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am 11. Nov. 1424. erscheint in einem Schuldbriefe des Landgrafen Friedrich „Heinrich von Witzleben der junge, gesessen zum Liebenstein".*)

Nachdem Heinrich d. Ä. von Witzleben gestorben war, lösste Land- graf Friedrich den Liebenstein ein, versetzte ihn aber sofort wieder, 1431, an Fritsche von Frymar für 1700 gute gänge imd unverschlagene rhei- nische Gulden.**)

Auf welche Weise Liebenstein 1434 in den erblichen Besitz unserer Familie gelangte, ist S. 229 ausführlich erzählt. Sonnabends am Tage Augustini (28. Aug.) 1434 verUeh Landgraf Friedrich in Thüringen Heinrich von Witzleben und seinen Leibes-Lehnserben das Schloss Lieben- stein mit dem wehrhaften Hofe darunter gelegen, mit allen Dörfern, Vor- werken, Mühlen, Wassern, Wasserläufen, Aeckem, Wiesen, Zinsen, Beuten, Komgulden, Diensten, Pflichten, mit geistlichen imd weltlichen Lehen, und obersten und niedersten Gerichten und mit allen Zugehörungen Ehren, Nutzen, Würden, Freiheiten imd Gewohnheiten, wie er es zu Erbe und die von Witzleben pfandweise innegehabt, zu rechtem Erbmannlehn. Die zu dem Schloss gehörenden Dörfer waren Liebenstein, Bippersroda, Frankenhain und die Hälfte von Gräfenroda.***)

Bippersroda, gewöhnlich Bippers, auch Buppers imd früher Buppertsrode, nach seinem Patron, dem heiligen Bupertus, genannt, liegt Y* Stunde südöstlich von Liebenstein auf der Höhe (daher schöne Aus- sicht in den Plaue'schen Grund), hat eine Schwesterkirche des letztern Orts und zählte 1822 in 40 Häusern 150 Einwohner.

Franken ha in liegt etwas über Y2 Meüe südwestlich von Lieben- stein (2 St. südöstlich von Ohrdruflf) und hatte 1819 in 83 Häusern 383 Einwohner.

Gräfenroda liegt wieder V* Stunde südöstlich von Frankenhain und Meile südwestlich von Liebenstein, an imd über der wilden oder

*) Com. Arch. zu Weimar, Reg. Aa. p. 33. **) H. St. Arch. zu Dresden.

***) In den landgraflichen, später kurf&rstl. resp. herzogl. sachsiflcben Lehnbriefen werden zwar Mobdorf (bis 1455), sowie Eettmannshausen und Schroerfeld (bis 1559), femer 6 Pfund Geldes zu Harhausen und zusammen 33 Acker Weingärten immer mit genannt, doch waren dies keine eigentlichen Pertinenzstücke von Liebenstein, sondern wie die Schwarzburgischen Dörfer Gräfinau, Bücheloh, Qeilsdorf und Unterweissbach und die Hennebergiscben Hejda, Neusis und Schmerfeld, besondere Lehne der Herren von Witzleben zum Liebenstein. Später, 1672, werden jedoch Eettmannshausen und Elein-Breitenbach zu den Pertdnenzstücken gerechnet.

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kleinen Gera*), und hatte 1729 106 Häuser, 57 Scheunen und 700 Ein- wohner. Die Witzlebensche Hälfte dieses Dorfes wurde 1610 mit lehns- herrlichem Consens an den Grafen Günther zu Schwarzburg-Amstadt, den Inhaber der andern Hälfte, für 6500 fl. widerkäuflich verkauft**), stand aber 1672 dem Herzog Ernst zu Sachsen um 6700 fl. imterpfändlich zu***) und erscheint seitdem nie wieder im Witzlebenschen Besitz. Sie gelangte um das Jahr 1700 an den Sachs. Goth. Geh. Eath von Fischer, dem- nächst an einen Herrn von Beck, darauf an den Reichs-Hofrath Emanuel von Willisenf) und endlich 1746 an die Böder von Geschwende, von denen weiter imten noch die Bede sein wird.

Um dieselbe Zeit, als Gräfenroda zum ersten Mal versetzt wurde, um 1610, theüten sich die Brüder Ernst Friedrich und Christian Budolf von Witzleben in die Liebensteiner Güter derart, dass jeder von jedem Dorf die Hälfte erhielt. Ernst Friedrich erhielt zu seinem Theil das alte Schloss Liebenstein; für Christian Budolf wurde an das alte ein anderes angebaut, welches höher lag imd deshalb als das Oberschloss oder obere Haus bezeichnet wurde, während man die eigentliche Burg von nun an das Unterschloss oder untere Haus Liebenstein nannte.ff)

*) Auf den Wiesen im Grunde blühen die Vergissmeinnicht in so grosser Menge, dass man sie »auf Karren wegfahren könnte". Schumann, St. P. u. Zeit. Lex.

**) «Als 1634 nach dem Tode des bisherigen Pfarrers die Frau Sabina von Lichten- berg geb. von Erffa in Vormundschaft ihres Sohnes [wonach also Gräfenroda von Schwarzburg an die von Lichtenberg weiter versetzt war] einen untüchtigen Menschen zum Pfarramt präsentirte, der den Herren von Witzleben nicht anstandig war, versagten ihm diese die Kirche zu Gräfenroda unter dem Verwände, dass sie das jus patronatus an den Grafen von Schwarzburg nicht mit verkauft hätten. Nachdem aber von Schwarzburgischer Seite erst in Güte, dann aber armatu manu in Gräfenroda Gewalt gebraucht und ein anderer Pfarrer introducirt war, haben sich die von Witzleben an den Landesfürsten, den Herzog von Gotha, gewendet, welcher dann auch wieder armatu manu den Pfarrer depossedirt und das Dorf Gräfenroda an den Pfarrer zu Liebenstein verwiesen hat. Die Sache kam nun vor dem Consistorium zu Eisenach zu Process, den jedoch das Haus Schwarzburg gewann, während durch ein fürstl. sächs. Dekret d. d. Eisenach den 8. Oct. 1683 die von Witzleben mit ihrem Suchen cum condemnatione in Expensas abgewiesen wurden so lange, bis sie ihre versetzten Briefe und Siegel mit den 6500 fl. wieder einlösen würden". Brückner, G. K. u. Seh. St. II. 6. p. 79.

***) Inventarium Georg Melchiors von Witzleben d. d. 1672. 8. Aug. im Arch. zu Hude.

t) War 1729 Besitzer. (Gleichenstein, Bürgel, p. 141 der Docum.) Karl von Willi- Ben und seine Gemahlin Job. Just. geb. von Fischer, schenken 1741 der Kirche einen Kelch.

tt) „Es ist an das alte Schloss ein anderes angebauet, welches, weilen es hoch lieget, einen anmutfaigen Prospect in einer lustigen und angenehmen Gegend hat*. Brück- ner, G. K. u. Seh. St. U. 5. p. 65.

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Die heute noch vorhandenen Buinen sind nicht etwa die des neueren Baues, sondern die des Unterschlosses, d. h. der alten Burg. Die Kem- nate, das eigentliche Wohnhaus, ist etwa 108 Puss lang und 40 breit und ohne das Erdgeschoss noch 2 Stockwerke (etwa 40 Fuss) hoch; eine Freitreppe von 8 10 Stufen führte zum Eingang. Durch die Kenmate gelangte man in den daranstossenden, noch 68 Fuss hohen Thurm, an welchem kein Eingang sichtbar ist. In dem im Archiv zu Hude befind- lichen, am 8. Aug. 1672 aufgenonmienen „Inventarium des Hochedel- gebohmen Gestrengen und Gross Mann -Haften Herrn, Herrn George Melchiom von Witzleben uff Liebenstein, Gräfenau und Bücheloh, Churf. Durchl. zu Sachsen etc. Gewesenen Kanmier Herms imd Obristen etc." werden 20 Stuben und Kanmiem dieser umfangreichen Kemnate nament- lich aufgeführt und deren Inhalt genau angegeben.*) Der Eeisigenstall, an welchen nach aussen zu ein kleiner Thurm angebaut war, hatte Baum für 24 Pferde. Eine Zugbrücke fährte über den Graben. Aussen war ein Gatterthor mit 2 Flügeln, inwendig ein festes, ebenfalls zweiflüge- liges Thor mit einer Pforte. In der Nähe der Thorstube hielten sich 3 Windhunde und 3 „Steuber", d. h. Stöber- oder Vorstehhunde, auf. An dem Thore befand sich ein doppelter Schweinestall, vor dem Thore das Backhaus imd ein Stall für welsche Hühner, am Schlossberge das Vorwerk. Ausserhalb des Vorwerks war ein Lustgarten angelegt, „in quater abgetheilet" , enthaltend 27 Aesche mit dicken Nelkenstöcken, 123 verschiedene Obstbäume und in der Mitte ein Lusthaus.**)

*) Danach mnss die Freitreppe zum mittleren Saal oder Flnr (2 Fenster) gef&hrt haben, auf dem 2 zweifenstrige Stuben mit je einer einfenstrigen Kammer, femer die blaue Stube (3 Fenster) mit einer zweifenstrigen und die grüne oder Gevatterstube (4 Fenster) mit einer dreifenstrigen Kammer lagen. In dem darüber gelegenen Stock- werk finden wir die obere rothe Stube (4 Fenster) und die alte Schulstube (4 Fenster), jede mit anstossender zweifenstriger Kammer, zwischen beiden Stuben einen kleinen Saal mit 2 Fenstern, die Gerichtsstube (3 Fenster), die Büstkammer und die neue Saalstube (3 Fenster). Unter dem Dach lagen der Futter-, der Malz- und Hopfen- und der Kornboden. Im Erdgeschoss, in welches man vom mittleren Saal aus auf einer Wendeltreppe hinabstieg, befand sich der Untersaal, die weisse Tafelstube (5 Fenster), die andere Stube bei der Küche (2 Fenster), die grosse Stube, die Stube über der Malztenne (4 Fenster), die Küche mit der Rauchkammer neben, einem Gemach vor und dem Gewölbe unter sich. Femer werden erwähnt der Weinkeller mit einem VorkeUer, das alte Haus vor dem Weinkeller, der finstre Stall (für 2 Pferde), die Speise- oder Brotkaramer, die Käsekanrnoer und die Wollenkammer.

**) Am Schlossberge liegt noch heutzutage ein freundlicher Garten und ein grosser Gutshof, Herr tw ich, Thür. Heimathskunde, Erfurt (1851), S. 46.

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Die zum Unterschloss gehörende Hälfte von Liebenstein umfasste (nach dem angeführten Inventar von 1672) 25374 Acker Land*), 10 Wie- sen (ohne Angabe der Grösse), 6 einzeln benannte Gehölze, Fischerei, 658 St. Schafe, 27 St. Bindvieh excl. 8 Zugochsen, 18 Schweine, 22 Zie- gen und an Holzgerechtigkeit auf dem fürstlichen Walde 100 Klafter Tannen-, 5 Klafter Buchen -Scheitholz jährlich, Bauholz und Schindeln zur Nothdurft, Fass- imd Bottig-Holz, Blöcke zu Dielen, Hopfenstangen und Bäume zu Krippen nach Lihalt des Fürstl. Recesses vom 13. Oct. 1656. (Das Klafterholz müssen die Anspänner zur Frohn aufs Haus Liebenstein führen, die Hintersättler aber lassen es hauen, welches sie mit Gelde verlohnen.)

Als zum Liebenstein gehörende Dörfer werden aufgeführt: 1. Lieben- stein, 2. Rippersroda, 3. Gräfenroda (dieses stehet Herzog Ernst Fürstl. D. zur Hälfte um 6700 fl. unterpfändlich), 4. Frankenhain, 5. Kettmanns- hausen**), 6. Klein-Breitenbach (dieses stehet dem von Holleuifer um 1100 fl. zum ünterpfande)***). „In allen solchen Dörfern sind die von Witzleben insgesanmit mit hohen und niedem Gerichten beliehen und sind die ünterthanen alle getheilet bis auf Kettmannshausen , in pein- lichen Fällen aber müssen die ünterthanen die Gerichtskosten ingesambt beitragen."

Das Jus Patronatus ist hergebracht zu Liebenstein, Gräfenroda, Frankenhain imd Breitenbach.

Jagdgerechtigkeit haben die von Witzleben in allen ihren Gerichten und Dorfschaften, wird ingesambt exerciret, ingleichen auch die Reh- jagd auf dem fürstlichen Walde.

Handfrohne müssen die Hintersättler zu Liebenstein entweder selbst verrichten oder verlohnen, als kleiben, Hanf imd Flachs einlegen und wieder aus der Beste waschen, Hanf und Flachs blauen, brechen, hecheln, und Botschaft laufen, „bekonamt ein Bot vor jede Meil 1 Gr. besag eines Anschlags".

*) 1 Acker = er. 2 Morgen. Zorn ganzen Gute Liebenstein gehörten demnach über 1000 Morgen Feld.

**) Kettmannshausen ist ein kleines Dorf im Herzogthmn Sachsen-Gotha, fast in der Mitte zwischen Plane nnd Stadt Um, 1^/s Stunden östlich des ersteren Orts; schon seit dem 12. Aug. 1415 im Witzlebenschen Besitz, s. S. 65.

***) Das Dörfchen Klein-Breitenbach liegt im Amte Arnstadt des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen, St. südöstlich von Plane, am Westabhange der Beins- burg.

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Triften: in allen Fluren, die nach Liebenstein gehören.

Lehnwaren; Lehn-, Anflass- und Abzuggeld von jeden 100 5 fl.

Das Backhaus zu Liebenstein ist gemeinschaftlich, giebt jedem Hause (d. h. dem Unter- imd Oberhause) einen gewissen Zins.

Die Schenkstatt bringt jährlich 20 fl. Pachtzins.

Erbzinse incl. Geschoss: a) zu Liebenstein: 5 fl. 6 gr. 4 pf., 12 Fastnachts-, 9 Michelshühner, 1 Gans, Metze Mohn, 47* Mass Hafer. Die kleinen Häuser geben jedes 4 Gänse t)der 1 Bthlr. Geld dafiir. b) zu Frankenhein: 19 fl. 7 gr. 5 pf., 87* Mass Hafer, 17 Fastnachts- hühner, 5 Gänse, 2 Schock Eier der Wirth. c) zu Eippersroda: 16 fl. 10 Sgr. 1 pf., 27* Mass Hafer, 11 Fastnachts-, 2 Michelshühner, d) zu Kettmannshausen: 20 fl., 15 Michels-, 4 Fastnachtshühner, 1 gemästete Gans ein Jahr ums andere.

Auswärtige Erbzinse: a) Gera: 15 gr. 1 pf. b) Angelroda: 1 fette Gans; im Erbbuche von 1553 stehen auch 4 SchiUmge. c) Haue: 1 gr. 4 pf. und Vi Hafer, d) Bockhausen: 2 gr. 8 pf. von einem Freigut daselbst, jetzo imgangbar. e) Böhrensee : 1 fl. 1 gr. 8 pf. f ) Geschwende : 17» Viertel Hafer, 1 Michelshuhn, g) Gräfenroda: 4 Gänse, h) Arn- stadt: Diese Erbzinse hat allezeit der älteste von Witzleben auf dem Hause Liebenstein zu erheben, fallen nunmehro Adam Wolffen von Witz- leben zu, sind jetzo ungangbar.

Nach Georg Melchiors von Witzleben Tode, 1672, wurde, da dessen fünf Söhne den Liebenstein verlassen und sich in verscliiedener Herren Dienste begeben hatten, nichts mehr zur Listandhaltung des ünter- schlosses gethan, so dass es schnell in Verfall gerieth*), während das neuere Oberschloss von seinen 2 Besitzern in bewohnbarem Zustande er- halten wurde. Der Umstand, dass im ganzen sechs Personen Besitzer von Liebenstein waren, musste naturgemäss mancherlei Verwirrung in der Verwaltung der Güter herbeiführen, deren Folge schliesslich Ver- äusserungen der einzelnen Theile waren. Zuerst traf dies Schicksal Kettmannshausen und Klein -Breitenbach, welche zusammen mit den Schwarzburgischen Lehngütem Gräfinau, Bücheloh und Geilsdorf laut

*) Als 1688 Kurt Veit von Witzleben, der in Dänischen Diensten war, seinen Antheil an der Hälfte von Liebenstein (d. i. des ganzen) seinem Bruder Johann Adam für 3500 Bthlr. anbot, woUte letzterer nur 3200 Rthhr. geben, weil ^die Aecker wüste lägen, das Haus auf dem EinfaUe stände**. Brief Johann Georgs von Wangen- heim an Kurt Veit von Witzleben, d. d. Tüngeder, den 7. Dec. 1688, im Arch. zu Hude.

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240

Kaufcontracts vom 17. Jan. 1689 durch Friedrich Wilhelm von Witzleben*) an seinen Schwager, den Sachs. Goth. wirkl. Geh. Bath imd Ober- Steuerdirector Johann Georg von Wangenheim, verkauft wurden. Da Klein -Breitenbach nicht gleich tradirt werden konnte, (wahrscheinlich weil der lehnsherrliche Consens noch fehlte), so behielt der Herr von Wangenheim für dieses Dorf vorläufig 1500 fl. an der Kaufsumme (36,000 fl.) zurück; doch wurde der Handel denmächst in Ordnung ge- bracht. Johann Georg vererbte die Güter auf seinen Sohn, nach dessen am 29. Jan. 1705 erfolgten Tode Kettmannshausen von Sachsen -Gotha, Klein- Breitenbach von Schwarzburg -Sondershausen als erledigtes Lehn eingezogen wurde. Ersteres war 1720 im Besitz des Gotha'schen Kanzlers Bachoflf von Echt, dessen Nachkommen es noch 1760 gehörte**), letzteres wurde zwar 1711 wieder an Friedrich Wilhelm von Witzleben verliehen, von diesem aber verschiedentlich auf Wiederkauf, von seinem Sohn Albert Friedrich endlich 1727 durch Erbkauf alienirt und gehörte 1760 eben- feUs denen BachoflF von Echt.

Die Antheile seiner drei Brüder an der zum ünterhause gehörenden Hälfte von Liebenstein, Bippersroda und Frankenhain hatte um das Jahr 1690 Johann Adam von Witzleben erworben, der sich aber bald genöthigt sah, seinen Theil an Frankenhain an den Sachs. (Joth. Geh. Bath von Fischer (der auch Y^ Gräfenroda inne hatte), zu versetzen. Johann Adam starb 1713 und hinterliess drei Söhne. Die Antheile von zweien derselben erwarben die Vettern auf dem Oberhause, welche sich dann in ihren Besitz getheilt zu haben scheinen, wie einst vor circa 100 Jahren ihre Vorfahren.***) Der dritte Sohn, Adam Heinrich, ver- kaufte dagegen seinen 6. Theil des Bitterguts Liebenstein mit lehns- herrlichem Consens an einen Herrn von Beck, den Nachfolger des obenerwähnten Herrn von Fischer im Besitz eines Theils von Franken- hain. Letzteres Dorf wurde nun derart getheilt, dass der Herr von Beck

*) Dieser hatte in den Jahren 1689—91 sammtliche Antheile seiner drei Bruder and zwei Vettern an Grafinau, Bücheloh nnd Geilsdorf, sowie an Kettmannshausen und Klein-Breitenbach für 12,137 Thaler 12. gr. an sich gekauft. **) Brückner, G. K. u. Seh. St. IIl. 8. p. 84.

***) Auf den 26. Februar 1715 wurden zum Landtage nach Gotha beschieden Johann Adam von Witzleben des Oberhauses zu Liebenstein und Adam Friedrich des Unterhauses zu Liebenstein, s. Budolphi Gotha Dipl. IL p. 210. Beide waren Brüder. Die Alte und Neue Thür. Chron. vom Jahre 1725 sagt p. 251, Liebenstein sei „ein Dorf mit einem Berghause und zweien Bittersitzen derer Herren von Witzleben *•.

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ausser dem Freigute auch die Hälfte des Oii;s mit allen zu ihr gehörenden Gerechtigkeiten, wie auch den Erb- und Ober- Gerichten bekam, die andere Hälfte bei dem Liebensteiner Hause blieb. Dieser Herr von Beck aber überliess, weil er allzuweit entfernt und die Verwaltung der Güter ihm zu beschwerlich war, überdies durch die Unachtsamkeit der Ver- walter vieles verwüstet wurde, seinen sechsten Theü der gesammten Witzleben'schen Gerichte bald wieder, 1733, an den Fürstl. Ostfries- ländischen HoQunker Traugott Friedrich Erdmann von Köckeritz, welcher darauf nach Frankenhain zog und 13 Jahre lang Gerichtsherr von der Hälfte dieses Ortes war. Anno 1746 erstand der Herzogl. Würtem- bergische Etatsminister und Erb -Oberstallmeister Heinrich Günther Reinhard von Eöder zu Geschwende*) die Witzlebenschen Liebensteiner Güter, und weil er dieselben gern wieder zusammen haben wollte, so wurde der Ho^unker von Köckeritz dahin vermocht, dass er demselben seinen 6. Antheil auch überUess.**)

Ueber den Verkauf von Liebenstein an den Herrn von Köder fehlen leider die genaueren Nachrichten. Brückner, G. K. u. Seh. St H. 5. p. 65, sagt in dem Artikel Liebenstein: „Rittersitz derer von Witzleben, stehet aber seit 1746 denen Herren Röder von Geschwende zu.** Der Käufer war der Bruder der Mutter des Verkäufers Johann Christian Ludwig von Witzleben (s. Stammtafel I. 14), dessen Kinder nach dem Liebensteiner Kirchenbuche auch nach 1746 in Liebenstein geboren sind; es muss demnach das Oberschloss, vielleicht mit einem Theile des Gutes, von dem Verkaufe ausgeschlossen gewesen sein. Der Herr von Röder baute sich ein neues Schloss imten im Dorfe und starb 1765. Von Albertine Charlotte verwittweten von Röder, f 1786, heisst es im Liebensteinor Kirchenbuche, dass sie Liebenstein, Rippersroda und Franken- hain 24 Jahre eigenthümlich besessen. Nach 1786 ist wieder Johann Ernst Ludwig von Witzleben, der Sohn des Verkäufers von 1746, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr von Liebenstein. Als solcher kaufte er am 3. Sept. 1789 von den Erben der Geh. Räthin von Röder fiir 6000 Thlr. das zu Frankenhain gelegene sogenannte Köckeritzsche Ritter-, Mann- und Erb- Lehngut.

Am 2. Febr. 1820 starb Emil von Witzleben ohne männliche Erben und Liebenstein, Rippersroda und Frankenhain fielen als erledigtes Lehn

*) Bekannt durch die Verhaftung des Juden Süss. s. Vehse, Würtemb. III. p. 197. ♦♦) Brückner. G. K. u. Seh. St. II. 11. p. 72.

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an Sachsen-Öotha heim. Der Herzog August zu Gk)tha und Altenburg verlieh die Güter seinem Günstling, dem Oberschenken Julius von Wangenheim, welcher sie aber bald wieder an den Sachs. Goth. Ober- hofinarschall Grafen von Salisch veräusserte. Von diesem kaufte sie die herzogliche Kanmier nach dem Jahre 1821 zurück, worauf Herzog Ernst zu Sachsen- Coburg- Gotha das Schloss Liebenstein zum Sitze des neu- eingerichteten Justizamtes Liebenstein machte, welchem die ehemals Witzleben'schen Gerichte zu Liebenstein und Elgersburg incorporirt wurden*). An den Buinen der Burg Liebenstein erinnert nur noch ein Stein über einem Fenster der Nordwand der Kemnate, hart am Thurm, an unser Geschlecht: er fahrt die Inschrift E V W 1566. A V W und unter den Buchstaben zwei Schilde mit den Sparren und war von Anna von Witzleben zum Gedächtniss an ihren am 23. Jimi 1563 ver- storbenen Gemahl Ernst von Witzleben (s. S. 256) gestiftet.

Im Jahre 1729 waren im Dorfe Liebenstein zwei Kirchen vorhanden. „Die obere, welche am äussersten Ende des Dorfes gelegen, ist nunmehr ganz eingegangen und derer Herren von Witzleben Begräbniss. Es ist aber nichts mehr davon übrig als etwas eingefallenes Mauerwerk.**) In des Thurmes Mauer sind die Worte in Stein gehauen: Anno Dni. M. CCCC. XLIX. in die Johan. nebst einem Menschenkopf, der sich auch in der neuen Kirche und am Schlosse öfters findet und wahrscheinlich das Haupt Johannis des Täufers, des Schutzpatrons, sein soll. In der untern Kirche, welche unten im Dorf am Berge lieget, stehet aussen die Jahrzahl Anno Dni. M. CCCC. XXXV. nebst einer etwas unleserlichen Schrift, die nur soviel bemerket, dass eine geb. von Planitz und Herrn Hansens von Witzleben Gemahlin solche veranlasset und zwei betagte Witzleben' sehe Fräulein solche haben bauen lassen."***)

*) F. H. A. von Wangenheim, Beiträge zu einer Fara.-Gesch. der Freiherren von Wangenheim, Göttingen 1874. p. 641 u. 1048.

**) Schon im Visitations-Protokoll vom Jahre 1589 heisst es: „Die zu Liebenstein haben eine wüste Kirche, darin man teufet und Beicht sitzt, haben auch die von Adel ihr Begräbniss darinnen, hat böse Dachung und siebet darinnen, wie in einen Saustall, haben hiebevor in allen Visitationibus zugesagt, sie in baulichen Wesen zu halten, wird aber nichts draus.* Brückner, G. K. u. Seh. St. II. 5. p. 70.

**♦) Brückner, 1. c. II. 5. p. 68. Gleichenstein, Bürgel, p. 163. Ein Hans von Witzleben der Liebensteiner Linie ist uns urkundlich noch nicht vorge- kommen. Gleichenstein, von dem die Nachricht in Brückner übergegangen, war ein äusserst flüchtiger Arbeiter.

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243

Die obere Kirche war 1690, die untere am 30. Juli 1733 durch Brand zerstört. Letztere wurde zwar wieder hergestellt, doch musste endlich in diesem Jahrhundert zu einem Neubau geschritten werden. Der Herzog von Sachsen- Coburg- Gotha liess 1841 eine schöne Kirche in byzantinischem Stile erbauen und in dieselbe die noch vorhandenen Denksteine aus der alten versetzen. So sind späteren Zeiten erhalten ein Epitaphium mit dem Witzleben'schen und einem andern (Schlotheim'schen?) Wappen und ein Stein, von dessen Inschrift sich nur noch die Worte

lesen lassen: Anno dni M. CCCC. XXXV. in vma (?) miHte

dno henrico de wiczeleybin , der damit aber die Erinnerung

erhält an den Bitter Heinrich von Witzleben, den ersten Liebensteiner.

Auf dem an den jetzigen Pfarrhof grenzenden Friedhof erhebt sich 3 4 Fuss hoch ein etwa 10 Schritt im Quadrat einnehmender, mit Basen bedeckter Hügel, welcher drei Grabdenkmäler trägt: zwei einfache Postamente und zwischen ihnen, sie überragend, die gebrochene Säule Emils von Witzleben, des Letzten dieses Hauses.

c. Heinrichs Yon Witzleben Söhne und Enkel.

1453 1513.

Des Bitters Heinrich von Witzleben drei Söhne Friedrich, Klaus und Konrad (Kurt) werden zuerst genannt in der Urkunde von 1453, in welcher ihrem Vater und ihnen erlaubt wird, 20 Gulden jährlicher Beute auf dem grossen Hofe zu Molsdorf an Heinrich Paradies zu ver- pfänden. Am Sonntage Oculi 1456 verkauften sie dem Grafen Heinrich zu Schwarzburg ihr Dorf Breitenbach für 400 Bh. Gulden auf Wieder- kauf, ihr Vorwerk zu Plane aber mit allen Zugehörungen erb- und eigenthümUch.

Friedrich starb am 30. Sept. (Sonntag nach Michaelis) 1463; zu seinem Gedächtniss wurde in der Liebfrauenkirche zu Arnstadt der S. 7 oben abgebildete Todtenschild aufgehängt.*)

Klaus finden wir 1460 in der Fehde, in weche Graf Wilhelm von Henneberg des Stifts Würzburg wegen mit dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg gerathen war, auf Hennebergischer Seite. Nachdem Graf Wilhelm f&r sich und seine Helfer und um seinetwillen auch viele seiner Junker, darunter Klaus von Witzleben, am Montage nach Exaudi

*) S. 6 unten beschrieben, wo aber das Datum falsch angegeben ist.

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an Markgraf Albrecht Absagebriefe gesandt hatten, zogen sie zu Felde und lagerten sich um Britsatt, der Markgraf aber um Kitzingen; und ward ein böser Krieg daraus, womit viel andere Fürsten, Herren und Städte zu schaffen bekamen, ehe diese Uneinigkeit zu Nürnberg am Freitag nach Maria Heimsuchung beigelegt ward. Jedoch hatte der Vertrag keinen Bestand, vielmehr wuchsen die Parteien 1461 so feindlich wie zuvor in einander.*)

Nach dieser Zeit muss Klaus sowohl als sein Bruder Konrad in kaiserlichen Diensten gewesen sein, wie aus der Verleihung und dem In- halt des ihnen am 23. Mai 1470 vom Kaiser Friedrich IH. ertheilten Wappenbriefes hervorgeht.**) Klaus bezog, während Friedrichs Sohn Georg und vorläufig auch Konrad auf dem Liebenstein blieben, den

*) Spangenberg, Henneb. Chronik, p. 425. **) Dies für die Kunde unseres Wappens äusserst wichtige Diplom, auf welches wir S. 8, 11 und 15 schon hingewiesen haben, lautet nach der durch Moder stark zer- fressenen, offenbar nicht genau gefertigten, alten Copie des Archivs zu Rossleben folgendermassen:

„Wir Friedrich von Gottes Gnaden, Römischer Kaiser, zu allen Zeiten mehrer der Reiche zu Ungarn, Dalmatien, Croatien etc. Herzogk zu Oesterreich,

zu Steiermark, zu und zu Krain, Herr auf der wendischen Mark, zu

Paltenair Graf, zu Habessbu . . zu Tyrol zu Pfitzet, undt zu Kiebnrgk, Graf zu Burgaw undt Landgraf bekennen nndt thun Kundt öffentlich mit diesem Briefe, allen die ihn sehen undt hören lesen, dass unss unser undt des' Reichs liebe getreue Ol au SS undt Conradt gebrüdere von Witz leben fürbringen

haben lassen, Altvatter diese nachgeschrieben Wappen und Kleinodt,

Mit nahmen ein schildt ausgetheilet in Vier sparren obeinander stehendt mit Ihren Scherfen unter Sich gekehrt, verwechselt in rodt undt weisse färben, die untere Roth undt Oebere weiss, undt auf dem Schilde einen gekrönten Turnier heim, mit einer gelben oder goldfarben Krohne undt einer Roth undt weissen Helmdecken gezieret, entspringende aus derselben Krone ein Geyer, dessen Federn seiner Natürlichen färbe, mit Seinen fördertheil biss an die Brust, gelben schna- bell, äugen undt Ohren habende, vmb Seinen halss einen gelben ringk undt nachmals mit etzlichen ihren Freunden, auch ihres geschlechts undt Nahmen von Witzleben auf dem Helme des vermelten Schildes auf einen weissen über- stülpen Hute Zwo aufgerichte Riessenstangen, an der Stime derselben Stan- gen voll Seebletter, nach der lenge ob undt oben mit rothen undt weissen Frantzen gehabt, geführt undt gebraucht haben, wann Sie aber in begierde undt willen wehren, den obgenannten ihren Altvatter nachzufolgen undt sich der Zugebrauchen, haben Sie uns demüthiglich anrufen und bitten lassen. Ihn derselben Wappen undt Kleinodt, Zusambt Ihren Altvatter gebrauchen, die hin für auch zu haben Zuführen undt Zugebrauchen gnadiglich Zuvergönnen, Zuver-

wiUigen undt Zuvemeuem; Als haben w sehen Ihr demüthig ziemlich

bitten .... undt fleissige Dienste, So Sie vorgenante Claus undt Conradt

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Bittersitz zu Gräfinau und starb vor Pfingsten 1477 mit Hinterlassung eines Sohnes Christoph, welcher ihm schon in der ersten Hälfte des Jahres 1483 folgte, und einer Wittwe, Ursula geb. von Streitberg, welche im Todesjahr ihres Gemahls, vielleicht zu dessen Begräbniss, dem Kloster Paulinzelle 30 rhein. Gulden verschrieb. Wegen ihres Leibgedinges und Wittwensitzes auf dem Schlosse Gräfinau verglich sich ihr Vater, Moritz von Streitberg, 1478 mit Konrad von Witzleben, welcher nach Gräfinau übergesiedelt war und seine Schwägerin aus dem Schlosse „gelassen", d. h. gewiesen hatte. Von ihrem Sohne Christoph ist ausser in den Lehnbriefen von 1478 u. 1483 nirgends die Bede. Im Com. Archiv zu Weimar, Wittenb. Beg. Ss. p. 834, befindet sich die Notiz, dass im Jahre 1483 zwischen Ernst v. S. und dem Bischof von Bamberg Briefe ge-

von Witzleben vor dem nnss nndt nnsern Vorfahren . . . Reich

Bdmiscben Kaysem nndt Königen ... her offt und viel gethan haben, Sie . . . thnn nndt hinführe wohl thnn sollen nndt mögen, Undt haben darnmb mit wohlbedachtem mnthe, gnten Rathe nndt rechten wissen den vorgenannten gebrüdem von Witzleben nndt ihren ehelichen leibes Erben, für nndt für, die obgemelten Wappen und Kleinodten, Znsambt ihr altvätter gebrauch, die hin- führo auch zn haben, Zuführen nndt zn gebrauchen, Vergünst- undt Verwilliget, die Obgemeldte Wappen undt Kleinodten, und darzu gebesserter Zierunge des- selben Wappen undt Kleinodt auf dem Helme, aus der Krohne undt umb den Geyer aufgereckt fünf renne fehnlein, mit rothen stangen undt getheilten fahnen, das förder Roth und das hinter an der Rothen Stangen weiss^ von Nevest undt sondern gnaden gegeben und Verliehen, Alss dann dieselben Wappen undt Kleinodt, In dem Schilde undt auf dem Helme in der mitte des gegenwertigen Unsers Keyserlichen Briefes gemahlet undt mit färbe eigentlich ausgestrichen seint, Vorgünstigen, Vorwilligen, Vorgeben ihn solches Alles und jedes, so Viel Sie bishero daran mangell gebrauch oder Versehunge gehabt hatten

(folgte das Wappen) von Neuest undt sondern genaden, von Römischer Keyserliche Macht Vollkommen- heit, wissentliche in Kraft dieses Briefes, undt meinen seczen undt wollen hier- mit von derselben unser Keyserlichen Macht, das Sie und Ihre Eheliche Leibes Erben, für undt für, dieselben Wappen undt Kleinodt mit fürbass haben, die führen und sich der in aUen und jeglichen. Ehrlichen, Redlichen undt Ritter- lichen Sachen und geschäften, zu Schimpf undt zu Ernst, in Streite, Tumier, Bannire, fechten, gezelte, gastochen Insigcln, Pitschafften, Kleinodin, begreb- nüsse aufgeschlagen, undt sonsten an allen Enden nach ihren Nothdurffcn undt

Wohlgefallen ge undt geniessen sollen und mögen d . . . ander unser

des Reichs Tumier . . . . pens genossen, undt Ritterliche leute Wappen undt

Kleinodt gebrauchen un sen vor Recht, oder Gewohnheit, Von

niglichen ungehindert, undt wir geh umb Allen und Jglichen, Fürsten,

G undt weltliche, Prälaten, Grafen Rittere, Knechte, Haubt-

leuthe, Amptleute, Voigte, Pfleger, Vorwesser, Bürgermeistere, Richtere, Räthe,

18*

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246

wechselt waren wegen des durch Ursula von Witzleben, Wittib, und ihre Vettern, die Streitberge, gefangen genommenen und nach Greifenstein geführten Hans von Harras. Hatte dieser etwa ihren Sohn erschlagen? Ursula starb 1490, und am 23. Febr. des folgenden Jahres bat Kurt von Witzleben zu Gräfinau den Grafen Günther zu Schwarzburg, Gabriel und Asmus von Streitberg anzuhalten, dass sie ihm und seinem Vetter das seiner Schwägerin, etwan Ursula von Witzleben geb. von Streitberg, ihrer Schwester, an den Gütern Klausens von Witzleben Gottes seligen, seines Bruders, verteidingte Heiratsgut, Gegengeld, Morgengabe, fahrende Habe u. s. w. verabfolgen Hessen, da sie daran kein Eecht hätten.*)

Kunst der Wappen erbalten pertinente Bürger nndt Gemeinden und sonst allen andern ansern ond des Beichs unterthanen nnd getreuen, sem wes Ehren würden, Standes oder wesens .... Von obgemelter Keyserlicher Macht, Ernstlich undt festiglich mit diesem Briefe, dass Sie die Ehgenannten Claus undtConradt gebrüdere von Witzleben, undt Ihr jeden leibes eheliche Erben undt der- selben Erbens Erben, für undt für an dieser vorgemelten unser Vergünstigung, Zierung, Verwilligung undt Neuen gaben der Wappen, auch diesen unsem Genaden , darmit wir Sie also begäbet haben, nicht hindern noch Irren, In deiner Weisse, sondern Sie der wie yor genüglichen gebrauchen geniessen nndt ganz- lich dabei bleiben lassen, Als lieb ihn allen undt einem Jglichen sey Vnser undt des Beichs schwere ungenade, undt darzu eine Poen nemblich Viertzigk Mark löthiges goldcs Zuvermeiden, die ein jeder also oft undt viel Er freventlich dar- wider thete, halb in unser undt des Beichs Cammer, und den andern halben theil den ehgenannten von Witzleben gebrüdem undt ihren ehelichen Leibes Erben für undt für unablesslich zu bezahlen vorfallen sein soll, mit Vhr-Kundt Dieses Briefes, besigelt mit Vnser KeyserL Majst. Anhangenden Insigel, Geben zu Volckemarkt, am Mittwoch vor Sanct Vrbans tage. Nach Christi geburth,

Vierzehn Hundert und im Siebenzigsten, Vnserer Beiche des Bömischen

und dreissigsten , des Eeyserthums Neun Zehnten undt des Hungarischen im zwölften Jahre." Paul Jovius (t 1633 als Bector in Ebeleben) giebt in seinem Chron. Schwarzb. (Schöettg. et Kreysig, Dipl et Script, bist. germ. med. aevi, Altenb. 1753. p. 550) einen Auszug aus diesem Wappenbriefe, woraus zu schliessen, dass sich das Original wohl in irgend einem der Schwarzburgischen Archive befunden hat und vieUeicht noch befindet.

Es ist in diesem Wappenbriefe immer nur die Bede von den zwei Brüdern Elans und Eonrad von Witzleben und ihren ehelichen Leib es erben. Eonrad hatte gar keine Söhne, Elaus* Sohn Christoph starb bereits 1483, ebenfalls erblos. Wie nun das Becht, jenes vom Eaiser vermehrte Wappen zu führen, auf die Lehns erben, d. h. Friedrichs von Witzleben Nachkommen, überkommen ist, darüber fehlen die Nach- richten.

*) Orig. dieses Briefes mit gut erhaltenem, doch undeutlichem Siegel im Geh. St. Arch. zu Weimar.

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Konrad von Witzleben, der 1453 schon vorkommt, starb um das Jahr 1513. Den Stamm pflanzte Friedrichs Sohn, Georg von Witz- leben zum Liebenstein, fort, welcher am 28. Juli 1478 vom Herzog Wühelm zu Sachsen mit Liebenstein belehnt wurde, 1498 seiner ehe- lichen Hausfrau Margarethe das Dorf Breitenbach zum Leibgedinge aussetzte und in der ersten Hälfte des Jahres 1506 starb.

d. Oeorgs Söhne, deren Gütertheilnng nnd der Ast zu Oraflnan.

1506—1614

Am 27. Juli 1506 wurden Friedrich, Wolfgang, Wilbalt, Georg, Christoph und Konrad von Witzleben, Gebrüder zum Liebenstein, Georgs sei. Söhne, und von ihrer fleissigen Bitte wegen mit ihnen Konrad von Witzleben, ihr Vetter, von Kursachsen mit Liebenstein belehnt; Wilbalt und Georg waren nicht einheimisch, Konrad noch nicht mündig. Wilbalt war früher des Herzogs Albrecht zu Sachsen Jimge, d. i. Edelknabe oder Page, gewesen, nach dessen Tode aber, 1500, entlassen worden. Im Jahre 1509 verkauften die Gebrüder von Witzleben von ihren Henne- bei^chen Lehen das Dorf Boda und den Grund zu Reichenbach, mi- weit Ilmenau gelegen, mit den obem und niedem Gerichten an den Grafen Wühelm von Henneberg für 1300 Gulden.*)

Nach Friederichs Tode, 1522, übte Georg von Witzleben die lehnsherrlichen Rechte aus. Auf seine Präsentation wurde von dem Probste des Erfurter Marienstiftes der Presbyter Peter Itiges am 29. Juli 1523 als Vicar des Altars des heil. Matemus in der Hospitalkirche S. Georgü zu Arnstadt und am 19. März 1526 in die durch das Ableben des Priesters Christoph von Witzleben erledigte Vicarie St. Livinii in der Parochialkirche ü. L. Frauen ebendaselbst eingeführt, (cf. S. 82.)

Die Witzlebenschen Kirchenlehne erstreckten sich sogar bis Erfurt. Am 22. Sept. 1527 beliehen Georg, Christoph und Konrad Gebrüder von Witzleben den obengenannten Pater Itiges, Vicar in ü. L. Fr. Kirche . zu Arnstadt, mit dem Lehn und Altar der heiligen drei Könige in der St. Pauls-Kirche zu Erfurt.

Die Reibereien unseres Geschlechts mit den Grafen zu Schwarzburg, worüber schon in dem als Beüage zu diesem Theü unserer Geschichte

*) Schult 68, Dipl. Gesch. des grafl. H. Henneb. U. p. 143.

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gedruckten Abschnitt über Christoph von Witzleben und Balthasar von Denstedt manches angeführt ist, andere ergreifendere Scenen in dem Ab- schnitt über die Linie zu Marlishausen werden erzählt werden, begannen bereits um diese Zeit. Von Kursachsen und Henneberg trugen die von Witzleben zum Liebenstein das Dorf Schmerfeld mit Gerichten über Hals imd Hand in Feldern und dem Dorfe zu Lehn. Es besass aber auch Graf Günther zu Schwarzburg darin ein Gut, imd drei Männer, nämlich Kunz Schlehendorn, Klaus Herten und Kurt Widekind, waren ihm zins- bar. Die von Witzleben beanspruchten natürlich auf Grund ihrer Lehn- briefe auch über diese Männer die niedern und obem Gerichte, Frohn- dienste, Folge u. s. w., was Graf Günther nicht zugestehen wollte. Da sich desshalb zwischen ihnen „seit langer Zeit Gebrechen erhalten und unvertragen gestanden hatten", wobei Schwarzburg gleich in der üblichen Weise mit Pfändung der Witzlebenschen Schafe vorging, legten sich endlich die Lehnsherren ins Mittel und Hessen die Sache durch eine Commission berathen und schlichten. Kurförst Johann zu Sachsen ver- ordnete seinen Amtmann zur Leuchtenburg und Orlamünde, Dr. Johann Reinboten, und Graf Wilhelm von Henneberg seinen Amtmann zu Kalten- northeim, Tham von Herda, zu Conmiissarien , denen Graf Günther zu Schwarzburg seine Räthe Sigmund von Holbach und Heinrich von Witz- leben (zu Marlishausen), die vesten imd erbaren Jörg von Witzleben, Amtmann zu Ilmenau, und seine Brüder aber Leutolf von Kromsdorf (ihren Schwager) und Melchior von Wechmar zugesellten, und diese sechs vereinigten und vertrugen die streitenden Parteien am Sonnabend nach Trinitatis 1526 dahin, dass dem Grafen zu Schwarzburg von jenen drei Männern die Frohnen, Steuer, Folge und Dienste und, soweit deren Behausung, Hof- und Hofrecht reichte, die obersten und niedersten Ge- richte zustehen, hingegen Georg von Witzleben und seine Brüder mit Ausnahme jener dreier auf aller Männer Gütern imd über alle Einwohner von Schmerfeld, im Dorf und Felde, alle Obrigkeit, obere und niedere Gerichte, Zins, Frohnen, Dienste, Folge, Steuer, sammt aller Gerechtig- keit, wie sie ihr Vater Georg von Witzleben gehabt und auf sie vererbt, ohne irgend welche Behinderung seitens des Grafen zu Schwarzaurg haben sollten. Femer solle ein Gut, welches ebenfalls Konrad Schlehendom inne habe, das aber der Vicarei S. Matemi zuständig sei, versteint und von dem dem Grafen zu Schwarzburg gehörigen Gute geschieden werden und Konrad Schlehendorn von diesem Vicarei-Gute Georg von Witzleben

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und dessen Brüdern jährlich nicht mehr als drei Tage mit seinen Pferden zn frohnen verpflichtet sein. Die entstandenen Kosten, Zehrung und Schäden wurden compensirt, alle gefaste Ungnade, Widerwillen und Ver- druss, was des ein Theil gegen den andern getragen, beigelegt und ab- gestellt.*) Es hatten also die von Witzleben dem Grafen zu Schwarz- burg gegenüber, der ja wegen anderer Güter ihr Lehnsherr war, also einen Druck auf sie ausüben konnte, den kurzem gezogen und. er eine gänzlich ungerechtfertigte Prätension durchgesetzt.

Trotz dieses Zwistes stand Georgs von Witzleben eheliche Hausfrau, deren Namen leider nicht genannt wird, am Freitag in der Osterwoche (5. April) 1526 Gevatter bei der Gräfin Anastasia zu Schwarzburg, spätem Gräfin zu Waldeck.**)

Georg von Witzleben starb ohne Leibeserben zwischen Mai und Juli 1547, so dass von den sechs Brüdem nur noch Konrad übrig war. Dieser lebte mit seines Bmders Friedrich Söhnen auf dem Liebenstein, aber nicht immer im besten Einvemehmen mit ihnen, wie aus Patronats- und sonstigen Angelegenheiten zu ersehen ist. Auch mit Christoph's Söhnen gab es Differenzen. Am 24. Juli 1547 melden Emst, Heinrich und Philipp von Witzleben zum Liebenstein und Gräfinau den Herzögen Johann Friedrich d. M. und Johann Wilhelm zu Sachsen, dass ihr Vetter Georg von Witzleben zu Arnstadt „von diesem Jammerthal abgeschieden die Schuld der Natur bezahlt" habe; sie hätten gehofft, neben ihrem Vetter Kunz von Witzleben die hinterlassenen Lehen anzutreten, wie sie schon ihre Eltem als Gesammtlehn gehabt hätten, aber Kunz gestehe ihnen nichts daran zu; sie bäten daher mit der Verleihung der Lehen ihres sei. Vetters Georg so lange innezuhalten, bis der Irrthum mit ihrem Vetter Kunz beseitigt sei. Zum 10. Oct. wurde ihnen darauf in der Kanzlei zu Schleusingen ein „vorhoretagk" zu gütlicher Handlung mit ihrem Vetter angesetzt.

An dem Schmalkaldeschen Kriege betheiligten sich im Dienste ihres Lehnsherm, des Kurfürsten Johann Friedrich zu Sachsen, von den Lieben- steinem nachweislich Konrad, Christoph, Friedrichs Sohn, und Philipp von Witzleben. Nur über Konrads Thätigkeit wissen wir aus zwei von ihm selbst verfassten Schreiben ausführlicheres, während uns über die Schicksale seiner beiden Neffen nur die kurzen Notizen vorliegen, dass

*) PergamentnrkTiiide im Schwarzb. Archiv zu Rudolstadt. **) P. Jovii Chron. Schwarzb. 1. c 626.

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am Sonntag Misericordias Domini, d. i. am 24. April, 1547, in der Schlacht bei Mühlberg, Christoph gefallen*) und Philipp in kaiserliche Gefangenschaft gerathen war.**) Diese Gefangenschaft kann aber nicht lange gewährt haben, da Philipp bereits am 24. Juli dess. J. den oben- erwähnten Brief, die hinterlassenen Lehngüter seines Oheims Georg von Witzleben betreffend, miterzeichnete.

Konrad von Witzleben nahm 1546 Theil an dem Zuge des Kur- färsten nach Bayern, wobei er eine Zeit lang zu Gotha gelegen (wohl bei Versammlung des Heeres). Als Herzog Moritz zu Sachsen sich in Besitz der kurfürstlichen Lande setzte (cf. T. H. p. 172.), eilte der Kur- fürst nach Sachsen zurück.

„Da man zahlt fnnfzebn hundert Jahr Sieben nnd dreiszig, das ist wahr, Ward Leipzig die Stadt belagert Vom Karfürsten im neuen Jahr, Dass manch arm Mann jetzt klaget, ja klaget.

Vor Leipzig bracht er ein grosses Heer, Er meint, es soUt sich niemand wehm, Die Stadt thät er beschiessen. Er griff sie an ?iel Orten an, Thät die Bürger yerdriessen, verdriessen. * *

Drei Wochen lag er vor der Stadt, Kein Tag er nie geruhet hat. Geschanzet nnd geschossen; Dass sich die Stadt nicht geben wollt. Hat ihn gar hart verdrossen, verdrossen."***)

Als Ersatz des Schadens, welcher Konrad von Witzleben hei jenem „über seine verpflichteten Dienste hinaus" gethanen Zuge und dieser Belagerung erwachsen war, sagten ihm später die Söhne des Kurfürsten die Verabfolgung von drei Schock Stänmien zu Bauholz zu.f)

Ueber seine ferneren unblutigen Kriegsthaten berichtet Konrad selber recht ausführlich in einem am 25. Jan. 1548 an die Herzöge Johann

*) H. Döring, die ThOr. Chron.

*♦) Spangenb. Mansf. Chron. fol. 454b. Sagitt. Hist. Job. Fried. El. Sax. p. 34. n. 35.

***) »Ein Liedt von der Belegerung der löblichen Statt Leipzig etc." Flieg. BL Leipz. 1547. Abgedr. bei Soltan, 100 Deutsche hist. Volkslieder, II. Ausg. Leipz. 1845, p. 60.

t) Original-Schreiben Konrads, datum Dienstag nach Yiti Anno Iv., im Geh. St. Arch. zu Weimar.

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Friedrich und Johann Wilhehn zu Sachsen gerichteten Schreiben, worin er sich auf eine Klage des Hauptmanns Thomas Zschirp verantwortet.*) Nach der gewöhnlichen Einleitung erzäMt er, dass er in dem vergangenen 47. Jahre, als er am Sonntage OcuU (13. März) zu Geithain (im Leip- ziger Kreise) vom Kurfürsten die Entscheidung in den der Knechte halber entstandenen Gebrechen erhalten habe, durch Wolf Goldacker beschieden sei, sich mit 12 Pferden und einem Heerwagen zu stellen, worauf er wie ein anderer Besoldeter gehalten werden soUe, und fährt dann fort: „Das ich also gethan und hab mich auf Freitag nach Ostern (15. Apr.) des Jahrs aufgemacht und bin auf den Sonntag (17. Apr.) um den Mittag gegen Zeitz kommen, hab fort nach dem Lager ziehen wollen, seind die Feind allenthalben vorhanden gewest, dass ich nit hab fort könnt; allda hab ich Eberhard von der Tann, Hans von Beymelberck, Christoph Har- stall bei dem Hauptmann Hans von Schelnburck zu .Zeitz aufin Schloss fimden, ihnen angezeiget, dass ich in Willens sei, zu kurfürstlicher Durch- lauchtigkeit zu ziehen; haben sie mir angezeiget, ich würds nicht thun können, sie wärens auch gesinnt gewest, müssten umkehren, ich sollt mich danach achten und mit ihnen wieder nach Gotha reiten, da ich femer Bescheid finden (würde). Hab also meinen Wagen vor (aus) hin- weg nach Weimar, vor kurz (fürs erste) auf Dröyssig (1 Meile westHch von Zeitz) zu gehen lassen und bin ich mit (den oben-) gedachten kurz hinach gezogen. Wie mir nahe bei Dröyssig kommen sein, sein uns unsre Vortraber bliczleioh (plötzlich) zurück wieder unter Augen gerathen, auch angezeiget, wie der von Bünau stark zu Boss und Hakenschützen

dem sei so, haben wir uns gewandt und in die Flucht geben,

ist mein Wagen hart vor mir (d. h. nicht weit von mir, in oder jenseits Dröyssig) gewest, hab ich meiner Knecht einen angeschrieen, er sollt flugs zum Wagen rennen und ihn wieder umkehren lassen; in dem hat Eberhard von der Tann und die andern vorgenannt mich angeschrieen, ich sollt bei Leib den Ejiecht nicht fort reiten lassen, sondern ihn um- kehren lassen, denn so der Knecht niederläge und der von Bünau wen- dig (kundig) war, was far Beiter da wären, so würde er nicht nachlassen und ihnen nachhängen; so wären sie so in grossen Geschäften und wo sie würden niederliegen, so war meinem gnädigsten Herrn dem Kurfürsten ein merkliches daran gelegen, und wo mir mein Wagen genonmien würde.

*) Orig., sehr unleserlich, un Geb. St. Arch. za Weimar.

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so wollten sie mir hier zugesagt haben, er sollt mir dreifach und als das Kauf war genugsam ergetzt oder bezahlt werden. Ich wollt meinen Wagen sonst, wo es anders gewest war, wol bei mir behalten haben,

und meinen Wagen verlassen, auch ihn in 14 Tagen nicht

gesehen, hab auch nit anders gewusst, er sei schon hier. Dass mir aber der Hauptmann Zschirp bei sich behalten, mir zum besten auch ein Geld vorgestreckt, weiss ich ihm grossen Dank, wollt sie ehrlich und zu Danke bezahlt haben, wo mir meine Besoldung und anderes, was mir versprochen ist, worden war. Dieweil gnädige Fürsten und Herren, solches .... nicht geschehen ist, sondern allein auf die Zukunft meines gnädigen Herrn des Kurfürsten zu Sachsen, E. f. G. gnädigen Herrn und

Vaters, so weiss ich ihm itzund nichts zu geben, denn Gott

weiss, dass ich itzund in der Kürze mehr denn 100 fl. ftlr Pferde und anderes geben hab -onüssen, so ich auf diesem Zug schuldig bin worden. Hierauf an E. f. G. mein unterthänig Bitt, dieser Sachen gnädiglich ein Ruhe (zu) verschaffen, bis Gott seine Gnade in kurzem zu Besserung wird wenden. Datum Donnerstag Conversiofnis Pauli im xlviij. Jahr.

E. f. G. williger

Cuntz von Witzleben

7Com liebenstein."

Konrad starb 1558. Er war vermählt gewesen mit Christine von Aufs e SS, einer Tochter Georgs von und zu Aufsess und der Magda- lena von und aus Künsberg, hinterliess aber keine Söhne. Eine Tochter Martha, war an den KurförstL Sachs. Ober-Steuerdirector Hartmann Goldacker auf üflfhofen verheirathet. Die andere Tochter, Anna, schrieb am 8. Dez. 156^ an die Herzöge Johann Friedrich d. M. und Johann Wilhelm zu Sachsen:

„Durchleuchtige etc. E. F. G. weis Ich als ein arme Jungfraw vnd weysen, die wider vatter noch Mutter hatt vnd fast gar Im Elende be- funden, allein das Ich zu dem lieben gott mein vertrawen haben muss vnd femer zu E. f. g. als meynen landes vnd schutzfürsten, die dan aus färstlicher Obrigkeit ein beschützer witwen vnd weysen von dem almechtigen gott geordenet seindt. In vnterthenigkeit Clagende zu berichten nicht zuvorhalten, Das Ich arme verlassene weysen keine Vor- munde Itziger Zeitt habe Demnach gelangt An E. f. g. mein

vnderthenigs bitten . . . . , sie wollen mich mit zweyen Vormunden

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gnediglich bedencken, Als Nemlich mitt Leidolfen von Gutfnrt zu Dostorff vnd Diterich gansen zu denstedt, meinen angebornen franden, vettern

vnd schwegern Datum sonnabent nach Nicolai Anno etc. 1 x v.

E. F. G. vnderthenige

Anna von Witzleben Itzo

zum Liebenstein Jungfraw." *)

Kurze Zeit darauf vermählte sie sich mit Simon von Wildeck gen. Seiffart, Kurf. Sachs. Marschall und Amtmann zu Freiberg bei Dresden, des Georg von Wildeck gen. SeiflFart, Hauptmanns und Statt- halters der Burggrafen von Leissnig, und der Maria von der Planitz Sohn.**)

In dem Katalog der Gemälde-Ausstellung von Ulm vom Jahre 1877 werden auf der letzten Seite aufgeführt „2 Büsten von Holz, Simon von Wildeck gen. Seifart und Anna von Witzleben. 16. Jahrhundert. 1. Hälfte."- (muss 2. Hälfte heissen). Ein Gypsabguss der Büste Annans von Witzleben ward uns von dem „Verein for Kunst und Alt^rthum in Ulm und Oberschwaben", dem das Original gehört, das er aus dem Nach- lasse des Ulmer Malers Manch erhalten hatte, freundlichst für das Familienarchiv verehrt.

Ueber eine die Rechtsverhältnisse des 16. Jahrhunderts illustrirende Episode aus dem Leben Georgs von Witzleben zu Geilsdorf lassen wir diesen selbst berichten. Er schreibt am 23. Juni 1554 an die Her- zöge Johann Wilhelm und Johann Friedrich d. J. zu Sachsen: „Durch- lauchtige etc. E. f. G. gnädiges an mich gethanes Schreiben, da- neben Klausen Löfflers einverwarte Supplikation, habe ich, indem ich anheimisch konmien, unterthänigUch empfangen und verlesen, darinnen gedachter Löffler anzeiget, als sollte ich ihme bei nächtiger Weile nach Leibe und Leben gestanden, Fenster und Kachelofen zerschlagen und aus- gehauen, über sein Leib und Leben Preis geschrieen haben. Will ich E. f. G. zu unterthänigem Gegenbericht in Antwort nicht vorhalten: Nach- dem bemelter Klaus Löffler als ein Kramer ohn das mit Lichten und anderm einen offenen Kauf hat, habe ich zu ihme geschickt und begehrt, dass er mir ums Geld etliche Licht wollte zukonunen lassen, wie dann andern Leuten auch geschieht, welches er mir geweigert und viel böser Wort mir zu entboten. Dadurch zum Zorne beweget und habe ihme

*) Orig. im Geh. St. Arch. zu Weimar. **) Funeralia von Kletten berg, 1716, 1*01 p. 33.

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die Fenster und den Kachelofen eingeschlagen, auch mit der Wehre nach ihme geschlagen, habe ihn aber nicht troffen. Dass er mich aber be- schuldigt, als sollte ich ihme nach Leibe imd Leben gestanden, über dasselbige Preis geschrieen haben, hat er in dem E. f. G. etwas zu wilde bericht. Neben dem ehbemelter Löffler aach anzeiget, als sollte ich ihme sehr gedrauet (haben), also dass er auf freier Strasse unsicher vor mir sei, es habe auch sein Weib auf der Kirmess zu Angstedt meinethalben nicht dürfen Markt halten, geschieht mir in dem auch Unrecht, dann ich ihr mit Wahrheit weiss darzuthun, dass ich derselbigen Zeit nicht anheimisch, sondern ausserhalb des Landes bin gewesen. So darf er sich auch vor mir gar nichts besorgen, denn da ich bedacht gewesen, etwas thätliches gegen ihme vorzunehmen, wollt ich ihn wol haben wissen zu finden. Dass er auch hiemeben anzeigt, ihme die Fensterrahmen hemachmals zerhauen, auch etliche Dielen aus der Stuben seind gebrochen, mag er diejenigen darum vernehmen, die solches gethan haben, und mich unbe- zichtiget lassen. Bin auch in glaubliche Erfahrung kommen, wie ob- bemeltes Löfflers Weib meine leibliche Mutter, dazu meine Gebrüder und mich an etlichen Orten an Ehr und Leumund angegriffen, geschmähet und gegen viel Leute übel ausgericht, derhalben ich billig auch zu .ihme zu klagen und sprechen hätte. Bin auch hiebevor erbötig gewesen und noch, vor dem ehrenvesten Kunraden- von Witzleben zum Liebenstein, meinem freundlichen lieben Vetter, als seinem Junkern, gütlich Handlung zugewartende da ihme zur Antwort (zu) stehen, ist ihme auch durch bemelten meinen Vetter vorbeschieden und verbotet worden, auch daneben mit Geleite genugsam gesichert worden, hat aber solch Gebot und Vor- beschied in alle Wege verachtet, kann daraus anders nicht ermessen, dass er darauf gehet und mich gerne gegen denselbigen E. f. G. wollte verungnaden und ungümpfen, dadurch ich wol geursacht, etwas weiter gegen ihme vorzunehmen."

Löffler, der unter Konrads von Witzleben Gerichtsbarkeit gewohnt hatte, aber nach Crawinkel verzogen war, versuchte auch Georgs Bruder Heinrich in die Sache zu verwickeln, was dieser jedoch sehr übel ver- merkte und u. a. seinem Vetter Konrad am 4. Sept. 1554 schrieb:

imd mocht wohl leiden, dass mich Klaus Löffler mit seinem

erstünkten Lügen zufrieden liess". Konrad nahm sich zwar seines Unter- thanen kräftig an, aber ohne besondem Erfolg. Nach mehr als zwei Jahren, am Donnerstag nach Lucio 1556, schrieb er an den Herzog

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Johann Friedrich d. M., dass der in seiner Sache gegen seine Vettern zu Gräfinau, sonderlich Georgen von Witzleben, betreffend Klaus Löffller zu Crawinkel im Amte Wachsenburg, nach Gotha angesetzte Termin ohne Erfolg geblieben und überhaupt „diesser handel In ein wachss getrücket vorschwygenn" (d. i. todt geschwiegen) werde, und bat, dafür sorgen zu wollen, dass dem Löffler der erlittene Schaden ersetzt, er (Konrad) wieder zu seinem Zins, Frohne und anderem Gefälle komme und der Handel endlich seine Endschaft erreiche: das Haus stehe nun schon drei Jahre oder länger wüst. Was schliesslich geworden, wissen wir nicht.

Am 9. Jan. 1568 werden nur noch Heinrich und Philipp belehnt. Letzterer war seit dem Jahre 1553 mit Magdalena von Wangen- heim, einer Tochter von Lutz d. Ä. von Wangenheim zu Winterstein, Wangenheim, Sonneborn und Brüheim (n. um 1485 i 1551 27. Aug.) und der um Mitfasten 1543 gestorbenen Anna von Harstall aus Mihla, verheirathet. Sein Schwager Wolf Veit von Wangenheim gab ihm 400 fl. Ehegeld, worüber Philipp 1559 quittirte, und stattete die Schwester aus mit einer goldenen Kette für 50 fl., einem ganz sammtenen oben mit goldenem Tuch besetzten Kleide, einem Damast-Kleide, einem „Kartegk" und einem seidenen Kleide, alle drei oben mit Sammt besetzt, einem seidenen mit braunem Pelz gefütterten und unten verbrämten Mantel, güldenen Kleinoden und was sie an Leinenzeug zur Ehe gebrauchte.*) Am 3. März 1577 existirt von denen von Witzleben zu Gräfinau nur noch Heinrichs unmündiger Sohn Christoph, dessen trübe Schicksale in dem als Beilage I. gedruckten Hefte geschildert sind, und dessen Schwester Katharina,**) über welche wir im Kirchenbuche zu Heyda folgende Notizen fanden: „1637. Es hat die edele und tugendreiche Jungfrau Katharina von Witzleben zu Heyda einen eisernen Kasten ins Gotteshaus verehrt, weil der Gotteskasten von den Soldaten mit Gewalt eröffnet und verderbt gewesen, damit der eiserne Kasten möchte ge- braucht werden. Welches man allhier dem Pfarrbuche einverleiben wollen. So geschehen den 17. Sept. obgesetzten Jahres.

*) F. H. A. von Wangenheim, Beitrage zu einer Pam. Gesch. der Freiherm von Wangenheim, Göttingen 1874. p. 546.

**) welcher Namen in der genannten Beilage S. 2. Z. 8. v. o. einzuschalten ist. Auf derselben Seite, Zeile 10 v. n. wolle der geneigte lieser einen bedenklichen Druck- fehler corrigiren und aus den gefürcbteten ge fürstete Grafen von Henneberg machen !

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1639. Die edle Jfr. Katharina von Witzleben den 5. Februar ge- storben, den 9.. ejusd. zu Liebenstein in ihr Grab bettlein

beigesetzt."

e. Friedriclis Nachkommen bis znr Theilnng des Liebensteins.

1522 er. 1615.

Friedrich von Witzleben zum Liebenstein, welcher in der ersten Hälfte des Jahres 1522 starb, hinterliess von seiner Gemahlin Edda Truchsess von Wetzhausen aus Wetzhausen 2 Söhne, Ernst und Christoph, welche am 19. Juli 1522 von Kursachsen mit Liebenstein belehnt wurden. Christoph wird nur noch in dem kursächsischen Lehnbrief vom 23. Febr. 1533 imd demnächst unter den in der Schlacht bei Mühlberg Gefallenen genannt. Beider Brüder Vormund scheint ihr Oheim Konrad von Witzleben gewesen zu sein, denn nur von ihm ist in den Visitationsacten von 1533 in Betreif der Liebensteiner Kirch- dörfer die Bede.*) Erst in dem Visitations -Protokoll von 1545 wird Ernst neben Konrad von Witzleben genannt, indem beide beschuldigt werden, sich einiger der Kirche zu Liebenstein gehöriger Aecker „unter- zogen, unter sich getheüt und der Pfarre also entwandt" zu haben.**)

Ernst führte im Bingsiegel den gesperrten Schild, einen Helm mit der Krone, daraus wachsend den Geier mit einem Bing um den Hals und rechts drei, links zwei Fähnlein,***) das ganze Wappen also genau dem kaiserlichen Diplom vom St. ürbanstage 1470 entsprechend.

Im Jahre 1545 hatte er sich mit Anna von Witzleben aus Elgersburg (cf. S. 80) vermählt. Nach der Eheberedung vom 19. Jan. dieses Jahres f) versprach Friedrich von Witzleben zur Elgersburg aus

*) Die Eirchenyisitation mass ihn wenig interessirt haben, denn es heisst in den Acten wiederholt, er sei, obgleich zweimal durch Zoschrift der Visitatoren erfordert, nie erschienen. „Hahen wir es dobej blejbenn lassen," oder „ynd hat nichts schlislich mit Ime mngen gehandelt werdenn," oder „haben wir auch nichts entlichs schaffenn können,* schliessen resignirt die Herren Yisitatoren ihre Bemerkungen. Com. Arch. zu Weimar.

*♦) Brückner, G. K, u. Seh. St. II. 5. p. 69.

***) An der zwischen Wilhelm Schott zu Zillingen und Anna von Witzlehen aus Elgersburg errichteten Eheberedung yora 7. Sept. 1559, im Arch. zu Angelroda.

t) Arch. zu Angelroda.

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gutem freundlichen und brüderlichen Willen, seiner Schwester Anna 1200 Gulden und das Hausgeräth nach vollzogenem Beilager zu geben, sie auch zu ziemlicher Nothdurft mit Kleidung und Geschmuck abzu- fertigen, wie es des Landes zu Thüringen Gewohnheit sei. Für den Fall, dass ihm in künftigen Zeiten Leibes -Lehnserben bescheert werden würden, soll seine Schwester sich an den 1200 fl. Zugeid und Niess- steuer gänzlich begnügen lassen. Dagegen soll ihr Ernst von Witzleben an seinem Theil des Liebensteins ihr Leibgut, wie es eine ehrbare Frau haben kann, mit Wohnung und Besitz verschaffen lassen, statt deren, wenn er eher stürbe als seine vertraute Anna von Witzleben und sie dann den Liebenstein zu verlassen wünsche, seine Erben ihr 2000 Gulden und eine freie Behausung zu Arnstadt, wie einer von Adel wohl gebührt, und Holz und Feuerwerk nach Nothdurft reichen sollen. Als Zeugen waren bei dieser Eheberedung gegenwärtig Veit Erbmarschall zu Pappen- heim, kurfürstl. Amtmann zur Wachsenburg, Christoph von Lichtenberg zu Geschwende und Christoph von Witzleben zu Arnstadt auf Friedrichs und Georg und Konrad von Witzleben Gebrüder zum Liebenstein und Matthes von Höningen zu Wölfis aufs Emsts Seite.

Später entstanden dennoch zwischen Friedrich von Witzleben, der imterdessen „mit ziemlicher Nachkommenschaft" gesegnet worden war, und seiner Schwester wegen des ihr gebührenden väterlichen und mütter- lichen Erbtheils Uneinigkeiten, welche auf Ersuchen Friedrichs schliess- lich durch herzoglich sächsiche Commissarien zum rechtlichen Austrag kamen. Anna von Witzleden erklärte am 23. Juli 1569 zu Gotha im Beistande ihres Vormundes Friedrich von Witzleben zu Berka, von ihrem Bruder den ihr zustehenden Erbtheil richtig erhalten zu haben.*)

Am 14. Aug. 1563 schrieb „Anna von Witzleben Nach Gelassene Witwe Emnsten von Witzleben zum Liebenstein" an die Herzöge Johann Friedrich d. M. und Johann Wilhelm zu Sachsen: „Ich armes betrübtes Weib gebe E. f. G. demüthiglich mit bekümmertem Gemüth zu erkennen, dass kurz vorschinnen der allmächtige Gott meinen herzlieben Junker aus diesem Jammerthal zu sich in sein ewiges Beich gefordert, des All- macht der Seelen gnädig sein und ihm sammt allen Christgläubigen eine fröhliche Auferstehung verleihen wollte, Amen!

Damit ich nun sampt meinem unmündigen Sohne und zweien

♦) Höchst weitlänftiges Instrument im Arch. zu Angelroda.

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Töchtern von wegen E. f. G. als dem Lehnsherrn und Landesfürsten mit Rath, Beistand, gebührlichem Schutz und Schirm nit gelassen werde, auch E. f. G. Ihres Bitterdienstes mögen gewärtig sein, so bitt ich ganz demüthig, E. f. 6. wollen obangezeigten meinen Kindern die edlen und ehrenfesten Heinrich von Erfifa daselbst, Heinrich von Witzleben zu Gräfinau und Georg von Kromsdorf auch daselbst*) gnädiglich zu Vor- mündern verordnen."

In ihrem Schreiben an den Grafen Georg Ernst von Henneberg, d. d. Liebenstein, Dienstag nach Miseric. Dom. 1564,**) worin sie um Bestätigung der obengenannten Vormünder auch für das Hennebergische Lehn Martinroda und zugleich um ein Schock Baumstämme bittet, um einen wüsten Hof in Martinroda herstellen zu können, sagt sie, dass ihr Gemahl Ernst von Witzleben am 23. Juni 1563 gestorben sei.

Der Sohn war Kurt Veit von Witzleben, der zuerst in einer leider sehr kurzen Notiz des Com. Archivs zu Weimar (Reg. Gg. fol. 18): „1564. Aufstand der Gemeinde Breitenbach gegen ihren Erbherm, den unmündigen Veit Kurt von Witzleben zum Liebenstein," erwähnt wird und 1593 starb.***) Von seiner Gemahlin Katharina von ütterodt aus Schwarzhausen, einer Tochter des 1562 gestorbenen Andreas von ütterodt zu Schwarzhausen und Scharfenberg und der Margarethe von Herda zu Brandenbuig aus Lauchröden, hinterliess er zwei Söhne, Ernst Friedrich und Christian Rudolf von Witzleben, von denen der letztere zu Anfang des Jahres 1598 noch unmündig war.

Am 10. Mai 1598 verpfändeten diese Brüder (im Namen des jungem die Vormünder Andreas Friedrich von ütterodt zu Schwarzhausen und Scharfenberg und Heinrich von Witzleben zur Elgersburg und Alkers- leben) ihre Hälfte von Martinroda an Friedrich und Job Wilhelm von Witzleben, Gebrüder zur Elgersburg, für 4000 fl. auf 9 Jahre. Im Herbst des Jahres 1611 wurde aus dieser Verpfändung ein Erbkauf, wie S. 94 erzählt ist. Hinzuzufügen ist nur noch, dass bei diesem Erbkauf Ernst Friedrich und Christian Rudolf nicht mehr gemeinschhftlich auf- traten, sondern jeder seinen Theil an der Hälfte von Martinroda für

*) Agathens geb. von Witzleben (Stammt. I. 11.) Sohn. **) im Oeh. St. Arcb. zu Weimar.

***) «Weyland Curtb Veitens von Witzleben InTentarium, ao. 1593 vcrferttiget,* befand sieb im Nacblass Georg Melchiors von Witzleben, s. dessen Invent. Tom 8. Ang. 1672 im Arcb. zn Hade.

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sich verkaufte und auch nur für sich allein quittirte, woraus zu schliessen, dass sie sich schon vor dieser Zeit, etwa 1610 in ihre väterlichen Güter getheilt hatten.

Nach dem Tode Christophs von Witzleben, des Apostaten, um 1614, erbten Ernst Friedrich und Christian Rudolf von dessen Gütern nur die Schwarzburgischen Lehen Gräfinau, Bücheloh und Geilsdorf; über den Verbleib von ünterweissbach fehlen die Nachrichten. Die Hennebergi- schen Lehen Heyda, Neusis und Schmerfeld waren ihnen zwar im Jahre 1612 zur Administration übergeben worden, verblieben aber nicht in ihrem Besitz,*) sondern wurden von der Meiningischen Eegierung ein- gezogen. Geilsdorf war noch inmier an die von Thüna verpfändet, Gräfinau und Bücheloh wurden wie die andern Liebensteiner Dörfer unter den Brüdern getheilt. Der Eittersitz in Gräfinau verfiel.

Die Nachkonmien Ernst Friedrichs bildeten die Linie auf dem ünter- hause, diejenigen Christian Budolfs die Linie auf dem Oberhause zu Liebenstein.

*) wonach S. 30 der Beil. I. zu berichtigeii.

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n. Abschnitt.

Die Linie auf dem Unterhause zu Liebenstein.

1616—1746.

a. Ernst Friedricli Yon Witzleben Yon 1616—1663.

Mit dem Zeitpunkt, da sich Ernst Friedrich und Christian Rudolf von Witzleben in ihre väterlichen und sonst geerbten Güter getheilt hatten, hören die weiteren Nachrichten auf. Sie mögen still auf der Scholle gesessen haben, vollauf beschäftigt, dieselbe zu bewirthschaften und während der Unruhen des 30 jährigen Krieges, wo bald Kaiserliche, bald Schweden Thüringen überschwenamten, vor Schaden zu bewahren. Ernst Friedrich von Witzleben auf dem ünterhause zu Liebenstein wurde hierin durch seinen Sohn Hans Ernst unterstützt, dem er die Güter pachtweise überKess.*) Nach dem Frieden von Osnabrück trat er die Güter seinen beiden Söhnen gänzlich ab und zog sich auf den Alten- theil zurück; Georg Melchior und Hans Ernst nahmen am 1. Nov. 1648 eine Vertheilung der auf dem Liebenstein haftenden väterlichen Schulden und einen brüderlichen Erbvergleich vor, wonach Georg Melchior die Güter behielt und sein Bruder mit Geld abgefunden wurde. Ernst Friedrich starb hochbetagt am 14. März 1653 und hinterliess von seiner Gemahlin Magdalena von Seebach a. d. H. Oppershausen, einer der vielen Töchter des 1557 geborenen kurf. sächs. Ober-Aufsehers der Forst- und Wildbahn im Lande zu Meissen Hans Georg d. Ä. von Seebach auf Oppershausen, Kanmierforst und Grossengottem und der 1613 gestorbenen Debora von Diesskau a, d. H. Finsterwalde, mehrere (mindestens 5)

*) „Pachts notol Ernst Friedrichs von Witzleben und Sohn Hans Ernsten von Witzleben " befand sich im Nacblass Georg Melchiors. Arch. zu Hude.

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Töchter, von denen drei auf der Stanuntafel I. 12 genannt sind, und zwei Söhne, von denen Georg Melchior die Linie auf dem Unterhause zu Liebenstein fortpflanzte, Hans Ernst die Speciallinie zu Oberellen und Gerstungen gründete. Ernst Friedrichs Wittwe quittirte noch am 22. Febr. 1669 über 50 Thaler*), muss demnach an die 90 Jahre alt geworden sein.

b. Georg Melchior Yon Witzleben.

er. 1596—1672.

„Ich hab den Schweden mit Augen gesehn, Er thut mir Wohlgefallen, Geliebt mir in dem Herzen mein Vor andern Königen allen.*

Fl. Bl. a. d. 30j&)ir. Kriege.

Um das Jahr 1596 geboren befand sich GeorgMelchior von Witz- leben zu Anfang des dreissigjährigen Krieges in einem Lebensalter und in Verhältnissen, dass nichts ihn hinderte, dem lauten Ruf der durch ganz Deutschland ertönenden Trommeln und Trompeten zu folgen und sein Glück im Felde zu suchen.

„Wer fährt so gut mit frischem Muth

In diesen bösen Zeiten

Als wie der Kriegsmann thut!" Ob er sich unter Mansfelds Fahnen, auf den Zügen des Herzogs Christian von Braunschweig oder in der dänischen Armee die Sporen verdiente, darüber fehlen die Nachrichten; erst mit Gustaf Adolfs Er- scheinen auf deutschem Boden hellt sich das Dunkel auf, das ihn verbarg. Am Abend des 26. Juni 1630 landete der König von Schweden an der Spitze der Insel Usedom, da wo die Peene ins Meer mündet, und schon am 10. Juli besetzte er Stettin. Am 4. September brach er von hier aus zu seiner Mecklenburgischen Expedition auf, nachdem er den Feldmarschall Gustaf Hom mit dem Konunando über das Lager bei Stettin betraut hatte. Die Kaiserlichen hatten nicht sobald den Auf- bruch Gustaf Adolfs erfahren, als sie, am 6. September, einen Angriff auf das Lager versuchten, der aber abgewiesen wurde. Zu erheblicherem

*) Invent. Georg Melchiors von Witzleben vom 8. Ang. 1672, im Arch. zn Hade.

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Zusammenstoss mit dem Feinde oder zu umfassenderen Operationen kam es zunächst nicht, nur zu häufigen Scharmützeln, welche die Truppen gegenseitig in Athem hielten. Ein solches kleineres Treffen fiand am 6. Oct. 1630 statt. Der Oberst Dönhoff, welchen Hom zu einer Be- cognoscirung gegen Penkun ausgesandt hatte, stiess während des Bück- marsches auf einen eben von einer Fouragirung heimkehrenden Haufen „Crabaten", nahm demselben das aus den Ortschaften Brun und Völschen- dorf zusammengetriebene Vieh ab, liess sich aber durch die Mourderie eines seiner Officiere des Eittmeisters Sacken, der die Verfolgung zu weit trieb verleiten, mit seinem ganzen Detachement bis in <iie Nähe des feindlichen Lagers vorzurücken, wo er von überlegenen kaiserlichen Beitermassen (unter Sparr) angeMlen und culbutirt wurde. Hom, welcher aus anderen Meldungen wusste, dass Dönhoff den „Crabaten" begegnen musste, sandte, um des Obersten Schicksal besorgt, den Major Tiesenhausen mit 50 Pferden ab, um gegen Mandel- kow zu kimdschaften. Tiesenhausen begegnete bald den fliehenden Dön- hoffschen Beitem, warf sich sofort auf den Feind und war im Stande, diesen etwas aufzuhalten, so dass die Dönhoffer, deren Pferde ziemlich erschöpft waren, davon kamen; er musste jedoch bald der Uebermacht weichen und wurde schliesslich auf dem Bückzuge nebst Sacken und Isaak Lilliesparre gefangen genonmien. „Was aber das Unglück agran- dirt", sagt Hom in seinem Bericht an den König, „ist, dass auch Major Witzleben sich mit 40 Pferden von seiner und Zacharias Paulis Compagnien, welche damals die Wacht bildeten, gegen Mandelkow avan- cirte, in der Meinung, der Unsrigen Betraite zu facilitiren ; wurde aber dabei gefangen und der Lieutenant des Adrikas getödtet". Nachdem der Feldmarschall dann darauf aufinerksam gemacht hat, dass dies alles nicht seine Schuld gewesen, fährt er fort; „Ich habe heute einen Trom- peter nach dem feindlichen Lager geschickt, um die Namen derjenigen zu erfahren, die gefangen genommen sind, und mit welchen condüionen sie diese wieder loslassen wollten. Die Gemeinen können wohl mit den Gefangenen ausgetauscht werden, die wir im Lager und in Stargard haben, und wenn sie die Ranson der Officiere auf einer billigen Sunune fixiren wollen, so muss man nachsehen, wie man dieses Geld haben kann.*)

*) „Relation" des Feldmarschalls Gustaf Hom an den König, datirt: .Feldlager bei Alt-Stettin, 7. October 1630", im EönigL Schwedischen Archiv zu Stockholm. Die Nachrichten ans diesem Archiv verdanke wir der gütigen Gefälligkeit des Eönigl.

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Leider ist es nicht gelungen, eine bestimmte Angabe zu finden, in welchem Begimente Georg Melchior von Witzleben damals diente. Von den Begimentem, die mit dem Könige aus Schweden und Finnland kamen, giebt es ziemlich vollständige Musterrollen und sonstige Listen, in denen jedoch der Name Witzleben nicht vorkommt. Dasselbe ist der Fall mit den 5 Compagnien deutscher Eeiter, die schon im Mai 1630 von Lifland nach Stralsund geschiflt und später dem Oberstlieutenant Adrikas unterstellt worden, und mit Dönhoffs 4 Compagnien Lifländischer Beiter, die in demselben Sommer nach Stralsund gekonmaen waren. Ausser diesen Begimentem waren in der Gegend von Stettin zur Zeit des obenerwähnten Gefechts 2 Compagnien „Damitz" und 2 Compagnien „Hall", welche Begimenter aus Deutschen bestanden und in Ponmaem unmittelbar nach der Eroberung Stettins errichtet worden waren. Bei einem von beiden muss also der Major von Witzleben angestellt gewesen sein; und da derselbe 11 Monate später als zum Hall'schen Begiment gehörend bezeichnet wird, so ist wohl die Annahme berechtigt, dass er seine Laufbahn in schwedischen Diensten in diesem Begimente begann.*)

Die Bestrebungen Hom's, die am 6. October in Gefangenschaft ge- rathenen Officiere wieder frei zu machen, müssen ihm ziemlich bald ge- lungen sein, denn in einem an ihn, der damals bei Greifenberg stand.

Schwedischen Oberstlieutenants Herrn I. Boeder. Der Sekretair Lars Grnbbe giebt in seiner Relation No. 13, Stralsund, 24. Oct. 1630, eine viel kürzere, aber in den Hauptsachen ähnliche Beschreibung jenes Bencontres, welches, wie aus beiden Berichten hervorgeht, am 6. October stattfand. cf. B. Ph.vonChemnitz, Königl. Schwed. in Teutschland geführten Kriegs Erster Theil p. 88 ffg. S. von Puffen- dorf, 26 Bücher über den 30jähr. Krieg, IL §. 34. von Mörner, Markische Kriegs-Obersten, p. 93, 115 und 124, der fälschlich den 15. Oct. hat und anfuhrt, dass es in Ernst Georgs von Sparr Grafenpatent (vom 17. Febr. 1654) heisst: ^Gestalt- samb er vor Stettin den Gustav Hom sambt den Obersten Denhoff vnd Schlangen auss ihrem lager geschlagen, in solcher occasion den Obersten Witzleben, Ob. Tissenhaussen, Ob. Bertelli, Spoec vnd Oxenheubt ein Schwedt nebst andern vielen Ritmeistem vnd andern officiren gefangen bekohmen". Die Namen seien z. Th. leicht erkennbar verdorben, die Chargen und Sache selbst in majorem gloriam entstellt.

•) Gustav Adolfs Kavallerie, eingetheilt in Fahnen, auch Geschwader, Compag- nien oder gewöhnlich Comets genannt, bestand wesentlich nur aus Kürassieren, die vollständige Büstung, Schwert und ein Paar Pistolen hatten. Der Stab eines Beiter- regiments bestand aus dem Obristen, dem Obristlieutenant, dem Major, dem Begiments- quartiermeister , einem Begimentsschreiber und einem Begimentsbarbier (d. i. Feld- scheer, zugleich Doctor und Apotheker). Das Comet bestand aus dem Kapitain mit 4 Pferden, Lieutenant und Fähnrich, jeder mit 3 Pferden, 2 Korporalen mit 4 Pferden»

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gerichteten Schreiben d. d. Stettin, 21. November 1630, sagt der König: „Wir wollen Ihnen, Hr. Feldmarschall, in Gnaden nicht verhalten, dass die Majore Witzleben und Tiesenhusen vom feindlichen Lager angekommen sind und dass sie zu berichten wissen, dass der Feind darauf bedacht sein soll, noch einmal das Glück zu versuchen, um Col- berg zu entsetzen. Wir wünschen daher, dass Sie inmier Kundschafter ausschicken wollen u. s. w.*)

Das Hall'sche Regiment lag zu der Zeit, als Georg Melchior von Witzleben wieder bei ihm eintraf, Ende November 1630, mit dem grössten Theil der übrigen Hom zugetheilten ßeiterei in Quartieren längs der Ihne, brach aber gegen Weihnachten aus diesen auf, um an der Expe- dition gegen Gartz theilzunehmen. Beim Vormarsch gegen Greifenhagen, das am 24. Dec. genommen wurde, und später, als Gustaf Adolf am 26. dess. M. vom Lager bei Greifenhagen aufbrach und gegen Marwitz zog, um dem Feinde eine Schlacht anzubieten, gehörte es zur baUaglie^ d. h. zu den für die Schlacht bestimmten Truppen, und stand als vor-

1 Pourier mit 2 Pferden, 1 Musterschreiber, 1 Prediger, 1 Profoss, 1 Barbier, 1 Huf- schmied, 2 Trompetern und 102 Gemeinen, zusammen also 115 Manu mit 125 Pferden. 8. Droysen, Gust. Ad., II. p. 73. ffg. Das Huirsche Reiterregiment ist allem Anschein nach von Adolf Dietrich Baron von Efferen, der als Oberst eines Regiments „Hochdeutsche Soldaten zu Fuss** mit dem Könige aus Schweden nach Deutschland gekommen war, errichtet worden. Eine von Gustav Adolf unterschriebene Capitidation, datirt aus „Unserra Feldlager bei Stettin den 30. Juli 1630", bevollmächtigt den Baron von Eiferen, 12 Compagnien Kürassiere, jede zu 125 Reitern, anzunehmen. Als Lauf- und Musterplatz wurden dem neuen Regimente die Kommenturei Sonnenburg und das Amt Seeden angewiesen. ViTahrscheinlich ist ein grosser Theil der Cadres dieses Regiments sowie auch derjenigen des Damitz'schen Regiments dem frühe- ren herzoglich pommerschen Heere entnommen worden, und Georg Melchior von Witz- lebeu, der so kurze Zeit nach der Anwerbung als Major erscheint, ist vielleicht auch in herzoglichen Diensten gewesen. Der Name des Baron von Efferen verschwindet bald wieder aus den Annalen. Schon bei der Expedition nach Stettin wird angeführt, dass sein Regiment zu Fuss vom Obersten Hall oder Halle commandirt werde, und das neuerrichtete Reiterregiment scheint gleich von Anfang an vom Obersten Hall geführt worden zu sein. Zur Zeit des Gefechts vom 6. October waren nur 1 oder

2 Compagnien (Escadrons) dieses Regiments bei der Armee, die andern wohl noch in der Formirung begriffen; im Treffen bei Stolzenberg und Falkenberg, 13. Nov. 1630, hatte es bereits eine solche Stärke, dass es 5 Compagnien „Crabaten" über den Haufen werfen konnte. Zacharias Pauli's Compagnie gehörte nicht dem Hall'schen Regi- mente an; sie war als selbstständig von Schweden gekommen und wurde später dem Tottsohen Regimente einverleibt.

*) Königl. Schwed. Archiv zu Stockholm. cf. Droysen, Gust. Ad^ II. p. 202«

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letztes Regiment auf dem linken Flügel des zweiten Treffens, zwischen Damitz und Calenbach.*)

In den ersten Monaten des Jahres 1631 waren die Hall'schen Reiter wieder in ihren alten Quartieren und eine Quartierliste vom Februar zeigt, dass sie nebst den Hall'schen Fussknechten GoUnow, Gülzow, Massow, Naugard, Plate, Dal)er imd Labes belegen sollten. Wenn sie auch durch die Operationen, welche Hom vornahm, um Front gegen den auf Neu -Brandenburg anrückenden Tilly zu machen, in dieser Ruhe etwas gestört wurden, so war es doch erst der Marsch des Königs gegen Frankfurt, der sie in Bewegimg setzte und Homs unmittelbarem Kom- mando zeitweise und diesen Gegenden gänzlich entführte. Das Regiment gehörte während dieser Operation zur Avantgarde und ein Theil des- selben fand Gelegenheit, Ende März unter dem Avantgardenführer, GeneraUieutenant Baudissin, in der Gegend von Müncheberg dem Feinde einige Verluste zuzufügen, worüber der General Baudissin dem Könige d. d. Neustadt, den 27. März 1631, folgendermassen berichtete: „Der Obrister Halle hat seinen Obristen Lieutenant (wahrscheinlich Witzleben) mit dem halben Theil seines Regiments, zu welchem ich auch 100 Dra- goner gegeben, nach Müncheberg, um die Crabaten zu suchen, abge- fertigt. So haben selbige aber den Wind zeitlichen vernommen, dass also, wenn der Obrist- Lieutenant an einem Ort auf selbiges Städtlein zugegangen, sie am andern heraus gewichen und ihren Weg nach Frank- furt zu genommen. Es hat sie aber doch der Obrist -Lieutenant stark verfolgt, viel davon niedergehauen, wie auch Gefangene bekommen. Und lässt mich der Obrist Halle fragen, wie er sich zu verhalten, ob er den Ort Müncheberg behalten oder verlassen soll. Weil es aber ein ganz offen Werk und weit von hier abgelegen, habe ich ihm die Ordre ertheilt, wiederum in seine alten Quartiere zu rücken, denn ich mich besorgt, weil des Feindes Kavallerie noch zur Zeit nicht weit von einander, es möchte ihm in Eile wiederum etwas zukommen; sonstens soll er, wie berichtet, alle ihre Bagage bekommen haben. Er wird mich aber, wie es in allem gründlich ergangen, mit mehren berichten."**)

Als die schwedische Armee vor Frankfurt a. 0. am 3. April auf- marschirte, stand das Regiment wieder auf dem linken Flügel des zweiten Treffens, mit Calenbach als nächstem Nachbar rechtz.

*) J.P. Eirstein^Batalj-PlSne, 1675, im KgLSchwed. Kriegs-Archiv zu Stockholm. **) K. Schwed. Archiv zu Stockholm.

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Nachdem die Hallschen Keiter eine kurze Ruhe in Quartieren im Stembergschen District gehabt hatten, gingen sie anfangs Mai mit dem Könige gegen Berlin vor. Am 10. Juni 1631, beim Aufmarsche vor Spandau imd Berlin, und am 10. Juli vor Tangermünde und Werben, bei Tilly's Anmarsch, standen sie wie früher auf dem linken Flügel des zweiten Treffens, das erste Mal zwischen Koschitzky und einem schotti- schen Infanterie- Regiment, das andere Mal zwischen Koschitzky und Calenbach. In der Nacht vom 17. zum 18. Juli überfiel der König mit seiner Kavallerie drei kaiserliche Regimenter in Wolmirstedt (Gefecht bei Burgstall).

Nachdem das Hallsche Reiterregiment, welches am 10. Mai 1631 nur 400 Mann stark gewesen war,*) zu den alten Lauf- und Muster- plätzen in Pommern neue in der Mark Brandenburg erhalten hatte,**) nahm seine Complettirung so schnellen Fortgang, dass es bereits am 20. Juli in einer List.e der im Lager bei Werben stehenden Truppen als 600 Mann stark und in einer andern Liste, die wahrscheinlich für die Aufstellimg der Armee bei Düben am 5. September 1631, wo die Vereinigung mit der sächsischen Armee bewerkstelligt wurde, verfasst war, mit 800 Mann aufgeführt werden konnte. So nahm es Theil an der Schlacht bei Breitenfeld (oder Leipzig), am 7. September 1631, wo es wieder auf dem linken Flügel des zweiten Treffens, zwischen Cour- viUes Reitern und Vitzthums Infanterie, stand imd also eins derjenigen Regimenter war, mit welchen Hom nach der Sachsen Niederlage durch eine Linksschwenkung die neue Front bildete und sich so lange mit den Kaiserlichen herumschlug, bis ihm der König vom rechten Flügel Unter- stützung sandte. Der Regiments -Chef, Oberst Hall, fiel und Georg Melchior von Witzleben übernahm das Kommando, wenigstens wird er in dem nächsten Truppenverzeichniss, actum Erfurth 23. September, als Kommandeur des Regiments bezeichnet. Dieses muss übrigens in der Schlacht bedeutende Verluste gehabt haben, denn es wurde von 12 Com- pagnien mit 800 Mann auf 6 Compagnien mit 400 Mann reducirt, wobei

*) Lista pa folk, som mi marschera kan. Actum i faltlägret i Potsdam d. 10. Mai 1631. K. Schwed. Arch. zu Stockholm.

**) Botzen, Biesenthal, Bernau, Berneuchen, Alt-Landsberg, Strausberg, Eöpuick, Spandau, Wrietzen a. 0., Buckow und Friedland. Förslag öf?er Quarter och Mdnster- platsar för Bjttame. Actum Tangermünde 10. Juli 1631. Kgl. Schwed. Arch. zu Stockholm.

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jedoch bemerkt wurde, dass es wieder auf einen Bestand von 750 Reitern gebracht werden solle.

Zehn Tage nach der Schlacht bei Breitenfeld brach Gustaf Adolf mit seinem Heere von Halle auf und zog über Querfurt an die ünstrut; am Nachmittag des 22. Sept. hielt er seinen Einzug in Erfurt. Von hier wurde am 26. Sept. in zwei Kolonnen aufgebrochen: die eine, bei welcher der König, ging auf Arnstadt, die andere auf Gotha. Am 27. befand sich zu Arnstadt das Hauptquartier. Dann ging es weiter, am Liebenstein vorbei, immer durch Witzleben'sches Gebiet, nach Ilmenau und über den Thüringer Wald nach Schleusingen, wo der König am 28. auf dem Schlosse Quartier nahm. Gustaf Adolf forderte von dem Lande (Stift Würzburg und Herzogthum Franken) die Huldigung, setzte über dasselbe ein neues Gouvernement (Königliche Landesregierung Herzog- thums Pranken) und dotirte mit einzelnen Theilen von ihm neue Be- sitzer, auf deren Ergebenheit er sich verlassen konnte. „Auf das Eecht des Krieges gestützt ahmte er nach, was vordem die katholischen Gegner ohne besseres Recht gethan."*)

Bei dieser Gelegenheit mag es gewesen sein, dass Georg Melchior von Witzleben auf seine wahrscheinlich schon während des Marsches von Arnstadt nach Ilmenau (28. September 1631) ausgesprochene Bitte von Gustaf Adolf die sogenannten Kerpenschen Güter und das Dorf Angelroda (cf. S. 131) erhielt. Der Graf zu Schwarzburg aber, zu dessen Gebiet Angelroda gehörte, war so empört über jene Schenkung, dass er es sich nicht nur ein Bedeudendes kosten liess, jenes Dorf wieder zu erlangen, sondern auch Georg Melchior von Witzleben auf längere Zeit aus dem Strahlenkreise seiner Gnadensonne verbannte.**) Die Kerpenschen Güter behielt der so empfindlich Gestrafte bis 1648.

♦) Droysen, Gust. Ad., H. p. 430—448.

, **) „Bei dem Könige von Schweden hat Herr Major Melchior von Witzleben zu Liebenstein die Beuss-Wormische (d. i. Russwurmsche) oder sogenannte Körpische Güter sammt dem Dorfe Angelroda sich ansgebeten, ohnerachtet das Dorf in das Amt Schwarzbnrg gehört; deswegen es denn mein gnädiger Herr sehr ungnädig aufgenom- men und den Major in eigener Person nicht vor sich kommen lassen, sondern zur Stunde Herrn Dr. Heinrich Neunhar, Hofrath, und Herrn Oberforstmeister von Schreckenstein an den Schwedischen Besidenten, Herrn Aschken (hiess nach Chemnitz, H. p. 32 und 680 Alexander Ersken). nach Erfurt geschickt, worauf wohlgedachter Herr Resi- dent mit den Herren Commissarien Jacob Barden nach Um gekommen und haben dem Major Witzleben Angelroda wieder aus den Händen genommen. Mein gnädiger Herr haben den Besidenten regaliret und dadurch zu aller Gewogenheit, so lange der Krieg

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Als Gustaf Adolf am 9. Nov. 1631' an der Spitze der Annee von Würzburg aufbrach, „um Main und Ehein zu conjungiren", liess er zur Vertheidigung Würzburgs und Frankens den Feldmarschall Gustav Hom mit einem Corps von etwa 8000 Mann zurück. Unter der Kavallerie dieser „fränkischen Armee" befand sich Georg Melchior von Witzleben mit seinem aus 8 Compagnien bestehenden Eegimente.*)

Hom nahm Mergentheim, Heilbronn, Wimpfen und andere am Neckar gelegene Orte, femer Höchstadt und Bamberg durch Accord und zog sich, nachdem er letzteres gegen Tilly hatte aufgeben müssen, 28. Febr. 1 632, nach Schweinfurt zurück. Dass Georg Melchior von Witzleben bei der Einnahme von Mergentheim, der „Residenzstadt der deutschen Mei- ster", mitwirkte, geht aus den Acten des Stockholmer Archivs hervor, und dass er an der Expedition gegen Heilbronn, um Weihnachten 1631, theilgenonmfien , spricht Hörn selbst in einem Briefe an den König aus. üebrigens scheint der Winter zu Werbungen in den neuen fränkischen Lau^lätzen benutzt worden zu sein, ohne dass jedoch Witzlebens Regi- ment sehr viel dabei gewann; am 31. Dec. hatte es zwar 8 Compagnien, aber nur 300 Mann, es mankirten also 450. Anfangs 1632 wurde die Zahl der Compagnien auf 6 reducirt; im Febmar oder März verschwindet noch 1 Compagnie und das Regiment hatte nunmehr nur 5 Compagnien mit 397 Mann. Um diese Zeit ging auch noch eine andere Veränderung mit dem Regimente vor; die erwähnte Liste ist nämlich die letzte, in welcher das Regiment „Witzleben" genannt wird. In der „Battaglia vor

gewahret, versichert gemacht, gestalt ich denn als die geringste Person in vielen Ver- schicknngen es wohl genossen. Ohngeachtet Herr Major von W^itzleben wieder mal vor meinen gnädigen Herrn begehret, so waren doch Ihro hochgräfliche Gnaden nicht zu bewegen. Nach der Zeit ist Herr Major von Witzleben Obrister geworden und die Eorpische, Reuss-Wormische, Güter bis zu dem erlangten gewünschten Frieden in Be- sitz gehabt, welche hernach der Herr von Beulwitz bekommen und noch haben wird, und ist dieser Herr Obrister eher nicht als kurz vor meines gnädigen Herrn Beilager zur Audienz kommen." Im Archiv zu Angelroda befindlicher Extract aus einer im Jahre 1682 von Michael Heubel, Gräfl. Schwarzb. Landrichter und Steuer-Cassa- Ver- walter zu Rudolstadt, verfassten Chronik, enthaltend geschichtliche Notizen von 1620 bis 1679.

*) In dem „Memorial für den Feldmarschall Hom", d. d. Würzburg. 5. Nov. 1631, wodurch dieser beordert wird, in Würzbnrg zu bleiben und die Mainübergänge zu bewachen, sagt der Eonig, nachdem er die Infanterie des Feldmarschalls genannt hat: ,80 behaltet er anch Baudissins, Sperrenters, Cochitzkys nnd Witzlebens Reiter XL s. w.** Kgl. Schwed. Arch. zu Stockholm. Droysen, Gust. Ad., II. p. 452 and 464.

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Donauwerth und dem Lech, 4. April 1632",*) findet man nämlich nicht mehr ein Eegiment „Witzlehen" mit 5 Compagnien, sondern ein Regi- ment „Feldmarschall Hom" mit derselhen Anzahl von Compagnien, imd in einer Liste vom 14. April 1632**) werden genannt „5 Compagnien Feldmarschall" und in Parenthese hinzugefügt „(Witzlehen)." Die Be- nennung des Regiments ist also geändert worden und es tritt von nun an als das Leihregiment Homs auf, geführt von Georg Melchior von Witzlehen.

Zu Schweinfurt vereinigte sich Gustaf Adolf, welcher den Winter tiher zu Mainz und Frankfurt Hof gehalten, wieder mit der fränkischen Armee und zog dann Mittwoch den 21. März in Nümherg ein. In Eil- märschen ging es von hier gen Süden; am 28. März ward Donauwörth genonunen und am 5. April Tilly am Lech geschlagen. Es erfolgte dann der Einmarsch in Bayern, die Besetzung von Augshurg und am 16. April der Aufbruch aus dem Lager hei Lechhausen gegen Ingolstadt. Voraus marschirte, wie von Schweinfurt nach Nümherg, Hom mit der Kavallerie. Während Gustaf Adolf mit dem grössten Theil der Armee sich zur Be- lagerung der Festung anschickte, wurde Hom mit einer Tmppenahthei- lung ausgesandt, um dem Feinde zu folgen; am Nachmittage des 22. April nahm er bereits Neustadt. Da Wallenstein im Anmarsch war, brach der König am 24. April von Ingolstadt auf, rief Hom wieder zum Haupt- corps zurück und zog, nachdem Moshurg an der Isar, Landshut und Freisingen genommen waren, am 10. Mai in München ein, wo er die Todten auferweckte, d. h. 119 vergrabene Geschützrohre ans Tageslicht befördem liess. Nach mancherlei Kreuz- und Querztigen durch Bayem, Schwaben imd Franken bezogen die Schweden am 23. Juni das Lager bei Nürnberg,***) während Wallenstein Anfangs Juli das seinige bei Stein (Dorf, 1^/2 St. von Nümherg) und Zimdorf aufschlug. „Da man sich imi Lorbeeren zu schlagen keine Gelegenheit hatte, schlug man sich um Heu." So grifl' u. a. der Obrist Taubadel am 30. Juli mit 3 Regimen- tern Kavallerie Freistadt an, erbeutete eine Proviantkolonne und zündete

*) Kirsteins Batalj -plane, im K. Schwed. Kriegs-Archiv. **) Lista pa folket. Actum Augsburg 14. April 1632. im K. Schwed. Karamer- EoUegii- Archiv zu Stockholm.

***) Homs Leibregiment („Feldmarschall") war Anfangs Juni 6 Compagnien mit 339 Mann stark gewesen (Lista, actum Nürnberg 8. Juni 1632.), während sein Bestand Mitte Juli 7 Compagnien mit 388 Mann betrug (Lista über die Cavalleria. Actum 16. Juli 1632).

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die Stadt an. Mitte August kam Oxenstjerna mit der rheinischen Armee ins Lager, so dass nunmehr die Vereinigung des schwedischen Heeres vollzogen war. Nachdem aber am 24. Aug. die Schlacht bei der alten Feste geschlagen war, während welcher das Regiment „Feldmarschall" auf dem äussersten rechten Flügel des ersten Treffens gestanden hatte, aber wie die übrigen auf diesem Theile der schwedischen Linie befind- lichen Beiterregimenter durch Terrainschwierigkeiten an weiterer Theil- nahme am Kampfe verhindert war, brach am Sonnabend den 8. Septbr. Gustaf Adolf das Lager ab und zog mit seinem Heere von dannen gen Windsheim. Darauf erfolgte der Abmarsch nach Sachsen, auf welchem der König am 23. October zum zweiten Mal in Arnstadt weilte, und schliesslich am 6. Nov. die Schlacht bei Lützen und Gustaf Adolfs Tod.

Diesen Zug nach Sachsen hatte Georg Melchior von Witzleben nicht mitgemacht; er befand sich vielmehr bei der von Gustaf Adolf unter dem General Johann Ban6r in Bayern zurückgelassenen Armee, welche während der Krankheit Bauers der Pfalzgraf Christian von Birkenfeld konamandirte. Im Anfang des November wurden „6 Compagnien Feld- marschall 250 Mann'' unter den Ban^rschen Truppen genannt.*) Als Hom im December Ban6rs Nachfolger in Schwaben wurde, kam sein Leibregiment, 240 Mann stark, wieder unter sein directes Kommando und nahm an den Operationen theil, in Folge deren Altringer über den Lech zurückgedränkt wurde; und als er nach dem Zuge nach München wieder in Donauwörth einrückte, hatte das Eegiment 280 Mann in 7 Compaguien**), während „3 Compagnien" als „auf Werbung" bezeichnet werden.

Um diese Zeit entstand die „Confoederation der Königlich Schwedi- schen Of'fidrer zu Donauwörth". Gustaf Adolf hatte die durchs Schwert erworbenen Lande an Fürsten, Stände und Officiere, um diese williger zu machen und zur Fortführung des Krieges anzufrischen, zum Theil schon verschenkt, zum Theü versprochen. Nach des Königs Tode wurden an den Beichskanzler Oxenstjerna dieselben Anforderungen gestellt und es war fast kein Stand oder namhafter Officier und Beamte, der nicht einige Aemter, Abteien, Klöster, Herrschaften und dergleichen begehrte, „da dann, je höher die Person, je höher auch die Prätensionen waren". Oxenstjerna trug zwar Bedenken, mit dem eroberten Lande wie der

*) Lista im E. Schwed. Beichs-Archi?, Oxenstjemska Sämlingen. ♦•) Lista, 20. Apr. 1633. K. Schwed. Reichs-Archiv.

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König zu schalten, er musste aber der Sache ihren Lauf lassen, wenn er nicht alles über den Haufen werfen wollte, „sintemal das Fundament des ganzen Staats darauf beruhte, das sowohl die Soldatesca als Fürsten und Stände bei gutem Willen erhalten würden. Die Officiere waren, abgesehen davon, dass man mit ihrem Solde im Eückstande war, be- sonders darüber erbittert, dass die reiche Beute, für welche sie Leib und Leben gewagt, denen zufiel, die in den Stuben hinterm Ofen gesessen. Es heisst zwar (Chenmitz, U. p. 100), sie seien „aufstutzig gemachet von etlichen meutinirischen, vnruhigen Köpfen. Worunter der Oberste Joachim Mitschlaflf, ein verschmitzter und beschwatzter Man, der vor- nemsten Eedelsföhrer einer gewesen", ihre Beschwerden, die sie zu Donauwörth beriethen und schriftlich aufsetzten, müssen aber doch nicht ohne Grund gewesen sein, denn der Feldmarschall Gustaf Hörn selbst überbrachte sie dem Eeichskanzler nach Heilbronn, wo seit Anfangs März der Convent der evangelischen Fürsten und Stände der 4 Ober- kreise tagte. Oxenstjema beschloss, die vornehmsten Officiere mit Gütern zu beneficiren und die eroberten Lande, soweit sie zureichen würden, auszutheüen, doch dergestalt, dass der Königin und Krone Schweden, in deren Namen dies alles geschehen müsste, die Oberherrlichkeit imd das Lehnrecht sanmit den schuldigen Contributionen vorbehalten blieben.*) Georg Melchior von Witzleben benutzte diese Gelegenheit, um die seit er. 1615 der Liebensteiner Linie entzogenen früher Hennebergischen Lehngüter wieder an sich zu bringen imd erhielt den von Axel Oxenst- jema zu Heübronn am 29. Apr. 1633 ausgestellten Königlich Schwe- dischen Donationsbrief über Heyda, Neusis und Schmerfeld.**)

Nachdem Hom sich vom Herzog Bernhard wieder getrennt, einen kurzen Einfall in die obere Pfalz untemonmien und Neumarkt erobert hatte, richtete er seinen Marsch nach der schwäbischen Grenze, wo sich die Kaiserlichen unterdessen beträchtlich verstärkt hatten imd Würtem- berg mit einem verwüstenden Einfall bedrohten. Durch seine An- näherung verscheucht, ziehen sie sich an den Bodensee, aber nur, um auch den Schweden den Weg in diese noch nie besuchte Gegend zu

*) Chemnitz, H. p. 91— 120. Der Endvergleich des Eeichskanzlers und der Officiere wurde am 12. Juli 1633 geBchlosaen. Chemnitz, p. 151. Vergl. auch Schiller, sammtl. Werke in 12 Bdn., Cotta, Bd. IX. p. 371 ffg.

**) Inyentarium Georg Melchiors von Witzleben vom 8. Aug. 1672 im Archiv zu Hude.

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zeigen. Das von Georg Melchior von Witzleben geführte Leibregiment Horas war während dieses Zuges 500 Mann stark. Nach vergeblicher Belagerung der Stadt Constanz rückte Hom dem inzwischen an der Donau erschienenen Herzog von Feria entgegen. Dieser aber zog über die Waldstädte nach dem Breisgau und Elsass; Hom und der Pfalzgraf von Birkenfeld folgten und die Kaiserlichen sehen sich nach einem kurzen Triumphe wieder aus dem Elsass vertrieben (Herbst 1633). Das Leibregiment bezog mit 12 Compagnien Winterquartiere im schwäbischen Kreise.

Zur neuen Campagne rückte das Regiment im Frühling 1634 mit 720 Mann in 12 Compagnien aus*) und folgte Hom nach der nörd- lichen Schweiz, schlug sich am 12. Juli bei Landshut und theilte später mit den andem Eegimentem der Homschen Armee die grossen Verluste auf der Retraite nach Augsburg. Hier wurde es auf 10 Compagnien

Nach Wallensteins Ermordimg (15. Febr. 1634) hatte der König Ferdinand von Ungarn das Kommando über die Kaiserlichen Armeen erhalten, war nach Bayem gerückt und hatte die Belagerung von Eegens- bürg untemonmien. Herzog Bernhard vermochte die Reichsstadt nicht zu entsetzen: nach hartnäckigster Gegenwehr ö&ete sie am 19. Juli 1634 den Kaiserlichen die Thore. Am 6. August wurde Donauwörth überwältigt und darauf zur Belagerung von Nördlingen in Schwaben geschritten. Die Schweden, unter Anführung Homs und Bernhards von Weimar, setzten sich in Bewegung, entschlossen, auch wenn es eine Schlacht kosten sollte, diese Stadt zu entsetzen. Am 13. Aug. fassten sie bei Bopfingen Posto, am 14. wurden Im Angesicht des Feindes 250 Musketiere in die Stadt gebracht. Am 26. Aug. brachen die Schweden auf, um sich der Stadt zu nähern, gelangten auch über den Arzberg hinaus, waren aber, da die Nacht hereinbrach, nicht mehr im Stande, die nunmehr nöthig gewordene Besetzung eines ihnen rechter Hand liegenden Hügels auszufahren. Man beschloss daher, „zu Ver- hütung aller confusion, so die nacht vemrsachen könte", den neuen Morgen zu erwarten.

Als nun am 27. August der Tag anbrach, rückte der Feldmarschall mit seiner Armee, welche den rechten Flügel der Schlachtordnung bildete,

*) Lista ofver arm^erna i Tydskland 1634, K. Schwed. Reichs-Archiv zu Stockholm.

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gegen diesen Hügel vor. Da aber das Feld, welches er passiren musste, von einem mit Hecken bewachsenen Hohlwege durchschnitten wurde, zog er sich mit der Eeiterei etwas rechts, während er dem Fussvolk befiahl, gerade aus zu bleiben. In der Absicht, mit letzterm das Treffen gegen die in den Yerschanzungen auf dem Hügel postirte feindliche Infanterie zu beginnen, stellte er dann die Avantgarde der Beiterei am Abhang des Berges auf, wo sie vor den feindlichen Geschossen gesichert und zur Unterstützung des Fussvolks zur Hand war. Während er aber darauf für seine Person voraus imd bis auf die Höhe ritt, rückte der Oberstlieutenant Witzleben der entweder die Ordre nicht richtig verstanden oder aus dem Umstände, dass der Feldmarschall selbst avan- drte, geschlossen hatte, dass dieselbe geändert sei, mit des Feld- marschalls Leibregiment, welches, in zwei Schwadronen getheilt, den linken Flügel der Beiterei bildete, von dem Abhang ganz auf die Höhe und, bevor es Hom gewahr wurde, gegen eine feindliche Abtheüung von drei Begimentem Fussvolk vor. Als ihm aber ein Begiment Kürassiere in die Flanke gehen wollte, schwenkte er ein imd schlug sowohl dieses als dessen Unterstützung in die Flucht, beide über den Hügel hinaus verfolgend. Hierbei stiess er jedoch auf frische feindliche Truppen und ward mit ziemlichem Schaden und Verlust zweier Standarten geworfen. Der Feldmarschall sah sich genöthigt, ihn mit etlichen andern Schwadro- nen zu entsetzen, und ward so die ursprüngliche Disposition durch diese unzeitige, wiewohl sonst tapfere Charge des Oberstlieutenants Witz- leben umgestossen. Das Gefecht musste unter dem Feuer der hinter den Verschanzungen stehenden Geschütze und Infanterie des Feindes ge- fuhrt werden, in Folge dessen die Schwadronen nicht imbedeutende Ver- luste erlitten und gezwungen waren, sich wieder hinter den Hang des Berges zurückzuziehen.*)

*) Nach Chemnitz, IL p. 531. Aehnlich, ja fast mit denselben Worten wie Chemnitz erzahlt Puffendorff, 26 Bücher über den 30jährigen Krieg, Tom. VI. §. 74, dies Gefecht nnd sagt, indem er das erste Vorrücken schildert: „Daselbst versähe es der Obriste Lieutenant Witzleben, entweder weil er seine Ordre nicht verstund, oder weil er meinte, es hätte sich alles verändert, weil Hom weiter hinanff geritten war." Franz Freiherr von Soden aber (Gustav Adolf und sein Heer in Süd- deutschland) kennt die Motive, welche Georg Melchior von Witzleben leiteten, besser. Er sagt: , Während Hom die Höhen hinaufritt, um des Feindes Stellung zu besichtigen, machte General (nach Böse I. p. 300 nur Oberstlieutenant) von Witzleben, ohne den Befehl des kommandirenden Feldherm abzuwarten, mit seiner Beiterei einen Angriff auf etliche Schwadronen Burgundischer Kürassiere, entweder weil ihm die Ge-

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Im weitern Verlauf der Schlacht war der Graf von Thum mit einer Brigade vom Herzog Bernhard dem rechten Flügel zu Hülfe gesandt worden und mit des Obersten Lesle und den Italienischen Regimentern zusammengestossen, hatte auch die Kürassiere, die zu verschiedenen Malen auf ihn anritten, tapfer abgewiesen. Da man ihn mit der Reiterei kräftig unterstützte, kam es zwischen der beiderseitigen Kavallerie zum hitzigsten Handgemenge, zumal der Oberstlieutenant Witzleben „wegen des Unglücks, so er in der ersten Charge mit Verlierung zwoier Standarten gehabt, die Revanche in etlichen Treffen mit nicht geringer Courage ge- sucht und erhalten." Eine Entscheidung wurde jedoch nicht herbeige- führt, weil die schwedische Reiterei den Feind nicht zu verdrängen ver- mochte, sich vielmehr nach den einzelnen Attacken immer wieder an den Hang des Berges postirte.*)

Der Ausgang der Schlacht war bekanntlich der, dass die Schweden von den Kaiserlichen vollständig geschlagen und selbst der schwedische Feldmarschall Gustaf Hom welcher neben dem Herzog Bernhard zu Sachsen -Weimar konmaandirte, gefangen genommen wurde. Herzog Bernhard wäre auch, weil sein Pferd schon ermüdet, in Feindes Hände gerathen, wenn ihm nicht ein Capitain von den Taupadelschen Dragonern mit einem kleinen, doch untersetzten raschen Klepper ausgeholfen, der dies Mal das beste bei demselben gethan und ihn davon getragen."**)

Die vor Nördlingen geschlagenen und zerstreuten Völker ritten imd liefen anfangs weit und breit ins Land, sanunelten sich aber endlich zum grössten Theil bei Heilbronn, von wo sie am 2. September nach Frankfurt a. M. marschirten. Der Reichskanzler hielt eine Musterung, wobei sich herausstellte, dass die Reiterei fest so stark war, als sie vor der Schlacht gewesen, und reducirte die Truppen auf 163 Compagnien zu Ross imd 104 zu Fuss. Das Regiment „Feldmarschall" wurde in

legenheit günstig schien, oder aus Rnhmsncht, um den Ruf hierdurch zu erhalten, als habe er gleich anfangs durch seine militärische Einsicht und Tapferkeit der Schlacht eine glückliche Wendung gegeben.'* Sic! Mit Böse ist gemeint: Herzog Bernhard d. Gr. von Sachsen-Weimar, biographisch dargestellt von Dr. Bernhard Böse. Weimar, 1828.29. 2. Theile.

*) Chemnitz, IT. p. 532. Puffendrf, Tom. VI. §. 74: „Darin sich der Obrist-Lieutenant von Witzleben wegen seiner beyden Estandarten, die er im ersten Treffen yerlohren, stattlich revangirte. Weil aber die Schweden an keinem guten Orte stunden, so wurde nichts hauptsächliches ausgerichtet."

♦*) Chemnitz, H. p. 534.

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5 Compagnien mit 500 Mann „refonnirt". Georg Melchior von Witz- leben blieb Oberst des Regiments*), welches aber, da der FeldmarschaU gefangen war, von nun an wieder „Witzleben" genannt wurde. Es bezog zunächst [Quartiere in der Pfalz. Die Wahl, wer das Oberkonmiando der neuformirten Armee fahren solle, fiel endlich auf Herzog Bernhard, „welcher mehr aflfection bey der soldatesca hatte, activer zu sein schien (als Pfalzgraf Christian von Birkenfeld), auch den karren ümbgeworfen, darumb Er, denselben wieder aufzurichten, vor andern pflichtig war".**)

Herzog Bernhard hielt sich im Winter 1634/35 in der Eheingegend und im Elsass auf; aber verlassen von dem Heilbronnischen Bunde, dem der Prager Frieden bald darauf ein völliges Ende machte, und von den Schweden zu wenig unterstützt, sah er sich ausser Stande, die Armee zu unterhalten uud grosse Thaten an ihrer Spitze zu thun.

Inzwischen trat Prankreich auf die Bühne. Gegen den Herzog von Lothringen, welcher mit der Ligistischen Armee und den unter General Mercy dazugestossenen Regimentern durch den Breisacher Rheinpass auf die elsässische Seite gegangen war, rückte eine französiche Armee unter dem Marschall de la Force an. Diesem hatte Herzog Bernhard im März 1635 „einen ansehnlichen secours in fönff Regimentern, als dem LandGräffischen, Rheingräffischen, Witzlebischen, Freyburgischen vnd Brinckischen, bestehend, vnter LandgraflF Johan zu Hessen, in drittehalb tausend guter reuter stark", gesandt. Bei Beifort fanden etliche Schar- mützel statt und am 15. Mai machte sich der Herzog von Lothringen mit seiner ganzen Armee in der Stille, doch in schlechter confusion, auf und davon. Die Franzosen folgten ihm, erreichten und schlugen die Arrieregarde und am 18. Mai eine andere lothringische Abtheilung, mochten aber wegen Mangels an Lebensmitteln dem Feinde in das ver- ödete Sundgau nicht nachrücken.***)

Bald nachher verliess Georg Melchior von Witzleben auf einige Zeit das Heer. Während sich Herzog Bernhard zu Sachsen- Weimar nach Frankreich begab und mittelst des Vergleichs von St. Germain en Laye (October 1635) in den Sold jenes Landes trat, um den Krieg

*) Lista der Regunenter von Ihren Fürstlichen Gnaden Herzog Bernhards nnd Ihrer Exoellens Hrn. Feldmarschalls Armeen, so reformirt nnd unter nachfolgenden Christen gestossen. K. Schwed. Reichs-Archiv zu Stockholm. *♦) Chemnitz, IL p. 537. ♦**) Chemnitz. IL p. 701.

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gegen den Kaiser kräftig fortfuhren zu können, zog Georg Melchior von Witzleben friedlichen Sinnes heimwärts gen Thüringen und ver- mählte sich am 12. Oct. 1635*) mit Agnes von Wangenheim, der am 15. Sept. 1611 geborenen Tochter des Sachsen -Gotha'schen Steuer- Ober-Einnehmers Georg Melchior von Wangenheim auf Wangenheim und Tüngeda (n. 1580. 23. Dez. zu Wangenheim, f vor 1631) und dessen zweiter Gemahlin (verm. 1. Sept. 1608) Anna Katharina von Buttlar aus Ermschwerdt. Das junge Paar scheint den Eittersitz zu Gräfinau bezogen zu haben, denn Georg Melchior wird wiederholt „Georg Mel- chior von Witzleben zu Gräfinau" genannt.*) Einige seiner Kürassiere waren ihm gefolgt und siedelten sich in Heyda an, z. B. Michael Con- art, welcher am 18. Juü 1637 copulirt wurde, und Lorentz, „aus Bürger- wald in der Schlesien, eine Meile Weges von Jägemdorf, gebürtig", welcher am 15. Febr. 1638 bei des Kirchenseniors Klaus Kiel zu Heyda jungem Sohn Gevatter stand und 1639 ebenfalls heirathete.**)

Lange aber hatte Georg Melchior von Witzleben das häusliche Stillleben nicht ausgehalten. Sein Name wird in der schwedischen Armee bereits wieder genannt, als Feldmarschall Lessle, nachdem er Minden erobert und „Hermannstein" (Ehrenbreitstein) imd Hanau ent- setzt hatte, sich am 12. Aug. 1636 bei Uelzen mit Ban6r vereinigte. Lessle hatte damals mit sich 2 Infanterie- und 7 ßeiter-Regimenter und eins der letztem war das Witzlebens. Später muss dieses für einige Zeit von der Hauptarmee getrennt gewesen sein, denn bei Wittstock, wo Ban6r am 24. Sept. 1636 den Kurfürsten von Sachsen und den kaiserlichen General Grafen von Hatzfeld schlug, war es nicht zugegen. Als aber Ban6r, welcher nach dem Siege bei Wittstock Sachsen mit Winterquartieren belastet und Erfurt und Torgau durch Capitulation ein- genommen liatte, Anfangs Februar 1637 die Belagerung von Leipzig aufgeben und sich nach Eilenburg und später nach Torgau zurückziehen musste, war Georg Melchior von Witzleben, der um diese Zeit zum Obersten aufgerückt war***), mit seinem Eegimente wieder bei der Armee f)

*) F. G. A. von Wangenheim, Beiträge zn einer Familiengeschichte der Freiherrn von Wangenheim, Göttingen 1874. **) Kirchenbuch zu Heyda.

***) , Schwedischer Oberst über ein Regiment zu Pferd von 8 Compagnien." H. St. -Archiv zu Dresden.

t) Verzeichniss Herrn Feldmarschall Bauers Armee zu Boss und Fuss. K. Schwed. Reichs-Archiv zu Stockholm.

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und muss auch den weitern fabelhaften Bückzug nach Ponamern mit- gemacht haben. Ende Juli 1638 concentrirte Ban6r alle seine für Feld- operationen verwendbaren Truppen (unter den Reiterregimentern auch das Witzlebens), warf den Grafen Gallas aus Pommern und rückte über Niedersachsen und das Halberstädtische Gebiet in Kursachsen ein, wo er den kaiserlichen General von Salis bei Elsterberg schlug, die sächsische Armee bei Chemnitz (4. Apr. 1639) zu Grunde richtete und Pirna eroberte. An diesen drei letzten Begebenheiten hatte Georg Melchior von Witzleben aber nicht Theil genommen: Die beiden Obersten Eber- stein und Witzleben mit ihren Völkern waren in Thüringen gelassen worden.*) „Am 28. Febr. 1639 versuchte der schwedische Oberst Witzleben mit 200 Eeutem einen Anfall an Greussen (an der Helbe, in Schwarzburg- Sondershausen), zündete das Grüningische Thor an und gedachte, die Stadt zu plündern; aber der Stadt-Lieutenant, Michel Schinkhirt, wehrete sich mit der Scdva Gruardia und Bürgern^ schössen 4 Soldaten todt, verwundeten 24, davon zu Clingen, dahin sie gewichen, des andern Tages 3 gestorben."**) Am 20. Apr. 1639 schlugen Witz- leben und Eberstein bei Salzungen 150 Croaten und nahmen 20 davon gefiangen.***)

Bald darauf stiess Georg Melchior von Witzleben mit seinem Begi- mente zu Bauers Armee und machte den Zug nach Böhmen mit. Und als Ban6r während des Feldzugs 1640 vom Erzherzog Leopold zum Rückzuge ge- nöthigt wurde, geschah es, dass der Feind zwischen Leitmeritz und Melnick mit 15 Compagnien zu Pferde durch den Fluss setzte und des Obersten Witzleben Regiment „aus seinem Posto trieb, welches sich zurückein die Weinberge zog, da (d. h. wo) es der Feind anzugreifen sich nicht getrauen wollte, inmassen Banner herzukam; denn als er denselben sähe, zog er sich wieder zurück."!) Während der folgenden Züge Bauers, der am 10. Mai 1641 zu Halberstadt starb, wird Georg Melchior von Witzleben oder dessen Regiment nicht besonders genannt.

Am 30. Juni 1641, nach der Schlacht bei Wolfenbüttel, fin- den wir „Obrist Witzleben" mit 12 Schwadronen bei der Haupt-

♦) Puffendorff, VI. §. 9.

**) Olear. Rer. Thur. Syntag. p. 168. Alte und neue Thür. Chron. 1725. 174.

♦♦*) Puffendorff, 1. c. t) Puffendorff, XI. §. 14.

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armee*), der er in gleicher Stärke auch im November d. J. angehörte, als sie Quartiere nördlich der Aller bezog.**) An Ban6rs Stelle hatte der Feldmarschall Bernhard Torstenson den Oberbefehl übernommen (Oct. 1641). Unter ihm stand Georg Melchior von Witzleben mit zwei Schwadronen auf dem linken Flügel des zweiten Treffens am 8. Dec. 1641 bei Bergen.***) Und dies ist das letzte Mal, wo er in schwedi- schen Urkunden genannt wird.

Der Kaiser hatte sich zur Eröffnung der Friedenspräliminarien in Hamburg (1641) und zu einer allgemeinen Amnestie verstanden. Diese scheint Georg Melchior benutzt zu haben, um dem Kriegshandwerk Valet zu sagen. Im Jahre 1642 wurde er „als sächsischer Vasall in Thüringen und gewesener schwedischer Oberster in die General-Amnestie des Prager Friedens namentlich aufgenommen ",f) zog sich auf den Liebenstein zu- rück, hing den „Küriss'', zwei Schwerter und ein Paar Pistolen in die Rüstkammer und widmete sich der Erziehung seiner Kinder, ff) Der Kirche zu Liebenstein verehrte er zum Kirchenomat verschiedene Altar- tücher und drei silberne stark vergüldete Kelche von sonderbarer Ar- beit, fff) jedenfalls mitgebrachte Beutestücke.

Noch bei Lebzeiten ihres Vaters setzten sich die Brüder Georg Melchior und Hans Ernst von Witzleben am 1. Nov. 1648 auseinander, theilten die väterlichen Schulden imter sich und errichteten wegen des halben Liebensteins einen brüderlichen Erbvergleich (confirmirt am 27. Nov. 1648), wonach Georg Melchior im Besitz der väterlichen Güter blieb, Hans Ernst mit Geld abgefunden wurde. Die Mittel hierzu besass

•) nProject Seiner Königlichen Majestät Armeen nnd Garnisonen von Regimentern nnd Compagnien in Deutschland" im K. Schwed Reichs- Archiv zu Stockholm.

**) Förstas^ pa regementerna och kompagniema hos armeerna i Tydskland utom Westfaliska och Thüringska truppema in November 1641 im K. Schwed. Reichs-ArcRiv zu Stockholm.

***) Dahlbergs batalj-pläne. Königl. Bibliothek zu Stockholm. t) H.-St. -Archiv zu Dresden.

tt) 1644 wurde der Schulmeister zu Liebenstein, Johann Pottich, Informator der Kinder des Obersten Georg Melchior von Witzleben. Brückner, G. K. u. Seh. St. II. 5. p. 74. 1649 war Joh. Münch praeceptor der adlichen Kinder des Herrn Obristen auf Liebenstein. Kirchenbuch zu Heyda.

ttt) Von diesen wurden die zwei grössten 1715 dieblich entwendet, und kam Hans Melchior Langbein deswegen in Inquisition, weil bei ihm der Fuss vom grossen Kelche gefunden; aUein er stunde die Tortur völlig aus und wurde nach Urtheil und Recht des Landes verwiesen. Gleichenstein, Bürgel, p. 165.

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Georg Melchior durch seine Frau, welche 18000 Thaler als Mitgift er- halten hatte.*) Heyda, Neusiss und Schmerfeld waren wieder an Sachsen abgetreten worden**) (wohl schon 1642), dagegen löste Georg Melchior 1654 das Rittergut zu Gräfinau von denen von Wittern ein und kaufte seines Bruders Antheil an sich.

Herzog Bernhard der Grosse von Sachsen- Weimar, unter dem Georg Melchior von Witzleben 1634 und 35 gestanden, war am 8. Juli 1639, 7 Uhr morgens, zu Neuburg am Rhein, wohin er sich am 4. Krankheits halber hatte bringen lassen, in einem Alter von 34 Jahren, 11 Monaten und 2 Tagen gestorben (man sagt, an Gift, das ihm in einem Gericht Fische beigebracht worden sei,) und sein Leichnam am 20. Juli dess. J. im Dom zu Breisach beigesetzt worden. Erst 1655 liessen die Herzöge Wilhelm und Ernst den entseelten Körper ihres Bruders in die Heimath führen und am 12. Dec. feierlich im fürstlichen Erbbegräbniss in der Stadtkirche zu Weimar beisetzen. Bei diesem Begängniss trug der Oberst Georg Melchior von Witzleben „das vergoldete Casqvet"^ seines einstigen Feldherrn, Wolf von Witzleben (auf dem Oberhause des Liebensteins) und 7 andere von Adel fährten die 8 Pferde des Leichenwagens, welchem drei Marschälle folgten, deren erster der Jägermeister von Witzleben (Hans Ernst, Georg Melchiors Bruder) war; Wolf Dietrich Arnold von Witzleben (auf Wolmirstedt) und der Jägermeister von Wangenheim fährten die Prinzessin Sophie und Siegmund Levin von Utterodt und Ernst Germann von Witzleben (d. Ä., auf Elgersburg und Neuroda) die Prinzessin Johanna von Gotha.***)

Am 18. Aug. 1658, als der Kurfärst Johann Georg H. von Sachsen in den Orden der fruchtbringenden GeseDschaft zu Weimar aufgenommen wurde, war Georg Melchior von Witzleben als „der Schnelle" Mitglied

*) Schreiben Johann Georgs von Wangenheim an Kurt Veit von Witzleben, ohne Datum, (aber vom 14. Oct. 1691) im Archiv zu Hnde.

**) Das Erbgut zu Neusiss gehörte später denen von Witzleben zu Rentwerths- hausen (Stammt. II. 3.) und wurde am 8. Jan. 1669 für 700 fl an Georg Melchior von Witzleben verpfändet, welcher es bis zu seinem Tode inne hatte (s. dessen Inven- tarium). Wegen Heyda, Neusiss und Schmerfeld wurde noch lange processirt. In Struvii Bibliotheca Saxonica, Halae 1736, 8c., p. 1153 wird angeführt „das beleuch- tende Witzlebische Recht an denen sogenannten Ilmenauschen Amtsdörfem Heyda, Neusiss und Schmerfeld contra Herrn Herzog Wilh. Ernsts Hochfurstl. Durchlauchtig- keit zu Sachsen- Weimar, 1711, in puncto Emtionis, resolutionis, cessionis et donationis in feudo antiquo."

**♦) Müller, Annalen, p. 399ffg.

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dieses Ordens. (Ausführlich im III. Abschnitt bei Hans Ernst von Witz- leben.) Nachdem er noch kurfürstlich Sächsischer Kanunerherr*) ge- worden war, starb er im Sommer des Jahres 1672.

Am Donnerstag den 8. Aug. 1672 wurde durch den Kaiserlichen Notar und derzeit adelich Witzlebenschen Gerichtsverwalter zu Elgers- burg, Johann Stadelmann, ein genaues Inventarium der Verlassenschaft „des HochEdelgebohmen Gestrengeti imd Gros^sMannhaften Herrn, Herrn George Melchiom von WitzM>en ufif Liebenstein Gräfenau imd Bücheloh, Churf. Durchl. zu Sachsen p. Gewesenen CammerHerms imd Obristen p.", aufgenonmien. Die Aufzählung der Garderobestücke beginnt mit „3 gelben paruquen"; dann folgen Wämser imd Hosen von Seide, Sanmiet und anderm Zeuge, mit schwarzen, silbernen, auch goldenen Spitzen „ausge- machet" und mit güldenen und silbernen Knöpfen, die dazu gehörenden Knie- und Schuh-Bänder, perl- und kirschblüthfarbene seidene Strümpfe, schwarze Corduan- und weisse Schuhe, silbern gestickte, zinmietfarbene und yj>erformirte wolriechende" Handschuhe, schwarze Hüte mit silber- farbenen und schwarzseidenen Bändern und Schleifen, ferner ^schaaf- böckene Hosen, uff jeden Bein mit schwartzen seidenen spitzen 2 mal gebrämet", 1 Camisol von Hirschhaut mit breiten schwarzen Spitzen, „1 Wambs von performirten leder", 1 Leibstück von „Elendsleder** mit ledernen Ärmeln, verschiedene Schabracken von Sanmit und Tuch, Degen- gehenke, 1 Degen mit vergoldetem Gefäss und schliesslich „1 Kleider- purste." Zwischen all diesem Plunder lagen die Feldzeichen von Georg Melchiors Begiment: „etzliche zusammen gewickelte Standarten."

Das „Silberwerk" bestand meist aus Bechern, Kannen und Schalen, vielfach vergoldet und von getriebener Arbeit. Wir heben daraus hervor: „No. 1: Ein. grosser Silber vergüldeter Becher, mit Einen Deckel, da- rinnen das Wangenheimsche Wappen mit Buchstaben G. M. v. W. Der- gleichen Wappen und Buchstaben unten am Fuss mit der Jahr Zahl 1604. Auf den Deckel ein Mann mit Ein Schildt und Einen Stabe, Diesen Becher berichtet die Frau Obristin, dass sie solchen, wie auch noch 3, von ihrem sei. Hm. Vater zum Erbtheil bekonunen, davon nicht mehr als dieser einige noch übrig, die andern 3 wären verschmelzet. Schalen und Leuchter daraus gemacht worden. No. 2: Noch ein ander gross silber

*) Nach einer in der grossherz. Hofbibliothek zu Oldenburg befindlichen Ahnen- tafel für Adam Levin von Witzleben auch kurf. sächs. Kriegsrath.

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Vergüldeter Becher, mit einem Deckel, fast Ellenhoch, mit ausgeschlage- nen Puckeln und oben auf den Deckel Ein Strauss weiss und bunt, welcher der Fr. Obristen geschenket als Fr. Eleonara getauflPt worden. No. 3 : Ein ander Silber Vergüldeter Becher, mit ausgeschlagenen Puckeln, Ein Silber bunter Strauss uf den Deckel, auch fast Ellenhoch, Welcher der Frau Obristen auch in Sechswochen geschenket worden. No. 9 : Eine breite Silber Vergüldete Kanne, auswendig ausgestochen, uflf den Liede ein vergüldeter Knopf, mit einem weissen Rosslein (Eose), welche der ObristLieut. und Commendant in Erfurd der Fr. Obristen in Sechswochen geschenket. No. 11: Weyland des Seel. Hm. Obristen gewesene Tisch- Kanne, Silber Vergüldet, mit ausgeschlagnen Puckeln, will die Frau Obristen vor Böhmisch Geld von den Juden in Hamburgk erkauffit haben. No. 12: Ein silbern Giessbecken mit einer Giesskanne mit güldenen Streifen, welche der Hr. Obriste gehabt, ehe er geheirathet. No. 21: Ein Eing von Golde, mit 9 Diamanten und einem Dürkis versetzet. No. 22: Ein gülden Kettlein, welches der Herr Obriste am Halse getragen."

In der Büstkanmier wurde u. a. bewahrt ein schwarzer Degen mit ledernem Gehenk, ein klein „Sebellechen" mit schwarz-seidenem Gehenk, 2 Schwerter, 1 Paar Pistolen, 2 Begimentsstücklein mit Laffetten, 1 Paar Heerpauken sammt Knöpfein, „1 dräthin papegei gebäuer", „l zerschlagen Trummelspiel" und ein hölzern Kreuz, „darauf der Küriss gehangen; den Küriss aber hat Hr. Obrist Westerhagen bekommen" (der Schwieger- sohn Georg Melchiors).

Im Reisigen -Stalle standen 6 Pferde (4 Schimmel und 2 Braune) und 1 Fohlen, darunter des Herrn Obristen Leibpferd, Breithaupt ge- nannt, ein Schinmiel- Wallach, und im Heuschoppen des Herrn Obristen Leibkutsche, mit rothem Tuch beschlagen.

Unter den Vorräthen sind zu erwähnen ein einen halben Eimer haltendes Fässlein voll gedörrter Forellen, zwei grosse verschlossene Fässer mit geräuchertem Fleisch, 5 Schock und 10 Stück Schafkäse und in Summa 27 Eimer Bier. Die Weinfässer waren sämmtlich leer imd wohl beim Begräbniss ausgetrunken.

Um Georg Melchior von Witzleben trauerten einige unvermählte alte Schwestern,*) die Wittwe, fünf Söhne, deren jüngster noch nicht mündig war, und drei Töchter.

*) In dem erwähnten Inyentarinm ist zwei Mal die Bede yon den adeligen Jung- fern von Witzleben, nämlich 1) der obere Theil eines grünen Schrankes im mittleren

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Von den letzteren war die älteste, Helene Eleonore, um 1636 geboren und seit 1655 vermählt mit Heinrich von Westernhagen, fürstlich Münsterischem Obersten, welcher „9 Jahr lang ein Sclav der Tartaren gewesen, endlich vom König in Schweden selbsten ranzioniret" worden war.*) Sie lebte noch 1690 als Wittwe. Die zweite, Anna Elisabeth, heirathete 1657 Heinrich von Wangenheim zu Tüngeda, welcher sich schon 1620 in Caspars von Hanstein zu Oberellen Stamm- buch schrieb und 1673 starb; beider Eheberedung datirt vom 4. Oct. 1657. Die dritte Tochter, Martha Agnes, war am 16. Juli 1667 noch unvermählt**), heirathete aber bald darauf***) Johann Georg von Wangenheim auf dem üntergute zu Tüngeda und dem Mittelgute zu Wangenheim, Pürstl. Sachs. Goth. Geh. Rath imd Obersteuerdirector, welcher 1642 zu Grotha geboren war, am 19. Aug.f) 1704 ebendaselbst starb und am 2. Sept. in der Kirche zu Tüngeda beigesetzt wurde, über- lebte denselben nur 172 Jahr und starb am 16. März 1706 zu Gotha, worauf sie schon am folgenden Tage nach Tüngeda gebracht und neben ihrem Gemahl beigesetzt wurde.

Die Wittwe Georg Melchiors, Agnes von Witzleben geb. von Wangenheim, verglich sich am 17. Sept. 1672 wegen ihres Leibge- dinges mit ihren Söhnen, folgte am 4. Juni 1675 beim Leichenbegäng- niss des Herzogs Ernst zu Sachsen-Gotha in der 5. Ordnung und kaufte sich laut Kaufbriefs vom 20. Oct. 1677 ein Haus mit Scheuem, Ställen und Garten in der Menchelsgasse zu Gotha. Hier starb sie im Sommer

Saal „ist verschlossen und stehet den Adl. Jungfern von Witzleben zu"; 2) zu den frohnbaren Bauerngütern g-ehört „der Jungfern Anspännergut im Dorf Liebenstein, welches dieselben ad dies vitae zu gebrauchen haben."

*) Gleichenstein, Tab. der von Westernhagen, in Rud. Goth. Dipl. Zedier, Universal-Lex. Bd. 57. p. 2019.

**) „Vergleich zwischen dem seel. Herrn Obristen Georg Melchior von Witzleben und Frauen Agnesen von Witzleben geb. von Wangenheim eines, dann ihren drei Töchtern Frauen Helenen Eleonoren von Westerhagen, Frauen Annen Elisabethen von Wangenheim und Frl. Marthen Agnesen von Witzleben andern Theils, wegen der Aus- stattungs-Gelder, vom 16. Juli 1667," befand sich im Nachlass der Frau Agnesa von Witzleben laut deren Invent. vom 4. Aug. 1690 im Archiv zu Hude.

***) Fürstl. confirmirter Vergleich zwischen Hm. Obristen von Witzleben und seinem Tochtermanu Hm. Johann Georgen von Wangenheim, den 6. Junij 1668. s. Invent. Georg Melchiors von Witzleben vom 8. Aug. 1672.

t) Nach den Beiträgen zur Wangenheimschen Familien-Geschichte. Die Process- Acten Friedr. Wilhelms von Witzleben nennen den 17. Sept. seinen Todestag, sind in personalibus aber nicht zuverlässig.

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1690. Nach dem am 4. Aug. d. J. aufgenommenen Inventar*) hinter- Kess sie Silberwerk im Gewicht von über 50 Mark, an unbeweglichen Gütern ausser dem Hause in Gotha fest 100 Morgen Zins- und Erbeland in der M. westlich von Gotha gelegenen Eschleber Flur, femer 2 Pferde, 4 Kühe, 2 Ziegen, eine Schweinsmutter mit 11 jungen Schweinen, 12 Hühner, 4 Malter Weizen, über 6 Malter Boggen und „70 Pfund Speck, etliche Schinken, wie auch Knack- und Blut-Würste."

e. Georg Melchiors Ton Witzleben Nachkommen.

1640—1746.

Georg Melchior von Witzleben hatte 5 Söhne: Georg Ernst, Johann Adam, Kurt Veit, Ludwig Günther und Friedrich Wilhelm.

1) Georg Ernst von Witzleben, um das Jahr 1640 geboren, wurde beim Tode seines Vaters, 1672, Bittmeister titulirt, war 1681 furstl. Sachs. Goth. Kammerjunker und Obristwachtmeister und fungirte am 4. Nov. d. J., als die Grafen zu Hohenlohe und Gleichen in feier- lichem Acte zu Gotha die Lehen empfingen, als Lehnssecretarius.**) 1685 88 war er dann Kommandant der Grenadier -Garde (Leibwache) und des Schlosses Friedenstein in Gotha.***) Zuletzt finden wir Georg Ernst erwähnt in dem am 4. Aug. 1690 aufgenonunenen Protokoll über die Liventarisirung des Nachlasses seiner Mutter, wo es heisst, dass dies geschehen sei im Beisein auch „des Fürstl. Sachs. Hofmeisters allhier (d. h. TU Gotha) und Obristwachtmeisters Herrn Georg Emsts von Witz- leben uf Liebenstein, "t)

Georg Ernst von Witzlebön war vermählt mit Anna Beate von Seebach, einer Tochter des Bittmeisters und Gräfl. Schwarzburgischen Hofineisters Hans Ludwig von Seebach auf Schönewerda und Esmanns- dorf und der Anna Lucretia von Wangenheim aus Scherbda (n. 1629. 6. Oct., verm. 1649, f 1702. 30. Nov.), und hatte nur eine Tochter,

*) Archiv zu Hnde. **) Rudolph! Goth. Dipl. I. p. 295.

♦*♦) Sagitt. Eist Goth. p. 274. Rud. Goth. Dipl. II. p. 193 t) Falsch sind demnach: König, Ad. Hist. II. 1094, wonach Georg Ernst von Witzleben Schwarzburgischer Hofmeister zu Rudolstadt gewesen und 1679 gestorben sei, und Rudolphi, Goth. Dipl. II. p. 193, der ihn 1688 sterben lasst.

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Elisabeth von Witzleben, welche Hofmeisterin in Rudolstädtischen Diensten wurde.*)

2) Johann Adam von Witzleben, um 1643 geboren, kam 1653 als Page an den kursächsischen Hof nach Dresden und wurde später in dem kurfürstlichen Leibregiment zu Boss angestellt. Am 7. Dec. 1666 bat er von Eilenburg aus den Kriegsrath und Geheim-Secretär des Kur- fürsten, Moritz Srabe, son grand patron present^ beim Kurfürsten auszu- wirken, dass seine Gage etwas verbessert und ihm bei Delogirung der Völker frei Quartier werde. Im Sommer 1672 war er als „Churfürstl. Durchl. zu Sachsen wohlbestellter Kittmeister" auf dem Liebenstein und beabsichtigte nach dem Tode seines Vaters, „noch uff einen Monat allda zu s^sidiren und wo möglich die Sach in Stand zu bringen. Nachdem aber derselbe in dieser Stunde scharffe ordere erhalten, dass er sich dto zu seiner Compagnie, welche in March begriffen, verfugen solle", wurde am 7. Aug. der Kaiserliche Notar Stadelmann aus Elgersburg citirt, um das Inventarium anzufertigen. Bald darauf vermählte sich Johann Adam von Witzleben mit Sophie Eleonore von Polenz, Heinrichs von Polenz und Maria Elisabeths von Lüttichau Tochter.**) Unterm Beistande seines Schwiegervaters erwarb er im Jahre 1675 das ßanisch'sche Bittergut Mannschatz (Va St. nordöstlich von Oschatz), mit welchem er auf ge- leistete Erbhuldigung und Lehnspflicht am 4. Januar 1676 belehnt wurde.***) Bei letzterer Gelegenheit wird er kurf. Sachs. Kanunerjunker und Kittmeister genannt. Michaelis 1685 verkaufte er das Gut Mann- schatz mit allen Bechten und Gerechtigkeiten an den Obrist-Porstmeister Jakob Henning von Wendessen.

Johann Adam, der 1678 in Würzen in Garnison stand,, hatte im Jahre 1685 den kursächsischen Dienst verlassen und war als Oberst- lieutenant in den kurbrandenburgischen übergetreten. In den Acten eines Processes, in den er um diese Zeit verwickelt war, weil er die Benutzimg eines Fahrweges verboten hatte, wird er titulirt: „Der Hoch- wohledelgebohme Gestrenge und Hochmannveste, Herr Johann Adam von

*) Zedier, Bd. 57. p. 2019.

**) Am 30. Juni 1673 ist Sophien Eleonoren von Witzleben geb. von Polenz der Bittmeister Georg Rudolf von Lüttichau zum krigischen Vormund confirmirt worden. St. Arcb. zu Dresden, Vorm. Cop. 1670-77, Bl. 130b.

***) Oberhofgerich tsacten , jetzt im Arch. zu Rossleben. St. Arch. zu Dresden.

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Witzleben uflF Liobenstein unndt Mannschatz, Churf. Durchl. zu Branden- burgk p. hochbestalter Oberst Lieutenant zu Boss."

In den Diensten des grossen Kurfürsten verblieb er nur etwa zwei Jahre: 1687 wurde er als Kriegsrath und Obristlieutenant bei der Leib- garde und den Eitterpferden in Koburg verpflichtet.*) Bald aber gerieth er hier in eine unangenehme Lage. Der Herzog Albrecht zu Sachsen- Koburg (Sohn Emsts des Frommen von Sachsen -Gotha, Kaiserl. Feld- marschalllieutenant und Oberst über ein Regiment zu Fuss, n. 1648. 24. Mai, bekam Koburg 1680, f 1699. 6. Aug.) entliess ihn im Januar 1689, weil er sich um andere Dienste beworben haben sollte. Dies er- klärte Johann Adam für Verleumdimg und schrieb am 30. Jan. dem Herzog: „Ich bitte unterthänigst, meinen Missgönnem keinen Glauben zu geben; ich habe von Jugend auf grossen Herren aufgewartet und weiss, dass ich von solcher Aufwartung Profession machen muss, so lang

ich lebe. Ich zweifle nicht, E. F. D. werden mich auch wie deren

andere Bediente mit einem auslänglichen und reputirlichen Auskonmien versehen. WoUten aber E. F. D. bei der gefassten Eesolution wider Vermuthen beharren, so bitte ich unterthänigst, Sie wollen solches mit Gnaden thun und zu solchem Ende meine anderweitigen Dienste mit einer gnädigen ßeconunendation secundiren."**) Der Herzog widerrief die Entlassung und ernannte Johann Adam später, im Jahre 1691, zum Stallmeister.***) Am 23. März 1693 wandte sich dieser abermals an den Herzog, dem er an 6 Jahre gedient und sich treu gehorsamst bewiesen habe, und bat, da er sich bisher mit einem geringen und zu seiner Noth- durft unerklecklichen Salario, sogar mit Verschlagung anderweitigen Glückes, habe begnügen müssen, auch bei dieser sehr schweren Zeit sich nebst den seinigen unmöglich so hinbringen und auskommen könne, doch aber nun gänzlichen resolvirt sei, als ein allerunterthänigster Säch- sischer Diener, welcher fast in die 40 Jahre dem Kur- und Fürstlichen Hause Sachsen ehr- und getreulich gedient habe, den Ueberrest seines noch wenigen Lebens in des Herzogs Diensten zuzusetzen und zu be- schliessen, ihm bei seinem herannahenden Alter die oft versprochene Beförderung und Verbesserung seiner Gage zu Theü werden zu lassen, f)

*) Hönn, Sachs. Cob. Bist. I. Buch, p. 66. **) Archiv zu Koburg, G. VII. 94. Vol. 1. ***) Hönn, 1. c. p. 67. t) Archiv zu Koburg, G. VII. 94. Vol. 1.

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Auch diese Bitte wurde gewährt und Johann Adam von Witzleben zum Oberschenken ernannt.*)

Wahrscheinlich nach dem Tode des Herzogs Albrecht zu Sachsen- Koburg, also in der zweiten Hälfte des Jahres 1699, ging Johann Adam in Markgräflich Brandenburg-Baireuthische Dienste, wo er Greneralmajor, Geheimer Rath und Oberamtmann zu Baiersdorf wurde und im Jahre 1713 starb. Wegen seiner Nachkommen verweisen wir auf die Stamm- tafel I. 12. Nur von dem jüngsten Sohn, Albrecht, können wir noch weniges mittheüen. d. d. Dresden den 5. Oct. 1721 bedankt sich der- selbe beim General-Peldmarschall Grafen von Flemming für die ihm zu Theil gewordene Fähnrichsstelle, bittet aber, da er an 14 Jahre dem Könige von Polen als Jagd- imd Silberpage gedient habe und andere nicht so alte Pagen gleich als Lieutenants angestellt seien, ihm auch eine Lieutenantsstelle geben zu wollen. Vorläufig blieb er jedoch Fähn- rich beim Baudissinschen Regiment. Als solcher schrieb er d. d. War- schau den 11. Sept. 1722, es sei, nachdem er sich während seiner 14jährigen Pagenzeit vom Baron von Rachnitz 200 Thlr. geborgt habe, von dem Regiment die Verfugung getroffen worden, ihm die Hälfte seines Gehalts zur Tilgung dieser Schuld abzuziehen, so dass er täglich nicht mehr „als einen Tiempff zu seiner SuhsistanBe^ übrig behalte. „Ew, Excellenz", ßlhrt er fort, „sehen daraus die pure Unmöglichkeit, von dergleichen traäement mich nebst Knecht und Pferden nach Nothdorflft zu unterhalten, zur gnüge hervor leichten." Er bittet deshalb um den Lieutenantsplatz, „so bey refnplacmmg der von dem Capitain Ranzau bey dem löbl. Baudissinischen Regiment erledigten Capitainstelle offen wer- den möchte."**)

Später war Albrecht von Witzleben Capitain Sr. Czarischen Maje- stät in Moskau, heirathete ein Fräulein von Bachwihl und hatte zwei Kinder, Alb recht, n. 1725, Page am Braunschweigischen Hofe, der noch 1746 lebte, und Juliana, n. im Sept. 1732.

3) Kurt Veit von Witzleben, n. 7. Juni 1645 zu Lichtenstein, wurde Königlich Dänischer Oberjägermeister und Landdrost der Graf- schaft Delmenhorst, pflanzte den Liebensteiner Stamm dauerhaft fort und .wurde Stifter der Linie zu Hude undElmeloh, von der im V. Ab- schnitt die Rede sein wird.

*) Honn, 1. c. p. 67. Gauhen, Ad. Lex.

'•) Die Originale beider Briefe besitzt Gerhard Augast von Witzleben.

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4) Ludwig Günther von Witzleben, lebte seit dem Jahre 1650, war Hofineister der Sachsen-Gothaschen Prinzen, nahm ein Weib, näm- lich Gottliebe Eleonore von Schlabberndorf, und starb 1682 ohne Erben.*)

5) Friedrich Wilhelm von Witzleben, im Jahre 1655 geboren, war beim Tode seines Vaters noch unmündig und erhielt desshalb Hieb Wilhelm von Witzleben zur Elgersburg zum Vormund. Später trat er in die Dienste des Herzogs Albrecht zu Sachsen- Koburg, ward Ritt- meister, 1685 Kammerjunker und Jägermeister**) und heirathete in dem- selben Jahre eine wohlhabende Wittwe, Susanne Felicitas geb. Stett- ner von Grabenhoff, Besitzerin von Beerbach in Franken und eines holden Mägdeleins. Nach dem Tode des Herzogs Albrecht, in der zwei- ten Hälfte 1699, wurde er Markgräflich Brandenburg- Baireuthischer Oberjägermeister.

In Gemeinschaft mit seinen Brüdern besass Friedrich Wilhelm von Witzleben die eine Hälfte von Liebenstein, Bippersroda, Franken- hain, Kettmannshausen, Klein-Breitenbach, Gräfinau, Bücheloh und Geils- dorf, während die andere den Vettern auf dem Oberhause gehörte, jeder Theil aber über die Güter des andern Theils mitbelehnt war. Da durch diese Gemeinschaft sowojil unter beiden Linien als namentlich unter den fünf (nach Ludwig Günthers Tode vier) Brüdern erklärlicher Weise mancherlei Verwirrung entstand, die Güter auch mit Schulden behaftet waren, hielt es nicht schwer, einzelne Besitzer zur Veräusserung ihrer Antheile zu bewegen. Wir haben gesehen, dass Johann Adam so die Hälfte des eigentlichen Liebensteiner Ritterguts erwarb. Friedrich Wil- helm dagegen gelang es, in den Jahren 1689 91 sämmtliche Theile seiner Brüder und Vettern an den Gütern zu Gräfinau, Bücheloh, Geilsdorf, Kettmannshausen und Kleinbreitenbach fiir 12137 Rthlr. 12 Gr. an sich zu bringen.***) Aber kaum in den alleinigen Besitz dieser Güter gelangt,

*) König, Ad. Hist. I. p. 1051, nnd Zedier, 57. p. 2019, sind felsch. **) Hönn, Sachs. Cob. J. p. 68.

***) Regiemngs-Attestat nnd Extract ans denen Lehns-Actis, Bndobtadt den 7. Jan. 1710. Johann Georg von Wangenheim schrieh im Herbst 1690 an Knrt Veit von Witzleben: „An Bruder Wilhelm habe ich etliche mahl gesehrieben. Er hat mihr aber so wenig, als auf seine (Knrt Veits) üherschickte Schreiben geantwortet, Er denket weilen Er von den andern Interessenten sieben Theil von den Gütern zu Gräffenau eigent humlich erkauft, so könne der Bruder mit seinem achten Theil nichts anfangen, noch einen andern Käufer, wie denn auch wahr ist, bekommen, Ich weiss keinen andern

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dachte er auch schon daran, sie wieder zu veräussem. Bereits im Jahre 1691 trat er desshalb mit seinem Schwager, dem Sachs. Goth. Geh. Bath und Obersteuerdirector Johann Georg von Wangenheim auf Tüngeda, in Unterhandlungen, die endlich dahin führten, dass sie sich im Decem- her 1697 auf 36000 fl., die Wangenheim zahlen sollte, einigten; der Kaufkontract wurde am 17. Jan. 1698 zu Tüngeda abgeschlossen, die Güter dem Käufer übergeben und von diesem die KaufsunMue entrichtet. Am 7. Febr. desselben Jahres errichteten beide Theile zu Gräfinau einen Nebenrecess , in welchem sie gelobten, sich wechselseitig in die Mit- belehnschaft der Güter Gräfinau resp. Liebenstein zu nehmen. Als von Schwarzburg-Budolstädt'scher Seite der Geh. Kath von Wangenheim am 23. Apr. 1698 mit Gräfinau, Bücheloh und Geüsdorf belehnt wurde, erhielt auch Friedrich Wilhelm von Witzleben die Mitbelehnschaft, musste jedoch, am 31. Mai, einen. besondem Revers darüber ausstellen. In jenem Nebenrecess vom 7. Febr. 1698 war femer bestimmt worden, dass 1.) die Wittwe dessen, der verstürbe, für ihre Lebenszeit den Niessbrauch der Güter haben sollte, 2.) der Mitbelehnte, ehe er zur Possession gelange, den hinterbliebenen Töchtern den Kau^reis bis auf 6000 fl. wieder zu erstatten habe und 3.) bis dies geschehen, die Töchter nicht verpflichtet sein sollten, aus dem Gute zu weichen, imd dass 4.) die von Friedrich Wilhelm von Witzleben an Gräfinau erlangte Mitbelehnschaft solange suspendirt sein sollte, bis er seinerseits den Geh. Rath von Wangen- heim in die wirliche Mitbelehnschaft der Liebensteiner Güter gebracht haben würde. Letzt-eres geschah aber nicht, sei es, dass Witzleben sich nicht ernstlich darum bemühte, oder dass seine Bemüliungen keinen Er- folg hatten, und Wangenheim versprach daher dem Königl. Preuss. Feld- marschall Grafen von Wartensleben*), ihn, bis auf lehnsherrliche Ein- willigung, in die Mitbelehnschaft von Gräfinau, Bücheloh und Geüsdorf zu nehmen.

Am 19. Aug.**) 1*704 verwechselte Johann Georg von Wangenheim dieses Zeitliche mit dem Ewigen und am 29. Jan. 1705 folgte ihm sein

Rath, als der Brüder muss alle 14 Tage einmahl ernstlich an ihn schreiben und solches einmahl 4 oder 5 continuiren , ob er hierdurch zur raison zu bewegen, ich will die Briefe, wenn sie mihr zukommen, gerne zu rechte schicken." Archiv zu Hude.

*) Am 19. Aug. 1702 wurde der Sachs. Gothasche General Graf Wartensleben zum Preussischen Generalfeldmarschall ernannt.

**) Nach den Beitr. zur Wangenheimschen Farn. Gesch.; die Processacten geben den 17. Sept. als Todestag an.

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einziger Sohn, der fürst. Sachs. Goth. Beisemarschall Friedrich von Wangen- heim, mit Hinterlassung einer dreijährigen Tochter Sophie Wilhelmine von Wangenheim. Der Vormund derselben, der färstl. Sachs. Goth. Ober- hofinarschall von Zehmen, liess sofort am 30. Jan. 1705 Besitz von den Gütern ergreifen, während Witzlebens Mandatur erst am folgenden Tage, mithin zu' spät, eintraf. Sachsen -Gotha aber zog ohne weiteres Kett- mannshausen und Schwarzburg -Sondershausen, Kleinbreitenbach als er- ledigtes Lehn ein, wahrscheinlich, weil sie in die Mitbelehnschaft Frie- drich Wilhelms von Witzleben nicht consentirt hatten, und damit war in Bezug auf diese beiden Dörfer die Sache erledigt. Schwarzburg- Rudolstadt hielt sich zwar in Bezug auf Gräfinau, Bücheloh und Geils- dorf zu demselben Verfahren befugt, doch ohne Erfolg. Es traten nun wegen dieser Güter folgende Competenten auf:

1. der Schwarzburg-Rudolstädtische Lehnhof, ob aperturam feudi,

2. der Oberjägermeister von Witzleben, wegen prätendirter Mitbelehn- schafk,

3. der Graf von Wartensleben, aus gleichem Grunde,

4. die Wangenheimschen Landerben wegen des im Nebenrecess vom 7. Febr. 1698 ihnen zugestandenen juris retentionis.

Unter diesen Umständen hielt sich die Budolstädtsche Eegierung für verpflichtet, um weitere Lrungen und etwaige Thätlichkeiten zu ver- meiden, die Sequestration der Güter anzuordnen (31. Jan. 1705).

Und nun begannen die verschiedenen Processe. Witzleben klagte gegen die Lehnscurie, 8. Febr. 1705, auf Herausgabe der Güter, die Lehnscurie gegen Witzleben, 9. Febr. ej. a., dass er sein Successions- recht beweisen solle, der Wangenheimsche Vormund ebenfalls gegen Witzleben, wegen des Besitzes auf Grund des Eecesses vom 7. Febr. 1698, und schliesslich meldete sich auch der Graf von Wartensleben unter nachdrücklicher Unterstützung des Königs in Preussen. Dem Grafen wurde von Seiten Kudolstadts die Succession in die Güter zuge- sagt für den Fall, dass der Oberjägermeister von Witzleben durch richter- liches Urtheil von der Succession ausgeschlossen würde, aber unter der Bedingung, dass er (Wartensleben) sich dann mit dem Fräulein von Wangenheim zu vergleichen hätte.*) Ausserdem wurde am 5. Juli 1706

*) Später, am 30. Apr. 1718, trat der Graf von Wartensleben alle seine zu er- wartenden Anrechte gegen eine bestimmte Abfindung an den Gemahl des Pränleins von Wangenheim, Gerlach Adolf von Miinchhausen, ab.

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ein Recess errichtet, wonach sich sowohl der Graf von Wartensleben als das Fräulein von Wangenheim verpflichteten, wenn sie den Process gegen den Oberjägermeister von Witzleben gewonnen haben würden, ihre Ge- rechtsame an den Gräfinauer Gütern gegen baare Bezahlung an Schwarz- burg-Rudolstadt abzutreten.

In den fiskalischen Processen wurde Witzleben durch ürtheile der ßechts-Collegien zu Halle und Leipzig 1 707 verurtheilt, sein Successions- recht zu erweisen, durch eben solche der Collegien zu Helmstädt und Frankfurt a. 0. 1708 desselben verlustig erklärt. Er wandte sich aber an den Kaiser und dessen Eeichshofrath in Wien, und siehe da die Sache blieb über 20 Jahre liegen! Der Process des Wangenheimschen Vormunds gegen Witzleben endete damit, dass durch ein zu Erfurt am 12. Nov. 1709 gesprochenes ürtheil dem Fräulein von Wangenheim die Possession in Gräfinau zuerkannt wurde. Witzleben appellirte zwar 1710 beim Eeichshofrath, die Budolstädtsche Regierung hob aber die Seques- tration der Güter auf und setzte das Fräulein von Wangenheim am 21. Jan. 1711 in den Besitz desselben. Nachdem jedoch der Kaiser Joseph am 17. Apr. 1711 gestorben und in Folge dessen das kurfärst- lich sächsische Vicariats- Gericht zu Dresden in Funktion getreten war, erreichte es Witzleben bei diesem, dass das Kreisamt zu Tennstedt in Thüringen angewiesen wurde, ihn in den Besitz der Güter zu setzen und ihm die alleinnige Administration zu überlassen (30. Nov. 1711), „Wo- rauf er, ohngeachtet der damaligen tiefen Landes -Trauer über das Ab- leben des hochseligeu Grafen Albrecht Anton, seinen Einzug mit Trom- peten und Pauken -Schall zu Gräfenau hielte und mit unzähligen Inso- lentien triumphirte."

Als nach dem Regierungsantritt des Kaisers Karl \^. der Reichs- hofrath in Wien wieder in Wirksamkeit getreten war und sich sowohl Friedrich Wilhelm von Witzleben um Bestätigung des Vicariatsgerichts- Erkenntnisses als der Herr von Zehmen um Cassirung desselben an ihn gewandt hatten, entschied er am 11. Apr. 1713, dass die von Wangen- heimsche Pupillin wieder in den alleinigen Besitz der Güter gesetzt würde; was denn auch geschah.

Sophie Wilhelmine von Wangenheim vermählte sich bald darauf (1715, in ihrem 14. Lebensjahre) mit dem Königl. Grossbritannischen und Kurf. Braunschweig'schen Ober-AppeUations-Rath und Gesandten in Regensburg, spätem Wirkl. Geh. Etats-Rath und Minister zu Hannover,

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Gründer der Universität Göttingen, Gerlach Adolf von Münchhausen, welcher den Process seiner Gemahlin nunmehr imd zwar bis 1721 beim Reichs-Kammergericht zu Wetzlar weiter fährte und gewann , so dass seine Gemahlin im Besitz der Güter zu verbleiben hatte, bis ihr Frie- drich Wilhelm von Witzleben 30000 fl. ausgezahlt haben würde. Da aber der Ertrag der Güter geringer war als die Interessen eines solchen Kapitals, bat Herr von Münchhausen bei der Rudolstädter Regierung um Subhastation der Güter und erstand dann dieselben am 10. Mai 1723 für 28000 fl.*) Da sie ihm aber zu entlegen waren und in Be- rücksichtigung des Recesses vom 5. Juli 1706 cedirte und verkaufte er sie an die fürstl. Schwarzburg-Rudolstädtsche Rentkammer für die seiner Gemahlin zukonamenden 30000 fl.

Unterdessen verhandelte die Rudolstädter Regierung auch mit Frie- drich Wilhelm von Witzleben, der sich erboten hatte, die Güter höher zu verkaufen, und gestattete ilim dieses schliesslich unter der Bedingung, dass er die Frau von Münchhausen mit 30000 fl. zufrieden stelle, ausser- dem an die Fürstliche Kammer 2000 fl. als Busse für Lehnsversäum- nisse und sonstige der Regierung verursachte Beschwerlichkeiten und 1000 fl. für die Gewährung der Concession, die Güter einzeln verkaufen zu dürfen, zahle. Witzleben ging nun wieder nach Gräfinau, „ertheilte Befehle und Verordnungen an die Schultheissen und Gemeinden, massete sich des Kirchstuhls an, schoss auch bei verbotenen Zeiten Hasen und ander Wild, verkaufte heimlich einige Güter zu Geilsdorf an den dasigen Schultheissen Heinrich Schönheit für 420 fl., zöge von ihm die Gelder und beging unzählige Insolentien**. Im März 1724 überreichte er einen mit dem Kloster St. Petri und Pauli zu Erfurt geschlossenen Contract, wonach die Gräfinauer Güter dem Kloster auf 9 Jahre für 30000 Thaler wiederkäuflich verkauft wurden und bat um lehnsherrliche Bestätigung. Diese wurde jedoch versagt unter dem Vorgeben, dass ein Kloster als VasaU nicht genehm wäre imd dass für den Fall der Wiedereinlösung, welches Recht Witzleben abtreten wollte, statt 30000 Gulden über 9 Jahre 30000 Thaler, also 4285 Gulden mehr, gezahlt werden müssten.

*) Georg Heinrich von Vasold aus Erfart hatte 29000 fl. und Wilhelm Ludwig von Witzlebcn aus Gerstungen 28000 fl. geboten, waren aber beide, weil sie in fürst- lich Schwarzburgischen Landen nicht angesessen waren und desshalb Kaution stellen sollten, zurückgetreten.

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Witzleben ging nun nach Wetzlar und klagte 1724 und 25 beim Reichs-Kammergericht, den Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt zur Be- stätigung des mit dem Kloster St. Petri und Pauli zu Erfurt errichteten Wiederkaufs - Contracts zu verurtheilen. Dies geschah zwar nicht, doch wurde am 24. Apr. 1727 erkannt, dass der Fürst einen andern lehns- fahigen Käufer nicht verwerfen dürfe, wenn sich solcher aber nicht fände, die Güter nach der Taxe annehmen und den Ueberschuss nach Abzug der auferlegten Busse von 2000 fl. herausgeben müsse.

Dies Urtheil erlebte jedoch Friedrich Wilhelm von Witzleben nicht mehr. „Durch seine eigene Schuld, durch Abandonirung seiner gehab- ten ansehnlichen Dienste, durch unordentliche Haushaltung, durch Un- einigkeit mit seinen nächsten Blutsverwandten, auch mit seinen leiblichen Kindern, und durch seine in die 20 Jahre gefährten Processe*) in Ar- muth gestürzet", war er endlich, 70 Jahre alt, nach langwieriger schwerer Krankheit am 15. Juli 1725 zu Wetzlar (in des Barbierers Schetla Be- hausung) gestorben. In dem fünf Tage vor seinem Tode errichteten Testament setzt er seinen Sohn Albert Friedrich von Witzleben zum allgemeinen Erben, namentlich der Lehngüter Gräfinau, Bücheloh, Geilsdorf, Kettraannshausen und Kleinbreitenbach, ein mit der Bestimmung, dass derselbe die angefangenen Processe auf alle Weise fortfähre, ^sich aber keineswegs unterstehe, derenthalben einen Vergleich einzugehen oder sonst darauf zu renunciiren". Femer heisst es: „Nach diesem und ob- gleich meine beiden Töchter Maria Elisabeth und Johanna Susanna von Witzleben sich durch Uebertretung des vierten Gebotes an Gott, ihrem himmlischen Vater, und mir nach Ueberzeugung ihres selbst- eigenen Gewissens dergestalt gröblich versündigt haben, dass sie in allen Stücken meinen, als ihres leiblichen und treu meinenden Vaters auf- richtigen Kath und Willen mit Füssen von sich gestossen, verachtet und verspottet, mich nicht gewürdigt, in zweien Jahren an mich zu schreiben oder auf mein Schreiben zu antworten, nach mir zu fragen, ob ich lebe oder todt sei, Brot habe oder Hunger leide, meine ihnen unterm

*) Die Process - Manie hatte schon früher begonnen: 1694 verklagte er beim Reichs-Kammergericht 1) die Gräfl, Scbwarzb. Kanzler mid Käthe zu Eudolstadt, 2) Job. Wilh. Zollners Erben, 3) den Grafen Anton Günther zu Schwarzb.- Arnstadt; femer 1695 im Namen seiner Frau deren Verwandte Eva Theresia St«?ttner von Gra- benhoff zu Munchhofen, 1698 den Grafen Albrecht Anton zu Schwarzb.-Rudolstadt und den Grafen Anton Günther zu Schwarzb.-Arnstadt, und 1702 den Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Baireuth.

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10. Martii auf Trieb des lieben Gottes nach Ordnung aller göttlichen und weltlichen Gesetze ihnen vorgelegte fünfzehn Punkte und Vermah- nungen verachtet, da doch ihr eigen Gewissen überzeugt gewesen, dass sie solche alle schuldig und bedürftig seien, ja solchergestalt sich schänd- lich vergangen, dass sie mir all das mütterliche Gut, daran mir sonst die Nutzniessung nebst einem Kindtheil von Kecht und Gewohnheit wegen zukonunen wäre, abgepresset, auch unter vorgeschützter einer falschen expracticirten Obligation ä 10000 fl., von welcher in specie die jüngste Tochter Johanna Susanna gewusst, dass sie ihre Mutter seelig vor dem Notario Löffler als falsch und nichtig widerrufen, cassirt und wegen der dabei gebrauchten Geföhrde um Verzeihung gebeten habe, meine eigenen Güter, die ich vor meine väterliche Erbschaft erkauft und zu dem mütterlichen Gut Beerbach nicht gehören (als zum Exempel den Weinberg Clausberg genannt, die sogenannte grosse Ochsenwiese und die sieben ßeinbacher Weiher) wider meinen Willen zu sich gerissen, und also bei meinem JanmiervoUen Elend und Erbarmungswürdigen Zustand mir die tägliche höchst nöthige Sustentation und Lebsucht entzogen haben, dass ich wohl Ursach hätte, sie vollkommen zu enterben : Dessen allen ohngeachtet bitte ich dennoch, Gott wolle ihnen solche grobe Sünde zu erkennen geben, sie zur wahren Busse und Besserung bringen, ihnen ihre Sünde verzeihen und nicht zurechnen, alsdann auch ich ihnen solche von Herzen vergebe mit treulicher Ermahnung, dass sie fürohin Gottes Geboten folgen und sich eines christlichen Lebens und Wandels bestreben. Und vermache einer jeden von den Lehngütem 1 000, schreibe Tausend Meissensche Gulden, also dass sie solche ein Tausend Meissen- sche Gulden aus denselben sobald ziehen sollen, als mein Sohn sie wird wieder auf vorbeschriebene oder andere rechtliche Art an sich in Besitz gebracht haben. Was aber an Erb- oder Allodialverlassenschaft sich nach Abzug aller Schulden und Vermächtnisse wird finden, daran sollen sie beide meine Töchter Maria Elisabeth und Johanna Susanna jede ihr Kindtheil als Erbe vermacht haben". Seinem Diener Georg Friedrich Brenner, dessen Vater schon ihm 21 Jahre treu gedient hatte, vermachte er 200 fl., welche sein Sohn Albert Friedrich von Witz- leben „von denen fructibus und andern Posten, sobald nur davon

etwas oder Alles eingehet, sogleich zu entrichten schuldig sein soll".

In Folge des letzten Willens seines Vaters setzte Albert Frie- drich von Witzleben die Processe fort. Derselbe war am 24. Jan.

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1716 Kammerjunker am Fürst. Sachs. Hildburghausenschen Hofe ge- worden*), nach den Processacten aber hatte er bei der Königl. Poln. und Kurf. Sachs. Kavallier- Garde in Dresden in Diensten gestanden, diese Stellung aber aufgegeben, seine Gemahlin, eine geb. vonEedern (oder Köder?), „wiewohl mit vielem Unwillen ihrer Familie geheirathet, um sein Geschlecht fortzupflanzen und sein Heil im Federkriege zu versuchen". Später wird er Hauptmann titulirt. In Folge des oben erwähnten Urtheils vom 24. Apr. 1727 ging er nach Eudolstadt und bat unterm 30. Oct. dess. J. um den lehnsherrlichen Consens zum Ver- kauf der Güter. Unterm 17. Nov. wurde ihm dieser Consens unter der Bedingung gegeben, dass er innerhalb zweier Monate einen Käufer stelle. Von einem Verkauf der Güter verlautet jedoch nichts. Albert Friedrich klagte vielmehr beim Beichs- Kammergericht und erwirkte ein Urtheil vom 12. Juli 1728, wonach Schwarzburg -Rudolstadt ihm vom 24. Apr. 1727 an jährlich 200 fl. Alimente aus den Gütern zu zahlen hatte, „weil sonst er, sein Weib und Bänder crepiren müssten", wie der gegnerische Anwalt sich ausdrückt. „Ihro Hochfürstl. Durchl. zu Schwarz- burg-Rudolstadt konnten nicht begreifen, wie Sie zu diesem Allen kamen", und Hessen noch mancherlei Anträge dagegen beim Eeichs-Kammergericht einbringen. Dennoch mag dies die Veranlassung gewesen sein, dass der Fürst Friedrich Anton zu Schwarzburg sich endlich unter Vermittelung des verordnet gewesenen Kaiserlichen Commissars Heinrich XXTV. Reuss, Grafen und Herrn von Plauen, mit dem Hauptmann Albert Friedrich von Witzleben dahin verglich, dass dieser gegen eine Abfindung von 8500 fl. und 50 Ducaten allen Ansprüchen an die Güter Gräfinau, Bücheloh, Geilsdorf, Kettmannshausen und Klein -Breitenbach entsagte (Köstritz, 21. Mai 1782).**) Von dieser Summe erhielt Albert Friedrich kaum den vierten Theil, denn wie die Harpyen stüi-zten sich die Credi- toren seines Vaters und seine lieben Schwestern auf das übrige. In dem Process, den er nun gegen letztere anstrengte, bemerkte er, dass sowohl sein Vater als er über die bisher gefiihrten „so kostbahr- imd lang- würigen Processe all das ihrige zugesetzet und eingebüsset, auch er nicht das allergeringste vor sich imd seine zahlreiche FamUlie zu leben übrig" habe; die Schwestern hätten ihn fast um das ganze Mütterliche gebracht, während sie an 10000 fl. besässen „und also in einem

*) Krau 88, Hildburgh. p. 9. **) Vertrage und Protokolle im Schwarzb. Arch. zu Rudolstadt.

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gesegneten Zustand ** sich befänden, wogegen er weder aus dem väter- lichen Lehn noch aus dem Mütterlichen „einen Liar zu sein und seiner zahlreichen Familie mbsistene übrig und noch dabey dieses Processes wegen eine Schulden -Last von etlichen 1000 fl., leyder Gott erbarme es, auflf dem Halsse habe".

Albert Friedrich von Witzleben starb im Jahre 1741; seiner Wittwe wird noch 1746 gedacht; über seine Kinder fehlt bis jetzt jegliche Nachricht.

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in. Abschnitt.

Die Linie zu Oberellen und Gerstungen.

1598 1744.

a. Hans Ernst von Witzleben, 1598—1660.

Ernst Friedrichs von Witzleben auf dem Unterhause zu Liebenstein (s. S. 260) andrer Sohn war Hans Ernst von Witzleben, geboren 1598. Während sein Bruder Georg Melchior Kriegsdienste nahm, wurde er Fürstl. Sachsen-Weimarscher Jägermeister in Eisenach und vermählte sich daselbst am 6. Apr. 1629 mit Anna Sabina von Cornberg, einer 1607 geborenen Tochter des Landgräfl. Hessen -Kasseischen Geh. Eaths imd Kanmaerpräsidenten Philipp Wilhelm von Cornberg auf Auburg, Hufe und Eichelsdorf, n. 1553. f 1616. 30. Aug.*), und der Christine von Boineburg a. d. H. Gerstungen (welche sich zum zweiten Mal vermählte mit Hans Treusch von Buttlar). Um dieselbe Zeit mag es auch gewesen sein, dass er eins der beiden Hansteinschen Güter zu Oberellen (2 St. südwestlich von Eisenach, im Elinagrunde gelegen) erwarb. Am 30. Juli 1629 schrieb er sich daselbst in das Stammbuch des Caspar von Han- stein**) ein und fügte folgenden schönen Denkspruch hinzu:

„Glaub keinen Wolflf auf grüner Heidt,

Auch keinen Juden auf seinen Eidt,

Und keinen Münnich auf sein Gewissen,

Sonst wirst du von allen 3 besch !"

*) Natürlicher Sohn des am 24 Juni 1532 geborenen und am 25. Aug. 1592 gestorbenen Landgrafen Wilhelm IV., des Weisen, zu Hessen.

**) 1862 im Besitz des als Heraldiker bekannten Pastors Ragotzky zu Triglitz bei Pritzwalk in der Ostpriegnitz.

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Er wohnte aber niclit in Oberellen, sondern in Eisenach, wie daraus hervorgeht, dass seine fiinf ältesten Kinder in dieser Stadt geboren wurden.

Nachdem Hans Ernst von Witzleben von 1635 bis 1637 Amtmann des Amtes Volkenrode gewesen war*), wurde er, inmier unter Beibehal- tung der Charge eines Jägermeisters, Amtmann zu Gerstungen. Am 1. Nov. 1648 errichtete er mit seinem Bruder Georg Melchior einen Erbvergleich, worin er seine Anrechte an Liebenstein gegen Geldentschä- digung aufgab, und einige Zeit darauf kaufte er von denen von Boine- burg ein Gut zu Gerstungen, welches bis 1737 im Besitz seiner Nach- konunen blieb; der sogenannte Witzlebensche Hof, ein hoher stattlicher Holzbau, existirt noch jetzt.**)

Wie Hans Ernst bei der feierlichen Beisetzung der Leiche Bernhards des Grossen am 12. Dec. 1655 als Marschall fiingirte (S. 279), so ging er auch am 19. Nov. 1656 zu Weimar vor der Leiche des am 18. Aug. d. J. gestorbenen Prinzen Friedrich als Marschall her.***) Er sowohl als sein Bruder waren Mitglieder der fruchtbringenden Gesell- schaft oder des Palmenordens und werden bei der Aufnahme des Kur- fiirsten Johann Georg E. von Sachsen in diesen Orden genannt. Wir lassen die Beschreibung dieses feierlichen Actes, wie sie Müller in seinen Annalen des chur- und färstl. Hauses Sachsen p. 420flFg. giebt, folgen:

„Am 16. Aug. 1658 kam der Churfürst mit seiner Gemahlin und ganzem Hof-Staat zu Weimar an, um dero Vetter, Hertzog Wilhelmen, abermahls zu besuchen. Nachdem nun der Churfürst in den Orden der Fruchtbringenden Gesellschaft, dessen Oberhaupt gedachter Hertzog Wil- helm war, aufgenonamen zu werden ein besonderes Verlangen trüge, wurde dazu der 18. Aug. ausgesetzet und beliebet, gestalt dann zu solchem Ende das Mittagsmahl oben auf dem kleinen Saale über der fürstlichen Dreh- und Beiss-Stube angestellet und auf Herzog Wilhelms Befehl nur etliche von den vornehmsten Gästen dazu erfordert worden. Unter währendem Tafel-halten hat der damalige Weimarische Secretarius und sogenannte Erzschreinhalter, Georg Neumarck, diejenigen, absonderlich

♦) Brückner, G. K. u. Seh. St. 1. 4. p. 37.

**) Zeitschrift des Thür. Verems zu Jena, Bd. 4. p. 410, wo aber als Zeit des Kaufs fälschlich das Jahr 1662 angegeben ist. 1662 war der Oberjägermeister von Witzleben fast 2 Jahre todt.

•♦♦) Müller, Annalen, p. 411.

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von denen andern damals noch mehr anwesenden, auserlesene Gesell- schafter aus dem Gesellschaftsregister, wie sie einander von Zeit zu Zeit in der Einnahme gefolget, erhaltenem Befehl nach aufzeichnen und anbei diejenigen, welche zugleich mit in diesen Orden genommen werden sollten, mit Gesellschafts-Namen, Gewächsen und Worten versehen müssen. Da nun das Mittagsmahl fast zu Ende und man das Confect aufzutragen begunte, wurde der Churfürst von Herzog Wilhelmen des vorhabenden Werks erinnert und ob der Actus der Einnahme vorgenonunen werden sollte befraget, worauf der Churfärst sein sonderbares Vergnügen und Wohlgefallen wiederum zu verstehen gab. Nach welchem auf dem über diesem Speisesaal erbauten Altane und Dachumgange die an zwei unter- schiedliche Orte gestellete Trompeter und Heerpauker sich tapfer hören Hessen, inzwischen hat auf Herzogs Wilhelm Befehl obbenannter Erz- Schreinhalter diejenigen Gesellschafter, so den Churfärsten wie auch die andern neuen Gesellschafter gleichsam bewillkommnen sollten, nach Ord- nung der Einnahme, mit Benennung eines jeden Gesellschafts -Namens, von der Tafel abzufordern angefangen, nämlich:

1) Hanss Ernsten von Witzleben, fürstlich Sächsischen Jäger- meister zu Eisenach, den Gekochten.

2) Anton Günthern, Grafen von Schwarzburg -Arnstadt, den Viel- gültigen.

3) Ludwig Günthern, Grafen von Schwarzburg -Sondershausen, den Entlähmenden.

4) Dietrich von Werthem, Ghurfürstlich Sächsischen Geh. Rath und Kammer-Präsidenten, den Aufklärenden.

5) Friedemann von Selhnnitz, Churf. Sachs. Geh. Eath, Kammer- herm und Oberaufseher der Grafschaft Mansfeld, den Frischen.

6) Eustachius von dem Brinck, Fürstl. Sachsen -Weimarschen Geh. und Kammer-Rath, den Besondem.

7) Hans August von Leutsch, Fürstl. Sachs. Hofmarschall zu Wei- mar, den Jagenden.

8) Heinrich den Altern Reussen, Churf. Sachs. Kammerherm, Rath und Amtshauptmann zu Zmckau, Stolberg und Werdau, den Zierlichen.

9) Jost Christoph Römern, Churf. Sachs. Kammer- Junker, den Er- kühlenden.

10) Georg Melchior von Witzleben, Obristen, den Schnellen.

1 1) Hans Andreas von Utterodt, den Bezwingenden.

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12) WolfF Dietrich von Marschall, den Kriechenden.

13) Carl, Freiherm von Friesen, Churf. Sachs. Geh. Bath, Kammer- herrn und Ober-Steuer-Einnehmer, den Erwehlten.

14) Hans Georg Freiherm von Bechenberg, Churf. Sachs. Oberhof- MarschaU und Ober-Kammerherm, den Vorbehaltenen.

Als nun diese von der Tafel aufgestanden und sich nach der Keihe gestellet, auch die Trompeter sich inzwischen tapfer hören Hessen, ging obgedachter ältester Gesellschafter, der Gekochte, als Marschall voran, dem alle andern in obiger Ordnung nachfolgeten, und sich zu dem Churfürsten naheten, welcher von den beiden Grafen zu Schwarz- burg, dem VielgtUtigen und dem Entlähmenden, ebenfalls aufgefordert und also um die Tafel bis wieder zu voriger Stelle, auf den hierzu be- sonders geordneten Stuhl, neben Herzog Wilhelm, dem Schmackhaften, gefähret wurde, da denn dieser als das Oberhaupt, nachdem die andern Gesellschafter sich gleichfalls auf ihre in einem halben Cirkel gesetzte Stühle niedergelassen und die Trompeter und Musikanten stille worden, den Churfurst ungefähr folgendermassen anredete:

Er setze ausser allen Zweifel, es würden des Herrn Churfürsten Liebden, welcher gestalt allhier zu Weimar 1617, und also nunmehro vor 41 Jahren die hochlöbliche Fruchtbringende Gesellschaft des edlen Palmen -Ordens ihren Ursprung genommen und zu Wieder -Aufrichtung der durch das fremd-ausländische Wortvermenge fast zu Gnmd aus ver- derbten Teutschen Helden- und Mutter-Sprache, zu Erbauung des Teutsch- redlichen Vertrauens, und dann zur Aufinunterung der hinfallenden Tugend- imd Kunstliebenden Gemüther, auf festen Grund gesetzet wor- den, gute Wissenschaft tragen. Wann dann in solchem Orden neben andern löblichen Gesetzen auch dieses versehen, dass allezeit ein Beichs- fürst das Regiment über denselben fähren sollte, und weiland der Näh- rende, Herr Ludwig Fürst zu Anhalt etc., als der damals in besagtem 1617ten Jahre bei Stiftung dieser löblichen Gesellschaft, der älteste ge- wesen, von denen andern Fürstlichen und Adlichen damahls anwesenden, einhellig zum Oberhaupt und Eegenten erwehlet, und unter Ihrer Liebden nicht allein etliche hohe StandesPersonen, sondern auch viel Adeliche und andere geschickte teutschliebende gelehrte Leute nach und nach eingenommen, auch auf erfolgtes Absterben Ihrer hochseeligen Liebden Ihm (Herzog Wilhelmen) von denen vornehmsten und ältesten MitGliedern im Namen der gesammten fruchtbringenden Gesellschaft die Oberver-

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waltung aufgetragen und Er also zum Nachfolger erkläret worden wäre, welches Regiment er auch bis auf diese Zeit glücklich gefahret und die Gesellschaft mit unterschiedlichen hohen Fürst- und Graf- wie auch Freiherr- Adel- und andern geschickten Personen erweitert und vermehrt hätte, als wäre Er itzo gleichfalls vorhabends, dafeme es des Herrn Kurfarsten Liebden nicht entgegen, dieselbe bei dieser gewünschten Ge- legenheit imd in Gegenwart so vieler vornehmer Mitglieder benannter Gesellschaft einzuverleiben. Es wäre aber dieses dabei freundlich zu erinnern, dass Ihre Lbd. (der Kurfürst) künftig, wie bishero, als ein hoher teutscher Potentat und vornehmer Churfürst des heil. R. R. die teutsche Freiheit zu schützen, das teutsche Vertrauen zu erhalten, die teutsche Sprache zu lieben und derselben Ausübung, Rein- und Zierlich- keit kräftig zu befördern geruhen wollten. Dafeme nun des Herrn Chur- fürsten Lbd. mit Ihrer hohen Person oftbesagte Gesellschaft zu erweitem geneigt wären, wolle er dero freundliche Meinung darauf vernehmen.

Nachdem nun hierauf der Kurfürst erklärt hatte, dass er alles, was einem getreuen Mitgliede dieser so wohlgemeinten imd löblichen Gesell- schaft oblägft, in Acht nehmen wolle, wurde ihm vom Secretair Neumarck der Zettel mit dem Gesellschaftsnamen: der Preiswürdige, dem Gewächs: ein Cederabaum*) und dem Wort: Bestehet unwandelbar, überreicht.

Hierauf wünschte der Schmackhafte dem neuen Mitgliede, dem Preis- würdigen, zur Eintretung Glück und überreichte ihm auf Gesundheit der ganzen Fmchtbringenden Gesellschaft das hierzu besonders gewidmete Glas, der ölberger genannt. Als nun der Kurfürst Bescheid gethan, brachte der Schmackhafte auf des Preiswürdigen gutes Wohlergehen einen Toast aus, während dessen mit den Heerpauken und Trompetern oben auf besagtem Altane nicht gefeiert wurde.**

Hierauf wurden noch die bei der Tafel anwesenden sieben kurfürst- lichen Minister und Diener in die Gesellschaft aufgenonamen und haben schliesslich alle auf der fruchtbringenden Gesellschaft imd des Preiswür- digen Gesundheit und glückliches Wohlergehen aus dem ölberger trinken müssen, womit der Act der Aufnahme endete.

Hans Ernst von Witzleben starb zu Gerstungen am 19. Nov. 1660 in seinem 63. Lebensjahre als Fürstlich Sachsen-Weimarscher Oberjäger- meister und Amtshauptmann zu Gerstungen imd des Hauses Breitenbach

*) Der Gekochte hatte das Kraut Salbei, s. Neues rheinisches Convers. Lex. Bd. 5. p. 537.

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im Fürstenthum Eisenach.*) Seine Gemahlin war ihm, ebenfalls zu Gerstungen, am 3. Oct. 1659, ihres Alters 52 Jahre und 20 Wochen, vorangegangen.

b. Bie Nachkominen Hans Ernsts von Witzleben,

1630—1744.

Hans Ernst von Witzleben und Anna Sabina geb. von Comberg hatten 9 Kinder, von denen 4 Töchter und 2 Söhne die Eltern über- lebten (s. Stammtafel I. 13.)

Die älteste Tochter, Christina Magdalena von Witzleben, war am Sonntage Cantate, den 25. Apr. 1630, Vormitts^ zwischen 9 und 10 Uhr zu Eisenach geboren und am 6. Mai in der Stadtkirche daselbst getauft worden. Im Jahre 165G wurde sie von der aus dem Weimar- schen Hause stammenden Herzogin Dorothea Maria zu Sachsen, der Ge- mahlin des Herzogs Moritz, postulirten Administrators des Stifts Naum- burg, als „Kanmaer- Jungfer", d. i. dasselbe, was man jetzt Hofdame nennt, in Dienst genonmien, „in welchem Sie auch in die 16 Jahr mit aller Unterthänigkeit und Treu ihre Aufwartung verrichtet." Endlich „fiigte sie der inmier Gutes thuende Gott am 9. Oct. 1671 dem Herrn Dietrich Pflug, Sachsen-Naumburgischen Kammerjunker und Schloss- hauptmann, hernach Hausmarschall, in ehelicher Verbindung bei" und wurde die Hochzeit auf dem fürstlichen Schlosse zu Zeitz gefeiert. Am 9. Jan. 1692 ward „diese liebreiche Ehe" durch tödtlichen Hintritt des Herrn Hausmarschalls getrennt und Christina Magdalena zur betrübten Wittwe gemacht. „Dieweil aber bey dieser sonst vergnüglichen Ehe von Gott kein Segen erfolgte, hat die Seel. Frau auflf ihres Bruders Tochter, die Hoch-Edelgebohme Jungfer Annam Deboram von Witzleben, ihre Liebe und Sorge gewendet", selbe von Jugend auf erzogen und schliesslich mit dem Sachsen-Naumburgischen Kammerjunker und Beise- stallmeister Friedrich Christian von Wendessen verheirathet.**)

*) Hasse, Johanniter -Orden, p. 284 und 362. Leichenpredigt auf Dorothea Katharina Katte geb. von Witzleben, Halle 1671.

**) Dies mag im Frühjahr 1697 geschehen sein, denn „An. 1697. 6. Dec. hat Gott gebohren werden lassen ein Hoch-Adelich, liebholdes, schönes, gesund und frisches Töchterlein, nemHch Tit. Tit. Herrn Friedrich Christian von Wendessen und seiner Hoch-Ad«l. Ehe-Liebsten T. T. Frauen Annen Deboren, gebohmen von Witzleben, erste Krafft und Eheliche Lieb- und Leibes-Frucht, Amalien Magdalenen."

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Wiederholt vom Schlage gerührt, ist sie in Folge der Wassersucht am Donnerstag den 30. Dec. 1697, frilhesten Morgens fast um 7^2 tJlir, in Zeitz wöl und selig entschlafen, nachdem sie in dieser Zeitlichkeit zugebracht 67 Jahre, 35 Wochen, 3 Tage und etwa 16 Stunden. Die Leiche wurde am 3. Jan. 1698 in der Schlosskirche zu Zeitz zu dem sei. ruhenden Körper ihres vor 6 Jahren gestorbenen Eheherm beigesetzt. Als besonders merkwürdig ist zu erwähnen, dass Christina Magdalena Pflugin seit dem Jahre 1658 bis zum 26. Aug. 1697 die Bibel 40 Mal durchgelesen -hatte.*)

Die zweite Tochter war Anna Johanna, geb. um 1636 (wahr- scheinlich in Volkenrode) und unvermählt gestorben zu Schleusingen am 13. Juni 1705.

Siebentes Kind und dritte Tochter war Dorothea Katharina. Dieselbe hat „aus den alten adelichen Geschlechtern derer von Witz- leben und Cornberg am 7. Tage des Homungs Anno 1640 auf dem Hause Gerstungen Ihre Entspriessung erlangt" und ist am 10. Febr. durch Herzog Albrecht zu Sachsen-Eisenach, dessen Gemahlin und andere vornehme Taufzeugen „zur Geistlichen Wiedergeburt befördert." Durch Verwendung der Herzogin Dorothea Maria zu Sachsen kam sie kurz vor Pfingsten 1661 an den Hof der Herzogin Anna Maria geb. Herzogin von Mecklenburg, Gemahlin des Herzogs August, Administrators des Erzstifts Magdeburg, als „Kammer -Jungfer" derer Töchter, welche Stellung sie fönf Jahre innehatte. Am 15. Aug. 1666 vermählte sie sich zu Halle mit dem damaligen Fürstl. Magdeburgischen Hof- und Justitien -Rath Hans Katte auf Wust (n. 1633. 16. Juni, f 1684. 24. Jan. als fürstl. Sachsen-Koburgl. Hoftnarschall) , schenkte demselben einen jungen Sohn und drei wohlgewachsene Töchter**) und starb im Kindbette am 27. Sept. 1671 Abends nach 9 Uhr zu Halle, 31 Jahre, 8 Monate und 9 Tage

*) Leichenpredigt auf Christine Magdalene geb. von Witzleben, Dietrich Pflugs hinterlassene Frau Wittbe. Zeitz 1698.

**) Hans Heinrich Albrecht, n. 1668, t 1678. 11. Juli; Dorothea Sophia, t 1719. ux. Landrath von Bismarck auf Schönhausen ; Anna Elisabeth, n. 1670 in Hallo, f 1714. 23. Juli in Briest, heir. Christoph Georg von Bismarck auf Crevesen, Briest und Döblin, K. Pr. Director und Landrath der Altmark; und Dorothea Katharina, n. 27. Sept. 1671, früh gegen V29 Uhr, in Halle, t 1719. 19. Juni in Schleusingen, heir. 1603 N. N. von Osterhausen. Der Vater, Hans Katte, heirathete wieder u. zv^ar Eva von Stammer (verw. von Einsiedel). Von deren Söhnen wurde Christoph Kammer- präsident, Hans Heinrich aber K. Preuss. Feldmarschall und Vater des am 6. Nov. 1730 zu Küstrin geköpften Hans Hermann von Katte.

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alt. Ihre Leiche wurde am 5. Dec. nach Wust überbracht und in einem kupfernen, mit güldenen und silbernen Figuren ausgerissenen Sarge in dem dortigen Erbbegräbniss beigesetzt.*)

Die vierte Tochter, Agnesa Euphrosina, war 1641 geboren, ver- mählte sich am 3. Oct. 1676 mit Otto von Zastrow und starb zu Schleusingen am 3. Dec. 1699.

Die vier vorstehend genannten Töchter Hans Ernsts von Witzleben empfingen im Jahre 1674 ein Lehn in Heringen (im Kreise Hersfeld) und Sallmannshausen (bei Gerstungen). Anna Johanna wurde nochmals damit belehnt im Jahre 1702.**)

Die Söhne, welche den Stamm fortpflanzten, waren Adam Georg und Adam Ludwig, Zwillinge, am 11. Aug. 1634 in Eisenach geboren. Die Nachrichten über beide sind äusserst spärlich.

Adam Georg von Witzleben vermählte sich am 30. Oct. 1661 mit Anna Sabina von Harstall, einer Tochter Adam Georgs von Harstall auf Mihla an der Werra und Anna Barbaras von Eschwege, er- zielte 10 Kinder, trug beim Leichenbegängniss Herzogs Ernst des Frommen am 4. Juni 1675 zu Gotha in der 3. Ordnung die Fahne der Grafschaft Eisenberg***) und starb in Oberellen am 27. Febr. 1680, im 46. Jahre seines Alters.

Adam Ludwig von Witzleben heirathete um 1665 seine Muhme Anna Katharina von Hopfgarten, eine Tochter des 1674 gestorbenen Georg Melchior von Hopfgarten auf Natza und der Debora Magdalena von Witzleben aus dem ünterhause zu Liebenstein (s. Tab. I. 12.), er- zielte ebenfalls 10 Kinder, wurde im Jahre 1672 von der Herzogin Dorothea Maria zu Sachsen-Zeitz dem Herzog Johann Ernst zu Sachsen- Weimar (aber anscheinend vergeblich) empfohlenf), trug bei dem oben erwähnten Leichenbegängniss des Herzogs Ernst die Fahne des Burg- grafenthums Altenburg, siedelte bald darauf nach Gerstungen über und starb daselbst am 21. Dec. 1708 im 74. Jahre seines Alters, üeber seine Nachkonmien wissen wir der Stammtafel nichts hinzuzufügen, als dass Wilhelm Ludwig von Witzleben zu Gerstungen am 30. Mai 1723 für Gräfinau, Bücheloh und Geilsdorf 28000 fl. geboten hatte,

*) Leichenpredigten auf sie, Halle 1671. **) Schannat, Fuld. Lehn-Hof, p. 190. ***) Müller, Annalen, p. 515. t) H.-St.-Arch. zu Dresden, III. Abt. Bd. 51a. Bl. 59d. n. 12. fol. 265.

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aber zurückgetreten war, weil er, als in Fürstlich Schwarzburgischen Landen nicht angesessen, Caution stellen sollte (cf. S. 291.).

Von den Söhnen Adam Georgs war Ernst Christoph von Witz- leben, geb. 9. Dec. 1670 in Oberellen, 1704 oder 1705 in dem Wester- wald'schen Kreis-Bataillon in Kriegsdiensten und erhielt, weil er extra- ordinäre Dienste geleistet, von den gesanmiten fürstlichen und gräflichen Ständen des Westerwaldes das Versprechen, dass ihm eine extraordinäre Bemuneration, nämlich ein halbes Simplum, gezahlt werden solle. 1715 war er Oberstlieutenant in demselben Bataillon. 1717 finden wir seine Gemahlin erwähnt: Johanne Sophie von Witzleben geb. Butz verklagte für sich und Namens der ganzen Butz'schen Familie zu Hachen- burg beim Beichs -Kammergericht den Burggrafen Georg Friedrich von Kirchberg und cons. zu Hachenburg. Dasselbe that im folgenden Jahre Ernst Christoph von Witzleben, „Oberstlieutenant bei dem Westerwald- schen Begiment zu Fuss, zu Hachenburg."*) Zu diesem Process, dessen Object uns unbekannt ist, wollte er 1720 vom Fürsten Wilhelm zu Dillenburg ein Empfehlungsschreiben haben, die Antwort fiel aber dahin aus, dass sich Fürst Wilhelm in solchen Process aus leicht ermesslichen Ursachen nicht meliren wolle. In demselben Jahre 1720 suchte er beim Fürsten Wilhelm um seine rückständige Gage nach, worauf er auch für die DiUenburg'sche Quote Assignation bekam; und da zu jener Zeit das Kreis-Directorium bei Dillenburg war, so schrieb man von dort an die übrigen Stände, ihre Quoten ebenfalls an den von Witzleben abzutragen.**) 1723 bat er abermals um den Kückstand seiner Gage und erhielt von Dillenburg ein Zahlungsdecret nebst Vorschreiben an die übrigen Con- tribuenten. Nachdem der bisherige Oberst des Westerwäldschen Regi- ments zu Fuss, Rosenzweig, gestorben war, bewarb sich Ernst Christoph von Witzleben 1724 um dessen Stelle; er scheint sie aber nicht erhalten zu haben, da des Friedens wegen eine Reducirung der Stabsofficiere statt- fand.***) Er starb am 17. Dec. 1737 zu Siegen.

Sowohl über seine als seiner Brüder Nachkommen fehlen ebenfalls alle Nachrichten also noch ein weites Feld der Forschungen!

*) Archiv zu Wetzlar. **) Die Contriboenten waren: Nassau-Siegen tkathoL), Nassao-Dillenburg, Nassau- Siegen (refonn.), Nassau-Hadainar. Seyn -Altenkirchen, Sayn-Hachenbnrg, Wittgenstein- Homburg. Wied-Neuwied und VVied-Runckel.

***) Aus den Acten des Archivs zu Dillenburg.

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IV. Abschnitt.

Die Linie auf dem Oberhause zu Liebenstein.

1615 - 1820.

a. Christian Bndolf nnd Adam Friedrich von Witzleben,

1615 - 1717.

Christian Rudolf von Witzleben, welcher in der mit seinem Bruder Ernst Friedrich vorgenonamenen Gütertheilung um das Jahr 1615 das Oberhaus zu Liebenstein erhalten hatte (s. S. 259), ist allem An- scheine nach zwei Mal verheirathet gewesen, obwohl wir als seine Ge- mahlin nur Dorothea von Wangenheim a. d. H. Brüheim erwähnt finden. „Bis 1636 hatte Nicol Koch die Kinder des Herrn Christian Rudolf von Witzleben zu Liebenstein informirt und wurde dann Schul- meister in Frankenhain''*), die Kinder waren also in diesem Jahre in einem Alter, dass sie des Unterrichts des Herrn Nicol Koch nicht mehr bedurften. Eins von ihnen, Adam Reinhard, wurde am 19. Aug. 1639 von einem Soldaten zu Liebenstein erschossen**), wird also mindestens im Jünglingsalter gewesen sein. Diese Kinder, von denen wir noch Adam Wolf und Adam Melchior namentlich kennen, mögen daher zwischen 1620 imd 1630 geboren sein und aus einer ersten Ehe stammen. Die andern Söhne, Adam Friedrich und Johann Adam (auch Hans Adam und zum Unterschiede von seinem gleichnamigen Sohne der Aeltere genannt) waren am 1. Febr. 1643 resp. 28. Juni 1644 geboren; deren Mutter war die obengenannte Dorothea geb. von Wangenheim. Christian Rudolf starb im Jahre 1655.

•) Brückner, G. K. u. Seh. St. II. 11. p. 82 Amiierk. **) Brückner, 1. c. U. 5. p. 67.

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Nach alten Stammtafeln sollen Adam Wolf und Adam Melchior von Witzleben im Jahre 1670 imvermählt gestorben sein. Diess ist aber, was den ersteren anbetrifft, nicht richtig, denn in dem oft angeführten Inventarinm Georg Melchiors von Witzleben vom 8. Aug. 1672 heisst es: Die Erbzinsen zu Arnstadt „hat allzeit der älteste von Witzleben uff dem Hause Liebenstein zu erheben, fallen nunmehro Adam Wolffen von Witzleben zu, seind ietzo ungangbar". Er hat also 1672 noch gelebt.

Um das Jahr 1690 überliessen Adam Friedrich und Johann Adam von Witzleben auf dem Oberhause zu Liebenstein ihre Hälfte von Grä- finau, Bücheloh, Geilsdorf, Kettmannshausen und Kleinbreitenbach ihrem Vetter Friedrich Wilhelm von Witzleben, erwarben dafür aber nach und nach den grössten Theil der zum Unterhause gehörenden Hälfte von Liebenstein, Rippersroda und Frankenhain und namentlich auch das Unterschloss , welches nothdürftig reparirt und von Adam Friedrich be- zogen wurde (1693).*) Es scheint auch, als wenn sie sich später in die Güter getheilt hätten, wie einst ihr Vater mit seinem Bruder, wenig- stens werden sie in dem Schreiben, worin sie auf den 26. Febr. 1715 zum Landtage nach Gotha beschieden wurden, bezeichnet mit „Johann Adam von Witzleben des Oberhauses zum Liebenstein" und „Adam Friedrich von Witzleben des Unterhauses zum Liebenstein.**)

Von Adam Friedrich können mr noch anführen, dass er am 4. Juni 1675 in Gotha bei dem Leichenbegängniss des Herzog Ernst des Frommen mit Friedrich Treusch von Buttlar zu Erffa das zur Fahne der gefür- steten Grafschaft Henneberg gehörige Pferd geführt hatte.***) Er starb am 3. Juni 1717 in einem Alter von 74 Jahren, 17 Wochen und 3 Tagen und wurde in der Kirche zu Liebenstein beigesetzt, f) Vermählt war er gewesen: 1) 1668 mit Susanne Magdalene von Wurmbft) und 2) (um 1674) mit Sibylla Dorothea Freiin von Tannrädel, einer Tochter des der ReKgion wegen aus Ungarn vertriebenen und am 23. Oct. 1665 zu Begensburg verstorbenen Georg Christoph Freiherm

*) Frau Sibylle Dorothea von Witzleben auf dem Unterhause (Adam Frie- drichs zweite Gemahlin) stand Gevatter bei Hans Adams von Witzleben am 13. Oct. 1693 geborenen Töchterlein Sibylle Dorothea. Kirchenb. zu Liebenstein. *♦) Rudolphi, Goth. Dipl. II. p. 110. ♦*♦) Müller, Annalen, p. 51Ö. t) Kirchenb. zu Liebenstein, tt) König, Ad. Hist. IH. p. 1192.

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von Tannrädel und der am 22. Dez. 1686 in Zelle gestorbenen Sidonie Elisabeth von Greussen*), und hatte aus letzterer Ehe 1 Sohn und 3 Töchter (s. Tab. I. 14.). Der Sohn war Adam Ludwig von Witz- leben, geboren 1675, welcher am 16. Oct. 1701 als „Junker uf Lieben- stein" in Neuroda Gevatter stand**) und vor dem Vater imd ohne Nach- kommen am 27. Apr.- 1716 zu Liebenstein starb, all wo er am 29. dess. M. „adlichermassen" beigesetzt wurde.

b. Johann Adam d. 1. von Witzleben, dessen Kinder,

Enkel nnd Urenkel,

1644 1810.

Nach dem Tode Adam Friedrichs vereinigte dessen Bruder Johann Adam d. Ä. von Witzleben den grössten Theil von Liebenstein wieder in einer Hand, erfreute sich aber nicht lange dieses Besitzes, da er am 21. Febr. 1719 in einem Alter von 74 Jahren, 8 Monaten, 3 Wochen und 2 Tagen zu Liebenstein starb; der entseelte Körper ward in der Kirche hinter dem Altar beigesetzt. Seine erste Gemahlin war gewesen Dorothea Elisabeth von Marschall a. d. H. Danheim, eine Tochter von Johann Wilhelm von Marschall auf Danheim und Wülfershausen imd Anna Bebecka von Wangenheim a. d. H. Sonnebom, von der nichts zu verzeichnen ist, als dass sie der Kirclie zu Lieben- stein einen kleinen silbernen Kelch und eine Hostienschachtel verehrt habe.***) Beide hatten eine Tochter, Eleonore Dorothea, welche am 19. Juni 1701 Herrn Ernst Ludwig von Holleben auf Wildenspring und Ettischleben (n. 1669, 22. Aug., f 1737, 18. März) „zur Ehe ver- abfolgt worden" istf), und einen Sohn, Johann Adam, zum Unter- schiede von seinem Vater der Jüngere genannt.

*) Gleichenstein, Tab. der von Tannrädel und der von Greussen (auf letzterer wird aber Sidonie Elisabeth als Freiin von Preising bezeichnet). Zedier, 57. p. 2018.

**) Eirchenb. zu Neuroda. ***) Kirchenb. zu Liebenstein.

t) Wie es im Liebensteiner Kirchenbuche heisst. Nach der Wochenschrift für die Noblesse, Eisenach 1786, p. 35, heirathete Ernst Ludwig von Holleben am 20. Juni; der Ausdruck „zur Ehe verabfolgt" ist demnach so zu verstehen, dass der Bräutigam die Braut am 19. von Liebenstein abholte und nach Wildenspring führte, wo am nächsten Tage die Hochzeit gefeiert wurde. S. femer Albrechts Gen. Hand- buch p. 212.

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Die zweite Gemahlin war Marie Agnes von Weidensee, eine Tochter Friedrich Christophs von Weidensee und Anna Margarethes von Weidenbach. „Maria Agnese von Witzleben uf Liebenstein" stand am 4. Jan. 1704 in Neuroda Gevatter und schenkte 1720 einen silbemen stark vergoldeten schönen Kelch von 42 Loth in die untere Kirche zu Liebenstein, nachdem sie schon einige Jahre vorher die Kanzel mit grünem Sammt hatte beschlagen lassen.*)

Johann Adam d. J. von Witzleben, welcher in Sachsen-Gotha- schen Diensten Major und nach 1 720 Obristlieutenant über ein Begiment Dragoner sowie Kammerherr wurde, hatte sich am 10. Aug. 1714 mit Eleonore Friederike von Röder a. d. H. Dömfeld, einer Tochter des am 27. Febr. 1717 zu Dömfeld gestorbenen Sachsen -Weimarschen Kammerjunkers und Obristlieutenants Hans Adam Reinhard von Röder auf Dömfeld, Barigau, Schönheide und Guttenberg und der am 4. Dec. 1662 zu Geschwende geborenen und 1728 zu Wölfis gestorbenen Anna Elisabeth von Lichtenberg aus Geschwende vermählt und mit ihr 4 Töch- ter (s. Tab. I. 14.) und 1 Sohn erzielt. Als im Jahre 1724 die Kirche zu Frankenhain eingeweiht wurde, tmg der Obristlieutenant Johann Adam von Witzleben zu Liebenstein die Schlüssel der Kirche bis vor die Thür, wo er sie dem Pfarrer übergab; nach der Einweihung gab er eine kost- bare Mahlzeit von 24 Gerichten, genugsam Bier und einen Eimer Wein und bewirthete alle anwesenden Standespersonen.**) Am 14. März 1725 wurde ihm das Patronatsrecht über die Kirche zu Frankenhain, von welchem Dorfe die Hälfte dem Herrn von Beck gehörte, ausdrücklich zugesprochen.***) Johann Adam starb am 8. Jan. 1728 und wurde am 17. dess. M. zu Liebenstein „mit christlich adlichen Ceremonien in der untern Kirche in das adliche Begräbniss beigesetzt". Seine Wittwe Hess sicli am 19. Nov. 1732 in Erfurt von dem papistischen Gamisonprediger mit dem ungarischen Rittmeister Grafen von Czeraell, der sich am Wei- marischen Hofe aufhielt, trauen*) und zog mit demselben nach Ungarn, wo sie verstorben ist.

Am 25. Aug. 1722 ist Ihro Hochwohlgeborenen Gnaden Herrn

*) Brückner, G. K. u. Seh. St. IL 5. p. 68. Gleichenstein, Bürge!, p. 1()6 der Ducnmente.

**) Brückner, G. K. u. Seh. St. II. II. p. 74. ♦♦*) Brückner, 1. c. p. 7G. t) Kirchenb. zu Lieberistcin.

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Obristlieutenant Johann Adam von Witzleben ein Söhnlein geboren und Tags darauf Johann Christian Ludwig getauft worden. Zu den 18 Taufeeugen gehörten die Prinzen Johann August, Christian Wilhelm und Ludwig Ernst von Sachsen-Gotha, die dem Kind die Namen gaben. Kaum 21 Jahre alt geworden, vermählte sich Johann Christian Ludwig von Witzleben am 28. Aug. 1743 „in seinem hochadlichen Schlosse zu Lieben- stein" mit dem fast zwei Jahre älteren Fräulein Auguste Karoline Friederike von Witzleben a. d. H. Angelroda, der am 28. Juli 1720 zu Angelroda geborenen Tochter des Schwarzburg- Amstädtschen Kammerjunkers und ßeisestallmeisters Johann Georg von Witzl^ben auf Angelroda und der Auguste Emestine von Kragen (s. S. 122 und Tab. I. 6.). Das junge Paar blieb auf dem Liebenstein wohnen, auch nach- dem im Jahre 1746 der Herzoglich Würtembergische Etatsminister und Erb-Oberstallmeister Heinrich Günther Reinhard von Köder zu Geschwende (Bruder der Mutter von Johann Christian Ludwig von Witzleben und bekannt durch die Verhaftung des Juden Süss) die Liebensteiner Güter „erstanden" hatte.*) Die näheren Umstände dieses Erstehens entziehen sich bis jetzt unserer Kenntniss, doch lässt jener Ausdruck auf eine notiiwendig gewordene Subhastation schliessen. Johann Christian Lud- wig wird in den Liebensteiner Kirchenbüchern immer nur „der Herr von Witzleben", nie aber Gerichtsherr genannt. Er starb am 24. Oct. 1797 zu Liebenstein und wurde am 27. dess. M. früh auf dem Platze, wo die alte Kirche gestanden, an der Seite seiner ihm am 1. März 1791 vorausgegangenen Gemahlin beigesetzt. Noch zu seinen Lebzeiten, im Jahre 1786, gelangten nach dem Tode der Frau Albertine Charlotte ver- wittweten von Eöder, von der im Liebensteiner Kirchenbuche gesagt wird, dass sie Liebenstein, Bippersroda und Frankenhain 24 Jahre eigen- thümlich besessen habe, diese Güter an seinen jüngsten Sohn Johann Ernst Ludwig von Witzleben.

Dieser war am 15. Aug. 1756 zu Liebenstein geboren, trat in Sachsen-Gothasche Kriegsdienste und vermählte sich als Lieutenant beim Herzoglichen Leibregimente am 14. Oct. 1781 mit Luise Emestine Auguste von Rudolff, der am 15. März 1749 geborenen Tochter des Sachsen-Gothaschen Oberstlieutenants Hartmann Siegfried von Rudolff auf Herbsleben und der Magdalene Auguste von Witzleben a. d. H.

*) wie sich Brückner, G. K. u. Seh. St. II. 11. p. 72 ausdrückt.

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Elgersburg (s. Tab. I. G.). Er wird wieder Erb-, Lehn- und Gerichts- herr zu Liebenstein genannt. Am 3. Sept. 1789 kaufte „der herzoglich Sachsen-Sachsen-Gothasche Hauptmann Ernst von Witzleben auf Lieben- stein" von den Erben der Geh. Eäthin von Böder für 8000 Thlr. das zu Frankenhain gelegene sogenannte Köckeritzsche Ritter-, Mann- und Erb-Lehngut und nahm zu Mitbelehnten an den K. Preuss. Hauptmann Heinrich Günther von Witzleben zu Halberstadt (s. S. 141) und den Herz. Sachs.-Goth. Hauptmann Christian Wilhelm von Henning zu Gotha. In einem d. d. Liebenstein, Halberstadt und Gotha den 18. Aug. 1791 errichteten Recess wurde festgesetzt, dass für den Fall, dass Ernst von Witzleben oder dessen männliche Descendenten mit Tode abgehen und nur weibliche Descendenten hinterlassen sollten, die Mitbelehnten das erwähnte Köckeritzsche Gut zu Frankenhain zwar in Lehn nehmen, aber den Besitz und die Benutzung desselben den weiblichen Descendenten vollständig überlassen, diese dagegen jedem von ihnen die Interessen von 100 Dukaten zu 4 pCt., als jährlich 12 Thlr. in Ducaten zu 3 Thlr. zahlen sollten; würde das Gut verkauft werden, so sollte jeder der beiden Mitbelehnten oder deren männliche Erben 100 Ducaten erhalten. Dieser Recess wurde am 26. Febr. 1805 erneuert und am 21. Juni dess. J. vom Lehnhofe zu Gotha bestätigt*) und trat in Wirksamkeit im Jahre 1820 resp. 1822, wie wir weiter unten sehen werden.

Am 3. Aug. 1810 früh 6 Uhr starb in einem Alter von 54 Jahren weniger 12 Tagen in Gotha Herr Johann Ernst Ludwig von Witzleben, Obristlieutenant, Chef des Gothaschen Landregiments, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr zu Liebenstein etc., am schleichenden Fieber und wurde am 5. Aug. auf dem neuen Gottesacker zu Gotha beerdigt. Seine Wittwe scheint darauf in Herbsleben auf dem von ihrem Vater geerbten Gute gelebt zu haben, war aber am 3. Mai 1820 bei der Taufe ihrer Enkelin in Liobenstein zugegen. ,

Ernst und Luise von Witzleben hatten drei Kinder:

1) Emil von Witzleben, geb. am 8. Jan. 1789, von dem nach- her die Rede sein wird.

2) Adolfine von Witzleben, geb. am 30. Aug. 1790, welche am 30. Aug. 1808 mit dem Herzoglich Sachsen- Gothaschen Kammer- junker und Premier -Lieutenant von der Garde du Corps Traugott

*) Archiv zu Angelroda.

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Friedrich Emil Marschall von Greif in der Kirche zu Liebenstein öflFentlich copulirt wurde und 1867 starb.

3. Hans Friedrich Julius von Witzleben, welcher am 16. Oct. 1792 zu Liebenstein geboren wurde, aber schon am 29. Aug. 1795 „dieser Welt entflöhe" (er war beim Spielen auf dem Burghofe plötz- lich verschieden) und am 1, Sept. früh in der Stille beigesetzt wurde; seine Buhestätte hat man ihm hinter dem Schlosse, nach der Abendseite hin, in dem Felsen bereitet.

c) Emil von Witzleben, der letzte Liebensteiner,

1789 1820.

Emil von Witzleben, am 8. Jan. 1789 geboren, trat in seinem 17. Jahre in Preussische Dienste, und zwar in dem Dragoner-Regiment Markgraf von Ansbach -Baireuth einst die berühmten Reiter von Hohenfriedberg , welches, als Preussen 1805 zur Unterstützung Oester- reichs seine Armee in Thüringen zusanmienzog, mehrere Wochen in Cantonnirungs- Quartieren bei Blankenhain und Stadt Dm lag. Im An- fang des Jahres 1806 marschirte das Regiment nach Pommern zurück. In Berlin defilirten die Dragoner am 4. März vor dem König xmd der Königin und Tags darauf erhielten sie die Bezeichnung „Regiment- Königin -Dragoner"; der Chef des Regiments, Karl Alexander, letzter Markgraf von Ansbach und Baireuth, war vor einigen Wochen gestorben. Die Officiere bekamen als besondere Auszeichnung eine Stickerei am Kragen und ein ausserordentliches Avancement. Bei dieser Gelegenheit ward Emil von Witzleben zum Fähnrich befördert.

Ende März 1806 traf das Regiment in den alt^n Garnisonen Pase- walk u. s. w. ein; Emil von Witzleben stand (mit dem Lieutenant von Schill) bei der Escadron des Obersten*) von Lüttwitz in Gartz a. 0. Im September desselben Jahres rückten die Dragoner abermals nach Thüringen. Vor Berlin erwartete sie die Königin Luise; in die Farben des Regiments gekleidet heiblau mit carmoisin führte sie, im Wagen sitzend, ihr Regiment persönlich durch die Stadt. Am 14. Oct. ward die Schlacht bei Auerstedt geschlagen. Die Dragoner der Königin,

*) Beim Begiment Königin -Dragoner standen damals 2 Generale, 5 Obersten, 8 Majors.

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Anfangs in dichte Nebel gehüllt, dann vielfach zersplittert, hatten über- all mit einer Tapferkeit gefochten, die auch öffentlich anerkannt wurde, wohl aber eines besseren Erfolges werth gewesen wäre, üeber Butt- stedt, Sondershausen, Nordhausen ging es demnächst in den Harz und weiter. Fortwährend wurde gekämpft, zuletzt am 19. Oct. bei Halber- stadt. Der Marsch ging hier von der grossen Strasse ab, über die Holzemme und längs derselben durch Ochersleben, dann über die Elbe und durchs Havelland. Bei Zehdenick kam es am 26. Oct. wider zum Gefecht: 15 Officiere des Regiments der Königin wurden getödtet, ver- wundet und gefangen Emil von Witzleben nicht darunter, üeber die Oder weiter ging der Marsch durch Pommern nach Danzig. Mit 1200 Pferden war das Regiment ausmarschirt, mit 300 kam es hier an.

Die nächsten drei Monate wurde das Regiment derartig zu Recog- noscirungen, Fouragirungen, Detachirungen u. s. w. zersplittert, dass sich nicht einmal annäherungsweise angeben lässt, wo sich dabei der Fähnrich von Witzleben befunden; nur das steht fest, dass er um diese Zeit zum Lieutenant ernannt wurde.

Anfangs Februar 1807 ward das Regiment mit in Danzig einge- schlossen, und als der General Graf Kaikreuth Ende Mai 1807 die Festung unter der Bedingung des freien Abzugs mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen übergab, marschirten die Dragoner der Königin in die Umgegend von Bialistock, wo sie drei Tage nach dem Frieden von Tilsit ankamen.

Der Lieutenant Emil von Witzleben nahm nun den Abschied. In den Weihnachtstagen 1807 befahl König Friedrich Wilhelm DI. bei jedem Regiment die Niedersetzung eines „Ehren-Tribunals", welches das Benehmen eines jeden Officiers während des verflossenen Krieges genau zu prüfen und dann sein ürtheil abzugeben hatte. Längst trug Emil von Witzleben nicht mehr des Königs Rock, als ihm officiell das Zeug- niss zugestellt wurde, dass er sich während beider Feldzüge überall „vorwurfsfrei" benommen habe.*)

üeber Emils von Witzleben Leben bis zum Jahre 1813 und in welchem Regiment er die Feldzüge von 1813, 14 und 15 mitmachte, darüber fehlen die Nachrichten; dass er aber gekämpft und zwar tapfer gekämpft hatte, geht daraus hervor, dass er zum Premier-

*j H. Ravenstein, Gesch. des Königin-Cürass. Regts. Berlin 1827.

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Lieutenant befördert und mit dem eisernen Kreuze geschmückt wor- den war.

Ende 1817 wurde der Premier-Lieutenant Emil von Witzleben dem 1. Pommerschen Infanterie -Regiment [jetzt Grenadier -Regiment König Friedrich Wilhelm IV. (1. Ponmaersches) No. 2] aggregirt, 1819 nahm er definitiv den Abschied.*)

Wahrscheinlich schon als aggregirter Officier lebte Emil von Witz- leben wieder in Liebenstein. Er war freigebig, gutmüthig und leut- seelig, so dass er bei den Einwohnern von Liebenstein in gutem An- denken stand.**) Mochte es nun seine Jugend, mochte es die wohl aus dem Kriege mitgebrachte Gewohnheit, ungezwimgen zu leben, oder end- lich die Verfährung seines Freimdes, des Herrn von Bellmont in Ge- schwende (1 St. südwestl. von Liebenstein) sein, kurz, er ergab sich mit dem von Bellmont einem ausschweifenden Leben. Die feurige und sinn- liche Tochter des Fuhrmanns Kaufinann in Liebenstein, die man nach dortiger Art kurzweg Kofmanns Hanne***) nannte, glaubte bei der be- kannten Lebensweise des Gutsherrn für sich bedeutende Vortheile ziehen zu können und legte es darauf ab, Witzleben zu gefallen, was ihr auch vollständig gelang. Sie umstrickte ihn mit ihren Reizen so, dass er ihr die Ehe versprach. Bei seinem wüsten Leben muss sein Nerven- system eben völlig zerrüttet worden sein und viele seiner Streiche grenzten an Wahnsinn. So erschien eines Tages der Gutsherr von Lieben- stein auf der Kirmess in kurzer Jacke, wie sie die Bauernburschen zu tragen pflegten, seine Hanne an der Hand; die Bauern weinten als sie dies sahen.

Am 3. Oct. 1819 wurde Herr Hauptmann f) Emil von Witzleben, Gerichts- und Kirchenpatron zu Liebenstein, Ritter des eisernen Kreuzes, mit Jungfrau Johanne Susanne Kaufmann, des Nachbars und

*) A. V. Mach, Gesch. des Königs-Inf Regts. Berlin 1843. *♦) Dies sowie das Folgende erzahlte der Sohn des zu Emils von Witzleben Zeit lebenden Gastwirths am 4. Juli 1863 an Karl Max von Witzleben.

♦♦♦) Der Sohn ihres Bruders lebte 1863 als Knecht auf einem Bauernhof in Lie- benstein.

t) So titulirt ihn im Kirchenbuche der Pastor loci am 3. Oct. 1819, während er am 2. Febr. 1820 schreibt »Premier-Lieutenant in Preuss. Diensten**. In den im Arch. zu Angelroda befindlichen Acten, betrefifend das Köckeritzsche Rittergut zu Franken- hain, heisst es: Am 2. Febr. 1820 starb der Lieutenant Emil von Witzleben, dessen Wittwe u. s. w.

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Fuhrmanns Johann Friedrich Kanfinann zu Liebenstein viertem Kinde und erster Tochter, nach dreimaligem Aufgebote in der Kirche zu Liebenstein nach dem Gottesdienste getraut. Aber schon am 2. Febr. 1 820, Abends 1 1 Uhr, starb er in einem Alter von 3 1 Jahren, 3 Wochen und 5 Tagen an einerLungen- krankheit (Schwindsucht) und wurde am 6. Febr. auf dem Kirchhofe zu Lie- benstein mit Gesang und CoUecte, da die Gedächtnisspredigt später gehal- ten zu werden pflegte, beerdigt. Seine Wittwe lebte guter Hoflftiung auf dem Herrenhause zu Liebenstein. Die Gotha'sche Regierung liess um die Zeit der Entbindung anlassen, dass nicht vielleicht ein Knäblein statt eines möglicher Weise geborenen Mägdleins untergeschoben würde, denn Liebenstein mit seinen Zugehörungen musste an den Landesherm zurückfallen, wenn kein männlicher Erbe erschien. Und es erschien keiner. Am 26. Apr. 1820, Abends 11 Uhr, genas die verwittwete Frau von Witzleben einer Tochter, welche am 3. Mai in der Wohnung des jüngst verstorbenen Vaters Emilie Adolfine Luise getauft wurde und ihre Grossmutter Luise von Witzleben geb. von RudolflF, sowie den Herrn Oberst Job von Witzleben aus Angelroda*) zu Pathen hatte.

Liebenstein, das beinahe 400 Jahre in Witzlebenschem Besitz ge- wesen war, fiel heim. Der Herzog August zu Sachsen-Gotha und Alten- burg gab es seinem Günstling, dem damaligen Oberschenken Johann Karl Julius von Wangenheim, der sich grade in seiner Umgebung be- fand, als die Nachricht, dass in Liebenstein eine Tochter geboren sei, eintraf, wieder zu Lehn. Da dieser Besitz aber (wol wegen Befriedigung der Landerben) mit bedeutenden Lasten verknüpft war, veräusserte ihn der Oberschenk von Wangenheim bald darauf an den Oberhofinarschall Grafen von Salisch, welcher seinerseits die Güter an die herzogliche Kammer zurückverkaufte, worauf Herzog Ernst zu Sachsen-Koburg-Gotha das Schloss Liebenstein zum Sitze eines neueingerichteten Justizamts machte, welchem die ehemals von Witzlebenschen Gerichte zu Lieben- stein und Elgersburg incorporirt wurden.**) Die sonstige Eegulirung des Nachlasses Emils von Witzleben zog sich bis in das Jahr 1822 hin, in

*) Dies kann nur der Obristlieutenant a. D. Job Wilhelm von Witzleben iTab. I. 7.) gewesen sein, denn der einzige sonst noch existirende Job von Witzleben (der spätere Kriegsministcr) war General und um jene Zeit nicht in Thüringen. Es scheint demnach, als wenn der Herr Pastor hier wie oben die Titel in majorem gloriam ver- ändert hat.

*♦) von Wangenheim, Beiträge, p. 641 und 1048.

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welchem der Vormund des minderjährigen Fräuleins von Witzleben, Kriegsrath Gerkhardt zu Gotha, auch das sogenannte Köckeritzsche Ritter- gut zu Frankenhain verkaufte.*)

Koftnanns Hanne heirathete später wieder, und zwar einen Verwalter, und lebte zuletzt in äusserst ärmlichen Verhältnissen auf der Sachsen- burg oder in dem Städtchen unter derselben.

Emilie Adolfine Luise von Witzleben vermählte sich im Jahre 1838 mit dem Fürstlich Schwarzburg-Sondershausenschen Kanoier- herm Günther Karl Wilhelm Kaspar von Kauffberg und starb, noch nicht 19 Jahre alt, am 13. Jan. 1839 in Arnstadt, nachdem sie einer Tochter, Emilie, das Leben geschenkt.

*) cf. S. 310. Heinrich Günther von Witzleben erhielt dem dort angeführten Vertrage gemäss im December 1822

300 Thbr. der 100 Ducaten Äquivalent für die Lehn- nnd Mitbelebn-

scbaft an Frankenbain,

25 » Agio darauf, a 6 gr. für jeden Dukaten,

32 ^ oder 10*/3 Dukaten Interessen von 100 Stück dergL a 4 pCt.

vom 4. März 1820, als dem 30. nach dem Sterbetage Emils von Witzleben, bis zum 4. Nov. 1822, also auf 2 Jahre und 8 Monate, 2 ^ 1 6 gr. Agio darauf, a 6 gr. für jeden Dukaten, in Summa 359 Thlr. 16 gr. baar ausgezahlt.

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V. Abschnitt.

Die Linie zu Hude und Elmeloh.

1645 bis jetzt.

a) Xurt Veit von Witzleben nnd der Erwerb von Ende nnd Elmeloh, 1646 bis 1719.

Des schwedischen Obersten und kursächsischen Kammerherm Georg Melchior von Witzleben (s. S. 261) dritter Sohn, Kurt Veit von Witz- leben, war am 7. Juni 1645 auf dem ünterhause zu Liebenstein ge- boren. Nachdem er an dem Hofe des kinderreichen Herzogs Eberhard in. von Würtemberg,*) zu dem sein Vater noch vom Kriege her in Be- ziehimgen stand, eine sorgfältige Erziehung genossen und dann einige Jahre im Dienste dieses Herzogs gestanden hatte, trat er auf Veranlas- sung und mit Empfehlungen desselben 1671 in die Dienste des Dänen- königs Christian V.**) Wir ersehen dies aus einem Schreiben, welches sein Vater, Georg Melchior von Witzleben, d. d. Liebenstein den 18. Febr. 1671 an den Herzog Eberhard von Würtemberg richtete und das also lautet:

*) n. 1614. 16. Dec, succed. 1628, t 1674. 2. JuH. - Nach Gustaf Adolfs Sieg bei Breitenfeld, 1631, verband sich Würtemberg mit Schweden und Frankreich. Nach der Schlacht bei Nördlingen, die er jedoch nicht mitmachte, da er in der Armee des Rheingrafen bei Göppingen stand, floh der junge Herzog nach Strassburg, blieb dort 4 Jahre und heirathete, während die Kaiserlichen sein Land verwüsteten, am 26. Febr. 1637 die schöne Wild- und Kheingräfin Anna Dorothea von Salm - KjTburg. Die Schweden riethen ihm, „lieber das eiserne Wams als die Bräutigamshosen anzuziehen." Aus zwei Ehen hatte Herzog Eberhard nicht weniger als 25 Kinder.

**) n. 1646. 15. Apr., succed. 1670. 9. Febr., t 1699- 25. Aug.

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„Durchlauchtigster Fürst! Euer Fürstliche Durchlaucht sindt meine vnterthänigste gehorsambste Dienste eusersten Vermögens bevor, Gnä- digster Fürst vndt Herr! Wenn ich mich erinnere der gnädigen Clementjs vnd vielfeltigen Gnade, so Sie meinem Sohn erwiesen, indem Sie den- selben so eine geraume Zeit getuldet, zue allem Guten aujfferzogen, auch femer fortzuehelffen vndt an den Dennemarkischen Hoflf zue bringen gnädigst intentioniret, nehme Ich billich Vrsach, Ewer Fürstlichen Durch- laucht vnterthänigen Danck zue sagen, vndt weiss nicht, wie ich solche hohe Gnade anderweit verdienen soll. In erkentnus aber meines Ver- mögens werde ich solches lebenslang höchlich zu rühmen wissen, zweifele auch nicht, mein Sohn werde dergleichen thun, auch muglichsten Fleisses dahin bedacht seyn, wie er Zeit lebens an Ihro Fürstlichen Durchlaucht einen gnädigsten Herrn behalten möge. Dieselbe der göttlichen Obhut, mich aber Dero Fürstlichen Hulde vndt Gnade treulichst empfehlendt verharre Euer Fürstlichen Durchlaucht Vnterthänigst gehorsamster G. M. V. Wizleben."*)

Kurt Veit von Witzleben erwarb sich bald die Gunst des Königs, der ihn, nachdem er sich mit dem Herzog Johann Adolf zu Holstein- Plön wegen der Oldenburgischen Erbschaft verglichen und die alleinige Regierung über die Oldenburgischen Lande angetreten, zu seinem Jäger- meister und Oberförster in den Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, wie auch zum Drosten der letzteren Grafschaft ernannte. Nun war er darauf bedacht, sich in der neuen Heimath ansässig zu machen. Zuerst erwarb er ein Haus in Delmenhorst und dann einen von allen Lasten freien Kamp Saat-Landes in der Nähe des zum Jagdschloss eingerichteten ehemaligen Cistercienser Klosters Hude (zwischen Bremen und Oldenburg, im Amte Delmenhorst, 2V2 St. nordwestlich der Stadt Debnenhorst), welcher ihm für seine Lebenszeit am 10. Juni 1678 gegeben wurde. Als aber Chiistian V. bei seiner Anwesenheit in Oldenburg 1681 auch Hude besuchte, bewirthete ihn Kurt Veit von Witzleben seinem hohen Stande gemäss, unterhielt ihn durch gut geleitete und ergiebige Jagden und bat ihn schliesslich, ihm und seinen Erben das Vorwerk und die Kommühle zu Hude als ein adeliches freies Gut gegen eine anstatt des Rossdienstes (Ritterdienstes) zu entrichtende jährliche Erbheuer zu ver- leihen. Der seinem Jägermeister und Drosten wohlgewogene Fürst ge-

*) Orig. in der Registratur der älteren Geheimraths- Acten (aus den Jahren 1639 biß 1715) des Archivs zu Heilbronn.

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währte die Bitte, indem er die Erbheuer auf 150 Thaler festsetzte; der Dotationsbrief wurde jedoch erst am 15. Febr. 1687 zu Kopenhagen aus- gefertigt.*) Bei derselben Gelegenheit oder doch bald darauf erhielt Kurt Veit, ebenfalls auf ^ allerunterthänigste Ansuchung", vom Könige das Vorwerk Delmenhorst nebst der Schäferei und der sogenannten Bbis- berger Korn-, Säge- und Walkmühle gegen eine jährliche Erbheuer von 250 Beichsthalem. Auch hierüber ward der Dotationsbrief zu Kopen- hagen am 15. Febr. 1687 ausgestellt. Femer übernahm Kurt Veit von Witzleben in Erbpacht am 1. Juli 1687 die Neuenkooper Wassermühle mit einem Wohnhause und einem dabei gelegenen Stück Landes gegen jährlich 41 Thaler und am 3. März 1691 den Delmenhorstschen Küchen- garten, den sogenannten Hutzberg und ein daran stossendes Stückchen Land, das Kronwerk genannt, gegen jährlich 30 Thaler.

Von dem Vorwerk Delmenhorst waren zu der Zeit, als es den AUodialerben des letzten Grafen von Oldenburg gehörte, einzelne Stücke veräussert worden. Da Kurt Veit dieselben gern wieder mit dem Gute vereinigen wollte, wandte er sich mit einem hierauf bezüglichen Gesuche am 14. Apr. 1688 an den König, der ihm unterm 10. Nov. dess. J. „aus besondem Königlichen Gnaden" gestattete, jene Stücke von den Besitzern einzulösen und frei von den bisherigen Abgaben zu besitzen. Auf Grund dieser Königlichen Ermächtigung erwarb nun Kurt Veit von Witzleben laut Contracts d. d. Bremen den 2. Januar 1690 von dem hochgelahrten Herrn Kaspar Meyer, Eathmann in Bremen und Erbsass zu Weyhausen, die sogenannten elf Stücke und den Leesskamp bei Wey- hausen, erstere für 1400, letztem für 800 Thaler ä 72 Grote, laut ver- schiedener Quittungen vom 25. April 1690 und 18. JuU 1692 von mehreren Besitzern ein an der Ochtum gelegenes Stück Heuland, den Wildenberg genannt, 23 Tagwerke gross, für 690 Thaler und endlich laut Quittung d. d. Oldenburg den 14. Nov. 1692 von den Maas'schen Erben den Mittelkamp, ein Stück Heuland von ca. 40 Tagwerken, für 1720 Thaler.

In Bezug auf diesen Mittelkamp hatte „ein schwerer Rechtsstreit gehangen" wegen der Frage, ob er ein Domain-Stück sei und von dem Herrn von Witzleben als Besitzer des Delmenhorstschen Vorwerks wieder

*) cf. Büschin g. Magazin für die neue Hist. und Geogr. IIT. Hamb. 1769. p. 150. Mühle, das Kloster Hude, Oldenb. 1826, p. 75. Der Dotationsbrief be- findet sich im Archiv zu Hude.

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eingezogen werden dürfe, oder ob dem Hausvogt Anton Maas resp. dessen Erben, wie auch dem Albert Bücking und Johann Pundt, welche ihn in einer öffentlichen solennen Versteigerung gekauft hatten, das Eigenthum daran zustehe. König Christian entschied diesen Bechtshandel durch ein Special-Eescript vom 25. April 161)1 kurz dahin, dass der Mittelkamp dem Kurt Veit von Witzleben zur Erbzinse eingethanen Vorwerk zu Delmenhorst wieder als ein Domain-Stück einverleibt werden solle unter der Bedingung, dass der Drost und Jägermeister von Witzleben den bis- herigen Besitzern nicht die Summe, die sie bei der Versteigerung dafür gegeben, sondern soviel, als der Mittelkamp jetzt werth sei, sofort er- kgen solle. Nun entstand ein neuer Streit in punäo der wahren Ästi- mation des Mittelkamps, zu dessen Beilegung Thomas Christian von Bülow, Königl. Dänischer Oberst und Drost zu Varel, befehligt wurde. Dieser erkannte nach langen Verhandlungen, während welcher es unter den Parteien zu Injurien kam, in puncto aesthmUionis ^ dass Kurt Veit von Witzleben den andern Interessenten 1720 Thaler baar zu entrichten schuldig sei, diese dagegen sich allen ferneren Anspruchs an den Mittel- kamp zu begeben hätten, in punäo der von Kurt Veit von Witzleben eingeklagten Injurien aber, dass Albert Bücking und Johann Pundt (welche sich damit entschuldigt hatten, dass sie sich ihres Eechts an dem streitigen Mittelkamp, da sie solchen aus einer öflentlichen Ver- gantung sub sigillo reffio gekauft, allzu versichert gehalten,) in Anbe- tracht, dass sie dem Herrn von Witzleben, als ihrem vorgesetzten Drosten und Obrigkeit, weit mehr Kespect als einem fremden Gegentheil ihres Gleichen zu geben schuldig gewesen und also gröblich gegen denselben sich versehen und missgehandelt, dem Herrn Drosten und Jägermeister eine öffentliche Abbitte mündlich zu thun und darauf schriftlich auszu- Ijändigen schuldig seien, Gerd Bücking aber, Alberts Sohn, wegen unge- ziemender Beden zu einer wohlverdienten Strafe 24 Stunden mit dem Geßlngniss zu strafen sei. Kurt Veit von Witzleben fohlte sich durch diese Sentenz in dem einen und andern graviret und appeUirte an den König. Der aber bestätigte am 28. April 1692 zu Kopenhagen das ür- theil seines Delegaten, jedoch mit dem Zusatz, dass Albert Bücking und Johann Pundt wegen der in ihren Schriften geführten, den Eespect, so sie dem Appellanten als ihrem vorgesetzten Drosten schuldig, zuwider laufenden anzüglichen Beden, auch anderer bei diesem Processe vorge- gangener Excesse halber, über die ihnen zuerkannte Abbitte annoch eine

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Geldbusse von 40 Eeichsthalern, und zwar ein jeder zur Hälfte, an die Armen zu Delmenhorst zu erlegen gehalten sein sollten.

Endlich gelang es Kurt Veit von Witzleben auch, ein Lehngut zu erwerben. Laut Kaufbriefs d. d. Delmenhorst den 9. Dec. 1692*) kaufte er von dem Wohlverdienten Bathsverwandten der Stadt Bremen, Herrn Kaspar Meyer, mit des Grafen von Tecklenburg, als Lehnsherrn, Consens das adeliche freie Gut Elmeloh bei Delmenhorst für 17000 Beichs- thaler, wobei er die Verpflichtung übernahm, „dem Juncker zum Elme- lohe und dessen Eheliebsten ihr Leibgedinge ad dies vitae^ ungeschmälert zu entrichten. Dieser Junker zum Elmelohe war Anton Christian von Mandelsloh, dessen Familie Elmeloh seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gehört hatte, der aber in Dürftigkeit gerathen und daher genöthigt war, Elmeloh zu Anfang des Jahres 1692 an den obengenannten Licentiaten Meyer zu verkaufen; er starb bereits 1693 in einem Bauernhause zu Elmeloh.

Bis 1690 war Kurt Veit von Witzleben Mitbesitzer der väterlichen Güter Liebenstein und Gräfinau geblieben. Seinen Theil des Unterhauses von Liebenstein verkaufte er in dem genannten Jahre an seinen Bruder Johann Adam, von dem er aber das Kaufgeld, 3200 Thaler, und die aufgelaufenen Zinsen erst nach einer bei der fiirstlichen Begierung zu Gotha angebrachten Klage erhalten konnte. Seinen achten Theil an den Gütern zu Gräfinau überliess er 1692 seinem Bruder Friedrich Wilhelm, der ihm 1000 Gulden = 875 Thaler dafür geboten hatte.**)

Am 25. Aug. 1699 ging König Christian V. von Dänemark und Norwegen zu seinen Vätern heim und Friedrich IV. bestieg den Thron. An ihn wandte sich Kurt Veit von Witzleben um Bestätigung seiner Erbpachtscontracte, erhielt aber folgende an Deutlichkeit nichts zu wün- schen lassende Besolution:

„Unser allergnädigster Wille und Befehl ist hiemit, wenn Curt Veit von Witzleben vor die Erbheuer -Stücke, welche Unsers in Gott ruhenden Herrn Vaters Königl. Maytt. laut Dero vorhandenen Königl Concession Briefe Ihme conferiret haben, anstatt der vorhin insgesanunt

*) Orig. im Arcb zu Hade. Kurt Veit von Witzleben führt ein Wappen mit einem Helm, dem mit dem Geierkopf and den Fähnlein, und mit zwei Sparren im Schilde.

*♦) Briefe Johann Georgs von Wangenheira an Kurt Veit von Witzleben ^om 7. Dec. iri88 und 14 Oct. 1691 im Archiv zu Hude.

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gegebenen jährlichen Vierhundert Ein und Siebenzig Beichsthaler, zu Eedressirung der hierunter steckenden enormissimae laesionis, hinfiihro jährlich und alle Jahr Eintausend Sechshundert Beichsthaler in Unser Oldenburgisches Kanuner-Eegister auf Martini-Tag an guter grober des Orts und in der Stadt Bremen gültiger Current-Münze ohne exceptio^ einiger Casuum fortuHorum zu erlegen und abzutragen, auch auf nächst- künftigen Martini -Tag damit den Anfang zu machen sich genügsamer Weise verpflichtet und verbindlich macht, dass Er sodann bey der Erb- heuer der Ihm vorgeschriebenen Stücke gelassen werden solle, Jedoch mit der expressen Condition, dass er sich nicht nur hinführe aller fer- neren Prätension, mehre Stücke unter dem Prätext von dependentien oder sonst an sich zu ziehen, gänzlich enthalte, sondern auch diejenigen Par- theien, welche mittelst dergleichen vorhin durch Ihn angestellte reuniones^ widerrechtlich und de facto bekürzt zu seyn, so viele Jahre her geklaget, entweder durch Güte oder Becht klaglos stelle, damit Wir deshalber weitern Anlaufens überhoben bleiben mögen. Falls Er von Witzleben über obige Conditiones einige Difßcultät machen sollte, haben Unsre DeptäcUi zu den Finanzen^ bester Gelegenheit nach, mit einem andern zu contrahiren. Urkundlich unter Unserm Königl. Handzeichen. Geben auf Unserem Schlosse Jägersburg, den 4ten Juny Ao. 1701.

Friederich B.*' Kurt Veit fugte sich, versprach, statt der bisherigen 471 künftig 1600 Beichsthaler zu zahlen und wurde unterm 22. Nov. 1701 im ruhigen Besitz seiner Güter zu Hude und Delmenhorst bei Königlichen Worten und Glauben kräftiglich bestätigt.

Die Grafschaft Tecklenburg, bei der Elmeloh zu Lehn ging, gelangte um diese Zeit an den Grafen zu Solms-Braunfels, von dem sie im Jahre 1707 der König Friedrich I. in Preussen kaufte, so dass Kurt Veit von Witzleben und seine Erben preussische Vasallen wurden. Der erste preussische Lehnbrief über das Gut zu Elmeloh, zwei Häuser zu Hon- stedt und alle Pertinentien und Gerechtigkeiten der Güter datirt vom 14. Mai 1 709 ; für den Fall des Aussterbens der männlichen Nachkommen- schaft werden, einem Versprechen des Grafen von Tecklenburg zufolge, Kurt Veits Tochter Charlotte Amalie und deren männliche Leibeserben mitbelehnt.

In diesem Lehnbriefe wird Kurt Veit von Witzleben Königlich Dänischer Ober- Jägermeister der Grafschaft Oldenburg und Drost zu

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Delmenhorst titulirt, während er in dem Confirmationsbriefe des Königs Friedrich IV. von Dänemark vom 22. Nov. 1701 nur Ober-Landdrost genannt wird. Ein im K. K. Haus-, Hof- und Staats -Archiv zu Wien befindliches Actenstück trägt die Aufschrift: „von Witzleben, Landdrost zu Delmenhorst und Ober -Jägermeister, c/a Hertzog von Würtemberg und Stadt Nördlingen, mandati in pto. injuriarum et danmi dati, 1715 bis 1723." (Weiteres über den Inhalt ist uns nicht bekannt.)

Kurt Veit von Witzleben starb am 22. Juni 1719 zu Elmeloh, wo- hin er im Jahre 1699 seinen Wohnsitz von Delmenhorst verlegt hatte, und ward am 13 Juli in der Kirche zu Ganderkesee beigesetzt. Er hatte sich 1685 vermählt mit Eleonore Marie von Knuth a. d. H. Leisten (sonöt Leetzen genannt, in Mecklenburg), geb, den 14. Januar 1658, gest. den 15. Februar 1707, beigesetzt in Ganderkesee, des Königl. Schwedischen Oberstlieutenants Jakob Ernst von Knuth auf Leetzen, Meltz, Lüdorf, Priebom und Kell und der Elisabeth von Marien aus Lüdorf und Kell Tochter und Schwester des um 1698 gestorbenen Dänischen Geh. Raths und Ober-Kammerjunkers Adam Levin von Knuth, aus dessen Ver- lassenschaft im Betrage von 273855 Rthlr. 5 gr. ihr eine Erbportion von 34284 Thlr. 19 gr. 3 Pf. zufiel. Dieser Ehe entstammten 3 Söhne und 1 Tochter, nämlich

1) Christian Friedrich von Witzleben, welcher, am 12. April 1686 geboren, Königl. Dänischer Lieutenant wurde imd, noch nicht 25 Jahre alt, am 11. Februar 1711 starb und am 11. März in der Kirche zu Ganderkesee beigesetzt wurde;

2) Christoph Burchard von Witzleben, Königl. Dänischer Kammerjunker, Landrath und Jägermeister, geb. den 2. Mai 1687, gest. den 6. Juni 1732, der mit Anna Theresia Ursula von Dorgelo a. d. H. Höven, des Johann Bottger von Dorgelo auf Brettberg und der Auguste Anna Sophie von Bhaden, Erbfrau zu Höven, Tochter (verm. den 9. März 1721,*) gest. den 9. April 1750 zu Hude und daselbst be- graben), das Geschlecht kräftigst fortpflanzte (Tab. I. 15.);

3) Adam Levin von Witzleben, von dem alsbald die Bede sein wird, und

*) Nicht etwa 1720. Der Oberst Karl von Witzleben zu Nyborg hat wegen (lieser Zahl genaue Recherchen angestellt und von dem Dan. Geh. Archivar, Confereni- rath Wegener, im Aug. 1876 den ausdrücklichen Bescheid erhalten, dass die Zahl 1721 die im Archiv zu Kopenhagen aufgezeichnete sei.

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4) Charlotte Amalie von Witzleben, welche am 17. Juni 1692 geboren war, sich am 3. Juli 1710 mit Eberhard Hermann Jobst von Dincklage, Erbherm auf Schulenburg, Domherrn und Senior des Domkapitals zu Minden (n. 19. Apr. 1680, f 1755), ver- mählte und Mutter von 6 Söhnen und 3 Töchtern wurde.

Kurt Veit von Witzleben hatte in seinem am 16. August 1717 er- richteten Testamente von den beiden noch lebenden Söhnen dem älteren, Christoph Burchard, der auf seine Erbportion schon eine bedeutende Summe erhalten und ausserdem noch eine ziemliche Schuldenmasse an- gehäuft hatte, nur eine jährliche Bevenue von 500 Thalem verschrieben, zum Universalerben aller Allodial- und Feudal-Güter aber den jüngsten, Adam Levin, einsetzte. Christoph Burchard wohnte zwar in Hude, aber in der von ihm gemietheten Pastorei.*)

b. Adam Leyin d. Ä von Witzleben, 1688-1746.

Adam Levin von Witzleben, zum Unterschiede von seinem gleichnamigen Neffen der Ältere genannt, wurde am 6. Juni 1688 um 72 10 Uhr Vormittags in der Stadt Delmenhorst geboren und auf die Namen des Bruders seiner Mutter und bevorzugten Günstlings Christian V. von Dänemark, Adam Levins von Knuth, getauft. Der muntere Geist des Knaben, die Begierde, etwas zu lernen und der Fleiss in allen sei- nen Verrichtungen „legten genugsam an den Tag, dass mit der Zeit ein grosser, geschickter, Königen und Fürsten sehr nützlicher Mann aus ihni werden würde." **)

Im Jahre 1700 nahm Martha Agnes von Wangenheim (s. Tab. I. 12.), welche ihren Bruder Kurt Veit von Witzleben in Elmeloh besucht hatte, ihre drei Neffen mit sich nach Gotha, damit sie hier „desto gründlicher imd besser in denen Wissenschaften und allen einem jimgen Herrn an- ständigen Uebungen" unterrichtet würden, und that sie, da sie selbst

*) Weil die Pastorei eine starke Viertelstunde von der Kirche entfernt lag, hatte sich der Pastor Stackerjan eine eigene Brinksitzerei zu Hude, näher an der Kirche, angelegt und jene yermiethet.

**j 8. Leichenrede auf ihn, von Jo. Heinr. Bojensen, Pastor zu Ganderkesee. Bremen 1745. Fol.

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auf dem Lande wohnte, zu ihrem Sohne, dem Sachsen-Gotha'schen Reise- margchall Friedrich von Wangenheim, der sie das Gymnasium frequen- tiren liess. Noch nicht 16 Jahre alt bezog Adam Levin von Witzleben die Universität und ward am 2. Mai 1 704 zu Jena immatriculirt. Durch den Tod seiner Mutter 1707 veranlasst, in die Heimath zurückzukehren, brachte er einige Zeit bei seinem Vater in Elmeloh zu, ging dann aber nach Bremen, wo er sich den Winter über aufhielt. Im Frühjähr 1708 reiste er in die Niederlande und wandte sich, nachdem er einige Zeit in Utrecht verweilt, nach Leyden, um seine Studien fortzusetzen. Wäh- rend zweier Sommer wohnte er der Campagne in Brabant bei, während er den Winter desto sorgfältiger zimi studiren verwendete. 1710 ging er nach Kopenhagen und begann seine dienstliche Laufbahn am 80 April als Kammerjunker des Prinzen Karl von Dänemark. Der König Fried- rich IV. ernannte ihn am 25. Juli 1713 zum Jägermeister in den Graf- schaften Oldenburg und Delmenhorst, wie auch im Stift Bremen, aber schon am 19. August dess. J. zum Landrath in den Herzogthümem Schleswig und Holstein und vertraute ihm bald darauf die Landvogtsstelle in den Ämtern Neuenburg, Ape und Rastede und in der Vogtei Jahde an. Ehe Adam Levin von Witzleben diese Stellung antrat, vermählte er sich am 1. Sept. 1713 in Gegenwart der Königlichen Familie auf dem Schlosse Friedrichsburg mit Eleonore Marie von Lüttichau a. d. H. Kmehlen, des 1676 gestorbenen Mecklenburg-Güstowschen Oberhofineisters Wolf Kaspar von Lüttichau auf Düben und Kmehlen (in Sachsen) und der Eva Maria von Oertzen a. d. H. Roggow (in Mecklenburg) Tochter. Diese war am 14. April 1669, Morgens gegen V27 Uhr, in Güstow ge- boren und, nachdem ihre Mutter 1673 gestorben, während 7 Jahren in dem adlichen Kloster Ribnitz erzogen worden, hatte sich dann bei Ver- wandten aufgehalten und war am 17. September 1695 von der Prinzessin Luise zu Mecklenburg -Güstow als zweites Hoffräulein angestellt, auch nach deren am 5. Dec. dess. J. stattgehabter Veradählung mit dem Kron- prinzen (von 1699 an König) Friedrich von Dänemark mit nach Kopen- hagen genommen worden. 1708 war sie zum Kammerfräulein der Königin avancirt und VJ2 Jahre später mit der Aufsicht über die damalige ein- zige Erbprinzessin, Charlotte Amalie, betraut und mit dem Titel einer Fräulein Hofmeisterin dieser Königlichen Princessin geschmückt worden. Als der 25jährige Adam Levin von Witzleben um sie warb (oder sie um ihn?), befand sie sich in dem zarten jungfräulichen Alter von nur

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447» Jahren; aber trotz dieses nicht gerade gewöhnlichen Verhältnisses*) war die Ehe, den Mangel an Nachkonunenschaft natürlich abgerechnet, eine glückliche, wie aus Adam Levins Testament hervorgeht. Seinen Wohnsitz nahm das junge, oder richtiger: das neuvermählte Paar in Neuenburg.

1724 wurde Adam Levin von Witzleben Mitglied der Oldenburgi- schen Begierung, Ende 1728 aber kehrte er, und zwar als Hofmeister der Prinzessin Charlotte Amalie, nach Kopenhagen zurück. Nachdem er am 11. Oct. 1729 in den Danebrog-Orden aufgenommen war,**) ernannte ihn der König Christian der VI. am 20. Nov. 1730, kurz nach seiner Thronbesteigung, zum Ober-HofmarschaU und legte ihm am 28. Nov. 1732 den Titel eines Geheimen Käthes bei. „Da aber das oft sich ein- findende schmerzliche Podagra und die reissende Gicht den Hochseligen mehrmalen hinderte, seine wichtige Function nach Wunsch zu verwalten, sehnete er sich nach der Stille" und einer Stellung, wo er mehr Zeit auf die Pflege seiner Gesundheit wenden könnte. Der König, der „einen so treuen und sorgfältigen Ministre gerne länger an Dero Hofe gesehen hätten", ertheilte ihm daher am 6. Juli 1735 die wichtige Amtmanns- stelle in den Ämtern Husum und Schwabstedt und ernannte ihn zugleich zum Oberstaller in der Landschaft Eiderstedt, am 12. Nov. dess. J. aber zum Landdrosten in der Grafschaft Dehnenhorst, „welche Bedienung Adam Levin um soviel lieber und angenehmer war, je eher er der ge- wünschten Euhe und dabei auch des Vergnügens gemessen konnte, seinen Gütern Elmeloh und Hude näher zu sein." Auch die Königin wandte Adam Levin ihre Gunst zu, und beschenkte ihn mit dem von ihr 1732 gestifteten Orden de T Union parfaite, während ihn der König am 28. Nov. 1738 unter die Zahl seiner Geh. Conferenz-Bäthe (mit dem Titel Excellenz) aufnahm und 1741 zum Ober-Landdrosten beförderte.

Adam Levin von Witzleben starb in Delmenhorst am 30. Oct 1745, Morgens um V'23 Uhr; „sein Leben hat er in dieser mühsamen und jammervollen Welt gebracht auf 57 Jahre und 21 Wochen weniger

*) Es kommt in der Linie zn Ende nnd Ehneloh öfter vor, dass die Fran älter ist als der Mann, wenn der unterschied ancfa nicht immer so gross ist, wie in dem oben angeführten Fall.

**) Geh. St.-Arch. zu Kopenhagen, Danebrog- Ordens -Protokoll No. 139. Das Wappen Adam Levins mit zwei Helmen. Es ist dies der erste uns bekannte Fall dieses Gebrauchs.

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7 Senden." Seine Gemahlin, seit dem Mai 1736 Dame des Ordens de t Union parfaite, folgte ihm nach wenigen Wochen: sie verschied am 13. Januar 1746, Abends V^IO Uhr, „nachdem ihr Lehen in dieser un- ruhigen und janmiervollen Welt gestiegen auf 76 Jahr, 39 Wochen, 1 Tag und 15 Stunden." Beide ruhen in dem von ihnen neben der Kirche zu Ganderkesee gegründeten schönen Grabgewölbe, er seit dem 1 8. Nov. 1745, sie seit dem 3. Febr. 1746. Adam Levin hatte dieser Kirche 1000 Thaler vermacht und verordnet: „Auch wird der p. t. Herr Pastor wegen dieses legati an die Kantzel alle Sorgfalt haben, dass meine und meiner Frauen Gebeine in der Sacristey nimmer gerühret, sondern bis zum jüngsten Tag ruhig in der Gruft liegen bleiben." Bis jetzt sind die mit Wappen reich geschmückten Särge wohl erhalten.

Für seines Bruders Christoph Burchard Wittwe hatte Adam Levin von Witzleben treulich und väterlich gesorgt. Und da ihm selbst Leibes- erben versagt waren, so wandte er die grösste Sorgfalt auf die Er- ziehung der Kinder seines Bruders. Seine Absicht war, die Söhne so unterrichten zu lassen, dass sie mit der Zeit „C/rii-Bedienungen zu be- kleiden fähig sein möchten. Wann (d. i. da) aber deren Genie nicht dazu geschaffen gewesen, so hat er dieselbe im üfiZi^air- Stande zu be- fördern getrachtet, worunter er auch bei den mehresten reusiret^ Für die Töchter sorgte er in der Art, dass er sie als Kinder schon in das von der Prinzessin Sophie Hedwig, Tochter Christian V. von Dänemark, errichtete Damenstift zu Kloster Wenrnaetoft auf Seeland einschreiben Hess. Und als er kam zu sterben, richtete er am 13. Oct. 1745 seinen letzten Willen auf und setzte, in der Hoffnung, „dass sie der Laster sich enthalten, nach Tugend, Ehre und Ruhm sich bestreben und in ihrem gantzen Leben dergestalt sich betragen werden, dass ihr Geschlechtsname in keine Weise verdunkelt werde, sondern jederzeit in gutem Andenken verbleibe", seines verstorbenen Bruders 4 Söhne, Adam Levin, Ernst August, Kurt Veit und Christian Friedrich, und 3 Töchter, Eleonore Marie, Sophie Charlotte und Judith Agnes, alle geborene von Witzlebeu, zu rechtmässigen Erben in dem Gute Elmeloh und den sänraitlichen Erbzinsgütem ein, dergestalt und also, dass von den Söhnen der älteste, Adam Levin von Witzleben, „wann er seiner Geburt nach sich standes- mässig verheirathet", die Güter als Fideicommiss antreten und besitzen, jedoch jedem seiner Brüder 3000, jeder der Schwestern JOOO Thaler ohne Buin der Güter successive bezahlen solle.

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Den VII. Abschnitt dieses Testaments können wir uns nicht ver- sagen, ganz her zu setzen, tief bedauernd, dass nach ähnlichen Bestim- mungen nicht auch bei den anderen Linien unseres Geschlechts verfahren worden ist.

„Wenn aber die menschliche Vernunft selber lehret, dass ein jeder geneigt sey, sein Geschlecht, Stamm und Namen für den Abgang und Verfall zu bewahren, hingegen die ihm Angehörigen in einem löblichen, glücklichen und blühenden Wesen zu erhalten, mithin zur Aufnahme und Conservation der familie gereichet, wann die derselben hinfallenden Güter unverändert und unvermindert beybehalten werden, nach Möglichkeit ver- bessert, vermehrt und in gutem Stande erhalten werden, also verordne hiermit ausdrücklich zum besten meiner vorbeschriebenen Erben und Substituten, dass, gleichwie es sich von den lehnbaren Stücken von selbsten versteht, von denen übrigen Erbzins- und allen andern mir zuständigen, vorbesagten meinen Erben und deren Substituten stib fidei commisso familiae vermachten unbeweglichen Gütern, Grundstücken und deren Zu- behör, sie haben Namen wie sie wollen, überall nichts davon ausge- schlossen, unverändert bei meiner famüie bleiben, nicht das geringste, unter welcherlei Vorwand es auch immer sein möchte, davon verkauft, vertauscht, verpfändet, mit Schulden beschweret oder auf eine andere Art und Weise belästiget werden sollen, sondern dass alle solche meine nachzulassende vorgedachte Immobil-Qixter^ sie bestehen worin, sie wollen, sie seien gross oder klein, stets und immerwährend unzerstücket, unver- pfändet, von Schulden frei und unbeschweret, so wie sie sich anjetzo durch göttlichen Segen befinden, bei der familie und bey dem jedes- maligen rechtmässigen Besitzer derselben sein und verbleiben sollen, dergestalt und also, dass alles dasjenige, so zur Veräusserung dieser Güter entweder gantz odei zum Theil derselben, deren Verpfändung, Be- lästigung mit Schulden oder sonst auf andre Art und Weise von dem jedesmaligen Besitzer derselben wider diesen meinen zur ConservcUian der familie gereichenden Willen und Verordnung sollte oder möchte vorge- nommen werden, an sich nuU und nichtig sein und in keine Considerar tion weder ittdidaliter nach extraiudicialiter gezogen werden solle; Ge- stalten ich dann die hohe Landes-Obrigkeit hiedurch geziemend imphrire, dergleichen von meinen Erben und sabstituirten über kurz oder lang etwa zu unternehmende Veräusserung, Zerstück-, Verpfänd- und Be- schwerungen, traiisacfionen oder aUe dergleichen Handlungen, so im

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geringsten zum Nachtheil dieser Iminobil' Güter gereichen könnten oder möchten, sofort absque idlo strepitu iudicü für null und nichtig zu er- klären, anbey dergleichen actus per tnandata poenalm sofort ernstlich zu iwAifriren."

Im Vin. Abschnitt wird dann bestimmt, dass derjenige seiner Erben, welcher solche Acte vornehmen sollte, wodurch die Güter geschwächt würden, für sich und seine Descendenten aller Hechte an den Gütern verlustig sein und der nächtälteste die Güter in Besitz nehmen sollte.

c. Adam Levin d. J. von Witzleben, seine Brüder

nnd Agnes Gräfin zn Stolberg,

1721 1792.

Von Christoph Burchards von Witzleben Söhnen hatte nur der älteste, Adam Levin d. J., dauernde Nachkonmienschaft. Der zweite, Ernst August, am 6. Nov. 1722 geboren, starb unvermählt als Königl. Däni- scher Major. Der dritte, Kurt Veit, am 30. Oct. 1725 geboren, seit dem 12. Aug. 1750 Premierlieutenant im Oldenburgischen Regiment, seit dem 14. Mai 1760 Capitain und seit dem 21. Sept. 1763 wirklicher Capitain, hatte zwar von seiner Gemahlin AnnaCatharina, des Glene- raUieutenants von Schinckel Tochter, die er im Frühjahr 1764 gehei- rathet hatte (der Consens zu dieser Vermählung wurde am 5. Apr. d. J. ertheilt), 4 Kinder (s. Tab. I. 15.), wurde aber von keinem derselben überlebt; er selbst starb um das Jahr 1778, nachdem er seit dem 1. Juli 1774 dimittirt war. Der vierte Sohn, Christian Friedrich von Witzleben, am 24. Aug. 1731 in Oldenburg geboren, wurde am 5. Sept. 1747 Dänischer Cadet, aber schon am 12. Aug. 1751 auf sein Gesuch als Fähnrich dimittirt. Er trat jedoch bald wieder ein, avancirte am 17. Oct. 1759 zum Capitain und Chef der 7. Comp, des Oldenbur- gischen geworbenen Eegiments, am 4. Sept. 1765 zum Chef der 1. Gre- nadier-Compagnie, am 4. Sept. 1772 zum Second-Major, 4. Juli 1781 zum Premier-Major beim Eegiment, am 3. Dec. 1783 zum Oberstlieute- nant der Infanterie, ward am 13. Apr. 1787 dimittirt und ging am 5. Dez. 1792 zur grossen Armee.

Adam Levin d. J. von Witzleben, am 17. Juni 1721 geboren, wurde am 30. Apr. 1743 zimi Lieutenannt beim Schleswigschen gewor-

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benen Regiment ernannt. Durch den Tod seines Oheims, 30. Oct. 1745, Besitzer von Hude und Elmeloh geworden, verliess er den Militärdienst und trat in den Stand der heiligen Ehe am 31. Mai 1748 zu Berlin mit Karoline vonSobbe, der 1727 geborenen jüngsten Tochter des Königl, Preuss. Geheimen Eaths Friedrich Christian von Sobbe (n. 1678, f 21- Aug. 1743) und der mit diesem im Jahre 1710 vermählten Katharina Elisa- beth Gregori. Als Adam Levin, der nicht minder als sein Vater und seine Brüder leichtlebigen Sinnes war, die junge, höchst liebenswürdige Frau seiner Mutter zuführte, soll diese entzückt gerufen haben: „Adam, von welchem Altar hast du diese Heilige geraubt?" 5 Söhne und 6 Töch- ter gingen aus dieser Ehe hervor; sie verwaisten aber früh, denn Adam Levin starb, erst 45 Jahre alt, am 8. Juli 1766 zu Hude, seine Wittwe ebendaselbst am 4. Juli 1774, 47 Jahre alt; beide sind im Erbbegräb- niss an der Kirche zu Ganderkesee beigesetzt. Die Söhne waren Chris- toph Ernst, Eochus Friedrich Otto, Christoph Henning, Christoph Burchard Beiniger und Albrecht Friedrich Karl von Witzleben, von denen unter d, e, f, g und h die Bede sein wird. In Bezug auf die Töchter wüssten wir, mit Ausnahme von einer, der Stammtafel nichts hinzuzufiigen. Diese eine,

Henriette Eleonore Agnes von Witzleben, war am 9. October 1761 zu Hude geboren und am 19. dess. M. von der Frau Landdrostin Luise Henriette von Gamm aus Delmenhorst, den Fräu- lein Eleonore Marie und Judith Agnes von Witzleben aus Elmeloh, Con- ventualinnen des Klosters Wemmetoft (ihren Tanten), dem Fräulein von der Loe aus Delmenhorst und den Hauptleuten von Stutenkorn und von Stadtlander, beide ebenfalls aus Delmenhorst, aus der Taufe gehoben worden. In ihrem sechsten Jahre, am 13. April 1767, ward sie als Stiftsjöräulein im Kloster Wemmetoft eingeschrieben. Im übrigen wuchs sie in der romantischen Waldeinsamkeit von Hude in zahlreichem, glück- lichem Familienkreise heran. Als der Tod ihrer Mutter 1774 diesen Kreis zerstörte, nahm ihre Pathe Eleonore Marie von Witzleben, welche Oberhofineisterin der Herzogin von Holstein-Oldenburg war, sie zu sich nach Eutin, wo sie dann, noch sehr jung, Hofiräulein der Herzogin wurde. Hier lernte sie der Dichter Friedrich Leopold Graf zu Stolberg- Stolberg kennen, welcher (am 7. Nov. 1750 zu Bramstedt geboren, seit dem 17. Aug. 1776 vom Fürstbischof zu Lübeck und Herzog von Hol- stein-Oldenburg, Friedrich August, zum Oberschenk und seit dem 26.

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dess. M. zum Gesandten und Bevollmächtigten Minister am Königl. Däni- schen Hofe ernannt*)) sich oftmals, namentlich im Sommer und Herbst des Jahres 1781, iu Eutin aufhielt. Dieser schrieb d. d. Eutin, den 2. September 1781, seiner Schwester Katharina (Käthchen genannt, Stifks- dame zu Walloe, n. 1751): „Und mm bist Du neugierig, viel von hier zu hören. Die kleine Witzleben war im Anfang sehr, und den ganzen Tag etwas embarassirt, blöde, beinahe scheu, aber doch, wenn sie nicht Augen fürchtete, sehr freundlich und gut". Von der „kleinen Witzleben", wie Stolberg sie hier nennt, ist von nun an in seinen Briefen oft die Eede. Am 20. October sagte Agnes von Witzleben noch zu Stolberg: „Was ich wünsche, das hoffe ich auch; aber ich kann Ihnen nicht mehr sagen, noch nicht." Bald aber muss das entscheidende Wort gefallen sein und die Verlobung stattgefunden haben, denn in einem Briefe Stol- bergs an Kätchen, Eutin den 11. Nov. 1781, heisst es: „Lass Dir von meinem Bruder erzählen, mit welchem Schlaftnütze- Phlegma Clauswitz (sein einstiger Hofineister) erftihr, dass ich eine Braut habe."

Um diese Zeit ward Stolberg als Gesandter in Kopenhagen auf sein Nachsuchen abberufen und trat „als würklich dienstleistender Oberschenk" in Function.**) In Bezug auf seine Braut schrieb er, Eutin den 23. De- zember, seiner Schwägerin Luise (geb. Gräfin von Eeventlow, seines Bru- ders Christian Grafen zu Stolberg Gemahlin) : „Ich wünschte nun nichts mehr, als meinen Bruder nach Tremsbüttel (dessen Gut, bei Bargteheide im Kreise Stormarn) begleiten und die kleine Witzleben, die ihm, unter uns gesagt, sehr gefäUt, mitbringen zu können. Aber das ist nun beides nicht möglichi

Heute habe ich dem Herzog und der Herzogin mein Vorhaben ge- meldet. Und damit ist es denn hier Hof- und Stadt-kündig geworden, und in weniger als einer Stunde kann es landkündig werden, dass der oberste Schenk heute an seine Sünde gedacht und sich dem Joche, aus welchem nur Freund Hain ausspannt, unterworfen hat.

Mich verlangt herzlich, sie mit Dir und unsem Schwestern bekannt

*) J. H. Hennes, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Herzog Peter Frie- drich Ludwig von Oldenburg. Mainz. 1870. S. 22. Diesem Werk sind die im weiteren Verlauf folgenden Briefauszüge entnommen.

**) „Derselbe**, heisst es in der Bestallung vom 21. Nov. 1781. „soll in Zukunft in solcher Qualität, bei etwaniger Abwesenheit und in Behinderungsfällen unseres p. t. Hofmärschalls, die Honneurs bei Hofe machen, als Chef der Hofhaltung betrachtet werden und die damit verknüpften Functionen zu verrichten haben*'. Hennes, S. 150.

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zu machen. Es ist ein süsses Mädchen; so sehr Natur, dass die meisten Männer sie würden bilden wollen. Ich aber ehre und liebe die Spuren meines Gottes im Walde, im Strom und im Mädchen; und werde da keine Schneiderscheeren ansetzen, um Hecken zu schneiteln, wo der freundliche Busch mir Schatten und Kühlung und Nachtigallentöne anbietet."

Der erste uns bekannt» gewordene Brief von Agnes von Witzleben ist der folgende an ihren zukünftigen Schwager, den Grafen Christian zu Stollberg, gerichtete:

„Mein geliebter Bruder! Erlauben Sie es mir, dass ich gleich Ge- brauch von dem Eecht mache, das mir die Liebe meines Stolberg er- worben hat. Sie Bruder nennen zu dürfen, macht eine meiner grössten Glückseligkeiten aus. Darum wundem sie sich nicht, dass ich dieses Glück sogleich gemessen will, indem ich Ihnen den süssen Namen gebe.

Ein innig gerührtes Herz vermag nicht, seinen Dank zu stanuneln, vielweniger seine Empfindungen in Worte zu fassen, wovon es doch so * voll ist. Durchdrungen bis in das Innerste von Ihrer mir in Allem zu- vorkommenden Güte, weiss ich auch nicht Sie von demjenigen genugsam zu überzeugen, was meine ganze Seele einnimmt. Nehmen Sie mein Herz voll der zärtlichsten Schwesterliebe hin! etc. Wie unaussprechlich glücklich machen Sie mich, wenn Sie mir sagen, dass ich meinen Stol- berg glücklich machen werde. Gott kann in dem Augenblick kein fröh- licher Geschöpf auf der Welt sehen, als ich dann bin, wenn dieser Ge- danke mir die ganze, ganze Seele einnimmt. Denn dass Sie es sagen, muss mir mehr werth sein, als wenn die halbe Welt davon überzeugt wäre etc. Wie imendlich viel Süsses enthält Ihr freundschaftlicher Brief, für mein liebendes Herz! Sie sagen mir, dass Sie mich schon lieben, und versprechen mir dasselbe von meiner theuem zukünftigen Schwester. Sagen Sie mir doch aufrichtig: muss ich nicht stolz werden? Gewiss, ich könnte mich vor dieser Neigung nicht retten, sagte mir nicht mein eigenes Herz zu laut, dass ich es nicht verdiene; freiKch ein kräftig niederschlagendes Mittel! Welches doch aber am Ende wohl nicht sehr wirksam bleiben möchte, wenn Sie fortfahren, mir immer so zu schmeicheln,

Glauben Sie ja nicht, dass meine Sehnsucht, Sie in Tremsbüttel zu umarmen, geringer sei als die Ihrige. Vielmehr kann ich das Gegen- theil behaupten, da ich nicht aUein einen Bruder dort finden würde, sondern zugleich die Bekanntschaft einer geliebten Schwester dort machen

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könnte etc. Stellen Sie sich, mein bester Bruder, die traurigen Stunden, Tage und Wochen vor, die ich jetzt zu verleben habe. Stolberg will mich verlassen! Ich fühle, dass es ungerecht ist, mich darüber zu be- klagen, da er zu Ihnen und zu seiner geliebten Schwester geht. Allein ich kann es meinem Herzen nicht wehren, das ihn um sich zu wissen schon zu sehr gewöhnt ist, als dass es sich des Trauerns über seine lange Abwesenheit enthalten könnte etc. Eutin, den 30. Dez. 1781.«

Ein ürtheil über Agnes finden wir wieder in einem Briefe Friedrich Leopolds an Kätchen, Eutin, den 3. Februar 1782: „An Agnes rührt mich immer mehr die Taubeneinfalt, der Kindessinn."

Näher und näher kam der Tag der Hochzeit. Anschaffungen wurden gemacht, Stolbergs Wohnung eingerichtet. Sorglos, freudig sah die Braut dem allen entgegen, wovon ihre heiteren Briefe Zeugniss geben, z. B.: Agnes von Witzleben an Luise Gräfin zu Stolberg.

„Meine beste Luise! Zürne nicht zu sehr, meine beste Schwester, dass ich Dir so lange nicht geschrieben habe. Hätte ich Dir so oft schreiben können, wie meine Seele Dich in Gedanken umschwebt, so würdest Du schon unzählige Briefe von mir haben. Es ging mir unend- lich nahe, dass ich Dir nicht zugleich mit Fritz schreiben konnte; und mir däuchte, es vermehrte meine Schmerzen, wenn ich dran dachte, dass die liebende Seele meiner geliebten Luise auch nach einem Brief von mir suchen würde und dann keinen fände. Ich habe viel an Verkältung gelitten. Stolberg meint, ich habe seinen Rheumatism geerbt; könnte ich damit ihm seinen auf immer abnelimen, so wollte ich gerne die Schmerzen leiden etc. Wie betrübt war es doch, dass Du hier nicht durchkamst. Noch habe ich niemand von unsren Lieben wieder gesehen, seit ich aus Borstel bin, nicht mal Deinen Mann, von dem ich doch hoffte, dass er bald herkommen würde. Stolberg und ich hatten ein süsses Project ersonnen; er sollte auf ein paar Tage nach Borstel und ich wollte ihn begleiten, ohne dass sie dort etwas davon wüssten. Aber die angenehmen Menschen, die so viel von Modestie, Decenz und äus- serm Schein reden und dafür so wenig wissen, was das eigentlich ist, machten uns auch hier einen Querstrich, dass ich meinen Stolberg musste allein reisen lassen und dem süssen Vergnügen entsagen, Puletchen*)

*) Stolbergs Schwester Henriette, vermählte Gräfin Bernstorif.

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noch vor ihrer Abreise zu umarmen. Ich war herzlich betrübt darüber und bin nun so unsittsam, zu wünschen, dass unsere Hochzeit bald vorbei sein möge, um mit Stolberg eine Tagreise zu machen, ohne den gewissenhaften Menschen ein Aergemiss zu geben etc.

Eutin, den 31. Mai 82.«

Agnes an Eätchen:

Dinstag, als den 11. d., soll unsere Hochzeit sein. Jetzt

wünsch' ich mehr wie jemals, dass es in Borstel oder Tremsbüttel hätte sein können; denn je näher ich dem Tage komme, je mehr sind mir die Hof- Alfanzereien eklig und widerstehend. Ihr werdet den Tag gewiss Alle viel bei uns sein. Schade dass es nur in Gedanken sein kann! Es ist doch sehr traurig, so nach Menschensatzungen durchs Leben zu steigen. Nun, hoffe ich, endlich können wir doch, so oft wir woUen, bei einander sein, ohne uns noch Andere zu geniren. Gleich nach der Hoch- zeit hoffe ich Euch Alle zu sehen. Du wirst doch Dein Versprechen halten und fleissig zu uns konunen. Du sollst Dich hier trefOich amü- siren; wir haben schon delidöse Stellen in Wald und Feld für Dich aus- gesucht, wo wir Dich hinbringen wollen. Und um in Fritz seiner kleinen Chaise zusanmien fahren zu können, lasse ich mir von ihm das Selbst- fahren lehren. Gustchen*) kann Dir sagen, wie weit ich das erste Mal gefahren bin. Stolberg wird dann inuner zu Pferde bei dem Wagen bleiben; so haben wir beide nichts zu furchten, etc.

Eutin, den 3. Juni 82."

Also am 11. Juni 1782 fand auf dem fürstbischöflichen Schlosse zu Eutin die Trauung statt. Johann Heinrich Voss, der in demselben Jahre durch Stolbergs Verwendung die Rectorstelle zu Ottemdorf im Lande Hadeln mit der zu Eutin vertauschte, sang zur Feier jenes Tages die liebliche Elegie das Brautfest**), worin er das junge Paar also zeichnet:

»Aber im glanzenden Saale der Feiernden schaae die Jungfrau, Chariten gleich, Stolbergs blühende Braut, ihm gesellt:

Agnes, Hirtin der Flur und in fürstlicher Halle bewundert.

Schlank wie die Maie des Thals, frisch wie die Rosen am Quell.

Frühlingsheitere strahlet im Aug\ ihr freundlicher Blick ist Sonnenschein, ihr Laut süsser denn Nachtigallton.

*) Stolbergs Schwester Auguste, bekannt durch Goethe's Briefe, n. 1753, seit 1783 mit ihrem Schwager, dem Grafen von Bemstorff vermählt.

♦♦) Sämmtliche Gedichte von Johann Heinrich Voss. Königsberg, 1825. XU. S. 19.

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TreflTlichkoit hüllt sie und Ernst mit jugendlich spielender Einfalt;

ünschuldsvoU wie ein Kind redet sie Geist und Gefühl. Starr, in betäubender Fülle der Seligkeit, steht mein Stolberg;

Ganz ein unsterblicher schon heftet er Augen und Herz, Ungestört von der Freunde, der Freundinnen und der Geschwister

Lachendem Spott, nur auf Sie, ach! auf die Einzige hin."

Einige Tage nach der Hochzeit fährte Stolberg seine junge Frau den Verwandten und Bekannten in Tremsbüttel, Ahrensburg, Wandsbeck und Hamburg zu. Agnes berichtet darüber der Gräfin Luise Stolberg am 22. Juni von Hamburg aus:

„Unendlichen Dank, beste Luise, für Deinen holdseligen Bfief, wo- mit Du mir gestern eine unaussprechliche Freude machtest. 0 wie freue ich mich, in Dir eine Schwester zu haben, nun eine wirkliche Schwester! Nun sinds schon elf Tage, dass ich mit meinem Stolberg verbunden bin. Becht in der Flitterwoche lebe ich und kann mir gar nicht vorstellen, dass es nicht inmaer so bleiben sollte. Drei Tage nach unserer Hoch- zeit verreiseten wir schon. Dein Mann brachte uns erst nach dem lieben Tremsbüttel, wo mir unaussprechlich wohl war, ausser dass Du Süsse mir allenthalben fehltest. Da blieben wir die Nacht, gingen noch spät im Mondenschein an dem schönen Bach spazieren, und den andern Mor- gen um zwölf Uhr segelten wir ab nach Ahrensburg, wo ich so glücklich war, in Braun - Julchen eine schöne sanfte frohe Seele zu entdecken. Braun- Julchen ist allerliebst; ich liebe sie schon herzlich; ich wollte sie auch lieben, weil meine beste Luise so viel Gutes von ihr sagt. Auch Beventlow liebe ich. Ich freue mich mehr, wie ich sagen kann, die bei- den Herzen zu kennen, zwei Herzen mehr zu kennen, die werth sind, geliebt zu sein. Wir blieben da bis Donnerstag und kamen durch Wandsbeck, wo ich den lieben Claudius und Frau Bebecka kennen lernte. Alles Leute, denen mein Herz gleich entgegenhüpft, wo es sich nicht hinleiten lässt. Hier fanden wir den Bardensänger Clovestoque. Himmel und Erde! Mir däucht, ich bin nicht auf Erden, wenn ich an seiner Seite gehe, sondern schwebe schon den Seelenflug in himmlischen Lüften; Auch Windeme kenne ich nun; ihre himmlische Leier soll mir noch heute tönen; schon gestern stimmte sie an. Dinstag gehen wir hier weg und über Lübeck nach Eutin, etc.

Hamburg, den 22. Juni 1782."

Nachdem beide am 27. Juni nach Eutin zurückgekehrt waren, folgten sie am 10. Juli dem herzoglichen Hofe nach Oldenburg und hatten so

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Gelegenheit, anch die Witzlebenschen Verwandten zu begrüssen. In Hamburg verzögerte ein Unwohlsein Stolbergs die Weiterreise, worüber Agnes an Kätchen vermeldet:

^Hamburg, den 18. Juli 1782.

Mein allerliebstes Kätchen! Du wirst Dich sehr verwundem, dass ich Dir noch aus Hamburg schreibe, beste Schwester. Ach leider bin ich noch in dem verhassten Hamburg. Mein armer Mann ist krank ge- worden an einem hässlichen Flussfieber mit Kopf- und Halsweh; das hat uns so *lange hier aufgehalten. Du kannst leicht denken, wie empfind- lich es in jedem Betracht für mein Herz ist, hier zu sein. Meinen Stol- berg hier krank zu sehen, überwiegt Alles; und dann in Hamburg zu sein, der Stadt, die mir von Allen die unerträglichste ist; und so lange von den Meinigen zurückgehalten, nach denen ich mich sehne, die sich nach mir sehnen! Ach, bestes Kätchen, das ist zu viel für ein Weibchen wie Agnes; und doch höre ich die rufenden Stinunen nicht, würde sie nicht hören, wenn Vater und Mutter mich riefen. So lange ich bei meinem Stolberg, bei dem Geliebten meiner Seele bin, ist mir jeder Ort angenehm, und ich sehne mich nach niemand hier. etc. Leb' wohl.

Deine Agnes.*'

„Seit vorgestern Abend sind wir hier", schreibt endlich Stolberg an seinen Bruder, Oldenburg den 28. Juli 1782. „Unterwegs haben wir uns anderthalb Tage in Elmeloh bei unserm Schwager Linstow, vier Meilen von hier, aufgehalten. Da fanden wir, eine ausgenonamen, die bei einer Tante in Apenrade ist, alle Schwestern von Agnes und drei von ihren Brüdern, von denen ich zwei noch nicht kannte. Du kannst Dir Agnes Freude vorstellen. 0 qui complexus et gatidia quanta fuere! Unter diesen Geschwistern geföUt mir die Linstow am besten. Es ist ein liebes sanftes Weibchen, das einen edlen Anstand, hübsches Gesicht und schönen Wuchs hat. Unter ihren Kindern ist ein vierjähriges Mädel, welches meiner Frau frappant ähnlich ist." Im August und September waren beide wiederholt in Hude, auch nochmals in Elmeloh und kehrten mit Ausgang Septembers nach Eutin zurück. Und hier verlebten sie nun mit Voss und dessen Gattin Emestine (geb. Boie) „die goldnen Agnes- tage, da noch ein Pfannkuchen mit Lauch etwas bedeutete, da noch neben Scherzen ein Schwank sich ausnahm und die beiden Homeriker in Ge-

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Seilschaft der Frauen homerischen Kykeon*) mischten, Stolberg in buch- stäblicher Nachahmung, Voss freier und geniessbarer." Dass die Gegen- sätze zwischen Voss und Stolberg damals noch wenig zum Vorschein kamen, war wohl hauptsächlich das Verdienst ihrer beiden vortrefllichen Frauen, namentlich der geist- und gemüthreichen b'ebenswürdigen Agnes.

Mit Beginn des Jahres 1 783 hatte sich Stolberg die Aussicht eröfifeet, seine Stellung bei Hofe mit der StiUe des Landlebens, die soviel Reiz für ihn hatte, zu vertauschen, nämlich als Landvogt**) nach Neuenburg (in der Grafschaft Oldenburg) zu kommen. Die Verhandlungen darüber waren im Frühjahr dem Abschluss nahe, und er durfte darauf denken, in Eutin Urlaub zu nehmen. Im Juni verliess er mit Agnes Eutin, be- suchte zunächst die Bemstorffschen Verwandten in Borstel und fuhr von dort am 24. nach Tremsbüttel, wo Agnes am 30. Juli, Nachmittags Y^ö Uhr, von einem Knaben entbunden wurde, der die Namen Christian Ernst erhielt.***) Stolbergs Bestallung als Landvogt zu Neuenburg war inzwischen am 1. Juli 1783 in der Residenz Eutin ausgefertigt worden. Freie Wohnung in dem herrschaftlichen Hause zu Neuenburg nebst Nutzung des Gartens und des Torfinoors zur Feuerung, 1500 Rthlr. jährlich Gehalt und 64 Thaler jährlich anstatt des Holzdeputats waren die Emolumente dieser Stellung, die Stolberg indess sobald noch nicht antrat. Auf sein Gesuch erhielt er die Erlaubniss, den Winter in Trems- büttel zu bleiben, und begab sich Ende August nur auf einige Tage nach Oldenburg und Neuenburg, um sich über die äusseren Verhältnisse zu Orientiren.

Zum Geburtsfest des Herzogs, 20. September, erschienen er und Agnes wieder einmal in Eutin. Das Haus, welches er hier besass, ver-

*) Ein Trank oder Gemisch, dessen Grundlage Gerstenmebl war, entweder mit Wasser oder Wein oder Milch eingerührt, woza man noch bald Honig, bald Käse, bald Salz, bald Krauter and Bhimen that wodurch es bald dick, bald dünn wie Trank und bald zum Starken, Erfrischen, Nähren gemacht wurde. H. Pröhle, J. H. Voss als Gelehrter und Streitschriftsteller. Sonntags-Beilage No. l. zur Vossischen Zeitung vom 7. Januar 1877.

**) Nicht Landdrost, wie in H. Wagener's Staats- und Gesellschafts-Lex. Band 20. S. 44 steht. *

***) Derselbe wog bei seiner Geburt 9 Pfund, wurde schon in jungen Jahren Dom- herr zu Lübeck, 1800 katholisch, ging in österreichische Dienste und starb als k. k. Feldmarschall-Lieutenant am 22. Mai 1846. Er war vermählt seit dem 24. Nov. 1818 mit Marie Josephine Gräfin von Gallenberg (Wittwe des letzten, 1813 gestorbenen, Grafen von Plettenburg-Wittem), n. 10. Mai 1784, t 19. März 1839 in Troppau.

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kaufte er Anfangs November an den Herzog, der es zur Wohnung der Directoren des GjTnnasiums bestinunte. Voss bezog es als solcher zuerst und dichtete hier im nächsten Jahre die folgende Elegie,*) welche uns ein Bild davon giebt, wie innig seiner Zeit der Verkehr zwischen dem Stolberg'schen und Voss'schen Ehepaare gewesen war.

An Agnes. Ob wu" dein noch gedenken, du Freundliche? Ja, es umschwebet

Deine süsse Gestalt, ach, der entfernten! uns stets: Hier und dort, wo wir gehn, in der blauen StuV und der gelben,

Wo dein Eanape stand, wo du im Sofa geruht; Im Schlafkämmerchen auch, dem deinigen, wo wir bei Mondlicht

Blühender Rosen uns frexm, die wir ins Fenster gebeugt; Zwischen dem Erokusbeet und dem Birnbaum, wo an des Abschieds

Frühmahl uns des Aprils wärmende Sonne beschien; Auch in der kundigen Laube, wovor Schneerosen und Erdbeern

Sammt Maihhen stolz prangen, wie dich zu erfreun. Wo wir zu Lind' und Liguster, dem Abschiedsworte gehorsam,

Geissblattranken, ein Bild engeres Bundes, gefügt; Auch auf der schattigen Bank, die vom Agneswerder urah erschaut,

(So wird künftig des Sees trauliches Ufer genannt,) Wo du fröhlich mit uns in der Sommerschwüle den Seewind

Athmetest, unter des Eohrsperlinges hellem Gesang, Oder die schwebende Meew' und des Fischleins Spiele belauschtest.

Das aus Moosen hervor sonnige Flache durchglitt, Doch, wie es perlete, schnell vor der Mümmelchenblätter Beschattung

Stutzte, da weit in den See kräuselnder Wind sie erhob; Auch an dem lieblichen Ort der Erinnerung, wo du zuletzt noch .

Sahst in Gedanken mit mir abendlich glühen den See, Lächelnd riefst: „0 wie schön! Vergesst nicht meiner, ihr Lieben!"

Und an des Freundes Brust schluchzend das Antlitz verbargst. Was dein freundlicher Blick anlächelte, alles und jedes

Ward wie ein Brautgeschenk, ward wie geheiliget uns, Oftmals sinnen wir beide vertieft und erzählen von neuem,

Was du des Guten gesagt, was du des Holden gethan. 0 dann sehen auch wir mit kindUcher Seele nur Schönes,

Lieben das werdende Blatt, lieben das Würmchen am Halm. Wallete jüngst dein Herz von sehnsuchtsvoller Empfindung,

Dass dir heller der Tag schimmerte, grüner die Flur? Einsam feierten wir dein, ach! der entfernten, Gedächtniss,

Liebliche, deren Gestalt uns wie ein Engel umschwebt! Dort am buschigen Ufer des sanft umhügelten Feldsees

Gingen wir froh, doch sann frohere Gänge das Herz, Und wir sahn stillheiter, wie Earst und Schaufel den Basen

Ebnete, künftig das Grab deiner Bewohner, Eutin f

*) Voss, Gedichte, lU. p. 37.

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Wo mit dem schlummernden Sohne wir einst, nach vollendeter Arbeit,

Ansmhn, wieder vereint, an dem Geräusche des Sees. So, im Gfesprache yon Tod und Trennungen, irrten wir abwärts;

Blaue Vergissmeinnicht pflückten wir unten am Bord, Wandelten heim und reihten in irdener Schale die Biümlein:

Bald, von der Quelle gefrischt, hob sich der bläuliche Kranz. Wir nun trugen den Kranz vor dein jungfräuliches Bildniss

Oben im Saal, und das Bild lächelte, schien es, herab. Lange betrachteten wirs voll inniger Lieb' und Wehmath,

Und mit bräutlichem Kuss hielten wir lang' uns umarmt. Ob wir dein noch gedenken, du Freundliche? Strafe das schalkhaft

Lächelnde Wort, o Gemahl, straf ihr mit Küssen den Mund, Wie wenn sie, schöner von Freud\ hinblickt auf den muthigen Säugling,

Der, mit dem Busentuch spielend, in Schlummer sich lallt. Und dann mütterlichstolz, voll unaussprechlicher Anrouth

Seitwärts schielend, dich fragt: « Trautester, hast du mich lieb?**

Im Mai 1784 begaben sich Stolberg und Agnes, nachdem sie im Februar und März die Verwandten in Dreilützow und Borstel besucht hatten, mit dem Grafen Christian und dessen Gemahlin über den Harz (Blankenburg, Wernigerode und Stolberg) und Weimar nach Karlsbad. Aus Weimar schrieb Friedrich Leopold am 28. Mai seiner Schwester Kätchen: „Gestern Abend sahen wir, nämlich mein Bruder und ich, den lieben Goethe wieder. Seine itzige Situation scheint ihm zu passen wie ein enges Kleid, und wie könnte sie anders. Kann auch ein Riese eine Uniform tragen, die für einen mittelgrossen Menschen gemacht ist? Er war sehr gerührt und herzlich; diesen Mittag sehen wir ihn wieder, und auch Herder. Goethe hat uns schon den Morgen besucht und die Weib- lein gesehen. Diesen Abend sind wir bei Goethe in seinem

Landhause." Und d. d. Karlsbad, den 11. Juni 1784: „In Weimar ward uns von Herzen wohl. Goethe war ganz der alte geist*- und liebe- volle Goethe und fohlte sich um neun Jahre verjüngt. Er ist zwar noch nicht alt, just zwischen meinem Bruder und mir, aber acht Jahj% fataler Geschäfte sind doch keine kleine Zeit." Auf diesen Besuch gründete Goethe sein ürtheil über Agnes, auf welches wir später zurückkonunen.

Am 17. Juli verHessen die Stolbergschen Paare Karlsbad, um sich nach Teplitz zu begeben. Von hier reisten sie um die Mitte des August nach Dresden und von da endlich im September wieder nach Holstein. Friedrich Leopold ging aber noch immer nicht nach Neuenburg, bat vielmehr abermals um einen langem Urlaub und begab sich im November mit Kind und Kegel, einer Einladung seiner Schwester Auguste Gräfin

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Bernstorflf folgend, nach Kopenhagen. Hier und in dem benachbarten BernstorflF blieb die Familie bis in den Sommer 1785. Am Mittwoch, den 4. Mai 1785, früh 7^2 Uhr, schenkte Agnes im Bemstorflfschen Hause zu Kopenhagen einer Tochter das Leben, welche am Nachmittage des 10. Mai Maria Karoüne Agnes getauft wurde.*)

Als am 6. Juli 1785 der Herzog von Oldenburg und Fürstbischof von Lübeck, Friedrich August, gestorben und, während der Name eines Herzogs von Oldenburg auf dessen schwachsinnigen Sohn, Peter Friedrich Wilhelm (f 2. Juli 1823), überging, der bisherige Coadjutor, Prinz Peter Friedrich Ludwig von Holstein -Gottorp, regierender Administrator des Herzogthums Oldenburg imd Fürstbischof von Lübeck geworden war, hielt es Stolberg endlich an der Zeit, sich auf seinen ihm vor vollen zwei Jahren übertragenen Posten zu begeben. Am 30. Juli stieg er mit Frau und Kindern in Kiel ans Land und nach drei Wochen, am 20. Au- gust, war er schon bis Bremen gekommen. Wenige Tage später finden wir die ganze Familie in Neuenburg aber auf wie lange? Agnes schreibt an Christian und Luise Stolberg:

„Neuenburg, den 25. August 1785.

Nun sind wir denn hier! Mit welcher Eührung ich ins Haus trat, kann ich nicht ausdrücken. Noch ist mir das Herz schwer und voll; der Gedanke, dass nun ein jeder von uns so für sich und getrennt lebt, die wir inmier einmüthiglich bei einander sein sollten, fäUt meine Seele mit Wolken der Wehmuth. 0 dass Neuenburg in Holstein läge! Das habe ich gestern und heute beständig gedacht. Wenn uns die Sehnsucht zu Euch nicht immer erfüllte, die uns ewig nicht verlassen wird, könn- ten wir hier recht vergnügt sein. Das Haus und die Gegend sind hüb- scher, wie wir uns vorstellten; obgleich wir von der Gegend noch nicht viel sagen können, denn heute und gestern haben wir walire Regengüsse gehabt. Es sieht Alles entsetzlich wild aus; ich hoflfe aber, wenn wir unsre Gärtner erst haben (nämlich August und Jannecke, die noch nicht mit den Sachen hier sind), soll es recht hübsch werden. Gross scheint

*) Sie wog 8 Pfund. Nach dem Tode der Mutter ward sie. einem Wunsche der Verstorbenen gemäss, Marie -Agnes genannt (von Stolberg in Briefen auch Mariagnes geschrieben). Sie war das einzige von sämratlichen Kindern Stolbergs, welches evan- gelisch blieb, vermählte sich am 25. Mai 1802 in Wernigerode mit dem Grafen Ferdi- nand zu Stolberg- Wernigerode auf Peterswaldau und Neudorf in Schlesien, K. Preuss. Wirkl. Geh. R. (n. 18. Oct. 1775. t 20. Mai 1854) und starb den 16. Oct. 1848.

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der Garten nicht zu sein, aber zu einem kleinen Bosquet wird er doch ziemlich Baum haben. Das Wasser, schöner und breiter noch wie es Manne beschrieb, fliesst um den Garten und man geht beständig daran in einem schönen Gang von allerlei Bäumen und Gesträuchen. An beiden Ecken des Gartens ist ein Hügel, mit einer sehr grossen Linde der eine, und der andere mit Buchen und Eschen, die denn kleiner sind. Am Linden-Hügel schlingt sich das Wasser so schön herum, dass es eine allerliebste Stelle ausmacht. Es sind sehr hübsche Bäume sonst noch im Garten, die im kleinen Bosquet hübsch sein werden. Wir werden viele schöne Sachen aus Bastede kriegen, wo Alles vortreiBich wächst, viel besser wie in Holstein und Dänemark. Die Weide scheint auch hübsch zu sein, ich habe aber noch nicht hineinkommen können. Wir haben schon vier schöne Kühe; eine blau bunte, die Isis heissen soll, habe ich in der Feme gesehen. Morgen wird das Wetter ja wohl so gut werden , dass ich auch' die übrigen sehen kann. Jede schöne Kuh, die ich sehe, wünsche ich nach TremsbütteL 0 das süsse Tremsbüttel!

Den 26. Morgens. In welcher unglücklichen Sicherheit habe ich diese Tage gelebt, mein Gott, ohne zu wissen, welch Unglück über mir schwebte! 0 wie soll ichs aussprechen? 0 Gott, drei Monate! Lieb- ster bester Bruder, ach weine laut mit mir, ich kann vor Schmerz keine Worte finden, in heissen Thränen schwimmend schreib ich Dir. Mein zweiter Stolberg, tröste mich. Du einziger Bruder meines Geliebten! Ach dass Ihr doch in Tremsbüttel geblieben wäret; so käme ich mit unsern Kindern zu Euch oder Ihr zu mir." So strömt die Klage noch weit dahin, der erschreckte Leser wird aber längst gefragt haben: „Ei Sapperment! Was ist denn nur geschehen?" Nun Stolberg sollte als Gesandter nach Petersburg gehen, um in feierlicher Weise des Her- zogs Friedrich August Ableben und den Eegierungsantritt des Herzogs Peter Friedrich Ludwig anzuzeigen.

Es wurde also wieder aufgepackt und Stolberg und Agnes verliessen Neuenburg am 7. September. In Oldenburg empfing er am 9. seine Instruction, am 10. die Creditive und am 22., morgens, trennte er sich in Wandsbeck von Agnes. Diese ging betrübt zunächst nach Ahrens- burg zur alten Gräfin Schimmelmamm, er über Berlin, Königsberg und Mitau nach Petersburg, wo er am Nachmittage des 20. October eintraf.

Am 12. November begab sich Agnes nach Eutin, um einige Zeit bei der Herzogin Friederike, die am 80. Oct. von einem todten Knaben

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entbunden war, zuzubringen und „das Gewölk, das die Langeweile über die anne Klausnerin ausbreitet", zu aerstreuen. „Die arme kleine Frau hegt die lebhaftesten Wünsche um die baldige Bückkehr ihres lieben Gemahls", muss sich aber voriäufig mit folgender Epistel*) desselben

trösten :

An Agnes.

St. Petersburg, den 13. November 1785. Drei hundert lange Meilen weit von Dir Seh ich am Himmel schon zum zweiten Mal Des Mondes Silberkahn im stillen Aether So laugsam, ach so langsam schwimmen; starr Seh' ich ihm nach, ihm, der so oft mein Herz Mit Wonne füllte, wenn sein milder Strahl Durch rege Buchen auf die Quelle fiel, Wo Agnes oder Philomele sang. Dann stand ich selig, wie ein Hinmilischer^ Und lauschte bald der kleinen Sängerin, Bald meiner Sängerin! sah bald den Mond Am Himmel, bald den schonen blauen Strahl Dich leise küssen auf den Rosenmund, Den ich nur küssen will! Im Eifer sprang Ich auf, und eh' ich seinen feuchten Strahl Und dir des Liedes Tön' entküsste, sah Ich schöner als am Himmel noch sein Bild In deinen Augen, meinen Hinmieln, sank Dir dann ans Herz, es schwanden Quell und Mond Vor meinen Augen, aber Agnes blieb. 0 Liebe, Liebe! welche Wonne träufelt Ein Tropfen deines Nectars in das Herz! Und, gleich der Hebe, drückt mein junges Weib, Wenn mir ihr Odem Lebenslüfte haucht. Mir deine schönsten Trauben in den Kelch!

Nun bist du fem von mir und wendest dich Zum kleinen Mädchen, das mich schon vergass. Wenn schmeichelnd unser kleiner Bube forscht: Warum Papa nicht da und wo er sei? Er windet kosend sich um die Mama Und sieht sie weinen, klimmt auf deinen Schooss Und küsst die keuschen Brüste, die er sog. Du aber lächelst ihm mit nassem Blick Und drückst ihn fester an das beste Herz.

So seh ich dich, so folget mir dein Bild Mit Zügen, die kein Maler, selber Graff

♦) Gedichte der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Wien 1821, Th. I. S. 442.

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Nicht malt. Die Liebe, nicht die Phantasei, Malt deine Züge mir ins Herz; nur sie Begleitet mich; es blieb die Phantasei Zurück; die Muse, die mich nie verliess, Verliess mich, ach, mit deinem Abschiedskuss! In deinen Händen blieb die Leyer, spät Ward ichs gewahr, ich suchte sie und fand Sie nicht; die strenge Muse Hess mir nur Das Täflein und den Griffel, doch auch er Ist mir aus ihren Händen werth, und werth Ist dir des dürft'gen Briefes treuer Sinn. Er sagt dir, was du weissest, aber doch Noch gerne hörest: dass ich ohne dich Nicht leben könnte, wenn die weiche Brust Der Hoffnung mich mit müder Ammenmilch Nicht nährte, wenn der Hofbung Ammenlied Mich nicht in Ruhe sänge, wenn ich mich Geberde wie ein krankes Kind. So singt Die milde Trösterin: „Gedulde dich! Noch einmal füllt am Himmel sich der Mond Und schwindet zweimal noch, doch wenn er sich Zum zweiten Male füllet, führt er dich Am lichtgewebten Gängelbande heim Und lächelt Segen auch ins keusche Bett."

Um die Mitte des Monats December reiste Stolberg von Petersburg ab und traf in der Nacht vom 30. zum 31. Dez. 1785 in Königsberg und am 17 Januar 1786 in Tremsbüttel ein. Mit dem Beginn des Frühjahrs ward dann wieder die Eeise nach Neuenburg angetreten. Am 2. April gelangten Stolberg und Agnes nach Bremen, am 3. nach Elme- loh, am 4 nach Oldenburg und am 5. nach Neuenburg. Hier lebten sie nun ruhige friedliche Tage, und die wenigen Jahre, die Stolberg hier noch an der Seite seiner geliebten Agnes verbrachte, gehörten zu den glücklichsten seines Lebens. Agnes schrieb am 18. April: „Gestern hatten wir einen erquickenden Kegen, der heutige Wind aber wird, fürchte ich, seinen Segen aussaugen; es wird aber erstaunend grün und die ge- schwollenen Knospen warten nur auf einen herzerwärmenden Sonnenblick, um in voller Jugendfreudigkeit hervorzugehen. In Varel haben sie gestern die Nachtigall gehört und grünende Buchen gesehen; ich bin sehr nei- disch." Und Stolberg schildert uns ihr idyllisches Dasein in der Epistel vom 30. Juni 1786*), worin er Lavater, der sich in Bremen befand.

*) Gedichte, Th. II S. 15.

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einlud, nach Neuenburg in seine „Hütte" zu kommen,

„Wo in der Laube kühlem Wehen Nur stille Freuden sich ergehen; Wo Freiheit in der Einfalt Schooss Ein Liedchen singt, auf weichem Moos; Wo keusche LieV ihr Nestchen bauet Und sich dem Schatten anvertrauet; Wo nicht ein Störer uns erschauet, Vor welchem meiner Seele grauet!

Dort wollen wir den Bach entlang, Wo um des regen Kalmus Säuseb Sich kleine Wellen spielend kräuseln, Der bunten Sänger Morgensang Und meiner Agnes Abendsang, Der oft; mit Nachtigallen rang Und dessen seelenvoller Klang Mir tiefer in die Seele drang Als selbst der Nachtigall Gesang, Den wollen wir im Lindengang Und an des Hügels leisem Hang, Vor keinem schnöden Schwätzer bang, Mit innigem Gefühl belauschen."

Lavater kam aber nicht. Dafür erschienen im October Christian Stolberg und Luise; diese wollte Agnes bei ihrer bevorstehenden Ent- bindung zur Seite stehen. Am 6. November genas Agnes eines gesunden Söhnleins, so Andreas Otto Henning benamset wurde.*)

Im Sonmier des Jahres 1787 machten Friedrich Leopold imd Agnes mit ihrem Erstgeborenen wieder eine zweimonatliche Heise nach Holstein zimi Besuch ihrer Verwandten in Tremsbüttel, Borstel, Knoop (Bevent- low) und Emkendorf und kehrten am 10. August nach Neuenburg zu- rück, wo sie die beiden jüngsten Kinder im besten Wohlbefinden antrafen.

Am 20. Februar 1788, Morgens 7^ 6 Uhr, einige Wochen früher als man erwartet hatte, kam Agnes' zweite Tochter, Henriette Luise

*) Ging zuerst in preussische Militär -Dienste, ward aber später Hannoverscher Wirkl. Geh. Eath, Besitzer der Rittergüter Lüderode und Nienhagen in Hannover und starb am 27. März 1863. Er war drei Mal vermählt, 1.) 18. Sept. 1817 mit Philip- pine Gräfin von Brabeck, n. 12. Aug. 1796, t 21. Dez. 1821, 2.) 26. Juli 1823 mit Anna Gräfin von Hompesch, n, 25. Oct. 1802, t 4. Juni 1833, 3.) 17. Mai 1836 mit Marie Julie Gräfin von Gallenberg, n. 14. Juni 1808, und hatte aus der zweiten Ehe 7, aus der dritten 2 Töchter.

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Juliane, zur Welt*), deren Pathinnen Stolbergs Schwester Henriette Katharina (Käthchen), dessen Schwägerin Luise (Christians Gemahlin) und Julie (Juliane) Gräfin Eeventlow waren. Agnes erholte sich von dieser Entbindung nur sehr langsam. Erst im Mai war sie soweit wieder hergestellt, dass sie ihren Gemahl nach Holstein begleiten konnte; doch musste die Eeise ohne Umwege zurückgelegt werden. „Ich entsage dem heimlichen süssen Wunsch im Herzen, ü dolce nido patemo einmal wiederzusehen. Welchen Freuden entsagte ich nicht gerne um meinen Stolberg und um unser beider Gesundheit!" schreibt Agnes am 16. Mai 1788 aus Neuenburg. Ernst und Maria begleiteten die Eltern. Sonn- abend den 20. Sept. waren alle „wieder im lieben alten Neste*', wo sie die jüngsten „Nestlinge wohl und charmant" vorfanden. In Oldenburg hatte Agnes alle ihre Schwestern wiedergesehen.

In einem Briefe Stolbergs an Kätchen, Neuenburg den 28. Oct. 1788, kommt die Stelle vor: „Agnes ihr Auge ist fast ganz gut, übrigens ist sie wie ein Fisch im Wasser. So wohl hast Du sie, seitdem sie Fräulein von Witzleben war, nicht gesehen." Ebenso schreibt er am 7. November: „Wir sind AUe sehr wohl, gross und klein."

Und acht Tage später!

Stolberg an den Herzog.

„Gnädigster Herr! Es hat Gott gefallen, gestern Abend gegen 11 Uhr meine über alles von mir geliebte Frau zu sich zu nehmen. Am 7. blühte sie noch wie eine Eose, die Nacht ward sie krank, kein Mensch glaubte sie in Gefahr, der Arzt nicht, wir nicht, auch wohl sie selber nicht. Sie starb mir unter den Händen, ich meint' sie schliefe, sie war schon beim Vater ina Himmel. Er sei ewig gelobet, auch heute will ich ihn loben! Sie ist bei ihm!

Ich weiss, dass Ew. Durchlaucht Antheil an meinem Janmier neh- men. Ich bin mit der tiefsten Ehrfurcht etc.

Neuenburg, den 16. Nov. 1788."

Näheres erfahren wir aus einem Briefe des Grafen Christian Stol- berg an seine Frau vom 25. November: „Mein armer Bruder wähnte keine Gefahr und hielt für Genesungsschweiss den Schweiss des Todes.

*) Sie vermahlte sich am 5. April 1810 mit Gottlob Albrecht Karl Freiherrn von Hardenberg, n. 13. März 1776, t 28. Mai 1813, einem Bruder von Novalis, wurde nach dessen Tode Oberhofmeisterin der 1826 gestorbenen Prinzessin von Sachsen und starb über 70 Jahre alt zu Dresden.

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Er sieht sie an, freut sich ihres Schlummers, lehnt sich über sie liin, konmit ihr näher und siehet den Tod! Die ersten Stunden sollen fürchterlich gewesen sein, aber Ein Wort der Amme, einer guten jungen Bauersfrau, hat Um auf einmal zu seiner itzigen Fassung gebracht. Da sie ihn ausser sich und fast von Sinnen sähe, ergrüf sie ihn mit beiden Händen und rief ihm sehr ernst zu, „er sollte sich nicht so haben und bedenken, wer es gethan hätte." Von dem Augenblick ist sein Schmerz, so glühend er auch ist, doch nur ein sanfter fronmaer Schmerz. Ihre Krankheit soll ein hitziges Katarrhalfleber gewesen sein; Gott weiss es, er hat die Bande ihres Lebens aufgelösst und ihre reine Seele zu sich gefordert. Mein Bruder und Tinchen*) können mir nicht genug be- schreiben, wie vollkommen wohl sie in dieser letzten Zeit her gewesen sei, blühend, wie wir sie in ihrer Ehe nicht gesehen haben, inmier heiter und holdselig, aber wie mit einem heiligen Schleier der Ahnung eines nahen Todes bedeckt."

Mittwoch den 26. November war die Beerdigung.**) Zwei Tage darauf reiste Stolberg über Oldenburg nach Holstein. Er kehrte nicht wieder nach Neuenburg zurück, bat vielmehr d. d. Tremsbüttel den 5. März 1789 den Herzog um seine Entlassung, weil ihn der König von Dänemark als Gesandten nach Berlin schicken wollte. Sein Gesuch ward genehmigt und in Eutin verabschiedete er sich vom Herzog. Am 18. März, dem Tage seiner Ankunft in Eutin, schrieb er seinem Bruder: „Ich ftihr meinen einsamen Weg schnell her und in einer wohlthätigen Art von Betäubung, so dass ich zusammenftihr, als ich den Kegel von Eutin sah. Beim Hause, in welches ich sie heimführte stieg ich ab etc.***) So manche sehen mich mit sichtbarer Traurigkeit an, die in mir denjenigen sehen, der um einen allgemeingeliebten Engel trauert." Zwei Oden, die Bitte

*) Agnes' Schwester Eatharine Vicentina.

**) Ende November 1789 ward der Leichnam von Neuenburg nach Brahe-TroUe- burg, des Grafen Ludwig Reventlow Besitzung auf der Insel Fünen, überführt. Hennes, S. 411.

***) Hier fehlt offenbar eine Stelle, die sich auf den Bewohner des Hauses, Voss, bezieht, von Hennes (S. 392) aber unterdrückt und mit „etc." bezeichnet ist. Nur ein einziges Mal in dem ganzen Buche nennt Hennes den Namen Voss, nämlich S. 154, wo er von der Verwendung Stolbergs für ihn spricht und den betreffenden an den Grafen von Holmer gerichteten Brief d. d. Hamburg, den 22. Januar 1782, ab- druckt. Er sagt bei dieser Gelegenheit, dass er Voss ferner mit keiner Silbe erwähnen würde, und zwar wegen dessen späteren Benehmens gegen Stolberg. Ein sonderbarer Grund für jemand, der Beiträge zu einem Lebensbilde Stolbergs liefern will!

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und Warnung*) weinte der unglückliche der Entschlafenen nach und sang in der letztem:

„Schauet mich an! denn glücklicher war keiner!

Was ein Bettler sich träumt, ein Kaiser misshrancht, War wie schlechte fliegende Spreu bei meiner Fülle zu achten!

Denn Du warst mein, Du Süsse! mein. Du Traute! Du Holdselige, mein, mit Taubenaugen! Mein das liebevoUste der liebenvollen Weiblichen Herzen!

Vater der Liebe, den die Thräne sühnet,

Lass mich weinen, so lang mein Auge schauet! Wenn's im Tode brechend erlischt, so führe Agnes zu Dir mich!"

Aber kaum in Berlin, wo er am 19. April eingetroffen, heimisch geworden, änderte er seine Ansichten, und schon im Herbst, als er wieder in Holstein war, theilte er seinem Bruder und seiner Schwägerin mit, dass er zu einer zweiten Ehe zu schreiten entschlossen sei und zwar mit Sophie Charlotte Eleonore Gräfin von Eedem, der am 4. Nov. 1765 ge- borenen Tochter des früheren Oberhofinarschalls in Berlin, Grafen Sig- mund von Eedem auf Königsbrück in Sachsen (f 1. Juli 1789) und der Marie Johanne de HorgueUn (f 1. Januar 1788). Dem Herzog Peter Friedrich Lud^vig schrieb er am 28. Dez. 1789 von Berlin: „Euer D. gnädige Gesinnungen gegen mich sind mir zu schätzbar, als dass ich nicht mit einiger Besorgniss Ihnen einen Entschluss melden sollte, welcher Ihnen vielleicht missfallen könnte. Ich wage es, nachdem ich die Wonne meines Lebens verloren habe, eine neue Verbindung einzugehen. Das Andenken der EwiggeUebtesten kann durch nichts bei mir geschwächt werden; aber ich gestehe Ew. D., dass ich, des süssen vertraulichen Um- gangs gewohnt, welchen nur eine glückliche Ehe gewähren kann, nicht länger an Freudenlosigkeit verschmachten konnte. Meine Braut ist eine Comtesse Eedem, deren Eigenschaften des Geistes und Herzens mich ge- wiss so glücklich machen werden, als ich nach dem Tode meiner Agnes noch werden kann. Was diese mir war, kann mir keine mehr werden; ihr heiliges Andenken bleibt mir das Liebste, bis mich der Tod wieder mit ihr vereiniget."

♦) Gedichte, Th. II. S. 64 mid 67.

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Am 15. Febraar 1790, also genau 1 und V* Jahr nach Agnes Tode, fand zu Königsbrück die Hochzeit statt.

Im Frühjahr 1791 ward Stolberg zum Dänischen Gesandten in Neapel, um welche Stelle er sich beworben hatte, ernannt, trat diesen Posten aber gar nicht an, sondern ging am 17. Juni als furstbischöflich Lübeckscher ßegierungs- imd Kammerpräsident wieder in die Dienste des Herzogs Peter Friedrich Ludwig, der ihm zugleich ein Dompräbende ver- lieh. Nach einer längeren Eeise durch Deutschland und die Schweiz, Italien und Sicilien kam er am 28. Februar 1793 nach Eutin, um seine Geschäfte zu übernehmen, die er erst in der ersten Hälfte des Jahres 1797 auf längere Zeit unterbrach, als er sich zu des Kaisers Paul Thronbesteigung abermals nach Petersburg begab. Am 1. Juni 1800, dem Pfingstsonntag, traten er und seine Frau in Münster, in der Kapelle der Fürstin Gallitzin geb. Gräfin Schmettau, zur katholischen Kirche über, welchem Schritt der Eltern bald sämmtliche Kinder, mit Ausnahme der ältesten Tochter Marie -Agnes, folgten. Voss hatte sich vergeblich bemüht, alle vier „Agneskinder'' vor dem üebertritt zu retten, d. d. Karlsbad den 17. Juli 1800 bat darauf Stolberg um seinen Abschied, der ihm unterm 21. August ertheilt wurde, siedelte dann nach Westfalen über und starb am 5. December 1819 in Sondermühlen bei Melle im Osnabrückschen.

Kurz vor seinem Tode waren die bekannten Misshelligkeiten zwischen ihm und Voss ausgebrochen. Goethe bespricht sie in seinen Annalen (Jahr 1820^ und errichtet bei dieser Gelegenheit der Gräfin Agnes Stol- berg ein schönes Denkmal. Er meint, wenn sich die Göttinger Freunde Voss und Stolberg von der Akademie nach Norden und Süden getrennt hätten, so wäre ein gewisses Verhältniss in Briefen und Schriften noch allenfalls fortzuhalten gewesen; „aber sie nähern sich örtlich, verpflichten sich wechselsweise zu Dienst und Dank, nachbarlich wohnen sie, in Ge- schäften berühren sie sich und, im Innern uneins, zerren sie sich an elastischen Banden unbehaglich hin und wieder.

Die Möglichkeit aber, dass eine solche Quälerei so lange geduldet, eine solche Verzweiflung perennirend werden konnte, ist nicht einem jeden erklärbar; ich aber bin überzeugt, dass die liebenswürdig- vermittelnde Einwirkung der Gräfin Agnes dieses Wunder geleistet.

Ich habe mich selbst in ihren blühenden schönsten Jahren an ihrer anmuthigsten Gegenwart erfreut und ein Wesen an ihr gekannt, vor

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dem alsobald alles Misswillige, MisskUngende sich auflösen, verschwinden musste. Sie wirkte nicht aus sittlichem, verständigem, genialem, sondern aus frei-heiterm, persönlich-harmonischem üebergewicht. Nie sah ich sie wieder, aber in allen Eelationen, als Vermittlerin zwischen Ctemahl und Freund, erkenn' ich sie vollkommen. Durchaus spielt sie die Bolle des Engel Grazioso in solchem Grade lieblich, sicher und wirksam, dass mir die Frage blieb : ob es nicht einen Calderon, den Meister dieses Faches, in Verwunderung gesetzt hätte?

Nicht ohne Bewusstsein, nicht ohne Gefühl ihrer klaren Superiorität bewegt sie sich zwischen beiden Unfreunden und spiegelt ihnen das mög- liche Paradies vor, wo sie innerlich schon die Vorboten der Hölle ge- wahr werden.

Die Göttliche eüt zu ihrem Ursprung zurück; Stolberg sucht nach einer verlorenen Stütze, und die Bebe schlingt sich zuletzt ums Kreuz."

Goethe mischt hier, wie so oft in seinen Erinnerungen, wieder Dichtung mit Wahrheit, denn so, wie er das Verhältniss zwischen Voss und Stolberg schildert, war es zu Agnes Zeiten durchaus nicht gewesen; erst nach der französischen Bevolution kamen die Gegensätze zwischen beiden mehr und mehr zum Vorschein, bis endlich Stolbergs Uebertritt zum.Katholicismus den vollständigen Bruch herbeiführte.*)

Der Gräfin Agnes aber gedachte Voss stets in treuer Zuneigung und nannte, wie oben schon gesagt ist, die schönste Stelle seines Gartens zu ihrem Gedächtniss den Agneswerder.

Wol freut ihr euch des Örtchens! Wol liegt es schön, ihr Herrn! Als Kleinod meines Gärtchens Liegts aller Störung fern. Doch stur gelobet werd' er, Mein stiller Agneswerder; Still lobt' ihn Agnes gem.

Oft sah sie hier im Kühlen, Gespannt auf klarer Flut, Den Regenbogen spielen Und kleiner Fische Brut; Oft, umgekehrt im Bilde, Dort Insel, dort Gefilde, Von Abendduft um ruht.

*) cf. W. Herbst, Joh. Heinr. Voss. 2 Bände. Leipzig, B. G. Teubner 1872 bis 1876.

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Wie froh des Abendgoldes Auf fem umbüschten Höhn, Wie sprach sie froh ihr holdes, Ihr herzliches: «Wie schön! Hier lasst uns Hütten bauen Und hier auf frischen Auen Vereint durchs Leben gehn!"

Da sass die fromme Seele Und sprach ihr letztes Wort. Mit Ahorn, Birk\ Abele Bepflanzt ich ihr den Ort. Da pfleg ich im Geheimen Vergangenheit zu träumen Und bessre Zukunft dort.

Dann fühl' ich sanft erschüttert. Ja heilig sei die Bank! Die hohe Pappel zittert Bei Nachtigallgesang. Den Himmel seh ich offen; Und: «Dulden, lieben, hoflTen!" Ertönts wie Lautenklang.*)

d. Christoph Ernst von Witzleben und seine

Nachkommen,

1751 bis jetzt.

Adam Levins d. J. von Witzleben auf Hude und Elmeloh ältester Sohn, Christoph Ernst von Witzleben, geboren am 14. März 1751, erhielt die väterlichen Güter und nahm zu denselben vom 1. Januar 1779 an die Delmenhorster Kommühle gegen einen jährlichen Zins von 400 Thalem in Erbpacht. In dem darüber am 19. Juni 1779 aufge- richteten Contract wird er Kammerjunker tituUrt, einige Zeit später aber ist er Herzoglich Holstein-Oldenburgischer HoQägermeister**) und Schloss- hauptmann zu Oldenburg.***) Am 24. Oct. 1786 verheirathete er sich zu Eutin mit Elisabeth Luise Philippine Ernestine von Weitels-

*) Voss, Gedichte, lY. S. 14. Aus dem 1794 gedichteten Liede Der Agnes- werder.

**) Lehnbrief über Elmeloh vom 1. Febr. 1787 nnd Confirmationsbrief über Hude etc. vom 7. Sept. 1789.

♦♦*) Lehnbrief über Ehneloh vom 23. Apr. 1798.

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hausen gen. Schrauttenbach, welche am 23. Nov. 1746 geboren, mithin über 40 Jahre alt und 4 Jahre älter war, als er. Nachdem sie, ohne Kinder gehabt zu haben, am 17. März 1808 zu Hude verblichen war, schritt Christoph Ernst am 14. Apr. 1809 zu einer zweiten Ehe mit Friederike Auguste Wilhelmine von Eömer, des Justizraths von Römer zu Rastede Tochter, geb. den 26. Aug. 1774, die ihm am 9. Febr. 1810 den ersehnten Erben und in jedem der beiden folgenden Jahre ein Töchterlein bescherte. Dann legte er sich hin imd starb am 9. Febr. 1813 zu Hude, allwo er auch begraben ward. Die Wittwe übernahm die Vormundschaft des nimmehrigen Erbherm von Hude und Elmeloh, Adam Friedrich Ernst von Witzleben, muthete die Lehen,*) erhielt die Confirmation über Hude etc. und konnte ihm, als er mündig geworden war, die Güter im besten Zustande übergeben. Namentlich dem Garten zu Hude hatte sie ihre besondere Sorgfalt ge- widmet, so dass er zu den schönsten im Lande gezählt wurde und den Pastor Mühle (Das Kloster Hude, Oldenburg 1826, p. 76) zu folgenden Worten begeisterte:

„Jeder Mensch von geläutertem Gefülile, welcher noch nie einen so geräumigen romantischen Garten gesehen hat, wird, wenn er bei der angenehmen Jahreszeit in denselben tritt, von einer ganz eigenen Stim- mung ergriffen. Er findet alles mit wahrem Geschmacke angelegt und sorgfältig erhalten; er hat den beständigen Genuss von einer veredelten Sinnlichkeit, wo das Auge unaufhörlich Abwechselungen erschaut, das Ohr mannigfaltig ergötzt wird. Hier laden ihn schlängelnde Gänge, welche sich durch verschiedenartige Anlagen winden, zum Lustwandeln ein, wo er bald allmäUch vom Lichte zum Schatten abwechselnd über- geht, bald sich auf einem lang gedehnten im Halbdunkel durch Nadel- holz geschlungenen Pfade befindet; dort ruht das Auge auf einem grünen Anger und schafft sich in der Bleicherhütte eine Eremitenwohnung; wird aber bald wieder vom Anblick himmelanstrebender Pappeln, alternder Linden und mehrem Gebüsches überrascht. Mancherlei fremdartige Gewächse in ihrer Pracht nicken ihm entgegen; vielfältige Obstbäume

*) Im Jahre 1831 ging in Folge von Verhandlungen die Lehnsherrlichkeit sammt dem dominio directo über die bisher von dem K. Preuss. Tecklenburg - Lingenschen Lehnhofe relevirenden, im Umfange des Herzogthums Oldenburg gelegenen Lehen, also auch über Elmeloh, an den Oldenburgischen Lehnhof über. s. Lehnbrief über Elmeloh vom 25. Nov. 1831.

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lassen ihren Blüthenregen auf ihn herabtaumeln; Blumen im bunten Ge- mische, theils einem mildem Hinmielsstriche entstammend und im Ge- wächshause zart gepflegt, säuseln ihm balsamische Wohlgerüche; ein üppiger Küchengarten, schon frühzeitig bestellt, zeugt, wie das Ganze, von der Emsigkeit des Gärtners; mehrere zerstreute Teiche blinken ihm mit spielenden Fischen entgegen und erhöhen ausnehmend das Malerische der Landschaft. Spricht ihn das Wandeln nicht länger an, so bieten ihm kunstlose Gartenstühle und einfache Bänke, die sich hier und dort um Bäume kreisen, einen Sitz an imd deuten allenthalben auf unterhaltende Gesichtspunkte hin, indem sie immer auf Gebüsch, Wasser u. s. w. zeigen. Hier hört man, wie ringsum, aus tausend Kehlen den Gesang verschiede- ner Vögel, übertäubt von schmetternden, wirbelnden und trillernden Tönen der Nachtigall, wenn diese Königin des Haines ihr Loblied mischt in das grosse HaUelujah der Schöpfung und anstimmt den Preisgesang auf den Schöpfer der Natur und ihr wunderschönes Eden; dort ergötzt sich das Ohr am Wasserfalle, der murmelnd und plätschernd dahin roUt. Was die Klosterruinen aus ihren bemooseten und noch jüngst theils mit Epheu bekleideten Mauern dem Wanderer zusprechen, leitet zu Gefühlen und Betrachtungen, welche nur hier ihr ganzes Vollgewicht haben können. Mancher reiche Britte würde eine Menge SterUnge geben, wenn er solche Trümmer in seinem Parke hätte. Denkt man sich hinzu, wie in der Vorzeit so viele Mönche hier lustwandelten, so manche Grosse gern ver- weilten, mehrere Urahnen der geliebten landesväterlichen Regentenfamilie und der Beherrscher des Nordens hier Ruhe im Leben und im Tode fanden: so verlässt man im Vollgenusse den Garten und dankt der hu- manen Besitzerin, welche denselben gerne jedem gebildeten Fremden öffnen lä«st."

Friederike von Witzleben starb erst in ihrem 89. Lebensjahre, am 8. März 1863.

Adam Friedrich Ernst von Witzleben, am 9. Febr. 1810 ge- boren, gab die Stellung, welche er am Oldenburgische Hofe bekleidete, auf imd widmete sich ganz der Bewirthschaftung seiner Güter, in deren Eigenthumsverhältnissen mancherlei Veränderungen vorgingen. Im Jahre 1844 wurden die zum Lehngute Elmeloh gehörenden Berechtigungen, nämlich der Gruppenbührer Zehnten und die Verpflichtungen der Junker- meier, mit landesherrlicher Genehmigung abgelöst und dafür die Dampf- mühle zu Elmeloh mit ihrer vollständigen Einrichtung als ein unzertrenn-

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liebes Pertinenz des Elmeloher Lehns und als Theil desselben snbstitmrt. In Folge des Gesetzes vom 28. März 1852 (betreflfend die Aufhebung der Fideicommisse, des Lehnsverbandes und der Stammgüter) war das vor 106 Jahren errichtete Fideicommiss zu Hude und Ehneloh, unge- achtet der Protestation der andern FamiliengUeder, aufgehoben und Hude und Elmeloh in das freie Eigenthum Adam Friedrich Emsts von Witz- leben übergegangen. Als Entschädigung für die Aufhebung des Lehns- verbandes von Elmeloh zahlte derselbe in Folge einer am 8. Jan. 1855 mit der Grossherzoglichen Regierung geschlossenen Vereinbarung au jene die Summe von 22 Thalem und 66 Grote und für Auflösung des Erb- pachtsverhältnisses bezüglich

a) des Vorwerks und der Mühle zu Hude,

b) des Vorwerks Delmenhorst und der Hasberger Mühle,

c) der Neuenkooper Mühle,

d) des Delmenhorster Küchengartens mit dem Hutzberg und dem Kronwerk,

e) der Mühle zu Düpe,

f) der Debnenhorster Kommühle

laut Punctation vom 13. Februar 1755 ein Ablösungs - Kapital von 42343 Thalem 34 Grote. Nachdem er dann einzelne Ländereien zu seinem Besitz hinzugekauft, legte er allen Gütern wieder die Eigenschaft eines Fideicommisses bei und errichtete am 25. Mai 1871 mit seinem ältesten Sohne Friedrich Christoph Ernst von Witzleben einen Erbvertrag, wonach dieser einst die Fideiconmussgüter erben sollte, da- gegen auf den AUodialnachlass verzichtete und seinen Geschwistern eine Abfindung von 50000 Thalem auszuzahlen versprach.

Adam Friedrich Ernst von Witzleben starb zu Hude am 24. Juni 1874 mit Hinterlassung von 4 Söhnen und 4 Töchtem (s. Tab. L 15.) und Friedrich Christoph Ernst von Witzleben trat den Besitz von Hude und Elmeloh an.

e. BocIlus Friedricli Otto von Witzleben

und seine Nachkommen,

1758 bis jetzt

Adam Levins d. J. von Witzlebens 6. Kind und 2. Sohn war Rochus Friedrich Otto von Witzleben, geboren am 10. April 1758. Durch

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Königliche Besolution vom 2. Nov. 1769, also in seinem 12. Jahre, er- hielt er ein Patent als Seconde-Lieutenant ä la suite des Oldenburgischen Infanterie-ßegiments , wurde am 1. April 1773 znm wirklichen Seconde- Lieutenant ernannt und am 27. Februar 1782 als Capitain dimittirt, worauf er in Herzoglich Holstein-Oldenburgische und Bischöflich Lübeck- sche Dienste trat und Schlosshauptmann zu Eutin, später, 1800, König- lieh Dänischer Kammerherr imd 1820 Chef des Hofes des geisteskranken Herzogs Peter Friedrich Wilhelm von Oldenburg in Plön wurde. Er starb im Jahre 1826 ganz plötzlich, im Begriff, zu einer Brunnenreise in den Wagen zu steigen. Seine Gemahlin war seit 1788 Marianna Wilhelmine Antoinette Maximiliane von Biedenfeldt, des Christoph Friedrich von Biedenfeldt aus Hessen und der Louise Marquise du Hamel Tochter, geb. den 11. Febr. 1750, f 1831, welche Hofdame der 1785 gestorbenen Herzogin Friederike, des Administrators von Olden- burg Gemahlin, gewesen war. Beider Sohn war Adam Ernst ßochus von Witzleben, am 14. Februar 1791 zu Eutin geboren. Derselbe widmete sich der Civil -Laufbahn und war Kammer-Auditor, als die all- gemeine Erhebung des Jahres 1813 erfolgte. Er trat in englische Dienste, in denen er aber nur einen Monat verblieb. Durch Kaiserlichen ükas vom 11. August 1813 wurde er als Fähnrich beim 6. Bataillon der Russisch -Deutschen Legion angestellt, bei welcher er als Adjutant die Gefechte an der Göhrde, 16. Sept., und bei Sehestedt, 10. Dec. 1813, mitmachte. Nachdem ei- am 2. Febr. 1814 zum Seconde-Lieutenant ernannt war, ging er, als die Legion von Preussen übemonmien wurde, nach Oldenburg und ward vom Herzog Peter unterm 14. Apr. 1815 in dem neuformirten Oldenburgischen Infanterie -Regiment angestellt. Als Regiments - Adjutant und seit dem 4. Mai 1815 Premier - Lieutenant machte er den Feldzug dieses Jahres gegen Frankreich und namentlich die Belagerungen von Meziferes und Montmedy mit und trat am 29. Dec. 1815 in den Civil -Staatsdienst zurück, den er bald mit den Hofdienst vertauschte. Er wurde Kammerherr, Oberstallmeister und Geheimer Rath und starb am 14. August 1868 zu Oldenburg.*) Er war drei Mal verheirathet gewesen, 1) mit Franziska von Heimburg, welche am

*) Diese spärlichen Angaben sind B. von Qnistorp, Die KaiserL Rnssisch- Dentsche Legion. Berlin 1860, und der Personal -Chronik der Oldenb. Officiere und Mil. Beamten von 1775 bis 1867, Oldenb. 1876, entnommen. Unsere Bitte um etwas ausführlichere Nachrichten fand betreffenden Orts kein Gehör.

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14. August 1836 starb, 2) mit seiner Cousine Eleonore Karoline Friederike von Witzleben aus Hude, geb. den 30. Juni 1811, f October 1843, und 3) seit dem 21. Februar 1845 mit Josephine Theophile Emma von Witzleben a. d. H. Wartenburg-Werben, des Grossherzoglich Sächsischen Kammerherrn Hans Dietrich August Leopold von Witzleben und der Celeste Lätitie de Becquey-Beaupr6 Tochter, geb. den 14. Febr. 1819 auf dem Schlosse Lauzun im südlichen Frankreich, f den 13. Oct. 1863 zu Oldenburg, Ehrendame des Bayrischen Theresien- Ordens und Hofdame der Grossherzogin Maria Paulowna von Sachsen- Weimar, in weiten Kreisen gekannt und geehrt wegen ihrer seltenen Herzens und Geistesgaben, sowie wegen ihres liebenswürdigen entgegen- konunenden Charakters.*) Nur aus der letzten Fhe entsprossen Kinder, zwei Töchter und ein Sohn (s. Tab. I. 15.).

f. Christoph Henning von Witzlehen und seine Sohne,

1769— 1860,

Adam Levins d. J. von Witzleben auf Hude und Elmeloh 7. Kind und 3. Sohn, Christoph Henning von Witzleben, wurde am 24. Juli 1759 zu Hude geboren, zehnjährig, am 2. Nov. 1769, zum Seconde-Lieutenant ä la suite des Oldenburgischen Regiments, am 9. Mai 1776 zum wirklichen Seconde-Lieutenant, am 24^Dec. 1783 zum Premier- Lieutenant ernannt, den 25. Febr. 1785 zum Schleswigschen Regiment versetzt, am 22. Sept. 1786 als Capitain dimittirt, erhielt später den Majors-Charakter, wurde im Jahre 1804 Dänischer Kanmaerherr und war erster Gesellschafts -Cavalier des Herzogs Peter Friedrich Wilhelm von Oldenburg in Plön. Am 27. April 1787 hatte er sich auf dem Gute Loitmark bei Kappeln in Schleswig mit Friederke Juliane Marie Charlotte Luise Gräfin zu Stolberg-Stolberg, des Königl. Däni- schen Kammerherm, Geheimen Raths und Oberhofineisters der Königin Sophia Magdalena von Dänemark Christian Günther Graf zu Stolberg- Stolberg (n. 29. Juni 1714, f *^'^' J^i^i 1765) und der Christiane Char- lotte Friederike Gräfin zu Castell - Remlingen (n. 5. Dec. 1722, verm. 26. Mai 1745, f 22. December 1773) Tochter, vermählt. Sie war am 9, Nov. 1759 zu Kopenhagen geboren und die in der Familie „blond

*) Illustrirte Zeitung, Leipzig, den 31. Oct. 1863, p. 318.

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Julchen" genannte Schwester der Dichter Christian und Friedrich Leo- pold Stolberg. Letzterer schrieb seiner Schwägerin Luise aus Plön am 23. Juli 1788: „Julchen und Witzleben grüssen. Sie sind sehr ver- gnügt und fühlen es, dass sie ein Paradies bewohnen.^^ *) Nachdem beide am 27. April 1837 ihre goldene Hochzeit gefeiert, starb Henning am 25. Januar 1838, Juliane am 20. Mai 1847. Von den zwei Söhnen, welche sich unter ihren 7 Kindern (s. Tab. L 15.) befanden, ging

Leopold Ludwig Johannes Ernst von Witzleben, der am 20. Juli 1793 in Kopenhagen geboren war, am 1. Januar 1812 als Cadet in Dänische Dienste, verliess dieselben jedoch schon am 4. April dess. J., um sich dem Forstfach zu widmen, trat aber 1813 beim 2. Husaren- Regiment der Russisch-Deutschen Legion ein, wo er durch Kaiserlichen Befehl vom 22. Nov. dess. J. zum Comet ernannt wurde. Mit der Legion wurde Johannes in die Reihen des preussischen Heeres aufgenommen und am 29. März 1815 als Second-Lieutenant zum 2. Garde-Ulanen-Regiment versetzt. 1826 bat er wegen Kränklichkeit um den Abschied, der ihm als Rittmeister bewilligt wurde, und bald darauf erhielt er eine Anstellung als Steuerbeamter in Freienwalde a. 0. Hier starb er an den Folgen der Gicht im Jahre 1854. Am 22. Juli 1828 war er mit Adelheid Lamaitre, geb. in Berlin den 20. März 1805, in den Stand der heiligen Ehe getreten, hatte aber keine Kinder. Sein Bruder war

Magnus Ernst Christian von Witzleben, den 31. Januar 1799 geboren. Grossherzoglich Oldenburgischer Kammerherr, am 13. Nov. 1860 unvermählt gestorben. Sein in den Ruinen der Witzlebenschen Burg bei Berka 1836 entstandenes Gedicht s. Th. H. S. 128.

g. ChriBtoph Bnrchard Beiniger von Witzleben und seine

Tochter Wilhelmine von Plüskow.

1760—1872..

Adam Levins d. J. von Witzleben zu Hude und Elmeloh 8. Kind und 4. Sohn, Christoph Burchard Reiniger von Witzleben, den

♦) Henne 8, Fr. L. Gr. z. Stolberg und Herzog Peter Fr. Ludw. von Olden- burg. 8. 364.

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20. Anglist 1760 geboren, war Königlich Dänischer HoQunker, Herzoglich Holstein-Oldenburgischer Legations-Bath und Assessor beim Landgericht in Delmenhorst, starb am 17. Oct. 1815 in Delmenhorst und ward zu Hude begraben. Seine Gemahlin war Hedwig Dorothea von Bumohr a. d. H. Bossee, des Fürstbischöflich Lübeckschen Geheimen Baths und Staatsministers sowie Domherrn zu Lübeck Henning Bendix von Bumohr auf Bossee bei Bendsburg (n. 1717, f 1778) und der Adelheid Benedicte von Blome a. d. H. Hagen (n. 6. Febr. 1725. verm. 1745, f ^- J^li 1806) Tochter, welche 1764 geboren war und in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts in Altena starb. Von den 6 Kindern (s. Tab. L 15.) ist namentlich das jüngste zu erwähnen,

Juliane Wilhelmine Ditlefine von Witzleben, den 16. Sept. 1793 zu Eckemförde geboren, Stiftsdame zu Wemmetoft. Im Jahre 1800 nahm deren Onkel, der Geheime Conferenz-Bath von Qualen auf Borg- horst und Damp (im Kreise Eckernförde), Verbitter von Itzehoe, der auch ein Haus in Kiel besass, sie zu sich und sorgte nicht nur in wahrhaft; väterlicher Weise für ihre Erziehung, sondern gab ihr auch, als sie sich am 14. August 1814 mit dem nachherigen Bittmeister Karl von Plüs- kow auf Trechow in Mecklenburg (n. 19. Sept, 1788) verheirathete, eine reiche Aussteuer und ziemliche Mitgift mit. Nach dem am 28. Januar 1821 zu Trechow erfolgten Tode ihres Gemahls blieb sie mit ihren 3 Söhnen und 2 Töchtern auf diesem Gute wohnen, bis die Erziehung ihrer Söhne sie veranlasste, des besseren Unterrichts wegen eine Beihe von Jahren in Eutin zu leben. Im Jahre 1839 nahm sie die ihr ange- botene Stelle einer Obersthofineisterin der Königin Amalie von Griechen- land, geb. Prinzessin von Oldenburg, an und reiste im Spätherbst d. J. über Triest nach Athen, wo sie 23 Jahre verweilte und es nach und nach dahin brachte, dass sie sieben Sprachen sprach: Deutsch, Französisch, Englisch, Dänisch, Italienisch, Griechisch und Spanisch. Im October 1862 ging sie mit dem vertriebenen Königspaar*) nach Innsbruck, München und endlich zu bleibendem Aufenthalt nach Bamberg, und bis zu ihrem Lebensende blieb sie die treue Freundin der Königin; Sie schreckte nicht der Wechsel dieser Erde, Sie blieb ihr treu und wollt* sich ganz ihr weih'n, Sie war in Glanz und Glück stets ihr Gefährte, Sie wollt es nun im Unglück auch ihr sein.

*) Ihrer Geistesgegenwart verdankte die Königin die Rettung ihres Schmucks.

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Iti ihrem 79. Lebensjahre entschlummerte sie sanft am 7. April 1872 zu Bamberg.

h. Albrecht Friedrich Karl von Witzlehen

nnd seine Nachkommen.

1763 bis jetzt

Das 10. Kind und der 5. Sohn Adam Levins d. J. von Witzleben war Albrecht Friedrich Karl von Witzleben, welcher am 8. Juli 1763 zu Hude geboren und am 18. dess. M. getauft wurde. Sein Pathe war Albrecht Friedrich Karl*), Markgraf von Brandenburg, K. Preuss. Generalfeldmarschall und Chef eines Regiments Infanterie, Grossmeister des Johanniter -Ordens und Herrenmeister zu Sonnenburg, der jedoch nicht anwesend war. Karl von Witzleben begann seine Laufbahn als Page der Prinzessin Charlotte Amalie von Dänemark, wurde dann, am 6. Oct. 1781, zum Second-Lieutenant bei dem jütischen Dragoner-Regi- ment ernannt, durch Königliche Resolution vom 18. Dez. 1782 aber in das jütische Reiter-Regiment versetzt und am 11. Febr. 1785 mit 350 Thalem Pension dimittirt. Später ward er als Capitain ä la suite wieder angestellt und durch Resolution vom 6. Juli 1804 zum Compagnie-Chef beim 3. Bataillon des südlichen seeländischen Landwehr-Regiments mit Anciennetät vom 2. Apr. 1801 ernannt. Am 20. Apr. 1809 wurde er als Major dimittirt. Im Jahre 1814 reiste er nach Oldenburg, imi Im Verein mit seinen Brüdern Rochus und Henning einen Process wegen vermeintlicher Erbansprüche gegen die Wittwe und den Sohn des ältesten Bruders Ernst auf Hude zu fuhren. Die Sache zog sich natürlich in. die Länge; er siedelte 1816 ganz nach Oldenburg über, erlebte aber das Ende des Processes nicht, da er schon am 27. Dez. 1843 in seinem 81. Lebens- jahre zu Oldenburg g(tarb. Sein Leichnam wurde am 8. Januar 1844 auf dem Witzlebenschen Begräbnissplatz in Hude beigesetzt. Seit dem 17. Oct. 1794 war ^r mit Maria Dorothea Humble, n. 13. Nov. 1769, t *^5. Nov. 1841, verheirathet gewesen. Seine beiden Söhne, Sophus Friedrich Leopold imd Ditlef Ludwig Karl Theodor, liessen den ererbten Process sofort als erfolglos fallen.

*) Kirchenbuch zu Ganderkesee; nach Gatterer, Handb. der neuesten Geneal- und Heraldik, Nürnberg 1761, S. 12 aber: Friedrich Karl Albert, n. 10. Juni 1705.

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358

Sophus Friedrich Leopold von Witzleben, am 31. Mai 1798 geboren, war am 1. Januar 1812 Dänischer Cadet geworden, am 16. Febr. 1813 aber, weil er das Schwimmen nicht vertragen konnte, aufsein Ge- such dimittirt. Sein Vater nahm ihn mit nach Oldenburg, in dessen Infanterie-Regiment er später eintrat. Nachdem er am 11. April 1824 auch hier auf sein Ansuchen verabschiedet war, und zwar als Fähnrich, ging er wieder nach Dänemark zurück und fand dort eine Anstellung als Zollbeamter. Diesen Dienst verliess er um das Jahr 1838. In den Kriegsjahren 1848 50 und 1864 war er bei der Armee -Intendantur angestellt. Am l. Januar 1865 schied er dahin, während seine Gattin Adamine geb. Drastrup, welche am 21. April 1798 geboren und seit dem 29. Juli 1830 mit ihm verheirathet war, noch 1876 lebte. Beider Söhne s. Tab. I. 15.

Ditlef Ludwig Karl Theodor von Witzleben, am 13. Nov. 1812 geboren, ward Königlich Dänischer Cadet ohne Gage am 1. Januar 1826, wirklicher Cadet am 1. Januar 1829, Second- Lieutenant bei dem

1. Leibregiment zu Fuss am 1. Januar 1830, Premier -Lieutenant am 11. Juni 1838 und, nachdem er vom 1. Nov. 1839 bis 31. Oct. 1842 bei der Artillerie Dienste gethan, zum 2. Infanterie -Bataillon versetzt (1. Nov. 1842). Als die Insurrection der Herzogthümer Schleswig und Holstein im März 1848 ausbrach, wurde sein Compagnie-Chef krank und ihm das Konmaando der 3. Compagnie anvertraut, mit welcher er am 9. April das Gefecht bei Bau und Flensburg, am 23. April die Schlacht bei Schleswig, am 28. Mai das Gefecht bei Düppel und Nübbel und am 5. Juni das bei Düppel und Standerup mitmachte. Als hierauf das Bataillon nach Jütland rückte, wurde er Kommandant am 14. Juni von Kolding, am 8. Juli von Weile und am 20. Juli von Horsens. Am 17. Juli war er zum Capitain ernannt worden und am 13. Sept. 1848 erhielt er den Danebrog.. Am 20. Januar 1849 wurde er als Konmian- dant und Chef der Exercierschulen nach Aalborg konmiandirt, wo er die Ausbildung von 4 5000 Bekiniten zu leiten hatte, und anfangs Juli nach Kopenhagen berufen, imi die Disciplin in einer Depot -Compagnie herzustellen. Am 31. Oct. 1849 ging er als Compagnie-Chef bei dem 11. Bataillon nach Aalborg zurück, wurde aber schon im December zum

2. Verstärkungs-Bataillon nach Nyborg versetzt. Mit der 3. Compagnie dieses Bataillons focht er dann am 25. JuH 1850 in der Schlacht bei Idstedt, wo eine Spitzkugel in seinen rechten Schenkel flog. Als die

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Wunde geheilt war, im Nov. dess. J., ernannte man ihn zum Nächst- kommandirenden (M^ors- Dienst) beim 5. Verstärkungs- Bataillon; als dieser Posten aber eingezogen wurde, übernahm er das Kommando der 1. Compagnie desselben Bataillons, bis er am 2. Mai 1852 mit Pension dimittirt wurde. Am 27. Mai 1846 hatte er sich mit Sophie Kon- radine Friederike von Moltke vermählt, welche am 12. Dec. 1815 zu Kopenhagen geboren war, aber schon am 18. Juni 1849 in Aalborg starb, nachdem sie vier Tage vorher einem Söhnlein das Leben gegeben. Dieses Söhnlein lebte nur einen Tag. Im Jahre 1864 wurde Karl von Witzleben wieder zum Dienst fürs Vaterland berufen und zwar als Chef der Exercierschulen in Odense; 3 4000 Kekruten hatte er vom 20. Januar bis 16. Juni unter seinem Kommando. Am 22. Juni ward er zum Major und bald darauf zum Bataillons - Kommandeur bei der Exer- cierschule in Kopenhagen ernannt. Der Frieden machte seiner Thätigkeit ein Ende und am 14. August 1864 wurde er auf sein Gesuch wieder dimittirt. Am 14. Juli 1869 erhielt er als nachträgliche Anerkennung seiner Dienste ein Königliches Abschiedspatent als Oberst. Er lebt zu Nyborg auf Fünen und hat uns von dort aus auf die zuvorkommendste und freundlichste Weise mit Nachrichten unterstützt über die Linie zu Hude und Elmeloh.

Dniek von OBBR. ORVNERT, Berlin. JaDk«r<8tr. 10L

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Geschichte

der

Familie von Witzleben.

Nach archivalischen Quellen bearbeitet

Gerhard August von Wiizleben,

•dtral-Cifiitnitiit ). 9. und

Karl Hartmann August von Witzleben,

inaimr a. 9.

L THEIL.

V. HEFT. f

I>ie IMolsclxlebeiier X^inie

nnd

II>ie X^inie zu. IVI!cii*lis]xa,u.seii.

(Mit Tier Stamm- nnd einer Ahnentafel, zwei Wappen, dem Titel zum I. Theil der Einleitung, Inhalt des I. Theils, Anlage II und Anlage III.)

-»*ee^-

BEKLIN, 1880. Verlag von A. Bath.

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IV. Abtheilung.

Die Molschlebener Linie.

a. Von 1418 Ms 169&

'er zu Witzleben gesessene und am 15. Apr. 1407 mit dem Hals- gericht, dem Kirchlehn und der Wildbahn daselbst belehnte Bitter Dietrich (Titzel) von Witzleben hinterliess bei seinem zu Anfang des Jahres 1418 erfolgten Tode eine Wittwe Barbara und einen Sohn Konrad, gewöhnlich Kurt geheissen (s. Tab, I. 1. unten Unks). Am 16. März 1418 ward diese Frau Barbara von Witzleben zu Witz- leben unter Zustimmung ihres Sohnes Kon r ad vom Grafen Günther zu Schwarzburg mit 60 rh. Gulden Erbzinsen zu Witzleben, die ihr der Bitter Dietrich von Witzleben ais Leibgedinge hinterlassen hatte, be- lehnt. Ausserdem war ihr aber auch ein Theil des Gutes zu Witzleben, vom Landgrafen in Thüringen zu Lehn rührend, verblieben, den 1452 Graf Ludwig von Gleichen erwarb und am 9. Dec. 1460 an den Grafen Heinrich zu Schwarzburg für 1250 rh. Gulden verkaufte. Die alte Frau Barbara lebte zu dieser Zeit noch und Graf Ludwig von Gleichen musste versprechen, sie schadlos zu halten. Hr Sohn Konrad, der Güter zu Witzleben, Molschleben und Kleinfahner*) besass, wird meist Kurt von Witzleben zu Witzleben, aber auch Kurt von Witzleben zu Molschieben genannt und ist als Stifter der Molschlebener

*) Molschleben ist ein grosses Dorf im Kreise Gotha des Hcrzogthams Sachsen- Koburg-Gotha, iVs St. nordöstlich von Gotha, am Einilass des Attichbaches in die Nesse, und der Stammort des um 1438 erloschenen Geschlechts von Molschleben. Kleinfahner liegt in demselben Kreise, 2 St. südöstlich von Grafen tonna und 2^h St. nordöstlich von Gotha.

26*

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Linie anzusehen (s. Stammtafel I. 16). Er starb bereits im J^re 1437 mit Hinterlassung von 2 Söhnen, Heinrich und Kurt. Letzterer war noch unmündig; die Vormundschaft übernahm, dem Wunsche seines Vaters gemäss, Dietrich von Witzleben (zu Molsdorf, Bruder Heinrichs, des Stammvaters der Liebensteiner Linie). Der Landgraf Friedrich aber verlieh die Lehngüter, welche „das Kind", d. h. der junge Kurt, von ihm zu Lehn trug, dem Bitter Friedrich von Witzleben (zum Wendel- stein) und Bernd von der Asseburg zu einem rechten Anfall und setzte diese beiden zugleich zu Vormündern des Kindes ein. Es entstanden nun zwischen diesen und Dietrich von Witzleben Zwistigkeiten, die endlich am 16. Nov. 1437 zu Weimar vor dem Landgrafen und seinen Käthen dahin vertragen wurden, dass Dietrich von Witzleben die land- gräflichen Lehngüter des Kindes mit allen Briefen und Registern dem Bitter Friedrich von Witzleben und Bernd von der Asseburg über- antworten, alles andere Geld und fahrende Habe dagegen in Vormund- schaft behalten sollte. Am 26. Nov. 1439 überwies der Landgraf die- 4 Mark löthigen Silbers an der Jahrrente des Dorfes zu Molschleben, welche früher Dietrich von Molschieben jährlich zu erheben hatte, fiir 242 Gulden Hauptgeld an Kurt von Witzleben und den Bitter Friedrich von Witzleben und Bernd von der Asseburg unter Vorbehalt des Wieder-' kaufsrechts. Als der Landgraf Friedrich der Einfältige von Thüringen gestorben war (4. Mai 1440), erneuerten dessen Vettern und. Erben, Kurfürst Friedrich der Sanftmüthige und Herzog Wilhelm der Tapfere von Sachsen, für den Bitter Friedrich von Witzleben und dessen Söhne und Erben am 14. März 1441 die Belehmmg mit dem Anfall der Güter, welche der junge Kurt von Witzleben zu Witzleben, Molschleben und Kleinfahner von dem Fürstenthum zu Thüringen zu Lehn hatte. Nach Kurt's kinderlosem Tode finden wir diese Güter aber nicht im Besitz der Wendelsteiner, sondern in dem der Nachkonmaen seines Bruders Heinrich; die Wendelsteiner werden aber noch 1485 als Mitbelehnte genannt.

Heinrich von Witzleben, der, namentlich nach dem Tode seines Bruders, einen nicht unbedeutenden Grundbesitz hatte, scheint etwas wüst und nichts weniger als ein guter Wirth gewesen zu sein. Nachdem er im Jahre 1444 einen von seinem Vater ererbten, bei Gotha gelegenen Baumgarten an Kaspar König veräussert hatte, verkaufte er 1452 dem Grafen Ludwig von Gleichen, Herrn zu Blankenhain, 67 Schock Groschen

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jährlichen Zinses und 10 Hufen Landes mit Fischereien und anderen Zugehörungen im Dorfe Witzleben (womit am 27. Jan. 1453 des Grafen Gemahlin Katharina vom Kurfürsten Friedrich zu Sachsen belehnt wurde), versetzte dann 1456 das zu seinem Hofe zu Witzleben gehörende Holz, sowie das Kirchlehn und das Halsgericht daselbst an die Brüder Hans, Bitter Dietrich und Georg von Wittern für 100 Schock alter Groschen und verkaufte femer 1457 Güter zu Kleinfahner an Thile von Seebach. Seine Gemahlin war Sophie, eine Tochter Kersten d. Ä. von Schlot- heim zu Kutzleben. Sie und ihre Erben belehnte Herzog Wilhelm zu Sachsen am 19. Sept. 1452 aus dem Grunde, weil „sich Heinrich von Witzleben zu Witzleben gegen Sophie, sein eheliches Weib, ungebührlich hält", mit dem Hofe zu Molschleben nebst den dazu gehörenden Männern, Gütern, Zinsen, Beuten und Nutzungen und 4 löthigen Mark an der Bete daselbst, jährlich auf Michaelis fallend, mit dem Backofen zu Ballstedt (2 St. nördlich von Gotha) und mit Gütern, Zinsen, Holz, Weingärten, Korn, Gülten, Backofen und Nutzungen zu Kleinfahner, wie alles Hein-, richs von Witzleben Eltern und er innegehabt hatten. Nachdem Hein- rich gestorben war, verkauften Kersten von Schlotheim und Sophie von Witzleben in Vormimdschaft ihrer Enkel resp. Söhne Kurt und Hein- rich von Witzleben dem Grafen Heinrich zu Schwarzburg am 31. Dec. 1464 das Gut zu Witzleben, welches ihm von Heinrich von Witzleben bereits versetzt worden war, nämlich den Hof mit allen Freiheiten und das Holz daselbst, für 1450 rh. Gulden. So war denn auch der letzte Best unseres Stanungutes in fremde Hände übergegangen und Kurt und Heinrich nannten nichts ihr eigen als den Hof zu Molschleben mit dem kleinen dazu gehörenden Gute von 12 Hufen Artlandes ohne jegliche Gerichtsbarkeit. Der jüngere der Brüder, Heinrich von Witzleben, kaufte später gemeinschaftlich mit seiner Gemahlin, Katharina, ver- wittweten von Stockheim, ein vom Stifte Hersfeld zu Lehn rührendes freies Lehngut zu Ballstedt, bestehend aus einem Hof, 8 Hufen Landes, 50 Ackern Holz, 4 Ackern Weide, 472 Pfund Pfennigen Land- geldes, 30 Hühnern und 8 Gänsen, die von etlichen Hufen und Höfen zu Ballstedt als Zins gegeben wurden, 1 See, vor dem Holze daselbst gelegen, der Gerechtigkeit an der Schaftrift zu Ballstedt und etlichen Erbzinsen zu Ballstedt, Molschleben, Burgtonna, Westhausen, Buffleben, Eschenbergen und Bemstedt. Diese Erbzinsen verkauften beide an Heinrich Vogel am 2. Jan. 1501 für 300 rh. Gulden wiederkäuflich und

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am 22. Febr. 1513 „erblich und zu Ewigkeit" für 442 rli. Gulden und 7 alte Groschen. Heinrich von Witzleben wird nach 1513 nicht mehr erwähnt; er starb kinderlos und Ballstedt fiel an seines altern Bruders Sohn Asmus.

Kurt von Witzleben zu Molschleben hatte sich vermählt mit Anna von Stockhausen, deren Mitgift an Ehegeld, Kleinodien und Kleidern er von seinem Schwager Jan von Stockhausen zu Auleben erst nach Anstellung einer Klage beim Oberhofgericht 1495 erhielt* Er war Schosser zu Koburg von 1500 bis 1504 und gehörte als solcher zu der Kommission, welche am 28. Apr. 1504 den Auftrag erhielt, sich nach dem Kloster Sonnefeld (bei Koburg) zu begeben, um den von den dortigen Nonnen vorgenonwnenen Unfug zu untersuchen und die Nonnen wieder zurechtzuweisen. Die Nachrichten über Kurt versiegen ebenfalls mit dem Jahre 1513. Seine Söhne waren Asmus und Moritz, von denen der letztere schon vor 1520 erblos starb.*)

Asmus von Witzleben hatte mit den Bauern zu Molschieben besonders der Trift wegen mancherlei Streitigkeiten, die oft erst von dem Herzog zu Sachsen geschlichtet werden mussten. Am 7. Dec. 1528 verzichtete er vor den Kurfürstl. Sächsischen Kirchen-Visitatoren Christoph von der Planitz, Philipp Melanchthon, Justus Menius und Friedrich Myconius auf alle seine Eechte, die er an der Vicarei St. Nicolai in der Kapelle zu Molschieben hatte, und gestattete, dass diese Vicarei mit allem ihrem Zubehör an liegenden Gründen, Zinsen, Haus und Hof zum Pfarrlehn zu Molschleben geschlagen würde, unter der Bedingung, dass er von den Vicarei-Ländereien 1 Hufe Artlandes und 1 Weidefleck als freies Eigenthum erhalten würde. Um das Jahr 1532 verkaufte er sein freies Rittergut zu Ballstedt an Heinrich Vogel.

Am 31. Oct. 1537 verklagte Asmus von Witzleben zu Molschleben beim Oberhofgericht zu Leipzig Christoffel von Seebach zu Kleinfahner. Er (Asmus) besitze ein Gehölz, in sein Eittergut gehörig und in Christoffels von Seebach Gerichte gelegen, das er und vor ihm sein lieber Vater je und allewege ohne irgend jemands und sonderlich der von

*) Hans Basilius Edler Herr von Gleichenstein, Tab. der von Goldacker, nennt Knrt's Fran falschlich Anna von Aofsess und dichtet beiden eine Tochter Martha an, welche Hartmann von Goldacker auf Uffhofen, Kurf. Sachs. Ober-Steaer- ^ dlrector, einen gelehrten Kavalier, geheirathet habe. Diese Martha war aber aas Liebenstein, s. Tab. I. 11.

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Seebach Einrede genutzt hätte; es habe sich jedoch gedachter von See- bach, ungeachtet, dass solch Gehölz ihm weder zinsbar noch schossbar, auch mit keinerlei Servituten verpflichtet sei, „gewaltig unterstanden und gar ungebührlicher Weise in die Sonmierlatten hüten lassen und dieselbigen mit Verbeissung verderbet", auch 3 Mahlbäume, ihm (Asmus) zuständig, abhauen und wegfuhren lassen und endlich jetzt einen Vogel- steller darein gelegt, was zuvor auch nie geschehen sei. Wiewohl er nun wegen aller dieser Dinge mit Christofifel geredet und „in der Güte die Billigkeit gesucht", auch endlich vor dem Kurfürsten sich beklagt habe, diese Schritte aber vergeblich gewesen seien, so bitte er nunmehr, damit er seine Lehnsgerechtigkeit und die ihm zustehende Nutzniessung erhalten möge, Christoffel von Seebach beim Oberhofgericht rechtlich vorzunehmen. Asmus von Witzleben, der selbst nach Leipzig und Alten- burg geritten war, erhielt Eecht und Christoffel von Seebach wurde femer am 18. Sept. 1538 verurtheilt, des Asmus auf 3 gute Schock, 36 Groschen und 6 Pfennige berechnete Gerichtskosten zu ersetzen, was er jedoch erst that, nachdem er unterm 29. Apr. 1539 bei Androhung der Execution in seine Güter und fahrende Habe nochmals erinnert worden war.

Am 5. Febr. 1542 bat Asmus von Witzleben den Kurfürsten Johann Friedrich zu Sachsen, seine „armen kleinen Kinder^ mit Vormündern zu versorgen, und schlug dazu vor Georg und Friedrich d. Ä. von Wangen- heim, Valentin Eichart, Pfarrer, und Cyriax Bernhard, beide zu Molsch- ieben,*) die denn auch ernannt wurden. Bald darauf ist er verschieden.

*) Er schlug diese vor, «dieweil er keine Vettern noch Freunde hätte, die mit ihm im Gesammtlehn stünden". (Orig. im Geh. St. Arch. zu Weimar.) Brückner, G. K. u. Seh. St. III. 8. S. 58, sagt, dass in der Kirche zu Molschieben ein Epitaphium sei mit folgender Inschrift: »Ehren Gedächtniss des Hochwohledelgebomen, gestrengen und Mann-vesten Jost von Witzleben, ward gebohren im Jahr 1501. den 27. Maj allhier zu Molschleben, starb im Jahr 1579. den 11. Febr. seines Alters 78 Jahre. Gott verleihe ihm eine seelige Auferstehung zum ewigen Leben, Amen." Hier muss ein Irrthum vorliegen, denn wenn dieser Jost von Witzleben zu Molschleben von 1501 bis 1579 wirklich existirt hatte, so würde seiner doch wohl in irgend einer der vielen uns vorliegenden Urkunden des 16. Jahrhunderts gedacht sein (was nicht der Fall ist) und Asmus von Witzleben den oben angeführten Ausspruch nicht gethan haben. Die Titulatur des Epitaphiums gehört auch offenbar nicht dem 16., wohl aber dem 17. Jahrhundert an, und in diesem hat ein Jobst von Witzleben zu Molschleben gelebt. Wahrscheinlich waren die Zahlen auf dem Epitaphium undeutlich geworden, als die (wohl flüchtige) Abschrift genommen wurde. Eine Kontrolle ist nicht mehr auszuüben, da alle alten Epitaphien, Wappen und Inschriften 1828 ans der Kirche zu Molschleben entfernt worden sind.

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Seine Wittwe, Agnes geb. von Vitzthum,*) ging eine zweite Ehe ein mit Levin Rudolf von Thun zu Molsdorf und Witzleben, der eben- falls Wittwer war und sie bald zum zweiten Mal zur Wittwe machte. Sie lebte nun auf ihrem Wittwensitz zu Witzleben, gerieth aber mit ihrem Stiefsohn Wolf von Thun zu Molsdorf wegen ihres Leibgedinges in Streitigkeiten, die erst, nachdem sie durch ihren rechten Sohn Christoph von Witzleben 1554 vor den Kurfürsten Johann Friedrich gebracht waren, beigelegt wurden.

Asmus von Witzleben hinterliess 5 Söhne, Sebastian, Georg d. Ä., Friedrich, Georg d. J. und Christoph, welche sänamtlich am 15. Juni 1554 von den Herzögen Johann Friedrich d. M., Johann Wilhelm und Johann Friedrich d. J. zu Sachsen mit dem Hofe zu Molschleben, 12 Hufen Landes, dem Schenkrechte und der Bierabgabe beim Schenken der Einsassen und mit der Triftgerechtigkeit für 450 Schafe belehnt wurden, und 3 Töchter, die am 9. Jan. 1555 noch unvermählt waren, von denen aber eine 1569 als Gemahlin Hironymus' von Heun zu Schraplau vorkommt. Von den Söhnen starben Georg d. Ä., der 1569, und Friedrich, der 1555 zuletzt erwähnt wird, ohne Nachkommen.

Sebastian von Witzleben hinterliess bei seinem zu Ende des Jahres 1554 eingetretenen Tode einen eben geborenen Sohn, Bastian, welcher 1587 von dem Kurf. Sachs. Obersten Hans Wolf von Schönberg zu Pulsnitz mit in dessen 1000 Reiter auf Wartegeld geworben wurde, im nächsten Jahre dem Kurfürsten Christian als Soldreuter mit 5 reisigen Pferden diente und vor dem Jahre 1599 mit Hinterlassung eines Sohnes Jobstund einer Tochter, als deren Gemahl 1644 und 1653 Christoph Goldacker genannt wird, starb. Dass dieser Job st von Witzleben wirklich existirt hat, beweist der Lehnsrevers des Longinus von Witz- leben vom 3. Febr. 1599, worin dieser für sich und in Vollmacht „Frietz Friderichss vnndt Jobstenn vonn Witzlebenn", seiner freundlichen lieben Vettern, bekennt, dass sie vom Stifte Hersfeld mit der sogenannten Kollerswiese, in der Flur von Molschieben gelegen, belehnt worden seien,**) femer ein Rescript der Kurf. Sachs. Regierung d. d. Dresden den 11. Febr. 1653, wodurch dieselbe unter Bezugnahme auf ein Gesuch Jobst's von Witzleben zu Molschleben dem Amtsverwalter zu Salza

♦) Nicht Ottilie von Wangenheim, wie P. H. A. von Wangenheim, Beitr., S. 475 aus falschen Voraussetzungen folgert. **) Orig. im Staate- Archiv zu Kassel

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befiehlt, die seinem Vorgänger aufgetragene Comniission vom 22. Aug. 1644, betreffend die Forderung von 1200 fl. grossmütterlichen Geldes seitens Jobst's von Witzleben, aufzusuchen und, falls sie noch nicht expedirt sei, die beiden Parteien, nämlich Jobst von Witzleben eines und Christoph Ooldacker und dessen Weib andern Theils, anzuhören und dann dem Hechte gemäss zu entscheiden,*) und schliesslich die Auf- zeichnung im Kirchenbuche zu Molschleben, wonach Jobst von Witzleben ohne LeU)eserben im Jahre 1666, seine Wittwe Susanna geb. von Oberweimar 1676 im 80. Lebensjahre gestorben ist.

Christoph von Witzleben bat um das Jahr 1550 imter Vorbitte Georg's und Friedrich's von Wangenheim, seiner Vormünder, die Herzöge zu Sachsen um ein Stipendium, um seine Studien fortsetzen zu können. Er scheint jura studirt zu haben und benutzte seine Kenntnisse, um seiner Mutter, der er nach Witzleben gefolgt war, in deren Händeln mit ihrem Stiefsohn Wolf von Thun zur Seite zu stehen. Die von ihm in dieser Angelegenheit unterm 2. Aug. 1554 an den Kurfürsten zu Sachsen gerichtete Eingabe unterzeichnete er als „Cristoflf von witzleuben zu witzeleuben^. Später, 1565, hauste er zy Molschleben, vermählte sich mit Margarethe Schütz von Wandersieben und starb 1586. Nach Brückner, Q. K. u. Seh. St. HI. 8. S. 60 befand sich in der Kirche zu Molschleben ein Epitaphium mit folgender Inschrift:

„Der Edel und Ehrenvheste Held,

Dem diese GrabschriiTt ist gesteUt,

Christoff von Witzleben sechzehn Jhar

Mit Margreth Schützin Ehlich war,

Die sonst genannt von Wannersieben,**)

Den Asmns Ohrist off, dessen Leib

Im siebden Zng in Frankreich bleib. A. 1590.

Longini drey und dreyssigst Jahr

In Friessland ihm den Tod gebar. A. 1604.

Die Ampoloni zart und klein

Im achten Jahr des Tods mnst sein. A. 1573.

Beata, die nun selig ist.

Starb dreyssig Jerig, wie ein Christ. A. 1597.

Catharin und Dorothey

Die nun bey GOtt leben alle drey."

Zur linken Hand zeigte ein Wappen die Worte Schützen und

Knorr, zur rechten eins die Namen Witzleben und Vitzthvmb.

*) Staats- Archiv zu Magdeburg, Thür. Cop.-Buch de 1653, S. 33. **) Zwischen dieser und der nächsten ist offenbar eine Zeile ausgelassen.

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Dauernde Nachkommenschaft hatte von Asmus' Söhnen nur der vierte, Georg d. J. von Witzleben, der sich am 24. Juni 1576 zu Hochheim mit Agnes geb. von Erffa, der Wittwe Johann Vogels zu Hochheim, vermählte, aber schon vor 1589 starb. Beider Sohn war Fritz Friedrich von Witzleben, für welchen am 3. Febr. 1599 Longinus von Witzleben den Lehnsrevers wegen der Kollerswiese aus- stellte. Vom Jahre 1629 an wird in den Beichtregistern der Kirche zu Molschleben als seine Gemahlin genannt Katharina Maria von Gries- heim, Siegmund Emst's von Griesheim auf Eischleben und Wülfers- hausen und Sibylla Katharina's von Witzleben a. d. H. Neuroda (s. Tab. I. 3) Tochter. Von ihren drei Söhnen diente der älteste, Kraft Melchior, unter dem Könige Karl Gustav von Schweden und fiel 1656 im Feldzuge desselben wider den König Johann Casimir H. von Polen, während der jüngste, Georg Wilhelm, 1663 zu Mühl- hausen starb und nur der mittelste den Stanmi fortpflanzte. Dieser, Hans Ludwig von Witzleben, hatte seinen beständigen Sitz zu Molschieben, welches Bittergut er gemeinschaftlich mit seinem Vetter Jobst von Witzleben besass. Im Jahre 1666 starb Jobst ohne Leibes- erben und Hans Ludwig war nun alleiniger Besitzer; am 11. Febr. 1668 wurde ihm als solchem der Lehnbrief über Molschleben ausgestellt. Am 13. Apr. 1658 hatte er sich mit Agnes von Vogel, des Fürstl. Sachs. Goth. und Weimar. Landeshauptmanns Heinrich John von Vogel auf Hochheim, Uelleben und Boilstedt und der Anna Begina von Eeineck aus Mühlberg Tochter in den Stand der heiligen Ehe begeben. Er starb, nachdem er noch ein rothes Altartuch mit rothen und weissen Franzen und der Inschrift: „Gott allein die Ehre. Hans Ludwig von Witzleben 1698" in die Kirche zu Molschleben gestiftet, am 16. Nov. 1698 und seine Wittwe folgte ihm im nächsten Jahre. Seine 9 Kinder s. Tab. I. 16.

b. Friedrich Jobst von Witzleben, 1671^1736.

Hans Ludwigs von Witzleben 7. Kind und 3. Sohn war Friedrich Jobst von Witzleben, Erb- und Lehnherr auf Molschleben, am 3. Jan. 1671 auf diesem seinem altväterlichen Gute geboren. Er verliess die Thüringer Heimath und ging nach Würtemberg, wo er am 14. Mai 1703 als Forstmeister zu Schorndorf angestellt wurde und von 1708 bis 1714

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auf dem Engelsberg bei Winterbach wohnte. In Schorndorf hatte er das Freifiräulein Luise Amalie vom Holtz, eine Tochter des am 28. Dec. 1707 gestorbenen Brandenburg-Eulmbachischen Baths und Landeshaupt- manns zu Neustadt a. d. Aisch, auch Oberamtmanns zu Loheneck, Eber- hard Friedrich Freiherm vom. Holtz auf Alfdorf, Hohenmühringen und Aichelberg, und der am 9. Oct. 1688 mit diesem vermählten Luise Isabelle Freiin von Wolmarshausen (n. 1673 23. Sept., f 1708 7. Juli), kennen gelernt. Luise Amalie lebte dort nach dem Tode ihrer Eltern im Hause ihrer Grossmutter, der Freifrau Barbara Sibylla vom Holtz geb. von Münchingen, und muss, obwohl erst 15 Jahre alt sie war am 6. Oct. 1693 zu Alfdorf geboren doch schon körperlich und geistig vollkommen entwickelt gewesen sein, da sie einen Mann, wie Friedrich Jobst von Witzleben, der bereits im 38. Lebensjahre stand, zu fesseln vermochte. In dem Holtz'schen Hause zu Schorndorf wurde am 13. Febr. 1709 die Vermählung in einer den Verhältnissen der reichen Holtz'schen imd Münchingen'schen Famüien sowie der Stellung des Bräutigams an- gemessenen Weise gefeiert. Wenige Tage nach der Hochzeit bezog das junge Ehepaar die Dienstwohnung Friedrich Jobst's in dem herzoglichen Schlosse auf dem Engelsberg bei 'Winterbach, von wo aus der Engeis- berger Forst verwaltet wurde. Am 6. Oct. 1710 wurde Luise Amalie von Witzleben 17 Jahre alt und wenige Tage darauf, am 17. Oct, gebar sie ihrem Oemahl eine Tochter, Sibylla Elisabeth Charlotte. Dieser folgte nach etwas mehr als einem Jahre eine zweite Tocht-er, Wilhelmine Luise, welche jedoch nach einem halben Jahre wieder starb und am 28. Juni 1712 in der Kirche zu Winterbach beigesetzt wurde. Im folgenden Jahre, 1713, ward der erste Sohn, Alexander, geboren und im Sommer 1714 ein zweiter Sohn, der aber am 22. Apr. 1715 schon todt war.

Im Jahre 1714 gerieth Friedrich Jobst von Witzleben mit seinem Landesherm, dem Herzog Eberhard Ludwig von Würtemberg, in Diffe- renzen, die zur Folge hatten, dass er „abgeschafft**, d. h. seiner Stelle als Forstmeister entsetzt, und in Arrest gethan wurde. Was er eigentlich verbrochen, haben wir nicht ergründen können. Jedenfalls spielte eine Hauptrolle in dieser Angelegenheit wenn auch nicht die Maitresse des Herzogs, Christine Wilhelmine Gräfin von Grävenitz*), so doch deren

*) Gau he. Ad. Lex. I n. II, nennt sie Friedericke Wilhelmine, Vebse, Ge- schichte der Höfe Baiem, Würteinb. etc., III. S. 177, Christiane Wilhelmine, sie selbst

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Bruder, der Würtembergische Premier-Minister Friedrich Wilhelm Graf von Grävenitz*). Durch irgendwelche einflussreiche Verwendung seines Arrestes entledigt, beschloss Friedrich Jobst, gegen den Herzog von Würtemberg wegen Beleidigung und Vermögensbeschädigung beim Kaiser- lichen Beichshofrath zu Wien klagbar zu werden und sich zur besseren Betreibung dieses Processes dorthin zu begeben. Die Würtembergischen Lande musste er, seiner persönlichen Sicherheit wegen, so wie so ver- lassen. Nachdem er seine Gemahlin, welche mit ihren Kindern das von der Grossmutter ererbte sogenannte Holtz'sche Haus in Schorndorf bezog, dem Schutze des Würtembergischen Geheimen Eaths von Sittmann**), „als zu welchem allein er seine Zuflucht nahm," empfohlen hatte, reiste er im Sommer 1714, wenige Wochen nach der Geburt seines jüngsten Söhnchens, nach Wien. Dorthin schrieb ihm seine Gemahlin d. d. Schorn- dorf, 24. Aug. 1714: „Habe erst Jetzt von einer wahrhaften Person

nennt sich aber in einer ihr Gut Freudenthal (welches von 1590 bis 1658 in Witz- leben'schen Händen gewesen war) betreffenden Urkunde vom 1. Oct. 1731 Christina Wilhelmina.

*) In den in der Registratur der älteren Geheimrathsacten zu Heilbronn ver- wahrten Actenstticken aus den Jahren 1639—1715 befindet sich ein Zettel folgenden Inhalts: « Forstmeister von Witzleben vom Engelberg, der auf Regimen ts-Raths und Geheimen Raths Gutachten abgeschafft und mit hoher Geldstrafe belegt wird, und sich mit einer Beschwerde an Reichshofrath zu wenden drohet, gibt bei dem Ritter Canton Kocher ein Gesuch ein, dass seiner Gemahlin, die sich von ihm getrennt und Übel wirthschafte, ein Gurator bestellt werden möchte, und meldet als den Grund, warum er sich in Wien aufhalte, dass er durch die im Land Würtemberg alles nach eigenem Wohlgefalleh dirigvrende Grävenitz'sche Faction höchst unbillig behandelt, um das seinige beraubt und dadurch zur Klage bei Kaiserlicher Majestät genöthiget worden, wesswegen er die Grävenitz'sche Männliche Familie vor mdlhonett decHariiTe. Ueber welche öffentliche Injurie die Grävenitz'sche Familie Satisf actum zu erhalten wünscht, von weiterem Erfolg aber hier nichts angezeigt ist.**

Sonst sind wir oben den im K. K. Haus-, Hof- und Staats- Archiv zu Wien befindlichen Processacten „Friedrich Jobst von Witzleben contra seine Ehegenossin Louise Amalie geb. vom Holtz (de 1715—1723)** gefolgt.

**) David Nathanael Freiherr von Sittmann, früher Schwedischer Generaladjunct und Oberster, darauf Würtembergischer Kammerjunker, Geheimer Rath und Obervogt zu Duttlingen, war mit Eleonore von Grävenitz, einer Schwester des Würtembergischen Premier-Ministers und der Herzoglichen Favoritin, vermählt. Er sah das diese Familie 1733 treffende Unglück kommen und verliess Würtemberg bei Zeiten. S. von Hell- bach und Gauhe, Ad. Lex. Nach Vehse, Baiern, Würtemb. etc., IIL S. 189 sei er ein schmutziger Geizhalz und ehemals Haushofmeister bei der Preussischen Grafin Wartenberg gewesen.

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gehört, wann Sie nicht gangen, wären wieder in arrest kommen, dann die Verbitterung sehr gross," und noch am 4. Dec. dess. J.: „der Herzog wäre eben gar zu sehr erzürnet."

Im December 1714 kehrte Friedrich Jobst von Wien nach Würtem- berg zurück, wurde aber sofort in Nördlingen in Arrest gesetzt. Er erklärte zwar, Würtemberg verlassen und sich mit seiner Familie auf sein Gut Molschieben zurückziehen zu wollen, bis er wieder eine An- stellung fände, seine Gemahlin aber mochte ihre Heimath nicht auf- geben, bevor er nicht wieder einen Dienst habe. Andere Gründe gibt sie ihm gegenüber nicht an, es scheint aber, dass sie, die jetzt erst 21 Jahre alt war, also im lebenslustigsten Alter stand, sich mit Friedrich Jobst nicht in eine ländliche Einsamkeit zurückziehen wollte, wo sie, nicht mehr unter dem Schutze des Herzogs von Würtemberg, von seiner Heftigkeit das Schlimmste zu befürchten hatte. Sie wandte sich daher d. d. Schorndorf, den 7. Jan. 1715 folgendermassen an den Herzog:

, „Nachdeme der ohne längst abgekommene forst Meister von Witzleben als Mein Bissheriger Ehe Mann, erst Kürtzlich von Wien, dahin Er sich verwichenen Sonmier mit Meinem grösten Missfallen Begeben, wider zurückkommen, und sich dermahlen würcklich zu Nördlingen bey dem schwartzen Ochsen aufhält, hat solcher vor etlich Tagen per expressum an Mich verlangt, dass all das Meinige verkaufen, und mich zu Ihme begeben möchte, mit angehenkter Comminationy mich in dem widrigen Fall mit allerhand insolentien und Processen zu attaquiren^ Wann mm gnädigster Fürst und Herr Mich aus vilen wichtigen motiven ninmier- mehr resolviren Kan, mich aus Ew. Hochfurstl. Dlt. Landen und von dem Meinigen zu begeben, vil weniger die Mir von seiner ehemaligen üblen Conduite übrig geblibene Substanz in seine Hand zu lassen, sondern Meine Lebens Zeit noch femers unter Ew. Hochfurstl. Dlt. hohen pro- tection zuzubringen gedencke anbey aber nicht ohne billich besorge, es Möchte solcher seiner bekannten brutalitaet nach, auf allerhand eoctreme Mittel bedacht seyn, mithin ich als eine in Ew. Hochfurstl. Dlt. Landen ohnedem wohnende affligirte Dame sowohl der Hochfurstl. Protection (Massen die Löbl. Ritterschaft, vmb willen gedachter von Witzleben niemahlen daselbst incorporirt gewesen, sich dieser sach nicht anzu- nehmen gedenckhet) als eines besondem Beystands in allen desswegen nicht ohne Ursach besorgenden Fällen höchstens benöthiget bin.

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Als gelanget an Ew. Hochfürstl. Dlt. mein üthgsts. Bitten, mich nicht allein der Hochfürstl. Proteäion noch feraers gndgst. zu ver- sichern und Mir in allen solchen Mir zustossenden Fällen einen freyen Zutritt zugestatten, sondern auch den von MiUkau Grenadier Haupt- mann des hochlöbl. Graf Graevenwischen Regiments zu Fuss, als Meinem geEhrten schwagem unter der hochfürstl. ÄtUhorüaet zu einem Adelichen Beystand gnädigst zu confirmiren^ auch zu Künftiger benö- thigten Legitimation eine hochfürstl. Signatur desswegen ertheilen zu lassen, in tiefester Devotion verharrende

Ew. hochfürstl. Dltt.

Unterthänigste gehorsamste

Louysa Amalia von Witdeben

gebohrne von Holte, ^

Und am 11. Jan. 1715 bat sie den Grafen von Grävenitz, dass „dieselben geruhen möchten, wan diese affair vorkonmaen solte (d. h. beim Herzog zum Vortrag), die Gnad vor mich haben, selbige ihres hohen orths also helffen zu secundiren, damit das protectorium erhalten mögtte," und unterzeichnete sich als Seiner hochgräflichen Excellenz „Gehorsame Magtt.**

Ihrem Gemahl theilte Luise AmaUe von diesen Schritten vorläufig nichts mit, sondern schrieb ihm nur: „Schorndorf, 11. Jänner 1715.

Ihre Zeilen habe ich heut erhalten und darauss ersehen, dass Sie

meine endliche resolutimi haben wollen, welche laut (d. i. lautet) ferm, dass Ich nicht auss dem Meinigen gehe, biss Sie einen Dienst haben, Alssdann bin Ich capabel mit Ihnen in das End der Welt zugehen, wissen wohl, dass Ich allezeit gesagt. Ich gehe nicht in die Frembde, dann Sie haben eine Charge." Friedrich Jobst ersuchte trotzdem seine Gemahlin nochmals, zu ihm zu kommen und ihm auch einiges von seinem Eigenthum nach Nördlingen zu schicken, erhielt aber nur die offenbar in freudiger Erregung geschriebene Antwort:

„Schorndorf, 19. Jan. 1715. enßn bin gewiss sicher, auf meiner resolution bleib Ich, nicht ohne Dienst zu Ihnen zu gehen, schicken darfif Ich Ihnen nichts, auss Befehl des Herzogs, stehe nun- mehr unter seiner protection. Können jetzt alles nach dero Conterdo anstellen, schicken darflf Ich Ihnen nichts. Louysa Amalia von Witzlehen geb. von Holte, ^

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Der so verlassene Ehemann wandte sich nunmehr in einem aus Nördlingen, den 23. Jänner 1715, datirten Schreiben an die Bitterschaft; des Kantons Kocher und bat, unter ausfuhrlicher Darlegung des Be- tragens seiner Ehefrau, dahin wirken zu wollen, dass Luise Amalie sich mit den Kindern zu ihm begebe oder wenigstens die Kinder ihm über- lasse imd dass ein Curator bestellt werde, der das Vermögen der letz- teren ausserhalb Würtembergs sicher anlege. Die Bitterschaft antwortete noch an demselben Tage und schlug jede Intervention in der Sache rundweg ab, aus dem Grunde, weil Friedrich Jobst von Witzleben ihr nicht incorporirt sei.

Luise Amalie zog die Existenz ohne ihren Gatten bei weitem einer Vereinigung mit ihm vor, wie aus folgendem Briefe hervorgeht:

„Schorndorf, den 22. Jan. 1715. P. P. Mons.

Dem selben lasse in antworth auff sein letzteres an mich noch- mahlen ohnuerhalten, das folgender importanter uhrsachen halber mich nicht resolviren kan, seinem begehren gemäss zu willfahren und zu ihme zu ziehen, weilen Er vor eins, wie hoher orten her vernehme, sich in dem Herzogthumb nimmermehr sehen lassen darff, vor das andere aus- wärts noch keine honorable Charge erlangt, auch deren in das künffkige nicht versichert ist, Trittens habe Vhrsach bedenkens zu tragen, meine ybrige substam in hiesigen landen völlig zu verkauffen, und die dispo- sition dem Selben auswärts zu überlassen, wohl wüssend, wie viel Er schon durch seine ohnglückliche affairen zu Schaden mein und meiner armen ohnschuldigen Kinder pure von dem Meinigen, wie das Inven- tcbrium so nechstens begreifien zu lassen gedenckhe genugsamb zeigen Würdt, constimiret^ dahero ohnmiglich mich resoluiren kann, ihme nach zu ziehen, vmb so mehr, weUen auf einrathen meiner nechsten Freinde mich unter Ihro Hochfurstl. Durchlaucht protection bereits begeben und durch eine Hochfurstl. mir zugestellte Signatur alle gnad und asaistenz zu meiner grössten consolation versichert worden.

Louisa Amalia de Wialeben. Mons. Mons. de Wieleben ä Nördlingen.^

Die Kaiserlichen Bescripte, welche auf Friedrich Jobst's Betreiben unterm 9. März 1715 ergingen, einmal an den Herzog von Würtemberg, die Gattin Witzlebens nicht in Protection zu nehmen, und dann an

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diese selbst, sich zu ihrem Gatten, sobald er seines Arrestes in Nörd- lingen entlassen sein würde, zu begeben, waren ohne Wirkung. Luise Amalie, jung und lebenslustig, der ihr in zu früher Ehe auferlegten Fesseln ledig, feurig, ohne sittlichen Halt, stürzte sich leidenschaftlich und leichtsinnig in den Strudel eines üppigen und verschwenderischen Lebens, vielleicht wohl mit aus dem Grunde, die Wiedervereinigung mit dem ihr verhasst gewordenen Gemahl unmöglich zu machen. Friedrich Jobst schildert ihr Leben in einem an seinen Anwalt Johann Heinrich Souffrein am 22., 25. und 28. April 1715 geschriebenen Briefe, der jedoch so in das Detail geht, dass wir uns seine vollständige Wieder- gabe, so interessant er sonst ist, versagen und mit einzelnen Stellen begnügen müssen, z. B.: „Die alte Kinderfrau habe gemeldet, sie wäre schon bei dem von Witzleben, so lange er im Ehestand lebe, in Diensten gestanden und hätte auch nie hinweg begehret, so aber könne sie nicht mehr stehen, sie wolle auch fort, es dauerten sie die armen Kinder, die sie unter vieler Mühe und Sorge auferzogen, wie es ihnen ergehen werde, wisse Gott, man möge der Frau sagen und ab- wamen, wie man wolle, so nehme sie aUes auf die leichte Schulter, jedermann heisse sie Hans ohne Sorge etc.; so lange der Herr nicht wieder da, sei es umsonst gehauset, es gehe noch alles drauf. ^

„Das Töchterlein läuft den ganzen Tag allein in der Stadt Brücken und Wasser herum, wie bald ist ein Unglück geschehen, wenn nicht ehrliche Bürgersleute diesem Kinde, so in viele Häuser läuft, mit andern Kindern zu spielen und die Zeit zu vertreiben, indem es nicht weiss, an wen es sich halten solle, ist vater- und mutterlos, zu essen und trinken gäben (referiret der Bote auch), so müsste es manchen Tag schlecht leben, mein Herz im Leibe ersäufet noch über dergleichen procedere.* Will jemand meinem Kind böses thun und vergeben, um sich an mir zu rächen, so kann es jedermann auch thun, wer da will, an Gelegenheit fehlt es nicht. Kein Freund, Anverwandter etc. darf aus Furcht wegen Würtemberg blos zur Sünde, Schande, Laster, meinem Chagrin, Schaden und Verderben meiner Frau und Kindern die Protection und Beistand geben und nicht zur Ehre Gottes und gutes zu stiften und böses abzuwenden."

„Ich wachse ganz zusammen und werde krumm und eingeschrumpfeit, ich mag hier gar nichts mehr klagen wegen meiner vielerlei Beschwehrungen, es hilft doch mir nichts, wie ich sehen muss; die Früchte von Angst, Furcht, Schrecken, Arrest, Kommissionen, Hiobsposten in Ehesachen, so

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das allerempfindlichste ist, bleiben nicht aus, mancher krepiret bald, mancher später."

Der Anwalt Sonflfrein setzte es in Wien durch, das unterm 1. Aug. 1715 abermals ein Kaiserliches Rescript an Luise Araalie von Witzleben mit dem Befehl erlassen wurde, sich mit ihren Kindern zu ihrem Ehemann, nachdem nunmehr dessen engerer Arrest in einen Stadtarrest verwandelt worden, zu' begeben. Doch auch diesem Befehl gehorchte sie nicht, sondern beharrte bei ihrem bisherigen Lebenswandel. Friedrich Jobst schildert denselben seinem Anwalt im Herbst 1715 wieder in der ihm eigenen drastischen Weise, berührt aber dabei derartige Dinge, dass wir auf eine Wiedergabe des Briefes an dieser Stelle verzichten müssen, üeber die Kinder äussert er sich u. a.: „Die arme Kinder werden ge- achtet wie die Hunde, müssen essen mit dem Gesinde, werden schebicht s.v. lausicht, das Töchterlein geht nach Aurbach zum Forst-Knecht und lässt sich zu essen geben, zumahlen wann die Babenmutter im Lande

herumb vagiret, das Söhnlein von 2 Jahr kriechet gancz alleine

vor dem Hausse im s. v. Koht und harten Pflaster herumb und hat Niemand bey sich, indem die bewuste alte Kinderfrau auch ausgebüssen

worden; mir und Kindern ist Sie (Luise Amalie) ohnbeschreib-

lich gram und feind." Der Anwalt Souffrein legte diesen Brief, „daraus dieser jungen Frau Lebenswandel am allersichersten abzunehmen," auch darum dem Reichshofrathe vor, um zu zeigen, wie sehr sich Witzleben seiner Gemahlin AuflRihrung zu Gemüth gezogen und dadurch ausser sich gerathen sei.

Nachdem Luise Amalie von Witzleben am 16. Febr. 1716 in dem Würtembergischen Flecken Unter-Türkheim mit einer Tochter nieder- gekommen war, welche sie Friederike Juliane nannte und auf den Würtembergischen Major von Kalthenthal hatte taufen lassen, beantragte Friedrich Jobst von Witzleben am 31. Juli 1716 von Esslingen aus, dass seine Kinder ihrer Mutter genommen und dem Dr. Schellhas zu Esslingen übergeben würden, was jedoch erst in Folge eines Kaiserlichen Bescripts an den Herzog von Würtemberg vom 1. Juli 1717 am 24. Juli 1717 geschah. Und in einer langen mit vielen juristischen Citaten ge- spicken Eingabe an den Kaiser, in welcher alle in den bisherigen Briefen angeführten Thatsachen wiederholt werden und nur noch die eine Notiz bemerkenswerth ist, dass Luise Amalie wegen des mit dem Major von Kaltenthal begangenen Ehebruchs von dem Herzoge von Würtemberg

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„wtircklich abgestraffet worden ist" (und zwar durch Erlegung einer Geld- strafe, deren Betrag sie aus dem Erlös von Wein beschaflPt hatte), bat er am 13. Apr. 1717, ihn von seiner „treubrüchigen Ehe Consortin nach denen principiis Evangelicorura völlig loszusprechen." In Folge dessen erging am 11. Mai 1717 ein Excitatoriura an den Herzog von Würtem- berg, worauf endlich das Ehegericht zu Stuttgart am 10. Febr. 1718 das ürtheil sprach, „dass Kläger von der Beklagten wegen des an Ihme begangenen offenbahren Ehebruchs geschieden, demselben sich wider anderwärts zu verehelichen zugelassen" sei.

So war denn die Scheidung nach nicht ganz 9jähriger Ehe erfolgt. Die beiden noch lebenden Kinder Sibylle Elisabeth Charlotte und Alexander von Witzleben blieben bei dem Vater, der sich nach Molschieben zurück- gezogen zu haben scheint. Luise Amalie blieb in Würtemberg. Noch eine Nachricht über sie finden wir in einem Kaiserlichen Eescript vom 19. JuU 1723 an die Reichsritterschaft in Franken, Orts am Odenwald, welches verfügt, der Frau Luise Amalie aus der Wolraarshausen'schen Erbschaft nichts mehr zu verabfolgen, sondern zur Alimentation der Kinder das Fideiconmaiss zu erhalten.*) Nach Biedermann, Ottenwald, Tab. CCLXni, ist sie im Jahre 1736 gestorben.

Ueber den Process Friedrich Jobst's von Witzleben gegen den Herzog von Würtemberg fehlen die weiteren Nachrichten. Dagegen befinden sich im K. K. Haus-, Hof- und Staats-Archiv zu Wien noch Acten, wonach er, ausser gegen einige Anwalte, in den Jahren 1722 und 23 gegen Friedrich Karl von Kaltenthal wegen Injurien und 1723 gegen die vom Holtz wegen ihm zustehender Erbschaften und gegen den Würtem- bergischen Hauptmann Reinhold Johann von Haagen wegen einer Hypothek auf Plidershausen processirte.

Friedrich Jobst von Witzleben starb ebenfalls im Jahre 1736. Seine Tochter, Sibylle Elisbeth Charlotte, heirathete am 31. Aug. 1740 den Kaiserlichen wirklichen Eath und Ritter-Bath des Kantons Steiger- wald in Schwaben Ludwig Frei- und Edlen Panner-Herm von Secken- dorff, Herrn zu Markt- Sugenheim, Erkenbrechtshausen, Etzelsheim, Burleswagen, das er 1729 gekauft hatte. Biedern und Hürfeld, n. 1688.

*) Luise Amaliens Mutter war eine geb. Freiin von Wolmarshausen. Deren Vater, Christoph Albrecht Freiherr von Wohnarshausen auf Amlingshagen, welcher als der Letzte dieses alten Geschlechts am 16. Aug. 1708 starb, hatte im Jahre 1698 ein Fideicommis errichtet-

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15. Dec, t ^743 als der Letzte der Aberdarischen älteren Linie zu Markt-Sugenheim. Sie lebte als Wittwe zu Eothenburg ob der Tauber mit ihrer am 7. Juli 1743 geborenen Tochter Friederike Luise Ernestine Posthuma, Miterbin der Güter Erkenbrechtshausen und Burleswagen.*)

c. Karl Alexander von Witzleben, 1713—1781.

In der „Wochenschrift für die Noblesse und für Freunde der Wapen und adeligen Öeschlechtskunde. Eisenach 1786", befindet sich S. 129 flfg. eine „Ahnenprobe Herrn Alexanders von Witzleben, Erb- Lehn- und öerichtsherm auf Friedstedt, wie auch Erbherm auf Teutleben", und S. 161 unter den zu dieser Ahnenprobe gehörenden Beilagen folgendes Attestat des M. Johann Jacob Gabriel, Pfarrers zu Winterbach, Schom- dorfer Diöces, vom Jahre 1769: „Nachdem ich freundlich ersuchet worden, von der Geburt und Taufe des Hochwohlgebohmen Herrn Alexanders von Witzleben, Kirchenpatrons, Erb-, Lehn- und Ge- richtsherm auf Friedstädt, wie auch Erbherm auf Teudleben, ein pflicht- mässiges und glaubwürdiges Attestatum auszustellen. Als habe nach genauster Durchsuchung sowohl der Urkunden auf dem Engelsberg, welcher allhier eingepfarrt ist, als auch der hiesigen Tauf- und Todten- bücher folgendes annotiren und gewissenhaft bezeugen wollen: Dessen Hochseliger Herr Vater war der Hochwohlgebohrne Herr Friedrich Jost von Witzleben, Erb- und Lehnherr auf Molschieben, und die Frau Mutter die Hochselige Hochwohlgebohrne Frau Loisa Amalia gebohrne Freyin vom Holz, welche ihren locum domicilii auf dem Engelsberg gehabt haben, woselbsten gesagter Herr von Witzleben von An. 1708 bis 1715 als Herzogl. Würtemb. Oberforstmeister**) des Engelberger Forsts gestanden und mit gemeldter seiner Gemahlin folgende Kinder erzeuget hat. Der erste Jimker war obgedachter Herr Alexander von Witzleben, welcher daselbsten auf dasigem Schlosse im Jahr 1714 gebohren und getauft, aber in das hiesige Taufbuch eingeschrieben zu werden vergessen worden sein muss. Von der Gewissheit seiner Ge- burt habe unter andern Zeugen auch einen allhier noch lebenden Chi- rurgum Nahmens Johann Christoph Barchet vor mich erfordert

*) Biedermann. Steigerwald, Tab. CXXV nnd CXXVI. **) Er war nur Forstmeister und dies nicht bis 1715, sondern nur bis 1714.

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und von ihme vernommen, dass bey solchem Tauf-Actu alles in floribus hergegangen, folglich auch der damahlige sehr alte Pfarrer M. Paber aus dem poculo hilaritatis etwas zu viel zu sich genommen und bey seiner Heimkunft seinen Täufling in dem Taufbuch zu notiren vergessen habe. Wie ich denn selbsten auch bezeugen muss, dass schon mehrere adeliche Familien auf dem Engelberg ein solches Schicksal der Vergessen- heit erlitten haben" u. s. w.

Dass der Magister Faber aus dem Pokal der Fröhlichkeit etwas zu viel genossen, wollen wir durchaus nicht bestreiten, wohl aber dass 1 714 das Geburtsjahr Alexanders ist. Die vom Chirurgen Johann Christoph Barchet mit erlebte feierliche Taufe des Jahres 1714, welche auf dem Engeis- berger Schlosse stattgefunden, bezieht sich nämlich nicht auf Alexander, denn dieser ist gar nicht auf dem Engelsberg bei Winterbach, sondern in Schorndorf, wo seine Eltern ja ein Haus besassen, im Jahre 1713 geboren und getauft worden.*) üeber die Vornamen, die er erhielt, sind auch verschiedene Lesarten vorhanden (welche das Erchenbuch zu Schorndorf vielleicht richtig stellen könnte). Eine Nachricht aus Molsch- ieben besagt: „Im Jahre 1737 besass das hiesige Gut der Hof- und Jagdjunker Friedrich Alexander von Witzleben''; F. H. A. von Wangenheim, Beitr. S. 808, nennt ihn Karl Alexander, und dies sind jedenfalls die richtigen Namen, denn ein Karl Alexander und Elisabeth Charlotte von Witzleben beklagen in einem im Archiv zu Angelroda auf- bewahrten Gedichte den am 22. Januar 1736 erfolgten Tod der Frau Sophia Magdalena von Witzleben geb. von Watzdorif, und ein anderer Alexander von Witzleben als dieser Molschlebener existirte damals nicht. Sonst wird er immer nur mit einem Vornamen als Alexander von Witz- leben bezeichnet.

*) Wie aus den S 370, Anm. *) erwähnten Wiener Processacten hervorgeht. In dem Seelenregister der Kirche zu Pröttstedt vom Jahre 1762 steht (aller- dings etwas undeutlich) verzeichnet, Alexander von Witzlehen sei zu Schorndorf am 9. Nov. 1714 gehören. Dies Datum ist aher falsch. Da nach jenen Processacten fest- steht, dass Alexanders Mutter um die Mitte des Jahres 1714 (Anfangs Juli) von einem Sohn enthunden worden war, so ist es nicht gut möglich, dass sie am 9. Nov. desselben oder des vorhergehenden Jahres einem andern Kinde das Leben gegeben habe. Im Kirchenbuche zu Fröttstedt ist an der Stelle, wo Alexanders Tod (21. Sept. 1781) eingetragen ist, die Bemerkung hinzugefugt: „Das eigentliche Alter hat man nie recht erfahren, doch musste es ziemlich hoch in die 70 steigen.** Also auch hier noch Ün- gewissheit und Irrthuml Alexander wurde nur 68 Jahre alt.

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Am 24. Juli 1717 ward Alexander von seiner Mutter getrennt und dem Procurator seines Vaters, Dr. Schellhas in Esslingen, übergeben. Später scheint er dem Vater nach Molschleben gefolgt zu sein, und als er erwachsen war, ging er in Sachsen-Gothasche Dienste, wo er als Hof- und Jagdjunker angestellt wurde. Kaum durch den Tod seines Vaters in den Besitz des alten Famiüengutes Molschleben gelangt, ver- kaufte er dieses laut Kaufkontracts vom 17. Juni 1737 mit der Ernte für 25500 Mfl. an 22 Einwohner von Molschleben (welche sofort die Gebäude abbrachen und die Ländereien unter sich theilten), und erwarb statt dessen von der Vormundschaft Johann Georg's von Wangenheim zu Graitschen 1738 das Wangenheim'sche Eittergut zu Fröttstedt (^4 St. nördlich von Waltershausen, 2 St. westlich von Gotha, jetzt Station der Thüringer Eisenbahn) für 16500 Gulden, nachdem ihm der Ankauf eines kleineren Guts in dem kaum '/2 St. nördlich von Fröttstedt gelegenen Teutleben noch im Jahre 1737 gelungen war. Er richtete das Wohnhaus zu Fröttstedt neu ein, nahm Meliorationen der Aecker und Wiesen vor und kaufte noch ansehnliche Erbzinsen und Lehnstücke hinzu.

Am 11. September 1737 vermählte sich Alexander von Witzleben mit Victoria Eosine Johanna von Wangenheim, der am 16. Sept. 1716 zu Grossenbehringen geborenen Tochter von Johann Georg von Wangenheim auf Grossenbehringen (n. 1681. 3. Aug., f 1722. 26. Mai*)) und Sophie Dorothea Schelhase (verm. 1707, f l^'-^-^- 21. Nov.;**) deren Vat«r war der Fürstl. Sachs. Geh. Eath, Vice-Kanzler und Consistorial- Präsident zu Eisenach Georg Ludwig Schelhase) und zog mit ihr nach einiger Zeit, nachdem er die Güter verpachtet hatte, nach Zella (St. Blasii) im Gothaischen Kreise Ohrdruf, wohin er als Fürstl. Sachsen-Gotha'scher Oberforstmeister versetzt war. 1739 reiste er nach Würtemberg und besuchte auch seiner Mutter Bruder, den Freiherm Eberhard Maximilian vom Holtz zu Alfdorf. Im Jahre 1747 wurde der Sitz des Oberforst- meisters von Zella nach Crawinkel bei Ohrdruf verlegt, wo Alexander von Witzleben zu dem Ende in einem Garten ein schönes Haus hatte bauen lassen. In diesem Hause „sind" am 4. Aug. 1757, Abends 6 Uhr, „der Hochwohlgeborene und Gnädige unmittelbare Eeichsfreyherr Herr

*) von Wangenheim, Beitr. S. 808; nach Taf. XII. aber ist sein Todestag der 28. Mai

**) von Wangenbeim, 1. c; nach Taf. XII. aber der 27. Nov.

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Albrecht Ernst Friedrich von Crailsheim mit des Hochwohl- geborenen und Gnädigen Herrn Alexander von Witzleben, Erb- und Ge- richtsherrn auf Fröttstedtund Teutleben, wie auch hochbestallten Kammer- herms auf Friedenstein und Oberforstmeisters allhier (zu Grawinkel) Aeltesten gnädigen Fräulein, Fräulein Karolinen Christinen Doro- theen Christianen Victorien, nach vorhergeschehener Abkündigung in der den 3. Aug. gehaltenen Betstunde ordnungsmässig copuliret worden".*) Wir ersehen hieraus, dass Alexander von Witzleben inzwischen auch zum Sachsen-Gotha'schen Kanmierherm ernannt worden war. Später, z. B. 1768, wird er Sachsen-Gothascher Ober-Landeshauptmann und 1777 gar Kaiserlicher Kammerherr titulirt.

„Am 20. Juli 1777, Nachmittags gegen 4 Uhr, starb die weyl. hochwohlgeborene Frau, Frau Johanna Victoria Rosina von Witzleben, geb. von Wangenheim, Gemahlin des wirklichen Kaiserl. Kanamerherms Herrn Alexander von Witzleben. Der verblichene Körper wurde den 22. ej. zu seiner Ruhestätte gebracht, welche in dem Garten an dem adlichen Hause in einem ausgemauerten Grabe bereitet war. Die Beerdigung selbst geschähe des Abends gegen 10 Uhr ohne alles Ge- pränge und Procession unter dem alleinigen Mitgange des Pfarrers. Die Zeit ihres Lebens hatte sie, da sie anno 1716 den 16. Sept. geboren, gebracht auf 61 Jahre weniger 2 Monate und 4 Tage." Und „am 21. Sept. 1781 Abends zwischen 10 und 11 Uhr starb Se. Excellenz Herr Alexander von Witzleben, Kaiserl. Königl. Kammerherr und Erb-, Lehn- und Gerichtsherr allhier (zu Fröttstedt), und wurde den 23. ej. Abends in den Garten beigesetzt. Das eigentliche Alter hat man nie recht erfahren, doch musste es ziemlich hoch in die 70 steigen/**)

Alexander von Witzleben hatte zu Fröttstedt in grossartigen Ver- hältnissen gelebt. Nach dem Seelenregister von 1762 gehörten zu seinem Hausstande eine Kammerfrau, ein Jäger, drei Diener und drei Mägde. Li der Tradition der Einwohnerschaft hat sich, nach Mittheilung des Pfarrers B. Weidner vom Jahre 1873, die Nachricht erhalten, dass der Kanmierherr sechsspännig gefahren sei und einen Jäger gehalten habe. Ja, ein alter Mann weiss noch aus den Erzählungen seiner Mutter, wie die Ortsleute und Schulkinder dem alten Edelmann „den Titel hätten

*) Kirchenbuch zu Crawinkel, wonach Goth. Taschenb. der FreiherrL Hanser, 1848, S. 62 zu berichtigen ist.

*•) Kirchenbuch zu Fröttstedt. Alexander war 68 Jahre alt.

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geben" müssen; „Kaiserlich Königlicher Kammerherr mit offenen Schlüsseln von Witzleben" sei der officielle Gruss gewesen.

Von den Erben Karl Alexanders (s. Tab. I. 17.) erwarb die Herzog- liche Kammer 1785 das adeliche Gut zu Fröttstedt und verkaufte dies und das von ihr bereits innegehabte Kammergut, die sogenannte Vogtei, 1808 für 39,000 Thaler an mehrere Einwohner von Fröttstedt, so dass gegenwärtig beide Gutshäuser sich in dem Besitze einfacher Bauern be- finden. Die Stelle, wo das oben erwähnte ausgemauerte Gartengrab ge- wesen ist, kennt man noch; es ist freilich heute daselbst kein Garten mehr, sondern eine Scheuer ist darauf erbaut. Sic transit gloria mundi.

d. Karl Alexanders von Witzleben Nachkommen,

1738—1879.

Viel wüssten wir der Stammtafel I. 17 nicht hinzufügen. Die Söhne Alexanders verkauften 1785 Fröttstedt, wie oben angegeben, an die Herzogl. Sachsen-Gotha'sche Kammer und Teutleben an mehrere dortige Einwohner, welche die Hofstätte in einen Garten verwandelten.

Karl Friedrich von Witzleben, geb. 1738, wurde Herzogl. Sachsen-Weimar'scher Kammerherr und Oberforstmeister zu Eisenach, vermählte sich im October 1771 mit Christine Freiin von Quern- heimb und starb am 18. Juli 1792 zu Eisenach, wo er am 21. Juli beigesetzt wurde. Sein Sohn, Karl Friedrich Ferdinand von Witz- leben, geboren am 12. September 1777 zu Eisenach, trat in Hannover- sche Dienste, wurde am 28. Mai 1795 Fähnrich in der Kurhannoverschen Fuss-Garde, als solcher im Juli dess. J. in Oldenburg vereidigt, den 29. Apr. 1802 zum Second-Lieutenant ernannt, schon am 20. März 1804 zum Premier-Lieutenant in der Artillerie der Königl. Englisch-Deutschen Legion und am 23. Dec. 1805 zum Capitain befördert. In dieser Legion nahm er an den Expeditionen nach Hannover 1805, dem Baltischen Meere 1807/8 und der Scheide 1809 theil. In der Hannoverschen Armee wurde er am 16. März 1815 Major und am 12. Juli 1822 Oberst- lieutenant und stand als solcher bis zum 1. Juli 1825 im 7., von da an bis 31. Mai 1833 im 3. Infanterie-Regimente und ward an letzterem Tage zum 1. Linien-Bataillon versetzt. Nach dem er ferner am 2. Apr. 1836 zum Titular-Obersten avancirt war, trat er am 16. Jan. 1838 auf sein Ansuchen mit dem Charakter als General-Major in Pension. Seit

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dem 17. März 1816 war er Ober-Adjutant des kommandirenden Feld- marschalls Herzog von Cambridge und seit dem 17. März 1833 Aide- General-Adjutant der Infanterie gewesen. Karl Friedrich Ferdinand von Witzleben, Bitter des K, Hannov. Guelphen-Ordens und Inhaber des Wilhelms-Kreuzes, starb zu Hannover am 29. Juni 1845 mit Hinter- lassung von einer Wittwe und fünf Töchtern.*) Die Wittwe war Karoline geb. Holscher, geb. 1. Dec. 1796, mit der er sich am 6. Febr. 1815 vermählt hatte und welche am 15. Febr. 1859 starb. Die fänf Töchter 8. Tab. I. 17.

Dauerhafter als Karl Friedrich pflanzte die Molschlebener Linie Alexanders anderer Sohn August Ludwig Alexander von Witz- leben fort. Er muss 1742 in Zella geboren sein, ward Sachsen-Gotha- scher Kammerjunker und Lieutenant im Dragoner-Eegiment imd ist am 20. Apr. 1768 „mit der Hochwohlgeborenen -Maiemot^eHc Anna Maria Elisbetha Gutbierin, weyland Herrn Johann Ludwig Gutbiers, Frey- sassen zu Gräfen-Tonna, eheleibl. anderer Tochter, auf vorher erhaltene Oher-Consistorialcoficession im hochadl. Hausse (zu Fröttstedt) copuliret worden".**) Mit ihr erheirathete er die Hälfte des ehemalig Weiden- see'schen Sohn- uno Tochterlehnguts zu Grafen ton na. Nachdem aber sowohl er als seine Gemahlin bis 1796 verstorben waren, verkauften seine Schwägerin, Frau Eva Maria Heibig geb. Gutbier, und seine 4 Söhne dieses Gut laut Contracts vom 15. Nov. 1796 an den bisherigen Pächter für 13,000 Gulden, so dass nun die Molschlebener Linie ohne jeglichen Grundbesitz war. Mit den Enkeln August Ludwig Alexanders von Witz- leben erlischt (anscheinend***)) nach fast 500 jährigem Blühen die Molsch- lebener Linie.

*) Schreiben des K. Hannoverschen Kriegsministeriums an G. A. von Witzleben d. d. Hannover, 22. März 1866.

**) Kirchenbuch zn Fröttstedt. ***) Der K. Sachs. Capitain a. D. Ernst Wilhelm Ludwig Georg von Witzleben, welcher am 8. Oct. 1818 zn Dresden unvermählt starb, hatte in seinem am 3. Oct. 1818 errichteten Testamente die Söhne seines Bruders Alexander, Hermann Wilhelm und Jobst Rudolph Alexander, zu Erben eingesetzt. Ausserdem wird eines NeflFen August gedacht, welcher 800 Thaler erhalten soll. Sonst ist uns dieser August von Witzleben nirgends aufgestossen, wir wissen auch nicht, ob er noch lebt und etwa Nachkommen hat.

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V. Abtheilung.

Die Linie zu Marlishausen.

U84— 1615.

Der Deutsche Orden zählte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu seinen hervorragenden Brüdern mehrere Glieder unseres Geschlechts. Albrecht von Witzleben war Landkomthur des Deutschen Ordens und Statthalter in Thüringen von 1392 bis 1420. Ihm folgte in dieser Würde Heinrich von Witzleben, 1420 bis 1429. In den Jahren 1444 und 1448 finden wir den Bitter Heinrich von Witzleben als Komthur von Nägelstedt (bei Langensalza) und 1447 wird eines Ordensbruders Heinrich von Witzleben gedacht, welcher in einem Convent in Thüringen ein so ungebundenes, sittenloses Leben führte, dass ihn der Deutsch- meister dem Hochmeister zusenden musste, damit dieser ihn nach Lief- land und dort an die Orte schaffe, wohin er seines unordentlichen Wandels wegen gehöre.*) Wer die Väter dieser Heinriche gewesen, war bis jetzt nicht zu ergründen. Nur soviel vermögen wir nachzu- weisen, dass der Komthur von Nägelstedt, welcher am 30. Mai 1434 in einem Schreiben des Erfurter Eaths an den Landgrafen in Thüringen noch als „Er Heinrich von Witzleben, des Landgrafen Mann, zu Marlishausen gesessen" bezeichnet wird und einen Theil dieses Gutes an den Erfurter Bürger Erhard von Botha verkaufte, einen Bruder hatte, der ebenfalls Heinrich hiess, aber nicht Bitter war. In dem Leibgedingsbriefe nämlich vom 21. Nov. 1444, worin die Herzöge Friedrich und Wilhelm zu Sachsen Heinrichs von Witzleben zu Marlis- hausen eheliche Hausfrau Engil mit der Hälfte eines freien Hofes mit 7\/2 Hufen Landes, Wiesen und Weiden und eines freien Backofens zu Marlishausen belehnten, heisst es, dass der Engil zu Vormündern gegeben seien Er Heinrich von Witzleben, itzund Komthur des

*) Zeitschrift des Vereins für Thür. Gesch. I. S. 110.

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Hauses Deutschen Ordens zu Nägelstedt, des vorgenannten Heinrichs Bruder, und Hans Meinhard, ihr Vetter.

Heinrich von Witzleben und seine eheliche Hausfrau Engil sind die Stammeltern der Linie zu Marlishausen*) (s. Tab. I. 18). Die auch in dieser Linie vorkonamenden einzelnen Verpfändungen und kleineren Verkäufe übergehen wir als unwesentlich, wollen jedoch erwähnen, dass Heinrich und seine Söhne 1457 von dem Pfarrer zu Obemdorf (unter der Kefemburg) 6 in der Flur von Marlishausen gelegene Hufen Landes Pfarrgut gegen Erlegung eines Komgeldes pachteten, weil dieses Pacht- verhältniss von längerer Dauer war; noch Heinrichs Enkel schlössen am 1. Febr. 1500 einen neuen Contract, wonach sie jene 6 Hufen auf weitere 31 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 3 Maltern schönen Weizens, 3 Maltern Hafer und 1 Malter Gerste übernahmen. Am 9. Jan. 1465 wurden Heinrichs Söhne, Ernf ried (auch Ernfart, meist Herfart genannt), Heinrich und Iring von Witzleben mit den Gütern zu Marlishausen als einem Gesammtlehn belehnt. Herfart von Witzleben kaufte am 7. Mai 1477 von Hans Heise Lehen und Güter zu Mittelsömmem, Ottenhausen, Kutzleben, Homsömmern und Ballhausen (alle in der Gegend von Greussen und Gebesee gelegen), worüber dann seine Brüder, unter denen nun auch Kirsten**) genannt wird, die Mitbelehnschaft empfingen, während sie zugleich seiner Hausfrau Anna zum Leibgut verschrieben wurden. Diese Güter gingen auf Herfarts ältesten Sohn, Heinrich, über; der zweite Sohn, Christoph, und die 3 Söhne eines seiner Bmder (welches, ist ungewiss) hatten Marlishausen inne. Nach dem Lehnbriefe des Herzogs Georg zu Sachsen fär Heinrich von Witzleben zu Mittelsömmem (Herfarts Enkel) vom Jahre 1502 bestanden dessen Güter in einem Sedelhof zu Mittelsönamem mit 10 Hufen Landes, 1 Schaftrift und 20 Ackern Holz im Schorbenthal, 2 Höfen zu Homsömmern und 1 Wiese zu Ballhausen und mussten (nach einem Verzeichniss der Eitterdienste etc.

*) Marlishausen ist em Dorf im Verwaltungs-Amte Arnstadt des F&rstenthums Schwarzburg-Sondershansen, 1 St. ostsüdöstlich von Arnstadt und IV* St. westlich von Witzleben. Mit der Herrschaft Kefemburg kam es an die Landgrafen in Thüringen, später, unter deren Oberhoheit, an die Grafen zu Schwarzburg. Das einst Witzleben- sche freie Rittergut ist Fürstliche Dom&ne mit einem Areal von 533 Preuss. Morg^ 40 QRuthen und Weidegerechtigkeiten in 10 Gemeindefluren.

**) Dieser besass seit 1472 den Sedelhof zu Wundersleben, welchen Christoffel von Witzleben zum Wendelstein 1471 an Bruno von Quer fürt, dieser aber an die von Witzleben zu Marlishausen vertauscht hatte.

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der Thür. Aemter Freiburg, Eckart^berga, Salza, Sachsenburg und Weissen- see von 1518 1529, im Staats- Archiv zu Magdeburg) mit einem Bitter- pferde verdient werden. Heinrich von Witzleben verkaufte Mittelsönmiem 1535 an Hans von Dachröden, lebte dann in Budolstadt und erwarb um 1550 das V* St. südlich von dieser Stadt gelegene freie Bittergut zu Cumbach, dessen Grund und Boden gerade nicht sehr ausgedehnt war, zu dem aber beträchtliche Zinsen aus nicht weniger als 27 in der Um- gegend liegenden Ortschaften gehörten.*) Als Schwarzburgischer Bath wird er von 1523 an 40 Jahre hindurch vielfach genannt, und um seiner treuen und mannigfaltig erzeigten Dienste willen gab ihm Graf Heinrich zu Schwarzburg am 24. Mai 1529 ein Fischwasser bei Marlishausen, von dem Wipfra-Wehr bis zur Veitmühle, zu erblichem Eigenthum. Als 1546 dem Herzog Moritz zu Sachsen die Kur übertragen war, hatte dem- selben auch Graf Günther zu Schwarzburg gehuldigt. Der geborene Kurfürst, Johann Friedrich, suchte sein Land zu vertheidigen, nahm Langensalza ein und liess den Grafen Günther citiren, ihm wieder zu huldigen; der aber sandte nur seine Eäthe, Dr. Beinhard und Heinrich von Witzleben, nach Langensalza und liess sich entschuldigen. Die un- glücklichen Bäthe wurden nun „allda enthalten und verstrickt", d. h. verhaftet, worauf Graf Günther sehr demüthig wegen seines ganzen Be- tragens um Verzeihung und darum bat, seine Bäthe des Gefängnisses imd der Bestrickung zu entledigen. Sein Bitten war vergeblich; erst nach der Schlacht bei Mühlberg (24. Apr. 1547), in welcher Johann Friedrich gefangen wurde, erhielt Günther sein Land und seine Bäthe wieder.**) Auf Heinrich von Witzleben, der 1562 erblos starb, und seine Gemahlin kommen wir unten noch zurück.

Von den oben erwähnten Besitzern von Marlishausen war Veit von Witz leben von 1497 bis 1515 Schwarzburgischer Amtmann zu Klingen imd Georg von Witzleben Kastellan von Blankenburg und Amtmann zu Schwarzburg. Beide starben ohne Erben; Georg ward in dem ein Jahr vor seinem Tode von den Bauern zerstörten Paulinzelle beigesetzt und erhielt über seinem Grabe eine Steinplatte, welche einen stehenden Bitter, das Witzlebensche Wappen mit im Sparren getheilten Schild und die Umschrift zeigte:

*) Füratl. Schwarzb. Geh. Archiv zu Rudolstadt, „Erbbüchlein vber die zum Witzlebischen guthe Gumbach gehörige Zinssen" vom Jahre 1647. *♦) P. Jov. Chron. Schwarzb. 1. c. S. 663 (g.

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NACH : CHBIST : GEBVBT:! :5:2:6:

AM : TAGE : PHILIPPI : VND : lACOBI : IST : VOESCHEI

DEN : DER : GESTRENGE : VND : VHE

STE : GEORG : VON : WICZELEVBEN : DEM : GOT : GENAD :

Jetzt ist von dieser Schrift nur noch ein Theil zu lesen*), da der Stein 3 Jahrhunderte hindurch auf der Erde gelegen und durch Abtreten bedeutend gelitten hat. Auf Befehl des Fürsten von Schwarzburg-Rudol- stadt ist er aber (nebst 3 andern Steinen, Äbte des Klosters darstellend) um 1860 zu besserer Schonung an der inwendigen Seite der Nordwand des Kirchenschiffs aufgestellt worden.

Nur Heinrich von Witzleben, welcher 1526 vom Grafen Günther zu Schwarzburg mit dem nach Heinrichs d. J. von Werthern Tode heim- gefailenen freien Rittergütlein zu Thalheim, (jetzt Wasserthalleben, bei Greussen) belehnt worden war und 1 529 starb , hatte von seiner Gemahlin Elisabeth Nachkommen, nämlich 3 Söhne, Herfart, Georg und Rudolf, und 3Töchter, Magdalene, vermählt mit Christoph Tobekatz zu Elleben, deren Eheberedung am 14. Nov. 1526 errichtet wurde, Margarethe, welche im Januar 1537 ihren Vetter Heinrich von Witzleben zu Rudolstadt heirathete, und Anna, welche am 1. Juli 1555 noch Jungfrau genannt wird und wol auch ledigen Standes blieb.

Im Jahre 1538 verkauften Herfart, Georg und Rudolf von Witzleben, zu Marlishausen gesessen, ihr Gut zu Thalheim an Moritz von Werthem für 1300 Gulden k 21 Zinsgroschen, welche Summe ihnen dieser mit 1092 Thalem, k 25 Groschen gerechnet, bezahlte und sich zugleich verpflichtete, für den Fall dass die von Witzleben die empfangene Münze nicht so hoch ausbringen könnten, den entstehenden Schaden zu ersetzen. Nun thaten die von Witzleben das Geld an den Grafen von Mansfeld um einen Zins aus und gaben dabei den Thaler zu 24 Groschen, büssten also auf jeden Thaler einen Groschen ein. Da sie in Güte von Moritz von Werthern ihren vermeintlichen Schaden nicht ersetzt erhalten konnten, beschritten sie den Rechtsweg vor dem Oberhofgericht. Der Verklagte wies aber nach, dass die Kläger dem Grafen von Mansfeld die 1 300 Gulden auf 3 Jahre in der Art hatten zukommen lassen, dass das Hundert jährlich mit 7 fl. zu verzinsen war, also durchaus keinen Schaden erlitten hätten; er wurde daher am 18. Mai 1543 von der angestellten Klage absolvirt, die Kosten compensirt.

*) Die vollständige Umschrift in Thür. und der Han, II. S. 271.

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Georg von Witzleben leistete im Schmalkaldenschen Kriege seinem Oberlehnsherm, dem Kurfiirsten Johann Friedlich zu Sachsen, getreulich Heeresfolge, „bis ihn Schwachheit abgetrieben*' ; es scheint fast, als wenn diese Schwachheit noch vor der Mühlberger Schlacht eingetreten sei.

Am 3. Jan. 1555 kamen Heinrich von Witzleben zu Cumbach und Georg von Witzleben zu Marlishausen, welche in gegenseitiger Mitbelehn- schaft standen, im Beisein Christophs von Thun zu Witzleben, Christophs von Witzleben zu Wölfis und Sie^unds Witzleben, Bentmeisters zu Arnstadt, und mit Zustimmung ihrer Vettern Friedrich und Ernst von Witzleben zu Elgersburg und Liebenstein, (Vormünder der über Marlis- hausen mitbelehnten Georg und Ernst Tobekatz, Neffen Georgs von Witz- leben) dahin überein, dass Heinrich von Witzleben seine Hauswirthin Margarethe, besagten Georgs von Witzloben Schwester, mit seinem Rittergute Cumbach und Georg von Witzleben seine Hauswirthin Anna geb. von Scharfenstein*) mit dem Gut und Kittersitz zu Marlishausen beleibzüchten sollte. Am 26. Jan. 1559 ward in Bezug auf Anna's Leib- gedinge festgesetzt, dass sie, wenn Georg von Witzleben Todes halben abgegangen wäre, 1 000 Gulden, jährlich mit 6 7o zu verzinsen, 1 50 Gulden zu einem Wohnhause und jährlich 10 Maass schön Korn, 10 M. Gerste, 5 M. Hafer und 1 gemästetes Schwein oder statt dessen 6 Gulden aus dem freien Bittergute Marlishausen ihr Leben lang erhalten sollte, ohne irgendwelche Einrede Heinrichs von Witzleben oder dessen lieber Haus- wirthin Margarethe. Heinrich erlebte Georgs Tod nicht, sondern starb vor diesem und zwar im Jahre 1562. Und nun gingen Sachen vor, die allem, was bisher an verschiedenen Stellen dieser Familiengeschichte über das Verfahren der Grafen zu Schwarzburg gegen einzelne Glieder unseres Geschlechts berichtet ist, die Krone aufsetzen. Wir lassen darüber Christoph von Witzleben erzählen, welcher seinem Freunde Asmus vom Stein zum Liebenstein unterm 25. März 1563 schrieb:**)

„Meinen freundlichen Dienst zuvor, edler und ehrenfester besonders günstiger lieber Freund! Euch als meinem lieben vertrauten Freunde

*) Eine Tochter Joachims von Scharfenstein, den Georg von Witzleben am 6. Juni 1554 wegen Bezahlung von 100 fl. rückstandigen Ehegeldes nebst aufge- laufenen Schäden und Kosten bei den Herzögen zu Sachsen verklagte. Geh. St. Arch. zu Weimar.

*♦) Das gut erhaltene Original dieses Briefes befindet sich im Geh. St. Arch. zu Weimar. Wir geben den Brief mit heutiger Orthographie.

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kann ich guter Wohlmeinung nicht bergen, wie Ihr sonder Zweifel vielleicht erfahren habt, wie dass die wohlgeborenen meine gnädigen Herren, die Grafen zu Schwarzburg etc., meine Muhme, Frau Margaretha von Witz- leben zu Cumbach, Heinrichs von Witzleben sei. nachgelassene Wittwe, gewaltiglich, ohne einiges rechtliche Erkenntniss, mit Richtern, Stadt- und Landknechten sammt einer grossen Anzahl Volks überfallen, wider Gott, Recht und alle Billigkeit geplündert, sie gefangen hinweg gefahrt und bis auf diese Stunde in schwerem Gefängniss enthalten haben, der armen Frauen unbilliger Weise alle ünehr, Schanden und Laster nach- sagen, ihres Gefallens ürtheil über sie holen lassen, sie, wie gemeldet, wider Gott, Recht und alle Billigkeit, den Kaiserlichen Landfrieden, des Heiligen Reichs Constitution geplündert, die Lehngüter als ihr Leibgut, das etwa ungefähr über die 6000 Gulden, die Verschreibung, damit Ihre Gnaden ihr der Frauen verhaftet*), sanunt allem Hausgeräth, ein statt- lich Silbergeschirr, auch alle andere Privilegien und anderes genommen und keinen Menschen zu ihr eingehen lassen, sondern ihres Gefallens mit der armen gefangenen Frauen gebärden, ihrem Bruder Georg von Witzleben, welches denn ein armer unverständiger Mensch ist, sein Gut Marlishausen abgekauft, ihm der gedachten Frauen Leibgut Cumbach dagegen eingeräumt, welches dann ohne das ihm nach ihrem Tode kraft der Gesammt-Lehen heimfalle, aber ihr Bruder, wie gemeldet, ein armer Mensch ist, der weder Witz noch Verstand zu gebrauchen (weiss), sie mir von meinem Vater und Mutter sei. verwandt und ich als ihr bluts- verwandter Freund sie mit Ehren und Recht gern aus solcher grossen unbilligen gewaltsamen Beschwerung bringen wollte, auch grosse unbillige Gewalt der armen Frauen begegnet und ich, solch alles aus christlicher Liebe, blutsverwandter Freundschaft nicht zu unterlassen weiss, diese Unbilligkeit bei dem Durchlauchtigen Hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn Johann Friedrich d. M., Herzog zu Sachsen etc., meinem gnädigsten Fürsten und Herrn, als bei der hohen landesfiirstlichen Obrigkeit, unter- thänig (zu) suchen, also dass J. F. G. gemeldete arme Frau in J. F. G. Fürstenthum auf freien Fuss und des unbilligen harten Gefängnisses von landesfürstlicher Hoheit und Obrigkeit wegen entledigen, und

*) Der Leibzuchtbrief des Grafen Günther zn Schwarzburg für des gestrengen Heinrich von Witzleben tugendsame Hausfrau Margarethe geb. von Witzleben über das Gut zu Cumbach, 1551» Freitag nach Luciae v. (d. i. 18. Dec), befindet sich im Schwarzburgischen Archiv zu Sonderhausen.

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wird sie vor J. F. G. zu peinlichen und burglichen Eechten aller- männiglich, wer ihr zuzusprechen vermeint, still stehen und Bechtens gewarten; solches will ich von ihretwegen mit etlichen ehrlichen vom Adel auf eine stattliche Summe Geldes genugsam verbürgen. Dieweil ich dann weiss, dass Dir dann meines Vaters sei. gar guter vertrauter Freund gewesen seid, der armen gefangenen Frauen Bruder ein Mensch ist, der seinen Nutz, Frommen oder Schaden nicht weiss noch erkennen kann, so gelangt an Euch mein freundlich Bitten, Ihr wollt mir hierinnen freundlich berathen sein, wie und welcher Gestalt solche Sache bei hoch- gedachtem meinem g. F. und Herrn anzufangen sei, denn ich hoflfe J. F. G. als die hohe landesfiirstliche Obrigkeit werden in dieser ganz beschwerlichen Sache der armen Frauen ihr Recht zur Billigkeit und, wie gemeldet, von landesfurstlicher Obrigkeit offnen etc., denn es ist zu befahren, wenn dieser Handel langen Vorzug haben sollte, dass der armen gefangenenen geplünderten Frauen ein spanisch Süpplein*) bei- gebracht werde, wodurch sie des Todes sein müsste. Derwegen an Euch mein ganz freundlich Bitten, Ihr wollt mir in diesem aufs förderlichste Euren guten Rath mittheilen; solches will ich um Euch mit allerhöchstem Vermögen freundlich verdienen, so wird es die arme Frau mit ihrem Gebet gegen Gott den Allmächtigen sonder allen Zweifel zu verschulden wissen.

Datum Donnerstag nach Laetare Anno etc. 63.

Christoph von Witzleben. *

Georg von Witzleben sagt in einem von ihm zu Arnstadt am Tage Gregorii (12. März) 1563 ausgestellten Revers, dass nachdem sein Schwager Heinrich von Witzleben zu Cimibach von dieser Welt ge- schieden und sein frei Rittergut Cumbach, darin er (Georg) mit ihm in gesammter Hand und Mitbelehnschaft gewesen, auf ihn als seinen Agnaten und Mitbelehnten gefället, welches aber den Grafen Günther und Hans Günther Gebrüdern za Schwarzburg als den Lehnsherrn aus dem Grunde, weil er (Georg) der gesammten Hand keine gebührliche Folgen gethan, auch Heinrichs hinterlassene Wittwe Margarethe von Witzleben ihre

*) In den Zeiten des 30jährigen Krieges auch Schwedentrunk genannt. Pas unglückliche Opfer ward auf den Bücken gelegt und ihm mittelst eines Trichters Jauche und dergl. ünrath in den Mund geflösst, his der Leib aufgetrieben war; dann trat oder schlug man auf den geschwollenen Leib mit welcher Wirkung, mag sich der geneigte Leser nach Belieben ausmalen. Die Erfindung dieser Qual ist falschlich den Schweden angedichtet worden, während sie nach obigem Brief schon 1563 in Deutsch- land bekannt war.

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an solchem Bittergut vermachte und verschriebene Leibzucht die Tage ihres Lebens verwirkt habe,*) erledigt und heimgefallen sei, und wiewohl nun die Grafen befugt seien, das Gut fiir sich zu behalten oder irgend einem andern zu verleihen, sie ihm doch auf sein Bitten solch freies Bittergut Cumbach zu leihen und einzuräumen bewilligt hätten, wogegen er verspräche, an dem Kaufgelde, so die Grafen ihm für das ihm ab- gekaufte Gut Marlishausen zu zahlen pflichtig, 3000 Gulden schwinden zu lassen. Am 1. Mai 1563 ward der Verkauf von Marlishausen perfect: Georg von Witzleben verkaufte an die Grafen Günther, Hans Günther, Wilhelm und Albrecht Gebrüder zu Schwarzburg etc. sein freies Bitter- gut zu Marlishausen sammt dem Wohnhause und Hofe, Ställen und Scheunen, Schäfereien mit 500 Schafen, bestellten und unbestellten Aeckem, Wiesen und Weiden, Gehölzen, Fischereien, Gärten, Gülten und Zinsen, sowie aller Gerechtigkeit und Zubehörung für und um 12000 Gulden ä 21 Schneeberger Groschen, wovon er versprochener Massen, nachdem ihm das Gut Cumbach inzwischen eingeräumt war, 3000 fl. fahren liess. Damit sich aber seine Mitbelehnten (seines Schwagers Christoph Tobekatz Söhne) nicht beschweren konnten, willigte er darin, dass von der Kaufsumme 6000 fl. als Lehnstamm stehen blieben, sodass er für sich nur 3000 fl. erhielt.

Ueber die weiteren Schicksale der armen Margarethe ist uns nichts bekannt geworden; am 28. Mai 1564 wird sie als verstorben bezeichnet.

Georg von Witzleben lebte noch 1574 und cedirte am 18. März d. J. sein Patronatsrecht über den Altar S. Matthiae et Mauritii in der Kirche S. Matthiae zu Erfurt dem Grafen Günther zu Schwarzburg. Mit dem Jahre 1580 tritt sein Sohn, Heinrich von Witzleben zu Cumbach, auf, dem die Grafen Hans Günther, Wilhelm und Albrecht zu Schwarz- burg am 28. Mai 1585 das von seinem verstorbenen Vater erkaufte Gut Marlishausen verpfändeten. Heinrich verkaufte in der Zeit vom 25 Jan. 1593 bis 28. Dec. 1614 zu sechs verschiedenen Malen einzelne Lände- reien des Gutes Cumbach gegen haar Geld und Zinshühner und starb 1615. Er scheint einen Bruder Georg gehabt zu haben, wenigstens wird sein Vater bei Gelegenheit der Cedirung des Erfurter Patronatsrechtes Georg von Witzleben der Aeltere zu Cumbach genannt. Dies Gut finden wir 1615 als heimgefallenes Lehn im Besitz der Grafen zu Schwarz- burg, erloschen war also die Linie zu Marlishausen.

*) wodurch, wird leider nicht gesagt.

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I. Theil. Anlage I.

Christoph von Witzleben

und

Balthasar von Denstedt.

Ein Bild deutscher Rechtspflege zu Ende des 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts, nach den im Königlich Sächsischen, Grossherzoglich S. Weimarschen, Herzoglich Coburg -Gothaischen und Fürstlich Schwarzburgischen Archive enthaltenen Nachrichten erzählt.

Die Lebensgesichte Christophs von Witzleben aus dem Hause Liebenstein*), als dessen Stammvater Heinrich d. J. (11455) auf Stamm- tafel l genannt wird, erscheint desshalb in einem besonderen Abschnitt, um durch dieselbe die später erscheinende Geschichte der Liehensteiner Linie nicht zu unterbrechen.

Wenn der Leser in der vorliegenden Biographie manche Lücke finden und namentlich durch den Schluss derselben unbefriedigt sein sollte, so möge er dies der ünvoUständigkeit der Archive und nicht den Verfassern zuschreiben, welche keine Mühe gescheut haben, gerade diese interessante wenn auch trübe Episode unserer Familien-Geschichte so vollständig als möglich darzustellen.

•) Die Burg Liebenstein Hegt im Herzogthum Gotha, nicht weit von Arnstadt.

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Christoph von Witzleben wurde um das Jahr 156S geboren. Seine Mutter Sibylle war eine geborne von Reineck, deren Familie die Burg Mühl- berg, eine der drei Thüringischen Gleichen, besass Sie gehörte unstreitig zu den gebildetsten Edelfrauen ihrer Zeit, war streng religiös und hielt fest an dem lutherischen Glauben. Mit inniger Liebe hing sie an ihren beiden Kindern und brachte für ihren Sohn, welcher ihr so unendlichen Kummer bereitete, alle nur erdenklichen Opfer, während sie ihre Tochter, deren Tauiiiamen wir nicht kennen, zu einer sittsamen Jungfrau erzog.

Die Erziehung Christophs hatte ihren Verlauf, wie es die damalige Zeit mit sich brachte. Er lernte reiten, ward in der Religion und lateini- schen Sprache unterrichtet, und schrieb gleich seiner Mutter einen leser- lichen gut stilisirten Brief, was bei dem damals üblichen langen Perioden- bau sehr anzuerkennen ist.

Christoph war von ungestümem aber dennoch leicht zu leitendem Charakter, und es war um so trauriger für ihn, dass er seinen Vater Heinrich,*) welcher viel Umsicht, Ruhe und Geschäftskunde besass, früh verlor, da seine Jugend in eine für den grundbesitzenden Adel schwierige Zeit fiel

Nicht allein, dass im Allgemeinen die Fürsten ihre erwachenden Souverainetäts-Gelüste dadurch kund gaben, dass sie "vor allem die Macht und das Ansehen des niedem Adels zu brechen suchten, denselben rück- sichtslos in seinen hergebrachten Rechten beeinträchtigten und ihn nicht selten unter nichtigen Vorwänden seiner Güter beraubten, während sie sich dagegen der kaiserlichen Machtsphäre so viel als möglich entzogen, sondern es walteten in Thüringen noch besonders ungünstige Verhältnisse ob.

Die gefürchteten Grafen von Henneberg, in deren Bereich ein Theü der Güter Christophs von Witzleben lag, waren 1583 ausgestorben und die Grafschaft war dem sächsischen Hause zugefallen. Da jedoch eine Theilung unter den verschiedenen Zweigen des sächsischen Hauses erst im Jahre 16G0 zu Stande kam, bis dahin aber die Verwaltung der Graf- schaft gemeinschaftlich geführt wurde, so konnte sich zwischen Lehnsherren und Vasallen kein persönliches Verhältniss bilden, welches sonst häufig das Gewaltthätige jener Zeit ausglich.

Ein anderer Theü seiner Güter, namentlich Gräfenau mit einem Rittersitz, welches Christoph von seinem Onkel Philipp von Witzleben

*) war bereits 1577 todt.

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geerbt hatte, sowie Unterweissbach, Geilsdorf und Bücheloh, waren schwarz- burgische Lehen.

Zu allen diesen heiklen Verhaltnissen ti*at noch die Persönlichkeit der thüringischen Fürsten hinzu.

In Schwarzburg regierte Graf Albert Anton, der Stifter des Hau- ses Schwarzburg - Rudolstadt, welcher in dem Bestreben, seinen Grundbesitz zu mehren, von seinen ßäthen auf alle und für Andere nicht immer schonende Weise unterstützt wurde.

In Weimar heiTSchte Herzog Friedrich Wilhelm. Derselbe war von 1591 bis IGOl als Vormund der unmündigen Söhne des verstorbenen Kurfürsten Christian I. Administrator von Kursachsen und verlegte auch für diese Zeit sein Hoflager von Weimar nach Torgau. Bei vielen tieff- lichen Eigenschaften war Friedrich Wilhelm ein eigenmächtiger Herr, welcher auch vor Gewaltthat nicht zurückschreckte, wie die Hinrichtung des vei+rauten Rathgebers des Kurfürsten Christian I., des Kanzlers Crell, bezeugt.

In Coburg endlich regierte Herzog Johann Kasimir, ein tüchtiger aber harter Fürst, dessen an Grausamkeit grunzendes Veifaluen gegen seine erste Gemahlin bekannt ist.

Solchen Herren gegenüber hatte der niedere Adel schweren Stand. Schon längst hatte er sich der edlen Ritterlichkeit früherer Jahrhunderte entfremdet. Seine Burgen vermochten nicht mehr, dem schweren Ge- schütze gegenüber Widerstand zu leisten und Sicherheit zu gewähren, und sein Schwert hatte an Werth verloren, seitdem die Fürsten Söldner miethe- ten und zur Kriegführung die Ritter weniger nothwenig hatten, als Geld. Statt wie früher in Fehden und Kämpfe, sehen wir jetzt den Adel in un- zählige Processe verwickelt, welche sein Vermögen zerrütteten und sein Leben verbitterten.

Durch dieses von oben herab vergewaltigte, durch Processwuth ver- kümmerte Dasein brachen von Zeit zu Zeit Nachklänge früherer ün- gebundenheit und ünbändigkeit hindurch. Die Ritter beugten ihren Nacken in Erinnerung an ihre frühere Selbstständigkeit und Unabhängigkeit nur widerwillig der aufkeimenden Büreaukratie, sie beachteten die Erlasse fürstlicher Regierung nur gering, und wenn die Fürsten die Kammer- gerichtsboten, welche ihnen die kaiserlichem Mandate zu insinuiren hatten, nicht selten sehr übel üactirten, so setzten sich auch die Amtsboten

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argen Misshandlungen aus, wenn sie eine unliebsame Citiiuug nach einem Edelhofe zu bringen hatten.

Während Christoph von Witzleben auf seinem Gute Heida lebte, wohnte nicht weit von ihm entfernt, zu Kranichborn, Balthasar von Denstedt. Beide Edelleute wurden eng befreundet, obgleich Denstedt 30 Jahre älter als Witzleben war.

Balthasar von Denstedt war ein rabulistischer, in allen Streitfragen wohlerzogener Mensch von zähem, halsstarrigem Chai-akter, dessen ganzes Leben von unheilvollen Streitigkeiten ausgefüllt war. Seine Familie ge- hörte dem meissnischen Adel an und war auch in Meissen begütert, bei Hofe angesehen und vielfach auf den Tumiren und Palliarennen zu Dresden vertreten. Balthasar von Denstedt, welcher in dem an das Erfurter Ge- biet grenzenden Kranichbom lebte, gerieth um das Jahr 1571 mit dem Rathe zu Erfurt wegen des Amtes Vippach in Händel und musste die- selben mit siebenjähriger Haft in Weimar bussen.

Er war wie seine Familie von Hause aus lutherischen Glaubens. Später jedoch, zum Katholicismus übergetreten, wurde er ein eifriger Papist und galt viefach för einen katholischen Emissair. So auch seines Religionswechsels wegen vielfachen Anfeindungen ausgesetzt, von seiner Familie verlassen, war er mit der ganzen Welt zerfallen und gegen dieselbe von Bitterkeit erföllt, welche nach allen den Kränkungen, die er zu erdulden gehabt hatte, wohl vei-zeihlich sein mochte, seinem jugendlichen Freunde jedoch zum grössten Nachtheile gereichte.

Seit seineni 23. Jahre lebte Witzleben nachweislich mit Denstedt in engster Gemeinschaft und unternahm nichts ohne dessen Rath und Zustimmung. Es ist wohl. leicht erklärbar, dass ein so unerfahrener Junker, wie Christoph von Witzleben, sich gern und willig den Rathschlä- gen des in Welthändeln so gewiegten Denstedt fugte und ihn als seinen Mentor betrachtete; wunderbar bleibt es dagegen, dass die Folgen dieser Rathschläge, das daraus entstandene Unglück und die daraus entsprossenen Widerwärtigkeiten, statt das Freundschaftsband zu lösen, Witzleben immer fester an Denstedt ketteten.

Christoph hatte von seinem Vater bedeutenden Grundbesitz geerbt und besass die Rittergüter Heida, Schmerfeld, Neusis, Gräfenau, Büche- loh. Unter weissbach, Geilsdorf und Alperitz (Oberpörlitz), ausserdem mehrere kleine Besitzungen, wie den Backofen zu Salzbrücken u. s. w.;

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dennoch aber waren seine Vermögensverhältnisäe keineswegs glänzend.

Eines der genannten Güter, Büchelob, hatte seine Grossmutter, ein anderes, wahrscheinlich Gi'äfenau, seine Mutter als Leibgedinge im Besitz und dabei ward er bald in einen schwierigen Process mit dem Gratien Albert von Schwarzburg verwickelt.

Schwarzburgischer Seits wird der Hergang so erzählt:

Philipp von Witzleben hatte eine Schäferei, welche er mit eigenen Schafen nicht besetzen konnte, an Hans Sahm, einen vermögenden Bauers- mann gegen einen jährlichen Zins verpachtet Beide Contrahenten starben und Christoph von Witzleben, Philipps Erbe, wollte die Schäferei wieder an sich bringen und kam mit den Vormündern der Sahmschen Minoren- nen dahin überein, dass sie ihm 400 Schafe, jedes zu einem Gulden, zusagten, jedoch unter der Bedingung, dass er dieselben, wie sie aus der Heerde ablaufen^ annehmen und ehe die üeberantwortung geschehe, Zah- lung leisten oder Caution stellen wolle.

Dieser Abrede zuwider nahm Christoph von Witzleben aus der Schäferei, in der über 700 Stück Schafe waren, 400 der besten Schafe heraus, leistete aber dafür weder Zahlung, noch stellte er Sicherheit. Als hierauf die Vormünder die zurückgelasseneu Schafe nicht annehmen wollten, hat Christoph von Witzleben die ganze Heerde an sich genommen und behalten.

Hierüber beschwei-ten sich die Sahmschen Vormünder bei dem Grafen von Schwarzbm-g, und dieser trug Witzleben auf, entweder die Schafe zurückzugeben oder die bedungene und versprochene Caution zu stellen.

Witzleben that keins von beiden, und als ihm durch ürtheil zu diei Malen bei Strafe von 100, 200 und 300 Thlr. die Restitution der Schafe aufgegeben war, blieb er bei seinem Ungehorsam und behielt die Schafe sanmit und sonders.

Hierauf bat er selbst, wohl färchtend, dass der Handel nicht zu seinem Gunsten enden werde, um einen Vorbescheid vor den gräflichen Käthen mit den Sahmischen Voimündem, und versprach auf dem Termine mit Hand und Mund, alle Sahmischen Schafe binnen 8 Tagen ohne weiteren Verzug zurückzugeben.

Diesem Versprechen kam Witzleben aber nicht nach, sondern begehrte, ehe die 8 Tage verlaufen, 3 Wochen Bedenkzeit, und als ihm diese nicht

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gegeben, appellirte er an das Fürstlich Sächsische Hofgericht zu Jena. Die Angelegenheit muss jedoch eine andere Auslegung zugelassen haben, als die der Fürstlich Schwarzbürgischen Regierung, denn das Hofgericht gebot vorläufig unterm 24. Januar 1592 dem Grafen Albert, entweder selbst oder dm-ch genugsam bevollmächtigten Anwalt am 2. März voim Hofgerichte zu erscheinen und Bescheid zu erwarten, und fertigte, als keine Folge geleistet wurde, unterm 3. März ein Mandat aus, bei Pön und Straf von 100 Goldgulden am 19. Juni ejusd. vor dem Hofgericht zu Jena zu erscheinen, bis dahin aber sich in dieser Sache nichts anzu- massen, vorzunehmen, vielmehr sich derselben gänzlich zu entäussern und zu entschlagen, vor allen aber den von Witzleben wiederum frei und ungehindert in seine Behausung kommen und gehen zu lassen.

Inzwischen hatte aber Graf Albert auf Ansuchen der Vormünder und des Stiefvaters der Sahmschen Kinder den Letzteren die durch Witz- leben genommenen Schafe durch den Schäfer zu Schwarzburg wieder zu- treiben lassen, woraber Witzleben seinerseits in Jena Beschwerde führte.

Das Hofgericht sah sich in Folge dessen unterm 8. April 1592 ver- anlasst, dem Grafen bei Strafe von 300 Goldgulden rheinisch aufzugeben, dem von Witzleben seine abgetriebenen und genommenen Schafe, Schäfer und Viehknecht ohne Entgelt wieder zu restituiren und zuzustellen.

Dieser Ladung wurde giäflicher Seits unterm ß. Mai erwidert, dass man nicht füi- schuldig erachte, auf dem anberaumten Termine zu erscheinen, dass man sich vielmehr dem Fürstlich Sächsischen Gerichtsstande durch- aus nicht unterwerfe, und daher bitten müsse, diesen Process gänzlich ein- zustellen und Appellanten vor seine ordentliche Obrigkeit zu weisen.

Dieser Weigerung folgte unterm 8. Mai ein Schreiben an den Herzog Friedrich Wilhelm, Vormund und Administrator von Kursachsen, in welchem auseinander gesetzt ward, dass das Amt Schwarzburg, daraus wieder Witzlebeu beliehen, nicht Sächsisches Lehen sei, sondern immediate von Kaiserlich Römischer Majestät und dem Reiche zu Lehen geti-agen werde.

Hierauf erliess Graf Albert am 26. Februar 1593 ein Schreiben an Christoph von Witzleben, in welchem es am Schlüsse heisst: „üieweil Du Dich vielföltig ungehorsam, unrechtlich, widersetzig und fireventlich gegen uns erzeiget, auch ezliche schandgemälde und schmähebriefe zu grosser schimpflicher Verachtung, Verhöhnung unser und unserer Räthe ausgehen lassen und von dich geschrieben, hierinnen Du aber allenthalben

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wider recht, des heiligen Komischen Beichs abschiede und deine Lehnspflicht gehandelt, also sind wir dennoch bedacht, wider dich und deine von uns zu leben verliehene Güter ein Mann- oder Lehngericht anzustellen. Darumb aus Kraft unser Oberldinsgerichts und gerechtigkeit wir dich hiermit peremp- torie citiren und laden, dassdu auf den Montag nach Quasimodogeniti, wird sein der 23. April nächstkünftig früher Tageszeit allhier aufin Rathhause er- scheinest, auf vorgehende Anordnung eines gebührlichen und ordentlichen Lehnprocesses und erfolgte unsere Klage dich mit Antwort vernehmen lassest und also von Munde aus in die Feder mit dreien abgewechselten Sätzen zum ürtel beschlössest, der Irotulation beiwohnest und darauf rechtlichen Erkenntniss gewartest. Du thust nun solches oder nicht, so soll doch mit Anordnung berürten Processes, Erwählung und Niedersetzung ezlicber parium curiae, die aus unsem gehorsamen Lehnleuten vom Adel dazu beschrieben, und sonsten, wie sichs desfalls im Hechten eigenet, ge- bührlichen verfahren werden. Damach du dich zu achten." ^

Zu Lehnsrichtern (pares curiae) waren Veit Dieterich von Holbach zu Könitz, Günther von Thuna zu Quittelsdorf, Georg von Eschwege zu Dölstedt, Wolf Dietrich von Greussen zu Pröbitz, Reinhardt Röder zu Dömfeldt, Dippold von Schönfeld zu Budolstadt, Georg Tobekatz zu Elleben, Curt Apel von Griesheim daselbst und zum gräflichen Anwalte vor diesem Gterichte Adam von Bomstedt zum Jesubom ernannt worden. .

In diesem am 23. April 1593 zwischen 8 und 9 Uhr Vormittags auf dem Rathhause zu Budolstadt angestellten Lehnsgerichtstermine, in welchem die gräflicher Seits dazu verordneten Räthe, vor andern M. Nicolaus Majus, Nikol von Tottieben, Schwarzburgischer Hofmeister, Johann Schmidt, Schösser, und der ganze sitzende Rath zu Rudolstadt zugegen, Christoph von Witzleben aber ungehorsam ausgeblieben war, wurde aus den hinzu beschriebenen von Adel zur Wahl der Lehnleute geschritten, letztere in Eid und Pflicht genommen, von dem von Witzlebenschen Ab- geordneten (seinem Verwalter Hans Apel und Christoph Spitznase zu Mühlberg einem jungen von Adel ) aber eine Schrift abgegeben.

Auf einem abermaligen zum 6. Mai 1594 im Rathhause zu Rudol- stadt angesetzten Termine erschien Witzleben wiederum nicht, sondern liess durch einen Boten eine Protestation überreichen.

Hiermit nicht zufrieden, wandte sich Witzleben, da er mit Recht glaubte, dass die Mandate des Ho%erichts zu Jena ohne Erfolg bleiben

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würde», an das Reichskammergericht zu Speier, welches auch die Heraus- gabe der weggetriebenen Schafe und der mit Beschlag belegten Güter anordnete, ohne dies jedoch wirklich herbeizufuhren.

Dagegen wandte sich die gräfliche Regierung, das Hofgericht zu Jena nicht anerkennend, an die Juristenfacultät der Hochschule zu Altorf. Dadurch zog sich die Sache in die Länge, und erst am 28. December 1596 wurde Christoph von Witzleben abermals geladen, vor einem au8 8 Edelleuten*) besetzten Lehnsgerichte am 21. Februar 1597 auf dem Rathhause zu Rudolstadt an gewöhnlicher Gerichtsstelle zu erscheinen, und, da er nicht Folge leistete, für ungehorsam^ erklärt

Die Juristenfacultät zu Altorf verwarf unterm 5. April 1597 diese Üngehorsamkeits-Erklärüng und decretirte, dass Witzleben anderweit vor- zuladen, dass ihm die Citation mit ganzer Sächsischer Frist vor dem ange- setzten Rechtstermin zu insinuiren oder an gebührlichem Orte zu pubü- ciren sei und angeschlagen werde. Erschien er nun oder nicht, so ergebe, was Recht sei.

Unter dem 12. März 1599 beantragte der gräfliche Bevollmächtigte Curt von Griesheim die Execution und am 26. April desselben Jahres sprachen die oben genannten 8 pares curiae aus, „dass Krafflts des Urtels alle von Witzlebenschen Schwarzburgischen Lehngüter, ak die Dörfer Gräfenau,. sammt dem Rittersitze darinnen, Bücheloh, Unterweissbach und das Gut Geilsdorf, sammt allen pertinentien und denen dazu gehörigen Unterthanen, welche ihrer Pflichten von dem von Witzleben losgezählet und an des Anwaltes Gnädigen Herrn gewiesen werden, als ein heimge- fallen verwirkt und aberkannt Lehen, gerichtlich eingeräumt, tradiret und in wirklichen posses übergeben, solches Alles för das seine, aller massen es der von Witzleben inne gehabt, genutzet und gebrauchet, eigenthümlich inne zu haben, zu besitzen und zu gebrauchen, dabei auch sein gnädiger Herr principal gebührlich geschützet und gehandhabt und ferner Ihrer Gnaden vorbehalten sein soll, was an den anno 1595 erkannten Strafen und Kosten noch ausständig und ehe die bisher eingenommene Nutzung der beiden Dörfer Giäfenau und Bücheloh nicht empfangen, was er temer an Expensen aufgewendet und sonst für den von Witzleben bezahlt und

*) stnlt Georg von Eschwege und Georg ?on Holbacb waren Christoph von Thün« ZQ Schobt und Veit Ulrich von Ednitz zu Ejba eingetreten.

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ausgegeben haben will, die Execution und gebührliche Nothdurft nochmals zu suchen.

Wie wir aber später sehen werden, war Witzleben gar nicht im Stande, zu dem entscheidenden Termin am 21. Februar 1597 zu erscheinen, da er zur Zeit auf der Leuchtenburg gefangen gehalten wurde.

Hatte sich Witzleben durch die bereits ei-wähnte Klage am Sächsischen llofgerichte den Grafen Albert noch mohi* wie früher verfeindet, so zog er sich durch die Uebertragung seines Rechtsstreites nach Speier die vollste Ungnade der auf ihre Gerichts-Herrlichkeit so eifersüchtigen Her- zöge von Sachsen zu und es war voraus zu seheü, dass von ihnen die erste Gelegenheit benutzt werden würde, Witzleben dafür zu züchtigen. Diese Gelegenheit sollte sich nur zu bald finden.

Im Sommer 1593 hatte Michael Sternberger, der Bürgermeister zu Langen wiesen, an der Um gelegen, 67 blatterichte Schafe ohne Er- laubniss in die mit 700 Schafen belegte Witzlebensche Schäferei zu Neusis eingetrieben.

Witzleben beschied deshalb den Bürgermeister zu sich nach Neusis und Hess ihn, da derselbe widerharig war, schrauben und nach der Burg Liebenstein föhren, woselbst Chiistoph Oeffnung (^Einlass) und mit seinen Vettern ein gemeinschaftliches Geföngniss hatte.

Witzleben glaubte hierbei in vollem Rechte zu sein. Er war zu Neusis mit der „peinlichen und burglichen" Gerichtsbarkeit beliehen und stand im festen Glauben, dass Michael Sternberger wissentlich krauke Schafe in sein Pferch getrieben habe. Er entliess daher seinen Ge- fangenen nicht eher, als bis derselbe 50 fl. Strafe gezahlt und ürphede ge schworen hatte und behielt ihn so trotz eines Befehls der Meiningschen Regierung 14 Tage lang in Haft.

Kaum war Michael Sternberger in Freiheit gesetzt, als er des ge- schworenen ürfiiedens ungeachtet bei der Regierung zu Weimar wegen der ihm zugefügten Gewaltthat Klage erhob. Witzleben wurde in Folge dessen nach Weimar entboten, erschien jedoch nicht und sandte, als die Citationen sich wiederholten, endlich seinen Befehlshaber zu Heida, Philipp von Spitznase, dahin. Dieser gebrauchte aber, wie die Gegenpaiihei sagt, vor den Räthen so ehrenrührige Worte, dass er in Verhaft genommen werden musste.

Fast zu gleicher Zeit war Witzleben auch in Streitigkeiten wegen Zahlung der allgemeinen Reichs- und Türkensteuer mit der Regierung zu

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Meiningen*) verwickelt. Die ßegierung war der ÄBsicht, sie verlange von Witzleben nur so viel Steuer, als sein Vater den Grafen von Henneberg bisher gezahlt habe, wogegen Witzleben behauptete, die Kegierung fordere von ihm eine neue Steuer, welche er nicht zu leisten brauche. Die Meiningi sehen Käthe beauftragten, da Witzleben ti*otz aller Eiinnerangen bei der Steuerverweigerung verblieb, den Richter zu Ilmenau, Michael vom Hof, die Steuer nebst der poena dupli von den Witzlebenschen Unterthanen einzufordern. Christoph hielt jedoch die Schultheissen ab, in Ilmenau zu ei*scheinen, und in Folge dessen wurden drei derselben gewaltsam nach Massfeld geführt und dort gezwungen, an Steuer und poena dupli 100 Fl., welche sie sich von ihrem Herrn zurückerstatten lassen sollten, aufau- bringen.

Witzleben war jedoch hierzu garnicht geneigt, und als ihn Michael vom Hof durch einen Landsknecht nach Ilmenau citirte, setzte er letz- teren gefangen , entliess ihn jedoch nach einiger Zeit mit den Worten : „Er möge mit solchen Schelmbriefen nicht wiederkommen, sonst würden ihm Arm und Bein entzweigeschmissen werden. An Michael vom Hof aber möchte er bestellen, dass, wenn er Christoph von Witzleben ihn antreffen würde, so solle er so behandelt werden, dass er keinem Menschen mehr ähnlich sehen würde."

In allen diesen Practiken war Balthasar von Denstedt Christophs stetiger Rathgeber gewesen. Auch die Gebrüder von Witzleben, Friedrich, Heinrich und Job Wilhelm auf der Elgersburg, erbaten sich Denstedts Rath in dem Prozesse, welchen sie in Speier gegen den Herzog Friedrich Wilhelm von Weimar wegen Beeinträchtigung ihres Rechtes, in den Her- zoglichen Forsten Harz zu scharren, fahrten. In einer deshalb einge- reichten und angeblich von Denstedt abgefassten Eingabe wurde Weimar ein „kleines Städtlein" genannt, wodurch sich die Weimarischen Räthe, welche in dieser Bezeichnung ihrer „alten kur- und fürstlichen Residenz" einen Schimpf erkannten, so verletzt fühlten, dass sie dies Dens*edt als ein Criminal- Verbrechen amechneten.

Nach allen diesen Vorgängen und mannigfachen, vom Grafen Albert von Schwarzburg ausgesprochenen Drohungen, hielten es beide Freunde nicht mehr far rathsam, sich noch länger in Thüringen aufeuhalten, und

*) Einige Guter Witzlebens gehörten zum Amte Ilmenau, über welches die Re- gierung zu Meiningen gesetzt war.

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begaben sich deshalb nach AschaflFenburg, was zur Zeit kurmainzisch war. Zu Anfang des Jahres 1596 erhielt jedoch Witzleben in Folge seines Pro- zesses mit SchwarzbuBg eine Vorladung nach Jena, reiste mit seinem Freunde dorthin und machte von da mit ihm im Februar einen Abstecher nach der Elgersbui-g, um die dortigen Vettern zu besuchen.

Kaum hatte man hiervon Kunde erhalten, als der Herzog von Weimar in Gremeinschaft mit dem Herzoge von Coburg den Befehl an den Amts- verweser von Gotha ergehen liess, die beiden gefährlichen Edelleute zu verhaften, worauf der Amtsverweser mit 500 gewehrten Männern vor die Elgersburg rückte und dieselbe belagerte.

Die Einzelheiten dieser kriegerischen Action sind uns leider nicht be- kannt; wir wissen nur^ dass sich Christoph von Witzleben und Balthasar von Denstedt dem Gothaischen Amtaverweser unter der Bedingung er- gaben, dass sie nicht ausserhalb Cöburger Jurisdiction in Haft gehalten wurden: eine Bedingung, die später nicht gehalten wurde, weil angeblich der Amtsverweser zur Bewilligung derselben nicht ermächtigt gewesen wäre.

Beide Freunde, Witzleben auf ein Ross, Denstedt auf einen Rüst- wagen gesetzt, wurden nach Gotha transportirt und auf das dortige Rath- haus in Haft gebracht.

Vergeblich baten Beide den Herzog Johann Casimir und den Herzog Friedrich Wilhelm um Entlassung aus ihrer Haft oder um Verhör, ver- geblich endlich stellte Witzleben 7 stattliche vom Adel, welche für ihn Bürgschaft leisten wollten; die Bürgschaft wurde nicht angenommen und so sahen sich beide Freunde genöthigt, sich abermals nach Speier zu wenden, wo sie den Dr. Jakob Kölbin zu ihrem Rechtsanwalt ernannten.

Am 17. Juni 1596 war das Schreiben in Speier angekommen und vier Tage darauf erliess das Reichskammergericht au die Herzöge Friedrich Wilhelm und Johann Casimir ein Mandat, worin es den gedachten Fürsten aufgab, bei Strafe von 10 Mark löthigen Goldes die Kläger ihrer Haft zu entlassen auf die gewöhnliche Urfehde.

Zum Verständniss der schnellen Ausfertigung des Mandats ist zu be- merken, dass es sich hierbei nur um die Freilassung der Gefangenen und nicht um Untersuchung ihrer Schuld oder Unschuld handelte. Deshalb finden wir auch in den vorhandenen weitschweifigen Acten die Veran- lassung zur Verhaftung nur in soweit eröiliert, als der Herzogliche Notar Bernhard WolflF darzuthun suchte, dass, da Witzleben und Denstedt nicht

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reichsunmittelbar, sondeni ünterthanen der Herzöge zu Sachsen wären, und da femer die Vergehen Beider Criminalverbrechen seien, das Kammer- gericht incompetent sei und die Gerichte des Landes darüber Recht zu sprechen hätten. Vom Reichskammergerichte wurden indessen diese Ein- wände als nichtig vei^worfen und Dr. Kölbin sprach es unumwunden aus, dass die Gefangennehmung nur deshalb erfolgt sei, weil Witzleben sich an das Kammergericht wegen der Gewaltthätigkeit des Grafen von Schwarz- burg gewandt hätte. Das Mandat war bis zum 21. Juli den betheiligten Fürsten iusinuiit worden, blieb aber in Bezug auf die Verhafteten eben so ohne Erfolg, wie die späteren dringlichen Schreiben Kölbins an das Reichskammergericht, worin er um die Befreiung der Patione bat

Das Reichskammergericht hatte kein anderes Mittel, seinen Mandaten, wenn ihnen ein Reichsstand nicht gutwillig Parition leistete, Folge zu geben, als einen anderen Reichsstand mit der Execution zu betrauen, in dem vorliegenden Falle, also z. B, den Kurfürsten von Brandenburg zu beauftragen, die Gefangenen mit Gewalt zu befreien.

Dieser Weg war aber deshalb misslich und unsicher, weil die Fürsten sich meist gegenseitig gegen Kaiser und Reich zu schützen pflegten und auf alle Weise der Ausführung einer solchen ihnen angetragenen Execution zu entziehen suchten, was dann wiederum zu einer Execution gegen den nicht parirenden Reichsstand Veranlassung geben konnte.

Während so das Reichskammergericht unter den obwaltenden Ver- hältnissen aus Klugheit zögert«, zur Execution zu schreiten, wagten auch die Herzöge nicht, die Sache auf das Aeusserste zu treiben, und ver- sprachen endlich, nachdem sie vergeblich sich angestrengt hatten, den Widerruf des Mandates zu erzielen, Parition zu leisten, legten jedoch den Verhafteten statt der vom kaiserlichen Gerichtshöfe angeordneten alten und gewöhnlichen Urfehde, worin der Verhaftete nur vei-pflichtet wurde, sich nach seiner Freilassung wegen der Haft nicht rächen zu wollen, eine ausserordentliche vor.

Witzleben und Denstedt weigerten sich, wie wir sehen werden, eine solche Urfehde auszustellen und zu beschwören, weil sie sich ihres guten Rechtes bewusst waren, aber auch, weil sie be- fürchten mussten, dass ihnen nach ihier Freilassung von Neuem der Pro- zess, wobei Leib und Gut auf dem Spiele stand, gemacht werden würde. Sollten sie sich doch in der ihnen vorgelegten Urfehde aller Verbrechen, deren man sie angeklagt hatte, schuldig erklären.

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Während man sich in Speier um die Grenzen der fürstlichen Gerichtsbar- keit mid der des Reichskammergerichts stritt, blieben, wie es auch von den Herzögen beabsichtigt wurde, die beiden Freunde in Haft. Diese mag in Gotha eine leidliche gewesen sein. Zwar wurde ihnen die zuständige „mittlere Ver- pflegung" nicht gewährt, aber sie durften doch ihre Beköstigung aus eigenen Mitteln verbessern, und so gab Witzleben während seiner 20 Wochen langen Haft flir die Garküche, auf die Wage (Materialhandlung) und Apotheke 20 Fl. und für 16 Buch Papier 1 Fl. 9 Kr. aus.

Wahrscheinlich mochte den Herzögen nicht rathsam erscheinen, Witz- leben so nahe seiner Heimath zu wissen; in der 2. Hälfte des Juli 1596 wurden beide Anestirte von 100 gewehrten Männern von Gotha bis zur Grenze nach Apfelstedt und von dort in derselben Weise über Ichtershausen auf die Leuchtenburg, eine an der Saale bei Kahla gelegene Feste, die früher mehrfech im Besitz der Witzleben gewesen war, gebracht.

Wir erkennen aus dem Kraftaufivande, die Elgersburg mit 500 Mann zu belagern und die beiden Edelleute mit 100 Mann zu eskortiren, die allgemeine Unsicherheit der Zeit, aber auch, dass man weder die Elgers- burg noch die Witzlebensche Sippe für gering achtete.

Erst nach zehinmonatlicher Haft forderte man Witzleben auf, zu einem Verhör in Weimar zu erscheinen; er weigeiie sich jedoch, die Beise dahin anzutreten, wenn man nicht Denstedt mit ihm gleichzeitig vernehmen wollte. Da indessen die Regierung zu Weimar, um zu ihrem Ziele, der ungewöhnlichen Urfehde, zu gelangen, es far geboten hielt, die beiden Freunde zu trennen, so wurde die Bitte Witzlebens nicht erfüllt, derselbe vielmehr Anfangs April 1597 mit Gewalt nach Weimar gefuhrt und da- selbst in der Einrösser*)-Stube festgesetzt.

Jetzt, nach 13 monatlicher Haft, fand am 12. April das erste und am 23. Mai das zweite Verhör statt. Da Witzleben sich jedoch weigerte, die ihm vorgelegte Urfehde zu unterschreiben und ebenso die ihm vorgelegten Fragen zu beantworten, so lange man ihn seines Rathgebers Denstedt be- raiibe, so blieben die Verhöre ohne Erfolg. Eilf Wochen später, am 30. Juli, erschien der Amtsschösser von Weimar, Johann Weissbach, und der Notar Johannes Krug in der Einrösserstube, wo „der edle und ehren- veste Christoph von Witzleben arrestirt lag", und brachten ihm die Er- innerung, dass man ihm am 28. einen neuen gemilderten Revers zuge-

*) Einrösser stand zwischen Eitter und Knecht.

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schickt habe, worauf Witzleben erwiederte: dass, da die Puiikte^ die man ihm ^zugemasst^, durch das Reichskammergericht in Speier erledigt seien, er den Revers nicht hätte eingehen können, doch sei er bereit, einen „alten gewöhnlichen Urfried'^ zu unterzeichnen. Schliesslich bat er den Schösser zum freundlichsten, die Räthe „anzulangen'', ihm zu gestatten, sich mit steinern 'Beistande Balthasar von Denstedt unterreden zu dürfen.

Nach vielem Zureden von Seiten der bei Witzleben befindlichen Herren gab dieser endlich Folgendes zu Protokoll:

„Ich Christoph von Witzleben bekenne, dass ich mich habe in die Bestrickung Ihrer F. 0. (fürstlichen Gnaden) nehmen lassen, und ob ich wohl zur Vorhaltung am 10. October 1596 nach Weimar erfordert, mich auch der Amtsschösser zur Leuchtenburg auf seiner Kutsche dahin fahren wollte, so habe ich mich doch nicht dahin begeben wollen, weil man Balthasar von Denstedt nicht zugleich auch neben mir vorgenommen. Als ich aber hernach gegen Weimar kommen, ist mir den 12. April vorge- halten:

1) dass ich den Bürgermeister zur langen Wiesen zu Neusis schrauben und gefangen gen Liebenstein fuhren, allda gefönglich halten lassen, einen ürpheden und 50 Fl. Strafe von ihm genommen und auf Befehl ihn nicht loslassen wollen;

2) dass ich die Reichssteuer gegen der Fürstlich Hennebergischen Räthe und des Kanzlers Befehl nicht eingeschickt, auch meine Unter- thanen davon abgehalten;

3) dass ich den Frohn- und Gerichtsdiener in ein Geföngniss gelegt und scharfe Worte auf ihn und den Richter zu Hmenau habe laufen lassen;

4) dass ich mich, als die Hennebergische Regierung gegen Spitz- nasen Hülfe (Execution) thun lassen, mich wiedersetzlich gezeiget

Ich habe mich aber darauf im Wenigsten nicht eingelassen, verant- wortet, noch Gegenrede gethan, sondern bin darauf bestanden, dass man mir Balthasar von Denstedt zugeben sollte, und mich darauf zur Verantr wortung erboten.

Ob ich auch wohl den 23. Mai zum andern vernommen and fleissig erinnert worden, mich anders in die Sache zu schicken und gegen Ihre F. G. gebührlieii zu erkennen, sich auch g^fen mich zu all«r Förderung erboten, so bin ich doch abermals auf meiner Meinung bestanden, darüber ich dann bisher sitzen blieben.

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Weil ich dann in der Cession (durch Vermittelung) etzlicher meiner Freunde so viel erhalten, dass Ihre F. G. mich solcher Haft wieder in Gnaden zu erlassen, als gerede ich hiermit und in Kr2& dieses Re- verses, dass ich mich hinfürder gegen Ihre F. G. und derselbigen Re- gierung zu Weimar und Meiningen alles unterthänigsten Gehorsams er- zeigen, die schuldige Reichssteuer vor mich und meine Unterthanen zur rechten Zeit einschicken und mich also verhalten, wie einem frommen Unterthanen gegen seinen Landes- und Lehnsherrn zu thun gebühret, auch meine Verhaftung und was daiainter vorgelaufen, nicht rechnen will."

Diese Urfehde genügte aber noch nicht den fürstlichen Räthen und es war hierzu ein neuer Druck von Speier erforderlich. Bevor dieser aber wirkte, Hess man Witzleben noch 5 Wochen in Weimar sitzen und 'brachte ihn dann am 6. September mit gewehrter Hand und Hakenschützen nach der Leuchtenburg zurück.

Inzwischen hatte man hier Balthasar von Denstedt festgehalten, in einen „bösen und argen Thurm" geworfen und ihn auf diese Weise end- lich genöthigt, eine ungewöhnliche Urfehde, welcher er jedoch die Worte hinzuffigte: „durch den Thurm erzwungen", zu unterschreiben.

Witzleben folgte, nachdem er 2 Jahr und 2 Monate in Haft gesessen hatte, dem Beispiel seines Freundes und unterschrieb am 19. September den ihm „zugenöthigten Revers", welcher den letzten Satz des am 30. Juli angenommenen, oben mitgetheilten ProtokoUes von den Worten: „Weil ich dann in der Cession etc." enthielt.

Die Haft auf der Leuchtenburg und in Weimar mag ziemlich hart gewesen sein, wie aus Witzlebens Briefen an seinen Notar Kölbin und aus seiner Mutter Briefen an denselben Notar, sowie an die Gemahlin des Herzogs Friedrich Wilhelm und die Elgersburger Vettern hervorgeht.

„Ich bitte um Gottes willen, schreibt Witzleben am 3.' November 1596 dem Dr. Kölbin nach Speier, weil wii- auf der Leuchtenburg immer härter und toller bedrängt und ich mit Hescher und Thurm be- drohet werde, wenn ich mich nicht von meinem Beistande trennen will, Ihr möget das Beste thun, um meine baldige Freiheit zu bewirken. Ich habe wahrlich dies und das vorige Schreiben mit Gefahr und Sorge naus- gebracht, denn es ist hart bestellt. Man lässt uns nichts ab und zu."

Fünf Tage später schreibt er: „Die Wachen haben schwören müssen, uns weder Biief noch Zettel zukommen zu lassen; Gott erbarme es."

Die Mutter dagegen schreibt am 27. Mai 1597 aus Gräfenau an die

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Elgersburger Witzleben: „Euch ist un verborgen, dass ich niit meiner lieben Tochter in meines Sohnes Rittersitz kläglich verschlossen und wie Gefangene gehalten werde und weder zu beissen noch zu brechen habe und wie ich endlich als eine arme verlassene und betrübte Wittwe von den Schwarzburgischen geschlagen worden. Man martert und quält meinen Sohn, das junge, unschuldige Blut, zu Weimar mehr und mehr, hat ihn in einen bösen Thurm und Geföngniss geworfen, darinnen sie ihm denn nichts als Wasser und Brot zur Speise geben, das (wie es) einem Uebelthäter und nicht einem Unschuldigen, sonderlich einer Adels- person dergestalt in deutscher Nation nicht wiederfahren. Man hat in solchem seinen Geföngniss nur zum Spott und Hohn für ihn einen Armen- sünder,' so Diebstahls halber einkommen, auf einer Leiter, die an sein Bett gemacht^ gegeisselt und gemartert. Nach solcher Marter ein Hescher oder Landsknecht kommen und zwo Ruthen hinter oder neben sein Bett geworfen, damit man danach zw^o Jungen, die bei zuvor angezeigtem Dieb- stahl geholfen, gestrichen hat. Alles zum Hohn, Schmach und Spott meines armen unschuldigen Sohnes geschehen, dass es nicht allein Gott im Himmel, den rechten Richter, sondern einen Stein, geschweige delin ein christliches Herz erbarmen müsse."

Das mütterliche Auge mag vielleicht etwas zu schwarz gesehen haben, jedenfalls wurden auf der Leuchtenburg die Befehle nicht so streng aus- geführt, als sie gegeben waren. Wii* finden zwar einmal, dass Philipp von Spitznase, als er auf den Wunsch der Mutter nach der Leuchten- burg ritt, um sich nach dem Befinden des erkrankten Sohnes zu er- kundigen, daselbst unvenichteter Sache abgewiesen wurde, im üebrigen fand aber doch lebhafter Verkehr mit ihm statt. Die Mutter schickte dem Sohne Lebensmittel, Kleidung und Geld, nach Weimar 38, nach der Leuchtenburg 49 FL, und der „kleine", wie der „grosse" Lakai mussten von Grüfenau aus oft den Weg zu dem Verhafteten machen, um Nach- richt zu bringen und zu holen. Auch^Kölbin selbst kam von Speier nach Weimar, um sich durch den Augenschein von dem Ergehen Christophs zu überzeugen und sich mit demselben zu bereden.

Wie wir aus dem Vorhergehenden gesehen haben, wurden beide Freunde im September 1597 in Freiheit gesetzt, nachdem ihre Haft hin- reichend als abschreckendes Beispiel far die übrigen Vasallen, sich nicht an das Reichskammergericht zu wenden, gelten konnte. Der Prozess war jedoch damit noch nicht beendet, denn Witzleben erhob, wie später näher

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ausgeAhrt werden wird, Klage wegen Beschädigung seines Eigenthums während seiner Gefangenschaft und forderte für die ihm aus seiner Haft entstandenen Unkosten Entschädigung.

Da er sich aber nach seiner Befreiung trotz des gegebenen Ver- sprechens, von Denstedt abzulassen, wiederum mit diesem zusammen- gethan hatte, so diente dies als der erwünschte Vorwand, um ihm und seinem Rathgeher das weitere Prozessiren zu verleiden. Beide von Neuem zu verhaften.

Selbstredend erhoben Witzleben und Denstedt deshalb abermals Klage in Speier.

Der Herzogliche Anwalt, Leonhard Wolff, vertheidigte seine Herzöge, indem er am 12. Januar 1598 an das Reichskanunergericht schrieb: „Um Unheil vorzubeugen, muss die Obrigkeit solchen muthwilligen Gesellen einen Zaum in's Maul legen. Die Parition war vollständig, wenn auch die Verhafteten nicht ohne alles Entgelt und Erstattung der Unkosten frei- gelassen seien, zumal Witzleben und Denstedt durch ihr unnöthiges Schlemmen, Zehren und Prassen diese Unkosten verursacht haben. Man hatte Recht, ihnen den Brodkorb höher zu hängen und sie wie muth- willige (Gesellen mit Wasser und Brod zu speisen und zu tränken, wie se denn in Gotha wirklich bankettirt und im Bathskeller in Bheinischem Wein und Bier ein item gethan. Die Kläger sind auf freien Puss ge- setzt worden, aber die Obrigkeit hat Ursache gehabt, sie wiederum in Verhaft zu bringen. Beide verpflichteten sich im Revers, dass Einer des Andern müssig gehen wollte, trotzdem haben sie sich alsbald wieder zu- sammen gefunden und Denstedt soll sich unterstehen, den Gemeinden zu Gräfenau und Bücheloh mit seinem Beistande allen Vorschub zu leisten." (Wahrscheinlich in der Steuerangelegenheit).

Dr. Kölbin erwiederte hierauf am 19. Mai 1598 einfach: „Die Junk- herren wären berechtigt gewesen, sich zusammen zu thun, da die ihnen in der Urphede gestellte Bedingung ungesetzlich sei, und daher freizu- lassen."

Wahrscheinlich wurden die Arrestirten auch noch in demselben Monat in Freiheit gesetzt.

Beide mochten aber den Aufenthalt in der Grafschaft Henne- berg unleidlich finden und wandten sich von Neuem nach Aschaflfenburg.

Inzwischen wurde der Prozess wegen Entschädigung der inhaftirt ge- wesenen Edelleute fortgesetzt. Witzleben forderte, dass die ihm aus seiner

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unverschuldeten Haft entstandenen Kosten ersetzt würden und berechnete dieselben auf 433 Fl. 41 Kr.,*) wogegen die Fürsten Entschädigung für ihre Unkosten forderten. Die hieifur geforderte Summe ist uns nicht be- kannt, mag aber nicht unbeträchtlich gewesen sein, da neben der Ver- pflegung die Kosten der Belagerung der Elgersburg und der Escorten von einem Gefangniss zum andern daiin einbegriffen waren.

Man war Seitens der Herzöge mit der Wahl der Mittel zur Erlangung dieser Entschädigung nicht ängstlich und hatte bereits u. a. am 29. No- vember 1596 durch den Stadtrichter von Ilmenau, den uns wohl be- kannten Michael vom Hof, welcher in der Nacht mit 2 Metzgern und 10 mit Büchsen bewehrten Männern und Häschern in Heida erschien,' aus der dortigen Schäferei 104 der besten Hammel und 101 „traghaftige Mutterschaffe**)'' nach Ilmenau treiben lassen und die ünterthanen Witz- lebens gezwungen, den ihm schuldigen Jahreszins, 160 Fl., an das Amt Ilmenau einzuzahlen.

Der Prozess mochte für die Herzöge keinen günstigen Ausgang ver- sprechen, denn am 12. Februar 1599 schrieb der Weimarische Kanzler Gerstenberg an den Notar Wolf, dass man die Witzlebensche Sache ver- gleichen wolle, die beiden Freunde aber waren zu sehr erbittert und schrieben auf diese Nachricht am 6. April 1599 von Aschaffenburg aus dem Dr. Kölbin, dass mit dem Prozesse fortgefahren werden sollte.

Es wird Niemand leugnen können, dass das Verfahren des Grafen Albert und der sächsischen Herzöge gegen Witzleben ein gewaltthätiges, und gegen Denstedt, dem nichts anderes vorgeworfen werden konnte, als dass er seinem mündigen Freunde mit Rath beigestandan habe, ein hartes und ungerechtes gewesen war; aber ebenso lässt sich nicht verkennen, dass die Zähigkeit und Halsstarrigkeit beider Freunde das vernünftige Mass überstieg.

*) Der grösste Theil der Auslagen entstand durch Botenlohn und Zuschuss zu ihrer Verpflegung. Das Botenlohn war im Allgemeinen billig, steigerte sich aber, je nachdem die Wege von der Dienerschaft, („dem grossen und dem kleinen Lakaien",) von Hörigen oder von andern Leuten zurückgelegt wurden. Ein Bote von Gotha nach Coburg kostete IV2 FL, einer von Thüringen nach Speier 3V2, öVa, 6 and 6Va FL Der Kammergerichtsbote erhielt für 59 Meilen Weges 10 FL Spitznase verzehrte auf einem Ritte nach Weimar 6, nach Torgau 10 FL, wobei die Verpflegung der Pferde mit eingeschlossen war.

•*) Es wurde der Schaden an Schafen auf 500 Fl. berechnet, 1 Hammel zu 2 Fl , 1 Mutterschaf zu iVa FL. 100 Muttersichafo gaben jährlich für 18 FL Milch, 50 Hammel 5 Stein Wolle a 4Va FL

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Sie miissten doch darüber klar geworden sein, dass sie ohnmächtig waren, um bei der vorhandenen und allbekannten Schwäche der kaiser- lichen Executive den mächtigen Grafen und Fürsten Widerstand zu leisten.

Verbittert durch die ihnen zugefBgten Unbilden, von Hass erfallt ob der erlittenen Gewaltthat, waren Witzleben und Denstedt verblendet und verrannt in ihrem gekränkten Rechtsgefuhl und verloren dabei jede klare Ansicht über die thatsächlichen Verhältnisse.

Um den Process mit mehr Nachdurck zu fuhren, begaben sich Witzleben und Denstedt nach Speier und wurden, da sie sich wahr- scheinlich auf ungebührliche Weise über die Schwäche des Reichskammer- gerichts Luft gemacht hatten, zur Haft gebracht.*) Denstedt erreichte dieses Schicksal in Worms, von wo er nach dreimonatlicher Haft in Ketten geschlagen und in einer Kutsche untergebracht durch 60 bewehrte Bürger über Speier, Bruchsal, Dünkelsbühl nach Prag transportirt wurde. Hier wurde der Unglückliche .2 Jahr 3 Monate lang in Ketten und Banden gehalten, ohne bisher verhört worden zu sein. Nur soviel wurde ihm eines Tages mitgetheilt dass er frei gelassen werden sollte, wenn er schwören wolle, das kaiserliche Kammergericht weder zu actuiren noch zu consul- tiren. Als Denstedt diesen Schwur verweigerte, wurde er von Neuem angeschlossen, ihm zur Nahrung nur Wasser und Brod gereicht, und er darauf von Prag nach Wien in das elende Gefängniss zum Stadtgraben gefuhrt, woselbst er abermals 30 Wochen in schwere Eisen geschlossen wurde, bis endlich der Kaiser, zufällig von seiner Unschuld überfuhrt, ihn in Freiheit setzen liess.

Wie lange und wo Witzleben in Haft gesessen, wissen wir nicht; wahrscheinlich war sie von kürzerer Dauer. Er begab sich nach erhal- tener Freiheit auf seinen Rittersitz Heida und hatte dort im Jahre H)08 die Freude, seinen alten Freund und Leidensgenossen nach langer Trennung umarmen zu können, denn dieser war aus seinem Geföngniss zu Wien nach Thüringen geeilt, um bei seinem lieben „StoflFel" Asyl zu suchen, wo er aber neuen Widerwäiügkeiten entgegen ging.

Es war zu Anfang des 17. Jahrhunderts, vor dem Ausbruche des 30 jährigen Krieges, als die katholische Kirche vermittelst der Jesuiten alle Hebel in Bewegung setzt^e, um die verlorenen Seelen wieder in den

*) Die Zeitangaben fehlen hier und in dem nächst Folgenden in den im Archive zu DreBden befindlichen Acten.

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Schooss der allein seeligmachenden zurückzuffihren, und die protestantischen Ländei-, namentlich auch Thüringen, mit geheimen Emissairen beschickte.

Christoph von Witzleben war wie der gesammte Adel Thüringens in der lutherischen Keligion erzogen, trat aber später zur katholischen Kirche über. Die Schuld dieses Abfalles schiieb man Balthasar von Denstedt zu, welchen man auch vielfach für einen katholischen Emissair hielt. Hierin hatte man jedoch wohl Unrecht, denn die katho- lische Parthei hätte sich in diesem Falle seiner gewiss energisch angenommen imd ihn nicht in Prag und in Wien im Kerker schmachten lassen; dem ohnerachtet bleibt es aber wahrscheinlich, dass Denstedts Einfluss den üebertritt Witzleben's veranlasst hat, wie sehr er dies auch ableugnete.

In einem 1610 über Denstedt abgehaltenen Verhör erzählt er Witzleben's üebertritt, so vrie sein eigenes Verhalten in Glaubenssachen folgendermassen: „Er habe, sagt Denstedt aus, keine Ahnung davon gehabt, dass Witzleben Neigung zur katholischen Keligion habe, aber während seiner Gefangenschaft in Weimar habe man Witzleben calvinistische und lutherische Bücher zugesandt, und in einer dazu gehörigen Vorrede habe dieser gelesen, dass es auch unter den Katholiken fromme, gottes- farchtige Leute, wie den heiligen Augustinus, Ambrosius etc. gegeben habe. Dies und der Gedanke, dass diese Männer einfache Mönche ge- wesen seien, habe auf Witzleben die erste Influenz ausgeübt, er habe darauf die Bücher hin und her gelesen und dabei gefunden, dass die Calvinistischen und Lutherischen Werke nicht übereinstimmten, was ihn zu der Erkenntniss gebracht habe, dass keine Religion mehr (besser) wie die andere, und es daher am gerathensten sei, zu der Religion seiner Voreltern zurückzutreten. Er gelobte sich in Folge dieser Betrachtungen, so bald er aus dem Gefängniss kommen würde, zur katholischen Religion überzutreten."^

Nun traf es sich, dass, als man am 6. September 1597 Witzleben von Weimar nach der Leuchtenburg zm-üclrfuhrte, Denstedt aus derselben entlassen wurde und beide Leidensgenossen in dem Wirthshause zu Kahla unerwartet zusammentrafen. Sie fielen sich in die Arme und Witzleben theilte Denstedt mit, dass man ihn durch lutherische und calvinistische Bücher zur katholischen Religion bekehrt habe. Denstedt erschrak hierüber, und sagte; „Junger Stoffel (Christoph), ich gönne Euch die Seeligkeit sowohl als mir selbst, ich bitte Euch aber, ihr wollet nicht so geschwinde hereinplatzen, dass nicht Rewell (Reue) über Euch komme, denn wenn

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Ihr wieder abfallen sollet, so wäre es besser gewesen, Ihr wäret nie zu uns übergetreten. Thut Ihr es aber, so muss ich Euch sagen: Nicht ich allein, sondern auch Ihr werdet noch grosse Verfolgung auf der Welt leiden müssen."

Christoph entgegnete darauf: „Er bleibe dabei, habe er doch auch bei seiner Religion auf der Welt viel zu leiden gehabt."

Nachdem Witzleben von der Leuchtenburg entlassen war, wandte er sich, wahrscheinlich von AschafFenburg aus, nach Mainz, besuchte daselbst ein Jesuiten-Collegium und kehrte als eifriger Katholik auf seine Güter nach Heida zurück.

Auch Denstedt wandte sich, wie wir wissen, nach seiner Freilassung laus dem Wiener Stadtgraben nach Heida. Das Herrenhaus mochte jedoch aus diesem oder jenem Grunde nicht geeignet zur Aufnahme des Freundes gewesen sein, denn Denstedt wurde bei einem Untersassen Christophs, Matthias Wächter, eingemiethet. Dies Logement war erbärmlich und Witzleben ordnete daher später an, dass Matthias Wächter ein neues Häuschen baute.

War auch zu der Zeit, wo dies geschah, die Reformation erst seit einem halben Jahrhundert in Thüringen beendet, so mag es doch in dieser vom Protestantismus ganz durchdrungenen Gegend nicht geringes Aufsehen gemacht haben, den Junkherrn, welcher in Heida lutherisch getauft und confiimirt worden war, als einen Papisten zurückkommen und in seiner Umgebung einen Edelmann zu sehen, der ebenfalls den neuen Glauben abgeschworen hatte.

Vor aUem war es Christophs Mutter, die sich über die Wandlung tief grämte, und auch die Schwester, eine ehrbare und tugendreiche Jung- frau. Christoph setzte alle Hebel an, beide zu sich hinüber zu führen, wozu ihm Denstedt die zuschlagenden Lehren geben mochte, aber weder seine casuistischen Worte noch die Misshandlungen, welche er seiner im Glauben feststehenden Schwester zugefügt haben soll, hatten die gewünschte Wirkung, ja der Einfluss der Mutter blieb immerhin noch so gross, dass Balthasar von Denstedt zum wenigsten nicht unter einem Dache mit ihnen schlafen durfte. Die beiden Frauen fanden in dem Pastor Johann Kise- wetter, welcher bereits 27 Jahre seinem Amte vorstand, also jedenfalls Christoph von Witzleben getauft und im Christenthum nach der lutherischen Lehre unterrichtet hatte, einen treuen Beistand, obgleich derselbe den im Wortsüeit gewandten Papisten durchaus nicht gewachsen war.

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Als bei der ßegiäbnissfeier Friedrichs von Witzleben (1609) der Junkherr Christoph als Verwandter und Balthasar von Denstedt als sein altor ego nach der Elgersburg gebeten waren, wurde auf boshafte Veranstaltung der Junkherren Denstedt an die Tafel gesetzt, an welcher die 5 ver- sammelten Geistlichen, darunter auch der Pfarrer aus Heida, Platz nehmen sollten.

Denstedt erzählt uns hiervon: „Es hätte alsbald keiner der Pastoren einen Löffel Suppe ins Maul stecken können, er hätte denn zuvor den Papst, die katholische Religion oder ihn ausgezapft." Denstedt ging aut den Streit anfänglich nicht ein und sagte: „Erst Essen und dann dis- putiren". Aber die Pfarrherren setzten ihm mit ihren Stachelreden und höhnischen Worten so lange zu, bis er denn endlich auch das Wort er- griff. Er suchte ihnen zu l^weisen, dass Luther nur ein weggelaufener, dreimal eidbrüchiger Mönch sei, den Ehrgeiz und Sinnenlust aus dem Kloster geführt habe. Seine Bibel-üebersetzung enthalte viel Irrthümer, wobei er einige anführte, und auch seine Lieder wären lügenhaft, denn er singe; „Gott will uns alkeit ernähren, Leib und Seel auch gut bewähren", und doch seien vorigen Jahres in Liefland viele Christen Hungers gestorben und er selbst sei im Graben zu Wien bald verhungert. Als endlich die Pfarrherren auf den Papst und die katholische Geistlichkeit herzogen, schrie Denstedt sie an: .,Ihr seid gar keine ordentliche Priester, denn Euch fehlt das erste Bedingniss dazu, die ordentliche Weihe". Auf diese Weise trieb er bald die Geistlichen, namentlich aber Pastor Kisewetter so in die Enge, dass dieser nicht mehr zu antworten wusste, und beim Nachhause- gehen dem Küster schwermüthig sagte, er habe für das Begiäbniss auf der Burg einen Thaler erhalten, gäbe aber einen solchen noch darauf wenn er heute nicht oben gewesen wäre.

Die Lage des Seelsorgers in Heida war übrigens, auch abgesehen von dieser schmerzlichen Niederlage, keine beneidenswerthe. Er hatte grosse Sorge, in seiner Gemeinde den neuen Glauben fest zu halten, und dabei musste er gegen seinen eigenen Patron und dessen Freund kämpfen. Man kann sich denken, wie viel schlaflose Nächte der arme Seelenhiit gehabt haben mag, zumal sich bald dem religiösen Streite ein höchst materielle zugesellten

Pfanherr Kisewetter hätte nämlich 1609 einen Acker Landes von einem üntersassen Chri.^tophs von Witzleben, Namens Spitznase, in Heida

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gekaujft. Matthias Wächter trat dagegen auf und behauptete, das Land gehöre ihm, da es Spitznase von ihm nur pfandweise inne gehabt habe. Auf einem Gerichtstage entschied Witzleben als Gerichtsherr in aller Form gegen den Pfarrer, und Matthias Wächter nahm von dem Acker Besitz und erntete den Hafer, den Kisewetter gesäet hatte. Hierdurch hatte der Religionsstreit in Heida einen haltbaten Grund gewonnen und stand bald in voller Bluthe. Der Pfarrherr beschwerte sich bei der fürstlichen Regierung zu Meiningen und diese wies den Amtsverwalter in Ilmenau, Namens Georg Silchmüller, an, dem Pfarrer beizustehen. Nach Kräften mag er dies auch gethan haben, aber ohne guten Erfolg, denn in seinem am 23. November 1609 eingereichten Berichte gab er an, dass Witzleben gegen die Einmischung in seine Gerichtsbarkeit Protest erhöbe, und bat schliesslich, ihn dieser schwierigen Commission zu entbinden und einen höher bestellten Mann damit zu beti-auen.

Kisewetter suchte gleichzeitig mit der Klage bei der Regierung auch Schutz bei seiner hohem kirchlichen Behörde und schrieb am 1. Decem- ber 1609 an den Superintendenten Joachim Zehner in Schleusingen: „Mehrere Papisten sammt ihrem Hauswirth Matthes Wächtern sind nur trotziger geworden. Sie sagen: wenn sie der von Witzleben, nur leiden wollte, so ginge das Niemand Anderen etwas an, ja sie schmähen auch

gegen Fremde den Gottesmann Luther." Er theilt nun den Vorfall

bei dem Begräbniss. auf der Elgersburg mit, jedoch natürlich nicht ohne den Zusatz, dass er dem Denstedt auch tüchtig geantwortet habe.

üeber den Ackerprocess klagt er: „Der Junkherr hat, ohne den Kauf- und Lehnbrief in Betracht zu ziehen, mir ohne Weiteres den Acker ab- gesprochen und gewaltsam genommen. Auch hat er mich der Fälschung beschuldigt, die Kaufbriefe waren nämlich von dem von Witzleben weg- gejagten Amtsschreiber Bartel Stieder verfasst worden, und mich bei der Regierung zu Meiningen der gröbsten Laster und Bubenstreiche be- schuldigt. Es ist auch Wächter nicht Willens, zu gehorchen, und hat, statt Denstedt zu entfernen, nicht allein für denselben eine neue Treppe errichten lassen, sondern lässt noch ein neues Häuschen auf der Gasse bauen, wo sie Alchymie und allerlei Betrug treiben werden, und nicht allein die Nachbarn, sondern auch Kirche und Schule sind dadurch ge- fährdet."

Die Schleusinger Kirchenbehörde wandte sich darauf am 18. Decem- ber 1609 an die Regierung zu Meiningen und klagte, dass der Patron

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von Heida, Christoph von Witzleben, unsere Religion^ in der er von Jugend her auferzogen sei, böswillig verlassen und sich zum päpstlichen Aberglauben gewendet habe. Er suche Proselyten zu machen, habe den Sohn seines üntersassen, Georg Hartmann, ein noch gar junges Blut, mit nach Königshofen (in Baiern) genommen, dort zum Abendmahl sub una specie persuadirt, und ihn trotz der Bitten seines Vaters bei sich ver- borgen behalten. Ebenso habe er seinen Diener Bartel Stieder zum Ab- faU verleiten woUen und, als ihm dies nicht geglückt, ihn gestochen und nunmehr gänzlich abgeschaffl; desgleichen liege er auch seiner Mutter und Schwester, zwei gottesförchtigen adligen Weibspei-sonen, deshalb heftig an. Zu alledem sei Balthasar von Denstedt, welcher auch die vor- nehmste Ursache seines Abfalles ist, die Triebfeder.

Dieser sei 1608 in Heida, wo er nichts zu suchen habe, eingetroffen und säe von hier aus den Samen der Zwietracht zwischen Witzleben und seine Verwandten, so dass ^eser sogar seine Schwester, eine fromme züchtige Jungfrau, in Gegenwart vieler von Adel der Unehre beschuldigt und geschlagen habe.

Allermeist gäben aber Witzleben und Denstedt durch ilu-e schimpf- lichen, höhnischen und lästerlichen Reden wider unsere christliche Religion grosses Aergemiss, so dass etliche einfältige Laien schon gesagt: Man wisse nicht, ob wir, oder die Päpstlichen Recht hätten.

„Witzleben hat auch der Kirchen-Visitation nicht beigewohnt," fährt der Superintendent fort. „Ich und mein College mussten uns daher be- gnügen, Matthes Wächter, welcher Balthasar von Denstedt beherbergt, zu vernehmen. Dieser sagte, er wäre zur Aufnahme dieses Mannes durch den Gutsherrn gezwungen worden. Er wurde ermahnt, Denstedt auf gute Manier so bald als möglich aus seinem Hause zu entfernen. Doch ist dies bis jetzt noch nicht erfolgt."

Der Brief schliesst: „Da ich nun nicht die Verantwortung tragen kann , wenn aus dieser Sache ein grosses Aergemiss entstehen sollte, so bitte ich die fürstlichen Räthe, bei Zeiten Bedacht zu nehmen, dass der Pfarrherr zu Heida durch diesen allbekannten, unruhigen Gast nicht ge- hindert werde, seinem Amte fernerhin mit Freude und ohne schwere Seufeer vorstehen zu können."

Der Bericht des Superintendenten mag grosse Aufregung in Meiningen hervorgebracht haben.

Man witterte zur Zeit überall katholische Emissaire und war selbst

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ob des Bestandes der lutberischen Lehre besorgt. Man glaubte daher, die Folgen nicht berechnen zu können, welche der Abfall Christophs von Witzleben vom lutherischen Glauben haben könne, und da die Meiningschen Räthe gegen denselben aus früheren Veranlassungen angebracht waren, so gaben sie ihrem ünmuthe vollen Ausdruck in dem Berichte, welchen sie an den Kurfürsten Christian II. nach Dresden sandten.

Dieser Herr ffihrte nämlich, nachdem der Herzog Friedrich Wilhelm von Weimar 1603 gestorben war, die Vormundschaft über die unmündigen Söhne Friedrich Wilhelms und war, da er den früheren Sti-eitigkeiten mit Witzleben ganz fremd geblieben war, zum grossen Kununer der Meiningi- sehen Regierung kein ausgesprochener Gegner desselben. Er antwortete auf den erwähnten Bericht unter dem 11. Januar 1610, dass Balthasar von Denstedt und Christoph von Witzleben nach Meiningen beschieden und Urnen dort ihr unziemliches Beginnen verwiesen werden sollte. Der Kurfarst wollte in Gnaden von der Apostasia (AbfaD) Witzlebens absehen, aber Proselytenmacherei werde er nicht dulden.

Dieser ruhige Befehl mag den Meininger Käthen nicht nach Sinn gewesen sein, denn sie waren bereits im vollen Angriffskriege gegen den < katholischen Besitzer von Heida begriffen, fanden aber in ihm einen Mann, welcher sich seiner Haut so viel wie möglich zu wehren suchte.

Witzleben beklagte sich daher in einem Schreiben vom 17. Januar 1610 beim Kurfürsten über die Willkür der Meiningischen Regierung und ihre Eingriffe in seine Gerichtsbarkeit, namentlich führte er an, dass der vorige ihm aufsässig gewesene Richter von Ilmenau, so sich Michael vom Hof nenne, ihm in seiner Abwesenheit 200 Schafe geraubt, und ihm ausser- dem einen Schaden von 1000 Fl. zugefugt habe. Sollte das so fort gehen, so würde er bald von seinen Gütern vertrieben werden, weshalb er den Kurfürsten bäte, ihm Schutz gegen solch ungesetzliches Beginnen ange- deihen zu lassen.

Auch mit Denstedt hatten die zu Meiningen einen schweren Stand, denn unter dem 3. Februar 1610 berichteten die Räthe dem Kurfürsten, dass sie laut erhaltenen Befehles vom 11. Januar Denstedt zu sich be- schieden, dieser aber nicht erschienen wäre, wohl aber ihnen eine be- schwerliche Antwort habe zukonunen lassen, und frugen nun an, wie sie sich gegen einen so boshaften und schmähsüchtigen Menschen ver- halten sollten, worauf ihnen erwidert wurde, Denstedt nochmals vor-

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zuladeii und, falls er nicht Parition leistete, ihn in einer Stadt handfest zu machen und verwahrlich zu halten. (9. Februar 1610).

Balthasar von Denstedt aber war klug genug, sich nicht von Heida 'wegzubegeben, und so sahen sich die Herren in Meiningen in tiefeter Be- kümmemiss genöthigt, am 12. Mai dem Kurfürsten zu melden', dass sie seiner noch nicht hätten habhaft werden können, unterliessen jedoch nicht, da Witzlebeu und Denstedt sich abermals in einer Bittschrift an den Kur- fürsten gewandt und dieser unter dem 10. März von Neuem Bericht er- fordert hatte, über die Angelegenheit des Pfarrackers weitläufig Bericht abzustatten.

Auf diesen Bericht befahl der Kurffirst am 4. Juni, Denstedt zur Haft zu bringen und Witzleben bei Androhung einer Strafe von 100 Gold-Gulden, falls er nicht Parition leiste, zu citiren.

Dieser Befehl war der erwünschte. In der Nacht vom 18. zum 19. Juni erschien der Stadtrichter Georg Silchmüller auf Geheiss der Meiningischen Regierung, ohne die Gerichtsbarkeit Witzlebens zu be- achten, mit 50 roth und gelb gekleideten Musketieren, Schützen und Spiessen und bemächtigte sich des Einganges zu dem Hause, wo Denstedt wohnte. So alt dieser auch war, so gab er sich doch nicht sogleich ge- fangen. Nachdem er aber nach fruchtloser Gegenwehr zu Boden geworfen war, wurde er sowie sein Wirth, Matthes Wächter, auf einen Karren ge- laden und unter mancherlei Verhöhnungen nach Ilmenau gebracht und an die Thorwache abgegeben. Nach 3 Tagen wm-de Denstedt abermals auf einen Karren gesetzt, und, von 50 Schützen escortirt, auf das Schloss zu Schleusingen gefuhrt. Hier wurde er, mit Stricken und mit Ketten an den Füssen gefesselt, von 4 Wächtern bewacht und ihm Stroh zum Lager angewiesen. Nur 7 Tage währte dieser Aufenthalt in Schleusingen, dann wurde Denstedt mit ähnlicher Vorsicht wie früher von hier nach Mass- feld (an der Werra südlich von Meiningen gelegen) übergesiedelt und im dortigen Schlosse in ein steinernes (massives) Gefängniss, die Kitterstube genannt, gebracht. Hier wurde er 7 Wochen lang festgehalten und erhielt nur Brod und saures Bier zur Nahiung, Stroh zum Lager und keine Decke zum Zudecken. Kein Luftzug erfrischte den Aufenthalt, denn die Fenster, oder wie Denstedt sagt, „die Luft", waren vernagelt Das Ungeziefer zerfrass ihn, und bei der schlechten Nahrung war es nicht zu verwundem, wenn Denstedt in einem Zustande war, den sein Gnaden- gesuch, was er bereits im Juü abgehen liess, kennzeichnete. Er schrieb

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darin: „Ich armer Gefangener bitte Ew. Kurfürstliche Gnaden um Ver- hör und Erledigung, und miclK hier nicht zu mortificiren. Alles, was ohne Beschwerung meines Gewissens und meiner Ehre geschehen kann, will ich gern thun. Ich bin sehr ausgemelkt (ausgemergelt) und defatigirt. Der liebe Gott sei Ew. Kurfürstliche Gnaden wiederum gnädig und barm- herzig."

Als Nachschrift richtete er folgende Worte an die Räthe: „Liebe Herren, ich bin aUhier wie ein armer Hund, im Stroh, habe schon fünf Wochen lang wahrlich sehr hart gebüsst und weiss nicht, was ich gethan haben soll. Auch habe ich kein Geld mehr, mir Speise zu kaufen. Miseremini ergo mei per eum, qui venturus est, judicare vivos ac mortuos. (Erbarmet Euch daher meiner im Namen dessen, der da kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten)."

Gleich nach der Verhaftung des unglücklichen Denstedt hatten die Räthe zu Meiningen den Kurfürsten gefragt, was nun geschehen solle, und darauf am 14. Juli den Befehl bekommen, ein artikulirtes Verhör mit ihm abzuhalten und nach dem Ausfalle desselben ihm ihre Ansicht über die Angelegenheit mitzutheilen.

Das befohlene Verhör wurde abgehalten und wir haben aus demselben bereits die Erzählung über den Uebertritt Witzlebens zur katholischen Religion und wie Denstedt zu seinen Auslassungen über Luther auf der Elgersburg veranlasst worden sei, mitgetheilt. Er bekennt sich offen als gläubiger Kathcilik, läugnet aber jede Proselytenmacherei, so wie jedes Religionsgespräch, wenn er dazu nicht provocirt worden wäre.

Die Meiningische Regierung konnte nach alledem so wenig Strafbares in dem Verhalten Denstedts finden, dass sie dem Kurfürsten anrieth, (2. August und 21. September) Denstedt, der ein Mann von fast 70 Jahren, „auch Leibeshalber sehr baufällig und unvermögend, für dessen Leben daher zu fürchten sei", zu entlassen, nachdem er Urfehde geschworen, und zu- gesichert habe, sich der Grafschaft Henneberg, besonders Christophs von Witzleben in Heida Zeit seines Lebens zu enthalten, auch Niemanden zu seinem Aberglauben zu persuadiren.

Der Kurfiirst befahl darauf die Freilassung Balthasar's von Denstedt unter den vorgeschlagenen Bedingungen und diese erfolgte darauf am 12. October 1610 nach 4 monatlicher schauerlicher Haft.

Nach seiner Entlassung wurde Denstedt im Wirthshause zu Eis-

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hausen, zwischen Kodach und Hildburghausen gelegen, bis wohin er auf einem Schubkarren gebracht war, ohne jede« Zehrgeld abgesetzt.

Er war so übel zugerichtet und so elend, dass sich der Fuhrmann und die Landsknechte, die ihn escortirt hatten, an sein eiliges Ableben glaubend, eiligst davon schlichen. Dennoch gelang es dem Aermsten, sich bis nach Mellerstedt zu schleppen. Er war so von Ungeziefer verderbt und zerjfressen, dass er selbst an seinem Aufkommen anfanglich verzweifelte, doch fand er einen Bader, der ihn heilte und von dem Un- geziefer befreite.

Kaum hatte sich Denstedt einigermassen erholt, so erlangte auch sein nie ganz gebeugter Geist die alte Spannkraft wieder. Vor allen Dingen suchte er sich mit Witzleben zu vereinigen, um mit ihm gemein- schaftlich zu berathen, was ihrerseits fernerhin zu thun sei. Dass sein Freund bei seiner selbst gefährdeten Stellung nichts für ihn hatte thun können, wai* ihm eben so klar, als er gewiss war, ihn jetzt zu einem gemeinschaftlichen Kampfe gegen ihre Gegner zu bewegen.

Beide Freunde trafen sich, wie ehedem in Kahla, so auch jetzt unter sehr misslichen Verhältnissen in Wittern. Dieser Ort lag im Gebiete von Eifürt und stand somit unter Kurmainzischer Gerichtsbarkeit; Beide waren daher hier wenigstens vor Verfolgung der Meiningischen Regierung, welche Witzleben jede Zusammenkunft mit Denstedt bei 200 fl. Strafe verboten hatte, sicher.

Christoph von Witzleben war inzwischen auch nicht auf Roseü ge- bettet gewesen. Wir wissen, dass derselbe auf Kurfürstlichen Befehl zum 13. Juli 1610 bei Strafe von 100 Goldgulden nach Meiningen vorgeladen worden war. Das energische Vorgehen der Regienmg gegen seinen Freund mochte ihn wohl hauptsächlich bewogen haben, diesmal der Aufforderung Folge zu geben. Er erschien wirklich am bestimmten Tage, versprach, sich jeder Proselytenmacherei zu enthalten, woran er bisher nie gedacht habe, erklärte jedoch, sein Uebertritt zur katholischen Religion sei dem Religionsfrieden nach keinesweges eine ungesetzliche Handlung, und bat den Kui-försten, ihm in seinen Gerechtsamen Schutz zu verleihen.

Indessen war hiermit die Sache noch nicht beendnet.

Mochten die Räthe in dem Auftreten Christophs durchaus keine Unterwürfigkeit, in der an den Kurfürsten gestellten Bitte vielmehr einen erneuerten Angriff auf die Regierung zu Meiningen erblicken und dafar Rache zu nehmen suchen, oder war das fernere Auftreten gegen Witzleben

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wirklich 'rechtlich begründet, kurz er erhielt eine ferneie Citation, am 15. September 1612 in Meiningen zu erscheinen, um sich mit seinen Gläubigem in Liquidation einzulassen, widrigenfalls sonst seine Güter taxirt und subhastirt werden würden.

Hierüber empört schrieb Witzleben aus Wittern am 21. August:

„Da dieser Citirzettel .aus keinem Grunde Rechtens herfliesst, ich gar keine Gläubiger weiss, mit denen ich mich auf Liquidation einzu- lassen hätte, so halte ich mich wegen dieses zugetragenen Zettels nicht schuldig, zu pariren. Auch kann ich dabei nicht anders muthmassen, als dass solches der zornige D. Jacob Schröter, jetzt Kanzler, auf Antrieb seines Förderers Marci Gerstenberger in heissen Hundstagen so unbesonnen und unfügsam widerrechtlich erdichtet habe.

„Die weil der Kanzler durch den Amtsschreiber mir die Gefälle und Nutzungen meiner Hennebergischen Ritter- und Lehnsgüter allbereits trotz des Kammergerichts Mandat einziehen und vorenthalten will, so werde ich gegen diese Unbefugnisse der jetzt aufgeklaubten und zusammen ge- rafften Anforderungen der vermeintlichen Gläubiger optima forma juris zum zierlichsten protestiren und begehre, den nichtigen und untüchtigen Process gegen mich einzustellen und mir die Klagen meiner angeblichen Gläubiger in authentischer Abschrift zukommen zu lassen."

Bei dem Kurfürsten Johann Georg, welcher nach dem Tode des Kur- fürsten Christian H. seit 1611 die Vormundschaft der unmündigen Söhne des Herzogs Friedrich Wilhelm von Weimar überkommen hatte, trafen nun bald gleichzeitig Beschwerdeschriften ein, die eine von Witzleben gegen die Räthe zu Meiningen und eine zweite von diesen gegen Witzleben.

Witzleben schrieb am 23. August, er wisse von keinem Gläubiger, zumal die Ponikau'sche, Schröter'sche und Kromsdorfsche Sache noch bei dem Appellationsgerichte schwebe, und bat, „das untüchtige Citiren der Regierung zu Meiningen abzuschaffen" und klagt endlich, dass ihm 180 Schafsnösser mit gewehrter Hand abgenommen und gegen 530 fl. Zinsen abgesperrt wären.

Die Meininger Räthe dagegen hatten an demselben Tage dem Kur- fürsten geschrieben, ihm die Witzleben'sche Zuschrift, welche sie mit Recht ein Pasquill höchst beschwerlicher Art nannten, in Abschrift zugeschickt und die demüthige Bitte ausgesprochen, ihnen Schutz wider Witzleben und seinen Verführer und Schrifldichter Balthasar von Denstedt angedeihen zu lassen.

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Der Kurfürst befahl liierauf, Denstedt und Witzleben nach Massfeld in Haft zu bringen (25. August 1612). Wie gern wäre dieser Befehl von Meiniugen aus befolgt worden. Leider aber reichte ihr Arm nicht bis in das Kurmaiuzer Gebiet hinein. Sie baten deshalb den Kurförstea, sich an Kurfürstliche Hoch würden nach Mainz zu wenden und um Aus- " lieferung der beiden DilFamanten zu bitten (15. December).

Der Vorschlag musste jedoch auf Schwierigkeiten gestossen sein; Witzleben und Denstedt blieben vorläufig ungestört in Wittern und setzten durch Schriften und Pasquille, welche sie in Heida verbreiten Hessen, den Krieg gegen ihre Gegner fort.

Die Meiningische Regierung machte aber Ernst, verurtheilte Witz- leben in contumaciam und übertrug die Güter Heida, Neusis, Schmerfeldt und Alperitz, (Oberpörlitz) an seine nächsten Agnaten gegen Uebemahme der Schulden. Witzleben schrieb, als er hieiTon Kenntniss bekam, den 11». October 1612 an Ernst Friedrich von Witzleben ,jetzo in meinem Dorfe Neusis": „So Ihr nun ein ehrliebender Witzleben seid und ehrlich mit mir zu handeln gedenket, so werdet Ihr Euer adelig Gemüth auch bei mir offenbaren und diesen Protest nach Meiningen schicken, Resolution erfordern und mich von dem Erfolge benachrichtigen, üebrigens aber möget Ihr mir unverzüglich die mir zustehenden Zahlungen überweisen."

Der Brief hatte aber nicht die gewünschte Wirkung, „von der Erbschaft bei lebendigen Leibe" abzustehen, und Christophs „untreue Vettern", Ernst Friedrich und Christian von Witzleben zum Liebenstein, welche an Christoph noch aus der Vormundschaft ihres Vaters 1200 fl. schuldeten, verblieben in dem Besitz der ihnen von der Regierung über- wiesenen Güter, die ihnen auch nach dem Tode Christophs, der nicht vermählt war, rechtlich zugefallen wären. Glück hat ihnen aber dieser Zuwachs an Land und Leuten nicht gebracht, wie aus dem über die Liebensteiner handelnden Abschnitte hervorgeht.

Auf diese Weise von Haus und Hof gejagt, aller seiner Erbgüter beraubt und sammt seinem Freunde dem Elende preisgegeben, war Witz- leben doch nicht soweit gebeugt, um nicht noch einmal den Kampf auf- zunehmen und wandte sich in einer mit Denstedt gemeinschaftlich ver- fassten Klageschrift an die letzte Instanz der damaligen Welt, den Reichs- tag zu Regensburg. In 46 Artikeln führten beide alle die Gewaltthaten, die sie trotz der Mandate des Reichskammergerichtes zu dulden gehabt hatten, auf. Unter diesen Angaben ist uns nur das Eine neu, dass am

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8. Februar 1612 vier mit langen und kurzen Rohren bewaffiiete, angeblich von den weimarischen Käthen Philipp von Drassdorf und Melchior von Wittern gedungene Männer mit angeschlagenem (gespanntem) Hahn sich Witzlebens und Denstedts zu bemächtigen und sie nach dem Weimarischen zu fuhren suchten, indess daran durch die Bauern von Wittern gehindert wurden.

Die R^the in Meiningen wurden durch die Nachricht, dass die Witz- lebensche Angelegenheit vor den Reichstag in Regensburg gebracht werden sollte, höchst unangenehm berührt und suchten sich den Rücken frei zu machen, indem sie am 13. Juli 1613 dem Kurfürsten schrieben:

„Alles, was gegen Beide (Witzleben und Denstedt) geschehen ist, er- folgte auf Befehl Ew. Kurfürstlichen Gnaden, aber am Besten dürfte es doch sein, dahin zu wirken, dass solche DiflFamationes vom Reichstage ab- gewiesen und die Diflfamanten von Reichswegen bestraft würden."

Wir kennen den Austrag der Sache nicht, dürfen aber voraus setzen, dass auch dieser letzte Schritt beider Unglücklichen nicht von Erfolg ge- krönt worden ist; denn Witzlöben und Denstedt starben im tiefsten Elende, als Opfer eigener Streitsucht und der Rechtlosigkeit ihrer Zeit.

Druck von Gobr^der ümnoifc in BorlhL

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I. Theil. Anlage IL

Familientag und Familien -Vertrag

des

Geschlechts derer von Witzleben.

E

eber ganz Deutschland, nach Dänemark und Oesterreich hatten sich die von Witzleben ausgebreitet und die Beziehungen unter ihnen waren z. Th. so gelockert, dass in manchen Fällen kaum die nächsten Verwandten etwas von einander wussten. Nur die neue Wolmirstedter und die Wartenburger Linie besassen in der Klosterschule Eossleben eine Einrichtung, welche die einzelnen Glieder mit gemeinsamem Bande umschlang. Um nun aber unter den Mitgliedern aller Linien eine nähere Bekanntschaft anzubahnen, die Zusammengehörigkeit des Geschlechts neu zu beleben imd überhaupt den Familiensinn zu wecken und zu heben, Hessen auf Anregung des K. Preuss. General-Lieutenants z. D. Gerhard August von Witzleben dieser und die Vettern Arthur, Herz. Braun- schweig. Kammerherr und Rittergutsbesitzer auf Kieslingswalde, Erik, K. Preuss. Oberst a. D. und Rittergutsbesitzer auf Liszkowo, Fritz, K. Preuss. Kammerherr und Schlosshauptmann, auf CoUm in der Ober- Lausitz, und Oskar, K. Preuss. Major und Rittergutsbesitzer auf Ober- steinkirch, im Februar 1869 eine Einladung zu einem am 9. Mai dess. J. in Berlin abzuhaltenden Geschlechtstage der Familie von Witzleben er- gehen. Als Gegenstände der Besprechung waren vorläufig hingestellt die Gründung eines Witzlebenschen Damenstifs und die Gründung eines Familienarchivs. Dieser erste Geschlechtstag war denn auch von 21 Mit- gliedern besucht, welche die Errichtung eines Familienvereins beschlossen.

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Die nächsten Geschlechtstage, 28. März 1870 und 20. April 1872, be- schäftigten sich noch mit den weitern Vorarbeiten zur Constituirung dieses Vereins, welcher dann endlich auf dem 4. Geschlechtstage am 27. Apr. 1874 zu Stande kam und dessen Statuten folgendermassen lauten:

Familien-Vertrag

dC'8

Geschlechts derer von Witzleben.

Einleitung. Einundzwanzig Mitglieder des adligen Geschlechts derer

von Witzleben hatten in einer Zusammenkunft zu Berlin am 9. Mai 1869 verabredet:

im Monat März 1870 einen Familientag zu berufen, um wegen Begründung eines Familien-Vereins Näheres zu vereinbaren und festzustellen.

In dem hierauf am 28. März 1870 zu Berlin abgehaltenen Familientage, zu welchem alle männlichen selbstständigen und dispositionsfähigen Mitglieder der Familie unter Angabe des Zwecks eingeladen waren, hatten 14 anwesende Mitglieder einen förmlichen Familienvertrag unter sich abgeschlossen und durch Unterschrift vollzogen.

In einem neuen, heute hierselbst abgehaltenen Familien- tage haben die Unterzeichneten diesen Vertrag mit Eücksicht auf einige inzwischen eingetretene Veränderungen der Ver- hältnisse einer nochmaligen Prüfung und Revision unterworfen und sich schliesslich über folgende Vertragsbestimmungen geeinigt:

§• 1. Begründung Es wird hiermit ein von Witzleben 'scher Familien-

einesFamilien-Verein gebildet, dessen Zweck ist:

Zweck ^^ unter den Familien-Mitgliedern dauernde Bekanntschaft

desselben. und ein freundliches Vernehmen zu vermitteln,

b) reges Interesse für alle Familien-Angelegenheiten sowie eine des deutschen Adels würdige Gesinnung, vor Allem die Ehrfurcht gegen Gott den Allmächtigen und die unwandelbare Treue gegen ihren Landesherm sowie

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gegen des Deutsehen Kaisers Majestät unter allen Mit- gliedern der Familie zu erhalten,

c) für die Einrichtung und Unterhaltung eines Familien- Archivs zu sorgen,

d) die historischen Denkmäler der Familie soweit thunlich zu erhalten resp. wieder herzustellen.

§. 2.

Der Verein besteht zunächst aus denjenigen selbst-Mitgliedschaft ständigen und dispositionsfähigen, über 2o Jahre alten, inner- ^^^ Vereins, halb der Grenzen des deutschen Eeichs wohnhaften Familien- mitgliedern, welche heute diesen Vertrag unterzeichnet haben.

Allen männlichen selbstständigen und dispositionsfähigen Familien -Mitgliedern, sowie den Wittwen und den vaterlosen unverheiratheten über 25 Jahre alten Töchtern derer von Witzleben bleibt überlassen, diesem Vertrag nachträglich beizutreten.

Der Beitritt muss durch eine schriftliche, die Unter- werfung unter die Bestimmungen dieses Vertrags aus- sprechende Erklärung bei dem Ausschusse (§. 6) angemeldet werden und ist davon abhängig, dass der oder die sich Meldende

a) im christlich eingesegneten Ehebett erzeugt und ge- boren ist,

b) die Zubehörigkeit zu einer der gegenwärtig noch blühenden Familienlinien Elgersburg, Liebenstein (Oldenburg), Mols'chleben, Wartenburg, Wolmir- stedt (blaue und rothe Linie) nachweist, und

c) einen Wohnsitz im gesetzlichen Sinne dieses Worts innerhalb der Staaten des deutschen Reichs oder in den deutschen Landestheilen des Kaiserreichs Oesterreich besitzt.

Entstehen Zweifel hinsichtlich der Bedingungen ad a und fe, so hat der Ausschuss (§. 6) dieselben mit seinem Gutachten dem Familienrathe (§. 5) zur endgültigen Ent- scheidung in dessen nächster Sitzung vorzulegen. Von der Bedingung ad c kann der Familienrath nach Prüfung aus- nahmsweise in einzelnen Fällen dispensiren.

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§. 3. Rechte und Die Mitglieder des Vereins sind berechtigt, an allen

Pflichten der^n den Familien tagen (§. 7) stattfindenden geselligen Ver- . ,. , einigungen für ihre Person Theil zu nehmen und die Ange- hörigen ihrer Familie im engeren Sinne des Worts, mit Aus- schluss der noch nicht coufirmirten Töchter und der noch in den Vorbereitungs-Stadien für den künftigen Beruf stehenden Söhne, auf ihre Kosten Theil nehmen zu lassen, von den Be- rathungen des Familienrathes und dessen Protokollen, die ihnen ebenso wie den Mitgliedern des Familienraths mitgetheilt werden müssen, Kenntniss zu nehmen und in Betreff aller allgemeinen Familien- Angelegenheiten Anträge und Vorschläge an den Familienrath zu richten, über welche dann in der nächsten Versammlung des letztem Berathung und Beschluss- fassung erfolgen muss.

Dagegen sind sie verpflichtet:

a) einen jährlichen Beitrag von „Sechs Thalern" in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März praenumerando an die Vereinskasse (§. 14) zu zahlen und auf die ihnen zugegangene schriftliche Einladung zu den Pamilien- tagen sich über ihr Erscheinen längstens sechs Tage vor dem Versammlungstage gegen den Vorsitzenden des Ausschusses schriftlich zu erklären;

b) von allen in ihrer Familie (im engeren Sinne) vor- kommenden Trauungen, Geburten und Todesfällen, Grundstückserwerbungen und Veräusserungen , Erb- verträgen (nach ihrer Publication bez. nachdem sie perfect geworden) , Fideicommiss-Stiftungen , Domicil- veränderungen , Ernennungen und Beförderungen im Staatsdienste, längstens 3 Monate nach dem statt- gehabten Ereigniss dem Ausschusse schriftlich Anzeige zu machen, auch auf Verlangen des letzteren die bezüg- lichen Urkunden in beglaubigter Abschrift Behufs Niederlegung im Archive einzusenden und etwaige weitere Anfragen des Ausschusses in Betreff ihrer Familien- verhältnisse eingehend zu beantworten.

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§. 4. Die Mitgliedschaft erlischt Aufhören

a) durcli den dem Ausschuss (§. 6.) gegenüber erklärten ]yjj|.^i|Q^. Willen des betreffenden Mitglieds, aus dem Verein aus- schaft. zutreten,

b) durch den Tod,

c) durch Ausschliessung.

Die Ausschliessung kann nur in ordentlicher Ver- sammlung des Familienraths wegen entehrender Handlungen des betreffenden Mitglieds oder weil ein Mitglied in drei auf- einander folgenden Jahren der Mahnung des Schatzmeisters ungeachtet seinen Verpflichtungen gegen den Verein nicht nachgekommen ist, mit zwei Dritttheilen Majorität der an- wesenden stimmberechtigten Mitglieder ausgesprochen werden. Es erlischt damit sofort jedes mit der Mitgliedschaft ver- bundene Recht und das ausgeschlossene Mitglied und seine Erben haben auf irgend eine Erstattung der eingezahlten Beiträge keinen Anspruch. Inwieweit dadurch auch die für die Angehörigen des Ausgeschlossenen etwa bereits erworbenen Rechte erlöschen, darüber hat der Familienrath zu entscheiden.

. §. 5.

Diejenigen männlichen Mitglieder des Vereins, welche Familienrath. das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben, aus der väterlichen Gewalt entlassen (Allgem. Land-Recht Theil ü. Titel 2. §.210 flf.), selbstständig und dispositionsfähig sind, innerhalb der Staaten des deutschen Reiches ihren Wohnsitz haben und notorisch oder nachweislich der evangelischen Confession an- gehören, bilden den FamiUenrath, sofern sie nicht schriftlich aus- drücklich erklären, demPamilienrathe nicht angehören zu wollen.

Die Mitglieder des Fandlienraths zahlen den doppelten Jahresbeitrag wie die übrigen Vereins-Mitglieder in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März praenumerando zur Vereinskasse.

§• 6. Der Familienrath wählt aus seiner Mitte drei Mitglieder, welche den Ausschuss bilden. Wählbar zum Ausschuss sind nur diejenigen Mitglieder des Familienraths, welche das 30.

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Lebensjahr zurückgelegt haben. Ausserdem werden drei Stellver- treter der Ausschuss-Mitglieder gewählt, deren Wählbarkeit den- selben Bedingungen, wie die der Ausschuss-Mitglieder unterliegt.

§• 7.

Die Zeitabschnitte, innerhalb deren und der Ort, an welchem eine Versammlung des Familenraths (Familientag) stattfinden soll, werden durch den Familienrath festgesetzt.

Die Einladungen zu den Versammlunge'n des Famlien- raths an die Mitglieder desselben, sowie die Einladungen zu der am Familientage stattfindenden geselligen Vereinigung an sämmtliche Vereins-Mitglieder erlässt der Ausschuss spä- testens vier Wochen vor dem Versammlungstage mittelst recommandirter Briefe.

In der Einladung wird Tag, Stunde und Ort der Ver- sammlung angegeben.

Nur in den Fällen, in welchen es sich um Abänderung oder Ergänzung dieses Vertrags oder früherer Beschlüsse des Familienraths handelt, sind die zur Verhandlung kommen- den Gegenstände speciell anzugeben.

§. 8.

Der Familienrath schreitet, sobald seine Sitzung von dem Vorsitzenden des Ausschusses eröflFnet* worden, zur Wahl eines Präsidenten.

Unter Zuziehung des Präsidenten hat demnächst der Ausschuss einen Protokollführer zu bestellen. Zur Gültig- keit des BerathungsprotokoUs ist die Unterschrift des Prä- sidenten, der Mitglieder des Ausschusses und des Protokoll- führers erforderlich, aber auch genügend.

In dem Protokolle müssen sowohl sämmtliche anwesende als auch die fehlenden Mitglieder des Familienraths, letztere mit Angabe der Gründe ihrer Abwesenheit, namentlich auf- geführt werden.

§. 9.

Bei allen Beschlüssen des Familienraths entscheidet, soweit nicht in diesem Vertrag eine Majorität von Zwei Dritteln vorgeschrieben ist, die einfache Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder.

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Bei Stimmengleichheit giebt, wenn es sich um eine Wahl handelt, das Loos, in allen andern Fällern die Stimme des Präsidenten, den Ausschlag.

§. 10.

Eine Stellvertretung abwesender Mitglieder ist nicht ge- stattet. Die Beschlüsse der anwesenden sind für die abwesen- den Mi^-jlieder verbindlich. Jedes Mitglied des Familienraths hat durch eine , an den Vorsitzenden des Ausschusses zu richtende schriftliche Anzeige, welche spätestens 6 Tage ' vor dem Versammlungstage bei diesem eingehen muss, den Empfang der Einladung zu bescheinigen.

Das Ausbleiben in der Versammlung des Familienraths kann nur entschuldigt werden durch

a) dienstliche Abhaltung,

b) Alter über 70 Jahre,

c) Krankheit.

§. U.

Der Familienrath hat über alle geschäftlichen Atfgelegen- heiten des Familienvereins, insbesondere über die Erfüllung der im §. 1. sub c und d angegebenen Zwecke zu berathen und zu beschliessen. Seiner Aufsicht unterliegt die gesammte Thätigkeit des Ausschusses.

§. 12.

Die Mitglieder des Ausschusses und deren Stellvertreter vom Aus- werden auf sechs Jahre gewählt und sind nach Ablauf dieser schusse insbe- Frist wieder wählbar. Sie wählen unter sich einen Vor- 8<>"^^''®* sitzenden und einen Schatzmeister und sind befugt, im Uebrigen die Geschäfte unter sich zu vertheiJen, auch zur Ausrichtung einzelner Geschäfte andere Mitglieder des Familienraths oder auch dritte Personen zu ermächtigen. Bei eintretender längerer Behinderung eines Ausschussmitglieds beruft der Vorsitzende einen der drei Stellvertreter. . §. 13.

Der Ausschuss hat die laufenden Geschäfte des Familien- vereins zu besorgen, die zur Competenz des Familienraths gehörigen Angelegenheiten zur Berathung vorzubereiten und die Beschlüsse des Familienraths auszufahren. Es ist ihm

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die Curatel der Vereinskasse (§. 14.) und die obere Leitung und Beaufsichtigung des Familien-Archivs anvertraut. Er hat die Einladungen zu den Versammlungen des Familien- raths zu erlassen (§. 7.), und ist berechtigt, in aussergewöhn- lichen FäUen den Familienrath ausserordentlich zu berufen.

Zu seinen Aufgaben gehört es, ein Verzeichniss aller Familien -Mitglieder, welche sich dem Verein angeschlossen haben, zu führen unter Angabe der gezahlten Jahresbeiträge, etwaiger Schenkungen u. s. w. Dieses Verzeichniss ist an jedem Familientage vorzulegen und es sind dabei alle übrigen männlichen und weiblichen Mitglieder der Familie so weit als thunlich namhaft zu machen.

Jedes Mitglied der Familie, welches einen die letztere betreffenden Antrag dem Familienrath unterbreiten will, hat denselben an den Ausschuss zu richten, welcher darüber im nächsten Familientage Vortrag halten muss.

Der Ausschuss vertritt den Familienverein nach aussen.

Für die geschäftliche Correspondenz der Ausschuss- mitglieder unter sich, mit andern Instanzen oder mit nicht zur Familie gehörigen Personen werden die Portoauslagen aus der Vereinskasse bestritten.

§. 14. Vereinskasse. Alle laufenden Jahresbeiträge der Mitglieder des Familien- raths und des Familienvereins und alle dem Familienverein etwa gemachten ausserordentlichen Zuwendungen, wie solche namentlich bei frohen Familienfesten (Taufen, Trauungen, silberner oder goldener Hochzeit u. s. w.) von den Vereins- mitgliedem erwartet werden dürfen, fliessen zu einer Vereins- kasse, aus welcher die zur Erfüllung der Zwecke des Vereins (§. 1. c und d) nothwendigen Ausgaben bestritten werden.

Die Vereinskasse wird von dem Schatzmeister unter ControUe der beiden andern Ausschussmitglieder verwaltet.

§. 15.

Der Schatzmeister hat das Journal und Manual über die Kassenverwaltung nach einem von ihm für eine dreijährige Periode zu entwerfenden, von dem Familienrathe nach vor- gängiger Prüfung durch den Ausschuss zu genehmigenden

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Etat zu führen. Er hat die Jahresrechnung aufzustellen, welche, von den drei Ausschussmitgliedem unterzeichnet, mit den Belegen dem Familienrathe zur Kevision und Dechargirung vorzulegen ist.

Zu seinen Aufgaben gehört es, für die Einziehung der laufenden Jahresbeiträge zu sorgen. Macht sich ein Vereins- mitglied einer Versäumniss in dieser Beziehung schuldig, so hat der Schatzmeister eine Mahnung unfrankirt zu erlassen, und wenn binnen 14 Tagen nach dem Abgang der Mahnung die Zahlung nicht erfolgt, den Betrag durch Postvorschuss einzuziehen.

§. 16.

Der Beschluss darüber, zu welcher Zeit, in welcher Höhe und unter welchen Modalitäten die im Laufe der Zeit sich ansammelnden Bestände der Vereinskasse, welche stets so bald als thunUch zinsbar zu belegen sind, zum Besten der Familie zu verwenden sein werden, bleibt dem Familienrathe vorbehalten.

§• 17.

Jedes Mitglied des Familienraths ist verpflichtet, die Allgemeine Wahl zum Mitgliede des Ausschusses resp. zum Stellver- Bestimmun- treter anzunehmen und sich der Ausführung aller sonstigen ihmin ^^"* Angelegenheiten der Familie ertheilten Aufträge zu unterziehen.

Nur ein Alter von mehr als 70 Jahren, chronische Krankheit oder länger fortdauernde, durch eine Stellung im Staatsdienste bedingte Verhinderung entbindet von dieser Verpflichtung.

Alle Geschäfte in Familienangelegenheiten sind als Ehrenfunctionen unentgeltlich zu besorgen, nur baare Aus- lagen mit Ausschluss der Eeisekosten werden aus der Vereins- kasse erstattet. Dagegen darf von keinem Mitgliede des Familienraths oder des Ausschusses, auch nicht von dem Schatzmeister, die Bestellung einer Caution verlangt werden.

§. 18.

Die für die Geschichte der Familie interessanten und Vom wichtigen Acten, Urkunden und sonstigen Schriftstücke sind, Familien- soweit dies nicht bereits geschehen, zu sammeln und in einem ^^ ^®*

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in den Bäumen der Kloster-Schule Bossleben (einer Stülmig der Familie) auf Kosten der Yereinskasse einzurichtenden Familien-Archive niederzulegen.

§. 19.

Mit der ersten sachgemässen Ordnung und der laufen- den Verwaltung des Archivs, sowie mit der Aufstellung eines vollständigen Bepertoriums der dem Archive überwiesenen Urkunden u. s. w. und der genauen Fortführung des letztem ist ein Archivar zu beauftragen, wozu von dem Familienrathe, vorbehaltlich der Zustimmung des Erbadministrators, in der Begel der Verwaltungsbeamte oder nach Befinden einer der Herren Lehrer der Kloster-Schule auf Widerruf zu bestellen ist. Dem Archivar wird neben Erstattung seiner etwaigen haaren Auslagen für seine Mühwaltung eine von dem Familien- rathe festzusetzende fortlaufende Bemuneration aus der Vereins- kasse gewährt.

§. 20.

Die obere Leitung und Beaufsichtigung der Archiwer- waltung wird von dem Familienrath einem seiner Mitglieder als Curator des Archivs übertragen. Der Curator hat sich mit dem Archivar, welcher ihm jede Auskunft, die er ver- langt, ertheilen und sich in allen zweifelhaften Fällen zunächst an ihn wenden muss, in fortgesetzter Verbindung zu erhalten und wo möglich ein Mal im Jahre die Archiwerwaltung an Ort und Stelle zu revidiren oder revidiren zu lassen.

§. 21.

Jedes Vereinsmitglied kann an Ort und Stelle von den im Archiv verwahrten Urkunden u. s. w. Kenntniss nehmen und gegen Erstattung der Copialien Abschriften verlangen. Dagegen dürfen Urkimden u. s. w. unter keinen Umständen aus dem Archiv herausgegeben oder verliehen werden.

Wollen Personen, die dem Familienverein nicht ange- hören, Einsicht in das Archiv nehmen oder Abschriften aus demselben erhalten, so bedarf es dazu in jedem specieUen Falle einer von dem Archivar einzuholenden, im Archiv auf- zubewahrenden schriftlichen Genehmigung des Curators. Um die Beachtung dieser Bestimmung sicher zu stellen, hat der

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Ausschuss jedes Mal binnen längstens acht Tagen nach dem Famüientage dem Archivar ein berichtigtes Verzeichniss der Vereinsmitglieder mitzutheilen.

Berlin, den 27. April 1874.

A. von Witzleben, Cäsar Dietrich von Witzieben,

Generalleutnant z. t). Kgl. Sachs. Geh. Regierungsrath.

Max von Witzleben, Ferd. Aug. Ludw. Edmund von Witzleben,

Generalmajor z. D. Rittmeister.

Hartmann von Witzleben, Christoph Friedrich Ernst von Witzleben,

Wirtl. Geh. Rath. Gutsbesitzer.

Oskar von VMtzieben, . Job von Witzieben,

K. Major und Rittergutsbesitzer, Seconde-Leutnant.

Dietrich von Witzleben. Arthur von Witzleben,

Major a. D. Kgl. Pr. Hauptmann u.Herzogl.Braunschw.

IMax von Witzleben, Kammerherr.

Hauptmann im Garde-Füsilier-Regiment. Oskar Dietrich von Witzleben,

Kgl. Sachs. Forstinspector.

Dieser Vertrag wurde mit nachstehendem Schreiben dem Deutschen Kaiser überreicht:

ÄllerdHrchlauchtigster, AUergnädigster Kaiser, Konig und Herr!

Eure Majestät gestatten sich die allerunterthänigst Unterzeichneten als Beauftragte der selbstständigen und dispositionsfähigen Mitglieder der Familie von Witzleben einen am heutigen Tage abgeschlossenen Familienvertrag wegen Bildung eines Familien- Vereins, an dessen Spitze ein FamiUen-Bath und ein aus der Mitte des letztern gewählter Aus- schuss stehen soll, mit der ehrfurchtsvollsten Bitte zu überreichen: von dem Inhalte dieses Vertrags huldreichst Kenntniss nehmen zu wollen.

Zwar bescheiden wir uns selbst, dass der Vertrag, obgleich bei dessen Errichtung die Absicht im Hintergrunde gelegen hat, allmählich durch freiwillige Beiträge Geldmittel zu sammeln, um die nach uns kommenden Geschlechter nach einigen Jahrzehnten in die Lage zu setzen, eine Familienstiftung zur Unterstützung armer Wittwen und unver- heiratheter Töchter sowie zur Vorbildung armer Söhne der Familie für den Dienst in der Armee oder in der Civilverwaltung errichten zu können, in seiner gegenwärtigen Gestalt vom Standtpunkte des Eechts aus betrachtet, sich lediglich als ein Privat- Vertrag darstellt und dass daher

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streng genommen eine fönnliche Bestätigung desselben von Seiten des Landesherren oder auch nur der Organe der Staats-Regierung kaum er- hofft werden darf.

Aber alle Theilnehmer an dem Vertrag und darunter inbesondere auch diejenigen, welche nicht dem Preussischen Staate, sondern andern Staaten des deutschen Reiches angehören, legen einen hohen Werth darauf, dass Eure Majestät huldvoll geruhen wollen. Allerhöchst Ihre Billigung der bei der Begründung unsers Vereins erstrebten Ziele in irgend einer zulässig und genehm erscheinenden Form uns erkennen geben zu lassen.

Eine solche huldreiche Aeusserung Allerhöchstderselben Willens- Meinung ehrerbietigst und vertrauensvoll erbittend, ersterben wir in tiefster Ehrfurcht als

Eurer Majestät

Berlin, den 27. Aprü 1874. ^ ^^.. . ^ ^.

allerunterthamgste Diener

Arthur von Witzleben, Hartmann von Witzleben,

Königl. Hauptmann a. D. u. Herzog!. Wirklicher Geheimer Rath.

Braunschw.EammerherraufEieslingswalde.

Cäsar von Witzleben.

Königl. Sachs. Geheimer Regierungs-Rath.

worauf folgende Allerhöchste Cabinets-Ordre erging:

Ich habe den Mir eingereichten Familien -Vertrag vom 27. April d. J., welchen die Mitglieder des Geschlechts derer von Witzleben geschlossen haben, erhalten und mit grossem Interesse von dem Inhalte desselben Kenntniss genommen. Erfreut über das darin niedergelegte Gelöbniss unwandelbarer Treue gegen den Kaiser und die Landesherren, wie es der würdigen Tradition der Familie von Witzleben entspricht, sende Ich Ihnen hierneben den Vertrag mit dem Wunsche zurück, dass dem neugebüdeten Familien- Vereine bei seinen anerkennenswerthen Bestrebungen der Segen Gottes des All- mächtigen niemals fehlen möge.

Schloss Babelsberg, den 1. Juni 1874.

Wilhelm.

An den Hauptmann a. D. und Herzoglich

Braunschweigischen Kammerherm

Arthur von Witzleben

zu Kieslingswalde.

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Die nächsten Geschlechtstage fanden zu Berlin statt am 28. April 1876, 17. Mai 1878 und 25. October 1880. Auf ihnen wurden u. a. auch über Fortgewährung von Mitteln zum weiteren Druck der Familien- geschichte Beschlüsse gefasst. Am 11. Mai 1878 war das Hödel'sche Attentat auf den Kaiser verübt worden. Die zum 6. Geschlechtstag am 17. Mai versammelten Mitglieder beschlossen nun auf Antrag des Vetters Cäsar von Witzleben, an Se. Majestät eine Adresse zu richten, in welcher der Familienverein in alter ehrfurchtsvoller Treue Se. Majestät zur Rettung aus jener drohenden Lebensgefahr beglückwünschte. Dieselbe lautete :

Allerdnrchlauchtigster, Grossmächtigster Kaiser! AUergnädigster Kaiser, König und Herr!

Die Frevlerhand eines ruchlosen Mörders hat sich gegen das geheiligte, ehrwürdige Haupt Ew. Kaiserlichen Majestät gerichtet. Gottes aUweiser Rathschluss aber hat das durch Ew. Majestät neubegründete deutsche Beich und Preussen vor der untilgbaren Schmach bewahrt, dass sein erster wieder- gewonnener Kaiser, der glorreiche Spross des Hohenzollem- geschlechts, ^das Opfer eines hochverrätherischen Mordanschlags wurde.

Aus allen Gauen unseres deutschen Vaterlandes, aus allen Schichten der Gesellschaft sind !Ew. Kaiserlichen Majestät an- lässlich dieser Bettung in diesen Tagen ehrerbietige Beglück- wünschungen zugegangen. Auch der am heutigen Tage zu Abhaltung seines Familientags in Ew. Majestät Haupt- und Besidenzstadt versammelte Verein des Geschlechts Derer von Witzleben erachtet es, eingedenk seines im Familienstatut nieder- gelegten Gelöbnisses unwandelbarer Treue gegen den Kaiser, ftir eine heiUge Ehrenpflicht, seiner tiefempfundenen Entrüstung über die Frevelthat und seiner Freude über deren Misslingen huldigenden Ausdruck zu geben, und bittet in tiefster Ehr- erbietung, Ew. Kaiserliche Majestät woUen die unterthänigste Beglückwünschung des von Witzlebenschen Familienvereins und

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die Versicherung seiner ferneren unverbrüchlichen Treue und Hingebung huldreichst entgegenzunehmen geruhen. In tiefster liihrerbietung ersterben Berlin, den 17. Mai 1878.

Ew. Kaiserlichen Majestät

allerunterthänigst gehorsamste

(folgen die Namensunterschriften sämmtUcher Theil-

nehmer am Famüientag).

d. d. Berlin, Palais, den 30. Mai 1878, erging darauf an den General-Lieutenant z. D. Gerhard August von Witzleben, welcher am 17. Mai den Vorsitz geführt hatte, folgendes Telegramm:

Empfangen Sie zur Mittheilung an die übrigen zum Familientage versammelt gewesenen Mitglieder Ihrer FamiUe Meinen wenn auch ver- spätet aber nicht minder aufrichtigen Dank für die Mir bewiesene Theil- nahme bei dem Angriff auf Mein Leben, dessen Folgen nur durch Gottes Fügung von Meiner Tochter und Mir abgewandt werden konnten, dem Unser demüthiger Dank gebührt.

W^ilhelm.

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I. Theil. Anlage lU.

Zusätze und Berichtigungen.

(Gewöhnliche Druckfehler sind nicht berücksichtigt.)

Seite 1, Zeile 2 lies 1450.

2, Anm .**) lies: Bei Gudenus cod. Dipl. I. 385 zählt der Erzbischof Wizelin von Mainz u. s. w.

,, 6 muss der letzte Absatz lauten: Ein schönes und gut erhaltenes Wappen finden wir auf dem Todtenschilde, welcher zu Ehren des am 2. Oct. 1463 ge- storbenen Friedrich, des Sohnes des Bitters Heinrich von Witzleben, in der Witzlebenschen (Nicolai-) Kapelle der liiebfrauen-Kirche zu Arnstadt aufgestellt wurde. Er u. s. w. Dieser ganze Absatz und das folgende Wappen gehören hinter das S. 8 befindliche Wappen.

8, Zeile 18. Statt Claus und Conrad lies hier und überall, wo diese Namen vorkommen, Klaus und Konrad, ebenso immer Kurt, Kunz, Karl, Erik (oder Erich), Katharina etc. etc. Es sind deutsche Namen und deshalb mit dem deutschen K zu schreiben.*)

9, Anm., letzte Zeile lies 19. Jahrh. Den hier genannten Werken sind hinzu- zufügen: Des Conrad Grünenberg Wappen buch, 1483, neu heraus- gegeben von Graf Stillfried 1875. Costnitzer Concilium, Frankf. a. M. 1575. F. Warnecke, Heraldisches Handbuch, Görlitz 1880.

11. Nach dem Wappen ist fortzufahren: Denselben Kopf nebst Stechhelm, jedoch ohne Schild, also als Helmsiegel, führte Hermansteyn von Witzeleyben am 22. Juli 1369. (Schwarzb. Com. Arch. zu Rudolstadt, Seat. XIV. No. 23.)

Zum dritten Male u. s. w.

12, Zeile 12 muss beginnen: Seit dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts ist es bei den u. s. w. Der Schlussatz Z. 15 doch mag bis bilden ist zu streichen und dafür zu setzen: und widerspricht der erwähnte Gebrauch

*) Da wir einmal Ton den Voraamen sprechen, möchten wir die Gelegenheit benutten and auf die schöne and praktische Sitte unserer Vorfkhren hinweisen, ihren Söhnen nar einen Vornamen za geben, mit dem dieselben aber aach immer bezeichnet warden. Mit zwei, wenn es durchaus sein muss auch drei Vornamen kann sich jemand noch unterschreiben, aber mit sechs oder gar neun wird dies doch recht unbequem.

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2 -^

auch der alten Regel der Heraldik, dass zu einem Wappen nur ein Helm gehört. Seite 12, Zeile 26 streiche wohl.

16, Anm. Z, 3 v. u. ist hinter seien hinzuzufügen (cf. S. 127).

17. Der letzte Absatz muss lauten: Heinrich von Witzlehen führte in dem am 13. Juli 1829 zu Ehren der Kaiserin von Bussland im Neuen Palais bei Potsdam gerittenen Turnier «Der Zauber der weissen Böse" auf seinem Schilde die Deyise Bonne cause atme le jour, und einige u. s. w.

18, Zeile 11 und 12 streiche ausserdem und zweiten (linken).

,, 32, 14 ist statt Gommirstet zu lesen Gvmmirstet.

40, ,, 12. Die beiden Worte war selbst verändere in wurde später vom Herzog von Bayern.

40, Anm. Zeile 6 v. u. ist hinter 1368 hinzuzufügen: was wohl das richtige ist, da die Urkunden, welche sich auf die Einräumung der Schlösser Wachsen- burg, Liebenstein und Schwarzwald an Dietrich von Witzleben etc. be- ziehen, von 1369 (19. und 20. Mai) datirt sind,

53, Zeile 23 und 24 müssen lauten: anderen Zugehörungen, den die Brüder Fritz und Iring von Witzleben vor dem Jahre 1468 gekauft hatten.

60, Zeile 21—24: und erhielt am 5. Nov. 1363 von dem Grafen 40 Mark 1. S., weil er demselben seinen vor dem Schlosse Liebenstein gelegenen Hof, 4 Mark Geldes jährlichen Zinses von allen seinen Gütern zu Angelroda und 4 Mark Geldes, ebenfalls jährlichen Zinses, von seinen unbeschwerten Gütern und Leuten zu Angelroda zu Lehn aufgetragen und als Burggut genommen hatte.

,. 63, Zeile 3 v. u. und S. 70, Z. 9 v. u. ist Ritter zu streichen. Heinrich d. Ä. von Witzleben war trotz seiner Ämter und seines Reichthums nicht Ritter.

72 ist im Text unten fortzufahren: Seine Gemahlin war Else von Kochberg, welche am 20. März 1432 mit 600 Mark an dem Schlosse Elgersburg beleibdingt wurde.

76, Zeile 3 lies 17. Sept.

85, 12: 1526.

89, 16. Eine Krause ist ein oben mit einem Rande versehenes Trinkglas.

96, 7 des Textes ist hinter Nachkommen einzuschalten Alk ersieh en und.

112, ., 6 und S. 115, Z. 17 lies 3/8.

149, 8 V. u.: von 1802 bis 1875.

,, 177, 9 und ffg. müssen lauten: Als im Jahre 1828 das alte Geschlecht von Bendeleben mit Georg Ludwig ausstarb, fiel das Rittergut Cannewurf (im Kr. Eckartsberga, bei Kindelbrjlck) mit der oberen Sachsenburg heim. Friedrich Wilhelm III. wollte Job von Witzleben damit belehnen in der Absicht, so dessen Linie wieder in Thüringen ansässig zu machen. Da aber drei Wittwen Jahrgelder aus den Revenuen des Gutes erhielten und dasselbe ausserdem verschuldet war (es schwebten über 20 Processe, die Witzleben hätte übernehmen müssen), so machte der Minister Graf Lottum den König darauf aufmerksam, dass Witzleben auf Gannewurf in kurzem bankerott werden würde. In Folge dessen erhielt letzterer an- statt Cannewurfs eine Dotation in Geld, welche er auf Veranlassung des Ministers Rother zur Erwerbung des Gutes Liszkowo im Kreise Wiraitz

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3

der Provinz Posen, nördlich Ton Inowraclaw in den Weicbselniederungen gelegen, verwendete. Dies Gut haben Jobs Nachkommen Witzleben genannt. Seite 190, Zeile 11 ist ein Punkt hinter König zu setzen. 196, Zeile 26, 27 und 28 sind, als auf irrthümlicher Auffassung der Worte des

Prinzen seitens der Wittwe beruhend, zu streichen. 243, vorletzter Absatz: Friedrich starb am 2. Oct.

264, Zeile 8 v. u. (in der Anm.) ist zwischen sein, und Zur einzuschalten: Dies findet seine einfache Erklärung darin, dass der Baron von Efferen und der Oberst Hall oder Halle eine und dieselbe Person waren. Der Namen dieser Clevischen Familie war von Effern genannt Halle. 316, Zeile 3: 1645 bis 1878. 349, 24: 1751 bis 1878. ., 352, 3 V. u.: 1758 bis 1878. 357, 5: 1763 bis 1878. Anlage I, Seite 1, Zeile 4 des Textes streiche später erscheinende.

2, 8. Statt deren Taufnamen wir nicht kennen setze

Katharina. 2, 10 V. u. des Textes ist anstatt gefürchteten zu lesen

gefürsteten. ,. 4, 1 V. u. lies Sülzenbrück anstatt Salzbrücken.

30, 12 V. 0. ist zwischen die und Güter einzuschalten Admini-

stration der. „30, ,, 15 ist hinter Christian das Wort Rudolf einzuschalten.

,, 30, statt der Zeilen 12, 11, 10 und 9 v. u. ist zu setzen: wiesenen

Güter, so lange Christoph lebte (cf. S. 259). Stammtafel I, 1, unten. Dietrich, zu Molsdorf und Arnstadt, 1412 Amtmann zu Wachsenburg, f 1455, hatte noch eine Tochter, Else, als deren Gemahl 1437 Volkmar von Witterde genannt wird.

Rechts unten ist statt N. N. von Jegersleben zu lesen Günther von Ingersleben. 4, oben: Job Wilhelm von Witzleben heir. 1592 Brigitta von Wangen-

heim, n. 1569. Seinen Kindern sind hinzuzufügen eine Tochter, welche Hans Melchior von Griesheim auf Griesheim und Dömfeld a. Dm heirathete, und Veronica, welche am 13. Juni 1609 Gevatter stand.

Als Bruder der Esther Maria ist nach Maria Elisabeth einzuschieben Hans Kasper, t 1694. Die Ahnentafel für Esther Maria ist oben rechts zu bezeichnen als Beilage zu

Tab. I. 4. Stammtafel I, 6 ist in der 3. Reihe bei Juliane Susanne hinzuzufügen: n. 1672, t 25. Sept. 1736, heir. 1) 23. Nov. 1698 Georg Heinrich von Wangen- heim zu Tüngeda, f 1706. 2) 11. Juni 1712 Johann Levin von Wangenheim. 9, 2. Reihe: Karoline Luise Auguste von Hopffgarten, n. 1807,

t 24. Sept. 1877 zu Angelroda. 9, 4. Reihe: Kurt, geb. 31. Dec. 1860, ist Kais. Deutscher ünter-

lieutenant zur See.

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4

Stammtafel I, 10. 2. Reihe: Wilhelm starb in Folge einer bei Gross-Görschen empfan- genen Wunde.

Hermann t !• Nov. 1876 in Wiesbaden. Heinrich t 30. Mai 1876 in Jena.

3. Reihe, rechts: Luise, n. 1. Febr. 1840, heir. im März 1878 Gerd von Below, Major im 1. Garde-Drag.-Regt. Wegen der lebenden Glieder des Geschlechts verweisen wir auf den VI. Jahrgang (1881) des zu Brunn erscheinenden Genealogischen Taschenbuchs der Ritter- und Adelsgeschlechter.

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Dietrich d. A. B.

1290-1297.

Radolf

M KirelireMdft. 1296.

Eine Tochter. Bruder Qsm. Ooarad tob Varmk.

180«.

fcrich R.. Gumtnerstedt,

»8—1876.

ti.

Sophia.

1876.

Beringer R

1822—1370.

Eberhard.

187«— 1877.

Erhard.

1892 Meichwitx.

Albrecht.

Hans.

Her

1381.

1887.

Ost

Lftadeomthiir dM

U

dtttUcliMi OrdeM tt.

BUttkalter in Tki-

riu«a 1392-1490.

Anna.

Gen. motrieli 1409.

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I. Theil. 2. Stanimtafel.

Dietrich,

U Elgerburg etc. und B.^slebpn, ' Amtmann zu Arnstadt,

1481-1530.

:ir. 1501 Margarethe von Stein

zu Northftim.

' Christoph,

Arnstadt, Elgersburg etc., ßöa- Ipben und Neuroda, t 1550. nx. Sibylla.

Töchter,

i52 in streit mit der Oonieinde zu Nouroda.

Tl. 1785*. 12. Juni. t vor 1765.

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I. Theil. 3. StammtafeL

•nan d. Ä., »htsj unker auf u. Nenroda 13. Juni. B Ttn LiekttB- S-

Adolph Georg,

auf Klgeräburz etc. und

Neuroda,

t 1677. 27. Novbr.

minderjährig.

Rudolph Günther,

auf Elgerüburg etc.

u. Neuroda,

1698 venationis studiosus,

n. 1657. 22. Nov.

t 1701. a April.

Johann Ernst,

auf ElgerHbure etc. und

Neuroda,

n. 1664.

ist 1697 in Ungarn im

Kriege.

DorcC

Elisa- "•th,

^^'«**^.Nov.(?)

h^Hr. f '*^^*- Hartri zu £14

Sophie Doro- thea,

n. 1683. 29. März,

t 1683. la Juni

zu Neuroda.

1721. 19. Juni ist Fräulein Maria Sibylle tob Witsleben mit Herrn AntOB tob Harrai auf

Gleichen copulirt worden, laut Kirchenbuch zu Neuroda.

^71

IHn Georg Frjrman, n. 171. 21. Juli. L im Juni.

Beata Sidonie

Auguste

Dorothea,

n. 172a 26. Juli.

Wilhelmme Magdalene Albertine,

n. 1730. 3. Juni.

Frietlrich * Ernst Friede- mann German, Königl. Preuss.

Major,

n. 1732. 12. Juni.

t vor 1765.

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I. Theil. 4. Stammtafel.

A Boutoltüdorf, n«l Ötallmeister, ;hain Altenburg, 13.

H Schöneworda, Darmstadt.

Iwig Georg klbrecht, nS7. t 1'07.

Sophia Dorothea,

Hofdame der Kaiserin,

n. 1689. 28. Januar,

hoir. 1714. 20. November

Carl Bratmus Frhm. Ton

Lasiberf auf Leutzmanns-

dorf und Senftenegg,

Fürst]. Oettingen. Rath

und Oborjägermeister,

n. WU. 15. M&rz.

Dorothea Eleonora,

n. 1691. f 1728.

heir. 1718

Georg Friedlich Ton

Künsberg auf Tftrnau und

Ermreuth, FürstL Brandenb. Onolz-

bach. Geh. Kath, Ober- Hofmarschall u. Oberamt - mann zu Cadolzburg, n. 1692. 24. December, t 1731.

Friedrich,

1696 unmündig,

heir. eine Ton

Kinsberg, hat

aber kei.ie Kinder.

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V

Bld-Oelnhausen

1. Theil. Stammtafel 4a.

Wilhelm,

hf zu Birkenfeld-Oelnhausen, ier General - Feldmarscliall etc. ?01. 4. Jan. t 1760 25. Dec.

Sophie Marie,

n. 1702. 5. April f 1761. la Nov.

verm. 1722. 24. Aug. mit

Heinriek XXY. Graf jüngerer Linie Reuss zu Gera

Herrn m Plautn,

n. 1631. 27. Aug. f 174a 18. Mirz.

Ihelm,

konfeld-Geliüiauaen,

(rsof in Baiem.

,br. t 1837. a Jan.

^ Mftrla Anna, Pfalzgr&an

Hbr&ckcn,

1 f. 1824. 4. Febr.

Sophia Henriette,

n. 1 757. 2«. Jan. t 1760, 25. Nov.

Christian Johannes

starben jung.

Pins August,

Herzog in Baiem,

n. 1786. 1. August f 1837. Z. August.

vorm. 1807. 26. Hai mit Amalia Luiie,

Prinzessin von Aremberg,

n. 1789. 10. AprU. f 1823. 4. April.

Maximilian Joseph,

Herzog in Baiern,

n. 1808. 4. Dec.

verm. 182a 9. Sept. mit Llldowica Wilhelmine

Prinzessin von Baiern, n. 1808. 30. Aug.

owica,

opt. ni mit

II Ton Trani, Beider Sicilien,

I

Sophie Chariotte Auguste,

n. 1847. 22. Febr.

verm. 1868. 28. Sopt. mit dem Prinzen Ferdinand

Philipp Maria von Orleans,

Herzog von Alen^on,

n. 1844. 12. Juli.

Maximilan

Emanuel,

Herzog in Baiern, n. 1849. 7. Dec.

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I. Theil No. 6.

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Cäcilia

Marschall von

Ostheim.

Hans von Bibra

zu Bibra, üan- Erbe auf dem Rothenberg.

Bernhard von Bibra

zu Bibra, Anbatadt, Burg-

Walbaeh, IrnielslianBen,

Bahra, GeroOnda und Höchheim;

FftntL Bamberg. Geh. Ratb

und Amtmann zu Schmachtenberg

und Ebereberg, Ritterhauptmann

des Kantons Rhön und Werra,

t 1609. 20. Oct. zu Ebersberg,

liegt begraben zu Irmelshausen.

Jobst von Witzleben

auf Berka, Fürstl. Sachs. Oberst- lieutenant und Hauptmann auf der Yeste Co- burg, t 15S9.

Ursula

Sützel von

Mergentheim,

lebt noch 1591 als Wittwe.

Sibylla von Witzleben

a. d. H. Berka, vorm. 1585. f 1625. 29. Nov. zu Irmelshausen, wo sie auch

begraben liegt.

Maria Sibylla von Bibra,

a. d. H. Irmelshausen. n. I59a 6. Dpcember.

ilena von Hanstein,

m. um 1662.

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tngpen.

Christian Ludwig Doi*

zu Grossliobringen steht

FürftL Üettingenscher Kammerjunker und Ober- 1-

amtmann zu Altheim, SO*

get. 1639. la Dec. j 17 la 7. Juni, und am 9. Juni zu Grossliebringen begraben.

nx. Anna Sophia t«ii Moiika«, beigesetzt 1719. 5. Sept. in Grossliebringen.

Christian Ludwig,

Lehn- und Gerichtsherr zu (irossliebrlngen, thwarzb. Kammerjunker u. Hauptmann, 'et. 1674. 25. März, f 1'48. 26. Febr. )8liebringen und daselbst begntben 29. Febr.

flagdalen« Sophia Ton Orioikein, f 1704. 1. Febr. zu Grossliebringen. iLofina Biiaboth Ton BAxloben, t 1749. b. April , begr. zu Grossliebringen 3. Mai.

Sophie M

steht Geva 1694. 30. J

I

^n8t

Hstian

Hrich,

f3. 23. Dec.

1704. L Jan.

7.U

ebringen.

ein

todtgeborener

Sohn,

begraben 1711. 80. Oct.

Johann Lud- wig,

Krb-, Lohn- und

Gerichtsherr

auf

Grossliebringen,

Sachs. Weim.

t'omet,

n. 1713. 13. Jan.

ux

eilt

todtgeb<

Soh

begraben 13. Ai

Ludwig Carl,

n. 1746. 5. Nov.

zu Grossliebringen.

Rudolph, S

n. 1750. 5. Mai zu Chi Grossliebringen. ,

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iurg.

I. Theil. 7. Stammtafel.

Hans,

Albertine,

•arde-

rarraeb,

sn und

, Gräfin

t jung in Thorn.

t jung in Thorn

1 Heinrich Erdmann,

L-Lieutenant a. D., zuletzt h. Oarde-Ulanen-Regiments, \d\i 1842 zu Berlin, h874 Auguste T. Witsleben nn, n. 28. Sept. 1837, . |. Tab. I. 10.

I

I

Eonrad Ludwig Max,

71 n. 18. Juli 1873 zu Potsdam.

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Christiane

Dlisabeth von

Medevort zum

Berge,

i 26. Nov. 1692.

Heinr Werner ! V. Dieper

zu Bul<

Ich Freiherr ulff

r>erg nnd Berge, ebruar 1732.

Anna G

V 1 7.

Eheberednng ist vom 10. Ja]

" 's/ '

Dietrich Christian Freihe

zu Fuchteln« krenssischer Capitain beim Regi . . 1716, t 22, Aug. 1766 zu Hai

ieben

>s Königs und rlin.

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Witzlel

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Asgelrod», >ls.

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inther,

1845, 1845.

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I. Theil.

-411 ü# 11. Stammtafe

!

EoDrad,

zu Gräfinau, 1453-1513.

1

stoph,

träfinaa, 154«. M., lebt 1 1554.

Agathe, Qx. Ladolf Ton Kromsdorff

auf Kromsdorf, Ottenhansen etc., Kurf. SicliB. Rath.

Konrad,

Bum Liebenstein,

1506-1558.

xkx. Christin« Ton Aufiess,

ist t 1565.

stöph, ^ 1555.

Hans Heinrich, Martha,

zn Oräfinao, nx. HartMann Ctoldaeker

t vor 1568. auf üffhofen,

Kurt S&chs. Ober-Stenerdirector, 1555.

Anna,

heir. nach 1565 Simon Ton WUdeek gen. SeUTart, Knrf. S&ch8. Marschall und

Amtmann za Freiberg bei Dresden.

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L Theil. 12. StammtafeK

i^tein.

Hans Ernst

aaf Oberellea and Gerstangen,

Fürst. Sachs. Weim. OberJ&germeister und

Amtshaaptmann za Oerstungen and

Breitenbach.

n, 159a + 1660. 19. Not. in Ger-

stnngen, hoir. 1629. 6. Apr.

Anna Sabine Ton Ctornberg

n. 1607. t 1«59. 3. Oct

Deffrn DrfccnbrH} s. Tab. I. 18.

Ludwig Günther

aaf Liebenstein und Oräflnan, FftrstL Sachs. Goth. Hof- meister, )i. am 1650. + 1682. - ux. Oottliebe Eleonore Ton Schlaberndorff.

Friedrich Wilhelm

aaf Liebenstein, Gräflnau etc.,

F&rstl. Sachs. Cob. Bittmeister, Kammer.

janker and Jägermeister, nach 1699 Markgr-

Brandenb. Bayreuth. Obeii&germeister.

n. 1655. t 1725. 15. Juli in Wetzlar.

heir. 1685 Snsanne relieitas Stettner

Ton Orabenheff aaf Boerbach in Franken,

t Tor 1725.

t,

n-

1. 1

)r.

Alhrecht.

Königl. Poln, und Kurf.

Sachs. Jagd- und

Silberpage, Fähnrich im

Baudissinschen Regt.,

dann Ku'u. Russ. CapiUin,

n. um 1690. f 1736. ux.

Ton Baohwihl.

brecht Juliane,

üraunschw. n. 1732. *age, . . Sept. 1725.

Albert

1 Sohn,

Maria

Johanna

Friedrich,

t 1720.

Elisabeth,

Snsanna.

FürstL Sachs.

nx. Geh. R.

Hildbargh.

Ten Martehall.

Kammerjunker

and Capitain,

t 1741.

nx.

Ton Iledem

(Röder?)

Kinder.

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3.

ein.

O^orst

fi Gerstangen ich,

^berg,

n&rsc

Ludwig

und Gerstange

ug. in Eisenacl

c. in Gerstang«

seine Mahme

^a Ton Hopf gar

5M Natza.

i

An Bart

u 1666. in Ob«

+ 17*0. in BH heir. eiintli Waiun xa BiH Lieuti

Anna Debora,

n. 1667. 17. I

in Oberellei

lieir. 1697

Friedrioh

Christiaii

Ton WendeM

Fürst!. Sacl

Nanmb. Eammerjanl and Beisestanmeii in Zeitz.

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Beilage zu Tab. I. 13.

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Anna

von Buttlar

aas Elberberg.

n. 1536.

Term. 1560.

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Beinhard von Eschwege

auf Aue.

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Anna von Alten

aus Wilkenbarg.

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Wilhelm von Harstall

zu Dietdorl

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Philipps Landgr.

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Anna von Hilzing

a. d. H. Lndwigstein.

Ernst r\ on Baumbach,

anf;5d4. 5. Oct. 11598. 23. Apr.

Werner von Eschwege

auf Völkershauspii.

Ursula von Harstall

a. d. H. Dietdorf.

Fürstl.

Anna Barbara von Eschwege.

Anna Sabine von Harstall

a. d. H. Mihla, verm. 1661. 30. Oct.

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I. Theil. 14, Stammtafel.

$tein.

Uiein,

jtein, IfanoliAll

Johann Adam d. J.

auf Liebenstein, Bippersrodu und

Frankenhain,

Sachs. Goth. Eammerherr und Oberst-

lieutenant über ein Begt. Dragoner,

t 1728. 8. Jan. zn Liebenstein, beir. 1714. 10. Aug. Sleonore Friedorik« Ton B5der a. d. H. Dömfeld.

Sibylle Dorothea,

n. 1693. 18. Oct. zu Liebenstein, t vor 1701.

ristian Ludwig

)a, Kippersroda nnd

Ikenbain,

•. f 1797. 24. Ocl zu

benstein,

^ug. zu Liebenstein

Hederik« tob Wltileben

. n. 1720. 28. Juli,

ir«. (8. Tab. I. 6.)

Johannette Eleonore,

n. 1724. 27. Febr. zu Liebenstein.

Albertine Christiane Charlotte

n. 1727. 19. Febr. zu Liebenstein,

t 1818. 12. März zu Angelroda,

heir. 1747. 80. Nov.

Albreekt Bnut H«tuiclL tob WitiloboB

auf Angelroda, E. Preuss. Capitain a. D.

n. 1717. 7. März zu Arnstadt,

t 1761. 22. Mai zu Angelroda.

(s. Tab. I. 6.)

Johann Ernst Ludwig

auf Liebenstein, Kippersroda und Frankenhain,

Oberstlieut. nnd Chef des Goth. Landregiments,

n. 1756. 15. Aug.

t 1810. 3. Aug. zu Gotha,

heir. 1781. 14. Oct

Luise BniestiBe Aognste tob Bndolff

aus Herbsleben, n. 1749. 15. M&rz, lebt noch 1820. & Mai

Adolfine,

n. 1790. 30. Aug.

f 1867.

1808. 30. Aug. den Herz. h. Kammerjunker nnd Frem. [jieut. der Garde du Corps Traagott Friedriob Baiil ■arsohall tob Greif.

Hans Friedrich Julias,

n. 1792. 16. Oct. zu Liebenstein, t 1796. 29. Aug. zu Liebenstein.

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t. Thdl. 15. Stammtafel.

Sophie Charlotte,

Stiftsdame zn Wemmetoft,

n. 1727. 88. Jan.

1 17Ö6.

heir. 1753. 18. Dez.

Jaoob Friedrich von der

Ölten. [K. Dan. Generallientenant, : n. 1712.

t 1796. 15. Mai.

Judith Agnes, Ulrike Amalie,

Stiftsdame zu n. 1730. 21. Febr.

Wemmetoft,

n. 1728. 29. Jnnl

t 1786. 2. Oct.

t 1737.

Christian Fnednch,

E. Dan. Oberstlieutenant

a. D.

n. 1731. 24. Aug. in

Oldenburg,

t 1792. 5. Dez. nnrerm.

gustfr

, Fri^k

n. nf«

1 180 ;

heir. 1^. Henniifis ledri*L

ferz. 0 Ol li«i)t.

Burchard,

1766. 22. Apr. 9. Oct. ej. a.

Concordia Wilhelmine,

n. 1767. 17. Sept. t 1769. 18. März

Wilhelmine Karoline,

n. 1769. 31. Mai t 177.3. 4. Sepf

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Beilage zu Tab. I. 15.

Kurt , Ton Wii

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LeTin

Anna

N. N.

N. N.

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von Marien

von Wangelin

von Wolde

von Vieregg

auf Lftdorf, K«ll

M. d.U. VieUst

zu Dargebell

a. d. H. Bosne-

und Kmmmel.

und Oraban.

in Pommern.

witz and Wassenwitx.

Henning von Marien

anf Lftdorf nnd Kell.

Katharina von Wolde

a. d. H. Dargebell.

Elisabeth von Marien

a. d. H. Lüdorf nnd Kell.

Je von Knnth fen genannt, in Meeklenbarg, 1685, t 1707. 16. Febr.

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I. Theil. 16. StammtafeL

Schwestern,

& noch unvorm. st 1569 Term. lu von Heon irapUa.

B Christoph,

in Frankreich.

LongiDus,

zn Mol8chleb«D,

n. 1671.

t 1604 in Fri08land.

Katharina Dorothea.

Friedrich Jobst,

auf Molschleben, Ffirstl. Wfirtemberg.

Forstmeiater 1708-1714,

n. 1671. S.Jan, so Molaehleben,

t 1786.

heir. 1709. 1.3. Febr. zn Schorndorf Lniae

Amalle rreiia rom Holt« aas Alfdorf,

n. 1693. 6.0ot. zn Alfdorf, f 1786.

iclfci Dcfcni^nii ■• Tal». L 17.

Anna Dorothea,

n. 1674. 8. Febr. zn Molsehleben, t 1708. 4. Juni.

Hans Reinhard,

n. 1676. I.Jan, t 1676 9. Jan. zn Molschleben.

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L Theil. 17. StammtafeL

Sohn,

|. im Jali, 1715.

Cnist Wilhelm August,

n. 1746. I- 1747. im Sept.

za Crawinkel, «gr. am 26. Sept.

XU Ftdttfltedt.

Friederike Chariotte,

n. 1749. 25. M&rz.

Ernst Angost Constantin,

n. 1751. i.Oct. xn Cnwiii¥el.

Karoline Friederike,

n. 175».

20. Apr.

za Crawin¥el.

Moritz Angast, Ludwig Hannibal wri. Sachs. Ooih. Lieut. Ferdinand.

Dragoner - Regt. n. 1 775. 24. Apr.

18. Jau. zu Gr&fen- tonna.

za Oräfontonna.

^

August,

?*mat Testament seines S»- E. Wilhelm L. vom '%t. 1818 ein Legat.

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Beilage zu Tab. I. 17.

ara Anna rbara von hwalbach,

erra. 1687.

Georg Albrecht

Freiherr von

Wolmarshausen.

Eva

von Münster.

Christoph Martin

Freiherr

von Degenfeld,

Venet. General, n. 1688. t 1653.

Anna Maria von Adelmann.

t 1651.

b62.

Christoph Albrecht Freiherr von Wolmarshausen

unf Amlingshagen,

der Reietasritterscliaft in Franken,

Orts Odenwald, Rath and Ansschnss,

t 1708. 16.Aag. als Letzter des

Geschlechts.

Anna Katharina Freiin von Dcgenfeld.

Luise Isabella Freiin von Wolmarshausen

aus Amlingshagcn,

n. 1673. 23. Sept., Terra. 168a 9. Oct.,

t 1708. 7. Juli.

(lalie Freiin vom Holtz

ans Alfdorf, rf, verm. 1709. 13. Febr. zu Schorndorf, bieden 1718, t 1786.

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ksA-M I. Theil.

seil* 18. Stammtafel.

Kersten,

SU Wnnderäleben, ist t 1496.

Heinricli. Kersten d. J.,

zn Marlishaaaen, za Wunderaleben,

t 1529. 1496- 1519.

Qx. llisAbetli, t 1555.

Rudolf, Margarethe, Anna,

ZQ Marlishausen, heir. 1537 im Jan. iliren 1555. l. Juli

t 1548. Vetter Heinriok von unverm. WItsleben zu Uudolst&dt.

1580, U Linie

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