Google

This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project to make the world’s books discoverable online.

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the

public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.

‘We also ask that you:

+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual personal, non-commercial purposes.

and we request that you use these files for

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the use of public domain materials for these purposes and may be able to help.

+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.

About Google Book Search

Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web alkttp: /7sooks. google. com/]

Google

Über dieses Buch

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei eine Erin- nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.

Nutzungsrichtlinien

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen unter Umständen helfen.

+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.

Über Google Buchsuche

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen.

BUOHBINDERE: SIR..WAGER

Gefgiäte

europäifchen Staaten.

Herausgegeben von

N. H. L. Heeren, F. A. Ukert

und

W. v. Gieſebrecht.

Geſchichte Polens

Dr. Jaeb Caro.

| | Fünfter Zeit. ö | Erſte Hälfte: 1455—1480,

7

ß . Gotha, 1886. Bei Friedrich Andreas Perthes.

UL 21.6. Home femar

Geſchichte

Polen

Dr. Jacob Caro,

ord. Prof. ber Geſchichte an der Univerfität Bredlau.

Fünfter Zeil. Erfte Hälfte: 1455—1480.

Gotha, 1886, Bei Friedrih Andreas Perthes.

Olav 536761

Herrn

Profeſſor Dr. Richard Roepell

verehrungsvoll zugeeignet.

Inhaltsverzeichnis.

Die Zeit des dreizehnjährigen Krieges 1453—1466.

Eiftes Bud. Erftes Kapitel.

Urſachen des Berfalls des deutſchen Ordens. . 02 0. 1 Die preußiſche Landritterfhaft - - - 2 2 ee

Die preußiſchen Städte - - 2 2 2 2 2 0 nn. ... 9 Der preußilhe Bund -. - > > vr 2 rn nen ... 14 Einmiſchung des Papftes und bes aelen ne 17 Der Bund undgbie Polen . . . . . 0.2... 19 Auffand des Bundeee... 22 Unterwerfung bes Bundes unter polniſche Hoßeit . ne 24 Benrteilung bed Vorgangs in der Hienttihen Meinung . ... 28 Beſitzergreifung durch Kaſimir . . ..... 30 Die Schlacht bei Konitz und ihre Folgen. een 832

Zweites Kapitel. Diugofz8 Staatsroman . » > 2: 2 2 2 nennen. 97

Die Partei der „Iüngeren” . . .... 40 Zuſtand der Geſetzgebung, die Privilegien ... 3 |

Die Lommunitäten und die Arifiocatie - - - 2 465 Die Kommunitäten unb bie preußilie Brage ee ; ) | Das Zirwiger Statut . . - er... 58 Die Statute von Nefiau . . . a 55 Der Winterfeldzug von 1454, Belagerung von Leffen ... 63

VIII Inhaltsverzeichnis.

Seite

Drittes Kapitel. Verbeſſerung der Lage des Ordens. . 2 2 02 67 Königsbergs Erhebung . . 69 Hilfsabſichten des Kaifers, des Bapftes, des Rönige v Dänemart 70 Brandenburgiſche VBermittelung . . . . 72

Der Orden und feine Söldner, Verlauf der Schloſer .... | | Steuerfragen, der Feldzug von 1455, Belagerung von Leflen . . 77

Graudenzer Tagefaguug, Rat ber Süngeren. . . 81 Sanuar-Reichstag 1456, dandet mit den Säbnen, Can Neı- tralität . . .. v0. . 84 Berlegenbeiten . . . a . . 89 Der September⸗Reichstag, die Sreuerfrage .. .. .. 91 Die‘ Landtage von Korezyn und Kolo. ..497 Die Landesbeßenexung.. . 100

Anlauf der Mariendurg, Rafınir in Danzig and Morienburg . 102

Biertes Rapitel.

Verſchiedene Haltung ber Kleinpolen und Broßpoten 022.106 Bisfra von Brandeis als Vermittler . . . . 0.0.0. 110 Der Feldzug von 1488888. re re. 114 Woaffenfilftand . . . ee ee ee... 0. 117 Der Janunar⸗Reichstag 1459 . een. 119 Der bewaffnete renter-Reigetas .. .. 11231 Allerhand Vermittler . . . ... 127 Der Krieg in Pomerellen. rec. 18 Belagerung und Fall der Stabt Marienburg nn... 18

Sünftes Kapitel. Der Kampf an ber Wehgrenze unb im Damigere Gebiet . 189

Die Kämpfe im Exrmland . . . . 20. 18: Der Herbſtfeldzug 1461, Wlodek von Danabeni, nen. 146 Das Bromberger Gepräh . . . . 220. . 18. Weitere Kämpfe im Ermland . 2 2 2 2 2 rennen. 12 Die Schlacht bei Zamowib . - 2 2 2 2 nenne. 184 Danzig trauriger Ruhm . . . 1 Belagerung von Mewe, Fall der tobt ne. 1% Bernharbs von Eimburg und bes s Siſqoſe von Ermland > Beiden

mit Bolen . . . . 161 Weitere Verluſte des Ordens . rennen ee... 162

Belagerung und Fall von Konik. - » » 2 2 2 22 ne. 165

i

Inhaltsverzeichnis.

Sechſtes Kapitel.

Kaiſer und Reich im Anfang des Krieges Thronwechſel in Böhmen und Ungarn Polen und der Papſt, Kongreß zu Mantua . Polens Anſchluß an die antilaiferlihe Partei

Annäherung an Georg Podiebrad, bie Benthener Bonfern

König Georg und bie preußifche Frage

Georgs phantaftifche Pläne und der Kongreß zu Slogan

Diele Pläne vor dem polnifchen Reichstag Der Kralauer Bifchofsftreit

Die römische Kurie giebt nad, um Bolen von Böhme trennen

Vereitelte Miffion des Hieronymus von Kreta . . Päpftfiche Ointergebanten, ein biplomatifches Geſprach

Siebentes Kapitel. Lockungen des Papftes .

Bermittelung der Hanfeaten, Berbandblung zu Thorn .

Die drei Tagfahrten anf ber Nehrung

Bermittelung durch deu Legaten Rubolf von Mübenpeim .

Friedensſchluß zu Thorn .

Die neue Stellung be Ootmeifes und des Ordens

Folgen bed Krieges .

Achtes Kapitel.

Ermordung bes Andreas Teczunsti, Aufruhr in Krakau.

Eine andere Erzählung des Borgangs

Das Reichstagsgericht, das Urtel . . . er Der König und der Rat der Stabt aralau Sinalerefution .. en

Der Prozeß über das Vadinm

Die Städte und der Staat, Ratlonalititatage

Neuntes gapitel.

Die piaſtiſchen Mafowier und bie Sagielonen Auflehnungsverſuche.. Berträge ber beiden maſowiſchen nien Differenzen der Herzöge mit dem Rönige . Erlöfchen der jüngern Linie . Einziehung von Bel; vu bie Krone. Prätenbenten .. ..

x Inhaltsverzeichnis.

Eeite

Der Reichstag als Gericht, Einziehung von Rawa und Goſtynin durch bie Krone. . . . 2.256 Einmifhung des Auslandes, Herzog Konrad von öre- Roi 258 Der Rechtsſpruch. . . . .. .. 261 Weitere Schickſale des maſowiſchen Haufes rennen. 262

Zwölftes Bud). | Der Kampf um die Thronfolge in Böhmen.

Erftes Kapitel.

Kafimirs Familienfegen . . nenn 4 Seine Stellung zur Kirche und zum Bapfte . een. 266 Aufforderung zur Annahme der böhmifchen Krone. . . . . . 270 Die böhmischen Parteien . . . .. 27

Der Papft verweigert die Beftätigung bes Thorner Friedens .. 275 Agitationen und Kreuzzugspredigt gegen Georg Pobiebrab . . . 276

Kafimird Vermittelungsverſuch . . on. 279 Die polniſche Geſandtſchaft in Prag, Big u und Breslan 2. 22 Die Tagfahrt zu Breßlau. . . . 00.283 Der Waffenftillftand in Böbmen > 22 0 2 nn nn 285

Zweites Kapitel. Polen und Ungarn feit dem Tode bes Labislaus Pofbumus . . 287

Nebenbuhlerfchaft inbezug auf die Moldau . . . . 289 Züchtigung Stefans von der Moldau durch Marias Cowinus . 291 Mattbias will römifher König werden . . . . ... 292

Annahme der Böhmen, Biſchof Protas in Rrafan . nen. 29 König Georgs Gegengebot. -. » . nenn. 297

Matthias’ Kriegserfolge . . nenn 298 Mißerfolg der polnischen Geſandiſchaft een... 8300 Waffenftillftand von Wilimom . . . 20.20. 801 Matthias in Olmüt als König von Böhmen gewählt .... 303 Polniſche Geſandtſchaft in Olmütz und Rom . . . . 805 Prinz Wladyslam vom Prager Landtag zum Nachfolger ertoren . 808 Beratung zu Radom . . .. 309

Kaſimirs Beſcheid an die bbhmiſche dandtagsbeputation .... 316 Annäherung der polniſchen Politik an den Kaiſer. .318 Der Legat Alexander von Forli in Poliliien.. 331

Inhaltsverzeichnis.

Georgs beſſere Lage und trotzige Pläne.

Die Konferenz zu Villach, Bündnis mit dem Raifer .

Der November-Reihstag 1470 . Die Berbandlungen in Rom . Tod Georg Podiebrads

Drittes Kapitel.

Slawiſche Gemeinſchaft

Die Königswahl in Prag .

Die Wahllapitulation .

Matthias, in Iglau prollamiert .. Anträge des Matthias durch Protas in aralau.

Auszug und Krönung des Jagielloniden Wladystaw. Untergrabung der Herrſchaft des Matthias in Ungarn

Auszug des Prinzen Kaflınir nah Ungarn . . Lläglicher Ausgang des ungarifchen Felbzuges . Borläufiger Waffenſtillſtand

Bapft Sixtus IV. fendet ben Kardinal Marco Barbo als Vermittler

Der Kardinal in Kralau . Die Neißer Konferenz . Die Troppauer Konferenz . Scheitern der Konferenz

Viertes Kapitel. Die zweidentige Politik des Kaiſers

Berlobung der Prinzeffinnen Hebwig u. Sophie mit bentſchen Büiten Bänbnis Kaſimirs und Wiabyetans m mit dem a Reller.

Zebraten in Unnaım . . . . Zebraten in Polen .

Der Separatfrieben zwifchen Bolen u. ungarn von Adorf. Egramonie

Johanns von Sagan Raubzug nah Großpolen Die gefetgebende VBerfammlung in Opatowiec . Gegenfeitige Rüftungen

Anszug des polniſchen und böhmiſchen Heeres * Osten

Das Trefien bei Schwanowitz

Aufftellung der Heere bei Breslau

Saãchſiſche Bermittelungsverfuche . . Einbruch Stefan Zapoljas in Großpolen

Elend der Belagerer, Lage in der Stadt . .

Die Monarchenbegegnung in Groß-Mohben . . Der Breslauer Beifrieden vom 8. Dezember 1474.

xıl Inhaltsverzeichnis.

Fünftes Kapitel. Die preußiſchen Stände polniſchen Anteils und die Krone Aufhebung der Gubernatorwürde Ermland als Fürftbistum . Beginn des Biſchofsſtreites Nikolaus Tüngen beftätigt vom Papfte

Der Hochmeifter Reuß von Plauen vor bem Denen Reineng .

Züngen in Polen geht. . . . . . Tüngen vom Papfte aufgegeben .

Andreas Oporowsti erhält die Provifion . . Gewaltfames Eindringen Tüngens in bie Diletſe

Der Heilsberger Betrag . . - - .

Thorner Tagfahrt

Erneuerung der Bewerbung Oporowelis .

Bruch bes Heildberger Vertrages .

Züngen unter dem Schute bes Königs Matthias von Ungam .

Sechſtes Kapitel.

Matthias in Schlefien . Sein Türtenfeldzug .

Stefan von der Moldau zwiſchen Bolen und Ungem mann .

Polniſche Geſandtſchaft an den Sultan

Matthias” thätige Hilfe für Stefan. -. . - . Berdedter Krieg, die Hochzeiten zu Landshut und Dim . Marienburger Landtag 1476 . . .

Der Orden unter ungarifcher Sqhubherrſchaft oo. Matthias nimmt den Krieg in veränderter Weife wieber auf Sein Frieden mit dem Kaifer zu Korneuburg . . . Brünner Punktation zwifhen Matthias und Bistum Polen verharrt im Waffenſtillſtand . . . . Niederwerfung Komoromeliß . . .

Befriedigung der preußifhen Stände

Tageſatzung zu Bruedl . . - .

Bertrauensfeligleit des Hochmeiſters und Tüngens . Kriegerifher Zufammenftoß . Bon Matthias diktierter Baffenftilfand in Preußen . Die Zufammenkunft von Sieradz, Unterwerfung Tüngens Der Olmüger Frieden, Unterwerfung bes Hochmeiſters Allgemeine Bedeutung des Böhm en guiexee

Kaſimirs Erfolge .

Inhaltsverzeichnis. XII Geite Analekten.

1463 Zeitung aus Ltaum . . . onen 481 1455 Zur brandenburgifchen Bermittelung . 482 1455 Zur Stellung Mafowiens . 484 1456 Der Nürnberger Abfied . 486 1456 Zeitung aus Polen. . . 487 1469 Rezeß liber des Hochmeifters Keuf von "Blauen Huldigung 489

1479 Inſtruktion der Drbengelanbten für den zu von Neuſtadt⸗ Korean . ... rn on. 48

Elftes Bud.

Erites Kapitel.

Der deutfche Orden. Abfall des preußischen Bundes. Beginn des dreizehnjährigen Krieges.

So oft hatte ſich das Mittelalter den Zuſammenſturz aller ſeiner Herrlichkeit unter allerlei apokalyptiſchen Bildern und Wahnvorſtellungen vorgemalt, und als er im natürlichen Ver⸗ lauf der Dinge eintrat, ward er von wenigen nur in ſeiner Weſenheit erkannt. Aber wie ſelten waren Zeitgenoſſen ſich des Inhalts ihrer Geſchichtsepoche voll bewußt, zumal wenn dieſelbe von neuen Gedanken durchzogen, von neuen Kräften getragen und in Wirklichkeit ein Übergangszeitalter war? Geheimnisvoller und unſichtbarer noch als die Natur waltet die Geſchichte, und unmerlbarer noch wie jene Ichlingt fie Auflöfung und Neu⸗ geburt Eunftreich in einander. Mit einem und bvemfelben Prinzip entfeelt fie machtvolle Ericheinungen von weithin reichender Bildkraft, und hebt fie leife feimende Formen zu anfehnlicher Ausgejtaltung empor. Kaum jemals bat fich diefer Vorgang jo durchſichtig vollzogen als beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Tür alles hatte das Mittelalter mit feinen durchgearbeiteten, bi8 zum Schema ausgebildeten Lebensformen reichlichen Raum, nur nicht für den auf fich felbft geftellten Geiſt des Individuums. Sobald diefer einmal fich eingebrängt

Earo, Geſchichte Polend. V. 1. 1

2 Elftes Bud. Erftes Kapitel.

hatte, nagte ex, raſch fich auspehnend und nach allen Richtungen ſich verallgemeinernd, an dem Gefüge der romantiichen Welt. Alle die unermeßlichen Gebilde, welche die gelamte europäiiche Civiliſation einichlofien, brödelten mürbe von Jahr zu Jahr ab. Dahinſanken die päpftlihen Träume von einem welt- umfpannenden Gottesſtaat, in fich ſelbſt brachen die fatjerlichen Entwürfe einer Weltherrichaft zuſammen, abwärts ging jene jedes ungelöfte Problem ausjchliefende Weltweisheit, in Zweifel und $rrung verwandelte fich jene befriedigte Sicherheit des Lebens, welche jevem Anftoß gegenüber eine auskömmliche Unter- weilung in dem Herlommen fand. Und je tiefer, feiter und inniger irgendein Gebilde in dem romantiichen Geiſte gebettet war, deſto gründlicher und augenfälliger war jein Sturz.

In allen früheren Epochen des chriftlich-europäiichen Kultur- lebens jpülten die Wellenringe angeregter Bewegung erſt jpät und langjam über bie Oftgebiete hin, nur beim Zufammenbruch bes Mittelalters wurde bier fchon ein umfängliches Opfer ge- fordert, während im Weften noch die alten Gewalten ein jchein- bares Dafein frifteten. Freilich traf dieſes Los ein Staats gebilde von ureigenem mittelalterlichem Weſen, eine Formation, in welder der forporative Geift des Mittelalters bis zur Über- treibung gefteigert war, den preußiichen Ordensſtaat. Immer wieder ift e8 eine Verwechſelung ver Symptome mit ben werl- thätigen Urjachen, wenn man den Untergang des deutſchen Ordens hinreichend mit lokalen DBegebnifjen oder zeitweiligen Fehl⸗ griffen erklärt zu haben meint. Nimmt man alle die Mo⸗ mente zujammen, welche aus feinen örtlichen Beziehungen und feiner inneren Verfaſſung denn dort entwidelte ſich rapid jein Todeskeim fich ergeben, jo würben fie nicht genügen, um einen Staat von fo vielfältigen Mitteln, einen Organismus von fo reicher Fülle jo jäh und fo ſchmählich in den Abgrund zu ftürzgen. Die Urſachen find allgemeinerer Natur. Nirgends war das Geſchick eines Gemeinweſens jo eng beftimmt durch die Wandlungen des allgemeinen Kulturgeijtes, niemals ein politiiches Gebilde jo abhängig von der Herrichaft gewiſſer Ideen, niemals eine Herrichergewalt jo bedingt durch die Beichaffenheit

——

Sinken des Ordens. 3

der vorwaltenden Weltanſchauung. Die Doppelnatur bes Ordens, als einer ebenſo wohl mönchiſchen wie ritterlichen Ein⸗ richtung, die ihn in den Tagen ſeiner Vollkraft in die Lage verſetzte, von den beiden oberſten Autoritäten des Mittelalters Vorteile zu ziehen und gelegentlich läſtiger Zumutungen bie eine durch die andere in Schach zu halten, war es nicht aus⸗ fchlieglich, welche ihn mit dem Selamtgeift fo eng verwob, ob⸗ wohl unverkennbar ift, daß feine Wurzeln in Fäulnis gerieten, al® jene oberften Gewalten von ber Höhe ihrer Bedeutung herabgeſunken waren. Noch tiefer griff der Umſtand in feine Lebensbeningungen ein, daß die Glaubensfraft in ben europäi⸗ ſchen Bölfern gemindert worden war, daß eine Heibenfahrt nach Preußen in den Vorftellungen ber Ehriftenheit nicht mehr mit den erldjenden und Heilbringenden Folgen verbunden war, welche ehedem an dieſelbe gefnüpft wurden. Und während aljo der Zuſtrom kriegeriicher Macht und brauchharer Verteidigungs⸗ mittel, der dem Orden vor feinen eigenen Unterthanen eine eindrucksvolle Auszeichnung verlieh, in Abnahme kam, fchloß fih durch die Ehriftianifierung Litauens der Ring ber fatho- liſchen Völker, und felbft der Vorwand für Kremfahrten war geſchwunden, jeitbem es jenfeitS der preußiichen Grenze Teine Heiden mehr gab. Von dem Zeitpunfte an, da ber Orden mit feiner untergebenen Nitterfchaft und mit den Städten um Geld und Mannichaften zu jeiner Verteivigung ober zur Be⸗ Bauptung feiner Stellung feilſchen muß, wirb die Stimme der⸗ ſelben ungeftümer, lauter, anſpruchsvoller. Die Zwecke des Ordens wurden alteriert. Aus einem Bofpital des beutjchen Adels in dem Sinne, wie es im Kreuzzugsalter genannt wurde, war der Orden ein Hofpital des beutichen Adels im modernen Sinne geworben, eine Verjorgungsanftalt mit reichen Gefällen, Genüſſen, Gewährungen und Privilegien, für welche fich jet mehr Bewerber einfanven, al8 ehedem zu jeinen Sünben tilgen- ben Heidenfahrten.

Zu gleicher Zeit aber, und nicht ohne urfächlichen Zu⸗ ſammenhang mit dieſer Veränderung feiner Zwede war auch eine Verwandelung feiner Zujammenjegung erfolgt. Den durch

1 ®

4 Elftes Bud. Erftes Kapitel.

Feindſeligkeit geichärften Augen der ſtädtiſchen Chroniſten ent- ging es nicht, daß der Verfall des Ordens nicht am wentgften durch das Eindringen der Franken, Schwaben und Baiern in bie Brüderſchaft gefördert worden fei!).. Mit dem nieber- beutichen Adel, aus welchem bis zu dem Unglüdstage von Zannenberg der Orden fich faft ausfchlieklich refrutierte, fühlte die preußiſche Ritterſchaft und jelbit das Bürgertum fih in einer gewiffen wahlverwandten Gemeinichaft. Die nieberbeut- ſchen Geichlechter waren in den Zeiten des mühfamen Empor- Himmens bier populär geworden, und ihre Namen Hatten in preußifchen Landen einen guten Klang, die oberveutichen Herren aber famen nur, um zu genießen, um zu berrichen, und mit dem anfteigenden Selbitbewußtfein der beimifchen Stände wuchs ihr Widerwille gegen die Eindringlinge und fehrte ſich alsbald wider den Orden ſelbſt. Indeſſen war es unzweifelhaft nicht bloß die Thatjache des neuen Zuwachles, welche den Ingrimm erregte, fondern in Ritterfchaft und Stäbten war man nur zu ſehr geneigt, den allgemeinen Verfall des Ordens und feines Glücks, die ganze Not der Zeit mit jener Thatjache über Ges bühr in Zufammenbang zu bringen. Das Schlimmfte war, dag der Orden ſelbſt in feinem ftraffen Gefüge durch bie frem- den Elemente aufgelodert wurde, und daß bie Verhandlungen und Reibungen über die innere Verfaffung, über die Stellung der ©ebietiger zum SHochmeifter, und des Hochmeiſters zum livländiſchen Meifter und Deutichmeifter nicht mehr abriffen. Als daher der Orden durch die Wendung der Verbältniffe in den flawiichen Nachbarſtaaten fich immer mehr in die Rolle eines reinen Zerritorialherrn bineinzugewöhnen hatte, war feine eigene innere Einheit bereit8 angetaftet, war feine Macht das erkannten NRitterfchaft und Städte in Preußen gar bald nicht mehr geichloffen genug, um fich zu einer reinen Ariſto⸗ kratie ohne Kirchliche und ritterliche Bezüge auszubilden. Die

1) Die Danziger Chronik vom Bunde. Script. rer. Pruls. IV, 414. 415, und noch flärker die Danziger Ordenschronik, ebd. 379, welche zu⸗ gleich einen fehr beachtenswerten Grund für den Haß wider Heinrich von Plauen anführt. Er galt als Oberbeutjcher.

1.7

Sinken bed Drden?. 5

vielfältigen Klagen über AZuchtlofigkeit einzelner Ritter und ganzer Häufer, Pflegen und Komtureien, über Völlerei und Unzucht auf den Ordensburgen, welche namentlich vonfeiten der Städter zur Anfchwärzung des Ordens an allen Orten und insbeſondere auch in ihren Chronilen vorgebracht wurden, und die namentlich einer populären Geſchichtsauffaſſung bie Notwendigleit, daß der Orden untergehen mußte, jehr einleuch⸗ tend machten, würden in Wahrheit, auch wenn fie bejjer und ausreichender begründet wären, boch nicht von dem gemeinhin ihnen zugemeffenen Gewichte geweien fein. Im jedem alle fraß die politiiche Zuchtloſigkeit, vermöge welcher jeder berrichen, niemand geborchen wollte, ungleich tiefer an dem Leben des Drdend. Im verhältnismäßig kurzer Zeit, vornehmlich jeit dem Abschluß des Friedens von Brzede war geradezu innerhalb des Ordens ein förmlicher Krieg aller wider alle ausgebrochen ?), und es durfte eben nur noch die bis zur Feigheit gejteigerte Unfäpigfeit Baul Rußdorfs hinzutreten, um der völligen Anar⸗ hie die Thore breit zu erfchließen.

Wenn aber fo der Hochmeifter wider den Deutſchmeiſter rang, und beide Abjegungsbelrete wider einander fchleuderten, wenn der Landmeifter von Livland dem Hochmeifier den Ger horſam auffündigte, wenn die Gebietiger fich in Parteien zer- Hüfteten, die über dem Parteljtreite die gemeinfamen Ziele vergaßen, wenn die Ordensritter das ganze Elend ihrer Elein- lihen Stammesfeinbfchaften vor aller Welt ausfchütteten, wenn feiner mehr Deutſcher fondern Franke, Baier, Schwabe, Rhein- oder Niederländer fein wollte, wenn Amter und Würben, wie e8 im Parteigetriebe gefchieht, nicht mehr mit Verbienft und Leiſtung im Gleichgewicht ftanden, wenn das bindende Gefek nicht mehr in voller Unantaftbarkeit daſtand, wenn die Grund» feften und Grundordnungen dem Zweifel und der Diskujfion unterzogen, und dem hberrichenden Recht durch Interpretation und Vorwand feine unbedingte Hoheit und Gültigkeit geraubt

1) ©. die Anmerkungen Toeppens zur Älteren Hochmeiſterchronik in Script. rer. Prufs. III, 640—645.

6 Elftes Bud. Erftes Kapitel.

wurden dann konnte e8 nicht fehlen, daß bie dur Wohl⸗ ftand und Bildung in ihrem Selbftgefühl gehobenen, biöher durch die Staatsorganifation politiich niedergehaltenen preußtichen Stände angefihts der Schwäche und Zerrüttung bes Ordens fih de8 Anſpruchs vermaßen, zum mindeften einen vollen und gleichen Antell an dem Regiment des Landes zu empfangen. Diefe preußifchen Landritter waren denn doch erfahren genug, um zu willen, daß fie nicht geringer find als die hergekom⸗ menen Orbensritter, und fie faßen auf eigenem Grund. Warım follten fie die Herrichaft der Fremden ertragen? In immer größeren Zügen entwicelte fich die unheilvolle Unverjöhntichkeit, welche der geniale Blick Heinrichs von Plauen unmittelbar nach dem Sturz und Unglüd von 1410 erſchaut, und der er durch eine veruunftgemäße Einräumung und Ableitung abzu⸗ helfen beabfichtigt Hatte. Seinen Verſuch, durch Einrichtung eined „Landesrats“ den unvermeiblichen Konflikt zu beichwören, mußte der edle Mann mit feiner hohen Stellung, wit feiner Ehre, mit feiner Freiheit büßen, und dennoch wußten bie ver- blendeten Drbensritter, welche ihm Widerſtand geleiftet hatten, feine beſſere fung an die Stelle zu fegen, als die Not noch brennenver geworben war. Als der Landesrat aber eine feſte Torm und Norm erhalten hatte, konnte die weitere Entwide- lung feinem Zweifel mehr unterliegen. Entweder mußte bie ein» geborene Randesvertretung den Orden, oder der Orden jene in fih abforbieren. Diefer Kampf der beiven Korporationen war von jo unausweichlicher Notwendigleit, daß die Einzelgegen- ftände, um welche er fich ſpäter verbitterte, von geringem Ges wicht und Interefje wurden. Ob man über Jagd⸗ und Fiſcherei⸗ gerechtigleit, oder über die Auslegung der Culmer Handfefte, oder über Müblenzwang, oder auch über die „Richtbank“ ftritt, immer war der Kern des Zwieipalts, daß die landritterſchaft⸗ liche Korporation die bisher vom Orden ausgeübte unbebingte Herrichaft nicht mehr tragen, und jeine Souveränetätsrechte auf fich Übertragen wilfen wollte. Es tft merkwürdig genug, Daß im ganzen Verlauf dieſes Ringens biefer Kardinalpunkt verhältnismäßig wenig zum Ausdruck gelangte, und daß man

Die preußifhe Landritterigaft. 7

über fcheinbar fo untergeorpnete Streitfragen, als die offiziellen Beſchwerden enthielten, fich in eine bis zu Untreu und Abfall gefteigerte Erbitterung hinein erhigen fonnte. Wer von außen ber ohne Kenntnis des Innern treibenden Srundes den Widerjtreit beobachtete, konnte füglich erftaunt barüber fein, daß bie Land» ritterfchaft, der ed weder an Bildung noch an ebler Haltung gebrach, bis zur Entwurzelung einer Dynaſtie, welche doch ihre großen Verdienſte um das Land hatte, vorzugehen entichloffen war wegen einer Anzahl von NRechtönerlegungen und Willkürlichkeiten, welche in dem Zeitalter des entfellelten Raub⸗ und Fehdeweſens nicht allzu mächtig überraichen durften. Die „Tyrannei“ ber Drvensritter war, wenn man jelbjt das ganze von ihren Gegnern vorgelegte Schuldregifter in allen Stüden für begründet erachtet, doch nicht fchlimmer und bärter als die in der Zeit liegende Teilellofigkeit des Nittertums aller Orten. In Böhmen, Une garn, Polen, Schlefien, ja jelbft in Brandenburg und Bommern ging es nicht anders, nicht beifer zu. Im Gefühl diefer Auf- fälfigleitt bat auch die neuere Gefchichtichreibung vielfach fich bemüht, bie Beweggründe der Landritterichaft mit Motiven zu verfegen, bie in analogen Ericheinungen ber Neuzeit unbe dingt zur Sprache gelommen wären, die aber für den vor- liegenden Fall einerfeits einen Anachronismus von vornherein einschließen, anderſeits durch bie reichlich vorkandene Maſſe von Quellenmaterial leineswegs belegt werden. Vornehmlich glaubte man, daß die preußiiche Ritterfchaft von flawiich-polniichen Ele⸗ menten durchſetzt geweien und von biefen immer weiter in den Widerſtand gegen dem deutſchen Orden fortgezogen worden jei. Dann wiederum ift von einer ausgebildeten und verzweigten Agitation die Rede, welche von Polen aus nach Preußen hinein» getrieben worden wäre, und endlich meinte man gar unter Ein⸗ milchung eines myſtiſch⸗ romantiſchen Motivs, daß ber ein halbes Jahrhundert zuvor geichloffene Nitterbund der fjogenannten Eidechien-Gefellihaft mit Spitem die ganze Bewegung wider ben Orden geleitet babe. Allein alle diefe Zuſätze zu ben natürlichen und einfachen Zrieblräften gehören doch nur meift undegründeten Vermutungen an, denn wenn auch die Kanbritter

8 - Elftes Bud. Erftes Kapitel.

im Berlauf des Streites in der Bejorgnis, daß das Reich fick in benfelben zugunften des Ordens einmifchen könnte, einen ge- wiffen Nachdruck darauf legen, daß fie zum beutichen Reiche nicht gehören, jo waren fie Doch unzweifelhaft ausjchlieglich- beuticher Nationalität. Es iſt bier nicht der Ort, darauf näher einzugeben, von welcher Zuſammenſetzung der Nationalität nach die Bevölkerung Preußens gewejen ift. Daß ein fehr beträchtlicher Bruchteil polnischer Nationalität und polniſcher Zunge, nament- Ih auf dem rechten Ufer der Weichjel während ber ganzen Zeit der deutichen Ordensherrſchaft von früher ber fiten ger blieben war, ift fo fehr als möglich außer aller Frage geftellt ?). Aber in dem Stande, zu weldem die polniiche Bevölkerung. in Preußen ausjchlieglich gehörte, in den Bauern und Tage löhnern lag damals jelbitverftändlich noch weniger als heute irgenbwelche politiiche Entſcheidung. Zu jagen, der preußifche Aufſtand fei von der polnifchen Bevölkerung in Preußen ge macht worden, wäre ebenjo verkehrt und ver Biftoriichen Wahr heit zumwiderlaufend wie bie Behauptung, daß ber Bund ber Preußen eine andauernde und ſyſtematiſche Aufreizung durch die Polen erfahren babe. Es bat aber in der That ba weder eine fpontane noch eine geförberte Attraltion gegeben. Inſo⸗ weit bie allgemeine öffentliche Meinung überhaupt in Betracht fam, war fie keineswegs pofitiv, von irgendwelcher Vorliebe beberricht, ſondern lediglich negativ, nämlich von der Abneigung gegen die Drbensberrichaft bejtimmt. Wenigitend bei ben Bürgerichaften tft Died ganz gewiß der Fall geweien. Bei ber Nitterfchaft Tagen die Verhältniffe wirklich etwas anders, denn ihr blinkte aus Polen allerdings ein eigener Magnet berüber, nämlich Die unter dem Geſichtspunkt des Ganzen nicht eben glückliche Verfaſſung des polnijchen Reiches 2). Das anſteigende Maß von Ungebunvenheit, deſſen ſich der polniiche Edelmann erfreute, feine freie Macht gegenüber dem durch finanziellen

1) Sierüber handelt ausführlich das fehr Iehrreihe Buch von Ket- rzynhski, O ludnosei polskiej w Prusiech. Lwöw 1882.

2) Dal. Toeppen, Alten der Ständetage Oft- und Weftpreußens I, 11f.

Die preußiſche Landritterſchaft. 9

Ruin und klerikale Herrſchgier herabgedrückten Königtum, ſeine Anſprüche auf Entſchädigungen bei Kriegsdienſt im Innern und feine reiche Löhnung bei Kriegszügen nach außen bin, fein um⸗ fänglicher Einfluß auf die Geſetzgebung des Landes alles das ftach fo beträchtlich gegen bie Stellung und den Rechts⸗ umfang des preußifchen Landritters ab, daß es feiner Umtriebe bedurfte, um das Auge, wenn man einmal gleichgültig gegen die idealen Bezüge ber Orbensberrichaft oder gar feinbielig gegen bie Art ihrer Ausübung geworden war, mit Sehnſucht nach Polen binüberzurichten, und wir erinnern und, baß bie Culmiſche Nitterfchaft ſchon im Hufitenfriege 1433 polnifches Adelsrecht auf ſich angewandt willen wollte. Aber noch ein ift Hierbei in Betracht zu ziehen. Von dem polniichen Ritter⸗ tum war es ganz beionders das großpolnifche, mit welchem die Preußen durch lebhaften Verkehr und häufige nachbarliche Be⸗ rübrungen belannt waren, und von ihm hatten fie notwendig die burchgreifende Abneigung gegen geiftliched Regiment und fleritale Übergriffe wahrnehmen müſſen. Inſofern fich ihre eigene DOppofition gegen einen geiftlichen Orden, welder aus biefem Charakter die Berechtigung jeines Dajeins jchöpfte, ge⸗ richtet Hatte, mußte fich aus der Gemeinſamkeit des Abneigungs⸗ gegenitandes ein Strom unausgeiprochenen Einverſtändniſſes bilden, der, wie latent er auch blieb, doch ein ftärleres Gemein- gefühl zu erzeugen imftande war, als Überredungslünfte und Agitationen hervorzubringen vermocht hätten.

Trotz allem dem aber fam der eigentlih revolutionäre Antrieb nicht aus den Reihen ber NWitterichaft, die vielmehr durch eine Anzahl verjöhnlicher, vermittelnder, in hohem Maße politifch bedeutender Männer vertreten wurde. Der Geift bes Abfalls und der Untreue wurde mit ungleich größerer Macht entzündet und gejchürt von den preußiichen Städten.

Dasielbe jchwanfende Verhältnis, welches der Orden zum Oberhaupt der Kirche wie zu dem des Reiches einnahm, das⸗ jelbe behaupteten die preußiſchen Sechsſtädte zum Hochmeiſter des Ordens und zu dem Vorort der Hanja. Im Feiner Zeit

ſtehen fie zu ihnen in unbebingter Botmäßigfeit. Ste wilfen

10 Elftes Bud. Erſtes Kapitel.

ben Orben gegenüber die Nötigung durch die Hana, und ber Hanſa den Zwang ded Ordens vorzufchägen, wenn es ihrem Vorteil nicht entfpricht, zu geborchen. Ste führen Krieg mit den Dänen, während der Orden mit benjelben in Frieden lebt, und bleiben in Zrieben, während bie Hanfa den Flandriſchen Krieg führt. Sie jcheiven von ven hanſiſchen Angelegenheiten forgfältig aus „was ihnen gelegen iſt“, ja ſtemmen, ficher durch den Schu des Ordens, der Hanja gelegentlich den ſtör⸗ rifchiten Eigenwillen entgegen. ‘Daneben baben fie ihre beſon⸗ deren Verwaltungsgebiete, von welchen fie die mitintereifierten Gewalten mit Eiferfucht fernhalten. Sie gönnen ver Hana feine Beteiligung an ihrem polniich-ruifiichen Handel, wie ſie ben Organen bed Drbens feinen Eingriff in ihre kommunale Berwaltung geitatten. Und an dieſes jelbftherriiche Gebaren find fie doch nur gewöhnt durch die Kiberalität und Begünitigung bes Ordens, ber fich durch das ganze 14. Yahrhundert mehr als den Bundesgenoſſen denn als Landesherrn derſelben ans» fieht, und beiſpielsweiſe in der Feſtſetzung der Gewerbeordnungen ihren eigenen Wünſchen in ſolchem Umfang Rechnung trug, daß ſie geradezu nur als Vereinbarungen zwiſchen dem Orden und den Städten betrachtet werden können. Vielleicht im ganzen Deutſchen Reiche gab es nicht wieder einen Städteverein, der ſo wenig für ſeine äußere Sicherheit ſelbſt einzutreten hatte als der preußiſche. Die ganze Laſt der Verteidigung gegen die Scheelſucht und Begehrlichkeit der Grenznachbarn nahm der Orden ſchon infolge der Bedingungen ſeines Daſeins auf ſeine Schultern. Und das wußten die Städte recht wohl zu ſchätzen und zu würbigen, fo lange die Ausbreitung ihrer merlantilen Verbindungen und die Vermehrung ihrer Privilegien noch im Zunebmen begriffen war. Aber fie werfen jede Erinnerung baran Hinter fich, als fie ihrem legten Ziele bem reinen Monopol zufteuern. In alter und neuefter Zeit haben bie Städte immer ven Beifall der populären Meinung für fich gehabt, wenn fie im Geifte des engherzigiten mittelalterlichen Monopolismus ſich über den vom Orden fchon feit dem 13. Jahrhundert betriebenen Eigenhandel beichwerten, weil zu

Die preußiſchen Städte. 11

dem Degriff des Ritters und des Ordensgliedes der Handels⸗ betrieb am wenigiten zu pafſen ſchien, und die formulierte Ans» fit: „weil e8 des Kaufmanns Ding ift, und nicht der Herren‘ begegnet einem noch heute vielfach herrſchenden Gefühl. Aber vielleicht hat dasſelbe Heutzutage mehr natürliches Recht als in jenen Zeiten, venn abgejeben von der belammten Thatſache, daß der Handel auch den weit weniger mit weltlichen Beziehungen verwachſenen Ordenshäuſern des Mittelalters nicht fern lag, entftand für den deutſchen Orden gerade wegen feiner Eigen⸗ Ichaft eines Landesregenten bie Notwenbigleit eines eigenen Vertriebs feiner Produkte, wenn anders er nicht feine Interefjen aufs tieffte ſchädigen wollte. Es ift fchon von anderer Seite darauf bingewiefen worden !), daß das Bernfteinmonopol und die Natnrallieferungen der Untertbanen den Orden zu bem ſchwunghaften Betrieb eines Handels anregten, der den Städten ein Dorn im Auge war ?), aber die Kolltfionen blieben aus, fo lange der Orden fich innerhalb der privatrechtlichen Stellung eines lediglichen Konkurrenten hielt. Sowie er aber vermöge einer tieferen Auffaffung feiner Herrichaft für feinen Handel einen fiskaliſchen Charakter in Anipruc nahm, erhoben bie Städte eine nicht mehr endende Klage, die fchließlich mit ben frevelhafteften Entichlüffen ausging. Es iſt beachtensiwert, wie bald mehrere Hauptmomente der ftädttichen Beſchwerden ihres Gewichtes entlleivet werden, wenn man in Ntechnung bringt, daß der Orden und feine Beamten von dem Begriff des Staats und der Souveränetät ausgingen, während bie Städte in ber wittelalterlichen Rechtsauffaſſung verbarren. ‘Der Anjpruch der Ordensbeamten auf den Mitgenuß der Handelöprivilegien, ihre Nichtachtung hanſeatiſcher Satungen, ihre Forderung des Bor» zuge vor allen anderen Gläubigern bei Inſolvenzerklärungen, ifre Übertretung von Ausfuhrverboten, ihre Einführung von

1) Bgl. Hirſch, Danzigs Hanbels- und Gewerbsgeſchichte, Buch, Abſchu. II, ©. 2Aff.

2) „Worumme fy nicht Louffchlagen mogen? ab by fette brieffe haben, das ſy nicht Loufflagen fullen?" fagt ber Hochmeiſter am 18. März 1439 den Städten.

12 Elftes Bud. Erſtes Kapitel.

Handelslicenzen für das fogenannte „Lobgeld“, ja jelbit ihre Anmaßung eines ausgedehnten Vorkaufsrechts fo jehr auch im einzelnen Mißbrauch damit getrieben wurde, und fo ſehr fich auch aus der Anwendung Unzuträglichleiten gebildet haben find im Prinzip doch nur Ausflüffe eined abjolut gedachten landesherrlichen Rechts, zu deſſen Anfechtung fein Boden vor⸗ handen war. Die Thatjache, daß zuweilen milde, den Städten gewogene Hochmeifter in dem einen und dem andern Punkte Zugeftändniffe von vorübergebender Rechtswirkung machen, ſteht biefer Auffafjung in Feiner Weiſe entgegen; fowie das Souve- ränetätsrecht des Ordens wieder fchärfer artifuliert wird, er» beben fich wieder biefelben Anſprüche und die nur noch ges ſchärfteren Klagen ber Städte. Achtet man auf den Zeitpunft, in welchem zuerſt dieſe Hanbelöftreitigfeiten hervorgetreten waren, jo gewinnt biefe Meinung nur dadurch weientliche Unterftügung, benn bie erjten ſchweren Klagen der Städte fallen genau mit dem Zeitpunkt zufammen, in weldem der Orden jelbft die tieffte organtiche Umwandlung durch die Ehriftiani- jierung Litauens und das Aufhören der Heidenfahrten erfuhr, in welchem er burch bie Gewalt der Umſtände aus feinem rein mittelalterlichen Beruf zu ver Stellung eines korporativen Landesfürften gebrängt und mit feiner gejamten Lebensthätigkeit auf das ihm untergebene Territorium beichränft wurde. Von biefem Zeitpunkte an reden ber Orden und die Städte zwei verichievdene Sprachen, fie verftehen einander nicht mehr. - ‘Die Städte können fich in die Rolle von Glievern eines zuſammen⸗ wirkenden Organismus nicht bineinfinden; fie können es nicht faffen, daß das Maß ihrer Pflichten von etwas anderem bes bingt fein fol als von einem Aquivalent von Rechten und Privilegien; fie können nicht aufhören, fich als exzeptionelle Gemeinweſen zu betrachten, deren Verhältnis zu der Landes- boheit nicht ganz und voll durch Vertrag oder Herfommen fich erichöpft ; fie betrachten fich genau genommen als Staaten in ver Luft, mit der Freiheit, fich an den Meiftbietenden, an benjenigen zu verlaufen, der am wenigften von feinem Souveränetätgrecht ihnen gegenüber Gebrauch machen will. In jener verräteriichen

m

Die preußiſchen Städte. 13

Scene vom 10. Auguft 1410, in welcher die Städte gar zu vorſchnell fich beeilen, dem fiegreichen Feinde ihre Hulbigung darzubringen,, ift die erfte Forderung von dem neuen Herrn das Münzregal und bie freie Verfügung über Ausfuhrverbote, und da dies bereitwilligft zugeftanden ward, fo begreift fich leicht, wie ſehr die Rettung bes Ordens und bie Wieberberftellung feines Regiments durch Heinrih von Plauen, der folde Ein. griffe in das landesherrliche Recht auch in den bebrängteften Augenblidlen nicht gewährte, wider ben Willen der Städte vor fih ging. Heinrich von Plauen bat die Hinrichtung des Dan⸗ iger Bürgermeiſters Konrad Letzkau und feiner Genoſſen, fo viel man weiß, nicht verfügt und nicht veranlaßt, aber da fie geichehen war, konnte er fie im feinem Wunſch und Bemühen, die Städte zu einer botmäßigen Eingliederung in den Staats⸗ organismus zu zwingen, nicht mißbilligen )). Sein umfafjender Berfuh, eine wahrhaft ſtaatliche Ordnung ſelbſt durch vor» übergebende Gewaltalte herbeizuführen, erlag nicht fowohl dem Widerftand der Stände und Städte als der Scheelfucht feiner Gegen» partei innerhalb des Ordens jelbft, die im Beſitz des Regiments durch ihr fchwächliches Lavieren, durch ihren treulofen Wechlel von Gewähren und Berjagen, durch ihr unberechenbares Entgegen- tommen und VBerweigern ungleich mehr zur Entfremdung der Sympathieen beigetragen hat als die Enthauptung einiger Bürger- meifter. Der Schwäche und Unfähigkeit der von ihrer fittlichen Bafis immer mehr herunterſinkenden Herrichaft traten in den Städten immer größerer Trotz und Eigenwillen gegenüber, und für den durch elementare Unglüdsfälle und durch die Niederlagen im Kriege herbeigeführten Rüdgang des Handels, der Gewerbe und des allgemeinen Wohlftands überhaupt wurde dem Orden die Ber» antwortung in ungebührlihem Umfang beigemefien. Während

1) Die Polemit Hirſchs in Script. rer. Prufs. IV, 385, wiber meine im III. Teil dieſes Werkes vorgetragene Auffaffung zu wiberlegen, Habe ich leider keinen Raum. Inzwiſchen bat die „kühle“ und „unbe- fangene” Geſchichtsſchreibung Hirſchs bereits ihren Richter gefunden, und ich darf nur auf bie ausgezeichnete Auseinanderfegung Toeppens in Alten

ber Ständetage Ofts und Weftpreußens I, 126 verweifen, der ich kaum ein Wort hinzuzufegen habe.

14 Elftes Bud. Erftes Kapitel.

ber Haß wider die Landesregierung fich verichärfte, war die⸗ jelbe immer häufiger in die Lage gebracht, die Finanzkräfte des Landes duch unmittelbare Auflagen in Anipruch zu nehmen, und während dem Drben immer mehr die aus feinem eigen- tümlichen Charakter entipringenden Hifsquellen abgeichnitten werben, iſt er bei dem ftetigen Wachstum feiner Bedürfniſſe in anfteigenden Maßen gezwungen, die Steuerfraft des Landes in feinen Dienft zu nehmen. So bilbet fich zwifchen der heiſchen⸗ ben Regierung und den leiſtenden Städten wie immer in ſolchen Vällen ein feinvjeliges Verhältnis, unverjöhnt durch das Ver⸗ ftändnis einer organiichen Zuſammengehörigkeit und Wechſel⸗ wirkung als Staat. Aber auch darin unterſchied fich Diele revolutionäre Bewegung nicht von ähnlichen in alter und neuer Zeit, daß der eigentliche Konflilt nicht fowohl um die Bewilli⸗ gungen felbft zum Ausbruch fam, als um die infolge verjelben in Anſpruch genommenen Rechte. Gewährten die Städte einen Schoß, dann wollten fie auch dns Recht der Überwachung ber ‚Ausgaben haben, das ohne eine Teilnahme an ber Geſetz- gebung und an der Führung der auswärtigen Politik ganz un⸗ burchführbar ift. Aber neben allen legitimierten Gründen darf auch der aus der Wohlhabenheit entfpringende Übermut nicht aus den Augen gelaffen werben, benn in der allgemeinen Zer⸗ rüttung, die in Preußen eingerifien, waren Gewaltthätigkeit und Anmaßung nicht lediglich und ausfchlieglich auf den Ordens⸗ burgen heimiſch. Man fand fie in nicht viel geringerem Maße auch im Bürgertum, und allen voran ging darin wie in ber Förderung des revolutionären Sinnes überhaupt die unrubige Gemeinde von Danzig.

Danzig war auch das eigentliche Haupt und bie geijtig und materiell bewegenbe Kraft des vielberufenen „preußiichen Bun⸗ des”, jener eigentümlichen Koalition der Landritter mit ben Städten zu einer gewiſſermaßen legitimen und anerkannten DOppofition, einer Erſcheinung, für welche die deutſche Rechts⸗ entwidelung feine Unterlage, ja die beutfche Gejchichte wohl faum ein ganz zutreffendes Analogon bietet. Dagegen wirb auf diefen Bund und auf die fpäter von ihm eingeichlagene

Der preußiſche Bunb. 15

Richtung fofort ein aufllärendes Licht geworfen, wenn man - das polniiche Staatsrecht zubilfe nimmt !). Denn es gehört fein bejonderer Scharffinn dazu, um ihn auf der Stelle nad allen feinen Kriterien, jeinem Inhalt, jeiner Form, feinen Be⸗ ziehungen zur Staatögewalt nach als eine umfaffende „Kon- föderation” zu erlennen, und in Erwägung ver Zeit feines Auftretens (1440) liegt die Vermutung fehr nahe, daß die in den Jahren 1438 und 1439 in Polen geichloffenen Konföde⸗ rationen das anregende Beilpiel geweſen find. Wllerbings würbe dieje preußische Konföderation einen weientlich verichiebenen Charakter gegen die polniichen gehabt haben, wenn es wahr gewejen wäre, was bie Bündifchen jpäter unter Vorlegung einer Urkunde behaupteten, daß der Kaiſer den Bund beftätigt hätte. Allein daß jene Urkunde eine fpätere Fälſchung ift, wurde mit ben überzeugendften Gründen eriwieien ?), und bie weitere nicht minder anzweifelbare Behauptung ?), daß der Bund von dem Hochmeiſter und neunundbreißig Ordensrittern eine ausdrück⸗ lie und jchriftliche Genehmigung erhalten babe, würbe feinen Charakter al8 Konföveration auch dann nicht beeinträchtigen, wenn fie befjer begründet wäre. Vergegenwärtigt man fich bie Lage in Polen, deſſen König eben damals unter Zuſtim⸗ mung ber ganzen Nation im Begriff war, bie Krönungsfahrt nach Ungarn anzutreten, und bedenkt man, wie jehr ber pol»

1) Im Berlauf der Distuffion Über den Bund erinnern bie Stände allerdings nicht an das polnifche, fondern an das ſchwediſche Staatsrecht, um ihre Berechtigung nachzuweiſen. Boigt, Geſchichte Preußens VIII, 245. Böllig unwahr ift, was die Polen 1457 dem Papſte als Beran- laſſung bes Bundes angaben: „Contigit de anno 1440 rege Wladislao agente in regno Hungariae et contra Theucros proeliante, Cruciferi cogebant suos subditos, ut contra regnum Poloniae acciperent arma, qui juramentis suis contravenire noluerunt. Et proinde compulsi sunt facere ligam contra ordinem.“ Cod. epist. saec. XV, p. 179.

2) Script. rer. Prufs. III, 650, Note 4, unb IV, 421, Note 1. Früher ſchon angezweifelt durch I. 3. Müller, Nechstagstheatrum, S. 457. |

8) Danziger Ehronit vom Bunde, Script. rer. Prufs. IV, 420, R. 2 und Geſch. wegen eined Bundes, ebd. ©. 76, N. 3.

16 Elftes Bud. Erftes Kapitel.

niſchen Politit daran gelegen war, im eigenen Lande und bei dem Umſturz der Verhältnifie in Litauen von feinem nor» diſchen Nachbarn unbebelligt zu bleiben, erwägt man, wie groß das Intereffe der Polen an der Lähmung des Erbfeindes ge= rade in diefem Zeitpunkt geweſen ift, jo kann man ſich zwar bes Gedankens nicht erwehren, daß biefe preußifche Konföde⸗ ration, welche einen unverwindlichen Seil zwilchen ven Orden und jeine Unterthanen eintrieb, polnifher Anichauung und polniſcher Eingebung entiprungen it; aber es fehlt an allen faßbaren Beweiſen, um eine ſolche Behauptung ftügen zu können. Hätte eine ſolche Einwirkung ftattgefunden, und läge ihr Be⸗— rechnung zugrunde, jo würde fie nicht getäufcht Haben. Denn von dem Moment an, da die preußtiche Konföderation ing Leben getreten, muß der Orden alle feine Fähigkeit und Wache ſamkeit auf das eigene Land richten, und nur der außerorbent= fihen Gewandtheit und Klugheit Konrads von Erlichshauſen gelingt e8, nicht nur den Eintritt der grumpftärzenden Folgen de® Bundes zu vertagen, jondern ſelbſt an den Verſuch einer Auflöſung desjelben leife die Hand zu legen. Unter ſolchen Um⸗ ftänden war es gebieteriiche Pflicht für den Hochmeilter, ben Beziehungen zu Polen und Xitauen die ausgefuchtefte Sorg- falt zu widmen und jedem Anlaß eines Zwiſtes aus dem Wege zu geben. Weit Beinlichleit werden die Vorjchriften des Fries dens von Brzesc ausgeführt; wo im Verkehr eine Mißhellig- feit fich ergiebt, da eilen jofort die beiberfeitigen Kommifjare zu verjößnlichen Verhandlungen herbei. Broffribiert Kafimir den Prätendenten Michaf, jo macht der Orben den Schergen gegen den Flüchtigen, um nur jeden Verdacht erneuter Einmiſchung in die litauifchen Angelegenheiten zu vermeiden. Wenn in früheren Zagen fih ein Kampf wie zwilden Boleslaw von Majowien und Kafimir entwidelt hätte, dann würde der Orben ficher fein müßiger Zufchauer geblieben jein; jett fuchen feine Gefandten am Hofe zu Wilno mit Eifer die friedliche Stim- mung zu erhalten und zu feftigen. Während des polnifchen Interregnums erhebt fich das Gerücht in Polen, der Orden babe fih durch das Baſeler Konzil von dem Frieden zu Brzedt

Einmiſchung des Bapftes. 17

entbinden laſſen, jofort eilt der Hochmelfter, ben Verdacht nieder- zufchlagen und läßt fi) von dem Konzil felbft die Grundloſig⸗ Zeit desjelben bezeugen 2). In dem zu berfelben Zeit drohenden Konflikte zwiichen Kaſimir und dem polniichen Reichstage hütet der Hochmeiſter ſich, Partei zu ergreifen, fo nabe es ihm auch der damalige Großfürft legt, und als derſelbe König geworben, entwickelte fich ein lebhafter Austauſch von nachbarlichen Artig- keiten und Zuvorkommenheiten, fo daß das Verhältnis beider Staaten zu einander ein Bild bes Friedens und ber Eintracht darbot, wie niemals zuvor. Freilich förberte dieſer friedliche Verkehr die Beziehungen und den Gedankenaustauſch zwifchen dem preußiichen und dem benachbarten großpolniichen Adel und Klerus mehr und mehr, und es wäre undenkbar, daß nicht namentlich in der Zeit, da der Kurfürft von Brandenburg bie Alten über den NRechtstitel des Ordens auf bie Neumark revi⸗ dieren ließ, auch unter ben gebildeten polniichen Magnaten und WVrieſtern, bei denen ber Prozeß von 1422 bie hiſtoriſche Ent- wickelung des ganzen Weichiellandes in Erinnerung gebracht hatte, ver Gedanke einer Revinbilation der Landichaften Culm, Michelau und PBommerellen aufgeftiegen fein follte. Aber alle dieſe Verhaͤltniſſe hatten einen chroniichen und in fich verfiegen- den Zug, jo lange Konrad von Erlichshaujen lebte, und es ſchien der Bund durch den Mangel an Wiberftand nach und nad an Lebenskraft einzubüßen. Diefe fam ihm aber mit einem Male wieder, als ber extreme und ftarre und wenig begabte Bruderſohn Konrads, Ludwig von Erlichshaufen um den Preis einer Zeilung der böchiten Gewalt mit ben oberften Gebietigern des Ordens auf ben Hochmeifterfig gelangte. Wie lebhaft der Hochmeifter es auch in Abrede ftellte, daß die Einmiſchung der päpftlichen Kurie in ven preußiichen Innern Streit auf feine Anregung erfolgt jet, der Verdacht, ber ben

1) Erklärung bes Konzils im Kralauer Kapitelarchiv fasc. 20 vom | 29. Auguft 1446. Ebenda auch unter demfelben Datum eine befondere | Bulle an Zbigniew Olesnicki. Auch bei Dogiel IV, 139. Nichtsbeflo- weniger macht der König von biefem fchlechten und falfchen Argument in ber Inkorporationsurtunde (Vol. Leg. I. 175) Gebrauch.

! Caro, Seite Polens. V. 1. 2

18 Elftes Bund. Erſtes Kapitel. (1453).

Zeitgenofjen jo nahe lag, wirb auch von uns nicht ganz unter- brüdt werben können. Die in den Berichten des preußifchen: Drdensprofurators aus Rom bafür angegebenen Motive, daß man beim päpftlichen Hofe über die geringe Beteiligung Preußens an den Gnaden bes Jubeljahres ftutig geworben, eine Abnahme des kirchlichen Sinnes gefolgert babe, können doch nicht ale erichöpfenb angejehen werben. Allerdings befand ſich die Kurie damals in ber Neigung, nad den aufwühlenden Bewegungen durch die großen Kirchenverfanmlungen die Zügel wieder ftraffer im Sinne der Wieberberftellung des mittelalterlichen Gehorſams anzuziehen, und Bünde ſolcher Art wie der preußiſche hatten nach den Erfahrungen in Böhmen und anderwärts für ſie die Vorausſetzung ketzeriſchen Beigeſchmacks als natürliche Eigenſchaft an fſich. Gleichwohl iſt die auffallende Sendung eines Legaten ſicher nicht allein von ſolchen ſeelſorgeriſchen Erwägungen der Kurie veranlaßt worden, und die zweideutige Haltung des Hochmeiſters in den zwiſchen dem Legaten Ludwig de Silves und den Ver⸗ tretern des Bundes gepflogenen Verhandlungen legte zum min⸗ deſten bie lebhafte Übereinſtimmung des Hochmeiſters mit den Anſichten des päpſtlichen Geſandten dar. Die Sprache des letztern hat große Ähnlichkeit mit der, welche Giambattiſta Romano zwei Jahre zuvor in Polen geführt Hatte. Er mahnte, eiferte, polterte, drohte und ließ von den Kanzeln herab gegen den Bund donnern, aber der Erfolg war doch infofern ver» ſchieden, als die preußiihen Stände nur mit um fo größerer Hartnädigfeit und Lebhaftigfeit ihre vermeintlichen Rechte be- haupteten. Die ber Thätigkeit des Legaten nachbonnernden Bullen des Bapftes, die den Bund nad) kanoniſchem Recht und nach der goldenen Bulle für unberechtigt erflärten und daher mit dem Bannſtrahl drobten, fchrediten nicht mehr. Die Bünbifchen hatten doch Übung genug in der Geichäftspraris des Ordens, um den Wert diefer Täuflichen Einmifchung auswärtiger Autori« täten nach dem geringen Maß ihrer Bedeutung zu jchägen. Und dabei war bie Kurie Doch noch immer die gemeingültigfte. Noch viel weniger fonnten die Berufungen des Hochmeiſters auf Die Reichs⸗ fürjten und den Kaiſer von Gewicht fein; man antwortete von-

Einmiſchung bes Kaiſers. 19

ſeiten des Bundes in ebenſo wohlgeſetzten Briefen, als man em⸗ pfangen hatte. Ob aber der Orden wohlberaten war, als er im heimiſchen Streit das Ausland anrief, möchte doch wohl zu be⸗ zweifeln jein. Im jedem alle ijt feftzuftellen, daß Doch ber Drden zuerft ven Konflikt mit feinen Untertbanen wenn auch unter dem Schein eined Appelld an die anerkannten Mächte | der Chriftenheit zu einer internationalen Frage gemacht hat, | amd daß eine beutlichere hochverräterifhe Annäherung ber Biuündiſchen an Polen erft mit diefer neuen vom Orden ein- geleiteten Wendung bervortritt. Zunächſt wichen fie von dem durch den Gegner betretenen Boden nicht und erhielten fo gleichſam die Anerkennung einer Iriegführenden Macht. Sie beſchickten den Kaiſerhof, verlangten die Anjekung eines orbent- Iihen tailerlichen Nichttages, erwarben unter Durchitedereien aller Art dunkle und zweifelhafte Altenftüce, vie für kaiſerliche Beftätigungsbriefe ausgegeben werben konnten, und, fcheinbar mit neuer Autorität umkleivet, gewannen fie im preußilchen Lande teils freiwillige teil8 gezwungene Anhänger, und bald übten fie einen Terrorismus aus, der jeden Verſuch, neutral zu bleiben, ausſchloß. Nichts bezeichnet fo jehr die ſouveräne Anmaßung der Bündiichen als die Thatjache, daß fie im ganzen Lande einen Schoß ausjchrieben, um die Prozeßkoften zu decken, und um zugleich denn ſchon lange vor dem kaiſerlichen Richteripruch war das ind Auge gefaßt worden ſich mit Kriegsrüjtung zu verſehen. Eine furchtbare Unordnung griff in dem unglüdlichen Lande um fich, denn beim Orden wie bei den rebelliihen Ständen war die Überzeugung vorwaltend, daß der kaiſerliche Spruch, wie immer er auch ausfiele, den Streit nicht austragen würde. Beide Zeile ſahen fich daher nad Alianzen um, und beide fuchten Polen, Maſowien, Xitauen zu fondieren.

Dem Hocmeifter war es nicht entgangen, daß fich bereits öfters bündneriſche Gefandticaften bald in Maſowien, bald in Großpolen befanden, aber auf dem Neichdtag zu Parezow, um Pfingiten 1453 !) traf fein eigener ®efandter, der dem Könige

1) Oben Zeil IV, ©. 445.

24

20 Elftes Bud. Erftes Kapitel. (1453).

Vorſtellungen darüber wiederholen jollte, daß der Reichskanzler Jan von Koniecpole, der kujawiſche Wojewode Nicolaus von Szarlej und der Kardinal Zbigniew die Bündneriſchen er⸗ mutigten und aufreizten), zuſammen mit einer Deputation der „Lande und Städte des Bundes“, die offiziell eigentlich nur die wie wir wiſſen gefälſchte Beſtätigung des Bun⸗ des durch den Kaiſer vorlegen und den König um eine Für⸗ fprache bei demſelben erfuchen jollte, daneben freilich die Ge⸗ finnung ber maßgebenden Perjönlichleiten zu erforjchen Hatte. Wie die Lage in Polen es unbedingt vorzeichnete, Tonnte ber König nicht anders als feine völlige Neutralität kundgeben. Die Spannung zwilchen Polen und Litauen batte damals einen hoben Grad erreicht; der polniche Adel grolite dem Könige wegen der Verweigerung bes Verfaſſungseides; ber Klerus war wegen des Konflilts zwiichen Karbinal und Erz⸗ bifchof in großer Erregung, wie hätte man da auf vage Per- ipeltiven, welche die Bündifchen eröffneten, einzugehen den Mut haben follen? Aber entmutigt wurde die ‘Deputation, bei ber fih auch Gabriel von Bayſen befand, keineswegs. Die von dem Drbensgefandten angeflagten Herren wiejen den Vorwurf der Sllopalität um fo mehr zurüd, als der König jede ben „ewigen Trieben“ gefährbende Handlung zu mipbilligen ſchien, aber in den Geipräcen mit den Bundesgeſandten drückte jeder von ihnen, der Karbinal nicht weniger als die andern, dem Bunde doch bie lebhafteften Sympathieen aus, wenngleich fie die Mahnung binzufügten, wenn irgend möglich doch mit bem Orden fich auszugleichen und im Umfang feiner Rechte fich als willige Untertbanen zu bewähren. Man gewinnt ven Eindruck, baß, wenn jchon ven polniichen Stantsmännern die DVerlegen- beiten des Ordens nicht unangenehm waren, fie boch von bem Gedanken einer Einmiſchung ſich vorläufig noch fernbielten. In demielben Sinne erwiederte auch der König, indem er eine Fürfprache beim Kaiſer ablehnte, da es fcheinen könnte, als

1) Diefe Anlagen waren ſchon im Januar 1452 an ben König ge-

bracht. Er hatte damals „mit Lorken Worten” geantwortet, „er halte fih an den ewigen Frieden”. Königsberger Archiv.

Der Bund unb die Bolen. 21

wolle er das Nichteramt vesielben am fich ziehen. ‘Der Bund, meinte er, bürfte doch dem Ausfall des Tatjerlichen Sprache um jo ruhiger entgegen ſehen, als ja der Kaiſer den Bunb und feine Rechte anerkannt und beftätigt hätte. Das letztere konnte freilich der Bundesdeputation, welche wohl den Eharalter biefer angeblichen Beftätigung kannte, nur zu geringem Troſte gereichen. Am wenigſten aber ſchien der Herzog Boleslaw von Mafowien geneigt, dem Bunde Mut einzufprechen. Auf den Appell bes Ordens an den Bapft, den Kaijer, die Reichsfürſten verweiſend, jagte er nur zu, wenn ihm eine Rechtövermittelung angetragen werben follte, die billigen und begründeten Torberungen bes Bundes zu unterftügen, im übrigen aber glaube er nicht an die Vergewaltigungen, bie man dem Orden zur Laft lege. Es beftände ba, fagte er, viel Heterei unb Denunziation auf beiden Seiten, eine wohlwollende Vermittelung wäre wohl in dieſem Falle gut angebracht.

Die Haltung der Polen war alfo im Sommer 1453 noch fo korrekt, daß der Hochmeifter keinen Verdacht hegen durfte, wenn des Bundes Legationen immer häufiger unter Borwänden aller Art in Polen ein und aus ritten. Hatte boch der König noch im Juli dem Hochmeifter die bündige Verficherung zu⸗ kommen laſſen, daß er „keinem ver ftreitenden Zeile feinen Beiftand” leiften würde. Aber die ganze Situation veränderte fi) mit einem Male, als der Nichterfpruch des Kaiſers zugunften bed Ordens und wider den Bund ausgefallen war !). Weber bei der Lanbritterichaft und bei den Städten noch bei dem Orden konnte man eigentlich von biefem Ergebnis überrafcht fein; aber das Zeichen war bamit gegeben, jede Hülle fallen zu lafjen. Hatten früher jchon beide ftreitenden Zeile bie Un⸗ abweislichkeit einer Triegeriichen Enticheivung erkennend fich mit Waffen und Mannfchaften im Stillen verjehen, fo wurben jetzt die Nüftungen offen betrieben, und im Anfang bes Februars

1) Unter weldem Titel der Orden 14000 Dukaten an ben Kaifer zahlte, wifien wir nicht; wohl aber daß feine Deputation einen Schulb- fein darüber ausſtellt. Bgl. Chmel, Regesta Friderici IV. no, 3143.

22 Elftes Bud. Erftes Kapitel. (1454).

1454 brad ein furchtbarer Aufftand los, in welchen die Bün- difchen mit einer Art blutvürftigen jakobiniſchen Haſſes eintraten. Um 4. Februar erfolgte die Abfage an den Orden, und am zten war ſchon die Burg Thorn, „das erfte Ordenshaus, welches bie Ritter bei ihrem Eintritt in das Land vor mehr als zweihundert Jahren aufgebaut Hatten“, in den Händen der Injurgenten. Wie eine verheerende Flamme wogte ber Auf- ruhr über das Land hin. Wenige Tage fhon nach dem Falle von Thorn ergaben fich die Burgen Birgelau, Papau, Alt» haus, Graudenz, Schwes, Mewe, Sobowik u. a. Nicht in den Feldheeren wie zur Zeit der Heidenfahrten, jonbern im den Burgen lag die Macht des Ordens. Und diefe waren fchlecht gerüftet und noch fchlechter bemannt. Teigbeit und Furcht ergriff die Orbensleute auf ven Burgen. Manche hatten ſchon früher mit den Aufftänpiichen Tonfpiriert und lieferten ihnen unter dem Schein eine® Zwang die Burgen ohne Wider⸗ ftand aus; mande fanden die Gelegenheit günftig, mit ben ihnen anvertranten Kaſſen fich zu flüchten und dem Ordens⸗ dienfte fich ganz zu entziehen; manche leifteten Widerſtand und fapitulierten, um fich das Leben zu retten. Dem auffteigenben Glück der Bündifchen gingen bald auch biejenigen nach, die bis⸗ ber fih von ihnen fern gehalten hatten, jelbft das Niederland und das Hinterland, auf bie der Hochmeifter am meiften rechnen zu dürfen geglaubt hatte. In den funzen Zeitraum von etwa vier Wochen waren nicht weniger als jechsundbfünfzig Städte und Schlöffer auf die Seite der Aufftänbichen gebracht, und das Machtgebiet des Ordens beichräntte fi) nur noch anf die feften Pläge von Mariendburg, beiten Berteibigung ber Drbensipittler Graf Heinrich Reuß von Blauen leitete, Stuhm, das erft, nachdem es eine Belagerung von zweiunbzwanzig Wochen ausgehalten Hatte, fi) ergab, und bem allzeit getreuen und tapfer Konitz, wo der jüngere Graf Heinrich Reuß von Plauen mit heldenmütiger Gewiſſenhaftigkeit darüber wachte, wenigftens eine Straße nady dem Weften für den Orben offen zu balten.

So lange die Revolution im Aufbraufen begriffen war,

Aufftand bes Bundes. 23

ftanden NRitterihaft und Städte in Einmütigfeit dem Orden gegenüber. Nachdem fie aber gemacht war, gingen die Mei⸗ nungen mit den Intereffen auseinander. Den Städten wäre es am genehmften gewejen, wenn bie Burgen abgebrochen, und eine freiftantliche Regierungsform eingerichtet worden wäre. Die Landritter jedoch hatten den Orden eben nur verdrängt, um fich felbjt an feine Stelle zu fegen, um jelbit von feinen Burgen aus das Regiment zu führen. Unter folden Umftän- den batte die Nitterichaft das lebhaftefte Intereffe, die Ober- bauptsfrage jo bald als möglich entichieven zu fehen, und namentlich ſcheint Johann von Bayhſen, deſſen hervorragende Begabung vordem auch von dem Hochmeiſter gewürdigt worden war, und der jetzt als das Haupt der Inſurrektion angeſehen wurde, auf eine Entſcheidung hingedrängt zu haben. Mit einer zahlreichen Geſandtſchaft von Vertretern der Ritter und Städte eilte er im Februar 1454 nach Krakau, wo eben aus Anlaß der Hochzeit Kaſimirs mit Eliſabeth von Habsburg die pol- niſchen Reichsſtände verſammelt waren. Hier trafen bie Bün⸗ diichen mit dem Drbenstrekler, Eberhard von Kinsberg, dem Bertreter des Hochmeifters bei den Hochzeitsfeierlichkeiten zu⸗ fammen, der es an Beftechungsverfuchen nicht fehlen ließ, um Bolen von dem verhängnispollen Schritte einer Proteltion des Aufftandes abzuhalten. Allein die feit dem vorigen Jahre gepflogenen Verhandlungen der Bündner mit der polnijchen Krone, mit deren Einverſtändnis jedenfalls die Kriegserklärung wider ven Orden erfolgt war, hatten jchon einen viel zu großen Borjprung, als daß die Gegenwirkung Erfolg haben konnte }). Daß König Kafimir die ihm angetragene Dberhoheit über das ganze preußifche Land annehmen werde, war wohl feinem ber Delegierten des Bundes noch ein Gegenſtand bes Zweifels, und fchwerlich bedurfte es des Kniefalls und der Thränen und der hiftorifchen Reminiscenzen, mit denen der polnifche Bericht»

1) ©. das Schreiben des Aeneas Syloius an Petrus de Noreto vom 3. September 1453. Opera ed. Bas. no. 151, unter Berufung auf Mitteilung Zbigniews. '

24 Elftes Bud. Erftes Kapitel. (1454).

eritatter in gewohnter Weife die Scene des Antrags aus⸗ ſchmückt ). Bon allen Beratern der polnischen Krone widerſprach im Prinzip feiner außer einigen Klerikern und dem Kardinal Zbigniew Olesnicki, deſſen „Vernunft und Gewiſſen“ nach feinem eigenen Ausdruck fich wider den verhängnisvollen Ent⸗ ſchluß auflehnten ?).., Die Meinung neuerer Gefchichtichreiber °), daß der Widerſpruch des Karbinals durch die Rückſicht auf den geiftlichen Charakter des Ordens zu erklären wäre, hat, wie nabe auch die Annahme Liegt, daß der Kirchenfürft fich nicht mit den Ausiprücen des Legaten und ber Kurie in einen Gegenſatz bringen wollte, in den Quellen keinerlei Anhaltspuntt.

1) Die bei Dogtet IV, 141, no. 104 mitgeteilte Rebe ift, wie er ſelbſt anmerkt, aus Diugofz entnommen. Aber auch die bei Schütz, S. 198 (welche nach Script. rer. Prufs. III, 660, Anm. 3 „wohl unmittelbar aus den Alten” genommen fein fol (?), iſt nur eine Parapbrafierung der Rebe bei Dfugofz. Und dieſe jelbft ift wiederum nach Diugofzs Weiſe zufammengeftoppelt aus der Inlorporationsurtumde (Vol. Leg. I, 172). Mit Recht bat daher Rante, Zwölf Bücher preuf. Gefchichte J, 117, die Echtheit der Rede bezweifelt.

2) Schreiben Zhigniews an den König. Cod. epist. saec. XV, 146.

8) Moraczemwsti, Dz. nar. pols. HI, 35 und Zeißberg, Poln. Geſchichtſchreibung, S. 222: „lie man die Quellen“. Welche denn? Eine tiefere und geiftreihe Begründung für bie Haltung des Karbinals giebt Bobrzynsti, O ustawodawstwiem Nieszawskiem, p. 142sq. In einem Thorner Rezeß in Script. rer. Prufs. III, 659, Note 1, wirb mitgeteilt, daß auch bie Univerfität und Johann Capiſtrano zur Beratung zugezogen worden feien, und baß beide fi} für die Annahme ausgefprochen Hätten. Bon ber Umiverfität iſt es gewiß wahr, denn mehrere Profefforen entwidelten, fo lange die preußiſche Sache in Frage fand, einen großen Eifer für dieſelbe. Was aber Eapiftrano betrifft, ber allgemein in Deutfch- and für dieſe Parteinahme gegen ben Orben gefcholten und in Frankfurt beim Reichstag Übel angelaffen wurde, fo flellt er felhft in einem Schreiben vom 13. Oktober 1454 an den PBapft, und in einem vom 26. November an ben Erzbifchof von Mainz (Wadding, Ann. XII, 197sq.) die That- ſache in Abrebe (vgl. Boigt, Enen Sylvio Picc. II, 123), und in einem, wie es fcheint von Dfugofz (?) an ihn gerichteten Schreiber (Cod. epist. saeo. XV, 160) wirb biefe Angabe als bebauerliche „Berlannbung” be⸗ zeichnet, in welchem Simme auch ber Kardinal an ben Papft berichten werbe.

Im polniſchen Königsrat. 25

Aus einem vertraulichen Schreiben !) des Karbinald an Ian Teczynski geht nur das Gefühl der tiefften Kränkung über per- fönliche Zurüdjekuug hervor, nur der Verdruß, daß die Ent fcheibung der Dinge jetzt in andern Händen fich befinde, und sticht einmal als rhetoriſches Ornament, dergleichen in ſolchem Valle einer Herikalen ever immer geläufig war, wird ber Hin⸗ weis auf ben Orden als geiftliches Inftitut gebraucht. Aber einerſeits iſt es ſehr wohl denkbar, daß der Karbinal einen unbefangenen Blick in die politiſche Lage Polens that und dieſen Staat nicht mächtig genug für die Aufgabe hielt, die er mit ber Annahme der preußiſchen Werbung ſich aufbürdete, anderer⸗ ſeits mußte dem Kardinal in ſeiner damaligen düſtern Stim⸗ mung über bie am Hochzeitstage Kaſimirs gegen den Primas erlebte Niederlage ?), von anderen allgemeineren Motiven ab» geiehen, die Erwägung entgegentreten, daß, wenn burch bie Entthronung des Ordens die eigenartigen kirchlichen Subjek⸗ tiondverbältniffe in Preußen eine Veränderung erfahren wür- den, nur der Gnejener Primat den Borteil davon in einer . Steigerung feines Einflufjes erfahren müßte. Das überwiegende Intereſſe der Großpolen, der nationalen Partei überbaupt, an dem Vorgang mußte ſchon an fich der „Vernunft und dem Gewiſſen“ Zbigniews eine widerratende Richtung geben, und mißmutig zog er ſich, als er fich von ber übergroßen Majorität der Weltlichen und Geiftlichen überftimmt fah, und felbjt der ibm eng befreunvete Ian Teczynski nur für einen Aufichub, nicht für die Ablehnung die Meinung abgab, von allen Ges fchäften in diefer Angelegenheit zurüd, und weigerte ſich, auf dem zum 1. Mat nach Leczyc zur Beratung ber preußtichen Angelegenheiten einberufenen Neichötage zu ericheinen. Nicht die Annahme des lockenden Rufes bereitete Schwierigfeiten, denn am 18. Februar war erft die Gefanbtichaft angelommen, und vom 22ften datiert ſchon die Kriegserklärung des Königs an den Orben mit einer Begründung, bie den Stempel ber

1) Cod. epist. saee. XV, p. 149. 2) gl. oben, Teil IV, 464.

26 Elftes Bud. Erftes Kapitel. (1454).

VBorwände nur zu deutlich am fich trägt’); wohl aber bie weiteren Verhandlungen über die dem Lande zu gebende Or⸗ ganifation, bei welcher die bündiichen Stände fi) natürlich diejenigen Vorteile zu jichern bejtrebt waren, welche ber Orden ihnen verjagt Hatte. Bei diefen Diekuffionen ging denn doch wenigitens den Danziger Bevollmächtigten nach ihrem eigenen Ausdruck die Überzeugung auf, wie ſehr „fe ſich von vorn- herein verrannt hätten“, und „wären die legten Anerbietungen des Hochmeifters nur acht Tage früher gelommen, jo müßte es wunderlich zugegangen fein, wenn fie hätten polnifch werben wollen“. „Wir batten eine Weile wohl gewollt, fchreiben vie Sendboten an ihre heimatliche Kommune, daß wir eine halbe Meile über der Grenze geweſen wären, wir wollten nimmer nah Polen zurüdgelehrt jein“ 2). Leichter fcheint die Ver⸗ ftändigung mit den preußifchen Rittern vor fich gegangen zu fein, und am 6. März 1454 erließ Kafimir die fogenannte Intorporationsurlunde ?), welche gewiſſermaßen als die Preußen verliehene Charte anzuiehen ift. In der Erörterung der Gründe feines Verfahrens wird der Nachdruck auf das Revindikations⸗ moment gelegt, das auch allein im Sinne der polniichen Ge⸗ Ihichtsauffaffung einen ſchwachen Schein von Berechtigung auf die Ufurpation und den Vertragsbruch zu werfen vermochte. Sonft wird den Preußen das Recht ver Teilnahme an Wahl und Krönung der Könige, Schuß der allgemeinen und privaten Privilegien, die Aufhebung des Pfundzolles fowie aller Preußen eigentümlichen Zölle, die Aufhebung des bisher fiskaliſchen Strandrechts und der aus altpolniicher Zeit in Geltung ge bliebenen Naturallieferung an Schweinen oder Schweinemaft (naraz) *), die Erhaltung der beftehenden Ämter und die Bes

1) Dogiel IV, 143, no. 106.

2) Script. rer. Prufs. IV, 504g.

3) Vol. Leg. I, 172sqq. Dogiel IV, 145. Dfiugofz XII, 134. Zbygniews Name ſieht unter der Urkunbe.

4) Bei Czacki, O lit. i polsk. prawach I, 64, Anm. gauz falfch er⸗ Härt. Bgl. Stenzel, Urkundenbuch, S. 13—15, über bie Natur dieſer Steuer, wo er unfere Urkunde erwähnt.

Der Bund buldigt Polen. 27

ſetzung berjelben durch Eingeborene !), die Geltung ber im Preußen üblichen fulmijchen, magbeburgifchen, preußifchen und polniſchen Partikularrechte nach freier Auswahl, das Münz- recht der Städte Thorn und Danzig für alle Zeit, das von Elbing und Königsberg für die Dauer des Krieges und enblich Handelsfreiheit auf den polntichen Handelsftraßen, injoweit die⸗ jelbe polnifchen Kaufleuten gewährt tft, zugefichert. Die fpe- zifiich preußtichen Angelegenheiten verfprach der König in Perjon in Preußen felbft und nur mit einem preußifchen Rat zu bes Handeln. Im mejentlichen erhielt alſo Preußen dieſelbe Stellung zu Polen, wie fie Litauen einnahm. Darauf bin leifteten bie bündiſchen Geſandten noch an vemielben Tage ?) im Namen der preußiihen Stände den Hulbigungseid in bie Hände bes Erzbiſchofs von Gneſen, den die Vertreter der Heineren Stäbte zu Graudenz am 12. April?) und endlich alle Stände zu Thorn am 15. April) durch Wieberbolung ratifizierten. Nur die Biſchöfe fträubten fih noch. Nicht als ob fie nicht an der allgemeinen Untreue teilnahmen, fie ftanden wie 1410 mit unter den erften, die von Drben abgefallen waren; nur bie Huldigung dem Ufurpator zu Füßen zu legen, fchien ihnen bei der Mißbilligung des Bundes durch die römische Kurie noch bebenflih. Die Bundeshäupter aber veriprachen, auch bie Biichöfe zur Eibesleiftung, wenn nötig durch Gewalt zu zwingen ®), und am 10. Juni waren auch dieſe Bedenken überwunden ®). Das ganze Land wurde in vier Wojewopfchaften, Culm, Pom⸗ merellen, Elbing und Konigsberg eingeteilt, und Johann von Bayſen als oberfter Beamter unter dem Titel eines

1) Durd eine beſondere Urkunde vom Iohannistag 1454 verfpricht ber König, Schlöfler, Städte, Burgen nur am geborene Preußen zu gebeı, und behält fi nur für die Zeit der Kriegsbauer vor, von biefem Grund⸗ fat eine Ausnabme zu machen. Vol. Legg. I, 183.

2) Inv. arch. Crac., p. 86.

3) Ibid.

4) Vol. Legg. I, 179. Dogiel IV, 149.

5) Dogiel IV, 152.

6) Dogiel IV, 153. Inv. arch. Crac. 87. Diugofz XUI, 148.

28 Elftes Bud. Erſtes Kapitel. (1454).

„Bubernator” eingejeßt. Die erbitterten Orbenschroniften nennen ihn „ven lahmen Baſilisken“. |

Die polniſchen Entſchließungen konnten ganz unbehelligt gefaßt werden. Die Lage Europas und insbejonvere der Polen benachbarten Staaten war derart, baß von niemandem eine ernfte und Hinderliche Einmiſchung zu beforgen war. Der allgemeine Schmerz über ben Ball Konftantinopels war jo raſch verihwunden und verflungen, daß das jedenfalls nicht ebenſo allgemein verbreitete Bedauern über den Fall des Ordens noch weniger auf Nachhaltigkeit rechnen Tonnte. Niemand in Europa wehrte den Polen, zu thun, was fie tbaten, aber dennoch billigte es niemand und lobte fie niemand darum. Auf dem Negens- burger Neichtage, wo polniiche Geſandte den Schritt des Königs verteidigen follten, wurden biefe doch übel aufgenommen und jpielten gegenüber der hervortretenden Bemübung einiger Neichsitände, dem Orden das öffentliche Interefje zuzuwenden, eine trübjelige Rolle ). Selbſt am Prager Hofe, wo ber Degünftiger der Bündner Georg Podiebrad die Richtung vor⸗ zeichnete, Hätte doch der Orden, wenn es ihm nicht an dem zureichenden Gelbmitteln gefehlt hätte, eine über die Mietsrotten hinausgehende Hilfe erlangen können. Der Kurfürft Friedrich von Brandenburg, der eben in ben Tagen ber Krakauer Huldi⸗ gung von dem Orden die Neumark auf Wieberlauf um 40000 Markt erwarb, Hatte damit dem Ehrgeiz großpolniſcher Mag⸗ naten einen Gegenftand entzogen, ber in ihren Händen für Preußen ververblich werden konnte, und auf welcher Seite feine Sympathieen ftanden, Tonnte nicht zweifelhaft jein. War er perfönlich auch durch feine territorialen Intereffen zu Rückſichten verpflichtet, jo trat doch Markgraf Albrecht, fein Bruder, bald auf den Neichdtagen, bald an den Fürſtenhöfen ober dort, wo Söloner zu haben waren, mit tbätlichem Anteil für den Orden

1) Aeneas Sylvius, De Ratisponensi dieta hei Mansi, Orationes Pii II, 14sq. 21sq. Bgl. Müller, Reichötagstheatrum cap. II, ©. 434ff. Die Rede Ian Luteld von Brzezie in Regensburg Im Cod. epistolaris saec. XV, 150sq., vom Mai 1454 banbelt nur von ber bem Bolenkönige zugemnteten Türkenerpebition.

Die öffentlide Meinung. 29

ein. Herzog Philipp von Burgund, der durch feinen Befuch des beutichen Reichstags wegen der Türlenfrage eine beiondere Au⸗ torität im Augenblict genoß, brückte Doch burch eine Geſandtſchaft an den König von Polen feine Mißbilligung der Ufurpation aus. Auf dem Frankfurter Reichstage wurde felbft ver Gottesmann Sapiftrano mit Geringichägung behandelt, weil man von feiner Zuftiimmung zur Annahme der Webellen wiſſen wollte. Auch die norbtichen Könige nahmen Teineswegs eine Polen ermutigende Haltung ein. Bei dem verfaulten und ermatteten Zuftand Europas in dieſer Epoche ift allerdings von mehr als Stim- mung, Wünfchen, Gefinnungen nicht zu reden, jo wie es ja auch in Nüdficht der Türlen darüber nicht hinauskam; allein biefe Haltung der allgemeinen Meinung über die preußiichen Borgänge weift auf einen Vorzug bed Ordens für Preußen Hin, der einen weientlichen Teil feiner angeblichen Thrannei ihon aufwiegen mußte; ver Orden lenkte auf dieſe entlegenen Landichaften ein tauſendfach in ihrer Kultur fich fruchtbar aus⸗ geſtaltendes Weltintereffe, da8 Polen niemals, und felbit in unferen Tagen das Tönigliche Breußen ihm nicht zu verleihen vermochte. Ohne ihre Leidenichaftliche Verblendung würben bie Bündiſchen nicht überfehen haben, in welchen urfächlichen Zu⸗ fammenbang dieſes Weltinterefie mit dem umgenteinen Auf- ſchwung ihrer merlantilen und maritimen Beziehungen jtebt, und wie, von benjenigen abgejehen, welche materielle Vorteile von ihnen zogen, niemand ihren undankbaren Abfall rechtfertigen mochte ). Noch viel weniger aber fand Polens Vorgehen Zu- Stimmung, und mit Ausichluß der polniichen und bündneriſchen Stimmen, die fih in Ordenshaß und Selbftlob überbieten, tft auch nicht eine zum Preiſe des Rechts⸗ und Friedensbruchs laut geworben. Die Zeitgenofien hatten fichtlich das Gefühl,

1) Nur Lüber bezeugt der Schweſterſtadt Danzig feine Freude bar- über, daß die Befreiung von der Ordensherrſchaft ohne Blutvergießen burchgeführt ſei (Schr. vom 14. Ming, im Danz. Arch.). Aber Wer- bungen für Danzig zu unternehmen (Schr. vom 15. April) und Gelb- vorſchüfſe Herzugeben (vom 23. Mai) will fich Lübeck doch nicht berbeilafien.

30 Elftes Bud. Erftes Kapitel. (1454).

daß das bier Geſchehene einen Bruch mit dem fittlichen Ge⸗ banken enthalte, der Widerwillen erzeugt, und die unrühmliche Art, den wohlfeilen Gewinn einzuftreichen, war nicht angethan, ein verjöhnendes Moment einzumifchen. .

Nach den Debatten auf dent Leczycer Reichstag hatte König Kafimir ſchon nicht übel Luft, „der preußifchen Angelegenheit ganz zu entjagen und fie von fich zu thun“ *). Hier offenbarte es fich, daß bie Litauer nicht nur die Intervention in Preußen mißbillig- ten, jondern daß jogar Parteien berjelben mit dem Orden ſchon feit dem vorigen Jahre in einer gewifjen Annäherung ftanden. War man doch in Polen über ihre feit ſechs Jahren verfoch- tenen Wünſche rückſichtslos Hinweggegangen, hatte doch ber Königseid von Piotrlom ihre Anſprüche auf Podolien für immer zertrümmert, und murrten fie do, „man wolle fie von Bolen aus zu Leibeigenen machen“ 2). Aber nicht minder Iehnten die Herzöge non Mafovien die Mitwirkung ab. Herzog Boleslaw batte noch immer nicht die aus feinem Vertrage mit Litauen vom Jahre 1444 ihm zugefprochenen Landftüde erhalten fönnen, und verlangte zuvor Befriedigung feiner Nechtöforderung; und Herzog Wladyslaw ftand nicht nur mit dem Hochmeifter in einer ununterbrochenen Korreſpondenz, ſondern geftattete feinen Leuten, in bie Dienfte des Ordens zu treten, fo dag ein Teil ber Befagung von Marienburg fogar aus Mafowiern beftand 8), Gleihwohl kam man zu Leczhe überein, daß der König ſich nah Preußen begeben ſolle, und am 23. Mat hielt er auch wirklich mit ſeiner jungen Gemahlin und ſeiner Mutter ſeinen Einzug in Thorn, wo ihm die Stände am 28. Mai den Huldigungseid erneuerten, und zog am 8. Juni weiter nach Elbing, wo ſich zu den huldigenden Ständen auch die Landes. biſchöfe einfanden und dem Polenkönige Treu und Gehorfam gelobten. In Königsberg nahm der Kanzler San von Koniec-

1) Schreiben Zhigniews an den König. 2) Bgl Voigt, Geld. Pr. VIII, 321, Anm. 4, und Alt. Hod- meifterchronif in Script. rer. Prufs. III, 670.

3) Joh. von Bayſen an den Danziger Rat. Schr. vom 21. Aprü 1454. Danz. Ardiv.

u

| Kaſimir ın Preußen. 31

| pole im Namen des Könige die Hulpigung entgegen. Ins | zwiſchen hatte auch ein Beratungstag der Stände unter Leitung des Königs in Graudenz ftattgefunden, in welchem zunächit beichlofjen wurde, die Tojtipieligen Söldner des vor Marien- burg lagernden Heeres dur das „Hofgefinde” des Königs zu erfeten und die Belagerung der dem Orden verbliebenen Burgen: mit Nachbrud zu betreiben ). Bon polniſcher Seite war über» baupt erjt nur wenig zur Unterftügung der Bündiſchen gethan; die Landſchaften Dobrzyn und Kujawien ?) wurben aufgeboten, aber wir hören nur von Nikolaus von Szarlej, dem Woje- woden von Brzesc), der aber von den Danzigern große Summen Geldes bezog, der mit einem Troß von Reiſigen nach Preußen gelommen war und bie Operationen der Bündifchen unterſtützt hatte. Für Polen mußte, wie man fich denken fann, die Frage entitehben, ob der nunmehr in Preußen fich ent- wicelnde Krieg als ein innerhalb der Landesgrenzen ober außer» Halb derfelben geführter anzufeben if. Im letzteren Falle fteigerte fich bei den Beitimmungen ber Lanvesverfaffung, wo» nach der König fünf Mark Silber auf jeden Ritter zu zahlen hatte, feine Pflicht dermaßen, daß er ſchwerlich berfelben bei der Erichöpfung des Töniglichen Schatzes gewachlen war. Seit der Hulbigung und formellen Beſitznahme aber war Preußen als Ausland doch nicht anzuſehen, und vielleicht ift Darauf allein fchon bie Lauheit zurüdzuführen, mit welcher die Angelegenheit in Polen behandelt wurde %). Die ruffiihen Provinzen und

1) Schreiben des Königs vom 19. Juni an Danzig, im Cod. epist. saec. XV, 155.

2) „Terras Cracoviensem et Dobr.“, bei Dfugofz XIII, 145, iſt ein Druckfehler für Cujaviensem et D.

3) Das ift der in preußifchen Chroniken, Brieffhaften und neueren Geſchichtswerken oft angeführte „Hauptmann Scherlensti”.

4) Daß diefe nirgends fonft berührte Frage in Betracht gezogen wurbe, gebt aus einem einzigen Worte in ber berühmten Rebe bes Ian von Rytwian hervor (Diugofz XIII, 249), an beren Schluß es heißt: Id (eine Anzahl von Forderungen) si impetramus, obedienter et tuis iussionibus parebimus et pro tuis regnique necessitatibus liberaliter substantias nostras conferemus et pro vtilitatibus excubabimus. Sin

32 Elftes Bud. Erftes Kapitel. (1454).

Kleinpolen blieben anfänglich ebenfowohl als im weiteren Bere lauf in ziemlich auffälliger Zurücdhaltung, wodurch ber König in den Mitteln zur Kriegsführung nicht wenig eingeichränft wurde. Dies hinderte ihn um jo mehr, als überhaupt im biefem Kriege ein Verhältnis vorwaltete, welches das Üüber⸗ gewicht enticheivend von dem finanziellen Vermögen abhängig machte. Sowohl der Orden als die Bündlichen als auch bie Polen waren vorzugsweife auf die Mietlinge angewieſen, bie nirgends fo zahlreich als in den Ländern der böhmifchen Krone zu haben waren, und es fand förmlich eine zweite böhmifche Invaſion in Preußen ftatt, bet welcher das unglüdliche Land nicht weniger litt als bei der erften.

Auf dem Zage zu Graudenz waren bie Rollen derart ver» teilt worden, daß die Bündiſchen mit Hilfe des Töniglichen Gefindes die Burgen Marienburg und Stubm, ver König felbft aber die Feſte Konig nehmen follten. Nur ein Punkt dieſes Programms gelang, injofern fi das ausgehungerte Stuhm am 8. Auguſt ergab, an Marienburg aber ftürmten die Bündilchen vergebens an. Am wichtigfien jedoch follte die Entſcheidung bei Konitz werben, denn bier 308 alles beran, was die Bemühungen des Deutichmeifters, Des Ordenstreßlers und überhaupt ver Kredit des Ordens in Deutichland an Heeredmacht aufzubringen vermochten. Es war ein ftattliches Heer ‚unter Führung Herzog Rudolfs von Sagan, der ſich das Derbot feines Königs und Lehnsherrn, nicht wider Polen Krieg zu führen !), wenig anfechten Tief. Aber aud das polniſche

minus neque de privatis nostris possessionibus quiequam collsturos, neque in militiam, nisi donatiuo aocepto nos certus sis ituros. Ebenfo if in einer fogen. Zeitung dem Orben gemeldet worben: ber Marſchall mit Kitten und Knechten in Polen hätten den König ges mahnt um „iren solt denen er vorschrieben haet czu geben, do sie mit ym obir die grenitz seyn geczogen“.

1) Schreiben 8. Ladislaws vom 80. Juli 1454, bei Palady, Urt. Beitr., in Fontes rer. Austr. XX, 85, gerichtet an Rudolf und Bal- tbafar. Nur der erftere zieht mit in den Krieg und findet bei Konit feinen Tod. Bei Diugofz XII, 155 verwechſelt. Balthafar kommt erſt fpäter dem Orden zubilfe.

Die Schlacht bei Konip. ' 83

Heer muß jehr bedeutend gewejen fein, denn alle Nachrichtem ftimmen barin überein, daß es an Zahl die Gegner überragte, zumal dasſelbe außer dem Töniglichen Gefinde und ber kuja- wiſchen Ritterſchaft auch noch das in aller Eile einberufene Aufgebot von Großpolen umfaßte. Und diefe großpofniichen Herren kamen überdies auf eigene Koften und beftritten ihre Ausrüftung felbft )). Gleichwohl würde der Schluß auf eine ſehr verbreitete und tiefe Kriegsbegeiſterung der Polen ver BDegründung entbehren. Der Krieg an fi wurde von dem Großpolen nach der jeit 1410 fortwährend gefteigerten Gering- ihägung der Ordensmacht mit wenigem Ernfte behandelt. Nicht Rampfesluft hatte die Großpolen fo zahlreich zuſammengeſchart, fondern die Überzeugung, daß jetzt der Augenblick gekommen fei, um eine das innere Staatsleben Polens betreffende Frage zum Austrag zu bringen. Am Borabend einer für die preußiiche Angelegenheit jo jehr enticheidenden Schlacht glaubte der Adel den König am ficherften in Händen zu haben, und er irrte fich darin nicht. Da ihm mit der Auffündigung bes Gehorſams gedroht wurde, gab Kafimir dem Andringen des Adels nach und gewährte ibm am 15. September zu Zirkwig, zwei Meilen von Konik, ein Privilegium, von deſſen tief einjchneidender Be⸗ beutung im folgenden Kapitel die Rede fein wird. Es war die Ertrogung von Rechten, wie fie der Adel in ſolchem Um⸗ fang noch nicht befefjen, und der unedelmütig errungene Triumph ließ den Übermut der Szlachta ungemein in bie Höhe gehen. Die einen meinten ſchon Durch das Peitſchenknallen ihrer Fuhr⸗ leute das feindliche Heer auseinanderzujagen, andere hofften keinen Schwertichlag thun zu bürfen und die Deutichen mit den Pferden „ertreten“ zu können, noch andere würfelten am Abend vor dem Kampfe mit einander um die Zahl der zu Erlegenden. In früheren Kriegen mit dem Orden wurde jedesmal, namentlich wenn eine Schlacht erwartet wurde, ein erfahrener Krieggmann an die Spiße geftellt; bier aber glaubte

1) „Propriis impensis et expensis“, heißt es ausdrücklich in ber Urkunde bei Bandtkie, Jus pol. 265. Caro, Geſchichte Polens. V. 1. . 3

34 Elftes Bud. Erfte Kapitel. (1454.)

man bei der Überzahl der Polen und der Unfcheinbarkeit des Teindes folcher Vorficht nicht zu bevürfen. Die großpolnifchen Wojewoden und Würdenträger glaubten der Heerführung bin- reichend gewachlen zu fein. Am 18. September fand nun bie Schlacht bei Konig mit den Solbtruppen des Ordens ftatt. Dean kann nicht jagen, daß das Gefühl der gefteigerten Rechte und das Bewußtſein, daß die Erfüllung und Durdführung berielben von dem Siege abhängig find, auch den Mut ber polnischen Ritter gehoben hätten, denn fie erlitten .eine Niever- Yage, von ber die deutſchen Chroniken in feltener Übereinftim- mung mit dem polnifchen Dfugofz der Anficht find, „daß, feit Polen ein Königreich geweien, es nicht ſolche Schande und ſolchen Schaden erfahren habe” 1). Stanislaw von Oftrorog, der Wojewode von Kaliich, floh mit feinem Panier und feinem ganzen Gefolge, und Lukas von Gorka, der Wojewobe von Bofen, geriet neben Nikolaus von Szarlej ſchmachvoll in Ge- fangenſchaft. Fünf polniihe Banner wurden erobert und in der Schloßfirche zu Marienburg aufgehängt. Auch die Sieger hatten jchwere Verluſte zu beflagen, und ber fchwerfte fcheint der Tod des Herzogs Rudolf von Sagan geweien zu fein. König Kafimir felbft entlam nur mit Inapper Not 2), und mit einem Keinen Häuflein eilte er nach Thorn zurüd. Die Folgen

1) Altere Hochmeiſterchronik in Script. rer. Prufs. III, 680. Ge- fhichte wegen eine8 Bunbes, ebd. IV, 136. Dingofz XII, 157: „cum similis ruina a tam tenui et debili hoste nunquam in annali- bus regno et populo Polonico legitur accidisse.“ Bgl. auch den Brief im Cod. epist. saec. XV, 161.

2) Die Kronika Bychowca, p. 58, bat gar wunderliches Zeug mit ihren Verwechſelungen und Sonberlichleiten inbetrefi der Schlacht bei Konig, und body ftedt Kinter dem Wirrwarr ein Kern, ber wie ber Bericht eines auffehneidenden Titanifchen Augenzengen ausſieht. Über des Königs Flucht eine unfaubere Sage in Hist. brevis magistrorum, Seript. rer. Prufs. IV, 269. Einige anberwärts nicht erwähnte Detail über bie Schlacht bei Konig in der Hanbichrift ber Rhebigerfchen Bibl. in Breslau von den interpolierten Stari letopisowe éestij. Auch Aeneas Syl- vius, De statu Europ., bat eine furze Schilderung der Schlacht. Nach⸗ richten über die Schlacht mit übertriebenen Zablenangaben in Ann. Glogovienses. Script. rer. Siles. X, 17.

——

Folgen der Schlacht. 35

dieſer Schlacht, in welcher wieder ein Graf Heinrich von Plauen ſeinen Namen an den Rettungsmoment des Ordens geknüpft hatte, waren von ungeahnter Bedeutung. Sehen wir von dem Rüchſhlag, den er auf die inneren Bewegungen in Polen hervor⸗ brachte, vorläufig ab, jo war ohne diefen Sieg der Fall Marien⸗ burgs nur noch eine Frage der Zeit, und bie gründliche Auf- räumung ber Ordensherrſchaft, welche der erfte Rebellionsjturm herbeigeführt Hatte, blieb dann für alle Zeit beftehen. Sekt aber ordneten fi die DVerbältniffe auf ihr Maß. Die Ber Iogerung von Marienburg brachen die Bündiſchen alsbald ab; Stuhm, Preußiſch Mark, Saalfeld, Liebmühl, das Gebiet von Dfterode, Mewe, Chriftburg, Deutfh Eylau, Neumarl, Hobenftein, Marienwerder, Rieſenburg, Biſchofswerder, Frei⸗ ſtadt, Leſſen, Schönberg erklärten ſich wieder für den Orden. Auch die Biſchöfe von Pomeſanien und Samland wußten ihrem der polniſchen Krone geleiſteten Eide eine Deutung zugunſten der neuen Verhältniſſe zu geben. Nur die Furcht vor den Räubereien der Bündiſchen und Polen hielt manchen ſelbſt im Culmerland zurück, ſich dem Orden wieder zuzuwenden, und hätte nicht zu Marienburg die ſouveräne Unfähigkeit eines be⸗ ſchränkten Mannes als Hochmeiſter das Scepter geführt, ſo würde die Wendung der Dinge bald zu einer definitiven be⸗ feftigt worden fein. Indem aber Ludwig von Erlichshaufen om 9. Dftober mit den Sölonern einen Bertrag fchloß, nad welchem, wenn bis zu Faſtnacht nächſten Jahres die Löhnung nicht entrichtet wäre, Marienburg famt allen Ordensſchlöſſern in Preußen und in der Neumark den Söldnern zur freien Veräußerung und Verfügung anbeimfallen jollte, gab er fi jelbft auf und zeichnete dem kommenden Unglüd die ficheren Wege vor. Mit diefem PVertrage betrachtet fih der Orden nicht mehr auf der Höhe einer Dynaſtie, ſondern als eine Art von Erwerbögejellichaft in gleichem Stande mit jener böhmiſch⸗ deutichen Söldnerſchaft.

Sn Polen aber fühlte man allgemein die Notwenbigfeit, die Niederlage bei Konitz durch eine That wieder gutzumachen. dir den gläubigen Sinn mancher Klerikalen und ihrer An-

3*

36 Elftes Bud. Erftes Kapitel. (1454.)

hänger mochte e8 genügt haben, ſich das Strafgericht Gottes mit der verweigerten Aufhebung der Judenprivilegien natürlich und ausreichend zu erflären, aber obwohl man fich aufleiten der Gegenpartei gegen dieſen unjinnigen und vorgewendeten Raufalnerus gar nicht fträubte und gern bereit war, den Wün⸗ fchen der Frommen in diefem Punkte nachzulommen, jo meinte man doch damit allein die Erforberniffe des Augenblids noch nicht erichöpft zu haben. Nach einer tieferen Erwägung der inneren politiichen Berbältniffe Polens in dieſem inhaltsreichen Zeitpuntte, wird e8 überhaupt zweifelhaft, ob die Klerifalen mit ihrem damals noch lebenden Oberhaupte Zbigniew Dieb- nidi an der Spike, die Niederlage von Konig, welche zugleich eine Vernichtung der Gefeßgebung von Zirkwig einichloß, um piefer Iehteren willen gar fo jehr bebauerten. Das Beileids⸗ ichreiben des Kardinals an den König ift Talt, froftig und ge» ihäftsmäßig ). Ausgelprochen durfte das freilich nicht werben, man mußte im Gegenteil „ven Zorn Gottes“ in den büfterfien Sarben malen, denn je größer und berechtigter die Lamentation, deſto tiefer die Verurteilung der Männer, welche die Haupt thäter bei der Katajtvophe von Konitz waren. Nicht genug, daß in Preußen jelbft durch biefelbe eine für Polen jo un⸗ günftige Wendung hervorgerufen wurde, nahm bie gebäffige Beurteilung, welche die polniiche Politik im Sommer aller» orten gefunden batte, nach der Niederlage einen brennenden Charakter an. Die Prahlereien der Gejandten an Höfen und Neichstagen draußen waren zu ſchmählich zufchanden geworben. Die VBermittelungsverjuche, welche jet von verichievenen Seiten angeboten wurden, von dem Böhmenkönige Ladislaw, von dem Kurfürften von Brandenburg, vom Bapfte Nikolaus V. u. a. hatten das Welen einer beleivigenden Patronage. Man war an vielen Orten ver Überzeugung, daß Polen jegt mit Geld oder allenfalld mit ber Abtretung von Pommerellen abzufindes fein würde, und auch das, ſchrieb Balthafar von Sagan au ben Hochmeiſter, follte ex nicht bewilligen. Mit einem Worte,

1) Cod. epist. saec. XV, 157.

Folgen der Shladt. 37

ber polniiche Kredit war dermaßen in ber öffentlichen Mei⸗ kung gefunfen, daß ein ſtarker Rückſchlag in dem Vertrauen der Bündiſchen trog der augenblidlichen Verſicherungen des Gegenteils unausbleiblich fchien, wenn nicht eine erneute That wieder die Hoffnungen beflügelte. In foldher Erwägung erließ nun SRafimir ein Aufgebot aller polntichen Provinzen mit Aus ſchluß von Lemberg und Podolien, und „diejem Befehl“, fagt der zeitgendffifche Kralauer Domberr, „wurde fofort gehordt; mit Haft und Eile erhob ſich das ganze Reich; einer ermunterte den andern“ aber wir meinen, ber Berichterftatter täufcht fih, wenn er hinzuſetzt: „die gemeinfame Schmach zu ber» wiichen". Nach Maßgabe der Erfolge diejes neuen Feldzugs icheint e8 wiederum nicht Kriegseifer gewefen zu jein, welcher „die Haft und Eile“ der zufammenftrömenven Polen entzündete, fondern die Erwägung, daß der gegenwärtige Augenblick eine der folgenreichiten Entjcheivungen für das innere Staatsleben Polens enthalte.

Zweites Kapitel, Die Geſetzgebung von Neſſau.

Als die Preußen dem Könige Kaſimir ihr Land und ihren Gehorſam antrugen, war Polen im Innern von Gärungen bewegt, die ihrem Weſen nach eine Menge von Vergleichungs⸗ punkten mit den in England vorgekommenen Verfaſſungskämpfen aufweiſen, und die preußiſche Angelegenheit greift in dieſe Bewegungen mit einer Wirkung ein, deren ſich die Bündiſchen im Ordenslande, wie es ſcheint, nicht ganz bewußt ſind. Wie⸗ derum aber iſt die Klage voranzuſchicken, daß wir über den Ver⸗ lauf derſelben nur durch die Verknüpfung einiger weniger ſicherer Anhaltspunkte und notdürftig unterrichten können, und daß Dlugoſz in ſeiner Einſeitigkeit und vermöge ſeines klerikalen Standpunkts,

38 Elftes Bud. Zweites Kapitel.

auch wenn man jein Werft mit Kritik und Schärfe lieſt, eine ungenügende Quelle für Vorgänge foldyer Art bleibt. Bei dem fiets im Auge zu bebaltenden Charakter dieſes Mannes und jeines Geſchichtswerks find namentlich bei Fragen über innere Verhältniſſe die feinem Unmut ober jeiner Leidenjchaft entjchlüpfenden Andeutungen oft ungleich wertvoller als die von ihm beabfichtigte, auf jeine Gegenwart und Nachwelt berechnete Erzählung. PVergegenwärtigt man fi das Bild, welches er von dem ftaatlichen Zuftande Polens im 15. Jahrhundert ver- mittelt, jo liegt, wenn auch nicht formell doch thatfächlich, alle Autorität in der Band der aus ben oberjten Prälaten und Baronen, d. i. den höchſten Würbenträgern, ven Wojewoben, Staroften, Kaftellanen und Landrichtern zufammengejegten Ber» fammlung, die mit überlegener, immer zutreffender Weisheit, mit ſtaatskluger Mäßigung, mit ebenfo wohl tief patriotifchent als gottergebenem, d. 5. Firchentreuem Verſtändnis die öffent» lichen Angelegenheiten leitet, die Verirrungen der teild aus perjönlicher Unvollfommenbeit, teild aus Leivenichaft und Vor⸗ urteil fündigenden Könige berichtigt, rügt, züchtigt, und Die aus der „Kommunität“ des Adels ab und zu bervorbrechenven Widerftände bald durch milde Überredung, bald durch ftarke und energiiche Haltung oder auch wohl durch einen Fräftig ge- führten Schlag zurüdweift. Allerdings giebt e8 auch innerhalb diefer Verſammlung Meinungsdivergenzen; nicht alle ſtehen gleich im Anfang einer Verhandlung in den Überzeugungen weijefter Einficht, aber dann darf bloß diefe oder jene mit Anfehen um⸗ kleidete Perjönlichleit die Stimme der Vernunft, die in ber Regel, ja faft immer auf der Seite des Herilalen Interefjes ijt, erheben, dann fällt ihr die ganze VBerfammlung bei, und wenn nicht volle Einftimmigfeit, jo doch eine überwältigende Majorität bildet dann für gewöhnlich den erhebenden Ausgang ſolcher Dis- tujfionen. So ernft, jo charaktervoll, jo würdig ericheint un⸗ jerem Berichterftatter diefe leitende Körperichaft, daß er einmal in feiner Ergriffenheit und in feiner humaniſtiſchen Anſchau⸗ ungsweife den Senat bes alten Rom wieder vor fich zu ſehen glaubt. Je timpofanter aber dieſe Körperichaft ihm erfcheint,

Diugofz s Staatsroman. 39

und je mehr er fie mit den jumpatbiichiten Gefühlen umfaßt, beito widriger ijt ihm jeder Verſuch eines Widerftands gegen diefelbe, deſto gehäſſigere Gefichtspuntte wirft er auf jeben Zweifel an ihre unfehlbare, höchſte Weisheit. Homer hat die DOppofition des Therſites nicht ſchwärzer gejchilvert, als Dlu⸗ golz die gegen die „primores“ gegen die „praelati barones et proceres“. Bald find es verächtlich wenige, die Widerſpruch erheben, bald find es intereffierte, felbftjüchtigen Zwecken nach» gehende, bald gar beftochene Leute; bald find es firchenflüchtige, mit der Schmach des Hufitentums oder jonjt durch Verbrechen beflecte, bald gar von Wahnfinn und Gehirnaffektion berückte Menſchen; namentlich aber find es „jüngere Leute“ (juniores), die wir geradezu dem Dlugoſz nad) als die oppofitionelle Partei an fich bezeichnen können. Unzweifelbaft will Dlugoſz jelbit den Ausdruck nicht im eigentlihen Sinne genommen wiſſen, denn wenn er gelegentlich unter dieſe juniores auch die nach vem Tode Wladyslaw Jagiellos eingefegten Tutoren rechnet ?), jo kann man doch die Altershöhe nicht als das charafterijie- rende Merkmal der Mitglieder diejer Partei anſehen. Wir Haben vielmehr hier ein Sung-Polen vor und, welches durch Bergleich mit analogen Parteiungen des 19. Jahrhunderts fich veranichaulichen läßt. Bon dieſer Partei läßt nun unjer Ehronift jeden jchlimmen Nat, jedes mißglüdte Unternehmen ausgeben; fie ijt ftetS die neuerungsjüchtige, die wüthende, die finnloje, die thörichte Partei. Und was für Thorheit läßt er fie zuweilen zumarkte bringen, und mit welch findifchen Mitteln, mit welch unlogiichen Reden läßt er fie von der regierenden Bartei in die Schranken gewiefen werden. Und wie zum Be⸗ weije, daß wir uns bei dieſer ganzen einfeitigen und parteiiichen Darftellung auf unzuverläjfigem Boden befinden, vertujcht und verjchweigt diefer jonft fo breite und nach Vollſtändigkeit ftre- bende Berichterftatter Konflikte, die er nach der Sachlage kennen mußte.

Schon in den Reibungen zwiſchen dem Sönige und dem

1) XIL, 107.

40 Elftes Bud. Zweites Kapitel.

Kardinal hatte indes dieſer Gefchichtichreiber fich fo fehr ala entichiedener und eingenommener Parteigänger erwiefen, daß man die größten Bedenken haben muß, ihm darin zu folgen, wenn er alle Bejonnenheit nur auf der einen, alle Unvernunft auf der andern Seite ſucht. So viel tft allerdings ficher, daß e8 eine ſolche Partei „der Büngeren“ in der That gab. Sie war es, um nur die zwanzig Jahre feit dem Tode Jagiellos zu überbliden, welche fich in Opatow verfanmelt, um die Er- nennung eines minorennen Königs und eine Regentſchaft unter dem Einfluß des krakauer Biſchofs zu veräindern; fie iſt es, die zweit Jahre jpäter folchen Aufruhr veranlaßt, daß der Richt⸗ tag in Krakau unterbrochen werden muß; fie tft es, die auf die Annahme der böhmilchen Krone dringt und foldhe „Unord⸗ nungen” berbeiführt, daß der offizielle Reichdtay eine Konföde- ration zum Schutze der Religion aufftellen muß; fie iſt es, die ein Jahr ſpäter einen „Rokosz“ erhebt, um die unabweis- lich notwendigen „Reformen“ herbeizuführen, und auch Leute aus den Kommunitäten in Das Zribunal des Landgerichts ge- zogen wiljen will; fie ift es, bie anfänglich die Annahme der ungarifchen Krone billigt, fi) aber mit Kühle von dem Unter» nehmen abwendet, als dasfelbe feine Tlerikal- politiiche Seite enthüllt; fie ift e8, welche während des Baſeler Konzils die Neutralität Polens erzwingt, und nad) dem Tode Wladyslaw ILL. fih für die Wahl Boleslaws von Majowien interefjiert; fie it es insbeſondere, welche die antiflerifale Politik Kaſimirs unterftügt, aber fort und fort auf die „Konfirmation der Privilegien” befteht, und als dieſe rein formell erfolgt war, eine tiefe Unzufriedenheit wegen ver Unterlaffung weiterer Reformen im Herzen trägt; fie ift ed, die auf den Augenblid mit Spannung wartet, da die Krone in die Lage kommen würbe, fich ihren Bedingungen fügen zu müſſen es ijt mit einem Worte die nationale Partei, welche mit ſchwerem Unwillen die immer mehr dem Merifalen Einfluß erliegende Oligarchie des Neichätags ertrug. Weder ift diefe Partei jo anrüchig, ale fie der klerikale Chronift barzuftellen beliebt, noch find ihre Forderungen fo thöricht, als er ihr in den Mund legt. Überall

Die Partei der. Jüngeren. 41

wo uns ein Einbli in ihre Zufammenjegung geftattet wird, treten ung Männer von Ernft und Gewicht aus Ihr entgegen, und ganze, große die berrlichiten Geichlechter des Landes, namentlich Oroßpolens, gebören ihr an. Und was fie ver- Iangte, entipradh ebenſo ſehr der vernünftigen Richtung als der Berechtigung, denn man darf die Entwidelung des öffentlichen Rechts in Polen, ja der Gefeßgebung überhaupt, nur in großen Zügen üderfchauen, um fich fofort von dem unfertigen und anbaltbaren Stande derjelben in dem Zeitpunkt, von dem wir reden, zu überzeugen.

Die Geſetzgebung Kafimirs des Großen mit ihrer umfaflend zentralifierenden Tendenz war nichts weniger als ein abge- fchloffenes Werl. So deutlich fie auch den Grundfag aus- geiprochen hatte, daß es ihr darum zu thun fei, die Nechte- einheit der Monarchie zu begründen, fo hatte fie diefes Ziel doch jo wenig erlangt, daß fie vielmehr bejondere Statute für Großpolen, bejondere für Kleinpolen zu erlaflen genötigt war. Eine gemeinfame und die Widerjprüche ausgleichende Redaktion war nicht erfolgt, und da überdies dieſe Statute die Nechts- materieen durchaus nicht erichöpften, jo konnten fie den vollen Wert eined jus scriptum mit der Wirkung einer Schließung oder Verdrängung des Gewohnheitsrechts nicht erlangen. Der bald nach dem großen Verjuch der Schaffung eines Rechtsbuchs erfolgte Tod Kaſimirs und der Ausbruch der Wirren unter dem unfruchtbaren Regiment Ludwigs von Anjou und feiner Tochter Hedwig lähmten den Fortfchritt der Rechtsentwidelung vollends und wehrten nicht nur dem tieferen Einbringen ber Geſetzgebung von Wislica, fondern zogen fie geradezu nur zu einer bloßen Bereicherung des gejeßgeberiichen und wifjenfchaft« lichen Materials herunter. Das reine Gewohnbeitsrecht über- wucherte wieder uneingeſchränkt, und in ihm ging natürlicher» weije auch wieder der Zentraliſationsgedanke Kafimirs vollitändig zurüd, jo daß der föderale Charakter der polntihen Monarchie ſich in der Rechtspraxis wieder hervortretend zeigte und fortbilvete. Und daß fich bei diejem Mangel einer Rechtseinheit und eines erſchöpfen⸗ den Rechtsbuches zahlloſe Mißhelligkeiten und Mißftände erzeugen

42 Elftes Bud. Zweites Kapitel.

mußten, bedarf feiner weiteren Ausführung. Aber vieler Zus ftand blieb auch, al8 nach der Berufung Wladyslaw Iagieflos der Einheitögedanfe im politiichen Leben wieder ich geltend machte. Die Gejeßgebung war ganz ſiſtiert, denn das Recht dazu ruhte in den Kommunitäten des gejamten Adel, und eine vereinigende Vertretung berjelben war in dem Organismus des jagiellonijchen Staates nicht vorhanden. Im einem außer⸗ ordentlichen alle, als es ji um den allgemeinen Schoß ber hufs Einlöſung des verpfändeten Dobrzyn im Jahre 1404 bandelte, wurden zwar bie Delegierten ver Kommunitäten zur ſammenberufen, aber nur eben behufs Bewilligung der Geld⸗ mittel, nicht zur Ausübung ihres Geſetzgebungsrechts. An die Stelle der Geſetzgebung traten bie Privilegien, deren Reihe bereit8 das befannte Kaſchauer Privileg von 1374 einleitet, und deren Gejamtinhalt das Privileg von Krakau vom 9. Januar 1433 darzuitellen jcheint.e Wir müſſen fagen „ſcheint“, denn da uns auffälligerweije nicht alle erteilten Privilegien vorliegen, jo iſt eine den Zweifel ausichließende Prüfung nicht möglid. Erhalten find und die Privilegien von 1386 und 1388, welche Jagiello „aus Anlaß feiner Krönung“ verlieh, ferner das Privilegum von Ezerwinst von 1422 und die aus Anlaß der Anerkennung feines Sohnes als Thron» erben erlaſſenen, welche 1426 entworfen, 1430 zu Yetino anerkannt und 1433 zu Krakau beftätigt wurden. Daß aber inzwilchen noch eine Privilegierung im Jahre 1405 oder 1406 itattgefunden haben muß, geht mit Beſtimmtheit aus der An- gabe Jagiellos in der den Litauern in Horodlo erteilten Eharte vom Sabre 1413 hervor, in der es ausdrücklich heißt !): „alle Briefe, die wir dem Königreiche Polen und den Ländern Litaueng vor acht oder fieben Jahren, und jpäter oder bei Gelegen- beit unjerer Krönung verlieben haben, beftätigen wir bier»

1) Zbiör praw lit. ed. Dziafyısfi, p. 16, art. XV, und Voll. Leg. I, 69. Aud im Statut von Jedtno heißt es: „omnia privilegia dudum circa coronationem nostram et aliis postmodum momentis et temporibus concessimus .. .“ Voll. Leg. I, 90, und Banbtlie, Jus pol., p. 225.

Die Privilegien. 43

mit”. Bon biefen acht oder fieben Jahre vor der Union von Horodfo gegebenen Briefen bat fich aber nichts erhalten, und nur die Zhatjache, daß damals die Kommunitäten behufs Bewilligung der Auslölungsftener für die Dobrzyner Lande einberufen wurden, läßt die Erteilung von neuen Privilegien als in Hobem Maße vermutlich ericheinen ’). Werner: als ſich im Jahre 1438 aus Anlaß des böhmiſchen Krieges der gelamte Reichstag zum Schuge der beftehenden Verfaſſung konföderiert, giebt er den Inhalt des geltenden Staatsrechts als durch bie „zu Poſen, Piotrkow und Jedlno erteilten Briefe“ umichrie- ben an, unter ausprüdlicher Anerkennung verfchievener Redak⸗ tionen derjelben *). Allein weder ein Privileg noch eine Redaktion eines jolchen ijt uns befannt, die „zu Poſen“ ausgeftellt wäre. Dbwohl nun die früheren Privilegien neben jpäteren immer noch, wofern fie fonfirmiert find, Geltung behalten, liegt es in der Natur der Sache, daß die fjpäteren in allem Weſentlichen die früheren mit einjchließen. Und dies iſt auch mit dem Privileg von Jedino, joweit eine Zufammenftellung mit ben früheren Briefen möglich it, wirklich der Fall. Prüft man aber dieſes umfafjende Privileg auf jeinen Inhalt, fo zeigt es fih ganz flärlich al8 eine Kompilation der beiden Privilegien von Piotrlow (1388) und von Ezerwinsf (1422). Die redaktionellen Verſchiedenheiten können natürlich nicht in Betracht kommen, und faßt man das Mlaterielle ind Auge, jo ericheint es auf den erſten Blick unerflärlih, warum Wladyslaw Jagiello bie Anerkennung der Thronfolge feines Sohnes aufs Spiel jegend,

1) Durch die von Bobrzynsti und Szujski in den Rozprawy wydziafu hist. filoz. akademii I, 108sqg. mitgeteilten Urkunden wird diefe Wahrfcheinlichkeit fehr gefteigert, obwohl ih num freilich die zweite diefer Urkunde bezüglich dc8 Datums anzweifeln muß. Zum Verſtändnis ber erſten ift nachzutragen, daß fie offenbar nur auf Dobrzyn bezüglich beroorgerufen ift durch den 1405 erfolgten Eintritt desſelben in ben pol⸗ niſchen Reichsverband al8 „terra“.

2) Voll. Legg. I, 140: „visis literis praedecessorum nostrorum Posnaniae Petricoviae et in Jedina factis, circa easdem literas et . earum articulos (sub quacunque forma verborum exstant confecti) remanere volumus.“

44 Elfte3 Bud. Zweites Kapitel.

einen vierjäßrigen harten Widerftand gegen die Beſtätigung geleiftet hat, over wenn man bedenkt, daß Sagiello in ven Jahren 1426 bis 1430 doch nur das gefügige Organ der hoben Ariftofratie und Prälatur war, warum biefe nicht fofort zu einer Einigung darüber gelangte, da es fi) doch nur um eine Konfirmierung des beftehenden Staatsrechts handel. Wir baben ſchon früher (oben Teil III, ©. 590 f.) das Verhältnis dieſes Privilegs zu den voraufgegangenen auseinandergejett, und haben Hier nur noch auf einen Punkt vorzugsweile unfere Aufmerkjamkeit zu richten. In der Urkunde von Czerwinsk heißt e8 wörtlich folgendermaßen: „ba wir in allen Ländern, welche unjer Reich umfaßt, als einheitlicher Fürſt und Herr regieren, fo wäre es unbillig, das ung unterthänige und unter unjerer Regierung ftehende Volk durch verichievene Rechtsformen in verſchiedene Gerichtsbarkeiten auseinandergehen zu laffen, und wir verordnen daher, daß alle und die einzelnen Individuen in unjerem Reich, von welchem Verhältnis, Stand, Grad, Amt, fie auch fein mögen, injofern fie Prozeſſe unferen Landgerichten unterbreiten oder unterbreiten wollen, im einzelnen und ins⸗ gefamt desjelben Rechts, desſelben Verfahrens, verjelben Ge- wohnbeiten und Gebräuche durch das ganze Reich binburch teilbaftig werben follen, und daß fein Gerichtöhalter es wage, ein anderes Verfahren, andere Gebräuche und Gewohnheiten inbezug auf die Termine und Urteile in Anwendung zu bringen, als diejenigen, welche das erwähnte Buch und der Rechtsbrauch König Kafimirs (d. Großen) anzeigen, und auf welche in allen Fällen zu refurrieren tft. Jedes andere Rechtsverfahren und Urteil ift als nichtig, wert- und beveutungslos anzuſehen.“ Hier ift demnach das fogenannte Statut von Wislica als alleingültiges allgemeines Landrecht unter Ausichluß der partikularen Ge⸗ wohnheitsrechte anerkannt und prinzipiell ein Schritt gejchehen, ber fich jofort auch ftaatsrechtlich auögeftalten mußte, denn da das Statut von Wislica an fich ungenügend und unvollftommen einer weiteren Fortbildung bedurfte, und das Recht der Geſetz⸗ gebung bei den Kommunitäten des Adels der verichievenen Land⸗ ſchaften ruhete, jo mußte notiwendig ein Organ gefchaffen werben,

Die Kommunitäten,. 45

in welchem viejelben in legaler Form vertreten waren. Daß dies die Tendenz der Forderung von Czerwinsk geweſen ſei, geht teilweile aus der Art hervor, wie basielbe dem Könige abgebrungen wurde. Wladyslaw Jagiello war damals nicht, wie in der Regel, von ben bloßen Würbenträgern und ber Brälatur umgeben, fondern von der geſamten zum Kriege wider den Orden aufgebotenen Ritterſchaft. Dean ftand vor dem Übergang der Weichfel, auf deſſen jenfeitigem Ufer ber Feind zu erwarten war. Und mehr als wahrjcheinlich ift es, daß dem Könige die Heerfolge verweigert wurde, wofern er ben Zumutungen des gejamten Adels nicht nachgäbe. So wurde denn das Privilegium von Czerwinsk erzwungen, und unftreitig ift das umfafjende Statut von Warta, welches 1423 behufs Ergänzung der Kafimirichen Geſetzgebung neben der allgemein gültigen Schlußrebaltion des Statutd von Wislica erlaffen wurde, bie Ausführung des in jenem Privilegium zugejagten Artikels geweien ’). Im welcher Weije Hierbei die Kommuni⸗ täten des Adeld vertreten waren, wiljen wir nicht. ALS es fich in demjelben Herbft 1423 um den Erlaß eines Geſetzes wider die Hufiten handelte, berief der König die kleinpolniſchen Kom⸗ munitäten nad Neuftadt-Korezyn, und nachdem diefelben einen Entwurf genehmigt Hatten, gingen zwei kleinpolniſche Barone nah Großpolen, um zu erfahren, wie jene barüber denken; dann follten je zwei Vertreter von jedem Wappen nad Wislica kommen, um eine gemeinfame Nebaltion des Geſetzes zu be» raten ?). Auch bei den gegen das Lebensende Jagiellos ftatt- findenvden Huldigungen der Adelskommunitäten finden wir jebe verfelben zujammengefegt aus den hohen Würbenträgern umd je zwei Nepräjentanten jeden Wappens ?)., Ob nun dieſes gentiliijche Vertretungsprinzip nur innerhalb der Kommunität jelbft oder auch behufs ihrer Vertretung auf dem Reichstage geltend gemacht wurde, bleibt uns unerjchloffen. In jedem

1) Bgl. Helcel, Pomniki I, Einl. ©. ccuıx ff.

2) Schreiben Jagiellos an Witofd im Lib. canc. Stan. Ciolek I, 37 [355], no. VIIL

3) Urkunden in Muczt. & Rz3y8;. Cod. dipl. Pol. II, 850. 856.

46 Elftes Bud. Zweites Kapitel.

Falle aber fpielten die Vertreter der Kommunitäten, injofern ſie nicht Würbenträger waren, gegenüber der Ariftofratie, den Dffizialen und Prälaten auf dem Reichstage eine ſehr unter- georbnete Rolle. In dem Privileg von Jedlno erfcheint jene “in Czerwitisk jo poſitiv ausgebrüdte und betonte Rechtseinheit in einer ganz auffälligen Abſchwächung, und die Zufage der Durdführung „von einerlei Necht und Gefeg in allen Ländern der Monarchie” blieb auf dem Papiere ftehen. Die leitende Ariftofratie, faft ganz den klerikalen Einflüffen unterliegend, hatte Fein Interejfe daran, die Kommunitäten zur Ausübung ihres Gejeßgebungsrechts herbeizurufen; ber junge König Wla⸗ dyslaw, erſt fünf Jahre fang minorenn, dann vier Jahre von Polen abwejend, immer aber in den Händen der Klerifalen und der Ariftofratie war natürlich nicht der Mann, um ber Geſetzgebung im Sinne Kafimird des Großen den Anftoß zu geben, und fo lag diejelbe denn volllommen brach. Daß aber auch die Einführung des Gefetbuches und die Verbrängung des Gewohnheitsrechts nicht durch das bloße Dekret fchon voll» zogen waren, verjteht fich von felbjt; eine große Verwirrung der Nechtöpflege in den Provinzen riß ein, welche dadurch in feiner Weije gemildert wurde, daß die Krone zumeilen, unb zwar nicht bloß der König, fondern auch die Königin aus ſou⸗ veräner Machtvollkommenheit in den Lauf des Gerichtsverfahrens eingriff ?).

Daß eine in ihrer Ausbildung ftehenbleibende Gejekgebung Gefetlofigfeit erzeugt, ift ein allbelannter Erfahrungsſatz. Die Zuftände waren allgemach unerträglich geworben. Die Lande gerichte wurden nicht in ben beftimmten Zeiten abgehalten, bie Kompetenzen der richterlichen Beamten, der Staroften, ber Landrichter, der Kaftellane wurden unklar; einer griff aus Sntereffe in den Geichäftsbereich des andern über; die Spor- teln mehrten fi) aus Mangel beftimmter BVBerfügungen; Be⸗ amte entzogen fi unter Vorwänden ber Gerichtsbarkeit. Be⸗

1) Bobrzynski citiert als folhe Fälle aus Helcels Pomniti II, no. 661. 909. 1161. 1237. 1425 u. a.

Ariftofratie und Kommunität. 47

ihwerven folcher Art kamen natürlich vornehmlich in den Kom⸗ munitäten zum Ausdrud. Der Reichstag Hatte dafür Fein Ohr. Im Neichdtage waren nach und nach nur einige Sippen vertreten, denn wenn auch gejeßlich die Erblichkeit der zur Mitgliedſchaft des Reichstags berechtigenden Amter keineswegs beſtand, ſo bildete fie ſich doch thatſächlich aus, und da die Hofämter gleichfalls die Mitgliedſchaft des Reichsſstags als Eigenichaft beſaßen, und dieſe meiftenteil8 mit Kleinpolen be- jegt wurden, jo batte die krakauiſche Kommunität, auch abges ſehen von dem Umftand, daß die Lage ber füniglichen Reſidenz in ihrer Provinz ihr ein Übergewicht lieh, eine unverhältnis⸗ mäßig wirkungsreihe Stimme im Nate des Könige. Und während in den Kommunitäten fich immer mehr politiiches Leben und Intereſſe an den öffentlichen Angelegenheiten ent- widelten, wurde die Neichstagsariftofratie immer mehr in bie Srrgänge der fie beberrichenden klerikalen Politik verwidelt. Die Prälatur, in ihren Spiten mit der Ariftofratie aufs engfte verfippt und verbündet, Hatte im Genuffe ihres kanoniſchen Rechts und ihrer Sonderprivilegien fein Intereſſe an der Ent⸗ widelung der weltlichen Geſetzgebung, welche den Kommuntitäten ein höheres Gewicht im Staate verfchaffen mußte. Ohnehin lag der Klerus mit den weltlichen Kommunitäten über Zehnten, Gerichtsbarkeit und andere Dinge in einem erbitterten und permanenten Streit, wie hätte er zur Anregung einer allge meinen Fortbildung ber jälulären Gefetgebung, die doch nur zum Schaden des partifularen Kirchenrechts ausgefallen fein würde, fich veranlagt ſehen jollen? Unter ſolchen Verhältniſſen tonnte es nicht fehlen, daß auf ben Neichdtagen immer häufiger und erbitterter die „Oppofition der Süngeren“, das heißt der von dem zufammenbängenden Klerus und der hoben Arijtofratie nicht mit Eingefchloffenen hervorbrach, und dieſe offen hervor⸗ tretende Unzufriebenheit war nur ein ſchwacher Ausdruck der in den Kommunitäten brütenden. Wir wifjen, wie der Klerus für die Fügſamkeit gegen feine Herrihaft und Xeitung der hoben Ariftofratie die Spoliation der königlichen Renten geftattete, und wie für Geld „Burgen und Landfchaften mit und ohne

48 Elftes Bud. Zweites Kapitel.

Starofteien“ zu haben waren. Kaum beburfte e8 aber bei den Rommunitäten der patriotifchen Überzeugung, die fie ſpäter ausfprachen, „daß die Burgen und Landichaften mit Starofteie doch nicht bloß zum Vorteil der Perſon des Könige, ſondern zum Schug und zur Erhaltung des ganzen Reiches vorhanden wären", um eine tiefe Entrüftung über die Verſchleuderung und Verpfänbung verjelben zu empfinden, denn die Folgen laſſen fich jofort überfehen. Mitten in die geſchloſſene Kom⸗ munität einer Provinz trat plöglic in feiner Eigenichaft als Pfandherr einer Löniglichen Staroftei nur vermöge jeiner Geld⸗ vorihüffe ein Mann, der vielleicht gar einer andern Provinz angehörte !), oder wenn auch das nicht, Doch vielleicht innerhalb ber Kommunität zu jo hohen Anjprücen nicht bererhtigt war. Überdies beftimmten bie Privilegien von Kaſchau, Korczyn, Piotrkow und alle folgenden, daß die Ämter nicht ohne Dem Beirat der Kommunitäten vergeben werden follen; wenn fie aber Gegenftand der „Obligation”, der BVerpfändung wurben, dann wurde eins ber wichtigiten Rechte bes Provinzialadelg umgangen. Unaufbörlicher Streit jcheint auch zwifchen den Zenutarien fisfaliiher Güter oder fogenannter Güter der „königlichen Tafel" und den Nachbarn wegen Übergriffe be- ftanden zu haben, denn immer von neuem müflen bie Privi⸗ legien zufichern, daß die Krone jeder Forderung einer „Limir tation“ durch geeignete Organe entjprechen wolle. Auf ver andern Seite wieder ftanden die Kommunitäten im Unterfchied von der Krone und dem regierenden Klerus in einem feind«- feligen Verhältnis zu den Städten. Diefe Iegteren nahmen von ihrem allgemeinen Geſichtspunkt feinen Anftoß an ver fremden Nationalität der ganz vorwiegend deutichen Bürger- ichaften, Die Kommunitäten aber, in denen die Nationalität im engeren Sinne des Wortes, auch abgejehen von ven ftän- diſchen DBorurteilen, das hauptſächlichſte charakteriſtiſche Merk

1) Bei Dzierslaw von Rytwian, bem nah Sandomir gehörigen, ber aber nichtsdeſtoweniger die „terra Chelmensis“ als Pfand erhält, fieht man einen ſolchen Fall recht klar. Vgl. Urt. im Inv. areh. Crac. p. 241.

Beſchwerden der Kommunitäten. 49

mal war, empfanden ſchon aus biefem Grunde gegen fie ben lebhafteſten Wiverwillen. Nun famen pofitive Klagen Hinzu. Die Bürgerjchaften fchränften in der Ausübung ihrer Markt polizei den Handelsverkehr oft „zu ihrem Nugen und zum Schaden anderer” will jagen ber Edelleute ein, und was noch fchlimmer war, indem fie nach der Art des deutſchen Piahlbürgertums die von den Höfen der Edelleute „flüchtig Gewordenen“ in ihre Jurisdiktion aufnaßmen, gewährten fie ihnen Schuß und Sicherheit und kümmerten fich wenig um „vie Requiſition“ der Grundberren und ihre Berufung auf das Landrecht. Indes kann es unfere Aufgabe nicht fein, allen ven Beſchwerden der Kommunitäten im einzelnen nach⸗ zugeben. Für die allgemeine Beurteilung ber inneren Ver⸗ bältniffe Polens ergeben ſich die Thatfachen, daß der Reichstag durch feinen ausjchlieglich ariftofratiihen Charakter feine aus- reichende Vertretung für die Intereffen des gefamten Adels bot, und daß den Kommunitäten mit jener Serbeiziehung bei ganz außerordentlichen Gelegenheiten und dem bloßen Recht einer zufälligen und ungeorbneten Ajfiftenz der Verſammlungen nicht Genüge geſchah. Die Kommunitäten und ber Reichstag Batten feinen organtichen Zuſammenhang, und während ver lettere ſich bis zur Schwäche der klerikalen Führung überließ, berrichte in jenen ein tobender Widerwille gegen das theofra- tiiche Regiment.

So ungefähr lagen die Dinge, als Kafimir der Yagiellonide die Regierung antrat, und wir wiljen, daß er fich ſechs Jahre lang iperrte, bie Konfirmation ber Privilegien auszufprechen.

Wenn auch oben (Zeil IV, ©. 434ff.) zur Begründung dieſer

Weigerung das Schwergewicht auf den moralifchen Konflikt ber Konftitutionseide in Litauen und Polen gelegt ift, jo fol keinedwegs in dieſem Umftand allein das Motiv Kaſimirs ge- fmden werben. Sahben wir doch, daß er jchlieflih, als bie Gefahr eines allgemeinen Abfalls drohte, ſich über denjelben hinwegzuſetzen imſtande war. Aber der junge König war augen ſcheinlich noch von ganz anderen Rückſichten beherrſcht. Ihm Ingen, als er nach Polen kam, zwei Wege often: entweder Caro, GSeſchichte Polens. V. 1.

50 Elftes Bud. Zweites Kapitel.

fügte er fih auf die Kommunitäten, ſchuf ihnen eine geordnete Bertretung neben dem ariftofratiichen Reichstag zur Ausübung ihres Gefeßgebungsrechts, und zwar nicht im provinzialen, ſon⸗ dern gefamtftantlichen Sinne, dann kam es folgeredht zum parlamentarifchen Einheitsftaat; oder er riß das Geſetzgebungs⸗ recht an fih und verfchaffte fih durch Pflege der Intereſſen und Bebürfniffe aller Stände ein Übergewicht über den Herikal- ariftofratifchen Reichsſtag, und dann würde ſich die abjolute Monarchie als Ergebnis entwidelt haben. Keinen diejer beiden entjcheivenden wenn auch ertremen und große Thatkraft er- forbernden Wege einzufchlagen, konnte Kaſimir fich entichließen, fonvdern er verjuchte lavierend einen vermittelnden. Wohl war er zunächit entichloffen, fich dem klerikal⸗ariſtokratiſchen Reichs⸗ tage nicht als willenlojes Werkzeug, wie fein Bruder gethan batte, zu überlafjen, was eine einfache Konfirmation der Pri- pilegien wie die von 1438 bewirkt haben würde. Und in diefem Vorſatz verweigerte er die Beitätigung und erhob einen Leidenjchaftlichen Krieg wider den Klerus, indem er das Er- nennungsrecht der Bilhöfe in Anſpruch nahm und den Kar- dinalat des Krakauer Biſchofs zu Hintertreiben ſuchte. Es ift bereits hervorgehoben worden, wie jehr.er ſich in dieſem Vor⸗ gange der Unterſtützung der nationalen Parteien, derer, welche Dlkugoſz „die Jüngeren” nennt, zu erfreuen hatte, aber natürlich erwarteten eben biejelben eine Förderung ihrer Wünfche, Ab- hilfe ihrer Beſchwerden und eine ihrem Programm ent|prechende Politik. ALS jedoch der König fi) dem entzog, ftand er dem nach Bergeltung dürſtenden und um fein Prinzipat kämpfenden Klerus machtlos gegenüber. Alles verſchwor fich wider ihn, und in jener Kataftrophe zu Piotrkow börte er von Älteren und Jüngeren die Auffündigung des Gehorſams, wofern er nicht die Privilegien beftätigtee So ericheint es mit gutem runde, daß wir bier in Piotrlom zum erjtenmale die bobe Prälatur und Ariftolratie von der Geſamtheit des Adels ört⸗ lih getrennt auftreten jehen, und aus diefem Begriff der Be wegung erjcheint ed ertlärlich, daß die Prälatur und Ariftokratie eine Delegation des Geſamtadels zur Abnahme des Konfir-

Die Kommunitäten und die preußiſche Frage. 51

mationdeided beranzog !). „Die Prälaten und Barone ver. zichteten darauf”, fagt der Herifale Berichterftatter, „@rößeres zu verlangen“, aber zuverläffig nicht, wie berielbe begründend fortfährt, aus Schonung des empfindlich gewordenen Verhält⸗ nifjes Kafimirs zu den Litauern, denn biefes konnte gar nicht tiefer als durch die Konfirmation geſchah, verwundet werben, ja wurde von den „größeren Borberungen“ gar nicht berührt, jondern weil fie, die Prälaten und Barone, mit der einfachen Beftätigung der Privilegien ohne jeden weiteren Zufab im Beſitz des Regiments und Übergewichts verblieben. Wer aber nicht darauf verzichtete, „Größeres zu verlangen” waren die Rommunitäten, und fie brannten nur auf eine Gelegenheit, ihre Forderungen jo vortragen zu können, daß fie nicht zurüd- gewiefen werden könnten. Sie ließ nicht lange auf fich warten. In zwei Fällen, das Hatten die Erfahrungen von 1404 und 1422 gelehrt, waren die Kommimitäten ganz befonders in ber Lage, ihrem Verlangen einen ganz unentweichbaren Nachdruck zu geben, einmal wenn die Krone fih in Finanznot befand, und eine außerordentliche Auflage von größerem Umfang note wendig wurde, und zweitens im Angeficht des auswärtigen Feindes. Das Anerbieten der preußiichen Bündner mußte aber zur bei- den Gelegenheiten führen, und daher fieht man gerade bie nationale Partei mit heißer Begierde auf die preußtiche Politik Kaſimirs eingeben. Der Führer der Herilalen Bartei, Zbig⸗ niew Olesnicki, durchichaute recht wohl, daß die Krone nach An⸗ nahme der preußiichen Erbietungen mit noch andern Faktoren al8 mit dem Klerus und der Ariftofratie zu rechnen haben würde, und er wiberriet der Annahme nicht bloß, ſondern mochte auch jpäter nichts mit der Sache zu thun Haben. Er

1) Ih muß bier einen Fehler berichtigen, ber fich zu meinem Be- dauern in meine Darftellung ber Vorgänge in Piotrlow oben, Teil IV, ©. 448 eingefhlihen bat. Ich gab dort an, daß Kafimir vor einer Delegation von je 12 Mitgliedern aus jebem der beiden Teile bes Reichs⸗ tags die Konfirmation befchworen habe. Das ſteht bei Diugofz XII, 115 nit, fordern: „primoribus advocatis et duodecim ex communi- tate accersitis in confirmationem jurium consentiens.‘“

4*

52 Giftes Bud. Zweites Kapitel. (1454.)

fei der Berfammlungen müde, fagt er in feinem berühmten Libell im Gegenſatz zu den Schönfärbereien feines Domherrn, in denen man: mehr Zank als Beratung pflegt. Jan Teczynski, der echtefte Repräfentant der ganz vom Merifalen Einfluß ge⸗ Veiteten Ariſtokratie verlangte Aufſchub des Entichluffes, bis man bie litauiſchen Barone gefragt haben würde, denn ftimmten die Litauer zu, und gaben fie die Mannichaften zur Kriegs⸗ führung her, jo wurde bie Krone der Abhängigkeit von Dem guten Willen des Kommunitäten⸗Adels entledigt und kam nicht in Gefahr, Konzeifionen machen zu müffen. Andere von ber Ariftofratenpärtei wünfchten einen Aufihub, um die preußiſche Angelegenheit vor ven Reichotag gebracht zu jehen, wovon num aber wieder bie bünbiihen Gejanbten nichts Hören mochten. Dem Könige jelbft war an der Annahnte viel gelegen, einntal vielleicht in feinem prinzipiellen Gegenſatz wider die Klerifalen, dann aber, weil ihm nach dem Ausorud der Danziger Seub⸗ Boten bie „Lunge (Zunge?) gar fehr auf Danzig Bing“, und nach dem ausbrüdlichen Geſtändnis des Herißalen Berichtes !) fam. ver Beichluß nur durch die Heranziehung „ver Jüngeren in den Rat” endlich zuftande. Eine kurze Weile jchien es, als könnte die ganze preußiſche Erwerbung mit einem fröhlichen Bompzug des Könige nach dem Nieberland ver Weichiel ein- geitrichen werben, und als würde das „königliche Hofgefinbe“ ausreichen, um die Marienburg, das legte Bollwerk des Drbens, ‚mit einem Handftreich zu erichüttern. Da aber ſcholl plöglich mitten in bie Feftlichleiten, denen ſich Kafimir in Thorn überließ, ber Ruf berein,. daß ein anfehnliches Heer unter Rudolf von Sagan dem Orden zubilfe ziehe, und in aller Eile erging ein Aufgebot an die Ritterfchaft von Sroßpolen und Kujawien. Diefen Augenblid Hatte fie erwartet, und ale fie fich in Zirkwitz (Cerekwice) im Angeficht des Feindes befand, legte fie dem Könige ihre. Forderungen mit der Droßung, fi micht zu fchlagen, wofern er fie ablehnte, vor. Dem Könige blieb fein

1) Dsugofz XII, 131: „ut etiam iuniores consilium adhibe- rentur.‘

Das Birkwiger Statut. 53

Ausweg, er unterzeichnete dad Statut von Zirhwig am 15. Sep tember 1454 ?). So wie dasjelbe jet vorliegt, trägt es in bezeichnenber Weiſe den Charakter des Improvifierten, des im Feldlager zajch Hingeworfenen an fich und fieht ganz aus wie ein Kom pt „iuxta minutam‘‘ 3). Ohne Syitem, ohne die Abrundung des Stils, deren fi die Kanzleien befleißigten, find in kurzen Sägen biejenigen Punkte formuliert, weldhe die Beſchwerden des großpolniichen und kujawiſchen Adels betrafen. ‘Die erſten 29 Paragraphen haben ausichließlich auf Großpolen (die Pala- tinate Poſen und Kaliſch), der Reſt auf Kujawien Bezug, und es bleibt zweifelbaft, ob für die leßteren auch Die Bergünitigungen der erfieren gelten. Die wefentlichite Tendenz des ganzen Geſetzgebungsaktes zeigt fich nach zwei Seiten bin gerichtet; einmal tritt offenlundig das Beſtreben hervor, dem kleinern und unbeamteten Edelmann gegen ven größeren und mit Ämtern ansgejtatteten einen größeren Rechtsſchutz zu fchaffen, und vielen ausfchließlich auf das Gefegbuch von Warta (welches vie Geſetz⸗ gebung von Wislica mit enthielt) zu begründen, und zweitens zeigt fich deutlich ein ausgeprägt partilularer Geift mit einer geradezu polemiichen Spike gegen die SKleinpolen und gegen bie Ariftolratie. Dieſer leßtere ſpiegelt ſich beſonders in ver Beitimmung, daß in Zukunft die Hofämter nicht bloß ben Sleinpolen, jondern auch ven Großpolen verliehen werben jollen, und in dem Sage, welder ſchon zu ben eigentümlichiten Mißverſtändniſſen Veranlaſſung gegeben hat und den wir feiner Wichtigleit wegen hierher fegen. Er lautet: „Damit in Zu⸗ funft das Gemeinweſen normaler geleitet werde, geben wir biermit unſeren Willen fund, daß leinerlei neue SInftitutionen im Privstrat beſchloſſen werben follen, und daß feine Kriege exrpebition irgendwie angeregt werbe ohne eine gemeine Landes⸗ verjommlung, daß vielmehr alle neu zu unternebmenden Ans gelegenbeiten in den Verſammlungen der Landesfommunitäten

1) Bandtkie, Jus pol., p. 265. 2) Bgl. Diugofz XI, 486.

54 Elftes Bud. Zweites Kapitel. (1454.)

zuvor behandelt und dann erſt befchlofien und gebilligt werben follen.” Weder tft num mit diefem Sage eine Art von Grund⸗ legung einer modernen parlamentariichen Regierung, eine Ent- Heivung der königlichen Souveränetät zugunften der Landes⸗ verfammlung ausgeſprochen, noch foll damit das Verhältnis der Rommunitäten zum Reichsſtag geordnet werben, fondern die Entfoheivung über neue Einrichtungen und Sriegsunter- nebmungen wird bier einfach in die Kommunitäten zurück⸗ verlegt, wo fie eigentlich und rechtlich immer gelegen bat, und von wo fie nur durch den Mißbrauch der Arijtolratie und der Töniglichen Gewalt Häufig und Iahrzehnte hindurch verrückt worden if. Der Sat ftellt fein neues auf, fondern präcifiert nur ein beftehende8 und vielfach in Verfall gefommenes Recht fchärfer, denn man muß fich hüten, unter „ver gemeinen Landes⸗ verfammlung“ (communis terrestris conventio) etwa® anderes zu verfteßen als die Provinzialverfammlung des Adele. Der Partikularismus der Kommunitäten ftellt fich bier dem zentra- Yifterenden Geifte der Ariftofratie und des Klerus gegenüber. Sehen wir nun weiterhin von den übrigen auf lolale Bes ſchwerden bezüglichen Beftimmungen ab, jo ericheint uns bag Statut von Zirkwitz beinahe noch charakteriftiicher durch das, was es nicht enthält als durch feinen thatfächlichen Inhalt. Wenn man fich entfinnt, daß dasjelbe etwa genau um bie Zeit dem Könige abgerungen worden ift, als Zbigniem Olcs- nicht fein offenes Senpichreiben an den König erließ, fo ift man begierig zuzuſehen, ob fich die großpolniſch⸗kujawiſche Ritter- ſchaft auch für diejenigen Beſchwerden interejjiert, über welche der Führer der Klerikalen einen fo anmaßungspollen Lärm erhoben hat 1). Aber eigentümlicherweije finden wir bier fein Wort über die Abfchaffung der podwoda und der statio, ob⸗ wohl ſonſt die Privilegien immer fie ausdrücklich zu betonen pflegen, und wenn von den Salinen die Rebe ift, jo laufen die Beftimmungen nur auf die Erichliegung näherer Bezugs- quellen hinaus, und was die Judengeſetze anbetrifft, deren Ab⸗

1) Bgl. Teil IV, ©. 468.

Das Zirkwiger Statut. 55

ſchaffung der Kardinal mit dem Gottesmann Capiftrano als allererſte Bedingung eines ftaatlichen Gedeihens hingeftellt Hatten, fo beichränfen fich die Kommunitäten darauf, zu verlangen, daß die Juden micht kürzere Verfallfriiten bei Pfandgütern genießen jolfen, als den übrigen Bürgern burch das allgemeine Landrecht gewährt iſt. Nur die auch von Zbigniew beklagten Streitig- feiten ber Krone mit ven Herzögen von Maſowien und die Grenzkonflilte mit den Schlefiern wünjchen die Kommunitäten gleichfall$ abgethan zu willen. Die Heranziehung dieſes hiſtoriſch⸗ politiichen Dioments, das boch nur für bie Gegenwart ein Intereſſe haben konnte, in das Statut erweilt, daß man in Zirkwitz zunächſt nur niederjchrieb, wad man am meilten auf dem Derzen hatte, und als Ganzes genommen haben wir in ber merkwürdigen Urkunde ein Zeugnid von einem ber mäch- tigften Ausbrüche von Selbgefühl der Kommunitäten.

Mehr aber auch nicht, denn gültiges Geſetz ift dieſes Statut niemals geworden. Die Art, wie es entitanden war, jegte voraus, daß man in Konik fiegen würde. Nun man aber eine ſchmähliche Niederlage erfahren, wurde von den verichie- denſten Seiten feine Gültigkeit und feine Nechtmäßigleit im Zweifel gefegt. Die Klerilalen hatten es jett woblfeil, zu ihelten und die Niederlage mit der unterlafjenen Abichaffung der Judenprivilegien zu motivieren, und die Ariftolratie konnte von der Ungebühr, vor den Kampfe Bewilligungen zu erprefjen, Kapital machen. Aber in den Rommunitäten mochte fich doch tafch die Überzeugung heimiſch machen, daß, wenn auch bag Statut von Zirkwig überftürzt und unvolllommen im Ent» wurfe, doch fein Inhalt wegen ver Abhilfe der dringendften Beichwerven der Verallgemeinerung wert ſei, und daß bie erfte Gelegenheit, bei welcher man den König in gleicher Notlage baben könnte, zu einer Xegislation im Sinne jenes Statuts benugt werben müſſe. Um fo lebhafter wurde nun die Not» wenbigfeit die Schmach von Konig durch eine große That zu rächen empfunden, und jchließlich mußte Kaſimir bei dem kurzen Zwilchenraum von zwei Monaten iſt nicht daran zu denken, daß er fi im Sinne des Zirkwiger Statuts erft an

56 Elftes Bud. Zweites Kapitel. (1454.)

die Kommunitäten gewandt hätte ein allgemeines Aufgebot veranftalten, von dem nur bie ruſſiſche Provinz und Podolien ausgeichloffen waren, um die Sübgrenze nicht ohne Schug zu lafien. In Opoli, in Kujawien, unweit von Thorn, war der Sammelplag der Nitterichaft. Wir Hören von dem Eifer, mit welchem dem Rufe des Königs entiprochen wurde, und die Geringfügigleit der Kriegsleiftung, die darauf folgte, ſcheint anzudeuten, daß nicht ber ausgejprochene Zweck, fondern die unausgeiprochene Abficht denjelben entflammte. ALS fi der König noch in Brzesé befand, eilten zu ibm die Bilchöfe vom Gneſen, Wlockawel, Poſen und mehrere Barone, und es ift wohl kaum zweifelhaft, daß dort noch andere Dinge als nur die militärischen Maßnahmen befprochen wurden. Nachdem die Ritterjchaft nunmehr während eines Zeitraums von zwei Wochen fich zufammengefunden hatte, z0g der König mit dem Heere nach Neffau (Nieſzawa) an die Weichfel. Hier aber, jo dürfen wir nach den Analogieen von Ezerwinst und Zirkwitz annehmen, bier erklärten die Kommunitäten, den Fluß nicht zu übers jchreiten, wofern ihnen nicht Statute im Sinne des zu Zirkwitz gewährten in legaler Form erteilt würden. Über diefe Annahme Hinaus jedoch dürfen wir nicht wagen, die Vorgänge bei dem Mangel jeder Nachricht genauer beftimmen zu wollen. Bor» liegend ift nur die Eriftenz eines Statuts für Kleinpolen mit der Speziftlation ber „Landſchaften Krakau, Sandomir, Lublin, Radom und Wislica" vom 11. November 1454, eined andern für „die Landichaften Großpolens“, worunter wir bier nur die Wojewonfchaften Poſen und Kaliich begreifen können, vom 12. November, eines dritten für Sieradz vom 16. November (am 17ten zog das ganze Heer über die neu gebaute Weichſel⸗ brüde 1)) und eines vierten für die „Landichaft Chelm“ vom 11. Dezember, das nicht mehr wie die andern in Neffau, iondern in der Nähe von Rheden außgeftellt iſt. Aller Wahr-

1) Thorner Ehron., S. 77. Bgl. Script. rer. Prufs. III, 682, Rote 4. Der König ift fhon am 16ten in Thorn. Schreiben im Könige- berger Archiv.

Die Statute von Neſſau. 67

icheinfichleit nach haben auch die Lanpichaften Kujawien und Leczye ähnliche Statuten ſchon in Neſſau feldft erhalten. Ein allgemeines Statut wie in Ezerwinsl konnte der Natur der Sache nach hier nicht geichaffen werben, denn um gleich mit einem Worte das inmerjte Weſen der Geſetzgebung zu treffen: fie jtellt ven Sieg der Kommunitäten über die bisherige Reichs⸗ vertretung dar. Freilich ftimmen dieſe Statute nicht in allen Stüden überein und richten fi) vielmehr in ihrem charakterifti⸗

hen Inhalt nach den Berürfniffen und Beichwerden ver einzelnen Landſchaften; auf der andern Seite aber ift doch

wieder die Übereinftimmung berjelben fo groß, daß man bie gemeinfame und völlig adäguate politiiche Strömung bei allen Kommunitäten fiebt. Wie jehr auch das Zirkwiger Statut von dem jett für Großpolen erteilten abweicht, trotzdem es fich och auf dieſelbe Provinz bezieht, und wie viel mehr es dem⸗ gemäß noch von den anderen, bie fich auf die anderen Land» ſchaften beziehen, fich entfernt, jo erfennt man doch gar leicht, daß es die Richtſchnur für alle geweien und allen als Grund»

Inge gedient bat. In allen Statuten befundet fich basjelbe

Beitreben, ven Heinen Edelmann gegen die Bergewaltigungen durch Begüterte und Würdenträger zu ſchützen, und daher ent» halten alle fejtere Beitimmungen über Zeit, Ort, Verfahren, Kompetenzen der Gerichte, Einziehung von Sporteln, Aufhebung der Kajtellaneigerichte für Adelige und ihre Hinterfaffen, Füh- rung von Gerichtsbüchern; auch bier derjelbe Anipruch ber Kommunitäten in ihren betreffenden Lanbjchaften das Recht ber Geſetzgebung, und zwar nicht bloß für den Abel, jondern auch für die übrigen Stände auszuüben. Am meilten fallen die Statute in den Artikeln zufammen, wo fie das Verhältnis zum Könige beftimmen. Nicht nur bat der König die älteren Berpflichtumgen gemäß den beitehenden Privilegien einzuhalten, fondern ſich auch der -Verpfändung der zu feiner Tafel ger börigen Schlöſſer und Landſchaften, der eigenmächtigen Schoß. auflage und der Eingriffe in den Lauf der Yuftiz zu enthalten. Auch in den Verfügungen über das Gerichtswejen wiegt noch vielfach Übereinftimmung zwifchen den Statuten vor, obwohl

58 Elftes Bud. Zweites Kapitel. (1454.)

bier feldftverftändlich die lokalen Rückſichten und Cigentümlich- feiten fich in größerem Maße geltend machen. Aber einige völlige Abweichungen haben wir um fo mehr bier beraus- zubeben, als viefelben zu den eigentümlichiten Fehlſchlüſſen in der bisherigen Darftellung der Verbältniffe geführt haben. Es ift leicht erHlärlich, weshalb die Zufage, die Hofämter in Zu⸗ funft ebenfo wohl an Grofpelen ald an Kleinpolen zu ver- geben, fich nur in dem großpolniihen und Sieradzer Statute findet, da es ja darauf anlam, einem Mißbrauch zu begegnen, unter dem nur die Großpolen, nicht die Kleinpolen litten. Auffälliger ift jchon die Erfcheinung, daß der König in dem großpolniichen Statute das Verſprechen giebt, fofort nach feiner Rückkehr aus dem Kriege die zwiichen dem Adel und Klerus beſtehenden Streitigleiten befanntlich über Zehnten, &erichte- barkeit, Mißbrauch der Exkommunikation u. dgl.) zum Austrag bringen zu wollen, während in dem Heinpolniichen Statut hiervon nicht gefprochen wird, und man bat daraus folgern zu können geglaubt, daß in Stleinpolen infofern das Bedürfnis nicht vorlag, als dort dieſe Streitigkeiten bereits durch die fogenannten Lauda VBartenfia 1447 geftillt und be⸗ feitigt wären.2). Allein dies war durchaus nicht der Fall, und es Icheint vielmehr in biefem Punkte eine Meinungspifferenz zwifchen den Großpolen und Kleinpolen obgewaltet zu haben, ob die Schlichtung diefer Neibungen Sache der Brovinzial- Iandtage oder des Reichsſtags wäre. In einer fpäteren Hein- polniihen Provinzialverjammlung wird dem Könige das Ver⸗ Iprechen abgenommen, daß er unverzüglich nach feiner Rückkehr aus Litauen eine „Generallonvention des ganzen Reiches“ aus⸗ brüdlich zum Behuf der Austragung diefer Zwiſtiglkeiten zwifchen Adel und Klerus einberufen wervde ®), Iren wir in biejer Auffaffung nicht, jo würde fich Hieraus, wie übrigens auch aus anderen Momenten hervorgeht, bei den Kleinpolen ein

1) Bol. Teil IV, S. 132ff.

2) Namentlih auch Bobrzynski, O ustaw. Niesz, p. 154.

3) „Articuli ex conv. Novae civitatis de a. 1456.“ Banbtlie, Jus pol. 298.

Unterfdieb ber Statute. 59

größeres geſamtſtaatliches Intereffe als bei ven Großpolen zeigen. Bei dem Übergewicht ber Sleinpolen auf dem Reichstage war ihr Provinziallandtag von geringerer Bedeutung, weil er gewiffermaßen gleich einem konzentriſchen Kreiſe mit geringer Radiusverſchiedenheit in jenen fiel. Hierauf muß aber aud) wohl die größte und einfchneivendfte Verſchiedenheit zurüd- geführt werben, die fich zwiichen den Statuten zeigt. In dem großpolniſchen Statute leſen wir: „Wir (der König) veriprechen, weder neue Konftitutionen zu verfaflen, noch die Landeskinder zum Kriege aufzubieten, ohne zuvor eine gemeine Landesver⸗ fammlung in Szroda veranftaltet zu Haben” und berjelbe Artikel findet fich mit denfelben Worten in dem Statute für Siradien mit der Beitimmung, daß die Landesverfammlung in Sieradz abzuhalten jet, während wir biejen charakteriftiichen Artikel in dem Heinpolnifchen und verwandten Chelmer Statut vergeblich fuchen. Wir müſſen darauf verzichten, einen durch⸗ fchlagenden Grund für dieſe überrafchende Unterlaffung angeben zu können, aber die Bemerkung darf uns doch nicht entgehen, daß diefe bier fo furz und beftimmt nur auf die Kommunitäten von Großpolen und Siradien abzielende Verfügung ſich jehr weientlich von dem allgemeinen und umfafjenden Charakter des analogen Artikel in dem Entwurf von Zirkwig unterfcheidet, der mit den feierlichen und eine furdhtbare Kritik der Ver⸗ gangenheit einfchliegenden Worten: „ut igitur respublica in posterum sanius dirigatur beginnt. Mich will bepünfen, daß der Wortlaut des Zirfwiger Artilels mit feiner prinzipiellen, das Geſamtſtaatsrecht ausprüdenden Weile das Verlangen der Öroppolen, den Schwerpunft der ganzen Staatsentwidelung in die Kommunitäten zu verlegen, enthält, daß dieſes Verlangen jedoch auf den Wiverfpruch der Kleinpolen aus dem oben an- geführten Grunde ftieß, und daß daher vie Großpolen, auf eine univerjelle Ausiprache dieſes Satzes verzichtend, zunächſt nur ihren eigenen Kommunitäten das in ihm ausgeiprochene Recht zu wahren juchten, während die Kleinpolen die Beftimmung bierüber weder in der allgemeinen noch in der partifularen Faſſung in das gefchriebene Recht aufgenommen wiſſen wollten,

60 Elftes Bud. Zweites Kapitel. (1454.)

fondern der geichichtlichen Entwidelung, den Gewohnheitsrechte überließen.. Daß fie auf das Materielle dieſes Geſetzes zu verzichten keineswegs die Abficht Hatten, läßt fich aus der That⸗ jache erlennen, daß fie fi im Yahre 1456 vom Könige aus⸗ drüdlich die Verfiherung geben lafjen, „kein allgemeines Kriegs- aufgebot wider Preußen zu erlaffen, obne zuvor baräber eine beratende Berjammlung der Länder Krakau, Sandomir, Ruß- land und Podolien abgehalten zu haben“ ?), und daß fie im Reihätag am 8. September 1456 der allgemeinen Steuer- bewilligung nicht zuftimmen, weil fie damit dem Rechte ihrer Zandestommunität zu präjudizieren glauben. Am toeiteften von dem Anjpruch der Großpolen entfernt fi, und bie blaffefte - Spiegelung ihres autonomilchen Artikels ftellt die der ruffiſchen Provinz erteilte Urkunde von 1456 dar, in welcher gewilfer- maßen die verliehenen Gerechtſame in nuce wiederholt werben 2).

1) Bandtlie, Jus pol, p. 299. Gerade aus biefem bier ange führten Pafjus möchte ih noch auf einen andern Grund für die Aus- lafjung des befprochenen Artikels im kleinpolniſchen Statute ſchließen. So wie berfelbe in dem großpolnifhen Statute angenommen ift, macht er bie Entſcheidung über neue Imftitutionen und Kriegsaufgebote nicht bloß abhängig von den Großpolen überhaupt, fondern 1) von der Kom- munität Poſen⸗Kaliſch, 2) von ber Kommunität Siradien, 3) wahrfcheinlich von ber Kommunität Leczye 2c.: kurz von allen partilularen Kommunitäten. Folgerecht würde dann auch die Stimme der Kleinpolen zerfallen in die Kommunitäten Kralau, Sanbomir, Rußland, Pobdolien, wie eg fih ja auch am Ende des 15. Jahrhunderts wirklich geftaltet hat. Diefen Zus fammenbang ber beiden Heinpolnifchen und beiden ruffiiden Kommuni- täten wollten aber meines Erachtens bie Kleinpolen vorlänfig ober auch überhaupt gewahrt wifien, und baber verlangen fie als Borbebingung ber expeditio generalis versus terras Prussiae nicht conventiones terrarum Crac., Sand., Russiae et Podoliae, fonbern fie jagen: nisi prius habita conventione desuper terrarum Crac., Sand., Russiae et Podoliae.

2) Daß aber auch bier die Kommunität befirebt war, eine größere Selbftändigleit und Unabhängigkeit vom Reichstag zu erlangen, erweiß bie von Kaſimir am 18. Dezember 1457 in Piotrlow den Provinzen Rußland und Pobolien verliehene Urkunde, nach welder in Zulunit ber Adel diefer Provinzen nicht vor dem Reichstag, fonbern wor feinem eigenen judicium terrestre zu Gericht zu gehen Bat. Bol. Rasp, Beiträge zur Geſchichte der Stabt Lemberg, im „Arch. für öfterr. Geſch.“ XLIII, 428.

Ziel der Kommunitäten. 61

Hierin Heißt es wörtlich: „Wir (der König) veriprechen vor altem, daß wir in den Angelegenheiten und Geichäften, welche bie Länder der ruffiſchen Provinz betreffen und berühren, nichts unternehmen werden, ohne zuvor je nach Erfordernis der Zeit. auftände und VBenötigung mit den Natgebern eben dieſer Länder Rat gepflogen und eingeholt zu haben.“ Allerdings ein ber trächtlicher Segenfag zu dem fouveränen Zone bed Zirkwiker Entwurfs, aber dieſe vier Ausprudsformen des Gegenſtands, dad prinzipielle Verlangen der Großpolen vor der Koniter Schlacht, die beichränktere Gewährung desielben in Neſſau, die Auffaffung des Prinzips in Kleinpolen und die nur verwandt anllingende Formulierung desielben für die ruffiihe Provinz, bilden eine höchſt beachtenswerte Steigerung, weldye die Gärung des Moments, von weldem wir reden, in ihrem hauptſäch⸗ lichften Beweggrund erichöpft. Es kann kein Zweifel fein, daß die Verlegung des Schwerpunft8 der ganzen Staatsverwaltung m Die Kommunitäten oder, gewöhnen wir uns nur an den Lolalausorud, da jede Umfchreibung zu Mißverſtändniſſen führen nn in die Sejmifi das Ideal ber Partei der „Süngeren” im 15. Jahrhundert ift, von welcher fie „die ger fündere Leitung des Gemeinweſens“ abhängig glaubt. Von biefem Ziele wird fie nicht mehr ablafien, wenn ihr auch im Augenblick noch Hinderniffe aus der interejfierten Beharrlichkeit anderer Yaltoren und Parteien entgegentreien, .und in bem Ringen nach dieſem Ziele und nach einer gejeßmäßigen Aus. geftaltung des unterliegenden Grundfatzes verläuft die ganze Entwidelung Polens in ver. zweiten Hälfte des 15. Jahr⸗ bunderts. Noch vor dem Schluffe desielben, im Jahre 1496, wurde das Streben gefrönt, waren alle Gegenwirkungen über- wunden, benn im Jahre 1496 promulgierte der König von Bolen gelegentlich einer vollen und feierlichen Betätigung der zu einem allgemein gültigen Reichsſtatut zufammengefaßten Landes» ftatute von Neffaun den Sag: „Wir veriprechen, feine neuen Konftitstionen aufzuftellen und fein Striegsaufgebot zu erlaffen, ohne in ven einzelnen Rändern zuvor Lanbesverfammlungen verunftaltet zu haben.“

62 Elites Bud. Zweites Kapitel. (1454.)

Bei einem Rückblick auf die Gejchichte wird man leicht erfennen, daß der klerikale Gejchichtichreiber, der Zeitgenoffe diefer Bewegung, fein Recht bat, diefe Partet der Jüngeren der ungejtämen „Neuerungsiucht“ anzuflagen. Wie öfters im politiſchen Leben war hier bie vorwärtshringende Partei im Grunde genommen die fonjervative, denn nicht ber Einheits⸗ ftaat, wie ihn allmählich der Herifal-ariftofratiiche Reichstag anftrebte, war die alte Hiftoriiche Form des polniichen Gemein» weſens, jondern der Föderativſtaat. Die Neuerung war viel« mebr unter der mächtigen Arbeit des Klerus in ben letter Jahrzehnten bewirkt worden, injofern die Sejmili einer rein Iofalen Funktion überlaffen und zur Ausübung ihres Geſetz⸗ gebungsrechts fo felten als möglich berufen wurden. Auf ben Sejmiki kann jeder Edelmann ſchon wegen der ärtlichen Nähe, wegen der geringern Dauer berjelben, ja muß oft felbit der Heinjte Ritter wegen des bort ftattfindenden Landgerichts er- icheinen; bier findet die Gejamtheit des Adels in der That ihren wahren, ihren unvermittelten Ausdrud; hier überwiegt das Intereſſe des weltlichen Adels, und bat der Klerus einen ungleich fchwereren Stand. Aber auch dem mit Ämtern und Würden ausgeftatteten Evelmanne tritt bier ber kleinere Mann mit größerer Selbjtändigfeit entgegen, und im Gegenfaß zu dem auf dem Reichstage überiviegenden ariftofratijch - oligarchiichen Intereffe weht bier ein weſentlich vemofratiicher Geiſt. Aller« dings iſt diefer nicht mit dem der Freiheit zu verwechieln, denn fie fand in dem Reichstage, injofern dort der Staatsgedanke den jtändijchen überragte, noch weit eher eine Bürgſchaft. In ben Sejmiki dagegen entjcheivet das Standesinterejle alles. Die Sejmiki find die wahren, urjprünglichen Typen der Adels- bemofratie, und fie würden ihrem zulünftig fich entwidelnven Charakter nicht ganz zu entiprechen jcheinen, wenn nicht ſchon bei ihrem erften bebeutjamen Auftreten ihr Gegenſatz gegen bie niederen Stände hervorträte. Wir finden auch in der That in den Statuten von Naffau übereinftimmend einige für dieſe Seite in der Natur der Sejmili ſehr bezeichnende Anfänge; erftens einen Eingriff in die bisher unbeichräntte Marktpolizei

Die Kommunitäten unb bie niederen Stände. 63

ber Städte, injofern ihnen jede Prohibition auf Märkten ver» boten fein follte, und zweitens einen Eingriff in den Beſitz des Magdeburger Rechts, injofern „jeder Bürger oder Ple- bejer * für Xotichlag oder Verwundung, an einem Adeligen verübt, „vor das Landgericht“ gezogen ober, wie das groß- polniſche Statut fich deutlicher ausprüdt, nach „polniichem Recht” behandelt werben ſoll. Inbezug auf ven britten, wir fönnen auch fagen vierten Stand, finden wir nur eine neue Einichärfung der Pflicht aller Weltlichen und Geiftlichen, flüchtig geworbene Leute, d. h. glebae adscripti, bie ihre Scholle ver- ließen, auf Reklamation der Berechtigten fofort auszuliefern. Schlieglih wurde in Rüdjicht der Judengeſetze den Forderungen ver Klerikalen entiprochen, injofern nicht bloß wie im Zul wiser Entwurf das Maß der Verfallfriften auf das im Statut von Warta allgemein bejtimmte eingejchräntt, fondern alle jeit Kaſimirs Regierungsantritt erteilten Privilegien als „dem göttlichen Recht und ber Landeskonſtitution widerſprechend“ auf- gehoben werben.

Allein auch dieſe von den Klerikalen als fo wirkſam aus- gerufene Maßregel feijelte den Sieg nicht an die Fahnen des Könige. Es giebt nicht Leicht etwas Traurigeres als dieſen Winterfeldzug der Polen im Sabre 1454. Bon dem Auf- ſchwung der Gemüter, der fich bei der Forderung der Gerecht- ame fundgab, war nichts zu ſpüren, als es zu Kriegsthaten kommen jollte. Die Berichte aus der Ordenslanzlei ftimmen faſt alle darin überein, daß der Aufzug des mächtigen Heeres überhaupt zur Kriegführung gar nicht gerüftet geweſen ſei. Ganz leicht erfennbar war e8, daß man auch nur zu einem andern Zwed fo zablreih und fo eifrig zufammengelommen war. Der König ſchickte Daher auch, als er im preußiichen Lande weiter vorrüdte, „Das nadte und loſe Geſindel aus dem Heere“ fo bald als möglich wieder über die Weichjel zurüd, und jchlug endlich vor dem befeftigten Städtchen Leſſen ein Lager auf. Es iſt ganz undenkbar, daß dieje Keine Feſte ernſt⸗ lich als Ziel eines in fo großem Maßitab unternommenen Teldzuges Hätte ind Auge gefaßt fein follen, denn auch von

64 Elftes Bnd. Zweites Kapitel. (1454.)

einer wejentlichen ftrategiichen Bedeutung des Platzes kann nach ber Beichaffengeit des Territoriums nicht die Rede fein. Es fcheint vielmehr, als folte nur die Entwidelung der Kriegs⸗ age hier abgewartet werden. Vielleicht erwartete man ben Fall von Marienburg oder fonft eine Öffnung des Zugangs nah Danzig, und die weſentlich aus ftrategiichen Rückſichten der Nechtftade Danzig erteilte Erlaubnis, die Jungſtadt abzu⸗ brechen und zu zerjtören ?), jcheint darauf binzubeuten, daß in dem Augenblid, wo die Polen fich viefem erjehnten Ziele nähern wollten, Schwierigfeiten hervortraten, die erft bejettigt werden mußten. Auch fcheinen die Polen für eine Feldichlacht wohl geneigt geweſen zu fein, nicht aber für eine ausgebehnte Zerfplitterung zum Behuf der Belagerung ber zerftreuten Burgen und feiten Pläge. Für dieſen Zeil der Kriegsführung chien ihnen die Macht der Bündner ausreichen zu müſſen, für welche allzu große Opfer einzufegen gar nicht in der Abficht der polnischen Führer gelegen bat. Überdies fehlte es dem polntihen Heere an Material, an Geld, an Mitteln. Die Berforgung mußte die Landſchaft aufbringen, welche natürlich bald audgejogen war. Die Unbilden der Jahreszeit traten mit allen Schreden ein, und nicht nur ohne die Niederlage von Konig wett gemacht zu haben, jonbern überhaupt ohne jeden irgendwie nennenswerten Erfolg mußte ber König den Feldzug in den erjten Tagen des Januar 1455 abbrechen. Der polnische Berichterftatter meint, er babe wenigſtens bie Wirkung einer Demonftration gehabt, infofern die Städte Preußens dadurch in der Anhänglichleit an die polniſche Krone befeftigt wurden, aber auch dies beruht nur auf Beichönigung, benn wir hören von ber andern Seite, daß Thorn ven König bei jeinem Rückzuge nicht in feine Mauern einlaffen wollte, aus Beſorgnis, er könnte fi) an diefer Stadt ſchadlos halten wollen, und „fie für feinen Sold auspochen“ 2). Über ben

1) Bel. Hirſch, Danzige Handels- und Gewerbsgeſchichte, S. 17 und Anm. 64 mit Script. rer. Prufs. IV, 513, Anm.

2) Ütere Hocmeiftergromit, Script. rer. Proſs. II, 685. Diugofz XII, 165, der im übrigen mit biefer Duelle übereinfimmt, fagt da-

I

Ausgang des Feldzuges. 65

zugefrorenen Weichſelftrom eilten die Truppen in ihre Heimat und waren bort früher angelangt ald die Nachricht, daß ber Feldzug aufgegeben jet. Alles, worauf das wog! übertriebener- weile auf 60000 Mann geichägte Heer hinweiſen konnte, be ftand außer der Ausfaugung der Kulmer Landichaft in ber Verbrennung der beiden Heinen Städte Dietrichswalde (? Nie- fiftalfa) und Biſchofswerder, während doch dem Orden feine Bemühungen, einen Einbruch in das treugebliebene Nieberland zu verbindern, vollauf gelungen waren. Unter jo bewanbten Verbältniffen wagten ſich denn auch verfchievene Vergleichs⸗ verfuche hervor, und wenn auch ba8 Anerbieten bes Könige Ladislaus von Böhmen und Ungarn, als Schiedsrichter zwiſchen Polen und dem Orden einzutreten, völlig gewichtlos war, und auch vie Ankunft des Domberen Georg Bärnfeld von Lebus im Namen bes Kurfüriten von Brandenburg nicht viel beachtet wurde, jo Tamen doch in der Nähe von Leſſen, gerade wäh. rend ein Sturm ber Polen auf das Städtchen fiegreich ab» geichlagen wurde, beachtenswerte Verhandlungen in Fluß, die zwilchen den Sendboten des Hocmeifterd mit dem Dr. Lau» rentius Dlumenau an der Spike und dem Könige birelt ge- führt wurden. Bon polnifcher Seite wollte man den Waffen- ftillftand auf Grund bes gegenwärtigen Befikftandes gewähren, während der Orden vor allem die Räumung des Landes forderte. Bielleicht wäre dennoch damals fchon ein Vereinigungs- punft gefunden worden, wenn nicht die Bünbner ihre Leiden» Ihaftlichkeit den Polen mitgeteilt hätten. „Die Antwort bes Königs zeigte feinen Banatismus“ *), jchreibt der Doktor Blumenau an einen Kardinal, und die Worte der Bündifchen in biefen Berbandlungen mit der ftachligen Erinnerung an Swibrigieffo obenan waren gar trefflich berechnet, um den König in diefer „entflammten" Stimmung zu erhalten. ‘Der Einigungsverfuch zerſchlug ſich, und der König kehrte über Brzesc nach Leczye

gegen ausdrücklich, ber König habe in Thorn und Neſſau feine Anord⸗ nungen getroffen.

1) Script. rer. Prufs. IV, 68, 435 sqq.

Caro, Geſchichte Polens. V. 1, 5

66 Elftes Bud. Zweites Kapitel. (1454.)

zurüd, wo eben eine Provinzialjpnode mit der Beratung über eine freiwillige Beiftener zu den Kriegskoſten vonjeiten des Klerus beichäftigt war !.. Dean fieht, der Klerus beeilte fich, um binter dem weltlichen Adel nicht zurüczubleiben, denn als Dank und Entgelt für die Statuten von Neſſau hatte der- felbe im Heerlager vor Lefjen dem Könige eine allgemeine Steuer von einem Vierdung von jeder Hufe verſprochen aber nad) einer freilich nicht ganz unverbächtigen Urkunde 2) zu ſchließen —, nicht ſowohl als Schenkung denn vielmehr als Vorfchuß, denn der König verfpricht in jener Urkunde fechs Jahre lang auf die regelmäßige Steuer von zwei Grofchen von der Hufe, was dem Betrage nach auf einen Vierdung hinauskommt, zu ver» zichten. Kaſimir fchien dieſem Verſprechen des Heeres zu ver- trauen und ernannte bereitd bie Steuereinnehmer in Leczye aber als er nach einem Ausflug nach Litauen, wo es galt, die erregten Gemüter zu beichwichtigen und ihr Intereſſe für bie preußiiche Erwerbung anzufachen, nach Polen zurücdgelehrt war, jtanden feine Finanzen noch nicht um ein Haar beifer, denn zubaufe fand man Bedenken, das im Heerlager gegebene Ver⸗ iprechen zu erfüllen.

1) Die Anregung ging vom Kardinal aus. Am 29. Oltober 1454 hatte Zbigniew die Beneftziaten feiner Didcefe mit einem Bierbung von der Mark des Tarwerts der Benefizien flir die öffentlichen Zwede be- laftet. Cod. epist. saec. XV, 158.

2) Ich meine die Urkunde in Voll. Legg. I, 186, deren Datierung: in loco campestri exercituum nostrorum circa Choynice fer. VI ante omnium Sanctorum a. d. 1455 mir Anfloß erregt. An 1454 kann nicht gebacht werben, da Allerheiligen 1454 felöft auf Freitag fiel. Bon einer Anmejenbeit bes Königs bei Konig 1455 wifjen wir nichts, und 1456 war er um biefe Zeit in Litauen.

Zerrüttung in Preußen. 67

Drittes Kapitel. Fortgang des Krieges bis zum Verkauf der Marienburg.

Nach einem Überblick der Ereigniffe vom Beginn des Jahres 1454 bis zum Frühjahr 1455 wird man laum befaupten innen, daß in Polen der Eifer für die Erwerbung Preußens febr groß gewejen fei. Je mehr die allgemeine politiiche Stim- mung dem XTerritorialpartifularismus zumeigte, deſto weniger fühlte man fich veranlaßt, die preußiiche Frage in einem höheren Sinne denn als rein dynaſtiſche Angelegenheit anzujehen, und nur die direkten Vorteile, vie fich dabei berausfchlagen Tießen, fachten die Teilnahme bald biefer oder jener Perjönlichkeit, bald diefer oder jener Körperfchaft an. Wäre das Verftändnis von der Bedeutung der Sachlage wirklich allgemein, und wäre das⸗ jelbe nur einigermaßen von einem eindringlicken Staatsbewußt⸗ fein getragen geweſen, dann hätte e8 in der That nur einer furzen, aber durchgreifenden Aufraffung der polniichen Macht mittel beburft, um die widerliche Zerrüttung, die in bem Ordensſtaate herrſchte, mit wenigen Schlägen auszulehren. Denn was da in Preußen geichah, Hatte mit Krieg, Kampf und ritterlichem Gewerbe nur noch fehr entfernte Ähnlichkeit. Hier war die Trage, wer das Recht Bat, fchon längſt ver- Hungen; aber auch die Frage, wer die Macht, die Kraft Bat, ward nicht mehr aufgeworfen; hier gab es nur noch die eine Frage, wer am meiften Geld hat. Rotten von beutichen und böhmiichen Söldnern waren teild durch den Orden, teils durch die Bündner ins Land gezogen, und in ihren Entſchlüſſen kon⸗ zentrierten fich bald die Enticheidungen. Das italieniiche Con⸗ dottierentum mit feiner jedem Begriff ˖von Ehre widerſtreitenden Weſen entwickelte fich Hier auf preußiichem Boden in einem Umfang, von dem das romanilche Land nur wenige annähernde Beilpiele aufzumeilen bat. Es ift nicht unfere Aufgabe, die Sriegsereigniffe in Preußen in ihren Einzelnheiten zu verfolgen,

5 %

68 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1455.)

iwir Tönnen nur das Gejamtergebnis feitftellen, daß im Verlauf des Jahres 1455 die Stellung des Ordens rüdjichtlich Der Städte und feften Pläge ſich ftetig verbefferte. Freilich war faſt jede Stadt ein Kriegsichauplag gewejen, und viele waren nur noch ausgebrannte Ruinen, aber der bei weiten größte Zeil derfelden war doch wieder unter bie Herrichaft der Ordens⸗ gebietiger gefommen, und außerhalb bes Culmerlands und bes Danziger Gebiets ftand es übel mit dem Einfluß der Bün⸗ diſchen, und noch übler mit dem der Polen. Nicht allein bie Folge des Sieges bei Konitz Hatte diefen Rückſchlag bewirkt, jondern daneben noch der Umftand, die gewöhnliche Erfahrung revolutionärer Parteien, daß das neue Regiment die Cigen- haften nicht bejaß, die man fich von ihm verſprochen batte. Hätten die Städte und der Landadel in Preußen für irgend- eine Aufgabe, die der Orben geftellt, jemals ſolche Opfer ge- bracht, als fie jet zu fernem Sturze auf fih nahmen, dann wären zuverläffig weniger Konflikte zwijchen ver Landesherrichaft und den Unterthanen vorgelommen. Wie bei allen ähnlichen Empörungen und Ummwälzungen erjchöpften ja die ausgefprochenen allgemeinen Beichwerden die ſozuſagen offiziell ausgeprüdten Klagen, nicht die eigentlichen Gründe berjelben, fondern viele berubten vielmehr auf lokalen Gegenjägen, Unbilden, Schiwierig- keiten, die in dem allgemeinen Ausbruch eine Löfung fuchten, obgleich diefer mit jenen nur geringe Berührungspuntte hatte. Genau zugefeben befanden fich die preußifchen Städte damals in dem Stadium der inneren Bewegung, die ben beutichen Gemeinden beinahe nirgends erjpart geblieben tft, und bie in dem Gegenſatz bes ftäbtifchen Patriziertums gegen die arbeiten- den Klaſſen ihre Wurzel Hatte. An der Auflehnung gegen ben Drden beteiligten fich aber in eriter Reihe die unter feinem Schute reich und üppig gewordenen Familien, welche die Ma⸗ giftraturen unter fich teilten und melde mit ihrem Verlangen, den Pfundzoll, das Lobgeld u. dgl. abgefchafft zu wiffen, bie Maſſen mit fich fortriffen. ALS aber der Krieg immer größere Opfer erheifchte, als man im Februar 1455 nad dem ganz verfehlten Kriegszuge des polntichen Könige auf Mittel finmen

Erhebung Königsberg2. 69

wußte, um die Söloner der Bündiſchen zu bezahlen, als man in Maßen, wie faum je zuvor der Orden getban, Steuern aus- Ihrieb und Güter und Waren und Lebensmittel ſtark befchagte, alle Zinsrüdjtände mit Härte eintreiben ließ und fogar alle Zölle, den vielberufenen Pfundzoll mit eingefchloffen, wieder auf ein Jahr zunächit einführen mußte, da trat denn boch in ver Bevölferung bier und da eine Wendung der Gefinnungen ein, und ber kräftige und energiiche Aufitand in Königsberg, ver am 23. März zuguniten des Ordens ausbrach, bekundet am beutlichiten, daß man „dem Könige nur treu bleiben wolle, wenn er feine Beichwerungen anmute“. Diefe Erbebung Königsbergs und der wilde Krieg mit der Gemeinde Kneiphof, ber fich während einiger Dionate daraus entwidelt hatte und bis. zur Unterwerfung berjelben mit großen Opfern und unter bejonderer Auszeichnung des Ordensſpittlers Neuß von Plauen und des Herzogs Balthafar von Sagan geführt worden war, bildete eine ver folgenreichiten Epiloden in ben gejamten polnifch-preußiichen Kriegsereigniffen, denn dadurch wurbe für ben Orden ein feiter Punkt gewonnen, auf welchen er bie Trümmer feiner ehemaligen Größe flüchten, und von wo aus ee das preußiiche Land, das „neue Deutſchland“ vor dem Joch eines ſlawiſchen Regiments erretten konnte. An das fich dem Orden wieder ergebende Königsberg glieverten ſich faft alle Städte und Pläke des Niederlandes an, und es ift ſehr be» merienswert, daß fich Ichon im Sabre 1455, aljo im Anfang des unglückſeligen Krieges, ver dreizehn Sabre lang biefe Terri» torien zerfleifchen follte, im wejentlichen biejenige Konfiguration berausbildet, die für bie folgenden Sahrhunderte Beitand haben ſollte. Im Weichjelthallande, wo oberhalb die vebelliichen Nitter des Culmerlandes und unterhalb vie troßgigen Bürger von Danzig und Elbing figen, ift es mit der Herrſchaft des Ordens jo gut wie völlig vorüber, obgleich dort feine Metro» pole Marienburg fich befindet, denn fie ift allein noch durch finflihe und daher ganz unzuverläffige Söldner gehalten. Aber . Ötlih davon im ganzen Nieberland und Hinterland bis an die litauiſchen Grenzen erhebt fich nach furzer Senkung die Fahne

70 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1455.)

ber deutſchen Herrichaft wieder. Dort bat fie einen feften, weil in der Bevölkerung begründeten Boden, während bie einen Aufraffungen um Marienburg herum, bie fih fogar zu Vor⸗ ftößen nnd Verſuchen bis nah Thorn und Straßburg Hin fteigern, niemanden täujchen können. Hier hängt alle® davon ab, ob der Orden imftande fein wird, den Sölbnern die rüd- ftändigen Löhnungen zu zahlen und fie wieberum an feinen Dienft zu fetten. Aber der finanzielle Bankrott follte dem Orden verhängnisvoller werben, als fein militärifcher und politischer. Ä

In dem Untergang des beutjchen Ordens zeigt ſich in bes merfenswerter Weile, wie jehr man fi) damals noch in ber Terminologie des Mittelalters bewegte, während der Inhalt und die Bedeutung ſich ganz ſchon verflüchtigt hatten. Dan ſprach im deutſchen Adel Hier und ba von einer Preußenfahrt zur Erhaltung „feines Hoſpitals“, ganz im Stile ber älteren Zeit, aber man glaubte doch den Hochmeijter verpflichtet, erft das Rüſtgeld ven Herren einzufchidlen. Der Kaiſer Friedrich ILL. erflärte gar die Bündner, da ja fein Urteil den unmittelbaren Anlaß zum Ausbruch der Erhebung gegeben Hatte, durch Erlaß vom 24. März 1455 in die Acht, aber in Danzig erklärte man ganz im Geiſte einer neuen Zeit, bie Kaiſeracht fechte bie Preußen wenig an, ba fie in ihrem ermwählten Könige einen DBertreter ihrer Rechte hätten. Und wie follten die Bündiſchen die Acht empfinden, da bie beutichen Hanfaftäbte und deutſche Fürſten wie Philipp von Burgund ſich dadurch durchaus nicht von dem Verkehr mit den preußifchen Städten abhalten Tiefen? Aber auch die päpftlichen Bullen waren taube Schläge, für welche der Orden, da fie ja umfonft nicht zu baben waren, unnüß fein Inappes Geld verausgabte !). Schon am 8. April 1455, aljo, wenn anders bie Bulle nicht gefälfcht ift, unmittelbar am Tage feiner Wahl erließ Calixt IH. eine Bulle zugunften des Ordens, und wenige Monate danach, im

1) „brochten sy mit sich geschenk und edele goben.“ Danziger Ehonit vom Bunbe, Script. rer. Pruſs. IV, 432, wo bie Verhandlungen vor dem Papſt.

Hohle Rettungsabfidten. 71

September desielben Jahres, bonnerte das Interbilt wider bie Dündiichen hinterbrein, aber in Danzig „achtete man es wenig”, in Thorn erflärte man es für „Zanb”, und in Polen fchrieb um diefelbe Zeit mit Sarkasmus ein hervorragender Staats⸗ mann: „Unjere Leute kommen fich jeher fromm vor, wenn fie ſolche Scherze mit rotem Wachs und Hanfichnüren an ben Rirchenthüren ehrfurchtsvoll betrachten Y.“ Auch in den welt- fürftfichen Kanzleien war viel von ber Pflicht und Notwendig- feit, die „Mauer der Chriſtenheit“ zu retten, bie Nebe, und biefelbe geräuſchvoll befchäftigte Unthätigleit, bie fich inbetreff ber Wiebereroberung Ronftantinopel® aus der Hand ber Türken in der Chriftenheit bemerkbar machte, biefelbe hohle Verkün⸗ bigung bes Mitgefühls für den Orden konnte man von allen Seiten hören ?). Einer jchob bie Pflicht zu Helfen dem andern zu, und die Nachbarfürften, namentlich den König Chriftian I von Dänemart und den Kurfürften Friedrich von Brandenburg bielt man für bie berufenften. König Chriſtian, der eben Sotland erworben Batte und Norwegen und Schweden fich anzueignen im Begriff ftand, hörte gern die Hilferufe bes Ordens und die „Waldemariichen Erinnerungen“, und ftellte in der That feine Hilfe in Ausficht, wenn ibm gewiſſe eſth⸗ länvifche Zerritorien eingeräumt würben, ja ſchwang fich (dem 1. Juni 1455) jogar zu einer SKriegserflärung wider Polen und bie Bündiſchen auf, erließ fchroffe Erklärungen an bie polnifche Krone (5. Dltober), bat Philipp von Burgund, die Waren und Schiffe der Bündner mit Beichlag zu belegen, aber darauf und auf einige Kapereien lief auch Die ganze däntiche Hilfe hinaus. Ehriftian, der fchon, wenn auch nur vorübergehend, den Titel eines „Herzogs von Eſthland“ an⸗ genommen hatte, war viel zu ſehr von feinen Plänen in Nor» wegen und Schweden zur Herſtellung des „Königtums dreier

1) Jan Oftrorog, Monumentum etc. S. meine Abbanblung: „Eine Reformationsfchrift bes 15. Jahrhunderts“ in ber Zeitfchrift bes weftpreußifchen Geſchichtsvereins, Heft IX, S. 67.

2) Schon am 6. Mai 1454 hatte der Kaifer die Stabt Lübeck auf- geforbert, zu vermitteln (Danz. Arch.).

72 Elftes Bud; Drittes Kapitel. (1455.)

Neiche” in Anfpruch genommen und beburfte feiner Finanzen für die auch von ihm geworbenen böhmiſchen Söldner zu fehr für fich felbft, al8 daß er dem Orden mit mehr als Demon«- ftrationen bätte zubilfe kommen können. Noch im Frühjahr 1456 bieß es, König Chrifttan würde mit einer Flotte vor Danzig erfcheinien, aber bie einzige Folge aller dieſer Zufagen war, daß König Karl Knudſon von Schweden, vor bem fieg- reihen Dänenkönig flüchtend, fihb im Februar 1457 nad Danzig mit all feinen Schägen begab, und dort fieben Sabre lang wider das Intereffe des Ordens intriguierte. Was aber den Kurfürften von Brandenburg anbelangte, jo Tonnte von ihm fchwerlich eine Durchgreifende That zugunften bes Drdens erwartet werden. Erftarkte der Orden wieder, und namentlich in den weltlichen Zerritorien, jo würde ihm behufs Erhaltung einer offenen Verbindung mit dem ‘Deutichen Reiche bie Wiedererwerbung der Neumark, auf welde doch nur ein verhältnismäßig ganz geringer Pfandpreis gezahlt war, unbes dingt ein Gegenftand eifrigften Beſtrebens geweſen fein. Ernft mochte e8 daher wohl nicht geweien fein, wenn Friedrih um DOftern 1455 einen Heerzug nach Preußen anbot, wofern ihm bie Unfoften mit einer Summe von derſelben Höhe, als er für die Neumark gezahlt, und mit der Abtretung von Schievel- bein und Driejen entgolten würden. In feinen Finanznöten, das ſah jedermann Mar, konnte der Orden einer ſolchen Be⸗ dingung nicht genügen. Einer Vermittelung aber fonnte ber Kurfürſt fih um fo weniger entziehen, als er in feiner Eigen- ſchaft als Neichsfürft vom Katjer dazu aufgefordert wurde. Zwar hatte der Katjer fich jchon direkt an Kafimir von Polen mit einer Gejandtichaft gewandt, aber ber König hatte, zurück⸗ greifend auf den uriprünglihen Beruf des Ordens, fih an⸗ heiichig gemacht, demſelben Ländereien einzuräumen, auf denen er noch lange Zeit der Belämpfung der Heiden und Sarazenen obliegen könnte. Unzweifelbaft dachte er dabei an feine bon ben Zataren unaufhörlich geplagten Süboftprovinzen )). Auf

1) Daß man auch noch 1458 an dieſes Projekt dachte, |. weiter unten im vierten Kapitel.

Brandenburgifhe Vermittelung. 73

folhe Art fchnöde und hoffnungslos zurückgewieſen, glaubte ber Kaifer durch den Kurfürften eher das Ohr des Polenkönigs finden zu fönnen. War der Brandenburger ja doch als Kind in Polen erzogen worden, und berfelbe Peter von Chelm, ver feine Erziehung geleitet hatte, war der Hofmeilter Kafimirs in jeinen jungen Jahren geweſen; hatte doch Friedrich gelegentlich ber Suceeifionsfrage die Polen, die fi an ihn gewandt hatten, auf den allein „erbberechtigten” Kaſimir verwielen, und ftand er doch, wie fich bei berielben Gelegenheit gezeigt, bei den Bolen in hohem Aniehen. Gewiß, wenn eine Mediation mög- lid, war niemand dazu geeigneter als Kurfürft Friedrich ). Gleichwohl ſchlug Kaſimir den erften Antrag zu einer perlön- lichen Begegnung aus, und erjt als im Reichstag zu Piotrlow um St. Johannis 1455 die laue Stimmung der Polen gegen- über der preußiichen Frage zutage getreten war, acceptierte er die Berbandblungen, die anfänglich durch den polnijchen Reichs» tanzler, den Biihof Ian Gruszezynski von Kujawien, geleitet, Ipäter, im September, zu einer periönlichen Zulammentunft des Könige mit dem Kurfürften in Bromberg führten und endlich nach Mewe verlegt wurden ?).. Auf den Borichlag eines Schiedsgerichts erklärten die Polen jeltiamerweife, offen-

1) Merkwürdig ift, daß der Kurfürft, um an den Polenkönig zu ge langen, erft eines Umwegs bedurfte. Im Auguft 1455 fragt er bei Wladyslaw von Mafowien an, wie man wohl Berhaublungen mit bem Könige einleiten könnte. Im feiner Antwort fragt der Herzog an, ob er den betreffenden Brief dem Könige zeigen folle; er feinerfeits könne nicht zuraten, der König werde nur noch erbitterter werben. Was aber feine (des Herzogs) Meinung über bie Zeitftage anbeträfe, fo werbe er fich jederzeit defien erinnern, daß e8 feine Vorfahren geweien find, die dem deutihen Orden das Land eingeräumt hätten, und baß der Orben ben maſowiſchen Herzögen immer nur Gutes ermiefen hätte. Da er an feinem Hofe unausgefest von polniſchen Aufpafiern umgeben wäre, müſſe er um Geheimhaltung des Briefverfehrs bitten. (Aus dem Königsberger Archiv.)

2) Der letzte Teil der Verhandlungen in der Danziger Chronik vom Bunde, Seript. rer. Pruſs. IV, 438, vgl. Dtugoſz XII, 176 und Boigt, Erwerbung der Neumart, ©. 358 ff.

74 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1455.)

bar weil die Unmöglichkeit besjelben von ſelbſt einleuchtete, fih nur ein Konzil als folches gefallen Laffen zu wollen, ob- wohl fie doch bet Feiner ber voraufgegangenen Kirchenverfamm- Yungen eine Anerkennung in ihrem Sinne gefunden Batten. Alle übrigen pofitiven Vorfchläge des Kurfürften liefen auf eine Geldabfindung des Königs vonfeiten des Ordens hinaus, gegen welche der König ſich mit der unter den damaligen Verhält⸗ niffen und nach dem, was er felbjt bald darauf that, gewiß beuchlerifchen Phrafe verjchanzte, es jet ferne von ihm, chriſt⸗ liches Blut um Geld preiszugeben, weil ber Orden, wieber im Befiß der Macht, gewiß Race an den Aufrührern nehmen würde. Damit hatte fich auch der ganze Vermittelungsverjuch zerichlagen, obgleich noch Verhandlungen zwijchen dem Kur⸗ fürften und dem Könige bis in das nächſte Jahr Hinein fort- gejegt wurben, und ber einzige Gewinn, ber dem Orden daraus entiprungen war, beftand in einer Erhöhung der Pfandſumme auf die Neumark gegen Abtretung von Driefen und Schievel- bein um 60000 Gulden, wodurd für den Kurfürften ber Berluft verfelben durch, Wiederkauf“ unmwahrjcheinlich wurde, und ber Hocmeifter in die Lage Fam, die ungeftümften Dränger unter feinen Sölonern für eine kurze Zeit zum Schweigen bringen zu fönnen.

Am verbängnisvollften ergab e8 ſich für den Orben in Preußen, daß die Hoffnungen, welche er für die Zeiten höchſter Not auf feine Balleien und Imftitute im weftlichen und füd- lichen Deutichland gefegt hatte, ihn völlig täufchten, fei es, weil in der That, wie von dem Deutfchmeifter und den Vorftänden biefer Anlagen behauptet wurde, die Mittel berfelben völlig erihöpft waren, oder weil die andauernden leidenſchaftlichen Neibungen zwilchen dem Deutfchmeifter und dem Hochmeifter das Intereffe an der Rettung des letteren zerjtört hatten. Die vornehmften Sölonerführer, mit denen der Hochmeifter noch am leichteften zu einer Verſtändigung hätte gelangen können, wie Veit Schömberg und Graf Heinrich von Plauen, verließen Preußen ſchon im Anfang des Jahres 1455, um ihre Forbe- rungen bei dem Deutfchmeifter flüffig zu machen. Mit folchen

Der Drben und bie Soldner. 75

Anweifungen und Verſchreibungen auf bie auswärtigen Be⸗ figungen und Renten hatte ber Hochheifter vielfach bie Mah⸗ nungen ber Sölöner beichwichtigt, und fo war es ihm gelungen, den im Bertrage vom 9. Ditober 1454 über bie eventuelle Auslieferung der Burgen ausbebungenen Termin vom 2. Februar bis zum 23. April, und dann wieberum auf eine fpätere Frift zu prolongieren. Kleine Teilzahlungen, Vertröftungen, Ver⸗ Ihreibungen, die Zufagen und Bürgichaften des Kurfürften von Brandenburg und die Veräußerung der Iekten beweglichen Wert- gegenftände, zu welchen auch das Domkapitel von Marienwerber all fein filbernes SKirchengerät hergeben mußte, hatten bem Hodhmeifter folche Prolongationen zu verichaffen vermocht, aber daß die Stimmung der Söldner, die an ber Sache, für welche fie kämpften, feinen inneren Anteil nahmen, ſich immer mebr verbitterte, braucht nicht weiter ausgeführt zu werben, ebenfo wenig aber auch, daß bier und ba die Söldner anfingen, felbft zuzugreifen und fich fogar, wo es anging, eigene Burg⸗ berrichaften anzulegen. Je öfter die Vertröftungen auf Löhnung fich wiederholten, deſto mehr ſchwächte fich natürlich das Ver⸗ trauen auf biefelben ab, und bie Sölpner waren bald in ber Verfaffung, die Verlaffenheit des Ordens aus eigener Anfchau- ung wahrzunehmen. Auch nicht einmal der Lanbmeifter von Livland zeigte den Eifer zur Unterftügung des Ordens, den die gefpannte Lage erforderte. Eine unabläffige Korreipondenz zwiichen bem Sochmeifter und dem Lanbmeifter Hatte die Sub- ventionsfrage nicht einmal fo weit geförbert, daß fie in Livland jelbft befchlofjene Sache geweien wäre, und als dann endlich mit der Ausführung vorgegangen wurbe, traten noch jo viele Zögerungen ein, daß man in Lioland eben zu ber Abjenbung des auf 100000 Gulden angejichlagenen Hilfsgeldes ſich an⸗ ihiekte, als es zu ſpäͤt war. Auch in biefem alle mögen bie Neibungen zwiichen dem Hochmeifter und Lanbmeifter aus ben legten Jahrzehnten ihre üblen und hemmenden Cinflüffe ge- habt Haben. Die Hinweilungen auf den Srebit des Ordens mußten daher bet den Sölbnern immer mehr Mißtrauen er- weden, und als nun gar die Nachricht aus Rom im Herbft

16 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1455.)

1455 eintraf, daß ber Deutichmeifter daſelbſt die Nichtigleits- erflärung aller auf die deutichen Beſitzungen ausgeltellten Ver⸗ ſchreibungen des Hochmeifters betreibe, gaben die Sölbner in ber Mehrzahl die Hoffnung auf, daß die Marienburger Re- gierung noch zahlungsfähig werben Könnte. Bei der Denkweiſe dieſer Kriensleute lag der Entichluß, fih nunmehr an die Gegenpartei zu wenden, allıu nahe, und nicht barüber darf man fi) wundern, daß er gefaßt wurde, ſondern nur barüber, daß ihn Skrupel eigener Art verzögerten. Aus den Verhand⸗ lungen ber Söldner fowohl mit dem Orden als mit den Polen erniebt fich nämlich, daß unter dieſen Mietlingen und Kriegs⸗ geiellen fich ein Nationalgefühl geltend machte, das ben preußi⸗ Ihen Stabtpatriziern und Lanbritteen, wohlgeordneten Leuten deuticher Zunge, bebdauerlich fremd war. Die Solbtruppen beftanden aus Czechen und Deutichen. Den letztern fchlug offenbar das Gewiſſen, die Schöpfung bes beutichen Adels, den Orden und bas im Nittertum Deutfchlands hochangeſehene Marienburg den „Vndeutichen“ zu verlaufen, während bie Söldner flawiihen Geblüts wiederum unter ihrem Führer Ulrich Czerwenka von Leder den Bolen, ihren Stammverwandten, bie reiche Beute und Herrichaft gönnten und gern zuwandten, wofern fie jelbft nur zu ihrem Gelde fümen. Im Spätjommer 1455 fanden daher bereits bie erften Verhandlungen zwilchen polniihen Bevollmächtigten und den Rottenführern ftatt, aber bie Deutſchen beteiligten ſich an benfelben nur, um fie aufzu- halten und dem Orden Zeit zu gewinnen, und auch in jpätern Berbandlungen, ja noch fur; vor dem Abichluß mit ven Bolen, al8 die vornehmere Geſinnung der deutlichen Hauptleute noch das Übergewicht hatte, gaben die Söldner wieberholentlich die Erklärung ab, ihr Geld lieber von Orden als non den Polen nehmen zu wollen, und jelbft im Yuli 1456, als zwiſchen ben Condottieren und den Polen nur noch Differenzen über Zah⸗ Iungsmittel und Zahlungsfriften beftanden, fuchten die Deutichen ben Handel aufzuhalten und dem Abfchluß vorzubeugen. Dan boffte noch immer auf die Subfidien von Livland, wo ſchon im Frühjahr ein Schoß von einer Mast vom Hafen Landes

Berkauf ber preußiſchen Schlöſſer. 17 ansgeichrieben und außer von ben Bilchöfen auch fchon ein-

gezahlt war. Aber das Geld bfieb aus. Natürlich gewann

unter ſolchen Umständen der Ezeche, dem fich Dann auch vtele deutjche Söldner verzweifelnd anſchloſſen, eine gewichtvollere Stimme, und am 15. Auguft 1456 fchloß er mit den Polen den Ber» trag, worin er fich verpflichtete, ihnen gegen eine in drei Friften zahlbare Gefamtfumme von 436000 !) Gulden die feiten Plätze Allenftein, Wartenburg, Röffel, Ortelsburg, Rhein und Geeiten nach der eriten Zahlung, Schönberg, Neumark, Bra⸗ tean, Hobenftein, Soltau und Deutſch⸗Eylau nach ber zweiten, und endlich Stuhm, Marienwerder, Reifen, Riefenburg, Dirichau, Mewe, Konitz, Hammerftein, Friedland und zulegt Marienburg gegen bie dritte Zahlung auszuliefern. in Teil der beutichen Säkoner, der namentlich auf Veranlaffung des mwadern Bern⸗ hard von Eimburg ?) dem Orden ergeben blieb, war fchon früher von Marienburg abgezogen. Am 17. Auguft kam bie Nachricht von dem Abſchluß des Verkaufs nach Marienburg, und me zuvor haben die Gloden von St. Anna und St. Bar- tholomae zu einem ſchnöderen und widerlicheren Handel ge- läutet.

Mit diefem kurzen und nur das Wejentlichfte andeutenden überblick der Ereigniffe in Preußen, über welche fich eine un⸗ gemeine Fülle von Detailnachrichten erhalten haben, find wir aber in ber Zeit jehr vorangeeilt und müffen nunmehr unjern

1) Die Frage Über die Kauffumme bedarf noch, auch nach ber fehr drientierenden Anmerlung Toeppens in Script. rer. Prufs. IV, 177 mb Hirſchs, ebd. S. 521, weiterer Fefftelungen, und namentlich find bob Diugofz8 Nachriden, der bei dem Zahlungsgeſchäft ſelbſt Anteil nahm, nicht jo ohne weiteres abzulehnen. Beſonders auffällig ift, daß er von 77 Gulden auf den Reiter fpricht, während die Urkunde nur 57 Gulden angiebt.

2) Die von den preußiſchen Hiftorifern unb noch von ben Herans- gebern ber Script. rer. Prufs. gebrauchten Formen des Namens find nit richtig. Bernhard war ein Sohn des böhmifchen Münzmeifters Miles Dimudel von Jemnisk und Halbbruder des Bene: von Waldflein, Ipätern Biſchofs von Kamin. Bol. Balady, Gefhichte von Böhmen IV. 1, 506.

18 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1455.)

Dlid wiederum nach Polen zurüdwenden, wo, wie wir geſehen baben, bie preußiichen Angelegenheiten in einer eigentümlichen Verbindung mit den innern Bewegungen ftanden, über welche wir leider nur von einer einzigen und noch dazu unzuverläffigen Seite unterrichtet find. ALS der Adel im Heerlager vor Leffen im Januar 1455 und der Klerus in der Provinzialſynode zu Lerzyc dem Könige die allgemeine Vierbungfteuer bewilligt Batten, glaubte Kaſimir vertrauensvoll die Einnehmer ernennen zu können, denn er zweifelte nicht an der Ausführung ber Zufage. So viel fi aber aus der etwas dunkeln Ausdrucksweiſe des Derichteritatters entnehmen läßt, ſcheint die Erwartung bes Königs ſich nicht erfüllt zu Haben, und es mußte vielmehr eine Münzmanipulation vorgenommen werben, um den dringendſten Bedürfniſſen aus dem Töniglichen Arar felbft begegnen zu können. Erit als der König aus Litauen zurüdgelehrt war, wo bedenk⸗ liche Aufregungen feine Anweſenheit erheifcht hatten, anı 15. Mai, wurde ein Reichstag in Piotrlow abgehalten, wohin auch die Bertreter der Bündiſchen famen, um dem Aufftand Königsberg gegenüber, deifen Bedeutung ihnen fichtlich nicht entgangen war, von Polen Rat und Hilfe zu holen. Es war der erite Reichs⸗ tag wieder nach der Gefeßgebung von Neſſau, das erfte Deal, ba wieder ber Klerus und die Ariftofratie zu Wort kamen. Bor allem wollte man von einer Erneuerung des allgemeinen Kriegsaufgebots nichts wifjen, weil die königlichen Solbtruppen, wie man vorgab, ven wenig zahlreichen Gegnern gewachien fein würden, eine Begründung, die nach ven Mäglichen Erfahrungen des Winterfeldzugs doch nur fchlecht die Scheu vor einer neuen Derfammlung des ganzen Adels im Heerlager verbergen konnte. Inbetreff der Vierdungſteuer aber wies man den König an die Kommunitäten und beichloß, am Johannistage wieberum in Piotrlow zu tagen, um die Beſchlüſſe der Provinzen ent- gegenzunehmen. In Großpolen ftimmte man der Vierdung⸗ fteuer zu, in Kleinpolen aber wurde die Bedingung geftellt, daß die Zenutarien Töniglicher Güter die Hälfte ihrer Einkünfte bergeben jollten, und dadurch war die ganze Bewilligung, ba es ſchwer gehalten haben würde, die Zenutarien zu einer folchen

Ein neuer Feldzug. 79

Leiftung zu zwingen, jo gut wie abgelehnt. Allein auf dem Johannis» Reichstag zu Piotrlow gaben doch auch die Klein⸗ polen den Widerſtand inbetreff der Steuer auf. Als aber wie- der von einent allgemeinen Aufgebot in Anbetracht der hohen Gefahr und Bedeutung ver Kämpfe um Königsberg bie Rebe war, verbreitete man fichtlich nicht ohne Abficht die faljche Nahricht, Königsberg ſei den Bündiichen in die Hände gefallen, jiebentaufend Leute des Ordens feien gefallen, der Krieg fei aus, und folgerte, daß ein Aufgebot jomit nicht nötig wäre. Das Übrige erwartete man von den Verhandlungen mit ben nun jchon allein in Marienburg gebietenden Sölonern des Ordens, behufs welcher der Biſchof Ian Gruszczynski von Kujawien und der Staroft Ian Rytwian von Sandomir fich nah Thorn begaben. Endlich foll aber denn doch der König, da die optimiftiichen Nachrichten über die Kriegslage bei Königs⸗ berg fich nicht Beftätigten, und die Verbältnifje vielmehr höchſt ungünftig für die Bündiſchen ſich geftaltet Hatten, auf eigene Hand ein allgemeines Aufgebot erlaffen haben. Das ging nun freilich direft wider das neue Stantsreht. In den Provinzen mochte man über die den Statuten von Nejfau jo dreift wider» ſprechende Handlungsweile des Königs verjchievener Meinung gewejen fein, und „vie Zöniglichen Mandate wurden keineswegs ſehr äftimiert oder gefürchtet, jondern jeder handelte nad eigenem Impuls, je nachdem es ihm Bedürfnis war”. Aus einigen Provinzen fam der Adel auf ven Ruf des Königs, in anderen führte das Aufgebot nur zu einer Bewegung, bie für das Land und insbejondere für die eben erjt eingefahrene Ernte verbängnisvoll wurde. Sechs Wochen mußte Kaſimir auf den Anzug der Aufgebotenen, injoweit jie überhaupt famen, warten, und unter ſolchen Umftänden wird man begreifen, welche Über: treibung darin liegt, wenn eine Nachricht aus dem Lager der Dündijchen das polniiche Heer auf 100000 Dann, und eine andere gar dasjelbe auf 150000 anjchlägt. In der Zwilchen- zeit, ehe das Heer fich verfammelte, fanden noch vor den ver- geblichen Ausgleichsverhandlungen mit dem NKurfürften von Brandenburg Beratungen. zu Brzesd in Kujawien über den

80 Elfte3 Bud. Drittes Kapitel. (1455.)

demnächftigen Feldzug ftatt, und bier zeigte es fich, daß Polen in nicht viel geringerem Maße als der Orden fih in finan- zieller Verlegenheit befinde. Auch der König war feinen Soͤld⸗ nern, und namentlich den Truppenführern, welchen die bündiſchen Pläße in Preußen übertragen waren, die Löhnung ſchuldig ge blieben, auch er mußte unter „Schmähungen” die Drohung vernehmen, daß man zum Orden übertreten werde, wofern der Sold nicht gezahlt würde, und auch er mußte, um ber drückenden Not wenigftens für den Angenblid abzubelfen, zu dem Mittel feine Zuflucht nehmen, deſſen ſich der Hochmeiſter bedient batte. Es wurde beichloffen, daß der Hohe Klerus gegen eine vom Könige und feinen Räten zu leiftende Bürg⸗ ſchaft Das wertvollfte Kirchengerät verpfände. “Die großpolnifche Geiftlichkeit mit dem Primat an der Spike verfagte der außer- ordentlichen Maßregel nicht die Unterftüßung, der Biſchof Thomas Straempinsfi von Krakau aber, der ermwählte aber noch nicht konſekrierte Nachfolger Zbigniew Olesnickis, im Geifte besjelben erzogen, verweigerte nicht bloß die Antaftung der reichen Kirchenſchätze, ſondern fprach ſich überhaupt gegen die Zweckmäßigkeit und Gerechtigleit des ganzen preußiichen Krieges aus, und im Krakauer Domtapitel, deſſen Geſinnung Dkugofz und ausdrüdt, weisfagte mar ſchon alles Unheil von dem mit fo fakrilegifchen Schritten begonnenen Feldzug. Auch in weitern Kreilen mißbilligte man diefe Maßnahme, während bie jüngeren Politiler auf den Ausfpruch des heiligen Bernhard verwiefen: „Die Kirche Habe das Gelb, nicht um es zu befiken, fondern um es den Dürftigen zu ſchenken“ ?).

In der That aber fiel auch diejer Herbſtfeldzug des Königs nach Preußen wieder fo jämmerlich aus, daß wirklich an ein

1) San Oftrorog, Monumentum etc. Caro, Neformations- ſchrift, ©. 66, cap. XII. Quod etiam princeps vasa templorum con- flaverit, reprehensum illud a multis audivi, idque ab his, qui illud divi Bermardi dietum ignorant: eccl. habet aurum, non ut possideat sed ut egentibus largiatur. Ad excusacionem ejus et quidem justam allegari potest, cap. „aurum“ XII, q. II et cap. ad apo- stolos.

Graubenzer Tagfagung. 81

Strafgericht Gottes geglaubt werben konnte. Vom 12. Sep tember 1455 an bis Ende Dltober dauerte er und beſtand eigentlich wieberum nur in einer vergeblichen Belagerung bes _ feinen Städtchens Leſſen, das der Hofdiener des Hochmeifters Fritz Rawenel mit einigen hundert Leuten aufs tapferfte ver» teidigte. Bald riß Not und Futtermangel im polntichen Heere ein, und Menſchen und Pferde litten umter ven fich erzeugenben Seuchen. Das Land war ausgefogen und verheert; fein Haus mebr, das nicht von ben Flammen zerftört, kein Stüd Vieh war weithin auf den Triften noch zu finden; auf zwölf Meilen umber war alles verlafien und Einöde. Nur an den Weichfel- ufern hatten einſame Fiſcherhütten ſich noch erhalten. ‘Die Landlente Hatten jchon längſt mit den Trümmern ihrer Habe ih aufgemacht und waren fortgezogen, „wohin jeden das Schickſal führte”; die einen waren nach Rußland, andere nad Bolen, wieder aubere nach Deutichland ausgewandert. “Die geringe Zufuhr Tonnte die Bebirfniffe des Heeres nicht bes ftreiten, umb fo zwangen Elend, Hunger und die Negengüffe des Spätherbſtes den König, die Belagerung von Leffen und ven Feldzug überhaupt wieverum abzubrechen. Während aber das Heer fich zerftreute und auf verſchiedenen Wegen bie Heimat fuchte, ging Kafimir mit den vornehmften Würden- trägern am 23. Oktober nach Graudenz, wo er bis zum 4. No» vember fich aufbielt.

Über die Vorgänge in Graudenz haben wir leider wieder nur ohne Mittel der Kontrolle den Bericht des Krakauer Dom⸗ deren, aber felbft aus feiner parteitich vertuichenden und ver⸗ dunkelnden Mitteilung innen wie entnehmen, daß fie von außerorbentlicher Bedeutung waren. Hier in ber Weichielfefte wurde nämlich bie brennende Frage über bie weiteren Schritte in bey preußilchen Angelegenheit erörtert, und wie namentlich, ba bie Mittel des Königs erichöpft waren, die zur Zortführung bes Krieges notwendigen Summen aufzubringen wären. In feiner Korreſpondenz mit Danzig erflärte der König um dieſe Zeit, er babe ſchon nicht weniger als 1200000 Dukaten auf bie preußiiche Erwerbung verausgabt, und Danzig berrchnete ſeiner⸗

Caro, Geſchichte Polens. V. 1.

82 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1455.)

feitö die Ausgaben ber Iekten zwei Jahre bereit auf mehr als eine DViertelmilfion. Und doch verſchloß man fich nicht vor der Überzeugung, baß noch unabſehbare Anftrengungen in finanzieller Beziehung um fo mehr zu machen jein würben, - als die militärifchen bisher einen fo wenig ermutigenden Erfolg gehabt Hatten. Je jchlimmer der Ausgang des legten Feld⸗ zugs, über den ſich von allen Seiten der Unmut ausiprach, gewelen, deſto mehr belebten fich die Verhandlungen mit ben Söldnern des Ordens, die jeboh nur die Ausficht auf noch ausgebehntere Geldbedürfniſſe eröffneten. Der König felbft war nach dem Bericht eines Anhängers des Ordens in Thorn !) jo verzweifelt, daß er fich nach Litauen zurückziehen und von Polen und Preußen nichts mehr wilfen wollte. Während nun aber fo die Geldnot fich fteigerte, ging die Opferwilligleit des polniichen Volles eber zurüd, und ber kärgliche Ausfall der Vierbungfteuer im Jahre 1455, wenn anders überhaupt etwas davon zuftande gelommen war, beutete vielmehr eine tiefgebenbe Unzufriedenheit mit dem Gang nicht bloß der äußern, ſondern auch der innern Politif an. Der Ausbruh zu Neffau im porigen Jahre batte nur vie am bitterften empfundenen Schäden berührt, und fie eher noch bloßgelegt als völlig geheilt. Lauter Unwille erhob fi daher in Graudenz gegen „die Beſchlüſſe ber alten Barone und Dignitare, weil fie feine erfprießlichen Erfolge hatten; man verwarf fie daher und wählte einige aus der Rommunität (des Adels) behufs Herftellung eines befferen Standes des Gemeinwefens“. Überfegen wir dies aus ber Ausdrucksweiſe Dlugoſzs in die uns geläufigeren Begriffe, io fol das doch wohl heißen, daß bier einmal ber Verſuch ge- macht wurde, bie Vertreter der Kommunitäten an Stelle ber Neichstags-Ariftofratie Über die Fritifche Lage bes Landes be» jchließen zu lafjen, oder wenn wir und ber einer fpätern Zeit angebhörenden Qerminologie bevienen bürfen, ber Landboten⸗ fammer an Stelle bed Senats das enticheibenne Wort ein- zuräumen. Und vadilal genug fielen die Beſchlüſſe dieſer

1) Kogebue IV, 847.

Graudenzer Beſchlüſſe. 83

„Jüngeren“, in denen vor allem die lebhafte Abneigung gegen den Klerus und ſeine Immunitäten brütete, inbetreff der außer⸗ ordendlichen Maßnahmen aus. Denn nach ihnen ſollten von allen geiſtlichen und königlichen Gütern zwei, von den Gütern des Adels jedoch nur ein Vierdung von der Hufe gezahlt wer⸗ ven. Außerdem aber jollten alle Klerifer und firchlichen Perſonen die Hälfte ihrer Einkünfte aus ihren Benefizien an den Staat entrichten. Dann follte der König den Winter über mit feinem Hofgefinde in Thorn bleiben, um gegen die zum Orden wieder binneigenden Städte einen geeigneten Zwang ausüben zu können . Und daß dieſe Beichlüffe der Vertreter der Kom⸗ munitäten nicht bloß als ein wohlfeiler Rat angejeben, ſondern mit der Kraft einer geießlich angenommenen Anordnung aus- gejtattet betrachtet wurden, erfiehbt man aus der Thatſache, daß fie, wie Dlugoſz mitteilt, im Namen und auf Befehl des Königs in allen Städten des Kralauer Landes wir dürfen vermuten im ganzen Reich durch die öffentlichen Ausrufer befannt gemacht wurden. Es verſteht fich von jelbft, daß vom Klerus und der Aritofratie, die fich plöglich durch die Gegen⸗ partei an die Wand gedrückt fahen, ein mächtiger Lärm erhoben wurde. „Pöbeldekrete“ jchalt man die Beichläffe und fand bie Anmaßung der „neuen Räte“ als „eine ruchloſe Unfchicklichkeit und bäuriiche Frechheit“, und daß dieſe Jüngeren den Mut batten, nicht als „Bittende” aufzutreten, jondern mit „bes fehlender Autorität”, was allerdings am meijten den revolu⸗ tionären Charakter der Graudenzer Geſetze kennzeichnete, konnte am wenigjten vergeben werben. Natürlich wurde auch, wie immer, wenn dem Klerus Widriges gefchieht, der Zorn Gottes in fichere Ausficht geftellt. „Jedesmal, wenn unjere geiftlichen Väter”, fchrieb man aber damals aufleiten der Jüngeren, „dem Regenten für die Bebürfnifie des Staates etwas aus ihren eigenen Mitteln geben jollen, tritt ihnen abergläubijcherweife bie Rückſicht auf Gott jchredhaft entgegen. Da tft nichts zu

1) Bgl. auch ven freilich etwas verworrenen Bericht eines Ordens⸗ angebörigen Über die Vorgänge in Graudenz bei Kogebue IV, 347. 6*

84 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1486

fürchten, und biefe Leute vergeifen, daß die Gůter den Dürf- tigen gehören, denen fie zu entziehen, Raub und Diebſtahl ift. Ein befferer Gebrauch, als fie im Nuten und zur Verteidigung ber Armen zu verwenden, kann davon nicht gemacht werben. Fürchtet nicht, verehrungswürbige, fürchtet nicht, ich will euch ein Kapitel (im fanontichen Hecht) zeigen, welches dies erlambt, ja befießlt“ ).

Aber freilich ſaßen Klerus und Artftokratte viel gu feſt im - Regiment, als daß fie mit einem Schlage hätten berausgehoben werben können. Die Graudenzer Beichlüffe Hatten die Feuer⸗ probe des ziemlich bald darauf (6. Jannar 1456) ftattfindenden Reichstags zu beftehen, und fie beftanven fie nicht. Bier waren nach ber ausdrücklichen Bemerkung unferer Quelle „alle Prü- Inten und Barone des Reiches“ zufammengelommen. Sie hatten wohl Grund genug für einen vegen Anteil, und „ehe man noch an irgendeinen Gegenftand ver Verhandlung ging, wurden zumächft auf die bittere Klage des Klerus über Berrüdung und Unbilden die Beſchlüſſe von Graudenz zur Schmach ihrer Urheber zurüdgenommen“. Der Tlerilal-ariftofratifche Reichs⸗ tag trat damit wieder in feinen entjcheivenden Einfluß. Um nur bie preußifche Frage aus dev Welt zu bringen, welde über lang oder kurz wegen der vielfachen Gelegenheiten, bie fich im Kriegsverlauf bildeten, den Kommunitäten bie ausichlag- gebenve Stimme zuführen mußte, und um nicht an SOpfer- willigfeit Hinter den letzteren zurückſtehend zn erſcheinen, wurde unch von biefer Körperfchaft „unter Zuftimmung bes Klerus“ al8 außerordentliche Schakung die Entrihtung ver Hälfte alter Nenten bewilligt, aber nicht wie in den Graudenzer Beichläffen mit einer Unterſcheidung zwiſchen geiftlichen und weltlichen Gütern, fondern von beide in gleicher Weile, und dann nicht zur Fortführung des Krieges, jondern für den „Abſchluß des Friedens“ 2). Darunter verftanb man freilich nur den Anlauf

1) 308. Oftrorog, Monumentum, cap. X, ed. Caro, ©. 66. 2) „Pro pace mercando fiat contributio“, fchreißt ber Biſchof von Krakau an feinen Didcefanflerns. Cod. epist. saec. XV, 167,

Handel mit den Sölbnern. 85

ber durch die Ordensſoldner angebotenen Burgen, und darum fieht es mit biefer fcheinbaren Friedlichkeit des Reichstags nicht in Widerſpruch, wenn er zugleich ein allgemeines Aufgebot be- fließt und das Heer unmittelbar nah Pfingften einberufen und den ganzen Sommer über in Preußen verwenbet wifien will. Indeſſen blieben die tapferen Beſchlüſſe des Reichstags vorläufig auf dem Papier. Zwar haben wir eine Nachricht, daß ber König in ver That gegen Ende April ein Heeres⸗ aufgebot namentlich in Rückſicht der drohenden Stellung bes Kurfürften von Brandenburg ?) erlaffen hätte, aber von dieſem Heere ift ebenfo wenig zu jeben und zu hören als von ber Entrichtung der Hälfte aller Renten. Nur die Verhandlungen mit ben Söldnern nahmen ihren Fortgang, und in ben Konferenzen ber beiverjeitigen Bevollmächtigten vom Februar bis zum April waren Forberung und Ungebot einanber jchon ziemlich nahe⸗ gelommen; man feilichte nur noch um geringe ‘Differenzen, und St. Georgstag 1456 (23. April) war bie legte Friſt, bie Ulrich Czerwenka dem Hochmeifter geftellt Batte. Unzweifelbaft würde auch damals ſchon ver Abfchluß mit den Söldnern er- folgt fein, und Ezerwenla ging in der That fchon bier und da mit einzelnen Bündnern auf einen Waffenſtillſftand ein wenn fich der König nur in der Lage befunden hätte, ben Geld⸗ anfprüchen irgenbwie genügen zu können. Man jchrieb damals (15. April) dem Orden, daß Polen fih in einer unerhörten Aufregung befinde alles, das Land, die Geiftlichleit, der Abel, bie Löniglichen Güter, die Kirchen, die Klöfter feien ſchon ſtark beichagt, ja fürmlich ausgeplündert, und Doch wären bie Mittel nicht vorhanden, ebenjo wenig die Söldner zu bezahlen, als ben Polen felbft ven veriprochenen Erjag für ben Kriegsichaden zu gewähren, wozu der König belanntlich durch Landesgeſetz verpflichtet war. Es berrichte Zwietracht und Aufruhr im ganzen Lande, und vor dem Könige jet es zu den ärgerlichiten

1) Bgl. Boigt, Erwerbung der Neumart, ©. 378 ff., und intbefon- bere das Schreiben des Kurfürfien bei Jäger, Cod. ord. teut. III, no. 112.

86 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1456.)

Auftritten bereits gefommen. Der Marſchall (das würde Nikolaus von Brzezie geweſen fein) hätte den König aufgeforbert, den Verfchreibungen nachzufommen, und als dieſer ſich außer- ftande erflärte, babe ber wütende Magnat die Schreiben zer» riffen und die pöbelhafteften Beleidigungen dem Könige ins Antlitz gefchleudert ). Mean wußte ferner in Preußen, daß Söldner nah Krakau gefommen waren, um ibre Forbes rungen einzutreiben, und daß einer derfelben an 40000 Du⸗ faten zu fordern bat. Manche Söldnerführer, wie SIanufz von Aufchwig, von deſſen Beziehungen zur Krone Polen wir bereit8 gefprochen haben ®), und der Czeche Johann Eolba von Zampach, die Die Auslagen für die unter ihnen bienenben nicht mehr tragen mochten, hatten Preußen verlaffen, und auch bie Hauptleute, welche geblieben waren, drohten die ihnen an» vertrauten Feſtungen in Stich zu laffen, und e8 ging die Des fürdtung um, daß fi die Söldner zu einem Raubzug mit Sengen und Brennen nad) Polen hinein vorbereiteten 3). Die Derlegenbeiten des polnischen Königs waren alfo nicht viel geringer al8 die des Gegners, und bie Verwirrung im Lande, genährt durch die Erbitterung des in feinen Herrihaftsanfprüchen angegriffenen Klerus mußte fchon einen hohen Grad erlangt haben, wenn bie patriotifchen Parteien in Litauen dieſen' Mo— ment für gelegen fanven, ihre durch den Schwur von Piotrkow vom Jahr 1453 verratenen Anrechte an Podolien in Erinne- rung zu bringen. Wir fommen auf diefen Punkt noch im Zufammenhang zurüd und werben uns bie Frage vorzulegen haben, ob die Rede, welche den litauiſchen Delegaten in ben Mund gelegt wird, wirklich vor dem Könige gehalten worben ift. Aber ein Gedanke derfelben giebt ihr eine hohe Wahr-

1) Nah dem Briefe des Biſchofs von Pomefanten an den Hochmeifter foll er ausgerufen haben: „Der König fol fein Siegel dem Hunde auf ben Hintern brüden“ eine Redensart, die ähnlich auch Heinrich von Noſtitz gelegentlih gegen den Hocmeifter brauchte. Auch Diugofz XIII, 175 erwähnt „regem maledictis lacessant‘“.

2) Teil IV, ©. 497.

3) Dal. Palacky, Gefhichte von Böhmen IV1, 505.

Die litauifhe Neutralität. 87

ſcheinlichkeit, denn er ift aus der Sachlage herausgegriffen und ſehr nabeliegend: die Polen, follen fie dem Könige vorgeftellt haben, trügen fchon den Untergang feines Bruders auf bem Gewifien, indem fie ihn in den Strudel ber ungarifchen Aben- teuer geftürzt hätten, er möge zuſehen, daß er nicht in ein ähn⸗ liches Geſchick durch die Wirren, in bie er fich gemijcht, geriffen werde '). Im diefer Analogie lag ein bebeutender Grab objel- tiven Verſtändniſſes der preußtichen Angelegenheiten, und biejes muß in Litauen in weiten Kreiſen verbreitet gewefen fein, benn troß der großen Sympathie, die Kaſimir gleichlam als ge- borenes Landeskind dort genof, tft von dieſer Seite aus nichts ober jo gut wie nichts zur Unterftügung Polens geicheben. Auch wenn e8 wahr geweſen wäre, was durchaus nicht erwieſen ift und erfunden fcheint, daß bei Konig ein Trupp von 5000 Litauern an ber Seite der Polen gelämpft hätte, jo würbe es auffällig genug geweien fein, daß von da an weiterhin von biefen Bundesgenoſſen nicht wieder die Rebe iſt. Der polnijche Chroniſt findet fich über diefen Punkt mit einer dunkeln Bhrafe ab). Wohl bören wir aus zuverläffiger Quelle, daß die Samogiten einmal die Feſtung Memel überfallen und aus- brennen, aber troß dieſes Erfolges ſetzen fie den Fuß micht weiter vor, und e8 bauert auch nicht lange, fo fchlagen bie Leute des Ordens fie aus diefer Bofition wieder zurüd. Ganz im Gegenteil fcheint das fonjt felten lange ungeftörte Ver⸗ hältnis zwifchen Litauen und dem lioländiſchen Orden in biefer Epoche in ungewohnter Ruhe zu beitehen, und es liegen An- zeichen vor, daß in Litauen eine Verbindung mit dem Orden ernftlicher in Betracht gezogen wurde als eine Unterjtügung Bolend. Bergleicht man die Kriege Polens gegen ven Drben

1) Was Diugofz die Litauer vor dem Reichstag aussprechen läßt, legt der Bericht eines geheimen Orbensagenten bem Könige ſelbſt in ben Mund; vgl. Kotzebue, Geh. Preußens IV, 350.

2) DYugofz XII, 166. „Lituani de ferendo exercituali subsidio correcta priori voluntate(?) fidem(?) praestant.“ Daß dies nicht ge- hab, fagt Ian von Rytwian in der berühmten Rebe auf dem Reichs⸗ tag 1459 ausdrücklich, und Diugofz ſelbſt XII, 329.

88 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1456.)

in den Jahren 1410 bis 1422, an benen Witold mit ben Litauern teilnahm, und in welden der Orden mit einer ge- waltigen und woßlgerüfteten Macht auftrat, mit den ungemein zerfaßrenen und erbärmlichen Feldzügen von 1454 und 1455, in welchen der Orben, zerfallen mit ben eigenen Untertbanen, nicht mehr als ein paar taufend Sölbner entgegenzuftellen ver- mochte, jo tritt die ungebeuere Bedeutung ber Titauifchen Bundesgenoſſenſchaft für Polen in hellſtem Lichte hervor, und auf dieſe mochte auch wohl Kafımir mehr als auf die Begelfte- zung in Polen gerechnet haben, als er im Gegenlab zu dem ihm von dem Kardinal erteilten Rat in das preußiihe Au⸗ erbieten einichlug. Unbebingt war es bie größte Ralamität für den König, daß dieſe Rechnung nicht eintraf. Wie follte er jest, da es den Bünbnern body mit feiner Ehre verpflichtet war, dem Werke Fortgang fchaffen? Unter ven vielen An- ſchuldigungen, welche bie klerikale Partei wider ven König in Umlauf brachte, war keine ungerechter als bie, „daß burch feine Nachläſſigkeit und Unthätigleit die meiſten Sachen ent- fräftet würden“. Was follte der König denn thun, da es an allem gebrah? Es fcheint obwohl der Bericht des Kralauer Domherrn dem wideripricht —, daß man im Sommer 1456 ungeachtet des Beichluffes im Epiphanias- Neichötage von dem Erlaß eines allgemeinen Aufgebots abſah, denn nach ven Er» fabrungen der letzten zwei Jahre fchtenen dieſe Wufgebote bei dem Mangel einer Landesmatrilel für die Erhebung der Ban- derien 1), bei dem Mangel einer zufammenfaffenden Organifation per Kriegsmacht, bei dem Übelftand, daß für alle Kriegsleute ein einziger Sammelpunft ausgejchrieben wurde, woburch bie Mannichaften aus entfernt liegenden Provinzen gezwungen waren, diſſolute und zu Näubereien verlodende Züge durch das ganze Neich zu unternehmen und enblich bei der Zerfaßren-

1) Daß e8 am einer foldhen, wie fie König Sigismund 1435 nad bem Mufter ber deutſchen Reichsmatrikel von 1422 in Ungarn eingeführt hatte, in Bolen zur Zeit fehlte, exweift ber Vorſchlag bes Jan Oftro- xog, Monumentum eto., cap. XLI, p. 74. Bgl. auch für die folgen- ben Bemerkungen bie cap. XL—XLV.

Berlegenheit in Polen, 89

beit in der Wufftellung zur Feldſchlacht, nicht lohnend genug zu fein. Diefe Mißftände find ebenfo bezeugte Thatfachen wie bie weiteren, daß die aufgebotenen Leute häufig, wohl zumelft obne offen und NRüftzeng zufammengelaufen kamen, benn weber gab es feite Verordnungen über das Halten und Vorbereiten von Waffen, noch waren periodiſche „Luftrationen“ über das wirkliche Vorhandenſein ber militärifchen Ausräftung eingeführt. Kurzum, die Kriegstüchtigleit des polnifchen Heeres war in einer Weife zurüdgegangen, daß e8 der Aufgabe in Preußen eben nicht gewachſen war, und wenn es wahr fein follte, was der allzeit prahlende Chronift berichtet, daß im biefer Epoche einer drüdenden Verlegenheit für Polen nicht weniger als 800 polniiche Kriegsleute dem Fanatiker Capiftrano bei Belgrad an ber Donau gefolgt feien, jo würde man bas nur als ein wei⸗ teres trübes Zeichen von dem Berabfinten bes nationalen Gemeinſinns anzufehen haben. Achthundert jo tapfere Krieger, als die Verteidiger von Belgrad geweſen waren, bätten dem Preußentriege eine Wendung geben Zönnen, die Polen der Schmach überhoben hätte, mit ben Orbensiölpnern um ben Berlauf der Burgen zu fchachern. Und boch blieb Kaſimir fein anderer Weg mehr übrig. Immer lauter wurde in Polen der Ruf nad einem Abfchluß der preußiichen Affairen, nach Srieden !), und als nım ber König die Pofition, die er in Preußen gewonnen batte, nicht aufgeben wollte und unter Ab- ſchluß und Frieden den Abſchluß mit den Söldnern fubftituierte, erhoben fich wiederum andere Stimmen, die, fei e8 burch bie Austiht, daß ganz außerordentliche Anforberungen an bie Stenerfraft des Landes würden geftellt werben müſſen, ſei es durch ein Gefühl des Anftands und der Gerechtigkeit angeregt erflärten: ein ſolcher Handel dürfe nicht hinter dem Rücken des Hochmeifters und bes Ordens geichloffen werben, welche denn boch ein „Präcipuum” in dieſem Falle in Anſpruch nehmen fonnten ?). Daß ſolche Stimmen vorzugsweile aus der kleri⸗

1) „animos . . . superiore bello plurimum attritos ad pacem in-

staurandam accensos esse.“ Dfugofz XIII, 185. . 2) „qui hujusmodi tractatus et conclugiones damnabant, quod

90 Elftes Bud. Drittes Kapitel, (1456.)

kalen Partei hervorbrangen, in welcher bie Hervorragendſten, wie der neue Biſchof von Krakau, den Krieg in Preußen aus den erwähnten Gründen mißbilligten, ift mehr als wahrfchein- lich. Im jedem Falle mußte das Vertrauen des Königs auf einen opferwilligen Aufichwung bes Landes in Abnahme Tommen, und er verfuchte durch das Angebot einer Verpfändung bes Wieluner Landes an den Herzog Bollo von Oppeln, der ein Darlehn von 100000 Dulaten in Ausficht ftellte, ſich wenig- ſtens ber peinlichiten Geldverlegenheit zu entziehen. Aber Bolko verfäumte unter dem Vorwand einer Erkrankung die projel- tierten Verbandlungstage; fpäter war auch nur von einem Darlehn von 30000 Dukaten noch die Rede, und endlich wurbe der Herzog durch Einflüffe des deutſchen Ordens bes wogen, von der Angelegenheit ganz zurüdzuftehen, und er ver- wendete fein Geld, wie es fcheint, lieber auf den Anlauf des Herzogtums Zroppau !). Vielleicht läßt ſich die auffallende Thatjache, daß der König gutes polniiches Land verpfänden will, um das zweifelhafte Preußen und das Herzogtum Auſchwitz zu erwerben, mit der politiichen Rückſicht erklären, die es empfahl, diefen unrubigen und beutejüchtigen Fürften von wei⸗ teren Erwerbungen in Oberjchlefien abzuhalten und lieber durch den Pfanpbefig des Wieluner Landes, das er ohnehin fort- dauernd durch Raubzüge in Atem erbielt, an das polnifche Intereſſe zu fetten. Aber welche Beweggründe auch vorgewaltet haben mochten, der Verſuch zerichlug fich, und bie Geldnot bes Königs wurde nicht gelindert. Und dennoch gingen die Ver⸗ bandlungen der polniichen Bevollmächtigten mit den Ordens⸗ ſöldnern ihren Lauf und führten in einem Augenblid, in wel» chem der polniiche König feine eigenen Söloner und Dienftleute nicht bezahlen fonnte, zu dem jchon erwähnten Abſchluß vom 15. Auguft 1456, welcher, da die Bündiſchen die Hälfte der Summe zu entrichten übernahmen, dem polnifchen Ärar eine

sine magistro et ordine qui praecipui in hac re existimantur, fierent“. Ebendaſ.

1) Cod. dipl. Siles. VI, no. 248. Bgl. Biermann, Geſchichte von Troppau und Fägerndorf, S. 209.

Der September-Reihstag. 91

neue Bürbe von etwa einer Viertelmillion Dukaten auflegte. Man war den Bünbnern in Preußen um jo mehr fchufbig, burch den rafchen Abſchluß zu zeigen, daß ihr Intereſſe nicht aufgegeben fet, als dort die Stimmung anfing höchſt ſchwankend zu werden. Selbſt in bem fanatiichen Danzig erhoben fich ftarfe Regungen für die Rückkehr zum Orden, und der König mußte fogar die Drohung ausfprechen, daß er bie Städte burch periobifch wiederkehrende Naubzüge zu zwingen willen werbe, feiner Fahne treu zu bleiben. Allerdings hatte der König burch eifrige Fürſorge für die Sicherheit des überjeetichen Handels ber Weichſelſtadt fich ſchon um fie Verbienfte zu erwerben ger fuht und Beziehungen zu Herzog Bhilipp von Burgund und König Heinrich von England !) zu ihren Gunſten angeknüpft, aber keineswegs mit dem Erfolg, den die Interventionen des Ordens in ähnlichen Fällen meift aufzumeifen hatten. Bedenk⸗ liche blutige Aufitände brachen in Danzig unter Führung des Stadtſyndieus Martin Kogge wider den alten Rat aus und tonnten nur mit Mühe nievergefchlagen werben. Ähnliche Aufruhricenen fanden zu Thorn und Kulm ftatt, und es war erfennbar genug, daß ohne eine burchgreifende Wendung der Ausgang der Verwirrung in Preußen fih aller Berechnung entzöge, und eine rüdläufige Bewegung eintreten könnte. Unter ſolchen Verhältniſſen trat der polniſche Reichstag in Piotrkow am 8. September 1456 zufammen. Von einer ftriften Aufrechterhaltung des Vertrages vom 15. Auguft mit den Söldnern konnte nicht mehr die Rebe fein, da bereit® ber erite Zahlungstermin verftrihen war. Aber fo wohlfeil ſich auch nach dieſem PVertrage die Erwerbung Preußens für Polen geftaltete, fo war man doch weit entfernt davon, in der Grund⸗ frage einig zu fein. Der Klerus jammerte über die Vergreifung am Kirchengerät, und ber Krakauer Biſchof erklärte geradezu, die Einmiſchung in Preußen fet nicht beffer begründet, als es die in Böhmen und Ungarn gewejen, und der Einprud, daß 1) Schr. Kaſimirs d. d. Piotrkow in parlamento generali f. VI

infra oct. epiphanie 1456. Ms. in British Mus. Bibl. Cot. Nero, B. I, £. 94, und Dogiel IV, 158,

92 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1456.)

mon fih in einem „ungerechten Kriege” befinde, wurde von vielen ber Anweſenden empfunden. Intereſſant tft, daß einer der Profefforen von Krakau, Sedziwoj von Ezechel, ein Freund bes Geichichtfehreibers Dfugofz, diefer Auffafjung entgegentrat unb in feiner Rede zu den trivialen Beiipielen aus ber Bibel, beren Seiligfeit ihren Mangel an Logik verſohnen mußte, „jene Accente des Demoſthenes hinzufügte, die das Jauchzen des ge- füllten Theaters bei Athen über die fürs Vaterland bei Mara⸗ ton, Artemifium und Salamis Gefallenen bervorbrachten“. In den gelehrten Kreiſen Polens, wo man in jenen Tagen eifrig damit beichäftigt war, bie Fügung der Dinge in Preußen anf eine Rechtsbaſis zuräcdzuführen und das Revindikations⸗ moment zur Rechtfertigung ber Einmiſchung in den Vorder⸗ grund zu ziehen, war der Krieg gegen den Orden fat ebenfo populär als bei ver weltlichen Ritterichaft Großpolens ?). Aber mit dieſer Auffaffung entfernten fich die Kralauer Profefforen nicht bloß von dem Klerus, von welchen fie einen Teil bil- beten, fondern jelbft von dem weltlichen Adel ihrer engern Heimat. Weber die „demoſtheniſchen Accente“ noch bie Er» innerung an „Iuba und Benjamin”, noch die Beinlichkeit der ganzen polittichen Lage vermochten bie Heinpolnifchen Herren aus ihrer Qaubeit herauszureißen, als es ſich darum banbelte, eine aufßerorbentliche Schakung des ganzen Reichs in feinen geiftlichen und weltlichen Ständen zu bewilligen. Sie ver- ſchanzten ſich obwohl das in ihrem Statut von Neſſau nicht ftand, doch aber wohl bei ihnen Landesrecht gewejen fein muß 2) Hinter der Behauptung, daß nicht fie Hier auf dem Neichstage, fondern nur die Kommunitäten zubaufe zu einer außerorbentlichen Bewilligung das Necht hätten. Der Vorſchlag ging auf den ſchon im Epiphanias⸗Reichstage desjelben Jahres gefaßten Beichluß Hinaus, eine Steuer im Betrage der Hälfte

1) Eine berartige Staatsfchrift, die des Zbigniem be Slora, welche bas Datum 1456 trägt, habe ich mir aus der Petersburger Staatsbiblio- thek fopiert. Eine andere behandelt Perlbach in ber Altpreußiſchen Monatsſchrift X, Heft 7, S. 566fl.

2) Bgl. oben, ©. 60,

Beichlüffe des Reichstags. 98

aller Renten auf bie königlichen, geiftlichen und abeligen &üter uud anf alle anderen Stände nach befonderen Maßſtäben !) zu legen, welche bis zu Martint, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Kommunitätslandtage, von benen ber für Kleinpolen (Krakau, Sandomir, Lublin und Rußland) auf den 7. Oktober in Neuftabt-Rorczun, ber für Großpolen (Boien, Kaliſch, Leczye, Sieradz, Kujawien, Dobrzun) auf zwei Wochen fpäter in Kolo angeſetzt werben ſollte, bei verichärften Exekutionsſtrafen zu ent» richten dt. Diefer Vorichlag wurde denn endlich auch zum Beſchluß erhoben, mit ber Maßgabe, daß ber „pobor“, die Königs⸗ fiener von zwei Groſchen von jeder Hufe, in Anbetracht der Ver⸗ lsgenheiten des Königs nicht in die außerorbentliche Steuer ein- gerechnet werben joll, wofern ber letztere bei den Partilular- landtagen darım angehalten haben würde, und daß für das Dobrzyner Land, weldyes um meiften durch Die Nähe des Krieges litt, erleichternde Vorkehrungen getroffen würden. Übrigens beitimenste der Neichätag, daß behufs energiicher Führung ber preußischen Angelegenheiten, und damit viefelben nicht unter ber Häufigen Abwejenheit des Königs vom Schauplah der Er» eigniſſe Verſchleppungen erführen, ein „königlicher Statt halter“ in der Perſon bes Reichskanzlers, des Biſchofs Ian Gruſßzezyñski von Kujawien, „mit jedweder Autorität” eingejet werbe 2). Der König jelbft follte dem kleinpolniſchen Partikular⸗ lanbtag in Reuftabt-Rorczun in Berjon beiwohnen, und nament- lich ach vie Verhandlungen mit bem Biſchof von Krakau wegen Hergabe der Kirchengeräte zum Zweck ihrer VBerpfändung führen, dann erjt jollte er nach Litauen geben dürfen. Abgeſehen vom Krakauer Biſchof war die Opferbereitichaft des Klerus jet, da man fih won dieſen Maßnahmen eine Beſeitigung des Preußenkrieges verſprach, faft ganz auf ber Höhe der Graudenzer Beſchlüſſe der „Süngern“. Der Erzbiſchof von Gneſen und der Biſchof von Kujawien verfprachen außer der Hälfte ihrer Nenten noch

1) „iuxta institutionem“ in d. Protofoll bei Bandttie, Jus. pol. 294.

2) So im Reihstagäpratololl. Im Landtagsprotokoll von Kolo und bei Diugofz heißt er „gubernator “, eine damals in Preußen, Böhmen, Ungarn geläufige Bezeichnung.

94 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1456.)

bie Hälfte aller Vierdung⸗Zehnten, der Bojener Biſchof zu feiner Rentenbälfte noch ein Drittel aller Vierbung-Zehnten, nur ver Biſchof von Krakau gab lieber, gebrängt von dem Beiſpiel ſeiner Kollegen, zu ſeiner Hälfte der Renten noch ein Viertel, als daß er ſich die Zehnten antaſten ließ ). Mit ftarrer Ein⸗ rede aber widerſetzte er ſich der Zumutung, das Kirchengerät verpfänden zu laſſen, und ſuchte dem Anbringen des Reichstags durch die Hinweiſung auf ſeine Abhängigkeit von den Kapitel⸗ beſchlüſſen zu entgehen. ALS ber König dann in Kralau darauf zurückkam, erklärte Thomas Strzempinski ganz im Stile jenes wohlfetlen Heldenmuts Zbigntews, er wolle licher mit ſeinem Kapitel in Verbannung geben oder auch fterben, als das Kirchen- gerät entfernen lafjen, und ba es ja doch nur als Unterpfand für ein Darlehn angeblich dienen follte, wolle er Lieber bei den Darleibern die Bürgichaft für 6000 Goldgulden ſo viel batte auch das großpolnifche Kirchengerät eingetragen ſeiner⸗ jeits übernehmen. So troßte der Biſchof einem Reichstags⸗ beichluß, und ver König mußte die Sache fallen laffen. Zu⸗ fällig find uns. die Protofolle der Reichstagsbeſchlüſſe ſowie die ber beiden Bartilularlandtage zu Neuftadt- Korayn und Kolo überliefert ?), und wir erhalten dadurch Einblide in die innere Verwaltung des polnischen Reiches in biefer wichtigen Über⸗ gangsepoche, wie fie uns felten geboten find. Einen Punkt beben wir vor allen anderen hervor, ven zwar die Protololle nicht ausprüdlich erwähnen, der aber aus vielen Beitimmungen berfelben in Übereinftimmung mit einer Angabe des Dfugofz hervorgeht, daß nämlich die Erträgniſſe der außerorbentlichen Steuer nicht dem Könige, fondern eigens dazu in ben beiden Reichshälften ernannten Finanzkommiſſionen („obirmany“) ein» gehändigt, von dort unmittelbar an den Drt der Verwendung abgeführt, ja fogar Vorkehrungen getroffen werben follten, daß

1) Ausfchreiben des Biſchofs von Krakau im Cod. epist. saec. XV, ed. Szujsti, p. 167.

2) Bandtkie, Jus pol, p. 294. 302 (bazu ber Brief an ben Schatmeifter, S.296, und bie Urkunden S. 298. 300) und Raczyuüͤski, Cod. dipl, maj. Pol., p. 175.

Finanzgeſchäfte. 95

niemand außer den Mitgliedern dieſer Kommiffionen zu ben betreffenden Kaſſen Zugang erhielte. Dieſe Gelder ſollten offenbar ausſchließlich für den Anlauf der preußiſchen Feſtungen erhalten bleiben. Nichtsdeſtoweniger wurde dem Könige, der mit offenem Mißtrauen behandelt wurde, vom Reichstage auf⸗ gegeben, die in polniſchen oder bündiſchen Händen befindlichen Plätze und die Söldner in denſelben „zu verſorgen“. Daß dies mit den Mitteln des „pobor“ allein nicht geſchehen konnte, war erfichtlich, und der König ſah fich daher noch zu weiteren Verpfändungen und Entäußerungen veranlaft. Schon in Piotrkow wurde die „Präfektur“ oder wie fie mit einem in die polnische Sprache eingebrungenen beutichen Worte bes zeichnet wurde, „Obermannichaft“ (obermanstwo) der Zipsftädte an Przeckaw von Dmoſzhce für einen Vorſchuß von 6500 Dulaten verliehen, d. h. er wurde, wie einft Zbigniew Oles⸗ nicht, ermächtigt, bie Einkünfte jener Städte bis zur Tilgung feiner Schuld einzutreiben ). Und auch die um jene Zeit (6. Oktober 1456) erfolgte Beftätigung aller Privilegien des Kloſters Thniec und die Verleihung deutichen Rechts an bie einundzwanzig Ortichaften besfelben find gewiß nur gegen eine ſehr beträchtliche Gabe des Klofters an den König erfolgt ®). Aber Die merkwürdigſte Manipulation war jedenfalls die zwi⸗ Ihen vem Könige und dem Wojewoden Anbreas Odrowqz von Rußland auf dem Landtag zu Korczyn vereinbarte. Auch hier handelte es fi) um die Verleißung einer ſolchen „Präfektur” oder „Obermannfchaft“ für eine nicht befannt geivordene, jeden⸗ falls nicht geringe Summe; aber da Lemberg und bie rufftichen Städte überhaupt feit dem Jahr 1387 das Privilegium be- ſaßen, niemals verpfänvdet und der Krone entfrembet werben zu bürfen, jo wurbe ber Handel des Königs mit dem Palatin im Geheimen und nur unter dem Mitwiſſen des Inteintichem .

1) Inv. arch. Crac. 207. Daß dies der Sinn von ‚praefectura‘ if, zeigt die Urkunde bei Rasp, Beiträge, im Archiv fir öſterr. Geſch. XLIII, 421. „Obirmany werben auch bie Finanztommifjäre zur Samm- lung der außerorbentlichen Steuer in dem Schreiben des Königs an beit Schatzmeiſter Hincza von Rogow (Bandtkie, Jus pol, p. 296) genannt,

2) Scyaygielsti, Tinecia, p. 184.

56 = Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1456.)

Erzbiſchofs von Lemberg, Gregors von Sanot, und des Kaftel- lans von Halicz, Ian Dlewsli von Sienno, abgefchlofjen. Solche Präfektur wurde gewöhnlich, wie der urkundliche Aus⸗ druck lautete, „zur Extenuation“ der Schuld vergeben. Daß aber in der Regel eine Ertenuation in anderem Sinne über das der Ausbeute preisgegebene Land zu kommen pflegte, haben wir bei der früheren Verpfändung ber Zip8 zu bemerken Ge⸗ legenbeit gehabt. Um wie viel mehr mußte Hier der Fall ein- treten, wo bie öffentlich eingezogenen Steuern fi) in einen mit SHeimtlichleit umgebenen Ort verloren, und es müſſen ichwere Bebrüdungen und Kränkungen bei den Steuererhebungen ftattgefunden haben. Dennoch blieb das Geheimnis acht Jahre lang gewahrt, und erft nach dem Tode des Palatins Andreas Odrowaqʒ;, als deſſen Bruder Ian die ererbten Rechte zur Gel- tung bringen wollte, erhoben fi bie Städte und der Abel von Rotrußland in einer „Konföberation”, um mit Gut und Blut zur Wahrung ihrer Nechte einzuftehen, und nur ber perjönlichen Dazwiſchenkunft bes Könige war ein Ausgleich zu verdanken, nach welchem die Stabt Lemberg durch Steuer- nachläfjfe entichädigt und dem Lande bie freiwillige Tilgung ber Schuld durch Ochjenlieferungen anbeimgegeben wurde ?). Daß der König eine derartige geheime Umgehung bes üffentlichen Rechts fich zufchulden kommen ließ, ericheint in um fo gebäfs figerem Lichte, ald er eben damals (22. Oftober 1456) der Kommunität von Rotrußland „ven getreuen Athleten gegen bie Tyrannei der Tataren" alle älteren Berechtfame von neuem beftä- tigte und unter Hinzufügung einiger neuer wichtiger Beftimmungen, insbeſondere auch nach Analogie der Nefjauer Statute die fchon erwähnte Verſicherung gab, Feine das ruſſiſche Land betreffende Augelegenheit ohne die Zuftimmung der heimiſchen Magnaten erledigen zu wollen ?).. Wie oft man noch, in anderen Fällen, um nur Geld berbeizuichaffen, über das Hecht hinweggegangen fein mag, wirb fich freilich nicht feftitellen laſſen, aber es ge

1) Rasp, Beiträge, a. a. O. und Diugofz XIIL, 846. 2) Bandtkie, Jus. pol, p. 292.

Dorbehalte ber Kleinpolen. 97

währt eine Andeutung, wie nichts geichont wurde, wenn wir vernehmen, daß felbft aus dem Nachlaß Zbigniew Olesnickis von den für gemeinnägige Zwecke beftimmten Geldern 4000 Dulaten entnommen wurben !).

Trog der drängenden Not gingen die Kleinpolen in Neu⸗ ſtadt⸗Korczyn doch nicht an bie Verwilligung der außerorbent- lichen Steuer, ohne ihre Bedingungen zu ftellen, einmal folche, die von den lokalen Bebrängnifien veranlaßt, und dann wieder ſolche, die offenbar durch einige von den Großpolen im Neifauer Statut erlangte Vorrechte angeregt waren. Bor allen waren

die Kleinpolen und Authenen, denn auch fie waren in Korczyn

anweſend, barum bejorgt, daß bie außerorventlichen Leiftungen

| des Landes auch ihrer engern Heimat zugute lümen. Herzog

Januſz von Auſchwitz, wie wir fchon früher gejehen haben ?), ein Raubgänger fchlimmfter Sorte, Hatte im Preußenkriege

uebſt feinem Bruder Przimko Sölbnerbienfte gethan und jo viel Geldanfprüce an die Krone Polen erworben, daß er dem

Reichstag in Piotrkow am 8. September 1456 eine Zurück⸗ erftattung feiner verpfändeten Feſte Auſchwitz vorfchlagen konnte. Der Reichötag hatte nur im allgemeinen dem Könige anf getragen, in einer Unterrebung mit Sanufz einen Abſchluß ber

Sache zu finden, zugleich aber angebeutet, daß, wenn der Woje⸗ bode San Oleͤnickt von Sandomir das Herzogtum „auslöfen“

wolle, e8 ihm gegeben werben folle. Gegenüber dieſem Neichs-

tagsbeſchluß ließen fich die Kleinpolen die königliche Verficherung

erteilen, baß Aujchwig der Krone niemals entfremdet ober weg⸗ gegeben, ſondern aus dem Ertrage ver jetzt beichloffenen Renten⸗ feuer ausgelöft werben folle, und wir willen bereits, daß m 22. Februar 1457 dies auch mit einem Opfer von 50000 Markt erfolgte, ein Opfer, das bei den obiwaltenben Geldverlegenheiten nur um jo fehwerer ins Gewicht fiel. Ferner jofiten am Tage nach St. Markus mit den Herzögen Konrad von DIE, Bolko von Oppeln ®) und Wenzel von Ratibor Ver⸗

l) Zeißberg, Poln. Geſchichtſchreibung, S. 225.

2) Zeil IV, 497. |

3) Im Prototoll „magister“‘ Bolko genannt. Vgl. TI. IV, 196, Anm. 1. Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 7

98 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1456).

banblungen in Bebzun gepflogen werben, um den Näubereien ein Enbe zu machen, bie zum Schaden beider Zeile, Polens und Schlefiens, fortwährend im Schwange waren, und nament- lich dem Jirzyk Stoſch und Ian Swieborowsli unb Genoffen, die das Jahr zuvor Ilkuſz und Slawkow ausgeplünbert und fich fogar im Wieluner Lande förmlich heimiſch gemacht hatten, das Handwerk zu legen !). Namentlich der letztere Fall, in welchem die Keckheit der Räuber durch gewiſſe Rechtsanſprüche an Die polniihe Krone aus den Zeiten des ungariichen Feldzuges und aus neuerer Zeit bejchönigt wurde, und in welchem es fchien, al8 laſſe man die gewefenen Söldner gewähren, damit fie fich auf eigene Fauſt an Zöniglichen Untertbanen ſchadlos Bielten, hatte die Befürchtung wachgerufen, daß fich dergleichen vielleicht zur Abfindung der Söloner in größerem Mafiftab wiederholen fönnte, und ber König mußte daher verjprechen, niemals Land und Leute irgendwie Sölonern zu überweilen. Auch follte eine Landwehrorganifation durch Dotation vonfeiten des Königs unter Leitung des Staroften von Krakau eingeführt werben, und ihm wie den Staroften der Grenzſtädte Kriegsgefolge zum Grenz- ſchutz beigegeben werben 2). Bon allgemeinerer Bebeutung aber als diefe auf die Sicherheit des Landes abzielenden Forderungen war die dem Könige abgewonnene Zuficherung, baß er un mittelbar nach feiner Rückkehr aus Litauen einen Reichstag abhalten werde, in welchem erſtlich ein „Richttag“ ganz im Sinne des von der preußtichen Landritterfchaft dem Orben zu- gemuteten ftattfinden, ferner aber der König ſich bemühen fol, den vieljährigen und unabläffigen Streit zwiichen Klerus und weltlichen Adel über Mißbrauch ver Erfommtunitäten und über

1) Bgl. zu biefer Beſtimmung bes Protokolls Diugofz XII, 179. Das neben diefen Rändern auch noch ein Nikolaus Swieborowski fein Unwefen trieb und namentlich die Stabt Pileia ausplünderte, erfahren wir aus ben Gerichtsalten bei Helcel, Pomn. II, 657.

2) Diugofz XII, 219 erwähnt auch dieſe Mafregel, aber unter 1457. Ian von Czyzow legte 1457 am 29. Dezember fein Amt als Staroft von Kralau nieder, das Nikolaus Pieniazet von Witowice über⸗ nahm. Helcel, Pomn. II, no. 3595.

Vorbehalte ber Kleinpolen. 99

Borlabungen Weltlicher vor geiftlichen Gerichten und gar vor ber römischen Kurie endlich zum Austrag zu bringen, jowie Mittel und Wege zum Schuß geiftlicher Güter bei Kriegsaufgeboten ausfindig zu machen. Dieſer letere Gegenftand wurde einfach durch eine Erneuerung der allgemeinen Beftimmungen über bie Militärverpflegung vom 11. Februar 1432 in der Urkunde vom 3. Dezember 1457 erledigt 2). Abgeſehen von denjenigen Punkten, die fih noch auf bie Salinenverwaltung bezogen, haben wir noch zwei Zufagen des Königs anzuführen, welche bon einer Art Polemik gegen die Großpolen getragen find: erſtens fol der König fein Aufgebot gegen Preußen wieber er- laſſen, ohne zuvor einen'Partitularlandtag der Länder Krakau, Sandomir, Rußland und Podolien darüber einberufen zu Haben, und zweitens follen die Ämter des Unterlämmerers und Fahnen⸗ trögers wie die Provinzialämter überhaupt nur an Provinzial» angehörige, das Marjchallamt aber und das Bizeſchatzmeiſteramt des Reiches nur unter Zuftimmung bes Reichstags verliehen werden. Diefe Beftimmung ift offenbar das SKorrelat, und inbezug auf das Marſchallamt namentlich das abweichende Korrelat zu den Beftimmungen des großpolnifchen Neſſauer Statut, die fich im ven Heinpolnifchen nicht fanden. So die Protokolle und Urkunden von Neuſtadt⸗Korczyn. Durch Dlugoſz erfahren wir noch ergänzend, daß eine Kommiifion nach Pobolien ab- geſchickt wurde, welche den Inhabern der dortigen feiten Plätze bon neuem den Eid ver Treue gegen bie Krone Polen ab» nehmen follten, da bie mißtrauiſche Meinung verbreitet war, daß nicht ohne ftilffchweigende Zuftimmung bes Königs das

Sand allmählich in die Hände ver Litauer gebracht werben folle.

Nimmt man bie weitgehenden Konzeffionen, die fich die Klein⸗ polen aljo für ihre Verwilligung gewähren ließen, zufammen, Io erfennt man, wie ſchwer fie fih nur entichließen konnten, einer Politik Unterftügung zu verleihen, die, fo meinte man wenigitens, in erfter Reihe mit großen Vorteilen für Groß-

1) Voll. Legg. I, 112, in Banbtfie, Jus. pol. p. 235. Bgl. Teil IV, ©. 35. | 7*

100 Elftes Bud. Drittes Kapitel. (1456).

polen ausichlüge, und wie fie beftrebt waren, die ftarfen An» jtrengungen bes Volls auch für ihre näheren Zwede auszubeuten. In dem Bartitularlandtage zu Kolo aber, bei den Großpolen, icheinen fich bie Verhandlungen einfacher abgewidelt zu haben; wenigſtens haben wir nur ein einziges Protokoll, welches „ges mäß den Beichlüffen des Reichstags zu Piotrlow” 1) die Ver- ‚teilung der außerorbentlihen Steuer auf die verſchiedenen Stände regelt, und welches fich deutlich erfennbar als die Nach⸗ bildung ber großen, 1453 dem König Labislaus in Böhmen bewilligten Berna kennzeichnet ?).

Die Steuer griff tief in die Vermögensverhältniffe des Volkes ein. Die Feititellung der Gütkrrente beruhte auf eidlich zu erbärtender Selbſteinſchätzung. Die Epvelleute , welche ihre Hufen ohne Kmetonen ſelbſt bebauten, hatten eine halbe Mark für die Hufe, ober bei mangelndem Landesausmaß eine halbe Mark für den Malter Ausjaat zu entrichten. Schultheiße und Frei- bauern (fronvenfreie, „wolni“) zahlen von jeder Hufe einen Vierdung. Müller geben von dem Taxwert ihrer Wafler- müblen ®) ben vierundzwanzigften Zeil (2 Groſchen von ver Mark), und von den Winpmühlen ben zwölften Teil (4 Grofchen von ver Mark). Bon zinstragenden Rapitalien zahlt ver Schuloner für den Gläubiger die Hälfte eines Jahreszinſes. Kmeten, Sartenlandbauer, Schenfeninhaber geben je einen Groſchen für fih und einen für ihr Weib. Dienftleute und Hörige werben

1) „Inhserendo laudo et conventioni generali Piotrkoviensi facto,“ Raczynnsti, C. d. M. P. p. 175. Die allgemeinen Grunbfäge ber Beftenerung der Stände find in Kleinpolen biejelben, wie aus bem Schreiben des Königs an den Schatmeifter Hincza von Rogow (Bandt- tie, Jus. pol., p. 296) hervorgeht.

2) Die Äühnlichkeit der Beflimmungen in Polen mit ben Beichlüffen des Landtags von Böhmen vom November 1453 und des Landtags von Mähren vom 10. Mai 1454 ift überraſchend. Vgl. Palacky, Gefchichte Böhmens IV.1, 344. Noch früher ein ähnlicher. Beſchatzungsmodus in Preußen. Dal. Ständetags-Alten I, 586, no. 441.

3) In dem Abbrud bei Raczyuski fteht beidemal de ventili mo- lendino, aber der Paragraph ſelbſt und bie Analogie ber Beſtimmungen von 1458 zeigen, baß das erfte Mal „aquatico“ zu leſen iſt.

Die Landesbefteuerung. 101

nit dem fechften Teil ihres Lohnes (2 Grofchen vom Vierbung) beſteuert. Jedes Individuum, männlichen ober weiblichen Ge⸗ ſchlechts, das ſich in den Städten aufhält, ſonſt aber keine Steuern zahlt, giebt einen Groſchen. Die Stabtbürger haben ben vierundzwanzigiten Zeil (2 Grofchen von der Mark), und Juden den zwölften Zeil (4 Groſchen von der Mark) ihrer gelamten beweglichen und unbeweglichen Habe zu entrichten. Die fogenannten Nürnberger Kaufleute, welche nicht immer aus Nürnberg waren, fondern unter denen gemeinhin die Kurz. warenhändler verftanden wurden, ſowie überhaupt fremde Kauf- leute, Gold» und Silberhändler und Wechiler follten wie bie Stabtbürger befteuert werden, obgleich die Kleinpolen fich auf dem Neuſtadt⸗Korczyner Landtag das Berfprechen ausbebungen hatten, daß folchen Zuzüglern die Nieberlaffung in Polen nicht mehr geftattet fein folle. Alle Beamten in Salinen, Zoll⸗ lammern, Märkten und anderen Stellen jollten die Hälfte ihres Einfommens, und felbft jever Schulmeifter den ſechſten Teil ſeines Gehaltes bergeben. Die übrigen Beftimmumgen beziehen ih auf den Erhebungsmodus und auf die Zwangsmittel bei der Erelution. Natürlich kamen bei diefen harten Verfügungen viele Reklamationen vor, und felbft die Stadt Krakau juchte Ihon auf dem THeinpolnifchen Landtag auf Grund einer „Bar pierurkunde“ ihre Steuerfreiheit geltend zu machen, aber „der König, die Prälaten, die Barone und die ganze Kom⸗ munität befanden, daß dieſer Einreve nicht nachzugeben ift“. 68 war eine DBefteuerung, fehreibt ein Schriftfteller des feche zehnten Jahrhunderts *), wie fie weder vordem noch nachher in Bolen vorgelommen ift.

Sowie nun aber Geld in den polniichen Kaſſen war, kamen bie Dinge in Preußen bald in Fluß. Der Zuftand war ſchon Yängft mehr als unerträglich. Im den größeren Städten wurden bie bem Orden feinbfeligen Batriziergeichlechter nur

1) Sarnieii Ann. VIII, 1180. Interrefiant ift die Weigerung bes Salinenpächters Nikolaus Seraphin, die Steuer zu zahlen. ©. über ben darob geführten ‚Prozeß die Entfcheibung bei Muczt. & Rzyſz. IL, 424,

102 Elftes Bud, Drittes Kapitel. (1456),

durch Blutgerichte von einem Umfang und einer Härte, wie

fie zu feiner Zeit. die Ehre des Ordens befledt Batten, am Regiment erhalten. Die Landbevölkerung, erdrückt von Steuern, Lieferungslaſten, beraubt von regellofen Heerzügen und von ben Zugriffen der Söloner, hatte angefangen aus bem unwirtlich gewordenen Lande nach allen Weltgegenden binauszuzieben. Die Heinern und befeftigten Städte mußten, auf welcher Seite fie auch ftanden, im jedem Augenblid des heranziehenden Feindes gewärtig fein, und viele wechlelten auch in den drei Jahren an vier» bi8 fünfmal den Herrn, und jeder folcher Wechfel fand immer mit Plünderung, Mord und Brand ftatt. Das Raub⸗ und Fehdeweſen, die entwürbigende Schmach des fünf. zehnten Jahrhunderts, Hatte fich in feiner ftärfften Entwidelung und unter dem Schein eines Iegitimen Krieges über das un⸗ glüdliche Preußen verbreitet. Doch nichts kann tragifcher fein al8 das Schickſal des Hochmeifters, deſſen Verfuche, Geld zu beichaffen, immer verzweifelter, immer erfolglojer und zulett auch immer matter wurden. Vom April 1456 an war der Czeche Ulrich Czerwenka Gebieter auf dem Site der Hoch meifter des deutfchen Ordens, und der Hochmeifter fein Ge- fangener. „Die Trabanten und Neifige legten fih in bes Meifters Rempter und in das rote Stübchen, und ber Hoc meister mußte weichen ind Sommergemad, und auch daraus warb er gebrängt und mußte in feine Kammer weichen und ſich den Tiſch dort decken laſſen, fo er efjen wollte.” Eine Zeit lang dachte er an Flucht, dann aber verbandelte er mit den Söldnern über den Ort, wohin fie ihn ziehen laſſen follten, wenn fie bie Marienburg den Polen übergäben, und bat zur legt, ihn nur nicht im Schloffe mit Polen zujammentreffen zu laſſen. Wie nimmt fich doch diefe von Stufe zu Stufe herab» fintende Schwächlichleit des Hochmeifters zu der beldenmütigen und bochherzigen Treue des Bürgermeifters von Marienburg, Bartholomäus Blume, aus, und wie zu dem raftlojen Wirken und Kämpfen des Orbensfpittlers Reuß von Plauen! Wo noch ſolche Beiſpiele von fittliher Größe und Pflicterfüllung vor- banden waren, würde eine. markigere Natur al8 Ludwig von

Derfhaherung ber Marienburg. 103

Erlichshaufen mehr zu retten gewußt haben. In der Lage, in welcher er fich befand, war vie erwählte Rolle bes ftillen Dulders unzweifelhaft die ſchmachvollſte und ftreifte dem Zu⸗ fammenfturz des Ordens felbft die äfthetifche Seite ab, an welche das Mitgefühl zumächit fich zus heften pflegt. Indem der Hochmeifter nicht den Mut und bie Fähigkeit beſaß, die ihm noch zur Verfügung ftebenden Kräfte und Mittel zufammen- faffend, von fich aus in Bewegung zu jegen, rieben dieſe fich in vereinzeltem Bemühen auf und fteigerten in ihrem allmäh⸗ fihen Unterliegen nur das Selbftvertrauen bes an fich fo wenig imponierenvden Feindes. ‘Denn iweber diefe Bündner mit ihrem nur durch Terrorismus feitgehaltenen Anhang, noch die Polen, die e8 mit ihren drei großen Feldzügen noch nicht über eine furchtbare Nieberlage und zwei vergeblichen Belagerungen einer Meinen Feſtung gebracht batten, waren Gegner, deren Bewältigung ausſichtslos geweſen wäre. Bei jolcher Beichaffen- beit der kämpfenden Zeile verliert die Ericheinung an Auf fälligfeit, daß fich ber Übergang des untern Weichſellandes an Bolen zu einem Kaufgeſchäft von äußerft zweifelbafter Recht⸗ mäßigfeit geftaltete. Am 20. Januar 1457 zablten die groß. polnifchen Kommiſſäre an Ulrich Czerwenka 25000 Gulden, die Bündner hatten 40000 ſchon früher hergegeben. Bis Dftern jollten bie legten Raten getilgt fein, am Vorabend des Feſtes berechneten aber die Kommiffäre, daß die zu zahlende Summe die vorhandene Dedung noch bei weitem überträfe. Ste mußten vaber bei den Söldnern um Prolongation von Zermin zu Termin nachjuchen. Die Söldner wiederum, deren Anzahl fih im Laufe des Handels mehrte, machten ihre Rech" nung mit doppelter Kreide, und die Schulpfumme fteigerte fich über ihren erften Anja wejentlich hinaus; endlich fehlten nur noch 30000 Dukaten. Die Kommifjäre, unter denen fich der Krakauer Domherr Ian Dfugofz befindet, derſelbe, der mit jeinem Biſchof Tieber in Verbaunung und Tod gehen wollte, ehe er ein Kirchengerät verjegen ließ, fürchteten, ver Handel könnte vüdgängig gemacht werben, und das fchon verausgabte Geld verloren fein, und boten daher ven Danzigern bie filber-

104 Elftes Bud. Drittes Kapitel, : (1457).

nen Statuen ber Jungfrau Maria und der Heiligen Barbara, „Knochen enthaltend”, zum Pfande an. Bon allen Seiten war man ber Meinung, daß fich die ‘Danziger eher zu ben neuen Opfern berbeilaffen würben, wenn ber König in ihrer Mitte erichtene. Darauf war aber längſt der Wunſch Kafimirs gerichtet *), und dazu waren alle Vorbereitungen bereit3 ge troffen. ALS ex aus Litauen zurückkehrte, war er, durch Über- ſchwemmungen aufgehalten, nicht imftanbe, rechtzeitig auf dem für den 6. März angelagten Neichötag zu ericheinen, ber ohne⸗ bin wenig bejucht, fich zerichlagen battle, aber in dem am 27. März zu Kolo abgehaltenen großpolnifchen Landtage wurbe die Königsfahrt nach Preußen bejchloffen. - Es fchien um fo notwendiger, die Entwidelung der Lage zu beichleunigen, als ber preußiiche Raubkrieg fich mehr und mehr auf das polnifche Zerritorium verpflanzte. Dobrzyn war fchon feit einiger Zeit, wie das Reichstagsprotokoll Iehrt ?), in empfindliche Mitleiden- Ichaft gezogen. Aber jetzt war der Ritter Kaspar von Noftig, ber Hauptmann von Konitz, ſchon Längft der Schreden ber Beiakungen von Schlochau und Zuchel, der alle zu Schlochau, Hammerſtein, Friedland und einige von den zu Tuchel zinſen⸗ den Dörfern in feine Gewalt gebracht hatte, in bie fogenannte Kraina, den polniſchen Grenzftrich bei Pommerellen, eingefallen und batte bie Stadt Lobſenz in Aſche gelegt. Es mußten ba- her, um ben Zug bes Königs im Nüden zu fchüken, Vor⸗ fehrungen getroffen, und namentlich das beinahe halb verlorene Schlochau wieder in Verteidigungsſtand gejegt werden. Dann erft brach der König, umgeben von einem glänzenden, auf 6000 Köpfe geichäßten Gefolge, von Bromberg auf und hielt unbebindert am 1. Mai 1457 feinen feierlihen Einzug in

1) Damals mochte au noch das alte polnifhe Volkslied aus ber Zeit Kaſtmirs des Großen im Schwange geweſen fein, befien Inhalt ber Bifhof Andreas von Bofen einmal mit den Worten zufammenfaßt: „Tu rex Kasimire, nunquam habeas pacem cum Pruthenis, donec recuper Gdansk i. e. terram Pomeranie.‘“ Lites et res gestae II, 117.

2) Bol. auch Geſchichte wegen eines Bundes. Script. rer. Prufs IV, 184.

Kaſimir in Danzig und Marienburg. 105

Danzig, an befien Thoren ihn Karl Knudſon, der vertriebene Schwevenlönig, begrüßte. Ob der Jubel in der Stadt fo groß und fo herzlich war, als ver polnifche Geſchichtſchreiber berichtet, mag dahin geftelit bleiben. Schon brei Jahre zuvor hatte bes Ianntlich die Unterhändler Danzigs felbft, wenn auch zu fpät, einiges Entſetzen über die Ausficht polniſch zu werben“ ange wandelt, und Marquard Knale, ver Vertreter der Weichielftabt in Lübed, war der Meinung, daß es am Ende für Danzig am beiten jein würde, „das Seine zu wehren, Stabt und Schloß zu halten, den König mit Marienburg abzufinden und niemandent zu huldigen“. „Mich will bedünken“, fährt ber Diplomat fort, es müßte ums gefallen, frei zu fein; andere freie Städte Haben auch Not gehabt, ehe fie zur Freiheit ge- fonmen find.” Daß biefe Gefinnung innerhalb der traurigen und opferreichen drei Jahre, in denen Danzig ficherlich Feine Gelegenheit geboten war, feine Begriffe von der Macht und dem Segen polniichen Regiments zu fteigern, ganz verichwunden fein foltte, tft wohl faum anzunehmen, und nur die Beun- rubigung der patriziichen Gefchlechter durch die arbeitenden Klaſſen, fowie der verbiffene Haß gegen ben Orden brängten die „Freiheitsgedanken“ in ben Öintergrund, und wenn Danzig bie gewünfchten Opfer brachte, um dem Könige den Anlauf Marienburgs endlich zu ermöglichen, fo geſchah es nicht mehr im Geifte Marquard Knakes, um ihn damit abzufinden, fon» bern weil man fich der vermeilenen Hoffnung hingab, daß mit bem Fall des Hochmeifterd ber Krieg entſchieden fein würde. So wurden denn die leßten den Ordensſöldnern zugelagten Raten von bündneriicher Seite aufgebracht, und bie Söldner waren prompt. Kaum war das Gelb in ihren Händen, fo Vießen fie am Pfingftabend 1457 einen Trupp polniicher Reiter in die Marienburg ein. Der Hochmeifter verlieg am andern Tage, am Montag, den durch mehr als anderthalb Jahr⸗ bunderte behaupteten feiten Sig; am ‘Dienftag brach der König von Danzig auf und bieft am Mittwoch feinen Einzug in bie Marienburg. In Krakau läutete man bei der Nachricht hier⸗ bon die Glocken und zündete Breudenfeuer an. „Wunderbar“,

106 Elftes Bud. Viertes Kapitel, (1457.)

jagt der polniſche Gefchichtichreiber, „Wladystaw Jagiello tonnte nach einem fo erheblichen Stege wie der bet Tannenberg bie Marienburg nicht erlangen, und fein Sohn erhielt fie nach einer jo erheblichen Niederlage wie die bei Konitz.“ Der Ein blid in die innere Geichichte des Ordens verwandelt auch dieſes Wunder in Logik.

Biertes Kapitel,

Fortgang und Zwifchenfälle des Krieges bis zum Waffen- ftillftand.

Faßt man die Weltſtellung Weſtpreußens mit den ungemeinen Vorteilen desſelben für ein Binnenland von dem Gefüge des polniſchen Reiches ins Auge, ſo müßte man meinen, daß der Patriotismus und der Ehrgeiz der Polen kein wichtigeres Ziel als die Erwerbung desſelben hätten kennen dürfen. Nicht nur enthielt dieſes Land die Mündung des Fluſſes, der mit ſeinen Veräſtelungen dem ganzen Territorium des Königreichs eine geographiſche Einheit mit allen ihren Konſequenzen verlieh, ſondern es gewährte mit ſeinen bereits wirtlich gemachten Küſten gute Seeausgänge, die einer Verbindung mit der ganzen zivili⸗ ſierten Welt Vorſchub leiſteten. Und gerade im Beſitz Polens, wie es damals beſchaffen war, würden die Segnungen dieſer Weltſtellung in ihrer höchſten Kraft ſich bewährt haben, wäh⸗ rend ſie vergleichsweiſe in den Händen des modernen preußiſchen Staates, des gegenwärtigen Beſitzers des Landes ſeit hundert Jahren, der ohnehin Teilhaber einer weiten Küſtenſtrecke des⸗ ſelben Meeres iſt, unſtreitig in ihrer Bedeutung hernter⸗ gedrückt werden. Indes werden ſolche Geſichtspunkte überall und zu allen Zeiten nur der Vorzug Weniger ſein. Aber in Polen ſcheinen ſie weder damals noch auch ſpäterhin ſich zu einem durchgreifenden Motiv erhoben zu haben, und

Partilularismus ber Kleinpolen. 107

bie fortpauernde Lauheit gegenüber einer fo wunberbar vom Glück begünftigten Gelegenheit zur Steigerung der Staatsträfte wird immer eine bemerfenswerte Thatjache bleiben, die ihren tiefften Grund in der mangelhaften fozialen Strultur bes pol« nifchen Volkes hat. Die Interefien dieſer vornehmlich beftimmenden Adelskommunitäten mit ihrer Teinpfeligleit gegen das Bürger⸗ tum ftanden auf einer anberen Seite. Gewiß nicht in Wür⸗ bigung ber eben angeveuteten Perſpektiven haben die Großpolen einen lebhafteren Anteil an dem Fortgang ber preußifchen Erwerbung entwidelt als vie Kleinpolen, fonvdern weil fich ihnen die nächſten Vorteile mit größerer Unmittelbarfeit aufs drängten als jenen. Die Kleinpolen verharrten in ihrer ur⸗ Iprünglichen Läſſigkeit und ftellten fortwährend ihr partikulares Zandesinterefje dem gejamtjtantlichen gegenüber. Unſtreitig war der Moment übel gewählt, um das feit einigen Jahren ums» worbene Aufchwig eben jetzt anzufaufen, infofern von der für Preußen nur mit außerorbentlicher Anftrengung aufgebrachten Geldſumme fünfzigtaufend Mark abgezweigt werben mußten. Denn die Folge war, daß man außer Marienburg nur noch Eilau und Dirſchau erfaufen Tonnte, während die in dem Ver⸗ trage mit den Sölonern ausbebungenen achtzehn übrigen Feſten: Wartenberg, Röſſel, Ortelsburg, Reihn, Seeften, Schöneberg, Neumarkt, Bartben, Hobenftein, Soldau, Stuhm, Marien werber, Leſſen, Niefenburg, Mewe, Konig, Hammerftein und Friedland in den Händen der Gegner verblieben. Durch biefe Spaltung der Kräfte blieben die Unternehmungen auf beiden Seiten auf halbem Wege ſtehen. ‘Denn die Erwerbung von Aufhwig Hatte die Beruhigung der ſüdweſtlichen Landesgrenze noch lange nicht im Gefolge. Söldner, unter ber Führung Johann Koldas von Zampach, die teild aus früheren, teils aus dem fortvauernden preußischen Kriege Anfprüche an die pol- niſche Krone zu erheben hatten und immerwährend vertröftet wurden, bemächtigten fich der Plätze Mislimicze, Zebracze und Wapiennagsra an der Aufchwiter Grenze, richteten ſich bort verbarrifadierte Lager ein, trieben einen ſyſtematiſchen Raub⸗ frieg fogar unter ben Thoren von Krakau und verfeßten bie

108 Elftes Bud. Viertes Kapitel. (1457.)

ganze Landſchaft in Furcht und Schreden !). Gefteigert wurde bie Aufregung noch durch die Nachricht von einem furchtbaren

Zufammenftoß der Tataren mit den Machthabern in Podolien,

in welddem der Staroft Bartholomäus Buczacki und der Unter- fümmerer Yan Laszcz ihren Tod fanden. Nicht nur zitterten bie kleinpolniſchen Magnaten für ihre beträchtlichen Beſitzungen in ber ruſſiſchen Provinz, fondern die alte Befürchtung, daß ber Einbruch der wilden Nachbarn von ben noch immer grol- lenden Litauern angezettelt ſei, ftieg mit erhöhter Wahrichein- fichfeit wieder empor. Wenn es nach dem Herzen der Klein⸗ polen ging, Hätte der König alle Macht auf die Befeitigung biefer Übelftände verwenden müffen, mochte e8 in Preußen gehen, wie e8 wolle.

Es ging aber auch fo fchlecht genug. Der von den ab»

trünnigen Ordensſoldnern fich Iosfagende Bernhard von Cimburg

entwidelte eine ungemeine Thätigleit, um für den Orden, was möglich war, zu retten. In Stuhm leiftete er den Feinden einen unbezwinglihen Widerſtand. Die Feſte Mewe wurbe wochenlang von den Polen und Bündnern belagert und mußte fchließfich wegen Meutereien im Polenheere in ber Hand des Ordens gelaffen werden, obwohl Danzig auf die Einnahme dieſer Burg, aus DBeforgnis, der Feind könnte bort durch

Berpfählungen die Weichfelichiffahrt unterbrechen, mit Lebhaftig- feit beftand. Aber noch größere Beftürzung erregte in Polen bie Kunde, daß ber Bürgermeifter Bartholomäus Blume von Marienburg fi mit Bernhard von Cimburg vereinigt und bie Stadt Marienburg wieber dem Orden überantwortet hätte. Allerdings war, wie man vernahm, ein auch gegen das Schloß verjuchter Sturm glüdlich abgeichlagen worben, aber die Stadt verwanbelte fich jehr bald jelbft zu einer Feltung und nötigte zu einer Verſtärkung der Schloßbefagung, die an andern Orten fehr vermißt wurde. Bald ahmte auch ulm dem Beijpiel

1) Sebbebriefe der Söldner an ben König, Handſchr. im böhmiſchen Landesmufenm. Daß durch biefe Unruhen felbft die Funktion der Ge- richte unterbrochen wurden |, Helcel, Pomn. JI, ne. 3591. 3694,

Ein ſtehendes Heet. 109

Marienburgs nah, und jein Bürgermeifter Heinrich Matzkow übergab Bernhard von Eimburg gleichfalls die Stadt, während das Schloß in polniſch⸗bündneriſchen Händen blieb. Euch Eilau öffnete, als die polnifche Befagung zum Fouragieren ausgezogen war, den Leuten des Ordens die Thore. Ebenjo fiel Bapau dem Orden iwieder zu. Solchergeftalt war die Meinung, daß mit dem Auslauf der Hauptburgen der Krieg zu Ende geführt fet, in wenigen Monaten fchon zerftört, und in Großpolen einigte man fich Daher in Anbetracht der voransfichtlich noch fangen Dauer des Krieges zur Aufftellung einer Art von jtehen- dem Heere !), zu welchem jeder, ber eine Nente von hundert Mark hatte, einen Lanzknecht mit zwei Pfeilſchützen, alle beritten, beritellen mußte. Rentner von unter hundert und über zwanzig Mark mußten fich derart zufammenthun, daß von je Hundert Mark die erwähnte Leiftung zuftande fam. Nentner von zwanzig Mark ftellten einen berittenen Pfeilfchügen, und Allo- dialbeſitzer ohne Renten hatten von je zwanzig Hufen einen Schützen zu Zuß auszurüften. Die Städte mußten nach leiner nicht mäßig gegriffenen Matrikel für Fußvolk Sorge tragen. Bermutlih kamen dieſe Beſtimmungen aber erft im Sahre 1458 zur vollſtändigen Durchführung 2). Einftweilen wurden nach polnischen Berichten 6000, nach bündneriſchen 3000 Mann nach Preußen geworfen, aber die Lage wurde Dadurch wenig geändert. Ein unaufhörlicher Kampf zwiichen Schloß und Stabt Marienburg entwicelte ſich befonders gelegentlich ver häufigen Berjuche, die Bürgerichaft zu verproviantieren, und einmal ver- nehmen wir fogar, daß der Hochmeifter jelbft mit dem Spittler Reuß von Plauen im Felde vor Martenburg erfchienen, um ber opferfreudigen, treuen Gemeinde hilfreiche Hand zu leiften. Es geſchah am Pfingitabend des Jahres 1458, gerade ein

1) actalis exercitus nennt es Dtugofz XII, 217. Die von ibm angegebene Mobalität der Aufbringung dieſes Heeres flimmt mit ber Matritel von 1458 bei Raczyırsfi, Cod. dipl. maj. Pol, p. 181 teil- weife überein.

2) Bgl. das Reichdtagsprotokoll von 1459 bei Bandtkie, Jus. pol, p. 306, \

110 Elftes Bud. Viertes Kapitel. (1458)

Jahr nach dem traurigen Abzuge aus dem Haupthaufe, aber auch diejes Unternehmen bes Hochmeiſters mißglüdte, wie faſt jedes, an das er feine Hand legte. Beinahe wäre er den pol- niſch⸗bündneriſchen Streificharen, die burch einen verheerenden Guerillakrieg das Land und bie Städte in Athem erhielten, in bie Hände gefallen. Wo die meift Heinen feindlichen Kolonnen einander. begegneten, wurde mit wechlelndem Erfolge gelämpft, und Danzig fette dieſen Räuberkrieg auch auf der See zum Schaden von Königsberg und der dem Orden treu gebliebenen Küftenftädte fort. Plan und Zuſammenhang war in biefem Kriege nicht zu finden, und zu einer umfänglicheren Bewegung kam es erft, ald im Sommer 1458 der König Kaſimir felbft wieder mit einem ungewöhnlich großen Heere in Preußen ein- rüdte.

Gleich nach der Rückkehr des Königs aus Marienburg im Jahre 1457 warb in Piotrkow ein Reichstag am 25. Novem- ber abgehalten, in welchem der Vorſchlag einer neuen außer- ordentlichen Beſchatzung, deren Ergebnis wejentlich dazu bienen follte, die in Mislimicze, Zebragze und Wapiennagöra haufen» den Söldner zu befriedigen und damit den Wünſchen ber Kleinpolen entgegenzulommen, ven Landtagen überwiejen, und die Beitimmungen über die Verpflegung der Truppen auf dem Marche, wie fie nach dem Statut von Wislica und dem Edikt Sagielos vom 11. Februar 1432 feftgeftellt waren, erneuert wurden ). Dem Landtag von Korczyn, welder am 18. Des zember 1457 ftattfand, wohnte der König ſelbſt bei, und bier brach wiederum gegen ihn ein folder Sturm von Unzufrieden- heit und Anflagen hervor, daß jelbit der Gedanke laut wurde,

1) Voll. Legg. I, 112. Banbdtfie, Jus. pol., p. 235, giebt im Titel das richtige Datum 1457; im Text das falfche. 1447. Bol. Helcel, Pomn. Il, 369, und oben, Zeil IV, ©. 35, Anm. 1. In dem Protokoll des Landtags von Kolo vom Jahr 1458 (bei Raczyısli, Cod. dipl. maj. pol., p. 179. und Bandtkie, Jus pol. p. 304) wirb auf diefe erneuerte Verordnung Bezug genommen. Im Kralauer Kapitelarchiv befindet ſich eine ganze Reiche bieranf bezliglicher Exlafie and Berorbnungen an bie oberfien Würbenträger.

Bistra von Branbeis. 111

bem Staatsoberhaupte einen Aominiftrator an die Seite zu fegen. Bei der Mangelhaftigleit der Nachrichten über dieſen Vorgang iſt micht zu entſcheiden, ob man etwa dem Muſter ber Berbältniffe in Böhmen und Ungarn unter Labislaus Pofthumus, das doch wenig einladen fonnte, nacheifern, ober ob man nur einen Adminiſtrator für die ˖ Verwaltung der klein⸗ polnifchen Intereffen in ver Urt, wie der Bilchof von Kujawien vorübergehend mit der Leitung ber preußifchen Angelegenheiten als „Subernator” betraut war, ernannt willen wollte In jevem Falle erlärte der König fich mit aller Entſchiedenheit gegen jede ſolche Maßregel, und da bie Beichagung diesmal vorwiegend den Sleinpolen zugute kommen follte, wurbe fie ohne weitere Anftände bewilligt. Im allgemeinen ging fie darauf hinaus, daß von jeder Hufe ein DVierbung, von ben Tenutarien Zöniglicher und geiftlicher Güter die Hälfte ver Renten, und von ben Biichöfen größere Pauſchalſummen ent» richtet werben follten. Die Stabtbürger wurden nach dem Zarwert ihrer Grundſtücke belaftet. Auf dem nun folgenden Neichdtage vom 1. Mai 1458 gingen die Dinge infofern einen wefentlichen Schritt vorwärts, als jetzt eine Kommiſſion ein- gejegt wurde, um mit jenen ben Kleinpolen auf dem Naden figenden Sölbnern zu paltieren !), und die Verfammlung ein allgemeines Kriegsaufgebot zu einem neuen preußiſchen Feldzuge genehmigte.

So groß der Eifer aber auch rüdfichtlich ber Wieber- erwerbung Marienburgs war, fo fcheint doch ſchon in der Verſammlung felbft eine gewilfe Neigung, bie preußijche Trage auf die Bahn der Unterhandlungen zu bringen, vorge. waltet zu baben. Nur fo ift es erflärlich, wie man ber Ver⸗ mefjenheit des belannten Conbottieren Giskra von Brandeis, der vermöge feiner intimen Verbindungen mit den in Preußen auf beiden Seiten dienenden Sölonern ſich anheiſchig machte, einen baldigen Abjchluß des Krieges unter Wahrung aller pol-

1) Die Quittungen ber Söldner, die um Pfingſten 1458 befriedigt

wurben, befinden fi im Archiv bes böhmiſchen Mufenms. Palady VL1, 508. Aud in Cod. epist. saec. XV, 181.

112 Elftes Bud. Viertes Kapitel. (1458).

ntichen Anſprüche herbeizuführen, Gehör geben Ionnte. ‘Der allmählich Heruntergelommene Freibeuter, von dem ber Grund⸗ fa berftammen foll, daß ein fiegreiches Heer niemals Mangel leiden könne, da es fich alles mit dem Schwerte erwerbe, ging babet feinem eigenen Intereſſe nad. Nach dem Tode des Ladislaus Poſthumus nämlich Hatte König Kaſimir mehr im Sinne einer NRechtsverwahrung als in ernfter Ausficht auf Erfolg durch Geſandtſchaften um die Kronen von Böhmen und Ungarn anhalten laffen. Aber wie Hatten fich feit zwanzig Jahren die Zeiten geändert! ALS fich damals in Böhmen und Ungarn für eine polniiche Kandidatur Parteien gebildet hatten, war vor allem die Befeitigung der deutſchen Dynaſtieen ver maßgebende Gebanfe, und der ganze Vorzug der Jagiellonen beftand im ihrer „undeutſchen“ Nationalität. Inzwifchen waren aber die beiden Völker in der nationalen Eingenommenheit fo weit vorgefchritten, daß ihnen der Undeutſche fchlechthin nicht mebr genügte; fie wollten einen Mann ihrer eigenen Zunge auf dem Throne ſehen. Und diefer Strömung gegenüber kam Kaſimir nicht einmal mehr mit einer Werbung wie früher im Sinne feines antiveutichen Charakters, ſondern kraft des an- geblichen Erbrechts feiner deutſchen Gemahlin, ber Tochter Albrechts II. der doch, felbft wenn im Prinzip die Succeffion in weiblicher Linie anerfannt worden wäre, jedenfalls bie ältere Schweiter, Die Herzogin von Sachſen, im Anſpruch voran- gegangen fein würde. Begreiflicherweife wurde biefe polnifche Kandidatur in Böhmen wie in Ungarn gar nicht berüdfichtigt, und der einzige, ber ihr eine gewiffe Förderung angebeihen zu Iaffen fchien, war Kaiſer Friedrich ILL, der bis dahin fich nicht eben als Freund des Polenkönigs gezeigt hatte. Aber wenn man bie felbftfüchtigen Wünfche und Abfichten in Betracht zieht, mit denen ber Kaiſer kaum ein Jahr fpäter herportrat, fo ift die Annahme nicht gewagt, daß nur auf fein Betreiben Kaſimir überhaupt darauf gekommen ift, bie fernen Exbrechte jeiner Frau in Erinnerung zu bringen, und wenn man weiterhin nicht in Kafimir und feinen Ratgebern einen völlig abenteuer- lichen und unpraftiichen Geift hineindenlen will, jo Heß fich

Gistrad Verhandlungen. 113

Kaſimir von Frievrih II. nur darum zu ber bemütigenden Rolle des ſchon von der Schwelle zurückgewieſenen Kronwerbers in Böhmen und Ungarn gebrauchen, weil er damit bie zwar hohlen, aber immerhin unbequemen Anwandlungen einer Einmijchung des Reichs zuguniten bes deutichen Ordens, die auf den beutichen Neichstagen noch immer forttönten, zum Schweigen zu bringen hoffen durfte. Die fchnöde Zurüdjegung ihres Monarchen in Döhmen wie in Ungarn vor Emporlömmlingen wie Georg Podiebrad und Matthias Hunyady erregte bei den Bolen ficht- lich mehr Verdruß, als eine Annahme der Werbung, die immer. bin große Opfer erheiſcht hätte, Beifall gefunden haben würde, und in dem denkwürdigen Neichötage zu Piotrlom vom Januar 1459, wo dieje Angelegenheit zur Sprache gebracht wurde, beihloß man, „mit den gewählten angeblichen Königen von Böhmen und Ungarn in feinen fchriftlichen Verkehr zu treten“ "). Daß Giskra, der allzeit getreue Partifan der öfterreichiichen Politik in Ungarn, ſich, jo lange die Wahl noch in Frage ftand, für die polniſche Kandidatur interejfiert hätte, vernehmen wir nicht. Daß ihm aber ein Hunyady auf dem Throne von allen möglichen Inhabern desjelben der unbequemite war, iſt nad) dem ihm von Johann Hunyady bereiteten Schidjal leicht zu begreifen. Nichtödeftoweniger machte er mit Matthias auf Beranlafjung Georg Podiebrads zu Strajnic am 9. Februar 1458 jeinen Frieden in der Hoffnung, bei den vorausfichtlichen Verwirrungen, die unter dem Regiment eines unfürftlichen Sünglings und feines verwandten Gubernators in Ungarn ent» ftehen mußten, feine dunkle Hauptmannichaft mit ihrer halb legitimierten Räuberei fortführen zu können. Die Energie aber, mit der Matthias durch Sebaftian Rozgonyi und den Biſchof Ladislaus Hedervary die Raubnefter im Gebirge fofort angreifen und die Komorowski und Walgatha, Giskras Gejellen, zu Paaren treiben ließ, brachte in dem bebrängten Söldner⸗ führer plößli die Shympathieen für den König von Polen in 1) „Item non est scribendum Hungariae et Bohemiae praetensis regibus electis“, im Reichstagsprotokoll bei Bandtkie, Jus pol, p. 307. Caro, Geſchichte Polens. V.1. 8

. 114 Elftes Bud. Viertes Kapitel. (1458.)

bie Höhe, und die Propofition, die er dem polnifchen Reichstag im Mai 1458 zu Piotrlom machte, die preußiichen Schwierig» feiten nur allein durch feinen Kredit bei den Söldnern aus bem Wege zu räumen, und fo Polen für eine thatkräftige Auf⸗ nahme ber ungarijchen Politik die Hand frei zu machen, zeugt von ebenjo viel Selbftüberihätung als Unkenntnis der Vers hältniſſe. Gleichwohl glaubte man einen Mann von jolchem Nufe nicht zurüdweilen zu follen, und während ver König Kaſimir in Ausführung des Reichstagsbeſchluſſes auf die Durch allgemeines Kriegsaufgebot nah Gniewkowo beorderten Ban- berien wartete, befand ſich Giskra mit indirekten Aufträgen der Krone Polen beim Hochmeifter in Oſterode. Seine Ver⸗ mittelung Hatte noch Fortgang, al8 der König jchon mit einem nach und nad bis auf 40000 Mann anwachlenden Heere, in welchem diesmal Zataren dienten, in ber Mitte des Juli 1458 bie preußtichen Grenzen überjchritt.

Bon bündnericher Seite warb dem Könige ber Nat erteilt, den Marich über Neumarkt, Bratean, Eilau zu nehmen, durch deren Eroberung auch Löbau entjegt werden Tünnte, und dann erit die Richtung auf Marienburg einzujchlagen. Nach ven Erfahrungen der früheren Yeldzüge aber fchten es dem Könige bevenklich, fein Heer vor Heineren Plägen aufzuhalten, und er ging daher bei den feindlichen Drten Culm, Leffen, Marien⸗ werder, Stuhm vorüber geradezu nach Marienburg. Nur die Heine Tefte Papau wurde unterwegs angegriffen und nach Rapitulation der Bejagung genommen. Aber jchon bier zeigte fich der unbotmäßige Geift der polnijchen Arme. Mit Mühe nur vermochte Peter Szamotölsfi, der Feldherr in dieſem Feldzuge, die feindliche Beſatzung, der freier Abzug zugefichert war, vor dem Schwerte der Ungehorjamen zu retten, und als über die in der Burg angebäuften Vorräte zwilchen „einigen Baronen und der Menge” Streit entjtand, warf man Teuer in diefelben, und die Befeſtigung brannte bis auf die Mauern ab. Auch bei zwei anderen Gelegenheiten, als namentlich Bernhard von Cimburg den Verſuch machte, die Nachhut des polnijchen Heeres abzufchneiden, lieferte dasjelbe mit feinen

Der Feldzug. 115

leichten tatarifchen Truppen fiegreiche Gefechte, bei Leſſen und auf der Stuhmer Heide, in denen freilich der Gewinn auf der einen und der Verluft auf der andern Seite nur gering waren. In der zweiten Woche des Auguft Iangte endlich der König mit feinem -Öeere, zu dem nunmehr auch die mittlerweile heran⸗ gezogene Heinpolnifche Abteilung geftoßen war, vor Marienburg an. Die Stadt, von zwei Seiten bedroht, fchien verloren. Bon dem AugenblidE an, da der König vor den Mauern berjelben erichienen war, wurde die Beichteßung derſelben vonfeiten der Burg beftiger, aber zu einem eigentlichen Sturm fam es nicht, obwohl die Polen zwei Monate vor ver Stadt lagerten. „Die polniichen Herren wollten nicht daran mit Stürmen”, jagt Lindau, der bündneriſche Chronift, wäh rend der polniiche uns belehrt, daß allerdings der König und der führende Kriegsrat den Sturm nicht genehmigen wollten,

io fehr auch ein Teil des Heeres das brenmendfte Verlangen danach geäußert hätte. Da von dem Beginn der Belagerung Marienburgs an die durch Giskra eingeleiteten Verhandlungen unter deſſen perjönlicher Vermittelung einen lebhafteren Gang nahmen, jo meinten die maßgebenden Stimmführer des Kriegs- rats, den Eingebungen des Vizekanzlers Ian Lutek von Brzezie vornehmlich nachgeben, das Ergebnis derſelben vor jedem energiichen Kriegdunternehmen abwarten zu jollen. Im Heere aber, das von den gewöhnlichen Leiden des norbiichen Herbites in dem ausgefogenen Rande geplagt wurde, brach bie Ungeduld über die Verzögerung bes Angriffs bi8 zur hellen Meuterei aus. In gejchloffenen Haufen beftürmte man ben König und den Kriegsrat, und bie vertröftenden Antworten berjelben wurden geravezu als die Frucht des Einverjtändniffes hervorragender Barone mit dem Feinde angejehben. Der Berichterjtatter, deſſen hauviniftifche, für ftarfe Mittel ſtets pulfierende Aber wir bereits fennen gelernt haben, ftelit fich ganz auf die Seite der Meuterer, und da in folchen Darftellungen gewöhnlich ein „Verräter“ als eine notwendige Figur erjcheint, jo erzählt er, daß der Vize fanzler nur durch eime rechtzeitige Flucht fi) vor dem Zorn ber Truppen zu retten vermocht hätte, wobei benn freilich an»

| g*

116 Elftes Bud. Viertes Kapitel. (1458).

zumerfen tft, daß San Lutek von Brzezie zu den perjönlichen Yeinden des Hiftoriograpben gehörte). Schließlich, erzählt er weiter, fet das Heer, des müſſigen Zuwartens überbrüffig, ohne bie Einwilligung des Königs auf das von dem Nitter San Naſtyan von Oftrowiec gegebene Beiſpiel auseinandergegangen 2), und Kafimir babe in feinem Zorn über dieſe Auflehnung aus- gerufen: niemals wolle er wieder mit einem fo meuterilchen Heere ind Feld ‚ziehen; beim Heere aber hätte man den Ent⸗ ſchluß ausgeſprochen, nie wieder unter feinem Oberbefehl dienen zu wollen.

Wil man nicht die volle Unvernunft oder gar eine gegen fih jelbft Verrat übende Gefinnung bei dem Könige und feinen Beratern vorausfegen, fo wird man ſich nach andern Gründen für die Unterlaffung bed Angriffs auf Marienburg umthun müſſen. So viel ijt gewiß von jener Erzählung richtig, daß bie Unfähigkeit des Heeres, da8 aus einem an das Mitregieren gewöhnten Rittertum zufammengejegt war, fich niemals deutlicher fund gab, als wenn es beifammen war. ‘Die Vorgänge bei Papau hatten gezeigt, weſſen man fich bet bemjelben zu ver- fehen Hat. Daß aber die Unbotmäßigleit und Zügellofigfeit bei der Einnahme von Marienburg ſich noch brutaler erheben werben, war Yeicht vorauszujegen, und die ohnehin vorhandene Neigung für einen endlichen Abſchluß dieſes markverzehrenden Krieges mußte daraus nur neue Nahrung fehöpfen, zumal bie Erfahrungen des voraufgegangenen Jahres gelehrt hatten, daß der Beſitz Marienburgs doch nicht von fo entfcheivendem Ge⸗ wichte war, als vordem angenommen wurde. Um fo natür- licher war baber das Beftreben, ben größeren Nachdruck auf die von Giskra eingeleiteten Unterhandlungen zu legen, bie durch den Sturm auf die Stadt gewiß nicht erleichtert worden wären. Ohnehin kam der Hochmeifter denſelben keineswegs fo entgegen, als man nach feiner Bedrängnis hätte vermuten jollen,

1) Zeißberg, Poln. Geſchichtſchreibung im Mittelalter, S. 226 ff.

2) Zur Betätigung meiner Zweifel an bie Richtigkeit der Darftellung des Diugofz vgl. die auf bie Chronologie bezüglihe Anmerkung zur Gefchichte wegen eines Bundes in Script. rer. Prufs. IV. 194, Anm. 5.

Waffenftandsverhandlungen. 117

und e8 bedurfte erjt eines mit Drohungen verbundenen Druds vonfeiten Bernhards von Cimburg, daß fie überhaupt in Gang gebracht wurden. Im Verlauf derfelben aber tauchte ein Pro» jeft auf, das allerdings die Kleinpolen aufs lebhafteſte infur- gieren mußte, nämlich dem Orden als Entſchädigung für die Abtretung Preußens und, wie es jcheint, auch Livlands, bie weiten und gefährbeten Gefilde Podoliens einzuräumen, eine Kombination, welche den zwiſchen Polen und Litauen wegen diejes Landes obwaltenden Streit, der das Zuſammenwirken beiver Völker in einem jo wichtigen Momente verhinderte, auf eine eigene Art zu bejeitigen imftande war. Wenn dann auf folhe Art der Orden, wie ihm bebeutet wurde, feiner urfprüng- fihen Milfion des Heidenkampfes wiedergegeben fein würde, dann müßten auch die den Polen unangenehmen Seufzer der europäifchen Diplomatie über die Niederwerfung des Ordens verftummen. Vonſeiten des Hochmeifterd wurde biefes Projekt nicht ohne Hohn aufgenommen; wolle man dem Orden die ichwere Aufgabe in Podolien anvertrauen, fo werde er fich der⸗ jelben nicht entziehen, aber jeine Miffion zu erfüllen fei er eben nur durch die Mitwirkung Preußens und Livlands imftande, und dieſe müßten zuvor wieder unbeeinträchtigt in feinen Hän⸗ den fein!) Die Forderung des Königs, ihm Marienburg vor den weiteren „Teidigungen“ auszuliefern, glaubte der Hochmeifter im Hinblid auf die Kriegsuntüchtigleit des pol⸗ niichen Heeres abweijen zu können, und fo fam es nur am 8. Dftober 1458 nach eingehenden Verhandlungen, in denen Polen durch den Vizekanzler Ian Lutek von Brzezie er war aljo nicht geflohen und Giskra von Brandeis vertreten ivar, zu einem bis auf den Margaretentag des folgenden Jahres einzubaltenden Waffenftillftand, während deſſen Marienburg dem Sölönerführer Gisfra anvertraut, im übrigen aber der gegen» wärtige Befigftand aufrecht erhalten werben ſollte. Innerhalb diejer Zeit aber jollte eine Kommilfion von je acht beiverfeits

1) Damit war aber die Sache keineswegs aufgegeben: fie tauchte nachher 1463 mit einer interefjanten Modifikation auf.

118 Elftes Buch. Viertes Kapitel. (1459).

zu entſendenden Mitgliedern am 4. März zuſammentreten, und einen definitiven Frieden beraten; käme ſie aber bis zum 23. April zu keinem befriedigenden Ergebnis, dann ſollte der zuvor ſchon dazu einzuladende Herzog Albrecht von Öſterreich als Schiedsrichter von beiden Teilen anerkannt werden. Am Tage nach dem Abſchluß des Waffenſtillſtandes hob der König die Belagerung von Marienburg auf. Herzog Albrecht erklärte ſich auch bereit, Die ihm zugedachte Vermittelung zu übernehmen !), aber ed fam gar nicht bis zu diefem Stadium der Verhand⸗ lungen, denn die am 4. März zufammengelommenen Kom- milfionen konnten fich ſchon über die Vorfragen ber Geleits- briefe nicht ‚einigen. Die polniſche Kommiffion, bei der offen- bar nicht ohne Einfluß die beiden Gefchichtsichreiber dieſes Krieges, der Kralauer Domberr Ian ‘Diugojz?) und ber

1) Nah bem Reichstagsprotokoll von 1459 wurben an ihn ber Bifchof Jan Gruszezynsfi von Kujamwien und Peter von Szamotöl, eventuell Ian Ehrzaftowsti abgefchidt.

2) Nah Deugofz3 Angabe war er ſelbſt zum Sprecher und Anwalt ber polnifchen Partei erkoren, was fehr möglich ift, aber nicht vor ben duodecim arbitris, wie er bat, fondern vor den 16 Bevollmächtigten, bie ber Waffenftillftandsvertrag in Ausfiht nahm. Zu diefen Bevollmächtigten gehörte aber Dfugofz nicht. Vonſeiten der Polen waren bazu durch den Reichstag ernannt: die Biſchöfe von Kralau und Wloclkawek, alſo Thomas Strzempinsfi und Ian Gruszezyisti ‚ferner Stanislaw Oftrorog, ber Palatin von Kalil; und nit wie Dfugofz bat San de Sienno cast. Leop., aber auch nicht, wie bei Bandtkie (Jus pol., p. 306), im NReichstagsprotofoll gebrudt ift: dominus Woyniczki, cast. Leop., was offenbar feinen Sinn giebt, fondern Ian Kmita de Wiönicze ober Jan Wisniczki, der Kaftellan von Lemberg. Hierzu kamen vier Be- vollmächtigte vonfeiten ber Bündiſchen. Ich halte e8 der Anmerkung wert, daß der Reichstag biefe nicht ernennt; das war Sache der Krone und de8 preußiichen Landtags. Diefe acht waren alſo die arbitri, die dann von einer Anzahl von Advokaten, Spredhern, Selretarien ꝛc., unter benen auch Dfugofz ſich befand, umgeben waren. Offenbar wurbe e3 auf der Orbensfeite ebenfo gehalten, baß neben ben acht arbitri noch ein Bureau-Perfonal geihiet wurbe, und baber finden wir in ber Ge- ſchichte wegen eines Bundes, Script. rer. Prufs. IV, 198, neun Perfonen, und in dem Geleitsbrief bei Boigt VIII, 571 noch mehrere genamnt. Die zum Teil unfinnigen Namen verfelben, die DLugofz giebt, find

Der Januar-Reihstag. 119

Danziger Ratsherr Johann Lindau, fich befanden, verweigerte jedes Entgegenlommen, und fo verlief die Zeit bes Waffen- ftilljtand8, der nur mit Mühe aufrecht erhalten wurde, ohne den gehofften Erfolg. Gisfra von Brandeis hatte fich ſchon vor dem Ablauf desjelben aus den preußiichen Händeln gezogen und bemühte fich vergeblich, durch Parteigängerichaft für Kaiſer Friedrich feine ruinierte Poſition in Ungarn wieder berzu- ftellen ?). | Der dem Feldzug folgende Neichstag, welcher auf ven 16. Januar 1459 einberufen war und breisehn Tage lang gedauert haben fol, hatte fich natürlich in erſter Reihe mit den Angelegenheiten zu beichäftigen, welche burch den Waffen- itillftand bedingt waren. Die frieblichere Stimmung der Ge⸗ müter kennzeichnet fich jhon durch den Beſchluß, die Waffen, ſtillſftandsurkunde des Hochmeiſters auch trog eines Formfehlers es fehlten mehrere Siegel, und man weiß, was bad im Mittelalter jagen wollte einfach anzunehmen. Man erwählte Bevolimächtigte für die Friedensverhandlungen, Gejandte, bie zu Albrecht von Öfterreih und zu dem neuen Papfte, Pius IL, andere, die nach der Moldau, noch andere, die nach Litauen gehen jollten. Für Giskra von Brandeis, den man noch immer am geeignetiten bielt, die Söldner in Preußen zu gewinnen, und ver als zeitweiliger Inhaber von Marienburg entichädigt werden mußte, wurde Geld bewilligt. Nach allem dem bat man in der That das Recht, zu glauben, was auch die pol-

ſchon von Boigt a. a. O. binreihenb Tritifiert. Ob nun aber in der That Gefanbte der Kurfürften von Brandenburg, Sachſen und Baiern, wie Diugofz meldet, anwefend waren, muß babingeftellt bleiben. Die Brandenburger batten eine Konferenz; mit polnifchen Bevollmächtigten am 23. April bei Bleſen (Bleſzow) in eigenen An- gelegenbeiten.

1) Im Neihstag vom 16. Ianuar 1459 wirb heichlofien: ‚de proyidendo domino Giscrae de expensis etc. et quod invitetur ac solli- citetur jam ad eandum in terras Prussiae ad satisfaciendum inscrip- tionibus inter dom. regem et mag. ceruciferorum ac suos stipiendiarios per eam conductar

120 Elftes Bud. PBiertes Kapitel. (1459.)

niſche Geſchichtsquelle ausdrücklich zugefteht, daß die Majorität des Reichstags mit Einſchluß des Königs ſich dem Frieden auch ohne einen eigentlichen Gewinn an Land geneigt zeigte. Man ſprach damals von einem Projekt, den Drden gegen eine Kriegsentichäbigung von 100000 Dulaten, einen Iahrestribut von 20000 Gulven und regelmäßige Heerfolge mit zwei Fähnlein mit dem ganzen ehemaligen Territorialbefig vonfeiten ver pol- niichen Krone aus zu belefnen. Aber jo ſehr diefe Löſung auch unter den Polen, welchen die Opfer an Blut und Geld em- pfindfich genug fchon waren, Anhänger hatte, fo wehrten fich die Bündiſchen mit aller Kraft doch gegen ben Gedanken, unter irgend einer Form wieder unter die Hoheit des Ordens zu fommen, deſſen Rache über furz oder lang fie zu fühlen gehabt haben würden. Daß jener Borfchlag vom Orden jelbft aus⸗ gegangen ſei, ift nach feiner fpröden Haltung in den Verhand⸗ Iungen zu Ofterode und Mehljad mit Giskra von Brandeis mehr als unmwahrfcheinlich, aber als Programm der Vermitte⸗ Iungsmächte, AlbrechtS von Öfterreich, der Rurie, der bentichen Kurfürſten, denen an der Erhaltung des Ordensinſtituts vor allem anderen gelegen war, fonnte er immerhin ald geeignete Bafis für die bevorftehenden Unterhandlungen angejehen werben. Die friegsluftige Minorität des Neichstage Hatte aber das ichlagende Argument ins Feld zu führen, daß man in fement Salle die Preußen im Stich Iaffen dürfe, und damit mußte die Möglichkeit des Scheiternd aller Frievensverhandlumgen ins Auge gefaßt und eine Wiederaufnahme des Krieges vorbereitet werden. Dean beichloß daher wiederum eine „Expedition“, d. h. die Aufitellung eines Heeres in der Art, daß von je 100 Mark Rente ein Lanzenreiter mit drei berittenen Schügen aufgebracht werben follte, wie das in Großpolen ichon im vorigen Jahre geicheben war man berief fi im Protofoll auf dieſes Beiſpiel jedoch mit dem Borbehalt, daß in den beiden Landtagen von Großpolen und Kleinpolen, die beide am 1. Mai zu Kolo und Korczyn ftattfinden jollten, dar» über entichieven wird, ob es „dem Nuten und der Notwendig⸗ feit mehr entfpreche, in eigener Perſon zu Felde zu ziehen, oder

Der September-Reihstag. 121

nur nach dem Maße des Einlommens für ein Söldnerheer zu ſteuern“ !).

Für welchen Modus der großpolniiche Landtag fich entichied, wiſſen wir nicht 2); jedenfall® aber willigte er in die „Exrpe dition“. In Neuſtadt⸗Korczyn aber lehnte man jede neue Leiftung ab, ehe nicht Die Reformfrage zur Enticheivung gebracht wäre, und verlangte einen neuen Reichstag eigens zu diefem - Zweck noch vor dem Ablauf des Waffenſtillſtands. Dieſe Oppofition erbitterte den König aufs tieffte, aber die Klein» polnischen Herren fanden in den mittlerweile abgehaltenen Kom⸗ munitätstagen ihrer Landichaften vie lebhaftefte Ermutigung, und da die erften Nachrichten aus Preußen nach der Wieber- aufnahme des Krieges die Bedrohlichkeit der Lage berausiteliten, und Alarmrufe der Bündifchen darüber erjchoffen, fo mußte Rafimir wohl nachgeben, und ein neuer Reichſtag warb auf den 1. September ausgeichrieben. Um die günjtige Jahreszeit nicht ganz unbenüßt verftreichen zu lafien, und um den Söldnern des Ordens den Mut zu einem Streifzug nach Polen hinein zu benehmen, jchieten zwar die Großpolen einen Heerhaufen vermutlich ihr „Aktionsheer“ in zwei Kolonnen über bie Weichſel, aber bei dem Mangel einer geeigneten Leitung rich tete derjelbe wohl Schaden und Berbeerungen an, aber für eine irgendiwie durchgreifende Umänperung ver Kriegslage war er durchaus ungenügend. In Polen jelbft aber griff allerpinge der größte Zeil des Adels zu den Waffen, nicht aber um ben

1) Alles nah dem NeichStagsprotofoll bei Banbtlie, Jus pol., p. 306. Es bient vortrefilid bazır die Ungenauigfeit des Diugofz auch in innern Sachen zu beleuchten. Freilich ift der Abdrud fehr fehler- haft. Statt bes unfinnigen videlicet fundata ante dominicam in Art. V muß e8 beißen: videlicet feria VI ante dominicam. Da dieſes Protokoll außer Diugofz die wejentlifte Duelle für das Berhältnis der Bartilularlandtage zu den allgemeinen Landtagen und diefer zu ben Reichstagen ift, gewinnt e8 ein noc höheres Iuterefie.

2) Bei DIugofz; XII, 245: „visum est expeditionem instaurari aut saltem militibus iuxta facultatum possessiones expediendis bellum geri.“ Das war ja eben die Frage, die ber Landtag zu beantworten hatte.

122 Elftes Bud. PViertes Kapitel. (1459).

traurigen Krieg an der Weichſel auszufechten, fondern um ber waffnet auf dem Reichstage zu Piotrfom zu erjcheinen. Auch der König und fein Hofgefinde erjchienen gerüftet, denn die Spannung zwiſchen ihm und den Zleinpolniichen Magnaten batte fich bis zu der Beſorgnis gefteigert, daß von dieſer Seite ein Attentat auf die Krone verfucht werben würde. Auch die Heinpolnijchen Vertreter, voran Ian von Rytwian, Jasko von Tarnow und Jasko von Melsztyn, Männer aus der Schule und Richtung Zbigniem Dleönidis, kamen in Waffen daher und betraten den Beratungsort nicht eher, als bis ihnen Beleit und Sicherheit verbürgt war. Daß zwei Edelleute aus ber Chelmer Landichaft, die zur Oppofition gehörten, von einem königlichen Beamten niedergeworfen und eingelerfert worden waren, gab zu diefer Vorficht ganz beſonders Anlaß. Schon nach dieſen Borjpielen fonnte man den ftürmiichiten Debatten und Scenen entgegenjeben, und fie blieben auch nicht aus. Jan von Rytwian, der Staroft von Sandomir, nahm das Wort im Sinne jener Kaftigationen, welche Zbigniew Olesnicki dem polniſchen Adel geläufig gemacht bat. Wir haben allen Grund anzunehmen, daß die Rede jo,. wie fie uns in dem Berichte Dlugoſzs vorliegt, in der That gehalten worden fei, denn bei einer etwaigen Überarbeitung durch den klerikalen Gejchicht- ichreiber würden erftlich die humaniſtiſch- oratorifchen Blumen, und zweitens die jederzeit üblichen Elegieen über Vergewaltigung des Klerus nicht ausgeblieben fein. Aus der meiteren poli- tiichen Thätigkeit des Ian von Rytwian ergiebt fich, daß er in biejer legteren Richtung, inbezug auf das Verhältnis zum Klerus, mit dem Könige fich nicht im Zwieſpalt befand. Seine Rebe gipfelt aber in dem Vorwurf, der bei den Kleinpolen als ver anftößigite galt, daß der König eine größere Vorliebe für Litauen als für Polen hege. Der König, meinte er, trage allein die Schuld, daß die Litauer fich die Landſchaft Luck und einige Ortichaften im Brzescier Gebiete angeeignet hätten, er ermutige bie Anfprüche und Attentate derſelben auf die pobolifche Land» ichaft, und ihm ſei allein die Schuld beizumefjen, daß bie Her- zöge von Majowien noch immer nicht die ihnen vertragsmäßin

San Rytwians Rede. 123

zuftebenden Diftrifte von Gonigdz und Wegrow von den Litauern erhalten Hätten. Der Übermut der Litauer, vom Könige ger nährt, babe ſich jchon dahin veritiegen, dag fie ihm weder in feinem Sriege gegen den Orden Waffenbeiftand noch überhaupt feinen Befehlen Gehorfam leiften. Und doch entblößte er Polen feiner Waffen, feiner Pferde, feines Goldes und Silbers, aller feiner Koftbarfeiten, um nur Litauen damit zu fchmüden. Polen babe der König durch unterwertige Münzprägung zus grunde gerichtet, und Dieb8- und NRaubgefindel und Falich- münzer trieben fich ungehindert im Reiche umher. Die Nevenuen ber Krone würden nutzlos verjchwendet, Städte und Dörfer jeten bis zur Zroftlofigfeit durch Schagungen und Laſten aus gefogen, Witwen, Waifen und Bedrängte brächten umfonft ihre Klagen an die Yuftiz ſei unter der berzeitigen Regierung fo gut wie nicht vorhanden. Und was bätte dagegen nicht Polen alles ſchon für die Dynaſtie getban? „War doch dein Vater nur Fürſt eines Heinen Diſtrikts und tft durch die Gunſt der Polen” ſo fuhr der Redner mit einem Kleinen Sprung über die geichichtliche Wahrheit fort „Herr von ganz Litauen geworden. Und ehedem unbelannt, dunkel und im Heidentum verjunfen, gelangte er durch Polen zu hohem Ruf in der EChriftenheit und zum Licht des Glaubens. Litauen und Samogitien, faft fchon verfallen den Kreuzrittern, haben die polniſchen Waffen ihm wieder errungen. Deinem Bruder baben wir zur Krone von Polen noch die von Ungarn zu Schaffen gewußt. Di) haben wir zu unſerem Könige erhoben und in dem Kriege wider den Orden mit Leib und Gut bis auf den beutigen Tag unterjtügt. Es kränkt und daher, daß du das litauiſche Volt, das, offen geitanden, weder deinem Vater noch dir fehr getreu war, vorziebft und uns bis zum Untergang bedrückſt. Wir bitten dich, fchaffe uns Yud, die Brzescier Städte und den Teil Podoliens wieder, der une ungerechterweife genommen ift, laß die fchlechte Münze ver- ſchwinden, mindre die Laften, leifte Gehör denen, die Recht fordern, zeige dich als ein Mann und ſei nicht lälfig in der Randesverteidigung dann wollen wir dir gehorchen und Dich

124 Elftes Bud. PBiertes Kapitel. (1459).

mit allem, deſſen du bebarfit, verforgen. Im andern Falle fet verfichert, geben wir weder unfer Geld ber, noch gehen wir ohne Löhnung dir in den Kriegsdienſt.“

So ſcharf die Rede auch war, fo trat fie dennoch nicht über die Grenze der Loyalität, deren Verficherung noch über» dies an die Spike geftellt war. Die ganze Verjammlung foll fie mit tiefem Schweigen aufgenommen haben, aber ob dies, wie Dlugoſz, deſſen Herz bei folchen Reden aufgeht, uns glauben laſſen will, ein beredter Beifall gewejen ift, muß doch dahin- geftellt bleiben. Bei aller ſtaatsmänniſchen Haltung Hatte der Bortrag doch auch feine Schwächen. Die uns von parteiiſcher Seite mitgeteilte Antwort des Königs würde bis auf einen einzigen Punkt nicht ſehr durchfchlagenb gewefen fein. Wenn Kafimir wirflih nur gefagt Kat, die Annerionen der Litauer feten ohne fein Hinzuthun erfolgt, für die Münzprägung hätten feine Näte die verfaffungsmäßige Erlaubnis gegeben, er nehme feine anderen Steuerlaften in Anſpruch als fein Vater, und er babe niemandem den geforderten Nechtsjpruch verjagt, To ftände teilweife Behauptung wider Behauptung, teilweiſe würde der König in unköntglicher SKleinherzigkeit die ihm direkt oder indireft obliegende Verantwortung ſchnöde auf andere Schultern gewälzt haben. Aber wenn.er, wie ihm weiterhin in den Mund gelegt wird, die Äußerung that, an eine Landesverteidigung fei fo lange nicht zu denken, als ein königliches Ärar überhaupt nicht exiftiert, und alle Regalien verborgt und verthan wären; die Herren dürften nur die Königegüter ihm zurüdgeben, dann werde er den Staatsbebürfnifjen jchon zu genügen wifjen und die Sachlage macht e8 mehr als wahrjcheinlih, daß ber König das fagte —, fo wog biefe Bemerkung mit ihrem jpiten Stachel, der alle die Herren rings um ihn ber und insbefon- dere auch Ian von Rytwian !) treffen mußte, den größten Teil ber Invektiven bes kühnen Redners auf. Ian von Rytwian bat erjt neunzehn Jahre nach diefer Scene für den fehr deut- lihen Wint des Königs durch einen großherzigen und patrio-

1) Inv. arch. crac., p. 241.

Fruchtloſigkeit des Reihstags. 125

tiichen Akt Verſtändnis gezeigt !). Im Augenblid aber ließ man den König, der vielleicht erft einige Monate zuvor in Wilno ganz Ähnliche Invektiven über Bevorzugung der Polen vor den Litauern und über Entäußerung litauiſcher Erblande zu» gunften der Polen hatte anhören müffen, in feinen Nöten und verjagte ihm die Mittel .zu einer energifchen Kriegsführung. Vielleicht aber war auch -die Auffrifchung der pobolifchen Streit» frage nur hervorgerufen durch die bei ben letzten Waffen- jtilfftandsverhandlungen aufgetauchte Idee, Podolien dem Orden als Entſchädigung für Preußen zu geben, was den Kleinpolen allerdings als eine furchtbare Perſpektive erfcheinen mußte, während der König noch vier Jahre jpäter den Gedanken bei ben Litauern zu vealifieren fuchte ?).

In der Hauptjache ſelbſt aber, in ber Trage wegen der „Expedition“ nach Preußen, entſchied fich auf dieſem Reichstage nichts, obgleich die Botſchafter der Städte und Landſchaft von Preußen zugegen waren und für die Notwendigkeit einer ener⸗ giichen Hilfe eintraten. Daß aber auch bei diejen erbitterten Fana⸗ tikern Friedensvorſchläge nicht mehr völlig verichloffenen Ohren begegneten, gebt aus ber durch eine Gejandtichaft des Erzherzogs Albrecht von Ofterreich veranlaßten Verhandlung hervor. Nach- ben die Kommiſſion der ſechzehn Bevollmächtigten im Frühjahr ſich ohne jedes Ergebnis aufgelöft hatte, war dem Wortlaut des Waffenſtillſtands gemäß an den Herzog als obere Injtanz zu appellieren, und der Orden batte auch wirklich Abgeordnete an ihn gejandt, die Polen aber waren ausgeblieben ?). Hier auf diefem Neichötage nun erjchienen Delegierte ded Herzogs, um jeinem „Schreden* über den Verfall der jchon getroffenen Vereinbarungen und feiner DBereitwilligfeit zur Übernahme des Schiebsrichteramt3 Ausdruck zu geben, und die Preußen rieten dem Konige, den Ojterreicher, wofern er nur vermitteln wolle, zu ermutigen, aber ven Anjpruc auf die Rolle eines Spruch

1) Voll. Legg. I, 231.

2) Rapiersty, Inder Nr. 2022. Boigt, Geſchichte Preußens VIII, 646.

3) Gefchichte wegen eines Bundes. Script. rer. Prufs. IV, 201.

126 Elftes Bud. Viertes Kapitel. (1459)

richters mit Entſchiedenheit abzulehnen. Von dem Erbieten des Erzbiihofs von Riga und des Biſchofs von Kurland aber, die Mediation in die Hand zu nehmen, wollten die Preußen gar nichts hören, da.der eine von ihnen dem Orden gar an⸗ gehöre, und der andere ihm nur zu geneigt ſei ). Man fieht daraus, wie fern noch troß dem Gefühl der Erichöpfung, das in diefen Debatten einen ſehr betonten Ausdruck fand, die Möglichkeit des Ausgleichs Tag, und die Überzeugung, daß nichts fie mehr fördern könnte als eine energiiche Kriegsführung, wurde allgemein geteilt, außer von ben Kleinpolen. Sie be- itanden, als eine neue Schagung von jech8 Groſchen von jeder Hufe vorgejchlagen wurde, auf der ausjchlieglichen Zuftändigfeit des Landtags von Neuftadt-Korezun, und jo mußte die Ente ihetbung einem neuen Reichstag vorbehalten bleiben, welcher auf den 6. Dezember desjelben Jahres anberaumt wurde. Da wir darauf angewieſen find, die Beichlüffe der Landtage aus den Reichstagsbeichlüffen fennen zu lernen, jo können wir nur annehmen, daß die Kleinpolen die urjprüngliche Vorlage uns gemein einjchränkten, modifizierten und von der Erledigung der Reformfrage abhängig machten. Denn als man am 6. De zember wiederum in Piotrlow zufammenlam, wurde ‚zunächit ein Ausihuß von 20 Mitgliedern nievergejegt, der die Ber ſchwerden des Landes, in zwölf Bunkten formuliert, dem flönige vorlegte, und erſt als verjelbe in jeder einzelnen Beziehung genügende Erklärungen und verbürgende Zuficherungen gegeben batte, wurde er ermächtigt, eine Schagung von Kaufleuten und Gewerbtreibenden für die laufenden Bebürfniffe des Krieges, und eine Öufenfteuer bon einem Vierdung, jowie eine Renten⸗ jteuer von 124 Prozent zur Bezahlung der Rüdftände an bie Söldner für ein Jahr zu erheben.

Worin nun aber bie zwölf Punkte beſtanden, welche ber König zu beherzigen gelobt Gaben ſoll, bleibt uns freilich vers

1) Receß im Cod. epist. saec. XV, 187. Einen nicht ganz korrekten Auszug in Script. rer. Prufs. IV, 563, Anm. 1. Bgl. auch Cod. epist. p. 196. Napiersty, Inder IL, 41, Nr. 2004.

Verſtimmung der Litauer. 127

borgen, aber bei dem Einfluß, ben die Sleinpolen auf dieſen Vorgang Hatten, jcheint e8 kaum zweifelhaft, daß die von Ian von Rytwian fo fcharf betonte Bevorzugung der Litauer und bie Reflamation des von ihnen bejegten Teils von Bodolien vorzugsweiſe darin figurierten. Hiernach aber giebt es einen Begriff von den unüberwindlichen Schwierigfeiten in der Stel- lung des Königs, wenn wir vernehmen, daß der Iitauifche Landtag, der etwa drei Monate nad dem letten polnifchen Neichstage in Brzesc abgehalten wurde, den Abel in einer wider Polen böchit erregten und friegeriihen Stimmung er- Icheinen ließ; man ſprach es unverbohlen aus, daß die Ber» legenbeiten Polens im preußiichen Kriege einem Angriff von litauifcher Seite die beften Ausfichten auf Erfolg böten, und aller Wahrjcheinlichleit nach fand fih auch wohl ein Litauifcher Patriot, der die Rede des Ian von Rytwian in der litauifchen Argumentation traveftierte. Denn bie nicht lange nachher Ditern 1461 dem Könige gejtellte Zumutung, entweder fortan in Litauen zu refidieren oder einen eigenen Großfürften ein- zufegen, nimmt fich in der That nur wie der Abflatich der frondierenden Politik der Kleinpolen aus. In Erwägung aber,

daß immer noch der: Beſitz Podoliens der Hauptgegenftand des

Zwieſpalts zwilchen Polen und Litauen war, läßt fich mit Leichtigfeit ermeffen, wie jehr dem Könige von ſeinem Intereffe aus eine Verſetzung des Ordens nach dem umftrittenen Lande erwünfcht fcheinen mußte. Ließe das fich verwirklichen, dann war der Zankapfel zwilchen den beiden Nationen entfernt, ver preußische Krieg beigelegt, und jeine beiden Reiche erhielten eine Schugmauer wider Zataren und Türken, welche die Sicherheit ihrer politiichen Entwidelung verbürgte. Aber für eine ber- artige Löſung war der Orden bei weiten noch nicht genug gedemütigt. Bet den vielfachen, immer mehr fich bäufenpen Verhandlungen über einen Ausgleich führten die Kreuzherren noch einen ſehr Hohen Ton. Herzog Albrecht Sendboten, welche im Sanuar 1460 wieder in Kralau eingetroffen waren, berichteten, daß der Orden den Herzog dringend gebeten babe, ein Übereinfommen zu vermitteln, wonach ein Schiedsſpruch in

128 Elftes Bud. Biertes Kapitel. (1460.)

feine Hand gelegt würde, aber von einer bloßen Mebiation babe der Hochmeifter nichts wiſſen wollen !). In diefem Falle, wie gelegentlich des erneuten Anerbietend des Erzbiichofs von Kiga und des Biſchofs von Kurland, eine „Xeidigung” zu unternehmen, hielt fih König Kafimir an die vorbergegangene Derabrebung mit den preußiichen Ständen: das leßtere wurde ganz abgewiefen unter dem Vorwande, daß die Mediation bes reits dem Herzog Albrecht übertragen fei, während dieſem felbft bedeutet wurde, daß bie üblen Erfahrungen aus dem Sabre 1420, wo der Schiedsſpruch König Sigismunds nur zu noch) ſchwereren Konflikten geführt hatte, Polen gewitigt bätten, einen folchen niemal® wieder zu provozieren. So jehr nun aber auch in diefer Antwort an den Erzherzog eine nachdrück⸗ liche Abweijung enthalten war, fo jcheinen die Unterbandlungen, welche übrigens fich mit noch ganz anderen fpäter Darzulegenden Intereſſen berührten, noch eine Weile fortgeführt worben zu fein, nicht in der Erwartung eines Erfolges, fondern weil fie den gefälligen Vorwand abgaben, um andere fich offerierende Bermittelungen auf eine fchillihe Art ablehnen zu können. Da e8 fichtlich eine vorwaltende Überzeugung bei den Mlächten jener Tage war, daß die polniiche Kriegsfähigfeit, durch ven preußtichen Krieg gebunden, auf jede Mitwirkung in den allge» meinen Berhältnifjen verzichten müfje, jo begann jeder Potentat, ver Polen in feine Pläne zu verwideln trachtete, mit dem Bor» fchlage einer Friedensvermittelung. Solche von einem intereſ⸗ fierten Hintergedanfen eingegebene Anerbietungen famen damals von der römilchen Kurie, von dem Herzoge Ludwig von Baiern, von dem Herzoge Konrad von DIE und vom Könige Georg von Böhmen. ‘Den päpftlichen Legaten, dem Erzbiſchof Hiero⸗ nymus von Kreta und dem Erzdechanten Franz von Toledo, welche in taktlojer Weile den König balb und halb als Ex⸗ fommunizierten behandelten, verweigerte Kafimir den Geleits⸗

1) Der König an die Danziger, 15. Ianuar 1460. Cod. epist. saec. XV, p. 195 und berfelbe an biejelben, Lemberg ben 23. März. Ebd., p. 196.

Allerlei Sriedensvermittler. 129

brief nach Polen und kehrte fich wenig an ihre Drohungen, baß der Papft das Kreuz wider Polen prebigen laſſen, und daß der Kaiſer und der Böhmenlönig feinen Trotz ftrafen würden 1), eine ‘Drohung beiläufig, die eine geringe Kenntnis der Polen von der politiihen Sachlage vorausiegte. Mit weniger Schroffbeit zwar, aber nicht weniger entichieven wurde der Herzog Ludwig von Baiern, trogdem damals im Hinblid anf andere Interefjen ein Bündnis mit ihm geſchloſſen wurbe, mit feinen Vermittelungsverjuchen abgewehrt, indem auf bie. beim Erzberzog Albrecht ſchwebenden Verhandlungen hingewieſen wurde. Was aber ven König Georg von Böhmen anbelangt, welcher am wenigjten feine eigennügigen Wünfche bei feinen Mediationsverfuchen verhehlen Tonnte, jo befolgte Kafimir in diefem Punkte wie in allen übrigen Zumutungen Georgs ben ihm von dem preußiichen Ständen erteilten Nat, „ihn in einem guten Wahn zu erhalten und ihm weder ab- noch zuzufagen“ 2), fo daß der Böhmenkönig noch zwei Sabre fpäter, als der Orben ibm fchon eine weitgehende Befugnis als Vermittler und Schiedsrichter eingeräumt batte, dem Papſte berichten mußte, daß von Polen die endgültigen Entjchließungen noch immer aus⸗ ſtünden °).

Aus allem dem ijt aber erfichtlih, daß noch Feiner der Vermittler eine für Polen annehmbare Baſis der Verband- Iungen aufgeftellt hatte, und auch wohl nicht aufitellen konnte, jo lange bie Kriegslage in Preußen fich noch nicht zu dem Übergewicht eines ber ftreitenden Teile herangebilvet hatte.

Hterzu war aber noch wenig Ausſicht. War bie Kriegs⸗ führung ſchon eine wenig gejchloffene und planmäfige, als ber König noch mit großen Heeren Feldzüge unternahm, fo wurbe fie natürlich noch verworrener, als jeder beliebige Feldhaupt⸗

1) Voigt, Geſchichte Preußens VIII, 588. Daß ber König an fänglich geneigt war, die Legaten „ehrenvoll” zu empfangen, berichten biefe dem Papſt. Theiner, Chron. Pol. II, 127.

2) Rezeß im Cod. epist. saec. XV, 192.

8) Schreiben vom 11. Dezember 1461 in: Breslauer Korrefpondenz, Script. rer. Sil. VIII, 67.

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 9

130: Elfte3 Bud. Biertes Kapitel. (1459.)

mann fih nach Gutdünken fein Streitfeld ausſuchen Tonnte. Schon während des großen Waffenftiliitands waren Zufammen- ftöße vorgelommen, bie feinen Beftand jehr gefährdeten. Kaum wor aber der Plargaretentag vorüber, fo begann ein Krieg, in welchen weder Ehre noch Sitte zur Norm dienten, ſondern der berüchtigte Ausjpruch des Giskra von Brandeis zur vollen Durchführung gelangte. Der ganze Krieg Löfte fich in blutige Nedereien und räuberiiche Quälereien auf, unb wenn es ein⸗ mal bei einer Burg oder einem Stäbtchen zu einem bebeu- tenderen Vorfall kam, dann hatten Lift, Rüge und Verrat mehr Anteil daran als Tapferkeit und Macht. Auf einen Wink aus Morungen war der Drbensipittler vor die Fefte gezogen (20. Suli), und als er bin fam, fand er nicht nur verichloffene Thore, fondern verräteriichen Überfall. Dann waren die Dan- ziger ausgezogen, um das „Schlöhchen* Kiſchau (4. Auguft) zu brechen, aber vor ihnen waren Ordensſöldner hineingelangt, und die Belagerer mußten nach acht Lagen unverrichteter ‘Dinge abziehen. Dagegen zerjtörten fie die Schlöffer Sobowig und Grebin in der nächften Nähe ver Stabt (13. Auguft). Um Michaelis hatten die Bürgervorfteher von Pafjenheim dem Komtur von Graudenz zugefichert, fich wieder zum Orden zu fchlagen, und als an dem beftiimmten Tage Georg von Loben mit einem Trupp in die Stadt geritten war, ließen die von den Bürgern berbeigerufenen Bündner das „Schoßgatter” nieder, und bie Söldner des Ordens waren gefangen. Solche Abenteuer bil- beten jchon die größeren Ereigniffe aus dem Herbit 1459. Im übrigen fing man fich gegenfeitig bier und dort Leute, Pferbe, Proviant ab, verbrannte „das Getreide im Feld und bie Hopfengärten”, und die Wafjerftraßen ſelbſt konnten nur bes fahren werden, wenn die Fahrzeuge eine ganze Flotte bildeten und ihre auf einem Kahn aufgeftellte „Paftei” bei fich Hatten. Etwas unflar bleibt die Thätigleit des Heerhaufens, den die Großpolen nah Preußen geichidtt Hatten. Den Nachrichten zufolge fcheint er fich geipalten zu haben, und eine Kolonne ging nach Thorn, wo man die Anfchläge des in Culm haufen- den Bernhard von Cimburg um fo mehr bejorgte, als berjelbe

Krieg in Pomerellen. 131

durch den freiwilligen, wenn auch bebingten Übertritt Löbaus auf die Seite des Ordens (13. Juli) neuerdings freie Hand von Often ber belommen hatte. Die andere jcheint den Ver⸗ ſuch unternommen zu haben, die dur Konig dem Orben noch immer offen jtehbende Verbindung mit Deutjchland abzufchneiden. . Die Lage war bier eine ganz eigene. Der Schuß der Burgen Tuchel, Schlochau und der anliegenden Gegenden war polnijchen Hauptleuten, dem Nikolaus von Sciborze, Ian von Koscielec und dem Wlodek von Danaborz mit eigener Verantwortlichkeit anvertraut; bie Krone hatte an dieſe Herren vertragsmäßig beftimmte Summen zu zablen, wofür ihnen die Sorge für die Sicherheit der Feten und des umliegenden Gebiet oblag }). Diefer engften Abficht des Vertrages kamen fie auch wohl nach, aber zu einem Eingreifen in die allgemeinen Kriegdoperationen und zu einer Unterjtügung der Bündiſchen bielten fie fich um jo weniger verpflichtet, als die ihnen zugeficherten Gelder von- feiten des Königs nicht eingingen, und Wlodek von Danaborz wenigftens fchon eine vecht erhebliche Summe zu fordern hatte. Bon Danzig bejchwerte man fi über ihn beim Könige, daß er Schuld trage, daß die Ordensſöldner in die Burg Kifchau gelangt find, wodurch die ganze „pomerelliiche Seite“ gefährpet wäre, während Wlodek, der auch Kaftellan von Nafel war, den noch weit bevenklicheren Weg betreten batte, mit dem Orden einen partifularen Beifrieden auf eigene Hand zu jchließen. Äühnlich war das Verhältnis im Norden der pomerelliichen Seite. Seit dem Beginn des Krieges ftanden Bütow und Lauenburg unter der Schußherrichaft des. Herzoge Erich von Pommern, der fih um foldhen Preis und gegen die üblichen Kriegsentfchädigungen zur Unterftügung der Bündner willfährig gezeigt hatte der einzige fürjtliche Herr, der außer dem Auſchwitzer, welcher Vafall der polnifchen Krone war, fich zum Dienfte wider den Orden bergab. Seit dem Einbringen der

1) Urkunden in Rzyszezewsti & Mucz!. Il.2, 903, Nr. 597. 598. 600. 601. 602, und über den Fortgang der Sache in Cod. epist. saec. XV, 180. 186. | '

9*

132 Elftes Bud. Viertes Kapitel. (1459.)

Ordensſöldner in die Burg Riichau aber war in Danzig ber gewiß nicht unbegründete Verdacht rege geworden, daß ber Pommer mit dem Orden in einjeitige und verräteriiche Ver⸗ handlungen getreten ſei, und um wenigitend bes wichtigeren Lauenburgs ficher zu fein, ſetzte Danzig zum Verbruß des Her- 3098 einen DVertrauensmann dahin, der auch nicht wich, als Erich einen den Bündnern genehmen Söldner als Vogt eine ſetzte. Es blieb eine verbedte, von Mißtrauen erfüllte Span- nung zwilchen dem Herzog und der Bundeshauptitabt zurüd, bie weiterhin noch ihre Folgen äußern jollte. Unter folchen Berbältnifien aber mußten einerjeits die Bündner den dringen den Wunich haben, daß das mittlere Pomerellen den Händen des Feindes entwunden werbe, und mußte ber Drben anderer feit8 die Störung viel verjprechender Kombinationen befürchten, . als fich die Danziger vor Kifchau legten, und zugleich die zweite Kolonne des großpolnifchen Heerhaufens eine auf Konitz zu- führende Marjchrichtung nahm. Daß die erjteren abgewiejen wurden, baben wir bereit8 erwähnt, die andern aber wurden zum großen Zorn des Danziger Rats durch geſchickt angelnüpfte Unterhandlungen über einen Beifrieven vom Vorbringen fo lange im Culmiſchen aufgehalten, bis der Einbruch der rauhen, und im Jahre 1459 mit beifpiellojer Härte auftretenden Winter- Tälte den Heerhaufen zum Rückzug über die polniſche Grenze veranlaßte.

In Danzig, wo man ungleich mehr als am polnischen Hofe eine auf den legten Zwed, bie völlige Vertreibung des Ordens aus Breußen, dringende Kriegsführung im Auge hatte, wurden bieje teils verfuchten, teils durchgeführten Beifrieden, welche die Sriegsbauptleute bald unter einander bald mit dem Ordens⸗ ipittler abichloffen, mit dem höchſten Unwillen angejehen. Schon beim Ügibi-Reichstag 1459 forderten die Städte ein allgemeines Berbot vonjeiten des Königs, allein die Verhältniffe waren mächtiger, denn nach dem am 9. November nach langem Leiden erfolgten Tode des Gubernators Hans von Baijen fand e8 der zu feinem Stellvertreter ernannte Stibor von Baiſen geraten, für fi, Otto von Machwitz u. a. m. einen, wie es beißt,

Gezwungene Winterrube. 133

zweimonatlichen Waffenftillftand mit dem Ordensſpittler abzu- fchließen. Hatten biefe kurzen Paufen des winterlichen Krieges für die ftrategifche Stellung der Parteien auch feine Bedeutung, jo waren fie doch namentlich dem Drben injofern von beträcht- lichem Wert, ale fich ibm während derſelben die Zufuhr von Lebensmitteln, Gerät und Waren von allen Seiten und, wie wir vernehmen, fogar von Bolen jelbft erichloß. Bon jeiten des Königs, dem dieje Auslegung des Beifriedens denn doch zu liberal erjchien, erging nun zwar ein Mandat ), alle derartige Transporte wegzunehmen, aber dem Orden war es gelungen, die beiven Herzöge Ziemovit und Conrad von Ma⸗ ſowien zu einem fechsjährigen Beifrieden zu gewinnen und damit dauernde Zufuhrsquellen aus ihren Ländern, bie von den öniglichen Mandaten nicht getrübt werben konnten, zu erlangen. In das ftrikte BVBajallenverhältnis der Herzöge zur polnijchen Krone und ihre unumgänglichen Leiftungen an dieſelbe ſollte ber Vertrag nicht eingreifen; die Hauptiache aber war, daß dem Verkehr der maſowiſchen Gewerbs⸗ und Kaufleute aus- Schließlich zugunften des Ordens volle Sicherheit gemährleijtet wurde ?). Bei dem ausgejprochenen Programm ded Danziger Rats, durch den gründlichiten Ruin des Yandes, „durch Sammer und Kummer” den Orden aus dem Lande zu fcheuchen, mußte dieſe Erſchließung neuer Hilfsmittel für den gehaßten Feind nicht geringen Zorn in den fanatifchen Stadtherren erregen, und man war dort auf die „Zeivungen”, fowohl auf die in Breußen wie auf die am Königshofe in Krakau fich abjpielenden, übel zu ſprechen. Da aber der Winter jo furchtbar auftrat, daß man, wie die Chroniften anmerken, von Lübeck nach Däne- mark, von Danzig nach Hela, ja felbft von Reval nah Schwe- den auf dem feſten Eije überfegen fonnte, jo blieb nun wohl nicht8 anderes übrig als die von der Natur aufgeprängte Waffen- rube ſich gefallen zu laſſen. Kaum aber war ber Froſt ges wichen, fo begannen bie friegerifchen Bewegungen. Was man

1) Bom 19. Dezember 1459 im Thorner Ratsardiv. 2) Bertrag vom 9. November 1459.

134 Elftes Bud. PViertes Kapitel. (1460.)

in Danzig von den Märjchen und Gruppierungen der Orbens- jöldner erfuhr, deutete Klar auf die Abficht eines Entfakes von Marienburg und der Eroberung des Schloffes Hin. Dem mußte von Danzig unter allen Umftänden vorgebeugt werben, da bei der gejchilvdertermaßen ſchwankenden Lage auf der pome- velliihen Seite, wo am 25. Februar 1460 es dem aus Konitz ausbrechenden Kafpar Noftig gelungen war, die zu Polen ge- börige Stadt und Feſte Deutfch- Krone (Walcz) durch einen Handftreich fich zuzueignen, mit dem Verluft der Marienburg auch abgejeben von dem moralifchen Eindrud alle Erfolge des bisher geführten Krieges auf dem Spiele ftanden. Schon am 21. März 1461, ungeachtet es noch jehr kalt war, rückten daher bie Danziger Heerhaufen, unterftügt von Mannfchaften aus den DBundesjtäbten und einigem im Culmiſchen verbliebenen pol niſchen Kriegsvolf vor die von Not und Hunger ohnehin ſchon entfräftete Stadt. Durch die mit großem Eifer und raſtloſen Anftrengungen betriebenen Belagerungsarbeiten warb die Stabt in kurzer Zeit von Baſteien, Gräben und „verlorenen Zäunen“ d. i. verdeckten Pallifaden auf der Landſeite völlig blockiert, und als fich zeigte, daß von Mewe zuweilen Proviantichiffe her- unterfamen, wurde die Nogat verpfählt und mit Wachtichiffen bejeßt, jo daß die Stadt von jeglicher Verbindung ausgefchloffen war. Die Not ftieg; fehon mußte man Brot aus Malz baden. ALS die belagerte Gemeinde am 2. April an hundert Frauen, Mägde, Kinder, arme Leute aus der Stadt trieb, um bie wenigen Vorräte zu fparen, trieben die Danziger natürlich die Unglüdlichen wieder zurüd. Wohl wagte der Hochmeifter einige Unternehmungen zuguniten der treuen Dulder in Marienburg, nicht fowohl zum Entjaß der Stadt, dazu würde ein größeres und fompalteres Heer nötig gewejen jein, als ver Orden über- baupt noch aufzuftellen vermochte, al$ vielmehr, um Proviant bineinzumwerfen. Aber auch diefe Verjuche mißlangen jedesmal wegen der Unzuverläjfigfeit ver Sölönerjcharen und wegen ber unüberlegten Führung. ‘Der Orbengfpittler war krank, Bern barb von Eimburg war nach Mähren gereilt, um neue Söldner anzuwerben, und der Hochmeifter hatte allezeit eine unglückliche

Marienburg lapituliert. 135

Hand. Im der Mitte des Yunt ungefähr fcheint er jede Aus- ficht auf eine Rettung Marienburgs aufgegeben zu haben, und zog feine ſchwer zu disziplinterenden Mannſchaften nach dem Nieder⸗ Iande zurüd, um die mitten in feinem noch unangetajteten Machtgebiet feindlich trogende Feſte Wehlau fich zu unterwerfen. Die Marienburger waren allein auf fich angewiejen. Auffallend war’s, daß die Belagerer, denen das Hinjchwinden der Wider- ftandskraft der Marienburger doch fein Geheimnis war, feinen Sturm wagten. Dazu wäre e8 wohl gelommen, wenn nicht die Hoffnung auf eine wejentliche Unterftügung vonjetten Polens fi) als irrig erwiejen hätte. Zu einer Zeit im "Verlauf des Krieges hören wir jo wenig von einer bireften Beteiligung der Polen am Kampfe, als in diefer Kataſtrophe. Im Anfang des Juni hielt zwar der König eine Veriammlung des groß. polnifchen Adels zu Leczyc ab, aber der Verluſt von Deutſch⸗ Krone, der eriten feiten Stadt auf polniſchem Gebiete, welche in die Mitleivenjchaft des Krieges gezogen wurde, jcheint bier ganz vornehmlich die Gemüter beichäftigt zu Haben. Auch von ben übrigen Bundesftäbten erhielt Danzig nur wenig Hilfe, ba jede mit ſich jelbft zu thun hatte. Indeſſen getreu ihrer Meinung: „beifer ein Jahr zu leiden als viele, und am Ende doch dem Verderben anbeimzufallen“, machten die Danziger die unerbörteften Anjtrengungen. Bis zum Auguft gelang e8 dem tapfern Augufiin Trotzler, der die Verteidigung Marienburgs im Verein mit dem unbeugiamen Bürgermeifter Bartholomäus Blume leitete, die Bürgerichaft feit in ihrer Gegenwehr zu halten, als aber an ven Arbeiten ver Belagerer erkannt wurde, daß ihnen der ſchwache Punkt in der Stadtmauer, die dort an ber Nogat auf einem leicht durchdringbaren Boden ruhte, ver- raten fei, griff die Furcht um fo mehr um fih, als Zrogler wie Blume durch förperliches Xeiden an das Haus gefeifelt waren. Die Schwächlinge befamen das Übergewicht, und am 6. Auguft 1460 fapitulierte die Gemeinde. Den Bürgern warb Sicherheit des Lebens und des Eigentums jowie Erhal tung ver Privilegien und freies Wegzugsrecht gewährleiſtet; der Hauptmann Zrogler wurde mit einigen Sriegsleuten und

nn.

136 Elftes Bud. Viertes Kapitel, (1460.)

drei Orbensrittern in ben Kerker geworfen, dann nad Danzig abgeführt, wo fie im Elend der. Haft ihren Tod fanden. Das traurigfte Schickſal aber traf ven getreuen Blume; ale „Ver⸗ täter“ wurde er nebit zwei anderen Bürgern enthauptet und gevierteilt, und fein Vermögen gab ver König dem pomerelli- fhen Wojewoden Dito von Machwitz. Aber auch von ven wirklichen Verrätern, welche die Übergabe der Stadt wider ben Willen des Bürgermeifters durchgeſetzt hatten, erlitten mehrere ein böſes Ende. Die Danziger führten eine Anzahl derſelben aus Mißtrauen in ihre Stadt, um fie nach Lübeck zu ſchicken; aber das Schiff, auf dem fie überfuhren, jcheiterte, und alle fanden, bis auf einen, ihren Tob in den Wellen. Danzig feierte einen großen Triumph. Die trogig energiiche Seeftabt hatte wejentlich aus eigenen Mitteln das. zumege gebracht, was die Polen mit ihren großen Heeresaufgeboten gar nicht, und mit ihren an Ulrich Ezerwenla und Genofjen verſchwendeten Summen nur halb zu erwirlen vermocten. Jetzt erſt war Marienburg dem Orden entrungen, jet erft der Ort über- wunden, welcher die Idee jeiner Herrichaft am lebhafteften res präfentierte. Auch ganz abgejehen von der ftrategifchen Bes beutung des Plates, welche in der Erichwerung des Verkehrs zwifchen dem Nieverland und Pomerellen beftand, war ber Erfolg darum jo Hoch anzufchlagen, weil an Marienburg fich immer noch die Vorftellungen von der Souveränetät und Ober- herrlichkeit des Ordens knüpften. Nach außen bin hatte freis lich der Fall der Burg ein größeres Aufſehen gemacht, während bie Übergabe der Stadt kaum beſprochen wurde, zumal bie lange ‘Dauer des Krieges den Fernſtehenden anfteigend mehr das Verſtändnis der Lage entzog. Aber in ben beteiligten Kreiien wurde das Ereignis als eine Kataſtrophe aufgefaßt, "welche deutlich die Linien der. zufünftigen Geftaltung vorzeichnete. Die Offenfive des Ordens richtete fich fortan darauf, die öſt⸗ lihen Gebiete gänzlih von den Feinden zu jäubern und fich zu erhalten, während die Bündiſchen auf Erfolge im Hinterland -verzichtend, alle Kräfte daraniegten, in ben weltlichen Zeilen Preußens die Stüßpunkte des Ordens zu untergraben. In

Danzig Dank. 137

biefer Beziehung tft es ebenſo charakteriftiich, daß ber Hoch meiſter in ben legten Wochen der Belagerung Marienburgs, auf den Entſatz besjelben verzichten, alle jeine Kriegsmacht auf die Unterwerfung bes immer noch trogenden Wehlau ver- wandte, die ihm auch im September vesjelben Jahres nad barten Kämpfen gelang, al® daß die Bündner wie die Polen fortan das Gulmerland und PBomerellen vorwiegend zum Kriegsichauplag machen. Die zweite große Epoche dieſes Krieges, welche mit dem Fall der Stadt Marienburg beginnt, arbeitet im Hin- und Herichwanken des Kriegsglücks und der Erfolge biejenige Konfiguration aus, welche der fpäte Friedensſchluß betätigen follte. Und Danzig allein burfte fih den Ruhm biefer bebeutfamen Wendung zuichreiben. Der König erkannte bas in vollem Maße an, als er der Stadt für ihre „große Mühe, Arbeit und Anlage“ feinen großen Dank ausiprach und die Zurfage gab, „ed ihr mit allem Guten in ewigen Zeiten zu gedenken“ ?).

Füuftes Kapitel. Tortfegung und Ausgang des Krieges.

._—

Im Reichstage vom Ianuar 1459 war, wie wir bereits oben erzählten, ven Landtagen von Kolo und Korczyn die Ent ſcheidung darüber anheimgeftelit, ob es „notwendig und nüßlich“ wäre, an der Fortfegung des preußiichen Srieges fich lediglich durch Geldbeiträge, für welche Söldner und Kriegsluftige in Bolen jelbft gevungen werden konnten, oder durch perfönlichen Kriegsdienit des Adels, das will jagen durch Aufgebot der Banderien, zu beteiligen. Sind uns auch die Beichlüffe der erwähnten Provinztallandtage nicht überliefert, fo zeigt Doch ber

1) Cod. epist. saec. XV, 204, no. 182.

138 Elite Bud. Fünftes Kapitel. (1460.)

Charakter, ven der Krieg in den legten fieben Jahren feiner Dauer annahm, daß man fich in Polen zu der erfteren Form der Mitwirkung entichloffen hat. Bon jenen großen Heerzügen unter der perjönlichen Führung des Königs, die freilich fich nicht gerade ruhmvoll und für die Erledigung des Krieges als burchaus unzwedmäßig erwiejen hatten, ift fortan feine Rede mehr. Das einzige Mal, im Hochjommer 1461, da noch) ein derartiger Feldzug ind Werk gejegt wurde, Hatte er, wie fich bald zeigen wird, eine andere, mit dem preußifchen Kriege nur mittelbar zujammenhängende Tendenz. Sonft aber war ber König in Perſon bis nach dem Friedensſchluß überhaupt nicht mehr auf preußiihem Boden erichienen. &benjo bleiben bie hervorragenden Würdenträger, die Mitglieder der hoben Ges ichlechter dem Kriegsichauplag fern, und bezahlte Zruppenführer aus dem KRitterftand oder aus dem königlichen Hofgefinde ftehen an der Spike von Scharen, die aus Bündifchen, Polen und Böhmen zufammengefegt find. Eine Abnahme des Interefjes aber aufleiten der Krone darf daraus keineswegs gefolgert werben. Die Korreipondenz zwilchen Kafimir und den Städten, insbejondere Danzig, zeigt vielmehr eine anfteigend mehr fich entwidelnde Innigkeit der Empfindungen auf beiden Seiten. Mit der geipannteiten Zeilnabme verfolgt der König jeden Borgang in Preußen, und andererjeits find die Bündiſchen befliffen, einen Zon ver Loyalität bei allen Gelegenheiten anzu» ihlagen, der zum Zeil noch lebhaft in der Geichichte des breizebnjährigen Krieges von dem Danziger Stabtichreiber wider» Hingt, und der eigen abfticht von der unbotmäßigen Reveweile, welche der König auf polniichen NReichstagen zu hören befam. Die Beihagungsform, welche in den parlamentariichen Kämpfen der Jahre 1455 bis 1459 fich herausgebildet Hatte, und welche das polnijche Reich in allen Provinzen und in allen Ständen gleihmäßig betraf, blieb fortan die ganze Zeit, jo lange der Krieg währte, beiteben, und es jcheint, daß die preußi- ichen Stände fich mit diefer Art der Beihilfe Polens beſonders zufrieden und einverftanden erllärten. Da der Krieg an feinem Buntte die Herbeiführung wichtiger und enticheidender Momente

Berwidelung im Grenzgebiet. 139

durch angelammelte Streitlräfte geftattete, da ber Orden ein geichloffenes Feldheer aufzubringen außerjtande war und alle feine Kräfte auf die Wahrung oder Gewinnung der Burgen richtete, jo war man auch auf ber andern Seite von der Auf- ftellung großer Heere, die fich zur Belagerung der verhältnis. mäßig ja nur Keinen Webrpläte als ungeeignet und jchwerfällig erwiejen hatten, zurüdgelommen, und fand die fleinen beweg⸗ lichen Haufen von Mietlingen ungleich förderlicher. Nur im Sabre 1461 ſchien man biejes Prinzip fallen laffen zu wollen, injofern in der That ein allgemeines Aufgebot und ein Heerzug unter Xeitung des Königs ftattfand, allein felbjt aus dem un» gemein parteiiſch gefärbten Berichte des gerade in biejer Epoche von dem Könige tief gevemütigten Gejchichtichreibers Ian Dlu⸗ goſz geht mit aller Sicherheit hervor, daß man für die Zwecke des preußiichen Krieges an der eben erwähnten Methode feit- bielt, bingegen der Heerzug des Königs aus abjeitd liegenden Abfichten unternommen worden ift.

Die Lage des Ordens war nämlich auch nach dem Falle der Stadt Marienburg keineswegs eine gar zu verzweifelte. Immerhin war feine Stellung, ftrategiich betrachtet, doch noch eine jehr gewaltige. Abgejehen davon, daß das ganze Hinter- land fich täglich mehr der Herrichaft des Ordens wieder ergab, befanden fich die beiden Hauptverfehrsadern doch noch in feiner Hand; der Beſitz von Konitz ficherte ihm die Straße nad Deutfehland, und durch die Behauptung der Burgen Mewe und Neuenburg konnte er die Weichfel für die Kommunikation von Polen nah Danzig ausichließen. Da war es benn von der böchiten Bedeutung, daß der Herzog Erich von Pommern, ber gleich im Anfang des Krieges, wie ſchon früher mitgeteilt wurde, Zauenburg und Bütow von der polniihen Krone zu Leben erhalten hatte, und deſſen Haltung die Danziger feit dem Herbit 1459 dermaßen beargmwöhnten, daß fie Lauenburg erit durch einen Adminijtrator und dann durch eine Heine Be⸗ ſatzung ſich zu verfichern ſuchten daß der pommeriiche Fürft aljo mit dem Orden zu einem geheimen Einverjtändnis gelangt war, und unter dem Vorwand, daß er feine anderen Mittel

140 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1460.)

babe, um einige in bie Hände bes Ordens gefallene Lehnsleute zu ranzionteren, bie beiden wichtigen Plätze den Ordensbeſatzungen erfchloß (18. September 1460). Ein Vorwand ift es ficher nur gemwejen, denn die Lauenburger hatten die Löſegelder aus ihren Mitteln dem Herzoge angeboten. Für den Orden aber hätte dieſer Zuwachs feiner Bofition von unberechenbarer Wichtigkeit fein müffen, wenn er überhaupt, namentlich aber in biejen weftlichen Yandesteilen, noch über ein bewegliches Feld⸗ heer verfügt hätte, das die Verbindung auf ven offenen Linien bes oceupierten Dreieds verwahren und zugleich zur Bedrohung ber umſchloſſenen Seeftadt Danzig dienen gefonnt hätte. Auf beiden Seiten jcheint die Wichtigkeit biefer Situation nicht unterjchägt worden zu fein. Schon im Sommer, ald an den Entiag von Marienburg noch gedacht werben konnte, war Bernhard von Eimburg in feine mährijche Heimat gezogen und batte dreitaufend geworbene Söldner ſchon bis Frankfurt ge führt. Auf die Nachricht jedoch, daß die Hauptitabt gefallen jei, entließ er den größten Zeil diejes Heeres, Dad dem Orden in der bezeichneten Richtung jo ſehr zuftatten gelommen wäre, und begnügte fich mit einem Xeile desjelben, etwa fünfhunbert Dann, über die Weichfel zu fegen und in das Culmer Land zu dringen, wo er zu den ihm verpfändeten Burgen Culm und Althaus nunmehr noch die Stadt Golub gewann, in deren Schloß fi noch immer jener Ulrich Czerwenka oder fein Ver⸗ treter behauptete. Der König batte allerdings die Danziger aufgefordert, diejen Übergang Bernhards über die Weichfel zu verhindern, und gemeint, daß die Aufbaltung des Söldnerführers noch Wehlau retten könnte (ſ. oben, ©. 135), aber für Bern- bard handelte es fich fichtlich, da ihm mißglüdt war, dem Orden ein mobiles Heer zuzuführen, gar nicht mehr um ein fehr wefentliches Eingreifen in den Krieg, jonvern lebiglih um die Sicherung feines Pfanpbefiges, auf dem er fortan auch verblieb. Selbit der im Spätherbit vesjelben Jahres noch verjuchte An⸗ griff Bernhards auf Schweg endete erfolglos und nur mit Ver» Iuften; und nachdem es ihm im Frühjahr 1462 noch gelungen war, der Feſte Straßburg fich zu bemädhtigen, jo glaubte auch

Danzig bedroht. 141

diefer ausdauerndſte und getreueite Anhänger des Ordens genug für ihn gethan zu haben und hielt fich auf feinem Pfanpbefik bis zu dem Zeitpunkt, da er feinen Frieden mit Polen zu machen fich genötigt ſah.

Da nun alſo die Hoffnung auf die Ankunft eines Feld⸗ beeres aufgegeben werben mußte, jo jammelten fih Söldner von den Bejagungen aus Konitz, Mewe, Neuenburg an taufend Mann ſtark unter dem Grafen Hans von Gleichen und griffen eine der betachierten Baſteien, welche die Danziger zu ihrem Schuge in dem Dörfchen Prauft erbaut hatten, mit Sturm an. In der Stadt fcheint dieſes dreiſte Auftauchen der Feinde Bart unter ven Mauern einen merklichen Schreden und nicht geringe Verwirrung hervorgerufen zu haben. Ein un- georbneter Haufe von Bürgern aller Stände, darunter mehrere Ratsmitglieder und Batrizier, eilte den Angreifern entgegen und erlitt, wie es nicht anders fein konnte, eine jo furchtbare Niederlage, wie Danzig „in allen diejen Kriegen nicht erlebt Hatte”. Die Baftet wurde ausgebrannt, denn um fie zu halten und Danzig ernftlich einzujchliegen, dazu war diefer Haufe von Keifigen freilich nicht zureichend. Er zog fich bald nach Schöned wieder zurüd, denn, jollten die Hauptburgen nicht der Gefahr einer Überrafhung ausgefett werben, mußte er fich auf Zurze aufichrediende Streifzüge beſchränken. Einen jolchen unternahmen die Söldner nach der Beſetzung von Lauenburg fofort in den fogenannten Pusiger Winkel, und ein anderer war dem Klojter Oliva zugedadt. In Danzig erfannte man mit nicht geringer Beſorgnis dieſe Taktik des Feinde, und die Hilfsgeſuche au den König nahmen einen äußerſt bringenden Ton an. Danzig mußte unter allen Umftänden gefichert werben, und ein polnifcher Seerhaufe, 800 Mann ftark, erhielt fofort den Befehl, zum Schutze der Stadt in der Abtei Dliva fein Standquartier aufzujchlagen. Bon ihren Abfichten auf das Klofter mußten baher die Ordensſöldner abftehen, dafür aber nahmen fie Durch Einverftändnts mit den Bürgern das Städtchen Putzig, wo fich ber vertriebene König Karl von Schweden, ein großer Freund der Bündifchen, aufgehalten Batte, fingen die Beſatzung, raubten

142 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1460.)

den Ort aus und zogen fich wieder zurüd. In ähnlicher Weife aber machten die Polen von Oliva aus räuberifche Streifzüge, und als fie gegen Ende Dftober wiederum zu einem folchen ausgezogen waren, ftießen fie auf einen beträchtlichen Haufen unter Fri Raweneck; es fam zum Kampf, und die Orvensleute erfuhren einen ſehr empfinplichen Verluft, denn mehr als 100 Reifige und Fußknechte blieben „in den Büjchen und Brüchen“ liegen. Solche Kämpfe in der unmittelbaren Nähe von Danzig währten den ganzen Spätherbſt hindurch, und nicht umfonft batte Die bedrohte Stadt den König zu beftimmen gewußt, daß er den beveutenden Heerhaufen übrigens gegen Zab- lung des Unterhalts auch den Winter über in ihrer Nähe belief. Denn daß e8 die Hauptleute der weftlichen Burgen jegt auf Danzig felbft abgejehen Hatten, das ging, wenn nicht fchon zur Genüge aus den fortwährend wieber- holten Einbrüchen in die Verteibigungslinien der Stadt, dann doch ficher aus einem Anfchlage hervor, welcher durch ben bei Prauft in Gefangenschaft geratenen Schufter Günther angefnüpft wurde, um die Stadtthore den Ordensſöldnern im geheimen zu erichließen. Zeitig genug warb bem Rate von Danzig von dem verräteriichen Plane durch den Schufter felbft Kenntnis gegeben, und wenn jener die Intrigue noch eine Weile fortipinnen Tieß, jo geihah es in der Abficht, den Feinden eine Valle zu legen. Das gelang nun freilich nicht, aber der ganze Borfall zeigt doch, wie ſehr fich die Verbältniffe in Danzig jeit Martin Rogge geändert hatten, und wie wenig Sympathieen der Orden jet ſelbſt in den niederen Schichten der Stadt- bevölferung noch beſaß. Hingegen ift e8 in hohem Grabe beachtenswert, daß fich die Bauern im Putziger Winkel, alſo in ziemlich großer Nähe von Danzig, noch bi8 zu Haufen von 400 Mann zufammenthaten, um die Polen im offenen Felde zurüdzufchlagen. Lediglich Abwehr von Näubereien, wie man gejagt, war es keineswegs, denn die Ordensſöldner richteten zuverläffig nicht weniger Schaden an, und dennoch äußerte fich bie Wut der Bauern lediglich gegen bie Bünbifchen und vor⸗ nehmlich gegen bie Polen.

Berlufte der Bündner. 143

Dei der nur eben in Italien ähnliche Erfcheinungen bieten- den Methode dieſes Krieges iſt es fchwterig zu fagen, wo zu einer beftimmten Zeit eigentlich der Schwerpunkt der Entjchei- dung lag. Gefämpft wurde beinahe überall in preußiichen Landen und felbft darüber hinaus auf polnifchem Boden, denn jeit geraumer Zeit ſchon hatte Bernhard von Cimburg einen Zeil des Dobrzyner Landes fich zinsbar gemacht, während ber Nekediftrift von den Söldnern aus Konig und Friedland immer wieder von neuem mit ven fürchterlichiten Streifzügen beim- gefucht wurde. In dem Städtchen Lobſens, um nur eins an- zuführen, muß fein Ziegel mehr auf dem andern gewefen jein, und felbjt die tiefer landeinwärts gelegenen Nekeftädte ſcheinen empfinblich gelitten zu haben. Darum war es für die Polen von ſolchem Werte, daß fie noch vor dem Eintritt des Herbites 1460 fi der Feſte Deutich-Krone wieder zu bemächtigen im- ftande waren. Dies aber und das Ausbrennen von Marien- werber waren in ber That die einzigen wejentlichen Erfolge der Verbündeten feit dem Falle von Marienburg, und aud das darauf folgende Jahr wurde für fie doch nur durch eine Reihe namhafter Verluſte ausgezeichnet. Der neue Bilchof von Ermland, Paul von Legenvorf, veritand es, teils mit Gewalt, teil8 durch Auslöjung, die Städte feiner Jurisdiktion von den polnijhen Söldnern zu befreien, und jo gingen die feften Stel- lungen von Wormbitt, Gutſtadt, Heildberg, Allenftein nach» einander für die Bündifchen verloren, und legtere wurden von der Verbindung mit den wenigen aber doch jehr wichtigen Plätzen des Dinterlandes, in benen fie noch Bejagungen hatten, merklich behindert. Sicerlih war e8 im Gefühl dieſer Iſo⸗ lierung, daß die Beſatzungen von Friedland, Schippenbeil und Naftenburg im Februar 1461 eine ftarle Offenfivbewegung verfuchten; alletn die Ordensſöldner aus Bartenftein und Eilau traten ihnen im offenen Felde entgegen, und mit jchwerem Berluft mußten die Bündiſchen ſich in bie genannten Städte wieder zurückziehen. Sie waren danach fo gut wie preisgegeben, wenn ihnen nicht von Weiten ber oder von Polen aus Quft gemacht wurde. Auf beiden Seiten erlannte man das fehr

144 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1461.)

wohl, und um einen Entjag, wie er von den Danzigern wie von einigen Räten der Krone dem Könige zugemutet wurde, zu verhindern, legte fich, als der eintretende Sommer es ger geftattete, der von einer Krankheit eben erſt wieder genejene Drdensipittler Neuß von Plauen vor die Felle Morungen und fchloß fie in regelvechter Belagerung ein. ‘Die Maßregel batte denn auch den gewünfchten Erfolg, denn nod vor dem am 27. Dftober 1461 erfolgten Fall von Morungen waren Friedland am 16. September, Schippenbeil am 1. Oktober, und Raftenburg bald darauf dem Drden wieder in bie Hänbe gefallen. Da etwa um biejelbe Zeit auch Braunsberg fich der polniichen Beſatzung zu entledigen wußte und fi dem Biſchof übergab, fo begreift man fehr wohl, daß der Rat von Danzig damals, als diefe Vorgänge fich entwidelten, und der Ring der bünbnerifchen Stellung fih immer mehr verengerte, im eine beträchtliche Aufregung geriet, zumal die Vorgänge in nächiter Nähe der Stadt einen immer bevenklicheren Charakter annahmen.

Die ungemein bedrohliche Einniftung der Ordensſöldner in Lauenburg und Pubig, welde in Frig von Raweneck einen Führer von rücdfichtslofer Verwegenheit befaßen, machte fich in Danzig von Tag zu Tag beklemmender fühlbar. Wohl war für die Stadt jelbit bei der verhältnismäßig geringen Zahl der Feinde und bei dem Mangel eines für eine großartige Belagerung unentbehrlichen Apparats wenig zu bejorgen, aber eine unerfreuliche Lage war e8 denn doch, daß man von ben Zürmen von Danzig die Feuerſäulen aus den umliegenden Dörfern aufichlagen jehen mußte, daß aus Stries, Zigankenkrug, Schidlitz die Stadtſöldner buchftäblich mit der Brandfadel aus⸗ getrieben wurden, daß ſelbſt die Heiligfeit einer Progeifion in das nahegelegene Karmeliterkloſter die troßigen Kondottieren nicht von einem Überfall abhielt. Einen bejonders tiefen Ein- deud hat e8 in Danzig machen müſſen, daß der Bürgermeifter Hermann Stargart, der eben im Begriff war, von Marien⸗ burg nach Thorn zum Könige fich zu begeben, unterwegs von Söldnern aufgegriffen, beraubt und nad Mewe ind Gefängnis

Der Herbit- Feldzug. 145

ibgeführt wurbe, wo er einige Monate fpäter ven Leiden der Befangenfchaft erlag. Im Hochjommer 1461, als der Heerzug es polnischen Königs nach Weitpreußen die wichtigften Ordens⸗ urgen zu bedrohen fchien, trat allerdings für einige Zeit eine Baufe in dieſen Beunruhigungen ver Hauptſtadt ein, aber kaum var jene Gefahr für die Ordensſöldner vorüber, jo fingen für Danzig die Tage voll Unruhe und Angft von neuem an. Am I. Oktober 1461 durchſtachen die Söldner den Damm der Kadaune und fperrten der Stadt drei Tage das Trinkwaſſer ıb, und faum war biefer Schaden wieder bejeitigt, als in ber Stadt die Rede ging, es beitänden Einverſtändniſſe von Bür⸗ jeen mit den Feinden, ein Gerücht, das dem Henker der Stabt viever Arbeit gab.

Wie boffnungsreih mußte unter folchen Verhältniſſen bie Nachricht ericheinen, daß fich in Polen im Spätiommer 1461 ie Banberien wieder um den König zu einem großen Beerzuge sach Preußen jcharen. Auf den beiden bauptjächlich bedrohten Rriegsichaupläßen, um Danzig und bei den dftlichen Feftungen, vird man ſich den größten Erwartungen überlaffen haben, und vahricheinlich Hatte die Meile des Bürgermeifterd Hermann Stargart von Danzig‘, fowte die Ankunft des in Braunsberg jebietenden Söldnerhauptmanns Ian Stalstt im königlichen Dauptquartier feinen andern Zwed, als die Nichtung des Heer- ugs nach einem diejer gefährbeten Kriegstbeater zu lenken. Aber unbegründet und ficher nur aus der feindjeligen Gefin- nung bes Geſchichtſchreibers erfunden -ift es, wenn Dfugofz erzählt, der König babe nad langem Warten auf das jehr Ipärlich eintreffende Aufgebot zaudernd erwogen, wohin er mit dem Heere fich eigentlich wenden ſolle. Die allgemeine Mei» nung jet natürlich gewejen, dorthin, wo die Gefahr am größten, in das Niederland, wo Morungen, Schippenbeil, Raftenburg auf dem Spiele ſtanden. Aber in einer gewifjen „Beſchränkt⸗ beit des Geiſtes“ oder einem Verhängnis folgend, hätte Kaſimir dem Nate einiger vom Orden beftochenen Barone nachgegeben und wäre nach Weiten gezogen, um die Einnahme der Feſte Srievland zu verſuchen. Allein dies iſt eine Mifchung von

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 10

146 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1461.)

einigem Richtigen mit vielem Falſchem, denn wir haben feine Urfache anzunehmen, daß man in Polen von dem Entſchluß, den preußifchen Krieg nur mittels Subfidien an die Soldheere zu fördern, abgegangen wäre. Vielmehr bat der Feldzug von 1461, fcheinbar eine Ausnahme von diefem Prinzip, zumächft lediglich einem innern polniſchen Intereſſe bienen follen.

Es ift ſchon oben (S. 131) erwähnt worden, daß der Schutz der Burgen Tuchel und Schlochau gleich im Anfang des Krieges zwei polnischen Herren gegen eine von ber Krone an fie zu entrichtende Entſchädigung anvertraut worben iſt. Das nament- ih wichtige Schlochau übernahm der Kaftellan von Nalel, Wlodek von Danaborz. Vermutlich war e8 im Einverftändnis mit den Vertretern des preußiichen Bundes gejchehen, daß man von dem Grundgeſetz, nach welchem preußiiche Schlöffer nur Eingeborenen übertragen werben durften, in dieſem Falle abjah, weil es darauf ankam, die Verbindung zwiichen Polen und ven Zentralpunkten der wejtpreußiichen Inſurrektion zu fichern, und bie zunächjt gelegenen Straßenkreuzungen den Schwantungen des Krieges zu entziehen. Die Maßregel fcheint auch ihren Erfolg gehabt zu haben, denn man bört in den erjten jech8 Jahren bes Krieges nichts davon, daß diefe Burgen von dem Wechiel der Dinge in Preußen betroffen worden wären. Aber bie armfelige Finanzlage des Königs geftattete ihm nicht, feinen Verbindlichkeiten nachzufommen, und ba die verfprochenen Jahre gelver ausblieben, und die Schuldſumme ſchon eine ſehr beträcht» liche Höhe erreichte, ging Wlodek daran, feine Anſprüche durch Gewaltafte zu realifieren. Er überfiel mit feinen Leuten bie Befigungen des Erzbiſchofs von Gneſen, des Palatins von Kaliſz, des Kaftelland von Sierad; und anderer Magnaten, wie es fcheint, in ganz ſyſtematiſchen Raubzügen, ließ Leute, Vieh und Habe aller Art fortführen und errichtete ſogar zur Bergung feines Raubes einen Zurm, die „St. Nilolaus-Bajtei”, zum Schreden ber großpolnijchen Herren. „Die Klagen wider Wlodek erhoben ſich von allen Seiten; Klerus und Adel lärmten über NRäuberei, die Danziger gaben ibm den Verluſt von Kiſchau ſchuld, die Bündiſchen bejchwerten fich über feinen mit

Windel von Danaborz. 147

em Orben gelchloffenen Beifrieven und über feine Teilnahm⸗ oſigket am Kriege und doch fonnte man fich nicht ver- eblen, daß feine Geldforderungen ihn einigermaßen zu feiner yanblungsweije berechtigten. Es mußte Abhilfe gejchafft wer» en, und ſchon der Reichstag zu Piotrlow nom Jahre 1459 atte fich mit dieſer Angelegenbeit zu bejchäftigen. ‘Dort wurbe mächft ein Ausgleich zwiſchen Wlodek von Danaborz und den roßpolniichen Magnaten zumwege gebracht, aber die endgültige ronung der unerfreulichen Streitfrage erfolgte erft zu Pofen _ n Juli 1460. Die Einzelnheiten biejer Löſung find zu charak⸗

riftiich für die ganze Situation des Reiches, als daß wir fie hergehen könnten. Zunächſt geftand der König in einer offenen rHärung zu, dag Wlodek „kraft der ihm verliehenen Briefe“ 18 volle Recht Hatte, fih auf gewaltiamem Wege für die ihm iſtehenden Gelder jchadlos zu Halten, und daß daher ver rzbiſchoff und die Magnaten allen Anfprücen auf Wieber- ftattung oder Erſatz der ihnen geraubten und teilwetje jchon äußerten Werte Verzicht leifteten. Damit waren aber 3fodef8 Anſprüche noch keineswegs gedeckt. Man berechnete , 2 noch auf weitere 19000 Dufaten. ‘Davon jollten 7000 kurzen Zriften binnen einem Jahre bar vom Könige ent» chtet werden, und 12000 follten durch eine Verſchreibung ıf die Städte Schlochau, Konitz, Friedland, Hammerftein aldenburg (Bialborg) und 39 pomerelliiche Ortichaften getilgt erden. Ganz ausprüdlich wurde Dabei der Artikel des preußt- yen Grundgeſetzes, welcher eine derartige Verſchreibung an nen Nichtpreußen ohne Zuftimmung der Stände verbietet, 7 dieſen Tall einfeitig aufgehoben. Und noch andere Ber- inftigungen wurden dem Wlodek zugefprochen: er brauchte bei nem allgemeinen Aufgebot feine Leute zu ftellen, er durfte hufs der Verpropiantierung mit dem Feinde Sonderverträge ließen; in feiner Feſte belagert, burfte er, wenn ihm nicht nerbalb eines halben Jahres vonjeiten des Königs Entſatz me, ohne Schaden an feiner Ehre fapitulieren; in jeiner aftellanei von Nakel follte er vier Jahre lang unabjegbar in, und für die fernere „Konfervation“ von Schlochau hatte

10*

148 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1461.)

er 3000 Dulaten jährlich bis zum Ausgang des Krieges zu fordern. In Anbetracht der Thatſache jedoch, daß feine von den Städten, auf welche die Alfignation lautete, in den Händen der Polen oder der Bündner war, machte fich der König an⸗ heiſchig, unverzüglich jeden biefer Orte, wofern man fich feiner bemächtigte, an Wlodek auszuliefern ').

Sichtlih nur unter diefem Geſichtspunkt, weil es eben galt, burch eine teilmeife Befriedigung des rüdjichtslofen Gebieters von Schlochau polnijches Territorium vor weiteren Raubzügen zu bewahren, ift denn auch im Gegenſatz zu ber für den preußtichen Krieg erwählten Marime ein allgemeines Aufgebot dem Könige bewilligt und ing Werk gelegt worden. Und es erläutert nur den Grundgedanken dieſes Feldzuges, wenn wir vernehmen, daß er gegen den Rat Ian Teczunslis begonnen wurde, der fi) nur von einem gebungenen Heere Erfolg verſprach. Inſofern es fich nun aber um den Borteil der Großpolen im wejentlichen han⸗ delte, darf es nicht wundernefmen, daß bie Kleinpolen nicht gerade mit großem Eifer berbeteilten. Sie ließen gar lange ‚auf fich warten und famen am Ende auch nur fo ſpärlich, daß an eine Zeilung des Heeres für bie verſchiedenen Kriegstheater nicht zu denken war. Im Rate des Königs behielt man daher nur den nächften Zwed ber Erpebition im Auge, und es warb beichloffen, „auf die pommeriiche Seite zu ziehen”, aljo weder die belagerten Feftungen im Niederland zu entfegen, noch Dan» zigs Umgebung von den Bedrängern zu jäubern, jondern den Verſuch zu wagen, den Feind von feinen Verbindungen mit dem Weften abzufchneiden. Erfolge auf biefem Gebiete mußten allerdings gemäß dem Vertrage vom vorigen Jahre dem Wlodek von Danaborz und mittelbar andern großpolniichen Magnaten zuftatten fommen; aber darum zu jagen, der Entichluß des Königs ſei von einigen durch den Orden beftochenen Magnaten eingegeben worden, wie Dlugoſz thut, fcheint denn doch eine überall, wo es übel geht, Verrat witternde Leidenfchaftlichkeit zum Grunde zu haben. Denn der Orden war nicht in ber

1) Cod. epist. saec. XV, 197—202.

Unbotmäßigleit des Heeres. 149

Lage, mit Geld fih Söldner zu laufen, geichweige denn bie Herren des Königlichen Rate. Das Mißgeſchick des Feldzugs lag vielmehr bejtimmt wieder in der Unbotmäßigkeit des Heeres. Diele waren mit der Tendenz des Feldzuges unzufrieden, und als das Heer durch das Nakler Gebiet z0g, rächte man fi zunächft an Wlodek von Danaborz durch eine gründliche Plün- derung des ihm unterftehenden Landes, obgleich es polniicher Boden war. Andere wieder nahmen Anftoß daran, baß bie Königsfahne mit dem weißen Adler nicht entfaltet wurde. Man hatte wegen der Geringfügigkeit des Heeres davon abſehen wollen, aber gegenüber dem ausbrechenden Unwillen des Adels, ber nur dem königlichen Banderium, nicht denen der Magnaten dienen wollte, alsbald nachgeben müſſen. Noch anderen gefiel die Wahl der Feldherren nicht, die auf Peter von Szamotof, den Staroften von Grofpolen, und Ian Zareba, den Staroften von Wielun, gefallen war. Und alle glühten vor Zorn wegen eines in Krakau ausgebrochenen Aufruhrs, bei dem ein Teczyhüski von einem Handwerker erjchlagen worden war. So bereit- willig fich.der König auch erllärte, den Vorfall mit der ganzen

Schärfe des Bejeges nach feiner Rückkunft zu ahnden, fo konnte

doch nicht verhindert werben daß im Heere eine immer mehr anfteigende Aufregung um fih griff. In diefer Stimmung zog man nun in der Mitte des Monats Auguft vor die Feſte Triebland, die denn auch nach achttägiger Belagerung gegen Bewilligung freien Abzugs der Beſatzung kapitulierte. Man übergab die Stabt dem Vertrage entiprechend dem Wlodek von Danaborz, und das Heer Iagerte ſich nunmehr vor Konik, der wichtigften aller Feftungen im Weiten Preußens.

Für große und langwierige Belagerungen aber war das polnijche Kriegäheer, das hatten die erjten Kriegsjahre jchon gezeigt, völlig ungeeignet. Die Unthätigfeit im Lager loderte bie Zucht nur noch mehr, und es kennzeichnet den dort berr- chenden Geiſt jehr gut, daß, wie erzählt wird, felbit die Sinaben den König bei Tag und bei Nacht den beleivigenden Zuruf: „Zia rada“ (Schlimmer Rat!) hören ließen. Gar jo ſchlimm war aber der Ratichlag Doch wohl nicht gewejen; denn gelang

150 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1461.)

es in der That, Konig zu nehmen, den Herzog Erich von Pommern, der eben damals in vielfadhes Gedränge geraten war, zu züchtigen und bie ihm anvertraut gewejenen Burgen den bündnerifchen Beſatzungen wieder zu erichließen, dann hätte der Feldzug für die ganze Lage in Preußen eine enticheivende Bedeutung gehabt. Thatſächlich aber miflang alles. Während das Gros des Heeres bei dem mühjamen und ungeoroneten Fouragieren fortwährend erhebliche Berlufte erlitt, machte fi ein Heerhaufen, der die im Heere dienende Tatarenhorbe mit fih nahm, ohne Weifung des Königs auf, um die Zwecke des Krieges auf eigene Yauft zu betreiben. Sie fielen mit Sengen und Brennen in das herzoglich pommerifche Gebiet ein, er brachen Neu-Stettin und andere Orte, und obwohl von den nacheilenden Mannen bes Herzogs mit blutigen Köpfen heim⸗ geichicdt, brachten fie doch eine anfehnliche Beute in das Tönige liche Lager zurüd. Vermutlich würde fich dieſe Yreibeuterei bald wiederholt Haben, wenn nicht die entichloffene Gemahlin bes Herzogs, die ſchöne Erbin des däniſchen Kronfchages, Sophia, fih plöglih im Hoflager des Königs eingefunden hätte. Im Zerwürfniffen mit ihrem Gatten, batte fie, wie in anderen Fällen auch, die ungetreue Politik vesfelben gegen Polen gemiß- billigt und war daher bejonders geeignet, den Zorn des Polen⸗ königs zu beichwören. Ihrer Fürbitte fol das auch gelungen fein, und ber Herzog foll durch Verfprechen und Eid fich ver bunden haben, ber polnifchen Sache wieder zu dienen, aber einftweilen faßen bie Orbensfölpner in den beiden verratenen Burgen, und fie daraus zu vertreiben, Hätte man die Feſten erobern müfjen. Daran war aber bei der Beichaffenheit des Heeres und bet der immer ungünftiger fich geftaltenden Herbſt⸗ witterung nicht mehr zu denken. ‘Der großpolniiche Adel murrte gegen den Führer bes Krieges, Peter von Szamotöl, wegen verfafungswibriger Kumulation der Ämter, und es fehlte nicht viel, jo wäre es im polnijchen Lager ſelbſt zu einem blutigen Zufammenftoß gelommen. Um dies zu vermeiden, zog ber König von Konig ab, und nachdem er noch erwirkt Hatte, daß der Adel fich zu einer auferorventlichen Steuer von 5 Prozent

Das Bromberger Gejpräd. 151

des Einkommens behufs Aufftellung eines Söldnerheeres ver- bindlich machte, löſte er das Aufgebot auf und eilte nad Bromberg, wo ihn die preußiichen Sendboten erwarteten. Nicht einmal Wlodek von Danaborz, der doch wenigſtens eine von den Städten, auf welche er Verfchreibungen befaf, nunmehr erhalten batte, konnte der Erfolge dieſes Feldzuges fih erfreuen. Denn ſchon wenige Monate fpäter, am Drei- fönigstage 1462 riefen die Bürger von Friedland Söldner aus Konitz berbei, lieferten ihnen den größten Teil der polnijchen Beſatzung ins Schwert und gaben ihnen bie Feſte wieder preis. So gründli war aljo der ganze Feldzug mißlungen, und mar begreift e8, daß die Senbboten ber preußiichen Stände, welche mit dem Gubernator Stibor von Ballen am 25. September in Bromberg vor dem Könige erichtenen waren, ihm Vor⸗ ftellungen in feharfem Tone machten. Schon im ganzen Ver⸗ lauf des Jahres hatten bie Danziger in ihrer Korreſpondenz ein gewiſſes Mißtrauen durchblicken laſſen, das der König durch ſorgfältige Darlegung und Begründung aller ſeiner Schritte in den preußiſchen Angelegenheiten zu zerſtreuen bemüht war. Aber einzugeſtehen, daß der Feldzug einen andern Sinn gehabt habe, als man in Danzig oder bei den Söldnern im Hinterland gewünſcht, das hatte er doch nicht über ſich vermocht. Er ertrug es daher mit gewohnter Milde, daß ihm die härteſten Vor⸗ würfe wegen unerfüllter Zuſagen gemacht wurden, aber als ihm die Sendboten zumuteten, ben preußiſchen Ständen „bie Marienburg, welche ja doch gegenwärtig gering geachtet würde, als ſei ſte mit Würfeln gewonnen, als Zufluchtsort für die Vertriebenen und Verdrängten“ auszuliefern und ihnen bie Tatarenhaufen aus ſeinem Heere zurückzulaſſen, ſo lehnte er beides rundweg ab und vertröftete Die Drängenden auf ein für die polniſche Landesfteuer zu bingendes Söldnerheer. Wenn aber dies wehigftens durchgeführt werben follte, dann mußte ver König in die Hauptfiabt eilen, um dem empörten Adel die Genugthuung für die Ermordung eines jeiner Standes- genofien zu fchaffen, die er dem verfammelten Kriegsheere ver- ſprochen hatte. Da überdies am 21. September die Mutter

152 Elftes Bud. Yünftes Kapitel. (1462.)

bes Königs, jene ftarke Frau, melde auf die Regierung einen fo mächtigen Einfluß ausgeübt Hatte, geftorben war, und ein noch näher zu beleuchtender Streit um den Biſchofsſtuhl von Krakau den Klerus jeiner Heimat in eine ungewöhnliche Auf- regung verjegt hatte, fo drängte es Kafimir um fo mehr, fich perfönlich mindeftend dem unentwirrbaren Knäuel der preußi⸗ ihen Kämpfe für einige Zeit zu entziehen. Wir ſehen ihn baber mehrere Donate lang ben preußiichen Dingen ſcheinbar abgewandt, eine Reihe der wichtigiten Staatsgefchäfte für Polen erledigen, und die Förberung des Krieges einem Söldnerheere anvertrauen. In dieſem Punkte hatte der König ſein Wort eingelöſt. Nachdem er in dem Landtage von Korczyn am 6. Dezember 1461 eine neue „gabella“ vermutlich eben die Genehmigung der vom Abel vor Konitz ſchon bewilligten fünfprozentigen Ein- fommenjteuer erhalten hatte, rüftete er unter dem Unter⸗ kämmerer von Sandomir, Peter Dunin, eine Truppe von 2000 Mann aus und fehidte fie den Bündnern zubilfe Die beiden polnifchen Söldnerführer, Peter Dunin und Jan Stalsty, ein Böhme von Geburt, fpielen fortan eine hervorragende Role in den preußischen Kämpfen. Anfänglich hatte allerbings diefes „Aktionsheer”, deſſen Notwendigkeit die Großpolen ſchon 1458 eingejeben batten, fein fonverliches Glück. Seine nächſte Auf- gabe war, die Feſte Straßburg, die feit Monaten von ben Ordensſöoldnern unter Bernhard von Cimburg (oben, S. 140) belagert wurbe, zu entjegen, und biejes Unternehmen mißlang vollftänpig, fo daß fich die Belagerten (5. März 1462) ben Feinden zum großen Schmerz der Bündner, welche die Bedeu⸗ tung diefer Burg recht hoch anfchlugen, ergeben mußten. Im Culmerland bildete der Befit der Burgen von Culm, Straß- burg, Neumarkt, Löbau, Eilau u. a. einen jo feiten Ring für bie Stellung des Ordens und zum Schuße feines Hinterlandeg, daß die von Thorn aus mehrfach verfuchten Vorſtöße und Über- rafchungen erfolglos abpraliten. Nicht minder wichtig war es für den Orden, daß der jchon erwähnte neue Biſchof von Ermland, Baul von Legendorf, fortfuhr, an der Befreiung

Kämpfe im Ermland. 153

feines Territoriums zu arbeiten. Seine Stellung war eine jehr eigentümliche. Den Bündnern gegenüber erklärte er fich traft der ibm von feinem Vorgeſetzten, dem Papſt, erteilten Autorität für neutral, forderte aber die Räumung der von ihnen noch beiegten Srauenburg. Dem Hochmeiſter verficherte er, daß feine Politik von den veblichften Abfichten für ihn ge- leitet wäre, aber dafür müßte er ihn in ber Eroberung ber Frauenburg unterftügen. Sobald nur der Bilchof fick nicht für Polen ausſprach, erfannte der Hochmeifter in der Arron- bierung und Befeſtigung des Bistums einen für Das preußiiche Hinterland jo mächtigen Schugwall, daß er allerdings der Er⸗ oberung ver Frauenburg ein Opfer bringen zu müſſen glaubte. Aber es ift bezeichnend, daß der Hochmeijter jelbjt für einen jo wichtigen Zwed nur ein meilt aus Bauern zujammengejektes Heer aufzubringen imftande war. So war denn im Sommer 1462 eine regelrechte Belagerung der Frauenburg von biſchöf⸗ lichen und bochmeifterlichen Kriegsleuten ind Werl gejeßt wor⸗ ben, bie einigen Fortgang zu baben fchien, als plöglich ein aus Bolen und Bündnern kombiniertes Entjagheer von der Waffer- jeite ber auftauchte. Peter Dunin und Ian Stalsiy waren wohl beide dabei. ‘Der Hochmeilter, der feinem mit den biſchöf⸗ lichen Dienftleuten obenein noch jtreitenden, unzuverläjfigen Gefolge nicht viel zutrauen konnte, räumte um fo eiliger unter Berluften das Feld, als ein Zeil der bündneriſchen Erpebition fich zu Wafjer nach dem Samland binaufzog, bei Fiſchhauſen landete und ben Ort vollftändig niederbrannte. Die bifchöflichen Leute fcheinen aber ebenjo wenig ftandgebalten zu haben. Die Frauenburg blieb nicht bloß in den Händen ber Bün⸗ diſchen, fondern Ian Skalsky, der es nicht vergefjen hatte, wie die Bürger von Braunsberg ihn während ſeines Aufent- balts im Lager des Königs bei Konig durch Verrat um bie Burg gebracht, und Peter Dunin unternahmen noch einen furcht» bare Spuren binterlaffenden Raubzug gegen Braunsberg, Hei Yigenbeil, Balga, Brandenburg, bei welchem fie zwar feine ber genannten Feſten einnabmen, aber, „was da an Höfen und Dörfern noch war, ausbrannten und auspocten“. Dann

154 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1462.)

marfchierten fie „gen Danzig zurüd mit 600 Platnern und Rei⸗ figen, mit 112 Holzern (Lanzenträgern) und mit 400 Trabanten, zogen gerade durch die Stadt und lagerten fich bei dem Dorfe Stried”, wo fie bis zum 10. September blieben. Dann ftießen zu ihnen von Dirichau und Danzig 300 Neifige und 400 gute Zrabanten, und dazu der vierte Mann von Danzig nebft etlichen Köhlern aus dem Waldamte, fo daß vonfeiten der Bündner an 2000 Mann beifammen waren. Am Morgen des 10tem brach das Heer auf, zog bei Pugig vorüber und brannte alle Dörfer und Höfe ringsum bis an die Seelüfte Hin ab, ging fo bis an die Leba Bin vor und gelangte am Donnerftag, den 16. Sep tember, bis zu dem auf ver Straße nach Lauenburg gelegenen Dorfe Schwegin, eine Meile von dem feitwärts befindlichen Nonnenklofter Zarnowig. Dort lagerten fie ſich in einer Wagenburg und „begruben ſich“ zu einem Nachtlager vor dem Dorfe.

Die Bedrohungen Danzige durch die in den Weftburgen gebietenden Söldnerführer unter Leitung des veriwegenen Frig von Kawened hatten nach dem mißlungenen Feldzuge des Königs einen nur noch heftigeren Charakter angenommen. Überall fcheinen die Bürgerfchaften ver Heinen Städte ben breiften Unternehmungen ber Söldner Vorſchub geleiftet zu haben. So war am 8. Dezember 1461 die Feſte Stargard, in ber des Gubernators eigener Sohn befehligte, ihnen ſamt ber Beſatzung verrätertich in die Hände gefpielt worven, und Die Danziger und Dirſchauer machten im Januar darauf vergebliche Anftrengungen, ihr Mißgeſchick zu Torrigieren. Namentlich aber war die Einniftung der Söldner ik Putzig und Lauenburg für Danzig eine Kalamität. Wohl unternabmen die Bürger im Winter auf dem Eiſe, wie im darauf folgenden Sommer leb⸗ haſte Streifzüge wider fie, bei denen fie ihnen wohl Leute und Beute abfingen, aber jene vergalten jeden Schaden fofort durch die fecjten Unternehmungen. Im Juli z.B. mußten in Danzig vierzehn Tage lang alle Mühlen ftillftiehen, denn die Söloner hatten wiederum eine Meile oberhalb der Stadt die Radaune „ausgeſtochen und dann zergraben und zerhackt“. Die ganze

Die Schacht bei Zarnowitz. 155

Umgegend muß fchon völlig einer Wüftenei geglichen haben, und man erlannte daher in Danzig, daß biefem Unwefen nur durch die Vertreibung der Söldner aus dem Pugiger Winkel ein Ende gemacht werben könne. Darum hatten fie das pol niſche Heer mit bem ibrigen vereinigt herangezogen und fuchten offenbar. den Feind. Dort bei Schwegin follten fie ihn finden. Am Freitag den 17. September kamen Kaspar Noftwig, der Hauptmann von Konik, Fritz Rawened von Mewe, Stargard und Putig, Kaspar Warnersborf von Lauenburg, Fritſche Dogeneft von Neuenburg und Schöned jowie der Hauptmann von Kiſchau mit allen ihren Mannfchaften, denen auch einige aus dem Herzogtum Bommern fich zugejellt Hatten, 1000 Platner und Neifige mit 400 Fußknechten und 1300 Bauern, gleich- falls mit einer Wagenburg. Ihr Plan foll geweien fein, bie Wagenburg der Bündiſchen, da fie an 700 Mann mehr ale jene zur Verfügung batten, zu belagern und auszubungern. Aber in dem Augenblid, als fie im Begriff waren, ihre eigene Wagenburg zu jchließen, rückten die Retfigen und Trabanten der Bündner aus ihrem verfchanzten Lager heraus, überliegen das⸗ felbe der Hut der aus Danzig ausgebobenen Mannſchaften unter ihrem Hauptmann Lulkaſz, um eine Zuflucht für ben Notfall zu behalten, und zogen zu Fuß und zu Roß mit dem ganzen Haufen den Ordensſöldnern entgegen. ‘Der Anprall war fo gewaltig, daß die Lanzen in Stüden zeriplittert in bie Luft fprangen. Aber die Spike des Orbenäheered ward ge- brochen, es wich zurüd. Um fo heftiger brangen bie Buͤndiſchen auf fie ein, und dreimal fol fi) im Verlauf des Kanıpfes der Zufammenftoß wiederholt haben. Die Ordensſöldner erholten fich nicht mehr, der Sieg gehörte den Bündifchen. An taufend Reiſige, Bürger und Bauern vom Orbensheere blieben auf der Wahlſtatt oder .in den nahen Wäldern und Brüchen. Mitten im Felde wohl mit 250 Hoffeuten und Ritterbürtigen war. Frig Raweneck, der tapfere Hauptmann, hingefunten. Sein Leichnam wurbe in dem Nonnenklofter von Zarnowig beerdigt. Bon der bünd- nerifchen Seite follen nicht mehr als 100 gefallen und 150 ſchwer verwundet worden fein, von benen viele hernach in

156 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1462.)

Danzig ftarben ). Die Sieger brachten die Nacht in ihrer Wagenburg zu; am andern Tage brachen fie wegen ber Ver⸗ wundeten auf und famen am Sonntag mit den erbeuteten Wogen in Danzig an.

Der ganze Schlag war ein wohl bevechneter und von langer Hand angelegter. Nicht Zufall war's, daß eben jegt ein neuer Zrupp polniiher Söldner in Preußen unter der Führung Albert Goͤrskis anlangte und nah dem Pusiger Winkel eilte. Er Tam freilich nach getbaner Arbeit; zu fpät, um an ber offenen Feldſchlacht noch Anteil zu nehmen, aber zeitig genug, um noc durch einen verheerenden Raubzug die Quellen für den Unterhalt der Orbensburgen zu ſchwächen. Wir baben biejer Schlacht bei Zarnowig, wie fie genannt wurbe, eine aus» führlichere Behandlung gewidmet, weil fie in der That epoche- machend für den weiteren Verlauf des Krieges geworben ift, allerdings nicht in dem Sinne, wie ed wohl von ven bünd⸗ neriihen Hiftoriographen dargeſtellt worden if. Wir find vielmehr in dem feltenen Falle, dem an biefer Stelle auffallend maßvollen Pragmatismus des Dlugoſz beipflichten zu müffen. Schon die Zeitgenofjen haben e8 nicht unterlaffen, dieſe Schlacht mit der bei Konig aus dem Beginn des Krieges in Parallele zu jegen, und ber Danziger Stadtjchreiber meint: „das in biefer jchlachtunge mer voldes tot bleb, wen in ber nibberlage, bie der ber koningk für ber Conit hatte." Damit widerjpricht er ſich felbit, denn nach feinen eigenen Angaben find bei Konig an „3000 adelige und ander gutte Hoffeleutte, ane ander

1) Faft wörtlich nah Johann Lindau, Geſchichte des dreizehn- jährigen Krieges. Dlugoſzs Erzählung, bie einzige, die als zeitgendf- fiihe daneben in Betracht fommen kann, verrät fih in einzelnen Wen⸗ dungen nur als eine mit ftarlen nationalen Dedfarben und Zuthaten verfehene Überarbeitung desſelben Berichts, dem vielleiht ber von ber Stadt Danzig an den König gelieferte als gemeinfame Duelle gebient haben mag. Ob nidt ein Mißverftänbnis der Worte Lindaus: „und brochen der hern soldener ire spieze“ (d. h. fie fprengten die Täte der Söldner) zur Erfindung ber halben Winkelriedsthat Paul Jaſienskis ben Anlaß gegeben bat?!

Folgen ber Schlacht. 157

vol” gefallen, während er die Zahl der Toten bei Zarno⸗ wis überhaupt auf etwas über 1219 normiert. Aber dieſe Totenftatiftil, fowie der Umfang der Kämpfe überhaupt geben gar feinen irgendwie fruchtbaren Bergleichungspunft. Noch Haffen- der ftellt fi die Differenz, oder noch zutreffender bie Uns vergleichbarleit der beiden Schlachten bar, wenn man die unmittelbaren Folgen derjelben in Betracht zieft. Man er» innere fich der Stellung de8 Ordens vor der Schlacht bei Konitz und beachte den ungebeuren, faft plößlichen Umſchlag, der es ihm ja überhaupt erſt ermöglichte, nicht nur einen dreizehnjährigen Krieg zu führen, fondern am Ende fein Dafein mit einer Einbuße feines halben Xerritoriums zu retten. Man denke fich den Orden bei Konik gefchlagen, dann war er mit einem Schlage ausgetilgt aus preußiichen. Landen, dann war fein Untergang an jenem Tage befiegelt. Und nun balte man bem gegenüber die unmittelbaren Ergebniffe der Schlacht bei Zarnowitz. . Nicht eine einzige Burg bat infolge derſelben ven Stegenden die Thore geöffnet. Ia, wenn es, woran Taum gezweifelt werben kann, der nächſte Zwed der ganzen Srafte anftrengung im Herbft 1462 gewefen ift, die der Stadt Danzig wie eine Meute auf dem Nacken bodende Bejagung von Pusig auszutreiben, dann wurde auch diefer nicht einmal erreicht, denn die Sieger wagten nicht, die Feſte anzugreifen; fie bes snügten ſich damit, PBrauft zu „bepafteien“, unb bie Räuber von Putzig fuhren fort, gar manden Trupp „Drabanten von Danczke“ aufzuheben und gar manchen Viehtransport aus Pommern, der für die Tafeln der reichen Stabtherren beftimmt war, in ihre Schlupfwinkel wegzuführen.

Wenn aber Dlugoſz in feiner Beurteilung ber Schlacht bei Zarnowig meint, daß burch dieſe Niederlage der Sieg bei Konitz „verdunkelt“ und andererfeits die Schmach ver Polen zum großen Zeil getilgt worden fei, daß dieſe „Deflorierung ver Glorie des Ordens” eine Belebung des Vertrauens zwijchen dem Könige und ben Bünbnern und eine Steigerung des Kriegs eifers erzeugt babe, jo müſſen wir ihm nach den in den fol- genden vier Jahren zur Cricheinung gekommenen Thatſachen

158 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1462.)

beipflichten. Der moraliihe Eindruck diefes verhältnismäßig doch fleinen Gefechts jcheint unermeßlich geweien zu fein, in außerordentlihem Maße aufmunternd auf der einen Seite, und Verzweiflung erregenb auf der andern. Dlugoſz hat recht, daß von bdiefer Zeit an: der Orden anfing, abwärts zu geben und jeinem Ruin zuzueilen. Faſt nichts mehr gelang th, alles fchlug zu jeinem Schaden aus, obwohl er gerade in dieſen legten Kriegsjahren feine freilich verfiegenden Kräfte bis zum äußerſten ſpannte. Weit ungleich größerem, aber von Erfolg zu Erfolg gefteigertem Nachorud geſchah dasſelbe von der andern Seite, und von nun an erjt erhielt der Krieg einen erfenn- baren Sinn und Plan, von nun an ftellen fi) nad einander entfcheivende und abichließende Diomente heraus. Nicht als ob die zuchtloje Räuberet auf beiden Seiten, das Wegbrennen der Dörfer und Höfe, das Auflauern der Fourageure, das Ab⸗ fangen von Vieh, das Abjengen der Ernte, das Wegfangen von „Pferden und Bitalien” jet geringer und jeltener gewor⸗ ben wäre; der Stabtichreiber von Danzig giebt davon ein chronologiſch georpnetes und ftatiftiich feſtgeſtelltes Regiſter, und es kann unſere Aufgabe nicht fein, ihm in diefer Ehronif eines verbiffenen Fanatismus und abjchredender Konbottierenfitten nachzufolgen. Aber mitten durch dieſes, wie es ein neuerer preußifcher Hiftoriograph mit Vorliebe nennt, „planloje Ges tümmel”, erfennen wir großartige, zwed- und zielbewußte Unter- nebmungen von wohlbedachter Überlegung eingegeben, mit ſorg⸗ ſam gehäuften DMachtmitteln unternommen, und jedesmal auf - einen foldhen Punkt gerichtet, an welchem mit dem Siege der Angreifer eine weientliche Stüge des Ordens zufammenbrechen mußte. Der Grundgedanke dieſes aggreſſiven Vorgehens ruht auf der namentlich bei Zarnowig gewonnenen Überzeugung, daß der Orden nicht nur fein mobiles Feldheer mehr. befite, ſondern auch in den Burgen felbjt nicht einmal ganz ausreichende, gefchweige denn zeitweilig ablömmliche Bejagungen noch habe. Um fo mehr aber durfte man auf die Heranziehung des pol» niſchen Aufgebot, das ja ohnehin feine ermutigenden Erfah⸗ . zungen zurüdgelaffen hatte, verzichten. Aber ſelbſt die für bie

Danzigs trauriger Ruhm. 159

Steuererträgnifje gedungenen polniſchen Söldner wurden doch nur teilweiſe und zur Aushilfe verwandt, und allenfalls, um im Culmerland, im Gebiete des immer mehr von ſeiner Spann⸗ kraft herabſinkenden Bernhard von Cimburg, zu kämpfen, oder die gelegentlichen kleinen und großen Neckereien und Räubereien zu beſorgen, oder auch diejenigen Burgen, die man ſchon er⸗ worben hatte, zu balten und zu fickern. Bon ver Ruhmredig⸗ feit des zeitgendffiichen polntichen Hiftoriographen, der eigentlich alle bebeutenderen Schläge von Polen ausgeführt werden läßt, darf man fich in dieſem Punkte nicht irren lafjen, denn ab» gejehen von feiner eigenen Neigung für ſehr patriotifche, aber mit der Wahrheit im Kontraft ftehende Gemälde mögen ibm Berichte vorgelegen haben, von denen man in ‘Danzig felbit, aljo auf der befreundetiten Seite, die Klage führte, daß fie „wenig zuverläffig und lügenhaft“ ſeien. Weber in dem Heldentum der Polen noch in der gefteigerten Umficht bes Königs Tag das Verdienſt der veränderten Sachlage, fonbern in der beifpiellofen Unermüdlichfeit und Kraftentfaltung ‘Dans zigs. So troſtlos die Bemerkung für den beutichen Patrioten auch jein mag, jo ſehr entipricht es doch der Wahrheit, daß vielleicht im ganzen Verlauf der beutichen Gejchichte niemals ein ftäbtiiches Gemeinweſen eine jo zäbe und von Jahr zu Jahr wachſende Kraft für den Verbleib bei dem politiſchen Verbande Deutſchlands entfaltet hat, als hier die deutſche See⸗ ſtadt aufbot, um ſich von demſelben zu trennen. In einzelnen Erhebungen, in Ereigniſſen von kurzer Dauer, mögen andere Städte, wie Lübeck, Nürnberg, Vergleichbares zuwege gebracht haben, aber dieſe durch eine ſolche Reihe von Jahren bewieſene Beharrlichkeit der Energie, dieſes eigentümliche Wunder, daß mitten in einem unerhörten Aufwand von Mitteln der Wohl⸗ ſtand in ſichtlichem Wachstum begriffen war, daß man durch glücliche Seekriege das überreichlich einzubringen wußte, was der Landkrieg an Vermögen aufjog, dieſe harte Entichloffenheit des Negiments, das die zu Aufruhr geneigte Menge zum Zeil mit fich fortzureißen, zum Zeil mit eiferner Strenge nieder» zubalten verjtand dieje dürften denn doch ſelbſt in den ita-

160 Elftes Bud. Fünftes Kapitel. (1463.)

lieniſchen Nepublilen, mit denen Danzig jo oft in Parallele gejegt wird, kaum in gleichem Umfang nachgewiejen werben können.

Natürlich wurden daher auch die Kriegsunternehmungen, von denen wir ſprechen, immer in Verbindung mit den nächſten Intereſſen der führenden Stadt ins Werk geſetzt. Das erſte große Beginnen nach der Schlacht bei Zarnowitz war die Be⸗ lagerung von Mewe, das durch die Behinderung der Weichſel⸗ fahrt eine Lebensader des Danziger Verkehrs ſtocken machte. Auch auf dem Fluſſe hatte manche Epiſode des Krieges geſpielt. Immer noch wagten die Danziger Handelsſchiffe nur in ganzen Flotten, auf denen ſich ‚Baſteien“ befanden, von Thorn hinabzu⸗ fahren, und mancher Transport war den lauernden Söldnern von Mewe in die Hände gefallen. Schon ſechs Yahre zuvor Hatte man von Danzig aus Furcht vor Verpfählungen des Fahr⸗ wafjers die Belagerung von Mewe begonnen, aber ohne Erfolg wieder aufgeben müffen. Mit um fo größerem Eifer zog jegt gegen Ende Yult 1463 das Kriegsvolf von Danzig, Dirſchau, Marienburg und die Polen aus Prauft mit gewaltigem Be- lagerungsgerät unter der Führung der beiden Sieger von Zar- nowig, bes Ratsherrn Johann Meydeborg und des Polen Peter Dunin, vor die Feſte. Trotz der mannbaften Gegen- wehr der Bejagung, die in vielen Ausfällen fich fund gab, und troß der diesmal in großem Maßſtab unternommenen Entſatz⸗ verfuche, bei denen wir ausnahmsweiſe auch wieder einmal von einem perſönlichen Eingreifen des Hochmeiſters vernehmen, mußte Mewe am 27. Dezember, alſo nach fechsmonatlicher Einjchließung, „Hungers und Kummer halben“ gegen freien Abzug der Beſatzung fich den Feinden ergeben. Umſonſt hatte der Hochmeifter bei diefer Belagerung, deren ganze Bedeutung ihm nicht entgangen zu fein fcheint, eine fühne Kombination zum Entjage unternommen. Ale Truppen, die er aufzuraffen vermochte, und von denen er nur einen geringeren Teil zu Lande ſüdwärts marjchteren ließ, fuchte er zu Schiffe über das Haff zu bringen, allein die Danziger und Elbinger umzingelten mit ihren „Schniden“ das ſchwimmende Entjagheer und vers

Verluſt des Sulmer- und Ermlanb2. 161

nnichteten basfelbe vollitändig. Auch aus den Burgen bes meil- lichen Preußen waren bie Ordensſöldner herangezogen, offenbar in der Abficht, fich mit dem Heere des Hochmeilterd zu ver- binden. Als aber dieſes lettere nicht erichien, und die Danziger anfingen int Werder, wo fie eingedrungen waren, Bafteien aufs zurichten, zogen fie fich eiligft in ihre Burgen wieder zurüd. Aber es verdient wohl wieder angemerkt zu werben,. baß die Bauern im Werber ihrem Vogte zum Tro die Parteigänger bes Ordens „mit gutem Willen als ihre liebe Herren empfingen“ und ihnen zu den Lebensmitteln verbalfen, mit denen man bie Danziger Böte hatte ſpeiſen wollen. Jetzt erft, mit dem Fall von Mewe, war in die Stellung des Ordens im Weichiel» lande eine Lüde gebrochen, die den völligen Verluſt besfelben faft zur Gewißheit machte. Der erfte, der von biefer Über- zeugung ſich zu einer enticheidenden Entichließung drängen ließ, war ber beite Freund des Ordens, fein troßiger Vorkämpfer Bernhard von Cimburg. Im Herbit 1462 hatte er die Stadt Golub an den aus zweijähriger Gefangenihaft in Böhmen wieder auftauchenden Ulrich Czerwenka verloren, und da ihn das Fiasko des Hochmeilterd bei dem: Verſuch bes Entſatzes von Mewe lehrte, wie viel weniger noch er auf Rettung boffen dürfte, wenn fich die Maſſe der ‚feindlichen Gewalt wider ihn ehren würde, und da mit dem DVerlufte von Golub die Ver- forgung feiner Burgen aus Dobrzyn und Maſowien abger Schnitten, und aus den Mitteln des Ordens nichts mehr zu er» warten war, fo ſchloß er am 13. Dezember 1463 mit dem Könige von Polen einen immerhin noch genug ebrenvollen Vergleich, infofern er ſich nur verpflichtete, von feinen Burgen Eulm, Straßburg und Althaus dem Orden feine weitere Unter» ftügung mehr leiften, die Schlöffer als Fauftpfand für feine vom Könige allein zu löſenden Soldaniprüche behalten, anderer» feit8 aber auch der Huldigung der culmifchen Stände vor ber Krone Polen kein Hindernis in den Weg legen zu wollen. So war mit dem Falle Mewes das Culmerland für ben Orben verloren. Aber bald traf ihn ein noch härterer Schlag, denn auch der Bilchof von Ermland gab die Sache des Ordens auf. Caro, Geſchichte Polens. V. 1.

162 Glftes Bud. Fünftes Kapitel. (1464.)

Wie ein furchtbarer Alp faß ihm Johann Skalski in Frauen- burg gleichlam auf der Bruſt und jchredte Braunsberg, gegen welches er yperjönlich einen bejondern roll wegen des ihm gefpielten Berrats hatte, durch unaufhörliche Angriffe. Rad dem derſelbe neuerdings auch noch Falkenſtein erobert hatte, war der Biſchof um den beften ımb gewichtvolliten Teil feiner Diöcefe gebracht. Dem Orden ohnehin nur mit halber Treue ergeben, trug er unter ſolchen Umftänden fein Bedenken, fich dem Könige von Polen am 16. März 1464 unter Bebingumgen zu unterwerfen, die den von Bernhard von Cimburg accep⸗ tierten einigermaßen glichen, jedenfall aber ausichloffen, dag ber Orden aus den dem Bistum gehörigen Orten noch lebens mittel und Kriegsbedürfniſſe beziehen konnte. Einige Donate ipäter, im November 1464, trat der Biſchof förmlich in ben preußiichen Bund ein, von dem er fich bisher abgejondert ger halten hatte, und im Anfang des Jahres 1466 öffnete er unter förmlicher Kriegserflärung gegen den Orden den polni« ſchen Truppen alle jeine Städte.

Ein Blid auf die Karte wird leicht veranfchaulichen, im welche Lage der Orden burch dieje beiden Abfälle geraten war. Seine Verbindung mit den weitlihen Burgen war dadurch faft ganz abgeichnitten, und an Finanzmitteln, um die tfoliert ge worbenen Sölbnerführer in denjelben bei guter Baltung zu bewahren, fehlte es ihm gänzlich. Allmählich begannen auch bort die Hofleute des Ordens bevenklich zu werden. Manche ließen kleinere Burgen ganz und gar ledig und zogen aus dem Lande, und in ven größeren Burgen war ed nur dem mora⸗ liſchen Kredit ausgezeichneter Hauptleute zu verbanten, daß fie dem Angriff der Bündiſchen einen troßigen Widerftand ent⸗ gegenfegten. So hielt fich die Feſte Putig, deren Belagerung die Danziger am 23, April 1464 begannen, unter dem tapferen Balthaſar von Dohna nicht weniger als fünf Monate in ver zweifelter Gegenwehr, bis fie endlich auch am. 26. September gegen freien Abzug der Belagung Kapitulieren mußte. m Danzig mußte diefer Erfolg wie eine Befreiung von ſchwerem Ioc empfunden werben, venn von. feinem Punkte aus war

Meitere Berlufte bes Ordens. 163

n Bürgern der Seeitabt das Unheil des Krieges in folcher mittelbarfgit fühlbar geworden, als gerade von Putzig ber. xh vor dem Fall diefer Feſte aber, gegen Ende Juli, waren Bündiſchen ausgezogen, um Neuenburg, den einzigen befeftigten at, der dem Orden noch einen Übergang über die Weichiel erte, 38 belagern. Wegen ber größeren Nähe an Bolen ten hier die polnischen Sölpnertruppen das Wefentlichite zu ten. Uber der Anfang mindeſtens war leichtfertig genug sgeführt. Noch ehe der polniiche Sölpnerführer Tomiec die rſchanzung begonnen hatte, erlitt er durch die ausfallende ſatzung eine Niederlage, bei der er jelbft beinahe in den ıten der Weichjel umgelommen wäre, hätten ihn nicht Dan⸗ 3 Botsleute aufgefiicht. Erſt als Peter Dunin in den ten Tagen des Auguſt mit feinen in der Danziger Niederung behrlich gewordenen Leuten beranrüdte, konnte bie Ein- teßung der Feſtung burdgeführt werben. Auch Hier hielt die Befagung tapfer an fieben Monate lang, vergeblich h Entfag und Hilfe ausipähenn, aber am Ende ward fie böpft,; am 2. Februar 1465 ergab fie dern Plag gegen ien Abzug der Verteidiger. In eben dbemjelben Winter war h Soldau an ber maſowiſchen Grenze, das jeit dem 18. Sep⸗ ıber von Herzog Konrad von Mafowien belagert wurde, : fönigliden Truppen übergeben worden, jo daß durch gan eußen nunmehr ein breiter Streifen ganz in ben Händen Bündiſchen fi befand. Don einer irgendwie einflußreichen zenaftion des Ordens konnte kaum noch die Rede fein. ‘Der chmeiſter hatte alle Hände voll zu thun, um den Andrang Beindes von dem nun bloßgeftellten Hinterlande abzuwehren. e Sipittler Reuß von Blauen rieb feine ſchwachen Kräfte abenteuerlichen Anfchlägen bald auf die großen Stäpte, bald Pläge untergeordneter Bedeutung auf. Wenn von „plans m ®etümmel” noch die Rede, jein konnte, dann war es : noch auf der Seite des Ordens. Die baftigen, unzwed- Bigen und vegellojen Bewegungen feiner Kriegsmannſchaften ten die hereinbrechende Agonie faft noch deutlicher an ale großen Berlufte. Die Bündiſchen fehen jehr wohl, daß 11%

164 Elftes Bud. Jünftes Kapitel (1465.)

fih ver Krieg zu Ende neige. In den vielfältigen Friedens verbanblungen, von welchen wir gleich im Zuſammenhang er» zählen werben, ſprach fich die Sicherheit ihrer Überzeugung aus, daß es in ihrer Hand liege, alles, was der Orden jetzt als Friedenspfand anböte, auch ohne eine Gegenleiftung von ihrer Seite zu erzwingen. In Damig wie in Krakau war man im Trübjahr des Jahres 1465 der übereinftimmenvden Anficht, daß man die pomerelliichen Städte, Konig, Friedland, Star- gard, Lauenburg u. a., fich nicht vom Orden freiwillig über- geben laſſen bürfe, weil er baburch den Anſpruch eines zu beträchtlichen AquivalentS gewinnen würde. Und darum hatte man jhon im Mai im polnifchen Reichstage beichloffen, daß die Heinpolnifchen Provinzen durch Geldbeiſteuern, die großs polniihen aber durch perjünlichen Kriegsdienſt des Adels einen Heerzug bes Königs wider Konig, den Mittelpunkt der pome- zelliichen Feſtungen, unterftügen follten. Die Erwartung eines folhen Unternehmens, jowie die gerade damals mit Lebhaftig- feit gepflogenen Frievensunterhandlungen feheinen im Sommer des Jahres 1465 die Kriegsthätigfeit der Bündiſchen einiger- maßen gehemmt zu haben; als aber beides fich zerichlug, fingen fie da8 Wert mit eigener Kraft an, und um Michaelis 1465 wurde bie Belagerung von Stargard begonnen, aber erit zehn Monate jpäter, am 23. Yuli 1466, nach Kämpfen, die der Tapferkeit und Umficht auf beiden Seiten zum böchften Ruhme gereichen, wurbe die Feſtung gewonnen, da bie ganze Beſatzung in ber voraufgegangenen Nacht heimlich entwichen und nad Konitz abgezogen war.

Wie im Anfang des breizehnjährigen Krieges, fo richtete fih auch am Ausgang desjelben die allgemeine Aufmerkiamleit auf Konitz, die fefte und getreue Burgſtadt des Ordens, bie es verdient, in den Annalen der deutſchen Geſchichte beionders gepriejen zu werden. Wie ein Wahrzeichen des ganzen Krieges ift fie zu betrachten. Unter ihren Mauern hatte ſich vor drei- zehn Jahren jene tief eingreifende Wendung vollzogen, welche ben von allen verlafjenen beutichen Orden auf preußiichem Boden erhielt und den dünnen Baden gewifjermaßen einjenkte,

Der Zug gegen Koni$. 165

n welchem nach Jahrhunderten wieder der deutſche Prinzipat n Oſten ſich zu erheben vermochte. Und dreizehn Jahre bin- urch haben Bier deutiche Hauptleute wie Frig Raweneck und aspar Noftig, der Schlefier, eine Treue, eine kriegeriſche Tapfer- it und Regſamkeit, eine freudige Verwegenbeit und zuweilen [bit einen todverachtenden Humor an den Tag gelegt, bie nes glüdlicheren Erfolges würdig gewefen wären, und bie bhaft an jenen Helden „mit der eijernen Hand", wie er in er nationalen Dichtung fortlebt, erinnern. Es war gleichſam ne Symmetrie des Schickſals, daß auch Hier der legte Strauß er furchtbaren Tragödie fich vollziehen follte. Offenbar waren e Bündiſchen nicht fehr einverftanden mit dem fchon das Jahr orher von dem polnifchen Reichstag gefaßten Beichluß, daß er König alle Macht an die Eroberung von Konig ſetzen lüſſe. Sie hielten vielmehr die Lage reif dafür, daß der önig wiederum in Marienburg ericheine. Das, meinten fie, ürde einen jo mächtigen Eindruck hervorbringen, daß viele läge, die jeßt noch dem Orden anbingen, fich der königlichen yerrichaft unterwerfen würden. “Die üblen Zuftände, die Durch blechte Verwaltung auf der Marienburg eingerifjen, waren ı8gejprochenermaßen mit ein Grund für das Verlangen ber Janziger Senpboten. Allein der König rechnete, als er im rübjahr 1466 mit verftärkten Söldnertruppen, mit feinen ofleuten und dem Gefinde der großpolniichen Würbenträger ı die preußtiche Grenze zog, immer noch darauf, baß die 8 zu einem großen Maß der Annäherung gelangten Frievensunter- indlungen von glüdlichem Erfolge gekrönt fein und ihn des riegszuges überhaupt entheben würden. Allein während er it dem 18. Mai, an zwei Donate lang zögernd, fich in Brzese Kujawien aufpielt, trugen fich Dinge zu, welche allerdings nn allerfchleunigiten Austrag der Trage über die pomerelli- ven Teftungen zur unvermeiblichen Notwendigfeit machten. on unerwünjchten Seiten begannen nämlich Einmijchungen fich ranzudrängen, die deutlich fundgaben, daß man an der Beute Pomerellen fich beteiligen wolle. Der Herzog Erih von ommern-Stolp ließ nämlich durch Vertrauensmänner beim

166 Elftes Bud. Zünftes Kapitel. (1466.)

Rönige unter Bezeigung einer fcheinbar devoten Ergebenheit anfragen, ob er nicht die Burgen Lauenburg und Bütow um den einit vom Orden empfangenen Preis von 8000 Dufaten von den Söldnern auslaufen, und vielleicht inbetreff anderer pomerelliicher Pläge, wie Konitz und Stargard, ebenfo ver» fahren dürfe. Die Abfiht war fait zu plump an den Tag gelegt, und wenn der König in einer zurüdhaltenden, zunächkt dilatorifgen Antwort Die Zumutung ablehnte, fo geichah es aicht, weil er ihren Sinn nicht erfannte. Die Imtrigue trat in noch offenerer Blöße hervor, als die Nachricht einlief, daß fih ein pommeriicher Abenteurer, Martin von Zigewig, durch Zeug und Gewalt in ben Befig der Burg Schlochau zu fegen gewußt habe *), und daß ein brandenburgiicher Nat mit vierzig Reitern in der Nähe der Feſte erſchienen fei, der gewiß auch nicht ohne Hoffnung auf Gewinn bei dem Zuſammenſturz der Dinge in Bomerellen berangelommen war. Nach allem dem fonnte Kaſimir nicht mehr zaubern. Der Zug nad Marien- burg war vorerit aufgegeben; alle Kriegskräfte wurden vor Konig geworfen, denn an dieſem Befig hing die Entſcheidung. Und der Erfolg entiprany der Erwartung. Die Stäbte Fried⸗ land und Hammerſtein vertrieben ihre Bejagungen und ergaben fih dem Könige ?); eben wurde auch der Fall der Feſte Star- gard gemeldet. In Schlochau hatte ſich der polnifche Haupt» mann buch einen Berrat an bem Verräter Zitzewitz wieder in den Beſitz der Burg gelegt. Die Orbensbefagung von Kiſchan hatte ſchon früher Eapituliert. Nur in Konig wehte noch Die Ordensfahne. Sieben Wochen lang beftand Kaspar von Noſtitz ben heißen, faft fanatiihen Kampf. Wälzten die Polen einen Haufen Litauer und Zataren heran, fo fchoffen die Belagerten mit vergifteten Pfeilen von ihren Mauern herab. Endlich gelang e8 den Angreifern, bie ſtrohgedeckten Dächer in Brand zu jegen, ver vierte Teil der Stadt und alle Vorratshäuſer

1) Bgl. mit den preufifchen Quellen ben Brief Kafımird an Jalob von Debno im Cod. epist. saec. XV, 233, no. 205. 2) S. den eben erwähnten Brief.

Tall von Konip. 167

wden ein Raub der Flammen. Wallgräben und Berfchan- ıgen machten jeden Ausfall unmöglich; da ſank den Ein» hloffenen der Mut. Gegen freien Abzug mit Geſchüͤtz und träten gab Noftiz mit feinen Sölpnern die Stabt amt . September dem Feinde preis !), zog nach Lauenburg und itow, und nachbeut fie auch bieje beiden Feſtungen dem Herzog ih von Bommern für eine beträchtliche Kaufſumme über- en und ihr Geſchütz demfelben zur Verwahrung zurüdgelaffen ten, zogen fie fih in ihre Heimat zurüd. Es war fein es, aber doch begreifliches Gefühl, daß in der Umgebung : Königs der Vorſchlag laut wurde, dieſes Konig „für feine tzehnjährige Fortführung des Krieges“ ganz von der Erbe vertilgen, und damit „ven Makel der empfangenen Nieder» e“ zu fühnen. Aber es ehrt den Jagiellonen, daß er es zſchlug, „mit Brand und Ruin gegen unjchuldige Dächer wüten“. . Der Krieg war zu Ende. Auf der Iinfen Seite der Weichjel e dem Orden alles abgenommen. Aber auch auf der rechten re alles im Zuſammenbruch begriffen. Schon im Frühjahr te San Skalski die Feſte Mehlfad genommen. Ale Ver e bes Ordens, im Ermländiſchen wieder feften Fuß zu faflen, gen zuichanden. Wlittlerweile plünberten die aus Danzig, ing, Frauenburg auf bewaffneten Fahrzeugen berangejegelten noner im Samland und ftreiften weit in das allein dem pen noch verbliebene Gebiet. Die Söldner konnten ſchon ge nicht mehr bezahlt werben, und bie Hauptleute waren baber acht, Die ihnen anvertrauten Burgen als Pfänder zu be en. Es war in der That beinahe: jo gelommen, wie es Danziger fi) vorgenommen hatten, daß fte den Orden aus ; Sande binausgebungert hatten. ‘Der Orden war gebrochen. ichon fett Jahren geführten Verhandlungen über den Frie- batten neuerdings buch die Ankunft eines päpftlichen ıten einen lebhaften Anftoß befommen. ‘Der Fall von Komik

I) Außer den prenßifchen Quellen f. den Brief Diugofzs im Cod. b., p. 236, no. 208.

168 Elftes Bud. Sechftes Kapitel.

machte Die Sprache des Ordens vollends Heinlaut. Etwa drei Wochen danach ftand der Hochmeijter Ludwig von Erlihshaufen zu Thorn vor dem Könige, um den Frieden abzufchließen. Bon den langen Verhandlungen, die zu demſelben geführt haben, ift nun noch unfere Aufgabe zu erzählen.

Sechſtes Kapitel, Diplomatie während des Krieges.

Als ſich die Polen entichloffen, die Unterwerfung ber preußiichen Landritter und Städte anzunehmen, gaben fie ſich feineswegd der Täuſchung bin, daß fie bei der Behauptung Des Erwerbs e8 Lediglich mit dem in feiner Kriegsfähigleit jo weit zurüdgegangenen Orden allein zu thun haben werden. Wie verfümmert derjelbe auch ſchon rüdjichtlich feiner charakteriftiichen Merkmale und Prinzipien war, fo fam ihm doch noch immer bie hiftorifche Erinnerung an fein Grundweſen zugute. Daß bie ganze Welt ihn einfach zu den Toten legen lafjen werde, befjen glaubte man fich nicht verjehen zu dürfen. So oft Batten früher bie beiden höchſten Mächte der Chriftenheit ihr ganz bejonderes Intereffe an dem Orden fund gegeben, baß e8 faft frivol fohien, zu meinen, fie würden ihre Hand nicht rühren, um ibn vom Untergange zu retten. Andererſeits aber war man fich denn auch in Polen bewußt, daß die Strafmittel des Papftes und des Kaiſers, Bann und Neichsacht, im Zeit. alter der auffteigenden Reformation doch nur noch fo viel Bedeutung in Anſpruch nehmen können, als ihnen reale Kräfte, Mannſchaften, Waffen und Geld, zur Seite 'geben. Die Päpfte aber, Calirt IH. und Pius II., welche beide für Polen keine wohlwoliende Gefinnung begten, waren feit bem alle von Konftantinopel viel zu ſehr mit Türkenfeldzügen und Kreuz-

Kaiſer und Reid. 169

hrten beichäftigt, um für den Orden mehr als Bullen und riefe übrig zu haben. Ebenſo wenig bürfte ven Polen ver ifer Friedrich III. Beſorgniſſe eingeflößt haben. Die matt- fzige Interventionsluft, welche noch in ven erſten zwei Kriegs⸗ wen durch Briefe, Geſandtſchaften und NReichdtagsproponenda ) einigermaßen bemerklich machte, erlofch vollends, als der irſürſt von Brandenburg dem Kaiſer auseinanderfette, wie | Geld und Reiſige vom Weich geliefert werben müßten, nn er der Aufforderung, den Drden zu retten, nachkommen te). Noch auf dem Reichstage zu Nürnberg im Sabre :56 hatte e8 den Anfchein, als follte eine Expedition zu feinen unften von den beutichen Fürften ind Werk gefegt werden; ın erfundigte fich, wie viel mobile Truppen der Hochmeijter bh „notdürftiger Beſetzung der preußiſchen Schlöffer und tädte abgeben könne, wie ſtark das Hilfscorps an Neijigen d Fußvolk fein müfje, um erfolgreich eingreifen zu können, » die empfindlichiten Stellen für einen Einfall in Bolen wären, id welche Jahreszeit dafür mit Rüdficht auf den PBroviant- darf die geeignetfte wäre”; ferner, ob man nicht „Dieweil bie tauer ftille ſitzen auf den Meifter von Xivland rechnen nne ?) furzum, man war aljo fchon tief in die Einzeln- iten einer Heerfahrt nach Polen eingegangen, aber jchließlich fite fich doch alles als bloßes Gerede heraus. Der Hoc eifter fonnte nicht mehr zahlen, und Uneigenütigfeit war gjenige Tugend, die im 15. Jahrhundert noch feltener ger orben war ald zu anderen Zeiten. Ordensbrüder, bie aus r polnischen Gefangenſchaft zurüdfehrten, erzählten, wie fie abrgenommen hätten, baß bie Polen fich höchlichſt darüber rwunderten, baß ein beutjcher Fürſt fich des Ordens ans ihme 8).

1) Schreiben des Kurfürſten an den Kaiſer vom 27. Januar 1456, i 3äger, Cod. ord. Teut. III, 112.

2) Abſchied des Nürnberger Tages 1456, im Königsberger Archiv.

3) Schreiben bes Hocmeifter8 an den Kurfürften von Brandenburg m 28. Mai 1455, im Königsberger Archiv.

170 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1456).

Außer dem brandenburgiichen Kurfürften, von befien Rüde ficht auf beide Sriegsparteien gebietender Stellung, wie vom jetnem verunglüdten Bermittelungsverfuche bereit8 die Rede gewejen ift, Hat lediglich der böhmiſche Hof des Lapislaus Poſthumus eine gewiſſe geräufchvolle Teilnahme für die Er haltung des Ordens und für eine friedliche Löſung kundgegeben. Einige Gefandtfchaften wurden mit Polen gewechjelt, aber bie Räte der polntichen Krone waren doc genügend über die An» triebe und Hintergedanken dieſer Einmifhung unterrichtet, um nicht einige Höfliche aber bilatorifhe Redewendungen zur Abe kühlung dieſes wenig begründeten Eifer für ausreichenb zu balten. Der polnifche Geſandte in Prag, Nilolaus Chrzaqſtowski fonnte fich durch den Augenfchein überzeugen, daß Georg Podie⸗ brad, der eigentliche Führer der böhmiſchen Politik, vornehm⸗ lih um den Markgrafen Albrecht von Brandenburg, den Hügften und energilchiten Fürften des Deutichen Reiches, fich zu verbinden, eine rege Teilnahme für den Orden beucheln ließ. Überdies verfannte man am böhmilchen Hofe die Abfichten Polens. Mit einer beträchtlichen Geldſumme, wähnte man dort, würde ſich König Kaſimir für feine preußiichen Anſprüche abfinden laſſen. Es mochte ein auf das nachgiebige Weſen Kafimirs wohl be- techneter Einfall geweien fein, daß man ihn im Dezember 1454 nad) Breslau zum Schiedsrichter in dem böhmifch = fäch- fiichen Grenzſtreit einlud, denn unter perjönlichen Einwirkungen meinte man dem Könige eine veränderte Richtung feiner Politik abgewinnen zu können. Allein nach dem Verluſt der Schlacht bei Konitz war denn doc die Ehre Polens zu jehr verpflichtet, als dag ein Aufgeben Preußens in Frage fommen konnte. Das ber entzog fich Kafimir dem projektierten Fürſtentage zu Breslau ebenfo, wie er die Vermittelungdverjuche von andern Seiten mit ausweichenden Weigerungen ablehnte. Bald traten aud in Brag die Interventionsgedanfen zurüd, zumal die politifchen Beziehungen im Deutjchen Reich, welche fie hervorgerufen hatten, wiederum geändert waren. Denn wie der Türkenkreuzzug, fo war auch die Rettung des beutichen Ordens auf den zerfahrenen beutichen Neichötagen jener Epoche entweder nur ein ornamen⸗

Thronwechſel in Böhmen und Ungarn. 171

es Schauftüd der Eindrud haſchenden Redekünſtler oder die (fe eigennüßiger Abfichten und Zwecke. Die polniſchen Ges bten, die auf biefen Reichs⸗ und Fürftentagen des Anſtands jen erfchtenen waren, wettelferten mit dem Wortprunk ber gen Jeremiaden über das durch die Türken bereitete Elend Chriftenheit ?), führten auch wohl mit den Ordensgefandten, en fte in folchen Fällen begegneten, unerquidliche Zanldialoge 2) inzwiſchen aber blieb die Führung der polnijch-preu- ben Sache von jedem äußeren Einſpruch unbehelligt.

Andererfeits aber bütete fih auch der König von Polen, ft dann fih in auswärtige Angelegenheiten einzumiichen, ın die Gelegenheit dazu eindringliche Aufforderungen zu bieten en. Dies war namentlich nach dem frühen und Üüberraichen Tode des Königs Ladislaus von Böhmen und Ungarn der 1 (23. November 1457). Es ift vielfagend und bezeichnend, ſich der König über diefen Todesfall und feine näheren ftände bei dem Rate von Breslau die eriten Informationen en läßt). Offenbar erkannte man im polniſchen Weiche, , eine Kandidatur in Böhmen oder Ungarn oder gar in ven Neichen weit über die Kräfte bes polnilchen Staates, der preußiiche Krieg fchon fo arg zerrüttet hatte, hinaus⸗ en würde. Darum beſchied man ſich, davon abzufteben. > Gejandtichaften, welche in Prag) und in Ofen ®) gleich- hl eine Werbung anmeldeten, hatten wohl nur eine Rechts⸗

1) ©. die Reben des Ian Lntel von Brzezie im Cod. epist. saec. ‚150, no. 137. 138, fowie die Rede au ben Papft Nikolaus, ebdaſ. 140, und eine audere an Papft Calixt ILL, ebdaſ. no. 162.

2) Bgl. Aeneas Sylvius, Pruthenica in Seript. rer. Prufa. 227.

3) Schreiden der Breslauer an den König vom 13. Dezember 1457, script. rer. Siles. VII, 16. |

%) Bon diefer Geſandtſchaft ſpricht Aeneas Silvius, und nah ihm enloöer. Dfugofz XII, 220 nennt den Geſandten Nitolaus zaſtowski. Dennoch bezweifelt fie Bahmann, Ein Jahr böhm. hichte, im Archiv für öfterr. Geſchichte LIV.1, 89, nah Ejchenlodr, 24, weil der Geſandte nicht auch in Straznic war.

>) Nah Diugofz a. a. O. war Krzedfaw Wojszyf Gelanbter.

172 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1457—59.)

verwahrung zugunften ber Königin Eliſabeth und ihrer bis dahin noch nicht ausgezahlten Mitgift zum Zwed, denn irgend» wie ernft gemeint, hätte fie von einem ganz andern Nachdruck begleitet fein müffen. In Böhmen war die Partei, welche ehe- . mals bei mehreren Wahlen ven Namen eines polniichen Prinzen auf ihre Fahne geichrieben hatte, gänzlich verjchollen, und noch weniger war in Ungarn von einer folchen die Neve. Es war ein rein künſtliches und eigennütziges Unterfangen, als Giskra von Brandeis den Verſuch machte, König Kafimir für einen Wettbewerb mit Matthias Corvinus zu engagieren !., Die Räte der Krone erkannten ſehr wohl die Bodenlofigkeit dieſer Beitrebungen, und wenn fie fich den Anfchein gaben, den Lock⸗ reden des ungariichen Kondottieren Gehör zu leihen, geihab ed, wie jchon früher bargelegt wurbe, lediglich in der Abficht, den Kredit des Sölonerführers für die preußiichen Händel nutz⸗ bar zu maden. Und diefe Politik Hatte doch auch in der That ben Erfolg, daß bie erite größere Paufe in bem norbilchen Kriegsgetümmel durch Giskras Vermittelung eingetreten war. Die große umd nad Lage der Dinge notwendige Zurüd- haltung Kafimixs, der alfo dem Emportommen Georg Bodie- brads in Böhmen und des Matthias Corvinus in Ungarn feine fubftantiellen Schwierigleiten in den Weg legte, konnte aber nicht verhindern, daß diejenigen, welche das Auftreten ber „Uffgerudten“ mißbilligten, ihre Augen auf Polen richteten. Zu dem Widerftand, den bie Breslauer dem neuen Könige, dem verhaßten Yirzik, leifteten, trug nicht wenig die Zuperficht derſelben bei, daß fie an Kaſimir einen Fräftigen Rüchalt finden würden. Ging doch gar zur großen Beitürzung der böhmtichen Nationalpartei das Gerücht, daß Breslau fich der polniichen Krone unterwerfen wolle 2). Daran dachte man nun freilich

1) Bgl. beſonders da8 Schreiben bei Bahmann, Ein Jahr böhm. Geſchichte a. a. D., ©. 122. 123.

2) Efhenloör, ed. Markgraf, S.37.49. Diugof; XI, 246 nimmt das Gerücht für Thatſache. Auch in der Umgebung Georg glaubte man die Geſandtſchaft der Breslauer jo auslegen zu müſſen. ©. Fontes rer. Austr. XLII, 285.

Polen, Böhmen und der Papſt. 173

Breslau nicht. Wohl aber fuchte man fich der Sympathieen des ligs und ber freien Zufuhr von Lebensmitteln, fowie der Er⸗ bnis zu Werbungen in Polen zu verfichern !). Aber auch in en Punkten, welche auf dem September-Reichdtag 1459 in ner VBerfammlung behandelt wurden, bewahrte Bolen um jo ;r eine vorfichtige Reſerve, als mittlerweile auch Georg Podie⸗ d bereit8 durch eine Gefandtichaft fich dem Könige genähert te. Noch im Januar desfelben Jahres hatte zwar der Reichstag r Korrefpondenz mit den beiden Emporlümmlingen wiber- n 2), aber mittlerweile hatte doch namentlich König Georg : Stellung in der Welt und befonders im Reich fich erobert, gegenüber ein Tegitimiftiich « boltrinärer Trotz mehr als (ug erichienen wäre. Die preußiichen Bündner, welche ein ereffe daran hatten, daß fich die polniſche Kraft nicht zer- ttere, vieten dem Könige, den Böhmen „in einem guten ihne zu behalten und ihm weber ab» noch zuzufagen” °). 8 that der König nicht bloß inbezug auf Böhmen, fondern b allen Seiten hin. Am jchwierigften wurbe biefe Huge Methode gegenüber dem : erwählten Papite Pius IL, dem der Ruf eines Deutichen- ındes und Förderers des deutichen Ordens vorausging. Um mehr war man entichlofjen, der vorausfichtlichen Einmifchung , Vermittelung desjelben durch ein wohlberechnetes Syſtem ı nichtsfagendem freundlichem ‘Diplomatifieren vorzubeugen. verzüglich, nachdem die Nachricht von feiner Wahl eingetroffen, en der König und feine einflußreiche Mutter ſich mit ihm Rorrefpondenz +). Der bald darauf zufammentretende Reichs⸗

1) Schreiben der Breslauer an ben König vom 3. Auguft 1459, bei benloör, ©. 49, und an die Großpolen, nebft deren Autwort vom Oktober, ebdaſ. ©. 62. 63. Vgl. auch Fontes rer. Austr. XLII,

2) Bandtkie, Jus pol., p. 307.

3) Cod. epist. saec. XV, 192. Nah Diugofz XII, 233 beant- tet Kaftmir die böhmifche Gefandtichaft „generali potius quam sin- ari scemate“,

4) Cod, epist., p. 182, no. 165.

174 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel, (1459.)

tag beſchloß durch den Biſchof Jan Gruszezyuski von Wlocka⸗ wel ſofort die Obedienz erklären zu laſſen !), und als Pius den großen europäiſchen Kongreß nach Mantua ausgeſchrieben hatte, war der polniſche Geſandte, der Propſt Jalob von Sienno, der Neffe des Kardinals Zbigniew Olesnicki, einer der erſten, die dem Papſte die Genngthuung des Erſcheinens bereiteten. Allerdings mußte der Überichwang der Worte den Mangel au pofitiven Anerbietungen erjegen. Einen „Gott auf Erden” nannte des Redner den Bapft Pius, aber als er auf den dem irdiſchen Gotte beſonders am Herzen liegenden Türkenfeldzug zu ſprechen kam, wußte er zu erzählen, daß der König von Bolen durch feinen Ranıpf mit den Tataren gleihjam in einen un⸗ unterbrochenen Heidenlampf verwidelt wäre. „Eben jetzt“, vief der Redner aus, „als ich die Heimat verließ, haben fich die Eöniglichen Völker gegen bie über ben Dniepr gekommenen Zataren in die Waffen geworfen. Ohne Waffenſtillſtand lämpfen fie mit den Ungläubigen und ſchützen jo Deutichland, ja alle katholiſchen Volker“ und dennoch babe der eben veritorbene Papſt diefem Könige, der nur darauf brenne, feine Waffen gegen die Barbaren nach dem Befehl des Papftes zus ehren, bei ber Revindikation feiner „natürlichen Erblande“ Hinderniffe in den Weg gelegt ?.. Damit war Yalob vos Sienno aus der Komödie in die Realität gefallen. Aber Biss brauchte die Komödie, und in ben Anfängen des Mantuaner Kongreſſes hielt er fie dafür noch nicht. Daher gelang es dem polniſchen Unterhändler in der That bie „Hinderniſſe“ abzu⸗ ſchwächen, und gern erteilte ver Papft mehrere Erleichterungen inbezug auf den von Calirt III. gegen die Bündifchen in Preußen verbängten Bann °). Aber auf die weiteren Projekte, die der

1) Bandtkie, Jus pol, p. 307, alſo nicht durch Jalob von Stenue, wie Dfugofz XIII, 252 Hat.

2) Die Rede im Cod. epist. suec. XV, 193, no. 173. Die bis- berigen Darfielungen, bie fih auf Aeneas Sylvius Commentarü Rägen, find ungenau.

3) Preuß. Sammlung IH, 174 mit dem falfhen Datum 1450. Theiner, Mon. Pol. II, 134, no. 172.

Auf dem Kongreß zu Mantua. 175

vollmächtigte in Übereinftimmmung mit mehreren Rarbinälen Anregung der Iohanniterritter verlegte, den deutſchen Orden ; dem ber Johanniter zu vereinigen, jenen aljo aus Preußen, er feiner Beftimmung nicht mehr nachlonnen könne, auf eben und beide Orden, zu einem Ganzen verbunden, in bie zend von Konftantinopel hin oder auf eine ver Infeln, etwa b Tenedos, zu verießen, ging Pins II. nicht näher ein. vieweit folche Ideen überhaupt in der vom Könige dem volmächtigten erteilten Inftrultion begründet waren, muß ängeftellt bleiben. ‘Die Gegenrede des Ordensprokurators, : welcher die Polen im Gefühl eines unverwifchlichen Miß⸗ uens gegen Pius behaupteten, daß fie vom Papfte jelbft worfen fei, nimmt auf dieſe Pläne gar feinen Bezug. Ein htiges Ergebnis aber hatten diefe Redegefechte. Der Papft g dem Erzbiichof Hieronymus Lando von Kreta, welcher Legat für Böhmen und Polen die Ordnung der bajelbft sebenden Zwiſte durchführen follte, ausprüdlich am 14. Ro⸗ iber die Vermittelung zwilchen Polen und dem veutichen den auf !), ohne aber die bereit$ durch den Erzherzog Albrecht ı Ofterreich eingeleiteten Verhandlungen ?) dadurch kreuzen > behindern zu wollen. In einem Schreiben des Papftes ben Rönig, worin er ihn väterlich zum Frieden mahnt, t er ihm ausdrüdlich die Wahl des Vermittlers frei °). Als der Papſt noch von der Möglichkeit einer Mediation & den Erzberzog Albrecht ſprach, war dieje bereits jo gut aufgegeben. Schon auf dem September- Reichötag 1459 te der König dem preußiichen Stänben verfichert, daß er nur „Beteidigung mit beider Parte Willen“, aber fein Schieds⸗ teramt des Erzherzogs acceptieren werde 4), und als den⸗ h im Januar 1460 eine folenne Geſandtſchaft bes Oſter⸗

1) Cod. epist., p. 192, no. 172. Bgl. jebocd Theiner, Mon. Pol. 121, no. 167.

2) S. oben, ©. 127.

3) Raynaldi, Anm, ecel. a. a. 1469, 23. Dezember. Theiner,

ı. Pol. II, 120, no. 165. 4) Cod. epist., p. 191.

176 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1460).

reichers in Krakau eingetroffen war, hielt e8 die polniiche Regie⸗ zung, überzeugt davon, daß der Hocmeifter auf ein Schiedsamt beftehen würbe, für angemefien, die Verhandlungen mit dem Erz berzoge oftenfibel fortzufpinnen. Gaben fie doch, wie ſchon gejagt, den bequemen Vorwand, alle übrigen ſich anbietenden Ver⸗ mittler, den Erzbiichof von Niga, den Biihof von Kurland und Ofel !), den Derzog Ludwig ben Reichen von Batern, wie ben päpftlichen Legaten, und alsdann fogar noch den Herzog Konrad den Schwarzen von Ols⸗Koſel durch den Hinweis auf dieſelben abzulehnen. Aber entſchieden batte die Gefandtichaft bes Erzherzogs noch einen ganz andern Zwed. Seit dem . definitiven Fall von Marienburg batte ganz fichtlic) die anti» kaiſerliche Partei in Deutichland ihr Augenmerk darauf gerichtet, Polen in die Bahnen ihrer oppofitionellen Politit zu ziehen. Die Gefinnung Kafimirs gegen Trieprich konnte nach der wenn auch fachlich unfruchtbaren Teilnahme des Kaifers für den Orben als verbittert genug vorausgefest werben. Überdies burfte eine nicht minder mißtrauiiche Dispofition des Polenkönigs gegen die Brandenburger, die Katjertreuen, füglic) angenommen wer- ben, und die polnifhen Senpboten auf dem Mantuaner Kon⸗ greß und anderwärts haben daraus wohl niemals ein Hehl gemacht, baß Friedrich in Krakau feine Gönner und Freunde habe. Schon die Thatſache der vertrauensvolleren Beziehungen Rafimirs zum Erzberzoge Albrecht, dem Neider und Neben» bubler des Katiers, der fich an bejjen Stelle hinträumte, zeigt, daß ber König von Polen bie antikaiferlihe Partei in Deutſch⸗ land ermutigt hatte, ihn als einen der ihrigen anzujeben, der namentlich die Brandenburger gegebenenfall8 zu beichäftigen befonvers geeignet war. Bon ſolcher Erwägung geleitet, ließ ber Herzog Ludwig ber Reiche von Baiern, das Haupt ber DOppofitionspartei, durch feinen Geſandten Barthold Einbach dem Könige feine guten Dienfte behufs einer Vermittelung mit

1) Diefer hat fhon 1456 fi ins Mittel zu legen verſucht. Nach Schreiben im Königsberger Arhiv. Im Jahr 1459 fam er mit Gobe- hard von Plettenberg zu demſelben Zweck zu Hans von Bayſen nad Marienburg. Ebd.

Bolen und Georg Podiebrad. 177

m Orden was gewiß nicht fehr ernftlich gemeint war —, gleih aber ein Bündnis auf die Lebensdauer. der beiden irften, was bie Hauptſache war, anbieten. In Polen begriff an den Zufammenbang fehr gut. Das erftere wurde höflich it dem Hinweis ſchwebender Unterhandlungen abgelehnt, das ündnis aber in aller Form im Frühjahr 1460 abgeichloffen, Id die Herzöge von Mafowien, Herzog Erich von Bommern ıd der Biſchof von Camin als Klienten der polnijchen Krone basjelbe einbegriffen ?).

Nach dem Wortlaute dieſes Vertrages jollten von der feind- igen Richtung desſelben ausgefchlojfen jein: der Papft, ber fer, der Erzherzog Albrecht und der König Georg von öbmen. Bei der ausgefprochenen Stellung Ludwigs von atern im Reich wird niemand auf die in folchen Urkunden rkömmliche loyale Rückſicht auf das Reichsoberhaupt ein gläu- 3e8 Gewicht legen. Weber Kafimir ‚noch Ludwig hegten für n Kaiſer eine wohlwollende Gefinnung. Aber überrajchend icheint Hier die entjchieven ernft genommene Interefjengemein«- aft mit Georg Podiebrad. Lange genug batte die polniiche egierung dem Böhmenkönige mit zurüdhaltendem Miktrauen genüber geitanden. Inzwilchen Batte aber der Emporkömm⸗ ig durch feine gefchielte und nachdrückliche Diplomatie eine tellung in der Welt gewonnen, die ihm nicht bloß allgemeine serfennung eingetragen, ſondern ſelbſt ſehr hochfliegende Pläne sſelben zu berechtigen ſchien. War doch allen Hinderniſſen m XTroß, die in feiner Nationalität, in feiner Stellung zur che, in feiner unfürftlichen Geburt lagen, dem Podiebrad bft die Würde des römiſchen Königs, ja jelbft des byzantini⸗ en Kaiſers nicht zu groß für feinen Ehrgeiz. Es war für „en doch allmählich bedenklich geworden, mit diefem Nache rn, der jo mannigfache, auch Polen ſehr nahe angehende ıtereffen beeinflufjen konnte, nur auf ſchmollendem Fuße zu ftehen d feine unausgejeßten Freundichaftsbewerbungen hochfahrend zulehnen. Jedenfalls war nicht zu erwarten, daß Kaſimir

1) Dogiel, Cod. dipl. I, 383. Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 12

178 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1460.)

auf ſolche Weile feine Forderung von 100000 Goldgulden, die Mitgift feiner Gemahlin Elifabeth, zu welcher der Erbe des Königs Ladislam verpflichtet war, jemals erlangen wre. Andererfeits hatte Polen der Krone Böhmen das Herzogtum Auſchwitz und das Fürftentum Siewierz durch Kauf, ſowie einige feite Grenzplätze durch Eroberung entfrembet. Die Be- ftätigung diefer Erwerbungen durch die böhmiſche Krone ſtand noch aus. Die Klugheit gebot daher, vem Könige von Böhmen einen Schritt entgegenzulommen. Dean veranftaltete deshalb

am 6. Sanuar 1460 eine Zufammenfunft polnifcher und bößr . |

milcher Unterhändler zu Beuthen in DOberfchlefien. Der Herzog Praemyslam von Teichen machte den Vermittler 1). Aber das Einverftändnis fcheiterte an der Verſchiedenheit der Auffafjung von dem ganzen Zwed ver Verbandlungen. Die Böhmen meinten nur die zwilchen den beiden Ländern und Königen ſchwebenden - Differenzen zur Sprade bringen, aber jelbjiverjtänplich die Rechtsbeftändigfeit des Königtums George nicht diskutieren laffen zu bürfen. Die Polen hingegen glaubten fich gerade dadurch einen Vorſprung in allen ihren Aniprüden zu wahren, daß fie eben nur die Anrechte Kaſimirs und feiner Gemahlin Eltjabeth auf bie böbmifche Krone in den Vordergrund ftellten. Dahin durften ihnen die böhmiſchen Diplomaten nicht nachfolgen, und nur dem Einfluffe des Tefcheners war es zuzufchreiben, daß im Prinzip eine perfönliche Begegnung der beiden Herrſcher feitgeftellt und eine nochmalige Vortonferenz der Bevollmächtigten in Beuthen für den St. Iobannistag in Ausficht genommen wurde. Dieſe legtere Zujammenlunft fand jedoch in dem feitgejegten Zeitpunkt nicht nur nicht ftatt, jondern nad ber Spannung, die fih plöglich zwiihen Polen und Böhmen entwidelte, er⸗ ſchien es zweifelhaft, ob die Beuthener Verabredungen über- haupt noch Ausficht hätten, verfolgt zu werden. Im Frühjahr und Sommer 1460 war nämlich im öſtlichen Böhmen vor» zäglich, in Städten, Dörfern und leden eine auffällige Menge son Feuersbrünſten vorgelommen, welche die ſchreckensvoll erregte

1) S. das interefiante Schreiben im Cod. epist. aaec. XV, no. 180.

Geipanntes Verhältnis. 179

ıntafie der böhmiichen Bevölkerung den Ausländern, Deut- n und Bolen, als Brandftiftern zufchrieb '). Von König imir und feiner Gemahlin, hieß es, feien Leute gebungen ven, bie Plage über das Land zu bringen. Die Aufregung m dermaßen überband, daß fih König Georg genötigt ſah, : umfaffende Austreibung der im Lande angefievelten oder Dienftverhältniffen ſtehenden Polen anzuoronen. In Bolen anlaßte diejer Vorgang ein jchmerzliches Erjtaunen. Mit ber Geringihägung des unbegründeten Verdachts, wie man ı geraten hatte, glaubte Kaſimir doc nicht genug gethan zu en. Er fandte vielmehr zwei Ritter nach Prag, welche ıt bloß dem böhmiſchen Hofe entichiebene Erklärungen geben, dern jedermann zum Erweis der verleumderiichen Beſchul⸗ ung herausfordern jollten. König Georg Podiebrad mochte bL felbjt dem finnlojen Vorwurf feinen Glauben gejchentt en, wie er den polniſchen Sendeboten verficherte, aber ges en war ihm der Vorfall doch, um bie ind Stoden geratenen chanblungen wieder anzufnüpfen. Zu der projeltierten bannisfonferenz war es unter foldhen Umjtänden nicht ger ımen, denn wie hätten Vertreter Georgs zu einer Tageſatzung begeben jollen, wo fein Thronrecht einer Debatte unters fen werben konnte? Andererſeits batten aber in Polen derum das Unterbleiben dieſer Zuſammenkunft und ber ifchenfall wegen der Brandichäden den Argwohn rege werben en, daß Georg mit feindjeligen Abjichten umginge. Daß. n einen Krieg gegen Böhmen, wenn auch nicht gerade für Augenblid, ins Auge faßte, erhellt aus einem Vertrage tig Kaſimirs mit dem Herzoge Konrad dem Weißen von z-Kant, in welchem der legtere ausdrücklich Heerfolge gegen hmen verjpricht, jofern ihm nur der Beginn der Feindfelig- en einen Monat zuvor belannt gemacht wird 2). Sobald r der Böhmenkönig die Überzeugung gewonnen hatte, daß Bolen jeine Herrichaft nicht mehr durch Erbprätenfionen

1) Stari Letopisowe&, ed. Baladi, ©. 172. 2) Invent. dipl, p 59. Dogiel, Cod. dipl. I, 545. . 12 *

180 Elftes Bnd. Sechſtes Kapitel. (1460—61.)

antaftbar anfähen, nahm er die Beſtrebungen, den König Rafimir in die Netze feiner weitläufigen Pläne zu ziehen, wieber auf!). Eine neue Zufammenkunft von Bevollmächtigten beider Kronen fand in Beuthen im November 1460 ftatt, und dieſes Mal mit Erfolg. Es kam ein vollftändiger Bundes- und Freund» ichaftsvertrag zuftande ?), der die Integrität der beiden Staaten und bie Sicherheit des gegenfeitigen Verkehrs gewährleiftete, und für diejenigen Differenzpunfte, welche noch nicht ausgeglichen wurden, einen Monarchentongreß auf Neujahr 1461 ober big jpäteften® den 1. Mat 1462 in Ausfiht nahm. Wichtige Tragen, wie beifpielöhalber die wegen der Mitgift der Königin Elifabeth und wegen ber durch Polen erworbenen Städte und Landichaften blieben vemjelben vorbehalten. Dagegen beftanden die Polen ſchon jest auf einen entjchtevenen Verzicht auf jedes Einſpruchsrecht in die Dronung der majowijchen Herzogtümer, den Georg auch in aller Form bald darauf zu Olmüß am Tage vor Weihnachten geleiftet bat >). So wertvoll e8 auch für König Georg fein mochte, durch die Einigung mit Polen und Ungarn feine Machtftellung ins Licht geſetzt, den Schlefiern die Hoffnung einer Stüge gegen ihn entzogen und überhaupt ſich nunmehr für feine fühne Wer bung um das römijche Königtum im Rücken gefichert zu haben, jo war doch in allen greifbaren Punkten König Kafimir ver empfangende Zeil. Um den Preis feiner nirgends anerkannten und nirgends unterftügten böhmijchen Erbanfprüce gewann er

1) Wieder war Herzog Przemystaw von Zeichen ber Vermittler. Der König Kaſimir gab aber auf feine Werbung erft Beſcheid, nachdem er auf dem MHeinpolnifhen St. Bartholomäus-Landtag fi mit den Ständen beraten hatte. Cod. epist., no. 180.

2) Balady, Urkundl. Beiträge, Nr. 231. Ein deutfcher Text bei Riedel, Cod. dipl. Brandeb., Supplementband, ©: 85, datiert vom 25. November, vgl. Markgraf in Sybels Hift. Zeitfehr. XXI,273 Anm. Bel Dogiel, Cod. dipl. I, 10, no. 12. 13, mit dem Datum 29. Ro vember, dagegen ber Auszug im Invent. dipl, p. 34 mit dem Datum 24. Juli, was ganz falfh if und auf Verwechfelung von St. Andrei mit St. Jalobi berußt.

3) Cod. epist. saec. XV, no. 184.

Georg und die preußifde Frage. 181

Beftätigung der burch den Ankauf der Fürftentümer Siewierz »Auſchwitz einfeitig ausgeführten Arrondierungen ber pol» hen Grenze durch die böhmifche Krone, erlangte unbedingt e Hand für die bald bevorſtehende Ordnung der mafowijchen chältniſſe und erwarb in Georg einen jtilen Bundesgenofjen feinen Kampf mit dem Orden. Das legtere war fowohl mentan als fernerhin von weitläufiger Bebeutung. Eben nal8 war ja in Polen die Veränderung der Kriegsmethode hloffen worden. Nicht mehr durch aufreibende „allgemeine rgebote*, jondern durch Söldner ſollte der Krieg fortgeführt den. Und Böhmen war- das Maffiiche Land, wo die Söldner haben waren. Wenn Georg in Böhmen die Werbungen den beutichen Orden, wenn auch nicht verbot, ſondern nur derte, und andererjeit8 die der Polen förderte, jo war auch er Gewinn fon eines Opfers wert. Aber die Rüdficht ben preußiichen Srieg gab dem neuen polnijch- böhmijchen ndnis noch andere Beripeftiven. Es ift unbefannt, ob jchon den Beuthener Verhandlungen die preußtide Sache zur rache gebracht worden ſei; aber das ift gewiß bezeugt, daß friegführenden Parteien ſchon feit dem Anfang des Krieges Augenmerk auf die Haltung Georgs gerichtet hatten. ALS t von einem Schiedsrichter die Rede geweien war, ftimmten Polen dem Gedanken zu unter ber Vorausjegung, daß der- e ein Slawe fei, womit eben niemand anders als der ba. (ige Gubernator Böhmens, Georg Podiebrad, gemeint war. > andererjeitS wiederum fchrieb Bolko von Eulenburg fchon den erjten Tagen bes Jahres 1456 an den Hochmeiiter, möchte fih doch nur der „Teiding“ durch Georg mittels er Geſandtſchaft verfichern, denn, feßte er in einem „Bei⸗ el” Hinzu: wenn „Jorſigk teibingt”, dann würde der König : Bolen ſich mit einer bloßen Geldſumme abfinden laſſen *). ed war feine Ausficht vorhanden, daß Georg fich eher in ihm an fich fern liegenden Händel mijchen werde, als bis

1) Schreiben vom Freitag nach Drei-König 1456, im Königsberger jio.

182 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1461.)

fie ein Werkzeug zur Förderung feiner eigenen Vorteile werben könnten. Und diefer Zeitpunft war jett gefommen. In dem überhebenden und verwidelten Gedanken, den der Wanderbiplomat Martin Mahr in die empfängliche Phantafie des Emporkömm⸗ lings geworfen, die römiſche Königswürbe zu erjagen und als „Reſtaurator des heiligen römijchen Reichs fich ein gefegnetes Andenken für ewige Zeiten zu fichern“ ?), und zwar mit Zu. ftimmung bes Kaiſers und des Papſtes erichien es als ein leuchtenver und fascinierender Punkt, die Verdienfte der Zukunft mit dem Friedenswerk zwiichen Polen und dem Orden zu bes ginnen. Was Georg alle die Jahre Her fühl ausmeichend ab» gelehnt Hatte, das ergriff er jegt im Zufammenhang mit feinem ehrgeizigen Betreiben mit fcheinbar erregtem Anteil. Beide Parteien ſchienen ja nur auf feinen Wink zu warten; beiber ©efandtichaften Hatten ja darum gebeten, und Georg Tchien willfabren: zu wollen. Gegen Ende des Jahres 1461 drüdte er dem Bapfte Pius IL. feine Zuverficht auf das Gelingen feines Vermittelungswerles aus ?). |

Inzwifchen war freilih die Situation des Böhmenkönigs bald eine andere geworben. Ein Teil feiner diplomatifchen Erfolge in Deutichland war zerronnen, die ftolze Hoffnung auf das römiſche Königtum war verflogen, die Kurie in Rom wollte fih feinem Ehrgeize nicht für eine unklare Unterwerfung dienſt⸗ bar erweifen, das Lavieren zwifchen den Parteien in Deutſch⸗ land erwies fih als eine Unmöglichkeit. Martin Mayrs Pläne mußten eingeftellt werden. Daher fanden die Eingebungen eines noch fchwindelhafteren Wanderbiplomaten, Anton Marinis, bei dem auf eine ungewöhnliche Größe erpichten Podiebrad Eingang. Nicht mehr um das römijche Königtum, jondern um bie biyzantinifche Kaiferfrone handelte es fich jetzt. Großartiges, Unerhörtes, ganz Europa Umjpannendes war in dieſer byzan⸗ tiniihen Phantafie in Ausficht genommen, eine neue Ordnung

1) Worte Martin Mayıs, Palacky, Gefhichte Böhmens IV.2, 136, Anmerkung.

2) Breslauer Korrefpondenz, ed. Markgraf, ©. 67, Nr. 66.

Georg utopifhe Pläne. 183

der Staaten und neue Verteilung ber Gewalten, bei welcher Bapft und Kaiſer nur jo viel von ihrer Autorität behalten follten, als fich in die geplante Weltorbnung einfügen läßt. Ein Bundesrat der europätihen Fürften foll einen immter- währenden Frieden ftabilteren, ein europätiches Parlament oder Konfiftorium ſoll al8 „Duelle der Gerechtigfeit“ eingefett werben, und die vereinte Kriegsmacht der verbünveten Völker joll den Türken entreißen, was fie erobert haben, und die Chriftenheit vor neuen Unfällen fügen )). Es wird immer als ein Symptom des von Neformgedanten überfüllten Geiſtes im 15. Jahrhundert gelten, dag Pläne folder Verwegenheit ent- ftehen und fich hinauswagen Tonnten, aber e8 muß noch mehr als pſychologiſches Nätjel ericheinen, daß ſolch einbildungsreicher Utoptsmus in der Seele eines jo kraftvollen Realpolitilers wie Georg von Böhmen war, Wurzel fchlagen und eine Zeit lang feine Unternefmungen beberrichen konnte. Trat man dieſem gigantifchen Luftſchloß näher, ſo war der Kern desſelben ein mit weitläufigen Unterſtützungen unternommener Türken⸗ feldzug, bet welchem für Georg die ſlawiſche Kaiſerkrone heraus⸗ fpringen follte, und die erfte Unterlage desſelben, eine innige Verbindung bes Königs von Böhmen mit Ungarn und Polen. Bon der durch ſolche Vereinigung gewonnenen Machtitellung aus follten alfe weiteren Schritte in dem wahnentiprungenen Unternehmen ihren Ausgang haben. Um jo gewichtuoller wur⸗ den nun bie böhmifch-polnifchen Beziehungen. In der Werbung um die römische Königswürde bildete die Freundichaft mit Polen nur ein felundäres Moment, in dem neuen ausgeweiteten Plane bildete fie einen der Haupt und Grundpfeiler. Danach hatte ſich aber auch die Tendenz der in Beuthen verabredeten Mo⸗ narchenzuſammenkunft wejentlich verändert. Als fie im Nor vember 1460 beichloffen ward, dachte mar an die Ausgleichung nachbarlidher Differenzen, Förderung des Verkehrs, Feitiegung friedlicher Lebensbedingungen, mit einem Wort an die Reali⸗

1) Alles Nähere in dem ausgezeichneten Aufſaz Martgrafs im Sybels Hiſt. Zeitfchr. XXL, 245304.

184 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1461.)

täten der Tagespolitif, und da fie unter dieſem Gefichtspuntt nicht zu einer brennenden Notwendigkeit geworben, konnte fie eine geraume Zeit aufgefchoben bleiben, zumal Kafimir damals durch den Kriegszug nach Pomerellen, dur den Tod feiner auf die Geſchäfte höchſt einflußreichen Mutter ?) und durch Un⸗ zuben in der Stadt und in der Diöcefe Krakau abgezogen wurde. et aber, wo die Zujammenkunft in der Vorſtellung Georgs die Zufunftspolitit betraf, wo es ihn drängte, das Fundament feines eingebildeten Baues zu legen, jett betrieb er diejelbe mit haſtigem Eifer. Nur ein Clement war auch bei dieſem veränderten Charakter des projeltierten Kongreſſes in berjelben Bedeutung geblieben, die Vermittelung zwiſchen Polen und dem deutſchen Orden. Hatte dieſes beabfichtigte Triedenswert früher dem Papfie und dem Kaifer als ein Ver⸗ dienft Georgs und als. eine Probe feiner Fähigkeiten in Die Augen jtechen follen, jo ſollte jegt die gejamte Ehriftenheit daran erkennen, daß fie dem Böhmenkönig vertrauen fönne, wenn er fie auf waghbalfigen und unerbörten Wegen zur Folge ein- ladet.

Den ganzen Umfang dieſer weitausſehenden Entwürfe ſcheinen die Polen damals noch nicht gekannt zu haben, und wußten ſie etwas davon, dann ſpielten ſie meiſterlich das Programm ab, das ihnen die preußiſchen Städte und Ritter vorgeſchlagen hatten, „ven Böhmenlönig in einem guten Wahne zu behalten“. Als die böhmiſchen Geſandten mit einer Werbung wegen des Kon- grefjes und wegen ver Vermittelung im Anfang Dezember 1461 auf dem Heinpolnifchen Landtage zu Korczyn erichtenen, konnte ihnen noch feine entjcheivende Antwort erteilt werden, weil man fih über den Charakter der Intervention noch nicht Har war, ob Georg „die Streitfrage aufs Recht, oder bloß auf Freund⸗

1) Sie Rarb am 21. September 1461. Über fie fehrieb man bem Hocmeifter: „Ich verneme das des Koniges mutter ſtetis mete in ben zat gebet vnd alle bie brieffe die deme Konige werben gefchreben, bie muß man ir lefen vnd auch fie fih nirgend gebit von bem Konige.” Königsb. Archiv.

Der Kongrek zu Glogau. 185

ſchaft Kringen“ wolle). In dem Mafe aber, als die Polen den Hintergrund des böhmischen Vermittelungserbietene erkannten, waren fie bereit, ed voll und ganz zu acceptieren. Am 6. Februar 1462 ftanden Stanislaw Oſtrorog und Jasko von Tarnow zu Prag vor dem Böhmenkönige und fchloffen mit ihm einen „Abſchied“, nach welchem Georg nicht al8 Bergleicher, jondern als Schiebsrichter anerkannt wurde. In Glogau follten am 1. Mai beide Zeile von dem Könige gehört werben, der dann nach einer beftimmt verabreveten Norm zu verfahren habe 2). In demjelben Maße aber wurde der Hochmeijter, der im Herbft und Winter 1461 bie Intervention des Böhmen noch fo drin. gend gewünſcht hatte, mißtrauiich und zurüdhaltenp, und fo geſchah es, daß, als die Slogauer Zuſammenkunft dann endlich in der That im Mai ftattfand, die Bevollmächtigten des Ordens ſich nicht fehen Tiefen. Die böhmiſche Vermittelung war von den Polen durch die entichloffene Annahme verfelben gründlich vereitelt. Aber fie war ja auch nicht der wahre Zwed des Kongreſſes. Um jo lebendiger trat dieſer ſelbſt hervor.

Es war eine jehr großartige Verfammlung, die in ben Maitagen zu Glogau ftattfand. König Georg fam mit feinen beiven Söhnen, begleitet von den Biſchöfen von Olmütz und Dreslau und einer glänzenden Suite von fchlefiichen Herzögen, mährijchen und böhmijchen Grafen und Herren, an 2000 be- rittene Leute. Am 14. Mat zog er in Blogau ein. Aber alle feine Pracht und Herrlichkeit überbot Kafimir, ald er am 18. Mat mit einem auf 5000 Weiter gejchäßten Gefolge feinen Einzug hielt. Georg war ihm eine Meile Wegs vor der Stabt Schon entgegengefommen und machte, da Glogau zu feinem Gebiete gehörte, ven Wirt. Die Verhandlungen konnten einen rajchen Fortgang gewinnen, da der Hochmeifter feine Bevoll⸗

1) Auch ein großpolnifcher Landtag wurbe abgehalten, um bie Grunb- züge eines Bertrages mit Georg feftzuftellen. Siehe das Schreiben des Königs an den Erzbiſchof von Gnefen bei Dogiel, Cod. dipl. Pol. I, 13, no. 14.

2) Fol. E. des Königsberger Archivs. Die Geleitsbriefe ſollten beim Herzog Heinrich von Glogau deponiert werben.

186 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1462.)

mächtigte gefandt und einen Aufichub der Verhandlungen bis zum Hochſommer begehrt hatte, was ja einer Ablehnung gleichlam. Damit war die preußiſche Sache, die allein ven Polen Be denflichkeiten zu erweden vermodte, von dem Programmt bes Kongreſſes abgefegt. Um fo mehr betrieben nım aber bie Böhmen den Bund gegen die Türlen. Zwölf Tage verhandelten die beiverfeitigen Räte. Auch jegt ift wohl fchwerlich den Polen der Sinn des Planes und das Projekt Marinis enthüllt wor» den. In der Erwägung, daß Türkenfeldzüge in jenen Zeiten doch nur Wechfel auf unendlich lange Sicht waren, verftanben fih die Polen dazu, zu genehmigen, daß, wenn die Türken bie Befigungen eines ber beiden Könige befriegen oder bedrohen follten, ver andere gehalten ſei auf vorhergegangene Aufforde⸗ zung perfönlich mit feiner Macht zubilfe zu fommen. Selbit im fohlimmften Falle war die Wahrjcheinlichkeit, von den Türken angegriffen zu werben, für Polen größer als für Böhmen, fo daß eintretenden Falls der Vorteil des Defenfivbündnifjes doch nur den Polen zufallen würde. Dahingegen einigte man fi) weiterhin, daß bei König Georgs Lebzeiten aller Streit über die im polnichen Beſitz befindlichen böhmifchen Gebiete von Auſchwitz, Zator u. a. wie über das Heiratsgut der Königin Eliſabeth völlig ruhen und begraben jein ſollte; die vorigen Verträge wegen Erhaltung des Friedens zwilchen beiden König. reichen, wegen Sicherung der Handeldftraßen und guter Münz⸗ währung, wegen DBeilegung von Privatftreitigkeiten der beider» feitigen Unterthanen, und namentlich auch wegen des Verzichts alles Einfpruchsrechts der böhmiſchen Krone in die Ordnung des maſowiſchen Erbfolgejtreit8 wurden erneuert und beftätigt. Dean fteht, die Polen famen dem Böhmen fo weit entgegen, als e8 ihrem Vorteil entipradh, und ihnen feine ftörenden Ver⸗ bindlichfeiten auferlegt wurden. ALS aber bie anwejenden Ge⸗ fandten Ludwigs von Baiern, oder auch Georg felbft, wie erzählt wird, den König Kaſimir auch zum Sriege gegen Brandenburg bewegen wollten, hörte die polnische Willfährigfeit alsbald auf ?).

1) Der Vertrag in beiden Ausfertigungen bei Dogiel, Cod. dipl.

Kaſimirs Bündniſſe. 187

In dem Vertrage vom 27. Mai ſteht nichts davon. Am 30. Mai löoͤſte der Kongreß ſich in der beſten Stimmung auf").

Auch dieſes Deal Hatte Polen den realen Gewinn, und Döhmen „ven Wahn“. Denn jelbft das Einzige, worin Kaſimir einen Anipruch aufgegeben zu haben jchien, inbetreff des Heirats- guts feiner Gemahlin, war doch nur ein zeitweiliger Verzicht. Nur jo lange Georg Podiebrad lebte, fonnte er nicht mehr von ver böhmiſchen Krone jene Mitgift rellamieren, aber wie jein Anrecht nad dem Tode vesjelben wieder in feine volle Gültig. keit trat, fo war nicht ausgeichloffen, daß Kafimir inzwiichen fi an andere Erben des Ladislaus Poſthumus und naments lich an die Öfterreicher halten konnte. Und in der That wahrte er fih in folcher Weile. Auf feiner Heimkehr von Glogau traf er in Poſen die Senpboten des Erzherzogs Albrecht, welche mit ihm ein enges Freundichaftsbündnis abzuschließen beauftragt waren. Der König ging gern darauf ein, aber er bebingte ſich ausbrüdlih darin, daß die Verſchreibung des Ladislaus von dem Haufe Ofterreich als zu Recht beſtehend anerfannt werden müſſe. Im September darauf ratifizierte auch Albrecht dieſen Vertrag ?). So ftand denn Kafimir 1462 im Bunde mit Ludwig von Baiern, Georg von Böhmen, Albrecht von Ofterreich, das ift mit derjenigen Partei im deutichen Weiche, welche damals einen verheerenden Krieg gegen ben Raifer und feine Feldhauptleute in Franken, an der Donau,

Pol. I, 14, no. 15. 16. Aud in Breslauer Korreipondenz, ed. Mart- graf I, no. 88, wo das Verhältnis desfelben zu bem vom 29. Nov. 1460 (Balady, Urkundl. Beiträge, Nr. 231) beleuchtet if. Bgl. auch Martgrafs Auffag in Sybels Hif. Zeitfhr. XXI, 277, Aum.

1) Bgl. Breslauer Korrefpondenz, ©. 102, Nr. 89. Der Kurfürft von Brandenburg hatte fi mit Polen fon im Dezember 1461 in Ein- vernehmen zur fegen gewußt. Dlugoſz XI, 281.

2) Der Vertrag in der Ausfertigung Kafimird vom 14. Juni und von Albrecht vom 20. September in Dogiel, Cod. dipl. Pol. I, p. 161, no 11. 12. Das Bündnis ift alfo unmittelbar vor dem Ausbruch bes von Albrecht geleiteten Wiener Aufſtands geſchloſſen.

188 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1463.)

am Rhein und am Nedar führte !), ohne daß er jedoch auch nur eined Mannes Haut zu Markte tragen zu laffen brauchte. Es war eine entjchieden günftige Stellung, die auch namentlich feinen Krieg mit dem Orden tjolierte.

Inzwiſchen aber machten Georg und fein Ratgeber Marint von der polniihen Freundichaft Kapital. Den Venetianern, welche zunäcft für den erfonnenen Plan zur Umgeftaltung Europas gewonnen werden follten, wurben große Worte ger macht von dem unermeßlichen Eifer des Polenkönigs für den Türkenkrieg, ebenfo vor Philipp von Burgund und namentlich vor Ludwig XI. von Frankreich, dem Marint eine Hauptrolle in dem europäiſchen Fürftenbunde zugebacdht hatte. Hier fand Marini das lebhbafteite Entgegenfommen, denn der Tranzojen- könig unterſchätzte die Vorteile einer Verbindung mit einem jo unternehmenden Fürften wie Georg von Böhmen feineswegs. Er empfahl daher das Unternehmen den PVenetianern, den Ungarn und den Polen auf das Iebhaftefte, und fo erfuhren die Polen jest erit auf dem Ummege über Frankreich, um was es fich eigentlich in der Glogauer Zufammenfunft gehan⸗ delt, und wozu das bort gejchloffene Bündnis dienen follte. Aber faft zu gleicher Zeit wird man auc wohl erfahren haben, daß fih im Dftober 1462 bereits eine päpftlich « burgundifch- venetianiiche Verbindung der Kombination Marinis in den Weg gelegt hatte, und daß namentlih Matthias von Un⸗ garn wenig Bereitwilligfeit zeigte, die ihm zugebachte Unter- ftügungsrofle in dem bizantiniihen Abenteuer George von Böhmen zu übernehmen. In der erjten Hälfte des Jahres 1463 ſchien auch Podiebrad ſelbſt burh jeine Annäherung an Markgraf Albreht von Brandenburg und ſJ fremdung von Ludwig von Baiern eine veränderte Richtung einjchlagen zu wollen, bie nicht mehr den Bedingungen des Mariniihen Planes entſprach. Aber im Herbft 1463 muß Marini ſelbſt *) mit Briefen Ludwigs XI. von Frankreich

1) Georg Boigt, Enen Silvio Piccolomini III, 262 ff. 2) Martgrafs Auffag in Sybels Zeitihrift XXI, 294.

Mariniz Pläne vor dem Reichstage. 189

in Polen erfchienen fein, und nunmehr glaubte Kaſimir die ganze Angelegenheit vor den Reichstag bringen zu jollen. Hier hörte man mit Verwunderung, daß „ber König von Frankreich in Verein mit dem Könige von Böhmen, dem Herzog von Burgund (mas nicht einmal richtig war), dem Herzog Ludwig von Baiern umd anderen großen Herren, bes wogen von der Betrachtung der großen Irrungen und Zwie⸗ tracht in der gemeinen Chriftenbeit ſich vorgenommen habe, ein Ronzilium und eine Zufammenkunft zu einer bejtimmten Zeit in einer geeigneten Stadt zu veranftalten, wohin jeber König, Bürft oder Herr in eigener Perfon oder durch Bevoll⸗ mächtigte erjcheinen jollte, um in der ganzen Chriftenheit voll kommene Eintracht zu ftiften, und alle Kriege, Zwietracht und Schelung abzutbun, aber auch die Auflage des zehnten Pfennigs, die der Papft auf die Geiftlichen gelegt bat. Geſchähe dies nicht, daß die Auflage aufgehoben würde, jo werbe man viel leicht den Papft abjegen, und wie e8 mit dem Kaiſer geſchehen wird, das würde fich jpäter erſt zeigen. Auch bat die Herren beweget die große Untervrüdung der Chrijtenheit von den Heiden, denn vordem gab es 117 chriftliche Königreiche, und jest find nicht mehr als 17 vorhanden, und der Türke nimmt von Tage zu Tage überband. Darum haben fie die Abficht, eine allgemeine Umlage in der ganzen Chriftenheit zu erheben, von Geiſtlichen und Weltlichen Geld zu jammeln, von Kauf leuten, Amtsleuten, Bauern und von anderen ohne jemandes Ausichluß, und welche Herrihaft in die Not kommt, mit ben Heiden zu fechten, der fol man mit foldhem Gelde zubilfe kommen“ ').

In diefer Form meldeten die Danziger Senbboten ihrer Stadt die Reichstagsvorlage. Man erkennt mit Xeichtigfeit, daß e8 ein ungeichidter Auszug aus dent Expoſé war, das Marini dem Könige Ludwig von Frankreich vorgelegt hatte ?).

1) Faſt wörtlich nad dem Danziger Rezeß über ben Reichstag von 1463, St. Hebwigstag in Piotrkow. Rezeßbuch I, im Danziger Archiv. 2) Das Erpofe flieht in den Mömoires de Commines von Lenglet bu Fresnoy (London und Paris 1747) II, 424434. Bel. Mark⸗

190 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1463.)

Wir vernehmen weiter, daß „ber König mit feinen Präfaten und Herren in eine beftige Diskujfion darüber geriet, ob man barauf nur fchriftlich erwidern oder eine Botjchaft ſenden jolle. Der König ftimmte für das legtere und feste hinzu, man folle dem, was man zujagt, auch nachlommen, und dabei blieb es an jenem Tage“. Indeſſen haben wir feine Kunde von einer Geſandtſchaft nach Frankreich, nur konnte Marini, der im Früß jahr 1464 auch nach Ungarn gegangen war, als er endlich im Juni an der Spige einer vierzig Perſonen zählenden böhmifchen Gejandtichaft vor Ludwig XI. erichien, auch die Credenzbriefe des Königs von Ungarn wie bes Königs Kafimir von Polen vorlegen. Damit war. aber für Polen der ganze Zwiſchenfall abgeichloffen. Das Luftgebäude zerſtob, Marini verfchwand jo plöglich, wie er aufgetaucht war. Das nüchterne Freund⸗ ſchaftsbündnis zwiſchen Franfreih und Böhmen, das am 18. Juli 1464 zu Dieppe abgejchloffen wurde, hatte keinen "inhaltlichen Bezug auf den fosmopolitiichen Verbrüderungsplan. Für Polen vejultierte aus diefem Vorgang die Vereitelung ver Einmiihung Böhmens in den preußlichen Krieg, ein leidlich gutes Berbältnis zum Könige von Böhmen, und allenfall8 ber Ruf in der Welt, daß es zu Türkenfeldzügen viejelben Neigungen babe wie andere Mächte der Chriftenbeit.

Alle dieſe Verhandlungen und Vorgänge Hatten. jedoch eine Seite, welche wir noch gar nicht berührt haben, und welche doch nicht ohne erlennbaren Einfluß geweſen tft, wir meinen das Verhältnis zum Papſte. Die aus Mantua von dem Kom greß empfangenen Nachrichten hatten das Vertrauen der Polen zu Pius Il. nicht gejteigert. Briefe Jakobs von Sienno ftellten ihn im ungünftigften Lichte dar !). Die angebotene und dem Legaten Hieronymus Lando von Kreta aufgetragene Vermitte⸗ lung begegnete demnach in Polen einer entichievenen Vor⸗ eingenommenheit. Als daher der Legat ummittelbar nach ber

graf a. a. O., ber e8 zuerft wieder bervorgezogen. In unferem Auszug find die Äußerungen über ben Papſt und ben Kaifer viel präcifer als dort.

1) Diugofz XII, 285.

Krakauer Bifhofsftreit. 191

Erledigung eines Teils feiner Miifion, der Verſöhnung der Dreslauer mit dem Könige Georg Podiebrad, fi) von Prag über Breslau nach Polen begeben wollte, fand er dort von.

ſeiten des Königs Kafimir, der früher jeine Ankunft begehrt

zu haben ſchien ?), Briefe vor, in welchen unter Hinweis auf die durch den Erzherzog Albrecht geleiteten Verhandlungen der Empfang des Legaten mit einem wohlklingenden Vorwand ab⸗ gelehnt wurde. Hieronymus mußte nah Rom zurüdtehren, obne einen Schritt in der polniich-preußiichen Sache getban zu haben. Vielleicht bat nichts jo fehr die Verjtändigung mit dem Böhmenkönige gefördert als diejes Mißtrauen Kafimirs in die Gefinnungen des Papſtes, von welchen der König in der am 24. November 1460 erfolgten einjeitigen päpftlichen Proviſion des Jakob von Sienno zum Biſchofe von Krakau einen hand» greiflihen und beleivigenden Beweis zu haben glaubte ). Am 22. September 1460 war nämlich der Biihof Thomas Strzempinski von Krakau geftorben. Wenn Kafimir, der Das Beiegungsrecht der Bistümer für ein unveräußerliches Recht jener Krone bielt °), ſchon in jedem andern alle jeinen Willen mit Zähigkeit geltend zu machen juchte, dann mochte er bei der Wichtigkeit und Bedeutung des Kralauer Bistums um fo weniger venjelben wieder fo übergangen willen, wie bei der Balanz nach dem Tode des Kardinals Zbigniew. Sein Kan⸗ Didat war der in Staatdgeichäften viel erfahrene Biſchof Ian Gruszcezyuski von Wlockawek. Obwohl das im Kapitel jehr wohl befannt war, fielen dennoch bei ver Wahl nur drei

1) Bericht de8 Hieronymus an den Papfl, bei Theiner, Mon. Pol. H, 127, no. 168.

2) Zheiner, Mon. Pol. II, 137, no. 176.

3) ©. den höchſt intereffanten Brief des Sedziwoj von Czechel an Dingofz vom 25. Juni 1472 im Cod. epist. saec. XV, 264, no. 226, wo die Äußerung bes Königs aus dem Jahre 1453 mitgeteilt wird. Zu bemerten if, daß biefer Brief es ift, deſſen Sanodi, Specimen catal. codd. mss. bibl. Zalusc., p. 83, no. 88, erwähnt, daß er aber keineswegs, wie Janodi und nah ihm Zeißberg, Bolnifche Geſchicht⸗ jhreißung im Mit., S. 227, annehmen, ben Streit wegen des Krakaner Bistums berührt.

192 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1460—61.)

Stimmen auf ihn, die übrigen 22 vereinigten fih auf den Reichs »- Bizefanzler Ian Lutek von Brzezie. Der König aber beitand auf feiner Meinung, der fich Ian Lutek auch unterwarf, indem er fich bereit erflärte, mit der Nachfolge im Bistum Wloclawek fürlieb zu nehmen und Ian Gruszczunsli den Kra⸗ fauer Stuhl zu überlaffen. Damit ſchien der Bilchofsftreit aus⸗ geglichen zu fein, al8 unerwartet Jakob von Sienno, der Neffe des Kardinals Zbigniew Olesnicki mit einer ſchon 14 Tage vor der Kapitelwahl erlafjenen päpftlichen Provifion auftrat, welche jomit die Gültigleit ebenfowohl der Wahl als der könig⸗ lichen Verfügung aufbhob.

Daß der Papſt angerufen werben mußte, lag auf der Hand. Aber nicht für den gewählten San Zutel, wie die Räte wollten, ſondern für feinen Nominaten, für Ian Gruszczyüski iollten nach dem Befehl des Königs die nah Rom geſchickten Diplomaten, Ian Rytwianski, der Staroft von Sandomir, und der Domberr Matthias von Naciaz bei der Kurie das Wort führen. Denn mit ungewöhnlicher Energie beitand Kafimir auf feinem Nominationsrecht und feheute auch vor einem faft unerhörten Schritt nicht zurüd. Er ſprach die Acht und Ver bannung über Jakob von Sienno, über feine Brüder, Ber wandte und Freunde aus und drohte jedem mit Strafe und Güterentziehung, der dem Prätendenten Vorſchub leiften würde. Diefes Schickſal traf denn auch jofort den Geſchichts⸗ ichreiber Jan Dlugoſz, deffen jüngeren Bruder und andere Mit- glieder des Krakauer Klerus, jowie namentlich auch ven Suffragans bifchof Georg von Laodicea, welcher mit den Suffraganbiichöfen von Breslau und Gneſen den auf die Burg Pinczom !) ger flobenen Jakob von Sienno zum Biſchof Tonjelriert Hatte. Zugleich zwang der König die zurüdgebliebene Geijtlichleit, ſich jeiner Petition an den Papft in vollem Umfang anzufchließen, und ließ die Burg Ya zugunften jeines Nominaten obne

1) In ber neuen Ausgabe des Diugofz flieht Piandziszow. Das Zirkular des Jakob von Sienno im Cod. epist., p. 205, no. 185, iſt aber datiert von Pinczom.

Der Kralauer Pfaffenkrieg. 193

weiteres bejegen. Auch die Univerfität fchrieb bittenb an ben Bapft, inbetreff des Krafauer Bistums dem Willen des Könige, . der im übrigen ja immer ein ſehr gehorfamer Sohn der Kirche fei, dem Klerus fonft alle Gunſt erweife, das Ernennungsrecht der Biſchöfe aber für eine von feinen Vorfahren ererbte Prä- rogative anjehe, im Intereſſe des Friedens nachzugeben !). Während aber die Geſandten des Königs fi zur Weile nach Rom anſchickten, und der König ſich mit der gefamten NRitter- fhaft von Polen auf dem Feldzuge in Pomerellen befand, veröffentlichte Yalob von Stenno ein vom 2. Juni 1461 bar tiertes päpftliches Monitorium, worin der Adminiftrator und das Kapitel von Krakau unter Androhung der ftrengften Zen⸗ juren angewtiejen werden, die Kirchengüter an Jakob von Sienno auszuliefern, und dem Erzbiichof von Oneſen fogar bie Löſung der Krakauer Kirche aus dem Gneſener Metropolitanverbande in Ausſicht geftellt wird, fall8 er den Anordnungen des Papſtes nicht Folge leijten würde. ‘Der Klerus befand fich in einer argen Zwangslage, denn der König war nicht geneigt, nachzu- geben. Er befahl dem Kapitel, gegen das Monitorium an den Papit zu appellieren ?), und ließ mittlerweile die Anhänger Jakobs, die ſich der Appellation nicht anjchließen wollten, aus der Stabt bringen und ihre Güter einziehen. Da auch An⸗ ftalten gemadht wurden, die Burg Piandziszow, ven Zu fluchtsort Jakobs zu belagern, jo begab verjelbe fich zu feinem getreuen Anhänger Ian Teczyhüski, dem Staroften von Krakau, auf deſſen Burg Teczyn, in der Abficht, jelbft nah Rom zu reifen. Aber der junge Ian Melsztyuski, der fich nicht fcheute, den Zorn des Königs auf fich zu laden, bot fowohl Jakob von Sienno als auch dem Domberrn Ian Dfugofz und gewiß noch anderen Berbannten ein ficheres Aſyl auf jeiner Feſte Melsztyn an, wo bdiejelben auch bis zum Austrag der Händel blieben. Ein entbrannter, wilder Zorn aber ſchien fich des Königs bes mächtigt zu haben, benn es will gar nicht zu feiner milden

1) Wiszniewski, Hist. lit. IV, 442. 2) Cod. epist. saec. XV, 207, no. 186. Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 13

194 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1461.)

und gutmütigen Weije ftimmen, wenn wir vernehmen, baß er nach feiner Rückkehr aus Pomerellen das Kanonikatshaus des Dlugoſz erbrechen und plündern lies, und ſogar von gewalt⸗ jamer Befeitigung der beiden Brüder Diugofz geiprocen baben joll.

Die Rede, welche Ian Rytwianski in Rom vor dem Papfte gehalten Haben ſoll, ift und noch erhalten. Es tft der ftärffte Ausdruck des Oppofitionsgeiftes jener Tage. Im dieſer ſchnei⸗ digen Auseinanverjegung Klingt der revolutionäre Geiſt ber Bofeler Reformationsmänner fern von allem Pathos mit dem Anſpruch auf Bethätigung in einem praftichen Falle in hoher Zonlage hindurch. So fpricht fein Bittender. Aber Ian Ryt⸗ wianski fannte feine Stärke. Er legte dem eitlen und empfindlichen Papfte Pius IL. die Originalberichte Salobs von Sienno vom Kongrefje zu Mantua vor, in denen der PBapft in möglichft unvorteilhaftem Lichte und als grundfäglicher Gegner‘ Polens dargeftellt wurde. Wie mußten da die Chancen Jakobs von Sienno zufammenbreden. Aber mehr noch. Eben damals, als die Gejandten in Rom waren, traf die Anzeige Georg Podiebrads ein, daß er die Ausjöhnung zwilchen Polen und Preußen vermöge feiner herzlichen Beziehungen zu Kaſimir zu bewerkitelligen die Ausficht habe und eben damals war man in Rom entihlofjen, die Prager Kompaktaten zu verwerfen und Georg entweder unter den Fuß zu bringen oder in einem Kampf auf Tod und Leben zu vernichten. Durfte Bius um einer Pfründenfrage und eines obendrein unzuverläjfigen Priefters willen ven König von Polen dem mächtigiten Ketzer in die Hände treiben? Konnte Pius gejtatten, daß fich Georg dort auf dem Felde der polniſch⸗preußiſchen Händel wohlfeile Lorbeeren pflücke, um ſie dann gegen die Kurie fruchtbar zu machen? Nein, bie preußiſche Vermittelung mußte ihm aus ben Händen ge- wunden werben, und Jakob von Sienno war aufgegeben. Sein - Sturz bildete einen Zeil der Gegenmine, welche ver Papft wider Georg zu legen im Begriffe wir. Wenn auch den pol- nifchen Geſandten nicht gleich bie Anerkennung bes Töniglichen Nominaten Ian Gruszezynefi zugeftanden wurbe, fo durften

Der Kralauer Pfaffentrieg. . 195

fie doch mit der Zuverficht heimreiſen, daß der „geiftliche Krieg“, wie man den Bilchofitreit in Polen nannte, feinen andern Ausgang mehr nehmen werde. Es eröffnet einen Blick auf den Zufammenbang ber Dinge, wenn wir ſehen, daß ver Papft am 17. Dezember 1461 dem Erzbiſchof Hieronymus Lando von Kreta von neuem bie Vollmacht erteilt, den Frieden zwilchen Polen und Preußen zu vermitteln und bie Nechtslage in dem Streit um das Kralauer Bistum zu unterfuchen. Namentlih aber und vorerjt verlangte der Papft, Tolle ver Legat dafür Sorge tragen, daß durch den auf den König von Böhmen geitellten Kompromiß dem Orden Tein Schaden und dem römiihen Stuhl, dem diefer allein untergeben wäre, in jeinen Rechten fein Eintrag geichäbe, fonft aber Georg vor einer Einmilhung in die preußtiche Sache zu warnen ?).

Aus allem dem aber entipringt ber rationelle Grund, weshalb der Hochmeifter den Kongreß zu Glogau nicht bes ichiekte, und zugleich ein anderer, weshalb Kafimir zu vemjelben geeilt war. Durch nichts konnte Kafimir fo jehr auf die Kurie prüden, als durch dieje oftenfilbe Freundſchaft mit dem Utra⸗ quijten. Mit Bangen ſah der Papſt diefe Händebrüde. Ver⸗ geblich Hatte er Fantin della Valle, feinen Geichäftsträger, be» auftragt, die Verbindung der beiden ſlaviſchen Könige zu Binter- treiben, und war „übel zumute” auf Fantin, als dies mißlang. Mit dem Rückhalt viefer Verbindung, welche, wie gejagt, auch ein Preifionsmittel gegen die Kurie war, glaubte Kafimir nun⸗ mehr noch einen Schritt weiter gehen zu dürfen. Er ließ bie Benefizialzehnten Jakobs von Sienno und feiner Anhänger aus dem Kapitel mit Belchlag belegen ?) und fchien es fich nicht einmal zu Herzen zu nehmen, daß darob Wunderzeichen am Himmel gejehen worben find. Endlich aber, nach langer Ber- zögerung, erichten der Erzbiſchof Hieronymus in Polen. Am

1) ©. bie bei Voigt, Gefchichte Preußens VIII, 624. 625 citierten Aktenſtücke.

2) ©. die Briefe Diugoſzs im Cod. epist,, p. 210, no. 189, und p. 215, no. 191. |

13*

196 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1463.)

Freitag, den 26. November 1462, hielt er beim Reichstag von Piotrkow feinen Einzug. Während der Legat den Schwerpunft feiner Miffion einzig in dem Friedenswerk zwifchen Polen und Preußen erkannte, drang Kafimir auf feine Vermittelung in dem Kirchenftreit, ver eine Unruhe fondergleichen in ganz Klein- polen erregt hatte. Der Legat bob in feiner Unterredung mit bem Könige bie Schwierigfeit hervor, die päpftliche Provifion ohne Einwilligung Salob8 von Sienno zu kaſſieren, allein Kaſimir rief voll Entrüftung, er wolle lieber fein Königreich ver- lieren, ehe er jenen auf dem bifchöflichen Stuhl von Krakau füße. Da erwiderte Hieronymus mit dem ganzen Hochmut eines Kurtaliften, „beſſer es geben vrei Künigreiche zugrunde, als daß der Papit fein Recht preisgäbe*. Indeſſen wurde Das Mittel zur Beilegung des StreitS doch darin gefunden, daß Jakob von Sienno nebft feinem Anhang unter ficherem Geleit auf dem Reichstage zu Piotrkow ericheinen, und mittlerweile durch einen Eilboten die Aufhebung der Provifion des Papftes von Kom eingeholt werben follte. In der That trat Jakob von Sienno im Januar 1463 zu Piotrlow vor den König. Da aber weder die Fürſprache des Legaten noch feine eigenen Intefälligen Bitten bei Kaſimir Gehör fanden, fo erklärte Jakob, die ihm zuteil gewordene PBrovifion in die Hände des Papftes zurüdgeben zu wollen, und bedingte fi nur den Erſatz feiner Auslagen fowie eine Jahresrente aus der bifchöflichen Tafel von Krakau aus. Daraufhin wurde der Vergleih abgejchloffen. Eine neue GSefandtichaft ging nah Rom ab, um nunmehr für bie Verfegung Ian Gruszcezynskis auf den Kralauer, und Des San Lutel von Brzezie auf den Wfockamfer Biichofsfig die definitive Genehmigung einzuholen. Bet dem Wunfche der Kurie, ben Polenfönig von der Umgarnung durch Podiebrad zu löfen, fonnte jener bort alles erlangen. So verbanfte Kafimir feiner böhmischen Bolitit den Triumph in einer das Land tief bes unrubigenden Angelegenheit, in welcher eines ber konſtanteſten Prinzipien feiner Regierung in Frage am. Denn nicht per- fönliches Übelwollen hatte den König gegen Jakob von Sienno dermaßen in Groll und Eifer verfegt fuchte er doch für

Der Legat Hieronymus von Kreta. 197

ihn das durch ven Tod Paul Gijydis!) erledigte Bistum Plod, ar welches ſich damals die wichtigften königlichen Inter» eſſen fnüpften, und das einen entichievenen Anhänger der Krone damals mehr als je vorausjegte 2), zu verichaffen —, fondern das Bemußtfein, daß er feiner königlichen Stellung ein wich tiges Attribut vergäbe, wenn er an Stelle ver Vereinbarung zwiichen der Krone und den Kapiteln die käuflichen päpitlichen Provifionen einreißen laſſe. Als Sieger zeigte fih Kajimir gnädig genug. Alle Verbannten wurven wieder in Gnaden aufgenommen und in ihre Befigtümer eingefegt, und als im folgenden Jahre (1464) infolge der Erledigung des erzbiichöf- lichen Stuhls Ian Gruszczyusti zum Primas, und Ian Lutel zum Biſchof von Krakau befördert worden war, erhob Kafimir feinen Einwand dagegen, daß Jakob von Sienno ven bilchöfr lichen Sig von Wloclawek einnahm.

Nach dem reichlichen Entgegenlommen ver Kurie war nun aber freilich nicht daran zu denken, daß ihr der Verſuch einer Bermittelung zwiihen Polen und Preußen verjagt werben könnte. Da Kaſimir einen Teil der Miſſion des Kretenjers acceptiert hatte, mußte er fich auch den andern gefallen laſſen. Aber daß die Einmiſchung des Papftes nicht allzu jehr nachteilig und bald fich als reiner Wind darftellen würde, deſſen hielt fich Kafimir fo überzeugt, Daß er den Legaten gewähren ließ. Wie bisher den König von Böhmen, fo galt e8 jet auch ven Papft bei „gutem Wahn zu erhalten“. So durfte denn Hieronymus fih von Polen nach Königsberg zum Hochmeifter begeben, und es gelang ihm, zu erwirken, daß Bevollmächtigte des Ordens fowie der Bündiſchen neben einer nicht unanjehnlichen polntichen Delegation, bei der fich beſonders auch namhafte Nechtsgelehrte befanden, zu dem für den Anfang Mai 1463 in Brzese in Kujawien angejegten Verhandlungstage eintrafen. Den Polen war das Treiben des Legaten verbäctig, denn er ſchien es

1) Bifhof Paul von Pod flarb am 27. Sannar 1463, als eben ber maſowiſche Erbfolgeftreit entbrannt war. 2) ©. weiter unten das Kapitel „Mafowien“.

198 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1463.)

darauf abgejeben zu haben, die Bündiſchen von den Polen zu trennen. Auch die Darlegung der Orbensgefandten war für die Polen eigentlich nicht diskuſſionsfähig, denn fie forderten eine volljtändige Wiederberftellung bes status quo ante bellum, und wollten alsdann erft fich einem päpftlichen Richterſpruch unter- werfen. Aber auch wenn bie polniiche Geſandtſchaft befjeren Willen gehabt Hätte, würden Schwierigkeiten aus der Anweſen⸗ beit der DVertreter des preußiichen Bundes entftanden fein, welche im Banne jtebend, doch nicht ohne weiteres vor dem Repräſentanten des Papftes erjcheinen konnten. Sollten fie aber wiederum andererſeits, wie ber Legat verlangte, die Recht⸗ mäßigleit des Interdikts anertennen? Sie konnten es nicht, und als der Erzbiichof ihretwegen allen Gottespienft in der Stadt einftellen ließ, drangen Söldner und Geiftliche in die Stadtkirche, Tiefen mit allen Glocken läuten und ftimmten zum Hohne des Legaten ein Tedeum an. Hieronymus, beichimpft und gekränkt, wollte fich nach Krakau begeben, um dort, „weil fonft im Lande nirgends Ärzte und Medizin zu baben find, feine Geſundheit wieder berzuftellen, allein aus Beforgnis vor Un- frievden und Zwietracht, die daraus entjtehen könnten, nötigten die Polen den Legaten, fih aus dem Lande zu entfernen ?). Hieronymus zog fih nach Breslau zurüd, wo er feit brei Jahren mit Rat und Bürgerichaft in vertrauten Beziehungen ftand, und rächte ſich an den Bündiſchen in Preußen dadurch, daß er die zahlreich nach Breslau um Johannis einkehrenden Preußen als Gebannte behandeln und die gottesdienjtlichen Handlungen vor. ihnen filtteren ließ ?). Eine Beſchwerde des Königs von Polen darüber fand zwar bei dem grollenden Legaten fein Gehör, aber der Rat von Breslau, dem an der

1) Nach der eigenen Darftellung bes Hieronymus au ben Bilchof Dominikus von ZTorcello, in Breslauer Korrefp., Nr. 173. Im Könige- berger Archiv findet fi (von Voigt nicht benutzt) fein Bericht au den Hochmeiſter vom 6. Mai 1463, aus Brzedl noch datiert.

2) Schreiben des Breslauer Rats an den König, an ben Erzbifchof von Gnefen und am ben Bilhof von Wäockawel, Breslauer Korrelp. Nr. 168, woraus zugleich bie Übertreibungen Diugoſzs hervorgehen.

Päpftlide Hintergedanten. 199

Gunſt Kaſimirs eben jet nicht wenig gelegen war, wandte ſich doch deshalb an den Bapjt mit der Bitte, bem Legaten biefe Rigorofität zu verweilen !). Pius aber fam dem Wunſche der Breslauer um fo mehr entgegen ?), als ihm an ber Schlichtung der polnisch-preußiichen Händel durch feinen Legaten nicht mehr viel gelegen war. Schon im Yuli Hatte er dem Erzbiichofe gejchrieben, er jolle mit der Preußenfache, wenn er nicht fehr begründete Ausficht auf Erfolg Hätte, feine Zeit nicht vergeuden 9).

So hatten denn die Polen auch bie zweite ungebetene Ver- mittelung, bet welcher fie mit vollem Necht ven Einfluß felbit- füchtiger Nebenabfichten vorausiegten, glücklich abgeſchlagen. Es war eine merkwürdige und eigentümliche Stellung, welche Kafimir damals in dem Streite zwijchen. dem Papfte und Georg von Böhmen, die fih den Rang als Vermittler in dem preußiichen Kriege hatten ablaufen wollen, nunmehr einnahm. Beide waren in „gutem Wahne erhalten”, und beide waren doch um die Vorteile, die fie fih von der TFreundichaft Polens ver- Sprachen, getäujcht. Auf dem Oktober⸗Reichstag 1468 ließen fich der König und der Neichötag von den franzöfiihen und böh⸗ mifchen Geſandten großartige Bundespläne vortragen, in benen auf Polen gerechnet wird, wenn es fi darum handeln könnte, „ven Bapft abzujegen“. Und ungefähr um biejelbe Zeit, etiva einen Monat nur früher, bielt der Papft mit einem Diplo⸗ maten folgendes Geſpräch *):

1) Cod. epist. saec. XV, 221, no. 195, bie Prototolle ber Verhand⸗ lung der polnischen Gefandten mit dem Erzbifhof. Das Schreiben des Breslauer Rats an den Papft, in Bresl. Korreip., Nr. 183.

2) Bulle des Papftes vom 21: Oftober, in Brest. Korreip., Nr. 196.

3) Brest. Korrefp., Nr. 175, 83. Nichtsdeftoweniger wurde bie Korrefpondenz des Königs Kafımir mit Hieronymus noch fortgejegt. Im September wurden fogar noch zwei Geſandte an ihm nach Breslau ge- Ihidt, um ihn zur Wiederaufnahme ber VBermittelung zu veranlaflen, aber unter Bebingungen, auf welche ber Erzbiſchof fichtlich nicht eingeben wollte Reichſstags⸗Rezeß im Rezeßbuch I des Danz. Archivs.

4) Beriht Iohann Weinreihs an den Breslauer Rat. Breslauer Korreip., Nr. 185.

200 Elftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1463.)

„Wem follen wir”, jagte Pius, „einen Anfpruch auf das böhmiſche Neich geben? Wiffen wir doch nicht, wer die Macht "Hätte, e8 zu bezwingen? Weißt Du irgend jemand, fo fag ihn ung.”

„Heiliger Vater“, erwiderte der Diplomat, „Em. Heiligkeit fennt alle Könige und Yürften, die jolchen Sachen vorzuftehen vermögen.”

Hierauf Se. Heiligkeit: „Nehmen wir dem von Böhmen das Neich, ehe wir einen andern gewiß haben, der e8 aufnimmt, jo haben wir Sorge, wir möchten den Breslauern und uns Aſelbſt) Schande entzünden. Wir müffen zuvor des gewiß fein, der es aufnimmt.“

„Wie gefällt Dir“, fuhr der Papſt fragend fort, „ver König von Polen, ob er mächtig wäre, das böhmifche Reich zu zwingen?“

„Deiliger Vater“, meinte der Diplomat darauf, „wäre er nicht ein Gebannter, der Kirchengüter und (Güter) des Ordens zu Preußen inne bielte, jondern fich der römiſchen Kirche und ihren Geboten unterwärfe, und dem Orden die Lande und Güter wiedergäbe, fo wäre er mit Anderer Hilfe folcher Macht, daß er das böhmiſche Neich überwinden möchte.“

Darauf Se. Heiligleit: „Wenn er das thäte, was Du iprihft, fo hätte er zu feinem Reiche die Preußen wider die Böhmen zubilfe und wäre ftärker, aber wir haben Sorge, er giebt ungern das Gewiſſe, pas er in Preußen hat, und nimmt das Ungewiffe auf in Böhmen. Doc wollen wir uns bes trachten und Dir zu Rom Antwort geben.“

Lodungen des Papſtes. 201

Siebentes Kapitel. Das Friedenswerk.

Schon die Zhatjache, daß der König nach allem, was vor» gefallen war, im Herbſt 1463 noch einmal mit dem Legaten Hieronymus Lando wegen einer Vermittelung in Verbindung trat, bezeugt das tiefgehende Bedürfnis und den gebegten Wunsch eined ehrenvollen Friedens. Da der Legat ſich aber in bie polniſch⸗preußiſchen Händel nicht mehr miſchen wollte, jo ſah fich der König genötigt, jein Verfahren vor dem Papſte zu rechtfertigen, und jandte im Anfang des Jahres 1464 den Sohn des Wojewoden von Kaliih, den rechtögelehrten Ian Ditrorog, an den Papit, bei welchem verjelbe eine über alles - Erwarten ausgezeichnete Aufnahme fand. Im den vertraulichen Geſprächen des Papſtes mit dem jungen Magnaten in dem Heinen Badeorte Petrioli bei Siena !) mögen wohl die erften Andeutungen der Ideen gefallen fein, die Pius II. in dem vor» ber erwähnten Geſpräch mit dem Breslauer Diplomaten aus» geprücdt bat? Indeſſen dürften jie jchwerlich jetzt in Polen einen wejentlichen Anklang gefunden haben. Das waren doch bedenkliche Lockungen, die da das Oberhaupt der Kirche jpielen ließ. Wenn fie in Polen Beifall gefunden hätten, und na⸗ mentlich jett jchon, dann hätte es wohl jo geichehen können, . wie der Papft ed ausdrüdt, daß man das Gewilje für das Ungewifje verjchüttet hätte. Das wollten aber die Polen feineswege. Ye mehr die europätiche Lage es zu erheiichen jchien, daß ihre Macht frei und verfügungsfähig würde, vefto mehr erlannten fie ed als eine Notwendigkeit an, den Gewinn in Preußen in Sicherheit zu bringen. Darauf jpannten fich jegt alle ihre Kräfte, und darum bemerkt man auch in ven

1) Caro, Eine NReformationsichrift des 15. Jahrhunderts, S. 23f.

202 Elftes Bud. Giebentes Kapitel. (1463—64.)

fommenden zwei Jahren, welche für Georg Podiebrad fo vers hängnisvoll werden follten, eine entichtevene Zurüdhaltung ber polniichen Politi. Somohl in dem Konflikt des Böhmenkönigs mit dem Papfte als auch in dem eben besjelben mit dem im Böhmen fich bildenden Herrenbunde beſchränkt fich die polniiche Regierung auf die Entgegennahme der beiberjeitigen Kund⸗ gebungen, und felbit in dem erbitterten Kampfe der Stadt Dreslau gegen den Utraquiften, welcher die polniſchen Inter- eſſen nahe genug anjtreift, begnügt fi) Polen dadurch, daß es der bedrängten Stadt die Handeldwege nach dem Oſten offen erhält ), den Schlefiern ein Zeichen freundlich nachbarlicher Gefinnung gegeben zu haben.

Ye mehr nun aber darauf verzichtet werden mußte, Daß der Trieden mit dem Orden burch die Vermittelung des Papftes ober des ftammverwandten böhmifchen Königs erlangt werden könnte, deſto wohlwollender wurde ein Antrag des Rats von Lübeck, als des Vorortd der Dana, den Ausgleich zu ver fuchen, von den Beteiligten begrüßt. ‘Die jchweren Schädigungen und Berwirrungen, welche der Oſtſeehandel durch den Krieg erlitt, machten e8 dem Rate von Lübeck zur Pflicht, felbft um den Preis eined Opfers die DVermittelung anzubahnen. Um bie Zeit, al8 der Legat fich noch in Preußen befand (Frühjahr 1463), batte der Lübecker Ratsſekretär Iohann Bracht dem Rate von Danzig bereits die erften Eröffnungen gemacht. ‘Dann war er im Sommer auch noch nad Königsberg geeilt, und als er dort Feine abjchlägliche Antwort erhalten, mit den Send- boten der Bünbifchen auf dem Reichstag zu Piotrlow (Oktober 1463) erjchienen, wo eben Anton Marini als Gefandter des Königs von Tranfreich den europäifchen Fürftenbund und das hriftlihe „Welt⸗Konſiſtorium“ dem erftaunten Abel und Klerus von Polen plaufibel zu machen juchte 2). Der König acceptierte

1) Schreiben ber Breslauer an ben Papft vom 7. Auguft 1456, bei Eihenloär, ed. Markgraf, S. 105.

2) Hirfc (Script. rer. Prufs. IV, 608, Anm. 1) zeigt, baß er ben Rezeß im Danziger Rezeßbuch flüchtig gelefen und mißverfianden bat.

VBermittelung der Hanfeaten. 203

die Intervention der Hanfeaten, nur lehnte er die Städte Eibing, Braunsberg, Heilsberg al8 ungelegen zu Verhandlungen ab, da der Orden dort Bejagungen in der Nähe babe, und für eine umfängliche polnifche Gejandtichaft der Weg zu weit wäre. Auch dem von den Bündiſchen vorgejchlagenen Diarienburg gegen» über hielt er die Städte Bromberg, Thorn und Culm als befjer ‚geeignet. Auch die Forderung der Xübeder, baß der Biſchof von Wilno zugezogen werde, wurbe ebenjo wie die vorgefchlagene Zulaffung von Vertretern der Städte Riga, Dorpat und Reval von Kafimir genehmigt.

Es bezeichnet den Fortichritt, den die Friedensideen gemacht batten, daß es dieſes Dial wenigftens, wenn auch erjt um Johannis des folgenden Jahres 1464 zu georbneten Verband» lungen fam. Unter Führung des Biſchofs Arnold von Lübeck waren die hanfeatiichen Bevollmächtigten von Lübeck, Roftod, Wismar, Lüneburg, Riga, Dorpat, Neval mehr als 150 an der Zahl, berbeigelommen, und hatten in Thorn ihren Sit aufgeihlagen. Die Vertreter des Ordens, an deren Spibe neben dem Biſchof oft von Djel der Spittler Heinrich Reuß von Plauen, der Livländiihe Marſchall Gerhard von Malin- frodt und der Graf Georg von Henneberg ftanden, blieben ben Abreven gemäß in ulm, „7 Meilen von Thorn”, während die polnische Gefandtichaft, welche außer ven Biichöfen Ian Lutek von Wloclawek und Andreas von Poſen (?) !), die Wojes woden und hervorragenden Kaftellane Großpolens und die Unis verfitätsprofefforen Jakob von Szadek und Johann von Da- browka neben dem Domherrn und Geichichtichreiber Ian Dlu⸗ goſz in ihrer Mitte hatte, fich gleichfalls „7 Meilen von Thorn von der andern Seite” in Bromberg aufbielt. An fie jchloffen fi unter Führung des Gubernators Stibor von Bayſen die

Bon einem Vorſchlag Frankreichs, den Streit einem allgemeinen „con-

silium‘‘ zu unterbreiten, bat fein Menſch geſprochen.

1) Diugofz nennt ihm nicht, wohl aber Joh. Lindau in Script. rer. Pruls. IV, 612, und Voigt, Geſchichte Preußens VIII, 655. Den⸗

noch dürfte Diugofz recht haben. Auch Detmars Bericht nennt nur

einen Biſchof.

204 Elftes Bud. Siebentes Kapitel. (1464.)

Vertreter der Städte und Nitterjchaft des preußiichen Bundes, welche gleichfall8 einen zeitgendjfifchen Gefchichtichreiber, ven Stadtjefretär Johann Lindau von Danzig bei fich hatten. Der König mit feinen Räten weilte indeffen in dem nahen fujawi- ſchen Braede. Bemerkenswert bleibt es, daß außer den Krakauer Gelehrten und dem Reichsſchatzmeiſter Dincza von Rogow fein einziger Kleinpole an den Verhandlungen beteiligt war. Schon diefe Aufftellung gleichfam in drei Zagern legte bei dem gegen jeitigen Mißtrauen den Verhandlungen Schwierigfeiten in den Weg. So wenig hielt man fi der Stimmung der Stadt Thorn doch verfiert, daß man von der Anmejenheit einiger Orbengritter Verrat und Abfall derjelben bejorgen zu müſſen glaubte. Daher griff eine Peinlichkeit in der Sejchäftsführung Plag, die den Verhandlungen von vorndberein den Charakter der Zuverficht benahm. Das Ericheinen des getreuen Bern⸗ bard von Cimburg unter den Orvensleuten, obgleich er Damals bereit8 jeinen Frieden mit dem Könige von Polen gemacht batte, ſowie andererfeitd die präjubicterliche Führung des Titels „Erbling von Preußen“ vonfeiten Kafimirs in den Vollmachts⸗ briefen erregten Anftoß. Endlich, nachdem alle dieje Vorfragen leidlich beigelegt waren, begannen die eigentlichen Verhandlungen unter dem Vorſitz des Biſchofs Arnold von Lübeck mit einer ergreifenden Anſprache desſelben an bie ftreitenden Parteien. Was den Verhandlungen ihren ganz beionderen Charalter verlieh, war der auffallende Doktrinarismus, mit welchem namentlich von polniſcher und bündnerifcher Seite die erhobenen Anſprüche begründet wurden. Nicht umjonft hatten die Parteien einen Anhang von Profefforen und Gelehrten mitgebracht. Es - wurden bier naturrechtliche und Hiftoriche Argumente vorge» tragen, die nirgends ſonſt in jener Zeit zur Legitimierung eines Anfpruch® geltend gemacht jein mögen. Namentlich gehen die Berufungen auf die Geichichte fo durchaus parallel mit ven von Ian Däugoiz in feinem großen Geſchichtswerke nievergelegten Anſchauungen, daß wir wohl kaum fehl geben, wenn wir ihn als den direkten oder mittelbaren Urheber der polniichen Be⸗ weisführung anjeben. Die Annahme eined Stammvaters ber

Argumente ber Bolen. 205

Polen, Namens Lech, von dem fie bie Bezeichnung Lechiten erhalten hätten, die Auswanderung derjelben aus den urjprüng- lichen Siken in Pannonien, Kroatien und Dalmatien, und bie Anfienelungen verfelben am obern und untern Lauf der Weichiel, der Nachweis der Nationalität aus den Namen der Städte und Ortichaften, aus der Zufammengehörigfeit des Metropolitan- verbandes, die mythiſche Erklärung des Peterspfennigs als eines Kriteriums polnifcher Nationalität durch die angebliche Dispen- fation des bei den Cluniacenſern eingetretenen Herzogs Kafimir, die einjeitige Auffaffung der gewaltfamen Aneignung der Land⸗ ichaften an der untern Weichjel durch den Orden, die Bezug. nahme auf die Prozeffe von 1320 und 1339 vor den päpft lichen Kommiſſaren, deren Rezeſſe bekanntlich Dlugoſz ſelbſt zuſammengeſtellt hat, ſowie alles Weitere, und namentlich auch die Darſtellung der Rebellion der Bündiſchen als eine „Rückkehr zu dem echten, berechtigten und natürlichen Herrn“, fowie die Berufung auf den Kauf der Schlöffer aus der Hand der Söloner, das alles hört fich genau wie eine Wiederholung der betreffenden Kapitel aus der Historia Polonica des Kra- fauer Domherrn an. Aus Briefen der Danziger Delegierten an den heimiſchen Nat erfahren wir, wie man eigens zum Zweck diejer Verhandlungen die „Liberarien“ von Danzig nach Chroniken, das Archiv von Belplin nach Urkunden durchſtöberte. Die deutfche Chronik des Ierofchin, wie des Wigand von Mar- burg, wurde eben damals auf ausprüdlichen Auftrag Dkugoſzs ins Lateiniſche übertragen ?). Der gelehrte polnische Domherr brachte unzweifelhaft nicht bloß für feine litterariichen Zwecke, fondern zur Unterftügung feiner Darlegungen auf der Friedenskonferenz einen Apparat zufammen, der mehr für akademiſche Erörte- tungen, als für praftifche Verhandlungen geeignet war.

Es ift gar nicht zu verfennen, daß diefe allzu gelehrte Me⸗ tbode dem Auftreten ver Polen Abbruch that. Denn einmal tonnten alle diefe vom Sculftaub verbunfelten Argumente mit

1) Qgl. Script. rer. Prufs. I, 665, Anm. 1, und befonders Zeiß- berg, Poln. Geſchichtsſchreibung im Mittelalter, S. 301f.

206 Elftes Bud. Giebentes Kapitel. (1464.)

nicht zu großer Mühe entkräftet werden. Auf jeben gefunden Praktiter mußte es doch einen fiegreichen Einprud machen, wenn die Ordendgejandten gegenüber dem mythiſchen Lech darauf binwiejen, daß im Anfang die ganze Welt menfchenleer geweſen, und daß wohl niemand fagen kann, wer zuerft jene ftreitigen Gegenden bevölkert babe; oder wenn fie darauf binwiejen, daß England und Öfterreich auch den Peterspfennig entrichteten und doch nicht zu Polen gerechnet werden könnten; oder wenn fie zeigten, bvaß in Holland und Seeland die politiichen Grenzen ſich mit den firchlichen Provinzialgrenzen auch keineswegs beckten, und fomit daraus fein Beweis gezogen werden könnte. Dann aber zeugten doc im beften Falle die meiften dieſer Allegationen nur für den Anjpruch auf die Landichaften Culm, Michelau und Bomerellen, und die Yorberung der Polen ging doch darüber hinaus. Die Frievensvermittler Hatten fichtlid das Gefühl, daß die Verhandlungen auf einen praktiſcheren Boden übertragen werden müßten, und fchlugen den Streitenden einen Dergleih auf der Grundlage des uti possidetis vor. Allein die Polen verwarfen dies durchaus. Der Orden, meinten fie, müffe das Land überhaupt räumen, und nunmehr traten fie - mit dem Gedanken bervor, der feit mehreren Jahren dem Könige bereits im Sinne gelegen hatte, und ber bereit im Herbft des voraufgegangenen Jahres mit dem litauiſchen Landtag bejprocdhen worden war !). Sie erboten fih nämlich, dem Orden, um ihn feinem Berufe des Heidenfampfes wiederzugeben, die Landſchaft Podolten einzuräumen, was freilich bie zwifchen Polen und Litauen darüber jchwebenden Streitigkeiten in einer eigenen Weiſe gelöft haben würde. Es ift unbefannt, wie ber litauiſche Landtag zu dieſem Projekt fich verhalten babe, aber bie Ordensbevollmächtigten wiejen nicht ohne Bitterkeit darauf bin, ob fie wohl die „35 gemauerten Städte und 48 feften und wohlgebauten Schlöffer für ein unbebautes und wüſtes

1) Beriht de8 Komturd zu Memel an ben Hochmeifter vom 1. No» vember 1463, im Königsberger Archiv. Vgl. auch Napiersty, Inder II, 44, no. 2022.

Scheitern der Friedenslonferen;. 207

Land, wie Podolien” hergeben follten ). Soviel ging aus ben weiteren Verhandlungen bereit3 hervor, daß die Bolen von der definitiven Abtretung von Culm, Michelau, Pomerellen nebft Danzig, Elbing, Thorn und Mariendburg unter feinen Um⸗ ftänden mehr abjehen werben, überzeugt davon, Daß dann ber Orden in dem abgeichnittenen Winkel des Hinterlandes fich jelbftändig nicht mehr erhalten könne. Aber auch die Ordens⸗ leute verzichteten bereit8 auf den Gedanken der Erhaltung ber Souveränetät. Sie wollten Culm, Micelan und Thorn ber Krone ganz abgeben, für das übrige Territorium aber dem Könige ein Yahrgeld zahlen, ihm Heeresfolge leiften und ihn als „Beichirmer annehmen“. So ſchwankten die Angebote und Forderungen hin und ber, es konnte eine vereinbarende Grundlage nicht gefunden werden. Der bittere Kelch, den ber tapfere Heinrich von Plauen leeren mußte, wurde ihm noch vergällt durch die Beichimpfungen feines Ordensgewands, deſſen fich der Pöbel von Thorn befleifigte. Wie wird den Rittern das Herz geblutet haben, als fie ſehen mußten, wie da ein frecher Bube höhnend mit einem weißen Ordensmantel mit fchwarzem Kreuz umgethan und begleitet von ſechs Gefellen, um das Rat⸗ baus einen Mummenjchanz aufführen, zog an ber Stätte, - wo einjt der weiße Mantel den Herrn und Gebieter bezeichnete. Berbittert und grollend zogen fich die Ordensbevollmächtigten nach Culm zurüd, und mit Mübe nur bewirkte der Biſchof von Lübeck, daß fie dort noch einige Tage das Ergebnis feiner Berbandlungen mit den Polen abwarteten. Alles, was indes von den Polen zu erlangen war, bejtand in der Erklärung, daß fie dem Orden das Samland und die Gebiete von Branden- burg und Balga belafien wollen. Damit waren aber die Ver⸗ bandlungen zerichlagen. Die Lübecker benugten die Gelegenheit, fih vom Könige Kafimir die Beftätigung von vier Privilegien aus der Zeit der Selbitändigleit Oftpommerns zu verichaffen, in welchen ihnen Befreiung von allen Zöllen in Oftponmern,

1) ©. den Bericht in Detmars Fortfegung, in Script. rer. Prufs. IV, 670.

208 Elftes Bud. Siebentes Kapitel. (1464.)

und überbies bie Erlaubnis, ein Kaufhaus in Danzig zu erbauen, zugefichert worden war, und kehrten fonft unverrichteter Sache nachhauſe zurüd !).

Ob es richtig iſt, was erzählt wird 2), daß der Kaiſer und andere beutiche Fürften, insbefondere aber der Kurfürft von Brandenburg, ven Hochmeifter durch bie Einrebe, daß es feiner Würde nicht zieme, fich durch bürgerliche Leute den Frieden vermitteln zu laffen, verbärtet hätten, muß dahin geftellt bleiben. Im Geifte der Zeit und in dem Selbftbewußtiein der Ordens herren war zuverläffig auch ohne ſolche Stachelung von außen ber ſchon ein Gefühl des Wiberftrebens gegen die Notwendig» feit, vor Bürgern zu Gericht zu geben, begründet. Allein eine Erwägung der Kriegslage, wie fie fich namentlih im Sabre 1464 entiwidelt hatte, jchloß die Berechtigung folder Standes vorurteile aus. Im Gegenteil. Nach den Momenten, welche die Thorner BVerbandlungen ar geitellt hatten, mußte ver legte Schimmer von Hoffnung auf Erhaltung einer irgendivie febensfähigen Exiſtenz gerade auf die bürgerlichen &lemente ge jet werden. Wenn die Thorner Verhandlungen einerjeits ben Polen den Gedanken ausgerevet hatten, den Orden in Preußen ganz abzujchaffen oder anderwärts Hin zu verlegen, und anderer- feit8 der Orden zu der Überzeugung gelangt war, daß er bei jeder irgendwie geordneten Zerritorialverteilung jedenfalls feine Souveränetät nicht werde erhalten können, jondern in irgend» einer Form eine Oberhoheit der polniichen Krone werde aner- fennen müfjen, jo mußte die Vorjtellung fich erheben, ob es nicht zu bewirken wäre, daß Preußen ungeteilt als Einheit in diejes Verhältnis zu Polen eintreten könnte, ob nicht auf Grund

1) Das ettere nur bei Dfugofz XIII, 336. In der Leipziger Ausgabe find die Urkunden felöft verfchoben, fie ſtehen S. 307 ff.; in ber neuen Kralauer Ausgabe an ihrem Orte. Dkugoſzs Erzählung ſtellt uns ben polnifhen Rezeß des Thorner Tages dar; ben ber Bünbifchen giebt der Bericht bei Schütz, S. 313ff.; den bes Ordens bei Pole, in Script. rer. Pruls. V, 228sqg; den ber Rübeder bei Detmar, in Script. rer. Pruls. IV, 668sgg.

2) Dfugofz XII, 385.

Berbandblungen auf der Nehrung. 209

einer gemeinfamen Anerlennung der polniichen ', Schirmberr- Schaft” der Riß wieder geichloffen werden fönnte, der 1454 durch die einfeitige Unterwerfung bes preußiichen Bundes ver- anlaßt worden war. Im diefem Sinne geihab es, daß auf Anfuchen des Ordens im Frühjahr 1465 Verhandlungen ein- geleitet wurden, die völlig verichiedben von allen bisherigen Teivigungsverfuchen waren. Weder die hohen Gebietiger des Ordens noch die Polen wurden zugezogen. Es waren nur Preußen, welche gegen Ende April in den Dörfern Kobbel- grube und Stuthof auf der Friihen Nehrung einander obne Vollmacht ihrer Regierungshäupter gegenübertraten. Der Guber- nator Stibor von Bayhſen, Dtto von Machwitz, Nikolaus von Pfeilsporf, Ratsmänner von Danzig und Elbing auf der einen Seite, und ausgewählte „Diener des Hochmeifters” jamt dem DBürgermeifter Georg Steinhaupt und anderen Ratsherren von Königsberg, Kneiphof und Löwenicht auf der andern Seite. Hier, wo im wefentlichen nur bie beiberfeitigen bürgerlichen Elemente einander begegneten, berrichte von Anfang an ein vertrauenspollerer Ton, ein aufrichtigeres Streben nach dem Abſchluß der aufreibenden Wirren, und durch alle die beiber- feitigen Reden Hang der Schmerz doch leife hindurch, daß es jo gefommen tt.

NichtSveftoweniger minberte dies Teinesweged bie Hart- nädigfeit des beiberjeitigen Stanbpunfts. Wenn die Bündifchen den Verſuch machten, den Orden bei feinen eigenen Untertbanen zu bisfrebitieren, fo warnten biefe jene wieberum vor ben Illuſionen, zu denen die jett noch ungehemmt willfährige Gnade des Polenkönigs ihnen Veranlaffung gäbe. „Die Zulunft wird e8 lehren", meinte Georg Steinhaupt, „ob ihr für euch und euere Nachkommen wirklich fo weile und klüglich burch bie Unterwerfung unter Polen vorgejorgt Habt, als ihr jet glaubt. Wer weiß, ob ihr nicht noch bereinft Dinge erlebt, die euch und uns unter die Augen ftoßen werben.” ebenfalls wird Hier in einem Tone der Herzlichleit und gegenfeitiger Schonung in der Form gefprochen, daß man, wenn auch zunächſt ein pofitives Ergebnis nicht zu erwarten war, diefe Verhandlungen wieder aufzunehmen

Earo, Geſchichte Polens. V. 1. 14

210 Elftes Bud. Siebentes Kapitel. (1465.)

beſchloß. Und fo fand denn im Anfang Auguft eine zweite Tag⸗ fahrt an vemfelben Orte, und gegen Ende desjelben Monats eine dritte ftatt, zu welcher Iegteren vonfeiten der Polen der Biſchof von Ermland nebft zwei Doltoren *), und vonfeiten des Ordens der Landmarſchall von Lioland nebjt zwei Komturen binzu- gelommen waren. Überblidt man ven Gang der uns in au führlicher Aufzeichnung erhaltenen Verhandlungen, jo fann man den Eindruck nicht abweilen, daß die Wortführer des Ordens fih im Nachteil in jeder Hinficht befanden. Einmal war es ja ausreichend in der von Tag zu Tag ſich trüber geftaltenven Rriegslage begründet, daß fie Heinlaut auftraten, zweitens aber benahm der Mangel eines feften Programms ihren Erbietungen ben Eindruck durchdringender Überlegung. Sie ergingen ſich in einer Mannigfaltigleit von Kombinationen, welche aus dem Stegreif gefaßt und fomit nicht Tonktret genug für die Unter lage der DVereinbarung zu fein jchtenen, während Stibor von Bayſen mit feiner bejtimmt vorgezeichneten Poſition einen wirt. famen Eindrud der Beharrlichkeit und Bewußtheit hervorbrachte. Das vae victis trat bier fchon mit fchmerzlicher Empfindlicd» feit hervor. Und dennoch zog durch dieſe Verhandlungen ein Sinn der Treue, der Offenheit, der Bieberfeit, der fehr verſchie⸗ ven von ber Überliftungsjucht diplomatifcher Kongreffe Des 16. Jahrhunderts war. Es war die Zwielprache deutiher Deänner, bie da mußten, daß das Geſchick fie geichieden, aber nicht minder einfahen, daß dieſer Ratſchluß des Schickſals um fo empfind⸗ licher, als eigentlich natürliche Verwandtſchaft fie verband. Bon den Angeboten und Rüdoorichlägen, wie fie im Verlauf ver Unterrebungen gemacht wurden, ift bier nicht zu [prechen. Nur die beiberfeitigen Bofittonen, welche die Unvereinbarfeit am Ende derjelben herausitellten, mögen bier angezeigt werben. „Wollten fie uns“, erklärten die Worthalter des Ordens in ber conclusio finalis, „abtreten Marienburg mit ven Gebieten Elbing, DOfterode und Chriftburg mit dem ganzen Hinterland, jo wollen wir dem Könige geben ganz Pomerellen, das cul⸗

1) Jakob von Szadek, der Profefjor, und Johann Diugofz der &- ſchichtſchreiber.

“z

ik

..n. u x. .._

ur 5x

2 Te TR

*

Rudolf von Rüdesheim. 211

miſche Land, Michelau mit Grenzen und Städten. Sollten fie aber darauf nicht eingehen wollen und dem Orden einige Schlöſſer und Städte in Pomerellen zum Aus- und Eingang biejer Lande einräumen, jo follte der Orden für Marienburg ein Jahrgeld zahlen, auf Elbing, Thorn und Danzig verzichten, geftatten, daß auch Inländer in den Orden eingekleidet werden fönnten, und endlich den König von Polen als Bejchirmer Preußens und Livlands anerkennen.“ Diefem weit vorgeftrediten Entgegentommen aber erwiderte Stibor von Bayſen: „Pome- relfen, Culm und Michelau müfjen wir ohne jeden Anſpruch baben, und um Marienburg wollen wir alle Leib und Leben laſſen. Aber von dem Elbingſchen Gebiet wollen wir dem Orden ein Stüd geben, und einen Anſpruch auf das Chrift- burgifche und Djterode- Gebiet gelten lafjen. Dies mögt ihr dem Hochmeiſter für eine weiter anzuberaumende Zagfahrt unterbreiten .“

Eine ſolche fam aber nicht mehr zuſtande. Die Kriege, ereignijje nahmen ihren gefchilderten rapiven Gang zum Unglück des Ordens. Die eigenen Untertbanen des Ordens wie bie Söldner wurden rebelliich, der legte Reit der Mittel war er» Ihöpft, der Mut des Widerſtandes gebrochen. Alle Haupt- feften und Städte des Weitens fielen den Verbündeten im Frühjahr und Sommer 1466 in bie Hände. Der König ftand mit einem großen Deeresaufgebot in Preußen. ‘Die völlige Unter⸗ werfung des Biſchofs von Ermland Hatte den Orden vollends von jeder Verbindung mit Deutſchland abgeichnitten ?). Die Berzweifelung hatte auch die Hartnädigften im Orben ergriffen, nur der Friede fonnte von allem Untergang retten. Aber auch) in Bolen wollte man ben Frieden und nahm die Kunde freudig auf, daß der zum Legaten ernannte und zur Zeit in Breslau weilende Rudolf von Rüdesheim, Biſchof von Lavant, ver eine Reihe diplomatifcher Erfolge in Deutichland aufzuweiſen Hatte,

1) Die Rezefle aller drei Tagfahrten in Script. rer. Prüls. V, 242—270. 2) Am 23. März 1464. ©. Eichhorn in Ermländ. Zeitſchrift 1, 146. 14 *

212 Elftes Bud. Siebenes Kapitel. (1466).

und dem ver Ruf eines ehrenhaften, Hochjinnigen und gerechten Mannes voraufging, vom Papſt Paul Il. aud den Auftrag erhalten hatte, feine Dienfte als Vermittler zwilchen dem Orden und Bolen anzubieten. Bald im Anfange des legten preußi- ſchen Feldzuges hatte Kafimir fih mit den Bündiſchen ver- ftändigt, den Legaten behufs Einleitung des Friedenswerkes einzulaben, und zugleich ven Domherrn Jan Dlugoſz nad) Breslau gefandt, um fich vor jeder Parteilichkeit des Kirchenfürften zu wahren. Gleichwohl verzögerte fi der Beginn des Friedens Tongreffes, weil noch der Ausgang der Belagerung von Konig, ver letzten Orbensbefigung auf dem Iinfen Weichielufer, vie Gemüter in Spannung erhielt. Aber vom Hochmeifter felbft, ver alle Hoffnungen vernichtet und die Gefahr des Abfall8 Der Seinigen von Tag zu Tag anfteigen ſah, ging der Anftoß zur Beichleunigung aus. In feinem Namen erſchien Bernhard von Cimburg, um Frieden bittend, vor dem Könige). Auch jett noch fuchte Kafimir die Enticheivung hinzuhalten, aber endlich ward denn in einer Konferenz zwifchen Bernhard von Cimburg und dem von zwei Räten begleiteten Dlugoſz zu Schwetz feft- geftelit, daß am 8. September Abgeordnete des Königs in Thorn, und Bevollmächtigte des Ordens in Culm fi) einfinden und in einem bazwifchen gelegenen Orte, Eulmfee oder Neffau, die Verhandlungen unter Leitung des Legaten beginnen follten. Und dabei blieb es auch, obgleich ver Gubernator Stibor von Bayſen anfänglic Einwendungen dagegen erhob.

Am 9. September eröffnete Rudolf von Rüdesheim den Srievenskongreß ?). Der Hochmeiſter jelbft mit den Gebietigern ftand in Culm, der König mit den Seinigen in Thorn, ber Legat ließ die Sprecher ber Parteien nah Neſſau Tommen. Der doktrinären Redſeligkeit der polntichen Gelehrten, vie

1) Brief des Königs an Jakob von Debno vom 4. Auguft, im Cod. epist. saec. XV, 233, no. 205, worin auch ein Abriß ber ganzen Kriegslage.

2) Am 29. Auguft war Rubolf von Rüdesheim von Breslau auf- gebrochen. Ein Breslauer Ratsherr, Lukas Eijenreih, begleitete ihn. Efhenlodr ed. Markgraf, ©. 119.

nn ET EEE a a

Friedensſchluß. 213

wiederum in Geſchichte und Naturrecht zurückgreifend, die Recht⸗ mäßigkeit ihrer Anſprüche darthun wollten, ſchnitt der Legat bald das Wort ab. Mit ungemein praktiſchem Geſchick drängte er die Verhandlungen ſofort auf den Boden der realen Differenzen. In dem Feilſchen um Land und Städte, das hinüber und herüber ging, erhob ſich noch einmal der Hochmeiſter zu dem Bewußtſein der Grundlagen ſeiner Stellung. Jedes Opfer war er zu bringen bereit, wenn ihm nur Marienburg und die heiligen Reliquien des Ordens, das heilige Kreuz und das Bild der heiligen Barbara zurückgegeben wurden !). Als aber die Verhandlungen dadurch zu ſcheitern drohten, ſo ſchwand auch dieſes Begehren, und der Orden war mehr oder weniger der Onade ber Polen und dem, was des Legaten großberziges Betreiben für ihn er- zielte, preißgegeben 2). Endlich waren die Grundlagen verein. bart. Mit fchwerem Herzen, vom Schiejal gebrochen, erſchien in der Mitte des Oftober der Hochmeifter vor dem Könige. Den fürjtlichen Rang desfelben ehrend, war ihm Kafimir zum Empfang entgegen gezogen und begrüßte ihn und die Gebietiger mit freunplihem Handſchlag. Allen reichte der Hochmeifter bie Rechte, nur als der Bilchof von Ermland fie ergreifen wollte, zog er fie zurüd. Noch in dieſem Augenblid gab e8 auf pol» niſcher Seite eine Partei, und der Bilhof von Ermland ge- hörte dazu, welche die volle Vertreibung des Ordens durch die jegt kaum jchwierige Eroberung Königebergs für ratſamer bielt. Allein dem Legaten, dem alle Parteien und alle Bericht» erftatter das höchſte Lob und die reichite Anerkennung zollen, kam alles darauf an, ven Friedensſchluß nicht mehr verjchoben zu ſehen. ‘Denn diefer war, wie fich jpäter zeigen wird, mehr als die Erhaltung des Ordens unter den Gefichtöpunften feines Auftraggebers, des Papftes, maßgebend gemwejen.

Endlid am 19. Oktober ward der Friede zujtande ges bracht. Im Gildenhaus zu Thorn verlas Rudolf von Rüdes⸗

1) ©. den Brief Diugofz$ vom 26. Sept. gegen Schluß, im Cod. epist. saec. XV, 236, no. 208.

2) Bgl. das Fragment eines Briefeß bes Diugof 3 vom 4. Ottober, im Cod. epist. saec. XV, 239, no. 211.

214 Elftes Bud. Giebentes Kapitel. (1466.)

beim in deutſcher Sprache, und Vincenz Kielbaſſa, der neue Biſchof von Culm, in polniicher Spracde vor einer zahlreichen Verſammlung ven Zraltat. Hierauf Inieten der König und ber Hochmeiſter nach einander vor dem Legaten nieder und ſchworen, bie Unverbrüchlichleit diefes Friedens anzuerkennen. Der Sitte gemäß folgten bie beiberfeitigen Würbenträger dem Beifpiel ihrer Herren. Hierauf begab fih die Verſammlung in bie Marienkirche, wo ber Legat das Hocamt celebrierte und das Tedeum anftimmte. Ein Gaftmahl auf dem Nathaufe *) ſchloß die Feier des denkwürdigen Tages. Der König machte ben Wirt. Die ganze Gutmütigfeit, die den Jagiellonen eigen war, entfaltete Kafimir in der Behandlung des gebemütigten und jchmerzgebeugten Hochmeiſters. ALS derſelbe vor ihm in ber Gildenhalle ins Knie finken wollte, bob er ihn raſch auf und umarmte ihn unter Thränen. Mit Rückſicht auf die Pflicht bes Hochmetiters, jeine Söldner abzulohnen, verichrieb der König ihm als Erjag für die Abtretung von Miarienburg eine Summe bon 15000 Dukaten, von der er ihm freilich nur 150 bald zu zablen imjtande war 2). Bon der im Vertrage ftipulierten Heeresfolge entband er ihn im Hinblid auf die Verwüftung des Ordensgebiets für die nächiten zwanzig Sabre. Beide Zeile verfünbigten ven beiberfeitigen Untertbanen volllommene Am⸗ nette für ihre Haltung während des Krieges, und diejenigen, welche nunmehr unter die Herrichaft des Königs kamen, Liegen- ichaften aber im Ordenslande hatten, wurden auf 25 Jahre von allen Leiftungen und Laften freigeiprochen. Auch bie jagiel- loniihe Luft am Schenken verleugnete Kafimir nicht. Dem Hocmeifter gab er filberne Geräte, Teftgewänder, Pelzwerl, Pferde, und ebenjo den Komturen und den Sölpnerbauptleuten. Die reichiten Geſchenke aber hatte er dem Legaten zugebacht;

1) Die Kenner der patristiotiihen Romane Guſtav Freitags dürfte e8 intereffieren zu erfahren, daß ber Schultheiß der alten Stabt Thorn in diefem Jahre Marcus König war.

2) Daß das kein Gnadengeſchenk war, wie nah Dfugofz in allen Darftellungen, außer bei Kotebue, Ültere Gefchichte Preußens, zu leſen

it, geht aus ber Verſchreibungsurkunde hervor; Dogiel, Cod. dipl. Pol. IV, 175, no. 124.

Der Friedendtraftat. 215

doch Rudolf von Rüdesheim lehnte fie ebenjo beſcheiden ab, wie er einft, nachdem er den Frieden zwiſchen dem Kaiſer und Matthiad von Ungarn zuftande gebracht, die Gaben des Ungar- königs abgewielen hatte. Beide Zeile ſchickten nunmehr ihre Sendeboten nah Rom, um vom Papfte die Beftätigung des Friedens zu erwirken und für den Xegaten zum Lohne ven Rardinalshut zu erbitten. Bon Polen gingen mit diefem Auf- trage der Biſchof Vincenz Kiekbaffa und ver Sohn des Wojewoden von Kaliſch, Johann Dftrorog, der Kajtellan von Meſeritz.

Der Friedenstraftat ftellte eine völlig neue und ziemlich willfürliche Konfiguration des in zweißundertjähriger Arbeit und Aufopferung der Wildheit abgerungenen Preußenlanvdes her. Polen erhielt nicht bloß Diejenigen Landſchaften, welche noch im Anfang des 14. Jahrhunderts mit ihm in einem rechtlichen Verbande geftanden haben, Culm, Michelau und Pomerellen, fondern auch Schloß, Stadt und Gebiet Marienburg, jowie die Gebiete von Elbing und Chriftburg mit Ausjchluß Fleinerer Teile. Immerhin würde dann noch das dem Orden ver⸗ bliebene Land eine kompakte Maſſe gebildet Haben, wenn nicht die Beſtimmung getroffen wäre, daß ber ermlänbiiche Biſchof als weltlicher Herricher mit feinem ganzen Zerritorium unter die Botmäßigleit und Protektion des polnischen Könige treten folle, während das Bistum Pomeſanien beim Orden verblieb. Ein Blick auf die Karte zeigt, in welchem Maße dadurch die Verwaltung bes Ordenslandes erichwert werben mußte, daß ein breiter Keil polnifcher Landesteile ſich mitten in das Territorium des Hochmeifters hinein lagerte. Nur zwei Bistümer verblieben aljo vem Orden, Samland und Pome- fanien, denn das Bistum Culm wurde wiederum der Gneſener Kirchenprovinz zugeteilt.

Am wichtigften in dem ganzen DVertrage waren aber die Beftimmungen über die neue Stellung, die der Hochmeifter nunmehr einnehmen follte, und über die Organiſation des Ordens. Mit einem Worte läßt fich fagen, daß der Hoch meifter von nun an nicht mehr deutſcher NReichsfürft, fondern polnischer Reichsfürſt werden ſollte. Nur allein die Oberberr-

216 Elftes Bud. Siebentes Kapitel. (1466.)

Iichleit des Papites foll er als ein regulierter Herr noch an» ertennen, nicht aber mehr die des Kaiſers und des deutichen Neiches. Seine Lande, bie ihm geblieben, jowie etwaige Er⸗ werbungen in ber Heivenjchaft follen einen integrierenden Teil bes polniichen Reichskörpers bilden, in welchem der Hochmeifter, nad der ausdrüdlichen Definition jeiner Befugniffe und Ein⸗ ichräntungen, genau die Stellung der Xeilfürften einnehmen ollte. Er follte Mitglied des jenatorifchen Reichsrats werden *) und den Ehrenplag zur Linken des Königs einnehmen, er ſollte eine Anzahl Gebietiger zur Aufnahme in den Senat in Vor: ſchlag bringen bürfen, er ſollte jchwören und jeder feiner Nach⸗ folger jedesmal fechd Monate nach feiner Wahl, daß er die Intereſſen des polnilchen Reiches wie die feinigen betrachten und die Bedingungen biejes Friedens aufrecht halten werde, er ioflte ohne des Königs Einwilligung keinen Krieg gegen Chriften führen bürfen, er follte mit feinen Gebietigern wie jever pol⸗ niihe Senator das Zuftimmungsrecht zu Bündniſſen und Ver⸗ trägen ber Krone mit dem Ausland oder fonftigen Perſonen baben, kurzum er follte genau in die Gerechtiame treten, welche damald noch die majowiichen Fürften ber Krone gegenüber befaßen: eine Stellung, welche ein wenig eingeſchränktes Maß von Autonomie, aber ein durchaus beſchränktes Maß von Souveränetät bedingte aber jedenfalls mit einem Lehnsverhältnis auch nicht das mindefte gemein hatte. Das Feudalrecht galt in Bolen nicht und wurbe auch zur Degrünbung der neuen Stellung bed Hochmeiſters nicht entlehnt. Das Wort „feudum“ over ein Derivat besjelben fommt in bem ganzen Vertrage nicht vor. Nur allein das polnifhe Staatsrecht war für die Konitituterung des neuen Zeilfürftentums maßgebend. Es iſt eine durchaus unzuläjfige Übertragung deutſcher Rechtöverhältniffe auf Polen, wenn in beutichen Schriften von einer im Thorner Frieden geichebenen

1) Mir ift nicht befannt, ob der Ausbrud „consiliarius‘“ and bei ben maſowiſchen Zeilfürften vorlommt. Aber faktiſch hatten fie ebenfalls Sit im Senat und haben 1447 fogar den Borrang vor dem Klerus, ber zur Rechten des Königs faß, in Anfprucd genommen. ©. weiter unten.

Der Friedenstraltat. 217

Lebnsauftragung geiprochen wird. Eine jolche hat durchaus nicht ftattgefunden, und der in dem Bertrage felbit feitgeftellte Eid des Hochmeifters ift von der Form eines Lehnseides abjolut verſchieden. Und dieſem neuen Charakter des Ordens als eines polnischen Zeilfürftentums entjpricht es durchaus, daß künftighin, wie fejtgejtellt wurde, auch Unterthanen jeglichen Standes aus dem Königreiche Bolen und feiner Lande eingekleidet und in die Komtureien und Ordensämter bis zur Hälfte der Ordens⸗ glieverzahl eingejegt werden dürfen. ‘Der Orden hatte fich damit von den Wurzeln und Fußpunkten feines Daſeins getrennt. Bon einem „deutichen Orden“ konnte binfort nicht mehr ges prochen werden. Zwar findet fich auch in andern Berträgen jener Epoche als ftehende Formel die Beitimmung, daß feine Macht der Erde, weder der Bapit, noch der Kaiſer, noch ein Konzil oder irgendeine andere Obrigkeit die Gewalt haben jolle, den Eidſchwur auf den Frieden zu löſen und von feiner Gültig» feit zu entbinden. Aber in dieſem alle hatte dieſe Klaujel Doch ihre eigene Bedeutung, wenigjtens was den Kaiſer vor» nehmlich anging. ‘Denn dem Papfte war ja no, injofern es fihb um Veränderungen der kirchenpolitiſchen Organtjation bandelte, ein Beitätigungsrecht vorbehalten. Aber dem Kaijer gegenüber, welcher doch die Quelle des Eigentumsrechtes war, das der Orden an preußtichen Landen batte, war bie einjeitige Entfremdung eines zum Weiche gehörigen Xerritoriums ein Alt der Felonie, der nur in fo zerrütteten Verhältniſſen, wie damals in Deutſchland berrichten, und bei einem jo inbolenten Herricher, wie Friedrich II. war, ohne nachdrucksvollen Ein» ipruch batte erfolgen können. Es wurde Hier und das ift im Hinblid auf jpätere Vorgänge im Auge zu behalten ab» jolut neues Recht gejchaffen. Der Orden hatte barein ges willigt, nicht mehr nach deutſchem Lehnsrecht behandelt zu werden.

©egenüber dieſen fundamentalen Beitimmungen waren bie weiteren Ordnungen des Thorner Friedenstraktats von unter- geordneter Bedeutung. Sie bezogen fich auf die Sicherheit des taufmänniichen Verkehrs, auf die Gerichtsbarkeit, auf den Modus

218 Elftes Bud. Siebentes Kapitel. (1466.)

der Ausführung der einzelnen Bertragsbeftimmungen und auf bie von beiden Seiten zu gewährenden Bürgichaften für bie Aufrechterbaltung des Friedens. Erwähnenswert ift nur noch, daß Kafimir unter die Zeilfürften des polnischen Reiches, vie er nicht bloß in den Trieben mit einjchließt, fondern für welche er als Reichsoberhaupt das Wort führt, auch den Herzog Erich von PBommern-Stolp und den Palatin Stephan von ber Moldau zählt, ven eriten wohl nur wegen ver ihm überlaffenen Zeile Pomerellens, Lauenburg und Bütow, den andern auf Grund der Verträge, die feit der Begründung der polnijchen Dberhoheit im Frieden von Igloͤ (1412) mehrfach erneuert worden waren. Aber die auffälligfte Ericheinung im Thorner Traktat ift die des Biſchofs Paul von Ermland, als eines unter Töniglicher Klientel erfcheinenden felbftändigen Paciscenten. Da das Bistum, wie fchon bemerkt, Teiner Kirchenprovinz zu⸗ geteilt, fondern in getjtlicher Beziehung unmittelbar dem Papfte untergeftellt werden jollte, fo trat hiermit eine vollflommen neue Einrichtung im polnifchen Staatsrecht hervor. Geiftliche Fürften- tümer bat es bisher in Polen, mit Ausnahme des von Zbigniew Olesnicki erfauften Fürftentums Siewierz, nicht gegeben. Schwer- lich würden die Polen einer jolchen Neuerung ihre Zuftimmung gegeben haben, wenn fie nicht damals jchon den Hintergedanfen gehabt Hätten, daß die Wahl eines Bolen zum Biſchof am beften bie Verbindung des jeiner Bevölkerung nach ganz deutfchen Ermlands mit dem nationalen Intereſſe gewährleiften würde, während bie Zuteilung desſelben zur Gneſener Kirchenprovinz bei bem unverhältnismäßigen Anwachs berjelben im Lande jelbft an mafgebenden Stellen Wiperfpruch gefunden haben würde. Wegen ber in Thorn damals berrichenden Peft, die all⸗ mäplich das ganze Land ergriff, eilten die Teilnehmer des Kon- grefjes bald in ihre Heimat zurüd, um fich in der nächft- folgendeu Zeit der Ausführung der einzelnen Vertragsbeſtim⸗ mungen und der Heilung der unermeßlichen Schäden des Krieges zu wibmen. Bevor aber der Legat den König verließ, Hatte er eine überaus wichtige Unterredung mit dem Könige, welche bie Abfichten und Tendenzen der Kurie bei ihrer Vermittelung

Folgen be3 Kriege3. 219

und die Wilffährigkeit ihres Bevollmächtigten, die Ernied- rigung des Ordens zuzulajfen, mit einem grellen Lichte auf⸗ Härte. Da fi von diefer Unterredung aus wiederum eine neue Kette von Ereigniffen, welche das polnische Volk betrafen, fortipinnt, jo fommen wir jpäter in Zuſammenhang auf die felbe zurück. Aber der neuen Berfpeftiven, welche ver Legat vor den Augen des Königs und jeiner Räte auftbat, beburfte e8 nicht, um das Herz bes beglüdten Monarchen und aller polniihen Vaterlandsfreunde Höher fchlagen zu laffen, ver In⸗ halt des Augenblicks bot des Genugthuenden in reichftem Maße. Die Seeausgänge waren gewonnen, Provinzen von einer Kultur» entfaltung, die faum in einem Zeile Polens eine ähnliche Höhe erreicht, waren in den Schoß des polnifchen Reichs aufgenommen und in eine politiiche Xebensgemeinfchaft zurückgekehrt, die troß einer trennenden Entwidelung von faft zwei Sabrhunderten Doch nicht ganz verklungen war. Treilich ſahen fie in biefem Augenblick von der Turte eines dreizehnjährigen Krieges arg zerzauft und verfommen aus. Wir wiſſen nicht, auf welchen Grundlagen fih der Bericht !) fügt, nach welchem während des Krieges von 21000 Dörfern nicht weniger ald 18000 Dörfer und mehr al8 1000 Kirchen zerftört worden fein follen, aber die Zahlen find jedenfalls übertrieben. Indes als der Biſchof von Lübeck ich zum Thorner Zage begab, fiel ihm die grauenvolle Eindde, die der Krieg hervorgerufen, doch herz brechend auf. „Wir find dahergezogen“ äußerte er, „manche Meile und haben Fein Dorf, feinen Menfchen, fein Tier ge jeben“. Noch Jahrhunderte danach waren in Dichten auf gewucherten Waldungen Spuren ehemaligen nüßlichen Anbaus erlennbar, die der wilde Krieg vernichtet hatte. Ströme Blutes waren in den unglüdlichen dreizehn Jahren geflofien. Abgefeben von den Heimijchen, die der Krieg hinweggerafft, und die auf mehr als 100000 Köpfe angeichlagen werben, folfen 170000 Söldner auf den ©efilden Preußens ihren Tod gefunden haben. Und welche Geldopfer! Über 700000 Mark

1) In der mittleren Chronik von Oliva, Script. rer Pruls. V, 684.

220 Elftes Bud. Siebentes Kapitel. (1466).

ſoll Danzig, und ebenjo viel der Drden verausgabt haben. Polen aber fol nicht weniger als nahezu eine Million Dulaten aufgewandt haben, und das erjcheint inanbetracht ver bi zum Unerträglichen gejteigerten Beichakung des ganzen Landes jehr wohl möglih. Wenn aber ber König ſchon bei einer Über⸗ legung diefer Thatjachen ausgerufen haben ſoll: „Sit denn aber auch Das Land fo viel Chriftenblutes und Geldes wert zu achten?” fo mag es in Polen doch neben den triumphieren- den auch Stimmen gegeben haben, welche ſolchen Zweifel im erhobenerem Maße ausprüdten. Die Kleinpolen wenigitens icheinen wie im ganzen Verlauf des Krieges jo auch beim Frie⸗ den ihre laue Haltung nicht verlaffen zu haben. Es fällt auf, daß der bis zum Jauchzen von patriotiichem Glück gejchwellte Dlugoſz, der an den legten Peripetieen des Krieges einen fo hervorragenden Anteil nahm und vielleicht der Konzipient ber Friedensurkunde war, diejes Mal weder vom Glodenläuten in Kralau noch von Treudenfeuern zu erzählen weiß. Vielleicht war in feiner einzigen polnifchen Stadt, wo man die bitteren Zajten des ausjaugenden Krieges zu empfinden hatte und wohl wußte, daß noch manches Jahr vergeben wird, ehe wieber ein normaler Stand der wirtichaftlichen Verhältniffe erreicht fein würde, die Freude über den Frieden jo ungemejjen, jo geräuſch⸗ voll und fo das ganze Volk beberrichend als in der nicht pol⸗ niichen Stadt Breslau). Hier knüpfte man an biejeu Frieden bie Hoffnung auf eine vollfommen neue Ära, auf eine Rettung von dem Joche des ſlawiſchen und ketzeriſchen Böhmenkönigs. So jeltiam verworren waren die nationalen Begriffe der Zeit, daß eine deutiche Stadt über den jchweren und unermeßlichen Verluſt und Abbruch des deutfchen Neiches in Jubel ausbricht, weil fie nunmehr auf einen andern jlawijchen König bie Aus- fiht baut, durch ihn vor jlawilchen Eingriffen bewahrt zu bleiben. Unzweifelbaft aber am reinften und tiefiten war das Hochgefühl und die innere Befriedigung beim Könige Kaſimir,

1) Breslauer Korrefpondenz, Nr. 341. Eſchenloer, ed. Mart- graf, ©. 123. Diugofz XIII, 386.

Andreas Teczynati. 221

der mit einer Zähigkeit fonbergleichen den Anfechtungen ber auswärtigen Mächte, den Schwankungen bes Kriegsglücks, ven Aufwallungen der Unzufriedenheit feiner neuen Untertbanen, fowie dem bis zu offenen Infulten gefteigerten Deurren feiner alten Unterthanen, der Geldnot und Verlegenheit, ven Schwierig» keiten und Zwiſchenfällen ausbauernden Widerftand entgegen» gejeßt Hatte. Und mit ihm burften die nationalen Parteien des Landes, voran die Großpolen und die „Süngeren“, mit Stolz ſich des Augenblid8 erinnern, da fie vor 13 Jahren auf die Annahme der preußiichen Verbündeten gebrungen und be- ftanden hatten. Es war einer der glüdlichiten Augenblide, welche ber polnifchen Nation in der Gefchichte gegönnt waren. Aber es tft eine weile Vorkehrung Gottes, daß Menſchen und Völkern der PVollgenuß des in einem Augenblid zuſammen⸗ gedrängten Glücks durch eine barmherzige Verhüllung der Zu- kunft gegönnt ift.

Adıtes Kapitel. Die bürgerlihe Tragödie in Krakau.

Wir Schalten an dieſer Stelle die Erzählung eined Vor⸗ gangs ein, der oben nur mit einem Worte geftreift wurde, und der um fo erwähnenswerter erjcheint, als er die fozialen Gegenfäße und den Zuftand der Rechtsverhältniſſe in eindrucks⸗ vollerer Weile beleuchtet, al8 e8 irgendwelche Darftellung ver- möchte. Auf den Gang der allgemeinen Verhältniſſe hatte er nur injofern Einfluß, als er die Aufregung und die Unbot- mäßigfeit des Adels im Feldzuge von 1461, der infolge deſſen fo ganz ergebnidlos endigte, mit veranlaßt bat. Belanntlich hatte der Kaſtellan von Krakau, der jogenannte Pan Krakowski, San Teczyuski, gegen den Feldzug geitimmt und bat ihn auch nicht mitgemacht, aber fein Bruder Andreas wollte dem Auf-

222 Elftes Bud. Achtes Kapitel. (1461.)

gebot Folge leiften. Da feine Rüftung nicht in Orbnung war, Batte er fie dem Waffenſchmied Klemens in Krakau zum Aus- beffern gegeben. Die Arbeit war gemacht, und Andreas kam felbjt in das Haus des Meifters, um fie fich zu holen. Meiſter Klemens forderte zwei Gulden, Herr Andreas bot etwa ben vierten Zeil, achtzehn Groſchen. Der Meifter beftand auf feine Forderung, und der ergrimmte Edelmann ohrfeigte den Hand» werfer in feinem eigenen Haufe. Noch nicht genug, auf ber Stelle begab fih Herr Teczynski auf das Rathaus und ver- Hagte den Waffenſchmied wegen ver Rüftung, wobei er übrigens eingejtand, ihn geobrfeigt zu haben. Der Rat ſchickte fofort einen Büttel nach dem Meeifter mit der Weifung an den Beamten, nicht von jeiner Seite zu weichen, und bat Herrn Andreas, ein wenig zu warten. Diefer aber war zu ungebulbig, verlieh das Nat haus und blieb mit einer Schar von Freunden vor dem Haufe des reichen Ratsherrn Kreidler ftehen, wo biefer und der Pro» furator Walter (Kesling) fich gerade befanden !), al8 eben Meifter Klemens mit dem Büttel nad) dem Rathaus vorüber- ging. „Herr“, rief da der Meifter dem Edelmann zu,‘ „in meinem Haufe haft du mich jchmählich neichlagen und geohr⸗ feigt, jet wirft du e8 wohl bleiben laſſen.“ Voll Zorn fielen Andreas und fein Sohn und feine Leute über den wehrlofen Dann mit blanfen Säbeln und Stöden ber und richteten in jo unmenjchlich zu, daß ihn Herbeigelommene Bürger nachhaufe tragen mußten. Der Büttel, der doch als Sicherbeitägeleit vom Nat ihm zur Seite gegeben war, ftand babei und fah den Borgang mit an. ALS die Herren auf dem Rathaufe davon hörten, waren fie tief erjchroden, denn fie überjahen bald, daß der Streit eine bevenkliche Ausdehnung gewinnen fönnte, und um bem vorzubeugen, begaben fie fich fofort zur Königin auf das Schloß und fegten ihr den Vorgang wie ihre Beforgnifje auseinander. Die Königin Elifabeth gebot jofort beiden Zeilen Ruhe bis zur Rückkehr des Königs bei ftrenger

1) Dfugofz; XIL, 268 merlt an: „aedem ... . regum sculptas imagines in se habentem.‘“

Der Aufruhr. 223

Strafe für den, der fie bridt. In dem Grodbuche des Staroiten fand man ſpäter eingetragen, daß das fogenannte vadium auf 80000 Mark angelegt war !).

Als die Ratsherren aber das Schloß verließen, fanden fie die Stadt fchon in vollem Aufruhr. Sofort gingen wieder einige Ratsherren zur Königin und baten, fie möchte den Andreas Teczhuski gleich auf das Schloß Holen laſſen, denn ohne Mitwirkung der Königin getrauten fie jich nicht, der Bes wegung Herr zu werden. lijabetb fand den Vorſchlag ganz angemefjen und ſandte nach dem Mitter. ‘Diejer aber jo erfuhr man wollte weder etwas von der Bürgichaftsiumme wiſſen, noch aufs Schloß geben, jondern rief raſch feine Freunde in das Haus des Accifepächters und Bürgers Nifolaus Kitinger, wo er zu wohnen pflegte, ließ Steine hinauftragen und richtete ſich auf eine Verteidigung ein. Das Gerücht davon burchflog die Stadt, und als die Ratsherren vom Schloffe in das Stadt⸗ baus zurüdtehrten, ſahen fie von der Schloßgaffe her und an⸗ deren Straßen eine unermeßliche, aufgeregte und bewaffnete Menge fih gegen das Rathaus hinwälzen. Säbel wurden geihwungen, auf den Armbruften die Pfeile aufgefett, und ein Haufe juchte in die NRatsjtube zu dringen. Die Ratsherren begannen zu zittern und machten fih, jo viele ihrer konnten, davon. Nur einige blieben zurüd und traten vor die Thür hinaus. Sobald die Maſſe ihrer anfichtig wurde, jchrie man ihnen entgegen: „Gewalt iſt gejhehen! Wir haben fo oft ſchon über Gewalt gellagt, ihr aber kümmert euch nicht darum!“ Umfonft fuchten die Ratsherren der Menge Har zu machen, daß ihr Genugthuung gegeben werben fol, und was die Königin entichieven bat, denn eben jab man Teczynski, der angeblich auf dem Schloffe fein follte, in berausfordernder Weiſe auf dem Ring umberipazieren. „Worte machen, das Könnt ihr“, rief erbittert die Vollsmenge, „uns zum Trotz und Hohn wan- delt der bier auf dem Ring umher, das ift eure Genugthuung |

1) Urkunde im Cod. dipl. eivit. Crac. (Mon. med. aevi V), p. 241, no, 170.

224 Elftes Bud. Achtes Kapitel. (1461.)

Nun, wenn ihr feinen andern Schug für uns Habt, werben wir uns jelber jchügen.” Die Aufregung wuchs, Die bewaffnete Menge belam Zuzug, die Ratsherren beſchworen bie Tobenden beim Erbarmen Gottes, doch nicht die Stadt und fich jelbft ins Unglüd zu ftürzen. „So ſchützt ihr ung immer“, rief ihnen die Menge entgegen, und bald rafte ver Auf: „Zu den Waffen, zu den Waffen“ über die Stadt hin, während vom Turm ber Marienkirche die Sturmglode beulte. Mit unbezähmter Ge walt warf fih ein Haufe jet auf die Verfolgung Teczynskis, den man, wie gejagt, kurz zuvor noch auf dem Ring erblidt hatte. Das Kitingeriche Haus in der Brüdergafje wurde durchſucht, und als man ihn dort nicht fand, die Nachbarhäufer, bis dann enblich wohl eine Spur auf das Franziskanerkloſter hinzuweiſen ſchien. Bald war das Klofter von den Wütenden umringt. Hinten wurden die Gartenzäune zertrümmert, vorn Thüren und Portale erbrodhen, und nunmehr unaufhaltfiam es mochte ungefähr 5 Uhr nachmittags fein brängte ſich der Pöbel in das Heiligtum. Während bie Menge ihr Opfer in ben Gängen und Räumen des Gebäudes fuchte, war ein gewiſſer Ian Doyſwon aus Warfchau in die Kirche gekommen und ſah plöß- lich gegenüber der Safriftet hinter der Thür am Fuße der Steintreppe, die zur Eleineren Orgel führte, ven gehetzten Edel⸗ mann ftchen, der, jeinem Berfolger winlend, ihm bunbert Dulaten gab oder verſprach, wenn er ihn retten wollte. Doyſwon glaubte es gut zu machen, al® er den nächſten an⸗ dringenden Leuten zurief: „Herr Andreas ergiebt ſich eurer Gnade und bittet um freies ©eleit, er will fih euch vor den Natsherren auf dem Rathauſe fofort ftellen.” Durch die ganze Kirche aber tönte nur der Zuruf: „Er ift hier, er tft Hier!“ Da trat Teczyuski felbft heraus und bat: „Morvet mich nicht, ih bin euer Gefangener.” Aber überall ſah er nur wut⸗ ſchäumende Gefichter, und al8 er bemerkte, daß drüben ein Mönch die Sakrifteithür öffnete, juchte er in raſchem Sprung fie zu erreichen. Da traf ihn ein Schlag über Kopf und Ge fit, und die in die Sakriſtei fich hineinwälzende Maſſe ſchlug erbarmungslos und ohne Scheu vor dem auf dem Altar noch in

Cine andere Berfion. 225

der Monjtranz ftehenden Sakrament auf den unglüdlichen Dann [08, bis er verendet war.

So der den Eindrud der Wahrheit machende Bericht, ber fih in ben Alten des Krakauer Nats erhalten hat ). Nach Dingofz aber, der dem Haufe Teczynski nahe ftanb und jeden⸗ falls dorther feine Informationen erhalten Hat, wird, abgejehen von untergeoroneteren Umftänden, die alle auf Milverung der Schuld des Ritters berechnet find, den Ratsherren geradezu die Anregung unb Förderung des Tumults zugefchrieben. Sie hätten, von dem Beſcheide der Königin unbefriebigt, bie bewaff⸗ neten Bürger zufammenrufen laffen, auf ihre Veranlafjung wahrfcheinlich ſei die Glocke geläutet worden, um bie Hand⸗ werler von ihrer Arbeit zu holen, und der wirre Vollshaufe fei nicht bloß ergrimmt, fondern auch betrunken geweien. Dann aber erzählt er, daß Andreas doch nicht allein war, als er ſich in das Kloſter flüchtete, denn Nicolaus Sanczygniewski, Spytek von Melsztyn, fein eigener Sohn Ian von Rabszthn und mehrere Freunde wären um ihn geweſen. Dem Ian Doyfwon wird nachgefagt, daß er dem Andreas 200 Gulden jchulbig war und eben deshalb ihn verraten habe. Ferner wird in Übereinftimmung mit der Anflageakte erzählt, daß die Mörder auch an dem Leichnam noch ihre Wut ausgelafien, ihm Bart und Haupthaar angebrannt und ihn entblößt durch den Straßen- tot an den Füßen nah dem Rathaus geichleppt hätten ?), wo er zwei Tage behalten wurde, um am dritten der St. Adal⸗ berts-Riche und am vierten den Verwandten zur Beiſetzung in Xiqz übergeben zu werden. Von den Begleitern des Andreas fei fein einziger Sohn, Ian, al® der am meiften gefährdete, Durch das in der Nähe des Schlofjes befindliche Kanonikatshaus des Dlugoſz geflüchtet, bie andern aber hätten fih im Turm des Kloſters verbarrifadiert und feien bi8 zum anderen Tage vom Volle belagert worden, bis fie endlich auf freies Geleit

1) Monum. Pol. hist. III, 793 und Cod. epist. saec. XV, 111, no. 190.

2) Sp auch in ber kurzen Notiz ber Ann. Glogov. in Script. rer. Sil. X, 23, wo das Jahresdatum falſch if.

Garo, Geſchichte Polene. V. 1. 15

226 Elftes Bud. Achtes Kapitel. (1461.)

zum Rathauſe fapitulierten, von wo fie fi nad Vereinbarung mit dem Nat am dritten Zage entfernen burften.

Während dieſes Vorgangs, der fih am 16. Juli 1461 zutrug, befand fich der König in Inowrackaw, welches als ver Sammelplat für das alfgemeine Aufgebot bezeichnet war. Zu feiner ungelegeneren Zeit hätte der Ausbruch des angejammelten Ständehaffes vorfommen können. Kaſimir fühlte fofort, daß die Kataftrophe eine nachteilige Rüdwirfung auf den Feldzug haben werde, und fuchte joniel als möglich biejelbe durch Die wiederholte DVerficherung an den Kaſtellan von Kralau, den Bruder des ermordeten Teczynski, daß er das Verbrechen führen werde, abzuftumpfen. Gleichwohl aber traten die Folgen ihm bald fichtbar unter die Augen. Die Fähnlein der Magnaten fehlten faft fämtlich, und das Lager bot einen traurigen und verbrießlichen Anblid dar. Als nun die Mufterung und vie Ernennung der Bauptleute erfolgt war, trat der Kaftellan Jan Amor Tarnowski von Sandecz, umgeben von einer großen Anzahl von Rittern, als Sprecher des gejamten Adel vor den König, um Rache für das Blut des Erichlagenen zu fordern, denn das Verbrechen ver Bürger von Krakau babe nicht bloß einen einzelnen Mann, fondern den ganzen Abeljtand und ven König felbjt betroffen. Kafimir erwiberte, daß ihm der Fall fo nahe ging, als hätte er einen Verwandten verloren, er ver- kenne durchaus nicht die für den ganzen Staat bevenfliche Tragweite der That, der die Strafe auf dem Fuße gefolgt wäre, wenn ihn nicht der preußilche Feldzug aufgehalten hätte. Nach feiner Rückkehr werde bie Verfolgung diefer Sache fein erftes fein. Die Antwort befriedigte das Heer, aber wir wifjen bereits, daß dennoch ein Unftern über biefem Feldzug waltete.

Nach ſechs Wochen etwa, um Michaelis kam ber König zurüd, und von Bromberg aus, mitten in der Trauer um ben Tod feiner Mlutter, von bem er bort Nachricht erhalten batte, ließ er einen allgemeinen Reichätag auf den St. Nikolaus⸗ Tag nach Neuſtadt⸗-Korczyn ausſchreiben. Zahlreih ftrömte der Übel zuſammen, und ba bie Bürger von Krakau durch bie

Das Reichstagsgericht. 227

Citation des Rats und der Zunftvorſtände recht wohl wußten, um was es ſich handele, waren auch viele aus ihrer Mitte in das nahe Städtchen hinübergereiſt. Die erſten Tage des Reichstags gehörten den fremden Geſandten und den politiſchen Angelegenheiten, aber am Mittwoch, den 9. Dezember !), wurde das Tribunal fonftituiert, vor dem nunmehr Ian Rabsztynski als Ankläger gegen den Rat, die Zünfte und Die ganze Ge⸗ meinde von Krafau wegen Mord feines Vaters, und Ian ZTeczunski, der Kaftellan, wegen der gebrochenen Bürgfchaft von 80000 Mark wider eben diejelben auftraten. Die Angeklagten hatten zu ihrem Sachwalter einen abeligen Herrn, ben Ian Oraczowski, beitellt, ver, obne auf den Thatbeftand fich ein» zulaffen, bie Kompetenz des Gerichtshofes auf Grund des in Krakau bejtehenden Magdeburger Rechts ablehnte. Bevor ber Sachwalter aber das hierauf bezügliche Privilegium Kaſimirs des Großen ?), das allerdings für einen Fall wie den vorliegenden die Gerichtsbarkeit ausprüdlich einer aus Ratsmitgliedern und Bürgern unter dem Vorſitz des Königs oder feines Stell» vertreters zu bildenden und nach Magdeburger Recht urteilenden Schöffenbank vorbehielt, nur verlefen fonnte, wurde er nad feiner Vollmacht befragt. Offenbar war man in den Adels⸗ freifen mehr noch als. über den erhobenen Einwand darüber entrüftet, daß fich ein Edelmann, und zwar hoben Geblüts, gefunden Hatte, die Sache der verachteten Bürger vor Gericht zu führen. Es erjcheint aber geradezu unfaßlich, daß Oraczowski eine Vollmacht nicht aufzuweilen vermochte, und nun brach bie Wut gegen den Sachmwalter los, die adeligen Herren jchlugen: auf ihn los, rauften ihm die Haare aus, und wenn er fich nicht on dem Mantel des Königs gehalten hätte, wäre er tote gejchlagen worden. Das Tribunal aber verurteilte ihn zu einer: Strafe von drei Mark wegen Intrufion in einen Gerichtshandel und ließ ihn verhaften. Daß ihn die Kralauer mit Gelb ver-

1) .Diugofz übereinftimmend mit Spominki Krak., in Mon. Pol. hist. II, .241. Die- Marginalnote daſ. ift falich. | 2) Cod. dipl. civit. Crac., p. 36, vom 7. Dezember 1358. 15*

228 GElftes Bud. Achtes Kapitel. (1461.)

faben, um ſich bald aus der Haft zu löſen, verfteht fi von ſelbſt. Da num aljo die verflagte Partei nicht Rede geftanden hatte, wurde ihr ein peremptorijcher Termin auf ben 14. Des zember angefegt, und als auch dann nur ein Sachwalter Der Berklagten mit dem Privileg vom Jahre 1358 erſchienen ivar, wurbe der Thatbeſtand als zugeftanden angejehen, und die Ge⸗ meinde Krakau für beide Fälle verurteilt ). Zwilchen ven beiven Verhandlungen waren zwar 4 Ratöherren und ein Sachwalter aus Krakau nah Neuſtadt⸗Korczyn herübergelommen, nicht ſowohl um im Gericht Rede zu Stehen, als um auf ven König zu wirken und ihm die Wahrung ihrer Vorrechte zu empfehlen. Aber der König ließ fie nicht zu Worte fommen, und da die . Bürger fi in der Abeldverfammlung nicht ficher fühlten, warfen fie fich heimlich des Nachts auf ihre Pferde und fehrten unter Zurüdlaffung ihrer Wagen nah Krakau beim. Die Führung des Prozeſſes vonfeiten des Rats jchien allerdings infofern eine ſchwache Seite darzubieten, als die neuere Geſetz⸗ gebung, das Statut von 1454, ausprüdlich für den Fall der Ver⸗ wundung eines Edelmanns durch einen „Plebejer oder Bürger” die Eliminterung des Stadtrechts zugunften bes Landrechts gewährte. 2). Aber überall galt der Grundſatz, daß Stadtrecht vor Landrecht gebt, und daran fich zu Halten, war der Nat wohl berechtigt. Nach polniichem Necht war nunmehr, nachbem das Urteil geiproden, nur noch ein Termin, der fogenannte „ad satisfactionem“ abzuhalten, bei welchem der Verurteilte fein Ausbleiben motivieren konnte. Der Reichstag war am 21. Dezember fchon aufgelöjt, und der König war nach Krakau gelommen. Der Adel hatte ſich dankbar erwielen, denn er hatte wiederum die Steuer der Städte und Bauern, den jo genannten Vierdung bewilligt. Erwägt man, daß der König eben damals auch mit einem Zeil des Klerus in einem heißen

1) Das Kontumazurteil von Neuſtadt⸗Koreczyn ift nur inbetreff bes Babiums feinem Wortlaut nach vorhanden in Mon. Pol. hist. III, 804. Aber beide kennt man burch den Auszug im Satisfaltionstermin.

2) Bobrzynsti, Ustawodawstwo Nieszawskie, p. 92.

J

Das Urteil. 229

Kampfe lag, und zwar fo jehr, daß er eben nach feiner Ankunft in Krakau jenes Kanonilatshaus des Dfugofz, durch welches der junge Teczyuski fich geflüchtet Hatte, wegen der Wiber- ipenftigfeit des Domherrn inbetreff der Befegung des Krakauer Bifhofsftuptll aufbrechen und ausplündern ließ, jo wird man begreifen, daß er dem Abel das Opfer feiner eigenen Gefühle zu bringen genötigt war, wollte er nicht auch biefen mächtigften Stand zur Auflehnung reizen.

In der That erichien ver König in biefen Tagen von einer Energie und einer Härte, die feiner Natur fonft nicht eigen waren. Übrigens forgten die Teczyüski dafür, daß die „Finals exefution” nicht verichoben werde. Am 5. Januar fand ber Satisfaltionstermin ftatt, und da der Rat natürlich fein Aus bleiben nicht anders als früher begründen konnte, fo war der Prozeß zu Ende, das Urteil vollitredbar !). Noch immer aber mag der Nat fich Hoffnungen gemacht haben, denn wen follte und wollte man denn mit dem Urteil treffen? Dean Tonnte Doch nicht die ganze Gemeinde hinrichten! Der unglüdliche Urheber des „Auflaufs“, der Meijter Clemens war außer Landes geflohen, und jener Ian Doyſwon ebenfalls. Wie ſollte man die Schuldigen ausfindig machen? Aber auch dieſe Heine Ausficht ſollte alsbald verjchwinden. Am 8. Januar jandte der König an den Rat und ließ ihn auffordern, ihm die Schuldigen auszuliefern, denn der Herr Kaftellan Teczynski will nicht die Unfchuldigen mit den Schuldigen die Strafe eines fo außerordentlichen Verbrechend büßen laſſen. „Man fennt bier feinen Schuldigen“, war die Antwort des Rats, „denn es iſt notoriich, daß feine anftändige und Beſitz habende BVerjönlichleit an der That fich beteiligt Hat. Von ven ofen. Leuten und Handwerksgeſellen, die das Verbrechen begingen, ift der größere Zeil jchon geflohen.” Damit gingen die Send» boten zum Könige zurück, aber kurz darauf erfchtenen wieder andere und eröffneten dem Rate im Namen des Königs: „Wir haben eure Antwort vernommen. Ihr behauptet, wie ihr

1) Helcel, Pomniki II, no. 3661a und b, 3662. 3663.

230 Elftes Bud. Achtes Kapitel. (1462.)

ihon immer getban, daß ihr die Schuldigen nicht kennt. Nun benn, der Herr Kajtellan Teczyuͤski bezeichnet als Schuldige: ben Bürgermeifter Stanislaus Leimiter, -Die Ratsherren Kung Lang, Jarosz Szarley, Martin Belz, ferner Aus der Gemeinde (die Schöffen) Johann Zeichner und Nikolaus Wolfram, dann den Maler Albert, den Spohrer Johann Schilling und ven . Düttelmeifler Nikolaus. Diefe habt ihr nach Eid und Gehorfam anszuliefern, oder der ganze Rat und bie ganze Gemeinde zugleich mit ven Inkulpierten erjcheinen fofort vor dem Könige.“ Es war ein fchredliches Wort. Die Häupter der Stadt, Männer, die feit Iahren die Ehre und das Vertrauen ber Bürgerſchaft genoffen, dieje Hatte die Rachſucht Teczynskis ſich ausgeſucht. Da erhoben fich die Genannten und ſprachen: „Wohledle Herren, da der Herr Kaftellan uns, will's Gott un- ſchuldige Leute, des Verbrechens bezüchtigt, jo wollen wir Das Rathaus nicht verlaffen, bi8 wir und dort, wo wir nad un⸗ jerm zuftändigen Recht verpflichtet find, gerechtfertigt haben werden. Wir haben die Zuverficht zu unjerer Unſchuld, daß fie uns frei machen wird.“ Und dann zur Gemeinde und ben Natsherren fich wendend, riefen fie: „Auf euch, liebe Herren, berufen wir uns, wenn jemand unter euch ung insgefamt oder einen von uns auch nur im ©eringften ſchuldig weiß, fo fage er es, und ohne jede Widerrede wollen wir und dem Rechts» ipruch unterwerfen.“ „Nein, nein“, riefen da alle, „ihr feid rechtlich und unfchuldig, von feinem wiſſen wir etwas Unrechtes.“ Die Löniglichen Boten hörten dieſe ergreifende Rede mit an, und als fie dem Könige Bericht erftatteten, trugen fie im Namen der Gemeinde ihm die Bitte vor, wenigjtens bis zum andern Tage mit dem endgültigen Bejcheide zu warten. ‘Dies geihah denn auch. Die Inkulpierten waren im Rathaus ge- blieben. Am Sonnabend, den 9. Januar, aber erichienen ber KRaftellan von Kalisz, Nikolaus Skora de Gaj und der Krafauer Staroft und Unterlämmerer Nilolaus Pieniqzek wiederum vor dem Rat und richteten im Namen des Königs die kategoriſche Frage, ob fie ihm gehorchen wollten, oder nicht. ‘Die bebrängten Bürgervorftände pflogen nun eifrig Rat. Es iſt eine den

®

Der König und der Stadtrat. 231

Stabtkreifen zwar nabeftehende, aber auswärtige Quelle !), welche und verrät, daß in der Bürgerfchaft keineswegs bie Einigfeit herrſchte, Die man nach dem aftenmäßigen Bericht des Krakauer Rats vorausfegen follte. Und in dieſem peinlichen Augenblid, der ein grauenvolles Schickſal entſcheiden follte, bürfte der Zwieſpalt der Meinungen den berebteften Ausdruck gefunden baben. Einfach nachgeben bebeutete nicht bloß die Aufopferung einer ganzen Schar der ehrenwerteften Männer, von denen gewiß viele wo nicht alle Familienväter waren, fondern obendrein die Durchlöcherung des Stadtprivilegiumsg, der autonomen Gerichtsbarkeit, des Palabiums, auf dem Glanz und Blüte des Gemeinweſens beruhten. Ebenſo wenig aber durfte man dem Könige troken, denn e8 wird wohl niemandem in Krakau ein Geheimnis geblieben fein, unter welchem Zwang der Verhältniffe Kafimir in diefem alle handelte, handeln mußte. Man war überzeugt, daß die Unverföhnlichkeit des Adelftands den König zu Schritten drängen würde, die ein unabjehbares Verhängnis über die ganze Gemeinde herauf- beſchwören würden. Endlich fand man darin eine vermittelnde Auskunft, die im Hinblid auf die Gutmütigkeit des Iagiellonen eine leife NRettungshoffnung eröffnete, daß man die geforderten 9 Bürger nit in die Diskretion des Anklägers, fondern in die Gewalt des Königs auszuliefern beichloß. Dann Batte man dem Könige geborcht und dem Rechte nichtS vergeben. Es war ein trauervoller Aufzug, al$ der gefamte Rat, die neun Angeichuldigten in feiner Mitte zu Wagen führend, fich auf das Schloß begab. „Erlaucter König und Herr”, jo redete ein Rats⸗ mitglied den König an, „Deine Hoheit bat in wieberbolten ftrengen Weifungen uns aufgegeben, dieſe grundlos bejchuldigten Leute vor Deine Majeftät zu ftellen. Wir wollen nicht des Ungehorfams und der Auflehnung geziehen werden. Wir fommen Deinem Befehle nach, wir bringen bieje Leute, nicht der Schuld Überführte und Verurteilte, fondern Leute, denen

1) Breslauer Korrefpondenz, ed. Markgraf in Script. rer. Siles. VID, 79.

232 Elftes Bud. Achtes Kapitel. (1462.)

fein Fehl nachgewiejen if. Die ganze Gemeinde bittet Dich mit uns, die Männer vor unfer Gericht zu ftellen, falls jemand eine Klage wider uns bat, fie werben jedem Rede ftehen, und Du wirft folchergeftalt unjer Stadtrecht als ein gnädiger Herr in Schuß genommen und uns barin verwahrt haben.“ Die Hin- und Widerrede zog fich in die Länge, der Nat machte alles geltend, was jeinerjeitS gejagt werben konnte, aber in dem Widerftreit zwiichen Politik und Recht blieb die erftere im ÜÜber- gewicht. Soviel Hatte Kaſimir nach einer Beiprehung mit jeinem ftändigen Königsrat gegenüber dem rachfüchtigen Drängen des Kaſtellans Teczynski zugeftanden, daß das SKontumactal- erfenntnis allein nicht ausreichen folle für die Strafvollſtreckung, - jondern daß dem Ankläger nach polnifhem Recht der Eid über die Beichulbigung der von ihm Genannten abverlangt werde. Wird Herr Ian Teczyüski von Rabsztyn ſchwören? Wirb er in feiner Rachjucht das Leben von neun ſchuldloſen Männern auf jein Gewiſſen nehmen? Es läßt fich denken, daß von allen Seiten Verjuche gemacht wurden, dem jungen Manne das Gerz zu rühren. Für einen der Unglüdlichen, für Martin Bel; bat der Benebiktinerfonvent, für einen andern, für Jarosz Szarley machten fich die verjchiedenjten Einflüffe geltend, und enolich geſchah es ſogar, daß bie ftolzefte Frau, die Habsburgerin, Die Königin Elifabeth, der ein Matthias Corvinus nicht gut genug zum Eidam war, von ihrem Schlofje berabitieg und in Das Haus des jungen Evelmannd trat gewiß nicht bloß, wenn auch vielleicht vornehmlih, für den einen zu bitten. Es war vergebens. Nur dreien fchenfte er das Neben, den Ratsherren Martin Belz, Johann Zeichner und Nikolaus Wolfram. Gegen die übrigen ſechs aber, gegen Leimiter, Yang, Szarley und die brei Zunftmeijter leijtete er den Eid.

Unmittelbar nachdem die Opfer auf das Schloß gekommen waren, wurden fie in einen Turm vesjelben eingeferfert. Dort blieben fie in Finſternis und Einjamleit, ſchwebend zwiſchen Leben und Tod, einige Tage. Am 15. Januar 1462 wurben fie endlich, verjehen mit den Saframenten in dem nach ber Weichfel zu gelegenen Zurme durch den Henker vom Leben

Die Bollftredung. 233

zum Tode gebradht. Dan nannte denjelben fortan den Teczynätis Zurm. Auf dem Ringe nah dem Herkommen das Hoch gericht zu vollziehen, Hatte man nicht gewagt. ‘Die Leichname der Hingerichteten bolte die Gemeinde vom Schloffe herab in die Stadt, und in einem gemeinfamen Grabgewölbe wurden fie unter ber Safriftei der Marienkirche beigefegt. Bon der Trauer und dem Wehllagen der Stadt kann ſelbſt ver Freund ber Teczynski nur mit lebhaften Worten reden. Daß es ein Juſtiz⸗ mord geweſen, baben doch auch jchon unbeteiligte Zeitgenofjen zugeſtanden !).

Die drei am Leben erhaltenen Bürger mwurben von dem jungen Teczynski in der Feſte Rabsztyn anfänglich in ftrenger, alsdann in milderer Haft gehalten, und endlich nach einem Jahr und acht Wochen wiederum entlaffen. “Die Gemeinde ehrte fie auch fernerhin mit ihrem Vertrauen, denn man findet fie noch im Rate viele Jahre hindurch. Der Meifter Clemens aber, an dem das Unglüd der Stadt anhob, und der, wie gefagt, nach Breslau geflohen war, fand dort feine fichernde Stätte. In ihrem erbitterten Kampfe gegen Georg Podiebrad hatte die fchlefiihe Kommune eben damals eine gewifje An⸗ lehnung an Polen gejucht und mochte ihr politiiches Intereſſe nicht durch einen flüchtigen Mann fompromittieren, und ber aus feinem Hausfrieden aufgejcheuchte Meiſter mußte weiter wandern. Im Sagan ijt er alsdann in Kummer und Gram geftorben. Und außer dem verjchollenen Ian Doyſwon gab es noch ein Opfer, denn jener Herr Kreidler, vor deſſen Hauſe die brutale Schlägerei vom 16. Juli ftattgefunden Hatte, war aus Furcht vor Mitverwidelung in den Prozeg davongelaufen und hatte jih zu Jan Melsztynski geflüchtet, wo auch die Flüchtlinge aus dem Pfaffenkriege Schuß gefunden hatten. In⸗ folge hoher Verwendungen wurde er zwar von jeder Verfolgung befreit, aber eine jchwere Krankheit hatte er fich doch durch Die Angjt zugezogen. Mit der Hinrichtung der ſechs Gemeinde.

1) Spominki Krak. in Mon. Pol. hist. III, 241, iudicium crudelis- simum et iniquum,

234 Elftes Bud. Achtes Kapitel. (1462.)

porjteher war aber nur dem Sohne des erjchlagenen Andreas genug gethan. Sein Bruder, der Raftellan von Krakau, hatte, wie wir fahen, in Neuſtadt⸗Korczyn und in dem [päteren Satis⸗ faktionstermin noch den Anſpruch auf das Vadium von 80 000 Mark erſtritten, und der Juſtiziarius (Wozny) von Krakau, Sitko, hatte die Erlaubnis erhalten, durch Pfändung die Zahlung dieſer ungeheuren Summe zu erzwingen. Man hat berechnet, daß 80000 Mark nicht weniger als 91 Zentner Silber be- tragen haben würden, und daß bie völlige Verarmung ber Stadt bie unausbleiblihe Folge gewefen fein würde. Nun beftand bie Verurteilung der Bürger zu biefer unerichwinglichen Zahlung doch auch mur auf dem Kontumacial-Ertenntnis. Der That⸗ beftand der Verpflichtung war noch nirgends nachgewieſen. Allerdings ftand in dem Grodbuche von Krafau und nod heute kann man es leſen durch den Staroften eingetragen ein Vadium von 80000 Mark, auferlegt durch bie Königin Eliſabeth, aber der offizidfe Bericht des Nats über ben ganzen Hergang ftellte e8 überhaupt in Abreve, daß die Königin eine beftimmte Summe als Babium limitiert hätte, und beruft ſich ausdrücklich auf eine entfchievene Beftätigung dieſes Einwands burch die eigene Ausfage der Königin, fo daß alſo der maßloſe Anſatz don 80000 Mark lediglich auf die Willfür des Starojten Nikolaus Pieniqʒek zurüczuführen war. Diele durch feine Ges mahlin ihm gewährte Überzeugung mag es nun gewejen ſein, bie den König veranlaßte, dem Gerichtsvollzieher in den Arm zu fallen. Er vefretierte in Übereinftimmung mit dem Königs rat, daß einftweilen die Vollſtreckung des Urteils bis zu erneuter Verhandlung auf dem Neichstage zu Piotrkow zu fiftieren ſei. Natürlich entfpra das gar nicht den Wünſchen des Kaftellans Teczynski und feiner Freunde, und nicht nur, daß er won ber Detreibung der Exekution nicht abließ, was den Stabtrat zu wiederholten Vorftellungen beim Könige veranlaßte, er brachte auf dem Provinziallandtage von Neuftadt-Korczun, wo er und die Seinigen den unbefchränfteften Einfluß genoffen, ein Schreiben an das Krakauer Landgericht zumege !), worin in ber unbot- 1) Helcel, Pomniki II, no. 3682.

Der Prozeß über das Vadium. 235

möäßigiten Weife von den Widerjprüchen der Föniglichen Dekrete gejprochen wird, und worin ber Heinpolnifche Adel in fouveräner Anmafung das Gericht auffordert, unter Beſeitigung aller Zöntglichen Befehle dem formalen Rechtsſpruch Genüge zu leiſten. Das Schreiben datiert vom 27. Juli 1462. Faft unverzüglich darauf aber erichten von Thorn aus ?), wo der König damals weilte, ein neues königliches Edikt, daß niemandem das Recht zuftehbe, im entgegengejegtem Sinne Anoronungen zu treffen, daß fie, von wen auch immer fie ausgingen, null und nichtig wären, und daß es bei dem anbefohlenen Aufichub des Ver⸗ fabrens unbedingt fein Bewenden haben müffe. Von dem Reichs⸗ tage burfte freilich Ian Teczynski nach der vernichtenden Ausjage der Königin faum eine Anerkennung feiner Forderung erwarten, zumal berjelbe doch auch der politiichen Rüdjicht auf den wirt- Schaftlichen Auin der Stadt Raum gegeben haben würde. Er zog es daher vor, bei dem Krakauer Landgerichte, das am 4. Oktober noch vor dem Reichstage Termine abhielt, einen erneuten Verſuch zu machen?). Seinem auf die Erefution dringenden Sachwalter Ian Nieprowski trat aber dieſes Mal ein Anwalt der Stadt, Peter Kolawa mit dem Thorner Edikt des Königs vom 16. Auguft gegenüber, und daß jo in die Enge getriebene Gericht half ſich in Anbetracht des dazwilchen ge⸗ tretenen Kompetenzkonflikts durch Verweiſung der Sache auf die nächften Termine, die nach dem Gebrauch erft nach dem Meichstage gehalten werden konnten.

Ob fih nun der am Martinitage in Piotrkow gehaltene Reichstag, ver durch den majowiichen Erbfolgeftreit eine bejondere Bedeutung hatte, mit dem Teczunisfis Prozeß beichäftigte, iſt nicht befannt. Dem Gericht ift er nur noch unterbreitet ge- wejen, um ben mittlerweile durch Dzierslaw Rytwianski und Jakob Debinski bewirkten Vergleich zu legalifieren. Der Kaftellan Teczyüski hatte im Vergleichöverfahren feine Forderung fchon auf 8000 Dukaten ftatt der 80000 Mark reduziert und fich

1) Helcel, no. 3684 und Cod. dipl. eivit. Crac., p. 245. 2) Ibid., no. 3687.

236 Glftes Bud. Achtes Kapitel. (1462.)

jchlieglih mit 6200 Dufaten völlig abfinden laſſen ‘). Das Urteil vom 5. Sanuar 1462 wurbe in dem Gerichtöbuche annulliert, und damit war der zweite Aft des fogenannten „itigium magnum“ geſchloſſen. Es berührt num freilich wie das Satyripiel nach der Tragödie, daß das Krafauer Ge⸗ riht am A. März 1463, eben in den Tagen, da der Vergleich zum Abjchluß gelangte, auf Verlangen des Rats von Krakau das Privilegium Kaſimirs des Großen vom 7. Dezember 1358 wegen ber eigenen Gerichtsbarkeit legalifierte 2), daß der Staroft Nikolaus Pieniqzek dasjelbe zur allgemeinen Kenntnis brachte, und daß der König endlich auch, um jedem daraus abzuleitenven Präjudiz vorzubeugen, auch das erjte Urteil vom Satisfaktions⸗ termin durchitreichen, aljo ungültig machen ließ, eine Annul- lierung auf dem Papier nach dem thatfächlichen Yuftizmorde. Wahrfcheinlich tft der ungemein lebendige aber doch jedes Urs teils fich enthaltende Bericht des gangen Vorgangs, der ſich uns erhalten bat, vonjeiten des Rats behufs Information anderer Städte und indbejondere wohl Breslaus abgefaßt worden. &8 mag wohl auch nicht ohne Zuſammenhang damit fein, daß eben damals der Breslauer Ratsherr Andreas Hornigk fih an den polniichen Königehof begab und mit feinem Anliegen fick zunächit an die Königin Elifabetb wandte. Dem Anjcheine nach bat der Krakauer Rat in feiner äußerften DVerlegenheit ſich um eine möglichft bisfrete Intervention bei der deutichen Stadt beworben, da diefe durch ihre Feindichaft wider Georg Podiebrad mit dem polnischen Königshofe und namentlich eben mit ber ihrer legitimen Anfprüche auf Böhmen lebhaft gedenkenden Habs» burgerin in einem gewiffen Gefühl der Gemeinschaft ftand. Dem deutſchen Ratsherrn gewährt es fichtlich eine Befriedigung, wahr, zunehmen, daß bie Fürftin „einen veutichen Mann“ als Beicht- vater und geheimen Rat bei fich bat. Man jpricht offenbar im. Vertrauen mit Hornigk, und er gewinnt, wie er berichtet, ven Ein-

1) Heleel, no. 3706. Über die Zahlung im Cod. dipl. civit. Crac., p. 247. 687. 2) Cod. dipl. civit. Crac., p. 247.

Schlußbetrachtung. 237

druck, daß der König gar manche Dinge jetzt geſchehen laſſen müſſe, nicht wie er ſie wünſcht, ſondern nach dem Verlangen der Herren, die ihm als Ratgeber zur Seite ſtehen. Der Parlamentarismus iſt gewachſen, die Königsgewalt iſt eingeſchränkt. Auch ohne dieſe Andeutungen eines beobachtenden zeitgenöſſiſchen Politikers würde man namentlich bei der Erwägung der Kriegslage in Preußen und bei der Erinnerung an den Pfaffenkrieg in Krakau den Eindruck haben, daß der König nicht der freien Eingebung ſeiner natürlichen Milde gemäß handeln konnte. Die raſende See des Adelshaſſes wollte ihr Opfer haben. Der königliche Wille reicht allenfalls aus, eine beabſichtigte Beuteljchneiverei !) von maßlojer Ausdehnung zufchanden zu machen, aber er ift nicht mehr ſtark genug, um Unbeſcholtene vor dem NWichtbeil zu fchüßen, und nicht mehr jo weitvermögend, um die Gerechtiame feiner Hauptſtadt, auf der notorifch die ganze Blüte derjelben berubt, vor Antaftung zu wahren. ‘Das ift einer der grellen Lichtitreifen, der aus dieſem Vorgang auf die inneren Zuftände Polens fällt.

Dann aber dürfte insbejondere dem beutichen Xejer, ber die Erinnerung voll hat von jenen zäben und blutigen Bürger» kämpfen mit ihrem beldentümlichen Pathos, doch die Paſſivität der Krakauer Bürgerichaft etwas auffällig erfcheinen. Auch der Breslauer Stadtrat Hornigf, der ficherli der Sympathieen für die bürgerliche Sache nicht entbehrte, fcheint doch der Ge» meinde in Krakau mehr Fehler und Verſehen zuzufchreiben, als der offizidfe Bericht erfennen läßt. Er fcheint doch die „Ein- tracht, die Klugheit und die Ausdauer“, die folche Kataſtrophen abzuwenden vermögen, in merklichem Maße vermißt zu haben. Die Gemeinde hat nicht jene politiiche Gewandtheit und jenes fejt umfchriebene Selbftbewußtiein, die allein durch bie ununter- brochene Zeilnahbme an einem politiihen Gejamtorganismus erworben werden. Auf dem Reichstage ift fie fremd, die Zeiten, da fie wenigftens in außerorventlichen Momenten ein inte

1) „Pena vallata per rapinam “, Spom. Krak. in Mon. Pol. hist. III, 241.

238 Elftes Bud. Achtes Kapitel. (1463.)

grierender Teil desfelben war, find längſt vorüber. Weber individuell noch als Geſamtſtand ift das Bürgertum noch in dieſem Gerebralorgan des Staates vertreten. Seine ganze Beziehung zum Staate geht allein noch durch den König, und der König ift nicht mehr unumſchränkt. Vergeblich fieht man fi) nach den Vereinigungen der Städte und nach ſolchen Bünden um, die in Deutichland und anderwärts die Produktion wie die Widerſtandsfähigkeit der einzelnen Stadt bis ind Unendliche potenzierten. Jede Stadt lebt ihr eigenes Schickſal allein, ioliert, für ſich durch, umd jede wird allein allmählich dem immer von einem Geſamtintereſſe gebundenen Adel unterliegen und zugrunde gehen: In einem entſcheidenden Augenblicke bat die Bürgerjchaft von Krakau die Grundlage ihres politiſchen Dajeins, die autonome Gerichtsbarkeit, gegen ein reift an⸗ greifendes und jede Partifularität auflöfendes Landrecht nicht zu verteidigen gewußt, die Bahnen der Zukunft find damit vorgezeichnet, der abichüffige Weg zum vollen Verlujt der Selb ſtändigkeit ift betreten.

Doc der Vergleich mit deutſchen ähnlichen Vorkommniſſen hinkt noch nach einer andern Seite hin, die ein ſehr wejentliches Charakterijtilum des erzählten Vorgangs enthält. Dem Kundigen braucht nicht in Erinnerung gerufen zu werden, mit welcher Wucht und Energie ſich in ähnlichen Kämpfen im weitlichen Europa und vornehmlih in Deutichland das Nationalgefühl bald als treibende Anregung, bald als entwidelnder Faktor, bald al8 ausjöhnende Vermittelung aber immer wirkjam, fühlbar, verflärend geltend machte. Und was ſehen wir bier? Das nationale Moment tritt dermaßen in den Hintergrumb, daß man nicht jagen kann, ob die gefallenen Opfer Deutſche oder Polen waren. Die Namen verfelben find ja zumeiſt deutſch, und es liegt der Gedanke nahe, daß der kochende Haß bes Adels, der eben auf einem Feldzuge gegen einen beutjchen Staat begriffen war, nicht bloß gegen die Bürger von Krakau, jondern auch gegen die deutſchen Bürger von Krakau gerichtet war. Und nod mehr könnte man fich der Anficht erfchließen, daß das ganz offenbar Hervortretende Mitleid der Königin aus

Majowien. 239

bem Gefühl nationaler Gemeinschaft neben dem ber Menſchlich⸗ feit entipringt. Aber über eine bloße Annahme binauszugeben, wäre ein unmethodiſches Wagnis, denn die Quellen unterjtügen eine folche Gedankenrichtung mit feiner Silbe, wenn fie fie auch mit feiner Silbe abjchneiden. Wie dem aber auch fein mag, wenn auch die deutichen Namen vielleicht Männer deutſcher Abfunft bezeichneten, wenn auch bie internen Alten des Krakauer Rats noch zumeift im deutſcher Sprache geführt wurben, eine deutſche Gemeinde mit jenem unmiderftehlichen Rechtsbewußtſein, mit jenem ftörriihen Eigenfinn, mit jenem unvermwüftlichen Bürgerftolz war die Krafauer nicht mehr. Sie hatte fich des Geiftes ihres Urſprungs entledigt, fie war in nationaler Hinficht farblos, jchemenhaft geworden.

Neuntes Stapitel. Mafowien.

——

Damals, als zuerſt das Haus der litauiſchen Fürſten unter Ausſchluß der in Maſowien und Schleſien noch blühenden Piaſten, der Seitenlinien der alten polniſchen Königsfamilie, auf den polniſchen Thron berufen ward, fand man es dem Intereſſe des volkstümlichen Legitimitätsgefühls entſprechend, die neue Dynaſtie mit ver Älteren fo viel als möglich zu ver- fnüpfen. Die Verbindung Wladyslaw Jagiellos mit Hedwig war in diefem Sinne doc nicht ausreichend vollwichtig, zumal Hedwig doch nur durch ihre Großmutter piaſtiſches Blut in ihren Adern hatte. Unter dem Geſichtspunkt erblicher Legi⸗ timität, welcher noch faft ein ganzes Jahrhundert hindurch in Bolen bei manchen Parteien einen gewilfen Anklang fand, ſtanden die mafowiichen Fürften dem Anſpruch auf bie Krone bei weitem am nächiten. Als Vertreter dieſes pinftischen Hauſes

240 Elite Bud. Neuntes Kapitel.

lebten damals Januſz I. als regierender Herr von Czeräl, Warſchau, Zakroczhym, Wyſzegrad und Ciechanowo, ber eine Schweſter Witolds, Anna, zur Frau hatte, und ſein Bruder Ziemowit IV., der Herr von Plock, Rawa, Sochaczewo, Goſtyhnin und Plonsk, deſſen Mitbewerbung um den Thron der Hedwigſchen Partei in den entſcheidungsvollen Tagen vor der Ankunft der erwählten Königin gar ſchwere Stunden be- reitet batte. War Ziemowits Werbung auch nicht von Erfolg gekrönt, fo lag doch in feinem Daſein und in feiner Steliung eine fortvauernd brobende BPrätendentichaft, deren Stachel, wie der glücklichere Jagiello fühlte, abgebrochen werden mußte. Zunädft Inüpfte er ihn daher an das Intereſſe feines Haufes durch die Verheiratung mit feiner Schwefter Alerandra, einer Dame, in welcher nad allem, was wir wifjen, die ſympathi⸗ chen Eigenfchaften der Sagiellonen in einem gefteigerten Grabe zur Ericheinung gelommen waren. Aus der urfjprüngli nur unter politiihen Rückſichten gejchloffenen Heirat entwidelte fich aber ein liebewarmes Verhältnis, welches, wie die heidniſch übermäßigen und anftößigen Xirauerzeremonieen beim Tode Ziemkos zeigten, über das Grab Hinaus empfunden wurde. Eine zahlreiche Nachlommenschaft, nicht weniger als fünf Söhne und fünf Züchter, entiproffen diefem Yürftenpaare, das, fo viel fih aus allerhand gelegentlichen Andeutungen erjehen läßt, zu dem Töniglichen Haufe die innigſten familiären Beziehungen unterhielt, während der andere Zweig ber maſowiſchen Familie unter Januſz etwas kühler und zurüdbaltender beifeite ftand, und jeine verwandtichaftlichen Verbindungen und auch wohl feine politiichen Hilfsquellen mehr in Litauen fuchte. Beide fuchte Jagiello durch anjehnliche Schenkungen dem köoniglichen Haufe zu verpflichten.

Dem SIanufz freilih Hat die verhängnisvolle Schenkung von Podladyien vom Jahre 1391, und mehr noch feinem Entel Boleslaw Iediglih Kummer und Verbruß bereitet. Nicht ein- mal das war den Majowiern davon geblieben, was ihnen nach dem Kriege von 1444 (|. oben ZI. IV, 258 ff.) vertragsmäßig zugeitanden war. Die gewaltiame Revindikation der Verleihung

Die Shentungen Sagiellos. 241

von 1391 wurde aber nur barum von der national polntichen Partei insbeiondere auh vom Kardinal Zbigniew un. aufbörlich getadelt und beklagt, weil fie im Interefie ver litau⸗ iſchen Regierung erfolgt war. SKafimir, dem ber Borteil Litauens jederzeit fehr am Herzen lag, glaubte ſich in feiner Weile verpflichtet, jeine Bojaren zugunften eines polntichen Teilfürjten, der obendrein die Waffen einft gegen ihn geführt - hatte, zu verlegen. Dort in Litauen aljo nahm Kaſimir ſchon früh den Gegenjag gegen vie Mafowier auf.

‚Anders Jagen die DVerbältniffe gegenüber dem jüngeren Zweige des majowijchen Haufes, deſſen Oberhaupt Ziemomit IV., der Schwager Yagiellos, im Jahre 1396 die Landichaft Bel; mit fieben Städten (j. oben, TI. I, 148) als freie Schenkung der polniichen Krone erhalten hatte. Allerdings war fchon zur Zeit der Berleihung lebhafter Widerſpruch gegen biejelbe her⸗ vorgetreten, injofern dadurch der unifizierenden Tendenz, dem feit der Erneuerung des Königtums durch Wladyslaw Lobietek maßgebenden Gedanken ber löniglihen Politik, Eintrag geichehen mußte. Nur fchwer war damals die Königin Hedwig zur Ge⸗ nehmigung zu bewegen gewejen. Aber e8 war eine Schentung im vollen Sinne des Wortes, nicht etwa ein Leben, woran nach deutſchen Maßen gedacht werden könnte. Der Herzog erhielt ausprüdlich das Land mit dem Recht der Vererbung und Veräußerung durch Verlauf, Tauſch an jedermann, fo er nur dem polnifchen Unterthanenverbande angehört. ‘Die Dienfte, die auf dem Lande rubeten, follten biefelben fein wie biejenigen, welche die Krone von den Bewohnern von Lemberg bei Auf- geboten zu beanipruchen bat, und außerdem war dem Herzog verwehrt, ohne Einverſtändnis mit dem Könige irgendjemandem Tehde anzulündigen. Bon einem etwaigen Heimfall des Landes an die Krone unter irgendwelchen eintretenden Bedingungen war in der Schenkungsurkunde nicht die Rede !). Jedenfalls hatte dieſes Geſchenk den beabfichtigten Zwed, e8 verjöhnte ven

1) Kod. Mazow., p. 117, no. 125. 126. Nah Diugofz: „dotis . nomino“ bavon fieht nichts in ber Urkunde. Earo, Geſchichte Polens. V. 1. 16

242 Elftes Bud. Neuntes Kapitel.

Piaften mit der litauiſchen Dynaſtie, und man hört nicht, baß er Beit feines Lebens fich den Pflichten gegen dieſelbe entzogen hätte, wenngleich er nicht immer bie Geſichtspunkte teilte, welche die Politik des Königs beftimmten.

Unter der Herrichaft der beiden Brüder Januſz und Zie- mowit aber nahmen ihre Landichaften einen ungemeinen Auf- ſchwung. Eine nachhaltige und umfafjende Einwanderung fand in diefe Gebiete ftatt. In dem urjprünglich rufftfchen Lande Belz bildete fib in jenen Tagen die joziale Struktur aus, welche jpäter jo beveutungsvoll für diefe öftlichen Grenzprovinzen werben ſollte. Der einheimifche ruffiiche Adel verſchwand gänz- lich vor der an feiner Stelle fich anfievelnden polniichen Szlachta, während die unterthänige Grundbevölkerung noch lange unver: ändert in Sprache, Sitte und Glauben verblieb. Die auffällig zahlreichen Verleihungen des deutichen Rechts, und. zwar „meift in der Form des culmijchen, beweilen zwar nicht, wie in frü- beren Zeiten, die Bildung deutfcher Stadtgemeinden, aber jeden- falls einen beträchtlichen Zuftrom verfchievener bürgerlicher - Elemente). Der Handel und Verkehr auf dem Narew nad - Breußen hinein nahm einen lebhaften Aufihwung. Die Fürften bielten, ‚bald gemeinichaftlich, bald gefonbert, in ihren Herzog. tümern mit ihrem dazu berechtigten Adel wiederholt Verfamm- - Iungen behufs Entwidelung und Förderung der Landesgeſetz⸗ gebung ab. In diefer Epoche wurde das majowifche Hecht, das zwar im weſentlichen fich nur ald eine partilulare Aus- bildung des polnifchen Rechts darftellt, durch eine ganze Reihe von Statuten bereichert 2). Aus der Erteilung des befannten Statut für die Juden, das feit dem Jahre 1264 die Grund- lage ihrer Rechtsverfaffung in Polen und Litauen bildete, er⸗ ſieht man, daß auch die Juden in biefer Zeit in Mafowien an Zahl und Bedeutung zunahmen, was. jevenfall® mit dem Auf

1) Roepell, Verbreitung des Magdb. Stadtrechts, S. 253, mo allerdings nur ein Heiner Teil aufgeführt if.

2) Bandtkie, Jus. pol, p. 267sqq. und Helcel, Pomniki J, 2655qg., Ezadi, O prawach Maz. (Werte III, 468ff.), Kownadi, im Pamietnik Warzawski XVI, 425ff.

Kleine Reibungen. 243

jchwung bes Handels und der Gewerbe in Zufammenbang ſtand ). Solcher kulturfreundlichen Richtung entſprach es auch, daß die Maſowier mit ihren Nachbarn, dem deutſchen Orden, ſoweit es ihre Pflicht der Krone Polen‘ gegenüber nur zuließ, die vortrefflichften Verhältniſſe unterhielten. Sie warnen den Hochmeifter, wenn die Gefahr eines Zufammenftoßes herannaht; fie führen nur injoweit Krieg mit ihm, als fie durch den König bazır gezwungen werben, aber ſie nehmen feinen Anftand zu geitatten, daß majowiiches Volk unter ven Söldnern des Ordens Dienfte nimmt. Ihre verwandtichaftlichen Verbindungen fuchen fie meiftenteil8 unter den ſtammverwandten Piaften Schleftens und Pommerns, und jo jehr fie auch beitrebt find, ihre ver Krone von Polen gegenüber übernommenen Pflichten zu erfüllen, jo ift doch in ihrem Haufe die Tradition nicht erlofchen, daß . fie im Vergleich zu der herrichenden Dynaſtie hiſtoriſch voll⸗ gültigere Rechte befiten, als das dermalige polntiche Staatsrecht ihnen einräumte. Namentlich die jüngere Generation des mafowilchen Haufes Ichien auf dieſe Tradition weitläufige Gedanken aufgebaut zu Haben. Waren auch wohl fchon zwifchen Ziemomit- IV. und jeinem Schwager Jagiello ab und zu Irrungen vorgekommen, jo waren fie ohne weitere Folgen vorübergezogen, fo lange ber König fühnelos geblieben war. Aber es ift doch bezeichnend für die dee, mit welcher fich die Söhne Ziemowits trugen, daß ein im Jahre 1425, unmittelbar nach der Geburt eines Erben und Thronfolgers, wieder beroorgetretener Zwiefpalt fojort in der ernitlichften Weiſe aufgefaßt wurde. In dem erwähnten Zeitpunft waren mehrere Gründe zur Mißhellig⸗ keit zujammengetroffen. Der Streit um ben Beſitz von Schloß und Stadt Krzeszow ?) würde an fi wohl kaum zu beträchtlichen Aufregungen Anlaß gegeben haben. Aber auch die viel fehwerer ins Gewicht fallende Thatjache, daß der Biſchof

1) Helcel, Pomniki I, 266. 2) ®gl. Lib. canc. Stan. Ciolek I, 170 mit Kod. Maz., p. 172, no. 163. 16 *

244 Elftes Bud. Neuntes Kapitel.

Stanislaw Pawlowski von Plod gelegentlich der Umlage einer Steuer zu Zweden des Huſitenkrieges bie Erklärung abgab, daß Mafowien den Steuerpflichten bes polntichen Neiches nicht unterliege ?), würbe vielleicht zu anderen Zeiten nicht für jo be drohlich angeſehen worden fein, um fofort den Reichstag bes halb aufzubieten. Allerdings aber mar die Erflärung von einer unabjehbaren Tragweite in einem Augenblid, ba die Succel- fionsfrage durch die überrafchende Geburt eines jagiellonifchen Erben den Staat aufrüttelte, zumal wenn fich das nicht ganz unbegründete Gerücht Hinzutbat, daß bie maſowiſchen Prinzen fih auf Grund früherer Beziehungen zur böhmiſchen Krone als Lehnsträger diefer, nicht des polniichen Königs betrad» teten.

In der That hatte ja früher einmal Böhmen ein gutes Anrecht auf die Lehnsherrlichleit über Maſowien ?), das felbit von Kafimir dem Großen feiner Zeit anerlannt war. Aber diejer kluge, die Einheit des polnifchen Staates in weiſer Vor⸗ ausſicht vorbereitende Monarch hatte dur das Opfer unhalt⸗ barer jchlefiiher Pfanbbefigungen (Pitſchen und Kreuzburg) Dafür Sorge getragen, daß das Verhältnis zwiichen ber pol- nifchen Krone und den mafowiichen Teilfürften durchaus jeber Einiprache der böhmiſchen Herrfcher entzogen bliebe. Kaiſer Kari IV. war als böhmiſcher König für feine maſowiſchen An- fprüche abgefunden und hatte allen Anrechten für immer ent fagt. Welchen Aufruhr aber mußte e8 im Jahre 1425 erw regen, als fich plößlich die Nachricht verbreitete, die majowifchen Herzöge hätten diefe alten Beziehungen zur böhmiichen Krone wieder aufgenommen unb mit dem Könige Sigismund, dem allzeit verdäͤchtigen Freunde Polens, „Verbindungen“ angeknüpft. Etwas Wahres ift gewiß an biefem &erlicht gewelen, denn, daß fih die maſowiſchen Herzöge eben bamals bie Lehnsurkunde ihres Urgroßvaters Wanlo vom Jahre 1329 durch den böß-

1) gl. oben, Teil III, 562. 2) Bol. oben, Teil. II, 288 ff., und insbefondere bie Anmerkung zu Lib. canc. Stan. Ciolek I, 166.

Erzwungene Huldigung. 245

mischen König Sigismund und feinen präfumtiven Nachfolger Albrecht von Oſterreich vidimieren Tießen 1), hatte gewiß nur in folchen Tendenzen feinen Anlaß. Auf der Stelle wurden bie beiden regierenden maſowiſchen Fürſten vom polniſchen Könige zu erneuerter definitiver Hulbigung vorgeladen. Wenn auch König Sigismund mit hohen Beteuerungen den DVerbacht ber Polen zurückwies, jo mußten diefe doch um fo betroffener fein, als die Mafowier unter dem Vorwand von unentichte» denen Anfprüchen inbezug auf die Burg und die Stadt Krzeszow einen Termin nach dem andern, zu welchem fie behufs Vor⸗ fegung ihrer aus den Zeiten Kafimirs des Großen ſtammenden Urkunden Hätten erjcheinen follen, vorübergehen ließen. Um jo fategorifcher ging aber nunmehr ver König gegen fie vor und jegte feinen Willen auch durch. Herzog Januſz leiftete ven Zreueid perjönlich, und Herzog Ziemowit, der damals krank daniederlag, vurch feine Söhne. Bald darauf ftarb Ziemowit IV., und jeine Söhne, Ziemowit V., Wladyslaw, Kaſimir und Troj⸗ ben, teilten fich in fein Erbe. |

Natürlich trat die Frage der Huldigung fofort noch einmal in den Vordergrund. Am 8. September 1426 erfchienen bie Herzöge nebft ihrer Mutter Alexandra vor dem Könige in Sandomir, nicht, fo meinten fie, um zu buldigen, fondern um ihre im einzelnen uns nicht befannten Anfprüche der Krone gegenüber geltend zu machen. Als nun aber ver König vor allem weiteren Verfahren auf den Homagialeid beſtand, er⸗ Härten die Herzöge mit einemmale, daß fie der Perſon des Königs allerdings den Eid leiften wollen, nicht aber der Krone Bolen, „weil ſonſt jeder Pole aus dem Reiche fie als jeinen Lehnsträger anfehen könnte, und ehe fie dieſe Schmach ertrügen, wollten fie Lieber ven Tod erleiden‘. Man wird erftaunen über biefe eigentümliche Idee von Vollsſouveränetät, welche . die jungen Herzöge hier geltend machen, und die eine merk würdig verlehrte Auffafjung von der Natur des Verhältniſſes

1) Lünig, Xeutiches Reichsarchiv, p. spec. cont. I, Fortſ. 1, p. 325.

Du Mont. C: d. I, P. II, f. 112. Bgl. Dobner, Mon. hist. Boh. IV, 144,

246 Elftes Bud. Neuntes Kapitel.

zwiſchen Staatsoberhaupt und Staatsbürgern Tennzeichnet, und man wird andererſeits begreifen, daß bie Zumutung ber Her⸗ zöge Die Legitimität ber jagiellonifchen Dynaſtie gewiffermaßen in Zweifel ftellte. Natürlich erhob fich der Verdacht eines unlautern Bintergedanfene. Nach langen Verhandlungen lei- fteten zwar die Herzöge in ber üblichen feierlichen Form ven Huldigungseid, aber es iſt kein Zweifel, daß ein Stachel des Mißtrauens und der Scheeljucht auf beiden Seiten zurüdigeblieben war ?).

AS dann wenige Sabre danach (1429) auch Sanufz L ftarb, Hinterließ er fein Erbe feinem Enkel Boleslaw, dem der Bater vor dem Großvater weggeftorben war, und ber nım unter der Vormundſchaft feiner Mutter Anna die Herrichaft antrat. Hatte fchon Januſz jene ehemalige Schenkung Sagielkos aus dem litauiſchen Reichsgebiet gegen die Vergewaltigung Witolds nicht zu ſchützen vermocht, fo war unter ben derzeitigen Umftänden noch weniger an eine Erlangung der verbrieften Anſprüche zu denken. Da überbied Herzog Boleslaw, mie bereits erzählt wurde ?), fich jenes unglüdlichen litauiſchen Präten⸗ denten Michal, feines Teiblichen Vetter, in dem Maße als es fein Verhältnis zur Krone Polen zuließ, großmütig annahm, fo wurbe feine Stellung zu den Yagielloniven noch unfreund⸗ Yicher, obwohl er feinen Pflichten als abhängiger Teilfürft jever- zeit getreulich nachlam. Gleich damals, als Wladyslaw der Jagiellonide mündig geworden, bie Negterung in Polen jelb- fländig antrat (1438), fuchten die beiden majowiichen Linien in engem Anflug an einander ihre Stellung zu befeitigen. Herzog Boleslaw und bie Herzöge Ziemowit und Wladyslaw famen mit einander überein, bei jedem Angriff ihrer Rechte, ihrer Immunitäten oder. gar ihrer Länder, von welder Seite er auch kommen möge, fich gegenfeitig über gemeinfame Ab⸗

1) Bericht Jagiellos an Witold im Lib. canc. Stan. Ciol., p. 182, no. 103. Aus dem Zeilungsvertrage der Brüder Ziemowit, Wladys⸗ faw und Kaflmir vom Jahre 1427 erfieht man, baß der Streit um Krzeszow damals nicht beigelegt war.

2) Oben, Zeil IV, 258 fl.

Bolesfaw von Mafomwien. 247

wehr zu verftändigen. Diefe nur befenfive Solidarität follte aber, im Falle einer der Herzöge ohne folche Verftändigung in feindjelige Beziehungen geriete, für die anderen Kontra, benten feine Macht haben 1). Schon bieler Vertrag zeugt von einem Gefühl der Unficherheit, welche die Majowier von niemandem anders als von den Sagiellonen bejorgen konnten. Die bitteren Erfahrungen, welche Bolesfam bald barauf bei dem Verſuch, feine Anſprüche in Litauen zu realifieren, machen mußte, konnten diefes Gefühl nur fteigern. In Polen ſelbſt waren zu jener Zeit große Sympatbieen für das piaftiiche Fürſtenhaus laut geworden, im Gegenſatz zu der Härte, welche Safimir, damals nur Großfürſt von Litauen, demſelben gezeigt Batte. Und bei diefer Gefinnung tft Kaſimir auch als König von Polen um jo mehr geblieben, als in ber Zeit der Ber- bandlungen um jeine Annahme der polniihen Krone Boleslaw von Maſowien ihm als Gegenfandivat der nationalen Partei aufgeitellt worden war, und mittlerweile derjelbe Boleslaw die Anwartſchaft auf alle Zeile der majowilchen Herrſchaft erworben hatte, deren Umfang faſt das ganze übrige polniiche Reich hätte aufwiegen Tönnen. -

Der jüngere Zweig des maſowiſchen Fürftenhaufes, der jo reichlich angefett Hatte, war nämlich überrafchenn bald in Ab- nahme geflommen. Bon den fünf Söhnen Ziemowits IV. war ber eine, Alerander, in ven geiftlichen Stand getreten und Batte aus den Wirren des Baſeler Konzils die Würde eines Patriarchen von Aquileja dapongetragen, in welcher er vollends für die mafowilche Erbſchaft nicht mehr in Betracht kam. Ein anderer Sohn, Trojden, jcheint kurz nach jeinem Vater ver» ftorben zu fein. Ein dritter Sohn, Ziemowit V., dem bie Landſchaften Rawa, Socaczewo, Goftynin zugefallen waren, war am 5. März 1442, in ber Zeit, da fein Vetter Boles- faw mit Kafimir wegen der litautichen Schenkung in Streit lag, mit Tode abgegangen 2). Da er nur eine Tochter, Mar-

1) Kod. Mazow., p. 197, no. 181. 2) Monumenta Poloniae histor. III, 123.

248 Elftes Bud. Neuntes Kapitel.

gareta, Binterließ, fo ſetzte fich fein Bruder Wladyslaw im den Befit feiner Landſchaften. Auch der fünfte Bruder, Kaſimir, welcher Belz und die ruſſiſchen Befigungen erhalten hatte, ftarb im Sabre 1446 kinderlos ?), jo daß aljo Wladyslaw fchließlich ber einzige und alleinige Erbe der väterlichen Herrichaft blieb, infoweit nicht Srauen und Töchter noch ein Anrecht zu be» haupten hatten. Aber auch Wladyslaw ſchien auf eine Fort⸗ entwickelung feiner Stammtlinie nicht mehr zu rechnen, denn er vermachte, offenbar um einem Heimfall an die Krone vorzu- beugen, alle feine Landfchaften, das vom Vater ererbte Block wie die von feinen Brüdern ihm zugefalfenen, Rawa und Bez, famt ihren zugehörigen Gebieten feinem Better Boleslam 2) von ber älteren Linie, jo daß diefer auch im Kronlande nicht unbeliebte Fürft mit feinem Befit und feinen Anwartſchaften ber Jagiellonendynaſtie eine nicht geringe Gefahr fein mußte, zumal dieſe damals nur auf zwei Augen ftand und auch im Litauen felbit von Michal Zygmuntowicz, einem Schwager Boleslaws, beftritten wurde. Nichts Bat im Herbft 1446 fo jehr den Entfhluß Kaſimirs, über alle Schwierigfeiten hinweg von dem polnifchen Throne Befit zu ergreifen, gezeitigt, als bie Einficht in diefe bevenfliche Nebenbuhlerichaft. Aber es läßt fih jehr wohl begreifen, daß er den Maſowiern nicht gerade förderliche Gefinnungen entgegenbracdte.

Den Ehrgeiz aber, um die Krone zu werben, fcheinen bie mafowiichen Fürſten gar nicht gehabt zu haben. Sie kamen Kafimir entgegen, als er ins Land einzog, fie affiftierten feiner Krönung, und wenn fie auh am darauf folgenden Tage bie Huldigung der Bürgerſchaft auf dem Markte von Krakau durch einen Streit mit dem Klerus um den Vortritt ftörend ver⸗ hinderten, jo legten fie doch jehr bald darauf ihr Bedauern

1) Nad Ann. Plocenses in Mon. Pol. hist. III, 124 am 16. Sep- tember 1442,

2) Urt. in Kod. Maz., p. 208, no. 191. Das Datum 1444 muß falich fein, denn Wladystaw nennt fi) darin heres Belzensis und giebt auch Bel; ab, was doch erſt nach 1446 möglich war. Auch ˖ füllt 1444 nativ. Mar. ſelbſt auf einen Dienstag:

Mafowien und die Krone. 249

darüber an den Tag und zogen auch diefen Anfpruch zurüd. Ebenjo war ihre Drohung, daß fie. alle Beichlüffe des Bafeler Konzils in ihren Landen durchführen würden, lediglich darauf berechnet, gute Bedingungen bei der Obebienzerllärung gegen Bapft Nikolaus V. herauszuichlagen. Nachdem ihnen dieſe be- willigt waren, ließen fie die Sonderpolitif in firchlichen Dingen fallen ). Aber durchaus bebarrlich blieben fie bei der Forde⸗ rung einer Genugtbuung für die dem Bolestaw im Vertrage von 1444 zugeiprochenen Städte an der litauiſchen Grenze. Im Jahr 1453, als Kafimir durch den Eid auf die Landes- verfaffung nunmehr definitiv die PBerfonalunion von Polen und Litauen aufgerichtet hatte, brachten die Maſowier ihre Forde⸗ zung an den Reichstag. Der König erwiderte rauh und dro⸗ hend, denn in der That hätte kaum etwas in diefen bevenflichen Momenten die Litauer mehr aufrühren fünnen, als die Nach giebigfeit gegen einen polniichen Fürften auf Koſten litauiſcher Eigentumsanfprühe. Nur der Kardinal Zbigniew nahm ich der mafowilchen Rechte an, und bis zu feinem Lebensende hörte er nicht auf, dem Könige wegen Tilgung diefer Schuld in den Ohren zu liegen. Über ſchwerlich fand Zbigniew für dieſen Rechtsſtandpunkt eine ind Gewicht fallende Unterftügung im Neichstage ?),. dem in feinem Punkte mochte Kafimir ver Majorität desjelben jo ficher fein, als für die Idee der Unts fifation des Reiches, welche die charakteriftiiche Seite der ja giellonifchen Politit ausmachte und von diejer Dynaſtie bis zur ihrem Ausgang in immer größeren Dimenfionen als ihre eigenite Aufgabe betrachtet wurde. In dem durch Wladyskaw Lokietek begründeten Königreiche war für das aus den früheren Epochen ſtammende Inftitut ver Zeilfürftentüner mit ihren Auto- nomieen fein Plag mehr. Ie mehr der Staatsbegriff fich ausbildete, defto mehr verfchwand ed. Mochte es notgebrungen von der Verteilung der Machtverhältniffe geboten, oder aus

1) ©. oben, Teil -IV, 396 ff.

2) Daß aber der Kommunitätenabel eine Ausgleihung mit ben Ma⸗ fowiern wünſchte, beweiſt das Statut von Zirkwig von 1454, in Bandtkie, Jus. pol., p. 269.

250 Elfte3 Bud. Neuntes Kapitel.

einer weilen und vorfichtigen Politik geſchehen fein, e8 bleibt ein bemerlenswerter Zug in ber Geichichte der Iagiellonen, daß fie, jo viel e8 anging, ihrem Ziele nicht auf dem Wege ftärkerer Bergewaltigungen nachgingen. Aber im Auge behielten fie es jederzeit. Der ganze Verlauf der Dinge in Majowien mochte wenig mit ven Wünſchen und Abfichten des Könige und ber ihm naheſtehenden Parteien im Staate im Einklang fein, aber gleichwohl Hielt er die Schonung woblerworbener Rechte um fo mehr geboten, als biejelbe durch die Vorausſetzung erleichtert wurde, daß dem einen Zweig der Mafowier, in welchem mehrere Glieder an der Schwindfucht Titten, ein nahes Erlöſchen bevor- ſtehe. Dennoch aber war eine Berüdfichtigung der maſowiſchen Forderungen nicht zu erwarten, und der König gab auch im Jahre 1454 auf dem Neichtage zu Leczye, wo die Annahme der preußiichen Unterwerfung offiziell befchlofien wurbe, einen nicht minder ablehnenden Beſcheid, obgleich es nach der da- maligen Lage der Dinge nicht gefahrlos war, bie maſowiſchen Bürften „mit noch mehr erbittertem roll“ 1) heimkehren zu laſſen.

Unzweifelhaft wirkten dieſe Verhältniſſe auf den preußiſchen Krieg mehrfach ein. Wiederholt hört man die Bündiſchen vor dem Könige klagen, daß dem Orden dur Maſowien allerhand Zufuhren geſchehen, und daß auch unter feinen Söldnern fich maſowiſche Leute anwerben ließen 2). Fand man Doch in ber That bei der Einnahme der Marienburg dem Herzog Wladys⸗ famw geböriges Kriegsvolk im Dienfte des Hochmeifters. Wenn auch die Fürften ſelbſt fich büteten, ihr jchuldiges Gefolge zu verfagen, fo lag doch in der ganzen Stellung berjelben ein Zug von Zweideutigfeit und Argwohn ?), ven felbit Fernſtehende

1) „. . . non sine molestia amaritudineque ampliori“; Diugofz XII, 146. Dagegen Hatte Kafimir die Bitte Wladyslaws wegen Be- feitigung ber nem aufgelonmenen Zölle an ber mafowifch - polnifchen Grenze bereitwillig genehmigt. Kod. Maz., p, 219, no. 200.

2) Schon am 24. April 1454 zeigt Johann von Bayfen dem Rat von Danzig die Ankunft maſowiſcher Kriegsleute an. Danziger Archiv.

3) Bgl. die Äußerungen Boleslaws zur Preußenfahe oben, ©. 21.

Tod Boleslawms und Wladyslaws. 251

recht wohl erkannten. Es ift überaus bezeichnen, bag, als der Kurfürſt Friedrich II. von Brandenburg feine Intervention im Hochſommer 1455 wiederum einleiten wollte und bei dem ‚Herzog. Wladyslaw vertraulich angefragt hatte, wie man zu Verhandlungen mit dem Könige gelangen Eönnte, biefer bie Gegenfrage ftellte, ob er das kurfürftliche Schreiben zeigen folle; zuraten könne er allerdings nicht, denn ber König würde nur noch ergrimmter werben. ‘Der Herzog jeinerfeitd werde ſtets eingeben? fein, daß feine Vorfahren e8 gewejen, die dem beut- fen Orden das preußifche Land eingeräumt hätten, daß ber Orden ihm jeberzeit Gutes erwieſen Hätte. Übrigens aber bäte er den Kurfürften, die Korreiponvenz geheim zu halten, denn an feinem Hofe befänden ſich immer Polen, die ihn zur beob- achten hätten ?).

Eine derartige Haltung der Teilfürſten in fo kritiſchen Zeit⸗ läuften mußte allerdings den Glauben an die Schädlichkeit ber ganzen Inftitution nur verftärken. Bald jollte jich aber der Mißſtand noch greller hervorkehren. Der Herzog Boleslaw von Maſowien⸗Warſchau war jchon im Jahre 1454 geftorben und hatte vier Söhne (Konrad, Kaſimir, Boleslaw und Ianujz), fowie zwei Töchter (Anna und Sophia) Hinterlaffen, die beim Tode ihres Vaters alle noch unmündig waren, und für welche für den Augenblid ihre Mutter, Barbara, die Regentichaft führte. Und fchon das Jahr darauf, 1455, wurde auch Wla⸗ dyslaw, der ſich durch Trunkſucht früh ruiniert haben foll, Dabingerafft und binterließ zwei gleichfall® unmünbige Söhne, Ziemowit VI und Wladyslaw L., für welche ebenfall® vie Mutter, die Herzogin Anna, eine Tochter des jchlefiichen Her- 3098 Konrad von Ols⸗Kant, die Negentichaft übernahm. Weber konnte wegen der Unmündigkeit ver Prinzen eine Teilung der Her- zogtümer vorgenommen werben, noch fonnte der Erbvertrag, den einft die Herzöge Bolestaw und Wladyslaw mit einander geichloffen hatten, in Kraft treten, da es in beiden Linien doch männliche Erben gab. Auch in weniger Friegeriichen Zeiten als die ba»

1) Schreiben vom 27. Auguft 1455, im Königeb. Arch.

252 Elftes Bud. Neuntes Kapitel.

maligen würde bie Herrichaft der Frauen über jene exrponierten Landſchaften für die Dauer undurdführbar gewejen jein. Der Landesadel fand daher fchon darin eine verhältnidmäßige Bürg⸗ fchaft, daß der Landesbiſchof, Paul Gizycki von Plod, den bei» den Regentinnen an die Seite geftellt wurde, und das ganze mafowiiche Land beider Zweige unter feine Verwaltung kam. Solcherweife konnte e6 gefchehen, daß im Jahre 1459, als in dem polnisch-preußtichen Kriege ein vorübergehender Waffen- ftiliftand eine etwas milvdere Stimmung der Parteien anzu» deuten fchien, im Namen Mafowiens ein Beifrieve abgeichloffen wurde, zu welchen jedenfall der König die Genehmigung nicht erteilt batte!). Um fo entichievener aber mußte ver Entichluß wachſen, den gefährlichen Partikularitäten gegebenenfalld ein Ende zu machen. Und diefer Fall trat gar bald ein, denn im Jahre 1462 ftarben raſch Hinter einander die beiden Söhne Wladyslaw I, die Herzöge Ziemowit VI. und Wladystaw IL, wie man meint, vergiftet von einem angeblich durch fie ge» fräntten Edelmann. Bon dem ganzen reich blühenden jüngern Zweige der Maſowier war damals nur noch eine Tochter Zie⸗ mowit IV. am Leben: Margareta, welche mit dem Herzog Konrad dem Schwarzen von Ols⸗Koſel verheiratet war.

Dog man im Rate des Königs einer Krifis inbetreff ver mafowiichen Lande noch vor dem Erlöfchen jener Fürftenlinte entgegengejehen Hatte, gebt deutlich genug aus dem DBeftreben hervor, jedem Einfpruch vonfeiten der böbhmifchen Krone vor- zubeugen, jede Erinnerung an das vor anderthalb Jahrhun⸗ berten gelnüpfte Lehnsverhältnis zu entlräften. Die polniiche Forderung eines Haren und abſoluten Verzichts auf jedes Mitrecht duch König Georg Podiebrad war eine der Grunde lagen, auf welchen im Jahre 1460 zu Beutben die Aus⸗ gleihung zwiichen Bolen und Böhmen bewirkt und die Zu-

1) Biſchof Paul war übrigens nicht illoyal gegen den König. 1461 ſchreibt er an den Hauptmann zu Wartenburg, daß alle Hoffnung auf Frieden ſchwinde, wenn bie Lente des Ordens fortführen, fo übel von König Kafimir zu reden. Konigsb. Archiv.

Einverleibung von Belz. 253

fammenfunft ver beiden Könige angebahnt worden war. Georg Satte dieſe Zuſage feiner Bevollmächtigten am 24. Dezember ratifiztert ). Bon diefer Seite war ber König aljo bei feinem Vorgehen geſichert. Kaum war daher die Nachricht von dem am 4. Januar 1462 erfolgten Ableben des Herzogs Ziemowit von Plod eingetroffen, jo traten alsbald die Löniglichen Kommifjare, der Wojewode von Lemberg, der Unterlämmerer von Lublin und der Staroft von Chem vor dem Adel der Landſchaft Belz mit der Zumutung auf, dem Könige den Eid der Treue zu leiften. Weder in ber Bevölkerung noch bei den zahlreihen Bewerbern um die maſowiſche Erbichaft begegneten fie Schwierigfeiten, denn bie befondere Eigenſchaft dieſes Landes als ehemalige königliche Schenkung ließ den Throninhaber in der That al8 den „wahren und Tegitimen und unbezweifelten Nachfolger,“ wie er ſich in der Einverleibungsurfunde nennt, ericheinen, obwohl die Schenkung vor 70 Jahren nicht auf den Heimfall ausgethan war. Um Oſtern erichienen vier Bevoll⸗ mächtigte der Landichaft vor dem Könige und empfingen nach der Huldigung die Urkunde, durch welche Belz mit den in jener Schenkung einjt annektirten Gebieten zu einer jelbit- ftändigen, reichöunmittelbaren „terra“ mit eigenen Privilegien, Die im welentlichen benen des Lemberger Landes gleichfamen, dem Staatskörper einverleibt wurbe ?).

Dahingegen erhob fi, als auch Herzog Wladyslaw LU. bald darauf 1462 geftorben war 3), ein wahrer Sturm ber Erbprätendenten um bie Landſchaften Plod, Rawa, Goftynin,

1) Cod. epist. saec. XV, 205, no. 184.

2) Ur. in Vol. Leg. I, 199.

3) Nah Dfugofz XIII 288, die Saturni, sexta mensis Februarii. Das ift aber nicht möglich, denn wir haben noch im Kod. Maz., p. 232, no. 212 eine Urkunde besfelben vom 26. Februar. Am 7. März aber fcheint er tot zu fein; beun Katharina urkundet als Fürftin von Plod, Rawa und Goflynin, allerbings ohne Wladystaws II. als eines Ber- ſtorbenen zu gebenlen, während fie ihre8 Brubers Wiadyslaw J. und ihres Neffen Ziemowit VL als Berfiorbener erwähnt. Da aud ber 6. März auf den Sonnabend fällt, fo nehme ich au, daß bei Diugoſz an⸗ #att mensis Februarii m. Martii zu leſen ift.

254 Elftes Bud. Neuntes Kapitel. (1462.)

Sochaczewo, Mszezonow, Zawfrze, Wyzna. Am wenigften jcheint die Mutter der beiden verftorbenen Herzöge, Anna, fih in den Streit des. polniichen Königs mit den Brätendenten eingemifcht zu haben. Sie zog fi auf das ihr im Jahre 1451 !) von ihrem verftorbenen Gatten Wladyslaw I. als Witwengut verjchriebene Sochaczewo zurüd, das beſonders durch feinen Zuchhandel blühend war, und hielt fich daſelbſt in aller Stille bis zum Jahre 1476, in welchem fie ihre An» rechte im Wege gütlicher Vereinbarung an den König über- trug ?).. Allerdings Hatte ihr auch ihr Sohn Wladyslaw fur; vor jeinem Tode „‚behufs Erweiterung ihres Witwenguts“ noch die Landſchaft Goſtynin verichrieben, aber (wenn anders die Urkunde echt ift) mit Recht mochte die Gültigleit Der Berfügung eines Unmündigen in Zweifel gezogen werben, zumal weder der Biſchof noch der Adel der Landichaft dieſelbe an⸗ erkannt hatten). Die Herzogin machte auch, fo viel man weiß, feinen Verſuch, das Ländchen Goſtynin an fich zu ziehen. Ein folches Unternefmen würde auch feine bejonderen Schwierig- feiten gehabt haben, denn ver Adel von Goſtynin war ebenfo wie der von Rama geneigt, ohne dem Ausgang ber Erb- jtreitigfeiten vorzugreifen, doch ver Krone das Vorrecht bei» zumeſſen. Gar viel trug ed zum Vorteil Kaſimirs bei, daß bie beiden Hauptburgen Rawa und Goſtynin in der Hand eines Töniglichen Parteigängers, des Grot von Nowemiafto fich be⸗ fanden, der jede UWeberrumpelung vonfeiten anderer Mitbe⸗ werber entſchieden abzuwehren entjchlojjen war.

In der Hauptſtadt Maſowiens aber, in Plod, wo ber Biſchof als vegierender Vormund refidierte, herrichte ein ent- ſchiedener Widermwillen gegen ven König. Hier trat unmittel⸗ bar nah dem Tode des jungen Wladyslaw jeine Tante Katharina, die jüngjte Tochter Ziemowit IV., die nach bem

1) Kod. Maz., p. 215, no. 196.

2) Kod. Maz., p. 266, no. 234; f. auch no. 233. 235. Bel. Dfn-

90|3 XI, 540agg. 3) Kod. Maz., p. 232, no. 212. Man bemerfe bie untergeorbneten Zeugen.

Die Prätendenten. 255

Tode ihrer Schweiter Anna den vermwitweten Gemahl der⸗ jelben, den Herzog Michal von Litauen, den Entel Wilolds geheiratet hatte, als Prätendentin auf‘). Ihre erfte Kund⸗ gebung als Regentin beitand in jo weitgehenden Konzeifionen an den Biſchof von Plod?), daß wohl mit gutem Grund auf eine Begünftigung verfelben durch den Sirchenfürften ge- ichloffen werden darf. Und zwar meinte fie das ganze Erbe der jüngeren Linie in Anfpruch nehmen zu follen. ALS baber der Statthalter von Rawa, jener königlich gefinnte Grot, mit der Anertennung ihres Erbrechts zögerte, ließ fie ihre Kriegs⸗ leute gegen ihn einfchreiten. Aber der Verſuch nahm einen üblen Ausgang, denn einige der Leute wurden erfchlagen, und bie Herzogin auf den Rechtsweg verwielen. Inzwiſchen aber waren auch die Herrn von Plod vom Könige durch eine notable Geſandtſchaft zur Unterwerfung aufgefordert ?). Sie fchlugen fie entichteven ab. Da aber die finderloje Katharina mit ihrem ſehr antaftbarem Erbanipruch kaum als eine ge- eignete Mitbewerberin dem Könige entgegengefeßt werden fonnte, fo ließ man dieſe Regentin, die mit einigen Erbgütern ent- ſchädigt wurde, fallen, griff auf den Erbvergleih von 1444 zurüd und berief Konrad, den äfteften Sohn bes Herzogs Boleslaw, von der älteren Warfchauer Linie, zur Regierung in Plod. Auf dem für den zweiten Mat 1462 zu Leczye an⸗ gejetten Verhandlungstage erichten daher die Herzogin Bar- bara, die Mutter Konrads mit einigen weltlichen Herren, um

1) Deugofz widerſpricht fih. Ad. a. 1426 fagt er von ihr „in virginitate permanens usque ad mortem‘“ und ich habe ihm oben, Zeil I, 559, Anm. 1 diefen. Irrtum nachgeſchrieben und ad a. 1462, p. 288, „ducis Michaluskonis Lithuaniae relicta“. So aber wird fie aud in den Schreiben Pius IL und Kaifer Friedrich IL. (Cod. epist., no. 196. 198) genannt. Früher war mit biefem Michaluszko ihre Schwefter Anna verbeiratet geweſen. S. bie Univerfitätsrede im Cod. epist., p. 837. |

2) Kod. Maz., p. 227, no. 219.

3) Dal: den Bericht eines Breslauer Gefandbten am polniichen Hofe an den Breslauer Ratsherrn Anton Hornigk von Lowicz, 24. März 1462, in Bresl. Korrefp., ed. Margkraf in Script. rer. Siles, VIII, 81

256 Elftes Bud. Neuntes Kapitel. (1462.)

bie Anfprüche ihres Sohnes zu vertreten. Da ber Biſchof nicht gefommen, und ein Austrag ſomit nicht zu erwarten war, jo verihob der König verbrießlich die Verhandlung auf ben regelmäßigen Reichstag zu Piotrlow, der im November ſtatt⸗ finden jolite.

Auf diefem Neichstage zu Martini 1462 erichien aber nicht blos die Herzogin Barbara mit ihrem älteiten Sohne Konrad ſamt dem Biihof und einer großen auf 800 Ritter ge ihäßten Begleitung, fondern auch derjenige Erbprätendent, welcher wegen der Begründung feiner Anſprüche und wegen jeiner Beziehungen, zu auswärtigen Fürſten als der ernftlichite aufgefaßt wurde, der Herzog Konrad der Schwarze von Dels Rofel, welcher mit Deargareta, einer Tochter Ziemowit V.

verheiratet war). Schon früher ſchien biefer Fürft eine

Rolle in Polen zu fuhen. Im Sabre 1461 waren feine Sendeboten im Töniglichen Heerlager in Pomerellen erichienen, um die Oenehmigung des Königs für eine angeblid von ben Söldnern des deutichen Ordens angervegte Friedensnermittelung nachzujuchen. SKafimir war darüber mehr befremdet und ver. legen als erbaut, und entichuldigte fich vor den Danzigern, Daß er dieje Gefandten überhaupt erft in das Land gelafien babe 2). ALS er nunmehr auf dem Reichstage zu Piotrkow mit dem Anſpruch auf das ganze maſowiſche Erbe der jüngeren Linie namens jeiner Gemahlin auftrat, mochte er wohl wenig Freunde im Rate des Königs gefunden haben, aber immerhin war bier doch die Ueberzeugung vorwaltend, baß die ganze Ungelegenbeit doch nur mit Behutjamleit und maßvoller Zu- rückhaltung behandelt werben bürfe, wenn nicht ein beimifcher Krieg zu dem in Preußen geführten fich geſellen jollte. Zu⸗ nächſt Hatte es nicht geringe Beſtürzung erregt, daß ber klein⸗ polniſche Adel in der richtigen Vorausſetzung, daß die

1) Schreiben bes Breslauer Rats au den Erzbiſchof von Kreta vom 8. Dezember 1462, in Breslauer Korrefp., ed. Martgraf I, no. 126.

2) Cod. epist., p. 209, no. 188. Auch vonfeiten bes Ordens wurde fein Exbieten abgelehnt. Schreiben be Elbinger Komturs von 1461, Donnerstag vor Bartholomä. Königsb. Archiv.

!

Annerion von Rawa und Gofiynin. 257

maſowiſche Annerion ben Großpolen zufallen und ihre Be⸗ deutung in der innern Politik verftärken werde fi von dem Reichstage völlig fern Hielt, als gälte e8 feinem ge- jamtjtaatlichen Intereſſe. Um jo mehr ftellte ſich der Weg der Rechtsentſcheidung als der einzig praltiihe bar. Der Senat konftituierte ſich als Gerichtshof, der König ftellte feine Anwälte denen der Prätendenten gegenüber, der Prozeß ber gann. Nicht ohne Grund aber proteftierte Herzog Konrad von Maſowien gegen ein Verfahren, bei dem tbatjächlich ver König Bartet und Richter zu gleicher Zeit jet, und verließ miß- mutig den Reichstag, noch ehe der Spruch gefällt war. Da- dur war nun allerdings der Abjchluß des Rechtsverfahrens unmöglich gemacht, und in der That zog fich daſſelbe vor einer dazu befignierten Kommilfion bis in das Jahr 1468 hinein. Da aber dieſe Verhandlungen gezeigt batten, daß die Krone mit allem Nachdruck ihre Rechte zu behaupten entichloffen war, jo nahmen die Stände von Rawa und Gofipnin, welche nur eine folche Weberzeugung abgewartet Hatten, Teinen Anftand mehr, die Huldigung dem Könige anzubieten. Unverzüglich vollzog daher Kaſimir die Annexion der beiden Lanbfchaften unter Verleihung erleichternder Privilegien und unter Ein- fügung derfelben in den polniichen Verband !). Jener Grot von Nowemiafto wurde Balatin nicht blos von Rawa, ſondern auch von Plod, letzteres freilich vorläufig nur auf dem Papier. Denn die Frage um Plock blieb eine offene, da ein Bürger- frieg, wie er ſich bet dem Wiberftand der dortigen Stände zweifellos entwidelt haben würbe, unter allen Umftänden ver⸗ hütet werben follte.

Bei dem Streite über die Kompetenz des polniichen Senats für eine Rechtsentſcheidung Hatten die Herzöge bereits ihre

1) Die Imtorporationsurkunde von Rawa vom 7. Dezember 1462, im Cod. epist., p. 215, no. 192. Die von Goftynin vom 14. Dezember bei Helcel, Pomniki, I, p. 298. Die Urkunde im Cod. epist., p. 218, no. 193, vom 20. Dezember ift nicht, wie bort angegeben, ber „akt przylaczenia ziemi GostyAhskiej“ fondern ein Privilegtum für bie Stabt Goſtynin.

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 17

258 Elftes Bud. Neuntes Kapitel. (1463.)

Neigung tunbgegeben, bei einer ausländiſchen Inftanz eine ſchiedsrichterliche Zöfung zu fuchen. Der Bapit !), der Kaifer, ober andere Reichsfürften, oder auch eine italieniſche Univerfität wurden zu dem Zweck vorgeichlagen. Aber nad den Er faßrungen der Polen in ähnlichen Berbältniffen vergangener Tage würben fie fih auch dann nicht dazu veritanden haben, wenn es ihr Stolz zugegeben hätte, den Charakter der ma fowilchen Frage als einer rein internen zu verleugnen. Die Brätendenten jedoch ergriffen allerbings dieſe Auskunft und tiefen den Papft, ven Kaifer und den König von Böhmen um Intervention wegen Nechtsvergewaltigung an. Und nicht obne Erfolg. Denn Kaiſer Friedrich jchrieb nicht blos mahnend an den ihm nahe verwandten König Kaſimir, ſondern auch an den Papſt Pius II., der ſeinerſeits wiederum eine ernſte Warnung an den König abgehen ließ 2). Wenn auch ſolche Schreiben in jenen Tagen nur geringe Macht Batten, jo trafen dieſe doch gerade in einem Zeitpunkt in Polen ein, in dem fie nicht ohne Eindrud blieben. Nichts konnte in jenem Augenblid, ba bie preußifchen Angelegenheiten: der Entwidelung und Wfung ent gegenreiften, unerwünjchter fein als eine Einmiſchung aus wärtiger Mächte in die innern Irrungen. Mit Mühe erwehrte man fich zur Zeit der Zudringlichleit des päpftlichen Legaten Hieronymus von Kreta, und es wäre bedenklich geweſen, wenn diefer oder ein anderer Legat mit einem noch dornenvolleren Auftrage betraut, in die polnifchen Verhältniffe einzugreifen berechtigt gewejen wäre. Noch einbrudsvoller aber war Das fundgegebene Interefie des Königs Georg Podiebrad für ben Herzog Konrad von Deld-Kofel, denn als dieſer im Oktober 1463 auf dem Neichstage zu Piotrlow nochmals mit feinen Forderungen auftrat, hatte er den befürwortenden Schuß eines außerorventlichen Geſandten ber böhmilchen Krone zu feiner

1) Schon am 8. Dezember 1462 hatte der Erzbilchof von Kreta bem Kon- rab von Ols den Rat erteilt, den Papft ober die Rota als Schiedsrichter vorzuſchlagen. Vgl. Bresl. Korrefp., Nr. 126, Ann. Über weitere vermittelnde Schritte des Erzbifchofs Hieronymus f. ebd.., Nr. 188.134.

2) Cod. epist. saec. XV, 223, no. 196, und p. 227, no. 198.

"Befriedigung Konrads von Ols. 259

Seite. Es kam zu heftigen Auftritten auf dieſem Reichstage, denn ber Herzog beſchuldigte den König offen bes Wortbruch® und ging „mit Umwillen von dannen“ ?). Aber der Vorgang batte doch den Erfolg, daß die Polen dem Stand der Streit frage eine Wendung zu geben verfuchten. |

Der in der mafowifchen Angelegenheit zuerft als praktiſcher Staatsmann hervorgetretene rechtsekundige Jan Oſtrorog, der Sohn des Wojewoden von Kaliſch, wurde nach Rom geſandt, um dem Oberhaupte „ver Kirche die nötigen Aufklärungen zu geben 2). Inzwiſchen wurden unter Bermittelung des böhmischen Königs Verhandlungen mit Konrad von Oels gepflogen, bie jedoch erft im Herbft 1465 zum Abfchluß gebiehen)., Im einer Zuſammenkunft des Königs mit dem Herzoge zu Kalifch, bei welcher im Namen des Böhmenkönigs der Biſchof Jodokus von Breslau und Herr Wilhelm von Rofenberg und Rabſtein zugegen waren, entiagte- das herzogliche Ehepaar allen bis⸗ Berigen Anjprüchen und zukünftigen Anwartichaften in Maſowien gegen eine Entſchädigung von 20,000 ungartichen Dufaten, bie ber König von Polen ratenweife zu entrichten fich verpflichtete. Nach den uns noch erhaltenen Quittungen ift denn auch bie ganze Summe in den feitgeftellten Friſten richtig ausgezahlt worden, jo daß alſo verjenige Prätenvdent von Maſowien, deſſen Erbrecht nicht geleugnet werben konnte, befriedigt und beſchwichtigt war *).

1) Schon im Beginn bes Jahres 1463 Hatten Berhanblungen mit Konad in Kalifz flattgefunden. Bresl. Korrefp., Nr. 150. Nah dem Reichstags⸗Rezeß im Danziger Nezeibuch I. Konrad war mit feiner Bemablin Margareta, der eigentlichen Erbin, erſchienen; ber bohmiſche Senbebote war Herr Birke (d. i. Berka von Duba), der. übrigens zu dem Marnmen des Diser gehörte. Bgl. Script. rer. Siles. VIII, 35.

2) Bol. Earo, Eine Reformationsfchrift bes 15. Jahrhunderts, im Weſtprenß. Zeitihr., Heft IX, ©. 23.

3) Dingofz XI, 339. 348. Konrad Hatte mit einem Angriff auf Bolen gedroht. ©. Bresl. Korrefp., Ar. 294.

4) ©. die Urkk. im Cod. epist. saec. XV, 224, no. 197, im Cod. dipl. eivit. Crac., no. 578, und im Inventarium diplom., p. 345. 346, fowie Gotebiomwsti IH, 196. Bgl. Diugofz XII, 354.

17*

260 Elftes Bud. Neuntes Kapitel. (1466.)

Um jo Heftiger aber erhoben nunmehr die Maſowier der älteren Linien ihre Stimme. Auf dem Lätare-Keichstag 1466 waren fie noch einmal alle erjchienen. Den Stützpunkt bes Erbrechts ließen fie jet mehr im Hintergrund *), da ber König durch feinen Vertrag mit der Herzogin von Oels diefer Be gründung den Boden entzogen hatte. Um fo mehr. Gewicht legten fie auf das Stantsrecht, oder wie cd uneigentlich be zeichnet wurde, auf das Lehnsrecht, wobei fie fich natürlich verfiehen mußten, die Anſprüche auf Bel; gänzlich fallen zu laſſen. Aber weber diefe veränderte Taktik noch verjöhnliche Ber- bandlungen hatten einen Erfolg. Anch jevem Tauſchangebot für die Landfchaft Plock verjagten bie Prätenventen ihre Ges nehmigung, weil fie mit Recht durch die Abgabe bes Biſchof⸗ fige8 ben ganzen Reſt ihrer Selbjtänbigleit und Bedeutung einzubüßen befürchteten. - Es verdient aber befonders ber» vorgehoben zu werden, daß die Herzöge, obwohl in folcher Weife von dem Könige zurüdgeftoßen, dennoch ihre nationale Haltung nicht verleugneten und in ben Schlußicenen bes preußifchen Krieges der polniichen Sache wichtige ‘Dienfte

1) In ben Mon. Pol. hist. III, 202—204 teilt Auguſt Bielowsti einen Rocznik mazowieki mit, den er aus dem Cober des Sedziwoj von Czechel (S. 944—945) gezogen, und von welchem er meint, daß er vor 1370 verfaßt fein müſſe, denn der Verfafler nenne Kaſimir den Großen: modernus dominus noster. Das ift aber ein großes Mißverflänbnig, denn das thut ber Verſaſſer keineswegs. Er fagt: „Cui (sc. Wladislao Loctico) Kazymirus filius suus successit. Et sub tempore regiminis olim domini Wladislai (sc. Jagellonis) regis, patris moderni domini nostri, (sc. Wladislai vel Casimiri) accesserunt ducatus Wyelunensis.“ Diefe Acceifion bat bekanntlich 1396 ftattgefunden. Alfo kaun mit bem Bater des modernen Königs nur Wladys aw Jagichfo gemeint fein. Der Schlußſatz dieſes fogen. Jahrbuchs Yautet aber fo: „Et sic duces Mazowie ex origine processerunt de regia stirpe et quotiescunque moriuntur duces sine masculina prole hoc de jure venit, ut ad regnum perveniat principatus.“ Aus biefen Worten fieht man, baß bier gar fein Jahrbuch vorliegt, ſondern lediglich eine im mafowifchen Erbfolgeftreit ab- gefaßte Staatsichrift, die wohl einen ber Krakauer Gelehrten, vielleicht Eebziwoj von Czechel ſelbſt, zum Verfafler Hat, und die zur Information dienen jollte.

Urteil und Vergleichsverſuche. 261

leifteten. Nichtsdeſtoweniger wurbe das im Jahre 1462 be- gonnene Nechtöverfahren vor der vom Senat eingelegten Kommtifion wieder aufgenommen und nad Abichluß des preußifchen Krieges mit Eifer fortgeführt. Auf dem Reich tage im Herbſt 1468 erfolgte der Spruch, ber nach Maßgabe der Anſprüche der Erbforverer in einzelne Zeile zerfiel. Dem Herzog Konrad von Mafowien wurde jedes Anrecht auf bie Landichaften Plod, Zawkrze, Plonsk, Wizna und Sochaczewo ber Herzogin Katharina ebenfo jedes Anrecht auf die Land⸗ ichaften Plonsk, Wizna und Sochaczewo abgejprocdyen, und ber König Kaſimir ald einzig berechtigter Erbnachfolger anerkannt ).

Damit war aber der maſowiſche Erbfolgeftreit noch bei weitem nicht erledigt. ‘Denn einerjeits hatten die Fürſten das Gericht nicht anerkannt und waren in contumaciam berur- teilt worden. Andererjeitd lag es auch jet nicht in der Ab⸗ ficht der Krone im Hinblid auf Die Sympathieen, welche bie piafttichen Herzöge im Volke genoſſen, dem richterlichen Spruch durch Waffengewalt Nachbrud zu geben. Im Gegenteil wurde noch zwei Jahre jpäter, auf dem Neichdtage von 1470, den Herzögen der Vorſchlag gemacht, unter Anerfennung des Heim- fall8 der mafowtichen Landfchaften gegen Entrichtung ber an Konrad von Oels gezahlten 20,000 Dulaten Plod und Wizna von neuem zu Leben zu nehmen. Im der Veberzeugung jedoch, daß der König in Rückſicht der das Land ohnehin ſtark in Ans ipruch nehmenden auswärtigen Verwidelungen zu einer Zwangs⸗ ausführung des richterlichen Urteil boch nicht fchreiten werde, und daß fie ſomit das doch behalten würden, was fie erft er- faufen follten, fchlugen fie jedes vermittelnde Angebot beharrlich aus. Den Huldigungseid leiſteten fie dem Köntge Kafimir nicht ?), und es zeugt von einer unerjchöpflichen Langmut bes Sagielloniven, daß er vielen Trotz ohne Vergeltung ertrug. Fa noch mehr. AS der König im Jahre 1476, wie fchon er»

1) Die Endurteile im Kod. Maz., p. 238—250, no. 217—222.

2) Das hebt Joh. Albrecht fpäter (1496) ausdrücklich hervor. Kod. Maz., p. 305, no. 261.

262 Elftes Bud. Neuntes Kapitel.

wähnt, durch Abrede mit ber Herzogin Anna die Lanbichaft und die Stadt Sochaczewo erworben hatte, und die Herzöge Janusz und Boleslaw den Verſuch wagten, ber Befigergreifung durch die Krone zuvorzukommen, -batte diefe Auflehnung Teine weiteren Folgen für. fie, als daß fie von Kaſimir wienerholent- lich. auf den num unabänderlic gewordenen Stand des Rechts⸗ verhältnifjes Hingewiefen wurben.

In ſolcher Verfaſſung blieb nun Maſowien währen ber ganzen übrigen Lebenszeit des Könige. Die ältere Linie hatte faktiſch Die Landſchaft Pod aus dem Erbe der jüngern er worben, während die Krone unter unabläjfiger Behauptung ihres Anrechts fich mit der bloßen Anwartichaft auf biefelbe zufrieden gab. Bon den vier Brüdern des herzoglichen Haufes war einer, Kafimir, in den geiftlichen Stand getreten und einige Sabre. (1471—1481) Biſchof von Plock geweſen. Der - andere, Boleslaw V., welcher Warſchau und Zakroczym erw alten hatte, ftarb im Jahre 1488 kinderlos, und fein Herzog. tum wurde von feinem Bruder Konrad III., welchem Czersk und Ciechanowo zugeteilt war, eingezogen. Auch Sanusz IL, welcher in dem beitrittenen Plod das Regiment führte, ftarb im Sabre 1495, ohne Erben zu binterlafien, fo baß auch bie ältere Linie gegen Ende des Jahrhunderts nur noch auf zwei Augen ftand. Da aber Herzog Konrad, der nicht lange zuvor fih zum zweiten Male und zwar mit Anna aus dem Haufe Radziwill verheiratet hatte, feinen erhofften Kindern die Erb- folge in feinem Patrimonium wahren wollte, jo willigte er enblich (1496) in die Abtretung von Plod an die Krone und erfaufte fich durch Ableiſtung des Homagialeives den Schut des Königs für feinen Nachfolger. Als Konrad im Jahre 1503 ftarb, hinterließ er vier Kinder, zwei Töchter Anna und Sophia und zwei Sößne, von denen ber ältere Stanis⸗ faw 3 Jahre, der jüngere, Janusz, nur ein Jahr beim Tode des Vaters zählte.

Sie waren bie letzten regierenden Piaften in Bolen. Den völligen Untergang der majowifchen Autonomie werben wir nod weiter unten zu erzählen haben. Hier gilt e8 nur die ebenio

Der neue Gewinn. 263

Huge als glücliche Politit Kaſimirs auch nach diefer Seite bin ins Licht zu fegen. Mitten in den Stürmen des preußifchen und des ungariichen Krieges hatte er den polnifchen Reichs⸗ Törper durch vier beträchtliche Landichaften, Belz, Rawa, Goſty⸗ nin, Sochaczewo, welche früher als nur mittelbar abhängige den Gejamtintereffen bes Staates nur in vermindertem Grabe Dienfte leifteten, erweitert und durch bie .offen gehaltene An- wartichaft auf Plod die vollitändige Aufhebung des Kleinfürften- tums in Polen vorbereitet. Durch Zähigfeit in den Unter handlungen und vorfichtige Zurüdhaltung in der Ausführung feiner erworbenen Anrechte bat er die drohende Gefahr eines innern Krieges während ber auswärtigen Verwickelungen weis. lich abzuftumpfen veritanden. Kin wichtiger Schritt auf dem Gebiete der Zentralijationspolitit der Jagiellonen war ger ſchehen. Während das polniiche Neich mit einem mächtigen Anwachs feines Gebiete die Seenusgänge gewonnen batte, wurde das Hinterland durch einen energiicheren politifchen Zu- ſammenſchluß desjelben für die Ausnützung der eröffneten Per⸗ ſpektive des Weltverfehrs fertig gemacht. Ein Blick auf Die Karte zeigt, was das polntiche Reich für eine woBlbeleibte Geftalt nach diefen Wendungen im Vergleich zur Zeit des be ginnenden preußiichen Krieges gewonnen hatte. Aber der Heim⸗ fall der maſowiſchen Landichaften war noch darum bejonders wertvoll, weil deren Amalgamirung mit dem polniichen Volle feine Schwierigfeiten barbot. Es war ein Zuwachs aus dem Eigenen, und bie Ueberführung ver dortigen politiichen Ein» richtungen zu den allgemein gültigen bot die Negierung zu feiner befondern Energie die Regierten zu feiner erheblichen Selbftüberwindung auf. Die Annexion vollzog fich auf glatter Dahn. Aber ift es nicht eine Verkleinerung des milden Sinnes des Königs und ber wohl berechnenden ‚Klugheit feiner Ratgeber, wenn dieſer Gewinn lediglich dem Glück Kaſimirs zugefchrieben wird? Dem Glück kam jebenfall$ die Weisheit gleichwiegend entgegen. | z

3awölftes Bud.

Erftes Kapitel. Die böhmiſche Throufolge.

Zu den Umſtänden, welche das Glück Kaſimirs und die erweiterte Weltſtellung ſeines Reiches bedingten, gehörte in nicht geringem Maße der Familienſegen, der ihm zuteil geworden war. Wenn ſchon in monarchiſchen Staaten überhaupt ſolche Momente niemals ganz der Bedeutung entbehren, ſo hatten ſie in unſerem Falle einen geradezu hervorragenden Einfluß und bildeten den Ausgangspunkt weitſchichtiger politiſcher Be⸗ gebenheiten, die mehr als ein halbes Jahrhundert das Schickſal bes ganzen Oſtens von Europa beftimmten. An fi war es ſchon eine eigene und bemerlenswerte Thatjache, daß Kafimir, mitten in einer Epoche verborbener Sitten und entiwurzelter ethiſcher Anfchauungen, welche, dem polniihen Ehroniften zu- folge, in Polen faft in derſelben kraſſen Weiſe zutage traten, wie in berfelben Zeit in Italien, das Beiſpiel einer Teufchen, fledtenlofen Ehe gab, die jelbft ven erbittertftien Gegnern feine Gelegenheit zur Berläfterung darbot. Mochte man an Kafimirs Negentenfähigleit oder jelbft an feiner unwandelbaren Religiofität, obgleich er von beiden die glänzendften Zeugnifie gab, aus dem Gefichtspunkte individueller und parteilicher Ins tereffen noch fo viel ausjegen, jein Familienleben blieb frei

Kaſimirs Familienſegen. 266

von jedem Vorwurfe und jeder Nachrede. Vielleicht war es nicht immer gut angebracht, daß er ſeiner Mutter, welche allen Anzeichen nach eine tüchtige Frau geweſen iſt, einen ſo um⸗ fänglichen Anteil an den Geſchäften einräumte, daß ſie jederzeit in den Rat gehen und ſich alle eingehenden Briefe leſen laſſen durfte. Aber den Ruhm eines treuen und ergebenen Sohnes hat er ſich in jedem Falle damit erworben. Von dem Augen⸗ blick aber, da feine geſchäftskundige Mutter, die Ruſſin von Geburt, das Zeitliche geſegnet Hatte !), treten die Spuren ber- vor, daß auch feine nicht minder ausgezeichnete Gemahlin, bie deutſche Kaifertochter, einen merklichen Einfluß auf die könig⸗ lichen Entichlüffe ausgeübt bat). Es möchte doch wohl mehr als Zufall fein, daß die Politit Polens von biefem Zeitpunfte an ein mehr nach dem Welten gewenbetes Geſicht erhielt. In⸗ defien überwogen bei Elifabeth die Aufgaben der Gattin und Mutter, denn in reichem Segen war die Königliche Familie aufgeblüht. Nicht weniger als dreizehn Kinder, ſechs Söhne und fleben Töchter, find aus ihrem Schoße hervorgegangen ?). Um

1) Vgl. oben, ©. 184. 2) Bol. den Beriht Anton Hornigks in Bresl. Korrefp., Nr. 77. 3) Wladystaw, geb. 1456, 1. März; geft. als König von Ungarn und Böhmen, 1516. Hebwig, geb. 1457, 21. Eept.; geft. 1502, vermäßft mit Georg von Baiern. Kafimir, geb. 1458, 3. Oft.; geft. 1483 kanoniſiert. Yan Albrecht, geb. 1460, 27. Dez.; geft. 1501 als König von Polen. Alerander, geb. 1461, 5. Auguſt; geft. 1506 als König von Polen. Sophia, geb. 1464, 6. Mai; geft. 1512, vermählt mit Markgraf Friedrich von Brandenburg. Eliſabeth, geb. 1465, 9. Mai; geft. 1466, 9. Mai. Sigmund, geb. 1467, 1. Ian. ; geil. 1548 als König von Polen. Friedrich, geb. 1468, 27. April; gef. 1504 als Kardinal. Elifabeth, geb. 1470, geft. 1470. Elifabetb, geb. 13. Mai 1472; vermählt mit Herzog Friedrich von Liegnitz, gef. 16. Febr. 1517. Anna, geb. 1476; gefl. 1503; vermählt mit Boguslaw von Pommern. Barbara, geb. 1478; geft. 1534 ; vermählt mit Herzog Georg, Sohn Alderts von Sachſen.

266 BZwölftes Bud. Erſtes Kapitel. (1466.)

die Zeit des Thorner Friedens hatte der ältefte Sohn Wladyslaw bereitd das zehnte Lebensjahr erreicht und warb nebft feinen Brüdern dem ebenſo gelehrten als in ber praftiichen Politik verdienten Ian Dlugoſz, dem krakauer Domherrn, der in ben Traditionen Zbigniew Olesnickis lebte, zur Erziehung über geben. Auf Söhne und Töchter waren jchon längft die Blicke ber verichtevenen Höfe gerichtet. Aber vor allen fchien ver ältefte Sohn für eine bedeutende Rolle auserlejen zu fein, umb die Mugen Vertreter bes preußiichen Bunbes, welche auf bem September-Reichätage des Jahres 1459 zu Piotrkow erfchienen waren, erwiberten auf die Frage des Könige, wie man ſich zu der Forderung Breslaus wegen ber Zufuhr von Leben mitteln und wegen der Werbungen in Polen verhalten habe, mit dem Rate: der jchlefiichen Stabt entgegenzufommen, „bez Se. Gnaden (der König Kafimir) Hätte Söhne und Erblinge zu ber Krone Böhmen und anderen Landen, unb da Herr Girſick alt ift und abgehend, werben Se. Gnaden Söhne befto freundliher und Llieblicher aufgenommen” !.. Der König ftinnmte dem zu, obgleich der ältefte Prinz damals erft im vierten Lebensjahre ftand.

Diefer aus dem Danziger Neze gezogene, aljo urkundlich beglaubigte Umftand wirft aber ein Helles Streiflicht auf die böhmifche Politit des polnischen Königs alle die Sabre Her. Er zeigt, mit welchen Hintergebanfen Kaftmir in Glogau mit Georg Podiebrad Freundichaftsbezeugungen ausgetauſcht Bat, und wie Pius LI. gar wohl Urfadhe hatte, zu glauben, daß fih Polen als Waffe gegen den Böhmenkönig würde gebrauchen laſſen. Darin lag aber eben ber tiefe Unterſchied zwilchen ber Auffaffung des Papftes und des polnifchen Könige. Dieſer hatte alle feine Hoffnungen und Wünſche bezüglich des böhmijchen Thrones bis zum Lebensende Georgs vertagt. Jener aber, dem ed auf die Vernichtung der Kompaltaten, auf bie Ab⸗ ſchaffung der firchlichen Sonderftellung Böhmens und bie Unter- werfung des bie einheitlihe Ordnung der Iateinifchen Kirche

1) Cod. epist. saec. XV, 192.

Kajimirs religiöfe Anſichten. 267

ftörenden Königs ungleich mehr als auf die Wiederherftellung einer legitimen Dynaftie in Prag anfam, beburfte eines fofort ver- fügbaren Schwerted wider den gebannten König, einer Macht, ‚welche mit unzweifelhafter Anbänglichlet an die Kurie ent- ſchloſſen ift, die Fahne der abjelulen Nechtgläubigfeit zu ent- falten. Die Kurie brauchte jet einen Dann wie jenen Wladyslaw, deſſen Gebeine auf den Gefilden von Warna bleihten. Ein folder war aber Kafimir keinesweges. Im allen ven Stüden, die der Papit als geijtliches Oberhaupt der Kirche zu fordern berechtigt war, ließ es ſich Kafımir von feinem zuvortfun. Die Univerſität Krakau und felbft bas Kapitel daſelbſt bezeugen e8 ihm während bes Biſchofftreits vor dem Papfte, daß er „der frömmfte Pfleger der chriftlichen Religion, der anögezeichnetfte Freund der gejamten Geiftlichkeit und ihr machtvoller Beichüger und Fürſprech“ wäre, aber, meinte die Univerfität, fein Eifer für ven Klerus und bie Kirche ſelbſt find doch nicht erbaben über Kränlung feiner töniglichen Rechte, gegen welche er von der äußerten Empfind- lichkeit iſt ). Es wäre zu viel gejagt, wenn man von Kaſimir behauptete, daß er dem Standpunkt der Kompaltaten fich ger näbert babe, aber das wiſſen wir doch beftimmt, daß fich in feiner Umgebung Klerifer befanben, die ihren Schwur auf bie Beichlüffe des Bafeler Konzils für ihr ganzes Leben als ver» bindlich anfahen, und daß der König fih von Doltoren be» raten ließ, die noch darüber Hinausgingen ?). Für feinen König der damaligen Ehriftenheit hatte ſelbſt ver heilelſte Punkt der Kompaktaten, bie utraquiftiſche Kommunton, jo wenig Ans ftößiges und Befremdendes, als für ihn, den Großfürſten von Litauen, welcher ver überwiegenden Mehrzahl feiner Unterthanen Diefen Ritus zugeftehen mußte. Der entichloffene Angriff auf ‚ein firchliches, von den Päpften verzärteltes Inſtitut, wie ber deutſche Orden geweien, und bad breizehnjährige Lavieren

1) Wisz niewski, Hist. lit. IV, 433. 2) S. den Brief Sedziwojs von Ezechel an Dfugofz im Cod. epist., no. 226.

268 BZwölftes Bud. Erſtes Kapitel. (1466.)

zwiſchen einem päpftlichen Banndekret und einer Abweiſung der furialen Einmiſchung, wie e8 der preußiiche Krieg mit fich brachte, haben ficherlich nicht dazu beigetragen, in bem Sönige und in der hoben polniihen Ariftofratie den Fanatismus für die päpftlichen Anjprüche auf eine Gerichtsbarkeit über gefrönte Häupter zu befeftigen. AU der frommen Neligiofität des Könige hielt doch eine durchdringende Berüdfichtigung bes national - politiichen Intereſſes mindeftend das Gleichgewicht, und namentlich, ſeitdem durch bie DBefeitigung der Immunität bes Klerus diefer den politischen Geſichtspunkten des nationalen Gemeinweſens energiicher untergeordnet war, fonnte es Kafimir noch viel weniger gleichgültig fein, eine fo bedenkliche Autori⸗ tät des römiſchen Stuhles zu unterftügen. Mit einem Worte biefer König war nicht gemacht dazu, fich für bie Anmaßungen der Kurie gegenüber dem Böhmenkönige bis zum Ergreifen des Schwertes zu begeiftern. Daran war aber weder „us dolenz, noch ein Uebermaß von Yriedensliebe, noch die Leiden» haft für die Jagd“ irgendwie ſchuld, wie bis auf den heutigen Zag die Geichichtichreiber dem klerikalen Berichterjtatter nach⸗ erzählen ), ſondern es ift mehr als zweifelhaft, ob Kafimir pas Berfahren der Kurie auch nur im entfernteften biffigte, benn „einen gejalbten und gefrönten König abzujegen‘‘, änferte er einmal, „überjchreite die Befugnis des PBapftes‘‘ ?).

Bon diefem Geſichtspunkte aus iſt aber bie polnische Politik in der böhmiſchen Frage zu beurteilen. Es ift ſchon gejagt worden, daß Kafimir bereitd im zweiten Negierungsiahre Podiebrads die Nachfolge feines Sohnes auf dem böhmiſchen Throne ind Auge faßte, und mit der Zähigkeit unb Geduld, die ihm eigen war, ift er dieſem Ziele ftetig nachgegangen, auch dann, wenn er am wenigften daran zu arbeiten ſchien. Aber eben jo ſehr fcheint fein Entſchluß feftgeftanden zu haben, dieſes Geſchenk nicht Yebiglich aus ber dan des Papftes zu empfangen.

1) Bon Diugofz bis zu Markgraf (in Sybels Hift. Zeitſchr., N. F. II, 257) if das immer behauptet worden. 2) Müller, NReihstagstheatrum II, 266.

Kajimir und der Bapft. 269

Freilich war das eine ganz beſonders fchwierige Stellung, die zu dem Verſuch nötigte, mit allen fich Heiß befämpfenven Barteien auf gutem Buße zu bleiben und ohne Einmiſchung dennoch um bie Sympathieen in Böhmen und. in den Neben» ändern zu werben. Man durfte ven rebelliſchen fchlefifchen Bund unter der Führung Breslaus nicht ermutigen, wollte man nicht den Beutben-Slogauer Frieden mit Georg verlegen, aber man wollte ihn doch noch weniger entmutigen. Polen kam den Schlefiern fo weit entgegen, als es mit feinen Ver⸗ tragspflichten gegen Georg nur irgendwie vereinbar war. Ebenſo Hatte man fich in dem Streite zwilchen dem Papfte und dem Böhmenkönige zu Halten. Seitvem Paul II., ungleich ungeftümer als fein Vorgänger Pius, den bisherigen Weg ber Berbandlungen mit Georg mit dem des kanoniſchen Prozefies vertaufeht Hatte, fuchte Polen fi um jo mehr vor einer aus⸗ geprägten Parteinahme zu hüten. Mit Georg um des Bapftes willen brechen, bieß diejenige Partei in Böhmen zum Krieg herausfordern, auf welche am meiften die Zulunftshoffnungen des Jagiellonen gebaut waren, und mit dem Papfte ſich ent» zweien um Georgs willen, wäre unbedingt noch thörichter ge⸗ weien, denn ver Bapft blieb immer noch ver Papjt, der mehr zu geben Batte, als alle Parteien umd alle Könige. ‘Daher die ängſtliche Scheu der Bolen vor einer päpftlichen Ber- mittelung im preußifchen Sriege, die verpflichten konnte; baber wohl auch der Stillftand in dem Verkehr mit der Kurie über- haupt während der Jahre 1464 bis 1466. Aber am Ende war ber PBapit bei einem Trieben mit einem geiſtlichen In⸗ ftitut, wie der Orden, wobei es obendrein zu neuen Diözeſan⸗ einteilungen fommen mußte, nicht zu umgeben. Wir börten ichon, mit welcher Borficht der König fich dem Legaten Rudolf von Rüdesheim näherte, wie er ihn zuvor wegen feiner Dis⸗ pofition ausforjchen Tieß, ehe er ihm zur Leitung der Friedens» verbandlungen einlud. Der betreffende mit dieſer Aufgabe be- traute Geſandte fand ihn, vielleicht zum Erftaunen Kaſimirs, für Polen beffer geftimmt, als jemals bei Beziehungen zum Orden von einem päpftlichen Geſandten erwartet werden konnte.

270 Zwölftes Bud. Erftes Kapitel. (1466.)

Der Legat bezauberte Kafimir förmlich bei dem Fortgang bes Friedenswerks; ver König nannte ihn feinen „beiten Freund”, er erhob ihn zum „ÜOonsiliarius perpetuus“ des polniichen Reiche, er verichrieb ihn eine Jahreörente, er bemühte ſich um feine Erhebung zum Kardinal, aber dennoch gingen ber König unb ber Legat mit einem Mißton auseinander. Denn vor dem Abſchiede enthüllte Rudolf mit einemmale die Gründe ber päpftlichen Willfährigleit, den Orden preiszugeben, und bie Gründe feiner eigenen Befliffenheit, den polnijchen Interefien zu bienen. Die Kurie bat dir einen Dienft. geleiftet, das war ungefähr der Sinn der Eröffnungen des Legaten, fie er- wartet nunmehr einen gleichen . von dir. Georg Podiebrad ift ein Kleber, ein Ujurpator, bu haſt durch deine Gemahlin Elifabeth ein legitimes, und durch Verwandtichaft der Natio⸗ nalität und Sprade mit ben Böhmen ein natürliches Recht auf diejes Land. Der größere Teil des böhmtichen Herren⸗ ftandes, die Stadt Breslau, eine Anzahl fehlefiicher Fürſten ſtehen auf dem Punkte, Georg zu verlafien. Erhebe die Fahne gegen ihn, und willft du nicht die böhmifche Krone dir aufs Haupt fegen, jo gieb den Rebellen in Böhmen einen deiner Söhne. In Breslau Tann er ficher feinen Sitz fofort anf ichlagen, die Unterwerfung der übrigen Yänder wird nicht aus⸗ bleiben. Das Ausland wird den Schritt billigen, und ber Papit wird bir mit Geld und Gunft jever Art zur Seite ftehen. „Für den Erwerb von Schlefien und der Laufit: fage ih dir gut‘. Damit jchloß der Legat.

Das hatten die Jagiellonen alle von ihrem. Bater gelernt, bei. peinlichen Zumutungen ihre Abhängigkeit von dem Reichs⸗ tage hervorzukehren. Kafimir vertröftete den Xegaten auf ben zum St. Georgstag 1467 angeſetzten Reichstag.

Im wejentlichen verlangte Rudolf von Lavant alfo, daß der König bier in Böhmen wieverholen joll, was er vor dreizehn Jahren in Preußen getban, auf dem Grunde eines noch fabenicheinigeren Anrechts fich einer Rebellion gegen bie re gierende Herrichaft anzuneßmen. Auch ofne Erwägung weiterer Umftände ift es pſychologiſch erflärlih, daß Kaftmir trotz bem

Die Barteien in Böhmen. 271

endlichen Erfolge, burch die dreizehnjährigen Opfer, Leiden, Mühen und. Sorgen gewikigt, ein Abentener folcher Art nicht wieder beitehen wollte. Gewiß ftand jein Sinn auf bie böhmijche Krone für feinen Sohn, aber er mochte fie jegt nicht, jo lange Georg lebte, und er mochte fie aus den Händen nicht, die fie ihm darbrachten, er mochte fie lieber von denen em⸗ pfangen, bie ihm ſelbſt ſchon einmal, vor 37 Jahren, als er noch ein 12jähriger Knabe war, als König von Böhmen entgegenge- jubelt hatten. Damals waren die Kreife, in denen man jett einen Bolen auf den Schild heben wollte, feine erbitterten Feinde gewejen. Auf eine Anerkennung feines Iegitimiftiichen Anrechts auf Böhmen mochte Kaſimir jelbft anfänglich nicht allzu große Hoffnungen jeen, deſto mehr aber auf die Verwandtichaft in Sprade und Nationalität, die einen Iagiellonen gegen jeden, Mitbewerber auszeichneten, und von welcher auch ber Legat ge ſprochen hatte. Allein grade die Parteien, welche fich ihm jett an den Hals werfen wollten, gehörten am wenigiten dem „linguagium slavonicum an. Der größere Teil des Herren- ftandes und die Städte mit beutjcher Bevölkerung, welche jich vornehmlich gegen Georg Podiebrad auffehnten, legten unter allen Umftänden mehr Gewicht auf Kafimirs Nechtgläubigkeit als auf feine ſlawiſche Mutterſprache. Der Nitterftand, bie Maſſe des Landvolks, die Mehrzahl der czechiichen Städte bildeten die Stüte Georges, jowie auch Die Stüte des Utra⸗ quismus. Der kurze VBerfuch des Emporkoͤmmlings im Anfang feiner Regierung, eine Stellung zwilchen beiden Richtungen ein» zumehmen, war hoffnungslos geſcheitert. Er mußte fich wieder den Wurzeln feiner Macht zuwenden, er mußte ausgelprochener Utraquift fein. Und mit. je mehr Energie er dieſer Ueber- zeugung Ausdruck gab, deſto entichtevener wuchs ihm eine katholiſche Partei gegenüber. Der Herrenftand unter Führung Zoenels von Sternberg, des böhmiſchen Vertreters in den Beuthen⸗Ologauer Verhandlungen, machte fi zum Mittelpunft derſelben. So mächtig dieſe Dligarchen indes auch waren, namentlich wenn fie von dem Klerus und dem Papfte unter⸗ ftägt wurden, fo konnte doc Fein König auf biefem Pfeiler

272 Zwölftes Bud. Erftes Kapitel. (1467.)

allein fein Regiment aufzubauen trachten. Abgeſehen von ber fchärferen Formulierung des religidien Gegenſatzes Tagen bie Berbältniffe in Böhmen nicht anders als in Polen. Auch Kafimir Hatte feinen Herrenfiand, der nicht duldete, daß er Leute aus dem Nitterftand in feinen Rat zog. Auch Kafimir war er ſchon gefahrvoll genug für die Dynaftie gegenüber- getreten, auch Kafimir hatte ſchon wiederholt im. Ritterjtand

ſich Hilfe und Stütze fuchen müſſen. Sollte er nad allen diefen Erfahrungen fich von der Gnade eines jolchen Herren⸗ ftandes unter Umſtänden, die eine Zuflucht beim Ritterſtande ausfchloffen, eine Krone aufprängen lafien? Als die umzu- frievenen böhmiichen Herren am 28. November 1465 anf bem Scloffe Sternbergs in Grünberg einen Bund auf fünf Jahre Ichloſſen, haben 16 Herren die Urkunde unterzeichnet. Das war denn Doch zu wenig, um eine Thronumwälzung darauf bin unternehmen zu wollen.

Einen Punkt aber gab es in den Beſchwerden bes Herren- ftandes, der einer völligen Sympathie bei Kafimir begegnen mußte. Wenn die Barone fich beflagten, daß Georg offen das Beitreben kund gegeben habe, einem jeiner Söhne die Nachfolge in Böhmen jchon bei feinen Lebzeiten zu verfichern, und die Reichskleinodien eben deshalb fchon in den Gewahrfam feines Sohnes Viltorin gegeben habe, fo fand diefer Vorwurf bei Kafimir am meiften Gehör. Denn daran Bingen alle Hoff nungen und Pläne Kaſimirs für ſich und feinen Soßn. Über die Lebenszeit Georgs hinaus durfte das Negiment der „Uffe geruckten“ nicht beftehen bleiben. In dieſem Bunte war bie Annäherung Kafimird an den Herrenbund begründet. Aber Georg hatte aus dieſem Herzenswunſch gar kein Hehl gemacht. Er batte ihn unter feinen Anhängern im Lande als die Krönung feines Syſtems bezeichnet, ja noch mehr, er Hatte ihn Damals, als er durch einen phantafievollen Plan ven Verſuch machte, die naturgemäß fich. bildende Gemeinſchaft zwifchen der Kurie und dem Herrenftand aufzuhalten, al® den pofitivften Teil ber Gegenleiſtung des Papftes für feine und feiner Familie Nüd- kehr zum alten Nitus bezeichnet. Aus ven früheren Projekten,

Kajimirs zweideutige Haltung. 273

mit denen. Georgs ehrgeizige Phantafie von den Wanderdiplo- maten erfüllt worden war, hatte fich die Idee des byzantiniſchen Raifertums noch erhalten. Wenn der Bapft ihn zum Kailer von Konftantinopel machte, dann wollte er einen orthodoxen Erzbiichof in Prag und den orthoboren Ritus in feinem Haufe fih gefallen lafjen. Nur ein neues Element war binzugetreten, die Forderung, dag einer jeiner Söhne fein Nachfolger würde. Es iſt bier micht zu betrachten, inwieweit e8 Georg mit dieſem Vorſchlag - einer Löſung des Kirchenſtreits ernſt gewejen ift, ober ob er damit nur Zeit babe gewinnen wollen. Aber in dem einen Punkte dieſes Angebots war auch wiederum für Kafimir der Anftoß gegeben, jich der Kurie nicht unerreihbar und nicht unerbittlich zu zeigen. Er mußte der Kurie die Hoffnung offen lafien, in ihm eine Geißel für den widerjpenftigen Böhmenkönig zu finden, wenn fie feine bedingte und verflaujulierte Unterwerfung ablegnt. Mit kaum zu bezweifelnder Deutlichfeit war dies in der Annahme des Yegaten Rudolf als Vorfigenden des Thorner Friedenskongreſſes ausgejproden. Mithin ftand Kaſi⸗ mir damals, als der Legat ihm die offizielle Eröffnung nach dem Abſchluſſe des preußifchens Friedens machte, mit den bei- den die Stellung Georgs untergrabenden Mächten, mit bem Herrenbund wie mit der Kurie, noch keineswegs in einer völligen over auch nur umfafjenden Ipeengemeinichaft. Hatten ja dieſe jelbft erjt damals, eben in den Herbfttagen 1466, in ver Berjammlung des Herrenbundes zu Zittau, bei welcher ber Minorit Gabriel Rangont aus Verona den iu Polen anwejenden Legaten vertrat, das erite Programm eines gemeinichaftlichen Borgehens gefunden. Aber mit dem Gedanken der beiden Parteien, die Nachfolge eines Podiebrad zu verhindern, war Kaſimir bereits innerlich einverſtanden und in dieſer Hinficht der Solidarität im Geiſte jchon beigetreten.

Der Kurie genügten vorläufig ſolche Ausfichten auf Unter- ftügung, um das Kriegsfeld Har zu macen. Am 23. ‘De jember 1466 wurde in einem öffentlichen Konfijtorium ver Dann über den Böhmenlönig und feine Tamilie verfündet, ihm der Thron und jeinen Söhnen das Recht der ehronfolge ab»

Caro, Geſchichte Polens. V. 1.

274 3vpölftes Bud. Erftes Kapitel. (1467.)

geiprochen, und alle jeine Unterthanen von der Pflicht bes Gehorſams wiederholentlich entbunden. Bösartige Klagichriften gingen von Rom und von dem in Bredlau weilenden Rudolf von Lavant in alle Welt hinaus. Selbftverftändlich forgte der Legat dafür, daß eine davon auch in die Hand des Königs Rafimir gelangte, und unterrichtet von dem Einfluß der Königin Elifabeth auf ihren Gemahl, verfäumte er auch nicht, auf das Gemüt ver hoben Frau zu wirken, die an biefer böhmiſchen Trage das perjönlichjte Interefe nehmen mußte. Er Hielt ihr in einem Schreiben die berühmten Frauen der Bibel vor und forderte fie jchlieplich auf, eine neue Eſther zu werden, wie er als Mardochaj das Bolt aufrufen werde. Sie folle den Tod ihres Bruders Ladislaus rächen und ihren Gemahl zur Annahme bes böhmifchen Reiches bewegen ?). Um biejelbe Zeit aber, da dieſe heißen Mahnungen am polniichen Hofe gelefen wurden, war auch jchon vom Könige Georg die Trage geftellt, ob er das Glogauer Bündnis noch als zu Recht beftehend anfehen dürfe. Die vorläufige Antwort nach Prag brachten die Ge fandten, welche nah Rom geſchickt worden waren, um bie Deitätigung des Thorner Friedens vom Papfte Paul IL. zu erbitten: Vincenz Kielbafja, der Biſchof von Eulm, und Ian Oſtrorog, der Verfaſſer einer äußerſt antiklerikalen Reform⸗ ſchrift. Dieſe Geſandten ſcheinen mit ſehr widerſprechenden In⸗ ſtruktionen verſehen geweſen zu ſein. In Breslau, wo fie einige Tage bei dem Legaten verweilten, ließen fie dieſen und den vor Verfolgungseifer gegen König Georg kochenden Bres- lauer Rat höchſt getröftet und mit Hoffnungen erfüllt zurück *); in Prag, wo diefe Gefandten wieder einige Tage verweilten, gaben fie dem Könige Georg und feinem Diplomaten Martin Meier bie Berficyerung, daß fein Grund zu einem Argwohn vorliege, daß den beim polnifchen Hofe anpochenden Mebellen vie Haud gereicht werden würde, ber König von Polen wieſe fie weit

1) Bresl. Korreip., No. 344, Ann.

2) Ebd., Nr. 348: „Speramus enim hunc regem Pol. pro aug- mento et defensione fidei omnia facturum ad mandata sue saneti- tatis.“

Polniſche Geſandte in Rom. 278

zurück; und bald nach ihnen kam em neuer Senbbote aus Polen nach Prag, der die Erneuerung oder Ergänzung ber Verträge von Beuthen⸗Glogau bereitwillig anbot !). Auch den jächftichen Geſandten, bie im Intereſſe Georgs fih nah Rom begaben, verjprachen die polniichen Bevollmächtigten, ihnen mit Nat und That beim Papfte behilflich zur fein 2).

Als aber die beiden Geſandten in der Markuskirche zu Nom am 14. März 1467 vor dem Papfte Aubienz hatten ®), führten fie doch wieder eine andere Sprade. In der vortrefflichen Rede, welche vor dem heiligen Vater und ben Rarbinälen vor- getragen wurbe, war die Obebtenz des polnischen Volkes und des Königs ausgeiprochen, wurde mit beweglichen Worten um die Beitätigung bed Thorner Friedens gebeten aber bie böhmifche Angelegenheit war darin mit feiner Silbe berührt 4). Denn fich an diefe Rebe eine Diskuifion gefnüpft haben follte,

1) Martin Meiers Brief an den Erzbiſchof von Gran, vom 19. Febr. 1467, im Archiv für öfterr. Geſchichtsquellen XII, 341, wo unter „Zar- niensem electum‘“, was feinen Sinn bat, zu verftehen ift: „administrator Pomezaniensis“. Bei Teleti, Hunyadiak kora XI, 242 fieht „el. Zami- ensem “. Katürlid wirb dann aus Bincenz Kielbafla ein Elect vom Samland gemacht, 3. B. auch von Papée in Rozprawy Akad. Krak. VIO, 357.

2) Schreiben Martin Meier an ben Secretarius regis Paul im Arch. für öfterr. Geſch. XII, 331. | |

8) Brest. Korreſp. Nr. 353. Bericht Fabian Hankos, der ein Studien- genoffe Yan Oſtrorogs war und ſchon 1464 in Rom mit ihm zufammene getroffen war. Bel Caro, Eine Reformationsichrift bes 15. Jahr⸗ bumberts, ©. 12. 24.

4) Die Rede ift abgebrudt in Vol. Leg. I, 222. Rüdfihtli ber Antorfchaft Habe ich in meinem Bude: „Eine Reformationsfchrift des 15. Jahrhunderts”, &. 25, die Tradition, daß Ian Oftrorog der Ber- fofler derſelben gemwejen wäre, in Schuß genommen. PBawinsti teilt jedoch ans einem Kopialbanb ver Petersburger Bibliothek eine „, peroratio domini Ostrorog coram domino Apostolico“ mit und glaubt aus einem rein äuferlihen Grunde fchließen zu müflen, daß fie von San Oftrorog und bei dieſer Gelegenheit gehalten wurde. Aus dem Inhalt ber mit einer abftrufen Gelehrfamfeit und mit Reminiszenzen aus Kadlubek über- labenen Rebe geht das nicht Kervor. Hat Ian Ofteorog biefe „pero- ratio“ gehalten, fo würbe fein Ruhm etwas bläffer werben.

18 *

276 HZwölftes Bud. Erſtes Kapitel. (1467.)

dann kann fie auch micht zugunften Georgs von Böhmen aus gefallen fein, denn die Karbinäle und alle Prälaten lobten die polnifhen Herren, und der Breslauer Geſchäftsträger fand, daß „fie ganz ehrlich beftanden Hätten‘. Was fonnte ein jo partetticher Zeuge wohl unter „ganz ehrlich“ verfiehen? Der Bapft Paul ſcheint die Zweideutigkeit der polnijchen Stellung richtig erkannt zu Haben und war entichlofien, den König zur Entſcheidung zu drängen. Im einem Breve vom 14. Mai 1467 erteilte ex dem Biſchof von Lavant die Ermächtigung, ben Thorner Frieden zu beftätigen, wofern der König von Polen, falle er oder einer feiner Sößne für den böhmiſchen Thron erkoren würben, die Krone anzunehmen, oder, falld irgend jemand anders gewählt werben jollte, dieſen mit aller Macht zu unterftügen fich verpflichtete 1).

Das päpftliche Schreiben und die um dieſelbe Zeit aus» gegebenen wiederholten Bannbullen famen zu jpät in die Hände des Legaten, um noch für den auf den St. Georgitag 1467 angelegten Neichstag in Piotrlom verwendet werben zu Fönnen. Der Legat war baber auch dort nicht erichienen, wohl aber ein Geſandter Georgs, Johann Jicinski von Eimburg, um bie Vorſchläge wegen etwaiger Ergänzung des Glogauer Vertrages entgegenzunehmen. Man erwiberte ihm, daß eine genaue umd gewifienhafte Ausführung ver beftehenven Verträge für ein fried⸗ liches Verhältnis zwiichen Polen und Böhmen ausreiche, eine Verficherung, die dem bebrängten Georg um jo willlonmtener fein mußte, als der Herrenbund im Februar unter dem Einfluß des leidenſchaftlichen Zdenek von Sternberg fih ganz und gar bem Papfte in die Arme geworfen und ausbrüdlich den König von Polen oder einen feiner Söhne als ihm genehmen Erſatz für den gewaltiam zu vertreibenden König Georg bezeichnet hatte ?). Der Legat hätte jet wohl auch kaum fich nach Polen wegbegeben können. Er hatte zur Zeit bringlicheres zu thun. Georg hatte angefangen, dem Herrenbund Konzelfionen zu machen,

1) Bresl. Korreip., Nr. 361. 2) Fontes rer. Austr. VII, 224.

König Georg bedrängt. 277

und unter Mitwirkung feiner Gemahlin Johanna fuchte er durch Verhandlungen mit einzelnen Perjonen des Bundes ine Reine zu kommen !), der Legat mußte dieſe Wege zu fperren fuchen. ‘Der Herrenbund burfte nicht wieder aus der Gemein- ichaft der katholiſchen Partei fich ziehen wollen. Mit erftaun- lihem Eifer arbeitete der Legat an ver Entflammung der Gemüter; überall Hin prebigte, befahl er den Abfall von dem berpönten „Jirzik“, überall Hin warb der Kreuzzug angekündigt, befien Anführer einftweilen im Einverjtändnis mit dem Papſte Zdenek von Sternberg fein follte. Nicht das größere ober geringere Maß von Privilegien aber joll das Ziel in biefem Kreuzzug fein, jondern nur die Vernichtung des Gebannten, die Erefution des päpftliden Spruchs. War die Fatholtiche Liga im Frühjahr 1467 zwar noch nicht feit Eonftituiert, fo war fie doch in allen Elementen gut vorbereitet. In allen Nebenländern der Krone Böhmen, in Schlefien, in der Lauſitz und in Mähren war die Infurreltion im Auffteigen begriffen 2). Eben in den Tagen des Piotrlower Reichstags hatte der Krieg der Rebellen gegen König Georg bereits begonnen; am 14. Mai fagte der Herrenbund ald foldher dem Könige Georg ab, und am 21. Mai fchrieb derſelbe Bund an König Kafimir und bie polniihen Stände, daß nunmehr die Zeit gelommen jet, durch eine energiiche Hilfe das jagiellonijche Thronrecht in Böhmen zur Geltung zu bringen >).

Der Reichstag in Piotrlow aber war jchon auseinander» gegangen, und dieſes bequeme Argument mußte wiederum für die auf die Zukunft vertröftende Antwort des Königs Kafimir herhalten. Gegen Ende des Monate Mai empfing er in

1) Archiv Zesky IV, no. 27, und Tanner, Die Helden von Sternen, ©. 359.

2) Vgl. Markgraf in Sybels Hift. Zeitſchr, N. 5. II, 271.

3) Sommersberg, Script. rer. Sil. II, 86. Dogiel, Cod. dipl. Pol. I, 20, no. 17. 18. Bapte a. a. DO. vermutet mit Recht, daß biefe Kundgebung des Herrenbundes wohl die „Wahl“ if, von der Dfun- gofz XIII, 408 fpridt, und bie er in Iglau gefchehen läßt. Sie ift nir- gends ſonſt bezeugt.

2738 BZwölftes Bud. Erjtes Kapitel. (1467.)

Niepolomice den Bericht feiner römifchen Gefandten über die Weigerung des Papftes, den Thorner Frieden ohne die An—⸗ nahme der böhmiſchen Krone zu Betätigen, und wenige Tage darauf eine Auseinanderfegung Georg Podiebrads, weshalb verfelbe. fich genötigt gejehen babe, gegen ben Papit an ein Konzil zu appellieren !). In der Lage, in der fich der polniſche König damals befand, und bei feiner allgemeinen Geſinnung mochte er wohl der Georgſchen Idee eines Konzild mehr Sym- pathie entgegenbringen, als ber zubringlichen Schenkung einer Krone durch den Papft und die Fatholifchedeutichen Rebellen in Böhmen. Aber länger konnte am Ende doch bie lediglich aufſchiebende Politik nicht getrieben werden; es mußte ein Schritt geichehen. In den erfien Tagen des Juli drängten fich bie Bevollmächtigten der katholiſchen Liga in Krakau. Der Pfarrer Elias von Neuhaus war von Zdenek, der Lizentiat Johann Hoffmann vom Legaten und der Ratsherr Lukas Eifenreich von der Stadt Breslau geihidt. Bald trafen au im Namen des Bapftes ver Ketzermeiſter Fra Gabriele Rangoni aus Verona und Peter Erclens, der Dechant von Aachen, in der polnifchen Hauptſtadt ein. Aber als alle diefe Gejandten doch nur wenig Eindrud zu machen fchienen, fo machte fich Rudolf von Rüdes- beim, der jest zum legatus a latere ernannt war, felbft auf ven Weg. Am 28. Juli kam er nach Krakau. Die verichie denen päpftlichen Bullen vom 15. Mai, die er dort empfing ?), datten aber am Hofe nicht den gewünfchten Erfolg. Dem Könige war e8 doch als eine Kränkung erichienen, daß die Der ftätigung des Thorner Friedens und die Aufhebung der durch den Drvensfrieg verwirkten Zenſuren an eine jo exrorbitante Bedingung gefnüpft war. Es war ihm doch bedenklich, daß ber Papft ſich herausnahm, wie alle anderen Verträge mit Georg, jo. auch den jeinigen von Glogau einfach aufzuheben. Und welde Opfer wurden ibm zugemutet! Was hatte es ihn

1) Balady, Url. Beitr., Ar. 396. 2) Brest. Korrefp., Nr. 361 Anm., und Nr. 361-370. Eſchen⸗ {o&ör, ©. 138.

Kaſimirs Beſcheid. 279

für Kämpfe gekoſtet, den Klerus zu einer Staatsfteuer heran⸗ zuziehen, und jet follte ber Legat für einen Zweck, den die Bolen nicht billigten, ben Zehnten ihrer Einkünfte erheben bürfen. Aber mehr noch: welcher König war feines Thrones noch ficher, wenn e8 erlaubt fein follte, einen „rite gejalbten und gefrönten König“ abzujeßen? Angefichts jolcher Betrachtungen bildete denn doch die von 15 rebelliichen Baronen unterjiegelte Urtunde der Berufung nach Böhmen ebenjowenig ein Gegen» gewicht, als die überichwenglichen Deklamationen ber Kleriker von dem umermeßlichen Verdienſt um vie Chriftenheit, einen Letzer zu züchtigen. Mit dem feit auf die Zukunft gerichteten Ziele im Auge und der dadurch gegebenen Notwendigleit, bie utraquiftiiche Partei in Böhmen, das heißt die große Maſſe des Volls, fich zu verbinden und die katholiſchen Verbündeten doch nicht gerabe abſolut von fich zur ftoßen, folgend, war Rafimir entichloffen, das Anerbieten abzulehnen. Zu dem auf den 10. Auguft nad Neuftabt-Sorezun eingeladenen, aber an⸗ geblih wegen der Peſt nach Krakau verlegten kleinpolniſchen Landtag ließ Kaftmir diefes Mal auch die Großpolen berufen, bei denen er eine lebhaftere Unterjtügung feines eigenen Stand» punktes vorausfegen durfte. Man beriet hin und ber, und endlih gab der König am 28. Auguſt den Beſcheid: er danke dem Papſte und den böhmiſchen Baronen für die Anerkennung feines Erbrechts an Böhmen. Über die Verfolgung desielben Inne er nur durch Vereinbarung mit dem Reichätag und mit ben litauiſchen und ruifiichen Ständen zu einer Entſchließung gelangen. Diele kann aljo vor dem nächſten Jahre nicht mehr erfolgen. Inzwiſchen aber wolle er eine feterliche Gefanbtichaft nach Böhmen jchidlen, um eine Ausſöhnung zwiichen Georg und dem Herrenbund zu vermitteln und eine Annäherung des Könige an den Papft anzubahnen. Einſtweilen möge baber der Legat bie Verkündigung des Interdikts gegen den Böhmenkönig ein- ftellen, damit derjelbe feinen gegründeten Widerſpruch einwerfen lönne.

So ſehr die Antwort auf einen Aufihub hinauszukommen ſchien, die Petenten faßten fie richtig auf, fie fahen in allem

u

280 Zmwölftes Bud. Erftes Kapitel. (1467.)

nur das „Nein“. Vielleicht Hat das ausgefprochene Wort fie nicht fo beftürzt gemacht, als das, was fie fonft in Polen zu feben und zu hören befamen. Der Erzbiihof von Gnefen jelbft nahm e8 fich nicht übel, von dem fegerifchen Könige Briefe zu empfangen, worin biejer jenen bittet, dafür Sorge zu tragen, daß die in den Solddienſt des fchlefiichen Bundes getretenen Polen durch den König zurücdigerufen werben !). Triumphierend Yäßt Georg nach Krakau während ber Anweſenheit des Legaten die Kunde von feinen Erfolgen im Felde gegen den Bund ge langen, und e8 wurde notoriih, daß polnifche Ritter dabei auf feiner Seite mit gelämpft Haben 2). An Begehrlichkeit fehlte 8 den Polen in allen Schichten gar nicht: Ein Mann wie Diugofz verfihert, „er würde ruhiger fchlafen, wenn Bolen das Bistum Lebus und Schlefien wiedergewänne“, und brüdt wohl die Wünfche der polniichen Klerikalen überhaupt and. Die überwiegende nationale Partei aber träumte von weiten Erwerbungen: Schleftien, die Laufig, Böhmen, warum nicht auch bie Marken? Ungarn, ja felbft Ofterreih alles was mit dem Erbrecht ber aus luxemburgiſchem Stamm entiproffenen Königin Elifabetb angefprochen werben konnte, jchwehte Den von ihren Erfolgen in Preußen trunkenen Nationalpatrioten vor Augen. Aber alles dies wünfchten fich diefe auf Grund einer neuen Ordnung der Dinge, nicht aus dem Nachlaß päpftlicher Berurteilungen. ‘Dem Legaten mußte bange werben vor bem, was er ſelbſt entfeijelt Hatte, er entfette fi über Die Beobachtung, daß durch die Union Böhmens mit Bolen „vie Keberei zur Schwachheit ver Ehriftenheit nur gefteigert werben würde“; er fah mit einem Male, vielleicht zu ſcwwarz malend, daß „Herren, Ritter und Klerus von der Ketzerei vergiftet wären, und daß ber zweite Lotterpfaffe in Böhmen polnifher Herkunft fet” 9). Set war auch der Legat nicht mehr darüber im Zweifel, daß „König Kafımir mit beiden ftreitenden Teilen gute Freundſchaft

1) Fontes rer. Austr. XX. Urf. Beitr., Nr. 406. 407. 2) Urk. Beitr., Nr. 418. 8) Efhenloer, ed. Markgraf, ©. 148.

| | | j

Schwäche ber Katholiſchen. 281

halte, um entweder beim Tode Georgs, oder bei einer not⸗ gedrungenen Ceſſion desſelben die böhmiſche Krone für ſeinen Sohn zu erlangen“. Er gab es daher auf, die Kandidatur Polens weiter zu unterſtützen, und ſah ſich nach einem anderen Fürſten für die Rolle des Exekutors der päpſtlichen Dekrete um. Während feine Gehilfen Fra Gabriele Rangoni und Peter Erclens ſchnurſtracks von Krakau nad Ofen zum Sönige Matthiad Corvinus fich begaben, Tehrte Rudolf verbroffen nach Dreslau zurüd, um die böhmiſche Krone von päpftlichen Onaden dem Kurfüriten Triedrih von Brandenburg anzubieten !).

Da der Krieg der Bündiſchen gegen Georg bis dahin, beide Zeile in gleicher Weije erichöpfend und das Land aufreibend, entſcheidungslos fortgetobt hatte, jo fand die Idee Des polnischen Königs, einen Waffenftillitand zu vermitteln, felbft bei denjenigen Beifall, die ihm darüber grollten, daß er fich nicht jelbit in dieſen Kampf ftürzen wollte. Der Legat Hatte jchen im Juli 1467 feufzend erklärt, daß er nie in ven Krieg gemilligt Hätte, wenn er die Schwäche der Katholiken beijer gekannt hätte. Der Biihof Joſt von Breslau, ein Herr von Rofenberg feiner Geburt nah, hatte ihm dieſe Schwäche wohl verraten, aber ber Legat wollte in feinem fanatiichen Eifer nicht daran glauben. Als der letztere jetzt jchmerzerfült von Krakau zurüdfehrte, mußte er vernehmen, daß der Breslauer Biichof und die beiden Herren Johann und Ulrich Zajiö von Hafenburg mit Georg einen förmlichen Frieden gejchlofjen hätten 2). Freilich hatten die Bündiſchen auch "den Herrn Iohann von WRofenberg, ver auf des Königs Seite jtand, zur Nieberlegung der Waffen gezwungen, aber berjelbe hatte fich doch vorbehalten, den König nicht zu verlaffen und keineswegs dem Herrenbunde beizutreten °). Aber diefer Gewinn wie jener Verlujt ließen bie Zuverficht auf den Beftand und die Widerſtandskraft des Bundes doch in

1) Rubolfs Schreiben an ben Kurfürften vom 6. Februar 1468, bei Riedel, Cod. dipl. Brandenb. III,1, 455.

2) Eſchenloer, p. 142—144. Archiv Cesky IV, 147.

3) Balady, Gedichte Böhmens IV.2, 477.

282 Zwölftes Bud. Erſtes Kapitel. (1467).

einem üblen Maße ericheinen, und umfomehr gewann bie pol» niſche Politik Ausficht auf Erfolg.

Am 20. Oktober 1467 hatte die polnische Geſandtſchaft bereit die erjte Audienz vor König Georg. Stanislaw Oftrorog, ber Palatin von Kaliſch, Jacob von Debno, der Staroft von Kralau und Ian Dlugoſz, der Domberr von Krakau, ber Er zieber der Föniglichen Prinzen, an welche alle Parteien bei biejen Händeln dachten, waren von Kafımir zur Führung diefer An gelegenbeit auserſehen. Da vermutlich Dlugoſz ber Sprecher war, jo darf man fich nicht wundern, daß bie erfte offizielle Rede eine ſtark papiftiiche Färbung trug. Ihr Antrag ging auf einen Waffenftillftand aus. König Georg erläuterte feinen Standpunkt mit großer Würde. Er hielt die einzelnen Faktoren der ihn befümpfenden Parteien ſcharf auseinander; dem Papfte wolle er Rede ftehen, wenn man ihm bazıı Gelegenheit böte, feine Differenzen mit dem SHerrenbunde wolle er der Ent ſcheidung des polnischen Königs unterbreiten, obwohl er das Unwürdige, heimiſche Streitigkeiten vor Fremen zu behandeln, recht wohl enıpfünde. Das Zugeftändnid eines Waffenftillftands aber bedingte er durch die Auslieferung der damals belagerten Fefte Konopist. “Der Herrenbund bagegen war Doch nicht mehr geneigt, das Schievsrichteramt des Königs von Polen ohne weitered zu acceptieren. In ben Verhandlungen, welche bie polnifchen Vermittler mit Zdenek von Sternberg in Iglau barüber führten, zeigte ſich fein merkliches Entgegentommen ber Herren. Sie wünjchten nur einen kurzen Waffenftillftand, um mittlerweile zu Brieg in Schlefien eine freie Beratung aller Bündtichen abhalten zu Können. Auch darein willigte König Georg, aber begrenzte dafür, da ber Bund das polnticde Schiedsgericht nicht bald acceptierte, den Waffenſtillſtand auf noch kürzere Zeit. Am 19. November wurbe endlich die Waffen⸗ rube bis zum 25. Januar 1468 von beiden Teilen angenommen, und über die beiven damals belagerten Feftungen, Konopist in Böhmen und Hoyerswerda in der Laufig, ein Abkommen zur vorläufigen Belaſſung derſelben in statu quo getroffen. Die

Die Tagfahrt zu Breslau. 283 |

Hauptjache aber war ber Tag zu Brieg!). Daß Georg dieſen Punkt gewährt hatte, zeigt jedenfalls, daß ihm viel daran lag, das Schiedsrichteramt des polniichen Könige von dem Herren, bunde angenommen zu ſehen. Allein ſowohl ber König, als die polnischen Delegierten, welche jofort felbft nach Brieg ge⸗ eilt waren, jchtenen doch die Stimmung der Aufſtandsführer zu unterſchätzen. Schon darin lag eine Verſchiebung des eigent- lichen Zweds der Tagſatzung, daß fie nach dem von ven fana- tiſchften Einflüffen erfüllten Breslau verlegt wurde, und noch verhängnisvoller war’8 für biefelbe, baß der allzeit mäßigende Biſchof Joſt von Breslau am 13. Dezember gejtorben war. Alle Häupter des Aufftandes waren in Breslau zuſammen⸗ gekommen und verhandelten umter dem PVorfit des Legaten bei verichlofjenen Thüren. Wenn vordem die Schwäche des Auf- ftands noch in der Verſchiedenheit der Richtungen beftand, injofern der Herrenbund andere Ziele als der Legat, umd dieſer noch andere als die Stäbte, die fchlefiichen Herzöge und die Mährer im Auge hatten, jo hatten fie in biefer Breslauer Zuſammenkunft die fammelnden Geſichtspunkte gefunden. Bon dieſem Tage zu Breslau an kann erft eigentlich von einer katholiſchen Liga im vollen Sinne des Wortes geiprochen werben. Die politiichen und lokalen Anliegen traten völlig zurüd vor dem ſpezifiſch⸗ katholiſchen Charakter. Auch ver Herrenbund wurde jet nur ein Werkzeug des Papſtes, des Legaten, und Zdenek von Sternberg trat nun micht mehr auf als Verteidiger ver Landesfreibeit, jondern als „Hauptmann aus päpftlicher Er» nennung”.

Damit batte die Breslauer Tageſatzung einen ganz anderen Berlauf genommen, als König Georg und die polniichen &e- jandten vorausgejegt hatten. Bon ber Annahme des polniichen Schiedsgerichts war hier wenig bie Rede. In den Eröffnungen

1) Fontes rer. Austr. XX. Urk. Beitr., Nr. 426. 428. Zwei auf dieſen Tag bezügliche Briefe mit den Siegeln der Gefandten (auh DIu- 9.038) find neuerbings auf dem Boden des Breslauer Rathaufes ge- funden worden.

284 Zwölftes Bud. Erſtes Kapitel. (1468).

des von Ungarn mit ermutigenden Ausfichten zurüdgelehrten Fra Gabriele an die Polen, die in Breslau der Enticheibung harrten, war ber foharfe Ton des Ketermeilters vorherrſchend. Der König von Bolen folle nicht in Dingen ein Schiebsamt annehmen wollen, bie doc, rein Eirchlicher Natur wären. DBefler tbäte er, wenn er jeinen Sohn mit tauſend Reitern nad Breslau ſchicken und durch den Legaten zum böhmischen König trönen ließe. Die ganze Antwort der fatboliichen Liga wer mehr darauf berechnet, eine ſchneidende Deanifeftation gegen ben Böhmenkönig abzugeben, als den polniſchen Geſandten Beſcheid zu erteilen, die übrigens, wie es ſcheint, in den etwas ver⸗ wickelten Verhältniſſen ſich nicht zurechffanden. Jakob von Debno geriet über die „widerwärtige“ Antwort der Ligiſten in „einen großen Zorn“ *), aber gleichwohl ließ ſich die Geſandt⸗ ſchaft doch dazu gebrauchen, die Verhandlungen mit Georzg wegen Verlängerung des Waffenſtillſtands fortzuführen. Obwohl auch dieſer in einen „großen Zorn“ über die Vorgänge in Breslau ausgebrochen war und ſich einer ergrimmten Rede⸗ weiſe bebiente, bie von feiner ſonſtigen Mäßigung und ftaate männiichen Haltung jehr abwich, jo meinte er doch im eim Ausdehnung des Waffenftillitandg bis zum Himmelfahrtstage (26. Mat) aus Rückſicht auf den König von Polen willigen zu follen. Polen war ber einzige Staat, in dem wider ihn fein Kreuzzug geprebigt wurde, aus dem ihm vielmehr Mamr Ichaften in immer zahlreicheren Rotten zufirömten. Er durſte biejeg einen Verbündeten, der ihm aus feinen guten Tagen noch geblieben war, nicht von fich abwenden und in das Lager ber verlodenden Liga treiben. Kaum Tann man zweifeln, daß Georg damals bereitS die eigentlichen Ziele ber polniicen Politit durchſchaute, aber immerhin lag in ihr doch mehr Ri, fiht auf ihn und feine Stellung, al8 irgend eine andere Madt in jenen Zagen auf ihn nahm. Georg hatte doch anzuerkennen, daß König Kaſimir in einer Zeit, in welcher er der Gunft dei Papftes nah) mandyen Seiten bin dringend bedurfte, dennoch

1) Efhenloer, ed. Kunifd II, 208.

Waffenftillitand in Böhmen. 285

feinen Einladungen zu wiberftehen, ja jelbft feinem Zorne zu trogen wagte. ‘Die polnijchen Geſandten verlangten ja auch nur einen auf das Kronland Böhmen beichräntten Stillftand.

Es blieb ihm dann noch immer die Möglichkeit, inzwijchen irgend

einen feiner zahlreichen Feinde in die Schranfen zu fordern. So kam es, daß, als die polniichen Geſandten in ven Tagen des Februar wieder in Krakau eintrafen, fie wenigſtens einen Baffenftilfftand zwifchen Georg und der Liga bis zum Himmel- fahrtstage als Ergebnis ihrer Bemühungen aufweifen konnten ').

Dem Anfcheine nach könnte man finden, daß bie polnijchen Bermittler doch gar zu ſehr gegenüber der gebotenen Unpartei⸗ lichfeit im Intereſſe der katholiſchen Liga gearbeitet hätten. Denn für fie, die noch in der Organilation begriffen war, lag ein größerer Vorteil in dem Zeitgewinn, als für Georg. In Birklichleit war es nicht jo. Denn auch bem Könige war ver Stillſtand im Kronlande ein beträchtlicher Vorzug, infofern ihm dadurch die Arme frei wurden, gegen jeine Feinde außerhalb desſelben. Niemandem aber grolite er mehr, ald dem Kaiſer, dent er, trotzdem derſelbe im Auguft 1467 für einen Aufichub des Prozefies gegen Georg beim Papfte fich verwendet hatte, die Hauptſchuld an allen jeinen Widerwärtigkeiten zufchrieb. Ungerechtfertigt war dieſes Mißtrauen leinesweges, denn Friedrich intrigierte mit dem Papjte wegen der Neubefegung bes böhmilchen Thrones, als ob er eben ſchon befinitiv erledigt wäre. Nur darin ftimmte Friedrich mit dem PBapfte nicht überein, daß der König von Polen oder deſſen Sohn in Ausficht genommen werden follte. Abgeſehen von der jchon jeit Jahren beftehenden Abneigung Friedrichs gegen Kafimir, erwog er in richtig ge fühlten: veutichem Intereſſe, daß der Pole dann Kurfürft im deutſchen Reiche werden und mit dem Rückhalt einer jo groß- artigen Hausmacht das entichieenfte Übergewicht in demſelben

1) Die Urkunden über den Gang der polnifchen Vermittelung bei Efhentoör, ed. Markgraf, S. 148—176. Urkundl. Beiträge in Fontes rer. Austr. XX, no. 426. 428. 431. 432. 433. 434. 436. Arch. Ceaky IV, 147—163.

286 BZwölftes Bud. Erftes Kapitel. (1468.)

gewinnen würde. Darum hatte er mit Karl dem Kühnen von Burgund angefnüpft, um in ihm einen Gegenfanbibaten gegen Bolen zu gewinnen. Er warnte die fatholifihe Liga, als dieſe auf dem Breslauer Tage noch immer einige Hoffnungen auf Bolen zu jegen jchien. Kurz überall begegneten die Polen der Teindjeligfeit des Kaiſers, und es mußte fie daher mit Genugthuung erfüllen, daß König Georg eben in den Tagen, da die polnifchen Gejandten an dem Waffenſtillſtande im böhmiſchen Kronlande arbeiteten, burch feinen Sohn Viktorin dem Kaifer ben Krieg ankündigte ). Dan wird nicht umrichtig ſchließen, wenn man der polnijchen Geſandtſchaft einen gewiſſen interejfierten Anteil an diefem Entjchluffe beimißt. Denn auch das lag wohl den Polen am Herzen, daß fich Die Verlegenheiten des böhmischen Königs nicht allzujehr verminderten, und feine Hilfsbedürftigleit ihm fortwährend bie Freundichaft Polens wertvoll machte. Die Lage ſchien alfo im ganzen ben Ausfichten ver Polen zu entiprechen. Sie ftanden mit Georg und der utraguiftijchen Bartei in Böhmen auf guten Fuße, mit dem Herrenbumb und ber katholiſchen Liga nicht gerade auf fchlechtem. Hatte doch eine außerordentliche polniiche Geſandtſchaft des Erzbiſchofs vom Gneſen nach Breslau nicht wenig dazu beigetragen, baß ver Legat Rudolf von Rüdesheim zum Biſchof von Breslau er⸗ foren wurbe 2). Die Polen glaubten aljo in feiner Weiſe mit ihm gebrochen zu haben. Auch von dem Papfte meinte Kafimir noch eine Billigung jeiner Gefichtspunkte und feines Verfahrens erlangen zu können, denn er ſchickte jeßt nach der Vermittelung in Böhmen den Ian Zaptensli nad Rom mit ber Bitte um Beitätigung des Thorner Friedens, um Beſeitigung ber ver wirkten Zenjuren und um Bejtätigung bed Vincenz Kielbaffa als Bilchof von Ermland. Er wußte wohl nicht, daß zu gleicher Zeit eine Denungziation ber Fatboliichen Liga wider ihn in Nom eingelaufen war, die ihn, weil er nicht einfach fich an die Spige

2) Brest. Korreſp. Nr. 380. 381. 1) Brest. Korreip., Nr. 385. Ejhenlodr, ed. Markgraf, ©. 176.

Damit werben bie Schlüffe, die Zeißberg, Poln. Gefchichtfchreibung, S. 241, daraus zieht, Hinfällig.

Matthias Corvinus. 287

der Aufftändiichen. jofort ftellen wollte, als unmwert ver päpft- lichen Gunſt bezeichnete und fogar der aktiven Unterſtützung des Ketzerkönigs anklagte'). Und jenen Waffenftiliftand, den er ſich zum Verdienſte anjchrieb, ftellte die Liga als ein uner- wünfchtes Hindernis fir ben jchon in vollen Zuge geweſenen Kreuzzug dar. Kein Wunder, wenn der Papft bei der Ver⸗ fagung der Beitätigung des Thorner Friedens blieb und ben Culmer Biſchof nicht nah Ermland verfegte, aber bie böhmifche Krone hielt er dem Polenkönige immer noch vor Augen ?). Keine ber eingefädelten Kandidaturen hatte fich entwicelungsfähig ges zeigt. Weder Karl der Kühne, noch der Kurfürjt Friedrich von Brandenburg, noch irgend ein anderer deutſcher Fürft batte Luft, das Abenteuer zu beftehen. Um fo größere Beftürzung aber mußte am polniichen Hofe die Nachricht erregen, daß ber König von Ungarn, Matthias Corvinus, fich bereit erflärt hätte, der katholiſchen Liga fich zur Verfügung zu ftellen. Das war ein Mitbewerber, ver die äußerjten Beſorgniſſe für Polen zu erwecken imſtande war, nicht bloß, indem er die Pläne auf Böhmen befeitigte, fondern auch, weil jever Zuwachs von Macht in den Händen des verwegenen Emporlömmlings dem Bolen- reiche jelbft gefährlich werden konnte.

Zweites Kapitel. Des Matthias Corvinus Bewerbung.

Noch paifiver als Böhmen gegenüber Hatte fih Kaſimir feit dem Tode feines Schwagers Ladislaus gegen Ungarn ver- Kalten. Auch in Ungarn Hatte er, wie wir bereits willen,

1) Eſchenlosr, ed. Markgraf, ©. 175—176. 2) Brebl. Korreip., Nr. 386.

288 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel.

feiner Zeit jeine Erbanſprüche anmelden laffen und war babe vom Kaiſer Friedrich unterfiüßt worden, der die polniſche Werbung allerdings nur als Hebel feiner eigenen geheimen Wünſche anſah. Ein Anhang im ungariichen Volle, der, wenn auch nur in zweiter und britter Linie ind Gewicht gefallen wäre, bildete fich nicht, und über die Kanbibatur ber Jagiello⸗ niden würde jehr bald fein Wort mehr geiprochen worden ſein, wenn nicht der Kondottiere Giskra von Brandeis aus Ligen⸗ nüßigen Abfichten eine Zeit lang in feinem Kampfe gegen bie ungariſche Nationalpartei fich des polniichen Namens bedient hätte, um ibr und bem von ihr auf den Schild gehobenen Matthias Corvinus einen wirkſamen Widerſtand entgegenjehen zu können. Wir wifjen, wie wenig nachhaltigen Anklang jeine Berjuche in Polen, durch eine rafche Beendigung des preußifchen Krieges den polniichen Ehrgeiz auf Ungarn zu lenken, gefunden baben. Am Ende wurde auch Giskra fehr bald der getreue und nicht gering anzufchlagende Untertban des kühn und glücklich aufitrebenden Matthias. Mit jchmollendem Unwillen acceptierte man am polntichen Hofe die in Ungarn vollendeten Thatfachen, an denen etwas zu ändern doc außerhalb feiner Macht lag. Dean hört nicht, daß der Emporkömmling Veranftaltungen traf, die Anerlfennung durch Polen zu erzwingen. Die Polen be ſchwerten fich wiederholt über Näubereien und Verheerungen, bie namentlich durch Emerich Zapolya in dem Gebiete ber Zips vorlamen, und nicht minder klagte wiederum Matthias darüber, daß die aus Ungarn verbrängten böhmijchen Freibeuter, die „Zebraken“ fich in Neumarkt (Nowy targ) unter polnijchem Schute anjammeln und Streifzüge nad Ungarn machen durften. Diefem Unweſen, das jahrelang zur Plage des Landes beftand, entichloß fich aber König Matthias mit Entfchiedenheit zu fteuern. Sein Obergeipan Emerich Zapolya und deſſen Bruder Stefan brachen in das polnische Gebiet ein und nahmen jchwere Rare an den NRäubern. In Krakau beforgte man, daß diefe Händel eine größere Ausdehnung annehmen könnten, und leitete Ber bandlungen ein. Matthias führte diefelben von Altſohl aus, aber der Austrag wurde einer fpäteren Zuſammenkunft

Bolen und die Moldau. 289

in Bartfeld vorbehalten. Ob aber mit Polen jemals über einen ausdrücklichen Verzicht auf die ungarifche Krone verhandelt werben iſt, wie e8 von Böhmen gejchehen war, das ift uns nicht überliefert. Es fcheint nicht, dap König Matthias Darauf ben Wert legte, wie Georg. Er ließ es fich gefallen, daß ber König von Böhmen in feinen LQuftgebilden eines byzantiniſchen Raifertums von einer polniſch⸗ ungariſchen Koalition als weſent⸗ liher Bedingung ausging, aber zu biefer Koalition fehlte fo gut wie alles. Selten baben fich die beiden Reiche Fühler, man kann jagen gleichgültiger gegenüber geftanden, als in den eriten acht Jahren ver Negierung des Könige Matthias.

Den erſten wirklichen Konflikt veranlagte das zu allen Zeiten unklar gebliebene Verhältnis der Moldau zu den beiven Stanten. Für ein fo prefäres Land, wie die den Tataren und Türken leicht ausgejegte Moldau, waren bie Beftimmungen des Iglauer Vertrages von 1412, auf denen ihre ftnntsrechtliche Lage ber ruhte, zu künſtlich, um fachlich durchgeführt werben zu können. Übrigens hatten die unaufhörlichen Thronftreitigkeiten, bie wir oben (Zeil IV., 474—480) geſchildert haben, die Rechtsfrage überhaupt nicht auflommen laſſen. Es hatte fich gezeigt, Daß, joweit überhaupt von einem Einfluß auf diefelben die Rebe fein tonnte, Polen ihn ohne Einfpruch Ungarns ausgeübt bat. Zuletzt hatte Peter, der ſchon oft verbrängt gewejene Prätenvent, fih in der Moldau (1455) zur Herrichaft aufgefhwungen und buch einen jehr devoten Vertrag mit Polen vom 26. Juni 1456 1) fich zu befeftigen verſucht. Ausdrücklich Hatte er ver- ſprochen, feiner anderen Macht, d. h. vor allem wicht Ungarn, zu buldigen, zum preußifchen Kriege 400 Lanzenreiter und 400 Ochſen zu ftellen und fowohl in ber Drbnung der familiären Beziehungen bebufs Legitimierung feiner Herrichaft als auch in den auswärtigen Angelegenheiten fih an die Weiſungen zu balten, die ibm vom Könige von Polen gegeben werben würben.

Daß er gleichwohl bald darauf dem Sultan Mohamed einen

Zribut von 2000 Dukaten anbot, um fich vor den Türken

1) Dogiel, Cod. dipl. I, 602. Cars Geſchichte Polens. V. 1. 19

290 BZwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1467.

Ruhe zu Ichaffen, iſt wohl nicht gegen den Willen des Könige geichehen *). Aber feine Regierung hatte überhaupt feinen Be ftand. Schon zwei Jahre darnach, 1458, wurde er von Stefan Bogdanowicz verdrängt. Peter fuchte in Polen Schuß, nd Stefan verlangte feine Auslieferung. ALS dieſe nicht erfolgte, ließ der ergrimmte Wojewode in Podolien und in den ruſſiſchen Provinzen plündern, und da die Polen im Norden mit allen : Kräften in Anſpruch genommen, beforgen mußten, daß ſich Stefan dem eben neu gewählten Ungarlöntge in Die Arme werfen werbe, fo beeilten fie fich durch eine „Konvention“ (vom 4. April 1459) ?) mit ihm auf einen leivlich guten Stand zu gelangen. Peter folite in Polen fern von den Grenzen interniert bleiben. Durch eine Reihe von Berträgen, von denen fich- aus dem Jahre 1462 die ausbrüdliche Huldigung und der Gegeneid Kaſimirs erhalten Haben °), ſowie durch eine lebhafte katholiſche Propaganda mitteld der Minoriten, die felbjt zu der Abſicht des Papftes Pius IL, die lateiniſchen Bistümer zu vermehren, Veranlafjung gab *), fuchte Polen den tüchtigen und unter: nehmungsluftigen Wojewoden an fich zu feſſeln. Aber and Stefan ging inbezug auf die Türken die Wege feines Neben buhlers Peter. Auch er fuchte durch einen Tribut ihre Gunft zu gewinnen, und wenn es ihm auch mißlang, worauf um iprünglich fein Wunſch gerichtet war, den Wojewoden Kabul aus der Walachei zu verbrängen, fo glüdte e8 ihm doc, die Feſtungen an der unteren Donau, das für den Handel fo wichtige Kilia und bald darauf auch Bielogrod (Alterman) zu gewinnen. Alle diefe Unternehmungen waren aber gegen Ungarn gerichtet, benn Radul war ein Schügling und Vafall Ungarns, und in Kilia und Bielogrod waren ungarifche Beſatzungen heran gefchlagen worben. Cine böſe Rechnung häufte fich daher für Stefan bei Matthias Corvinus auf, und injofern alle biele Unternehmungen nicht ohne Ermutigung feitens ber Polen

1) Urf. im Inventarium dipl., p. 139. 2) Dogiel, Cod. dipl. I, 602.

3) Daſelbſt, und Inventarim, 1. c.

4) Kaprinai Hung. dipl. 11, 506.

Matthias und die Moldau. 291

erfolgt waren, jo fiel eine nicht geringe Laſt derſelben auch auf bie polniiche Seite.

Eine Reihe von Umjtänden traf zufammen, um Matthias endlich zur Race aufzuftacheln. In Siebenbürgen war 1467 unter Führung des Königrichters der ſächfiſchen LUniverfität Benedikt Roth (Veres) ein Aufitand ausgebrochen, der bald durch den Beitritt ber Seller, der Walachen und anberer Mifvergnügten eine bedrohliche Ausdehnung erlangte. Schon war fogar der Vaida von Siebenbürgen, ein Graf von Pöfing und St. Georgen, zum Gegenlönig ausgerufen worden. Stefan von der Moldau hatte dem Aufrubr um jo bereitwilliger feine Unterftügung geliehen, als er erfahren, daß fein Nebenbuhler Peter fih aus Polen nah Stebenbürgen unter ungarifchen Schub geflüchtet Hatte. Matthias mußte eilen, um das Unheil nicht um fich greifen zu laffen. Mit ſtarker Hand warf er im Herbſt 1467 den Aufitand nieder, und e8 war charakteriftifch, daß die Rädelsführer, wie Benedikt Roth, Ladislaus Suky u. a. in Polen und in der Moldau Rettung ſuchten. Trotz ber ipäten Iabreszeit, denn der November war fchon berangelommen, drang Matthias, der, je mehr feine Gedanken jet auf eine großartige Unternehmung im Weſten gerichtet waren, im Diten gründlich aufräumen wollte, mit jeinem Heere in bie Moldau ein. Sein Ziel war Suczawa, die Hauptitabt. Weber - die Verhaue in den Päffen, noch die Unterhandlungsverſuche Stefans bielten ihn auf. Die Städte Bacow, Roman und Njemtzu gingen in Flammen auf, aber in Baja, das die Ungarn ſchon bejett Hatten, fam es zu einem mörberiichen Treffen, in welchem die Ungarn fchwere Verlufte erlitten, und Matthias felbft durch einen Lanzenfplitter eine Wunde erhielt, an ver er noch mehrere Sabre zu leiden Hatte. Beide Zeile fchrieben fich den Sieg zu?). Daß die durch die Ungarn erbeuteten Fahnen und Feldzeichen nach Ofen in die Marienkirche gebracht wurden, Bat nichts Auffäliges, wohl aber verdient es als bezeichnend

1) König Georg beglückwünſcht Matthias wegen feine® „Sieges” und bebauerte feine Verwundung. Teleki, Hunyad. Kora XI, 306. 19*

292 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1467 —68.)

hervorgehoben zu werden, daß Die Fahnen und Feldzeichen, welche die Moldauer den Ungarn abgenommen Batten, nad Wilno zum König Kafimir geichidt worden find. Der gang Sinn des Krieges wird dadurch auf eine eigene Weiſe beleuchtet. Der Winter und die Verlufte zwangen die Ungarn, den Feldzug aufzugeben. Als aber Stefan von neuen in Siebenbürgen be triebenen Rüſtungen hörte, foll er das machte ihm feine Strupel auch dem Könige von Ungarn gegenüber fich als Bafali und Unterthan im Anfange des Jahres 1468 einge ſchworen haben. Vermutlich ift bie der Grund, warum Stefan, als die Polen voll Unwillen gegen Enbe desſelben Jahres das perjönliche Erſcheinen des Wojewoden behufs Erneuerung ber Hulvigung forderten, nur durch Vertreter die Eibesleiftung bewirken ließ. Wir befiten noch die Urkunden über wieberbolte Treugelöbniffe Stefans an bie polnische Krone, und man be greift daher ven Groll ver Polen gegen Matthias, der biejen Vaſall nicht aufhörte als ven feinigen zu betrachten.

Lag ſchon in biefen Verhältniffen eine Urjache des Zwie⸗ ſpalts zwiſchen Polen und Ungarn, fo follte derjelbe durch ben Wettbewerb um die böhmiiche Krone nur noch klaffender werben.

Wie ſchon oben erzählt wurde, Hatten fi) die beiden Ge⸗ Hilfen des Legaten, Fra Gabriele. Rangoni und Peter von Erclens, unverzüglich, nachdem ihnen in Krakau im September 1467 ein abichläglicher Beſcheid zuteil geworben war, nad Ungarn begeben, um bort ihr Anliegen anzubringen. Da fih Matthias damals in Siebenbürgen befand, im Begriffe bes Feldzug gegen die Moldau zu unternehmen, jo bürften die Sendboten ihn jelbft nicht einmal gefprochen Haben. Aber bie Berbandlungen mit ihm waren ja bereitd längſt im Gang. Schon im Jahre 1466 Hatte er fi dem Papſte gegerrüber bereit erflärt, fein Schwert mit gleichem Eifer wie gegen bie Türken jo gegen bie „Reber in Böhmen“ zu ziehen). Bon

1) Riedel, Cod. dipl. Brand. III.1, 405. Es ift auch bemerlent- wert, baß er dem Papſte am 10. November 1466 eine von ihm felhk vidimierte Abſchrift des Protobolls Aber den won Georg 1458 geleiteten Eid einſandte. Theiner, Mon. Hung. II, 405, no. 580.

Matthias’ Ehrgeiz. . 298

einem Fürſten, ver durch feine Vorpoftenftellung gegenüber ver Zürlengefahr auf-bie engfte Verbindung mit dem Oberhaupte ber Chriftenheit, das allein noch die Abwehr der Aftaten mit ernjtem Eifer betrieb, ganz vornehmlich angewiefen war, Tonnte kaum etwas anderes vorausgeſetzt werden. Aber grade, weil Matthias eine andere Mifftion im Intereffe der Chriſtenheit zu erfüllen hatte, war man in Rom anfänglich nicht ſehr ger neigt, ihn -diefem Berufe zu entziehen. Je mehr fich indes ber Berfolgungsgeift gegen den Tegeriichen König verfchärfte, und je mehr fich alle anderen Züchtigungsorgane, auf die man gehofft, verjagten, deſto entjchtedener war man, lieber bie Türken eine Weile an den Grenzen Europas unangefochten, als bie bilfi- bentijchen Chriften im Innern desſelben ungeftraft zu laſſen. Was aber follte der Preis fein? - Die böhmifche Krone? Wir finden nicht, daß davon gejprocdhen wurde. Wie hätte man auch von Rom aus und vonfeiten ber fatholiichen Liga bie Krone, wegen welcher man noch mit Polen, das dieſe Anwart- haft nimmer aufgeben wollte, in Verhandlung ftand, mit Erfolg anbieten können. Matthias war doch auch ein kluger Rechner. Er jagte fich jo gut wie Kafimir, daß diefer Papft und dieſe Katholiken gar nicht die Faltoren find, die eine dauernde Herrichaft in Böhmen zu gewährleiften imjtande find, zumal alsdann auch mit Polen noch die Rechnung zu machen fein würde. Sein Flug ging höher. Er träumte von einer Stellung, wie fie fein Vorgänger König Sigismund eingenommen, _ iwie dieſer wollte er römijcher König werben. Dazu aber bes durfte er des Katjers, und e8 kam nur darauf an, dem ſeit 1463 beftehenven inhaltsleeren Freundſchaftsverhältnis zwiſchen Friedrich und Matthias einen pofitiven Inhalt zu geben. Hatte man in Prag auch nur eine Ahnung von foldhen Projekten, dann war e8 doppelt umüberlegt, daß der Prinz Viltorin im Januar 1468 den: Öefterreicher, beleivigendermweile nur eben in diefer Eigenfchaft nicht als Kaiſer, mit Krieg überzog !). Denn

1) Müller, Redstagstheatrum II, 313ff. Lünig, -Cod. Germ. dipl. I, 458. Efchenloör, ed. Kuniſch II, 110ff.

294 BZwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1463.)

bamit war’ Friedrich ganz in die Arme des ehrgeizigen Ungar⸗ königs getrieben. ‘Die Verbindung war bald geknüpft, und bie Einladung der katholiſchen Liga, fich ihrer gegen ven Ketzerkönig anzunehmen, fette da8 Siegel darauf. Obgleich der Entfchluf des Königs in Ungarn fo wenig Beifall fand, daß ber dortige Reichdtag ein Aufgebot der Banderien verfagte, und obwohl es wenig wahrſcheinlich war, daß fich die Türken zu den ſofort durch Giskra von Brandeis eingeleiteten Verhandlungen über einen Waffenftillftand berbeilaffen werben, glaubte Matthias fich nicht beirren laſſen zu dürfen. Da der Papft Geld ver- ſprach, fo ließ ſich allenfalls der notwendige und, wie es ſchien, nicht lange notwendige Krieg auch mit „Zebrafen“, den damals jeberzeit käuflichen Söldnern, führen. Großer Jubel herrſchte im katholiſchen Lager, als des Ungarkönigs Abſage im Anfange des April bei Viktorin eintraf, und ein Manifeſt vom 8. April der Welt verkündete, daß der lange geſuchte „Beſchützer der Katholiken“ in Matthias erſtanden ſei ?). Aber Polen? Die Spannung zwiſchen Polen und Ungarn hatte ohnehin ſchon einen hohen Grad erreicht. Die Expedition des Matthias nach der Moldau hatte bei den polniſchen Prä- Iaten und Herren ben tiefiten Unwillen erregt. Mit ernften Worten bejchwerten fie fich in einem Schreiben an den König von Ungarn vom 16. März jowohl über das eigenmächtige Eingreifen vesfelben in polnifches Lehnsgebiet, ald auch über vorgefommene arge PVerheerungen in ber Zip, bei denen namentlich die Feſte Leibnicz jchwer gelitten Hatte 2). Nichts deſtoweniger glaubten bie Diplomaten der Tatholifchen Liga eine Kombination ermittelt zu haben, welche auch Polen mit den entworfenen Plänen ausjöhnen und zur Mitwirkung verloden Sollte. Unmittelbar nach der Abfage des Ungarn an Böhmen erichien der Bifchof Protad von Olmütz in Krakau vor bem eben erft aus Pitauen zurüdlchrenden polniſchen Königspaare,

1) Teleti, Hunyad. Kora XI, 327— 342. Katona, Hist. crit. XV, a. a. 1468. Bresl. Korrefp., Nr. 390 A und B. 2) Cod. epist. saec. XV, 241, no. 214. "

|

Des Biſchofs Protas Vorſchläge. 295

um demſelben die bezüglichen Eröffnungen zu machen. Die Öffentliche Darlegung der Geſichtspunkte Ungarns nahm ſelbſt⸗ verftändlich Lediglich das Firchliche Intereſſe zum Vorwand. Der Biſchof ließ dabei durchfühlen, daß zunächit bei der Wieder» berfiellung der kirchlichen Ordnung definitive Entjcheidungen über die Verteilung der böhmifchen Beute nicht getroffen jeien, daß alfo damit den polniichen Ausfichten auf eine Er- werbung des Thrones für den Prinzen Wladyelaw fein Abbruch geſchehe. Protas legte fogar einen „offenen Brief” des Königs Matthias vor !), worin derſelbe in feinem und der Liga Namen ausdrücklich erklärt, daß feine Einmiſchung in die böhmiſchen Angelegenheiten in feiner Weile „präjudicierlih” für Die pol» nischen Anfprüche fein follte. Aber noch weitere, dem aus⸗ ſchweifendſten Ehrgeize der Polen jchmeichelnde Peripektiven er⸗ öffnete der Biſchof in einer geheimen Konferenz, in welcer er eine Tripelallianz gegen Böhmen auf eine Verbeiratung ber älteften polniichen Prinzeſſin Hedwig mit dem Könige Matthias und ber jüngeren Prinzeſſin Sophie mit Marimilian dem Kaiſer⸗ fohne gegründet, zum Vorſchlag brachte. Ob das wirklich auf einer von Matthias und Friedrich erteilten Inſtruktion berubte, oder nur ein Phantafiegemälde des Biſchofs Protas von Olmütz war, muß dahin geftellt bleiben. Wahricheinlicher ift das letztere, und es entipricht ganz dem Charakter ver katholifchen Liga, daß ber eine ihrer Wortführer, Rudolf von Rüdesheim, beim Kur- fürften von Brandenburg den unerjättlichen Ehrgeiz der Polen, der felbit auf die Erwerbung Öſterreichs ausginge, denunziert, während der andere, Brotas von Olmütz, faft zur jelben Zeit einen folchen Wunfch zu erregen und zu ftacheln jucht. Ebenſo zweifelvoll aber bleiben wir inbetreff der vom König Kafimir gegebenen Antwort. Nach dem Berichte des polniſchen Klerikers, ber neben dem Keter Georg niemand jo jehr haßte, als den König Matthias, foll der König ziemlich jchroff auf die viel- Tachen Berlegungen bes freunpnachbarlichen Verhältnifjes zwiſchen

1) Dies ruft Kafimir 1471 dem Protas in die Erinnerung. Cod. epist. saec. XV, 255, no. 221.

296 BZwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1468.)

Polen und Ungarn Hingewiefen, fen durch keinerlei Zwiſchen⸗ fälle erjchütterliches Anrecht auf die bößmijche Krone kraft der Erbanjpräche feiner Gemahlin betont, und im übrigen inbezug auf die Heiratsprojelte das Wort fallen gelaffen Haben, „ex tönme fich Teinen Eidam wünjchen, ver noterifch fein Feind wäre”. Darnach würde man allerbings begreifen, daß Protas „beitürzt” ?) aus Polen weggegangen ſei, aber duch weniger verfteßen, wie der Biſchof von Dimüt nach einem berartigen Beicheive noch bis in ven Mat Hinein in Krakau bleiben um am 8. Mat ſogar der Zanfe des neugeborenen polniichen Prinzen, welcher den unter ſolchen Verhältniſſen beſonders charalteriſtiſchen Namen feines Großohms, des Kaiſers Friedrich erhielt, als Pate beiwohnen konnte. Mit dieſen letzteren Um⸗ ftänden will es vielmehr übereinſtimmen, was der Breslauer Stadtehronift verzeichnet 2), daß die Heiratsvorſchlage des Biſchofs ſolchen Eindruck gemacht hätten,. daß Protas mit einem Borträt ber dem Matthias zugevachten Prinzeifin Krakau verlaffen Habe, und darnach würde es auch erflärlich jein, wie der Erfolg der Miſſion des Biſchofs dem Könige Matthias „gewaltig wohl gefallen Tonnte“ 8). |

Beide Quellen, die hier einander gegenübergeftelit wurden, ftimmen in dem einen Punkte überein, daß König Kaſimir feiner Gewohnheit gemäß eine entſcheidende Entjchliegung erft für eine jpätere Zeit in Ausficht ſtellte. Man beurteilte übrigens im Lager des Matthias die Sachlage nicht unrichtig, wenn „man fih dort auf den König von Polen nur mäßige Hoffnungen machte, da er arm und dem Böhmenlönig auf Lebenszeit ver pflichtet wäre” 4). Auch in den wenigen Äußerungen bes Biſchoft

1) „molestus“, fagt Dfugofz XII, 428. 2) Eſchenlosr, ed. Markgraf, S. 182. Damit tft die Angabe ‚im bentfhen Efchenloör II, 126: „Die Polen achteten dieſen Mathiam famb ungleich u. untagentlich ber Koeniglichen Tochter von Polen“, nicht in ſtriktem Widerſpruch. Dort ift vom Hof, und hier von „ben Pol“, und zwar von fpäteren Äußerungen, die Rede.

3) Epistolae Mathiae Covini, ed. Hajdo et Kunn II, no. 29.

4) Schreiben vom 10. Mai 1468, bei Katona XV, 317.

Böhmische Vorſchläge. 297

Protas, die erhalten find, giebt fich eine gewiſſe Geringichägung ver Polen kund!). Wie hätte auch der Einbrucd ber zwei⸗ beutigen und impotenten Politit anders fein innen? Kaum batte nämlich Protas die polnifche Hauptftabt verlafien, fo erichien Albert Koftla im Namen des Königs Georg dafelbft mit der wie erzählt wird 2) doch gar zu beicheidenen Bitte, daß König Kaſimir fi ver Vermittelung zwifchen Böhmen und Ungarn unterziehen möchte, und dafür wolle Georg bei feinen böhmifchen Ständen dahin wirken, daß nach feinem beveinftigen Hinſcheiden mit Übergehung feiner eigenen Söhne ein polniicher Prinz gewählt würde. Ja, nach dem Breslauer Stadtchroniften hätte Georg für. die winzige Leiftung der Ver⸗ mittelung fogar fich anheiſchig gemacht, den polntichen Prinzen fofort in Böhmen krönen zu laſſen, wenn ex jelbjt nur bis zu ſeinem Tode im Befig des Thrones verblieb. So befremdend auch eine jo weitgehende, in feiner Geſamtlage noch keinesweges als notwendig begründete Wilfährigfeit des böhmiichen Königs ericheinen mag, fo war fie doch wohl im Augenblick nicht übel angebracht. Nicht die Vermittelung war eines jo hohen Preifes wert, wohl aber die Dadurch gewonnene Sicherheit der polniichen Neutralität, die dem Böhmenkönige die einzige Brücke zu etwaigen Verhandlungen mit Rom noch offen erhielt. Nahm. Kafimir das Anerbieten jegt an, fo gab er felbft ven Rechtsboden preis, auf welchem er bisher fußte, dann galt eben nicht ein Erb- anipruch in Böhmen, jonvdern die Wahl der fouveränen Stände, für deren Ausfall niemand eine Bürgichaft übernehmen konnte, und dann hatte ſich Kaſimir in einer Weiſe mit den Ketzern lompromittiert, die ihn unabweislich zwang, mit jeiner ganzen. Macht auf ihre Seite zu treten. Georg durfte daher jchon wagen, den Plänen der polnischen Politik zu jchmeicheln, er

1) Urkundl. Beitr, Nr. 457, in Fontes rer. Austr. XX, 538, in Brest. Korrefp., Nr. 411. Iſt die Äußerung des Protas, „die Polen wären in Krakau Hüger als in Olmütz, oder wo jonft König Matthias init feinem Rate weilt”, fir eine „ben polnifhen Hof ſehr ehrende, koſt⸗ bare” zn halten, wie Bapee meint? |

2) Dfugofz XII, 424.

298 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1468.)

verlor einftweilen nichts dabet, nicht einmal die Hoffnung auf die Nachfolge feiner eigenen Söhne, und konnte doch mancherle bamit gewinnen. |

König Kaſimir erwiderte mit dem Verſprechen, ſowohl beim Könige von Ungarn als beim Papfte eine Interzeffion zu vers fuchen, hütete ſich aber doch Geſandte an bie böhmijchen Stände zu ſchicken, wie ex aufgeforbert worben war. Im Gegenteil betonte er fein Erbrecht, daS den Ständen, wenn fie nicht eine Kette von Kriegen auf ſich ziehen wollten, gar feinen andern Weg offen ließe, als den polniichen Prinzen einzujegen.

Der Sinn war der: Vermitteln wohl, aber mit den Utra⸗ quiften fich fompromitieren feinesfalls. Bald darauf gingen auch die polnischen Gefandten ind Lager des Matthias ak, wiederum Stanislam Dftrorog und Jakob von Debno um jtatt des Ian Dlugosz, der durch feinen geiftlichen Charakter bei den Verhandlungen mit den gebannten Ketern wieder wie bei der erften Geſandtſchaft in Gewiſſensnot geraten Tonnte '), ber greiſe Kaſtellan von Auſchwitz, Nikolaus Stop von Debo⸗ wice. Anfangs Juli trafen fie in Olmüß cin.

Während aljo am polniihen Hofe diplomatifiert worden war, hatte Matthias Corvinus gekämpft. Bald durch ben erftien Aufmarjch feiner Truppen im Anfang April Batte er Viltorin aus Defterreich gedrängt und gezwungen, ſich in Stoderau einzufchließen. ALS jedoch Georg jelbit ins Feb gerückt war, vermied e8 Matthias, Gelegenheit zur Feldſchlacht zu bieten. Aus dem verjchanzten Lager von Laa lieferte er ben &zechen blutige Scharmütel, die natürlich Feine Entjcheibung herbeiführen fonnten. Auch Unterhandlungen Inüpfte Matthias mit Georg an, um ben Infurgenten in den böhmiſchen Neben ländern Zeit zum Zuzug zu verichaffen. Bis zum 10. Mat

hatte er es dahin gebracht, daß Georg, aus feinem Lager

berausgehungert, nach Böhmen zurücdweichen, und jein Sohn

1) Das Wort des Dfugofz XII, 425: „cui fas non erat lega tionem eam perferre“, erläutert fih durch Urkundl. Beitr., Nr. 436 in Fontes rer. Austr. XX, 519.

Matthias in Mähren. Ä 299

Viltorin fich in Trebitſch beobachtend aufftellen mußte. Kaum hatte diefer indes fich dort gelagert, jo warf fich Matthias mit 10,000 Mann auf ihn, trieb ihn in das oberhalb ber Stadt gelegene Benediktinerklofter und verivandelte den blühen- den Ort in einen Ruinen- und Aſchenhaufen (14. Mai). Ber geblich fuchte Georgs zweiter Sohn Heinrich dem im Klofter Trebitſch belagerten Viktorin Luft zu fchaffen, er erlitt (22. Mai) mr eine neue Schlappe. Als aber Georg wiederum mit einem neuen raſch angefammelten Heere auf dem SKriegsichau- platze erjchten, gelang es Viktorin mit einem Haufen fich durch wihlagen (6. Juni), und Matthias gab vie Belagerung des Hofters, das nun feine Bedeutung mehr hatte, alsbald auf (9. Juni). Inzwiſchen wurde auch in Schlefien, in der Laufig und jelbft von Baiern ber blutig gekämpft. Böhmen fchien von den Kreuzfahrern erbrüdt werden zu follen. Indeſſen war Matthias" doch mit diefer zerlöften Kriegsführung, die fine Entſcheidung und namentlich ihm nicht die volle Herr- Ihaft der Situation verbürgte, böchlichft unzufrieden. Er hatte mehr von der Liga erwartet. Am 20. Juni verließ er das ger von Trebitfch und z30g über. Brünn nad Olmüg. Der Spielberg, Stadt und Kloſter Hradiih wurden belagert, Ungerifch-Brod wurde wie einige Fleinere feite Pläße mit ftürmender Hand genommen, jo daß Matthias fich bald im Befig von ganz Mähren befand.

Unter ſolchen Umftänden war er wenig geneigt, den pols niſchen Gefandten, bie ihn am 5. Juli in Olmütz anjprachen, lange Rebe zu ftehen. Er verwies fie auf den Kaiſer und den Papit, in deren Auftrage er im Felde ſtünde. Die Frage war ja auch zunäcft, was Georg anzubieten babe. ‘Die Unter- händler mußten fi daher erſt nach Prag begeben. “Dort

hielten fie fih an zwei Monate auf, vielleicht mehr mit Unter-

bandlungen inbetreff der zufünftigen Königswahl als mit dem Bermittelungswert befchäftigt, zu dem nach den Außerungen der Zeitgenoffen doch niemand ein großes Vertrauen hatte. Als fie endlich im Anfange des September abermals in Olmütz eintrafen, brachten fie eine Vorlage mit, welche einen Waffen-

300 Zmwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1468.)

jtilfftand bis zum Lichtmeßfejte 1470 ftipulierte, innerhalb deſſen die Ausföhnung des Böhmenkönigs mit dem Papfte beivirft, und ein Schiebögericht unter dem Vorfige bes Königs von Polen über alle weltlichen Angelegenheiten eingejegt werben ſollte. Mittlerweile aber Hatte Matthias. fein Bündnis mit der tige wieder neu befeftigt, vom Kaifer waren ihm erneute Zuſagen geworben, und ber päpitliche Legat Lorenzo Rovarello von Ferrara war im Lager von Olmütz neben Rudolf von Rüde beim mit einer Bulle eingetroffen, welche dem „Protektor ber Katholiken“ einen außerordentlichen Zehnten aus dem beutichen Reiche und den Ländern der Kronen Ungarn und Polen zw ſprach. Bon ber gegneriichen Seite bot man ihm aljo real Mittel, während die polnifchen Senbboten nur, wie der Biſchof Protas fi) ausdrüdte, „Schmeichelworte” hatten, benen er doch Fein Vertrauen ſchenkte. Als die polniihen Herr dem Könige Matthias felbft Worftellungen darüber machten, daß er in die Gerechtfame des polniichen Königshauſes ein greife, erwiderte er, daß er allerdings dieſe Rechte anmerken und gar nicht die Abficht Hätte, fich in ven dauernden Bel Böhmens zu fegen, der Krieg fer lediglich durch den Wunſch, an Georg für erfahrene Unbilven Rache zu nehmen, hervor gerufen worden !), Beide Legaten am Hofe des Matthias arbeiteten den Polen entgegen, und Rovarello entgegnete auf ihre Vorichläge, daß fie nur dann ernftlich inbetracht gezogen werben lönnten, wenn der Böhmenkönig die Prager Burg, da Karlftein, Glatz, den Spielberg und Hradiſch al8 Pfand jener Bertragstreue ausgeliefert haben würde. Natürlich mußten die Polen darauf verzichten, dem Könige Georg einen ſo entehrenden Antrag zu machen, und kehrten aljo unverrichteter Sad wieber heim ?).

1) Cod. epist. saec. XV, 255.

2) Efhenlo&r, ed. Markgraf, S. 185. 190f. am eingehendfen; fürzer Dtugoſz XII, 430. In den Brieffhaften mehrfach erwähnt Urkund. Beitr., Nr. 459. 460. 462. 468 in Fontes rer. Austr. I, 543 5q. 546. 560; Bresl. Korrefp., Nr. 409 A und B, 411. 417; Epist. Matth. Corv. bei Katona XV, 341. 342. 343.

J

Der Krieg in Böhmen. 301

Obwohl König Matthias im Anfang des September. fich perjönlih vom Kriegsihauplage entfernt Batte, um in Ungarn von feinen Ständen eine Beihilfe für vie Fortfegung bes ruhmreich begonnenen Kampfes zu erwirken und Vorkehrungen gegen die Türken zu treffen, da Giskras Waffenftillftanns- verbanblungen feinen Erfolg gehabt, fo fiel doch bie ganze Härte des Geſchicks jet auf den von aller Welt verlaffenen Podiebrad nieder. Selbſt zuverläffige Barone fingen an ihn aufzugeben. Hoyerswerda, Frankenſtein, Hradiſch fielen dem Aufftändiichen in die Hände, und nur als der Winter herein, brach, und Das Erbichloß der Sternberg Konopist endlich nach langer Belagerung fih den Böhmen ergeben mußte, erholte fih Georg fo weit, daß feine Heerführer auch wieder ver- beerende Einfälle in Ofterreich wagen fonnten. Aber im Ans fang des Jahres 1469 erſchien Matthias wieder in Böhmen, die Nachricht vom Tall der Seite Roſenberg und wenige Wochen ipäter die Uebergabe des Spielbergs begrüßten ihn auf mährifchem Boden. Im Februar drang Matthias fchon in Böhmen jelbft ein. Die Silberbergwerle von Kuttenberg ſcheinen fein nächites Ziel geweien zu fein. Bei Wilimow aber ſah er fich plöglic von der gefchidt manövrierenden Armee Georgs dermaßen in bie Enge getrieben, daß er eine yerjönliche Unterredung mit feinem Teinde nachjuchen mußte. Es kam am 27. Februar zu einem Waffenſtillſtand bis zum DOftermontage (3. April), innerhalb deſſen in einem Kongreß ber beiben Könige zu Olmüt ber Frieden vereinbart werben ſollte ?).

Bei einem UWeberblid ver gefamten Lage gewinnt man aber die Ueberzeugung, daß Matthias nicht. blos allein durch eine fteategifche Verlegenheit veranlaßt worben iſt, einen ſolchen Ausgang des Krieges herbeizuführen. Es fcheint ihm vielmehr doch daran gelegen zu haben, eine Krifis in feinem LUnter- nehmen hervorzurufen. Für einen Mann wie Matthias war die bloße Rolle als Katholikenpatron mit einer vagen Ausficht

1) #iebet, Cod. dipl. Brand. III.2,-39.

302 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

auf das römische Königtum zu platoniih. Sein Verbältnig zum Sailer hatte bereitd Sprünge infolge innern Mißtrauens erhalten. Am Ende ſah doch Matthias, dag der Kaiſer nidt aller der Kurftimmen mächtig fei, deren er fich vermag, ſelbſt wenn er es ehrlich meinte. Aber wer bürgte bafür? Die Wall

fahrt des Kaifers nah Rom im November 1468, die aller

Welt viel zu reden gab, gab Matthias am meiftern zu benlen.

Denn e8 wird ihm nicht verborgen geblieben fein, daß Friedrich

den Papſt von der Untbunlichkeit, einen Undeutſchen zum römischen Könige zu machen, zu überzeugen gejucht bat. Der mittlerweile in Regensburg (Februar 1469) unter dem Bor fig des Legaten Lorenzo Rovarella gehaltene deutſche Reichstag hatte auch nicht gerade einen Fortſchritt feiner Hoffnungen au den Tag gelegt. Es war dem Matthias eine vechte Genny- thuung, diefen Reichstag durch die Nachricht von dem Waffen

ſtillſtande dermaßen zu verblüffen, daß er auseinander ging.

Diefe Tendenz der Ueberraihung war aber feinesweges lebig- lich auf den deutfchen Reichſtag berechnet. Ungleich ſtärlker noch folite fie die katholiſche Liga mahnen. Es fand daher auch ein großes Zuſammenrennen im Lager von Olmüg ftatt, die beiden Legaten, Rovarella und Rüdesheim, Zdenek von Sternberg und die mit ihm verjchworenen Barone und Stäbte vertreter, kurz alle, die an der bebeutiamen, offenbar fich volk ziehenden Wendung ein unmittelbares Intereffe hatten, waren berbeigeilt. Der in der Wilimower Verabredung in Ausfiht genommene Kongreß der Könige fand in der That ftatt, aber nicht, wie bejtimmt worden war, am 24. März, ſondern erfl zwei Wochen fpäter. Matthias hatte zuvor wichtigeres zu er ledigen, als Friedenstraftate zu formulieren. Zu lange ſchon batte er der katholiſchen Liga gegenüber den Wneigennütigen gemacht, es war Zeit, daß er erntete. So an ber Spike

eines Feldheeres fiegreih in der Hauptſtadt Mährens ftehen,

faft Aug’ in Aug’ dem Könige Georg, der in Mähriſch⸗Stern⸗ berg wartend, jedes leidlich annehmbare Ausgleichsprojekt mit Freuden ergriffen haben würbe, durfte der Ungarkdnig dei zitternden Liga und den erichrodenen Legaten ſchon etwas zu⸗

4

Die Dlmüger Königswahl. 303

muten, durfte er ihnen die Meberzeugung aufbringen, daß es boch notwendig jet, „ihn mit einem ftärferen Bande als bisher an die gemeinfame Sache zu feſſeln“. Wohl hatte er fich den mehr tönenden als inhaltsvollen Titel des „Beſchützers der Katholiken” feiner Zeit gefallen laſſen, aus Rückſicht auf ven König von Polen, mit dem die Liga eben damals in Ver⸗ bandlungen über bie angebotene böhmiſche Krone ftand, aber waren dieſe Rückſichten jegt noch zu nehmen? Hatte er nicht getban, um was man den König von Polen gebeten? Hatte biefer nicht bie Riga beleivigend zurückgewieſen? Konnte der König, der fich mitten in dem Sturm politifcher und religidfer Barteigegenjäte auf ein formales Erbrecht verfteifte, das im Falle der Anerkennung eben dieſelben Beripeftiven einer An⸗ wartſchaft auf Ungarn wie auf Böhmen eröffnete, von Matthias, dem „Uffgeruckten“ noch länger Rückſichten verlangen? Zwiſchen ihm und der Liga war von Polen nicht mehr die Rede. Schon am 17. April war fein Geſchäft mit ben Ligiſten feitgemacht, Die Zufammenkunft mit Georg am 20. und die noch bis zum 1. Mai fortgefegten Verhandlungen waren nur eine Gaufelet, um das Dekorum zu wahren und einen vorläufigen Waffen- ftillftand zu gewinnen. Dann aber war fein Grund mehr, das „Spiel“ 9) fortzufegen. Am 3. Mai ward Matthias Corvinus in der Domlirhe von Olmüg in aller Form sum Könige von Böhmen gewählt und ausgerufen.

‚Alle diefe Vorgänge, bie Unterbandlungen zwiichen Matthias. und Georg, zwiſchen bemjelben und der Liga, und die darauf folgende Königswahl vollzogen ſich unter den Augen einer pol» niſchen Gelandtichaft, des Krakauer Staroften und Reichskanz⸗ lers Yalob von Debno und des Krafauer Dechanten Dr. Paul

von Glowina. Das war fo zugegangen. Auf dem Reichstage

zu Piotrlow im Dftober 1468 hatte nämlich Kafimir die Er⸗ Öffnungen des Biſchofs Protas, ſowie die des Albrecht Koſtka zur Sprache gebracht, und, wie es fcheint, die Billigung feiner

1) So nennt e8 Georg, und „das osterspil” der Markgraf Albrecht von Brandenburg. ©. Höfler, Das Kaiferl. Buch, S. 204. 205 Anm.

304 BZwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

vermittelnden und lavierenden Politik um fo mehr gefunden, als gerade Damals die höchſt beträchtlichen Zumutungen bebufs Tilgung der Schulden bei den Söldnern aus dem preußiſchen Kriege die Unfähigkeit zu einem energiicheren Eingreifen in bie böhmiichen Händel grell genug au ven Tag legten. Bezjzeichnend für die Stellung Polens war es, daß während bes Reichstags zu gleicher Zeit der Propſt Paul von Zderaz, um im Namen Podiebrads um die in Ausficht geftellte Hilfe zu bitten, umb der Breslauer Domberr Balthajar !) mit der Bitte um be Erlaubnis zu Kreuzzugsprebigten gegen Georg in Polen eintrafen. Beide wurden auf eine demnächſt an den Papſt abzuſchickende Ge⸗ ſandtſchaft vertröftet, was wohl auf beide einen wenig er freulichen Eindrud gemacht haben wird. Der. Breslauer Sen» bote, dem vom Könige eingeichärft wurde, daß man in ber ichlefiichen Hauptſtadt des Erbrechts feiner Kinder nicht ver geifen follte, gewann den Einprud, daß man in Polen darauf jpefuliere, nach der Verblutung beider kämpfenden Parteien die böhmiihe Krone ohne Schwertitreih gewinnen zu können Und es hatte in der That den Anichein, denn nicht einmal mit der veriprochenen römiſchen Geſandtſchaft beeilte man fih ſehr. Vielleicht follte fie nicht mit dem in Rom weilenden Kaiſer Friedrich zufammentreffen. Erſt im Anfang des Märjz 1469 begab fie fich, der genannte Ialob von Debno um Dr. Baul von Ölowina ?), auf den Weg. Schon in Breslau, wo eben die Nachricht von dem Wilimower Waffenftiliftand eingetroffen war, jchien man ihre Werbung mit Achfelzuden anzuhören. Man .werde in Breslau ftets thun, was der Papfl befiehlt, erklärten der Rat und der Biſchof, aber das Ber langen der Polen, fich irgendwie zu binden, und in eimem formellen Geleitbrief die polniſche Geſandtſchaft als Vertreterin |

1) So Diugof; XUI, 435. Alſo wohl Balthafar von Pisce Eihenloör, ed. Martgraf, S. 194, „notarium scabinorum‘“ alfo wohl Balthafar Hornig. Das erftere ift wohl richtiger in Rüdfiät auf ben Inhalt der Miifton. |

2) Paul von Glowina war Sekretär ber Königin - Mutter Sophie geweſen. Cod. Ppist., p. 182.

—— ——r r —— ——

Die polniſche Geſandtſchaft. 305

ihrer Willensmeinungen darzuſtellen, begegnete einer entſchiede⸗ nen Weigerung. Es war darauf abgeſehen, meint der Bres⸗ lauer Stadtſchreiber, die Stadt bei Matthias zu kompro⸗ mittieren. Die Geſandten gingen weiter nach Mähriſch⸗Neu⸗ ftadt, wo König Georg noch in gutem Glauben an dem Sriedensfongreß arbeitete. In demfelben guten Glauben mifch- ten fih auch die Polen „mit großem Fleiß und vieler Mühe in. die Verhandlungen, aber freilich Tannten fie nur die Ge- finnungen Georgs; was auf der anderen Seite vorging, blieb ihnen verfchloffen. ALS fie jedoch im Verlauf der Debatten in einer Verſammlung der Ligiften ihr Programm vom Trieben und vom Erbrechte des polnijchen Königs vortrugen, erwiberte man ihnen, daß die Freiheit der böhmiſchen Krone es zulaſſe, fie demjenigen zu übertragen, der Hilfe bringe. Jetzt erft jaben die Krakauer, um was es fi in Olmütz handelte, und teilten ihre Beſorgniſſe dem Könige Georg mit, denn, erfolgte bier die Wahl, dann konnte e8 um die polniſche Kandidatur jowohl auf Grund des Erbrechts als auf Grund der Ber günftigung Georgs geichehen fein. „Laßt. nur,“ ſoll der König barauf geantwortet haben, „wählt man in Olmütz einen König, jo Tiefen wir zu Prag vier, alle Söhne des Königs von Bolen, und dann giebt es jech8 in Böhmen“. Aus biefem Galgen- bumor Podiebrads fieht man, daß er dem Erfolge des Kon- greffes nicht mit zu großem Vertrauen entgegengejehen babe. Zunächft warb aber der eine König in Olmütz gewählt, zum „Schrecken“ der Polen. Entrüftet riefen fie den Ligiften zu: es jei ein Unbing wählen zu wollen, wo ein legitimer Erbe vorhanden fei; aber fie erhielten die Antwort, auch fie hätten darum einen Jagiellonen am liebjiten in Böhmen gejeben, aber in Krakau zurüdgemwiefen, hätten fie ſich anderwärts umthun müfjen. Hätten fie bis jeßt auf den König von Polen ge- wartet, dann wären fie ſchon längſt von dem Ketzer vernichtet. Legt hätten fie kraft ihrer Freiheit Matthins gewählt, zu bem fie mit Gut und Blut ftehen wollten. Beſtürzt eilten bie Bolen zu Georg zurüd, um fih von ihm nah Nom zu -

Eoro, Gefhiäte Polens. V. 1. 20

306 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

begeben, wo ihrer, wie unjere Quelle bemerkt, nur dieſelbe Zurückweiſung in anderer Form wartete ?).

Ueber den Einprud aller diefer Ereigniffe auf den polntichen Hof find wir nicht unterrichtet. So nahe dieſelben auch durch die Anwejenheit des Ungarlönigs in Breslau, wo er die Erb huldigung der Schlefier und Lanfiger entgegennahm und ben Beſuch des brandenburgifchen Kurfürften empfing, unter vie Augen gerüdt waren, jo änderten fie doch nichts an ver Methode des Abwartend. Dean erfuhr in Polen, daß der PVerfuh des Matthias in dem Kurfürften Friedrich einen Verbündeten gegen jebermann, und damit eine dauernde Drobung gegen Polen zu gewinnen, höflich abgelehnt worben wäre. Wenn man aber weiter erzählte, daß der Kır fürjt dem Ungarn feine Stimme für das römiſche Königtum zugejagt habe, fo war das übertrieben, denn Friedrich Hatte demjelben nur: ven Rat erteilt, er möchte nunmehr als böhmilcher König. zufeben daß er in den Kurfürftenverein fame ?).. Sowie aber dieſen Zeil der Breslauer VBerband- Iungen, fo wird man auch den andern gekannt haben, worin von einem Heiratsprojeft zwiichen Matthias und der Tochter bes Diarkgrafen Albrecht geiprochen war, das der König jedoch mit der Bemerkung, daß er erſt in zwei Jahren „fich zu verändern“ gevente, auf die lange Bank job. Mit einem Worte, fo herzlich die Stimmung in Breslau zwiichen den beiden Fürften gewefen war, bie Abficht des Ungarkönigs in bem Branden⸗ burger einen Stüßpunft für die ſchwer zu behauptenden Lande von Schlefien und Lauſitz zu gewinnen, war gefcheitert. Das gab Polen ein Webergewicht, das auf die wundeſte Stelle in der gegenwärtigen Situation des Ungarkönigs brüdte Er durfte jegt Polen nicht noch mehr herausfordern. Unmittel-

1) Ejhenlodr, ed. Markgraf, ©. 201: 202, und ed. Kunifd, ©. 157. 2) Riedel, Cod. dipl. Brandb. IIL.1, 507, no. 360. Balady IV.2, 591, Anm. 401 überfah, daß die Antwort bes Kurfürften auf bie Werbung um bie Kurfliimme darin ſtehe, und folgt ber Übertreibung Dtugoſzs XI, 442.

Ligiſtiſche Sendboten in Krakau. 307

bar nach der Abreiſe des Kurfürſten von Breslau ging eine Geſandtſchaft nach Krakau ab 1). Johann Zajiẽ von Haſen⸗ burg und Dobes Schwartzenberg, der Bruder des Biſchofs Protas, traten am 16. Juni vor den König Kaſimir, nicht eigentlich al Sendboten des Königs Matthias, fondern als Ver⸗ treter ber Liga. Zumächit juchten fie ihre That zu rechtfertigen; die Verlegenheit gegenüber dem „Abgeſetzten“, die Weigerung des Polenkönigs ſich ihrer anzunehmen, hätten ihnen feine andere Wahl gelafien. Der König hörte e8 gern, daß dieſe böhmischen Magnaten auch jet noch das Erbrecht nicht un⸗ erwähnt Tiefen und von Matthias erzählten, daß er, im Falle der Papſt es wünjchen jollte, „die Sache "ganz abtreten und ihm und feinen Kindern im Reiche zu Böhmen fein Hindernis bereiten, fondern vielmehr helfen wolle zu Guten ber Chriften- beit" 2). Nur als die Gejandten wiederum mit ber Idee bes Biihofs von Olmütz bervortraten, die Tochter des Königs mit dem Könige von Ungarn zu verbeiraten, foll er ihnen eine „dalte“ Antwort gegeben haben ?). Sonſt aber wurden bie böhmischen Herren fo freundlich umd Herzlich aufgenonmen, daß Johann Zajid beim Anblid des Prinzen Wladyslaw in Thränen darüber ausgebrochen jein joll, daß es jo gelommen wäre.

Traut man dem polnifchen Berichterftatter, jo jcheint Herr Zajisẽ von dem Wohlwollen des Königs Kafimir' dermaßen bes ſtrickt worden zu fein, daß er feines Auftraggebers gänzlich vergaß und Bolitif auf eigene Hand trieb. Bon Prag waren nämlich, noch während der Anwejenbeit der böhmiſchen Mag⸗ naten, bie polniſchen Senveboten zurüdgelehrt, durch welche Kaſimir ſich Aufklärungen über die Bedingungen des Olmüter Waffenftiliftands erbeten hatte. Dieſe brachten gar überrafchenbe Nachrichten. König Georg hatte fein bittereg Wort, daß er

1) Sie hatten einen GeleitSbrief nachgeſucht, den Kaſimir ihnen er⸗ teilte, „obwohl er überflüffig wäre”. Urkundl. Beitr. Nr. 489, in Fontes rer. Austr., p. 5983.

2) Eſchenlosr, ed. Kuniſch, ©. 169.

3) Höfler, Das Kalferl. Buch, Nr. 102, ©. 203. Aus bem Schreiben Gregors von Heimburg.

20*

308 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

noch vier Könige in Böhmen machen werbe, angefangen wahr

zu machen. Im Anfang des Juni hatte er den böhmiſchen Landtag nach Prag berufen, und das, was er das Jahr vor ber nur als flüchtigen Gedanken hingeworfen, offiziell beftätigen

Yaffen. Der Prinz Wladyslaw von Polen wurde vom Land tage zum präjumtiven Nachfolger Georgs erloren. „Die Ge meinfchaft der Zunge”, alfo die Verwandtfchaft der ſlawiſchen Nationalität, war der beichönigende Grund der Wahl, beren Bedingungen jedoch zeigten, daß es zunächſt nur darauf ab geſehen war, Polen unabweichlih an die Sache der Utraquiſten zu feſſeln. Außer den Verbindlichkeiten, welde für ben ge wählten Prinzen in Böhmen vorbehalten waren, jollte Kafimir fih verpflichten, die Ausjöhnung der Utraquiften mit bem Papſte zu bewerkitelligen und feinen Sohn mit Ludmilla, ver Tochter des Königs Georg, zu vermählen ).. Es klingt nid unwabricheinlich, wenn erzählt wird, daß ber Vertreter ber Liga, Herr Johann Zajit, dem Könige ven Nat erteilt Hätte, auf das Erbieten einzugehen, wenn König Georg jchon jet al8 Unterpfand feines Ernſtes Prag und den Karlftein ven Polen überantworten wolle, denn ohne folche Bürgichaft möchten fie doch wohl die Betrogenen jein. König Matthias würde vielleicht Fein Hindernis fein und fich durch die Heirat mit einer polniſchen Prinzeffin gewinnen laſſen. Hatte doch, wie Zajid jekt verriet, König Georg in einer geheimen Unterrebung mit König Matthias dieſem gelegentlich daſſelbe Anerbieten gemacht. König Georg wolle nur mit der Kurie zu Trieben fommen, das Uebrige gäbe er der Zeit anheim, ohne auf di Hoffnung der Nachfolge feiner eigenen Kinder zu verzichten. Jedenfalls fuchte Kafimir den Vertretern der Liga einen mög-

1) Ih foreibe das dem Diugofz und allen von ihn abhängigen Darftellungen, und auch Palacky nad. Aber ich kann boch meine Zweifel an ber ganzen Heiratsfache nicht unterbrüiden. Mehr als ein Ge: rede wird e8 wohl nicht gewefen fein. Auf dem Reichstag zu Piotrlom um Spätheröft 1469, wo ber König dem Hochmeifter Reuß von Plauen über bie von den Böhmen geftellten Bebingungen Mitteilung macht, ift von biefem Punkte nicht mit einer Silbe geſprochen.

Beratung zu Radom. 309

lihjt günftigen Eindrud von feinem Hofe und eine äußerſt freundliche Erinnerung an Sralau auf den Weg zu gebe. Nicht jo Herzlich aber fcheint der Ton in der Korrejpondenz zwiihen Kaſimir und Matthias ſelbſt gewejen zu fein. Auf die Vorftellung des Ießteren wegen Rüftungen in Polen, ſoll Kaſimir geantwortet haben, er fei niemandem Rechenſchaft ſchuldig, als den Seinigen. Indeſſen beruht viefe Nachricht ebenfo wie die von der „falten“ Antwort auf den Heirats- vorichlag nur auf Aeußerungen, die vom Prager Hofe ſtammen, wo man fich natürlich in dem Gedanken gefiel, das Verhältnis zwilhen Polen und Ungarn jo gefpannt als möglich zu Halten. Das war jedoch keinesweges der Fall. Ganz abgejehen davon, daß e8 doch auch in Polen eine große und mächtige Partei gab, welche die polniſche Politik lieber an der Seite des „Katholikenbeſchützers“ al8 an der des Ketzers geben jahen, er- Ihien es doch bedenklich, die ungariiche Heeresmacht ind Land ju ziehen, bie Polen mehr ſchaden konnte, als irgend ein ans derer Feind. Erwägungen folcher Art erfüllten Kafimir, als er fih amı 29. Juni mit feinem geheimen Rate zu Radom über die Lage beſprach. Dorthin waren auch die Gefandten König George gefommen, welche den König vorläufig von den Beichlüffen des Prager Landtages in Kenntnis zu jeßen hatten !). |

Wir irren nicht, wenn wir auch hier wiederum den Gegen ſatz zwiſchen Großpolen und Sleinpolen wirkſam annehmen. Obwohl der Erzbiihof von Gneſen anwejend war, glaubte man nicht den Gottesdienft vor den „böhmiſchen Gebannten“ einstellen zu müſſen, wie das in Krakau jpäter bei ihrer Durch»

1) Stibor Towacowsky von Eimburg, Benes von Weitmühl und der Propſt Paul von Zderaz. Man müßte annehmen, daß Markgraf Albrecht von Brandenburg fehr ungenau unterrichtet gewefen wäre, wenn er wirklich am 1. Juli an den Kurfürften gefchrieben hätte, daß „herr Bictorin und der Waittenmüller fambt de8 Königs von Polen retten ꝛc.“ (Höfler, Das Kaiferl. Buch, S. 195, und danach Riedel IIL.1, 509). Es ift indes nur einer ter üblichen Lefefehler Höflers, der „Vietorin“ für Stiborius gelefen Hat.

310 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

reife geſchah. Darin lag gewiß ein großes Entgegenlommen der Bolen, die doch Urfache hatten, ven PBapft nicht noch mehr gegen fich aufzuregen, als e8 fchon der Fall war. Das war aber auch alles, was den Böhmen tröftlic entgegentrat. Im ber Hauptſache hingegen fanden fie nicht bie freudige Rückhalt- loſigkeit, die ſie vorausgejegt haben mochten. Denn im Grunde war das Anerbieten des Prager Landtags, bes utraquiftiichen, Doch wenig von dem verichteven, das zweit Jahre zuvor fchon die Liga gemacht Hatte, nur noch ärger verklaujuliert und noch weniger in Übereinftimmung mit dem Papfte und dem Kaiſer, auf welche es doch nicht wenig ankam. Das war nicht Die Anerkennung des Erbrechts, wie fie Polen gewünſcht, Jonbern nur eine einfeitige onerofe Wahl, welche durch die vorgeichlagene Berbeiratung Wladyslaws mit der Prinzelfin Ludmilla eber eine Anerlennung der Legitimität der Dynaſtie Podiebrad als der jagiellonifchen enthielt *). Überdies fam noch ein anderer Umftand hinzu. Durch die Annahme der böhmiſchen Krone aus ber Hand Georgs und feiner Partei, wie fie jekt angeboten war, hätte Polen fich Doch auch die Ausftattung der Drei Söhne Georgs gefallen laſſen müfjen, wie jie am Prager Hof beab- fichtigt war. Es ift fein Zweifel, daß König Georg, wenn er

2) Dfugofz XI, 446 äußert fich in der brutalften Weife über bie entſetzliche Zumutung, feinen Zögling mit einer Kekertocdhter vermählen zu wollen. Selbſtverſtändlich war das nicht ber Gefihtspunlt Kaſimirs, obwohl es allerbings fein Bebenten Hatte, ben Bann des Papfle8 beraus- zuforbern. Denn Albrecht von Brandenburg war doch durch eine folde Berihmägerung mit Georg in den Bann geraten, obwohl man ihm in Rom fonft fehr gewogen war. Aber für Kafimir hatte der Vorſchlag noch einen andern Hafen. Diefe Lubmilla war ſchon am 8. Mai 1460 mit dem Prinzen Georg von Baiern, dem Sohne Ludwig des Neichen verlobt, und dieſes Ehegelöbnis war damals das Unterpfand eines Bünd- niſſes zwiſchen Georg Podiebrad und Ludwig geweien (Gaſſelhold⸗ Stokheim, Herzog Albrecht IV. von Bayern II, 167ff. und Kint- hohn, Lubwig ber Reiche, S. 145), im welches Kafimir fi zwei Momate darauf gleichfalls auf Lebenszeit eingefhworen hatte (Dogiel I, 383). Die Loderung der Freundſchaft zwifchen Böhmen und Baiern befreite Kafımir nicht von feiner Verbindlichkeit. Ohne Eibbruch hätte bie Heirat der Lubmilla von polniſcher Seite gar nicht acceptiert werben Tdnnen.

Polniſche Bedenten. 311

auch ſchon darauf verzichtete, ſeine eigenen Söhne auf dem Throne folgen zu laſſen, doch der Meinung war, „daß Mähren, Schle⸗ ſien, die Sechsſtädte, die Lauſitz wohl drei Fürſten aushalten und ſeine drei Söhne jo ausſtatten mögen, daß ſie außer den Regalien einen Vergleich mit dem Könige aushalten würden“ !). Wenn, aber in Bolen irgend etwas zur Einmijchung in die höhe miſchen Händel reiste, dann war e8 der Wunfch, die Neben» länder, insbefondere Schlefien und die Lauſitz, zu erwerben. Selbft den Frommen im Lande ſteckte die Sehnjucht nach den ehemals der Gnefener Kirchenprovinz unterworfen gewefenen Gebieten im Herzen. Das bloße Königtum in Böhmen mit dem „Münzregal und der Berna” war doch des Preiles kaum wert, der dafür gefordert war: ein Bündnis mit ben Ketzern, Krieg mit den Katholifen und den verbündeten Lanbesbaronen in Böhmen, Krieg mit Ungarn, Krieg mit dem PBapfte, ber die Verlegenheiten des Interdikts in das eigene Land gejchleu- dert und namentlich die Errungenjchaften in Preußen in Frage geftellt Haben würbe. Der Hochmeifter Reuß von Plauen gab dem Könige zu bebenten, daß fein Sohn unter den Bedingungen, welche die Böhmen fich vorbehalten, „ein gar Kein Auslommen baben würde“. Selbſt huſitiſch gefinnte Patrioten in Polen mußten doch bevenflich werben.

Andererfeitd durften die Utraguiften und König Georg noch weniger entmutigt werden als vor zwei Jahren die Ligiſten. Bolnifche Gejandte, Stanisfaw Watrobla und Ian Tarnowski, zwei Raftellane, gingen nad) Prag, wo man aus ihren Er» Öffnungen merkwürdig fanguinifche Hoffnungen ſchöpfte. „Wir nahen jehr zufammen, mit dem Könige von Polen zu bejchließen, wodurch der Ungar wieder getrieben wird zu dem, was feine Eltern geweſen“, ſchrieb der befannte Diplomat Gregor von Heimburg an den Markgrafen Albrecht von Brandenburg, und zwei Tage darauf weiß er demſelben zu erzählen, fein Herr, „ber Döhmenkönig und der Polenlönig, werden mit zwei verjchiebenen

1) Gregor von Heimburg an Markgraf Albrecht, vom 20. Auguft 1469, bei Höfler a. a. O., Nr. 107, ©. 214.

312 Bmwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

Heeren gegen Ungarn ziehen; das polnifche durch die Walachei, das böhmiſche durch Mähren, unter Führung des Prinzen Hein- rih” 1). Das war denn freilich den Mund etwas voll ges nommen. Solch übertriebene Erwartungen ?) mögen den König Georg veranlaßt haben, jchon im Anfang des Juli ver müßs fam bei Olmütz verbandelten Waffenftiliftand entfchloffen zu brechen und in Mähren einzufallen. In der That war aud ber Wojewode Stefan von der Moldau, gewiß nicht ohne Ermutigung vonfeiten der Polen, denen er erft jüngft wieder gehuldigt Hatte, mit 1800 Reitern in Siebenbürgen eingebrochen, während Matthias in Breslau weilte. Aber eine Diverfion für Böhmen war das keineswegs, denn Stefan wollte mit biefem Naubzuge lediglich feinen Gegner, ven Prätendenten Peter Aron, in die Wojewodſchaft loden, was ihm auch gelang, und Peter mit dem Kopfe büßen mußte ?). Auch im mährifchen Feldzuge trat alsbald eine Kataftrophe ein, infofern der helden⸗ mütige aber allzu unvorfichtige Prinz Viltorin am 27. Zufi beit Wefjelt teils durch Verrat, teild durch unglüdliche Umſtände von den Ungarn gefangen genommen und von Matthias nad ber Blindenburg fortgeführt wurde. Gregor von Heimburg irrt, wenn er bie Meinung ausfpricht, daß fich in dem Schmerzgefühl des Vaters für den Sohn die Bedeutung dieſes Vorgangs er- ſchöpfte. Dem war doch nicht jo. Denn in der That hatte ber Wieberbeginn. des Krieges in Schlefien und in der Laufitz namentlich eine ungemeine Beitürzung erregt, zumal fi) überall bin das Gerücht verbreitet Hatte, daß Polen nunmehr mit den Ketzern zu Schug umb Zruß verbündet wäre, ein Gerücht, das durch die Vorgänge beim Prager Landtage vollauf begründet zu fein ſchien. Ganz wie in den Tagen ber Hufitenfriege jprah man wieder überall von der engen Gemeinichaft ber Polen mit den Gebannten, und Breslau insbejondere wie ganz

1) Söfler a. a. O., Nr. 108.

2) Nah Efchenlodr, ed. Markgraf, ©. 210.

8) Außer Tfugofz vgl. den Rocznik Chotelski in Mon. Pol. hist. III, 214.

Polniſche Rüdjihten auf Ungarn. 313

Schlefien war, wenn es fich wirklich jo verbielt, der äußerten Gefahr preisgegeben. So unbedingt war bort die Zuperficht auf König Matthias nicht eingewurzelt, daß nicht Die Bejorgnis einer vollftändigen Iſolierung und Hilflofigfeit hätte entftehen innen. Dan atmete daher auf, als die Nachricht von der Gefangennahme Biltorind eingetroffen war, und erft die wei- teren Siege des Prinzen Heinrich, des zweiten Sohnes George, bei Stal, bei Zittau, und namentlich der große Sieg desfelben bei Hradiſch brachten die frühere Stimmung der Sorge und viel« fach Hervortretender Reue über die ſchlimme Führung der ‘Dinge wieder hervor.

Auch in Polen Hat man wohl die Gefangennehmung Vils torins nicht fo bedauert, al8 Gregor von Heimburg anzunehmen geneigt war. Das außerorbentlich ruhmreiche und beldenmütige Dervortreten der Söhne George, ihre unabläfjige Thätigkeit im Kriege, ihre anwachlenden Verdienſte um die böhmiſche Sache waren wenig geeignet, die Shmpathieen für einen im Eltern⸗ baufe gepflegten dreizehnjährigen polniichen Prinzen in Böhmen emporjteigen zu laffen. In Polen war man weit entfernt davon, ſich ſchon jo ganz im Fahrwaſſer der Prager Politik zu befinden, wie Gregor von Heimburg annahm. Man hatte in Krakau doch noch anderes zu bevenfen. Eben dasſelbe Erb- recht, das die Stüße und Grundlage der böhmijchen Bewerbung bildete, gab auch dem polnijchen Königshaufe eine Anwartichaft auf die ungarische Krone. Gregor von Heimburg hatte ſelbſt davon gejprochen, daß die Regierung des Matthias in Ungarn nicht gegen alle Wechfelfälle gefichert wäre. So gut wie man in Polen auf den Tod des Georg eine jpefulierende Politif aufgebaut batte, mit eben demjelben Grunde durfte, mußte man ven Tod oder „Abgang des Matthias ins Auge fafjen. Und dieſe Peripektive fchloß noch weniger Hindernde Momente ein als die böhmiſche, denn Matthias Hatte feine Kinder, feine Söhne, die dem Lande lieb und wert geworden waren. In Ungarn batte man auch nicht erft den Kampf wegen der Kompalftaten zu führen und den päpftlihen Bannfluch zu befeitigen. König Kaſimir durfte vielleicht auch von Matthias felbft, deſſen Ehr-

314 BZwölfites Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

geiz doch mehr auf die römiſche Königskrone ging, eine Ceifion feiner böhmiſchen Erwerbungen und ber durch die Olmüber Wahl empfangenen Anrechte erreichbar halten. Gatten doch Protas von Olmütz ebenjo wie Johann Zajit mittels einer Heirat eine ſolche Kombination als ausführbar vargeftelit.. In jedem alle durfte der König von Polen, auch wenn ex mit Matthias, dem Prätendenten von Böhmen, zu feinem Aus gleiche käme, doch das ungariiche Reich nicht unverjöhnlich gegen fi erzürnen. Mit den ungariichen Ständen mußte er um der Zukunft willen Fühlung behalten. Wie immer feit ven Zagen Sigismunds, wenn fi Mißhelligkeiten zwifchen Ungarn und Polen erboben Hatten, einige Barone aus beiden Staaten an einem Orte in der Zips behufs frieblicher Ausgleichung derjelben zujammenzufommen pflegten, jo wurbe auch Diesmal, während man fih in Prag in dem Gedanken wiegte, daß Das polniiche Heer durch die Moldau in Ungarn einbräche, eine friedliche Konferenz polniſcher und ungariicher Herren in Publein für den 8. September verabredet. Der Breslauer Stadt ichreiber Eſchenlosr hebt doc nur einen einzelnen Punkt her» vor, wenn er angiebt, daß dort in Publein um eine Heirat des Ungarlönigs mit einer polniihen Prinzeifin gehandelt wer- ben follte ). Aber freilich hätte dies ein Angelpımlt werben fönnen. Eine ‘Delegation in einer Zujammenjegung, welche das Gewicht Tennzeichnete, dad man auf dieſe Tagſatzung legte, begab fi am fefigejeßten Tage in das Städtchen ver Zips. Der Bilhof Ian Lutek von Sralau, Ian Teczynski, ber „Ban Krakowski“, Dzierslaw Rytwianski, der Palatin von Sandomir, Stanislaw Oſtrorog, der Palatin von Kaliſz und Jan Dlugoſz, der Geſchichtſchreiber harrten dort einen ganzen Tag auf die Ankunft der Ungarn. Zum großen Verdruß der Polen blieben dieſe aber aus. Sie bedauerten hinterher in einem Schreiben vom 20. September ?) das Verfehlen und

1) Eſchenloẽr, ©. 214. Daß Rubolf von Nübesheim es auß- ſchlug, dabei zu fein, ift aus feiner Stellung ſehr begreiflich. 2) Cod. epist. saec. XV, no. 215, p. 242.

In Rom. 315°

entihuldigten es mit unvorbergejehenen äußeren Umſtänden, und es muß dabingeftellt bleiben, ob dieje Erklärung begründet war, oder ob nicht vielmehr Matthias felbit, der damals dem für ihn ungleich wichtigeren Projekt einer Heirat mit Kuni- gunde, der Tochter des Kaiſers Friedrich, nachging, die Pudleiner Konferenz vereitelt hatte.

In jedem Falle zeigt diefer Vorgang, daß König Kafimir noch nicht mit den Ketzern in Prag fo verbunden war, wie man allerorten erzählte. Am allerwenigften aber hatte er fich der Kurie fo fehr entfremdet, als dies vorausgejeht haben würde. Freilich batten feine Gefandten in Rom einen ſchweren Stand, denn ra Gabriele trat ihnen dort mit der Anklage gegenüber, daß fie bet Olmütz die Sache des Ketzerkönigs ver- treten hätten, und das, was fie zunächſt vom Papite wünfchten, die Beitätigung des Thorner Friedens, die Ordnung des Erm⸗ löndtichen Biichofftreites im Sinne des Königs, erlangten fie allerdings nicht, und mußten vielmehr harte Vorwürfe barüber binnebmen, daß der Kreuzzug gegen Böhmen in Polen nicht geprebigt würde. Aber in der Hauptfrage gab e8 doch Elemente der Übereinftimmung zwiichen dem Bapfte und dem Polen⸗ fönige, welche feine Geſandten nicht ungenügt gelaflen Haben werben. In Rom war man nichts weniger als befriedigt von dem Olmützer „Djterjpiel”, denn darin ftimmte der Papit mit Kaiſer Friedrich überein, Matthias als Katholikenpatron fich gefallen zu laſſen, nicht aber als König von Böhmen !). Es war damals in Rom der Gedanke aufgetaucht, Böhmen über- haupt in Herzogtümer und Grafſchaften zu zerlegen und die Kur- ftimme auf Öjterreich zu übertragen *), ein Gedanke, der frei lich einen ziemlichen Grab verzweifelnder Verlegenheit anfündigt, aber jevenfall8 zeigt, daß der Papft über die böhmiſche Suc- ceffion doch nicht fo Dachte, wie feine Legaten Rudolf von Rüdes⸗ heim und Lorenzo Rovarella. Immerhin fchien diejen Unmög⸗

1) Eſchenlosr: „Quod mirabile est... .. Si fiet alia mutacio a papa male etc. nescio quid dicam; videamus.‘

2) Heimburg an Markgraf Albrecht vom 26. Auguft 1469, bei Höfler, Das Kaiferl. Bud, Nr. 109, ©. 215.

316 BZmwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1469.)

lichfeiten gegenüber die polniiche Bewerbung noch am eheſten dem kirchlichen Interefje zu entfprechen, wenn Safimir fich die Krone nur nit von den Utraquiften aufpringen läßt mit ber Bedingung, ihre Verjöhnung mit dem heiligen Stußl zu erw . wirken, das heißt mit anderen Worten eine Beftätigung ver Kompaftaten zu betreiben. Wir wifjen allerbings nicht, welche Zufiherungen die Gefandten dem Papjte gemacht haben, aber e8 zeigt doch, daß der Papit der Argumentation Kaſimirs ein gewiſſes Verſtändnis entgegenbrachte, als er die Zuſage machte, einen eigenen Legaten nach Polen abzuorbnen. Bei jenen Ge danken einer Zerlegung Böhmens hatte man in Rom an einen ähnlichen Plan angefnüpft, den Papft Martin V. einft dem Wladyslaw Jagiello durch den Kardinal Branda Eajtiglione hatte vortragen laſſen. Ob Papft Paul II. auch wieder dem Könige von Polen von diefem Projekt Mitteilung zulommen ließ, willen wir nicht, aber überrajchend ähnlich tft die Situation immerhin, denn auch damals galt die innige Verbindung Polens mit den fegeriichen Hufiten allgemein als unbejtritten, und doch ſtand kaum ein König jener Epoche fo treu zum römiſchen Stuhl, als Wladyslaw Jagiello. Die Überzeugung fchienen die Ge jandten Kafimirs in Rom zurüdgelaffen zu Haben, daß aud jegt das Gerücht mit der Wirklichkeit keineswegs überein, ſtimme ?). | "

So fam denn der große Reichstag ?) heran, welchem nun mehr das Ergebnis dieſer diplomatiichen Gejchäftigfeit unter: breitet werben follte. Bon Böhmen Her fam eine Deputation von zwölf der vornehmften und angejebenften Vertreter Des Adels und der Bürgerſchaften. Sie hatte den von König Georg felbft unterzeichneten Auftrag, die jofortige Krönung des Prinzen Wladyslaw aljo über die in Radom vorgelegten Erbie tungen binausgehend zuzugeftehen, wenn ver Prinz fi mit

1) Sagt doch auch Efhenloör: „fuit communis fama, quod ad- dixisset eis (hereticis) filium et auxilium, veritati autem non fuit simile.“

2) Er begann ben 21. Ottober.

J

Kaſimirs Entſcheid. | 317

ber Tochter Georgs vermählte und Georg felbft bis an fein Lebensende den Thron behalten dürfte). Selbftverftänvlich er- bob fih ein Streit der Parteien auf dem Reichstage, denn, wenn auch die Schilderung Rudolfs von Rüdesheim von ver Verbreitung Teterifcher Gefinnung in Polen vielfeicht übertrieben war, jo unterliegt e8 doch feinem Zweifel, daß namentlich bie Nitterfchaft, und von diejer vornehmlich die großpolnijche, Die ausgejprochenften Sympathieen für die. böhmifchen Utraquiften begte. Aber auch bet den jonjt ber Kirche treu Anhänglichen fand der Aufruf des „linguagium Slavonicum einen mädh- tigen Anklang. Und nad allem, was wir vom Könige Kaſimir willen, ftand er mit. feinen perjönlichen Neigungen gewiß biefen Richtungen näher ald der Partei, welche darauf brannte, in Polen den Kreuzzug gegen die Keker prebigen zu laffen. Aber die gejamte Situation ließ einer Politit der Gefühle feinen Raum. Alle Nachrichten ftimmen darin überein, daß die Er- Öffnungen der aus Rom zurücgefehrten Gefandten ?) ben größten Einfluß auf die überrafchenden Entichlüffe des Königs Hatten. Schon der Umftand mußte die böhmiſchen “Deputierten ftußig machen, daß fie diesmal auch im föniglichen Hoflager als Ge⸗ bannte behandelt wurden, und ihre Betroffenheit war groß, als der König in der großen Audienz auf ihr Anbringen ihnen erwiderte: daß die Richtſchnur feiner Maßnahmen in der böh- miſchen Succeffionsfrage einzig der Wille des Papftes wäre, ohne defien Anordnung er feinen Schritt thun könne. Er ver- wies die Böhmen auf die Ankunft des neuen Xegaten.

1) Bei Sommersberg, Script. rer. Sil. I, 1083. Der Landtag hatte dem Könige Georg für biefe Inftruftion freie Vollmacht gegeben; f. Urkunden und Attenftüde, ed. Bachmann in Fontes rer. Austr.

* XLII, no. 361, p. 475. - 2) Um ben 6. Oftober 1469 ift Jakob von Debno erft wieber in Polen,

denn an biefem Tage fchreibt er von Pofen aus, „wo er eben erft bie Grenze betreten“, an einen freund in Florenz, bei dem er Gaftfreund- haft genofien, und den er bittet, bei ben Brofatftidern zu bewirken, daß das für ben König beſtellte Stüd Golbbrofatfeide nicht ſofort verkauft würbe, wenn bie Zahlung nicht zur feftgefetten Frift eintreffen und ſich verzögern follte. Der Brief im Mebiceer Archiv zu Florenz.

J

318 Zwölftes Buch. Zweites Kapitel. (1469.)

So, ohne Erläuterung gegeben, würde dieſer Beſcheid je die determinierteſte Ablehnung enthalten haben. Da fich aber die Verhandlungen mit Georg und der Prager Partei fort⸗ ſetzten !), jo müſſen den Böhmen doch die Beweggründe bes polnijchen Königs eingeleuchtet haben. Eins mußte boch vor allem zugejtanden werden, daß Kaſimir auch im Falle ver glatten Annahme der Prager Landtagswahl der Kurie nicht entbehren konnte, denn eine ber erſten Bebingungen war ja gewejen, daß er die Beftätigung ver Kompaktaten erwirken ſolle. Aber die böhmijchen “Delegierten müfjen doch noch andere ver tröftende Meotivierungen empfangen haben, und bie Geſandt⸗ Ichaften, welche unmittelbar nach dem Reichstage in alle Welt Binausgingen, lehren uns, obgleich wir ihre Inſtruktionen nicht fennen, daß in der Methode der polniſchen Bolitit feit ver Erfahrung, daß man in Rom das Olmützer „Ofterfpiel“ miß—⸗ billige, eine Veränderung eingetreten if. Daß fich hervor ragende Würbenträger zu dem Chan ber Tataren und zum Wojewoden Stefan in die Moldau begaben, mochte nur mit den Bewegungen in Zufammenbang ſtehen, bie damals bort vor fich gingen, und von denen noch zu reden fein wird. Aber die Botichaft des Krakauer Domherrn Ian Watrobla an bie Magnaten Ungarns es ift zu betonen: an die Mag naten, nicht an den König —, und mehr noch die Sen dung des Stanislam Wisfici ?) an den Kaiſer Friedrich beiten

1) Stanisfam Watrobfa von Strzelce und Nilolaus Stop wurben bald nad dem Reichsſstag nad Prag geſchickt. Sie müflen aber bald wieder zurüdgelehrt fein, denn Stanis law Watrobka finden wir am 22. Dez. ſchon wieder in Krakau. Helcel, St.p.p.p. I, p. 762, no. 3994.

2) So nennt ihn Diugoſz. Er war Krakauer Domherr und Tönig- licher Notar. Bgl. Cod. dipl. eivit. crac., p. 253. Bei Papée a.adD.

wird daraus St. Kaftellan von Wislica. Das war aber damals Ian

Felir Tarnowsti. S. Helcel II, 761, no. 3989. Denfelden Stanistaw DW. erwähnt Diugofz XII, 402 als Überbringer von Gefchenfen an ben Hocmeifter. Vermutlich war ber Mann bes Deutſchen kunbig, umd darum zu den erwähnten Gefanbtfchaften gewählt. Sch vermweile bei biefer Perfönlichkeit, um zu zeigen, baß fie feine hervorragende war. Ein Koftellan würde Auffehen gemacht haben. Offenbar follte ver Mann am Kaiferhofe nur jondieren.

Umſchwung der polnijhen Politik. 319

auf das Betreten ganz neuer oder. mindejtens erweiterter Bahnen. Um ſich alle die Einflüffe zu vergegenwärtigen, welche die Wen⸗ bung der polnischen Politit bejtimmten, wird man nicht außer Acht laſſen dürfen, daß zu eben dem Reichstage, welcher durch bie Abweilung der böhmiſchen Deputation merfwürbig geworben ift, auch der neue Hochmeifter des Ordens, Neuß von Plauen, eingetroffen war und nach feiner feierlichen Eivesleiftung gemäß ben Thorner Frieden zum erftenmale feinen Plag als „Nat- geber” an ber Seite des Königs einnahm. Daß vieler viel- erfahrene und durch praftiiche Klugheit beionders hervorragende Fürſt dem Könige die Vermeidung eines offenen Bündniffes mit Georg und den möglichft engen Anſchluß an den Papft anempfoblen hat, wird und durch ein ausprüdliches Zeugnis belegt. Andererſeits dürfte e8 dem Einfluß der Königin Elifa- bet zuzufchreiben fein, daß auch nach einer andern Seite hin die Front der polnischen Politif verändert wurde, injofern man barauf ausging, die Verbindung mit dem Kaiſer zu fuchen. Der alte Groll des polniichen Königs, der mehr auf der Be forgnis vor einer That für den Orden im Verlaufe des Krieges, als auf einem erfahrenen Unrecht berubte, war nunmehr ge ihwunden. Der „fchelmige* Kaifer, wie ihn Gregor von Heimburg nennt, Hatte die Abreißung eines beutichen Reichs⸗ landes ohne Einjpruch hingenommen. Dieſem Monarchen konnte noch mehr geboten werden. Andererſeits war er aber doch auch, wie die Dinge in Böhmen fich immer geftalten mochten, nicht zu umgeben. Der zufünftige böhmijche König wurde doch auch Reichskurfürſt, und auf feine Stellung zum Kaifer war doch im voraus fehon Bedacht zu nehmen. Linzweifelbaft wußte man amt polnifchen Hofe, wie jehr Friedrich gerade gegen Polen agitiert Batte, wie fehr ihm daran gelegen gewejen war, nicht wieder einen „Undeutſchen“ zur böhmiſchen Krone gelangen zu lafien. Aber mit dieſer Kenntnis erhielt man wiederum eine Iharfe und beachtenswerte Beleuchtung der Unwahrheit und Unehrlichkeit des Bündnifjes zwiſchen Matthias und dem Kaifer. Sp jehr ſich auch die katholiſche Yiga und gelegentlich auch die

. Kurte felber mit dieſem Bündnis brüfteten, jo war es doch ein

320 BZwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1479.)

offenes Geheimnis, daß der Kaiſer die Erfolge des Ungem mit fehr gemiichten Gefühlen anſah, und daß er um jo Frampf- bafter nach einem Kandidaten für die böhmijche Krone umher⸗ taftete, je mehr jener auf die Erfüllung der Vertragsbeiingungen hindrängte. Das war ja ber eigentliche Zwed der Wallfahrt nah Rom gewejen, und was für exzentrijche Gedanlen Hatte man dort auflommen laffen, um ven unleidlichen Bundes genofjen wieder abjchütteln zu können. Hatte doch der Kaiſer auch noch im jtillen die Hoffnung auf Die Erwerbung der unge riihen Krone nicht aufgegeben, wie vieles fam daher zujammen, um ihm in feinem „Sohne“ Matthias, wie er ihn zärtlich zu nennen pflegte, einen Gegenftand der Sorge und bed Grauen zu fchaffen. Aber wenn auch der Ungarkönig Kaifer Friedri mit gleicher Zärtlichkeit „Water“ nannte, jo machte er fich Dog über da8 Maß feiner Liebe Feine Illuſion. Offen brechen fonnte er mit ibm nicht, um feiner Endabfichten willen, abe ibm Verlegenheiten zu bereiten und Färntiiche und öfterreid iſche Aufrührer zu reizen und im Geheimen zu fördern, dat Tieß er fich nicht nehmen. Auch daß die Türken Heine Bor wellen ihrer Scharen bis über die öfterreichiiche Grenze warfen, beunruhigte fein chriftliches Gemüt nur wenig... Endlich ab fam das jchleichende und verbohlene Mißverhältnis doch zum Ausprud. Auf dem fogenannten „Wiener Kongreß“ im Februat 1470 fcheinen „Vater“ und „Sohn“ mit einander Abrechmm gehalten zu haben. Wie weit die Forberungen des Unger gegangen waren, ift noch nicht genügend aufgehellt, aber jonkl weiß man, baf die beiven Monarchen „ohne End“ 1) und u beller Feindſchaft von einander gefchieven find, und daß von da an weder von einer Verheiratung des Matthias mit der Kalier tochter Kunigunde, noch von dem römiſchen Königtum besjelben die Rede ift.

1) Zu dem bei Teleti IV, 164—171 und Balady IV.2, & Zufammengeftellten kommt nun noch das Schreiben des Rats von Epft bei Bachmann, Urkunden und Attenftüde in Fontes rer. Austr. XLl) no. 868. p. 491.

Der Legat Alerander von Forli. 321

Mitten in dieſem politifhen Mißerfolg foll Matthias, wie erzähle wird, noch einen Heinen perjönlichen Verdruß gehabt Gaben, ver für und ein gewiſſes charakteriftiiche8 Intereſſe Hat. Am Kaiſerhofe Hielt ſich nämlich feit einigen Jahren ein pols niſcher Ritter, Rafael Lesczynski auf, ber in dem zu Ehren des Ungarlönigs in Wien abgehaltenen Turnier die Auszeichnung hatte, mit Matthias zu ftechen und ihm eine Schramme an der Stirn beizubringen. Den König ſoll das fehr verbroffen Gaben. Aber wie viel mehr würde er fich geärgert haben, wenn er gewußt hätte, daß, während er zu Schiffe die Donau hinab in fein Reich fuhr, eben biefer felbe Rafael Leszezynski nah Polen eilte, um im Auftrage des Kaiſers die durch Stanis⸗ law Wislicki gemachten Eröffnungen und Erbietungen mit ber freudigften Zuftimmung zu erwidern. Der Katfer ergriff bie Yingebaltene Hand mit Eifer und meinte, daß es nicht mehr nötig fei, durch namenloje Unterhändler zu verkehren, er wünfche eine ſolenne und berufene Geſandtſchaft, und eine jolche ging denn auch alsbald unter Führung der Palatine Stanislaw Dftrorog von Kaliſz und Dzierslaw Rytwianski von Sandomir nach Oſterreich ab.

Kurz nach dem eben erwähnten „Wiener Kongreß“, in

welchem der Bruch zwilchen Matthias und dem Kaifer erfolgt,

und für die Kurie in Rom, bie fi in dem Hin- und Her.

handeln, bald mit Polen, bald mit Ungarn, gleichſam auf zwei

Stühle geſetzt Hatte, die Beſorgnis entftanden war, daß fie am Ende bald gar feinen VBorlämpfer mehr gegen die Ketzer haben werde, erichien in Polen der das Jahr vorher zugefagte, eigene Legat in der Berfon des Biſchofs Alerander von Forli. Was er in dem eben grade ftattfindenden Heinpolntichen Landtage im Kamen des PBapftes vorbrachte, war hohl und im Verhältnis zur Lage der Dinge nur Redensart. Der PBapft erfenne zwar die polniichen Erbanjprüdhe an, könne aber auch Matthias nach jeinen Berbienften um bie Latholiihe Sache nicht einfach bei- feite ſchieben. Dean: folle fuchen durch Verfchibägerung mit ihm ind Meine zu kommen. Übrigens, jegte ber Legat Hinzu, liege das polnifche Intereſſe dem Papfte fo ſehr am Herzen, Caro, Geſchichte Polens. V. 1.

322 BZmwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1470.)

daß er dem Legaten erlaubt hätte, wenn es die Geſchäfte erforderten, felbft mit Georg, dem Ketzer, in Berührung zu treten. Damit war nun freilich nicht viel anzufangen, und wenn der Legat nicht in den anderweitigen Unterrebungen während des Sommers entgegenlommenderes zu bieten hatte, dann waren die hochgejpannten Hoffnungen auf den Ausſpruch Roms, auf welchen der legte Reichstag verwielen hatte, allerdings getäujcht. Indes ließ fich Doch zweierlei aus dem Vortrage des Legaten entnehmen: erjtlich, daß die Kurie in das Legitimitätsprinzip im Sinne des polniichen Anſpruchs gern zurüdienfen würde, wenn fih eine Form der Abfindung für Matthias ermitteln ließe, und zweitens, daß der PBapft in der Kompaktatenfrage nicht mehr von- der abjoluten Unerbittlichleit fein würde, bie er im den Höhepunften des Kampfes fundgegeben Hatte. Nur fo läßt fih der Wink erklären, daß Kaſimir die Verhandlungen mit Georg fortiegen ſolle, in welchen gegebenenfallß der Legat felbft von der Nigorofität des Interdikts Abftand nehmen Zönnte. Alſo eine leiſe Andeutung, daß man eigentlih in Rom das Derfahren Polens billige, aber e8 aus Ruchicht auf Matthias nicht laut ausſprechen dürfe.

Man war in Polen ſehr befliſſen, dem Legaten den Eindruck beizubringen, daß die Berichte eines Gabriel Rangoni oder des Rudolf von Rüdesheim übettrieben und unbegründet ſeien. Sein Einzug nad) Krakau geftaltete fich zu einer großen Zeremonie. Nod find uns die lateiniichen Neben erhalten, mit denen bie Heinen föniglichen Prinzen ihn dankbar als den Senpling des Dberbaupts der Chrijtenheit begrüßten ). Und als der Legat neben den großen politifchen Anliegen noch ein Heinlich per-

1) Cod. epist. saec. XV, 338. Sm Cod. 126, DD. XIII, 17 ber Kralauer Bibliothek finden fich außer diefen Reben (p. 148): „oraciones facte per mgstrm Petrum de Gaszowyecz de Loszmyerza medicine doctorem, regis Pol. phisicum et consulem Cracoviensem pro suscep- tione oratoris sedis apostolicae Alexandri de Forlivio“ und bann hernach (p. 152): „De valediccione Alexandri de Forlivio legati in pretorio Cracoviensi dieta.“ Beter Gaszowiec war eben damals Rektor der Univerfität.

Der Legat vor dem Reichstage. 323

ſönliches des Bapftes Paul II. anbrachte, welcher die Aus. lieferung des angeblich in eine Verſchwörung zum Sturze bes Papites verwidelten Dichterd und Humaniſten Filippo Buo⸗ naccorfi, genannt Callimachus, fordern ließ, jo kam man ihm auch darin entgegen, daß man die Sache beim Neichdtage zu ungunften des flüchtigen Litteraten entjchied, der es lediglich dem bergenden Schu des Lemberger Erzbiichofs Gregor von Sanof zu danken batte, daß er nicht in die Hände der römiſchen In« quifition kam. Auch dieſer unbedeutende Zwiſchenfall bat fein harakteriitiiched für die Dauptirage der Zeit. Notoriich bat Callimachus, der zuerjt nach Cypern, Chios und Konftantinopel geflohen war, Bolen nur aufgejucht, weil e8 Damals durch feine Beziehungen zu Georg von Böhmen in dem Rufe jtand, ein antipapijtiiched Land zu fein, und vielleicht ift die Enticheidung des Reichstags darum jo „hart“ ausgefallen, weil es in dieſem Augenblicke befonders galt, ſolchen Meinungen entichieven ent» gegenzutreten !).

Noch ein anderer bezeichnenvder Vorgang ift bier zu erwähnen. Natürlich hatte auch der „eigene“ Legat die Beftätigung des Thorner Friedens zum Verdruß des Königs nicht mitgebracht. Denn wie bätte man fi in Rom entjchliegen können, ein fo bequemes Kampfmittel ohne Not aus Händen zu legen? Die Polen verjagten ſich daher die Genugthuung nicht, vor dem Legaten eine Handlung zu injcenieren, bie ihm bebeuten follte, daß die Beftätigungsfrage immer mehr an Bedeutung verliere, je länger fie verzögert und je mehr fie durch den Fortbeſtand der Thatfachen überholt würde. ‘Den nad dem Tode Heinrichs von Plauen zum Hochmeifter des Ordens ermwählten Heinrich von Nichtenberg ließ man gewiß nicht abſichtslos vor dem %egaten den Hulbigungseid in die Hand des Erzbiſchofs von Gneſen fchwören, um dann angefichts diejed Vorgangs mit um io größerem Nachdruck dem Biſchof von Forli die Bitte ans Herz gu legen, daß er dem Papite die endliche formale An-

1) Bol. Zeißberg, Poln. Geſchichtſchreibung im Mittelalter, ©. 354, und Acta Tomiciana I appendix. . 2 1 *

324 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1470.)

erfeunung bes Friedens bringend auempfehle 1). Übrigens fchten doch ber Legat den Aufgaben feiner Senbung nicht gam, gewachſen oder nicht ansreichend bexollmächtigt zu fein, dem ber Reichätag vom November 1470, bei welchen alle bie Dinge geſchahen, beichloß eine neue Geſandtſchaft nach Rom abgehen zu laſſen, um bie definitive und umbebingte Anerfeuuung des polnifchen Erbanſpruchs in Böhmen vurd die Kurie an zuwirken.

Bon dieſem noch in anderen Hinſichten ſehr bedeutungt⸗ vollen Reichstage wird noch weiter zu reden fein. Zuvor aber müfjen noch die mannigfaltigen Wandlungen berichtet werben, die fich im den Monaten vor demſelben gebilvet hatten, namentliqh inbezug auf König Georg. Da die große böhmiſche Deputation von dem polniichen Reichötage 1469 wieder nichts als eim Geſandtſchaft (Stanislaw Watrobla und Rilolaus Stop) um feine firifte Zufage einer wirklichen Waffengemeinſchaft mit gebracht hatte, jo werden die polniichen Senpboten wohl faum in Prag mit gewohnter Wärme empfangen worben fein. Die Beziehungen Georgs zu Bolen mußten in dem Maße fi) ab fühlen, als feine Erwartungen auf materielle Höfe immer geringer wurben, unb von einer Vermählung feiner Tochter Ludmila mit dem präfumierten Thronfolger kaum noch die Rede war. Übrigens hatte fich feine Lage dermaßen gebefkert, daß er ſchwerlich noch geneigt fein mochte, wegen ver „Gemein fehaft der Zunge”, die für ifn fo unfruchtbar geblieben wer, jedes Opfer zu bringen. ‘Der günftige Ausgang des mähriſchen Feldzuges im Herbſt 1469, die Stege feines Sohnes Heinrich hatten überall das Staunen darüber erwedt, daß „der Ketzer noch jo viel Macht habe‘. Mean fing in der katholiſchen Liga an zu überlegen, wie weit man in ben brei Jahren bes ver beerenben und verwüftenden Krieges gefommen war. Die Ei ficht des Mikerfolgs begann die im Fanatismus der Breslauer Zagefagung von 1467 zufammengeichloffenen Glieder der Liga zu lodern. Das Mißtrauen drängte fich in bie Fugen. Der

1) ®oigt, Geſchichte Preußens IX, 36.

Soderung der Liga. 325

Herrenkund Hatte für die „Landesfreiheit“ bei ver Rebellion nichts gewonnen. Die Katholiken, ja jelbft Rudolf von Rüdes⸗ beim, fanben den Ketzerkönig, der Doch im Grunde unaufhörlich bie verſohnliche Hand bes Papftes juchte, nicht mehr fo höllen⸗ mößig unnabbar mie ehedem. In den Stäbten jchuf ber seißende Berfall des Verkehrs und des Wohlitands eine Ber ängftigung und Bellommenheit, die zu ber Überlegung führte, ob man weile gebanbelt, als man ſich in ſolche Wirrniſſe ger werfen. Vornehmlich aber in Breslau, wo der Pöbel jouverän big dahin die Entichliefungen bes Rats biktiert hatte, nahmen bie Gefühle der Furcht und Beſorgnis einen fait fieberbaften Charakter am. Mit. Entjegen vernahm man, daß die DVer- bindung bed. Kekerd mit Polen eine fertige Thatfache wäre, und der „Schrecken“ Tieß die Übertreibung bes Gerüchts um io weniger eriennen, als bie furchtbarften Anzeichen, die Wahl des Prager Landtags von 1469, dasjelbe zu beglaubigen ſchienen. Breslauer Kaufleute wurden jchon in Polen aufgegriffen und nieder⸗ geworfen; bie bortigen Werbungen für Breslau hörten auf, bie Zufuhren wurden. abgefchnitten. Polen, Ruſſen, Litauer ſah man nicht mehr auf bem Breslauer Markte. Wenn jich das polnifehe Handelsgebiet gänzlich fchloß, dann war es geicheben um bie bläßende Hauptſtadt Schlefiens !). Bon ben verichies denſten Seiten trat man jchrittwei® dem Gedanken näher, einen Frieden mit dem „Abgeſetzten“ zu machen, oder wenigſtens Das Zugeſtändnis der Neutralität zu erlangen. Auf Matthias ſetzte man nur noch wenig Hoffnung, und es erjchien doch fraglich, - ob jelbft ſein endlicher Sieg und Triumph die umerträgliche Lage, Die nicht bloß non einem einzigen Punkte ver Entſcheidung abhängig war, weientlich verbeffern würde.

Ze mehr fich aber Georg diejer allmählich wieder anwachſenden Stellung bewußt wurde, befto mehr bemächtigte fich jeiner der Wunſch einer jchwer treffenden Bergeltung gegen Matthias. Nicht bloß deffen böhmiſche Wünfche, auch feine Träume vom sömiichen Königtum follten ihm zerrüttet werben, und wenn

1) Bgl. Eſchenloer, ed. Markgraf, ©. 216. 218. 221.

326 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1470)

|

darüber das ganze Heilige römiſche Reich in Trümmer ginge. |

Gleichviel ob die Durchführung feiner Idee die Abſetzung des Kaiſers ober die Ausſcheidung Böhmens aus dem Reichederbaud bebingen ſollte, ex war entſchloſſen, jede Rüdjicht Hinter fih zu “fen. Der Herzog Karl der Kühne von Burgund war jein andidat. Es war die merfwürbigfte Werbung, daß er fih 8 Fürften zum Sturze des Kaiſers bebienen wollte, mit bem aft der Kaiſer ihn felbft an die Wand zu drücken verfuct tte, und dem auch noch ber Papft, trotz aller feiner d raft für Matthias, das römiſche Königtum Hatte zu ollen *). In biefem großen Gegenzuge bes Böhmentönig: e bißherige Koalition des Kaifers und Papftes mit M nm Ungarn fpielten unter ven zur Zeit vorherrſchenden Stim- ungen bie Rückſichten auf Polen feine Rolle. Im Prag er inte man grabe heraus, die mit Polen eingeleiteten Verbindlich ten böten fein Hinbernis. „Wenn Georg wolle, Hätten fe 1 Ende.“ ?) Wie für Deutſchland und ben Kaifer, jo war : für Bolen und feine böhmiſchen Anliegen ein unermeßlicher orzug, daß der extreme Plan Georgs nicht zur Vollendung langt ift. Kam die beabfichtigte Zerjegung des Reiches in ang, dann flog der Erbanſpruch des luxemburgiſchen Blute— eitel Dunft auf. Nicht um das Iegtere zu verhüten, wohl ver aus Sorge um das Reich nahm ſich Albrecht Adill ber ermittelung an. Er eilte im Juli 1470 zum Sailer, md iter denjenigen Elementen, welche beſonders geeignet fchienen, nem Zwede, ver Vereitelung des Umſturzes ber politiichen runblagen bes beutichen Reiches, bienftbar zu werben, trot m als bejonders entwidelungsfähig bie begonnene Annäherung s Rönige Kaſimir am den Kaiſer entgegen. Dieſe mufte pflegt werben. Ein förmlicher Diplomatenkongreß fand da im ben Zulitagen 470 zu Villach um den Kaiſer ftatt. Neben dem Markgrafar

1) Bachmann, Urfl. und Aftenftüde in Fontes rer Austr. 1 365.

2) Droyfen, Geſchichte ber preuß. Politit II.1, 367.

DH —__ —ee

Der Billader Congreß. 327

Albrecht, dem Erzherzoge Sigmund von Tirol, den Vertretern des Burgunder, der Sachſen und anderer deutſcher Fürften faßen auch) bie Räte des Königs von Polen. So wenig wir auh von den Berbandlungen diejer Berfammlung willen, fo laffen ich doch die vorwaltenden Ideeen mit einiger Sicherheit feftftellen.” Darin jedenfalls waren die Anweſenden einig, daß König Georg bis zu feinem Lebensende im Befig des böhmischen Thrones bleiben müffe, und daß dem Ehrgeiz des Ungarkönigs Einhalt zu gebieten, oder wie man fich ausdrückte, „eine Schlinge zu ftreichen ſei“ 7). Hier endlich faßte man die Beziehung Kofimirs zu Georg auch in dem Sinne auf, wie- fie jederzeit bon dem eriteren gemeint war, und durch Polen ganz vor» nehmlich gedachte man Matthias von allen Seiten in die Enge ju treiben. Auch dieſes Dial war wiederum eine Expedition nah Ungarn durch die Moldau ins Auge gefaßt. Aber was wohl niemals in ein Protokoll niedergefchrieben wurbe, ift bier fiherlich zwifchen dem Kaifer und den Polen vereinbart worden, nämlich dem Ungarkönige in das eigene Land Unruhe und Ems pörung zu werfen, die Unzufrievenen zu unterfiügen, jeine - Anhänger ihm zu entwinden. Wenn es nicht zu modern Hänge, könnte man von diefem Villacher Kongreß jagen, daß er gegen» über den aus der evolution Hervorgegangenen Königen von Böhmen und Ungarn das Legitimitätsprinzip wieder anerkannte und in Ungarn die Kontrerevolution zu erregen nnd zu bes günftigen beichloß. Für die Pacififation Böhmens follten Kafimir und Georg, für die Umwälzung in Ungarn Kafimir und ber Raifer ihre Hände rühren. Die Bedenklichkeiten, welche noch aus dem Intereſſe des Papſtes für Matthias entipringen mußten, und die durch die halben und verftecten Andeutungen des Le⸗ gaten Alerander von Forli doch nur teilweife entkräftet wurden, traten faft ganz zurüd, als die Schredensnachricht Europa burchzitterte, daß die Türken fih der Inſel Negroponte ber mächtigt und fo mitten. in dem italiſchen Seeherrichaftsbereich

1) Gmeiner, Regensburger Ehronit III, 471. Ianffen, Franfe furter Reichsforrefpondenz II, 412.

328 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1470.)

Fuß gefaßt hätten. Wie hätte man unter ſolchem Aubrang zweifeln mögen, daß auch der Papft barein willigen werde, Matthias von feinem nach dem Weſten gerichteten Ehrgeiz zurückzurufen. Sedenfall® empfing die polnifche Regierung von dem Billacher Tage einen ganz außerorbentlichen Antrieb. Noch einmal begaben fich Salob von Tebno, der Kanzler, und Stanis⸗ law Szydlowiecki, ber Kaftellan von Zarnow, nach Böhmen. Sie trafen den König im Lager bei Malenowic (11. Auguft). Während Polen diplomatifierte und mit dem Kaiſer dem Un⸗ garlönige „Schlingen ſtrich“, hatte diefer mit Georg gelämpft. Seit dem Frühjahr rangen fie miteinander faſt Mann an Mann. Zu Schlachten und enticheivungsreichen Treffer kam eg nicht, aber Schritt um Schritt ſuchten die Gegner fich dem Boden ftreitig zu machen. Man Hat den Einprud, als ob man Scenen aus dem Shakespeare vor fich fieht, wenn mam Lieft, wie bie beiven Fürſten, welche ihrem Herkommen, ihrer Stellung und ihrer Begabung nad mehr als trgenbwelde andere in Europa zu einem engen Anſchluß aneinanber berufen waxen, bei Brünn mit ihren Heeren ſich gegenüber lagern, und König Georg in einer Aufwallung von Romantit den ehemaligen Freund und Eidam zum Zweilampfe herausfordert. Matthias nahm ihn. nicht an !), man kämpfte fort. Wieber einmal ge lang es Matthias mit jenen Heeriäulen bis in das eigentliche Böhmen vorzudringen, aber da trat ihm gar ein Heer entgegem, an deſſen Spike ein Weib, die Köwigin Johanna von Böhmen ftand, um ben heimilchen Boden zu verteibigen. Die ganze Familie George fieht wider Matthias im Felde, der Vater, bie Mutter, der Sohn, Prinz Heinrih. Don allen Seite gedrängt, im ausgejogenem und ausgebranntem Lande, „mo man

1) Der Legat Lorenzo Rovarello ift der Meinung, baß bie Herauß⸗ forberung nur ein Vorwand Georgs gewejen fei, um eine perfänlice Zufammentunft mit Matthias zu erlangen. Er gefteht ſelbſt zu, des⸗ halb die Annahme Hintertrieben zu haben. Theiner, Mon. Hung. II, ‘no. 608, p. 422, wo alle Vorgänge feit dem Wiener Kougreß kurz re fapitufiert werben.

Im Lager von Malenomic. 329

für einen Trunk Bier eine Kuh kaufen kann“. 1), Halb verraten ſchon ven ſeinen eigenen Baronen, kann Matthias fich nicht halten. Als die Herbftnebel anfingen dichter zu werben, eilt er iwieber in jein Ungarreich zurüd, ungeichlagen unb doch bei- nahe wie flüchtig. Dort wühlen bereits die polniichen und Iniierlichen Agenten, und auch dort wird die Rede laut von einem polniichen Prinzen mit Inzemburgifchem Blute in ben Adern, der ‚dem „Uffgerudten“ emtgegenzuftellen wäre.

Im Lager zu Malenowie waren, wie gejagt, die polniſchen Geſandten bei Georg eingetroffen. Ob fie in der That, wie von polniſcher Seite berichtet wird, fchon jet ibm eine Ceſſion des Neiches und, eine Eventuallrönung bes Prinzen Wladyslaw zugemztet haben, muß dahingeſtellt bleiben.- Da alles daß, was man in Villach geplant, noch auf dem Papiere ſtand, jo hatten die Polen wohl noch nicht das Recht zu ſolcher Dring⸗ lichleit. Jedenfalls führten die Geſandten gegenüber dem Führer bes. Herrenbundes eine jo hohe Sprache, als oh fie ſchon die Serren im Lande wären. Als fie Zdenek Sternberg auf jeine eigenen früheren Beitrebungen, Polen und Böhmen „in Liebe und Gintracht zu vereinen” in vorwurfsuollem Ton hinwieſen, erwiderte der ſiolze Magnat, daß eben bie Dinge fich geändert bätten und zwar nur durch die Schuld ber Polen. Die Liga wäre ihnen ehemals weit genug entgegengelommen ?). Aber wos Georg. jelbft. den Geſandten zum Beſcheide gab, willen wir nicht. Wie immer er auch über die intrigante Politik des Billacher Kongreſſes denken mochte, eind mußte ihn mit großer Genugthuung erfüllen, die Überzeugung, daß die Kurie nunmehr anfange von der Starrheit der unbebingten Ablehnung zurüd- zuweichen. Die Zuverficht, daß er doch noch feinem Vaterlande die Slirchenfreiheit, joweit fie dur die Kompaktaten umfaßt wird, gerettet hinterlaſſen werde, fing an fich aus allem Leid feiner Stellung und aus dem Haufen feiner gebrachten Opfer

1) Eſchenloer, ed. Markgraf, S. 232. 2) Schreiben ber Polen und Antwort Zdenels, in Eſchenloer, ed. Kuniſch, S. 207 ff. -

330 Zwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1470.)

emporzuringen. Das ijt der Punkt, in welchem ihm die Freund» ichaft der Polen wertvoll und fruchtbar if. Die Ausföhnung mit dem Papſte auf diefer Grundlage bat er, wie er einem ſolcher Schlichtung des Kirchenſtreits zugethanen Kardinal fchreibt, bem Könige Kafimir vertrauensvoll in bie Hände gelegt *). Allerdings ftand die Kurie an Zweibeutiglfeit ber weltlichen Diplomatie der Zeit in feiner Weife nah. Während Die Ber- bandlungen bei Malenowic doch einer ausprüdlichen Anregung ihres Legaten Alerander von Forli entiprangen, ber eventuell fogar felbft zu Georg fich zu begeben den Auftrag hatte, erhob ver Papft, als die Denunziation derjelben dur Lorenzo Ro- varella und Gabriel Rangoni nad Rom gelangte, ein Tautes Zorngefchret darüber, daß ein chriftlicher König mit dem Ge bannten und Verfehmten in Verbindung getreten jet ?). Seit Jahren mußte man in Rom, daß Polen ji dur den Bann nicht habe abhalten laſſen, mit Georg in nabem Verkehr zu bleiben, und mit einem Dale gab man fich den Anſchein, aufs tiefite entrüftet und verlegt darüber zu fein. Dieſer papierene Zorn, den man weber in Prag noch in Krakau ernjt nahm, hatte fichtlich nur den Zwed, den König Matthias, den auch der Papft ebenio wie der Railer zu verraten und um das Ziel feines Strebens zu täufchen gefonnen war, zu beruhigen und als treuen Schilofnappen der Kirche zu erhalten.

Inzwifchen war die polniiche Diplomatie auf allen geeigneten Punkten von einer ungemeinen Rührigkeit. Wir begegnen pol» niichen Gefandten beim Rurfürften Albrecht von Brandenburg, beim Herzog Albrecht von Sachſen; aber am erfolgreichften waren fie beim Kaiſer Sriedrich, denn am 10. Dftober erlangten fie von demfelben in Gratz nicht Bloß einen förmlichen Bündnis vertrag, fondern jogar, was bei dieſem geizigen Monarchen faft

1) Urkundl. Beiträge in Fontes rer. Austr. XX, no. 528, p. 639.

2) Theimer, Mon. Hung. II, p. 415, no. 591—593. Der Papft thut fo, als hätten die polnifhen Gefanbten ohne Inftruftion des Königs auf eigene Hand die Hoffnung auf Beflätigung der SKompaktaten aus- geſprochen. Der Brief an Kaflmir auch bei Dogiel, Cod. dipl. I, p. 21, und Raynaldi, s. a.

en J

Der November-⸗Reichstag. 331

noch mehr ſagen wollte, eine Obligation, nach welcher er ſich bis zu Weihnachten als erſte Rate auf die vom Haufe Ögſter⸗ reich noch ſchuldige Mitgift der Königin Eliſabeth 32000 Dulaten zu zahlen anbeilhig machte. Der Bündnisvertrag !) ift in feinem Wortlaute freilich farblos und formelhaft, und wenn König Kaſimir ihn darum nicht ratifizierte, weil Friedrichs Titel al8 „König von Ungarn, Kroatien und Dalmatien” den polniihen Erbanjprühen auf Ungarn, welche der Sagiellonide damals geltend zu machen im Begriff ftand, präjubizierlich ihten, fo verfümmerte das doch nicht die mit dem Kaiſer ger Müpften Beziehungen, und für ven Neichötag des November 1470 brachten die unterrichteten polniichen StaatSmänner vie ftolze Überzeugung mit, daß „der Bapft und der Kaiſer und die übrigen Könige und Fürften des Erdkreiſes das Erbrecht der polnifchen Prinzen bereits mit großem Eifer anerkennen“ ?).

Diefer große Reichstag, von welchem wir einige Vorgänge, wie die Ehrung des Legaten Alerander von Forli, die Preie- gebung Filippo Buonaccorfi8 und die Huldigung Des neuen Hochmeifters bereit8 erwähnt Haben, war auch in anderer De. ziehung von außerordentlihem Intereffe. Zunächſt war es höchſt bedeutfam, daß die Großpolen fich an demſelben nicht beteiligten, weil fie, wie Dlugoſz angiebt, der beabfichtigten außerordentlichen Beihagung ihre Zuftimmung nicht geben wollten. Nichtsbefto- weniger erfolgte doch in Piotrkow einer der bedeutjamjten Afte der Regierung Kaſimirs. Die im Jahre 1453 nur mit dem „Heinen“ Siegel ausgefertigte Beſtätigung der polnifchen Privt- legien wurde nunmehr mit dem „großen“ ausgefertigt ?). Es

1) Dogiel, Cod. dipl. I, p. 163, no. 13, und p. 164, no. 14.

2) Cod. epist. saec. XV, p. 243, no. 216. Daß dieſer höochſt inter- eſſante Brief Diugoſzs an den Breslauer Domberrn Nikolaus Merboth gerichtet ift, fchließe ih aus dem Cod. 515, DD. VIII, 10 der Krakauer Bibliothek, in melden fi) p. 333—379 findet: „Opusculum dni Pogii Florentini de miseria conditionis humane, cujus prohemium ineipit, transmissum illustrissimo prineipi dno Wladislao smi dni regis Pol. primogenito per N. Merboth canonicum Wratislaviensem.“ Für bie Sendung dieſes Cod. dankt eben Zfugofz in dem citierten Briefe.

3) Voll. Legg, I, 103. Cod. epist., no. 217.

332 BZmwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1470.)

ift fein Zweifel, daß ſich unter: diefem Vorgange der Abſchluß von innern Kämpfen birgt, die und nur der leidige Mangel an Quellen nieht zu durchſchauen vergönnt. Damit war eine Beichwerde des Adels befeitigt, die gar oft einen. Schatten im das Verhältnis zwilchen König und Boll geworfen hatte. Zr gleich wurden die Finanzkräfte des Landes aufs äußerſte geipannt, um die aus dem ‚preußiichen Kriege noch, brüdenden Schulden an die Söldner gänzlich!) zu tilgen. Man ſieht aus allem dem, daß beim Neichötage das Bewußtjein vorwaltete, Daß ein Wendepunkt in ber Politif beuorftehe, daß man von dem Boden ver bloßen Abreden und Verhandlungen auf ben der That überzugeben im Begriff jei,. zu welcher alle Mittel und. Kräfte in Bereitichaft gejegt werben müßten.

Während nun die Agenten Rafimird und bes Kaijers in Ungarn wüßlten, und an den Südgrenzen bie Zeihen des Andrangs der. Türken nad Kroatien, Steiermark und Friaul immer bedrohlicher und fühlbarer wurden, während aljo bie Unzufriedenheit im Lande. und die Gefahr nach außen täglich zunabmen, während felbjt die Tatholiiche Liga ſich nach Frieden fehnte, und ber Herrenbund trogig zu werben anfing), fah Mattbias ven Lohn feiner Dpfer fich immer ferner aus Deu Augen gerüdt, und am Ende mußte ihn doch auch das Mip trauen gegen den Papit, feine einzige Stüge, erfaflen, da pie fort und fort bringlich begehrte Beitätigung ver Olmützer Wahl unter Vorwänden und fchönen Worten verjagt wurde. Was follte vem Matthias, dem Freunde der jleptifhen Humaniſten ber geweihte Hut und Degen, ben ver Bapft ihm damals zu» fandte? Die dazu mitgejchidten 18000 Dulaten nahmen fich wie ein Hohn aus, angefichtd der Aufgaben, welche bie Kurie ihm zumutete). Eine Krone wollte er, und konnte er fie nicht vom Papſte haben, dann vielleicht von dem Keker. So

1) „de finali solutione stipendiariorum .. . . provisurus.“ Cod. epist., p. 246, und das große Privileg bafelbft no. 218.

2) Schreiben Georges an Markgraf Albrecht, bei Bachmaun, Fontes rer. Austr. XLII, no. 382.

3) Theiner, Mon. Hung. II, 417 8q., no. 594—596.

Matthias und Georg. 333

machte Matthias dem Böhmen direkte Friedensanträge. Auch er wollte fi mit der Anwartſchaft der Nachfolge in Böhmen nach Georg begnügen, und zur Herrichaft gelangt, die Söhne desſelben mit den Nebenländern ausftatten. Auch er machte ſich anheiſchig, bei der Kurie bie Anerkennung der Kompaktaten zu erwirken. Kurz, er acceptterte die weientlichen Grundlagen bes polnischen Angebot? und bot im einzelnen nicht nur günftigere Bedingungen, fondern auch bie Gewähr einer treueren und baldigeren Erfüllung‘). Auch mit dem Kaiſer Hatte

. Matthias wieder angefnüpft, und die durch kaiſerliche Sende

boten in Gran gepflogenen Verhandlungen verfüßrten in Rom zu dem Glauben, daß zwilchen ‚dent Kaifer und dem Ungarn wieber ein vollftändiges Einvernehmen und Bündnis abgeſchloſſen, oder wenigſtens dem Abichlug nahe ſei?). In den böhmiſchen Kebenländern würbe bei ber tiefen Erſchöpfung, bie dort ein- getreten, und bei ber Friedensſehnſucht, die fich auch bei ben Heißfpornen geltend machte, eine folche Loſung, welche aus den Barten Gewiſſenskonflikten einen Ausweg zeigte, mit Jubel be grüßt worden fein. König Georg felbft wurde nachdenklich. Er ſandte den Propft Paul von Zderaz zu dem in Litauen weilenden Kaſimir, um ihn offen von ber Sachlage in Kenntnis zu fegen ®). Und auch der Prager Landtag vom 14. Februar

1) Das ift der Inhalt des fogen. „Tages von Polna”, von dem nur bei Diugofz XII, 464 Nachrichten find. Vgl. Palady IV.2, 656 die Anmerkung zu ber Stelle.

27 Davon ſpricht Lorenzo Novarella in feinem Bericht vom 3. Juni 1471 an ben Papſt, bei Theiner, Mon. Hung. Il, 422, no. 608. Nur durch dieſe bisher überfehenen Verhandlungen in Gran wird das Gra⸗ tulationsſchreiben des Papſtes vom 14. Januar 1471 Über das angeb- tige Bündnis zwiſchen Friedrich und Matthias (bei Raynalbis. a. 1471 und Theiner, Mon. Hung. II, 419, no. 597) ertklärlich. Bei der bodenloſen Flüchtigkeit der Theinerſchen Editionen darf man fich nicht wundern, daß er den Namen bes Kaiſers, der in dem Brevenbirche Pauls II. vermutlich mit bloßem F. bezeichnet if, ohne Zaubern überall mit Ferdi- nandus auflöf.

3) Die Senbung erfolgte vor dem Brager Lanbtage von St. Balentin, nicht nach demſelben, wie Balady IV.2, 656 Hat.

334 Zmwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1470.)

1471 ſchien Wohlgefallen an dieſen VBorjchlägen zu finden. Da war e8 eben hohe Zeit, daß die nach Rom beorderten polniihen Gejandten, wiederum der Kanzler Jakob von Debno und der Abt Michael vom Klofter Mogila, auf ihrer Durchreiie in Prag eintrafen ), Ihre Zujagen müſſen dieſesmal jehr definitiv gelautet haben, wenn der Landtag die ungarijchen Bropofitionen vorläufig auf fich beruhen ließ, und König Georg die feite „Hoffnung ausjprechen fonnte, daß, wenn Matthias böhmijches Bier getrunfen hat, er noch viel ficherer Ungarwein mit ihm trinfen werde“ 2). Alles kam darauf an, wer der Kurie das Zugejtändnis der Kompaltaten abzugewinnen imjtande jein wird.

Die verjchievenen Werbungen drängten ſich jet in Rom. Im Namen des Kaijers, der mit Matthias in täujchenne Ber- bandlungen wieder getreten war, weil er mit Hilfe feiner um ber polnijchen unterirdiichen Arbeit in Ungarn auf jeinen baldigen Sturz Ipelulierte, trat Thomas von Eily auf. Was er vor- bradte, willen wir nidt. Dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg hatte er verjproden, für die Ausjöhnung König Georgs mit dem Bapite zu wirten®). Für den von allen Seiten bintergangenen Matthias ſprach ein Geſandter Ladislaus (von Gerben) neben dem anweſenden Minoriten Gabriel Ran gont. Tür Polen trafen bald die oben erwähnten Senpboten ein. Auch von Gelandten Albrechts von Sadjen, der trok Dann und Interdikt jeine Tochter Katharina mit George jüngitem Sohne Hynek eben in jenen Tagen vermäßlt hatte, hören wir, und vermutlich waren auch ſolche von Baiern an- weiend. So entgegengejet auch die Anliegen aller dieſer Uuter- bändler und Betenten waren, darin ftimmten fie alle überein, daß jede weitere Aktion in der böhmiſchen Sache, in welcher Richtung fie fich auch bewegen mochte, von der Nuchgiebigfeit

1) Der bei Jordan, Königtum Podiebrads, ©. A456, abgedındi Brief des Jakob von Tebno an den Rat von Zwidan gehört wohl ins Jahr 1469, nicht 1471.

2) Fontes rer. Austr. XLII, no. 382, p. 512.

3) Ibid., ro. 383.

Zweizüngigleit der Kurie. 335

des Papſtes in der Kompaktatenfrage abhängig ſei. Zu weſſen Gunſten dieſes Zugeſtändnis gemacht werden würde, das lag noch verborgen. Immer iſt es ein Zeichen, daß die Kurie einen vollen Umſchlag oder eine Wendung ihrer Politik im Sinne bat, wenn fie neue Legaten für eine Sache ſchickt, in der ſchon andere arbeiten. So wurde auch diejesmal der Rarbinal Francesco Piccolomini von Siena zum Regensburger Reichstage mit dem Auftrage der Schlichtung ver böhmiſchen Frage abgefandt. Es thut der Überzeugung, daß Franz von Siena mit milderen Injtruftionen verjeben war, durchaus keinen Abbruch, daß der Papſt ſich bei NRovarella, dem bei Matthias beglaubigten Legaten, davor verwahrt, daß dieſe Milfion „mit einer veränderten Gefinnung in der böhmiſchen Sache inter: pretiert werde" 1). Rovarella wird e8 jchwerlich geglaubt haben, aber er gab die Xüge weiter. Denn als der ungarifche Ge- jandte Ladislaus mit Gabriel Rangont zurüdgelehrt war, ohne dem Matthias die Bejtätigung der böhmiichen Königswahl mitgebracht zu baben, fo log der Legat, „damit alles nach Wunſch ginge und die

- Gemütlichkeit nicht geſtört würde“, dem Könige vor, er fei

„autorifiert, nach Maßgabe der Dringlichkeit und des Vorteils ber Lage” die Konfirmation der Wahl zu erteilen ?).

So weit war die Kurie damals allerdings noch nicht ge gangen, wie bie jächjiichen Gejandten nad) ihrer Heimkehr vor- gaben. Sie follen nämlich erzählt haben, daß fie nicht bloß eine von der Hand des Papjtes Paul unterzeichnete Beftätigung der Kompaltaten, jondern auc einen fürmlichen Friedenstraftat mit Georg, Durch welchen derjelbe wiederum in jeinem Königtum anerlanntwürde, und zugleich eine Abjolution für Gregor von Heimburg mitgebracht hätten. „So unbejtändig ‚und jo wetter- wendiſch find wir nicht,” verjicherte der Papſt, „wie fonntet ihr nur fo etwas glauben?" König Matthias und der Legat Rovarella hatten e8 aber doch für glaublich gehalten und waren darüber nicht wenig erjchroden ®).

1) Theiner, Mon. Hung. II, 420, no. 599.

2) Ibid., p. 422, no. 603. 3) Ibid., p. 424, no. 606.

ra

836 BZwölftes Bud. Zweites Kapitel. (1471.)

Was aber, fragen wir, hatten bie polniſchen Geſandten ausgerichtet? Der Papft Paul ift fehr beforgt, daß auch bie Polen „plaudern könnten“ 1), und er ftellte daher den ganzen Gang der polniſchen Negotiation freilich nur im der Tärrbung, welche zur Rechtfertigung vor Matthias dienen follte, folgender maßen dar: „Über die böhmifchen Angelegenheiten Gaben fie mit uns gar nicht verhandelt, obwohl fie allerdings bei ihrer erften Audienz etwas darüber gejprochen Haben. Wem bie Nachricht vom Tode Jirſiks durchkreuzte bie Beftrebungen, mit welchen fie beauftragt waren. Sie handelten über ven preußiſchen Srieden, über den ermländiichen Bilchofftreit und einige andere Dinge, die wir erlebigten, weil fchon viermal durch anſehnliche Botſchaften darum gebeten worden war. Aber die preußiſche Angelegenheit haben wir in statu quo gelafien“. Crft im Augenblid ver Abreife der Geſandten, als Die Dinge in Böhmen eine völlig andere Geftalt angenommen Batten, wäre auch die bohmiſche Frage erörtert worden 2).

Die Nachricht war zuverläfftg. Am 22. Februar war in der That König Georg geftorben, und für Bolen war num ber Moment eingetreten, der feit 13 Jahren dort ſchon in Auge gefaßt war.

1) „quidquid ipei fortassis dicturi sunt.“ 2) Theiner, 1. c. II, 426, no, 610.

Slawiſche Gemeinſchaft. 337

Drittes Kapitel.

Die Jagielloniden in Böhmen und in Ungarn. Die Konferenzen von Neiße und Troppau.

Wenn man dem Berichte des Propſtes Paul von Zderaz, der von König Georg in der Regel zu den Botjchaften nad Polen verwendet worden und nod im Anfang db. I. 1471 dem Könige Kafimir bis nach Litauen nachgereift war, trauen darf, jo Hätte fih in Polen, Rußland und Litauen ein allge meines opferfreudiges Intereſſe für die im wefentlichen doch nur rein dynaſtiſchen Beitrebungen des Könige um bie Ein- jegung feines älteften Sohnes in die böhmiſche Herrichaft kund⸗ gegeben. Man Babe in allen Landſchaften dem Könige eine Quote von Steuern bewilligt, fo Hoch wie nie zuvor. Vor⸗ nehmlich aber fiel ihn der Accent auf, welcher auf die „Ein⸗ beit von Böhmen, Polen, Ruſſen, Litauern gelegt würde. Es ift fein Grund vorhanden, bie Angaben des böhmiſchen Propftes in Zweifel zu ziehen. Die Idee der ſlawiſchen Ge⸗ meinfchaft Hatte ſchon bei Lebzeiten Georgs zu der vorläufigen Wahl des Prinzen Wladyslaw durch bie ſlawiſch⸗utraquiſtiſche Partei Veranlaſſung gegeben, und viejelbe Idee, ober wie Gregor von Heimburg es ausprüdte, „die Gemeinſchaft wegen des Gezunges“ beberrichte, ſoviel fich überſehen läßt, die Ent- fheidungen in Böhmen auch nach feinem Tode. Unfere Auf- gabe ift es nicht, die böhmiſchen Vorgänge in ihren Einzeln- beiten barzuftellen. Wir haben nur diejenigen Selten hervor⸗ zubeben, welche Polen berührten, und in dieſer Richtung iſt an. erfter Stelle zu betonen, daß der Gefichtspunkt, welcher feit vielen Jahren die polntiche Politik beherricht Hatte, welcher der nächfte Antrieb ihrer Bewerbung gewefen und das überall ber- vorgekehrte Argument ihrer Berechtigung dargeftellt Batte, der Erbanipruh ganz und gar nicht ind Gewicht fiel und vielmehr Tediglich zu einer rein ornamentalen Phraſe der Ge⸗

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 22

338 Zwölftes Bud. Drittes Kapitel (1471.)

ſaudtenreden herabfanl. Richt weil das Diut der Zuremburger in feinen Adern floß, wer Prim Winkyslam der bedeutungs⸗ vollfie Kandidat für die Boͤhmen, jondern, wie es ja auch ſchon der Prager Laudtag vom Bomfazins⸗Tage 1469 bei der Bor- wahl veffelben ansgeſprochen Hatte, vor allem feine Teilhaftig⸗ leit an ver „Gemeinſamleit des Gezunges”. Sein Slawen⸗ tum gab ihm ein Übergewicht, das alle politiichen und wirt- fhaftfichen Vorteile, die ven anderen geboten wurden, weit in den Schatten drüdte. Allerdings nur bei verjenigen Partei, weite in Prag vorherrfchte. Die früheren Ligiften, der Herrenbums, Die Rutholiten, die Reute dentſcher Zunge ließen fich Freilich von andern Beineggründen Ielten. Auch fie waren wohl be reit, die Dimüter Wahl von 1469 zu desavoniren, aber aller dings nur in der Hoffmung, für Matthias auch Die Gegner za gewinnen. Darin aljo Tamen beide Parteien überein, die Wahlen von 1469 als ungültig, unzureichend anzuſehen, ferner das Legitimitätprimip aus dem bökmifchen Staatörecht am zufeheiven und die freie Wahl der Stände als die einzige Inter Inge eines rechtmäßigen Konigtums anzuſehen. Bas war dab Ergebnis des am 30. April und 1. Mai abgehaltenen Par teienkougreſſes von Deutih-Brod, das zugleih die Grundlage des von beiden Seiten acceptierten Wahllandtages von KRutten- berg bildete,

Andere Kandidaturen als die polniihe und bie ungarijche famen ernſtlich gar micht inbetracht. Der Herzog Albrecht von Sachſen, veffen Macht man fid) gern in den erften Wochen des Imterregnums bediente, um die Orbnung im Rande und in den Wahlgeſchäften zu fichern, mochte wohl ſehr bald die Ueber zeugung gewinnen, baß der Strom der nationalen Antipathieen für jeden Deutſchen unübermwindlich fein würde. Daß man von Ludwig dem Reichen von Baiern und fogar von Ludwig XL von Frankreich ſprach, mochte wohl nur feinen Grund in finanztellen Spelulationen ober in Erinnerungen aus ven Wahlwirren von 1458 haben. Auffällig aber bleibt es, daß ſich, ſoviel aus der mangelhaften und parteitich gefärbten Ueberlieferung zu ertennen tft, doch verkältnismäßig nur wenige

4

Die polnifhe Wahlgefanbtigatlliuk BB

men für bie Söhne George hörensolkkend ig hung wer es doch nicht von geringen⸗Bedeichangovaß rin in ber Gefungenfchaft bei Dnttäusiehläniikätktschen doxen Bekenntnis zugewandt undriionsie? Merkniulca Steliung ſeines Hauſes entfrembet hatie; Var rinrichun ꝛugſten Beziehung. mit Albrecht au? Behninbahjiinghr kebenſo zu Albrecht von Sadhiedr ftaninicenwiiined sun bie Ausfiht auf eine Loſungoderio Mochlichrad nm IRn ı fonnte. Die Huge und vorficktigeisueikiigeitunigiicies iſche Bedacht auf das Mienike inplkundndine berricige ung des eigenen Befitetu und Weorteibel doch hichrgetzloe iltſamkeit, die Prinz Hnrich»an den WDagy) Ten sollen »» die Bögmen, wenmpaisihf bie Vorzüge bed Perſenlich ngelommen wäre, tdeinirbeften Negentenohätten ifnven n. Daß aber eben rioiefer Rüdkiht tomed iesihftehllertiiihh, rgiebt ſich aus dericThatſacheünduß Das lb eintrag efjes einem Knabadndhin nErdahueht angehen Tu; Ye polniſchen Geſimdtelt, nwWelchoicharſo deutet Kuctteuberget landtage auftriten 20 Haneil verhalusinäßigenfſpared nahe ven, erft im Afımdg esikaiinigite Berka oborſotora Dobieslaw oo Mumegukt, her Wojewode yon) Qubkkr daher in ver Megeko CR Hekanutteiht ſgdiert 1); ein Überduhigtopersönnn reger Manmsr), <fernes [ Baliditi ‚(dern Przeuchaler Moore inacude Marriu imrowaijinidoro genen occũdofſeno veaut Meikhelor ini omirfheii ʒuhaiiſe shar in Wlltersändks fartiend alfehinkie suffinsiikken , Gemeniäh, ıromierojdet loinvujſuiche ehe en Vxrde z1, Deut ben nhnifſchen viebnaher ateht und note: ren Volnijche are dounten⸗ atf Fine infchaft der Zunge“ noch deutlicher vergegenwärtigen. mi bR .O8% .on DEE TI sose Jeigs „bod nr Ibinrda® (T

Ei iſtl Bub ANLIEE im ddiv OR erh

Br SE EG. ob gas sl , jinijno & ni ad Alm

SR Quellera zur Boſchrriblingoder Wandshuter Vochzrit oui

h o dr RITTER ο Bin ai And ‚Icbs5@ Kine

AuſelaerRegend ihr: enidla Behrendt Bern SürbeR tudkdr Age)

> türkifche Sprache anzueignuemu Du of BEI BIN hl 22*

340 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1471.)

Schon in den Vorverhandlungen zu Prag erflärten bie Ge fanbten neben ven vielen einzelnen Verſprechungen, vie fpäter in der Wahllapitulation Geftalt gewonnen haben, daß ber König von Polen für die Wahl des Prinzen ſich verpflicht, auch außerhalb feines Landes zum Vorteil und Schuk de böhmiſchen Sache Krieg zu führen. Diefe Verficherung inet um fo notwendiger, als bie Abneigung des polnifchen belt, außerhalb der Grenzen bes Landes das Schwert zu ziehen, befannt gewefen fein wird. In bem Landeshauptmann von Mäpren, Stibor Towatowsiy von Eimburg fanden die Pole ihren eifrigften Parteigänger, und Dobieslam Lubelczyk ſeinen bienftfertigen Gebilfen. Seiner Eingebung war er gefolgt, alt er den Verſuch machte, ven Prinzen Heinrich aus feiner Neue tralität zu ziehen, aber ein gleicher Verſuch war auch vom Könige Matthias duch den Prinzen Viktorin unternommen worden, und Heinrich begnügte fich, die Mitteilung won beiden zur Kenntnis des Kuttenberger Wahllandtages zu bringen Hier waren bie verichiedenften Parteien zuſammengekommen, alle bewaffnet. Auch König Matthias hatte durch bie Senbumg einer Wahlbotichaft gezeigt, daß er bereit fei, Die Vorgänge von Olmütz von vor zwei Jahren zu überjehen und neud Recht zu fchaffen. Am 20. Mat hatte der Landtag begonnen, am 22. wurden die Polen gehört. Die Rede des Dobieslan bon Kurazivali, welche uns erhalten ift !), dürfte freilich kam - fo gehalten worden fein und manche Veberarbeitung im huma⸗ niftifchen Geifte erfahren Haben, aber fie berührt doch mit großer Geſchicklichkeit alfe diejenigen Momente, welche bei bet Empfehlung des polnifchen Prinzen geltend zu machen mare: das Erbrecht, die alten freundſchaftlichen Beziehungen beider

1) Gedrudt im Cod. epist. aaec. XV, 250, no. 220. Ich beſthe dw Abſchrift derſelben aus dem Cod. Ottobon., no. 2068, p. 112 Sie finmt mit ber it Bonfint, Rer. Hung. deo., p. 573. Müller, Recdstr theatrum IL, 440. Papkée, Rozprawy akad, VIII, 446 vermute mit Recht, da fie aus dem Bonfini ausgeſchrieben fein Könnte. PR lady führt Dinge ans ber Rede an, bie in biefer wenigftens nicht ſtehen Welche andere ihm vorlag, if mir unbelannt.

Die Wahlrede der Bolen. 841

Reiche, die Ähnlichkeit der Sitten, die Verwanbtfchaft ver - Sprachen, die Teilnahme Polens für Böhmen in der Zeit der bufitiichen Bewegung, die hohe Abkunft des Prinzen von Königen und Kaiſern, feine treffliche Erziehung und Bildung, feine viel veriprechenden Anlagen, und gegen Ende erft deutet fie in feiner Weife auf die eigentlich politiichen Tragen. Wenn man an ber Jugend und Unſelbſtändigkeit bes Prinzen Anftoß nehmen jollte, dann wäre ja nur das eine Bürgſchaft mehr, daß bie Döhmen fich ſelbſt regieren. werden. Die Furcht vor einem „Tyrannen“ brauchten fie alſo nicht zu hegen, aber auch nicht vor kriegeriſchen Verwidelungen mit dem Auslande, denn „fein mächtiger Vater fteht ihm zur Seite“. Ebenjo wenig dürften fie „Sekten⸗ und Parteilämpfe“ bejorgen, denn. der Papft und der Raifer werben nicht entgegentreten, und wie jollten die» jenigen nicht zuftimmen, die mit uns „ein Geſchlecht und die⸗ jelbe Nation find, wie die Sprachverwandtichaft es ausweiſt. Ueberdies find wir alle Chriften und ftehen beive unter dem Geſetz des Evangeliums, die Belenntniffe und Selten trennt doch nur ein geringer Unterſchied, und dieſer wird leichter durch Argumente als durch Waffen gehoben und ausgeglichen“. Mit leiſerer Hand konnte die heikele Kompaltatenfrage wohl ſchon nicht geftreift werden. Don dem Könige Georg aber, und von der Wahl von 1469 ift in der Rede nicht die min. defte Anbeutung gegeben. Nach ihr hat man den Einbrud, als bandele es ſich um eine Wahl nad dem Tode des Königs Ladislaus Poſthumus. An ihn knüpfte die Werbung an, als ob dazwiſchen fein Regent geweien wäre.

Die Wähler aber waren ja boch mit feiten Entſchließungen ſchon nach Kuttenberg gekommen. Für den König von Ungarn ſprachen am folgenden Tage der Biſchof von Erlau und ſelbſt Viktorin, den er geſandt hatte, aber als die Ligiſten das Übergewicht der utraquiſtiſch⸗ſlawiſchen Partei bemerkten, ver⸗ ließen ſie den Landtag )). Es war doch alſo nur wieder eine

1) Der Bericht von der ungariſch ligiſtiſchen Seite bei Jordan, Königtum Podiebrads, S. 518.

2348 3BZwölftes Bud Drittes Kapitel (1471.)

Bertei, nicht flärler ale vie vom 3. 1469, welde am 27. Mei ww Anttenberg den Prinzen Blabyslam zum Könige von Döpmen ausruf. Die Kapitulation, zu welder Dobieslaw im Ramen ms Prinzen feine Einwilligung gab, gefteht doch jelbft gewiffer- maßen des untegelmäßigen Eharalter ver Wahl ein, imfofer fie gleich im erften Artikel die Berſicherung ausiprüht, daß bem Borrecht Prags, des rechtmäßigen Orts der Königswahlen, buch die in Suttenberg erfolgte Wahl kein Eintrag geicheben ſollte Im übrigen beftätigte ber Prinz vor allem anberen bie Kom poltaten, beren Anerleunung dur ben Bapft er betreiben wolle, denen aber vorläufig bei Strafe niemanb entgegertreten bürfe. Werner verpflichtete ſich der Prinz, in Prag einen Ery bifchof eimzujegen, der auf bem vollen Einverſtändnis zeit ben Rompalteten ftünbe und fie als integriereuden Teil des Kirchen rechts amfähe. Dieſen wichtigen. Artikeln fchloffen ſich ambere auf die Landesordnung bezügliche an, pie für uns am dieſen Drte fein Intereffe Haben. Nur was die Ausflattuung ber Söhne George betrifft, ift infofern hervorzuheben, als bie finanziellen Kräfte Polens für die Bezahlung ber Schulden Yes verftorbenen Könige einzutreten hatten. Davon aber if natürlich in diefer Stantsalte nicht die Rebe, daß ein fich ams dem Borgang entwidelnber Krieg auch auf die Schultern Polens fallen würde. Je mehr ſich vie hohe Wahrfcheinlichfeit eines folchen berausftellte, deſto mehr eilten bie Kuttenberger ihre Errungenfchaften unter Dach zu bringen. Cine ebenſo zahlreiche als glänzende Deputation unter Führung Stibor Towatowsiyt traf am Sonntag den 9. Juni in Kralau ein. Am 13. em pfing der König fie in feierlicher Audienz, am 15. erklärte Prinz Wladyslaw die Annahme der Böhmiſchen Krone, und am 16. wurde er in einer zahlreichen Verſammlung polnifcher zmb bohmiſcher Würbenträger ’) zum Könige von Böhmen asöge

1) Man wird bemerken, daß Diugofz XIII, 467 übereinfiimmend mit der Wahlfapitulation (Arch. Zesky IV, 451) die Auweſenheit bei Erzbifhofs von Gneſen und des Biſchofs von Wlockawek erwähnt. Diele Hatten fih auch in Rabom tolerant gegen bie Böhmen gezeigt. Mau wird ferner bemerken, daß bie ganze Beremonie zwar „infra

Die Bahllapitulation. 343

zufen 1). Seine erfte Anſprache an die Berufungspeputation erfolgte in polniicher Sprache, und feine erfte Koönigsurkunde bie Beitätigung ber Wahllapitulation in lateiniſcher 9). Die Semeinfamleit der Zunge war alſo lediglich eim idealer Baltor.

Der große Geſchichtſchreiber Böhmens aus ber neuften Zeit, Dem das Herz böser fchlägt bei jeder Spur einer pan⸗ ſlawiſtiſchen Negung in ber Geichichte, iſt in Zweifel darüber, ob jemals „Kapitulationspunlte von foldem Gewichte und fo qusnehmender Schwierigkeit wit größerer Leichtfertigfeit gefor⸗ dert oder zugeſtanden wurden“, denn wenn felbft beide Zeile ſich mit einer bloßen Negoziation in ber Kompaktatenfrage auch ohne Erfolg abgefunden zu haben glauben wochten, ſo war Doc „vie Regierung Wladyslaws durch bie übernommene Bex- pflichtung glei; im Anfang auf ungangbare und beinahe boff- nungslefe Bahnen geraten”. ) Bon einem anberen Ge⸗ fihtspunklte aus urteilt der polniſch⸗ nationale Geſchichtſchreiber des fünfzehuten Jahrhunderts fait garız ebenfo: „Es war doch ein unüherlegtes Verſprechen,“ meint er, „daß ber Känig hie Schulden des böhmiſchen Reiches auf fich zu nehmen zujagte, in dem Glauben, daß fie wiegt zu.groß wären“ 4. Die Un- beſonnenheit exicheint aber um je bebenklicher, als Dobieslaw

flota divina, quae tunc de octavis corporis Christi agebantur“ aber „in sala majori Cracoviensi“, alfo nicht im Dom, wie man erwarten fofte, vor ih geht. Mir fcheint, Diugoſz verſchweigt, Daß das Kra⸗ quer Kapitel wie früber vor deu Böhmen das Interbilt bewahrte. Der Bilchof von Kralan war damals geflorben.

1) Die Gerichtsakten des Krakauer Grodgerichts merken bie Thatfache an. Helcel, Pomn. I, 783. Die eigentliche Huldigung durch bie bößmiiche Gefandtſchaft fand erſt am 29. Juni flat. Dogiel, Ood. pi. I, 22, no. 20. In den Teki Narusezwiczs im Peitersburger Generalſtab findet fich dieſe Urkunde in böhmifcher Sprache,

2) Cod. epist. saec. XV, 256, no. 222 lateiniſch; Efhenloer II, 219 deutſch; Archiv desky IV, 451 böhmiſch; die Abweichungen find gering.

8) Balady V.1, 381.

4) Diugofz XII, 467, ngl. auch S. 469,

344 Zwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1471.)

Lubelczyk in Kuttenberg erfahren Hatte, daß bie Schulden Bodiebrads allein 150—160,000 Dukaten mindeſtens nad andern Angaben 300,000 betragen, die in Polen nach ven Opfern des preußtichen Krieges und nach der Verſicherung des Königs, die Vierbungftener nicht wieder aufzulegen, ſchwer zu beichaffen gemwefen wären. Die beiven erwähnten Punkte harakterifieren zwar die Leichtfertigfeit der Annahme jener Kapitulation, aber erichöpfen fie nicht. Vorläufig fielen vie Untoften und Mühen und Opfer der weiteren Altion ven Polen allein zu. Wieder wie im preußifchen Kriege lejen wir, daß die Gerichtstermine aufgefehoben werben, wegen ber „Kriege Erpedition, zu welcher die Eingejeflenen auszuziehen fich an- ſchicken“, und der Kaftellan Ian Felix Tarnowsli von Wislica verfegt fein Gut Krzeszowice um 483 Dulaten, „um feinen Sohn für den Zug nad Böhmen auszurüſten“ '). ‘Dergleichen Ericheinungen werden nicht vereinzelt bageftanden Haben.

Selbitverftändlich Hatte fi Matthias bei der in Kutten⸗ berg erfahrenen Abweifung nicht berubigt. ALS feine Geſandten und Parteigänger unverrichteter Sache in Iglau eintrafen, drängte der König den Legaten NRovarella nunmehr, dba doch „die Dringlichkeit und der Vorteil” nicht mehr beftritten werden Tonnten, von jeiner Autorifation, ihn namens bes Papites zu krönen, unverzüglid Gebrauch zu machen. Der in die Enge getriebene Legat, der eine jolde Autorifation gar nicht beſaß, ging mit Bruder Gabriel Rangoni zu Rate, und beide waren der Anficht, daß fie mit Vorbehalt der jpäteren Zu⸗ ftimmung des Papſtes feine Ausflüchte mehr verfuchen bürfen. Sp wurde denn Matthias zu Iglau in der Pfarrkirche während des Hochamts zum Könige von Böhmen feierlich geweiht umd im Namen des Papſtes proflamiert. In welch überholte und veraltete Begriffe von der Situation ber Legat übrigens nod verjtridt war, geht daraus hervor, daß er in dem Schreiben

1) Helcel, Pomn. II, 788. 2) Über die Vorgänge in Iglau f. dem Bericht bes Olmützer Dom- heren an Rudolf von Rüdesheim bei Jordan a. a. O., ©. 518.

Des Matthias PBroflamierung. 345

au die Rurie, worin er feine Handlungsweiſe rechtfertigt, als beſonders Hinzugetretenen Beweggrund angiebt, daß mittler- weile ein Tailerlicher Bejanbter bei Matthias eingetroffen wäre, ber ihm die Verficherung gegeben hätte, daß der Kaifer nur ihn als böhmiichen König anſehen würde ). Der Papft ſandte dem Legaten durch den Kleriler Fabian von Montepulciano eine münbliche Antwort, vie fich unferer Kenntnis. entzieht, aber wenn ſchon eine Billigung des Verfahrens doch wohl faum eine ‚offizielle Betätigung des Geſchehenen felbft enthielt. Bei biefee Gelegenheit macht der Papft dem Legaten eine Mit- teilung, welche ein eigenes Licht auf die Dintergedanfen pol⸗ nifcher Stantsmänner wirft. In dem Augenblicke nämlich, ale bie polnischen Gejandten in Rom, der Kanzler Jakob von Debno und der Abt Michael, ſchon die Pferde zur Heimreiſe beftiegen batten, ließ der Papft, mit dem fie erwähntermaßen über bie böhmiſche Trage gar nicht gelprochen batten, fie zurädrufen, um ihnen über die Vorgänge in Kuttenberg Vorhaltungen zu machen und fein Befremden darüber auszudrüden, daß ver König jeinen Sohn „von einer Ketzerbande“ babe wählen laſſen. Jakob von Debno hörte den Papft an, „acceptierte aber nur das für feinen König, was er für gut fand, und ließ bei der Gelegenheit, jet es abfichtlich, ſei es unbebachterweile das Wort fallen: „Das Beſte wäre, jeder bliebe bei dem, was er zur Zeit befikt. Es wäre gut, wenn jemand fich der Friedensver⸗ mittelung unterziehen wollte“ *. Der Papit Paul wird das gewiß nicht erfunden haben, aber er mochte wohl willen, warum er das dem Legaten Rovarella erzäßlt.

Wenn der polniiche Hof jo gedacht hätte, wie jein Kanzler in Rom ſich ausfprach, dann hätte er nur Matthias entgegen» kommen dürfen, der die lebhafteiten Anftrengungen machte, zu einer Ausgleichung zu gelangen. Zunächſt jchloß er mit Albrecht dem Beberzten von Sacjen, der jchon gegründete Urfache hatte,

1) Das fhon angeführte Schreiben bei Theiner, Mon. Hung. II, 423, no. 608, vom 3. Juni (auch bei Raynaldi, Müller, Reichs⸗ tagstheatrum). Die Antwort darauf: daſelbſt p. 426. no. 610. -

346 BZwölfter Buch. Drittes Kapitel. (1471.)

ſein dienſtwilliges Intereffe für die böhmiſche Wahl zu bereuen, eu Einverſtändnis oh, (19. Juni) worin die Anerkennung des Matthias durch den Herzog abhängig gemacht war vom der burd den Papſt und ven Sailer. Auch den Pragerm ſchlag der Unger eine rechtliche Entſcheidung durch Diefe Saflangen vor. Er ging wech weiter. Er fanbte den Biſchof Protest von Olmüt, ver in Kralau kein Fremder mehr war, an vn polniichen Königshof, obgleich oder vielleicht gerabe weil die Haupter jeiner boͤhmiſchen Gegenportei fich neck. dort befanden, mit gar weitläufigen: Anträgen, Wach bier fteht au der Spige ver Vorichlag einer Enticheivung durch den Papit „über den natürlichen Rechtsanſpruch“. Der. zweite Bunt betraf eimen Waffenſtillſtard auf ein Jahr. In der britten und vierten Propoſition Liegt. aber der Kern der Anerbietung: Kämig Matthias lönue nad den Opfern, die er der böhmiſchen Sacht gebracht, nicht einfach von ihr zurüdtreten, das würden feine eigenen Unterthanen nisht geftatten. Er wolle aber den Pringen Wadyslam in Adoption nehmen und wie einen Sohr be handeln und reichlich amsftetten. Dafür folle der Krömug des Matthias in Böhmen fein Hinbernis in den Weg gelegt werben, bamit ber päpftlichen Auterität fein. ſchmählicher Ab⸗ bruch geſchehe; mit andern Worten: er wolle zur den Schein retten und banız felbjt kurz barauf die Krone an ven Prinzen abtreten. Ferner bäte ex um bie Hand einer Prinzeffin von Bolen, wofür er, wenn er ohne Nachlommen ftärbe, ben Süßnen Kaſimirs auch Ungarn zufallen laffen werde. Im Nomen bed Herrenbundes ober hatte Protas noch hinzuzufügen, daß er dieſe Vorfchläge für eine gute Friedensgrundlage betrachte und es als Ehrenſache anjehe, fich „nicht mit Gewalt zur Anhänge Kichleit treiben zu laſſen“. Die Antwort Kaſimixs, die mit den Böhmen überlegt war, fiel ziemlich ſchroff and. Wie immer legte er in erfter Reihe ven Nachdruck auf das Echb⸗ recht, das um jo weniger einer jchievsrichterlichen Entſcheidung erſt unterworfen zu werden brauchte, als e8 von niemand be firitten worden fei. Ohne die ungarische Einmiſchung wäre die Nachfolge des legitimen Erben nach Georg Podiebradé

Bifhof Protas wieder in Aralan. 347

Tode ruhig vor fich gegangen, und Matthias würde vem Bopfte und bes Chriſtenheit beffer gedient habe, wenn er das Vor dringen ber Türken verbätet hätte. Mit Ausnahme bes Waffenſtillſtande, über dem fich reden ließe, weile er bie anderen Borihläge mit Entſchiedenheit und den ber Adoption mit Entröjtung zurüd. In der langen und ausführlichen, vieles aus dem Gang ber Dinge wieberbofenden Antwort Hit auf ben Heiratsnorfchlag nicht mit eier Silbe Rüdficht genommen, obgleich Protas erllärt hatte, daß er hierfür feinen Auftrag belegen Tönne ). Mit dem Einbrude, daß die Beziehungen zeiihen Polen und Ungarn dem vollen Bruch nahe jeten, ging der Olmützer Biſchof aus Krakau fort. Die Polen folen ihm zulegt zugerufen haben: „es wirh eine Zeit kommen, und fie iſt ſchon gelommen, da Matthias weber in Böhmen noch in Ungarn etwas Haben wird“. Dieſe Zuverfiht auf den Zur ſammenbruch ver Herridaft des Matthias in Ungarn war der Faden, ver alte die Vorgänge biefer Wochen durchzog. Man exzäglt, daß die in Ungarn für den Umſturz Gewonne⸗ neu ſchon auf dem Landtage zu Ruttenberg ihre Rolle geipielt und bie Boͤhmen vor dem Thraunen“ gewarnt hätten, deſſen auch fie fich bald entledigen würden. Dieſelbe Zuverſicht ſcheint auch den Kaiſer Friedrich erfüllt zu haben, ber eben damals

1) Der im Archiv desky IV. 455 abgebrudte Tenor der Antwort befteht nur aus dem Borfchlag, den die böhmifchen Delegierten für eine folde dem Könige gemacht haben. Der beutfche Wortlaut bei Eſchen⸗ Isör, od. Quniſch, ©. 224—227, flunmt ziemfih genau mit bem lateiniſcheu im Cod, epist. aaeo. XV, 252, no. 221, aus dem Egerſchen Archiv. Die Bemerlung Szujstis, baf. p. 356 in ben Nachträgeun ifi mir nicht recht verfländlih. Was er als den „Nonsens“ bes Eſchenlosr nennt, IR die faſt mörtliche Überfezung bes Paſſus: „et eum proinde etc.‘ Immerhin Mage Szujsti wenigſtens nur Efchenloör der „Falſchung“ an, Seren Balady aber „Icheint e8, daß man bie Antwort abſichtlich am Hofe des Matthias gekürzt, da von ber Verlobung ber Tochter bed Königs keine Erwähnung geſchieht“. Wohin doch verbifiene Parteilichleit führen kann! Die Borlage ber böhmifchen Herren wurbe offenbar vom Könige Kaſimir nicht ganz gutgeheißen, und aljo hat er fie „gekürzt“. Eine andere Relation Eſchenlosrs in dem Briefe besfelben an Johann Frauen- burg in Sörlie bei Jordan a. a. D. ©. 369.

348 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1471.)

in einem wahren Taumel -fiegreicher Hoffnungen ſchwebte. Des von Matthias wiederholt gegen ihn gebrauchten Verſchwörers, bes Paumlirchner, war er Herr geworden und hatte ihn Löpfen Yofien. Auf dem Neichstage von Regensburg (Suni 1471), . wo er jelbft erjchien, war von der burgundifchen Intrigue nicht mehr zu bören, feine bairiſch⸗pfälziſchen Gegner fchienen ſtumm gemacht zu fein. Während feine Geſandten bei Matthias’ Proflamationsfeft in Iglau als Zeugen jeiner Zuſtimmung parabdierten, taufchte er mit den deutjchen Ständen auf dem Neich8tage die Ueberzeugung aus, daß in dem böhmifchen Thron⸗ jtreit ein Undeutſcher überhaupt nicht zum Siege gelangen dürfe ). Ging alles, wie es eingefäbelt war, dann gerieten ſehr bald Polen und Ungarn dermaßen an einander, Daß bie beiverfeitige Verblutung die ſchwach keimende Hoffnung ver öfterreichiichen Anjprüche befruchten mußte. Es war ein Hug ausgebachtes Werk, diefe ungariſche Verichwörung.

Inzwilchen aber war alles zum Auszuge Wladyslaws ans Krakau vorbereitet. Er fand am 25. Juli ſtatt. Bis an bie polniiche Grenze gab ihm jein Vater das Geleit. Ein Heer von 7000 Reitern und 2000 Fußgängern jolite ihm den Weg fihern, aber das eigentliche Gefolge des jungen Könige war doc nichts weniger als „glänzend und großartig” und verrät vielmehr eine merkliche Zurüdbaltung ver polniichen Stände. Bon den Bilchöfen, die ihn begleiteten, war der eine, Vin⸗ centius Kiekbaffa von Culm vom Papſte verworfen und ftand damals unter Banndrohung; der andere, der Biſchof Paul von Laodicea, war Krakauer Suffraganbiichof ohne ‘Diözefe umd, wie fein Vorgänger erfahren Hat, ganz vom Könige abhängig; ber dritte endlich, der Biſchof Nikolaus Prochnidi von Kamie⸗ niec in Podolien, wurde wohl auch wieder nur des Hein ruſſiſchen Dialekts wegen aus jeinem entlegenen Sige herbei geholt, fonft pflegte man bei den großen Staatshanblungen feinen Namen nicht zu hören. Der einzige Kleriter von Be deutung, der den Krönungszug begleitete, war der Domherr

1) Eſchen losar an Joh. Frauenburg, bei Jordan a. 0.0. ©.368.

Wladyskaws Krönung. 349

Ian Dingosz, der Geichichtichreiber, der erft nach lebhaftem Widerftreben feinem geliebten Zögling das Opfer brachte, das gebannte Land zu betreten). Bon ben weltlichen Würben- trägern werben nur bie beiven großpolniichen, ber antipäpftlichen Partet angebörigen Palatine Stanislaw Oftrorog von Kaliſz and Nikolaus de Kutno von Leczyhe neben Dobieslaw Lubelczyk und einigen Heerführern und Hofbeamten genannt. Den Haupt: Hlanz des Zuges gaben die ſechs oberichleftichen Herzöge ab, bie

ihre Herzogtümer an den König von Polen fchon verkauft

hatten oder zu verlaufen im Begriff ftanden und für Züge folder Art bezahlt zu werben pflegten. Der Weg wurbe auf Troppau genommen, aber als Zdenek von Sternberg und bie ungariichen Feldhauptleute Cupor von Siebenbürgen und Franz son Hag durch Fehdebrief aus Leipnik die Polen zum Kampfe berausforberten, wichen fie von der eingeichlagenen Straße ab and gingen über Neiße und Glatz der böhmiſchen Grenze zu, wo fie der allezeit ritterliche Heinrich Podiebrad empfing ?). Der Eindrud, den der junge König auf bie Böhmen machte, iheint der wohlmollenden Gutmütigfeit ſeines Weſens ent- iprechend geweſen zu fein. Endlich am 22. Auguft wurbe er jeterlich in der St. Veitslirche auf dem Prager Schloßberge von jenem poboliichen Bilchofe Nikolaus unter großem Jubel gekrönt. Unter den Geſandten der feitlichen Menge ift es in- tereffant, auch die des Kaiſers zu finden ®).

Schon auf den Wege nach Prag ward bie wichtige Frage m Erwägung genommen, wen der König, entiprechenp ber Kapitulation, zum Exrzbiichofe von Prag einfeen folle. “Die böhmiichen Herren im Gefolge Wladyslaws ſchienen aus ber Nachgiebigkeit Jan Dlugoszs, in den Bereich des Interdikts fih zu begeben, falſche Schlüffe zu ziehen. Ste hatten offenbar

1) Vita Diugossi. °

2) Mon. Pol. III, 125. Spominki Wislickie ... . qui ibidem sus- septus est cum magno gaudio, quod a saeculo non est auditum.

3) Diugofz, der die fremden Geſandten erwähnt, führt fie nicht an, wohl aber Eſchenloſðr, und namentlich der Staroft Przeelaw von ber Zip. Katona XV, 498.

350 Zwölftes Bud. Drittes Rapitel. (1471.)

das Opfer nicht begriffen, das der ftreng papiftiiche Domhert | feinem Zögfing zebracht Hatte. Schon in Glatz umdrängten fie ihn daher mit der Bitte, das Erzbiotum in Prag zu üben nehmen, und erboten fi, ihm für die Tempotuilien ein Fin fommen von 20000 Gulden zu verbürgen“ '. Wit wecken Grunden Diugos; abgelehnt Hat, Iäßt fich ans feiner Geftsumg folgern. Wenn ex ven Wen nad Prag dennerh fortfekte, ſo geſchah es, um dafiir Sorge zu tragen, daß das erfte Auftreten des König keinen ketzerifchen Charakter habe, und es iſt tm daher eine Genugthuung, mitteilen zu können, Daß ber mem Bohmentonig am Krönungetage das Abendmahl nur in einer Geſtalt genommen Babe. Nach eimigen Wochen fehrten be polniſchen Eßrenbegleiter in die Heimat zurück. Des Her aber, das Pawel Saftensli Hefehligte, verlieh Prag ebenfoweniz ohne blutige Händel mit den Böhmen, wie vor ihnen bi Schaaren Albrecht von Sachfen. Die polniſche Truppe zog ſich nach Nordungarn, wo man ihrer bedurfte.

Die umterirdiſche Arbeit der Agenten Kaflmirs und Fyrie® richs ſchien reif geworben zu fein. Seit Jahren gab es ia Ungarn eine einflußreiche und mächtige Partei, welche dem Eher geize des Matthias Eorvinus, mochte er fi auf vie Tösurifäe oder die böhmiſche Krone beziehen, durchaus Tein Verſtändnit abzugewinnen vermochte. Man fah nur vie harten Opfer, be das Heimatland diefen ſchweifenden Wunſchen zu Bringen Yatte, und murrte unwillig über den rückfichtsloſen Mann auf dem Throne, ver mit wunderbarer Kunſt Widerfprühe und Ein veden zu bewältigen wußte. Diefelben ſtändiſchen Kämpfe welche die andern Staaten des Oſtens in dieſer Epoche auf Ioderten, und in welchen der Segen einer feiten monarchiichen

1) Der Brief des Sedziwoj von Ezechel an Diugolz, der diefe That ſache berichtet (Cod. epist., p. 267), ſcheint die Beweggründe Diugoßs doch zu fer in äußeren Umftänden zum ſuchen. Nur fo viel gebt bo auch daraus hervot, daß Dkugoſz ein Bistum aus einer andern Band als der ded Bapfies nimmer angenommen haben würde. Der Stark Przerkaw von ver Zips giebt an, der König habe Diugoſz daB Erzbidien verliehen. Katona XV, 49. |

Matthias als Regent. | 351

Hand leidenſchaftlich überfehen wurbe, wühlten auch in bem ungariſchen Staatslörger. Aber Matthias Eorvinus war nicht Hof darum ber Wögott der Humaniſten, weil er hre Phrafen lobte und belohmte und ihre Kodices Kaufte, ſondern vornehm⸗ ih auch dehalb, weil er ein König ganz nach ihrem Sinne war, erwas wie ein Vorbild des „Fürften“, wie ihn ber floren⸗ telie Staatotheoretiker ſich für Italien wünſchte. Wie ein Künftler fein Suftenment, ſo hanohabt er alte Mittel ver No gierungskunſt; er verſteht es melfterlich, bie Krüfte ‘gegen einımder jo fpielen zu laſſen, daß fein mit dem Vorteil bes Gemeinweſens zuſanmenfallender Gewinn dabei herauskommt. Frei und unbefangen von den Vorurteilen der Zeit, bleibt er foft immer in einer Höhe, die ihm jebe Richtung und Jeden Stand dienſtbar macht. Ginem übermätigen, berrichfüchtigen Adel gegenüber, und mehr noch angeflchts einer duünlkelvollen won habfuchtigen Hierarchie, welche neivvoll auf die Ungebun⸗ denheit diefer Stände in den Nachbarlanden blickte, verſtand Matthias Einflüffe und Mächte gegen fie wach zu rufen, welche ifnen die Wege hielten. Wie ein ironiſches Spiel ſieht es aus, daß er den geisigen Klerus, der ihm die Mittel für feine waghalfigen und manntgfaltigen Unterneßmungen verfagen wii, durch den Bapft, in deſſen Dienft er ganz zu leben fiheint, ber Meuern läßt. Wer vom hoben Adel dem Tühnen Fluge feiner Thatkraft ſich nachzuſchwingen vermag, ber bat es gut bet ihm, ver iſt fein Ratgeber; wer nicht, der mag ſich groflend über feine Einflußlofigkeit mit dem hohlen Ruhm feines alten Namens dahelm getröften. So aber wächſt die Zahl der Unzufrievenen. So lange das Ungarreich beftand, war der Erzbiihef von Gran ber erſte Miniſter, und der Bifchof von Fünfkirchen der ein» flußreichſte Mann im Rate des Königs geweien, aber Matthias findet bei ihnen, obgleich es hochragende Männer find, bie zu feinee Zeit im diefen Würben fiten, nicht das Maß der Über einftimmung und Unterwürfigfeit, defien er bedarf. Johann Bit, ein Slawe von Geburt, der Erzbiſchof, der in dem auf Höreriichen Geiſte ber Snmaniften lebte und webte, und Johann Czezinge, der Biichof von Fünfkirchen, ver unter dem Namen

352 BZwölftes Bud. Drittes Rapitel. (1&71.) |

Janus Pannonius einen weithin tönenden Auf in der Littevariichen | Welt genoß, beide hatten einft mit Gregor von Heimburg tn vielfältiger Korreipondenz geitanden und unzweifelhaft bie Ein milchung ihres Königs im die böhmiſchen Wirren in ven: Stume, in welchem fie erfolgt war, gemißbilligt. Andere Leute brämgten fih an ihre Stellen. Mit Gabriel Rangoni, mit bem Schleſier Nikolas Beckenſlosr pflog jekt der König mehr Wet als mit ihnen. Und doc hatten fie die Opfer zu tragen, Dem mit dem von den geijtlichen Benefizien zu erhebenden Zcheies hatte der Papft ja das böhmiſche Unternehmen finanziell er ſtützt. Aber Matthias war bei dem Gebot allgemeiner 3 überhaupt nicht ſtrupelvoll in der Rüdficht auf einzelne, fei ed Stände oder Perfonen. Wie der Klerus, fo erfährt «a der Abel feine unberechenbaren Zugriffe, und bald fanden fi baber unter ven Aufreizungen und Verſprechungen vom Taife lien und vom polniſchen Hofe ber die Unzufrievenen in bemi Gedanken zuſammen, dieſer Herrichaft ein Ende zu mache Johann Viteéz fteht an der Spige, und wie eine unter k Dede glimmende Glut ſchleicht die Verſchwörung durch da— Land. Der größte Teil der Prälaten, ver Magnaten, ver Ge ipanichaften ift bereit darein verwidelt. Die großen Rate | fteophen nach dem Tode Georg Podiebrads, die einerfeits Dem König Matthias im Auslande feithalten und andererjeits ben | König von Polen zur That drängen mußten, jchtenen die ver⸗ heißungsvolle Stunde herbeizuführen. - Die Unterhanblungen der DVerichwörer mit Polen nehmen einen günftigen Verlauf, und bald ift e8 in Kralau beichloffene Sache, daß währeb ber ältere Sohn Wkadyslaw nad Böhmen zieht, um bie eine Krone des Luremburgiichen Erbes ſich aufs Haupt zu fehen, der zweite und begabtere Königsſohn, Kafimir ausgeben fol, um die andere, bie ungariiche, bem Emporkommling vom Saupk zu reißen umd für fich zu gewinnen.

Am 20. September 1471 erließ der junge Kafimir nod von Krakau aus als „Abkömmling Katjer Sigismunds um Neffe des Königs Ladislaus“ fein Manifeft gegen „ven Ein

Prinz Kafimirs Auszug. 353

dringling und Uſurpator“ Matthias Humiady ’), und am 2. Oktober?) fette er fi mit einem Heere von angeblich 12,000 Damm, worunter fi 1000 Tataren befanden, und mit welchem noch die unter Pawel Jafienski aus Böhmen zurückkehrenden Truppen fich vereinigten, in Bewegung. Dziers⸗ kom Rytwianski, der Palatin von Sanbomir, die Heinpolnifchen Raftellane von Woinic, Sandecz und Zarnow waren die politi- ſchen Repräfentanten des Zuges, veilen militärifche Führung dem Sandomirſchen Unterlämmerer Peter Dunin übertragen war. Auch gelehrte Mitglieder zur Bildung der Kanzlei waren nicht vergejfen. Alle, deren Namen überliefert find, gehören Keinpolen an. Es fehlte an Stimmen im polniſchen Konigs⸗ rate nicht, welche den begabten Prinzen Kafimir lieber für vie Tpronfolge im eigenen Lande zurüdgebalten wiſſen wollten, aber andererſeits konnte freilich auch nicht in Abrede geftelit werben, daß ein Sieg bes Legitimitätsprinzips in Ungarn zu gleicher Zeit die gewilfermaßen bobenloje und ungenügend ge gründete Stellung Wladyslaws in Böhmen erft zu feſter Sicher- heit bringen würde. Man mar fo überzeugt, daß Matthias ein aufgegebener Dann fet, dag man nicht einmal fo viel Schwierigkeiten erwartete, wie in jenen Tagen, als der junge König Wladyslaw II. zu feinem Unheil venfelben Weg wie jetzt Prinz Kaſimir über die Karpatben genommen hatte. Das ganze Unternehmen war auf die Meberzeugung gegründet, daß, wenn nur der polniſche Prinz die Fahne in Ungarn entfalten wärbe, ein allgemeiner Zulauf ver Unzufriedenen und Miß- verguägten unter Führung des hohen Landesflerus und der Magnaten Rainold Rozgonyt und und Nikolaus Perenyi ftatt- finden werde. Das war aber zur böchiten Enttäufchung ber Bolen Teinesweges der Fall. Nicht einmal in ben unter pol- niſcher Herrichaft ſtehenden Stäbten der Zips wurde das auf „Konfufion“ abzielende Unternehmen gebilligt, und das „Teveum”

1) Dogiel, Cod. dipl. Pol. I, 60, no. 19.

2) Rocznik Chotelski in Mon. hist. Pol. III, 214. Bgl. Ann. Visl., daſelbſt p. 126.

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 23

364 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel (1471.)

"für die Progen Krönung mußte dort exit „mit unmenichlichen Strafen“ erzwungen werben !). Gleichwohl ſetzte das pelpijche Heer feinen Zug fort, Am 29. Oltober jiand ber Prim kei Saͤros, und da Kaſchau, die von Deutſchen bewohnte und mit einer Böniglicken Beſatzung geichütte Stadt. ihre Shore feindlich ſchloß, jo zogen die Polen im Hernadthale hinab nad Sziktzo

und durch die Borſoder Geipanſchaft bei Erlau vorkei nad | Hatvan, der Pforte zu der großen Ebene des Peſther Kom

tats, wo fie om 8. November eintrafen. Dort auf dem Ralogfelde hatte man gemeint, die Banderien ver Berichware- nen. verſammelt zu finden. Statt ihrer aber fab man bart Matthias mit einem Deere vom 16,000 Mann bei Pers, deſſen Bewohner nach Ofen übergefievelt waren, im feiter Stelfung den Angriff ned Feindes erwartenn. Auf eine Feld ſchlacht in Feindesland mochten ed bie polniichen Heerführer nicht anlomımen lafjen und wichen daher nach Nordweſten, wa die Burgen des Graner Erzbiſchofs ihnen Halt veripracken, aus, und beim St, Hippolyts Kloſter von Sagh vie ran über fchreitend, gelangten fie in die erzbilchäfliche Stadt Neitra, vie ihmen auf Befehl. des Johann Vitez bie There. geöffnet hate. Bon allen ven Magnaten und Klerilern, welche durch ihre

Zufage das polniſche Unternehmen ermutigt hatten, war ber

Biſchof non Fuͤnflirchen ber einzige, ber mit etwa 200 Reifigen jet erſt bei Neitsa zu dem Prinzen jtieß, aber jchen nad wenigen Tagen fich wieder zu jeinem Genoſſen, dem Exzbilchofe, nah Gran zurückzog, denn dort war inzwücen bie Gefahr größer geworden. Während nämlich Matthias fish begnügt hatte, 098 Heer. der Polen buch jeine Manöver van der Haupiſtadt abzubrängen und dort bei Neitra in eine auf Die. Dauer doch unbaltbare Lage zu bringen, warf er fich auf bie Fefte ram, um ben Erzbiſchof in ſeinem Meteopolitanjig jelbit zu belagern. Die Einichliegung des Hauptes ver Verſchwörung war bes Könige im Augenblick wichtiger, als die Vertreibung ber Polen, deren Heer, von Kajimir mit unbegreiflich janguinijcher Thor⸗

1) Katona XV, 494.

Matthias’ Verteidigungsmwert. 365

beit nur anf kurze Zeit gedungen, ſich doch alsbald auflöſen mußte). Und in der That ging aud der größte Teil der Söldner fehr Bald auf und davon.

Die Art, wie Matthias fi aus den im Herbit 1471 ſcheinbar über feinem Haupte zuſammenſchlagenden Verlegen⸗ beiten zu befreien wußte, jtellt einen der bewunderungswürdigſten Momente in der funftvollen Regierungsweiie dieſes Monarchen dar. AS er auf die erfte Kunde von der im Ausbruch be- geiffenen - Berihwörmg von Mähren nach Ofen geeilt war, fans er die Lage ſchlimmer noch, als er ahnen konnte. Aber mit meifterlicher Selbjtbeberrichung hielt er an fih. Er jchien arglos gegen jedermann, amt meilten gegen diejenigen, die er in den Verſuch ſeines Sturzes verwidelt wußte. Niemals war ver König entgegenlommender als auf jenem venfwürdigen September-Reichötage, den er Bald nach jeiner Ankunft in Ofen ausgeichrieben hatte. Niemand brauchte die Verjammlung zu meiden, venn der König Ichten von niemandem Schlimmes zu wiffen, und niemand durfte ihn meiden, wollte er nicht eben Dadurch den Verbacht der Teilnahme an dem Komplott auf fich Inden. „Wer wird nun jest den Prinzen Kafimir bei jeiner Ankunft bewirten?” fragte Matthias mit triumphierender Iro- mie, als er feine Großen jo vollzäplig um ſich ſah. Aber er gab auch mit vollen Händen. Kine vollftändige Konſtitutions⸗

Charte mit Steuerbewilligungsrecht, periodiſchem Parlament,

Sicherbeit ver Perſon und des Eigentums in den Formen, wie fie in Polen zum Teil jet jchon beitanden, erhielten da⸗ mals die Stände, und dafür befam Matthias eine Steuer- bewilligung, viermal größer als in normalen Jahren ?). Das

1) Die Leute waren nur auf ein Quartal gebungen. Die Reiter erhielten 10, die Fußgänger 5 Dukaten. Bgl. die Kapitulation im Inv. arch. Crac.,, p. 179.

2) In der vom 18. September 1471 batierten Urkunde (bei Kat on a XV. 521—534 ſieht im Datum 8. Matthiae flatt S. Matthaei) ift namentlic Art. XXIX intereflant, der da befliimmt, welche Kaftelle zer- flört werben follen, infofern er zeigt, wie die Berſchwörung über ganz Ungarn verbreitet war.

25 *

356 Zwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1471.)

für war aber auch fein Menſch auf dem Nalosfelve erjchtenen, als dort die Polen das Wappen ihres Prinzen an bie There von Hatvan hängten. Sobald aber ver König Geld im Händen batte, wußte er fich ein Heer zu ſchaffen. Obgleich es ja ber Verteidigung des heimiſchen Bodens galt, hütete fi) Wiatihias doch die Banderien aufzurufen. Eine Sölonertruppe und Bauer volk waren in diefem Falle geeigneter, und wenn er auch wit einem jolchen Heere feine Schlacht wagen konnte, fo erreichte er doch feinen Zweck, vie Polen unſchädlich zu machen. Rad dem der Erzbiichof Johann Viteéz allen Beziehungen zu Polen entfagt, unter demütigen Beriprechungen ven Eid der Treue erneuert und fich anbeilchig gemacht Batte, die Polen wieder zur Aufgabe von Neitra zu vermögen ?), löſte der König bie Belagerung von Gran auf und eilte nunmehr gegen ben poluiſchen Prinzen, offenbar in der Abficht, ihn ebenfo wie einft ben Prinzen Biltorin von Böhmen abzufangen. Vielleicht Hatte eben viele Erinnerung die Polen gewitzigt. In der Nacht vom 26. Dezember 1471 eilte der junge Kafimir mit feiner ganzen Umgebung nach dem nicht fern gelegenen Schlofje Gilawa, und Pawel Jaſienski, deffen Armee jest nur noch 4000 Mann bes trug, blieb in Neitra zurüd. Schon batte Matthias die Be lagerung der Stadt begonnen, da gaben bie Polen ihre Sache verloren. Unter DVermittelung des Biſchofs von Fünffirchen Tapitulierten fie gegen freien Abzug des Heeres). Uber bie Bauern des Gebirges nahmen noch ihre Race für bie ihnen angethanen Unbilden. Sie fchlugen mehrere hundert aus bem polntichen Heere beim Rückzuge nieder, nahmen alle Wagen desfelben weg und plünderten fie völlig aus. Es war ein Häglicher Ausgang des mit fo großen Opfern und fo imeit läufigen Hoffnungen unternommenen Zuges. Wohl Hatte

1) Url. vom 19. Dezember, bei Katona XV, 511 ff.

2) In Danzig aber erzählte man fi (Schreiben aus Konig vom 29. Januar), der Prinz babe dem Könige eine Nieberlage beigebracht, ans welcher derjelbe kaum mit zwei Leuten entronnen wäre, und in Schlochau und Zuchel wurde bafür auch fchon Tedeum gefungen. (Dan- jiger Archiv.)

Ausgang des Feldzuges. 357

Matthias ein Recht, fich in Fröhlich ausgelaffenem Humor gegen Zdenek von Sternberg feines Erfolges zu rühmen und mit ipottender Geringſchätzung von ber Kriegsfähigfeit des polniichen Heeres zu wißeln, denn in Anbetracht feiner Lage vor wenigen Monaten war in der That fein Erfolg unermeklih. Als es gefchienen hatte, daß feine Stellung in Ungarn fraglich würbe, bemächtigte fich aller feiner Anhänger in Böhmen, Mähren und Schlefien eine lähmende Bedenklichkeit. Ihm zu belfen, machte fich feiner auf, vielmehr wurden überall, fchon bie Chancen des Abfalls berechnet. Selbft Breslau, die zuver- Läffigfte Anhängerin des Ungarlönigs, lehnte doch den Vorſchlag desfelben, ihm durch einen von Breslau oder Namslau aus- geführten Einfall in. Polen Luft zu machen, mit zwar triftigen aber wenig. tröftlichen Auseinanverjegungen ab. Noch jchlimmer war die Haltung der fchlefiichen Fürften und Stände. Und in Bolen kannte man ſehr wohl diefe an der Zukunft des Matthias verzweifelnde Stimmung. Alle Hebel wurden in Bewegung geſetzt, um ven Abfall zu ſchüren; Bitten, Drohungen, Preijio- nen aller Art. Nicht bloß, daß Matthias in Ungarn fich be⸗ bauptete und die Polen befiegte, jondern die Art, wie es ger ichehen, war won weithin wirkender Bedeutung.

Das Schiejal des polniichen Prinzen war mehr als be- klagenswert. Bon Gilawa aus hatte er fih nach einigen Tagen nach Roſenberg begeben, wo der polniiche Söldnerführer Komo- rowski fih erbot, ihm die hart unter dem Zatragebirge ge- legenen Schlöffer Liskowo, Arva und Hradek einzuräumen. Aber eine derartige Kondottierenrolle war boch für den Prinzen nicht geeignet. Er zog es vor, in fein Vaterland zurückzukehren, wo ihm König Kaſimir vorläufig Dobszyce als Aufenthalt an- wies. Pawel Jaſienski aber, der entgegen bem Abkommen bei Neitra dennoch von dem ihm nachmarjchierenden Heere des Königs angegriffen wurde, erlitt noch weitere Berlufte an Deannfchaften und Gerät, fo daß er mit Inapper Not bie vier Veftungen Gilawa, Turocz, Michneldberg und Libena bejeken Ionnten. Die Ungarn umlagerten fie fofort, und nach wenigen Wochen mußten fie von den Polen, die vergeblich auf Entjag

858 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1472.)

von ber Heimat aus gerechnet hatten, unter Ablieferung ihres Gepäcks, ihrer Pferde und Waffen geräumt werden. Nur die Feſte Sztropls im Marmaroszer Komitat, welde Nikolaus Berenyi, einer der verfchworenen Magnaten !) ben Polen über- geben Batte, blieb von einem polntihen Rottenführer beieit. Da einige von den feften Plägen bes Erzbiſchofs Johann ſich dem Könige nicht ergeben wollten, und felbft Neitra, mo ein polniicher Hauptmann Peter Kot, man wußte nicht recht, in weſſen Auftrage, da8 Kommando führte, wieder abtrünnig ges worben zu fein jchien ?), wurde der Prälat wieberum verhaftet, aber jehr bald machte ein Schlagfluß, ber ihm anfänglich bie Spracde raubte und [päter tötlich ausging, allen jeinen Ber legenheiten, in die er-burch bie Verbindung mit Polen geraten war, ein Ende. Auch der Biſchof von Fünflirchen, der über bie Grenze geflohen war, ftarb im bemfelben Jahre noch auf fremder Erbe, wie man in Polen fagte, durch Gift. Rainolb Rozgonhi verlöhnte fich zwar mit Matthias, mußte aber -alle feine Schlöffer abtreten, und auch er fand in berjelben Zeit auf eine in Polen mit Verdacht aufgenommene Art feinen Zod *). Nunmehr ftand Matthias wieder feiter da in feinem Reiche denn je, und das Rundſchreiben, das er an bie ihm befreumbeten Höfe richtete, atmet ebenjoniel ſtolze Genugthuung als Bitterkeit gegen ben Kaiſer, deſſen geheime Intriguen nicht verborgen geblieben waren. Die nächte Folge aber war ber bebeutende Umſchlag ber Stimmung in Schleflen unb in ber Laufig. Dort war man über den Gang der Dinge in Ungarn im ganzen Spätberbit völlig im unklaren. Die eigenen de fandten des Matthias, der Herzog Friedrich von Lieguig umb

der Graf Georg von Poefingen, welche verjuchen follten, eine Dibverſion von Breslau oder Namslau aus ins Werk zu ſetzen,

1) Nah Diugofz XI, 478 Nilolans Perenyi, nah Efchenloer IL, 252 Rainold Rozgonyi. Der Neifier Bertrag (Cihenloäör II, 277) zeigt, daß Dfugofz recht hat.

2) ©. bie Urkunde in Dogiel, C. d. P. I. 635, vom 30. Mär.

8) Eſchenlosr II, 252.

Not des Königs Rafimir 369

hatten fein Vertrauen in die Zukunft des Könige. Unter isren Augen ſprach ein Geſandter des Könige Kafımtr und ein Botſchafter des Erzbifchofs von Gneſen den in Breslau (23. Oft.) verfammelten fchlefifchen Ständen von der Notwendigfeit, fich ver. Krone Polen zu unterwerfen, und bie bilatorifchen Ant» worten faben keinesweges wie eine Ablehnung des Vorſchlages aus. Die Breslauer Hatten ſchon mehrere Gejandte nach Ungarn geichidt, erfuhren aber lange Zeit nichts. Nur das eine tröftete fie, daß die Polen immer ſchweigſamer wurden. Bald nach Neujahr aber ward der Grund diefer Zurückhaltung nur zu offenbar. Der Verluft der Bolen war, wie ber Bres- lamer Stabtichreiber bemerft, gar nicht zu ſchätzen 1). Selm letztes Geld hatte der König Kaſimir am diefe Expedition ge» jet. ‘Der Kaiſer Friedrich hatte bein Begime der Expedition nohrmfs urkundlich erlärt, daß er die dem Könige ſchuldigen 323,000 Dutaten im Verlaufe dieſes Jahres zahlen werve 2), und -viefesmal hat er auch Wort gehalten. Aber das war ein Tropfen auf den heißen Gtein®). Bon der Stabt Krakau hatte der König ein Darlehn von 13,000 Dukaten erhalten, das nunmehr auf vie Salinenerträge angeisiefen werben mußte *). Der königliche Schag war dermaßen ausgeleert, baß felbjt ber tägliche Bedarf ver Töniglichen Familie nicht mehr gedeckt werben konnte. Dazu kamen noch die aus Ungarn zurückkehrenden Soldner, bie ungeftüm ihre Löhnung forderten, und als fe igmen nicht verabreicht werben konnte, zur Plünderung ber fratauer Ortjchaften jchritten. Um ber Not zu begeguien, be rief ver König ben Reichstag auf ven 15. März 1472 nad Piotrkow, aber nachdem er erft anverthalb Jahre zuvor die außerordentliche Steuer nur durch die nachdrückliche Bürgichaft hatte erwirken können, daß er fie micht zur ſtändigen Pflicht

1) Es find die legten Worte bes Iateinifchen Eſchenloer.

2) Dogiel, Cod. dipl. Pol. I, 164, no. 14.

8) Chmel, Negefta, Nr. 6595. 6596. Die wieberholte Verzicht» leiſtung Eliſabeths auf bie Exbfolge, fo lange Exben da find.

4) Cod. dipl. civitat. Crac. I, 256.

360 Zwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1472.)

machen werde, ift es begreiflich, daß der Reichstag fich Ipröde verhielt und auf die Landtage verwies. Mit Not und Mühe wurbe die Bierdung- Steuer in Groß⸗ und SKleinpolen !) umb auch eine entiprechende Beichakung des Klerus in den Di tümern Gneſen, Krakau, Wlockawek und Pofen durchgefickt. Bon der Belaftung bes Lemberger Sprengels fcheint abgejehen worden zu fein. Zu den Entichließungen der Landtage trug es nicht wenig bei, daß unter der Yührung der ungelobnt ge bliebenen Söloner das Raubweſen wiever wie in ben Seiten des preußifchen Krieges eingeriſſen war.

Unter ſolchen Umſtänden war bei Kaſimir der Wunfch nad Friedensunterbandlungen gar ſehr verſtändlich. Schon mitten in dem Verlauf des unglüdlichen ungariichen Feldzugs Hatte er dem Dr. Tileman Schleht aus Köln, dem Bevollmächtigten des Papſtes, der ihm den am 27. Yuli 1471’ erfolgten Tod Pauls II. und die Beſteigung des apoftoliichen Stuhls durch Sirtus IV. fund machen und zugleich die Betätigung bes neugewählten Biſchofs von Krakau überbringen follte, die Er- laubnis erteilt, Verhandlungen einzuleiten, und ben Domherren San Watrobla mit jenem nach Ungarn abgeben laſſen. In⸗ deſſen fcheinen dieje Anregungen bei Matthias, der damals, im legten Monate des Jahres 1471, noch nicht Herr der Lage |

geworden war, kein Gehör gefunden zu haben. Und auch jpäter |

noch, als der Kaftellan von Sander, Stanislaw Watrobla als Unterhändler auftrat, geftattete er feinen Magnaten zivar der Waffenftillftandsfrage näher zu treten, und genehmigte am 29. März den Entwurf?) eines auf ein Jahr gültigen Ber trages, der die Waffenruhe für Böhmen und die Nebenläuver einſchloß, ohne jedoch des Könige Wladyslaw irgendwie Er- wähnung zu thun, hielt aber den Unterhändler noch fünf Wochen in Ofen auf, um inzwiſchen erſt ſeinen Sieg nach allen Seiten

1) Die bezüglichen Beſchlüſſe des kleinpolniſchen Landtags vom 6. OH. 1472 bei Bandtlie, Jus Pol., p 813.

|

|

2) Dogiel L. e. I, 62, no. 21, und Eihenlodr, ed. Kunild |

I, 274. .

Papſt Sirtu3 IV. 361

bin zu vervollftändigen. Dann erft durfte der Entwurf dem Könige von Polen vorgelegt werben, der jeboch fchweren Be denken begegnete. Denn wenn fchon das Mißgeſchick in Ungarn den Berzicht auf eine Verfolgung der dortigen Offenfivpolitif auferlegte, jo durfte boch nicht zu gleicher Zeit die Stellung des älteften Sohnes in Böhmen durch eine wenn auch nur vorläufige Verleugnung untergraben werben. Ungeachtet feiner Bebrängnifie lehnte Daher König Kafimir ven Vorſchlag ab, und jo fam am 8. Mai eine nur auf den ungariichen Kriegs⸗ ſchauplatz beichränkte Waffenrube zuftande !), die nur bis zum Johannistage währen folltee An dieſem Tage follte alsdann eine Konferenz von Vertretern Polens, Böhmens und Ungarns in Olmutz zufammentreten, um das Friedenswerk zur verjuchen.

Indeſſen hatten diefe Abmachungen nur eine fehr beſchränkte Bedeutung. Die Hauptfrage, welche die Enticheivung ber boͤhmiſchen Thronfolge einjichloß, war inzwiſchen von anderer Seite angefaßt worden. So fehr Papft Sirtus IV. auch den Schwerpunkt jeiner Thätigkeit in das fehr perjönliche Intereſſe ber Bildung eines erweiterten Kirchenftaats in Italien legte, jo konnte er fich doch nicht der Wahrnehmung jener Angelegen- beit ganz entzießen, welche bie ganze Chriftenheit betraf, und in welcher allein noch die univerfalen Tendenzen des Papfttums zum Ausdruck kamen. Gemeint ift die Türkengefahr. Einer⸗ jeitö geichab es, daß die Osmanen bereits durch Kroatien Hin bis nah Kärnten, Steiermark und Friaul Raubzüge machten und unmittelbar an die Thore Staliens pochten, anbererjeits erhob fich Hinter dem Rücken verfelben in dem Turkmenen⸗Chan Uſunhaſſan in Afien ein Feind, der nad einigen großen Er- folgen, nach der Eroberung Perjiend, Trapezunts und Sinopes behufs völliger Verdrängung des Sultans Mobameb IL. geneigt ſchien, der europäiſchen Ehriftenheit die Hand zu gemeiniamem Handeln zu bieten. Um die Zeit der Inthronifation Sirtus IV. begann der Konflift zwiſchen Mohamed und Uſunhaſſan in Karamanien fih zu einer großen Kataſtrophe zuzufpigen, und

1) Dogiel 1], 64, no. 22.

.

ſchon ftand der Doge Mocenigo von Benebig wit Uiargaffen in Beziehungen, die nur der Ausdehnung bedurften, um we Zürfen in eine verzweiflungsvolle Zuge zu verſetzen. Die game | Türkenſache ſchien in eine große weltumipaunende Konftellation "geraten zu fein, welche die römiſche Kurie micht ohne Untel fah wandeln lafſen wollte. Mit einer gewiſſen Großartiglkeit begann der PBapft feine Aktion. Bier der hervorragendften Kardinäle wurden als Legaten in die chriftlihe Welt hinans geiandt, um ein Bündnis der enropätichen Staaten zum Zwede ber Zürlenvertreibung zuftande zu bringen. Mochten am bie Ansfichten auf Erfolg gering fein, jo mußte doch fehen ber bloße Verſuch dem Papfte ein gewiffes Relief geben. Linzweifel- haft die fchwierigfie Aufgabe war dem Karbinal Marco Batbo, dem Patriarchen von Aqutleja zugefallen, der die Legation für Deutichland, Ungarn, Polen übernounmen hatte, denn Hier gef es politiiche, Tirchliche, dynaſtiſche Gegenſaͤtze zu vereinbaren, von einem Umfang, von einer Intenfivität, wie fie nirgende anderwärts in Europa zur Zeit vorhanden waren. Und bed war eben an ber Ausgleichung diefer alles gelegen, denn im Bereiche der Türlenfriege gab es keine wichtigeren und unıngäng licheren Organe als Ungarn, Polen, Böhmen, die eben im einen unentwirrbaren Zwiſt verwickelten Staaten. Diefer mußte vor erft gelöft fein. Gleichwohl war es doch blutwenig, was be | Papft angefichts feiner weitläufigen Abſfichten den Beteiligten zu bieten fich entichloß. Es Liegt uns die Injtrultion bes Kar dinals Barbo vor !), aber fie enthält weder die Unerkenmm der Rompaltaten, was man- in Böhmen verlangte, nmoch bit Annahme des Legitimitätsprinzips, was Polen gewonnen Haben wärbe, noch auch endlich ein nachdrückliches Eintreten für di Deitrebungen des Königs Mattbiad. Der übermäßige Aufwand von väterlichem Ton und bie „Leinen. Geichente”, welche bem

362 Zwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1472.)

1) Verkürzt und verftimmelt bei Theiner, Mon. Hung. I, 4% no. 622, und Telefi, Hunyadiak Kora XI, 459. Voliſtändiger im od. epist. saec. XV, 259, no. 225. Balady fest fie trrig in ben Ma, : die Annahme Szujskis, daß fie im Januar erteilt Kl, hat alles Fred. |

Marco Barbos Anftrultion. 368

Legaten zur Verwendung witgegeben werben, deuten doch an, daß die Kurie die kämpfenden Parteien für unmündiger hielt, als fie e8 waren. Dem Kaiſer wird für eine Ausſöhnung mit Matthias in Ausſicht geitellt, daß „bie Ehre ber deutichen Nation“ bei der nächſten Kreirung von Rarbinälen „Beräd» fihtigung‘ finden werde, aber der „italiiche Reichſtag“, bem der Kaiſer in der Türlenfrage für nötig gehalten batte, wird mit ber Zulunftsperipeltive auf eine „univerfale Tagſatzung der chrijtlichen Fürften" abgethan. Für König Matthias werben die füßeften Worte dem Legaten auf bie Lippen gelegt, jeder Zweifel an dem ausdauernden Beiſtande ber Kurie foll ihm benonmen, und für vie Beilegung ber Rebellion in Ungarn alle Auftrengung gemacht werben, unb wem ber König den Rarbinalshut für irgend jemanb verlange, dann fol ihm wie dem Sailer geantivortet werben, dafür aber müfle er in der böhmiichen” Sache „fi nach ben Zeitverhältniſſen ſchicken und die allmähliche Zerſerung der ketzeriſchen Partei abwarten, die, geitärkt Durch die Hilfe Polens, ohne Gewalt ibn doch nie als König anerkennen würde“. In dieſer ger wundenen Redensart lag eben nur das alte Programm ber Kurie einer Teilung Böhmens, das ja auch ber polniiche Kanzler Yalob von Debno feiner. Zeit für das rätlichfte gehalten hatte. Am eingehenoften aber beſchäftigt ſich Die Inſtruktion mit dem gegen Rafimir einzuſchlagenden Verfahren. Der Legat ſoll dem Könige bie ganze Gefahr feines Krieges mit Ungarn vor Augen führen und ihn zunächit auf den Weg der Berbandlungen leiten. Im erfter Reihe follen fich viefelben auf eisen längeren Waffen» ſtillftand beziehen, dann aber ſoll der Legat das Heiratsprojekt des Biſchofs Protas von Olmütz wieder zum Vorſchlag bringen, in welchen Mähren und Schleſien die nachher an Böhmen jurüdfallende Mitgift bilden jollten. Etwa erforverliche Rompen- fationen dürften durch Säcularifierung ehemaliger Kirchengüter in Bohmen gewonnen werden. Im äußerften Falle, wenn der Frieden nicht anders zu erlangen ift, Toll ber Legat eine Be⸗ jtätigung des Thorner Friedens in den auf die rein politiichen Momente vdesjelben bezüglichen Teilen anbieten, mehr aber

n 364 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1472)

keinesfalls. Endlich aber foll der Legat ein Schiebögeriht a bieten, und, wenn alles zurückgewieſen würbe, bie Sprache dahin verichärfen, daß der päpftliche Stuhl den Krieg zweier mächtigen Königreiche an den Grenzen der Chriftenheit, während die Um gläubigen dieſelben bedrohen, nicht dulden und mit Zenſuren und anderen Mitteln bazwiichen fahren werde.

Die Behutſamkeit, mit welcher die Kurie inbetreff ver Be ftätigung des Thorner Friedens vorging, läßt auf eine eigen⸗ tümliche Überfchägung der Bedeutung derſelben fchließen. Dam auf den Wunſch des Kardinals Marco ließ man in Rom pe Urkunden anfertigen, von denen die eine bie Deftätigung m der rein politiichen Punkte, die andere aber „in allgemeine Wendungen“ eine Beitätigung ohne Vorbehalt darftellte. M peinlicher Genauigkeit wurde alsdann dem Kardinal vorge jchrieben, wie zurüdhaltenn er mit diefen Gnaden zu verfaßee babe. Zu der vollen Beftätigung dürfe er fich nur dann herbei lafjen, wenn damit der endgültige Zriede in Böhmen werden lönne, und auch dann nur nach mancherlei das ber Kirche wahrenden Vorkehrungen *). Zugleich aber wurt dem Kardinal Bullen mitgegeben, die ihn eventuell im be Stand fetten, mit dem Bannftrahl gegen König Kafimir, ſei Söhne und alle Anhänger verielben vorzugehen 2), umd web noch gefährlicher werben konnte, alle Unterthanen, insbeſondete den deutſchen Orden, ihres Eides und ihrer Pflicht gegen de Krone zu entbinben.

Die vier in die Chriſtenheit hinausgeſandten Rarbinä hatten wenig Glück mit ihrer Mijfion. Weber in Fr noch in Spanien noch in Stalien fanden fie Neigung für if

1) Für die Methode hiſtoriſcher Kritik if es intereffant zu hören, biefe Vorratsbullen sub diversis datis alſo ſingierten angeferig werden ſollen.

2) Daß im Marz 1472 König Kaflmir in den Baun gethan werdet fei, erzählt Palady V.1, 62, unter Berufung auf bie Bullen bei Their ner, Mon. Hung. II, 431sgqg. Aber diefe Bullen enthalten eben c die Ermächtigung. Übrigens bat die durch alle Darfiellungen gehalt Erzählung vom Bann Raynaldi s. a. 1472 c. 29 auf ben Gewie

Pr agree ver

Kardinal Marco in Krakan. 365

Anliegen. Keiner aber hat ſo andauernd, ſo fleißig und ſo thatkräftig an ſeiner Aufgabe gearbeitet als Marco Barbo, aber auch ihm war kein Erfolg beſchieden. Nachdem er beim Kaiſer und bei König Matthias geweſen war, traf er am 4. Juli in Kralau ein. Bon dem feierlichen Empfange, ver ihm zuteil wurde, haben fich noch einige Reden erhalten. Der Domherr Zbigniew Olesͤnicki, ein Neffe des großen Karbihals, ließ fich in der Anſprache an ben Legaten die Erinnerung an jeinen berühmten Oheim nicht entgehen, und der junge Prinz Kaſimir wiederholte eigentlih ver Sacde nad fein Manifeſt vom vorigen Sabre, was jebenfall® für Briedensausfichten nicht günftig zu deuten war). Um ben großen Öintergrund ber päpftlichen Vermittelung gleichſam zu illuftrieren, trafen in denfelben Tagen von Venedig ber die Geſandten des Chans Ufunhaſſan in Krakau ein, um König Kaſimir für den Krieg gegen Mohamed zu gewinnen. Ehe aber dieſe Gejandten wieder bei ihrem Gebieter zurüd fein konnten, hatte ihn ſchon das Geſchick ereilt, denn die Osmanen Hatten ihm am 18. Auguft 1472 am Koralis-See und ein Jahr darauf am 26. Juli bei Terdſchan Niederlagen beigebracht, die feiner gefamten meteo- riſchen Herrſchaft in raſcher Folge ein Ende machten ?.. Was

1) Die beiden Reben im Cod. epist. saec. XV, 341g. Nah Dlu⸗ goſz folen auch die Prinzen Jan Albrecht und Alerander Anfprachen gehalten Haben. Mit Rüdficht auf die wiederholten Einftellungen des Gottesdienſtes durch den Krakauer Klerus wegen Anweſenheit gebannter Leute (dev Böhmen) erteilt ber Karbinal ben Rat der Stabt Krakau ein ansnehmenbes Privileg. Cod. dipl. civit. Crac. I, 256. ine lirch- liche Privilegierung für Spytel von Melsztyun duch den Karbinal Marco in Akta grodzkie VI, 163.

2) Zintelfen, Gefchichte der Osmanen II, 350f. Belanntlidh er- st Dtugoſz XII, 509 nad den Mitteilungen des Venetianers Catering Zeno, der drei Jahre bei Ufunhaflen war, ungefähr das genaue Gegenteil. Aber Eat. Zeno war offenbar ein Schwäker und auch König Kaſtmir muß ihn dafür gehalten haben. Denn die ganzen Projekte von ner Heirat der „ſchönen“ Tochter Uſunhaſſans mit einem poluifchen Knigsjohn, und die Räumung des byzantiniſchen Reichs nach der Ein- nahme von Konftantinopel machten auf den König den Eindrud, wie auf un: „nihil pensi habere visa sunt“.

365 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1472.)

alſo aus dieſem Motiv der Legation des Kardinals auf die Barteien wirden konnte, das lag überholt und weſenlos in ber Bergangenheit. Aber niemand hatte ja wohl auch bie Zärken- gefahr ſehr ernftlich genommen; fie war eine Phraje der Zeit, welche die Selbitjscht mit einigem Flitter allgemeinen Interefles . auszierte. Indeſfen die Paziflfation der drei Königreiche des Oſtens war ja auch an und für fich eine Kinfängfich würdige Aufgabe für ven Kardinal, und er widmete fih ihr mie Eifer und getreu jeiner Inftruftion. Um zunädft einen Waffen⸗ ſtillftand herbeizuführen, jchlug er eine Zuſammenkunft vor Notabeln aus den drei Neichen vor. König Kafimer willigte darein, daß fie am Michaelistage ftattfinden ſollte. Matthias jedoch war weniger entgegenlommend. Ihm jcheint bie päpſtliche Intervention, die ihm wenig bot, ungelegen gelommen zur fein. Schon die am 31. Mat zu Deutſch⸗Brod zwiſchen den Ber tretern der beiden großen Fraktionen in Böhmen zuſtande ge brachte Einigung auf ein Yahr ?) lag wenig in der Nichtum jeiner Wünſche. Er hoffte jedoch das Mittel gefunden zu haben, um die ohnehin auf ichwachen Füßen ftehende Regierung We dyslaws in Böhmen gam zu entwurzeln. Hatte dach ver legtere unter der Bürgſchaft und Zahlungspflicht feines Waters fih anheiſchig gemacht, die Schulden des verjtorbenen Georzg Podiebrad zu tilgen und namentlid; auch den Prinzen Biltorin zu löſen. In der wohlbegründeten Überzeugung, daß König Kafimir jeder Zumutung zur Zeit eber entgegenzukommen im jtande ſei, al8 einer am feine Kaſſe, ſchickte Matthias feige von Prinzen nad) Böhmen mit der fategoriichen Forderung, ihm mit 100000 Dukaten zu ranzionieren. Viktorin und eine Anzahl von Herren aus der utraquiſtiſchen Partei jtellten auch einen Revers auf den 10. November ale Bnhltag aus. Km jo ungeftümer forderte man nun aber in Böhmen die Erfüllung der betreffenden Kapitulation von ven Yagiellonen, und da weder in Prag noch in Krakau verfügbare Gelpmittel vorhanden waren, jo mußten die Bürgen Viktorins anfangen ihre Güter

1) Archiv tesky IV, 4ö6aqg.-

Matthias und der Kardinal. 367

zu verlaufen, und ber Prinz Lonnte ſich nur durch Abtretung der Herrſchaft Kolin, aljo einer Landſchaft innerhalb des Kron- landes, an Matthias decken. Die polniſche Dynaſtie gewann dadurch keine Freunde, und der Abfall des jungen Wilhelm von Pernſtein, ſowie insbeſondere auch eine ſehr auffällige An- näherung des Prinzen Heinrich von Münſterberg an die Tatballiche Partei und an die Breslauer ließen für fie eine bedenlliche Wendung abnen. Die Bebeutung des jungen Königs in Prag ſank durch ſolche Untergrabung vonſeiten ded ungariichen Neben- buhlers töglich mehr. Über dieſer war noch weiter gegangen. Seit dem Frühjahr unterbandelte er, auf die Gefahr Hin, vom Papfte getadelt zu werben !), mit Mohamed wegen eines Yünb- niſſes gegen Uſunhaſſan, wenn ber Sultan ihm Bosnien unb Serbien überlafjen wolle, und von dem Wunſche getragen, fich doch auch an dem Kaiſer, ven er als ven Urheber, Helfer und Berater ver ungariichen Berfchwörung erkannt hatte, zu rächen,

leitete er den Strom ber habgiegigen „Zebralen“ und „Brüber-

zotten“ nad Oſterreich hinein, fo dag Kaiſer Friedrich in feiner Angit und Bedrängnis zu jeden Zugeſtändnis bereit mar und in einem durch dem Legaten Lorenzo Rovarella zuftande ger brachten Vertrage fich verpflichtete, auf dem nächiten deutſchen Neichdiage Matthias allein als König von Böhmen unb als Rurfürften anzuertennen.

Alle dieje Verhältniſſe jteigerten die Zuverſicht des Ungar⸗ königs dermaßen, daß er ber Vermittelung bes Karbinals nichts weniger als bereitwillig entgegentam. Dem Wafjenftiliitanbs- Entwurf, den ihm der Kirchenfürft von Kralau aus durch Leonardo da Perugia zufandte, ftellte ex eine Faſſung gegenüber, die wieder in Polen, durch ten dalmatiniſchen Biſchof von Zinin vorgetragen, verwerfende Mißbilligung fand. Allmählich hatte fich ver politiiche Gegenſatz zu einem ſtark perläslichen Haß entwickelt, jo daß Matthias in feiner praftiichen Ausdrucks⸗

weile vernehmen ließ, er werbe dem fahlläpfigen Kafimir noch .

die legten Härchen vom Scheitel auszupfen. Derfelbe Groll

1) Raynaldi, Ann. eccl. s. a. 1472. Katona XV. 686.

368 Zwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1472.)

gegen ven „Emporkömmling“ und „Urfjurpator” war auch im polnifchen Königshauſe vorberrichendes Gefühl, und man darf den Optimismus bes Kardinals Marco wohl bewundern, ber trogdem die Hoffnung nicht aufgegeben Hatte, mit dem im feiner Inſtruktion vorgezeichneten Seiratöprojelt noch Einbrud zu machen. . Aber er vechnete auf die finanzielle Not und Be drängnis Kaſimirs. Unter feinen Augen gingen bie mübfeligen Verhandlungen des Königs mit dem kleinpolniſchen Landtage wegen eines Steuerzufchlages zum Zwecke der Ablöhnung der im ungariichen Feldzuge gebrauchten Söldner vor ), und auf auf dem Neichätage zu Piotrkow, wo eine Geſandtſchaft aus Prag mit der dringenden Bitte um Geld und Mannfchafter eingetroffen war, gelang es dem Könige doch nur eine Summe von 10000 Dulaten zu erlangen, die ihm die Abſendung einer Rotte von 500 Mann zum Schuge von Kuttenberg ermögfichte. Der gewünfchte allgemeine Steuerzufchlag wurde doch wieder auf die Landtage verihoben. Der Karpinal konnte aus biefen Vorgängen erjeben, wie wenig die dynaſtiſche Politik des Königs in den polniſchen Ständen Unterftägung fand, und die je länger er in Polen blieb, zunehmenden Erfahrungen von Ge⸗ ringihägung feiner Perfon und feiner vermittelnden Altion mußten ibn belehren, daß er mit jeiner Rechnung auf ben guten Willen der Parteien nicht weit fommen werde. Als daher die Präliminarien fich allzu fehr in die Länge zogen, jchrieb er jelbft am 20. Oktober aus apoftoliicher Machtvoll⸗ kommenheit einen Waffenftillftand bis zum 1. Mat 1473 ans, innerhalb welcher Zeit eine Konferenz von Bevollmächtigten ver beiden Könige am Lichtmeßfefte oder an einem anderen beliebigen Tage in Neiße ftattfinden ſollte?). König Kafimir zögerte lange mit feiner Zuftimmung, und mit vollem Necht, denn in bem Ausichreiben war von feinem gefrönten Sohne Wiaby8fan lediglich al8 feinem „Exftgeborenen“, nicht als einem Könige, und von einer Vertretung Böhmens überhaupt nicht bie Rebe.

1) Bandtkie, Jus. pol., p. 318. 2) Dogiel, Cod. dipl. Pol. I, 64, no. 23,

Die Neißer Konferenz. 369

Es bat daher feine beſondere Bedeutung, daß er in feiner endlich am 9. Dezember erfolgten Einwilligung !) ausprüdlic das Königtum von Gottes Gnaden feines Sohnes bervorhob und der Gejandtichaft, welche ihn und feine Söhne in Neiße vertreten follte, ven Böhmen Bene! von Weitmühl zugefellte 2). Großes Bertrauen hatte man in Polen zu der Konferenz feineswegs, denn drei der Bevollmächtigten, die Balatine Lukas von Gorka, Dzierslaw Rytwiauski und der Marſchall Ian Rytwiauski, welche mit den Biihöfen von Gnejen, Krakau. und Wlockhawek und den Dom- herren Ian Dlugoſz und Jakob von Szadek neben Stanislaw DOftrorog, dem Palatin von Kalisz nach Neiße hätten gehen follen, entzogen fih unter Vorwänden der ihnen aufgetragenen Pflicht. Energiicher konnte jchon die Unterjcheibung zwiſchen dem dynaſtiſchen Intereſſe des Könige und ber murrenden Zurüdhaltung der Stände nicht ausgebrüdt werben, und es verbient bemerft zu werden, daß der König fich für bie zähe Kargheit ver polniichen Landtage Erjag in Litauen zu fchaffen bemüht war, wo man ihm eben in dieſem Winter ein außer orbentlihes Hufengeld von 6 Groſchen bewilligte.

Wann Matthias der Neifer Konferenz zugeftimmt Hat, ift nicht feftgeftellt. Die Vollmacht für feine Gefandten datiert erjt vom 12. Februar 1473 3), aljo nachdem Lichtmeß längſt vorüber war, und die Teilnehmer der Tagſatzung bereits in Neiße fich befanden. Auch er hatte drei Bilchöfe, drei Mag⸗ nnaten, einige ‘Doftoren und gleichlam, um dem Benes von Weitmühl die Wage zu halten, den Böhmen Albrecht Koftka von Poftupie, der jegt in feinen Dienften ftand, und deſſen Zulaffung früher die Polen beanftandet hatten, gefchidt. Da

1) Dogiell.c.. p. 61, no. 20, von Thorn am 29. Dezember 1472.

2) Die Ernennung der Bevollmächtigten erfolgte nad Archiv Ceaky IV, 460 am 1. Januar in Brzesé. Benes ift mitten unter den Polen genannt. Der bort erwähnte Ian Dobrhoft if Ian Diugofz. Aller dings fagt Diugofz XIII, 489, daß auch der König von Böhmen neun Bevollmächtigte hätte fenden follen, aber wegen Kürze ber Zeit nur einen gef&hidt Hätte. Davon fteht aber nichts in dem Ausfchreiben des Karbinals.

3) Archiv tesky IV, 461.

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 24

370 Zwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1473.)

der Kardinal bie Langiwierigfeit der Verhandlungen vorausiah, verlängerte er zunächſt die Geltung des Waffenftillftande bis auf den 27. Mai’) und trat alsdann mit dem in feiner In⸗ ftruftion vorgefehenen Deiratsprojefte hervor. Aber die Natur derartiger Konferenzen im 15. Jahrhundert war diejelbe, wie nach dem witzigen Spott Enea Sylvios die ber deutſchen Reichdtage: jede derſelben trug eine neue unter dem Herzen. So in den Gegenftand jelbft einzubringen, wie es ver Karbinal wünfjchte, war gar nicht die Abjicht der SKonferenzmitglieder gewefen. Das einzige, worüber eine Vereinbarung möglich ichten, beftand in ber Feſtſtellung der Zuſammenſetzung und ber Tormalitäten einer neuen Konferenz. Denn die anfangs ver- Sandelte Frage wegen eines Schiedsgerichts, die der Kardinal jeiner Inftruftion gemäß aufs Tapet brachte, fcheiterte an ber Zwieſpaltigkeit der Anfichten bezüglich der Vertrauensperſonen. Die Polen wollten den Raifer und die Kurfürften, oder aud den König von Frankreich nebit zwei Kurfürften, bie Ungarn ven Papit und die Kardinäle mit dem Schiebsjpruch betraut wiſſen. Dean ging alſo davon ab und beichloß vielmehr eine neue Konferenz, beſtehend aus 8 Polen, 8 Ungarn und 12 Döhmen (je 6 aus jeder Obedienz des geteilten Neiches) ix Zroppau vom 15. Auguft an tagen zu laffen, jedoch fo, daß bie drei Könige fich in folcher Nähe bielten, daß es jeden Augen- bli möglich würde, die Konferenz in einen Kongreß zu ver wandeln. Wenn aber die neue Konferenz, innerhalb welder die Speziell polnifch- ungarifchen Streitpuntte unter Ausſchluß der Böhmen verhandelt werden jollten, binnen 40 Xagen ji feiner endgültigen Entſcheidung gelangen würde, dann follte entweder Herzog Karl der Kühne von Burgund oder Kurfürft Albrecht von Brandenburg die Auswahl war Matthiat überlafjen oder im Behinderungsfalle der beiden ber König von Frankreich als Schiedsrichter angerufen werben. Die Feſte Sztropko jollte bis Pfingften wieder an Nikolaus Perenhi au geliefert, und biefer felbft von Matthias wieder in Gnaden auf

1) Dogiel, Cod. dipl. Pol. I, 67, no. 24.

Die Troppauer Konferenz. 371

nen werben. Inzwiſchen follten ſowohl Matthias als Ham ihre Anhänger in Böhmen des Eides entbinven, f einem Landtage in Beneſchau eine vorläufige Landes⸗ ung geordnet werden, damit für den Ausfall des Troppauer ſpruchs ein freier Boden geichaffen werde !). imir erhielt die Nachrichten von dem Verlauf des Neißer in Lublin, auf feiner Rückkehr aus Litauen, und berief ben Reichstag nach Piotrlow auf den 1. Mai. Da ie Kleinpolen, die fich bet der letzten Verteilung ber t Amter benachteiligt glaubten, ſchmollend ausgeblieben mußte der Reichstag auf die Pfingfttage nach Radom werden. Die beftigfte Einrede gegen die Annahme der Beichlüffe, welche der Kandidatur des Prinzen Kaſimir arn definitiv ein Ende machten, ging begreiflicherweife n Männern aus, welche bie Expedition vom Winter 472 verpfuicht Hatten, von Dobieslaw Lubelcezyk, Ian vo von Woinie und Stanislaw Watrobla von Sandecz. die Majorität erfannte doch, daß der König „die Lage e Machtmittel richtiger zu ermefjen wüßte”, und nahm tferenzbejchlüffe nach heftigen Auftritten gegen ben Gneſner of, dem man den Verrat ber polnifchen Intereſſen f, völlig an, zumal mittlerweile die Nachricht eingetroffen auch der gemeinfame Landtag von Benefchau diejelben rt und bie Landesordnung demgemäß eingerichtet hätte. fasung von Sztropfo wurde alſo zurüdgezogen, und bie ung des Troppauer Tages jofort angeorbnet. ‘Den hof Ian Gruszczyüski von Gneſen ließ man dieſesmal se. Den Bilchöfen von Krakau und Wfockawel, dem ern Ian Dlugoſz und dem Palatin Stanistaw Oftrorog, an in Neiße bie Sache Polens vertreten batten, gejellten t der Balatin Lukas von Gorka, Dobiesfaw Kmita von und Ian Rytwianski, der Marſchall des Königs, ſowie zekanzler Zbigniew Dlednidi. Und als bie Zeit gefommen og der König felbft mit einem Geleit von beinahe 6000

Eihenlodr II, 278. Archiv tesky IV, 460. 24 *

372 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1473.)

Mann nach Aufchwig, während jeine Bevollmächtigten, umgeben von einer prächtigen Reiterſchar und begleitet von einer Anzahl federkundiger Doktoren in Troppau eintrafen !). Ebenſo Hatte ſich König Wladyslaw von Prag ſchon nad Glatz begeben, und von dort feine Bevollmächtigten, deren Führung der Prinz Heinrich von Münfterberg übernommen hatte, nach dem Kon ferenzorte abgehen laſſen. Die Befliffenheit der polniſch⸗ böhmifchen Partei auf der Konferenz zu ericheinen, wird Leicht erflärlich durch die Erwägung, wie viel ihr daran gelegen fein mußte, trog dem Geruch der Ketzerei vor einem Karbinallegaten ihre Sache führen zu können. In Neiße waren doch feine ges bannten Leute erſchienen, bier aber follten nun 6 thatſächlich erfommunizierte Herren vor dem Vertreter des Papftes gehört werden das war Doch der Anfang deffen, was bie Kon paktatenpartei allzeit gewünfcht und erftrebt hatte. Die Ungarn hingegen hatten dieſen Antrieb nicht und Tiefen fich Zeit. Matthias ging nicht, wie man in Neiße beftimmt hatte, nach Drünn, fondern nad Norbungarn, wo er einen von polnifcher Hand angelegten Streich abzumehren hatte. Der aus Sztropko ablommanbterte polniſche Heerführer Ian Bialy nämlich hatte fih mit feinen Rotten vaubend und plünvdernd in dem nörd⸗ lichen Gebiete ausgebreitet und die Scharen unbezahlter Söldner, die im Krakauiſchen lagerten, über die Grenze gelodt. Es ift ſpäter darüber geftritten worden, ob der König von Polen jeine Hand dabei im Spiele hatte, jedenfalld lag der Vorgang ſehr in feinem Intereffe und jtellte eine vergeltende Nad» abmung deſſen dar, was Matthias wiederholt mit Erfolg gegen Oſterreich ins Werk geſetzt hatte. Dieſe „Brüderplage“ war um fo gefahrvoller, als die Söldner von Nikolaus Perenyi, der den Zorn des Hunyaden trotz der Stipulation von Neiße fürchtete, die Feſte Sztropfo als Stützpunkt ihrer Raubgänge . wieber erhielten. Matthias widmete fich zunächit der Beſeitigung diejer Verlegenheit und mochte alfo umfoweniger in Brünn

1) Der Geleitöbrief des Matthias (Inventarium dipl., p. 35) lautete jür 1000 Reiter.

San Rytwiauskis Rede. 373

die Ergebniſſe der Troppauer Konferenz müßig abwarten, als er wohl ſchwerlich an eine definitive Löſung der böhmiſchen Frage durch dieſelbe geglaubt hat. Überdies hatte ihn bie Haltung des Herrenbundes in Böhmen und insbejonvere die des Zdenek von Sternberg jeit dem Beneichauer Landtag feines» weges jehr befriedigt. Die Gegenſätze ber Interefjen begannen fih immer lauter bervorzubrängen, und Matthias glaubte nicht, daß die Verhandlungen vor dem Karbinal der Anhäng- ichleit des Bundes förderlich fein werben. ‘Daher fam, wenn auch etwas verfpätet, nach Troppau wohl eine ungarifche Dele- gation, die ligiftiiche Partei der Böhmen aber hatte ihre ſechs Bevollmächtigten nicht gejchidt.

Die Konferenz begann infolge dieſer Umftände erit am 13. September und zwar mit einem Mißton fchon infofern, als der Karvinal Marco den anwefenden Czechen den Vorwurf ber Ketzerei nicht vorentbielt, und die Polen wegen der Protektion derſelben tadelte. Für die Polen führte Ian Rytwiauski das Wort in polniiher Sprache, während Zbigniew Dleönidi, der Vizekanzler, die Rede ind Lateiniiche überſetzte. Wenn man fich erinnert, mit welcher [honungslofen Härte derfelbe Ian Aht- wiauski einft den polniihen König im offenen Reichstage be» handelt Hatte, dann muß man eine ſehr tief gehende Ummwand- lung jeines Urteild über den Monarchen annehmen, wenn man ihn jest denjelben preifen bört als einen Mann von „Keufch beit, Fruchtbarkeit, Milde, Rechtlichkeit, Enthaltfamleit, Gerechr tigkeit, chriftlicher ©läubigkeit und Andacht, Demut und Sanft⸗ mut”. Unzweifelhaft waren jeine biesmaligen Ausfprüche beſſer begründet als in jener Tadelrede. Noch mehr aber fette fich ber Redner mit feinen vormaligen Ausfagen in Widerſpruch, als er, um ben Emporkömmling Matthias zu geißeln, in über- ihwänglichiter Weije von dem alten Adel Kafimirs, „der aus der edeljten fürftlichen Wurzel aus Rußland entiproffen wäre“, zu jprechen begann, während er im Reichstage den Vater feines Königs als einen „unbelannten, obſkuren Heiden, den Fürften eines winzigen Diftriktes in Litauen, der alles, was er geworben, nur den Polen zu verbanten hätte”, mit rücfichtslofer Dreiftigs

374 BZwölftes Bud. Drittes Kapitel. (1473.)

feit bezeichnet hatte ?). Yon derſelben ſchäumenden Prablerei var die Darftellung von dem Machtumfang des Polenreiches, das eben erit „das Land Preußen erhalten hätte wider aller Deut ſchen Macht”, „das der einzige Staat wäre, fähig die Chriſten⸗ heit von den Türken zu befreien“, „veflen Gebiete vom Aufgang der Sonne bis zur Mitternacht reichten“, Prahlereien, bie fih um fo kläglicher ausnahmen, als fie im Angeficht von Männern ausgeiprochen wurden, die ven ungarifchen Feldzug vom Winter 1471 mit erlebt und in friicher Erinnerung hatten. Übrigens gab Jan Rytwiauski feiner Rede eine Wendung, bie Härlich zeigte, daß die Polen nicht geneigt wären, an der That ſache des Königtums Wladyslaws in Böhmen rütteln zu lafſen, was doch der Neißer Abichteb immerhin bebingungsweile in Ausficht genommen hatte. Darum ſprach er auch von biefem mit feiner Silbe. Die Wiverlegungen des Karbinals, der da erklärte, daß er fich Lieber Die Zunge abjchneiven Tiefe, als daß er von Ketzerei dort nicht ſpräche, wo fie thatfächlich und erwieſen vor- handen wäre, und die Erwiderung der Ungarn, welde bie Abwejenbeit von Bevollmächtigten der ligiftifchen Partei doch nicht befriedigend begründen konnten, erbigten die Gemüter auf beiden Seiten. Man begann mehr zu zanfen als zu verhandeln. Sormfragen und Vorfragen wurden zu ungemefjener Bedeutung angeihwelit, und ſehr bald ftellten fich wenigjtens einige Mo⸗ mente deutlich heraus: erjtens, daß bie Bolen und Böhmen den Kardinal für parteiiich und von der ungariſchen Seite ge wonnen erllärten und demgemäß von ben weiteren Verbands ungen ausgejchloffen wiljen wollten, zweitens: daß fie das Ab⸗ kommen von Neiße weder für die Grundlage der Troppauer Konferenz noch überhaupt für verbindlich anfahen, denn fie er Härten geradesu, daß der Erzbiihof von Gneſen bei feiner Anerkennung der Neißer Beihlüffe im Widerfpruch mit

1) Eſchenlosr macht bei diefer Ditteilung bie Bemerlung: „Gedenle, Daß alle Menſchen einen erſten anbebenden Bater gehabt haben“ Diu- goſz XIII, 567 äußert beim Jahre 1478 in einer Rüge bed Ahnen⸗ ſtolzes der Königin Eliſabeth: „nom advertentes omnes nedum homines sed et reges ex stercore ereotos esse.“

——

Scheitern der Konferenz. 375

ſeinen Kollegen und gegen die ihm erteilte Inſtruktion gehan⸗ delt habe, drittens endlich: daß die Konferenz in ihrer der⸗ maligen Zuſammenſetzung und bei ihren beſtrittenen Unterlagen keinerlei Ergebnis verſpreche. Auch der Verſuch, mittels eines Ausſchuſſes von je zehn Mitgliedern von jeder Seite, und eines noch engeren von je vier Mitgliedern aus jeder Partei brachte ebenſo wenig eine Verſtändigung zuwege, als eine Unterredung zwiſchen Gabriel Rangoni, der jetzt Biſchof von Siebenbürgen war, und dem Prinzen Heinrich von Münſterberg. Bon uns gariicher Seite ward bis zulett noc, immer das Heiratsprojekt als die allein geeignete Friedendunterlage dargeftellt, zumal eine Entichäbigung der von Matthias auf die böhmifche Sache aufgewandten Koften, die er auf nicht weniger ale brei Millionen Dufaten anſchlug, auf andere Weiſe doch nicht berbeizufchaffen fein würde. Die Bolen lehnten dieje Borjchläge rund ab, und am Ende ſchloß die Konferenz lediglich mit einem großen zufanmen- faffenden Proteft der ungariſchen Bevollmächtigten. Der Kardinal fol mit Thränen in den Augen das Fiasko feiner Sendung Tonftatiert, und am 28. September, nachdem bie Parteien ihre Zuftimmung zur Fortdauer des auf ein Jahr verlündeten Land⸗ friedens in Böhmen gegeben Hatten, die Konferenz gefchloffen Gaben. Der Kardinal begab ſich nunmehr zum Kaiſer und überließ die Fortführung der Vermittelung im Dften einftweilen feinem Gehilfen, vem Dr. Bartholomäus de Mafia.

376 Zwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1473.)

Biertes Kapitel. Diplomatifche Kämpfe und unerklärter Krieg. Kafimirs Feldzug und Niederlage in Schleſien. Der Breslauer Waffenſtillſtand.

Die Troppauer Konferenz hatte noch einen Hintergrund, der ihre Unfruchtbarkeit hinreichend erklärt. Im weſentlichen war ſie doch nur ein Spiel geweſen, das die Streitenden mit ſcheinbarem Ernſt betrieben, um vor dem Papſte nicht direkt ins Unrecht gejegt zu werben. Matthias ebenjo wohl wie bie Prager Kompaltatenbelenner burften fich ven Weg zum Ober baupte der Kirche nicht verjperren, und darum mußte ber ge räuſchvollen Intervention des neuen Papſtes durch den Kardinal Marco Ehre angetfan werben. Inzwiſchen aber verfolgten alle Beteiligten ihre jachliheren Bahnen. So weit der ganze Konflikt die böhmiſche Thronfrage betraf, lag ein höchſt wich tiges Element in der Hand des Kailerd, der dur die Aus erfennung eines der Prätendenten als Kurfürjten bes beutjchen Neiches ein überaus bedeutungsvolles Vorurteil für denſelben zu jchaffen vermochte. Bei der Unflarheit und Vieldeutigkeit der kaiſerlichen Politif wird es ſchwer zu jagen, nach welder Seite bin fich die Schale jeiner Neigungen mehr berunterjentte. Wenn e8 irgendwie möglich gewejen wäre, würde Friedrich wohl an dem nach dem Tode Georg Podiebrads im Neichätage aus⸗ gejprochenen Prinzip, überhaupt feinen Unbeutichen in Prag auffommen zu lafien, feitgehalten haben, nicht aus nationalem Eifer, jondern einerjeitS aus Opportunitätsgründen und anderer ſeits aus Selbitjucht, denn der Gedanke einer habsburgiſchen Herrihaft in Böhmen ift wohl niemald ganz außer aller Er wägung geblieben. Allein wenn e8 auch dem Katjer an Zähig⸗ feit ficher nicht fehlte, jo war er doch, von einer Verlegenheit in die andere ftürzend, feinesiweged der Mann dazu, um einem Prinzip zum Leben verhelfen zu können. In der argen Not lage, die ihm Matthias im Herbſt 1472 durch die Söldner

Kaijer Friedrid. 377

und Türken in den Erblanden bereitet hatte !), war er zu der Berjicherung bereit, daß er ihn auf dem nächften Augsburger Neichätage im Frühjahr 1473 als Kurfürften anerkennen werde, aber nachdem er wieder Ruhe gewonnen, ift er nicht bloß dieſer Zuſage nicht nachgefommen, jondern fing vielmehr feine aus vielen Urſachen ihm am Herzen liegenden Beziehungen zum Herzog Karl von Burgund mit um fo größerer Negiamkeit zu bearbeiten an, als er dieſen machtuollen Fürſten in einem frei» lich nur formalen Bündnis mit dem Könige von Ungarn ſtehend wußte. Es ift bier nicht der Ort, den umfänglichen Sinn der Zujammenkunft des Kaiſers mit dem Burgunder in Trier, die fat gleichzeitig mit der Zroppauer Konferenz jtatt- fand, auseinanderzujeken. Für unjern Zweck genügt der all⸗ gemeine Hinweis darauf, daß Die großen Zugeſtändniſſe, bie Friedrich dem Herzog zu machen bereit war, unter anderem eben von der Abficht eingegeben waren, in Karl eine Stütze zu gewinnen, die e8 ermöglicht hätte, jowohl dem Hunyaden al8 dem Yagielloniven die böhmiſche Kur zu verjagen. Bes fanntlicb aber jcheiterte der Zrierer Kongreß noch ſchlimmer al8 die Troppauer Konferenz, und die Trage trat um fo brennender hervor, wem von den Prätendenten ber Kaiſer jetzt das beutiche Reichsamt verleihen würde.

Jedenfalls hatte am polnischen Hofe der Vertrag zwiichen Friedrich und Matthias vom Herbft 1472, der die Anerkennung bes letzteren als Kurfürften in Ausficht ftellte, einen verwirren- . den Schreden verurfacht, der fich erft legte, als die Aufflärungen vonjeiten des Kaifers darüber eintrafen. Im ©egenteil begann das frühere Treiben von neuem, injofern der Kaiſer aufs bringendite anriet, den Krieg gegen Ungarn wieder aufzunehmen, und namentlich vor jeden Zugeſtändnis in den Verhandlungen vor dem Kardinal warnte. Leider bat ſich von der Korre- jpondenz des Kaiſers mit Kafimir aus dieſer Zeit nur ein Drief erhalten, der da zeigt, daß man in Polen die Dispofition

1) ®gl. Annales Mellicenses, Contin. in Perg, Mon. hist. Germ, x], 522.

378 Zwölftes Bud. PBiertes Kapitel. (1473.)

des Kaiſers auch für die preußiiche Frage benuten, und ihm eine Anerkennung des Thorner Friedens abbringen wollte. Bei der geringen Empfindlichkeit Friedrichs für die nationalen Intereſſen war e8 viel von ihm, daß er in dem Augenblid, wo ihm an dem polnischen Wohlwollen fo viel gelegen war, noch den Diut hatte, dem Könige zu erflären, daß er nach eingeholter Information die Bürger von Danzig als Unterthanen feiner Gerichtsbarkeit anjehe und dieſe auch auszuüben wiſſen werde !). Dies Icheint aber feine fonftigen Betreibungen nicht beeinträchtigt zu baben.

Man wird wohl nicht feblgehen, wenn man annimmt, daß die Eingebungen des Kaiſers durch die Königin Eliſabeth ihren Weg zum Ohre des Könige fanden, und dag nunmehr ihr Ein- Fluß, infofern es fich bei allen diefen Fragen um die Dispofition über ihre Kinder handelte, beherrichend in den Vordergrund trat. Für fie war die Verbeiratung ihrer Tochter mit dem Hunyaden, der ihr nach ihren Borftellungen ihr Erbland ge raubt batte und vorentbielt, durchaus indiskfutabel. Damit war die ganze Vermittelung des Kardinals, der im Weſent⸗ lichen feinen andern Weg zur Lölung kannte, hinfällig. Aber diefer unbeugiame Stolz der Legitimität fand doch felbft in der unmittelbarften Umgebung ver föniglichen Familie Wider⸗ ſpruch, und ſelbſt Jan Dliugoſz, ver in Neiße und Troppau den Borichlag des Kardinals perhorresziert hatte, bat doch in feinem Geſchichtswerke die Hartnädigleit der Königin beklagt und gefunden, baß das Heiratsprojeft noch immer bie für Polen vorteilbaftefte Polttit gewejen wäre 2). Solche Geſin⸗ nungen verdienten Rücficht, und darum ließ man die Neger ziation des Kirchenfürften ihren Weg geben, inzwiichen aber betrieb man das Entgegengefegte. Bon eben demſelben Reiche⸗ tage zu Radom (Pfingften 1473), der die Präliminarien von

1) Schreiben bes Kaiſers an den König, aus Augsburg, 9. Mai 147. Danziger Ardiv. - 2) Er jagt das freilich er beim Jahre 1478, wo er ben bamaligen Friedensſchluß wie alle außer dem Thorner tabelt.

Geſandtſchaft an den Kaiſer. 379

Neiße annahm, ging der Pofener Dechant Adam Dabromwsli !) an den Kaifer ab. Die Erneuerung der fyeindfeligfeiten, das hatte der Diplomat zu fagen, babe nur dann einen Sinn, wenn fie in großem Stile unternommen würden. Bon drei Seiten zu gleicher Zeit, von Polen, von der Moldau und von Döhmen aus würde der Angriff gegen Ungarn von Kafimir jelbft geleitet werben, aber dazu bebürfe er reeller Unterftügung; mit „nackten Worten” ſei e8 nicht getban. Das mindefte, was der Kaiſer fofort thun könnte, wäre bie Anerkennung Wladyslaws als Kurfürft; dann aber müßte die Überwältigung Ungarns ale Neichsjache vom Kaiſer und den deutichen Kur» fürften unternommen werden, und dieſer fombinierten vierfachen Dffenfive würde der Emporlömmling nicht zu widerftehen ver- mögen. Was den Kailer bei diefen chimärtichen Plänen am meiften intereffierte, war die daraus entnommene Überzeugung, daß in Troppau eine Einigung zwilchen Kaſimir und Matthias nicht erfolgen werbe, und da er damal8 der Dechant von Bojen Hatte ihn in Baden getroffen noch voll Hoffnung war, daß der Herzog von Burgumd ihn von beiden Bewerbern befreien werde, jo bielt er den polnifchen Diplomaten mit guten Bertröftungen auf den nächſten deutſchen Neichstag bin, der im September 1473 zu Augsburg gehalten werden ſollte. Wenn die feierliche Gefanbtichafe, die von Krafau aus auf die Berichte Adam Dabrowslis Hin unter Baul Jaſienski, dem Staroften von Chelm und dem Domberrn Stanislaw Kurozwali nad) Deutfchland abgeſchickt wurde, nur des Augsburger Reichstages wegen gekommen wäre, dann Hätte fie den weiten Weg umjonft gemacht, denn der ausgeſchriebene Reichstag kam nicht zuftande. Aber vie polnifchen Herren hatten noch weitere und wichtigere Aufträge. Nicht ohne guten Grund blieben fie zwanzig Wochen lang in Cabolzburg, am Hofe des Kurfürften Wibrecht von Drandenburg ?)., Mit der gejpannteften Aufmerfiamleit wurde

1) Eeinen Familiennamen entuehme ih Theiner II, 175, no. 215. 2) Bol. das Schreiben Albrechts an Herzog Wilhelm von Sachen som 13. November, bei Riedel, Cod. dipl. Brand. B. V. 237 und feine Alliance mit Wladyslaw von Böhmen, vom 11. November, ebd. p. 286.

380 Zwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1473.)

hier der Verlauf des Kongrefjes von Trier verfolgt, denn nad) dem Ausgange desfelben bemaß fich für Albredht die politifche Stellung der jagielloniihen Dynaſtie und der Wert einer Ber- bindung mit derjelben. Und zuverläffig iſt e8 nicht ohne be- gründenden Zujammenbang, daß unmittelbar nach dem jchroffen Abbruch des Trierer Kongreſſes, ver dem Kailer die auf Karl von Burgund gelegten Hoffnungen mit Entſchiedenheit abjchnitt, endlich der Kurfürft Albrecht das ſchon jeit Jahren geplante und verhandelte Verlöbnis feines Sohnes Friedrich mit ber zweiten Tochter des Königs von Polen, mit der Prinzeifin Sophia, zum Abſchluß brachte). Daß aber Paul Jafienski und jein Kollege auch inbetreff der älteren Tochter des Königs, der Prinzeifin Hedwig, ähnliche Aufträge hatten, läßt fich mit einiger Wahrjcheinlichkeit vermuten, denn jeit längerer Zeit waren bereitd Unterbandlungen mit dem Herzoge Ludwig dem Reichen von Batern wegen einer Bermählung der Prinzeffin mit dem Sohne desjelben, Herzog Georg, angelnüpft, und zweifel8ohne find auch diefe von den polniichen Geſandten jekt jo weſentlich gefördert worden, daß einige Monate fpäter ver definitive Abjchluß derſelben erfolgen fonnte 2).

Beide ehelihe Verbindungen find erſt |päter, 1475 bie eine und 1479 die andere, vollzogen worden, weil die umftänblichen Berbandlungen über die Morgengabe und VBermögensverfiche rungen noch eine Reihe von Konferenzen und Beratungen ev forderten. Aber die politiiche Bedeutung derſelben trat doch ihon jofort nah dem Abſchluß der betreffenden Ehegelöbnifie in Wirkſamkeit. Namentlich war die Verlobung der Prinzeffin Hedwig mit dem Herzoge Georg von Baiern in dieſer Beziehung von augenjcheinlicher Wichtigkeit, injofern bamit die von Rom

1) Urk. vom 7. Dezember 1473, bei Dogiell, c. I, 412, no. 2. Riedell.c. C. III, 101.

2) König Kafimir läßt dem Hochmeifter fagen, er babe fich mit bem Markgrafen von Brandenburg fo gefreundet, daß deſſen Sohn feine Tochter heirate. Auch babe er mit dem Kurfürſten von Baiern und an deren Herren wie mit dem Saifer Hilfsverträge abgeichloffen. Könige berger Archiv.

Verlobung zweier Prinzejfinnen. 381

und Dfen aus mehrfach zur Spracde gebrachte Verbindung des Hunyaden mit dem jagielloniichen Haufe definitiv ausgeſchloſſen war. Dieje Verlöbniffe waren ein Triumph der legitimiſtiſchen Politik der Königin Elifabeth von Polen über ben von Rom unterftügten Verſuch, den Emporkömmling in eine ältere Dy— najtie einzuführen. Wie Eliſabeth es wünichte, follte das pol- nifche Königshaus in Deutjchland die Stützpunkte zum Wider⸗ Stand gegen Ungarn fuchen. Wie Kaſimir vor dreizehn Jahren während des preußiſchen Krieges in der Anlehnung an bie antikatferliche Partei in Deutichland, die ihn damals ſchon mit Ludwig dem Reichen in Berührung brachte, Schut und Hilfe gegen die ihm vom Kaiſer zugedachten Schwierigleiten fuchte, fo meinte er jet gegen einen ausgejprocheneren Feind durch den Anichluß an die kaiſerliche Fürftengruppe, zu welcher jetzt der Witteldbacher neben dem Hohenzollern gehörte, fih Nuten und Förderung zu fchaffen. Schon im Jahre 1470 war dem jungen Herzoge Georg als künftigem Landesfürften in Baiern gehuldigt worden, und jomit hatte das polniiche Königspaar die fichere Ausficht gewonnen, in ven Prinzeifinnen auf mädh- tigen deutichen Fürftenhöfen fördernde Vertreter zu haben. Zwar war Herzog Georg als fünfjähriger Knabe fchon mit Ludmila, der Tochter König Georg Podiebrads, (8. Mat 1460) verlobt gewejen. Allein die Thatſache, daß eben diefe Ludmila ſpäterhin auh dem Prinzen Wladyslaw angeboten wurde, beweift, daß die bateriiche Verlobung längſt aufgegeben und aufgehoben war. Da au Wladyslam fich geweigert hatte, fie zu heiraten, fo begnügte ſich Lubmila mit einem minder machtvollen Fürſten, denn fie nahm am 5. September 1474 den Herzog Friedrich I. von Liegnig, und machte aljo ven baieriichen Herzog für Die polnische Heirat frei”).

1) Die Berhanblungen zwiſchen Polen und Baiern datieren gewiß {Son aus längerer Zeit, aber die erften urfunblichen Alte biefer Matri— monialfache fallen erft in bie Zeit nach der Verheiratung Ludmilas, fo- wie auch die formelle Freinng erft am Silveftertage 1474 ftattfanb. &. die Urkunden bei Dogiel I, 387, und im Inventarium dipl., p. 19. Über Ludmila vgl. Grotefend, Stammtafeln IX, 33.

382 BZwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

Die aljo angebahnte Berichwägerung des polnijchen Haufes aber mit zwei der mächtigjten Reichöfürften mußte auch endlich auf den Raifer Eindprud machen. Seitdem die Rechnung auf Karl von Burgund zerriffen war, konnte die ausweichende und zweigleifige Bolitif in der böhmilchen Kurfürftenfache nicht mehr fortgejegt werben. Friedrich mußte fich jeßt enticheiden, ale ihn die polnischen und böhmiichen Gejandten zu Rothenburg an der Tauber auf feinem verzögerten Rückwege von Trier am trafen. Der Kaiſer nahm fie freundlich auf, obwohl der mit anmejende Kardinal Marco den lauteften Einſpruch dagegen erhob, al$ die böhmiſchen Unterbändler nicht mehr als Kleber behandelt wurden ?). Dieje aber nebjt den Polen begleiteten den Kaifer nach Nürnberg ?) und Augsburg, wo die Verband» lungen eifrig fortgejegt wurbden. Aus den darüber erhaltenen Urkunden gebt vor allem hervor, daß der Krieg gegen Matthias der Hauptzweck der polnijch » failerlichen Koalition fein follte. Friedrich verſprach, wie gewöhnlich, viel: er wolle, fall Kaſimir um Sobannis ins Feld rüden werde, jpäteftend einen Monat danach unter eigener oder eines Feldhauptmanns Führung ein Heer zur Unterftügung der Polen ausziehen lajjen und nicht eber Frieden jchließen, bis beide verbünveten Parteien e8 ben Umſtänden angemefjen erachten würven 3). Die Böhmen Hatten ihon zwei Zage vor dem Abichluß dieſes Bündniſſes vom 13. März 1474 ſich damit zufrieden erklärt, daß ver Kaiſer einen Feldhauptmann ernenne, wenn er felbit an der Betei⸗ ligung am Kriege verhindert wäre t). Da aber der Krieg am Johannistage noch nicht begonnen hatte, jo wurde das Bündais in etwas veränderter Form unter Ausſchließung der Friften am

1) Bgl. die Scene bei der Belehnung bes Biſchofs von Freiſingen, Miller, Reichstagstbeatrum II, 618.

2) Ambrogio Eontarini, der Geſandte Venebigs an Ufun-Haflen trifft die Gefandten in Nürnberg am 10. März. Der cavaliere Paolo if Pawel Jaſienski und der arcivescovo (?) Stanisfaw Kurozwaki, der aller dings nur Domberr war.

3) Dogiel I, 164.

4) Kurz, Ofterreich unter Friebrih IV., Teil. II, Beil. 39, ©. 247.

Bündnis mit dem Raijer. 383

6. Juli erneuert ?), aber von einer Anerkennung des Königs Wladyslaw als Kurfürften fteht in diefen Urkunden fein Wort. Überhaupt wird Böhmens in dieſem Traktat nicht erwähnt, und auch bei der Aufzählung der Punkte, durch welche fich Matthias ftraffällig gemacht Haben foll, wird nicht etiwa feine Dewerbung um die böhmijche Krone angegeben ?). Dennoch muß etwas Wahres an dem fein, was der polnifche Chrontit angiebt, daß der Kaiſer vor den Kurfürften und andern Reichs⸗ grafen und Herren nunmehr Wladyslaw als den „Iegitimen König von Böhmen und auch als Kurfürften des Reiches dekla⸗ viert, und nur die Belehnungs⸗ und Huldigungszeremonie auf eine gelegenere Zeit verfchoben babe ?). Aber auch etwas dem Ähnliches muß vorgelommen fein, denn König Kaſimir Lich dem Hodmeifter al8 „jeinem oberiten Fürften und Ratgeber” jagen, der Kaiſer Habe feinen Sohn als König von Böhmen gekrönt, und zwar mit ber Krone, mit welcher er ven König von Däne⸗ mark eben gekrönt hätte. ‘Die kaiſerlichen und Töniglichen Bot⸗ fchafter feien Schon beim Bapfte, um die Genehmigung nach zujuchen *).

Während alfo der Kardinal Marco Barbo am Kaiferhofe in Augsburg einen feinen Abfichten und Wünſchen fo ganz widerjprechenden Vorgang wahrnehmen mußte, war es jeinem Stelivertreter Bartholomäus de Mafja, dem er in Troppau die Fortführung der Vermittelungsgefchäfte übertragen Hatte, wenigitens einen teilweifen Erfolg zu erzielen, vergönnt. Zu ſtolz freilich durfte der geiftliche Herr darüber nicht fein, denn e8 war doch mehr Höflichkeit als Wahrheit, wenn ihm in dem Zraltate, der zwilchen Ungarn und Polen vereinbart wurde, ber beſtimmende Einfluß zugejchrieben wurde. Der Notftand

1) Dogiel I, 166. |

2) Daß Matthias den Einbruch der Türken in öfterreichifche Lande veranlaft babe, wird als Hauptgrund angegeben, und Matthias fagt fpäter (1477), daß nichts ihn To fehr wie diefe Infinuation gekränkt habe. Bol. Chmel, Mon. Habsburgica II, 113.

3) Dfugof; XI, 501.

4) Königsberger Archiv. Aber unmittelbar danach, am 2. Sept., fchrieb man dem SHochmeifter, die Krönung ſei doch noch fraglich.

384 Zwölftes Bud. Viertes Kapitel. (1474.)

der Dinge hatte mehr gethan als das priefterlicde Friedens⸗ wort. Wie jchon früher bemerkt, beichäftigte ſich Matthias während der Zroppauer Konferenz damit, das in Ungarn ein- gedrungene Raubgefindel, die berüchtigten „Brüber”, welche ſich von Sztropko aus einiger fefter Punkte, wie Homona, Nagy Mihaly und insbefondere Modragsra nnd Bulowiec bemächtigt hatten, zu vertreiben. Ian Bialy, die drei Brüder Barzy, Ian Wilt aus Pommern und Ian Suchodolski waren ihre Führer. Sie fehienen einen Handſtreich auf das reiche Kaſchau geplant zu Haben, jevenfall® hielt Matthias die Gefahr für dringlih genug, um wider die Räuber zu Felde zu ziehen. Während man in Troppau debattierte, ſchlug er von den „Brür dern“, die an 4000 Mann ſtark waren, „mehr denn die Hälfte, über 2000, tot“ 7), und belagerte die übrigen in ihren feften Schlupfwinkeln. Meodragsra, deſſen Befehlshaber Suchodolski feige die Seinen verließ, nahm er mit ſtürmender Hand, und das mitten im Felsgebirge gelegene und gut verſehene Buko⸗ wiec, deſſen Kommandanten, die Brüder Barzy, beftochen worden waren, fapitulierte gegen freien Abzug ber Söldner mit ben Waffen. Aber Matthias gab ihnen Knotenſtöcke ftatt ber Schwerter, und rief ihnen zu: „Seht nach Polen, Stocträger, ihr feid nicht Kriegsleute, fondern Verräter eures Königs, bie nicht wert find, Eifen zu tragen“. Halb tot und mit Scham ven famen fie in Polen an ?). Die Führer aber, die etblic verfihern mußten, gegen Matthias nie mehr zu dienen, gerieten auf dem Heimmwege an einander, und Ian Will erjchlug ben Suchodolski. Doch König Kafimir rettete den offenbar auf Ehre baltenden Pommern nor den Folgen feiner Zornesthat und ließ die Brüder Barzy in den Kerfer werfen. Damit war Matthias indes, den der Verluft des bei Modragora gefallenen Wojewoden Nikolaus Cupor von Siebenbürgen aufs tieffte ergrimmte, noch keinesweges befriedigt. Denn nun begann

1) Eſchenloer II, 300.

2) Ejhentlodr fagt: „umb Hebwigen gefchehen“, das wäre anfangs Dftober. Diugofz, wie es ſcheint richtiger: „‚rirca festum S. Nicolai“, d. i. anfangs Dezember.

Zebraken in Bolen. 385

eine Vergeltung. Während ver König offiziell verficherte, r mit Polen durchaus nicht im Kriegsitand wäre, brach anuar 1474 ein ungariiches Sölbnerheer von 6000 Mann Thomas Tarczy über bie polnische Grenze, Morb und derung ringe umber anftiftend. Das Städtchen Zmy⸗ ) wurde des Nachts mit Sturmleitern erſtiegen, und aus Scloffe daſelbſt ein befeftigtes Näuberneft gemacht, von aus dann mit Sengen und Brennen Auszüge ergingen die Ortfchaften Jaslo, Brzoſtek, Kolaczyce Fryſztat, wiec, Dukla, die alle, nebſt 200 Dörfern, in Aſche gelegt en. Die reiche Stadt Pilzno hatte ſich ſchon mit 420000 ten von den Räubern abkaufen wollen, da aber der König feige Nachgiebigkeit verbot, jo ereilte fie ihr Geſchick; ſie e dem ‚Erdboden gleich gemacht. Im Krosno wurden die er wenigftens von der innern Stadt zurücdgetrieben, bie ädte aber gingen jamt dem Hofpital und der Hofpitalfirche . ammen auf?) Auch die Feſte Gorlice wurde von ben ı verteidigt. Inzwiſchen zeigte fi) im Popradthale eine : Motte, welcher fih das Schloß Muszyna ohne Wider- ergab. So folgte eine Hiobspoſt der andern, und König ir wußte fich in feiner Not keinen andern Rat, als trotz Verfaſſungsbeſtimmungen, welche vie Genehmigung des ztags erforderten, ein allgemeines Aufgebot auszufchreiben. mitten im Winter wer wollte da fein Heim verlafjen ? bie fich in Bewegung festen, vermehrten nur die Ver⸗ mg, denn fie fingen nach altem Mißbrauch vie geiftlichen e zu brandfchagen an?).. Es war eine troftloje Lage, Matthias batte den Bolen furchtbar heimgezahlt. Bei Eſchenloëx Schwingrot. DBgl. die Notiz in ben Gericht$- n bei Helcet II, 801 und Mon. Pol. hist. III, 242. Bol. zu Eijhenloör und Diugofz die Akta grodzkie ed. Liste 11 in der Aumerkung, und danach Mon. Pol. hist. III, 250 auf- mene Aufzeichnung von Krosno. Thomas Tarczy gab ſpäter bem on Krosno als Sühne für den Brand des Hoſpitals 2000 Dukaten. Dfugofz, Eihenlodr Bol. auch Szirmay, Not. comit en., p. 39sq., und insbefonbere den Erlaß in Banbtlie, Jus p. 317. iro, Geſchichte Polens. V. 1. 25

386 BZwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

Die Lage trug aber eine eigene Ironie an fih. Die pel- nischen Prälaten und Barone [prachen ihre Mikbilligung aus über das Zreiben ber polniichen Söldner in Ungarn, und bie ungariihen Barone und Prälaten desavonierten die Mord» brennerei ihrer Sölbner in Polen, und König Matthias ver- fiherte, er ftünde mit Polen gar nicht im Kriege. Gleich nach dem Weggang von Zroppau forderten die ungariſchen Herrn die Polen zu einer Zuſammenkunft an ber Grenze auf!). Die Polen nahmen zögernd das Erbieten an, und erft einen Monat jpäter war feftgeftellt, daß die Konferenz zwiſchen je vier Bevollmächtigten von jeder Seite am 27. Dezember ftatt« finden folle 2). Aber erſt wieder einen Monat fpäter ge⸗ ‚nehmigte Matthias dieſe Verhandlungen ®), bei welden der Dr. Bartholomäus de Mafia, der Stellvertreter bes Kardi⸗ nals Marco, vermittelnd einwirkte. Unter Sührung des neuen eben erit erkorenen Erzbiſchofs von Gneien, jenes Jakob von Sienno, den Kaſimir einft jo hartnädig von feiner Werbung um das Bistum Krakau zurückgewieſen hatte, waren von pol- nifcher Seite dieſelben Männer gelommen, die au in Troppau bie Verhandlungen geführt Hatten. Miptrauen auf beiben Seiten erjchwerte jchon die Borfragen ungemein. Endlich aber kam denn doch in Altvorf-Szramowice, dem althergebradh- ten Begegnungsorte zwilchen dem polniſchen und ungarifchen Adel, am 21. Februar ein Vertrag zuftande, welcher nad) dem uns vorliegenden Wortlaute fich einzig und allein auf bie Pazifilation der polniich-ungariihen Grenzen bezieht. Eine Reihe von Maßregeln wurde vereinbart, um ben Stegreiffrieg der „Brüder“ zu unterbrüden und überhaupt ben Frieben und nachbarlichen Verkehr zwijchen Polen und Ungarn zu fichern, aber mit feiner Silbe wird in den darauf bezüglichen Akten

1) Schreiben vom 14. November aus Dios-Gydr im Danz. Arch.

2) Schreiben vom 14. Dezember aus bem Lager bei Samona. Zwei Prälaten und zwei Barone würben erſcheinen, bie andern feien verhindert dur den DOfener Reichstag. Danziger Archiv.

3) Die Vollmacht datiert won Eperies, 12. Januar, bei Dogiel, Col. dipl. I, 68.

Der Frieden zu Altdorf. 387

nämlich in dem Altporfer Traktat vom 21. Februar !), Ratifikation desjelben durch den König Matthias vom bruar ?) und endlich in der Beſtätigung burch ben ger ungariſchen Reichſtag vom 23. April ®), von der böhmi⸗ Dopnaftenfrage oder von andern jchwebenden Streit- +) Erwähnung getan. Man findet deutlich, daß bie tigen Magnaten den Friedensſtand zwiſchen Polen und ı unabhängig von den dynaſtiſchen Streitigkeiten ihrer chen aufrichten wollten. Weber befand fich in Altdorf xtreter Döhmens, noch hätten fich die polniichen Räte weitgehende Bevormundung anmaßen lönnen, um bier bie böhmtiche Stimme zu führen und gar bindende Ver⸗ für die böhmiſche Krone abzuſchließen. Die Erzählung m Abſchluſſe eines dreijährigen Waffenftiliftands zwiſchen n und Böhmen iſt alſo Hinfällig >).

Dogiel I, 69. Dogiel I, 71. Bon Bartfa aus, Dogiel I, 76. Budae in conventu generali. Seßler- Klein, Gefhichte Ungarns III, 104 ſpricht von einer ig bes Lehnsverbältnifies ber Moldau. Allerdings fagt Dtugoſz XII, 507: „pax perpetua inter sc. Pol. et Hung.) reformata est... . cum Bohemiae rege et riennalis treuga inscripta.“ Und diefe Angabe findet info- nterftügung, als fich im polnifchen Reichsarchiv eine angebliche ition biefes dreijährigen Waffenftillftandes befunden Haben fol, vom 28. Februar aus Neuſtadt⸗Korezyn, wo Kafimir (vgl. Dfn- 5. 509. 510) damals gar nicht war (Inventarium, p. 27). Auch ılady V.I, 104, Note 69 in Dresden eine gleichzeitige unbatierte t desfelben gefunden haben. Es ift auch richtig, daß fich der zbeſchluß im Archiv desky IV, 476 auf einen folden dreijährigen tillſtand beruft. Aber das können nur Entwürfe, Gerichte oder e geweien fein. Als ſpäter die böhmiſchen ligiſtiſchen Barone nig Kafimir in Schlefien vom Kriege abhalten wollen, Bitten fie b bellum coeptum triennali sufferentia suspenderet“ (Dtugofz 17), aber fie berufen fich nicht auf dem rechtlichen Beſtand eines wie Balady V.1, 109 ihnen in den Mund legt. Ebenſo wenig Worte Efhenlosörs II, 305 („den gemachten Frieden zwifchen : halten, und liß erbitten, Friden ufzunemen und den Artituln zu wchzugehen”) auf bie Eriftenz eines dreijährigen Waffenſtillſtandes 25*

3838 Zwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

Es ift daher eine unbegrünbete Beichuldigung, wenn dem König Kafimir der Vorwurf einer zweizängigen Politik gemacht worden ift, wenn man ihm zur Schmach nachlagte, er Bätte „wiberfprechende Verträge” abgeſchloſſen, er Hätte zu derſelben Zeit mit dem Kaiſer ſich zur Belämpfung des Königs Matthias verbunden, in welcher er mit dieſem binterliftiger Weile einen Friebensvertrag vereinbarte. Dies ift aber eine Verkemmug des Sinns der Altborfer Abmachung. Sie follte lediglich das Verhältnis der beiden Länder zu einander ausfcheiden aus dem Konflikt der Könige um den Befig der böhmischen Krone. Dieſer Streit blieb davon unberührt, und auf böhmischen Boden war der Kriegsftand nur unterbrochen durch den auf der Troppauer Konferenz acceptierten, bi8 zum St. Wenzelötage (28. Sep tember 1474) laufenden Waffenftiliftand.

Daß man aber in Altdorf auch die böhmiſche Frage er- örterte, und daß babet ein dreijähriger Waffenftillftand zur Sprache gebracht wurde, dafür Liegen einige Anzeichen vor, allein zu einem Abfchluß konnte es ſchon darum nicht fommen, weil fein Böhme an der Verfammlung teilnahm. Für Matthias enthielt diefer „ewige Friede” einen großen Vorteil, injofern er die Afpirattion des polniihen Königshauſes auf Ungarn nunmehr auch formell abfchnitt, und den in Ungarn noch Bier und da aufkommenden Sympathieen für Polen jeden Halt bes nahm. Erzäblte man fich doch tin Polen, daß Matthias jo gar während der Altvorfer Beiprechungen einen der ungariichen Bevollmächtigten, den Biſchof Oswald von Agram, wegen folder Neigungen hätte verbaften laſſen müſſen, was gewiß der Wahr- beit nicht entfprach, da der Biſchof in dem Traktate felbft als Dertreter der ungariichen Krone genannt wird. Aber folce Erzählungen nahmen ihren Grund ficherlih aus vorhandenen

zu beuten. Auch in feinen fpäteren Rekriminationen vom Sabre 1477 (Chmel, Mon. Habsburg. II, 112) ſpricht Matthias von ber „pax perpetua “, aber durchaus nicht von einem dreijährigen Waffenſtillſtande, was doch für ihm ein fohlagende8 Argument geweien wäre. Die Ber⸗ handlung zu Altborf, altem Herlommen entiprechend, war übrigens im Art. 16 der Neißer Beſchlüſſe In Ausficht genommen.

Beunrubigung Großpolens. 389

Stimmungen. Auch Unzufrievene aus Siebenbürgen ſetzten ihre Hoffnungen auf einen Krieg zwilchen Polen und Ungarn. Darum war der Hunhyade fo eifrig babinter, fein Land von polniihen Einflüffen zu fäubern. Jener Peter Komorowski, der einige Burgen in Nordungarn dem Prinzen Kafimir vor zwei Jahren zur Verfügung geftellt Batte, wurde teild mit Ge⸗ walt, teild durch Ablauf aus dem Lande gebrängt !), und ba auch die Lage des Hospodars Stefan von der Moldau, der einen Kampf um das Dafein mit dem von den Türken unter- ftügten Drakul von der Walachei zu führen hatte, keinesweges beart war, um eine Diverfion gegen Ungarn denkbar zu machen, jo durfte ſich Matthias jekt um fo freier dem weſt⸗ lichen Sriegsichauplage zuwenden. Daß dies zum Schaden ver öfterreichifchen Erblande geſchah, tft gewiß ebenjo wahrjcheinlich, als die Erzählung, daß er dem Kaiſer Friedrich fogar bis in die Vorſtädte von Augsburg die Flamme getragen babe, auf Übertreibung berußt. Für den Sommer 1474 hatte fid Matthias offenbar die Aufgabe geftellt, in Mähren und Schlefien jein wankendes Negiment zu befeitigen, und von bort aus bie Gegner in Bolen und Böhmen in Atem zu Balten.

In Polen Hatte inzwiſchen viel Bewegung ftattgefunden. Mitten in dem Tumult über ven Einbruch der Ungarn in. Kleinpolen Hatte der König, wie gejagt, ein allgemeines Auf- gebot ergeben laſſen 2), das zunächſt nur die Beraubung ber Klerikalgüter durch die Kriegsleute in faſt unerhörtem Maße zur Folge hatte, die Aufftellung eines Heeres aber durchaus nicht ermöglichte. Ob die Großpolen fich. irgendivie für bie Borgänge in Kleinpolen rührten, erfahren wir nicht. Aber faum konnten die Nachrichten von dem Frieden zu Altborf zu.

1) „Comes Lubovliensis‘ nannte er fih. Kafimir verſprach ihm da⸗ mals eine Schuld von 2000 Dukaten im Herbſt zu zahlen. Inventarium dipl. I, 390. i

2) „qui ad expeditionem generalem proxime praeteritam ‘“ fagt ber. König am 11. März 1474 in der Urkunde bei Bandtkie, Jus. pol., p. 317. „postquam rex Pol. populum congregaverat‘“ in ben Ge⸗ rihtsbüchern bei Helcel II, 801.

390 Zwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

ihnen gelangt fein, jo erlebten fie auf ihrem heimifchen Boden ein völlig analoges Schaufpiel. Denn um die Mitte des März !) brady der Herzog Hans von Sagan, ein trogiger und graufamer Herr, der fchon feit langem von König Matthias für eine Rolle auserjehen war, wie fie Thomas Tarczy in Kleinpolen geipielt Hatte, famt dem Rottenführer Melchior Loebel mit einem beträchtlichen Heere, das von Breslau aus mit Mannichaft und Geihük unterftügt worben war, bei Steinau über bie Ober nad Polen hinein, und ſoll in einem faft zwei Donate dauern⸗ den NRaubzuge an 600 Ortſchaften verbrannt und verbeert baden. Den Verſuch, die Stadt Frauftabt mit ftürmender Hand zu nehmen, Tauften die Bürger durch jchwere Geld ab, aber ihre Borftädte gingen wie jene in Krosno in Flammen auf. Ein Widerjtand von polniſcher Seite war auch bier faft gar nicht verfucht, obgleich die oberften Beamten, wie erzählk wird, ein Heer von 12,000 Mann bei Koften zufanmengezogen Batten. Noch ärger wäre ed, wenn ed wahr fein follte, Daß die Magnaten ein geheimes Einverſtändnis mit Hans von Sagan unterhalten hätten, und biejer dafür ihre Beſitzungen geichont hätte 2). Erſt als der Herzog felbft bei der Einäfcherung eines Haufes fich Iebensgefährliche Brandivunden zugezogen hatte, zog fi) die wilde Schaar zurück und löſte fih auf. Niemandem war es verborgen, daß Herzog Hand nur das Werkzeug bes Könige Matthias geweſen war, und niemand konnte nunmehr Daran zweifeln, daß er den Altvorfer Vertrag nur in ber engen Beſchränkung feines Wortlauts auffaßte, den böhmijchen Kriegs⸗ ſchauplatz aber offen erachtete.

1) Am ausführlichen Ann. Glogovienses in Script. rer. Siles. X, 30. Danad am 17. März. Eſchenloer II, 301 „in ber Faſte vor dem Sonntag Oeuli“. In Lauterbach, Frauftäbtifches Zion, und im Balerii Herbergers Lebenslauf wird zwar ber Vorgang beim Jahre 1584 erzählt, aber als Datum des Sturmes auf Frauftabt üßerein- ſtimmend mit Ann. Glog. ber 20. März angegeben. Bgl. auch Bene- ditt Johnsdorfs Böhm. Chronik, ed. Wachter in Script. rer. Siles. xXU, 112.

2) Diugofz XIH, 605, ber dieſe Dinge erzählt, ift Hier von fo maßloſer Bitterkeit, daß ber Zweifel an ber Wahrheit erlaubt ift.

Die Gejeggebung in Opatowiec. | 391

Diefe Ueberzeugung aber mußte in Opatowiec, welches der Sammelpunft für den einberufenen polniichen Kriegsadel ge- weien war, und wo jet der König mit den Baronen Beratung pflog, die Gemüter beberrihen. Man traf Vorkehrungen zu einem Kriege in großem Stil. Eine Reihe gefetggeberiicher Beftimmungen, die ſich auf die Zeitlage bezogen und eine beffere Organifation der Kriegsmacht bezwedten, wurden vereinbart. Zunächſt wurde, um das Kirchengut gegen Eingriffe zu fchüßen, bie faft bei jedem Striegsaufgebot dasſelbe hart betrafen, ein abgelürztes Rechtsverfahren gegen die des Raubes Angeklagten feitgeftellt ).” Die Maßregel war um jo gerechtfertigter, als ber Klerus für feinen liegenden Befig feine Immunität genoß und zum Heere biejelben Leiſtungen wie der Adel aufbringen mußte, nur daß nicht die Kommunität und der Staroft, fon» bern die Synode und der Bilhof das Maß verielben zu be- jtimmen hatten ?). Weber die Leiftungen der Städte an Mann ſchaft, Ausrüftung und Gerät, über die Infpeltion durch bie Staroften und Kaftellane, über die Verhinderung von Prakti⸗ fen und umgebenden Schädigungen des „öffentlichen Dienftes“ wurden vermutlich dieſelben eingehenden feharfen Vorſchriften feftgeftellt, welche fich für eine jpätere Gelegenheit uns urkund⸗ ih erhalten Haben). Der Grundfag ber Kriegspienftleiftung „juxta facultatem bonorum“ .verfnüpfte dieſe Pflicht der⸗ maßen mit den Beſitz⸗ und Erbverbältniffen, jo baß bet ber genauen Normierung jener immer auch Fragen aus dem Erb- und Eigentunmsrecht auftauchten und geletgeberijche Seftjtellungen notwendig machten. Dadurch erweiterten fich die Beſchlüſſe in Dpatowiec zu einer völligen Reform ber Geſetzgebung in mehreren wichtigen Stüden, bie einen Teil der weiteren Rechtsentwidelung in Polen darftellten 4). Aber auf die momentane Lage un-

1) Voll. Legg. I, 226. Banbdtlie. Jus pol., p. 317.

2) Voll. Legg. I, 227, alin. 2—4.

3) Ich nehme an, baß bie in Voll. Legg. 1. c. ſich findende Kon- ſtitution von 1477, die damals für die Aufftellung eines Heeres gegen die Türken erlafien wurde, nur eine Wiederholung älterer Beftimmungen if.

4) ©. das Statut bei Bandtkie, Jas pol., p. 313. Außer dieſem

392 Zwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

mittelbaren Bezug batte die Genehmigung eines ernenten Zu⸗ ſchlags von vier Örofchen zu der Hufenfteuer von zwei Groſchen, und insbejondere mußte den Verhältnijjen eine durchgreifende Wendung in Ausficht geftellt werden durch den allgemeinen Entichluß des Adels, perjönlich ins Feld zu rüden und nicht blos gebungenen Kriegsleuten das Schidjal der brennenden politiihen Tragen anzuvertrauen. Treilih war die Verſamm⸗ lung in Opatowiec, wo doch nur der Heinpolnifche Adel tagte, nicht der Ort, um alle dieſe Sabungen für das gefamte Reich gültig zu machen und fofort für eine große Unternehmung zu benußen. Dazu beburfte es des allgemeinen Neichätags. Aber daß num ber König zu einer ſolchen entichloffen war, und daß das mit bem Kaiſer in eben denſelben Tagen abgeichlofjene Bündnis in engem Zufammenbang mit biejem Vorſatze ftand, läßt fich aus dieſen Vorbereitungen in Opatowiec mit Deutlichleit entnehmen.

Die Meinung war, da die Altvorfer Bazifilation für Matthias die Möglichkeit ausſchloß, die ungariſchen Banberien wider Polen aufzurufen, und er aljo für ben böhmijchen Krieg nur auf geworbene Leute und die in Mähren und Schlefien Ausgehobenen angewiejen war, durch eitte große Operation bes aligemeinen Aufgebots in Verein mit den Wladyslaw anhäng- Iihen Böhmen den Ungarkönig mit Leichtigkeit zunächit aus Schleſien und dann wohl audh aus Mähren berausbrängen zu fönnen. Die Vorbereitungen und NRüjtungen in Polen be dingten an fich fchon, zumal die Tataren aus Litauen herbei⸗ gezogen werben follten, ein ſolches Aufiehen, daß es ungereimt ericheint, anzunehmen, Matthias fei von den Ereignifien über- rajcht worden ). Niemals aber zeigte fich der feltene Verein

und dem erwähnten in Voll. Legg, fowie dem de raptoribus et invasio- nibus bei Bandtkie, ©. 317, muß es aber noch ein vierte® gegeben haben, denn die bei Diugofz als Inhalt der Gejesgebung von Opato- wiec angegebenen Artikel finden fich in keinem berfelben.

1) Mit einer gewiflen Heimlichkeit müfjen bie polniſchen Rüſtungen betrieben worden fein, denn Stibor von Bayſen fchreibt an ben Rat von Danzig no am 14. Juli, dag ein großes Heer zufammengezogen werben ſoll, der Zwed aber wäre unbelannt. Danziger Archiv.

Matthias in Scleſien. 393

von Begabung und rührigem Fleiß in Matthias glorreicher, als wenn er mit verhältnismäßig geringen Mitteln einer großen Gefahr gegenüberſtand. Nachdem er Ungarn von den Ein⸗ dringlingen geſäubert, eilte er nach Mähren, und ſeine Maß—⸗ nahmen zeigen, daß er ſehr wohl wußte, daß Schleſien das Kriegsfeld fein würde. Sein Bemühen ging daher vorerſt darauf, fich die Straße von Ungarn nad Schlefien Hin frei zu halten. Die Städte, Burgen und Teftungen, aus benen Räuberei getrieben wurde, warf er nieder, und auch auf Hra- diſch machte er, ohne viel auf den zur Zeit noch geltenven Waffenſtillſtand zu achten, einen freilich nicht gelungenen Verfuch. Alsdann griff er mit fefter Hand in die oberjchlefiichen Wirren ein. Herzog Wenzel von Rybnik, der zu Polen hinneigte, mußte ſich in Pleß einen ungariichen Hauptmann gefallen laſſen und konnte die Burg nur um ben Preis ber unbebingteften Unterwerfung behalten ). Schlimmer noch erging es Hans IV. von Yägerndorf, der alle jeine Burgen ausliefern mußte, und nur auf die Feſte Loslau beſchränkt blieb 2). Die Raubburgen Olbersdorf und Debitſch wurden ven Wegelagerern Stoſch ab» genommen, und „der Exnft, der vor diefen Burgen mit Hängen war geſchehen“, bemerkt ver Breslauer Stabtichreiber, wirkte auf „die andern”. Am letzten Augufttage langte der König in Neife an und war im Begriff, eben noch das Schweidniker Gebiet zu jäubern, als ihn die Nachrichten aus Polen veran- laßten nach Breslau zu eilen. Auch bei den fchlefiichen Stän- ben wurde bie Trage erwogen, ob man dem Könige durch per⸗ jönlichen Dienft oder durch eine Schagung die jchuldige Hilfe leiften jolle. Herr Zdenek von Sternberg und die kriegsmüde gewordene Partei der ehemaligen Ligiiten jcheinen nicht ohne Hintergedanten ver erfteren Form zugeneigt zu haben. Denn alsdann, meinten fie, müßte in einer „Teldfchlacht” dem hängen⸗ den Zujtand ein Ende gemacht werden, gleichviel, ob Matthias

1) Dfugofz XII, 50. Der Hauptmann ift Johann Bielif von Kornik.

2) Biermann, Geſch. von Zroppau und Jägerndorf, S. 2287.

394 BZwölftes Bud. Viertes Kapitel. (1474.)

dabei feine Sache verlöre ober nicht. Aber dieſer war gar nicht gewillt, fein Schidfal an den Ausgang eines Tages zu nüpfen. Er wußte, daß er für Geld befjere und zuwerläffigere Soldaten und obendrein prompter haben Tann, als durch eine langwierige und unfontrollierbare Ausbebung der Stände. Er forderte nur Geld und vertraute im übrigen feinem Genie und feinem Stern.

In Bolen hatte inzwilchen der am 15. Juni in Piotrkow gehaltene allgemeine Reichstag die Beichlüffe von Opatowiec ratifiziert. Der Söldnerkrieg hatte unermeßliche Summen ohne Erfolg verihlungen, man war nunmehr bereit, durch ein allge meined Aufgebot ein überwältigendes Heer zuftande zu bringen !). Am 15. Auguſt hatte dasjelbe in Mſtow an ber Warta fih zu verfammeln, und inzwilchen follten auch aus Litauen die Bojaren, das Hofgefinde und namentlich die Tataren berbeigerufen werben. Auch der „König von Prag”, wie man damals Wladyslaw bezeichnete, hatte mittlerweile fein Heer zu einem Einfall in Mähren zu rüften. Wenn man Dlugoſ; trauen darf, ſoll König Kafimir der beim Reichstage anweſen⸗ den böhmijchen Gejandtfchaft 24,000 Dulaten als Abjchlag auf die übernommene Schulventilgung mitgegeben haben. Bedenkt man, daß der König der PVerfaffung gemäß, da es fih um einen Krieg außerhalb ver Landesgrenzen handelte, ben Adel mit fünf Mark auf den Spieß zu löhnen Hatte, und wie zer- - rüttet die Finanzverhältniffe der Krone ohnehin fchon waren, ſo begreift man faum, woher König Kaſimir noch bie Mittel nabm, Böhmen mit Geld zu unterftägen. ‘Die Aufpizien des Krieges waren feinesweges günftig. Denn mitten in bie Gr fchäftigfeit der Nüftungen fiel die Nachricht, daß die Tataren in Podolien eingebrochen wären und aus den Städten Kamie⸗ niec, Halicz, Gliniany, Dunajow, wo ber Erzbiichof von Lem⸗

1) Einen interefianten Beitrag zur Gefchichte dieſes Anfgebots giebt der liber regestrualis militum expediturum ex palatinatu Posnaniensi, ven Bobrzyuski in Starod. prawa polsk. pomniki VII.1, 160sgg. abgebrudt hat. Man fieht aus dieſem Fragment, wie tief ein Auf- gebot in den Wirtſchaftsſtand der Nation eingriff.

Beginn des ſchleſiſchen Feldzuges. 395

berg mit knapper Not fich verſchanzt hatte, Männer und Frauen in großer Zahl weggeichleppt hätten, um fie auf ven Sklaven» märkten bes Dftens zu verlaufen, und daß die Türken, durch den Wojewoden Drakul von der Walachei berbeigerufen, bie Moldau bebroßen, was dem klugen Stefan einen geeigneten Vorwand gab, die auf ihn gejegten Hoffnungen der Polen mit Anftand zunichte werden zu laffen. Aber noch fchlimmer war, daß, als das polniiche Aufgebot langſam und fchwerfällig wie immer in Mſtow fich verſammelte, die kleinpolniſchen Herren der kirchlich⸗konſervativen Richtung unter Führung der Teczynski, Melsztunski und Rabszytüski, denen das Interefje für die Brager Keger niemals bat einleuchten wollen, mit dem Könige über das verfaffungsmäßige „Donativ“, das allerdings dem Gelege nach vor dem Ausrüden des Heeres noch in einer polnischen Stadt hätte gezahlt werben müfjen, zu ftreiten be» gannen. Mit welchen Mitteln der König „die erregte Menge“ beichwichtigte, bleibt und verborgen. Endlich brachte er das Heer in Bewegung, und über Ezeftohau, Delow an der Lis⸗ warta marſchierte er am 26. September, zwei Tage vor Ab- lauf des in Zroppau vereinbarten Waffenjtillitande, in bie fchlefiichen Gebiete ein. Es fcheint nicht übertrieben zu jein, wenn die Stärke des polnifchen Heeres auf mehr ald 60,000 Dann angegeben wird !). Es war "mit Geſchütz und Wagen- Burgen gut verfehen und durfte jchon mit einiger Zuverficht dem Erfolge entgegenjehen, zumal der König Wlapyslam mit etwa 20,000 Mann, die zunächſt an der mähriihen Grenze aufmarſchiert waren, nunmehr, da dort fein Feind gegenüber- ftand, fich gleichfalls nah Schlefien hinein 309.

1) So Diugofz und Efhenloör. Ann. Glogov.: über 70000. Die ferner ſtehenden Quellen geben andere Zahlen, jo Benedikt Johne- dorf, 160000. Was bas Heer bes Matthias betrifft, jo ſtimmt wie- der Diugofz mit Ejhenlodr und dem Berichte des Kurfürften Ernſt von Sadfen, die dasfelbe auf etwas über 6000 Mann insgefamt an ſchlagen. Benedikt Johnsdorf hat 16000 Mann. Die Aufzeichnung in Zeitichr. für fchlef. Geſch. IX, 383 flimmt gleihfall® mit Dfugofz und Eſchenlosr.

396 BZwölftes Bud. Biertes Kapitel (1474.)

Kurz bevor die militärischen Bewegungen ficb entwickelten, hatten noch einmal die böhmiichen Herren Zdenek von Stern» berg und Wenzel von Boskowic von der ungarijchen, und Wil- helm Rabsly und Peter Koulinec von der böhmiſchen Partei einen Verſuch gemacht, den Abjchluß eined neuen Waffenftill- ftands zu bewirten. Sie trafen bei Kafimir in Ezeftochau ein, als derjelbe eben die Grenze zu überfchreiten im Begriff war. Im Auftrage des Könige Matthias jchlugen fie vor, auf ber Dafis der Punktation von Neife vom vorigen Jahre einen Waffenftillftand zu genehmigen, denn Matthias „wolle alles tbun, was nicht wider die Ehre wäre”. Schon die Antwort des Königs, daß er, pa es fi um Böhmen handele, erft nad der Vereinigung mit feinem Sohne Wladyslaw in Unter- handlungen eintreten lönne, bekundete eine ungeftörte Zuverficht anf den Erfolg. Aber vollends prableriich äußerten fich die polnifchen Heerführer, als fie den böhmiichen Vermittlern zu⸗ riefen: „Helft nur, daß wir Matthias in Breslau finden“. „Ihr werbet ihn da finden“, erwiderte Zdenek von Sternberg, „geichiebt es nicht, fo will ich euer Gefangener fein, jedoch ſehet, daß ihr nicht juchet und findet, wie die Juden Chriftum, bie zurücdfielen und ihr Unglüd und Berverben fanden Y).

1) Nah Balady V.1, 109 follen die Vermittler das Heiratsprojelt wieber als Bafis vorgefchlagen haben. Weder jagt das Efchenloer no der Brief des Herzogs Ernſt von Sachen, noch auch Diugof. Zwar fagt diefer Ietttere beim Jahr 1478 und darauf beruft fih Palady dag man durch bie Heirat einen befiern Frieden hätte erlangen können, aber 1) meint er ausbrüdfich in campo ante Vratislaviam, d. i. bo in den fpäteren Berhandlungen, und 2) ſpricht er es lediglich als fuhjel- tive Meinung aus, bie übrigens wenig Wahrfcheinlichkeit für fich Hatte. Denn e8 ift doch kaum erlaubt, anzunehmen, daß Matthias noch in campo ante Vratislaviam bie polnifche Heirat proponiert hätte, nachdem am 80. Oktober feine Freiwerber um die Hand der Prinzeifin Beatrir von Neapel mit zuftimmender Antwort zurüdgelehrt, und bie poluifche Prin- zeſſin Hebwig dem bairifchen Herzog ſchon fo weit verfprochen war, ba ihr am 19. November 10000 Dulaten pro sponsalicii largitate (In- ventarium, p. 19) verfchrieben wurben. Ich fehe keinen Grund, bie Er⸗ zahlung Eſchenlosrs, ber weder Diugofz noch der Bericht bes Kurfürften von Sachſen widerfpricht, zu bezweifeln.

Sharmügpel bei Shwanomit. 397

Der Vormarſch der polniichen Armee ging unaufhaltiam fort. Das Gebiet bes Herzogs Nikolaus von Oppeln hatte den erjten "Angriff zu erleiden. Die Städte Pitſchen, Kreuzburg und Roſenberg wurden erobert !), und das Land umber „mit Feuer und Schwert * furchtbar verwültet. Der large anges jammelte Haß wegen der in dieſen Gebieten zum Schaben ber Bolen ſchwunghaft betriebenen Wegelagerung machte fich gel- tend. Inbezug auf den Kriegsplan entitanden im Hauptquar- tier des Königs Differenzen, denn die Großpolen waren ber richtigen Anficht, daß wenn das ganze polnijche Heer von Süden ber gegen Breslau vorbringe, dem Feinde die Möglichkeit ge⸗ geben werbe, nach Norden auszuweichen und in das ungeficherte Poſener Land einzubrechen. Aber die kleinpolniſchen Herren beftanden darauf, mit der gejamten Armee gefchloffen auf die Hauptftadt Schlefiend vorzugehen, und der König ſchloß ſich diefem Plane an. Bet Krappig wurde bie damals feichte Ober überjähritten, und die von Matthias ausgejchiedten Eclatreurs berichteten nach Breslau, daß das Heer an 60,000 Mann mit 5000 Wagen ſtark wäre und faſt drei Tage zu dem Flußüber⸗ gang gebraucht hätte. Darnach 309 das Heer gegen Oppeln. Da die Stadt dem erften Angriff Widerſtand leitete, fo glaubten die Polen fich bet der Belagerung derfelben nicht aufs balten zu follen und fegten ihren Marſch im Oderthale in ber Richtung nach Brieg fort. Matthias aber, der vorausgeſetzt zu haben jcheint, daß die Polen auf die Einnahme von Oppeln beftehen würden, batte eine Schar von 2000 Reitern unter den Hauptleuten Franz Hag und Georg Tunkel von der Hoch- ftat zum eventuellen Entja und zur Verhinderung des Über: gangs über die Neiße nach Oberfchlefien abgehen laſſen. Bei Schwanowig in der Nähe von Schurgaft aber traf Diefe Truppe am 12. Oktober auf die „Halte“ der Polen und griff die vor⸗ geihobenen Gruppen mutig an. Die Reiter fcheinen nicht ge» ahnt zu haben, daß das Gros des feindlichen Heeres fo nahe dabinterftünde, und ſahen fich plöglich von einer fait zehn Mal

1) Ann. Glogov., p. 31 erwäßnen nur Krenzburg.

398 BZmwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

jtärteren Abteilung überrannt. Nur dem Umftande, baß bie Polen nicht aus den Wagenburgen ausbrechen durften, hatten fie e8 zu verdanken, daß fie nicht ſamt und ſonders nieder⸗ gehauen wurden. An 50 Ritter, darunter Ulrich Bernftein, Peter Haugwig, Paul Horväti, fielen den Polen in die Hand. Die Zahl der Getöteten wird nur auf zwanzig angegeben !). Die Übrigen zogen fich nach Breslau zurüd, wo Mathias fie mit dem Hinweis auf das wechjelnde Spiel des Glückes tröftend empfing.

Froh des erfochtenen Erfolges zog das Heer weiter gegen Drieg und Ohlau. Wie vor Oppeln fo wurden auch vor biefen Orten und vor Grotkau Verjuche gemacht, im erften Anſturm fie einzunehmen. Da fie aber gut befegt waren und tapfer verteidigt wurden, jo umgingen die Polen dieſe be fejtigten Pläte, deren Belagerung eine geraume Zeit erfordert haben würde. Im der Nähe von Oblau fand am 23. Dftober bie Vereinigung des von Süden her unter dem König Wladys⸗ law Heranziebenden, faſt 20,000 Dann ſtarken böhmifchen Heeres mit dem polnifchen ftatt ?), fo daß in den letzten Ok⸗ tobertagen fich eine Armee von mehr als 80,000 Kriegern gegen die Hauptftabt heranwälzte. Im alter unb neuer Zeit ift der Marſchall Ian Rytwiansfi wegen der Methode des Feld⸗ zuges getabelt worden, und felbft der Verdacht, von ungarifchent Golde beftochen zu fein, ift ihm nicht eripart worden ?). Einer unbefangenen Auffaifung gegenüber wird feine Kriegsführung

1) So Efhenlosr. Nah Dingofz wurben 1000 vermißt, nad ibm foll aber auch das Streifcorps 8000 Mann ſtark geweſen fein, nad dem er zuvor jelbft angegeben, dag Matthias überhaupt nur über 6000 Mann zu verfügen Batte.

2) Nah Diugofz XIU, 519 am Montag, 24. Oftober. Nach DB. Johnsdorf, S. 112 um den 15. Oltober. Nach einem von Pa⸗ lady V.1, 117 benusten Dresbener Bericht am 18. Oftoberr. Nach Ann. Glogov. in Seript. rer. Sil. X, 17 am 28. Oftober. Cbenfo ba- ſelbſt, p. 31 am 23. Oftober. Diefe letzte Duelle giebt au, baß bie Böhmen am 17. Oktober die fchlefiiche Grenze überfchritten (darauf bürfte Palackys Mißverſtändnis beruhen) und Frankenſtein eingeäfchert hätten, was feine andere anführt.

3) Dfugofz XI, 518.

Polniſche Kriegsführung. 399

feinesweges jo ſinnlos ericheinen, als fie wohl bargeftellt wor» ben ijt. Die preußifchen Kriege hatten gezeigt, wie wenig das aus dem allgemeinen Aufgebote beftehende polnische Heer zur Unternehmung von Belagerungen geeignet fei. ‘Die wiederholten trüben Erfahrungen vor Leifen mußten zur Warnung bienen. Gerade jeine Größe war dem Heere nachteilig. Bei der da- maligen Drganifation desjelben war der Mißerfolg ficher, wenn e8 nicht gelang durch eine raſche Feldſchlacht die Entſcheidung herbeizuführen. Daß aber Matthias bei ber unverhältnis- mäßigen Minderzahl feiner Truppen es auf einen einmaligen Würfelfall nicht ankommen laffen würde, durfte fich die polnifche Heeresleitung von jelbjt jagen. Sie wird auch wohl jedenfalls unterrichtet geweſen fein, welche Maßregeln zur Abwehr der Ungarlönig getroffen hatte, wie er all „jein reiſiges Gezeug und und auch die Fußlnechte” in die Städte, Oppeln, Brieg, Ohlau, Grotlau, Schweidnig, Striegau, Neumarkt u. a. „ges ſtreut“, und das „Bauervolf gezwungen hatte, jein Vieh, Butter, Getreide und Habe in die Städte zu führen“. “Die Beſatzungen waren aber nirgends ftarf genug, um die Rück—⸗ zugsitraße abichneiden zu können. Nach ver ganzen Situation fam alle® darauf an, fich jo bald al8 möglich der Hauptitabt Schlefiend zu bemächtigen, und es ſchien doch nicht vermeſſen, zu hoffen, daß die geringe Beſatzung von einer fo großen Armee erbrüdt werden könnte. Darum hielt der Marichall darauf, jeve Zeriplitterung zu vermeiden, und verbot jogar, die bet Schwanowig Fliehenden zu verfolgen. Die größte Schwierigkeit lag aber unter folchen Umftänden in der Verpflegung. Schon vor dem Anmarjch ver Polen war das flache Land von den Söldnern des Matthias möglichft kahl gemacht, und die Ein⸗ gedrungenen fanden nur wenig vor. Im Punkte der Ber» wüftung des Landes darin ftimmen die Quellen überein gaben Freund und Feind einander nichts nach. Was aber vonfeiten ber Matthiasſchen Söldner al8 Vorjichtsmaßregel gelten Tonnte, das war bei ven Polen eine Thorheit. Nament« lich das Abbrennen der Dörfer mit ihren Mühlen und Bad» Öfen gereichte ihmen ſelbſt zu jchwerem Nachteil. Bald zeigte

400 Zwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

fi) die Notwendigkeit, immer weiter ab von der Marfchlinie die fliegenden Corps wegen Proviant ftreifen zu laſſen, und diefen Heeresabteilungen waren die aus den feften Plägen aus- fallenden Sölonerjicharen gewachſen. Die abgezweigten Kolonnen famen dann im beften Falle dezimiert und mit leeren Händen zurüd. Die Türme und Berließe der Feſtungen überfüllten fi mit Gefangenen, die Armee aber hungerte. Wohl waren in Vorausſicht folder Berlegenbeiten große Proviantzüge aus der Heimat vorbereitet. Bei Welun follen mehrere taufend Wagen mit Lebensmitteln dageftanden haben und Tedigli aus Sorg- Iofigfeit nicht berangebracht worden fein, was doch ſchwer zu glauben ift. Bon Gzeftochau und Ilkuſz famen an 600 Wagen mit Lebensmitteln, Schuhmwer!, Pelzen und Gewändern, aber zwei Meilen Hinter Oppeln ward der Zug troß feiner taufend Fußknechte abgefangen und als gute Beute in die Feitungen gefchleppt.. Bon einem Proviantzuge, ver aus Böhmen berbei- fam, bören wir, daß der Sölönerhauptmann Franz von Hag bet Nimptich ihm vernichtete ). Um jo mehr mußte daher bie Aktion gegen Breslau beichleunigt werden, denn wenn auch ttoß der vorgerüdten Jahreszeit die Witterung mild und freund» lich geblieben war, jo mußte man ſich doch auf einen rafchen Umſchlag gefaßt machen. Alles dies erklärt die Unaufhaltfam- feit des Vordringens, und am 28. Dftober nahm die polniſch⸗ böhmische Armee im Süpoften von Breslau eine, wie e8 fcheint, ſehr unglücdliche Aufftelung in dem Bruchland zwifchen Ober und Oble bet Schwentnig ?) und Wafjerjentich.

So jtanden denn die beiden großen Heere Breslau gegen» über, gerade an der Seite, wo Matthias mit feinem Heere fich nicht befand. Anfangs Hatte er zwar auch feine Truppen in dem Nilolat-Biertel an dem linken Oderufer gelagert, aber bald fah er ein, daß er alsdann zu fehr mit dem Scidjal der Stadt felbft verbunden, und daß an ein Ausmweichen im

1) Ann. Glogov. in Seript. rer. Sil. %, 17.

2) Bene. Iohnsdorf,ed. Wadter, ©. 113. Nicht Schwundnig Kreis Trebnig, fondern Schwentnig bei Otwig. Die Polen find auf das zechte Oderufer nicht gelommen.

Sädhjifhe Vermittelungsverſuche. 401

äußerſten Notfall wegen der Schwierigkeiten des Flußüberganges nicht zu denken wäre. Er legte daher auf dem rechten Ober» ufer in dem jogenannten Bincenz-Elbing ein verjchanztes Lager an, das „nicht viel Meiner war als Breslau”, und in welchem er fih „eine jchöne große Stube bauete” und mitten unter feinen Kriegern blieb. Zwilchen feinem Lager und der Stadt hatte er eine Brücke über die Oder gelegt. Da das Landvolk in die Stadt hatte ziehen müſſen, jo war dieſe ungemein überfüllt, aber die Feſtungswerke waren mit den üblichen Verteivigungs- mitteln reichlich ausgerüftet. Bon Anfang an fühlte Matthias wohl das Peinliche feiner Lage, und ein irgendivie ebrenvoller Vertrag wäre ihm wohl ermwünjcht geweien. Eben als vie Polen die Grenzen überjchritten hatten, befand fich bei ihm der Kurfürſt Ernſt von Sadjen, der das Herzogtum Sagan durch Kauf am fich gebracht und der Meinung war, daß, wie auch immer der. Wettbewerb um die böhmilche Krone aus» gehen möchte, die Nebenlänvder dem Ungarn nicht wieder ent» riffen werden würden. Im jedem Falle war für den Augen- blid die Sanftionterung des Kaufes durch Matthias wertvoller als durch den machtlojen „König von Prag“. Darum war er nach Breslau gegangen und hatte von Matthias das Herzog. tum zu Leben genommen. Aber als er von Breslau wieder abzog, nahm er nicht den Eindruck mit fich, daß Matthias mit Zuverficht in die nächite Zukunft bliden vürfe, und ba es der König zuließ, To ichidte er feine Näte in das polnijche Lager - und bot feine Dienjte zur Vermittelung an. Bis zum 1. Nos vember, da das polnische Heer fchon unter den Mauern von Dreslau jtand, festen die Sachien ihre Bemühungen fort, aber freilich vergebens 7). Angefichts des polnischen Heeresaufgebotg,

1) Graf Wilhelm von SHenneberg, Hugold von Schleinig, Dietrich von Schömberg und Johann Scheibe trefien den König von Polen am 15. Oftober zwei Meilen von Brieg. Müller, Reihstagstheatrum und Friedrich V. II, 668 und Script. rer. Siles. X, 100. Zu welden Fabe⸗ leiten in der humaniftifchen und encomiaftifchen Gefchichtslitteratur bes 16. und 17. Jahrhunderts von Melanchthon angefangen biefe verunglüdte Bermittelung verführt bat, ift von Klofe, Bon Breslau 111.2, 229—242, fleißig und kritiſch nachgewiefen worden.

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 26

402 BZwölftes Bud. Biertes Kapitel (1474.)

das noch Teinen Grund hatte, an feinem Erfolge zu zweifeln, war es auch ichiver, eine geeignete Friedensbaſis vorzuichlagen, zumal das SHeiratöprojelt um jo mehr außer Berbanblung ftand, als am 29. Oktober von den Freiwerbern des Könige Matthias die Nachricht von dem Berlöbnis der Primeifin Bea⸗ trice von Neapel nach Breslau eingelangt war !). Breslau ilfuminierte zu Ehren jeines Königs und ließ mit allen Sloden läuten, aber gerade damals hatte diefer mehr zu thun, als fich der Bräutigamsftiimmung zu freuen. Allerdings hatte ſich jeine Lage im Berlauf des Monats gebejjert. Die Herzöge Fried» rich von Liegnitz und Heinrich von Glogau hatten ihm an 2000 Mann Berftärlungen zugeführt; an 1000 Dann waren noch aus Mähren bergefommen. Die Befeftigung von Breslau war forgfam vollendet, das Shuftem der Verteidigung durch Nafierung des platten Landes und Beunrubigung des Feindes von den feiten Pläten aus bewährte ſich vortrefflih. Nachdem überdies die Polen durch den Oderübergang fich auf dem linken Ufer völlig verfangen Hatten und bei dem fteigenden Waſſer⸗ ftand ein Überfegen des Heeres oberhalb der Hauptſtadt un⸗ wabrjcheinlich geworden war, jo blieb Matthias nicht bloß nach der Nordjeite bin unbehelligt, fondern ihm ftanven die Grenzen von Großpolen unbehinvert offen. Im polniſchen Haupt quartier war man darüber auch nicht wenig beunruhigt, und es foll der Gedanke vorgetragen worden fein, die Ober bei Breslau zu überfchreiten und, geftügt auf Ols, das in ben Händen der Herzogin Dlargareta, einer geborenen Mafowierin (ſ. o., ©. 252) ſich befand, mittel8 Durchftechung der Dämme bie Oder in ihr urjprüngliches Bett (die alte Oder) ab- zuleiten und alsdann von Norden und Süden zugleich bie Stadt einzufchließen. Daß der Plan einzig an dem Wiber- Ipruche der maßgebendften Perfönlichkeit des Kriegsrates, und

1) Müller Reistagstheatrum II, 669. Die an felbigem Tage eingebrachten zehn polnifchen Knechte wurden von Matthias freigelaffen und mit dem Auftrage, bie Nachricht Kafimir zu vertünben, zurüd⸗ geſchickt.

Einfall in Großpolen. 403

zwar weil biefelbe durch ungariiches Geld beftochen war, ge icheitert fein foll, Klingt doch jo ungeheuerlich, daß man bie ganze Nachricht doch nur als Hofgefchwäg anjehen möchte 1). Sie mag erft hinterher aus der Einficht entftanden fein, wie vorteilhaft für Matthias die Freiheit des rechten Oberufergebietes gewefen tft. ‘Denn fie geftattete ihm, die DBebeutung feines Heeres durch Beweglichkeit zu verboppeln. Sowie das pols nische Heer nach Weiten vorrüdte, zog er die nach Oppeln, Grotkau und Brieg zur Verſtärkung gejandten Abteilungen an fih, um fie in die nunmehr bedrohten Feftungen Neumarkt, Schweibnis u. a. zu werfen.

Aber den empfindlichiten Schlag verjeßte er den Polen, als er die geichilderte Situation auch zur Dffenfive ausbeutete.

- Denn da er die Zuzüge aus Liegnig und Glogau zunächſt in

der Stadt nicht brauchen konnte, ſchickte er fie um ben 21. Oktober unter Stefan Zapolya ?) zu einem Streifzuge nach Großpolen Hinein, das faft unbewehrt offen vor ihnen lag. Der berüctigte Melchior Löbel, der jchon im Frühjahr mit Herzog Hans von Sagan in biefen Gegenden gehauft Hatte, wußte die Wege. Zunächſt drangen fie bis Pofen vor, deſſen Bororte fie anzündeten. Alsdann rannten fie auf Meſeritz, die Stadt, die fie in der Nacht erjtürmten. Das Schloß fieferte ihnen der Burggraf Sedziwoj Zidowski ohne Gegen» wehr, man jagt infolge von Bejtehung aus, und hier ſetzten fih die Söloner dauernd feit, um den ganzen Südweſtwinkel Großpolens bis gegen Poſen Hin mit Morb und Brand heim⸗ zufuchen. Es beruht wohl auf merklicher Übertreibung, wenn

1) DIugoſz XIIL, 520, der das erzählt, drückt fi biplomatifch genug aus, um ben Namen bes beftochenen Berräter® zu umgehen. Aber daß er den Marſchall Ian Rytwiansti meint, darüber läßt feine Bemer⸗ tung, S. 518, keinen Zweifel.

2) Nah Bened. Johus dorf war ber Herzog Friedrich von Liegnik ber Führer, nah Efhenlodr Stefan Zaͤpolya. Ehenfo Ann. Glogov. in Seript. rer, Sil. X, 30. Nah Diugofz Caspar Zaf, genannt Trac, und Melchior Löbel. Ambrogio Eontarini, ber 1478 in Mefertk war, nennt es: „piccola e assai bella con un castelletto “.

26 *

404 BZwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

der eine fchlefifche Chroniſt erzählt, daß mehr als taufenb Dörfer und Städte in Ajche gelegt wurden, und bie Stabt Pofen nur durch eine „beträchtliche Geldſumme“ fich von einem gleichen Schickſal abkaufte, und ber andere angiebt, ein Dorf bier in Polen jet mehr wert gewejen als zehn in Schlefien. Und wenn weiter der eine erzählt, daß die Räuber von ber Beute 50. Dukaten auf jeden Reiter verteilen fonnten, und der andere gar mitteilt, die Bauern bätten 50000 Dukaten Abgedinge gezahlt, um ſich nur vier Wochen vor dem Brand zu fchügen, daß aber nachher dennoch alles niebergebrannt worven fei. Aber daß der Einfall der Feinde in das polnifche Gebiet Schreden und Zorn im polnifchen Heerlager hervorrief, ift gewiß, und die fchlefiiche Landſchaft mußte dafür gar bitter büßen. Denn nachvem die Polen am 31. Oftober aus ihrer _ eriten Aufftellung zwiichen Oder und Ohle über den letzteren Fluß gegangen und fich bei Kattern gelagert ") Hatten (1. No⸗ vember), zündeten fie in der Umgegend von Breslau fo viele Dörfer und Gehöfte an, daß, nad) dem Ausdruck des Chroniften, bie Sonne vor Rauch und Dampf nicht gefehen werben: konnte, obgleich e8 ein heiterer Tag war. Dazwiſchen fanden wohl einzelne Kämpfe zwilchen ven vorgejchobenen Abteilungen ftatt, aber fie waren weitaus nicht von der Bedeutung, um eine Entſcheidung herbeizuführen. Schon durch ihre Maſſenhaftigkeit und geringere Beweglichkeit waren die Bolen und Böhmen im Nachteil, und fie verloren ganze Scharen von Kriegsleuten. Dazu wütete der Hunger, der Mangel an allen Bebürfnifien für Menſchen und Vieh, und bald auch naturgemäß bie Sterb- fichkeit in ihrem Nager. Kraut, Rüben, Möhren, Kohlſtrünke wurben zwar eingebracht, aber der Genuß der rohen Wurzeln erzeugte Dysenterieen?). Was die in Strehlen für das Lager arbeitenden Mühlen ablieferten, reichte nur für wenige bin,

1) Zeitfchr. für Geſchichte Schleftens IX, 384.

2) Ejhentlodr fpricht auch von Froſt. Diugofz aber fagt aus- drücklich, daß das Wetter milde war. Die Aufzeichnung in Zeitſchrift für Geſchichte Schlefiens IX, 384: „multi fame, gladio et frigore perierunt “.

Die Lage in der Stadt 405

und ebenfo waren die Zufuhren aus Fürftenftein, Lehnhaus und anderen Orten nur um jchweres Geld zu haben. Bei jolchen Verhältniſſen fonnte das Heer jeine Stellung nicht lange behaupten und fuchte eine befjere Pofition zu gewinnen, indem es ſüdlich von Breslau eine ftarfe Bewegung nach Weiten Hin machte und die Linie an der Weiftrig entlang zwilchen Noms berg, Hermansdorf und Goldſchmieden zur Bafis feiner An⸗ griffsftellung nahm. Auf diefem Marſche näherten fich die Polen der Stadt bis auf eine halbe Meile und rüdten mit ihren Wagenburgen hinter Brode und Gabi in 16 Linien bis nad Gräbſchen und Klein⸗Mochbern vor, aber mehr als ein grauenbafter Dörferbrand wurde auch pamit nicht erreicht. &8 gab einen Augenblid, da man von den Thürmen von Breslau an 300 Stellen die Flammen aufiteigen ſehen konnte. In ver Stadt jedoch verlor man den Mut nicht, obwohl e8 auch dort an Neibungen nicht fehlte. Der Rat und die Bürgerichaft waren unmutig über bie unermeßlichen Opfer, die vom Könige gefordert wurden. In einer ſolchen Anwandlung von Groll mag es wohl geicheben fein, daß der Nat einmal eine Schar von gefangen eingebrachten Polen, die der König, weil er fie nicht unterzubringen wußte, bem Rat übergeben hatte, graujamer und jchändlicher Weile ertränfen ließ. Die gedungenen Söldner fingen zu meutern an, weil Matthias ihnen die Löhnung nicht zu geben vermochte. Es ift wohl nur eine Anekdote, daß der König gewagt hätte, verkleidet als Bauer in das feindliche Lager zu reiten, aber befjer verbürgt ift die Thatſache, daß fih zwiſchen den Belagerten und den Angreifern eine eigen« tümliche Korrejponvdenz berftellte.e Von Hunger getrieben, ichrieben etliche aus dem Lager an ihre „Freunde“ in Breslau um Brot, und wir bören, daß Zdenek von Sternberg, Franz von der Hochitat und andere Herren aus Böhmen und Mähren, ja Matthias jelbft mehrere Wagen mit Brot, Wein, Bier den Darbenven hinausſchickten, und erft auf die Remonjtration des Stadtrat8 unterblieb diejes übermütige Wohlthun.

An diefe Kommunikation der Böhmen vor den Thoren ber Stadt mit den in derjelben befindlichen fnüpfte aber doch endlich

406 BZwölftes Bud. Biertes Kapitel (1474)

die Entwidelung der Lage an. Im polniichen wie im bößmiichen Heere wurde die Berzweifelung allgemein, unb der Ruf nad Beendigung des unglüdjeligen Feldzugs ließ ſich überall hören. Die Könige mußten nachgeben und Iuben daher Zdenek non Sternberg zu Berhanblungen in das Hauptquartier. Matthias ſchien aber nicht geneigt, fein Übergewicht leichten Kaufe auf- zugeben. Mit jedem Tage ber Zögerung wurde bie Pein bes von Hunger und Belt zerrütteten Belagerungsheeres unerträg- fiher. Die am 5. November begonnenen Unterbanblungen zogen fich in die Länge, denn Matthias beftand auf eine per- ſönliche Zuſammenkunft mit Kafimir und Wlabysfaw. Se mehr die polniſche Königsfamilie ihn bie tiefe Geriugſchätzuug als Emporlümmling Hatte empfinden laſſen, befto weniger mochte er biefen einzigen und unvergleichlichen Augenblid jeines Lebens ohne die Genugthuung für fein gekränktes Herz vorüber: geben laſſen. „So bitter und ſchwer“ es den Jagiellonen auch wurde, „die große Not bezwang fie, fie mußten zuſagen“. Bor dem Dorfe Groß-Mochbern liegt eine Anhöhe, von der aus man einen weiten Blick ringsum in die Lanbichaft hat). Dort wirden am 14. November die Zelte für bie Könige aufgefchlagen. Am Morgen des 15. ritt Matthias an ber Spite einer geharniſchten mit allem üblichen Zierrat ge ſchmückten Keiterichar von 3000 Dann hinaus nach dem Hügel. König Kaſimir erichien mit etwa eben jo vielen Hofleuten, aber ohne feinen Sohn. Beide Könige begrüßten einander, auf ihren Pferden bleibend, burch Abnahme des Hutes. Der Ungar prangte in feinem grünen Rod mit Perlen und Edel fteinen, mit denen felbft die Stiefel bejeßt waren; von jeinem Hute wallte ein Buſch von Reiherfedern, an jeiner Seite glänste die goldene Schwerticheive. Kafimir erichien einfach wie em Dürger in einem fchwarzen Zobelrod mit Zobelhut und einer

1) Rad) Ann. Glogov., p. 31 fand bie erſte Zuſammenkunft flatt prope Mochewitz (Mochbern), die anbere aber „in uno loco, proprie bei der Pelzbrücke“, d. i. wo die Straße von Breslau nad Liffa die Lohe über- brückt. Das Breslauer Stadtbuch (Zeitfehrift für ſchlefiſche Geſchichte IX, 384: grofsmochbor ... und dann in eodem loco.

Die Monarhenbegegnung. 407

Kogel 2). Matthias führte felbft das Wort, für Kaſimir ſprach Zbiegniew Olesnicki, der Bilchof von Wlockawek. So ver föhnlich die Begegnung auch ftimmte, Matthias beftand darauf, auch feinen Rivalen, den König Wladyslaw, zu ſehen. Man fam überein, daß dies am folgenden Tage geſchehe. Als fich die Könige zurücdziehen wollten, bat Kafimir, ihm boch drei Tage lang die Aufnahme von Proviant für das unglückliche Heer zu gewähren, worauf Matthias ſofort einging und nach allen Richtungen die angemejjeuen Befehle erteilte. Noch im⸗ pofanter trat der flegreiche König am folgenden Tage auf, und noch zahlreicher war das Gefolge. Diefesmal kam Kafimir mit feinem Sohne. Die Könige „empfingen einander brüder- lich", als aber Wladyslaw feinem Gegner die Hand reichte, wandte vr das Geficht ab. Zwiſchen ben beiden Sagiellonen fchritt der Hunyabe dem Zelte zu. Bis zum Abend beiprachen fi die Fürſten und verjtändigten fih, die Verhandlungen durch eine Konferenz von je 4 NRäten aus jedem Weiche im Breslau fortjfegen zu laſſen. Daß ſich unter den Bevoll⸗ mächtigten fein Bifchof befand, läßt fich noch Teicht erklären, aber daß Ian Rytwiauski, der bisher in der böhmischen Sache niemals gefehlt Hatte, durch Jakob von Debno, welcher feit drei Jahren etwas mehr in den Hintergrund getreten war, erjegt wurde, zeugt von einer großen Mipftimmung gegen den in Zroppau noch jo heißfpornigen Marſchall. Es wäre ja auch fonderbar, wenn ſich nach dem Häglichen Ausgang des Feldzuges nicht ein tiefer Überbruß an der böhmifchen Sache, die von vielen in Polen doch nur als eine Sache ber Kleber angejehen wurbe, fundgegeben hätte, und man darf wohl glauben, daß mehrere Herren, denen die Vertretung Polens in Breslau angetragen wurde, die Ehre ablehnten. Xeiht war ja auch die Aufgabe feinesweges, und die Beratungen zogen fich big gegen die eriten Tage des Dezember bin. Inzwiſchen fanden noch mancherlei Kämpfe und Scharmüßel im Felde ftatt. Cine

1) Nach Ann. Glogov., p. 31 erftaunte Matthias „de simplicitate regis Pol. et filii sui.“

408 Zwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

größere Abteilung ber Polen war wegen der VBerpeftung des Lagers durch Leichen von Menfchen und Pferden ftromabwärts gezogen und bis zum Klofter Leubus vorgedrungen. Sie fuchte das Städtchen Parchwitz mit ftürmender Hand zu nehmen, aber auch hier wurbe fie abgewiejen. Bon Namslau kam bie Kunde, daß fich bei Boleslawice ein neues polnifches Heer anfammele. Sofort eilte eine Schar von 2000 Reitern an bie Örenze und zerſtreute Die Feinde, und fo wie die polnifchen Bauern einen Streifjug ber ungariichen Söldner auf Kkobudo im Anfang des Krieges ab- gewehrt hatten, jo lagerten jetzt die fchlefifchen Bauern an ber Grenze zur Hut und Wacht. Endlich aber flog von Breslau die frobe Botſchaft durch das Land, daß „Frieden und gütlicher Anftand“ geichloffen fe. Die Böhmen waren ſchon am 19. November abgezogen. Nunmehr fuchten auch die Polen das ruhmloſe Kriegsfeld zu verlafien. Bei Steinau gingen fie über "die Oder, wo ihnen die Fiſcher durch Verfegung der Furtzeichen noch jchwere Verlufte beibrachten. Jeder eilte auf dem nächften beften Wege beim „mit ichönen Ehren wie die Maid aus dem Sündenhauſe“, fagt der Breslauer Stabtfchreiber ). Der . König betrat bei Punitz am 6. Dezember wieder das polntjche Gebiet 2).

Erit zwei Wochen nach der Zufammenkunft bei Groß Mochbern war die Breslauer Friedenskonferenz zum @inver- nehmen über bie wejentlichiten Punkte gelangt, und erit am 8. Dezember wurden die Urkunden darüber ausgetaufcht ?). Die Waffenruhe jollte bis zum Pfingitfefte des Jahres 1477 eingehalten werben. Inzwiſchen follte der Befititand in Böhmen zwiſchen ben beiden Prätendenten wie vor dem Kriege bleiben, bie beiberfeitigen Eroberungen und Gefangenen außgeliefert werden. Der ganze Vertrag fchuf fein neues Net. Im

1) Derſelbe fagt: „Da bie Polen über bie Ober kamen, taten fie keinen Schaden mehr.” Die näher ſtehenden Ann. Glogov., p. 31 erzählen aber grauenbafte Dinge von Steinau, Raubten, Köben, Guhrau.

2) Ann. Glogov. |. c.

3) Balady V.1, 123 bezlihtigt den Efchenloör ber Unterbrüdung von Details. Die Abſchrift im Bresl. Arch. (Kloſe) zeigt das nicht.

Der Breslauer Beifrieben. 409

weientlichen orbnete er die Dinge in Böhmen für die Epoche des Zweikönigtums nach den Prinzipien, die auf dem DBenejchauer Landtage vom Jahre 1473 von den Ständen beider Parteien aufgejtellt worden waren. Für Polen als Weich enthält ber Traktat feine bemerkenswerte Beitimmung. Der König Kafimir aber wird als der eigentliche Paciscent betrachtet, der für feinen „Erftgeborenen, Herren Wladyslaw“ das Geſchäft führt und die Verantwortung übernimmt. Als „König“ wird ber letztere nicht bezeichnet. Wichtiger aber als alles dies find unter dem Geſichtspunkt der allgemeinen Politif die Artikel, welche ben Einſchluß der beiderjeitigen Verbündeten in dieſen Waffenftill- ftand behanbelen. Der König Kafimir ließ den Kaifer Friedrich, der trogß der Bundesverträge von Nürnberg und Augsburg während des ganzen Krieges nichts von fich hatte vernehmen laſſen *), in ben Beifrieven mit aufnehmen, wofern berfelbe binnen dreizehn Wochen feinen Beitritt erklärte. König Matthias dagegen fchloß demonftrativ genug in erjter Reihe den Herzog Karl von Burgund ein, der eben bamals mit dem Kaifer in beftigem Kriege ftand, alsdann den Herzog Heinrich von Münfterberg, den zweiten Sohn Georg Podiebrads, der aller. dings auch mit Wladyslaw auf gutem Fuße ftand und, wie Eichenloer ſich ausprüdt, „auf beiden Bänken wuſch“, ferner den Biſchof von Paſſau und die Stadt Eger, endlich aber auch zum Schreden der Polen den Bilhof von Heilsberg, Nikolaus Tüngen. Wie erftaunten fie, als fich plöglich Die Solidarität zweier Feinde vor ihnen aufthat, deren Beziehung ihnen völlig unbelannt gewefen 2), und als fich die Wahr nehmung enthüllte, daß die Hand des unverjöhnlichen Hunyaden auch in den empfindlichen Verhältniffen Preußens die Karten miſche. Zu allen ben trüben Erfahrungen, welche der unglüd- liche Feldzug zurücließ, war dieſe noch eine bittere Beigabe.

Es ift wohl entichieden übertrieben, wenn der Breslauer Stadt-

1) Eſchen losr fagt: „er ließ die Polen in Hofen baden“. Über ben Beitritt des Kaifers f. Teleti, Hunyadiak Kora XI, 521. 2) Dfugofz: „emicuit quod hactenus latuit.

410 BZwölftes Bud. Biertes Kapitel. (1474.)

fchreiber angiebt, daß von den Polen und Böhmen die Hälfte die Heimat nicht wiedergefeben hat, aber felbft die wahrſchein⸗ licher Hingende Angabe eines Chroniften ?), daß mehr ald 7000 Bolen duch Hunger und Schwert oder in ben Kerkertürmen zugrunde gegangen find, tft angefichts des jämmerlichen Mip- erfolgs grauenhaft genug. Welch’ Herzzerreißenve Dinge batten die polniichen Bevollmächtigten in Breslau ſehen müffen, wie man vor ihren Augen 300 in ber Kellerluft des Kerkers er ftickte polniiche Gefangene an einem Tage herausholte und auf dem Schinbanger begrub. Und welde Demütigungen batten fie jeldft ertragen müſſen. Selbft um ben ihrigen ein paar Wagen mit Brot und Bier hinausſchicken zu bürfen, mußten fie erft an die Großmut des Könige Matthias appellieren. Sn der ganzen Art dieſes Feldzuges mußte man eine größere Niederlage fehen, als fie je in offener Feldſchlacht erlitten war. Wer würde darin’ noch eine Unbotmäßigkeit jehen, wenn bie polnifchen Batrioten fich bedenklich die Frage aufwarfen, ob denn bie dunaftifchen Beftrebungen ber Krone foldher Opfer wert wären. Am Hofe aber anbererjeit8 denn wir bürfen annehmen, daß der Erzieher der königlichen Brinzen das Hof geipräch wiebergiebt ?) fand man eine gewifjermaßen tröftende

Erklärung der Niederlage in der Verbächtigung, daß die leitenden Perſonen von ungariichem Gelde beftochen gewejen wären, eine

1) Ann. Glogov., p. 32 ſetzen noch hinzu: „licet quam plures, quod ipsi Poloni propter scandalum nolunt dicere.“ Es ift ungeheuer naiv, wenn Diugofz XIII, 523 erzählt, man babe nach Abſchluß bes Beifriedens Matthias ermahnt, ibn zu halten „weil er fonft regi et gentibus Poloniae imponeret necessitatem, iusta arma induendi “.

2) Ein zu großes Gewicht kann man auf die Anfhuldigungen Dlu⸗ goſzs in diefer Beziehung nicht Tegen. Denn fie treffen immer bie Gegner feiner politifchen und religidfen Bartei. Die Erzählung von dem raffl- nierten Verrat ber bei Matthias dienenden Polen (XIII, 520) ift ſchon darum verbächtig, weil Diugofz Namen von Männern nennt, bie ſich in dem „geiftlihen Krieg” 1461 an ben Vergewaltigungen bes Kralauer Kirhenvermögens und an feiner eigenen Habe beteiligten, fowie ja auch Yan Rytwiansti feit der Zeit feine Gunft verloren bat. Der Privathaß Diugofz8 tritt bier zu deutlich hervor.

Die preußifhen Stände. 411

Anklage, die, wie e8 jcheint, auf den Kronmarſchall Ian Ryt⸗ wianski fich beſonders konzentriere. Die Meitteilungen hierüber gehen allerdings von einem Manne aus, der dem Einfluß perjönlicher Gefühle auf die Hiftoriihe Darftellung nicht unzugänglich war, aber fie wiederholen fich doch zu oft und bet zu verſchiedenen Gelegenbeiten, um nicht bie Folgerung zu geitatten, daß die Beftechlichleit bei der Ariſtokratie jener Zage nicht im Charakter eines Fleckens auf der Ehre ange jehen wurde. Indeſſen bleibt es immer thöricht, das Miß- glücen des Feldzuges, deſſen Urfachen Mar genug in einer Ver⸗ bindung von Leichtfinn, Nachläffigfeit, Übermut und Unbebacht- jamfeit lagen, mit ſolchen Gründen untergeorbneter Gattung vor fich ſelbſt beichönigen zu wollen. Und wie es im Leben gebt, daß dem Geichäbigten auch der Spott nicht eripart zu bleiben pflegt, jo ballten neben den triumphierenden Berichten, die König Matthias über feine Rettung in Breslau an Fürften und Machthaber in die Welt Hinausjanbte, die Spottgebichte Gabriel Rangonis über den tiefen Fall der Polen in allen Humaniftenkreifen wieder. Freilich replizierte ber Lemberger Erzbiichof Gregor von Sanok in patiotiidem Zorn auf das Schmähgedidht, aber infoweit die Poöme und vorliegen, muß man zugefteben, daß wie die Waffen jo auch die Verſe des Ungarn den polniichen überlegen waren.

Fünftes Kapitel, Die preußifchen Stände. Der ermländifche Pfaffenkrieg.

Die Unnerion der im Thorner Frieden gewonnenen Lande, Danzig, Pomerellen, Culm, Michelau und Ermland war nun« mehr erfolgt. Eine Intorporation, wie man fie nach dem

412 Zwölftes Bud. FZünftes Kapitel. (1467—72).

Borgang des amtlichen Ausoruds oft genannt bat, war fie feinesweges, und darum beburfte es auch Feiner abminiftrativen Kunft, um die jtaatlichen und gejellichaftlihen Berhältniſſe in denjelben zu oronen. Kraft der Privilegien, welde die Be⸗ Dingung des Anichlufies au Polen waren, erhielten vie Preußen ein Maß von Autonomie, wie jie es uuter ber Ordensherr⸗ ſchaft durchaus nicht haben fonuten, und das gemäß der höheren Sulturentwidelung jelbit die fiaatsrechtliche Stellung Litauen zu Bolen überragte. Die preußiiche Ständeverfanmlung, feind- felig nievergebalten durch den Orden, im Kriege als leitenves Organ erftarkt, gewann jet einen faft fonveränen Einfluß, den gegenüber die Bedeutung ber Töniglichen Senbboten, die auf den Landtagen eigentlih nur wie die Botſchafter einer befreundeten Macht angejehen wurben, nicht auflam. Den Rückhalt, den die Krone bot, wußten die preußijchen Stände gelegentlich jehr wohl fich zunute zu machen, an den Bellen mungen und Notjtänden derjelben beteiligten fie fi aber nur bis fu der Grenze, die ihnen durch die Verfaſſung und bie Zraftate auferlegt war. Sie bewilligten Steuern und Schoß gelder zu den Unternehmungen des Königs, fie dienten im pol nifhen Heere, aber ihre Sendboten kümmerten fi) auf ben polnifchen Neichötagen um nichts mehr als um ihre eigenen Angelegenheiten. &8 wäre ein lohnender Gegenftand der Spezial» forichung, diefes in der Form fo herzliche in der Sache durch⸗ aus vejervierte Verhältnis der Preußen zur Krone Polen dar zulegen, das in jeiner Eigenartigfeit ebenjo interefiant als für das Verſtändnis der weiteren Entwidelung förderlich fein würde. Wenn e8 auch vielleicht dem Könige ernft geweien jein “mochte, die Privilegien der Preußen zu achten, fo traten bod jehr bald Anzeichen einer auf durchgreifende Affimilierung aus- gehenden Richtung hervor, die zunächft, von polniſchen Parteir führern gehegt, weniger aus nationalen als egoiftiichen Antrieben hervorging. Der Wunfch der polnifchen Ritter, auf ven Burgen zu hauſen, wo die Deutichen geſeſſen Hatten, lag allzu nah, und das Hindernis, das in der grundrechtlichen Zujage des Königs lag, nur Eingeborenen Ämter und Pfründen zu ver

\ \

Erlöjhen der Gubernatormwürde. 413

leihen, wurde daher in Polen vom erften Augenblid an mit fcheelen Augen betrachtet. Aus dem Schloffe von Marienburg, fowie auch aus einigen andern Schlöffern gingen die Bolen nicht mehr heraus. Im Kriege ſchien e8 nur aus augenblid- licher Verlegenheit zu geſchehen, daß man ven Mangel des Indigenats bei den Hauptleuten überjahb, und als ber Krieg zu Ende war, blieben fie unter dem Vorwande, daß fte fich noch für Soldforderungen ſchadlos zu halten hätten. Nichts aber ift wohl auf polniicher Seite anftößiger empfunden worden, als das preußifche Gubernatoren-Amt, welches allerdings am augenfälligiten Die Autonomie der preußtichen Lande zur Er» fheinung brachte. Und in diefer Beziehung wird ber König ficherlich mit den unzufriedenften Kundgebungen ein lebhaftes Gefühl der Übereinftimmung gehabt Haben. Schon gewiffe Ähnlichkeiten mit der Litauifchen Statthalterfchaft in den erften Jahren der Union Polens und Litauens, die zu entmutigenden Erfahrungen Veranlaffung gegeben hatte, mehr aber noch bie Gehälfigkeit, die auf dem „Gubernator“ feit den dynaſtiſchen Umwälzungen in Böhmen und Ungarn und feit den aufs rühreriſchen Anwandlungen in Polen felbft Tag, mußten ven Wunſch einer baldigen Bejeitigung diefer Inftitution rege werben laſſen. Zu den eigentlich Zonftituterenden Bedingungen der preußiſchen Unterwerfung gehörte fie nicht, jondern war Lediglich eine Berwaltungsmaßregel, welche bei der erften vorläufigen Amtereinrichtung im Jahre 1454 getroffen worden war. Als nun aber auf dem erjten Reichsſstage nach dem Kriege im Sabre 1467 der vormals eingerichtete Palatinat Elbing auf Marien- burg übertragen, und der ehedem „Elbingifche Wojewode“ jetzt „Wojewode von Marienburg” geworden war, verfchiwand der Titel eines „Gubernators” aus den Schriftſtücken der polniſchen Kanzlei, wenngleich die preußifchen Behörden und Protofolle umfoweniger aufhörten von ihrem „Gubernator“ zu [prechen, als ein Perſonenwechſel nicht ftattgefunden, und ver „Marien- burger Wojewode“ Stibor von Bayſen diefelben Funktionen des Borfiges in den Landtagen und ber Ausübung ber Töniglichen

Gerichtsbarkeit behielt, bie ihm als „Gubernator“ zuftanden.

414 Zwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1467 —72.)

Diejer Wechfel fand aber nicht bloß in den Titeln feinen Aus⸗ drud. Denn ber Gubernator hatte als jolcher auch den An⸗ ſpruch auf die Hauptmannichaft des Schlofjes von Marienburg, und wern Stibor von Bahfen die Polen aus demſelben nicht verbrängen fonnte, jo genoß er doch die im Marienburger Werder gelegenen und zur Marienburg gehörigen Güter. Schon im Sabre 1469 wurde ihm baber von ben Königlichen Kom⸗ miſſarien bebeutet, daß die Stellung eines „Gubernators“ aufr gehört habe. Die Dörfer im Martienburger Werber wurben ihm entzogen, und feinen Wohnfig nahm Stibor in der feiner Wojewodichaft. als Amts-Emolument zugewielenen Staroftet Stuhm. Damit waren aber, wie gejagt, die an der Marien» burger Wojewodſchaft Haftenden Vorrechte ber Leitung ber Landtage und der Königsgerichte keinesweges alteriert, aber auch Teinesweges durch einen auszeichnenden Titel für die Zur funft begründet. ‘Die Stände brachten diefen Umftand gelegent- fih der Anweſenheit des Königs in Thorn im Jahre 1472 zur Sprade und erlangten allerdings „die Beftätigung des Marienburgiſchen Wojewoden als Landeshaupt“, nur foll er ſich nicht mehr „Gubernator“ in ſeinen „Briefen“ nennen, ſondern „oberſter Hauptmann der Lande Preußen“, das heißt nach der in Polen üblichen Terminologie „capitaneus gene- ralis terrarum Prussiae“ oder Generalftaroft. Stibor von Bayſen befam aljo nur die Stellung, welche Peter von Sza- motoͤl zu derjelben Zeit in Großpolen, oder Andreas Obromaj de Sprowa in Rußland einnahmen !). Das Amt eines „&uber- nators“ war aljo, wie oft man auch in Preußen bis zum Tode Stibors davon ſprach, ganz formell aufgehoben, und eine polniſche Würde dafür fubftituiert 2).

1) Siebe 3. 8. Cod. epist. saec. XV, II, 247 und Akta grodzkie VI, 178. .

2) Hirſch hat ber Frage eine von leidenſchaftlichen Invektiven gegen Diugofz firogende Unterfuhung in Script. rer. Pruls. IV, 690 „Beilage“ gewidmet. Gerade aus feiner Beweisführung entnimmt man das Gegen- teil feiner Schlußfolgerung. Dimgofz bat diesmal recht, unb Kaspar Schütz, fol. 33, bat in zwei Zeilen das Verhältnis richtig gezeichnet.

Fürſtbistum Ermland. 415

Schon diefem einen Vorgange entnimmt man die Über zeugung, daß in Polen der Entichluß vorwaltete, in den annel- tierten Ländern vorläufig in jchonender Form polniiche Gefichts- punfte zur Geltung zu bringen. Noch einbringlicher zeigt fich die8 in den ermländiichen Verwickelungen, die eine große Ausdehnung gewannen und fich fchlieglich jogar mit den un⸗ gariich-böhmiichen Streitfragen unliebfam verwebten. Unter ben neu gewonnenen Gebieten nahm Ermland eine durchaus befondere Stellung ein. Hier hören wir nichts von Wojewoden und Kajtellanen, Hier follte nach dem Grundgedanken des Thorner Friedens ein geiftliches Fürſtentum ) unter dem Schuge der polnifchen Krone errichtet werden, wie es in Polen noch feine gab. Einer Diözeje ſollte diefes Bistum nicht zugewielen werben und alſo unmittelbar unter dem Bapfte ftehen. Im weltlicher Beziehung ift der Biſchof ber oberjte Landesbenmte. Es ift nicht richtig, was häufig in neuerer und auch zuweilen in älterer Zeit behauptet worden tft, daß mit dem Thorner Frieden lediglich die Rechte des Ordens auf den Polenfönig übertragen wurden. Der Orden hatte doch mehr als ein bloßes Schirm- pogteirecht über Ermland, und wenn e8 ibm auch nicht gelungen iit, was er fo fehr gewünjcht hatte, Biſchöfe aus dem Regular⸗ Herus gewählt zu jeben, und daher fich immer ein gewiſſer verborgener, zuweilen freilich; auch lärmender Gegenſatz zwiſchen dem Hochmeiſter und der biſchöflichen Kurie wahrnehmen ließ, ſo hatte der Biſchof von Ermland doch weſentlich kein anderes Verhältnis zum Ordensſtaat wie die von Pomezanien oder Samland. Unter dem Orden hätte es niemals geſchehen können, daß ein Biſchof von Ermland als ſelbſtändige, vertragſchließende Partei in einem internationalen Vertrage oder als die Landes⸗ hoheit vertretender Gerichtshalter hätte auftreten können. Aber auch in Polen gab es keine Analogie für die Ermland zugedachte Stellung, denn die durch den Biſchof von Krakau erkaufte und

1) „Ecclesia Varmiensis, cuius pro tempore episcopus noster et regui nostri princeps esse dignoscitur“, fehreibt der König Cod. epist. saec. XV, II, 258.

416 BZwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1467.)

als Zugehörigkeit zum Bistum geübte Jurisdiktion in dem Heinen Fürftentum Siewierz war ſchon wegen bes geringen Umfangs, wegen bed ganz anderen Urſprungs und wegen ber mangelnden Selbftändigleit damit gar nicht zu vergleichen. Nur vermutungsweife läßt ſich die Meinung aufitellen, daß die weitgehende partifulariftiiche Konzeifion ihren Grund in ber Erwägung hatte, daß Die durch und durch deutiche Bevölkerung von Ermland am wenigften Hoffnung auf eine politiiche Aſſi⸗ milierung mit Polen eröffnete, und daß die Verwaltung des Landes durch einen weltlichen Balatin, der ein Eingeborener und auch wohl ein Deutjcher hätte jein müflen, bei der un⸗ mittelbaren Nachbarichaft des Ordens den baldigen Verluft des Landes beforgen ließ. Mit einem Kirchenfürften glaubte man eber ebenjo viele gemeinfame Gefichtspunfte mit Polen als gegenjägliche gegen den Orden pflegen zu können.

War nun aber Ermland jchon fonft eine jehr ummorbene Pfründe, für welche jelbft ein Aeneas Sylvius einft große Intriguen und Koſten nicht geſcheut hatte, um wie viel mehr jest, da die Machtftellung des Biſchofs jo erheblich gewachien war. Als daher Paul von Legendorf, deſſen Felonie bie finfende Lage des Ordens während des Krieges vollends zum raſchen Verfall getrieben Hatte, am 23. Juli 1467 geftorben war, traten alle beteiligten Baltoren ſofort in eine verwirrende Konkurrenz. Dem Kapitel, das fchon zweimal bei ben leßten beide Bilchöfen fein Wahlrecht gegenüber der ihm aufgebrungenen päpftlichen Provifion zurückgeſchoben ſah, mußte dieſesmal ganz beſonders an der Ausübung feiner Prärogative gelegen fein, und obgleich es nicht vollzählig war ), beeilte es fich zur Wahl zu fchreiten. Sie fiel auf den zur Zeit in Rom in ber päpft- lichen Kanzlei beichäftigten ermländiichen Domberen Nikolaus Züngen, ber in der Nähe von Wormditt heimiſch alfo ein

1) So die Chronik vom Pfaffenkriege. Der Einwand, den Brod De controversiis etc., p. 14 aus bem „nullo diserepante‘“ ber päpfl lichen Bulle folgert, ift hinfällig, demm folche formelhafte Wendungen be Kurialſtils find nicht thatfächlich zu nehmen.

Nilolaus Tüngen und Bincenz Kielbafja 417

Landeskind war !). Der König hatte wohl Teine Zeit gehabt, auf die das Kapitel damals vertretenden ‘Domberren einen direkten Einfluß zu üben. Nahm er aber im eigenen Lande fchon, wie mir ſahen, das Nominationsrecht mit einer durch Nieder- lagen nicht entmutigten Hartnäckigkeit in Anſpruch, fo meinte er in dieſem Falle im Hinblid auf die politifche Seite, bie dabei in Betracht kam, fih um jo weniger vesfelben enthalten zu bürfen. Sm Föniglichen Rate wurde der Vorſchlag gemacht, Rudolf von Rüdesheim, den Mittler des Chorner Friedens zu berufen, weil man für ben Legaten am ehbeften die Be ftätigung der römischen Kurie erlangen zu können hoffte. Kafimir mochte inbeifen erwägen, daß Rubolf einerſeits noch weniger als der Elekt des Kapitels fich ben polntichen Beitrebungen dienlich erweilen würbe, anbererfeitS mit feinen Zumutungen inbetreff der böhmifchen Thronfrage über alle heimischen Intereſſen Binaus eine Politit betriebe, der Polen nachzufolgen nicht ges neigt war. Der Kandidat des Königs war Bincenz Kielbaſſa, ein Pole ans dem alten Geichlechte ver Nalecz. Vincenz batte zur Zeit einen beberrichenden Einfluß im Rate bes Könige. Sn den Berbandblungen um den Thorner Frieden war er ebenfo wegen feines biplomatifchen Geſchicks als wegen feiner Geläufig⸗ keit in ber beutichen Sprache eine Hauptperjon, und daher auch anserwählt geweien, um die Beftätigung bes Thorner Traktats som Papite zu erbitten. Dies ift ihm allerdings nicht ges: Iungen, aber ba er die Konfelration als Biſchof von Culm und die Anerlennung als Iebenslänglicher Adminiftrator des Bistums Pomezanten von Rom mitgebracht batte, alſo that» Tählih eine Genehmigung ber weientlichiten Tirchenrechtlichen - Beränberungen, welche burch den Thorner Frieden bebingt

1) Eihhorn in Zeitſchrift f. d. Geſch. Ermlands I, 150, Note 2, führt eine ganze Genealogie Tüngens aus, die ihn gar von bem Ur- preußen Kurtye abflammen läßt. Bon ihm und anderen iſt überfehen morben, daß Dingef5 XII, 410 ibn „civilis generis‘, d. i. bürgerlicher Ankunft, fein läßt. Er fand bach in Gunften bei Pius IL, der ihm glei nach Antritt feines Pontifilats eine Anwartfchaft verlieh und im Sabre 1462 erneuert. Theiner, Mon. Pol. UI, 148, no. 182.

Caro, Gejſchichte Polens. V. 1. 27

418 BZwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1467.)

waren, jo durfte der König fi) von ihm auch am eheften eine fung des ermlänbiichen Konflikts nach feinem Sinne ver- Iprechen. Aus den Verbanblungen mit dem Hochmeifter Reuß von Plauen, bei denen Bincenz ben Sprecher zwilchen dem Könige und dem deutſchen Fürften machte, fowie aus mandhen Erwähnungen besjelben im Verlauf des böhmiſchen Thronftreits erfennt man, daß Vincenz die politiiche Richtung bes Königs mehr als irgend ein Biſchof Polens damals teilte, vielleicht im weitgebendem Maße beeinflußte. Dfugofz, ber faft jedem feiner zeitgendffiichen Biichöfe etwas Übles nachzuſagen weiß, tapelt jeine Berichwendungsjucht, die fich nicht immer bloß an das Iegitime Verfügungsrecht gehalten habe. So wie das Vertrauen des Königs, jo muß er auch das der preußilchen Stände, denen die Wichtigleit grade des ermländtichen Stuhls angeſichts der neuen bornigen Verhältniſſe zum Orden nicht gering ſchien, beſeſſen haben. Für fie war es aber ebenfo bedenklich, einfach die Wahl des Kapiteld wie die einjeitige Nomination des Königs zu aeceptieren. Auf dem gegen Ende November 1467 in Marienburg gehaltenen Tage wurde daher unter Einwilligung von Sendboten des inzwilchen umgeftimmten ermländiſchen Kapitels beichloffen ), einftweilen den Biſchof von Culm als „Konſervator“ der ermländtichen Diözefe anzuertennen, fo daß unter verjchtevenen Titeln das ganze polnifche Preußen mit Ausnahme des zum Sprengel des Biſchofs von Kujawien ge- hörigen Zeil$ unter der geijtlichen Jurisdiktion des Vincenz Kielbaſſa ftand.

Noch batte Rom nicht geiprochen. ‘Die lokalen Anftöße, die Wahl des Kapiteld und die auf dem Fuße folgende Selbft- berichtigung derſelben kamen für pie Kurie nur jehr entfernt in Betradht. Der Papit hatte Tediglich die ‚allgemeinen Ber- bhältniffe im Auge. Wir wifjen bereits ?), daß Ian Zapiensfi,

1) Die ihre eigene Wahl desavouierenden Domberren waren Bartbo- lomäus Wbenwald, Arnold Klünger, Markus be Wolkow, Werner Mede⸗ rich, Stephan Neydenburg und Johann Dacteln. So nennt fie bie Bulle bei Theiner II, 160, no. 199.

2) ©. oben, ©. 286.

Tüngen beftätigt vom Papft. 419

der dem Papfte außer der Beitätigung bes Thorner Friedens auch die Verſetzung Kielbaſſas nad Ermland abzugemwinnen den Auftrag Hatte, eine um fo üblere Aufnahme fand, als eben damals ber Bericht des Legaten Rudolf über die Weigerung Kaftmirs gegen Podiebrad das Schwert zu ziehen, und bie Denunziation der böhmifchen Ligiften über ftrafbare Beziehungen Polens zu den Ketzern eingetroffen waren. Unverzüglich 1) zeigte Bapft Paul II. dem Legaten an, daß er ben polnifchen Wünfchen in feiner Weiſe entgegenlommen werbe, baß er bie bierauf bezüglichen aber bedingten Vollmachten zurüdzöge, denn „ganz Preußen gehöre zu Recht und Eigentum dem apofto- liſchen Stuhl". Und als in Matthias von Ungarn der Tampf- bereite „PBroteltor der Katholiten” gefunden, ımb von einem Anſchluß Polens an den flegreih in Böhmen vorjchreitenden Ungarn faum noch die Rede fein konnte, fo zögerte der Papft nicht länger, die erfte den Polen verhaßte Wahl des erm- ländiſchen Kapitels zu beftätigen, und Nikolaus Tüngen zu fonfirmieren, während dem Biſchofe von Culm unter Androhung von Zenjuren jeder Verfuch einer Anmaßung bifchöflicher Nechte unterjagt wurde. So war fchon von vornherein ber ärtliche Segenjat mit dem die ganze Chriftenbeit befchäftigenden, und die Sache Tüngens mit der des Königs von Ungarn in eine zuſammenwirkende Beziehung gebracht.

Dei der Dreiftigleit, mit der man im fünfzehnten Jahr⸗ hundert Urkunden fäljchte, würbe es nicht auffallend gewejen ein, wenn Ian Zapienski aus Rom auch Beftätigungsbullen für Vincenz Kielbaſſa mitgebracht hätte. Aber die ungeheuer- liche Erzählumg ?) von folchen berußt doch nur auf Phantafie und auf dem Mißverſtändnis eines Schreibens Kafimirs an den Elbinger Kaſtellan Fabian von Legendeorf ?), worin er in

1) Denn fon am 4. Februar 1468. Script. rer. Siles. IX, 259, no. 386. Die papiftiihe Idylle, welche Eihhorn, Ermld. Zeitichrift I, 152 bei diefer Gelegenheit vorträgt, wird durch biefen ihm unbelannt gebliebenen Brief von Grund aus zerfiört.

.. 2) Eichhorn a. a. O. S. 154. 3) Schreiben vom 16. Inni 1469 im Franenburger Kap.-Archiv. 27*

420 Zmwölftes Bud. Yünftes Kapitel. (1469.)

ber Wahrnehmung, daß bie von Tüngen nach Ermlaud und an den Hochmeifter aviſierten Bullen doch Einduck zu machen aufingen, feinen Getreuen befahl, gegen jeve Maßnahme bes Prätendenten oder feines Bevollmächtigten fofort an den Papft zu appellieven. Diele königlichen Weiſungen wurden aber von Bincenz, der mit großer Energie unb limficht feines Konſer⸗ satoramies waltete, nachbrüdtich ausgeführt. Mit Zenſuren und andern ihm zu Gebote ſtehenden Strafen züchtigte er jebe zugunften Tüngens ſich vorwagende Äußerung, in bie feſten Platze Iegte er zur Verwahrung gegen etwaige liberrafchung polniſches Kriegſsvolk, und nuch bie im hochmeifterlichen Gebiete liegenden Enclaven des ermlimbiichen Sprengels juchte er ben Gremtionen des Regularklerus zu entziehen. Daß er über feine Befugniffe und Pflidgten als Konfervator hinaus Die An» eriennuug als Biſchof jemandem zugemutet Hätte, bafür Liegt teiuerlei Beweis vor. Seine ganze Thätigleit war weſentlich darauf gerichtet, das Eindringen Tüngens zu verhindern, und Das dürfte auch wohl der Grund geweſen fein, weshalb derſelbe trotz der päpitlien Proviſion faft zwei Jahre lang zügerte, ih. perſönlich in feine Diögefe zu begeben. Die in Rom am weienden Polen Batten fich mit ihm in Verbinvung geſetzt und ihm ein Jahrgeld von 2000 Dulaten angeboten, wenn er auf das Bistum verzichtete ). Davon mochte er nichts Hören. Andererfeits aber batte er doch als Mitglied ber römiſchen Sanzlei Gelegenheit fich zu überzeugen ?), daß ber Gezgeunſatz zwifchen dem Bapfte und Kaſimir noch nicht fo abſolut jet, wie es im den au ben König von Ungarn gelanbten Bullen und Briefen mit tönemden Worten gejagt wurbe, und baf eine leiſe Wendung Kaſtmirs in ber boͤhmiſchen Politik bewirlen würde, daß die Aufopferung eines beſtrittenen Bistumslandi⸗

baten dem Papfte nicht zu viel Schwierigkeiten machen wüurde.

Während er aber in Nom abwartete um» jelne Dibzeſanen durch einen Benollmächtigten und durch Briefe und päpffliche 1) eigene Worte Tüngens, Shüg, fol 341. 2) , Wir davon im Stuhl zu Rom viel Erfahrung haben“ ſchreibt Tüngen gelegentlich an ben Sochmeißer. Räuigib. Archiv.

————

)

Der Hochmeiſter Reuß von Blauen. 421

Senvichreiben ) zum Widerftande gegen ben Konſervator auf⸗ zeigte, bildete fich in Ermland eine Partei zu feinen Gunſien, wodurch ein völlige Schema in dem Kirchenſprengel berbei- geführt wurde. Wer vem Tängen anbing, wurde von bem Konfervator geftraft, und wer Vincenz folgte, wurbe von jenem zeniwiert. Was der König befahl, verbot der PBapft, und was der Papft anorbnete, unterfagte der König. Auf dem großen Reichstage im Jahre 1469, in welchem ber neuerwählte Hocmelfter Heinrich Neuß von Plauen zum erftienmale er» fienen war, um dem Könige von Polen ven Huldigungselb zu leiten und feine Pflicht als erfter Rat der Krone zu er» fühlen ein Vorgang von erfchütternder Tragil, ver dem ftarten Manne das Herz und das Leben brach forberte der König das ausdrückliche Verjprechen, daß er feine päpft lichen Briefe gegen Bincenz annehmen folle, denn in Bolen wie in Preußen werde er das Nominationsrecht der Krone durch⸗ zufegen wifien. „Es würde dem Papſte auch nicht gefallen“, ſetzte der polniiche Reichskanzler im Namen feines Herrn Hinzu, „wenn jemand einen Biichof in Rom ohne den Willen Seiner Heiligkeit einfegen wollte. Der Hocmeifter ließ fich auf dieſen ſophiſtiſchen Vergleich nicht weiter ein, er ermwiderte.nur: „ich will e8 gern thun und babe es bisher gethan“. Auf die zu- bringliche Bemerkung Kielbaſſas, daß „die Gelehrten“ des Hoch meifters wohl ohne jein Willen anders banbelten, antwortete er nichts. Aber als man ihm zumutete, einen Brief in vor gelegter Form zugimften bes Biſchofs Vincenz an den Papft zu richten, fo willigte er „gern” darein, und als man weiter

1) Das Iehrreichfie if das bei Theiner, Mon. Pol. II, 160, no. 199. So ſcharf es gefaßt ift, es zeigt doch, daß Bincenz über bie Befugniſſe

des Konfersators nicht hinausging. Die Bulle follte in Breslau und

Frankfurt ausgehängt werben. Daher ging Libenwald nach Breslau unb legte boxt, wie ber König befohlen Hatte, vor dem Dompropfi Johann Diefter die Appellation am 4. September ein. Hierauf finden wir Liben⸗ wald und Stephan Neydenburg beim Heichstage in Piotrlow. Nach dem Rezeß von 1469 im Königsb. Archiv. Bol. dagegen Woelkys Anmer- fung in Script. rer. Varmiensium ], 312, Rote 26.

422 BZwölftes Bud. Yünftes Kapitel. (1470.)

von ihm verlangte, daß er die Stadt Wartenberg, die zu ven ermländiichen Tafelgütern gehörte und jest noch in den Händen ber Söloner war, nach der Löfung niemandem anders als dem Kaftellan Fabian von Maul einräumen folle, fo veriprad er auch dies „gern zu thun“.

Aus diefer ganzen Zwieſprache erhellt ſchon, daß Neuß von Plauen, was auch immer jeine Gedanken über die ermlänbiichen Händel gewejen fein mochten, es für geraten hielt, bie polniſchen DBetreibungen nicht zu kreuzen. Bei der Verfolgung derſelben zeigten fie jich jo eng mit ver Beftätigung des Thorner Friedens in Verbindung ſtehend, daß der Hochmeifter durch jede andere Haltung dem ohnehin ihm offen vorgehaltenen Verdacht, daß er die Weigerung ber Kurie veranlaßt bätte, nur Vorſchub geleiftet haben würde. Die fernig mannbafte Art, mit der Neuß dem Könige gegenüber alle ſolche VBerbächtigungen zurück⸗ wies und die Aufrichtigfeit feiner Politif darlegte, machte auf bie Polen jichtlih Einprud, und die Beſorgniſſe, daß der ger fürdhtete Prätendent durch das Ordensgebiet in die Diözeſe ein- dringen werde, traten merklich zurüd. Uber jo wie Ludwig von Erlichshauſen die Demütigung des Thorner Friedens nur wenige Monate überlebt hatte, fo hat Reuß von Plauen den jauern Gang nad Piotrlow und die Eidesletftung nur wenige Tage überdauert. Auf der Heimreije von Polen ward er vom Sclage getroffen. Doch auch fein Nachfolger, Heinrich Refle von Nichtenberg bewahrte anfänglich mindeſtens die Grenzen äußeriter Zurückhaltung in dem ermländifchen Streit, jo ſchwer es ibm auch gemacht wurde. ‘Denn während er die Zujagen jeines Vorgängers einzuhalten ſich bemühte, drängte der Papft, auf den der Hochmeifter doch Rückſicht zu nehmen Hatte, ihn zur Parteinahme für Tüngen. Nur viefem jolite er, jchrieb ber Papft, Wartenberg ausliefern, venn nur der Papft habe die Dispofition über die preußiichen Stifter. Andererſeits

wußte fich aber auch Vincenz den Hochmeilter zu verpflichten, und foweit es fich überfehen läßt, kam Heinrich von Richten berg eher dem letztern als dem fern weilenden Elelten entgegen. Endlich aber hielt es Tüngen an der Zeit, fih nach Preußen

Tüngens Unvorfidtigleit. 423

zu begeben. Es war in der Epoche des Billacher Kongreffes, alfo damals, als eine Annäherung Polens an den Kaiſer und indirelt auch an die römifche Kurie eingetreten war, als Niko» laus Züngen Italien verließ, und es ift Grund anzunehmen, daß der zeitliche Zujammenbang auch einen urjächlichen einfchloß. Als Pilger verkleidet, erichien Tüngen am 12. September 1470 in Danzig und fchiffte ſich alsbald nach Braunsberg !) ein, um von dort aus Veranftaltungen zur Einnahme einiger fefter Plätze in Ermland zu treffen. Im Gutſtadt nahm man fich feiner an, und die Bürger juchten Seeburg zu überraichen, wurden aber zurüdgemwiejen, denn Seeburg, Heilsberg und Rößel waren mit Zöniglihem Kriegsvolt und Proviant gut verjehen. Hatte das Mißlingen des Gewaltjtreiches ſchon bes Biſchofs Lage verichlimmert, fo kam noch der üble Umftand Binzu, daß vertrauensvolle Briefe von ihm an den ermländifchen Domkantor Bartholomäus Libenwald, ver ſchon in den Kämpfen des Aeneas Sylvius keine ſehr anziebende Rolle geiptelt hatte, von den Löntglichen Beamten aufgefangen wurben, in welchen Tüngen fih allzu vertrauensvoll „in ungewalchenen Worten“ erging. Den jungen Ian Leszezynski, einen Verwandten des Dlugoſz und des das Einverftändnis Polens mit dem Kaiſer permittelnden Raphael Leszczunski, den Freund und Schükling bes Karbinals von Conftanz, dem der Bapft die Stelle bes Dechanten in Ermland zugedacht Hatte, nannte er darin einen „Schulfuchs und Stubenhoder, den er jchon aus dem Dekanat berauszumerfen wiſſen werde“ 2). Aber fchlimmer noch: ben König Kafimir nannte er einen „Einfaltspinjel’. Das war denn doch zu viel. Die Majeftätsbeleidigung wurde durch feine Handſchrift feitgeftellt, und ein Bericht darüber ging an ben Papſt ab mit der Bitte, ihn vom Amte zu entfernen und einen

1) Im Cod. epist. saec. XV,II, 244, no. 216 flieht zwar das un« verflänblfiche Koufberg, aber das beruht auf falſcher Lejung.

2) Derſelbe fuchte fpäter fi in das buch ben Tod bes jüngeren Diugofz valant gewordene Krakauer Kanonilat zu drängen, wurde aber vom Bapfte Sirtus IV. adgemwiefen. Er wurbe dann in Pofen unter- gebracht und erhielt mehrere Pfründen.

424 BZmwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1470.)

andern zu jubftituieren, wenn auch nicht ben Bincenz Kielbaſſa, denn nachdem der Bapft bis zur Banndrohung gegen ihn vor- gegangen war, glaubte man von eimem ausdrücklichen Vor⸗ ichlage des in Rom unbeliebten Mannes abfeben zu müſſen. Auf dem Reichstage in Piotrlow, im Spütberbft 1470, im Beiſein des eben huldigenden Hochmeifters Heinrich von Richten berg und des päpftlichen Legaten Alexander von Forli, der ſich Hoffnungen machte, das Bistum Eulm aus dem ganzen Streit zu erhaichen ?), wurde Nikolaus Tüngen als Reichsfeind in bie Acht erklärt ?), und Jakob von Debno, der damals nach Rom ging, Hatte den Auftrag, auch ven Papft wider ihn einzunehmen. Darnach konnte Tüngen fich nicht halten. Er verließ wiederum die Didzeſe und fuchte in der Nigafchen Kirchenprovinz Schub und Hilfe. Die Stabt Braunsberg mußte erklären, daß fie obne königlichen Befehl feinen Biſchof mehr landen lafien werde). Bergeblich ſuchte ein Bifchof, vermutlich der Erzbiſchof von Riga felbit, für ihn beim Könige Fürſprache einzulegen. Kaſimir verbat fi) Das und meinte, der Biſchof thäte beſſer, den Geächteten nicht zu beherbergen, venn er babe gegründete Hoffnung, daß auch der Papſt ihn bald fallen laſſen werde ).

Diefe Hoffnung baflerte auf der Damals durch den Anſchluß Kaſimirs an den Kaiſer verbefferten Stellung zu Rom und war nicht ungerechtfertigt. Wir willen, daß Jakob von Debno bereitö einer ganz andern Stimmung bei der Kurie begegnete, als Ian Zapiensli, und als nun gar die Nachricht von bem Tode Podiebrads eingetroffen war, und ein größeres Wohl⸗ wollen gegen König Kaſimir, deſſen Sohn in Prag alle Chancen

1) In der Urkunde, in welcher der Erzbiſchof von Gnefen die erfolgte Huldigung des Hochmeifters befcheinigt (Dogier IV, 178), ſchreibt ber Legat Alerander fi: Alex. de Forlivia ad Culmensis dignitatis pon- tificalis ecolesise ibidem electus oonfirmatus ac Sed. ap. legatus. Es Teint alfo abgemacht geivefen zu jein, bag, wenn Vincenz Biſchof von Ermland wurde, Alegander fein Nachfolger fein follte.

2) Dekret vom 9. November 1470, im Frauenburger Archiv.

3) Boigt, Gefh. Preußens IX, 40, Anm. 2.

4) Cod. epist. saec. XV,II, 249.

Tüängend Herausforderung. 425

für die Nachfolge hatte, geboten war, jo ſah fih Nikolaus Züngen, wie er e8 immer bejorgt haben mochte, von der Kurie aufgegeben. Unmittelbar nach der in Krakau erfolgten Annahme der böhmiichen Krone durch ven polntihen Prinzen ſchrieb der Bapft Paul II. an den Biſchof, er folle ſich darein ergeben und mit Zenjuren, Prozefien und der Verfolgung der Befitergreifung Einhalt thun, man. werde ihn ſchon jpäter ber rücfichtigen. Die allgemeinen Verhältniſſe der Chriftenheit forderten dieſe Nachſicht ). Eine birelie Aufforderung zum Verzicht auf das Bistum enthielt das Breve zwar micht, aber gemeint war doch wohl nichts anderes. Und da. überdies Paul II. bald darauf ftarb, und Tüngen von Sirtus IV., der einen Vergleich zwilchen Polen und Ungarn anftrebte, noch weniger zu erwarten batte, al8 von dem Papfte, in deſſen Kanzlei er 6 Jahre lang gearbeitet hatte, jo entichloß er fich zu einem Schritte, ver allerdings geeignet war, den tiefiten Zorn und Unmut in Polen. zu erregen. Er leiftete nämlich am 13. November 1471 dem Erzbiihof von Riga den Eid ber Treue als Suffraganbiihof der Rigaſchen Kirchenprovinz, das will jagen, daß er den Thorner Frieden mit jeinen kirchen⸗ rechtlichen Beitimmungen und Beränderungen ald gar nicht vorbandben betrachtete, die Immebdiatität des ermländiſchen Bis⸗ tms aufhob und den Zuftand ‚unter der Herrichaft des Ordens als noch zu Recht beitehend anerkannte. Für Polen lag eine boshafte und kränkende Logik in dieſem Vorgange, und man begreift ven Zorn des Könige vollftändig, zumal obendrein bie Runde kam, daß Züngen Söloner fammele und mit Gewalt in Ermland einbrechen wolle. Vincenz zeigte dem Hochmeiſter ſchon im Sommer bie Anjammelung von Kriegsleuten in Riga an ?), und als der König vernahm, daß die dem Bilchofe an⸗ bänglichen „rebelliichen” Domherren in Allenftein ihren Mittel⸗ punkt hatten, fo befahl er dem Kapitel jofort für die Ent fernung derjelben Sorge zu tragen und felbft zur Belagerung

1) Xheiner, Mon. Pol. II, 172, 2) Napiersty, Index Cod. Liv. etc. II, 48.

426 BZwölftes Bud. Zünftes Kapitel. (1471.)

und Eroberung der Stabt vorzugehen, denn nimmermehr würde er „ven undankbaren und verbächtigen Mann in das Bistum einlafjen“ ?).

Auch in diefem Schreiben weift der König auf die Bereit- willigfeit des Papftes hin, eine den Wünfchen Bolens ent⸗ fprechende Perjönlichleit als Biichof einzufegen; er erwarte eben jet die Botſchaft vesjelben. Als fie nun aber eintrof, fand fih Kaſimir nicht wenig enttäufcht, obwohl der Papft es gewiß vortrefflich eingerichtet zu Haben glaubte In dem Preußen benachbarten maſowiſchen Bistum war nämlich in eben dieſer Zeit, 1471, gleichfalls ein Biſchofftreit ausgebrochen, und an- geficht8 der ofen betriebenen Annerionsbeftrebungen der Krone war es auch hier Kafimir aus politichen Rückſichten nicht gleich, wer in dem trogigen Plod auf dem Büchofsftuhle ſaß. Aus der Wahl des Kapiteld waren gar brei Kandidaten hervor⸗ gegangen, und zwar ber vom Könige bevorzugte nur mit einer geringen Minorität der Stimmen. Da jeboch der Dewerber, welcher die meiften Stimmen Hatte, zugunften des königlichen Schüglings zurüdtrat, jo ftand die Wahl nur zwiſchen zwei Apiranten. Der junge Herzog Kaſimir von Maſowien, der dem Könige bei der Linentichievenbeit der majowilchen Erbfrage damals höchſt unbequem fein mußte, war ber eine, und ber Dr. &merid) ?) oder Andreas Oporowsli, der Erzdialon von Önefen der andere. Natürlich intercebierte Kaſimir für den legteren beim Papjte. Der maſowiſche Prinz wußte ſich aber eine ſehr dringliche, dreimal wiederholte Fürſprache des Kaiſers Friedrich zu verichaffen, und da Papfi Sixtus beiden Mio narchen gefällig jein wollte eben damals war der Rarbinal Marco Barbo im Begriff die beiden Höfe für bie Pläne des

1) Cod. epist. saec. XV,II, 258, no. 228, vom 26. Nov. 1471.

2) So Dingofz. Nah Pawtowsti, Premislia saota, p. 128 Heinrich. Er war der Sohn bed Peter Oporomsli, bed Wojewoden von Leczye, unb barım auf ber Univerfität „palatinides‘ genannt. 1458 wurde er in Krakau baccalaureus, 1460 magister liber. artiun. Mucztomwsti, Lib. prom., p. 50. 54. Wo er Dr. decr. geworben, iſt unbelannt.

Andreas Dporomsti. 427

Papfted zu beſuchen jo glaubte er es ſehr weile zu treffen, wenn er den majowiichen Prinzen mit dem Bistum Plod, den Dr. Oporowslt dagegen unter der Verpflichtung, ein Jahrgeld von 400 Gulden an Züngen zu zahlen, mit dem Bistum Ermland ausftattete !), und den Biſchof Nikolaus QTüngen in das eben frei gewordene Bistum Kamin transferiert. Das wear nun freilich ein arges Mißverftännnis der Wünſche Kaſi⸗ mird. Diußte er fich jchon die Unbehaglichkeit gefallen laſſen, durch den mafowilchen Prinz⸗Biſchof den Partitularismus in Plock geftärkt zu fehen, jo fonnte er mit Oporowski, der ihm vielleicht in Plock gute Dienfte geleijtet hätte, in Ermland gar nicht durchdringen. Werben die preußtichen Stände fich einen

‘anderen Polen, der nicht einmal deutſch iprechen konnte 2), alſo

weder den geiftlichen noch den weltlichen Geichäften Des dortigen Fürſtbistums vorftehen konnte, als Biſchof gefallen laſſen? In dem Verhältnis zwifchen den preußiichen Ständen und ver Krone hatten ſich ohnehin jchon mittlerweile manche Wollen ange lagert, der König durfte ihnen nicht zu ftarke Zumutungen machen. Er lehnte daher die Anerkennung der päpftlichen Brovifion ab, und gleichermaßen wollten auch die Stände Oporowsli nicht bören, als er fich ihnen vorſtellte. Es mag nicht oft in jenen Tagen der Pfründenjägerei vorgelommen fein, was Oporowski jegt that. Er begab fih nach Rom zurüd, um dem Papite jein Provifionsvefret wieder zurückzugeben.

Als Kaſimir in der zweiten Hälfte des März 1472 im Andrang der aus Ungarn zurüdtehrenden Söloner und in

‘feinem verzweifelungspollen Geldmangel einen Reichstag im.

Piotrlom abhielt, mußte er überhaupt die Erfahrung machen, Daß bie preußiſchen Stände ihre Gerechtſame und VBerbriefungen erniter nahmen, als man in Polen wünjchte, und daß fie eine durchaus abweichende Auffaffung von der fogenannten „In forporation” hegten. Ihre Näte erklärten aufs beftimmtelte,

1) Die Konfetration der beiden fand nah Dfiugofz XII, 474 durch den Papſt am 16. Dezember 1471 ftatt.

2) „maxime Polonus, linguam almanicam ignorans ſchreibt das Kapitel am 28. Juli 1473 an den Papfl.

428 BZwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1472.)

daß fie nur „Senpboten” mit begrenzter Inftruktion wären, und an der Beratung allgemeiner Angelegenheiten des polntichen Reichs ſich zu beteiligen weder bie Pflicht noch das Recht hätten. Die vielen Zureden ver Bolen, „daß Preußen jetzt ein Glied des gemeinſamen Leichnams“ wäre, wieſen fie ent- fchloffen zurüd. Das Necht der freien Berfammlung der Stände ohne den Konfens der Krone, das man ihnen wit Berufung auf das polnifhe Staatsrecht abiprechen wollte, be haupteten fie mit der ErHärung, daß fie ganz und gar wicht gejonnen wären, „alle Gewohnheiten ver Krone Bolen zu halten und fich darein zu ergeben“. Insbeſondere aber ſprach ſich der Ummut über die ermländiſche Sade aus. Mit Bincem, erflärten Die preußiichen Räte im Namen ber Stände und des Kapitels, mit Bincenz als Konjervator Hätten fie fich gern zufrieden gegeben, aber diejer Oporowsli, der kein preußiſcher „Einzügling” wäre, der fih über Preupen wegwerfende Hufe rungen erlaubt, der mit Tüngen eine Vergleichung“ geſucht, welche die Diögefe belaftet haben würde, und der bie dreifache Summe der üblichen Annaten bewilligt hätte, um fich von Rom das Bistum zu „erpraftizieren”, diefen Oporoweli würben fie weder als Biichof noch in irgend einem anderen Amte in Preußen dulden. Darin ftimmten fie aljo mit dem Könige zur Zeit überein, der namentlich daS Lob des Vincenz Kielbaffa mit Befriedigung vernahm.

Aber von Bincenz als Biſstumskandidaten war fortan nicht mebr die Rede. Der Dienft, den er dem Könige durch bie Alfiftenz bei der Krönung feines Sohnes in Prag geleiftet Batte, mochte ihm in Krakau hoch angerechnet werden, in Rom hatte er fih wohl kaum Freunde damit erworben. Er be jchräntte fich Daher auf fein Konferuntor-Amt, er fuhr fort, den Hochmeiſter durch DVermittelungen in ven unabläjfigen Händeln mit den Sölonern zu verpflichten, aber zugleich zu überwachen, er juchte nad Kräften die Stände für die An- ſchauungen der polnischen Regierung zu gewinnen, und Ermland militärifch zu fichern. Indeſſen mit geringem Erfolg, Denn eben damals, ald man in Polen über das mißlungene Attentat

Züngen im Ermlanb. 429

auf Ungarn in die tieffte Beſtürzung geraten war, und bie rauſchenden Triumpbbriefe bes Matthias in die Welt binaus- gingen, in dem für Kaſimir jo unglüdlichen Frühijahr 1472 war Nitolaus Tüngen, ale Kaufmann verfleivet und nur von einem Manne begleitet, im ermländiichen Gebiete erichienen. Der Dandftreih war aber gut vorbereitet, denn ber Bilchof fand einen wohl gerüfteten Söldnerhaufen vor, und „Schneiber- and Schuftergefellen, loſes Bolt" zog ihm in Scharen zu. Treo dem ausbrüdlichen Verbote des Königs nahm Brauns- berg ihn willig auf, auch Gutſtadt öffnete ihm wie das erfte- mal die Thore. Rößel und Frauenburg leifteten zwar Gegen webr, aber der unter den Marienburger Hauptmann Ian ' Koscielei beranziehende Heerhaufe wurbe gefchlagen, und mebrere Sölonerführer, darunter der eigene Bruder Kielbaſſas gefangen genommen !). Die Städte fielen dem Biſchof im bie Hand. Ein heißer Kampf entwidelte fi um Seeburg, das exit nach blutigen Opfern von den Leuten Tüngens bejegt wurde. Die Stabt Heilöberg ergab ſich leicht, aber das Schloß, das Fabian von Legendorf verteidigte, mußte von ben Bilchöflichen erft hart belagert werben. Im Anfang des Mai war Züngen in das Land eingebrungen, und gegen Ende Auguſt lag es faft ganz überwältigt zu feinen Füßen.

Die Frage war, wie fi nunmehr zu der geworbenen Thatſache die Beteiligten jtellen werben. Vor allem fällt bie ungemein rejervierte Haltung des Biſchofs von Eulm auf, der augenſcheinlich nur barauf bedacht war, mit ben preußiſchen Ständen im Einklang zu bleiben. Sobald die Nachricht von . der Feſtſetzung Züngens in Braunsberg eingetroffen war, benutzte er eine Berfammlung bes Laudesrats in Elbing, wo auch einige Drbenögebietiger fich eingefunden Hatten, um „ben Btichof ven Camin“ burd, einen Geleitäbrief für dreißig Perionen ein- zuladen. Natürlich erfchten Tüngen nicht, jondern ſetzte feinen

1) Die Namen Peter Schorz, Yaurentins Schrank und Ian Sltowak giebt das Schreiben Tlingend an bie Danziger vom Ende Juni (Script. rer. Pruſs. IV, 680, Anmm. 2) üibereinfiimmend mit Diugofz XII, 482. Den Bruder Lielbaſſas, Albert, nennt nur ber Ichtere. |

430 BZwölftes Bud. Fünftes Rapitel. (1472.)

Krieg fort. Erſt im Anfang September, al8 von-Bolen Jakob von Sienno, der ähnliche Schiejale einft wie Tüngen erlebt hatte und jet als Biſchof von Wlocklawek Hoch in der Gunſt des Königs ftand, und der Leczycer Wojewobe Nikolaus von Kutno in Preußen eingetroffen waren, wurden bie Verband» lungen wieder aufgenommen. Bincenz hielt fich mit ftrenger Holgerichtigfeit zu den Ständen, welche, wie ſehr fie auch den Krieg bedauerten, nimmermebr verfennen wollten, daß Tüngen doch mehr das Prinzip des Thorner Friedens vertrete, als jein Gegner. Aus ihrer lediglich zuwartenden Haltung traten fie erft infolge der Aufforderung der polniſchen „Sendboten“ heraus, und e8 gelang einer Deputation berjelben, einen Bei⸗ frieven zu vermitteln, der Waffenrube im Lande und die Ein- leitung eines Rechtsverfahrens beim päpftlichen Stuhl zum Hauptinhalt Hatte. Die beiden feften Pläke Seeburg und Heilsberg follten den Ständen einftweilen übergeben werben, mit der Beitimmung, daß fie an benjenigen auszuliefern fein würden, der kraft der päpftlichen Enticheivung als Biſchof an- erfannt fein würde. Aber gegen dieſes Übereintommen erhoben fih Einwände von allen Seiten, zunächſt von den polntichen Kommiſſaren, welche durch die Befeitigung des königlichen Kriegs⸗ volks aus den Feſtungen und durdy die Einleitung eines Pro⸗ zeſſes in Rom, ftatt der von ihnen gewünichten neuen Provifion für einen der beiden Kandidaten, ihren Einfluß auf den Aus gang des Streite8 weit abgebrängt fahen; dann aber auch vonfeiten Tüngens, der die Kurie zu genau kannte, um nicht. zu wiffen, daß fein Gewicht des Rechts und der Zweckmäßigkeit jchwer genug fei, um ben „Begiftigungen”, den Beftechungen die Wage zu halten, und daß das weiche Shitem ber Indul⸗ gerizen jede Ehrlichkeit aufhöbe *), der daher gegen bie römiſche Entſcheidung umſomehr Mißtrauen hegte; endlich aber auch

1) „Es iſt gar groſer unterſcheid unter euch weltlichen, denn ein jeder⸗ mann mus halten einem andern, was er ihm zuſaget, aber zwiſchen uns geiſtlichen nicht alſo, ſondern der bapſt kan einen entbinden nicht allein von gelsobniß ſondern auch vom eyde“, ſagt der Biſchof von Ermland. Schütz, S. 341.

Der Heildberger Vertrag. 431

vonjeiten bes Kommandanten von Heildberg, Fabian von Legen- dorf, der gewiffenhafterweife fein vom Könige empfangenes Deandat doch nicht ohne Bürgichaften den Ständen überant- worten wollte, obwohl er zugeftand, daß er ohne Entſatz fich faum noch länger würbe balten können. Die Deputation Tieß fich jedoch nicht entmutigen. Durch die Verficherung, daß auch Vincenz Kielbaffa ihre Anjchauungen teile, wußten fie die Skrupel Legenborfs zu entfernen. Auf Tüngen dagegen drückte der Zeil des Kapitels, der fich ihm angeichloffen Hatte, zu bem Entſchluß, „fih von Städten und Landen nicht- zu trennen“, d. b. doc Lieber innerhalb der Wirkung des Thorner Friedens jein Recht zu fuchen. ‘Die Einwände der polniichen Kommilfare aber wurden um jo weniger in Nücficht gezogen, als in Kon⸗ jequenz berjelben die Stände zu einem Kriege wider ven Bilchof, der ihre eigenen Privilegien verfocht, Hätten fchreiten müſſen. Demgemäß kam es aljo zu dem Heildberger Bertrage, in welchem die Bedingungen des Beifriedens weiter ausgeführt wurden. Binnen einem Monat follte Tüngen feinen Proku⸗ rator wegen Führung bed Rechtsſtreits nach Rom jchiden, die frei abziehenden polniſchen Befagungen aus Heilsberg und Seeburg jollten durch ſtändiſche, aus der fürftbilchöflichen Kämmerei zu erhaltende erfeßt werben, und bie polniichen Ge⸗ fangenen entließ der Biſchof gegen die Zufage, daß fie fih auf dem Michaelislandtage zu Elbing wieder einftellen würden. Die Domberren aber behielten fi im Einverftändnis mit den Ständen vor, wofern der Prozeß in Rom gegen Tüngen aus» fallen jolte, nur eine den Privilegien entfprechende, aljo in Preußen heimiſche Perjönlichleit zum Bistum zuzulaffen. Die polniſchen Kommiſſare fprachen fich mit Heftigkeit gegen bieje Abmachungen auf dem Elbinger Landtage aus. Unter den verichiebenen bemängelten Punkten war ver charakterifttichite ver beim Papft zu führende Prozeß. Sie hätten ſich die Ber rufung auf den PBapft nur im Sinne einer fouveränen Aus- wahl zwifchen ven beiden Kandidaten gedacht, ein Nechtsverfahren babe ihnen durchaus nicht vorgeſchwebt. „Und wie nun“, fragten die Polen, „wenn Tüngen unterliegen jollte, werdet ihr al®-

433 Zwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1472.)

dann Dporowsli als Biſchof anerkennen?” Damit war aber die Frage auf ein weiteres und hbeifleres &ebiet gedrängt, und die Stände machten kein Hehl daraus, daß Oporemeli aller dings Die Qualität nicht befäße, die ihn in Ermland möglich machte, denn er habe nicht den preußiichen Indigenat.

Der Landtag aber achtete nicht auf „ven Zorn“ der pol- niſchen Sendboten und ratifizierte ben Heiläberger Vertrag am 3. Dftober. An demielben Tage wandten fi) bie Did- zeianen mit einer Denkichrift an den Papft, die ganz im Simme Züngens gehalten war, und die der als Profurator beftimmte Domdechant Enoch von Kobelau mit nah Rom nahm. Den Gefangenen, die fih in Elbing nicht geftellt Hatten, wurbe be hufs ihrer Ranzionierung ein weiterer Termin, der St. George tag, bewilligt, und Züngen verjprach bei ber nächiten ſich bietenden Gelegenheit vem Könige fi unterwürftg vorzufiellen. Denn ohne Bedenken darüber, wie man am polniichen Hofe bie Sache anſehen würde, waren die Stände keinesweges. Der Thorner Rat ermahnte damals den von Danzig, doch in jedem Falle den auf ben 31. Oktober angefetten Neichätag in Piotrkow zu beichiden, da dort Beichlüffe gefaßt werben Zönnten, die nicht wieder abzuändern fein würden, man werde bort an den Kleinpolen einen jtärleren Anhalt finden, als an ven Groß polen !). Da indefien der Reichstag die Enticheivung über bie vom Könige geforderten Subfidien ben Landtagen zuwies, jo blieb er wohl kaum fo lange zufammen, als daß auch bie preußiſche Frage hätte zur Sprache gebracht werben können. Der König begab fich zum großpolniichen Landtage nach Kolo, wo einige auf den Landfrieven bezügliche Geſeze vereinbart wurben ?), und kam alsdann nach Thorn, wo ber Rat der preußtichen Stände ihn empfing.

Die Tönigliche PBropofition, welche vie Vorgänge in Ermland vorwiegend aus bem eimfeitigen Gefichtspunfte des peintichen Staatsintereſſes zufammenfaßte, gipfelte in dem Vorwurf, Daß

1) Schreiden vom 17. Oktober 1472 im Danz. Ar. 2) Cod. epist. saec. XV, II, 270, no. 226.

Thorner Tagfabrt. 438

die preißifchen Stände durch ihre Neutralität wefentlich zur Entiwidelung des Trotzes bei Tüngen beigetragen hätten. Dex König berief fih auf den Kardinal Marco Barbo, der ihm verfichert hätte, daß Tüngen nach der päpftlichen Transferierung fein Recht mehr auf Ermland hätte, und forderte fchließlich die Auslieferurg der beiden Feſtungen Heilsberg und Seeburg. Bon der Oporowskiſchen Gegenkandidatur fprach er in einent nicht gerade beftimmten Sinne. Die Stände dagegen erflärten, daß fie fich einzig und allein von dem bet den Unterthanen lebhaft ausgebrüdten Friedensbedürfnis hätten leiten laffen, denn die Leiden des großen Krieges ftünden noch in zu Tebhafter &rinnerung. Gegenüber der Tendenz aber, unter bem Vor⸗ wande ber Pfandichaft polnische Hmuptleute in die preußiichen Burgen und unter dem Dedmantel päpftliher Brovifionen polniſche Kleriler in die preußiichen Pfründen zu bringen, be

. ftünden fie vielmehr auf eine ausdrückliche Beftätigung der

Brivilegien und ihre Durchführung in allen Punkten. Trog mebrwöchentlicher Verbandlungen fanden die Gegenjäte nur in untergeordneten Punkten, wie in der &ubernatorfrage, aus⸗ gleichende Formeln, in der Hauptjache blieben fie ungelöft. Der König verichob Die Privilegienbeftätigung „auf einen andern Tag”, die Stände hielten an dem Heilsberger Vertrage in vollem Umfang fell. Tüngen batte feinem Beriprechen gemäß gefucht, fih dem Könige zu präfentieren, aber Kafimir verjagte entichieden die Annäherung. Nur ein Umftand ift noch be» ſonders bemerkenswert. Den König intereiftert insbejondere die Frage, „von wem Herr Tüngen jolche Macht gehabt hätte, fi) des Bistums mit Gewalt zu unterwinden“. Die dffent- Itche Meinung in Bolen wied auf den Orben bin, und wir wiſſen, daß eine lebhafte Korreſpondenz zwiichen dem Hochmeifter einerjeit8 und den polniichen Kommiſſaren und dem Könige andererfeits über dieſen Verdacht ftattfand, durch welche, wie Kaſimir felbit den Ständen und auch dem Hochmeifter ver- ficjerte, ihm die Überzeugung von der Grundlofigfeit desſelben beigebracht worden jet. Ob diefe Zuverficht jo wohl begründet war? Wir befigen wenigitend einen Brief Tüngens an den Cars. Geſchichte Polens. V. 1. 28

434 Zwölftes Bud. ‚Fünftes Kapitel. (1473.)

Hocmeifter, der denn doc, ſchon aus dieſer Zeit ein jehr weit⸗ gehendes Einverftändnis bekundet, denn er enthält den im ge heimen geforderten Rat des Biſchofs, wie der Hochmeifter ven Zumutungen des Königs wegen einer Intervention in Ermland begegnen ſolle. Die Wahrfcheinlichkeit, daß Tüngens Eindringen in das Bistum, wenn nicht mit Unterftügung, jo doch unter Konnivenz des Hochmeifters erfolgt fet, iſt doch fehr groß. Freilih mußte das ebenfo jehr den Ständen als den Polen verborgen bleiben. Aber ver König ftreift flüchtig noch eine andere Kombination. Ihn frappiert der zeitlihe Zufammen- bang diejes Aufruhrs mit den Verlegenheiten, weldye ibm bie Zurücweifung feines ungariichen Feldzuges durch König Mat- tbias im Süden bereitet hatte, und er weift auf einen folchen bin, ohne ihn jedoch fachlich zu behaupten. Vielleicht war der König bier auf einer richtigen Spur, denn Tüngen und Gabriel Rangoni waren von Rom ber gute Belannte, und man fchien das in Bolen zu willen.

Den Ständen war nicht wohl bei diefen Forichungen nach dem Urfprung der Tüngenſchen Macht. Im ven Verhandlungen, die jie einige Wochen nach der Abreife des Könige mit dem Biſchofe führten, riefen fie ihm ausprüdlich ins Gewiſſen, daß er, „obne ihre Rüdlehnung“ das Land nicht erworben haben würde. Da alle ihre Geichäfte mit der Krone wegen ber Privilegien an dieſem Anftoß ftocten, jo bemühten fie fi auf jede Weile, Tüngen zur freiwilligen Reſignation zu bewegen. Sie boten ihm eine Penfion von 400 Dukaten, fie baten, fie drohten, Tüngen berief fich lediglich auf den Heilsberger Ver⸗ trag, alles andere wies er mit Energie zurüd. Die Städte des Bistums erflärten, daß fie, auch wenn Tüngen ftürbe, Doch einen Polen nicht in die Diözeſe einlaffen würden. Das mochten auch die Stände nicht, aber fie meinten zunächſt nur die dem Könige einmal verhaßte Perjönlichleit Tüngens beifeite fchteben zu müſſen. Inzwiſchen war aber der König einen Schritt weiter gegangen. Jetzt war er bereit, Andreas Opo⸗ rowsti zu unterftügen. Er jchiete ihn nach Rom, um die päpftliche Provifion erneuern und fih dort als Biſchof vom

Fobhannis-Landtag zu Elbing . 435

Ermland konſekrieren zu laſſen. Der Papſt, der den guten Willen der Polen jest für die diplomatifche Sendung des Kar⸗ binal8 Marco nötig Hatte, wollte die Einleitung eines ver» zögernden Rechtsverfahrens nicht genehmigen und entichieb zu- gunften Oporowskis. Als derſelbe nunmehr mit der Kon» jefration ins Land zurüdgelehrt war, zeigte ber König ben Ständen an), daß er ihn als den allein berechtigten Bijchof von Ermland anertannt babe, und daß ihm daher die Schlöffer auszuliefern jeien, und auf dem Neichdtage zu Radom wurden die Vorbereitungen für die Durchführung der Kandidatur fo bis ins einzelne getroffen, vaß man dem Oporowsli jchon das Amneftievefret für die Diözefanen, welches auf die Voraus jegung eines Vergleichs mit Tüngen gegründet war, mitzugeben für gut hielt ?). Auch ein Mahnungsjchreiben des Kardinals Marco brachte Oporowsli nach Preußen mit, und trat fo allerdings lateiniſch redend vor den Ständerat °). Wiederholt juchten zwar bie Preußen auszumeichen, aber enblich mußten fie ibm doch auf dem Sohannis-Landtage in Elbing Gehör geben. Hier traten die beiden Nebenbuhler perjönlich einander gegenüber, denn auch Züngen war auf den Wunich der Stände erichienen. Oporowski pochte auf feine Bullen, Züngen führte die ihm ſehr wohl befannten formelhaften Redens⸗ arten derfelben mit vernunftgemäßen ®rünvden ad absurdum. Oporowski drohte, Tuͤngen trogte. Jener berief fich auf die Hilfe des Königs, dieſer auf die alle8 wagende Treue feiner Didzefanen. Die Stände gaben in ihrer Separatverbandlung mit Tüngen zu verſtehen, daß, wenn fie ibm den Verzicht zu- muten, fie doch durchaus nicht gefonnen wären, den Polen auf- zunehmen. Alles vergeblih. Die Stände baten den Töniglichen Gefandten Peter Dunin, nicht auf die Auslieferung der Schlöſſer

1) Der König an Danzig, Grobno den 8. April 1473, und Opoczno ben 14. Mai 1473. Danz. Ard. 2) Nur fo ift die bei Dogiel IV, 179 abgebrudte Urkunde zu ver- Reben. 3) Zuerſt in Mearienburg, 1. Mai. Chronik vom Pfaffentrieg. Script. rer. Prufs. IV, 681. 28%

436 BZwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1474.)

zu beiteben, weil es font zu einem Kriege kommen würde. Oporowski Tieß ein Notartats- Instrument aufnehmen, und Tüngen appellierte an den Papft mit der Berufung, daß derielbe Schlecht unterrichtet wäre, wenn er Ermland als ein Reſervat des päpftlichen Stuhles betrachte, es ftünde unter dem beutichen Konkordat, und folglich käme bier lediglich die Wahl des Kapitels in Betracht ').

Übrigens gab fich Tüngen feiner Täufchung Bin. Schon vor dem Elbinger Yandtage hatte er dem Hochmeifter, mit bem er je länger je mehr auf vertrautem Fuße ftand, mitgeteilt, daß nunmehr alle Hoffnung auf gütliche Einigung gefchwunden wäre ?). Als im Spätherbft Peter Dunin wieder ins Land kam, fanden wiederum Verhandlungen ftatt, aber im Ergebnis blieben fie den früheren gleih. Nur bemerkten bie Stände, daß Tüngen noch weniger Entgegentommen als früher bezeige und fich höchlichſt darüber befchwerte, daß die Gefangenen fich weder am Georgitage noch ſpäter eingeftellt hätten. Er machte die Stände dafür verantwortlich und ſah dies für einen Bruch des Heiläberger Vertrages an, an ben er fich danach nicht mehr gebunden glaubte. Ermutigt aber wurbe er dem Anjcheine nach wiederum durd die große Not, welche ber Einbruch der trregulären ungartichen Truppen ins Kralauifhe den Polen bereitete. In der ganz richtigen Vorausfegung, daß in Polen jest fein Kriegsvolk verfügbar jet, erhob er fich und überfiel am 10. Februar 1474 die Fefte Heilsberg, nahm ben Befehls⸗ baber Michael Ertmann, einen Danziger Ratsherrn, in milde Haft und beſetzte das Schloß mit feinen Xeuten. Ebenſo riß er, halb mit Verrat, halb mit Gewalt, Seeburg an fih und ließ es fich wenig anfechten, daß man überall in Preußen und in Polen „mit großem Zorn” von ihm ſprach. Ob nicht trog dieſes offiziellen Zornes die Stände mit dem Gang ber Dinge zufrieden waren, muß bahingeftelit bleiben. Die Verhandlungen

1) Die Appellation datiert vom 28. Juli 1473. ine gleichlautenbe ging auch am das Karbinallollegium und an Marco Barbo ab. 2) Schreiben vom 7. Juni 1478. Konigsb. Arch.

Mipftimmung ber Stände. 437

wurden permanent fortgeführt, aber man kam fich feinen Schritt näher. Biſchof Vincenz riet (25. Tebruar), wenigſtens See⸗ burg zu retten, e8 geſchah nichts. Zwei Tage ſpäter (27. Februar) fam Oporowoki nebft polnijchen Geſandten mit dem Vorfchlage einer völligen Verkehrsſperre für Ermland, aber die Stäbte fühlten die Unpurchführbarfeit der Idee nur zu gut und gingen ihr nur darum nad), weil die Landritter anfingen, für die Er» bebung der Waffen fich zu erwärmen. Am 13. März unter handelten die Stände mit Vertretern der ermländiichen Städte, aber fie mußten fich überzeugen, daß dieſe unerfchütterlich dem Biſchofe ergeben waren. Am 8. Mat hatten die Stände wie- der eine Beratung mit Delegierten des Ordens wegen gemein» ſamen Einjchreiteng mit den Waffen, aber die Gebietiger waren ichon übereingelommen, jede Intervention in Ermland abzu- lehnen. Ebenjo wenig wollten fie zu der Verkehrsſperre mit- wirken, an die ja Städte wie Danzig, Elbing, Thorn im Ernit gar nicht denken konnten, da Ermland feine eigenen Seeaus- gänge bein.

Es war eine tief verbüfterte Stimmung, ber Safimir Pfingften 1474 bei feiner Anweienbeit in Neffau und horn begegnete. „Dean ift mit der Negentichaft unzufrieden”, fchrieb der Ordensmarſchall an den Hochmeijter. Die Stände for- derten die Beftätigung ber Privilegien, die Wojewoden beklagten fi über Verleumdungen, über faliche Anklagen, über Miß- trauen, und boten jämtlich dem Könige ihre Entlafjung an. Kaſimir, den die Neutralität der Stände verbroß, nahm die Entlaffung der Wojewoden nicht an, aber er verichob auch Die Anerkennung der Privilegien. „auf einen andern Tag“.

Die großen Aktionen, die fi) im Sommer 1474 in Bolen vorbereiteten, ließen keinen Raum für diefe provinzialen Kämpfe. Die polnijhe Regierung war überzeugt, daß eine fiegreiche Überwältigung des Matthias Corvinus auch diejen Konflikten eine andere Wendung geben würde. „Alles, was Züngen un⸗ ferem Könige zuwider thut”, fagten bie polniichen Senbboten im preußifchen Ständerat, „geichieht dem Könige von Ungarn zugute“. Ste wollten damit nur ben Zufammenhang, bie

438 BZwölftes Bud. Fünftes Kapitel. (1474.)

Wechſelwirkung ausbrücden, die fich von fjelbft ergebe. Daß fie

aber auf einer bewußten, beabfichtigten und verabrebeten Ver⸗ bindung berube, wußten fie nicht. Weit eher läßt fih be baupten, dag ihr Mißtrauen das Berhältnis des Biſchofs zum Orden richtiger durchfchaute, aber in dieſem Falle war es wohl- weife Berechnung, zu jcheinen, al8 ob man nichts ſähe. Die unausgejegten Zumutungen, welche die polntiche Regierung dem Hochmeifter machte, fih mit ven Waffen in den ermländifchen Handel zu mifchen, die fteten Ankündigungen von verbächtigen- den Gerüchten und bie affeltierte Zufriedenheit mit den in affeltierter Biederleit gegebenen Erklärungen des Hochmeifters *), die allzu freundlichen Mitteilungen des Königs über den Gang feiner dynaſtiſchen Politif, welche immer die Nebenabficht ver- rieten, dem Hochmeifter jeinen Charakter „als erjter Rat ver Krone" in Erinnerung zu rufen, ferner die wiederholten Mab⸗ nungen des Kaiſers Friedrich, feinen Krieg anzufchüren, weil „die gefamte Ehriftenheit darunter Schaden leiden würde“, die jedesmal eintrafen, wenn Polen im Bunde mit dem Kaiier einen energiichen Schritt in der böhmischen Sache thun wollte, und die jedenfall8 von Polen veranlaßt waren alles dies deutet auf ein verdedtes Spiel von beiden Seiten. Es gab in Polen merklich einflußreiche Stimmen, welche der Meinung waren, daß der Thorner Frieden zu viel von dem Orden übrig gelafien babe, und es unterliegt feinem Zweifel, daß die Res gierung nach einem entfcheivenden Siege über Matthias Cor» vinus dieſem Programm näbergetreten wäre. Am beutlichften tritt dieſe Diplomatie in der Frage von ver ermländiichen Ber- fehrsiperre hervor, die ohne Mitwirkung des Ordens gar nicht zu bewerfftelligen war. “Der Hochmeifter Holte ſich über viele Zumutung im geheimen Rat und zwar beim DBifchofe Züngen. Dieſer empfiehlt dem Orden, ſich mit feiner Ab-

1) Die Korrefpondenz mit Tüngen, die Äußerungen des Orbens- profurators, des Bilhofs von Samland in Rom ftehen in einem feltfamen Widerfpruh mit ber Erklärung bes Hochmeiſters gegen bie litauiſchen Magnaten, daß er „den Feind des Königs“, Tüngen, verfolgen beife. Napiersty, Index cod. Liv. II, 50.

Tüngen ungarijder Schügling. 439

bhängigfeit vom Papfte auszureden. Die Polen aber haben dem Hochmeiſter eine peremptoriihe Friſt bis Michaelis zu einer enticheivenden Erklärung gelegt. Denn angejichts ber 60000 Polen und 20000 Böhmen, die man „um Michaelis“ gegen Matthias ins Feld führte, und die zuverläffig den Sturz desjelben zu verbürgen jchienen, fam es nur auf eine plaufible Gelegenheit an, um nad dem Siege dem Orden die Alter native zu ftellen, ob er fich beugen oder gebrochen fein wolle. Der große Kriegszug nach Schlejien hatte aljo einen weit- läufigen Hintergrund, und, mit feinen Zielen weit über ben böhmiſchen Königsitreit hinausgehend, eröffnete er auch den nationalen Wünjchen weite Hoffnungen. Aber das Kriegsglüd entſchied fih, wie wir faben, gegen alle Erwartungen wider die Bolen, und als es zu den notgebrungenen und bemütigen- den Waffenftillftands-Berhandlungen kam, mußte die polniiche Diplomatie zu ihrem Staunen die Erklärung des fiegreichen Ungarlönigs vernehmen, daß Nilolaus Tüngen, der Biſchof von Ermland, unter jeinem Schuge ftünde und in den zwei⸗ jährigen Beifrieden mit eingeichloffen werden müjje. Kein Punkt des widerwillig eingegangenen Vertrages mochte bei den Polen jo viel Bitterkeit erregt haben als biefer, der die weitere Folge, Daß auch der Orden und vielleicht auch die Maſowier diefelben Wege geben könnten, in erichredienvder Möglichkeit er- blicken ließ. Es half nichts, die Niederlage mußte auch in diefem wunbeiten Punfte bingenommen werden, aber der Ent» ſchluß, fich Vergeltung zu jchaffen und die gefährliche Schutz⸗ berrichaft des Königs von Ungarn über einen preußiichen Landes⸗ teil nicht für die Dauer heſtehen zu lajjen, ftand feit bei dem Könige. Durch den Biihof von WFockawel ließ er beim Hoch⸗ meifter anfragen !), ob denn Tüngen für alle Zeit unter un. garifcher Hoheit zu bleiben gedenfe, und ber Hochmeijter über- mittelte dem Könige die trogig biplomatifierende Antwort des Biſchofs, er würde den Schutz Polens allerdings vorgezogen baben, aber fo lange ver König fih von Einpringlingen zur

1) Schreiben vom 23. März 1475. Königsb. Arch.

440 Zwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1475.)

Ungnade wider ihn aufregen Iajje, werde er die ihm vom Könige - Matthias gewährte Sicherheit nicht aufgeben. Zu folder Sprache ermutigten ihn die Briefe: feines Freundes Gabriel Rangoni, ber ihm jchrieb ?), er folle die Vorteile des Der frievens wahrzunehmen nicht unterlafien, der König von Ungarn ftünde ihm zur Seite.

Sechſtes Kapitel.

Matthias Corvinus und die Donauftanten. Der Hod- meister und ber Pfaffenkrieg. Friede zu Olmütz. Friede mit Ermland und dem Hochmeifter.

Der Breslauer Beifrieven vom 8. Dezember 1474 zeichnete die Grundformen vor, in denen fünf Jahre jpäter der böß- miſche Thronfolgeftreit jeine Löfung finden ſollte. Verwicke⸗ fungen und Kämpfe um dieſelbe follten noch genug ftattfinden, der König Kaſimir und das polnifche Reich nahmen aber daran einen direkten und offenkundigen Anteil nicht mehr. Der König gab das Intereffe für feinen Sohn in Prag natürlich ebenfo wenig auf, als König Matthias feinen Haß gegen die Yagtel- foniden, und beides bereitete dem polniichen Volle noch man- cherlei Verlegenheiten und Schieiale, aber zu einer die nattonale Kraft aufbietenden Aktion fam es im Verlauf des folgenden Luſtrums nicht mehr, wohl aber gab es Neibungen und Ber drieglichleiten, welche der Entmidelung bes politiichen Lebens Hinderlich genug in den Weg traten. Die Augen mußten baher auf Matthias geipannt bleiben, und es war für Polen nichts weniger als gleichgültig, wohin der thätige Fürft den Schwer» punkt feiner neuen Unternehmungen richten werde. In ben

1) Schreiben nom 26. Februar 1475. Frauenb. Arch.

Während des Beifriedens. 441

paar Wochen, die er noch nach dem Abzuge der Polen und Böhmen in Schlefien verweilte, war er bemüht, diejes zuchtlos gewordene, durch einen fait 16jährigen Krieg heruntergefommene Land die Segnungen einer burchgreifenden Negierungsgewalt empfinden zu lafien. Bequem war Matthias jeinen Völkern nirgends, und ed trat auch bier in Schlefien Klage und Wider- ſtand gegen ihn hervor. Aber die uns erhaltenen Verorpnungen befunden eine ebenjo einſichtsvolle al8 thatkräftige Negierungs- funft, die auch unzweifelhaft von Erfolg gekrönt gewejen wäre, wenn er fich dauernd den Intereffen dieſer Gegenden zu wid⸗ men vermocht hätte. Stefan Zapolya, den er als Lanves- bauptmann, und Jörg von Stein, den er als Berater desſelben zurüdgelafien, waren wohl durch manche Eigenichaften hervor» ragende Perfjönlichkeiten, aber fie bejaßen weder die moralifche, noch die materielle Macht, um der verworrenen und zerriffenen Berbältnijfe des Heimgejuchten Landes Herr zu werden. Ab und zu dröhnte wohl der Machtbefehl des Königs aus der Gerne dazwilchen, und dann immer eindrudspoll, aber ver Mangel an Nachhaltigkeit trieb die böje Flut immer wieder zufammen. Dennoch verjuchte Polen vergeblih, fi) in das Berhältnis zwiſchen Schlefien und Matthias zu drängen. Alle Verſuche des Königs und des Erzbiichofs von Gnejen, die hier ihre Botichafter in furzen Zeiträumen immer wieder ericheinen liegen, Untreue zu ſäen, fcheiterten an ver feiten Haltung namentlich der Stadt Breslau ?).

Aber auch für die gefamte böhmijche Angelegenheit batte der Ungarkönig nur noch ein abnehmendes Feuer. ‘Die Stände beiver Zeile Böhmend waren am 12. Februar 1475 in Prag zujammengetreten, um die im Breslauer Beifrieven gezogenen Srundlinien für die einjiweilige Ordnung der Dinge in dem zweiteiligen Königreiche auszuführen und praftiich auszugeitalten. Aber als die Befchlüffe derjelben im März dem Könige Mat—⸗

ee See ET

Daß der Erzbifchof von Gnefen ſolche Werbungen verjucht, hängt wohl

| 1) Eine ganze Reihe folder Schreiben im Stabtarhiv zu Breslau. mit der polnifchen Gefinnung einiger Breslauer Domherren zufammen.

442 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1475.)

thin zur Beſtätigung vorgelegt wurden, verichob er die Ent» ſcheidung bis zu einem künftigen Landtage in Preßburg. Dan fieht, daß Matthias im Augenblide fich mit der gewonnenen Pofition begnügte, aber für die Zukunft fich nicht weiter binden mochte. Ihm lag jet vor allem die Verteidigung feines Heimat» landes gegen die Türken am Herzen. Sobald er dieſen Ge⸗ banken feinen Ständen Tundgab, jauchzte ihm der allgemeine Deifall entgegen. Für feine Spekulationen auf die böhmifche Krone war er auf die magerjten Subfidien, ober auf dürftige Unterftügungen ber römiſchen Kurie angewiejen. Die Banderien durfte er zu diefem Zwede nicht aufrufen. Als er aber dem Dfener Reichötage vom Mai 1475 die Abficht eines Türken» feldzuges eröffnete, jtrömte ihm Geld in veihem Maße zu, und mit einem Heere, wie es ihm niemals in den böhmilchen Kämpfen zugebote ftand, fonnte er im Spätherbit vesfelben Jahres noch nad) dem Süpen ziehen, wo er zunächſt die von den Türken einige Sabre zuvor an der Save oberhalb Belgrads angelegte Feſte Sabacz nach breißigtägiger Belagerung einnahm und als dann noch einen jiegreichen Vorftoß gegen Semendria ausführte: ein ungeitümer Winterfeldzug, von dem ber König im Früh⸗ jahr 1476 unerwartet rajch wieder nach Ungarn zurüdtehrte, und der feinesweges den Erwartungen entſprach, die Freunde und Feinde davon gehegt hatten. Denn bie römiiche Kurie ſah mit Freuden „ven Protektor der Katholiken” in einem fo verbienftoollen Werke verftridt, und fteuerte Geld mit vollen Händen ?), damit er nur dabei bliebe, denn in bem Kampfe wider bie böhmiſchen Keger hatte er ihr doch nur Verlegenheit und Schwierigfeit am Ende bereitet. Sie warnte alle Welt bei Strafe des Bannes, den Kreuzzug des friegeriichen Könige zu ftören, aber biejenigen, welche die Warnung bejonbers an⸗ ging, der Kaifer Friedrich, Wladyslaw von Böhmen und Kafimir von Polen, waren mindeften® ebenfo zufrieden, Matthias weit binten in der Türkei zu wiljen, wie der Papſt, wenn auch aus

1) Man fpriht von 93000 Dukaten, die der Papft und Benedig Matthias geſchicks haben follen.

Matthias und bie Moldau: 443

anderen Gründen. Der Breslauer Waffenftilfftand wurde in- zwilchen nicht beſſer gehalten, al® andere in jener Zeit, und namentlich konnte Kaiſer Friedrich jeinen Groll gegen den Ungar- tönig bei feiner Gelegenheit verbehlen. Dem Matthias lag aber durchaus nicht daran, die Aufgabe der gefamten Chriften- heit allein auf feine Schulter zu nehmen. Mehr als eine wir- fame Vertreibung ver Türken, die im Frühjahr 1475 bereits über die Save bis nach Warbein !) vorgebrungen waren, aus dem Machower und Severiner Banat hatte er ſich wohl nicht vorgejegt. Er jelbit faßt die Ereigniffe diejes Feldzuges fo zu⸗ fammen, daß er fih rühmt, in wenigen Monaten Sabacz er obert, dem Alibeg eine beveutende Niederlage bereitet und den Sultan Mohamed in jchmähliche Flucht geichlagen zu haben ?). Das legtere war freilich nicht jein Wert allein, aber ihm genügte Das vorläufig.

Auch diefe KriegstHätigfeit des Ungarn aber berührte in ihrer Verkettung den Gegenſatz zu Polen. Im feiner ſcheinbar iprungbaften Geſchäftigkeit berichte Doh Plan und Methode vor, und vergeljen hatte er feine Gegner auch dort nicht, wo icheinbar nur das Anliegen der gejamten Chriftenbeit fich bes fand. Während er mit den Türken fich fchlug, hatte er Doch Mittel und Kräfte genug, um den in Bedrängnis geratenen Wojewoden Stefan Bogdanowicz von der Moldau mit Hilfs- truppen zu unterjtügen. ‘Daß ibm dabei vorichwebte, vielen gewandten und tbatenburftigen Fürſten Polen zu entfremden und ganz in den Dienjt Ungarns zu ziehen, daraus machte er wohl kaum ein Hehl, und dazu batte er alle Aufforderung, wenn er fich erinnerte, daß in den von Kafimir im Bunde

1) Allerdings ſpricht Diugofz XII, 540 (6. Februar 1475) von der Zerſtörung ber civitas Varadiensis und der knappen Berteidigung ber arx Var., aber daß dies Großwardein (am Körds) geweſen, ift eim Zufag Spätere. Balady hätte mit einem Blid auf bie Karte fich fagen können, daß die Kürten damals noch nicht bis Großwarbein vor- gebrungen waren. Gemeint ift wohl Peterwarbein an ber Drave, eine bis zwei Tagereifen von Sabacz.

2) Schreiben bei Teleti, Hunyadiak Kora XI, s. a. 1476.

444 BZwölftes Bud; Sechſtes Kapitel. (1475.)

mit dem Kaiſer wider ihn betriebenen Bernichtungsplänen die Diverfion von der Moldau aus eine beträchtliche Stelle ein» nahm. Indeſſen hatte er mit dem verichlagenen und treulofen Wojewoden ebenfo wenig Glück als jein Nebenbuhler Kafimir. Stefan verftand es, beide auszubeuten und beibe zu betrügen. Seitvem er, wie fchon oben erzäßlt, fich des Prätendenten Peter durch eine ruchloje Dinterlift entledigt hatte (1469), ſchien er, da Matthias in Böhmen verwidelt war, fich mehr an Polen balten zu wollen. Er ließ noch in demſelben Jahre in Sieben- bürgen durch feinen Hauptmann Philipp Pop rauben und plündern, und als im Herbft ein Heer tatariicher „Kofalen* von jenjeit8 der Wolga unter ihrem Chan Maniak einen ge waltigen Raubzug auf die litautfch- polnischen Gebiete unternahm, ichlug er mutig diejenige Abteilung, welche unter der Führung des Sohnes des Chans gegen die Moldau beranjchwärntte, und nahm den tatariihen Prinzen gefangen. As aber Mania - unter Drohungen vie Auslieferung feines Sohnes forderte, ließ er ven Prinzen vor den Augen der Geſandten vierteilen und die Geſandten felbft bis auf einen, ven er mit abgejchnittener Naſe an den Chan zurückſchickte an den Galgen Inüpfen. Um jo mehr wünjchte Kaſimir das Lehnsverhältnis mir einem jo ſchaͤzenswerten Grenzwart anfs neue bekräftigt zu willen. Im Hochſommer 1470 Iud er den Wojewoden ein, in SRamieniec den Eid zu erneuern, aber ber zweifelbafte Vaſall ließ unter allerband Borwänden den König neun Wochen warten, unb begmügte ſich al&dann mit einer ſchriftlichen Huldigung ?), bie er im nächſten Jahre durch einen mündlichen Eib zu beftätigen verſprach. Jedenfalls verwenbete er feine Kriegsmacht nicht zugunften der Polen, jondern begann einen eifrigen Krieg mit dem Wojewoden Drakul von der Walachei, der, in die Enge getrieben, die Türlen berbeirief. Eben um die Zeit, da Stefan mach Kaſimirs Rechnung in Ungarn hätte einbrechen tollem, war der Moldauer in die Walachei gezogen, hatte Drakul ntedergemorfen und beilen Frau und Tochter gefangen nach

1) Dogiel. Cod. dipl. I, 608.

Stefan in Bedrängnis. | 445

Suczawa abgeführt. Prablend ſchickte er die erbeuteten Fahnen nach Polen. Aber wenige Tage darauf war Drakul mit ben Türken zurüdgelehrt und hatte nicht nur die Walachet wieder erobert, fondern war in die Moldau vorgevrungen, und bie Türfen forderten peremptoriich die Abtretung von Kilian und DBielgorod, der beiden Hauptftapelpläge des levantiniichen Han- dels. Zwar vermochte Stefan noch einmal ben vereinten Walachen und Türken am Berlad⸗Fluſſe am 17. Januar 1475 entgegenzutreten und einen beträchtlichen Sieg zu erringen, von

welchem er Gefangene und Siegeszeichen fowohl an Kafımir als auch

an Matthias und an den Papft fandte, aber mit Bangen ſah er der Rache der Sarazenen entgegen, bie nicht lange auf fich warten ließ. In feiner Not wandte fih Stefan fowohl an Bolen wie an Ungarn. Seine Forderungen von Kafimir waren

nicht unanfebnlich, denn er wünſchte nicht nur 2000 Mann

zum Schug von Rilta und DBielgorod, fondern auch die Auf- ftellung der Landesmiltz bei Ramieniec und einen Nachſchub des gefamten polnifchen Heeres unter der perlönlichen Führung des Königs, jedenfalls aber die Öffnung von Kamieniec für einen etwaigen Rückzug der moldauiichen Scharen.

Wir wiffen nicht, ob nicht der König Kafimir, als er dieſen

Krieg „einen mehr eingebildeten als wirklichen“ bezeichnete, „in den er fich nicht ziehen lafjen wolle”, die Dinge richtiger be- urteilte als feine Magnaten, die ihn zur Zeilnahme drängten, und deren großiprecheriicher Wortführer wiederum Ian Rytwiaunski war, ber Held des ſchleſiſchen Feldzugs. Diesmal blieb Kafi- mir feit. Er beichränkte fich darauf, eine diplomatiiche Inter- pention zugunften des Moldauers bei Mohamed felbft zu ver- ſuchen, und ſchickte den Marciszet Wrocimowski, der des Tür⸗ kiſchen mächtig war !), an den Sultan. Der Pole traf den Sultan erft im Frühjahr 1476 bei Warna, an das in Polen in biefer Zeit gar oft gedacht worden fein mochte. Stolz durch die eben erft erfolgte Eroberung von Kaffa ?), lehnte

1) ©. üßer ihn oben, ©. 339.

2) Zinteifen, Geihichte der Osmanen IL, 385, rühmt den Bericht

446 BZmwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1476.)

der Großherr jeben Gedanken einer frieblichen Verhandlung ab. Noch bis in den Sommer binein hielt fi Stefan Bog⸗ danowicz durch die geſchickte Vermeidung einer Felpichlacht, aber am 26. Juli traf ihn das Geihid. Nach einem verzweifelten Kampfe verlor er die Schlacht 1). Die Moldau jchien pas Los Bosniens und der Walachei um jo mehr jchon jekt teilen zu follen, als Stefan anfing, von feinen eigenen Unterthanen aufgegeben zu werden. Die Gefahr eines Einbruchs der Türken in die polniſchen Gebiete wurde dadurch jo nahe gerüdt, daß die Anordnung von Sicherheitsmaßregeln unabweislich geworben war.

Der König, der damals in Marienburg weilte, brach bie ichwierigen und peinlihen Verhandlungen, die er dort zu führen batte, jofort ab und begab fich auf ven Reichstag zu Piotrkow (14. Auguft), der nach langen Beratungen endlich die Auf- ftelung der Miliz der jüpöitlichen Landſchaften (Przemysl, Lem⸗ berg, Podolien, Belz und Chelm) genehmigte ?). Vermutlich

bes Rhodiſers Laudivius Vezanensis Lunensis bei Card. Papiens. Epist., fol. 310 (Mail. Ausg. 1506), der doc genau zugefehen, bloß die üblichen Phrafen enthält, während ber jehr fahlihe und ſchöne Be— richt des Mattbias von Lomza, von einem Augenzeugen, ven Diugofz XIII, 533 aufgenommen bat, gar nicht bißher berüdfichtigt wurde.

1) Im weißen Thale. Nah Diugofz Hätte Stefan nur 200 Mann verloren, aber 30000 Türken getötet. Nah Eſchenloër verlor Stefan 40000 Mann. Mit Zahlenangaben fcheint VBorficht geboten. Die Türken ftommen faft nie mit weniger al8 100000—120000 Dann, _ verlieren aber angeblich immer fo viel, auch wenn fie fiegen, daß man fi wohl wundern darf, woher es noch Türken gab.

2) Das in Voll. Legg. I, 227 mitgeteilte Statut, das bort. bie Überfhriftäfat: „Casimirus omnes ordines tam spirituales quam secu- lares ad juvandam armis patriam obligat“ fol nah Szuj8ti, Cod. epist. II, 280 „in regestro Cas. regis“ ben Titel führen: Ordinatio bellicae expeditionis in Thurcas‘“, und batiert fein: „Petricoviae die S. Vitalis (28. April) 1477“ Danach würde fie fih auf die bier mit- geteilten Umftände beziehen und zeigen, dag man im Frühling 1477 erft bie Schutzwehr aufftellte. Damals waren aber die Türken bereit ab» gezogen. Das Geld dazu ift jedoch ſchon im Herbſt 1476 eingezogen worden. Urk. im Cod. dipl. civit. Crac. I, in Mon. med, aevi V, 263.

Rettung durch Matthias. 447

würde Diele Heeresabteilung, die wie gewöhnlich der eigenen Devölferung mehr als den Feinden zur Laſt fiel, weder bie Türken aufgehalten, noch Stefan errettet haben, wenn nicht der früh einbrechende Winter, Hunger und Seuche, jowie ber Untergang der türkiſchen Proviantflotte, Mohamed zu uneriwar- tetem Rückzuge veranlaßt hätten. Bei der Parteilichleit der ung überlieferten Nachrichten, die am reichhaltigiten von einem der unverlöhnlichiten Feinde des Matthias Eorvinus ausgeben, läßt ſich nicht erfennen, inwieweit die Operationen ber Ungarn auf diefen Rüdzug Einfluß Hatten. Wir vernehmen von der dem Matthias befreundeten Seite, daß er im Sommer unter Stefan Batory dem Molvdauer ein Hilfscorps zugelandt Habe, das allerdings erit zehn Tage nach der für ven Wojewoden jo unglüdlichen Schlacht eingetroffen wäre, aber doch weſentlich

. dazu beigetragen hätte, den Rüdzug der Türken zu bejchleunigen

und Stefans Herrichaft in der Moldau wieder zu befeitigen. Die polnijche Überlieferung fügt binzu, daß es dem Ungarlönige nicht gelungen wäre, was er verjucht hätte, den Wojewwoden von . der polniichen Lebnsunterthänigleit abzuldjen. Die Nachrichten aus dem entgegengejeßten Lager beben gerade hervor, daß Stefan nunmehr gänzlich Ungarn, von dem er allein reelle Hilfe empfangen hätte, ergeben geworden wäre !). In den Inrialen Kreiſen Roms hielt man Matthias allein für ven Überwinder der Türken „und bob ihn dafür in den Himmel“ 2): Der Bapft felbit Hatte fich in feiner Weile in jenem für Ste- fan fo ſchickſalsreichen Sommer mehr für die Moldau inter- eifiert, al8 jemals fonft °), und daß aus Italien eine Subfibie von 200000 Dulaten, wie man fagt, zur Unterjtügung des ungarijchen -Feldzuges dem Matthias gegeben wurde, beweiſt, wie hoch man die bisherigen Erfolge dort anichlug, und welche Hoffnungen auf ihn gebaut wurden. Auch die weitere That. jache, daß Matthias im Einverftänpnis mit Stefan den Drakul

1) Bon ben ungarifchen Quellen abgeſehen, iſt beſonders Eſchenlosr II, 337 beachtenswert.

2) Card. Papiens. epp., fol. 312 (Ed. Mil. 1506).

8) Zheiner, Mon. Hung. II, 449, no. 684, und p. 452, n. 6836.

448 Zwölftes Buch. Sechſtes Kapitel. (1476.)

aus der Walachei vertrieb und den Wlad Tzepeluſz aus der älteren walachiſchen Dynaſtie daſelbſt einſetzte, und alsdann, wie der polniſche Chroniſt ſelbſt berichtet, beide ſüdſſawiſchen Fürſten zu einem allerdings nicht ſehr glücklichen Feldzuge gegen den unter türkiſchem Schutze ſtehenden Fürſten von Beßarabien zu vereinigen wußte, bezeugt doch ein Übergewicht bes ungariſchen Herrſchers in den Wirren jener unreifen Staatögebilde, das Polen ihm in keiner Weile ftreitig machen konnte, und das ber Neid der haßerfüllten Chroniſten doch nicht ganz zu verdunkeln vermag. In dem Streite um die Lehnshoheit in der Moldau waren übrigens, wie Matthias ſelbſt fpäter befannte, beide Könige die Hintergangenen, denn Stefan verübelte es ſich nicht, bald diefer, bald jener Krone die ausichließliche Treue zu fchwören, und am Ende doch nur feinen Vorteil zu verfolgen. Daß anfänglich 2000 Polen im moldauifchen Heere mitgefochten haben, ift eine gut beglaubigte Thatſache. Daß aber der König Kaſimir fih nicht mehr in das Intereſſe Diejes zweifelhaften Bafallen Hineinziehen Laffen wollte, als unumgänglich notwendig, befundet eine vorfichtige und angemefjene Auffaffung ). Für ihn waren dieje Beziehungen feineswegs von berfelben unmittel- baren Wichtigkeit wie für Matthias. Beſtand hatten alle feine Unternehmungen gegen die Türken nicht. Es dauerte gar nicht lange, jo waren die gegen Semendria von den Ungarn im Tebruar 1476 aufgeführten Bollwerfe wieder niedergeworfen, und auch Sabacz geriet wieder in ihre Gewalt. Dan begreift, daß die früher fo ruhmredigen Kurialiften jet etwas enttäufche fich äußerten. Aber die Freunde des Kaiſers, ver jelbft ganz unthätig blieb, als die Türken mit einem Streifzuge Kroatien, Krain und Kärnten beimjuchten, und der in der Welt die Mei⸗ nung zu verbreiten juchte, daß Matthias der Anftifter desfelben geweien wäre, Batten fein Recht zu fagen, daß die Hochzeitsluft den König von den Türken zurüdgerufen habe. Für den Katfer,

1) Das muß gejagt werben, denn die Darfiellung des Dingofz, wegen bes Thatfächlichen hier beſonders wertvoll, zeigt die Abſicht, Kafi- mir im ungänfligften Lichte erfcheinen zu laffen.

Yeindjeligleit im Frieden. 449

der auch während des Waffenftillitandes alles that, um feinen fortbanernden Ingrimm gegen Matthias an den Tag zu legen, war dieſer allerdings nicht gejonnen, Heereszüge zu unter⸗ nehmen.

So wurde denn auch die Türkengefahr, die doch mehr als irgendeine andere eine gemeinſame Sache der Chriſtenheit war, unter dem Geſichtspunkte der herrſchenden politiſchen Gegenſätze aufgefaßt. Weber die Zuſammenkunft ver drei Könige bei Mochbern, noch der Abichluß des Waffenftiliftandes hatte eine Annäherung der durch die böhmiſche Sache zerflüfteten Mächte herbeigeführt. in latenter Krieg wurbe auch in den zwei Briedensjahren geführt, und Die gegenfeitige Beftechung ver Kronräte, die Beihügung von Rebellen und Überläufern und bie Anzettelung von Auflehnungen gegen die Herricher bilden bie beſondere Seite dieſer fchleichenden Feindſchaft. Was im polniichen Königsrate beſprochen und verhandelt wird, weiß Mat- thias aufs genauefte durch einen „ber hervorragenderen Teil- nehmer“ besfelben ?), und was Matthias nur feinen Vertrau⸗ teften mitgeteilt hatte, das erzählt der undankbare Erzbiichof Johann Bedenjloer von Gran dem Kailer, bei dem er ale Rebell des ungartichen Königs Schub und Unterkunft gefunden bat. Die unzufrievenen Ofterreicher werben von Matthias ebenjo gefördert und protegiert, wie bie aufrührerifchen Ungarn in Polen, in Böhmen, bejonvderd aber in Wien Gunft und Gnaden finden. Jeder der vier in die böhmifchen Händel ver- wicelten Fürften ftubiert den Boden, auf welchem er dem Gegner geichworene Feinde fchaffen Tann, und die Überzeugung, daß der Krieg nach Ablauf des Waffenftillitandes wiederum, wenn auch vielleicht in anderer Form, entbrennen werde, mußte allerwegen gebegt werben.

Indeſſen war doch für Polen mit der Entfernung des Matthias. vom böhmiſchen Kriegsichauplage eine Epoche verhält- nismäßiger Ruhe und Sammlung gegeben. Im Sabre 1475

1) „ex consiliariis principalior“. Dfiugofz XII, 550. Mit Namen nennt er ihn nicht. Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 29

450 Zwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1476.)

wurde nicht. einmal ein Reichstag abgehalten. Wir börer nur von dem großen Familtenfejte, das den Hof beichäftigte. Im Serbft ließ nämlich Herzog Georg der Reiche von Baiern feine Braut, die Prinzeffin Hedwig einholen, und zu Landshut wurde das Hochjeitöfeft mit einem Pomp begangen, ver felbft in Zeit- alter der Nenaiffance das Staunen und die Bewimberung ber Zeitgenoffen erregte ). Der Kailer Friedrich tanzte bei diefem Tefte wie ein Süngling in dem Gewähl veutfcher Fürften und Herren und machte fi) über den Böhmenlönig Wladhetaw Iuftig, der ſich nicht einmal zur Hochzeit feiner Schwefter aus Prag bervorwagte, obwohl fein Bater ihm das Geld dazu ſpenden wollte. Dem Legitimttätsgefühl der Königin- Mutter Elifabetb war Genugthuung gewährt, die gefeierte Prinzeffin aber ging einem traurigen Schidjal entgegen, und ihr Water, der König Kafimir mußte mit den Landtagen baheim feilichen um eine Beiſteuer zur Deckung der ungeheuren Schulden, bie er aus Anlaß der Ausfteuer feiner Tochter gemacht hatte. Die Großpolen waren bereit, einen Schoß von 12 Grofchen für die Hufe zu gewähren, wofern die Kleinpolen damit über- einjtimmten. Die Kleinpolen aber, die da mußten, wozu fie gerufen werben, erfchienen nicht auf dem Lanbtage, und es bleibt bei den zufammenbanglojen Quellen, die wis haben, unerflärlih, wie Kafimir feinen und des Staates Haushalt bei jolcher Abhängigkeit von feinen Untertbanen beitellen konnte. Offenbar aber jollte e8 ein Seitenftüd zur Landshuter Hochzeit fein, als Matthias im Spätberbft des darauffolgenden Jahres feine Bermählung mit Beatrice von Neapel mit einem Aufwand feierte, der in allem darauf berechnet war, den Glanz ber Landshuter zu überbieten. Freilich ven Kaiſer jah er nicht zu Gafte und den König von Polen, den er eingeladen hatte, auch nicht. Es war nur das Feſt des Emporkömmlings, aber unbefangene Beurteiler mußten doch wohl eingeftehen, daß es

1) Eine Beſchreibung derſelben in Joachim Müllers Entvbecktes Staats⸗Kabinett I, 351—384. Bgl. auch QCLukhohm, Ludw. d. Reiche ©. 170, und Szajnocha, Szkice II, 116 809.

Marienburger Landtag. 451

unter ben legitimen Königen jener Zeit feinen gab, ber es jo veritand König zu fein, wie Matthias Corvinus.

Unter den Gäften dieſes prunfreichen Feſtes ſah man auch den Biſchof Johaun von Samland und den Oroßkomtur von Dfterode, Martin Truchſeß von Wetzhauſen, bie nicht um ber Gelage und Ritterfpiele willen die weite Reife gemacht hatten, fondern um ein Werk des Verrats zum Abichluß zu bringen, das in feinem ganzen Wejen dem Charakter des eben ge⸗ ichilverten geheimen Krieges zwilchen Ungarn und Polen ent» ſprach.

Während des ganzen Jahres 1475 wurde der Frieden mit dem Biſchofe Nikolaus Tüngen von Ermland nicht weſentlich geſtört. Man wußte, daß die preußiſchen Stände ihm eigentlich zugethan waren, daß der Hochmeiſter ihn nicht angreifen, daß Matthias aus einer Maßnahme wider ihn den Waffenftillftands⸗ bruch ableiten, und daß der Papft zur Zeit nichts thun werde, was den Wünfchen des Ungarkönigs nicht entjpräche.. Jeden⸗ falls Tonnte dieſe unglüdliche Angelegenheit nicht ohne Ge⸗ winnung der preußiichen Stände georoniet werden. Das war die Hauptaufgabe des Landtags, den der König Kafimir, ums geben von den erften Würbenträgern des Reiches, am 1. Mat 1476 in Marienburg eröffnete. Diefe Verſammlung bat auch fonft für die Geſchichte der preußtichen Lande polnifchen Anteils

eine befondere Bedeutung, infofern bier eine in jenen Zeiten’

jeltene Rechtsunifikation vorgenommen wurde, nad ber alle Bartitularrechte, das preußiſche, das magbeburgiiche, das pom⸗ meriſche und das Lehnsrecht, wo ſie noch galten, durch das culmiſche Recht erſetzt werben ſollten, außerdem aber namentlich

der Heimfall der Güter an die Krone beim Mangel männlicher

Erben aufgegeben, dagegen die Leiſtung zum Reichsheer, ſowie

die jährliche Steuer des ſogenannten culmiſchen Pfennigs feſt⸗

geſtellt, und bie Wahrung ber fiskaliſchen Fiſchereigerechtigkeiten 29*

452 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1476.)

deklariert. wurden !). Damit war der Anfang zu den Reformen gemacht, welche in Preußen mit jo vielem Ungejtüm gefordert wurden. Ge mehr aber ber König den Ständen entgegenzu- fommen bereit war, deſto mehr glaubte er auch in dem erm⸗ ländiſchen Streit auf die Nachgiebigkeit berjelben vechnen zu dürfen. Freilich konnte e8 auf die Stände feinen günjtigen Eindruck machen, daß fih unter den Bilchöfen im Gefolge des Königs auch Andreas Dporowsli befand 2). Aber Kafimir ftelite in beweglichen Worten ihnen vor, daß doch unmöglich ber Zuftand in Ermland jo bleiben fünne; er könne Tüngen, „diefe Natter im Buſen“, doch nicht im Lande unter fremder Hoheit belajjen. Die Stände hätten bie Anwendung der Ge- walt, als e8 Zeit war, zu vereiteln gewußt, fie follten nunmehr raten, was gejcheben fol. Der Vorwurf traf natürlich vor⸗ nehmlich die Städte, und Durch den erniten Zorn des Könige in bie Enge getrieben, begannen fie einen Streit mit der Ritter» ichaft über die Trage, ob die Heinen Städte zu der wichtigen, vielleicht einen Krieg in ven Falten baltenden Enticheivung zu⸗ gezogen werden follen, ober nicht. Jedenfalls befreite dieſer ftaatsrechtliche Zwiejpalt von dem Zwang einer jofortigen Ent- ſcheidung. Man gewann wenigjtens Zeit.

Noch verhängnisvoller trat die Haltung des nach langem Zögern und Erwägen erichienenen Hochmeifters hervor. Sicher war es nicht glücdlich ausgedacht, ihm den Prätendenten Oporowski zur Begrüßung entgegenzufchiden. Indeſſen Heinrich von Nichtenberg floß ebenjo wie ver dem Könige nach Thorn entgegengejandte Marihall Nikolaus Gebfattel, der ſich an- beifchig gemacht hatte, jedem Verleumder der Treue des Ordens

1) So nad der Urkunde bei Dogiel IV, 180. Das iſt es, was Dingofz XII, 547 fo ausdrückt: „Ubi (in Marienburg) nihil aliud tam memorabile gestum et institutum est in favorem militarium, quam quod veteri lege iuris Sredensis abolita, sexus femineus virili deficiente in parentum haereditates in morem iuris terrestris Polonici succederet.“

2) Nah Diugofz XIU, 542. In der Urkunde vom 26. Juli, bei Dogiel IV, 180, ift er unter den Bifchdfen nicht genannt.

Der Orden im Bunde mit Matthias. 453

im Zweilampf Rebe zu ftehen, von Verficherungen ber Ergeben- beit über, und der König beftätigte zum zwanzigftenmale, daß er troß aller Zwilchenträgereien gar keinen Zweifel hege; aber ale Kafimir von einem reellen Belltand zur Bertreibung Tüngens ſprach, zog fich der Hochmeifter hinter die Notwendig⸗ feit einer Beratung mit den Gebietigern zurüd. Es Tonnte nicht fehlen, daß den Polen doch die Zweizüngigfeit des Hoch⸗ meiſters bedenklich wurde, und fie veranlaßten neben anderen den Wojewoden von Danzig, Otto von Machwitz, ber Be- ratung ber Gebietiger am Himmelfahrtstage beizumohnen. Aber auch bier kam man über bloße Erörterungen der Biichofsfrage nicht hinaus, und erit auf dem am 21. Juni zu Elbing ger baltenen Landtage, wo Vertreter des Ordens erſchienen waren, erklärten diejelben endgültig, daß fie ſich von bem Unrecht Tüngens nicht überzeugen Tünnten, daß fie weder zu einem Kriege, noch zu einer Verkehrsſperre die Hand zu bieten vermöchten, denn beides würde gegen Geift und Inhalt bes Thorner Friedens verjtoßen. Und jelbit die Annahme einer aus—⸗ ländiſchen Schutzherrſchaft könnten fie nicht durchaus miß⸗ billigen, denn „in der Not nimmt einer wohl einen Zaunpfahl, um ſich dahinter zu ſchützen“.

Aus dieſem Hin⸗ und Herreden ging für die Polen die Erkenntnis hervor, daß allenfalls ein Teil der preußiſchen Ritterſchaft für eine gewaltſame Vertreibung Tüngens einge⸗ nommen ſei, daß aber weder die Städte noch gar der Orden jemals in einen Krieg willigen würden. Daß aber der Orden mit Tüngen in innigem Einverſtändnis war, und daß auch der Hochmeiſter ſich bereits nach dem „Ichügenden Zaunpfahl“ ums ſah, das ſcheint ihnen noch immer nicht aufgegangen zu ſein. Zwar wußte der König, daß ungariſche Geſandte bereits in Königsberg geweſen wären, aber er ließ ſich mit der Ver⸗ ſicherung des Hochmeiſters, daß er ihre Anträge abgelehnt hätte, beruhigen. In Heinrich von Richtenberg war aber der Oedanke des Abfall von Polen unter diefen peinigenden Zumutungen allmählich erſtarkt. Das Beiſpiel des Biſchofs von Ermland batte die Wege gewiefen, und die im Sriege mit Matthias

45A BZwöljtes Bud. Sechſtes Kapitel. (1477.)

wiederholt beruorgetretene militärifche Schwäche ver Polen ſchien das Wagnis zu ermutigen. Nachdem baber der Hoch⸗ meilter am 30. November 1476 mit Züngen einen Vertrag über gegenfeitige Garantie ihrer Befigungen geichloffen hatte, fchidlte er gegen Ende des Jahres den Biſchof Iohann von Samland und ben Oſterodeſchen Komtur Martin Truchſeß von Wetzhauſen nach Ungarn mit dem Auftrage, den Orben und fein Land unter den Schutz des Königs Matthias zu ftellen. ‘Dort wurden die Bevollmächtigten mit Freuden em⸗ Pfangen, denn nichts konnte Matthias erwünfchter fein als ein Verbündeter, der Polen mehr als eine große Armee in Schach Halten konnte, und beifen Abfall die Polen aufs em- pfindlichſte verlegen mußte. Überdies ließen die Ordensgeſandten hören, daß man auch mit den grollenden Herzögen von Mia- jowien in Verbindung getreten fei. In den polniſch⸗preußiſchen Landichaften hatte der Brivilegienftreit eine umfängliche Miß⸗ Stimmung zurüdgelaffen, e8 waren alfo fo viele Elemente einer Verſchwörung gegeben, die, wenn fie feinen anderen Erfolg hatte, jedenfalls Polen von dem weitlichen Kriegsſchauplatze fernbielt.. Am 13. Februar 1477 wurde daher in Gran ber Vertrag zwiichen Matthias und den Drbensgefandten zu Papier gebracht. Matthias wurde der Schirmherr des Ordens, der Berteibiger feiner Rechte und Freiheiten, unbejchadet ver Ober- berrlichleit des Papſtes, fagte im Kriegsfall vemjelben Hilfe und Beiftand zu und fegte die Einzelnheiten in einer XBeife feft, als ob er ernftlich an einen etwaigen Feldzug in Preußen dächte. Nach einer wenig glaubhaften polniichen Verſion ſoll er ſogar 14000 Dulaten heim Breslauer Rat zuguniten bes Drdens deponiert baben.

Im Augenblic fchien dieſe verfchwöreriiche Politik dadurch gefveuzt zu werben, daß Heinrich von Nichtenberg am 20. Fe⸗ bruar, aljo noch bevor er in den Befig der Vertragsurlunde ‚gelangt fein Tonnte, aus dem Leben jchied. Da aber eben berielbe Komtur von Dfterode Martin Truchſeß, Der bie Unterhandlungen geführt hatte, zum Statthalter des Ordens deftellt und wenige Monate jpäter als Hochmeifter gewählt

Des Hohmeifterd Verſchwörung. 45b

wurde, jo trat in ber politifchen Sichtung nicht nur kein Um⸗ ſchwung ein, jondern fie entblößte fich jegt offen vor aller Welt. Schon acht Tage nach jeiner Wahl richtete der neue Hoch meifter an den Rat von Danzig ein offenes Bekenntnis feines Abfalls unb begründete venjelben mit dem Vorwurf gegen König Kafimir, daß er weder dem Sinne noch dem Wortlaute nach den Thorner Frieden eingehalten hätte. Die Aufforderung, gemeinfame Sache mit ihm zu machen, würbe in Danzig als eine DBeleivigung empfunden worben fein, wenn nicht. die Be⸗ ziebungen der Preußen zur Krone fi in der legten Zeit fo umwölkt hätten, daß ſelbſt Mänuer wie Stibor von Bayſen, ver Landeshauptmann, und Ludwig von Mortangen verbächtigt werben fonnten. Die Herzöge von Mafowien fchienen ganz gewormen zu fein, und von den Litauern verjab man fich wie im großen Kriege der Neutralität. Mit ber Proteltion des Königs Matthias Hatte der Hochmeifter zugleich auch die Billigung ber römischen Kurie gefihert, und mit Vergnügen las man in Königäberg die Schreiben de Legaten Balthafar von Piscia an den Klerus in Deutfihland, Böhmen, Ungarn und Polen, worin dem Könige von Polen der Bann angebrobt wurde, wofern er Matthias angreifen und in dem beiligen Werke des Türtentrieges ftören würde. Durfte er den Ungarn nicht an- greifen, dann Tonnten auch feine Schütlinge fich ficher fühlen. Nichtsdeſtoweniger ſahen beide doch der Wahrfcheinlichkeit des Krieges entgegen. Der Biſchof Tüngen orpnete Gebete um Kriegsglück an und trat mit dem gefürchteten Sälonerführer Muſigk von Swynau in Verbindung. Der: Hocmeljter rüftete and fuchte die Hauptleute von Althaus und Straßburg auf feine Seite zu ziehen, um im Beſitz diefer Burgen Thorn be drohen zu können. In feiner Leivenichaftlichen Ruͤhrigkeit wollte Martin Truchſeß von vermittelnden Tagfahrten und Verhand⸗ lungen, bie der Gubernator anbot, nichts Hören, und noch weniger machten die Warnungen des Kaiſers auf ihn Eindruck, ber, wie man hörte, von Matthias eng beprängt wurde. “Die übermäßigen Hoffnungen, die auf ven damals von Flerikaler Seite „in ven Himmel gehobenen" Ungarlönig gefegt wurben,

456 Zwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1477.)

trübten dem Hochmeifter wie dem Biſchof bie Einficht in bie heimifchen Verbältnifie. Denn wenn fchon bie leitenden Kreiſe in den Städten und ein Teil der Ritterſchaft in dem erm⸗ ländiſchen Biichofftreite fich der polniſchen Regierung entgegen- ftellte, fo wurden fie doch bedenklich, als der Orden die Leitung des Widerftands unter jo gefährlich eriweitertem Geſichtspunkte in die Hand nahm. Und der Hauptbeweggrund ihres Wider⸗ ftands war die Beſorgnis vor der Erneuerung eines Krieges geweſen; was anders aber ftellte das Unterfangen des Hoc» meifters in Ausfiht? Es iſt charalteriftiich, daß bie eigenen Untertanen des Ordens dem Hochmeifter den Gehorſam unter Berufung ihres Eides auf den Thorner Frieden verjagten. Aber alle dieſe Abgänge, meinten die Verbündeten, werde Matthias erjeken. Bald bildete man fih ein, er werbe in Polen, fei e8 von Süden oder von Schlefien ber, einbrechen; bald gar, er werde mit 15000 Mann nach Preußen kommen; und als man gar dunlele Nachrichten von Siegen des Ungarn über den Kaiſer und Wladyslaw von Böhmen erhielt, da war Nikolaus Tüngen fo herzensfrob, daß er ein Tedeum in ber Kathedrale von Frauenburg anftimmen lief. Das ganze Treiben befam aber erſt einen gefährlicheren Accent, als der päpftliche Legat Baltbafar von Piscia im Anfang bes Jahres 1478 von Dreslau aus eine Exkommunikationsſentenz wider den König von Polen und feinen Sohn in Prag an alle Biichöfe Des Ditend verfandte, durch eigene Bullen fowohl den Hoch meifter als alle Preußen von allen dem’ Könige von Polen geleifteten Hufdigungs- und Lehnseiden entband, und bei Strafe des Bannes alle vom Orden ehemals Abgefallenen wieber in den Gehorſam desjelben zurückzukehren aufforberte. Sekt fonnte die Empörung nicht mehr ignoriert werden. Die ganze Er» rungenichaft des breizgehnjähriges Krieges ftand in Gefahr.

Die Annahme der Schutzherrſchaft über den Orden und über Ermland durch Matthias iſt ein Beiſpiel für die Art,

Matthias’ neue Kriegsmweife. 457

wie er den böhmifchen Krieg, an beffen Wieberausbruch niemand zweifelte, fortzuführen gedachte. Auf eine weitere Gebiets⸗ erwerbung in Böhmen kam es ihm nicht mehr an. Er beſaß genug Davon, um ben Titel eines „Königs von Böhmen“ zu legitimieren, und wenn er als foldher vom Kaiſer die Regalien empfangen und damit auch als beuticher Kurfürſt anerkannt worden wäre, dann würde er ficherlic einem allgemeinen Sriedensichluß nicht widerftrebt Haben, und alsdann würbe er auch wohl von all ven Schüßlingen, die er, um feinen Gegnern Berlegenbeiten zu bereiten, angeworben Hatte, ſehr bald jeine Hand abgezogen haben. Im Punkte der NRegalienverleihung ſpitzte fich aljo das Ziel des Kampfes zu, und als baber Wladyslam von Böhmen mit dem Katfer im Dezember 1476 das Augsburger Bündnis von 1474 erneuerte, beitand ber Hauptartikel des Vertrages in dem Verſprechen des Kaiſers, den jungen Sagielloniven bei erfter Gelegenheit zu inveſtieren. Selbit wenn Matthias von diefer Abmachung Kunde hatte, brauchte er darum feine Hoffnung noch nicht aufzugeben, denn ein Verfprechen des Kaiſers niemand wußte fo gut, wie er, was davon zu halten je. So ſehr war er entichloffen, Böhmen nicht wieder zum Sriegsichauplag zu machen, baß er ſich von feinen eigenen Unterthanen, wie von den Ständen in Mähren eine Art Neutralität ablaufen ließ, und bald wurde das Bei⸗ fpiel von den Herren und Nittern in Schweionig nachgeahmt. Selbft aus dem allzeit kriegsluſtigen Breslau und auch aus der Lauſitz kamen Deputierte nad Ofen, um ähnliche Er⸗ mächtigungen zu vorläufigen Sonderfrieden wie Mähren zu erwerben. An Krieg in diefen Gegenden war Matthias nicht$ gelegen, wohl aber daran, daß die Sonderverträge das Haupt- ziel nicht unerreichbar machten. ‘Die von ihm gewährten Unter- jtügungen reichten nur eben aus, um bie Wunden offen zu halten. Des Herzogs von Sagan Streich, der nach dem Tode des Herzogs Heinrich von Slogan fich mit Gewalt eines großen Teils des Herzogtums bemächtigte und bamit bie fchon pro» jektiert gewejene Heirat des Könige Wladyslaw mit ber ver» wittweten Barbara, einer Tochter des Markgrafen Albrecht

458 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1477.)

von Brandenburg, zerichlug, war jo jehr nach bem Herzen bes Ungarlönige, daß er dem wilden Herzoge Geld und Maunſchaft janbte, denn jo konnte er feine Feinde treffen, entzweien, ſchwächen, ohne daß ihm ein Vertragsbruch nachgelagt werben durfte. Treten einzelne Mitglieder des böhmiſchen Herren⸗ Bundes in der Entwidelumg ihrer Privatfehven mit ven Rebellen bes Kaiſers in Öfterreich in nähere Verbindung, fo ruft: ihnen Matthias feinen Glückwunſch zu, nur follten fie mit dem Katier feinen Frieden machen. Je beflommener die Lage Friedrichs wird, defto mehr frohlodt Matthias, und bald war nicht mehr zu erkennen, ob der Kaiſer ſich nur noch im Kampfe mit feinen eigenen aufräßreriichen Unterthanen ober ſchon mit Ungarn im offenem Kriege befinvet.

Im Anfang des Sommers 1477 ſchien aber ber Zeit. punkt gelommen, um den öſterreichiſch⸗boöhmiſchen Vertrag vom Dezember 1476 ins Leben treten zu laffen. Dit einem mühſam zufammengebrachten Heere zog Wladyslaw im Mai nach Ofter- veih, um feinem hohen Verbündeten aus der Not zu belfen und endlich die Negalien zu empfangen. Das lettere gefchah vem Programm gemäß am 10. Juni im Stephansdome in Wien mit hohem Pomp, das erftere aber mißlang nicht nur, jondern der Böhmenksnig Tehrte fehr bald in einem Häglichen Zuftande faum mit dem fünften Zeile der Leute, die er hin⸗ geführt hatte, in die Heimat zurüd. Das hatte Matthias ſchon zumege gebracht, noch ehe er offen den Krieg erklärt hatte, aber jekt, nachdem der Kater feinem Nebenbuhler die Regalien erteilt Batte, drang er mit einem Heinen aber zuverläffigen Heere in das. öfterreichtiche Gebiet ein und ftand bald vor Wien. Wie zu einem Feſte zog er daher, feine junge Gemahlin und feine Mutter in einem goldenen Wagen im Lager mit fid führend. Dean fagt, dab 72 Städte und Schlöffer in feine Gewalt famen, und die Hauptftadt wurde zu Waffer umd zu Lande eingefchloffen. Zugleich erfchienen jene Bannbriefe des Legaten Balthafar von Piscia, deren jchon oben gedacht ward, und in einer Reihe von Breven erklärte der Papft die Re⸗ galienerteilung für ungültig. Dan kann venfen, wie bie Diplo-

Griedensverhbandlungen. 459

maten in Brwegung gerieten. Schon im Auguft waren kaiſer⸗ fie Räte bei Matthias, aber er ſprach von einem Schaben- erſatz von über dreiviertel Milton Dulaten und legte bem Kaiſer ein Sündenregifter vor, das allerdings kaum einen Ausgleich erwarten ließ. Dennoch aber kam nach langen Ver⸗ Sandlungen am 1. Dezember 1477 zu Korneuburg ein Friedens⸗ ichluß zuftande, der nach Lage der Dinge nicht anders als Außerft ungünftig für den Katjer ausfallen konnte. Die eim- zelnen - Beftimmungen bes Vertrages haben für uns hier fein Intereſſe, nur die eine mag der Charalteriſtik wegen hervor⸗ gehoben werben, daß der Kaiſer jenem „Lieben Sohne Matthias bie Negalienerteilung zuſagte“, und jomit feine eigene That vom 10. Juni verleugnete. Mit einem feiner Feinde war alſo der Ungarkönig fertig.

Schon während der Verhandlungen über den Frieden mit dem Kailer war Matthias insbeſondere beitrebt, pie Böhmen von der Sache besjelben zu trennen. Er ſprach es unum⸗ wunden aus, baß er unter folder Bedingung bereit wäre, abfchließenden Friedensverhandlungen näher zu treten. Der ‚Herrenbund, der ihn einftens in die böhmiſchen Wirren hinein gerufen hatte, war ſchon längſt nicht mehr lebensfähig, und die Reſie desjelben hatten die perfönlichen und lokalen Intereſſen jo weit jchon über dasjenige geitellt, das fie. mit Matthias verbunden hatte, baß er fich jelbjt von dem derzeitigen Führer verjelben Bohuslaw von Schwamberg fait verveten fühlte.

Zu gewinnen war für ihn in Böhmen kaum no etwas, zu

verlieren alles. Er milligte daher in die Beſchickung ver Kon⸗ ferenz, welche im Monat März 1478 unter der Yeitung bes

Landesbauptmanne Stibor von Eimburg in Drünn zujammen- ‚getreten war. Wie froh Wladyslaw über diefe Wendung war,

zeigt der Umftanb, baß er dem Landeshauptmann eine unterzeichnete ‚carte blanche zuſchickte. Die Konferenz hielt ſich im allgemeinen ganz eng an die Beichlüffe Des Beneſchauer Landtags vom Jahre 1475, nur daß fie Die Souveränetät des Matthias in Böhmen noch mehr unter dem Vorwand eines Pfanpichafts- verhältniffes zu werbunfeln beitrebt war. Dazu aber fühlte

460 Zwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1478.)

fih denn doch der Ungar zu jehr Sieger, um fo mehr, als eben erſt einer feiner Nottenführer den Czechen bei Biljen eine überaus empfindliche Niederlage beigebracht hatte. Er verwarf die Brünner Punktation und traf vielmehr Anftalten, den Krieg mit neuer Gewalt aufzunehmen. Sofort wurden von der andern Seite die Angebote erhöht, und endlich kam ed zu Dfen am 30. September zu einem Triedensichluß, der bie zeitweilige Teilung ver böhmiſchen Lande und die volle Gleichberechtigung der beiden Könige in ihren betreffenden Do⸗ minten anerlannte und die Möglichkeit einer Auslöfung der Kronländer um 400000 Dukaten nur für den Todesfall des Königs Matthias umd unter gewiſſen Bedingungen jtipulierte. Bon den weiteren Artileln des Vertrages, ber erit im No vember in einer neuen Konferenz zu Olmüg feine enpgültige Redaktion !), und zulegt duch einen Monarchenlongreß die feierliche Sanktion erhalten follte, interejfiert und ganz vor» nehmlich die Beitimmung, daß mittlerweile verjucht werben jollte, auch eine Verjöhnung zwilchen dem Könige von Ungarn und dem von Polen berbeizuführen. Cine Vermittelung fchien bier um fo notwendiger, als die Verwidelung eben bamals einen höchſt bebrohlichen Charakter angenommen hatte.

Daß alle diefe Vorgänge für Polen eine wichtige und be ftimmende Beziehung hatten, braucht nicht erit hervorgehoben zu werden. Mit feiner fehr wohlfeilen, durch große Worte und Drobimgen allein betbätigten Schußberrichaft über Ermland und den deutſchen Orden Hatte Matthias ein vortreffliches Mittel erlangt, die weitere Einmiſchung Polens in die böhmijchen Händel zu befeitigen. Die Frage war, wie fidh die Lage nad Ablauf des Breslauer Beifrievens geftalten würde. Wirb ber Augsburger Bund der drei Monarchen von 1474 wieder er- nenert werden? Schon im Winter 1476 war am Bofe Kafimirs jener Raphael Leszczynski wieder erichienen, der ſchon vor Yahren die erſte Annäherung des Kaiſers an Polen ver, mittelt hatte. Un lockenden Perjpektiven ließ er e8 nicht fehlen.

1) Diefe flieht bei Theiner, Mon. Hung. II, 460, no. 643

Bolen und der böhmiſche Krieg. 461

Er ſprach von einem Anteil aller beutichen Fürſten an ber fatferlihen Politik und deutete im Namen jenes entlaufenen Erzbiſchofs von Gran, des Johann Bedenfloör ganz im Stile feines Vorgängers an, daß fich ein polniiche® Heer in Ungarn nur zu zeigen brauche, um einen allgemeinen Abfall von Matthias zu bewirken. Der König brachte den Antrag auf dem Neichdtage im April 1477 zur Spracde, und bie Pro- pofition ging dahin, dem Kaifer 4000 Mann zur Verfügung zu ftellen. Aber woher fie nehmen? Aus den Neichöheere? Der Adel weigerte fi zu einer fo „weiten Expedition” fich berzugeben. . Um Sold Gedungene? Es „gab feinen könig⸗ lichen Schag mehr”, aus dem die Koften hätten beftritten werben können. Dean lehnte daher die Anträge bes Kaiſers unter Entfchuldigungen, zu deren Überbringung Andreas Opo⸗ rowski, der Prätendent von Ermland nach Wien gejandt wurde, einfah ab. Unverzüglich darauf, nachdem man dieſen Beichluß gefaßt Hatte, denn ſchon am 1. Mai 1477, fragte Matthias bei Rafimir an, ob er auf die vom Papfte wegen der Türlen- gefahr vorgejchlagene Verlängerung des Waffenftiliftands zwifchen Ungarn, Polen und dem Kaiſer eingehen wolle !), und wir dürfen nicht zweifeln, daß das Anerbieten angenommen wurbe. Die Auflündigung des Waffenftiliftands durch Matthias aber am 12. Juni, welche nur dem Kaifer galt, und die Durch Bohuslam von Schwamberg an den Böhmenkönig gerichtete aus denſelben Tagen erwähnen des Könige von Polen mit feiner Andeutung, jo daß alio für Polen die vertragsmäßige Waffen- ruhe fortbeftand. So erklärt fich auch, weshalb dem Treiben bes neuen Hochmeiftere während des ganzen Jahres 1477 jo taltblütig und zurückhaltend zugefehen wurde, und weshalb von Polen aus dem mit fchweren Verlegenheiten ringenden Böhmenkönige nur gleihfam verſtohlen Geldunterftügungen zu⸗ geftectt wurden. Wir hören da von einer „väterlichen Liebes⸗ gabe" von 3000 Dufaten, und ein anderes Mal, daß Kafimir dem Kaiſer 10000 Dukaten anbot, die diefer aber ablehnte,

1) Schreiben des Matthias, datiert den 1. Mai 1477. Danz. Ardı.

462 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1478.)

da er damals ſchon im Begriff ftand, mit Matthias Frieden zu ſchließen.

&s war für Polen eine äußerft peinlidde Situation, daß es unter der Wirkung des Waffenftillſtands gleichſam nicht Herr im eigenen Haufe jein durfte. Aber als fi im Süben foft unter den Thoren von Krakau durch die feinbfelige An⸗ ftiftung des Ungarlönigs ein Verhältnis auszubilden fchien, das ebenfo anftößig wie das im Norven werden Ionnte, ba wurde mit raſcher Thatkraft vorgebeugt, noch bevor daran ein Bruch der Verträge entftehen konnte. Matthias Hatte nämlich jenen Peter Komorowsli !), den er einjt teils mit Gewalt, teils durch gütlichen Handel ans ben fieben norb- ungariſchen Burgen gebrängt Batte, durch die Hoffnung auf die Wiedergabe derjelben dermaßen für fich gewonnen, daß er nicht bloß bie zwiichen Königsberg und Ofen verlehrenben ges beimen Senbboten durch Polen ficher zu bringen wußte, fondern auf Grund von Anfprüden an den polniſchen König fich in den Befig der Burgen im Herzogtum Zator jekte und von port aus einen anhaltenden Raubgängerfrieg im Iralauifchen Gebiet unterhielt. Im Bolen erwachte die Befürchtung, daß er fih der einzig zuverläjfigen Yinanzquelle des Landes, der Sa linen bemächtigen könnte, und die Regierung trat daher mit ibm in Verhandlung. Aber felbjt die ſchließliche Sendung zweier Wojewoden mit weitgehenden Angeboten einer Entſchä⸗ digung für jeine auf ſchiedsrichterlichem Wege feftzuftellenden Anfprüce batte feinen Erfolg. Komorowski wollte auf nichts eingeben, und der König ließ daher durch den Staroften von Krakau, Jakob von Debno, Gewalt brauchen. Die Feſie Dir wald wurde zerichofien, Zywiec in Brand geſteckt und Szeflarh dem bermaligen Salinenpächter Markus Ratuldi ausgeliefert. Komorowsli erjchien troßig vor dem Könige, der ihn mit Gütern im Chelmſchen entichäbigen wollte, aber fo lange noch auf ben

1) Dfugofz nennt ihn hier Nikolaus, obwohl er ausdrädfich auf den früher von ihm (in Übereinfimmung mit den Urkunden) Peter genannten zurädverweil..

Vorſichtige Politik 463

König von Ungarn gerechnet werben konnte, ſchlug ber aufs rühreriihe Magnat die milde Hand aus. Als jedoch auch Matthias fich von ihm zurückzog, da er jeine Aufgabe verfehlt hatte, war er froh von Kaſimir die Stadt Krasuyftaw als

Schmerzensgeld zu erhalten.

Eine gleiche Energie ließ fih num freilich gegen Ermland und den Orden nicht entfalten, jo lange eine Wahrſcheinlichkeit vorlag, daß Matthias direft oder indirekt für feine Schüßlinge eintreten würde. Während der Operation gegen Komorowski glaubte der König mit feinem Gefolge die Grenzen bejegt halten zu müſſen, um zu verbüten, daß nicht wie im Jahre 1473 die Zebraten einen Einbruch in Kleinpolen unternahmen, deſſen Berantwortung Matthias wieder höhniſch hätte ablehnen können. Überbies ging die Rede, daß der König von Ungarn nur darum die Ujurpation des Fürftentums Glogau durch den Herzog Sobann von Sagan jo bereitwillig gutgebeißen babe, weil er fich dieſes rüdfichtslofen PBarteigängers, der nach dem Verkauf jeine® Stammberzogtums über Mittel verfügte, für einen be- vorſtehenden Krieg in Preußen bedienen wolle, eine Ausficht, die ebenfoviel Ermutigung für den Hochmeilter und Tüngen als Beunruhigung für Polen enthielt. Gegenüber allen dieſen Schwierigkeiten mußte aljo die größte Vorficht bewahrt werben, und es iſt anzuerkemen, daß in diefem Falle die polniiche Bolitit, wie jelten nur, Umſicht, Zurüdhaltung und im geeig- neten Augenblid eine geſchickte Thatkraft entfaltete, bie den Zwei dann auch nicht verfehlte. Zunäcit verlannte man in. Bolen nicht mehr, daß die preußifchen Wirren nur durch die ſchmollende Haltung der Stände einen ſolchen Umfang batten annehmen können, und daß ihre Befriedigung bie unerläßliche Borbedingung einer jung berjelben wäre. Schon die Re formen, welche auf vem Marienburger Landtage vom Mat 1476 vereinbart waren, hatten ein beijeres Einvernehmen zwiſchen den Ständen und der Krone hergeitellt. Dann aber geichaben

im folgenden Jahre noch zwei Hoch bebeutfame Schritte in der⸗

jelben Richtung. Erſtens wurde die Kandidatur des Andreas Oporowski bejeitigt, infofern der König beim Papfte bafür

464 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1478.)

intercebierte, daß er das feit vier Jahren erledigte und durch Adminiftratoren verwaltete Bistum Przemysl erhielt '). Zwei tens aber entihloß fich der König endlich zu der jo viel ge forderten und jo oft verweigerten Beitätigung der Broilegien. Es find nur wenige Zeilen, welche bie Urkunde vom 13. Juni 1477 enthält ®), aber fie faffen die Bedeutung in fidh, daß einftweilen der Verſuch einer Polonifierung Preußens aufge- geben ift. Aber man ift verjucht, die ungewöhnliche Knapp⸗ beit einer jo weittragenden Urkunde auf das Gefühl eines unfreien Gewiſſens bei dem Ausiteller zurüdzuführen.

Bon nun an aber fühlte der König fich ficherer, gleichwohl war er fichtlich bemüht, im Einverſtändnis mit den Ständen zu banbeln, und biefe rieten, die Sache des Biſchofs von ber bes Ordens möglichjt getrennt zu balten. Noch Hatte ja eigentlich der Hochmeijter nichts getban, was einſpruchslos ale ein Bruch des Thorner Friedens angejehen werben konnte. Freilich durfte er Bündniſſe mit ausländifchen Fürften nur mit Bewilligung der Krone Polen abjchließen, aber inwiefern war denn feine Beziehung zu Ungarn nachweislich? Vielleicht war alles nur Gerede. Der König ging daher ganz dem Recht entiprechend vor, als er den neuen Hochmeifter im Januar 1478 zu dem in Piotrlow abgebaltenen Reichstage einlud, dort zu evicheinen und die Huldigung zu leiften, zumal bie ſechs Monate nach feiner Wahl bald abgelaufen fein würden. Nun wird man es wohl kaum für ein Zeichen großer Zuverficht zur eigenen Sache anjeben, wenn man vernimmt, daß Martin Zruchieß das kindiſche Mittel ergriff, nach Ragnit zu veifen, damit ihn die polniichen Senveboten nicht anträfen. Unmittel- bar nach dem Reichstage hielt der König eine Tagjakung mit ven preußifchen Ständen in Braede in Rujavien. Zunächft gab er ihnen die bünbdigfte Verficherung, daß nicht nur das

1) Dfugofz XII, 525 beim Jahr 1474. Er wurde Abminiftrator von Przemysl und fchrieb fih bis 1479 noch ep. Varmiensis et adm. Prem. Dann aber ep. et adm. Prem.

2) Voll. Legg. I, 231. Dogiel IV, 181.

nn | ||| —ñ ñ Te

Tagefagung in Brzesc. 465

Gerücht, er wolle, um feinem Sohne alle Länder der böhmiſchen Krone zu verichaffen, Preußen als Entihädigung dem Könige Matthias abtreten, unbegründet wäre, fondern daß felbft wenn es um jeinen Hals und fein Leben ginge, er einen folchen Ges danken nicht aufkommen laſſen würbe. Aber ein anderes Mittel als ven Krieg gegen Tüngen wüßte er nicht mehr. Die Stände ſchraken noch immer davor zuräd. Verhandlungen mit ben ermländiihen Städten, wie der König vorfchlug, Bielten fic ausſichtslos. Eine Gefandtfchaft an den Hochmeifter im Namen Litauens, Majowiend und Pommerns als der Kompaziszenten bes Thorner Friedens, was die Stände proponierten, hielt der König für unmöglich, da jene „feine Leute und Unterthanen“ wären. Dagegen ftimmten beide darin überein, daß bie Schlöffer und Städte an den Grenzen des Ordensgebiets ftärker mit Kriegsvolk befett werben follten, und endlich entſchied fich auch der König dafür, daß die Kommilfare, welche demnächſt das Land bereifen würden, um ben noch nicht auf den Thorner Frieden Eingeihworenen den Eid abzunehmen, fich auch behufs nochmaliger Mahnung zum Hochmeiſter begeben follten. Da ferner Stibor von Baiſen „der Landeshauptmann” wegen Alter und Krankheit wiederholt um jeine Entlaffung gebeten hatte, wurde jie ihm zwar nicht gewährt, aber, da eine kräftige Leitung der Geſchäfte jett bringlicher als je geboten war, in der Berfon des Biſchofs Zbiegniew Dlesnict von Wlockawek ein DVertreter besfelben beitelt.e Daß fih die Stände den Polen an dieſem Plate ohne Einipruch gefallen Tiefen, war keinesweges fonfequent, aber die geiftliche Würde des Mannes Ichten doch eine Bürgfchaft für den lediglich proviſoriſchen Charakter feiner Stellung zu geben. Es mochte einen üblen Eindruck machen, daß eben während der Tagefakung in Brzese überall in den Nachbarprovinzen die Bannbulle wider König Rafımir und feinen Sohn durch den Xegaten Balthajar von Piscia verbreitet wurde, und ber König erließ baber fofort bie Tategorifchite Appellation dagegen an bie kirchlichen Behörden feines Neiches !), aber um fo mehr mußte die Notwendigkeit 1) Cod. epist. saec. XV, II, p. 281, no. 235. Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 30

466 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1478.)

eines Abichluffes der Wirren in Preußen jebermann ein- leuchten. |

Um die Zeit, als die verabredete Sejandtichaft beim Hoch» meiſter eintraf, konnte der letztere fchon davon willen, daß König Matthias nicht nur mit dem Kaiſer vollen Trieben ges ichloffen babe, ſondern daß auch bereit mit Wladyslaw von Böhmen ein Präliminarvertrag zuftande gelommen wäre. Um fo unberachtiamer nehmen fich daher Die Leidenfchaftlichen Aus⸗ iprüche aus, mit denen er den Senveboten entgegentrat. Bor . fünfzig Iahren bätte mar. von Frieben- Halten reden jollen, meinte er, und jett könne er gar keinen Beſcheid geben, denn er müſſe fih erjt mit den Landmeiſtern von Libland und deutſchen und welichen Landen beraten, und enpgültig Eönne über ihn doch nur der Papft verfügen. Nicht ohne Ditterleit er⸗ widerten bie Geſandten, daß früher doch ihres Willens bie Entichlüffe des Hochmeifters felbftändig gefaßt zu werben pflegten. Aber Truchſeß antwortete, wenn fie auch eine derartige Bor⸗ frage nicht für nötig hielten, er könne ihnen einen anderen Beſcheid nicht geben. Von dem fern meilenden Schutzherrn war allerdings nicht die Rebe, aber die Verblendung bes Hoch meiſters hatte doch in den ungefchwächten Hoffnungen auf ihn ‚ihren Grund. Da fi der Herzog Johaun von Sagan, ber beiläufig durch eine Expedition nach Preußen nod einen ſchon früher erhobenen Anipruch auf 40000 Dukaten Soldgelder aufwärmen zu können meinte, vermaß, in Verbindung mit pommeriſchen Herzögen nach Preußen einmarſchieren zu können, wenn nur der Kurfürft Albrecht von Brandenburg fein Hinber- nis in den Weg legen wollte, fo fam der Hochmeifter, offenbar in voller Unkenntnis der politiichen Lage, auf die wahnwitzige Soee, die Wiedereinlöſung der Neumark in Berlin in Anregung zu bringen. Das allein. würde ja fchon genügt haben, ven Kurfürften zu einem Widerjacher des Orbens zu machen. Wußte denn aber ver Hochmeilter nicht, daß Albrecht alle Zeit dem Intereffe des Prager Hofes näher ſtand als bem emtgegen- gejeßten? Daß ein brandenburgiiher Prinz mit einer pol- niihen Prinzeffin verlobt war, und bie Hochzeit nahe bevor

Kriegerifher Zufammenftoß. 467

ftand? Daß der Saganer ber Tochter des Kurfürften, ber verwitweten Barbara, das glogauiiche Erbe eben erſt gewaltſam entriffen hatte, und daß Brandenburg eben deshalb mit ihm im einem nur durch eine kurze Waffenrube umterbrochenen Kriege ſtand? liberlegte denn der Hochmeifter nicht, daß, wenn fchon ber Kurfürft durch ven NRüdtritt des Könige Wladyslaw von der Verlobung mit Barbara von Glogau gekränkt, doch im dem Saganer alleis und vornehmlich den Urheber dieſes Ver⸗ druſſes erlennen mußte? Kannte er venn bie Hohenzollern jo wenig, um zu begreifen, daß fie ein jo mühſam erworbenes und georbnetes Land wie die Neumark niemals wieder fahren laſſen werden? Matthias Siebenburger, der Gejanbte bes Hochmeifters, kam beim Kurfürften gar übel an. Die New mark, fagte er dem Boten, jet ein wahres Erbe, und wer das Sand erwerben wolle, ver müfje viel Geld haben. Aljo die Hoffnung, daß der fchlefiiche Freibeuter die viel beiprochene ungariiche Hilfe herbeiführen werde, war nun auch erfchwert.

Nichtädeftoweniger wagte ber Hochmeiſter ven erſten ver» bängnisvollen Schritt. Er bejegte (Ende Juni 1478) bie Burgen Straßburg, Culm, Althaus, die als Leibgebinge bes veritorbenen Bernhard von Eimburg und jeines Brubes dem Thorner Frieden zufolge der Krone Polen zufallen ſollten. Das gab den Polen das Zeichen ihr bei Bratean und Neu markt unter den Rottenführern Ian Bialy und Ian Zeleiynskt verfammeltes Kriegsvolk beranzuzießen. Am 17. September erließ der. jtellvertretende Yandeshauptmann, Biſchof Zbigniew Dleönidi, an den Biſchof Tüngen von Ermland den Abjage brief, und bie poluiſchen Söloner begannen an verjchiebenen Orten, immer jo viel als möglich noch das Gebiet des Ordens verfchonend, die gewaltiame Unterwerfung des Bistums. Allen- fein, wo das Kapitel feinen Sig hatte, trat bald mit ben Polen in Unterhandlung. Wormditt ergab ſich am 8. Oltober, Mehlſack etwa eine Woche fpäter. Nur Braunsberg Teiftete einen wirkungsvollen Wiberftand, denn nachbem bie Bolen vom 24. Ditober bis zum 19. November davor gelagert Batten, und nad dem Chroniſten „mandy’ ftolzer Dann der Polen

30%

468 Zwölites Bud. Sechſtes Kapitel. (1478.)

bier erichlagen warb”, mußten fie bie Stabt verlafien, währenb Frauenburg fih nach geringem Wiberjtande am 3. Rovember ifmen ergab. Nur Heilsberg war alſo Züngen verblieben und bewährte bei der Berteibigung einen dem polniſchen Kriegsnolt verhängnisnoflen Mut‘). Die Hilfe bes Hochmeifterd war kaum der langen Vorbereitungen und Rüftungen wert geweſen. Den Ordensrittern wollten die Landeingeſeſſenen nicht nach folgen, jo daß im ganzen dem Biſchof vonſeiten des Hoch⸗ meifterd anderthalb Hundert Reiter zugeführt werben Tonnten. Auf dem Territorium des Ordens war e8 nur an einer Stelle zum Kampf gekommen, bei Marienwerder, wo der Hochmeifter die eigentlich dem Biſchof von Eulm auf Lebenszeit überant- wortete Domlirche zu einer Feftung umgewandelt hatte. Die Beiatung von Marienburg war nun, als der Krieg begann, in die Stadt eingefallen, und die Bürger zogen fich auf ven Dom zurüd und fchoffen von dort ihre eigene Stadt in Brand. Das hart befchäbigte polnische Kriegsvolk geriet barüber im ſolche Wut, daß fie den Dom belagerten und „ihn faft be» gruben”.

Während bier alfo gelämpft wurde, fanden an zwei ver- ichtedenen Orten hierauf bezügliche Verhandlungen ftatt. Im Elbing müßte fi) der Ständerat vergeblich ab, die Vertreter der ermländiſchen Städte zur Bertreibung des Biſchofs und die Bevollmächtigten des Ordens zur Anerkennung feines Friedensbruchs und zur Leitung des Huldigungeeidbs zu be- wegen. Im Ofen aber, wo eben in jenen Tagen bie Freude über ben mit dem Jagielloniden enblich abgefchlofjenen Frieden, in weldem auch die Verföhnung mit Polen vorgejeben war, wieberffang, fanden die peinlichiten CErörterungen über bie preußiſche Sache ftatt. Denn als Kafimir feine Exrpebition gegen Ermland ins Werk fjegen wollte, hatte er mit König Matthias eine Verftändigung gefucht. Anfänglich fprach biefer jehr verbeißungsvoll von der Möglichkeit einer Schlichtung auf biplomatifchem Wege. Dann aber, als neue Gefandte Polens,

1) Chronik vom Pfaffentrieg. Script. rer. Prufs. IV, 686.

Waifenftilltand in Preußen. 469

namentlich) der Domherr und Geichichtsichreiber Jan Dlugoſz eingetroffen waren, um bieje Wege kennen zu lernen, ſuchte er offenbar die Herren mit Schredbildern zu verblüffen. Vier Heere, fagte er ihnen, ftünden jchon bereit, in Bolen einzu rüden, eind davon unter Thomas Tarczy, befien furchtbares Andenken noch von 1473 ber lebendig war, und jener Ian Zeleny, ber in Oſterreich diefelben entfeglichen Erinnerungen wedte, jtünde ſchon in Schlefien mit 8000 Dann, um mit Johann von Sagan direkt nach Preußen zu geben. Das ein- zige Wahre an biefem Phantafiebilde war, daß Jan Zeleny allerdings mit einer Schar, die Matthias etwa um das vier- fache übertrieben hatte, zu dem Saganer geftoßen, aber auch bald darnad) von dem Markgrafen Iohann von Brandenburg bei Kroffen jämmerlich zerichlagen war !). Aber die polniichen Gefandten waren dermaßen in Furcht geſetzt, daß fie jofort ben von Matthias vorgezeichneten Waffenftillftand am 21. November 1478 unterjchrieben. Mit nicht geringer Eitelkeit jchrieb Dlu⸗ gofz darüber in einem Privatbriefe an einen jeiner Freunde, Daß „es ihm gelungen fei, ſechs euer und ſechs erbitterte Kriege auszulöfchen* 2), aber e8 gab doch, wie er in feinem Geſchichtswerk jelbit belennt, Leute, die den Vertrag in weniger gloriojem Lichte jahen 3), Darnach follten alle mit Waffen- gewalt genommenen Drte des Ermlands dem Könige einjt« weilen verbleiben; diejenigen aber, die ſich ohne Widerftand ergeben hatten, follten vem Biſchof zurüdigegeben werden. Wider ben Orden follten feine Weinbjeligkeiten unternommen werben, und die Ausföhnung aller Parteien bei dem durch den Dfener

1) Catal. abb. Saganensium in Stenzel, Script. rer. Siles I, 382,

2) Cod. epist. saec. XV, II, p. 283, no. 238.

3) Matthias empfing die Sefandtihaft im Wiszehrab, wo auch ber Waffenſtillſtand unterzeichnet wurde. Da fomit ber Ort und alle andern Umftänbe ber hübſchen Erzählung, die Galeoti Marcii Narensis, Commen- tarius de Matthiae Corvini egregie sapienter jocose dietis et factis, Cap IV. mitteilt, übereinſtimmen, fo ift alfo unſerem Dfugofz die Heine Zurechtweifung zuteil geworden, was feinen Haß gegen ben Ungarkönig noch weiter erflären würde.

470 Zwölftes Bud, Sechſttes Kapitel. (1474.)

Frieden in Ausſicht genommenen Monarchenkongreß zur Sprache kommen. Da dem Könige Kaſimir die Geldmittel wieder aus⸗ gegangen waren, und bei der allgemeinen Lage die Beſorgnis vorwaltete, daß Polen jetzt allein der Angriffsgegenſtand des thatendurſtigen Ungarlönigs werben könnte, fo blieb ihm nichts übrig, als den Waffenftillftand zu ratifizieren.

Indeſſen war die Lage des Biſchofs Tüngen arg verfchlim- mert, benn ſowohl das Kapitel als auch die Städte begannen mit dem Ständerat bald nach Weihnachten über Stipulationen zu verhandeln, die feinen Abgang als Borausfekung hatten. Da überbieg der Kongreß zu Olmüß, der am fichtmeßtage hätte ftattfinden jollen, verſchoben ward, und eine Erneuerung bes Waffenſtillſtands nicht ftattfand, jo Hatten die Polen freie Hand. Ohne Mühe unterwarfen fie jest das gefamte Bistum der königlichen Gewalt und umlagerten endlich auch Heilsberg dermaßen, daß der Biſchof fich in der Feſte nicht mehr ficher füglte und fie verließ, um fich zu dem Hochmeifter nach Königs⸗ berg zu flüchten. Aber auch der Hochmeifter mußte jest ſeine Sache verloren geben, denn wenn auch fein Gebiet außer der Zerftörung von Marienwerder feinen Angriff bisher erfahren batte, jo durfte er doch befürchten, die Zeindfeligfeit der Polen

jegt allein auf fich zu ziehen. Und bet ber ängjtlichen Sorge

vor Erneuerung ber Kriegsgreuel drängten feine ‚eigenen Unter» faffen auf Nachgiebigkeit um jeden Preis. Noch immer hofften beide, der Hochmeifter wie der Biſchof, auf günftige Fügungen von Ungarn ber, aber fie fohienen doch nicht vollauf darüber unterrichtet gewefen zu fein, was Matthias inzwilchen für fie getban hatte. Im weientlichen war durch den am 2. April 1479 zwiichen polniichen Delegierten und bem Könige von Ungarn abgefchloffenen Vertrag ihr Schickſal befiegelt ). Für den Hochmeifter hatte Matthias zwar milde Formen ausbe- dungen, aber auch er war der Meinung beigetreten, baß der Huldigungseid unerläßlich fei, und inbezug auf den Biſchof Nikolaus hatte er die Polen zu beitimmen

1) Dogiel, Cod. dipl. I, 77.

Unterwerfung Tüngen$. u 471

bie Alternative eröffnet würde, entweder das Bistum Culm nebjt der Aominiftration in Pomezanien anzunehmen, oder ſich einfach der Gnade des Königs zu unterwerfen. Über die Her- jtellung des früheren Befigftandes und über Entſchädigung zugunften des Ordens waren bie polniichen Geſandten entgegen- kommende Derpflichtungen eingegangen. Um Pfingften ſollte nunmehr zu Sieradz eine Tagſatzung gehalten werben, in welcher Gabriel Rangont, der Kardinal, neben weltlichen Bevollmächtigten der ungarilshen Krone die Verſöhnung bewirken folite. ‘Da den beiden preußiichen Verbündeten freie8 Geleit ausbebungen war, jo beſchloſſen fie, in Sieradz zu ericheinen, ven Huldigungs- eid aber unter feinen Umftänden, zu leiften. So hieß es wenigſtens. Aber eine andere Nachricht eröffnet doch einen andern Zujammenbang, denn fie gibt an, daß das Kapitel ben Biſchof, und die Ordensſtädte ven Hochmeifter gezwungen hätten, fih dem Verbandlungstage nicht zu entziehen ’). In der That war das ermländiiche Kapitel jo jehr überzengt, daß es zu einer Verföhnung zwilchen dem Biichofe und dem Könige kommen werde, daß ed am 22. Mai zwei Domberren mit ausreichender Vollmacht zur Unterftügung Tüngens nad) Sierabz delegierte 2).

Die Sieradzer Beriammlung nahm aber einen unerwarteten . Verlauf, dens bie Ungarn blieben aus, und die zahlreich herbei» gelommenen polniſchen Würdenträger zogen fi allmählich zu dem in dem naben Piotrlow angejagten Reichstage zurüd. Dorthin, wo ber König war, begaben fich endlich auch der Biſchof mit feinen Domberren und der Hochmeijter, der eritere in rotem, der andere nebft feinem Gefolge in jchwarzem - Trauergewande 3). Es war, fo viel wir willen, das erftemal, daß Nikolaus Tüngen perſönlich dem Könige ins Antlik fah, . und die Wirkung war, daß er trog aller Verabredungen mit dem Hochmeiſter fich Kafimir zu Füßen warf, bie Verzeihung besfelben reumütig nachjuchte und den, Eid der Treue in feine

1) Ehronit vom Pfaffentrieg im Script. rer. Pruls. IV, 686. 2) Cod. epist. saec. XV, II, p. 284, no. 239. 3) Chronik vom Pfaffenkrieg, a. a. D.

472 Zwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1479.)

Hand Ieiftete, mit der Zufage, biefen Eid in einen für alle fünftigen Bilchöfe von Ermland als Norm dienenden Wortlaute in Marienburg vor den Lokalbehörden zu wieberhofen. Der Bertrag, der am 15. Juli abgefchloffen wurde, beichräukte bie Kapitelwahl nur infofern, als in Zukunft nur „dem Könige genehme Berfonen“ nominiert werden bürfen. Übrigens hatten alle Prälaten beim Antritt irgend eines Benefiziums dem Könige den Treueid zu leiften, und alle zehn Yahre wurde derjelbe allgemein mit Bezug auf den Thorner Frieden und defien ergänzende Beftimmungen von allen ermländiſchen Be— börden abgenommen. Der Bilchof bleibt oberfter Inhaber der gejamten Jurisdiktion unter Wahrung der Bartilularrechte, bes Culmiſchen, Magdeburger, Lübifchen u. a. mit dem einzigen Appell an die Krone, jedoch unter einer frivolen Appell verhütenden Kaution !). Andreas Oporowsii wurde für die Refignation jeiner Anſprüche auf Ermland mit der ReichSpizelanzlerwürbe entichäbigt und wurde zwei Jahre fpäter Biſchof von Wlocka- wei. Ob e8 wahr iſt, daß König Matthias dem Nitolaus Züngen wegen feiner Handlungsweiſe die bitterften und drohende Borwürfe gemacht habe, muß um jo mehr pabingeftellt Bleiben, al8 er am wenigjten ein Recht dazu gehabt Hätte?). Aber Daß der Hochmeifter „jehr zornig“ über den Bruch der Ber- abredung war >), läßt fich eher begreifen.

Während alles dies gejchab, fanden in Olmütz jene pomp- baften Feſte ftatt, die Matthias, darin ein Meiſter, feinem Nebenbuhler Wladyslaw von Böhmen gab. Aus dem pro» jetierten Monarchenkongreß zu dreien war, da der König Kafimir aus begreiflichen Gründen fi von dem Ungarfönige nicht fetieren laſſen mochte, einer zu zweien geworven. Mit großem Zeremoniell und cusgeſuchter Feierlichleit wurde bort der Abichluß eines Krieges gefeiert, der 12 Jahre lang das bohmiſche Königreich durchwühlt und enblih, wenn auch nur

1) Der Erlaß bes Königs in Cod. epist. saec. XV, LI, p. 285, no. 240 (rex per se). Der Bertrag bei Dogiel IV, 182.

2) Dfugofz XIH, 581.

3) Chronik vom Pfaffenkrieg, a. a. D., S. 687,

Unterwerfung des Hochmeiſters. 473

für eine befriftete Zeit, geipalten Bat. Wie unter dem Ein- brud der aus Olmütz berübertönenden Jubelrufe der Boch meifter immer noch dem Gedanken Raum geben konnte, daß Matthias auf feinen errungenen Zeil des Böhmerlandes zus gunften ver Wieberherftellung ver Drbensherrichaft in Preußen verzichten werde, iſt felbft bei ber unzeitgemäßen Auffafjung von dem Lebensrecht des Ordens, die Martin Truchſeß Hatte, ſchwer begreiflich. In der peinlichften Lage war er in Piotrlow zurüdgeblieben, weil er obne feinen Unterthanen ven Trieben zu bringen nicht heimkehren fonnte, und weil ungariiche Ge⸗ fandte doch noch die Ankunft des Karbinald Rangoni für den St. Bartholomäustag in Sierad; in Ausficht geftellt hatten. Aber erft Wochen darnach, erft im Anfang Oktober erichien die ungariſche Legation in Neuſtadt⸗Korczyn, und ber Hoch⸗ meister begab ſich mit einem jehr zahlreichen Gefolge ebenfalls dorthin. Statt bes Karbinald waren Stefan Zapolya und Waclaw Boslowig mit einem Gefolge von 300 Pferden ger fommen, und jener Diplomat Fabian Hanko, der vormalige Profurator Breslaus am römiſchen Hofe, war von Matthias beauftragt, dem Hochmeilter ratend zur Seite zu ftehen. Der König Kafimir forderte nichts als den Huldigungseid, aber daranf beitand er auch unabänderlich. Tür den Hochmeifter war aber die Nachgiebigleit in diefem Punkte um fo peinvoller, als er früher ſich verſchworen batte, „Lieber in feinem eigenen Diute zu ertrinken”, oder „fich Die Haut vom Leibe zu reißen”, oder „fih in Stüde zerſchneiden zu laſſen“. Auch das mußte ihm fchwere Strupel bereiten, daß er innerhalb bes Ordens, wenn er nachgäbe, entfchieven hartem Tadel begegnen würde, denn im Orden wurde namentlich außerhalb Preußens an der Überzeugung fejtgehalten, daß das Verhältnis zu Polen, wie es durch den XThorner Frieden georbnet war, dem innern Weſen der Stiftung. durchaus widerſpräche. Als aber die ungarischen Gejandten und insbejonvdere Fabian Hanko dem Hochmeifter kategoriſch erklärten, daß er von dem Könige Matthias durchaus nichts mehr zu erwarten babe, fo brach jein Widerjtand zufammen. Am 9. Oktober 1479 leiſtete er

474 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1480.)

den Eid nach den Beſtimmungen bes Thorner Friedens und verftand fich dazu, die Burgen Culm, Stwaßburg und Althaus gegen eine Entihäbigung von 8000 Dulaten auszuliefern 9). Im Jahre 1482 war ſowohl viefe ?) als auch eine von einer gemiſchten Rommiffion auf 3000 Dulaten feftgeieigte Kriegstoften- Abfinpung 3) an den Hochmeilter auch wirklich bezahlt. Die über den Bund des Ordens mit dem Könige von Ungern ges wechlelten Urkunden wurden zu Händen bes Biſchofs Rudolf von Breslau ausgeliefert und vom biefem zerfchnitten *), Damit nicht der die Polen verlegende Inhalt zu neuem Hader An- laß gäbe.

Mit diefem nachträglichen Handel endete für Polen ein Krieg, der in der eigentüntlichiten Weile dynaſtiſche Intereſſen mit nationalen in Verbindung gebracht hatte. Damit ging aber auch ein Krieg zu Ende, der weltgeichichtlich eine außer» ordentliche Beachtung verdient, denn er ftellte an das Jahr⸗ hundert Fragen, die aus dem Konflilt eines fchon entwicelteren Naturrechts mit dem berrichenden gefchichtlichen Syitem ent⸗ fprungen waren. In Georg Podiebrad verlörperte fi ein doppelter Widerſpruch gegen den Geift der früßeren Jahr⸗ hunderte. Er vertrat ein Tirchliches Syſtem, das, jo äußerlich und geiltesbar es auch in den ſogenannten Kompaktaten fich darjtellte, dennoch eine hohe Bedeutung in fich faßte, injofern es die Uniformität ver allgemeinen Weltfirche durchſetzte, umb, entjprungen in der Revolution, die Veranlaffung gab, auf frühere Stadien in der Entwidelung der chriftlidden Kirche

1) Die Friedensurtunde des Königs datiert fhon vom 6. Oftober. Konigsb. Arch.

2) Prolongation und Quittung im Cod. epist. saec. XV, 287. 288, no. 242. 243.

3) Dogiel IV, 184.

4) Die im Königsberger Archiv befindliche Urkunde tom 12. März 1476 ift allerdings zerfchnitten, aber nicht fo, daß man ihren Inhalt nicht leſen könnte.

Bedeutung des böhmiſchen Krieges. 475

zurückzugehen. In keiner Weiſe iſt dasſelbe mit jenem tiefer greifenden Geiſtesfturm zu vergleichen, der von Deutſchland im folgenden Jahrhundert angefacht, die uranfänglichen Grundlagen des Chriſtentums zum Ausgangspunkt und zum Kriegspanier erhob. Dieſe böhmiſche Bewegung hatte ſchließlich fich an Ele⸗ mente willkürlicher Wahl geklammert, die weder organiſche Grundfräfte des Chriſtentums repräſentierten, noch in ihrer Ausbildung eine Aufldjung überlebter Formen der Kirche zu- aunften ihrer geiftigen Reinigung zu bewirken vermochten. Ste verrauſchte und verflang daher ohne jchöpferifche und zeugende Kraft, fie ließ fih am Ende um alle ihre Ergebniffe durch einen einfaltSoollen Jüngling auf dem Throne bringen, fie ver» balf vielmehr der fchon in raſchem Sinten begriffenen Univerfal- gewalt der Kirche noch einmal zu einem verblendenden Triumph, und das einzige, was von ihr in dem europäiſchen Kulturgeift übergegangen war, beftand in ber geimonnenen Überzeugung, daß der feite Turmbau der katholiſchen Kirche durch noch jo blutige Kämpfe in den Außenwerken nicht erfchüttert werben könne. Dann aber war auch in Georg Podiebrad, dem Könige aus niederem Uriprung, ein anderer Anjtoß gegeben, ein Anftoß politiſcher Natur. Nicht der Gegenſatz der Volksſouveränetät mit dem Fürftenrecht, der in fpäteren Zeiten die Welt auf rührte, fam bier inbetracht, ſondern der erit in den napoleo- niſchen Tagen wieder in fo intenfiver Stärke herporgetretene Streit zwiſchen Legittmität und ihrem Gegenteil. Nicht der gewählte König Georg gab den Zeitgenoffen das Ärgernis auch Wladyslaw unterzog fih ja der Wahl fondern „der Uffgeruckte“, der in einem zum Thron nicht berechtigten Stande Geborene. Da war es denn aber boc eine eigene Sronie ber Gefchichte, daß die nach beiden Richtungen bin den Böhmen⸗ könig befämpfende Kurie fich einerfeits eines Mannes wie Matthias bedienen mußte, ver, felbft ein „Uffgeruckter“ und mit feinem ganzen Herzen der humaniſtiſchen Aufflärung er» geben, nicht8 weniger als von zelotiihem Eifer für das Über- gewicht der päpftlichen Aleinberrichaft erfüllt war, und ver daber den Kampf für biefelbe nur jo lange führte, als jein

476 BZwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1480.)

ehrgeizige Intereſſe damit zufammenfil und ander jeit8 einen Fürften wie Kaflmir fich gegenübertreten jab, ver, mit ganzer Seele der Kirche zugethan, mit der Revolution fich verband, um dem hiftoriichen Legitimitätsprinzip, bei welchem eben auch fein perjönlicher Vorteil lag, zur Geltung zu helfen. Bei jolcher ihren eigentlichen Zielen widerfprechenden Natur ber Tämpfenden Drgane ift e8 daher auch Leicht ertlärfich, wie ſchließlich die idealen Grundmotive des ganzen Krieges verbuntelt wurben, und derſelbe am Ende in ein Zerren und Ringen um Länder⸗ befig und politifches Übergewicht ausarten konnte, wie es ald« dann kam, daß die Moldau und Preußen, der Süden und ber Norden in die wirbelnden Gegenjäge bineingerijjen wurden. Daran aber darf man nicht zweifeln, daß es unrichtig war, wenn zeitgendffiihe Stimmen und nad ihnen noch moderne Erzähler den König Kafimir mit den ketzeriſchen und halb⸗ feterijchen Ideeen der Utraquiiten und böhmiſchen Slawen iventi- fizierten. Wie oft ihm auch im Verlauf des Krieges eine der Kurie entgegengefegte Stellung aufgebrungen worden war, zu einem Bedenken über jeine abjolute Rechtgläubigfeit und Fröm⸗ migkeit bat er keine Veranlaffung gegeben. Das wußte man in Rom jo gut, dag man niemand lieber als ihn auch als des Borlämpfer gegen die Abweichungen von dem allgemeinen Syſtem in Böhmen gejehen haben würde, und daß man jelbit, als er icheinbar der Verbündete der Keger geworden war, ihn mit der äußerjten Schonung, man kann jagen mit bheimlicher Liebe behandelte. Ya, dieje würde noch offenkundiger bervorgetreten jein, wenn es die Nüdjicht auf den leicht verleglichen König Matthias geftattet Hätte). Ein ftilles Einverſtändnis befteht zwiichen ber Kurie und dem polniichen Hofe, trogdem unab- lälfig von drohendem Bann und Interdikt die Rede ijt, weil man in Rom wohl weiß, daß Kafimir von einem Keker nichts

1) Intereflant ift in diefer Beziehung, wie Papft Sirtus IV. fih am 23. Sebruar 1476 aufs lebhaftefte bei Matthias entihuldigt, daß er einem polnijchen Klofter eine Indulgenz gewährt hätte, und fich bereit er⸗ glärt, fie zu rebocieren, wenn Mattbia8 es verlange. Martene & Durand, Coll. ampl.

Kaſimirs Erfolge. 477

an fih bat. Aber, wenn fchon in ber Hauptfache der Kirche unterwärfig, fo meinte doch der König im Punkte der Nomi⸗ nation der Biſchöfe den königlichen Anjpruch ben des Papftes nit aufopfern zu bürfen. Nicht gegen die SKapitelwahlen, fondern gegen bie Provifionen, deren Käuflichleit faft ſchon Iprichwörtlich geworben war, regte der König alle Kraft feines Widerſtands. Er hatte ſich in jungen Jahren ſchon über bie Grundſatze belehren laffen, vie das Bafeler Konzil in dieſer Beziehung aufgeftellt Hatte, und nach dieſen führte er faft bei jedem Biſchofswechſel einen. mehr ober weniger beißen Kampf mit den Theoretikern der uneingeichränkten päpftlichen Macht⸗ vollkommenheit. Der Sache nah war doch auch ber erm- ländiſche Streit nur ein mit politiichen Intereffen ſtärker ver- webter Konflikt ähnlicher Art. Und e8 war baber fchr kon⸗ fequent, wenn ber König dem Gejanbten, der im Yahre 1478 nach Rom geſchickt wurde, um gegen die Banndekrete Baltha- fard von Piscin zu appellieren, den Auftrag erteilte, beim Bapfte eine Einfchränfung der Provifionen und Kollationen von DBenefizien und Bistümern nach Maßgabe der Baſeler Dekrete zu erwirken. Selbit DYugofz, der Kralauer Domherr, ver bis zum Martyrium feft auf der Seite des päpitlichen Brovifionsrechts bielt, findet die Forderung, wenn auch feiner Meinung nach unzeitgemäß und wenig Erfolg veriprechend, dennoch an und für fich durchaus gerecht. Wenn auch zunächit allerdings nur ein erweitertes Präfentationsreht der unteren Brälaturen erlangt wurde, fo war ed Doch der unabläffigen Zähigkeit Kafimird zuzujchreiben, daß allmählich die über den Köpfen des Königs und der Kapitel erfauften Proviſionen immer feltener wurben, und auch fchon vor der Einführung der könig⸗ lichen Ernennung in Polen ein durchaus nationaler Klerus fich vorfand, der mit dem Fühlen und ‘Denken jeiner Heimat in engfter Verbindung jtand.

Aber auch in politiicher Beziehung waren bie Erfolge des langen Kampfes der Opfer wert, die dafür gebradht worben waren. Die jagielloniiche Dynaſtie war bi an das Fichtel- gebirge vorgebrungen, und vor ihr eröffneten ſich Anwart-

478 BZmwölftes Bud. Sechſtes Kapitel. (1480.)

ichaften, die noch vor dem Ablauf des Jahrhunderts ihre Herrſchaft bis an die adriatiſchen Küften ausdehnen follten. Im Imnern war eine gefährliche Krifis, die ben Thorner Frieden aufzulöfen ſchien, glücklich überwunden, und bie preußiſchen Unterthanen bes Königs waren. durch diejelbe mit der Krone nur noch enger verbunden worden. Ob alles dieſes gewonnen worben wäre durch fcharfe, mit unzureichenden Mitteln aus geführte Eingriffe, wie e8 bet verjchievenen Gelegenheiten chau⸗ piniftifche Magnaten und Kleriker verlangt hatten, mag nad) den Ereigniffen des fchlefiichen Feldzuges wohl bezweifelt werben. Der Erfolg krönte ſchließlich doch nur bie Gelaffenheit, die für Läſſigkeit amögefchrieene, zögernde Zurüdhaltung, die Gut mütigfeit und Zähigkeit des Königs Kafimir nicht ven Zelo tismus feines zeitgenöfftichen Biographen.

Analcekten

——

1458. Zeitung aus Litauen.

Dem garErwirdigen Homeiſter myt aller Erwirdikeith tag vnd nacht ane alles jewmen macht leith bir an.

Willigen vntertanigen gehorſzam myt garbemuttiger befelunge ftete8 zcu vor entphangen. Erwirdiger gnediger Iyber ber Homeiſter eumwir Ermwirdige gnode geruche zcu willen daz wir ingebunge beizes brifis ont vnderrichtet durch denn Jenen vs Dobryn, ber ouch bey euwern gnoden vff dem Walprecht was zcu Marienburg, daz der herre koning von Polan im lande zcu littauwen ſey geweſt in eyner wirtſchaft ingaſtes weiſze vnd do hatten dy littauwen vnder en ge- macht eynen vflouft rechtſzam ſy ſich vnder enander welden ſlaen, vnd ſulche ere zcweytracht zu legern was ber herre koning myt ben ſeynen zougelouffen. Do hatten dyjelbigen littaumen fi alle gewand vff den bern koning vnd hatten en ſwerlich gewundet und dy feynen dy myt em woren, aljo boch daz ber durch eynen andern littaumwi- ſchen bern wart gerettet vnd weg gebrocht und both lange inne ge legen wol bey X wochen abder der gleich, daz nymand mochte zcu em fomen wen nor alleyne ber arzt und ſeyne femerer. Sunder doch von der gnobe gotes ift ber der wunden vnd des lagerd geneljen vnd vfgelomen vnd wyrt fih vff Johannis neeitlomende fugen zcur tagefard Ten Parſczaw, do ben ber ouch dy großen bern vs polan Rewſzen vnd littaumen both vorbotet. Dy denn myt fulder macht vnd warnunge bo Hin werden fomen als eyn iczliher getrauwet ge⸗ jund widder von dannen zcu kommen, vnd eczlide polniſche bern welden fi nicht gerne zcu fulder tagefard fugen, wen Schirlenſty ift gewarnt von eynem bern v3 littaumwen, daz men fi) vorjzee groſzer jlahtunge, dy do geſcheen ſulle. Jedoch wyrt dy tagefart vortgang haben. Duch ſpricht der ſelbige kundſchafter daz der here koning gar vnſicher ſey ſeynes lebend vnd iſt zcu beſorgen daz ber noch durch

Caro, Geſchichte Polens. V. 1. 31

482 Anälelten.

flahtunge adder vorgift muſſe fterben, wen ber Gaſtold eyn here v3 littaumen babe eynen jungen bern zcu frunde, den hette ber gerne bey der birfchaft des grosfurftampts, und ber felbige gaftold ift ouch eyn orſache geweit ber vorgedachten ſlachtunge, vff da; der berre koning dor inne were dirjlagen. Ouch meynt derjelbige inguttem gebeyme, daz euwir gnobe nicht gros durffe ſeczczen vff Schirlenſty brife vnd ſchrifte, wen her euwer gnoden nicht meynet mit ſulchen treuwen als villeichte ſeyne brife inhalden, was dor an worhaftiges iſt, kunnen wyr nicht gewiſſen, ſunder daſzer kuntſchafter ſpricht, daz vnſer orden vnd dy hirſchaft deſzer lande obil vorſprechen werden im lande zcu polan in ſteten vnd uff dem lande, wyr getrauwen doch nicht, daz es vnſer orden vmb dy polan habe vorſchuldet. Gegeben zcu Thorn, am Tonrstage vor pfingeſten im LIIIten jare Kompthur zeu Thorn.

1455. Zur Vermittelung des Kurfürften Iriedrih von Brandenburg.

Dem Hochwirdigen vnnſerm befundern liben freunde bern Zudewigen von Erlichſzhauſen Homeifter dewiſches ordens.

Unnſer freuntlich dinſt zuuor Hochwirdiger beſunder liber freund, vnnſer heiliger vater der pabſt hat vns yczund geſchriben vnd beuolhen zwiſchen den ſachen zuteidigen, vnd ſuſt noch zwu ander vorſloſſen bullen mirgeſand, eine an vnnſern bern bruder den lonig von polan, vnd dy andern an uch haldende, dieſelben ſein bullen mit einer abeſchrift vnnſer bullen, vns zugeſchrieben, inn vnnſerm brif verſchloſſen haben wir im yczund vonn vnnſer eigen reittenden botſchaft zugeſchickt ſeiner liebe doby geſchriben, inmaſſen, ewer libe in diſſer eingeſloſſen copie hat zuuernehmen, vnd ſchicken uch ſulch verſloſſene bullen bey diſſem gegemvertigen, vnd wolt ſich dy ſoch noch begeben, das wir was guts in den ſachen geſchicken mochten, wir wolten vns noch willig dorinn beweiſen. Offt haben wir ud geſchriben vmb newe zeittung, vns iſt oder noch nichts von uch zu⸗ geſtanden, noch fruntlich bittend vns newe zeitung zuſchreiben, wann wir dy zum beſten gerne vernehmen, datum Coln an der Sprew an Sand Merteins tag Anno domini eto. LVto

Friedrich von gods gnaden Marggraue zu Branden- burg oto. vnd burggraue zu Nuremberg

Analelten. 483

Auh wy wir des konigs vndercanzler auch von ber ſoch wegen gejchriben haben, hobt ir in der andern abjchrifft wol zuuernehmen datum ut supra.

Beilage L

Durchluchtiger koning liber herre und bruder, vnnſer willig frunt- lih dinfte zuuoren, lieber herre und bruber, als wir nehft, von ewer libe geicheiden fein, vnd gerne vil guts in den ſachen zwuſſchen ewer libe und dem dewiſchen orden getan hetten, des ſich obir vff diſzmals nit hat wollen finden und vns getrwlich leyt ift, alfo ſiddermals vnd wir von ſollicher reyjen in vnnſer lant Tomen fein, bat vns vnſer beiliger vater der Babit ein verjloffene bullen gejchriben, in maſzen ewer liebe in differ eingejloflen Copie wirt vornehmen vnd auch ſuſzt zwu ander verfloffen bullen, eine an ewer liebe, die andere an den hoemeiſter mit gejant, und zu entboten, die furder an ewer liebe vnd an den homeilter zubeftellen, diſelben ewer libe zufteend wir ewer liebe biemit ſchicken, ober was die innehalten konnen wir nit gewiflen, vnd bitten ewer liebe noch, als vnnſern liben bern vnd bruder fruntlih, vnd mit flieg, ab ewer liebe noch zumillen wurde, des wir was gut3 in den ſachen thun vnd vornehmen folten, eintrag und richtung belangen, ewer libe welle vns bes voritehen lafien, wir erbitten ons noch von ſunderlicher beuelhnujze wegen vnnſers heiligen vaterd des Pabſts, und vmb beider teyl willen, bor imn willig, vnd vns fol noch muhe vnd arbeyt dorann nicht ver driljen wollen, auch ſollichs vmb ewer liebe frundli gerne verdinen, ond haben dem bomeifter fein Bullen zugejandt vnd im desglichen auch geichriben, Ewer liebe habe vns vnnſer offt ſchriben vnd botichafft in dieflen ſachen nicht vor ubil, wann wir des im beften tun. Datum Coln am montag ſant Merten? abendt Anno ete LVto

Fridrih von gotes gnden etc. Marggraue zu Brandenburg

Dem durchluchtigen hochgebornen Furſten vnnſerm liben bern vnd Bruder bern Kazymirum konig zu Polan, grojzfurften zu lithowen und Erbneme zu rewſſen.

Beilage IL Friderih von gots gnaden ete. Marggraue zvu Brandenburg.

Vnnſirn gunftlihen grus zcuuorn, wirdiger lieber fründ, aljo vnnſer aficheide nehſt in den ſachen zwiſchen vnnjern lieben hern vnd bruder dem koning von Polan ete. vnd dem bdutjchen orben, an gub end vnd eintradht geweit, das vns dann getremwlich leit ift

31*

484 Analelten.

vnd vil lieber dy fach gut ſehen, aljo bat vnns vnſer beiliger vater der pabſt, ſyder des und wir inn vnnſer land komen jein gejchriben, ein verflofien und ſuſt zwu ander bullen auch verſloſſen mitgefand, haldenne au ben genanten vnnſirn lieben bern und bruder dem koning und an den ho⸗ meifter ete. haben wir daroff onnjerm bern dem Toning geſchriben vnnſer bullen affſchrift, und fein bullen verjloflene mit geſandt, als ir das allent- halben wol wert vornehmen, und wurd unnjerm lieben bern und Bruder vmb dy ſachen noch was zu willen vnd zu fynnen, fo babe wyr vff ein weile gedacht, zu der ſachen verhandblung gut were, das ber gnant vnnſer berre koning, drey feiner heymlichen und trefflihen rete, vſz der krone zu Polan zu vns in vnnjer ftatt Frandfurt mocht ſchicken, dy allen partegen dann wol geleglih ift, nah dem vnnjer berre ber koning nicht gerne in ir Stete und ſy wider in fein tomen ober jchiden, deögleihen wir und bey dem homeilter auch vmb drey feiner heymlichen rete da bin zu ſchicken be erbeyten auch vor- ſuchen by dem dewtſchen meilter den auch perjonliden dar zuu zu- brengen vnd ſuſt allenthalben guten fleiß thun wellen, ab wir noch was gut3 zu richtung dunend in ben ſachen volenden mochten und wolten darzu noch willig fein, wann ir zu merlen habt, das by ſachen nicht dorffteiding fein, man muß das in ftetten verhandeln vnd mit mufle dauon reden vnd ftet nit duch vil lewt, ober weitten rab zu ende, vnd bittet auch vnſern liben bern vnd bruder ben Toning vns ſulch vnnſer Schrift nicht vorubel hab, wann wir das gar in gut meinen. Under newer zeitung wiflen wir diſzmal nicht, bann vnnſer beiliger vater der pabit hat vns ytzund von der Turken wegen geſchriben, als ir in der eingejloflene abſchrift vornehmen werdet. Gegeuen zcu Golen an der Sprew an Sant Martens abent

Anno domini eto. L quinto Dem wirdigenn vonnjerm lieben frunde ber Johann Iuted inn beiden rechten doctor ardidiaden zu Gnezen vnd bes reiches zu Polan vnder⸗

canczler.

1455, Zur Stelung Wladhslaws von Mafowien.

Werbunge des erlauchten furften vnd bern herzog in ber Maſaw in Ruflen etc.

Noch frundlichem Gruſſe eto. lieber herre ber Kynisberg, mich

habt geſant meynes bern Gnode zcu Ewer libe, noch deme als ber

aller erlauchteſter furſte vnd gnedigſter herre margraff zcu branden⸗

Analelten. 485

burg vnd der bere Homeifter meyne gnedigen herren eynen bryff gefant haben, dorynne myn gnediger hetre befomert ift, wie meyn gnediger berre mochte eynen Weg Haben, durch den feyne gnode mochte an den bern konig zeu Polan komen, wen der berre konig zcu Polan ond die bern Auſſer ſeyner Crone meyne gnedigen bern vngunſtig fint, vnd fen ſeynen gnoden veil ffortels vnd offe ſetcze juchen, wie fie myt ſeynen groben mochten zcu geſchefften fomen, vmb des wille dad meyn gnediger berre nicht helfen wil ober ben been bomeifter und jeynen orben etc. So habt meyn gnediger Werte dirfaren, das ewer libe allbie zu Nawenmarkte Hauptmann ift, und habt mich zcu euch gejant betende, das er ben allerburde lauchtigeſten furften vnd gnedigeiten bern bern Marglgroff zcu Bran- denburg vnd den bern bomeifter woldet wiflen loflen, wie meynes gnedigen bern ſachen fteen ken dem herrn konige zeu PBolan, ap meyn gnediger berre dem bern konige den bryff weiſen fulle oder nicht, wen meyn gnebiger bere nymande den briff beweilet habt, denne den bern die in ſeynen roth geboren, noch nymande ben bryff wiſſen wil, jo lange ſeyne gnobe habe denne des aller erlauchtigeiten furften vnd gnedigeſten bern markgrff zeu Brandenburg und bes hern bo= meifterd roth und entwort. Und meynen gnedigen bern, nicht ge rothen deuchte, das feyne gnode dem hern Tonige fulde den bryff weiſſen, wen ſeyne gnode ſich beforget, fo der herre lonig ben bryff lefende boren, wurde ber fich mehe yrheben wurde und jeyne ſachen hoger weder den orden fegen, und dor ine begert meyn gnebiger berre des aller durchlauchtigeſten furften vnd gnedigeiten bern Mark⸗ groff zeu Brandenburg und des bern homeifters rath, wie ſich ſeyne gnode hyrynne halden fulle, wen doch meyn gnediger berre bem eyde vorſchreibunge und vorjegelunge genug thun will ond halben als eyn Griftglobiger furfte, noch deme alfo ſich ſeyne gnode mit dem bern bomeilter vnd ſeyne orden vor eydet vorjchreben vnd vorjegelt habt, vnd er das feyne gnode das brechen wolde, ee wolde jeyne gnobe dorober leiploj8 vnd gutloſs werden, wen meyned gne- digen bern alt eldern dem orden holfe getbon em lant vnd Iutbe gegeben baben vnd meyn gnebiger berre iſt in ſulche meynunge dem orben nymer weber zcu ſeyn mit rathe und mit thote, funder en nymer zcu loffen mit rathe und thote her und feyne noch Tomes linge. Och babt mich meyn gniebiger herre zcu euch mit diſſem cre- denzbryff geſant eyn ſulcher muntlich zcu werben, wen jeyne grobe ſich beforget, das jeyne bryffe mechten off gehalden werben und jeyne gnode begehrt von ewch, ab ich weber ane crebenzbryff qweme mir juldet vortrawen, mas ich von feinen gnoben an euch werben wurde. DG begert meyn gnebiger herre ap bes aller durchlauchtigeſten furften ond gnedigeften herren herrn markgroff feine gnode aber der herre

486 Analelten.

bomeifter meyne3 bern gnobe mehe bryffe yn diſſen geſchefften wolde fenden, da3 die ſeynen gnoden mit gelymp vnd heymlich ober ent- wort wurden, wen ſeyne gnade allezceit etezlih manſchafft aufs ber crone zcu Polan an feyne hoffe habt, des jeyne gnobe von den⸗ jelbtigen blebe vnvormerket.

Erwirdiger gnediger herr Gomeifter, vffalle diffe artitel als ber gnedige herre von Plutczk an den aller durdlaudtigeften furften vnd gne⸗ digeften herrn herrn Markgroff vnd emwern gnoden geworben habt burch ſeynen fchreibern, babe ich ſeynen gnoden geentwort, jo ich aller gelympft vnd beſte mochte als ich ewern mwirdigen gnoden wol wil vorzcelen jo ich zcu ewern gnoden Tan kommen.

Wladislaus dei gracia dux Mazovie Russieque etc. Magni- fico et venerabili domino Kyenspark directori gencium in No- vemyasto, in absencia vero ipsius suas vices gerenti amico sincere dilectv. Sincere amicicie continuum incrementum. Mag- nifice venerabilis domine amice sincere dilecte! Nobilem Johannem notarium curie nostre fidelem nostrum dilectum presencium exhibitorem in certis nostris negociis ad amiciciam vestram mittimus petens quatenus in omnibus referendis ex- parte nostıa sibi fidem a. v. adbibeat creditivam tanquam soli propria cum amicicia v. loqueremnr in persona.

Datum Plotzk feria quarta proxima post festum 27. Aug. Sancti Bartholomei anno domini millesimo quadrin- gentesimo quinquagesimo quinto.

1456. Abſchied des Nürnberger Tages (Andreae).

Die verzeichniß dem comethure zum Elbing vberjchidet

tem nachdem vnjere gnedigen Heren die furjten vermeynen dem fonige ind landt zu polan 30 ziehen, das vnſer berre von Sagan ond ir unfer bern den furften jchriebent, wie ftark fie von reyſigem zuge vnd fußvolk iren gnaden zuſchicken mogent in die landt gein polan vnd das die floß vnd ftete in preußen dannoch nach notdorfit bejegt plieben.

Auch iren gnaden eigentlihen ſchtibent, nah dem ir vormals mit here reyjen in den land geweit ſyt, wie ftarl man von reyfigem zuge und Fußvolk fin muſſe den fonig mit gemalt zu beziehen vnd eyn felt 30 machen.

Analelten. 487

Auch iren graben fchriebent, an welchem ort am nuplichiten und dem konig am jcheblichiten in die lande zu ziehen fy vnd vf welde zyt ber futterunge halben.

Item auch iren gnaben zu jchreiben, diwile bie littauwer ftille figen, ob der meyiter von Iyffland ine aud ein reyfigen zug vnd fußvolk 30 dem krige ſchiken moge vnd wie ſtark.

Item mocht man es an den hoffleuten gehaben, das ſy ir machtboten zum tage gein frankfurt vf reminiſcere auch ſchickten, be⸗ ducht vns vaſt nucz vnd gut ſin.

Duch lieber herre comethur wollent vns die obgeſchrieben mey⸗ nunge auch eygentlich ſchryben, den wir ſie in ganczem getruwen vnſern orden ſol vil guts davon entſteen.

1456. Der Biſchof von Pomezanien an Den Öocmeifter. Zeitung.

Diffe noch geſchribene zeitunge hoet gefaget Rulandt, Eriftof’3 Bruder von Bertoldesborff, der igunt Tomen ift von Krakow.

Gzum eriten jo haben die Krakawer laeſſen toten czween thum⸗ beren, des balben iſt die ganze falte interdift do felbeft gehalden, ond der thumbhern bruder genannt Gnoynsky haben dorumb alle ie gutter in polen vorlowfft und kowfen ein Slos gelegen an ber polniſchen grenitz Swirgezy, do von fie meynen ire bruder zcu rechen, adir vellen ir leben dobey laeſſen !).

Item die Vlotkynne von Barenwalbe ?) nypmt vff den konig zcu polen burnet beret und thut em großen ſchade.

Item Smwebroffjty haet ewelih mit Jorge Stoſch buffe de Kro- fawern vor ber ftadt genomen VIc pferde und haben das bregfrebe (Bergfried) do man bley pfleget zcu graben gancz vorterbet.

Item der Kolda leyth ouch czu Krolam vnd ſeyner hoffelewte legen IIIC pferdt drey meylen von Krakow und ber manet XLu gulden jolt von dem konige; werden em die nicht werden, jo wirt ber dem fonige entjagen.

Item Reesky der leyth auch zcu Krakow mit eynem refige czuge vnd czu Thorn borte her jagen von eyme burger, das do briefje ge- komen weren, das ber dem Konige entjaget bette jeynes joldes halben vnd haet feyne drabanten gejandt, die noch ym nibderlande legen, das ſy zcu em fomen fullen, wirt en ir folt nicht, den fulde en

1) Qul. Diugoſz XIII, 183f. 2) Bal. ebb., ©. 69, über fie ſchon im Jahre 1451.

488 Analelten.

Stpbore von Baiſen vnd Dito Madiwig uſz Polen brengen, bye feyn komen vnd haben en nichts gebracht noch gegebn, weres ſache das man fie zcu Thorn nicht welde obir Iaefien, jo jullen fie gelegt nemen von dem orben mb obir pomerellen durch Polen zeien, bo wil ber en beboffen ſeyn, iren ſolt czu irforbern, vnd vellen ſeen wa3 fie mit dem konige czu ſchicken haben.

tem die polnischen Herrn wellen bem Tlonige nymer reyten, es ſey denne das ber en iren ſchaden vff richtet, das ber nicht thun Ian, wen ber nymer czu geben hant, fo hant ber igunt ſeyn landt beſweret und vorczeret; noch it ber allein feynen boffelewten irem folt das meijte fchuldig, dorumb ſy vnczuemlich ſeyne vnd werben.

tem die anderen hoffelewte die im nidderlande ſeyn, haben or Iob genommen, wirt en noch biflem tage neeft czu Gruben geloden ir folt, der en uff mibfaften fulde gefallen feyn nicht werben, fo wellen fie v8 dem lande czien.

tem purificacione Marie’ bejlofien fie czu Biterlaw vffm tage, das fie vff Georgü in Prewßen czien welden vnd bornen alle borffer und hoeffe ab; auch welden fie die cleynen ftete die fie inne haben v3 pochen vnd bornen vnd wibber v8 dem lande czien do durch meynen fie des ordens hoffelewte 03 dem lande czu bungern, fo vornympt man igunt nicht, das fie ſich dor czu ſchicken adir ir keyn famelunge, die fie machen, wen die polniſchen Hern ſeyn czweytrechtig ond wellen nyene czien, en werde deene ir ſchade ufigerichtet der gros merglich ift, die anderen boffelewte wellen dem konige nicht veyten, en werde denne ir folt, den bant ber en nicht czu geben.

Item czu Krolaw ift eyn rathman, genant Morbenfteyn ?), ber kowfſchlaget in deutſche landt, do hant her ſeyne gejellen, bie haben em gejagt, wie czwene medhtige graffen werden bem orden czu Hulffe Tommen.

tem durch bie tagefarte, die fie mit bed ordens gefte czu Thorn ond Gruben gebalden haben, meynen bie polen nicht ander wen das fie die czwetrechtig wellen machen vnd worczien, uff das fie nicht czu felde ruden vnde fih alſo vs dem lande felbeft czeren.

Item Bycersce (2) fulde den czu Reben ouch gelt gebracht haben vnd kan es nicht vffrichten, vnde die bebe geen czu Thorn, das man en wirt vs bornen, wen fie en nit jpeilen Tonnen, vnde betten bes ordens boffelemte noch VIII tage dorynne gelegen, jo bette ber fih muft geben vnde dorezu Grudentz vnde ben Colmen uff eynen tag geftegen.

Item czu Thorn ift uffs boubt czu ſchoſſen eyn virbung gejagt, ‚den wellen bie gemeyne nicht ‚geben.

1) ©. das merkwürdige Handelsprivileg besfelben von König Hein⸗ rid VI. von England, bei Rymer, Foedera etc. XI, 418.

Analelten. _ 489

Item des konigs marſchalk mit etzlichen feynen rittern vnde knechten troten czu Krokaw vor den fonige onde mannten iren jolt, ben en ber konig vorjchrieben haet czu geben, bo fie mit ym obir bie grenig ſeyn geczogen, ber Tonig ſprach, ber bette en nicht czu geben, worden fie czornig und czurifien den brieff vor jeynen ougen onde worffen em das Segil vor ſeyne fuße Iprechende: Konig, jo du deyne brieffe nicht ba bey macht wilt behalden, fuldeftu eyme Hunde das jegil vor den ars bengen.

Item die litaumen wellen dem Konige keynen beyitandt thun vnde ſprechen, fie haben eynen bejworenen ewigen frede, den wellen fie nicht brechen, duch baet der orden es vmbe fie nicht anders ver- ſchuldet.

Dis haet der gnante Rulandt vns in warheyt geſaget als hers geſeen vnd gehort haet.

1469.

Der GHochmeifter Ren von Plauen zum erften Male als consiliarius der Krone.

Uff der Tagefart Petirlaum im LXIX ften Jare am Dinſtage vor Andree.

Item Anno domini ACOCOLXIX, ſten iaren iſt

der herre hoemeiſter am Dienstage nach mittage von 28. Nov. Andree kegen Peterkaw czu dem loninge vff die tage⸗ fart komen; was do iſt gehandelt, folget hirnachen ge⸗

ſchreben.

Ins irſte hat der koning dem herrn meiſter entkegen geſant vnd laſſen reiten her Oſtirrock, den alden, vnd den hern Petir, woywoden von Poſen mit andern rittern VI odir VIII mit IIc pferden, bie haben en beleit und entphangen und mit ym biß vor jeyne her⸗ berge, des erzbiifchoffs Hoff, geritten ond do gejegenet.

29. Nov. Item am mitwode in vigilia Andree fante der herre foning vier polnifche herren noch bem berrn hoemeifter, begerende da3 ber zcu im qweme mit feinen gebietigern; vnd aljo czwilhen in gehnde fugete ber fi zcu dem foninge vnd zwene bijichoffe, mit namen der Poßna und der von Colmenſehe, entphingen yn vff den treppen des koniges gemach(s).

490 Analelten.

tem der Toning mit ben beiden bifichoffen dem von Crakaw vnd dem von der Koy entphingen vnd entgegen gingen bem bern hoemeiſter vor das rathgemach, en vnd feine gebietiger vmbefahnde.

tem der berre meifter off ein Iny fallende und dem foninge aljo zceurettete: Allirgnedigiter foning Ich vnd meine gebietiger irbieten ewern ek. g. vnſern willigen dinft und bitten, ewere k. g. behalde vns in dem loniglichen jhug vnd beſchirm, das wil ih jampt mit in williglich verdynen.

Antwort dur den bern biffhoff von Krakaw aus des foning3 munde.

Gunſt und foniglihe grade jagen wir zcu, euch und dem gantczen orden, euwer wolfart und gebeihn vnd frommen irfaren wir allzeit gerne.

Vnd zcu der linken hant feiner jeiten furte in ber fonig in den Rat.

Der herre Hoemeifter.

Die koninglide maieftabt und gnade hot nad mir gejhidt vnd begert, ber vff die tagefart zcu komen; wie wol ſich das durch merg- licher gefcheffte verhinderniß hot verczogen, 30 hab ich doch, Binder- ftellig trefflicher gefcheffte, mich ins ſchirſte, ich gemucht babe, czu feiner Toninglichen gnade gefuget vnd fein beger irfullet etc.

Biſſchoff Colmenſeh interpres et expositor.

Dur anlegenden ſachen von dem loningreich zeu Behmen bath die fon. majeftat dem ermirdigen bern bifjhoff von der Coye ewer erwirbigleit zcu diem tage zculomen bepholen, jeine veterlichleit ein ſulchs gethon bot, ewer erlifeit mancherhande notfachen entſchuldiget vnd zeu der zceit entlediget hot etc. Nu aber anſehnde große not des koningreichs zeu Polan, vnd das eumer erlifeit zcu eynem boe- meifter vnd zcu der wirbifeit geloren und gemadt, das ſich feine k. g. fere frewende ift vnd frewt, bot ber jeine jendeboten al3 feinem furften vnd rathgeber gefandt vnd begert, zcu feinen k. g. czufomen, die denn mancherley botſchaft gehabt hot, vnd den Feine bejlifiliche antwort binder eumer berlifeith willen, willen und fulbort hat wolt geben, vnd nu euch allerhande ſachen vnd botſchafft, an ſeyne grade gelanget, zcuuerftehn geben, welchen botſchafften Teine bejlijlih ant« wort iſt gegeben.

Bilfchoff von Colmenjeh

Als von wegen der botſchafft auß Behmen, die mergliditen vnd trefflichiten des konings rathe fein bey feinen k. g. geweſt und ins irſte anbrodt:

Analelten. 491

Item begeren von feiner k. g., das bie wolde iren eldiſten fon in zeu eynem koninge in Behmen geben, den fie als iren bern vnd foning offnemen, holdigen und getramheit globen wolden; doch mit ſulcher vnderſcheit, das ir koning itczt lebende bie regirunge ber lande ond feine herſchafft ſulde behalden ote. Ein ſulchs fie wolden ver» brieffen, verfigeln, vergewißern noch notborfft, al3 das irkant wurde; wolde fie denn och lafien bey iren alden privilegien von konig Als berto, Teyjer Sigismundt und fonig Laßlaw in gegeben vnd vB ge gangen.

Item czum andern haben fie begeret, das die itzte foninge fal bey irem gemadten leibgedinge bleiben und behalden werben.

Item czum dritten ift ir begir gewelen, das des konings Tinber ond fone zcu Behmen follen bey irem berzogtum in gegeben vnb vermacht vnd verbrieffet, bleiben.

Item czum vierden, da3 ein iczliher im lande zcu Behmen bey jeinem ampt, ſloſſern vnd gutern ſal bleiben und bebalden werben, ußgenomen die izet wedir in fein gewelen.

Czum fumfften, das der herre Toning fal feine macht vnd bei ftandt dorczu thun, das alle ſloſſer, ftete vnd lande czu dem koning⸗ reich zcu Behmen gehörende wedir komen mogen.

Czum fehlten, das der berre koning feinen bunt, frede, eintracht, ader vereynunge mit dem foninge czu Vngern ane willen, willen ond volbort des konings czu Behmen ſal machen aber jchaffen, vnd noch dem tode des konings, ane wiflen ond willen der konigyn vnd des konings finder, der bern, ritter, ‘teten, vnd den es angehoret.

Czum fiebenden, das der herre koning fal ſich bearbeiten Tegen den allerheiligften vater dem bobifte vmbe gnade dem koninge zcu Behmen, wenn ber fi czu irkentniß erbemwt, wes ber unberricht mag werben, wil ber fi dor noch richten und begert, verhoret zcu werben.

Duch fal fi der herre Toning bearbeiten, da8 dem foninge von Behmen die appelacion, die ber zcu dem zceulumfftigen corcilio ge» than bot, folgen moge.

Czum achten, das der berre koning fi wolle verbinden, jo fein elbifter fon czum foninge wurde uffgenommen, da3 ber im mit alle feinem reiche wolde rath hulffe und beiftandt thun webir jedermennig- lich vnd alle lewte und fih das kegen in verbunden vnd ver» ſchreiben.

Biſſchoff von Colmenſeh.

Es fein auch eczliche ſtuck vnd artikel in dem ewigen friden be griffen vnd beſloſſen, ift der k. g. begir, wollet den aud nad) gehn vnd gnug thun.

492 Analelten.

Antwort be bern beemeiker.

Ich bin dorumb beriomen, allis zcu thun, das ich pflichtig bin vub geboret zu then.

Der berre Toning danket im.

Stem der biſchoff von Cralow flabet im den eyd vnd bo ber herre meiſter nebir Ingte, ſtundt der foning an feiner feite vnd Belt in bey einem arme. Des fid) der Hoemeiſter werte und wur ben eib vB vnſer cancellegen czebil, ſchrifft und verbeutihunge ned in- balt vnſers frebe.

em bo ber Hoemeifter gejwur in ben rat, nam en ber fening in feine arm vnd dankte im vnd faczte in nebir vff die Imle bant.

Antwort des bern Hoemeiſter Lyber her von Colmenſeh, jo id der herren gutdaulen gehoert Bette, wolbe id) such megnen tat ber uff fegen Biſſchoff von Colmenſeh: Der herrn rat vnd gutdunden iſt mir bepholen zu ſagen vnd iſt ir allir rat: \ Jus irſte, das vnfer allergnedigſter herre, der foring en feiner gnaben fone einen, welchen fein g. wolde, gebe, dem die crone zcu Beh⸗ men mit gantezer herſchafft wurde ufigettagen; berumb vnd anderer ſachen mehr feine E. g. feine botſchafft wil fertigen und des genczlich vnderrichtunge thun vnd webirumb vnderrichtet werben. Item das ſeine g. eine mergliche botſchafft fertige zcu vnſerm beiligfen vater bem babift, fulde jachen furbringen uub irmerben, ne ne

Item jo daB geſchee vnt ber loning ujjgenommen wurde, denn —— guilern, aid ci thumer, —* vnd thumereyen vnd andere geiſtlichen gut⸗ vff das gots dinſt wedir in ein weßlichen ſtandt kommen vnd erthum alſo mehr vnd "Ieiäter, denn band; das fmert geilge werden mudhte ete,

Rad) diffen uÄgefertigten botſchafften vnd wedir inhrengen ſal euwer erliteitb, wa3 von antwort wurben it, wol burd bie k. m. als feiner gn. furften und rat czu willen werben.

eine biſſch ter, der

Der berre boemeifter Der verczalten ſtude fein vi, vff iczlichen infunderheit czu ante worten, ift nit in meynem gedechtniß. Sunder uff das irfle Eumer L. 9. czu raten, bundt mid; geraten fein, czu unferm heiligen vater

Analelten. 493

dem babiſt eine botſchafft zeu fertigen vnd feiner heiligleit dy ſachen vorczugeben vnd czu bitten, gnade, gunſt vnd willen darczu zeuuer⸗ leyen, feiner k. g. ſone einen in bie crone czu Behmen czu geben vnd zcu ſetczen. So denn bie gnade, gunſt, willen vnd wille bes heiligen vaters des babſtes iſt irlanget, denn mag ſeine k. g. einen feiner ſone in die gancze herſchafft der eronen czu Behmen geben, das her das regiment vnd nicht ein andrer habe; wenne ich vermute mich wol, ſulde diſſer der Behmen koning das regiment behalden zcu ſeinen lebetagen, und ein itczlicher bey feinen ſloſſern, ampt vnd gutern bleiben, wurde feiner gnaden jon gar ein geringe herſchafft haben, vnd ift nit meyn rat, ane feiner heiligleit gnade, gunft und willen icht anczufahen. Duch dundet mid eins wer, bad fie be geren, das der berre koning ſulde fich verbinden, verbrieffen vnd verjchreiben, alle flofier, tete und lande wedir czu ber crone czu Behmen czu brengen eto. wenn itezlihe landt, floffere, ftete, die fein mit dem werte gewunnen vnd vergeben; wenn fi) denn feine g. aljo verbunde, gebe fi feine gnade in krig, das id im mit nichte rate.

Item aud were des ein jweres, ſulden des itczt koninges czu Behmen jone vnd die feinen bey irem berczogthbum vnd guttern in gemacht gegeben und verſchreben bleiben, wurde feiner gnaden fon gar ein clein außlommen baben.

Item ouch ift dad gar ein ſweres nod . meynem gutdunden, einen bundt vnd verjhreibunge mit den Behmen czu mahen, en hulffe vnd beiltandt czu thun wedir alle lewte. Iſt nicht meyn rat, wenne jo gebe ſich aber feine k. g. in krigk.

Biſſchoff Colmenjeh Replicando dicta domino magistro.

Ewer erlileith rath vnd meinunge mweren doch alfo, das ber berre Toning feiner jone einen in der cronen czu Behmen herſchafft ben Behmen gebe.

Antwort des bern Meifterz. No, doch mit grade, gunft, willen ond willen vnſers allerbeiligiten vaters des babiftes. Colmenſeh Biſſchoff Conceludendo. Das iſt ouch der herrn der rete rath vnd gutdunken.

Biſchof Colmenſeh. Es ſein noch mehr botſchafft alhir geweſen vnd in kein endeliche antwort gegeben, die euch ouch nicht verſwegen ſollen bleiben. Ins irſte hot der Tartariſche keiſer ſeine botſchafft zeu der k. m. geſant,

494 Analelten.

vnd fein noch alhir, die denne gewurben hot, noch deme vnd denne fein vater und vorfaren mit dem foniglreih zcu Polan eine ver- eynunge vnd frede ufjgenomen, verbriefit, verjchreben und verfigelt hadt vnd der iczt ins czwelffte jar gehalten ift, vnd noch in mei- nunge ift, den nicht zcu brechen, nu fo haben eczlihe der feinen in die lande der f. m. genomen (gefomen) vnd ſchaden gethan, idoch got ſey gelobt nicht merglichs aber ſchedlichs. Das ift der Tartarijche leifer gewar mwurbe und uff gemweit mit fuller macht vnd ein ſulchs bot wollen weren, jo haben des konings lewte fie auß feinen landen getreben vnd geweret ete. bot in jeine botichafft entichulbiget vnd geſprochen, das ein ſulchs ane fein wiflen und willen geſcheen fey, vnd irbewt fi vnd begeret, mit der LE m. vnd dem rei czu Bolan die voreynunge und vorigen fredben von newens zcu bejweren, czuuerbrieffen vnd noch allir notdurffi, das der gebalden werde, czu befeitigen etc. Was Hirinne ewer gute vnd erlikeit gutbunten ift, moget ir zcuuerftehen geben und darumb eine botſchafft do hyn czu fertigen, ap es von noten jey, nad dem ber es begert.

Antwort des bern Hoemeifter.

Das ich meynem allergnebigiten bern dem koninge zcu frede vnd eintrat ſal raten, bin ich pflidtig und thu das billich.

Biſſchoff Colmenſeh nomine regio et in presencia.

tem der woywoda auß der Großen Walachey bot feine botſchafft allhir gehabt und an den bern Eoning laſſen brengen, wie der koningt von Ungern nicht lange vergangen im hot laſſen ſchaden thun; 30 ber das ift gewar wurden, hot mit großer macht gewert und in auß feinen landen in des konings von Vngern land getreben, vnd fortan in den ſeben burgen gebert, gebrant und großen ſchaden ge- tban, vnd begert underrichtunge von dem bern foninge, ap er fal mit im kriegen, frede ader beyirede maden vnd ift in meyuunge, 30 der berre koning mit im wil kriegen, der irfte czu fein vnd fie war⸗ ten nod nad) der antwort. Was euch gutdundt, moget ir vns czuuerftehn geben, wenn bes konings und feiner bern vnd rete if gutdunden, das ber Teinen frebe, beifrebe aber krieg ſel anfaben, eb denn wir mit dem loninge von Bngern vnd feinen jendeboten eine tagefart gehalden.

Der berre Hoemeifter nihil respondit.

Biſchoff Colmenſeh. nomine regio et presencia

Stem ber koningk von Vngern bot begert vnd im it von vn⸗ ſern herrn dem loninge ein tag geleget, allirley gebrechen handelunge

Analeften. 495

czu haben. Nu durch verbinderung ander gejcheffte hot die k. m. jeine jenbeboten nicht mucht jenden vnd ift des Lonings von Bngern gewerb, begert noch eine tagefart czu balden vnd iſt bie f. m. in willen ire botichafft czu fenden.

Des bern Hoemeilter antwort.

Es ift mein rath, das es gut ift, die tagfart mit im czu balden; wenn in ſune das geftilt mucht werden, das durch andere ſachen nicht gejchege.

| Biſſchoff von Colmenjeh nomine regio et consiliariorum omnium et in presencia regis.

Die botihafft des bern marggraffen von Brandenburgk ift ge- weit der bifjhoff von Lubbuß, vnd des berrn berczogen von Pom- mern Pionifius von der Oft und von der fteten Stettin vnd Star⸗ gardt. Haben vonder en ander manderley ſachen vnd fchriffte munt- ih vnd brieflich vorbracht, die der herre koningk mit feinen wirdigen reten gnuglich bot verhort und verftanden, vnd beide teile in den ausſpruch k. m. gemilliget, als in einen richter, nu jo bat ein teil fih mehrer Loniglihen vnd keiferlichen brieffe berumet vorczubrengen, bat die £, m. den beyfreden zcu irlengern vnd darczu feine fende- boten dohyn dorumb czu fertigen vorgenomen, biß jolange das die k. m. Tegen Poßnaw Iommet, do ber denn in legenwertifeit beider parthey der außſproch k. m. gejcheen ſal thun wil

Der herre Hoemeiſter nihil respondit.

30. Nov. tem in die Andree des morgens frue jante der berre koningk czu dem herrn meilter den biſſchoff von Colmenſeh, den alden Dftirrod, jeyner gnaden canczeler, ond bern Peter Doberjlag, bern Stephanum pfarrer czum Elbinge, Bartholomeum Libenwalt, vnd laflen an in brengen, wie im die von Elbinge geclaget betten, das der berre meiſter in czwei Torfjer verhilde, bie czu irem hoſpital gehorten vnd bethe(n) fie dorbey czu laßen.

Antwort des bern Meifters.

(in bewegunge duch darnach noch ber malczeit den herrn bes konigs geantwort mit der weiße:)

Unfer orden ift geftifft, gepriuilegirt, beftettiget und geordent vff das bojpital vnſer lieben frawen, und wir fein die fpitteler, verweßir ond bejorger, dor czu gejagt vnd geloren, vnd ſulche dorffer geboren czu dem hoſpital fegen Hollandt, die wir denn nicht vermegnen, czu

496 Analelten.

obirgeben.. So it die ftabt auß vnſerm orben entiproflen, und nicht onfer orden auß den vom Elbinge. Dorumb jollen fie uns Die borffer nit nemen. Wil fie ons denn die konigliche gnade nit alleyne das dorff, jundern das ganze landt nehmen, wie julle wir im thun; zo wil ih in dem orden nicht bleiben. Bitte, die k. g. wolle ouch bie burger nicht loſſen hyn zeihn, ſundern ba8 es mit ſeyner I. m. gunſt ſey mid ir Legen dem babftlihen . . . . . 1)

tem mehr der Kangler.

Alſo di f. g. mich vmbe der confirmacion willen Yegen Rome zcu dem heiligen vater dem babilt geihidet vnd gefant hot, welde bethe der confirmacion ber beilige vater gewegert vnd nit hot wolt vulenden und geiproden: wie ſal ich den freden confirmiren, fo das gegenpartb vns in gebeym bot lafien bitten, nicht confirmacion boruff czu thun, das denn den bern Foninge faſt ſere befrembet noch aufwilunge des ewigen fribe „ir jullet belffen bitten vnd for- dern” etc.

Antwort des bern Hoemeilter am 1. De. freitage past Andree.

Allirgnedigſter Tonig, Ich babe mich allweg als ein uffrichtiger berre biß ber gehalden, vnd ſulde ih nu vernemen, das mid an meynem legten muchte befleden, bette ich meyner gar ſere vergeflen; vnd iſt es ſache das fih e. k. g. ein ſulchs uff mich iſt vermutten ader mich dorin verbenfet, jo bin ich nicht wirdig, bey eumer k. g. vnd den wirbigen teten fal fitczen, wenn 30 ih in ewern k. g. rath babe gejworen vnd bort borlegen fein ſulde, gebert nit einem fromen bern an, vnd bitte die k. g. vnd bie bern vmb figende alle, wirt off mid was geret, nicht fetezet globen doruff, ſundern jchreibt, entpiet mir, laß mich zcu antwort fomen, wenn wer vil bot, die in haſſen, der muß ouch vil vil verdruß leiden. Ich wil mid ab got wil legen die k. m. vnd ydermenniglichen halden, als ein fromer armer furfte und berre, vnd muchte mir ber geoffenbart werben, ber das von mir bot gejaget, ich wolde mich legen im verantworten mit leibe vnd gute etc.

Respondit rex per se per ipsum Colmensem Episcopum.

Mas wir haben getbon, ift geſchehen auf einer claren vnd rechten meynunge; wenn was vns arges von euch wirt gejait, dad wird euch keins vorfweigen, deßgleichen wir zcu thun ouch von euch begern, junder ein ſulchs, das gejcheen it, willen mir vorwar vnd vor

1) Der Schluß ift fehr unleſerlich und wie e8 ſcheint nicht zu Ende gefchrieben.

Analekten. 497

czwen jaren, ehe denn ir ſeit herre wurden; worumb wir euch ein ſulchs nicht czulegen ader gedenken, ouch nicht getrawen, euch des genczlich vnſchuldig wiſſen.

Concludendo unanimiter:

Ein iczlicher ſal dem andern offinbaren, was arges von im beſaget wirt, vnd laſſen das verantwerten vff beiden parthen

Antwort des hern konings uff der Elbinger clage. Die ſachen ſollen in ruge, biß das wir perſonlich ins landt zeu Prewſſen komen, bleiben anſtehen. Dann ſo wollen wir die ſachen entſcheiden.

Item dominus cancellarius regni. 1. Dez. Polonie supremus feria Vlta,

Item die k. m. begert, daS euwer gnabe Heine babftliche brieffe wedir den bern biſſchoff zeu Colmenjeh vnd Heiljberg uffnehme vnd in feinen landen vffczunehmen nicht geftatte, wenn feiner E. m. wor⸗ ten ber wil gnug thun vnd nicht zcurud werfen, die in dorczu gewelt bot ond haben wil; wen alle biffchoffe in feinen landen zcu Polan mit feiner k. g. willen uffgenomen werden, aljo aud in Prewfien in feinen landen gefcheen ſal; und wil keynen andern haben denn den, vnd meyne(t) e8 wurbe dem bern babift nicht wol gefallen, ber einen bijjchoff ane feiner heilikeith willen in Nome +fetczte.

Des bern Hoemeilter antwort. Ich wil e3 gerne thun vnd hab es biß ber gethan. Kelbas: Ih gebe euwer wirdileith keine ſchult, ſundern was euwer ge⸗ larte thun, wag wol ane euwer wiſſen ſein. Cancellarius:

Die k. m. begert einen brieff an den heiligen vater den babiſt zcu jchreiben vor den biſſchoff Kelbas nad der forme, die euch wirt geantwert werden von vns.

Der berre Hoemeifter: Ih will e3 gerne thun.

Cancellarius Regis:

Der berre foning begeret von ewern gnaden, Wartenburg noch der ablojunge der foldner nymandem in czu rewmen, ben alleyne: bern Yabian Mulen, dem ein ſulch jlo8 die f. m. wol getramet.

Caro, Geſchichte Polent. V. 1. 32

498 Analelten.

Antwort bed herren Homeifterz: Sp wir die foldener abgeloft haben, wollen da3 gerne thun.

Rex per se:

Wir danken euch ewerd guten willen vnd wollen das in gut vnd gnade irfennen.

1479. Denkſchrift Über die Verhandlungen zu Nenſtadt-ſorczyn.

Item die hernachgeſchriben artikel fein zu merden in bem anlaß der zwufchen dem von Bolan und dem Hobemeifter fol begrieffen werden.

Zu erſt ift zu bedennfen, ob man ſich wolle voranlafien vmb alle vordrung, anſpruch, ſpenne und zwitracht zwujchen die dem von Bolan ond dem Hohemeifter und orben entftanden, oder ob man fi) allein wolle voranlafjen vmb die vordrung anſprach, ſpenne und zwitracht, die zwujchen ine von der land von Preuffen wegen enntftanden jein.

Auf das ſtuck ift zu merden, ob der Hohemeiſter ſunſt ettlich merdlih vorbrung zu dem von Bolan habe, die die ande zu Preuflen mit beruren, dan were dem alfo, jo ift gut, dab der Anlaß in ge= main auf alle vordrung vnd anjprad etc. gejegt und die lannd zu Prewſſen darinne nit gemeldet werben.

Item iſt es auch zu merden, ob der Hohemeifler dem von Bolan etc. infunderheit dorumb wöll zu jpreden, das er im die gelobten vnd geſchworne eynung die zwuſchen ine geweit ift, nit gehalten babe, ond jo er das tun wollte, jo iſt aber befler der anlaß werde mit gemainen worten angezogen vnd begriefjen.

Es ift auch dagegen zu merden, ob der von Bolan herwiederumb ettlich vordrunge zu dem Hohemeifter und orden babe, die ouch das lannd zu Preuſſen nit beruren, dan were dem aljo und weren dan diefelben vorderung vmb trefjenlidh gegrundet ſach, doran dem orden vil gelegen were, vnd die der orden im rechten nit wol vorant- wurtten mochte, jo were nit gut, das der anlaß mit gemeinen mwortten begrieffen wurde, funder e8 were befier, da3 er allain geſetzt wurde auf die vorderung, die fie beyderjeyt von der lannd wegen zu Preuſſen zuſammen betten.

Darnach jo ift zu merden, das ber anlaß vf den König vnd ben Hohemeilter auch des Konigs erben vnd nachkommen Konig vnd ben Hohemeifter vnd fein nachkummen Hohemeifter gejagt werde, auf das ob der Konig mit tobe verjchiene, ee Die ſache in craft des anlaß geendet wurbe, das dan ber anlaf fein erben und nachkummen Konig gleihwol bunde.

Analelten. . 499

Item es iſt auch gut, fo ferre Das mag erlangt werben, das ber anlaß allein vff den Hohemeifter vnd fein nachkummen, vnd nit vf den orden gejagt werde, vnd Ye freyer ber orden und ye mynner er in craft des anlaß geen bem von Bolan verbunden wurbet, ye beſſer das ift, vnd folich ftud wil einen jundern fug haben vf bas es zu wegen pracht werbe.

Zum dritten ift zu merden, jo ferre man zu zeytten be anlaf von dem von Beheym mag em wiellen erlangen etc. das man dan die jah auf ine veranlaß nit allein als auff einen wilfurtten richter, den man arbitrum nennt, junder das auch in ben anlaß geſetzt werde, das beyd parthey ir ſach vf ine vnd feyn ordentlichen gericht“ zwang fomen jegen vnd ſich in denjelben ordentlichen gerichtzwang in diefen jachen geben und den damit erweittern, das ift darumb gut wan dadurch fo wurbet er nit allein arbiter funder auch judex prorogatus vnd gewynnet deßhalb im rechten meer gewalts vber ben von Bolan dan er junft bette, jo er allein arbiter were, man mag auch fein proceß vil mynder aljo anfechten, dan man funft thun mochte.

Dornach jo ift zu merden, das der anlaß nyt weytter dan vf bie genante zwo parthey vnd nit vf ire undertan oder bie iren gejegt werde, wan wie er auf ire vntertan oder bie iren gejegt wurbe, jo mochten dadurch die ftette vnd ander zu Preuſſen vmb ire geſprechen . geen dem Hohemeiſter auch zu vorderung vnd anſprach in crafft des anlaß kumen vnd wurde ber Hohemeifter in feinem vorbern vnd an⸗ clag geen dem von Bolan geirret, das dann nit gut were.

Meer fo ift zu merden von ber zeyt wegen, ob gut were das in dem anlaß ein zeyt gejagt wurde in der der Konig feinen ent- ſchied nah lawt bes anlaß tun ſollte, dorauf mochte villeiht beſſer ſein, das kein zeyt benennet wurde, wan wie ein zeyt benennet vnd die ſache in derſelben zeyt nach lawt des anlaß nit entſchieden wurde, ſo hette der Konig furtter nach außgang derſelben zeit kein macht ichts in crafft des anlaß zu handeln, doch ob man ein zeyt wolt - benennen, jo mochte man den anlaß der zeythalben alſo begrieffen, da3 die ſache in derjelben zeyt nach lawt des anlaß folt entjchieden werden, e8 were dan, da3 fie durch des Königs redtlih erkanntniß lennger verzogen wurde, dadurch mocht man albeg vrſach furdringen, die durch recht die lengerung auf in trugen, das dan vielleicht meer wieder den Hohemeilter und ben orden were, dann fur fie, wan ye lennger die ſach verczogen wurdet, Ye lennger ine das lannd zu Premfien aufjeniteet, und ye meer irrung bdorein fallen mage, vnd deſſhalb jo mochte villeicht die befte meynung fein, das fein zeyt in dem anlaß gejatt, das auch der zuſatz vnd artikel vormietten wurbe, ob fich die jache durch bat verloren, vnd darzu fein widerparthey ir vordrung vnd anſprach behabt Baben, vnd gleihmol den ſachen nad

—— -433

500 Analekten.

fummen werden nad lawt bes anlaß vnd des lonigs entſchied, ob der vber einen oder meer artikel geſchehen were.

Item dieſelb parthey die alſo dawiedder thette, ſolte auch gehalten ſein vnd aller meniglich macht haben, ſie vnd die ſein an leib vnd gut anzugreiffen vnd mit ine zugefarn gleicherweiß vnd in allermaß, als ob fie mit rechtem vrteyl erwunden und in die acht vnd aber- acht getan were, Vnd dawieder ſolt dieſelb parthey nit friſten noch beſchirmen keinerley recht, freyheyt, gnade, verſchreybung, puͤntniß oder eynung, von wem ſie die hette nymant darinne auſſgenommen noch hindangeſetzt ote. Alles in der beſten forme, die man wol ſetzet.

Druck von Friedr. Andr. Perthes in Gotha.

EZ wi 1 - u ————⏑— 12 (Tr